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Full text of "Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden"

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LIBRARY 


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MSTEN ER GE 


HANDBUCH 


DER 


BIOCHENISCHEN ARBEITSIIETHUDEN. 


HERAUSGEGEBEN VON 


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# 
5 


PROF. DR. EMIL ABDERHALDEN, 


DIREKTOR DES PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTES DER UNIVERSITÄT HALLE A. S, 


ACHTER BAND. 


BEARBEITET VON 


Prof. Dr. Emil Abderhalden, Halle a. S. — Prof. Dr. G. Barger, London — Prof. Dr. Viktor Grafe, 

Wien — Dr. Rudolf Hanslian, Berlin — Dr. Paul Hirsch, Jena — Dr. Richard Kempf, Berlin- 

Dahlem — Prof. Dr. August Krosh, Kopenhagen — Reg.-Rat Prof. Dr. E. Küster, Dahiem — Dr. Emil 

Löwi, Wien — Prof. Dr. R. Metzner, Basel — Prof. Dr. M. Nierenstein, Bristol — Dr. Emil Reiß, 

Frankfurt a. M. — Dr. P. Rona, Berlin — Priv.-Doz. Dr. R. Siebeck, Heidelberg — Dr. V. Vouk, Zagreb 
“ (Agram) — Priv.-Doz. Dr. Edgar Zunz, Brüssel. 


MIT 298 TEXTABBILDUNGEN UND 1 FARBIGEN TAFEL. 


[2]? | 
URBAN & SCHWARZENBERG 
BERLIN WIEN 
N., FRIEDRICHSTRASSE 105b I, MAXIMILIANSTRASSE 4 


1915. 


Alle Rechte, gleichfalls das Recht der Übersetzung in die russische Sprache 
; vorbehalten. AR 


Vorwort. 


Wieder geht ein Band der Biochemischen Arbeitsmethoden 
hinaus! Er umfaßt die verschiedenartigsten Gebiete. Teils sind frühere 
Mitteilungen ergänzt, teils handelt es sich um ganz neu aufgenommene 
Forschungsgebiete. Das Handbuch soll zwischen den verschiedensten 
Gebieten vermitteln und den einzelnen Forscher auf Methoden auf- 
merksam machen, die für seine spezielle Forschung anwendbar, ihm 
jedoch vielleicht nicht so vertraut sind, weil sie im Anschluß an ganz 
andere Fragestellungen zum Ausbau gelangt sind. Manche Forschung 
bleibt unvollkommen, weil das bearbeitete Problem von zu wenig 
Seiten aus zur Bearbeitung gekommen ist. Vermag das vorliegende 
Werk in dieser Richtung Lücken auszufüllen, dann ist eines seiner 
wesentlichsten Ziele erreicht. 

Das Werk wird fortgesetzt. Mit dem zehnten Bande wird ein 
Generalregister über das ganze Handbuch zur Ausgabe gelangen. 

Allen Herren Mitarbeitern sei für ihre freundliche Unterstützung 
des Werkes herzlich gedankt. 


Halle a.d.S., den 15. November 1914. 


Emil Abderhalden. 


Inhaltsverzeichnis. 


Berichtigungen zu Band VI und VII. 


Mikroskopische Methode zur Bestimmung des Molekulargewichtes. Bearbeitet 
Be Bärser, London. . 2 Ns. on en. 


Beschreibung und Beispiele . 

Indirekte Bestimmung des Gefherpunkten Er dee arllren Deuciee kleinster 
Mengen von Blut, Harn und Pflanzensaft . 

Bemerkungen zu der Methode. i 

Benutzung der Methode bei höherer TerseeanE i 

Empfindlichkeit der Methode. Vor- und Nachteile . 


Messung der Oxydations- und Gärungsgeschwindigkeit in Zellen nebst einigen 
Bemerkungen über die Technik zellphysiologischer Untersuchungen. 


Bearbeitet von Privatdozent Dr. R. Siebeck, Heidelberg . . .. ... 12— 


Allgemeine Vorschriften 
Allgemeine Fehlerquellen 
Einige technische Vorschriften 
Die Gewinnung des Materials i 
Allgemeine Bemerkungen für Versuche an überlebenden Organen . 
Spezieller Teil . 
Bestimmung der Oxydationsgeschwindigkeit 
Erste Methode . - 
Ausführung eines V RE 
Fehlerquellen 
Zweite Methode . 
Prinzip der Methode . 
Apparate 
Ausführung eines inächedi ; 
Die Berechnung des Ehren hraiiehen. 
Kontrollversuche . 
Fehlerquellen 


Bestimmung der Kohlensäureentwicklung . 


Prinzip der Methode . . 
a SE 5% 
Ausführung eines Versuches . 
Berechnung des Resultates 


Seite 


Ay 


—11 


1 


le or er) 


43 


wo wm mw 
VD Om 


38 


Inhaltsverzeichnis. 


Messung der Gärungsgeschwindigkeit an Hefezellen oder -preß- 


Seite 


saft 42 
Prinzip der Methode 42 
Apparate - = 42 
Ausführung eines Versuches 42 
Berechnung der Ergebnisse . 43 

Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. Bearbeitet von Privatdozent Dr. med. 
Edgard Zunz, Brüssel 44—83 
I. Probemahlzeiten 44 
II. Gewinnung des Mareniuhalter 49 
III. Feststellung der Gesamtmenge des Masensnkltes 52 
IV. Feststellung der abgesonderten Magensaftmenge . 53 
V. Physikalisch-chemische Untersuchung des ee 97 
VI. Eigentliche chemische Untersuchung des Mageninhaltes 57 
1. Qualitative Prüfung auf Säuren 58 
a) Nachweis freier Salzsäure 59 
b) Nachweis von Milchsäure . 60 
c) Nachweis flüchtiger Fettsäuren . 60 
d) Nachweis der Buttersäure 61 
e) Nachweis der Essigsäure . 61 
f) Nachweis saurer Phosphate . 61 
2. Quantitative Prüfungen auf Säuren 61 
a) Gesamtazidität IR 62 
b) Feststellung der Menge ii end : 62 
1. Reissnersches Verfahren 63 
2. Sjöqvistsches Verfahren 64 
c) Bestimmung der freien Salzsäure 65 
d) Bestimmung des Salzsäuredefizits > 66 
e) Bestimmung der gesamten gebundenen ee ; 66 
f) Bestimmung der an Aminogruppen gebundenen Salzsäure 66 
9) Jodometrische Methode zur Bestimmung der Säureaktivität nach 
Sahli-Wezrumba 5 67 
h) Quantitative Bestimmnng der Azidität saurer Phosphate 68 
i) Quantitative Bestimmung der gesamten organischen Säuren . 69 
j) Quantitative Bestimmung der Milchsäure . 2 Ba :. 
k) Quantitative Bestimmung der Azidität der flüchtigen Hottäuten . 70 
3. Prüfung auf enzymatische Eigenschaften 1 
a) Pepsinbestimmung . 71 
b) Labbestimmung . 76 
c) Lipasebestimmung . 77 


d) Nachweis von aus den dem Maker: beissen en 
oder aus den Nährstotfen selbst herrührenden Enzymen 


4. Verdauungsgrad der Proteine, der Kohlehydrate und der 
Fette 


1 


—] 


an 


Inhaltsverzeichnis. viI 
Seite 
a) Prüfung des Grades der Proteinverdauung . . » 2». 2.2....78 
b) Prüfung des Grades der Kohlehydratverdauung . . . ..... 78 
e) Prüfung des Grades. der, Fettspaltung '...... 5 vn su u cu... 78 
5. Schätzung des Schleimgehaltes ...... BE, URLS 

6. Nachweis der Anwesenheit nur Haken eise im en 
inhalte vorhandener Stoffe oder Sekrete. .......7 
BRD a we ler ser ee) 22:20 009,0 51 
BRGalleme nr... nr se EEE En sonen. arten hc 80 
BeEinkreas und Beirmsakte. aaa ee el 
2 VORTEILEN RE >) | 
RENTNER E 3,(:7> 
DENE ee Re ER RE :- 
9) Be efelwasterktoif LE 
MRGaSern. nn .: En 
ı) Alkaloide, Giykoside on Andere ande Stoffe ee 

Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung in der Biologie. Bearbeitet 
won Dr. med. Kmil’Reiss, Frankfurt M.. .. 2». sn ...2202%.. 84—119 
BEBEretzune der Refraktometer.. .. . ... 2 un net een 85 
1. Das Refraktometer nach Abbe mit heizbaren Prismen. . .......8 
Breias Milchfettrefraktometer. nach Wollny. . ....-.. 2... ..2...,87 
BerEimtanehreiraktometer nach Pulfrich. .. . . . 2... 2... ..90 
Bekerkoden der biologischen Anwendung. .. . ..2....n..../2.....9 
a ER et I 
a) Blutserum . . . . EN HEN Haan nase ae) 9 
b) iesgenbestiimung eh. RE RT. GRANDE 101 
c) Bestimmung des Bihtkarpercheny elinicne a N ee RR LO 
a rinsnidale el ee a el een... 102 
shalklunnigkeite. too. se een ne. Se ein 108 
a en en ee ae 108 
a a en re. 108 
en era een DIS 
a) Fettbestimmung. . . EEE RE 3 
b) Prüfung der blauen Lösung der. Milch. I HIT MOSES 20 TA 
Bra des; Milchserums . . 2.00 a ee wann. Al 
BrBersmempmg des; Milehzückers .. . 2... „2. use ern e. . 118 
7. Wirkung von Fermenten, Bakterien und Ähnliches ..........116 
Bere änwendunssbiete. . „. 2.0. 2... nennen. 119 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums von 
Keimpilanzen und des Treibens. Bearbeitet von Prof. Dr. Viktor Grafe, 


N ee DR SER ARE ae EEE hr ra. 120—164 
ee 120 
Liehteinfluß . . . . a Sa Er N En 10 


N ERRANG jan 


VII Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

Befeuchtung des. Keimtbetlest. 7 E.V Re Dre Tee 
Keimapparaten see A = ee 
Einfluß des Radiams uf aıe'Keimung ..- 2. „7. „2 an el 
Verfahren vonxCongdone.„ . u 21. N 2. ee 

” HERnernickenn. aNancsie rairre FE oa: 

7 HENMO Nacht... ter ae ee er 

2 Sn ustoklasa. Si. ER re EV 

Einfluß der Röntgenstrahlen auf die Kennung) N V en von KR rnicke 139 
„ von Giften und Reizmitteln auf die Keimung. . ........140 

B „ H- und OH-Ionen’auf die Keimung. > ... ...\.. ve 

x „ Gasen auf die Keimung . . RAT 
Erscheinung der ke und Einfluß de Bödenarten?. ne ne VraHleER 
Intensivdüngung . . . : a Een 
Einfluß des ektzischen. Stromes nina EI oki eg ET 
Versuche von .Demström.. 2-1... ..0: vs A ee 
Gassner. N u ee ee ee ale 

= u... .böwenherz.7..75 2.2.2 022,0, „ee ee] 

> „.  Thouveminne....2 002 2 a 
Preibenstund“Wachstumsförderung, ... . a0. Lern ee a ee 
Verschiedene Arten der Ruhe .. . . ee ee tu: 
Einfluß der Temperatur auf die Biber Se ae ee RG 
2 „ Narkotika nach Johannsen etc. .. . 2... „eo .222 100 
Warmwasserbad;nach ;Moltsicch“.; -” .. 2. wen es ne er 
Rintiußödes: Radınms’ wach Moliscch 7 eur ae 160 
Verletzungsmethode von Weber 4:7. Ara. mar. m „u 
Einstichmethode. von. Jesenko, . . „r.n wur. RER 


Gesamtanalyse von Pilanzenmaterial. Bearbeitet von Prof. Dr. Viktor Grafe, 


Wien te I ERETEFRALERNE rl RE ee 165—177 
Trocknen und Trockengewichtsbestimmung . . ..... le 
Pressen und Extrahieren, sowie Einzelbehandlung der Extrakte re 


Nachtrag zum „Sterilisieren höherer, lebender Pflanzen“. Bearbeitet von Prof. 


Dr. Viktor Grafe, Wien... N else! 
Apparate, von J:Gicklhorn 7. ...2..% rear ee 
Apparat von, W.. Schmidt 27 u. sen 6 Eee ee ee 

a „ -KPetrl 05 We er ee eu ee 
Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgranulationen in fixier- 
ten Objekten. Bearbeitet von Prof. Dr. Rudolf Metzner, Basel. . . 185—221 
IPSITTL EIG KIT rn Se en I ee . 185 
Altmanns Grkarlmehhuden der Fixierung "(einschließlich Sch ads 
Moydıhkatipn) y. ln as . are Die. lab 
Methoden der Schleim-Granula- Fieierung EL: a A 
Schneiden der Präparate und Aufkleben der Schnitte ee 
Färben der: Präparate... . 7 4 2. E72 VE 
Darstellung. der’ Kerngranula:. 7 7». So See ee 


Beispiele”zur' Erläuterung .- ..% % 52% = 2.20 1. See se RA 


Inhaltsverzeichnis. IX 


Seite 
a) Drüsen mit Übergang der Zellgranula, eventuell ganzer Zellen oder 
Zellteile in das Sekret . . . . . 201 
b) Drüsen mit teilweisem Übergang ir dena in ik Sekret and 
Lösung in diesem . .. 1 
e) Drüse mit intrazellulärer Tohanng der Genua 2 er Will) 
Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. Bearbeitet von Privat- 
dozent Dr. V. Vouk, Zagreb (Agram) ...... Dr 2 
I. Anzucht und Kultur der Pflanzen im Laboratorium . . . .222 
1. Die Prüfung des Samenmaterials auf Keimfähigkeit . . . . . . ..223 
L Bern Aıskeimen der Samen ..- . «a2 men anna. 208 
3. Keimschalen und Keimapparate .. ..... RE N, DDR 
4. Die Beschaffenheit des Keimbettes . . . REBEL 
5. Die Methoden der Beobachtung des eeleschetums Se Saeder 
6. Die Wasserkulturmethode. . . . . . 227 
7. Die Verhütung der Einwirkung der endlichen. bosstortumaluht 
a ae nee AO 
H. Die Methoden der Messung des Streckungswachstums. . .231 
1. Das Freihandmarkieren . . . N RN | 
2. Markierungsmethode von Graf v. Luxburg Sa ee a > 
3. Markierer von Wiesner. .. . ee ee = 
4. Das Teilrädchen von Grisebach uhil von ae a ee 
II. Die Apparate zur Messung des Längenwachstums . . . . . 234 
1. Das Horizontalmikroskop nach Wiesner ...........235 
Pre am Bogen nach Sachs . Si... ann +: 2836 
3. Die Adjustierung von Registrierapparaten . . » .» 2 2 0 2..2...237 
Bene nich Sachs , .» Du mn ae Sauna 2288 
Beregeweter nach -Wiosner. . . tie nn en. 29 
6. Treppenauxanometer nach Pfeffer . .... 2.2.2 2.2... .241 
7. Demonstrationsauxanometer nach Kohl .. .. De NE DA 
8. Die photographische Registriermethode nach Kohl ed 
9. Das elektrische Auxanometer nach Frost . ..........243 
10. Präzisions-Elektroauxanometer nach Bovie. . . . 2.2... ...246 
BuzEeMessuang des Diekenwachstums.... --. .-.. ..2.....250 
1. Fühlhebel nach Jost .... ae 
2. Auxanometer für Drehen nach: C. Geldes een sa 
Pebllektrsauxanometer nach Frost . . „2-2 u. 200.0. .25l 
4. Zuwachsautograph nach Friedrich ....... ee)! 
Be Messung des Flächenwachstums . . . 2: =... .. : 254 
= Das Messen der Länge und Breite. .: . - = . 2.2... . . 254 
. Die Millimeterpapiermethode . . . 2... 22... .. er. OHR 
3. Die Planimetermethode . . . . . lt) A Tao. % . „255 
VI. Die Beobachtung des Wachstums unter verschiedenen 
Außenbedingungen. ... Rn. 2.205 
1. Die Beschreibung des Strahlenfilters akt N el ER 


2. Die Vorrichtungen der Kultur der Pflanzen bei verschiedenen a 
peraturen (Differentialthermostat) . . . . » 22.2.2020. .258 


X Inhaltsverzeichnis. 


- Seite 
Quantitative Methoden zur Bestimmung von kleinen Gerbstofimengen in 
Pilanzensäften. Bearbeitet von Prof. Dr. M. Nierenstein, Bristol . 259—260 


1: Metnodesyon%Sanadar ar re Se Er R2HO 

4 RREsleck er en N ec 200) 
CH RT A 2 A) 
(Ca KREMS a a Ne 2 
F „ Nierenstein und c w. EpieBl a 3 3021 510) 


SEE 


Darstellung von physiologisch wirksamen Aminen, welche durch Entkar- 
boxylierung aus Aminosäuren hervorgehen. Bearbeitet von Prof. Dr. 
GeorferBarger, London: -.7. 2, year a ne, 12 aba 


Darstellung des w-Phenyläthylamins . .... 2.2... 0 en 
p-Oxyphenyläthylamins; 4. er er. rn ee 
5 „. AIndoläthylamuns? u, Sr a 
2 Sn DADmMaHnS an: BEE ET a neo 20%) 
> „ Iminazolyläthy ac Re ern = 


Die Analyse der seltenen Elemente. Bearbeitet von Dr. phil. Rudolf Hanslian, 
BE N U NR a a EEE EEE TE BE 269— 300 


Qualitative. Analyse... 2. ES Se ve Tee le A ae re 269 
A. Die charakteristischen Reaktionen der seltenen Elemente 269 


Gaesiumsund- Rubidtums 20. we Vo Bea EC 
Lithium. 2 Re Se ee or a > 
Thallium ss se ve ee RE ee a ae RR (0) 
PIAUNER N TERRA TE a ee 
Palladium“... 102 10 2 Er IE al 
IRIhOdrums. 220 so m ee Re TE Br BT 
Iridıumms on: Are ee Tee a EL UN TEN. 272 
Osmium. .- War en De BE, Sr a >29 
Ruthenium a0 Pa ee ee ee a EEE . 243 
Gold. er a RE Re a Re OEREE Sr, 
Molybaän ..-..00. 0024 ne gan en bee a Se 
Selena. her ee A a a RR Se ER EEG 
RE RT a NET ET DT] 
Uran En N a ee 
Indium: Ar ne 2 RE er Po N EEE) 
Berylliumt ir TR ee 279 
Die seltenen Erden FE A RB 0 Muh de I) 
Gemeinsame Reaktionen der Cerit- undeYttererden ae 
Iranthanmrrer A Sn NEE EEE ae . 281 
Ger! Eon. ee Pe ES N 1 ee 282 
ZiykOnIUMm. u... 2 ee er re re 
Thorium:.. u... 0 ee ee Re Er u 
Titan N a NN 
Tantaliı.. iss ee Be Eu 2 
Niob sn N ee a a ee 2 
Wolttam ven au un a ae Det a 2 
Vanadınıya rm see pe a ee ee ES 


Inhaltsverzeichnis. XI 


Seite 

BrGang der'quantitativen Analyse... .. 2... Be 200 
1. Veraschung, Lösung und Aufschließung . . . .. 2 2..2.....290 

2, Vorprüfung.. »:.. ne ee el 

3. Verhalten zu den un eeosrbntien ET a Eee 29 

I. Quantitative Analyse ... ee > N RE NIS] 
Gravimetrische Bestimmung dk Belens. KARTEN N THÄRR DEI TREE. RUZUN: 

e = Ph ensure FE SE on az, 

u & BEIGE BILIRN SR an N 000 

4 4 SR RT I ee 3 

ii a EEE er © 

Be neteiäche Bestimmungsdes Vitanet 22 299 
Gravimetrische e DOW Olrameeme en rin, 2: 220g 


Feststellung der ester- (bzw. fett) spaltenden Wirkung des Blutes und anderer 
Körperflüssigkeiten mittelst der „Tropfmethode“. Bearbeitet von Dr. med. 
Bester Mona, Berlin”. 2. lau. sehn. | 


Die keimfreie Züchtung von Säugetieren. Bearbeitet von Prof. Dr. med. et med. 
vet. E. Küster, Regierungsrat am kaiserlichen Gesundheitsamt, Berlin. . . 311 


Ergänzungen zyr „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“ (Bd. 1, 
S. 1—175). Bearbeitet von Dr. phil. Richard Kempf, Berlin-Dahlem . . . . 324 
Weitere Nachträge zum sechsten Kapitel („Trennen und Reinigen“): 


IV. Trennen auf Grund verschiedener Löslichkeit .... . .324 
1. Extrahieren von leicht flüchtigen Stoffen aus festen Körpern . . 324 
2. Extrahieren von Flüssigkeiten... . . . BAER | 
Belisinahieren von festen Körpern... . nm. 20.2 .,0. 2.342 
4. Umkristallisieren . . . . ; een 
5. Aussalzen, fraktioniertes Fällen ind ee Abadration 2 


V. Trennen auf Grund verschiedener chemischer Affinität. .386 


1. Waschen und Trocknen von Gasen . . . 2.2 2 2 2 2 222.886 
2. Entwässern organischer Flüssigkeiten. . . . . a | 


Nachträge zum siebenten Kapitel („Prüfen auf Reinheit“): 


I. Schmelzpunkts- und Gefrierpunktsbestimmung . . .. .419 
Mealleemeines . 2.2.2. . TTS ah RE nr A 
2. Schmelzpunktbestimmungsapparate . . . . 2 2 2 222202... 422 
Beeepunktabestimmung vr. En. ne. nenn di 
Ergänzungen zum achten Kapitel („Arbeiten mit Gasen“): 
Benennung yon. Gasen „in... 02 euere n,e en . 487 
1. Gasentnahme aus Bomben . . . . N 3 li 
2. Allgemeine apparative Technik der encklung, se Ad 
II. Spezielle chemische Methodik der Gasentwicklung. . . .454 
III. Das Auffangen und die Aufbewahrung von Gasen. . . . .478 
TE en... 478 
2. Sperrflüssigkeiten. . . . ee er 


IV. Über das Abmessen von E für inkiktine Zu Aeke. . 480 


x It Inhaltsverzeichnis. 


Seite 
Über mit dem Polarisationsapparat kombinierte elektrisch heizbare Vor- 
richtungen zur Ablesung und Beobachtung des Drehungsvermögens 
von Flüssigkeiten bei konstanter Temperatur. Bearbeitet von Prof. Dr. 


med. Emil -Abderhalden, ZHalleva: su 2111 Zen Sie ES 
Eine Wage, die automatisch Gewichtsab- und -zunahmen registriert. Bearbeitet 
von Brot, Dr. medermilApderhalden, Hallesa. Se 3 
Die Mikroluitanalyse und ihre Anwendungen. Bearbeitet von Prof. Dr. August 
Kiroch, ‚Kopenbagen.:.... 2,2 2. En ee ee ee ee 
1. .Die. Mikrogasänalyse, .-. Wise a es ee ne ee rn Se 
Genauigkeit „ur: 3% Bo ee En nt ee Eee 
TI. Die.mikroskopische Gasanalyses. 2 2.2 an nn ei Se 
Genauigkeit... .. ER 
Ill. Die Anwendungen der Mikro- And nuikepekifischen, en VE 
4A. Die Anwendung zur Analyse kleiner Gasmengen SI 
B. Bestimmung von Gasspannungen in Flüssigkeiten und Geweben 
mittelst Mikrotonometrie und Mikrogasanalyse . ........507 
Bestimmungen von Total- und Partialspannungen . . . . . .507 
Genauigkeit °. 2... TEN Re Fa a er 
Anwendung auf Spezialfälle EEE ae 
Abgekürztes Verfahren für Kohlensäure Ber Sanerstoff nn! 


Über Mikrorespirometrie. Bearbeitet von Prof. Dr. August Krogh, Kopen- 


hapen '; .... 022.2 2 De ae RES es 
Mikrorespirationsapparat von Winterstein .-.....2.2..2..2..519 
Mikrörespirationsapparat vomKrogh. . . .. .e2 2.2 2. 
Bereehnung der Sauerstoffaufnahme °. . .. . .r... 2.0 u me 
Genauigkeit . . . . 2. 
Bestimmung von en en ee EN RE DI 
Grenzen der mikrorespirometrischen Methode . . . . 2 2.2.2.2.2..2..526 


Funktionsuntersuchungen an den Lungen des Menschen mittelst gasanalyti- 
scher Methoden. Bearbeitet von Prof. Dr. August Krogh, Kopenhagen . 529—560 


Apparate und allgemeine Methodik... . . . ; De 
1. Die Bestimmung der Hignpieaktoisgtelläne: Miktelkteilnng. und Vital- 
kapazıtät der Lungen... ."..=).- ur.» » Ms ee 
2. Die Bestimmung der Residullaft ERRALR: A le RE 
SE Re 5 des schädlichen Raumes der Bexpientionan ken 2 
A. = „ Gasdiffusionskonstanten der Lungen . . ....543 
Er: 5 „ Minutenvolumens des Blutstromes . . ... . .550 
63 58 der Sauerstoff- und Kohlensäurespannungen des nach den 
Lungen kommenden venösen Blutes . . . ee a 
Bedeutung der Kreislaufszeit für die Bee N 5 und 6. . 560 


Die „interferometrische Methode“ zum Studium der Abwehrfermente. Bear- 
beitet .yon Dr. phil. Paul’ Hirsch, Jens . . . . esse ae 


Einleitung. . . Re ee ee IE R Re SR 
Piinzipler Methodeil zul Aula aut. (ol. sd 


Inhaltsverzeichnis. XIII 


Seite 

Besiching des, Interferometers.- . - -..-.. : 2. 2 Late en eine . 562 

4A. Laboratoriums-Gas- ee ED. . uns. 250 

Be Vrashbares Gasinterferometer. . . - - .. 2 2: werner. 

C. A Plüssiekeilsinterferometer . . ..: -» ©. ca... .568 

Gebrauch desifnterferometers.. ..- -. 2... 2 2 2 2 2 202..2.5:565 

IH. Die „interferometrische Methode“ zum Studium der Abwehrfermente . . . 567 

A. Anforderungen an die Organe. . . . ne eo 

B. Darstellung der Organe. Bereitung eines er tapräparntes es: > 

C. Standardisierung der Organpräparate. . . » 2 2 2 22.22.22 ..569 

BeraRsiukrune der Untersuchung ! . . Z. 2... 22.202082 .05569 

Brerleegnallenrder Methode: » . . » . v2 2» 2. 22.22 ..0.54 

Beezmigkeik der Methode : u... 2. 2 Zr. ne cn. dA 
Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. Bearbeitet von 

ee Wien . 2... 222 am san... . 573-666 
Erster Teil. Die bei biologischen Untersuchungen in Betracht kommenden 

mathematischen Operationen... . a Ar > 

Über Beobachtungsfehler und Fehleanssleickung N | 

Häufigkeitsrechnung, Wahrscheinlichkeitsrechnung und Kombinatorik 578 

Mieten een... ee ann + BR 

re Melhaden 9 a han en ao:e 589 

Balebees sr nen ee na. 59 

Zweiter Teil. Spezielle biologische Probleme in mathematischer Betrachtung 605 

1. Morphologie und Biomechanik . ....... ee 27,’ 608 

2. Bewegung und Wachstum ... ra 2 GE 

3. Erscheinungen des oreahnels El Sehkfwechselrorfänge . 621 

EEE ;)- ı 

a en een 
Dritter Teil. Mathematische Formeln als Ausdrucksmittel biologischer Ge- 

setzmäßigkeiten . . . ae 

1. Von der Tabelle über die inch Drkellunz zur Formel . 642 

2. Allgemeines über die Aufstellung empirischer Formeln. . . . . 659 

3. Die mathematische Fassung von Hypothesen . . .. .....661 

ee ee ea nn „068 

BE... ... a Ne nee 4 066 


—n Hei 


Berichtigungen. 


Band VI, Seite 211. 

Absatz 3: Bei den erwähnten Phosphinen (Methyl- und Dimethyl- 
phosphin) handelt es sich nicht um die Phosphorverbindungen, son- 
dern um die mit denselben Namen belegten Acridinfarbstoffe der 
Formeln : 


N N 
CH | | CH | | le 
SI ae. 
a s 
Nr A, 
Hi Iohhsphin Dinsthäiphosphih. 


Literaturzitat *) soll heißen „TZappeiner usw. Deutsches Archiv für klinische 
Medizin, 1896, S. 369*. 


Band VI, Seite 309, 9. Zeile von oben, statt 45 + 0'71 soll es heißen : 45x 0:71. 
Seite 350 in der Tabelle der Reagentien, 8. Zeile von oben, ist zu setzen statt: Salz- 
säure verdünnt, Salpetersäure verdünnt. 


Band VII, Seite 444, 19. Zeile von unten, statt: Normalsalzsäure '/,,-Normal 
salzsäure. 


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Eine mikroskopische Methode zur Bestimmung des 
Molekulargewichtes. 
Von @. Barger, London. 


Diese Methode, welche ich vor 9 Jahren!) beschrieben habe, fand 
‚anfangs wenig Beachtung; aber gerade in den letzten 2 oder 3 Jahren 
ist sie mehr und mehr, auch von Biochemikern, mit Erfolg angewandt 
worden. In der nachfolgenden Beschreibung sind auch die weiteren Er- 
fahrungen, welche andere und ich selbst damit gemacht haben, berück- 
 sichtigt worden. 

Die Methode ermöglicht einen genauen Vergleich der Dampfdrucke 
‘von Lösungen und beruht darauf, daß) Tropfen, die man abwechselnd zwei 
Lösungen entnimmt, in einem geschlossenen Kapiliarrohr mittelst eines 
Okularmikrometers gemessen werden; sind die Dampfdrucke nicht gleich, 
‚so findet eine isotherme Destillation statt, welche verursacht, daß die 
Tropfen mit niederem Dampfdruck sich allmählich auf Kosten der zwi- 
‚schen ihnen liegenden Tropfen mit höherem Dampfdruck vergrößern. Durch 
mehrere Versuche kann man also zwei Lösungen von bekannter Molekular- 
_ konzentration finden, zwischen welche die Molekularkonzentration der in 
Frage kommenden Lösung liegt, und falls der Gehalt der letzteren bekannt 
ist, kann man das unbekannte Molekulargewicht berechnen. 

Lösungsmittel. Im Laufe der Zeit sind etwa zwei Dutzend ver- 
schiedene Flüssigkeiten angewandt worden. Diese brauchen weder einen 
konstanten Gefrierpunkt, noch einen konstanten Siedepunkt zu besitzen (nur 
müssen die zu vergleichenden Lösungen mit derselben Probe des Lösungs- 
mittels hergestellt werden). Man kann also z. B. Petroläther, verdünnten 
Alkohol und Terpentinöl ebenso gut wie reine Flüssigkeiten benutzen und 
vor allem auch Pyridin; letzteres ist für viele Substanzen ein ausgezeich- 
netes Lösungsmittel, das aber für Siedepunktsmessungen nur schwierig zu 
reinigen ist. 

Das Einfüllen der Röhrchen macht mit unter 50° siedenden Lösungs- 
mitteln Schwierigkeiten und ist mit ätherischen Lösungen noch eben mög- 


) @. Barger, A microscopical method of determining Molecular weights. Journ. 
Chem. Soc. Vol. 85. pag. 286 (1904); Eine mikroskopische Methode der Molekular- 
‚gewichtsbestimmung. Ber. d. Deutschen chem. Gesellsch. Bd. 37. S. 1754 (1904). 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 1 


2 G. Barger. 
lich. Siedet das Lösungsmittel oberhalb 120°, so müssen die Röhrchen in 
einem später zu beschreibenden Apparat erwärmt werden; diese Abände- 
rung gestattet noch die Verwendung von Anilin und Nitrobenzol. 

Als besonders geeignet lassen sich außer Pyridin Äthylazetat, Alkohol 
und Wasser empfehlen. In Benzol, Chloroform usw. ist bei hydroxylhaltigen 
Substanzen wie immer die Möglichkeit von Assoziation zu berück- 
sichtigen. 

Als Vergleichssubstanz von bekanntem Molekulargewicht kann 
man die verschiedensten, nichtflüchtigen Körper benutzen. Benzil, Azo- 
benzol und &-Naphthol sind in organischen Lösungsmitteln am meisten 
verwendet worden. Für Wasser ist Rohrzucker oder Borsäure vorzuziehen; 
im letzten Falle kommt die elektrolytische Dissoziation nicht in Betracht 
und die Lösungen bleiben steril und sind unbegrenzt haltbar. 

Die verschiedenen Lösungen stellt man bequem in kleinen 5 bis 
10 cm? fassenden Meßzylindern mit eingeschliffenem Stopfen her. Falls für 
eine Molekulargewichtsbestimmung nur sehr wenig Substanz zur Verfügung 

steht. sobereitetmanderen 

Fig.1. Lösung durch Wägung in 

einem kleinen verschlos- 
senen heagenzrohr. 

Die Kapillarröhr- 
chen fertigt man sich aus 
einem etwa 12—15 mm 
weiten, ziemlich dickwan- 
digen Glasrohre an, das 
man zu einer etwa meter- 
langen Kapillare auszieht: diese bricht man nach dem Kratzen mit einer 
neuen, scharfkantigen Feile in etwa 15 cm lange Stücke. Die lichte Weite 
der Kapillare soll für organische Lösungsmittel etwa 0'9—1'3 mm be- 
tragen. Für Wasser nimmt man, dessen größerer Oberflächenspannung 
entsprechend, S—10 cm lange und 1’5—2 mm weite Röhrchen, bei deren 
Herstellung besonders auf Reinlichkeit zu achten ist. 

Das Einfüllen der Tropfen in die Röhrchen erfordert eine ge- 
wisse Übung, die aber in einer halben Stunde leicht zu erreichen ist. Man 
hält das Röhrchen zwischen Mittelfinger und Daumen und während man 
das obere Ende B (Fig. 1) mit dem Zeigefinger hermetisch verschließt, 
taucht man das untere Ende A in die Lösung der Substanz von bekanntem 
Molekulargewicht. (Zum bequemen Verschließen müssen die Röhrchen genau 
quer abgeschnitten sein.) Nun vermindert man den Druck des Zeigefingers 
auf B und läßt dadurch ein Säulchen von 5—10 mm eintreten. Dann ver- 
schließt man das obere Ende wieder mit dem Finger, hält das Rohr ge- 
neigt, so daß A etwas höher steht als B und vermindert den Druck auf 
B, so daß Luft entweicht und das eingetretene Säulchen in das Rohr 
hinabgleitet, bis es etwa 2-5 mm von der Eintrittsöffnung entfernt ist. 
Jetzt verschließt man B wieder (wischt eventuell die Flüssigkeit, welche 


Eine mikroskopische Methode zur Bestimmung des Molekulargewichtes. 3 


dem Ende A äußerlich anhaftet, ab) und berührt dann die Oberfläche der 
zweiten Lösung (der Substanz, deren Molekulargewicht man bestimmen 
will) mit diesem Ende A. Dieses Mal entfernt man den Zeigefinger nicht, 
so dal keine Luft aus dem Rohre entweicht, und nur ein ganz kleiner, 
bikonkaver Tropfen eintritt. Man hält das Rohr abermals in schiefer Lage 
und läßt wie vorher die Tropfen 2—3 mm in das Rohr hineingleiten; 
dann nimmt man ebenso einen kleinen Tropfen aus der ersten Lösung 
auf, usw. Schließlich läßt man wieder ein Säulchen von 5—10 mm Länge 
eintreten, und da hierzu die Oberflächenspannung meistens nicht ausreicht, 
taucht man das Ende A tiefer in die Lösung und regelt durch Vermin- 
derung des vom Zeigefinger auf B ausgeübten Druckes die einzutretende 
Flüssigkeitsmenge. Sind alle Tropfen eingefüllt, so läßt man sie jetzt 
hinabgleiten, bis das letzte Säulchen I cm von der Eintrittsöffnung ent- 
fernt ist und schmilzt letztere dann in einer möglichst kleinen Flamme 
zu. Der vordere Teil des Röhrchens wird I—2 cm vor dem zuerst einge- 
tretenen Säulchen abgeschmolzen. Zur bequemeren Handhabung klebt man 
die Enden der Röhrchen mittelst „Plastieine* (eine zum Modellieren be- 
nutzte Massa) oder mittelst dickflüssigen Kanadabalsams auf einen Objekt- 
träger oder fixiert sie darauf mit Gummibändchen. Die Anordnung ist aus 
Fig. 1 ersichtlich. 

Die schwarz gezeichneten Tropfen 7, 3, 5 und 7 haben eine be- 
kannte Molekularkonzentration; die Tropfen 2, $ und 6 sind der Lösung 
der Substanz mit unbekanntem Molekulargewicht entnommen. Die Nummern 
geben die Reihenfolge an, in welcher die Tropfen eingetreten sind. Die 
Zahl der Tropfen kann eine beliebige sein; da aber beim Einfüllen eine 
gewisse Mischung stattfindet (siehe unten), so verwendet man am besten 
keine allzu große Zahl. 

Messung der Tropfen. Nur die kleinen Tropfen (2—6) werden 
gemessen; die größeren Säulchen (/ und 7) dienen zum Verschluß und 
ändern sich meistens unregelmäßig beim Abschmelzen und durch Ver- 
dampfen in die Endlufträume hinein; damit ihre Konzentration dadurch 
nicht zu viel beeinflußt wird, sind sie länger gewählt. 

Zur Messung leet man den Objektträger samt Röhrchen in eine 
flache Glasschale (am besten in eine quadratische Petrischale, wie sie in 
der Bakteriologie benutzt wird) und gießt Wasser hinzu, bis die Röhrchen 
gerade bedeckt sind. Dadurch vermeidet man die Bewegung der Tropfen 
durch Ausdehnung der Lufträume infolge ungleichförmiger Erwärmung, 
und zugleich verbessert man die optische Definition. Zwischen der Unter- 
seite der Schale und dem Objekttisch bringt man einige Tropfen Wasser, 
um ein gleichmäßiges Gleiten der Schale über den Tisch zu ermöglichen; 
hierdurch wird ein beweglicher Objekttisch völlig unnötig. 

Die Wahl des Mikroskopobjektes wird einerseits bestimmt durch den 
Wunsch nach möglichst genauer Messung, andrerseits muß die Dicke der 
Tropfen die Skalalänge nicht überschreiten. Falls die Röhren in der oben 
angegebenen Weise gefüllt werden, kann man sehr gut ein Objektiv von 

1* 


4 G. Barger. 


etwa 18 mm Brennweite benutzen (z.B. Leitz Nr.5). Das Okular sei stark, 
z.B. Leitz Nr. 4. Ein besonderes Mikrometerokular ist nicht nötig; man 
kann einfach eine Mikrometerplatte auf die Blende legen und letztere ein 
wenig verschieben, bis die Skala nach dem Einschrauben der oberen Linse 
scharf zu sehen ist. 

Die oben angegebene Kombination vergrößert ungefähr 66mal, und 
falls man ein Zeisssches Mikrometer mit 50 Teilungen benutzt, so hat 
jede Teilung einen Wert von 17 v». Da man leicht bis auf Zehntel abliest, 
so bekommt man die jeweilige Dicke eines Tropfens mit einer Genauig- 
keit von 2—3 v. 

Die kleinste Dicke der Tropfen muß also kleiner sein als 0:85 mm. 
Da die Genauigkeit der Messung sehr groß ist, könnte man auch wohl 
ein etwas schwächeres Objektiv benutzen. | 

Das Mikroskop wird auf die Achse der Kapillare eingestellt; dann 
sind die beiden Menisken eines Tropfens sehr scharf definiert. Der Abstand 


Fig. 2. 


ORDER: 


0 20 30/ 40 50 
vnpenfunfsnhunnderu pp lnuefen hun] 


ZEDEDDDDDDZDEDDDIDD 


zwischen ihnen ist in der Achse zugleich am kürzesten, was die Einstel- 
lung sehr erleichtert. Man verschiebt die Petrischale bis der eine Meniskus 
möglichst mit dem Nullpunkte der Skala übereinstimmt, und falls das 
Okular mit einiger Freiheit in den Tubus paßt, kann. man die genaue 
Übereinstimmung am leichtesten durch seitliches Bewegen des Okulars er- 
reichen. Das Bild unter dem Mikroskop ist aus Fig. 2 ersichtlich. 

Nach einem Zeitraum, der vom Dampfdruck des Lösungsmittels so- 
wie vom Konzentrationsunterschied der Lösungen abhängt und von wenigen 
Minuten bis zu einem Tage wechseln kann, werden die Tropfen wieder 
gemessen. Alsdann ergibt sich im allgemeinen, daß die Tropfen der einen 
Lösung dünner, die der anderen dicker geworden sind. Bisweilen nehmen 
anfangs alle Tropfen ein wenig zu, aber in der einen Serie ist dann die 
7/unahme viel kleiner als in der anderen und sie hört bald auf. 


‘ Eine mikroskopische Methode zur Bestimmung des Molekulargewichtes. 5 


Folgendes Beispiel zeigt die Änderungen von Tropfen, abwechselnd 
025 und 0'24 molar, von Harnstoff in 90°/,igem Alkohol. 


Nummer der Tropfen I | | II | IH IV V vI | Vo | 
| | | 
| | | | | 
Molarkonzentration | 0:24 | 025 | 024 | 025 024 | 025 | 0:24 
== | | | 
Nach O Minuten .:...| — | 360. | 364 | 347 | 384 | 367 | — 
rn, Be ea 3 | 582: | 68 | — 
Er en ee areas | 360 | 380 | 300 | — 
| | | | | 
ee era. |+12) —-1| #3 means. | 


In den folgenden Beispielen sind nur die Größenänderungen an- 


‚gegeben. 


I. Bestimmung des Molekulargewichtes von Traubenzucker, wenn das 
von Rohrzucker — 342 bekannt ist. 

Traubenzucker in Wasser gelöst, 25°02 g pro Liter in den Tropfen I, 
III, V, VO, Rohrzuckerlösung in den Tropfen II, IV, VI. 


| I} 

| Rohrzucker | Zeit I BU" I Iy | \ VI 
0:05 Molar . | 18 Stdn. +230 —97 | +71 | —79 | +71 +548 | 
se | Zis | +35 |/=51. | +30 |. -+130= | 
er rel >| 39 | -2 | Ha | 4m] 
sis a5 45 Zı +5 1 +16 | 
ehe | 0 line Su 
Be, - |: 3| +8 0 a N 
| 020 .., | SR, — 4 | +5 —57 +53 —45 251 | 
025 s | 3 ko — 5 +55 —81 +65 — 78 —354 | 
| 


Die letzte Spalte zeigt die Summe der Änderungen der fünf Tropfen 
eines Rohres.) Man findet also, daß die Traubenzuckerlösung zwischen 
25:02 

014 


0:13 und 0:14 Molar ist. Demgemäß ist das Molekulargewicht zwischen 


- 


2502 4 R 
13° oder 179—192. Berechnet für C,H,s0, 180. 

Beim gleichmäßigen Arbeiten kann man bis zu einem gewissen Grade 
eine Interpolation vornehmen. Mit Hilfe der letzten Spalte findet man für 


und 


1) Der Tropfen Nr. II von 0:13 Molar Rohrzucker hätte kleiner werden sollen; 
daher ist der Zuwachs bei der Berechnung der letzten Spalte abgezogen worden. 


6 G. Barger. 


die isotonische Konzentration 013 + Er x 001 = 0'137 und für das 
Molekulargewicht von Traubenzucker den genaueren Wert a —183: 


II. Bestimmung des Molekulargewichtes von Schwefel in Schwefel- 
kohlenstoff gelöst, wenn das Molekulargewicht von Triphenylmethan = 244 
bekannt ist.!) Zimmertemperatur. 


Schwefel 43°3 g pro Liter. 


Triphenylmethan | Zeit II DI | IV | V | Va 
0155 Molar . . .|| 14 Min. +4 ii) +6 | 20 +5 
Valcn 8 > Se EB —1 +18: 7,20 —2 

| 


Im Durchschnitt ist also 43°3g pro Liter = 0'16 molar und das 
Molekulargewicht des Schwefels — — 270. (Beckmann fand mit der 


Siedemethode im Durchschnitt 256.) 

III. Indirekte Bestimmung des Gefrierpunktes von Harn.?) Zum Ver- 
- gleich wurden Borsäurelösungen von bekanntem Gefrierpunkt verwendet; 
die Zeit betrug 24 Stunden. 


Borsäure H B H B | H | Summa 
2070, KB 249: E19 N 66 
08 ae ea ee ee 80 


Durch Interpolation mit Benutzung der letzten Spalte findet man 
80 
80 +66 

IV. Indirekte Bestimmung des osmotischen Druckes des Zellsaftes von 
Salicornia ramosissima mittels Kochsalzlösungen nach Halket.°) 


den Gefrierpunkt des Harns zu — 06° — x 01° = — 066°. 


!) Journ. Chem. Soc. Vol. 85. pag. 318 (1904). 

?) @. Winfield, The comparative osmotie pressure of the blood and of the urine 
during diuresis caused by Ringer’s fluid. Journ. Physiol. Vol. 45. pag. 184 (1912). 

®) Miss A. C. Halket, On various methods for determining osmotie pressures. 
With a description of the application of Barger’s method of determining molecular 
weights to the estimation of the osmotie pressure of the cell sap of plants. The New 
Phytologist. Vol. 12. pag. 164 (1913). 


el A a ae ı N 
“: 


Eine mikroskopische Methode zur Bestimmung des Molekulargewichtes. 7 


Salzkonzentration | Na Cl | Saft | Na Cl | Saft | Na Cl 
IEMOlarL | - +49 —52 +69 — 
11 EEE | — +33 —11 +22 — 
12 ER EEE | - —11 +10 —19 _ 
13 2 en = — 9A +10 — 95 — 


Der Zellsaft entspricht also einer 1'15 molaren NaÜl-Lösung. 


Bemerkungen. 


Die Bedingungen für die Bildung von Tropfen, deren Dicke die 
Skalalänge nicht übersteigt, lassen sich durch folgende Überlegung klar- 
stellen. Die kapillare Steighöhe in offenen Röhren ist der Oberflächen- 
spannung direkt, dem Radius des Rohres umgekehrt proportional. Da die 
zu messenden Tropfen aber in geschlossenen Röhren eintreten, wirkt die 


Kompression der Luft dem weiteren Eintritt von Flüssigkeit bald ent- 


gegen; dieser Druck hängt von der Länge der Kapillare ab. Da die Ober- 
flächenspannung von Wasser etwa 2—3mal so grol) ist als die der meisten 
organischen Lösungsmittel, nimmt man für Wasser weite und kurze Röhren 
(15—2 mm weit, S—10 em lang). für organische Lösungsmittel sind diese 
Dimensionen dagegen 09—1'3 mm und 15 cm. 

Wegen der großen Oberflächenspannung vom Wasser benetzt es die 
Röhren weniger leicht und die Form des Meniskus kann dadurch un- 


regelmäßig werden; deshalb müssen die Kapillaren für Wasser ganz rein 


sein. Am besten reinigt man das Glasrohr vor dem Ausziehen mit warmer 
Chromsäure, Alkohol und Äther. Falls beim Einfüllen die Wassertropfen 
nicht genügend leicht in das Rohr hinabgleiten, kann man sich auch so 
helfen, daß man. nachdem ein Tropfen aufgenommen worden ist. 
den oberen Teil der Kapillare in einer Flamme etwas erwärmt und dann 
das obere Ende mit dem Finger verschließt: beim Abkühlen wird der 
Tropfen eingesaugt. 

Da bei dem Einfüllen jeder Tropfen über einen Teil des Rohres 
fließt, der von einem Tropfen der anderen Lösung benetzt worden ist, so 
findet eine Mischung statt, was den Konzentrationsunterschied vermindert. 
aber ihn nicht aufheben, viel weniger umkehren kann; hierdurch wird 
zwar die Empfindlichkeit, aber nicht die Zuverlässigkeit der Methode beein- 
flußt. Um diesen Einfluß so klein wie möglich zu machen, läßt man nur 
kleine Lufträume zwischen den Tropfen und läßt diese auch nur so weit 
einfließen, als zum Zuschmelzen der Fintrittsöffnung nötig ist. Bei leicht 
flüchtigen Lösungsmitteln, z. B. Azeton, empfiehlt es sich, die Kapillaren 
nicht zuzuschmelzen, sondern sie durch ein Piröpfchen Paraffin- oder 
Bienenwachs zu verschließen, das man in geschmolzenem Zustande auf- 
nimmt, besser und einfacher noch ist ein Verschluß durch einen kleinen 


8 G. Barger. 


Pfropfen „Plastizin“, den man herstellt, indem man die Kapillare in ein 
Stückchen dieses Materiales hineinpreßt. Das Abschmelzen des vorderen, 
leeren Teiles des Rohres kann immer in genügender Entfernung des zu- 
erst eingetretenen Säulchens geschehen. 

Die Fehlerquellen der Methode liegen hauptsächlich in Konzen- 
trationsänderungen der Lösungen, die vor oder bei dem Einfüllen der 
Tropfen entstehen. Hat man nur sehr wenig einer Lösung in einer orga- 
nischen Flüssigkeit, so kann sie bei längerer Arbeitszeit Wasser aus der 
Luft anziehen oder auch verdampfen. Ihren Gehalt kontrolliert man dann 
am besten nach beendeter Bestimmung des Molekulargewichtes. Bei sehr 
flüchtigen Lösungsmitteln kann auch die Verdampfung während des Ein- 
füllens stören und dies bewirkt z. B. bei Azeton, wenn der aufgenommene 
Tropfen 15 Sekunden in der Eintrittsöffnung verbleibt, eine Konzen- 
trationsänderung von etwa 10°/,. Da aber normalerweise der Tropfen 
nur während einzelner Sekunden der Verdampfung ausgesetzt ist, und 
die beiden Lösungen bei regelmäßiger Einfüllung gleichartig beeinflußt. 
werden, so kommt dennoch diese Fehlerquelle beim Azeton wenig, bei den 
meisten anderen Lösungsmitteln kaum und beim Wasser gar nicht in 
Betracht. 

Die gelöste Substanz darf nicht flüchtig sein, was ja auch für ebul- 
lioskopische Untersuchungen gilt. Aus diesem Grunde findet man z.B. das 
Molekulargewicht von Phenol in Azeton zu hoch, wenn man es mit einem 
nichtflüchtigen Körper, wie Salizylsäure, vergleicht. 


Benutzung der Methode bei höherer Temperatur. 


Der Gedanke liegt nahe, die wechselseitige Änderung der Tropfen 
durch Temperatursteigerung zu beschleunigen, und dies ist sehr gut mög- 
lich; nur müssen die Messungen bei ziemlich konstanter Temperatur an 
den erwärmten Röhrchen vorgenommen werden, da bei Kühlung das 
Lösungsmittel sich aus den Lufträumen auf die Wände des Röhrchens 
niederschlägt und so zu Unregelmäbigkeiten Anlal gibt. Eine Einrichtung, 
welche die Messung bei erhöhter Temperatur gestattet, läßt sich wie folgt 
in jedem Laboratorium herstellen. 

Fig. 3 zeigt den Apparat im Längsschnitt (?/,), Fig. 4 im Quer- 
schnitt in natürlicher Größe. 

Ein dünnwandiges Glasrohr von etwa 25 mm Durchmesser wird in 
zwei Schenkel von 6 und 12 cm Länge gebogen. 

Die beiden Enden werden mit Gummistopfen verschlossen; bei A 
fließt heißes Wasser ein, das bei B wegfließt; an diesem Ende taucht auch 
ein Thermometer ein. Eine kleine Glasplatte C trägt die Kapillaren, die 
durch zwei Gummibändchen festgehalten werden. Die Platte wird aus 
einem Objektträger hergestellt und ist gerade so breit, dab die Kapillaren 
möglichst von der Wand des Beobachtungsrohres entfernt sind, ohne die 
Schärfe der optischen Messung zu benachteiligen. Bei dem Objektiv Nr. 3 


Eine mikroskopische Methode zur Bestimmung des Molekulargewichtes. 9 


von Leitz (Brennweite 15 mm) und einem Rohr von 23 mm lichter Weite 
soll die Glasplatte 16 mm breit sein. Hier könnte man auch wohl ein 
schwächeres Objektiv benutzen. Die Kapillaren liegen am besten mit ihren 
Enden auf zwei etwa 1!/, mm dicken Querstreifen aus Glas, die auf die 
Platte © gekittet sind; in dieser Weise sind die Tropfen ringsum von 
Wasser umgeben. 

Die Platte © wird durch eine Spiralfeder aus Kupferdraht D gegen 
die Wand des Rohres gedrückt, und zwar befindet sich die Spiralfeder an 
einem Ende, wo sie die Beobachtung nicht stört. Zur bequemeren Hand- 
habung liest der Apparat in einem passend ausgeschnittenen Holzblock, 
der entweder an der Unterseite eingefettet ist oder mit Siegellack auf 
einer Glasplatte befestigt ist, so daß der Apparat leicht über den Mikro- 


Fig. 3. 


Fig. 4. 


TION 
ZINN 
FEN RTLNU N NT 


skoptisch gleitet. Das kochende Wasser fließt aus einem kleinen Wasserbade 
mit konstantem Niveau zu, welch letzteres von einem viel größeren Wasser- 
bad mit heißem Wasser gespeist wird. Das Abflußrohr aus Gummi hat 
eine Klemmschraube zur Regulierung des Wasserstromes. 


Zur Ausführung einer Bestimmung bringt man die Kapillaren mit 
den Vergleichslösungen verschiedener Konzentration in den Apparat und 
leitet Wasser ein, bis die Temperatur auf 70—95° gestiegen ist und inner- 
halb 1—2° konstant bleibt. Dann führt man die erste Messung aus und 
wiederholt sie nach 5—15 Minuten. Mit Anilin und Benzaldehyd ist bei 
90° für Konzentrationsunterschiede von 2—3°/, Y/s Stunde nötig; Nitro- 
benzol erfordert mehrere Stunden. 


Es seien einige Beispiele angeführt. 


I. Bestimmung des Molekulargewichtes von Diphenylamin 33°8 4 
pro Liter mittelst Triphenylmethan in Äthylendibromidlösung. 


10 G. Barger. 


|| | 
Triphenylmethan | | Ah D | T | D 
z | 
0:21.Molar;.. „222 10:50 — 228 | 281 392 | 328 | 407 — 
116 —. | 227 | 290 | 388] 336 | 405 | = | 
Zen Be 50%... | 
020 Mar... .| 10sı | - | sı8 | 307 | 388 | 308 "839212 2 
| 21277 — 313 | 371 | 383 | 331 | 333 — | 
| 5 4) +8 | 6 
| | 
019 More. 10:52 N 295 | 392 | 325°] 415 | 7 = 
\besben, — | 420 | 292 | 403 | 330 | 420.| — 
| 491-3 | 41) 4214 | 
Im Mittel ist die Diphenylaminlösung also 0'195 Molar. 
Re = N 
Molekulargewicht von Diphenylamin 105 — 173,. berechnet: Fur 


BEE, DN169: 
Il. Bestimmung des Molekulargewichtes von Adrenalin gelöst in 
Eisessig bei 90° mittelst Benzil.!) 0:'0732 Adrenalin in 2 g Eisessig. 


| | Summe 
| | der Diffe- 
| Benzil || Zeit B A B.:2] 2 SAGE TR B renzen | 
| | | per 10 Mi- 
| | | | | | nuten 
|'093Molar| 7. Min. | —_ 131.47. | 26. yo 
021 7 — 1-83 | ea —\ 
| 0'205 „ || 18 — 1471-31 42|5| 4| — +9 
| 0:20 8 — +61. -3 —3 +3 | +1 — ? 
' 019 11 = Fa OS ae 

Im Mittel ist die Adrenalinlösung also 0'2075 Molar. 

.:. .0°0732 1000 Br 
Molekulargewicht von Adrenalin u — = 116. 
2 02075 


Berechnet für C,H,,0,N 183. 
III. Bestimmung des Molekulargewichtes von Benzidin gelöst in Anilin 
36°3 g pro Liter bei 90° mittelst Benzil. 


Benzil Zeit Bl | Bad Bl Ba Bl Bd Bl | 
| | ad 
020 Molar | 40 Min N Et | a | 
DOSE, else ee RER Rs 9 — 
l 


!) @. Barger and A. J. Ewins, Note on the molecular weight of epinephrine. 
Proc. Chem. Soc. Vol. 22. pag. 39 (1906). 


‘ Eine mikroskopische Methode zur Bestimmung des Molekulargewichtes. 11 


Im Mittel ist die Benzidinlösung 02025 Molar. 
368 


02085 1817: berechnet für 


Molekulargewicht des Benzidins 
CeHsN, 184. 
Empfindlichkeit der Methode. 
Vor- und Nachteile. 


Bei Zimmertemperatur braucht das Konzentrationsintervall der Stand- 
ardlösungen, zwischen welchen die untersuchte Lösung liegt, nicht größer 
zu sein als 5°/,. In der ursprünglichen Beschreibung der Methode sind 
etwa 100 Bestimmungen in 11 verschiedenen Lösungsmitteln mit einem 
Durchschnittsfehler von 6°/, angeführt worden. Im Mittel ist auch 6—7°/, 
der Fehler bei einer Anzahl Bestimmungen aus der organisch-chemischen 
Literatur der letzten Jahre. Bei erhöhter Temperatur mit wenig flüch- 
tigen Lösungsmitteln wird die Genauigkeit gesteigert und die diesbezüg- 
liche Publikation enthält etwa 30 Bestimmungen, deren Fehler im Mittel 
3°/, beträgt. Nach einer neueren Arbeit von Winfield!) ist letztere Fehler- 
grenze auch bei Zimmertemperatur mit Harn und mit Blut (unter Hirudin- 
zusatz) zu erreichen. Nach Miss Halket (loc. eit.) kann man in wässeriger 
Lösung Konzentrationsunterschiede von 0'01 Molar erkennen (z. B. zwischen 
NaCl von 158 und 159 Molar). 


Die Genauigkeit der Methode steht also kaum gegen die der 


 Gefrierpunktsmethode zurück. Die möglichst genaue Ermittlung des Mo- 


lekulargewichtes unter dem Mikroskop erfordert mehr Zeit als eine krvo- 
skopische Bestimmung, dürfte aber bei den meisten Lösungsmitteln be- 
quemer als eine ebullioskopische durchzuführen sein. Wenn man nur 
zwischen multiplen Formeln zu entscheiden hat, führt die mikroskopische 
Methode besonders rasch zum Ziel. 

Als Vorteile sind also zu nennen die Anwendbarkeit der verschieden- 
sten Lösungsmittel und deren Gemische und dann natürlich auch der 
Umstand, daß schon einige Zentigramme einer Substanz bzw. einzelne 
Tropfen einer Lösung zu einer Bestimmung ausreichen. Nach Miss Halket 
kann man z. B. den osmotischen Druck des Zellsaftes eines einzigen Blattes 
bestimmen, indem man es zwischen den Fingern auspreßt und den Saft 


direkt in die Röhrchen einfüllt. 


Die Nachteile liegen in einer gegen die gewöhnlichen Verfahren etwas 
weiteren Fehlergrenze. 

Auch „die Anfertigung geeigneter Kapillaren und besonders die Ein- 
füllung der Tropfen erfordert eine gewisse Übung, dann aber bieten sich 


- derAnwendung der. . Methode keinerlei Schwierigkeiten“ [S. Loewe, Zur phy- 
 sikalischen Chemie der Lipoide. Biochem. Zeitschr. Bd. 42. S. 212 (1201)]. 


!) @.Winfield, The comparative osmotie pressure of the blood and of the urine, 


during diuresis caused by Ringers fluid. Journ. Physiol. Vol. 45. pag. 182 (1912). 


Messung der Oxydations- und Gärungsgeschwindigkeit 
in Zellen nebst einigen Bemerkungen über die Technik 
zellphysiologischer Untersuchungen. 

Von Dr. R. Siebeck in Heidelberg. 


Im folgenden Abschnitte sollen einige Methoden beschrieben werden, 
die sich für zellphysiologische Untersuchungen nicht zuletzt wegen ihrer 
eroßen Einfachheit und vielseitigen Anwendbarkeit sehr bewährt haben: 
Zahlreiche Versuchsanordnungen, die für die gleichen oder ähnliche Fragen 
benützt werden. sind schon in anderen Teilen dieses Handbuches be- 
sprochen. Es soll daher hier nicht Vollständigkeit erstrebt werden, viel- 
mehr sollen nur wenige Methoden angeführt werden, die bisher noch nicht 
im Zusammenhange dargestellt sind. Die Methoden kenne ich zum großen 
Teile aus den Untersuchungen von ©. Warburg im Laboratorium der 
hiesigen Klinik, zum Teile auch aus eigener Erfahrung. 

Da die verschiedenen Anordnungen, die hier beschrieben werden, ge- 
meinsame Grundlagen haben, schicke ich einige allgemeine Bemerkungen 
über derartige Untersuchungen sowie über das benutzte Material voraus. 


Allgemeine Vorschriften. 


Wenn die chemischen Umsatzgeschwindiekeiten unter verschiedener 
Beeinflussung untersucht werden sollen, so ist die erste Bedingung die, 
daß die Vorgänge unbeeinflußt konstant sind. Wenn z. B. die Oxy- 
dationsgeschwindigkeiten dauernd wesentlich abnehmen, so kann man nicht 
sicher feststellen, wie eine Beeinflussung wirkt. Es müssen also unter 
gleichen Bedingungen konstante Verhältnisse gegeben sein. Das führt zu 
der Regel, daß aus einer Hemmung der Oxydationsgeschwindigkeit meist 
nur dann auf einen Vorgang von physiologischer Bedeutung geschlossen 
werden kann, wenn die Hemmung reversibel ist, d. h. wenn unter den 
ursprünglichen Bedingungen die Vorgänge wieder ebenso verlaufen wie vor 
‚der Beeinflussung. 

In welcher Weise können wir nun die chemischen Umsatzgeschwindig- 
keiten in Zellen beeinflussen? Wir können einmal die physikalischen 
Bedingungen ändern, vor allem die Temperatur. Aber wir werden in dieser 


Messung der Oxydations- und Gärungsgeschwindigkeit in Zellen ete. 13 


Richtung nur einen engen Spielraum haben. Vielseitiger ist zweifellos die 
Beeinflussung durch Chemikalien. Wir ändern das Milieu der Zelle. Wir 
setzen gewisse Stoffe zu oder entfernen welche. Dieser Weg hat seit den 
klassischen Arbeiten Claude Bernards zu den wichtigsten Ergebnissen geführt. 

Wird das Milieu der Zelle geändert, so mul mit Vorsicht die Frage 
geprüft werden, ob der neue Zustand auch ein Gleichgewichtszustand 
ist. Wird nicht z. B. der zugesetzte Stoff von der Zelle in solchem Maße 
aufgenommen, dal) seine Konzentration in der Lösung wesentlich abnimmt, 
‘oder wird der Stoff nicht durch von der Zelle ausgeschiedene Stoffe ge- 
bunden? Gerade wirksame Stoffe werden vielfach von Zellen in großen 
Mengen .aufgenommen.!) Andrerseits wird eine alkalische Lösung durch die 
‚ausgeschiedene Kohlensäure neutralisiert. Dies nur als Beispiel. Die Un- 
sicherheit durch Aufnahme eines Stoffes läßt sich dadurch vermeiden, dal) 
die Zellen vor dem Versuche mit einem Überschusse der zu untersuchenden 
Lösung gewaschen werden. Sollen alkalische Lösungen untersucht werden, 
so wird man durch Benützung einer größeren Menge der Lösung darauf 
bedacht sein, daß die während des Versuches ausgeschiedene Kohlensäure 
die Reaktion nicht merklich ändert. Außerdem ist es zweckmäßig, „Puffer- 
gemische“ ?) zu verwenden, z. B. eine Mischung von Bikarbonat und Karbonat. 
oder eine Phosphatmischung. Solche Mischungen können, wie z. B. auch 
das Blut, erhebliche Mengen Kohlensäure ohne Änderung der H-Ionenkon- 
zentration binden. 

Für jede Anordnung hat man zu überlegen, welche Versuchs- 
dauer, welche Temperatur, welche Menge des Materiales die 
günstigsten Bedingungen bedeuten. Man kann sich nach folgenden allge- 
meinen Grundsätzen richten: 

1. Die Versuchsdauer soll so weit möglich nicht zu lange sein, 
weil sonst häufig Verunreinigung durch Bakterien stört. Bei Untersuchungen 
an Bakterien muß der Vermehrung der Zellen Rechnung getragen werden. 
Die untere Grenze der Versuchsdauer ist im allgemeinen durch die Ge- 
nauigkeit der Zeitbestimmung gegeben. Bei Versuchen, die kürzer als 
eine halbe Stunde dauern, bedeutet ungenauer Beginn oder Abschluß des 
Versuches leicht einen Fehler. Häufig ist die Wahl der Versuchsdauer 
durch den zu erwartenden Ausschlag begrenzt. 

2. Die Temperatur ist zunächst durch die untersuchte Zellart ge- 
geben. Im allgemeinen ist die Temperatur so niedrig wie möglich zu 
wählen, weil die meisten Zellen bei niederen Temperaturen weniger empfind- 
lich sind. Allerdings muß man bedenken, daß die Reaktionsgeschwindig- 
keiten in den Zellen mit der Temperatur sehr stark abnehmen, man er- 
hält also um so kleinere Ausschläge, je niederer die Temperatur. 


!) Vgl. Warburg und Wiesel, Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 144. S. 465 ff. 
(1912). 

) Zusammenfassende Darstellungen : Lawrence J. Henderson, Ergebn. d. Physiol. 
von Asher-Spiro, Bd. 8. S. 254 (1909) und Sörensen, ibid. Bd. 12. S. 393 (1912). — An- 
weisung zur Herstellung solcher Lösungen : Dieses Handbuch. Bd. 3. S. 1337 (Michaelis). 


14 R. Siebeck. 


3. Die Menge des Materiales ist bei der Untersuchung von über- 
lebenden Organen gegeben; über die Auswahl der Organe vgl. unten. Von 
Zellen nimmt man so viel, als man unter den sonst günstigsten Be- 
dingungen braucht, um einen gut meßbaren Ausschlag zu bekommen. 
Man muß die Anordnung so einrichten, daß der Ausschlag auf einige Pro- 
zente genau gemessen werden kann. Der erlaubte Fehler hängt natürlich 
von der besonderen Aufgabe, von der Größe der Wirkung der experimen- 
tellen Beeinflussung ab. 

Es sei hier noch bemerkt. dal) es natürlich wichtig ist, für die ent- 
sprechenden Versuche stets gleichmäßiges Material zur Verfügung zu 
haben (vgl. die Ausführungen über die Gewinnung des Materiales). 


Allgemeine Fehlerquellen. 


Es sei nun noch auf einige allgemeine Fehlerquellen hinge- 
wiesen. Ein Fehler kann vor allem durch Verunreinigung mit Bakterien 
entstehen, die ja im Vergleich zu ihrer Masse sehr große Umsatzge- 
schwindigkeiten zeigen. 

Um sich zu versichern, dal das Versuchsergebnis nicht durch Bak- 
terien beeinflußt ist, führt man folgende Kontrollen aus: 

1. Man untersucht die Lösung nach dem Versuche auf den Gehalt 
an Bakterien, bei Versuchen mit überlebenden Organen zerquetscht man 
ein Organ in der Lösung und untersucht einen Tropfen des Breies; man 
untersucht am besten im hängenden Tropfen und ein mit Löfflers Me- 
thylenblau gefärbtes Trockenpräparat. Diese mikroskopische Untersuchung 
ist weitaus die beste und sicherste Kontrolle. 

2. Bei Untersuchungen an Bakterien prüft man, ob die Kulturen 
einheitlich geblieben sind oder ob sich Verunreinigungen finden. 

3. Man prüft den zeitlichen Verlauf der Umsatzgeschwindigkeiten: 
die Umsatzgeschwindigkeiten der Bakterien steigen bei Vermehrung der 
Zellen in charakteristischer Weise an, während die der meisten anderen 
Zellen, vor allem aller Organzellen, nicht zunehmen. 

4. Bei manchen Versuchen kann man die benützte Lösung ohne die 
sauerstoffverbrauchenden Zellen weiter untersuchen ; sind Keime in störender 
Menge vorhanden, so zeigt auch die Lösung einen deutlichen Sauerstoff- 
verbrauch. 

5. Man kann z. B. Kaltblüterorgane auf etwa 38° erhitzen, die Oxy- 
dationsprozesse dieser Organe nehmen dann stark ab; die von Bakterien 
können zunehmen. 

Auf diese Weise ist es in den meisten Fällen möglich, störende Ver- 
unreinigungen mit Bakterien mit Sicherheit auszuschließen. Hat man für 
eine Anordnung in zahlreichen Fällen den Fehler ausgeschlossen, so braucht 
man die Kontrollen natürlich nicht bei jedem Versuche zu wiederholen. 

Schließlich muß man überlegen, ob nicht außerhalb der Zellen in der 
Lösung Reaktionen stattfinden, bei denen Sauerstoff verschwindet oder 


Messung der Oxydations- und Gärungsgeschwindigkeit in Zellen etc. 15 


Kohlensäure entsteht. Ein Beispiel hat Meyerhof'‘) beschrieben: abgetötete 
Hefezellen (Azetonhefe) verbrauchen bei Gegenwart von Methylenblau mehr- 
mal so viel Sauerstoff wie ohne Methylenblau. Das Methylenblau wird in 
der Zelle reduziert und außerhalb in der Lösung nachträglich oxydiert. 


Einige technische Vorschriften. 


Alle Glasgefäße, in denen die notwendigen Lösungen bereitet und 
aufbewahrt werden, und ebenso alle Gefäße, die bei den Versuchen ge- 
braucht werden, sind sorgfältig zu reinigen. Man reinigt sie mit einer 
Lösung von Chromat in konzentrierter Schwefelsäure oder mit heißer 
konzentrierter Kalilauge, der man etwas Alkohol zusetzt. (Noch besser 
als Bichromat ist Kaliumpermanganat in Schwefelsäure; die Lösung ist 
aber explosiv und muß daher sehr vorsichtig gebraucht werden.) Da- 
nach werden die Gefäße gut mit Wasser, zuletzt mit destilliertem Wasser 
abgespült. Schließlich trocknet man in einem Trockenschrank; erhitzt man 
diesen auf 160°, so werden die Gläser zugleich sterilisiert. Äther ist zum 
Reinigen wie zum Trocknen besser zu vermeiden, da kleinste Mengen 
Äther jede Gasanalyse erheblich stören. 

Für die Bereitung der Lösungen ist doppelt destilliertes Wasser 
zu verwenden. Zur zweiten Destillation wird nur Jenaer Glas benützt, 
der erste und letzte Teil des Destillates wird verworfen. 

Von Chemikalien sollen nur reinste Stoffe gebraucht werden, am 
besten die reinsten Präparate von Kahlbaum, Berlin. 

Vor allem ist jede Verunreinigung mit Spuren von Metallen peinlich 
zu vermeiden. Die kleinsten Spuren z.B. von Kupfer schädigen die meisten 
Zellen. ?) 

Die Lösungen müssen oft erneuert werden. Es ist zweckmäßig, sich 
konzentriertere Stammlösungen zu halten, da diese haltbarer sind. Eine 
Ringerlösung sollte nicht mehr als einige Tage gebraucht werden. 


Die Gewinnung des Materiales. 
Gewinnung, Verarbeitung und Messung von Zellen. 


Es kommen entweder einzellige Organismen oder von komplizierter 
gebauten Tieren solche Zellen in Betracht, die sich leicht, ohne geschädigt 
zu werden, isolieren lassen. Von den letzteren sind vor allem die Zellen 
des Blutes zu nennen, die in letzter Zeit besonders O0. Warburg) zu 
ausgedehnten Untersuchungen benutzt hat. 


1) Meyerhof, Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 149. S. 250 (1912). 

2) Locke, Journ. of Physiol. Vol.18 (1895); Herbst, Arch. f. Entwicklungsmech. 
Bd. 7 (1898). 

82) 0. Warburg, Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 59. S. 112 (1909) und folgende 
Mitteilungen in dieser Zeitschrift, Bd. 69. 70. 71. 76. 79ff. Vgl. auch Ergebn. d. Physiol. 
von Asher-Spiro, Bd. 13 (erscheint 1913). 


16 R. Siebeck. 


O0.Warburg*) hat an kernlosen roten Blutkörperchen von 
Kaninchen einen deutlich meßbaren, an kernhaltigen von Vögeln einen 
sehr viel stärkeren Sauerstoffverbrauch gefunden. Schon vorher hatte 
Morawitz 2) gezeigt, daß im Blut anämischer Kaninchen Oxydationspro- 
zesse stattfinden. Aus den weiteren Untersuchungen beider geht hervor, 
daß junge Erythrozyten, auch wenn sie keinen Kern haben, einen viel 
lebhafteren Sauerstoffverbrauch zeigen, als reife Formen. Solch junge 
Zellen, an denen man häufig basophile Körnchen im Plasma findet, treten 
aber bei anämischen Zuständen vermehrt ins Blut über. Für die Unter- 
suchungen der Oxydationen empfiehlt es sich daher, anämisches Blut 
zu benützen: Vogelblut ist besser als Kaninchenblut. Sehr bewährt hat 
sich Gänseblut. 

Man geht praktisch so vor: Gänse werden durch wiederholte 
Aderlässe anämisch gemacht. Man kann einer Gans jeden zweiten Tag 
erst etwa 80-100 em°, dann etwas weniger, etwa 50—60 cm® Blut nehmen. 
Diese kleineren Aderlässe können am gleichen Tiere sehr lange wieder- 
holt werden. Zur Blutentnahme sticht man in die leicht gestaute Flügel- 
vene, am besten nach einem kleinen Hautschnitt, eine Nadel ein. 

Das Blut wird in Gläsern mit eingeschliffenem Stopfen, die gut ge- 
reinigt, getrocknet und sterilisiert sind und in die man ein paar Glas- 
perlen gegeben hat, aufgefangen und energisch geschüttelt, bis man an 
dem Auftreten des hellen Gerinnsels erkennt, daß das Blut vollständig 
defibriniert ist; das dauert meist etwa 20 Minuten. Nun wird das Blut 
durch Verbandgase filtriert, in Zentrifugengläser gefüllt und gut auszen- 
trifugiert, mit einer Runneschen elektrischen Zentrifuge (3000 Umdrehungen) 
etwa 15 Minuten lang. Das Serum wird abpipettiert und durch Ringerlösung 
ersetzt, darauf schüttelt man die Gläser gut durch, zentrifugiert abermals 
und hebert die überstehende Lösung ab. Dieses Auswaschen der Blut- 
körperchen wird dreimal wiederholt, bis das Serum entfernt ist. Die ausge- 
waschenen roten Blutkörperchen können unmittelbar zum Versuche benützt 
werden. 

Um für verschiedene Versuche die gleiche Menge von Zeilen ab- 
zuteilen, mißt man am besten die gut auszentrifugierten Zellen mit einer 
graduierten Pipette ab. Es ist sehr wichtig, daß immer nur die Zellen 
von einer Blutentnahme untereinander verglichen werden können. Die 
Zellen des gleichen Tieres haben zu verschiedener Zeit, Zellen verschie- 
dener Tiere überhaupt einen recht verschieden starken Sauerstoffverbrauch. 
Man führt daher immer eine ganze Versuchsreihe aus: das gleiche Mate- 
rial in verschiedenem Milieu. Sollen die gleichen Zellen in verschiedenen 
Lösungen verglichen werden, so wird ‚die erste Lösung sorgfältig durch 
Zentrifugieren und Abpipettieren entfernt. die Blutkörperchen werden dann 
wiederholt mit der neuen Lösung ausgewaschen. 


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?) Morawitz und Pratt, Münchener med. Wochenschr. 1908. Nr. 35. — Ferner: 
Morawitz, Archiv f. experim. Path. u. Pharm. Bd. 60. S. 298 (1909). 


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Messung der Oxydations- und Gärungsgeschwindigkeit in Zellen etc. 17 


Als normale Lösung für Blutkörperchen von Warmblütern wird eine 
0'9°%/,ige NaCl-Lösung!) oder eine Ringersche Lösung benützt (3g NaÜl: 


0:29 KCl; 02 g CaCl, auf 1000 Wasser); die Lösungen werden mit n- 


NaOH oder auch mit einer isotonischen NaHCO,-Lösung neutralisiert, so 
daß Phenolphthalein eben eine Spur rosa, Neutralrot gelb gefärbt wird. 
Auch die anderen Zellen des Blutes können untersucht werden. 
E. Grafe?) hat nachgewiesen, dab die Leukozyten einen gut mebbaren 
Sauerstoffverbrauch im leukämischen Blute verursachen. Da der Sauer- 
stoffverbrauch der anderen in diesem Blute enthaltenen Zellen meist gegen- 
über dem der Leukozyten nicht in Betracht kommt, kann man die aus- 


‚gewaschenen Zellen des Gesamtblutes untersuchen. Es gelingt aber auch, die 


Leukozyten bei gutem Zentrifugieren getrennt abzupipettieren; sie bilden 
eine helle Haut, die über den roten Blutkörperchen sitzt. Man kann dann 


‚die Leukozyten getrennt mit Ringerlösung auswaschen. 


Schließlich können die Oxydationsprozesse der Blutplättchen ) 


‚untersucht werden. Kaninchenblut, dessen Gerinnung durch Zusatz von 


Hirudin, Natriummetaphosphat oder Natriumoxalat verhindert ist, zeigt 


einen 3—5mal so großen Sauerstoffverbrauch als defibriniertes Blut. Wegen 


der eroßen Empfindlichkeit der Blutplättchen muß das Blut aber sehr vor- 
sichtig behandelt werden (starkes Schütteln setzt z. B. die Oxydationen 
schon stark herab). 

Außer aus dem Blute kann man Lymphozyten auch aus der 
Thymus gewinnen. Aus dem Organe von Kälbern, das man auf Eis halten 
muß, kann man die Zellen leicht auspressen und in der gewöhnlichen 
Weise für die Versuche benützen. 

Ferner ist Sperma von Fischen ein gutes Untersuchungsobjekt. 
‚Jeder Fischer kann das Sperma ausstreichen, in der gleichen Weise, wie 
das Sperma für künstliche Züchtung gewonnen wird. Das Sperma darf 
aber nicht mit destilliertem Wasser oder Flußwasser behandelt werden, 
da darin die Zellen sofort gelähmt werden.*) Man muß es vielmehr in 
isotonischer NaCl- oder Ringerlösung waschen und untersuchen. 

Moro5) hat die Oxydationen an Darmepithelien von Kälbern ge- 
messen. Man gewinnt die Zellen in folgender Weise: Ein Stück des dem 


1) Kochsalzlösung ist bei längerer Einwirkung schädlich; vgl. E. Grafe (Warburg), 
‚Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 79. S. 421 (1912). 

2) E. Grafe, Deutsches Archiv f. klin. Med. Bd. 102. S. 406 (1911). 

3) Warburg, Münchener med. Wochenschr. 1911. Nr.6. — Onaka, Zeitschr. f. 
physiol. Chemie. Bd. 71. 8.193 (1911). — Loeber (unter Morawitz), Pflügers Archiv f. 
d. ges. Physiol. Bd. 140. S. 281 (1911). 

*) Das bekannte Wimmeln der Fischspermatozoen ist offenbar auf osmotische 
Erscheinungen zurückzuführen; die Zellen werden in Süßwasser nach wenigen Minuten 
bewegungslos, wäscht man aber mit isotonischen Lösungen, so beobachtet man kein 
Wimmeln; es tritt erst dann ein, wenn man den osmotischen Druck stark herabsetzt 

5) Verhandlungen der Gesellschaft für Kinderheilkunde (1912); nach persönlicher 
Mitteilung. 

Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 2 


18 R. Siebeck. 


getöteten Tiere entnommenen Darmes wird gut ausgespült und aufge- 
schnitten. Man streicht dann den Schleim dadurch ab, daß man den Darm 
zwischen zwei Fingern gleiten läßt und spült mit Kochsalzlösung ab. Von 
dem gereinigten Darmstück werden die Zellen mit einem Rasiermesser 
abgestrichen und in Kochsalzlösung oder Ringer aufgeschwemmt. Man zen- 
trifugiert, hebert ab und wiederholt das Auswaschen. In gleicher Weise 
können Darmzellen von anderen Tieren gewonnen werden. 

Außer diesen isolierten Zellen kompliziert gebauter Tiere sind ver- 
schiedene einzellige Organismen für Untersuchungen zu verwenden, 
vor allem Bakterien. Bei der Auswahl wird man zunächst solche vor- 
ziehen, die leicht und sicher zu züchten sind. Ferner ist es natürlich an- 
genehmer, mit für Menschen nicht pathogenen Bakterien zu arbeiten, da 
bei den Untersuchungen alle Vorsichtsmaßregeln der Bakteriologen kaum 
oder jedenfalls nur sehr schwer eingehalten werden können. Schließlich 
kann man mit den hier mitzuteilenden Methoden nur solche untersuchen, 
die keine Gase entwickeln oder wo die Gasbildung gegenüber der Atmung 
nicht in Betracht kommt. In den Untersuchungen von Warburg und 
Wiesel!), ferner von Meyerhof ?) hat sich vor allem Vibrio Metschni- 
koff bewährt, aber auch Staphylococeus aureus und Bacillus typhi 
abdominalis wurden untersucht. 

Man muß stets frische (10—20stündige) Kulturen benützen. Die 
Menge des Materiales muß man so ausprobieren, daß man in kurzer 
Zeit deutliche Ausschläge erhält; länger dauernde Versuche werden wegen 
der Vermehrung der Zellen ungenau. Wiesel z. B. benutzte 1 cm? einer 
Suspension, die 1 Öse einer frischen Bouillonkultur pro Kubikzentimeter 
enthielt. Braucht man dichtere Suspensionen, so empfiehlt sich folgendes 
Verfahren: Man macht Kulturen auf schräg erstarrten Agarröhrchen, 
schwemmt die etwa 12 bis 16 Stunden alten Kulturen mit der sterilen 
Nährlösung ab, füllt von der gut gemischten Suspension je 2cm® in ein 
Nisslröhrchen und zentrifugiert gut aus. Dann wird die Lösung abpipettiert 
und die Lösung, in der die Bakterien untersucht werden sollen, bis zu 
2 cm3 aufgefüllt. 

Als Nährlösung für Bakterien ist z. B. eine Kochsalzpeptonlösung zu 
empfehlen (0°9%/, NaUl; 1°/, Pepton Witte; schwach alkalisch). 

Weiter wurden von Warburg) die Oxydationsprozesse an Seeigel- 
eiern gemessen. Man schwemmt die Eier in einer geräumigen Schale auf, 
läßt sie zu Boden sinken und saugt dann das Wasser ab. Auf diese Weise 
werden die Eier wiederholt gewaschen und schließlich in der Lösung sus- 
pendiert, in der sie untersucht werden sollen. Zur Abmessung der Zellen 
pipettiert man die Suspension; aus den Versuchen von Warburg geht 


Sylae: 

>) Sitzungsber. d. Heidelberger Akad. d. Wissensch. Math.-naturw. Kl. B. 1912. S.1 
und Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 146. S. 159 (1912). 

®) Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 57. S.1 (1908); Bd. 60. S. 443 (1909); Bd. 66. 
S. 305 (1910). 


Messung der Oxydations- und Gärungsgeschwindigkeit in Zellen ete. 19 


hervor, daß dieses einfache Verfahren den Anforderungen vollständig 
genügt. 

Schließlich sind die Hefepilze als Material für die Untersuchung 
der Gärungsprozesse zu nennen. Man kann Reinkulturen gewöhnlicher 
Bierhefe benützen. Als Nährlösung nimmt man eine Zuckersalzlösung (5 g 
Traubenzucker, 29 K;HPO,, 100 em? Wasser), mit der man die Zellen 
mehrmals wäscht (wie für die Blutkörperchen beschrieben). Die 
Dichte der Suspension richtet man nach dem gewünschten Ausschlage. 
Die weitere Anordnung ist bei Besprechung der speziellen Methode be- 
schrieben. 


Allgemeine Bemerkungen für Versuche an überlebenden Organen. 


Das Arbeiten mit überlebenden Organen bringt einige Schwierigkeiten 
mit sich. 

Wir müssen die Gewebe, seien es Organe oder Örganstücke, aus 
ihrem physiologischen Zusammenhange lösen, ihre natürliche Verbindung 
mit dem ganzen Organismus durch Blut- und Nervenversorgung trennen. 
Ferner wird meist die Masse der einzelnen Teile größer sein, das erschwert 
die Beeinflussung der Zellen, wir können unsere Agenzien nicht so leicht 
und sicher an die Oberfläche der Zellen heranbringen. Schließlich wird 
_ häufig die Beurteilung dadurch unsicher, daß ein Gemisch verschieden- 
artiger Zellen vorliegt. 

Es können hier nur einige allgemeine Anhaltspunkte gegeben wer- 
den, wie diese Schwierigkeiten möglichst zu vermeiden sind. 

Die erste Vorschrift ist die, möglichst unverletzte Organe zu be- 
nützen. Stoffe, die bei der Zerstörung von Zellen frei werden, können 
lebende Zellen in unberechenbarer Weise beeinflussen. Zerhackte Organe, 
Organbreie usw. bieten daher unübersehbare Verhältnisse, die nicht ohne 
weiteres mit denen lebender Zellen verglichen werden können. Man wird 
vielmehr auf die Auswahl solcher Organe bedacht sein, bei deren Los- 
trennung sich die Verletzung von Zellen möglichst vermeiden läßt. Man 
benützt womöglich ganze Organe und sucht bei der Präparation nur 
Bindegewebe, Gefäße, Nerven etc. zu durchtrennen, die Organzellen aber 
möglichst zu schonen und auch nicht mit Pinzetten und dergleichen an- 
zufassen. 

Um zu prüfen, ob die untersuchten Beeinflussungen reversibel sind, 
kann man an manchen Organen auch andere Funktionen untersuchen, z.B. 
an Muskeln sehr bequem die Erregbarkeit. Da viele Zellen typische osmo- 
tische Eigenschaften haben, die sich beim Absterben rasch ändern, kann 
man unter Umständen auch diese prüfen, am besten durch wiederholte 
Wägung in isotonischer und hypotonischer Ringerlösung. !) 

Für die Erhaltung der meisten Organe ist die wichtigste Bedingung 
eine genügende Sauerstoffversorgung der Zellen. Diese zu er- 


1) Vgl. darüber: Siebeck, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 148, S.443 (1912). 


9% 


20 f R. Siebeck. 


reichen, werden im allgemeinen zwei prinzipiell verschiedene Wege einge- 
schlagen: Entweder man durchblutet die Organe künstlich oder man 
läßt sie direkt in einer Nährlösung schwimmen. Da die Methoden 
der künstlichen Durchblutung in einem anderen Teile dieses Handbuches 
behandelt werden !), beschränke ich mich auf Angaben, die für die andere 
Anordnung zu beachten sind. 

Die Organe müssen möglichst klein sein, denn nur dann kann 
man damit rechnen, daß alle Zellen gleichmäßig mit Sauerstoff versorgt 
werden. Diese geschieht ja lediglich durch Diffusion des Sauerstoffes; sind 
die Zellen durch eine zu dicke Schicht von der gesättigten Lösung ge- 
trennt, so wird der von ihnen verbrauchte Sauerstoff nicht rasch genug 
ersetzt. Da die Geschwindigkeit der Diffusion außerdem vom Partiardruck 
abhängig ist, muß dafür Sorge getragen werden, daß der Sauerstoff- 
partiardruck in der Nährlösung während des Versuches möglichst wenig 
sinkt. Sonst leiden die Zellen im Innern des Organes infolge zu langsamer 
Diffusion an Sauerstoffmangel. Durch diese Verhältnisse kann bei Ver- 
suchen mit Organen eine Abhängigkeit der Oxydationen in der Zelle vom 
Sauerstoffpartiardruck vorgetäuscht werden, während es sich tatsächlich 
um eine Erstickung eines Teiles der Zellen handelt. 

Außer der Sauerstoffversorgung spielt die Temperatur, bei der die 
Organe gehalten werden, eine große Rolle Man kann ganz allgemein 
sagen, daß überlebende Organe um so empfindlicher sind, je höher die 
Temperatur ist. Schon aus diesem Grunde ist es immer vorteilhaft, über- 
lebende Organe von Kaltblütern zu benützen. Diese können meist ohne 
Schaden auf beliebige Temperaturen bis zu 0° abgekühlt werden. Bei 
0—4° kann man z.B. Froschmuskeln mehrere Tage aufbewahren, ohne 
daß die Erregbarkeit merklich abnimmt. Es empfiehlt sich, die Organe 
außerhalb der eigentlichen Versuchsperioden immer bei solch niederen 
Temperaturen aufzubewahren und die Versuchstemperatur so nieder zu 
wählen, als es die besondere Aufgabe erlaubt. 

Es sind nun noch einige Bemerkungen über die Nährlösungen 
nötig. 

Für Froschorgane ist im allgemeinen eine einer 0'7°/,igen NaÜl- 
Lösung isotonische Ringerlösung (65 g Nall, 029g KÜl, 039g CaCl,, 
1000 Wasser) am meisten zu empfehlen. Die Lösung wird mit NaHCo, 


oder, wenn keine störende CO,-Entwicklung zu befürchten ist, mit na 


NaOH-Lösung neutralisiert, so daß sie mit Phenolphthalein eben schwach 
rosa, mit Neutralrot gelbe Farbe gibt. Soll der Einfluß verschiedener Re- 
aktion geprüft werden, so müssen die Vorschriften über die Herstellung 
bestimmter H-Ionenkonzentrationen beachtet werden. 

Obwohl ein „aseptisches“ Vor&ehen meist nicht möglich und auch 
nicht nötig ist, so empfiehlt es sich doch, die Instrumente auszukochen: 


!) Vgl. den Abschnitt von Franz Müller im dritten Bande dieses Handbuches. 
S. 321. 


Se WEL 


Messung der Oxydations- und Gärungsgeschwindigkeit in Zellen ete. >] 


wird dazu Sodalösung benützt, so muß diese durch Übergießen von steriler 
Kochsalzlösung entfernt werden, da Soda die Gewebe schädigt. 
Besonders wenn die Versuchstemperatur hoch (z. B. 37°) ist, sollte Fe>- 
nach Möglichkeit aseptisch gearbeitet werden. Die Präparation 

soll rasch ausgeführt werden, die Tiere dürfen nur unmittelbar 

davor getötet werden. Man muß jedes unnötige Berühren der 
Organe, vor allem mit Metallinstrumenten, vermeiden. Müssen 

die Organe selbst angefabt werden, so benützt man zweckmäßig 
Pinzetten aus Glas (siehe Fig. 5). Wo das zu untersuchende 
Gewebe durchtrennt werden muß, soll dies mit scharfen, gut 
schneidenden Instrumenten geschehen. Sofort nach beendeter 
Präparation werden die Organe in Gläschen mit der Nährlösung 
gebracht. 

Um verschiedene Versuche miteinander vergleichen zu 
können, bezieht man die Ergebnisse am einfachsten auf die 
Gewichtseinheit. Bei Organen, die eine erhebliche und wech- 
selnde Zwischenflüssigkeit haben, ist es besser, den Trocken- 
gehalt oder auch den Stickstoff zu bestimmen. 


Spezieller Teil. 


Ich beschreibe zuerst die Methoden zur Untersuchung der Oxy- 
dationsgeschwindigkeiten. Diese giiedern sich einfach in solche zur 
Bestimmung des Sauerstoffverbrauches und solche zur Bestimmung 
der Kohlensäurebildung. An diese anschließend beschreibe ich die 
Messung von Gärungsgeschwindigkeiten, speziell an Hefe. Schließlich 
wäre noch die Untersuchung der Wärmebildung bei beiden Prozessen 
zu erwähnen. Da diese Methoden aber erst eine Darstellung gefunden 
haben, zu der nichts hinzuzufügen ist, sehe ich hier von einer Wieder- 
holung ab.!) 

Auch die für Versuche an Zellen, besonders an Seeigeleiern, viel- 
fach anwendbare Methode der Sauerstoffbestimmung nach Winkler und 
Schützenberger sind in einem anderen Teile dieses Handbuches beschrieben. :) 


I. Bestimmung der Oxydationsgeschwindigkeit. 
Erste Methode. 


Prinzip der Methode. Die Zellen oder Organe und die Lösung, 
in der sie schwimmen, werden in einem Röhrchen luftdicht abgeschlossen. 
Nach dem Versuche wird bestimmt, wieviel Sauerstoff aus der Löung ver- 
schwunden ist, d.h. wieviel Sauerstoff die vor dem Versuche an der Luft 


‘) Vgl. Rubner, Mikrokalorimetrie in Tigerstedts Handbuch der physiolog. 
Methodik. Bd. 1. Abt. 3. S. 150. (1913). 

°) In dem Abschnitt über „Biologische Gasanalyse* von Franz Müller. Bd. 3. 
S. 634. Ferner in dem Artikel von Henze, „Untersuchungen an Seetieren“. Bd. 3. S. 1065. 


22 


IND 


R. Siebeck. 


gesättigte Lösung aufnimmt, wenn sie wieder mit Luft gesättigt wird. 
Damit in einem kleinen Volumen ein reichlicher Sauerstoffvorrat gegeben 
ist, suspendiert man in der Lösung kernlose, nicht merklich atmende rote Blut- 


Fig. 6. 


Fig. 7. 


körperchen, die mit Sauerstoff gesättigt 
sind. Wird der Sauerstoffverbrauch kern- 
haltiger, roter Blutkörperchen unter- 
sucht, so dienen diese selbst gleichzeitig 
als Sauerstoffträger. 

Apparate. Zum Versuche werden 
die Zellen oder Organe mit der Nähr- 
lösung in ein Oxydationsröhrchen 
gebracht (Fig. 6). Das eine Ende des 
Röhrchens, dessen Größe nach den Ver- 
suchsbedingungen gewählt wird, kann 
durch einen eingeschliffenen Glasstopfen 
(a) luftdicht verschlossen. werden. Am 
andern, verjüngten Ende ist ein Glas- 
hahn (b) angesetzt, der das Röhrchen 
mit einer etwa 5—7 cm langen, unten 
spitz auslaufenden Kapillare verbin- 
det (c). Über die Größe des Röhrchens 
ve Bali: 

Zur Analyse wird an ein Bareroft- 
sches Manometer!) ein Absorptions- 
gefäß angeschlossen (Fig.7). Das Glas- 
gefäß (a) wird durch den eingeschliffenen 
Stopfen (b) verschlossen, der oben in 
eine nicht zu enge Glaskapillare aus- 
läuft. Die Glaskapillare muß die gleiche 
Weite haben, wie das Manometerrohr, 
an das sie durch einen diekwandigen 
Gummischlauch (sogenannten Druck- 
schlauch) fest angeschlossen wird. Die 
Verbindung wird am sichersten so her- 
gestellt, daß) man beide Glasrohre ein 
gutes Stück (etwa 2—3 cm) in den 
Schlauch dreht, so daß in der Mitte 
Glas auf Glas kommt: man erkennt 
das an dem eigentümlichen Knirschen. 
Dann zieht man das eine Rohr ein 
klein wenig zurück. Es ist bequem, den 
Gummischlauch stets am Manometer- 


rohr zu lassen. Unter Umständen (wenn man stets gleiche Apparate be- 


‘) Vgl. dieses Handbuch. Bd.3. S. 685. 


Ben,“ 


Messung der Oxydations- und Gärungsgeschwindigkeit in Zellen ete. 23 


nützt und wenn keine Beschmutzung vor allem mit Bakterien zu befürchten 
ist) kann man auch das Oberteil des Absorptionsgefäßes im Schlauche 
stecken Jassen. Unter diesen Bedingungen kann man auch nach Barcroft 
das Oberteil an das Manometerrohr anschmelzen. 

Aichung der Gefäße. Der Inhalt der Gefäße, der bekannt sein 


_ muß, wird durch Wägung mit destilliertem Wasser von bekannter Tem- 


peratur (am besten Zimmertemperatur) festgestellt. Das sorgfältig ge- 
reinigte und getrocknete Oxydationsröhrchen wird halb mit Wasser 
gefüllt; man läßt ein wenig Wasser durch den Hahn und die Kapillare 
ablaufen und füllt dann bis zum oberen Rande mit Wasser auf, wobei 
man das Haftenbleiben von Luftblasen sorgfältig vermeiden muß. Schließ- 
lich drückt man den Glasstöpsel in den mit Wasser gefüllten Hals ein. 
Das so vollständig gefüllte Röhrchen wird auf einer gewöhnlichen Wage 
gewogen. Danach öffnet man den Stopfen und läßt das Wasser durch Hahn 
und Kapillare langsam abfließen bis oben an die Hahnbohrung. Ist das 
Gläschen gut gereinigt und läßt man das Wasser langsam abfließen, so 
bleibt kein störendes, jedenfalls ein ganz konstantes Quantum Wasser an 
der Wand haften. Nun wird das Röhrchen zurückgewogen. Die Differenz 
beider Gewichte gibt den Inhalt des verschlossenen Röhrchens bis zur 
Hahnbohrung, genau das Volumen, das zur Rechnung erforderlich ist. 

Das Absorptionsgefäß wird gut gereinigt und getrocknet ge- 
wogen, vollständig (ohne Luftblasen) mit Wasser gefüllt und wieder ge- 
wogen. Das Füllen geschieht am besten in der Weise, daß man das offene 
Gefäß bis zum Überlaufen füllt und dann (in einer größeren Schale) unter 
Wasser den Stopfen aufdrückt. Auf diese Weise läßt sich leicht erreichen. 
daß das ganze Gefäß, mit Stöpsel und Glaskapillare, vollständig mit 
Wasser gefüllt ist. 

Es genügt, die Volumina etwa auf 1—2°/, genau zu bestimmen. 

Für die Berechnung der Resultate kommt es auf den Gasraum an, 
der nach Einfüllen der Flüssigkeit aus dem ÖOxydationsröhrchen im Ab- 
sorptionsgefäße und in dessen Verbindung mit dem Manometer besteht. 

Daher muß man auch den Inhalt des Manometers vom Niveau der 
Manometerfüllung an bis zum Schlauchanschluß kennen. Die Aichung ge- 
schieht durch Auswägen mit Quecksilber. 

Man kann auch die Gefäße in Verbindung mit dem Manometer aichen. 
Man muß dann nur durch Auswägen mit Quecksilber bestimmen, welchen 
Inhalt eine bestimmte Länge des Manometerrohres hat. (Man füllt etwas 
Hg in das Manometerrohr, mißt die Länge der Säule an der Skala, gielit 
dann das Hg ohne Verlust auf ein auf der Wage austariertes Schälchen 
und wiegt es.) Die mit dem Manometer verbundenen Gefäße!) werden wie 
bei der Analyse in das Wasserbad gehängt, Temperaturausgleich wird ab- 
gewartet. Bei offenem Manometerhahn wird die Flüssigkeit in dem mit 


‘) Die Bestimmung wird genauer, wenn die Gefäße mit (einer gewogenen Menge) 
Wasser gefüllt sind. 


24 R. Siebeck. 


dem Analysengefäße verbundenen Schenkel auf eine bestimmte Marke ein- 
gestellt und dann der Hahn geschlossen. Nun stellt man durch Drehen 
der Schraube am Manometer auf einen Unterdruck ein, auch die Flüssigkeit 
in dem geschlossenen Schenkel wird sinken. Man kann dann die Volumen- 
änderung und die entsprechende Druckänderung, die der Gasraum er- 
leidet, feststellen. (Die Volumenänderung durch Ablesung am geschlossenen 
Schenkel auf Grund der vorhin besprochenen Aichung, die Druckänderung 
dadurch, daß man von der Differenz des Standes im freien Schenkel vor 
und nach der Druckänderung die Differenz des Standes im geschlossenen 
Schenkel abzieht.) Auf Grund der Gasgesetze läßt sich das Volumen leicht 
berechnen: 
Vx:(Vx + V) = (10.000 — p): 10.000 
yanz V.(10.000 —p) 
pP 

wenn Vx der gesuchte Inhalt des Analysengefäßes, des Verbindungsstückes 
und der Manometerkapillare bis zur Marke, p die gefundene Druckab- 
nahme, V die Volumenzunahme und 10.000 der Atmosphärendruck mit 
der Manometerflüssigkeit gemessen ist. Da V mit der Größenordnung 
10.000 multipliziert wird, ist das Resultat nur brauchbar, wenn V genau 
bestimmt ist. 

Die Aichung durch eine mit bestimmter Sauerstoffbindung oder -ent- 
wicklung verlaufende chemische Reaktion im Analysengetäße nach Bareroft 
hat sich für diese Anordnung nicht bewährt. 

Zu den Versuchen ist außerdem erforderlich: ein gut regulierter 
Thermostat, der auf die gewünschte Versuchstemperatur eingestellt ist. 
In dem Thermostaten dreht sich um ihre horizontale, feste Achse eine 
Scheibe aus Weißblech, auf der an beiden Enden senkrecht umgebogene 
Federn zum Halten der Oxydationsröhrchen aufgenietet sind (vgl. Fig. 8). 
Die Enden der Federn sind durchbohrt; die eine Durchbohrung läßt eben 
die Spitze der Kapillare des Oxydationsröhrchens durchtreten, die andere 
paßt an die Spitze von dessen Glasstöpsel. Wie die Oxydationsröhrchen 
durch die Federn gehalten werden, geht am besten aus der Abbildung 
hervor. 

Für die Analyse braucht man ein (praktisch durch ein Gebläse) 
mischbares Wasserbad von Zimmertemperatur, in das die Mano- 
meter mit den Absorptionsgefäßen gehängt werden, genau wie bei der 
(rasanalyse nach Haldane-Barcroft. 

Schließlich haben sich die auf Fig. 9 und 10 abgebildeten Halter und 
Stative, deren Anwendung aus der Figur unmittelbar ersichtlich ist, sehr 
bewährt. 

Für die Analysen werden folgende Lösungen benützt: 


le 2 ale BERN. € s : 
1. Ammoniaklösung: 125 em3 CO,-freie on NaOH, 125 cm: Wasser, 
07g NH,Cl, 159 Saponin, 1cm: 20°/,ige alkohol. Lösung von Phenyl- 


urethan. 


Messung der Oxydations- und Gärungsgeschwindigkeit in Zellen etc. 35 


2. Die Manometerfüllung (nach Vorschlag von Brodie) 500 cm? 

- Wasser, 239 NaCl, 5g Natr. choleinic. Merck, etwas Thymol. 
Die Lösung soll das spezifische Gewicht 1'054 haben, dann übt eine 
Säule von 10.000 mm den Druck einer Atmosphäre aus. Die Lösung hat 


Fig. 8. 


. 

. BER p a i 
- den Vorzug, daß sie nicht an der Wand der Kapillare haftet und daß bei 
- dem spezifischen Gewichte die Berechnung der Resultate vereinfacht ist. 
2 

Ausführung eines Versuches. 

2 

4 1. Bereitung der Blutkörperchensuspension. 

Dienen die Blutkörperchen nur als Sauerstoffträger, so benützt man 
| Säugetierblut, am besten Rinderblut, das man sich in größerer Menge 
j 

d 

ü 

E- 


26 R. Siebeck. 


aus einem Schlachthofe beschaffen kann. Bei Versuchen mit atmenden 
Blutkörperchen wählt man nach dem, was S. 16 gesagt ist, verfährt im 
übrigen ganz gleich. Das Blut muß sauber entnommen werden. Man läßt 
es am besten direkt aus einer in ein Blutgefäß eingeführten Kanüle in 
ein diekwandiges Glas mit eingeschliffenem Glasstopfen, in das man vorher 
einige Glasperlen gegeben hat, einfließen. Das Blut wird dann 15—20 Mi- 
nuten lang stark geschüttelt, bis man an dem Auftreten des hellen Gerinn- 
sels erkennt, daß das Blut vollständig defibriniert ist. Nun filtriert man 
durch Verbandgaze, füllt das Filtrat in die Gefäße für die Zentrifuge. 


Fig. 9. 


Man zentrifugiert, hebert das Serum sorgfältig ab, gießt 0'9%/, NaCl oder 
ingerlösung auf, schüttelt die Blutkörperchen gut durch und zentrifugiert 
wieder. Dieses Auswaschen wiederholt man im ganzen 3mal. Man muß das 
Serum sorgfältig auswaschen, da kleine Spuren Serum die Atmung wesent- 
lich hemmen können. Schließlich pipettiert man die Blutkörperchen in 
ein abgemessenes Volumen Ringerlösung, am besten in einen verschließ- 
baren Erlenmeyerkolben. 

Die Dicke der Aufschwemmung richtet man nach dem Versuche 
ein, so daß in jedem Fall genügender Sauerstoffvorrat gewährleistet ist. 
Meist genügt eine 10°/,ige Suspension. Bei Versuchen mit atmenden Blut- 
körperchen benützt man konzentriertere Suspensionen. 


Messung der Oxydations- und Gärungsgeschwindigkeit in Zellen etc. 27 


Das Blut läßt sich, solange das Serum nicht ausgewaschen ist, 
einige Tage auf Eis aufbewahren, je nach der mehr oder weniger „sterilen“ 
Entnahme; ist das Serum ausgewaschen, so ist es erheblich wenigeı 
haltbar. 

Die Blutkörperchensuspension, die für die Versuche als Nährlösung 
dient, wird nun mit Luft gesättigt bei der Temperatur, bei der der Ver- 


such ausgeführt werden soll. Zu dem Ende schüttelt man die Suspension in 
einem Glaskolben, der nur mit einem Wattestopfen verschlossen ist, ın 
dem für den Versuch eingestellten Thermostaten. Von dem Augenblicke 
an, in dem die Suspension die Temperatur des Thermostaten angenommen 
hat (je nach der Menge etwa 10—15 Minuten), muß noch 10 Minuten 
lang gut geschüttelt werden. Sättigt man die Suspension bei zu niederer 
Temperatur, so entstehen beim Erwärmen der Lösung im Versuche Gas- 


98 R. Siebeck. 


blasen (Abnahme des Absorptionskoeffizienten bei höherer Temperatur), die 
leicht Fehler verursachen. Kühlt sich die Flüssigkeit im Versuche ab, so 
können sich infolge der Kontraktion der Flüssigkeit ebenfalls Gasblasen 
bilden. 

2. Die gesättigte Blutkörperchensuspension wird nun in die Oxy- 
dationsröhrchen eingefüllt. Man stellt in einem Gestell (vgl. Fig. 9) eine 
Reihe Röhrchen vor sich auf, pipettiert in diese von der Suspension, von 
den zu prüfenden Lösungen, von der zu untersuchenden Zellsuspension, 


oder man gibt das gewogene Organ zu, je nach dem Plane der Unter- 


suchung. Es läßt sich dabei sehr gut quantitativ arbeiten, man muß nur 
dafür Sorge tragen, dal» die Röhrchen vollständig (auch der Hahn und 
der Ausflaß) mit der Lösung angefüllt sind. Zuletzt drückt man den (nicht 
gefetteten!) Glasstopfen auf und notiert die Zeit, zu der man das Röhrchen 
auf die Scheibe in den Thermostaten gibt. Arbeitet man nicht mit Organen, 
so muß man in die Röhrchen vor dem Füllen eine Glasperle geben, da- 
mit die Zellsuspension genügend gemischt wird. 

Es ist stets notwendig, ein „Kontrollröhrehen“ anzusetzen, d.h. 
ein Röhrchen ganz entsprechend mit der Suspension zu füllen, in dem 
kein Sauerstoffverbrauch durch Zelltätigkeit stattfindet. Untersucht man 
Blutzellen oder eine Aufschwemmung von Bakterien, so werden die Oxy- 
dationen mit 0'2cm® einer 1°/‚,igen KCN-Lösung unterdrückt; bei Ver- 
suchen mit überlebenden Organen setzt man ein Röhrchen ohne Organ an. 

Man befestigt nun die Röhrchen auf der Scheibe im Thermostaten, 
läßt sie dauernd rotieren und unterbricht nach der vorgesetzten Zeit. Kann 
man die Analyse nicht unmittelbar nach dem Versuche ausführen, so legt 
man die Röhrchen, nachdem man den Ausflußhahn geöffnet hat, auf Eis. 
(Wenn man den Hahn nicht öffnet, so entstehen bei der Kontraktion der 
Flüssigkeit leicht Gasblasen.) Auf Eis kann man die Röhrchen einige 
Stunden liegen lassen; unter gewöhnlichen Bedingungen findet bei 0° in 
dieser Zeit kein merklicher Sauerstoffverbrauch statt. 

Ist die Versuchsdauer sehr kurz und untersucht man gleichzeitig 
eine größere Reihe Proben, so muß man die Röhrchen auch gleich nach 
dem Ansetzen in Eis legen und dann alle gleichzeitig in den Thermostaten 
bringen, damit alle genau gleich lange Versuchszeit haben. 

3. Die Analyse. 

Man richtet sich so viele Manometer und Analysengefäße, als man 
Oxydationsröhrchen im Gebrauche hat. Sollte man aus irgend einem Grunde 
keinen Kontrollversuch nötig haben, so muß ein weiteres Manometer mit 
(refäß als Thermobarometer benutzt werden (wie bei der Blutgasanalyse 
nach Bareroft). Nachdem die am Schliffe gut gefetteten Deckel der Ge- 


fäße an das Verbindungsstück der Manometer angeschlossen sind (vgl. ° 


S. 22), stellt man die Gefäße vor sich auf, bequem in dem Stativ, das 
Fig. 10 abgebildet ist. Man füllt dann aus einer Bürette in jedes ein be- 
stimmtes Volumen der Ammomiaklösung, je nach Größe der Gefäße. Man 
mub so viel einfüllen, dab die Lösung in den Gefäßen mindestens eine 


Messung der Oxydations- und Gärungsgeschwindigkeit in Zellen etc. 29 


etwa l1cm hohe Schicht bildet, weil diese Schicht verhüten soll, daß die 
unterschichtete Lösung aus den Röhrchen aus der Luft Sauerstoff auf- 
nehme, während der Apparat zum Ausgleich der Temperatur im Wasser 
hängt. 

Sind die Analysengefäße so gerichtet, so nimmt man die Oxydations- 
röhrchen der Reihe nach, öffnet bei geschlossenem Hahn den Stöpsel, führt 
die Spitze des Ausflusses an den Boden der Analysengefäße, unter die 
Ammoniaklösung und läßt durch vorsichtiges Öffnen des Hahnes die Lösung 
ganz langsam aus dem Röhrchen ausfließen. Arbeitet man mit der nötigen 
Vorsicht, so läßt sich leicht erreichen, daß die Lösungen sich nicht 
mischen, sondern die Ammoniaklösung ungefärbt über der Blutkörperchen- 
suspension schwimmt. Nun bringt man die Gefäße, ohne zu schütteln, an 
die zugehörigen Stopfen, drückt sie so fest ein, daß der Schliff nicht 
mehr gedreht werden kann. Die Manometer werden dann in das Wasser- 
bad von Zimmertemperatur gehängt, man läßt den Hahn des Manometers 
10—15 Minuten offen, mischt während dieser Zeit das Wasserbad gründ- 
lich. Die Manometerfüllung in den mit dem Analvysengefäße verbundenen 
Schenkel wird auf eine bestimmte Marke eingestellt. Ändert sich dann der 
Stand des Manometers nicht mehr, wenn der Hahn geschlossen wird. so 
hat sich die Temperatur ausgeglichen. Man schüttelt nun die Gefäße 
energisch, vermeidet aber dabei die Gefäße mit der Hand anzufassen, um 
sie nicht zu sehr zu erwärmen, und hängt die Apparate wieder in das 
Wasserbad. Wenn die Temperatur sich ausgeglichen hat, was sehr 
rasch der Fall ist, stellt man die Manometer so ein, daß die Mano- 
meterflüssigkeit in dem mit dem Gefäße verbundenen Schenke! an der 
gleichen Marke steht, wie zuvor bei offenem Hahn, und liest den Stand 
im freien Schenkel ab. Dann wird wieder geschüttelt, abgewartet bis zum 
Temperaturausgleich und wieder abgelesen. Dies wird so lange wiederholt. 
bis bei heftigem Schütteln keine Druckabnahme mehr erfolgt. Ist das der 
Fall, so stellt man die Flüssigkeit in dem mit dem Gefäße verbundenen 
Manometerschenkel genau auf die Marke ein und notiert den Stand im 
freien Schenkel. Darauf öffnet man den Hahn des Manometers, stellt in 
dem mit dem Gefäße verbundenen Schenkel wieder auf die Marke ein und 
liest wieder den Stand im freien Schenkel ab. Die Differenz der beiden 
Ablesungen gibt die Druckabnahme an, die das Gas in dem Gefäße bei 
gleichem Volumen erlitten hat, als die Lösung wieder mit Luft gesättigt 
wurde. 

4. Berechnung des Sauerstoffverbrauches. 

Es ist zu berechnen, wieviel Sauerstoff das Blut, das vor dem Ver- 


‘suche mit Luft gesättigt war, aufnimmt, wenn es wieder mit Luft ge- 


sättigt wird, oder genauer, wieviel Sauerstoff es mehr aufnimmt als das 
ganz gleich behandelte, in dem aber kein Sauerstoff durch Zellatmung 
verschwand (in dem entweder kein atmendes Organ sich befand oder in 
dem die Atmung durch einen narkotischen Stoff unterdrückt war). Die 
Absorption von Sauerstoff in der Flüssigkeit in dem durch das Manometer 


30 R. Siebeck. 


abgeschlossenen Gefäße bewirkt eine Druckabnahme. Die Kohlensäure wird 
von der Ammoniaklösung gebunden, das Volumen des Gasraumes ist unver- 
ändert, man kann also direkt aus der Druckabnahme und dem Volumen 
des Gasraumes den Sauerstoffverbrauch berechnen: 

pw 
Po.(1+ xt) ’ 
wenn p die Druckabnahme (vgl. unten), v das Volumen des Gasraumes, 
p. der mit der Manometerflüssigkeit gemessene Atmosphärendruck und t 
die Temperatur des Wasserbades ist. Durch diese Formel wird der Sauerstoff- 
verbrauch angegeben, reduziert auf 0° und Atmosphärendruck (10.000 mm 
Manometerfl. = 760 mm Hg). Da das Volumen des Gasraumes in Kubik- 
zentimeter angegeben ist, bezieht sich die Zahl für O,-Verbrauch auch 
auf Kubikzentimeter. 

Das Volumen des Gasraumes (v) wird folgendermaßen berechnet: 
Zu dem durch Wägung mit Wasser festgestellten Volumen des Analysen- 
gefäßes (vgl. S. 23) wird der Inhalt der Kapillare des Manometers vom 
Verbindungsstück bis zum Stande der Manometerflüssigkeit addiert.) Von 
dieser Summe wird das Volumen der zugesetzten Flüssigkeit abgezogen: 
1. das an der Bürette abgelesene Volumen der Ammoniaklösung; 2. das 
Volumen der Suspension, die dem bestimmten Inhalte des Oxydations- 
röhrchens (bis zur Hahnbohrung) entspricht. Die Masse eines zugesetzten 
Organes muß eventuell von dem Inhalte des Oxydationsröhrchens abge- 
zogen werden. 

Die Druckabnahme (p) bedarf einer Korrektur. Die Lösung wird 
bei der Analyse bei anderer Temperatur gesättigt als vor dem Versuche; 
die Blutkörperchen werden durch die Ammoniaklösung und das Saponin 
aufgelöst und das gelöste Hämoglobin bindet nicht die gleiche Gasmenge 
wie das in den Blutkörperchen gebundene; in dem Analysengefäße wird 
Kohlensäure (durch die Ammoniaklösung) gebunden. Die Temperatur des 
Wasserbades oder der Barometerstand können sich während der Analyse 
ändern. Alle diese Fehler werden durch die genau unter gleichen Be- 
dingungen vorgenommene Analyse des Kontrollröhrehens ausgeglichen, 
wenn man von der Druckabnahme, die die Analyse der Versuchsröhrchen 
ergab, die gleichsinnig abgelesene Druckänderung, die sich bei 
der Kontrollanalyse ergab, abzieht. (Wenn der Druck bei dieser 
Analyse ansteigt, so muß er zu der Druckabnahme hinzuaddiert werden.) 
Die Kontrollanalyse dient so zugleich als Thermobarometer. 

Benützt man ein besonderes Thermobarometer, so muß man, wenn 
die Analysengefäße sehr klein sind, bedenken, daß ein Fehler dadurch 
entstehen kann, dal) nicht der ganze Gasraum die Temperatur des Wasser- 
bades, sondern die Kapillare des Manometers und ein Teil der Verbindung 
(soweit er nicht unter Wasser steht) Zimmertemperatur hat. Da ja das 


O,-Verbrauch = 


') Bei der Aichung durch Herstellung eines Unterdruckes erhält man unmittelbar 
diese Summe. 


Messung der Oxydations- und Gärungsgeschwindigkeit in Zellen ete. 31 


Wasserbad annähernd Zimmertemperatur hat, kommt die Differenz meist 
nicht in Betracht. Dieser Fehler läßt sich dadurch vermeiden, daß man 
den Gasraum des Thermobarometers ebenso groß macht wie den des 
Analysengefäßes. Außerdem empfiehlt es sich, bei kleinen Gefäßen Mano- 
meter mit engen Kapillaren zu benützen. 

Bei der Analyse wird Sauerstoff von der Flüssigkeit absorbiert, der 
Sauerstoffpartiardruck in dem Gefäße muß also abnehmen. Das hat zur 
Folge, daß die Flüssigkeit etwas weniger Sauerstoff aufnimmt, als bei nor- 
malem Sauerstoffpartiardruck, also auch als sie vor dem Versuche enthielt. 
Das Resultat ist demnach etwas zu klein. Da die ganze Druckänderung durch 
Sauerstoffbindung zustande kommt, nimmt der Sauerstofipartiardruck um 
die abgelesene Druckabnahme ab. Die Flüssigkeit enthält also 

Fraıp 

10.000 
weniger Sauerstoff als vor dem Versuche, wenn F das Volumen der Flüssigkeit, 
a der Absorptionskoeffizient des Sauerstoffes bei der Temperatur des Wasser- 
bades ist. (Absorptionskoeffizient gleich dem Gasvolumen, gemessen bei 0° 
und 760 mm Heg-Druck, das 1cm® der Flüssigkeit bei einer bestimmten 
Temperatur aufnimmt, wenn der Partiardruck dieses Gases 760 mm ist.) 

Das Verhältnis der Korrektur zum unkorrigierten Werte ist gleich 
F.a(ll+et) 
W 


20 
«t kann als ein Bruchteil (zirka 373) der Korrektur vernachlässigt werden; da a (bei 


20°) = 0:03 ist, erhält man den relativen Wert der Korrektur, wenn man das Verhältnis 
der Flüssigkeitsmenge zum Gasraume mit 0:03 multipliziert. Z. B.: Bei einer Flüssigkeits- 
menge von 3cm? und einem Gasraume von 10 cm® beträgt der relative Wert der Korrektur 
En also etwa 1°/,. In dieser Weise ist die Korrektur zu berechnen; meist kommt 
sie nicht in Betracht. 

Die genaue Formel lautet: 

; p-v Ws 
I erauch 29). 10.000 7 10.000 

Die Größe der Gefäße ist nach folgenden Gesichtspunkten einzu- 
richten: je kleiner der Gasraum im Analysengefäße, desto größer ist der 
Ausschlag bei gleichem Sauerstoffverbrauche. Erwartet man also kleinen 
Sauerstoffverbrauch, so wird man den Gasraum klein machen. Das er- 
reicht man dadurch, daß man die Gefäße klein macht, oder dadurch, dal 
man mehr Flüssigkeit einfüllt (Ammoniaklösung oder Suspension). Dabei 
muß man aber bedenken, dal) viel Flüssigkeit und wenig Luft ungünstige 
Bedingungen für die Sättigung der Lösung bilden. Keilförmige Gefäße 
sind etwas günstiger als die gewöhnlichen, aber auch mit diesen kommt 
man bald an eine Grenze. Das Oxydationsröhrchen ist so groß zu wählen, 
daß genügender Sauerstoffvorrat gewährleistet ist, zu großes Volumen ist 
zu vermeiden, weil dann entweder die Sättigung bei der Analyse erschwert 
ist oder zu große Analysengefäße notwendig werden. 


32 R. Siebeck. 


Einige Beispiele mögen das erläutern. 

Für die Untersuchung der Oxydationen an Vogelblutkörperchen sind 
Oxydationsröhrchen von etwa 10cm: Inhalt, Analysengefäße von etwa 
50 cm3 zweckmäßig. (Der Ausschlag hängt dann von der Dichte der Sus- 
pension und von der Anämisierung ab.) 

Für Froschorgane sind kleinere Gefäße vorzuziehen, etwa Oxydations- 
röhrchen von 3—5 cm: und Analysengefäße von 10—13 cm}. 

Womöglich richtet man die Größe der Gefäße und die Menge des 
benutzten Materiales so ein, dal» man bei unbeeinflußter Zellfunktion eine 
Druckabnahme von 100 mm, mindestens 50 mm erhält. 


Fehlerquellen. 


Wenn alle besprochenen Vorsichtsmaßregeln genau eingehalten 
werden, findet man bei Doppelanalysen stets bis auf den Ablesungsfehler 
übereinstimmende Resultate. Die Ablesung ist bei den neuen Manometern 
mit Spiegeln sicher auf 1—2 mm genau. Danach ist der relative Fehler 
zu berechnen. 

Von unvermeidlichen Fehlern kommt sonst nur noch die Möglich- 
keit in Betracht, dab die sauerstoffarme Suspension beim Überfüllen in 
das Analysengefäß oder bei der Analyse während des Temperaturaus- 
gleiches aus der Luft Sauerstoff aufnimmt. Dal) die unter die Ammoniak- 
lösung unterschichte Lösung auch in längerer Zeit keine meßbare Menge 
Sauerstoff aufnimmt, läßt sich dadurch beweisen, daß man von Doppel- 
analysen die eine gleich nach dem Temperaturausgleich, die andere erst 
nach einer Stunde oder mehr durch Schütteln sättigt. Man wird sich dann 
davon überzeugen, daß beide gleich viel Sauerstoff aufnehmen. 

Daß durch Sauerstoffaufnahme beim Überfüllen der Lösung kein 
störender Fehler entsteht, ergibt sich schon aus der Erfahrung, daß 
Doppelanalysen, auch wenn nicht ganz gleich verfahren wird, stets über- 
einstimmen. Außerdem kann man zur Prüfung folgenden Versuch machen: 
Man bestimmt die Sauerstoffbindung von ausgepumptem Blute; bei der 
Berechnung muß natürlich die Absorption von Luft (nach dem Absorp- 
tionskoeffizienten) berücksichtigt werden. Die Sauerstoffbindung muß der 
Sauerstoffkapazität entsprechen; da nach neueren Untersuchungen!) diese 
Sauerstoffkapazität, d.h. die Menge Sauerstoff, die pro 1 g Hämoglobin 
(oder pro 1 g Eisen) vom Blute bei Sättigung an der Luft gebunden wird, 
konstant ist, kann man den gefundenen Wert direkt mit dem aus den 
zitierten Untersuchungen bekannten vergleichen. 


1) Butterfield, Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 62. S. 173 (1909); Masing und 
Siebeck, Archiv £. klin. Med. Bd. 99. S. 130 (1910); Peters, Journ. of Physiol. Vol. 44. 
p- 131 (1912). Masing und Siebeck sowie auch Peters berechnen, daß mit Sauerstoff 
vollständig gesättigtes Hämoglobin 2 Atome Sauerstoff auf jedes Atom Eisen gebun- 
den hat. 


a 


Messung der Oxydations- und Gärungsgeschwindigkeit in Zellen ete. 33 


Il. Bestimmung der Oxydationsgeschwindigkeit. 
Zweite Methode. 


Prinzip der Methode. 


Während des Versuches wird die Nährlösung dauernd mit Luft ge- 
sättigt, es wird bestimmt, wieviel Sauerstoff die Lösung aus der Luft auf- 
nimmt. Das läßt sich leicht dadurch erreichen, daß die Lösung in einem 
abgeschlossenen Raume ständig geschüttelt wird, während alle entstehende 
Kohlensäure absorbiert wird. Die Sauerstoffbindung kann dann einfach 
durch Messung der Druckabnahme in dem Gefäße bestimmt werden. 

Die Vorzüge dieser Methode bestehen 1. darin, daß es nicht 
notwendig ist, Blutkörperchen als Sauerstoffträger in der Lösung zu sus- 
pendieren. Das ist vielfach von Vorteil, z. B. wenn Zellen in Lösungen 
untersucht werden sollen, die Blutkörperchen schädigen, wenn Blutkörper- 
chen den Gleichgewichtszustand stören würden, z.B. bei alkalischen Lösun- 
gen ete., 2. ist es für viele Untersuchungen vorteilhaft, daß man bei dieser 
Anordnung während des Versuches zu jeder beliebigen Zeit ablesen kann. 
Dadurch wird eine einfache Kontrolle möglich, ob dauernde, gleichmäßige, 
stationäre Verhältnisse gegeben sind. Schließlich wird 3. das Überfüllen 
der sauerstoffarmen Lösung in das Analysengefäß vermieden; bei sehr 
kleinen Mengen und kleinen Ausschlägen könnte ja bei diesem Überfüllen 
durch Sauerstoffaufnahme aus der Luft ein Fehler entstehen. 

Diesen Vorteilen stehen gewisse Schwierigkeiten gegenüber: es 
muß vor allem geprüft werden, ob die Lösung dauernd mit Luft gesättigt, 
ob also genügende Sauerstoffversorgung der Zellen sichergestellt ist, und 
weiter, ob alle entstehende Kohlensäure gebunden wird. 

O. Warburg führte einige Versuche im physiologischen Institut in 
Cambridge bei Prof. Barcroft aus. In dem Analysengefäße, das bei der 
oben beschriebenen Methode benutzt wird, wurde ein kleines Gefäßchen 
angebracht und mit Normal-NaOH gefüllt. Wurde dann das Gefäß mit 
einer Suspension kernhaltiger Blutkörperchen versehen, an das Manometer 
angeschlossen, so wurde beim Schütteln, wie Kontrollen ergaben, alle ent- 
stehende Kohlensäure gebunden, und aus der Druckabnahme konnte der 
Sauerstoffverbrauch bestimmt werden. 

Ich beschreibe nun die Methode in der Anordnung, wie sie sich bei 
meinen Versuchen an überlebenden Tieren sehr bewährt hat und jeden- 
falls in weitem Umfange anwendbar ist. ’) 


Apparate. 


An das Barcroftsche Manometer wird ein Gefäß angeschlossen von 
der Form, wie sie Fig. 11 zeigt.2) Das Glasrohr (a), das mit dem Mano- 


1) Vgl. Siebeck, Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 148. S. 443 (1912). 
2) Die Gefäße werden von Glasbläser Greiner bei €. Desaga in Heidelberg vor- 
züglich geliefert, fast genau in der gewünschten Größe. Über die Größe s. 8. 38. 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 3 


54 R. Siebeck. 


meter, wie S. 22 beschrieben, verbunden wird, ist an seinem unteren Ende 
aufgetrieben und zu einem auf das Gefäß passenden Stöpsel zugeschliffen 
(b). Das Gefäß selbst ist kegelförmig; an seinem Boden ist ein kleines, 
unten geschlossenes Glasröhrchen (c) eingeschmolzen, in das man ein paar 
nicht ganz bis zum oberen Rande reichende Glaskapillaren setzt. Dieses 
(läschen dient zur Aufnahme der Lauge, die Kapillaren zur Vergrößerung 
ihrer Oberfläche. Diese Form der Gefäße ermöglicht sowohl leicht Sätti- 
gung der Lösung wie Absorption der gebildeten Kohlensäure. 

Zum Versuche wird über das äußere Ende des Röhrchens (ec) ein 
Gummischlauch gezogen (a Fig. 15), der im unteren Teile der Länge nach 

gespalten ist, so daß er gut federt. An diesen 
Fig. 11. Schlauch schlagen die Federn des Schüttelappa- 
l rates an (vgl. unten und Fig. 12). 

| Für manche Untersuchungen erschien es 
wichtig, während des Versuches, vor allem nach 
| dem Temperaturausgleich, Reagenzien an die 
|| Zellen heranzubringen. Das ist leicht möglich, 
| wenn man an einer Seite der Gefäße eine kleine 
| Ausbuchtung anblasen läßt (Fig. 14), in die man 
die Reagenzien mit einer feinen Pipette füllt. 
Im gewünschten Augenblick läßt man die Flüssig- 
keit durch eine Kippbewegung überfließen. Es ist 
zweckmäßig, vor dem Übergießen den Schüttel- 
apparat abzustellen (vgl. unten), damit ein Über- 

fließen sicher vermieden wird. 

Die Gefäße werden in der gewöhnlichen 
Weise durch Wägung mit Wasser oder durch 
Druckdifferenz geeicht. 

Die Einrichtung des Thermostaten ist 
in Fig. 12 abgebildet. Die senkrecht stehende 
Achse («), die gut zentriert sein muß, wird durch 
Schnurlauf von einem Motor getrieben. Die Achse 
wird unten durch ein Lager in einem am Boden 
des Thermostaten liegenden Bleikreuze, oben 
durch ein verstellbares, am Thermostatengefäße befestigtes Stativ gehalten. 
In ihrem unteren Teile trägt die Achse sechs Windflügel (5) zur ener- 
gischen Mischung des Wassers im Thermostaten, in ihrem oberen Teile 
ein in der Höhe verstellbares Drahtkreuz (ce). An den Sprossen dieses 
Kreuzes sind, verstellbar, Spiralfedern befestigt, die nicht zu stark sein 
sollen, damit sie leichtem Drucke nachgeben. Dieser Apparat dient dazu, 
die in dem Thermostaten hängenden Gefäße dauernd zu schütteln. 

Man muß vor dem Versuche ausprobieren, ob die Einrichtung paßt. 
Man hängt dazu die mit dem Manometer verbundenen Gefäße wie ge- 
wöhnlich in den Thermostaten. Es ist gut, sie durch Korkstücke zwischen 
der Wand des Thermostaten und dem Halter der Manometer festzu- 


> aaa Kb a ne ET el nn a 


Messung der Oxydations- und Gärungsgeschwindigkeit in Zellen ete. 35 


klemmen. Nun befestigt man das Kreuz an der Achse genau in der 
Höhe der unteren Enden der Gummischläuche unten an den Gefäßen und 
stellt die Federn so ein, daß sie eben an die Schläuche anschlagen. Meist 
genügt es, wenn zwei Federn anschlagen. Es ist von ausschlaggeben- 
der Wichtigkeit, den Anschlag gut auszuprobieren, da davon 
das Gelingen des Versuches abhängt. Ist der Anschlag zu schwach, 
so wird zu wenig geschüttelt und die Lösung wird nicht gesättigt. Ist er 


Fig. 12. 


7 


D-r 


E 
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2 
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i 
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[ 


aber zu stark, so kann der Schliff oder die Schlauchverbindung gelockert 
werden, wodurch ein erheblicher Fehler entsteht, oder es kann auch vor- 
kommen, daß Lauge in die Lösung überläuft und den Versuch verdirbt. 
Mit einiger Sorgfalt läßt sich stets leicht das richtige Maß erreichen. 
Will man das Schütteln abstellen, so hängt man die Apparate etwas höher 
in den Thermostaten (durch Zwischenschieben eines Holzklotzes zwischen 
Haken und Thermostatenwand). 

Der Thermostat muß sehr gut reguliert werden. Um das zu 
erreichen, muß man vor allem für genügende Rührung im Wasser sorgen. 

3* 


36 R. Siebeck. 


Durch die Flügel an der Achse findet eine sehr energische Durch- 
mischung statt. 

Im Thermostaten muß stets ein Manometer mit Gefäß als Thermo- 
barometer angebracht sein. Dieses Gefäß braucht natürlich nicht ge- 
schüttelt zu werden. Aus den S. 50f. besprochenen 
Gründen empfiehlt es sich, namentlich wenn die 
Volumina der benutzten Gefüße klein sind, als 
Thermobarometer ein 
Gefäß von annä- 
herndgleicherGröße 
wie die anderen zu be- 
nutzen. 

Lösungen. Außer 
der Nährlösung, in 
der die Zellen unter- 
sucht werden sollen, 


Fig. 14. 


- 1 
braueht man eine Tu 


Natronlauge, dieman 
in einer gut graduier- 
ten, unter Kohlesäuren- 
abschluß stehenden Bürette hält. — Über die Manometerfüllung S. 25. 


Ausführung eines Versuches. 


Die (refäße werden gut gereinigt und getrocknet. In das mit ein 
paar Kapillaren versehene Röhrchen (e) gibt man aus einer Bürette 0°2 cm? 
der n-NaOH-Lösung und pipettiert dann in das Gefäß 1—2 cm® der Nähr- 
lösung oder der Zellsuspension, die untersucht werden soll, oder setzt zu- 
letzt das überlebende Organ zu.!) Die gerichteten Gefäße werden an die 
mit dem Manometer verbundenen Stöpsel fest angedreht, bis im Schliff 
keine Drehung mehr möglich ist. Nun werden die Apparate mit offenem 
Manometerhahn in den Thermostaten gesetzt und an dessen Wand gut 
befestigt (durch zwischengeklemmte Korkstücke). Man wartet 10—15 Mi- 
nuten, bis die Temperatur ausgeglichen ist, stellt dann in dem mit dem 
(sefäbe verbundenen Manometerschenkel die Füllung auf die Marke ein und 
schließt den Hahn des Manometers. Die Zeit wird notiert. Während dem 
Verlaufe des Versuches muß man ab und zu kontrollieren, ob die Gefäße 
genügend und nicht zu stark geschüttelt werden. Man kann nun zu jeder 
beliebigen Zeit ablesen, indem man im geschlossenen Manometerschenkel auf die 
Marke einstellt und die Druckdifferenz im freien Schenkel abliest.?2) Man 


') Bei Zellsuspensionen empfiehlt es sich, zur besseren Mischung ein paar Glasperlen 
zuzusetzen. Kleine Organe, die in der Lösung schwimmen, befördern selbst die 
Mischung. 

?®) Es ist besser, zwischen den Ablesungen die Manometerflüssigkeit so ein- 
zustellen, daß die Druckdifferenz zwischen den Gefäßen und der Luft nicht zu groß ist. 


ee en , 


ö 


w 


Messung der Oxydations- und Gärungsgeschwindigkeit in Zellen ete. 37 


muß natürlich stets gleichzeitig am Thermobarometer ablesen. Die Aus- 
schläge am Thermobarometer sind bei dieser Methode meist größer, da 
in der längeren Versuchszeit Temperatur und vor allem Barometerstand 
sich mehr ändern können als während der kürzeren Dauer der Analysen 
bei der anderen Methode. 


Die Berechnung des Sauerstoffverbrauches 


entspricht genau der bei der oben beschriebenen Methode. 


i PıV - pP h ; 
(6 „-Vverbr: Se en Ann 
);-Verbrauch (1 + xt). 10.000 (+ 10.000 ) 


wenn v der Gasraum im Gefäße, F die Menge der zugesetzten Lösung, 
a der Absorptionskoeffizient der Lösung für Sauerstoff, p die Druck- 
abnahme (abgelesene Druckabnahme minus Ausschlag des 'Thermobaro- 
meters) ist. F.a.p kann meist vernachlässigt werden. Vgl. S. 31. 


Kontrollversuche. ') 


1. Es muß geprüft werden, ob durch das Anschlagen der Federn 
nicht eine Volumenänderung des (sasraumes verursacht wird (Lockerung 
des Stopfens oder der Schlauchverbindung). Man macht einen blinden Ver- 
such. Bei guter Anordnung ändert sich der Druck in mehreren Stunden 
nicht merklich. (Thermobarometer!) 

2. Wird alle entstehende Kohlensäure gebunden? Man führt folgen- 
den Versuch aus: In das Röhrchen wird wie gewöhnlich NaOH gegeben, 


in das Gefäß statt der Nährlösung 2 cm? 9, "Salzsäure, die bei der 


Thermostatentemperatur mit Luft gesättigt ist. Zudem stellt man in das 
Gefäß ein kleines U-Röhrchen, in das man ein paar Tropfen einer Na- 
triumbikarbonatlösung saugt, in der Weise, dal» beide Lösungen zunächst 
nicht in Berührung miteinander kommen. Die Apparate werden wie ge- 
wöhnlich in den Thermostaten gehängt, Temperaturausgleich wird abge- 
wartet. Zur Kontrolle wird der Hahn des Manometers geschlossen und ge- 
prüft, ob der Druck sich nicht ändert. Dann wirft man durch eine Schüttel- 
bewegung das U-Röhrchen um, es entwickelt sich dann sofort Kohlensäure, 
was an dem raschen Druckanstieg erkannt wird. Man kann dann feststellen, 
ob und in welcher Zeit der Druck zur ursprünglichen Höhe absinkt. Nach 
meinen Versuchen wird eine einem Überdrucke von etwa 90 mm Wasser 
entsprechende Kohlensäuremenge in 45 Minuten vollständig gebunden. 

3. Ist die Nährlösung im Gefäße stets mit Luft gesättigt? Wie ich 
auf S. 20 ausgeführt habe, ist genügende Sauerstoffversorgung eine Grund- 
bedingung der Versuche. Zur Entscheidung führt man ganz entsprechende 
Versuche mit 1 und mit 2 cm® der Nährlösung aus. Überlebende Organe 
müssen in beiden gleichen Sauerstoffverbrauch haben. Von Zellsuspensionen 


!) Vgl. Siebeck, 1. e. S. 507 ff. 


33 R. Siebeck. 


nimmt man verschiedene Mengen und untersucht, ob entsprechende Mengen 
Sauerstoff verbraucht werden. Findet man in beiden Fällen übereinstim- 


mende Werte, so kann man schließen, daß kein Fehler durch ungenügende 
Sättigung entstanden ist. Vor allem ist zur Kontrolle wichtig, daß in 


länger dauernden Versuchen der Sauerstoffverbrauch gleich bleibt. Ich 
fand z. B. in einem Versuche mit überlebenden Froschnieren in 12 Stunden 
keine merkliche Änderung des Sauerstoffverbrauches. 


Fehlerquellen. 


Wenn die besprochenen Kontrollen ausgeführt werden, so ist der 
Fehler bei Doppelbestimmungen nie größer als der Ablesungsfehler. Es 
käme höchstens noch eine Undichtigkeit des Apparates in Betracht, die 
hier natürlich noch viel mehr stört, als bei der ersten Methode. Man kann 
sich leicht von der Diehtigkeit überzeugen, wenn man blinde Versuche 
über längere Zeit ausdehnt und öfters wiederholt, eventuell auch mit 
dauerndem Unterdrucke. 

Es ist wichtig, daß zu Beginn des Versuches die Luft im Gefäße 
keine Kohlensäure enthält. Durch die langsame Absorption der vorhandenen 
Kohlensäure kann eine Druckabnahme vorgetäuscht werden. 

Die Größe der Gefäße ist nach der Aufgabe einzurichten. Für 
Versuche an Froschnieren und für solche mit Seeigeleiern haben sich Ge- 
fäße von etwa 13 cm® Inhalt sehr gut bewährt. 


III. Bestimmung der Kohlensäureentwicklung.') 
Prinzip der Methode. 


1. Um die Kohlensäurebildung in Zellen zu bestimmen, muß man 
stets die Differenz der am Ende und am Anfang des Versuches in der 
Zellsuspension enthaltenen Kohlensäuremenge bestimmen, also: (präfor- 
mierte + gebildete CO,) — (präformierte CO,). Man bestimmt in gleichen 
Mengen des gleichen Materiales die Kohlensäure, in einer Portion vor dem 
Versuche, in einer anderen Portion, nachdem die Zellen eine bestimmte 
Zeit geatmet haben. Es ist nämlich nicht möglich, die Kohiensäureentwick- 
lung aus der Kohlensäureabgabe zu bestimmen, da diese von all den 
Momenten abhängig ist, die das Säurebasengleichgewicht bestimmen. 

2. Die in der Zellsuspension enthaltene Kohlensäuremenge wird mit 
Säure angetrieben, in einer bekannten Menge Lauge als Vorlage aufge- 
fangen und titriert.?) 

3. Es muß) peinlich vermieden werden, daß während der Bestimmung 
Kohlensäure aus der Luft aufgenommen wird. 


!) Vgl. Warburg, Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 81. S. 202 (1912). 
?) Modifikation der früher mitgeteilten Methode: vgl. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 
Bd. 61. S. 261 (1909). — Vgl. auch dieses Handbuch. Bd. 3. S. 613. 


ce Me ee en re a a Lu u 


Messung der Oxydations- und Gärungsgeschwindigkeit in Zellen etc. 39 


Apparate. 


Die Anordnung ist aus Fig.15 zu ersehen. Ein diekwandiger Rund- 
 kolben (a) aus Jenaer Glas von 1—1'/, / Inhalt ist mit einem dreifach durch- 

Fi bohrten Gummistopfen (b) verschlossen. Durch den Stopfen führt ein Glas- 

t ® rohr bis nahe zum Boden des Gefäßes (ce). Dieses Glasrohr führt außer- 
halb des Gefäßes zu einem mit Natronkalk gefüllten U-Rohr (e) und weiter 
(auf der Figur nicht gezeichnet) zu einer mit starker Kalilauge gefüllten 


Ir, 


Was chflasche mit 
ee A 


= 


u — 


_ Waschflasche. Zwischen das U-Rohr und den Rundkolben ist ein Glas- 
hahn (d) und außerdem eine kleine Glaskugel eingeschaltet. Durch dieses 
Rohr wird die Luft eingeleitet, Kalilauge und Natronkalk binden alle in 

_ der zugeleiteten Luft enthaltene Kohlensäure. Der Gummistopfen (b) wird 
weiter von einem zweiten Glasrohre durchbohrt, das kurz unterhalb des 
Stopfens endigt und außerhalb des Gefäßes zu einem Fülltrichter mit Hahn 
führt (f). Das dritte Glasrohr, das den Stopfen durchbohrt und ebenfalls 
- kurz unterhalb desselben endigt, dient zum Absaugen der Luft (g). Damit 
keine Spuren von Flüssigkeit mitgerissen werden, ist das Rohr zu einer 


40 R. Siebeck. 


Kugel aufgetrieben (wie die Destillationsrohre für Kjeldahlbestimmung, vgl. 
Fig. 15). Dieses Rohr, in das ebenfalls ein -Glashahn eingeschaltet ist, 

führt zu der Vorlage (h). Als Vorlage wird eine Waltersche Flasche aus 
Quarz!) benützt; die Spirale, durch die die Luft geführt wird, dient zur 
Vergrößerung der Berührungsfläche Luft : Flüssigkeit. Die Waltersche 
lasche wird durch ein Stativ in einem Wasserbade gehalten. 

Durch den doppeltdurchbohrten Gummistopfen, mit dem die Vorlage 
verschlossen ist, sind die beiden Ausläufe der Pipetten geführt. (Die Pipetten 
sind auf der Figur nicht mehr abgebildet.) Von der Vorlage führt die 
Leitung?) weiter zu einer Waschflasche, die mit starker Kalilauge gefüllt 
ist, und zu dem Aspirator. Statt der Waschflasche kann man auch zweck- 
mäßig ein U-Rohr nehmen, das so weit mit Kalilauge gefüllt ist, daß die 
Lauge eben abschließt, d.h. in den beiden Schenkeln steht. Als Aspirator 
wird eine große, mit Wasser gefüllte Flasche (10 7) benützt, die mit einem 
doppeitdurchbohrten Gummistopfen verschlossen ist. Das eine Glasrohr, das 
diesen Stopfen durchbohrt, ist mit dem Apparate verbunden und endet 
kurz unterhalb des Stopfens. Das andere Glasrohr führt bis zum Boden der 
Flasche, ist außerhalb der Flasche zweimal rechtwinklig umgebogen und 
dient als Heber zum Ablassen des Wassers. Zur Regulation des Abflusses. 
und damit des Luftstromes, der durch den Apparat gesogen wird, ist an 
den Heber ein Gummischlauch mit Quetschhahn angeschlossen. 

Für die Bestimmungen werden folgende Lösungen gebraucht: 

1. 10°/,ige Phosphorsäure. 

BEER 

100 
läßt es unter CO,-Abschluß stehen. Zweckmäßig wird das Barytwasser so 
n 
100 


n-BaOH-Lösung; man löst das Baryt in kochendem Wasser und 


HCl entspricht. 


hergestellt, daß etwa 1 cm? 15 cm? 
on n-HCl-Lösung, die in einem Liter 2 cm® 0'3°/,ige alkoholische 
Phenolphtaleinlösung enthält. Zur Herstellung wird m n-Salzsäure mit aus- 
gekochtem Wasser auf das 1Ofache verdünnt. Die Salzsäure mul genau sein, 
das Barytwasser wird auf die Salzsäure eingestellt. 

Titerstellung: Man muß solche Mengen nehmen, dab der Umschlag 
etwa bei der gleichen Verdünnung stattfindet, wie bei dem Versuche. Man 
titriert bei kohlensäurefreiem Luftstrome in der Walterschen Flasche. 


3. 


Ausführung eines Versuches. 


Vor der Bestimmung wird etwa 10 Minuten lang Luft durch den 
Apparat gesaugt, um die kohlensäurehaltige Luft auszuspülen. Es genügt, 


'), Geliefert von The Siliea Ltd., 82 Halton Garden, London. Die Waltersche 
Flasche muß aus Quarz sein, da Jenaer Glas beim Erwärmen etwas Säure, gewöhnliches 
Glas etwas Lauge abgibt. 

®) In Fig. 15 ist die Leitung vereinfacht aus einem Stücke gezeichnet. Die Walter- 
sche Flasche wird durch kurze, diekwandige Gummischläuche (Diffusion der CO,) 
eingeschaltet. 


u 


Messung der Oxydations- und Gärungsgeschwindigkeit in Zellen ete. 41 


etwa das doppelte Volumen des Apparates durchzusaugen, das Volumen 
kann an dem aus dem Aspirator ausfließenden Wasser leicht gemessen 
werden. Dann füllt man aus der Bürette Baryt ein, für Versuche an Blut- 
körperchen am besten 25 cm? und saugt sehr langsam Luft durch. Durch 
den Trichter wird in den Rundkolben eine gemessene Menge der Zellen 
eingefüllt. In der ersten Bestimmung läßt man nun die Zellen eine passende 
Zeit lang atmen, bei konstanter, bekannter Temperatur, in der zweiten 
wird die Kohlensäure sofort nach Einfüllen der Zellen bestimmt. Während 
der Atmung wird durch das Durchleiten der Luft Sauerstoff zugeführt und 
etwas Kohlensäure in die Vorlage übergeführt. Zur Austreibung der Kohlen- 
säure aus den Zellen läßt man aus dem Trichter etwa 50 cm Phosphor- 
säure einfließen!) und fügt etwa 20 cm3 Alkohol hinzu, um das Schäumen 
zu vermeiden. Die Vorlage wird auf 60° erwärmt. Nun saugt man rascher 
Luft durch, etwa 150 cm® in der Minute. Bei dieser Anordnung kann man 
sicher sein, dal bei Kohlensäuremengen von 10—15 mg in einer Stunde 
alles ausgetrieben und absorbiert ist. Man kühlt die Vorlage ab und titriert 


mit der gl die den Indikator enthält. 


Berechnung des Resultates. 


Wenn in beiden Bestimmungen gleich viel Baryt vorgelegt wird, 
entspricht die gebildete Kohlensäuremenge der Differenz der in beiden 
Bestimmungen bis zum Umschlag zugesetzten Salzsäure. 

FOR 2. E ® e 1 

Beispiel: Man legt 25 cm3 BaOH vor, die 275 cm3 IT n-HCl ent- 
sprechen sollen. Man muß nach der Atmung 20°5 cm® HCl zusetzen, bei 
der Bestimmung ohne Atmung 23°5 cm3, so ist die gebildete Kohlensäure 

> 2 3 il 
gleich 235—205 = 3 cm? TR: 
Der Fehler bei der Methode ist gleich dem Ablesungsfehler gleich 


01 cm3 a:e) = 005 mg CO,. 1mg Kohlensäure kann also etwa auf 
5°/, genau bestimmt werden. 

Anhang: Für einfache, orientierende Versuche kann die Atmungs- 
kohlensäure durch folgende Anordnung gemessen werden: man setzt zwei 
Versuche zur Bestimmung der Oxydationsgeschwindigkeit nach der zweiten 
Methode an, läßt aber in einem davon die Natronlauge zur Absorption 
der Kohlensäure weg. Die Differenz des Ausschlages in den beiden Ver- 
suchen entspricht der gebildeten Kohlensäure. Man muß allerdings be- 
denken, daß die abgegebene Kohlensäure nicht immer der gebildeten 
gleich ist (je nach den Lösungsbedingungen). 


!) Nach den Versuchen von Warburg wird die Kohlensäure aus wässerigen 
Lösungen, auch wenn sie reichlich Eiweiß enthalten, schon bei Zimmertemperatur in 
relativ kurzer Zeit durch einen ÜO,-freien Luftstrom völlig herausgenommen (War- 
burg, ]. c.). 


42. R. Siebeck. 


IV. Messung der Gärungsgeschwindigkeit an Hefezellen oder 
-preßsaft.') 


Prinzip der Methode. 


Die bei der Gärung entstehende Kohlensäure wird durch den Über- 
druck gemessen, der in einem mit einem Manometer abgeschlossenen Ge- 
fäße entsteht. Der Sauerstoffverlust und die Kohlensäurebildung durch 
die Oxydationsprozesse können aus folgenden Gründen vernachlässigt 
werden: 

1. Beide gleichen sich sehr annähernd aus, da ungefähr ebensoviel 
Kohlensäure entsteht, als Sauerstoff verbraucht wird. 

2. Die Atmungskohlensäure beträgt überhaupt im ganzen 
nur !/- der Gärungskohlensäure. 

3. Nur die oberflächlichen Partien werden bei den Ver- 
suchen mit Sauerstoff versorgt. die tieferen leiden unter Sauer- 
stoffmangel, so dab für diese Oxydationsprozesse überhaupt 
nicht in Frage kommen. 


Fig. 16. 


Apparate. 


Man benützt ähnliche Gefäße wie die Analysengefäße bei 
der ersten Methode zur Bestimmung der Oxydationsgeschwin- 
diekeit, die aber in diesem Falle zweckmäßig in solcher Größe 
hergestellt werden, daß sie als Zentrifugengläser in die Zentri- 
fuge passen (vgl. Fig. 16). Diese Gefäße werden wie bei jener 
Methode an die Barcroftschen Manometer angeschlossen. Die 
Gefäße haben einen Inhalt von etwa 50 cm?. 


Ausführung eines Versuches. 


Eine passende Menge (z.B. 2 cm?) einer Suspension ?) von 
Hefezellen wird in die Gefäße gebracht, mit der zu untersuchen- 
den Lösung wird bis zu einem bestimmten Volumen aufgefüllt, dann zentri- 
fugiert, abgehebert und nochmals ausgewaschen. Das Auswaschen wird 
dreimal wiederholt.3) Zuletzt wird wieder bis auf die ursprüngliche Menge 
(2.cm®) abgehebert. 

Die Gefäße werden nun an die mit den Manometern verbundenen 
Stöpsel fest angeschlossen (wie bei den anderen Methoden), die Apparate 
werden dann in einen Thermostaten von etwa 24° gehängt; nach dem 
Temperaturausgleich werden die Hähne der Manometer geschlossen; man 
schüttelt nun die Gefäße und läßt die entstandene Druckzunahme durch 


1) Vgl. Dorner, Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 81. S. 99 (1912) (unter War- 
burg). 

?) Die Suspension enthält nach Dorner zweckmäßig 1 g Preßhefe in 40 cm®. 

») Das Auswaschen ist, wie schon ausgeführt, vor allem dann nötig, wenn die 
Lösung Bestandteile enthält, die in den Zellen angehäuft werden. 


Be Ye 


a en 


A 


a 


Messung der Oxydations- und Gärungsgeschwindigkeit in Zellen etc. 43 


Öffnen der Hähne wieder ausgleichen. Man wiederholt das so lange, bis 
die Druckzunahme beim Schütteln nicht mehr als 1-—-2 Striche ‘beträgt. 
Nun stellt man die Manometerflüssigkeit im offenen Schenkel auf die 
Marke O ein, schließt die Hähne und läßt die Apparate eine passende 
Zeit ruhig im Thermostaten hängen, meist !/,—1 Stunde. Nach dieser Zeit 
schüttelt man wieder bis zum Druckausgleich, stellt auf die Marke ein und 
liest ab. | 

Man muß bei den Versuchen stets zur Kontrolle der Temperatur 
und des Luftdruckes ein Thermobarometer benützen. 


Berechnung der Ergebnisse. 


Die entstandene Kohlensäure wird aus der Druckzunahme berechnet. 
Die richtige Druckzunahme ergibt sich (in der üblichen Weise) aus der 
Differenz der abgelesenen Druckzunahme und dem gleichsinnig abgelesenen 
Ausschlage des Thermobarometers. 

Die entstandene Kohlensäuremenge beträgt 

p.v alpin) 
10.000. (1 + at) ” 10.000 
wenn p die Druckzunahme, v das Volumen in dem die Druckzunahme 
entstanden ist (Volumen des Gefäßes + Verbindung mit dem Manometer 
— eingefüllte Flüssigkeit), t die Temperatur, a der Absorptionskoeffizient 
für Kohlensäure bei der Versuchstemperatur und F das Volumen der 
Lösung ist. 

Fehler. Die Methode ist schon bei einem Ausschlage von etwa 
100 mm Druckzunahme auf etwa 5°/, genau. 

Die Versuchszeiten dürfen aber nicht zu lange gewählt werden, 
weil sonst Vermehrung der Zellen in unberechenbarer Weise das Resultat 
beeinflußt. 


BR. 


3%. pr.oH 


—— ist die Korrektur für die absorbierte Kohlensäure. 
10.000 ; 


+ 


Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. 


Von Edgard Zunz, Brüssel. 


Die Untersuchung des Mageninhaltes wird entweder in nüchternem 
Zustande oder einige Zeit nach Einnahme einer Mahlzeit vorgenommen, 
welche entweder im nüchternen Zustande oder nach künstlicher Entleerung 
des Magens gegeben wird. Die Zusammensetzung der Mahlzeit und die Zeit, 
nach welcher der Mageninhalt mittelst der Schlundsonde oder auf andere 
Weise entnommen wird, wechseln je nach dem Zwecke der Untersuchung. 

I. Probemahlzeiten. Um möglichst vergleichbare Ergebnisse beim 
Menschen zu erzielen, hat man verschiedene Probemahlzeiten mit stets 
gleicher Zusammensetzung vorgeschlagen. 

Am meisten empfohlen wird das Ewald-Boassche Probefrühstück!t), 
welches aus 30 bis 50 g Weißbrot oder Zwieback und 400 cm® Wasser 
oder schwachen Tees (ohne Milch, aber mit etwas Zucker) besteht. Der 
Mageninhalt wird dann gewöhnlich nach einer Stunde entnommen. 

L. Georges?) fügt zum Ewald-Boasschen Probefrühstücke 2 weich- 
gesottene Eier. De Renzi®) verabreicht 2 weichgesottene Eier, 50 g Brot 
und ein Glas Wasser. Albert Robin*) gibt ein halbes hartgekochtes Ei, 60 g 
Weißbrot und 200g Wasser bei Zimmertemperatur. Jaworski und Gluzinski°) 
lassen die Versuchsperson das Weiße von einem bis 2 hartgekochten Eiern 
und 100 cm? destillierten Wasser bei Zimmertemperatur morgens nüchtern 
einnehmen. Ritter und Häörsch®) ziehen als Probefrühstück 500 g Milch, 


') 0. A. Ewald, Klinik der Verdauungskrankheiten. 3. Auflage. Berlin 1890. — 
I. Boas, Über einige Fehlerquellen der Mageninhaltsuntersuchung. Berliner klin. 
Wochenschr. Festschr. für €. A. Ewald. 30. Okt. 1905. S. 7—11. 

®) L. Georges, De l’analyse chimique du contenu stomacal. Arch. de med. exper. 
et d’anat. pathol. T. 2. p. 717—749 (1889). 

3) De Renzi, zitiert nach H. Koeitlitz, Contribution ä la physiopathologie de 
l’estomac. Bruxelles 1908. 

*) Albert Robin, Les maladies de l’estomae. Paris 1900. p. 33. 

5) W. Jaworski und (€. A. Gluzinski, Experimentell-klinische Untersuchungen über 
den Chemismus und Mechanismus der Verdauungsfunktion des menschlichen Magens 
im physiologischen und pathologischen Zustande, nebst einer Methode zur klinischen 
Prüfung der Magenfunktion für diagnostische und therapeutische Zwecke. Zeitschr. f. 
xlin. Med. Bd. 11. S. 50—98 und 270—293 (1886). 

6) Ritter und Hirsch, zitiert nach Albert Robin, loe. eit. 


Methodik der Mageninbhaltsuntersuchung. 45 


2 Eier und Weißbrot vor. Germain See‘) gibt der Versuchsperson 60 bis 
100 g Fleisch, 100 9 Weißbrot und ein Glas Wasser. 

Meunier?) verabreicht der Versuchsperson 60 y Brot, 550 em? Wasser 
und 30 cm? Ferrisulfatlösung, was 30 mg Eisen entspricht. Rowr und 
Laboulais®) geben als Probefrühstück 60 g Brot und 400 cm? einer 05 
bis 1°/,.,igen Hydrodinatriumphosphatlösung. 

Als Fettzwiebackfrühstück bezeichnen Strauss und Leva*) eine 
aus 400 cm Tee (ohne Zucker oder Milch) und 50 9 Zwieback mit kon- 
stantem Fettgehalte bestehende Probemahlzeit. Der tetthaltige Zwieback?°) 
wird durch Zusatz einer genau abgewogenen Buttermenge zu einem genau 
bestimmten Mehlgewichte, stets gleichmäßige Verarbeitung der Brotmasse 
zu Zwiebacken, Trocknen bei bestimmter Temperatur während ungefähr 
1'/, Stunden und sofortige Verpackung in 50 g-Päckchen dargestellt. 50 9 
dieses Zwiebackes enthalten durchschnittlich 5—6 g Fett. 

Als milchsäurefreie Probekost gibt Boas®) der Versuchsperson 
eine aus einem Eßlöffel Knorrschem Hafermehl und ?/, Liter Wasser be- 
reiteten Mehlsuppe mit Kochsalzzusatz nach Belieben. 

Als Probefrühstück verabreicht Godart-Danhieux) in 400 bis 500 cm? 
Wasser verdünnten Hafergrützenabguß mit oder ohne ein Ei. 

Statt diesen aus fester Nahrung und Flüssigkeit bestehenden Probe- 
frühstücken hat man auch Trockenprobefrühstücke für gewisse Zwecke 
vorgeschlagen. Als Trockenprobefrühstück läßt Sahli?) die Versuchsperson 
ein trockenes Brötchen einnehmen, Boas®) 5 trockene Albertbiskuits. 

Andrerseits verabreicht man auch flüssige Probefrüstücke. 
Dazu benutzen Jaworski und Gluzinski?) 200 bis 300 em® destillierten 


1) Germain See, zitiert nach Albert Robin, loc. eit. 

?2) L. Meunier, Nouvelle methode permettant l’etude de la motilite et le dosage 
des @l&ments du suc gastrique. Compt. rend. de la Soc. de Biol. T. 56. p. 18—19 (1904). 

3) J. Ch. Roux et Laboulais, Nouvelle methode pour caleuler la rapidite d’eva- 
cuation de l’estomac. Compt. rend. de la Soc. de Biol. T. 55. p. 1700-7001 (1903). — Sur 
un proced& permettant d’apprecier la rapidite d’evacuation de l’estomae et l’abondance 
de la seeretion. Journ. de Physiol. et de Pathol. gener. T. 5. p. 225—240 (1904). — 
Cramer, Des avantages de l’addition du phosphate disodique au repas d’Epreuve, These 
.de Geneve (1905). 

*) H. Strauss und J. Leva, Untersuchungen über die Motilität des menschlichen 
Magens mittelst des Fettzwiebackfrühstückes. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 65. S. 161—192 
(1908). — Ed. Schenck und F. Tecklenburg, Über die Strauss-Levasche Motilitätsprü- 
fung des Magens mittelst des Fettzwiebackfrühstückes. Münchener med. Wochenschr., 
Bd. 65. S. 338—340 (1909). 

5) I. Boas, Über das Vorkommen von Milchsäure im gesunden und kranken 
Magen nebst Bemerkungen zur Klinik des Magenkarzinoms. Zeitschr. f. klin. Med. 
Bd. 25. S. 285—302 (1894). 

6) F. Godart-Danhieux, Le röle du ferment salivaire dans la digestion. Ann. de 
la Soc. roy. des Sc. med. et nat. de Bruxelles. T. 7. fase. 1. p. 1—132 (1898). 

?), H. Sahli, Lehrbuch der klinischen Untersuchungsmethoden. 6. Aufl. Bd. 1. 
8.635. Leipzig und Wien 1913. 

8) I. Boas, Über digestiven Magensaftfluß. Deutsche med. Wochenschr. Bd. 33. 
$. 135—138 (1907). 

°) W. Jaworski und (Ü. A. Gluzinski, loe. eit. 


46 Edgard Zunz. 


Wassers bei Zimmertemperatur, Koettlitz!) 400 cm destillierten Wassers, 
Talma?) eine genau neutralisierte 3°/,.ige Lösung Liebigschen Fleisch- 
extraktes in lauwarmem Wasser, Kuyjer‘?) dieselbe Lösung mit Zusatz 
von 05 bis 1°/, P205 in Gestalt von Hydrodinatriumphosphat (Na?H PO®), 
Schalij*) eine nach genauer Neutralisation auf einem Salzsäuregehalt 
von 2°/,, gebrachte Lösung von 10 9 Liebigschen Fleischextraktes in 1/2 
Wasser. 

Mintz®) bereitet als Grundflüssigkeit eine filtrierte, sterilisierte 
Lösung von 100 9 Liebigschen Fleischextraktes in 500 em? kochenden de- 
stillierten Wassers. Bei Verdünnung mit, 100 em3 Wasser geben 5 cm? der 
Grundlösung eine Flüssigkeit, deren Azidität 16—18 Grade (vgl. S. 62) 
ungefähr entspricht. Man verteilt diese Grundlösung in Reagensröhren, so 
daß in jeder derselben die für ein Probefrühstück erforderliche Menge 
enthalten ist, deren Azidität 16 bis 18 Grade entsprechen muß. Diese 
Reagenzröhren werden mit der Bouillon sterilisiert, so daß man sie im 
sterilen Zustande bis zur Bereitung des eigentlichen Probefrühstückes auf- 
bewahren kann. Gleich vor Einnahme des Probefrühstückes werden zum 
Inhalte einer Reagensröhre 2 g Kochsalz sowie 3 cm3 einer 1Oprozentigen 
Lösung von Ferrum ammoniacoeitricum gefügt. Durch Zusatz von warmem 
Wasser bringt man die Gesamtflüssigkeit auf ein Volumen von 475 cm». 
Die Lösung von Ferrum ammoniacoeitrieum wird unter Zusatz einiger 
Chloroformtropfen an dunklem Orte aufbewahrt. Die Versuchsperson er- 
hält 450 em3 des Möntzschen Probefrühstückes. während die übrigen 25 em? 
zur Konirolltitrierung benutzt werden. Die Ausheberung des Mageninhaltes 
erfolet nach 25 bis 50 Minuten. 

Das Leube-Riegelsche Probemittagessen®) besteht aus 400 em? 
Rindfleischsuppe, 200 4 Beeisteak, 50 g Brot und 200 cm® Wasser. Dieses 
Probeessen wird der Versuchsperson zur Zeit der Einnahme ihrer Haupt- 
mahlzeit verabreicht. Der Mageninhalt wird 3 bis 7 Stunden, meistens 
31/, bis 4 Stunden nach der Einnahme dieser Probekost ausgehebert. 


Das Kussmaulsche Probemittagessen?’) besteht aus 250 cm3 
Schleimsuppe, 200 g Kartoffelbrei und 200 4 gut zerkleinerten Fleisches. 
Der Mageninhalt wird 3 Stunden nach dieser Mahlzeit ausgehebert. 


') H. Koettlitz, Contribution & la physiopathologie de l’estomac. Bruxelles 1908. 

>?) S. Talma, Over het onderzoek naar de afscheiding van zoutzuur door den 
maagwand. Ned. Tijdschr. voor Geneesk. 1895. 2. Deel. B. 416—420. 

3) /.H. Kuyjer, Onderzoek der Maagfunktie net phosphaathoudenden Proefbouillon. 
Ned. Tijdschr. voor Geneesk. 1909. 2. Deel. B. 715—739. 

4) F. A. Schalij, Over zoutzuurbepaling van het maagsap. Ned. Tijdschr. voor 
Geneesk. 1907. 2. Deel. B. 1130— 1140. 

°) S. Mintz, Zur Frage des Chemismus des Magens. Ein neues Probefrühstück. 
Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 104. S. 481—511 (1911). 

5) W, Leube, Spezielle Diagnose der inneren Krankheiten. 4. Aufl. Bd.1. 
S. 249. Leipzig 1895. — Riegel, Die Erkrankungen des Magens. 1908. 

’) @. Lefmann, Die Funktionsprüfung des Magens nach Probekost. Wies- 
baden 1911. S. 4. 


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Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. 47 


Das Boassche Probeabendessen!) hat folgende Zusammensetzung: 
100 g Weißbrot, etwas Butter und kaltes Fleisch, 400 em? Tee (ohne 
Milch, aber mit etwas Zucker). Diese Mahlzeit wird abends verabreicht. 
Der Mageninhalt wird gewöhnlich nach ungefähr 12 Stunden, früh nüchtern, 
entnommen. 

Bourget?) schlägt vor, zur Prüfung der Magensaftabsonderung drei 
Probeessen nacheinander der Versuchsperson zu verabreichen. Um 8 Uhr 
morgens erhält diese als Probefrühstück 100 g Brot und 200 cms Milch 
oder Tee (mit Milch und Zucker); 2 Stunden später wird der Magenin- 
halt entnommen. Um Mittag nimmt die Versuchsperson als Probemittag- 
essen 200 cm® Bouillon, 80 g Fleisch und 100 9 Brot oder Mehlspeise; 
3 Stunden später wird der Mageninhalt entnommen. Um 7 Uhr abends 
verabreicht man der Versuchsperson 200 em Suppe oder Tee mit Milch, 
2009 mit Milch bereiteten Reises, 100 g Brot, 6 gekochte gedörrte 
Pflaumen; 1 Stunde vor der gewöhnlichen Frühstückszeit wird am anderen 


Morgen der Mageninhalt entnommen. 


Sahli und Seiler) verabreichen ein Mehlsuppenfrühstück, welches 
auf folgende Weise bereitet wird: In einer eisernen Pfanne oder einer 
Nickelschale werden 25 g Mehl und 15 g Butter unter sehr sorefältigem 
Umrühren bei intensiver Hitzeeinwirkung auf offenem Feuer bis zur braunen 
Färbung eines sehr dunklen Milchkaffees geröstet und nachher unter fort- 
währendem Umrühren und langsamem Wasserzusatz auf zirka 350 em3 
verdünnt. Nun läßt man diese Mischung noch weitere 5 Minuten unter 
Ersatz des verdampften Wassers kochen und setzt dann etwas Kochsalz 
hinzu, um eine angenehm schmeckende Mehlsuppe zu erhalten, welche eine 
gleichmäßige Fettemulsion darstellt. Von dieser Mehlsuppe erhält die Ver- 


suchsperson morgens nüchtern 300 g; die übrige Suppe dient zur Kontroll- 


fettbestimmung. Nach 1 Stunde wird der Mageninhalt ausgehebert. 

Statt des Mehlsuppenfrühstückes verwendet neuerdings Sahli*) eine 
Eigeibbouillonsuppe. Um sie darzustellen, verrührt man 2: von jeder 
Eiweißbeimischung sorgfältig geschiedene Eidotter mit zirka einem EB- 
löffel Wasser in einer Tasse mittelst eines Löffels bis zur Erhaltung einer 
völlig homogenen Mischung. Darauf wird unter stetigem Umrühren ein 
Maggi-Bouillon- oder besser ein Teston-Bouillon-Würfel mit 315 em® Wasser 
in einem Emailpfännchen auf der Spiritus- oder Gasflamme aufgelöst. Im 
Augenblicke, wo die so hergestellte Bouillon eben zu kochen anfängt, giebt 
man davon unter Umrühren eine kleine Menge zur Eigelbmischung (zirka 
!/, der Eigelbmasse), um das Eigelb vorzuwärmen und noch etwas weiter 
zu verdünnen. Hierauf wird sofort die ganze Eigelbmischung rasch und auf 


) I. Boas, Zur Kenntnis der mechanischen Insuffizienz des Magens. Deutsche 


med. Wochenschr. Bd. 20. S. 576—578 (1894). 


2) L. Bourget, Les maladies de l’estomae et leur traitement. Paris 1907 
p- 26. u. ff. 

3) H. Sahli, loc. eit. Bd. 1. S. 639 u. ff. 

*#) H. Sahli, loe. eit. Bd. 1. S. 656 u. ff. 


AS Edgard Zunz. 


einmal unter kräftigem Umrühren in die kochende Bouillon gegossen, wo- 
durch das Kochen aufhört. Nun erwärmt man noch kurze Zeit unter fort- 
währendem Umrühren weiter, bis ein Aufsteigen von Blasen und das be- 
ginnende Stoßen der Flüssigkeit aufs neue den Anfang des Kochens ver- 
rät. Die Suppe wird sofort rasch vom Feuer entfernt, also unter Ver- 
meidung eines länger dauernden und vollständigen Kochens. Man verab- 
reicht 300 cm3 der so hergestellten Eigelbbouillonsuppe der Versuchsperson, 
während die übrige Suppe zur Kontrolliettbestimmung aufbewahrt wird. 
Die Ausheberung des Mageninhaltes erfolgt 1 Stunde nach Einnahme der 
Eigelbbouillonsuppe. 

Schlaepfer‘) bereitet als Probekost eine mit Neutralrot gefärbte Suppe. 
400 cm3 Wasser werden mit 30 9 Weizenmehl umgerührt. Nach Zusatz 
von 49 Kochsalz und von 9 gekochter Butter wird gekocht. Bei Ab- 
kühlung auf zirka 50° C fügt man 30 cm® (30 9) Eiereiweiß hinzu und 
nachher noch 9 cm? einer O'5prozentigen Neutralrotlösung. Ein Teil der 
Suppe dient als Kontrollprobe zur kolorimetrischen Bestimmung des Neu- 
tralrotgehaltes. 

Inouye und Muguruma:) verabreichen der Versuchsperson eine Mehl- 
suppe mit bekanntem Jodkaliumgehalte, von welcher ein Teil als Kontroll- 
probe aufbewahrt wird. Sahli®) schlägt auch den Ersatz vor der butyro- 
metrischen Methode (Mehlsuppe oder Eigelbbouillonsuppe) durch einen 
Jodkaliumzusatz zu einem brei- oder suppenförmigen Probefrühstück. 

Gegen alle Probemahlzeiten werden wichtige Einwände gemacht. Vor 
allem hebt man auf diese Weise mehr oder minder vollkommen die 
Parelorwesche psychische Magensaftabsonderung auf.*) Deshalb hat man auch 
empfohlen, als Probekost eine sogenannte „Appetitmahlzeit“ >), zu ver- 
abreichen. Als Appetitmahlzeit bezeichnet man eine durch freie Wahl der 
Versuchperson, ohne Kenntnis der späteren Ausheberung, genommene Mahl- 
zeit. Man erzielt zwar mittelst einer solchen Appetitmahlzeit physiologischere 
Ergebnisse als mittelst der verschiedenen Probefrühstücke oder Probemahl- 
zeiten, aber die Beurteilung dieser Ergebnisse gestaltet sich äußerst 
schwierig wegen dem Fehlen von Vergleichsuntersuchungen bei verschiedenen 
Versuchspersonen für jede dieser „Appetitmahlzeiten“. In fetthaltigen 
Probemahlzeiten, wie die Sahlische Suppe, setzt das Fett die Magensaft- 
absonderung mehr oder minder herab. 


!) Schlaepfer, Eine neue Methode zur Funktionsprüfung des Magens. Münchener 
med. Wochenschr. Bd. 55. S. 1865 —1869 (1908). 

2) Z. Inouye und N. Muguruma, Über eine Methode der Isolierung des reinen 
Magensaftes aus dem Mageninhalt. Arch. f. Verdauungskrankh. Bd. 14. S. 15— 24 (1908). 

3) H. Sahli, loc. eit. S. 658 u. ff. 

+) K. Grandauer, Der hemmende Einfluß der Psyche auf die Sekretion des 
menschlichen Magens und seine Bedeutung für die diagnostische Verwertbarkeit des 
Probefrühstücks. Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 101. S. 302—332 (1911). 

5) H. Curschmann, Über die „Appetitmahlzeit* als Probeessen. Verh. d. XXVIH. 
Kongr. f. inn. Med. Bd. 27. S. 323—332 (1910). 


Fe 


Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. 49 


Nach Würz!) liefert die Kussmaulsche oder Leube-Riegelsche Probe- 
mahlzeit den stärksten Reiz für die Magensaftabsonderung, dann kommt 
die Sahlische Suppe und endlich das Ewald-Boassche Probefrühstück. Zur 
richtigen Beurteilung der Magenwirksamkeit beim Menschen bedarf man 
Würz zufolge dieser 3 Verfahren; /nouye und Muguruma zufolge ist hin- 
gegen der Sekretionsreiz der Mehlsuppe viel geringer als der des Kirald- 
Boasschen Probefrühstücks. 

II. Gewinnung des Mageninhaltes. Der Mageninhalt wird meistens 
mittelst der Schlundsonde beim Menschen oder beim lebenden Säugetier 
gewonnen. Angaben darüber befinden sich schon in diesem Handbuche. 
Bd. IH. S. 123—127 und Bd. VI. S. 458—-459. 

Bei der Wahl der Schlundsonde muß man nach E. Schütz) darauf 
Acht geben, daß das untere ovale Fenster nicht zu entfernt vom Sonden- 
ende liegt sowie außerdem daß die Entfernung 
beider Fenster voneinander keine zu erhebliche 
ist. Der Querdurchmesser der Fenster darf nicht 
schmäler ais das Sondenlumen sein. Die Fenster 
dürfen keine scharfen Ränder haben. Das untere 
Ende der Schlundsonde soll eine fast bis an 
das untere Fenster reichende 
Füllung besitzen. Die Fig. 17 ae 
zeigt den unteren Teil einer sol- 
chen Schlundsonde. 

Loening®) schlägt vor eine 
Schlundsonde mit ovalem Durch- 
messer, wie die Fig. 18 es zeigt. 
Diese ovale Schlundsonde wird 
mit ihrem größeren Durchmesser 
nach der Breitseite der Speise- 
röhre, d. h.in der Richtung der 
Schultern der Versuchsperson, 
eingeführt. Wegen ihrem ovalen Durchmesser kann man eine Sonde mit 
größerem Lumen anwenden, was die Gewinnung des Mageninhaltes nach 
Loening erleichtert. 

Zur Entleerung des Mageninhaltes bedient man sich beim Menschen 
meistens des Ewald-Boasschen Expressionsverfahrens. Um den Magenin- 
halt vollständig zu erhalten, empfiehlt Sahlöi#) die Anwendung einer mit 


f. Fig. 17. 


a b 


‘) Würz, Eine vergleichende Studie über die Magensekretion nach Riegelscher 
Probemahlzeit, Ewaldschem Probefrühstück und Sahlischer Suppe. Deutsche med 
Wochenschr. Bd. 34. S. 1055— 1056 (1908). 

?) E. Schütz, Die Methoden der Untersuchung des Magens und ihre diagnostische 
Verwertung. Berlin und Wien (1911). S. 93. 

3) E. Schütz, loc. eit. S. 97. 

*) H. Sahli, Lehrbuch der klinischen Untersuchungsmethoden. 6. Auflage. Leipzig 
und Wien (1913) Bd. 1. S. 575—585. 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VII. 4 


50 Edgard Zunz. 


mehreren Löchern von ihrem unteren Ende an bis in eine Entfernung 
von zirka 530 cm davon versehenen Schlundsonde. Die Löcher müssen alle 
die gleiche Größe besitzen wie die an der Spitze der gewöhnlichen Schlund- 
sonden befindlichen Öffnungen. Sie müssen in wechselständiger Lage stehen. 
Die Sahlische Schlundsonde wird zur Entleerung des Magens zuerst so 
weit eingeführt, daß man annehmen kann, daß der gelochte Abschnitt 
sich größtenteils im Magen befindet. Man läßt dann in linker Seitenlage 
die Versuchsperson husten und pressen, wodurch der Mageninhalt durch 
die Schlundsonde herausgetrieben wird. Sobald kein Mageninhalt mehr 
ausfließt, läßt man die an den Schultern durch den Untersucher oder 
dessen Gehilfen gestützte Versuchsperson seinen Oberkörper an der linken 
Seite des Untersuchungstisches oder -bettes bei linker Seitenlage so weit 
heraushängen und senken, daß das äußere Sondenende tiefer als die 
Kardia oder das Epieastrium steht. In dieser Lage liegt nach Sahli sicher 


Fig. 19. 


a b : c 
Ausgangstellung Zwischenstellung Endstellung 


das eine Sondenfenster ganz nahe der Kardia, welche den tiefsten Punkt des 
Magens darstellt. Daraus folgt, dab durch die Schwerewirkung das Niveau 
des Mageninhaltes stets über dieser Öffnnng bleibt, so lange überhaupt 
der Magen noch etwas enthält. Wie aus dem in der Fig. 19 wiedergegebenen 
Sahlischen Schema hervorgeht, in welchem der gelochte Teil der Sonde 
als punktierte, die übrige Sonde als ausgezogene Linie gezeichnet ist, 
fließt bei der Sahlischen Versuchsanordnung der ganze Mageninhalt leicht 
aus diesem Organe durch den Einfluß der Schwere und der Auspressung. 

Falls das Expressionsverfahren nicht zum Ziele führt, kann man sich 
der Aspiration bedienen, indem man den in der Fig. 20 abgebildeten Fried- 
liebschen Aspirator'!) an die Schlundsonde ansetzt und durch Zusammen- 
drücken und Wiederentfaltung desselben den Mageninhalt ansaugt. Der 
Friedliebsche Aspirator besteht aus einem ovalen Gummiballon, welcher 


!) K. Friedlieb, Ein einfacher Saugapparat für Magenausspülungen. Deutsche med. 
Wochenschr. Bd. 19. S. 1353—1354 (1894). 


an beiden Enden mit weiten Öffnungen versehen ist, in welche breite 


Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. 51 


konische Glasröhren eingefügt sind. Eine dieser Glasröhren wird an die 
Schlundsonde angesetzt. Die äußere Öffnung der anderen wird während 
des Zusammendrückens des Gummiballons mit dem Finger zugehalten oder 
bleibt offen, je nachdem man den Mageninhalt ansaugen oder Luft in die 
Schlundsonde einblasen will, um eventuell die Sonde verstopfende Speise- 
reste zu entfernen. Der Friedliebsche Aspirator hat den Vorteil, daß man 
an der Glasröhre erkennen kann, ob er den Mageninhalt aufsaugt oder 
nicht. Außerdem kann man, ohne den Gummiballon zu entfernen, den auf- 
gesaugten Mageninhalt sogleich, durch Zuklemmen des herausragenden Son- 
denendes und Zusammendrücken des Ballons nach 
außen, entleeren und die Aspiration nötigenfalls mehr- 
() mals wiederholen. 


Fig. 20. 


Statt des Friedliebschen Aspirators empfiehlt Strauss!) folgende Ein- 
richtung, welche die nebenstehende Fig. 21 veranschaulicht. An Stelle des 
gewöhnlichen Glasrohres, welches zwischen Trichterschlauch und Magen- 
schlauch eingeführt wird, fügt Strauss ein T-Rohr ein, dessen senkrecht 
stehender Schenkel mit einem Doppeigebläse verbunden wird. Die ver- 
schiedenen vom T-Rohr ausgehenden Schläuche sind mit besonderen (Fig. 22) 
Schlauchklemmen versehen, welche je nach dem erforderlichen Zwecke ge- 
schlossen oder geöffnet werden können. Wenn die Klemmen # (Trichter- 
schlauch) und »» (Magenschlauch) geöffnet sind und die Klemme b (Gummi- 
gehläse) geschlossen ist, so entspricht die Strausssche Vorrichtung der 


%) H. Strauss, Zur Methodik der Mageninhaltsentnahme. Therapeut. Monatsschr. 
Bd. 9. S. 125—127 (1895). 


52 Edgard Zunz. 


gewöhnlichen Einrichtung zur Magenausspülung. Beim Eintritte einer Ver- 
stopfung des Magenschlauches bedarf es nur des Schlusses der Klemme #, 
der Öffnung der Klemmen 5 und m sowie einiger Ballonstöße mit dem 
Doppelgebläse, um die Verstopfung des Magenschlauches aut dem Wege 
der Kompression aufzuheben. | 

111. Feststellung der Gesamtmenge des Mageninhaltes. Nach 
Einnahme einer rein flüssigen Probekost wie die Sahlischen Suppenfrüh- 
stücke kann man mittelst der Sahlischen gelochten Schlundsonde in der 
angegebenen Weise den Mageninhalt ziemlich leicht vollständig entleeren. 
Dies ist aber nicht mehr der Fall bei 
Anwendung brot- oder fleischhaltiger 
Probemahlzeiten, bei welchen die Son- 
denfenster durch feste Bröckel häufig 
verstopft werden. 

In letzterem Falle bedient man 
sich des zur annähernden Schätzung 
des im Augenblicke der Ausheberung im 
Magen vorhandenen Gesamtinhaltes em- 
pfohlenen Restverfahrens nach 
Mathieu und Remond.‘!) Nach der Aus- 
heberung wird durch die mit einem 
Glastrichter versehene Schlundsonde eine 
bekannte Wassermenge 4 (100— 200 em 3) 
in den Magen gegossen. Durch wieder- 
holtes Heben und Senken des Trichters 
sowie leichtes Kneten des Magens wird 
das Wasser mit den im Magen geblie- 
benen Rückständen möglichst vermischt. 
Diese Mischung wird ausgehebert. 

Man bestimmt die Menge a des 
durch die Schlundsonde ausgeheberten 
unverdünnten Mageninhaltes, dessen Ge- 
samtazidität b (vel. S. 62) und die Ge- 
samtazidität e des bei der zweiten Ausheberung erhaltenen verdünnten 
Mageninhaltes. Die Azidität ce des verdünnten Mageninhaltes ist stets ge- 
ringer als die Azidität b des ursprünglichen unverdünnten Mageninhaltes. 
Diese beiden Aziditätszahlen b und e stehen im umgekehrten Verhältnisse 
als die Mengen des unverdünnten und des verdünnten Mageninhaltes. Bezeich- 
net man als x die nach der ersten Ausheberung im Magen noch vorhan- 
dene unbekannte Chymusmenge, so entspricht x-+ q der durch die Wasser- 
menge qg verdünnten Mageninhaltsmenge, welche sich im Augenblicke der 


ao geöffnet, b geschlossen. 


1) 4. Mathieu et Remond, Note sur un moyen de determiner la quantite de 
liquide eontenu dans l’estomae et la quantite de travail chlorbydropeptique effectue 
par cet organe. Compt. rend. de la Soe. de Biol. T. 42. p. 591—593 (1890). 


ul A ad Huce rn en a 


annimmt. Strauss benutzt folgende Formel x = 


Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. 53 


zweiten Ausheberung im Magen befindet. Man erhält also folgende Glei- 


“= 
chung: ie —, woraus sich der Wert von x berechnen läßt: x= aa 


‚Da die ; im Augenblicke der ersten Ausheberung im Magen vorhandene Ge- 


samtchymusmenge v der Summe der Menge a des durch die Schlundsonde 
ausgeheberten unverdünnten Mageninhaltes und der Menge x des dann 
noch im Magen zurückgebliebenen Chymus entspricht, so ergibt die 
EREN, 

Formel Bat, die Gesamtmenge des Mageninhaltes im Augen- 
blicke der Ausheberung. 

Wegen der ungenügenden Durchmischung des Spülwassers mit dem 
Chymus, der fortdauernden Magensaftabsonderung sowie der Möglichkeit 
vom Eintritte eines Teiles des Mageninhaltes in den Darm oder vom 


 Rückflusse von Darmsekreten (Galle, Pankreassaft, Darmsaft) in den Magen 


während den zur Ausspülung des Magens vor der zweiten Ausheberung 
nötigen Manövern ermittelt man mittelst des Mathieu-Remondschen Rest- 
verfahrens keineswees genau die Gesamtmenge des Mageninhaltes im 
Augenblicke der Ausheberung einer feste Teile enthaltenden Probekost.!) 

Strauss?) hat vorgeschlagen, beim Restverfahren das spezifische Ge- 
wicht statt der Gesamtazidität als Grundlage der Berechnung zu nehmen. 
Dadurch wird der Einfluß der- während der Ausspülung fortdauernden 
Magensaftabsonderung auf die Berechnung der Gesamtmenge des Magen- 


inhaltes vielleicht verringert, jedoch nicht die der anderen soeben be- 
sprochenen Irrtumsursachen. Zur Berechnung kann man die Mathieu- 


Remondsche Formel benutzen, indem man b als spezifisches Gewicht des 

unverdünnten und c das spezifische Gewicht des verdünnten Mageninhaltes 

vs (a v)sa 
s—5' 


‚woxdie 


- gesuchte Gesamtmenge des Mageninhaltes bezeichnet, s das spezifische 
- Gewicht des unverdünnten Mageninhaltes, s’ das spezifische Gewicht des 


verdünnten Mageninhaltes, » die Menge des ausgeheberten unverdünnten 
Mageninhaltes, « die in den Magen gegossene Wassermenge. 

IV. Feststellung der abgesonderten Magensaftmenge. Man kann 
das Sekretionsvermögen des Magens annähernd ermitteln, indem man eine 
Probekost wählt, welche eine Berechnung des Anteiles des Magensaftes 
an der Gesamtmenge des ausgeheberten Mageninhaltes erlaubt. Solche 


Probemahlzeiten sind das Meuniersche Probefrühstück (S. 45), das Probe- 


frühstück von Roux und Laboulais (S. 45), das Fettzwiebackfrühstück von 
Strauss und Leva (8. 45), die Kuyjersche mit Hydrodinatriumphosphat ver- 
setzte Fleischextraktlösung (S. 46), die Mintzsche mit Ferrum ammoniaco- 


!) 4. Schüle, Über die Restbestimmung des Mageninhalts nach Mathieu-Remond. 
- Arch. für Verdauungskraukh. Bd. 14. S. 640—644 (1908). 
2) H. Strauss, Zur Methodik der Mageninhaltsentnahme. Therapeut. Monatsh. 


Bd. 9. S. 125—127 (1895). 


54 Edsard Zunz. 


eitricum versetzte Fleischextraktlösung (S. 46), das Mehlsuppenfrühstück nach 
Sahli und Seiler (S. 47), die Sahlische Eigelbbouillonsuppe, die mit Neu- 
tralrot gefärbte Schlaepfersche Mehlsuppe (S. 47), die mit Jodkalium ver- 
setzte Mehlsuppe nach /nouye und Muguruma (8. 48). 

Bei allen diesen Verfahren ermittelt man die Gesamtmenge a des 
Mageninhaltes im Augenblicke der Ausheberung. Dazu benutzt man das 
Mathieu-Remondsche Restverfahren nach Einnahme der feste Stoffe ent- 
haltenden Probefrühstücke von Meunier, von Roux und Laboulais, von 
Strauss und Leva. Nach Einnahme der Auyjerschen Fleischextraktlösung, 
der Mintzschen Fleischextraktlösung, des Mehlsuppenfrühstückes nach Sahli 
und Seiler, der Eigelbbouillonsuppe nach Sahli, der Mehlsuppe nach 
Schlaepfer, der Mehlsuppe nach /nouye und Muguruma wird der Magen- 
inhalt mittelst der Sahlischen Schlundsonde nach der Sahlischen Versuchs- 
anordnung (S. 50) ausgehebert und das so erhaltene Flüssigkeitsvolumen 
als Gesamtmenge des Mageninhaltes a betrachtet. Man stellt den prozen- 
tigen Eisen-. P?O°-, Fett- oder NaJ-Gehalt der Probekost b einerseits, des 
ausgeheberten Mageninhaltes e andrerseits fest. Unter der nicht völlig 
richtigen Voraussetzung. dab im Magen während der Verdauung eine an- 
nähernd gleiche Mischung der Probekost und des Magensaftes durch den 
Pförtner abfließt, kann man schließen, wieviel vom gefundenen Volumen 
des gesamten Mageninhaltes a der eingeführten Probekost und wieviel dem 
Magensafte entstammt. Dabei werden aber als Magensaft der verschluckte 
Speichel und die etwaigen vom Darme in den Magen rückgeflossenen Se- 
krete (Galle, Pankreassaft, Darmsaft) als Magensaft berechnet. Die im 
Mageninhalte noch vorhandene Probekost d ergibt sich nach der Formel 


dl... 
en die Magensaftmenge e nach der Formel e=a—d. 


Bezeichnet man durch f die prozentige Gesamtazidität des ausge- 
heberten Mageninhaltes und durch g die prozentige Gesamtazidität des 
im Mageninhalte vorhandenen Magensaftes, so entspricht letztere Gesamt- 
azidität g der Formel g= Ss Dabei muß man aber die schon bespro- 
chenen Irrtumsursachen berücksichtigen. 

Zur Bestimmung des Eisengehaltes der Probekost und des ausgeheberten 
Mageninhaltes bedient sich Möntz des Krüssschen Kolorimeters (vel. d. 
Handb., Bd. I, S. 652) und verfährt auf folgende Weise: 2 cm3 von der als 
Kontrollflüssigkeit dienenden Bouillonprobe werden mit 10 cm? einer 5°/,igen 
Salzsäurelösung in einem der beiden Zylinder des Kolorimeters angesäuert. 
Man ergänzt mit destilliertem Wasser bis zum 20. Teilungsstriche dieses 
Zylinders und fügt hinzu 5 Tropfen einer 5°/,igen Lösung von Kalium- 
ferrocyanat. Die nun blau gewordene Flüssigkeit wird mit destilliertem 
Wasser bis zum 50. Teilungsstriche des Zylinders des Kolorimeters er- 
gänzt. Je nach der durch die Farbe vermuteten Verdünnung des Probe- 
frühstückes mit Magensaft gießt man 2 oder 4 cm® des ausgeheberten 
Mageninhaltes in den anderen Zylinder des Kolorimeters, fügt 10 cm? 


..— 


Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. 55 


einer 5°/,igen Salzsäurelösung hinzu, ergänzt mit destilliertem Wasser bis 
zum 20. Teilungsstriche des Zylinders und versetzt mit 5 Tropfen einer 
5°/sigen Lösung von Kaliumferrocyanat. Es entsteht dann entweder sofort 
eine blaue Färbung oder vorher eine grüne. In diesem Falle muß man 
warten, bis die Blaufärbung der Flüssigkeit erreicht wird. Nun öffnet man 
den Hahn des Zylinders mit der Bouillonkontrollprobe und läßt aus der- 
selben die Flüssigkeit so lange ablaufen, bis man in den beiden Zylindern 
die gleiche Intensität der blauen Farbe erzielt. Falls man dabei einen ge- 
wissen Unterschied in den Nuancen erhält, welcher die Genauigkeit der 
Arbeit stört, so gießt man in den Zylinder mit dem Mageninhalte Wasser 
bis zum Striche hinein, bei welchem in diesem Zylinder 
eine fast gleich intensive Färbung wie im anderen Zy- 
linder entsteht. Hierauf gießt man die ausgegossene 
Flüssigkeit wieder ein und wiederholt die Untersuchung. 
Statt des Krüssschen Kolorimeters kann man den 
Dubosegschen anwenden, welcher äußerst leicht einen 
sehr genauen Vergleich der in der Kontrollbouillonprobe 
und im ausgeheberten Mageninhalte erzielten Färbun- 
gen erlaubt. 

Die P2O5-Bestimmung erfolgt auf üblicher Weise 
(vgl. d. Handb. Bd. I. S. 480), die KJ-Bestimmung nach 
dem Freseniusschen Verfahren, die Neutralrot-Bestim- 

mung auf kolorimetrischem Wege. 

Zur Fettbestimmung benutzen Strauss und Leva 
die Wollnysche refraktometrische Methode (vgl. d. 
Handb. Bd. 5. S. 456), Inouye und Muguruma die 
So.chletsche Methode, Sahli das Gerbersche azidobutyro- 
metrische Verfahren (vgl. d. Handb. Bd. V. S. 434), Sahli 
benutzt dazu eigene Butyrometer (a) mit Aluminium- 
hülse!) (5), welche nebenstehende Fig. 23 veranschau- 
licht. Diese Butyrometer haben eine Gesamtlänge von 
11’5 cm. Sie sind beiderseitig offen. Ihr weiteres Ende d 
wird mit einem konischen, mit seinem diekeren Ende a 
eingeführten Kautschukpfropfen verschlossen. Von der 
engsten Stelle der trichterförmigen Verengerung bis zu I—2 cm vom breiten 
Ende faßt jeder Butyrometer 11 cm. Zwischen den Teilstrichen 5 und 
005 der am engen Halse des Butyrometers befindlichen Skala faßt der 
Butyrometer 025 cm®. Jeder Butyrometer wird zur Zentrifugierung in eine 
zylindrische Aluminiumhülse (Fig. 235) gebracht. 

Da das Verfahren der Fettbestimmung nach Gerber bei Anwendung 
der Sahlischen butyrometrischen Methode unter sorgfältigster Beobachtung 
der durch Sahli angegebenen Kautelen erfolgen muß, werden die Sahkli- 
schen Vorschriften hier genau wiedergegeben. ?) 


1) Zu beziehen von Büchi & Sohn in Bern. 
2) H. Sahli, loc. eit. S. 642. 


36 Edgard Zunz. 


In einen Meßzylinder von 10 cm Inhalt gießt man 5 cm? der vorher 
erwärmten, gut durchgeschüttelten Mehl- oder Eigelbsuppe. Unter Kühlung 
des Meßzylinders fügt man allmählich 5 cm® konzentrierter Schwefelsäure 
(vom spezifischen Gewichte 1'820 bis 1'825 bei 15° C) hinzu. Man ver- 
schließt das weite Ende des Butyrometers mittelst eines mit Talkpulver 
eingeriebenen leicht konischen Gummipfropfens, den man mit dem dicken 
Ende einführt. Man’gießt vorsichtig und langsam die Suppe-Schwefelsäure- 
Mischung in den. Butyrometer durch sein dünnes Ende, indem man darauf 
achtet, daß sich dabei der enge Teil des Butyrometers durch Capillarität 
nicht verschließt. Nachdem die gesamte Suppe-Schwefelsäure-Mischung sich 
im breiten Teil des Butyrometers befindet, läßt man 0:05 cm? Amylalkohol 
mittelst einer Pipette in den Butyrometer fließen. Nun verschließt man 
das dünne Ende des Butyrometers mittelst eines Pfropfens, schüttelt 
kräftig um und läßt die Mischung stehen, bis man den ausgeheberten 
Mageninhalt in ganz gleicher Weise in einem zweiten Meßzylinder mit 
Schwefelsäure versetzt und in einen zweiten Butyrometer gebracht hat. 
Beide Butyrometer werden gleichzeitig 2 Minuten in ein siedendes Wasser- 
bad eingetaucht und nachher sofort in die Zentrifuge gebracht, so dab 
das dünne Ende jedes Butyrometers zentralwärts liegt. Für die Zentrifu- 
ojerung empfiehlt Sahlk den Kautschukpfropfen nur so weit einzuführen, 
daß die obere Grenze der Flüssigkeit bloß bis etwa zum dünneren Ende 
des konischen Teiles sieht, weil die Ansammlung des Fettes da am leich- 
testen vor sich geht. Die Ablesung muß, während die Flüssigkeit noch ganz 
warm ist, erfolgen. Dazu wird der Kautschukpfropfen durch schraubende 
Drehung so weit in der Mündung des Butyrometers verschoben, daß das 
untere Ende der Fettschicht mit ihrem unteren Meniscus auf den Null- 
punkt der Skala zu liegen kommt. Dabei muß man darauf acht geben, 
daß das schwarze Klümpehen unlöslicher Substanz (Zellulose usw.), wel- 
ches sich an der unteren Grenze der Fettschicht ansammelt, im weiten 
Teile des Butyrometers zurückbleibt, was sich meist leicht bewerkstelligen 
läßt, indem man das letztere beim Vorschieben des Kautschukpfropfens 
ganz langsam und vorsichtig, während man das Emporquellen des Fettes 
beobachtet, aus der wagerechten zur senkrechten Stellung aufrichtet. Das 
stark lichtbrechende, wenig gefärbte Fett soll sich dann in eine scharfe 
Linie gegen die dunkler gefärbte, aber auch noch durchsichtige wässerige 
Flüssigkeit abgrenzen. Gelingt es beim ersten Versuche nicht, die Ab- 
erenzung des Fettes störende schwarze Klümpchen im weiten Teile des 
Butyrometers zurückzuhalten, so schraubt man den Pfropfen zurück, so 
daß die Flüssigkeit in den weiten Teil zurückkehrt, und wiederholt den 
Versuch. Bei einiger Übung gelingt es stets, das ungelöste Klümpchen 
zurückzuhalten und dadurch eine ganz scharfe Abgrenzung zwischen Fett 
und wässeriger Schicht zu erzielen. Die Schwierigkeit, welche für die glatte 
Einstellung der Fettschicht durch das Zelluloseklümpchen entsteht, wird 
bei Anwendung der Eigelbsuppe völlig vermieden. Man liest an der gra- 
duierten Skala, dem oberen Ende der Fettschicht entsprechend, unmittel- 


ee ee 


Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. 57 


bar den Fettgehalt in Gewichtspromillen ab. Wenn man Schwierigkeiten 


hat, das untere Ende der Fettsäule genau auf den Nullpunkt einzustellen, 
so kann man sich auch begnügen, beide Enden der Fettsäule überhaupt 
in den Bereich der Skala einzuschieben und dann die Zahl der zwischen 
den beiden Enden der Fettsäule liegenden Skalenteile abzulesen. Nach der 
ersten Ablesung wird die Flüssigkeit mittelst des Pfropfens wieder in den 
weiten Teil des Butyrometers zurückgeschraubt, nochmals für einige Augen- 
blicke in das kochende Wasserbad gestellt, zentrifugiert, abgelesen usw., 
bis man übereinstimmende Werte erhält, was bei richtiger Ausführung 
schon bei den beiden ersten Zentrifugierungen erzielt wird. Die zum Ver- 
schluß der Butyrometer dienenden Pfropfen werden in mit etwas Formol 
versetztem Wasser aufbewahrt, wodurch der Gummi weich und geschmeidig 
bleibt. Vor jeder Bestimmung prüft man, ob der mit Talkpulver einge- 
riebene Gummipfropfen, das dicke Ende voran, sich leicht und glatt in 
den Butyrometer verschieben läßt, denn nur unter diesen Bedingungen 
gelingt es, die Fettschicht tadellos und ohne plötzliche Erschütterung vor- 


_ wärts zu schieben, was zur Erzielung genauer Ergebnisse durchaus er- 


forderlich ist. 

Trotz allen Vorsichtsmaßregeln führen alle bis jetzt vorgeschlagenen 
Verfahren zur Feststellung der abgesonderten Magensaftmenge zu mehr 
oder minder fehlerhaften Ergebnissen und erlauben höchstens eine annähernde 
Schätzung des Sekretionsvermögens des Magens bei Anwendung stets 
gleicher Bedingungen durch einen und denselben Beobachter. Nach Bar- 
duchi!) gibt die Methode von Roux und Leboullais nicht selten falsche 
Werte infolge von Beimengung von phosphatreichem Sekrete zur Probekost. 
| V. Physikalisch-ehemische Untersuchung des Mageninhaltes. 
Man ermittelt auf übliche Weise das spezifische Gewicht, den Gefrier- 


 punkt?), die Oberflächenspannung und die anderen physikalisch-chemischen 


Eigenschaften des Mageninhaltes. Traube und F. Blumenthal haben das 


_Traubesche stalagmometrische Verfahren zur Untersuchung des Magenin- 


haltes benutzt; Angaben darüber befinden sich S. 1364 des Bd. V dieses 
Handbuches. 


VI. Eigentliche chemische Untersuchung des Mageninhaltes. 
Während der Filtration wird ein kleiner Teil der freien Salzsäure durch 
das Filtrierpapier adsorbiert. Außerdem besitzen die Filter eine besonders 
starke Adsorbierbarkeit für positive Eiweißionen, eine viel weniger aus- 
geprägte für negative Eiweißionen und eine sehr geringe für neutrales 
Protein.?) Deshalb soll man nie den Mageninhalt einer Filtration unter- 


2) Fr. Barduchi, Vergleichende Untersuchungen bei Magenkrankheiten mit be- 
sonderer Berücksichtigung der Methoden zur Prüfung der motorischen Magenfunktionen. 
Arch. f. Verdauungskrankh. Bd. 17. Ergänz.-Heft. S. 1—56 (1911). 

®) H. Strauss, Über den osmotischen Druck menschlicher Mageninhalte und seine 
Beziehungen zum Kochsalzgehalt. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 57. S. 1—26 (1905). 

3) J. Christiansen, Beiträge zum Mechanismus der Magenverdauung. Biochem. 
Zeitschr. Bd. 47. S. 226—249 (1912). 


58 Edgard Zunz. 


werfen, weil er auf diese Weise Veränderungen in seiner Zusammensetzung 
erleiden kann. Bei allen Verfahren, welche es erlauben, geht man vom gut 
durchgeschüttelten und vermischten Mageninhalte aus. Wenn dies nicht 
zulässig ist (wie z. B. bei der Feststellung des peptischen Vermögens des 
Mageninhaltes mittelst Edestin oder der Gesamtsalzsäure nach Sjögeist), zen- 
trifugiert man den Mageninhalt möglichst rasch, was mittelst den Jouan- 
schen Zentrifugierapparaten mit 7000 Drehungen (oder mehr) pro Minute 
sehr leicht gelingt und untersucht die vom Bodensatz getrennte klare 
Flüssigkeitsschicht. In den Fällen, wo man den ausgeheberten Mageninhalt 
benutzt, muß man ihn manchmal vom oben schwimmenden Schleim mög- 
lichst befreien, ehe man ihn durchschüttelt, um eine möglichst gleichmäßige 
Mischung des Mageninhaltes zu erzielen.!) 

Die chemische Untersuchung des Mageninhaltes faßt folgende Punkte: 
1. Nachweis der Anwesenheit freier Salzsäure, Milchsäure, sauerer Phos- 
phate, flüchtiger Fettsäuren; 2. Feststellung der Gesamtazidität sowie des 
(Gehaltes an Gesamtsalzsäure, freier und gebundener Salzsäure, Chloriden, 
sauren Phosphaten, gesamten organischen Säuren und Milchsäure; 3. Fest- 
stellung der enzymatischen Eigenschaften des Mageninhaltes; 4. Verdau- 
ungsgrad der im Mageninhalte vorhandenen Proteine, Kohlehydrate und 
Fette; 5. Schätzung des Schleimgehaltes; 6. Nachweis der Anwesenheit von 
Blut, Galle, Pankreassaft, Darmsaft, Urobilin, Tryptophan, Indol, Schwefel- 
wasserstoff, Gasen und anomalen Bestandteilen (Alkaloide usw.). 

Zurzeit besteht noch keine Einigkeit über die zur quantitativen Be- 
stimmung der sauren Bestandteile und zur Feststellung der enzymatischen 
Eigenschaften des Mageninhaltes anzuwendenden Methoden. Gegen die 
meisten der bei der chemischen Untersuchung des Mageninhaltes benutzten 
Verfahren kann man überhaupt mehr oder minder wichtige Einwände er- 
heben, so dab man die Bedeutung mehrerer der weiter unten gemachten 
Angaben oder beschriebenen Methoden keineswegs überschätzen darf. 

1. Qualitative Prüfung auf Säuren. Die sauren Bestandteile des 
Mageninhaltes sind normalerweise beim Menschen und bei den höheren 
Säugetieren die Salzsäure und die sauren Phosphate. Der Mageninhalt 
kann aber außerdem Milchsäure und flüchtige Fettsäuren (Buttersäure, 
Ameisensäure, Baldriansäure) enthalten. 

Die Salzsäure des Mageninhaltes bildet mit den Proteinen, den Pro- 
teosen und den Peptonen der Nahrung salzsaure Verbindungen, welche 
sehr leicht hydrolytisch aufspaltbar sind. Dieser Teil der Salzsäure wird 
als „gebundene Salzsäure“ betrachtet, während die als solche im Magen- 
inhalte vorhandene Salzsäure als „freie Salzsäure“ angesehen wird. Wegen 
der eben erwähnten leichten Dissoziierbarkeit der Verbindungen zwischen 
der Salzsäure und den Proteinen oder ihren Spaltungsprodukten ist der 
Begriff der „freien“ und „gebundenen“ Salzsäure keineswegs völlig ein- 
wandfrei. 


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1) E. Schütz, loe. eit. S. 113. 


Sc 


Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. 59 


Wie dem auch sei, wird der Mageninhalt auf die Anwesenheit der 
sogenannten „freien“ Salzsäure, der Milchsäure, der flüchtigen Fettsäuren 
und der sauren Phosphate geprüft. 

a) Nachweis freier Salzsäure. Man kann die Anwesenheit freier 
Salzsäure im Mageninhalte nur mittelst des Günzburgschen oder des Boas- 
schen Reagens ermitteln. 

 Kongopapier reagiert blau, außer auf freie Salzsäure, manchmal auch 
auf organische Säuren; die so erzielte leichte blaue Färbung verschwindet 
aber bei Behandlung mit Äther, während die von der freien Salzsäure her- 
rührende Färbung dadurch keine Veränderung erleidet. Kongopapier rea- 
giert aber auch auf salzsaure Peptone, sobald diese eine hinreichende hohe 
Wasserstoffionenkonzentration aufweisen. 

Dimethylamidoazobenzol ist auch nach Christiansen!) zu verwerfen. 

Man wendet am besten das Günzburgsche Reagens an, indem man 
den Äthylalkohol durch Methylalkohol nach dem Steensmaschen ?) Vor- 
schlage ersetzt. Das Reagens hat dann folgende Zusammensetzung: 
Phlorogluzin 2 g, Vanillin 1 9, Methylalkohol 30 g. 

Um die Reaktion auszuführen, wird mittelst einer Impfnadel ein 
Tropfen des Reagens auf eine kleine weiße Porzellanschale gebracht und 
mittelst einer Spiritus- oder Mikrobrennergasflamme vorsichtig getrocknet. 
In die Mitte des ausgetrockneten hellgelben Fleckes wird mit der ausge- 
glühten Impfnadel ein Tropfen Mageninhalt gebracht und wieder vorsich- 
tig erhitzt. Bei der Eintrocknung zeigt sich ein roter Ring oder Flecken, 
falls freie Salzsäure vorhanden ist, sonst bleibt der Flecken hellgelb. Man 
darf nach der Eintrocknung nicht mehr weiter erwärmen, da sonst eine. 
vom verbrannten Zucker des Mageninhaltes herrührende, braune Farbe 
auftritt. welche die Günzburgsche Reaktion stört. 

Man muß stets die Steensma-Günzburgsche Lösung mittelst ver- 
dünnter Salzsäure prüfen, da sie sich, selbst in dunkler Flasche, ziemlich 
rasch verändert. Sobald das fast farblose Reagens eine braune Färbung 
zeigt, darf man es nicht mehr benutzen. 

Statt der Günzburgschen Lösung kann man die Boassche anwenden, 
welche aus 2 g Rohrzucker, 1 g Resorzin, 100 g 60°/,igen Alkohols besteht. 
Das Boassche Reagens hält sich etwas besser als das Günzburgsche, hat 
aber einen etwas wenig empfindlicheren Umschlag als letzteres. 

Die Günzburgsche Reaktion scheint bei allen kristallinischen Säuren 
mit mehr als einer Karboxylgruppe positiv zu sein, während keine von den 
monokarbonischen Fettsäuren positiv reagiert. Sie wird durch Salzsäure. 
Schwefelsäure, Salpetersäure, Phosphorsäure, Borsäure, Oxalsäure, Apfelsäure. 
Weinsäure und Zitronensäure gegeben. Milchsäure, Essigsäure, Buttersäure. 
Bernsteinsäure, Propionsäure, Benzoösäure, Ameisensäure und Phthalsäure 


1!) Steensma, Zum Nachweis der freien Salzsäure im Mageninhalt. Biochem. Zeit- 
schrift. Bd. 8. S. 210— 211 (1908). 

2) J. Christiansen, Bestimmung freier Salzsäure im Mageninhalt. Biochem. Zeit- 
schrift. Bd. 46. S. 24—49 (1912). 


60 Edgard Zunz. 


zeigen hingegen keine positive Reaktion mit dem Günzburgschen 
Reagens. 

Nach Christiansen hängt die Günzburgsche Reaktion keineswegs un- 
mittelbar von der anwesenden Wasserstoffionenkonzentration ab, sondern 
nur davon, ob diese Wasserstoffionenkonzentration von einer Säure her- 
rührt, welche imstande ist, beim Eintrocknen eine gewisse hohe Azidität 
zu erreichen, die der Azidität einer Normalsalzsäure ungefähr entspricht. 

Jedenfalls zeit im Mageninhalte eine positive Günzburgsche oder 
5oassche Reaktion das Vorhandensein freier Salzsäure an. 

b) Nachweis von Milehsäure. 10 cm3 filtrierten Mageninhaltes wer- 
den mit 40 cm vollkommen alkoholfreiem Äther in einem Scheidetrichter 
geschüttelt. Der ätherische Auszug wird vom Äther durch Verdunsten be- 
freit. Der Rückstand wird in destilliertem Wasser aufgelöst. Diese wässerige 
Lösung wird tropfenweise zum Uffelmannschen Reagens hinzugefügt. Dieses 
Reagens wird durch Zusatz von 1 Tropfen Eisenchlorid zu 20 cm® einer 
wässerigen 1°/,igen Phenollösung gleich vor seiner Benutzung pereitet. 
Falls die so bereitete Flüssigkeit nicht durchsichtig ist, muß man sie 
mit destilliertem Wasser etwas verdünnen. Bei Gegenwart von Milchsäure 
verschwindet allmählich die amethystblaue Färbung der Flüssigkeit, um 
einer zeisiggelben Platz zu machen. 

Man kann auch 1 Tropfen Eisenchlorid mittelst 20 cm? destillierten 
Wassers verdünnen, diese Flüssigkeit in zwei Reagenzgläser gleichen inneren 
Durchmessers verteilen und nun den einen Teil mit destilliertem Wasser, 
den anderen mit dem Ätherauszuge des filtrierten Mageninhaltes über- 
schichten. Bei Milchsäureanwesenheit bildet sich dann an der Berührungs- 
stelle zwischen Äther und Eisenchloridlösung ein grüngelber Ring. 

Die Hopkinssche Reaktion ist äußerst empfindlich. Der filtrierte 
Mageninhalt wird auf dem Wasserbade etwas konzentriert und darauf mit 
etwas Alkohol in einem Scheidetrichter geschüttelt. Einige Tropfen des 
Alkoholextraktes werden in eine völlig trockene Reagensröhre gebracht, 
mit 5 cm3 konzentrierter Schwefelsäure und 3 Tropfen einer gesättigten 
wässerigen Kupfersulfatlösung versetzt. Nun bringt man die Reagens- 
röhre 5 Minuten in das siedende Wasserbad. Nach Erkalten werden 
2 Tropfen 2°/,.iger alkoholischer Thiophenlösung zur Flüssigkeit ge- 
setzt. Die Reagenzröhre wird wieder in das siedende Wasserbad gebracht. 
Nach einigen Minuten entsteht eine kirschrote Färbung bei Milchsäure- 
anwesenheit. 

ec) Nachweis flüchtiger Fettsäuren. Beim Vorhandensein relativ 
erheblicher Mengen flüchtiger Fettsäuren (Buttersäure, Essigsäure, Bal- 
driansäure) erkennt man sie schon durch ihren charakteristischen Geruch. 
Meistens muß man sich aber dazu der Leoschen Reaktion bedienen. Man 
erwärmt 10 cm? unfiltrierten Mageninhaltes in einer Reagenzröhre, an 
deren freies Ende ein mittelst destillierten Wassers angefeuchteter Lackmus- 
papierstreifen sich befindet. Die sich verflüchtigenden Fettsäuredämpfe 
bewirken dann eine rote Färbung des Lackmuspapieres. 


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Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. 61 


Um die Buttersäure oder die Ameisensäure zu charakterisieren, 
werden 10 cm® unfiltrierten Mageninhaltes und 30 bis 40 cm® Äther in 
‘einen Scheidetrichter gebracht. Nach tüchtigem Umschütteln wird die 
Ätherschieht entnommen, der Äther durch Verdunstung entfernt und der 
Rückstand in destilliertem Wasser aufgelöst. 


d) Nachweis der Buttersäure. 1. Durch Zusatz von einem Chlor- 
kalziumstücke zur wässerigen Lösung des Ätherrückstandes scheidet sich 
die Buttersäure in kleinen Öltröpfehen mit charakteristischem Geruche. 


2. Durch Zusatz von einem geringen Barytwasserüberschusse zur 
wässerigen Lösung des Ätherrückstandes und vorsichtiges Abdampfen er- 
hält man Baryumbutyratkristalle. 


- 


3. Der Zusatz von 4 bis 5 Tropfen Alkohol und 2 bis 3 em® Schwe- 
felsäure zu 5 bis 6 Tropfen der wässerigen Lösung des Ätherrückstandes 
bewirkt die sofortige Entstehung eines angenehmen Geruches, welcher dem 
eines reifen Apfels oder des Ananas ähnelt. 


e) Nachweis der Essigsäure. 1. Die wässerige Lösung des Äther- 
rückstandes wird mittelst einer verdünnten Sodalösung genau neutralisiert. 
Bei Hinzufügung von 1 bis 2 Tropfen einer sehr verdünnten Eisenchlorid- 
lösung entsteht eine dunkelrote Färbung, welche beim Erwärmen ver- 
schwindet, während sich ein rotbrauner Niederschlag von basisch-essig- 
saurem Eisenoxyd bildet. 


2. Der Zusatz einiger Tropfen einer Silbernitratlösung zur mit Soda- 
lösung neutralisierten wässerigen Lösung des Ätherrückstandes ruft die 
Bildung eines weißen Niederschlages hervor, welcher in siedendem Wasser 
löslich ist. 


3. Beim Erwärmen des Ätherrückstandes mit etwas Schwefelsäure 
und Alkohol entsteht Essigester, welcher sich durch seinen besonderen 
‚angenehmen Geruch aufweisen läßt. 


f) Nachweis saurer Phosphate. Man verreibteinige Kubikzentimeter des 
Mageninhaltes mit etwas gepulverten reinen Kalziumkarbonat und prüft dann 
die Reaktion mit Lackmuspapier. Falls sie sauer ist, so sind nach Leo 
saure Phosphate im Mageninhalte vorhanden. Wie Barberio!) mit Recht 
hervorhebt ist das Leosche Verfahren keineswegs zuverlässig. 


2. Quantitative Prüfungen auf Säuren. Man muß nacheinander 
die Gesamtazidität, die Gesamtsalzsäure, die „freie“ Salzsäure oder bei 
Fehlen der Günzburgschen Reaktion das sogenannte „Salzsäuredefizit“, 
die sauren Phosphate, die Milchsäure und die organischen Säuren quanti- 
tatıv feststellen. Bei der Bestimmung der Gesamtsalzsäure und der „gebun- 
denen“ Salzsäure muß man die festen Chloride und das leicht flüchtige 
Ammonchlorid berücksichtigen. 


1) M. Barberio, Über den Wert der Leoschen Methode für die Bestimmung der 
Azidität der monometallischen Phosphate im Mageninhalt. Deutsche med. Wochenschr., 
Bd. 34. S. 104—105 (1908). 


62 Edgard Zunz. 


a) Gesamtazidität. Eigentlich muß man als Azidität des Magen- 
inhaltes die Konzentration der Wasserstoffionen betrachten, welche man 
entweder genau mittelst des elektrometrischen Verfahrens der Gasketten 
(vgl. d. Handb., Bd. V. S. 500—524) oder mittelst der Indikatorenmethode 
nach dem Vorschlage von Michaelis und Davidsohn (vgl. d. Handb., Bd. V. 
S. 326—327) ermittelt. 

Die durch die Titrierungsverfahren erhaltene Gesamtazidität ent- 
spricht keineswegs der Wasserstoffionenkonzentration des Mageninhaltes, 
denn die Konzentration der Wasserstoffionen wechselt stetig während der 
Titrierung.!) Durch den Zusatz von Natronlauge wird das Gleichgewicht 
der Lösung derart gestört, daß die an Proteine, Proteosen, Peptone, Poly- 
peptiden, Aminosäuren oder Salze gebundene Salzsäure nach und nach frei 
wird. Außerdem können Proteosen und Peptone sowohl mit Basen als mit 
Säuren Salze bilden. ?) 

Deshalb muß man zu den Aziditätsbestimmungen stets unfiltrierten, 
gut umgeschüttelten Mageninhalt benutzen und neutrales Lackmuspapier 
nach Henriques und Sörensen (vgl. d. Handb., Bd. VI., S. 495—496) oder 
Alizarinrot als Indikator anwenden. Die Titrierung erfolgt mittelst dezinor- 
maler Natronlauge unter stetigem Umrühren mit einer Spatel des in einer 
weißen Porzellanschale befindlichen Mageninhaltes. Bei Anwendung des 
Alizarinrotes hört man mit dem Natronlaugenzusatze auf, sobald eine 
bleibende rote Färbung erzeugt wird.>) 

Die Gesamtazidität wird in Titrierungs- oder Aziditätsgrade be- 
rechnet. Als solche betrachtet man die Anzahl Kubikzentimeter dezinor- 
maler Natronlauge, weiche man zu 100 cm? Mageninhalt hinzufügen muß, 
um den die Neutralisation des Magensaftes anzeigenden Umschlag des 
Indikators hervorzurufen. Die Berechnung der Gesamtazidität in Salzsäure 
ist unrichtig, denn die (Gresamtazidität hängt noch von anderen Fak- 
toren ab. 


b) Feststellung der Menge der Gesamtsalzsäure. Man bedient sich 
dazu entweder des durch Reissner*) veränderten Lüttke-Martiusschen 


') S. P. L. Sörensen, Enzymstudien. Biochem. Zeitschr. Bd. 21. S. 131—304 (1909). 

°) S. Bugarsky und L. Liebermann, Über das Bindungsvermögen eiweißartiger 
Körper für Salzsäure, Natriumhydroxyd und Kochsalz. Pflügers Arch. Bd. 72. S. 51—74 
(1898). — J. Christiansen, Titrimetrische Untersuchungen über die Pepsinverdauung. 
Biochem. Zeitschr. Bd. 46. S. 50—70 (1912). 

®) J. Volhard, Über das Alkalibindungsvermögen und die Titration der Magen- 
säfte. Münchener med. Wochenschr. Bd. 50. S. 2129—2131 und 2185—2187 (1903). — 
0. Reissner, Zur Methodik der Salzsäurebestimmung im Mageninhalt. Zeitschr. f. klin. 
Med. Bd. 48. S. 101—119 (1903). — A. Müller, Der Einfluß der Salzsäure auf die 
Pepsinverdauung. Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 94. S. 27—46 (1908). — A. Döhrn, 
Bemerkung über Titration von Magensäften. Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 104. 
Bd. 561—566 (1911). — J. Christiansen, Die Bestimmung der Gesamtsalzsäure im Ma- 
geninhalt. Biochem. Zeitschr. Bd. 46. S. 82—93 (1912). 

*) 0. Reissner, Zur Methodik der Salzsäurebestimmung im Mageninhalte. Zeit- 
schrift f. klin. Med. Bd. 48. S. 101—119 (1903). 


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Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. 63 


Verfahrens oder des durch Bourget!) und Boas?) veränderten Sjögvist- 
schen 3) Verfahrens. 

1. Reissnersches Verfahren: 1. Bei dieser Methode bestimmt 
man nacheinander den Chlorgehalt der Salzsäure und der festen Chloride 
a, den Chlor der festen Chloride b allein, den Gesamtchlor ec. a—b oder d 
ergibt also den Chlor der Gesamtsalzsäure, c—a oder e den Chlor des 
Ammonchlorides und der flüchtigen Chlorverbindungen. 

x) Zu 100 cm? unfiltrierten, gut durchgeschüttelten Mageninhaltes 
wird die vorher zur Neutralisierung der Gesamtazidität festgestellte Menge 
dezinormaler Natronlauge zugesetzt, auf dem Wasserbade oder einer As- 
bestplatte im Platintiegel zur Trockne eingedampft und dann über freier 
Flamme verkohlt, so lange der Rückstand mit leuchtender Flamme brennt, 
aber nicht länger. Man muß die nötigen Vörsichtsmaßregeln anwenden, 
damit die festen Chloride sich beim Glühen nicht verflüchtigen. Deshalb 
ist die Anwendung des Wislicenusschen Platintiegels für genaue Ver- 
aschungen sehr empfehlenswert. #) 

Nach Erkalten des Veraschungsrückstandes wird die Kohle mit etwas 
destilliertem Wasser angefeuchtet und zerrieben, auf ein Filter gebracht 
und mit ca. 100 cm? heißen Wassers ausgelaugt. Das Filtrat wird in 
einem geeichten Meßkolben von 200 cm3 Inhalt aufgefangen, mit 20 cm? 
dezinormaler Silbernitratlösung (17 pro Liter) versetzt und mit destilliertem 
Wasser bis zur Eichmarke gefüllt. Nun filtriert man. Zu 100 em? des Fil- 
trates fügt man einige Tropfen einer konzentrierten Ferrinitratlösung. Diese 
Flüssigkeit wird tropfenweise unter Umschütteln mit einer dezinormalen 
Rhodanammoniumlösung (7'694 pro Liter) versetzt, bis eine bleibende gelb- 
rote oder blutrote Färbung die Überführung des ganzen Silbernitratüber- 
schusses in Rhodansilber anzeigt. 

Um den Chlorgehalt der Gesamtsalzsäure und der festen Chloride a 
zu berechnen, verdoppelt man die verbrauchte Anzahl Kubikzentimeter 
Rhodanlösung und zieht diese Zahl von den 20 cm3 Silbernitratlösung ab, 
welche dem Mageninhalte zugefügt wurden. 

8) Dieselbe Prozedur wird mit 10 anderen cm® des unfiltrierten, gut 
durchgeschüttelten Mageninhaltes ohne vorherige Neutralisation mittelst 
dezinormaler Natronlauge wiederholt. Da die Salzsäure beim Verdampfen 
sich verflüchtigt, so verbinden sich nur die festen Chloride mit dem Silber. 


!) Bourget, Nouveau procede pour la recherche et le dosage de l’acide chlor- 
hydrique dans l’estomac. Arch. de medec. exper. et d’anat. pathol. T.1. p. 844-851 
(1889). 

2) I. Boas, Beitrag zur Methodik der quantitativen Salzsäurebestimmung des 
Mageninhaltes. Zentralbl. f. klin. Med. Bd. 12. S. 33—37 (1891). 

3) J. Sjögvist, Physiologisch-chemische Beobachtungen über Salzsäure. Skand. 
Arch. f. Physiol. Bd. 5. S. 278—376 (1895); Bd. 6. S. 255--261 (1895). — Einige Be- 
werkungen über Salzsäurebestimmungen im Mageninhalte. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 32. 
S. 451—463 (1897). 

#) Lassar-Cohn, Arbeitsmethoden für organisch-chemisehe Laboratorien. Hamburg 


1909. S. 1234 u. folge. 


64 Edgard Zunz. 


Deshalb genügt es, 10 cm3 dezinormaler Silbernitratlösung anzuwenden. 
Mittelst der Titration nach Volhard (vgl. dieses Handb., Bd.I, 8.417, 
478; Bd. V, S. 291, 292) ermittelt man den Chlorgehalt der festen Chlo- 
ride b. 

y) Zur Bestimmung des Gesamtchlorgehaltes ce des Mageninhaltes 
werden 10 cm des unfiltrierten, gut durchgeschüttelten Mageninhaltes mit 
20 em? dezinormaler Silbernitratlösung in einen geeichten Meßkolben von 
200 em? Inhalt gebracht, welcher bis zur Marke mit destilliertem Wasser 
gefüllt wird. Man filtriert, fügt einige Tropfen konzentrierter wässeriger 
Ferrinitratlösung zu 100 em® des Filtrates und titriert nach Volhard durch 
tropfenweises Versetzen mit dezinormaler Rhodanammoniumlösung bis zur 
bleibenden gelbroten Färbung. Die so verbrauchte Anzahl Kubikzentimeter 
der Rhodanlösung wird verdoppelt und von den 20 cm? Silbernitratlösung 
abgezogen. Die so erhaltene Zahl zeigt den Gesamtchlorgehalt e des Magen- 
inhaltes an. 

Um die Menge der im Mageninhalte vorhandenen Gesamtsalzsäure 
zu berechnen, zieht man vom in Kubikzentimeter dezinormaler Natron- 
lauge ausgedrückten Werte a der Summe der Gesamtsalzsäure und der 
festen Chloride den auf die gleiche Weise ausgedrückten Wert b der festen 
Chloride ab. Die gefundene Zahl d wird mit 000365 vervielfacht, wo- 
durch man die absolute Salzsäuremenge in 100 cm3 Mageninhalt oder dessen 
Prozentsatz an Gesamtsalzsäure erhält. Um die Gesamtsalzsäure in Azi- 
ditätsgrade auszudrücken, vervielfacht man mit 10 die Zahl d. 

Der Gesamtchlor, der Chlor der Gesamtsalzsäure, der Chlor der 
festen Chloride und der Chlor des Ammonchlorides sowie der flüchtigen 
Chlorverbindungen werden durch Vervielfältigung mit 0'003545 der in 
Kubikzentimeter dezinormaler Natronlauge ausgedrückten Zahlen ce, d, b 
und e erhalten. 

2. Sjögvistsches Verfahren: 10, 20 oder 30 cm? filtrierten Magen- 
inhaltes werden in ein Porzellantiegel mit überschüssigem chlorfreien Baryum- 
karbonat versetzt. Man erwärmt auf gelinde Weise bis zur völligen Ab- 
dampfung der Flüssigkeit. Dann steigert man allmählich den Wärmegrad 
bis zur gänzlichen Verkohlung der Masse. Dabei werden das Laktat und 
alle organischen Baryumsalze zerstört, während der Baryumchlorid hingegen 
unverändert bleibt. Nach der Veraschung läßt man den Tiegel erkalten. 
Man löst den Rückstand von den Wänden des Tiegels äußerst vorsichtig 
ab, pulvert ihn möglichst fein und sammelt ihn auf einem Filter. Dann 
behandelt man diesen Rückstand mittelst siedenden Wassers bis zur 
völligen Extraktion des gesamten Chlorbaryums aus der Kohlemasse. Dal) 
dies erreicht wird, erkennt man am Fehlen jeder Fällung bei Schwefel- 
säurezusatz zum Filtrate. Man darf diese Kontrollprobe erst nach meh- 
reren Auswaschungen des Filtrates mit siedendem Wasser anstellen. Das 
Gesamtfiltrat wird mit einigen Tropfen gesättigter wässeriger Natrium- 
karbonatlösung versetzt. Der gebildete Baryumkarbonatniederschlag wird 
auf einem kleinen Filter gesammelt, mit destilliertem Wasser so lange 


Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. 65 


gewaschen, bis das Waschwasser keine alkalische Reaktion mit Lackmus- 
papier mehr gibt. Filter nebst Niederschlag werden dann in ein Becher- 
glas gespült. Unter stetigem Schütteln, um das Baryumkarbonat in die 
Flüssigkeit zu verteilen, fügt man allmählich dezinormale Salz- oder 
‘Schwefelsäure hinzu bis zur völligen Lösung des Baryumkarbonates bzw. 
bis zur schwachsauren Reaktion der Flüssigkeit. Durch Kochen wird letz- 
tere von der Kohlensäure befreit. Dann wird sie mit einigen Tropfen einer 
1°/,igen alkoholischen Phenolphtaleinlösung versetzt und mit dezinormaler 
Natronlauge bis zum rötlichen Umschlage des Indikators zurücktitriert. 
Die dazu erforderliche Anzahl Kubikzentimeter dezinormaler Natronlauge 
wird von der Anzahl Kubikzentimeter der zugesetzten dezinormalen Salz- 
oder Schwefelsäure abgezogen, wodurch man den Wert des Gesamtsäure- 
gehaltes des Mageninhaltes erhält, welchen man dann in Aziditätsgrade 
oder in Salzsäure berechnet. 

Beim Sjögvistschen Verfahren wird der Ammonchlorid zu Baryum- 
chlorid umgewandelt und also mit der gesamten Salzsäure bestimmt. Zur 
Vermeidung dieses Fehlers muß man die Menge des Ammonchlorides für 
sich feststellen und sie von der beim Sjögvistschen Verfahren erhaltenen 
Zahl abziehen. Dazu wird der meistens sehr geringe Ammoniakgehalt des 
filtrierten Mageninhaltes nach der Zolinschen Methode festgestellt (vel. 
‚dieses Handb., Bd. III, S.765— 767). Die auf 100 em3 Mageninhalt zurück- 
gebrachte entsprechende Anzahl Kubikzentimeter dezinormaler Natronlauge 
wird von der Anzahl Kubikzentimeter dezinormaler Säure, welche den nach 
‚dem Sjögvistschen Verfahren ermittelten Gesamtsalzsäuregehalt der glei- 
chen Mageninhaltsmenge entspricht, abgezogen, wodurch man den wirklichen 
Salzsäuregehalt des Mageninhaltes in Aziditätsgrade erhält, welchen man 
natürlich auch als Salzsäure berechnen kann. 

c) Bestimmung der freien Salzsäure. Der Gehalt des Magen- 
inhaltes an sogenannter „freier“ Salzsäure wird nach dem Mintzschen 
Verfahren ermittelt, indem man mit dezinormaler Lauge titriert unter 
Anwendung des Günzburgschen oder Boasschen Reagens auf freie Salz- 
säure als Indikator. Wie Cohnheim!) und Lefmann?) es mit Recht hervor- 
heben, bestimmt man eigentlich mit dem Günzburgschen Reagens nicht 
nur die im Überschusse im Magen befindliche Salzsäure, welche keine Bin- 
dung mehr mit dem Nahrungseiweiß oder dessen Spaltprodukte eingehen 
könnte, sondern auch ein Teil der an den Proteinen oder ihren Spaltpro- 
‚dukten gebundenen Salzsäure, welche durch Hinzufügung von Natronlauge 
allmählich wieder frei wird. 

10 em® unfiltrierten, gut durchgeschüttelten und vermischten Magen- 
inhaltes werden mit dezinormaler Natronlauge allmählich versetzt. Von Zeit 
zu Zeit wird mit einer Impfnadel ein Tropfen des durch Steensma ver- 


) 0. Cohnheim, Die Physiologie der Verdauung und Aufsaugung. Nagels Handb. 
d. Physiol. Bd. 2. 2. Hälfte. S. 544 u. ff. Braunschweig 1907. 

?) @. Lefmann, Die Funktionsprüfung des Magens nach Probekost. Wiesbaden 
sit. 8..23. 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 


a. 


66 Edgard Zunz. 


änderten Günzburgschen Reagens (oder des Doasschen Reagens) auf 
eine kleine weiße Porzellanschale gebracht, mittelst einer Spiritus- oder 
Mikrobrennerglasflamme getrocknet, in die Mitte des ausgetrockneten hell- 
gelben Fleckes ein Tropfen Mageninhalt mit einer ausgeglühten Impf- 
nadel gebracht und vorsichtig erhitzt unter sorgfältigster Beobachtung der 
auf S. 59 beschriebenen Kautelen. Sobald keine rote Färbung mehr bei 
Anstellung der Steensma-Günzburgschen oder der Boasschen Probe ent- 
steht, hört man mit dem Zusatze dezinormaler Natronlauge auf. Aus der 
verbrauchten Anzahl Kubikzentimeter dezinormaler Natronlauge berechnet 
man die „freie“ Salzsäure entweder in Aziditätsgraden oder als Salz- 
saure. 

Man hat vorgeschlagen, die Menge der freien Salzsäure kapillari- 
metrisch nach Holmgren (vgl. dieses Handb., Bd. VI, S. 104—105) festzu- 
stellen. Da man aber dabei Kongorot als Indikator benutzt, so erzielt man 
mittelst dieses Verfahrens zu hohe Zahlen (vgl. diesen Band, S. 59). 

d) Bestimmung des Salzsäuredefizits. Beim Fehlen freier Salz- 
säure“, d. h. mittelst des Günzburgschen Reagens nachweisbarer Salz- 
säure, bestimmt man das sogenannte „Salzsäuredefizit“, d.h. die zur 
völligen Sättigung der Proteine des Mageninhaltes und deren Spaltungs- 
produkte erforderliche Salzsäuremenge. 

10 cem3 unfiltrierten, durch Umschütteln gut vermischten Magen- 
inhaltes werden mit dezinormaler Salzsäure allmählich versetzt bis zum 
Augenblicke, wo eine rote Färbung bei Anstellung der Steensma-Günzburg- 
schen oder der Boasschen Probe eintritt. Aus der dazu verbrauchten An- 
zahl Kubikzentimeter dezinormaler Salzsäure berechnet man das Salzsäure- 
defizit entweder in Aziditätsgraden oder als Salzsäure. 

e) Bestimmung der gesamten „gebundenen“ Salzsäure. Bei 
Vorhandensein „freier“ Salzsäure erhält man den Wert der gesamten 
„gebundenen“ Salzsäure durch Abziehen der „freien“ Salzsäure von der 
Gesamtsalzsäure. Bei Salzsäuredefizit befindet sich die gesamte Salzsäure 
im sogenannten „gebundenen“ Zustande und sind also beide Werte ein- 
ander gleich. 

f) Bestimmung der an den Aminogruppen gebundenen Salz- 
säure. Nach Christansen‘) ist, sowohl im filtrierten als im unfiltrier- 
ten gut durchgemischten Mageninhalte, bei fehlender Milchsäure, der 
Unterschied zwischen den bei Anwendung von Kongopapier einerseits, vom 
@ünzburgschen Reagens andrerseits zur Neutralisierung des Mageninhaltes 
erforderlichen Menge dezinormaler Natronlauge fast immer von derselben 
Größe wie die mittelst der Sörensenschen Formoltitrierung erhaltene Zahl. 
Daraus geht hervor, daß wahrscheinlich die Natronlaugemenge, welche 
zwischen Günzburg- und Kongo-Umschlag dem Mageninhalte zugesetzt wird, 
zur Abspaltung und Sättigung der an den während der peptischen Ver- 


!) J. Christiansen, Titrimetrische Untersuchungen über die Pepsinverdauung. 
Biochem. Zeitschr. Bd. 46. S. 50—70 (1912). 


Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. 67 


dauung allmählich neugebildeten Aminogruppen gebundenen Salzsäure ver- 
braucht wird. Bei der Formoltitrierung verhalten sich nämlich die Pro- 
teine und deren erste peptische Verdauungsprodukte ungefähr wie Poly- 
peptide, während die Hydrochloride der freien Aminosäuren, wenigstens 
die bei der Pankreatin-Erepsinverdauung entstehenden. sich titrimetrisch 
ungefähr wie reine Aminosäuren verhalten.!) 

Falls man die Mengen der an den Aminogruppen gebundenen Salz- 
säure feststellen will, so muß man bei Vorhandensein von Milchsäure oder 
von flüchtigen Fettsäuren diese erst mittelst Ätherextraktion entfernen. 
Die Titrierung der „freien“ Salzsäure erfolgt mittelst dezinormaler Natron- 
lauge und unter Anwendung des Steensma-Günzburgschen oder des boas- 
schen Reagens in der schon beschriebenen Weise. Ein anderer Teil des Magen- 
inhaltes wird mit dezinormaler Natronlauge so lange versetzt, bis ein 
Tropfen des Mageninhaltes einen Kongopapierstreifen nicht mehr blau 
färbt. Enthält der Mageninhalt eine erhebliche Proteosenmenge, so ist der 
Umschlag oft undeutlich. Man benutzt dann als Vergleichslösung eine dezi- 
molekulare Lösung sekundären Natriumzitrates, welche die Farbe des 
Kongopapiers nicht ändert. Man kann destilliertes Wasser dazu nicht an- 
wenden, da es das Papier röter färbt, als letzteres am beim Wasserstoff- 
ionenexponenten 4°6 ungefähr liegenden, also auf der sauren Seite des 
Neutralpunktes befindlichen Umschlagspunkt ist. Zieht man nun von der 
bei Anwendung des Kongopapiers verbrauchten Zahl Kubikzentimeter dezi- 
normaler Natronlauge die der „freien“ Salzsäure entsprechende Zahl Kubik- 
zentimeter dezinormaler Natronlauge, so erhält man nach Christiansen die 
an den während der peptischen Verdauung allmählich gebildeten Amino- 
gruppen gebundene Salzsäuremenge. Man kann sie auch mittelst der 
Sörensenschen Formoltitrierung ermitteln, indem man die Formol-Phenol- 
phtaleinmischung dem mittelst Azolitminpapier nach HZenriques und Sörensen 
neutralisierten, von Ammoniak vorher befreiten Mageninhalte zufügt (vgl. 
dieses Handb., Bd. VI, S. 268, 275— 277, 494—498).?) 

g) Jodometrische Methode zur Bestimmung der Säureaktivität 
nach Sahli-Wezrumba.:) Um die Fehlerquellen der zur Feststellung der 
Gesamtazidität der „freien“ und der „gebundenen“ Salzsäure angewandten 
Titrierungsverfahren zu vermeiden, bei welchen man jeden Augenblick eine 
andere Mischung vor sich hat in welcher die für die Endreaktion ent- 
scheidende Dissoziation sich fortwährend ändert, haben Sakli und Frl. Wez- 


1) J. Christiansen, Titrimetrische Untersuchungen über die Pankreatin-Erepsin- 
verdauung. Biochem. Zeitschr. Bd. 46. S. 71—81 (1912). 

2) E. Zunz, Recherches sur l’azote titrable dans le contenu stomacal par la 
methode de Sörensen au formol. Beitr. z. Pathol. u. Ther. d. Ernährungsst., Stoffwechsel- 
u. Verdauungskr. Bd. 2. S. 372—412 (1911). 

®) M. Wezrumba, Über eine prinzipiell neue (jodometrische) Methode zur Be- 
stimmung der Säure des Magensaftes und ihre klinischen Vorteile. Intern. Beitr. z. 
Pathol. u. Ther. d. Ernährungsstör., Stoffw.- u. Verdauungskr. Bd. 3. S. 53—85 (1911). — 
H. Sahli, Lehrbuch der klinischen Untersuchungsmethoden. 6. Aufl. Bd. 1. S. 601 u. ff. 
Leipzig und Wien 1903. 


68 Edgard Zunz. 


rumba ein Verfahren ersonnen, bei welchem man das Produkt einer abge- 
schlossenen Reaktion mittelst einer durch Dissoziation kaum beeinflußten 
Methode bestimmt. Diese beruht auf der großen Empfindlichkeit gegen 
Säuren einer Lösung von 1 Molekül jodsauren Kaliums und 5 Molekülen 
Jodkaliums. Das aus dieser Mischung durch die Säuren ausgeschiedene 
Jod wird, indem man Stärke als Indikator anwendet, mit dezinormaler 
Natriumthiosulfatlösung bis zum Verschwinden der Violettfärbung titriert. 
Nach Sahli ergibt die jodometrische Azidimetrie eines Mageninhaltes wirk- 
lich ein Maß für die Säureazidität desselben. 

Zu 10 cm3 des Mageninhaltes fügt man je 1 cm® einer 48°/,igen 
Jodkaliumlösung und einer 8°/,igen Lösung jodsauren Kaliums. Durch das 
freiwerdende Jod färbt sich der Mageninhalt bei nicht zu geringem Säure- 
gehalt sofort intensiv gelb bzw. braungelb. Man läßt die Mischung 5 Mi- 
nuten stehen und setzt dann zur Flüssigkeit einige Tropfen einer nach der 
Berschschen !) Vorschrift hergestellten Stärkelösung, worauf sich die Flüssig- 
keit intensiv dunkelblau färbt. Um diese Stärkelösung zu bereiten, werden 
4 g Stärke, 20 g Zinkchlorid und 100 em Wasser unter Erreichung des 
verdampfenden Wassers so lange gekocht, bis das Stärkemehl nahezu voll- 
ständig gelöst ist, dann fügt man noch 29 trockenes Jodzink hinzu, er- 
gänzt die Flüssigkeit auf 1 / und filtriert sie. Nun läßt man vorsichtig 
aus einer Bürette, unter fortwährendem Umrühren, dezinormale Natrium- 
thiosulfatlösung (enthaltend 24 g 850 Na?S?03 +5 H?O, entsprechend 12 g 
685 Jod) zufließen. Die Farbe der Flüssigkeit bleibt zunächst unverändert. 
Sobald die blaue Farbe der Lösung bei weiterem Zusatze der dezinormalen 
Natriumthiosulfatlösung sich zu verändern anfängt, muß man äußerst vor- 
sichtig mit dem tropfenweisen Natriumthiosulfatzusatze vorgehen, indem 
man nach dem Umrühren zuerst abwartet, bis die Farbe konstant bleibt. 
um erst dann mit dem tropfenweisen Natriumthiosulfatzusatze fortzu- 
fahren. Die blaue Farbe der Lösung geht zunächst in ein weniger inten- 
sives Blau über, indem die Flüssigkeit dabei durchsichtiger wird. Dann 
treten nacheinander eine dunkelviolette, eine heller violette, eine Rosafär- 
bung. Schließlich wird die Flüssigkeit vollkommen farblos. Manchmal wird 
nach !/, Minute oder selbst erst nach einigen Minuten die klare Flüssig- 
keit bläulich bis blau. In diesen Fällen wird vorsichtig dezinormale Na- 
triumthiosulfatlösung bis zur dauernden Farblosigkeit zur Flüssigkeit ge- 
fügt. Die zur Wegschaffung des freien Jods angewandte Anzahl Kubik- 
zentimeter dezinormaler Natriumthiosulfatlösung entspricht der im Magen- 
inhalte vorhandenen wirksamen Salzsäure. 

h) Quantitative Bestimmung der Azidität saurer Phosphate. 
Nach etwaiger Entfernung der organischen Säuren (Milchsäure, flüchtige 
Fettsäuren) durch Ausschütteln mit Äther wird die Gesamtazidität des 
unfiltrierten, gut umgeschüttelten Mageninhaltes in Aziditätsgraden fest- 
gestellt. Von dieser Zahl werden die der Gesamtsalzsäure entsprechenden 


Y) Bersch, Handbuch der Maßanalyse. Wien und Leipzig 1897. 


die 


Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. - 69 


Aziditätsgrade abgezogen. Auf diese Weise berechnet man in Aziditäts- 
graden die den sauren Phosphaten entsprechende Azidität. 

v. Tabora Y) wendet eine andere Methode an: 10 cm3 filtrierten Magen- 
inhaltes werden in einen Kolben von 100 em? Inhalt gegossen, mit dezi- 
normaler Natronlauge und Alizarin als Indikator neutralisiert, mit 40 em3 
Magnesiamischung (vgl. Bd. V, S. 813) versetzt und nun 4—5 Minuten 
kräftig geschüttelt. Nach 24stündlichem Stehen wird der Niederschlag von 
Magnesiumammoniumphosphat auf einem kleinen aschefreien Filter ge- 
sammelt, mit ammoniakhaltigem Wasser gewaschen, getrocknet, im Platin- 
tiegel verbrannt, geglüht, gewogen. Durch Vervielfältigung des gefundenen 
Gewichtes der pyrophosphorsauren Magnesia (Mg?P2O?) mit 063757 erhält 
man die Menge des Phosphorpentoxyds P?O>, welche auf KH?PO+ umge- 
rechnet wird, um den Aziditätsgrad zu ermitteln. 

i) Quantitative Bestimmung der gesamten organischen Säuren. 
Die Gesamtazidität des unfiltrierten, gut umgeschüttelten Mageninhaltes 
wird vor und nach Ausschütteln mit Äther in Aziditätsgraden ermittelt. 
Der Unterschied zwischen diesen beiden Zahlen ergibt in Aziditätsgraden 
die den gesamten organischen Säuren entsprechende Azidität. 

)) Quantitative Bestimmung der Milchsäure. Sie erfolgt nach dem 
Boasschen Verfahren.) 10—20 cm filtrierten Mageninhaltes werden in 
einer Porzellanschale auf dem Wasserbade bis zum Sirup eingedampft. Ist 
freie Salzsäure im Mageninhalte vorhanden, so fügt man vor dem Ein- 
dampfen einen Überschuß von kohlensaurem Baryt hinzu. Man versetzt 
den Sirup mit einigen Tropfen Phosphorsäure, vertreibt die Kohlensäure 
durch Aufkochen, läßt erkalten und behandelt mit 100 cm3 alkoholfreien 
Äthers. Nach halbstündigem Digerieren wird die klare Ätherschicht abge- 
gossen, der Äther verjagt, der Rückstand mit 45 cm Wasser aufgenommen, 
sorgfältig durchgeschüttelt und eventuell filtriert. Diese Flüssigkeit wird mit 
D cm Schwefelsäure und einer Messerspitze Braunstein in einen Zrlen- 
meyerschen Kolben gebracht, welcher mittelst eines doppelt durchbohrten 
Stopfens verschlossen wird. Durch die eine Bohrung führt eine gebogene 
Glasröhre zum Kühler. Durch die andere Bohrung tritt in den Erlenmeyer- 
schen Kolben eine zweite, gleichfalls gebogene Glasröhre, welche an ihrem 
äußeren Ende mit einem kurzen Gummischlauche und einer Klemme ver- 
sehen ist. Diese Glasröhre dient zur Austreibung durch einen Luftstrom 
des nach Beendigung der Destillation etwa noch im Kochkolben oder im 
Kühler befindlichen Aldehyds. Man erwärmt den die Flüssigkeit, die Schwefel- 
säure und den Braunstein enthaltenden Erlenmeyerschen Kolben und fügt 
das Destillat in einem hohen, gut verschließbaren Erlenmeyerschen Kolben 
auf. Die Destillation wird fortgesetzt, bis etwa die */, der im ersten Kol- 
ben befindlichen Flüssigkeit in den zweiten Erlenmeyerschen Kolben über- 


1) v. Tabora, Über die Phosphate des Mageninhaltes. Zeitschr. f. klin. Med. Bd.56. 
S. 369—379 (1905). 

2) I. Boas, Eine neue Methode der qualitativen und quantitativen Milchsäurebe- 
stimmung im Magensafte. Deutsche med. Wochenschr. Bd. 19. S. 94)0—943 (1393). 


70 Edgard Zunz. 


gegangen sind. Zum Destillate fügt man 40 cm? einer alkalischen Jod- 
lösung, welche durch Zusatz gleicher Volumina einer dezinormalen Jod- 
lösung unter einer 569 Kaliumhydroxyd per Liter Wasser enthaltenden 
Kalilauge bereitet wird. Nach kräftigem Schütteln läßt man den Kolben 
einige Minuten verschlossen stehen. Sodann versetzt man das Destillat mit 
20 cm3 Salzsäure vom spez. Gew. 1018 und fügt einen Natriumbikarbonat- 
überschuß hinzu. Nun läßt man in die Flüssigkeit eine dezinormale Na- 
triumarsenitlösung, welche genau auf die dezinormale Jodlösung eingestellt 
sein muß, tropfenweise bis zur Entfärbung einfließen, fügt dann etwas 
lösliche Stärkelösung hinzu und titriert bis zur dauernden Blaufärbung 
zurück. Zieht man von der dem Destillat zugefügten Anzahl Kubikzenti- 
meter dezinormaler Jodlösung die verbrauchte Anzahl Kubikzentimeter 
dezinormaler Natriumarsenitlösung ab, so erhält man die 
zur Jodoformbildung nötige Jodmenge und indirekt den 
Aldehyd- bzw. Milchsäuregehalt des Mageninhaltes. 1 cm? 
dezinormaler Jodlösung entspricht O0 4 005388 Milchsäure, 
so daß man den Milchsäuregehalt des Mageninhaltes durch 
Vervielfältigung mittelst dieses Faktors der zur Jodoform- 
bildung verbrauchten Anzahl Kubikzentimeter dezinormaler 
Jodlösung erhält. Man kann auch den Milchsäuregehalt 
des Mageninhaltes in Aziditätsgraden berechnen. 

Um eine annähernde Schätzung des Milchsäurege- 
haltes eines Mageninhaltes zu erzielen, verfährt man nach 
H. Strauss auf folgende Weise: Man benutzt einen neben- 
bei (Fig. 24) abgebildeten besonderen Schütteltrichter von 
30 cm3 Inhalt, welcher mit 2 Marken versehen ist. von 
denen die eine einer Füllung von 5 cm®, die andere einer 
solehen von 25 em? entspricht. In diesen Scheidetrichter 
gießt man zuerst Mageninhalt bis zur Marke 5 und nach- 
her Äther bis zur Marke 25. Nach tüchtigem Schütteln 
läßt man die Mischung sich wieder schichten. Dann läßt 
man die untere wässerige Schicht mittelst des unten be- 
findlichen Hahnes ablaufen und ersetzt sie, indem man 
destilliertes Wasser bis zur Marke 25 in den Schütteltrichter gießt. Nun 
fügt man zur im Schütteltrichter enthaltenen Flüssigkeit 2 Tropfen einer 
10°/,igen wässerigen Eisenchloridlösung und schüttelt die Gesamtilüssigkeit 
tüchtie. Nach Abschichten zeigt die untere wässerige Schicht eine aus- 
geprägte gelbgrüne Färbung, sobald mehr als 1°/,, Milchsäure im Magen- 
inhalte vorhanden ist. 

k) Quantitative Bestimmung der Azidität der flüchtigen Fett- 
säuren. Der Unterschied zwischen der in Aziditätsgraden ausgedrückten 
Azidität der gesamten organischen Säuren und der in Aziditätsgraden be- 
rechneten Azidität der Milchsäure ergibt in Aziditätsgraden die Azidität der 
flüchtigen Fettsäuren, falls Milchsäure und flüchtige Fettsäuren zusammen 
im Mageninhalte vorhanden sind. Falls keine Milchsäure im Mageninhalte 


Fig. 24. 


Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. za 


besteht, so entspricht die Azidität der gesamten organischen Säuren der 
Azidität der flüchtigen Fettsäuren. 

3. Prüfung auf enzymatische Eigenschaften. Der Mageninhalt 
enthält die Enzyme des Magensaftes sowie des mit diesem vermengten 
Speichels. Außerdem können manchmal in den Nährstoffen selbst (z. B. 
nach Fütterung mit rohem Getreide beim Pferde) enthaltene Fermente sich 
im Mageninhalte befinden. Schließlich wandern bisweilen vom Dünndarm 
stammende Enzyme in den Magen mit der Galle, dem Pankreas- und dem 
Darmsafte ein. Die Hauptrolle spielen aber fast stets die Fermente des 
Magensaftes und unter ihnen das Pepsin. Außer der Pepsinwirkung übt 
der Magensaft noch eine Labwirkung aus und wirkt auf emulgierte Fette. 

a) Pepsinbestimmung. Bei der Pepsinwirkung mul man die Lösung 
geronnener Proteine und die Verdauung genüiner flüssiger Proteine als 
zwei besondere Prozesse betrachten, welche vielleicht keineswegs denselben 
Gesetzen unterworfen sind.!) Deshalb ist es eigentlich zur Beurteilung des 
Pepsingehaltes des Mageninhaltes oder besser seines peptischen Vermögens 
erforderlich, auf beide Eigenschaften zu fahnden. 

Zur Prüfung der Fähigkeit des Magens geronnene Proteine aufzu- 
lösen, empfiehlt sich zurzeit, trotz ihren vielen Fehlerquellen°), die 
Mettsche Methode noch am meisten. 

Die Herstellung der Mettschen Röhren erfordert eine große Sorgfalt 
wegen den Ungleichheiten in der Zusammensetzung und der Konsistenz des 
Eierklares verschiedener Hühnereier und wegen dem Einflusse der Temperatur 
und den verschiedenen anderen Umständen, bei welchen die Gerinnung des 
Eierklares vor sich geht. Zur Verhinderung dieser Nachteile hat man mehrere 
Verfahren zur Herstellung der Mettschen Röhren angegeben. Man rührt sorg- 
fältig das Eierklar mehrerer Hühnereier zusammen und filtriert durch Gaze. 
Die so erzielte möglichst gleichmäßige Mischung wird in enge Glasröhren ge- 
saugt, über deren inneren Durchmesser man sehr verschiedene Angaben ge- 
macht hat. Meistens nimmt man dazu Röhren von 1—2 mm inneren Durch- 
messers. Schorlemmer, Cobb und Koettlitz?) geben jedoch den Vorzug Röhren 
von 21/,—31/;, mm inneren Durchmesser, womit ich ihnen beipflichte. 


!) E. Abderhalden und E. Steinbeck, Beitrag zur Kenntnis der Wirkung des 
Pepsins und der Salzsäure. Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 68. S. 233—311 (1910). — 
J. Christiansen, Beiträge zum Mechanismus der Pepsinverdauung. Biochem. Zeitschr. 
Bd. 47. S. 226—249 (1912). 

2) A. Korn, Über Methoden , Pepsin quantitativ zu bestimmen. Inaug.-Dissert 
Tübingen 1902. — P. Grützner, Ein Beitrag zum Mechanismus der Magenverdauung. 
Pflügers Archiv. Bd. 106. S. 4653—522 (1905). — E. Zunz, Contribution ä l’etude de l’acti- 
vation du suc panereatique par les sels. Bull. d. 1. Soc. roy. d. Se. med. et nat. de Bruxelles. 
T. 64. p. 23-55 (1906). — L. Blum und E. Fuld, Über das Vorkommen eines Anti- 
pepsins im Magensaft. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 58. S. 505—517 (1906). — T. Brails- 
ford Robertson, On some chemical properties of casein and their possible relation to the 
chemical behavior of other protein bodies with especial reference to hydrolysis of caseın 
by trypsin. Journ. of biol. Chem. Vol. 2. p. 317—383 (1906). 

®) R. Schorlemmer, Untersuchungen über die Größe der eiweißverdauenden Kraft 
des Mageninhaltes Gesunder wie Magen- und Darmkranker unter kritisch-vergleichender 


72 Edgard Zunz. 


Mittelst einer geeigneten Anordnung saugt man langsam und gleich- 
mäßig die filtrierte Eierklarmischung in 3—3!/, mm breite, 40—-50 cm 
lange Glasröhren, so daß kein Eierklar in den oberen Teil jeder Röhre 
(ungefähr 5 cm) dringt. Darauf wird dieses Ende der Glasröhre zuge- 
schmolzen. Nach Erkalten der Glasröhre wird sie äußerst langsam um- 
gedreht, damit das Eierklar allmählich in das zugeschmolzene Ende der 
Röhre fließen kann. Nun läßt man auf Watteunterlage die Glasröhren 
einige Stunden senkrecht stehen. Die Gasbläschen steigen allmählich. 
Manchmal muß man zur völligen Entfernung der sichtbaren Gasbläschen 
die Mettsche Röhre leicht beklopfen. Dann wird das früher unten, nun 
oben liegende Ende jeder Glasröhre zugeschmolzen. Die beiderseits her- 
metisch geschlossenen Röhren werden in einen mit auf 40° C ungefähr 
befindlichem Wasser gefüllten Dampfofen senkrecht gestellt. Die Temperatur 
des Dampfofens wird allmählich auf 85—90° © gebracht, worauf man das 
Wasser erkalten läßt. Die Mettschen Röhren werden dann entnommen und 
bleiben 2—-3 Tage in senkrechter Stellung. Nach dieser Zeitdauer kann man 
sie in wagrechter Lage aufbewahren. Beide Enden jeder Röhre werden in ge- 
schmolzenes Paraffin eingetaucht, ‘welches man an der Luft fest werden läßt. 
Diese Vorsichtsmaßsregel wird deshalb genommen, weil sich manchmal kleine 
Spalten in den zugeschmolzenen Glasenden im Dampfofen bilden. Auf diese 
Weise erhält man gewöhnlich Metische Röhren, welche keine sichtbaren Gas- 
bläschen zeigen, außer in dem im Dampfofen oben gelegenen Ende.!) 

Christiansen?) hat neuerdings ein ganz anderes Verfahren angegeben, 
welches eine Standardierung der Mettschen Röhren mittelst verschiedener 
Temperatureinwirkung während des Gerinnungsprozesses erlaubt. Man füllt 
einen großen Fisckhessel mit doppeltem Boden mit ca. 102 Wasser, ver- 
schließt ihn mit einem Deckel und erhitzt das Wasser zum Kochen. So- 
bald dies beginnt, nimmt man den Kessel vom Feuer ab, entfernt den 
Deckel und rührt das Wasser gut um. Der spontane Temperaturabfall 
wird jetzt mittelst eines in Zehntelgraden geteilten Thermometers verfolgt. 
Ist die Temperatur bis auf auf 85° C gesunken, so werden die mit Eier- 
klar gefüllten Kapillarröhren auf einmal hineingelegt. Da die Gerinnung 
augenblicklich eintritt, ist eine vorherige Verschließung der Röhren über- 
flüssig. Die Röhren bleiben im Wasser bis zur Abkühlung derselben und 
werden dann an beiden Enden mit Lack verschlossen. 


Benutzung der Hammerschlag und Mettschen Methoden. Archiv f. Verdauungskrankh. 
Bd. 8. S. 299—330 und 447—505 (1902) ; Berliner klin. Wochenschr. Bd. 39. S. 1193—1200' 
(1902). — S. W. Cobb, Contribution to our knowledge of the action of pepsin, with special 
reference to its quantitative estimation. Amer. Journ. of Physiol. Vol. 13. p. 448—463 
(1905). — H. Koettlitz, Notes sur le dosage de la pepsine. Bull. d. 1. Soc. roy. d. Se. med. 
et nat. de Bruxelles. T. 63. p. 229—254 (1905); T. 64. p. 266—273 (1906). 

') E. Zunz, Nouvelles recherches sur les proprietes antiproteolytiques du serum 
sanguin. Mem. de l’Acad. roy. de med. de Belgique. T. 20. fase. 5 (1909). 

?) J. Christiansen, Einige Bemerkungen über die Mettsche Methode nebst Ver- 
suchen über das Aziditätsoptimum der Pepsinwirkung. Biochem. Zeitschr. Bd. 46. 
S. 257—287 (1912). 


Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. 73 

Um untereinander vergleichbare Ergebnisse mit den Mettschen Röhren 
zu erzielen, muß man sie nach der Christiansenschen Vorschrift standar- 
disieren. Zu diesem Zwecke peitscht und filtriert man das Eierklar und 
saugt etwas von diesem in 11 Röhren von 0'8&—1 mm inneren Durch- 
messers und ca. 40 cm Höhe ein. Das übrige Eierklar wird bis zum nächsten 
Tage im Eischrank aufbewahrt. Nun wird das Wasserbad mit einer be- 
stimmten Wassermenge gefüllt, zum Kochen erwärmt, umgerührt und zur 
spontanen Abkühlung stehen gelassen. Sobald die Temperatur 90° erreicht, 
wird das erste Rohr eingetaucht, bei 89° das zweite und so weiter fort, 
bis alle 11 Röhren auf dem Boden des Wasserbades in bestimmter Ord- 
nung hingelegt worden sind, so dal man sie nicht verwechseln kann. 
Nach der Abkühlung werden alle 3 Röhren in derselben Ordnung heraus- 
genommen. Von jeder werden drei ca. 2cm lange Stückchen abgeschnitten 
und in je. 11 Fläschchen, auf denen die betreffenden Temperaturen von 
90°, 89° usw. bis 80° vermerkt sind, gebracht. In einer 12. Flasche be- 
finden sich die Standardröhrchen. Alle 12 Flaschen werden vorher mit 10 cm# 
einer pepsin- und salzsäurehaltigen Lösung versehen, dessen Stärke so 
gewählt wird, daß nach 24stündigem Verbleiben der Standardröhrchen in 
den Thermostaten 10—15 mm jeder Eiweißsäule gelöst wird. Nach Verlauf 
dieser Versuchszeit ermittelt man die Durchschnittszahl der aufgelösten 
Eiweißsäule in den 3 Röhrchen jeder Flasche. Auf diese Weise stellt man 
fest, bei welcher Temperatur man die sich den Standardröhrchen am 
meisten annähernden Röhren erhält. Der Unterschied zwischen den auf- 
gelösten Eiweißsäulen darf nicht mehr als 0'3 mm zwischen diesen Röhren 
und den Standardröhrchen betragen. Die Standardierung gelingt nicht immer 
gleich, so daß man manchmal eine zweite oder selbst eine dritte Prüfung 
vor der eigentlichen Bereitung der Metischen Röhren anstellen muß. Nach 
gelungener Standardierung wird das im Eisschrank aufbewahrte Eierklar in 
einer genügenden Anzahl Röhren gesaugt, welche man im Wasserbade bei einer 
ca. 1/,° C höheren Temperatur als die ermittelte eintaucht. Man wählt eine 
höhere Temperatur als die festgestellte, weil beim Eintauchen einer groben 
Menge von Röhren die Temperatur des Wasserbades etwas herabgesetzt wird. 


Nierenstein und Schiff!) haben gezeigt, dal im Mageninhalte die 
Pepsinwirkung hemmende Stoffe (Natriumchlorid, Zucker, Schleim) vor- 
handen sind. Nach Blum und Fuld?) enthält der Magensaft außerdem ein 
Antipepsin. Um den Einfluß der Hemmungsstoffe aufzuheben, empfehlen 
Nierenstein und Schiff den Mageninhalt mit 15 Volumina dezinormaler Salz- 
säure zu verdünnen. Nach Kaiserling®) wird jedoch dadurch die Einwirkung 


1) E. Nierenstein und M. Schiff’, Über die Pepsinbestimmung nach Mett und die 
Notwendigkeit ihrer Modifikation für klinische Zwecke. Archiv f. Verdauungskrankh. 
Bd. 8. S. 559—604 (1903); Berliner klin. Wochenschr. Bd. 40. S. 268—271 (1903). 

®) L. Blum und E. Fuld, Über das Vorkommen eines Antipepsins im Magensaft. 
Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 58. S. 505—517 (1906). 

3) Kaiserling, Die klinische Pepsinbestimmung nach Mett. Berliner klin. Wochen- 
schrift. Bd. 40. S. 1007—1008 (1903). 


74 Edgard Zunz. 


der Hemmungsstoffe keineswegs stets völlig verhindert. Andererseits wird 
durch diese Verdünnung die Wirkung geringer Pepsinmengen auf die ge- 
ronnene Proteinsäule bisweilen in solchem Grade vermindert, dab man das 
vorhandene Pepsin mittelst des Mettschen Verfahrens Grützner zufolge 
dann nicht nachweisen kann. 

Christiansen verdünnt den Mageninhalt im Verhältnisse 1:16 mittelst 
einer Salzsäure mit 30 als G@ünzburg-Zahl, d.h. von welcher 10 cm® nach 
Zusatz von genau 3cm? dezinormaler Natronlauge keine Günzburgsche 
Reaktion auf freie Salzsäure mehr geben. 3 Mettsche Röhren von je 1 cm 
Länge werden wagrecht auf dem flachen Boden einer gut verschlossenen 
Flasche mit weitem Halse gelegt, welche ungefähr 10 cm3 Mageninhalt enthält. 

Bei dieser Versuchsanordnung nimmt aber der Grad der Proteolyse 
allmählich ab wegen der Anhäufung am Boden des Gefäßes und besonders 
in den Kapillarglasröhren der Spaltungsprodukte der Proteine, welche sich 
mit einem Teile der freien Salzsäure verbinden. Zur Erzielung der besten 
Ergebnisse mit den Mettschen Röhren gießt man in einem Reagenzrohr 
10—15 cm: im Verhältnisse 1:16 mittelst Salzsäure mit 30 als Günz- 
burg-Zahl verdünnten Mageninhaltes und darüber eine Toluolschicht. Nun 
bindet man 3 oder 4 Mettsche Röhrchen von ca. 2cm Länge zusammen 
und bringt sie in das Reagenzrohr auf solche Weise, daß ihre oberen 
Enden sich in der Toluelschiceht befinden und nur ihre unteren Enden der 
Einwirkung des Mageninhaltes unterworfen sind. Man wählt eine passende 
Breite der Reagenzröhre, damit die unteren Enden der Mettschen Röhren 
stets gleich hoch (75 em ungefähr) über dem Boden der gut verschlossenen 
Reagenzröhren liegen. Die Verdauungsprodukte der aufgelösten Proteine 
ditfundieren dann leicht aus den Mettschen Röhren. ?) 

Nach 24stündigem Verbleiben in einem auf einer zwischen 37 und 
40° genau eingestellten Temperatur befindlichen Thermostaten ermittelt 
man die aufgelöste Eiweißlänge jedes Röhrchens (bei der Ohristiansenschen 
Versuchsanordnung natürlich beiderseits) mittelst der Lupe und einem in 
1/,, mm eingeteilten Noniusmillimetermaßstab. Da das Mettsche Verfahren 
nur relative Werte ergibt, betrachtet man als Ausdruck des Proteolyse- 
grades des geprüften Mageninhaltes die Durchschnittszahl der Ablesungen 
der darin befindlichen 5 oder 4 Mettschen Röhren. 

Bei dem Metischen Verfahren kann man vom unfiltrierten Magen- 
saft ausgehen: dies ist nicht mehr der Fall für die Verfahren zur Fest- 
stellung der Verdauung genuiner flüssiger Proteine. 

Unter diesen eignet sich besonders die Edestinmethode nach Fuld 
und Levison?) zur Erkennung des Vermögens des Mageninhaltes, genuine 


!) E. Zunz, Recherches sur l’acetivation du suc panereatique par les sels, 3° Com- 
munication. Ann. de la Soc. roy. des Se. med. et nat. de Bruxelles. T. 16. fase. 1 (1907). 

°) E. Fuld und L. A. Levison, Die Pepsinbestimmung mittelst der Edestinprobe. 
Biochem. Zeitschr. Bd. 6. 8..473—501 (1907). — W. Wolff und Z.v. Tomaszewski, 
Über Pepsin und Pepsinbestimmung mittelst der Edestinprobe. Berliner klin. Wochenschr. 
Bd. 45. S. 1051—1056 (1908). 


Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. 15 


flüssige Proteine zu verdauen (vgl. d. Handb. Bd. III, S. 18). Die äußerst 
empfindliche Rieinprobe nach M. Jacoby!) (vgl. d. Handb. Bd. III, S. 18) ist 
leider weniger empfehlenswert, weil bei dem Jacoby-Solmsschen Verfahren ?) 
keineswegs das eigentliche Riein durch die Säurepepsinwirkung geklärt wird. 
sondern nur das durch die Salzsäureeinwirkung aus dem in den Ricin- 
. präparaten in verschiedener Menge enthaltene Ricinoglobulin entstandene 
Rican.:) Obgleich das beim Grossschen*) Verfahren benutzte Kasein nach 
Hammarsten ungefähr stets die gleiche Zusammensetzung besitzt, so ist 
es doch vorzuziehen, von einem kristallinischen Körper wie Edestin auszu- 
gehen. 

Bei dem Edestin-, dem Ricin- oder dem Grossschen Kaseinverfahren 
muß man auf jede Berechnung des erzielten Ergebnisses in sogenannten 
Pepsineinheiten verzichten, denn diese Rechnung beruht keineswegs 
auf einer festen Grundlage und sagt eigentlich nicht mehr über das 
peptische Vermögen des untersuchten Mageninhaltes als der tatsächliche 
Befund. 

Die Jacobysche Ricinprobe wurde schon eingehend besprochen 
(d. Handb., Bd. III, S. 18). 

Bei dem Grossschen Verfahren wird 1 g Caseinum purissimum Grübler 
(nach Hammarsten) in einer Mischung von 1/ destillierten Wassers mit 16 em? 
einer 25°/,igen Salzsäure mit 1'124 als spezifisches Gewicht auf dem Wasser- 
bade gelöst. Man gießt je 10cm: auf 39—40° vorgewärmter Flüssigkeit 
in eine Reihe von Reagenzgläsern, zu welchen man steigende Mengen des 
untersuchten Mageninhaltes fügt. Nach !/,stündigem Verbleiben im Thermo- 
staten bei 39—40° setzt man einige Tropfen einer konzentrierten Lösung 
von essigsaurem Natron zu jedem Reagenzrohre und ermittelt, bei welcher 
Verdünnung kein unlösliches Kasein mehr ausfällbar ist. Das Kasein ist 
nämlich durch essigsaures Natron fällbar, die Kaseosen aber nicht. 

Fuld und Levison benutzten eine 1°/,.ige Edestinlösung, welche 
durch allmählichen Zusatz einer !/;,. Normalsalzsäure (30 cm? dezinormaler 
Salzsäure mit 70 cm? destillierten Wassers) zum Edestin, Erhitzung zum 
Sieden und Filtration erzielt wird. Man kann diese Lösung einige Tage 
im Eisschranke aufbewahren. Je nach seinem Aziditätsgrad wird der 
Mageninhalt auf das 10- bis 20fache verdünnt. Man bereitet eine Reihe 
Reagenzgläser mit verschiedenen Mengen des verdünnten Mageninhaltes 
(0:1, 0:16, 025, 04, 0:64, 10 cm? z. B.) und fügt rasch 2 cm? der Edestin- 
lösung hinzu. Außerdem stellt man eine Kontrollröhre mit nur 2cm® 
Edestinlösung dar. Das durch die Salzsäureeinwirkung aus dem Edestin 


!) M. Jacoby, Über die Beziehungen der Verdauungswirkung und der Labwirkung 
Biochem. Zeitschr. Bd. 1. S. 53—74 (1906). 

?) E. Solms, Über eine neue Methode der quantitativen Pepsinbestimmung und 
ihre klinische Verwendung. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 64. S. 159—169 (1907). 

3) E. Henrotin, Quelques considerations sur le dosage de la pepsine. Ann. d. 1. Soc 
roy. d. Se. med. et nat. de Bruxelles. T. 8. fasc. 2 (1909). 

*) O0. Gross, Die Wirksamkeit des Pepsins und eine einfache Methode ihrer Be- 
Stimmung. Berliner klin. Wochenschr. Bd. 45. S. 643—646 (1908). 


76 Edgard Zunz. 


entstandene Edestan wird durch NaCl- oder Ammoniakzusatz gefällt, die 


Verdauungsprodukte des Edestans hingegen nicht. Nach Indemans'!) er- 


zeugt Kochsalz im Magensafte sogar bei 20maliger Verdünnung noch eine 
der Edestintrübung zum Verwechseln ähnliche Schichtung. Man läßt die 


verschiedenen Flüssigkeiten !/; Stunde bei Zimmertemperatur stehen und 


überschichtet sie dann mit Ammoniak, um die erste Röhre zu ermitteln, . 


bei welcher keine Trübung mehr entsteht. 

Vielleicht könnte man genauere Ergebnisse über das peptische Ver- 
mögen des Mageninhaltes erzielen durch Untersuchung nach einer be- 
stimmten Zeit einer Mischung saurer Edestinlösung und Mageninhaltes 
mittelst des durch Kober 2) neuerdings empfohlenen nephelometrischen 
Verfahrens. Bis jetzt bestehen aber keine bestimmten Angaben über die 
Anwendung des nephelometrischen Verfahrens auf die Prüfung des pepti- 
schen Vermögens des Mageninhaltes. 

b) Labbestimmung. Zur Feststellung der Labwirkung des Magen- 
inhaltes kann man sich der Milch und CaÜl? bedienen nach dem in diesem 
Handb., Bd. III, S. 19, beschriebenen Verfahren. 

Wegen der keineswegs stets gleichen Labfähigkeit der Milch haben 
Blum und Fuld®) eine Methode ersonnen, bei welcher man von künst- 
licher Milch nach Fuld ausgeht. 10 g Magermilch-Pulver*) werden mit 
100 em® auf 50° C befindlichen destillierten Wassers verrührt, wobei sich 
das Milchpulver fast völlig auflöst. Man kann den später auftretenden 
Bodensatz vernachlässigen. Zu 100 cm? dieser Milchlösung fügt man nun 
05 cm? einer 20°/,igen CaCl?-Lösung. Man muß die so hergestellte künst- 
liche Milch sofort nach ihrer Bereitung benutzen. Unter strengster Inne- 
haltung der Herstellungsbedingungen besitzt das künstliche. Milchpulver 
nach Fuld stets die gleiche Labfähigkeit. Man bereitet eine Reihe Reagenz- 
gläser mit 10 em® der Milchmischung und 0'’5 cm® des entweder unver- 
dünnten oder im Verhältnisse 1:10 bis 1:1000 verdünnten Mageninhaltes 
sowie eine Kontrollröhre, welche 10 cm® der Milchmischung und 1'5 em? 
vorher zum Sieden erwärmten unverdünnten Mageninhaltes enthält. Diese 
verschiedenen Reagenzröhren bleiben 2 Stunden in einem auf 17'5°C be- 
findlichen Thermostaten und werden dann während 5 Minuten in einen 
auf 38°C befindlichen Thermostaten gebracht. Die niedrigste Verdünnung 


!) 1. W. M. Indemans, De onderzoek der maagfunctie met behulp van biearbonas 
natricus en edestine. Nederl. Tijdschr. voor Geneesk. 1. Deel. B. 175—190 (1911). 

?) P. A. Kober, Nephelometry in the study of proteases and nucleases. Journ. of 
biol. Chem. Vol. 13. p. 485—498 (1913). 

°®) L. Blum und E. Fuld, Über eine neue Methode der Labbestimmung und über 
das Verhalten des menschlichen Magenlabs unter normalen und pathologischen Zustän- 
den. Berliner klin. Wochenschr. Bd.42. Festnummer für C. A. Ewald, S. 107 —113 (1905). 
— Die Bestimmung des Fermentgehaltes im menschlichen Mageninhalt. Biochem. Zeit- 
schrift. Bd. 4. S. 62—64 (1907). 

*) Da das Ekenbergmilehpulver nicht mehr zu beziehen ist, benutzt jetzt Herr 
Dr. E. Fuld das Magermilch-Pulver von Gabler-Saliter (aus Obergünsberg im Allgäu). — 
J. Wohlgemuth, Grundriß der Fermentmethoden, Berlin 1913, S. 164. 


=. 


Ep 


Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. 17T 


‚des Mageninhaltes, bei welcher eine Gerinnung noch eintritt, gilt als Maß 
seines labischen Vermögens. 

Koettlitz!) hat ein anderes Verfahren angegeben, bei welchem das 
Labvermögen des Mageninhaltes durch die Höhe des gebildeten Gerinnsels 
geschätzt wird. Man fügt 39 reines, nach Jammarsten bereitetes Grübler- 
sches Kasein und 20 9 NaCl zu 100 cm® gesättigtem, filtriertem, 1'176 g 
prom. CaO im Durchschnitt enthaltenden Kalkwasser, schüttelt die Mi- 
schung mehrmals während 10 Minuten und läßt sie nachher während 
24 Stunden stehen; nach dieser Zeit ist das Kasein vollständig aufgelöst. 
‚Zu dieser Lösung setzt man 0'6 cm® reiner Phosphorsäure von 1'698 als 
spezifisches Gewicht sowie 2 Tropfen Toluol und schüttelt tüchtig, um den 
entstandenen Niederschlag wieder aufzulösen. Man filtriert und erhält auf 
diese Weise eine leicht saure, durchsichtige, etwas opaleszente, gebrauchs- 
fähige Flüssigkeit, welche sich in der Kälte während 14 Tagen mindestens 
‘ohne nennenswerten Wertverlust aufbewahren läßt, selbst bei täglichem 
Öffnen des Kolbens. Diese Flüssigkeit verträgt die Zimmertemperatur. Sie 
trübt sich nicht im Thermostaten bei 39—40° ©, selbst bei Anwesenheit 
90/,,iger NaCl-Lösung oder verdünnter Säuren. Dieses Reagens besitzt 
gegenüber der sonst bei der Labbestimmung benutzten Milch oder Milch- 
präparaten folgende Vorteile: Leichte Bereitung, gute Beständigkeit, stets 
gleiche Zusammensetzung, Durchsichtigkeit. Zur Feststellung des Labver- 
mögens werden 2!/, cm? dieses Reagens und 2!/, cm des zu prüfenden 


' Mageninhaltes in ein Reagenzrohr von 8 mm inneren Durchmessers ge- 


gossen, welches bis zum Gesamtvolumen von 5 em3 in !/,, em3 eingeteilt 
ist. Nach 24stündigem Verbleiben in einem auf 39—40° C eingestellten 
Thermostaten wird das Reagenzrohr 4—5mal geschüttelt, um das gebildete 
Gerinnsel zu dissoziieren und darauf wieder während 24 Stunden in den 
Thermostaten gebracht. Dann liest man auf der äußeren Graduierung des 
Reagenzrohres die Höhe des Niederschlages in Kubikzentimetern und deren 
Bruchteilen ab, welche als Maß des Labvermögens des untersuchten Magen- 
inhaltes zu betrachten ist. 

Die verschiedenen beschriebenen Verfahren messen eigentlich nur das 
relative peptische. und das relative labische Vermögen des Mageninhaltes. 
ohne sich mit der noch keineswegs völlige gelösten Frage des Bestehens 
im Magensafte entweder von zwei besonderen Enzymen (Pepsin und Lab- 
ferment) oder eines einzigen Fermentes mit einer peptischen und einer 
labischen Wirkung zu beschäftigen. 

c) Lipasebestimmung. Zur Feststellung des von der Magenlipase her- 
rührenden Spaltungsvermögens des Mageninhaltes auf emulgierte Fette benutzt 
man das Volhard-Stadesche Verfahren (vgl. dieses Handb., Bd. III S. 223). 

d) Nachweis von aus den dem Magensafte beigemengten Sekreten 
‚oder aus den Nährstoffen selbst herrührenden Enzymen. Der Nach- 


ı) H. Koettlitz, Sur une nouvelle methode de dosage du ferment lab. Arch. int. 
‚de Physiol. T. 5. p. 140—147 (1907). 


78 Edgard Zunz. 


weis der auf Fette, Kohlehydrate, Proteine oder deren Spaltungsprodukte 
einwirkenden Enzyme, welche im Mageninhalte vorhanden sind und welche 
vom Speichel, vom Pankreassafte, vom Darmsafte, von der Galle, vom 
Magenkrebs oder anderen Geschwülsten, von den Nährstoffen selbst her- 
rühren, geschieht nach den für diese verschiedenen Fermente beschriebenen 
besonderen Verfahren (vgl. dieses Handb., Bd. III, S. 16—41; Bd. V, S. 575 
bis 583). 

4. Verdauungsgrad der Proteine, der Kohlehydrate und der 
Fette. a) Prüfung des Grades der Proteinverdauung. Um den Grad 
der Proteinverdauung zu prüfen, bestimmt man entweder die Stick- 
stoffverteilung zwischen unveränderten (geronnenen oder genuinen) Proteinen, 
Azidalbumin, Proteosen und den anderen Spaltungsprodukten der Proteine 
nach dem im Bd. III, S. 230—237 und Bd.VI, S. 501—508 dieses Handb. 
beschriebenen Verfahren oder den Grad der proteolytischen Spaltung mit- 
telst der Sörensenschen Formoltitrierung (vgl. dieses Handb., Bd. VI, 
S. 493—498) oder des van Siykeschen Verfahrens (vgl. dieses Handb., 
Bd. VI, S. 498—500). 

b) Prüfung des Grades der Kohlehydratverdauung. Man kann sich 
dazu der allgemeinen Verfahren zur Isolierung der Abbauprodukte der 
Verdauung der Kohlehydrate (vgl. dieses Handb., Bd. III, S.216—219) be- 
dienen oder die Lugolsche Jodjodkaliumlösung in der durch Wohlgemuth 
beschriebenen Weise anwenden (vgl. dieses Handb., Bd. VI, S. 231— 238). 

ec) Prüfung des Grades der Fettspaltung. Man kann ihn ent- 
weder mittelst des schon erwähnten Volhard-Stadeschen Verfahrens (vgl. 
dieses Handb., Bd. III, S. 223) oder der Traubeschen stalagmometrischen 
Methode ermitteln (vgl. dieses Handb., Bd. VI, S. 492. ') 

5. Schätzung des Schleimgehaltes. Um den Schleimgehalt des 
Mageninhaltes annähernd zu schätzen, empfiehlt Schütz folgendes Ver- 
fahren: Nach Entfernung des oben schwimmenden (frem- 
den) Schleimes läßt man den Mageninhalt in einem koni- 
schen Gefäße einige Minuten absetzen, gießt die oben be- 
findliche Flüssigkeit ab und prüft nun den Brei auf seinen 
Schleimgehalt mittelst des nebenbei (Fig. 25) abgebildeten 
Schleimfängers. Dieser besteht aus einem etwa 2 mm star- 
ken Metalldrahte, dessen unteres Ende halbkreisförmig 
ist. An der Innenseite des Metalldrahtes ist dieser mit 
# Rauhigkeiten versehen, welche den Zweck haben, die 
u Schleimteilchen am Abgleiten zu verhindern. Durch Ein- 
NJ tauchen dieses unteren Endes in den Speisebrei gelingt 

es, den in Chymus enthaltenen Schleim emporzuheben. Bei 
reichlichem Schleimgehalte läßt sich der Chymus in großen 
Konvoluten emporheben, während hingegen bei geringem Schleimgehalte nur 


Fig. 25. 


'!) H. Davridsohn, Untersuchungen über das fettspaltende Ferment des Magen- 
saftes nebst Angaben zur quantitativen Bestimmung desselben. Berliner klin. Wochen- 
schrift. Bd. 49. S. 1132—1134 (1912). 


Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. 79 


spärliche Flöckchen oder Chymusteile am rauhen Ende des Schleimfängers 
haften bleiben. 

Die zur Charakterisierung des Schleimes angewandten Reaktionen 
wurden schon im Bd. II, S. 232 und im Bd. V, S. 339— 341 dieses Hand- 
buches beschrieben. 

6. Nachweis der Anwesenheit nur ausnahmsweise im Magen- 
inhalte vorhandener Stoffe oder Sekrete. a) Blut. Die sicherste Probe 
zum Blutnachweise im Mageninhalte ist die kristallographische Jodhämatin- 
probe nach Strzyzowski.') Auf einen Objektträger werden die schwärzlichsten 
Teile des Mageninhaltes gebracht und mittelst eines Mikrogasbrenners vor- 
sichtig getrocknet. Dann wird ein Deckglas über diese getrockneten schwärz- 
lichen Teile des Mageninhaltes gelegt. Am Rande des Deckglases bringt 
man 2 Tropfen der frisch bereiteten 
Strzyzowskischen Lösung, welche rien 
aus 1 cm? absoluten Alkohols, 1 cm® 
destillierten Wassers, 1 cm Eisessig 
und 3 Tropfen Jodwasserstoffsäure 
von 1:500 als spezifisches Ge- 
wicht besteht. Diese Flüssigkeit 
dringt durch Kapillarität zwischen 
Deckglas und Objektträger. Nun 
erwärmt man 10—20 Sekunden 
zum Sieden, indem man die ver- 
dampfte Flüssigkeit durch neue er- 
setzt. Nach dem Erkalten beobach- 
tet man unter dem Mikroskop kleine 
schwarze prismatische Kristalle von 
Jodhämatin oder Jodhämin (vgl. 
nebenstehende Fig. 26). 

2. Nach @Geers?) erhitzt man 
zum Sieden den Mageninhalt mit 
10°/,iger Kalilauge und fügt zur vom Bodensatze getrennten Flüssigkeit 
1 Tropfen Pyridin sowie 3 Tropfen Schwefelammon. Im oberen Teile dieser 
Lösung sind dann die Hämochromogenstreifen deutlich bei der spektro- 
skopischen Untersuchung sichtbar. 

3. 10 cm? oder mehr Mageninhalt werden mit 3 cm oder einer ent- 
sprechend größeren Menge von Eisessig versetzt. Der Mageninhalt wird 
mehrmals mit alkoholhaltigem Äther in einem Scheidetrichter geschüttelt. 
Der Ätherextrakt wird vorsichtig durch Abdampfen vom Äther befreit und 
in destilliertem Wasser gelöst. 


1) ©. Strzyzowski, Über ein neues Reagens und dessen Empfindlichkeit für den 
bristallographischen Blutnachweis. Tberap. Monatsh. Bd. 6. S. 459—462 (1902). 

?) J. Geers, Een methode voor de praktyk om speetroscopisch te zoeken naar 
bloed in maag- en darminhoud. Nederl. Tijdschr. v. Geneesk. 1911. 2. Deel. B. 1865 
bis 1869. 


80 Edgard Zunz. 


Die wässerige Lösung des Ätherextraktes wird mittelst der Weber- 
schen Guajakprobe, der Aloinprobe und der Adlerschen Benzidinprobe 
untersucht. 

#“) Webersche Guajakprobe. Man vermischt gleiche Teile einer 
frisch bereiteten alkoholischen Guajakharztinktur und von alten ozonhaltigen 
Terpentinöls. Diese Mischung wird vorsichtig in die wässerige Lösung des 
Ätherextraktes unterschichtet. Es entsteht allmählich ein blauer Berüh- 
rungsring bei Blutanwesenheit. 

6) Aloinprobe. Zur wässerigen Lösung des Ätherextraktes fügt man 
zuerst 20—30 Tropfen alter ozonhaltiger Terpentinessenz und dann 10 bis 
15 Tropfen einer frisch bereiteten Lösung von 30 eg Aloin in 10 em? 
60—70°/,igen Alkohols. Nach 3—5 Minuten erscheint eine ausgeprägte 
rote Färbung bei Blutanwesenheit. 

y) Benzidinprobe nach O. und R. Adler. Die nötigenfalls mittelst 
Essigsäure angesäuerte wässerige Lösung des Ätherextraktes wird mit 
2 cm? einer frisch bereiteten konzentrierten alkoholischen Benzidinlösung 
und 2 cm? der 3°/,igen Wasserstoffsuperoxydlösung versetzt. Bei Blut- 
anwesenheit entsteht allmählich eine grüne Färbung. Man kann auch 
10 Tropfen einer Benzidinlösung mit 20 Tropfen der Wasserstoffsuperoxyd- 
lösung vermischen und diese Mischung vorsichtig in die wässerige Lösung 
des Ätherextraktes unterschichten, wodurch ein breiter olivengrüner Be- 
rührungsring entsteht. 

b) Galle. Der chemische Nachweis der Galle erfolgt im Mageninhalte 
wie im Harne (vgl. dieses Handb., Bd. III, S. 850—853). 

c) Pankreas- und Darmsaft. Der getrennte Nachweis von Pan- 
kreas- und von Darmsaft im Mageninhalte ist ziemlich schwierig. Am leich- 
testen gelingt noch der Nachweis des Trypsins. Dazu wird der Magen- 
inhalt sofort nach der Ausheberung mit Soda leicht alkalisch gemacht, um 
den zerstörenden Einfluß des Pepsins auf das Trypsin zu verhindern. Man 
benutzt die Kaseinmethode (vgl. dieses Handb., Bd. III, S. 19) oder die 
Abspaltung von Tyrosin aus Seidenpepton oder aus Glyzyl-I-Tyrosin nach 
Abderhalden (vgl. dieses Handb.. Bd. III, S. 20-21) oder die durch Wald- 
schmidt veränderte Grüätznersche Spritblaufibrinmethode. !) Keines dieser 
Verfahren erlaubt jedoch zwischen der Wirkung der Tryptase, der Pankreas- 
ereptase oder der Darmereptase eine sichere Unterscheidung zu machen. 

Um Pankreassaft beim Menschen im Mageninhalte in ziemlich erheb- 
licher Menge zu erhalten, wird der Versuchsperson in den leeren Magen 
bei alkalischer Reaktion ungefähr 100 em3 Olivenöl oder besser 100 em® 
einer 2°/,igen Lösung von Oleinsäure in Olivenöl mittelst der Schlund- 
sonde verabreicht. Beim Vorhandensein einer gewissen Säuremenge im 
Magen trotz des nüchternen Zustandes, muß man vorher den Magen mit 
Sodalösung ausspülen oder gebrannte Magnesia in dieses Organ einführen, 


1) W. Waldschmidt, Über die verschiedenen Methoden, Pepsin und Trypsin quan- 
titativ zu bestimmen, nebst Beschreibung einer einfachen derartigen Methode. Pflügers 
Archiv. Bd. 143. S. 189—229 (1911). 


U EEE 


Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. 81 


um die vorhandene Säure zu neutralisieren. Die Versuchsperson muß am 
vorhergehenden Tage keine Speisen genießen, welche eine stärkere Abson- 
derung von Magensaft, Pankreassaft oder Galle hervorrufen (fette, saure 
und überhaupt schwer verdauliche Speisen). Nach der Einnahme des „Öl- 
probefrühstücks“ bleibt die Versuchsperson ruhig liegen oder sitzen. Die 
Ausheberung des Mageninhaltes erfolgt ungefähr 2 Stunden seit der Ein- 
führung des sauren Öles. Der ausgeheberte Mageninhalt wird in einen 
Standzylinder gegossen. Bald teilt sich die Flüssigkeit in zwei scharf gesonderte 
Schichten, die obere ölige und die untere wässerige. In dieser letzteren 
befinden sich die Pankreasfermente. Manchmal muß man das „Ölprobe- 
frühstück“ mehrmals wiederholen, ehe man bei der Ausheberung Pankreas- 
saft im Mageninhalte findet.’) 

d) Urobilin. Bei Urobilinanwesenheit zeigt der Mageninhalt oft eine 
Rosafärbung. 

Um das Urobilin nachzuweisen, wird der Mageninhalt mehrmals mit 
absolutem Alkohol im Scheidetrichter geschüttelt. Falls keine freie Salz- 
säure vorhanden ist, so versetzt man vorher den Mageninhalt mit etwas 
Salzsäure. Der saure alkoholische Extrakt wird auf ein geringes Volumen 
durch vorsichtige Abdampfung auf dem Wasserbade gebracht. Bei weder 
zu geringem noch zu erheblichem Gehalte an Urobilin, wozu man manch- 
mal den alkoholischen Extrakt mit Alkohol verdünnen muß, sieht man bei 
der spektroskopischen Untersuchung den charakteristischen Absorptions- 
streifen auf der Grenze von Grün und Blau. 

Der saure alkoholische Extrakt wird dann mit Ammoniak neutrali- 
siert und mit !/,, Vol. einer 1°/,igen Aufschwemmung von Zinkchlorid in alko- 
holischem Ammoniak versetzt. Falls eine Trübung entsteht, wird filtriert. 
Das Filtrat zeigt bei passender Schichtdicke (die eventuelle Verdünnung 
erfolgt mit Alkohol) den Absorptionsstreifen der Urobilinzinkverbindung 
auf der Grenze von Grün und Blau zwischen b und F. Bei genügendem 
Gehalte von Urobilin zeigt die Flüssigkeit die charakteristisch grüne 
Fluoreszenz. 

Im allgemeinen werden sowohl die Fluoreszenz als der spektrosko- 
pische Absorptionsstreifen viel ausgeprägter, wenn man den alkoholischen 
Extrakt vor dem Zusatz des zinkhaltigen Reagens mit einem oder meh- 
reren Tropfen einer hellbraunen Jodiokaliumlösung vermischt, wodurch das 
Urobilinogen in Urobilin verwandelt wird.?) 

Das Florencesche Reagens, welches aus 50 g Pyridin, 50 g Chloro- 
form, 50 g Alkohol und 75 g Zinkazetat besteht, erlaubt ziemlich leicht 
Urobilin, Urobilinogen, Biliverdin (Galle) oder Blutfarbstoff im alkoholischen 
Mageninhaltsextrakte nachzuweisen. Man fügt das doppelte Volumen des 
Florenceschen Reagens zum Alkoholextrakte, schüttelt, ohne Emulsion zu 


1!) W. Boldyreff, Über die Gewinnung des Pankreassaftes bei Menschen zu dia- 
gnostischen Zwecken. Pflügers Archiv. Bd. 140. S. 436—462 (1911). 
?) B. De Nabias, Recherche rapide de l’urobiline dans les selles. Compt. rend. de 
la Soe. de Biolog. T. 61. p. 642—644 (1906). 
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 6 


82 Edgard Zunz. 


bewirken, und läßt nachher stehen. Nach einiger Zeit bilden sich zwei 
Flüssigkeitsschichten, wovon die untere sogleich eine grüne Fluoreszenz bei 
Urobilinanwesenheit zeigt, eine allmählich erscheinende Fluoreszenz bei 
Urobilinogenanwesenheit, eine grüne Färbung und später eine grüne Fluores- 
zenz bei Biliverdinanwesenheit, eine rote Färbung bei Blutanwesenheit.?) 

Angaben über die verschiedenen Verfahren zum Urobilinnachweise 
befinden sich schon in diesem Handbuche, Bd. III, S.355—857 und Bd.V, 
S.BllB: 

e) Tryptophan. Man ermittelt die Anwesenheit von Tryptophan im 
Mageninhalte durch die rote oder violette Färbung, welche beim tropfen- 
weisen Zusatze von Bromwasser, von ätherchlorigsaurem Natrium, von 
bromigsaurem Natrium oder von Kalziumchlorid entsteht. ?) 

f) Indol. Der Mageninhalt wird mit Kupfersulfat versetzt, um den 
etwaigen Schwefelwasserstoff zu binden. Nach Filtration des Schwefelkupfer- 
niederschlages wird das Filtrat im Dampfstrom destilliert. Falls Indol im 
Destillate vorhanden ist, so erkennt man ihn am charakteristischen, zugleich 
jasmin- und fökalhaltigen Geruche. Die verschiedenen Indolreaktionen 
wurden schon in diesem Handbuche Bd. III, S.838—840 und Bd.V, S.316 
besprochen. Unter diesen Reaktionen sind die folgenden zum Nachweise 
des Indols im vom Mageninhalte herrührenden Destillate besonders emp- 
fehlenswert): 

1. Rotfärbung bei Zusatz einiger Tropfen Salpetersäure und 0'02°/,iger 
frischer Kaliumnitritlösung. 

2. Reaktion nach Ehrlich und F. Blumenthal: Violettfärbung beim 
Zusatze des halben Volumens einer 2°/,igen alkoholischen Lösung von Pa- 
radimethylamidobenzaldehyd und einigen Tropfen 25°/,iger Salzsäure. Bei 
Zusatz von 2 Tropfen einer frisch bereiteten 1°/,igen Natriumnitritlösung 
geht die violette Färbung in granatrot über. 

3. Reaktion nach Legal und Salkowski: Zusatz von Nitroprussid- 
natriumlösung bis zur Gelbfärbung. Dann Zusatz einiger Tropfen Natron- 
lauge. Es entsteht eine violettblaue Färbung, welche beim Ansäuern durch 
Salzsäure oder Essigsäure in eine reine blaue Färbung übergeht. 

4. Zusatz von etwa !/, Volumen 10°/,iger alkoholischer Vanillin- 
lösung und nachher von ca. !/, Volumen rauchender Salzsäure bewirkt eine 
orangerote Färbung, welche bei Zusatz von 2 Tropfen einer frischen 
1°/,igen Natriumnitritlösung allmählich in eine reine Gelbfärbung übergeht. 


1) A. Braunstein, Über Vorkommen und Entstehung von Urobilin im mensch- 
lichen Magen. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 50. S. 159—166 (1903). 

?) H. Malfatti, Beitrag zur Kenntnis der peptischen Verdauung. Zeitschr. f. 
physiol. Chem. Bd. 31. S.42—48 (1900). — K.Glaessner, Tryptophanreaktion und 
Magenkarzinom. Berliner klin. Wochenschr. Bd. 40. S. 599—600 (1903). 

®) A. Albu und C©. Neuberg, Über ein Vorkommen von Indol im Mageninhalte 
bei Karzinom. Biochem. Zeitschr. Bd. 1. S. 541—544 (1906). — H. Strauss, Über das 
Vorkommen von Indol im menschlichen Mageninhalt. Biochem. Zeitschr. Bd. 3. S. 26 


bis 29 (1907). — F. Blumenthal, Nachweis von Indol und Skatol. Biochem. Zeitschr. 
Bd. 19. S. 521—531 (1909). 


Methodik der Mageninhaltsuntersuchung. 83 


5. Rotfärbung beim Zusatze von einigen Tropfen einer sehr verdünnten 
Glyoxylsäurelösung und von konzentrierter Schwefelsäure. 
6. Rotfärbung beim Zusatze von einigen Formaldehydtropfen und 
von konzentrierter Schwefelsäure. 
7. Das Destillat wird mit Alkohol versetzt. Die alkoholhaltige Indol- 
lösung färbt kirschrot einen mit rauchender Salzsäure befeuchteten 
Fichtenspan. 
F g) Schwefelwasserstoff. Bei Schwefelwasserstoffgegenwart färbt 
sich ein mit alkalischer Bleizuckerlösung getränktes Filtrierpapier durch 
den Mageninhalt rasch schwarz. Man kann auch die Anwesenheit des 
Schwefelwasserstoffes mittelst der Caroschen Methylenblaureaktion nach- 
weisen !) (vgl. dieses Handb., Bd. III, S. 803 und Bd. VI, S. 304). 
h) Gase. Man kann im Mageninhalte 002 N, O, H, CH* und noch 
andere Gase finden. Die analytische Bestimmung dieser verschiedenen Gase 
erfolgt auf gewöhnliche Weise ?) (vgl. dieses Handb., Bd. V, S. 198— 202; 
Bd. III, S..498; Bd. V, S. 417—420). 
i) Alkaloide, Glykoside und andere fremde Stoffe. Der Nach- 
weis der Anwesenheit dieser verschiedenen abnormen Substanzen erfolgt 
entweder auf chemischem oder auf pharmakologischem Wege nach den 
für Charakterisierung jedes besonderen Stoffes gewöhnlich angewandten 
Verfahren (vgl. dieses Handb., Bd. V, S.1—124 und 675— 814, Bd. VI. S. 108 
bis 134). Meistens muß man vorher die untersuchte Substanz mittelst 
eines entsprechenden Lösungsmittels oder Trennungsverfahren von den an- 
deren Bestandteilen trennen. 


t) I. Boas, Über das Vorkommen von Schwefelwasserstoff im Magen. Deutsche 
med. Wochenschr. Bd. 18. S. 1110—1112 (1892). 

°) Fr. Kuhn, Die Gasgärung im Magen des Menschen und ihre praktische Be- 
deutung. Deutsche med. Wochenschr. Bd. 18. S. 1107—1109 und 1140—1143 (1892). — 
@. Hoppe-Seyler, Zur Kenntnis der Magengärung mit besonderer Berücksichtigung der 
Magengase. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 50. S. 82—100 (1892). 


Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung 
in der Biologie. 
Von Emil Reiss, Frankfurt a. M. 


Inhalt: A. Benutzung der Refraktometer: 1. Das Refraktometer nach Abb mit 
heizbaren Prismen. 2. Das Milchfettrefraktometer nach Wollny. 3. Das Eintauchrefrakto- 
meter nach Pulfrich. — B. Methoden der biologischen Anwendung: 1. Blut: «) Blut- 
serum, b) Fibrinogenbestimmung, c) Bestimmung des Blutkörperchenvolumens. 2. Ex- 
und Transsudate. 3. Zerebrospinalflüssigkeit. 4. Harn. 5. Mageninhalt. 6. Milch: a) Fett- 
bestimmung, 5b) Prüfung der blauen Lösung der Milch, c) Prüfung des Milchserums, 
d) Bestimmung des Milchzuckers. 7. Wirkung von Fermenten, Bakterien und ähnliches. 
8. Weitere Anwendungsgebiete. 

Die physikalischen Grundlagen und die allgemeine Methodik der 
refraktometrischen Untersuchungen sind bereits im I. Bd. dieses Hand- 
buches von DBiehringer in ausführlicher und klarer Weise besprochen 
worden. 

Bei biologischen Untersuchungen ist man vielfach darauf angewiesen, 
mit geringen Flüssigkeitsmengen zu arbeiten. Es empfiehlt sich daher nur 
solche Refraktometer anzuschaffen, welche die Untersuchung an einem ein- 
zigen Flüssigkeitstropfen ermöglichen. Dieser Forderung entsprechen das 
Refraktometer nach Abb? mit heizbaren Prismen, das Milchfettrefrakto- 
meter und das Eintauchrefraktometer nach Pulfrich. Diese Apparate ge- 
nügen auch bezüglich der Feinheit der Ablesung für die meisten biologi- 
schen Zwecke. Das Differenzrefraktometer ist noch genauer, bedarf aber 
größerer Flüssigkeitsmengen zur Untersuchung. Auf einem anderen Prinzip 
als die bisher genannten Apparate ist das neue Flüssigkeitsinterferometer 
aufgebaut, dessen Genauigkeit 50—70mal so groß ist wie die des Eintauch- 
refraktometers. Eine Benutzung dieses Apparates zu besonderen biologischen 
Zwecken ist sehr wohl möglich, bisher jedoch in der Literatur noch nicht mit- 
geteilt; es wird daher hier auf die Benutzung dieses neuesten Apparates nicht 
eingegangen. (Näheres findet man bei F. Löwe, Annalen d. Hydrographie etec., 
1912, Heft VI, S. 303 ff. und Marc, Chemiker-Zeitung, 1912, Nr. 58, 8. 537.) 
Sämtliche genannten Refraktometer werden von der Firma Zeiss in Jena 
hergestellt. Die genaue Beschreibung der Apparate siehe bei Biehringer (]. €.) 
und in den Katalogen von Zeiss. 

Im folgenden sei an Hand von Abbildungen eine Gebrauchsanweisung 
der drei erstgenannten, für biologische Zwecke zurzeit vorwiegend in Frage 
kommenden Refraktometer und eine Beschreibung der besonderen biologi- 
schen Methoden gegeben: 


ne A 


Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung in der Biologie. 85 


A. Benutzung der Refraktometer. 


1. Das Refraktometer nach Abbe mit heizbaren Prismen. 
(Fig. 27.) 


Einige Tropfen der zu untersuchenden Flüssigkeit werden auf das 
eine der beiden Prismen des Apparates gebracht. Dann werden die Pris- 
men durch die entsprechende Konstruktion des Apparates aneinanderge- 
fügt. Der Tropfen befindet sich jetzt in kapillarer Schicht zwischen den 
beiden Prismen. Durch Drehung 
des am Fuß des Stativs ange- Fig. 27. 
brachten Spiegels wird das Licht 
durch die Prismen so in das 
Fernrohr geworfen, dab das Ge- 
sichtsfeld hell erleuchtet ist. Zur 
Beleuchtung kann Tages- oder 
künstliches Licht benutzt wer- 
den. Nun dreht man das Fern- 
rohr so lange um, bis ein Teil 
des Gesichtsfeldes hell, der andere 
dunkel erscheint. Die Grenze 
zwischen hell und dunkel ist 
jetzt gewöhnlich noch von einem 
farbigen Saum begleitet. Man 
entfernt diesen durch Drehen an 
einer oberhalb des Objektivs an- 
gebrachten Schraube (welche 
2 Amiciprismen gegeneinander 
bewegt). Man erzielt durch Ein- 
stellen des Okulars ein scharfes 
Bild des Fadenkreuzes und stellt 
nun durch vorsichtiges Drehen 
des Fernrohrs die Schatten- 
grenzlinie genau auf das Fadenkreuz ein. Man muß die erste scharfe 
Linie als Grenze annehmen und nicht etwa einen ganz geringfügigen 
ungenau begrenzten Schatten, der zuweilen sichtbar wird. Erhält man 
keine scharfe Grenzlinie, so muß ein neuer Flüssigkeitstropfen, nach 
vorheriger Säuberung des Apparates, zwischen die Prismen gebracht wer- 
den. Ist die Grenzlinie eingestellt, so wartet man, bis der Flüssigkeits- 
tropfen im Innern der Prismen die gewünschte Temperatur (175°C) an- 
genommen hat. Man erkennt dieses daran, dab die Schattengrenzlinie sich 
nicht mehr nach einer bestimmten Richtung dauernd weiter bewegt, son- 
dern mit geringfügigen Schwankungen nach beiden Seiten einen konstanten 
Mittelwert einhält. Erst die Ablesungen, die nach Eintritt der Konstanz 
gemacht werden und die am besten in bestimmten Zeitabschnitten (?/, oder 


86 Emil Reiss. 


1 Minute) erfolgen, werden zur Berechnung des Mittelwertes benutzt. Die 

Ablesung des Brechungskoeffizienten erfolgt direkt an einem Sektor, der 

mit dem Fernrohr fest verbunden ist, während sich das Fernrohr gegen 

die Prismen drehen läßt. Ein Zeiger, der mit den Prismen fest verbunden 

ist, gibt an dem 

Fig. 28. Kreissektor die je- 

weilige Lage der 

Prismen und da- 

mit den Brechungs- 
index an. 

Zur Regelung 
der Temperatur sind 
die Prismen von 
einem Metallgehäuse 
umgeben. durch das 
man Wasser von 
175°C fließen läßt. 
Zu dem Zweck wird 
das in Fig. 27 sicht- 
bare Zu- und Abflub- 
rohr mit Schläuchen 
armiert. Der Zufluß- 
schlauch (D) wird 
mit einer Heizspirale 
verbunden, in welcher 
Leitungswasserdurch 
einen Bunsenbrenner 
erwärmt wird (Fi- 
gur 28). Um den 
Wasserdruck kon- 
stant zu erhalten, 
empfiehlt sich die 
Einschaltung eines 
mit Überlauf ver- 
sehenen Gefäßes (A), 
das zweckmäßig an 
einem Laufbrett be- 
festigt wird, so dab 
der Wasserdruck auf 
eine gewünschte Höhe eingestellt werden kann. Das Abflußrohr (E) des Re- 
fraktometers kann ebenfalls nochmals mit einem Überlaufgefäß (B) verbunden 
werden, von dem aus das Wasser dann mit entsprechendem Gefälle zum 
Abfluß gebracht wird. Zweckmäßig ist es auch, die Gaszufuhr durch Ein- 
schaltung eines Gasdruckregulators konstant zu erhalten. Die Temperatur 
wird an dem Thermometer abgelesen, das in dem Prismengehäuse des 


Geiähk B 


Refraklometer //7 
ohne E —I/=F 


Der 7 


Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung in der Biologie. =S7 


Refraktometers angebracht ist. Die grobe Einstellung der Temperatur wird 
am besten durch die Größe der Heizflamme, die feine Einstellung durch 
die Geschwindigkeit des Wasserstromes bewirkt. Letztere kann man durch 
die verschieden hohe Aufstellung der Gefäße A und B beliebig variieren. 


2. Das Milchfettrefraktometer nach Wollny. 
(Fig. 29.) 


Das Milchfettrefraktometer unterscheidet sich von dem Butterrefrakto- 
meter der Firma Zeiss nur durch den Wertbereich der Skala des Bre- 
chungskoeffizienten. Die Be- 
nutzung ist ganz ähnlich a 
wie diejenige des Abbeschen 4 
Refraktometers. Die ätheri- 
sche Fettlösung wird ohne Aus- 
einanderklappen der Prismen 
nach Lösung der Schraube F 
in die trichterförmig erwei- 
terte Mündung eines engen 
Kanals (bei X) in Form einiger 
Tropfen eingegossen, sodann 
schnell die Schraube 7’ wieder 
angezogen, so dal die Flüssig- 
keit sich zwischen beiden 
Prismen ausbreitet. Zweck- 
mäßig hat man die zu unter- 
suchende Flüssigkeit schon 
vorher in ein Wasserbad ein- 
gestellt, das annähernd die 
gewünschte Temperatur hat. 
Die Erzielung der gewünschten 
Temperatur erfolgt wie bei 
dem Abbeschen Refraktometer. 
Die Ablesung geschieht da- 
gegen an einer im Fernrohr 
sichtbaren Skala. Man stellt mit Hilfe einer Mikrometerschraube (@) die 
Schattengrenzlinie auf einen Teilstrich der Skala genau ein und liest an der 
Mikrometertrommel die Zehntel ab, die den ganzen Teilen der Skala hinzu- 
zufügen sind. Die Umrechnung der Skalenteile des Milchfettrefraktometers 
in den Wert des Brechungskoeffizienten erfolgt mit Hilfe nachstehender 
Tabelle I der Firma Zeiss, die nach Art einer Logarithmentafel benutzt 
wird. Alle Untersuchungen, zu denen das Milchfettrefraktometer benutzt 
wird, können auch mit dem Apparat nach Abb (siehe oben) angestellt 
werden. 


Ss Emil Reiss. 


Tabelle I (nach Naumann).') 
Milchfettrefraktometer. 


4. Dezimale von np 
|. een N 
Skalenteile des Milchfiettrefraktometers. 
1'327 | — | — | | — |-50 1327 
1328 14-9 -4-8| - 47|—4-61—4-5[--4-51 44143142] 4-1] 1328 
1329 —+0/—3:9| 3:81 -3:7,—86|-3:5| 874 331-3231) 1329 
1'330 3:0 2929| -28| 27-2625) 2423| 22 1330 
1331 a oa es 1331 
1332 12-11 -1:0—-09—0:8|- 0:7)—0:6\—0.5—0:4 0:8) 1332 
1333 021-011 | 1333 
| 
Zehntel Skalen-Teile 
Ske=le Sks=ll 
1333 | 0 | Aare al 3-2 5105 eos 
1334 |0| 7 I 8119|)» 11|2|38 )a I 51» | 0 | 1334 
1355| ı| 7I|8sl|9 oo laualale|s8 |! | ı | 1335 
1336 | 2 | 6 | 2 8) 9 | 0 | “1 [ons | 22 | Bee 
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2], 01,20 aa ee 


1) Leipziger Milchzeitung, 1900, Bd. 29. 


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Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung in der Biologie. 


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3. Das Eintauchrefraktometer nach Pulfrich. 


Dieser Apparat kann in drei verschiedenen Formen benutzt werden: 


1. Man kann das aus dem unteren Ende des Apparates heraus- 
ragende Hauptprisma direkt in die zu untersuchende Flüssigkeit ein- 
tauchen (Fig. 30 und 31). Man bringt zu diesem Zweck -die Flüssigkeit 
in ein Becherglas und setzt dieses in ein Gefäß, welches mit Wasser von 
der gewünschten Temperatur gefüllt ist. Diese Methode ist besonders dann 
sehr praktisch, wenn eine größere Anzahl von klaren Flüssigkeitsproben, 
die in beliebiger Menge vorhanden sind und nicht leicht verdunsten, unter- 
sucht werden soll. 


Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung in der Biologie. 91 


Tabelle 1. 


Tabelle der Firma Zeiss für die Umrechnung der Skalenteile des 
Eintauchrefraktometers in Brechungsindizes n,„ und umgekehrt. 


\Skalenteill n, = 13 
| 
35 4086 
36 4124 
37 4162 
IMSE 4199 
1.39 4237 
40 RT N TREE 38 
| | 25 | | 
0 5) 4 4313 1: 38 
2| 80 2 ı\ 4350 2| 76 
3 | 120 A| 4388 3 | 114 
4 | 160 4 | 4496 4 | 152 
5 | 20:0 | 5 ! 190 
6 | 240 3 : 6 | 228 
71280 e =. 7266 
8 | 32:0 17 1537 s | 304 
30837 | 49 4612 
10 3126 50 4650| 
11 3165 | 51 4687 
12 3204 I ©32 4724 
13 3242 | 58 4761 
14 3281 | 4798 
15 3320 | 55 | 48836 
16 3358 56 4873 
17 3397 57 4910 
18 3435 58 4947 
19 3474 39 539 | 4984 37 
20 3513 1 | 39 1.60 | 501 1|ı 3% 
21 3551 211.108 61 5058 Er 
22 3590 3 117 I 62 5095 3, 111 
23 3628 4156 | & 5132 4| 148 
24 3667 5 | 195 64 5169 3 | 18°5 
6 | 234 N 
5 3705 a 5 5205 iR 
26 3743 a u 5242 Se 
27 3781 Pe 67 5279 #3 
28 3820 68 5316 
29 338 | 69 5352 
30 3896 | A | 
31 3934 71 5425 
32 3972 | 72 5461 
33 4010 73 5497 
34 4048 7 5533 
35 086 75 5569 
| 


99 Emil Reiss. 
EEE 

Skalentel| n„=13 |Skalenteil n,=18 

75 5569 90 6109 

76 5606 91 6145 

77 5642 92 6181 

78 5678 36 93 6217 35 

79 5714 > 94 6252 

80 5750 N 95 6287 u 

162 5786 2 .Q 96 6323 a ne 

2 | 588 u 97 6359 al 

83 5858 180 98 6394 1175 

5 5894 6,216 99 6429 6 21:0 

za = 7 252 7 | 245 

55 5930 8 | 288 100 6464 8 | 280 

86 5966 9 | 394 101 6500 9 | 315 

87 6002 102 6535 

88 6038 103 6570 

89 6074 104 6605 

90 6109 ' 10 6640 

Beispiele Ein Methylalkohol zeige den Skalenteil 8°7 an; dieser entspricht 

dem Brechungsindex np = 133049 + 07 x 38 Einheiten der fünften Dezimale. Aus 
In \ TInterpolationstäfelchen für 38 entnimmt man 07x38 =26'6; also ist 

— 133049 + 0:00027 —= 133076. 


Fig. 30. 


Die Firma Zeiss 
liefert ein Gefäß A 
(s. Fig. 30), welches zur 
Aufnahme von 10 Be- 
chergläsern dient. Ab- 
und Zuflußrohr dieses 
(refäßes werden mit dem 
Apparat zur Tempera- 
turregulierung verbun- 
den in der gleichen 
Weise, wie das bei dem 
Abbeschen Refraktome- 
ter (S. 86) beschrieben 
wurde. In dem Eintauch- 
refraktometer ist eine 
Skala angebracht, auf 
welcher die Schatten- 
erenzlinie erscheint. Sie 
wird, wie bei dem Milch- 
fettrefraktometer, mit 
Hilfe einer Mikrometer- 
schraube auf den vorher- 
gehenden Skalenteil ein- 
gestellt und zu diesem 


Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung in der Biologie. 95 


die Zehntel, welche die Mikrometerschraube angibt, zugezählt. Die Berech- 
nung des Brechungskoeffizienten aus der Anzahl der abgelesenen Skalenteile 
ergibt sich aus vorstehender, von der Firma Zeiss hergestellten Tabelle II 
(s. S. 91, 92). Zur Entfärbung der Schattengrenzlinie dreht man an der 
Schraube R (Amieciprismen, Fig. 32). 

Eine andere Vorrichtung. welche die schnelle Untersuchung einer 
größeren Anzahl von Flüssigkeitsproben ermöglicht, wird neuerdings in 
folgender Weise geliefert (Fig. 31): 

Das Temperierwasser kommt in einen großen Temperiertrog, dessen 
Benutzung später bei Beschreibung der Untersuchung kapillarer Flüssigkeits- 
schichten mit Hilfe des 
Eintauchrefraktometers 
erfolgen wird. In die- 
sem Trog befindet sich 
ein Schirmgestell, in 
dessen oberen Teil 12 
Bechergläser eingesetzt 
werden können. In die 
Bechergläser füllt man 
die Untersuchungspro- 
ben ein, hängt das Re- 
fraktometer mit Hilfe 
eines Halters (Z) in ein 
Becherglas hinein und 
kann nach Beendigung 
jeder Untersuchung so- 
wie Reinigung und 
Trocknen des Refrakto- 
meterprismas durch ein- 
faches Drehen an dem 
Schirmgestell eine neue 
Flüssigkeitsprobe ein- - 
stellen. In dem Topf 
befindet sich ein Ein- 
füllrohr, das unten kreisförmig dem Rand des Topfes folgt und durch 
zahlreiche kleine Löcher das von oben durch einen Trichter (7) einge- 
gossene Temperierwasser ausströmen läßt, welches sich auf diese Weise 
schnell mischt. 

2. Eine zweite Gebrauchsart dieses Refraktometers ist für leicht ver- 
dunstende Flüssigkeiten bestimmt (Fig. 32). Zu diesem Zweck stülpt man 
ein zylindrisches Metallgehäuse (Bechermantel M) auf das Prismaende des 
Refraktometers. Indem man nun den Okularteil des Refraktometers nach 
unten hält, füllt man die zu untersuchende Flüssigkeit ein, stülpt den 
Becherdeckel (D), der unten eine Glasscheibe trägt, darauf, überzeugt sich. 
daß die verschiedenen Bajonettverschlüsse gut sitzen und bringt den ganzen 


94 Emil Reiss. 


Apparat in das Gefäß B. Dieses wird an die früher (Fig. 28) geschilderte 
Temperaturregulierungsvorrichtung angeschlossen. Auch das in Fig. 31 
wiedergegebene Temperierbad (aber ohne das Schirmgestell) kann benutzt 
werden. 

3. Die dritte Anwendungsart des Eintauchrefraktometers dient zur 
Untersuchung kleinerer Flüssigkeitsmengen, ist also speziell für die Unter- 
suchung von Körperflüssigkeiten geeignet. Ihr Prinzip entspricht wieder 
demjenigen des Abbeschen Refraktometers. Der Flüssigkeitstropfen wird 

auf das wagrecht gehaltene 

Fig. 32. Refraktometerprisma ge- 

bracht und darauf ein 
Hilfsprisma geleet. Nun 
wird der _Bechermantel 
übergestülpt und der Be- 
cherdeckel aufgesetzt. 
Durch eine, von mir vor- 
geschlagene, geringfügige 
Abänderung bleibt das 
Hilfsprisma unverrückbar 
auf dem Hauptprisma 
sitzen. Der ganze Apparat 
wird nun in eine der be- 
schriebenen Temperiervor- 
richtungen eingehängt. Als 
bequemste und für die 
m MR Ti meisten biologischen 
| iı) A l) Zwecke ausreichende Vor- 
— richtung hat sich mir die 
einfache Benutzung eines 
großen Wassertroges ohne 
kontinuierlichen Zufluß er- 
wiesen (Fig. 33). Die Mög- 
lichkeit, auf diese Weise 
eine genügende Tempera- 
turkonstanz zu erhalten, 
beruht darauf, daß eine 
große Flüssigkeitsmasse mit relativ kleiner Oberfläche die Temperatur der 
Umgebung nur langsam annimmt. Der Wassertrog soll daher möglichst groß 
sein. Er wird mit einem Filzmantel eingehüllt. Zweckmäßig hat der Trog 
einen seitlichen Überlauf (U), den man mit einem Gummischlauch und Hahn 
versehen kann, so daß Ablassen und Nachgießen von Flüssigkeit auf diesem 
Wege leicht zu bewerkstelligen ist. Man füllt diesen Trog mit gewöhnlichem 
Leitungswasser und bringt dessen Temperatur durch Zugießen von heißem 
oder kaltem Wasser unter Umrühren auf die Temperatur von 17:5°C. 
Vor jeder Ablesung muß nochmals kräftig umgerührt werden. Bei ge- 


| Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung in der Biologie. 95 


| 


wöhnlicher Außentemperatur bleibt die Temperatur des Wasserbades ziemlich 
lange konstant. Schwankungen bis 02° nach oben oder unten brauchen im 
allgemeinen nicht berücksichtigt zu 

werden. Weicht die Temperatur stär- Fig. 33. 

ker von 17'5° C ab, so ist sie durch 
erneutes Zugießen und eventuell Ab- 
fließenlassen wieder auf den gewünsch- 
ten Stand zu bringen. Nur an sehr 
heißen Tagen ist es zuweilen nötig, 
zu einem größeren Stück Eis, das 
man zu dem Wasserbade setzt, seine 
Zuflucht zu nehmen. In diesem Fall 
ist besonders häufiges und gründ- 
liches Rühren erforderlich. Seitlich 
wird an den Topf ein Halter ange- 
schraubt, der an seinem unteren, in 
das Temperierbad (TB) hineinragen- 
den Ende einen Spiegel (5) trägt. 
In die Bügel (B und W) dieses 
Halters wird das Refraktometer ein- 
gehängt. 


B. Methoden der biologischen Anwendung. 
1. Blut. 


a) Blutserum.') 


Blutentnahme: Der zweckmäßigste Ort der Blutentnahme ist 
beim erwachsenen Menschen die Fingerbeere, eventuell auch das Ohrläpp- 
chen, beim Kinde die große Zehe. Aus diesen Stellen bekommt man durch 
Einschnitt mit Skalpell, Impflanzette, Franckescher Nadel oder einem ähn- 
lichen Instrument ausreichende Mengen Kapillarblutes und kann die Ent- 
nahme beliebig oft wiederholen. Viel schwieriger ist die Blutentnahme beim 
Tier. Beim Hund und Kaninchen sind die besten Stellen die Ohrlappen. Doch 
genügt es meistens nicht, einen seichten Einschnitt zu machen, vielmehr 
muß man mit einem nicht zu kleinen Scherenschnitt ein Stück des Ohr- 
läppchens vom Rande her durchtrennen. Wenn auch hierbei nicht ge- 
nügende Blutmengen produziert werden, kann man versuchen, in die 
Schleimhaut der Lippen oder des Zahnfleisches einen Schnitt zu machen. 
Bei noch kleineren Tieren, z.B. bei jungen Hunden, bei Ratten oder 
Mäusen ist es überhaupt kaum möglich, genügende Mengen Kapillarblutes 
zu bekommen. Man muß dann Venenblut nehmen (aus der Femoralis oder 


!) Literatur siehe bei Zeiss, Ergebn. d. inn. Med. u. Kinderbeilk. Bd. X. S. 532 ff. 
(1913). 


96 Emil Reiss. 


Jugularis) und hat darauf zu achten, daß der Blutentnahme keine längere 
Stauung vorausgeht, weil das Blut in einer längere Zeit gestauten Vene 
sich eindickt. Am besten macht man einen kleinen Schnitt mit einem 
Skalpell in die Vene, die man vorher, wenn nötig, durch Fingerdruck ganz 
kurz gestaut hat. Natürlich kann man auch mit Hilfe einer Pravaz- 
spritze etc. Blut aufsaugen, doch ist dann eine nochmalige Umfüllung er- 
torderlich, was die Genauigkeit der Bestimmung beeinträchtigt. Es ist 
klar, daß man aus der Vene nicht so häufig Blut entnehmen kann wie 
aus Kapillargebieten. Zum Aufsammeln des Blutes benutzt man am 
besten ein U-förmig gebogenes Röhrchen. Die von mir benutzten Röhrchen 
haben eine Schenkellänge von ca. 12 cm und eine lichte Weite von 2—3 mm. 
Wenn beide Schenkel des Röhrchens vollständig gefüllt sind, fassen sie 
zwischen 0'7 und 1'5 cm3 Flüssigkeit. Da man zur Untersuchung die Röhr- 
chen nur halb füllt, wird für jedes Röhrchen durchschnittlich etwa 0°5 em: 
Blut benötigt. Dieses U-Röhrchen wird mit der einen Hand annähernd 
wagrecht gehalten und seine eine Spitze mit dem Blutstropfen in Verbin- 
dung gebracht. Durch Kapillarität saugt sich das Blut nun in das Röhr- 
chen hinein. Das Blut soll nicht zu schnell und nicht zu langsam ein- 
fließen. Man kann die Geschwindigkeit des Einfließens durch geringes 
Heben oder Senken des Röhrchens verändern. Man achte darauf, daß keine 
Luftblasen in das Röhrchen gelangen, weil diese die Serumgewinnung er- 
schweren; ferner achte man darauf, daß das Blut an dem Ort der Ent- 
nahme nicht stagniert, weil sonst leicht im Röhrchen eine Gerinnung ein- 
tritt, noch ehe es genügend gefüllt ist. Wenn das Blut der Wunde nicht 
mehr schnell genug entfließt, genügt meist einiges Reiben mit einem 
trockenen Mullappen, um die Blutung wieder in Gang zu bringen. (Watte 
ist zu vermeiden, weil die von ihr zurückbleibenden Fasern die Gerinnung 
beschleunigen.) Es ist auch erlaubt, einen leichten Druck oder leichtes 
Streichen in größerer Entfernung von der Wunde auszuüben, also z. B. 
bei Fingerentnahme am Arm oder auch am Basalglied des Fingers. Da- 
gegen ist stärkeres Drücken oder Quetschen in nächster Nähe der Wunde 
unbedingt zu vermeiden, weil ein Auspressen eiweißarmer Flüssigkeit aus 
der Blutbahn heraus oder in sie hinein die Konzentration des Serums be- 
einflußt. Man läßt den einen Schenkel des Röhrchens voll Blut laufen, 
nimmt das Röhrchen dann ab und stellt es etwa 5 Minuten senkrecht auf. 

Die Zeit der Blutentnahme wählt man möglichst weit entfernt 
von der letzten Nahrungsaufnahme. Beim erwachsenen Menschen ist also 
der frühe Morgen (nüchtern) der geeignetste Moment, beim Säugling die 
Zeit direkt vor der Nahrungszufuhr. Selbstverständlich wird diese Vor- 
schrift bei bestimmten Fragestellungen Abänderungen erleiden müssen. Da 
Muskelarbeit die Blutkonzentration beeinflußt (Böhme, Schwenker), sind 
auch nach dieser Richtung die Versuchsbedingungen gleichmäßig zu wählen. 
Den erwachsenen Menschen läßt man daher zweckmäßig vor der Blutent- 
nahme 20 Minuten ruhen. Auch der Schlaf- resp. Wachzustand kann unter 
Umständen Berücksichtigung verlangen (Veil). 


Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung in der Biologie. 97 


Serumgewinnung: Die Röhrchen werden solange zentrifugiert, bis 
eine scharfe Trennung zwischen Serum und Blutkuchen erzielt ist. Bei den 
üblichen elektrischen Zentrifugen hat man das durchschnittlich nach etwa 
10 Minuten erreicht, bei den Wasserzentrifugen dauert es meist zirka 
15 Minuten. Wo keine Zentrifuge vorhanden ist, genügt auch ein einfaches 
Stehenlassen der Röhrchen an kühlem Ort. Nur muß man dann meist 
mehrere Stunden abwarten und die schließliche Ausbeute an Serum ist 
nicht so groß wie beim Zentrifugieren; auch ist meist keine so völlige 
Klarheit des Serums zu erreichen. Man kann die gefüllten Röhrchen vor 
der Untersuchung einen Tag, eventuell sogar länger, aufbewahren, ohne 
‚daß das Resultat dadurch wesentlich beeinflußt wird. Doch empfiehlt es 
sich, Röhrchen, die man längere Zeit aufbewahren oder transportieren 
muß, zuzuschmelzen, was sich leicht über jeder Flamme, sogar über der 
eines Streichholzes, bewerkstelligen läßt. 

Zur Entleerung des Serums werden beide Schenkel des Röhrchens 
an der Grenze zwischen Serum und Blutkuchen mit einer Glasfeile leicht 
‚angefeilt. Dann wird das Röhrchen mit einem Tuch abgewischt (damit der 
‘Glasstaub nicht später auf die Prismen des Refraktometers gelangt). Nun 
nimmt man den U-förmigen Teil des Röhrchens zwischen die Finger der 
einen, die beiden Schenkel zwischen die Finger der anderen Hand und 
bricht beide Schenkel gleichzeitig ab. In diesen hat man nun das gesamte 
‚Serum. Um mit Leichtigkeit einen größeren Tropfen Serum auf das Prisma 
fließen zu lassen, ist es zweckmäßig, vorher das Serum in ein Glasröhr- 
‚chen zu vereinigen. Zu dem Zweck bringt man in annähernd wagrechter 
Haltung die beiden abgebrochenen Enden der Rohrschenkel aneinander 
und läßt durch Heben des einen Röhrchens das Serum ohne Luftblasen 
in das andere Röhrchen hinüberfließen. Aus dem Röhrchen läßt man nun 
1—2 Tropfen Serum auf das Refraktometerprisma fließen und verfährt 
weiterhin wie oben beschrieben (S. 85ff. u. 94 ff.). 

Berechnung: Die am Eintauchrefraktometer abgelesenen Skalenteile 
Mittelwerte) müssen mit Hilfe von Tabelle II in die Zahl des Brechungsindex 
umgerechnet werden. Denn 1 Skalenteil entspricht in verschiedenen Höhen 
der Skala einem verschieden großen Brechungswert. Einen richtigen Ver- 
gleichswert gibt also nur der ausgerechnete Brechungskoeffizient. Für 
wissenschaftliche Untersuchungen ist dieser Wert der allein exakte, für 
praktische, insbesondere klinische Untersuchungen ist es angenehm, einen 
übersichtlicheren Ausdruck zu besitzen. Strauss und Chajes haben deshalb aus 
der Refraktion den (approximativen) Gesamtstickstoffgehalt des Serums 
berechnet. Für noch demonstrabler halte ich die Berechnung des Eiweiß- 
gehaltes, die natürlich auch nur eine approximative sein kann. Sie beruht 
darauf, daß das Eiweiß eine relativ hohe Lichtbrechung besitzt, daß der 
Eiweißgehalt weitaus die größte Menge aller gelösten Substanzen des 
Serums ausmacht und daß die neben dem Eiweiß vorhandenen lichtbre- 
chenden Substanzen im Blutserum in relativ konstanter Menge enthalten 
sind. In Fällen, in denen diese letztere Voraussetzung nicht zutrifft (z.B. 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 7 


98 


Emil Reiss. 


bei starker Überladung des Blutes mit Harnstoff, Fett, Gallenbestand- 
teilen ete.), muß von der Umrechnung in den Eiweißwert abgesehen werden. 
Zur bequemen Umrechnung habe ich mit besonderer Berücksichtigung des 
Eintauchrefraktometers nachfolgende Tabelle III ausgearbeitet. 


Tabelle II. 


Tabelle zur direkten Umrechnung der Skalenteile des Eintauchrefrakto- 
meters bei 175°C in Eiweißprozente (nach Reiss), 


Breehungsindizes zu 
nebenstehenden 


Skalenteilen 


Blutserum 


np für destilliertes Wasser 1'33320 
np für die Nichteiweißkörper 0:00277 
np für 1%, Eiweiß 0:00172 


Skalenteil Eiweiß in Prozent Dior no Eur 

1'33896 30 1:74 
u — — 0220 

134086 39 2:84 
u — — 0220 

134275 | 40 394 
| nn — — 0,218 

134463 | 45 503 
—u — — — 0'218 

134650 | 50 6:12 
| — —. 70216 

134836 | 55 720 
— — — — 0'216 

1'35021 60 828 
I mal 

135205 65 9:35 
_ — — 0,212 

1:35388 70 1041 


Die Tabelle gibt die Eiweißprozente von 5 zu 5 Skalenteilen an. Die 
zwischenliegenden Skalenteile und deren Bruchteile werden ähnlich wie in 
den Logarithmentafeln berechnet. 


Beispiel: 


Ablesungswerte von zwei Serumproben: 


1® 

1, 53:99 
>. 5600 
38 56'09 

56:22 
D. 5622 
6. 5624 
Tk. 5620 
8. 9022 


I: 
56°32 
9638 
5640 
56°38 
5640 
56°38 


Zur Berechnung werden die Ablesungen erst dann benutzt, wenn sie 
keinen Gang mehr zeigen, sondern um einen Mittelwert nur unbeträcht- 


Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung in der Biologie. 99 


lieh hin und her schwanken. Das ist bei der Probe I der Fall von der 
4. Ablesung an, bei der Probe II von der 2. Ablesung an. Demzufolge sind 
die Mittelwerte aus Probe I 5622, aus Probe II 56°39 und der Mittelwert 
aus diesen beiden wiederum 5631. Dieser letztere Wert dient zur Um- 
rechnung in den Eiweißgehalt nach der Tabelle: 

55 Skalenteille = 720 °/, Eiweiß 

Freokalentel > 0216 /,. , 

0:3 Skalenteille = 0°0648°/, 2 

56°3 Skalenteile = 7°4808°/, Eiweih. 


Der Eiweißwert wird auf 1 Dezimale abgerundet, da der Berechnung 
eine größere Genauigkeit nicht zukommt. 56°3 Skalenteile entsprechen also 
7:5°/, Eiweiß. Der Wert des Brechungsindex für 563 Skalenteile wird, 
wenn erforderlich, nach der früher angegebenen Tabelle berechnet. Er 
beträgt 1'34884. Es ist zu bemerken, daß die Eiweißzahlen, welche die 
Tabelle III angibt, um etwa 8—10°/, höher liegen als der aus dem koagu- 
lablen Stickstoff berechnete Eiweißgehalt, also mit diesem nicht unmittelbar 
vergleichbar sind. Es ist ferner zu bemerken, daß neuerdings von Brailsford 
Robertson etwas andere Zahlen angegeben worden sind, nämlich 0'00195 
für 1%, Gesamteiweiß; für die Summe der Nichteiweißkörper nahm Robertson 


i M } 
den Brechungswert einer n Na Cl-Lösung = 0'00157 an. 


Bestimmung der einzelnen Eiweißkörper des Blutserums. 


Brailsford Robertson hat die refraktometrische Methode zu einer 
quantitativen Bestimmung der einzelnen Eiweißkörper des Blutserums 
ausgebaut. 

Schon Reiss hatte die Lichtbrechung der einzelnen Eiweißkörper 
untersucht und Differenzen, besonders zwischen Albumin und Globulin ge- 
funden. Robertson hat diese Angaben im wesentlichen bestätigt. 

In der folgenden Tabelle sind die entsprechenden Zahlen beider 
Autoren, die gut miteinander übereinstimmen, zusammengestellt: 


Euglobulin Pseudo- | Pseudo- Kristalli- Amorphes 
(unlösliches globulin globulin siertes Albamın 
Globulin) I II Albumin 
ie ar, . .. 0:00230 000224 0:00230 0:00201 0:00183 
Brailsford Robertson | 000229 _ — — 0:00177 


Die Zahlen der Tabelle entsprechen dem Brechungsanteil von 1°/, 
Eiweiß in wässeriger Lösung bei 17°5° C. Der Brechungsindex einer 1°/,igen 
Euglobulinlösung beträgt demnach 0°00230 + 133320, dem Brechungs- 
index des destillierten Wassers, also 1'33550. Hat man also die verschiedenen 
Eiweißkörper voneinander getrennt, so kann man auf refraktometrischem 


mx 


( 


100 Emil Reiss. 


Wege ihre Mengenverhältnisse ermitteln. Aobertson‘) beschreibt seine Me- 
thode folgendermaßen: 

1. Ein genau abgemessenes Volumen, gewöhnlich 10 cm®, frischen 
geschlagenen und zentrifugierten Serums wird mit destilliertem Wasser 
auf das zehnfache verdünnt. Durch diese Lösung wird Kohlensäure in 
gutem Tempo (zwei oder drei Blasen pro Sekunde) wenigstens 1 Stunde lang 
durchgetrieben. Den so erhaltenen Niederschlag läßt man 12—16 Stunden 
absitzen. Die darüber befindliche Flüssigkeit wird dann vorsichtig dekantiert 
und in 2 Zentrifugengläschen zu je 50 cm® zentrifugiert, um alle Flöckchen 
zu Boden zu reißen, die beim Dekantieren mit hinübergeschwemmt worden 
sind. Inzwischen wird der Glaszylinder, welcher den Niederschlag enthält, 
mit destilliertem Wasser auf 100 cm? aufgefüllt und der Inhalt kräftig 
durcheinandergeschüttelt. Die Stammflüssigkeit, in der durch energisches 
Zentrifugieren in einigen Minuten alle Spuren von Globulin zu Boden ge- 
rissen sind, wird aus den Zentrifugenröhrchen abgegossen, in deren Kuppe 
der fest zusammengeballte Niederschlag zurückbleibt. Zu diesem wird jetzt 
die Suspension des Globulins in destilliertem Wasser zugegossen und der 
Zylinder mit wenigen Kubikzentimetern destillierten Wassers nachgespült. 
Nun wird wieder energisch zentrifugiert und man hat nach wenigen Minuten 
den gesamten Niederschlag als dichten Bodensatz in den Kuppen der 
Zentrifugiergläser. Die Flüssigkeit wird abgegossen und dem einen der 


e ST ÄRSTE 2 ne RR £ 
beiden Zentrifugierröhrchen 1 em® 10 KOH oder NaOH und 2 oder 3 cm? 


destillierten Wassers zugesetzt. Sobald alles Globulin im ersten Röhrchen 
gelöst ist, wird sein Inhalt in das zweite Röhrchen übergegossen und sorg- 
fältig mit 3 oder 4 cm? destillierten Wassers nachgespült. Sobald das 
Globulin im zweiten Röhrchen völlig gelöst ist, wird sein Inhalt und das 
nachgespülte Wasser in einen engkalibrierten Meßzylinder übergeführt und 
mit destilliertem Wasser auf 10 cm® gebracht, d.h. also auf das ursprüng- 
liche Volumen des Serums, aus dem das Globulin ausgefällt worden war. 


x m Ne 
Der Brechungsindex dieser Lösung und der von Too KOH oder NaOH wer- 


den bei der gleichen Temperatur bestimmt. Der Unterschied zwischen den 
beiden Werten, dividiert durch 000229, ergibt den Prozentgehalt an un- 
Jöslichem Globulin im ursprünglichen Serum. 

2. Zu einem genau abgemessenen Volumen desselben Serums wird 
das gleiche Volumen gesättigter Ammoniumsulfatlösung zugesetzt und die 
so ausgefällten Globuline abfiltriert. Das Filtrat wird gesammelt, mit Wasser 
auf die Hälfte verdünnt und der Brechungsindex der so erhaltenen Mischung 
bestimmt. Ferner wird der Brechungsindex einer !/, gesättigten Ammonium- 
sulfatlösung gemessen. Die Differenz zwischen den beiden Werten wird 
mit 4 multipliziert und davon 000157 (der Brechungsanteil der Nicht- 
eiweißkörper des Serums) abgezogen. Der Rest ergibt die Gesamtrefraktion 


!) Journ. of biological chemistry, Vol. XIII, pag. 325, 1912. 


Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung in der Biologie. 101 


der Albumine; durch 000177 dividiert, entspricht er dem Prozentgehalt 
des Serums an Albumin. (000177 ist eigentlich die Zahl für amorphes 
Albumin. Die gleichzeitige Anwesenheit von kristallisiertem Albumin 
verursacht jedoch nach Robertson keinen wesentlichen Fehler in der Be- 
rechnung.) 

3. Es wird der Brechungsindex des nativen Serums und derjenige einer 
n 
6 
Gesamtrefraktion der Eiweißkörper des Serums. Zieht man hiervon den 
oben erhaltenen Wert für die Gesamtrefraktion der Albumine ab, so erhält 
man die Gesamtrefraktion der Globuline. Diese Zahl, durch 0°00229 dividiert. 
ergibt den Prozentgehalt des Serums an Gesamtglobulin. 

4. Die Summe des Prozentgehaltes an Albumin und Gesamtglobulin 
liefert den prozentualen Eiweißgehalt des Serums. Eventuell kann dieser 
Wert durch eine Bestimmung des Koagulatstickstoffs des angewandten 
Serums kontrolliert werden. 

Die Methode von Brailsford Robertson liefert also folgende prozentualen 
Werte: Gesamteiweiß, Gesamtglobulin, unlösliches Globulin und Albumin. 


Na Cl-Lösung bestimmt. Die Differenz der beiden Werte entspricht der 


b) Fibrinogenbestimmung. 


Winternitz‘!) hat zur Bestimmung des Fibrinogens den Brechungs- 
index des Serums mit dem des Plasmas verglichen. Zur Plasmagewinnung 
wurde das Blut in einer Hirudin enthaltenden Glasdose aufgefangen, schnell 
gemischt und in ein verschließbares Gefäß umgefüllt. Gleichzeitig wurde eine 
andere Blutprobe zur Serumgewinnung entnommen. Plasma sowie Serum 
wurden nun durch Zentrifugieren oder Abstehenlassen gewonnen und re- 
fraktometrisch untersucht. Aus der Differenz des berechneten Eiweilige- 
haltes ergibt sich der Wert des Fibrinogens. Winternitz hat diese Unter- 
suchungen besonders bei Syphilis angestellt. Beispielsweise war der Eiweil- 
gehalt des Serums 8°92°/,, derjenige des Plasmas 962°/,,. folglich der 
Gehalt an Fibrinogen 0'70°/,. Das bedeutet eine Vermehrung des Fibri- 
nogens, denn der normale Gehalt ist etwa 0'46°/,. Die refraktometrisch 
erhaltenen Differenzen zwischen Plasma und Serum stimmten gut mit den 
zur Kontrolle angestellten chemischen Fibrinogenuntersuchungen überein. 
Dennoch ist, wie Winternitz selbst hervorhebt, die Methode keine exakte 
quantitative Fibrinogenbestimmung. Denn einmal haftet dem Serum ein 
kleiner Fibrinogenrest an, ferner können bei der Gerinnung auch andere 
Stoffe als Eiweißkörper in quantitativ verschiedenem Anteil im Blutkuchen 
zurückbehalten werden und endlich ist es möglich, daß bei der Trennung 
des Fibrinogens vom übrigen Eiweiß eine andere als rein subtraktive Be- 
einflussung des Brechungskoeffizienten stattfindet. Bei der Umständlichkeit 
der chemischen Fibrinogenbestimmung kann die refraktometrische Methode 


) Arch. f. Dermatol. u. Syphilis. 51. H. 2 u. 3 (1910). 


102 Emil Reiss. 


jedoch in Fällen, in denen es nur auf approximative Werte ankommt, wohl 
benutzt werden. 


c) Bestimmung des Blutkörperehenvolumens. 


Bence!) hat folgende Methode angegeben: 

Es sei „S“ die Menge eines beliebigen Serums, „R“ dessen Refrak- 
tionsindex, „K“ die Menge einer 0'9°/,igen Kochsalzlösung, deren Refrak- 
tionsindex bei 13°C 1'3342 beträgt, wenn der des Wassers 1'3328 ist. 
Wird nun „S“ mit „K“ vermengt, so liegt der Refraktionsindex des Ge- 
misches zwischen 13342 und „R“. Derselbe betrage „R,“. Bence fand 
nun, daß S (R — 13328) + K (13342 — 13328) =S + KR, — 
13328) ist. 

Sind R, K, R, bekannt, so kann S berechnet werden: 


«= _ KR, 13342) 
re RR! ; 


Wird also 100 Teilen Blut eine bekannte Menge 0'9%/,iger Kochsalz- 
lösung zugesetzt, so kann die in 100 Teilen Blut enthaltene Serummenge 
berechnet werden, sobald R und Rx ebenfalls bekannt sind. Der Abzug 
der Serummenge von der gesamten Blutmenge ergibt das Blutkörperchen- 
volumen. 

Das defibrinierte Blut wird in kalibrierten Kapillaren aufgesaugt und 
ein Teil der Proben mit verschiedenen Mengen 0'9°/,iger Kochsalzlösung ver- 
setzt. Nach Absetzen des Serums wird das reine Serum und die Verdünnungen, 
ebenso wie die reine 0'9°/,ige Kochsalzlösung refraktometrisch untersucht 
und die Werte in obenstehende Gleichung eingesetzt. Durch die Anwen- 
dung verschiedener Verdünnungen hat man eine bequeme Kontrolle. Bence 
hat seine Resultate verglichen mit gleichzeitigen Leitfähigkeitsbestimmungen 
und eine gute Übereinstimmung gefunden. 


2. Ex- und Transsudate. 


Für die Untersuchung seröser Flüssigkeiten ist auch da, wo größere 
Mengen zur Verfügung stehen, die Untersuchung einer kapillaren Schicht 
zwischen den beiden Prismen eines Refraktometers der Eintauchmethode 
vorzuziehen. Denn die serösen Flüssigkeiten sind in dieken Schichten 
selten so lichtdurchlässig, daß eine scharfe Grenzlinie im Refraktometer 
entsteht. Für Ex- und Transsudate habe ich 2) nachstehende Tabelle be- 
rechnet, welche es ermöglicht, den gefundenen Wert in Eiweiß auszu- 
drücken. 


') Zentralbl. f. Physiol. Bd. 19. S. 198 (1906). Ferner in Kordnyi und Richter, 
Physikal. Chemie und Medizin. Leipzig 1908. S. 24. 
*) Deutsche Naturforschergesellsch. Breslau 1904. II. Teil. 2. S. 36: 


Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung in der Biologie. 103 


Tabelle IV. 


Tabelle zur direkten Umrechnung der Skalenteile des Eintauchrefrakto- 
meters bei 175° C in Eiweißprozente (nach kReiss). 


| a a rer Gr SEIEN: TEE BES EBTEEer CN TECH EN EC EEE SIE ESEL PETE: BE en m TETTTT n an TERN Tn CS Ba mn ge mn 


| Bx-smnidiPranss wd’iate 


Breehungsindizes zu np für destilliertes Wasser 1'33320 
nebenstehenden np für die Nichteiweißkörper 0:00244 
Skalenteilen np für 1%, Eiweiß 0:00184 
Skalenteil Einweiß in Prozent Se a 
133590 | 22 014 
| a — — 0'210 
133628 | 23 0:35 
| ei — — 0210 | 
133667 24 0:36 | 
— — — — 0'210 
133705 | 25 0:77 
| | —i— — — 0'206 
1'33896 30 1:80 | 
| —_ —_ — es | 
134086 | 35 2:83 
| _— — — 0'206 
134275 40 3:86 
—.— — — 0'206 
134463 45 4:89 
Be — — 0.202 
134650 | 50 590 
—_ — — — 1212 
134836 55 691 
a — — 0'202 | 
135021 60 1.92 | 
—,— — — 0'200 | 
1'35205 | 65 8:92 | 
| _ — — 0198 | 
1'35338 | 70 sel | 


Für Ex- und Transsudate gilt in erhöhtem Maße, was schon für die 
Untersuchung des Blutserums hervorgehoben wurde, daß ein exakter Aus- 
druck für die physikalische Größe nur der Brechungskoeffizient selbst ist. 
Die Eiweißberechnung ist bei serösen Flüssigkeiten noch ungenauer als im 
Blutserum, denn einmal ist das Mischungsverhältnis der verschiedenen 
Eiweißkörper in Ex- und Transsudaten weniger konstant als im Blutserum. 
(Der Brechungskoeffizient ist für die verschiedenen Eiweißkörper verschieden 
groß.) Ferner ist Menge und Verhältnis der anderen Substanzen in Ex- 
und Transsudaten wechselnder als im Blutserum und endlich ist der Ei- 
weißgehalt, insbesondere bei reinen Transsudaten, verhältnismäßig gering. 
so daß er für die Lichtbrechung nicht die ausschlaggebende Rolle spielt 
wie im Blutserum. 

Neben den Ergüssen in die Brust- und Bauchhöhle können in analoger 
Weise untersucht werden: Zystenflüssiekeit, der Inhalt von spontan oder 


104 Emil Reiss. 


durch Vesikantien entstandenen Bläschenbildungen der Haut, Ödemflüssig- 
keit, Lymphe ete. 


3. Zerebrospinalflüssigkeit. 


Die durch die Lumbalpunktion oder auf anderem Wege entleerte 
Flüssigkeit kann ebenfalls refraktometrisch untersucht werden. Bei der 
geringen Menge des Eiweißes ist jedoch eine direkte Umrechnung in den 
Eiweißgehalt nicht angängig. Ich habe früher versucht, durch Bestimmung 
der refraktometrischen Differenz vor und nach dem Kochen auch hier 
eine Eiweißberechnung zu ermöglichen. Bei starkem Eiweißgehalt des Liquor 
läßt sich das auch annäherungsweise durchführen. Für die geringen Eiweiß- 
differenzen jedoch, wie sie bei der Diagnose der Tabes oder Paralyse in 
Betracht kommen, versagt diese Methode. Auch ist die Bestimmung des 
Brechungsindex vor und nach dem Kochen, wie ich seitdem in zahlreichen 
Untersuchungen auch für andere Körperflüssigkeiten feststellen Konnte, 
kein exakter Maßstab für den Eiweißgehalt, weil beim Ausfallen des Ei- 
weißes noch andere physikalische Änderungen eintreten, die den Brechungs- 
index beeinflussen. Will man also die Methode für Zerebrospinalflüssigkeit 
anwenden, so beenüge man sich mit der direkten Untersuchung der 
frischen Flüssigkeit und der Ausrechnung des Brechungskoeffizienten. 


4. Harn. 


Refraktometrische Untersuchungen des Harns sind angestellt worden 
von Ellinger !), Strubell?), Grober ®), Malosse*), Regler ®), Utz°), Arena!) 
sowie von Serkowski und Kraszewski.®) Hierzu ist folgendes zu bemerken: 
Wenn man sich damit begnügt, den Brechungsindex des Urins als das an- 
zusehen, was er ist, d.h. als den Ausdruck der Lichtbrechung sämtlicher 
im Urin gelöster Substanzen, so kann man natürlich auch den Urin re- 
fraktometrisch untersuchen. Man braucht hier nicht die Tropfenmethode 
anzuwenden, sondern kann, wenigstens bei klaren Urinen, das Refrakto- 
meter von Pulfrich direkt in die Flüssigkeit eintauchen. Allenfalls kann 
man aus der erhaltenen Zahl auch gewisse grobe Annäherungsschlüsse auf 
die Gesamtkonzentration des Urins machen. Doch liefert uns hierfür das 
spezifische Gewicht einen bequemeren und etwas richtigeren Ausdruck. 
Für weitere Rückschlüsse aus der Refraktometrie des Urins fehlen jedoch 
die Vorbedingungen, die beispielsweise bei der Untersuchung des Blut- 
serums die Brauchbarkeit der refraktometrischen Methode garantieren. 


') Journ. f. prakt. Chem. N.F. Bd. 4. S. 256 (1891). 

?:) Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 69. S. 521 (1901). 

3) Zentralbl. f. inn. Med. Bd. 21 (1900). 

*) De quelques constantes physiques de l’urine. These de Montpellier 1902. 
5) Internat. Kongr. f. angew. Chem. Sektion VIII. A—B. Rom 1906. S. 167. 

6) Pharmaz. Post. Bd. 40. S. 455 (1907). 

’) Atti della R. Accademia Medieo-Chirurgica di Napoli. Vol. 64. Nr. 1 (1910). 
®) Wiener klin. Wochenschr. Bd. 26. Nr. 24. S. 976 (1913). 


EEE GuELE.:ERGEEETERE 


Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung in der Biologie. 105 


Man muß sich vor Augen halten, daß die physikalische Größe der Licht- 
brechung einer Substanz von verschiedenen Faktoren abhängig ist. Aller- 
dings ist die Lichtbrechung im Prinzip eine additive Eigenschaft, d.h. 
die Lichtbrechung eines Moleküls setzt sich bei gleicher Dichte und glei- 
cher Temperatur zusammen aus der Summe der Atomrefraktionen. Von 
dieser Grundregel gibt es jedoch sehr erhebliche Abweichungen, welche in der 
Hauptsache in den Einflüssen der Konstitution begründet sind. Die gleichen 
Atome können in verschiedenen Bindungen einen verschiedenen Wert der 
Lichtbrechung abgeben. Auch bei der Mischung resp. Entmischung ver- 
schiedener Substanzen können andere als rein additive Funktionen in 
Kraft treten. Ganz exakte Werte gibt also nur die refraktometrische 
Untersuchung von Lösungen einer einzigen Substanz. Approximative Be- 
stimmungen kann man von solchen Flüssigkeiten erhalten, in denen zwar eine 
Summe von Substanzen gelöst ist, aber nur eine Substanz in variablen 
Mengen enthalten ist, während die anderen ganz oder nahezu konstant 
sind. Auch das gilt natürlich nur dann, wenn die in Betracht kommenden 
Substanzen keine Bindungen eingehen, die den Brechungsindex in spezi- 
fischer Weise beeinflussen. Im Blutserum sind die Nichteiweißkörper in 
relativ konstanter Menge enthalten. Der variable Anteil, das Eiweiß, stellt 
weitaus die größte Masse sämtlicher im Blutserum vorhandener Substanzen 
dar und hat überdies einen verhältnismäßig hohen Brechungsindex. Diese 
günstigen Umstände ermöglichen es beim Blutserum, einen Rückschluß auf 
seinen Konzentrationsgrad oder umgekehrt seinen Wassergehalt und eine 
annäherungsweise richtige Bestimmung seines Hauptbestandteiles zu machen. 
Ganz anders liegen die Verhältnisse im Urin. Hier haben wir ein Gemisch 
von außerordentlich vielen Substanzen, die unter physiologischen wie patho- 
logischen Verhältnissen in ihrer gegenseitigen Relation starken Schwan- 
kungen unterworfen sind. Es herrscht hier nicht eine einzige Substanz in 
ihrer Menge bei weitem vor, sondern mindestens zwei Substanzen, der 
Harnstoff und das Chlornatrium, bilden die Hauptmasse der festen Stoffe. 
Außerdem sind noch zahlreiche andere Substanzen in nicht geringer Menge 
schon normalerweise vorhanden. Hierzu kommt das Neuauftreten größerer 
Mengen lichtbrechender Substanzen in Krankheitsfällen, z. B. Zucker und 
Eiweiß. Alle diese Substanzen sind also in außerordentlich wechselnder 
Menge enthalten und haben ein sehr verschiedenes Lichtbrechungsver- 
mögen. Es ist vollkommen unmöglich, aus dem Brechungsindex dieses Gre- 
misches einen Rückschluß auf die Quantität irgend einer bestimmten Sub- 
stanz zu machen. Ebenso unmöglich ist es, aus dem Brechungsindex ohne 
Zuhilfenahme weiterer Bestimmungen andere physikalische Größen zu be- 
rechnen. Alle Formein, die das versuchen, sind eo ipso unrichtig. Solche 
Formeln sind beispielsweise aufgestellt worden für das spezifische Gewicht, 
für den Gefrierpunkt, für das Molekulargewicht, ferner für den Trocken- 
rückstand, den Gehalt an Zucker, Eiweiß, Harnstoff ete. Das spezifische 
Gewicht der verschiedenen im Urin vorhandenen Substanzen geht mit 
deren Lichtbrechung keineswegs parallel, wie folgende Tabelle zeigt. 


106 Emil Reiss. 


Tabelle V. 


Vergleich von Brechungsindex und spezifischem Gewicht wichtiger im 
Harn vorkommender Substanzen. 


1"/,ige Lösung von: Brechungsindex Spezifisches Gewicht 
Eiweiß . WELT EEE 0:00183—0:00230 | 00025 
Uhlornatrıume SE 000175 00072 
Chlor 000134 | 00064 
Dinatriumphosphat . .... . .| 000071 | 00040 
Harnstottg a ee ne 000145 0.0028 
Wranbenzuekeräe 0.00142 | 0.0038 


| 
| 

NB. Die Zahlen dieser Tabelle geben die Erhöhung an, die der Wert des destil- 
lierten Wassers durch Zusatz von 1°/, der genannten Substanzen erfährt. 

Noch viel weniger hat die Lichtbrechung mit der Gefrierpunkts- 
erniedrigung zu tun, denn wir sehen, daß Körper von sehr hohem Mole- 
kulargewicht, wie Eiweiß, einen hohen Brechungsindex haben, während sie 
den Gefrierpunkt nicht oder fast nicht beeinflussen. Dieser ist vielmehr 
fast ausschließlich von der Anzahl der Moleküle resp. Ionen abhängig, 
während die Lichtbrechung namentlich von der Natur der gelösten Sub- 
stanzen beeinflußt wird. Diese Überlegungen zeigen, dal alle Formeln, 
welche mit Hilfe irgend einer Konstanten aus der Lichtbrechung auf die 
genannten anderen physikalischen Größen schließen wollen, unrichtig sein 
müssen. Dal trotzdem ein entfernter Parallelismus der verschiedenen 
Größen im Harne vorkommt, d. h., daß sehr konzentrierte Urine im all- 
gemeinen einen höheren Brechungsindex, ein größeres spezifisches Gewicht 
und eine stärkere Gefrierpunktserniedrigung haben als sehr diluierte, ist 
selbstverständlich. Aber von einer Regelmäßigkeit dieses Verhaltens. welche 
die Anstellung von Berechnungen erlauben würde, kann keine Rede sein. 
Alle derartigen Versuche müssen daher als mißglückt bezeichnet werden 
und es kann an dieser Stelle auf die Wiedergabe der verschiedenen ange- 
gebenen Formeln verzichtet werden. 

Etwas anderes ist es, wenn man den Urin vor und nach Entfernung 
einer bestimmten Substanz refraktometrisch untersucht und aus der Dif- 
ferenz Schlüsse zieht. So hat Grober !) eine Zucker- und Eiweißbestimmung 
im Urin ausgeführt. 

Zur Zuckerbestimmung verfährt er folgendermaßen: In 2 Erlenmeyer- 
kölbchen werden je 75—100 cm? des filtrierten zuckerhaltigen Urins ge- 
gossen. Das eine Kölbehen wird mit einem Wattepfropfen ziemlich fest ver- 
schlossen, das andere mit ca. 1 cm® ausgewaschener Hefe versetzt, mit 
einem Uhrschälchen bedeckt und beide 24—36 Stunden im Brutschrank 
aufbewahrt. Nachdem festgestellt ist, daß der vergärte Urin keinen Zucker 
mehr enthält, werden die beiden Urinproben filtriert und dann refrakto- 


aln.c: 


Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung in der Biologie. 107 


metrisch untersucht. Grober fand, daß 1°/, Zucker 2:9 Skalenteile des 
Eintauchrefraktometers entsprechen. Zur Zuckerbestimmung wird also die 
Ablesungsdifferenz der beiden Proben durch 29 dividiert. Grober gibt 
folgende Tabelle an, aus der die Werte direkt abgelesen werden können. 


Tabelle VI (nach Grober). 


) | 1 2 | 3 4 5 6 7 8 9 
1er .| 029 | 3-19 | &09 | 8-99 | 11-89 | 14-79 |17°69 | 20:59 | 23:49 | 26:39 
2 0:58 | 348 | 638 | 928 | 12-18 | 15-08 | 17-98 | 20:88 | 23:78 | 26:68 
3. 0:87 | 3:77 | 6:67 | 957 | 12-47 | 1537 | 18:27 | 2117 | 24-07 | 26:97 
4. 1:16 | 406 | 6:96 | 9:86 | 12-76 | 15°66 | 18:56 | 2146 | 24:36 | 27°26 
5. 145 | 435 | 725 | 10:15 | 13:05 | 15:95 | 18:85 | 21:75 | 24:65 | 2755 
6. 174 | 4:64 | 754 | 10:44 | 13:34 | 16:24 | 19-14 | 22:04 | 24:94 | 27°84 
a 2:03 | 493 | 783 | 10:73 | 13:63 | 16-53 |19-43 | 22:33 | 25:23 | 28:13 
ge 9-32 | 5:22 | 812 | 1102 | 13-92 | 16-82 | 1972 | 22-62 | 2552 | 2842 
9. 261 | 551 | 841 | 11-31 | 1221 | 1711 [20:01 | 2291 | 2581 | 28:71 
10. 2-90 | 5:80 | 870 | 11:60 | 14-50 | 17-40 | 20:30 | 23:20 | 26-10 | 29-00 
| | 


Man sucht sich im Quadrate die Zahl, die der Ablesungsdifferenz entspricht und 
findet senkrecht über der betreffenden Reihe die Prozentzahl, links davon die Promille- 
zahl. Z. B. 13:63 Ablesungsziffer entspricht 4'7°/, Zucker. 


‘ Zur Eiweißbestimmung schlägt Grober vor, 2 Portionen Urin mit 
der gleichen Menge verdünnter Essigsäure anzusäuren, in dem einen das 
Eiweiß durch Kochen auszufällen, beide zu filtrieren und refraktometrisch 
zu untersuchen. Die Differenz der abgelesenen Skalenteile beider Portionen 
ergibt durch 3 dividiert den Prozentgehalt an Eiweiß. 

Diese von Grober angegebenen Methoden sind im Prinzip zweifellos 
richtig und werden häufig auch annähernd stimmende Werte ergeben. Es 
wird sich nur empfehlen, daß man statt der Skalenteile immer die Zahlen 
des Brechungsindex der Berechnung zugrunde legt und auch die Werte 
für Zucker und Eiweiß in den Zahlen des Brechungsindex ausdrückt (vel. 
Tabelle V). Einige theoretische Einwendungen müssen jedoch auch gegen 
diese Methode erhoben werden. Bei der Vergärung von Zucker können 
eine Reihe weiterer Veränderungen eintreten, welche an sich die physika- 
lische Größe der Lichtbrechung beeinflussen. Sofern diese Veränderungen 
qualitativ und quantitativ immer die gleichen sind, würden sie keinen 
Fehler bedingen. Ob das aber der Fall ist, muß dahingestellt bleiben. Beim 
Ausfällen von Eiweiß werden ebenfalls sowohl chemische als auch beson- 
ders physikalische Änderungen herbeigeführt. Die letzteren bestehen nament- 
lich darin, daß das koagulierende Eiweiß noch andere Substanzen mitreißt. 
Ich habe eine große Anzahl entsprechender Untersuchungen angestellt, in- 


108 Emil Reiss. 


dem ich nach Zusatz sowohl von Essigsäure wie von Kaliumbiphosphat 
und nachherigem Kochen das Eiweiß möglichst vollständig ausfällte Zur 
Vermeidung der Verdunstung habe ich die Erhitzung im zugeschmolzenen 
(slasröhrchen im Wasserbade ausgeführt. Trotz aller Vorsichtsmaßregeln 
gelang es mir nicht, wirklich gleichmäßige Resultate zu erzielen, was auf 
die oben angeführten Gründe zurückzuführen sein dürfte. Ich habe daher 
von dieser Methode Abstand genommen. 

Im ganzen also muß gesagt werden, daß die bisherigen Untersuchun- 
gen eine praktische Verwertbarkeit der Refraktometrie des Urins nicht 
gewährleisten. 


5. Mageninhalt. 


Zur Motilitätsbestimmung des Magens haben Strauss!) sowie Strauss 
und Leva?) eine Methode ausgearbeitet, die nach einem bestimmten Probe- 
frühstück die Fettmenge des Magens auf refraktometrischem Wege er- 
mittelt. Hierzu wird gewöhnlich das Milchfettrefraktometer benutzt, dessen 
Skala den Brechungsindizes von 133 —1'42 entspricht. 
Auch das Abbesche Refraktometer mit heizbaren Pris- 
men kann benutzt werden, doch müßte man sich 
dann eine besondere Fettabelle berechnen. Die Skala 
des Eintauchrefraktometers reicht für diese Bestim- 
mungen nicht aus. Den Gang der Untersuchung be- 
schreiben Strauss und Leva ungefähr folgender- 
maben: 

Der zu Untersuchende erhält auf nüchternen 
Magen 400 cm? Tee und ein Päckchen Fettzwie- 
back von 50 g Gewicht. In dieser Menge Fett- 
zwieback (hergestellt von F. W. Gumbert, Berlin C., 
Königstraße 22) sind 5°6 g Milchfett enthalten. Nach 
einer Stunde wird der Magen ausgehebert, und zwar 
zunächst in der gewöhnlichen Weise (Portion 1), dann 
wird mit 100 cm® Wasser nachgespült (Portion 2) und 
schließlich mit 1—3 ! Wasser völlig rein gewaschen 
(Portion 3). Portion 1 und 2 wird zunächst zur Schich- 
tung angesetzt und dann filtriert. Der gesamte Filter- 
rückstand dieser beiden Portionen, sowie der Boden- 
satz und allenfalls die oberste schaumige Schicht von 
Portion 3 wird in ein graduiertes verschließbares Sammelglas zusammen- 
gegossen. Von diesem genau abgemessenen Material werden zwei Proben 
zur Fettbestimmung nach Wollny entnommen. 


!) Deutsche Ärztezeitung. H. 4 (1901). 
®) Deutsche med. Wochenschr. S. 1171 (1907). — Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 65. 
S. 161 (1908). 


Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung in der Biologie. 109 


Für die Ausführung der refraktometrischen Fettbestimmung sind er- 
forderlich: 


1. Milchfettrefraktometer nach Zeiss - Wollny. 

2. Mehrere Milchfläschehen oder Milchröhrchen nach Wollny, die 
ca. 40 cm? fassen (vgl. Fig. 34). 

3. Eine 20 cm3 fassende Pipette zur Entnahme des Materials (Strauss 
und Leva benutzen hierzu eine Kugelpipette. die unten nicht spitz zu- 
läuft, sondern weit ist, damit alle festeren Bröckelchen des Materials un- 
gehindert aufgenommen werden können). 

4. Eine 4 cm? fassende Pipette für den Äther. 

5. Mehrere dünne, an beiden Enden offene, gleichmäßig weite Glas- 
röhrchen zur Entnahme der Fettätherlösung. 

6. Eine Tropfflasche mit Eisessig. 

7. Äther (spez. Gew. 0'720), durch Umschütteln mit Wasser zu sättigen 
(auf !/, 2 Äther etwa 50 cm? Wasser). 

8. Eine Kupferkalilösung von folgender Zusammensetzung: 

500 em3 50°/,iger Kalilauge. 

250 cm? destilliertes Wasser, 

250 cm® Glyzerin, 

120 g Kupferkarbonat; letzteres ist erst mit dem Glyzerin anzu- 
reiben. 


Die Fettbestimmungen gestalten sich nach dem Wollnyschen Ver- 
fahren, das Strauss und Leva für ihre Zwecke nur wenig abgeändert haben, 
folgendermaßen: 

In 2 Milchfläschehen giebt man je 20 cm? des durch Umschütteln 
gut durchgemischten Materials; dazu kommen 3 Tropfen Eisessig und 
1 cm? der Kupferkalilösung. Nachdem man dann die zugestöpselten Fläsch- 
chen ca. 5 Minuten lang ganz zart durchgeschüttelt hat, fügt man 4 cm3 
Äther hinzu, stöpselt rasch wieder zu und schüttelt etwa 5 Minuten lang 
kräftig durch, und zwar entweder mit der Hand, wobei man die Fläsch- 
chen, um sie nicht zu sehr zu erwärmen, am besten in ein Tuch einhüllt 
oder mit Hilfe eines Schüttelapparates. Die Proben werden dann mindestens 
5 Minuten lang zentrifugiert. Es bildet sich dabei eine sehr schöne Fett- 
ätherschicht, die meistens ganz klar und oft grünlich oder gelblich gefärbt 
ist. Um diese Fettätherlösung auf ihren Brechungsexponenten hin zu prüfen. 
lockert man den Stopfen des Fläschchens, legt dasselbe behutsam fast 
ganz vertikal, dann zurück in eine schräge Lage, wodurch sich eine lange 
Fettätherschicht bildet, und entnimmt mit einem für jeden Versuch reinen 
Glasröhrchen ein kleines Quantum von der ätherischen Fettlösung, das 
man durch die kleine Öffnung am Prismengehäuse des festgeschlossenen 
Refraktometers zwischen die Prismenflächen bringt. Man liest nun durch 
das Okular des Refraktometers die Skalenteile des Milehrefraktometers ab. 
wie eingangs (S. 57) besprochen. 


110 Emil Reiss. 


Tabelle VII (nach Wollny). 


Tabelle für das Milchfettrefraktometer zur direkten Umrechnung 
der Skalenteile in Milchfettprozente. 


20:1 = 251 0:37 301 086 351 1:40 40:1 1:97 
2 = 2 0,38 2 087 2 141 2 195 
3 — 6) 0:38 3 088 B) 142 3 2:00 
4 = 4 0:39 4 0:89 4 143 4 2:01 
)) — B) 040 a) 0.90 3) 144 B) 2:02 
6 0 6 041 6 0:91 6 146 6 2:03 
7 0:01 7 042 7 0:42 7 147 Ü 2:05 
8 0:01 fe) 043 fo) 0.93 fo) 1:45 fe) 2:06 
I 0:02 I 044 I 0.94 9 149 I 2:07 
210 003 26°0 045 310 0:35 360 1:50 410 2:08 
1 004 1 046 il 096 1 151 1 2:09 
2 0:04 2 047 2 0:97 2 152 2 211 
B) 0.05 5) 048 3 0:98 3 153 3 2:12 
4 006 4 0.49 4 0:99 4 154 4 2:13 
B) 0.07 5) 050 5) 1:00 ) 155 %) 2:15 
6 0:08 6 0:51 6 1:02 6 1:57 6 216 
7 0:08 7 0:52 ü 103 7 158 n 217 
6) 0:09 fe) 0.55 fe) 1:04 fe) 1:59 5 2:19 
I 010 3 0:54 9 105 9 1:60 I 2:20 
22:0 011 270 055 320 1:06 370 1:61 42:0 2:2] 
1 0:12 1 0:36 1 1:07 1 1:62 1 2:22 
2 013 2 0:57 2 1:08 2 1:63 2 2:24 
3 013 3 0,58 5 1:09 3 1:64 3 2:25 
4 014 4 0:59 4 1:10 4 1:65 4 2:26 
B) 0:15 5 0:60 > 1 Ö) 1:66 3) 2:28 
6 0:16 6 061 6 1:13 6 1:68 6 2:29 
7 0:17 Ü 0:62 f 114 {Ü 1:69 Ü 2:30 
8 0:17 8 0.63 8 115 fe) 170 8 2:32 
I 0:18 9 0:64 3 1:16 I el I 2:33 
230 019 280 0:65 330 az 38°0 17 430 2:34 
1l 0:20 1 0:66 il 118 1 173 il 2:35 
2 021 2 0:67 2 1:19 2 175 2 2:37 
6) 0:21 3 0:68 5) 1:20 3 176 3 2:38 
4 022 4 0:69 4 1:21 4 a ker 4 2:39 
h) 023 5 070 6) 1'22 5) 178 B) 241 
6 0:24 6 071 6 124 6 11978) 6 2:42 
7 0:25 7 072 2 125 7 1:81 Ü 2:43 
3 025 8 0:73 8 1'26 fe) 1:82 8 2:45 
9 0:26 I 074 9 1:27 3) 183 9 2:46 
240 0:27 290 075 340 128 390 1:84 440 2:47 
1 0:28 il 076 1 1:29 1 1'85 il 2:48 
2 0:29 2 0:77 2 1:30 2 1:87 2 2:50 
3 029 3 0:78 3 131 3 1:88 3 2:51 
4 030 4 0:79 4 1'32 4 1:89 4 2:52 
5 031 5) 0.80 b) 1:33 5) 190 5) 2:54 
6 0:32 6 081 6 135 6 cl 6 2:55 
7 033 7 082 7 1:36 7 1:92 7 2:56 
fe) 0:34 8 083 8 1:37 fe) 1:94 8 2:37 
I 0.35 9 0:84 $) 1:38 I 1'95 I 2:59 
250 036 300 085 350 139 400 1'96 450 2:60 


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S.-T. 07 Ss.-I 07 S.-T 0/ S.-T 0 Ss.-T 
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> Emil Reiss. 


Mit Hilfe der Wollnyschen Tabelle, die vorstehend wiedergegeben 
wird, kann man dann den Wert in Fettprozente umrechnen, ohne vorher 
die Zahl des Brechungskoeffizienten aufgesucht zu haben. 

Die Temperatur soll während der Ablesung genau auf dem Nullpunkt 
des nach Wollny konstruierten Thermometers am Instrument stehen, was 
175° C entspricht. 

Die Prismenflächen sind nach jeder Ablesung mit Hilfe eines Woll- 
und dann Leinenläppchens oder mit japanischem Papier sorgfältig zu 
reinigen. Zur Wiederholung der Ablesung aus demselben Fläschchen ist 
es notwendig, dasselbe sehr rasch nach der ersten Entnahme der Fett- 
ätherlösung wieder zu verkorken. Aus jedem Fläschchen sind 2 Ablesungen 
zu machen. 

Eine absolute Vorbedingung für ein exaktes Arbeiten mit dem Re- 
fraktometer ist die genaue Einstellung der Skala des Instrumentes auf 
den Nullpunkt der Tabelle für den bei der Analyse verwandten wasser- 
gesättigten Äther. Es kann sich nämlich die Skala des Refraktometers 
verschoben haben oder der Äther kann verunreinigt sein. Die Prüfung 
geschieht so, daß man einige Tropfen destillierten Wassers zwischen die 
Prismenflächen bringt, wonach die Grenzlinie des Schattens mit dem Null- 
punkt der Skala übereinstimmen muß. Ist dies nicht der Fall, so wird die 
Stellschraube gelockert und man dreht unter Festhalten der mit Teilstrichen 
versehenen Trommel so lange das anliegende gekerbte Rädchen herum, bis 
der Nullpunkt der Skala mit der Grenzline haarscharf zusammenfällt; dann 
ist die Stellschraube wieder festzudrehen. Der wassergesättigte Äther muß 
in diesem richtig eingestellten Instrument dann die Zahl 20'6 ergeben, 
was nach der Tabelle O Fett entspricht. Stimmt dies nicht, so ist der 
Äther verunreinigt oder unbrauchbar. 

Die Prozentzahl wird durch entsprechende Einsetzung der gesamten 
Menge des untersuchten Mageninhaltes in Gramme Fett umgerechnet. Bei 
normaler Magenmotilität finden sich auf diese Weise nach Strauss und 
Leva 0'8--2'5 g Fett. Höhere Zahlen sprechen für eine mehr oder weniger 
starke motorische Störung. Fettwerte unter 0'8 g sind im Sinne einer 
Hypermotilität zu deuten. Ein Fehler in der Bestimmung kann durch 
Fettspaltung bedingt werden. Im allgemeinen betragen die hierdurch 
bedingten Unterschiede nicht mehr als 15°/,. Ausnahmsweise kann auch 
eine stärkere Fettspaltung vorhanden sein. Alsdann wird der auf re- 
fraktometrischem Weg erhaltene Wert niedriger, weil bei dem Wollnyschen 
Verfahren die Fettsäuren verseift werden und infolgedessen der Bestim- 
mung entgehen. 


Zur Pepsinbestimmung im Mageninhalt vergleiche das Kapitel: „Wir- 
kung von Fermenten, Bakterien und ähnliches“ (8. 117). 


Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung in der Biologie. 113 


6. Milch. 


Die refraktometrische Milchuntersuchung wird in der Nahrungsmittel- 
kontrolle zur Erkennung von Fälschungen in größerem Maßstabe ange- 
wandt. Für die Untersuchung menschlicher Milch scheint das Verfahren 
noch wenig aufgenommen worden zu sein, obwohl es seiner Schnelligkeit 
und Exaktheit halber sehr der Berücksichtigung wert ist. Die Methode ist 
in minutiöser Weise von Wollny ausgebildet, jedoch erst von Bayer und 
Neumann‘) veröffentlicht worden. Ich halte mich in der nachfolgenden 
Beschreibung zum Teil wörtlich an die Angaben dieser Autoren. Zu sämt- 
lichen Bestimmungen in der Milch wird das Milchfettrefraktometer der 
Firma Zeiss benutzt. 


a) Fettbestimmung. 


Die Wollnysche Fettbestimmung in der Milch wurde im wesentlichen 
von Strauss und Leva für die Fettbestimmung des Mageninhaltes über- 
nommen. Für die Apparatur kann daher auf die im vorigen Kapitel ge- 
machten Angaben verwiesen werden. Neben den hier beschriebenen Appa- 
raten hat Wollny noch ein besonderes Wasserbad mit Einsatz zur Auf- 
nahme von 50 Milchröhrchen und der Ätherflasche angegeben. Dieses 
Wasserbad wird mit Hilfe eines Heißluftmotors oder einer Wasserturbine 
in Bewegung gehalten und durch Zugabe von warmem oder kaltem Wasser 
auf die Temperatur von 17'5°C gebracht. Es ist wohl nur erforderlich, 
wenn man eine sehr große Anzahl von Proben zu untersuchen hat. Ebenso 
kann wohl die Schüttelmaschine, welche 2 Kästen mit Einsätzen für Milch- 
röhrchen enthält, bei einer geringen Anzahl von Untersuchungen durch 
die Hand des Experimentators ersetzt werden. Weniger entbehrlich da- 
gegen ist eine Überlaufpipette zum Abmessen von 20 em? Milch und eine andere 
zum Abmessen von 4 cm® Äther. Die letztere ist mit einer Kapillare ver- 
sehen, die das Nachtropfen des Äthers verhindert. Die erforderlichen Re- 
agenzien sind die gleichen wie bei der Untersuchung des Mageninhaltes 
nach Strauss und Leva (siehe oben). 


Das Verfahren gestaltet sich folgendermaßen: 


Mittelst einer Überlaufpipette werden von der gut durchgemischten 
Milchprobe 20 em® entnommen und in ein Zentrifugenröhrchen eingelassen. 
Dieses Röhrchen, dessen Kork mit einer Nummer versehen und festge- 
bunden sein muß, kommt in das Wasserbad, das bereits auf eine Tem- 
peratur von 175°C gebracht ist. Die Milch soll selbstverständlich beim 
Abmessen auch dieselbe oder mindestens Zimmertemperatur haben. Man 
gibt dann aus einem Tropffläschchen 3 Tropfen Eisessig und ebenfalls mit 
einer Überlaufpipette, die wieder eine besondere Konstruktion hat, 4 cm® 
des auf 175° temperierten und mit Wasser gesättigten Äthers, stopft das 


!) Zeitschr. für Untersuchung der Nahrungs- und Genußmittel. Bd. 13. S. 369 
(1907). 
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIIT. 3 


114 Emil Reiss. 


Röhrchen dann schnell zu und bringt es in den Schüttelkasten, worin es 
entweder mittelst Hand-, elektrischen oder Wasserturbinenbetriebes 5 Mi- 
nuten lang geschüttelt wird. Hierauf wird mittelst Eintauch- oder Revolver- 
pipette (Spezialkonstruktion von Wollny) oder Bürette 1 cm? der Kupfer- 
kalilauge zugefügt, das Röhrchen dann so lange hin- und hergeneigt, bis 
eine völlige Lösung der Milch erreicht ist, was in einigen Minuten vor 
sich geht und auch ohne weiteres zu erkennen ist. Die Probe wird dann 
5 Minuten lang zentrifugiert. 

Das Röhrchen wird nun in das Temperierbad zurückgestellt, einige 
Zeit darin belassen und dann die abgeschiedene Ätherfettlösung auf ihren 
Brechungsexponenten hin geprüft. 

Als Konservierungsmittel für Milchproben, welche refraktometrisch 
untersucht werden sollen, kann nach Bayer und Neumann eine Lösung 
von 238 g Kupferbichlorid zu 12 Wasser gelöst angewandt werden (fünf 
Tropfen auf '/, 7 Milch). 

Der Brechungsexponent des Milchfettes selbst schwankt zwischen 40 
und 46 Skalenteilen. Der hierdurch bedingte Fehler beträgt im äußersten 
Falle 05 Skalenteile des Refraktometers, die, wie die Milchfettabelle er- 
eibt, nur einen Fehler von 0'07°/, Fett ausmachen; der Fehler kann in 
einem + oder — bestehen. 


2 


In ähnlicher Weise kann man auch in der Sahne eine Fettbestim- 
mung vornehmen. Man erwärmt frische Magermilch, ermittelt deren Fett- 
gehalt und stellt auf der Tarierwage eine Verdünnung von 1 Teil der zu 
untersuchenden Sahne und 9 Teilen Magermilch her. Die Verdünnung mit 
Magermilch ist erforderlich, weil das Wollnysche Verfahren stets Milch 
als Untersuchungskörper voraussetzt und eine Mischung von Wasser mit 
Milchfett wegen der verschiedenen Löslichkeit des Äthers in Wasser und 
Milch unrichtige Werte ergeben würde. Bei Sahne von unter 30°/, Fett- 
gehalt ist es nicht nötig, die Verdünnung 1:10 zu nehmen, sondern nur 
bei fettreicher Sahne, weil der Fettgehalt der Verdünnung möglichst nicht 
mehr als 4°/, betragen soll. Der jeweilige Fettgehalt der Magermilch ist 
vom Fettgehalt der Sahne abzuziehen. 


b) Prüfung der blauen Lösung der Milch. 


Für die Zwecke der Nahrungsmittelkontrolle bietet die refrakto- 
metrische Ablesung der blauen unter der Ätherfettschicht sich befinden- 
den Lösung, welche die fettfreie Trockensubstanz der Milch enthält, eine 
sehr bequeme Handhabe, um gleichzeitig mit der Bestimmung des Fett- 
gehaltes auf künstlichen Wasserzusatz schließen zu können. Auch zu biolo- 
gischen Zwecken kann dieses Verfahren Anwendung finden. Man verfährt 
dabei in der Weise, daß man ein zur Entnahme der Ätherfettlösung be- 


WERDE 7 


ara, 


Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung in der Biologie. 115 


stimmtes Röhrchen, welches man an einem Ende mit dem Finger ver- 
schließt, durch die Ätherfettschicht hindurch in die darunter befindliche 
blaue Lösung taucht, den Finger lüftet, wobei die blaue Lösung in dem 
Röhrchen aufsteigt, wieder mit dem Finger verschließt, dann einige Tropfen 
der blauen Lösung zwischen die Prismen des Refraktometers bringt und 
an der Skala mit Hilfe der Einstelltrommel den Refraktionswert abliest. 
Milchproben, deren blaue Lösung einen Refraktionswert unter 20 zeigt. 
sind als der Wässerung verdächtig zu bezeichnen, weil diese Zahl im all- 
gemeinen einer fettreichen Trockensubstanz von 8°/, entspricht. 


e) Prüfung des Milchserums. 


Als Ausfällungsmittel für das Kasein ist für diese Zwecke besonders 
das von Riegler‘) empfohlene Asaprol (naphtolsulfonsaures Kalzium) in 
zitronensaurer Lösung geeignet. Die Zusammensetzung der Lösung für 
refraktometrische Zwecke ist folgende: Man löst 30 9 Asaprol und 55°8 y 
kristallisierte Zitronensäure bei Zimmertemperatur in Wasser auf und bringt 
die Lösung auf 1000 cm®. Diese Lösung gibt im Milchfettrefraktometer 
die Zahl 8°5. Wenn letztere nicht vollständig erreicht ist, gibt man noch 
soviel Zitronensäure zu, bis diese Refraktionszahl erreicht ist. Zur Her- 
stellung des Milchserums mischt man nun gleiche Teile (je 5 cm® Milch 
und Asaprollösung) in einem Reagenzglase zusammen, schüttelt einmal um 
und nimmt dann von der sich bald über dem gefällten Kasein bildenden 
klaren Serumlösung einige Tropfen mit Hilfe eines reinen Röhrchens für 
die refraktometrische Untersuchung heraus. Um das Absitzen nicht ab- 
warten zu müssen, kann man auch so vorgehen, daß man ein kleines 
Wattebäuschehen in das Ende des Röhrchens schiebt und dann die Flüssig- 
keit durch dieses hindurch saugt. Das Serum wird dadurch klar filtriert. 
und kann dann sofort in das Refraktometer gebracht werden. Als Grenz- 
zahl für den Verdacht der Wässerung bei Kuhmilch gilt die Refrakto- 
meterzahl 80. Für die Untersuchung der menschlichen Milch sind die 
Normalwerte noch festzulegen. 


d) Bestimmung des Milchzuckers. 


5 em? Milch werden in einem Schüttelfläschchen mit 5 Tropfen einer 
4°/,igen Chlorkalziumlösung versetzt, die Fläschchen dann verkorkt und 
mit Bindfaden zugebunden ins siedende Wasserbad gesetzt, darin 10 Minuten 
lang erhitzt und dann zum Erkalten ins Temperierbad gebracht. Zur Ab- 
lesung saugt man einige Tropfen des kalten Serums in ein Glasröhrchen. 
das an dem eingetauchten Ende behufs Filtration des Serums mit einem 
Baumwollstöpfehen versehen ist, bringt einige Tropfen der Flüssigkeit zwi- 
schen die Prismenflächen des Refraktometers und liest wiederum bei 17:50 


‘) Zeitschr. f. analyt. Chem. Bd. 37. S. 22 (1898). 


116 Emil Reiss. 


ab. Mit Hilfe nachstehender Tabelle erhält man direkt den Prozentgehalt 
an Milchzucker: 


Tabelle VIII (nach Wollny). 


Tabelle zur direkten Umrechnung der Skalenteile des Milchfett- 
refraktometers in Milchzuckerprozente. 


Milch- Milch- Milch- Milch- Milch- Milch- 
Skalen-| Zucker |Skalen-| Zucker | Skalen- zucker |Spajen-| Zucker |SsxaJen-| Zucker | Skajen- zucker 
teile | A teile YA teile A teile 0/, teile 0, teile 9, 
Sal! er al I 2 zeit 382 | 91 4:84 11:1 585 1131 6:86 
2 180 2 2:85 2 3:87 2 .| 4:89 2 590 2 691 
3 1'85 3 2:91 3) || 8 32.4:95 3 2:99 3 697 
4 1590 4 2:96 4 3:98 4 5.00 4 6:00 4 102 
5 1:96 5 301 5 4:03 5 5:05 5 6:05 5 107 
6 2:01 6 3:06 6 4:08 6 Hall 6 610 6 712 
Ü 2:07 7 a 7 4:13 N 5:13 Ü 6:15 A zaalr 
3 le 8 316 fo) 4:18 8 520 8 620 8 722 
E28 9) 321 9. | 4:23 95925 922625 ser 
4:0, 1° 2:232106:02 73262] 78:02|7252821710:02 10523025205 202302 10:0 13 
1 2:29 il al 1 4:33 1 5:35 1 635 1 138 
2 2:35 2 3:36 2 4:38 2 540 2 640 2 743 
3, 240 33:42 3 | 4:44 3 | ac) 3 | 646 3 | 748 
4 2:45 4 347 4 449 4 5:50 4 651 4 153 
5 2:50 B) 3:52 5 | 4:54 B) 5:99 56:56 5 758 
6 2:55 6 357 6 4:59 6 5.60 6 661 6 763 
«U 2:60 7 3:62 7 4:64 7 5:69 (7 6:66 m 768 
(6) 2:65 8 3:67 8 | 4:69 8 570 8 671 8 Tiere) 
9 2:70 9) 372 9 474 9 5:79 9 676 9 778 
Sn. || a 9:0 79 en 5:80: [.13:0%| 76'819 15:00 4:32 


Was die Genauigkeit dieses Verfahrens gegenüber dem gewichts- 
analytischen anlangt, so haben die von -Bayer und Neumann mitgeteilten 
Erfahrungen ergeben, daß die refraktometrische Milchzuckerbestimmung 
bei Kuhmilch hinreichend genau ist. Bei Milch von anderen Tieren hat 
das Verfahren jedoch versagt, weil die erhaltenen Sera eiweißhaltig und 
trüb bleiben. Ob bei der Prüfung menschlicher Milch das Verfahren an- 
wendbar ist, steht dahin. 


7. Wirkung von Fermenten, Bakterien und ähnliches. 


Obermayer und Pick!) benutzten das Pulfrichsche Refraktometer und 
gingen in folgender Weise vor: 

Die zu untersuchenden Flüssigkeiten wurden mit dem betreffenden 
Ferment versetzt, unter Toluolzusatz in den Brutschrank eingestellt und 
durch möglichst festen Verschluß sorgfältig vor Verdunstung geschützt. 


‘) Hofmeisters Beitr. z. chem. Physiol. u. Pathol. Bd. 7. S. 331 (1906). 


4 


Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung in der Biologie. 117 


Unmittelbar vor dem Versuche wurde stets eine etwas größere Flüssig- 
keitsmenge, als zur Bestimmung nötig war, mit einer Pipette unterhalb 
der Toluolschicht dem Kölbchen entnommen und in einer größeren Eprou- 
vette durch Luftdurchleitung von dem noch in der Flüssigkeit gelösten 
Toluol befreit. Das Durchleiten muß möglichst langsam geschehen, um ein 
Mitreißen von Flüssigkeitsteilchen zu verhindern; zur Verhütung von 
merklicher Verdunstung läßt man die Luft zuerst durch eine kleine mit 
destilliertem Wasser gefüllte Waschflasche treten, worin sie sich mit 
Wasserdampf sättigt. So gelingt es leicht, die etwa 2—3 cm? fassende 
Flüssigkeit in 5—10 Minuten von Toluol völlig zu befreien. Diese Ent- 
nahme von Flüssigkeit wurde in entsprechenden Zeiträumen wiederholt. 
Obermayer und Pick untersuchten auf diese Weise die Wirkung von 
Emulsin auf Amygdalin und Salizin, von Ptyalin auf Dextrin, die Säure- 
spaltung des Phloridzins, die Pepsin- und Trypsinwirkung auf Rinder- und 
Pferdeserum , Eiereiweiß und Eiweißspaltprodukte, die Säurespaltung der 
Eiweißkörper und die bakterielle Spaltung eiweißhaltiger Nährböden. 

Die gleichen Autoren !) haben refraktometrisch den Grad der Eiweib- 
ausfällung bei der Präzipitinwirkung verfolgt. 


Pepsinbestimmung im Magensaft. 


Eine refraktometrische Pepsinbestimmung mit besonderer Berück- 
sichtigung der klinischen Magensaftuntersuchung hat Schorer 2) ausgear- 
beitet. Seinem Vorgehen liegt die Feststellung von Obermayer und Pick 
(l. e.) zugrunde, daß durch die Pepsinverdauung einer Eiweißlösung deren 
Brechungsindex nicht geändert wird, daß also die durch die Pepsinwirkung 
entstandenen Eiweiljabbauprodukte zusammen den gleichen Brechungsindex 
haben wie das native Eiweiß. Bestimmt man also den Brechungsindex 
einer unter Pepsinwirkung stehenden Eiweißlösung, entfernt daraus durch 
Fällung das noch unverdaute Eiweiß und bestimmt den Brechungsindex 
der jetzt nur noch Spaltungsprodukte enthaltenden Lösung, so ergibt die 
Differenz der beiden Brechungsindizes den Wert für das nicht gespaltene 
Eiweiß. Hieraus läßt sich wieder der Wert des gespaltenen Eiweißes be- 
rechnen, wenn die Gesamtkonzentration der Lösung an Eiweiß bekannt 
war. Im einzelnen geht Schorer folgendermaßen vor: 10 g eines reinen, 
feingepulverten Hühneralbuminpräparates werden langsam und unter stän- 
digem Umschütteln im 200 em® destillierten Wassers eingebracht, nach 
ca. 2 Minuten kräftig umgeschüttelt und mehrere Stunden stehen gelassen. 
Sodann wird die Lösung durch Zusatz von destillierttem Wasser auf das 
Volumen von 1000 cm? gebracht und refraktometrisch untersucht (Eintauch- 
refraktometer:). Der abgelesene Wert einer solchen Lösung entspricht ge- 
wöhnlich 18°5—18°9 Skalenteilen des Eintauchrefraktometers. Ergibt die 


1) Ebenda. S. 455. \ 
®) Berner Dissertation 1908. 
®») Eventuell kann auch das Abbesche Refraktometer benutzt werden. 


118 Emil Reiss. 


Lösung mehr als 18°5 Skalenteile, so setzt man noch weiter destilliertes 
Wasser zu, bis der Refraktionswert von 185 Skalenteilen erreicht ist. 
Nach Schorer gibt eine Lösung von 0'5°/, Hühneralbumin am Refrakto- 
meter den Wert von 17°8—17'9 Skalenteilen. Die Lösung vom Refraktions- 
wert 18°5 Skalenteilen enthält also 0'62°/, Eiweiß. Man hat nun etwas 
mehr als 1 / Eiweißlösung, der für eine größere Anzahl von Versuchen 
ausreicht. Diese Stammlösung wird unter einer Schicht Toluol ohne Um- 
schütteln aufbewahrt, am besten in einem Gefäß mit Hebervorrichtung, 
dessen Glasrohr unter die Toluolschicht herabreicht. Von der Eiweilistamm- 
lösung werden 40 em? genau abgemessen, mit 4 cm? Normalsalzsäure und 
01 em? des zu untersuchenden Magensaftes versetzt und durch erneutes 
Zufließßenlassen von Eiweißstammlösung auf das Volumen von 50 cm? ge- 
bracht. Die Mischung wird umgeschüttelt und gut verschlossen im Thermo- 
staten 24 Stunden bei 58—40°C stehen gelassen. Dann werden 10 cm? 
der Lösung zur refraktometrischen Bestimmung verwandt, weitere 20 cm? 
werden mit 1-—2 Tropfen einer wässerigen 1°/,igen Lösung von Azo- 
litmin (Merck) und mit soviel Normal-NaOH versetzt, bis der Umschlag 
von rot nach blau eintritt. Dem auf diese Weise neutralisierten Gemisch 
wird 1 Tropfen einer 5°/,igen Lösung von Eisessig zugesetzt, so dab die 
Flüssigkeit wieder deutlich rot wird und ein Niederschlag von Azidalbumin 
auftritt. Das so angesäuerte Gemisch wird in einem Reagenzglas oder 
Erlenmeyerkolben direkt über der Flamme längere Zeit gekocht, bis sich 
das native Eiweiß in Form eines flockigen Niederschlages vollständig ab- 
scheidet. Unter Umständen ist es nötig, während des Kochens mit einem 
Glasstab noch minimale Mengen Eisessiglösung hinzuzufügen. Die Lösung 
muß während des Kochens dauernd sauer reagieren, was an ihrer Farbe 
stets zu erkennen ist. Nun wird heiß filtriert, das Filter nach dem Er- 
kalten mit destilliertem Wasser auf 20 cm? gebracht und refraktometrisch 
untersucht. Die Differenz des Brechungswertes des ungefällten Verdauungs- 
gemisches und des Filtrates gibt einen Malistab für die proteolytische 
Kraft des untersuchten Magensaftes. 

Beispiel: 

Refraktionswert desunverdauten Gemisches 20'2 Skalenteile 
> JEultranessese 3 2 80 2.210: 
Differenz  1'2 Skalenteile 

Die Größe dieser Differenz ist der Menge des verdauten Eiweißes 
umgekehrt proportional. Aus der Menge der ursprünglich verwandten Ei- 
weiblösung und der nach dem Kochen abgelesenen Differenz kann man 
die Eiweißmenge berechnen, die nicht verdaut worden ist. Im vorliegenden 
Beispiel entsprechen 1'2 Skalenteile 108 »»g Eiweil). Für praktische Zwecke 
ist zu bemerken: Bekommt man nach abgelaufener Versuchszeit Werte 
von 175—17'8 Skalenteilen. so kann man annehmen, daß nichts oder 
doch nur ganz minimale Mengen gespalten worden sind und kann sich 
die Arbeit des Ausfällens ersparen. Für die Differenzbestimmung_ teilt 
Schorer folgende Werte mit: 


u 


| 
| 
| 
{ 
| 


Die Methodik der refraktometrischen Untersuchung in der Biologie. 119 
Careinoma ventrieuli. . Differenz 2:1 Skalenteile 
Altes Uleus ventrieuli . N 14 


(Verdacht auf Karzinom) 
Karzinom des Ductus 
eholedochus . . . . " 
Perniziöse Anämie 
Uleus ventrieuli 


N 


Sr 
om 


” P), 

Das Verfahren von Schorer ist mit großer Exaktheit ausgearbeitet 
und dürfte für wissenschaftliche Bestimmungen sehr empfehlenswert sein. 
Für klinische Zwecke scheint es mir jedoch etwas zu mühsam. Vielleicht 
könnte man statt der Benutzung einer Eiweißlösung koaguliertes Eiweiß 
unter entsprechenden Kautelen (gleiche Oberfläche etc.) verwenden, be- 
stimmte Mengen Magensaft und Salzsäure zusetzen und durch einfache 
Bestimmung der Erhöhung des Brechungsindex ermitteln, wie viel Eiweib- 
spaltprodukte in Lösung gegangen sind. 


8. Weitere Anwendungsgebiete. 


Die Refraktometrie ist ferner benutzt worden zur Untersuchung von 
Mineralwässern (Kionka), von Normallösungen (Grober), von Seewasser etc. 
Als bequemster Apparat für solche Bestimmungen ist das Eintauchrefrakto- 
meter von Pulfrich zu empfehlen. Auch das Abbesche Refraktometer kann 
benutzt werden. Zu besonders feinen derartigen Messungen wird neuerdings 
das eingangs erwähnte Flüssigkeitsinterferometer verwendet. Besonder- 
heiten der Methodik sind mit diesen Untersuchungen nicht verbunden, so 
daß von einer Einzelbeschreibung abgesehen werden kann. Es ist selbst- 
verständlich, dal) die Refraktion bei zahlreichen weiteren physiologisch- 
chemischen Untersuchungen benutzt werden kann, wie sie ja auch auf 
rein chemischem Gebiet, besonders von Brühl, in Anwendung gezogen 
worden ist und interessante Aufschlüsse über Fragen der chemischen Kon- 
stitution geliefert hat. 

In der Nahrungsmittelkontrolle wird ein ausgiebiger Gebrauch von 
der refraktometrischen Methode gemacht, unter anderem zur Bestim- 
mung des Fettgehaltes von Milch (siehe oben), ferner von Butter und an- 
deren Fetten, zur Extrakt- und Alkoholbestimmung im Bier etc. Von einer 
Beschreibung der entsprechenden Methodik muß an dieser Stelle ab- 
gesehen werden. 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des 
Wachstums von Keimpflanzen und des Treibens. 


Von Viktor Grafe, Wien. 


Wenn ein Samen auskeimen soll (Fig. 35), muß zunächst das Reserve- 
stoffdepot mobilisiert werden, d.h. die Enzyme müssen aus dem Ruhezustand 
in aktive Form übergeführt, die großen Stoffkomplexe in kleinere, wande- 
rungsfähige Moleküle verwandelt werden. Aber die mobilisierten Stoffe 
müssen auch an die entsprechenden Plätze ihrer Verwendung gebracht 

werden. Gewöhnlich betrach- 

Be): tet man Keimen und Treiben 

g einseitig lediglich vom Stand- 
punkte der Stoffmobilisie- 
rung aus und übersieht, dab 
mit dem Vorhandensein des 
Keimschale nach Molisch im Querschnitt. Die Keimschale ans Stoffes allein noch nichts 
außen glasiertem Ton besitzt in rr, eine Doppelwand rings- getan ist, sondern daß dieser 


um, in welcher Wasser steht; aus der Flüssigkeit wird durch 


den Fließpapierstreifen F fortwährend Wasser angesaugt und erst in zweekmäßileer Weise 
den auf Filtrierpapier liegenden Samen S zugeführt, so daß R = 


diese kontinuierlich feucht gehalten sind, ohne doch im verteilt werden muß. Die 
Wasser zu liegen, wie es doch der Fall wäre, wenn der i 4 

innere Raum der Keimschale benetzt würde. Wachstumsvorgänge beste- 

hen in dem Ineinander- 

greifen dieser beiden Komplexe, von denen jeder einzelne durch die ver- 

schiedensten Einflüsse, wie Licht, Temperatur, Feuchtigkeit etc. in spezi- 
fischer Weise für sich chemisch-physiologisch beeinflußt wird. 

Von den äußeren Einflüssen auf den Fortgang der Keimung sei zu- 
nächst der des Lichtes behandelt. Diesbezüglich verhalten sich die Samen 
verschiedener Pflanzen sehr verschieden, in manchen Fällen befördert 
Dunkelheit den Keimungsprozeß, so bei den Scheiben- und Randfrüchten 
von Chrysanthemum viscosum und Chr. coronarium, während bei Pflanzen 
derselben Gattung, bei Chr. seg. grandiflorum und Chr. myconis, die 
Dunkelheit verzögernd wirkt, übrigens auffallenderweise auch auf die unter- 
irdischen Samen von Cardamine chenopodifolia. Oder es erhöht Verdunke- 
lung nur die Keimungsenergie aller Früchte, setzt aber das Keimprozent 
herab wie bei Sanvitalia proeumbens und Dim. hybrida, schließlich kann 
die Dunkelheit auch gewissen Früchten einer Spezies gegenüber indifferent 


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Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums ete. 191 


sein, auf andere derselben Spezies dagegen beschleunigend oder verzögernd 
einwirken, z. B. bei Chardinia xeranthemoides verzögernd auf die Scheiben- 
früchte, indifferent gegen die Randfrüchte. Andrerseits gibt es wieder Früchte, 
so die von Ximenesia encelivides etc., welche im Licht und im Dunklen fast in 
gleicher Weise keimen (Becker). Durch neuere Arbeiten vor allem von Lehmann, 
Kinzel, Gassner, Baar u.a. ist die früher geltende und namentlich von Nobbe 
vertretene Anschauung, das Licht beeinflusse den Keimungsprozeß nicht, wider- 
legt. Schon Ingenhousz stellte Versuche an, welche zeigten, daß) die Keimungs- 
energie von Senfsamen durch das Licht herabgedrückt wird. Sechzig Senf- 
samen wurden auf eine mit feuchtem Filtrierpapier überzogene Korkscheibe 
ausgeleet und teils im vollen Lichte, teils im gedämpften Lichte, teils 
unter Lichtabschluß gezogen, wobei die belichteten Samen um mehrere 
Tage in der Keimung zurückgehalten wurden; zu analogen Resultaten ge- 
langte Sennebier, während nach Saussure die ersten Stadien des Keimungs- 
prozesses durch das Licht nicht beeinflußt werden sollen, eine Anschauung, 
die von Nobbe übernommen und bis auf die neuere Zeit herrschend ge- 
blieben ist. Indessen wissen wir heute, daß ebenso wie bei einer Reihe 
von Samen durch das Licht die Keimung verzögert oder sogar ganz hint- 
angehalten werden kann, in anderen Fällen das Licht zur Erzielung der 
normalen Keimung nicht nur förderlich, sondern sogar notwendig ist. So 
fand W. Kinzel, daß frischgeerntete, im Keimbette belichtete Samen von 
Nigella sativa sich nicht allein zu 100°/, keimunfähig erwiesen, sondern 
sogar in ihrem Endosperm so verändert wurden, daß nachfolgende Ver- 
dunkelung während langer Zeit keine Keimung hervorrief. 

Die gleichen Samen keimten aber bei völliger Verdunkelung schon 
nach 4 Tagen zu 94°/, aus. Kinzel schreibt dem dunkelgelben, in Abwesen- 
heit des Lichtes entstandenen xanthophyllähnlichen Farbstoffe eine große 
Rolle als „Attraktionszentrum für wandernde Kohlehydrate* und als Er- 
nährungsvermittler zu, während die schlechte Entwicklung der Lichtkeime 
auf das je nach Intensität des Lichtes mehr oder weniger unvollkommene 
Entstehen dieses Farbstoffes zurückgeführt wird. Umgekehrt entsteht in 
den „Lichtsamen“ von Poa schon vor dem Aufbrechen der Samen Chloro- 
phyll, worauf hier das Lichtbedürfnis zurückzuführen sein dürfte. Die ge- 
nannte Erscheinung bei Nigella bringt die vereinte Wirkung des Lichtes 
und einer bestimmten Temperatur zustande, indem die belichteten Samen 
bei 10—15° zwar noch wesentlich langsamer auskeimen als verdunkelte, 
nämlich in vier Wochen statt in vier Tagen, aber doch nicht in jenem 
eigenartigen Latenzzustande verharren, der bei 20°C und Lichteinfluß 
sich einstellt und den Kinzel als „lichthart“ bezeichnet. Solche Samen 
können ebenso wie hartschalige viele Monate bei 20°C feucht gelagert 
werden ohne zu keimen. Erst eine vereinte Wirkung von Anstechen und 
Temperaturerhöhung auf 30° vermag es, solche lichtharte Samen, die 
schon monatelang feucht gelegen hatten, zu 76°/, zum Keimen zu bringen. 
Das Versuchsmaterial wurde durch künstliche Beleuchtung unter einem 
abwärts brennenden Auerbrenner erhalten. 


122 Viktor Grafe. 

Das entgegengesetzte Verhalten zeigen die Lichtsamen von Poa pra- 
tensis, bei welchen aber ebenso wie bei den Dunkelsamen von Nigella nur 
ganz frische Samen so exklusiv reagieren, dab die Keimung entweder er- 
folgt oder gänzlich ausbleibt. Samen von Poa und Selleriesamen keimen 
im Dunkeln nicht. Frische Poasamen, die am Lichte bei 20° © in zehn 
Tagen zu 95°/, keimten, tun dies im Dunkeln unter vollkommen gleichen 
Bedingungen (auf sterilem Filtrierblatt in Petrischalen) bei 20° C ebenso 
wie Apium graveolens zu 0°/,. Durch abwechselnde Belichtung und Ver- 
dunkelung läßt sich bei diesen die Durchlaufung ganz beliebiger Keimungs- 
kurven erzwingen, wobei jedoch als Nebenwirkung bei sehr häufiger und 
eewaltsamer Unterbrechung der Lichtkeimung die Lebensenergie der Samen 
so geschwächt wird, daß in der Folge erst bei viel stärkeren Lichtinten- 
sitäten Keimung erfolgt, nachdem mehrere Monate hindurch währende 
schwächere Beleuchtung keinen Keimungserfole zeitigte. Allium Cepa-Samen 
keimen bei 20° im Dunkeln in vier Tagen zu 75°/,, im Licht nur zu 7%/,, 
Allium ascalonicum in acht Tagen im Verhältnisse 7°/, im Licht zu 95°%/, 
im Dunkeln. Temperatur und Beleuchtung stehen überhaupt in korrela- 
tivem Verhältnisse. Bei Nigella arvensis keimen im Sonnenlicht bei 
20° C 0°%/,, bei 20—30° keimen 55°/,, im schwachen Licht abwechselnd 
verdunkelt und selten belichtet 88°/,. Asphodelus ramosus keimt im Dunkeln 
bei 20° zu 90°/,, im Licht nur zu ca. 35°/,, dagegen auch im Lichte zu 90°%/, 
bei 14°C. Auch die einzelnen farbigen Lichtanteile stehen zur Temperatur in 
einem Verhältnisse in bezug auf Retardierung oder Beförderung der 
Keimung. Das Keimungsoptimum liegt im Violett bei 20°C mit 92%, 
während dasselbe Violett bei 14° schädigend wirkt, überhaupt scheint bei 
niedrigerer Temperatur die blaue, bei höherer die rote Hälfte des Spektrums 
stärker und dauernd zu schädigen, ein Optimum liegt für alle Temperaturen 
im Gelb, ein gleiches auch hinsichtlich des späteren Wachstums der Keim- 
linge bei 20°C im Violett. Hellblau retardiert ebenso wie dunkles Rot 
kräftig bei 20° während beide bei 14° fast keinen Einfluß) üben. Lehmann 
äußert sich in der Weise, dab er sagt, die durch Licht in der Keimung 
begünstigten Samen würden durch die Strahlen geringer Brechbarkeit, 
also Rot bis Gelb gefördert, während für Dunkelsamen Grün bis Violett 
eünstig ist. Dieser Satz ist aber nicht allgemein, sondern es gibt recht 
viele Ausnahmen. Ferner ist es eine wichtige Frage, ob das Licht bei der 
Keimung als strahlende Energie oder durch seine thermische Kraft wirkt. 
Speziell bei den Gramineensamen hat sich gezeigt, daß intermittierende 
Temperatur das Licht vollständig ersetzen kann und dal) seine Wirkung 
hier hauptsächlich den dunkeln Wärmestrahlen zuzuschreiben ist, die 
leuchtende Spektralhälfte kommt nur durch die Umwandlung der Licht- 
strahlen in Wärmestrahlen in Betracht, so daß es wahrscheinlich geworden 
ist, daß Poa und die anderen Gramineensamen nicht unter die Licht- 
keimer gehören, dagegen fand 7. Baar bei den Samen von Amarantus 
und Physalis, daß sich hier die hemmende Wirkung des Sonnenlichtes 
durch Ausschaltung der Wärmestrahlen nicht vermindert. Nebenbei be- 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums etc. 123 


merkt sei, daß sich aus den bemerkenswerten Untersuchungen dieses 
Autors ergeben hat. die Samen mehrerer Amarantus-, Celosta- und Blitum- 
arten seien lichtscheu, ihre Keimung wird durch Verdunkelung auffallend 
gefördert. Dieses Resultat ist deshalb besonders interessant, weil in den 
meisten Fällen das Verbalten der Samen aus verschiedenen Arten einer 
und derselben Gattung dem Lichte gegenüber unter sonst denselben Be- 
dingungen ein ganz verschiedenes ist und Baar selbst fand, daß von den 
dimorphen Samen von Chenopodium album bei einer Temperatur von 10 
bis 15°C die mit glänzend schwarzer Hülle vom Lichte in der Keimung 
begünstigt werden, während die hellgefärbten sich indifferent gegen das 
Licht verhalten. Außer solchen profusen Fällen ist in der großen Familie 
der Gesneriaceen durch W. Figdor ein Fall bekannt geworden, wo die 
Samen aller Arten ausschließlich im Lichte keimen. Die Amarantaceen 
bilden darin gewissermaßen ihr Gegenstück, die Dunkelkeimung ist bei 
ihnen so zum Artcharakter geworden wie bei den Gesneriaceen die Licht- 
keimung. Zur Beurteilung des Einflusses der einzelnen Lichtfarben wurden 
von Baar flüssige Strah- 
lenfilter benützt, die ent- 
sprechenden Flüssigkei- 
ten in Petrischalen ein- 
gefüllt, die nach dem 
Prinzipe der sSenebier- 
schen Glocken konstruiert S 
waren, aber vor diesen Baarsches Strahlenfilter für Lichtkeimungsversuche im Quer- 
en, die N enter zum ankatten dee Diemtne on varzes 
Lichtintensität bedeutend 

weniger abzuschwächen als diese (Fig. 36). Während die Keimung der 
lichtempfindlichen Amarantussamen unter Bedingungen, welche die Licht- 
empfindlichkeit verstärken (Unterlassen der Vorquellung, niedere Tem- 
peratur), durch alle Spektralbezirke des Lichtes in gleicher Weise gehemmt 
wurde, zeigte sich bei den Samen von Physalis Franchetti eine ausge- 
sprochene Bevorzugung bestimmter Lichtanteile, ein Optimum in Orange 
und Gelb, eine totale Hemmung bei Grün und ein zweites, aber solideres 
Optimum bei Blau bis Violett; diese Lichtkeimer folgen also ebensowenig 
wie die dunkelkeimenden Amarantussamen der Lehmannschen Gesetz- 
mäßigkeit. 

Diese Verhältnisse, unter denen der betreffende Samen am Mutter- 
organismus zur Reife gelangt ist, beeinflussen auch die Keimung, so konnte 
Atterberg zeigen, dab (Gretreidesamen, welche bei niederer Temperatur ge- 
reift waren, zeitweise ein niedereres Temperaturoptimum bei der Keimung 
haben als solche, die unter hohen Temperaturen ihre Reife erlangten. 
Kinzel erntete Samen von Drosera und Pinguiculapflanzen, die bei 50° 0 
erzogen worden waren, welche dem Lichte gegenüber sich ganz anders 
verhielten als Samen von Pflanzen, die bei niederer Temperatur gehalten 
worden waren. Lubimenko kam sogar zu dem Satze, daß geradezu die 


Fig. 36. 


Br 


2? 


124 Viktor Grafe. 


Lichtintensität oder Dunkelheit, in welcher die Samen sich entwickeln, 
das Maximum ihrer Keimungsenergie bestimmt. Natürlich steht die Keim- 
kraft auch zum Reifegrad und zur Gesamtentwicklung des Samens in Be- 
ziehung, aber auch die Keimungstemperatur zeigt zu diesen Momenten 
ein Verhältnis, indem beispielsweise schlechtgenährte Getreidekörner in 
hoher Temperatur weniger gut keimen als in niederer. Einen großen Ein- 
fluß auf die Keimungsvorgänge übt das Lagern der geernteten Samen 
und die dabei sich vollziehenden Nachreifevorgänge. Durch die Nachreife 
gewinnen Getreidekörner im Laufe eines Jahres 50°/, an Keimvermögen. 
Während frische Samen von Poa pratensis im Lichte nicht, ohne Licht 
dagegen zu 88°/, auskeimen, gleicht sich diese Differenz innerhalb eines 
Jahres vollkommen aus. Während bei manchen Samen eine kurze Zeit der 
Nachreife schon diesen Einfluß des Lichtes auslöscht, kommen z. B. Ges- 
neriaceensamen zu keiner Zeit der Nachreife im Dunkeln zur Keimung; 
ebenso fand Lehmann, daß Samen von Gloxinia hybrida auch nach 31/, Jahren 
hart an der Grenze, wo die Keimfähigkeit überhaupt erlischt, ebenfalls 
nur im Lichte zur Keimung zu bringen waren. Nach Heinricher und Kinzel 
steht die Lichtempfindlichkeit in gewissem Grade im umgekehrten Ver- 
hältnisse zum Alter der Samen. Frische „Lichtsamen“ werden besonders 
stark durch die Dunkelheit geschädigt, frische „Dunkelsamen“ besonders 
stark durch das Licht. Manche Samen besitzen eine ausgesprochene Ruhe- 
periode, so die von Amarantus retroflexus, die im Herbst reif werden, 
aber weder um diese Zeit, noch auch im November und Dezember zum 
Keimen zu bringen sind, und zwar weder im Licht noch im Dunkeln. Die 
tuheperiode dieser Samen kann, wie Baar !) gefunden hat, durch Behandeln 
mit verdünnten Säuren unterbrochen werden, aber diese Ausschaltung der 
tuheperiode durch verdünnte Salzsäure oder Phosphorsäure gelingt auch 
nur bei einem Teile der Samen (im Maximum bei 50°/,) und auch nur 
im Dunkeln. Die Säure wirkt hier als Keimungsreiz, denn auch bei trocken, 
unter Zimmertemperatur aufbewahrten Samen klinet die Ruheperiode 
gegen den März zu aus und während im Jänner unter normalen Tem- 
peraturen im Dunkeln eine Keimung erfolgen kann, läßt sich eine solche 
bereits im November durch Erhöhung der Temperatur auf 30° GC erzwingen. 
Der wichtigste der Faktoren, welcher die Lichtempfindlichkeit der Samen 
beeinflußt, die Temperatur, wurde auch von Baar berücksichtigt. Die ersten 
eingehenden diesbezüglichen Versuche stammen von Lehmann, welcher 
zeigen konnte, dab Angaben über einzelne Licht- bzw. Dunkelkeimer un- 
genau waren, insofern es sich nicht um eine absolute Unfähigkeit handelt, 
im Lichte oder im Dunkeln zu keimen, sondern daß diese Eigenheit durch 
die Temperatur sehr wesentlich modifiziert werden oder gar in das Gegen- 
teil umschlagen kann. „Ohne Angabe wenigstens der ungefähren Temperatur 


') H. Baar, Über den Einfluß des Lichtes auf die Samenkeimung und seine Ab- 
hängigkeit von anderen Faktoren. Sitz.-Ber. d. kais. Akad. d. Wiss., Wien 121 (1912). — 
Zur Anatomie und Keimungsphysiologie heteromorpher Samen von Chenopodium album 
und Atriplex nitens, ebendas. 122 (1913). 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums ete. 125 


haben Lichtkeimungsversuche überhaupt keinen Zweck mehr. Andrerseits 
können wir aus den immerhin erheblichen Schwankungen der Temperatur 
im Laboratorium, welche, soweit unsere bisherigen Versuche erkennen 
lassen, doch keinen modifizierenden Einfluß auf die Lichtkeimung hatten, 
schließen, daß die Temperaturunterschiede, welche die Lichtempfindlichkeit 
verändern, immerhin erheblich sein müssen.“ Natürlich kann aber der 
Lichteinfluß nicht einfach auf Temperaturwirkung zurückgeführt werden 
und das Licht braucht durch Temperaturen (wie bei Poa) und selbst hohe 
Temperaturen nicht ersetzt zu sein. Lehmann fand in Phlox Drummondii 
einen Fall, in welchem Licht und Temperatur in der Weise gleichsinnig 
wirkten, daß das Licht bei niedriger Temperatur die Keimung schädigte, 
die erhöhte Temperatur aber auch im Dunkeln die Keimung herabsetzte, 
während Licht und hohe Temperaturen gemeinsam die Keimung ganz 
oder fast ganz verhinderten. Aber auch der Ersatz der Lichtwirkung durch 
Temperaturwechsel, wie er bei Poa ermöglicht wird, scheint viel weiter ver- 
breitet und ließ) sich beispielsweise auch bei Epilobium hirsutum und Veronica 
longifolia feststellen. Nach Baar erwies sich bei Amarantussamen die Kei- 
mungshemmung durch das Licht bei den niedrigen Temperaturen von 
5—10° C am größten und auch noch bei 15° beträchtlich, bei 20° dagegen 
bereits minimal, bei 25—30° keimen die Samen im Licht und im Dunkeln 
gleich gut, bei 55°C vollzieht sich eine Umstimmung der Lichtempfind- 
lichkeit, die Zahl der im Lichte auftretenden Keimungen überwog die der 
verdunkelten Kulturen und bei 90°C keimen dieselben Samen, welche bei 
5° nur im Dunkeln keimten, ausschließlich im Lichte. Gassner hat fest- 
gestellt, daß die Scheinfrüchte der südamerikanischen Graminee Chloris 
eiliata, deren Keimung durch das Licht günstig beeinflußt wird, im dunkeln 
Keimbett bei höherer Temperatur gehalten, später auch im Lichte nicht 
mehr auskeimen, daß aber die Dunkelheit ihren schädlichen Einfluß ver- 
liert, wenn die Temperatur während des Aufenthaltes im Dunkeln unter 
dem Keimungsminimum bleibt. Der Apparat, welcher für konstante Tem- 
peraturen und Tageslichteinfall benützt wurde, bestand in einem großen 
heizbaren Wasserbehälter, der oben mit einem schräge stehenden Draht- 
geflecht bedeckt war, auf dem sich in schräger Lage gegen den Horizont 
die mit reinstem Filtrierpapier ausgekleideten Petrischalen befanden, in 
denen die Samen zum Keimen ausgelegt waren. Der ganze Apparat war 
oben durch ein abnehmbares Glasfenster verschließbar, so daß er äußerlich 
die Form eines Mistbeetkastens hatte. Es ist wichtig, daß man nie mit 
direktem, sondern stets nur mit zerstreutem Tageslicht (Schattenseite des 
Laboratoriums) beleuchtet. Dort, wo konstante Lichtquellen angewendet 
werden, bedient man sich meist des Inkandeszenzlichtes von Nernst oder 
der Bogenlampe: in beiden Fällen ist darauf Rücksicht zu nehmen, dab 
die Kerzenstärke der Lichtquellen durch den Gebrauch abnimmt; beim 
Nernstlicht werden den Intensivbrennern ebenso wie bei der Quarzglas- 
quecksilberlampe (bei welcher aber die sehr großen Mengen Ozon berück- 
sichtigt werden müssen, die sich beim Gebrauche entwickeln) empirische 


126 Viktor Grafe. 


Tabellen mit der abfallenden Kurve der Lichtintensitäten beigegeben. Die 
Wärmewirkung der Lichtquelle wird (natürlich auf Kosten der Intensität) 
durch Wasserfilter ausgeschaltet. Von großer Wichtigkeit ist Gassners 
Entdeckung, dab die Samenspelzen bezüglich des Lichtbedürfnisses von 
Chloris eine entsprechende Rolle spielen, indem nicht entspelzte Körner 
fast nur im Lichte zum Keimen zu bringen waren, entspelzte aber ebenso 
im Lichte wie im Dunkeln. Die Samen von Chloris ciliata keimen also an 
sich auch im Dunkeln, durch die Spelzen werden sie zu obligaten Licht- 
keimern. Ebenso wie aber die unentspelzten Samen sofort dem Tages- 
licht ausgesetzt werden müssen, um die Wirkung der Belichtung zu er- 
fahren, so liefert auch die Entspelzung nur dann maximale Keimprozente, 
wenn die Samen sofort entspelzt ins dunkle Keimbett gelegt werden und 
nicht erst einige Zeit unentspelzt im dunkeln Keimbett liegen. Die Spelzen- 
funktion besteht wahrscheinlich in einer Erschwerung des Sauerstoffzu- 
trittes zum inneren Korn, denn die Behandlung mit reinem Sauerstoff 
und Entspelzung haben den gleichen Erfolg. Die an sich auch in Dunkel- 
heit keimenden entspelzten Körner verwandeln sich bei Erschwerung des 
Sauerstoffzutrittes in Lichtkeimer. Aber auch ein vorausgehender Aufent- 
halt der nicht entspelzten Körner im dunkeln Keimbett bei niederen Tem- 
peraturen (6—10°) machte die ursprünglich auch in Dunkelheit keimenden 
entspelzten Körner zu Lichtkeimern. Diesen Effekt hat aber nicht eine 
bestimmte niedere Temperatur, sondern alle Temperaturen unter dem 
Keimungsoptimum, das heißt der Temperatur des schnellsten Keimungs- 
verlaufes, hier etwa von 30° abwärts, soweit nicht eine dauernde Schädi- 
sung der Keimkraft des Samens durch die niedrige Temperatur einge- 
treten ist. Übrigens keimen entspelzte Körner im Dunkeln und im Licht 
gleich gut nur dann, wenn sie gut nachgereift sind, dagegen zeigen sich 
auch die entspelzten Körner durch das Licht in der Keimung befördert, 
wenn sie ungenügend nachgereift sind. Durch diese Nachreife wird also 
eine gewisse erhöhte Keimungsenergie hervorgerufen, welche bei entspelzten 
Körnern, also bei maximalem Sauerstoffzutritt, die Wirkung des Lichtes 
entbehrlich macht. Wenn demnach entspelzte Körner geringer Nachreife 
obligate Lichtkeimer sind, so muß man daran denken, daß durch die che- 
mische Wirkung des Lichtes im Einvernehmen mit den mineralischen 
Reservestoffen beschleunigter Abbau hochmolekularer Substanzen oder in- 
aktiver Enzymformen erfolgt, wodurch dann Material für die Prozesse des 
Keimungsstoffwechsels gegeben ist. Möglicherweise kommt es unter dem 
Einflusse des Lichtes auch zur Beschleunigung von Synthesen, aber die 
Unentbehrlichkeit des Sauerstoffes läßt eher auf Vorgänge der Zerspaltung 
schließen, welche das Licht im hervorragenden Maße zu katalysieren im- 
stande ist, worüber wir durch die Forschungen von ©. Neuberg orientiert 
worden sind. Ungenügende Nachreife und ungenügende Temperatur sum- 
mieren sich in ihren Wirkungen ebenso wie ungenügender Sauerstoffzutritt. 
Auffallend ist die Verfärbung, welche bestimmte Partien der Samenschalen 
erfahren, wenn die Keimung aus irgend einem Grunde verzögert ist: diese 


F 


Verfärbung, anfangs dunkelbraun, später schwarz, betrifft jenen Teil der 
Samenschale, welcher den Embryo bedeckt und die längere Zeit im Keim- 
bett ungekeimt verbliebenen Körner mit dem anscheinend schwarzen Embryo 
(der aber ebenso wie das Nährgewebe sich niemals schwarz färbt) bieten 
ein charakteristisches Bild. Dieses auffällige Eintreten von Veränderungen 
- in der Färbung der Samenschale weist stets auf Anomalien im Keimungs- 
verlaufe hin. Da die Keimung ein biochemischer Vorgang ist und eine 
Beschleunigung der Keimung auf einer Beschleunigung der in Rede stehen- 
den Prozesse beruhen muß, chemische Vorgänge aber bei höherer Tem- 
- peratur schneller verlaufen, ist es begreiflich, daß eine Steigerung der 
Keimungsprozente durch das Licht bei gleichzeitiger niederer Temperatur 
nicht hervorgerufen wird. ja daß sogar niedere Temperatur trotz Licht- 
- einwirkung eine Hemmung hervorruft. Die Lichtwirkung zum Auslösen der 
Keimung wird unnötig, die Keimung erfolgt also auch bei Dunkelheit. 
wenn die Körner statt in destilliertes Wasser in Knopsche Nährlösung 
oder auf Erde zum Keimen gebracht werden. Die beschriebenen Tatsachen 
sind von Gassner bei den Körnern von Chloris ceiliata gefunden worden 
- und eine Verallgemeinerung wäre sicherlich verfrüht, aber es macht den 
- Eindruck, als ob die keimungsbeeinflussenden Momente, Licht, Temperatur, 
- Nachreife, Sauerstoff, qualitative Beschaffenheit des Keimbettes, in ihrer 
_ Wechselwirkung bei jeder Samenkeimung wirksam sind und daß jedenfalls 
beim Ankeimen in allen Fällen auf diese Momente ein Augenmerk gelenkt 
werden müßte. Auf die Wichtigkeit des Substrates für die Lichtkeimung 
- bei Samen hat schon früher E. Lehmann aufmerksam gemacht, welcher 
zeigen konnte, dal Samen von Ranunculus sceleratus, die auf Filtrierpapier 
im Dunkeln nicht keimten, unter sonst gleichen Bedingungen auf der Erde 
oder Knopscher Nährlösung bestimmter Konzentration leicht im Dunkeln 
zur Keimung gebracht werden konnten. Einen wie großen Einfluß die 
Wahl des Filtrierpapieres als Keimbett übt, zeigte E. Lehmann an den 
Samen von Atropa Belladonna, die einmal auf gewöhnlichem (ungereinigtem) 
Filtrierpapier, das andere Mal auf Filtrierpapier Nr. 400 von Drewerho ff, 
Dresden, zur Keimung ausgelegt, im ersteren Falle zu 0°/, keimten, im 
letzteren zu 40°/,. Die Samen des französischen Raygrases zeigen im Keim- 
bette eroße Neigung zu verschimmeln und zu faulen. M. Heinrich‘) brachte 
die Samen entspelzt ins Keimbett, wodurch der Keimungsverlauf sehr be- 
schleunigt wurde, einerseits infolge Wirksamkeit des Sauerstoffes auf die 
Mobilisierung der Reservestoffe, andrerseits auf die Zerstörung der Bakterien; 
die das Faulen verursachenden Bakterien sitzen hauptsächlich zwischen 
den nackten Samen und den ziemlich losen Spelzen. Statt des Filtrier- 
papieres haben sich übrigens Baumwolläppchen bewährt. Sie haben den 
Vorteil vor Filtrierpapier, abgesehen von dem etwas größeren Keimungs- 
ergebnis, sich bequemer handhaben zu lassen, da die Samen beim Be- 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums ete. 107 


1) M. Heinrich, Über die Erfahrungen bei den Keimprüfungen 1910/11. Landw. 
Vers.-Stat. Bd. 78. S. 165 (1912). 


128 Viktor Grafe. 


feuchten nicht so leicht zusammengespült werden und beim Abheben der 
Keimlinge die Wurzeln weniger fest an der Unterlage haften. 

Einen einfachen Apparat zur quantitativen Befeuchtung des Keim- 
bettes verdanken wir F. Nobbe?); dient Filtrierpapier als Keimbett und 
bringt man in eine Porzellanschale von 20 cm Länge, 14cm Breite und 
3 cm Höhe je zwei doppelt zusammengefaltete Keimbetten, welche aus je 
einem Papierstück von 145 cm Breite und 39 cm Länge hergestellt sind, 
nebst einer doppelten Unterlage und einer gleichgroßen Decke von je 
19'5mal 29 cm, so beträgt die gesamte Fläche Papier 4.(565) = 2260 cem?. 
Ein Quadratmeter Drewerhoffsches Fließpapier Nr. 251 saugt im Durch- 
schnitte ungefähr 190 em? Wasser auf: auf 2260 cm? entfallen mithin etwa 
43 cm3 und mit 60°/, davon, d. i. mit 36 cm? ist das in jeder Schale ver- 
einigte Fließpapier vor Einbringen der Samen zu benetzen. Das Gewicht 
der Samen selbst und ihre Aufsaugungskraft ist hierbei nicht berücksichtigt. 
Dasselbe kann bei kleinen Klee- und Grassamen vernachlässigt werden, 
denn 200 Kleesamen wiegen 0'3—0'4g und nehmen beim Quellen unge- 
fähr ihr eigenes Gewicht an Wasser auf. Für größere Samen genügt es, 
das Gewicht der zuzusetzenden Wassermenge um das Gewicht der Samen 
zu vermehren. Würde nun die Schale samt ihrem frisch befeuchteten In- 
halt nach der Beschickung gewogen, so läßt sich der während der Kei- 
mung eintretende Wasserverlust durch periodische Nachwägungen kon- 
trollieren und ersetzen. Der Verlust ist in der Decke am größten, weit 
geringer im Keimbett selbst und der Unterlage, die Samen selbst trocknen 
am spätesten aus; gewöhnlich genügt also ein Besprengen der Decke mit der 
erforderlichen Ersatzmenge, aber man wird sich freilich immer überzeugen 
müssen, ob nicht doch Samen und Unterlage der Befeuchtung bedürfen. 
Zum quantitativen Nachfüllen des Besprengungswassers bedient man sich 
einer großen, erhöht aufgestellten, wassergefüllten Flasche, die durch einen 
Gummischlauch mit einem in Gesichtshöhe befindlichen Meßzylinder ver- 
bunden ist, aus welchem ein zweiter, in ein fein ausgezogenes Glasröhrchen 
endigender Gummischlauch die Benetzung vermittelt. Nach jeweiliger Ent- 
leerung des Meßzylinders wird derselbe durch Öffnen des Quetschhahnes 
wiedergefüllt, der den Flasche und Maßzylinder verbindenden Schlauch 
verschließt. Am Ende des unteren, aus dem Maßzylinder führenden Gummi- 
schlauches, unmittelbar oberhalb des Glasröhrchens, ist eine Glasperle ein- 
geschoben, welche den Schlauch verschließt und bei einem auf sie ausge- 
übten Drucke und seitlicher Zerrung des Gummis gleichmäßigeren Aus- 
fluß verbürgt als ein Quetschhahn (Fig. 37). 

Einen auf dem Nobbeschen Prinzip fußenden Apparat für Keimkraft- 
prüfungen hat J. Simon ?) angegeben. Er verwendet als Keimbett ziemlich 
grobes Fließpapier in den Dimensionen 23x18cm: die Blätter werden 

') F. Nobbe, Ein einfacher Apparat zur quantitativen Befeuchtung der Keimbetten 
bei Samenprüfungen. Landw. Vers.-Stat. Bd. 55. S. 389 (1901). 

2) J. Simon, Neue Apparate zum Gebrauche bei Keimkraftprüfungen in der 
Samenkontrolle. Land. Versuchsstation. Bd. 71. S. 431 (1909). 


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Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums ete. 129 


ein- oder mehreremal zweckmäßig in Briefform gefaltet, wodurch Keim- 
decken gebildet werden, die nach oben und unten gegen übermäßige Ver- 
dunstung geschützt sind. Nun bedarf der Samen je nach seiner Eigenart 
verschiedener Grade von Flüssigkeit, Roggen und Weizen sind etwas 
trockener zu halten als Gerste und Hafer. Seradella braucht zum Keimen 
viel Wasser, Poa muß direkt naß liegen usf., 
aber in den meisten Fällen ist ein Feuchtig- 
keitsgehalt von 60—65—70°/, im Keimbette der 
optimale. Beim ersten Anfeuchten geht man 
wegen der Verdunstung etwas über dieses Maxi- 
mum hinaus und hält beim nachfolgenden An- 
feuchten die genannten Grenzen ein. Destilliertes 
Wasser soll nicht angewendet werden, am besten 
ist Brunnen- oder Leitungswasser, welches je- 
doch erst Verwendung finden darf, nachdem es 
Zimmertemperatur angenommen hat: der Zu- 
satz kleiner Mengen von Salzen, besonders Kali- 
nitrat und Kalziumnitrat zum Wasser ist eben- 
falls zu empfehlen. Auf eine Fließpapiergröße 
von 23x18 cm stellt sich nach obigen Verhält- 
nissen die zu gebende Wassermenge auf T'’5 cm3, 
für 100 9 Quarzsand als Keimbett 173 cm3. Der 
Simonsche Apparat, welcher zum genauen und 
wiederholten Abmessen dieser Wassermengen 
dient, stellt eine Vereinigung mehrerer Meß- 
büretten verschiedener Teilgrößen vor. Bei den 
drei letzten fassen die bauchig oder kugelförmig 
erweiterten jeweils bis zu den rot markierten 
Teilstrichen die auf den ersteren ebenfalls deut- 
lich mit roter Schrift angegebenen Wassermen- 
gen (bei 15°C), welche den zur Befeuchtung von 
Fließpapier oder Sandkeimmedien benötigten 
Quantitäten entsprechen. Die erste Bürette dient 
zum genauen Abmessen kleiner oder größerer 
Mengen von 5—250 em®. Die vier Büretten 
können unterhalb des unteren Teilstriches jede _Nobbes Apparat zur quantitativen 
für sich durch einen eingeschliffenen Glashahn „nesenkänne, b Glawohr. 
verschlossen werden und stehen durch Gummi- 

verbindungsstücke mit einem Glasrohre in Verbindung, das 5 Ansätze 
besitzt und an der einen Seite rechtwinklig nach aufwärts gebogen ist, 
wodurch der Zufluß aus einem höher stehenden Vorratsgefäß für Wasser 
vermittelt wird. Ein Glasrohr an diesem Zulaufrohr oder an diesem 
Wassergefäß bewirkt Zufluß oder Abfluß des Wassers. Ein Ansatz- 
stück in der Mitte des Glasrohres trägt einen Gummischlauch, der in 
ein zu feiner Spitze ausgezogenes Glasrohr endigt, das zur Wasserent- 

Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 8) 


150 Viktor Grafe. 


nahme oder zum Besprengen des Keimmediums dient. Eine vor der Spitzen- 
mündung liegende Glasperle gestattet auch hier eine Regulierung des 
Wasserstromes. Die vier Büretten endigen in eine mit Glaskappen bedeckte 
Spitze. Wenn alle Glashähne geöffnet sind, dringt in alle das Wasser und 
füllt sie: sind alle Büretten oder die, welche man benützen will (der Über- 
schuß fließt durch ein seitliches Ansatzrohr ab, so daß die Spitze der 
jürette gleichzeitigden obersten 
Fig. 38. Teilstrich repräsentiert), voll- 
gelaufen, wird der Glashahn 
des Zuflußrohres geschlossen, 
der Hahn an der zu benützen- 
den Bürette geöffnet und durch 
Druck auf die Glasperle die 
jeweils benötigte Wassermenge 
entnommen (Fig. 38). 

Der Keimapparat (Fig.39) 
von Rodewald besteht aus einem 
Zinkblechkasten, in welchem 
eine Drainage aus Glasröhren 
liegt; die offenen Enden der 
Röhrenzweige, die vor der Aus- 
mündung etwas verengt sind, 
werden mit Asbest oder Watte 
lose verschlossen und darauf 
der ganze Kasten zirka 4 cm 
hoch mit ausgeglühtem und mit 
Salzsäure gewaschenem Seesand 
gleichmäßig angefüllt. Dann ist 
von der Drainage nur das hoch- 
gebogene Rohrende zu sehen, 
das durch einen Kautschuk- 
schlauch mit der abwärts ge- 
richteten Glasröhre 7 verbun- 
den werden kann. Dieser Sand- 


Simons Apparat zum genauen und wiederholten Ab- 


messen der zum Besprengen der Samen im Keimbett kasten wird in ein Wasserbad 


dienenden Wassermengen. 


aus Zinkblech gestellt, das auf 
dem Tische A befestigt ist. In 
dem Wasserbade liegt am Boden eine zirka 21/, cm dicke, mit Alkohol ge- 
füllte Röhre, deren eines Ende rund zugeschmolzen ist und deren anderes 
Ende in eine dünne Röhre übergeht, die sich durch einige Biegungen der 
Gestalt des Wasserbades anpaßt und sich dann in eine Röhre verwandelt, 
die bei der oberen Biegung sichtbar ist. Der u-förmige Teil der Röhre 
ist mit Quecksilber, der übrige Teil völlig mit Alkohol ausgefüllt. Die 
Röhre dient als Thermoregulator, indem das Quecksilber, wenn es sich 
durch die Ausdehnung des Alkohols verschiebt, den Gaszufluß zum Brenner 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums etc. 131 


in bekannter Weise reguliert. Eine Temperaturveränderung des Wasser- 
bades um einen Grad verschiebt das Quecksilber um zirka einen halben 
Zentimeter, was eine sehr empfindliche Temperaturregulierung gestattet. 
Der Sandkasten hat Füße, die so hoch sind, daß die Röhre nicht gedrückt 
wird. Das zum Heizen verwendete Gas geht bei X über gebrannten Kalk, 
von dort zum Thermoregulätor und dann durch eine Bohrung im Tisch 
zum Brenner 5, der aus einem Messingrohr besteht, in welches vier 


Fig. 39. 


Keimapparat von Rodewald. (Beschreibung im Text.) 


Spitzen aus Speckstein mit ' je einer feinen runden Öffnung eingesetzt 
sind. Über den Flämmchen stehen auf Dreifüßen Messingbleche, die die 
Wärme verteilen. Der Heizraum des Keimapparates, in dem der Brenner B 
liest, kann durch die Klappe V verschlossen werden. Durch verschiedene 
Öffnungen können die Verbrennungsgase entweichen, resp. frische Luft zu- 
strömen, die Wärme verteilt sich sehr zweckmäßig unter dem Wasserbade. 
Vor Gebrauch wird der Sand zunächst mit Wasser übergossen, so daß es zirka 
lem hoch über dem Sand steht. Dann wird die Sandoberfläche mit einem 
Lineal geebnet und die Drainage durch Ansaugen des Hebers 7 in Tätig- 


9* 


132 Viktor Grafe. 


keit gesetzt; das auf dem Sande stehende Wasser fließt ab. Wenn die 
Oberfäche des Sandes nicht völlig horizontal liegt, so werden die höheren 
Stellen zuerst aus dem Wasser hervortreten und man kann dann während 
des Abfließens den Sand völlig horizontal legen. Schließlich stellt man unter 
den Heber H ein Glasgefäß R mit breiter Mündung, das mit Wasser ge- 
füllt wird und aus dem sich der Sand durch die Drainage selbsttätig be- 
feuchtet. Der Feuchtigkeitsgrad des Sandes hängt von der Höhe des 
Wasserspiegels in $ ab. Steht dieser mit der Oberfläche des Sandes in 
einer Ebene, so steht auch das Wasser des Sandes in der Oberflächen- 
ebene. Der Sand saugt aber durch die in ihm wirksamen Kapillarkräfte?) 
auch dann noch Wasser aus R, wenn die Wasseroberfläche in R sehr be- 
trächtlich tiefer liegt als die Oberfläche des Sandes; eine Niveaudifferenz 
von zirka Scm zwischen Sand- und Wasseroberfläche eibt dem Sande 
gerade den richtigen Feuchtigkeitsgehalt. Der Wasserspiegel sinkt, der 
Wassermenge entsprechend, die aus dem Sande durch Verdunstung etc. 
verloren geht, und muß täglich wieder auf die normale Höhe gebracht 
werden. Auf den Sand, der nach und nach die Temperatur des Wasser- 
bades annimmt, werden Keimschälchen gestellt und leicht angedrückt. Es 
sind quadratische poröse Tonschalen in den Dimensionen 5x6.cm und 
lcm hoch. Sie sollen nach der jedesmaligen Reinigung unter Wasser auf- 
bewahrt werden, wodurch sie ihre Porosität bewahren; sie lassen sich im 
Papinschen Topf sehr gut sterilisieren, werden dann mit dem Blechge- 
stell, auf dem sie in den Autoklaven kommen, herausgehoben und unter 
Wasser gesetzt. In die herausgenommenen nassen Schälchen werden die Körner 
geschüttet und mit dem Hornspatel gleichmäßig verteilt. Aufdem Wasserbade 
des Keimkastens ist ein Deckel F angeschlossen, der mit Zinkblech ausgeschla- 
gen und mit einer durch Ritt wasserdicht eingelegten Glasplatte verschlossen ist. 
Bei geschlossenem Deckel kondensiert sich der Wasserdampf, fließt in Tropfen 
nach hinten und wird durch einen unter dem Deckel vorspringenden Blech- 
rand dem Wasserbade zugeführt. Am vorderen Ende des Apparates, wo 
die Glasröhren zum Vorschein kommen, ist der Deckel etwas kürzer als 
das Wasserbad, dadurch entsteht Platz für die Röhren, die übrigens so 
gebogen sind, daß sie das Schließen des Deckels nicht verhindern. Das 
Sandbad wird durch den Deckel völlig bedeckt, aber das Kondenswasser 
tropft stets in das Wasserbad. Der Deckel muß zum Lüften und zum Ab- 
trocknen der Proben täglich zwei Stunden geöffnet werden. Mit der Zeit 
verstopfen sich die Filter der Drainage, worauf diese umgelegt und mit 
neuen Filtern versehen werden muß. Natürlich hängt die Zeit des Funk- 
tionierens von der Reinheit des zugeleiteten Wassers ab, in der Regel ist 
die Funktionsdauer ein halbes Jahr oder länger. In diesem Apparat ist z. B. die 
Beleuchtung horizontal nebeneinander stehender Schälchen von oben durch 
die abschließende Glasscheibe leicht möglich, was für Versuche mit licht- 


!) H. Rodewald, Zur Methodik der Keimprüfungen. Landw. Versuchsstation. Bd. 49. 


S. 278 (1898). 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums ete. 133 


keimenden Samen große Vorteile bietet, ferner ist die Temperaturregu- 
lierung und Durchlüftung des Apparates eine sehr gute. Wie sehr es bei 
solchen Versuchen notwendig ist, sich einer künstlichen Lichtquelle zu be- 
dienen (der Inkandeszenzstrumpf einer Grätzinlampe liefert drei Wochen 
hindurch fast dieselben Lichtstärken, muß aber dann ausgewechselt werden; 
freilich treten hier die kurzwelligen Strahlen sehr in den Vordergrund — 
158 Kerzen in Grün, 63 Kerzen in Rot —, während bei Petroleumlicht 
die roten dominieren), liefern die Zahlen von Weber, der in der Natur 
in wenigen Sekunden Änderungen von 100°/, in der Lichtintensität kon- 
statierte. So herrschten an derselben Stelle um 12 Uhr mittags an auf- 
einander folgenden Tagen folgende Intensitäten: 


Beamer ..02 200 HK 
ee u. ASN0D 
Be en 00... 3.000 

ZeennrenN 4.0... 18.400 

& „ Be 2 E02 

und die dreijährigen Monatsmittel betrugen: 
ae er ee, AO HK 
Bernau rr 2000 
a Be 1 It 
Be TAIS2O:, 5 
a a ne - 60,950 
san 01.8280. 5 
ee 2 1 60U2O 
ee ee DLIO 
September . . . . ...38.000 
1 Ss 7 OK Ai) 
Besemiber-i.24.:2 0: 2000143 
Beriber ale u and 


In neuerer Zeit wurden von einer Reihe von Autoren interessante 
Versuche angestellt, um die Einwirkung von Radium und höntgenstrahlen 
auf die Keimung und das Wachstum zu studieren. Congdon werwendete 
die Hälfte der Strahlen eines 8»g metallischen Radiums in Form des 
Chlorids enthaltenden Glasröhrchens zur Erzeugung von Sekundärstrahlen 
(Fig. 40), während die andere Hälfte direkt auf den Samen wirken 
konnte. Das Glasröhrchen war hinreichend dünnwandig, um den größten 
Teil der &- und y-Strahlen durchzulassen, während die -Strahlen nicht 
herausdringen konnten. Die Samen waren 1 cm von dem Radiumröhrchen 
außerhalb des Bleches angebracht und erhielten bloß die direkte primäre 
Strahlung des Radiums. Dagegen waren die innerhalb des Bleirohres 1 em 
vom Röhrchen befestigten Samen sowohl der Einwirkung der Primär- 
strahlen (der schnellen Elektronen) als auch der langsamen Elektronen 
von seiten der Sekundärstrahlen ausgesetzt, welche beim Anprall der Primär- 
strahlung an die Innenwand der Bleiröhre ausgelöst wird. Ein Schirm aus 


134 Viktor Grafe. 


Aluminium, Holz und Gummi schützte die Samen außerhalb des Bleirohres 
vor einer merklichen Einwirkung zerstreuter Strahlung. Messungen der 
Ionisation an den Punkten, an welchen die beiden Gestelle mit den Samen 
angebracht waren, zeigten, daß der Effekt innerhalb des Bleirohres wegen 
der hinzukommenden Sekundärstrahlung um 25°, größer war als außer- 
halb. Die Samen wurden auf paraffiniertem Seidenpapier alle in der Ent- 
fernung 1 cm vom Radiumpräparat befestigt. Es wurden stets Samenkörner 

von mittlerem Durchmesser ge- 


Fig. 40. wählt und in getrocknetem Zu- 
stande exponiert. Ein Vergleich 
3 der Verzögerung bei Senfsamen 


und Hirse mit und ohne Samenhülle 
(11:6. 23150), Tesp. 169 2279 
zeigte, daß die Samenhülle die Strah- 
lung hinlänglich absorbiert, um den 
Effekt bedeutend herabzumindern, 
der aber immer in einer beträcht- 
lichen Verzögerung der Keimung 


3 besteht. Ein sehr markanter Un- 
terschied zeigte sich auch, je nach- 

Bi Verne dem der Keim des Samenkornes 
ee ne der Strahlungsquelle zugekehrt oder 


von ihr durch den vorstehenden 
Teil des Samens geschützt war. Die prozentuellen Verzögerungen betrugen: 
Sinapis ohne Hülle: Keim zugekehrt 36°/,, Keim abgewendet 25°/,. Panicum 
ohne Hülle: Keim zugekehrt 36'8°%/,. Keim abgewendet 28°6°/,. Panicum 
mit Hülle: Keim zugekehrt 24°6°/,, Keim abgewendet 9'2°%/,. Die Keimungs- 
verzögerung ist ferner der Größe des Samens verkehrt proportional, dagegen 
spielt die chemische Beschaffenheit der Reservestoffe scheinbar keine Rolle 
bei Bestimmung der Samenempfindlichkeit den %-Strahlen gegenüber, wie 
aus der folgenden Tabelle hervorgeht: 


Dicke der 


Durchmesser Stärkegehalt Fettgehalt in Wachstums- 


in mm nt), om verzögerung 
Kanlcum ee 0.60 — 45 u Da 
ohne Samenhülle _ — — — — 
SE 0:67 — =) 25 310 
Papaver,.. .. 0:26 0.005 — 40 550 
Ncotlanae® ... 026 0.003 — — 50 
Amarantus . . 040 0007 — B= 190 


Langsame Elektronen haben eine weitaus größere Wirkung als schnelle 
Elektronen von gleicher ionisierender Wirkung. !) Körnicke?) verwendete für 

') E.D.Congdon, Die Beeinflussung des Wachstums von Samen durch Strahlen. 
Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. Wien. 120. Abt. IIa (1911). 

?) M. Körnicke, Die Wirkung der Radiumstrahlen auf die Keimung und das 
Wachstum. Ber. d. Deutschen bot. Ges. Bd. 22. S. 105 (1904); Weitere Untersuchungen 


u EEE SEILER ETW 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums etc. 135 


seine Versuche 5 und 10 mg in Glasröhrchen verschlossenes Radiumbromid 
und Samen von Vicia faba, die eben zu keimen begonnen hatten und sich 
in einem mit feuchtem Sägemehl gefüllten Blumentopf befanden. An jedem 
Samen war auf der Embryoseite ein Radiumröhrchen (10 mg) angebracht, 
und zwar so, daß sich das untere Ende, in dem das RaPBr, lag, dicht 
neben der zunächst weiterwachsenden Wurzelspitze befand. Vier Tage lang 
dauerte die Bestrahlung der Wurzelspitze, die Wurzeln zeigten Wachstums- 
hemmung und Schädigung. Ein trockener Samen von Vicia faba war 
24 Stunden mit 10 mg RaBr, bestrahlt gewesen, kam dann zwei Tage in 
Wasser von 26°C und darauf in Sägemehl. Nach einem Tage begann die 
Wurzel hervorzutreten, blieb aber am zweiten Tage der Keimung auf einer 
Länge von 20 mm stehen, verfärbte sich bräunlich und am 17. Tage nach 
diesem Wachstumsstillstande brachen aus dem inzwischen 75 mm lang ge- 
wordenen Epikotyl Adventivwurzeln hervor, während Hauptwurzel und 
später auch die Sproßspitzen zu faulen begannen. Ähnliche Ergebnisse 
zeigten auch Erbsen und Bohnen, selbst wenn die Bestrahlung nur neun 
Stunden gedauert hatte; ferner wenn die Samen erst mehrere Tage nach 
erfolgter Bestrahlung des trockenen Samens zum Quellen angesetzt oder 
im gequollenen Zustande bestrahlt worden waren; Bestrahlung aus einer 
Entfernung von 4cm schien nicht mehr wirksam, wohl aber aus 2 cm. 
Besonders resistent erwiesen sich die Samen von Brassica napus, indem 
hier eine dreitägige Bestrahlung mit 10 mg RaBr, die Keimung und 
Weiterentwicklung nicht störte, ja gequollen bestrahlte Samen zeigten so- 
gar eine Beschleunigung in der Keimung. Diese Resistenz zeigte sich 
auch bei Samen, deren Schale teilweise entfernt war, die Keimlinge der 
an der entblößten Stelle bestrahlten Samen entwickelten sich so wie die Keim- 
linge der Samen, welche an nichtentblößten Stellen bestrahlt gewesen . 
waren. Erst nach 10tägiger Bestrahlung des trockenen Samens erwies sich 
dieser in der Keimung zurückgehalten und in der Weiterentwicklung ge- 
hemmt. 

Höchst wertvoll sind die Versuche, in welchen Molisch die Beein- 
flussung von Keimpflanzen durch Radiumemanation feststellte. Zur Ein- 
wirkung der Emanation auf die Pflanzen wurde ein zylindrisches Glasgefäß von 
ca. 24cm Höhe und 16'5 cm Breite (Fig. 41), oben mit einem Glasdeckel 
geschlossen, verwendet. Der Deckel war mit Vaselin luftdicht auf das Ge- 
fäß aufgesetzt und trug einen mit Kautschukpfropf versehenen Hals, der 
von einem Glasrohr durchsetzt war; dieses führte nach unten in den 
‚Kulturraum, gabelte sich oben und war so eingerichtet, daß die mit der 
Kautschukbirne eingepreßte Luft bei dem einen Gabelast in den Kultur- 
raum einströmen und durch ein Loch in den anderen Gabelast abstreichen 
konnte. Durch Kautschukschläuche stand der Kulturraum mit einer Wasch- 
flasche in Verbindung, die eine wässerige Lösung von RaCl,, im ganzen 


über die Wirkung von Röntgen- und Radiumstrahlen auf die Pflanze. Ebenda. Bd. 23. 
-S. 324 (1905). — E. S. London, Das Radium in der Biologie und Medizin. Leipzig 1911. 


136 Viktor Grafe. 


151 mg RaCl, =11'd mg Ra-Metall enthielt. Durch etwa zwanzigmaliges 
Zusammendrücken des Ballons wird die gasfürmige Emanation in den 
Kulturraum getrieben und dann die Hähne des Erzeugungsgefäßes ge- 
schlossen. 

Wenn alle 24 Stunden gequirlt und Emanation in den Versuchsraum 
geleitet wurde, so gelangten in den Versuchsraum ca. 16°/, der Gleich- 
gewichtsmenge, also 1'84 g Ra-Äquivalent = 1'84 Millieurie Emanation; 
wenn alle 48 Stunden Emanation durchgeleitet wurde, so traten 30°/, der 
Gleichgewichtsmenge, d. i. 3°45 Millicurie über. Außer dieser „starken“ 


Apparatur von Molisch zur Behandlung von Keimpflanzen mit Radiumemanation. 


Emanation wurde noch eine mittelstarke mit 0°‘0009 Millieurie und eine 
(alle 24 Stunden in das Versuchsgefäß übergeleitete) „schwache“ mit 
0:000124 Millieurie verwendet. Eine Millicurie-Emanation in 12 Luft ent- 
spricht 24 Millionen Mache-Einheiten. Die Emanation wurde alle 24 oder 
48 Stunden erneuert. Für die in dem Luftraum über der Lösung und in 
den Schlauchverbindungen zurückgebliebene Emanation sind etwa 7°/, ım 
Abzug zu bringen. Die Emanation übt, wenn in genügender Stärke vor- 
handen, einen hemmenden Einfluß auf die Entwicklung, die auch bei 
mittelstarker und schwacher Emanation so weit gehen kann, dab Wachs- 
tum und Entwicklung sistieren und die Pflanze abstirbt. Bei schwacher 
Emanation, namentlich wenn die Samen vor der Keimung der Bestrahlung. 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums ete. 137 


ausgesetzt wurden, zeigte sich jedoch bisweilen eine merkliche Förderung 
der Entwicklung. Die tiefe Schädigung durch starke Emanation zeigt sich 
aber nicht unmittelbar nach der Exposition, sondern die Keimlinge er- 
scheinen nicht besonders geschädigt, jedenfalls lebensfähig, dagegen ist 
die völlige oder fast völlige Sistierung jeder Entwicklung ein Zeichen, wie 
hochgradig die Pflanzen beeinflußt sind und nach einiger Zeit erfolgt dann 
ein rasches, oft plötzliches Absterben. Dieser Stillstand des Wachstums 
wurde auch mit festen Radiumpräparaten erzielt und als „Radiumstarre* 
bezeichnet. Bei Phaseolus und Pisum kann man deutlich sehen, daß die 
Reservestoffe aus den Kotyledonen nicht mobilisiert werden, die Wirkung 
der Emanation setzt sich als physiologische Nachwirkung kürzere oder 
längere Zeit auch nach dem Aufhören der Bestrahlung fort. Keimlinge 
verschiedener Art, gleichgültig ob ihre Samen oder sie selbst der Emanation 
ausgesetzt waren, bleiben im Wachstum zurück und gehen nach einiger 
Zeit zugrunde. Aber auch, wenn nach Einwirkung der Emanation noch 
gutes Wachstum der Keimblätter eintritt, bleibt doch die Endknospe 
sitzen ebenso wie die Vegetationsspitze der Wurzel: beide entwickeln sich 
nur langsam weiter. Die Keimlinge lösen ferner ihre Nutation früher auf, 
strecken also die Spitzen früher gerade als normale, ergrünen langsamer 
und bilden weniger Anthokyan. Manche, wie Secale cereale und Avena 
sativa, scheiden an ihrer Spitze eine weiße kristallinische Masse aus. Eine 
Förderung durch schwache Emanation wurde bei den Keimlingen der 
Sommerlevkoje (Matthiola incana), Cucurbita Pepo und Helianthus annuus 
beobachtet, wenn die Emanation auf die Samen und nicht erst auf den 
Keimling gewirkt hatte. Aber auch die bereits entwickelten Organe der 
Pflanze werden durch Emanation geschädigt, die Blätter von Aucuba japonica 
mißfarbig, die von Impatiens Sultani glasig durchscheinend. Robinia pseud- 
acacia, Caragana? arborescens etc. werfen in der Emanationsluft ihre 
Blätter viel früher, auch schon im Frühjahr und Sommer ab, als in reiner 
Luft. Der Vegetationspunkt der Pflanzen wird nicht bloß in der Entwick- 
lung zurückgehalten, sondern auch anderweitig beeinflußt. !) 

Die Sprosse von Sedum Sieboldii bilden normalerweise dreigliedrige 
Blattquirle; Sprosse, die in ganz jungen Entwicklungsstadien drei Tage 
starker Emanation ausgesetzt wurden, entwickeln von da an keine drei- 
blättrigen, sondern nur dekussiert stehende Blattpaare. In allen genannten 
Fällen betrug die Menge des Emanationsgiftes, die schädigend oder tötend 
einwirkte, etwa 0:0000063 mg, also Quantitäten, welche bei keinem anderen 
Gifte physiologische Wirkungen ausüben. 

Ausgedehnte Versuche verdanken wir Sioklasa?) und dessen Mit- 
arbeitern. Eine Förderung der Entwicklung durch die Wirkung des hadiums 


1) Molisch, Über den Einfluß der Radiumemanation auf die höhere Pflanze. 
Sitzungsber. d. k. Akad. Wien. 121. Abt. I (1912); Über Heliotropismus im Radiumlichte. 
Ebenda. 120 (1911). 

2) Vortrag, gehalten auf der 85. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte, 
Wien 1913. Herr Hofrat Prof. Stoklasa hatte die Güte, mir das Manuskript seines Vor- 


138 Viktor Grafe. 


kann danach auf zweifache Weise erwirkt werden. Zunächst dadurch, daß 
die Radiumemanation selbst in schwacher Aktivität ungemein günstig auf 
die Bakterien wirkt, welche elementaren Stickstoff assimilieren und dadurch 
die Stickstoffanreicherung des Bodens begünstigt. Bei Durchleiten einer 
Radiumemanation von 150M.E. ergab sich pro 1 der Nährlösung ein 
Stickstoffgewinn von 104 mg, ohne Radiumemanation ein solcher von 
59 ımg, also ein Gewinn um 76'27°/,. Wo die Radiumemanation eingewirkt 
hatte, war eine reichere Entwicklung der Nitrifikationsbakterien und aus- 
giebigere Eiweißsynthese zu beobachten; dies erfolgt auf Kosten der Glukose 
und der vorhandenen Salpetersäure. Die Radiumemanation fördert dem- 
gemäß die synthetischen Prozesse und hemmt die Reduktion der Salpeter- 
säure zu elementarem Stickstoff. 

Der Einfluß der Radioaktivität auf die Samenkeimung wurde an 
Samen von Triticum vulg., Hordeum distichum, Vicia faba, Pisum sat., Lu- 
pinus angustifolius, Trifolium pratense, Pisum arvense, Lens esculenta, 
Vicia sat., Beta vulg. geprüft. Die Samen wurden in geschlossenen Glas- 
gefäßen zum Anquellen in radioaktivem Wasser an Ort und Stelle des 
(uellenursprungs durch 24 Stunden gebracht, so dab für je 100 Samen 
50 cm® Wasser mit 15—100 M. E. verwendet wurden. Zur Kontrolle wurden 
Samen auch in Wasser angequollen, dessen Radioaktivität durch Stägiges 
offenes Stehenlassen entwichen war, ebenso in destilliertem Wasser. Nach 
dem Anquellen wurden die Samen in gewöhnliche Keimapparate verteilt 
und täglich 5—10 cm® von den verschieden stark radioaktiven Wässern zu- 
gesetzt. Eine schwache Dosierung von Radiumemanation hatte einen gün- 
stigen Einfluß auf die Keimungsenergie der Samen, wiewohl der Erfolg 
individuell verschieden ist, doch hemmen 50 M. E. bereits meistens. Natür- 
liches Quellwasser wirkt energischer als künstlich aus RaÜl, hergestellte 
Emanation. Im günstigen Fall wird die Keimungsenergie um 70—150°/, 
erhöht. Ganz besonders lehrreich waren die Wasserkulturversuche mit 
wachsenden Pflanzen. Die Trockensubstanz derselben wurde nach 46 Vege- 
tationstagen bestimmt, nachdem die Pflanzen 18 Tage unter dem Ein- 
flusse von im ganzen 384 M.E. gestanden hatten. 


In radioaktivem In nieht radio- 

Wasser Trocken- aktivem Wasser 

substanz Trockensubstanz 
Bisumsarvense SH Teils 6873 9 21379 
Mieia-daba nee tere 12:83 6009 „ 
Lupinus angustifolius . . 3193, 1'845 „ 
Hordeum distichum . . . 9:085 „ 0'906 „ 


Durch Anwendung von radioaktivem Wasser von 70 M.E. wurde eine 
um 62—164°/, größere Menge an Pflanzenmasse geerntet. Dagegen üben 
300 und 600 M. E.,. die jeden vierten Tag erneuert wurden, schon nach 


trages noch vor der Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen, wofür ich auch an dieser 
Stelle meinem verbindlichsten Danke Ausdruck verleihen möchte. 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums ete. 139 


45 Vegetationstagen einen schädlichen Einfluß aus. Auch das Begießen von 
Topfpflanzen im Glashause mit Wasser von 300 M.E. jeden vierten Tag 
(bei 5—7 kg Erde) übt nach 50—70 Vegetationstagen schon einen schäd- 
lichen Einfluß, die Blätter erschienen rotbraun verfärbt, das Chlorophyll 
im Kollenchym vollständig zersetzt, Plasmolyse in den Zellen; es kommt 
also hauptsächlich auf die richtige Dosierung der Radiumemanation an, 
das Wachstum ist bei entsprechend schwacher Aktivität ein rascheres und 
üppigeres, der Ertrag höher, der Blütenansatz und die Befruchtung finden 
rascher statt, dagegen kann zu starke Dosierung die Pflanzen in ihrem 
Wachstum hemmen, ja sie völlig vernichten. Dasselbe gilt für die Versuche, 
in denen der Vegetationserde Nasturan oder Erzlaugenstücke zugesetzt 
wurden. (05—4g Nasturan auf 7—18%y Erde steigert den Ernteertrag 
bedeutend.) Versuche in der Praxis des Großbetriebes mit radioaktivem 
Quellwasser und radioaktiven, gemahlenen Mineralien als Dünger haben 
ebenfalls den besten Erfolg gezeitigt. 

Über die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf die Keimung liegen 
Versuche von Koernicke vor. Gequollene Bohnenkeime wurden in feuchtem 
Sägemehl zum Keimen gebracht, nach drei Tagen Exemplare mit gleich 
langen Wurzeln ausgesucht und in einen mit Sägemehl gefüllten Sachs- 
schen Keimkasten gebracht. Eine der beiden geneigten Glasscheiben wurde 
durch eine Holzplatte ersetzt; in den Kasten wurden nun, der Holzplatte 
genähert, zwei Reihen von je sechs Keimlingen gepflanzt, und zwar so, dab 
die sechs rückwärtigen Exemplare hinter den Räumen sich befanden, 
welche die sechs vorderen zwischen sich ließen. Durch eine hölzerne (Quer- 
wand wurde dann der Kasten in zwei Abteilungen mit je sechs Keim- 
lingen geteilt, der vor der einen Hälfte befindliche Teil der äußeren Holz- 
platte erhielt eine Bleibedeckung zur Absorption der auf diese Kasten- 
hälfte wirkenden Röntgenstrahlen. Auf den so vorgerichteten Kasten 
wirkten nun von der geneisten Holzplatte her die Röntgenstrahlen. Die 
Bestrahlung wurde so lange fortgesetzt, bis ein neben die Objekte der 
ersten. d. h. der Röntgenröhre näheren Reihe vorher gebrachter Holz- 
knechtscher Reagenzkörper das Bestrahlungsmaß von 24 H.-Einheiten und 
ein in der zweiten Reihe befindlicher die Farbenintensität aufwies, die 
20 H.-Einheiten zukommt. | 

Die Strahlen wirken hemmend auf das Wachstum ein, aber auch 
hier zeigt sich zunächst keine Schädigung, vielmehr sogar primär eine 
Wachstumsbeschleunigung und erst nach einiger Zeit zeigt sich Stehen- 
bleiben des Wachstums als physiologische Nachwirkung; der Zeitpunkt des 
Eintretens dieser Nachwirkung ist abhängige vom Objekt und seinem 
physiologischen Zustande im Momente der Bestrahlung. Besonders wider- 
standsfähig erwiesen sich die Samen von Brassica napus, die bei einer 
Strahlungsintensität, welche bei Vicia faba sehr schwer gewirkt hatte, noch 
keine merkliche Hemmung erlitten. Bei genügend schwacher Einwirkung 
ist die Wachstumshemmung eine vorübergehende, eine Aufhebung der 
Keimkraft von trockenen wie gequollenen Samen wird selbst nach zwei- 


140 Viktor Grafe. 


maliger Bestrahlung mit über 20 H.-Einheiten nicht erreicht. Wurden die 
trockenen Samen mit über 20 H.-Einheiten bestrahlt und dann bei 26° C 
im Wasser zum Quellen gebracht, so zeigte sich bei den Samen von Vicia 
faba und Brassica napus, besonders auffällig bei den letzteren, eine Wachs- 
tumsbeschleunigung (von 600 Exemplaren war nach einem Tag schon die 
Hälfte gekeimt, von den Kontrollsamen nach dieser Zeit erst einer und 
die Hälfte erst nach drei Tagen), die aber mit der Zeit wieder ausge- 
glichen wurde. Bei Bestrahlung von vorher gequollenen Samen ergab sich 
dagegen keine Beschleuni- 
gung, dagegen nach zwei 
Tagen ein Stehenbleiben 
des Wachstums bei Vicia 
faba, während V. sativa 
und Brassica napus weiter- 
wuchsen. !) 

Sigmund hat eine 
erobe Reihe von Substan- 
zen auf ihre Bedeutung 
für die Keimung unter- 
sucht, auf die Einzelheiten 
kann aber hier nicht ein- 
gegangen werden. Bei der 
Untersuchung der Giftwir- 
kung wurden bisher haupt- 
sächlich die niederen Kon- 
zentrationen der Gifte un- 
tersucht, da man annahm, 
dab höhere Konzentrati- 
onen derselben natürlich 
ebenso deletär wirken 
müßten wie niedere. Die 
Kurve der Giftwirkungen 
ist aber keine so einfache: 
in kleinsten Dosen häufig die 
Keimung beschleunigend, 
schädigen die Gifte in steigender Dosierung, resp. hemmen die Keimung 
bei bestimmter Konzentration vollständig. Behandelt man aber Samen mit 
noch stärker konzentrierten Giftlösungen, so sieht man die Beeinflussung 
wieder abnehmen. V. Areichovskij zeigte, daß die stärksten Konzentrationen 
von desinfizierenden Stoffen für die Samen weniger giftig sind als die 
schwächeren Lösungen. Die ungequollenen Samen wurden der Einwirkung 
des Giftes (Formalin, Silbernitrat, Schwefelsäure) durch 1—256 Stunden 


\ 


Waschapparat nach Areichovskij. (Beschreibung im Text.) 


') M. Koernicke, Über die Wirkung von Röntgen- und Radiumstrahlen auf den 
pflanzlichen Organismus. Ber. d. bot. Ges. Bd. 22. S. 148 (1904). 


£ 


ra EEE DASEIN CE EB 


u 
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ir 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums etc. 141 


unterworfen, dann in einem besonderen Apparate eine Stunde lang mit ca. 6 / 
fließenden, sterilisierten Wassers gewaschen und dann zum Keimen ausge- 
legt. Der Waschapparat (Fig. 42) bestand aus dem gläsernen Waschgefäß A, 
das aus einem trichterförmigen unteren Teile « und einem Deckel b ge- 
formt ist. Von a gehen die Röhren d für Zufluß und ce zum Ablaufen des 
Waschwassers aus. Die Chamberlandkerze e dient zur Sterilisierung des 
Wassers mittelst Filtration durch Ton, sie wird vom Gefäße / aus mit 
Wasser beschickt. Der ganze Apparat samt Filterkerze wird vor jeder 
Waschung im Autoklaven bei 120° sterilisiert und dann das Waschgefäß A 
in die Saatkamera gestellt. 


Dauer der BEgossre male 1m lo mungse.n u 
Einwirkung Ys%yo 1/0 1/,0/o 19/0 2%), 4, 8%, 16%), 32%, 4007, ee- 
Stunden Eskoeimten Prozente Samen uf özelle 
il 100 100 100 86-86 73 88092 100 100 
De A LOO 86 zal Aral 526, 53060, 1a BR 96-100 
A 80) 44 24 -— —- —- . —- 16 8 82 100 
SE | 24 _- —_—0-.-.- - 8 100 
MORE 29E.720 —_— 0 -- 72 100 
Ben 8. = _ —_ — —_ = — 32 08) 
(De _ = -— - -.-.-.— 46 76 stehen- 
1 U No Dee - - 07.0.0 o-0— 8 28 — des 
Bnbi. 4... — _ u _-_- -. -.-. — 375 — Wasser. 


Schwefelsäure spez. Gew.184In nn nn 
in Konzentrationen von /1128S 2 8 4 2 


Prozentsatz gekeimter | { ? Hi 
DT / ) C 3, = > 
Samen | 011027716, 15,24497 55,04. 55., 92 .100 


n ..2n 497 8n 160 32n 


Allerdings zeigt sich in allen diesen Fällen die Keimung mehr weniger 
verzögert, die Resistenz gegen Mikroorganismen herabgesetzt. 

Die Fälle der Nichtkeimung nach einer Aufbewahrung von 128 oder 
gar 256 Stunden unter Wasser oder Formaldehyd haben nichts mit einer 
Giftwirkung zu tun, sondern sind auf Mangel an Sauerstoff zurückzuführen, 
während fließendes, sauerstofffreies Leitungswasser. nach dieser Zeit nicht 
nur nicht schädigend wirkt, sondern das Kommen beschleunigt. !) 

Zahlreiche Gifte erhöhen in sehr geringer Menge die Intensität des 
Keimungsprozesses, wirken als Reizmittel und beeinflussen gewissermaßen 
katalytisch den Vorgang des Stoffansatzes. Besonders Mangan- und Alu- 
miniumsalze wirken nach Stoklasa wachstumsfördernd, 1°/, Bleinitrat, 
0:01°/, Borsäure in der Nährlösung wurden von Bertrand bzw. Agulhon 
als günstig erkannt. Bokorny stellte fest, dab 0'01°/, Cs; SO, die Gersten- 
keimung, 0'05°/, Li, SO, die Erbsen- und Linsenkeimung, Rb, SO, zu 0'2°/, 
die Keimung von Weizen, Erbse, Linse, Bohne, Kohl fördert; 0:005°/, US» 
haben denselben Erfolg bei Gerste, 0'01°/, K,UrO, bei Bohne und Linse, 
0:0005°/, Hg Cl], bei Kresse, 0'0025°/, CuSO, bei Gerste und 0'005°/, CuSO, 


1) V. Arcichovskij, Biochemische Wirkung höchst konzentrierter Lösungen. Bio- 
chemische Zeitschr. Bd. 50. S. 233 (1913). 


143 Viktor Grafe. 


bei Kresse, 0'0025°/, Phenvihydrazin schon nach zwei Tagen bei Kresse, 
0:0025°/, Anilin bei Gerste und Kresse, 0'01°/, Hydroxylaminchlorhydrat 
bei Gerste, 0'001°/, HF bei Erbse, Linse, Gerste. Der genannte Autor, welcher 
in neuester Zeit eine große Reihe solcher Versuche unternommen hat!), 
zog die Samen direkt in der Giftlösung, welche auf Fließpapier gegossen 
war, und brachte sie hier zum Keimen. 

Fließendes Wasser ist ein ausgezeichnetes Keimungsmittel für größeren 
Samen. Eine Glasschale von 10 em Durchmesser wird unter einen 
dünnen, aber ziemlich kräftigen Wasserstrahl gestellt, der ins Zentrum 
der Schale gerichtet wird und die Samen gleichmäßig bis zum Rande der 
Schale zurückstößt, wo sie sich in ununterbrochener Wirbelbewegung be- 
finden. So geht die Keimung gut vor sich und die Samen sind überdies 
während relativ langer Zeit vor Fäulnis geschützt, allerdings verbraucht 
diese Versuchsaufstellung viel Wasser (1507 Wasser täglich für eimen Versuch). 
Fischer setzt auseinander, daß die gut gereiften Samen vieler Wasser- 
pflanzen ohne äußeren Ausstoß überhaupt nicht keimen, selbst wenn die 
Keimungsbedingungen noch so günstig sind. Solche Erfahrungen wurden 
gemacht mit Sagittaria sagittifolia, Alisma plantago, Potamogeton natans, 
lucens und peectinatus, Hippuris vulg., Polygonum amphibium, Seirrhus lacustris 
und maritimus. Wenn aber z. B. Bakterien die Keimflüssigkeit ansäuern, 
dann keimen diese Samen. Im weiteren Verlaufe zeigte sich, daß die 
H-Ionen der Säuren und OH-Ionen der Basen kräftige Keimungsreize bilden, 
und zwar ganz entsprechend dem lonisierungsgrad der betreffenden Lösung. 
Die Wirkung der H- und OH-Ionen wird durch das Kation bzw. Anion 
der angewendeten Verbindung mehr oder weniger beeinflußt, wozu noch 
Temperatur und Dauer der Einwirkung kommen. Wie explosiv Säure auf 
ruhendes Protoplasma wirkt, zeigt folgende Tabelle: Die Samen wurden 
mit 10 Mol. HU] bei 20°C behandelt und nach guter Spülung mit Leitungs- 
wasser bei 25—27° C zum Keimen aufgestellt. 


1/, Minute 1 Minute 2 Minuten 4 Minuten 8 Minuten 10 Minuten 


Zahl der Samen. . . 357 312 331 376 332 400 (Behandl. 
Gekeimt nach 13 Tagen 63 116 213 10 1 — mit 
InsProzentene ar 37 oren 27 03 — Säure). 


Die Reizung durch H- oder OH-Ionen verändert aber auch den 
Charakter der Keimung: bei ersterer bleiben die Keimlinge etwas länger 
farblos und auf einer Größe von 2—5 mm stehen, bei H-Reizung wachsen 
die Keime etwas schneller und ergrünen auch rascher. Läßt man der 
ersten Ionenbehandlung eine Behandlung mit dem zweiten Ion folgen, so 
findet wohl gewissermaßen eine Neutralisierung der ersten Behandlung 
statt, gleichzeitig wird aber auch der zweite Keimungsmodus eingeleitet 
und setzt sich durch.) Gut studiert ist auch die „oligodynamische“ Wir- 


') Th. Bokorny, Über den Einfluß verschiedener Substanzen auf die Keimung der 
Pflanzensamen. Biochem. Zeitschr. Bd. 50. S. 1 (1913). 

°) A. Fischer, Wasserstoff- und Hydroxylionen als Keimungsreize. Ber. d. bot. 
Gesellsch. Bd. 25. S. 108 (1907). 


et, 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums ete. 143 


kung (Nägeli) von Metallsalzspuren; so wurde beobachtet, daß Keimwurzeln 
in Wasser, welches aus Metallapparaten destilliert worden war, nicht weiter 
wuchsen, wohl aber trat normale Entwicklung ein, wenn das Wasser aus 
Glas umdestilliert worden war. Barladean (Bern) weist neuerdings 
ebenfalls auf die Schädlichkeit des Laboratoriumsdestillates für die 
Pflanzenwurzeln hin und zeigte, daß Wasser, welches aus Glasgefäßen 
mehrere Male destilliert worden war, offenbar durch die herausgelösten 
Salze der Alkalien und Erdalkalien einen fördernden Einfluß auf die 
Wurzelentwieklung übte (Münchener med. Wochenschr. 1913, Nr. 29, 
pag. 1601). Silber, Blei, Zinn erteilen übrigens dem Wasser keine schäd- 
liche Wirkung, wohl aber Kupfer; schon 1—2 Zehnmillionstel Kupfer- 
gehalt soll zur Hemmung des Wachstums ausreichen; das beruht auf 
dem merkwürdigen Speicherungsvermögen, welches die Pflanzenzellen 
für die Salze von Schwermetallen zeigen, welches Speicherungsvermögen 
ja bei einigen (Galmeiveilchen für Zinksalze, Polycarpaea spirostylis 
enthält Kupfer bis zu 560 mg im Kilo Trockensubstanz und wird 
in Nordqueensland „copperplant“ genannt, weil aus ihrem Vorkommen 
auf die Anwesenheit von Kupferablagerungen im Boden geschlossen wird; 
in neuerer Zeit konnte Molisch bei Wasserpflanzen so intensive Eisen- und 
Manganspeicherungen nachweisen, daß die betreffenden Pflanzen nicht 
grün, sondern braun erschienen) Pflanzenarten ganz besonders ausgeprägt 
ist. Die große Empfindlichkeit der Pflanzen gegen Quecksilberdämpfe wird 
gewöhnlich viel zu wenig beachtet, man sollte dieses Metall nie zu Ab- 
schlüssen von Glocken wählen, unter denen Pflanzen vegetieren, ohne min- 
destens für eine über das Quecksilber gebreitete Flüssigkeitsdecke, am 
besten Glyzerin, zu sorgen. Ammoniakdampf hemmt bereits in einer Ver- 
dünnung 1 :24.000 die Keimung von Vicia faba, zu 1:20.000 jene von 
Phaseolus vulg. und Zea Mais, 1:5000 die von Liliaceenzwiebeln. Decker 
konnte zeigen, daß die Keimung der Scheibenfrucht von Dimorphotheca 
pluvialis durch Vorbehandlung mit 03 Mol. HNO, verzögert, die der Rand- 
früchte ganz gehemmt wurde, dagegen wirkte AÄnopsche Nährlösung be- 
schleunigend und hob die hemmende Wirkung der Salpetersäure bei den 
Randfrüchten fast ganz auf; dagegen wirkt bei Atriplex hortensis Vorbe- 
handlung mit 03 Mol. Salpetersäure keimungsfördernd. Lehmann und 
Ottenwälder ‘) haben gefunden, dal Salpetersäure bei bestimmter Konzen- 
tration und geeigneter Temperatur eine Keimung der Samen von Epilo- 
bium hirsutum und Lythrum salicaria ermöglicht, wo die Keimung ohne 
Salzsäure, also auf destilliertem Wasser nicht ausgelöst wird. Die optimale 
Säurekonzentration schwankt mit der Samenart und der Temperatur, sie 
ist zumeist ziemlich niedrig zwischen 0°00625 und 0:05 Mol. Ob Salzsäure 
als Keimungsreiz oder als Gift wirkt, hängt, abgesehen von den bereits 


!) E. Lehmann und A. Ottenwälder, Über katalytische Wirkung des Lichtes bei 
der Keimung lichtempfindlicher Samen. Zeitschr. f. Bot. Bd. 5. 8. 337 (1913). — F. Leh- 
mann, Über die Beeinflussung lichtempfindlicher Samen durch die Temperatur. Zeitschr. 
f. Bot. Bd. 4. S. 465 (1912). 


144 Viktor Grafe. 


erwähnten Umständen, auch sehr von der Versuchspflanze ab, so pflegen 
CGruciferen und Compositen auch durch minimalste Salzsäuremengen schon 
getötet zu werden. Baar fand in 0'5—1°/,iger Salzsäure ein Mittel, um 
die Ruheperiode der Samen von Amarantus retroflexus abzukürzen. Diese 
Samen werden im Herbst reif, keimen aber erst im nächsten Frühjahr. 
Mit verdünnter Salzsäure oder Phosphorsäure dagegen behandelt, keimen 
sie schon im Oktober, aber nur im Dunkeln, im Licht sind sie auch dann 
nur zu äußerst geringem Prozentsatz zur Keimung zu bringen.!) 

Ohne Zutritt von Luft oder besser gesagt von Sauerstoff ist keine 
Keimung möglich. Wenn Samen unter Wasser liegen, so keimen sie haupt- 
sächlich deshalb nicht, weil sie an Sauerstoffmangel leiden und nur solche 
Körner. welche etwa obenauf schwimmen, vermögen zu keimen: ebenso- 
wenig findet eine Keimung bei Samen von Wasserpflanzen in ausgekochtem 
(luftfreiem) Wasser statt oder aber wenn das Wasser durch eine Ölschichte 
abgesperrt wird. Das ist auch nicht wunderzunehmen, da ja die Keimung ein 
Wachstumsprozeß ist, bei welchem große Energiemengen aktiviert werden 
müssen, die durch intramolekulare Prozesse nicht aufgebracht werden 
können. Natürlich kann auch in einem indifferenten Gase wie Wasserstoff 
oder Kohlensäure keine Keimung stattfinden und in eine Glasröhre ein- 
geschmolzene, gequellte Samen keimen gleichfalls nicht. 

Wir haben schon davon gesprochen, dal in fließendem Wasser, also 
bei fortdauernder Sauerstoffzufuhr sehr lebhaft Keimung erfolgt: die Luft- 
räume des Samengewebes vermögen soviel Sauerstoff einzuschließen, dab 
die erste Anregung zur Keimung des von der Samenhülle fest einge- 
schlossenen Samens durch diesen Sauerstoff gegeben wird. Deshalb kann 
die Keimung verhindert werden, wenn die Samen unter Wasser getaucht 
und unter der Luftpumpe von Luft befreit werden, wobei die Lufträume 
durch Wasser erfüllt sind: wenn dann auch das Keimprozent unter Um- 
ständen keine Beeinträchtigung erfährt. so wird doch die Keimzeit wesent- 
lich verlängert. In einzelnen Fällen kann aber auch hier eine Beschleuni- 
eung der Keimung durch das Entfernen der Luft gegeben sein, wie bei 
der bespelzten Gerste, der Sonnenblume, dem Roggen. Überhaupt kann 
ein Zuviel an Sauerstoff ebenso die Keimung beeinträchtigen wie ein Zu- 
wenig. So keimen Bohnen in reinem Sauerstoff nur langsam und erzeugen 
kränkliche Keimlinge, die ein abnormes Aussehen zeigen, bei Zea Mais, 
Ervum Lens, Pisum sativum gelangte in Böhms Versuchen die Entwick- 
lung der Embryonen nicht über die ersten Stadien der Wurzel- und Stengel- 
bildung hinaus und selbst Gasgemische mit einem hohen Prozentsatz an 
Sauerstoff wirken schädlich, erst wenn der normale atmosphärische Par- 
tiärdruck des Sauerstoffes erreicht ist, treten normale Keimungsbedin- 
gungen ein: in diesem Falle schädigt auch rein dargebotener Sauerstoff 
nicht. Demnach wird die Keimung sowohl im luftverdünnten Raume als 
auch bei atmosphärischem Überdruck gehemmt, das Minimum des Luft- 


1) H. Baar, ]. c. 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums ete. 145 


druckes, bei dem Keimung überhaupt noch erfolgt, ist 120 mm Quecksilber 
für Kresse, 60 mm für Gerste. Praktische Bedeutung hat dieser Umstand 
bei Keimungsversuchen bezüglich des mehr oder minder tiefen Einbrin- 
gens der Samen unter die Erde. Werden die Samen zu tief gesteckt und 
bildet das Keimbett über ihnen eine allzu feste Kruste, so kann die Sauer- 
stoffzufuhr, besonders in einem festgestampften Boden des Keimgefäßes 
so gehemmt sein, daß aus diesem Grunde keine Keimung erfolgt. Auch 
bei der Sauerstoffwirkung sind aber mehrere Momente maßgebend: so 
fand Becker!) bei den Früchten von Dimorphotheca pluvialis eine ausge- 
sprochene Förderung der Keimung in Sauerstoff gegenüber jener in Luft, 
und zwar erschienen die Randfrüchte relativ mehr gefördert als die Scheiben- 
früchte. 

Bekanntlich vermögen die Leguminosen infolge ihrer Symbiose mit 
stickstoffbindenden Bakterien den molekularen Stickstoff der Luft zum 
Aufbau von Eiweiß auszunützen, man braucht also in ihren Kulturboden 
gebundenen Stickstoff in Form von Nitraten oder Ammonsalzen nicht 
hineinzutun, dagegen kommen sie ohne Stickstoffsalze nicht fort. wenn 
die Bakterien durch heiße Sterilisation des Bodens vernichtet worden 
waren. Es zeigte sich aber dabei, daß die Sterilisation eines Bodens durch 
Erhitzen für die Pflanze, welche nachher dahin versetzt ist, auch für eine 
Nichtleguminose, überhaupt nicht gleichgültig ist. Wie durch längere Kultur 
derselben Pflanzenart in einem Boden dieser für Pflanzen derselben Art 
giftig wird, indem diese Pflanzenart in solchen Böden die Erscheinungen 
der „Bodenmüdigkeit“ zeigt, so entstehen auch beim Sterilisieren der 
Böden giftige Substanzen, welche dem Gedeihen der Pflanze Eintrag tun. 
Nach C. Schulze?) scheinen im sterilisierten Boden wachsende Pilanzen im 
wesentlichen unter dem Einflusse zweier entgegengesetzt wirkender Fak- 
toren zu stehen. Je nach der allgemeinen Beschaffenheit des Bodens ent- 
stehen beim Sterilisieren mehr oder weniger schädlich wirkende Zersetzungs- 
_ produkte, welche die Versuchspflanze je nach dem Grade ihrer individuellen 
und je nach der durch ihre Art bedingten Empfindlichkeit mehr oder 
weniger stark beeinflussen. Dem entgegen wirkt der das Wachstum der 
Pflanze befördernde Einfluß der Nährstoffaufschließung im Boden, insbe- 
sondere seines unlöslichen, nicht ohne weiteres zugänglichen Stickstoffvor- 
rates. Je nachdem nun der eine oder andere dieser beiden Faktoren im 
einzelnen Falle überwiegt, kommt eine Erhöhung oder Verminderung der 
Ernte an Pflanzensubstanz zustande. Durch eine Kalkgabe läßt sich die 
Wirkung der Zersetzungsprodukte des Bodens stets ganz oder fast ganz 
aufheben. Die Bedeutung dieser Tatsache für die Anstellung von Vegeta- 


) H. Becker, Über die Keimung verschiedenartiger Früchte und Samen bei der- 
selben Spezies. Beitr. z. bot. Zentralbl. Bd. 29. S. 21 (1912). 

?) C. Schulze, Einige Beobachtungen über die Einwirkungen der Bodensterilisa- 
tion auf die Entwicklung der Pflanze. Landwirtschaftl. Versuchsstat. Bd. 65. S. 137 
(1907). 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VII. 10 


146 Viktor Grafe. 


tionsversuchen in durch Hitze sterilisierten Böden liegt auf der Hand, und 
da sich nicht alle Pflanzenarten gleich empfindlich verhalten, die Not- 
wendigkeit, bei solchen Versuchen Boden und Pflanze entsprechend aus- 
zuwählen, damit nicht die fast unvermeidlichen Störungen das Resultat 
der Versuche verschleiern. Am typischesten treten schädigende Einflüsse 
der Bodensterilisation beim Senf hervor, auch bei Hafer im Wiesen- 
boden bleiben die Pflanzen in sterilisiertem Boden wesentlich gegen jene 
in nichtsterilisiertem Boden gezogenen zurück, überall tritt in mehr oder 
weniger hohem Maße Gelbwerden der Blätter ein. Haferpflanzen in Acker- 
boden zeigen dagegen keine Krankheitserscheinungen, aber auch hier 
bleiben die Pflanzen zurück, wobei es freilich infolge der Bodenaufschließung 
später zur erheblichen Erhöhung der Produktion an Pflanzensubstanz kommt; 
bei Hafer in Gartenboden zeigte sich sogar im sterilisierten Boden von 
vornherein eine Förderung der Pflanzenentwicklung. In den drei unter- 
suchten Bodenarten entstehen also in ganz verschiedenem Maße Giftstoffe. 
Beim Senf, der gegen Bodensterilisation ganz besonders empfindlich ist, 
zeigte sich dieselbe Abstufung. Die Krankheitserscheinungen sind hier sehr 
intensiv und bestehen im Gelbwerden und Abwerfen der Blätter, aber hier 
verwischen oft individuelle Differenzen die typische Abstufung in den ein- 
zelnen Bodenarten. 

Viel weniger als Senf, aber immer noch sehr empfindlich zeigen sich 
Erbsen, noch weniger Buchweizen und bei Wiesengräsern erscheint eine 
Giftwirkung überhaupt nicht. Bei den leidenden Pflanzen ist die Gesamt- 
ernte immer kleiner, während die Stickstoffaufnahme relativ groß ist in- 
folge Aufschließung der anorganischen Stickstoffquellen des Bodens durch 
Erhitzung. 

Will man eine üppige Entwicklung der Pflanzen hervorrufen, so muß 
man für Düngung des Bodens, für künstliche Bereicherung der natürlichen 
Nährstoffquellen sorgen, und zwar sind es außer Stickstoffverbindungen 
hauptsächlich die Verbindungen von Kali und Phosphor, die dem Boden 
zugeführt werden. Auf die Methoden und Erfolge der Düngung soll hier, 
als für das im kleinen angestellte Experiment nicht wesentlich, nicht näher 
eingegangen werden, wiewohl für zahlreiche pflanzenphysiologische Ver- 
suche eine Erweiterung der Befunde durch solche an Freilandpflanzen, in 
natürlicher Umgebung und in größerem Maßstabe gewonnene, notwendig 
wäre. Es muß diesbezüglich vorläufig auf die sehr ausgedehnte landwirt- 
schaftliche Literatur hingewiesen werden. Bemerkt sei nur, daß durch 
S. Strakosch!) die merkwürdigen Beziehungen zwischen Produktion von or- 
ganischer Substanz durch Assimilation und Entnahme von mineralischen 
Bodennährstoffen, was dieser Autor mit dem jetzt in der wissenschaft- 
lichen Terminologie bereits eingebürgerten Ausdruck „assimilatorischer 
Effekt“ bezeichnet, aufgedeckt wurden, indem bei verschiedenen Pflanzen- 


') 8. Strakosch, Das Problem der ungleichen Arbeitsleistung unserer Kulturpflanzen. 
Berlin 1907. 


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Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums ete. 147 


arten die Erntewerte bei gleichzeitigem Bedarf an Nährsalzen als sehr 


ungleich erkannt wurden. Über den Wert der verschiedenen Düngemittel 
im wissenschaftlichen Experiment führen L. und K. Linsbauer!) folgenden 
instruktiven Versuch an: Auf je 10 2 Wasser lösen wir 10 4 Doppelsuper- 
phosphat (im wesentlichen ein Gemenge von MeHPO,, Ca(H,PO,), und 
2CaSO,), 10 9 KCl und 30 9 NaNO,. Damit begießen wir statt mit ge- 
wöhnlichem Wasser eine Topfpflanze, deren Erde vorher nicht aus- 
getrocknet sein darf, sondern eventuell früher mit gewöhnlichem Wasser 
begossen wird. Sollten auch die Blätter mit dieser Nährlösung besprengt 
worden sein — was zu vermeiden ist — so werden sie mit Wasser abge- 
spült. Pelargonien, Fuchsien, Veilchen, Reseden oder Chrysanthemen be- 
gießt man im Beginne der Entwicklung wöchentlich einmal, später, zur 
Zeit des lebhaften Treibens, sogar zweimal in der Woche. (Primeln, Zy- 
klamen, Knollenbegonien behandelt man in der gleichen Lösung, nachdem 
man sie vorher mit Wasser verdünnt hat, und zwar in der größten Wachs- 
tumsperiode nur etwa alle 8S—10 Tage.) Wir suchen nun drei möglichst 
gleich entwickelte Topfpflanzen derselben Art aus und begießen den ersten 
Topf nur mit gewöhnlichem Wasser, den zweiten mit der obigen Lösung, 
aus der wir den Chilisalpeter weggelassen haben, endlich den dritten Topf 
mit der vollständigen Lösung. Bei richtiger Kultur zeigt sich meist. dal) 
nur bei gleichzeitiger Stickstoffdarbietung die Kaliphosphatdüngung einen, 
dann allerdings sehr deutlichen Erfolg hat. 


Was die Einwirkung des elektrischen Stromes auf die Keimung an- 
belangt, so sind wohl nach dieser Richtung zahlreiche Versuche gemacht 
worden, ohne daß aber wenigstens in den meisten Fällen die nötige Exakt- 
heit dabei zur Anwendung kam, vor allem hat man erst in neuester Zeit 
daran gedacht, die Stärke des verwendeten Stromes zu beachten, wie- 
wohl Versuche über Elektrokultur schon seit Jahrhunderten angestellt 
werden. Ferner hat man die Nebenumstände, wie Temperatur, Feuchtigkeit, 
Substrat ete., niemals in Rechnung gezogen und vor allem der Individualität 
der Pflanze keine Beachtung geschenkt. Daß aber diese Momente berück- 
sichtigt werden müssen, beweist schon der Umstand, daß bald eine för- 
dernde, bald eine schädigende Wirkung des elektrischen Stromes gesehen 


wurde Man kann die Elektrizität auch in zwei verschiedene Arten auf 


die Pflanze direkt einwirken lassen: 1. indem man zwei Metallplatten in 
den Boden versenkt und dieselben mit einer Stromquelle verbindet, dann 
geht der Strom durch die Erde und wirkt auf die Pflanzen ein, welche 
sich im elektrischen Felde befinden; 2. indem man den Strom durch die 
Pflanze selbst gehen läßt. Eine Metallplatte, die mit dem einen Pol einer 
Stromquelle verbunden ist, wird in die Erde gesenkt und um den Stamm 
der Versuchspflanze ein Draht gewunden, der mit dem anderen Pol der 
Stromquelle verbunden ist. Natürlich lassen sich solche Versuche nur an 


') L. u. K. Linsbauer, Vorschule der Pflanzenphysiologie. Wien 1911. 


10% 


148 Viktor Grafe. 


stärkeren Pflanzen, vornehmlich Holzgewächsen durchführen, 3. indem man 
die Pflanze der direkten elektrischen Entladung aussetzt, also überhaupt 
nicht leitend mit der Stromquelle verbindet, sondern etwa ein Netz von 
Drähten über die Versuchsparzelle spannt und gegen den Erdboden isoliert: 
der eine Pol einer Elektrisiermaschine wird mit dem Drahtnetz, der andere 
Pol mit dem Erdboden verbunden. Die Pflanzen dienen bei dieser Ver- 
suchsanordnung gewissermaßen als Blitzableiter für die Luftelektrizität 
und durch sie wird vermittelst der dunklen elektrischen Entladung ein 
Ausströmen der Elektrizität an den Spitzen, z.B. den Grannen des Ge- 
treides erfolgen, was sich mitunter als St. Elmsfeuer äußert. Diese dritte 
Art der Beeinflussung ist gleichzeitig die längst geübte und besonders 
durch Lemström ausgebildet worden. Er spannte über die Pflanzen ein 
Metalldrahtnetz. das isoliert und mit einer Reihe Messingspitzen versehen 
war; dieses Netz wurde mit dem positiven Pol einer Holtzschen Influenz- 
maschine in Verbindung gesetzt, während der negative Pol in die Erde 
mündete. Diese Maschine wurde mit der Hand oder durch mechanischen, 
resp. elektrischen Antrieb in Bewegung gesetzt. Die Samen wurden in 
nach der Südseite des Fensters offenen Pappendeckelgehäusen in Töpfen 
placiert, in jeden Topf wurde unten ein Zinkstreifen gesteckt, der durch 
einen Metallfaden mit den Gasrohren des Raumes in Verbindung stand, 
oberhalb der Töpfe wurden die mit den Spitzen versehenen Netze aus 
Draht befestigt; in der einen Abteilung ging der Strom von der Luft zur 
Pflanze, in der anderen umgekehrt, während eine dritte als stromlose 
Kontrolle diente. Bei Freilandversuchen verwendete Lemström Drahtnetze, 
deren Drähte 2 mm Durchmesser hatten, an Porzellannäpfen als Isolatoren 
befestigt waren, während die Drähte in einem gegenseitigen Abstand von 
100 em standen und in je 50cm Abstand eine Metallspitze trugen. Das 
Netz stand wieder in Verbindung mit dem positiven Pol einer vier- 
scheibigen Influenzmaschine, der negative Pol derselben mit einer kleinen, 
in den Boden eingelassenen Zinkplatte. Die Maschine war untertags acht 
Stunden in Tätigkeit. Die Ernte des elektrischen Feldes übertraf die der 
nicht elektrisierten (Gerste) um 35°5t/,. Es seien einige Zahlen Lemströms 
angeführt, welche gleichzeitig beweisen, daß die Resultate durchaus nicht 
für alle Pflanzen gleich günstig sind und daß mitunter auch negative 
Werte resultieren. Im allgemeinen sind im Wachstum und Ernteergebnis 
gefördert, und zwar qualitativ und quantitativ und in bezug auf die Rasch- 
heit der Entwicklung (Erdbeeren gelangen in 24 statt in 56 Tagen zur 
Reife) die Zerealien, Wurzelgewächse, wie Rübe, Kartoffel ete, manche 
Leguminosen, Erdbeeren, Laucharten, während in der Entwicklung unbe- 
einflußt gelassen oder gehemmt werden Erbse, Karotte, Weißkohl, Kohl- 
rübe, weiße Rübe, Tabak. Namentlich die Getreidearten zeigen in mittleren 
Boden unter dem Einflusse der Elektrizität einen Vorteil von 40°/, gegen- 
über den unbehandelten in erstklassigen Böden, aber auch ein Überwiegen 
von 75°/, ist keine Seltenheit. 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums ete. 149 


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WeiserhüDe. - . . 91 4.356 163 7.459 + 2:58 


Für exakte Laboratoriumsversuche eignet sich etwa folgende Elektro- 
kulturanlage (Gassner): Die den hochgespannten Strom, mit dem die 
- Pflanzen bestrahlt werden, erzeugende Influenzmaschine befindet sich in 
einem staubdichten Glaskasten!) und wird durch einen kleinen Elektro- 
motor mit konstanter Geschwindigkeit getrieben. Der eine Pol der In- 
fluenzmaschine ist mit den Versuchspflanzen, resp. mit der Erde, in der 
sie wurzeln, der andere mit dem über denselben an Glasröhren isoliert 
aufgehängten Drahtnetz verbunden, das nach unten gerichtete Spitzen 
zeist. Wie man sich durch Hineinhalten der Hand in die zwischen den 
Pflanzen und den Spitzen befindliche Luft überzeugen kann, findet ein 
ständiger Elektrizitätsaustausch zwischen Drahtspitzen und Pflanzen statt. 
Für Versuche im großen eignen sich Influenzmaschinen nicht, weil sie 
gegen äußere Einflüsse, namentlich Staub, sehr empfindlich sind und zu 
funktionieren aufhören. Für solche Zwecke bedient man sich des gewöhn- 
lichen Wechselstroms. Dieser wird durch Transformatoren zur gewünschten 
Spannung umgewandelt und der so erhaltene hochgespannte Wechselstrom 
mittelst sogenannter Gleichrichter in hochgespannten Gleichstrom umge- 
- formt, so kann man hochgespannte Gleichströme ununterbrochen erzeugen. 
Oder man kann die atmosphärische Elektrizität auswerten, indem man 
- durch Ballons oder Drachen nach dem Vorgange von Höstermann-Dahlem 
und eines von den Ballons zur Erde gehenden Leitungsdrahtes hochge- 
spannten Strom aus den oberen Luftschichten herunterholt. Gassner ging 
in der Weise vor, daß er die zu behandelnden Samen in Blumentöpfen 
- mit gut gemischter Gartenerde möglichst gleichmäßig auslegte und kurz 
vor dem Auflaufen der Pflanzen mit der elektrischen Behandlung begann. 
- Hierzu wurden die Töpfe in einzelne durch Glasplatten oder Pappe ge- 
bildete Zellen gestellt und mit der Erde leitend verbunden. In verschiedenen 
Abständen (83—60 cm) hingen über den Töpfen an Glasstäben isolierte 

Nadeln mit der Spitze nach unten; da je nach der Form der Spitze die 


!) L. Lemström, Experience sur l’influence d’eleetrieitd sur les vögetaux. Helsing- 
fors 1890. — Derselbe, Elektrokultur (übersetzt von O. Pringsheim). Berlin 1902. 


150 Viktor Grafe. 


in die Luft ausströmende Elektrizität eine verschiedene ist, wurden die 
sehr gleichmäßigen Grammophonnadeln für diesen Zweck verwendet. Der 
eine Pol der betreibenden Influenzmaschine wurde mit der Erde, der 
andere mit den über den Pflanzen aufgehängten Nadeln verbunden. Die 
elektrische Behandlung (14 Stunden täglich) ließ bei Pisum sativum und 
Helianthus annuus nach 14 Tagen keinen Unterschied mit der Kontrolle 
wahrnehmen, dagegen trat bei Gerste eine sichtliche Förderung ein, was 
sich zunächst im früheren Durchstoßen des ersten Laubblattes durch das 
Keimblatt zeigte. Die Wachstumsförderung hält auch später an und be- 
ruht nicht nur in einer Steigerung der Assimilationstätigkeit der Pflanze, 
denn sie zeigt sich auch im Dunkeln. Gassner stellte fest, daß in den 
elektrisierten Töpfen bedeutend mehr Wasser verdunstet wurde, rund das 
Sechsfache als in den Kontrollgefäßen; die Transpiration ist bedeutend 
höher, und zwar auch rein physikalisch dadurch, daß während der Elektri- 
sierung ständig ein intensiver Luftstrom unmittelbar an der Oberfläche 
der Pflanzen vorhanden ist. Eine Steigerung der Transpiration bewirkt 
aber naturgemäß ein schnelleres Aufsaugen der Nährsalze und wirkt. so- 
mit als Reiz auf die Wachstumsintensität wie überhaupt auf die physio- 
logischen Prozesse in der Keimpflanze. Lemström gibt übrigens auch den 
Rat, während der heißen Mittagsstunde, die elektrische Behandlung zu 
unterlassen, weil sie dann!) schädlich wirkt (der doppelte Wasserverlust 
durch starke Besonnung und elektrischen „Wind“ muß zu Schädigungen 
der Pflanze führen) und teilt mit, daß starke Erntesteigerungen durch 
elektrische Behandlung sich nie bei gleichzeitiger ausgiebiger Bewässerung 
erzielen lassen. 

Wenn man einen elektrischen Strom dureh den Boden leiten und 
auf diese Weise die Pflanzen beeinflussen will, kann man in den Boden 
Metall oder Kohleelektroden einsenken, so daß die zu behandelnde Pflanze 
zwischen die beiden Platten zu liegen kommt: die in den Boden gesteckten 
Elektroden können auch gleichzeitig zur Stromerzeugung benützt werden, 
wenn man einerseits eine Zink-, andrerseits eine Kupferplatte wählt und 
diese durch einen gegen den Boden isolierten Draht oberirdisch verbindet. 
Der Stromkreis des Kupferzinkpaares wird durch den Draht geschlossen 
und ein schwacher Strom durchfließt den Boden, welcher aber allerdings 
so schwach ist, daß er kaum nachgewiesen werden kann; Pflanzen zeigen 
sich auch durch solche Ströme nicht im geringsten beeinflußt. Sehr an- 
sehnliche Ströme erzeugt man aber, wenn die Platten nur zur Einführung 
des Stromes, welcher von einer Dynamomaschine erzeugt wird, im den 
Boden dienen oder wenn man die Platten einfach mit der Lichtleitung 
verbindet. Je näher die Elektroden gesteckt werden, je höher die Span- 
nung ist, desto stärker ist der Strom; gewöhnlich beobachtet man dann, 
daß sich die Wurzeln dem positiven Pol zu krümmen, weil die dem posi- 


1) G@. Gassner, Zur Frage der Elektrokultur. Ber. d. Deutschen bot. Ges. Bd. 25. 
S.26 (1907). 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums ete. 151 


tiven Pol, der Eintrittsstelle des Stromes zugewendete Wurzelhälfte ge- 
schädigt wird, während die dem negativen Pol zugewendete zunächst 
- weiterwächst und normal bleibt. Sehr wichtig für elektrische Keimungs- 
versuche ist nach R. Löwenherz die Lage der in den Kulturtöpfen be- 
findlichen Körner zum Strom. Liegen die Körner rechtwinklig zur Strom- 
richtung, dann pflegt häufig auch bei Verwendung starker Gleichströme 
eine schädigende Wirkung auszubleiben, während im Falle die Samen in 
der Stromrichtung liegen, also der Länge nach vom Strom durchflossen 
werden, gewöhnlich ein Auflaufen überhaupt unterbleibt. Man kann aber 
auch in diesem Falle die schädigende Wirkung aufheben, wenn man nicht 
Gleichstrom verwendet, sondern die Richtung des elektrischen Stromes 
zweimal in der Minute umkehrt, während ein Wechsel der Richtung 2 bis 
3mal innerhalb 24 Stunden nicht genügt. In den Fällen, wo nicht die Licht- 
leitung zur Verfügung stand, verwendete Löwenherz zwei hintereinander 
geschaltete Tauchbatterien von je 5 Chromsäureelementen und geringem 
inneren Widerstand. Die beiden Batterien wurden hintereinander geschaltet, 
wodurch eine Batterie von 10 Elementen mit einer Klemmenspannung von 
durchschnittlich 15 Volt erhalten wurde; in die Gläser der Elemente wur- 
den zunächst nur etwa 100 cm® der Chromlösung getan und, wenn die 
Klemmenspannung anfing abzunehmen, von Zeit zu Zeit neue Chromsäure 
aufgefüllt. Waren die Gläser voll, so wurde mit der Pipette etwas von der 
alten Lösung weggenommen und durch neue Chromsäurelösung ersetzt. 
Es genügte zweimal täglich je 50 cm® Lösung durch neue zu ersetzen, um 
die Klemmenspannung der Batterie auf 15 Volt zu erhalten. Nach dem 
Begießen der Kulturen steigt die Stremstärke bedeutend), ja sie kann 
gegenüber der bei trockener Erde erzielten den doppelten Wert erreichen. 
Versuchspflanze war Gerste, die Töpfe waren 22 cm hoch und hatten 
oben einen inneren Durchmesser von 23cm, als Elektroden wurden ein 
paar Kohlenplatten in den Topf hineingesteckt, in den Klemmschrauben 
derselben war ein Stück blanken Kupferdrahtes festgeschraubt, das mit 
den Leitungsdrähten befestigt war. Obzwar die Stromstärke pro Topf im 
Maximum nur ungefähr 0'015 Ampere betrug, wurde doch, wenn die 
Samen, die vom Strom durchflossen waren, in der Stromrichtung lagen. 
das Auflaufen der Samen verhindert oder erschienen wenigstens die zur 
Entwicklung gelangten Keimlinge geschädigt. Die Kohlenplatten waren 
13 cm lang und steckten ca. 6cm tief in der Erde, die wirksame Elek- 
trodenfläche war also 13mal 6—= 78cm? groß; bei der Stromstärke von 
0015 Ampere pro Topf ist die Stromdichte höchstens 00002 Ampere pro 
Quadratzentimeter in der Nähe der Elektroden, in der Mitte des Topfes 
noch etwas geringer: ein Strom von weniger als 00002 Ampere verhindert 
also mehr minder das Wachstum der Gerste. Den Befund von Löwenherz, 
daß Wechselstrom genügender Intensität wachstumsfördernde Wirkung aus- 


2) R. Löwenherz, Versuche über Elektrokultur. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. Bd.15. 
S. 137 (1905). 


En 


152 Viktor Grafe. 
übt, konnte Gassner nicht bestätigen und weist mit Recht darauf hin, 
daß man beim Durchleiten des Stromes durch die Erde auch dessen 
Wärmewirkung beachten muß, denn die elektrisierten Töpfe erhitzen sich: 
bei größeren Stromstärken auf 10—20° über die Temperatur der nicht 
elektrisierten, es ist aber nicht auf die Rechnung einer günstigen Wir- 
kung des elektrischen Stromes zu setzen, wenn Gerste bei 25° schneller 
keimt als bei 10°. Ferner ist, wenigstens bei Verwendung von Metall- 
elektroden, nicht genügend darauf geachtet worden, daß diese von der 
feuchten Erde sehr rasch angegriffen werden und daß schon Spuren von 
Metallverbindungen äußerst schädlich auf das Wurzelwachstum wirken. 
Dagegen hebt Gassner eine indirekte günstige Wirkung des Stromes her- 
vor: Wechselströme wirken auf tierische Pflanzenschädlinge des Bodens, 
z. B. Engerlinge, tötend ein, während sie für die Pflanze indifferent. 
sind. Es gelingt also die Engerlinge zu töten, ohne die Pflanze zu 
schädigen. 

Den Einfluß eines schwachen galvanischen Stromes auf das Wachs- 
tum studierte auch M. Thouvenin. Er nahın junge Flachskeimlinge, die, 
in Töpfe versetzt, sich alsbald in ihrem oberen Teil nach abwärts neigten 
und welkten. Das äußerste Ende des Stengels von zwei solchen Pflanzen 


wurde mittelst einer Kupferklemme an den Faden eines Zeigerauxanometers- 


befestigt, das Gewicht, welches den Faden spannte, hielt gleichzeitig 
den Pflanzenstengel aufrecht. Der Faden des einen Auxanometers bestand 
in einem geschmeidigen Leitdraht, welcher mit seinem freien Ende an dem 
einen Pole einer elektrischen Batterie befestigt war. Eine blanke Kupfer- 
platte wurde in Verbindung mit dem anderen Pole der Batterie, an dem 
der Pflanze mit dem Leitungsdraht entgegengesetzten Ende in die Erde- 
gestoßen und ermöglichte so, die Pflanze , sobald der Strom geschlossen 
war, dem Einflusse eines kontinuierlichen elektrischen Stromes auszusetzen. 
Daneben befand sich eine Kontrollpflanze unter denselben Bedingungen, 
aber ohne Stromdurchgang. Es zeigte sich nun, daß jedesmal, wenn nach 
einigen Stunden der Faden am Ende des Stengels entfernt wurde, die 
elektrisierte Pflanze künftighin aufrecht blieb, während die nicht elek- 
trisierte sich bei Abnahme des spannenden Fadens sofort wieder krümmte 
und das Aussehen behielt wie vor dem Versuche. Während unter normalen 
Verhältnissen das Aufrichten junger Keimpflanzen in die Vertikale min- 
destens 8 Tage in Anspruch nimmt, brauchten die jungen Leinpflanzen, 
sobald der elektrische Strom durch sie hindurch gegangen war, dazu nur 
einige Stunden, selbst wenn nicht, wie das in der Regel notwendig ist, 
durch eine Glocke für Erhaltung des feuchten Raumes gesorgt war. Die 
Dauer des Versuches betrug 17 Stunden. Der Strom floß in der Richtung 


von der Wurzel zum Stamme, seine Stärke betrug zu Beginn 0'0008223- 


Mikroampere, bei Beendigung des Versuches 0'00421 Mikroampere. Das- 
selbe Resultat zeigte sich bei Keimpflanzen von Mercurialis musa, Euphorbia 
Peplus, dagegen versagte Senecio vulgaris; bei den letzteren war schon 
nach 3 Stunden das günstige Ergebnis ersichtlich ; bei Mercurialis annua 


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> @ 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums ete. 153 


mußte der Strom in der Richtung gegen die Wurzel geleitet werden, um 
günstig zu wirken, während elektrisierte Pflanze und Kontrollpflanze keinen 
Unterschied zeigten, wenn der Strom in entgegengesetzter Richtung ging. 
Natürlich ergab sich auch hier die Frage, ob die Transpiration vielleicht 
unter dem Einflusse des Stromes verändert sei. Wurden nun aber zwei 
Pflanzen oder Blätter für sich gewogen, dann die eine (A) elektrisiert, die 
andere (B) nicht, dann nach einer Stunde gewogen, worauf B elektrisiert 
wurde und A als Kontrollexemplar verblieb, so zeigte sich, daß die strom- 
durchflossene Pflanze stets mehr Wasser verloren hatte. Der Autor schließt 
nun aus diesem Ergebnis, dab durch schwache galvanische Ströme die 
Endosmose vom Wasser gesteigert werde. so daß trotz vermehrter Tran- 
spiration noch ein Überschuß von Wasser im Gewebe dessen Turgor ver- 
mehrt, denn das Eindringen des Wassers findet in erhöhtem Maße statt 
(vielleicht durch gleichzeitige Reizwirkung des Stromes auf die wasserauf- 
nehmenden Zellen), als die durch Permeabilitätserhöhung durch den Strom 
gleichfalls vermehrte Wasserabgabe. Wenn man in Betracht zieht, daß der 
galvanische Strom auch die Kohlensäureassimilation erhöht, so kann man 
sagen, dal alle Stoffwechselprozesse, zumindestens die ernährungsphysio- 
logischen, durch den elektrischen Strom gesteigert werden, worauf das so 
vielfach konstatierte bessere Gedeihen und die Trockengewichtszunahme 
elektrisierter Pflanzen bezogen werden kann.!) 


Treiben und Wachstumsförderung. 


Wenn auch bekanntlich manche Gewächse, wie Stellaria media, 
ununterbrochen vegetieren und der Samen, kaum der Frucht entfallen, 
sofort wieder keimt, und nur die Ungunst der äußeren Verhältnisse den 
Vegetationsprozeß zurückhält, stellen die meisten Pflanzen, z. B. die Holz- 
gewächse unseres Klimas, gegen den Herbst zu ihr Wachstum ein, die 
Blätter der Laubbäume werden abgeworfen und die Pflanzen machen eine 
sogenannte „Ruheperiode“ durch, d.h. eine Zeit, in welcher sie meistens 
auch bei Versetzen in die günstigsten Vegetationsbedingungen nicht ohne 
weiters zum Weitervegetieren zu bewegen sind. Erst bis die Ruheperiode 
abgeklungen hat, tritt wieder unter normalen Außenbedingungen Weiter- 
entwicklung ein. So treiben Zweige der Linde, welche Anfang Oktober, 
unmittelbar nach dem herbstlichen Laubfall abgeschnitten wurden und im 
Warmhaus in ein Glas Wasser gestellt werden, selbst zu Beginn des März 
noch nicht aus, die Knospen desselben Zweiges treiben aber auch bei viel 
niedrigerer Temperatur als sie das Warmhaus bietet, sobald die Ruhe- 
periode beendigt ist. Eine solche Ruheperiode, welche nicht nur bei ober- 
irdischen Pflanzenteilen, sondern auch bei Zwiebeln, Knollen, Samen zu 
beobachten ist, kann nicht als Ruhe im eigentlichen Sinne des Wortes be- 


!) M. Thouvenin, De l’influence des courants galvaniques faibles sur ’endosmose 
chez les vegetaux. Revue gen. de botan. T. 19. p. 317 (1907); T. 8. p. 433 (1896) und 
@G. Pollaeci, Atti Istituto bot. dell’ universitä di Pavia. Vol. 11 (1905). 


154 Viktor Grafe. 


zeichnet werden, wir müssen uns vielmehr vorstellen, daß unterdes tief- 
gehende chemische Veränderungen in der Pflanze sich vollziehen, aus 
deren Resultat sich ein Zustand ergibt, aus dem heraus erst die Mobili- 
sierung geeigneter Baustoffe einerseits und die Möglichkeit der Anlage 
neuer Teile andrerseits mit Hilfe dieser Stoffe gegeben ist. Es sei hier be- 
merkt, daß man die Erfolge des Frühtreibens meistens einseitig auf die 
Mobilisierung des Stoffes, etwa durch Aktivierung glukolytischer oder 
peptolytischer Enzyme zurückführt, also auf die Zufuhr von Aktionswasser 
oder höhere Temperatur oder Reize durch Abkühlung, durch Gift ete., 
während man den Umstand zu wenig berücksichtigt, dab zur Anlage 
neuer Teile auch die zweckentsprechende Verwendung der mobilisierten 
Stoffe notwendig ist. Das Sistieren der Vegetation bei Eintritt der kalten 
Jahreszeit und das „Wiedererwachen“ im Frühling wiederholt sich in 
unseren Klimaten regelmäßig an den betreffenden Pflanzen und erscheint 
uns als Vegetationsrhythmus, die Ruhezeit ist aber nicht notwendig auf 
den Winter beschränkt. sondern kann auch beı vielen Knollen- und 
Zwiebelgewächsen im Sommer eintreten und der Vegetationsrhythmus fällt 
namentlich bei den Pflanzen tropischer Gegenden mit dem Wechsel der 
Trocken- und Regenperioden zusammen. Die Ruheperiode der unterirdischen 
Pflanzenteile, um zunächst von diesen zu sprechen, kann verschiedene 
Dauer aufweisen. So keimen manche Kartoffelsorten, wenn sie im Herbst 
aus der Erde genommen und ins Treibhaus gebracht werden, nicht, 
sondern erst im Februar, die Samen der Mistel keimen von selbst im 
Herbst und in den Wintermonaten nicht, wohl aber leicht im April, die 
Samen der Esche keimen in dem Jahre, in welchem sie entstanden sind 
und in dem darauffolgenden überhaupt nicht. sondern im erst zweitnächsten 
Jahre. Die Ruheperiode ist in allen diesen Fällen so fest, dal) sie durch 
Schaffung günstiger Wachstumsbedingungen, wie sie im Warmhaus ge- 
geben sind, nicht überwunden werden kann. Diese Art von Ruheperiode 
nennt Molisch die freiwillige. Eine andere Art der Ruhe ist eine auf- 
gezwungene, wenn nämlich die Pflanzen durch ungünstige Wachstumsver- 
hältnisse, z. B. durch Kälte, in der Entwicklung zurückgehalten werden, 
wenn man beispielsweise Maielöckchenkeimlinge im Winter in einen Kühl- 
raum bringt und sie hier bis zum nächsten Herbst beläßt: sie treiben 
nicht, obwohl das unter normalen Verhältnissen im Frühling geschehen 
wäre. Diese von außen aufgezwungene Ruhe ist eine unfreiwillige. Die 
Ruheperiode der Kätzchen der Haselnuß oder der Blütenknospen von 
Forsythia klingt schon Ende Dezember aus. Wenn diese Pflanzen trotzdem 
sich nach Neujahr im Freien noch nicht entwickeln, so trägt die niedere 
Außentemperatur daran schuld. Die Ruhe der Pflanzen zeigt ferner zu 
verschiedenen Zeiten verschiedene Grade der Tiefe. Johannsen unterscheidet 
drei Phasen der Ruheperiode, nämlich Vorruhe, Mittelruhe und Nachruhe. 
Nach ihm ist „die ganze Periode der Ausdruck einer Schwingung: ab- 
nehmende Austreibfähigkeit — gänzliche Ruhe — zunehmende Austreib- 
fähigkeit“. Beim Flieder z. B. sind die Winterknospen von ihrer ersten 


r 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums etc. 155 


Anlage bis etwa zum Hochsommer gewissermaßen in Vorruhe, dann folgt 
bis etwa Ende Oktober die Mittelruhe und schließlich die Nachruhe, aus 
welcher die Knospen Ende Dezember oder anfangs Januar heraustreten, 
um von da an nur mehr „unfreiwillig“ durch Kälte an der Entwicklung 
gehindert zu werden. Während bei manchen Zweigen, wie bei Syringa. 
Forsythia, das Ausklingen der Ruhe sehr bald eintritt, stellt sich dieser 
Zeitpunkt bei der Linde und Rotbuche relativ spät ein, ja die Ruheperiode 
kann bei verschiedenen Knospen eines und desselben Zweiges zu ver- 
schiedenen Zeiten abklingen, so die der männlichen Haselnußkätzchen 
schon im November, der weiblichen etwas später und der Laubknospen 
erst im März. 

Man kann nun durch verschiedene Mittel die Ruheperiode abkürzen. 
Bei vielen Holzgewächsen können die jungen, noch gar nicht fertig aus- 
gebildeten Knospen zum vorzeitigen Austreiben veranlaßt werden, wenn 
man ihre Sprosse: entblättert. Molisch hat solche systematische Entblätte- 
rungsversuche mit Zweigen von Flieder und Hainbuche angestellt. Von 
Ende bis Anfang Juli treiben vollends entlaubte Exemplare wieder aus 
und belauben sich reichlich, wenn auch mit kleineren Blättern, vom halben 
Juli an aber unterbleibt das Treiben fast ganz, vom 1. August völlig. 
Werden nur einzelne, 20-100 cm lange Äste entblättert, während die 
übrige Hauptmenge der Äste belaubt bleibt, so findet, wenn die Ent- 
laubung Ende Mai durchgeführt wird, ein Wiederaustreiben der inzwischen 
schon angelegten Winterknospen statt; das Austreiben erfolgt langsamer 
als bei total entlaubten Exemplaren, aber schon eine teilweise Entblätte- 
rung um Mitte Juni bewirkt kein oder fast kein Austreiben mehr. 

Abkürzend auf die Ruheperiode wirkt ferner niedrige Temperatur. 
Kartoffelknollen, die von Müller-Thurgau unmittelbar nach der Ernte in 
den Eiskeller gebracht wurden und hier 14 Tage bei einer Temperatur 
knapp über Null lagerten, sind imstande, sofort auszutreiben, die Zweige 
verschiedener Pflanzen, die von Howard 7—21 Tage einer Temperatur 
von 6— 8° ausgesetzt waren, fingen früher zu treiben an, als die Kontroll- 
zweige; dagegen wirkt nach Molisch ein täglich erfolgender Wechsel 
zwischen Wärme und Kälte selbst durch mehrere Monate fortgesetzt auf 
das Austreiben ruhender Knospen nicht nur nicht begünstigend,, sondern 
häufig schädlich ein. Nach Johannsen werden Sträucher oder Zweige während 
der Ruheperiode der Einwirkung von Ätherdampf ausgesetzt. Als Ätherisie- 
rungsraum dienen luftdicht verschlossene Glas- oder Metallgefäbe (Fig. 43 a). 
Burgerstein verwendet Glaszylinder von 28 dm® Rauminhalt zu Treibver- 
suchen. Zur Deckung dient dann eine am Rande abgeschliffene und hier 
mit Talg bestrichene Scheibe aus dickem Glase, die fest angeprelt wird: 
außerdem wurde über dem Glasdeckel ein Wachstuch in doppelter Lage 
gebunden und auf dieses zum Beschweren ein Gewicht gelegt. Für Ver- 
suche in erößerem Maßstab empfehlen sich große, festgefügte Holzplatten, 
deren Innenwände mit Blech, Stanniol ausgekleidet oder mit Chromleim 
glasiert sind; auch ein Wasserglasinnenanstrich ist zweckmäßig. In eine 


156 Viktor Grafe. 


Seitenwand des Kastens ist eine Türe eingeschnitten (Fig. 435), die heraus- 
geschnittene Holzplatte ruht auf einem Falz, der gut eingedichtet ist und 
wird nach dem Einsetzen des Objektes in den Kasten durch Flügel- 
schrauben möglichst luftdicht angepreßt. Man kann in die Öffnung auch 
eine Glasscheibe einkitten, damit die Versuche bei gleichzeitiger Belich- 
tung ausgeführt werden können. 

J. Aymard (Montpellier) hat für an der Oberseite zu schließende Ätheri- 
sierungskasten einen Sandverschluß empfohlen (Fig. 44). In der Mitte der 
oberen Kastenwand ist ein Loch angebracht, unter dem im Innern des 


Fig. 43 a. Fig.43b. 


Abhebbarer Deckel des Johannsenschen 
Ätherisierungsgefäßes. 


77) en 


Fig. 43c. 


Ätherisierungskasten nach Johannen und dessen ce 1R5em rn 
Dimensionen. Die Erde der Blumentöpfe, resp. 
die Wurzelballen sind dicht mit Sand bedeckt. 
damit die Ätherdämpfe nur die oberirdischen 
Organe beeinflussen. Der Äther wird durch denin 
den Deckel eingelassenen Trichter in ein unter- 
halb des Deckels hängendes Gefäß eingefüllt. 


0cın 


Kastens das zur Aufnahme des Äthers 
bestimmte Gefäß hängt. (Die Manipu- 


lation mit Äther darf wegen der Ex- BEE 
plosionsgefahr natürlich niemals in der sum 

Ze Eu a Dimensionen der Johannsenschen 
Nähe einer Flamme vorgenommen wer- ee 


den.) Da der Ätherdampf infolge seines 

größeren spezifischen Gewichtes nach unten sinkt. muß das Äthergefäß 
stets im oberen Teil des Kastens angebracht sein. Das Loch im Kasten- 
deckel ist mit einem Stöpsel verschließbar, in die Ätherschale wird ein 
Stück Watte oder Tuch gelegt, welche die Verdunstung des Äthers be- 
schleunigen sollen. Nachdem alle Öffnungen des Kastens gut verschlossen, 
eventuell mit Gips verschmiert sind, wird durch das obere Loch mittelst 
eines Trichters der Äther eingegossen und das Loch dann verstöpselt. Die 
Einwirkung des Äthers soll möglichst nur auf die oberirdischen Teile statt- 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums ete. 157 


finden, deshalb werden die dicht nebeneinander gestellten Töpfe ganz oder 
mindestens bis zur halben Höhe mit trockenem Sande bedeckt: abgesehen 
davon, daß der Sand die Wurzeln schützt. verstärkt er noch die Dichtig- 
keit des Kastens und absorbiert den Ätherüberschuß; er muß aber ganz 
trocken sein, weil sonst zuviel Äther eingesaugt wird. Beim Ätherisieren 
von Pflanzen aus Freiland werden die Wurzeln mit Erdballen ganz mit 
Sand zugedeckt; die Erdballen müssen wohl feucht, aber nicht zu nab 
sein. Die Zweige können, wenn sie für den Kasten zu hoch sind, auch ge- 
beugt, doch dürfen die Knospen nicht angestoßen werden. Die Äste der 
Topfpflanze können auch zusammengebunden sein, um die Knospen beim 
späteren Herausnehmen aus dem Kasten zu schützen. Die Erde der Töpfe 
darf nicht zu kalt sein, die Töpfe müssen also vor dem Ätherisieren einen 
Tag in einem warmen Raum gestanden haben. Der Einfluß des Äther- 
dampfes ist um so gewaltsamer, je höher die Temperatur gehalten wird. 
Eine Ätherdosis, welche in 24 Stunden bei 0°C fast keine Wirkung aus- 
übt, kann in derselben Zeit bei 30°C die Pflanze ernstlich schädigen, die 
Temperaturintervalle beim Ätherisieren liegen zwischen 14—21°C. am 


Sandverschluß des Ätherisirrungskastens nach Aymard. 


besten wirkt eine Mitteltemperatur von 17—19°C, bei 25—50°C wirkt 
eine kleinere Äthermenge vorteilhaft. Die Dauer der Ätherisierung und 
die Menge des Narkotikums hängt von der Pflanzenart oder Sorte, von 
der Phase der Ruheperiode, in welcher das Treiben vorgenommen wird 
und von der Temperatur ab. Gegen Ende der Ruheperioden zu sind die 
Pflanzen auch gegen kleine Ätherdosen viel empfindlicher als vorher. Die 
Ätherdosis') wird am besten nach dem inneren Raum des Kastens be- 
rechnet; wenn Sand benützt wird, muß man die halbe Höhe der Sand- 
und Erdschicht (respektive der Sand- und Topfschicht) in Abzug bringen. 
Wenn also diese Schichte z. B. 14 cm hoch ist, werden von der inneren 
Höhe des Kastens 7 cm abgezogen. bevor man den Raum berechnet. Die 
Dosen variieren dann zwischen 30—45 g flüssigen Äthers für einen Hekto- 
liter Luftraum; die Anzahl der Gramme mit 1'4 multipliziert ergibt die 
Anzahl der zu verwendenden Kubikzentimeter. Stehen die zu ätherisieren- 


) A. Burgerstein, Über die Wirkung anästhesierender Substanzen auf einige 
Lebenserscheinungen der Pflanzen. Verhandl. d. Zool.-Bot. Gesellsch. Wien. Bd. 56 (1906): 
so auch das Referat dieses Forschers „Fortschritt in der Technik des Treibens der 
Pflanzen“ im Progressus rei botanicae. Bd. 4 (1911). 


158 Viktor Grafe. 


den Zweige in Wasser, so ist die große Absorptionsfähigkeit des Wassers 
gegenüber dem Äther zu berücksichtigen. Das Wasser enthält pro Liter 
etwa 22mal soviel Äther gelöst, als in der Luft pro Liter verdunstet ist. 
Will man also z.B. ein 10 ! fassendes Zylinderglas als Ätherisierungsgefäß 
benützen, so verwendet man 49 Äther, also 04 g pro Liter Luft für 
trocken zu ätherisierende Zweige. Soll aber Wasser dazu kommen, so 
muß die Menge Wassers abgemessen und berücksichtigt werden, daß dem 
Wasser die 22fache Äthermenge zuzusetzen ist, damit das Äthergleichge- 
wicht Luft-Wasser hergestellt sei. Dem Wasser (es sei ein Liter verwendet) 
wird also vorher 22mal 04 —= 8'8 g Äther zugesetzt, das Wasser mit dem 
Äther gut durchgeschüttelt und dann noch überdies für die übrigen 9 I 
Luftraum des Gefäßes 9mal 04 = 3°6 g flüssigen Äthers genommen, die 
auf ein Schwämmehen aufgetropft, im Luftraum aufgehängt werden. Bei 
Zimmertemperatur bedarf im gut geschlossenen Kasten pro 100 7 Luft- 
raum Syringa im allgemeinen 35—40 g, Azalea mollis desgleichen, Vibur- 
num Opulus 38—42 9, Tulpen (diese dürfen erst nach Beendigung der 
Wurzelentwicklung ätherisiertt werden) 20—25 g Äther. Immergrüne 
Sträucher verlieren beim Ätherisieren ihre Blätter. Nach dem Heraus- 
nehmen aus dem Ätherkasten müssen die Pflanzen gut begossen und be- 
spritzt und sofort in einem warmen Raum zum Treiben gebracht werden; 
ein zu langer Intervall zwischen Ätherisieren und Treiben kann bewirken, 
daß der durch den Äther bedingte Reizprozeß wieder abklingt. Indessen 
kann gute Ätherisierung mitunter eine Nachwirkung von einem Monat 
haben, indem in der Nachruhe narkotisierte Sträucher einen Monat treib- 
fähig bleiben. In der Mittelruhe ist das Treiben selbst bei Anwendung der 
stärksten Ätherdosen resultatlos. Um die Verwendung von Wasser zu ver- 
meiden, die Zweige aber doch feucht zu erhalten, kann man nach Burger- 
stein die frisch abgeschnittenen Zweige in kleine Bündel binden, das Schnitt- 
flächenende des Bündels mit feuchtem Moos umhüllen, dieses in Wachs- 
leinwand einschlagen, dann verbinden und so ins Ätherisiergefäß stellen. 
Durchschnittlich läßt man den Ätherdampf 48 Stunden einwirken, im An- 
fang der Nachruhe und in der Vorruhe läßt man 72 Stunden, am Ende 
der Ruheperiode 24—-30 Stunden einwirken; bisweilen kann man zwei- 
malige je 48stündige Ätherisierung mit 48stündiger Unterbrechung an- 
wenden; doch wirkt dieses Verfahren nur bei manchen, wie Platanus 
orientalis und Staphylea innata (nach Howard), günstig, bei anderen, wie 
Acer campestre, Tilia grandifolia u. a., ungünstig. Ein 100—140 Stunden 
dauernder Aufenthalt in der Ätheratmosphäre schädigt die meisten Pflanzen 
empfindlich, ein 5—6tägiger ausnahmslos. Gewöhnlich fällt bei ätherisieren- 
den Pflanzen die Farbe der Blüten schwächer aus. Die Ätherwirkung ist 
eine lokale, so daß man einzelne Zweige der Pflanze, die man vom Äthe- 
risiertwerden ausschloß, am Frühtreiben verhindern kann, die Knospenent- 
wicklung der Pflanze wird dann höchst ungleich ausfallen. Beim Treiben 
von Zwiebeln erzielte Aymard sehr gute Erfolge mit einem Gemisch von 
20 y Äther und 5 g Chloroform pro 100 ! Luft, wie überhaupt Chloroform 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums ete. 159 


dem Äther analog, nur viel stärker wirkt, so dab 6—9 g Chloroform für 
eine 48stündige Chloroformierung in Betracht kommen, d. i. 4—6 em3. Die 
Zwiebeln werden in Töpfe gesetzt und in frostfreiem Grunde belassen bis 
sie angewurzelt sind und Triebe von 15—20 cm Länge gebildet haben und 
dann erst in den Ätherisierungsraum überführt. 

Ein weiteres Treibverfahren besteht in der Verwendung des Warm- 
bades, welches in russischen und deutschen Gärtnereien schon längere Zeit 
mit Erfolg verwendet wird!); die wissenschaftliche Analyse des Verfahrens 
verdanken wir Z. Molisch (Fig. 45). Frisch abgeschnittene Zweige der Haselnuß 
und Forsythia suspensa wurden in Wasser von 30° C untergetaucht und hier 
9—-12 Stunden belassen. Nach Ablauf dieser Zeit werden sie aus dem 
Bade herausgenommen, mit ihrer Basis in mit Wasser gefüllte Gläser ge- 


Fig. 45. 


u 


Er 


{ 


ÜRRÜRELEN 


SIDE 


FAÄUHUELUNLLLCLLRRTLLFCLTTERERTRERS 


Bassin des Warmwasserbades nach Molisch. A Daraufsicht des Bassins; r = Heizrohr, 
h= Wasserhahn; B= senkrechter Durchschnitt des mit Wasser gefüllten Bassins. Die 
Blumentöpfe sind auf Latten gestellt und mit Strohmatten bedeckt, die Pflanzen tauchen 
nur mit den oberirdischen Teilen in Wasser, Erde und Wurzeln ragen in den Luftraum. 


stellt und sodann im Warmhaus am Lichte bei einer Temperatur von 
15—16°C weiter kultiviert. Nach 8 Tagen zeigen sich die Kätzchen der 
gebadeten Zweige von 25cm auf 55—T cm verlängert und in voller Blüte, 
während die nicht gebadeten Kontrollexemplare unverändert sind; auch 
die Forsythiazweige stehen nach 11 Tagen in voller Blüte, während sich die 
ungebadeten erst 14 Tage später öffnen. Dieses Verfahren gelingt bei den 
meisten Holzgewächsen, doch verhalten sich nicht alle gleich, manche wer- 
den durch das Warmbad schnell und ausgiebig, andere mäßig und noch 
andere, wie Linde und Rotbuche, gar nicht oder erst gegen Ende der Ruhe- 
periode beeinflußt. Der Erfolg hängt aber auch von der Dauer und Tem- 
peratur des Bades und der Tiefe der Ruhe ab; am besten wirkt ein 
9—12stündiges Bad, im Herbst und zu Beginn des Winters muß man 


!) H. Molisch, Das Warmbad als Mittel zum Treiben der Pflanzen. Jena 1909. 


160 Viktor Grafe. 


länger baden als im Winter oder gar gegen Ausklingen der Ruhe, so ge- 
nügen im Winter bei Corylus schon 6 oder nur 5 Stunden und endlich 
kann das Bad sogar hemmend wirken. Dasselbe gilt für die Temperatur 
des Bades, die noch wirksame Minimaltemperatur ist 25°C, die Maximal- 
grenze 40°C. Auch hier ist der Einfluß ein ganz lokaler. Zur Durchfüh- 
rung des Warmbades benützt man am besten zementierte durch Dampf- 
röhren heizbare Behälter, in welche, nachdem sie auf die gewünschte 
Temperatur gebracht sind, die zu treibenden Topfpflanzen, nachdem sie 
genügend begossen wurden, so hineingehängt werden, daß die Krone ganz unter 
Wasser taucht und der Blumentopf mit den Wurzelballen in die Luft ragt. 
Zur Konstanterhaltung der Temperatur wird der Behäkter mit schlechten 
Wärmeleitern umgeben. Die Wurzeln dürfen nicht mituntergetaucht wer- 
den, weil sie in der Regel viel empfindlicher gegen höhere Temperaturen 
sind als die resistenten oberirdischen Teile. Nach dem Bade kann man 
die Pflanzen sofort ins Warmhaus zum Treiben aufstellen, aber auch hier 
pflegt die Reizwirkung des Bades mehrere Wochen latent erhalten zu 
bleiben. Von großer Bedeutung ist die Vorkultur; so kann die Dauer des 
Bades bei Syringa um so kürzer, seine Temperatur um so niedriger sein, 
je länger die Pflanzen vorher in der Kälte verweilt hatten. In seinem 
Buche!) gibt Molisch die Resultate von Treibversuchen. Einen ähnlichen 
Erfolg gestattet auch die Verwendung von Wasserdämpfen zu erzielen, 
dagegen läßt sich das Warmbad in den meisten Fällen durch ein ent- 
sprechendes Luftbad nicht ersetzen, es ist also nicht die Wärme allein, sondern 
der Komplex von Umständen beim Warmbad: Erschwerung der Atmung 
unter Wasser, vielstündige Berührung mit dem warmen Wasser, Aufnahme 
von Wasser und dadurch hervorgerufene Quellung von Zellwänden und ge- 
wissen Zellinhaltsstoffen im Einvernehmen mit der höheren Temperatur, 
welche den Treiberfolg bewirken. 

Ein weiteres Mittel, die Pflanzen zu treiben, ist, sie vorher niederer 
Temperatur auszusetzen. Man beläßt die betreffenden Pflanzen durch eine 
Woche in einem Raume, dessen Temperatur zwischen 3—5° C schwankt. 
Einige Stunden vor dem Herausnehmen wird die Temperatur, um das 
Auftauen zu begünstigen, gesteigert. Solche gekühlte Ptlanzen lassen sich 
bei niedrigerer Temperatur und besser treiben als die nicht behandelten. 
Auch Kombinationen von Frost und Ätherisieren wurden mit Erfolg ver- 
sucht. Dagegen hat eine dreiwöchentliche Frostwirkung keinen günstigeren 
Effekt als eine einwöchentliche. Außer durch Frost kann man die Ruhe- 
periode auch durch langsames Austrocknen in einem warmen trockenen 
Raume abkürzen und die so behandelten Pflanzen oder ruhenden Organe 
zum schnelleren Austreiben veranlassen. 

Molisch studierte den Einfluß des Radiums auf das Frühtreiben von 
Pflanzen wie Winterknospen von Syringa. Aesculus Hippocotanum u.a. 
Es wurden dreierlei Radiumpräparate verwendet. ein solches enthielt 


FIRE. 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums ete. 161 


464 mg reines Radiumchlorid, ein anderes 295 mg. Diese beiden waren 
in Glasröhrchen eingeschlossen, so daß nur die %- und y-Strahlen zur Ein- 
wirkung gelangten, während das dritte Präparat in einem Lackscheibchen 
bestand, in dem das Radiumpräparat gleichmäßig ohne Glasbedeckung 
verteilt lag, so daß hier die x-Strahlen zur Wirkung kamen, welche einen 
Sättigungsstrom von 123°5 elektrostatischen Einheiten lieferten. Die Knospen 
der zusammengebundenen Zweige lagen in einer Ebene nebeneinander und 
‘ wurden dem Röhrchen direkt so aufgelegt, daß das Röhrchen in die 
Rinne zu liegen kam, welche durch die parallel stehenden Knospenpaare 
gebildet war. Nach der ca. 24 Stunden dauernden Bestrahlung wurden die 
Zweige direkt ins Warmhaus zum Austreiben im Lichte gebracht. Der Ein- 
fluß der Bestrahlung macht sich im Vorherbst nicht geltend, wohl aber zu 
einer Zeit, wo die Ruhe nicht mehr allzu fest ist; die Bestrahlung darf 
nicht zu kurz, aber auch nicht zu lang (nicht über 48 Stunden) dauern. 
Auch die Emanation hebt in einem gewissen Stadium der Ruhe (Dezember) 
die Wachstumshemmung auf und veranlaßt ein frühzeitiges Austreiben, 
doch hört ihr Einfluß auf, sowie die Ruheperiode ausklingt und kann in 
den entgegengesetzten umschlagen, das Wachstum also hemmen. 

Diese Förderung des Treibens durch Radiumpräparate und durch 
Emanation auf treibende Pflanzen ist um so merkwürdiger, als ebenso 
starke Präparate auf Keimpfilanzen gewöhnlich ganz anders wirken. 
Wiewohl Falta und Schwarz einen intensiv fördernden Einfluß auf das 
Wachstum von Haferkeimlingen beobachtet hatten, die täglich erneuerter 
Emanation von 31.000—270.000 Macheeinheiten ausgesetzt waren, konnte 
Molisch im Gegensatz zu diesen Autoren bei keiner Konzentration einen 
günstigen Einfluß auf Wachstum und Entwicklung weder bei Hafer noch 
bei anderen Pflanzen heobachten, vielmehr war bei allen Pflanzen eine 
Schädigung wahrzunehmen, die sich entweder unmittelbar nach der Be- 
strahlung oder kurze Zeit darnach durch gehemmtes Wachstum oder 
durch Absterben äußerte. Durch Emanation wird ferner das Abwerfen 
des Laubes in hohem Grade gefördert, selbst im Frühling, also zu einer 
Zeit, wo normalerweise vom Laubfall keine Rede ist; die Emanation wirkt 
hier wie Lichtabschluß oder Unterdrückung der Transpiration als Reiz 
auf die Anlage und die Ausbildung der Trennungsschichte, veranlaßt also 
ganz lokal Gewebe zum Wachstum.?) 

Von F. Weber stammt die Verletzungsmethode: Bei dieser ist 
die Tatsache, daß es sich beim Treiben um lokalisierte Wirkung handelt, 
bis ins Extrem verfolgt, denn da es nicht der Pflanzenorganismus als 
Ganzes ist, welcher bei der Treiberei Veränderungen erfährt, sondern nur 
die jeweils am Pflanzenkörper gereizten Partien, ging F. Weber von dem 
Gedanken aus, daß es genügen müßte, auch die einzelnen, in der Winter- 


1) H. Molisch, Über den Einfluß der Radiumemanation auf die höhere Pflanze. 
_ Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. Wien. Bd. 121 (1912); Über das Treiben von Pflanzen 
mittelst Radium. Ebenda. 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VII. 11 


162 Viktor Grafe. 


ruhe verharrenden Knospen für sich allein zu reizen, um sie zur Ent- 
wicklung anzuregen. 

An der Basis der zu behandelnden Knospe, dort, wo sich die Narbe 
des abgefallenen Blattes befindet, in dessen Achsel die Knospe zur An- 
lage kommt, wird in dieselbe mit der Nadel der zu Injektionen in der 
Medizin gebräuchlichen Pravazschen Spritze ein Stich versetzt und 15 em3 
Wasser, welche sich in der Spritze befinden, der Wunde injiziert. Ist die 
Knospe ziemlich groß, dann kann die Nadel horizontal durch die Mitte 
der Basis gestochen werden, ist sie aber sehr schmal, so würde die Spitze 
der Nadel an der anderen Seite der Knospe wieder nach außen dringen 
und das Wasser könnte nicht in die Knospe gelangen; in diesem Falle ist 
es zweckmäßig, die Nadel ein wenig schräg nach aufwärts zu richten; da 
die feine Nadelspitze sehr leicht durch Gewebeteile verstopft wird, empfiehlt 
es sich, vorher mit einer feinen Nadel den Einstich auszuführen und in 
diesen Stichkanal erst die Nadel der Spritze einzubringen. In allen Fällen 
macht sich durch den Turgor der Knospenzelle ein mehr oder weniger 
starker Widerstand gegen das Einpressen der Flüssigkeit fühlbar, der z. B. 
bei Acer platanoides oft fast unüberwindlich, bei Syringa vulgaris und 
Tilia platyphyllos relativ gering ist. Beim raschen Einpressen spritzt das 
Wasser an der Spitze der Knospe, dort, wo die Deckschuppen zusammen- 
neigen, in feinem Strahle kräftig hervor und man darf sich dadurch, daß 
die eingepreßte Flüssigkeit ein leichtes Auseinanderweichen der Deckblätter 
bedingt, nicht täuschen lassen und annehmen, daß unmittelbar nach der 
Injektion sich bereits ein Entwicklungserfolg geltend macht. Es wurde ge- 
wöhnliches Leitungswasser verwendet und festgestellt, daß ein Teil der 
eingepreßten Flüssigkeit tatsächlich von der Knospe aufgenommen wurde 
mit dem Erfolg, daß so behandelte Knospen von Syringa vulg. und Tilia 
platyphyllos in der Phase der Nachruhe zum Frühtreiben gebracht wer- 
den konnten und den unbehandelten Knospen um durchschnittlich drei 
Wochen in der Entwicklung vorauseilten. Für die Knospen von Tilia wurde 
festgestellt, daß die Verletzung durch den Stich allein ohne nachfolgendes 
Einpressen von Wasser den Frühtreiberfolg mit sich bringt, daß also die 
Verletzung an sich die Mobilisierung der Reserven bewirkt und dadurch 
in eine Parallele mit der Entblätterung zu stellen ist. Dagegen bleibt die 
bloße Verletzung durch Stich ohne Einpressen von Wasser bei Acer pla- 
tanoides unwirksam, es dürfte also neben der Verletzung auch dem ein- 
gepreßten Wasser eine gewisse Rolle zukommen und es dürfte sich hier 
ebenso wie beim Warmbad eben nicht um einen einzigen verursachenden 
Faktor, sondern um einen ganzen Komplex von Faktoren handeln. Nach 
Bos wirkt auch der galvanische Strom auf die Abkürzung der Ruheperiode 
hin. F. Jesenko verwendet als Mittel zum Frühtreiben die Injektion ver- 
schiedener Flüssigkeiten wie verdünnten Alkohol, Äther, Säuren etc. in die 
Knospen. Die Zweige werden in die betreffenden Lösungen entweder ein- 
gelegt oder mit denselben injiziert. Die Injektion geschieht an der Schnittfläche 
mit Hilfe eines zur Einpressung von Flüssigkeiten in abgeschnittene Sprosse 


Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung, des Wachstums ete. 163 


eigens von Jesenko!) konstruierten Luftkessels (Fig. 46). Mit der Handluft- 
pumpe wurde bei geschlossenen Hähnen der Druck im Kessel auf eine 
Atmosphäre gebracht, die mit dem Kessel in Verbindung stehenden Glas- 
röhren wurden mit der Lösung von Alkohol oder Äther, bzw. Wasser ge- 
füllt, an ihr freies Ende mittelst eines kurzen Vakuumschlauches der zu 
injizierende Zweig angesetzt und mit Drahtklemmen befestigt — Lutft- 
blasen, die sich zwischen Zweigende und Flüssigkeit einschieben, werden 
durch Klopfen an dem Glasrohr herausgetrieben. Nun öffnet man die 
Hähne, worauf die komprimierte Luft die 
Lösungen unter konstantem Druck von Fig. 46. 
einer Atmosphäre in die Zweige hinein- 
treibt. Durch Abbrechen der Terminalknospe 
wurde ein rasches Durchdringen der Zweige 
mit den Lösungen. (Alkohol wurde in den 
| 
1 


Konzentrationen 20°%,, 10%, 5%, 1%: 
01°/,, Äther in den Konzentrationen 10°/,, 
5, 1%,, 0°1%/,, 0:001°/, verwendet). er- 
reicht. Nach der Injektion wurden die 
Zweige mit dem unteren Ende in Wasser- 
gläser gestellt und in ein lichtes Warm- 
haus gebracht. Zur Zeit der Ruhe, wenn die 
Entwicklungsprozesse in den Knospen erst 
eingeleitet werden, ist die Wirkung der 
Lösungen eine günstige und beschleunigt 
die Knospenentfaltungen, während dadurch 
die Knospenentwicklung verzögert oder ganz 
unterbunden wird, wenn die Knospen be- 
reits aus der Ruhe getreten sind. Bessere 
Wirkung als die Injektion hat das Baden 
der betreffenden 20—30 cm langen Zweige, 
die zu 6—10 Stück zu einem Bündel zu- 
sammengebunden werden, in den betref- 4 
fenden Lösungen, schon deshalb, weil so 
gleichzeitig eine größere Anzahl Knospen Amer itssinkeiten in die Kmcapen. 
denselben Bedingungen ausgesetzt werden ee: 

kann. Salzsäure und Schwefelsäure wurden 

dabei in Verdünnungen von 0:5°/,—5°/, verwendet. Die Zweigbündel wur- 
den mit dem apikalen Ende nach abwärts in die Lösungen getaucht 
(während die Temperatur des Bades konstant auf 12—14°C gehalten 
wurde), so daß ein kurzes Stück des basalen Endes und die Schnittfläche 


!) F. Weber, Über die Abkürzung der Ruheperiode der Holzgewächse durch Ver- 
letzung der Knospen ete. Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. Wien. Bd. 120 (1911). — F' Je- 
senko, Einige neue Verfahren, die Ruheperiode von Holzgewächsen abzukürzen. Ber. d. 
Deutschen bot. Ges. Bd. 29. S. 273 (1911); Bd. 30. S. 81 (1912). 


11% 


164 Viktor Grafe. Methodik der Beschleunigung der Samenkeimung ete. 


aus dem Bade hervorragten; die Lösung konnte demnach nicht im Holz- 
körper aufsteigen, sondern nur von außen her in die Knospen eindringen. 
Die Dauer des Bades variierte zwischen 3 und 12 Stunden. Nach dem 
Bade wurden die Zweigbündel mit der Basis in Wasser gestellt und ins 
Warmhaus gebracht. Es zeigte sich auch hier wieder eine günstige Wir- 
kung anorganischer und organischer Säuren (Weinsäure) während der 
tiefen Ruhe in bezug auf Frühentwicklung, während am Ausgange der 
Ruheperiode nur ganz verdünnte Lösungen die Entwicklung beschleunigen, 
stärkere aber schaden. Eine höher konzentrierte Alkohol- oder Säurelösung, 
kürzere Zeit angewendet, wirkt bis zu einem gewissen Grade ähnlich wie 
eine schwache bei längerer Dauer der Einwirkung. 


(esamtanalyse von Pflanzenmaterial. 
Von Viktor Grafe, Wien. 


Daß alle im Organismus sich abspielenden Vorgänge miteinander 
in Zusammenhang stehen und voneinander abhängen, ist eine noch immer 
nicht genug gewürdigte Tatsache. Das Gesetz der Korrelation beherrscht 
auch den vielzelligen Pflanzenorganismus in weitestgehendem Maße, so dab 
alle sich im Stoffwechsel vollziehenden Prozesse, entstehenden Stoffe in 
innigster Wechselbeziehung stehen. Seit Liebigs „Gesetz des Minimum“ 
wissen wir, daß das Erntegewicht der Pflanze abhängig ist von dem in 
kleinster Menge vorhandenen Mineralstoff, dal also, wenn einer von den 
notwendigen Aschenstoffen im Substrat in zu geringer Menge vorhanden 
ist, ein Überschuß anderer diesen Mangel nicht aufwiegt. sondern auch 
der Überschuß der anderen nur im Verhältnis des in kleinster Menge ge- 
gebenen ausgewertet werden kann. Aber das Gesetz des Minimums bezieht 
sich nieht nur auf die Mineralstoffe, sondern es besteht ebenso eine Kor- 
relation zwischen diesen und den anderen Nährstofiquellen und wieder 
eine Korrelation dieser untereinander. Ein Minus oder ein Überschuß an 
Kohlensäure, an Licht, an Wärme, an Feuchtigkeit wirkt wieder bestim- 
mend auf die Mineralstoffaufnahme ein und jede Veränderung irgend eines 
dieser Faktoren wird wieder den Einiluß aller anderen bestimmenden Fak- 
toren auf den Pflanzenorganismus verändern, was sich in einem verän- 
derten Kurs der Stoffwechselprozesse wird äußern müssen. Vielfach wird 
noch heute die Praxis geübt, das Resultat eines Stoffwechselversuches ein- 
fach an der Veränderung der Form und an den Erfolgen des Wachstums 
zu messen; daß dies nur ein sehr abgeleitetes Resultat der gegebenen 
Veränderung anzeigen wird, liegt auf der Hand. Aber selbst die chemische 
Analyse darf nicht einseitig durchgeführt werden: angenommen wir wollten 
die Erfolge des Kalkmangels in der Nährlösung studieren, so darf man 
sich nicht nur damit begnügen, das Zurückbleiben im Wachstum der ein- 
zelnen Pflanzenorgane zu messen und auch nicht, die Aufnahme und Aus- 
scheidung der anderen Komponenten der Nährlösung zu studieren, sondern 
man wird stets auf eine Gesamtanalyse des Versuchsmaterials hinarbeiten 
müssen. Speziell bezüglich des Kalkmangels wissen wir heute, daß durch 
ihn Leitung und höhere Kondensation der Kohlehydrate beeinträchtigt 


166 Viktor Grafe. 


wird, daß eine vollkommene Kondensation des Formaldehyd als des Zwi- 
schenproduktes der Kohlensäureassimilation unterbleibt, dieser sich somit 
in Substanz anhäuft und giftig wirkt‘), aber auch eine weitere Verfolgung 
der entstehenden oder nicht entstehenden Substanzen müßte vielfach zu 
interessanten Aufschlüssen führen. Wir wissen, dab gasförmiger Formal- 
dehyd, der grünen Pflanze vom Luftvolumen aus dargeboten, als Nährstoff 
aufgenommen wird und das Wachstum der Pflanze beschleunigt.?) In Ana- 
logie mit anderen Versuchen sollte man nun schließen, dal) hier eine be- 
sonders große Produktion von Stärke stattfindet. Die Untersuchung hat 
gezeigt, daß im Gegenteil die Stärkebildung fast ganz unterbleibt, dal) da- 
für aber ein Übermaß an Zucker bei Phaseolus vulgaris gebildet wird. 
Ebenso wie gewisse unserer Frühlingspflanzen keine Stärke ausbilden, ge- 
wissermaßen also das bei der Assimilation entstehende Kohlehydrat nicht 
magazinieren, sondern direkt den Verbrauchsstätten zuführen, worauf ihr 
lebhafteres Wachstum zurückzuführen ist, so wird auch Phaseolus vulg. — 
und darauf ist offenbar das schnellere Wachstum unter den Versuchsbe- 
dingungen zurückzuführen — durch Formaldehyddarbietung zur „Zucker- 
pflanze“. Es hat sich ferner .gezeigt, daß durch Formaldehyd die syntheti- 
sierenden Enzyme in ihrer Arbeit gehemmt, die abbauenden aber geför- 
dert werden. In einer anderen Untersuchung wurde im Laufe der Gresamt- 
analyse das Verhalten der Proteine, der Aminosäuren, der Fettkomponenten, 
der Enzyme, der Kohlehydrate etc. untersucht, wenn die Pflanze in durch 
Azetylen verunreinigter Luft gezogen wurde); wieder in anderen Unter- 
suchungen konnten gegenseitige physiologische Beziehungen von Eiweiß, 
Inulin, Fett und Mineralstoffen beim Austreiben festgestellt werden), es 
zeigte sich ferner, als die Untersuchung der Assimilate nicht nur auf 
Stärke beschränkt, sondern auch auf andere Substanzen ausgedehnt wurde, 
daß die Annahme, welche bis auf den heutigen Tag gilt, die im Lichte 
gebildete Stärke werde in der Nacht aus dem Blatte abgeleitet. nicht unein- 
geschränkt richtig ist. Die Untersuchung wurde früher immer nur mit der 
Jodprobe durchgeführt, und da ergab sich in der Tat, daß die Stärke am 
Morgen größtenteils verschwunden war. Prüft man aber den Zuckergehalt 
des Blattes, so zeigt sich, daß er ungleich größer ist als bei Tage, in der 


1) V. Grafe und L. v. Portheim, Untersuchungen über die Rolle des Kalkes in 
der Pflanze. Sitzungsber. d. kaiserl. Akad. d. Wiss. Wien. Bd. 115 (1906). 

®), V.Grafe und L.v. Portheim, Örientierende Untersuchungen über die Einwir- 
kung von gasförmigem Formaldehyd auf die grüne Pflanze. Öst. bot. Zeitschr. 1909. — 
V. Grafe und E. Vieser, Untersuchungen über das Verhalten grüner Pflanzen zu gas- 
förmigem Formaldehyd. Ber. d. d. bot. Ges. Bd. 27. S. 431 (1909). — V. Grafe, ebendas. 
Ba.29. S.19 (1911). — Derselbe, Die biochemische Seite der Kohlensäure-Assimilation 
durch die grüne Pflanze. Biochem. Zeitschr. Bd. 32. S. 114 (1911). 

3) Y. Grafe und ©. Richter, Über den Einfluß der Narkotika auf die chemische 
Zusammensetzung von Pflanzen. Sitzungsber. d. kaiserl. Akad. d. Wiss. Wien. Bd. 120 
(1911). 

#) Y. Grafe und V. Vouk, Untersuchungen über den Inulinstoffwechsel bei Cicho- 
rium Intybus (Zichorie). Biochem. Zeitschr. Bd. 43. S. 424; Bd. 47. S.320 (1912). 


Gesamtanalyse von Pflanzenmaterial. 167 


Nacht hat also im wesentlichen nur eine Hydrolyse der Stärke in redu- 
 zierenden Zucker stattgefunden. Die Ableitung durch den Blattstiel geht 
aber Tag und Nacht vor sich, ja sogar am Lichte in höherem Maß- 
(Tröndle hat gezeigt, daß die Permeabilität der Plasmahaut durch das Licht 
beeinflußt wird), nur daß eben bei Nacht mangels Licht natürlich keine 
gleichzeitige Erzeugung von Stärke stattfindet. !) 

Eine Gesamtanalyse oder wenigstens eine auf breiterer Basis durch- 
geführte Analyse des Versuchsmaterials dürfte in den meisten Fällen zu- 
verlässigere Ergebnisse liefern und von Einseitigkeit freihälten, die im an- 
deren Falle kaum zu vermeiden ist. Im folgenden sollen die allgemeinen 
Grundsätze dargelegt werden, nach welchen das Pflanzenmaterial behandelt 
wird, um eine Übersicht über die enthaltenen Bestandteile zu bieten, 
während bezüglich der näheren und besonders der quantitativen Ermitt- 
lung der einzelnen Stoffgruppen auf die einschlägigen Abschnitte in den 
vorausgegangenen Bänden dieses Werkes verwiesen sei. 

Eine Portion des Versuchsmateriales wird zunächst zur Trockenge- 
wichtsbestimmung benützt, um für die spätere Berechnung eine Basis zu 
haben. Die Entnahme der Pflanze gestaltet sich leicht, wenn sie in Wasser- 
kultur gezogen worden war, schwieriger, wenn es sich um in Erde ge- 
wachsene Pflanzen handelt. Am besten nimmt man dann die Pflanze samt 
der Erde, in der sie wurzelt, heraus und spült die Erde durch sanftes 
Bespülen an der Wasserleitung ab; man vermeidet so den Übelstand, daß 
- die zarteren Wurzelpartien weggerissen werden, was beim Herausziehen 
aus der Erde unfehlbar geschieht. Will man einzelne Pflanzenteile getrennt 
untersuchen, so schneidet man dieselben mit einer scharfen Schere, nicht 
mit dem Messer ab. Nicht leicht ist es, Wurzeln mit zahlreichen Wurzel- 
haaren, wenn man die Pflanzen auf Filtrierpapier hat ankeimen lassen, 
vom Substrate, mit dem sie förmlich verfilzt sind, loszulösen. In diesem 
Falle wählt man entweder ein anderes Substrat, wie Kieselsäure-(Quarz-) 
'böden, oder man nimmt das Filtrierpapier samt der Pflanzendecke und 
_ trocknet im Trockenschrank bei üblicher Temperatur: Das getrocknete 
_ Papier läßt sich dann in der Regel leicht abziehen: kommt es darauf an, 
das ganze Pflanzenmaterial zu verwenden, so kann man Fehler durch Ver- 
_ wendung reinen, aschenfreien Filtrierpapiers und Abwägen des verwendeten 
Stückes vermeiden. Sehr gute Dienste leistet das Einwerfen des Materials 
in starken Alkohol oder ein Gemisch von Alkohol-Äther. Dadurch genießt 
man den Vorteil, Enzymprozesse, welche sich sonst bei gelinder Erwär- 
mung leicht noch eine Zeitlang vollziehen, sofort unterbunden zu haben, 
und auch einer Veränderung von leicht zersetzlicher Pflanzensubstanz, die 
häufig bei noch so mäßiger Trocknung eintritt, vorzubeugen. Man erwärmt 
_ am besten vorher die Flüssigkeit auf 40—50°. Die herausgenommenen 
_ Pflanzenteile können entweder dann im Trockenschrank bei einer 80° 
nicht überschreitenden Temperatur zu Ende getrocknet werden oder sie 


1) V.Grafe und V. Vouk, Untersuchungen über den Inulinstoffwechsel bei Cicho- 
rium Intybus (Ziehorie). Biochem. Zeitschr., Bd. 56, S. 249. 


7 


sind, wenn man die Übertragung in Alkohol-Äther von einem Gefäß ins 
andere mehrfach wiederholt hat, häufig an der Luft respektive im Ex- 
sikkator oder bei geringer Erwärmung im Vakuumtrockenschrank zur 
völligen Trockene zu bringen. Trocknet man im gewöhnlichen, etwa mit 
Wasser oder Kochsalzlösung (zwischen Doppelwänden) geheizten Trocken- 
schrank, so darf die Temperatur niemals 110° C übersteigen und die Sub- 
stanz in der Glas- oder Porzellanschale niemals der Heizplatte unmittelbar 
aufliegen, sondern stets im Luftbade erhitzt werden. Zweckmäßig ist es, 
das Material vor dem Trocknen nicht zu zerkleinern und die Substanz in 
dünner Schichte auf eng- oder weitmaschiges Nickeldrahtnetz zum Trocknen 
auszulegen, weil bei Glas- oder Porzeliangefäßen sehr leicht ein Anbacken 
der Substanz an die Gefäßwände stattfindet und ein vollkommenes Ablösen 
vielfach unmöglich wird. Bei sehr kohlehydratreichen oder bei fetthaltigen 
Pflanzenteilen ist aber auch eine Erwärmung auf über 100° C tunlichst zu 
vermeiden: Kohlehydrate karamelisieren bei dieser Temperatur, was sich 
schon durch den Geruch kundgibt, ungesättigte Fettsäuren werden oxy- 
diert, wenn man nicht im Strome eines indifferenten Gases trocknet. Man 
muß also hier mit der Temperatur stark zurückhalten oder bei gewöhn- 
licher oder wenig erhöhter Temperatur im Vakuumexsikkator trocknen, 
wobei aber wieder die Gefahr fortlaufender Enzymwirkung gegeben ist. 
Hier wird sich die „nasse“ Trocknung empfehlen. 

Auf alle Fälle wird man die Enzymwirkung auszuschließen trachten, 
wo es sich um Gewinnung von wässerigen Extrakten bei niedriger Tem- 
peratur handelt, man darf aber niemals vergessen, daß durch das Ein- 
werfen in Alkohol-Äther Substanzen in Lösung gehen, die man weder bei 
der Beurteilung des Trockengewichtes noch bei jener der wässerigen Ex- 
trakte vernachlässigen darf. Man muß sich überhaupt vor Augen halten, 
daß eine stundenlange Extraktion gewöhnlich ganz unnötig ist, besonders 
wenn man es sich zur Regel macht, das Pflanzenmaterial nach dem 
Trocknen weitgehend zu zerkleinern, also fein zu zerhacken oder staubfein 
zu mahlen. Für die nachfolgende Extraktion mit Alkohol oder Äther emp- 
fiehlt sich vielfach das Trocknen durch Vermischen der zerkleinerten Sub- 
stanz mit gebranntem, gepulvertem Gips oder mit entwässertem Natrium- 
sulfat, welche das Materialwasser abbinden. Bei der Behandlung sehr leicht 
zersetzlicher Substanzen wie des Anthocyans aus Blütenblättern habe ich 
mit dieser Methode befriedigende Erfolge zu verzeichnen gehabt. Die beim 
Trocknen fast immer, selbst bei geringfüsiger Erwärmung eintretende 
Braun- oder Schwarzfärbung der Pflanzenteile deutet durchaus nicht not- 
wendig auf bedeutende konstitutive Veränderungen hin, sondern tritt in- 
folge der Aktivierung von Atmungspigmenten meist auch beim Liegen an 
der Luft bei jeder Temperatur ein. Da häufig die Extrakte aus solchen 
braungefärbten Pflanzenteilen dunkel gefärbt sind, diese dunklen Farben 
aber meist bei den nachfolgenden Bestimmungen, besonders der Kohle- 
hydrate, auf maßanalytischem Wege störend wirken, vielfach auch durch 
Fällen mit Bleiazetat oder dergleichen nicht zu entfernen sind, das Durch- 


168 Viktor Grafe. 


Gesamtanalyse von Pflanzenmaterial. 169 


filtrieren durch ein Entfärbungsmittel, wie Spodium, Kieselgur oder der- 
gleichen unkontrollierbare Verluste mit sich bringt, ist es gut, in die Säfte 
bis zur Entfärbung oder Hellfärbung einen langsamen Strom von Schwefel- 
dioxyd durchzuleiten. Bei der Herstellung von Extrakten aus Pflanzenteilen, 
die leicht hydrolysierbare Kohlehydrate oder dergleichen enthalten, muß 
immer auf die in Pflanzensäften enthaltenen Säuren Rücksicht genommen 
werden, deren Wirksamkeit aber schon durch Hinzufügen einer Messer- 
spitze voll gepulverten Kalziumkarbonats zur extrahierenden Flüssigkeit 
paralysiert werden kann. Abgetötete Pflanzen werden zweckmäßig sofort 
weiterverarbeitet; ist es aber notwendig, sie in frischem Zustande, etwa 
über Nacht, stehen zu lassen, so schützt man sich vor Invasion von Pilzen 
und Bakterien, indem man sie unter eine gut schließende Glocke stellt 
und ein Schälchen mit Toluol daneben stellt; Chloroform oder Äther ist 
weniger zu empfehlen, aber auch im Toluoldampf vollziehen sich enzyma- 
tische Prozesse, so daß man auch in diesem Falle besser tut, sofort in 
Alkohol einzulegen. Ein sehr gutes Konservierungsmittel ist tiefe Tempe- 
ratur, wenn sie sehr niedrig ist, Enzymvorgeänge können aber auch hier 
nicht unterbunden werden. Behufs Herstellung von Preßsäften müssen die 
Pflanzenteile zunächst weitgehend zerkleinert werden, sei es, dal) man sie 
am Hackbrett zerstückelt, wobei aber natürlich Saft verloren geht, oder 
in der glasierten Porzellan- oder Achatreibschale für sich oder unter Zu- 
satz von Glaspulver oder Quarzsand verreibt. Verwendet man Glaspulver, 
so hat man darauf Rücksicht zu nehmen, dal dieses stets Alkali an den 
Saft abgibt, daß man also dann weder die ursprüngliche Reaktion des 
Saftes gegen Indikatoren noch auch den Aschengehalt desselben fehlerlos 
bestimmen kann. 

Das zerkleinerte Pflanzenmaterial wird in ein Koliertuch oder einen 
Leinwandbeutel eingeschlagen und dann unter der Presse unter öfterem 
Umlegen des Materials ausgepreßt. Zweckmäßig bedient man sich, wie das 
Cavara bei seinen ausgedehnten Untersuchungen zur Bestimmung des os- 
motischen Druckes bei Pflanzensäften getan hat, der Porzellanpressen, aber 
auch solche mit Zink- oder Nickelbiet smd anwendbar; der Preßsaft wird 
entweder direkt verwendet oder auf die übliche Weise durch Filtrieren 
oder Zusätze geklärt. 

Will man auf Lebendgewicht beziehen, so prefit man das Pflanzen- 
material sorgfältig zwischen Filtrierpapier ab und bringt dann zur Wä- 
gung. Solche Reduktionen können natürlich immer nur Vergleichswerte 
und auch diese nur zwischen Pflanzen der gleichen Art geben, nicht aber 
etwa zwischen fleischigen und schmächtigen Blättern, zwischen Xerophyten 
und Hygrophyten etc. Burgerstein wählte, um diese Unterschiede augen- 
fällig zu zeigen, zur Vergleichsbestimmung der Transpirationsgrößen ein- 
mal eine gesunde Topfpflanze der dünnblätterigen Hydrangea hortensis 
und eine solche der fleischig-blätterigen Opuntia eylindrica. Das am Ver- 
suchsende bestimmte Lebendgewicht der Hydrangeablätter betrug 12.3109, 
das des Opuntiastammes 97°665 g; die Oberfläche der Hydrangeablätter 


170 Viktor Grafe. 


betrug 4960 em?, die der Opuntia 260°8 cm?. Es ergab sich als absolute 
Transpirationsgröße Hydrangea 3240 g, Opuntia O'5l g. Dagegen betrug 
die Transpiration pro 100 g Gewicht bei Hydrangea 26320 g H,O, bei 
Opuntia 052 g H,O: pro 100 em? Oberfläche betrug die Transpiration 
654 9 H,O bei Hydrangea, 0'209 H,O bei Opuntia. Die Transpiration 
der Hydrangea war somit bei Reduktion auf gleiche Fläche 32'7mal, bei 
Reduktion auf gleiches Frischgewicht 506mal größer als die der Opuntia. 
Will man bei Blättern auf gleiche Oberfläche beziehen, so kann das Blatt 
auf ein sog. Millimeterpapier oder auf eine mit Quadrateinteilung versehene 
matte Glastafel aufgelegt, der Blattumriß abgezeichnet und das Flächen- 
maß des Blattes ausgezählt werden. Oder das Blatt wird auf photographi- 
sches Kopierpapier aufgeleet, der Papierblattumriß ausgeschnitten, ge- 
wogen und die Fläche unter Zugrundelegung des spezifischen Gewichtes 
des Papiers berechnet. Soll die Oberfläche von Knollen, Rhizomen, Früchten 
ermittelt werden, so kann das in der Weise geschehen, daß) man das be- 
treffende Objekt ganz mit Stanniolstreifen bedeckt, die mittelst feiner 
Stecknadeln fixiert werden. Nach Abnahme des Stanniols wird aus seinem 
Gewichte nach Maßgabe des spezifischen Gewichtes die gesuchte Ober- 
fläche leicht bestimmt. 

Bei lufttrockenen Pflanzenteilen, wie ruhenden Samen, bestimmt man 
das Lebendgewicht nach dem Zermahlen und Stehenlassen im Exsikkator 
über Schwefelsäure bis zur Gewichtskonstanz. 

Die gebräuchlichsten Extraktionsmittel sind Wasser, Alkohol, Azeton, 
Äther: bei der Extraktion von Farbstoffen leisten oft die basischen Ex- 
traktionsmittel, wie Pyridin, Anilin ete., Gutes. Da man diese Flüssigkeiten 
in verschiedenen Konzentrationen zur Verwendung bringt, ist es notwen- 
die, über eine bequeme Methode zur beliebigen Verdünnung zu verfügen: 
die einfachste Methode, um aus einer Stammlösung von bestimmtem Ge- 
halte Verdünnungen herzustellen. gibt folgende von E. Löwi mitgeteilte 
Regel): 

Man gieße in einen Meßzylinder soviel Kubikzentimeter der Stamm- 
lösung, als die Verdünnung Prozente (entweder Prozente des Gewichtes von 
dem zu !ösenden Körper in 100 cm3 Lösung oder bei Flüssigkeiten die 
Anzahl Kubikzentimeter der unverdünnten Flüssigkeit in 100 cm3 der ver- 
dünnten Flüssigkeit) des gelösten Stoffes enthalten soll, und fülle mit dem 
Verdünnungsmittel auf soviel Kubikzentimeter auf, als die Stammlösung 
Prozente enthielt. Wenn man also z. B. aus einer 10°/,igen Lösung eine 
3°/,ige herstellen will, so nimmt man 3 cm: der Stammlösung und füllt 
mit dem Lösungsmittel auf 10 cm? auf. Um aus 96°/,igem Alkohol einen 
60°/,igen zu machen, nimmt man von jenem 60 cm: und füllt mit Wasser 
auf 96 cm? auf. Um aus der käuflichen konzentrierten Salpetersäure von 


‘) E.Löwi, Eine Methode zur leichten und schnellen Herstellung von Verdün- 
nungen aus Stammlösungen. Zeitschr. f. wiss. Mikrosk. u. f. mikrosk. Technik. Bd. 29. 
S. 545 (1912). 


Gesamtanalyse von Pflanzenmaterial. 171 


spezifischem Gewicht 1'414, die 68 Gewichtsprozente HNO, enthält. eine 
solche von 5 Gewichtsprozenten HNO, zu machen, wird man von dieser 
Dem: mit 68cm3 Wasser verdünnen usf. 
Will man eine weingeistige Flüssigkeit eindampfen, um sie dann 
mit Wasser aufzunehmen, so achte man darauf, den Alkohol völlig zu 
entfernen, da sonst leicht in Alkohol lösliche, in Wasser aber unlösliche 
Stoffe in die wässerige Lösung übergehen und diese so trüben können, 
daß durch Filtration keine Klärung erzielt werden kann, die man aber 
manchmal durch Hinzufügen von etwas Äther herbeiführt. Ähnlich verfährt 
man, wenn man aus alkoholischen Chlorophyllauszügen die gelben Be- 
gleitfarbstoffe des Chlorophylis durch Petroläther ausschüttelt; eine häufig 
an der Grenze beider Flüssigkeiten auftretende Emulsionszone beseitigt 
man durch Zutropfen von Wasser. Überhaupt mache man es sich zur Regel. 
bei sukzessiver Extraktion mit verschiedenen Lösungsmitteln das vorher- 
gegangene möglichst restlos zu entfernen. 
Ehe man mit der systematischen Untersuchung beginnt, führt man 
zweckmäßig einige Vorproben aus, um von vornherein über die An- oder 
- Abwesenheit gewisser Pflanzenbestandteile orientiert zu sein.') Man extra- 
- hiert 5—10 g der zerkleinerten Substanz mit Wasser im Wasserbad und 
prüft den filtrierten wässerigen Auszug nach dem Erkalten 1. auf seine 
Reaktion, wobei man d:s Vorhandensein von freier Säure oder von sauren 
Salzen erkennt. Es ist zweckmäßig, auch den filtrierten Preßsaft auf 
_ seine Reaktion gegen verschiedene Indikatoren zu prüfen, da beim Kochen 
immerhin Abspaltungen und Veränderungen eintreten können; 2. mit Eisen- 
‚chlorid, eine auftretende Färbung (gewöhnlich Blau- oder Grünfärbung) 
zeigt das Vorhandensein von Inhaltskörpern mit phenolischem Hydroxyl 
an, gewöhnlich Gerbstoffe; 3. mit basischem Bleiazetat, welches Gerbstofte, 
Proteine, Pflanzenschleime zur Ausfällung bringt. Im Filtrat kann Blei- 
essig noch einen Niederschlag erzeugen, der bisweilen im Überschuß des 
Fällungsmittels löslich ist; 4. mit frisch bereiteter (nicht frisch be- 
reitete erhitzte Fehlingsche Lösung gibt auch ohne Gegenwart reduzieren- 
der Substanzen bei Zufügung sauerer Flüssigkeiten Bildung von Kupfer- 
oxydul) Fehlingscher Lösung, deren Reduktion die Gegenwart von redu- 
- zierenden Substanzen (man darf aber nicht sofort auf Zuckerarten schließen) 
anzeigt; tritt die Abscheidung von Kupferoxydul erst nach Erwärmen der 
Flüssigkeit mit verdünnter Säure und darauf erfolgter Neutralisation ein, 
so waren Glykoside oder ein Disaccharid vorhanden. Eine Prüfung auf 
Glykoside, Bitterstoffe, Alkaloide wird durch das Verfahren von Stas-Otto 
ermöglicht. 25—50 g der Substanz werden mit der 2—5fachen Menge 
_ Alkohol, dem man soviel Weinsäure zugefügt hat, daß die Flüssigkeit 
schwach sauer ist, am Rückflußkühler !/, Stunde erhitzt; die Flüssigkeit 


) Bei phytochemischen Untersuchungen bediene ich mich schon seit Jahren mit 
Vorteil der Vorschriften, die in dem Buche von L. Rosenthaler, „Grundzüge der chemi- 
schen Pflanzenuntersuchung“, Berlin 1904, niedergelegt sind. Diese Vorschriften sind 
auch den folgenden Ausführungen zugrunde gelegt. 


7 


muß nach dem Kochen noch sauer sein, widrigenfalls das Kochen unter 
Zufügung einer neuen Menge Säure wiederholt wird. Nach dem Erkalten 
filtriert man und verjagt man den Alkohol, nimmt den Rückstand unter 
Erwärmen mit wenig, dann mit etwas mehr Wasser auf und filtriert nach 
dem Erkalten. Um ein blankes Filtrat zu erhalten, muß man mitunter von 
neuem zur Trockene eindampfen, mit Alkohol aufnehmen und die Opera- 
tion wiederholen. Das klare wässerige Filtrat schüttelt man mit Äther 
mehrmals aus und vermeidet dabei Emulsionierung durch Zutropfen von 
Alkohol oder leichtes Erwärmen. Die erste beim Ausschütteln erhaltene 
Flüssigkeit A,, welche meist stark gefärbt ist, während die folgende 4, 
weniger gefärbt zu sein pflegt, bewahrt man für sich auf, die wässerige 
ausgeschüttelte Flüssigkeit macht man mit Natronlauge stark alkalisch 
und schüttelt wieder mehrmals mit Äther aus (B). Zuletzt vertreibt man 
aus der wässerigen Flüssigkeit durch Erwärmen den Äther, neutralisiert 
mit Salzsäure und macht mit Ammoniak wieder alkalisch und schüttelt 
mit Amylalkohol aus (C). Von allen drei (resp. vier) Extrakten destilliert 
man die Extraktionsmittel bis auf ca. 5 cm? ab, gießt diese auf ein Uhr- 
glas und läßt bis zur Trockene verdunsten resp. am Wasserbad ver- 
dampfen. Der Rückstand von A wird mit Wasser aufgenommen und auf 
seine Reduktionsfähigkeit gegen Fehlingsche Lösung geprüft. Tritt Re- 
duktion ein, so kann es sich um reduzierenden Zucker, ein Glykosid oder 
um bestimmte Bitterstoffe handeln. Einen Teil des trockenen Rkückstandes 
sucht man in Petroläther oder absolutem Äther zu lösen, um den redu- 
zierenden Zucker auszuschließen. Tritt nun mit dem Rückstand dieser 
Auflösung wieder Reduktion der Fehlingschen Lösung ein, so stellt man 
einige der für Kohlehydrate charakteristischen Farbenreaktionen damit 
an. Die Molischsche Reaktion mit z-Naphtol und Schwefelsäure bleibt nur 
bei wenigen Glykosiden aus; man erhitzt ferner den Rückstand mit Salz- 
säure und versucht aus der Flüssigkeit (unbekümmert um ein eventuell 
entstehendes festes Spaltungsprodukt) mit Phenylhydrazinchlorhydrat-Na- 
triumazetat ein Osazon darzustellen: gelingt dies nicht, so ist kein Gly- 
kosid vorhanden. Wurde Fehlings Lösung anfangs nicht reduziert, so wie- 
derholt man die Reaktion nach Hydrolyse mit Salzsäure und schließt bei 
positivem Ausfall auf ein Glvkosid oder Disaccharid, welches letztere man 
wieder durch Auflösen des Rückstandes in absolutem Äther ausschließen kann. 

Um Glykoside, Rohrzucker und reduzierenden Zucker nebeneinander 
nachzuweisen, kann man aber das Untersuchungsobjekt auch mit Kochen- 
dem Alkohol extrahieren, diesen unter Zusatz von Kalziumkarbonat ein- 
dampfen und den Rückstand nach Dourguelot zum Teil in 10 cm® gesät- 
tigter Thymollösung, zum Teil in einer ebensolchen Lösung auflösen, der 
frisches Invertin zugefügt worden war. Nach drei Tagen prüft man beide 
Flüssigkeiten im Polarisationsrohr und bestimmt den Gehalt an reduzie- 
render Substanz durch Kochen mit alkalischer Kupferlösung. Die mit In- 
vertin behandelte Probe zeigt bei Gegenwart von Rohrzucker eine Ände- 
rung der spezifischen Drehung und eine Zunahme der reduzierenden Sub- 


172 Viktor Grafe. 


Gesamtanalyse von Pflanzenmaterial. 173 


stanz. Aus beiden Größen läßt sich die Menge des Rohrzuckers berechnen. 
Eine solche Probe wird nach drei Tagen gekocht. um das Invertin un- 
wirksam zu machen, und nun nach dem Erkalten Emulsin zugesetzt: nach 
einigen Tagen wird wieder im Polarisationsapparat geprüft, eine weitere 
Veränderung der spezifischen Drehung und Zunahme der reduzierenden 
Substanz zeigt die Anwesenheit eines Glykosids an. B und € werden mit 
den gebräuchlichen Alkaloidreagenzien geprüft, indem man den Rückstand 
in sehr verdünnter Essigsäure klar löst und je einen Tropfen dieser Lö- 
sung und des Alkaloidreagens auf ein Kobaltglas bringt. Mit Hilfe eines 
Glasstabes bringt man beide Tropfen zur Berührung und beobachtet, ob 
dabei eine Trübung eintritt. Freilich muß es sich bei solchen Fällungen 
nicht durchaus um ein Alkaloid handeln, sondern es geben auch Glykoside 
bei Gegenwart von Gerbstoffen Trübung, andrerseits liefern auch Betain 
und Cholin mit den Alkaloidreagentien Niederschläge. Betain ist durch ein 
schwer lösliches Golddoppelsalz charakterisiert, gibt mit rotem Blutlaugen- 
salz und Ferrichlorid Blaufärbung und reagiert nicht alkalisch, sondern 
neutral. Cholin reagiert alkalisch, gibt aber in alkoholischer Lösung mit 
alkoholischer Sublimatlösung einen Niederschlag. Cholin und Betain ent- 
wickeln mit Kalilauge Trimethylamin und einige Tropfen ihrer Lösung, 
am Objektträger eingedampft, geben auf Zufließen einer starken Jodkali- 
lösung Kristalle, die man, sofort unter dem Mikroskop betrachtet, wachsen 
und wieder verschwinden sieht. 

Die Bleimethode kommt dann zur Anwendung, wenn die Vorprü- 
fung mit Bleisalzen positiv ausgefallen war. Der filtrierte wässerige Ex- 
trakt des Untersuchungsmaterials wird kochend heiß mit Bleiazetatlösung 
gefällt. Der die Filterporen rasch verstopfende Niederschlag wird abdekan- 
tiert nnd gewaschen, bis das Waschwasser nicht mehr sauer reagiert, das 
klare Filtrat samt Waschwässern mit Bleiessig gefällt. Man erhält also 
zwei Niederschläge A und B und eine Flüssigkeit B, die getrennt unter- 
sucht werden. Man versucht A in kaltem oder kochendem Alkohol zu lösen 
und befreit die Lösung Aa (ob sich etwas gelöst hat, erkennt man daran, 
daß einige Tropfen der alkoholischen Flüssigkeit, im Uhrglase verdampft, 
einen Rückstand hinterlassen) durch Schwefelwasserstoff oder besser durch 
Natriumsulfat vom Blei, konzentriert das Filtrat und läßt es im Vakuum 
über Schwefelsäure eindunsten. Den in Alkohol unlöslichen Teil von A 
übergießt man mit verdünnter Essigsäure und prüft durch Zusatz von 
Bleiessig, ob sich etwas gelöst hat, in welchem Falle ein Niederschlag ent- 
- steht; diesen, A%, wäscht man aus, suspendiert ihn im Wasser und ent- 
bleit ihn, das eingedampfte Filtrat wird im Vakuum ebenfalls eindunsten 
gelassen, ebenso wie die in Alkohol oder Essigsäure etwa ungelöst geblie- 
benen Teile von 4. Den Niederschlag B behandelt man ebenso wie 4 mit 
Alkohol (nicht aber mit Essigsäure). Die Flüssigkeit B wird entbleit und 
nun in drei Teile geteilt: 1. Wird mit Soda bis zur noch eben vorwalten- 
den sauren Reaktion versetzt und nach der Methode von Stas-Otto weiter- 
behandelt. 2. Wird konzentriert und im Vakuum über Schwefelsäure ein- 


174 Viktor Grafe. 


dunsten gelassen. Scheiden sich Kristalle ab, so filtriert man ab, dampft 
die Mutterlauge ein, trennt wieder von den Kristallen und bringt schließ- 
lich zur Trockene. Den Trockenrückstand nimmt man mit Alkohol auf und 
fällt mit Äther, man isoliert auf diese Weise einen in Alkohol unlöslichen, 
einen in Ätheralkohol unlöslichen und einen darin löslichen Bestandteil. 
3. Wird vor dem Eindampfen mit Soda neutralisiert und im übrigen so 
behandelt wie 2. Das Schwefelblei, welches beim Entbleien mit Schwefel- 
wasserstoff entstanden ist, reißt allerlei färbende und trübende Bestand- 
teile mit, zu deren Untersuchung man den Schwefelbleiniederschlag suk- 
zessive mit kochendem Wasser, kochendem Alkohol und Ammoniak extra- 
hiert und durch Abdampfen der Flüssigkeiten ermittelt, ob etwas in Lö- 
sung gegangen ist. Zuletzt oxydiert man den Schwefelbleirückstand mit 
Wasserstoffsuperoxyd und kocht das gebildete Bleisulfat mit Wasser und 
dann mit Alkohol aus. 

Man erhält auf diese Weise eine Reihe von amorphen Substanzen 
und kristallinischen Rückständen, die man nun näher zu bestimmen hat. 
Dafür wird schon die Fraktion, in der sie gefunden wurden, gewisse An- 
haltspunkte liefern. So können in Niederschlag A Glykoside, Pflanzen- 
schleime, organische Säuren, Gerbstoffe, in Niederschlag und Flüssigkeit B 
auber Zuckerarten basische Bestandteile enthalten sein. 

Ein sehr verwendbares Trennungsverfahren beruht auf dem Prinzip 
der fraktionierten Fällung und Lösung. Man stellt zunächst mit einem 
kleinen Teil der Substanz fest, in wieviel Teilen des Lösungsmittels er 
sich vollständig auflöst. Dann behandelt man ihn fünfmal mit dem fünften 
oder zehnmal mit dem zehnten Teil der zur vollständigen Lösung erfor- 
derlichen Flüssigkeitsmenge und prüft die Eigenschaften (Schmelzpunkt, 
Zusammensetzung) der beim Abdampfen des Lösungsmittels jeder Lösung 
erhaltenen Substanz. Ganz ebenso geht man bei der Fällung vor. Nach- 
dem man ermittelt hat, wieviel Fällungsmittel notwendig wäre, um den 
gesamten in Lösung gehaltenen Körper niederzuschlagen, fällt man mit 
fünfmal (oder zehnmal) je den fünften (oder zehnten) Teil dieser Menge, 
filtriert jedesmal ab und analysiert die betreffende Fraktion. Bestand der 
Körper nun aus mehreren verschiedenen Anteilen, so erzielt man schließ- 
lich eine Trennung beider Anteile. 

Ebenso wie man von vornherein durch Veraschung prüft, wieviel von 
dem zu analysierenden Pflanzenmaterial organisch und wieviel unorganisch 
ist, indem man also den Betrag der Gesamtasche feststellt, so prüft man 
auch jeden erhaltenen organischen Körper auf ein eventuelles Vorhanden- 
sein von Aschenbestandteilen, indem man nachsieht, ob beim Erhitzen auf 
dem Platinblech etwas zurückbleibt oder nicht. Von Mineralstoffen, die der 
Substanz beigemengt (nicht konstitutiv mit ihr verbunden) sind, kann man 
sie durch fraktionierte Lösung oder Fällung, wenn der Stoff wasserlöslich 
und dialysierend ist, durch Dialyse befreien, wobei man den Vorgang durch 
Zusatz einer Spur freier Säure erleichtert. Handelt es sich um ein Salz 
oder sonst eine Verbindung mit mineralischen Elementen, so kann man 


u 2 


Gesamtanalyse von Pflanzenmaterial. 5 


durch Zusatz von genau ermittelten Mengen Säure den organischen Körper 
oft in Freiheit setzen und dann durch Äther ausschütteln, wie das mit 
dem kristallisierten Anthocyan möglich ist, das aus Pelargoniumblüten als 
Kalisalz isoliert wurde.) In der isolierten organischen Substanz stellt man 
dann durch die Lassaignesche Probe (Erhitzen mit Natrium, Zusatz von 
Eisenvitriol und Eisenchlorid zur filtrierten Flüssigkeit, Erwärmen und 
Ansäuern mit Salzsäure, wobei Berlinerblau bei Anwesenheit von stick- 
stoffhaltigen organischen Substanzen) das Vorhandensein oder Fehlen von 
Stickstoff fest. Bisweilen, z. B. im Gummienzym, läßt sich der Stickstoff. 
welcher in Form eines Pyrrolkernes hier vorliegt, auf diese Art nicht nach- 
weisen. Tschirch schlägt vor, mit Ätzkali zu erhitzen und zu prüfen, ob 
die entwickelten Dämpfe einen mit Salzsäure getränkten Fichtenspan 
röten (Pyrrolreaktion), oder die Substanz im Verbrennungsrohr zu erhitzen, 
wobei man ihr nur Kupferoxyd, keine Kupferspirale vorlegt:; ihr Stickstoff 
wird in Stickoxyde übergeführt, die in der vorgelegten Lauge des Kali- 
apparates die Nitratreaktion geben. Durch Erhitzen mit Natrium entsteht 
aus organisch gebundenem Schwefel Natriumsulfid, das sich an dem 
schwarzen Fleck erkennen läßt, den es, befeuchtet, auf einem blanken Sil- 
berblech erzeugt. Durch Erhitzen mit rauchender Salpetersäure oder mit 
Ätzkali und Salpeter kann man den Schwefel zu Schwefelsäure, den Phos- 
phor zu Phosphorsäure oxydieren und jene mit Baryumchlorid als Baryum- 
sulfat, diese mit Magnesiamixtur oder molybdänsaurem Ammon erkennen. 

Ferner nimmt man eine systematische Extraktion des zerkleinerten 
Pflanzenmaterials mit Petroläther, Äther (oder Chloroform), absolutem Al- 
kohol, Wasser, sehr verdünnter Salzsäure und 5°/,iger Natronlauge vor, 
behandelt jeden Extrakt für sich und sorgt erstens dafür, daß die Ex- 
traktion jeweils eine vollständige ist, d.h. man extrahiert so lange, bis 
einige Tropfen des Extraktionsmittels, auf der Uhrschale verdampft, keinen 
Rückstand hinterlassen. Man kann auch, um zu sehen, ob durch das 
heiße Lösungsmittel keine Veränderung bewirkt wurde, parallel kalt extra- 
hieren. 

1. Extraktionsmittel: Petroläther, frisch destilliert. In diesen gehen 
über Fette, Öle, Wachse, Phosphatide, ätherisches Öl, Glykoside, Harze und 
manche in freier Form vorliegende (was aber in der Pflanze äußerst selten 
realisiert ist) Alkaloide. Die Alkaloide können durch Ausschütteln des petrol- 
ätherischen Auszugs mit säurehaltigem Wasser entzogen werden; dieses 
gibt dann, wieder alkalisch gemacht, das Alkaloid an neuen Petroläther 
beim Ausschütteln ab; auch wasserlösliche Glykoside wurden dem Petrol- 
äther auf diese Weise entzogen, wie überhaupt alle in Petroläther und 
Wasser gleichzeitig löslichen Stoffe. Von dem eventuell mit Wasser ausge- 
schüttelten petrolätherischen Auszug treibt man im Wasserbad den Petrol- 
äther ab und nimmt den Rückstand mit siedendem 90°/,igen Alkohol auf, 


1) Y. Grafe, Studien über das Anthocyan. II. Sitzungsber. d. kaiserl. Akad. d. 
Wiss. Wien. Bd. 120 (1911). 


176 Viktor Grafe. 


in dem sich bis auf die Hauptmasse der Fette und Öle alle noch vorhan- 
denen Stoffe lösen. Um auch die sich lösenden geringen Anteile von Fetten 
zu beseitigen, verdampft man und nimmt mit verdünntem Alkohol, mit 
Äther, Benzol u. dgl. auf, wobei die Fettanteile zurückbleiben. Mit Äther 
kann man gewöhnlich das Harz und Glykosid ausscheiden: ist das jedoch 
nicht möglich, so dampft man wieder ein und behandelt den Rückstand 
mit Äther, Methylalkohol, Benzol u. del, um eine Trennung der noch vor- 
handenen Körper zu erzielen. Mit Wasserdämpfen kann man das ätheri- 
sche Öl übertreiben, nachdem man sich vorher von der An- oder Abwe- 
senheit eines Glykosids überzeugt hat, da dieses durch die Wasserdämpfe 
teilweise zersetzt werden kann. Durch Aufnehmen mit Kalilauge kann man 
das Harz vom Glykosid trennen oder den Rückstand mit Alkohol auf- 
nehmen und fraktioniert mit Wasser fällen. 

2. Extraktionsmittel: Absoluter Äther. Dieser kann andere Glykoside, 
Alkaloide und Harze, ferner Farbstoffe, organische Säuren und indifferente 
Stoffe aufnehmen. Nach Verdunsten des Äthers überzeugt man sich durch 
die Spezialreaktionen, ob Glykoside oder Alkaloide anwesend sind, und be- 
handelt den Rückstand der Reihe nach mit Wasser (die wässerige Lösung 
wird mit Eisenchlorid geprüft), sehr verdünnter Säure, Alkohol und Schwe- 
felkohlenstoff, Harze fällt man aus der alkoholischen Lösung mit Wasser. 

3. Extraktionsmittel: Kochender absoluter Alkohol. Salze, Saponine 
und Zucker, die man durch einen Rückstand beim Veraschen auf dem 
Platinblech, durch das Schäumen des Extraktes, resp. durch das Verhalten 
gegen Fehlings Lösung erkennt. Der Alkohol wird abdestilliert, von sich 
abscheidenden Teilen abfiltriert und die restliche Flüssigkeit mit Äther 
gefällt. Den Niederschlag löst man nach dem Abfiltrieren in Wasser auf 
und prüft auf Gerbstoffe, Alkaloide, Saponine, Zucker. In Wasser lösen 
sich nicht die als Phlobaphene bezeichneten Zersetzungsprodukte der Gerb- 
stoffe auf, die in Alkalien löslich sind und aus der Lösung durch Säure 
gefällt werden. Die Lösung in alkoholischem Äther konzentriert man und 
trennt die enthaltenen Substanzen wie Alkaloide, Giykoside etc. nach der 
Bleimethode. 

4. Extraktionsmittel: Kaltes destilliertes Wasser. Dieses löst die 
Hauptmasse der Zuckerarten, Salze, Gummi, Schleime, Eiweißstoffe und 
enthält eventuell auch noch Bitterstoffe und Glykoside. Das Vorhandensein 
von Eiweiß) erkennt man mittelst der bekannten Farbenreaktionen. Man 
versetzt dann die wässerigen Extrakte mit dem gleichen Volumen Alkohol 
zur Ausfällung von Schleim, Eiweiß, wobei auch Salze mitgerissen werden. 
Man löst den Niederschlag in Wasser und trennt die Salze durch Dialyse 
von Eiweiß und Schleim. Ersteres wird durch Koagulieren beim Zusatz 
von Essigsäure oder durch Aussalzen von Schleim abgetrennt. Da die Pro- 
teine durch Bleiazetat, die Schleime häufig erst durch Bleiessig gefällt 
werden, kann man auch die Bleimethode einschlagen. Extrahiert man das 
ursprüngliche Material mit kochendem Wasser, so verkleistert die Stärke, 
schwerlösliche Schleime, Inulin, Hemizellulosen, Glykogen, Dextrine gehen 


Gesamtanalyse von Pflanzenmaterial. 177 


in Lösung, bei leicht hydrolysierbaren Polysacchariden, wie Inulin. Galak- 
tan, Araban ete. tritt teilweise Spaltung ein. Aus dem wässerigen Extrakt 
können diese Stoffe wieder durch Fällung mit genügend Alkohol amorph 
oder kristallinisch (Inulin) gewonnen werden. 

5. Extraktionsmittel: Kalte, sehr verdünnte Säure, mit der das Ma- 
terial mehrtägig geschüttelt wird. Es löst sich der Rest der Alkaloide, 
ferner schwerlösliche, organisch-saure Salze, wie oxalsaurer oder weinsaurer 
Kalk, Eiweißstoffe etc., die man aussalzen kann (mit Ammonsulfat). Er- 
wärmen mit verdünnter Säure bringt die Oxyzellulosen in Lösung, während 
Zellulose und Lignin zurückbleiben. Um die beiden letzteren zu trennen 
(das Lignin erkennt man an der Kirschrotfärbung mit Phlorogluzin-Salz- 
säure oder Goldgelbfärbung mit Anilinsulfat), behandelt man mit Kupfer- 
oxydammoniak, das nur die Zellulose löst; aus der Lösung fällt man die- 
selbe durch Salzsäure aus. Durch Behandlung des Rückstandes mit einem 
Gemisch von chlorsaurem Kali, Salpetersäure oder durch Sulfitlauge (in 
eine Aufschwemmung von 50 g CaCO, in 1500 g H,O wird so lange SO, 
eingeleitet, bis alles gelöst ist) wird das Lignin gelöst, während die Zellu- 
lose zurückbleibt: allerdings greift das erstere Reagens die Zellulose eben- 
falls beträchtlich an. während durch das letztere auch das Lienin nicht 
vollständig gelöst wird. 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 12 


Nachtrag zum „Sterilisieren höherer lebender 
Pflanzen“. 


Von V. Grafe (Wien). 


Trotz aller Vorsichtsmaßregeln inbezug auf Sterilerhalten der Keim- 
pflanzen ist es bis jetzt noch nicht gelungen, eine absolut sterile Aufzucht 
zu ermöglichen. Einen wesentlichen Fortschritt nach dieser Richtung be- 
deutet der folgende, von J. Gicklhorn') konstruierte Apparat), welcher auf 
der Beobachtung basiert, daß vor allem 
der sterilen Entwicklung des Wurzel- 
systems höchste Bedeutung zukommt, 
während die sich später entfaltenden 
oberirdischen Organe der Keimpflanze 
wohl zunächst einen sterilen Luftraum 
brauchen, aber später inbezug auf 
absoluten Abschluß vor der Außenluft 
keiner strengen Sorgfalt bedürfen, da 

eine Infektion in vorgeschritteneren 

a une Keimungsstadien nicht mehr vorzu- 

WW, = Wattabausch. P = Pergamentpapier. kommen pflegt. Die Methodik schließt 
gefüßes. sich an die bakteriologischen Impfver- 

fahren an. Als Kulturgefäß wird eine 

ungefähr 5000 em? fassende weithalsige Flasche benützt, über die einmal im 
Kreise herum eine ungefähr 4 Finger breite Lage Watte (Fig. 47) gewickelt 
wird. Die Watte ragt über die Mündung der Flasche noch etwa zwei 
Finger breit hinüber. Der Wattestreifen wird an seinem herausragenden 
Ende mit den Fingern erfaßt und leicht in die Mündung der Flasche 
deren Rand angedrückt. Über diese Watte wird ein mäßig feuchtes 


1) Herr J. Gieklhorn, Assistent am pflanzenphysiologischen Institute der Universität 
Wien, welcher auch diesmal wieder die Bilder für meine Beiträge gezeichnet hat, ge- 
stattete mir in liebenswürdiger Weise seinen Apparat hier zu beschreiben, bevor derselbe 
andernorts publiziert wird. 

?) Alle hier und in meinen früheren Beiträgen dargestellten Apparate sind nach 
Angabe bei der Firma Rud. Siebert, Wien, IX., Garnisongasse, konstruiert oder nach- 
konstruiert worden und dort zu beziehen. 


Nachtrag zum „Sterilisieren höherer lebender Pflanzen“. 179 


Pergamentpapier locker darüber gespannt und mit einem in die Mündung 
der Flasche passenden Glas- oder Holzstopfen ungefähr 3 Finger tief 
hineingedrückt. Der überragende Teil des Papieres wird über die Watte 
geglättet und mit einem Kautschukband locker festgehalten. Über das so 
montierte Kulturgefäß wird ein passender Zylinder gesetzt (Fig. 48), für dessen 
Einpassung auf die beginnende Wölbung der Flasche noch ein einfacher 
Wattestreifen zwischen Zylinder und Flaschenhals gewunden wird, welcher 
Wattestreifen den Zylinder festklemmt. Bevor man das Festklemmen vor- 
nimmt, kommt in die durch den Stöpsel bewirkte Vertiefung ein lockerer, 
die Vertiefung ganz ausfüllen- 
der Wattepfropf. Watte und 
Pergamentpapier wirdmittelst 
eines Trichters durchbohrt 
und durch den Trichter die 
Kulturflüssigkeit eingefüllt. 
DieseVersuchsanordnung wür- 
de sich zur Lösung eines in- 
teressanten Problems eignen, 
nämlich ob und in welchem 
Grade die höhere Pflanze im- 
stande ist, die Bestandteile 
ihrer Nährlösung, also die 
Ionen Kt, Cat, Mgt, Fet 
einerseits, NO,-, PO, -, SO, - 
andrerseits in organischer 
Verbindung, also in wenig 
oder nicht dissoziierter Form 
aufzunehmen und zu verwer- 
ten. Dann wird der Aufsatz- 


Fig. 48. 


Bere Oberer Teil des Kulturgefäßes von Gicklhorn, vollkommen 
zylinder, dessen oberes Ende montiert. 


A=Zylinderraum, für kurze Zeit den Kulturraum bildend. 


mit einem Glasboden ver- s— Wattestopfen. Ke= Keimling. P= Pergament. Ka = Kaut- 
= e £ schukband. W, =innerer Wattepfropf. W, = äußerer Watte- 
schlossen ist (man VerW endet : G = Hals des Glasgefäßes. 


. pfropf. W,=lockere Wattelage. 
am besten ein umgekehrtes, 


nicht gerandeltes Becherglas) und der ein seitliches, schief angesetztes Zu- 
fuhrrohr trägt, mittelst des Watteringes fest aufgesetzt und der ganze 
so adjustierte Apparat in den Sterilisator gestellt. 

Ein birnenförmiges Gefäß (Fig. 49) mit breiter Mündung, an dessen 
Verschmälerung unten ein diekwandiger, mit Klemmschraube versehener 
Gummischlauch angebracht ist, wird oben mit einem passenden, doppelt 
durchbohrten Pfropfen verschlossen. Die eine Bohrung trägt ein engeres, 
mit sterilisierter Watte verschlossenes, die andere ein so weites Glasrohr, 
daß z. B. Erbsen bequem durchfallen können. Dieses breite Glasrohr trägt 
einen Kautschukschlauch, der unmittelbar über dem Rohrende einen 
Quetschhahn angesetzt hat. Das andere Ende des etwa einen !/, m langen 
Schlauches ist über ein erweitertes Glasrohr gezogen (unmittelbar vorher 


12* 


180 V. Grafe. 


ist wieder ein Quetschhahn vorgesehen), dessen schmälerer Teil in der 
Bohrung eines Stöpsels sitzt, mit dem ein wassergefüllter Erlenmeyer- 
kolben verschlossen ist. Die ganze Apparatur wird heiß sterilisiert, der 
Stöpsel des birnenförmigen Behälters danach einen Moment abgehoben 


Sterilisationsapparat nach J. Gicklhorn. 
S), 5 = Stative. S=birnenförmiges Sterilisiergefäß. H,, Hz, H,— Quetsch- 
hähne. K = Erlenmeyerkolben mit sterilisiertem Wasser, daneben punktiert das 
Überführen der vollkommen sterilisierten, gequollenen Samen in den Schlauch. 
Sa = Samen. r = Ring zum Fixieren des Schlauches. r, = Glasröhre zum Ein- 
lassen der Luft, abgeschlossen durch einen kleinen Wattebausch. r3 = weites 
Rohr zum Durchtritt der Samen. r, — Ausmündungsrohr des Sterilisiergefäßes. 


und die Samen ein- 
geschüttet und mit 
einer Ipromilli- 
gen DBromlösung 
bedeckt, der Stöp- 
sel wieder einge- 
setzt und nun 
wiederholt ge- 
schüttelt, so dab 
Samen und das 
breite Rohr samt 
dem Stück Kaut- 
schukschlauch bis 
zum (@uetschhahn 
gründlich desinfi- 
ziert werden; das 
Bromwasser wird 
nun unten aus der 
jirne abgelassen 
und aus dem Kol- 
ben unter ent- 
sprechendem Öff- 
nen der Quetsch- 
hähne das sterili- 
sierte Wasser in 
die Birne einge- 
führt und die 
Samen zwei- bis 
dreimal damit ge- 
schüttelt, so dab 
das Bromwasser 
vollständig ausge- 
waschen wird. Zu- 
letzt wird der 
ganze Rest des 
Wassers aus dem 
Kolben in die 


Birne eingelassen und die Samen darin zur Quellung gebracht. Darauf 
wird die Birne umgekehrt und unter Öffnen des der Birne benachbarten 
und Verschluß des dem Erlenmeyerkolben benachbarten Quetschhahnes die 
Samen durch sanftes Schütteln in den weiten Kautschukschlauch gebracht, 
so daß sie nun in diesen sterilisierten Behälter wie in einer „Geldkatze” 


F Nachtrag zum „Sterilisieren höherer lebender Pflanzen“. 181 


ruhen. Eine mit Filtrierpapier ausgekleidete Petrischale wird in der ge- 
wöhnlichen Weise sterilisiert, auf einen Tisch gestellt, und nachdem die 
nunmehr nicht mehr sterilen Enden des Gummischlauches jenseits der 
Quetschhähne in heißes Wasser gesteckt und so wieder steril geworden 
sind, die Samen in die sterilisierte Petrischale ausgeschüttet, wo sie also 
steril ankeimen. Dann wird der Keimapparat und die Petrischale neben- 
einander auf den Tisch zur Seite einer Flamme gestellt, die Samen mittelst 
einer langarmigen abgeflammten Pinzette mit breiten Schuhen gefaßt, 
zwischen welchen der Samen bequem ruht. Inzwischen ist wie beim bak- 
teriologischen Arbeiten der Wattebausch aus dem seitlichen Ansatzrohr des 
Zylinders herausgezogen worden, der Samen wird mit der Pinzette ein- 
geführt und in den Wattebausch der Flaschenmündung eingedrückt, so 
daß er genau in das vorher für das Durchführen des Trichters in die 
Watte und das Pergamentpapier gebohrte Loch zu liegen kommt. Die 
Watte des Ansatzrohres wird abgeflammt und wieder hineingesteckt. Der 
Samen ist also völlig steril hineingebracht, die Möglichkeit der Infektion ist 
nicht größer als beim gewöhnlichen bakteriologischen Arbeiten. Nachdem 
der Samen Wurzel und etwa 2 cm hoch seinen Stengel ausgetrieben hat, 
wird durch den seitlichen Ansatz eine steril vorrätig gehaltene Mischung 
von Vaselin, Paraffin und Wachs einfließen gelassen, die nicht härter ist, 
als daß in ihr das Wachstum der Keimpflanze leicht vor sich gehen kann, 
und beim Einfließen nicht heißer, als dal sie gerade dünnflüssig ist. Die 
Mischung durchtränkt Watte und Pergament vollkommen, so daß eine 
spätere Infektion der Nährlösung von oben ausgeschlossen ist. Nachdem 
die Pflanze noch etwas größer geworden ist, wird der Aufsatzzylinder ab- 
genommen, der Wattering, der ihn abgedichtet hatte, entfernt und der 
Keimling entwickelt sich im freien Luftraum und mit vollkommen steril 
gehaltenem Wurzelsystem und Nährlösung. Es ist klar, daß nur mit Hilfe der- 
artiger minutiöser Versuchsanstellungen Stoffwechselfragen mit organischer 
Lösung, Wurzelausscheidungsfragen u. dgl. einwandfrei zu lösen sind. 
Zur sterilen Kultur von aus Samen stammenden Weinreben hat 
L. Petri!) einen Apparat konstruiert. Zunächst wurden die Samen in einem 
geeigneten Gefäß mittelst Durchleitens eines Stromes von 1°/,iger Sublimat- 
lösung durch 2—3 Minuten desinfiziert, dann mit sterilem Wasser nach- 
gewaschen und dasselbe Wasser zum Anquellen der Samen benützt. Der 
Apparat besteht aus einem mit dreibohrigem Kautschukpfropfen und einem 
mit Hahn 7’ versehenen Glastrichter. Der zylindrische Teil des Trichters ist 
unten durch das Sieb r aus Tüll oder Porzellan geschlossen, über welchem 
die zu sterilisierenden Weinbeerkerne » sich befinden. Der Trichter ist an 
dem Absaugekolben b durch einen Kautschukstöpsel befestigt, der seitliche 
Ansatz des Kolbens ist durch sterilisierte Watte verschlossen. Die beiden 
seitlichen Röhren des oberen Pfropfens des Trichters befinden sich in Ver- 
bindung mit den beiden Flaschen A und B, welche die Sublimatlösung, 
respektive das sterilisierte Wasser enthalten. Die beiden Flaschen sind 


1) L. Petri, Nodositätenbildung auf der Rebwurzel durch die Reblaus in sterili- 
siertem Mittel. Zentralblatt f. Bakter. II, Bd. 24, S. 146 (1909). 


182 V. Grafe. 


mit einem zweiten Rohre versehen, damit Luft durch das Filter P 
ziehen kann. Das mittlere Rohr des Trichterpfropfens ist in Ver- 
bindung mit zwei Schwefelsäure enthaltenden Kolben. Der Dreiweghahn 7 
verbindet abwechselnd die beiden Kolben mit dem Trichter. Wenn man 
einen Strom Sublimatlösung in den Trichter einlassen will, setzt man das 
tohr eines Aspirators an das Rohr a des linken Kolbens, indem man die 
Hähne und 7 geschlossen hält und den 2. und T 3 öffnet. Die Wirkung 
des Aspirators soll aufhören sobald der Trichter ganz voll ist. Dann 
schließt man den Hahn 2 und öffnet T und 73 (des rechten Kolbens). 
In dieser Weise wird das Sublimat abgezogen; dann muß man, um mit 
Wasser nachzuwaschen, den Hahn 7 schließen und den T und 73 öffnen 
(beim linken Kolben). Dann läßt man den Aspirator wirken. Das Wasser 
wird 4--Dmal gewechselt und die Samen dann zirka 9 Tage bei einer 


Fig. 50. 


Waschapparat nach Petri. Beschreibung im Text. 


Temperatur von 20--22° C unter Wasser gehalten. Für manche Samen 
ist zweimaliges Desinfizieren notwendig, weil sich sonst doch ein Pilz- 
myzel bilden kann, das den Embryo zerstört. Dagegen werden die er- 
wachsenden jungen Pflänzchen nicht mehr angegriffen. Die Keimfähigkeit 
leidet unter der Desinfektion gar nicht, selbst wenn sie vier Minuten gedauert 
haben sollte. Die Glasröhren, in welche die desinfizierten Samen eingesät 
werden, zeigt Fig. 51. Die Bohrung. welche die beiden weitesten Teile des 
Rohres verbindet, zeigt entsprechende Verengerung, einen Durchmesser von 
höchstens 3 mm, so daß es unmöglich ist, den Samen s durchzuziehen. Der 
Samen wird vielmehr, wenn er ausgesät werden soll, in den oberen Teil @ 
des Rohres hineingeworfen, indem man die Deckung aus Watte c ein wenig 
hochhebt. In den unteren Teil 5 wird ein wenig mit Bruchstücken von 
Granit vermengter Sand gelegt, damit die untere Schichte sehr porös wird 
und die Ausbreitung der Wurzeln ermögliche. Ein wenig Glaswolle verhin- 


Nachtrag zum „Sterilisieren höherer lebender Pflanzen“. 183 


dert das Durchfallen von Erde durch das den Pfropfen » durchziehende 
Rohr, das zum Abgießen des Wassers dient: dieses Rohr wird durch das Glas- 
stäbehen » mit dem dazugehörigen Kautschuktubus geschlossen. Der mit Erde 
gefüllte Teil 5 ist mit einem kurzen seitlichen Rohre versehen, welches sich 
in Verbindung mit dem durch den Stopfen o geschlossenen 
Glasrohre e befindet. Die Erde sowie die Granitbruchstücke 
in dem Glasrohr mit Ausnahme der Teile aus Kautschuk 
werden im Trockenschrank bei 130° C eine Stunde lang 
sterilisiert. Die Abziehungsröhren mit dem dazugehörigen 
Deckel und die Röhrchen e mit dem Kautschuktubus wer- 
den im Dampftopf sterilisiert. Diese Teile werden dann dem 
Apparat angefügt, die Erde mit einem Strom sterilisierten 
Wassers begossen, welcher, durch das Rohr e ziehend, durch 
das untere Rohr schließlich abläuft, wobei der Wattebausch 
das Mitgleiten von Erdstückchen verhindert. Darauf werden 
die Kulturapparate von neuem sterilisiert, indem man sie 
durch 20 Minuten feuchter Wärme von 105° Ü aussetzt. In 
den oberen Teil des Apparates «a wird dann ein Kern getan 
und durch ein geeignetes Reagenzglas sofort ein wenig 
_ feinen sterilisierten Sandes darauf gegossen, sowie eine un- 
gefähr 34mm dicke Schichte von Specksteinpulver r. In- 
dem der Sand die nasse Erde des Teiles 5 des Apparates 
berührt, feuchtet er sich durch Kapillarität nach und nach 
an, während die Specksteinpulverschichte trocken bleibt; 
sie läßt daher den zur Keimung des Samens notwendigen 
Sauerstoff durch. Gleichzeitig dient diese Schichte als ein 
Filter für die Luft, gleichsam wie ein Wattepfropfen, in- 
dem sie das Durchdringen der in der Luft vorhandenen „,sönrchen nach Pair; 
Keime verhindert. In den Entwicklungsapparaten kann zum Einfüllen der steri- 
Er N E R lisierten Rebensamen. 
man ferner dem Wurzelsystem die nötige Luft zuführen, Beschreibung im Text. 
indem man einen Luftstrom durch das Rohr e in das 
untere ziehen läßt oder indem man dieses letztere ganz einfach offen 
stehen läßt: dann muß man aber das untere Ende des Apparates in ein 
langes sterilisiertes Reagenzglas einführen, nachdem das Stäbchen n ent- 
fernt worden ist. 
| W. Schmidt hat ein Verfahren ausgearbeitet, das den Vorzug der 
Einfachheit hat, aber freilich nur bei kleineren Samen Erfolg bieten dürfte. 
Als Kulturgefäße dienen Gasglühlichtzylinder, die mit dem einen Ende in 
Bechergläser gestellt wurden, wo sie mit einem Wattering festgehalten wer- 
den. In die Röhre sowohl wie in das Becherglas war zuver gut ausgeglühter 
Sand gegossen worden, in beliebiger Höhe, je nach den zu verwendenden 
Pflanzen und der Weite der Röhren. Auf die Sandschicht, die die Röhre 
außen im Becherglase umgibt, wird so viel Knopsche Nährlösung gegossen, 
bis in dem Zylinder die ganze Sandsäule schwach durchgefeuchtet ist. Der 
Zylinder wird oben mit einem Wattebausch verschlossen und nunmehr das 
ganze im Dampftopf dreimal je Y/, Stunde sterilisiert. Um nun das Aus- 


184 V.Grafe. Nachtrag zum „Sterilisieren höherer lebender Pflanzen“. 


trocknen zu verhindern, andrerseits die mögliche Infektion bei Lüften der 
Zylinderbedeckung zu vermeiden, wird die untere Öffnung des Zylinders 
mit einer Zelloidinschichte verschlossen, durch die die Nährlösung durch- 
diffundiert, wenn der Zylinder in die Lösung gestellt wird, während die 
Pilzkeime zurückgehalten werden. Um die Zelloidinplatte in dem Zylinder 
anzubringen, stellt man diesen zweckmäßig mit dem zu verschlielenden 
Ende auf Quecksilber, gießt zirka 3—4 mm hoch Zelloidin in das 
Rohr und läßt das Alkohol-Äthergemisch abdunsten. In 

bezug auf späteres Sterilisieren ist zu bemerken, daß das Fig.,52. 
fertig montierte Kulturgefäß mit trockenem ausgeglühtem 
Sande in den Dampftopf zu bringen ist, nicht schon das mit 
Knopscher Nährlösung vorher befeuchtete.!) Es gelang auf 
diese Art, speziell Rübenpflanzen vollkommen steril aufzu- 
ziehen. Eine andere Methode besteht in der Verwendung 
von 2°/,igem sterilen Agar zur Anzucht höherer Pflanzen in 
weitlumigen Reagenzröhren. Der Agar wird gut gekocht und 
heiß zweimal durch Filtrierpapier und Watte mittelst 
der Wasserstrahlpumpe filtriert. Das Filtrat wird in weite 
Glasschalen gegossen, nach dem Erstarren über die zirka 
2cm starke Schichte destilliertes Wasser fließen gelassen 
und das Ganze sich selbst überlassen. Nach einigen Tagen 
wird das Wasser, das einen leichten Fäulnisgeruch ange- 
nommen hat, abgegossen, durch frisches Wasser ersetzt usf. 
Nach etwa zwei Wochen wird der Agar neu aufgekocht, 
mit 20°/,iger Knopscher Nährlösung versetzt und in große 
Reagenzrohre (20 mm innere Weite) in 3—4 cm hoher 
Schichte gefüllt. Die Röhren werden dreimal je !/; Stunde 
im Dampftopf sterilisiert, der Agar muß dann so durch- spparat von Schmidt. 
sichtig sein, daß man Druckschrift durch ihn hindurch + Wattebausch. 


b = Reagenzrohr (Gas- 


lesen kann. Ungeschälte Rübensamen keimen allerdings in _ glühlichtzylinder). 


solchem Substrate schlecht, geschälte schon etwas besser ; da- se Deehergiäa: 

e£ . - & & > e, f = Sandschichte. 
her wurden später junge, in Erdkästen im Freien herange- g=Zelloidinschicht. 
zogene Rübenpflänzchen gewissermaßen als Stecklinge ver- 
wendet, indem die Wurzeln abgeschnitten und das Hypokotyl mit der Pinzette 
in die Agarmasse eingeschoben wurde. Die Rübenpflänzchen waren zuvor in 
stark strömendem Leitungswasser, dann in destilliertem Wasser, schlieb- 
lich in sterilem Wasser gewaschen worden. Die Wurzel wurde mit in Alko- 
hol sterilisiertem Messer entfernt und schnell mit steriler Pinzette in das 
bereitgehaltene Röhrchen eingeführt. Die Pflänzchen trieben in wenigen 
Tagen kräftige Wurzeln, welche bald die ganze Kuppe des Reagenzrohres 
durchzogen hatten. Der Blattapparat war üppig grün, Pilze traten selbst 
nach Wochen nicht auf. Aber Hauptbedingung ist, daß der Blattapparat 
in die Lage versetzt wird, kräftig zu assimilieren. 


!) W. Schmidt, Zur Methodik von Infektionsversuchen von höheren Pflanzen. 
Zentralblatt f. Bakt. Il, Bd. 25, S. 426 (1910). 


Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zell- 
sranulationen in fixierten Objekten. 
Von R. Metzner, Basel. 


Dem Wunsche des Herrn Herausgebers zufolge sollen nachstehend 
die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgranulationen in fixierten 
Objekten beschrieben werden; die „vitalen“ Färbungen sind ausgeschlossen 
und kommen in einem besonderen Kapitel zur Behandlung. Andrerseits 
müssen aber im folgenden diejenigen Verfahrungsweisen, die zur Beob- 
achtung überlebender Zellen bzw. Zellstrukturen geeignet sind, in Kürze 
zur Darstellung gelangen, da eine Kontrolle der Fixationsbilder an Hand 
des frischen Objektes erfolgen sollte, soweit immer möglich. Die Schwie- 
rigkeiten sind hier allerdings oft nicht geringe, zuweilen sogar für ein 
und dasselbe Objekt unüberwindliche; doch kann man durch Heran- 
ziehung ähnlicher, besser bearbeitbarer Gebilde dieser Schwierigkeiten 
wenigstens teilweise Herr werden. Es erübrigt sich an dieser Stelle näher 
auf Details einzugehen, da jeweils solche Hinweise bei Besprechung der 
einzelnen Methoden gegeben werden sollen. Sehr beachtenswerte Dar- 
legungen über die mikroskopische Beobachtung überlebender Objekte und 
die dabei zu beachtenden Vorsichtsmaßregeln hat Hardy!) gegeben; an 
gleicher Stelle finden sich auch des Autors ausführliche Angaben über 
die Wirkung gewisser, viel gebrauchter Reagenzien auf kolloidale Flüssig- 
keiten und auf tierische Zellen (vgl. hierüber unten). 

Infolge der Beschränkung meiner Aufgabe auf die Darstellung der 
Methoden zur Granulafärbung in Drüsen bzw. in epithelialen Gebilden 
fallen die grundlegenden Untersuchungen Ehrlichs, welche ja zum ersten 
Male die Bedeutung der Zellgranula für den Stoffwechsel der Zellen auf- 
zeigten, hier außer Betracht und ich beginne mit den Altmannschen Gra- 
nulamethoden. In ihre Darstellung sollen eingeflochten werden die von 
mir selbst und von anderen Autoren angegebenen Modifikationen und Ver- 
besserungen. 


Fixierung. 


An erster Stelle ist zu nennen die Fixierung in der Osmium-Rali- 
bichromatmischung, gewöhnlich Altmanns Gemisch genannt, da dieses Rea- 


') Hardy, Journ. of Physiol. Vol. 24. p. 158 ff. (1899). 


186 R. Metzner. 


gens ein für den vorliegenden Zweck fast universelles Hilfsmittel darstellt, 
insofern es gestattet, „Granula“ in fast sämtlichen Zellen zur Darstellung 
zu bringen. 

Das neutrale Gemisch wird hergestellt aus gleichen Teilen einer 
21/,0/,igen Lösung von Kalibichromat und einer 2°/,igen Lösung von Osmium- 
tetroxid (OsO,), gemeiniglich Osmiumsäure genannt. Die zu fixierenden 
Organstückchen müssen „lebendfrisch“ eingelegt werden und es dürfen 
nur kleinste Stücke bzw. nur dünne Platten zur Verwendung kommen. 
da die Osmiumsäure bekanntermaßen sehr wenig tief eindringt. 

Wohl zu beachten ist, daß nur frische Lösungen verwendet werden; 
auch soll das Volumen der Mischung etwa das 30—40fache des Volumens 
des verwendeten Organstückchens betragen. Die Fixation ist nach 24stün- 
digem Verweilen in der Mischung vollendet, d.h. nach Ablauf dieser Zeit 
können die Stücke in Wasser gespült werden, ohne daß eine Quellung der 
(ranula zu befürchten wäre. Längeres Verweilen — bis 48 Stunden — 
schadet nicht, dagegen gilt die Angabe einer folgenden Spülung in Wasser 
nicht ganz ausnahmslos, insofern gewisse Organe unter solcher Nachbe- 
handlung eine Quellung bzw. Zerstörung der Granula zeigen. An erster 
Stelle sind hier die Granula der Schleimdrüsen zu nennen und es soll bei 
der Besprechung der zu ihrer Fixation geeigneten Methoden näher auf 
diese Verhältnisse eingegangen werden. Die Spülung wird in fließendem 
Wasser vorgenommen: je nach der Größe der Organstückchen genügen 
dazu 12—24 Stunden, doch sind für allerkleinste Partikel 6 Stunden voll- 
auf ausreichend. Hierauf werden die Stückchen in destilliertem Wasser 
mehrmals hin und her geschwenkt und im erneuerten Aqua destill. meh- 
rere Stunden belassen. Die Entwässerung kann sofort mit 95°%/,igem Al- 
kohol beginnen. doch fängt man aus Sparsamkeitsrücksichten mit schon 
einmal gebrauchtem, also etwas stärker wasserhaltigem Alkohol an, wechselt 
jenach der Größe der Stücke 2— mal in Intervallen von !/,; 3 Stunden und 
führt darauf die Präparate in Alcoh. absol. über; in diesem sollen sie auch 
je nach Größe nur 15 Minuten bis 1!/, Stunden verbleiben. Bei der 
Festsetzung der zur Entwässerung einzuhaltenden Zeit muß man vor allem 
Rücksicht nehmen auf die Beschaffenheit des fixierten Organstückes; konnte 
man bei der Präparation die bindegewebigen Teile nicht genügend ent- 
fernen oder ist die Verwendung von mit reichlichem Bindegewebe durch- 
setzten Organteilen überhaupt nicht zu umgehen, so ist das Entwässern 
auf die kürzeste, noch eben ausreichende Zeit zu beschränken. Denn nach 
Paraffineinbettung wird alles Bindegewebe hart und schlecht schneidbar, 
und nur die möglichste Abkürzung der Prozeduren der Entwässerung und 
Aufhellung kann hier ein wenig Besserung schaffen. Andrerseits läßt sich 
die Paraffineinbettung nicht umgehen, weil sie allein erlaubt, Schnitte von 
genügender Feinheit herzustellen, um bei guter Granulafärbung noch klare 
3ilder zu erhalten. Diese Beschränkung in der Wahl des Einbettungs- 
mittels bildet einen nicht zu leugnenden Übelstand dieser Granulamethoden, 
denn er führt notwendigerweise auch zu einer Beschränkung in der Aus- 


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Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgranulationen etc. 18 


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wahl der untersuchbaren Objekte, ganz abgesehen von den noch zu er- 
wähnenden Beschränkungen in der Anwendbarkeit der Granulamethoden 
an und für sich. 

Die Aufhellung der entwässerten Stücke bzw. ihre Durchtränkung 
mit einer für Alkohol sowohl als für Paraffin in jedem Verhältnis misch- 
baren Flüssigkeit kann entweder mit Xylol oder Zedernöl geschehen. Die 
Schneidfähiekeit ist manchmal etwas besser nach Behandlung mit Zedernöl: 
auf jeden Fall aber ist für beide Verfahren schnelles Arbeiten vonnöten, 
will man nicht spröde, für die Herstellung dünnster Schnitte unbrauchbare 
Präparate erhalten. 

Es empfiehlt sich daher, das Aufhellungsmittel lieber mehrmals zu 
wechseln und die Stückchen nur kurze Zeit im Xylol oder Zedernöl zu 
belassen. Meist wird ein Aufenthalt von 2 Stunden genügen, mit zwei- 
maligem Wechsel; für kleinste Organpartikel ist die Aufhellung schon nach 
ı/, Stunde vollendet. Zur Einbettung in Paraffin werden die in Zedernöl 
aufgehellten Präparate mit Petroläther abgespült, für 10—15 Minuten in 
ein Schälchen derselben Flüssigkeit verbracht und darauf in eine Mischung 
von Paraffin (45—50°C Schmelzpunkt) und Petroläther aa. Die Xylol- 
präparate kommen dementsprechend in eine Paraffinxylolmischung:; die 
Schälchen mit diesen Mischungen kann man mit Vorteil auf den Thermo- 
staten stellen. der zur Einbettung dient. In diesem Falle macht man die 
Mischungen am besten so, daß man in ein mit dem Aufhellungsmittel be- 
schicktes Schälchen so viel Paraffin einträgt. als eben noch gelöst werden 
kann. Nach 1—2 Stunden — bei kleinsten Stücken nach 15—20 Minuten 
— überträgt man die Präparate in die offenen, aber sorgfältig vor Staub 
geschützten Näpfchen des Thermostaten mit Paraffin von 45° C Schmelz- 
punkt; je nach Größe kommen dieselben 2—4 Stunden später für Y/, Stunde 
in Paraffin von 56—58°C Schmelzpunkt und werden dann in gleiches 
Paraffin eingebettet. Die Einbettung nehme ich heute noch nach der bei 
Altmann geübten Weise vor: Kleine flache, den Petrischalen ähnliche Glas- 
schälchen, am oberen Rande mit etwas größerem Durchmesser als am 
Boden, werden mit einer Spur Glyzerin ausgerieben, darauf mit geschmol- 
zenem Paraffin so weit als möglich gefüllt und nun gewartet, bis auf 
leichtes Anblasen am Rande ein schmalster Erstarrungsstreifen erscheint. 
Jetzt trägt man rasch, doch unter Vermeidung von Luftblasen, die Prä- 
parate in das Schälchen ein; es empfiehlt sich, nur wenige zu nehmen, 
zumal bei geringer Übung, da sonst das Anhängen von Luftblasen kaum 
zu vermeiden und auch die Übersicht infolge Erstarrens des Paraffins er- 
schwert wird. Immerhin kann man mit einer heißen Nadel etwa anhän- 
sende Luftblasen ohne Schwierigkeit entfernen. Es ist selbstverständlich, 
daß man diese Manipulationen so rasch als irgend möglich ausführen mub. 
Sobald sich eine dünne Schicht erstarrten Paraffins an der Oberfläche ge- 
bildet hat, welche ein Hantieren mit dem Schälchen gestattet, überträgt man 
es in ein größeres Becken mit kaltem Wasser: hier läßt man es schwimmen, 
bis das Glasschälchen sich vom Paraffinscheibehen loslöst und niedersinkt. 


188 R. Metzner. 


Eine Modifikation der Altmannschen Osmiumkalibichromatmethode 
hat Schridde!) angegeben; sie umgeht die direkte OsO,-Fixierung und ge- 
stattet infolge davon das Einlegen größerer Stücke (bis 1 cm Seitenlänge). 
Die „lebendfrischen“ Präparate kommen in ein auf 35°C erwärmtes Ge- 
misch von 1 Vol. 40°/,iges Formaldehyd (sogenanntes konzentriertes For- 
mol), 9 Vol. Müllerscher Lösung für 24 Stunden, werden dann 1—2 Tage 
in reiner Müllerscher Flüssigkeit nachgehärtet und dann, wie folgt. ge- 
beizt. Man zerschneidet nach 24stündiger Wässerung im fließenden Strome 
die Objekte in ca. 2 mm dicke Scheiben, legt sie 6 Stunden lang in de- 
stilliertes Wasser und bringt sie dann für 24 Stunden in eine 1°,,ige 
OsO,-Lösung bei Lichtabschluß; es folgt dann wieder eine Spülung in 
fließendem Wasser für 12 Stunden und Nachhärtung in steigendem Alkohol 
und schließlich Alkoholchloroform sowie Chloroform. Bis hierher sollen die 
Präparate im Dunkeln bleiben. Die Einbettung erfolgt — durch Chloro- 
formparaffin hindurch — in Paraffin von 58° Schmelzpunkt. Nach Schriddes 
Angaben hat sich die Methode auch für Blut- und Gewebsausstrichpräpa- 
rate (Ehrlichs Verfahren) bewährt. Die Fixation in Formol-Müller soll hier 
12 Stunden, die Nachhärtung in Müller 12 Stunden und die Osmiumbeizung 
30—60 Minuten dauern. Nach meinen eigenen, allerdings nicht sehr um- 
fangreichen Erfahrungen ist die Altmannsche Methode in der Ausführung 
des Erfinders vorzuziehen, da die Erhaltung der Granulastrukturen hier- 
mit eine bessere ist; es ist dies verständlich, wenn man die Eigenschaft 
des Formols, Eiweißstoffe, wenn auch unvollständig, primär zu fällen. im 
Auge behält. Es steht somit dem Osmiumtetroxyd nach, das ja den Unter- 
suchungen von Bethe und Mönckeberg?) zufolge Eiweililösungen bei ge- 
nügend langer Einwirkung derart verändert, daß dieselben vermittelst 
Alkohol entwässert werden können, ohne jetzt die der primären Alkohol- 
fixierung eigentümliche Fällung zu erleiden. Man muß diesen Untersuchun- 
gen gemäß annehmen, daß die Protoplasmaeinschlüsse (Granula z. B.). aus 
Eiweibstoffen und verwandten Körpern bestehend, durch längere — 24stün- 
dige — Einwirkung von OsO, der nachfolgenden Entwässerung gegenüber 
besser ihre Form konservieren werden, als nach primärer Alkoholfixierung 
oder nach Fixierung mit primär fällenden Reagenzien. (Über das Schnei- 
den und Färben der Präparate siehe unten.) 

Wienun die direkte Vergleichung frischer, überlebender Präparate lehrt, 
werden durch das vorstehend angegebene Verfahren tatsächlich die granu- 
lären Protoplasmaeinschlüsse der meisten Zellen konserviert, für einige 
derselben bedarf es jedoch gewisser Modifikationen, um gute oder wenig- 
stens leidliche Resultate zu erzielen. Hier sind an erster Stelle die Granula 
der Schleim- und der Schleimspeicheldrüsen zu nennen. J. P. Langley?) 


!) Schridde, Merkel-Bonnets Anat. Hefte. H. 35/86 (1905). 

?) Bethe und Mönckeberg, Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 54 (1899). 

3) J. P. Langley, Proc. R. Soc. V01.40. p. 342 (1886) u. Journ. of Physiol. Vol. 10. 
p- 423 (1889). 


EI SEELEN EEE LEERE EEE RENNENS NEBEN CUP. ES TERN, 


ET 


Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgranulationen etc. 189 


beobachtete, daß Osmiumlösungen von 0'5—2°/, die Granula der Schleim- 
drüsen schwellen machten; die Körner wurden dabei immer undeutlicher 
und bei Vorhandensein von Osmiumlösung im Überschuß verschwanden 
sie, indem sie in Lösung gingen. Zugleich entstand durch dieses Schwellen 
der Granula ein feines Netzwerk, das „charakteristische* Schleimdrüsen- 
netzwerk der Autoren. Das gleiche Netzwerk erhält man in Präparaten 
von Schleimspeicheldrüsen nach Fixation in Altmanns OsV,-Kalibichromat- 
gemisch, wie ein Blick auf Taf. 23 der „Elementarorganismen* zeigt; die 
Schleimzellen der dort abgebildeten Gl. submaxillaris weisen ein leeres 
Maschenwerk auf, dagegen sind die Granula der „Halbmonde“ einiger- 
maßen erhalten. Es wird später noch im Zusammenhange auf diese Dinge 
zurückzukommen sein. Von der Überlegung ausgehend, daß der Wasser- 
gehalt der Osmiumlösungen auf die Granula der Schleimdrüsen zerstörend 
wirke, arbeitete Langley mit Erfolg das nachstehende Verfahren zu ihrer 
Konservierung aus. Kleinste Stücke der zu fixierenden Drüse werden in 
Osmiumdampf aufgehängt, zum mindestens 12 Stunden lang, doch schadet 
längeres Verweilen nicht, ist im Gegenteil für die Fixierung der Granula 
förderlich. Für die Nachbehandlung gibt Langley an: Abwaschen der Stücke 
in Wasser für wenige Minuten, 30°/,iger und 50°/,iger Alkohol je 15 Mi- 
nuten. 75°/,iger und 95°/,iger Alkohol je !/, Stunde, darauf 1-—-2 Stunden 
in Alcoh. absol., 1/,—1 Stunde in Benzol und dann Einbetten in hartes 
Paraffin. Ich habe die Methode auch, wie selbstverständlich, mit Xylol- 
oder Zedernölaufhellung bewährt gefunden, so daß ein Abgehen von ge- 
wohnten Verfassungsweisen nicht nötig: dagegen ist unbedingt festzu- 
halten an einem kürzesten Abspülen in Wasser und Nichtüberschreiten 
der Verweildauer in 30°/,igem und 50°/,igem Alkohol. Denn die Schleim- 
eranula sind auch nach langer Osmiumfixierung noch etwas quellbar in 
Wasser bzw. dünnem Alkohol: dies gilt, um es hier vorauszunehmen, auch 
für die in Osmiumkochsalzlösungen fixierten Schleimdrüsen (Färbung siehe 
später). Eine der Langleyschen verwandte Methode habe ich!) angegeben, 
die sich, mit geringen Modifikationen in bezug auf ClNa-Konzentration, 
auch auf andere Drüsen anwenden läßt. Die quellende Wirkung der wässe- 
rigen Osmiumlösungen vermied ich, indem ich das OsO, in 2—3°/,igen 
CINa-Lösungen auflöste; in den meisten Fällen ist eine 2°/,ige ClNa-Lösung 
verwendbar und sie ist einer 3°/,igen als Solvens entschieden vorzuziehen, 
da sie die unvermeidliche Deformation der noch nicht fixierten Gewebe 
durch Wasserentziehung in geringerem Grade bewirkt. Es sei gleich hier 
bemerkt, daß diese Deformierung sich vor allem in dem Sichtbarwerden 
interzellulärer Lücken geltend macht, die von Protoplasmabrücken durch- 
setzt werden; weiterhin in der Verbreiterung der interazinären bzw. interal- 
veolären Gewebspartien, zumal bei Drüsen von neugeborenen Tieren oder 
von Föten, gerade Objekten, die sich wegen der guten Fixierbarkeit der 
Granula und wegen der großen Übersichtlichkeit ihrer Texturverhältnisse 


1) Vgl. Nagels Handb. d. Physiol. II. Bd. 2. S. 903 (1906/07). 


190 R. Metzner. 


ganz besonders zu Drüsenstudien eignen.!) Der Gang der Methode ist 
folgender: Die kleinsten, lebendfrischen Stücke kommen für 24 Stunden 
in eine Mischung von 3 Vol. 5°/,siger OsO,-Lösung (bereitet mit 2°/,iger 
eventuell 3°/siger ClNa-Lösung) und 1 Vol. kaltgesättigter wässeriger Kali- 
bichromatlösung. Darauf werden sie in fließender 2°/,iger ClNa-Lösung 
gespült, da auch hier die unter dem Mikroskop vorgenommene Unter- 
suchung dünnster Schnitte mir gezeigt hat, daß die Granula so fixierter 
Schleimdrüsen bei längerer Wassereinwirkung sich verändern und andrer- 
seits ein nur kurzes Abspülen mit Wasser die Färbbarkeit nach mancher 
Richtung hin beeinträchtigt. Die Spülung soll je nach der Größe der Stücke 
— an und für sich kommen ja nur kleinste Partikel bzw. für Übersichts- 
präparate nur dünne Platten in Betracht — 2—4 Stunden dauern; darauf 
überträgt man die Objekte in 90°/,igen Alkohol und wechselt diesen so 
lange, bis der letztverwendete mit Silbernitrat keine Cl-Reaktion mehr 
zeigt. Selbstverständlich kann man bei diesem Wechsel mit der Alkohol- 
konzentration zugleich steigen. Nur ist darauf zu achten, daß die Alkohol- 
behandlung nicht länger als 3—4, höchstens 5 Stunden dauere, da sonst 
die Präparate zu hart werden; man tut daher gut, Stücke, die für eine 
rasche Salzauslaugung zu groß erscheinen, vor dem Einbringen in den 
Alkohol mit scharfem Rasiermesser zu zerschneiden. Die Einbettung er- 
folet dann wie oben. 

Nebenbei sei erwähnt, daß die Fixierung in ClNa-Osmiummischungen 
nicht nur für den speziellen Fall der Darstellung von Granulastrukturen 
in Schleimdrüsen brauchbar ist, sondern daß sie auch sonst in mancher 
Hinsicht schöne Präparate liefert. Vor einer Reihe von Jahren ?2) habe ich 
zur Darstellung des granulären Aufbaues der Chromatinschleifen bei der 
Kernteilung, zum Studium der feineren Strukturdetails bei Flagellaten, die 
folgende Methode angegeben, welche aber auch in schönster Weise unter 
anderen die elastischen Fasern mit Fuchsinfärbung (siehe unten) — even- 
tuell noch mit Kontrastfärbung der glatten Muskeln, drüsiger Elemente etc. 
durch Toluidinblau — in prachtvoller Weise darstellt; so z.B. an Gefäßen, 
an letzteren, zumal an Lymphgefäßen, auch die Klappen mit ihrem Über- 
zug von Endothel. Die Präparate (z.B. für Kernstrukturen: Hoden von 
Salamandra macul.) kommen lebendfrisch in eine Mischung von 7 Vol. 
5°/,iger OsO,-Lösung (mit 1!/,°/,iger ClNa-Lösung bereitet) und 1 Vol. 
gesättigter Kalibichromatlösung; zu 12 cm® Mischung werden 4—9 guttae 
rauchender Salpetersäure gefügt und die Organstückehen 15— 20 Minuten 
darin belassen. Für 24 Stunden kommen sie dann in die gleiche Osmium- 
kalibichromatmischung ohne Säurezusatz; Wässern in fließendem Wasser, 
destilliertem Wasser, steigender Alkohol und Einbettung wie oben. 


!) Siehe darüber meine Mitteilungen in Nagels Handb. d. Physiol. II. Bd. 2. 
(1906/07); Verhandl. d. Naturf. Gesellsch. Basel. 20. H. 1 (1908). 

2) Siehe Arch. f. (Anat. u.) Phys. (1894) und Zeitschr. f. wissenschaftl. Zool. Bd. 70 
(1901). 


Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgranulationen ete. 191 


Schneiden der Präparate und Aufkleben der Schnitte. 


Die meist in außerordentlicher Dichte in das Zellprotoplasma einge- 
lagerten Granula, ihre mit den unten zu schildernden Methoden bewirkte 
intensive Färbung — der sich eventuell noch eine Tingierung des inter- 
granulären Plasmas anschließt — machen eine Zerlegung der Organstücke 
in allerdünnste Schnitte unbedingt notwendig, will anders man sich nicht 
der Vorteile begeben, welche in der Färbbarkeit fast des gesamten Zell- 
inhaltes durch diese Fixationsmethoden gegeben sind. Die Herstellung 
solcher, nicht über 25, am besten nur 1'/;—2». dicker Schnitte er- 
fordert Übung und, soweit lückenlose Serien so dünner Schnitte in Be- 
tracht kommen, auch viel Geduld. Denn mit den heutigen technischen 
Hilfsmitteln ist es ausgeschlossen, zur Herstellung solcher Serien die 
„Bänderschneidmethoden“ anzuwenden; man ist durchaus darauf ange- 
wiesen, Schnitt für Schnitt einzeln vom Messer abzuheben und der Reihe 
nach auf den Objektträger aufzulegen. Was nın — um auf einzelnes ein- 
zutreten — die Schnittdicke anlangt, so mul) man von vornherein darauf 
verzichten, dieselbe „genau“ anzugeben. Denn auch die bestgearbeiteten 
Mikrotome lassen eine Spielbreite von 1/,—?/,v. zu, die Ursachen dafür 
können hier nicht aufgezählt werden. Es sei nur an die Notwendigkeit 
einer wenn auch allerdünnsten Schicht eines Schmiermittels, an die un- 
starre, elastische Beschaffenheit des Paraffins erinnert. Wer geübt ist, be- 
merkt leicht, dal) die Schnitte ungleich dick werden, wenn man jedesmal 
die Zahnscheibe des Mikrotoms beispielsweise für 2. dreht und daß die 
Dickendifferenz im gewählten Beispiel sich um 1/;—3/, u. bewegt, also 
relativ sehr bedeutend ist. Es wechseln immer dünnere mit diekeren 
Schnitten in großer Regelmäßigkeit ab. In dieser Tatsache liegt auch die 
Möglichkeit einer, wenigstens annähernden Korrektur. Hat man sich für 
ein bestimmtes Organ, für eine bestimmte Paraffinsorte und für eine ge- 
wisse Zimmertemperatur — die überhaupt nie über 16—17° Ü betragen 
sollte — mit Hilfe einiger Probeschnitte von dem Umfang des Dicken- 
fehlers ein Bild gemacht, so kann man unschwer die jedesmalige Drehung 
an der Scheibe um so viel kleiner oder größer machen, dal) eine annähernde 
Gleichmäßigkeit erreicht wird. Dieser Kunstgriff wird in seiner Ausführung 
erleichtert durch eine, vor die Hauptscheibe vorgeschaltete kleinere Scheibe 
mit einer Teilung in Bruchteile eines Mikron. Die Achse dieser kleineren 
Scheibe trägt einen Triebkranz von 20 Zähnen gegen die 200 Zähne der 
Hauptscheibe; jede Umdrehung der ersteren rückt also die letztere um 
1/0 ihres Umfanges vor. oder, da jeder Teilstrich der kleinen Scheibe 
bei den Schanzeschen Mikrotomen, an denen Altmann seinerzeit diese 
Vorrichtung anbringen ließ), 1 Mikron entspricht, so kann man bei ge- 
eigneten Objekten Schnittdicken von !/;, Mikron noch recht gut in an- 


') Siehe die Abbildung eines solchen Schanzeschen Mikrotoms in Altmanns Ele- 
mentarorganismen. S.25. Fig. 2. 


192 R. Metzner. 


nähernd gleichmäbßiger Weise erzielen. Aber selbst unter Anwendung dieses 
Kunstgriffes und bei größter Übung wird man niemals die Dicke eines 
Schnittes bis auf !/, eines Mikrons genau angeben können ; wo es nötig 
wird — wie bei Angaben über die Größe von Zellen oder Zellbestand- 
teilen —, aus Serienschnitten Größenverhältnisse zu berechnen, tut man 
immer gut, sich nur auf die Angabe der Gesamtdicke aller in Betracht 
kommenden Schnitte zu beschränken und daraus den Größenwert annähernd 
zu berechnen. Ich habe mich von jeher darauf beschränkt, meine Serien 
dünnster Schnitte zu bezeichnen: ... Schnitte = ... Mikren. — 

Das Aufkleben geschieht am besten mittelst 40°/,igem Alkohol; 
läßt man mit feinem Pinsel die Flüssigkeit in mittelgroßem Tropfen unter 
die einzelnen Schnitte laufen, so wird man bald bemerken. daß dieselben 
sich dabei auch vorzüglich strecken; allerdings so rasch und mit relativ 
so großer Kraft, dal bei Schnitten von 1!/;, u an abwärts sehr leicht Zer- 
reißung eintritt. Übung läßt aber auch bei solchen dünnsten, gar nicht 
selten benötigten Schnitten, durch vorsichtiges Zufließenlassen kleinster 
Tropfen des 40°/,igen Alkohols eine zufriedenstellende Streckung erreichen. 
Da nun zum Strecken der Schnitte für jeden derselben eine gewisse Menge 
von Alkohol auf den Objektträger gebracht werden muß, die sich nach 
und nach ansammelt, und da man weiterhin gegen ein dadurch hervor- 
gerufenes „Schwimmen“ der so leicht zerreißlichen Schnitte nur vorsichtig 
mit feinsten Pinseln ankämpfen kann, so empfiehlt es sich, die Zahl der 
auf einen Objektträger montierten Schnitte nicht zu groß zu nehmen; 
25—30 kann man noch gut, 40—50 schon recht schwer bewältigen. Nach 
vollendeter Streckung wischt man vorsichtig den überschüssigen Alkohol 
um das Feld der Schnitte herum ab und bringt den Objektträger in einen 
auf 45° C gehaltenen Thermostaten, wo sie verbleiben, bis sie gut ange- 
trocknet sind. Dies ist nach 36-48 Stunden der Fall, und zwar auch für 
Färbungen, bei denen zwischen dem Aufgeben von Wasser und Alkohol 
gewechselt wird: immerhin ist es ratsam, den Aufenthalt im Thermostaten 
zu verlängern, wenn bei der Färbung dieser Wechsel der Behandlung mit 
wässerigen und alkoholischen Flüssigkeiten mehrmals wiederholt wird. Es 
ist ohne weiteres klar, daß trotz langdauerndem Antrocknen doch die 
Schnitte von solchen Präparaten wegschwimmen werden, die in Xylol, in 
Alkohol und in Wasser lösliche Substanzen enthalten ; auch Schnitte mit viel 
osmiertem Fett haften sehr schlecht. Für solche Fälle, zumal die letzt- 
erwähnten, erreicht man ein besseres Haften mit folgender, von Altmann 
ausgearbeiteter Methode. Die Objektträger werden mit Traumaticin 
(die käufliche Lösung im Verhältnis 1:25 mit Chloroform verdünnt) über- 
gossen, abgetropft und lufttrocken gemacht. Nach guter Trocknung er- 
hitzt man sie über der Bunsenflamme, bis der nach einiger Zeit auf- 
tretende angenehme Geruch deutlich wahrnehmbar wird. Die auf solche 
Weise mit einer dünnen Kautschukschicht überzogenen Objektträger können 
lange in brauchbarem Zustande aufbewahrt werden. Zum Aufkleben von 
’araffinschnitten auf ihnen bedient man sich folgender Lösung: 2 g Schiebß- 


Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgranulationen ete. 193 


baumwolle werden in 50 cm? Azeton gelöst: 5 cm® der Lösung mit 20 cm3 
Alcohol. absol. verdünnt. Die mit dieser Flüssigkeit angepinselten Schnitte 
preßt man mit Fließpapier unter starkem Drucke an; sie halten dann 
meist alle Manipulationen des Färbens etc. aus. Da sie dabei aber nicht 
gestreckt werden, so entsteht die oft gar nicht oder nur unter großem 
Mühaufwand zu bewältigende Aufgabe, schon beim Schneiden für ein mög- 
lichst glattes Abkommen der Schnitte vom Messer zu sorgen. Ein Strecken 
der Schnitte mit Hilfe von warmem Wasser auf mit Eiweißelyzerin über- 
zogenem Öbjektträger, wie es Schridde empfohlen hat (l. e. 05, a), ist für 
lückenlose Serien allerdünnster Schnitte etwas riskant; es reißt zu leicht 
bei mehrmaligem Übertragen einer oder der andere ein. 

Zur Untersuchung der in so mancher Hinsicht interessanten, an den 
Granulis sich vollziehenden Fettumsetzungen sind die in Altmanns Gemisch 
fixierten Präparate ohne weitere Färbung ete. zu brauchen, sei es, daß 
man die Sekretionsvorgänge an den Hauttalgdrüsen (Anal- und Präputial- 
drüsen, Bürzeldrüsen) studieren oder die von mir (l. ce. 1890) beschriebenen 
Fetteinlagerungen im Unterhautfettgewebe neugeborener Katzen und Hunde 
verfolgen will. Die aufgeklebten Schnitte werden so rasch als möglich 
durch Xylol vom Paraffin befreit, dieses durch Paraff. liquidum verdrängt. 
der Überschuß des letzteren sorgfältig abgewischt und ein Deckglas darauf 
gelegt. Umrandet man dieses mit Schellackfirnis, so kann man die Prä- 
parate beliebig lange unverändert aufbewahren. Der gegenüber Kanada- 
balsam oder Dammar etwas niedrigere Brechungsindex des Paraff. liquid. 
vermindert allerdings etwas die Möglichkeit, allerfeinste Details zu erkennen, 
doch wird dieser Nachteil reichlich aufgewogen durch den Vorteil, daß das 
Paraff. liquid. auch die empfindlichsten Osmiumschwärzungen — soweit 
sie nach der Einbettung sich in den Präparaten noch vorfinden —, kon- 
serviert. Allerdings ist dies für Fettsubstanzen in den ersten Stadien der 
Assimilation, vor allem für Fettlezithingemische nicht der Fall; hier muß 
man die Untersuchung des Präparats nach dem Auswaschen vornehmen, 
und zwar entweder an Zupfpräparaten oder an Gefrierschnitten, die man 
in Glyzerin untersucht. Einige nähere Angaben folgen unten an Hand von 
Beispielen. 


Färben. 


Für die Färbung der Zelleib- oder Protoplasmagranula kommt 
als universelle Methode die Altmannsche Anilin-Säurefuchsin-Pikrinfärbung 
in Betracht. Die Schnitte werden durch Übergießen des Objektträgers mit 
Xylol vom Paraffin befreit, das Xylol mittelst 95°/,igem Alkohol verdrängt, 
letzterer rasch so weit abgewischt, daß er nur noch über den Schnitten in 
dünner Schicht steht und nun über dieses Feld die Farblösung in hoher 
Schicht übergegossen. Die zur Färbung benützte Anilinwasser-Säurefuchsin- 
lösung bereitet man wie folgt: 209g Säurefuchsin !) werden in 100.cm® 


!) Bei der Wahl des Säurefuchsins achte man auf ein „gelbstichiges“ Präparat, d.h. 
ein solches, das beim Zusatz von Alkali (NaOH) zu einer mäßig konzentrierten Lösung 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 13 


194 R. Metzner. 


einer kaltgesättigten und filtrierten Lösung von Anilin. puriss. eingetragen 
und nach öfterem Umschütteln filtriert. (Die Farblösung ist ziemlich halt- 
bar, jedoch nicht unbegrenzt.) Der Objektträger wird nun über einem 
Mikrobrenner langsam erwärmt, bis er sich auf dem Daumenballen „hand- 
warm“ anfühlt und die Farblösung dampfit. Man läßt nun langsam er- 
kalten, kann aber, falls eine besonders intensive Färbung erwünscht ist 
oder falls man das Präparat als ein schwer färbbares kennt, das Erwärmen 
wiederholen bzw. den Objektträger mit der erhitzten Farblösung für einige 
Zeit in den Thermostaten bringen. Von dem erkalteten Objektträger 
wischt man die Farblösung um das Präparatfeld herum sorgfältig ab, vor 
allem etwa angetrocknete Farbstoffränder und beginnt jetzt die Differen- 
zierung mit Pikrinalkohol. Nach meinen Erfahrungen !) ist es vorteilhaft, 
zwei Konzentrationen von diesem Reagenz vorrätig zu halten: Lösung I: 
zu 1 Vol. gesättigter Pikrinsäurelösung (in Alcoh. absolut.) fügt man 4 Vol. 
20°/,igen Alkohol; Lösung Il: zu 1 Vol. gesättigter alkoholischer Pikrin- 
säurelösung fügt man 7 Vol. 20°/,igen Alkohol. Mit der Lösung I spült 
man den Rest des Farbstoffes vom Objektträger herunter, gießt dann 
neue Lösung auf und beobachtet unter stetem Hin- und Herschwenken 
die Schnitte, bis diese einen gelblich-roten Farbenton zeigen. Dann ist 
gemeiniglich die Reaktion beendet, d. h. alle färbbaren Granula des 
Zellprotoplasmas sind rot gefärbt, die „reifen“ Sekretgranula sind farb- 
los oder, wie die Kerne und das Bindegewebe, gelbgrau; das inter- 
granuläre Netz, die basalen und perinukleären Protoplasmapartien zeigen 
ebenfalls den Fuchsinton. Nun wird rasch die Pikrinsäurelösung mit Al- 
kohol abgespült und ein paarmal mit Alkohol nachgewaschen, ehe man 
Xylol darauf bringt; die Präparate werden dadurch entschieden haltbarer. 
Jetzt wird mit Alcoh. absol. und dann sofort mit Xylol übergossen, wobei 
eine unvollständige Entwässerung sich durch weiße, wolkige Trübung so- 
fort dokumentiert. Das Übergießen mit Alkohol ist dann zu wiederholen. 
Man schließt zweckmäßig in Xyloldammar ein. Das vorstehend geschilderte 
Differenzierungsverfahren gibt im Sommer oder im gut geheizten Zimmer 
vorzügliche Resultate, und zwar in wenigen Minuten, ein Erwärmen des 
Objektträgers ist unter diesen Umständen unnötig; wohl aber bei niedriger 
Zimmertemperatur. Am besten nimmt man das Erwärmen im Thermo- 
staten oder auf der Platte des Paraffinofens vor. Um sich vor zu weit- 
gehender Differenzierung zu schützen — was namentlich bei mangelnder 
Übung leicht geschieht —, benütze man hierzu die Lösung II und kon- 
trolliere das Fortschreiten des Vorganges unter dem Mikroskop. Zu dem 
Ende nimmt man von Zeit zu Zeit den Öbjektträger vom Ofen, spült, 
wie oben, mit 95°/,igem und mit absolutem Alkohol ab, gibt Xylol nebst 
Deckglas darauf und sieht nach, ob obiges Bild erreicht ist. Liegen jedoch 


durch einen gelben Ton in Farblosigkeit übergeht; die „blaustichigen“ Präparate geben 
weniger schöne Färbungen. Ein von Dahl & Cie. in Barmen bezogenes Präparat gab 
und gibt mir bis dato sehr gute Resultate (s. a. Metzner, 1. ce. oben). 
!) Siehe Metzner, Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 70. S. 301 (1901). 


Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgranulationen ete. 195 


die Granula noch nicht isoliert und finden sich noch diffuse rote Farb- 
flecken, so wiederholt man die Differenzierung, und zwar wiederum mit 
Lösung II, zumal wenn nur noch geringe Unterschiede zu beseitigen sind. 
Im letzteren Falle tut man gut, die Restdifferenzierung ohne Erwärmen 
auszuführen. Wurde oben erwähnt, dab die „reifen“ Sekretgranula in 
grauem Tone, alle fuchsinophilen Granula dagegen rot erscheinen, so ist 
hier schon kurz auf Differenzen der Farbnuance hinzuweisen, die vor 
allem in den Schleimspeicheldrüsen und in den Übergangsstadien solcher 
in Eiweißdrüsen auftreten (s. u.); desgleichen auf Nuancierungen der Gra- 
nula von Hellrot durch Purpurtöne bis zu Schwarzrot, wie sie Schridde 
mit der von ihm angegebenen und oben beschriebenen Modifikation der 
Altmannschen Osmiumkalibichromatfixation und Färbung erhalten hat. 
Diese Nuancierungen sollen nach des Autors Beschreibung vornehmlich 
in Blutausstrichpräparaten deutlich hervortreten und sich auch auf den 
Kern erstrecken. 

Die Details der hauptsächlich für die pathologische Histologie be- 
deutsamen Färbungsnuancen müssen bei Schridde selbst nachgesehen 
werden, hier sei nur angeführt, daß nach des Autors Angaben „die Körner 
der Belegzellen violettrot, die der Hauptzellen rotbraun, die der eosino- 
philen Zellen schwarzrot, die der Plasmazellen ziegelrot, die der neutro- 
philen Leukozyten bräunlichrot erscheinen, während die Körnelungen der 
Mastzellen kein Rot aufweisen, sondern einen grauschwarzen Ton besitzen“ 
(1. e. S. 700). Es wäre dazu noch zu bemerken, daß auch die fuchsinophilen 
Granulationen der Zellen, wie sie Altmanns Verfahren dargestellt, nicht 
überall ganz gleiche Farbnuance besitzen, jedoch kommt eine so weit- 
gehende Farbabstufung wie bei Schriddes Methode nie vor. 

Die Färbung der Schleimzellengranula läßt sich weder nach Osmium- 
dampffixierung noch nach der mit Os-ClNa-Mischung durch Säurefuchsin 
in befriedigender Weise ausführen; Hardy und Langley verwendeten da- 
zu mit Erfolg Methylenblau: die „reifen“, zur Ausstoßung bestimmten 
Granula färben sich damit metachromatisch violett bis blauviolett. die noch 
nicht vollreifen Schleimkörner in einem satten Opakblau; die kleinen 
Körnchen in den basalen Zellpartien erhalten einen grünblauen Ton, in- 
des das intergranuläre und basale Protoplasma rein grün gefärbt wird. 
Reine Eiweißgranula nehmen mit dieser und der unten zu schildernden 
Färbung niemals einen blauen oder bläulichen Ton an, sondern erscheinen 
graugrün oder grüngelb. Letzteren Farbton nimmt auch das interazinäre 
bzw. interalveoläre Gewebe an. 

Ich selbst!) erhielt sehr haltbare Präparate von großer Schönheit 
und gut differenzierter Färbung der verschiedenen Zellbestandteile ver- 
mittelst Toluidinblau mit vorgängiger Beizung durch Eisenalaun; die meta- 
chromatischen Töne sind von gleicher Art wie bei der Methylenblaufärbung, 
dabei gegen Alkohol resistent und gestatten somit auch das Aufhellen und 


1. e. 
13* 


196 R. Metzner. 


Einschließen der Präparate in Balsam. Die sehr dünnen Schnitte von 
Schleimdrüsen — wie oben beschrieben mit OsClNa-Kalibichromat- 
mischungen fixiert — werden mit Xylol vom Paraffin befreit, das Xylol 
durch Alkohol entfernt und nach Übergießen mit sehr verdünntem Alkohol, 
mit wässeriger Eisenalaunlösung 45 Minuten — eventuell auch länger, 
im Notfall bis zu 2 Tagen — gebeizt, darauf mit Wasser abgespült und 
dann der Objektträger mit einer dünnen oder mäßig konzentrierten Lösung 
von Toluidinblau überschichtet. Man differenziert nach 10—20 Minuten 
mit 50°/,igem Alkohol, bis keine Farbwolken mehr abgehen, entwässert rasch 
mit alcoh. absol., hellt mit Xylol auf und montiert in Xyloldammar oder Ka- 
nadabalsam. Muß man beim Färben von Serien befürchten, daß durch Auflösen 
von Präparatteilen im Wasser einzelne Schnitte fortschwimmen, oder hat man 
Präparate unter der Hand, deren Granula noch etwas quellbar in Wasser sind, 
so kann mit Vorteil eine 24—48stündige alkoholische Eisenalaunbeize und 
nachfolgende Färbung in alkoholischer Toluidinblaulösung angewendet werden. 
Wenn oben erwähnt wurde, daß die Eisenalaun-Toluidinblaufärbung die 
gleichen metachromatischen Abtönungen gibt, wie die Methylenblau- 
färbung, so ist doch immer zu bedenken, daß die obige Schilderung genau 
genommen nur gilt für die Untersuchung in der verdünnten Farblösung; 
durch die Entwässerung, Aufhellung und den Balsameinschluß geht der 
rein violette Ton in ein Blau mit leichtem Violettstich über. 

Ein weiterer Vorteil der von mir angegebenen Schleimdrüsen- (in- 
klusive Becherzellen-) Fixierung liegt auch in der Möglichkeit, verschie- 
dene Färbungen an solchen Präparaten vornehmen zu können. Das inter- 
granuläre Protoplasma solcher Präparate färbt sich sehr gut mit 
Säurefuchsin-Pikrin oder mit Eisenalaun-Hämatoxylin nach M. Heidenhain. 
Ein weiterer Vorzug dieser Fixationsmethode ist zu erblicken in der Mög- 
lichkeit, auch andere Objekte. als Schleimzellen, damit zu fixieren und 
Granula- bzw. Protoplasmafärbungen der verschiedensten Art daran vorzu- 
nehmen. Die von mir entdeckte!) Umwandlung der Katzenparotis aus 
einem von der Anlage an bis zur Geburt als Schleimdrüse charakterisierten 
Organ durch ein Stadium einer aus Schleimzellen und serösen Zellen ge- 
mischten Drüse hindurch in eine reine Eiweißdrüse (hie und da mit ein- 
gesprengten Schleimazinis versehen) läßt sich sowohl an den fötalen als 
an den post partum gewonnenen Drüschen nach 2°/,iger UlNa0sO,- 
Fixierung auf allen Stufen dieser in ca. 2 Monaten beendeten Umwandlung 
verfolgen. Man studiert sie am besten vermittelst Serienreihen von je 
15—20 Schnitten (a 21/,—2"/, v. im Mittel), die man abwechselnd mit 
Eisenalaun-Toluidinblau und mit Säurefuchsin-Pikrinalkohol färbt. Sehr 
hübsch ist auch am gleichen Objekt der Einfluß einer Wasserspülung auf 
die Schleimgranula mit Osmium fixierter Organe zu studieren. Denn von 
den Umwandlungsstadien der Schleimzelien liefern auch Präparate nach 
Altmann-Fixation noch leidliche Bilder, wenn man sie in 2°/,iger ClNa- 


') 1. ec. Nagels Handb. u. Verh. d. Nat. Ges. Basel. 20 (1908). 


Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgranulationen etc. 197 


Lösung spült; nach Wasserspülung jedoch sind sie unbrauchbar. Sehr gut 
verwendbar ist die OsO,CINa-Methode auch zu farbiger Darstellung 
„reifer“ Sekretgranula in serösen Drüsen, die ja, wie oben dargelegt, 
mit Altmanns Fuchsinfärbung bei guter Differenzierung die Farbe nicht 
festhalten. Man bedient sich dazu in 1?/,°/,iger ClNa Os O,-Kalibichromat 
mit HNO,-Zusatz fixierter Präparate und färbt dünnste Schnitte davon 
mit der mir von E. Knoche!) angegebenen, nach Analogie der van Gieson- 
schen ausgebildeten Methode: I. Safranin nach Flemming 12—24 Stunden: 
H. Abspülen in Wasser; III. für kurze Zeit Überschichten mit 96°/,igem Alkohol 
und darnach IV. mit einer Mischung von a) absolutem Alkohol 10 em}, 
b) gesättigter, alkoholischer Pikrinsäurelösung gutt. 15 —25. c) wässeriger 
Methylenblaulösung gutt. 4—8:; damit färben 20 Sekunden bis 1!/, Mi- 
nuten (Lösung vor dem Färben filtrieren!); V. kurz 96°/,iger und dann 
absoluter Alkohol; VI. Xylol und Einschließen in Dammar oder Kanada- 
balsam. Mit dieser Methode erscheinen z.B. in Schnitten der tätigen 
Katzenparotis die Granula sämtlich rot gefärbt, die intergranuläre Sub- 
stanz im gelben Pikrinton, dazwischen aber allerfeinste blaugraue Linien. 
Daß diese zarten Linien intrazellulärem Sekret entsprechen, erhellt aus 
dem in gleichem Farbentone erscheinenden Sekret der Gänge, dessen Zu- 
sammenhang mit den intrazellulären Massen man rückwärts verfolgend 
deutlich erkennt, zumal wenn man gute lückenlose Serien untersucht. ?) 


zu ss Men a A 


EIWRER 


Darstellung der Kerngranula. 


Es ist im höchsten Grade zu bedauern, daß Altmann die von ihm 
ausgearbeiteten Methoden zur Darstellung der granulären Struktur des 
Zellkerns nur bruckstückweise veröffentlicht hat. Denn die in seinem 
Hauptwerk, den „Elementarorganismen“, veröffentlichten Bilder (z. B. 
Taf. VL: Rote Blutkörperchen von Proteus anguineus, Fig. 3 und 4), welche 
vollkommen naturgetreue Darstellungen der Präparate darstellen, sind von 
so großer Schönheit und erinnern so frappant an das, was man in den 
Kernen überlebender Zellen günstiger pflanzlicher und tierischer Objekte 
i sehen kann, daß man es nur bedauern muß, die Vorschriften des Autors 
nicht vollkommen zu besitzen. 

An erster Stelle ist zu nennen die Methode des Gefrierenlassens der 
» Organe oder Organstücke und des Trocknens derselben unterhalb der 
j kritischen Temperatur. An erster Stelle deshalb, weil sie eine universelle 
ist, insofern in den mit ihr gewonnenen Präparaten sowohl die Granula 
des Zelleibes als die des Zellkerns zur Darstellung gebracht werden 
können. Als „kritische Temperatur“ bezeichnet Altmann denjenigen Kälte- 
grad, der auch im Verlaufe des Trocknens, also auch beim Steigen der 
Konzentration der im Präparat vorhandenen Lösungen, ein Auftauen und 
damit ein Zusammenbacken und Schwinden der Stücke nicht zuläßt. Nach 


he ki 


!) Siehe Metzner, Nagels Handb. Il. Bd. 2. S. 916. 
°) S.a. u. und Nagels Handb. Taf. Il. Fig. 3. 


198 R. Metzner. 


Altmanns Erfahrungen muß man zu dem Ende die Temperatur auf zirka 
— 25° bis — 30°C konstant erhalten, was selbst bei kleinsten Organ- 
stückchen 50—60 Stunden dauert. Das Trocknen der durch Umhüllung 
mit einer Kältemischung rasch zum Gefrieren gebrachter Präparate ge- 
schieht über Schwefelsäure im Vakuum. Sind die Stücke vollkommen 
trocken, so werden sie ebenfalls im Vakuum mit geschmolzenem Paraffin 
durchtränkt und sind jetzt schnittfähig. Altmann hat es als eine große 
Schwierigkeit dieser Methode bezeichnet, die Konstanz der tiefen Tempera- 
turen mehrere Tage hindurch ohne Unterbrechung zu überwachen. In 
einer eben erschienenen kleinen Schrift hat Kossel!) einen Apparat zur 
Herstellung von Trockenpräparaten tierischer Organe beschrieben, der 
wohl mit Vorteil für unsere Zwecke zu verwenden ist, da er zur Erreichung 
des gleichen Zieles konstruiert wurde, nämlich gefrorene tierische Organ- 
stücke ohne Auftauen zu entwässern. Auf eine dahingehende Anfrage hat 
Herr Kossel mir freundlichst mitgeteilt, daß er die Erreichung des von 
Altmann Geforderten mit dem neuen Apparat für möglich halte. In An- 
betracht der großen Hoffnungen, die Altmann in die Gefriermethode ge- 
setzt, Hoffnungen, deren Berechtigung man nach dem, was der Erfinder 
damit erreichte, als nicht unberechtigt bezeichnen muß, wäre die Weiter- 
ausbildung dieser Methode neuer Anstrengungen wert. Es ist zu hoffen, 
dab Kossel zu weiterer Vervollkommung seines Apparates gelangen wird. 

Vermittelst der Gefriermethode und nachfolgender Cyaninfärbung hat 
Altmann z. B. die feine Granulierung des Zelleibes sowohl als des Kerns 
in den Blutkörperchen von Proteus anguineus?) dargestellt und viele andere 
Objekte damit bearbeitet, ohne jedoch nähere Angaben zu machen. So 
fehlt auch eine Vorschrift über die Vorbehandlung der Schnitte für ob- 
genannte Cyanintinktion. Die weiteren von Altmann ausprobierten Me- 
thoden, nach welchen nur die Granula, bzw. das intergranuläre Netz des 
Kerns zur Darstellung gelangen, sind ebenfalls vom Autor nur lückenhaft 
mitgeteilt worden; wenn ich sie dennoch hier wiedergebe, so geschieht 
dies in der Hoffnung, einer oder der andere an diesen Dingen Interessierte 
möchte Versuche zur Ausfüllung dieser Lücken unternehmen. 

Die Resultate der einen dieser Methoden sind wiedergegeben auf 
Taf. VI, Fig. 1 und 2 sowie auf Taf. XXXII, Fig. 1—15 der „Elementar- 
organismen“, woselbst sowohl die granuläre Struktur des ruhenden Kerns 
als auch an den mitotischen Figuren die Zusammensetzung der Chromatin- 
schleifen aus Granulis vorzüglich zur Darstellung kommen. Die Organe 
(z. B. fötales Kleinhirn) fixierte Altmann in wässeriger Osmiumlösung, bei 
der Weiterbehandlung ging er von der Annahme aus, dal) die Behandlung 
osmierter Präparate, welche reduziertes Osmium bzw. dessen niedere Oxy- 
dationsstufen enthalten, mit oxydierenden Agenzien eine Oxydation zu 
Überosmiumsäure herbeiführen und somit die nachträgliche Enfernung des 
die Färbung beeinträchtigenden Osmiums gestatte. Von Flemming, als auch 


1) Kossel, Zeitschr. f. physiol. Chemie. 84. S. 354 u. ff. (1913). 
2) 1. ec. oben. 


| 


Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgranulationen ete. 199 


von Heidenhain u. a. sind derartige Reagenzien —- wie ozonisiertes 
Terpentin, Chromsäure ete. — angegeben worden; Altmann benützte Gold- 
chlorid dazu in 2°/,iger Lösung. Die Berechtigung obiger Annahme soll 
hier nicht weiter diskutiert, sondern nur auf den Artikel „Osmiumtetroxyd‘“ 
4. Bethes in der Enzyklopädie der mikroskopischen Technik, 2. Aufl, 1910, 
S. 329 u. ff. verwiesen werden ; denn mündliche Mitteilungen Altmanns an den 
Referenten sowohl als Andeutungen in seinen Publikationen lassen vermuten, 
daß die Manipulationen der Wiederoxydation sowohl als die des Färbens (mit 
Cyanin) viel verwickelter verliefen als angegeben ist. Etwas genauer sind 
Altmanns Angaben über die Darstellung des intergranulären Netzes im 
Zellkern, jedoch auch nicht vollständig. Die kleinen, lebendfrischen Organ- 
stückchen werden in einer 21/,°/,igen Lösung von molybdänsaurem Ammo- 
niak mit einem Zusatze von !/,°/, freier Chromsäure fixiert. Nach 24 Stunden 
überträgt man die Präparate direkt in Alkohol, und zwar in verdünnten 
(70—80°/,), da absoluter Alkohol einen sehr feinen weißen Niederschlag 
mit Ammon. molybd. gibt. Darauf steigend bis zu Alcoh. absol. und soll 
die Nachfixierung in Alkohol eine mehrtägige sein. Hierauf werden die 
Stücke durch Xylol-Alkohol, Xylol, Xylol-Paraffin geführt und in Paraffin 
eingebettet. Da die Struktur der Kerne in solchen Präparaten eine außer- 
ordentlich dichte ist, so müssen allerdünnste Schnitte — bis Inu und 
darunter — angefertigt werden, um eine Auflösung zu ermöglichen. Nach 
Altmanns Angabe erfolgt die Färbung mit Gentiana oder Hämatoxylin 
gemäß der Technik der gebräuchlichen Kerntinktionen; er fügt aber hin- 
zu, daß die Darstellung einmal nur an gewissen Objekten gelingt (z. B. 
Niere von Salamandra macul.), daß ferner je nach den verschiedenen Or- 
ganen oder je nach dem physiologischen Zustande des gleichen Organs 
die Chromsäurezusätze zu modifizieren sind, und endlich, daß andere 
Farbstoffe, als Gentiana oder Hämatoxylin deutlichere Bilder liefern; dabei 
müßten mehrere solcher Farbstoffe nacheinander einwirken oder sie seien 
durch Jod, Anilin und andere Reagenzien zu beeinflussen. Nähere An- 
gaben fehlen jedoch.!) Die von mir (1894 und 1902) angegebene Methode 
zur Darstellung des granulären Aufbaues des Kernes der Spermatozyten 
von Salamandra maculata teilt mit den eben geschilderten den Nachteil, daß 
sie sich nur für gewisse Objekte eignet. Die Hoden kommen lebendfrisch 
in die oben erwähnte Lösung von OsO, in 11/,°/siger NaCl-Lösung mit 
Zusatz von Kali bichrom. und HNO, (alles Nähere s. oben). Das von Her- 
mann?) erwähnte Durchstechen der frischen Hoden mit Nadeln behufs 
leichterer Durchdringung ist zu empfehlen, da ein Zerschneiden aus den 
vom gleichen Autor dargelegten Gründen auch hier sich verbietet. Die 
Nachfixierung in dem genannten Gemisch ohne Salpetersäurezusatz ist 
mindestens auf 36—48 Stunden auszudehnen, dann kann die Auswässerung 
in fließendem Wasser ohne Nachteil gründlich (24 Stunden) geschehen. 


') Vgl. Altmann, Über Konstrukturen und Netzstrukturen. Archiv f. Anat. (u. 
Phys.) (1892). 
?) Hermann, Archiv f. mikr. Anat. 34 (1891). 


200 R. Metzner. 


Man entwässert dann in steigendem Alkohol, führt die Stücke durch Xylol- 
Alkohol, Xylol, Xylol-Paraffin und bettet in Paraffin von 57—58° 
Schmelzpunkt ein. Beim Schneiden muß man so weit als möglich mit der 
Schnittdicke heruntergehen, um die sehr dicht gelagerten Granula der 
Chromatinschleifen, der Gegenpolkegel, der Doppelkegel des Zwischen- 
körpers etc. erkennen zu können. Es ist mir seinerzeit gerade an diesem 
Objekt gelungen, eine lückenlose Serie von 130 Schnitten auf 110. zu 
schneiden; es ist eines der günstigsten für diese subtile Technik. Die 
Färbung geschieht gemäß der Altmannschen Vorschrift mit Anilinsäure- 
fuchsin und nachfolgender Differenzierung durch Pikrinalkohol. Es er- 
scheinen im roten Farbton nicht nur alle granulären Elemente der an der 
Mitose beteiligten Kernelemente, sondern auch die Polkörperchen und die 
Spindelfibrillen. In dieser Hinsicht besitzt sie einen Vorzug vor der Alt- 
mannschen Methode mit Cyaninfärbung, wie ein Vergleich der Fig. 1-15 
auf Taf. NXXIII von Altmanns Flementarorganismen mit meinen Ab- 
bildungen (94, Taf. IV und V) ergibt. Recht gute Bilder erhält man mit 
dieser Methode auch von Mitosen kleinerer Zellen bzw. Kerne, als der 
Spermatozyten, z. B. von Epithelien des Säugerdarms, jedoch ist sie hier 
den gebräuchlichen Methoden nicht überlegen, insofern sie die granuläre 
Struktur der Chromatinschleifen auch nicht deutlich zur Anschauung 
bringt und namentlich versagt sie hier für die Bilder des ruhenden Kerns, 
d. h. sie gibt hier auch nicht mehr und nicht weniger wie andere Fixa- 
tions- und Färbungsverfahren. Immerhin erscheinen mit ihr die Spindel- 
fibrillen scharf gefärbt, was z. B. bei den nach Flemmings oder Hermanns 
Verfahren hergestellten Präparaten nicht der Fall ist. 


Beispiele zur Erläuterung. 


Anschließend an vorstehende Darstellung der von Altmann und mir 
ausgearbeiteten Methoden zur Färbung der Granula gewisser Zellarten 
empfiehlt es sich vielleicht, an Hand einiger Beispieie das mit diesen 
Methoden Erreichbare vorzuführen. Damit sei gemeint, dasjenige aufzu- 
zeigen, was dieselben in Übereinstimmung mit dem am lebenden oder 
überlebenden Objekt beobachtbaren erkennen lassen. Es ist jedoch auch 
hier zu betonen, — worauf ja häufig und von verschiedenen Seiten auf- 
merksam gemacht wurde —, dal) am lebenden Objekte von vornherein 
nicht alles, was an geformten Elementen darin enthalten, nun auch unter 
dem Mikroskope sichtbar ist. Denn selbstverständlich können nur solche 
(rebilde, deren Substanz einen anderen Brechungsindex besitzt, als das 
umgebende Medium, im Gesichtsfelde erscheinen. Finden sich im fixierten 
und gefärbten Präparate Gebilde, welche im überlebenden nicht sichtbar 
waren, so kann demzufolge der Vorwurf „Kunstprodukt“ noch nicht ohne 
weiteres erhoben werden. Nicht selten treten anfänglich nicht sichtbare 
Zellbestandteile, z. B. Granula, im Laufe der Beobachtung im überlebenden 
Präparate durch Konzentrationsänderungen u. a. hervor; die Gleichmäßig- 
keit der bei öfterer Wiederholung der gleichen Versuche sich darbietenden 


Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zelleranulationen ete. 201 


Erscheinungen und der sichtbar werdenden Gebilde, sowie ihre Überein- 
stimmung mit den im fixierten und eventuell noch gefärbten Präparat 
geben bis zu einer gewissen Grenze die Gewähr, präformierte Zellbestand- 
teile vor sich zu haben. Beweisend sind hier vor allem die Beobachtungen 
von Noll!) an der Tränendrüse der Katze. Ließ Noll zu dem über- 
lebenden Präparat Wasser fließen, so wurden die Granula der Zellen immer 
undeutlicher und verschwanden schließlich. Zufluß von 2°/, NaCl-Lösung 
ließ die Körner wieder scharf hervortreten, und diese Veränderungen 
konnten in mehrfacher Wiederholung hervorgerufen werden. Die Beob- 
achtung bietet nicht nur einen Anhalt für die Annahme, das mehr oder 
weniger matte Aussehen von Zellgranulis sei auf verschiedenen Wasser- 
gehalt zurückzuführen, sondern sie zeigt zur Evidenz, dal) Körnchen, Fäden 
oder andere Gebilde, welche auf Zusatz hypertonischer Salzlösung zu 
Drüsenpräparaten auftre- 

ten, nicht notwendig durch a, 

Fällung etc. hervorge- 
bracht, sondern durch Än- 
derung dieses Brechungs- 
index sichtbar gemacht 
wurden. Vor allem — wenn 
auch mit Kritik — sind 
hier die „vitalen“ Fär- 
bungen zu benützen, die 
an anderer Stelle dieses 


Handbuches ausführlich zur Präputialdrüse der Maus. 
p Q (Os O,-Kalibichr.-Gemisch nach Altmann, s. Elem.-Org., 
Darstellung gelangen. D0- \ 2. Aufi., 1894, pag. 109, Fig. 105). 


weit die Wahl der Unter- 

suchungsflüssigkeit (Lösungen indifferenter Salze in verschiedener Konzen- 
tration) zweckentsprechende Hilfe leisten kann, werden die entsprechenden 
Vorschriften hier gegeben. Es sollen nun vornehmlich „sekretorische* Pro- 
zesse als Paradigmata gewählt werden. 


a) Drüsen mit Übergang der Zellgranula, eventuell ganzer Zellen 
oder Zellteile in das Sekret. 


Wie schon Altmann in der,ersten Auflage seines Hauptwerkes ausgeführt, 
sind die Talgdrüsen bei passender Wahl des Objektes hierzu besonders ge- 
eignet, da sie nach Fixation mit seinem Gemisch eine ganze Reihe interessanter 
Vorgänge ohne weiteres, d.h. ohne weitere Färbung zur Anschauung bringen. 
Die Anal- und Präputialdrüsen kleiner Nager bieten besonders günstige Ver- 
hältnisse für solche Untersuchungen, da sie bei ihrer Kleinheit in toto gut zu 
fixieren sind und somit sehr anschauliche Übersichtsbilder der Gesamtvorgänge 
in der Drüse, teils unter starker Vergrößerung äußerst klare Detailbilder der 
Vorgänge in den Zellen bieten (vgl. z. B. beistehende Abbildung, welche 
nach einem Präparat der Präputialdrüse einer Maus gezeichnet wurde). 


1!) Noll, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 58. S. 487 u. f. (1901). 


202 R. Metzner. 


Die analen Talgdrüsen des Meerschweinchens oder die Inguinaldrüsen des 
Kaninchens lassen unter den genannten Umständen alle Stufen der Bil- 
dung des schmierig-fettigen Sekrets unter Verbrauch von Granulis er- 
kennen: von dem Auftreten kleinster, mit einem Osmiummantel umhüllter 
Granula in den an der Peripherie der Drüse gelegenen Zellen, über das 
Stadium schwarzer Vollkörner in den mehr binnenwärts befindlichen 
Zellen bis zu dem Verschmelzen der Granula zur tiefschwarzen Masse des 
Sekretes in den weiten und kurzen Gängen, welche zum sackfürmigen 
Ausführungsgang führen. Da jedoch an den mit Altmanns Gemisch her- 
gestellten Präparaten die Vorgänge der Abstoßung ganzer Zellen und des 
Nachschubs neugebildeter Zellelemente nicht deutlich hervortreten, so ist 
es nötig, zur Ergänzung noch Präparate zu untersuchen, die nach einer 
der gebräuchlichen Kernfärbungsmethoden hergestellt sind; man wird mit 
Vorteil solche verwenden, deren Fixierung es ermöglicht, Fettfärbungen 
(mit Alkana oder Sudan III) am Gefrierschnitt vorzunehmen. Das Nähere 
findet man bei Margar. Stern.‘) Durch die kombinierte Untersuchung 
solcher Präparate kann unschwer konstatiert werden, daß in die Drüsen- 
zellen an der Peripherie der Drüse die Assimilation von Fett mit Hilfe 
der Granula beginne, daß dabei zugleich eine Verdrängung dieser Zellen 
in der Richtung des Ausführungsganges durch lebhafte Neubildung in den 
am weitesten peripher gelegenen Teilen stattfindet. Im Verlauf des Vor- 
rückens vollzieht sich die weitere Fettassimilation bzw. Umbildung zum 
spezifischen Sekretfett an den Granulis und mit ihr beginnt die Degene- 
ration der assimilierenden Zelle: diese geht dann mit in das Sekret über. 
Was uns an dieser Stelle vor allem interessiert und was an den Altmann- 
Präparaten mit Sicherheit festzustellen ist, das ist die Bildung eines 
spezifischen Sekrets mit Hilfe der Zellgranula und den Übergang derselben 
in das Sekret: im Verlaufe dieses Überganges werden die Granula un- 
kenntlich in dem schmierigen Sekret, das aus ihnen sich formt. In ähn- 
licher Weise vollziehen sich die Vorgänge in der Bürzeldrüse der Vögel 
(Taube, Ente und Gans liefern besonders instruktive Objekte: vgl. hierzu 
Margar. Stern ]. e. und die Untersuchungen von Röhmann ?), die Hardersche 
Drüse (hier sind die vom Hamster, vom Meerschweinchen und vom Ka- 
ninchen sehr gut brauchbar) mit ihren verschiedenen Abteilungen u. a. m. 
Alle die genannten Drüsen bieten den Vorteil, daß man von ihnen leicht 
(mit Hilfe des Gefriermikrotoms oder durch Zerzupfen in 0°9°/,iger ClNa- 
Lösung) überlebende Präparate anfertigen kann, die aufs deutlichste die 
sranuläre Struktur der Zellen zeigen, ebenso die starke Lichtbrechung der 
Granula, welche durchaus den Colostrum- und den Milchkügelchen gleichen. 
Die Gl. Harderi unterscheidet sich aber von den vorgenannten Drüsen 
dadurch, dal mit der Sekretbildung nicht auch ganze Zellen degenerieren 
und ausgestoßen werden, sondern daß nur die dem Lumen zugekehrten 
Zellpartien in der sekretgefüllten Drüse kuppenartig vorgewölbt, mit ihrem 
1) Margar. Stern, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 66 (1905). 
?) Röhmann, Hofmeisters Beitr. z. chem. Phys. u. Path. Bd. 5 (1904). 


Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgranulationen ete. 203 


Inhalt von Granulis sich ablösen. Als eine weitere Kategorie von Drüsen 
— wenn man eine Einteilung vornehmen wollte gemäß der Beteiligung 
von Zellbestandteilen am Sekretionsvorgang — wären diejenigen zu be- 
trachten, bei denen nur allein noch die Granula in das Sekret übergehen. 
Hierfür bieten die verschiedenen Hautdrüsen der Amphibien, die Speichel- 
drüsen von Reptilien, vor allem der Schlangen, ausgezeichnete Studien- 
objekte dar; doch sei bemerkt, daß sie durch die Fixierung und Entwäs- 
serung recht spröde und schwierig schneidbar werden. Von den erstge- 
nannten liefert die sog. „Parotis“ von Salamandra macul. — ein Haut- 
drüsenpaket hinter der Augen gelegen —, dann die Kloakendrüsen der 
Tritonen, von den letzteren die Ober- und Unterkieferdrüse sowie die 
Augendrüse der Ringelnatter die instruktivsten Bilder. Die Granula der 
Drüsenzellen sind in vorzüglicher Weise konservierbar, sowohl in den Zellen 
und Ausführungsgängen als auch im Sekret; daß sie in letzteres über- 
gehen, beweist am besten die frische Untersuchung des Sekrets der Sala- 
mander-„Parotis“. Denn die milchweiße Farbe desselben beruht ja auf 
seinem (Gehalt einer großen Menge stark lichtbrechender und, wie ich 
seinerzeit auffand, doppeltbrechender Granula. Nebenbei sei bemerkt, daß 
an und für sich schon das Bild des frischen Sekrets zwischen den ge- 
kreuzten Nikols ein außerordentlich fesselndes ist: die Granula erscheinen 
als Sphärokristallee und zwar von den größten, im Drüsenpräparat vor- 
nehmlich in den peripheren, dem Lumen zugewendeten Zellpartien liegen- 
den Körnern bis herab zu den kleinen Granulis; ob allerdings die aller- 
kleinsten, eben noch sichtbaren Körnchen doppeltbrechend sind, läßt sich 
schwer entscheiden. Die gleichen Sphärokristalle sieht man in Gefrier- 
schnitten der frischen Drüse, und es scheint mir gerade dieser Befund ein 
guter Beweis zu sein für die Annahme, es seien eben die in den Zellen 
sichtbaren Granula, welche man im Sekret wiederfindet und nicht Körner 
anderer Provenienz (aus dem die Zellen einbettenden Syneytium (Drasch) 
oder aus den Kernen (Physalix), wie von manchen Autoren behauptet wird. 

Bei den Speicheldrüsen der Schlangen sieht man die kleineren und 
größeren Ausführungsgänge ebenfalls mit Granulis dicht erfüllt und wir 
dürfen wohl in Analogie mit dem an der Molchparotis Beobachteten 
schließen, daß diese Körner aus den Zellen der Drüsenendstücke stammen. 
Aber auch der direkte Vergleich der im Ausführungsgange liegenden 
(ranula mit den in den Sekretionszellen befindlichen liefern an guten 
Altmannpräparaten einen augenfälligen Beweis für die Richtigkeit dieser 
Annahme: Größe und Farbton sind von so weitgehender Übereinstimmung, 
dab ein Zweifel gar nicht direkt aufkommt. Man vergleiche hierfür die 
Abbildungen in Altmanns Elementarorganismen, 2. Aufl, Tafeln XXI und 
XXIII: dieselben zeigen auch, daß das über den Farbton Gesagte für die 
mit S.-Fuchsin gefärbten Präparate sowohl vor als nach der Differenzierung 
durch Pikrinalkohol gilt. Gegenüber der Salamanderparotis tritt aber nun 
hier insofern ein Unterschied zutage, als die Granula mit ihrem Vor- 
rücken im Ausführungsgange eine Auflösung erfahren, denn das Sekret, 


204 R. Metzner. 


welches z. B. bei der Augendrüse sowohl zur Anfeuchtung des Konjunktival- 
sackes als auch zur Erleichterung des Schlingaktes dient, indem es durch 
den Tränenrachenkanal in den Schlund gelangt, enthält keine Granula 
mehr in nennenswerter Menge. Altmann beobachtete auch den Auflösungs- 
prozel der Körner in den Ausführungsgängen: dieselben „verlieren ihr 
charakteristisches Aussehen und werden bis zur Unkenntlichkeit verkleinert“. 
Die Ausführungsgänge selbst tragen eine Auskleidung von hohen Zellen, 
die alle charakteristischen Merkmale von Schleimzellen aufweisen; ihr 
Sekret mischt sich dem der eigentlichen Drüsenacini bei. Es ist für die 
Beurteilung der Reife solcher Drüsengranula von großer Bedeutung. 

Es sei nebenbei bemerkt, daß Zellen von ähnlicher Beschaffenheit 
wie die letzterwähnten sich im Eileiter des Frosches in sehr schöner Aus- 
bildung finden; sie sind dicht mit großen Granulis gefüllt, die in Be- 
rührung mit Wasser sofort quellen und platzen bzw. in fädige Schleim- 
massen sich verwandeln. Dem entspricht, daß diese Muzin- resp. Muzigen- 
eranula sich an Altmann-Präparaten mit S.-Fuchsin nicht tingieren bzw. 
auf Pikrindifferenzierung den roten Farbton verlieren. In ganz gleicher 
Weise verhalten sich die Granula der Zellen in den Ausführungsgängen 
der obgenannten Schlangendrüsen. (Vgl. auch die Figuren auf Tafel XXI 
XXIL XXII und XXVI der Elementarorganismen.) 


b) Drüsen mit teilweisem Übergang der Granula in das Sekret und 
Lösung in diesem. 


Bieten uns also die zuletzt geschilderten Drüsen Beispiele von Se- 
kretionsvorgängen mit einem Übergehen der Granula in die Lumina der 
Endstücke und der Ausführungsgänge, sowie mit späterer Lösung der 
Körner im Sekret, so liefern die Schleim- und Schleimspeicheldrüsen der 
Kaltblüter sowohl als der Warmblüter ein reiches Material zum Studium 
von Sekretionserscheinungen, bei denen die in den Zellen beobachtbaren 
Granula wohl auch noch ungelöst die Zelle verlassen, aber doch sogleich 
oder binnen kurzem verschwinden, so daß in der Regel im Sekret keine 
Körner mehr angetroffen werden. Daß die Zellgranula der Becherzellen 
— die ja den Typus der einzelligen Schleimdrüse darstellen — das eben 
geschilderte Verhalten zeigen, ist von F. E. Schulze, von Merk u.a. am 
lebenden Präparat gezeigt worden (Barteln des Schlammpeitzgers und 
Dottersack von Forellenembryonen, frische Diekdarmschleimhaut der Säuger): 
ich verweise hierfür auf meine Darstellung in Nagels Handbuch, I. S. 916 ff. 

Die Becherzelle zeigt aber auch im fixierten Präparat diese \or- 
gänge, falls man das Objekt (Diekdarmschleimhaut von Katze oder Ka- 
ninchen) in einer der obgenannten OsClNa-Mischungen fixiert und mit 
Toluidinblau oder mit S.-Fuchsin nach Vorschrift färbt. Bei letztgenannter 
Färbung erscheinen die Becherzellen in der Mehrzahl fast vollkommen mit 
graugelben Körnern erfüllt, nur an der Basis, unterhalb des ebenfalls 
graugelben Kernes, liegt eine dichte, rote Protoplasmamasse, von der feine rote 
Stränge zwischen die Granula hinaufziehen, um die letzteren das inter- 


| 
| 
| 


2 


Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgranulationen ete. 205 


granuläre Netz- oder Wabenwerk bildend. Im Präparat mit Toluidinblau- 
färbung erscheinen die oberen, gegen die Mündung ins Darmlumen ge- 
legenen Granula violett, die gegen den Kern zu gelegenen blau, die basalen 
blaugrün tingiert; die basale Protoplasmamasse, sowie das intergranuläre 
Netz zeigen rein grünen Farbton. Zwischen den so beschaffenen Bechern 
finden sich andere, die eine geringere Granulafüllung und dem entsprechend 
einen bedeutenderen Gehalt an grünem Protoplasma aufweisen, in das 
kleinste und mittlere blaugrüne Granula eingebettet sind. Hie und da 
trifft man Zellen an, deren Becheröffnung ein wenig zwischen den Darm- 
epithelien versenkt liegt und unter diesen finden sich nicht selten solche, 
aus deren Öffnung Granula hervorquellen (vgl. meine Abbildungen im 
Nagels Handbuch. Tafel II. Fig. 4a u. 4b). In anderen Fällen bemerkt 
man über der Becheröffnung fädige, blauviolette Massen, d. h. den aus 
den Granulis hervorgegangenen Schleim. Manchmal sind auch die oberen, 
gegen die Öffnung liegenden Granula schon zu einer fädigen Masse ver- 
quollen. Die in Rede stehenden Vorgänge lassen sich also an diesen ein- 
zelligen Drüsen recht gut verfolgen, zugleich treten aber auch, wie die 
vorstehende Schilderung zeigt, die Erscheinungen des Granulaersatzes 
durch Neubildung im basalen Protoplasma an ihnen zutage. Einiges von 


dem eben Geschilderten — vor allem die hellen Schleimgranula — sieht 
man auch an frischen Präparaten -- feinsten Rasiermesser- oder Gefrier- 
mikrotomschnitten — in einer Spur Ringerlösung untersucht. 


Unter den mehrzelligen, also den eigentlichen Drüsen wählt man am 
besten die Buceal- oder Labial- und Palataldrüsen von Hund oder Katze 


zum Studium der Absonderungsvorgänge aus, da diese Drüsen nur Schleim, 


kein Ferment liefern; die Einheitlichkeit der Zellauskleidung in den End- 
stücken ist daher von vornherein zu erwarten und auch wohl allseitig an- 
erkannt. Das gleiche gilt von der Gl. orbitalis dieser Tiere. Am günstigsten 
wiederum sind die Drüsen neugeborener Hündchen und Kätzchen, oder 
von älteren Katzenföten, die ja nach meinen Untersuchungen !) schon zur 
Sekretion befähigt sind. Untersucht man Ruhestadien dieser Drüsen, so 
findet man an OsClNa-Präparaten mit Toluidinblaufärbung die Zellen der 
Endstücke zum größten Teile mit Granulis gefüllt und an der Basis eine 
homogene grüne Protoplasmamasse. In ihr erkennt man mit guten Im- 
mersionslinsen in mehr oder weniger großer Anzahl Körnchen von ver- 
schiedener Größe, die sich nur durch eine ganz geringe Differenz ihrer 
Färbung — etwas dunkler oder auch eine Spur bläulicher — von dem 
Grün des Protoplasmas abheben. Oftmals ist aber auch nichts von solchen 
Körnern zu erkennen. Die über dem basalen Plasma liegenden, den gröliten 
Teil der Zellen ausfüllenden Granula zeigen, von der Basis gegen das 
Lumen des Alveolus zu fortschreitend, eine opakblaue Farbe, die dann in 
ein Blauviolett übergeht, wobei zugleich ein Abblassen des Farbtons und 
eine Vergrößerung des Granulum (Quellung) sich geltend macht. Dal) diese 
Vergrößerung mit einer Änderung des Aggregatzustandes einhergeht, er- 


1) Verh. Nat. Ges. Basel. Bd. 20 (1908). 


206 R. Metzner. 


kennt man am deutlichsten auch an der viel schlechteren Fixierung der 
Körner: dieselben sind teilweise zerrissen, mit Nachbarkörnern verklumpt. 
Im Lumen des Alveolus finden sich vereinzelte, blaßblau gefärbte Schleimfäden. 

Wählt man nun zur Untersuchung nicht eine ruhende, d. h. eine 
von einem Tiere nach vorgängigem 24stündigem Hungern entnommene 
Drüse, sondern ein Präparat vom tätigen Organ, wie man es z. B. erhält 
vom neugeborenen Kätzchen, das man direkt nach dem Saugen tötet, so 
erhält man ein durchaus anderes Bild (vgl. die beistehende Figur, die nach 
der farbigen Abbildung Fig. 1 auf Tafel II meiner Darstellung in Nagels 
Handbuch, II, 2 photographiert ist). 
Die Zellen der Alveolen zeigen eine 
etwas geringere Füllung mit Granulis, 
dem entsprechend nimmt die basale 
Protoplasmazone etwas mehr Raum 
ein. Die Granula sind von ganz ein- 
heitlichem Aussehen, und zwar alle 


Fig. 54 a. 


Fig. 54b. 


Sehnitt durch einen Alveolus der Gl. buecalis 

einer einmonatlichen Katze, welche nach 

langem Saugen an einer Milchflasche getötet 
wurde. (Eisenalaun-Toluidinblaufärbung.) 


opakblau gefärbt im Toluidinpräparat; 
G1. orbitalis von eintägigem Kätzchen, dessen 1 1 N 1 _ 
Magen prall mit Milch gefüllt war. Unten die blauvioletten 2 Körner sind ver 

drei Alveolen mit Schleimzellen ausgekleidt, schwunden und die Lumina der Alve- 


im Lumen fädiger Schleim. Oben Stück des 


zugehörigen Ausführungsganges; im Epithl Olen und der Ausführungsgänge sind 
desselben eine einzelne Schleimzelle. . . 

(Färbung mit Eisenalaun-Toluidinblau; die Mt graublauen und blauen Schleim- 
a ee uebisuy  fäden erfüllt, zwischen denen aber noch 
mehr oder wenig er erhaltene Granula 

liegen. An manchen Stellen sieht man solche blaue Granula aus den Zellen 
austreten zum Zeichen, daß der Sekretionsvorgang im Moment der Fixation 
noch im Gange war. Dies beweist, daß für diesen Vorgang nicht nur die 
„reifsten“ im obersten Zellteil gelegenen Sekretkörner verwendet werden; 
einen weiteren Beweis liefern Befunde tätiger Drüsen, bei denen die Gra- 
nulafüllung noch viel geringer, die basale Protoplasmazone um vieles breiter 
angetroffen wird, als in dem vorstehend gezeichneten Präparat. Solche 
Befunde kann man mit Sicherheit erwarten bei Drüsen nach sehr lange 


anhaltender Tätigkeit; die Zellen solcher Präparate weisen dann nur noch 


ut za ee 


Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgranulationen etc. 207 


einen schmalen Saum von blauen Granulis auf. Ich muß für das Nähere 
auf die Arbeiten von Langley!) und von anderen Autoren verweisen; er- 
wähnen will ich hier, daß man Bilder so anhaltender Drüsentätigkeit nicht 
etwa nur durch Pilokarpingaben, wie Langley an der Parotis des Kaninchens, 
erzielen kann, sondern sie auch durch andauernde physiologische Tätig- 
keit erhält, wie ich an Kätzchen zeigte, die ich anhaltend an einer Saug- 
flasche mit enger Bohrung des Saughütchens trinken ließ (vel. Korre- 
spondenzblatt für Schweizer Ärzte 1907). 

Langley hatte Bilder so extremer Granulaverarmung ebenfalls er- 
halten an den Ösophagusdrüsen von Fröschen vermittelst Schwammfütte- 
rung, also durch eine sehr protrahierte Reizung, die vielleicht als eine nicht 
mehr ganz physiologische angesehen werden kann. In den Zellen solcher 
anhaltend tätiger Drüsen sieht man dann unter dem Saume blauer Sekret- 
granula in großer Menge die blaugrünen und grünen Körner des Nach- 
schubes, die letzteren klein und basal sowie in der perinukleären Zone 


. .. Ri zur} ae an 
Fig. 55 a. Fig. 555. Fig. 55.c. 


Fig.155a, b, ce geben die gleiche Stelle in drei aufeinanderfolgenden Schnitten einer Serie von 
der Gl. retrolingualis einer trächtigen Katze, welche 16 Tage lang Atropin erhielt. 
(Eisenalaun-Toluidinblaufärbung. Über die Bedeutung der verschieden schattierten Zellbestand- 
teile ete. s. Legende zu Fig. 54). 


gelagert, die ersteren größer und den Anschluß vermittelnd an den Rest 
der unverbrauchten Sekretgranula. Was immer auch für Stadien der Tätig- 
keit man wählt unter diesen Schleimdrüsen, stets wird man vereinzelte 
Granula neben Schleimfäden im Lumen finden, es werden also auf jeden 
Fall nicht alle Granula vor der Ausstoßung gelöst. In letzter Zeit?) konnte 
ich an den Schleimspeicheldrüsen von ausgewachsenen Katzen mit chro- 
nischer Atropinvergiftung — bei denen es in gewissen Stadien dieser 
Vergiftung zu einer Art paralytischer Sekretion kommt — in ungewöhn- 
lich klarer Ausprägung den Vorgang der Granulaausstoßung aus den Zellen 
beobachten. Durchsucht man Serienschnitte von der Gl. retrolingualis sol- 
cher Katzen, so findet man einen Teil der Alveolarzellen zu etwa ®/, oder 
fast ganz mit opakblauen Granulis gefüllt, andere Zellen weisen eine ge- 
1) Siehe die Literatur bei Metzner, Nagels Handbuch. II. 2. S. 930 u. ff. 


2) Vgl. die Verhandl. d. Gesellsch. Deutscher Naturf. u. Ärzte. Münster i. W. 
1912. Abt. I. 


208 R. Metzner. 


ringere Füllung auf und hie und da stößt man auf eine völlig leere Zelle. 
Diese letzteren sind dann sehr schmal, zumal im oberen Teil, wo sie, von 
den granulagefüllten Nachbarzellen fast ganz überlagert, das Lumen des 
Alveolus nicht mehr zu erreichen scheinen. Bei genauer Durchmusterung 
entdeckt man direkte Entleerungsstadien: aus einer im oberen Teil schon 
fast völlig zusammengefallenen Zelle quillt eine blaugraue oder opakblaue 
Wolke hervor, in der man aber noch distinkte Granula erkennt. Hier 
scheint die Quellung bzw. Verflüssigung der Granula erst ein wenig später 
nach der Ausstoßung zu erfolgen, als gewöhnlich. Dem entspricht, daß das 
Sekret der Drüse noch etwas dickflüssiger ist als in der Norm. Die im 
Moment der Entleerung fixierte, stark aus der Zelle herausquellende Sekret- 
wolke ist häufig gegen das Lumen des Alveolus zu breit, gegen die Zelle hin 
verschmälert. Die Nachbarzellen, noch granulagefüllt und in vollem Turgor, 
haben im Moment der Entleerung sogleich von beiden Seiten den oberen 
Teil der entleerten Zelle bzw. den unteren Teil der Sekretwolke zusammen- 
gedrückt. Diese Bilder sind sehr lehrreich, sie zeigen einmal deutlich den 
Modus der Sekretion. zum anderen liefern sie den Beweis, dal) die vom 
Lumen abgedrängten, keine oder nur vereinzelte Sekretgranula enthalten- 
den Zellen richtig als Stadien einer eben stattgehabten Entleerung ge- 
deutet wurden. 

Es kann nicht auffallen, daß erhebliche Verschiedenheiten im Aus- 
sehen solcher, im Moment der Sekretausstoßung fixierter Zellen zur Be- 
obachtung gelangen. Je nach der Lage der sich entleerenden Zellen zu 
Nachbarzellen wird sich ihre Form verschieden darstellen: befand sich eine 
solche Zelle auf einer gegen das Lumen vorgebuchteten Stelle, so wird sie 
nach der Entleerung nicht so stark oder kaum von den Nachbarzellen 


überlagert; die verschiedene Lage wird auch die Form der ausgestoßenen. 


Sekretwolke beeinflussen und in der Tat bekommt man sehr wechselnde 
3jilder derselben zu Gesicht. Häufig sieht man in solchen Präparaten auch 
Zellen, deren sekretgefüllter Innenteil kuppenartig gegen das Lumen des 
Alveolus hervorragt; man hat es hier wohl mit Stadien kurz vor der Aus- 
stoßung des Inhaltes zu tun. Beachtenswert ist, dal) weder an diesen noch 
überhaupt an den Zellen der Endstücke eine das Protoplasma gegen den 
Alveolarraum abschließende Membran zu erkennen ist. 

Der eben geschilderte Vorgang ist nicht nur an Drüsen nach Atropin- 
vergiftung zu sehen, er kommt auch an den Drüsen bei ihrer physiologi- 
schen Tätigkeit, wenigstens in einigen Fällen zur Beobachtung. So in den 
schon erwähnten Labial-, Buccal- und Palataldrüsen. 

Zur Kontrolle des an fixierten Präparaten Gesehenen ist selbstver- 
ständlich immer die Beobachtung des überlebenden Objektes heran- 
zuziehen. Die Untersuchung geschieht am besten so, daß) feinste Rasier- 
messerschnitte oder Zupfpräparate aus kleinsten Partikeln der Organe 
(Gl. orbitalis, Gl. retrolingual. etc.) unter Lupenkontrolle in schonender 
Weise hergestellt und mit einer Spur Ringerlösung unter das Deckglas 
gebracht werden, das mit kleinsten Paraffinfüßchen versehen ist, um den 


Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgranulationen ete. 209 


deformierenden Druck auf ein Minimum zu beschränken. Man findet dann 
an ruhenden Drüsen der eben genannten Art die Lumina der Alveolen 
eng, die auskleidenden Zellen mit stark lichtbrechenden Granulis gefüllt, 
die auf Zusatz von Alkali (z. B. NaOH/16 N) in kurzer Zeit blaß werden 
und ganz verschwinden, wobei zarte Schlieren (Schleimstreifen) auftreten. 
Besonders schön ist die letztere Erscheinung an der Gl. retrolingualis des 
Igels zu beobachten. 

Gewinnt man nun solche Präparate von tätigen Drüsen, so fällt 
vor allem die Weite der Alveolen und der Speichelgänge auf, sowie ein sehr 
verschiedenes Aussehen der Drüsenzellen. Einige dieser Zellen entbehren 
teilweise oder fast ganz der großen Sekretgranula, dagegen enthalten sie 
kleinere, noch stärker lichtbrechende, daher als dunkle, kleinste Pünktchen 
erscheinende Körner, zumal in der perinukleären Zone; daneben sieht man 
aber — unter Anwendung bester Ölimmersionslinsen — auch zarte fädige 
Gebilde im basalen Protoplasma (vgl. beistehende 


nn: u Fig. 56a u. b). Diese Fäden sind besonders deutlich 
BEN H an ganz leeren Zellen; we 
3 solchen gänzlich der grö- 
beren Körner entbehrenden BER 
Zellen begegnet man auch N 
nicht selten. Nicht nuran N‘ 
der Retrolingualis, sondern Dee 


Retroling. (Subling. monostom.) auch an der Gl. submaxil- Retroling. (Subling. monostom.) 
eines neugeborenen Hündchens. ]ayjs sind diese Faden- nach kurzer Reizung der Chorda. 
Bei a fast ganz mit Granulis ge- Zwei Zellen mit Körnchen nach 


füllte Schleimzelle, daneben zwei gehilde zu erkennen, und der Spitze zu. Der übrige Teil 
nicht sekrethaltige Zellen mit 2 der Zellen enthält Protoplasma 
Men) Protoplasma.. (Frisches ZWAT besonders gut an der mit fädigen Bildungen. (Präparat 
Präparat in 00 Pros CN Submaxillarisneugeborener ee 
Kell, Arch} lhnan,u) Poser. Kätzchen; nach meinen in NEN nis Au 
Nagels Handbuch der Phy- 
siologie kurz beschriebenen Erfahrungen verschafft man sich bequem von 
solchen Tierchen tätige Drüsen durch Narkotisierung mit Chloralhydrat. Auf 
0:4—0°5 y dieses Narkotikum, per rectum appliziert, tritt bei neugeborenen 
Tieren neben tiefem Schlafe eine enorme Gefäßerweiterung, gefolgt von 
starkem Speichelfluß, ein; entnimmt man in diesem Zustande Präparate der 
Submaxillaris, so kann man auf Zellen mit den geschilderten Fadengebilden 
rechnen (vgl. auch Fig. 157, p. 945 in Nagels Hdb. II, 2). Es soll nun auf 
diese Fäden sowie auf die in ruhenden als in tätigen Drüsen so häufigen 
Fetttröpfehen näher eingegangen werden. Was man aber weiterhin in 
frischen Präparaten von tätigen Drüsen häufig antrifft, sind gequollene, 
blasse Granula im Lumen des Alveolus (vgl. auch Fig. 158, p.946 in 
Nagels Hdb., II, 2), die dort über den Zellen liegen und sich oft kaum von 
der glashellen Sekretflüssigkeit abheben. Auch die kegelförmig in das 
Lumen hineinragenden, im oberen Teile ganz mit sehr großen, sich gegen- 
seitig abplattenden Granulis erfüllten Zellen bekommt man im frischen 
Präparat zu Gesicht, welche — wie die Granula im Lumen — oben im 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 14 


210 R. Metzner. 


fixierten Objekt beschrieben und als Stadien kurz vor der Entleerung 
der Zelle gedeutet wurden (vgl. beistehende Fig. 57). 


ec) Drüsen mit intrazellulärer Lösung der Granula. 


Zeigten uns die angeführten Beispiele eine Reihe von Drüsentypen 
mit mehr oder minder deutlichem Übergang der Granula in das Sekret, 
so beobachten wir an den serösen oder Eiweißdrüsen ein durchaus an- 
deres Verhalten. Da die Glandula parotis als Prototyp dieser Drüsen gelten 
kann, so sollen die an ruhenden und an tätigen Eiweißdrüsen sich ab- 
spielenden Vorgänge an Hand des im überlebenden und in fixierten Parotis- 
präparaten Beobachtbaren geschildert, doch auch das Pankreas zum Ver- 
gleich mit herangezogen werden. 

Soweit Unterschiede zwischen ruhender und tätiger Drüse mit mittel- 
starken Vergrößerungen erkennbar sind, hat Zangley dieselben am lebenden 

Objekt, der Ohrspeicheldrüse des Kanin- 

a chens, beobachtet. Er vermochte das 

dünne, gut durchscheinende Verbindungs- 
stück zwischem oberem und unterem 
Lappen der Parotis bei vollständig er- 
haltenem Kreislaufe unter das Mikro- 
skop zu bringen, indem er die genannten 
Lappen nach Unterbindung ihrer Gefäß- 

....00..0000 = äste loslöste, mit Nadeln auf Gutze 
De irerung Färbung nat Toinrdinben) DPerchastückchen feststeckte, mit ihnen 
In vorstehender Zeichnung entsprechen: ganz 208 er das sie verbindende Drüsen- 


dunkle Granula den blauvioletten, mäßig dunkle 


den blauen und helle den grünen oder grünlich- Jäppchen vom Kopfe ab und brachte es 
blauen Granulis des Präparates. Ringe an der NK : = e 
Zellbasis = Fetttröpfehen. (Hom. Imm. Vgr.500.) auf den Objekttisch. Dieses Läppchen 
enthält mehrere durchscheinende Azini, 
deren Zellen — falls das Präparat von einem Hungertier stammte — eine 
dichte Erfüllung mit feinen Granulis zeigten. Reizung des Halssympathikus 
bewirkte eine so starke Verengerung der Arteriolen, daß der Kapillarstrom 
gänzlich stockte; hatte dann die Reizung einige Zeit angehalten, so war 
eine Aufhellung der Drüsenzellen von der Basis her zu konstatieren, und 
zwar infolge einer Abnahme der Granulafüllung. Das Gleiche wurde erzielt 
durch Fütterung des Tieres oder durch Injektion von Pilckarpin eventuell 
kombiniert mit Sympathikusreizung. 
Die letztgenannte Methode bildet den Vorteil, die Abnahme der Gra- 
nulafüllung bis zum Extrem treiben zu können; Langley vermochte durch 


11/,stündige Sympathikusreizung — wobei er 1'6 cm? Speichel aus dem 
Duct. Stenon. erhielt — die Zellen der Azini fast vollständig granulafrei 


zu machen, nämlich bis auf einen schmalen Saum, der sich sowohl an der 
inneren, dem Lumen des Azinus zugekehrten Zellseite, als auch den Seiten- 
flächen der Zellen entlang hinzieht. Mit der protrahierten Reizung wurden 
aber auch die Zellgerenzen deutlicher, zumal gegen das Lumen zu: die 
Lumina selbst wurden gut erkennbar und setzten sich eine Strecke weit 


E 
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L 


Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgranulationen etc. >11 


zwischen die Zellen hinein fort; diese wurden dann an den inneren Rän- 
dern etwas auseinandergedrängt (Sichtbarwerden von Sekretkapillaren). 
Die Zellen selbst verkleinerten sich dabei, was ja Heidenhain schon kon- 
statierte.!) Die erwähnte Integrität des Kreislaufes läßt wohl den Schluß 
auf annähernd normale Ernährungsverhältnisse des untersuchten Drüsen- 
läppchens und dementsprechend die Auffassung der beobachteten Zellver- 
änderungen als dem normalen Geschehen entsprechend, berechtigt er- 
scheinen. Die im vorhergehenden geschilderten und im folgenden zu be- 
schreibenden Beobachtungen am überlebenden Präparat gewinnen daher, 
soweit sie eben Gleichartiges aufzeigen, erheblich an Gewicht. 

Von Bedeutung ist auch die Beobachtung Zangleys, dab die Tätig- 
keitsveränderungen der Parotiszellen bei erwachsenen Kaninchen 1— 2 Stun- 
den nach der Nahrungsaufnahme in gleicher Weise zu sehen sind, wie bei 
künstlicher Reizung. Für das Studium der Ruhezellen sind auch hier, wie 
üblich, Hungertiere zu verwenden, jedoch ist darauf zu achten, daß nicht 
Tiere nach allzulanger Karenz zur Verwendung kommen. Langley?) machte 
nämlich die in mancher Beziehung merkwürdige Beobachtung, daß die 
Granula der Parotiszellen des Kaninchens bei länger andauerndem Hunger 
ebenfalls aufgebraucht werden.) 

Hinsichtlich der Bedeutung dieser Beobachtungen sei nur kurz hin- 
gewiesen auf die zahlreichen Befunde von Verminderung der Fermentaus- 
beute (Pepsin) aus der Schleimhaut von Hungermägen*) sowie auf die 
ebenfalls von Grützner ) an den Magendrüsen gemachte und von Grober®) 
bestätigte Entdeckung der Rückresorption von Ferment. 

Die gleichen Veränderungen der Drüsenzellen konnte Langley?) kon- 
statieren an Isolations-(Zupf-)Präparaten der Parotis von Kaninchen, Katze, 
Hund und Ratte; als bemerkenswert sei hier nur die von ihm an der 
Hundeparotis gemachte Entdeckung angeführt, daß Sympathikusreizung 
auch Granulaschwund sowie Bildung der hellen Basalzone bewirkte, indes 
die von Heidenhain gemachte Beobachtung, daß Sympathikusreizung keinen 
oder nur geringe Spuren von Speichel aus der Parotis liefert. vielfache 
Bestätigung erfahren hat. Ich selbst habe die gleiche Beobachtung an 
Katzen mehrfach gemacht: Reizung des Halssympathikus ließ in den 
meisten Fällen keine Spur von Speichel aus einer im Duct. Stenonianus 
befindlichen Kanüle hervortreten. Daß aber der aus obigen Beobachtungen 
über Granulaschwund in den Parotiszellen nach Sympathikusreizung gezo- 


) Vgl. Langley, Proc. R.S. 29. Nr. 198 (1879) u. Journ. of Physiol. 2. p. 261 u. ff. 
(1879/80). 

?) Langley, ]. e. 

3) Über weitere Bestätigungen dieses Verhaltens der Granula bzw. über die Hunger- 
verkleinerung von Drüsenzellen durch Noll! und Sokoloff, R. und A. Monti u.a. vgl. 
Metzner, Nagels Handb. II. Bd. 2. S. 963. 

#) Grützner, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 13 (1876). 

®) Grützner, ebenda. Bd. 20 (1879). 

6) Grober, Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 83 (1905). 

?) Langley, ]. e. 

14* 


212 R. Metzner. 


gene Schluß, die Parotis erhalte auch bei der Katze sekretorische Nerven- 
fasern vom thoraco-lumbalen System, zutreffend ist, zeigten mir die Rei- 
zungsversuche an Katzen im Zustande chronischer Atropinvergiftung. Wie 
ich im einer vorläufigen Mitteilung!) darlegte und wie an anderer Stelle 
genauer besprochen werden soll, erfahren Katzen unter längerer Atropin- 
behandlung eine Erregbarkeitssteigerung des Zentralnervensystems, die sich 
unter anderen in bedeutender Erleichterung der Erzielung reflektorischen 
Speichelflusses manifestiert. Bei solchen Tieren gelingt es schon durch 
schwache faradische Reizung des Halssympathikus, eine deutliche Absonde- 
rung von Speichel aus dem Parotisgang zu erhalten. 


Fig. 58a. 


Alveolen der Gl. parotis einer Katze nach 20stündigem Hunger. 
Frisches Präparat mit Spur Ringer. Homog. Imm. Vergr. 600 (gez. von H. Kirchner). 


Die Erkennung feinster Details ist am beschriebenen lebenden Ob- 
jekte nicht möglich, man muß dafür zur Untersuchung des überlebenden 
Präparates schreiten. Es ist bei der Beobachtung solcher Zupf- oder 
Schnitzelpräparate zu bedenken, dab Zusatz z. B. von Speichel die Granula 
zum Teil auflöst bei längerer Untersuchungsdauer, ohne Zusatz halten die 
Präparate sich länger unverändert. 

Die mikroskopische Untersuchung dünnster Rasiermesserschnitzel der 
frischen Parotis (Katze) geschieht daher am besten ohne Zusatzflüssigkeit 
oder wenigstens nur mit einer Spur Ringerlösung: die Drüse des Hunger- 
tieres zeigt dann mit guter Immersionslinse eine ziemlich gleichmäßige 


1) Verhandl. d. Gesellsch. Deutscher Naturf. u. Ärzte, Münster i. W. 1913. 


Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgrauulationen ete. 213 


Erfüllung aller Azinuszellen mit großen, stark lichtbrechenden Granulis, 
zwischen denen aber hie und da kleine, noch stärker lichtbrechende Körn- 
chen verstreut liegen. Große und kleine Körner sind eingebettet in eine 
spärliche homogene Masse, das intergranuläre Protoplasma. Zusatz von 
OsO,-Lösung zum Präparat bewirkt in vielen Zellen ein Dunkelwerden 
basal gelegener Granula; Langley hat wohl zuerst diese Beobachtung ge- 
macht bzw. zuerst das Auftreten von Fetttropfen in Drüsenzellen fest- 
gestellt. 

Zellgrenzen sind meist ebensowenig sichtbar wie ein Lumen im Zen- 
trum des Alveolus, dagegen wird man die Zellkerne nicht vermissen, falls 
nur der Schnitt dünn genug ist. Die beistehende Zeichnung gibt eine 
ziemlich getreue Abbildung 
eines solchen Präparates Fig. 580. 

(Fig. 58 a). | 

(Gewinnt man ein solches 
Schnitzelpräparat von einer 
tätigen Drüse — etwa nach 
längerer Reizung des Nerv. 
aurieulo-temporalis oder nach 
Applikation einer mäßigen 
Dosis Pilokarpin — so bietet 
sich ein deutlich verändertes 
Bild (Fig. 585). Die stark 
lichtbreehenden, großen Gra- 
nula sind stark vermindert 
an Zahl, dagegen findet man 
eine große Zahl von kleineren 
Körnern, deren Brechung ge- 
ringer und deren Aussehen 


daher matter IST. Je nach Alveolus und Speichelrohrstück von einer Katze nach 
= = Hay Injektion von-0'035 g Pilokarpin. 

dem Tätigkeitsgrade wechselt Frisches Präparat mit Spur Ringer. Homog. Imm. 

das Bild und man kann nach Vergr. 500 (gez. von H. Kirchner). 


intensiver Reizung die groben 
Granula bis auf wenige verschwunden, die Zellen der Azini fast ganz von 
den kleineren Körnern erfüllt sehen. Jedoch tritt ein fundamentaler Unter- 
schied gegenüber dem Ruhepräparat hervor: Die Erfüllung der Zellen mit 
Körnern ist eine viel weniger dichte, die zwischen den Granulis befind- 
liche, homogen erscheinende Masse ist deutlich vermehrt. Ein zentrales 
Lumen ist gut erkennbar, von ihm aus, wenn auch nicht immer in 
ununterbrochenem Zusammenhange, erstrecken sich mehr oder weniger 
verzweigte Lücken oder Kanäle in und zwischen die Zellen hinein. Lumen 
sowohl als Kanäle sind von homogener Flüssigkeit erfüllt. Die Zellkerne 
treten noch deutlicher hervor als im Ruhepräparat. 

Hat man Gelegenheit, Präparate der Parotis neugeborener oder 
wenigstens ganz junger Kätzchen zu untersuchen, deren Azini noch sehr 


214 R. Metzner. 


klein sind!) und daher auch in sehr dünnen Schnitten noch große Teile 
eines Azinus mit der Mikrometerschraube nach der Tiefe zu durchmustern 
gestatten, so erhält man von der tätigen Drüse ein sehr instruktives Bild 
des mit dem Lumen zusammenhängenden Systems von inter- bzw. peri- 
zellulären Sekretkapillaren sowie der intrazellulären Sekretstraßen, welche 
ja zum Teil ebenfalls mit dem Lumen in Verbindung stehen, wie sich aus 
den Schnittbildern fixierter Drüsen ergibt (siehe unten). L. Michaelis?) 
konnte an der Mäuseparotis im überlebenden Präparate in gleicher Weise 
den Effekt der Reizung auf das mikroskopische Bild feststellen: nach einer 
mäßigen Pilokarpingabe nimmt zuerst die Zahl der stark lichtbrechenden 
Körner ab, es treten Sekrettropfen von unregelmäßiger Gestalt in den 
Zellen hervor und als Ersatz für die eroßen Granula erscheinen kleinere 
und schwächer lichtbrechende Körnchen. Michaelis erwähnt ausdrücklich, 
dab die Unterschiede im Aussehen der ruhenden und der gereizten Drüse 
so deutlich waren, daß es zu ihrer Erkennung der postmortalen (= supra- 
vitalen von Arnold) Färbung, welche der Autor mit Erfolg zur Erkennung 
weiterer Details verwandte, nicht bedurfte. 

Ich selbst konnte an einem dreitägigen Kätzchen, dessen Parotis nach 
längerem Saugen des Tieres an der Milchflasche entnommen war. am über- 
lebenden, ungefärbten Präparat in dem basalen, körnerfreien Plasma feinste 
Fäden erkennen, also Gebilde, welche von Altmann an fixierten und ge- 
färbten Präparaten der tätigen Parotis immer beobachtet wurden (siehe 
unten). Es ist aber zu beachten, daß) nach meinen Untersuchungen (vgl. 
oben) die Parotis des jungen Kätzchens eine Schleimdrüse ist; an solchen 
Drüsen sind im tätigen Zustande die Fäden am überlebenden Präparat 
schon mehrfach beobachtet worden, so z. B. von Noll an der Sublingualis 
des neugeborenen Hündchens. An der Parotis der erwachsenen Katze 
konnte ich mit Sicherheit die Fäden nicht feststellen, obwohl mir Andeu- 
tungen von solchen vorhanden schienen; dagegen sind sie an anderen 
serösen Drüsen auch im frischen Präparat gesehen worden, so vor allem 
am Pankreas, desgleichen von Drasch an der lebenden, mit erhaltenem 
Kreislauf untersuchten Nickhautdrüse des Frosches. Mit supravitaler Fär- 
bung treten die Fäden sehr deutlich zutage: Michaelis hat sie in seinen 
oben erwähnten Untersuchungen an der Mäuseparotis eingehend studiert; 
doch ist hier nicht der Ort für eine eingehende Darstellung seiner Re- 
sultate, da die vermittelst der vitalen und supravitalen Färbungsmethoden 
gewonnenen Einblicke in den Drüsenmechanismus in einem besonderen 
Abschnitt dieses Werkes behandelt werden. Nur soviel sei erwähnt, dab 
das Auftreten solcher Fadengebilde stets im Zusammenhange mit der Tätig- 
keit der Drüsen bzw. mit dem bei der Tätigkeit zu beobachtenden Er- 


') An dieser Stelle ist bei der Schilderung der Vorgänge in den Drüsen neuge- 
borener oder sehr jugendlicher Tiere die geringere Füllung der Drüsenzellen mit Gra- 
nulis bzw. das Vorhandensein einer basalen granulafreien Zone, auch im Ruhepräparat, 
nicht besonders erwähnt worden. 

?) L. Michaelis, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 55. S. 588 (1900). 


u 


Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgranulationen etc. 315 


scheinen von kleineren Körpern (Nachschub) beobachtet wurde (siehe auch 
unten). 

Sehr eingehend wurden die Veränderungen der Ohrspeicheldrüse bei 
der Tätigkeit studiert durch Altmann an Präparaten, hergestellt nach 
Fixation mit dem Os O,-Kalibichromatgemisch durch Fuchsinpikrinfärbung; 
bei ihrer Schilderung wird auch noch auf schon oben behandelte Objekte, 
vor allem auf die Natterdrüsen zurückzugreifen sein. Das Altmann-Präparat 
der Ruheparotis (Katze) zeigt, ähnlich wie die Augendrüse der Ringel- 
natter, die Azini vollständig erfüllt von graugelben Körnern, zwischen 
denen sich wabenförmig das rot gefärbte intergranuläre Protoplasma hin- 
zieht; an der Zellbasis und um den daselbst liegenden ungefärbten, nur im 
Pikrinton erscheinenden Kern ist dieses Protoplasma in etwas größerer 
Mächtigkeit vorhanden. Durch geeig- 
nete Pikrindifferenzierung — eventuell 
unter Zuhilfenahme der Wärme (s. frü- 
her) — läßt sich bei den Natterdrüsen 
das intergranuläre, basale und peri- 
nukleäre Plasma in Züge allerfeinster 
Körnchen auflösen, und zwar gilt dies 
sowohl von dem Protoplasma der Zellen 
in den eigentlichen Drüsenstücken als 
in den Ausführungen. An dem inter- 
granulären Plasma der Katzen- und 
Hundeparotis gelingt dies vorläufig 
noch nicht, doch scheint mir Altmanns N 
Ansicht plausibel, daß dies nur Mangel Die Granula sind im Originale graugelb, die 


Intergranularsubstanz rot, ebenso ist letztere 


der Methode ist, daß auch hier solche gefärbt in Fig. 595, c, d, jedoch haben hier 


auch die Granula den gleichen Fuchsinton. 


Körnchen vorhanden sein werden. Kuhebild, bzw. Erholungsbild 36 Stunden nach 
Andrerseits bin ich überzeugt, daß das "us dtmann, Elem- One) 
intergranuläre Plasma keineswegs nur 

aus solchen Körnchen besteht, sondern daß diese eingebettet liegen in 
das — innerhalb gewisser Grenzen — homogene Protoplasma und nur 
Abscheidungen desselben sind. 

Das Erholungsbild kann für das Ruhebild stehen; Unterschiede 
individueller Natur treten in beiden auf in bezug auf die mehr oder 
weniger starke Entwicklung der intergranulären Substanz. 

Siehe auch hierfür und für das Folgende die Taf. NXIV—XXVI 
sowie für die Natterdrüsen Taf. XXIII des Altmannschen Hauptwerkes. 

Wie oben erwähnt, erkennt man im frischen Präparat die Speichel- 
röhren der Ohrspeicheldrüse an der Auskleidung mit Reihengranulazellen, 
wobei auf die geringere Größe und das mattere Aussehen dieser Körner, 
die sich also chemisch von den reifen Sekretgranulis unterscheiden, hin- 
gewiesen wurde. Dem entspricht nun, daß im Fuchsinpikrinpräparat der 
Ruheparotis diese Reihengranula den roten Fuchsinton zeigen, dadurch 
fallen die Speichelröhren auch sofort in dem graugelben Ton der Präparate 


Fig.59.a. 


216 R. Metzner. 


auf. Zum Unterschiede von den Natterdrüsen findet man im Lumen der 
Ausführungsgänge (Speichelröhren) keine (Granula, dieselben werden ent- 
weder in den Azinuszellen selbst oder sofort nach ihrem Austreten in die 
Speichelröhren gelöst (s. auch unten). Um nun Drüsen in verschiedenen 
Stadien der Tätigkeit zu erhalten, injiziert man Katzen, nach 
24stündigem Hungern, gleiche Dosen (z. B. je 50 ıng) von salzsaurem Pilo- 
karpin und tötet die Tiere nach 1, 2, 3. 6. 9, 24 und 36 Stunden, oder 
entnimmt ihnen nach den gleichen Intervallen die Drüsenstücke in Chloro- 
formnarkose. Es sei gleich anfänglich bemerkt, dal) in allen Stadien bis 
16—24 Stunden nach der Applikation des Giftes eine erhebliche Ver- 
kleinerung der Drüsenacini zutage tritt; den höchsten Grad erreicht sie 
in der 2.—4. Stunde und erst nach 24—36 Stunden kann man wieder 
auf das Ruhebild rechnen. Im 
Rig:59b. einzelnen spielen sich die Vor- 
gänge wie folgt ab: 1 Stunde 
p-. I. findet man Zellen und 
Azini wenig verkleinert. alle 
graugelben Granula ver- 
senwunden und an ihrer Stelle 
erfüllen die Zellen rote Körner 
(Fuchsinton) von sehr wech- 
selnder Größe, die aber nie 
das Kaliber der Ruhegranula 
erreichen. Zwischen den Kör- 
nern befindet sich in größerer 
oder geringerer Mächtiekeit 
eine homogene Substanz von 
1 Stunde nach Pilokarpin, entsprichtauch dem Erholungs- blaßem oder gesättigterem 
stadium 9 Stunden nach der Injektion von Pilokarpin. RAN s 
(Teil von Fig. 2, Taf. XXIV aus Altmann, 1. e.) Pikrinton, in welche zahl- 
reiche rote Fäden und aller- 
feinste rote Körnchen eingestreut sind; am reichlichsten ist diese Substanz 
an der Basis der Zellen, bzw. in der perinukleären Zone anzutreffen. 
Hie und da bemerkt man helle Lücken in den Azinis. 2 Stunden p. 1. 
findet man Zellen und Azini noch mehr verkleinert. den Gehalt an roten 
Körnern viel geringer, dagegen die Zahl der Fäden kaum vermindert; 
helle Lücken trifft man in großer Anzahl, doch ist dieser Befund keines- 
wegs konstant. Als das Maximum der Erschöpfung sieht Altmann das 
Stadium der Drüse 36 Stunden p. I. an: die roten Körner sind eher zahl- 
reicher als vorher, aber nur in kleinem oder kleinstem Kaliber vertreten, 
rote Fäden findet man nur bei genauer Durchmusterung der Präparate; 
die hellen Lücken sind auch weniger zahlreich. 6 Stunden p. I. trifft man 
etwa die gleichen Bilder, wie nach 2 Stunden, indem sowohl die roten 
Körner als die Zellen und Azini wieder an Volumen zugenommen haben, 
desgleichen finden sich wieder Fäden vor. Daß hier ein Regenerations- 
stadium der Drüse vorliegt, ergibt sich nicht nur aus dem Bilde selbst, 


Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgranulationen ete. 217 


sondern auch aus den in gleichem Sinne fortschreitenden Befunden der 
noch später getöteten Tiere; Altmann gibt die Darstellung der Verhält- 
nisse 9 Stunden p. I., die in bezug auf Größe der Zellen und Azini, Zahl 
und Kaliber der Körner, sowie Ausbildung der Fäden dem Stadium 
1 Stunde p. I. entsprechen. Je nach der Individualität der Tiere kehrt die 
Drüse nach 24—36 Stunden zum Ruhestadium zurück. 

Die Deutung, welche Altmann den Bildern dieser einzelnen Stadien 
gibt, ist folgende: I. Stadium (1 Stunde p. I.). Die graugelben Körner sind 
in das Sekret übergegangen und die roten durch Nachwuchs vom intakten 
Protoplasma an ihre Stelle getreten, ohne jedoch bei der Rapidität des 


Fig.59 c. Fig. 59.d. 


2 Stunden nach Pilokarpin, entspricht auch dem 3 Stunden nach Pilokarpin. Erschöpfungs- 
Erholungsstadium 6 Stunden nach der Injektion stadium. 

| a FOL Pilokarpin. (Teil von Fig.2, Taf. XXV aus Alt- 
(Teil von Fig.1, Taf. XXV aus Altmann, 1. ec.) mann, 1. ce.) 


Vergiftungsprozesses völlig zu reifen Sekretkörnern sich ausbilden zu 
können; sie sind deshalb nicht von so gleichmäßiger Größe, wie die 
Sekretkörner der Ruhedrüse und haben ihre spezifische Fuchsinreaktion 
noch nicht verloren. An Stelle der in der Ruhe undefinierbaren roten 
Intergranulärsubstanz sind Fädchen und kleine Körnchen getreten, welche 
hier, wie auch sonst, für den Nachwuchs neuer Sekretkörner zu sorgen 
haben. Der Gang scheint so zu sein, daß, wenn nicht immer, so doch 
häufig sich aus den primären Granulis des intakten Protoplasmas zu- 
nächst Fäden bilden, diese durch Zerfall kleine Körner geben, welche durch 
Wachstum und Assimilation sich zu Sekretkörnern umwandeln 

Der Zweck der vegetativen (zum Unterschied von den persistierenden ani- 
malen Nerven- und Muskelfibrillen nennt Altmann diese nicht persistierenden 


218 R. Metzner. 


Fäden „vegetative“) Fäden ist augenscheinlich der, die Erzeugung einer 
größeren Zahl neuer Granula in kürzerer Zeit zu begünstigen ..... 
Erschöpft sich die Drüse durch die Reizung des Giftes mehr und mehr, 
so sieht man die Regenerationskraft des Organs mehr und mehr zu- 
sammensinken (Stadium II, 2 Stunden p.I.; die völlige Erschöpfung: 
Stadium II, 3 Stunden p.1I.). Mit der Erholung wechseln die Bilder in 
umgekehrter Reihenfolge, bis schließlich aus den fuchsinophilen Körnern 
die nicht fuchsinophilen, daher durch Pikrindifferenzierung graugelb 
werdenden Sekretkörner der Ruhedrüse hervorgehen. Die hellen Lücken, 
welche in unregelmäßiger Weise in den Stadien lebhafter Sekretion in den 
Zellen hervortreten,. entstehen nach Altmann durch Stauungen des 
Sekretes: er erhielt sie in großer Anzahl, wenn er vor der Pilokarpin- 
injektion den Duct. Stenonianus 

De. unterband. Altmann gibt noch 

an, dal die Katze (sowohl für 
die Parotis, als auch für die Sub- 
maxillaris und das Pankreas) mit 
wunderbarer Exaktheit auf Pilo- 
karpin reagiert — die Frage, ob 
aber die hier beschriebenen Pro- 
zesse auch für die physiologische 
Tätigkeit der Drüse gelten, oder 
ob sie vielleicht nur abnorme, 
gleichsam pathologische Vor- 
gänge darstellen, erwägt er an 
diesem Orte nicht. Dazu ist nun 
einmal zu bemerken, daß ich 
ähnliche Bilder der Parotis — 


Gl. parotis einer erwachsenen Katze (tätige Drüse) 


(modifizierte van Gieson-Färbung) nach Metzner. r p FE 
Nagels Hdb., II, 2. Taf. II, Fig. 2. Teilweise photo- u u auch dem Gr ade nach vn 
graphische Reproduktion. S= Speichelrohr mit Schalt- schieden — erhielt bei Katzen 
stick, das mit Sekret gefüllt ist; letzteres setzt sich : B n - 

rückwärts in den Acinus und in die Zellen fort. nach einer reichlichen Fleisch- 


mahlzeit (Katzen kauen bekannt- 
lich gröbere und nicht weichgekochte Fleischstücke recht ordentlich, im 
(regensatz zu den. alles ungekaut hinabschlingenden Hunden). Weiterhin ist, 
wie oben beschrieben, an unserer, wie an vielen anderen Drüsen, in vivo bei 
physiologischer Tätigkeit (vgl. auch unten Altmanns Untersuchungen an den 
(reschlechtsdrüsen von Triton zur Brunstzeit) Schwund der Sekretkörner, der 
Nachschub kleinerer Körner, das Auftreten von Fäden, zumal im basalen, 
granulafreien oder granulaarmen Protoplasma ja oft gesehen worden. An- 
knüpfend an meine Beobachtung nach starker Fleischmahlzeit möchte ich 
aber hervorheben, daß ich in diesem Präparat — welches in OsO, ClNa mit 
Zusatz von Kalibichromat und einer Spur Salpetersäure fixiert und dessen 
Schnitte mit der von Knoche modifizierten van Giesonschen Methode gefärbt 
waren (s. früher die Methodik) — einiges erkennen konnte, was die Alt- 
mann-Präparate nicht zeigen, nämlich das in besonderer Färbung hervor- 


Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgranulationen etc. 219 


tretende Sekret (vgl. dazu die beistehende Fig. 60). Man findet in diesem 
Präparat kontinuierliche Sekretstraßen von dem Lumen der Schaltstücke 
(Anfangsstücke der Speichelröhren) bis in die Azinuszellen hinein (grauer 
Farbton). Dort zieht sich das Sekret in allerfeinsten Linien zwischen die 
Granula bzw. die sie umgebende Protoplasmamasse hinein; zumeist aber 
imponiert es als Tropfen und Tröpfchen, auf dem Schnittbilde meist intra- 
zellulär liegend; aber an manchen Stellen erhält man den Eindruck bei 
Gebrauch der Mikrometerschraube, als ob das Sekret perizelluläre Kanäle 
(Sekretkapillaren) fülle. Diese Präparate lehren nun mit aller Deutlichkeit, 
daß eine intrazelluläre Lösung der Granula bei der Sekretion statthat und 
sie deuten weiter darauf hin, daß wohl in den breiten Protoplasmamassen 
zwischen den fuchsinophilen Körnern der Altmann-Präparate — welche 
hier im Safraninton erscheinen — auch Sekret, durch Imbibition, ent- 
halten ist; es gibt also die Altmannsche Methode nicht eine volle Differen- 
zierung der im Plasma auf andere Art und Weise darstellbaren Gebilde. 
Andrerseits treten mit der modifizierten van Gieson-Färbung die Fäden 
nicht oder nur unvollkommen hervor. 

Was nun die Deutung der in der tätigen Parotis auftretenden kleinen 
und kleinsten Körner sowie der Fadengebilde betrifft, so ist vor allem 
daran zu erinnern, dal) wir die gleiche Erscheinung in allen darauf unter- 
suchten Drüsenzellen wiederfinden. Es wurden Andeutungen schon oben 
gegeben bei den Gl. orbitalis, retrolingualis (subling. monostomatica), 
Submaxillaris, zum Teil nach eigenen Beobachtungen frischer Präparate, 
zum Teil nach denen anderer Autoren; diese werden ergänzt durch das, 
was an Leber, Darmepithel, Pankreas, Speicheldrüsen, Milchdrüse, Eileiter- 
drüse u. a. vermittelst fixierter und gefärbter Präparate sowohl, als am 
lebenden und überlebenden Objekt studiert wurde. 

Es seien hier aus Altmanns Hauptwerk noch genannt die Taf. XXVIL 
und XXIX (Gl. submaxillaris der Katze), weiterhin Taf. XX und XXI 
(Bauchdrüse von Triton taeniatus, siehe auch unten) und Taf. XXX (Pan- 
kreas der Katze) sowie die zugehörigen Textabschnitte S. 107 u. ff. 

Was die Körnchen verschiedenen Kalibers als Vorstufen der Sekret- 
granula betrifft, so möchte ich den von mir und anderen oft beobachteten 
Umstand anführen, daß die kleinsten Körnchen im basalen Plasma auf- 
tauchen und daß mit dem Vorrücken nach dem Lumen zu das Kaliber 
und auch die Zahl derselben wächst bei den Drüsen, die einen Übergang 
der Granula in das Sekret oder wenigstens in das Lumen der Endstücke 
zeigen (vgl. die Schleimdrüsen) oder bei denen — wie z. B. beim Pankreas 
— nur die dem Lumen zunächst gelegene Körnerreihe gelöst wird. Gerade 
beim Pankreas ist von Kühne und Lea!) der Nachschub mehr basal 
gelegener Körnchen zum Ersatz der in Lösung gegangenen, am 
freien Rande gelegenen Zymogenkörner in vivo mit aller Deutlich- 
keit gesehen worden. Dort, wo die Lösung der Granula sich nicht nur in 


'!) Kühne und Lea, Untersuch. a. d. Physiol. Instit. Heidelberg. II (1882). 


2920 R. Metzner. 


au 


einem am Lumen gelegenen Saume vollzieht, sondern im erößten Teile 


der Zelle an vielen Granulis zugleich Platz greift — was mir für die 
Parotis zuzutreffen scheint —, da wird auch eine Anordnung nach der 


Größe in der Richtung Basis-Lumen fehlen und werden die Körnchen ver- 
schiedensten Kalibers durcheinander liegen. Doch habe ich auch hier (bei 
der Parotis) oft die perinukleäre Zone bevorzugt gesehen als Ansammlungs- 
ort der kleinsten Körnchen. Weiter möchte ich anführen für die Ent- 
wicklung der großen Granula aus den kleinen Körnern die Änderung der 
mikroskopischen Reaktion, die mit dem Wachstum einhergeht. Wie schon 
früher erwähnt, kann man die kleinsten, basal gelegenen Körnchen in 
den Zellen der Schleim- oder Schleimspeicheldrüsen oft kaum erkennen. 
da ihre Farbe fast genau die des homogenen Protoplasmas (grün bis 
grüngelb) ist; mit ihrer Vergrößerung und Verlagerung geeen das Lumen 
zu nehmen die Körner einen grünlichblauen, dann blaugrünen, weiter 
opakblauen Ton an, bis sie in dem Blauviolett der reifen Granula in den 
obersten Zellteilen erscheinen. 

Was nun die Fadengebilde als Muttersubstanz oder als Inter- 
mediärstadium der fuchsinophilen Körner anlangt, so ist einmal zu be- 
tonen, daß das, was früher (Pflüger, Heidenhain) als Fäden- oder Stäbchen- 
formationen in den Zellen der Niere, der Speichelröhren etc. beschrieben 
wurde, neuerdings als Körnerreihen — eventuell mit verbindenden feinen 
Fäden — erkannt wurde. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß noch 
manche der nicht gestreckt, sondern gekrümmt oder verschlungen auftretenden 
Fäden in Körnchenzüge aufgelöst werden mögen. Andrerseits sehen wir 
z.B. beim Pankreas mit der Abnahme der Zymogenkörner bei der Tätig- 
keit der Drüse, wie die Plasmakörnchen so auch die Fadengebilde — 
welche hier ebenfalls in vivo beobachtet wurden — zahlreicher werden. 
Mouret‘!), der die kleinen Körnchen und Fäden im Pankreas des Frosches 
ebenfalls wenig zahlreich in der mit Zymogenkörnern gefüllten Drüse fand, 
dagegen sie sich vermehren sah in den Zellen, deren Zymogenkörner- 
(Granula-) Gehalt sich verringert hatte, stellt sich auf Altmanns Stand- 
punkt: er faßt kleinste Körnchen und Fäden unter dem Namen „präzy- 
mogene Substanz“ zusammen: die fädige präzymogene Substanz ver- 
wandelt sich in feine Körnchen, die sich im Protoplasma verbreiten, dort 
wachsen und reifen, um wahre Zymogenkörner zu werden. 

Daß der Zerfall von Fäden in Körnerreihen im überlebenden Prä- 
parat gesehen wurde, beweist an sich natürlich nichts — es kann dies 
ebensogut eine Absterbeerscheinung sein und ist auch von den Autoren 
vielfach als solche gedeutet worden. Aber sie bleibt beachtenswert im Zu- 
sammenhange mit dem obigen. 

Um neben Mouret, der ja auch an fixiertem Material seine Unter- 
suchungen anstellte, noch ein weiteres Beispiel aus dem Hauptwerke von 
Altmann, des Begründers dieser Anschauungen, anzuführen, so sei auf 


‘) Mouret, C. r. Soe. Biol. T. 46. p. 733—34 (1894) und T. 47. p. 35—36 (1895). 


A ET DLERDBDL N 


Die wichtigsten Methoden zur Darstellung von Zellgranulationen etc. 31 


dessen Beobachtungen an den Geschlechtsdrüsen, speziell an der Bauch- 
drüse von Triton taeniatus hingewiesen (vgl. Element. Organ. S. 134 u. ff. 
sowie Taf. XX und XXI. Wir sehen hier in prägnanter Weise eine Zu- 
nahme der Fadengebilde parallel gehen mit der Abnahme der Sekret- 
granula zur Brunstzeit, die ja für diese Drüsen eine Zeit äußerst ge- 
steigerter Tätigkeit ist. Daß hier die verschiedenen Bilder verschiedene 
funktionelle Zustände der Drüse darstellen, ergibt sich — wie Altmann 
wohl mit Sicherheit schließt — aus den Umständen ihrer Gewinnung. 
Denn während wir zur Brunstzeit vom gleichen Tier annähernd gleiche 
Bilder erhalten, sind dieselben bei verschiedenen Tieren so verschieden, 
daß wir, ausgehend von Zellen, die prall gefüllt, mit reifen Sekretkörnern, 
kaum eine Spur basalen Plasmas zeigen, alle Übergänge finden des 
Wachsens der basalen Zone und ihrer Erfüllung mit zahlreichen fuchsino- 
philen Fäden bis zum völligen Schwund der Sekretgranula oder wenigstens 
bis zur Beschränkung ihres Vorkommens auf einen schmalen, das Lumen 
begrenzenden Saum. In solchen fast oder gänzlich granulafreien Zellen 
finden sich dann zwischen den fuchsinophilen Fäden allerkleinste Körnchen 
gleicher Reaktion eingestreut. 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 


Von V. Vouk, Zagreb (Agram). 


I. Anzucht und Kultur der Pflanzen im Laboratorium. 


Beim Studium verschiedener Wachstumsvorgänge wird der Physiologe 
wohl in den meisten Fällen seine Versuchspflanzen selbst im Laboratorium 
zur Entwicklung bringen, da er auch die Ernährungsbedingungen, unter denen 
die Pflanze steht, keinesfalls außer acht lassen darf. Wo ein Versuchs- 
garten oder ein größeres dementsprechend eingerichtetes Laboratorium 
vorhanden ist, wird der Experimentator die Arbeit der Anzucht und Kultur 
der Versuchspflanzen am zweckmäßigsten dem erfahrenen gärtnerisch ge- 
schulten Gehilfen überlassen, doch wo ein solcher nicht bei der Hand ist, 
muß auch der Experimentator selbst die nötigen Methoden und Handgriffe 
kennen, um seine Objekte normal zur Entwicklung zu bringen. !) 

Mit Vorliebe werden zu Wachstumsversuchen die Keimlinge ver- 
schiedener Pflanzen benützt, und zwar gibt es eine Reihe von Pflanzen- 
keimlingen, welche sich in jeder Richtung hin für die erwähnten Zwecke 
als besonders geeignet gezeigt haben und die in den botanischen Labora- 
torien als „Versuchskaninchen“ gelten. Von diesen sind zu nennen: 

Bohne, verschiedene Arten, z.B. Phaseolus vulgaris, Ph. multiflorus; 

Erbse, Pisum sativum; 

Wolfsbohne oder Lupine, Lupinus albus; 

Feuerbohne, Vicia faba; 

Kürbis, Cueurbita pepo; 

Weizen, Triticum, verschiedene Sorten: 

(Gerste, Hordeum vulgare: 

Mais, Zea, Mais; 

Senf, Sinapis alba; 

Rettig, Raphanus sativus: 

Sonnenblume, Helianthus annuus:; 

Rizinus, Riecinus communis: usw. 

Bei der Benützung der verschiedenen Getreidearten und Kulturlegu- 
minosen (Bohnen, Erbsen usw.) ist stets notwendig, die Kulturvarietät bzw. 
die Rasse im Versuchsprotokoll zu notieren, da die Unterschiede bezüglich der 
Wachstumsverhältnisse oft bei einer Art recht beträchtlich sind. Man 
experimentiert in der neuesten Zeit sogar auch mit „reinen Linien“. Außer- 


!) Zu diesem Zwecke ist auch das Buch von P. Esser, „Das Pflanzenmaterial 
für den botanischen Unterricht“, I. Teil, „Anzucht, Vermehrung und 
Kultur der Pflanzen“ zu empfehlen. 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 223 


dem soll bei solchen Experimenten auch die Bezugsquelle wie auch das 
Alter des Samenmaterials erwähnt sein. 

Die Prüfung des Samenmaterials auf Keimfähigkeit. Es 
ist wichtig, daß das zu Versuchen benützte Samenmaterial gut keimfähig 
ist; daher ist es auch notwendig, daß der Experimentator die Samen auf die 
Keimfähiekeit prüft. Dem Physiologen genügt zu diesem Zwecke die ein- 
fachste Art und Weise der Prüfung auf Keimfähigkeit, denn ihm handelt 
es sich nicht darum, den Wert des Samens zu bestimmen, sondern die 
Keimfähiekeit kennen zu lernen, die man sogar in einigen Fällen im Ver- 
suchsprotokoll notieren soll. 

Selbstverständlich werden zu Versuchen gesunde, nicht eingetrocknete 
und geschrumpfte Samen genommen. Der Same muß zunächst einquellen, 
wovon die Grassamen ausgenommen sind. Die @Quellungsdauer variiert 
zwischen 6—12 Stunden je nach der Dickwandiekeit der Samenschale, 
wobei beachtet werden muß, daß die Samen nicht mit allzu hoher Wasser- 
schicht übergossen werden. Am zweckmäßigsten nimmt man dazu flache 
Glasschalen und übergießt die Samen mit einer 1—2 cm hohen Wasser- 
schichte. Nach der Quellung kommen die Samen in ein passendes Keim- 
bett. Als Keimbett werden Glasschalen mit Sand, Erde, Sägespäne oder 
Fließpapier und Flanelllappen benützt. Es sind auch von verschiedenen 
Autoren für diese Zwecke eigene Keimapparate konstruiert worden (siehe 
C. 0. Harz: Landwirtschaftliche Samenkunde, 1885 oder F. Nobbe: Hand- 
buch der Samenkunde. Berlin 1876), doch für unsere physiologischen Ver- 
suchszwecke genügen bloß flache Glasschalen, belegt mit Sand oder Filtrier- 
papier, oder das letztere allein. Man legt einfach die Samen zwischen be- 
feuchtetes Filtrierpapier (Schleicher & Schäll Nr. 597 u. 598) und stellt 
sie auf einen auf 18—22°Ü temperierten Ort. Es werden in der Regel 
100 oder 200 Samen ausgelegt und die Keimung wird täglich beobachtet. 
Die Notizen über den Verlauf der Keimung können nach folgendem Muster 
(Harz ]. ec. S. 300) gemacht werden. 


Keimversuch 
mit Weizen (Sorte....) den 5. April 1913, 9 Uhr früh, 100 Stück einge- 
quollene Samen ausgelegt. 


| 
1 Ei = ä 18° 
2 un 15 _ 18° 
3 = 48 — U 
Ri a 2] — | 17: 
5 ih A = 18° 
6 — 1 5 
7 — — 1 S 
8 _ = 5 17—19° 
9 = = 1 | Lin 
912, | 


224 V. Vouk. 


Die Samen sind daher 91°/, keimfähig und die mittlere Keimzeit 
beträgt demnach 3°26 Tage. Es kommt sehr selten vor, dal 100°/, Samen 
keimfähig ist, es genügt aber 90°/, Keimfähigkeit. Es sind nämlich fast 
immer mitunter auch „taube“ (ohne Embryonen) Samen, die überhaupt 
nicht keimfähig sind. 

Um die Temperatur während des Keimversuches konstant zu halten 
stellt man die Keimbette in einen Thermostaten, die in jedem Labotatorium 
vorhanden sind. Es ist zweckmäßig, wenn ein solcher Thermostat eine 
Doppeltür hat. Die innere Tür soll nämlich eine Glastür sein, denn bei 
gewissen Samen ist zur Keimung auch Licht notwendig. 

Wenn man jahrelang mit gleichem Samenmaterial gleicher Provenienz 
experimentieren will, so empfiehlt es sich, auch die Samen gut aufbewahrt 
zu halten. A. Meyer empfiehlt zu diesem Zwecke das Aufbewahren über 
Chlorkalzium.’) Nach Meyers Versuchen keimten die über Chlorkalzium 
aufbewahrten Samen von Medicago sativa noch nach 11 Jahren mit 
850/,, gegen 88'3°%/, im ersten Jahre. Weniger günstig waren seine Ver- 
suche mit fettreichen Samen. So keimten auf dieselbe Art getrocknete 
Samen von Brassica 
oleracea nach 11 Jahren 
nur mit 548°), gegen 
98°/, im ersten Jahre. 

Das Auskeimen 
der Samen. Nach der 
gründlichen Prüfung des 

fu, H Samenmaterials werden 
Hr u en Eier Die Keimschale nach Molisch. die Samen zur Keimung 
gebracht. Es sind in ver- 

schiedenen Laboratorien verschiedene Methoden üblich, sogar auch ver- 
schiedene Keimapparate, wie oben erwähnt, konstruiert worden, doch wer- 
den uns in allen Fällen die einfachsten Methoden genügen. Es sind zunächst 
die Keimschalen zu erwähnen, von welchen die zweckmäßigsten die 
Keimschalen nach Wiener Typus sind, wie sie seit Jahren von 
Wiesner und Molisch im Wiener pflanzenphysiologischen Institute in Ver- 
wendung stehen. Diese Keimschalen (Fig. 61 und 62) sind aus Ton angefertigt 
und nur von außen glasiert. Der Durchmesser beträgt 30, 40 oder 50 cm. 
Speziell ist für gewisse Fälle der zweite Typus von Molisch 2) zu empfehlen, 
da in diesem die Feuchtigkeit reguliert wird. Diese Keimschale enthält in 
einer Entfernung vom äußeren hand (8cm) einen aus nichtglasiertem Ton 
angefertigten Ring, so dat) nur die innere Schale als Keimbett benützt 
wird und der äußere Ring nur das Wasser enthält, das entweder mittelst 
Streifen von Filtrierpapier mit dem Keimbett verbunden ist. oder wenn, 


!) Adolf Meyer, Über das Konservieren des Keimvermögens. (Journal f. Landwirt- 
schaft. 54. 1906.) 
?) H. Molisch, Ein neuer Blumentopf. Öst. bot. Zeitschr. 1878. 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 295 


wie erwähnt, der Ring unglasiert, ist auch dies überflüssig, da das Wasser 
durch den porösen Ton langsam diffundiert und die Feuchtigkeit konstant 
gehalten wird. 

Ähnliche Keimschalen benützt auch Ganong') in der Form des sog. 
Germinators. In die aus porösem Ton gemachte Tonschale werden auf 
Filtrierpapier die Samen ausgesetzt, .die Schale wird mit einer gleichen 
| anderen Schale zugedeckt und dann wieder in eine zweite größere Ton- 
schale hineingestellt, die eine Schichte von Wasser enthält und wieder 
mit einer zweiten Tonschale zugedeckt wird (Fig. 63). Die konstante Feuchtig- 
_ keit wird bei dieser Vorrichtung auf die gleiche Art gehalten, wie bei der 

Keimschale von Molisch. Für gewisse physiologische Versuche ist die 
. konstante Feuchtigkeit während der Keimung von großer Bedeutung. In 
j solchem Falle kann man den von Grevillius konstruierten Keimapparat 
4 
H 


zur Erhaltung konstanter Feuchtigkeit?) benützen. Als Keimbett 
dient eine Zinkblechschale, die auf einem Wagebalken ruht. Über dem 
Keimbett befindet sich ein zentrisch aufgestelltes Gefäß aus Glas oder 


Fig. 63. Fig. 64. 


Germinator (Keimapparat) nach Ganong. 


aus Metall, das als Wasserreservoir dient. In der Mitte des Bodens des 
Wasserbehälters befindet sich eine konische Öffnung, die durch einen kegel- 
förmigen, nach unten herausragenden Stöpsel dicht verschlossen wird. 
Unter dieser Öffnung ist in der Mitte des Keimbettes auf einer kurzen 
-  Blechsäule eine kleine Blechplatte befestigt und über diese sind Streifen 
von Fließpapier nach allen Seiten verteilt (Fig. 64). Wenn das Keimbett 
schon eine bestimmte Feuchtigkeit besitzt, wird die Wage mittelst des 
verschiebbaren Gewichtes in Gleichgewicht gesetzt und der Behälter in 
solche Höhe eingestellt, daß der Kegel die Oberfläche des Keimbettes bzw. 
der Blechplatte mit Fließpapier leicht berührt. Wenn das Wasser verdunstet, 
wird sich der Wagearm mit dem Keimbett heben und durch Andrücken 
des Kegels den Wasserbehälter ein wenig öffnen. Das Wasser fließt nun 
über die Blechplatte und verteilt mittelst Filtrierpapierstreifen gleichmäßig 


') F. W. Ganong, A laboratory course in plant physiology. See. Ed. New York. 
Henry Holt and Company. 1908. p. 210. 
?) A. J. Grevillius, Keimapparat zur Erhaltung konstanter Feuchtigkeit im Keim- 
bette während einer beliebig langen Zeit. Beih. z. Bot. Zentralbl. XII. 1902. S. 289— 292. 
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 15 


226 V.Vouk. 
die Feuchtigkeit. Wie das ursprüngliche Wasser ersetzt wird, so stellt sich 
die Wage wieder in Gleichgewicht und der Wasserbehälter schließt sich. 
So wird das verdunstete Wasser automatisch ersetzt und die Feuchtigkeit 
des Keimbettes wird auf diese Weise auf einem konstanten Niveau ge- 
halten. !) 

Die Beschaffenheit von Sägespänen. Außer gewöhnlichem weißen 
Filtrierpapier werden als Keimbett sehr oft auch Sägespäne benützt. Es 
ist nicht ganz gleichgültig, was für Sägespäne dazu benützt werden. Kiefer- 
späne allein oder Beimengungen mit Kieferspänen sind wegen dem Harz- 
gehalt, auch Späne von stark gerbstoffhaltigem Holz wie z. B. von Eichen 
sind nicht zu brauchen. Zu empfehlen sind Pappel- und Buchenspäne. 
Es ist auch die Qualität der Sägespäne zu berücksichtigen. Grobe, aus 
feinem herausgerissenen Spreißel bestehende Späne verwunden leicht, zu 
fein geriebene wieder backen leicht zusammen. Am besten sind die mittel- 
feinen Sägespäne, die man durch längeres Reiben im feuchten Zustande 
zwischen den Händen zur Erzielung eines homogenen Keimbettes zweck- 
mäßig präpariert hat. 

Wenn Erde als Keimbett verwendet wird, so benützt man am 
zweckmäßigsten schwarze, humusreiche Gartenerde, wie sie bei Kultur von 
Gewächshauspflanzen gebraucht wird. Die Erde soll womöglich homogen 
gerieben sein und darf nicht in der Keimschale oder im Blumentopf ein- 
gestampft werden, sondern in diese nur locker gefüllt sein. Selbstverständ- 
lich muß man für genügende gleichmäßige Feuchtigkeit der Erde sorgen. 


Die Methoden der Beobachtung des Wurzelwachstums. 


Zunächst ist die allgemein gebräuchliche Methode der Kultur der 
Wurzeln im feuchten Raume anzuführen. An den geschliffenen Stöpsel eines 
hohen Glaszylinders werden Korkscheiben befestigt. Die kleinen im Wasser 
gereinigten Keimlinge mit höchstens 1 cm langen Wurzeln werden mit ver- 
nickelten Stecknadeln in einem kleinen feuchten Wattabausch gehüllt fixiert, 
so daß die Wurzel gerade nach abwärts wachsen kann. Am Boden des 
Gefäßes befindet sich eine 1—2cm hohe Wasserschichte. Im auf diese 
Weise hergestellten feuchten Raume wachsen die Wurzeln normal und sind 
auch der direkten Beobachtung zugänglich. 

Zur Beobachtung des Wurzelwachstums in Erde oder in feuchten 
Sägespänen verwendet man am besten den sogenannten Sachsschen 
Keimkasten, wie ihn die Fig. 65 darstellt. Das Gestell dieses Kastens 
besteht aus starkem Zinkblech. Die Wände sind etwa 10° gegen den Ho- 
rizont geneigt und bestehen aus Glasplatten. Der Boden des Kastens, die 
beiden schmalen Seitenwände sowie der Deckel sind auch aus Zinkblech 
hergestellt, aber mit zahlreichen Löchern versehen, um den Luftwechsel 
in der einzufüllenden Erde zu begünstigen. Die Größe des Kastens kann 


!) Der Apparat in dieser Konstruktion ist von der Firma Max Kaehler & E. Martini, 
Berlin W., Wilhelmstraße 50, angefertigt worden. 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 227 


verschieden sein. Der Kasten wird mit leichter, humöser Gartenerde oder 

mit Sägespänen gefüllt und die Keimlinge werden so eingesetzt, dab die 
| Hauptwurzel der Glaswand anliegt. Da die Wurzel infolge Schwere senk- 
_ recht wächst und die Glaswände schief gestellt sind, so legt sie sich an 
die geneigte Glaswand und bleibt sichtbar. Das Wachstum der Wurzel 
kann man nun genau beobachten. 

Für kleine, zarte Wurzeln, wie die von Sinapis, Brassica, Lepidium, 
Linum, Panicum usw. empfiehlt E. @. Pringsheim die sogenannte Lösch- 
papiermethode.!) Man bringt einfach die nicht eingequollenen Samen 
auf feuchtes Filtrierpapier, das an einer Glasplatte adhäriert. Bald nach- 


Fig. 66. 


eu TE» _ u u ED 


Sachsscher Keimkasten. 


dem die Samen ausgekeimt sind, ver- 
ankern sie sich mittelst Wurzelhaaren 
fest an das Substrat. Beste Dienste 
leistet das von Schleicher & Schüll 
fabrizierte schwarze Filtrierpapier oder 
verschiedene schwarze, gewebte Stoffe. 
Das gewöhnliche graue Herbar-Filtrier- 
papier muß man vorher gründlich aus- 
waschen, und zwar so lange, bis es 
nicht mehr das Wasser bräunlich färbt. 

Die Wasserkultur. Was die weitere Kultur der Keimlinge anbe- 
langt, so verwendet man Methoden, die eben für bestimmte Zwecke ge- 
eignet sind. Die Methoden der Sand- und Wasserkultur sind am gebräuch- 
lichsten. Diesbezüglich verweise ich auf die ausführliche Beschreibung dieser 
Methoden von E. G. Pringsheim im V. Band dieser Arbeitsmethoden.?) Ich 
möchte hier nur einige Vervollständigungen der Wasserkulturmethoden be- 
schreiben. Außer den von Pringsheim beschriebenen gewöhnlichen und den 
Pfefferschen Kulturgefäßen wird oft zweckmäßig die Organtinmethode 


Wasserkulturgefäß mit Organtin. 


1) E. G. Pringsheim, Die Kultur auf Löschpapier als physiologisches Hilfsmittel. 
Zeitschr. £. biolog. Tech. u. Meth. (1912). 

2) E. G. Pringsheim, Methodisches zur Biochemie der Pflanzen. Handb. d. bio- 
chemischen Arbeitsmethoden von Abderhalden (1912). 


15* 


398 


u 


V. Vouk. 


verwendet. Die breiten, sogenannten Einsiedegläser werden einfach mit 
weitmaschigem Organtin überspannt und die jungen Keimlinge werden in 
die Maschen des Netzes eingesetzt (Fig. 66). Wichtig ist es, daß das Or- 


Fig. 67. 


Wasserkulturgefäß nach 
Ganong. 


1 


Fig. 68. 


[ 


Wasserkulturgefäß nach 
Gregoire. 


santin zuvor im warmen, säuerlichen Wasser 
gut gewaschen wird. Diese Methode wird beson- 
ders für kleine Pflanzen verwendet, da man in 
ein solches Gefäß auch 10—20 Pflänzchen ein- 
setzen kann. 

Ganong*) beschreibt eine andere Art von 
Wasserkulturgefäßen, die er als zweckmäßig be- 
tunden hat. Er nimmt zu diesem Zweck größere 
Gefäße in der Form, wie sie Fig. 67 zeigt. Der 
Deckel des Gefäßes besteht aus hartem Paraffin, 
das durch eine Beimischung von Lampenruß ge- 
schwärzt ist. Der Deckel wird eigens für das 
Gefäß in einer Papierform gegossen und soll un- 
gefähr 5 mm dick sein und einen vorspringenden 
Rand haben. Die Löcher werden mit heißem 
Eisen gebohrt, und zwar genau in der Größe 
der Keimlinge. 

Für die weitere Adjustierung, wie z. B. 
Einhüllen der Gefäße in schwarzes Papier, gelten 
die allgemeinen Regeln der Wasserkultur. 

Eine neue Konstruktion von Wasserkultur- 
sefäßen, die in der landwirtschaftlichen Station 
in Gembloux allgemein verwendet werden, be- 
schreibt Gregoire.?2) Es sind zylindrische Glas- 
sefäße von 1! Inhalt und einer Höhe von etwa 
50 cm, deren unterer Teil mit schwarzem Lack 
bestrichen ist, um die Einwirkung des Lichtes 
auf das Wurzelsystem auszuschalten. Die Pflanze 
wird zwischen 4 undurchsichtigen Gläsern be- 
festigt, die zwei zu zwei senkrecht übereinander- 
eestellt sind. Die beiden oberen Platten sind mit 
2 Stahlfedern befestigt, welche am Rand des Ge- 
fäßes mit einem Eisendraht fixiert sind. Ein Ende 
des Drahtes ist nach aufwärts gebogen und dient 
als Schutzpfahl für die Pflanze. Je nach der Größe 


beziehungsweise Dicke der Pflanze kann man die Glasplatten auseinander 
schieben. Zum Ersetzen des verdampften Wassers und zur Durchlüftung der 
Nährlösung dient die folgende Vorrichtung (Fig. 68): Zwei Platten, eine obere 


!) Ganong, Plant Physiology, 1. e. p. 117. 

2) Ach. Gregoire, Nouveau dispositif pour la fixation des plantes dans les eultures 
dans Feau et pour la conduite des eultures. Annuaire de la Station agronomique de l’etat 
ä Gembloux. Station de Chimie et de Physique agricoles. Bruxelles, p. 49 a 53 (1912). 


© 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 229 


und eine untere, sind so ausgeschnitten, dal sie zwischen sich und der Gefäß- 
wand ein Dreieck freilassen. In dieser Öffnung steckt nun eine Glasröhre, 
welche bis zum Boden des Gefäßes reicht. Das Dreieck und die Öffnung wer- 
den mit einer paraffinierten Korkplatte zugedeckt; selbstverständlich geht die 
Röhre auch durch diese Korkplatte. Die Röhre ist mit einem Gefäß ver- 
bunden, das in einer entsprechenden Höhe über dem Wasserkulturgefäß 
aufgestellt wird und welches auch das zu ersetzende destillierte Wasser 
enthält. Die beiden Gefäße sind mit einem Gummischlauch verbunden, in 
welchem bei der Röhre ein T-Rohr eingesetzt ist, an dessen horizontalem 
Arm die Luft in das Wasserkulturgefäß eingetrieben werden kann. Im 
landwirtschaftlichen Institut von Gembloux werden solche Kulturen im 
Freien unter einem Schuppen mit Dach und Vorhang aus einem Jutestoff 
aufgestellt. Das Jutetuch läßt nur wenig Sonnenlicht hindurch und gibt 
einen genügenden Schutz gegen Regen und Wind. 

Die gebräuchlichsten Nährlösungen für Wasserkulturen sind 
die folgenden }): 


1. Die Knopsche Nährlösung. 


1:00 9 (CaNO, ),, 
22547 R6l, 
025 „ MgSO,, 
#23, KH,PO,, 
100000 „ dest. Wasser und Spuren von Eisen (eimige Tropfen ver- 
dünnter Eisenchloridlösung). 


2. Die Sachssche Nährlösung. 


1000  g dest. Wasser, 
10, KNO,, 
05, CaSO,, 
05, MgSO,, 
05 „ Ca, (PO,)»; 
Spuren von Eisen (wie oben). 


3. Die Pfeffersche Nährlösung. 


1000 g dest. Wasser, 
13 >,,:C3.(N0;);; 
033, KINO; 
033% KB,P6,, 
033 „ MgSO,, 
016, KCl. 
Auf 7 beziehungsweise 3 2 3—6 Tropfen einer konz. Lösung Fe, Cl,. 


!) Die Kritik der hier erwähnten Nährlösungen siehe bei: W. Benecke, Die von 
der Cronesche Nährlösung. Zeitschr. f. Botanik. Bd. 1 (1909). 


330 V. Vouk. 
4. Die von der Cronesche Nährlösung. 
1000 g dest. Wasser, 
027 IENO,;, 
05 „CaSO, + aq., 
05 „ MeSO, + aq., 
BORN EENT0:, 
025 „ Fe, (PO,), + a4. 

Die Verhütungder 
Einwirkung der schäd- 
lichen Laboratoriums- 
luft auf Keimpflanzen. 
Welche bedeutenden Schä- 
digungen die gasförmigen 
Verunreinigungen (Leucht- 
gas, Azetylen, CO, usw.) 
der Laboratoriumsluft auf 
die Pflanzen ausüben, ha- 
ben in einer Anzahl von 
Abhandlungen Molisch, ©. 
Richter und Neljubow u. a. 
ausführlich dargestellt. Die 
moderne pflanzenphysiolo- 
gische Methodik muß da- 
her unbedingt für die Aus- 
schaltung der schäd- 
lichen Laboratoriums- 
luft sorgen. Zur Ilustra- 
tion des Gesagten bringe 
ich hier eine Photographie 
(Fig. 69) von einem Ver- 
such, der uns die weit- 
gehende Schädigung der 

verunreinigten Laborato- 

a a en riumsluft zeigen soll. Rechts 

sind die normal gewach- 

senen Bohnen und links die gleichen Pflanzen erwachsen in einer mit 

Leuchtgas verunreinigten Atmosphäre. Die Keimlinge sind um die Hälfte 

kleiner und sind bereits infolge starken Turgors bereits geplatzt. Es besteht 

heute kein Zweifel mehr, daß wir uns bei unseren Experimenten vor der 
schädlichen Laboratoriumsluft hüten sollen. 

Die erste und wichtigste Regel soll für jeden Experimentator sein: 
die Samen und Keimlinge in einer reinen, von jeglichen Verunreinigungen 
freien Luft zur Entwicklung zu bringen. 

Zu diesem Zweck soll zunächst im Experimentierraum selbst für eine 
genügende Durchlüftung gesorgt sein, außerdem soll auch die Gasleitung 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 231 


in einem solchen Raum vermieden werden und auch das chemische Zimmer 
des Laboratoriums soll vom Experimentierraum entfernt gelegen sein. 
Weiters ist zu empfehlen, die Keimlinge unter mit Wasser abgesperrten 
Glasglocken, die mit reiner Gewächshausluft gefüllt sind, zu halten. Wenn 
man den dunstgesättigten Raum vermeiden will, kann man statt mit 
Wasser die reine Luft mit Paraffinöl absperren (Hocke!). Es muß aber 
auch für tägliche Durchlüftung der Kulturen gesorgt werden: überhaupt 
soll man alle Maßregeln zur Vermeidung der Einwirkung der schädlichen 
Laboratoriumsluft treffen. 


I. Die Methoden der Messung des Streckungswachstums. 


Alle im Wachstum sich befindenden Pflanzenorgane strecken sich 
nicht gleichmäßig, ihr Wachstum zeigt die sogenannte große Wachstums- 
periode. 
Zur Messung dieses ungleichmäßigen Streckungswachstums benützen 
wir verschiedene Methoden, welche darin bestehen, daß auf den zu messen- 
den Organen in gleichen Abständen 
schwarze Striche aufgetragen wer- 
den (Fig. 70). 

Das Freihandmarkieren 
geschieht mit Hilfe eines feinen 
Marderpinsels und der besten chi- 
nesischen Tusche. Bei Stengeln 
kann man auch den Farbstoff eines 
Patentkissenstempels benützen, da 
sich Hocke (l.e.) durch Vergleichs- 
versuche mit Tusche von der Un- 
schädlichkeit desselben überzeugt 
hat. Für dünne Wurzeln ist nur 
reine Tusche zu verwenden. Diese 
hat nur den Nachteil, daß sie schon 
bei schwacher Feuchtigkeit des 
Organes leicht verfließt. Um dies Markierte Wurzel der Lupine und ihr Streckungs- 
zu vermeiden, soll man die Organe wachstum (nach Pfeffer, Pflanzenphysiologie, II). 
zuerst mit einem weichen Leinen- 
tuch oder noch besser mit Filtrierpapier abtrocknen. Man taucht dann den 
Pinsel in die Tusche, streift ihn erst auf Fließpapier und bringt nun die 
Marken gewöhnlich in einer Entfernung von 1 oder 2 mm auf das ent- 
sprechende Organ an. Die genaue Einteilung der Marken kann man durch 
das Anlegen eines Papiermillimeters besorgen. Beim Markieren der Wurzel 
verfuhr Sachs in folgender Weise: 


PAIR TEBNLEENEE , UERENUEE EEE EU UA 


yet = 


') F. Hocke, Wachstumsmaxima von Keimlingsstengeln und Laboratoriumsluft. 
Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wissensch. in Wien. Bd. 121 (1912). 


DER) V. Vouk. 


„Eine ca. 2 cm dicke Korkplatte, an deren linkem Rand mittelst einer 
runden Feile verschieden große Kerben eingefeilt worden sind: von jeder 
derselben gehen auf der Oberfläche des Korkes einige mit dünner, runder 
Feile hergestellte Rinnen nach verschiedenen Richtungen aus. Man probiert 
nun. in welche Kerbe sich der Samen mit einiger Reibung so einschieben 
kann, daß er festhält und seine Wurzel zugleich in eine der Rinnen zu 
liegen kommt. Neben die Wurzel legt man die Millimeterteilung derartig 
hin, daß man die mit dem Pinsel aufzutragenden Striche als Verlänge- 
rungen der Teilstriche des Maßstabes ziehen kann.“ Beim Markieren der 
Stengei und der dickeren Wurzeln empfiehlt Detmer folgende Methode: 
Die Untersuchungsobjekte legt man auf eine horizontal gerichtete Kork- 
platte (bei Benützung von Topfpflanzen müssen die Blumentöpfe horizontal 
gelegt und die Korkplatte in die richtige Höhenlage gerückt werden), auf 
deren einer Längshälfte eine zweite Korkplatte befestigt ist, welche un- 
gefähr die Dicke des zu beobachtenden Pflanzenteils besitzt. Dieser letztere 
wird gegen den Rand der oberen Korkplatte gelegt und unter Benützung 
eines Maf)stabes, der auf dieser Platte ruht, mit Marken versehen. 

Markierungsmethode von Grafv. Lurburg. Diese Methode be- 
nützte Grafv. Luxburg bei seinen Untersuchungen !) über den Wachstums- 
verlauf bei der geotropischen Bewegung, und sie bewährte sich bei der 
Markierung etwas stärkerer Keimwurzeln, wie z. B. von Bohnen und Lu- 
pinen. 

Die ganze Vorrichtung kann man sich jederzeit selbst aus einfachen 
Hilfsmitteln auf dem Arbeitstische zusammenstellen. 

Unter dem Äusziehtubus eines alten, mit Zahn und Trieb beweglichen 
Mikroskopstativs wird das eine Ende eines Fadens befestigt. während das 
andere Ende über einen Horizontalmaßstab herabhängt und entsprechend, 
um Spannung zu halten, belastet ist. Der Maßstab hat eine !/, mm-Tei- 
lung und ist parallel der rechten Kante des Arbeitstisches an unverrück- 
baren Stativen festgeklemmt. Der Faden selbst soll fein und fest sein, und 
auf demselben wird in einer Entfernung von 5—15 cm vom Tubus ein 
feines, entfettetes und in Tusche getränktes Menschenhaar befestigt. Der 
Faden läßt sich mittelst Zahnrades in vertikaler und auf dem Maßstab in 
horizontaler Richtung verschieben. Bei der Benützung dieser Vorrichtung 
wird der Tubus vom Maßstab in 1m Entfernung (gemessen am Faden) 
aufgestellt. Mit Millimeterpapier mißt man am Faden genau vom Tubus 
(wo O0 des Maßstabes angelegt wird) 100 mm. Beim 100. Millimeter wird 
mit einer gekrümmten Nadel, die am Stativ befestigt ist, der Punkt genau 
fixiert, d.h. es wird die krumme Spitze in einer Entfernung über diesen 
Punkt genau eingestellt. Der Faden ist auf diese Weise im Verhältnis 
1:10 eingeteilt. Nun wird die zu markierende Wurzel an einem weiteren 
Stativ befestigt, und zwar mit der Organachse parallel zum Maßstab. Der 


1) Graf v. Luxburg, Untersuchungen über den Wachstumsverlauf bei der geo- 
tropistischen Bewegung. Jahrb. f. wissenschaftl. Botanik. Bd. 12. H. 3 (1905). 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 233 


Vegetationspunkt wird genau unter die Nadelspitze eingestellt, sodann wird 
diese entfernt und die Markierung kann erfolgen. Durch sukzessives Heben 
und Senken des Fadens, d.h. durch Verlegen des Fadenendes auf dem 
Maßstab um je 10 mm, wird die Wurzel in 1 mm-Teile markiert. Nach 
jeder Hebung ist es zweckmäßig, mit einem feinen Pinsel das Haar mit 
der Tusche frisch zu befeuchten. Auf diese Weise ist es leicht möglich, 
die Marken im Abstand von !/, oder !/, mm zu setzen. Die Vorbereitungen 
erfordern, wenn das Mikroskopstativ einmal ausgemessenen Stand beibe- 
hält, etwa 1-2 Minuten, und die Markierung selbst geht nicht langsamer 
vonstatten wie bei freihändigen Arbeiten. Es ist die Hauptsache, wie aus 
der Zeichnung ersichtlich ist (Fig. 71), daß das Verhältnis 


ER on! 1 


ae nn Ton 10 


gewährt bleibt, was ohne Rücksicht auf die Winkel, welche Fadenrichtung 
und Maßstab einschließen, stets zu erreichen ist, wenn a!b!||nb und ab 
— be gemacht wird. 

Markierer von Wiesner.!) Ein Korkpfropf von etwa 2cm Durch- 
messer und je nach Bedarf verschiedener Länge, wird, nachdem in den- 
selben ein tiefer, 90° breiter und bis 
zur Achse reichender Einschnitt ge- 
macht wurde, mit einem Roßhaar so 
umwunden, daß die Windungen 1 mm 
weit voneinander entfernt liegen. Die 
Korkoberfläche kann mit Schellack 
überzogen werden, wobei berücksich- 
tigt werden muß, daß die Fäden ge- 
spannt bleiben. Die Fäden werden 
mit der Druckerschwärze geschwärzt 
und nachdem das zu messende Pflanzenorgan, z. B. ein Stengel, auf eine 
weiche Unterlage (Tuch, Wolle u. dgl.) gelegt worden ist. auf diesen leicht 
angelehnt und der Maßstab wird auf diese Weise abgedruckt. 

Zur Ablesung der Marken nach dem Versuch benützte Wiesner den 
sogenannten Federzirkel (Schraubenzirkel), welcher bei einiger Vorsicht 
ohne jede Schädigung der Pflanzenteile angewendet werden konnte. Bei 
Anwendung der Schrauben lassen sich die Stahlspitzen solcher Schrauben 
um 0'01 mm verschieben. Die Zirkelspitzen dürfen selbstverständlich nicht 
senkrecht auf die Pflanzenorgane aufgesetzt werden, da diese leicht ver- 
letzt werden. Der Abstand der Zirkelspitzen wird sodann auf einem in 
O1 mm geteilten Mikrometer gemessen. 


1) J. Wiesner unter Mitwirkung von R.v. Wettstein, Untersuchungen über die 
Wachstumsgesetze der Pflanzenorgane. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wissensch. Wien. 
Bd. 88 (1883). 


> el AT en DAT ET EP LEI LE I... 


234 V. Vouk. 


Das Teilrädchen von Grisebach.!) Diese von Grisebach Aux- 
anometer genannte Markiervorrichtung besteht aus einer Metallplatte von 
sS—-15 mm im Durchmesser, an deren Rand in bestimmten Entfernungen 
(von 1 und 0'75 mm Durchmesser) leicht abgeschliffene Zähnchen sich be- 
finden. Das Rädchen bewegt sich leicht um eine Achse und ist mit einem 
Handgriff versehen, mit dem es an das Pflanzenorgan geführt wird. 
Wiesner verbesserte dieses Rädchen insoweit, daß er den Übelstand der 
unsicheren Führung des Räd- 
chens auf dem Pflanzenorgan 
beseitigte. An der Seite des 
Handgriffes wird ein schwach 
federndes, längliches Metall- 
plättchen angebracht, welches 
senkrecht zur Fläche des 
Rädchens abgeplattet und ge- 
gen die Zähne zu etwas kon- 
kav gebogen ist. Mit Hilfe 

dieses Rädchens kann man 

(Bias Phyeilorr. 1n08). die Markierung leicht und 

sicher ausführen. Als Farb- 

masse empfiehlt Wiesner die feinste Druckerschwärze, welche auf einer 
Kautschukwalze aufgestrichen ist. 

Der Markierer von Ganong ist eigentlich das beschriebene Teil- 
rädchen, nur der Rand besteht aus gekreuzten Linien von 2 mm weitem 
Abstand (Fig. 72). Für Blätter dient ein anderer Markierer, bei welchem 
das Rad durch eine runde, in 2 mm-Quadrate geteilte Scheibe ersetzt ist, 
die gegen das Blatt gedrückt werden kann. 


Fig. 72. 


III. Die Apparate zur Messung des Längenwachstums. 


Die Apparate, welche zur Messung der Pflanzenorgane dienen, sind 
auf verschiedenen Prinzipien aufgebaut. Entweder wird das Wachstum 
mittelst eines Mikroskops direkt beobachtet oder es wird vergrößert mit- 
telst Hebelvorrichtung oder auch mittelst verschiedener anderer Vorrich- 
tungen angezeigt. Im letzten Falle ist wieder entweder die direkte Ab- 
lesung des vergrößerten Wachstums erforderlich oder wird dieses durch 
entsprechende Vorrichtungen selbst registriert. Heute sind allgemein diese 
selbstregistrierenden Auxanometer verschiedener Konstruktion in 
Verwendung. Es gibt mitunter auch sehr feine, präzise Instrumente, so 
daß zum Gebrauch diese allein zu empfehlen wären, doch für gewisse 
Untersuchungen werden wohl auch die weniger präzisen Instrumente ge- 
nügen und außerdem auch die Mittel der Laboratorien einfachere, billigere 
Instrumente verlangen, so daß ich hier eine größere Anzahl von Auxano- 
metern zur Auswahl beschreiben möchte. 


!) Grisebach, Beobachtungen über das Wachstum der Vegetationsorgane in be- 
zug auf Systematik. Arch. f. Naturgesch. IX. Jahrg. Bd. 1. Berlin 1843. 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 235 


Das Horizontalmikroskop nach Wiesner.) Solche Horizontalmi- 
kroskope sind von verschiedenen Autoren (Sachs ?), Pfeffer ?) konstruiert worden. 

Ich bringe hier die Beschreibung eines solchen von ©. Reichert in 
Wien nach Angaben von J. Wiesner ausgeführten Horizontalmikroskops, 
wie es in der Fig. 73 dargestellt ist. 

Auf einem vertikalen Stativ ist eine mit Zahn und Trieb versehene 
Mikroskopröhre befestigt. Mit Zahn und Trieb 7 läßt sich der Tubus in 
vertikaler und mit 7 in horizontaler Richtung verschieben. Die Säule am 
Fuß hat eine Länge von 120 mm und beim völligen Auszug 190 mm; der 
Spielraum der Höhenmessung ist 60 mm. 

Auf der Rückseite der Säule ist ein in un 

Millimeter geteilter Maßstab fixiert, 
während der übrige Körper der Säule 
von einem beweglichen Mantel umgeben 
ist. In diesem Mantel ist ein Nonius 
eingetragen, welcher sich beim Bewegen 
des Mantels längs des fixen Malistabes 
bewegt. Nach einer späteren Konstruk- 
tion ist der Nonius fix und der Maß- 
stab beweglich. Der Tubus läßt sich 
auch um eine vertikale Achse horizontal 
bewegen und wird durch die Schraube « 
in entsprechender Stellung fixiert. Als 
Objektiv dient das Reichertsche System 
la und dazu Mikrometerokular 2 mit 
verstellbarer Augenlinse. Bei 160 mm 
Tubuslänge und mittlerer Sehweite hat 
man eine mehr als 20malige Vergröße- 
rung bei einer Fokaldistanz von mehr Horizontalmikroskop nach Wiesner. 

als 30 mm. 

Nachdem das Mikroskop auf einen bestimmten Punkt eines Objekts 
scharf eingestellt ist, wird bei der Verschiebung dieses Punktes in die 
Höhe auch der Tubus in vertikaler Richtung hinaufgeschraubt, bis eben 
der Punkt auf den Fixpunkt im Mikroskop eingestellt ist. Wenn man am 
Beginn und am Schlusse des Versuches am Nonius die Ablesung macht, 
so ist der Höhenunterschied ermittelt. Präziser läßt sich die Höhendiffe- 
renz ermitteln, wenn man am Beginn und am Schlusse des Versuches am 
Millimeter abliest. Es läßt sich eine Höhendifferenz von beiläufig 0'06 mm 
direkt ablesen und von 0'053 mm bequem abschätzen. 

Das Horizontalmikroskop wird besonders zur Messung des Wachs- 
tums zarter und rasch wachsender Organe benützt. Ein Sporangienträger 


1) J. Wiesner, Zeitschr. f. wissensch. Mikroskopie. Bd. 10. Jahrg. 1893. S. 147. 
?) J. Sachs, Arbeiten d. botan. Instituts zu Würzburg. Bd. 2. S. 135. 
>) W. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. Bd.2. S. 85. 


236 V. Vouk. 


von Phycomyces läßt sich z. B. mit keinem Auxanometer verbinden, daher 
bleibt zur Beobachtung einzig und allein die Methode der Messung mit- 
telst Horizontalmikroskops. Es empfiehlt sich, zu diesem Zwecke das Ho- 
rizontalmikroskop samt der Pflanze auf einen hölzernen starken Dreifub 
zu stellen, der eine vertikal verschiebbare Tischplatte besitzt. Das Okular 
des Horizontalmikroskops wird in die Augenhöhe gebracht. Es ist zweck- 
mäßig, die Sporangienträger zur Ausschließung der einseitigen Wirkung 

des Lichtes auf einen horizontal sich drehenden Klinostaten zu stellen. 
Zeiger am Bogen nach Sachs!) ist der einfachste Apparat zur 
Messung der Zuwachsbewegungen, und wenn er auch den Übelstand hat, daß 
der Beobachter zu ganz 


Fig. 74 bestimmten Zeiten den 
® EB er Zuwachs kontrolliert. 
Ga \ hi was natürlich in der 


Nacht erschwert ist. so 
kann er doch bei Man- 
gel anderer teurer Ap- 
parate für demonstrie- 
rende Untersuchungen 
und besonders für De- 
monstrationszwecke be- 
nützt werden. Der an 
der Pflanze a (Fig. 74) 
befestigte Faden cf 
läuft über die Rolle d 
und ist an einem Stift 
befestigt, der bei g in 
einer zweiten Rolle 


eines Radius dieser 
Rolle ist ein aus einem 
festen. geraden Stroh- 
halm bestehender Zei- 
ger Z an ihr befestigt, dessen Spitze an der Gradteilung des Bogens 
mn hinläuft. Das Drehungsmoment des Zeigers wird durch das kleine Ge- 
wicht i äquilibriert, das die Rolle in entgegengesetzter Richtung zu drehen 
sucht, und zwar mit einem Überschuß von Kraft, durch den der Faden ef 
gespannt wird. Verlängert sich nun das Internodium unterhalb des Häk- 
chens 5, so sinkt das Gewicht 2 und es wickelt sich ein gleiches Stück 
des Fadens cf an der Rolle g auf, wobei der Zeiger am Bogen steigt. Ist 
nun die Zeigerspitze 1Omal so lang als der Radius der Rolle, so wird die- 
selbe einen lOmal so großen Weg am Bogen durchlaufen, als der Zuwachs 
des Internodiums beträgt. Da es indessen meist nicht darauf ankommt, 


Zeiger am Bogen nach Sachs (Lehrbuch d. Bot., 1874). 


') J. Sachs, Lehrbuch der Botanik. 1870. II. Aufl. S. 632. 


zn a ei Se 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 237 


LD 


die absoluten Größen der Zuwachse, sondern nur ihre Verhältniszahlen in 
verschiedenen Zeiten zu kennen, so genügt es, die Bewegungen der Zeiger- 
spitze einfach in Bogengraden abzulesen und diese zu vergleichen. 

Einige weiter zu beschreibende Auxanometer (Sachs, Wiesner, Pfeffer) 
haben den: besonderen Vorteil, daß sie die Zuwachsbewegungen automatisch 
selbst registrieren — man nennt auch deshalb diese Apparate „selbst- 
registrierende Auxanometer“. Die Registrierung geschieht mittelst einer 
berußten Trommel, die sich mit Hilfe eines Uhrwerkes in Drehung be- 
findet. Es kann die Trommel statt mit der beruliten Fläche auch mit 
einer weißen Papierfläche belegt sein, an der eine besondere Schreibfeder 
mit der Tinte befestigt ist. Die Adjustierung der Trommel erfordert einige 
Maßregeln, die ich hier zunächst besprechen möchte. 

Die Adjustierung der Registriertrommel nach Langen- 
dorff.!) Die Breite des Papierstreifens soll so groß sein wie die Breite 
der Trommel, die Länge soll aber etwas größer sein als der Trommelum- 
fang. Es ist zweckmäßig solche in entsprechender Größe herausgeschnittenen 
Papierstreifen in größerer Anzahl vorrätig zu haben. Wenn diese Streifen 
noch dazu schon vorher an einem Ende etwa 5 mm breit gummiert sind, 
so ist das Kleben des Papiers an der Trommel sehr einfach. Das Papier 
soll der Trommel fest und straff anliegen. Bei der Aufstellung der Schreib- 
spitze muß man darauf achten, daß diese bei der Drehung der Trommel 
nicht gegen die „Nahtstelle“ geleitet wird, weil dies hinderlich wäre, sie soll 
von der Duplikatur des Mantels über die Nahtstelle hinübergleiten. Es 
gibt auch bestimmte Vorrichtungen an der Trommel, durch welche das 
Kleben des Papiers überflüssig geworden ist. Bei Wiesnerschem Auxano- 
meter, bei welchem sich die Trommel exzentrisch bewegt, ist an der Naht- 
stelle ein Messingstäbcehen in die Trommel eingeführt, das wie eine Feder 
den Papierstreifen festhält. Da sich die Trommel exzentrisch bewegt, stört 
diese Feder bei richtiger Einstellung die Schreibspitze nicht. Die Papier- 
sorte darf nicht zu dünn und nicht zu dick sein, man benützt am besten 
weißes Glanzpapier (Kreidepapier) von etwa 0'07 mm Dicke. 

Bei Berußung des Papiers benützt man am besten einen Petro- 
leumflachbrenner oder eine Terpentinlampe. Das Anrußen geschieht in der 
Weise, daß man die Trommel mit der Hand in weiten Spiraltouren über 
die Flamme dreht. Hürthle hat eine Berußungsvorrichtung konstruiert, 
welche darin besteht, daß der Rauch einer Lampe gegen die Trommel 
zerstäubt wird. Die Fig. 75 zeigt diese Vorrichtung. Der aus Glimmer 
gefertigte Schornstein 5 wird auf eine rußende Flamme aufgesetzt und 
der Rauch wird durch die horizontale Röhre mittelst eines Gummigebläses 
zerstäubt. In dieser Weise gelingt es, den Ruß in feiner Verteilung gleich- 
mäßig auf die Trommeloberfläche aufzutragen. Die Berußung soll nach 
den Erfahrungen von Langendorf doch so kräftig sein, dab sie zu einer 
dunklen, gleichmäßigen Schwärzung der Trommel führt. 


1) 0. Langendorff, Physiologische Graphik. Leipzig und Wien 1891. 


[80] 
© 
Rn 


V. Vouk. 


Nach dem Versuche öffnet man die „Naht“ und fixiert die auf der 
berußten Oberfläche gewonnenen Aufzeichnungen, indem man das Papier 


Hürthles Rußzerstäuber 


Fig. 76. 


Farbschreiber 
(aus Langendorff, 


(aus Langendorff, Physiolog. Graphik). Physiol. Graphik). 


durch eine alkoholische Schellacklösung durchzieht. Nach Langendorf 
kommen auf 10 Teile gebleichten Schellack 100 Teile 90°/,iger Alkohol. 


Fig. 77. 


Auxanometer nach Sachs 
( Vorles. über Pflanzenphysiologie, 2. Aufl.). 


Nach der Auflösung, die am zweck- 
mäßigsten auf dem Wasserbad ge- 
schieht. filtriert man die Flüssigkeit 
durch Leinwand und setzt eventuell 
etwas venezianisches Terpentin hinzu, 
wodurch der trockene Überzug weni- 
ger brüchig wird. Dann wird die auf 
diese Weise präparierte Aufzeichnung 
getrocknet. 

Diese ganzen umständlichen Vor- 
richtungen zur Berußung, Fixierung 
und Aufbewahrung der Aufzeichnungen 
können, wie im Anfang gesagt, durch 
einen Farbschreiber (Fig.76), der mit 
Methylviolett gefüllt auf einer weißen 
Papierfläche schreibt, ersetzt werden. 
Diese Farbschreibfeder hat aber doch 
einen unangenehmen Nachteil, dab) sie 
leicht verstopft und nicht mehr schreibt. 
Sie muß jedenfalls nach jedem Versuche 
sorgfältig gereinigt werden. 

Auxanometer nach Sachs!) 
ist im Grunde genommen ein „Zeiger 
am Bogen“, dessen Zeiger mit der 
Spitze auf einer berußten Trommel 


schreibt. Die Trommel ist auf einem Uhrwerk, dessen Drehungszeit sich 
mit dem Pendel regulieren läßt, aufgesetzt (Fig. 77). 


!) J. Sachs, Über den Einfluß der Lufttemperatur und des Tageslichtes auf die 
stündlichen und täglichen Änderungen des Längenwachstums. Arb. d. bot. Inst. Würz- 


burg. Bd. 2 (1872). 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 239 


Auf dem Stativ E, das sich heben und senken läßt, ist ein horizon- 
taler Balken befestigt, der in einer Achse die Rolle 5 trägt. Die Rolle ist 
aus festem, hartem Holz oder noch besser aus Hartgummi gemacht und 
sie bewegt sich in ihrem Lager leicht. Im ganzen Umfang der Rolle ist 
eine Rinne eingedreht, in welcher der Faden a hängt. Der Faden ist einer- 
seits an der Pflanze befestigt, andrerseits mit dem Gewichte g gespannt. 
Im Radius der Rolle ist der Zeiger c befestigt, der eine Metallspitze trägt. 
Der Zylinder B wird durch das Uhrwerk gedreht, das auf einem Tische 
befestigt ist. Sachs benützte eine Pendeluhr, da er mittelst Pendel leicht 
den Gang der Uhr variieren konnte. Der Zylinder ist exzentrisch aufge- 
stellt und die Achse des Zylinders ist von der Rotationsachse etwa 1 cm 
entfernt. Durch diese Einrichtung wird erzielt, daß der Zeiger nur während 
einer kurzen Zeit die berußte Fläche d berührt. Wenn der Zeiger 60 cm 
lang ist und der Rollenradius 5 em beträgt, so ist die Vergrößerung eine 
12fache. Die Vergrößerung ist uns also im Quotienten der Zeigerlänge 
und des Rollenradius gegeben. Den Radius muß man, um Fehler zu ver- 
meiden, genau bestimmen, d.h. vom Zentrum der Rolle bis zum tiefsten 
Teile der Rinne und noch die Hälfte der Dicke des Fadens. Die Ver- 
größerung kann man auf folgende Weise auch direkt bestimmen: Statt 
des Blumentopfes mit der Pflanze stellt man unter die Rolle einen schweren 
Ständer, der einen kleinen Schraubstock trägt; in diesen spannt man einen 
Millimeterstab, an welchem der Faden befestigt ist. Nachdem die Zeigerspitze 
an das berußte Papier des Zylinders angelegt und zur Ruhe gekommen ist, hebt 
man den Millimeterstab im geöffneten Schraubstock genau um I cm und 
schraubt ihn fest. Dasselbe Verfahren wiederholt man an verschiedenen 
Stellen des berußten Papiers mehrfach, so ist die mittlere Länge des so 
erhaltenen Bogens n cm. Teilt man nun den Bogen mittelst eines Zirkels 
in 10 gleiche Teile, so entspricht jeder einem Millimeter des Maßstabes usw. 
und man kann den so geteilten Bogen dazu benützen, auf dem schwarzen 
fixierten Papier die Zuwachse unmittelbar in Millimetern abzulesen. 

Um die Fehler zu vermeiden, ist es vor allem wichtig, daß die Rolle 
gut gedreht und zentriert ist. Außerdem muß auch die Dehnbarkeit und 
die Hygroskopizität des Fadens berücksichtigt werden. Man benützt am 
zweckmäßigsten einen festen Seidenfaden, der vorher auf die erwähnten 
Eigenschaften geprüft wurde. Die Fehler in der Aufzeichnung können auch 
durch die Zusammenziehung und Ausdehnung der Erde entstehen, sogar können 
diese Fehler mitunter sehr groß sein. Daher muß die Erde samt der Pflanze auch 
nach wiederholtem Begießen unbeweglich bleiben. Zum Versuche sollen Pflan- 
zen verwendet werden, die eine längere Zeit in demselben Blumentopf ge- 
wachsen sind, bei denen schon ein Gleichgewichtszustand der Erde hergestellt 
ist. Die Vorsichtsmaßregeln gelten auch für alle Auxanometerversuche. 

Auxanometer nach Wiesner.!) Auf einem massiven Stativ 5 
(Fig. 78) befinden sich zwei Messingbalken b und b‘ in horizontaler Lage 


!) Wiesner, Über eine neue Konstruktion des selbstregistrierenden Auxanometers 
Flora (1876). 


240 VeRvioulk 


befestigt. Auf dem oberen Balken 5b ist in einem Lager eine aus Hart- 
kautschuk hergestellte Rolle eingesetzt, an der noch eine kleinere Rolle 
befestigt ist. Die beiden konzentrisch laufenden Rollen haben im ganzen 
Umfange eine rinnenförmige Vertiefung, welche zur Führung eines Fadens 
dient. Über die kleine Rolle läuft ein Faden eventuell auch doppelt auf- 
gerollt, welcher mit einem Ende an die Pflanze (P) befestigt ist und das 
zweite Ende trägt 
Fig. 78. ein zur Spannung 
dienendes Gewicht y. 
Über die große Rolle 
läuft im Halbkreis 
der zweite Faden, 
der auf einem Ende 
das Gewicht g, und 
auf dem anderen den 
Schreibzeiger trägt. 
Der Faden geht zur 
sicheren Führung auf 
beiden Seiten durch 
kleine Löcher in dem 
oberen Balken durch. 
Das wie Doppel-T- 
Träger gestaltete 
Zeigergewicht läuft 
in dem Geleise von 
zwei fest gespannten 
Metallfäden oder -stä- 
ben, die an den bei- 
den Balken (b, b‘) pa- 
rallel befestigt sind. 
Mitdem unteren Teile 
; des Zeigergewichtes 
(Z) ist ein Schreib- 
zeiger verbunden. Der 
Zeiger ist 10 cm lang 
Auxanometer nach Wiesner. und hat entweder 
eine Platinspitze, die 
senkrecht auf die berußte Fläche des Zylinders (C) auffällt oder eine früher 
beschriebene Schreibfeder. Der Zylinder ist auf einem Uhrwerk exzentrisch 
aufgestellt und dreht sich innerhalb einer Stunde genau einmal um. 

Der reelle Halbmesser der kleinen Rolle beträgt 1’5 cm, der der 
großen Rolle 12 cm. Da nun beim Aufwärtswachsen der Pflanze die große 
Rolle proportional der Höhenzunahme der Pflanze sich bewegt, so ist ersicht- 
lich, daß dieses Auxanometer eine Smalige Vergrößerung gibt. Diese läßt 
sich natürlich noch erheblich steigern. Die Spanngewichte von 7—10 g 


{1 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 241 


genügen vollständig, doch muß g‘ = Z sein, um das Gleichgewicht zu er- 
halten, so daß auf der Pflanze bloß g lastet. Der Zeiger markiert je nach 
einer Stunde den vergrößerten Zuwachs durch einen horizontalen Strich 
(Fig. 79). 

Will man statt stündlicher halb- oder viertelstündige Aufzeichnungen 
erhalten, so braucht man nur einen Zylinder mit elliptischer oder abge- 
rundet kreuzförmiger Basis, die na- 
türlich nicht exzentrisch rotieren 
darf, sondern um seine eigene 
Achse sich bewegen muß, verwenden. 


Fig.79. 


Fig. 80. 


n 
12 Nacht 
1 
——— 
fe 
Der Verlauf der Aufzeichnungen auf der Trommel des Treppenauxanometer nach Pfeffer 
Auxanometers während eines Tages (nach Sachs). (Pflanzenphysiologie, II). 


Treppenauxanometer nach Pfeffer!) (Fig. 80). Dieser Auxano- 
meter ist nach dem Prinzipe von Baranetzki angefertigt worden und unter- 
scheidet sich von dem Wiesnerschen dadurch, dal) der Zeiger am berußten 


') W. Pfeffer, Pflanzenphysiologie (1897). 
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 16 


63 
242 V. Vouk. 


Zylinder eine Art von Treppenkurve zeichnet, indem der Zylinder je nach 
der Stellung des auslösenden Uhrwerkes jede !/,. !/.. 1 oder 2 Stunden 
eine Drehung macht. Die so markierten Strecken geben dann den realen 
Zuwachs im Verhältnis der Rolle » zur Rolle » vergrößert an. Außer diesem 
Apparat benutzte Pfeffer auch einen anderen, dessen Zylinder eine Um- 
drehung in 24 Stunden ausführt und bei welchem die Wachstumskurve 
direkt auf Koordina- 
tenpapier geschrie- 
ben wird. In diesem 
Falle wird die Kurve 
mit einer Schreib- 
feder und Glyzerin- 
Anilinblautinte ge- 
schrieben. 
Demonstrati- 
onsauxanometer 
nach Kohl!) (Fig. 
81). Dieser Apparat 
: beruht im wesent- 
' lichen auf dem Prin- 
zipe des Wiesner- 
schen Auxanometers 
mit dem Unterschied, 
daß der Zeiger sich 
in horizontaler Linie 
bewegt und mittelst 
eines Projektionsap- 
parates auf dem 
Schirme projiziert 
wird 
Im Ausschnitt 
A des Brettchens B 
in der Fig. 81 ist 
eine Glasskala @ ein- 
gesetzt, die man in 
234 eineroptischen Werk- 
Projektionsauxanometer nach Kohl (I, II, III), photographische = . 
Registriermethode nach Kohl (IV, V). stätte anfertigen 
lassen kann. An den 
Enden des Brettchens sind zwei Nutenrollen angebracht, von denen die 
eine (n) einfach, die andere (n,, ns) aber zusammengesetzt ist, d. h. 
aus zwei miteinander fest verbundenen Rollen besteht. deren Durch- 
messer in einem einfachen Verhältnis zueinander steht. Auf einem 


Fig. 81. 


a 


') F.@.Kohl, Ein neuer Apparat zur Demonstration von Wachstum und Plasmo- 
lyseerscheinungen. Ein photographisches Auxanometer. Ber. d. Deutschen Bot. Gesellsch. 
Bd.20. S.208—212 (1902). 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 243 


Punkte (Fig.81 //) der größeren Rolle (n,, n;) ist ein feiner Draht /f be- 
festigt und läuft in horizontaler Linie über die einfache Rolle ». wo er 
dann mit dem Gewichte @ in Spannung gehalten wird. Über die kleinere 
Rolle (n,, ns) geht ein Faden F*F‘, der an einem Ende mit dem Pflanzen- 
organ verbunden ist und an dem anderen mit dem Gewichte @ gespannt 
wird. An dem Draht FF ist ein kleiner Zeiger befestigt, „der so gebogen 
ist (Fig.81 Z27), daß er mit der Spitze, sich der Glasscheibe anlegend, auf 
derselben hingleitet, wenn der ihn tragende Faden durch die vom Ver- 
suchsobjekt veranlaßte Drehung der Doppelrolle eine Bewegung macht“. 
Anliegend an das Brettchen B hinter der Glasskala @ ist ein Rohran- 
satz R angebracht, den man unmittelbar über die Beleuchtungslinsen 
eines Projektionsapparates schiebt. Das Brettchen B ist mit der Verlän- 
gerung V auf einem Stativ S befestigt und läßt sich verschieben, d.h. 
beliebig hoch aufstellen. Das Skioptikon projiziert die Skala scharf an dem 
Schirme und vergrößert die Bewegung stark. Wenn z.B. das Verhältnis 
der Rollen »,, %, 1:6 ist und das Versuchsobjekt in einer Stunde 1 mm 
hoch wächst, so kann der Zeiger am Schirme über 24 cm gleiten, daher 
in 5 Minuten über 2cm, was immerhin vor dem Publikum demonstriert 
werden kann. Hat die Glasskala nämlich 2 mm Teilung, so erscheinen die 
Teilstriche auf dem Schirme 8 cm (Vergrößerung 40), daher 6 x 40 = 240 mm. 

Kohl hat auch eine recht einfache photographische Registrier- 
methode erfunden, welche man zu jedem Auxanometer verwenden kann 
(Fig.811V). 

Eine Trommel 7, die vom Uhrwerk U gedreht wird, ist mit Zelluloid- 
film oder noch zweckmäßiger mit Bromsilberpapier überzogen und in 
einem lichtdichten Kasten K eingeschlossen. Auf einer Seite des Kastens 
befindet sich ein Spalt, über welchen in einem Geleise ein Schieber 85 
aus Aluminiumblech oder Hartgummi leicht gleiten kann. Der Schieber hat 
in der Mitte ein kleines Loch, etwa 1mm Durchmesser breit, vor welchem 
ein kleines elektrisches Glühlämpchen (Z) befestigt ist. Dicht an dem Schieber 
bewegt sich das lichtempfindliche Papier (Fig.81 IV). Der Schieber hängt 
anstatt des Spanngewichtes an dem Faden eines beliebigen Auxanometers, 
kann sogar noch, wenn notwendig, mit einem Gewicht beschwert sein. Die 
Anfangseinstellung wird immer so gewählt, daß das Loch eben unter dem 
oberen Rande der Trommel steht. Bei der Streckung der Versuchspflanze 
senkt sich der Schieber und photographiert an der lichtempfindlichen 
Schicht die Wachstumskurve. 

Der elektrische Auxanometer von Frost!) (Fig. 82, 83, 84). 
Dieser Auxanometer ist viel genauer und präziser, als alle die bisher be- 
schriebenen, da es sogar die Zunahme des Wachstums von !/,, eines Milli- 
meters verzeichnet. Dieser Auxanometer besteht im ganzen aus 3 Teilen, 
einem Auxanometer, Batterie und Chronographen. Die Verzeichnung ge- 
schieht mittelst Stromunterbrechung. 


1) W. D. Frost, On a new electrie Auxanometer and continuous recorder. Minne- 
sota Bot. Studies. Bull. Nr. 9. Part. IV (1894). 


16* 


>44 V. Vouk. 


Der eigentliche Auxanometer ist ein kleiner aus Aluminium herge- 
stellter Apparat, der auf einer beweglichen Achse auf einem Stativ be- 
testigt ist. Dieser Apparat besteht aus mehreren gezähnten Rädern, die 
auf einer Achse befestigt sind und von denen das größte etwa 5 cm im Durch- 
messer und etwa 144 Zähne hat. Über irgend einen von diesen geht über 
eine Rinne ein silberner Faden, der mit einem Ende an der Pflanze und an 
dem anderen mit einem Spanngewicht verbunden ist. Ein Haken paßt ge- 
nau in die Zähne der Räder und ist mit einer Platinspitze versehen, 
welche beim Herausspringen des Hakens infolge der Drehung des Rades 
mittelst einer Hebelvorrichtung in eine Schale mit Quecksilber hineintaucht. 
Der eine Pol der Batterie ist mit Quecksilber verbunden und der andere 


Fig. 82. 


Elektroauxanometer nach Frost mit Batterie und Chronometer. 


mit dem Haken. Die Länge der Zeit, welche der Strom geschlossen bleibt, 
läßt sich mit einer Schraube regulieren. 

Wenn nämlich die Pflanze in die Länge wächst, so wird sich bei 
einem bestimmten minimalen Zuwachs das Rad um einen Zahn weiter 
bewegen. In demselben Momente springt der Haken aus der Vertiefung 
des Zahnes und durch die gleichzeitige Berührung der Platinspitze mit 
Quecksilber wird der Strom geschlossen. Wenn das kleinste Rad benützt 
wird, so werden bei einem Zuwachs von einem Millimeter 46 Aufzeich- 
nungen gemacht, d.h. es wird mit diesem Apparat !/,, Teil eines Milli- 
meters aufgezeichnet. Das größte Rad zeigt das Wachstum von Y/, Milli- 
meter an. Leider ist aus der Photographie des Apparates in der Original- 
arbeit die genaue Konstruktion nicht deutlich sichtbar, doch kann der 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 245 


Apparat bei Anwendung des hier beschriebenen Prinzipes von jedem Mecha- 
niker leicht konstruiert werden. 

Der Aufzeichner oder das Chronometer besteht aus zwei Walzen 
(Fig. 84), von denen die eine direkt mit einem Uhrwerk in Verbindung steht. 
Die Uhr ist in einem Messinggehäuse geschlossen, sie hat eine starke 
Feder und bleibt acht Tage lang im Gang. Auf der Walze, die mit der 
Uhr in Verbindung steht, ist der Papierstreifen zum Aufzeichnen auf- 
gewickelt. Die seitliche 
Platte der Walze trägt ein 
Zifferblatt mit dem fest- 
stehenden Zeiger. Der Pa- 
pierstreifen geht von dieser 
Walze auf die andere ganz 
gleiche Walze, wo er bei 
der Drehung aufgewickelt 
wird. Der Papierstreifen ist 
etwa?/,Zoll(1Zoll=2'5cm) 
breit und so lang, daß er 
4 bis 8 Tage laufen kann. 
Auf der Oberfläche des 
Papiers sind Querlinien 
verzeichnet, welche den 
Streifen in Stundenzeit- 
räume teilen und die auch 
der Reihe nach numeriert 
sind. Selbstverständlich be- 
geht man da einen kleinen 
Fehler, da das Papier um 
die Walze gewunden wird 
und der Durchmesser der 
Walze dabei minimal zu- 
nimmt, doch wenn das Pa- 
pier sehr dünn ist, so ist 
auch der Fehler sehr klein. 
Nach 8 Tagen beträgt die 
Differenz etwa 6 mm. 

Der Zeitmarkierer besteht aus einer Messingfeder, die an der Spitze 
einen Farbschreiber trägt, welcher Anilintinte hinreichend für 8 Tage ent- 
hält und der mit dem Anker eines Elektromagneten verbunden ist. Wenn 
der Strom offen ist, so preßt die Schreibfeder an einer Seite des Papier- 
streifens und verzeichnet eine kontinuierliche Linie, sowie aber der Strom 
durch das Eintauchen der Platinspitze des Auxanometers geschlossen wird, 
so verzeichnet die Feder eine senkrecht zum Papierstreifen laufende Linie. Da 
der Streifen in Stunden, eventuell auch in Minuten eingeteilt ist, so bekommt 
man auf diese Weise genaue Aufzeichnungen der Wachstumsschnelligkeit. 


Fig. 83 


Auxanometer nach Frost. 


246 V.Vouk. 


Das elektrische Auxanometer hat den großen Vorteil, daß der Auxa- 
nometer selbst ganz separiert vom registrierenden Teil des Apparates auf- 
gestellt werden kann. Das Auxanometer kann im Gewächshaus, oder auch, 
wenn es geschützt wird, im Freien aufgestellt sein, hingegen kann man 
die Beobachtungen auf dem Arbeitstisch im Laboratorium machen. Durch 
diesen Apparat kann man sich von der schädlichen Laboratoriumsluft 
gänzlich unabhängig machen. 

Mit diesem Auxanometer kann man auch die Beobachtungen über 
(das Diekenwachstum der Pflanzenorgane machen, wovon im späteren Kapitel 
die Rede sein wird. 

Präzisions-Elektroauxanometer von Bovie.!) Dieser Apparat 
ist auch auf dem Prinzip des Öffnens und Schließens des Stromes auf- 


Fig. 84. 


Der Aufzeichner (Chromograpb) des Wachstums nach Frost. 


gebaut — er hat auch den grolßen Vorteil, daß das Auxanometer und der 
Chronograph voneinander aufgestellt werden können. Außerdem hat Dovie 
den gewöhnlichen Seidenfaden durch einen Metallfaden ersetzt und auf 
diese Weise den unangenehmen Einfluß der Feuchtigkeit und Temperatur 
ausgeschaltet. Der Apparat, dessen Skizze und Abbildungen, für deren Über- 
lassung ich Herrn Prof. Bovrie in Cambridge herzlichst danke, hier vor- 
liegen (Fig. 55, 86, 87, 88), arbeitet noch genauer und präziser als der 
Frostsche. | 

Die Pflanze (Fig. 86) wird mit einem sog. Invar-Draht („Invar“ ist 
eine Legierung von Nickel und Stahl) «a mit der Feder 5 verbunden, 


) W. T. Bovie, A preeision auxanometer. Botanical Gazette. 53. Nr. 6 (1912). 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 247 


und zwar nur so, daß eine Spannung hergestellt wird, wobei aber die Pflanze 
durch den Zug gar nicht angegriffen wird. Die Feder steht in einer mini- 
malen Entfernung von der Spitze c‘ des Blockes ce, welche ebenso wie 
| auch die Spannung des Drahtes « von einer Schraube, die in der Skizze 
Pi} nicht sichtbar ist, reguliert werden kann. Die Berührung der Feder mit 
| der Spitze ce‘ schließt den elektrischen Strom, welcher den Elektromagneten 
d umfließt, wodurch der Hebel e in die Höhe gezogen wird. Durch 
die Hebung des Hebels e wird 

\ das Uhrwerk f‘, das mit der BeuzoR. 


Fig. 85. 


CHRONOGRAPH 


BATTERIE 


Die Skizze zum Präzisionselektroauxanometer Auxanometervorrichtung des elektrischen Präzisionsauxanometers 
nach Bowie. nach Bovie. (Original-Photographie von Prof. Bovie.) 


Schraube / in Verbindung steht, ausgelöst. Die Schraube / dreht sich dadurch 
um einen kleinen Betrag, wodurch auch der Block e um denselben kleinen Be- 
trag gehoben wird. Dadurch wird aber der kleine Abstand der Feder von der 
Spitze c‘ wieder hergestellt. Der Strom ist nun wieder offen, der Hem- 
4 mungshebel sinkt wieder zurück und das Uhrwerk bleibt auch stehen. Der 
| Strom wird also automatisch geöffnet und geschlossen. 

Aus der Anzahl der Umdrehungen der Räder des Uhrwerkes kann 
auch die Drehung der Schraube / berechnet werden. Wenn 20 Zähne des 


Bon —— 
nn EEE 


248 V. Vouk. 


Rades in Hemmung sind, so macht die Schraube '/,, von einer Um- 
drehung und wenn die Höhe der Schraube 05 mm ist, so stellt jede Auf- 


Fig. 37. 


Der Chronograph nach Bovie mit drei Schreibvorriehtungen von drei zugleich arbeitenden Auxano- 
metern. (Originalphotographie von Prof. Bovie.) 


Fig. 88. 


Gesamtansicht des Präzisionsauxanometers von Bovie mit der elektrischen Glocke und mit einer 
Glühlampe adjustiert für Demonstrationszwecke. (Original von Prof. Bovie.) 


zeichnung 25 p. vor. Die Schraube muß sehr genau und präzise sein, und 
sie soll sich auch in ihrem Lager leicht drehen. Der Block „e“ ist natür- 
lich mit der Schraube nicht fest verbunden. 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 249 


Als Chronographen zu diesem Apparat kann man Typen verschiedener 
Konstruktion (siehe Langendorf 1. c.) verwenden. Bovie benützte eine 


Trommel, die in 6 Stun- 
den eine Umdrehung 
macht und die einen 
solehen Diameter hatte, 
daß 1 mm an der Trom- 
mel einer Minute in Zeit 
entspricht. Die Trommel 
ist so lang, daß Aufzeich- 
nungen von 6 Auxano- 
metern zu gleicher Zeit 
aufgenommen wurden, 
und zwar eine ganze 
Woche lang. | 

Für Vorlesungsver- 
suche kann man eine 
Glocke oder eine Glühlam- 
pe einschalten (Fig. 58), 
so daß bei jeder Aufzeich- 
nung ein Zeichen mit der 
Glocke oder mit dem 
Licht gegeben wird. Der 
Apparat arbeitet so prä- 
zise, daß in einem Ver- 
suche von Bovie ein 
Blütenstiel der Hyazinthe 
in einer Minute 1—2 Auf- 
zeichnungen machte. Ein 
Helianthus-Keimling gab 
sogar jede 18 Sekunden 
eine Aufzeichnung. Prof. 
Boviehatsein „Präzisions- 
auxanometer“ noch ver- 
bessert und empfindlicher 
gemacht, so daß es in 
dieser Form (Fig. 89) 
auch das Wachstum von 
1 Mikron anzeigt. !) 

Es gibt noch einige 
Konstruktionen von Au- 
xanometern — ich er- 


Fig. 89. 


Die neue Form vom elektrischen Auxanometer nach Bowie. 
(Original von Prof. Bovie.) 


!) Der Apparat wurde von der L. E. Knott Apparatus Company (Boston, Mass., 
U. S. A., Harcourt-Street) hergestellt und kann auch von der Firma bezogen werden. 


250 V. Vouk. 


wähne das von Golden und Arthur‘), von Lloyd?) und von Schouten ?) — 
welche alle mehr oder weniger auf den hier beschriebenen Prinzipien auf- 
gebaut sind und die sich von den beschriebenen Auxanometern kaum wenig 
unterscheiden. 

Eine Konstruktion verdient noch Beachtung — der auf optischem 
Prinzipe aufgebaute Orescograph von Ch. J. Bose. *) Mit diesem Instru- 
mente werden aber nicht die direkten Zuwachse gemessen, sondern nur die 
Geschwindigkeiten des Wachstums, d. h. die Beschleunigung oder Verzöge- 
rung des normalen Wachstums. 


IV. Die Messung des Dickenwachstums. 


Zur Messung der Dicke verschiedener Pflanzenorgane kann man auch 
die einfachsten Winkelapparate) benützen. Einen ähnlichen Apparat kon- 
struierte auch Jost bei seinen Untersuchungen über 
Be das sekundäre Dickenwachstum der Bäume. ®) 
Fühlhebel nach Jost (Fig. 90) gibt eine 
ungefähr sechsfache Vergrößerung an. Die kürzeren 
Schenkel des Fühlhebels sind aus 8 mn langen und 
15 mm dicken Drähten (D) hergestellt, die parallel 
zur Achse (A) des Instrumentes, also senkrecht zu 
seiner Flächenausdehnung verlaufen. Die Schenkel 
umfassen den Winkel von 60° und daher ist die 
Skala in 60° eingeteilt. Ein Zehntelgrad der Skala 
entspricht einer absoluten Größe des Objektes von 
0.027, doch genügt, die Messungen in Zehntelgraden 
auszudrücken, da es ja hauptsächlich nur auf 
A relative Größen ankommt. Ein Objekt von 1 mm 
Fühlhebel nach Jost. Durchmesser ist z. B. 37°5 Einheiten (= Zehntel- 
grade) dick. Der Zweig wird an der zu messenden 
Stelle mit roter Marke bezeichnet. Der Fühlhebel wird mit seiner Ebene 
unter 45° zur Längsachse des Zweiges geneigt, unter dem leichten Drucke 
der Feder F' angelegt, so dal die Marke (M) am Zweig (Z) und die Achse 
des Instrumentes in einer geraden Linie (a), die den Winkel zwischen den 
beiden Schenkeln halbiert, liegen. 


!) Golden and Arthur, Botanical Gazette. 22 (1896). 

°) F. E. Lloyd, A new and cheap form of auxanometer. Torreya. III. p. 97 bis 
100 (1903). 

») L. Schouten, Ein neuer und ein modifizierter Apparat zu pflanzlichen Demon- 
strationsversuchen. Ein einfaches selbstregistrierendes Auxanometer. Flora. Bd. 67. 
S. 116 (1907). 

*) Ch. J. Bose, Plant Response as a means of physiological investigation. Long- 
mans, Green and Co. New York and Bombay 1906. 

°) Johannsen, Die Elemente der Erblichkeitslehre. S. 12 (1909). 

%) Jost, Beobachtungen über das sekundäre Diekenwachstum der Bäume. Ber. d. 
Deutsch. bot. Ges. (1892). 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 251 


Auxanometer für Diekenwachstum nach C. Golden!) (Fig.91) 
hat folgende Konstruktion: Der Glasarm ist an einem Stativ an einem 
leichten Draht aufgehängt. Dieser Glasarm liegt am breiten Ende in einer 
Messinggabel zwischen zwei Stahlstiften leicht befestigt, daß er sich drehen 
kann. Der Hebel wird durch ein entsprechendes Gewicht am kürzeren Ende 
im Gleichgewicht gehalten. Dicht hinter der Gabel, welche die Stahlspitzen 
trägt, ist am Apparat eine Gabel angebracht, zwischen die der zu prü- 
fende Stamm gestellt wird, während der Kontakt-mit dem Glasarm 
auf der anderen Seite durch einen leichten federnden Draht vermittelt 
wird. Der Apparat registriert das Wachstum mit 40facher Vergrößerung. 
Die Registrierung geschieht mittelst des gespitzten Endes des langen Glas- 
armes, das die geschwärzten Glasstäbe berührt, die durch ein Uhrwerk 
in Bewegung gehalten werden. 


Auxanometer für Diekenwachstum nach Golden. 


Das im vorigen Kapitel beschriebene 

Elektroauxanometer von Frost kann auch zu Dickenwachstum 
benützt werden. Zu diesem Zwecke wird aber zunächst der Faden an einem 
fixen Punkte der Auxanometerachse befestigt, dann um den ganzen Um- 
fang des zu messenden Pflanzenorgans gewickelt, schließlich über die Rinne 
des Zahnrades gestellt und mit einem Gewicht am freien Ende in Span- 
nung gehalten. Sobald das Pflanzenorgan in die Dicke wächst, windet sich 
der Faden ab und zieht das Gewicht, wobei das Rad in Bewegung kommt 
und den elektrischen Strom schließt. 

Zuwachsautograph von Friedrich?) ist ein Apparat, der zur 
automatischen Messung des Holzzuwachses dient, kann aber für alle dicke 
Pflanzenorgane benützt werden. Mit dem erwähnten Apparat hat Friedrich 
speziell den Einfluß der Witterung auf dem Baumzuwachs ®) genau unter- 


!) Catharine Golden, An auxanometer for the registration of growth of stems in 
thiekness. Botanical Gazette. XIX. Nr. 3 (1894). 

2) J. Friedrich, Zuwachsautograph. Zentralblatt für das gesamte Forstwesen. 
Wien 1905. 

3) J. Friedrich, Einfluß der Witterung auf den Baumzuwachs. Wien. W.Frick. 1897. 


252 V. Vouk. 


sucht. Der Apparat ist kompliziert gebaut und deshalb folgen wir genau 
der Beschreibung des Autors: Das Messingstück A (Fig. 92), welches 
mittelst der Schraubenöffnungen a und a‘ an dem Baumstamm befestigt 
werden kann, hat auf der einen Seite einen Arm und trägt die beiden 
Eisenzylinder B und B‘, welche an ihrem vorderen Ende das zweite Achsen- 
lager für die Welle C tragen; das andere Achsenlager ist unmittelbar auf 


Fig. 92. 


7a 


Kulm 


Zuwachsautograph nach Friedrich. 


A angebracht. Die Eisenzylinder C und ©’ tragen die Scheibe D, welche 
mit einer Teilung versehen ist, und zwar derartig, daß die horizontale 
Bewegung des ebenfalls später zu beschreibenden Gewichtes U einem be- 
stimmten Werte dieser Kreisteilung entspricht. An der Welle © ist ledig- 
lich durch Friktion der Zeiger E befestigt; mit Friktion deshalb, um die 
Einstellung des Zeigers auf einen bestimmten Teilstrich bewerkstelligen 
zu können. Die Welle © trägt ferner den Klemmring F, an welchem der 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. - 


ID 


5) 


federnde Metallstreifen @ und die Schreibfeder H hängt, welche durch die 
Schraube J mehr oder weniger an die Trommel X gedrückt werden kann. 
Der Klemmring F läßt sich durch die Klemmschraube Z fixieren. 

Das Messingstück A trägt an dem Arm N die Trommel X, welche 
ein Uhr- und Triebwerk enthält und auf ihrer Mantelfläche mit einem 
Papierstreifen bespannt ist. Das Triebwerk läuft durch 7—8 Tage und 
braucht der Papierstreifen nur nach Ablauf einer jeden Woche ausge- 
wechselt zu werden. Auf dem Papierstreifen sind die Tage und Stunden 
vorgedruckt und ist für die Bewegung des Zeigers eine Millimeterteilung 
vorgesehen. Es würde allerdings möglich sein, die Teilung entsprechend 
den Werten der Scheibe D anzuordnen, allein ich ziehe die Millimeter- 
teilung vor, um die Papierstreifen, welche zweckmäßig in größerer Auf- 
lage anzufertigen sind, für verschiedene Instrumente benützen zu können 
und weil es sich hier weniger um den genauen ziffermäßigen Wert der 
Bewegung, welcher ja auf der Scheibe D abgelesen werden kann, handelt, 
als vielmehr um die graphische Darstellung des Zuwachsverlaufes. 

Das Messingstück A trägt weiters die Vorrichtung ©. Dieselbe hat 
den Zweck, als Befestigung des Stahlbandes P zu dienen, um einerseits 
den Überschuß desselben mittelst der Kurbel R aufrollen, andrerseits das 
Band beim Fortschreiten des Zuwachses abrollen zu können; die Details 
dieser Anordnung sind am Instrumente ohne weiters verständlich. 

Das Stahlband P darf nicht federn, aber auch nicht deformiert 
sein. Der richtige Grad des Glühens des Stahlbandes ist von besonderer 
Wichtigkeit. Das Stahlband P wird, auf labilen Gleitrollen ruhend, 
um den Baum gelegt und gelangt zur fixen Rolle $, wird sodann durch 
einen Haken mit Öse L aus der bisher vertikalen Lage seiner Breiten- 
ausdehnung in eine horizontale gebracht, sodann über die Welle ©, dieselbe 
halb umfassend, geleitet, und schließlich über die fixe Gleitrolle 7’ geführt 
und mit dem Gewichte U beschwert. Die Schwere dieses Gewichtes richtet 
sich nach der Anzahl der verwendeten Gleitrollen, also nach der zu über- 
windenden Reibung und schwankt zwischen 1 bis 2 kg. 

Beim Montieren des Zuwachsautographen empfiehlt sich folgender 
Vorgang: 

Zunächst wird der Apparat mittelst der Schrauben « und a’ an den 
Baum fest angeschraubt. Sodann werden die Gleitrollen in der Höhe der 
Rolle O derartig um den Baum verteilt, daß das später darüber zu führende 
Stahlband den Baum nicht direkt berührt. Auf die Anbringung der Gleit- 
rollen in der richtigen Höhe muß große Sorgfalt verwendet werden. Es ist 
praktisch, die Gleitrollen, welche zwar durch einen vorhandenen Stahldorn 
eine mäßige Befestigung an der Baumrinde gestatten, mittelst eines Fadens 
an einer in die Rinde leicht einzuschiebenden Stecknadel aufzuhängen. 

Sodann wird die Sperrvorrichtung bei 0 geöffnet, das Stahlband 
über die Gleitrollen gelegt, bis hinter die fixe Gleitrolle S geführt, dann 
bei 5 in das Stahlband P eingehängt. Selbstverständlich muß gleichzeitig 
ein Gehilfe das Stahlband P über die Gleitrolle 7 geführt und um die 


954 V. Vouk. 


Welle © geschlungen haben und die Öse dieses Bandes bei b bereithalten. 
Während dieses Vorganges soll der Klemmring F' gelüftet sein, die Schreib- 
feder H die Trommel X nicht berühren. Das richtige Funktionieren des 
Zuwachsautographen wird man daran erkennen, daß der Zeiger E einen 
Ausschlag nach vorwärts ergibt, wenn man das Stahlband bei O mäßig 
gegen den Baum drückt und in seine frühere Stellung zurückkehrt, wenn 
dieser Druck aufhört. Trifft dies zu, dann ist das Triebwerk aufzuziehen, 
die Trommel mit Papier zu bespannen, die Schreibfeder mit der Tinte zu 
füllen und dieselbe in die richtige Berührung mit dem Papier zu bringen. 
Ein zu starkes Ausdrücken der Schreibfeder an das Papier kann die 
Empfindlichkeit des Apparates beeinträchtigen. Nun wird die Trommel so 
gedreht, daß die Schreibfeder auf die richtige Zeit (Tag und Stunde) ein- 
gestellt ist, und wird dieselbe dann mittelst Z an die Welle © festge- 
klemmt. Anfangs wolle man die Schreibfeder auch so einstellen, daß sie in 
der Mitte der Trommel zu schreiben vermag. Es wird nämlich mitunter 
der Fall eintreten, daß die Gleitrollen sich etwas in die Rinde eindrücken 
und deshalb eine rückwärtsgehende Bewegung des Zeigers eintritt. Nach 
kurzer Zeit wird jedoch der Apparat richtig notieren. Es ist zweckmäßig, 
den Apparat mit einem Schutzhäuschen zu umgeben und in dasselbe in- 
sektenvertreibende Stoffe zu legen. !) 

Friedrich konstruierte auch solche Vorrichtungen, welche gestatten, 
die Veränderungen des Baumzuwachses auch mittelst elektrischen Kabels 
und Quecksilberunterbrechers zu übertragen, wodurch die Schreibvorrichtung 
auch im Laboratorium aufgestellt werden kann, was für gewisse Fälle von 
wesentlichem Vorteil ist. Die elektrische Übertragung kann in verschiedener 
Weise wie auch beim gewöhnlichen Auxanometer konstruiert werden. 

Der Zuwachsautograph ist ein sehr empfindlicher Apparat. Friedrich 
spannte zwischen den Kluppenarmen zur Probe einen Eisenstab ein und wie der 
Stab erhitzt wurde, so notierte der Apparat die Ausdehnung des Eisens sofort. 


V. Die Messung des Flächenwachstums. 


Für die Messung des Flächenwachstums sind bisher noch keine be- 
sonderen Methoden ausgearbeitet worden, wenigstens keine besonderen 
Apparate. Das Wachstum der flächenförmigen Pflanzenorgane, in erster 
Linie der Blätter, kann man nur durch direktes Messen verfolgen. In 
vielen Fällen wird bei der Beobachtung des Wachstums der Blätter 

das einfache Messen der Länge und Breite wohl genügen. Von 
Zeit zu Zeit mißt man einfach mit einem Millimeterstabe die Länge und die 
jreite. Diese Methode ist wohl für die Beobachtung des täglichen Wachstums 
kaum zu brauchen, da sie einerseits viel zu ungenau ist und andrerseits 
auch zu umständlich. Viel genauer ist wohl die 

Millimeterpapiermethode. Man legt das zu untersuchende Blatt auf 
ein Millimeterpapier und zeichnet mit dem Bleistift den Blattumrib ab. Jetzt 


!) Der Apparat wird von der Firma Neuhöfer d: Sohn, Wien, IV., Hartmanngasse, 
angefertigt. 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 255 


summiert man einfach die ganzen Millimeterquadrate der gezeichneten Blatt- 
fläche und zählt noch die Hälfte der nicht ganz bedeckten Randquadrate der 
Fläche dazu. Sehr genau kann man die Blattfläche bestimmen mittelst der 

Planimetermethode. In der Technik werden zur Flächenberechnung 
an Katasterkarten usw. sehr präzise, verschiedenartig konstruierte Planimeter 
benützt. In jedem Lehrbuche der Geodäsie findet man solche Apparate 
von verschiedenem Typus beschrieben. Zur Berechnung der Blattfläche 
erwies sich das Polarplanimeter-System Amslert) (Fig. 95) wegen 
Einfachheit der Handhabung als sehr praktisch. Die Beschreibung dieses 
Planimeters ist hier überflüssig, da man eine solche bei der Anschaffung 
des Apparates von der Firma mitbekommt. Nach der Umfahrung der zu 
berechnenden Blatthälfte liest man auf einer Laufrolle direkt die Flächen- 
größe in Quadratzentimetern ab. Da auf der Rolle auch ein !/,, Nonius an- 
gebracht ist, so gestattet dieser die Ablesung von !/,oo. Rollenumdrehung. 
Die Berechnung der Fläche ist daher äußerst genau. Man kann aber 
ebensogut jedes beliebige Planimetersystem verwenden. 

Damit die Blattfläche genau umschrieben wird, ist es zweckmäßig, sie 
mit einer Glasplatte zu bedecken und dann erst mit dem Fahrstifte zu umfahren. 


Polarplanimeter (System Amsler) von Neuhöfer & Sohn (Wien). 


Wenn aber das Blatt an der Pflanze bleiben soll, so kann man sich 
zur Messung durch Anlegen des beliebigen photographischen Kopierpapieres 
an das Blatt die photographischen Abdrücke des zu messenden Blattes her- 
stellen, deren Fläche man dann nach der Fixierung mittelst Polarplani- 
meters genau bestimmen kann. 


VI. Die Beobachtung des Wachstums unter verschiedenen Außen- 
bedingungen. 

Von Wachstum beeinflussenden Außenbedingungen kommen in der 
ersten Linie Licht und Temperatur in Betracht. Es ist sogar unum- 
gänglich notwendig, bei jedem Versuche zum Studium des Wachstums die 
Licht- und Temperaturverhältnisse zu berücksichtigen. Zur Messung des 


) Von Neuhöfer d: Sohn, k.u. k. Hofmechaniker und Optiker, Wien, I., Kohlmarkt 8. 


[3 


ID 


56 V. Vouk. 


Tageslichtes sind verschiedene aktinometrische Methoden ausgearbeitet 
worden, wie sie im VI. Band dieser Arbeitsmethoden beschrieben sind.?) Es 
wären hier nur noch die Vorrichtungen zum Studium des Wachstums im 
verschiedenfarbigen Lichte zu beschreiben. 

Zu diesem Zwecke benützt man als Lichtfilter entweder verschiedene 
färbige Gläser oder auch verschiedenfärbige Flüssigkeiten.2) Die letzteren 
werden in doppelwan dige sogenannte Senedbiersche Glocken (Fig. 94) 
gefüllt. Unter diesen Glocken werden dann die Pflanzen aufgestellt. Färbige 
(Glasplatten sind weniger brauchbar und daher wird man wohl für physio- 
logische Zwecke die flüssigen Strahlenfilter vorziehen. Nagel?) hat eine 
Reihe von Farblösungen hergestellt. die ein mehr oder weniger mono- 
chromatisches Licht von möglichst großer Lichtstärke durchlassen. Er hat 
auf diese das ganze Spektrum zerlegt und wir können uns 
mit Hilfe dieser flüssigen Filter das zerlegte Spektrum 
herstellen. 

Für Rot verwendet Nagel die roten Überfanggläser 
oder Rubingläser. Reines Rot liefert aber Lithionkarmin- 
lösung in 1 mm dicker Schichte. Die Verdünnungen müssen 
spektroskopisch geprüft werden. 

Orange bekommt man durch Mischung von wässe- 
riger Safraninlösung mit Kupferazetat, welches rot ab- 
sorbiert. Man bereitet eine nicht ganz gesättigte Lösung 

von Kupferazetat. setzt ein Paar Tropfen Essigsäure dazu 
„orevandis , und dann tropfenweise soviel starke Safraninlösung, bis 
das Spektroskop das reine Gelb ausgelöscht zeigt. 

(Gelb bekommt man durch tropfenweises Zusetzen einer gesättigten 
wässerigen Lösung von Orange G (Grübler) zu einer gesättigten sauren 
Kupferazetatlösung. 

Grüngelb und Gelbgrün gibt Kupferazetat mit Kaliumbichromat. 
Kupferazetatkristalle werden in einer mit Essigsäure gesäuerten gesättigten 
Lösung von Kaliumbichromat im Überschuß warm gelöst. Nach dem Er- 
kalten filtriert man die Lösung. Statt Kaliumbichromat kann man auch 
Pikrinsäure verwenden. 

(Grün gibt Kupferazetat aufgelöst in einer nichtgesättigten Lösung 
von Pikrinsäure. Nach Zusatz von einigen Tropfen einer schwach alkalischen 
Fluoreszeinlösung wird der blaugrüne Anteil des Spektrums entfernt. 

Blaugrün und Cyanblau geben Methylgrün und Jodgrün in dünnen 
Lösungen gemischt mit Kupferazetat. 

Blau und Violett gibt Kuprammoniumsulfat. Durch Mischung von 
Kuprammoniumsulfat mit einer dünnen Kaliumpermanganatlösung erhält 
man reines Violett. 


Fig. 94. 


biologische Zwecke. 

®) Ich möchte hier auch auf Zelluloidfilter von Wratten aufmerksam machen 
(Wratten Light Filters, Wratten & Waniwright, Croydon England, 1913). 

>) W. A. Nagel, Über flüssige Strahlenfilter. Biol. Zentralbl. Bd. 18. S. 649 (1898). 


Bi. 


Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 257 


Genaue Lösungsverhältnisse sind hier überflüssig, da man die 
Lösungen ohnehin für jede Dicke der Schicht spektroskopisch prüfen muß. 
In der Fig. 95 ist von solchen Strahlenfiltern das ganze Spektrum her- 


gestellt. 
Was den zweiten wichtigen das Wachstum bedingenden Faktor — 
die Temperatur — anlangt, so ist es wohl bei jedem Experimente 


I- Rubinglas. 


IH. Lithionkarmin verdünnt. 


III. Kupferacetat mit Safranin. 


IV. Kupferacetat mit Orange. 


V. Kupferacetat mit Kaliumbichromat. 


VI. Kupferacetat mit Pikrinsäure. 


Cuprammoniumsulfat mit Kalium- 


wur. chromat und Fluorescein. 


VIIL. Cuprammoniumsulfat mit Kalium- 
chromat. 


IX. Methylgrün mit Kupferacetat. 


1. Methylgrün mit Kupferacetat. 
2. Kaliumpermanganat. 


Methylgrün mit Kupferacetat und 


ZI. Gentianaviolett. 


XII. Cuprammoniumsulfat. 


Spektra verschiedener Absorptionsflüssigkeiten. 


zu wünschen, daß die Temperatur während des Versuches möglich an- 
nähernd konstant gehalten wird. Die gewöhnlichen Zimmertemperaturen von 
18— 22°C sind für das Wachstum wohl die günstigsten. Die Temperatur 
soll immer mittelst eines Thermometrographen während des ganzen Ver- 
suches notiert werden. Handelt es sich um ganz konstante übernormale 
Temperaturen, so benützt man zu diesem Zwecke die Thermostaten, 
wie sie heutzutage in allen physiologischen Laboratorien in verschiedener 
Ausführung vorhanden sind. Es gibt sogar im Handel (Paul Altmann, 
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VII. 17 


258 V. Vouk. Methodisches zur Physiologie des Pflanzenwachstums. 


Berlin; Lautenschläger, Berlin) auch Thermostaten für gleichzeitige Auf- 
stellung der Versuche unter verschiedenen Temperaturen. Man kann sich 
aber im Laboratorium selbst nach Angaben von Ganong einen solchen 
Differentialthermostaten in einfacher Weise herstellen. In der Fig. 96 
ist die Skizze eines solchen Apparates dargestellt. Auf einem Kupfertrog 
sind etwa 10 zerlegbare Glaskammern eingerichtet. Auf der einen Seite des 
Kupfertroges befindet sich ein Kupferkessel mit Wasser, das mit einer 
(rasflamme erwärmt wird, und auf der anderen Seite des 'T'hermostaten 
befindet sich ein ebensolcher Kupferkessel mit eisgekühltem Wasser. Auf 
diese Weise erhält man in den Kammern verschiedene Temperaturen. 


Differential-Thermostat. (Aus Ganong, Plant. Physiologie.) 


Heutzutage baut man sogar für physiologische Versuche große ge- 
räumige Kammern (die biologische Versuchsanstalt in Wien)'), in welchen 
mit großen Maschinen. aber auch mit großem Kostenaufwand bestimmte 
Temperaturen (von — 5° bis 45°) konstant gehalten werden. In solchen 
Kammern kann man gleichzeitig mit vielen Pflanzen im Lichte experimen- 
tieren, sie werden auch so geräumig gebaut, dab man auch mit größeren 
3jäumchen operieren könnte. 

Bei allen Wachstumsversuchen darf man nicht auf Feuchtigkeits- 
verhältnisse vergessen. Man soll sogar bei jedem Experimente für mög- 
lichst konstante Feuchtigkeit sorgen und während des Versuches regelmäßig 
Psychrometeraufzeichnungen machen. 

Was die abnormalen Außenbedingungen (Ausschließung von CO,, 
partiärer Luftdruck usw.) anlangt, so erfordert ein jeder Versuch eine je 
nach der Pflanze und sonstigen Verhältnissen dementsprechende spezielle 
Vorrichtung. 

') H. Przibram, Die biologische Versuchsanstalt in Wien. Zeitschr. f. biologische 
Technik und Methodik. 1912. 


ee 


Quantitative Methoden zur Bestimmung von kleinen 
Gerbstoffmengen in Pflanzensäften. 
Von M, Nierenstein, Bristol. 


Bei pflanzen-physiologischen Untersuchungen handelt es sich oft um 
die Bestimmung von sehr kleinen Gerbstoffmengen, wobei folgende spezielle 
Methoden zur Verwendung kommen: 

1. Methode von Sanio.!) Sie beruht auf der Annahme, daß der 
Gerbstoff mit Kaliumbichromat eine in Wasser unlösliche Verbindung bildet. 
Zu diesem Zweck legt man die zu untersuchenden Pflanzenteile s—10 Tage 
lang in eine Kaliumbichromatlösung von der Verdünnung 1:20. Kutscher?) 
unterscheidet 8 Skalen der Färbung des Niederschlages und schätzt so 
den Gerbstoffgehalt. Kraus:), der nach dieser Methode gearbeitet hat, 
äußert sich bezüglich derselben : „In einzelnen Fällen, wo es nicht anders 
geht, mag das Verfahren als ein qui pro quo angewendet werden; eine 
ernst zu nehmende quantitative Methode ist es natürlich nicht.“ Dennoch 
wird diese Methode botanischerseits noch immer angewandt! Erwähnt sei, 
dal auch Gallussäure mit Kaliumbichromat einen Niederschlag gibt.*) 
Ähnlich verhalten sich auch einige Alkaloide und andere Stoffe. >) 

2. Methode von Fleck.) Die gerbstoffhaltigen Flüssigkeiten werden 
mit neutralem essigsauren Kupfer (2—3°/,ige Lösung) bis zu ganz 
schwachem Aufwallen erhitzt, wobei sich das gebsaure Kupfer als schöner, 
flockiger, rot- oder lederbrauner Niederschlag niedersetzt: dieser läßt sich 
mit warmem Wasser auswaschen und mit dem Filter verbrannt als CuO 
bestimmen. 19 CuO = 1'306 g Gerbstoff. Sonnenschein”), der Fehlingsche 
Lösung verwendet, findet 19 CuO — 041269 Tannin. 


') Sanio, Einige Bemerkungen über den Gerbstoff und seine Verbreitung bei 
den Holzpflanzen. Botan. Ztg. 1883. S.17, — Vgl. auch E. Wagner, Über das Vor- 
kommen und die Verbreitung des Gerbstoffes bei Crassulaceen. Diss. Göttingen 1887. 

®) F. Kutscher, Über die Verwendung der Gerbsäure im Stoffwechsel der Pflanze. 
Flora. Bd. 66. S. 33 (1883). — Vgl. auch Büttner, Über Gerbsäurereaktionen in der 
lebenden Pflanzenzelle. Diss. Erlangen 1890. 

») @. Kraus, Grundlinien zu einer Physiologie des Gerbstoffes. Leipzig 1889. S. 67. 

*) J.v. Schröder, Beitrag zur Kenntnis der Frühjahrsperioden des Ahorns. Jahrb. 
d. wissensch. Botanik. Bd. 7. S. 261 (1868). — E. Drabble und M. Nierenstein, On the 
role of phenoles, thannie acids and oxybenzoie acids in cork-formation. Biochem. Journ. 
Vol. 2. p. 96 (1907). 

°) J. Dekker, De Looistoffen. Bd. 1. S. 199 (1906). 

6) H. Fleck, Zur volumetrischen Bestimmung der Gerbsäure. Deutsche Gerber- 
zeitung. Bd. 3. S. 14 (1860). 

?) A. Sonnenschein, Paraguy-Tee. Jahrb. f. Pharmazie. 1868. S. 150. — Der- 
selbe, Zur volumetrischen Bestimmung des Tannins. Dinglers Polytech. Journ. Bd. 256. 


S. 555 (1885). 
17 


260  M. Nierenstein. Quant. Methoden z. Bestimmung v. Gerbstoffmengen ete. 


3. Methode von Jean.!) Diese beruht auf dem Vergleich zwischen 
den mit Eisenchlorid versetzten Lösungen und denjenigen von bekanntem 
Tanningehalt. Nach Naumann?) eignen sich Ferrum citricum ammoniatum 
und Ferrum citrieum oxydatum, das mit Ammoniak schwach abgedampft 
wird, besser als Ferrum sesquichloratum, sulforicum und Sulforicum 
oxydatum. Für Deckglasbeobachtungen verwendet Büttner :) folgende Kon- 
zentrationen: 1:500, 1:1000, 1:1500 und 1:2000. 

4. Methode von @. Kraus.*) Für seine klassischen Untersuchungen 
über die Physiologie des Gerbstoffes verwendet Kraus die Löwenthalsche Me- 
thode5), ohne aber die „Nichtgerbstoffe“ zu berücksichtigen, d.h. er titriert 
direkt, ohne eine zweite Titration der mit Hautpulver entgerbten Lösung 
auszuführen. Die so erhaltenen Resultate sind also ganz relativ. Die 
Chamälonlösung ist so gestellt, daß 1 em? derselben 2 mg Tannin entspricht.s) 

5. Methode von Nierenstein und Ü. W. Spiers.') Diese beruht 
auf direkter Titration des Pflanzensaftes mit Permanganat und darauf- 
folgender Titration der mit Kasein nach Nierenstein und Körner®) ent- 
eerbten Lösung. Die Differenz gibt den absoluten Gerbstoffgehalt. Die 
Lösungen werden wie folgt gestellt: 

a) Indigolösung. 5g im Liter. 

b) Permanganatlösung. Auf Ammoniumoxalat eingestellt 1y Am- 
moniumoxalat — 0'4648 9 Gallusgerbsäure. 

c) Fettfreies Kasein. 

Ausführung der Analyse: 5cm? der zu untersuchenden Lösung 
(verdünnter Pflanzensaft) werden mit 750 cm: verdünnt und mit 20 em> 
Indigo versetzt und hierauf wie bei der Löwenthalschen Methode in flacher 
Eindampfschale titriert. Hierauf werden 50 cm® der Lösung zweimal je 
15 Minuten mit je 19 „fettfreiem“ Kasein geschüttelt, filtriert und 5 cm: 
wie oben mit Permanganat titriert. 

Die so erhaltenen Werte sind zwischen 0'04—0'52°/, Gerb- 
stoff zuverlässig. 


') Jean, Wertbestimmung der Gerbstoffe auf kolorimetrischer Grundlage. Archiv 
d. Pharmazie. Bd. 214. S. 992 (1885). — Vgl. auch Durier, Dosage volumetrique du 
tannin. L’Union pharmac. T. 24. p. 548 (1884) und Hinsolale, Kolorimetrische Gerbstoff- 
bestimmung. Zeitschr. f. analyt. Chemie. Bd. 30. S. 365 (1891). 

®) O0. Naumann, Über den Gerbstoff der Pilze. Diss. Erlangen 1895. 

>) R. Büttner, Über Gerbsäurereaktionen in der lebenden Pflanzenzelle. Diss. 
Erlangen 1890. 

*) G@. Kraus, Grundlinien zu einer Physiologie des Gerbstoffes. Leipzig 1889. 

5) Vgl. dieses Handb., Bd. 6. S. 177 (1912). 

6%) Vgl. auch O0. Naumann, ]. ce. S. 16. 

?) Nierenstein und Spiers, noch nicht veröffentlicht. 

®) Vgl. dieses Handb., Bd. 6. S. 176 und Fußnote 2 auf S. 178 (Nierenstein und 
Thompson). 


Darstellung von physiologisch wirksamen Aminen, 
welche durch Entkarboxylierung aus Aminosäuren 
hervorgehen. 


Von @. Barger, London. 


Durch Abspaltung von Kohlendioxyd entstehen aus den indifferenten 
Aminosäuren Basen, von welchen einige wegen ihrer physiologischen Wirk- 
samkeit gerade in den letzten Jahren die Aufmerksamkeit auf sich ge- 
lenkt haben. Die Wirkung des Isoamylamins, des Phenyläthylamins und 
des p-Oxyphenyläthylamins wurde entdeckt in einer Untersuchung von 
Barger und Walpole!) über faules Fleisch und im %-Iminazolyläthylamin 
erkannten Barger und Dale?) einen sehr wirksamen Bestandteil des Mutter- 
korns. Im folgenden sind hauptsächlich diejenigen Methoden beschrieben. 
welche sich im Laboratorium am besten zur Darstellung kleinerer Mengen 
der pharmakologisch wichtigsten Amine eignen. Die chemischen Methoden 
sind naturgemäß in den einzelnen Fällen verschieden; allgemeines über 
die bakterielle Entkarboxylierung findet sich in dem Abschnitt über das 
Iminazolyläthylamin. 

Darstellung des »o-Phenyläthylamins, G,H,,N. 


Die Base entsteht aus Phenylalanin durch Erhitzen und durch Fäulnis, 
wird aber am besten durch Reduktion des Benzyleyanids gewonnen. Die 
beste Ausbeute (53°4°%/, der Theorie) wurde von Wohl und Berthold?) er- 


halten nach folgendem Verfahren: 

In einer auf einem Baboblech in einem ?/,2 fassenden Rundkolben zum Sieden 
erhitzten Lösung von 50 cm? Benzyleyanid in 350 cm? absolutem Alkohol wurden 409 
Natrium (die theoretisch nötige Menge) durch das Kühlrohr des sehr langen Rückfluß- 
kühlers sehr schnell, in 15 Minuten, zugegeben. Nach einer weiteren Stunde war alles 
Natrium in Lösung. Jetzt wurden, während das Gemisch noch warm war, 150 em’ 
Wasser zugesetzt und der Alkohol auf dem Wasserbade abdestilliert. Der wässerige 
alkalische Rückstand wurde mit Wasserdampf destilliert und das Übergegangene (3 /) 
nach dem Ansäuern mit 9 cm? konzentrierter Schwefelsäure (D = 1'84) auf dem Dampfbade 
zur Trockne verdampft. Die Menge des so gewonnenen schwefelsauren Phenyläthylamins 
betrug 39:1 9. 

Darstellung des p-Oxyphenyläthylamins, (,H,,ON. 


!) @. Barger und @. S. Walpole, Isolation of the pressor prineiples of putrid 
meat. Journ. Physiol. Vol. 38. p. 343 (1909). 

2) @. Barger und H. H. Dale, 4-3-Aminoethylglyoxaline (3-Iminazolylethylamine) 
and the other active prineiples of Ergot. Journ. Chem. Soc. Vol. 97. p. 2592 (1910). 

3) A. Wohl und E. Berthold, Über die Darstellung der aromatischen Alkohole 
und ihrer Azetate. Ber. d. Deutschen Chem. Ges. Bd. 43. S. 2183 (1910). 


262 G. Barger. 


A. Aus Tyrosin. Kleine Mengen kann man sehr leicht aus Tyrosin 
durch Erhitzen darstellen, wie es Schmitt und Nasse!) schon vor fast 


50 Jahren getan haben. 

Nach Ehrlich und Pistschimuka°’) erhitzt man Tyrosin in Portionen von je 19 
in starkwandigen Reagenzgläsern in einem Bade aus Woodschem Metall unter einem 
Druck von 12—25 mm langsam bis auf 270° Das sich im oberen Teil des Reagenz- 
glases bildende, fast weiße Sublimat wird nach beendetem Erhitzen mit verdünnter 
Salzsäure herausgelöst, die salzsaure Lösung nach Klärung mit Tierkohle verdampft und 
der Rückstand aus Wasser oder Alkohol umkristallisiert. Man erhält so reines p-Oxy- 
phenyläthylaminhydrochlorid in einer Ausbeute von 50°, der Theorie. Die Reinigung 
als freie Base ist unten beschrieben. 

B. Durch Synthese.3) Von den verschiedenen direkten Synthesen 
des p-Oxyphenyläthylamins dürfte die älteste, von Darger*), wohl die ein- 
fachste sein. Sie beruht auf der Reduktion des p-Oxybenzyleyanids, welch 
letzteres leicht nach Pschorr, Wolfes und Buckow) durch Nitrieren. 


Reduzieren und Diazotieren aus Benzyleyanid zu gewinnen ist. 

In 5 4 p-Oxybenzyleyanid, gelöst in wenig absolutem Alkohol, gibt man allmählich 
7—10g Natrium in kleinen Stücken. Man erhält die Lösung im Sieden und fügt von 
Zeit zu Zeit gerade so viel Alkohol hinzu, als zur Lösung von ausgeschiedenem Natrium- 
alkoholat ausreicht. Ist alles Natrium in Lösung, so wird mit Salzsäure neutralisiert 
und das Gemisch zur Trockne eingedampft. Der Rückstand (hauptsächlich Kochsalz) 
wird mit absolutem Alkohol ausgezogen. Aus der alkoholischen Lösung kann man ent- 
weder das Chlorid des p-Oxyphenyläthylamins durch Zusatz von Äther fällen, oder 
daraus zur weiteren Reinigung die freie Base darstellen. Im letzten Falle verdampft man 
die alkoholische Löung des Chlorids nach Zusatz von Natriumkarbonat auf dem Wasser- 
bade unter vermindertem Druck, trocknet den Rückstand durch abermaliges Abdampfen 
mit Alkohol und zieht ihn dann so lange mit neuen Portionen siedendes Xylol aus, 
bis beim Erkalten die freie Base nicht mehr auskristallisiert. Durch Vakuumdestillation 
(Siedep. 161—163° bei 2 mm; 175—181° bei 8 mm) bekommt man die Verbindung sehr 
leicht ganz rein und weiß. Die Ausbeute beträgt 50°, des angewandten p-Oxybenzyl- 
eyanids. 

Andere Synthesen des p-Oxyphenyläthylamins beruhen auf der Dar- 
stellung seines Methyläthers aus Anisaldehyd, am besten nach dem Ver- 
fahren von Rosenmund.°) 

Die Methode von Barger und Walpole zur Isolierung von p-OxY- 
phenyläthylamin aus Fäulnisgemischen wurde schon im Bd. II, S. 1035 


dieses Handbuches von Ackermann beschrieben. Die übliche Methode zur 


Abscheidung von Basen mittelst Phosphorwolframsäure ist dazu weniger 


!) R. Schmitt und O. Nasse, Beitrag zur Kenntnis des Tyrosins. Liebigs Ann. 
Bd. 133. S. 211 (1865). 

?) F. Ehrlich und P. Pistschimuka, Überführung von Aminen in Alkohole durch 
Hefe- und Schimmelpilze. Ber. d. Deutschen Chem. Gesellseh. Bd. 45. S. 1008 (1912). 

®) Synthetisches p-Oxyphenyläthylamin ist bei der Firma Burroughs, Wel- 
come d Co. in London unter dem Namen „Tyramine“ käuflich. 

*) G. Barger, Isolation and synthesis of p-Hydroxyphenylethylamine, an active 
principle of ergot, soluble in water. Journ. Chem. Soc. Vol. 95. p. 1123 (1909). 

5) R. Pschorr, 0. Wolfes und W. Buckow, Synthetische Versuche in der Phenan- 
threnreihe; Synthese von (1) und (3) Methoxyphenanthren. Ber. d. Deutschen Chem. 
Gesellsch. Bd. 33. S. 162 (1900). 

6) K. W. Rosenmund, Über $-Oxyphenyläthylamin. Ber. d. Deutschen Chem. Ge- 
sellsch. Bd. 42. S. 4778 (1909). 


Darstellung von physiologisch wirksamen Aminen etc. 263 


geeignet. Obgleich Fäulnisgemische kein gutes Ausgangsmaterial zur Dar- 
stellung des p-Oxyphenyläthylamins bilden, kann man die Base ziemlich 
leicht nach dem Prinzip der Barger- Walpoleschen Methode mittelst Amyl- 
alkohol aus entfettetem Emmentaler oder Gruyerekäse gewinnen. Nach 
einem ähnlichen Verfahren hat neuerdings Henze!) das Gift aus den 
Speicheldrüsen der Cephalopoden als p-Oxyphenyläthylamin identifiziert. 
Darstellung des Indoläthylamins (3-8-Aminoäthylindols), 
O0 His N,. 

4A. Aus Tryptophan. Die Darstellung dieser Base aus Tryptophan 
gelingt nicht auf chemischem Wege. Durch Fäulnis hat Laidlaw:) sie ein- 
mal erhalten, aber mehrere andere Versuche schlugen fehl. 

0:5 g Tryptophan wurde gelöst in 250 cm? eines Gemisches aus 29 Wittepepton, 
89 Glukose, eine Spur Natriumphosphat, eine Spur Magnesiumsulfat, 5g Kreide und 
17 Leitungswasser. Die Lösung wurde geimpft mit einer Kultur aus faulem Pankreas. 
welche sich als fähig erwiesen hatte, Histidin und Tyrosin zu entkarboxylieren. Nach 
14 Tagen bei 37° wurde die Lösung mit Kohle gekocht, auf 100 cm? eingeengt und mit 
wässeriger Pikrinsäure in Überschuß versetzt. Beim Erkalten schied sich das sehr wenig 
lösliche orangerote Pikrat des Indoläthylamins kristallinisch aus; es wurde aus Alkohol 
und dann aus wässerigem Azeton umkristallisiert. Ausbeute 0'14 g. 

B. Durch Synthese. Die sicherste Methode zur Darstellung des 
Indoläthylamins und die einzige, welche für größere Mengen in Betracht 
kommt, ist die Synthese nach Ewins®) aus dem Azetal des y-Aminobutyral- 
dehyds. Letztere Verbindung ist nach Wohl, Schäfer und Thiele*) ziemlich 
leicht aus Glyzerin darstellbar und wird nach Brabant°) gereinigt. 

4g des Azetals, 2:69 Phenylhydrazin und 3'649 wasserfreies Chlorzink werden 
3 Stunden lang in einem offenen Gefäß auf 180° erhitzt. Man löst das Reaktionsprodukt 
in verdünnter Essigsäure, schüttelt die Lösung mit Äther aus und entfernt das Zink 
mit Schwefelwasserstoff. Das Filtrat vom Schwefelzink wird im Vakuum auf 10 cm? ein- 
geengt; nach dem Erkalten scheidet sich dann das Chlorid des Indoläthylamins kristalli- 
nisch aus. Es wird aus 95°/,igem Alkohol durch vorsichtigen Zusatz von Äther um- 
kristallisiert und stellt dünne Prismen dar, die bei 246° schmelzen und bei 18° in etwa 
12 Teilen Wasser löslich sind. Ausbeute 40—45°/, der Theorie. Die freie Base erhält 
man als bald kristallisierendes Öl durch Zusatz von überschüssiger Natronlauge zu 
der wässerigen Lösung des Chlorids. Aus Benzol-Alkohol umkristallisiert, bildet sie lange, 
bei 145—146° schmelzende Nadeln. 


Darstellung des Agmatins (Guanidinobutylamins), C,H,,N.. 


Darstellung aus Heringsperma nach Kossel.®) 4kg Heringsperma wird 
mit 800 cm? Wasser, enthaltend 40 cm®? konzentrierte Schwefelsäure 10 Stunden lang im 

!) M. Henze, $-Oxyphenyläthylamin, das Speicheldrüsengift der Cephalopoden. 
Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 87. S. 51 (1913). 

?) P. P. Laidlaw, The physiologieal action of indolethylamine. Bio-chemical Journ. 
Vol. 6. p. 150 (1911). 

3) A. J. Ewins, The synthesis of 3--Aminoethylindole. Journ. Chem. Soc. Vol. 99. 
p: 270 (1911). 

*) A. Wohl, K. Schäfer und A. Thiele, Über y-Amidobutyraldehyd und das Pyrro- 
lidin. Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. Bd. 38. S. 4157 (1905). 

°) V. Brabant, Über das Homologe des Muskarins in der (,-Reihe. Zeitschr. 
f. physiol. Chem. Bd. 86. S. 208 (1913). 

6) A. Kossel, Über das Agmatin. Zeitschr. physiol. Chem. Bd. 66. S. 257 (1910). 


264 G. Barger. 


Autoklaven bei 4 Atm. Druck erhitzt. Die Lösung wird filtriert und im Filtrat werden 
die Alloxurbasen mit Quecksilbersulfat gefällt. Das abgenutschte Filtrat wird mit soviel 
Quecksilbernitrat versetzt, bis mit Natriumkarbonat bei einer Tüpfelprobe gelbes Oxyd 
fällt und dann mit Baryt gesättigt. Der Niederschlag wird abgesaugt, möglichst sorg- 
fältig ausgewaschen und bei Gegenwart von etwas Schwefelsäure mit Schwefelwasser- 
stoff zersetzt. Die Schwefelsäure wird mit Baryt entfernt und die mit Salpetersäure an- 
gesäuerte Lösung, wie oben angegeben, mit Silbernitrat und Baryt behandelt. Die Argin- 
infraktion, mit Pikrinsäure gefällt, gibt zuerst einen amorphen Niederschlag und bei 
weiterem Zusatz von Pikrinsäurelösung Kristallaggregate des Agmatinpikrats. 

Das Agmatinsulfat kristallisiert durch Zusatz von warmem Methylalkohol zu der 
konzentrierten heißen wässerigen Lösung. 


Synthese nach Kossel.!) Eine wässerige Lösung von 1°9 g Putreszin und 1y 
Cyanamid wurde 17 Tage lang bei Zimmertemperatur aufbewahrt. Das Agmatin wurde 
dann mit Silbernitrat und Baryt abgeschieden nach dem Verfahren, das in Bd. I, 


S.502 dieses Handbuches für Arginin angegeben wurde. Ausbeute 0'4g des kreidigen 
Asmatinkarbonats. 


Ebenfalls nach dem Silbernitrat-Barytverfahren haben Engeland und 
Kutscher?) das Agmatin aus Mutterkorn gewonnen. 


Darstellung des 5-Iminazolyläthylamins, C, H,N;. 


Es kommen hauptsächlich drei Darstellungsmethoden in Betracht: 
aus Histidin durch Erhitzen mit Säuren, aus Histidin durch bakteriellen 
Abbau und die Synthese. Die erste Methode ist die bequemste und sicherste 
für kleine Mengen, die letzte ist für große Mengen vorzuziehen. Die zweite 
Methode soll etwas eingehender beschrieben werden, weil sie das am besten 
untersuchte Beispiel einer bakteriellen Entkarboxylierung darstellt und die 
erhaltenen Resultate wohl auch auf andere Aminosäuren anwendbar sein 
dürften. 

Das Iminazolyläthylamin reinigt man schließlich immer als Pikrat. 
Das Dipikrat bildet tiefgelbe rhombische Tafeln, welche in heißem Wasser 
schwer löslich sind und bei etwa 230—239° schmelzen. Durch Lösen in 
verdünnter Salzsäure und Ausschütteln mit Äther wird es in das Dichlorid 
umgewandelt, das aus heißem Äthylalkohol gut kristallisiert und bei 240° 
schmilzt. Das Chlorid ist in kaltem Äthylalkohol wenig löslich, leicht da- 
gegen in Methylalkohol. 

A. Aus Histidin durch Säuren. Erhitzt man Histidin allein oder 
mit Kalk, so wird das Iminazolyläthylamin nur spurenweise gebildet: da- 
gegen läßt sich nach Eiwins und Pyman°®) eine Ausbeute von etwa 20%, 
erreichen, wenn man Histidin unter bestimmten Bedingungen mit Säuren 
erhitzt. Die Ausbeute steht zwar gegen die besten Resultate des bakte- 


riellen Abbaues zurück. aber die Säuremethode ist einfacher und mehr 
zuverlässig. 


!) A. Kossel, Synthese des Agmatins. Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 68. S. 170 
(1910). 

?) R. Engeland und Fr. Kutscher, Über eine zweite wirksame Sekalebase. Zentral- 
blatt f. Physiol. Bd. 24. S. 479 (1910). 

®) 4..J. Ewins und F. L. Pyman, Experiments on the formation of 4(or5)- 
5-Aminoethylglyoxaline from histidine. Journ. Chem. Soc. Vol. 99. p. 339 (1911). 


Darstellung von physiologisch wirksamen Aminen etc. 265 


2g Histidinmonochlorid werden in einem neuen Bombenrohr (aus „Robax“ oder 
einem ähnlichen Glase) mit 4cm?® 20°/,iger wässeriger Schwefelsäure 3 Stunden auf 
265—270° erhitzt (Thermometer im Schutzmantel). Zu der dunkelbraunen Reaktions- 
flüssigkeit gibt man nach dem Erkalten Sodalösung, solange noch ein Niederschlag 
entsteht. Dieser wird abfiltriert und das Filtrat wird neutralisiert und auf 15 cm? ein- 
gedampft. Man gibt dann 15 Pikrinsäure in heißgesättigter wässeriger Lösung hinzu, 
filtriert eine geringe Menge eines schmierigen Niederschlages ab und läßt erkalten. 
Das Monopikrat des Iminazolyläthylamins scheidet sich kristallinisch ab und wird 
aus Wasser umkristallisiert. Etwas gekrümmte gelbe Nadeln. F. P. 233—234°. Aus- 
beute 085 g. 

B. Durch bakteriellen Abbau von Histidin. Dieser wurde zuerst 
von Ackermann‘) durchgeführt. 

49 g Histidinchlorhydrat in 42 Wasser mit 109g Pepton-Witte, 20 4 Trauben- 
zucker, einige Tropfen Magnesiumsulfat und Natriumphosphat, sowie einem Überschuß 
von Kalziumkarbonat wurden 52 Tage bei 35° faulen gelassen. Als Impfmaterial diente 
eine Flocke eines frisch zerhackten Rinderpankreas, das 24 Stunden mit wenig stark 
verdünnter Sodalösung im Brutschrank gestanden hatte. 

Nach beendeter Fäulnis wurde vom überschüssigen Kalziumkarbonat abfiltriert, 
das Filtrat bei schwach phosphorsaurer Reaktion auf ungefähr einen Liter eingeengt 
und nun dem Verfahren von Kutscher respektive Kutscher und Ackermann unterzogen 
(dieses Handbuch, Bd. II, S. 1044 und 1066). Dabei wurde das $-Iminazolyläthylamin als 
Silberverbindung im Silberniederschlag II gefällt; letzterer wurde abfiltriert und durch 
Salzsäure vom Silber befreit. Die Basen wurden dann abermals mit Phosphorwolfram- 
säure gefällt und durch Zersetzen mit Baryt in der üblichen Weise in eine Lösung der 
Karbonate übergeführt. Nach dem Einengen zum dünnen Sirup wurde mit alko- 
holischer Pikrinsäurelösung gefällt. Ausbeute des Dipikrats des Iminazolyläthylamins 
538g; das Filtrat vom Silberniederschlag II lieferte noch 7'8g, insgesamt 6129 = 
etwa 42°, der Theorie. 

Öfters verläuft die Reaktion weniger gut. Die Versuchsbedingungen 
zur Erzielung einer guten Ausbeute sind von Berthelot und Bertrand?) und 
besonders von Mellanby und Twort:) festgestellt worden. Die französischen 
und die englischen Autoren haben aus Fäzes einen Bazillus isoliert, der im 
hohen Grade imstande ist, Histidin zu entkarboxylieren. Das Prinzip der Iso- 
lierung war in den beiden Untersuchungen dasselbe: wiederholtes Über- 
impfen der Mischkultur in eine Histidinnährlösung und nach genügender 
Anreicherung des in Frage kommenden Organismus, Impfung auf Agar- 
Agar. Ob die Bazillen der beiden Untersuchungen identisch sind, ist 
zweifelhaft, jedenfalls existiert eine ganze Reihe von Spaltpilzen, die zur 
Entkarboxylierung befähigt sind. 

Berthelot und Bertrand benutzten eine Methode, die zuerst von Berthelot auf 
Tyrosin angewandt worden war. Die Lösung enthielt pro Liter 0'75—2°0 g Tyrosin oder 
Histidin, 02g K,SO,, 029g MgSO,, 05g K,HPO,, 025g KNO, und 0'02g Cal],. 


!) D. Ackermann, Über den bakteriellen Abbau des Histidins. Zeitschr. f. physiol. 
Chem. Bd. 65. S. 504 (1910). 

2) A. Berthelot und D. M. Bertrand, Recherches sur la flore intestinale. Isolement 
d’un mierobe capable de produire de la $-imidazolylethylamine aux depens de l’histidine. 
Compt. rend. T. 154. p. 1643 (1912). — Dieselben, Sur quelques proprietes biochi- 
miques du Bacillus aminophilus intestinalis. Ibid. T. 154. p. 1826 (1912). 

8) E. Mellanby und F. W. Twort, On the presence of $-imidazolylethylamine in 
the intestinal wall; with a method of isolating a bacillus from the alimentary canal, 
which converts histidin into this substance. Journ. Physiol. Vol. 45. p. 53 (1912). 


266 G. Barger. 


Nach mehreren Kulturen in diesem Medium wurde auf Agar geimpft. Der Bacillus 
aminophilus intestinalis dieser Autoren ähnelt B.pneumoniae und B.lactis 
aerogenes und greift Zuckerarten leicht an. Er ist proteolytisch, aber nicht pepto- 
Iytisch. Er wächst auch ohne Aminosäuren in Lösungen, die pro Liter 29 K, HPO,, 
19 MgSO,, Spuren von Ca Cl, und ein stickstoffhaltiges Salz enthalten, wie Kaliumnitrat, 
Ammoniumsulfat oder Nitrat; er wächst auch gut auf Ammoniumsuceinat. Gibt man 
Histidin als einzige Stickstoffquelle, so wird das anfangs gebildete Iminazolyläthylamin 
schließlich wieder zerstört, ebenso wie 5-Oxyphenyläthylamin, Kreatin, Hordenin usw. 

Mellanby und Twort impften Peptonbouillon, enthaltend 1°/, Histidin, in Röhren 
mit Fäzes. Nach einer anaeroben Züchtung von 5—7 Tagen bei 37° wurde in eine 
neue Röhre übergeimpft una nach Wiederholung dieses Verfahrens wurde mit der letzten 
Mischkultur eine peptonfreie Lösung folgender Zusammensetzung infiziert: Wasser 
100 9, Ammoniumtartrat 19, Dikaliumphosphat 0'1 g, Magnesiumsulfat 002 9, Kalzium- 
ehlorid 001 g, Histidin 19. Durch Plattenkultur auf Agar-Agar isolierten sie einen 
kleinen Gram-negativen Bazillus der Typhus-Coli-Gruppe, der Histidin sehr leicht ent- 
karboxyliert. 

Wie Mellanby und Twort hervorheben, verläuft die Abspaltung von 
Kohlendioxyd aus Histidin recht glatt, wenn man in Reagenzröhren 
arbeitet; sie ist aber meistens sehr träge und unvollständig bei Anwendung 
erößerer Flüssigkeitsmengen. Daher raten diese Forscher beim Arbeiten im 
größeren Maßstab die Histidinlösung mit entsprechend großen Mengen einer 
kräftig wachsenden Kultur zu infizieren. Die Kultur erhält man am besten 
auf Glyzerin-agar: sie soll nicht älter sein als 24 Stunden. Man spült sie 
mittelst wenig physiologischer Salzlösung vom Nährboden ab und infiziert 
die Histidinlösung mittelst einer sterilen Pipette. Die Histidinlösung soll 
nicht stärker als 0'1°/, sein: am einfachsten löst man das Histidin in 
Ringerscher Lösung und benutzt für jeden Liter die Kulturen aus zwei 
Agarröhren. Die beste Inkubationszeit ist eine Woche. 

Herr Dr. R. A. O'Brien hat mir gütigst mitgeteilt, daß er etwa 
30 verschiedene Arten von Darmbakterien auf ihre Fähigkeit geprüft hat, 
Histidin zu entkarboxylieren, und etwa ein Drittel in dieser Hinsicht 
mehr oder weniger wirksam gefunden hat. Darunter waren drei Rassen 
der B. coli-Gruppe imstande, Histidin fast quantitativ in das ent- 
sprechende Amin umzuwandeln. Daher ist wohl nicht anzunehmen, dab 
diese Wirkung auf Histidin und auf andere Aminosäuren, auf eine einzige 
Spezies beschränkt ist. 

Mellanby und Twort und auch O'Brien ermittelten die Menge des 
‚gebildeten Amins auf physiologischem Wege durch seine Wirkung auf den 
überlebenden Meerschweinchenuterus, nach Dale und Zaidlaw.!) Will man 
das gebildete Iminazolyläthylamin rein darstellen, so kann man das oben 
beschriebene Verfahren von Ackermann benutzen, daß aber. besonders 
wenn die Nährlösungen peptonfrei sind, sich sehr vereinfachen läßt. Die 
Trennung des Amins von Histidin ist sehr leicht, da das Dipikrat der 
ersten Base viel weniger löslich ist, als das gleichzeitig entstehende 
Histidinmonopikrat. Man muß nur zuerst anorganische Salze entfernen, 


') A. H. Dale und P. P. Laidlaw, A method of standardising pituitary (infundi- 
bular) extraets. Journ. of Pharmacol. and exper. Therapeuties. Vol. 4. p. 75 (1912). 


id 


Darstellung von physiologisch wirksamen Aminen ete. 267 


eventuell durch Fällen des Histidins und des Amins dureh Silbernitrat 
und Baryt. 


Synthese des &-Iminazolyläthylamins. 


Das Iminazolyläthylamin wurde zum ersten Male dargestellt von 
Windaus und Vogt!) durch Abbau der Iminazolylpropionsäure über das 
Azid nach Ourtius; diese Säure ist sowohl aus Histidin als auch synthetisch 
darstellbar, aber dennoch ist die Synthese von Windaus und Vogt weniger 
geeignet für die Darstellung größerer Mengen von Iminazolyläthylamin. 
Dies geschieht am besten nach der direkten Synthese von Pyman?), 
welche ausgeht vom Diaminoazeton (I). 


CH, NH, . HCl CH.NH CH.NH 
| N 'Q IS Y 
co >. Ä nen | I 
| We ZEN ren 
CH, NH, . HCl | | 
CH, . NH, CH, OH 
I II IH re 
CH.NH CH.NH CH.NH 
Nr N | Nr 
Ä Pa — | Pi, en a 
N © N GA EN 
| | | 
CHR ICH: N, CH,.CN CH, Cl 
VI V IV 


Nach Gabriels Imidazolsynthese bekommt man mit Kaliumrhodanid 
das 2-Thiolaminomethylelyoxalin (II) und daraus durch Salpetersäure das 
Oxymethylelyoxalin (II). Letzteres wird nacheinander in das Chlormethyl- 
elyoxalin (IV) und das Cyanmethylelyoxalin (V) verwandelt, und schließlich 
erhält man daraus das Aminoäthylelyoxalin (= Iminazolyläthylamin) (VI) 
durch Reduktion. 


Synthese des Iminazolyläthylamins nach Pyman. 


Diese Synthese sei hier beschrieben wegen ihrer allgemeinen Be- 
deutung für die Darstellung von Histidinderivaten. 


504 Diaminoazetondichlorid [aus Zitronensäure über Azetondikarbonsäure und 
Diisonitrosoazeton nach Kalischer, Ber., Bd. 28, S. 1519 (1895) dargestellt] gibt man zu 
einer heißen Lösung von 309g Rhodankalium in 50 cm? Wasser und erhitzt das.-Gemisch 
auf dem Dampfbade. Es entsteht anfangs eine klare Lösung, aus welcher sich aber 


1) A. Windaus und W. Vogt, Synthese des Imidazolyläthylamins. Ber. d. Deutschen 
Chem. Gesellsch. Bd. 40. S. 3691 (1907). 

?) F.L. Pyman, A new Synthesis of 4 (or 5-) ß-aminoethylglyoxaline, one of the 
active prineiples of Ergot. Journ. Chem. Soc. Vol. 99. p. 668 (1911). — Nach diesem 
Verfahren gewonnenes Iminazolyläthylamin ist unter dem Namen „Ergamine“ bei Bur- 
roughs, Welcome d: Co. in London käuflich. 


268 G. Barger. Darstellung von physiologisch wirksamen Aminen ete. 


später Kristalle abscheiden. Nach 1'/, Stunden kühlt man, filtriert die Kristalle ab, 
kocht sie mit 75cm” Wasser, wodurch fast alles in Lösung geht, filtriert vom Unge- 
lösten ab und mischt das Filtrat mit einer Lösung von 21g trockenem Kaliumkarbonat 
in 75cm? Wasser. Man engt etwas ein und läßt dann das 2-Thiolaminomethylglyoxalin 
(etwa 82 9, F.-P. = 188°) auskristallisieren. Die Mutterlauge dieser Kristallisation wird 
mit der Mutterlauge der ersten Kristallisation gemischt und im Vakuum zur Trockne 
eingedampft. Den Rückstand extrahiert man mit Alkohol, verdampft diesen, verdünnt 
das zurückbleibende dunkle Öl mit wenig Wasser und bekommt so noch eine bedeutende 
Menge von Thiolaminoglyoxalin (etwa 179g; zusammen also 261g oder 64°/, der 
Theorie). 

Man gibt allmählich, während 20 Minuten, 15 9 Thiolaminoglyoxalin zu 300 cm? 
10°/,iger Salpetersäure, welche im gelinden Sieden gehalten wird. Man kocht noch 
10 Minuten länger, neutralisiert dann mit Natronlauge und gibt eine Lösung von 26°6 9 
Pikrinsäure in 600 cm? siedendem Wasser hinzu. Beim Kühlen scheidet sich das Pikrat 
des Oxymethylglyoxalins aus; man kann es aus Wasser umkristallisieren und bekommt 
nach dem Eineugen der Mutterlauge insgesamt eine Ausbeute von etwa 74°/, der Theorie. 

Man führt letzteres Pikrat durch Schütteln mit Salzsäure und Äther in das 
Chlorid über und gibt von letzterem 36°5g in kleinen Portionen zu 57 g Phosphor- 
pentachlorid, welches sich in einem Rundkolben befindet. Man schüttelt tüchtig durch, 
gibt 50 cm® Chloroform hinzu, um ein gutes Mischen zu erzeugen, und destilliert dann 
auf dem Wasserbade, schließlich im Vakuum, das Chloroform und das Phosphoroxy- 
chlorid ab. Der Rückstand, aus etwa 50 cm” heißem Alkohol kristallisiert, gibt das Chlorid 
des Chloromethylglyoxalins. F.-P. 140—142°, in einer Ausbeute von 35'894 — 86/, der 
Theorie. 

Die Lösung von 304 dieses Chlorids in 135 cm? absolutem Alkohol gibt man 
tropfenweise zu 90 y Cyankalium in 100 cm? Wasser, welches bei 0° andauernd gerührt 
wird. Man filtriert das gebildete Chlorkalium ab, wäscht mit Alkohol nach und mischt 
das Filtrat mit 180 cm? einer 10° ,igen Sodalösung. Nach dem Eindampfen im Vakuum 
zieht man den Rückstand mit heißem Essigäther aus, verdampft dieses Lösungsmittel 
und löst das zurückbleibende dunkle Öl in wenig warmes Wasser. Es kristallisiert dann 
etwa 75 g des reinen Uyanomethylglyoxalins aus. Durch Einengen der Mutterlauge und 
Überführung in die sauren Oxalate kann man in ziemlich mühsamer Weise noch weitere 
Mengen des Oyanmethylglyoxalins von einem Nebenprodukt (Nitril der z$- bis Glyoxalin- 
propionsäure) trennen und so die Ausbeute an Oyanomethylglyoxalin auf etwa 50°/, der 
Theorie steigern. 

Zu 109g von Üyanomethylelyoxalin, gelöst in 50cm’? absolutem Alkohol, gibt 
man im Laufe von einigen Minuten 25 g Natrium in Stücken. Während das Gemisch 
mit einer kleinen Flamme erhitzt wird, fügt man nach und nach etwa 200 cm? abso- 
luten Alkohol in Portionen von einigen Kubikzentimetern hinzu, bis nach 1'/, Stunde 
fast alles Natrium gelöst ist. Man bringt dann durch Zugabe von etwas Wasser die 
letzten Natrinmreste in Lösung und säuert mit 120 cm? konzentrierter Salzsäure an. 
Das Kochsalz wird abfiltriert und mit Alkohol gewaschen; das Filtrat wird stark ein- 
geengt, mit 100 cm? kalt gesättigter Sodalösung versetzt und im Vakuum zur Trockne 
eingedampft. Der Rückstand wird mit Alkohol ausgezogen und der Auszug auf 50 cm? 
konzentriert. Beim Erkalten scheidet sich dann das Natriumsalz der Iminazolylessig- 
säure in einer Menge von etwa 4°6g aus. Die Mutterlauge dieses Nebenproduktes wird 
verdampft und den Rückstand, in wenig Wasser gelöst, gibt man zu einer kochenden 
Lösung von 309 Pikrinsäure in 12 Wasser. Es scheidet sich dann das Dipikrat des 
Iminazolyläthylamins kristallinisch aus, das durch Umkristallisieren aus Wasser gereinigt 
wird; Ausbeute 146 g. 


Die Analyse der seltenen Elemente. 
Von Rudolf Hanslian, Berlin. 


I. Qualitative Analyse. 


A. Die charakteristischen Reaktionen der seltenen Elemente. 
Gruppe der Alkalien. 


Caesium und Rubidium. 


Die Verbindungen dieser Elemente zeigen eine große Ähnlichkeit 
mit denen des Kaliums. Ihre Ionen sind gleichfalls einwertig, farblos und 
geben wie die des Kaliums mit Platinchlorwasserstoffsäure oder Weinsäure 
kristallinische Niederschläge. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 


Flammenfärbung violett, durch Kobaltglas rosa. Durch das Spektro- 
skop betrachtet, treten bei Caesium zwei blaue Linien in der Nähe der 
Strontiumlinie, bei Rubidium zwei blaue Linien im Ultraviolett auf (vgl. 
Spektraltafel S. 296). 

b) Reaktionen auf nassem Wege. 


1. Platinchlorwasserstoffsäure H,PtCl, fällt gelbes, kristalli- 
nisches Caesium- resp. Rubidiumplatinchlorid. 
2. Weinsäure erzeugt einen weißen, kristallinischen Niederschlag. 
Beide Reaktionen erfolgen nur in konzentrierter Lösung sofort, durch 
Schütteln wird das Entstehen der Niederschläge beschleunigt. 
Lithium. 


Lithium bildet nur einwertige, farblose Ionen. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege, 


Flammenfärbung karminrot, im Spektroskop tritt eine glänzende 
rote Linie auf.!) 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 
Natriumphosphat (Na,HPO,) fällt aus konzentrierten Lösungen 
Lithiumphosphat (Li, PO,), löslich in viel Wasser. 


') Vgl. die Spektraltafel in Bd. V, 2, S. 1054. 


270 Rudolf Hanslian. 


Salzsäuregruppe. 


Zu den Elementen, deren Ionen mit Salzsäure Niederschläge geben, 
gehören außer dem an dieser Stelle beschriebenen Thallium das Wolfram, 
Niob, Tantal und Molybdän. Da diese letzteren jedoch im Überschuß der 
Säure teilweise löslich sind und demzufolge noch in anderen Gruppen 
auftreten, wird auf ihre Eigenschaften daselbst näher eingegangen werden. 


Thallium. 


Das Thallium bildet einwertige, farblose Thalloionen und dreiwertige, 
schwach gelbgefärbte Thalliionen. Das beständigere ist das Thalloion. Es 
kann nur durch sehr kräftige Oxydationsmittel in das Thalliion überführt 
werden. 

a) Reaktionen auf trockenem Wege. 


Flammenfärbung intensiv smaragdgrün. Im Spektrum tritt nur 
eine grüne Linie auf (vgl. Spektraltafel S. 296). 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 


Es werden hier nur die Reaktionen der beständigeren Thalloionen 
berücksichtigt. 

1. Schwefelwasserstoff fällt aus schwach saurer, nicht aber aus 
stark saurer Lösung schwarzes Thallosulfid, unlöslich in Schwefelammon. 
Aus neutraler Lösung erfolgt die Abscheidung nur unvollständig, durch 
Zusatz eines Acetats wird sie vervollständigt. 

Jodkalium fällt beim tropfenweisen Zusatz gelbes Thallojodid T1J. 

2. Salzsäure fällt weißes Thallochlorid TICl, löslich in Natrium- 
thiosulfat. 

3. Platinchlorwasserstoffsäure fällt gelbes, kristallinisches Thallo- 
chlorplatinat T], Pt C],. 

4. Kaliumchromat fällt gelbes Thallochromat. 


Schwefelwasserstoffgruppe. 


Platin. 


Platin ist seinen Verbindungen zwei- und vierwertig. Wichtig ist die 
Eigenschaft der Platinkationen, mit Halogenen komplexe Anionen zu bilden. 
Von diesen haben die zweiwertigen komplexen Anionen die Zusammen- 
setzung Pt Cl, (Chlorplatinition), die vierwertigen die Zusammensetzung 
PtCl, (Chlorplatination). Die letzteren sind die beständigeren und dem- 
gemäß die wichtigeren. 

a) heaktionen auf trockenem Wege. 

Alle Platinverbindungen geben, mit Soda auf der Kohle erhitzt, 

graues schwammiges Metall, das durch Reiben mit dem Pistill im Achat- 


mörser grauweißen Metallelanz annimmt. Es ist unschmelzbar und unlös- 
lich in Mineralsäuren, löslich in Königswasser. 


El 124 


Die Analyse der seltenen Elemente. 971 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 
«) des Platinkations. 

1. Schwefelwasserstoff fällt aus saurer Lösung in der Kälte 
langsam, rascher in der Wärme dunkelbraunes Platinsulfid Pt S,, löslich 
in Ammondisulfid (NH,),S, und in Königswasser. 

2. Kaliumchlorid fällt aus konzentrierten Lösungen gelbes, kri- 
stallinisches K, (PtC],). 

%) des komplexen Platinanions. 
(Chlorplatinations, Chlorplatinsäure). 

l. Schwefelwasserstoff gibt erst nach längerer Zeit eine schwarze 
Fällung von PtS.. 

2. Alkalijodid erzeugt eine intensiv dunkelrote Färbung. 

3. Kalium- und Ammoniumsalze geben kristallinische gelbe Nieder- 
schläge. 

Palladium. 


Das Palladium zeigt zwei- und vierwertige Ionen. Nur die ersteren 
(Palladoionen) haben infolge ihrer Beständigkeit analytisches Interesse. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 


Durch Glühen werden alle Palladiumverbindungen unter Abscheidung 
von Metall zerstört, das, in Salzsäure oder besser in Königswasser gelöst, leicht 
durch nachstehende Reaktionen auf nassem Wege erkannt werden kann. 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 


1. Schwefelwasserstoff fällt aus saurer Lösung schwarzes Pallado- 
sulfid, unlöslich in Ammonsulfid, löslich in Salzsäure und Salpetersäure 
(Unterschied vom Platin). 

2. Jodkalium gibt schon mit sehr geringen Mengen Palladosalzen 
schwarzes Palladojodid PdJ, (sehr empfindlich), im Überschuß des Fällungs- 
mittels mit brauner Farbe löslich. 

3. Quecksilberceyanid fällt gelblichweißes Palladoeyanid Pd (CN),, 
löslich in Kaliumeyanid und in Ammoniak. 


Rhodium. 
Das beständigste Ion des Rhodiums ist das dreiwertige. 
a) Reaktionen auf trockenem Wege. 


Alle Rhodiumverbindungen werden durch Erhitzen mit Soda auf 
Kohle vor dem Lötrohr zu Metall reduziert, das unlöslich in Königswasser, 
aufschließbar durch Schmelzen mit Kaliumpyrosulfat ist. Sowohl aurch 
dieses Verhalten, wie auch durch nachstehende Reaktionen ist es leicht 
zu identifizieren. 


975 Rudolf Hanslian. 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 

I. Schwefelwasserstoff fällt beim Erwärmen aus saurer Lösung 
braunes Rhodiumsulfid, unlöslich in Schwefelammon. 

2. Kaliumnitrit erzeugt einen orangegelben Niederschlag von 
Kaliumrhodiumnitrit. 

3. Alkalihydroxyde K(OH) oder Na(OH) bewirken langsam eine 
gelbe Fällung. Fügt man vorher etwas Alkohol hinzu, so erhält man eine 
schwarzbraune Fällung. 

Iridium. 

Iridium ist in seinen Verbindungen zwei-, drei- und vierwertig. Gleich 
dem Platin bildet es mit Halogenen komplexe Anionen. Das wichtigste 
komplexe Ion ist das Iridichlorion. Dasselbe wird durch Reduktionsmittel, 
wie Schwefelwasserstoff, zu Iridochlorion reduziert. (Unterschied von der 
Platin-Chlorwasserstoffsäure.) Reduktionsmittel bewirken leicht eine Grün- 
färbung der Lösung. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 
Auf der Kohle mit Soda reduziert, erhält man graues, sprödes 
Metall, unlöslich in Königswasser (Unterschied von Platin). 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 

1. Schwefelwasserstoff reduziert in saurer Lösung Iridiionen zu 
Iridoionen und fällt diese als braunes Trisulfid Ir, S,, löslich in Am- 
moniumsulfid. 

2. Kaliumsalze geben mit Iridichlorionen kristallinische, gelbbraune 
Niederschläge, dunkler als die analogen Chlorplatinate; Ammoniumsalze 
fällen dunkelrotes Ammonium-Iridichlorid. 

3. Kocht man die Lösung eines Iridichlorions einige Zeit mit über- 
schüssigem Kaliumnitrit, so wird sie gelb und scheidet bald einen Teil 
des Iridiums als gelblichweißen, in Säure unlöslichen Niederschlag ab (sehr 
charakteristisch). 

Osmium. 

Das Osmium tritt in seine Ionen 2-, 5-, 4-, 6- und Swertig auf. 
Die für den Analytiker wichtigen Verbindungen leiten sich von der höchsten 
bekannten Sauerstoffverbindung, dem Osmiumtetroxyd (Überosmiumsäure) 
0s0, ab. Die UÜberosmiumsäure ist charakterisiert durch ihre große 
Flüchtigkeit und ihren stechenden Geruch. Bereits beim Erhitzen der 
wässerigen Lösung der Säure oder ihrer Salze verflüchtigt sie sich. 

a) Reaktionen auf trockenem Wege. 

Alle Osmiumverhindungen liefern beim Glühen im Wasserstoffstrome 
metallisches Osmium, in kompaktem Zustande unlöslich in allen Säuren, fein 
zerteilt, löslich in rauchender Salpetersäure. 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 


1. Schwefelwasserstoff in saurer Lösung fällt braunschwarzes 
Osmiumsulfid, unlöslich in Schwefelammon. ,‚ 


So 


-o 
5 


[ 


Die Analyse der seltenen Elemente. : 


2. Alkalilauge, Ammoniak und Alkalikarbonat fällen nach 
längerer Einwirkung rotbraunes Osmiumhydroxyd. 

3. Indigo wird durch Überosmiumsäure entfärbt. 

Ferrosulfat fällt schwarzes Osmiumdioxyd. 

Zinnchlorür erzeugt eine braune Fällung, löslich in Salzsäure zu 
einer braunen Flüssigkeit. 

Erhitzt man die Lösung des Chlorides mit Gerbsäure oder 
Alkohol, nach Zusatz von Salzsäure, so färbt sie sich dunkelblau. Es 
findet eine Reduktion zur zweiwertigen Stufe, Osmiumdichlorid (Os Cl), 
statt. Ameisensaures Natrium und metallisches Zinn reduzieren 
dagegen direkt zu Metall. 

4. Destilliert man die Lösung des Kaliumosmiumchlorids unter Zusatz 
von verdünnter Salpetersäure aus einer kleinen Retorte in eine Vorlage 
von Natronlauge, so färbt sich letztere gelb: nach Ansäuren tritt ein 
stechender, an Chlor erinnernder Geruch von Osmiumtetroxyd auf (Unter- 
schied von Ruthenium). 

Ruthenium. 


Ruthenium steht in Hinsicht auf seine Wertigkeiten dem Osmium 
sehr nahe. Das der Überosmiumsäure analoge Rutheniumtetroxyd ist 
ebenfalls leicht flüchtig und besitzt einen stechenden Geruch. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 
Durch Erhitzen mit Natriumchlorid im Chlorstrome bei schwacher 
Glühhitze entsteht wasserlösliches Kaliumruthenchlorid. Die schwarzgrüne 
Schmelze löst sich in Wasser mit orangegelber Farbe. 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 


1. Schwefelwasserstoff erzeugt in saurer Lösung zuerst Keine 
Fällung, erst nach einiger Zeit färbt sich die Lösung lasurblau, zugleich 
wird ein brauner Niederschlag von unbestimmter Zusammensetzung, der 
in Salpetersäure löslich ist, abgeschieden (sehr empfindlich und charak- 
teristisch). 

Auch Ammonsulfid (NH,),S fällt braunschwarzes Sulfid. 

2. Alkalilaugen fällen schwarzes Ruthenhydroxyd. 

3. Kaliumnitrit bewirkt eine orangegelbe Färbung der Lösung, auf 
Zusatz einiger Tropfen Ammonsulfid wird die Farbe dunkelrot. 

4. Kaliumrhodanid eibt mit Rutheniumverbindungen, bei Ab- 
wesenheit anderer Platinmetalle, allmählich eine rote bis purpurrote und 
beim Erhitzen violette Färbung (sehr charakteristisch). 

5. Durch Destillation von verdünnten Lösungen nach Zusatz von 
verdünnter Salpetersäure entsteht kein Ruthentetroxyd (Unterschied von 


Osmium). 
Gold. 


Das Gold ist in seinen Verbindungen ein- und dreiwertig. Die ersteren 
sind im gelösten Zustande sehr unbeständig. Für die Erkennung des 
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 18 


274 Rudolf Hanslian. 


(oldes kommen daher nur die Eigenschaften der dreiwertigen Verbindungen 
in Betracht. Das Goldchlorid Au Cl, verbindet sich mit Chlorwasserstoff- 
säure zur Aurichlorwasserstoffsäure AuCl,H, die mit Kationen schön kri- 
stallisierende Salze bildet. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 


Auf Kohle vor dem Lötrohr erhält man ein geschmolzenes, gelbes 
Metallkorn ohne Beschlag, löslich in Königswasser. Die Lösung wird ein- 
gedampft, und der Rückstand mit Wasser aufgenommen. Derselbe gibt 
alsdann mit Zinnchlorür die nachstehend beschriebene Goldpurpurreaktion. 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 


l. Schwefelwasserstoff fällt aus saurer Lösung in der Kälte 
schwarzes Goldsulfid, in der Hitze braunes metallisches Gold. 

2. Ammoniak fällt schmutziggelbes Knallgold von der Zusammen- 
setzung AuN,H,.3H,0, das im trockenen Zustande durch Schlag oder 
Erwärmen explodiert. 

2. Oxalsäure fällt alles Gold in der Kälte, schneller in der Wärme 
als braunes Pulver (Unterschied von Platin). Das fein zerteilte Gold erscheint 
im auffallenden Lichte braun, im durchfallenden blau. 

4. Zinnchlorür erzeugt je nach der Konzentration der angewandten 
Lösung einen Niederschlag von rosa bis purpurroter Farbe, den sogenannten 
Goldpurpur. Derselbe besteht aus einem Gemenge von kolloidalem Gold 
und kolloidaler Zinnsäure. 

5. Wasserstoffsuperoxyd fällt in alkalischer Lösung sofort alles 
Gold braun aus (sehr empfindlich). 


Molybdän. 


Es kommen hier nur diejenigen Verbindungen in Betracht, welche sich 
vom Molybdäntrioxyd Mo 0, ableiten. Das Trioxyd ist die beständigste Sauer- 
stoffverbindung, löslich in Säuren und in Alkalien. Das entsprechende 
Hydrat H,MoO, erhält man beim Ansäuren einer Molybdatlösung. Die 
Molybdänsäure bildet mit vielen anderen Säuren (Arsensäure, Phosphor- 
säure) komplexe Ionen. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 


1. Alkalimolybdate mit oder ohne Sodazusatz geben auf der Kohle 
vor dem Lötrohr graues Metall mit weißem Beschlage. 

2. Molybdäntrioxyd, im Porzellantiegel erhitzt, sublimiert und gibt 
schön ausgebildete, weiße Kristalle, welche, mit einem Tropfen konzen- 
trierter Schwefelsäure auf weißem Porzellan verdampft, beim Erkalten 
eine intensive Blaufärbung zeigen. 

3. Die Boraxperle aller Molybdänverbindungen ist in der Oxydations- 


flamme in der Hitze gelb, in der Kälte farblos, in der Reduktionsflamme 
dunkelbraun. 


Die Analyse der seltenen Elemente. 275 


4. Die charakteristischere Phosphorsalzperle ist als Reduktions- 
perle in der Kälte grasgrün bis bläulichgrün, als Oxydationsperle 
farblos. 

b) Reaktionen auf nassem Wege. 


1. Schwefelwasserstoff fällt aus saurer Lösung, unter vorüber- 
gehender Blaufärbung der Flüssigkeit, goldgelbes bis braunes Sulfid, löslich 
in Ammonsulfid. Zur völligen Ausfällung muß die mit Schwefelwasserstoff 
gesättigte Flüssigkeit in Druckflaschen erhitzt werden. 

2. Erhitzt man Spuren einer Molybdänverbindung mit einigen Tropfen 
konzentrierter Schwefelsäure in einer weißen Porzellanschale, so färbt 
sich die erstarrende Masse beim Erkalten prächtig blau. 

3. Alkalirhodanid!) in konzentrierter (20—25°/,) Lösung gibt 
schon mit Spuren von Alkalimolybdaten, nach dem Ansäuren mit Schwefel- 
säure, Gelbfärbung. Beim Erhitzen entsteht eine rotgelbe Färbung, welche 
beim Schütteln mit. Äther in denseiben übergeht (sehr empfindlich). 

4. Alkalimolybdate geben in stark salpetersaurer Lösung bei An- 
wesenheitvon Ammoniumionen mit Phosphaten wieauch mit Arseniaten 
charakteristisch gelbe Fällungen. 


Selen. 


Das Selen ist ein dem Schwefel analoges Element. Es existiert in 
zwei allotropen Modifikationen. Die in Schwefelkohlenstoff lösliche Mo- 
difikation erhält man leicht auf Zusatz von Wasser zu konzentrierter 
Schwefelsäure, in der metallisches Selen gelöst ist, als rotes Pulver. Beim 
Erhitzen auf 97° geht das rote, amorphe Selen in die schwarze Modifika- 
tion über. Das Selen verbrennt an der Luft mit bläulicher Flamme unter 
charakteristischem Geruch nach faulem Rettig zu Selendioxyd SeO,, einem 
weißen kristallinischen Körper. Sehr giftig ist der dem Schwefelwasserstoff 
entsprechende Selenwasserstoff H, Se. Infolge des analogen Verhaltens des 
Selens zum Schwefel läßt sich in vielen organischen Verbindungen an 
Stelle des Schwefels Selen substituieren, wiederum existieren aber auch 
in anderer Richtung weitgehende Verschiedenheiten zwischen diesen bei- 
den Elementen, beispielsweise bei den Halogenverbindungen. 

Das Selen bildet ein Oxyd SeO,, das Selenigsäurenhydrid, und zwei 
Säuren, die selenige Säure H,SeO, und die Selensäure H, Se (),. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 


Freies Selen färbt die nicht leuchtende Flamme des Bunsenbrenners 
kornblumenblau, Selenverbindungen müssen vorher am Asbestfaden in der 
oberen Reduktionsflamme zu Selen reduziert werden, wonach gleichfalls 
Blaufärbung sich zeigt. 


1) Diese Reaktion beruht auf der Wirksamkeit des 5wertigen Molybdäns. Die 
Rhodanwasserstoffsäure reduziert an und für sich das 6wertige Molybdän zum Öwertigen, 
eines besonderen Reduktionsmittels bedarf es nach neueren Beobachtungen daher nicht. 
Rosenhain und Koss, Zeitschr. f. anorg. Chemie. Bd. 49. S. 143 (1911). 

18* 


276 Rudolf Hanslian. 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 


«) Freies Selen. 


1. Fein zerriebenes, metallisches Selen oder amorphes Selen ist in 
heißer konzentrierter Schwefelsäure mit grüner Farbe löslich, beim 
Verdünnen der Lösung mit Wasser wird rotes, amorphes Selen gefällt. 
(Unterschied von Tellur.) 

2. Violette Auflösungen von Jod in Schwefelkohlenstoff oder 
Tetrachlorkohlenstoff erleiden beim Schütteln mit Selen einen Farben- 
umschlag in Braunrot.!) (Unterschied von Tellur.) 


6) Selenige Säure 


l. Um Spuren freier seleniger Säure nachzuweisen, empfehlen Meyer 
und Jannek:) zu einem Kubikzentimeter der zu untersuchenden Lösung 
ein Kristallkörnchen (etwa O1 g) Natriumhydrosulfit hinzuzufügen. 
wodurch sofort eine Reduktion der selenigen Säure zu der intensiv rot- 
gefärbten kolloidalen Form erfolgt. Liegt die selenige Säure als Selenit 
vor. so erhält man die gleiche Reaktion nach Ansäuren mit Salzsäure. 
Mit Hilfe dieser Reaktion sollen sich noch 0'0006°/, SeO, einwandfrei 
nachweisen lassen. 

und Selenite. 

2. Überschichtet man konzentrierte Schwefelsäure, welche Spuren 
seleniger Säure enthält, mit reinem Petroleum, so tritt sofort an der 
Berührungsstelle ein schwarzbrauner Ring auf, der sich beim Stehenlassen 
zu einer schwarzen Schicht auswächst.®) Konzentrierte Schwefelsäure gibt 
mit reinem Petroleum erst nach einiger Zeit eine schwache Braunfärbung. 

3. Schwefelwasserstoff in saurer Lösung fällt ein hellgelbes Ge- 
misch von Selen und Schwefel, löslich in Ammonsulfid. 

4. Reduktionsmittel (Schwefeldioxyd, Zinnchlorür, Hydrazin- 
sulfat, Hydroxylaminchlorhydrat®) reduzieren die selenige Säure in 
salzsaurer Lösung zu rotem Selen. das beim Erhitzen der Lösung 
schwarz wird. 

5. Baryumchlorid fällt in neutralen Selenitlösungen weißes Baryum- 
selenit BaSe O,. löslich in verdünnten Säuren. 

6. Kupfersulfat erzeugt eine grünblaue, kristallinische Fällung 
(Unterschied von Selensäure). 

y) Selensäure 

1. Freie Selensäure (kleines Kristall) färbt eine Lösung von Chole- 
sterin in völlig wasserfreiem Chloroform (1:100) an der Berührungs- 
fläche sofort violett. beim Schütteln nimmt die ganze Lösung eine violette 


!) E. Beckmann und R. Hanslian, Zeitschr. f. anorg. Chemie. Bd. 63. S.63 (1910). 
*) Zeitschr. f. analytische Chemie. Bd. 52. S. 534 (1913). 

3?) E. Schulz, Chemikerzeitung, Bd. 35. S. 1129 (1911). 

*) Jannasch und Müller, Berl. Ber. Bd. 31. S. 2393 (1898). 


Die Analyse der seltenen Elemente. 31 


Färbung an. Durch Erwärmen erfolgt Farbenumschlag in Grün und 
schließlich in Schmutziggrau.!) 


und Seleniate. 


2. Schwefelwasserstoff erzeugt keine Fällung, kocht man jedoch 
vorher die Lösung mit Salzsäure, so wird die Selensäure zu seleniger Säure 
reduziert, worauf ein zitronengelbes Gemisch von Selen und Schwefel 
ausfällt. 

3. Baryumchlorid erzeugt eine weiße Fällung von Baryumseleniat, 
unlöslich in verdünnten Säuren. 

4. Kupfersulfat erzeugt keine Fällung. 

5. Reduktionsmittel (Hydrazinsulfat, Hydroxylaminchlorhydrat) 
wirken wie auf Selenite, dagegen reduziert Schwefeldioxyd Selensäure nicht. 


Tellur. 


Das Tellur schließt sich hinsichtlich seiner chemischen Eigenschaften 
unmittelbar dem Selen und Schwefel an. Durch Schmelzen mit Cyankalium 
bei Luftabschluß wird Tellur in Kaliumtellurid K, Te verwandelt, das sich 
in Wasser mit kirschroter Farbe löst. Durch Einleiten von Luft in diese 
Lösung wird amorphes Tellur als schwarzes Pulver wieder abgeschieden. (Unter- 
schied von Selen.) Der dem Schwefelwasserstoff und Selenwasserstoff ent- 
sprechende Tellurwasserstoff H, Te ist außerordentlich giftig. Tellur bildet 
zwei Oxyde, das Tellurdioxyd oder Tellurigsäureanhydrit TeO, und das 
Tellurtrioxyd oder Tellursäureanhydrit Te0,. Die entsprechenden Säuren 
heißen tellurige Säuren und Tellursäure, ihre Salze Tellurite und Tellurate. 
Nur die Tellurite und Tellurate der Alkalien lösen sich in Wasser. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 


Freies Tellur färbt die nichtleuchtende Flamme des Bunsenbrenners 
blaugrün, Tellurverbindungen sind vorher in der oberen Reduktionsflamme 
zu erhitzen. Man kann das verbrennende Tellur auf der äußeren Boden- 
fläche eines durch Wasser kaltgehaltenen Reagensglases als schwarzen 
Anflug auffangen und in wenig konzentrierter Schwefelsäure lösen, welche 
dadurch rot gefärbt wird. 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 


x) Freies Tellur. 

1. Fein zerriebenes, metallisches oder amorphes Tellur ist in Kon- 
zentrierter heißer Schwefelsäure mit karminroter Farbe löslich, auf 
Wasserzusatz scheidet sich schwarzes Tellur ab (Unterschied von Selen). 

2. Violette Auflösungen von Jod in Schwefelkohlenstoff erleiden 
beim Schütteln mit Tellur einen Farbenumschlag in Smaragdgrün ?) (Unter- 
schied von Selen). 


1) R. Hanslian und A. Binz, nach zurzeit noch unveröffentlichten Versuchen. 
?) R. Hanslian, Diss. Leipzig 1910. 


Rudolf Hanslian. 


ID 
—] 
[0 0) 


5) Tellurige Säure und Tellurite. 
1. Schwefelwasserstoff fällt aus saurer Lösung braunes Sulfid 
von der ungefähren Zusammensetzung Te S,, leicht löslich in Schwefelammon. 
2. Reduktionsmittel (wie Schwefeldioxyd, Zinnchlorür und Zink) 
fällen aus schwach saurer Lösung schwarzes Tellur. 


y) Tellursäure und Tellurate. 

1. Schwefelwasserstoff und andere Reduktionsmittel (Hydrazin- 
sulfat, Hydroxylaminchlorhydrat) wirken in der Wärme wie bei Telluriten, 
dagegen reduziert Schwefeldioxyd Tellursäure nicht. 

2. Bleisalze fällen sehr schwer lösliches Bleitellurat. 


Ammoniakgruppe. 
Uran. 

Von den verschiedenen Verbindungen des Urans interessieren uns 
analytisch nur die der vierten Wertigkeitsstufe, die Uranosalze, und 
die der sechsten, die Uranylsalze, welche sich vom Urandioxyd oder 
Uranyl UO, ableiten. Die Uranosalze sind sehr unbeständig und gehen 
an der Luft rasch in Uranylsalze über. Die Uranylverbindungen sind 
sämtlich gefärbt, gelb oder gelbgrün. Während sie im Wasser nur teil- 
weise löslich sind, lösen sie sich glatt in Mineralsäuren. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 


Alle Uranverbindungen färben die Phosphorsalzperle in der Reduktions- 
flamme grün, in der Oxydationsflamme gelb. Die Boraxperle zeigt 
gleiche Färbungen. 

b) Reaktionen auf nassem Wege. 

Es finden hier nur die Reaktionen der beständigen Uranylverbindungen 
Berücksichtigung. 

1. Kalium- und Natriumhydroxyd fällen gelbes Alkaliuranat 
(K; (Na,) U, O,), unlöslich im Alkaliüberschuß, löslich unter Bildung von 
komplexen Salzen in Ammoniumkarbonat. 

Ammoniak verhält sich analog, bei Anwesenheit genügender Men- 
gen Alkalikarbonat erfolgt die Fällung nicht. 

2. Schwefelammon fällt braunes Uranylsulfid UO,S, löslich in 
Ammonkarbonat. Bei Gegenwart von Ammonkarbonat erfolgt daher keine 
Fällung. 

3. Ferrozyankalium fällt rotbraunes Uranylsalz (sehr empfindlich). 
Durch Kalilauge wird der braunrote Niederschlag gelb unter Bildung von 
Kaliumuranat. 


Indium. 


Das Indium kommt nur in Verbindung mit Zink in der Natur vor. Die 
Trennung erfolgt durch verdünnte Säuren, in denen das Zink gelöst wird, 


Die Analyse der seltenen Elemente. 279 


während in den Rückständen eine Anreicherung des seltenen Elementes statt- 
findet. Der Gesamtrückstand wird schließlich in Salpetersäure aufgenommen. 
Aus der Lösung wird das Indium mit Natriumhydrosulfit kochend gefällt. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 


Indium färbt die Bunsenflamme blauviolett. Im Spektroskop erblickt 
man eine blaue und eine violette Linie. (Vgl. Spektraltafel S. 296.) 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 


1. Ammoniak fällt weißes Indiumhydroxyd In(OH),, das in Kalilauge 
löslich ist. 
2. Natriumhydrosulfit fällt beim Kochen basisches Indiumsulfit 
In; (SO;); + In O0, + 8H, 0. 
Beryllium. 
Beryllium tritt in seinen Verbindungen nur zweiwertig auf. Es bildet 
sowohl Kationen wie Anionen. Die zweiwertigen Berylliumverbindungen 


besitzen große Ähnlichkeit mit denen des dreiwertigen Aluminiums. Das 
Berylliumoxyd BeO ist weiß, in Säuren leicht löslich. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege 
sind beim Beryllium nicht charakteristisch. 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 


1. Ammoniak fällt weißes Berylliumhydroxyd Be(OH),, dem Aussehen 
nach dem Aluminiumhydroxyd ähnlich, löslich in Salzsäure. 

2. Kaliumhydroxyd fällt weißes. gallertartiges Berylliumhydroxyd, 
im Überschuß des Fällungsmittels als Kaliumberylliat Be(OK), löslich. 

3. Ammoniumkarbonat fällt weißes Berylliumkarbonat, leicht 
löslich im Überschuß des Fällungsmittels, durch Kochen wiederum als 
basisches Karbonat abgeschieden. (Unterschied von Aluminium.) 

4. Zur Trennung des Berylliumhydroxyds vom Aluminiumhydroxyd 
bedient man sich des unterschiedlichen Verhaltens der Hydroxyde in 
Äthylamin!) (Aluminiumhydroxyd ist im Überschuß löslich, Beryllium- 
hydroxyd nicht) oder des umgekehrten Vorgangs in zehnprozentiger 
Natriumhydrokarbonatlösung 2) (Berylliumhydroxyd wird gelöst, Alu- 
miniumhydroxyd nicht). 

5. Kaliumsulfat gibt mit Berylliumsulfat eine schön kristallisierte 
Doppelverbindung, löslich in konzentrierter Kaliumsulfatlösung. 


Die seltenen Erden. 


Unter der Bezeichnung der „seltenen Erden“ faßt man die Oxyde 
der nachstehenden 18 Elemente zusammen: 


!) €. Renz, Ber. d. Deutschen Chem. Ges. Bd. 36. S. 2753 (1903). 
?) Parson, Journ. of the Amer. Chem. Soc. Bd. 28. S. 1590 (1906). 


280 Rudolf Hanslian. 


Seandinmk NEE II USE Gadolinium 72 Er Ir BEE 
Yıttrıum ASPIRE TR Terbium@eme WR I] 
Zr konmmı. WS el ARZT Dysprosiumo 0.0 222 2.. D% 
Lanthan Aa Era Holmiumsd au (8, 2. 210 
Gern woke Erbium% ee... sadse 10a 
Praeseodym 4... 4.8: eb Tinlium oa 345 namla 
Neodym. „2 Reed Ntterbiuun 2.0 a 
Samarium I. Kar eReesın Tutettumr REN en 
Buropiumn Re Thorium TERr AA GERFETh 


Die Elemente sind in dieser Reihenfolge mit steigendem Atomgewicht 
geordnet. Scandium beginnt die Reihe mit der Größe 441, Thorium be- 
schließt sie mit 232°4. Mit Ausnahme von Zirkonium und Thorium sind 
sämtliche Elemente in ihren Verbindungen dreiwertig, ihre Oxyde zeigen 
demnach die Formel R,O,. Ger bildet zwei Oxyde, das dreiwertige 0, OÖ, 
und das vierwertige Ce0,. Zirkonium und Thorium treten dagegen nur 
vierwertig auf und besitzen daher nur Oxyde nach dem Typus RO,. 

In ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften ähneln sich 
sämtliche Vertreter der seltenen Erden in hohem Maße untereinander. 
Mit nur wenigen Ausnahmen findet man bei sämtlichen Elementen über- 
haupt keine prinzipiellen Unterschiede, sondern meist nur geringe Ver- 
schiedenheiten der Affinitäten und Löslichkeiten der analogen Verbin- 
dungen. Diese Ähnlichkeit hat ihren Grund in dem Zusammenvorkommen 
in der Natur. Die Mineralien, aus denen die seltenen Erden isoliert werden. 
enthalten niemals einzelne Vertreter, sondern stets ganze Gruppen dieser 
Elemente. Man hat von diesem Gesichtspunkte aus eine Einteilung der 
seltenen Erden nach dem natürlichen System eingeführt und unterscheidet 
demzufolge zwischen Ceriterden nach dem Mineral Cerit und Yttererden 
nach dem Mineral Ytterit oder Gadolinith. Außer diesen beiden Haupt- 
‚gruppen kennt man noch Untergruppen der Yttererden, die Terbin-, 
Erbin- und Ytterbinerden. Die Gruppierung ist demnach folgende: 


Elemente der ÜÖeriterden: 


Lanthan, 
ler, 
Praeseodym, 
Neodym, 
Samarium 
Elemente der Yttererden. 
Scandium, 
Yttrium. 
| Europium, 
Terbinerden | Gadolinium, 
Terbium. 


Die Analyse der seltenen Elemente. 281 


Dysprosium, 
Holmium, 
Erbium, 
Thulium. 

[| Ytterbium, 

| Lutetium: 


Erbinerden 


Ytterbinerden 


Der Name „Erden“ weist auf die nahe Verwandtschaft dieser Ele- 
mente mit den Erdalkalien Calcium, Baryum, Strontium und Magnesium 
hin. Sie sind mit Ausnahme von Zirkon- und Thorerde relativ starke 
Basen und bilden auch mit schwachen Säuren, wie Kohlensäure, neutrale 
Salze. Aus Ammonsalzen setzen sie Ammoniak in Freiheit, selbst von 
schwachen Säuren werden sie leicht gelöst. Von ihren Salzen sind die 
Nitrate und Haloide — mit Ausnahme der Fluoride — sowohl in Wasser 
wie auch in Alkohol leicht löslich. 


Gemeinsame Reaktionen der Üerit- und Yttererden. 


1. Ammoniak und Natronlauge fällen die seltenen Erden auch 
bei Anwesenheit von Ammonsalzen völlig als Hydroxyde, im Überschuß 
des Fällungsmittels nicht löslich. 

2. Wasserstoffsuperoxyd fällt bei Zusatz von Alkalilauge sämt- 
liche Erden als gelatinöse Peroxydhydrate. Thorium und Zirkonium werden 
auch aus neutraler und schwach saurer Lösung gefällt. 

3. Schwefelammon fällt wie Ammoniak die Hydroxyde, Schwefel- 
wasserstoff in saurer Lösung ist ohne Einwirkung. 

4. Fluorwasserstoff oder Fluoride fällen die seltenen Erden 
sowohl aus neutraler wie saurer Lösung als Fluoride aus. (Wichtig zur 
Trennung von anderen Elementen.) 

5. Oxalsäure fällt auch aus stark mineralsaurer Lösung die ent- 
sprechenden Oxalate vollständig. Mit Ausnahme des Zirkoniumoxalats sind 
die Oxalate sämtlicher seltenen Erden in Wasser, in Säuren, sowie auch 
im Überschuß des Fällungsmittels selbst schwer löslich. Die Oxalsäure ist 
demnach das wichtigste Gruppenreagens auf seltene Erden. 


Lanthan. 


Das Lanthan bildet nur ein Oxyd von der Zusammensetzung La, O;. 
das sich auch nach starkem Glühen leicht in Säuren zu einem farblosen 
Salze löst. Lanthansulfat ist nur in eiskaltem Wasser löslich. Erwärmt man 
eine so gesättigte Lösung auf etwa 30°, so erfolgt eine reichliche Salzaus- 
scheidung (Unterschied von Üer). Die Reinheit desOxyds erkennt man an der 
völlig weißen Farbe, durch Didymbeimengungen erscheint es fleischfarben. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 


Lanthansalze geben kein Absorptionsspektrum. 


282 Rudolf Hanslian. 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 


Versetzt man eine verdünnte essigsaure Lösung von Lanthansalzen 
in der Kälte mit Ammoniak, so erhält man ein schleimiges, schlecht 
filtrierbares Hydroxyd. Bestreut man den ausgewaschenen Niederschlag 
mit etwas festem Jod. so entsteht eine die ganze Masse allmählich 
durchziehende Blaufärbung, äußerlich der Jodstärke ähnelnd (spezifische 
Reaktion des Lanthans). 

Ver. 

Das Cer ist in den Cerosalzen dreiwertig, in den Cerisalzen vier- 
wertig. Die ersteren sind weiß, die letzteren orangerot. In neutralen oder 
sauren Lösungen ist das Ceroion beständiger, in alkalischen das Üeriion. 
Zur Prüfung auf Reinheit des Cers ist charakteristisch, daß ein durch 
langes Glühen aus Ceroxalat oder Cernitrat erhaltener Gerdioxyd grauweiß 
bis gelblichweiß, aber nicht rötlichweiß sein mul. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 


Die Oxydationsperlen des Phosphatsalzes wie des Borax sind in der 
Hitze rotgelb, in der Kälte blaßgelb gefärbt. Die Reduktionsperle ist farblos. 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 


l. Cerosalze gehen beim Kochen der Lösung mit Salpetersäure 
und Bleisuperoxyd in Cerisalze über, was sich durch Gelbfärbung der 
Flüssigkeit zu erkennen gibt. (Unterschied von Lanthan und Didym.) 

2. Fügt man zu einer neutralen oder schwach sauren Lösung eines 
Cersalzes Ammonacetatlösung und Wasserstoffsuperoxyd und erwärmt 
das Ganze auf etwa 50° so scheidet sich ein brauner Niederschlag von 
Gerperoxydacetat ab. Durch Ammoniakzusatz kann die Abscheidung voll- 
ständiger gemacht werden. (Sehr empfindlich und charakteristisch.) ?) 

3. Mit Kaliumsulfat geben Cerosalze ein schwer lösliches Doppel- 
salz von der Zusammensetzung K, Ce (SO,);. 

4. Mit stark ammoniakalischen Silbersalzlösungen geben Cero- 
salze beim schwachen Erwärmen aus konzentrierten Lösungen einen tief- 
schwarzen Niederschlag, in sehr verdünnten Lösungen entsteht nur eine 
braunschwarze Färbung. Die Reaktion beruht auf einer Adsorptionsver- 
bindung von Silberoxydul und Cerihydroxyd.?) 


Zirkonium. 
Das Zirkonium bildet nur Verbindungen vom vierwertigen Typus. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 
Zirkonoxyd ZrO, ist unschmelzbar in der Knallgasflamme (Unter- 
schied von den übrigen Erden) und leuchtet daher sehr stark. 


!, Hartley, Journ. Chem. Soc. Bd. 41. S. 202 (1882). 
2) Biltz und Zimmermann, Berl: Ber. Bd. 40. S. 4980 (1907). 


Die Analyse der seltenen Elemente. 283 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 


1. Bei tropfenweisem Zusatz von Oxalsäure- oder Ammonoxalat- 
lösung entsteht an der Einfallstelle eine weiße Fällung, die beim Umrühren 
wieder verschwindet. Die Löslichkeit des Oxalats in überschüssiger Oxal- 
säure unterscheidet das Zirkonium von sämtlichen anderen seltenen Erden. 
da sowohl die Oxalate der Cerit- und Yttererden wie auch das des Tho- 
riums in überschüssiger Oxalsäure nahezu unlöslich sind. 

2. Fluorwasserstoffsäure erzeugt keine Fällung. Die Löslichkeit 
des Zirkonfluorids in überschüssiger Flußsäure und Alkalifluoriden ist 
in gleichem Male außerordentlich charakteristisch und dient zur Unter- 
scheidung von Ceriterden, Yttererden und Thorium, deren Fluoride im 
Überschuß des Fällungsmittels unlöslich sind. 

3. Kurkumapapier, mit der salzsauren Lösung eines Zirkonsalzes 
befeuchtet und im Wasserbade getrocknet, färbt sich orangerot. 

4. Zur eindeutigen Identifizierung des Zirkons verfährt man nach 
Ruer!) folgendermaßen: Das mittels Ammoniak gefälite Hydroxyd wird 
möglichst vom Filter abgetrennt und in Salzsäure gelöst. Sehr geringe 
Mengen Hydroxyd löst man mit verdünnter Salzsäure direkt auf dem 
Filter. Die Lösung muß jedoch dann nochmals filtriert werden, da Zirkon- 
chlorid und heiße Salzsäure Filtrierpapier lösen. Die salzsaure Lösung wird 
im Wasserbade fast zur Trockene verdampft, und der Rückstand mit 
möglichst wenig Wasser aufgenommen. Nach dem Erkalten wird tropfenweise 
konzentrierte Salzsäure hinzugesetzt, wodurch bei Anwesenheit von 
Zirkon einreichlicher Niederschlag von ZirkonoxychloridZr OC],.SH, O entsteht. 
Man bringt das Salz durch Erwärmen wieder in Lösung und läßt erkalten. 
Nach einiger Zeit kristallisieren die feinen, seidenglänzenden Nadeln des 
Oxychlorids aus. Bei etwaigen Zweifeln sind Parallelversuche mit einem 
Zirkonsalz anzustellen. 


Thorium. 


Das Thorium ist in seinen Verbindungen vierwertig. Die Reaktionen 
des Thoriumions zeigen große Ähnlichkeiten mit denen des Zirkoniums 
und Yttriums. Es werden nachstehend nur die für Thorium allein charak- 
teristischen Nachweise angeführt, über die gemeinsamen Reaktionen ver- 
gleiche die nachstehende Übersichtstabelle. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 

Keine. 

b) Reaktionen auf nassem Wege. 

1. Hat man die gesamte Gruppe der seltenen Erden aus saurer 
Lösung mit Oxalsäure, wobei Zirkonium als Zirkoniumoxalsäure in Lösung 
geht, gefällt, so kann man durch Extrahieren des Niederschlags mit ge- 
sättigter Ammonoxalatlösung das Thoriumoxalat herauslösen. Es geht 


1) Zeitschr. f. anorg. Chemie. Bd. 46. S. 456 (1905). 


Rudolf Hanslian. 


284 


Vergleichende Übersicht der wichtigsten Reaktionen der Cerit- und Yttererden, sowie des Zirkoniums und Thoriums.') 


? N Cer Cer Ceriterden j 
Be swertig 4wertig außer (er Skandium 
fällt Hydroxyd, 
welchessich un- 
Amm 0- ter Gelbfärbung fällt gelbes fällt Hydroxyd | fällt Hydrozyd 
niak an der Luft zu Hydroxyd \ . , 


Natrium- 
acetat 


thiosulfat 


Natrium- 


4wertigem Üer 
oxydiert 


fällt nicht 


fällt basisches 
Acetat 


fällt nicht 


fällt basisches 
Acetat 


fällt nicht 


füllt Hydroxyd 


fällt nicht 


Fluor- 
wasser- 
stoff- 
säure 


fällt Fluorid, 
unlöslich in 
Alkalifluorid 


fällt Fluorid, 
unlöslich in 
Alkalifluorid 


fällt basisches 
Thiosulfat 


fällt Fluorid, 


löslich in Alkali- 
fluorid, schwer 
löslich in Säuren 


Yttererden 
außer Skandium 


Zirkonium 


'Thorium 


fällt Hydroxyd 


fällt nicht 
fällt nieht 


fällt Fluorid, 
unlöslich in 
Alkalitluorid 


fällt Hydroxyd 


fällt Hydroxyd 


fällt Hydroxyd 


fällt Flaorid, 
leicht löslich 
in Alkalifluorid 


Jod- 


säure 


Oxal- 
Aure 


fällt Jodat, 
leicht löslich 
in Salpetersäure 


fällt Jodat, 
schwer löslich 
in Salpetersäure 


fällt Jodat, 
leicht löslich in 
Salpetersäure 


fällt Oxalat, in 
Säuren und in 
Ammonoxalat 
schwer löslich 


wird reduziert 
zu Bwertigem 
Ger 


Wasser- 
stoff- 
super- 
oxyd 


mit Ammoniak 
Fällung von 

braunem Per- 
oxydhydrat 


wird zu 3werti- 
gem Ger redu- 
ziert und gibt 
dann mit Ammo- 
niak gleiche Re- 
aktion 


wie Zwertiges 
ler 


in neutraler und 
saurer Lösung 


In 


keine Fällung 


fällt Jodat, 
löslich in 
Salpetersäure 


fällt Oxalat, in 
Säuren schwer 
löslich, in 
Ammonoxalat 
leicht löslich 


in neutraler und 
saurer Lösung 


Xu 


keine Fällung 


fällt Jodat, 
leicht löslich 
in Salpetersäure 


wie 3wertiges 
Ger 


a m nu ne 


fällt Jodat, bei Überschuß von Jod- 
iure schwer löslich i.Salpetersäure 


fällt Oxalat, un- 
löslich in Was- 
ser, löslich in 
Oxalsäure, Am- 
monoxalat und 
Mineralsäuren 


fällt Fluorid,un- 


| fällt Oxalat, in 


fällt Hydroxyd 


fällt basisch 
Acetat 


fällt basisches 
Thiosulfat 


löslich in Alkali- 
fluorid, schwer 
löslich in Säuren 


Säuren sehr 
schwer löslich, 
inAmmonoxalat 

leicht löslich 


in neutraler und 
saurer Lösung 
keine Fällung 


Enke, Stuttgart 1912. Das Werk ist zum Spezialstudium auf diesem Gebiete warm zu empfehlen. 


aus Sulfat- und 
Nitratlösung 

Fällung erst auf 
Zusatz von 
Ammoniak 


Füllung des Per- 
oxydhydrats in 
neutraler und 
schwach saurer 
Lösung 


') Mit teilweiser Benutzung der Tabellen in Meyer und Hauser, „Analysen der seltenen Erden und der Erdsäuren“. Verlag Ferdinand 


eu 


Die Analyse der seltenen Elemente. 285 


hierbei ein Teil der Yttererden mit in Lösung. Säuert man alsdann mit 
Salzsäure an, so fällt Thoriumoxalat, wenn es nicht in zu kleinen 
Mengen vorhanden war, aus. 

2. Versetzt man eine neutrale oder schwachsaure Thoriumlösung 
mit 10°/, Wasserstoffsuperoxyd bei etwa 60°, so scheidet sich ein 
durchsichtiger, gelatinöser Niederschlag von Thoriumhydrogenoxydat, löslich 
in Mineralsäuren, ab (sehr charakteristisch). 

3. Aus neutraler Lösung wird alles Thorium durch eine Lösung von 
stickstoffwasserstoffsaurem Kalium (Kaliumnitrid) in der Siede- 
hitze gefällt. 


Titan. 
Von den verschiedenen Wertigkeitsstufen des Titans interessiert uns 
hier nur die vierwertige, deren Salze sich vom Titanoxyd TiO, ableiten. 


Dieses wichtigste Oxyd hat amphoteren Charakter und neigt zur Bildung 
kolloidaler Lösungen. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 


Die Phosphorsalzperle ist in der Oxydationsflamme farblos, in der 
Reduktionsflamme in der Wärme gelb, in der Kälte violett. Zusatz von 
Eisensalzen erzeugt eine blutrote Färbung. 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 


1. Versetzt man eine schwefelsaure oder salzsaure Lösung von Titan- 
säure mit Wasserstoffsuperoxyd, so färbt sie sich orangerot, bei An- 
wesenheit geringer Titanmengen hellgelb. Fluorwasserstoff verhindert die 
Reaktion, Vanadinsäure gibt mit Wasserstoffsuperoxyd eine ähnliche Färbung. 

2. Durch Reduktionsmittel (Zink mit Salzsäure oder Schwefel- 
säure) werden titansaure Lösungen intensiv violett gefärbt. 

3. Ein außerordentlich charakteristischer und empfindlicher Titan- 
nachweis wird durch das Natriumsalz der Chromotropsäure (1,8 Di- 
oxynaphthalin — 2, 4 Disulfosäure) bewirkt. Salzsaure und schwefelsaure Titan- 
säurelösungen geben mit diesem Reagens, bei Abwesenheit freier Salpeter- 
säure, eine intensiv blutrote Färbung. (Wichtigste Erkennungsreaktion.) 


Tantal. 


Das Tantal bildet gleich dem anschließend besprochenen Niob ein 
Oxyd von der Formel R,OÖ, mit ausgesprochen saurem Charakter. Die 
Verbindungen des Tantals zeigen mit denen des Niobs so große Ähnlich- 
keiten, daß die Trennung und Unterscheidung der beiden Elemente ziem- 
liche Schwierigkeiten bietet. Aus diesem Grunde soll hier in erster Linie 
auf die wichtigsten Reaktionsunterschiede eingegangen werden. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 


Die Phosphorsalzperle ist sowohl in der Oxydations- als auch in der 
Reduktionsflamme farblos. Ferrosalze bewirken keine blutrote Färbung. 
(Unterschied von Titan und Niob.) 


286 Rudolf Hanslian. 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 


1. Konzentrierte Schwefelsäure löst frisch gefällte Tantalsäure 
beim Erwärmen auf, beim Verdünnen mit Wasser fällt bereits in der 
Kälte die Tantalsäure wieder aus. (Unterschied von Niobsäure.) 


2. Versetzt man eine konzentrierte Lösung von Tantalsäure in 
Flußsäure mit Kaliumfluorid, so scheiden sich nach einiger Zeit rhom- 
bische Nadeln von Kaliumtantalfluorid 2KF.TaF, ab, beim Erhitzen der 
Lösung fällt ein basisches Salz von der Zusammensetzung 2K, TaF, . Ta, O,. 
Das entsprechende Fluorid des Niobs ist erheblich leichter löslich, infolge- 
dessen kann durch diese Reaktion Tantal vom Niob getrennt werden. 


3. Galläpfeltinktur (Tinctura Gallarum D. A. B. 5 Merck) erzeugt in 
saurer Lösung eine hellbraune Fällung. 


Niob. 


Von den drei bekannten Oxyden des Niobs ist das saure Niobpentoxyd 
Nb, O, oder die Niobsäure das wichtigste. Die Niobsäure zeigt ziemlich kom- 
plizierte Löslichkeitsverhältnisse, in geglühtem Zustande ist sie, wie die 
Tantalsäure, in Mineralsäuren unlöslich. Die Aufschließung der geglühten 
Niobsäuren erfolgt am besten mit Kaliumpyrosulfat, die Schmelze löst 
sich in kaltem Wasser glatt, beim Erhitzen der Lösung scheidet sich 
jedoch die Niobsäure wiederum aus. Über Lösungsmittel frisch gefällter 
Tantal- und Niobsäure vgl. S.292. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 


Die Phosphorsalzperle wird durch Niobverbindungen in der Reduktions- 
tlamme blau bis violett gefärbt, bei Anwesenheit von Eisensalzen erscheint 
sie blutrot (Unterschied von Tantal). In der Oxydationsflamme bleibt die 
Perle farblos. 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 


1. Heiße konzentrierte Schwefelsäure löst Niobpentoxyd. Die 
Lösung bleibt beim vorsichtigen Verdünnen mit kaltem Wasser klar (Unter- 
schied von Tantal). Erst beim Kochen der verdünnten Lösung scheidet 
sich der größte Teil der Niobsäure wiederum ab. 

2. Eine Lösung von Niobsäure und Kaliumfluorid in Fluorwasser- 
stoffsäure bleibt nach dem Verdünnen mit Wasser auch beim Kochen 
klar (Unterschied von Tantal). 

3. Galläpfeltinktur erzeugt in saurer Lösung eine orangerote 
Fällung. 

4. Ein Gemisch von Ammoniak und Ammonsulfid zu gleichen 
Teilen fällt aus schwefelsaurer Lösung das Niob als grünen Niederschlag, 
Ammoniak allein fällt einen weißen Niederschlag. 


Die Analyse der seltenen Elemente. 


28 


Vergleichende Übersicht der wichtigsten Reaktionen der Titan-, Tantal- 
und Niobsäure.!) 


| GER ac Er Bear EEE PRPT DE E DaE  E SE  T HU m NIE mim a a 2 a 


Reagenzien | Titansäure 


Tantalsäure 


Niobsäure 


Alkali- und Kar- 
bonatschmelze 


I 


Bisulfat- 
schmelze 


Säuren 


Flußsäure + | 
Schwefelsäure | 


Natronlauge 


Konzentrierte 
Schwefelsäure 


Schwefelsäure 
+ Wasserstoff- 
peroxyd 


Chlorwasser- 
stoffsäure 


Fluorwasser- 
stoffsäure 


1. Geglühte Oxyde. 


Metatitanate; in 
Wasser unlöslich 


Aufschluß. 
Wasser fällt nach 
längerem Kochen 
vollständig, in der 

Kälte teilweise 


lösen nicht 


Meta- oder Hexa- 

tantalate, Natrium- 

hexatantalat in Na- 
triumkarbonat 
schwer löslich 


Aufschluß. 
Wasser fällt beim 
Kochen vollständig 


lösen nicht 


löst 


löst 


2. Frisch gefällte Hydroxyde. 


unlöslich 


unlöslich 


unlöslich 


leicht löslich 


löst unter Gelb- 
färbung 


löst unvollständig 


löst leicht 


Ammoniak | 
Kalilauge und 


teilweise löslich 


in heißer Säure bis 
auf geringe Spuren 
löslich, beim: Ver- 
dünnen mit Wasser 
ausfällbar 


löst farblos 


löst unvollständig 


löst leieht 


Meta- oder Hexa- 
niobate; in Wasser 
löslich 


Aufschluß. 
Wasser fällt beim 
Kochen vollständig 


lösen nicht 


löst 


unlöslich 
teilweise löslich 


in heißer Säure bis 
auf geringe Spuren 
löslich, beim Ver- 
dünnen mit Wasser 
entsteht eine klare 
Lösung, die erst 
durch Kochen aus- 
fällbar ist 


löst farblos 


löst unvollständig 


löst leicht 


t) Mit teilweiser Benutzung der Tabellen von Meyer und Hauser, „Die Analyse 
der seltenen Erden und der Erdsäuren“. 


288 Rudolf Hanslian. 


Schwefelammongruppe. 


Wolfram. 


Die beständigste und demnach wichtigere Wertigkeitsstufe des Wolf- 
rams ist das Wolframtrioxyd oder die Wolframsäure von der Zusammen- 
setzung Wo0,. Die Verbindungen, welche sich vom Wolframdioxyd W00, 
ableiten, spielen in analytischer Beziehung nur eine untergeordnete Rolle. 
Das Dioxyd ist ein braunes, das Trioxyd ein kanariengelbes Pulver, letz- 
teres verändert seine Farbe beim starken Glühen im Gebläse in Grün. Das 
Wolframtrioxyd kann man unmittelbar durch Glühen von fein zerriebenem, 
metallischem Wolframpulver an der Luft (besser in der Sauerstoffatmo- 
sphäre bei 600°) erhalten. Es ist ein Säureanhydrid und demzufolge in 
Alkalilaugen und in konzentriertem Ammoniak löslich. Am vorteilhaf- 
testen erfolgt sein Aufschluß durch Schmelzen mit Natrium- 
karbonat: beim Lösen der Schmelze in Wasser geht es als Natrium- 
wolframat Na,Wo0, völlig in Lösung. 

Die Wolframsäuren von der Zusammensetzung H,Wo0, und H,W00, 
zeigen amphotere Eigenschaften. Jedoch ist die Säurenatur bei ihnen stärker 
ausgeprägt als der Basencharakter. Durch Kochen mit Salzsäure werden 
sie nahezu quantitativ gefällt. Außer den Salzen dieser beiden Säuren exi- 
stieren noch die sogenannten Metawolframate, die durch einen Mindergehalt 
an Wasser charakterisiert sind. Sie entstehen beim Kochen der Lösungen 
der Wolframate mit Wolframtrioxyd und zeigen gegen Säuren eine größere 
Beständigkeit als jene. Aus ihren Lösungen scheidet sich erst nach län- 
gerem Kochen mit Salzsäure Wolframsäure ab. 

Die Wolframsäuren neigen in hohem Maße zur Bildung von kom- 
plexen Säuren, bemerkenswert in dieser Richtung sind die Silikowolfram- 
säuren und die auch für den Biochemiker wichtigen Phosphorwolframsäuren. 
Die quantitative Bestimmung des Wolframs ist demzufolge bei Anwesen- 
heit von Kieselsäure oder Phosphorsäure mit Schwierigkeiten verbunden. 
Eine weitere Erschwerung der Wolframbestimmungen beruht auf der Nei- 
gung der Wolframsäure, kolloidale Lösungen zu bilden. Zum Auswaschen von 
Wolframniederschlägen muß man daher stets angesäuertes Wasser verwenden. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 


Metallisches Wolframpulver wird bereits beim Erhitzen auf einem 
Platinblech in der Bunsenflamme gelb (Bildung von Wo00,). 

Die Phosphorsalzperle ist in der Oxydationsflamme farblos, in der 
Reduktionsflamme blau. Bei Anwesenheit von Eisensalzen wird sie braunrot. 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 
1. Schwefelwasserstoff gibt in saurer Lösung keine Fällung. 
2. Schwefelammon erzeugt keine Fällung, säuert man aber nach 
Zusatz von Schwefelammon die Wolframatlösung an, so fällt hellbraunes 
Wolframtrisulfit WoS;. 


u NIEDER 


Die Analyse der seltenen Elemente. 289 


3. Salzsäure (sowie auch andere Mineralsäuren) fällen beim 
Kochen aus den Lösungen der Wolframate sofort gelbes Wolframtrioxyd. 
aus Metawolframatlösungen erfolgt die Fällung erst nach längerem Kochen. 

4. Zinnchlorür gibt mit Wolframatlösungen eine gelbliche Fällung, 
die beim Erwärmen unter Zusatz von Salz- oder Schwefelsäure blau wird. 
Die gleiche Erscheinung wird auch durch andere Reduktionsmittel, wie 
Zink oder Zinn plus Säure, bewirkt. 

5. Merkuronitrat fällt aus neutralen Wolframatlösungen weißes 
Merkurowolframat. 


6. Der empfindlichste Nachweis von Wolfram wird durch Jod- 
kalium und Merkuronitrat bewirkt. 

Versetzt man nach Kafka!) eine neutrale, auf Wolfram zu prüfende 
Lösung mit einem Tropfen einer gesättigten Merkuronitratlösung, hierauf mit 
1—1!/, em konzentrierter Salzsäure und einem Überschuß von Jodkalium 
und schüttelt sofort bis zur Lösung des gebildeten grünen Merkurojodids um, 
so zeigt sich bei Anwesenheit von Spuren einer Wolframverbindung eine 
blaue Färbung der Flüssigkeit. Konzentrierte Wolframatlösungen geben einen 
im Überschuß von konzentrierter Salzsäure löslichen, blauen Niederschlag. 
Durch diese Reaktion können noch 0'2 mg Natriumwolframat deutlich nach- 
gewiesen werden. Bei längerem Stehen erfolgt Ausscheidung von Jod, wo- 
durch das blaue Oxyd wiederum oxydiert wird und sich die Flüssigkeit 
gelb färbt. 

Eine gleichzeitige Anwesenheit von Molybdän kann man durch nach- 
trägliches Hinzufügen einiger Tropfen konzentrierter Kaliumrhodanidlösung 
nachweisen. Im gegebenen Fall tritt selbst in den verdünntesten Lösungen 
eine mit Äther ausschüttelbare, orange Färbung auf, in konzentrierter 
Lösung ist die Farbe kirschrot. 


Vanadin. 


Das Vanadin zeigt in seinen Verbindungsverhältnissen große Ähn- 
lichkeiten mit denen des Phosphors und Arsens. Wie der Stickstoff bildet 
es fünf Oxyde, von denen die drei ersten Basenanhydride, die beiden 
letzteren typische Säureanhydride sind: 


BEIN EO:,. VO, VOL NOL. 


Das wichtigste ist das Vanadinpentoxyd V,0,, da man diese Wer- 
tigkeitsstufe in der Regel bei der Aufschließung vanadinhaltiger Stoffe 
erhält. Das Vanadinpentoxyd hat je nach der Herstellungsweise eine braune 
bis rote Farbe. In Wasser ist es sehr wenig löslich, leicht dagegen in Basen 
wie auch in Säuren. Das Vanadintetroxyd V,O, ist ein blaues Pulver, das 
sich in konzentrierten Mineralsäuren unter Bildung von intensiv blau- 
gefärbten Divanadylsalzen löst. Diese Divanadylverbindungen entstehen 


1) Zeitschr. f. analytische Chemie. Bd. 51. S.482 (1912). 
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIIL, 19 


290 Rudolf Hanslian. 


elatt durch Reduktion der höheren Wertigkeitsstufe und dienen wegen 
ihrer schönen blauen Farbe zum charakteristischen Nachweis des Vanadins. 

Ähnlich der Phosphorsäure kennt man auch von der Vanadinsäure 
Ortho-, Meta-, Pyro- und Poly-Verbindungen. Am beständigsten sind 
die Metavanadate. In neutraler Lösung bleibt das Metavanadation unver- 
ändert erhalten, bei Alkalizusatz geht es in das farblose Pyro- (V, O,) und 
durch Säure in das orangefärbige Poly-ion (V,O,,) über. 


a) Reaktionen auf trockenem Wege. 


Die Phosphorsalzperle sieht in der Oxydationsflamme bräunlich- 
gelb, in der Reduktionstlamme grasgrün aus. 

Die Boraxperle wird in der Oxydationsflamme bei schwacher Sättigung 
farblos, bei starker Sättigung gelb, in der Reduktionsflamme grasgrün. 


b) Reaktionen auf nassem Wege. 

1. Schwefelwasserstoff fällt in saurer Lösung kein Sulfid, sondern 
reduziert zu gefärbten Divanadylsalzen. 

2. Schwefelammon bildet mit Vanadinverbindung kirschrotes Sulfo- 

vanadat, beim Ansäuern fällt braunes Vanadinsulfid V; S; 


5* 


3. Ammoniumchlorid (in konzentrierter Lösung oder direkt als 
Pulver) fällt langsam weibes, kristallinisches Ammoniummetavanadat. 

4. Reduktionsmittel (Zink, schweflige Säure) färben saure Vanadat- 
lösungen blau, dann grün und schließlich violett. 

5. Wasserstoffsuperoxyd ruft in neutraler oder schwach saurer 
Vanadatlösung eine charakteristisch rotbraune Farbe hervor, die bei wei- 
terem Zusatz des Reagens wieder verschwindet. 


B. Gang der qualitativen Analyse. 
1. Veraschung, Lösung und Aufschließung. 


Dem Nachweis anorganischer Stoffe bei (Gegenwart von organischen 
Bestandteilen hat eine Veraschung der letzteren vorauszugehen. Diese 
kann entweder auf trockenem!) oder auf feuchtem?) Wege ausgeführt 
werden. In den Fällen, in welchen die Natur des zu ermittelnden, seltenen 
Elements nicht von vornherein bekannt ist, wird man der letzteren 
Methode den Vorzug geben müssen, da Elemente wie Selen und Tellur bei 
der trockenen Veraschung restlos verbrennen. Handelt es sich dagegen 
um Nachweis eines bekannten, nicht flüchtigen Elements, so ist die Ver- 
aschung auf trockenem Wege meist vorzuziehen. 

Die trockene Veraschung hat den Vorzug, daß man mit der erhal- 
tenen Asche direkt Vorprüfungen auf trockenem Wege ausführen kann. 
Man prüft ihr Verhalten in der Bunsenflamme, in der Phosphorsalzperle, 
im Spektroskop und auf der Kohle mit und ohne Sodazusatz. Der auf der 
‘) 


Bd, 3.377;.Bd. 5. 3, 1049, 
)Bd.1. 


( S. 386; Bd. 6. S. 376. 


Die Analyse der seltenen Elemente. 29] 


Kohle vor dem Lötrohr verbleibende Rückstand wird in der im vorher- 
gehenden Abschnitt bei der Einzelbesprechung der Elemente angegebenen 
Weise einer weiteren Untersuchung unterzogen. Erst dann beginnt man 
mit der Lösung und Aufschließung der Asche. Zu diesem Zwecke prüft 
man zunächst eine kleine Menge der feinzerriebenen Analysensubstanz auf 
ihre Lösbarkeit in heißer, konzentrierter Schwefelsäure. Findet eine teilweise 
oder völlige Lösung statt, so verdünnt man nach dem Erkalten vorsichtig mit 
Wasser und beobachtet, ob bereits in der Kälte oder beim Kochen Fällung 
eintritt. (Tantal und Niob.) Zugleich prüft man das Verhalten kleiner Sub- 
stanzmengen in anderen Mineralsäuren: in Salzsäure, in Salpetersäure (Gelb- 
färbung in beiden Säuren durch Wolfram), in Fluorwasserstoffsäure (Lösung 
der Erdsäuren, die seltenen Erden bleiben als unlösliche Fluoride zurück). 

Die verdünnte schwefelsaure, klare Lösung wird auf ihr Verhalten den 
Gruppenreagenzien gegenüber geprüft. 

Der in Säuren unlösliche oder durch Verdünnen der schwefelsauren 
Lösung wiederum gefällte Rückstand wird im Platintiegel mit der drei- 
bis vierfachen Sodamenge (Natr. carb. siec. puriss. Merck oder Kahlbaum) 
geschmolzen und etwa 20 Minuten lang durch ein volles Gebläse im 
Schmelzfluß gehalten. Nach völligem Erkalten löst man die Schmelze im 
Wasser, filtriert gegebenen Falls von dem unlöslichen Rückstand ab und 
prüft die Lösung mittels der Gruppenreagenzien. 

Der auch durch wiederholtes Schmelzen mit Soda unlösliche Rück- 
stand wird mit der fünf- bis sechsfachen Menge wasserfreien Natrium- 
bisulfats gemischt und im Platintiegel langsam bei aufgelegtem Deckel 
erhitzt. Die Temperatur steigert man allmählich bis zur Rotglut und 
erhält die Schmelze etwa 20 Minuten lang im Fluß. Es empfiehlt sich, 
zum Ersatz der ständig entweichenden Schwefelsäure den Tiegel nebst 
Inhalt von Zeit zu Zeit erkalten zu lassen, und darnach einige Tropfen kon- 
zentrierter Schwefelsäure hinzuzugeben. Die erkaltete Schmelze wird im 
Wasser aufgenommen, etwa vorhandene Niob- und Tantalsäure scheiden 
sich hierbei ab. Zur Lösung derselben bedient man sich eines Gemisches 
von 10°/, Schwefelsäure und 3°/, Wasserstoffsuperoxyd!) oder einer Auf- 
lösung von Mannit in Kalilauge. ?) 

Bei der feuchten Veraschung hat man nach vorschriftsmäßiger Aus- 
führung ?) eine Aschenlösung in konzentrierter Schwefelsäure. Man verdünnt 
mit Wasser, kocht bis zur völligen Zersetzung der Nitrosylschwefelsäure und 
behandelt Lösung und Rückstand nun in gleicher, oben angegebener Weise. 


2. Vorprüfung. 


a) Beim Erhitzen im Glühröhrchen. 
Es färben sich: 
Niobsäure und Tantalsäure gelb, 


1) Weiß und Landecker, Zeitschr. f. anorg. Chemie. Bd. 64. S. 65 (1909). 
?) Hauser, Zeitschr. f. anorg. Chemie. Bd. 60. S. 231 (1909). 
DRBd=TS: 3586; Bd. 6. 3. 376. 


19% 


292 Rudolf Hanslian. 


Titansäure gelblichweiß bis bräunlich. 

Selen und Selenverbindungen geben ein schwarzrotes Subli- 
mat. Im schiefliegenden Rohr erhitzt macht sich ein Geruch nach 
faulem Rettig bemerkbar. 

Tellur verbrennt im offenen Rohr unter Bildung von dickem, 
weißem Nebel. 

b) Bei der Prüfung auf Kohle vor dem Lötrohr. 
Es geben: 
(reschmolzene Metallkörner: 
(sold gelbes, duktiles Korn ohne Beschlag. 
Thallium weißes, duktiles Korn mit gelbem Beschlag. 


f Flammenbasis 


Indium weißes, duktiles Korn mit weißem Beschlag. 
Unschmelzbare Metallmassen: 

Wolfram und Molvbdän sowie die Gruppe der Platinmetalle. 
Weiße Schmelzmassen: 

Titansäure und Niobsäure, durch Kobaltnitratlösung grünlich 

gefärbt. 

Tantalsäure, durch Kobaltnitratlösung fleischrot gefärbt. 
Weißen Beschlag ohne Korn: 

Tellur. 
Heparreaktion auf Silber: 

Selen und Tellur. 


Die Analyse der seltenen Elemente. 293 


Beim Behandeln mit Salzsäure: 
Charakteristischen Geruch nach Selen resp. Tellurwasserstoff. 
c) Bei der Prüfung der Flammenfärbung. 
Die nichtleuchtende Bunsenflamme wird gefärbt: 


violett durch Rubidium- und Caesiumsalze, 
durch das Kobaltglas betrachtet rosa 

karminrot durch Lithiumsalze 

intensiv grün durch Thalliumsalze 

blaugrün durch verbrennendes freies Tellur 

kornblumenblau durch verbrennendes freies Selen 

blauviolett durch Indiumsalze 

zeisiggrün durch Molybdänverbindungen. 


d) Bei der Prüfung in der Phosphorsalzperle. 
Die Phosphorsalzperle wird gefärbt durch 


Oxydati 1 
Element | Reduktionsperle in der Kälte | esse 
in der Hitze | in der Kälte 
Molybdän grasgrün bis bläulichgrün farblos farblos 
blau, bei Gegenwart von 
il Eisen bräunlichrot farblos Earblos 
Uran gelb gelbgrün 
Nich blau oder violett, bei Ge- 
genwart von Eisen blutrot farhlos eahlo: 
3 B 4 gelb bis 
Vanadin | braunrot braungelb 
nn violett, bei Gegenwart von { als 
Titan ia heumarot farblos farblos 
Cer farblos rotgelb blaßgelb 
amethystrot mit violettem 
Didym Schimmer, bei Gegenwart farblos farblos 
r, 0) 5. 
von Eisen blutrot 


3. Verhalten zu den Gruppenreagenzien. 


1. Gruppe. 
(Salzsäurefällung.) 


Neutrale oder saure Lösungen versetzt man mit einigen Tropfen 
verdünnter Chlorwasserstoffsäure. Es können hier fallen: 

Thallium als weißes, käsiges Thallochlorid (TaCl). Wolfram als weiße 
Wolframsäure, beim Kochen gelb werdend, Tantal und Molybdän als weiße 
Säuren. Während der größte Teil der Wolframsäure ungelöst zurückbleibt, sind 
die Niederschläge von Tantal und Molybdän im Überschuß der Säure löslich. 


294 Rudolf Hanslian. 


Trennung der ersten Gruppe. 

Der auf dem Filter gut mit salzsäurehaltigem Wasser ausgewaschene 
Niederschlag wird mit heißem Wasser ausgezogen. Wolfram bleibt zurück, 
Thallium und eventuell vorhandenes Blei gehen in Lösung. Das Wolfram 
identifiziert man durch die auf S.290 angegebenen Reaktionen. Das Filtrat 
enet man unter Zusatz von verdünnter Schwefelsäure ein. Hierbei wird 
das Blei als Bleisulfat gefällt, Thallium gibt beim tropfenweisen Zusatz 
von Jodkalium (vgl. S.270) einen gelben Niederschlag. 


2. Gruppe. 
(Schwefelwasserstoffällung in saurer Lösung.) 
Das saure Filtrat des Niederschlags der ersten Gruppe oder die 
Flüssigkeit, in der Salzsäure keinen Niederschlag hervorgerufen hat, sättigt 
man mit Schwefelwasserstoffgas. 
Es können fallen: 
Palladium als schwarzes Sulfür (Pd S) 
Rhodium als braunes Sulfid 
Ruthenium als brauner Niederschlag von unbestimmter 


| in Schwefel- 
Zusammensetzung. Die Flüssigkeit färbt sich zuerst | 


ammon 


unlöslich 
lasurblau 


Osmium als braunes Osmiumdisulfid 

(rold als schwarzbraunes Sulfür (Au, S) oder Sulfid (Au; S;) 
Platin als schwarzbraunes Sulfid (Pt S,) 

Molybdän als braunes Sulfid (MoS,). Die Flüssigkeit 

färbt sich zuerst mit wenig H,S blau in Schwefel- 
Selen als hellgelbes Gemisch von Selen und Schwefel, { ammon löslich 

beim Erwärmen rotgelb werdend 
Tellur als braunes Sulfid etwa TeS, 
Iridium als braunes Trisulfid Ir, S: 

Blaufärbungen können außerdem auch bei Gegenwart von Wolfram 
und Vanadin auftreten. 

Trennung der zweiten Gruppe. 

Die Trennung der Platinmetalle gehört mit zu den schwierigsten 
Aufgaben der analytischen Chemie. Eine Wiedergabe der Methoden an 
dieser Stelle würde den Rahmen biochemischer Arbeitsmethoden über- 
schreiten. Es möge hier der Hinweis genügen, daß ein einwandfreies 
Trennungsverfahren der Platinmetalle von M. Mylius und R. Dietz m 
den Berliner Berichten!) angegeben ist. 

Ähnlich verhält es sich mit den übrigen seltenen Elementen der 
zweiten Gruppe Gold, Molybdän, Selen und Tellur. Auch ihre Trennung 
bietet Schwierigkeiten. Für den Biochemiker wird jedoch nur in den sel- 
tensten Fällen der Nachweis dieser Elemente nebeneinander in Frage 


1) Bd. 31. S. 3187 (1898). 


a 


Die Analyse der seltenen Elemente. 295 


kommen. Es wird sich meistens für ihn nur um die Ermittlung des einen 
oder des anderen Elementes handeln, die er dann unmittelbar mit den im 
vorhergehenden Abschnitt angegebenen Identitätsreaktionen bewirken kann. 
Für besondere Fälle wird auf die von A. A. Noges und W. ©. Bray!) aus- 
gearbeiteten Trennungsmethoden hingewiesen. 


3. Gruppe. 
(Ammoniakfällung.) 


Aus dem Filtrat der zweiten Gruppe oder aus der mit Schwefel- 
wasserstoff gesättigten Lösung verjagt man durch Kochen völlig den 
Schwefelwasserstoff (Prüfung mit Bleiacetatpapier), oxydiert mit einigen 
Tropfen Perhydrol, versetzt mit Chlorammonium und Ammoniak in nicht 
zu großem Überschuß und kocht. 

Hier werden gefällt: 

Uran als gelbes Ammoniumuranat 

Beryllium als weißes Hydroxyd | in Kalilauge | in Ammon- 

Indium als weißes Hydroxyd löslich karbonat 

Zirkonium als weißes Hydroxyd | in Kalilauge löslich 

Thorium als weißes Hydroxyd |) unlöslich 

Sämtliche Elemente der Gerit- und Yttererden teilweise als Hy- 
droxyde, teilweise als basische Salze. 

Titan als weißes Säureanhydrid. 

Tantal als weißes Säureanhydrid oder saures Ammonsalz. 

Niob als weißes Säureanhydrid oder saures Ammonsalz. 


Trennung der dritten Gruppe. 


Der Nachweis der durch Ammoniak ausfällbaren seltenen Elemente 
nebeneinander kann in den meisten Fällen an Hand der Vergleichstabellen 
sowie der spezifischen Reaktionen der einzelnen Elemente (vgl. S.281—287) 
geführt werden. Ausführliche Trennungsmethoden sind von Noyes und 
Bray?) ausgearbeitet worden, auf deren Originalveröffentlichungen hin- 
gewiesen wird. Eine Anzahl bewährter Verfahren zur Trennung der seltenen 
Erden und Erdsäuren ist in Meyer und Hauser, „Die Analyse der seltenen 
Erden und Erdsäuren“ aufgeführt. 


4. Gruppe. 
(Schwefelammonfällung..) 


Zu dem Filtrat der dritten Gruppe oder zu der Chlorammon und 
Ammoniak enthaltenden Flüssigkeit gibt man farbloses oder schwach gelbes 
Schwefelammon und erwärmt. 

Es fallen: 
Thallium als schwarzes Sulfür Tl; S. 


') Journal of the Amer. Chem. Soc. Vol. 29. p. 138 (1907). 

”) 4. A. Noyes, A System of qualitative Analysis including nearly all the metallie 
Elements. Technology Quarterly. Vol. 16. p. 93 (1903); Vol. 17. p. 214 (1904). — 4. A. Noyes 
und W. €. Bray, Journ. Ann. Chem. Soc. Vol. 29. p. 29 (1907). 


296 Rudolf Hanslian. 


Man filtriert ab und versetzt das Filtrat mit Salzsäure. 

Es werden gefällt: 

Wolfram als braunes Sulfid WoS;. 

Vanadin als braunes Pentasulfid und eventuell noch vorhandenes 
Molybdän als braunes Sulfid MoS;. 


Trennung der vierten Gruppe. 

Die Trennung der seltenen Elemente der vierten Gruppe ist ver- 
hältnismäßig einfach. Thallium wird bereits in der ersten Gruppe durch 
Salzsäure völlig, Wolfram zum gröleren Teil abgeschieden. Die Wolfram- 
fällung kann durch wiederholtes Eindampfen mit konzentrierter Salpeter- 
säure (vgl. S. 300) quantitativ bewirkt werden. Molybdän wird aus saurer 
Lösung — am vorteilhaftesten aus schwefelsaurer Lösung — durch 
Schwefelwasserstoff quantitativ gefällt, wenn man die mit Schwefelwasser- 
stoffgas gesättigte Flüssigkeit in einer Druckflasche im Wasserbade erhitzt 
(vel. S. 298), das abgeschiedene Molybdänsulfid abfiltriert und diese Ope- 
ration zweimal wiederholt. Man löst den gut ausgewaschenen Niederschlag 
in Schwefelammon oder in einer Kaliumbisulfatschmelze und weist das 
Molybdän durch die auf S. 274 angegebenen Reaktionen nach. Im Filtrat 
prüft man nach Entfernung des Schwefelwasserstoffs auf Vanadin 
nach S. 289. 

5. Gruppe. 
(Ammoniumkarbonatfällung.) 
Keine Fällung. 
6. Gruppe. 
(Rest.) 
Hier können sich finden: Lithium, Caesium, Rubidium. 


Trennung der sechsten Gruppe. 


Die Trennung dieser drei seltenen Elemente kann durch den Um- 
stand bewirkt werden, daß Lithiumchlorid in absolutem Alkohol oder besser 
in einem Gemisch von Alkohol und Äther löslich ist, die Chloride der 
anderen Kationen nicht. Da sich außer diesen drei Elementen in der 
sechsten Gruppe stets kleinere oder grölere Natrium- und eventuell 
Kaliummengen befinden, führt man die Trennung am vorteilhaftesten 
folgendermaßen aus: 

Man verdampft die Lösung der Chloride fast zur Trockne, verreibt 
mit 90°/,igem Alkohol und filtriert. Die alkoholische Lösung nimmt alles Li- 
thium, Rubidium und Caesium auf, hält aber auch bei Anwesenheit größerer 
Natrium- oder Kaliummengen einen Teil der letzteren in Lösung. In diesem 
Falle wiederholt man den Vorgang und verdampft die nunmehr erhaltene 
alkoholische Lösung zur Trockne. Der Rückstand wird mit konzentrierter 
Salzsäure behandelt, wiederum verdampft, schwach geglüht und nach dem 
Erkalten mit einem Gemisch von Alkohol und Äther mittels Glasstabes 
verrieben. Man filtriert rasch durch ein Filter, das man zweckmäßig 


Rudolf Hanslian, Die Analyse E. Abderhaldens Handbuch, VIII. Bd. 
der seltenen Elemente. Tafel. 


Rubidium 


Thallium 


| 
| 
| 


Indium 


Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Druck von 


Die Analyse der seltenen Elemente. 297 


vorher mit Ätheralkohol angefeuchtet hat, und dampft das Filtrat auf dem 
Wasserbade zur Trockne. Der Rückstand färbt bei Anwesenheit von Li- 
thium die nicht leuchtende Flamme des Bunsenbrenners karminrot. Zu- 
eleich prüft man das Verhalten des Rückstandes im Spektralapparat 
(Spektrum des Lithiums vgl. Bd. V/2. S. 1054). 

Der nach der Behandlung mit Ätheralkohol verbleibende Rückstand 
wird spektroskopisch auf Caesium und Rubidium geprüft. Die sehr charak- 
teristischen Spektren dieser Elemente sind aus der nebenstehenden Spektral- 
tafel ersichtlich. 


II. Quantitative Analyse. 


Gravimetrische Bestimmung des Selens. 


Selen wie auch Tellur werden durch Einleiten von Schwefeldioxydgas 
in schwach salzsaurer Lösung quantitativ gefällt. Es kann auf diese Weise 
eine Trennung dieser beiden Elemente von den Metallen der zweiten Gruppe 
bewirkt werden. Anwesenheit von Salpetersäure und Schwefelsäure verhin- 
dern die vollständige Fällung. 

Jannasch und Müller‘) haben gezeigt, dal sowohl selenige Säure 
wie auch Selensäure durch Hydrazinsulfat?) in schwach salzsaurer Lösung 
glatt zu Selen reduziert werden. Die Brauchbarkeit dieser Methode zur 
quantitativen Bestimmung ist durch Beckmann und Hanslian ?) bestätigt 
worden. 

Man erhitzt die selenit- oder seleniathaltige Lösung auf dem Wasser- 
bade unter Hinzufügung von verdünnter Salzsäure und fällt mit Hydrazin- 
sulfatlösung im geringen Überschuß. Das Ganze läßt man 20—30 Minuten 
— ohne jedoch zu kochen und unter möglichster Vermeidung des Ein- 
dampfens — auf dem Wasserbade bei etwa 60° stehen und filtriert 
durch einen Goochtiegel ab. Von der völligen Ausfällung kann man sich 
durch Zusatz von etwas Hydrazinsulfat zum Filtrat überzeugen. Nach Aus- 
waschen des Niederschlags mit Wasser und absolutem Alkohol trocknet 
man bei 110° im Thermostaten bis zum konstanten Gewicht. 


Gravimetrische Bestimmung des Tellurs. 


Bei der gravimetrischen Bestimmung des Tellurs muß man darauf 
achten, daß die Lösung nicht zu viel freie Salzsäure enthält. Nach Tread- 
well*t) wird eine Lösung von telluriger Säure in 200 cm® Salzsäure vom 
spezifischen Gewicht 1'175 durch Schwefeldioxyd in der Kälte nicht gefällt. 
Verdünnt man aber diese Lösung mit dem gleichen Volumen Wasser und 
leitet Schwefeldioxyd bei Siedehitze ein, so fällt das Tellur quantitativ aus. 


!) Berl. Ber. Bd. 31. S. 2393 (1898). 

2?) J. Meyer empfiehlt Hydrazinhydrat, vgl. Zeitschr. analyt. Chemie. Bd. 53. 
S. 145 (1914). 

3) Zeitschr. f. physikal. Chemie. Bd. 70. S. 1 (1909). 

*) Lehrbuch der analytischen Chemie. Bd. 2. S. 207. 


Rudolf Hanslian. 


N 
Ne) 
So 


Durch Schwefeldioxyd wird nur die Tellurmenge, welche in Form von 
telluriger Säure vorhanden ist. gefällt. Das Tellur zeigt in diesem Falle 
ein dem Selen völlig analoges Verhalten. Durch Hydrazinsulfat läßt sich 
auch die Tellursäure zu Tellur reduzieren.‘) Das abgeschiedene schwarze 
Tellur wird auf einem Goochtiegel gesammelt. mit Wasser bis zum Ver- 
schwinden der Chlorreaktion ausgewaschen und hierauf einige Male mit 
absolutem Alkohol abgesaugt. Man trocknet bei 105° im Thermostaten 
und wiegt. Die geringe Oxydation des T&llurs beim Trocknen beeinträchtigt 
das Analysenresultat nicht. 


Gravimetrische Bestimmung des Molybdäns. 


Molybdänverbindungen werden aus saurer Lösung unter gewöhnlichen 
Bedingungen nicht quantitativ gefällt. Um dies zu erreichen, muß man 
erstensin schwefelsaurer Lösung arbeiten und zweitens die mit Schwefelwasser- 
stoffgas gesättigte Molybdänlösung unter Druck erhitzen. Beim Einhalten 
dieser Bedingungen wird alles Molybdän als Molybdänsulfid abgeschieden. 

Man verfährt folgendermaßen: In einer Druckflasche, die möglichst 
bis zum Rande mit der Analysenflüssigkeit gefüllt ist, sättigt man vor- 
sichtig die mit Schwefelsäure versetzte Molybdänlösung mit Schwefelwasser- 
stoff in der Kälte. Die Flasche wird verschlossen und im Wasserbade bis 
zum völligen Absetzen des goldgelben Niederschlags erhitzt. Man filtriert 
durch einen Goochtiegel, leitet in das Filtrat wiederum Schwefelwasserstoff, 
erhitzt unter Druck und wiederholt diese Operationen, bis keine Abscheidung 
mehr erfolgt. Die auf dem Goochtiegel gesammelten Sulfidniederschläge 
wäscht man zunächst mit schwefelsäurehaltigem Wasser und schließlich 
mit Alkohol bis zum Verschwinden der Schwefelsäurereaktion im Filtrate 
aus. Tiegel mit Inhalt wird im Thermostaten bei 100° getrocknet, alsdann 
mit einem kleinen Uhrglase bedeckt und in einen nicht zu großen Nickel- 
tiegel gestellt. Man erhitzt nun sorgfältig den letzteren über der Spar- 
flamme eines Bunsenbrenners, wobei unter schwacher Glüherscheinung das 
Molybdäntrisulfid zu Molybdäntrioxyd verbrennt. Sobald der Geruch von 
Schwefeldioxyd verschwunden ist, entfernt man das Uhrglas und erhitzt 
bei offenem Tiegel in der Weise weiter, dab der Boden des Nickeltiegels 
in schwaches Glühen gerät. Man wägt als Mo0,. 


Gravimetrische Bestimmung des Urans. 


Man fällt das Uran aus seinen Lösungen in der Hitze mit Ammoniak 
als Ammoniumuranat. Der Niederschlag wird auf ein quantitatives Filter 
gebracht, mit ammoniakhaltigem Wasser ausgewaschen und getrocknet. Man 
trennt den Niederschlag vom Filter, verascht letzteres in einem gewogenen 
Platintiegel und oibt alsdann die Hauptmenge des Niederschlages hinzu. 

Das Ammoniumuranat läßt sich nun in zweierlei Weise bestimmen, 
entweder durch Überführung in das Oxyd U0,.2U0, = U,0,. welches 


1) Jannasch und Müller, a. a. 0. 


i 
| 


nn 


De UST 


a Se 


Die Analyse der seltenen Elemente. 999 


man als Uranat des Uranoxyduls auffassen kann, oder durch eine weitere 
Überführung in das Oxydul UO,. In beiden Fällen kommt man zu rich- 
tigen Resultaten. Die erstere Verbindung entsteht, wenn man den Nieder- 
schlag im Platintiegel an der Luft oder besser im Sauerstoffstrome stark 
glüht, die Oxydulform erhält man durch weiteres Glühen des schmutzig- 
grünen Uranoxyduluranats über dem Teclubrenner oder vor dem Gebläse 
im Wasserstoffstrom bis zum konstanten Gewicht als braunes Pulver. 


Gravimetrische, Bestimmung des Zirkoniums. 


Die quantitative Bestimmung des Zirkoniums ist bei Abwesenheit 
von Thorium außerordentlich einfach. Man kocht die salz- oder salpeter- 
saure Zirkonlösung mit einem geringen Überschuß von konzentrierter 
Natriumthiosulfatlösung. Das Zirkonium wird dabei völlig als Hydroxyd 
gefällt. Etwa vorhandene dreiwertige Erden sowie auch Eisen bleiben in 
Lösung, dagegen würde Thorium in gleicher Weise ausgefällt werden. 
Den Niederschlag bringt man auf ein quantitatives Filter, wäscht sorg- 
fältig mit heißem Wasser aus, glüht bis zur Konstanz und wägt als Zr O,. 


Kolorimetrische Bestimmung des Titans. 


Mit Wasserstoffsuperoxyd geben die geringsten Mengen Titan in 
saurer Lösung eine Gelbfärbung. So färbt sich nach Weller!) 1 cm einer 
stark schwefelsauren Titansäurelösung durch einige Tropfen Wasserstoff- 
superoxyd noch bei einem Gehalt von 0'1 mg Titansäure sehr deutlich 
hellgelb. Es zeigen nur wenige andere Substanzen, beispielsweise Eisen, 
Chrom, Vanadin und Molybdän, in saurer Lösung ein ähnliches Verhalten. 
Sie dürfen daher bei dieser Bestimmung nicht vorhanden sein. 

Zur Ausführung der kolorimetrischen Methode bedient man sich 
Vergleichslösungen, welche in einem Kubikzentimeter 0'002 9, 0'001 g. 
00005 g usw. bis 0'00005 g Titansäure enthalten. Dieselben stellt man aus 
abgewogenen Mengen reinen Titanfluorkaliums, welches man mit viel 
Schwefelsäure im Tiegel zersetzt hat, dar. Nach Zusatz von Wasserstoff- 
superoxyd wird die Lösung auf ein bestimmtes Volumen gebracht: durch 
Verdünnen derselben erhält man die Vergleichslösungen. 

Die hellgelben Farbentöne sind zum Vergleich am besten geeignet. 
Schwefelsäure und Wasserstoffsuperoxyd in ziemlich großem Überschuß 
beeinflussen die Genauigkeit der Bestimmung nicht, von Schwefelsäure ist 
sogar ein reichlicher Überschuß zum Gelingen der Reaktion erforderlich. 
Dagegen wirkt die Anwesenheit von Fluorwasserstoff und auch von 
Phosphorsäure auf die Intensität der Gelbfärbung schwächend ein. 


Gravimetrische Bestimmung des Wolfirams. 


In einer genügend großen Porzellanschale versetzt man die nach 
Möglichkeit eingeengte Wolframatlösung mit dem gleichen Volumen 


‘) Weller, Ber. d. Deutschen chem. Ges. Bd. 15. S. 2593 (1882). 


300 Rudolf Hanslian. Die Analyse der seltenen Elemente. 


konzentrierter Salpetersäure (spez. Gew. 12) und erhitzt bis zur deut- 
lichen Gelbfärbung der abgeschiedenen Wolframsäure zum Sieden. Die 
überstehende Flüssigkeit wird durch ein quantitatives Filter gegossen, und 
der Niederschlag in der Porzellanschale dreimal durch Dekantieren mit 
einem (remisch von gleichen Teilen Salpetersäure und Wasser ausgewa- 
schen. Man bringt den Niederschlag auf das Filter und wäscht mit der 
verdünnten Salpetersäure so lange aus, bis einige Tropfen des Filtrats 
beim Verdampfen auf dem Platinblech keinen wägbaren Rückstand hinter- 
lassen. Zur Entfernung der Salpetersäure wäscht man schließlich zweimal 
mit einer neutralen, 5°/,igen Ammoniumnitratlösung nach. Das Filtrat nebst 
Waschwasser dampft man in einer kleinen Porzellanschale ein, fügt wenig 
Ammoniak hinzu und verdampft wiederum zur Trockne. Den zweiten 
vüickstand löst man in sehr wenig Wasser, fügt ein gleiches Volumen kon- 
zentrierter Salpetersäure hinzu, kocht und filtriert durch ein zweites 
kleineres Filter. Man wäscht den Niederschlag in gleicher Weise mit ver- 
dünnter Salpetersäure und darauf mit Ammoniumnitratlösung aus. 

Die Niederschläge werden getrocknet, die Filter getrennt an der 
Platinspirale verascht, und die Gesamtmenge in einem offenen Platintiegel 
über dem Teelubrenner bis zur Konstanz geglüht. Der Rückstand soll eine 
rein gelbe Farbe aufweisen, durch stärkeres Glühen wird er grünlich. 

An Stelle von Salpetersäure zur Abscheidung der Wolframsäure aus 
Wolframatlösung kann man sich auch konzentrierter Schwefelsäure be- 
dienen. Die auf diese Weise erzielten Analysenwerte sollen nach Treadıivell 
einwandfrei sein. Man verfährt alsdann folgendermaßen: 

Das Wolframat wird in einer gerade ausreichenden Menge Wasser in der 
Wärme gelöst. Man fügt — am vorteilhaftesten in einer großen Platinschale — 
vorsichtig 5 cem3 konzentrierter Schwefelsäure hinzu, erhitzt unter bestän- 
digem Umrühren mit einem Platinspatel bis zum Auftreten der dicken 
Schwefelsäuredämpfe und gibt alsdann einige Tropfen konzentrierter Sal- 
petersäure hinzu. Darauf läßt man erkalten. Nun verdünnt man mit der 
dreifachen Menge Wasser, filtriert durch einen Goochtiegel oder besser 
Neubauer-Platintiegel und wäscht mit verdünnter Schwefelsäure (1 Teil 
Schwefelsäure + 4 Teile Wasser) aus, bis einige Tropfen des Filtrats beim 
Verdampfen auf dem Platinblech keinen Rückstand hinterlassen. Zur Ent- 
fernung der Schwefelsäure wäscht man zwei- bis dreimal mit absolutem 
Alkohol nach. Den Rückstand behandelt man in obiger Weise. 


Feststellung der ester(bzw. fett)spaltenden Wirkung 
des Blutes und anderer Körperflüssigkeiten mittelst 
der „Tropfmethode‘. 


Von P. Rona, Berlin. 


Die „Tropfmethode“ zur Feststellung der esterspaltenden Wirkung 
des Blutes und anderer Flüssigkeiten beruht auf folgendem Prinzip.!) Die 
Ester, namentlich die hier in Betracht kommenden Glyzerinester, gehören zu 
den stark „oberflächenaktiven“ Körpern, d. h. sie erniedrigen die Oberflächen- 
spannung des Wassers ganz bedeutend. Die Spaltprodukte, das Glyzerin 
und die entstandenen Na-Salze der niederen Fettsäuren sind hingegen 
fast ohne Einfluß auf die Oberflächenspannung des Wassers. Lassen 
wir also eine Flüssigkeit (z. B. Blut), die das den Ester spaltende Ferment 
enthält, auf eine wässerige Lösung eines Glyzerinesters einwirken, so 
können wir im Verlaufe der Spaltung eine Änderung der Oberflächen- 
spannung feststellen: je mehr die Menge der Spaltprodukte zunimmt, desto 
geringer wird die Erniedrigung der Oberflächenspannung, um zum Schluß 
(fast) den Wert der Oberflächenspannung des reinen Wassers zu erreichen. 
Am bequemsten kann nun diese Oberflächenspannung gemessen werden, 
indem man nach J. Traube die Tropfen zählt, die beim Entleeren eines 
gewissen Volumens der Flüssigkeit aus einer Kapillarröhre gebildet 
werden.?) 

Als Kapillare kann man die von Traube konstruierten Stalagmo- 
meter benutzen. Bei Untersuchung der fermentativen Spaltung ist indes 
die relative langsame Ausflußzeit bei dem Traubeschen Stalagmometer 
äußerst störend, so daß es vorteilhafter ist, nach Rona und Michaelis 
eine einfache, nicht gebogene, kapillar zulaufende Röhre (Fig. 99), die in der 
Mitte eine kugelförmige Ausbauchung hat, zu benutzen. An der Röhre sind, 


!) P. Rona und L. Michaelis, Über Ester- und Fettspaltung im Blute und im 
Serum. Biochem. Zeitschr. Bd. 31. S. 343 (1911). — P. Rona, Über Esterspaltung in den 
Geweben. Ebenda. Bd. 32. S.482 (1911). 

?) Auf die Theorie dieses Vorganges gehen wir hier nicht ein, da diese von 
J. Traube bereits so weit nötig in diesem Werke behandelt worden ist. Vgl. Arbeits- 
methoden. Bd. 5. S. 1357 (1912). In seiner Arbeit ist auch die sonstige, vielseitige bio- 
logische Anwendung der stalagmometrischen Methode erörtert. In diesem Beitrag ist 
nur die Bestimmung der Fettspaltung behandelt. 


302 P. Rona. 


oberhalb und unterhalb der Ausbauchung Marken angebracht), und man zählt 
die Tropfen, die beim Ausfließen des von den Marken eingeschlossenen 
Volumens der Flüssigkeit gebildet werden. Die Ausflußzeit bei diesen 
Pipetten beträgt etwa 60 Sekunden. Bei Verminderung der Oberflächen- 
spannung wird die Tropfenzahl größer; bei Rückgang der Erniedrigung 
ist sie geringer. Man hat somit in der Zahl der Tropfen ein relatives 
Maß der Oberflächenspannung. Für Wasser haben die käuflichen Tropf- 
pipetten?) eine Tropfenzahl von 90—100. Jede einzelne Pipette muß für 
den als Substrat angewandten Ester besonders „geeicht“ werden (s. u.). 
Der einfache Apparat bezweckt nur vergleichbare Zahlen für die Ober- 


Fig. 98. 


flächenspannung verschiedener Flüssigkeiten oder derselben Flüssigkeit 
während des fermentativen Prozesses zu gewinnen und ist hierfür vortrefflich 
geeignet. 

Was die Zählung der Tropfen anlangt, so können diese, da deren 
Zahl während der Ausflußzeit (ca. 1 Minute) 200 kaum überschreitet, 
meist sich nur um etwa 150 bewegt, bequem notiert werden, etwa so, dab 
man bei der Zählung nach jedem zehnten Tropfen einen Strich auf ein 
vorgelegtes Papier macht. Bei vielen Messungen wird natürlich eine me- 
chanische Registrierung von Nutzen sein, und da kann man entweder den 

'‘) in der Figur sind die Marken versehentlich weggeblieben. 

?) Sie werden von den Vereinigten Fabriken für Laboratorien geliefert. 


Feststellung der ester(bzw. fett)spaltenden Wirkung des Blutes etc. 303 


Tropfenzählautomat mit elektrischem Kontakt nach Traube (Firma Ger- 
hardt) benutzen oder die von Abderhalden und Lampe angegebene Vor- 
richtung), bei welcher die Tropfen auf einen Hebel auffallen. Dieser 
zeichnet die beim jedesmaligen Auftropfen erfolgenden Aufschläge auf 
einer rotierenden Trommel auf. — (Siehe Fig. 100. ce ist ein Strohhalm, g ein 
doppelt rechtwinklig gebogenes Glasröhrchen, Ah ein mit Paraffin über- 
zogenes Deckglas.) — Zur Registrierung der Tropfen ist auch folgendes 
Verfahren recht praktisch. Ein Holzbrett wird mit Linoleum bespannt, das 
durch parallele mit Blaustift gezeichnete Linien in gleichmäßige Quadrate 
von etwa 1!/; cm Seitenlänge geteilt wird. Während des Tropfens wird 
das Brett in langesamem, gleichmäßigem Tempo unter der Kapillare weg- 
gezogen, so dab 
in jedes Quadrat Fig. 100. 
ein Tropfen zu lie- 
gen kommt. Zum 
Schlusse liegen 
sämtliche Tropfen 
auf der Linoleum- 
fläche und ihre 
Zahl kann mit 
einem Blick fest- 
gestellt werden. 
(Vgl. Fig. 98.) 
Bei den mei- 
sten Untersuchun- 
gen wird eine ge- 
naue Berücksich- 
tigung der Tem- 
peratur nicht nö- 
tig sein, da selbst 
Unterschiede von 
mehreren (4—5) 
Celsiusgraden nur 
eine Änderung von etwa einem Tropfen bewirkt. Bei genauen quan- 
titativen Untersuchungen, z. B. bei fermentkinetischen Studien, wird 
man jedoch bei genau bestimmter, gleichmäßiger Temperatur arbeiten. 
Zu diesem Zwecke kann man entweder die in der Fig. 100 näher illu- 
strierte Anordnung von Abderhalden und Lampe anwenden, oder man be- 
dient sich nach Michaelis und Rona der in der Fig. 101 abgezeichneten 
einfachen Vorrichtung, die in einem Wasserbade aus Glas angebracht 
werden kann, und eine bequeme Zählung der Tropfen gestattet. Sämtliche 
Flüssigkeiten müssen vor ihrem Zusammenbringen im Wasserbad vorge- 


!) E. Abderhalden und A. Lampe, Versuche über das Fettspaltungsvermögen des 
Blutes etc. Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 78 (1912). — Vgl. auch E. Abderhalden, 
Physiolog. Praktikum. 8.168. Fig. 136. Berlin 1912. 


304 P. Rona. 


wärmt werden. Zur Regulierung der Temperatur dient am besten ein 

Quecksilber-Thermoregulator. (In der Zeichnung nicht angegeben.) 
Natürlich muß für eine tadellose Reinheit der Kapillare gesorgt werden. 

Am besten hebt man sie, wenn nicht benutzt, in einem Bichromat-Schwefel- 


Fig. 101. 


-_—. ws 


;.” din | 


® 
: 


Beer ae nn arena 


s 
; 
} 


säuregemisch auf. Vor dem Gebrauch wird gründlich mit destilliertem Wasser 
gereinigt, durch Ausschwenken und Durchsaugen von Luft mittelst der 
Luftpumpe von anhaftendem Tropfen Wasser befreit, dann saugt man, am 
besten, indem man die Kapillare an die Luftpumpe mittelst eines Gummi- 
schlauches anschließt, wiederholt einige Tropfen der zu untersuchenden 


Feststellung der ester(bzw. fett)spaltenden Wirkung des Blutes ete. 305 


Flüssigkeit auf und schwenkt damit die Kapillare aus. Dann erst kann 
die Kapillare mit der zu untersuchenden Flüssigkeit gefüllt werden. Am 
bequemsten geschieht dies mit der Luftpumpe. Sorgt man dafür, daß die 
Spitze der Kapillare während des Saugens in die Flüssigkeit taucht und 
_ erst aus der Flüssigkeit genommen wird, wenn der Anschluß an die Luft- 
- pumpe aufgehoben ist, so vermeidet man sicher ein eventuelles Eindringen 
von Luftblasen in die Kapillare. 


Die Kapillare muß sich stets in vollkommen vertikaler Stellung 
‚während des Tropfens befinden. Man muß auch darauf achten, daß der 
aus der Kapillare austretende Tropfen diese allseitig gleichmäßig gut 
benutzt. 


Als Substrat für die Untersuchung auf Esterase (bzw. Lipase) ist 
Tributyrin am häufigsten benutzt und ihre Anwendung zu dem vorliegenden 
Zweck am eingehendsten geprüft worden. Von diesem Ester bereitet man 
die gesättigte wässerige Lösung, indem man eine bestimmte Menge Wasser 
mit überschüssigem Tributyrin versetzt und längere Zeit (etwa 1— 2 Stunden) 
‚nicht zu heftig im Schüttelapparat schüttelt. Da das Tributyrin in Wasser 
nur äußerst schwer löslich ist, genügen schon wenige Tropfen, z.B. 10 auf 
1000 cm® Wasser, um einen hinreichenden Überschuß an Tributyrin zu 
erzielen. Am besten benutzt man Mischungen, die 12—24 Stunden ge- 
standen haben; Mischungen, die mehr als 2-3 Tage alt sind, sollen 
nicht angewendet werden. Die Emulsion wird nun durch ein mit Wasser 
-befeuchtetes Filter filtriert (die ersten Teile des Filtrates werden ver- 
worfen) und das klare Filtrat in einen (100—200 cm fassenden) Tropf- 
trichter gefüllt. Eventuell durch das Filter gegangene kleine Estertropfen 
sammeln sich an der Oberfläche der Flüssigkeit an; bei der Entnahme 
der Flüssigkeit durch das lange Trichterrohr kann eine von ungelösten 
 Esterteilchen freie Lösung erhalten werden. 


Diese gesättigte wässerige Tributyrinlösung kann nun als Substrat 
für die Esterspaltung dienen. Mit dieser Lösung wird die jeweilig benutzte 
__ Tropfpipette in der Weise geeicht, daß man zunächst die Tropfenzahl 
dieser gesättigten wässerigen Tributyrinlösung mit der Tropfpipette bei 
_ einer bestimmten Temperatur (meist ca. 18°) bestimmt. Dann stellt man 
Mischungen aus 90cm? der Esterlösung mit 10cm3 destilliertem Wasser, 
weiterhin 80, 70, 60, 50 usw. cm3 der Esterlösung mit bzw. 20, 30, 40, 50 usw. cm? 
destilliertem Wasser her und bestimmt für jede dieser Lösungen die 
_ Tropfenzahl mit derselben Pipette bei derselben Temperatur. Trägt man 
die erhaltenen Werte in ein Koordinatensystem, in welchem die Abszisse 
die Konzentration der Lösung an Tributyrin angibt, wobei mit 100 die 
gesättigte wässerige Lösung bezeichnet wird, während die Ordinate die 
_ Tropfenzahl der angehörigen Tributyrinlösung (bei der betreffenden Tem- 
‚peratur) angibt, so erhält man eine Kurve von der nebenstehenden Form 
(Fig. 102), aus welcher für jede Tropfenzahl der prozentische Tributyringehalt 
(auf die gesättigte wässerige Lösung bezogen) festgestellt werden kann. 
’ Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VII. 20 


8 
[ 


306 P. Rona. 


So erhält man bei Benutzung irgend einer Pipette allgemein gültige und 
vergleichbare Werte. 

Bevor man zu der Tributyrinlösung das Ferment (bzw. die auf das 
Ferment zu prüfende Flüssigkeit) hinzufügt, muß man die Lösung mit 
einem passenden „Regulatorgemisch“ versetzen. Hierdurch erreicht man, 
daß man der Lösung eine ganz bestimmte (die optimale oder, falls dies 
aus besonderen Gründen nötig sein sollte, eine andere gewünschte) Reak- 
tion erteilt, ferner auch, daß die Reaktion während des ganzen Verlaufes 
der Spaltung konstant bleibt. Bei der Blut- und Pankreaslipase mit einem 
Optimum der Wirksamkeit von ca. pı =8——-8'’5 wird man, um die Spaltung 
günstig zu gestalten, ein Phosphatgemisch aus einem Teil primärem 
Phosphat zu 8—10 Teilen sekundärem Phosphat (jedes !/, molar!) zu- 


Fig. 102. 
150 
140 7 
130 Bi 
120 
S 
N 
S 
A110 
& 
10 20 30 40 50 60 70 80 90 100% 
——>-%Tributyrin 


fügen in einer Stärke, daß das Gemisch in bezug auf Phosphat !/.—"/so 
molar wird. Die Menge der Fermentlösung ist, wenn möglich, so zu be- 
messen, daß die Esterspaltung in 1—2 Stunden 70—80°/, der ursprüng- 
lichen Tributyrinmenge betrage. 

Als Beispiel für den Verlauf einer solchen fermentativen Esterspaltung 
diene folgender Versuch.?) Bei diesem wurden 30cm} gesättigte wässerige 


!) Zur Darstellung des '/, m. primären Phosphats versetzt man 100cm® 1 molare 
(3fach normale) Phosphorsäure mit 100cm? n-NaOH und 100 cm? destilliertem Wasser; 
zur Darstellung des '/, m. sekundären Phosphats werden 100cm® 1 molar Phosphorsäure 
mit 200 cm? n-NaOH versetzt. (Vgl. Michaelis, Arbeitsmethoden. Bd. 3. S. 1337.) 


®) P. Rona und Z. Bien, Zur Kenntnis der Esterase des Blutes. V. Biochem. 
Zeitschr. Bd. 59. S. 100 (1914). 


Feststellung der ester(bzw. fett)spaltenden Wirkung des Blutes ete. 307 


Tributyrinlösung mit 5 cm® Phosphatgemisch von verschiedener Zusammen- 
setzung, dann mit 1cm® 10fach verdünntem Blutserum von Kaninchen 
versetzt. Die Tabelle zeigt gleichzeitig den Einfluß der H-Ionenkonzentra- 
tion auf die Schnelligkeit der Spaltung. 


8] PH ropfenzahl Vorhandenes 


E Tributyrin in °, 

R lat isch nen nach Minuten 
egulatorgemis \ 2 
elektrometrisch - 

gemessen 0112| 24 |48| 0 | 12. | 24 | 48 


1 prim. Phosph. : 10 sek. Phosph. 13. 10-8 790 [146/138!130/118 100) 85 66 40 
1 prim. Phosph. : 1 sek. Phosph. \1'9.10-7 | 672 |1461140|1341123[100) 89| 75, 50 
5 prim. Phosph. : 1 sek. Phosph. Mn .10-7 | 608 [1461141/1361127 “ 91) 80) 58 


Kontrollversuch mit auf- | 
sekochtem Serum: 


| | 
1 prim. Phosph. : 10 sek. Phosph. | 10.10-8| 8:00 146/146 146 1461100 100,100 100 


| 


1 prim. Phosph. : 100 sek. Phosph. 11:40 .10-8) 7°85 1146/1291120 
5 prim. Phosph.: 1sek. Phosph. |7'13.10-7) 614 [1461341128 
50 prim. Phosph.: 1 sek. Phosph. '4:50.10-#| 535 
Kontrollversuch mit auf- | 
gekochtem Serum: | | 
1 prim. Phosph. : 200 sek. Phosph. '9°20.10—°; 8:04 pas 226 1261100 100 100,100) 


113|100| 63) 45) 31 
1181100! 76) 62| 40 
14611371133l127|100| 77| 73| 58 
| | | 


10 sek. Phosph. : 15°/,,-Na0H |1:50.10-8| 7:87 [146113011161 — |100| 66| 36 — 


7 
Sekundäres Phosphat 170.108) 776 114611301116] — [100) 66) 36| — 
5 prim. Phosph. : 2:5 sek. Phosph. | 3:55 . 10-7\ 6°45 |146/136/126116]100) 80| 57 36 
6 prim. Phosph. : 1'0 sek. Phosph. |1'20 . 10-6) 592 |1461391132|119]100] 86) 70) 42 
6 prim. Phosph. : 1'0 sek. Phosph. 2:30. 10-6) 5:65 [14611391132[120[100| 86) 70] 44 
10 prim. Phosph. : 07 sek. Phosph. |310. 10-6) 553 [146/14011341123]100] 89| 75| 51 
10 prim. Phosph. : 0'1 sek. Phosph. 140.105) 485 [146/114311391132]100) 95] 86| 70 
Primäres Phosph. 2:59.10—5| 4:59 1146/144|142|138[100) 97| 93| 85 
Kontrollversuch mit auf- 

gekochtem Serum: | 

10 sek. Phosph. :1'5"/,,- NaOH 11'29.10-8| 793 [146 146 146/145[1001100| 100 98| 


Bei stärker alkalischer Reaktion, etwa von pr = 8°4 an, ist schon während 
der Beobachtungsdauer der Fermentspaltung (bei 18°) eine deutliche „Al- 
kalispaltung“ des Tributyrins zu beobachten. Um den Umfang dieser Spal- 
tung festzustellen, müssen bei der entsprechenden Reaktion Kontrollver- 
suche mit aufgekochtem bzw. mit FNa versetztem Blut bzw. Serum an- 
gesetzt werden. 


Die quantitative Untersuchung auf die Lipase erfolgt, indem man 
den zeitlichen Verlauf der Spaltung bei bekannter konstanter H-Ionen- 
konzentration und konstanter Temperatur genau verfolgt, ferner mit dem 
Verlauf bei optimalen Bedingungen vergleicht. Ein Beispiel hierfür findet 
sich in der Arbeit von P. Rona!) und von P. Rona und J. Ebsen.?) 


!) P. Rona, Zur Kenntnis der Esterspaltung im Blute. Biochem. Zeitschr. Bd. 33. 
8.413 (1911). 
2) P. Rona und J. Ebsen, Ebenda. Bd. 39. S. 21 (1912). 


20* 


308 P. Rona. 


Für die Magenlipase hat Davwidsohn gefunden, daß sie bei einer viel 
stärker sauren Reaktion ihre optimale Wirksamkeit entfaltet, als die 
Darm- und die Blutlipase. Da die Untersuchung der Magenlipase für kli- 
nische Zwecke häufiger ausgeführt werden muß, gibt Davidsohn!) genaue 
Vorschriften, die hier im wesentlichen wiedergegeben werden sollen. 

bei der Herstellung der wässerigen Tributyrinlösung fügt Davidsohn 
den passenden Regulator (für die erwünschte Ionenkonzentration von zirka 
0'3.10) von vornherein hinzu, nach dem folgenden Rezept: 470 em® 
'/; m. prim. Natriumphosphat, 30 em '/, m. sekund. Natriumphosphat, 
700 cm? dest. Wasser und ca. 10 Tropfen Tributyrin. Die Tropfpipette 
wird nun mit dieser Mischung geeicht, indem als Verdünnungsflüssigkeit 
eine saure Phosphatlösung von der obigen Zusammensetzung benützt wird. 
Diese Emulsion ist vor dem Gebrauch zu filtrieren. — Der zu untersuchende 
Magensaft wird folgendermaßen behandelt: 60 cm® dieser Tributyrinlösung 
werden in einem Kolben mit 1'0 resp. 0'5 cm® des eventuell mit Wasser 
zu verdünnenden Magensaftes versetzt, in ein Wasserbad von 185° + 0'5 
gebracht und innerhalb 2 Stunden 2—3mal die Tropfenzahl bestimmt. Als 
Anfangswert gilt der jedesmal zu ermittelnde Tropfenwert der Tributyrin- 
lösung; es ist zweckmäßig, die erste Zählung erst nach 45 Minuten vor- 
zunehmen. Der Versuch ist gut brauchbar, wenn der in den 2 Stunden er- 
folgte Umsatz an Tributyrin nicht viel weniger und vor allem nicht mehr 
als 75°/, beträgt. Ist die Spaltung zu schnell, so muß der Magensaft 
zweifach und mehr verdünnt werden. 


Bei der Berechnung des Fermentgehaltes im Magensaft ist wie 
folgt zu verfahren. Das bekannte Standardferment, von dem 1'0 cm: auf 
60 cm® Tributyrinlösung innerhalb 60 Minuten 80°/, des Tributyringehaltes 
der gesättigten Lösung (bei 185°) zu spalten vermag. habe den Wert 100. 
Hat das Standardferment die Zeit T und 0'5cm® eines dreifach ver- 
dünnten Magensaftes mit dem Fermentgehalt x die Zeit ? für den 
gleichen Umsatz erfordert, so gilt die Gleichung 


100:x=t:T oder 
=. 100. 


Für jeden festgestellten Umsatzwert wird x berechnet und der 
Durchschnittswert verwendet. Beispiel: 0'5 cm: eines dreifach verdünnten 
Magensaftes habe 


in 45 Min. (=t) 32°/, Tributyrin gespalten 
» 90 » 54%), „ „ 
A208 EI 


‘) H. Davidsohn, Zeitschr. f. Kinderheilkunde. Bd. 9. S. 470 (1913). Beitrag zur 
Magenverdauung des Säuglings. Vgl. auch Davidsohn, Biochem. Zeitschr. Bd. 45. S. 284 
(1912) und Bd. 49. S. 249 (1913). 


Feststellung der ester(bzw. fett)spaltenden Wirkung des Blutes ete. 309 


Aus einer vorherigen Bestimmung folgt für das Ferment 100, daß 


32°/, Tributyrin in 19 Min. (= T) gespalten werden 
540), R 2) -.o 5 
62°), 4 el 


n ” „ 


daher ist X, = — X 100 = 222 


Um nun den Fermentgehalt in 10 cm® des unverdünnten Saftes 
zu erhalten, muß x noch mit 6 multipliziert werden, da 0'5 cm: eines 
dreifach verdünnten Saftes verwendet worden ist. Der Saft hat also einen 
Lipasegehalt von 133°8. 

Zur Untersuchung des lipolytischen Fermentes aus Magen- und 
Duodenalsaft müssen gleichzeitig zwei Tributyrinlösungen angesetzt werden, 
eine leicht alkalische, entsprechend dem Optimum der Pankreaslipase und 
die oben beschriebene leicht sauere. Für die Herstellung des alkalischen 
Substrates gibt Davidsohn folgende Vorschrift: 20 cm® „Glykokollösung* 
(diese enthält im Liter 751 y Glykokoll und 585 y reines Natriumchlorid), 
50 cm® Y/;n NaOH, 50 cm? dest. Wasser und ca. 3 Tropfen Tributyrin. 

Es ergab sich nun aus dem Versuch, daß die Pankreaslipase immer 
im alkalischen Medium stärker spaltet, die Magenlipase im saueren. 

Davidsohn hat auch geprüft, eine wie geringe Menge beigemengten 
Duodenalsaftes sich mit dieser Methode erkennen läßt. Dabei hat sich 
gezeigt, dab bei Verwendung eines Gemisches von 0'1 Duodenalsaft und 
99 Magensaft sich noch eine deutliche Begünstigung der Spaltung in der 
alkalischen Lösung zeigt, während bei einem Gemisch von 0'05 mit 995 
desselben Saftes ein leichtes Zurückbleiben der Spaltung in der saueren 
Lösung erst nach 2 Stunden zu beobachten ist. Es hat sich also hier eine 
Beimengung von 1°0°/, Duodenalsaft noch deutlich feststellen lassen. 

Andere klinische Anwendungen der Tropfmethode findet man in den 
Arbeiten von Bauer, Samelsohn, Caro.') 

Die Vorteile der Methode sind folgende: Wegen der äußerst geringen 
Löslichkeit des Tributyrins ist die angewandte Substratmenge minimal, so 


1) J. Bauer, Über das fettspaltende Ferment des Blutserums bei krankhaften Zu- 
ständen. Wiener klin. Wochenschr. Bd. 25. S. 1376 (1912). — Samelsohn, Über Fett- 
spaltung im Säuglingsblut. Zeitschr. f. Kinderheilk. Bd.4 (1912). — Caro, Fettspaltende 
Fermente im menschlichen Blutserum, ihre Abhängigkeit von krankhaften Zuständen. 
Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 78. S. 286 (1913). 


310 P.Rona. Feststellung der ester(bzw. fett)spaltenden Wirkung des Blutes ete. 


dab schon die Wirksamkeit außerordentlich geringer Fermentmengen auf- 
gedeckt werden kann. Bereits mit O'1 cm® Blut von Kaninchen in 60 cm® 
(resamtflüssigkeit erzielt man z. B. bedeutende Umsätze. Da das Ferment- 
Substratgemisch während der Untersuchung nicht verbraucht und in keiner 
Weise verändert wird, können die aufgefangenen Tropfen zur weiteren 
Untersuchung verwendet werden, so daß man zur Not die ganze Unter- 
suchung in einigen Kubikzentimetern Gesamtilüssigkeit ausführen kann. 
Jede einzelne Untersuchung nimmt nur etwa eine Minute Zeit in Anspruch. 
Da die Feststellung der Esterspaltung nicht auf einer Titration der freien 
Säure beruht, ist man in der Lage, den Prozeß der Hydrolyse bei einem 
bekannten, während des ganzen Verlaufs konstanten H-Ionengehalt ab- 
laufen zu lassen, wodurch erst ein genaues Studium des Vorganges er- 
möglicht wird. 


ö Die keimfreie Züchtung von Säugetieren. 


R Von E. Küster, Dahlem. 


j Die Erkenntnis des krankmachenden Einflusses, welchen einzelne 
Bakterienarten auf den Organismus von Mensch und Tier auszuüben ver- 


Ä mögen, war die naheliegende Veranlassung, daß die medizinische Bakterio- 
logie sich fast ausschließlich dem Studium dieser pathogenen Keime zu- 
wandte, während die Erforschung nichtpathogener, harmloser, sapro- 
H phytischer oder auch nützlicher Spaltpilze der botanischen, bzw. techno- 
I) 


logischen Bakteriologie überlassen blieb. Der Umstand, daß fast stets ın 
den offenen Körperhöhlen höherer Tiere (in Mund, Nase, Darm, Genital- 
f apparat, Hautdrüsen, Konjunktivalsack) und ebenso in der umgebenden 
Außenwelt: im Erdboden, in der Luft, im Wasser und in der natürlichen 
Nahrung große Massen von Bakterien immer nachweisbar waren, wurde 
meist im allgemeinsymbiotischen Sinne gedeutet, ohne dal) man über 
Nutzen oder Schaden dieser Symbionten sich weiter Rechenschaft zu geben 
bestrebt war. Insbesondere konnte bei Versuchen, welche die Verdauungs- 
vorgänge im Darmkanal des Menschen und der höheren Tiere klarstellen 
sollten, soweit sie im Tierkörper selbst durchgeführt wurden, die Tätig- 
keit der Darmbakterien als unbekannt nicht in Rechnung gesetzt werden, 
und wurden die Versuche im Reagenzglas vorgenommen, so schaltete man 
zwar lebende Bakterien, aber nicht Bakterienenzyme durch Zusatz wachs- 
tumshemmender Mittel aus, weil sonst das ganze Resultat dem Zufall 
preisgegeben war. So kommt es, daß die Ergebnisse aller Stoffwechsel- 
versuche — soweit sie nicht mit reinem Drüsensekret ausgeführt wurden 
— entweder durch die Lebenstätigkeit von Bakterien selbst oder durch 
ihre Stoffwechselprodukte (Enzyme) in unberechenbarer Weise beeinflußt 
sind und uns über den wirklichen Stoffwechsel im Tierkörper, d.h. wie 
weit er von dem tierischen Organismus als solchem, wie weit er von seinen 
Darmbakterien betätigt wird, keinen Aufschluß geben können. 

An Theorien über die Bedeutung der Darmbakterien hat es natür- 
lich nicht gefehlt. Die Tatsache, daß im Dünndarm höherer Tiere, also 
an einer Darmstelle, an der sich lebhafte und wichtige Verdauungsvor- 
gänge abspielen, nur wenige Keime gefunden werden. wurde gegen den 
Wert der bakteriellen Verdauung gedeutet, die gewaltigen Bakterienmassen, 
die im Pansen der Wiederkäuer ständig vorhanden sind und der Bakterien- 
reichtum des Diekdarms, dem zufolge die normalen Fäzes in der Haupt- 


312 E. Küster. 


sache aus Bakterienleibern bestehen, wurde für die Wichtigkeit der Darm- 
bakterien angeführt. 

Erst in den letzten Jahrzehnten suchte man die Wirkungsweise der 
Darmbakterien wissenschaftlich klarzustellen. Nutall und Thierfelder konnten 
Meerschweinchen 13 Tage keimfrei ohne sichtbare Krankheitserscheinungen 
erhalten und glaubten eine Gewichtszunahme während des keimfreien 
Lebens konstatieren zu können. Schottelius hielt keimfrei erbrütete Hühnchen 
bis zu 50 Tagen am Leben und sah sie unter ständigem Gewichtsverlust, 
trotz guter Nahrungsaufnahme langsam zugrunde gehen: in gleicher Weise 
erbrütete Hühnchen blieben unter den gleichen Lebensbedingungen am 
Leben, wenn sie von Anfang an natürlich oder später künstlich mit 
Darmbakterien infiziert wurden. Mme. Metchnikoff und ebenso Moro ver- 
suchten vergeblich, keimfrei erbrütete Froschlarven am Leben zu erhalten, 
diese starben vielmehr ohne Ausnahme, während infizierte Kontrolltiere 
am Leben blieben. In den Experimenten Kianizins verendeten sogar er- 
wachsene Tiere, Hunde, Kaninchen, Meerschweinchen, sobald sie längere 
Zeit unter keimfreie Lebensbedingungen (bz. Raum, Luft, Futter, Wasser) 
gebracht wurden und zeigten erhebliche Stoffwechselstörungen. In den 
letzten Jahren konnten hingegen einige Autoren wieder von günstigen 
Resultaten berichten: G@uyenot züchtete sterile Fliegen in mehreren Gene- 
rationen: Cohendy hielt sterile Hühnchen 45 Tage unter Gewichtszunahme 
am Leben; Wollman erzielte keimfreie Froschlarven und Fliegen für 
längere Zeit: endlich konnte der Verfasser keimfreie Ziegen bis zu 35 Tagen 
züchten und bei normaler Gewichtszunahme keinerlei Krankheitserschei- 
nungen nachweisen. Nicht unerwähnt darf bleiben, dal) Metehnikoff und 
seine Schüler den Standpunkt vertreten, dal die Darmbakterien einen 
lebensverkürzenden Einfluß) ausüben und daher nach Möglichkeit zu unter- 
drücken sind: Veranlassung dazu gaben ihnen besonders Untersuchungen über 
den Keimgehalt normaler Tiere, Verdauungsversuche bei keimarmen Tieren 
und der Nachweis toxischer Stoffwechselprodukte normaler Darmbakterien; 
außerdem glaubten sie Beziehungen zwischen Keimreichtum des Darmes, 
Länge des Diekdarms, Dauer des Verweilens der Ingesta im Darmkanal einer- 
seits und durchschnittlich erreichtem Lebensalter andrerseits aufstellen zu 
können. Mag man diese Experimente und Erhebungen auch noch in ver- 
schiedenem Sinne deuten, mag man den Darmbakterien einen Nutzen oder 
Schaden tür den normalen Ablauf der Lebensfunktionen zusprechen, eins ist 
sicher: wir dürfen sie nicht mehr als zwecklose Symbionten auffassen; wir 
dürfen der Biologie der Darmbakterien nicht mehr interesselos gegenüber- 
stehen, denn die oben erwähnten Experimente und alle unsere Erfahrungen 
über die Stoffwechselleistungen von Bakterien zwingen uns angesichts der 
groben Bakterienmengen in unserem Darmkanal zu der Annahme, daß 
die Darmbakterien wesentliche Umsetzungen hervorbringen. 

Die wissenschaftliche Erforschung der Wirkung von Darmbakterien 
setzt zwei Hauptforderungen voraus: die Gewinnung keimfreier Tiere und 
die Aufzucht keimfreier Tiere. 


Die keimfreie Züchtung von Säugetieren. 313 


Die Erfüllung der ersteren Forderung bietet die geringeren Schwierig- 
keiten. Das Ei höherer Tiere ist, von belanglosen Zufälligkeiten abgesehen, 
in seinem Inneren bakterienfrei. Auf seinem Weg durch den Eileiter 
werden die Eier größtenteils von Spaltpilzen verunreinigt, aber diese Keime 
sitzen entweder auf der äußeren Hülle oder in den äußeren Eihüllen und 
lassen sich mechanisch durch desinfektorische Maßnahmen entfernen. Nach 
Schottelius genügt für Hühnereier wiederholtes energisches Abbürsten mit 
1°/, Sublimatlösung:; bei Froschlaich schälte Mme. Metchnikoff die äußere 
Gallerthülle mit sterilen Nadeln ab und desinfizierte dann mit 1°/, Bor- 
säurelösung; Guyenot machte Fleischfliegeneier steril, indem er sie zur 
leichteren Handhabung in sterile Glaswolle einpackte und in dieser der Ein- 
wirkung von 1°/, Borsäurelösung einige Minuten lang aussetzte. 


Der Embryo lebendgebärender Tiere ist bei geschlossenen Eihäuten 
unter normalen Bedingungen stets keimfrei gefunden worden; die Ge- 
winnung von keimfreien höheren Tieren, im speziellen von Säugetieren ist 
damit eine im wesentlichen chirurgische Frage. Es gilt möglichst am Ende 
der Schwangerschaft und unter absoluter Asepsis die Sectio caesarea auszu- 
führen, wenn man ein keimfreies Jungtier erhalten will. 

Die zweifellos vorhandenen technischen Schwierigkeiten bei der Ge- 
winnung keimfreier Tiere können an die Anforderungen, welche die Auf- 
zucht keimfreier Tiere an die Arbeitskraft des Experimentators stellt, 
nicht im entferntesten heranreichen. Dort ist die ganze Arbeit in höchstens 
einer Stunde erledigt und die Vorbereitungen sind verhältnismäßig geringe, 
hier gilt es mit der peinlichsten Sorgfalt über Wochen hinaus standzu- 
halten, da ein einziger Fehler alle gehabte Mühe zu nichte machen kann: 
man muß die allgemeinen Anforderungen an Tierzucht mit den besonderen 
der Keimfreiheit in Aufzuchtraum, Atmungsluft und Nahrung stets ver- 
einen. 

Apparate und Technik früherer Autoren hier ausführlich wiederzu- 
geben, dürfte sich erübrigen, da alle so wesentliche Mängel in der einen 
oder anderen Beziehung aufweisen, dal damit die folgenden Hauptforde- 
rungen der keimfreien Züchtung nicht erfüllt werden können. Diese sind: 


1. Das Tier muß in einem keimfreien Raume untergebracht sein, der 
allen Anforderungen der Hygiene bz. Luft, Licht, Größe und Tempe- 
ratur entspricht. 

2. Es muß auf unbegrenzte Zeit mit keimfreier Nahrung versorgt 
werden können. 

3. Man muß an dem keimfreien Tier jederzeit Impfungen, Operationen, 
Stoffwechselversuche wie an einem freilebenden Tier vornehmen können. 

Da für diese verschiedenartigen Zwecke die früheren Apparate, wie 
gesagt, nicht genügen, so bringe ich im folgenden nur die eigene Aus- 
führung, wobei ich ausdrücklich bemerken will, daß ich mir natürlich die 
Vorarbeiten früherer Autoren auf diesem Gebiet wo irgend möglich zu- 
nutze gemacht habe. 


314 E. Küster. 


Der Aufzuchtapparat (cf. Fig. 103) wurde aus schwerem T- und Winkel- 
eisen, starkem Eisenblech und Glas aufgebaut. Eine verhältnismäßig große 


Fig. 103. 


me er en 


Be 7.7 12 


De NE DE U 


u aiunse 


Schematische Darstellung der Gesamteinrichtung zur Aufzucht keimfreier Tiere. 


Wandstärke mußte gewählt werden, weil sonst zu leicht bei den höheren 
Wärmegraden, denen der Aufzuchtraum zwecks Entkeimung ausgesetzt 


Die keimfreie Züchtung von Säugetieren. 315 


wird, Verziehungen und damit Undichtigekeiten hätten auftreten können. 
Die Größe der Bodenfläche betrug 60:120 cm, war also so gewählt, dal) 
man an der Mitte der Seitenwand stehend. jede Stelle des Bodens mit 
ausgestrecktem Arm bequem erreichen könnte. Die Höhe vom Fußboden 
gemessen betrug ebenfalls 120 cm, also reichlich viel für alle in Betracht 
kommenden Versuchstiere. Der Inhalt des Raumes berechnet sich darnach 
auf 3864 Raumliter, so daß dem darin gehaltenen Tiere genügend Atmungs- 
luft zur Verfügung steht, auch wenn für einige Zeit aus irgend welchen 
Gründen (Versagen der Luftpumpe, Reparatur oder Auswechslung an der 
Luftleitung) die Luftzufuhr unterbrochen würde. Die beiden Seitenwände 
bestehen bis auf je zwei runde Öffnungen aus Glas in T-Eisenrahmen; sie 
sollen dem Innenraum eine genügende Belichtung sichern. Die beiderseitig 
ausgesparten Öffnungen G@ @ dienen als Einfaßöffnungen: sie stehen um 
Brustweite voneinander ab und sind so hoch vom Boden entfernt, dab 
man mit nach vorne ausgestreckten Armen bis zur Schulter einfassen 
kann. Der Abstand von dem Boden des Versuchsraumes beträgt 15 cm. 
In diese Öffnungen sind keimdicht durch Klemmringe bis zur Schulter 
reichende weite Gummihandschuhe eingelassen; man kann also jederzeit 
nach Eingehen in die Handschuhe im Innern des Versuchsraumes hantieren 
und sich dabei durch eine zweite Person, die das andere Handschuhpaar 
benützt, assistieren lassen. Die Decke des Aufzuchtraumes besteht durch- 
weg aus Eisenblech und trägt in drei Ecken Glühbirnen zur Beleuchtung. 
An Stelle der vierten Birne ist ein Schraubkontakt eingeschaltet, von dem 
eine Schnur bis zum Boden herabhängt, welche die Kraft für einen elek- 
trischen Kochapparat liefert. Dieser dient dazu, die Nahrung zu wärmen 
und auch gelegentlich für die Herstellung von warmem Wasser zu 
Operationen, Reinigungszwecken etc. Auf der Decke steht eine Gasuhr, 
durch welche alle aus dem Kasten ausströmende Atmungsluft hindurch- 
gehen muß. Die beiden Stirnflächen des Aufzuchtapparates sind ebenfalls 
aus Eisenblech gearbeitet. Die hintere ist von zwei Öffnungen durchbohrt. 
Die untere dient zur Einführung der Atmungsluft, an der oberen ist ein 
mit Wasser gefülltes Manometer angeschlossen, um ständig den Innen- 
druck des Versuchsraumes kontrollieren zu können. An der vorderen Stirn- 
wand befindet sich oben eine Öffnung für den Luftaustritt. von der ein 
mit Hahn verschließbares Metallrohr zum Gasometer hinführt. In passender 
Arbeitshöhe ist in den unteren Teil der gleichen Wand der eigentliche 
Eingang zu dem Tierraum V angebracht. Derselbe besteht aus einem soliden 
Autoklaven mit zwei Eingangstüren. Die eine A öffnet sich nach außen. 
die zweite / nach dem Innern. Jede kann durch sechs Flügelschrauben 
und Gummidichtung keimdicht verschlossen werden. 

Die Heizung des Autoklaven erfolgt auf elektrischem Wege durch 
eine im Innern aufgestellte Heizplatte, deren Zuleitungsdraht die Wand 
durchsetzt und in dieser durch eine Asbeststopfbüchse abgedichtet ist. Die 
Heizplatte muß besonders wasserdicht gearbeitet sein, damit nicht durch 
die im Autoklaven beim Sterilisieren entstehenden Dämpfe die Heizspiralen 
zerstört werden. 


"316 E. Küster. 


Der Boden hat einen Belag aus drei leicht herausnehmbaren Latten- 
rosten. Die einzelnen Holzstäbe stehen 2 mm voneinander ab und sind 
nach unten scharf keilförmig verjüngt. Durch diese besondere Form der 
Stäbe wird erreicht, daß jede Masse, die durch den Zwischenspalt nach 
unten durchdringt, glatt abläuft und nicht hängen bleiben und eintrocknen 
kann. Der äußere Boden ist ein abschraubbarer Eisenblechtrichter mit 
weiter Ausflußöffnung. Das Ausflußrohr ragt tief in ein mit Paraffinöl 
gefülltes Trichtergefäß p hinein, welches auf einem Dreifuß untergestellt 
und mit einem Abflußhahn versehen ist. 

Die Fäzes der Versuchstiere bleiben fast vollständig auf dem Latten- 
rost zurück und werden jeweils, sobald sie bemerkt werden, in kleine 
(rlasfläschehen mit Korkverschluß gesammelt. Der Harn fließt durch den 
Trichter ab und sammelt sich vermöge seines höheren spezifischen Ge- 
wichtes unter dem Paraffinöl an: aus diesem wird er zweimal täglich ab- 
gelassen. Will man aus irgend einem Grunde die Berührung des Harnes 
mit dem Paraffinöl vermeiden, so fällt es, wenigstens bei dem von mir 
benützten Versuchstiere (Ziege), nicht schwer, den Harn direkt in einem 
(Gefäß aufzufangen, da der Harnabsatz regelmäßig sofort nach der Fütterung 
zu erfolgen pilegt. Das Auffangen der Hauptharnmenge unter Öl hat einen 
besonderen Zweck: man muß auf jede Weise zu vermeiden suchen, dab 
im Innern des Versuchsraumes die Feuchtigkeit der Luft einen höheren 
Grad erreicht, weil sonst gar leicht Kondenswasserbildung auftritt, wo- 
durch das Haarkleid der Tiere durchfeuchtet wird. Wahrscheinlich bedingt 
ein solches Feuchtwerden großen Wärmeverlust. jedenfalls stellt es, wie 
die Erfahrung lehrt, eine Gefahr für das Leben der Versuchstiere dar. 
Diese Beobachtung stimmt mit der Erfahrung bei der Aufzucht von Jung- 
tieren im Freien überein: Kälte, Hitze, Durst und Hunger werden viel 
besser vertragen als eine gründliche Durchnässung. Fängt man den Harn 
ständig unter Paraffinöl auf, so ist natürlich eine Verdunstung ausgeschlossen, 
und außerdem bekommt man ein zuverlässiges Maß bei der Bestimmung 
der täglichen Harnmenge. 

Um eine Zertrümmerung der Fensterscheiben bei unruhigen Ver- 
suchstieren zu verhüten, sind alle Scheiben von innen her durch vor- 
gesetztes verzinktes Drahtgeflecht gesichert (cf. Fig. 104). Alle Instrumente, 
die im Innern gebraucht werden, sind in Blechbüchsen untergebracht, die 
auf einer Etagere (in der Figur nicht sichtbar) aufgestellt werden. 

Eine besondere Aufmerksamkeit erfordert die ständige Versorgung 
der Versuchstiere mit keimfreier Luft und Wärme. Kleinere Luftmengen 
lassen sich sehr leicht, schon durch ein steriles dichtes Wattepolster, ent- 
keimen:; will man aber größere Luftmassen, in unserem Falle 1—1!/, cm? 
pro Stunde, wochenlang keimfrei machen, so muß man kompliziertere Vor- 
richtungen wählen, ein steriles Wattepolster wird schon in wenigen Tagen 
von Luftkeimen durchsetzt. Um der Hygiene der Tierhaltung zu genügen, 
mußte aber die Luft nicht nur keimfrei, sondern gleichzeitig auch möglichst 
trocken, kohlensäurearm und mit gleichmäßiger Wärme geliefert werden. 


Die keimfreie Züchtung von Säugetieren. 317 


Nach vielen Fehlschlägen hat sich mir folgende Anordnung als zweckmäßig 


erwiesen: 
Fig. 104. 


Photographie eines keimfreien fünf Wochen alten Ziegenlammes im Aufzuchtraum 


Die Luft wird in einer Kolbenluftpumpe Pp mittelst eines halb- 
pferdigen Motors in einem von dem Versuchsraum (wegen des ständigen 


318 E. Kasten: 


Geräusches) möglichst entfernten Nebenraum in Bewegung gesetzt. Motor 
und Pumpe müssen ohne Unterbrechung mindestens 6 Wochen in Tätig- 
keit sein können. Diese Anforderung wird gewöhnlich selbst von Fachleuten 
unterschätzt; fast alle im Gebrauch befindlichen Motore und Pumpen 
leisten nur stundenweise Arbeit und zwischendurch sind immer wieder 
Pausen eingeschoben, in denen die Maschine verkühlen und in denen 
kleinere Reparaturen, Schmieren, Reinigen usw. vorgenommen werden 
können; alle Pausen fallen im Versuch weg und man sieht mit Ver- 
wunderung, wie sonst brauchbare Maschinen dabei versagen. Als Pumpe 
wählte ich wegen ihrer Leistungsfähigkeit und soliden Bauart die Kom- 
pressionspumpe einer Ammoniakeismaschine. Diese ist imstande, pro Stunde 
10 cm? bei einem Gegendruck bis zu 20 Atm. zu fördern. Die Druck- 
leistung benötigte ich, um die beträchtlichen Reibungen zu überwinden, 
die in den Wattepolstern gegeben sind, welche die Atmungsluft an ver- 
schiedenen Stellen passieren muß; die Menge bis zu 10 cm? war erforderlich 
während der Einführung des Versuchstieres, wie ich unten noch aus- 
führen werde. 

Der Eintritt der Luft in das Pumpensystem erfolgt durch ein großes 
Wattefilter $, welches zwischen zwei Drahtgittern in dem Einsaugtrichter 
angebracht ist. Hier werden gröbere Staubpartikelchen zurückbehalten. Die 
Luft passiert dann die Pumpe und gelangt durch ein möglichst lang zu 
wählendes Steigrohr zum Luftkessel W, in dem sie mit einem Rohr bis 
zum Boden herabgeleitet wird und unmittelbar über ihm erst zum Aus- 
strömen gelangt. Der Austritt der Luft aus dem Kessel erfolgt durch ein 
mit Manometer (x) versehenes Rohr, welches an einem Tubus des Kessel- 
deckels angeschraubt ist. Das lange Steigrohr und die besondere Art der 
Durchführung im Kessel sind zweckmäßig, weil die Luftpumpe gut in Öl 
gehalten werden muß und die Preßluft infolgedessen Ölstaub mit sich 
führt, dem so zum Absetzen Gelegenheit gegeben wird. Der Kessel dient 
als Luftreservoir und gleichzeitig der Druckeinstellung; diese wird durch 
ein Sicherheitsventil D betätigt. Während des Versuches hielt ich dieses 
Ventil gewöhnlich auf einem Druck von einer halben Atmosphäre, nur bei 
der Einführung des Tieres (ef. unten) mußte es auf höheren Druck einge- 
stellt werden. 

Nach dem Luftkessel durchläuft die Luft das Gasometer U und ge- 
langt jetzt zur Sterilisationsvorrichtung. Diese besteht zunächst aus einem 
50 cm langen und 5 cm im Durchmesser haltenden dicht gestopften Watte- 
polster F'; dann muß die Luft durch das mit konzentrierter Schwefelsäure 
halb gefüllte Gefäß 7 hindurch. Da am Boden des Gefäßes eine fein- 
löcherige Siebplatte eingelassen ist, so kann die Luft nur in kleinsten 
Bläschen durch die Schwefelsäure hindurch. Sie gibt hierbei beträchtliche 
Mengen organischer Substanzen und den größten Teil ihrer Feuchtigkeit ab, 
wie aus der Zunahme der Schwefelsäuremenge und Bräunung derselben 
bald zu erkennen ist. Obwohl an dem Schwefelsäuregefäß eine Schäum- 
kugel angebracht ist, läßt sich doch nicht vermeiden, daß Schwefelsäure- 


Die keimfreie Züchtung von Säugetieren. 319 


teilchen mitgerissen werden. Um diese zurückzuhalten, ist in den weiteren 
Weg der Luft ein Auffangegefäß X, ein 30 cm langes und 5 em dickes 
Wattepolster F\ eine U-förmig gebogene, mit Stangen von Kali causticum 
beschickte Röhre M und ein zweites Auffangegefäß N eingeschaltet. Von 
N gelangt die Luft zur elektrischen Heizung A, ihre Heizspirale befindet 
sich im Innern einer keimdicht geschlossenen Kupferröhre mit äußerer 
Asbestisolierung. An einem Thermometer O0 kann man die von der Luft 
erreichte Temperatur ablesen. Die Kraft zur Heizung liefert die Stark- 
stromleitung; ein Widerstand 7 gestattet die Regulierung. Die elektrische 
Erwärmung erfüllt einen doppelten Zweck: sie soll für sich allen zur 
Sterilisation der Luft ausreichen. Ich habe deswegen die Erhitzung stets 
auf mindestens 160° getrieben; sie soll aber auch die Luft auf eine ge- 
eignete Temperatur zur Erwärmung des Versuchsraumes bringen, die 
natürlich 20°C nicht viel übersteigen darf. Beide Forderungen lassen sich 
scheinbar nicht gut miteinander vereinigen, und doch geht es sehr wohl, 
wenn man berücksichtigt, daß die Luft nur ein geringes Wärmefassungs- 
vermögen besitzt und der Überschuß an Wärme, den sie im Heizkörper 
aufnimmt, bei entsprechender Länge der Leitung R und Variation der 
diese umgebenden Asbestisolierung sehr wohl beliebig herabgesetzt werden 
kann. Durch R$ gelangt die Luft in den Tierraum, durchströmt diesen 
schräg von unten nach oben und verläßt ihn bei #. Die Atmungsluft wird 
auf ihrem Wege zweimal gemessen; dieses ist notwendig, um aus der 
Differenz der beiden Uhren sofort eine Undichtigkeit an der Leitung oder 
an dem Versuchsraum erkennen zu können. Ich schreibe den sterilen 
Wattefiltern nur eine geringe Bedeutung für die Entkeimung der Luft zu, 
sie sollen nur gröbere Partikel Staub, Öl und Schwefelsäuredampf zurück- 
halten und dadurch das Schwefelsäuregefäß und ebenso die elektrische 
Heizanlage nach Möglichkeit vor Verunreinigung schützen. Die Kali 
causticum-Stangen sollen allenfalls noch mitgerissene Schwefelsäure neutrali- 
sieren und auch den Kohlensäuregehalt der Luft verringern. Die Schwefel- 
säurewaschung und ebenso die elektrische Erhitzung genügen jede für sich 
allein, die Luft sicher zu entkeimen. Die Luft im Innern des Apparates 
muß während des Versuches ständig einen Überdruck von 10—15 cm 
Wasserhöhe aufweisen. Dieser Überdruck ist sehr wichtig für die Erhaltung 
der Sterilität während des Versuches. Es ist auch bei der sorgfältigsten 
Ausführung des Apparatebaues nicht zu vermeiden, daß bei der sich über 
Wochen erstreckenden Versuchsdauer irgendwo eine kleine Undichtigkeit 
auftritt. Stellt sich eine solche ein, so strömt an dieser Stelle bei innerem 
Überdruck ständig Luft nach außen und ein Eindringen von Luft und von 
Luftkeimen erscheint ausgeschlossen; dazu wird jede Undichtigkeit bald 
erkannt und kann entsprechend behoben werden. Bei dem inneren Luft- 
überdruck läßt sich natürlich nicht vermeiden, dal dieser auch auf den 
keimdicht eingelassenen Handschuhen lastet; der absolute Druck ist ja 
nun auf den Quadratzentimeter gering (109), aber die Handschuhe besitzen 
infolge ihrer Länge und Weite eine Oberfläche von ungefähr !/, m2. Die 


Qq 
6} 


320 E. Küster. 


Handschuhe würden also eine starke Dehnung erfahren, welche das Gummi 
nicht lange zu ertragen vermag; auch würde das Einfassen in die Hand- 
schuhe dadurch sehr erschwert. Um diesem Übelstand vorzubeugen, habe 
ich in dem Innern des Kastens (siehe Fig. 102 links unten) von oben herab- 
klappbare luftdicht schließende Türen anbringen lassen, die den Handschuh 
außer Gebrauch vor der Einwirkung des Luftdruckes schützen und auch 
gleichzeitig verhüten, daß das Versuchstier die Handschuhe benagt. 

Die Luftmenge, welche dem Innenraum in der Zeiteinheit als 
Atmungsluft zugeführt wird, dürfte dem Physiologen reichlich groß er- 
scheinen, nichtsdestoweniger ist sie empfehlenswert; denn einmal werden 
die Atmungsbedingungen für das Tier dadurch zweifellos günstiger, und 
zweitens wirkt die große Luftmenge stark austrocknend; man kann diese 
Trockenwirkung besonders deutlich daran erkennen, daß ein Handtuch, 
das man etwa zum Aufwischen von Bodenfeuchtigkeit benutzt hat und das 
dann in den Kasten aufgehangen wurde, innerhalb einer halben Stunde 
getrocknet ist. Trockenheit der Luft ist aber, wie schon oben erwähnt, 
für das Wohlbefinden des Tieres, das übrigens ja im wesentlichen mit 
Flüssigkeit ernährt wird und darum unter der Trockenheit der Luft nicht 
leidet, von der größten Bedeutung; wahrscheinlich begünstigt sie direkt 
die Nahrungsaufnahme. Die Trockenheit der Luft ist auch ein wichtiges 
Moment für die Erhaltung der Sterilität im Versuchsraum. Sollte durch 
einen unglücklichen Zufall irgend ein Keim in das Innere gelangen, so 
kann er nur dann den Versuch stören, wenn er dazu noch ins Innere 
des Tieres kommt und dort Vermehrungsbedingungen findet, denn außer- 
halb des letzteren ist alles trocken und ein Wachstum ausgeschlossen. Da 
die Ausrützung der Luftleitung von F bis N während des Versuches 
wiederholt einer Erneuerung bedarf, die Luftzufuhr aber natürlich nur 
kurze Zeit unterbrochen werden kann, so ist sie in diesem Teil neben- 
einander doppelt ausgeführt. Die Sterilität des Versuchsraumes ist endlich 
auch dadurch unterstützt, daß er mit einer keimtödenden Farbe (Vitralin 
von Rosenzweig und Baumann, Cassel) gestrichen ist. Diese Farbe ist sehr 
haltbar und entwickelt eine beachtenswerte desinfizierbare Wirkung gegen 
aufkommende Keime. 

Vorbereitung des Aufzuchtraumes. Der in allen Teilen auf 
Diehtigkeit und gutes Funktionieren geprüfte Aufzuchtraum muß zur Ent- 
keimung so weit auseinander genommen werden, daß er gut zugänglich 
ist. Die gesamte Innenfläche, Wände, Decke, Fußbodenbelag, Auffang- 
trichter und Autoklav werden mit Wasser und Seife und darauf mit 
1°/,.iger Sublimatlösung gründlich ausgewaschen. Darauf wird die äußere 
Autoklaventür geschlossen, ebenso alle Rohrleitungen und auf einer Blech- 
pfanne im Innern eine reichliche Menge kristallinischen Schwefels (mit 
Spiritus benetzt) verbrannt. Am folgenden Tage wird, nach Entfernung 
der Pfanne, von dem Bodenstutzen aus mit einem Berolina-Apparat eine 
auf die 10fache Raumgröße berechnete Formalinisierung durchgeführt, und 
während diese im Gange ist, für eine halbe Stunde alle Rohrverbindungen 


La ea 


Die keimfreie Züchtung von Säugetieren. D) 
oO he j 


nach dem Aufzuchtraum geöffnet, damit auch die Aus- und Eingänge 
gründlich desinfiziert werden. Unter der Einwirkung der Formalindämpfe 
bleibt dann der Innenraum bis zum zweiten Tage stehen. Mittlerweile 
werden die Luftsterilisiereinrichtungen entsprechend dem Material ver- 
schiedenartig sterilisiert: Watte und Glasteile und die elektrische Heizvorrich- 
tung trocknen bei 150°, Gummischläuche und Gummipfropfen durch Einlegen 
in 1°/,igen Sublimatalkohol. Am dritten Tage bindet man die Formalin- 
dämpfe durch Einleiten von Ammoniak, setzt das sterilisierte und mit 
entkeimtem Paraffinum liquidum gefüllte Harnauffanggefäß unter, schließt 
unter großer Vorsicht die Luftsterilisationsvorrichtungen zusammen, montiert 
die zweite Gasuhr und das Wassermanometer © und setzt nunmehr die 
Luftpumpe in Gang. Um eine vollständige Trocknung des Innenraumes 
und Beseitigung des von der Sterilisierung verbliebenen üblen Geruches im 
Innern zu erreichen, muß man wenigstens drei Tage lang Luft durch den 
Apparat pumpen. Während dieser Zeit prüft man auch bakteriologisch auf 
Keimfreiheit, indem man im Innern auf den Bodenbelag an verschiedenen 
Stellen Petrischalen offen mit Agar und Bouillon aufstellt. Treten auf diesen 
Nährböden Bakterien auf, so muß die gesamte Sterilisation wiederholt und 
dabei eventuelle Fehlerquellen ausgeschaltet werden. 

Vorbereitung des Operationsraumes und des Operations- 
tieres. Die Operation muß unmittelbar vor dem Aufzuchtapparat ausge- 
führt werden, damit das Junge auf kürzestem Wege durch den Vorraum- 
autoklaven in das Innere befördert werden kann. Für die Operation sind 
wenigstens 5 Personen erforderlich: ein Operateur, ein Assistent, der auch 
die bereitliegenden Instrumente reicht, ein Narkotiseur, eine Person, die 
in die Handschuhe eingeht und das Junge von innen her in Empfang 
nimmt, eine fünfte zur Bedienung des Apparates. Mit der Anzahl der 
Personen im Laboratorium, in dem der Apparat Aufstellung gefunden hat, 
steiet natürlich die Gefahr der Luftinfektion, welche in unserem Falle voll- 
ständig ausgeschaltet werden muß, erheblich. Ich habe diese auf folgende Weise 
zu paralysieren gesucht und diese Absicht auch erreicht. Das ganze Labo- 
ratorium wird gründlich formalinisiert, Boden, Wände und Einrichtung 
mit 2°/,iger Lysollösung abgewaschen; der Operationstisch — ich benütze 
dazu den Tisch zur Kälbervakzinierung — wird an den Vorraum V, der 
wie erwähnt, den Zugang zum Inneren darstellt, herangeschoben und mit 
Verbandgaze darüber ein Zelt aufgebaut, in welches die Vorraumtür hinein- 
ragt. In dem Gazezelt steht der Tisch, der Operateur, der Assistent und 
die Instrumententische. Der Kopf des zu operierenden Muttertieres ragt durch 
einen Schlitz an der freien Stirnwand des Operationszeltes in den Haupt- 
raum, so daß also der Narkotiseur außerhalb des Zeltes sitzt. 

Das Tier wird am Tage vor der Operation mit 2°/,iger warmer 
Lysollösung am ganzen Körper gereinigt, das Operationsfeld geschoren und 
rasiert. Bis zur Operation ist die Operationsstelle mit einem desinfizierenden 
Verbande bedeckt; ich benützte dazu den Boluspastenverband nach ZLier- 
mann. Unmittelbar vor der Operation wird die ganze Körperwaschung 

Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 2] 


332 E. Küster. 


wiederholt. Die Operation erfolgt nach chirurgischen Grundsätzen. Sobald 
das Peritoneum eröffnet ist, wird das Innere des Operationszeltes unter 
Spray von Wasserstoffsuperoxyd gesetzt und hiermit fortgefahren. bis das 
Junge in den Tierraum eingebracht ist. Während der Einführung des 
Jungen wird die Luftpumpe auf ihre Höchstleistung eingestellt, damit für 
die kurze Zeit, in der beide Vorraumtüren gleichzeitig geöffnet sein 
müssen, ein reichlicher Luftstrom von innen nach außen dringt und Außen- 
luft mit in ihr etwa enthaltenen Keimen nicht eindringen kann. Sobald 
das Junge in den Tierraum gereicht und dort in Empfang genommen 
worden ist, wird der Vorraum verschraubt und nun die Operation des Mutter- 
tieres, die bis dahin zur Erzielung eines möglichst lebensfrischen Jung- 
tieres aufs äußerste beschleunigt wurde, in Ruhe zu Ende geführt. Das 
Muttertier verträgt den Eingriff sehr gut, die Milchsekretion setzt zur 
natürlichen Zeit ein, die Ergiebigkeit ist normal. Das Junge wird gleich 
nach der Geburt mit sterilen Handtüchern trocken gerieben und erhält 
nach 6 Stunden die erste Nahrung. Diese nimmt es gewöhnlich willig aus 
der Saugflasche. Die Milchnahrung wird auf 35° vorgewärmt. 

Die Einführung der sterilen Nahrung und die Entfernung von In- 
strumenten und Materialien aus dem Innenraum muß jeweils durch den 
Vorraum erfolgen. Die Technik ist sehr einfach und aus dem früher Ge- 
sagten ohne weiteres verständlich. Da das Beschicken des Vorraumes, das 
Sterilisieren und Wiedererkalten des Inhaltes immer mehrere Stunden in 
Anspruch nimmt, so kann man pro Tag gut nur einmal ein- und aus- 
führen und muß sich daher im voraus das Nötige genau überlegen, wenn 
anders man nicht bezüglich Fütterung usw. in Schwierigkeiten geraten will. 

Nicht vergessen möchte ich hervorzuheben. dal die Bedienung des 
Apparates unerwartet große Anforderungen an Arbeitsleistung und Aus- 
dauer stellt. Als ich bei den ersten Untersuchern auf diesem Gebiete, 
Nutall und Thierfelder, las, daß sie Versuche wegen Erschöpfung der 
Arbeitskraft hätten aufgeben müssen, erschien mir dieses zunächst ver- 
wunderlich ; jetzt, nachdem ich mich selbst damit befasse, ist es mir sehr wohl 
verständlich. Die ersten 8—10 Tage muß Tag und Nacht eine Wache bei 
dem Apparat sein. Dies ist erforderlich, um alles erst in den erwünschten 
gleichmäßigen Gang zu bringen. Die Fütterung muß bei den immerhin 
lebensschwachen Kaiserschnittieren bei Tage alle 3 Stunden erfolgen, 
nachts kann man von 12—6 Uhr eine Pause eintreten lassen. Die Fäzes 
müssen sofort nach dem Absatz entfernt werden, weil bei der Unruhe des 
Tieres ein quantitatives Aufsammeln sonst unmöglich ist und ebenso die 
Reinhaltung des Innenraumes ausgeschlossen erscheint. Es ist daher eine 
Hilfskraft zur Bedienung vollständig in Anspruch genommen und für alle 
komplizierteren Maßnahmen noch eine Assistenz erforderlich. Berücksichtigt 
man dazu noch, daß die Versuche sich über längere Zeit, mindestens 
5 Wochen, erstrecken müssen und leicht durch einen unglücklichen Zufall 
der Erfolg der gesamten Arbeit vernichtet werden kann, so darf man 
wohl sagen, daß viel Lust und Liebe zur Sache und ein gutes Maß Zähig- 


Die keimfreie Züchtung von Säugetieren. 323 


ui 


_ keit vorhanden sein müssen, um Erfolge zu erzielen. Sind diese aber vor- 
handen, so arbeitet man sich sehr rasch ein und wird durch die Freude 
am Gelingen reichlich belohnt. Botanik, Landwirtschaft und Technologie 
haben durch ihre Forschungen über nützliche und schädliche apathogene 
Spaltpilze praktisch außerordentlich wichtige Ergebnisse gezeitigt und ihre 
Fortschritte in zielbewußter Weise entwickelt; es ist wünschenswert, daß 
endlich auch die medizinischen Wissenschaften, Bakteriologie, physiolo- 
gische Chemie, Diätetik und Therapie aus dem Studium der normalen 
Bakterienflora im Organismus, besonders der Darmflora, zweifellos zu er- 
wartenden Vorteil ziehen: die Möglichkeit der exakten Forschung in dieser 
Richtung ist durch die Züchtung keimfreier Tiere gegeben. 


Ergänzungen zur 
„Allgemeinen ehemischen Laboratoriumstechnik“. 
(Bd. I, S. 1—-175.) 
2. Hältte. ') 
Von Riehard Kempf, Berlin-Dahlem. 


Weitere Nachträge zum sechsten Kapitel („Trennen und Reinigen“). 
IV. Trennen auf Grund verschiedener Löslichkeit. 


(Vel. Bd. I, S. 175— 197.) 
1. Extrahieren von leicht flüchtigen Stoffen aus festen Körpern. 


Die hierher gehörigen Trennungsmethoden spielen hauptsächlich bei 
der Gewinnung ätherischer Öle aus vegetabilischen Stoffen eine wichtige 
tolle und sind daher bereits an anderer Stelle eingehend geschildert 
worden (vgl. dieses Handb., Bd. II, S. 994 ff.). Diese „pneumatischen“ Me- 
thoden gründen sich auf den verhältnismäßig hohen Dampfdruck mancher 
ätherischer Öle, namentlich der pflanzlichen Riechstoffe. Als Absorptions- 
mittel für die abdunstenden Dämpfe dienen entweder feste Körper (z. B. 
Fett) oder Flüssigkeiten (z. B. Äther). In der Riechstoffindustrie werden 
diese Verfahren unter der Bezeichnung „Enfleurage“ zur Gewinnung zarter 
3lumendüfte angewendet. ?) 


2. Extrahieren von Flüssigkeiten. 
(Vgl. Bd. I, S. 175—181.) 


Handelt es sich um die Extraktion nicht flüchtiger Stoffe aus 
einer Lösung, die sich — nötigenfalls im Vakuum — unzersetzt ein- 
dampfen läßt, so ist es häufig vorteilhafter, die Lösung zunächst zur 
Trockene zu dampfen und den Rückstand — eventuell mit Sand und wasser- 
freiem Natriumsulfat innig verrieben — im Soxhlet (siehe unten, S. 344ff.) 
zu extrahieren. ?) 


!) Die erste Hälfte der Ergänzungen, das erste bis sechste Kapitel, III. Ab- 
schnitt einschließlich umfassend, befindet sich in diesem Handb. Bd. VI, S. 626—770. 

?) Siehe z. B.: A. Hesse, Verfahren zur Gewinnung von Riechstoffen aus Pflanzen- 
teilen durch Maceration oder Enfleurage, D. R.-P. 266.376; Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. 
S. 644 (1913). 

») Vgl. z.B.: A. Belle, Neue Methode zur Bestimmung der Milchsäure. Bull. 
Soc. chim. [4], T.13, p. 565 (1913); Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 27, Ref. S.16 (1914). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 3>5 


a) Ausschütteln im Scheidetrichter (vgl. S. 175—178). 


a) Lösungsmittel. 


Als Extraktionsmittel verwendet man bekanntlich meistens leicht 
flüchtige Flüssigkeiten, wie z. B. Äther, und erhält dann das Extraktions- 
gut im Rückstand beim Abdestillieren der Lösung. In manchen Fällen je- 
doch, wenn es sich um die Gewinnung sehr leicht flüchtiger Stoffe, z. B. 
ätherischer Öle, handelt. empfiehlt es sich, umgekehrt zu verfahren: man 
wendet ein sehr schwer flüchtiges Lösungsmittel an, z. B. Olivenöl, und 
erhält dann bei der folgenden Aufarbeitung der Lösung den gesuchten 
Körper im Vorlauf des Destillates, während das Solvens quantitativ im 
Fraktionierkolben zurückbleibt (vgl. darüber dieses Handb., Bd. II, S. 991). 
Der springende Punkt bei der Wahl des Extraktionsmittels ist eben nur, 
dal dieses einen wesentlich anderen — höheren oder niedrigeren — Dampf- 
druck aufweist als der zu extrahierende Stoff. 

An Stelle von Äther ist ferner für manche Extraktionen, z. B. von 
Lezithin aus Eigelb, häufig ein Gemisch von Alkohol und Äther vorzu- 
ziehen. !) Jedoch ist hierbei zu beachten, daß Alkohol auf starke organische 
Säuren veresternd (vgl. Bd. IV, S. 1457) und auf manche Phenole ver- 
äthernd (vgl. Bd. IV, S. 1332) wirken kann. 

Die Eigenschaft des Äthers, Salz- und Salpetersäure zu lösen, ist bei 
Extraktionen mit Äther stets im Auge zu behalten. Die geringen Mengen, 
die von diesen Säuren mit in den ätherischen Auszug übergehen, können 
gelegentlich beim Eindampfen sehr nachteilig auf das Extrakt wirken. 
Über eine lockere Verbindung zwischen Äther und Salpetersäure siehe 
weiter unten (S. 361). 

In der Technik benutzt man häufig statt des Äthers den billigeren 
Petroläther als Ausschüttelungsmittel. Bei der Milchfettbestimmung 
nach Gottlieb-Röse wird zum Ausschütteln des Fettes eine Mischung von 
Äther und Petroläther angewendet. ?) 

Um Holzmasse von ihren harzigen Bestandteilen zu befreien, extrahiert 
man nach Bashlin®) am besten mit einem Gemisch aus Terpentin und 
Benzin in der Wärme. 

An Stelle des leicht entzündlichen Benzins verwendet man häufig 
besser, wie es z. B. in der Üeresinindustrie geschieht*), das nicht feuer- 
gefährliche Trichlor-äthylen (genannt „Tri“) und an Stelle des ebenfalls 
ziemlich leicht entzündlichen Benzols, Toluols oder del. Tetrachlor- 


') Siehe z.B. R. Cohn, Über das Vorkommen von Lezithin im Wein. Chem.-Zeitg. 
Bd. 37, S. 985 (1913). 

?) Vgl.z.B.: E. Rieter, Neuer Apparat zur Milchfettbestimmung nach Gottlieb- 
Röse, Chem.-Zeitg. Bd. 30, 531 (1906). 

») W. M. Bashlin, Extraktion von Harzen und anderen Nebenprodukten aus 
Holz. V. St. Amer. Pat.; Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 523 (1913). 

*) B. Lach, Über den Stand der Ceresinindustrie. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 573 


(1913). 


826 Richard Kempf. 


kohlenstoff (genannt „Tetra“).!) Auch in der Industrie der Fettextraktion 
werden wohl in dem Kampf der gechlorten Kohlenwasserstoffe mit dem 
von alters her gebrauchten Benzin die ersteren siegreich bleiben. ?) 

Über heftige Explosionen des Destillationsrückstandes bei Extraktionen 
mit Äther ist auch wieder neuerdings berichtet worden. ?) 

Als Lösungsmittel für Indigo zur quantitativen Extraktion von Roh- 
indigo im Soxhlet dient Chinolin®) (Schueldersche Extraktionsmethode). 

Im übrigen ist eine Zusammenstellung der gebräuchlichsten orga- 
nischen Lösungsmittel und ihrer Eigenschaften im folgenden Kapitel („Um- 
kristallisieren“) gegeben (vel. dieses Handb., Bd. I, S. 187 ff. und unten, 
S. 358ff.). — 

PB) Scheidetrichter (Schütteltrichter). 

Eine außerordentlich große Anzahl neuer Vorschläge betrifft die Form 

und konstruktive Ausgestaltung des Scheidetrichters. Von mehreren 

Seiten zugleich: von Schütte) 

Buop: und Parker) wurde eine 

flache Form des Schüttel- 
raumes vorgeschlagen. 

Die Scheideflasche nach 
Schütte zeigt die nebenste- 
hende Abbildung (Fig. 105). 

Scheideflasche nach Schütte. Während der Extraktion wird 

der Apparat in horizontaler 

Richtung, also liegend, eventuell mit Hilfe einer maschinell schwach bewegten 
Platte, leise geschüttelt und nur zum Ablassen des Inhalts senkrecht gestellt. 
Da sich die Flüssigkeiten an einer etwa lOmal größeren Grenzfläche als in 
einem gewöhnlichen Kugelscheidetrichter gleichen Fassungsvermögens gegen- 
seitig berühren, vollzieht sich die Extraktion auf dem Wege der Diffusion 
sehr viel rascher als sonst, und es erübrigt sich ein heftiges Durcheinander- 
schütteln der Schichten. Infolgedessen wird jede Emulsions- und Schaum- 
bildung vermieden. Der Apparat eignet sich daher vorzüglich zur Extraktion 
solcher Flüssigkeiten, die beim Ausschütteln in den gewöhnlichen Scheide- 


1) Siehe z. B.: Margosches, Tetrachlorkohlenstoff als Lösungs- und Extraktions- 
mittel. Stuttgart (Enke) 1905. — M. J. M. Bouffort, Anwendung von Tetrachlorkohlen- 
stoff für die Behandlung von Kautschuk. Franz. Pat. Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 211 
(1913). 

2) Vgl.: @. Hefter, Fortschritte der Öl- und Fettindustrie im Jahre 1909. Chem.- 
Zeitg. Bd. 34, S. 837 (1910). 

3) Siehe z. B.: W. Kleemann, Über Ätherexplosionen. Chem.-Zeitg. Bd. 26, S. 385 
(1912). — @. Kaßner, Beitrag zur Kenntnis des Äthers. Arch. d. Pharm. Bd. 250, 
S. 436 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 33, Rep. S. 566 (1912). 

4) R. Clauser, Über Neuerungen in der Indigoanalyse. Österr. Chemiker-Zeitg. 
Bd. 2, S. 521 (1899); Chem. Zentralbl. 1899, Bd. II, S. 978. 

5) Schütte, Die Scheideflasche als Ersatz des Kugelscheidetrichters. Chem.-Zeitg. 
Bd. 35, S. 332 (1911). 

6) €. E. Parker, Ein neuer Scheidetrichter. Journ. Amer. Chem. Soc. Vol. 35, 
p: 295 (1913); Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 353 (1913). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik*“. 327 


trichtern stark zur Emulsionsbildung neigen, z.B. zum Ausschütteln von 
Bier, Wein usw. zwecks Nachweises von Salizylsäure und Benzoösäure, kann 
aber natürlich auch in allen anderen Fällen, wo starkes Schütteln angängig 
ist, gebraucht werden. In einem quantitativen Probeversuch wurden 50 em® 
Bier, dem 25 mg Salizylsäure zugesetzt war, zweimal mit je 50 cm® Chloroform 
2 Stunden hindurch extrahiert. Unter Vermeidung jeglichen Schüttelns 
wurde lediglich durch Verschieben der Flasche auf der Unterlage von 
Zeit zu Zeit eine Verschiebung der Flüssigkeitsschichten gegeneinander be- 
wirkt. Die quantitative Bestimmung der Salizylsäure in den Chloroform- 
extrakten ergab die Anwesenheit von 246 mg. Hiermit ist bewiesen, daß 
mit Hilfe des Apparates quantitative Extraktionen auch ohne heftiges 
Schütteln in begrenzter Zeit möglich sind. 

Demselben Zweck: Vermeidung von Emulsionsbildung dient der von 
Meeker!) angegebene Extraktionsapparat. Das Flüssigkeitsgemisch. befindet 
sich in einem zylindrischen Scheidetrichter. Ein Rührer taucht bis in die 
unterste Flüssigkeitsschicht und ein in entgegengesetzter Richtung sich 
bewegender Rührer in die obere Flüssigkeit. Durch einen Motor werden 
die Rührer betrieben. Wie Versuche beim Ausschütteln von Hydrastin, 
Hyoseyamin, Sanguinarin, Strychnin usw. ergaben, wird auf diese Weise 
nicht nur die Emulsionsbildung verhindert, sondern die Extraktion ist 
auch vollständiger als bei den bisherigen Anordnungen. Es genügt in der 
Regel 10 Minuten langes Rühren bei einer Geschwindigkeit von 100 Um- 
drehungen in der Minute. 

Ebenfalls einen abgeflachten Scheidetrichter, den man auf dem 
Arbeitsplatz hinlegen und auch auf dem Wasserbade erwärmen kann. 
schlug Spaeth?) vor. In dem Ablalihahn dieser Vorrichtung: befindet sich 
ferner eine Höhlung, die — etwa 0'5 cm fassend — mit dem Schüttel- 
raum kommuniziert und zur Aufnahme etwa abgeschiedener Sedimente 
dient. Dreht man den Hahn, so wird der Inhalt der Vertiefung von dem 
des Schüttelraumes abgeschlossen und kann so von dem übrigen Lösungs- 
gemisch leicht getrennt werden. — Der hahnlose Scheidekolben von 
Wieder) verträgt ebenfalls Erhitzung. 

Um nach dem Ablassen der unteren Flüssigkeit die obere ebenfalls 
unten ablassen zu können, ohne sie mit den im Hahnrohr verbleibenden Resten 
der schwereren Flüssigkeit zu verunreinigen, wurden von Spaeth*) und 
von Reik >) Scheidetrichter mit doppelt durchbohrtem Hahn und getrennten 
Ablaßröhren vorgeschlagen. 


!) @. H. Meeker, Verhütung von Emulsionen bei Extraktion mit nicht mischbaren 
Lösungsmitteln. Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 1190 (1912). 

?) E. Spaeth, Über einen neuen Apparat zum Abscheiden von Trübungen und 
zum Ausschütteln von Flüssigkeiten. Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 26, S. 304 (1913). 

3) R. Wieder, Petroleum. Bd. 8, S. 1450 (1913). 

*) E. Spaeth, Scheidetrichter für forensisch-chemische und andere Zwecke. Zeit- 
schrift f. Unters. d. Nahr.- u. Genußm. 1898, S. 96; Chem. Zentralbl. 1898, I, S. 761. 

5) R. Reik, Scheidetrichter für forensisch-chemische und andere Zwecke. Ebenda 
1898, S. 400; Chem. Zentralbl. 1898, II, S. 243. 


328 Richard Kempf. 


Ist eine Lösung öfters hintereinander auszuschütteln, so empfiehlt 
es sich — namentlich bei quantitativen Extraktionen —, in einem 
Stativ zwei Schütteltrichter derart übereinander anzubringen, dal der Stiel 
des oberen Trichters in den Hals des unteren hineinragt.!) Man schüttelt 
zunächst wie gewöhnlich in dem oberen Scheidetrichter aus, läßt dann die 
extrahierte untere Schicht direkt in den zweiten Trichter 
ab und schüttelt nun in diesem mit frischem Extrak- 
tionsmittel aus. Inzwischen hat man den ersten Trichter 
entleert und in dem Stativ unten angebracht, so dab 


Fig.107 a. 


Fig. 107. 


Fig. 106. 


Sehütteltrichter MR Schü i 
> a - R Sehütteltriehter nach Rothe 
nach Posner. Schütteltrichter nach Rothe (altes Modell). en s 


die zweimal ausgeschüttelte Flüssigkeit nun wieder in ihn zurückgelangt, 
worauf nach der dritten Ausschüttelung das Spiel von neuem beginnt. Man 
erspart auf diese Weise ein Gefäß zum Auffangen der abgelassenen 
unteren Schicht und das lästige, eventuell mit Verlusten verknüpfte Um- 
gießen aus diesem Gefäß in den Scheidetrichter zurück. 

Denselben Zweck verfolgen eine Reihe von Konstruktionen, bei denen 
ein Paar miteinander verbundener Extraktionsräume einmal unter sich 
kommunizieren können, dann aber auch jeder für sich nach außen 
zu entleeren ist. Derartige Schütteltrichter sind u.a. von Schütze?), 


') Vgl. z.B.: A. A. Blair, The Chemical Analysis of iron. 7. Aufl. 1908, S. 210; 
auf S. 191 ist hier auch der praktische Carnotsche Scheidetrichter geschildert. 

?) Rob. Schütze, Scheide- und Ausschüttelapparat. Chem.-Ztg. Bd.11, S. 1059 (1887); 
Chem. Zentralbl. 1887, S. 1365. 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 329 


Posner !) (Fig. 106), Rothe?) (Fig. 107 und 107«a), König®) und Schowalter *) 
(Fig. 108) angegeben worden. 

Der von Bolland;) vorgeschlagene Scheidetrichter (Fig. 109) erlaubt, 
die obere Flüssigkeitsschicht aus jeder Höhe des Trichters zu erneuern, 
ohne vorher die untere Schicht ablassen zu müssen. Ähnliche Apparate 


Fig. 108. 


Fig. 109. Fig. 110. 


Sehütteltrichter Scheidetrichter nach Bolland. Scheidevorrichtung nach 
ch Schowalter Jacobson und Dinsmore. 


hatten schon vorher Atkinson®), sowie Jacobson und Dinsmore') (Fig. 110) 
angegeben. 


Bezüglich einer Reihe anderer Scheidevorrichtungen sei auf die Origi- 
nalliteratur verwiesen. ®) — 


!) Th. Posner, Schütteltrichter mit Reserveraum für mehrfache Ausschüttelungen 
einer Flüssigkeitsmenge. Chem.-Zeitg. Bd. 22, S. 868 (1898). 

?) Erstmalig abgebildet in der Denkschrift zur Eröffnung des Kgl. Materialprü- 
fungsamtes von A. Martens und M. Guth. Berlin (Jul. Springer) 1904, S. 55. — Vgl. auch 
Eug. Deiß und H. Leysaht, Über die Trennung von Eisen und Vanadin nach dem Äther- 
verfahren. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 869 (1911). — ©. Bauer und E. Deiß, Probenahme 
und Analyse von Eisen und Stahl. Berlin (Jul. Springer) 1912, S. 142. 

3) H. König, Doppelscheidetrichter für Ätherausschüttelung. Stahl und Eisen. 
Bd. 30, S. 460 (1910). 

*) E. Schowalter, Scheidetrichter für quantitative Ausschüttelungen. Chem.-Zeitg. 
Bd. 35, S. 1180 (1911). 

5) A. Bolland, Über einen neuen Scheidetrichter. Chem.-Ztg., Bd. 35. S. 373 (1911). 

6) H. M. Atkinson, Ein neuer Scheidetrichter. Chem. News, Vol. 102, p. 308 
(1910); Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 65 (1911). 

?) C. A. Jacobson und S. €. Dinsmore , Scheidevorriehtung. Amer. Chem. Journ. 
Vol. 44, p. 84 (1910); Chem.-Zeitg. Bd. 34. Rep. S. 401 (1910). 

8) Siehe z.B. Georg W. A. Kahlbaum, Neuer Scheidetrichter, Ber. d. Deutsch. 
chem. Ges. Bd. 32, S. 509 (1899). — J. Blount, Scheidetrichter. V. St. Amer. Pat.; 
Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 345 (1913). 


350 Richard Kempf. 


y) Theoretisches. 


Von der Theorie des Extraktionsvorganges mögen einige Punkte, 
die praktisch wissenswert sind, hier erörtert werden. Die Gesetze, die für 
die Verdampfung eines in Lösung befindlichen Stoffes, d. h. für die Ver- 
teilung eines Stoffes zwischen einer gasförmigen und flüssigen Phase 
bestehen, lassen sich ohne weiteres auch auf die Verteilung eines Stoffes 
zwischen zwei flüssigen Phasen übertragen. Hieraus folgt z. B., daß der soge- 
nannte Teilungskoeffizient, d. h. das Verhältnis der räumlichen Konzen- 
trationen eines Stoffes zwischen zwei Lösungsmitteln, bei gegebener 
Temperatur nach Eintritt des Gleichgewichtszustandes konstant ist, voraus- 
gesetzt, dab der gelöste Stoff in beiden Lösungsmitteln das gleiche Mole- 
kulargewicht besitzt. Der Stoff verteilt sich in den beiden Lösungsmitteln 
stets im Verhältnisse der maximalen Löslichkeiten. Sind mehrere gelöste 
Substanzen vorhanden, so verteilt sich jede Molekülgattung so, als ob die 
anderen nicht da wären (Gesetze von Berthelot!) und Nernst2). So 
verteilt sich z. B. eine gegebene Menge Bernsteinsäure zwischen Wasser 
und Äther stets derart, daß die Konzentration der Säure im Wasser 
etwa Dmal größer ist als in Äther, ganz gleich, wieviel Bernsteinsäure 
vorhanden ist und wie groß die Volumina der beiden Lösungsmittel sind. 
Der Teilungskoeffizient beträgt also in diesem Falle 5, und bei Anwendung 
gleicher Mengen Äther und Wasser befindet sich stets 5mal so viel der 
Säure im Wasser als im Äther. in diesem letzteren also !/, oder 167 %, 
der im Wasser gelöst gewesenen Gesamtmenge der Säure. 

Infolgedessen kann man leicht berechnen, wie oft man eine gegebene 
Bernsteinsäurelösung mit einer bestimmten Menge Äther ausschütteln muß, 
um die Säure praktisch quantitativ auszuziehen. Hat man z. B. 109g 
Bernsteinsäure in einem Liter Wasser gelöst und schüttelt man jedesmal 
mit 200 cm3 Äther aus, so erhält man 


2 10 i 
beim 1. Ausschütteln: ——- = 033 9 = 
(2) R = 
h 9:67 } b A 3 = 
2 " : —— —= 0'329, im ganzen 065g = 65%, | S © 
DI) : F = En 
9:35 N ‚[&& 
3. N ’—— —=0319 „ x 09 7 = 36%, 2 
6) 3% 5) [z ß 3 di [2 .- 
_ 
9:04 z 
4. = 030,0 " 126 
» 625 VI ; I / 


ust., 

') Berthelot und Jungfleisch, Sur les lois, qui president au partage d’un corps 
entre deux solvants. Ann. Chim. Phys. [4], T. 26, p. 346 und 408 (1872). 

°) W. Nernst, Verteilung eines Stoffes zwischen zwei Lösungsmitteln und 
zwischen Lösungsmittel und Dampfraum. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 8, S. 110 (1891). 
— Eine Zusammenstellung der Literatur über den Verteilungssatz findet 
sich bei: N. Dhar und A. K. Datta, Verteilung eines Elektrolyten zwischen Wasser und 
einem zweiten Lösungsmittel. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 19, S. 583 (1913). 


N ze Z- 


me! 


Ergänzungen zur „Allgemeinen ebemischen Laboratoriumstechnik*“. 331 


d.h. in jedem Arbeitsgang wird immer nur 3'35°/, der jedesmal noch 
im Wasser vorhandenen Bernsteinsäure extrahiert. Ein auch nur ange- 
nähert erschöpfendes Ausschütteln der Bernsteinsäure ist also auf diese 
Weise überaus mühselig, fast unmöglich. Man muß in solchen Fällen ent- 
weder einen selbsttätig wirkenden Extraktionsapparat benutzen (siehe darüber 
das nächste Kapitel) oder aber bei jedem Ausschütteln ein größeres Volumen 
Äther anwenden. Schüttelt man z. B. die obige Bernsteinsäurelösung jedes- 


mal mit einem Liter Äther aus, so erhält man 


ER. ) 10 ei ide 
beim 1. Ausschütteln: er 167 9 HT ro 
2. = ; Tr Teen 1:39 g, im ganzen 306 9 = 30°6°/, | Sg 
6:94 IE 
Ba ara. 6; 3 Tran — 1109. „ .. 4229 = 4220|, Sr 
. 978 . > Is > = -QO | © 
4. n A, —:0:96,9,.3 7055518: = 980,4], > 


usf., 


d. h. in jedem Arbeitsgang gehen 16°7°/, der jedesmal noch im Wasser 
vorhandenen Bernsteinsäure in den Äther. Während man nach 4maligem 
Ausschüttein mit je 200 .cm3 Äther erst 1'269 Bernsteinsäure = 12'6°/, 
der Gesamtmenge extrahiert hat, befinden sich bei der zuletzt beschrie- 
benen Arbeitsweise nach 4maligem Ausschütteln bereits 518g = 51'8°), 
der gesamten Säure im ätherischen Extrakt. 

Aus diesem Beispiel erhellt zugleich auch, daß mit einer gegebenen 
Menge des organischen Lösungsmittels ein vollkommeneres Ausschütteln 
erreicht wird, wenn man mit vielen kleinen Portionen von ihm öfters 
schüttelt, als mit wenigen größeren Teilmengen seltener. Erzielt man 
doch in obigen Beispielen mit der Ö5fachen AÄthermenge (41:800 cm3) 
einen nur etwa 4mal größeren Effekt (518 9:1'26 9). 

Ferner läßt sich aus dem gegebenen Beispiel ohne weiteres die Tatsache 
ableiten, daß ein absolut erschöpfendes Ausschütteln theoretisch über- 
haupt unmöglich ist. Trägt man in einem Schaubild die ausgeschüttelten 
Gesamtmengen als Ordinaten, die Zahl der Ausschüttelungen als Abszissen 
ein, so erhält man Kurven, die sich asymptotisch dem theoretischen 
Werte nähern, ihn aber nie erreichen: Ist im Falle der Bernsteinsäure 
die Konzentration der Säure im Wasser noch so gering, im Äther ist sie 
stets 5mal geringer. 

Kennt man den Teilungskoeffizienten (k) einer Substanz zwischen 
Wasser und einem organischen Lösungsmittel, von welchem man die 
Menge m angewendet habe, kennt man ferner die Menge der gelösten 
Substanz (x,), und beträgt die Menge der wässerigen Lösung |, so kann 
man die Substanzmenge, die.nach n Ausschüttelungen in der wässerigen 
Lösung zurückbleibt, nach der folgenden Gleichung berechnen: 


3532 Richard Kempf. 


ERERREAHNS N 
n=xım+tk.l, 

Nach Herz und Rathmann!) ist der einfache Verteilungssatz aller- 
dings häufig nicht erfüllt. Es ist dann die Bildung von polymerisierten 
Molekeln oder von Verbindungen zwischen gelöstem Stoff und organischem 
Lösungsmittel anzunehmen.:) 

Mit dieser Annahme läßt sich auch die Tatsache ungezwungen er- 
klären, daß der Extraktionsvorgang häufig vollkommen zum Stillstand 
kommt, sobald eine untere Grenze der Verdünnung erreicht ist. So extra- 
hiert nach Sisley®) z.B. Toluol keine Spur Pikrinsäure mebr aus 
wässerigen Lösungen, wenn deren Konzentration auf 1:100.000 gesunken 
ist, — obwohl Pikrinsäure in Toluol achtmal löslicher ist als in Wasser. 

Als Beispiele, die den Verteilungssatz illustrieren und die mit der theo- 
retischen Forderung praktisch genügend übereinstimmen, seien von analy- 
tischen Befunden die folgenden erwähnt. Bei der quantitativen Bestimmung 
des Quercetins in Wein durch Extraktion mit Äther, wobei jedesmal die 
doppelte Menge Äther angewendet wurde, ergab nach ». Fellenberg*) 


die 1. Ausschüttelung: 87°/, des gesamten gelben Farbstoffes, 


3 2 11.107 
b} _. .. - ’o .. N „ „ 
(berechnet: 11'3%/, —= 87°/, des verbliebenen Restes), 
is: a : 20/, des gesamten gelben Farbstoftes 


(berechnet: 1:7°/, = 87°/, des verbliebenen Restes). 


Weniger gut im Einklang mit den Forderungen der Theorie stehen schein- 
bar die Versuchsergebnisse, die bei der quantitativen Extraktion der Gerb- 
und Gallussäure aus Eisengallustinten erhalten wurden.°) Beim Aus- 
schütteln einer Mischung von 10 cm® Tinte und 10 cm: Salzsäure (d = 1'1) 
mit je 50 cm: Essigester nach den neuen Grundsätzen für amtliche Tinten- 
prüfung in Preußen ®) ergab 


‘) W. Herz und W. Rathmann, Anwendungen des Verteilungssatzes. Zeitschr. f. 
Elektrochem. Bd. 19, S. 552 (1913). 

°) Vgl. auch: P. Sisley: Augenblicklicher Stand unserer Kenntnisse über die 
Theorie der Färbung. Chem.-Zeitg. Bd.37, S.1358 (1913). — Siehe aber auch: 
@. vr. Georgievies, Über das Wesen des Vorganges, welcher bei der Verteilung eines 
Stoffes zwischen zwei flüssigen Lösungsmitteln stattfindet. Zeitschr. f. physik. Chem. 
Bd. 84, S. 353 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. Il, S.1355. — XNilratan Dhar, Ver- 
bindung des gelösten Körpers und des Lösungsmittels in der Lösung. Zeitschr. f. Elek- 
trochemie, Bd. 20, S. 69 (1914). 

2) P. Sisley, ]. e. 

*) Th. v. Fellenberg, (Quercetinbestimmung in Wein. Mitteilungen aus dem Ge- 
biete der Lebensmitteluntersuchung und Hygiene. Bd. 4, S. 6 (1913). 

°) R. Kempf, Untersuchungen über Eisengallustinten; 12. Mitt,.: Selbsttätige Vor- 
richtung zum Ausziehen von Eisengallustinten mit Essigester. „Mitteilungen aus dem 
Kgl. Materialprüfungsamt zu Berlin-Lichterfelde“, Bd. 31, S. 451 (1913). 

°) Vgl.: F. W. Hinrichsen, Die neuen Grundsätze für amtliche Tintenprüfung. 
Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 265 (1913). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 333 


die 1. Ausschüttelung: 05529 = 78'9°/, des Ganzen 
2: e 7 BERUF 

Hd. e FRH2TE 30 

aid 5 2, 1.0) SP er 

Kerle: Be: 370 

Bub: ORTEN 040), 


EZ ganzen: 0700 4 = 100°0°/, 


Die Unstimmigkeiten beruhen wahrscheinlich darauf, daß in Tinten 
stets ein Gemisch von Gerbstoffen (z. B. Tannin und Gallussäure) vor- 
liest, und daß sich auch der den Tinten zugesetzte organische Farbstoff 
ein wenig in Essigester auflöst. Auch kommt wohl noch hinzu, daß im 
Verlaufe der Extraktion eine teilweise Hydrolyse der Gerbstoffe durch die 
anwesende Säure eintritt. Immerhin geht aus den obigen Zahlen her- 
vor, daß bereits durch die ersten beiden Ausschüttelungen fast der ge- 
samte Gerbstoff (mehr als °/,, des Ganzen) extrahiert wird. Ein ganz be- 
sonders sorgfältiges Arbeiten erfordert daher die erste Portion Extrakt, 
von der kein Tropfen verloren gehen darf, wenn nicht merkliche Fehler 
entstehen sollen. 

Endlich wird öfters die folgende Überlegung praktisch wichtig sein. 
Soll die Menge eines gelösten Stoffes mit Hilfe des Ausschüttelungsver- 
fahrens quantitativ bestimmt werden, und ist der Teilungskoeffizient be- 
kannt, so erübrigt sich in vielen Fällen eine erschöpfende Extraktion. Es 
genügt vielmehr eine einzige Ausschüttelung und die Bestimmung der in 
das Extraktionsmittel übergegangenen Menge der betreffenden Substanz, 
um unter Berücksichtigung des Mengenverhältnisses der beiden Lösungs- 
mittel und auf Grund des Berthelotschen Gesetzes die Gesamtmenge der 
zu bestimmenden Substanz rechnerisch ermitteln zu können. — 

Die Verteilungskoeffizienten für einige Stoffe zwischen halogenhaltigen 
Lösungsmitteln und Wasser haben Herz und Rathmann‘) bestimmt. Ver- 
suche über die Verteilung eines Elektrolyten zwischen Wasser und einem 
zweiten Lösungsmittel haben Dhar und Datta®) angestellt. Über die Ver- 
teilung von Thymol zwischen Wasser und Ölen bei verschiedenen Tem- 
peraturen berichtete Seidell. >) 

Sisley*) stellte fest, daß das Gesetz der Teilungskoeffizienten sich auch 
auf die Extraktion von Säurefarbstoffen durch Seide anwenden läßt. 

Welche wertvollen Dienste die Extraktion als Trennungsmethode ge- 
legentlich zu leisten vermag, erhellt namentlich aus den erfolgreichen Ver- 


1) W. Herz und W. Rathmann, Anwendungen des Verteilungssatzes. Zeitschr. f. 
irochem. Bd. 19, S. 552 (1913). 

®) N. Dhar und A. K. Datta, Verteilung eines Elektrolyten zwischen Wasser und 
einem zweiten Lösungsmittel. Zlschr f. Elektrochem. Bd. 19, S. 583 (1913). 

3) A. Seidell, Löslichkeit und Verteilungskoeffizient des Thymols. Cbem.-Zeitg. 
Bd. 36, S. 1190 (1912). 

#) P. Sisley, Augenblicklicher Stand unserer Kenntnisse über die Theorie der Fär- 
bung. Chem.-Zeitg. Bd. 37, 8.1358 (1913). 


334 Richard Kempf. 


suchen Kurt H. Meyers‘), die Enol- und Ketoform des Azetessigesters 
durch Ausschütteln voneinander zu scheiden. Der Azetessigester besteht im 
Gleichgewicht zu etwa 7°/, aus der Enol- und zu etwa 93°/, aus der Keto- 
torm.?) Auf Grund von Versuchen und physikalisch-chemischen Betrach- 
tungen gelang es nun, durch Ausschütteln des Gleichgewichts-Azetessig- 
esters mit Hexan oder Petroläther bei 0° das Keton fast ganz frei von 
Enol zu erhalten. Bereits nach 3maligem Ausschütteln des Azetessigesters 
mit dem doppelten Volumen gekühlten Hexans hinterbleibt die Ketoform 
fast rein (98:5°/,ig). 

Manchmal gelingt es, zwei miteinander mischbare Flüssigkeiten da- 
durch voneinander zu trennen, daß man einen dritten Stoff, der nur in 
der einen Flüssigkeit löslich ist, hinzusetzt, bis sich die andere Flüssigkeit 
abscheidet. Man trennt dann die Schichten im Scheidetrichter. So lassen sich 
z.B. die Alkohole aus wässeriger Lösung durch Zusatz von Pottasche ab- 
scheiden, und zwar in einem Alkoholgemisch die höheren Alkohole gemäß ihrer 
schwereren Löslichkeit früher als die niedrigeren. Hierauf gründet sich ein 
Anreicherungsverfahren von Methylalkohol zum Zwecke seines Nachweises. °) 
Dem Kaliumkarbonat ähnlich in der Wirkung und ihm oft vorzuziehen 
ist Kaliumfluorid*) (siehe auch unten, S. 386, unter „Aussalzen“). 

Auch bei der quantitativen Trennung von Chlorophyli a (C,; H;s 0, 
N,Mg) und Chlorophyll b (C,; H,, O0, N,Mg), dieser beiden Komponenten 
des natürlichen Chlorophylis, hat ihre etwas ungleiche Verteilung zwischen 
mehreren miteinander nicht mischbaren Lösungsmitteln vorzügliche Dienste 
geleistet.) — 

Über das Haften fester Partikel an der Grenzfläche zweier Flüssig- 
keiten liegen Angaben von Ho/mann®) vor. Feine Pulver bleiben nach 
dem Schütteln mit zwei nicht völlig mischbaren Flüssigkeiten öfters quan- 
titativ an deren Grenzfläche sitzen : eine Folge der gleichzeitigen Benetzung 
der festen Substanz durch beide Flüssigkeiten. Ferner hat Reinders’) die 


') Kurt H. Meyer, Über Keto-Enol-Tautomerie. Liebigs Annal. d. Phys. u. Chem. 
Bd. 380, S. 212 (1911); vgl. Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 270 (1912). 

°) K. H. Meyer, l. ec. — K. H. Meyer und P. Kappelmeier, Über die Tautomerie 
des Azetessigesters. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 44, S. 2718 (1911). — Vgl. auch: 
L. Knorr, Desmotropie beim Azetessigester. Ebenda. Bd. 44, S. 1138 (1911). 

®) Th. v. Fellenberg, Bestimmung und Nachweis von Methylalkohol. Mitteilungen 
aus dem Gebiete der Lebensmitteluntersuchung und Hygiene. Bd. 4, S. 141 (1913). 

") @. B. Frankforter und F. €. Frary, Gleichgewichte in Systemen, die Alkohole, 
Wasser und Salze enthalten, mit einer neuen Methode der Alkoholanalyse. Journ. of 
physical. Chem. Vol. 17, p. 402 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 422. 

°) Vgl.: R. Willstätter und A. Stoll, Untersuchungen über Chlorophyll. Berlin 
(Jul. Springer) 1913. — R. Willstätter, Über Chlorophyll. Zeitschr. f. angew. Chem. 
Bd. 26, S. 507 (1913). 

°) F. B. Hofmann, Versuche über Benetzung und über das Haften fester Partikel 
an der Grenze zweier Flüssigkeiten. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd..83, S. 385 (1913); 
Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 641. 

) W. Reinders, Die Verteilung eines suspendierten Stoffes auf zwei Flüssigkeits- 
phasen und ihre praktische Bedeutung. Chemisch Weekblad. Bd. 10, S. 700 (1913); 
Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 1098. 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik*“. 33 


[eo] | 


Verteilung eines suspendierten Stoffes auf zwei Flüssigkeitsphasen eingehend 
untersucht. Diese Verhältnisse haben eine große praktische Bedeutung, 
weil auf ihnen eine Trennungsmethode fester Stoffe gegründet werden 
kann, und weil u. a. die Waschwirkung der Seife darauf beruht. 

Untersuchungen von Georgievies!) über die Verteilung von Ameisen- 
säure, Essigsäure und Buttersäure zwischen Wasser und Benzol haben er- 
geben, daß die übliche Auffassung des Vorganges, welcher sich bei der 
Verteilung eines Stoffes zwischen zwei flüssigen Lösungsmitteln abspielt, 
nicht in allen Fällen zutreffend sein kann. Vielmehr ist die Analogie mit der 
Adsorption so weitgehend, daß die Gleichheit dieser zwei Vorgänge im 
wesentlichen sehr wahrscheinlich ist. Das Studium der anormalen Ver- 
teilung von Stoffen zwischen Wasser und einem Kohlenwasserstoff (vel. 
oben) dürfte hierüber entscheiden. 

Oft ist es zweckdienlich, namentlich bei quantitativen Versuchen, 
das erhaltene Extrakt vor dem Eindampfen gleich erst zu waschen, 
Schüttelt man z. B. bei der Tintenanalyse die Gerb- und Gallussäure aus 
der angesäuerten Eisengallustinte mittelst Essigester aus, so geht stets 
auch etwas Eisenoxydsalz in den Ester über.) Um die Essigesterlösung 
von dieser das Analysenergebnis beeinträchtigenden Verunreinigung zu be- 
freien, schüttelt man sie vor dem Eindampfen mehrere Male mit einer 
wässerigen halbgesättigten Chlorkaliumlösung aus, die das Eisensalz 
vollständig, nicht aber in wägbarer Menge die Gerb- und Gallussäure 
herauswäscht. ?) 

Liegt in einem Extrakt ein Gemisch saurer, basischer und neutraler 
Stoffe vor, so kann man oft durch folgeweises Schütteln der Lösung mit 
verdünnter Lauge und Säure eine Trennung der einzelnen Bestandteile 
bewirken. 


b) Selbsttätige Extraktion von Flüssigkeiten (vgl. S. 178— 181). 


Es sind zwei prinzipiell verschiedene Klassen von selbsttätig wirkenden 
Extraktionsapparaten zu unterscheiden, je nachdem die Vorrichtung für 
organische Lösungsmittel berechnet ist, die spezifisch leichter sind als die 
auszuziehende Lösung, oder spezifisch schwerer. Entsprechend dem Um- 
stande, daß man weitaus am häufigsten Lösungsmittel anwendet, die 
spezifisch leichter als Wasser sind (Äther, Essigester, Benzol, Benzin usw.), 
ist die große Mehrzahl der vorgeschlagenen Extraktionsapparate für spe- 


1) @. v. Georgievies, Studien über Absorption in Lösungen. Chem.-Zeitg. Bd. 37, 
S. 1212 (1913). — Derselbe, Über das Wesen des Vorganges, welcher bei der Ver- 
teilung eines Stoffes zwischen zwei flüssigen Lösungsmitteln stattfindet. Zeitschr. f. 
physik. Chem. Bd. 84, 5.353 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 1355 und 1914, 
Bd. I, S. 600. 

?) Vgl.: F. W. Hinrichsen, Die Untersuchung von Eisengallustinten. Stuttgart 
(F. Enke) 1909, S. 71. 

») F. W. Hinrichsen, Untersuchungen über Eisengallustinten IV. Über die Be- 
stimmung von Gerb- und Gallussäure bei Gegenwart von Eisensalzen. Mitteilungen aus 
dem Kgl. Materialprüfungsamt zu Berlin-Lichterfelde. Bd. 24, S. 287 (1906). 


336 Richard Kempf. 


zifisch leichtere Lösungsmittel konstruiert. Von spezifisch schwereren 
Flüssigkeiten sind eigentlich nur Schwefelkohlenstoff und die halogen- 
haltigen Lösungsmittel (Chloroform , Tetrachlorkohlenstoff und die ge- 
chlorten Äthylene und Äthane) als Extraktionsmittel üblich. (Näheres über 
die am häufigsten gebrauchten organischen Lösungsmittel siehe unten, 
S. 358ff., unter „Umkristallisieren“.) 


7») Selbsttätige Extraktionsapparate für spezifisch leichtere Lösungs- 
mittel. 

Alle Apparate, die dem in der Überschrift genannten Zweck dienen, 
sind im Prinzip genau gleich. In einem Kölbcehen wird das organische 
Lösungsmittel zum Sieden erhitzt, die Dämpfe gelangen durch einen längeren 
Verbindungsweg in einen oben befindlichen Kühler, werden hier kondensiert 
und tropfen nun in ein Trichterrohr, das in dem mit dem Extraktionsgut 
beschickten (refäß steht. Hier steigen die Tröpfchen infolge ihres geringeren 
spezifischen Gewichtes durch die Lösung hindurch nach oben, sättigen 
sich auf ihrem Wege mit dem zu extrahierenden Stoff, sammeln sich 
über der Lösung an und gelangen endlich durch ein Überlaufrohr in das 
Destillationskölbcehen zurück, um unter Hinterlassung der aufgenommenen 
Substanz den Rundweg von neuem anzutreten. Dieses feststehende Kon- 
struktionsprinzip ist wohl zum erstenmal deutlich in dem schon beschrie- 
benen Apparat von Schwarz verkörpert (vgl. Bd. 1, S. 178, Fig. 352). Ver- 
schieden ist in den zahllosen ähnlichen Apparaten nur die Anordnung der 
einzelnen Teile und die Ausbildung des Details. 

Um eine schnelle, ausgiebige Extraktion zu erzielen, muß natürlich 
dafür gesorgt werden, daß das Extraktionsmittel die Lösung möglichst 
innig durchdringt und sich das Gleichgewicht des gelösten Stoffes in seiner 
Verteilung zwischen den beiden Flüssigkeiten möglichst momentan ein- 
stellt. Zur Erreichung dieses Zweckes sind eine ganze Reihe von Vor- 
schlägen gemacht worden. In der von Kempf!) angegebenen Konstruktion 
(Fig. 111) ist das Trichterrohr unten brausenförmig ausgebildet oder mit 
einer Flachglasspirale umgeben, an der entlang die Tröpfchen empor- 
steigen müssen. Außerdem ist das Gefäß für die zu extrahierende Lösung 
sehr lang und schmal gewählt, damit die Flüssigkeitssäule möglichst hoch 
sej. Man tut ferner gut, das Lösungsmittel möglichst lebhaft sieden 
zu lassen; die gewaltsam aufsteigenden Tröpfchen besorgen dann selbst 
wirksam eine Durchmischung der Flüssigkeiten. 

In den Apparaten von Friedrichs?) ist entweder das Trichterrohr 
(Fig. 112) oder das Gefäß (Fig. 115) mit schraubenförmigen Rillen versehen. 


') R. Kempf, Über selbsttätige Extraktion wässeriger Flüssigkeiten durch spezifisch 
leichtere organische Lösungsmittel. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 1365 (1910). 

°) F. Friedrichs, Ein neuer Extraktionsapparat. Zeitschr. f. analyt. Chemie. Bd. 50, 
S. 756 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 625 (1911). — Vgl. auch: Derselbe, Ein neuer 
Apparat zum Extrahieren von Flüssigkeiten. Journ. Amer..Chem. Soc. ‚Vol. 34, p. 285 
(1912) und Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 25, S. 158 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. 
S. 389 (1912). 


Fig. 111. 


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Apparat zur Extraktion von Lösungen 
nach Kempf (1. Modell). 


Bd. 35, Rep. S. 397 (1911). 


Chem.-Zeitg. Bd. 37, 1381 (1913). 


Fig. 112. 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 337 


Der Apparat von Koolmann!) erlaubt ein Rühren durch Einblasen eines 
Gasstromes (Fig. 114), durch den die zu extrahierende Flüssigkeit dauernd 
bewegt wird. Mechanische Rührung ist in dem schon beschriebenen 
(Bd.1, S.181, Fig.359) und neuerdings wesentlich verbesserten ?) Apparat 


von Zelmanowitz vorge- 
sehen (Fig. 115), ebenso in 
der von Eimbden und Lind °) 
vorgeschlagenen sehr wirk- 
samen Konstruktion, bei 
der das Trichterrohr selbst 
rotiert (Fig. 116), und 
ferner in dem Perforations- 
apparat von Kreis.*) Einige 


Apparate zur Extraktion von Lösungen nach 


Friedrichs. 


1) F. C. ten Doornkaat Koolmann, Zeitschr. Spir.-Ind. 1911, S. 367; Chem.-Zeitg. 
?) Extraktionsapparat nach Zelmanowitz, vereinfacht und verbessert von Tolmaez, 


3) Vgl.: G. Embden und F. Kraus, Über Milchsäurebildung in der künstlich durch- 
strömten Leber. Biochem. Zeitschr. Bd. 45, S. 7 und 32 (1912); Chem. Zentralbl. 1912, 
Bd. II, S. 1832. — Siehe auch dieses Handbuch, Bd.3 (2), S. 930—932 und Fig. 271 u. 272. 
#) H.Kreis, Modifikation eines Perforationsapparates. Chem.-Zeitg. Bd. 38, S. 76 
(1914). — Siehe auch: E. Reichmann, Zuschrift an die Redaktion, ebenda, S. 259. 
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 22 


538 Richard Kempf. 


Konstruktionen bieten dem Flüssigkeitsgemisch mit Hilfe eines Spiral- 
rohres einen langen Weg dar, so z. B. der Perforator von Partheil und 
Rose‘), ferner ein zweiter Apparat von Koolmann?) und der Apparat von 
Berl.) Diese letzte — etwas komplizierte — Vorrichtung weicht auch 
insofern von dem oben geschilderten Typus ab, als nicht das flüssige 
organische Lösungsmittel, son- 

dern sein Dampf, und zwar mit Fig.115. 

einem indifferenten Gase ge- 
mischt, in der wässerigen Lö- 
sung aufsteigt. 


Fig. 114. 


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Apparat zur Extraktion von Lösungen Apparat zur Extraktion von Lösungen nach 
nach Koolmann. Zelmanowitz, verbessert von Tolmacz. 


!) A. Partheil und J. A. Rose, Eine direkte gewichtsanalytische Bestimmung der 
Borsäure. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 34, S. 3611 (1902). — Dieselben, Die direkte 
gewichtsanalytische Bestimmung der Borsäure in Nahrungsmitteln. Zeitschr. f. Unters. d. 
Nahr.- u. Genußm. Bd.5, S.1049 (1912); vgl. auch : Joh. Pinnow, Zur Bestimmung des 
Hydrochinons. Zeitschr. f. analyt. Chem. Bd.50, S.155 (1911). — Derselbe, Über die 
gemeinsame Oxydation von. Hydrochinon und Sulfit durch Luftsauerstoff. Zeitschr. f. 
Elektrochem. Bd. 19, S.263 (1913). — Th. Roettgen, Über freie und gebundene Milch- 
säure in Trauben- und Obstwein. Zeitschr. f. Unters. d. Nahr.- u. Genußm. Bd. 26, S. 648 
(1913); Chem. Zentralbl. 1914, Bd. I, S. 489. 

ale. 

>) E. Berl, Über Laboratoriumsapparate. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 429 (1910). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 339 


Alle bisher beschriebenen Apparate, mag nun der Destillationskolben 
seitlich angeordnet sein (Prinzip des Apparates von Äutscher und Steudel') 
oder unterhalb des Extraktionsraumes (Prinzip des Apparates von Schwarz?) 


und van Rijn®), haben die Eigenheit, daß die Lösung während der 


Extraktion mehr oder minder stark — meistens bis nahe zum Siedepunkt 
des angewendeten organischen Lösungsmittels — erwärmt wird. Leicht 
zersetzliche Substanzen können daher mit derartigen Apparaten nicht 


Fig.116. 


Apparat zur Extraktion von Lösungen nach Embden und Lind. 


automatisch extrahiert werden. Ebenso bedenklich ist es, in solchen 
Apparaten mit leicht zersetzlichen Lösungsmitteln, z. B. mit Essigester 
bei Gegenwart von Mineralsäuren, zu extrahieren. Will man z. B. aus Eisen- 
gallustinten nach dem Ansäuern mit Salzsäure den Gerbstoff mittelst 
Essigesters ausziehen, so tritt schon bei wenig erhöhter Temperatur sehr 
rasch eine Hydrolyse des Esters in Alkohol und Essigsäure ein und der 
Alkohol löst sofort auch den Tintenfarbstoff auf, mit dem das Extrakt daher 
stark verunreinigt wird. Außerdem erfolgt bereits nach wenigen Minuten 


!) Vgl. dieses Handbuch. Bd. 1, S. 181. 
?) Vgl. dieses Handbuch. Bd. 1, S. 178, Fig. 352. 
®) Siehe dieses Handbuch. Bd. 1, S. 179, Fig. 353. 


540 Richard Kempf. 


eine Vermischung der Schichten, da der Alkohol sowohl mit Wasser wie 
mit Essigester in allen Verhältnissen mischbar ist. Diesen Übelständen 
hilft ein ebenfalls von Kempf!) vorgeschlagener Apparat, bei dem der 
Extraktionsraum mit einem Kühlmantel umgeben ist, wirksam ab (Fig. 117). 
Das spiralig gewundene Trichterrohr ist unten am Ende pilzförmig aus- 
gebildet und brausenförmig mit äußerst feinen Löchern versehen. 

Nötigenfalls kann man durch Schaffung von Minderdruck den 
Siedepunkt des Lösungsmittels noch wesentlich erniedrigen und so die 

Gefahr einer Überhitzung der Substanz beseitigen. 
Fig. 117. Man braucht nur das Innenrohr des Kühlers, das 
oben olivenförmig gestaltet ist, durch einen Druck- 
schlauch mit einer Luftpumpe zu verbinden. Nur 
ist hierbei zu beachten, daß der Druck nicht so 
weit erniedrigt werden darf, 
Fig.118. dab der Siedepunkt des Lö- 
sungsmittels der Tempera- 
tur des Kühlwassers nahe 
kommt. Denn dann bleibt 
die Kondensation der Dämpfe 
unzureichend und ein großer 
Teil von ihnen wird von der 
Pumpe abgesaugt. 

Die von Foerster ?), Ku- 
magawa und Suto®), Fiske*), 
Bacon und Dunbar®), Yo- 
der®) vorgeschlagenen Ex- 


1) R. Kempf, Ein Appa- 
rat zur selbsttätigen Extraktion 
wärmeempfindlicher Lösungen, 
Chem.-Zeitg. Bd.37, S.774 (1913). 
— Siehe ferner: Derselbe, 
Untersuchungen über Eisengallus- 
Apparat zur Extraktion wärme- tinten. 12. Mitt. Selbsttätige Vor- 

empfindlicher Lösungen Universal-Extraktionsapparat richtung zum Ausziehen von 
ur De Eisengallustinten mit Essigester. 
Mitteilungen aus dem Kgl. Materialprüfungsamt. Bd. 31, 5.451 (1913). 

2) 0. Foerster, Zur Extraktion von Flüssigkeiten. Chem.-Zeitg. Bd. 22, S. 421 
(1898) ; Chem. Zentralbl. 1898, Bd. I, S. 244. 

3) M. Kumagawa und K. Suto, Über die Bestimmung des Fettgehaltes tierischer 
Flüssigkeiten nach Pflüger-Dormeyer. Hofmeisters Beitr. z. chem. Physiol. u. Path. Bd. 4, 
S. 185 (1904). R 

#) A. H. Fiske, Apparat zur Extraktion von Flüssigkeiten mit Äther. Amer. 
Chem. Journ. Vol. 41, p. 510 (1909); Chem.-Zeitg. Bd. 33, Rep. S. 389 (1909). 

5) R. F. Bacon und P. B. Dunbar, Neue chem. Apparate. 1. Apparat für fort- 
laufende Extraktion von Flüssigkeiten mit nichtmischbaren Lösungsmitteln, die leichter 
sind als Wasser. U. S. Dept. Agric., Bur. Chem., Cire. 80 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 36, 
Rep. S. 17 (1912). 

6) P. A. Yoder, Bemerkungen zur Bestimmung der Säuren im Rohrzuckersaft. 
Journ. Ind. Eng. Chem. Vol. 3, p. 640 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 12 (1912). 


NINAANANAANRDRRÄNN 


a 


bieten. 


die Originalarbeiten verwiesen. 


Lösungsmitteln (vgl. unten S. 368 ff.), 
dienen, beruhen fast alle auf dem 
Prinzip des Überlaufhebers der 
Florentiner Flaschen (vgl. Bd. VI, 
S. 746, Fig. 309), das u.a. auch bei 
dem bekannten von Lothar Meyer 
angegebenen Apparat zur Reini- 
gung von Quecksilber mittelst ver- 
dünnter Salpetersäure (vgl. Bd. VI, 
S. 753, Fig. 318) Anwendung ge- 
funden hat. 

Eine derartige Extraktions- 
vorrichtung für spezifisch schwerere 
organische Lösungsmittel, z. B. zum 
Auslaugen eines wässerigen Drogen- 
extraktes mit Chloroform, schlug 
u.a. Berlin®) vor (Fig. 119). Man 
beschickt den Kolben a zunächst 
soweit mit Chloroform, bis die Mün- 
dung des Rohres d eben unter den 
Flüssigkeitsspiegel taucht, und füllt 
dann die zu extrahierende wässerige 
Lösung ein, bis durch ihren Druck 
das Chloroform bis e emporgestiegen 
ist. Im Kölbehen g wird Chloroform 
zum Sieden erhitzt. Die Dämpfe 
steigen durch /, e, c, b in den 
Kühler A empor, werden hier ver- 
dichtet, tropfen durch die auszu- 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 341 
traktionsapparate seien hier nur erwähnt, da sie nichts prinzipiell Neues 


Bezüglich des interessanten Extraktionsapparates von Pellizza!), so- 
wie des „Universal-Extraktionsapparates“ von Hahn?) (Fig. 118) sei auf 


ß) Selbsttätige E.xtraktionsapparate für spezifisch schwerere Lösungs- 
mittel. 


Die Apparate, die zur automatischen Extraktion wässeriger Lösungen 
mit spezifisch schwereren Lösungsmitteln, z. B. mit den halogenhaltigen 


Fig. 119. 


Apparat zur Extraktion von Flüssigkeiten nach Berlin. 


laugende Flüssigkeit hindurch, sammeln sich am Boden des Gefäbßes « an 


1) A. Pellizza, Apparat zur kontinuierlichen Extraktion von Lösungen. Chem.-Zeitg. 


Bd. 28, S. 186 (1904). 


2) Hahn, Universal-Extraktionsapparat. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 880 (1913). 
5) Er. Berlin, Vorrichtung zum Auslaugen von Flüssigkeiten mit spezifisch 
schwereren Lösungsmitteln. D. R.-P. 251.459; Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 568 (1912). 


342 Richard Kempf. 


und verdrängen dabei durch das Rohr d, ce die ihnen gleiche Menge Chloro- 
form, das dann von c an auf der Sohle des Rohres c, e, f fortwährend 
nach g zurückfließt, um hier von neuem zu verdampfen. Da eine Durch- 
mischung der Flüssigkeiten im Kölbcehen auf mechanische Art nicht vor- 
gesehen ist, dürfte ein Konstruktionsfehler an diesem Apparat die Form 
des Gefäßes a sein, das lang und schmal hätte gewählt werden müssen, um 
eine genügend innige Berührung zwischen den beiden Flüssigkeiten herbei- 
zuführen. Prinzipiell unterscheidet sich die Vorrichtung übrigens in keiner 
Weise von dem schon beschriebenen Extraktionsapparat nach Winter 
(vgl. Bd. I, S. 180 und Fig. 355, S. 179). 

Eine anscheinend recht praktische Versuchsanordnung zur quanti- 
tativen Trennung des Nitroglycerins von nitrosubstituierten Beimen- 
gungen schlug Ayde!) vor. Die Methode beruht auf der selbsttätigen 
Extraktion des in 70°/,iger Essigsäure gelösten Gemisches mittelst 
Schwefelkohlenstoff, der die höheren und aromatischen Nitroverbin- 
dungen löst, nicht aber das Nitroglycerin. 


3. Extrahieren von festen Körpern. 
a) Mazerieren und Digerieren (vgl. S. 151—182). 

Um die Mazeration fester Stoffe, welche die Lösungsflüssiekeit 
schlecht aufsaugen, zu beschleunigen, gab Bruns?) eine Preßvorrichtung 
an, die in der Handhabung äußerst bequem und von starker Wirkung ist. 
Mit Hilfe der Wasserleitung wird in dem Apparate ein Druck von 1—2 Atm. 
hergestellt und die Substanz in Sand, Stroh oder dgl. als Zwischenmaterial 
eingebettet. Bereits durch eine zweimalige Abpressung ist das Material 
meistens genügend erschöpft. Auch bei der Extraktion von Fetten und 
Ölen wird vielfach mit Vorteil unter Anwendung stärkerer Drucke gear- 
beitet.°) Es ist aber klar, daß die Mazeration unter Druck bei manchen 
Substanzen, deren Poren leicht zusammengepreßt werden, auch schädlich 
wirken kann*), ja, daß in manchen Fällen die Schaffung eines Minder- 
drucks weit nützlicher ist. So empfiehlt es sich z. B. bei der Entfettung 
von Knochen, Leimleder und ähnlichen Stoffen, mittelst flüchtiger 
Lösungsmittel zunächst die Luft aus dem Extraktionsgut durch Schaffung 


1) A. L. Hyde, Die quantitative Trennung des Nitroglycerins von nitrosubstituierten 
Verbindungen. Journ. Americ. Chem. Soc. Vol. 35, p. 1173 (1912) ; Chem. Zentralbl. 1913, 
Bd. II, S. 1519. 

®) W. Bruns, Die Gewinnung dickflüssiger Extrakte durch Druck. Chem.-Zeitg. 
Bd. 24, S. 683 und 845 (1905). — L.Kroeber, Über die Extraktion unter Druck. 
Pharm. Zentralhalle. Bd. 51, S. 41 und 153 (1910); Chem. Zentralbl. 1910, Bd. I, S. 855 
und 1543. — W. Bruns, Fortschritte im Extraktionsverfahren. Pharm. Zentralhalle. 
Bd. 51, S. 150 (1910); Chem. Zentralbl. 1910, Bd.I, S. 1543. 

3) W. M. Booth, Die Extraktion der Fette und Öle vom kommerziellen Stand- 
punkt. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 99 (1910). 

*) Vgl.: J. Herzog, Die Gewinnung dickflüssiger Extrakte durch Druck. Chem.- 
Zeitg. Bd. 24, S. 804 und 888 (1905). — Derselbe, Über die Zweckmäßigkeit von 
Perkolation oder Mazeration zur Herstellung von Tinkturen. Ber. d. Deutsch. Pharm. 
Ges. Bd. 16, S. 359 (1906); Chem. Zentralbl. 1907, Bd. I, S. 367. 


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Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 343 


eines Vakuums vollständig herauszusaugen, die Poren des Materials sich 
mit dem Dampf des Lösungsmittels füllen zu lassen und erst dann Druck 
anzuwenden. Auf diese Weise wird das Extraktionsgut durch und durch 
mit dem flüssigen Lösungsmittel benetzt, wodurch die Fettextraktion in 
hohem Maße beschleunigt und erschöpfend gestaltet wird.!) 

Beim Mazerieren oder Digerieren zusammenbackender Massen ist es 
häufig sehr nützlich, das Material durch Zusatz eines starren unlöslichen 
Körpers aufzulockern. Bei der Herstellung von Opiumtinktur empfiehlt 
es sich z. B., eine dem Opium gleiche Menge reinen Sandes beizumischen. 
Das Opium setzt sich dann nicht so fest zu Boden und wird daher besser 
ausgezogen.?) Zur Gewinnung einer gehaltreichen Myrrhentinktur genügt 
dagegen eine 3tägige Mazerationsdauer mit 96°/,igem Weingeist, ohne 
daß der Zusatz eines indifferenten Stoffes nötig wäre.) 

Zur Extraktion der Blattfarbstoffe aus getrockneten Blättern über- 
gießt man nach Willstätter*) in einer geräumigen, innen rauhen Reib- 
schale von etwa 25cm Durchmesser 409g Blätter mit 50 cm: 40°/,igem 
Azeton und zerreibt rasch unter Zusatz von 1009 Quarzsand. 

Einen Apparat zum Auslaugen in der Wärme schlug Astruc5) vor. 
Die Vorrichtung soll hauptsächlich pharmazeutischen Zwecken, speziell 
dem Auslaugen von Pflanzenpulvern mit heißem Wasser, dienen. Der 
Apparat, der vor einem gewöhnlichen Soxhlet den Vorzug der Billiekeit 
hat, gewährt die Möglichkeit, größere Massen auf einmal zu extrahieren. 

Nach Herzog®) besitzen die durch Perkolation hergestellten Tink- 
turen einen hohen und bleibenden Mehrgehalt an Extraktstoffen gegenüber 
den durch Mazeration gewonnenen Auszügen. 

Über den Einfluß der Konzentration des Alkohols auf den Gehalt 
einiger Tinkturen an Alkaloiden und Extraktstoffen teilte Liedtke?) einige’ 
praktische Erfahrungen mit. 

Um ein Gemisch durch Extraktion trennen zu können, ist es ge- 
legentlich angebracht, zunächst eine chemische Umwandlung der Bestand- 


1) ©. v. Girsewald, Extraktion von Knochen, Leimleder und ähnlichen Materialien 

Br flüchtigen En nesmitteln im Vakuum. D. R.-P. 243.243. Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. 
S. 218 (1912). 

2) A. Korndörffer, Opiumtinktur. Apoth.-Zeitg. Bd. 27, S. 764 (1912); Chem.- 
Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 568 (1912). 

®) ©. J. Reichardt, Myrrhenauszüge. Pharm.-Zeitg. Bd. 57, S. 678 (1912); Chem.- 
Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 568 (1912). 

#) Vel.: R. Willstätter und A. Stoll, Untersuchungen über Chlorophyll, Me- 
thoden und Ergebnisse. Berlin (Jul. Springer) 1913, S. 100. 

5) A. Astruc, Die Auslaugung in der Wärme. Journ. Pharm. Chim. (7), T.1, 
p. 49 (1910); Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. S. 77 (1910). 

6) J. Herzog, Über die Zweckmäßigkeit von Perkolation oder Mazeration zur 
Herstellung von Tinkturen. Ber. Deutsch. Pharm. Ges. Bd. 16, S. 359 -(1906); Chem. 
Zentralbl. 1907, Bd. I, S. 367. 

?) W. Liedtke, Über die Eiekang des Alkoholgehaltes auf en Gehalt an 
Alkaloiden und Extraktivstoffen einiger Tinkturen. Pharm. Zeitg. Bd. 28, S. 727 (1913); 
Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 1329. 


344 Richard Kempf. 


teile des Gemisches vorzunehmen. So erzielte z. B. Tanret!) eine ange- 
näherte Trennung eines Zuckergemisches in hydrolysierbare Zucker und 
Monosen, indem er die Zucker zunächst in ihre Hydrazone verwandelte 
und diese dann mit Essigester auszog. In diesem Lösungsmittel sind die 
hydrolysierbaren Zucker (Laktose und Maltose) wenig, die Monosen da- 
gegen leicht löslich. 


b) Selbsttätige Extraktion von festen Körpern (vgl. S. 182—185). 


Bei sämtlichen automatischen Extraktionsapparaten, die bisher vor- 
geschlagen worden sind, wird das Lösungsmittel dadurch immer wieder 
über das Extraktionsgut emporge- 
hoben und gleichzeitig von dem 
bereits gelösten Material befreit, 
daß es verdampft wird. Die Appa- 
rate sind ferner alle ohne Ausnahme 
so konstruiert, daß die Dämpfe in 
einem über dem Extraktionsgut an- 
gebrachten Rückflußkühler konden- 
siert werden, auf das Extraktionsgut 
herab- und durch dasselbe hindurch- 
tropfen und dann wieder in die 
Destillationsblase zurückgelangen. 
BEN een Am einfachsten wird dieses 

fester Körper nach Prinzip verwirklicht, wenn man ein 
Kochgefäß mit dem Lösungsmittel 
beschickt, einen Rückflußkühler aufsetzt und unter 
‘dessen inneren Rohr die Extraktionshülse mit dem 
zu extrahierenden Material aufhängt. Mit den ein- 
fachsten Hilfsmitteln läßt sich ein solcher Apparat um! 
in der Weise improvisieren, wie es Fig. 120 zeigt?) Apparat zur Extraktion fester 
(vgl. auch Bd. I, S. 183, Fig. 363). Man läßt zweck- ar Meyer 
mäßig zuerst die mit der Substanz beschickte Hülse 
bis in die siedende Flüssigkeit hineintauchen und hängt sie erst später, 
wenn die Extraktion nahezu vollendet ist, im Dampfraum auf. Fast ebenso 
einfach ist der ältere von Gräfe?) vorgeschlagene Apparat, den Holde und 
Meyerheim*) etwas eleganter gestalteten (Fig. 121). Ein unter der Hülse 
aufgehängtes Glasschälchen ermöglicht gelegentliche Probenahmen zwecks 


Fig. 121, 


!) C. Tanret, Über die Extraktion der reduzierenden Zucker (Monosen). Bull. 
Soc. Chim. de Paris. [3]. T. 27, p. 392 (1902); Chem. Zentralbl. 1902, Bd. I, S. 1321. 

?) W. Clacher, Ein handlicher Fettextraktionsapparat. The Analyst. Vol. 35, p. 349 
(1910); Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. S. 497; vgl. auch W. Knight, The Analyst. Vol. 8, 
p- 65 (1883). 

3) E. Gräfe, Braunkohle. 1904, S. 242; vgl.: L. Ubbelohle, Chemie, Analyse, Ge- 
winnung der Öle, Fette und Wachse. Leipzig (S. Hirzel) 1908, Bd. 1, S. 19. 

*) D. Holde und @. Meyerheim, Zur Bestimmung der in Alkohol-Äther unlöslichen 
Pechstoffe dunkler Mineralzylinderöle. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 369 (1911); vgl.: D. Holde, 


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Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 345 


Feststellung des Endpunktes der Extraktion. Hängt man nach beendigter 
Extraktion ein genügend großes Bechergläschen oder Glaseimerchen unter 
dem Kühler auf, so kann man auf diese einfache Weise gleich das Lösungs- 
mittel vom Extrakt abdestillieren.!) Für Versuche im größeren Maßstabe 
gab Jacobson?) einen auf demselben Prinzip beruhenden Apparat mit einer 
etwa 1m langen Extraktionshülse (Glasrohr mit durchlochter Porzellan- 
platte) an. Auf die ganz ähnlichen Apparate von Cary-Curr®) (Goochtiegel 
als Extraktionshülse), Kalusky*), Beadle und Stevens®) erübrigt es sich 
einzugehen, da sie prinzipiell nichts Neues bieten. 

Erwähnt sei nur noch der von Gerber‘) angegebene Apparat 
(Fig. 122). Der Extraktionsraum ist hier wesentlich weiter als bei den 
übrigen Apparaten, und zwar trichterförmig gestaltet, 
so daß ohne weiteres gewöhnliche Rundfilter eingesetzt 
werden können. Der Apparat kann also zum bequemen 
automatischen Auswaschen von Niederschlägen direkt auf 
dem Filter dienen (vgl. über derartige Vorrichtungen im 
übrigen Bd.I, S. 108 ff. und Bd. VI, S. 722#f.). Einen 
ganz Ähnlichen Apparat schlug Drechsel?) vor. 

Ein Nachteil der Bauart aller dieser Apparate be- 
steht darin, daß das Zu- und Abtropfen des Lösungs- 
mittels in ungefähr gleichem Tempo erfolgen muß. Ist die 
Extraktionshülse so wenig durchlässig, daß das Lösungs- 
mittel rascher hineintropft, als es durch das Extraktions- 
gut und die Filterporen der Hülse hindurchzusickern ver- 
mag, so fließt ein Teil der Flüssigkeit oben aus der Hülse | „parat zur Extraktion 
heraus, und es ist, wenn man das Extraktionsgut nicht fpster Körper und zum 
mit einer Packung von Watte, Asbest, Glaswolles), Silber- en 8 dem 
sand oder dgl. bedeckt und sie womöglich durch eine 


Fig. 122. 


Untersuchung der Kohlenwasserstofföle und Fette, sowie der ihnen verwandten Stoffe. 
4. Aufl. 1913 (Berlin, Jul. Springer), S. 43. 

1) Nach Graftiau; vgl.: L. L. de Koninck, Über einen neuen Extraktionsapparat. 
Chem.-Zeitg. Bd. 19, S. 1657 (1895). — J. ©. Berntrop, Über die Bestimmung des Fett- 
gehaltes von Weizenbrot ... .. . Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 15, S. 122 (1902). 

2) A. Jacobson, Ein verbesserter Extraktionsapparat. Journ. Amer. Chem. Soc. 
Vol. 33, p. 2051 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 134 (1912). 

>) H. J. Cary-Curr, Extraktionsapparat für Versicherungslaboratorien. Journ. of 
Ind. and Engin. Chem. Vol. 4, p. 535 (1912); Chem. Zentralbl. 1912, Bd. I, S. 1889. 

4) Louise Kalusky, Ein einfacher Extraktionsapparat. Zeitschr. f. Unters. der Nahr.- 
und Genußm. Bd. 24, S. 623 (1912). 

5) Cl. Beadle und H. P. Stevens, Ein einfacher, vollständig aus Glas bestehender 
Extraktionsapparat. The Analyst. Vol. 38, p. 143 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. I, 
S. 1745. 

6) N. Gerber, Neuer Apparat zur Fettbestimmung der Milch und Beiträge zur 
Chemie derselben. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 9, S. 656 (1876). 

?) E. Drechsel, Ein Extraktionsapparat. Journ. f. prakt. Chem. (2), Bd. 15, S. 350 
(1877). 

8) Siehe z.B.: R. Clauser, Über Neuerungen in der Indigoanalyse. Österr. Chem.- 
Zeitg. Bd. 2, S. 521 (1899); Chem. Zentralbl. 1899, Bd. II, S. 978. 


546 Richard Kempf. 


Spiralfeder sichert!), die Gefahr gegeben, daß etwas von dem auszuziehen- 
den Material in die Destillierblase mit hinuntergerissen wird. Erfolgt um- 
gekehrt der Ablauf der Flüssigkeit aus der Hülse rascher als der Zulauf 
frischen Destillates, so besteht die Gefahr, daß sich das Lösungsmittel, da 
es beständig auf ein und dieselbe Stelle des Materiales tropft, in diesem 
einen Kanal wäscht. Hierdurch ist die Möglichkeit nahegerückt, daß die Ex- 
traktion ungenügend ausfällt und jedenfalls überflüssig viel Zeit beansprucht. 

Der zuletzt genannte Übelstand ist in den Apparaten vermieden, 
bei denen die Flüssigkeitsentleerung der Hülse nicht kontinuierlich, son- 
dern periodisch erfolgt. Dieser Arbeitsgang wird automatisch dadurch 
erreicht, daß an der gläsernen Extraktionshülse ein Überlaufheber (wie bei 
den Soxhlets) angebracht wird. Derartige Konstruktionen wurden z.B. von 
De Koninck ?) (Fig. 123), J. €. Berntrop®), Landsiedl*), Kumagawa und 
Suto>) (Fig. 124) und später fast gleichzeitig u. A. von Quäncke®), Ford?) 
(Fig. 125), Mae Nider ®), Jacoby?) und Lehmann !°) vorgeschlagen. !!) Diese Art 
Extraktionsapparate unterscheidet sich eigentlich nur insofern von den ge- 
wöhnlichen Soxhletapparaten, als sie weniger leicht zerbrechlich und etwa zer- 
brochene Teile leichter auswechselbar sind, und ferner dadurch, dal) die Fxtrak- 
tion bei höherer Temperatur, nämlich nahe dem Siedepunkte des ange- 
wandten Lösungsmittels, vor sich geht und daher oft rascher zum Ziele führt. 

Eine weitere Verbesserung der oben geschilderten primitiven Art von 
selbsttätigen Extraktionsapparaten gab Doeters van Leeuwen?) an. Er schlug 


') P. E.F. Perredes, Eine einfache Modifikation des Extraktionsapparates von 
Dunstan und Short. Pharm. Journ. [4], Bd. 30, S. 106 (1910); Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. 
S. 121 (1910). 

°) L. L. De Koninck, Über einen neuen Extraktionsapparat. Chem.-Zeitg. Bd. 19, 
S. 1657 (189). 

°) J.C. Berntrop, Über die Bestimmung des Fettgehaltes von Weizenbrot und 
die Beantwortung der Frage, ob dasselbe mit Milch, mit Wasser oder unter Hinzu- 
ziehung eines anderen Fettes als Milchfett gebacken ist. Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 15, 
S. 122 (1902). 

*) A. Landsiedl, Neue Extraktionsapparate. Chem.-Zeitg. Bd. 26, S. 275 (1902). 

°) M. Kumagawa und K. Suto, Ein neues Verfahren zur quantitativen Bestimmung 
des Fettes und der unverseifbaren Substanzen im tierischen Material nebst der Kritik 
einiger gebräuchlichen Methoden. Biochem. Zeitschr. Bd. 8, S. 212 (1908); Chem. Zentral- 
blatt. 1908, Bd. I, S. 1494. 

°) @. A. Quwincke, Ein neuer Extraktionsapparat. Zeitschr. f. Unters. der Nahr.- 
und Genußm. Bd. 22, S. 171 (ag): 

‘) Th. B. Ford, Ein erprobter Extraktionsapparat. Journ. Amer. Chem. Soc. V 01.34, 
p- 552 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. $. 349 (1912). 

°) @. M. Mae Nider, Ein modifizierter Extraktionsapparat. Journ. of Ind. and 
Engin. Chem. Vol. 5, p. 150 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. I, S. 1561. 

°) J. Jacoby, Neuer Extraktionsapparat. Gummi-Zeitg. Bd. 27, 8. 1870 (1913). 

"%) Vgl.: H. Kantorowiez, Über Erdölund Erdwachs. Chem.-Zeitg. Bd.37,8.1565 (1913). 

'') Siehe auch den zur Kautschuk-Extraktion vorgeschlagenen sehr praktischen 
Apparat. The India-Rubber Journal. Bd. 47, Heft 4, S.16 (1914); Gummi-Zeitg. Bd.28, 
S. 954 (1914). 

") J. Docters van Leemven, Ein verbesserter Extraktionsapparat. Chem.-Zeitg. 
Bd. 31, S. 350 (1907). 


© 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 347 


vor, unter der Hülse ein pfeifenkopfartiges gebogenes, mit Hahn versehenes 
Rohr derart anzubringen, daß man das abtropfende Extrakt außen auffangen 
kann. Auf diese Weise ist erstens jederzeit ohne weiteren Umbau der 
Apparatur eine bequeme Probenahme möglich, und zweitens ein bequemes 
Abdestillieren des Lösungsmittels nach beendigter Extraktion. 


Fig.125. Fig. 126. 


Fig.123. 


Apparat zur Extrak- 
tion fester Körper Apparat zur Extraktion fester 
nach Ford. Stoffe nach Sanders. 


Eben dieses selbe doppelte Ziel 
auch bei den gewöhnlichen Soxhlet- 
apparaten zu erreichen, bezweckten 
eine große Reihe Vorschläge von an- 
deren Seiten, nämlich von sStein!), 
Sanders?) (Fig. 126), Silberrad®), 
Taurke*), Schmid5) (Fig. 127) und 
Apparat zur Extrak- Wo.der.6) Man kann das Ableitungs- 


Apparat zur Extraktion tion fester Körper i Fe 
fester Körper nach De nach Kumagemao- rohr für das hinaufdestillierte Lösungs- 


Koninck. Suto. 2 s 
mittel entweder am Boden des zylin- 


1) H. Stein, Extraktions- und Destillationsrohr. Chem.-Zeitg. Bd. 33, S. 1115 
(1909). 

2) J. Me C. Sanders, Verbesserte Form eines Extraktionsapparates. Chem.-Zeitg. 
Bd. 34, S. 1194 (1910). 

3) O. Silberrad, Verbesserter Soxhletapparat. Chem. News. Vol. 104, p. 54 (1911); 
Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 501 (1911). 

4) F. Taurke, Kombinierter Extraktions- und Abdestillierapparat. CUhem.-Zeitg. 
Bd. 36, S. 214 und 355 (1912). 

5) H. Schmid, Verbesserter Soshletscher Extraktionsaufsatz. Chem.-Zeitg. Bd. 36, 
8. 1249 (1912) 

6) Werder, Über eine Abänderung am Soswhletschen Extraktionsapparat. Chem.- 
Zeitg. Bd. 36, S. 879 (1912). 


548 Richard Kempf. 


drischen Gefäßes, in dem sich die Hülse befindet, anbringen (Methode von 
Stein, Sanders, Silberrad, Schmid) oder im Heberrohr (Methode von Taurke, 
Werder). Die erstere Bauart dürfte der zweiten vorzuziehen sein, weil 
sie ein vollständigeres Abdestillieren des Lösungsmittels gestattet und 
auch wohl weniger zerbrechlich ist. Ebenfalls ein bequemes Abdestillieren 


Fig. 127. Fig. 128. 


Einsatzrohr für Soxhlets beim Extrahieren 
pulverförmiger Materialien nach Kardos 
und Schiller. 


des Lösungsmittels nach beendigter 
Extraktion, nicht aber eine bequeme 
Probenahme während des Betriebes ge- 
statten die Apparate, die Bloom!) und 
v.d. Heide?) (vgl. Bd. VI, S. 745, Fig. 306) 
vorschlugen. 

Um bei der Extraktion leicht zu- 
sammenbackender Pulver (gepulverte 
Farbwurzel, fein gemahlener Lein- 
samen, Kakaopulver oder dgl.) im 
Soxhlet ein unvollständiges Eindringen 
des Lösungsmittels in das Material zu ver- 
hüten, empfahlen Kardos und Schiller?), 
ein siebartig durchlöchertes und mit 


Apparat zur Extraktion fester Körper nach 


Schmid. einem dicht anliegenden Überzug aus 

Koliertuch versehenes Trichterrohr in 

das Extraktionsgut axial zur Hülse einzuführen (Fig. 128). Oft erreicht 
man denselben Zweck auch so, daß man . einfach das auszuziehende 
Material mit Knochenkohle, grobkörnigem, ausgeglühtem Sand), Glas- 


') D. Bloom, Kühler für Extraktionsapparate. Journ. Ind. Eng. Chem. Vol. 2, 
p- 103 (1903); Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. S. 217 (1910). 

?) R.v. d. Heide, Verbesserter Rapidkühler und Extraktionsapparat. Chem.-Zeitg. 
Bd. 35, S. 531 (1911). 

») M. Kardos u. W. Schiller, Verbesserte Methode zur Extraktion pulverförmiger 
Materialien. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 920 (1913). 

*) Vel.z. B.: R. Clauser, Über Neuerungen in der Indigoanalyse. Österr. Chem.- 
Zeitg. Bd. 2, S. 521 (1899); Chem. Zentralbl. 1899, Bd. II, S. 978. — D. Holde, Unter- 


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Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 349 


wolle oder dgl. vermengt und dadurch eine lockere poröse Struktur her- 
beiführt (vgl. oben). 

Bull und Gregg:) empfahlen zur Behebung desselben Übelstandes, 
nicht Extraktionshülsen aus Filtrierpapier, sondern solche mit Wänden 
aus geleimtem Papier zu benutzen, und Möllinger?) machte den Vorschlag, 
um die Fettextraktion im Soshletschen Apparat intensiver zu gestalten, 
die gewöhnlichen Hülsen mit Einlage vor dem Gebrauch derart in eine 
Gelatinelösung zu tauchen, daß sie damit bis etwa 2cm vom Boden im- 
prägniert werden. Dies wird nach dem Trocknen wiederholt. Man erzielt 
so eine fast völlige Ätherdichtigkeit. Es empfiehlt sich dabei, das Heber- 
rohr im Soxhletapparat so zu verkürzen, daß die Abheberung eintritt, 
sobald die Extraktionsflüssigkeit die Höhe des Extraktionsgutes erreicht 
hat. Die vorbehandelten Hülsen sind so dauerhaft, dal) sie monatelang 
selbst täglichen Gebrauch gut aushalten. 

Im Handel befinden sich auch Extraktionshülsen aus gereinigtem 
Bauxit, dem sogenannten Alundum?) (vgl. Bd. VI, S. 639). Die Masse, 
die aus der Tonerde unter Beigabe von keramischen Bindemitteln her- 
gestellt wird, ist für Gase und Flüssigkeiten durchlässig, und infolge ihrer 
Festigkeit und Feuerbeständigkeit können die Hülsen leicht gereinigt und 
wieder benutzt werden. 

Bei der Extraktion von rohem oder vulkanisiertem Kautschuk mit 
Azeton im Soxhlet zwecks quantitativer Bestimmung der Harzmenge findet 
oft ein Zusammenkleben des fein - geschnittenen Analysenmaterials in der 
Soxhlethülse statt, wodurch der Extraktionsvorgang behindert wird. Um 
diesem Übelstand abzuhelfen, ist es ratsam, die Kautschukteilchen dünn 
geschichtet, so daß sie sich möglichst wenig berühren, auf einem Streifen 
Verbandgaze auszubreiten, das Ganze zusammenzuwickeln und die so er- 
haltene Rolle lose in die Soxhlethülse zu stellen. 

Bei Analysen in der Öl- und Gummiindustrie ist es oft erforderlich, das 
Extrakt sogleich im Anschluß an die Extraktion am Rückflußkühler zu kochen, 
um es zu azetylieren oder zu verseifen. Man wendet in solchen Fällen entweder 
eine nach Art des Gräfeapparates (siehe oben, Fig. 121, S.344) gebaute Kon- 
struktion an und hängt nach beendigter Extraktion einfach die Extraktions- 
hülse ab, oder man benutzt nach dem Vorschlage von Klopstock*) einen 


suchung der Kohlenwasserstofföle und Fette, sowie der ihnen verwandten Stoffe. Berlin 
(Jul. Springer), 4. Aufl. 1913, S. 43. 

1) H. Bull und H. Gregg, Kann die Intensität der Fettextraktion im Soshletschen 
Apparat erhöht werden? Tidsskrift for Kemi, Farmaci og Terapi. Kristiania 1912, 
S. 321; Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 133 (1913). 

2) J. Möllinger, Erhöhung der Intensität im Soshletschen Apparat. Chem.-Zeitg. 
Bd. 37, S. 443 (1913). 

3) P. A. Boeck, Bemerkungen über eine neue Art eines Extraktionsgefäßes. Journ. 
Ind. Eng. Chem. Vol. 4, p. 303 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 353 (1912). 

*) H. Klopstock, Neuerung am Extraktionsapparat nach Soshlet. Chem.-Zeitg. 
Bd. 37, 991 (1913); vgl. auch: Verein. Fabriken f. Laboratoriumsbedarf, Zuschrift an 
die Redakt. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 1290 (1913). 


350 Richard Kempf. 


gewöhnlichen Soxhletapparat, dessen Schliffe oben (zwischen Kühler und 
Extraktionsgefäß) und unten (zwischen Extraktions- und Siedegefäß) genau 
gleich groß sind (Fig. 129). So kann man nach Schluß der Extraktion 
den Kühler ohne weiteres direkt auf den Kolben setzen und das Extrakt 
am Rückflußkühler kochen. 

Zur Vermeidung von Kork- oder Kautschukstopfen, sowie eines Schliffes 
bei Extraktionsapparaten kann man die von Knorr (Fig. 150), von De 


Fig.129. Fig.130. 


Stehkolben mit Queck- 
silberrinne nach Knorr. 


Fig.131. 


Praktische Anordnung von Soxhlet- 
Apparaten bei Reihenextraktionen nach 
Mödlinger. 5 


Koninck (vel. Fig. 123 oben 
Erlenmeyer-Kolben mit S. 347) und von Sy 1) (Fig. 131) 


Apparat zur Extrak- € { 
tion fester Körper Quecksilberrinne nach angegebenen Glaskolben mit 


nach Klopstock. Sy. I R 
Quecksilberrinne anwenden. 


Von Frank?) und Shurawlew®) wurden praktische Wärmeschutz- 
mäntel für Extraktionsapparate angegeben, von Möllinger*) eine prak- 
tische Anordnung des Kühlwasserzu- und -abflusses bei Massenbetrieb von 


Soxhlets (Fig. 132). 


'!) A. P. Sy, Quecksilberverschluß bei Fettextraktionsapparaten und neue Kolben- 
form. Journ. Ind. and Eng. Chem. 1909, p. 314; Chem.-Zeitg. Bd. 33, Rep. S. 305 (1909). 
— Vgl. auch: €. K. Franeis, Eine neue Form eines Extraktionsapparates. Journ. of Ind. 
and Engin. Chem. Vol. 3, p. 673 (1911); Chem. Zentralbl. 1912, Bd. I, S. 186. 

?®) L. Frank, Wärmeschutzmantel für Extraktionsapparate. Chem.-Zeitg. Bd. 35, 
S. 360 (1911). 

®) B. Shurawlew, Apparat zum Extrahieren bei hohen Temperaturen. Journ. Russ. 
Phys.-chem. Ges. Bd. 43, S. 1189 (1911); Chem. 1912, Bd. I, S. 187. 

#) J. Möllinger, Kühlerbatterie für Soxhlet- und ähnliche Destillationsapparate. 


Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 1171 (1912). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 551 


Bezüglich der Extraktionsapparate von Record!), Auld und Pickles?), 
Rözsenyi®), Wilson*), Prager°), Roberts‘), Walter und Goodrich’) sei 
auf die Originalarbeiten verwiesen. 

Geschichtlich ist zur Entwicklung der Fettextraktion zu bemerken, 
daß gegenwärtig die Tendenz auf die Verwendung höherer Tempera- 
turen und stärkerer Drucke gerichtet ist.®) 

Über den Betrieb von Extraktionsapparaten mit elektrischer Glüh- 
lampenheizung nach Thörner-v. d. Heide siehe Bd. 1,S.62 und Fig. 128, 
S. 64, ferner Bd. VI, S. 745, Fig. 306. 

Zur Dichtung von Korken an Extraktionsapparaten kann man eine 
starke Zuckerlösung benutzen. Zucker löst sich nicht in den organischen 
Lösungsmitteln (Äther, Petroläther oder dgl.), läßt sich leicht wieder ab- 
waschen, macht den Kork nicht spröde und brüchig und trocknet nicht 
unter Rissigwerden ein. — Aus der Korksubstanz selbst isolierten Scurti und 
Tommasi°) einige in Äther lösliche Fettsäuren. 

Auf die neuen von R. Willstätter geschaffenen Methoden der Ex- 
traktion, wie sie sich in der Chlorophylichemie so glänzend bewährt 
haben, näher einzugehen, würde hier zu weit führen. Es sei auf die 
Öriginalarbeiten verwiesen. 1°) 


4. Umkristallisieren (vgl. Bd. IL, S. 185—197). 


Es sei zunächst daran erinnert, daß die Umkristallisation als Reini- 
gungsmethode in manchen Fällen völlig versagt. So können bekanntlich 


1) Fr. Record, Ein Apparat für gleichzeitige Extraktion und Filtration. Chem. 
News. Vol. 97, p. 280 (1908); Chem.-Zeitg. Bd. 32, Rep. S. 441 (1908). 

2) S. M. J. Auld und S. S. Pickles, Extraktionsapparat für Pflanzenprodukte usw. 
Chem. News. Vol. 99, p. 242 (1909); Chem.-Zeitg. Bd. 33, Rep. S. 305 (1909). 

3) J. Rözsenyi, Ein modifizierter Extraktionsapparat. Vegyöszeti Lapok Budapest 
1911, Nr. 1; Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 93 (1911). 

#) L. P. Wilson, Extraktionsapparat. Journ. Soc. Chem. Ind. Vol. 31, p. 97 (1912); 
Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 353 (1912). 

5) A. Prager, Extraktionsapparat. Zeitschr. öffentl. Chem. Bd. 15, S. 396 (1909); 
Chem.-Zeitg. Bd. 33, Rep. S. 593 (1909). 

6) N. Roberts, Extraktionsapparat. Amer. Chem. Journ. Vol. 43, p. 418 (1910); 
Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. S. 377 (1910). 

?) H.L. Walter und Chs. E. Goodrich, Fettextraktionsapparat. V. St. Amer. Patent; 
Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 193 (1912). 

8) W. M. Booth, Die Extraktion der Fette und Öle vom kommerziellen Stand- 
punkte. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 99 (1910). 

9) F. Scurti und @. Tommasi, Über die Bildung des Fettes im Kork und die 
Fellonsäure von Kügler. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 907 (1913). — Vgl. auch: J. Herzog, 
Über Äther pro narcosi. Apoth.-Zeitg. Bd. 29, S.68 (1914); Chem.-Zentralbl. 1914 
Bd.I, S. 806. — K. Feist, Dasselbe, ebenda Bd. 25, S. 104 (1910); Chem.-Zentralbl. 
1910, Bd. 1, S. 1166. 

10) Eine Übersicht über diese Arbeiten und eine Zusammenstellung der Literatur 
gab E. W. Mayer. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 1341, 1354 und 1364 (1911). — Vgl. auch: 
R. Willstätter, Über Chlorophyll. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 1131 (1913). — R. Willstätter 
und A. Stoll, Untersuchungen über Chlorophyll. Berlin (Jul. Springer) 1913. 


352 Richard Kempf. 


Stoffe, welche Mischkristalle bilden, sehr schwer oder unter Umständen 
gar nicht durch Umkristallisieren voneinander getrennt werden.!) Der 
nach mehrfachem Umkristallisieren konstant bleibende und scharfe Schmelz- 
punkt eines derartigen Gemisches ist dann ein trügerisches Zeichen 
dafür, daß eine reine und einheitliche Substanz vorliege. So haben z.B. 
Aminosäuren und Polypeptide die unerwünschte Eigenschaft, Misch- 
kristalle zu bilden und sich gegenseitig in ihrer Löslichkeit zu beeinflussen. 
Produkte, die mit allen Vorsichtsmaßregeln isoliert waren und sicher ein- 
heitlich erschienen, entpuppten sich oft als Mischungen von Aminosäuren 
und Polypeptiden. ?) 

Ferner stellte Wegscheider®) folgendes fest: „Wenn zwei Isomere 
bei allen Temperaturen die Regel von Carnelly und Thomsen über das 
konstante Löslichkeitsverhältnis*) genau befolgen, und wenn das Verhältnis 
der Löslichkeiten gleich ist der Zusammensetzung des eutektischen Ge- 
misches, so geben ihre Gemische beim Umkristallisieren neben anderen 
Fraktionen, die bestenfalls den einen der beiden Stoffe rein liefern können, 
ein Gemisch von scharfem Schmelzpunkte, welches beim Um- 
kristallisieren höchstens mit Hilfe von Übersättigungserscheinungen (Impfen 
mit dem einen Isomeren) oder mechanisch (Schlämmen oder Aus- 
lesen) getrennt werden kann.“ 

Auch ist von Guye gezeigt worden, daß es z. B. unmöglich ist, 
Kaliumchlorat von Kaliumchlorid zu trennen, so häufig auch das Gemisch 
umkristallisiert wird, wegen des Bestehens einer festen Lösung.5) Beim 
Umkristallisieren gehärteter Fette kommt es nach Normann und Hugel®) 
leicht vor, dal» molekulare Gemische konstanter Zusammensetzung aus- 
kristallisieren und der Schmelzpunkt sich scheinbar nicht mehr ändert. In 
solchen Fällen ist es oft zweckmäßig, das Lösungsmittel zu wechseln. 
Während z. B. der Schmelzpunkt eines gehärteten Fettes nach sechsmaligem 
Umkristallisieren aus Alkohol konstant bei 63° lag, stieg er durch noch- 
maliges Umkristallisieren aus Azeton sofort auf 76°. 

Im übrigen sei bezüglich dieses Themas auf die Lehrbücher der 
physikalischen Chemie verwiesen (vgl. auch weiter unten, S. 419). 


1) Vgl. z.B.: W.Ostwald, Lehrb. d. allg. Chem. 2. Aufl. 1906 (Leipzig), Bd. II (3), 
8. 153. 

°) E. Abderhalden, Der gegenwärtige Stand der Eiweißchemie und ihre weitere 
Entwicklung. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 1156 (1913). 

®) Rud. Wegscheider, Eine Fehlerquelle bei der Charakterisierung chemischer 
Individuen. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 80, S. 509 (1912). 

*) Carnelley und Thomsen, Jahresber. f. Chem. 1888, S. 253; vgl. auch: W. Ost- 
wald, Lehrb. d. allg. Chem. 2. Aufl. (Leipzig 1891), Bd. I, S. 1067. 

°) Vgl.: R. Whytlaw-Gray und W. Ramsay, Das Atomgewicht des Radiums. 
Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 80, S. 261 (1912). — Siehe auch: J. Guareschi, Eine neue 
Fehlerquelle bei Atomgewichtsbestimmungen. Atti della R. Accad. Scienze Turin. Bd. 48; 
Chem.-Zeitg. Bd. 38, Rep. S. 173 (1914). 

6) W. Normann und E. Hugel, Zur Analyse gehärteter Öle. Chem.-Zeitg. Bd. 37, 
S. 815 (1913). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 353 


Glänzende Erfolge hat die Umkristallisation als Trennungs- und 
Reinigungsmethode u. a. bei Forschungen auf dem Gebiete der seltenen 
Erden gezeitigt.!) 

Oft gelangt man erst durch eine große Reihe fraktionierter Um- 
kristallisationen zum Ziele. So trennten Dennis und Bennett?) die Pikrate 
der seltenen Erden in 263 Kristallisationen, und Thorpe®) führte zwecks 
Trennung von Radium- und Baryumchlorid nach dem von Frau Curie vor- 
geschlagenen Verfahren nicht weniger als 9400 Umkristallisierungen (aus 
Salzsäure) aus, gegen Ende in Quarzgefäßen arbeitend. Die fraktionierte 
Kristallisation von Radium-Baryumgemischen leidet unter dem Übelstande, 
daß stets alle Fraktionen bis zu einem gewissen Grade radiumhaltig sind, 
weshalb sich die Substanz auf eine großße Anzahl Fraktionen verteilt.) Am 
reichsten an aktiven Stoffen sind die Kopffraktionen. Eine Trennung von 
Radium und Mesothorium ist auf diesem Wege bisher nicht gelungen. 
Unterwirft man aber bei der Aufarbeitung radioaktiver Gemische von einem 
gewissen Konzentrationsgrade ab an Stelle der verhältnismäßig leicht lös- 
lichen Chloride und Bromide andere ungleich schwerer lösliche Salze 
der aktiven Substanzen oder deren Gemenge mit Baryumsalz der frak- 
tionierten Kristallisation, so gelingt es, in den Kopffraktionen das Meso- 
thorium anzureichern, während das Radium hauptsächlich in der Mutter- 
lauge verbleibt. Als brauchbar für dieses Verfahren erwiesen sich insbe- 
sondere die Bromate, Pikrate und Ferrocyanide.5) — 


Aus der Theorie der Allotropie leitete Smits®) die folgenden, bei 
Umkristallisationen praktisch wichtigen Folgerungen ab. 


Nach dem Ostwaldschen Gesetz der Umwandlungsstufen scheidet 
sich bei plötzlicher Fällung eines allotropen Stoffes aus einer Lösung 
diejenige Modifikation ab, welche mit dem innerlichen Gleichgewicht in 
der Lösung übereinstimmt. Liegt dieses Gleichgewicht stark an der Seite 
derjenigen Pseudokomponente, welche in der metastabilen Modifikation vor- 
herrscht, so wird sich der gefällte feste Stoff in die metastabile Form 
umwandeln und in dieser ausfallen. Liegen die verschiedenen Modifikationen 


!) Vgl.z.B.: R. J. Meyer, Die neueste Entwicklung unserer Kenntnisse von den 
seltenen Erden. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 17, S. 634 (1911); vgl.: Chem.-Zeitg. Bd. 35, 
S. 604 (1911). 
®) M. Dennis und W. Bennett, Fraktionierte Kristallisation der Pikrate der 
seltenen Erden. Journ. Amer. Chem. Soc. Vol. 34, p. 7 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 36. Rep. 
S. 149 (1912). 

®) R. Whytlaw-Gray und W. Ramsay, 1. c. S. 259. 

*) E. Ebler, Über Neuerungen in der Technologie des Radiums und der Uran- 
erze. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 1189 (1913). 

°) Kunheim & Co., Anreicherung und Trennung von Radium und Mesothorium 
zugleich enthaltenden radioaktiven Substanzen. D. R.-P. 264.901; Chem.-Zeitg. Bd. 37, 
Rep. S. 549 (1913). 
i 6) A. Smits, Das Gesetz der Umwandlungsstufen Ostwalds im Lichte der Theorie 
der Allotropie. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 84, S. 385 (1913); Chem.-Zentralbl. 1913, 
Bd. II, S. 1723. 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VII. 23 


354 Richard Kempf. 


eines Stoffes bezüglich ihrer Zusammensetzung weit auseinander, dann 
wird sich aus der unterkühlten Flüssigkeit diejenige Modifikation zuerst 
spontan abscheiden, deren Zusammensetzung derjenigen der Flüssigkeit 
am nächsten liegt. Bei freiwilliger Kristallisation einer übersättigten Lö- 
sung eines allotropen Stoffes wird das Auftreten der metastabilen oder 
stabilen Modifikation ausschließlich von dem innerlichen Gleichgewicht in 
der Lösung bestimmt. 


Im Auge zu behalten ist bei Umkristallisationen, namentlich von Ana- 
Iysensubstanzen, stets die Möglichkeit, dal) das Lösungsmittel in molekularer 
Bindung mit der Substanz mitauskristallisiert. Außer Wasser („Kristall- 
wasser“) scheinen eine große Zahl organischer Lösungsmittel zu solchen Ver- 
bindungen befähigt zu sein, z. B. Alkohol, Benzol, Nitrobenzol!), Pyri- 
din?), Chloroform.?) Im allgemeinen entweicht das mitkristallisierte 
Lösungsmittel beim Erhitzen, besonders leicht im Vakuum. Um solche 
Molekularverbindungen rechtzeitig zu ermitteln und nicht falsche Ana- 
lysenresultate zu erhalten, ist es ratsam, stets die lufttrockene Substanz 
zu wägen und auf etwaige Gewichtsverluste bei ihrem Verweilen im 
Vakuumexsikkator oder Luftbade zu achten. 


Die genaue Feststellung des Gewichtsverhältnisses zwischen Substanz 
und mitauskristallisiertem Lösungsmittel bietet außerdem gelegentlich die 
Möglichkeit, das Molekulargewicht einer Verbindung zu bestimmen. 
Lösungsmittel und Substanz müssen ja dem Gewicht nach im Verhältnis 
ganzer Molekulargewichte stehen. 


Untersuchungen über den Einfluß des Kristallwassergehalts auf die 
teaktionsfähigkeit fester Körper veröffentlichte Biltris.*) 

Bei der Anwendung des Kristallisationsprozesses auf Flüssigkeiten 
ist zu unterscheiden: 

1. Ausfrierenlassen (Umkristallisieren ohne besonderes Lösungs- 
mittel), 


2. die eigentliche Umkristallisation (unter Zusatz eines Lö- 
sungsmittels). 


Nach der ersten Methode kann z. B. reines destilliertes Wasser), 


!) Siehe z. B.: F. Sachs und R. Kempf, Über den 2, 4-Dinitrobenzaldehyd (II. Mit- 
teilung). Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 35, S. 2710 (1902). 

?) Vgl.: R. Behrend, Zur Kenntnis der ß-Glukose. Liebigs Annal. d. Chem. u. 
Pharm. Bd. 377, S. 220 (1910). 

3) Siehe z. B.: R. Anschütz, Über die Darstellung von reinem Chloroform mittelst 
Salizylid-Chloroform. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 25, S. 3512 (1892). — Derselbe, 
Über Salizylidbildung. Liebigs Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. 273, S. 77 (1893). 

*) A. N. H. Biltris, Reaktionen zwischen festen Körpern und der Einfluß von 
Kristallwasser. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 1415 (1913). 

5) Vgl. z. B.: Tw. Kablukow, A. Solomonow und A. Galine, Über Druck und Zu- 
sammensetzung der Dämpfe von Lösungen in wässerigem Äthylalkohol. Zeitschr. f. 
physik. Chem. Bd. 46, S. 401 (1903). 


Ben 


u: 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 355 


sowie reines 100°/,iges Wasserstoffsuperoxyd!) und reines Brom?) her- 
gestellt werden. 

Ferner wird industriell reines p-Nitrotoluol aus dem gewöhnlichen 
technischen Nitrotoluol, das etwa 38°/, p-, 60°/, o- und 2°/, m-Nitro- 
toluol enthält, durch Abkühlung des Gemisches unter 0° und Absaugen 
des ausgeschiedenen Bestandteiles auf gekühlter Filterplatte dargestellt. >) 
Ähnliches gilt für die Gemische der drei isomeren Toluidine und 
Xylole.3) Auch Benzol®), Phenylhydrazin5), Eisessig‘), Chloro- 
form’), Ligroin®) und viele andere organische Flüssigkeiten werden 
zweckmäßig durch Ausfrierenlassen gereinigt. Selbst Gase können nach 
der Verflüssigung durch Ausfrierenlassen gereinigt werden, z. B. ist Argon 
bei —189'6° fraktioniert kristallisiert worden.) 

Die zweite Methode: Umkristallisieren von erstarrten Flüssigkeiten 
aus organischen Lösungsmitteln ist oft bequemer als die erste 
Arbeitsweise und daher z.B. beim Phenylhydrazin vorzuziehen.!°) Be- 
sonders wertvolle Dienste leistete diese Methode bei der Isolierung der 
Ketoform des Azetessigesters, die sich bei der Temperatur einer 
Äther-Kohlendioxydmischung (etwa —78°) in den meisten organischen 
Lösungsmitteln als schwer löslich erwies. !') 


a) Allgemeine Methodik der Umkristallisation (vgl. S. 186—187). 


Von Kunz-Krause!?) wurden Uhrgläser mit Ausguß (Fig. 133), so- 
wie mit konzentrischer und radiärer Zonenteilung (Fig. 134) angegeben, 


1) H. Ahrle, Synthese und Formel der Caroschen Säure (Monosulfopersäure). 
Journ. f. prakt. Chem. [2], Bd. 79, S. 129 (1909); Chem. Zentralbl. 1909, Bd. I, S. 1381. 
— J. D’Ans und W. Friederich, Synthese der Caroschen Säure und der Überschwefel- 
säure. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 43, S. 1880 (1910). — Dieselben, Über Derivate 
des Hydroperoxyds. Zeitschr. f. anorg. Chem. Bd. 73, S. 326 (1912). 

2) Vel.z.B.: W. Herz und W. Rathmann, Die Addition von Brom an chlorierte 
Athylenkohlenwasserstoffe. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 46, S. 2588 (1913). 

>) H. W. Fischer, Über das Gefrieren von Gemischen der isomeren Xylole, Nitro- 
toluole und Toluidine. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 16, S. 161 (1910). 

#) Vgl. z.B.: A. W. Hofmann, Reindarstellung des Benzols. Ber. d. Deutsch. chem. 
Ges. Bu. 4, S. 163 (1871). 

>) Emil Fischer, Schmelzpunkt des Phenylhydrazins und einiger Osazone. Ber. d. 
Deutsch. chem. Ges. Bd. 41, S. 73 (1908). 

6) Vgl.: Rüdorf’, Über die Bestimmung des Eisessigs. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 
Bd. 3, S. 392 (1870). 

?) Nach R. Pictet; vgl.: V.v. Richters Chemie der Kohlenstoffverbindungen oder 
organische Chemie. 11. Aufl. Bonn (F. Cohen) 1909, Bd. I, S. 274. 

®) J. Schmidlin und M. Huber, Dinaphtyl-methan und Naphtofluoren. Ber. d. 
Deutsch. chem. Ges. Bd. 43, S. 2831 (1910). 

®) Franz Fischer und V. Froboese, Über die fraktionierte Kristallisation und das 
Atomgewicht des Argons. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 44, S. 97 (1911). 

10) Emil Fischer, 1. c. S. 74. 

11) L. Knorr, Studien über Tautomerie. IV. Mitt.: L. Knorr, O. Rothe und H. Aver- 
beck, Desmotropie beim Azetessigester. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 44, S. 1139 (1911). 

12) H. Kunz-Krause, Über Uhrgläser mit Ausguß und mit konzentrischer und 
radiärer Zonenteilung für mikrochemische Reaktionen. Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 207 (1912). 

23: 


356 Richard Kempf. 


die sich u. a. bei Umkristallisierungen im kleinen Maßstabe zum bequemen 


Abgießen der Mutterlauge gut eignen. 


Von Kersten‘) wurden Bechergläser, Abdampf- und Kristallisier- 
schalen vorgeschlagen, deren Rand gegenüber der Schnauze einen zweiten 


Ausguß oder einige Einkerbungen 


Bee: trägt (Fig.135). Auf diese Weise 
== => erhält der zum quantitativen 


SE Filtrieren notwendige Glasstab 
Uhrgläser mit Ausguß- eine Sichere Auflagestelle. 
a az Bei der experimentellen 
Prüfung der Frage, ob jede der 
drei isomeren Allo- oder Isozimtsäuren in 
niedrig siedender Ligroinlösung beständig sei, oder 
ob beim Umkristallisieren von zweien der drei 
Modifikationen stets eine Umwandlung in die bei 


Fig. 134. 


Uhrgläser mit Ausguß und mit 
konzentrischer und radiärer Zo- 
nenteilung nach Kunz-Krause. 


42° schmelzende Säure 


eintrete, kam es nach van’t Hoff vor allem auf genügenden Ausschluß 


Bechergläser mit Auflagerinne für den Glasstab.nach Kersten. 


von Kristallkeimen der einzelnen Modifikationen beim Umkristallisieren 
an. Zumal bei Anwendung der Filtration können bei so niedrig siedendem 
Lösungsmittel durch das Verdunsten leicht Kristallkeime über den Filter- 
rand auch jenseits des Filters Impfungen hervorrufen, die den wahren 


') M. Kersten, Analysenbechergläser und Abdampfschalen mit Auflage für den 


Glasstab. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 898 (1913). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 357 


Sachverhalt vollkommen verschleiern. Eine praktische Arbeitsweise, nach 
der man in solchen Fällen verfahren kann, gaben Liebermann und Truck- 
säß) an. 

Geringe Verunreinigungen können den Kristallhabitus auffällig stark 
verändern?) (vgl. auch weiter unten, S. 566). Die Kenntnis dieser Tatsache 
ist oft praktisch sehr wichtig. In einer interessanten Abhandlung stellten 
z.B. Riüber und Goldschmidt) fest, daß die Anwesenheit von etwa 0°3°/, 
- o-Nitrozimtsäure in Zimtsäure genügt, um den Kristallhabitus der letzteren 
so. wesentlich zu verändern, daß die Gegenwart einer neuen isomeren 
Zimtsäure vorgetäuscht wird. Auch Monochlorzimtsäure übt eine ähnliche 
_ Wirkung aus. Diese besteht darin, daß die Wachstumsgeschwindigkeit 
senkrecht auf eine bestimmte Fläche enorm verringert wird. 


Als Beispiele für die schon erwähnte chemische Reinigungsmethode 
(vgl. Bd. I, S. 187): Überführung der zu reinigenden Substanz zunächst in 
eine andere chemische Verbindung, aus der das Ausgangsmaterial wie- 
der leicht zurückgewinnbar ist, seien die folgenden Arbeiten erwähnt: 
Trennung der ortsisomeren Nitrobenzoösäuren durch fraktionierte 
Kristallisation ihrer Baryumsalze®), fraktionierte Fällung von Fett- 
säuregemischen mittelst Bleiazetats und Abscheidung der freien 
Fettsäuren aus den Salzen mittelst Salzsäure’) und Trennung der isomeren 
 Chlorbenzoösäuren über ihre Hydroxylaminsalze.®) 


Die %-Strahlen des Radiums scheinen in manchen Fällen eine 
_ deutliche Beschleunigung der Kristallisationsgeschwindigkeit hervorzurufen, 
2. B. bei der Kristallisation geschmolzenen unterkühlten Schwefels. Röntgen- 
strahlen üben dagegen keine Wirkung aus, wahrscheinlich auch y-Strahlen 
nicht.) 


1) C. Liebermann und H. Trucksäß, Neue Umwandlungsfälle von Allo- und Iso- 

_ zimtsäure. Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. Bd. 43, S. 413 (1910). 

{ 2) Siehe z.B.: R. Marc und W. Wenk, Über die Kristallisation aus wässerigen 
Lösungen. III. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 68, S. 104 (1909). — Vgl. ferner: P. Sem- 

jatschenski, Studien über die Kristallogenesis. I. Der Einfluß einer fremden Substanz 

auf die Kristallform. Die Kristallisation der Alaune. N. Jahrbuch f. Mineralogie. 1912, 

Bd.II, S.2 u. 3; Chem. Zentralbl. 1913, Bd. I, S.9 u. 10. 

j ®) C. N. Rüber und V. M. Goldschmidt, Über den Unterschied von Storaxzimt- 
säure und synthetischer Zimtsäure. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 43, S. 461 (1910). — 

Vgl. auch: Emil Erlenmeyer und @. Hilgendorff, Zur Zimtsäurefrage. Ebenda. Bd. 43, 

8. 955 (1910). 

4) Feter Grieß, Über die Bildung der Metanitrobenzoösäure beim Nitrieren der 

Benzo&säure. Liebigs Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. 166, S. 131 (1873). 

®) H. Kreis und E. Roth, Versuche über die fraktionierte Fällung von Fettsäure- 

gemischen. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 58 (1913). 

®) W. Gluud und R. Kempf, Eine neue Methode der Darstellung von m-Chlor- 

- benzo&säure und die Untersuchung ihres Hydroxylaminsalzes. Journ. of the Chem. Soe. 

of London. Vol. 103, p. 1530 (1913). 

?) L. Frischauer, Über einen Einfluß des Radiums auf die Kristallisations- 

- geschwindigkeit. Compt. rend. de l’Acad. des sciences. T. 148, p. 1251 (1909) und Le 

Radium. T. 6, p. 161 (1909); Chem. Zentralbl. 1909, Bd. I, S. 330. 


358 Richard Kempf. 


Durch Radiumbestrahlung gelang es ferner Doelter!), eine Anzahl 
kolloider Substanzen in die kristalloide Phase überzuführen. Da im allge- 
meinen kolloide Substanzen als labile Modifikationen die Tendenz haben, 
sich in kristalloide Körper als die stabile (oder metastabile) Phase umzu- 
wandeln, diese Umwandlung aber häufig unendlich langsam verläuft, so 
liegt hier ebenfalls eine Kristallisationsbeschleunigung vor. Kolloides 
Selen, Eisentrisulfid, Bleisulfid und andere Stoffe lassen sich, einige Tage 
den Radiumstrahlen ausgesetzt, in die kristalline Phase überführen.?) — 

Von einer besonderen „Kristallisationskraft“ kann man nach Druhns 
und Mecklenburg?) nicht sprechen. 


b) Lösungsmittel (vgl. S. 187—195). 


Cohen*) stellte fest, daß die Löslichkeit von Kadmiumsulfat in 
Wasser bei 25° zunimmt, wenn man den Druck von 1 Atm. auf mehrere 
Hundert Atmosphären erhöht. Umgekehrt verhält sich Zinksulfat, dessen 
Löslichkeit bei Erhöhung des Druckes abnimmt. 

An Mischungen von Lösungsmitteln sind u. a. die folgenden. mit 
Erfolg angewendet worden: 

Pyridin + Toluol >), 

Azeton + Benzol oder Essigester + Ligroin®), 
Äther + Petroläther, 

Äthyl- und Methylalkohol + Chloroform ’?). 

Über die elektrische Erregbarkeit von feuergefährlichen Lösungs- 
mitteln haben Richter (Azeton®), Benzin®), Dolezalek‘°) (Benzol, Äther), 
Russig“:) (Benzol, Äther) Arbeiten veröffentlicht. Nach Richter?) ist es 


') ©. Doelter, Das Radium und die Farben, Einwirkung des Radiums und der 
ultravioletten Strahlen auf organische und anorganische Stoffe, sowie auf Mineralien. 
Dresden (Th. Steinkopff) 1910. 

?) Vgl.: Leitmeier, Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 16, S. 786 (1910). 

>) W. Bruhns u. W. Mecklenburg, Über die sogenannte „Kristallisationskraft*. 
Jahresber. d. Niedersächs. geolog. Ver. zu Hannover. Bd. 6, S.92 (1913); Chem. Zentral- 
blatt 1914. Bd. 1, S. 67. 

*) E. Cohen, Der Einfluß des Druckes (bis 1000 Atmosphären) auf die Löslich- 
keit. Zeitschr. f. Elektrochemie. Bd. 15, S. 600 (1909). 

5) €. Neuberg, Reduktion von Aminosäuren zu Aminoaldehyden. Ber. d. Deutsch. 
chem. Ges. Bd. 41, S. 962 (1908). 

6) L..J. Simon, Über die Oxalessigsäure. Compt. rend. de l’Acad. des sciences. 
T. 137, p. 855 (1903); Chem. Zentralbl. 1904, Bd. I, S. 85. 

?) @. L. Schaefer, Lösungsmittel für Alkaloide und Alkaloidsalze. Amer. Journ. 
Pharm. Vol. 85, p. 439 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 1828. 

®) M. Richter, Ist Azeton eine elektrisch erregbare Flüssigkeit? Chem.-Zeitg. 
Bd. 35, S. 1375 (1911). 

®) M. M. Richter, Über die elektrische Erregbarkeit des Benzins. Chem. Ind. 
Bd. 35, S. 833 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 107 (1913). 

10) F. Dolezalek, Ein weiteres Gutachten über die elektrische Erregung von. 
Flüssigkeiten. Chem. Ind. Bd. 36, S. 33 (1913); Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 179 (1913). 

11) F. Russig, Über elektrische Erregung von Flüssigkeiten. Chem. Ind. Bd. 36, 
S. 62 (1913); Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. 8. 179 (1913). 


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Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik*“. 359 


belanglos, daß die elektrisch erregbaren Flüssigkeiten Benzin, Äther, Schwefel- 
kohlenstoff usw. beim Erden der mit ihnen in Berührung befindlichen Metall- 
teile eine unwesentlich höhere Spannung annehmen: nicht die Flüssig- 
keitselektrizität, sondern die Metallelektrizität ist gefährlich. Selbst bis 
auf 5000 Volt geladenes Benzin gibt beim Berühren mit der Hand keine 
sichtbaren Funkenstrecken. Die bisherigen Brände verliefen in der Tat 
stets so, daß beim Berühren des Metalles. nicht des Benzins, die Ent- 
flammung eintrat. 

Von Arbeiten über neue zum Umkristallisieren angewendete oder 
dazu geeignete Lösungsmittel seien die folgenden erwähnt: Azetyl- 
chlorid (als Umkristallisationsmittel für Hippurylchlorid!), Formamid?), 
Amylazetat®), Aluminiumbromid (Lösungsmittel z. B. für p-Dibrom- 
benzol und Dimethylpyron). Indanthren löst sich in allen bekannten, auch 
den höchstsiedenden Lösungsmitteln ganz außerordentlich schwer, kristalli- 
siert aber aus kochendem Chinolin in prächtigen, kupferglänzenden 
Nadeln.°) Indigo wird leicht von siedendem Naphtalin gelöst‘) (vgl. 
ferner oben, S. 326, unter „Extrahieren von festen Körpern“). 

Nach Hesse’) sind die Alkyl- und Arylester der Phtalsäure, sowie 
deren Gemische gute Lösungsmittel für die verschiedenartigsten Stoffe, 
z.B. für fette und ätherische Öle, Riechstoffe u. dgl., insbesondere aber 
für Harze. 

Über die geeignetsten Lösungsmittel für Alkaloide und Alkaloid- 
salze berichtete Schaefer.®) 


x) Äther. 


Bei Umkristallisationen aus ätherischer Lösung wird gelegentlich die 
folgende Methode gute Dienste leisten können. Man stellt zunächst eine 
alkoholisch-ätherische Lösung der Substanz her und bringt dann diese 
Lösung durch vorsichtiges Herausschütteln des Alkohols mit Wasser in 


1) Emil Fischer, Synthese von Polypeptiden. IX. Chloride der Aminosäuren und 
ihrer Azylderivate. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 38, S. 613 (1905). 

®) P. Walden, Über Formamid als wasserähnliches Lösungsmittel. Chem.-Zeitg. 
Bd. 35, S. 374 (1911). 

®) F. Koelsch, Gesundheitsschädigungen durch Amylazetat. Kunststoffe 1912, 
S. 477. 

*) W. A. Isbekoff und W. A. Plotnikof, Aluminiumbromid als Lösungsmittel. 
Journ. Russ. Phys. chem. Ges. Bd. 43, S. 18 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. 8. 277 
(1911). 

5) Vgl.z.B.: R. Bohn, Über die Fortschritte auf dem Gebiete der Küpenfarb- 
stoffe. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 43, S. 999 (1910). 

6) R. Clauser, Über Neuerungen in der Indigoanalyse. Österr. Chem.-Zeitg. Bd. 2 
S. 521 (1899); Chem. Zentralbl. 1899, Bd. II, S. 978. 

”) A. Hesse, Benutzung von Alkyl- und Arylestern der Phtalsäure oder von Ge- 
mischen solcher Ester als Lösungsmittel. D. R.-P. 227.667; Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. 
8. 596 (1910). 

®) @. L. Schaefer, Lösungsmittel für Alkaloide und Alkaloidsalze. Amer. Journ. 
Pharm. Vol. 85, p. 439 (1913); Chem. Zentralbl. 1913. Bd. II, S. 1828. 


360 Richard Kempf. 


den Zustand der Ubersättigung, bis das Einsetzen der Kristallisation er- 
reicht ist. Auf diesem Wege glückte die Darstellung der kristallisierten 
Cholsäure!) und ferner des kristallisierten Bufotalins°), jenes in den 
Hautdrüsen der Kröten aufgefundenen Giftstoffes.3) 

Eine ausführliche Besprechung der Methoden zur Prüfung und 
Reinigung von Äther veröffentlichten Baskerville und Hamor*), und zwar 
wurden u. a. behandelt: Die Bestimmung und die Entfernung von Wasser 
und Alkohol in Äther, die Zersetzung des Äthers beim Aufbewahren in 
Blechkannen und die Bestimmung von Vinylalkohol in Äther, Prüfung 
auf die Anwesenheit von Superoxyden, Azeton und Formaldehyd in 
Äther, Vorschriften für die Untersuchung von Äther für medizinische und 
für chemische Zwecke. 

Auch Frerichs®) besprach die Methoden der Prüfung von Äther und 
erläuterte im einzelnen genauer die Siedepunktsbestimmung und den 
Nachweis von Azeton in Äther. 

Eine Methode, den käuflichen Äther zum Zwecke der Gewinnung von 
Narkoseäther zu reinigen, gab Guerin®) an: Man schüttelt den käut- 
lichen Äther so oft je '/,; Stunde lang mit 3 Vol.-%/, des sauren Merkuri- 
sulfatreagenses von Deniges durch, bis nur noch ein weißer oder gar kein 
Niederschlag mehr entsteht, dekantiert darauf den Äther, filtriert ihn und 
bringt ihn mit einem großen Überschuß von getrocknetem, gelöschtem Kalk 
und pulverisiertem Chlorkalzium auf längere Zeit in Berührung, wobei man 
häufig umschüttelt. Schließlich wird der Äther abfiltriert und destilliert. 

Man sollte Äther (ebenso Azeton und vielleicht auch Benzol; siehe 
weiter unten) im Laboratorium stets in dunklen Flaschen oder an 
lichtgeschützten Orten aufbewahren. 

Genaue Messungen der Löslichkeit von Äther in Wasser wurden von 
Osaka?) durch Bestimmung des Brechungsvermögens ausgeführt: 

Temperatur: 0° 50 LOB ET20NFZF N 
Lösliehkeit:: 13:14 211.18 9557 82271086416 75537 


') H. Wieland u. F. .J. Weil, Untersuchungen über die Cholsäure. Zeitschr. f. 
physiol. Chem. Bd. 80, S. 287 (1912); Chem. Zentralbl. 1912, Bd. II, S. 1286. 

?) H. Wieland u. F.J. Weil, Über das Krötengift. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 
Bd. 46, S. 3316 (1913); Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 678 (1913). 

3) Vgl. dieses Handb. Bd. H, S. 848. 

*) Ch. Baskerville und W. A. Hamor, Die Chemie der Anästhetika. I. Äthyl- 
äther. Journ. of Ind. and Engin. Chem. Vol. 3, p. 301 und 378 (1911). — Vgl. auch: 
Dieselben, Die Untersuchung von Äthyläther. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 669 (1910). 

5) @. Frerichs, Die Prüfung des Äthers. Apoth.-Zeitg. Bd. 28, S. 628 (1913); 
Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 1255. 

6) @. Guerin, Reinigungsverfahren des käuflichen Äthers zum Zwecke der Ge- 
winnung von Narkoseäther. Journ. Pharm. et Chim. [7], T. 6, p. 212 (1912); Chem. 
Zentralbl. 1912, Bd. II, S. 1575. 

?) Y. Osaka, Die Löslichkeit von Äther in Wasser. Chem.-Zeitg. Bd. 33, S. 623 
(1909). — Vgl. auch: Derselbe, Bestimmung der Löslichkeit einer gegebenen Substanz 
mit Hilfe des Pulfrichschen Refraktometers. Mem. Coll. Eng. Kyoto. Bd. 1, S. 290 
(1909); Chem. Zentralbl. 1909, Bd. II, S. 93. 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 361 


Umgekehrt den Wassergehalt in Äther kann man nach Dan Tyrer!) 
sehr genau in der Weise ermitteln, daß man die Löslichkeit von Kad- 
miumjodid in dem betreffenden Äther feststellt: Diese Substanz ist in 
völlig trockenem Äther praktisch unlöslich. Bei Zusatz von 0:1°/, Wasser 
zu trockenem Äther nimmt die Löslichkeit um etwa 0'64 Einheiten zu. 

Mit Salpetersäure geht Äther eine unbeständige Molekularverbindung 
von der Formel: (C,H,),0.HNO, ein. Hierauf ist beim Ausäthern salpeter- 
säurehaltiger Lösungen zu achten. Man erhält in solchen Fällen nach Cohen 
und Gateclif?) nach dem Entwässern und Entfernen des Äthers auf dem 
Wasserbade geringe Mengen einer gelben Flüssigkeit, die sich beim stärkeren 
Erhitzen oder auch freiwillig nach kurzer Zeit unter kleinen Explosionen 
und Entwicklung nitroser Dämpfe zersetzt. 

Zum Trocknen ätherischer Lösungen darf man sich nach Beob- 
achtungen v. Brauns nicht des Phosphorpentoxyds bedienen, da dann leicht 
phosphorhaltige Schmieren (Metaphosphorsäureester) entstehen. 3) 

Beim Filtrieren ätherischer Lösungen beobachtet man häufig am 
Rande des Filters, wo die Verdunstung des Äthers besonders rasch erfolgt und 
die Verdunstungskälte daher besonders groß ist, die Bildung eines kristal- 
linischen (nur unter —3°5° beständigen) Anfluges. Es besteht dieser nach 
Tanret*) aus einer Molekularverbindung von Äther (1 Mol.) und Wasser 
(2 Mol.): 0, H,0+2H;0. 

Daß der gewöhnliche Äther infolge beim Stenen gebildeter Verun- 
reinigungen kräftig oxydierend wirken kann, geht u.a. daraus hervor, 
daß Indigolösung ziemlich rasch entfärbt wird, wenn man sie in einem 
Extraktionsapparat für Flüssigkeiten (vgl. oben, S. 335ff.) mit Äther be- 
handelt®). Daß ein derartiger — wahrscheinlich peroxydhaltiger — 
Äther zu heftigen Explosionen Anlaß zu geben vermag, sei hier nochmals 
hervorgehoben) (vgl. auch oben, 8. 326). 

Bewahrt man Äther in Flaschen auf, die mit Korkstopfen ver- 
schlossen sind, so entzieht der Äther der Korksubstanz in kurzer Zeit 
Stoffe, die mit Kalilauge eine Gelbfärbung geben.”) 


1) Dan Tyrer, Methode zur genauen Bestimmung von Spuren von Wasser im 
Äther. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 768 (1911). 

?) J. B. Cohen und J. Gatechf, Die basischen Eigenschaften des Sauerstoffes; 
Verbindungen der Äther mit Salpetersäure. Proceedings Chem. Soc. Vol. 20, p. 194 
(1904); Chem. Zentralbl. 1905, Bd. I, S. 231. 

®) K. Langheld, Über Metaphosphorsäure-äthylester und dessen Anwendung in der 
organischen Chemie. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 43, S. 1858 (1910). 

*) C. Tanret, Über ein Hydrat des Äthers. Compt. rend. de l’Acad. des sciences 
de Paris. T. 86, p. 765 (1878) und Bull. de la Soc. chim. de Paris. [2], T. 30, p. 505 
(1878); Chem. Zentralbl. 1878, S. 338. 

°) Bisher noch nicht veröffentlicht. 

6) Vgl. auch z. B.: @. Kassner, Beitrag zur Kenntnis des Äthers. Arch. Pharm. 
Bd. 250, S. 436 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 566 (1912). 

?) J. Herzog, Über Äther pro narcosi. Apoth.-Zeitg. Bd. 29, S. 68 (1914); Chem. 
Zentralbl. 1914, Bd. I, S. 806. — Vgl. auch: K. Feist, dasselbe, ebenda. Bd. 25, S.104 
(1910); Chem. Zentralbl. 1910, Bd. I, S. 1166. — F. Scurti u. @. Tommasi, Über die 


362 Richard Kempf. 


6) Azeton. 


Azeton löst die meisten öligen, harzigen Schmieren und eignet sich 
daher oft vorzüglich dazu, Kristalle von anhängender Schmiere zu befreien. 

Nach den lichtchemischen Untersuchungen von Ciamician und Silber!) 
zerfällt Azeton bei der Autoxydation im Licht hydrolytisch in Ameisen- 
säure und Essigsäure: 

CH, .CO.CH,;, — > CH, .COOH + H.COOH. 

Die Autoxydation im Licht, d.h. die durch Licht bewirkte Aufnahme von 
freiem Sauerstoff, führt mithin in diesem Fall, wie auch sonst vielfach, 
zu denselben Produkten, die rein chemisch nur durch Anwendung starker 
Oxydationsmittel, wie Chromsäure und Kaliumpermanganat, zu erzielen sind. 

Auch nach Batik?) wird Azeton durch Belichtung mit Sonnenstrahlen 
sehr rasch zersetzt. Schon eine Bestrahlung von 3 Minuten Dauer genügt, 
um reinem Azeton die Eigenschaft zu verleihen, Permanganatlösung fast 
sofort zu entfärben. Bei direkter Sonnenbestrahlung schützen auch farbige 
Flaschen nicht vor Zersetzung. Von der englischen Regierung wird von 
reinem Azeton gefordert, daß 100 cm® beim Versetzen mit 1 cm? 1°/,iger 
Permanganatlösung die charakteristische Rotfärbung mindestens !/, Stunde 
(bei 15°5°) behalten. 

Ein neues Reinigungsverfahren für Azeton schlugen Shipsey und 
Werner®) vor: Beim Abkühlen einer Lösung von Natriumjodid in Azeton 
auf — 8° kristallisiert eine Verbindung NaJ.3C,H,O aus, die beim Er- 
hitzen reines Azeton abgibt. Auf diese Weise erhält man ein ebenso reines 
Azeton, wie aus dessen Bisulfitverbindung. 

Bezüglich eines billigen Azetonersatzes, der aus zusammengesetzten 
Estern zu bestehen scheint und bei 51-—-75° siedet, sei auf die Literatur 
verwiesen. *) 

y) Butanon (Methyläthylketon). 

Dieses nächste Homologe des Azetons zeichnet sich durch ein sehr 

grobes Lösungsvermögen für Mineralöldestillate aus und erwies sich u.a. 


Bildung des Fettes im Kork und die Fellonsäure von Kügler. Chem.-Zeitg. Bd. 37, 
S. 907 (1913). 

1) @. Ciamieian und P. Silber, Chemische Wirkungen des Lichtes. V. Mitt. Atti 
R. Accad. dei Lincei Roma. [5], Vol. 12, I, p. 235 und Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 36, 
S. 1582 (1903); Chem. Zentralbl. 1903, Bd. I, S. 1398. — G@G. Ciamician, Dasselbe, 
Chem.-Zeitg. Bd.30, S. 418 (1906). — @. Ciamieian und P. Silber, Chem. Lichtwirkungen, 
11. Mitt., Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 40, S. 2415 (1907). — Dieselben, Über 
Autoxydation einiger Ketone im Lichte. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 1236 (1913) und 
Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 26, S. 541 (1913). — Dieselben, Chemische Lichtwir- 
kungen. XXVII. Autooxydationen. V. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 46, S. 3077 (1913). 

°) Batik, Über die schädliche Einwirkung der Sonnenstrahlen auf Azeton. Chem.- 
Zeitg. Bd. 34. S. 735 (1910). — Vgl. auch: R. Gebhard, Photochemische Reaktionen bei 
der täglichen Laboratoriumsarbeit. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 1269 (1910). 

®) K. Shipsey und E. A. Werner, Die Reinigung des Azetons mit Hilfe von 
Natriumjodid. Journ. Chem. Soc. London. Vol. 103, p. 1255 (1913); Chem. Zentralbl. 
1913, Bd. II, S. 1132 und Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 738 und 1274 (1913). 

*) Vgl.: ©. Piest, Ein Azetonersatz. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 299 (1913). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 363 


für die Ausscheidung von Asphalt aus dunklen Mineralölen als sehr vor- 
teilhaft.) 


8) Athylalkohol. 


Um Äthylalkohol von Aldehyd zu befreien, verfährt man nach 
Plücker?2) am einfachsten so, daß man den Alkohol mit 6—7°/, Ätzkali 
versetzt, darauf 8—10 Stunden am Rückflußkühler im Sieden erhält und 
schließlich destilliert. Alkoholische Kalilauge, die mit einem so gereinigten 
Alkohol hergestellt wird, zeigt selbst noch nach einem Jahre nur einen 
schwach gelben Stich, gleichgültig, ob man das Alkali in der Kälte oder 
in der Wärme gelöst hatte. Zum Entwässern von Äthylalkohol eignet sich 
nach demselben Verfasser am besten das von Winkler empfohlene metal- 
lische Kalzium (in geraspeltem Zustand).®) 12 des gewöhnlichen abso- 
luten Alkohols wird mit 20 9 Kalzium mehrere Stunden lang am Rückfluß- 
kühler erwärmt und dann destilliert. Man erhält so gewöhnlich einen 
99-9°/,igen Alkohol. 

Nach Lenz*) wird Weingeist durch Stehenlassen mit Silbernitrat 
und Lauge und darauffolgende Destillation aldehydfrei gemacht. 

Einen Destillationsapparat zur Gewinnung absoluten Alkohols be- 
schrieb Me Kee.5) 

Um Alkohol auf Wassergehalt zu prüfen, kann man ihn auf Kal- 
ziumkarbid gießen (vgl. auch unten, S. 417); wasserhaltiger Alkohol ent- 
wickelt Azetylen, wasserfreier greift es in der Kälte nicht an.®) Man 
kann auf diese Weise aus gewöhnlichem Spiritus absoluten Alkohol ge- 
winnen, der jedoch einen schwer entfernbaren Geschmack und Geruch nach 
organischen Schwefelverbindungen besitzt.) Auf der Bläuung von wasser- 
freiem Kupfersulfat durch wasserhaltigen Alkohol beruht ein älterer, nicht 
sehr scharfer Nachweis von Wasser in Alkohol. $) 


1) F. Schwarz, Verfahren zur Bestimmung des Asphaltgehaltes von Mineralölen, 
Erdölpechen u. dgl. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 1417 (1911). 

®) W. Plücker, Die Darstellung reinen Äthylalkohols. Zeitschr. f. Unters. der 
Nahr.- und Genußmittel. Bd. 17, S. 454 (1909); Chem.-Zeitg. Bd. 33, Rep. S. 425 (1909). 

>) Bezugsquelle z. B.: E. Merck in Darmstadt. 

*) W. Lenz, Mikrochemische Reagenzien. Zeitschr. f. analyt. Chem. Bd. 52, S.90 
(1912); Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 89 (1913). — Vgl. auch: F. Emich, Chem.-Zeitg. 
Bd. 37, S. 1502 (1913). 

5) R. Me Kee, Ein Destillationsapparat zur Gewinnung absoluten Alkohols. Journ. 
Ind. Eng. Chem. Vol. 4, p. 46 (1912). 

6) P. Yvon, Über die Anwendung des Kalziumkarbids zur Darstellung von 
absolutem Alkohol. Compt. rend. de l’Acad. des sciences. T. 125, p. 1181 (1897); Chem. 
Zentralbl. 1898, Bd. 1, S. 319. 

?) E. Ostermayer, Zur Darstellung von absolutem Alkobol mittelst Kalzium- 
karbid. Pharm.-Zeitg. Bd. 43, S. 99 (1898); Chem. Zentralbl. 1898, Bd.I, 8.658. — 
Siehe aber auch: D. Vitali, Über die Anwendung von Kalziumkarbid zur Darstellung 
von absolutem Alkohol und zum Nachweis von Wasser in Alkohol, Äther, Chloro- 
form etc. Boll. Chim, Farm. Bd. 37, S. 257 (1898); Chem. Zentralbl. 1898, Bd. I, S. 1225. 

8) Vgl. z. B.: V. Meyer u. P. Jacobson, Lehrbuch der organischen Chemie. 2. Aufl. 
Bd. 1, 1. Teil, S. 230, Leipzig, Veit & Co. (1907). 


364 Richard Kempf. 


Eine neue Methode zur Bestimmung von Wasser in Alkohol auf 
(Grund der Löslichkeitskurve von Kaliumtluorid in Alkohol-Wassermischungen 
gaben ferner Frankforter und Frary!) an (vgl. S. 334, 386 u. 418). 

Über den Nachweis und die quantitative Bestimmung von Methyl- 
alkohol in Äthylalkohol sind eine stattliche Reihe von Arbeiten er- 
schienen ?), namentlich seitdem dieses Thema durch die Massenvergiftungen 
in einem Berliner Asyl für Obdachlose um die Jahreswende 1911/12 
aktuell geworden ist (vgl. auch unten S. 373). 

Fällt eine in Wasser gelöste Substanz auf Alkoholzusatz amorph 
aus, so empfiehlt es sich, folgenden Kunstgriff anzuwenden, um das 
Material in Form von Kristallen zur Abscheidung zu bringen. Man über- 
schiehtet vorsichtig die Lösung mit Alkohol und läßt das Ganze an 
einem erschütterungsfreien Orte stehen. In dem Maße, wie der Alkohol 
in die wässerige Lösung hineindiffundiert, wird sich die Substanz ganz 
langsam und darum oft in schönen großen Kristallen an der Trennungs- 
fläche der Schichten ausscheiden. — 

Bezüglich der Desinfektionskraft von wässerigem Alkohol sei hier 
folgendes eingeschaltet: Nach beyer?) erwies sich 70°/,iger Alkohol am 
stärksten desinfizierend, und zwar 30mal stärker als 60°/,iger und über 
40mal stärker als 80°/,iger Alkohol. Konzentrationen jenseits 60 und 
80°/, zeigten sich überhaupt wirkungsios, und absoluter Alkohol wirkte 
bei Fernhaltung jeder Feuchtigkeit sogar konservierend auf Bakterien. Eau 


') @. B. Frankforter und F.C. Frary, Gleichgewicht in Systemen, die Alkohole, 
Wasser und Salze enthalten, mit einer neuen Methode der Alkoholanalyse. Journ. of 
Physical. Chem. Vol. 17, p. 402 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 421. — Über 
weitere Methoden des Wassernachweises in Alkohol siehe: D. Mendelejew, Über 
die Verbindungen des Alkohols mit Wasser, Poggendorffs Annal. d. Physik u. Chem. 
Bd. 138, S. 246 (1869). — Ad. Claus, Zur Kenntnis des Anthrachinons. Ber. d. Deutsch. 
chem. Ges. Bd. 10, S. 927, Fußnote 1 (1877). — L. Crismer, Über das flüssige Paraffin; 
seine Anwendung als Reagens auf das Wasser des Alkohols, des Äthers und Chloro- 
forms; seine Anwendung zur Darstellung der Bromwasserstoff- und Jodwasserstoffsäure 
und der Jodalkyle. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 17, S. 650 (1884). — Derselbe, 
Physikalische Konstanten, kritische Lösungstemperatur und osmotischer Druck. Bull. de 
association belge des Chimistes. T.16, p. 83 (1902); Chem. Zentralbl. 1902, Bd. II, 
8.3. — Th. Evans u. W.C. Fetsch, Magnesiumamalgam als Reduktionsmittel. Journ. 
Americ. Chem. Soe. Vol. 26, p. 1158 (1904); Chem. Zentralbl. 1904, Bd. I, S. 1383. 

?) Siehe z. B.: A. Vorisek, Nachweis von Methylalkohol in Äthylalkohol. Journ. 
Soc. Chem. Ind. Vol. 28, p. 823 (1909); Chem.-Zeitg. Bd. 33, Rep. S. 489 (1909). — 
KR. Schmiedel, Nachweis des Methylalkohols. Pharm. Zentralh. Bd. 54, S. 709 (1913); 
Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. 8. 525 (1913). — P. Szeberenyi, Zur quantitativen Bestim- 
mung von Methyl- und Äthylalkohol in Gemischen beider Alkohole. Chem.-Zeitg. Bd. 37, 
S. 757 (1913). — B. Wagner und E. Evers, Nachweis von Methylalkohol mit dem Re- 
fraktometer. Zeitschr. f. Unters. der Nahr.- und Genußmittel. Bd. 26, S. 310 (1913). — 
H. Oldekop, Der Holzgeist als Branntweinvergällungsmittel. Zeitschr. f. Unters. d. Nahr.- 
u. Genußm. Bd. 26, S. 129 (1913); Chem.-Zeitg. Bd. 38, Rep. S. 157 (1914). — Siehe 
auch: H. Bauer, Analytische Chemie des Methylalkohols. Stuttgart (F. Enke) 1913. 

°) Alfr. Beyer, In welcher Konzentration tötet wässeriger Alkohol allein oder in 
Verbindung mit anderen desinfizierenden Mitteln Entzündungs- und Eiterungserreger 
am schnellsten ab? Zeitschr. f. Hyg. Bd. 70, S. 225 (1911). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 365 


de Cologne ist stärker bakterizid als Alkohol von entsprechender Ver- 
- dünnung. 

Nach Frey!) beruht die bakterientötende Optimumwirkung gerade 
von 70°/,igem Alkohol darauf, daß nur mittlere Konzentrationen von 
Alkohol trockenes Eiweiß im Sinne der Koagulation verändern, so daß es 
nach der Vorbehandlung im Wasser nicht aufquillt und sich löst. Das 
Maximum dieser koagulierenden Wirkung liegt zwischen 60 und 70%/,.— 

Die Reaktionsgeschwindigkeit der Einwirkung von Chlorwasserstoff- 
säure auf Alkohol in Wasser-Alkoholgemischen untersuchte Kelpi.?) 


e) Benzol. 

Zur quantitativen Bestimmung von Schwefelkohlenstoff in Benzol 
gab Weiß) eine einfache Methode an. Sie beruht auf der Überführung 
des Schwefelkohlenstoffes mittelst einer gesättigten alkoholischen Kalilauge 
in xanthogensaures Kalium und Oxydation dieses Salzes mit Hilfe von 
Bromwasser in stark alkalischer Lösung zu Kaliumsulfat, das in der übli- 
chen Weise als Baryumsulfat gewogen wird: 


eu nn Ma So, 


Einen Apparat zur Bestimmung des Gesamtschwefels in Handels- 
benzol empfahl Schenk.*) 

Beim Stehen im Licht bilden sich sowohl in Benzol wie Xylol Super- 
oxyde, Phenol u. dgl.’) Man bewahre daher auch diese Lösungsmittel vor 
Licht geschützt auf. 

Benzoldämpfe wirken giftig. ®) 


1) E. Frey, Warum wirkt gerade 70°/,iger Alkohol so stark bakterizid? Deutsche 
med. Wochenschr. Bd. 38, S. 1633 (1912): Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 75 (1913). — 
‘Siehe ferner: $. Tijmstra, Warum hat die bakterizide Wirkung des Alkohols den 
höchsten Intensitätsgrad erreicht bei einer Konzentration von 70°/,? Folia Microbiolo- 
giea. Holländ. Beitr. z. ges. Mikrobiologie. Bd. 2, S.1 (1913); Chem. Zentralbl. 1914, 
Bd. I, S. 486. 

2) S. Kilpi, Einwirkung von Chlorwasserstoffsäure auf Alkohol. Zeitschr. f. physik. 
Chem. Bd. 86, S. 427 (1914); Chem. Zentralbl. 1914, Bd. I, S. 955. 

3) J. M. Weiß, Bestimmung von Schwefelkohlenstoff in Benzol. Journ. Ind. Eng. 
Chem. Vol. 1, p. 604 (1909); Chem.-Zeitg. Bd. 33, Rep. S. 489 (1909). 

*) K. Schenk, Neuer Apparat zur Bestimmung des Gesamtschwefels im Handels- 
benzol. Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 27, Aufsatzteil S. 152 (1914). 

5) Vgl. z.B.: K. Gebhard, Photochemische Reaktionen bei der taelioken Labora- 
toriumsarbeit. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 1269 (1910). — Siehe auch: W. D. Bancroft, Die 

photochemische Oxydation von Benzol. Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 25, 5. 2460 (1912). 
6) Siehe u. a.: Curschmann, Die gewerblichen Vergiftungen mit Benzol und 
seinen Derivaten und dessen Frühdiagnose. D. Vierteljahrsschr. öff. Ges.-Pfl. 1911, S. 225; 
Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 590 (1911). — K. B. Lehmann, Exp. Studien über den 
Einfluß techn. und hyg. wichtiger Gase und Dämpfe auf den Organismus. XXIV—XXIX. 
Die Kohlenwasserstoffe: Benzol, Toluol, Xylol, Leichtbenzin und Schwerbenzin. Archiv 
f. Hyg. Bd. 75, S. 1 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 466 (1912). — Beisele, Beitrag 
zur Kasuistik der Benzoldampfvergiftung. Münchener med. Wochenschr. 1912, S. 2286; 
Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 145 (1913). — Über einen Todesfall infolge Ein- 
atmens von Benzoldämpfen siehe z. B.: Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 120 (1913). 


366 Richard Kempf. 


Nach Selling‘) ist Benzol ein mächtiges Leukotoxin, das nicht nur 
die Leukozyten zerstört, sondern auch die hämatopoetischen (blutbildenden) 
Organe (Knochenmark) angreift. — 


Die Alkalimetalle wirken auf Benzol um so leichter ein, je größer ihre 
Oxydierbarkeit ist. Caesium reagiert mit Benzol wahrscheinlich unter 
3ildung von Caesiumphenyl (C,H,.Cs), das sich in Gegenwart von 
Wasser in Diphenyl und Cäsiumhydrat zersetzt. ?) 

Über die Löslichkeit von Wasser in Benzol liegen genaue Angaben 
von Groschuff®) vor. Über das Trocknen von Benzol siehe unten den Ab- 
schnitt: „Entwässern organischer Flüssigkeiten“ (S. 412 und 418). 


Ü) Wasser. 


Einige Farbstoffe vermindern die Geschwindigkeit der Kristallisation 
aus wässerigen Lösungen sehr stark, ja können sie praktisch vollständig 
hemmen. Gleichzeitig üben solche Farbstoffe einen deutlichen Einfluß auf 
den Habitus der aus ihren Lösungen gezogenen Kristalle aus.*) — 


Leicht zersetzliche Säureamide werden am besten aus Wasser, dem 
etwas Ammoniak zugesetzt ist, umkristallisiert. >) 


7) Ameisensäure. 


Ameisensäure — in konzentrierter Form oder auch etwa 95°/,ig — 
ist als Lösungsmittel bei Umkristallisationen nach Aschan®) ebensogut an- 
wendbar wie Eisessig, zeigt aber, als einfacher zusammengesetzter orga- 
nischer Körper vom Wassertypus, in vielen Fällen ein größeres Lösungs- 
vermögen als Eisessig. Als weitere Vorteile der Ameisensäure kommen 
hinzu ihre größere Flüchtigkeit im Wasserbade und bei gewöhnlicher Tem- 
peratur, sowie ihre Fähigkeit, gut ausgebildete, nicht selten große Kristalle 
zu erzeugen. Allerdings stört manchmal ihre Eigenheit, neben ihrem Säure- 
zugleich Aldehydcharakter zu haben. Gelegentlich können infolgedessen 
Reduktionen und Kondensationen Platz greifen. Im allgemeinen ist diese 
(refahr aber nicht groß, sodaß Ameisensäure als Lösungsmittel empfohlen 
werden kann, besonders da die 95°/,ige Säure jetzt zu einem Preise zu 


!) Selling, Benzol als Leukotoxin. Zieglers Beitr. path. Anat. Bd.51 (1911); 
Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 199 (1912). 

®) L. Hackspill, Die Wirkung von Alkalimetallen auf Benzole. Chem.-Zeitg. 
Bd. 36, S. 1214 (1912). 

®) E. Groschuff, Über die Löslichkeit von Wasser in Benzol, Petroleum, Paraffin- 
öl. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 17, S. 348 (1911). 

*) R. Mare und W. Wenk, Über die Kristallisation aus wässerigen Lösungen. III. 
Zeitschr. f. pbysik. Chem. Bd. 68, S. 104 (1909). 

5) Siehe z. B.: Emil Fischer, Über einige Derivate des Glykokolls, Alanins und 
Leuzins. Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. Bd. 35, S. 1102 (1902). 

6) O0. Aschan, Die Ameisensäure als Lösungsmittei. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 1117 
(1913). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 367 


haben ist, der etwa die Hälfte des Eisessigs beträgt. Aschan gibt eine 
große Reihe von Umkristallisationsbeispielen organischer Substanzen an.!) 


%) Petroläther. & 


Nach Fachini und Dorta?) lassen sich die festen Fettsäuren von 
den flüssigen fast quantitativ mit Hilfe von Petroläther vom Siedepunkt 
30—50° trennen, wenn man bei der Temperatur eines Gemisches vom 
festen Kohlendioxyd und Alkohol arbeitet. Flüssige und ungesättigte Fett- 
säuren sind in Petroläther fast in jedem Verhältnis löslich, während sich 
Palmitin-, Stearin- und Arachinsäure fast gar nicht, Laurin- und Myristin- 
säure nur wenig bei gewöhnlicher Temperatur lösen. Bei niederen Tempe- 
raturen (— 18 bis — 45°) scheiden sich die zuletzt genannten Säuren fast 
vollständig aus. 


ı) Benzin. 


Über die elektrische Erregebarkeit flüssigen Benzins siehe oben (S. 358). 

Benzindampf-Luftgemisch explodiert nur dann, wenn 24—4'9 Vol.’,, 
Benzindampf vorhanden sind. Da 1 ! Benzin beim Verdampfen 250 7 Ben- 
zindampf bildet, so genügt bereits das Verdampfen von ca. Y,n,—'/, 7 Ben- 
zin (= 25—50 ! Benzindampf) pro Kubikmeter Raum, um Explosions- 
gefahr herbeizuführen. °) 

Über die Explosionsbereiche anderer brennbarer Lösungsmittel (und 
Gase) siehe die Literatur. ®) 

Über Selbstentzündungen von Benzin berichtete Lach.5) 


x) Schwefelkohlenstoff. 


Beim Einatmen von Schwefelkohlenstoffdämpfen zeigen sich oft schon 
nach wenigen Tagen psychische Störungen: leichte Erregbarkeit zu Zorn 
oder Neigung zur Rührung, Niedergeschlagenheit und Wechsel der Stimmung. 
Der Schwefelkohlenstoffrausch ist dem Alkoholrausch sehr ähnlich.®) 

Zum Trocknen von Schwefelkohlenstoff kann Phosphorpentoxyd 
dienen. ”) 


!) OÖ. Aschan, Die Ameisensäure als Lösungsmittel. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 1117 
(1913). 

2) S. Fachini und @. Dorta, Zur Kenntnis der Fettsäuren. Chem.-Zeitg. Bd. 34, 
S. 324 (1910). 

®) Vgl. im übrigen: L. Schmitz, Die flüssigen Brennstoffe, Berlin (Jul. Springer) 1912. 

#) Z.B.: H. Bunte, Über explosive Gasgemenge. Journ. f. Gasbeleuchtung und 
Wasserversorgg. Bd. 44, S. 835 (1901). 

°) B. Lach, Die Zeresinfabrikation, Halle a.S. (W. Knapp). 1911, S. 131. 

6) Möller, Geisteskrankheit infolge von Schwefelkohlenstoffvergiftung. Zeitschrift 
f. Medizinalbeamte. Bd. 24, S.297 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 349 (1911). 

°) Vgl. z.B.: A. Stock, Zur Kenntnis der Schwefelphosphorverbindungen. 6. Mit- 
teilung: Über das Tetraphosphorheptasulfid, P,S,. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 43, 
S. 415 (1910). 


368 Richard Kempf. 


)) Chlorhaltige Lösungsmittel.*) 


Von chlorhaltigen flüssigen Verbindungen kommen als Lösungsmittel 
hauptsächlich die folgenden in Betracht: aus der Paraffinreihe: Chloro- 
form, Tetrachlorkohlenstoff (genannt Tetra), symmetrisches Tetrachloräthan 
(C,H, C1,), Pentachloräthan (C;HC],); aus der Olefinreihe: symmetri- 
sches Dichloräthylen (C,H, Cl), Trichloräthylen (C, HCl,; genannt Tri), 
Perchloräthylen (GC, Cl,). 

Zu beachten ist die allen diesen Lösungsmitteln gemeinsame unan- 
genehme Eigenschaft, sich verhältnismäßig leicht unter Salzsäureabspal- 
tung zu zersetzen.?) 

Ferner wirken ihre Dämpfe sämtlich eiftig beim Einatmen. Bei 
weitem am wenigsten giftig wirkt unter gewissen gleichartigen Bedingungen 
Tetrachlorkohlenstoff. Setzt man dessen Giftwirkung = 1, so ergibt sich 
die in der unten folgenden Tabelle zusammengestellte Reihe der relativen 
Giftigkeit >): 

Es sind die Methan- und Äthylenderivate harmloser als die Äthan- 
derivate, und in den einzelnen Reihen nimmt jedesmal die Giftigkeit 
mit steigendem Chlorgehalt ab. Praktisch brauchen alle genannten Körper 
keine ernsten Bedenken bezüglich Herstellung und Anwendung hervor- 


zurufen, wenn in gut schließenden Apparaten oder — bei offenen 
(Gefäßen — unter gut ziehenden Abzügen gearbeitet wird. *) 


Über die wichtigsten physikalischen Konstanten dieser chlorhaltigen 
Lösungsmittel: Dichten, Ausdehnungskoeffizienten, Dampfdrucke, Ver- 
dampfungswärmen 5), spezifische Wärmen und Schmelzpunkte 6) sowie 
Lösungsvermögen’) haben Herz und kathmann genauere Angaben ver- 
öffentlicht, die hier zusammengestellt seien: 


') Vgl. dieses Handb. Bd. I, S. 188 u. 194 und die dort angegebene Literatur, 
ferner: Konsortium für elektrochem. Industrie, Nürnberg, Synthesen aus Azetylen und 
Chlor. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 1053 (1911). — L. Gowing-Scopes, Die Eigenschaften 
einiger chlorierter Kohlenwasserstoffe und ihre Verwendung in der chemischen Analyse. 
The Analyst. Vol. 39, p. 4 (1914); Chem. Zentralbl. 1914, Bd. I, S. 815 u. Chem.-Zeitg. 
Bd. 38, S. 117 (1914). 

?) Siehe z.B.: O. Nieodemus, Die pyrogenetische Zersetzung von s-Tetrachloräthan 
und Trichloräthylen. Journ. f. prakt. Chem. [2], Bd. 83, S.312 (1911); Chem. Zentralbl. 
1911, Bd. 1, S. 1682. — Ferner: B. Lach, Die Zeresinfabrikation. Halle a. S. (W. Knapp), 
1911, 8. 133 u. 135. — L. Gowing-Scopes, ]. c. 

®) K. B. Lehmann, Experimentelle Studien über den Einfluß technisch und hygie- 
nisch wichtiger Gase und Dämpfe auf den Organismus. XIX— XXIII: Die gechlorten 
Kohlenwasserstoffe der Fettreihe nebst Betrachtungen über die einphasische und zwei- 
phasische Giftigkeit ätherischer Körper. Arch. Hyg. Bd. 74, S.1 (1911); Chem.-Zeitg. 
Bd. 35, Rep. S. 449 (1911). 

*) Vgl. im übrigen: K. B. Lehmann, ]. ce. 

°) W. Herzund W. Rathmann, Physikalische Konstanten einiger als Lösungsmittel 
wichtiger chlorierter Kohlenwasserstoffe I. Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 1417 (1912). 

6) Dieselben, Dasselbe. Ibidem. Bd. 37, S. 621 (1913). 

‘) Dieselben, Löslichkeiten in chlorierten aliphatischen Kohlenwasserstoffen. 
Zeitschr. f. Elektrochemie. Bd. 19, S. 887 (1913). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 369 


Spez. Gew. Löslich- 
Relative |bei 15°, bezo- punkt |Schmelz- keitvon 
Giftigkeit |genauf Was- Hans! Salizyl- 

ser von 4° C säure 


Formel 


Tetrachlorkohlenstoff.. | CC], | 


10 1.601 | z0| —23 | 0:30') 
Tetrachloräthylen . . | CCL=CCI, 1:6 1.624 | 1190| —ı9 | 080 
Trichloräthylen - . . | CHÜI=CC], 17 1466 | sro| —3 | 1-10 
Diehlor- (Cis-form . 1 L 1.265 48:8 _ _— 
äthylen Fee! „al an 1 | 2 
Ckloroform . . . . .|CHC], 2:2 1.496 6190| —63 | 1:57 
Pentachloräthan . . . | CHC],.CCl, 62 1.685 | 1590| —22 | 0:77 
Tetrachloräthan . . .\| CHCI.CHÜL, 91 | 1.602 | 1450| —36 | 1:51 


Zur Frage einer rationellen Nomenklatur auf diesem Gebiete äußerte 
sich Margosches. ?) 

Angepriesen werden diese chlorhaltigen Lösungsmittel als vollwertiger 
Ersatz namentlich für Äther, Schwefelkohlenstoff, Benzin und Ben- 
zol. Ihr Hauptvorzug vor diesen altbewährten Lösungsmitteln liegt beson- 
ders darin, daß keine oder höchstens nur ganz geringfügige Feuers- und 
Explosionsgefahr besteht. 


xx) Chloroform. 


Chloroform ist leicht zersetzlich, besonders im Licht. Bei Anwesenheit 
einer genügenden Menge Sauerstoff wird Chloroform in Kohlendioxyd, 
Wasser und Chlor zerlegt, bei ungenügender Sauerstoffmenge entstehen 
Salzsäure und Phosgen. Alkoholzusatz erhöht die Haltbarkeit von Chloro- 
form, weshalb das sogenannte Narkosechloroform stets alkoholhaltig ist. 3) 

Enz*) prüfte die üblichen Reinheitsprüfungen von Chloroform ein- 
gehend nach. Nach diesen Untersuchungen gibt es im Handel Chloroform- 
sorten, die als Verunreinigungen Chloralalkoholat und verwandte Chloral- 
verbindungen enthalten. Reines Chloroform ist ohne Einwirkung auf !/,,n- 
Lauge, während chloralhaltige Präparate reichlich Lauge verbrauchen, die 
durch Resttitration bestimmt werden kann. Zum Nachweis organischer 
Verbindungen aldehydartiger Natur im Chloroform leistet das Nessler- 
sche Reagens ausgezeichnete Dienste: Reine Sorten geben zunächst keine 


') Millimol Salizylsäure in 10 cm? Lösung. 

?) B. M. Margosches, Über Kohlenwasserstoff- und Kohlenstoffchloride I. Chem.- 
Zeitung. Bd. 37, S. 509 (1913). 

®») Vgl. im übrigen: Stadlmayr, Über das Narkosechloroform. Chem.-Zeitg. Bd. 34, 
S. 560 (1910). — Siehe auch: N. Schoorl und L. M.van den Berg, Die Zersetzung von Chloro- 
form unter dem Einfluß von Licht und Luft. Pharmaceutisch Weekblad. Bd. 42, S. 877 
(1905); Chem. Zentralbl. 1905, Bd. I, S. 1623. 

*) K. Enz, Chloroform. Apoth.-Zeitg. Bd. 28, S. 672 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, 
Bd. H, S. 1172. — Vgl. auch: Budde, Zur Prüfung des Chloroforms zu Betäubungen. 
Apoth.-Zeitg. Bd. 28, S. 709 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 1341. — K. Enz, 
Zur Prüfung von Chloroform, ebenda S. 776; Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 1522. 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIIL. 24 


370 Richard Kempf. 


teaktion, während unreine Präparate sofort eine rotbraune, rasch ins 
Grünschwarze übergehende Ausscheidung bewirken. 

Schüttelt man 20 cm3 Chloroform mit 10 cm? Wasser und hebt so- 
fort 5em® Wasser ab, so darf dieses nach dem Deutschen Arzneibuch 
Lackmuspapier nicht röten und, wenn es vorsichtig über eine verdünnte 
Silbernitratlösung geschichtet wird, keine Trübung hervorrufen (Nachweis 
von Salzsäure). Beim Schütteln von Chloroform mit Jodzinkstärkelösung 
darf weder diese gebläut, noch das Chloroform gefärbt werden (Nachweis 
von Chlor). Mit Chloroform getränktes bestes Filtrierpapier darf nach 
dem Verdunsten des Chloroforms nicht riechen. Schüttelt man 20 em3 Chloro- 
form und 15 cm3 konzentrierte Schwefelsäure in einem mit Schwefelsäure 
sespülten Reagenzrohr, so darf sich die Schwefelsäure innerhalb einer 
Stunde nicht färben (Nachweis organischer Verunreinigungen).') 

Die Mischbarkeitsgrenze von Chloroform und Alkohol bestimmte 
Enz. ?) 

Ein neues Verfahren für die Alkoholbestimmung in Chloroform gab 
Budde:°) an. Zur Reinigung des Chloroforms empfahl er eine Destillation 
im Kohlendioxydstrom. 

BB) Tetrachlorkohlenstoff *) („Tetra“). 


N 


Über das Lösungsvermögen des technischen Kohlenstofftetrachlorids 
(997°/,ig) für die wichtigsten technischen Rohstoffe, wie Harze, Kopale, 
Bitumen, Erdwachs, Paraffin, ätherische und fette Öle, Wachse usw. haben 
Baskerville und Riederer >) eingehende Versuche angestellt. — Die Anwen- 
dung von Chlorkohlenstoff in der Toxikologie als Ausschüttelungsmittel für 
Alkaloide, z. B. für Strychnin und Atropin. empfahl Gori.°) Ferner be- 
währt sich nach Seibriger ?) das Lösungsmittel bei der Kaltextraktion der 
Hopfenbitterstoffe. 


!) Vgl. im übrigen: Deutsches Arzneibuch. 5. Ausgabe, Berlin (R. v. Deckers 
Verlag) 1910, S. 118. 

2) K. Enz, Über die Mischbarkeit von Chloroform und Weingeist. Pharm.-Zeitg. 
Bd. 58, S. 528 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 1789. 

3) Th. Budde, Über Chloroform, seine Prüfung und Reinigung, sowie sein Ver- 
halten zu offenen Flammen. Veröff. Milit.-Sanitätsw. 1913, S. 113; Chem.-Zeitg. Bd. 37, 
Rep. S. 567 (1913). 

#4) Siehe auch z. B. die Monographie: B.M. Margosches, Der Tetrachlorkohlen- 
stoff unter besonderer Berücksichtigung seiner Verwendung als Lösungs- und Extraktions- 
mittel in der Industrie der Fette und verwandter Gebiete. Stuttgart (Ferd. Enke) 1905. 

5) Ch. Baskerville und H. S. Riederer, Die Chloride des Kohlenstoffs als Lösungs- 
mittel, I. Kohlenstofftetrachlorid. Journ. Ind. Eng. Chem. Vol.4, p. 645 (1912); Chem.- 
Zeitung. Bd. 37, Rep. S. 49 (1913). 

6) @. Gori, Über den Gebrauch von Kohlenstofftetrachlorid in der Toxikologie. 
Boll. Chim. Pharm. Vol. 52, p. 463 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. H, S. 720. 

?) R. Seibriger, Analysengang der Bitterstoffbestimmung durch Kaltextraktion 
mit Tetrachlorkohlenstoff. Wochenschr. f. Brauerei. Bd. 30, S. 610 (1913); Chem. 
Zentralbl. 1914, Bd. I, S. 302. — 0. Neumann, Die neue Hopfenanalyse. Ohem.-Zeitg. 
Ba. 37, S. 1317 (1913). 


ee 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 371 


3) 
Unter der Einwirkung von Wasserdampf — namentlich bei Gegen- 
wart von Eisen oder Kupfer — zersetzt sich Kohlenstofftetrachlorid. 


und es wird Salzsäure in großen Mengen abgespalten !): CC, +2 H,O 
CO, + 4HCl. 

Diese Salzsäure kann natürlich außerordentlich störend sowohl bei 
Umkristallisationen wie bei Extraktionen wirken. 

Nach Pichon und Truchelut ?2) kann diese dem Tetrachlorkohlenstoff 
anhaftende Unannehmlichkeit, unter Umständen Salzsäure abzuspalten und 
infolge seiner Verunreinigung durch Schwefel Metalle anzugreifen, da- 
durch behoben werden, daß man Terpentin oder verwandte Stoffe zusetzt. 

Zum Nachweise von Kohlenstoffbisulfid (Schwefelkohlenstoff) im 
Kohlenstofftetrachlorid empfahl Radeliffe:) die etwas modifizierte Gastine- 
sche Methode. 


' yy) Sym. Dichloräthylen (CHCI=CHC)). 


In 100 9 Wasser von 25° löst sich das Dichloräthylen in einer Menge 
von 0'7 g. Auch in Alkohol, Azeton, Benzol, Toluol u. dgl. sind die Halogen- 
äthylene löslich. Diese Lösungen können zu Desinfektionszwecken dienen. *) 

Als Extraktionsmittel bewährt sich das Dichloräthylen u. a. bei der 
quantitativen Bestimmung von Salizylsäure in Getränken (Wein, Bier 
oder dgl.).’) 


86) Trichloräthylen („Tri“) (CHCI=CC),). 
Trichloräthylen ist ein gutes Lösungsmittel für Fett und eignet sich 
demgemäß in der analytischen Chemie zur Bestimmung von Fett in ge- 
trockneter Milch®), zur quantitativen Entölung von Ölfarben (neben Chloro- 
form, Tetrachloräthan, Perchloräthylen und Pentachloräthan)?), sowie zur 


1) Siehe z. B.: B. Lach, Die Zeresinfabrikation. Halle a. S. (W. Knapp) 1911, 8.133. 

2) H. Pichon und Th. Truchelut, Methode und Mittel für Verwendung von Kohlen- 
stoffehloriden, um Benzol, Alkohol, Äther unentzündbar zu machen, sowie Herstellung 
von Harzlösungen und anderer wertvoller Produkte. Engl. Pat.; Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. 
S. 596 (1910). 

3») L. @. Radeliffe, Die Prüfung von Kohlenstofftetrachlorid. Journ. Soc. Chem. 
Ind. Vol.28, p.229 (1909); Chem.-Ztg. Bd. 33, Rep. S. 257 (1909). 

*) F. Hoffmann-La Roche d Co., Desinfektionsmittel, D. R.-P. 263.332; Chem. Zen- 
tralblatt. 1913, Bd. I. S. 1187. 

5) L. Stoecklin, Schnellmethode zum Nachweis von Salizylsäure. Annal. des Falsi- 
fieations. T. 5, p. 220 (1912); Zeitschr. f. Unters. der Nahr.- und Genußmittel. Bd. 26, 
8. 315 (1913). 

6) L. Gowing-Scopes, Über den Gebrauch von Trichloräthylen in der analytischen 
Chemie. The Analyst. Vol.35, p. 238 (1910); Zeitschr. f. angew. Chem. Bd.24, S. 899 
(1911) und Chem.-Zeitg. Bd. 34. Rep. S. 409 (1910). D.P. Ross van Lennep und J. 
D. Ruys, Bestimmung des Fettgehaltes der Milch mit Trichloräthylen. Cbem. Weekblad. 
Bd. 9, S. 654 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S.409 (1913). 

”) J. F. Sacher, Zur analytischen Entölung von Ölfarben. Farbenzeitg., Bd. 16, 
S. 2683 (1911); Chem. Zentralbl. 1911, Bd. HI, S. 1068. — Vgl. auch: Derselbe: Tri- 
chloräthylen als analytisches Extraktionsmittel. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 1204 (1911). 


24: 


3I2 Richard Kempf. 


Fettbestimmung in Futtermitteln.!) Für den letzteren Gebrauchszweck hat 
Trichloräthylen große Vorzüge vor dem sonst angewandten Äther, der in 
diesem Falle vollkommen frei von Alkohol und Wasser sein muß, was eine 
umständliche und kostspielige Vorreinigung erfordert. Auch bei der Knochen- 
extraktion empfiehlt sich nach Lach?) — statt des feuergefährlichen Ben- 
zins — Trichloräthylen, da dieses rascher arbeitet, explosionssicher ist und 
ein reineres, helleres Fett liefert. Durch Destillation mit direktem Dampf 
läßt sich das Trichloräthylen schnell und vollständig von den extrahierten 
Stoffen entfernen und infolge seines hohen spezifischen Gewichtes (1°43) 
leicht vom Wasser trennen. ?) 


se) Tetrachloräthan (Azetylentetrachlorid) (COl,—CCh,). 


Tetrachloräthan (und ebenso Anisol, siehe unten, S. 374) bewährte 
sich nach Friedländer*) als Extraktionsmittel ausgezeichnet bei der Ge- 
winnung des Farbstoffes aus dem Drüsenmaterial der Purpurschnecke (an- 
tiker Purpur). Die Extraktion wird in einer Soxhlethülse vorgenommen. 


u.) Methylalkohol.°) 


Nach Lobry de Bruyn nähert sich der Methylalkohol als Lösungs- 
mittel bald seinem niederen Homologen, dem Wasser, bald dem höheren, 
dem Äthylalkohol. Aber nicht immer nimmt er eine Zwischenstelle ein. 
Viele organische Körper, welche in Wasser nicht oder wenig löslich sind 
(ferner auch HCl, SO,, HgCl,, HgJ,), lösen sich in Methylalkohol besser 
als in Äthylalkohol. ®) 

Bei der Bereitung mancher Extrakte (z. B. von Belladonna und Nueis 
vomicae) besitzt Methylalkohol ein höheres Lösungsvermögen als Äthvl- 
alkohol.”) Bei Verwendung hochprozentigen Methylalkohols ist im allge- 
meinen die Auflösungsgeschwindigkeit geringer, aber die Auszüge sind an 
Alkaloiden reicher.) 


!) R. Neumann, Fettbestimmung in Futtermitteln mittelst Trichloräthylen. Chem.- 
Zeitg. Bd. 35, S.1025 (1911). 

®) B. Lach, Über moderne Knochenextraktion. Seifensieder-Zeitg. Bd. 38, S. 394 
und 421 (1911): Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 411 (1911). 

®) D. P. Ross van Lennep, Trichloräthylen, ein gefahrloses Lösungsmittel als Er- 
satz des Benzins. Seifensieder-Zeitg. Bd. 40, S.369 (1913); Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. 
S. 421 (1913). 

*) P. Friedländer, Zur Kenntnis des Farbstoffs des antiken Purpurs aus Murex 
brandaris. Wiener Monatshefte f. Chem. Bd.28, S. 994 (1907). 

°) Siehe auch: H. Bauer, Analytische Chemie des Methylalkohols. Stuttgart 
(F. Enke) 1913. 

6) €. A. Lobry de Bruyn, Methyl- und Äthylalkohol als Lösungsmittel. Ber. d. 
Deutsch. chem. Ges. Bd. 26, S. 274 (1893). — Vgl. auch: W.E.S. Turner und C. €. Bis- 
set, Die Löslichkeit von Alkalihaloiden im Methyl-, Äthyl-, Propyl- und Isoamyl-alkohol. 
Journ. Chem. Soc. London, Vol. 103, p. 1904 (1913); Chem. Zentralbl., 1914, Bd.I, S. 333. 

?) Batta, Über den Gebrauch von Methylalkohol statt Äthylalkohol bei der Be- 
reitung pharmazeutischer Extrakte. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 1429 (1911). 


- 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 373 


Beim Stehen an der Luft wird Methylalkohol im Sonnenlicht teilweise 
zu Formaldehyd!) oxydiert. 


Auf der leichten Oxydierbarkeit des Methylalkohols zu Formaldehyd 
und weiter zu Ameisensäure beruhen auch wahrscheinlich, wenigstens 
zum Teil, die toxischen Eigenschaften dieses Alkohols.?2) Nach Kroeber’°) 
ist die Giftigkeit des Methylalkohols möglicherweise auf eine Verunreinigung 
des Präparates durch Dimethylsulfat zurückzuführen, da der Alkohol 
mancherorts in erheblichen Mengen längere Zeit hindurch ohne Schädigung 
getrunken wurde. Treten schwere Schädigungen des Organismus durch den 
Genuß bereits geringer Mengen des Methylalkohols auf, so kann 'sogar 
schon das verdunstende Präparat die Augen schwer schädigen. ‘) Die Litera- 
tur über die giftigen Wirkungen dieses Alkohols ist namentlich seit den 
nach dem Genuß von methylalkoholhaltigem Schnaps eingetretenen Massen- 
vereiftungen (über 100) in einem Berliner Asyl für Obdachlose>) überaus 
stark angeschwollen ®) (vgl. oben S.364). 


Über die Möglichkeit einer Verunreinigung von Methylalkohol durch 
Chloroform siehe Friedrichs. ?) 


v) Toluol. 


Zum Reinigen von Toluol, das als Lösungsmittel für Umkristalli- 
sationen dienen soll, empfahl schon Stenhouse ®) Schütteln mit Schwefelsäure. 


!) H. D. Gibbs, Die Einwirkung des Sonnenlichtes auf Methylalkohol. Philippine 
Journ. Science. Vol.7, p. 57 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 275 (1913). 

2) E. Harnack, Über die Giftigkeit des Methylalkohols. Deutsche med. Wochen- 
schrift. Bd. 38, S. 358 (1912); Chem.-Zeitg. Bd.36, Rep. S.478 (1912). — J. Kröl, Über 
das Wesen der Methylalkoholvergiftung. Arch. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 72, 
S. 444 (1913) ; Chem.-Zeitg. Bd. 38, Rep. S.3 (1914). 

3) L. Kroeber, Zur Frage der Giftigkeit des Methylalkohols. Pharm. Zentralh. 
Bd. 53, S. 825 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 593 (1912). — Derselbe, Zur Frage 
der Giftigkeit des Methylalkohols, Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 1597 (1913). 

*) P. Spehr, Über die toxischen Eigenschaften des Methylalkohols. Baltische 
Pharm. Monatsh. Bd.2, S.400 (1909); Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. S. 177 (1910). — Vgl. 
auch: R. Müller, Über die Methylalkoholvergiftung. Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 23, 
S.351 (1910); Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. S. 177 (1910). 

5) Siehe z. B.: Die Massenvergiftungen von Asylisten in Berlin. Chem.-Zeitg. 
Bd. 36, S. 71 (1912). 

6) Vgl. u. A.: L. Bürger, Über Methylalkoholvergiftung. Chem.-Zeitg. Bd. 36, 
S.524 (1912). — A. Langgard, Die Giftigkeit des Methyl- und Äthylalkohols. Berliner 
klin. Wochenschr. Bd.49, S. 1704 (1912); Chem. Zentralbl. 1912, Bd. II, S. 1382. — 
Th. v. Fellenberg, Bestimmung und Nachweis von Methylalkohol. Mitteilungen aus dem 
Gebiete der Lebensm.-Unters. u. Hyg. Bd.4, S. 141 (1913). — J. Kröl, Über das Wesen 
der Methylalkoholvergiftung. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmak. Bd. 72, S.444 (1913); 
Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 1161. 

?) F. Friedrichs, Methylalkohol und seine Verunreinigungen. Chem.-Zeitg. Bd. 32, 
S.890 (1908). 

8) Vgl.: C. Graebe, Über Chloranil. Liebigs Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. 263, 
S. 24 (1891). 


374 Richard Kempf. 


Im Licht bei Gegenwart von Sauerstoff und Wasser geht Toluol durch 
Autoxydation in Benzaldehyd, Benzoösäure und Ameisensäure über. !) Ahn- 
lich verhalten sich die drei isomeren Xylole. !) 


&) Anisol. 


Bei Anwendung von Anisol zur Extraktion des Purpurfarbstoffes aus 
verschiedenen Schnecken (Murex- und Purpura-Arten) genügten 100 9 für 
500 Schnecken (vgl. oben S. 372). Schon während des Extrahierens scheidet 
sich der Farbstoff allmählich aus dem siedenden Anisol aus. Er wird nach 
dem Erkalten filtriert und nochmals aus viel siedendem Nitrobenzol um- 
kristallisiert. 


o) Nitrobenzol. 


Ein akuter Fall von Nitrobenzolvergiftung zeigte vor allem Leuko- 
zytose durch Zerfall der roten Blutkörperchen; eine chronische Vergiftung 
ähnelte der perniziösen Anämie unter starker Verringerung der Zahl der 
weißen Blutzellen. ?) 


r) Anilin. 


Über die Einwirkung von Luft und Licht auf Anilin hat Gibbs 3) ge- 
nauere Untersuchungen angestellt. Wurde Anilin in Gegenwart oder in 
Abwesenheit von Feuchtigkeit und unter häufigem Schütteln mit Luft dem 
Sonnenlicht ausgesetzt, so färbte es sich rasch gelb und schließlich dunkel- 
rot, und es ließen sich in dem Produkt 2°5-Dianilinochinon, 2'5-Dianilino- 
chinonanil, Azophenin und Azobenzol nachweisen; die Färbung des Anilins 
im Lichte beruht demnach auf Oxydation. 


0) Einige seltener gebrauchte Lösungsmittel. 


Chloranil (Tetrachlorchinon) kristallisiert aus heißem, konzentriertem 
Königswasser in glänzenden goldgelben Blättchen, die selbst gegen das 
kochende Säuregemisch beständig sind.) In ähnlicher Weise kann Mellith- 
säure (Benzolhexakarbonsäure) aus starker Salpetersäure umkristalli- 
siert werden. 5) 

') @. Ciamieian und P. Silber, Chemische Liehtwirkungen. XXII. Autooxydationen 
I. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 45, S. 38 (1912). 

°) Massini, Über Nitrobenzolvergiftung. Blutbefund und Verhalten des Herzens 
bei derselben. Deutsch. Arch. f. klin. Med. (1910); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 125 (1912). 
Vgl. ferner: J. R. Spinner, Nitrobenzol als Gift im Gewerbe und zu verbrecherischen 
Zwecken. Pharm. Zentralh. Bd. 54, S. 871 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 1162. 

») H. D. Gibbs, Die Verbindungen, welche die rote Färbung des Anilins verur- 
sachen. I. Einfluß von Sauerstoff und Ozon und Einfluß des Lichtes bei Gegenwart 
von Sauerstoff. The Philippine Journ. of Seiences, Vol. 5; Chem. Zentralbl. 1910, Bd. II, 
S. 558. 

*) Vel.: R. Kempf und H. Moehrke, Verfahren zur Darstellung von trichlorchinon- 
freiem Chloranil (Tetrachlor-p-benzochinon), D. R.-P. 256.034; Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. 
S. 142 (1913) und Chem. Zentralbl. 1913, Bd. I, S. 758. 

°) Hans Meyer, Über Mellithsäure. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 1191 (1913). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 375 


Der Vollständigkeit halber sei angeführt, daß auch geschmolzene 
anorganische Salze als Lösungsmittel für Umkristallisationen anwend- 
bar sind. So kristallisiert z. B. nach Cooper und Fuller‘) Baryumsulfat 
aus geschmolzenem Natriumsulfat oder Barvumchlorid bei 1150° in Kri- 
stallen von 5 mm Länge. Ebenso ist Magnesiumchlorid, das bei 708° 
zu einer leichtbeweglichen Flüssigkeit schmilzt, ein ausgezeichnetes Mittel, 
anorganische Oxyde und Salze schön kristallisiert zu erhalten. ?) 


c) Entfärben und Klären von Flüssigkeiten (vel. S. 195—197). 
#) Kohle als Entfärbungsmittel. 


Das eigentümliche Vermögen fein verteilter Kohle, gefärbte Flüssig- 
keiten zu entfärben, hat wiederum viele Forscher zu eingehenden, zum 
Teil auch praktisch sehr wichtigen Untersuchungen angeregt. 

Zunächst sei nachgetragen, dab bereits A. W. Hofmann?) die oxy- 
dative Wirkung von Tierkohle auf manche Substanzen (alkoholische Lö- 
sung von Leukanilin) erkannt und beschrieben hat. Über chemische Wir- 
kungen der mechanischen Absorption durch Tierkohle berichtete ferner 
Traube.*) Nach Freundlich und Losev:) erfolgt die Verteilung der Farb- 
stoffe: Kristallviolett, Kristallponceau, Neufuchsin und Patentblau zwischen 
Kohle bzw. Wolle, Seide und Baumwolle einerseits, einer wässerigen Lö- 
sung andrerseits nach genau den gleichen Gesetzen. Bei basischen Farb- 
stoffen tritt durch die Kohle — ebenso wie durch die Fasern — oft eine 
Spaltung des Farbsalzes in Base und Säure auf; die Säure bleibt quanti- 
tativ als solche in Lösung, die Base wird adsorbiert. Möglicherweise wer- 
den amorphe Polymerisationsprodukte der Farbbase adsorbiert und 
bilden mit der Kohle bzw. den Fasern Kolloidkomplexe. ®) 

Nach Ritzel”) nimmt Kohle (gereinigte Blutkohle) auch Uran X 
aus Urannitratlösungen auf, und zwar zunächst sehr schnell, dann lang- 


1) H. C. Cooper und T. S. Fuller, Umkristallisieren von Baryumsulfat. Chem.- 
Zeitg., Bd. 35, Rep. S. 417 (1911). — Societe pour Vutilisation de l’air et de ses deri- 
ves, Reinigung von Baryumsulfat, Franz. Pat.; Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 180 (1911). 
— (. Cooper, S. Fuller und A. Klein, Künstliche Kristallisation von Baryumsulfat. 
Journ. Amer. Chem. Soc. Vol. 33, p. 845 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 485 (1911). 
— Vgl. auch: J. Johnston und L. H. Adams, Chem.-Zeitg. Bd. 36, 8. 762 (1912). 

2) K. A. Hofmann und K. Höschele, Das Magnesiumchlorid als Mineralisator, mit 
einem Beitrag zur Spektrochemie der seltenen Erden. Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. Bd. 47, 
8.238 (1914). 

3) A. W. Hofmann, Vorlesungsversuche. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 7, S. 530 
(1874). 

#) J. Traube, Theorie der Osmose und Narkose. Pflügers Arch. Bd. 105, S. 541 
(1904); Chem. Zentralbl. 1905, Bd. TI, S. 32. 

5) H. Freundlich und @. Losev, Über die Adsorption der Farbstoffe durch Kohle 
und Fasern. (Ein Beitrag zur Theorie des Färbens.) Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 59, 
S. 284 (1907). 

6) Siehe im übrigen: H. Freundlich und @. Loser, 1. c. — Vgl. ferner: Michaelıs, 
Dynamik der Oberflächen. Dresden (Steinkopff) 1909, S. 72. 

”\ A. Ritzel, Über die Aufnahme des Uran X durch Kohle. Zeitschr. f. physik. 
Chem. Bd. 67, S. 724 (1909); Chem.-Zeitg. Bd. 33, Rep. S. 650 (1909). 


376 Richard Kempf. 


samer. Nach ungefähr 10 Tagen ist ein Gleichgewicht erreicht. Die Zeit- 
kurve und der endliche Gleichgewichtszustand lassen sich erklären durch 
die Annahme, daß das Uran X zunächst von der Kohle adsorbiert wird 
und dann später noch in sie hineindiffundiert, d. h. absorbiert wird. Aus 
Urannitratlösungen, denen nur wenig Thoriumsulfat zugesetzt worden 
war, wird das Ur X merkwürdigerweise überhaupt nicht adsorbiert. Eine 
Erklärung für dieses auffallende Versuchsergebnis gab Soddy.!) Versuche 
kRitzels über die Verteilung des Ur X zwischen Kohle und einer Lösung, 
die kein Uran enthält, ergaben unter anderem, daß sich bei Gegenwart 
von Salz-, Salpeter- oder Schwefelsäure das Gleichgewicht sehr rasch, 
schon nach wenigen Stunden, einstellt. — Das Verhalten von Tierkohle gegen- 
über Radium D wurde von Herchfinkel 2) untersucht. 

Knochenkohle, Holzkohle, Koks und Retortengraphit vermögen ferner 
nach Brussow®) Gold aus wässerigen Goldchloridlösungen zu adsorbieren, 
und zwar wurde die Adsorption beobachtet beim Schütteln der Kohle mit 
der Lösung des Goldsalzes, beim Filtrieren der Goldlösung durch die Kohle 
und bei einfachem Einsenken der Kohle in die Goldsalzlösung. Frisch be- 
reitete Holzkohle vermag Gold auch aus Cyanidlösungen niederzuschlagen. *) 

Im allgemeinen werden anorganische Salze von Blutkohle um so 
stärker adsorbiert, je edler das Kation ist. Einige Schwermetallsalze wer- 
den stärker als Leichtmetallsalze adsorbiert; Sublimat ganz ausnehmend 
stark (30mal stärker als Zinkchlorid). >) 

Bei der Adsorption von Kaliumbichromat durch Kohle (und eben- 
so durch gewachsene Tonerde) tritt zum Teil eine Umwandlung in Chro- 
mat ein.) 


'!) F. Soddy, Trans. Vol. 99, p. 72 (1911); vgl. O. Hahn, Zeitschr. f. Elektrochem. 
Bd. 18, S. 775 (1912). 

®) H. Herchfinkel, Über das Radioblei. Le Radium. T.7, p. 198 (1910); Chem. 
Zentralbl. 1910, Bd. II, S. 1030. 

>) S. Brussow, Die Adsorption des Goldes durch Kohle aus den wässerigen Lö- 
sungen seiner Verbindungen. Zeitschr. f. Chem. u. Industrie der Kolloide, Bd.5, S. 137 
(1909); Chem. Zentralbl. 1909, Bd. II, S. 1207. 

#) Vgl. z. B.: M. Green, Die Wirkung von Holzkohle auf goldhaltige Cyanidlösun- 
gen. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 1374 (1913). 

5) H. Morawitz, Über Adsorption und Kolloidfällung. Kolloidehem. Beihefte, 
Bd. 1, S. 301 (1910); Chem. Zentralbl. 1910, Bd. IH, S. 358. — Vgl. auch: H. Lachs und 
L. Michaelis, Über die Adsorption der Neutralsalze. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 17, 
S.10..9317.01911). 

6) N. Ishizaka, Über die Beziehungen zwischen Kolloidfällung und Adsorption 
und über die Fällungsgeschwindigkeit. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 83, S. 97 (1913); 
Chem. Zentralbl. 1913, Bd. I, S. 2080. — Siehe ferner: T. Oryng, Über die Adsorption 
in Lösungen und die dabei vorkommenden chemischen Vorgänge. Blutkohleadsorption in 
wässerigen Lösungen von K,Cr, O0, und K, CrO,. Kolloid-Zeitschr. Bd. 13, S.9 (1913); Chem. 
Zentralbl. 1913, Bd. If, S. 1451. — Derselbe, Über negative Adsorption. Kolloid- 
Zeitschr. Bd. 13, S. 14 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S.1451. — Vgl. auch: 
K. Estrup, Einige Adsorptionsversuche. Oversigt over det kgl. danske Vidensk. Selsk. 
Forhandl. (1912), S. 127; Chem. Zentralbl. 1912, Bd. II, S. 2007. — Derselbe, Über ne- 
gative Adsorptionsisothermen. Zeitschr. f. Chem. u. Industr. d. Kolloide. Bd. 11, S.8 (1912); 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 377 


Kaliumpermanganat wird nach Oryng) von Blutkohle stark ab- 
sorbiert. Dabei wird das Salz hydrolytisch gespalten. Mn O, wird stärker 
als K absorbiert. Zusatz von Säuren beschleunigen die chemische Reaktion 
zwischen Mn O, und der Kohle oder deren organischen Verunreinigungen 
und begünstigen die Adsorption. 

Die Adsorption von Essigsäure durch Blutkohle läßt sich nach 
Reychler ?) mittelst der chemischen Mechanik erklären. Von demselben 
Forscher wurde das Adsorptionsvermögen der Blutkohle gegenüber vielen 
anderen organischen Säuren untersucht. °) 

Die Adsorption von Agglutinin oder Trypsin durch Tierkohle 
erreicht in 4 Stunden bei Zimmertemperatur noch kein Gleichgewicht; 
die Adsorption von Schwefelsäure durch Tierkohle noch nicht in 
24 Stunden. ®) 

Nach Knecht zeigt Tierkohle eine um so geringere Affinität für 
saure Farbstoffe, je weniger Stickstoff sie enthält°), dagegen spielt der 
Stickstoffgehalt bei der Absorption von basischen Farbstoffen keine Rolle. ®) 
Tierkohle scheint stets etwa 5—7°/, Stickstoff, Holzkohle dagegen keine 
Spur davon zu enthalten. Tierkohle enthält außerdem etwa !/,°/, Schwefel. >) 
Nach demselben Verfasser ist das Entfärbungsvermögen der Tierkohle den 
organischen, bei Rotglühhitze beständigen Stoffen zuzuschreiben, und ganz 
reine Kohle besitzt eine Absorptionsfähigkeit weder für basische noch für 
saure Farbstoffe. ®) 

Nach Untersuchungen von anderer Seite”) bestehen dagegen keine 
Beziehungen zwischen dem Stickstoffgehalt einer Kohle und ihrem Adsorp- 
tionsvermögen. In Übereinstimmung mit diesem Befund zeigt sich denn 
auch, daß das Adsorptionsvermögen einer Kohle nicht geändert wird, wenn 


Chem. Zentralbl. 1912, Bd. II, S.2008). — Derselbe, Einige Studien zur qualitativen 
Elektrolytadsorption. Kolloid-Zeitschr. Bd. 14, S.8 (1914). 

t) Tadeusz Oryng, Blutkohleadsorption und chemische Reaktionen in wässerigen 
Lösungen von KMn O,. Zeitschr. f. Chem. u. Industrie d. Kolloide. Bd. 11, S. 169 (1913); 
Chem. Zentralbl. 1913, Bd. I, S. 12. 

2) A. Reychler, Über Adsorption. Chem. Zentralbl. 1910, Bd. 1, S. 321. — Vgl. 
auch: K. Estrup und E. Buch Andersen, Einige Adsorptionsversuche mit variierendem 
Dispersitätsgrade des Adsorbens. Zeitschr. f. Chem. u. Industr. d. Kolloide, Bd. 10, S. 161 
(1912) ; Chem. Zentralbl. 1912, Bd. I, S. 1951. 

3) A. Reychler, Die chemische Mechanik und der kolloidale Zustand. Journ. de 
Chim. physique. T.7, p. 497 (1910); Chem. Zentralbl. 1910, Bd. I, S. 788, 

#) @. Dreyer und J. Sholto C. Douglas, Die Reaktionsgeschwindigkeit bei der 
„Absorption“ spezifischer Agglutinine durch Bakterien und bei der „Adsorption“ von 
Agglutininen, Trypsin und Schwefelsäure durch Tierkohle. Proc. Royal Soc. London. 
Serie B, Vol. 82, p. 168 (1910); Chem. Zentralbl. 1910, Bd. I, S. 1269. 

5) E. Knecht, Die entfärbende Wirkung der Tierkohle. Chem.-Zeitg. Bd. 31, S. 435 
(1907). 

6) E. Knecht, Die entfärbende Wirkung verschiedener Arten Kohle. Chem.-Zeitg. 
Bd. 33, S. 623 (1909). 

?) L. Pelet-Jolivet und C. Mazzoli, Die entfärbenden Eigenschaften verschiedener 
Varietäten amorpher Kohle. Bull. Soc. Chim. de France. [4] T.5, p. 1011 (1910); 
Chem. Zentralbl. 1910, Bd. I, S. 3. 


378 Richard Kempf. 


diese mit heißen konzentrierten Säuren (Salzsäure, Schwefelsäure) und 
Laugen oder mit Natriumnitrit und Salzsäure behandelt wird. 

Durch Tierkohle werden ferner, je nach ihrer Menge und Feinheit, 
größere oder kleinere Mengen Harnsäure und anderer oxydierbarer 
Purinderivate zurückgehalten }), ferner Essigsäure?) usw. (vgl. oben). 

Die Untersuchung von 9 Proben verschiedener zur Entfärbung von 
Wein dienender Kohlearten ergab bei 6 das Vorhandensein von 00002 
bis 0'022°/, Arsen. Da auf 1 hl Wein nur höchstens 1 kg dieser Entfär- 
bungsmittel angewendet werden, so ist nicht zu befürchten, daß diese ge- 
ringen Mengen bei der quantitativen Bestimmung von Arsen in Wein 
irreführen und Trugschlüsse veranlassen.?) 

Über das Entfärben von Wein mittelst Tierkohle berichtete auch 
v. Fellenberg.*) 

/ur Entfernung anhaftenden Jods aus organischen Substanzen be- 
nutzte schon A. W. Hofmann’) die Tierkohle. 

Die klärende Wirkung der Tierkohle beim Raffinieren von Rohr- 
zucker suchte Clark®) aufzuklären. Die Entfärbungskraft der Tierkohle 
hängt mehr oder weniger von der Natur der im rohen Zucker vorhan- 
denen Verunreinigungen ab. Behandlung der Tierkohle mit verdünnter 
Salzsäure, wodurch etwa vorhandener Kalk und Phosphorpentoxyd gelöst 
werden, verstärkte das Entfärbungsvermögen der Tierkohle ganz erheb- 
lich. Aus gebrauchter Entfärbungskohle läßt sich durch heißes Wasser fast 
die ganze Menge der aufgenommenen organischen Salze u. dgl. entfernen: 
die Kohle erhält dadurch eine fast so große Reaktionskraft wie frisch 
gebrannte oder „wiederbelebte“ Kohle. 

Um Phenylendiaminlösung, die sich beim Aufbewahren durch die 
Einwirkung von Licht und Luft rötlich gefärbt hat, wieder vollständig 
farblos zu machen, braucht man sie nur mit ausgeglühter Tierkohle 
zu kochen. ?) 


!) H. Caron, Zur Titration der Harnsäure mit Jod. Ann. Chim. analyt. T. 17, 
p. 123 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 339 (1912). 

®) K. Estrup und E. Buch Andersen, Einige Adsorptionsversuche mit variieren- 
dem Dispersitätsgrade des Adsorbens. Zeitschr. f. Chem. u. Industr. d. Kolloide. Bd. 10, 
S. 161 (1912); Chem. Zentralbl. 1912, Bd. 1], S. 1951. 

®) A. Bruno und P. Turquand d’Anzay, Vorhandensein von Arsenik in verschie- 
denen zur Entfärbung von Wein dienenden Kohlenarten. Ann. d. Falsifieatıons. T. 2, 
p. 404 (1909): Chem. Zentralbl. 1910, Bd. I, S. 1303. 

#) Th. vr. Fellenberg, Die Bestimmung der Bromabsorption des Weines. Mitt. a. d. 
Gebiete der Lebensmittelunters. u. Hygiene. Bd. 4, S. 40 (1913). 

5) A.W. Hofmann, Beiträge zur Kenntnis der flüchtigen organischen Basen. 
Liebigs Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 67, S. 66 (1848). 

6) W. B. Clark, Die Einwirkung von Tierkohle auf Rohrzuckerlösungen. Journ. 
Soe. Chem. Ind. Vol. 32. p. 262 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. I, S. 1796 und Chem.- 
Zeitung. Bd. 37, Rep. S. 374 (1913). 

°) Krauch, Prüfung der chemischen Reagenzien auf Reinheit. 1905, S. 200; vgl. 
J. A. Siemssen, Reaktion auf Goldsalze mit m-Phenylendiamin. Chem.-Zeitg. Bd. 36, 
S. 931 (1912). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 379 


Über die Gewinnung einer aktiven, stark absorbierenden Kohle, die 
sich zur Klärung von Sielwässern und zur Desodorierung von Flüssigkeiten 
und Gasen eignet, berichtete v. Kruszewski!), ferner Lotz.?) 

Nach einem neueren Verfahren (D. R.-P.) können Flüssigkeiten durch 
die Einwirkung sauerstotfhaltiger Gase (z.B. von Preßluft) bei 
Gegenwart fein verteilter aktiver Kohle in sehr wirksamer Weise entfärbt 
und geklärt werden. Diese Reinigungsmethode bewährt sich z.B. bei trüben 
Abwässern, eisenhaltigen Grundwässern, seifenhaltigen Lösungen, trüben 
Weinen, pektinhaltigen Fruchtsäften, Molken usw. :), sowie bei flüssigen 
Kohlenwasserstoffen, die aber zweckmäßig mit Alkalilauge vorbehandelt 
werden. *) 

Der eigentliche Träger der entfärbenden Kraft ist hier der Sauer- 
stoff, und die Kohle wirkt hauptsächlich nur als Katalysator. Es ist dies 
prinzipiell das gleiche Verfahren, wie man es schon längst zur Reinigung 
von Quecksilber benutzt: man leitet einen Luftstrom durch das Metall 5) 
und schüttelt es dann eine Zeitlang mit Holzkohlenpulver durch, das reich- 
lich Sauerstoff absorbiert hat.%) Auch hier ist der Reinigungsprozeß nicht 
physikalischer, sondern in erster Linie chemischer Natur. 

Bereits benutzte Entfärbungskohle wird wiederbelebt durch Extraktion 
mit Säuren oder del. und darauffolgendes Erhitzen in Gegenwart von 
Chlor unter Luftabschluß. ?) 


5) Andere Entfürbungsmittel. 


Neben der Tierkohle, diesem Klär- und Entfärbungsmittel par excellence, 
wurden wiederum eine ganze Reihe anderer feinverteilter Stoffe für Rei- 
nigungszwecke empfohlen. Zur Reinigung roher Rübenzuckerlösungen wurde 
„Eponit“ als ein sehr wirksames Entfärbungsmittel gerühmt: es stellt 
wahrscheinlich nur eine sehr reine Pflanzenkohle dar. Bei der üblichen 
Entfärbung gewöhnlicher Raffinerie-Klären erzielt man mit Eponit die 


1) Joh. v. Kruszewski, Herstellung einer aktiven Kohle von großer Absorptions- 
kraft, D. R.-P. 267.346; Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 697 (1913). 

?) Ar. Lotz, Herstellung von Entfärbungskohle. D. R.-P. 248.571; Chem.-Zeitg. 
Bd. 37, Rep. S.444 (1912). — Derselbe, Herstellung eines Entfärbungspulvers aus 
Braunkohle. D. R.-P. 250.741; ebenda S. 550. 

3) Richter und Richter, Klären von wässerigen oder vorwiegend wässerigen 
Flüssigkeiten. D. R.-P. 254.295; Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S.5 (1913). — Vgl. auch: 
Dieselben, Erhöhung der Wirksamkeit von fein verteilter aktiver Kohle. D.R.-P. 
250.399; Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 522 (1912). 

#) Richter und Richter, Reinigen von flüssigen Kohlenwasserstoffen. D. R.-P. 
255.536; Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 49 (1913). 

5) Nach Berzelius; vgl.: Maumene. Chem.-Zeitg. Bd. 12, S. 808 (1888) und C’rafts, 
Ebenda. S. 741. 

6) W. R. Forbes, Reinigung von Quecksilber. Chem. News. Vol. 106, p. 74 (1912); 
Chem. Zentralbl. 1912, Bd. II, S. 1097. 

?) ©. Molenda und J. Wunsch, Behandeln von Holzkohle. Engl. Pat.; Chem.-Zeitg. 
Bd. 37, Rep. S. 556 (1913). 


380 Richard Kempf. 


gleiche Wirkung, wie mit der Tfachen Menge der sonst angewandten 
Knochenkohle (1 Minute Einwirkung bei 80° unter Umrühren). !) 


Nach Neumann?) gelingt es, Kohlenwasserstoffe oder ihre Gemische 
dadurch zu reinigen, daß man sie mit der wässerigen Lösung oder Sus- 
pension eines Teerfarbstoffs, z.B. einer O'1°/,igen Lösung von salz- 
saurem Rosanilin, durchschüttelt. 

Kieselgur empfahl speziell zur Beseitigung von Essigtrübungen 
Wüstenfeld.°2) Man verrührt die Kieselgur kurze Zeit mit dem Essig 
(1%g auf 1007) und läßt das Gemisch auf das Filter fließen, das dann 
ohne weiteres auch neue Mengen Flüssigkeit klar filtriert. Auch zum 
Klären von Fettlösungen ist gut gereinigte und ausgeglühte Kieselgur 
geeignet. *) 

Eine ausgedehnte Anwendung findet ferner Fullererde°) zur Raffi- 
nation von Erdölen, namentlich in Amerika. Die Öle werden einfach durch 
die vorher geröstete und dann wieder gekühlte Fullererde (oder auch durch 
Knochenkohle) filtriert, und zwar — je nach der Konsistenz der Öle — 
bei 20-—50° und darüber. Die gebrauchte Erde wird durch Auspressen, 
Dämpfen oder Extraktion mit Benzin und nochmaligem Rösten regeneriert. 
Auch zur Entfernung von Bakterien aus Wasser ist Fullererde (in ähn- 
licher Weise wie Holzkohle) außerordentlich gut geeignet. $) 


Ebenfalls zur Entfärbung von Mineralölen bewährt sich die in Japan 
heimische Kam baraerde.’) In feingeschlämmtem Zustande zeigt dieser 
Stoff, der übrigens einen ausgesprochen sauren Charakter hat, ein aus- 
gezeichnetes Aufnahmevermögen für Farbstoffe, namentlich beim Erhitzen 
auf 100—150°. 


1) Strohmer, Das Entfärbungsmittel Eponit. Österr.-ungar. Zeitschr. f. Zucker- 
industrie. Bd. 39, S. 687 (1910); Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. S. 575 (1910). 

®) H. Neumann, Reinigung von Kohlenwasserstoffen oder ibren Gemischen. 
D. R.-P. 266.034; Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 614 (1913). 

>) H. Wüstenfeld, Filtration trüber Essige mit Kieselgur. Deutsche Essigindustrie. 
1911, S. 230; Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 439 (1911). — Siehe auch: A. Jolles, Über 
den Nachweis geringer Eiweißmengen in Bakterienharnen. Zeitschr. f. analyt. Chem. Bd.29, 
S. 408 (1890). 

*) R. Peters, Die Filtrier- und Extraktionsröhre. Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 27, 
Aufsatzteil S. 64 (1914). 

5) Vgl.: D. Holde, Eindrücke vom VIII. Intern. Kongreß für angew. Chemie in 
New-York und von einzelnen Industriegebieten der Verein. Staaten von Amerika. Chem.- 
Zeitg. Bd. 37, S. 86, 87 und 131 (1913). — ER. Hoffmann, Die von Teilnehmern des 
VIH. Internat. Kongresses für angew. Chemie in New-York im Anschlusse an denselben 
ausgeführte Studienreise durch die Vereinigten Staaten. Ebenda. S. 1310. — J. Midaleton, 
Erzeugung, Vorkommen und Verwendung von Fullererde. Min. and. Eng. World. Vol. 39, 
p- 117 (1913). — Vgl. auch: Ch. C. Ruprecht, Reinigung von Fullererde und ähnlichen 
Produkten. V. St. Amer. Pat.; Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 444 (1912). 

6) Vgl.: M. P. Cram und H. D. Evans, Wasserreinigung durch Absorption. Journ. 
of Ind. and Engin. Chem. Vol. 6, p. 166 (1914); Chem. Zentralbl. 1914, Bä.I, S. 1121. 

) K. Kobayashi, Kambaraerde. Journ. of Ind. and Engin. Chem. Vol. 4, p. 891 
(1912); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. I, S. 1073. 


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Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 381 


Über eine titrimetrische Methode, die Brauchbarkeit von Mineralgelen 
für die Entfärbung von Mineralölen quantitativ zu bestimmen, berichtete 
Pyhälä.') 

Zum Klären von Abwässern empfahl Rohland?) Kolloidtone. Diese 
Reinigungsmethode („Kolloidtonreinigungsverfahren“) beruht darauf, dab 
gewisse Tone kolloide Stoffe gleichsam im latenten Stadium im luft- 
trockenen Zustande enthalten und diese in Berührung mit Wasser, einer 
Lösung oder einem Abwasser erzeugen. Diese Kolloidstoffe adsorbieren im 
besonderen alle kompliziert zusammengesetzten anorganischen und orga- 
nischen Farbstoffe, alle kolloidgelösten Stoffe, wie Kohlenhydrate, Protein- 
stoffe, ferner Kohlenwasserstoffe C„ H,n und C,„ Hsn_,. Maschinenöle, Fette, 
üble Gerüche usw. Tone, die sich in ihrer Zusammensetzung mehr den 
Kaolinen oder dem Lehm und den Letten nähern, eignen sich weniger zu 
diesem Verfahren. Wo es erforderlich ist, kann ein Zusatz von Hydroxylionen 
angewandt werden. °) 

In der Ceresinindustrie finden ebenfalls Silikate: das Frankonit und 
das überaus wirksame Tonsil als Entfärbungsmittel Anwendung.*) Diese Stoffe 
bleichen Ceresin in unvergleichlich viel besserer Weise als schwarzes Ent- 
färbungspulver und sind dabei um mehr als die Hälfte billiger im Preise. 

Erst halb raffiniertes Ceresin wird durch Zusatz von z. B. 3—5°/, 
Tonsil in weiße Ware übergeführt. Während sonst Magnesiumhydrosilikate 
vor dem Gebrauch ausgeglüht werden müssen, ist dies beim Tonsil nicht 
notwendig, im Gegenteil schädlich, da es seiner Hauptmenge nach aus dem 
wirksamen Kieselsäurehydrat besteht, das durch Ausglühen in ein un- 


1) E. Pyhälä, Zur Beurteilung der Entfärbungskraft einiger als Entfärber ange- 
wandter Mineralgele. Zeitschr. f. Chem. u. Ind. d. Kolloide. Bd. 10, S. 80 (1912); Chem.- 
Zeitg. Bd. 36, S. 345 (1912). 

2) P. Rohland, Das Kolloidtonreinigungsverfahren für die Abwässer der Brauereien. 
Wochenschr. f. Brauerei. Bd. 30, S. 152 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. I, S. 2006. — 
Derselbe, Das Kolloidtonreinigungsverfahren für Abwässer. Uhem.-Zeitg. Bd. 37, S. 754 
(1913). — Derselbe, Die Bedeutung kolloider Tone für die Entfärbung und Reinigung 
industrieller Abwässer. Chem.-Zeitg. Bd. 37. S. 826 (1913). — Derselbe, Das Kolloid- 
tonreinigungsverfahren für die Abwässer der Zuckerfabriken. Zeitschr. f. Zuckerind. 
Böhmen. Bd. 37, S.471 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 721. — Derselbe, Das 
Kolloidtonreinigungsverfahren für die Abwässer der Färbereien. Färber-Zeitg. Bd. 24, 
S. 234 (1913); Chem.-Zeitg. Bd.37, Rep. S.594 (1913). — Derselbe, Das Kolloidton- 
reinigungsverfahren für die Abwässer der Milchzucker-, Margarinefabriken und Molkereien. 
Milchwirtschaftl. Zentralbl. Bd.42, S.569 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd.1I, S.1779. — 
Siehe aber auch: H. Polz, Das Kolloidtonreinigungsverfahren für Färbereiabwässer. 
Färber-Zeitg. Bd.24, S.395 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S.1900 und: Der- 
selbe, Ein Schlußwort zum Kolloidtonreinigungsverfahren. Ebenda. S. 485; Chem. Zen- 
tralbl. 1914, Bd. I, S. 501. 

3) Vgl. auch: K. Andrlik, Über die Reinigung der Zuckerfabrikabwässer mit 
Kalk, resp. mit Humin und Kalk. Zeitschr. f. Zuckerind. Böhmen. Bd. 37, S. 475 (1913); 
Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 721. 

#) Vgl. B. Lach, Über den Stand der Ceresinindustrie. Chem.-Zeitg. Bd. 37, 5. 573 
(1913). — Siehe auch: B. Lach, Die Ceresinfabrikation. Halle a. S. (W. Knapp). 1911, 
3. 150—157. 


382 Richard Kempf. 
wirksames Kieselsäureanhydrid umgewandelt werden würde. In der Paraffin- 
fabrikation sind die schwarzen Entfärbungspulver, die sogenannten Blut- 
laugensalzrückstände, durch Magnesiumhydrosilikate bereits vollständig ver- 
drängt.!) — Auch zum Bleichen von vegetabilischen und anderen Ölen 
(Palmöl, Hanföl usw.) bewährte sich Tonsil.?) 

Zum Klären von Genußmitteln, z.B. von Bier und Wein, ist 
kolloidale Kieselsäure wegen ihrer Geschmacklosigkeit und ihrer Unan- 
greifbarkeit durch schwache Säuren besonders geeignet.®) Man verwendet 
die Kieselsäure als Klärmittel entweder direkt in dialysierten Lösungen 
oder man erzeugt sie in kolloidaler Form in der zu klärenden Flüssigkeit, 
indem man Lösungen löslicher Silikate in entsprechender Weise zersetzt. 
Bei Bier und Wein braucht man keine anderen Substanzen als die Silikate 
selbst einzuführen, da der Gehalt dieser Flüssigkeiten an Milch-, Wein-, 
Äpfel- und Bernsteinsäure zur Ausscheidung der Kieselsäure genügt. Zweck- 
mäßiger ist jedoch der Zusatz von dialysierter kolloidaler Kieselsäurelösung, 
weil man so die Einführung eines Fremdkörpers, der von der Flüssigkeit 
zurückgehalten werden könnte, vermeidet. 

Über die entfärbende Wirkung von Baryumkarbonat, z.B. auf Kaffee, 
berichtete Mare. *) 

Die trüben wässerigen Auszüge von Kirschen ließen sich leicht durch 
Gelatine) klären. — 

Die Möglichkeit, trübe Flüssigkeiten dadurch zu klären, daß man in 
ihnen durch Zusatz von Reagenzien quantitativ verlaufende Fällungen vor- 
nimmt, wurde bereits erwähnt (Bd.I, S. 197). Z. B. reißt Schwefelblei bei 
seiner Ausfällung manche Verunreinigungen, namentlich Farbstoffe, mit sich.®) 

Ähnlich verhält sich auch ausfallendes Baryumphosphat.’) Um 
z.B. bei der Bestimmung der löslichen Kohlenhydrate in Kinder- 


') Vgl. B. Lach, Über den Stand der Ceresinindustrie. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 573 
(1913). — Siehe auch: B. Lach, Die Ceresinfabrikation. Halle a. S. (W. Knapp). 1911, 
Ss. 150— 157. 

°) F. Fritz, Über Bleichung mit Tonsil. Seifensieder-Zeitg. Bd. 40, S. 962 (1913); 
Chem.-Zeitg. Bd. 38, Rep. S. 110 (1914). 

°») F.P. Stiebel, Anorganische Kolloide als Klärmittel. Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 1307 
(1912). — Vgl. ferner: R. Marcus, Verfahren zum Reinigen, Klären und Entfärben von 
Flüssigkeiten und Gasen. D. R.-P. 268.057; Zeitschr. f. angew. Chem. Bd.27, Ref.-Teil. 
S.57 (1914) und Chem.-Zeitg. Bd. 38, Rep. S.8 (1914). 

*) R. Mare, Die Wechselbeziehungen zwischen Kolloiden und kristallinen Stoffen 
einerseits, Kristalloiden und amorphen Stoffen andrerseits, sowie einige Vorlesungsver- 
suche zur Demonstration. Kolloid-Zeitschr. Bd.13, S.281 (1913); Chem. Zentralblatt. 
1914, Bd. I, S. 839. 

°) @. Masoni, Versuche über die Extraktion des Farbstoffes aus der Kirsche 
und Untersuchungen über seine Eigenschaften. Staz. sperim. agrar. ital. Vol. 45, p. 885 
(1912); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. I. S. 546. 

°) Siehe z. B.: P. A. Levene und W. A. Jacobs, Über die Hexosen aus der d-Ri- 
bose. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 43, S. 3142 (1910). 

") Th. v. Fellenberg, Die Bestimmung der lösliehen Kohlehydrate und des Rohr- 
zackers in Kindermehlen, Back- und Konditorwaren. Mitteil. a. d. Geb. d. Lebensmittel- 
untersuchung und Hygiene. Bd. 3, S. 329 (1912). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik. 383 


mehlen, Backwaren oder dgl. ein absolut klares Filtrat zu erhalten, 
kann man nach v». Fellenberg*) den folgenden einfachen Weg einschlagen. 
Man versetzt die trübe wässerige Lösung oder Aufschwemmung des 
Kindermehls mit Phosphorsäure, fügt einen Tropfen Phenolphtalein und 
Barytwasser bis zum Umschlag der Farbe hinzu und macht wieder 
eben sauer. Man erhält so einen flockigen Niederschlag von Tribaryum- 
phosphat,' von welchem sehr leicht abfiltriert werden kann. Alle in Sus- 
pension befindlichen Teile, wie Fett, werden mit niedergerissen und das 
Eiweiß wird fast vollständig ausgefällt. Die wässerige Aufschlemmung 
nimmt man am besten bei 50° vor, einer Temperatur, bei der die Stärke 
noeh nicht quillt. — 


Zur Verhinderung des Umhüllens von Klärmitteln durch Gasbläschen, 
die das rasche Absetzen des Klärmaterials verhindern, wird die zu klärende 
Flüssigkeit nach einem von Hagenmüller 2) angegebenen Verfahren in 
schnell aufeinander folgende Schwingungen versetzt, die durch Kombination 
einer in das Gefäß eingehängten Schallkugel und einer mit dieser im 
Ton übereinstimmenden Sirene erzeugt werden. Bei Anwendung einer 
stärkeren Sirene ist eine Schallkugel nicht erforderlich. 3) 


Auch die Fähigkeit des elektrischen Stromes, Suspensionen in wässe- 
riger Lösung niederzuschlagen, kann zur Klärung von Flüssigkeiten aus- 
genutzt werden und wird z. B. bei der Reinigung von Abwässern bereits 
im großen angewendet.*®) 


y) Entfärbung auf chemischem Wege. 


Rein chemisch können Entfärbungen je nach der Natur der Verun- 
reinigung durch reduzierende oder oxydierende Agenzien herbeige- 
führt werden. 


Von den oxydierend wirkenden Entfärbungsmitteln sei nur das 
unter dem Namen „Lucidol“ in den Handel gebrachte Benzoylsuperoxyd 
erwähnt. Das weiße und geruchlose, in Wasser unlösliche Pulver löst sich 
in Ölen bei 70—80° völlig klar auf und zerfällt bei höherer Temperatur 
in Benzoösäure bzw. dessen Anhydrid und aktiven Sauerstoff. Das Prä- 


!) Th. v. Fellenberg, Die Bestimmung der löslichen Kohlehydrate und des Rohr- 
zuckers in Kindermehlen, Back- und Konditorwaren. Mitteil. a. d. Geb. d. Lebensmittel- 
untersuchung und Hygiene. Bd. 3, S. 329 (1912). 

?) E. Hagenmüller, Niederschlagen des Klärmittels in zu klärenden Flüssigkeiten. 
D. R.-P. 231.271; Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep- S. 158 (1911). 

3) E. Hagenmüller, Vorrichtung zum Niederschlagen der Fremdstoffe in zu klären- 
den Flüssigkeiten. D. R.-P. 234.370; Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 286 (1911). 

#) Vgl. z.B.: Über das Cottrellsche Verfahren. Niederschlagen feiner Stoffteil- 
chen durch elektrischen Strom. Tonindustrie-Zeitg. Bd. 37, S. 1245 (1913). — 4. Müntz 
und H. Gaudechon, Beitrag zum Studium der Tone. Chem.-Zeitg. Bd. 38, 5. 85 (1914). — 
W. Wiebelitz und H. Genssen, Kesselwasserreinigung. Franz. Pat. 455.968; Chem.-Zeitg. 


Bd. 38, Rep. 8.35 (1914). 


584 Richard Kempf. 


parat dient hauptsächlich zum Bleichen von Fetten und Ölen, wozu meistens 
0'1 bis höchstens 0'2°/, Lucidol ausreichen.') 

Als Reduktionsmittel lassen sich z. B. Zinkstaub, Aluminiumamalgam., 
Natriumhydrosulfit (Na, S,;0,) usw. verwenden. 

Aluminiumamalgam, d.h. einfach ein durch Eintauchen in eine Queck- 
silberchloridlösung aktiviertes Aluminium, bewährte sich bei der Entfär- 
bung organischer Flüssigkeiten ?2) und speziell von Alkaloidextrakten.?) 
Taucht man aktiviertes Aluminium z.B. in alkoholische Lösungen, in denen 
man organische Stoffe mazeriertt — z. B. Eingeweide zur Untersuchung 
auf Gifte —, so klären sich die Lösungen außerordentlich gut unter Ab- 
scheidung aller Fettstoffe und der Kolloide, die sie gewöhnlich stark ver- 
schmutzen. So konnten Stryehnin und Morphin in Eingeweiden, selbst 
wenn die Menge der Alkaloide nur 00015 g auf 100g betrug, nach Be- 
handeln mit aktiviertem Aluminium mit Hilfe der Reaktionen von Ogier 
bequem und sicher nachgewiesen werden. ?) 

Auch Gerbstoffextrakte (Tanninlaugen oder del.) können durch 
Reduktionsmittel, z. B. durch Natriumhydrosulfit, aber auch durch Oxyda- 
tionsmittel entfärbt werden.*) Ferner werden die Karamelfarbstoffe von 
Natriumhydrosulfit sowohl in saurer wie in alkalischer Lösung mehr oder 
weniger aufgehellt. Hydrosulfit erweist sich hier der schwefligen Säure 
weit überlegen. Durch viel frische Knochenkohle wird Karamel völlig ab- 
sorbiert:; die Entfärbung geht weit schneller und mit bedeutend geringerem 
Verbrauch an Kohle vor sich, wenn die Lösungen vorher mit Hydrosulfit 
gebleicht werden.’) Zur Klärung und Entfärbung von Zuckerlösungen 
empfahl Deschamps®) Kalziumhydrosulfit. 

Dagegen bietet das Natriumhydrosulfit nach Bonis”) bei Nahrungs- 
mitteln praktisch nur geringe Vorteile gegenüber der Anwendung von 
Alkalibisulfiten. Alle zur Entfärbung mit Hydrosulfit behandelten Nah- 


1) K. Lüdecke, Fett- und Ölbleichmittel „Lueidol“. Seifensieder-Zeitg. Bd. 35, 
S.1024 (1908); Chem. Zentralbl. 1908, Bd. II, S.1301. — Vgl. auch: L. Vanino und 
A. Schinner, Über das Benzoperoxyd als schwefelverdrängendes Mittel. Ber. d. Deutsch. 
chem. Ges. Bd.47, S. 699 (1914). 

2) A. D. Devos, Reinigen und Entfärben von organischen Flüssigkeiten. Franz. 
Pat.; Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 107 (1913). 

>) E. Kohn-Abrest, Wirkung von aktiviertem Aluminium auf Alkaloidextrakte 
und seine Verwendung in der Toxikologie. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 185 (1913). 

#) Vgl.: @. Powarnin, Praktische Fragen aus der Chemie der Gerbstoffe. Colle- 
gium 1912, S. 105; Unem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 115 (1913). 

5) 4. Herzfeld und Schneider, Über die Bleichwirkung von Hydrosulfit auf Kara- 
mel und auf die beim Erhitzen von Rohrzucker entstehenden intermediären Farbstoffe. 
Zeitschr. d. Ver. Deutscher Zuckerindustr. 1907, S. 1088; Chem. Zentralbl. 1908, Bd. I, 
S. 421. 

6) L. Descamps, Über die Wirkung von Hydrosulfiten in unreinen Zuckerlösungen. 
Bull. de l’Assoc. des Chim. de Suer. et Dist. T.31. p.46 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, 
Bd-4r.5. 1710: 

?) 4. Bonis, Über Natriumhydrosulfit. Seine Anwendung zur Entfärbung in 
Nahrungsmitteln (Wein, Melasse ete.) Annal. des Falsifications. T.5, p. 369 (1912); 
Chem. Zentralbl. 1912, Bd. II, S. 1486. 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 385 


rungsmittel (Zucker, Melasse, Wein, Teig) enthalten stets Thionsäure- 
derivate, namentlich Tetrathionate oder Tetrathionsäure. 

Von anderer Seite,!) wurde dann allerdings der Nachweis geführt. 
daß sich bei rationeller Anwendung von Natriumhydrosulfit als Entfär- 
bungsmittel in der Hauptsache Natriumbisulfit bildet, und daß Thio- 
sulfat höchstens in zu vernachlässigenden Spuren auftritt. 

Über Erfahrungen mit Neubergs Klärmittel bei der Zucker- 
analyse berichtete Claassen ?), über die Verwendung von trockenem ba- 
sischen Bleiazetat zum Klären von Zuckersäften Klapka®); den Einfluß 
der verschiedensten Klärmittel auf das Aussehen des Weins erörterte 
Dupont.*) — 


5. Aussalzen, fraktioniertes Fällen und fraktionierte Absorption. 
(Vgl. Bd. I, S. 197—198.) 


Die Methoden zur Enteiweißung von eiweißhaltigen physiologischen 
Flüssigkeiten, z. B. von Blutserum, Harn, Milch n. del., sind an anderer 
Stelle eingehend beschrieben worden (dieses Handb., Bd. I, S. 686-698, 
Bd. II, S. 375). Zum Enteiweißen können nach Rona u.a. kolloidales 
Eisenhydroxyd oder Mastixlösung dienen. 

In eine verwandte Reihe von Vorgängen fällt die von Ebler5) aus- 
gearbeitete Methode der „fraktionierten Adsorption“, die zur An- 
reicherung des Radiums im Radium-baryumchlorid wertvolle Dienste leistet. 
Man verwendet zu diesem speziellen Zweck am besten kolloidales Mangan- 
superoxydhydrat.°) Die praktische Ausführung derartiger Adsorptionen 
mit Braunsteingel kann entweder in der Weise erfolgen, daß man frischge- 
fällten Braunstein mit anzureichernden Lösungen des Radiums und Ba- 


!) Badische Anilin- und Sodafabrik, Über Natriumhydrosulfit. Annal. des Fal- 
sifications. T. 5, p. 579 (1912); Zeitschr. f. Unters. d. Nahr.- u. Genußmittel, Bd. 26, S. 301 
(1913) und Chem. Zentralbl. 1913, Bd.I, S. 643. 

?) O. Claassen, Neubergs Klärmittel bei der Zuckeranalyse. Zentralbl. f. Zucker- 
industrie. Bd. 20, S. 917 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. $. 217 (1912). 

®) B.A. Klapka, Über die Verwendung des trockenen basischen Bleiazetats zum 
Klären von Zuckersäften in Laboratorien. Zeitschr. f. Zuckerind. Böhmens. Bd. 38, S. 22 
(1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 1706. 

*) E. Dupont, Weinbehandlung mit schwefliger Säure. Annal. des Falsifications. 
T.5, p. 198 (1912); Zeitschr. f. Unters. d. Nahr.- u. Genußmittel, Bd. 26, S. 301 (1913). 

5) E. Ebler, Über die Adsorption radioaktiver Substanzen durch Kolloide. (Me- 
thoden zur Anreicherung und Isolierung radioaktiver Substanzen.) Chem.-Zeitg. Bd. 35, 
S. 1094 (1911). — E. Ebler und M. Fellner, Über die Anreicherung und Isolierung radio- 
aktiver Substanzen durch „fraktionierte Adsorption“. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 44. 
8. 2332 (1911). — Dieselben: Über die Adsorption radioaktiver Substanzen durch 
Kolloide. Zeitschr. f. anorg. Chem. Bd. 73, S.1 (1911). 

6) E. Ebler, Verfahren zur Darstellung, Isolierung und Anreicherung von Ra- 
dium und anderen radioaktiven Stoffen. D. R.-P. 243.736; Chem. Zentralbl 1912, Bd.1, 
8. 760. — Derselbe, D. R.-P.-Anm. E. 18.715 IV/12m, Zusatz zu D. R.-P. 243.736. — 
E. Ebler und W. Bender, Über die „fraktionierte Adsorption“ und „fraktionierte Des- 
adsorption“ von Radium-Baryumsalzen an kolloidalem Mangansuperoxydhydrat. Zeitschr. 
f. anorg. Chem. Bd. 84, S.77 (1913). 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 25 


386 Richard Kempf. 


ryums schüttelt oder umrührt, oder dadurch, daß man aus Permanganat- 
lösungen mit geeigneten Reduktionsmitteln, wofür sich besonders das 
Manganchlorür als zweckmäßig erwiesen hat, in Gegenwart der Radium- 
3aryumlösung den Braunstein ausfällt. Das niedergefallene oder mit der 
tadium-Baryumlösung geschüttelte Mangansuperoxydhydrat enthält dann 
relativ mehr Radium als Baryum im Vergleich mit dem Ausgangsmate- 
rial. Durch passende Wahl der Braunsteinmenge läßt es sich leicht er- 
reichen. daß das gesamte Radium ausgeschieden wird, während ein großer 
Teil des Baryum gelöst bleibt. Aus den Absorptionsverbindungen des Man- 
gansuperoxydhydrats mit Radium und Baryum läßt sich in einfachster 


Weise — durch Auflösen in Salzsäure und Fällen der Lösung mit Salz- 
säuregas — wieder reines Radium-Baryumchlorid zurückgewinnen. !) 


Diese Methode der fraktionierten Adsorption kann voraussichtlich 
eanz allgemein wertvolle Dienste leisten, wenn es sich darum handelt, 
kleinste Mengen eines Stoffes von großen Mengen eines ihm sehr ähnlichen 
Stoffes zu trennen. — 

Alkohole lassen sich aus wässeriger Lösung durch Zusatz von. Ka- 
liumkarbonat oder Kaliumfluorid 2) aussalzen, und zwar scheiden sich die 
höheren Alkohole gemäß ihrer schwereren Löslichkeit früher ab, als die 
niedrigeren. Hierauf gründete v. Fellenberg®) ein Verfahren, in Alkoholge- 
mischen Methylalkohol zum Zwecke seines Nachweises anzureichern (vgl. 
oben, S. 33 


V. Trennen auf Grund verschiedener chemischer Affinität. 
(Vgl. Bd. I, S. 198—206.) 


1. Waschen und Trocknen von Gasen. 
(Vgl. Bd. I, S. 198— 201.) 

Zunächst sei daran erinnert, daß die chemische Reaktionsfähigkeit 
von Gasen oft stark beeinträchtigt wird, wenn man sie von jeder Spur 
Feuchtigkeit befreit. Namentlich für Oxydationsprozesse scheint die An- 
wesenheit von Wasserdampf, wenn auch nur in minimalen Mengen, eine 
eonditio sine qua non zu sein. Völlig trockener Wasserstoff brennt z. B. 
nicht in völlig trockenem Sauerstoff. 

Mit reinem und absolut trockenem Knallgas gefüllte Röhren können 
auf Rotglut erhitzt werden, ohne daß eine Vereinigung der beiden Gase 
eintritt; bei Einführung einer kleinen Menge Wasser in die trockenen 
töhren erfolgt sofort Explosion. Werden die beiden Gase durch mehr- 


!) Vgl. im übrigen: E. Ebler, Über Neuerungen in der Technologie des Radiums 
und der Uranerze. Ohem.-Zeitg. Bd. 37, S. 1190 (1913). 

2) @. B. Frankforter und F.C. Frary, Gleichgewichte in Systemen, die Alkohole, 
Wasser und Salze enthalten, mit einer neuen Methode der Alkoholanalyse. Journ. of 
Physical Chem. Vol. 17, p. 402 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 422. 

3) Th. v. Fellenberg, Bestimmung und Nachweis von Methylalkohol. Mitt. a. d. 
Gebiete d. Lebensmittelunters. u. Hygiene. Bd. 4, S. 141 (1913). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 387 


tägige Berührung mit Phosphorpentoxyd nur zum Teil getrocknet, so ver- 
binden sie sich zwar, jedoch nur langsam, ohne Explosion ; durch 10 Mi- 
nuten langes Erhitzen über dem Bunsenbrenner konnte nur die Vereinigung 
eines Drittels des Volumens bewirkt werden. ') 

Ebenso erlischt eine Kohlenoxydflamme in völlig trockener Luft. 2) 
Ferner bildet absolut trockener Sauerstoff mit Baryumoxyd keine Spur 
Baryumsuperoxyd, während schon 0'001 g Feuchtigkeit im Liter Sauerstoff 
ausreicht, um bei 500—600° reines, 100°/,iges Baryumsuperoxyd entstehen 
zu lassen.) Man muß Wasser als einen kräftigen positiven Katalysator 
für den Ablauf solcher Prozesse bezeichnen, und es liegt nahe, als Reak- 
tionszwischenprodukt vielleicht Wasserstoffsuperoxyd anzunehmen. *) Bei der 
Verbrennung von Kohle entsteht nach Rhead und Wheeler) zuerst ein 
„physiko-chemischer Komplex“, dessen unter Bildung von Kohlenmon- und 
-dioxyd erfolgender Zerfall durch Feuchtigkeit beschleunigt wird. 

Hilpert®) empfahl feuchten Sauerstoff für analytische Zwecke, z. B. 
für die Kohlenstoffbestimmung in Eisen und Stahl, ferner für die Ele- 
mentaranalyse schwer verbrennlicher, insonderheit stickstoffhaltiger organi- 
scher Substanzen. — 

Für das Waschen und Trocknen, kurz für die Reinigung von 
Gasen, kommen drei prinzipiell verschiedene Methoden in Betracht, die 
hier der Einheitlichkeit halber im Zusammenhange erörtert werden sollen: 
a) die Reinigung auf mechanischem Wege, 

BAn!., a „ physikalischem 
N, x „ ehemischem 


a) Die mechanische Gasreinigung. ‘) 
Um Gase von mitgeführten, suspendierten Stoffteilchen, Flüssigkeits- 
nebel oder dgl. zu befreien, kann man sie filtrieren, indem man sie z. B. 


ı) H.B. Baker, Die Vereinigung von Wasserstoff und Sauerstoff. Proceed. Chem. 
Soe. Vol. 18, p. 40 (1902); Chem. Zentralbl. 1902, Bd. I, S. 741. 

2) Moritz Traube, Über die Mitwirkung des Wassers bei der Verbrennung des 
Kohlenoxyds und das Auftreten von Wasserstoffhyperoxyd bei dieser Verbrennung. 
Ber. d. Deutschen chem. Gesellsch. Bd. 18, S. 1890 (1885). — Vgl. ferner: Th. F. E. Rhead 
und R. V. Wheeler, Der Vorgang der Verbrennung der Kohle: Der Einfluß des Trock- 
nens des Sauerstoffes. Journ. Chem. Soc. London, Vol. 103, p. 1210 (1913); Chem. Zen- 
tralblatt. 1913, Bd. II, S. 1114. 

3) Vgl.z.B.: C. Engler, Molekülverbindungen als Primärstufen chemischer Re- 
aktionen. Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 1269 (1912). — Siehe ferner: €. Engler und J. Weiss- 
berg, Kritische Studien über die Vorgänge der Autoxydation. Braunschweig (Friedr. Vie- 
weg & Sohn) 1904, S. 138 ff. 

*) Siehe darüber: C. Engler und J. Weissberg, ]. e. 

5) Th. F. E. Rhead und R.V. Wheeler, Die Art der Verbrennung von Kohle; 
Wirkung der Trocknung des Sauerstoffes. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 1274 (1913). 

6) S. Hilpert, Notiz über die Kohlenstoffbestimmung durch Verbrennung mit 
1 feuchtem Sauerstoff. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 46, S. 949 (1913). 

?) Vgl. auch z. B.: W. W. Strong, Die Theorie der Entfernung suspendierter Stoffe 
aus Gasen. Journ. of Ind. and Engin. Chem. Vol.5, p. 858 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, 
Bd. II, S. 1832. 


l 25* 
E: 


388 Richard Kempf. 


durch eine lange, mit Glaswolle, Watte, Asbestfasern oder del. gefüllte 
töhre leitet. Der überaus feine und leichte Säurenebel. der z. B. bei der 
Wasserstoffentwicklung aus einem Metall und einer Säure von dem ent- 
weichenden Gase aus dem Reaktionsgemisch mitgerissen wird, wird am 
besten auf diese Weise abgefangen. Ferner werden so auch etwa vor- 
handene Ionen vernichtet.!) 

Oft genügt auch schon einfach die Einschaltung einer leeren Wasch- 
oder Saugflasche in die Waschapparatur, um ein Gas roh vorzureinigen. 

Auch auf nassem Wege: mittelst Durchleitens durch eine mit Flüssig- 
keit gefüllte Waschflasche können Gase mechanisch von mitgerissenen 
Verunreinigungen befreit werden, ferner durch Wassereinspritzung in den 
Gasstrom. ?) Auch durch mehrere dem Gasstrom entgegengestellte Prall- 
flächen, die Wirbelbildung veranlassen, wird eine weitgehende mechanische 
Reinigung bewirkt. 3) 


b) Die physikalische Gasreinigung. 


Hierher gehört die Reinigung von Gasen durch Wärmeentzie- 
hung. durch Elektrizität oder Magnetismus und durch Erzeugung 
von Temperatur- und Druckänderungen im steten Wechsel z. B. mit 
Hilfe von Schallwellen. 


x) Gasreinigung durch Wärmeentziehung. 


Die Reinigung, speziell die Trocknung von Gasen durch Abkühlung 
auf so niedrige Temperatur, dab der eine Gasbestandteil. z. B. Wasser- 
dampf, in einer Vorlage allein kondensiert wird, ist eine oft sehr emp- 
fehlenswerte Methode, die sowohl im wissenschaftlichen Laboratorium wie 
in der Technik schon glänzende Erfolge gezeitigt hat. 

Wird z.B. die in Hochöfen eingeblasene Luft durch starke Abküh- 
lung von fast aller Feuchtigkeit befreit, so wird nicht nur eine namhafte 
Ersparnis an Brennmaterial, sondern sogar eine bessere Ausbeute an Roh- 
eisen erzielt. Hierzu sind allerdings Kältemaschinen notwendig, die in der 
Sekunde etwa 41/, kg Eis herzustellen vermögen. *) — Ferner empfiehlt sich 


!) Vel.z.B.: E. H. Riesenfeld, Stille elektrische Entladungen in Gasen bei Atmo- 
sphärendruck. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 17, S. 725 (1911). 

®) Vgl.z.B.: A. Müller, Ausscheiden fester Bestandteile aus Abgasen. D. R.-P. 
231.550; Chem.-Zeitg. Bd. 35. Rep. S. 194 (1911). — O.Nagel, Waschen und Absor- 
bieren von Gasen mit Hilfe von Flüssigkeitsstrahlen. Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 25, 
S. 2111 (1912). — W.L. Thomas, Rauchreinigungsvorrichtung. D. R.-P. 263.904; Chem.- 
Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 568 (1913). 

>) ©. Heine, Vorrichtung zum Abscheiden von Verunreinigungen aus Gasen. 
D. R.-P. 230.182; Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 84 (1911). — Siehe ferner auch: Chr. Steg, 
Vorrichtung zur Abscheidung von festen Verunreinigungen aus Gasen oder Dämpfen, 
insbesondere aus dem Brasen der Brikettfabriken. D. R.-P. 268.443; Zeitschr. f. angew. 
Chem. Bd. 27, Ref.-Teil S. 57 (1914). — A. Müller, Trockener Staubfänger. D. R.-P. 265.638; 
Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 635 (1913). 

%) R.C. A. Banfield, Anwendung künstlicher Kälte in Hüttenwerken. Chem.-Zeitg. 
Bd. 34, S. 1120 (1910). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 389 


das Verfahren zum Trocknen von Luft, die verflüssigt werden soll.!) Auch 
in der Industrie des Steinkohlenteers wurde diese Methode angewandt, und 
zwar zur Abscheidung des Benzols und seiner Homologen gemäß ihren 
Taupunkten aus den Gasen der Kokereien. ?; Nach Hempel ®) ist das Trocknen 
von Gasen durch Kälte das wirkungsvollste Verfahren. Bei diesem Ab- 
scheiden von Dämpfen und Gasen ist es ein allgemeines Prinzip, dal) die 
Abkühlung langsam ausgeführt werde, da bei schneller Abkühlung oft 
Nebel entstehen, die sich nur schwer verdichten lassen. 

Bei schwer koerziblen Mischungen von Gasen handelt es sich ent- 
weder um totale Verflüssigung und darauffolgende Trennung durch teil- 
weise Verdampfung und Rektifikation oder aber um die Abscheidung der 
weniger flüchtigen Bestandteile durch teilweise Kondensation. Das be- 
kannteste Beispiel ersterer Art ist die Gewinnung von Sauerstoff und 
Stickstoff aus verflüssigter atmosphärischer Luft. Ein wichtiges Beispiel 
partieller Kondensation bildet die Gewinnung von Wasserstoff aus 
wasserstoffhaltigen Gasgemischen sowie die Abscheidung von Schwefelver- 
bindungen und anderen Substanzen aus Gasgemischen, in denen nur der 
Wasserstoff unverflüssigt bleibt. *) 

Um Wasserstoff völlig zu trocknen, benützte Nernst >) eine in sich 
zurückkehrende, also nach dem Gegenstromprinzip arbeitende Kupferspi- 
rale, die in ein Vakuumgefäß eintauchte, das ein wenig festes Kohlen- 
dioxyd enthielt. Um das kondensierte Wasser abzulassen, befindet sich am 
untersten Ende des Kupferrohres eine kleine Schraube. 

Auch von beigemengtem Arsenwasserstoff kann Wasserstoff durch 
Abkühlung mittelst flüssiger Luft völlig befreit werden. Bereits bei — 110° 
ist die Reinigung nahezu vollständig, absolut sicher ist sie bei — 130°. 6) 

Ferner ist Salzsäuregas nach Moissan?) durch Abkühlung leicht 
völlig trocken und rein zu erhalten. Man läßt das Gas durch Waschflaschen 
streichen, die auf — 50° abgekühlt sind. Das so vorgetrocknete Gas wird 
dann durch starke Abkühlung mit flüssiger Luft in den festen Aggregat- 
zustand übergeführt und das Gefäß luftleer gepumpt. Läßt man nun die 


1) @. Claude, Über das Trocknen der zu verflüssigenden Luft auf kaltem Wege. 
Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 1224 (1913) und Compt. rend. de l’Acad. des science. T. 157, 
p- 466 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II. S. 1549. 

2) Chr. Heinzerling, D.R.-P. 66.644 (1891) und Engl. Pat. 12.390 (1892); vgl.: 
G. Lunge und H. Köhler, Die Industrie des Steinkohlenteers. 5. Aufl. Braunschweig 
(Friedr. Vieweg & Sohn) 1912, Bd. I, S. 164. 

®) W. Hempel, Allgemeine Gesichtspunkte der chemischen Technik. Chem.-Zeitg. 
Bd. 36, S. 631 (1912). 

*) C.v. Linde, Rückblicke und Vorblicke auf die Entwicklung der Kältetechnik. 
Chem.-Zeitg. Bd. 34. S. 1119 (1910). 

>) W.Nernst, Über einen Apparat zur Verflüssigung von Wasserstoff. Zeitschr. 
f. Elektrochem. Bd. 17, S. 737 (1911). 

6) Ch. Renard, Über dieReinigungdesindustriellen Wasserstoffes durch Kälte. Compt. 
rend. de l’Acad. des scienc. T. 136, p. 1317 (1903); Chem. Zentralbl. 1903, Bd. II, S. 158. 

?) Vgl.: A. F. Holleman, Lehrbuch der anorganischen Chemie. 5. Aufl. Leipzig 
(Veit & Co.) 1907, S. 39. 


390 Richard Kempf. 


Masse auf höhere Temperatur steigen, so schmilzt sie, verdampft und 
liefert ein völlig reines Gas. 

Die Arbeitsweise der totalen Kondensation und darauffolgenden Tren- 
nung durch fraktioniertes Absiedenlassen dient unter anderem zur Dar- 
stellung von Kohlensuboxyd (C, ©) nach Diels. !) 

Auch für gasanalytische Zwecke bewährt sich gelegentlich die 
Methode. Ihr Vorzug bei dieser Anwendung besteht darin, daß die gas- 
förmigen Bestandteile als unveränderte Substanzen aus der Analyse her- 
vorgehen und einzeln auf Reinheit geprüft werden können, und daß ihre 
Summe dem verwendeten Volumen entsprechen muß. ?) 

Diese „Kondensationsanalyse“ wurde namentlich von Ledeau und 
Damiens?) praktisch ausgebaut. 

In manchen Fällen, z. B. zur Reinigung von Äthylen, ist eine be- 
sondere Abkühlung unnötig, es genügt, das unreine Gas zu komprimieren, 
um die Beimengungen zur Kondensation und damit zur Abscheidung zu 
veranlassen *), eventuell unter Vermittlung von Kohle.) 


£) Gasreinigung durch Elektrizität oder Magnetismus. 


Hochgespannte Elektrizität hat die Fähigkeit, beim Durchgang durch 
(rase oder Dämpfe, die feine Stoffteilchen suspendiert enthalten, diese 


!) OÖ. Diels und B. Wolf, Über das Kohlensuboxyd. I. Ber. d. Deutschen chem. 
Gesellsch. Bd. 39, S. 692 (1906). 

?®) E. Erdmann und H. Stoltzenberg, Gasanalyse durch Kondensation. Ber. d. 
Deutschen chem. Gesellsch. Bd. 43, S. 1702 (1910). — Vgl. auch: ©. Hauser und H. Herz- 
feld, Zum Nachweis des Methans. I. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 45, S. 3516 (1912). 

3) P. Lebeau und A. Damiens, Über eine Methode zur Analyse der Gemische 
von Wasserstoff und gesättigten gasförmigen Kohlenwasserstoffen, Wasserstoff, Methan, 
Äthan und Propan. Compt. rend. de l’Acad. des seiences. T. 156, p. 144 (1913). — Die- 
selben: Über eine Methode zur Analyse der Gemische von Wasserstoff und gesättigten 
gasförmigen Kohlenwasserstoffen: Komplexe Gemische. Ebenda. T. 156, p. 325 (1913). — 
Dieselben: Über die Bestimmung der Azetylen- und Äthylenkohlenwasserstoffe in den 
Gemischen gasförmiger Kohlenwasserstoffe. Ebenda. T. 156, p. 557 (1913). — Dieselben: 
Über die Zusammensetzung des Leuchtgases. Ebenda. T. 156, p. 797 (1913). — Die- 
selben: Über die Zusammensetzung der bei der Einwirkung von Wasser auf die Ura- 
nium- und Thoriumkarbide entstehenden Gasgemische. Ebenda. T. 156, p. 1987 (1913). — 
A. Damiens, Untersuchung der Einwirkung des Wassers auf die Karbide der seltenen 
Erden. Ebenda. T. 157, p. 214 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd.I, S. 841, 1061, 1229, 
1638, 2001 und 1913, Bd. II, S.454, 462, 661 und 1120. — Vgl. auch: Über die Unter- 
suchung kohlenwasserstoffhaltiger Gasgemische durch Anwendung tiefer Temperaturen. 
Journ. f. Gasbeleuchtg. u. Wasserversorgung. Bd. 56, S. 1034 (1913). — Ferner: E. Czako, 
Über die Entwicklung der Leuchtgasanalyse und die Anwendung von tiefen Tempera- 
turen bei der Untersuchung von Leuchtgas. Ebenda. Bd. 56, S. 1172 (1913); Chem. Zen- 
tralbl. 1914, Bd.I, S. 432. 

*) Elektrochem. Werke, G.m.b.H., Berlin, Verfahren zur Reinigung von Äthylen 
für katalytische Reaktionen, insbesondere zur Herstellung von Äthan. D. R.-P. 266.519; 
Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 26, Ref.-Teil S. 726 (1913). 

5) Joh. Behrens, Trennung von Gas-, Dampf- oder Dampfgasgemischen unter Ver- 
mittlung von Kohle (Holzkohle, Blutkohle) oder einem anderen absorbierenden Stoff. 
D. R.-P. 251.693; Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 594 (1912). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 391 


niederzuschlagen.’) Man kann sowohl Gleichstrom wie Wechselstrom an- 
wenden. Handelt es sich um die Reinigung großer Gasmengen, die sich 
rasch bewegen, so eignet sich besser Gleichstrom. Man verbindet eine 
Nadelspitze mit dem einen Pol eines hochgespannten Gleichstroms, eine 
der Nadel gegenüberstehende Platte mit dem anderen Pol und läßt zwischen 
beiden Elektroden, die in einem Kanal angeordnet werden, den zu reini- 
genden Gasstrom hindurchströmen: Das Gas samt den darin suspen- 
dierten Stoffteilchen wird auf diese Weise mit der gleichen Elektrizität 
wie die Nadelspitze geladen, die Stoffteilchen werden von der entgegen- 
gesetzt geladenen Platte angezogen und bewegen sich zu ihr hin mit einer 
Geschwindigkeit, die proportional ihrer Ladung und der Spannungsdifferenz 
zwischen Spitze und Platte ist. Die Wirkungsweise des Wechselstroms 
ist etwas verschieden von der des Gleichstroms. Sie besteht darin, daß 
die suspendierten Teilchen zusammengeballt und dadurch — infolge ihrer 
größeren Schwere — zum raschen Niedersetzen gebracht werden. 

Demgemäß eignet sich der Wechselstrom hauptsächlich in den Fällen, 
wo es sich um die Reinigung von nahezu ruhenden Gasmassen handelt, 
bei denen eine einfache Agglomerierung der suspendierten Teilchen in 
größere Aggregate ausreichend ist, ihre Abscheidung zu bewirken. 

Man kann nach dieser Methode sowohl feste Körper (Rauch) als auch 
Flüssigkeitsteilchen (Nebel) aus Gasen entfernen. Für Laboratoriumsver- 
suche genügen als Elektroden auf der einen Seite feine Nähnadeln oder 
Drahtborsten, auf der anderen Seite kann jede glatte leitende Fläche als 
Elektrode dienen. 

In der Technik bewährten sich als Entladungselektroden am besten 
Metalldrähte, die mit Baumwolle, Asbest oder Glimmer versehen waren: 
die feinen Fäden der Gewebe bzw. die dünnen Schuppenränder des Mine- 
rals lieferten vorzüglich wirkende Entladungsspitzen, auch in stark saurer 
Atmosphäre. 

Das Verfahren wurde schon 1824 von Hochfeld vorgeschlagen ?), und 
zwar um gewöhnlichen Rauch zu unterdrücken. Zu einer im großen Mab- 
stabe praktisch brauchbaren Methode wurde es aber erst seit 1907 von 
Cottrell ausgebaut?) (Cottrellsches Verfahren). 


1) Vel.z.B.: K. Pietrusky, Das Cottrellsche Verfahren, feine Stoffteilchen mittelst 
des elektrischen Stromes niederzuschlagen. Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 25, S. 2107 
(1912). — R. Hoffmann, Die von Teilnehmern des VIII. Intern. Kongr. f. angew. Chem. 
in New-York im Anschlusse an denselben ausgeführte Studienreise durch die Vereinigten 
Staaten. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 1119 (1913). 

2), Eine historische Zusammenstellung der Bearbeiter des Verfahrens findet 
sich bei R. Hoffmann, ]. e. 

>) F. G. Cottrell, Trennung schwebender Teilchen gasförmiger Körper mittelst 
hochgespannter Elektrizität. D. R.-P 230.570; Chem.-Zeitg. Bd. 35. Rep. S. 84 (1911). — 
Derselbe, Die Fällung suspendierter Teilchen durch Elektrizität. Journ. of Ind. and 
Engin. Chem. Vol. 3, p. 542 (1911); Chem. Zentralbl. 1911, Bd. HI, S. 1969. — Siehe auch: 
K. Pietrusky, Das Cottrellsche Verfahren, feine Stoffteilchen mittelst des elektrischen 
Stromes niederzuschlagen. Zeitschrift für angew. Chemie. Bd. 25, 8.2107 (1912). — 


392 Richard Kempf. 


Nach Püning!) benutzt man als eine Elektrode nicht Metallspitzen, 
sondern dünne elektrisierte Wasserstrahlen, die aus etwa nadelstich- 
großen Löchern sprühen. — 

Zum Reinigen von Gasströmen, die magnetische Stoffteilchen mit 
sich führen, wird das Gas zwischen starken Magneten hindurchgeleitet und 
auf diese Weise von seinen Verunreinigungen befreit.2) — 

Nach Claude?) kann man Neon aus Gasgemischen isolieren. wenn 
man bei vermindertem Druck elektrische Entladungen zwischen Kohlen- 
oder Metallelektroden durch das Gemisch hindurchgehen läßt. Stickstoff, 
Sauerstoff und Helium werden bedeutend rascher als Neon absorbiert, so 
daß dieses nach genügend langer Einwirkung allein, bzw. mit etwa vor- 
handenem Wasserstoff oder Argon zurückbleibt. (Vgl. auch unten, S. 411.) 


y) Gasreinigung durch Erzeugung von periodischen Temperatur- und 
Druckänderungen. 


Zur Beseitigung von Kondensationsnebeln aus Gasen kann man das 
(semenge wiederholt erwärmen und abkühlen‘) oder auch wechselnden 
Drucken aussetzen.®) Beide Methoden werden in einfachster Weise gleich- 
zeitig angewendet, wenn man in der Nebelatmosphäre einen geeigneten 
Ton erzeugt, der ja bekanntlich Druck- und Temperaturschwankungen in 
der Zeitfolge seiner Schwingungen bedingt. So kann man z. B. durch 
eine nach Art der „chemischen Harmonika“ konstruierte Vorrichtung 
mittelst einer brennenden Flamme in einem Teile der Rohrleitung einen 
passenden Ton erzeugen.5) — 


Auf die Tatsache, daß Elektronen — z.B. durch Radiumstrahlen 
ionisierte Luft — in unterkühlten Dämpfen die Zentren von Flüssigkeits- 
keimen werden und dadurch Nebelbildungen veranlassen können, selbst 
wenn der Dampf sich noch gar nicht in gesättigtem Zustand befindet, sei 


W. W.Strong, Die elektrische Fällung in Gas suspendierter Stoffe. Journ. Franklin. 
Inst. Vol. 174, p.239 (1912); Chem. Zentralbl. 1912, Bd. II, S. 1800. — Vgl. ferner: 
Über das Cottrellsche Verfahren, Niederschlagen feiner Steffteilchen durch elektrischen 
Strom. Tonindustrie-Ztg. Bd. 37, S.1245 (1913). — Neuere Ergebnisse der Staubaus- 
fällung mit Cottrells elektrostatischem System. Eng. and Min. Journ. Vol. 96, p. 247 
(1913); Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S.563 (1913). 

‘) H. Püning, Verfahren zur elektrischen Reinigung staub- oder nebelhaltiger Luft 
und Gase unter Verwendung sprühender Elektroden. D. R.-P. 262.882; Chem. Zentralbl. 
1913, Bd. II, S. 727 und Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S.495 (1913). 

?) Siehe z. B.: Georgius, Sozialtechnik. Bd. 10, S. 113 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, 
Rep. S. 194 (1911). 

?) @. Claude, Trennung des Neons aus den Gasgemischen. Franz. Pat. 456.694; 
Chem.-Zeitg. Bd. 38, Rep. S.39 (1914). 

*) J. Ephraim, Verfahren zur Beseitigung von Kondensationsnebeln. D.R.-P. 163.370; 
Chem. Zentralbl. 1905, Bd. U, S. 1205. 

°) Wi. Ostwald, Verfahren zur Beseitigung und Kondensation von Nebeln in der 
chemischen Technik. D. R.-P. 195.080; Chem. Zentralbl. 1908, Bd. I, S. 1104. 


e 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 393 


hier nur hingewiesen, da diese physikalischen Erscheinungen noch keine 
praktische Anwendung gefunden haben. !) 


c) Die chemische Gasreinigung. 
x) Arten der Reinigung. 


Man kann Gase chemisch entweder auf trockenem oder auf nassem 
Wege reinigen. 


#4) Chemische Gasreinigung auf trockenem Wege. 


Die Reinigung bei gewöhnlicher Temperatur (Trocknung mittelst 
Chlorkalziumröhren, Absorption von Kohlendioxyd in Türmen, die mit Kalk 
beschickt sind u. dgl.) bietet laboratoriumstechnisch keine Schwierigkeiten. 

Bisweilen muß jedoch bei höheren Temperaturen gearbeitet 
werden, z.B. in der Elementaranalyse, wenn Stickoxyde durch eine 
glühende Spirale aus Kupferdrahtnetz, Halogene durch zusammengerolltes 
heißes Silberblech usw. zurückgehalten werden sollen (vgl. Bd. I, S.309u.311). 

Um Argon von Wasserstoff und Kohlenoxyd vollständig zu befreien, 
muß das Gas wiederholt durch eine Eisenröhre über glühendes Kupfer- 
oxyd und dann über festes Kalihydrat, konzentrierte Schwefelsäure und 
Phosphorpentoxyd geleitet werden. Eine Apparatur, die das Gas selbsttätig 
zu einem Kreislauf zwingt, und die auch sonst zur Gewinnung reiner 
Gase anwendbar ist, gaben Fischer und Hähnel?), ferner Skossarewski und 
Germann?) an. 

Um Sauerstoff von Wasserstoff und kohlenstoffhaltigen Gasen zu 
befreien, leitet man das Gas nach Berthelot*) am besten durch eine dicke, 
rotglühende Röhre aus Kupfer. Auf dieselbe Weise kann auch Wasser- 
stoff von Arsenwasserstoff, dassich in der Glühhitze in Arsen und Wasser- 
stoff zersetzt, befreit werden. 5) 


38) Chemische Gasreinigung auf nassem Wege. 


Die Reinigung von Gasen auf nassem Wege ist die am häufigsten 
angewendete Methode, um Gasgemische chemisch in ihre Komponenten zu 
zerlegen — sowohl für analytische Zwecke als auch rein präparativ zwecks 


‘) Siehe im übrigen z. B.: J. J. Thomson, Die Entladung der Elektrizität durch 
Gase. Leipzig (Barth) 1900, S.7. — Joh. Stark, Die Elektrizität in Gasen. Leipzig 
(Barth) 1902, S. 382. 

?) Franz Fischer und O. Hähnel, Über die Reindarstellung von Argon und Stick- 
stoff. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 43, S. 1436 (1910). 

°) M. Skossarewski und F. Germann, Anorduung zur selbsttätigen Zirkulation 
eines Gases in einem geschlossenen Kreis. Journ. de Chim. physique. T.11, p. 584 (1913); 
Chem. Zentralbl. 1914, Bd. I, S.1. 

*) Berthelot, Über die Verunreinigungen des komprimierten Sauerstoffs und deren 
Rolle bei den mit Hilfe der kalorimetrischen Bombe ausgeführten Verbrennungen. Compt. 
rend. de l’Acad. des sciences. T. 135, p. 821 (1902); Chem. Zentralbl. 1903, Bd. I, S.55. 

°) Vgl. z. B.: Über das Bleilöten mit Wasserstoff. Die Darstellung und Reinigung 
des letzteren. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 2, S. 204 (1895— 1896). 


394 Richard Kempf. 


Gewinnung reiner Gase. Man schüttelt das Gas mit dem gelösten Absorbens 
oder leitet es in möglichst feinen Bläschen durch die Lösung hindurch, 
wobei man für eine möglichst lange und innige Berührung zwischen Gas 
und Flüssigkeit sorgt. 

ß) Absorptionsgefäße für Gase. 

Von diesen Apparaten sind sowohl für die trockene wie für die nasse 
chemische Gasreinigung eine so überaus große Zahl Neuheiten vorge- 

schlagen worden, daß hier nur 

IR ZN: eine verhältnismäßig kleine Zahl 
besonders praktisch erscheinen- 
der Vorrichtungen beschrieben 
werden kann. 

Bei der Gasreinigung auf 
nassem Wege ist stets zu be- 
denken, ob die Möglichkeit vor- 
liegt, daß die Waschflüssigkeit 


Luftwaschaufsatz nach 


Göckel. aus irgend einem Grunde zurück- 
steigen und dadurch Schaden 
mel anrichten kann.!) Gegebenen- 


falls sind von vornherein Gegen- 
maßregeln zu ergreifen. ?) 


7%) Gaswaschaufsätze. 


Um die Luft des toten 
kaumes in Büretten, Titrierappa- 
raten, Standflaschen und del. vor 
ihrem Zutritt zu dem Material 
von ihren schädlichen Bestand- 
teilen (Sauerstoff, Kohlendioxyd, 
Feuchtigkeit) zu befreien, kann 
a a an den von Göckel *) ADSeor Luftwaschaufsatz nach Göckel in 
vorrichtung nach Spang. benenLuftwaschaufsatz(Fig.156) Verbindung mit einer Titriervor- 

benutzen. Man beschickt ihn je ‚ 
nach dem Verwendungszweck mit alkalischer Pyrogallollösung oder Lauge. 
Seine doppelte Verwendung an einem Titrierapparat zeigt Fig. 137. 

Die zum Aufhängen bestimmte Wasch- und Trockenvorrichtung nach 
Spang (Fig. 135) kann zum Waschen eines Gases gleichzeitig durch ein 
flüssiges und festes Reinigungsmittel dienen. Das Gas durchstreicht z. B. 


[ALL USUIERTTIERNRILIG KLIET KLLLTRIHET TAU DS 


Ei 


2) 


‘) Über das Zurücksteigen von Flüssigkeit aus Waschflaschen oder dgl. infolge 
der raschen Diffusion mancher Gase, namentlich von Kohlendioxyd, durch Kaut- 
schukschläuche siehe z. B. dieses Handbuch. Bd. VI, S. 650—651. 

?) Siehe z.B.: H. Fischer, Eine Abänderung des Schulteschen Schwefelbestim- 
mungsapparates für Roheisen und Stahl. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 1223 (1913). 

») H. Göckel, Luftwaschaufsatz für Büretten, Titrierapparate, Standflaschen usw. 
Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 279 (1911). 


a EEE en Zn m 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 395 


zuerst konzentrierte Schwefelsäure, die sich in dem unteren birnförmigen 
Teil des Apparates befindet, und wandert dann durch einen einge- 
schmolzenen und mit Glaswolle bedeckten Siebboden in die obere zylin- 
drische Kammer, die z. B. mit Phosphorpentoxyd beschickt ist.!) 


96) Waschflaschen für Gase. 


Die Neukonstruktionen dieser Apparate sind besonders zahlreich. 
Eine einfache, dabei billige und sehr wirksame Gaswaschflasche kann 
man sich mit Hilfe der von Müller?) angegebenen Absorptionsglocke aus 


Fig.139. Fig. 141. 


Waschflaschenaufsatz 
nach Michel. 


einer gewöhnlichen Pul- 
verflasche leicht selbst 
herstellen (Fig. 139). 
Durch die am Rande 
der Glocke angebrach- 
ten acht keilförmigen 
Schlitze durchströmt das Gas in langsamem 
Tempo und in kleinen Bläschen die Wasch- 

al flüssigkeit, so daß eine sehr innige Berührung 
Schilling. gkeit, ab eine sehr innige Be ung 
zwischen Gas und Flüssigkeit herbeigeführt wird.3) 

Waschflaschen, die man durch eine einfache Drehung des einge- 
schliffenen Kopfteils gegen die Außenluft verschließen kann, gab Gutt- 
mann*) und ferner Artmann?) an (Fig. 140). In derartigen Waschflaschen 
ist erstens die Waschflüssigkeit bei Nichtgebrauch vor den Einwirkungen 
der Atmosphäre geschützt (z. B. konzentrierte Schwefelsäure vor dem An- 


Waschflasche nach Artmann. 


1) Wasch- und Trockenvorrichtung zum Aufhängen nach Spang. Chem.-Zeitg. 
Bd. 36, S. 843 (1912). 

2) Eug. R.E. Müller, Absorptionsglocke für die Schwefelbestimmung. Stahl und 
Eisen. Bd. 32, S. 494 (1912). 

3) H. Schilling, Über eine selbstkonstruierbare Intensiv-Gaswaschflasche. Chem.- 
Zeitg. Bd. 36, S. 739 (1912). 

#) O0. Guttmann, Zuschrift a. d. Redaktion. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 93 (1910). 

5) P. Artmann, Eine neue Waschflasche. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 50 (1910). 


396 Richard Kempf. 


ziehen von Wasserdampf, Laugen vor der Aufnahme von Kohlendioxyd, 
sauerstoffzehrende Flüssigkeiten vor der Absorption von Sauerstoff), und 
zweitens spart man in der Apparatur einen Regulierhahn für den Gas- 
strom. Die Waschflasche ist der von Raikow angegebenen sehr ähnlich 
(vel. Bd. I, S. 200, Fig. 378). Ebenfalls einen Abschluß des Innenraumes 
der Waschflasche von der äußeren Luft und eine Regulierung des Gas- 
stromes gestattet in einfacher Weise der Waschflaschenaufsatz, den 
Michel‘) vorschlug (Fig. 141). Man braucht den Aufsatz im Gummi- 
oder gut paraffinierten Korkstopfen nur nach oben oder unten zu schieben, 
um die Gaseintrittsöffnung A zu verdecken oder wieder frei zu legen. 
Die Sicherheitswaschflasche nach Mauthner ?) (Fig. 142) zeichnet 
sich dadurch aus, dab sie weder einen Schliff besitzt noch irgend eine 


Fig. 142. Fig.143. Fig.144. 


Sieherheitswaschflasche 
nach Mauthner. 


Kork- oder Kautschuk- 
verbindung erfordert, 
und daß ihr Zuleitungs- 
rohr frei drehbar ist. Die 
Waschflüssigkeit wird 
bis etwas über die Mün- 
dung des weiteren, aus 
dem oberen Teil herabreichenden Rohres eingefüllt. Bei Verstopfung der 
Leitung steigt die Flüssigkeit in die obere Kammer, so daß das Gas durch 
das weitere Rohr entweichen kann. Bei zu rascher Absorption dringt um- 
gekehrt auf demselben Wege Luft ein. 

Eine prinzipiell ganz ähnliche Waschflasche gab Happe:) an (Fig. 143). 
Der Innenraum dieser Flasche steht aber dauernd mit der Außenluft 


Waschflasche nach Happe. Waschflasche nach Hahn. 


') F. Michel, Aufsatz für Gaswaschflaschen, Spritzflaschen usw. mit Abschluß- 
vorrichtung. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 72 (1911). 

?) J. Mauthner, Sicherheits-Waschflasche. Chem.-Zeitg. Bd. 33, S 412 (1909). 

®) G. Happe, Zuverlässig arbeitende Sicherheitswaschflasche. Chem.-Zeitg. Bd. 35, 
S. 656 (1911). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 397 


durch das enge Mittelrohr in Verbindung. sobald der Gasstrom unter- 
brochen ist. Denn in diesem Fall findet ein Niveauausgleich zwischen der 
Flüssigkeit in der Flasche und in dem weiten Zuleitungsrohr statt, die 
untere Öffnung des bis dahin durch die Waschflüssigkeit abgesperrten 
Sicherheitsrohres wird freigelegt und hierdurch der Innenraum der Flasche 
unter Atmosphärendruck gesetzt. 

Besonders wirksam sind die Waschflaschen, die das Gas wie in der 
Winklerschen Absorptionsschlange (siehe Fig. 160, S. 402) durch 
eine Düse unten in ein Spiralrohr eintreten lassen. Infolge der saugenden 
Wirkung des strömenden Gases wird die Waschflüssigkeit in derartigen 
Apparaten in steter Zirkulation erhalten. Außer der bereits erwähnten 
Waschflasche nach Walter (vgl. Bd. I, S. 200, Fig. 377) beruhen die von 


Fig. 145. Fig. 146. 


Waschflasche nach Friedrichs (1. Modell). Woaschflaschen nach Friedrichs (2. Modell). 


Raikow‘), sowie von Gahl?) angegebenen Apparate auf diesem Prinzip. 
Neuerdings schlug wiederum Hahn:) eine derartige Waschflasche vor 
(Fig. 144). 

Auch in der Waschflasche nach Friedrichs *) (Fig. 145) ist das Gas- 
einleitungsrohr oberhalb der Endöffnung mit einer Düse versehen, die bei 
fließendem Gasstrom eine Saugwirkung auf die Waschflüssigkeit ausübt 
und diese daher gut durchmischt. In einer anderen Waschflasche desselben 


!) P.N. Raikow, Über einige Laboratoriumsapparate. 1. Verbesserte Wasch- und 
Absorptionsflasche. Chem.-Zeitg. Bd. 18, S. 1996 (1894). 

?) R.Gahl, Studien zur Theorie der Dampfdrucke. Zeitschr. f. physik. Chemie. 
Bd. 33, S. 178 (1900). 

») C. Hahn, Verbesserte Gaswasch- und Absorptionsflasche. Zeitschr. f. angew. 
Chem. Bd. 26, S. 448 (1913). 

*) Gaswaschflasche mit verbesserter Zuleitungsröhre nach Friedrichs. Chem.-Zeitg. 


Bd. 35, 8. 323 (1911). 


398 Richard Kempf. 


Verfassers!) ist entweder das Zuleitungsrohr oder das äußere Gefäß 
schraubenförmig ausgebildet (Fig. 146). Die Gasblasen müssen infolge- 
dessen durch einen etwa 125 cm langen spiralförmigen Kanal gleiten und 
gelangen hier in innige Berührung mit der Waschflüssigkeit. 

Eine Waschflasche, die in ihrem unteren Teil zur Erzeugung mög- 
lichst feiner (Gasbläschen zwei siebartig durchlöcherte, herausnehmbare 
Platten enthält, wurde von AH. Adämmer angegeben ?) (Fig. 147). Eine 
ähnliche Wirkung wird in der von Michel ®) vorgeschlagenen Waschflasche 
durch eine Einschnürung des zylindrischen Gefäßes und eine Glasperlen- 


Fig. 148. = —— Fig. 149. 


Waschtlasche nach 
Adämmer. 


Schwefelsäuretrocken- 
Trockenturmsystem nach Pfeiffer. turm nach Back. 


packung erzielt. Auf die Gaswaschflaschen von Borck*), Suchier°) u. A., die 
nichts prinzipiell Neues bieten, sei hier nur hingewiesen. 


!) Fr. Friedrichs, Neue Gaswaschflaschen. Zeitschr. f. analyt. Chem. Bd. 50, S.175 
(1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 65 (1911). — Siehe auch z. B.: L. M. Dennis und 
W.J. O’Brien, Die Bestimmung des Phosphors im technischen Azetylen. Journ. Ind. Eng. 
Chem. Vol. 7, p. 834 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 147 (1913). 

?) Vgl.: Th. Grzeschik, Einige neue Laboratoriumsapparate. Chem.-Zeitg. Bd. 34, 
S. 949 (1910). 

®) F. Michel, Waschflasche mit geteilter Flüssigkeitsschicht. Chem.-Zeitg. Bd. 34, 
S. 1228 (1910). 

*) H. Borck, Eine neue Gaswaschflasche. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 39 (1910). — 
Derselbe, Eine verbesserte Gaswaschflasche. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 1252 (1911). 

5) Suchier, Sicherheitsgaswaschflasche. Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 26, S. 736 
(1913); Chem. Zentralbl. 1914, Bd. I, S. 209. 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 399 


Über eine praktische Art der Reihenschaltung von Waschflaschen 
und eine handliche Montage von Waschflaschen an Kippschen Apparaten 
berichtete Reckleben.') 


m Trockentürme. 


Der von Pfeiffer?) angegebene Doppelturm (Fig. 148) dient zum 
schnellen und intensiven Trocknen größerer Gasmengen durch konzen- 
trierte Schwefelsäure. Er besteht aus einem großen und ziemlich weiten 
Trockenturm nach Fresenius (vgl. Bd. I, S. 201 und Fig. 382, S. 200), auf 
dessen Halsschliff ein zweiter Turm von genau derselben Form und Größe 
umgekehrt stehend und luftdicht aufgesetzt ist. Der gesamte Hohlraum 


Fig. 150. Fig.151. Fig. 132. 


Troekenturm nach Spang Trockenturm mit 4 Etagen 
(Modell mit 2 Etagen). nach Spang. 


ist mit großen Glasperlen ausgefüllt. In den 
Apparat wird durch den unteren Tubus konzen- 
trierte Schwefelsäure bis zur halben Höhe des 
erweiterten Teils gegossen. Dreht man den 
Apparat um, so rieselt die Schwefelsäure durch den mit Glaskugeln ge- 
füllten Raum hindurch nach unten, wo sie sich sammelt. In diesem Zu- 
stand ist der Apparat gebrauchsfertig. Man verwendet etwas lange Kaut- 
schukschläuche und kann dann auch während des Betriebes den Turm von 
Zeit zu Zeit umdrehen, und dadurch die Glasperlen von frischem mit der 
Waschflüssigkeit benetzen. Das Absorbens wird auf diese Weise gründlich 
ausgenutzt. 

Eine naheliegende sinnreiche Modifikation dieser Vorrichtung gab 
Bach) an (Fig. 149). Die Handhabung des Apparates erhellt ohne weiteres 


Trockenturm nach Hase. 


) H.Reckleben, Einfache Vorrichtung zur handlichen Benutzung einer Reihe 
von Waschflaschen. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 279 (1911). 

?) Umkehrbare Schwefelsäuretürme nach Prof. Dr. Pfeiffer, zum Austrocknen 
größerer Gasmengen. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 142 (1910). 

%) H. Bach, Ein Schwefelsäuretrockenturm. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S.267 (1910). 


400 Richard Kempf. 


aus der Zeichnung. Ist der im der Einschnürung befindliche Hahn ge- 
öffnet, so durchstreicht das Gas die feuchten Glaskugeln und wird ge- 
‚ waschen, wird er für kurze Zeit geschlossen, so wird die Waschflüssigkeit 
durch das seitliche Rohr emporgedrückt und berieselt die Glaskugeln von 
frischem. Vorausgesetzt ist hierbei nur, dab das Gas unter genügendem 
Druck steht. 

Trockentürme (und ebenso Gaswaschaufsätze) mit mehreren senkrecht 
übereinander angeordneten Absorptionskammern sind in Anlehnung an einen 
von Fiumi!) angegebenen Demonstrationsapparat, der die Einwirkung von 
Schwefelwasserstoffgas auf Salzlösungen veranschaulicht, von verschiedenen 
Seiten vorgeschlagen worden, so u.a. von Ulrich?) (siehe auch weiter 


Fig. 153. Fig. 155. Fig. 156. 


Chlorkalzium- 
rohr 
nach Schilling. 


Chlorkalziumrohr nach Chlorkalziumrohr mit axialer 
Trockenturm nach Woytacek. R. Müller. Scheidewand nach Kob. 


unten, S. 440, dessen Gasentwicklungsapparat), Hase) (Fig. 150) und Spang*) 
(Fig. 151 u. 152). Man beschickt z. B. den untersten Raum mit Schwefel- 
säure und die obere Kammer mit Chlorkalzium oder Phosphorpentoxyd. 
In dem zuletzt abgebildeten Apparat sind die zwei unteren Kammern für 
flüssige, die zwei oberen für feste Absorptionsmittel bestimmt. 

Ein ähnliches Trockensystem schlug auch Woytacek®) vor (Fig. 153). 


!) G. Fiumi, Apparat zum Demonstrieren der Einwirkung des Schwefelwasser- 
stoffgases auf die verschiedenen Metallsalze. Chem.-Zeitg. Bd. 22, S. 376 (1898). 

®) Wasch- und Trockenapparat für Gase nach Ulrich. Chem.-Zeitg. Bd. 25, 
S. 1062 (1901). 

®) R. Hase, Zuschrift an die Redaktion. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S.31 (1913). 

*) Gasreinigungs- und Trockentürme nach Spang, Chem.-Zeitg. Bd.36, S. 1202 
(SS) RZEIEST. 3.51 (193): 

5) ©. Woytacek, Ein neues Trockensystem. Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 316 (1912). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik “. 401 


9%) Chlorkalziumröhren. 


Die U-förmige Gestalt der üblichen Chlorkalziumröhren hat den Nach- 
teil, daß diese an der gebogenen Stelle überaus leicht zerbrechlich sind. 
Diesem Übelstand abzuhelfen bezwecken eine große Zahl Vorschläge. 

Am einfachsten ist es, einen Glassteg oben zwischen den Schenkeln 
des U-Rohres anzubringen!) (Fig. 154) oder die beiden Schenkel bis nahe 
zur Berührung aneinanderzuführen ?) (Fig. 155). 

Noch praktischer, weil bruchsicherer und leichter zu reinigen, er- 
scheinen U-Röhren, deren Schenkel ihrer ganzen Länge nach miteinander 
verschmolzen sind 3) (Fig. 156). Der Absorptionsraum dieser Apparate bildet 
also nur eine einzige Röhre, die axial durch eine gläserne Scheidewand 
in zwei Hälften geteilt ist. 


Fig. 157. Fig.158. Fig.159. 
R > 
U-Rohr mit Flachglasspiralen - Chlorkalziumrohr nach Hart- Chlorkalziumrohr nach 
nach Fleissner. mann (1. Modell). Hartmann (2. Modell). 


Um in Chlorkalziumröhren die Schichtlänge des Absorptionsmittels 
und dadurch die Waschwirkung zu vergrößern, gibt man ihnen nach 
Hargue*) drei Schenkel, zwischen denen man zweckmäßig zur Erhöhung 
der Bruchfestigkeit ebenfalls gläserne Brücken anbringt. Auch kann man 
bei Anwendung flüssiger Absorptionsmittel die gewöhnlichen U-Röhren 
zur Vergrößerung der wirksamen Oberfläche mit Glasperlen füllen und in 


!) Siehe z. B.: O. Schilling, Verbessertes Trockenröhrchen. Chem.-Zeitg. Bd. 30, 
S. 1146 (1906). — Vgl. ferner: J. Wetzel, Dieses Handbuch, Bd. I, S.298 und Fig. 435, 
8.299. — W. H. Me Intire, Neues Trockenröhrehen. Journ. Amer. Chem. Soc. Vol. 33, 
p-450 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 161 (1911). J.S. Me Hargue, Ein neuer 
Absorptionsapparat. Journ. Ind. Eng. Chem. Vol.3, p. 112 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, 
Rep. 8.161 (1911). 

?) Rich. Müller, Neue und praktische Form des Chlorkalziumrohres in U-Form. 
Chem.-Zeitg. Bd. 34. S. 649 (1910). 

3) Chr. Kob & Co., Neue Absorptions- und Trockenröhren. Chem.-Zeitg. Bd. 26, 
S. 1109 (1902). 

*) J. $. Me Hargue, ]. e. 

Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 26 


402 Richard Kempf. 


die Schenkel außerdem Flachglasspiralen einsetzen, die das Gas zwingen, 
einen langen Weg durch die Flüssigkeit zurückzulegen.!) (Fig. 157.) 

An Stelle von U-förmig gebogenen Röhren sind vielfach stehende 
kleine Trockentürmehen in Gebrauch, die sich wegen ihrer handlichen und 
stabilen Form sehr empfehlen. Man kann sie beim Wägen auf die Wage- 
schale stellen, spart also einen Aufhängedraht oder dgl. Die Chlorkalzium- 
röhren nach Hartmann?) (Fig. 158 u. 159) können durch Drehen des ein- 
geschliiffenen Kopfteils mit einem Handgriff geschlossen werden. Ganz 


Fig. 160. Fig. 16]. 


Absorptionsvorlage nach Pettenkofer (Pettenkofersche Röhre). 


Absorptionsschlange 

ach Ol. Winkler. & . an . 5 
en ähnliche Chlorkalziumtürmcehen, ebenfalls durch Drehen 
Fig. 162. des Stopfens verschließbar, sind auch von anderer 


Seite vorgeschlagen worden. ?) 
se) Absorptionsvorlagen für Gase. 

Von den vielen Hundert Abarten von Absorp- 
tionsvorlagen, die meistens speziellen analytischen 
/wecken angepaßt sind, seien hier nur einige wenige 
von allgemeinerer Anwendbarkeit beschrieben. 

WinklersAbsorptionsschlange®) (Fig. 160), 
die Nachfolgerin der Pettenkoferschen Röhre) 
(Fig. 161) unddes Peligotschen Rohres) (Fig. 162), 
besteht aus einem auf drei angeschmolzenen Glas- 
füßen ruhenden, spiralförmig ansteigenden Glasrohr, 
das oben in einer Kugel mit Gasableitungsrohr endigt, 
und in das unten eine Düse für den Gaseintritt ein- 
geschmolzen ist. Das Gas bewegt sich in Gestalt einer 
fortlaufenden Reihe kleiner Blasen, einer Perlen- 
schnur ähnlich, längs der Windung des Schlangen- 
rohres empor und gelangt erst nach verhältnismäßig langer Zeit zum Austritt. 

') H. Fleissner, U-Röhre mit Flachglasspiralen. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S.698 (1913). 

?) P. Hartmann, Neue Chlorkalziumröhrchen. Chem.-Zeitg. Bd. 36, 5. 23 (1912). — 
Derselbe, Umänderung an Chlorkalziumröhrchen. Chem.-Zeitg. Bd. 37, 5. 234 (1913). 

3) Neues Natron-Kalkröhrchen. Chem.-Zeitg. Bd. 37, 5.535 (1913). 

*) Cl. Winkler, Absorptionsapparat für die Elementaranalyse. Zeitschr. f. analyt. 
Chem. Bd. 21, S. 545 (1882). j 

5) Vgl.z.B.: W. Hempel, Gasanalytische Methoden. Braunschweig (Friedr. Vie- 
weg & Sohn) 1890, 2. Aufl. S. 82. 

6) Siehe z. B.: (©. R. Fresenius, Anleitung zur quantitativen chemischen Analyse. 


Braunschweig (F. Vieweg & Sohn). 6. Aufl., Bd. I, S. 66, 70 ff. (1896) und Bd. I, S. 224 
(1898). — Ferner: W. Hempel, 1. ce. S. 83. 


Absorptionsvorlage nach Peligot. 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 403 


Der Apparat wurde von Kyll!) verbessert (Fig. 163): die Vorrichtung 
erhielt durch Einschaltung eines Erlenmeyerkölbchens ein größeres Fas- 
sungsvermögen und eine niedrigere, stabilere Form, wodurch zugleich die 
Druckhöhe der Flüssigkeit vermindert wurde. 

Durch eine sehr energische Waschwirkung zeichnet sich die Lunge- 
sche Zehnkugelröhre?) (Fig. 164) aus. Sie ist ferner leicht zu entleeren, 


Fig. 163. Fig. 164. 


Absorptionsvorlage nach a 
Kyll. Absorptionsvorlage nach Lunge (Lunges Zehnkugelrohr). 


so daß ihr Flüssigkeitsinhalt bequem für gewichts- oder maßanalytische 
Bestimmungen benützt werden kann. 

Weniger leicht zerbrechlich und dabei für die meisten Zwecke aus- 
reichend wirksam sind die von Volhard®) angegebenen Vorlagen (Fig. 165 
und 166), die eine Umänderung des älteren Will- Varrentrappschen Appa- 
rates) (Fig. 167) darstellen. Den Volhardschen Vorlagen gab dann Fre- 


Fig. 165. Fig. 166. Fig. 167. Fig. 168. 


lin all m! en 7 


Absorptionsvorlage nach Absorptionsvorlage nach 
Absorptionsvorlagen nach Volhard. Will-Varrentrapp. Fresenius. 


senius 5) eine etwas abgeänderte Form (Fig. 168). Ähnlich ist auch die recht 
praktische Vorlage nach Stock ®) (Fig. 169). 


!) Th. Kyll, Absorptionsapparat. Chem.-Zeitg. Bd. 18, S. 1006 (1894). 

2) @. Lunge, Einige Verbesserungen der analytischen Methoden für die Schwefel- 
säure- und Sodafabrikation. Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 3, S. 567 (1890). 

>) J. Volhard, Apparat zur Absorption des Ammoniaks. Liebigs Annal. d. Chem. 
u, Pharm. Bd. 176, S. 282 (1875). 

#) Vel.: ©. R. Fresenius, Anleitung zur quantitativen chemischen Analyse. Braun- 
schweig (F. Vieweg & Sohn) 1896. 6. Aufl., Bd. II, S. 66. 

5) H. Fresenius, Notiz. Zeitschr. f. analyt. Chem. Bd. 14, S. 332 (1875). 
. 6) Siehe z.B.: A. Stock und A. Stähler, Praktikum der quantitativen anorgani- 
schen Analyse. Berlin (Jul. Springer) 1909, S. 53, Fig. 23. 


26* 


404 Richard Kempt. 


Eine sehr wirksame Absorptionsvorlage, die eine Kombination der 
Volhardschen Vorlage mit der Winklerschen Absorptionsspirale darstellt, 
schlug Wölbling!) vor (Fig. 170). Eine eingeschmolzene Düse am Anfangs- 
punkt der Spirale sorgt für kleine Gasblasen 
und die Spirale für lange Berührung des Gases 
mit der Absorptionsflüssigkeit, von der nur eine 
geringe Menge notwendig ist. Die Vorlage ist 
genügend stabil und ihre quantitative Entleerung 
ist schnell und einfach zu bewerkstelligen. 

Eine Modifikation der Winklerschen Ab- 
sorptionsschlange gab ferner Berl?) an (Fig. 171). 
Das durch die Düse J eintretende Gas übt eine 
Injektorwirkung auf die Waschflüssigkeit aus 
und reißt sie durch die Spiralwindungen mit 
empor, so dal sich die Absorptionsflüssigkeit 

= — in einem ständigen Kreislauf befindet. Am Fuße 
Absorptionsvorlage nach Stocs, des Apparates ist ein Dreiweghahn angebracht, 
der dazu dient, im Anfang den Gasstrom allein 


Fig. 169. 


Fig. 170. 


Absorptionsvorlage nach Wölbling. Gekuppelte Absorptionsvorlagen nach Wölbling. 


durch die Düse zu leiten, und der ferner erlaubt, die Waschflüssigkeit 
bequem zu entleeren. 


1) H. Wölbling, Eine neue Absorptionsvorlage. Chem.-Zeitg. Bd. 33, S. 499 
(1909). 

?) E. Berl, Über Laboratoriumsapparate. Ü. Modifizierte Winklersche Absorp- 
tionsschlange. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 429 (1910). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 405 


Auf einige neuere Absorptionsapparate für Ammoniak!) und für Kohlen- 
dioxyd?) sei hier nur hingewiesen. 


y) Absorptionsmittel für Gase und Dämpfe. 
(Vgl. S. 201.) 
xx) Absorptionsmäittel für Wasserdampf. 


Nach Baxter und Warren?) liefert das allgemein zum Trocknen 
von Gasen verwendete Phosphorpentoxyd in Berührung mit Chlor- und 
Bromwasserstoffgas flüchtige, phosphorhaltige Produkte. 
Als die geeignetsten Trockenmittel für Bromwasserstofigas 
erschienen geschmolzene Metallbromide. Die in 1 / Luft 
bei 25° zurückbleibende Feuchtigkeit betrug bei Verwen- 
dung von Kalziumbromid 0'0002 9, Zinkbromid 00011 9, 
Zinkehlorid 0'0008 9, Kalziumchlorid 0'0021 9, Schwefel- 
säure 0.000003 g. 

Dagegen eignet sich nach Lambris*) zur Wasser- 
bestimmung in den bei der Destillation von Brennstoffen 
auftretenden flüchtigen Produkten Phosphorpentoxyd am 
besten. Es ist dies das einzige Absorptionsmittel, das von 
den Kohlenwasserstoffen und anderen Destillationsprodukten 
nicht verändert wird und sich zur Verjagung der fest- 
gehaltenen Stoffe bis über 200° erhitzen läßt, ohne dab 
schon Wasser abgegeben wird. Außer Wasser werden auch 
Ammoniak. Pyridin und Phenol vom Phosphorpent- 
oxyd gebunden. — 

Auch wasserfreies Kupfer-, Zink- oder Magne- 

-_ siumsulfat kann zum Trocknen von Gasen dienen?) in nn 


1) Siehe z.B.: H. Lickfett, Absorptionsvorlage speziell bei Stickstoffbestimmungen 
für Ammoniakdestillationen. Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 26, S. 688 (1913); Chem. Zen- 
tralbl. 1914, Bd. I, S.2. — A. Rzehulka, Die technische Untersuchung der Steinkohlen 
im Kokereibetriebe mit Nebenproduktengewinnung. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 1569 (1913). 
2) Siehe: E. W. Gaither, Ein neuer Apparat zur Bestimmung der Kohlensäure. 
Journ. Ind. Eng. Chem. Vol. 4, p. 611 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 689 
(1912). — W. R. Forbes, Ein einfacher Kohlensäureabsorptionsapparat. Chem. News. 
Vol. 106, p. 225 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 89 (1913). — W. A. Koenig, Ein 
neues Absorptionsgefäß für Kohlensäure. Journ. Ind. Eng. Chem. Vol. 4, p. 844 (1912); 
Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 133 (1913). — Siehe ferner die Zusammenstellung von 
A. Gutbier. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S.308 (1914) und: A. Seidell, Eine einfache Form eines 
Absorptionsgefäßes. Journ. Americ. Chem. Soc. Vol. 35, p. 1888 (1913); Chem. Zentralbl. 
1914, Bd. I, S. 441. 

®) @G. P. Baxter und R. D. Warren, Der Wirkungswert von Kalziumbromid, Zink- 
bromid und Zinkcehlorid als Trocknungsmittel. Journ. Amer. Chem. Soc. Vol. 33, p. 340 
(1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 185 (1911). 

%) G.Lambris, Wasserbestimmung in den bei der Destillation von Brennstoffen 
auftretenden flüchtigen Produkten. Zeitschr. f. anorg. Chem. Bd. 81, S. 24 (1913); Chem.- 
Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 598 (1913). 

5) F. W. Harbord, Verfahren zum Trocknen von Gebläseluft für Hochöfen mittelst 
wasseranziehender Salze. D. R.-P. 203.087; Chem. Zentralbl. 1908, Bd. II, S. 1755. 


406 Richard Kempf. 


Ein vorzügliches Trocknungsmittel für Gase ist nach Johnson !) 
ferner Aluminiumoxyd (vgl. unten S. 417). Vergleichende Versuche, einen 
bei Zimmertemperatur mit Wasserdampf gesättigten Luftstrom sowohl 
durch Phosphorpentoxyd als auch durch Aluminiumoxyd zu trocknen, er- 
gaben, daß in der Zeit, in welcher das Phosphorpentoxyd keine wägbare 
Menge Wasser absorbiert hatte, das Aluminiumoxyd um 18°/, seines Ge- 
wichtes schwerer geworden war. Gebrauchtes Aluminiumoxyd kann durch 
Erhitzen leicht regeneriert werden: Man kann das Absorptionsrohr unbe- 
erenzte Zeit benützen, wenn man es von Zeit zu Zeit unter Durchleiten 
von trockener Luft mit rußender Flamme erhitzt. 

Zum Trocknen von Luft ist nach Wulf?) in manchen Fällen Kalzium- 
karbid gut geeignet (vgl. auch unter „Entwässern organischer Flüssig- 
keiten“, S. 417). Während frisches Natrium nur zuerst gut trocknet und 
bald unwirksamer wird, weil sich das Metall mit einer feuchten Schicht 
Natriumhydroxyd überzieht, behält Kalziumkarbid seine Wirksamkeit un- 
verändert bei, weil die verbrauchte Substanz in Form eines trockenen 
Pulvers abfällt. Natürlich ist das Karbid nur dann als Trockenmittel zu 
gebrauchen, wenn das entstehende Azetylen nicht stört. 

Handelt es sich um die Gewinnung völlig reiner Gase und wendet 
man gekörntes Chlorkalzium zum Trocknen der Gase an, so ist zu 
beachten, daß dieses Material äußerst hartnäckig Luftspuren zurückhält. 
Diese lassen sich durch einfaches Durchspülen des Trockenrohrs mit dem 
betreffenden Gase, das man rein zu erhalten wünscht, kaum entfernen. 
Es empfiehlt sich in solchen Fällen, das mit dem Trockenmittel beschickte 
Rohr mehrfach gut zu evakuieren und jedesmal wieder mit dem Gase 
frisch zu füllen, ehe man weiter arbeitet.?) 

Verwendet man konzentrierte Schwefelsäure zum Trocknen 
eines luftverdünnten Raumes, so ist zu beachten, daß Schwefelsäure im 
Vakuum selbst bei gewöhnlicher Temperatur etwas flüchtig ist.*) 


88) Absorptionsmittel für Wasserstoff. 


Zur Absorption von Wasserstoff aus Gasgemischen kann nach 
Hempel5) metallisches Palladium (Palladiumschwamm, Palladiumasbest)®) 
dienen. Dem festen Metall weit vorzuziehen ist aber nach Paal und Hart- 


') @. Johnson, Aluminiumoxyd als trocknendes Agens. Journ. Amer. Chem. Soc. 
Vol. 34, p. 911 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 589 (1912). 

>) Th. Wulf, Kalziumkarbid als Trockenmittel bei elektrostatischen Arbeiten. 
Physik. Zeitschr. Bd. 10, S. 926 (1909); Chem. Zentralbl. 1910, Bd. I, S. 137. 

>) Vgl.: A. Thiel und E. Caspar, Über die Temperatur von Kältebädern mit 
festem Kohlendioxyd. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 86, S. 268 (1914). 

4) H.C. Gore, Notiz über die Flüchtigkeit der Schwefelsäure beim Vakuumtrocknen. 
Journ. of Biol. Chem. Vol. 15, p. 259 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 1367. 

5) W. Hempel, Gasanalytische Methoden, 3. Aufl. 1900, Braunschweig (Friedr. 
Vieweg & Sohn), S. 162 ff. 

6) Methode nach A. Winkler; Literaturzusammenstellung bei A. Gutbier, 
Analyt. Chemie der Metalloide. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 985 (1910). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 407 


mann!) eine kolloidale Lösung von Palladium, hergestellt mit protalbin- 
saurem Natrium als Schutzkolloid nach dem Verfahren von Paal und 
Amberger?), und zwar bei Gegenwart von gelöstem Natriumpikrat, das 
von Wasserstoffgas bei Gegenwart von Palladiumsol rasch und quantitativ 
in das Salz des 2,4, 6-Triaminophenols übergeführt wird): 
(NO,),.,H,.0H +9H, = (NH,),.C,H,.0H + 6H, O 

Hiernach verbraucht 19 Pikrinsäure 834 cm® Wasserstoff zur vollstän- 
digen Reduktion. 

Da das Palladium hierbei nur die Rolle eines Wasserstoffüber- 
trägers spielt, genügt eine verhältnismäßig geringe Menge von ihm, große 
Mengen Wasserstoff zu absorbieren, sofern nur genügend Pikrat zugegen 
ist. Hiermit liegt das erste flüssige Absorptionsmittel für Wasserstoff 
vor.) Bei der Anwendung des Mittels zur Entfernung von Wasserstoff 
aus Gasgemischen ist zu beachten, daß etwa im Gasgemenge vorhandener 
Sauerstoff bei Gegenwart von Palladium und Wasserstoff in Wasser 
übergeht und etwa anwesende ungesättigte Kohlenwasserstoffe 
hydrogenisiert werden. Kohlenoxyd bewirkt eine Verzögerung der Wasser- 
stoffabsorption, ohne diese sonst zu stören. Wie diese Gase, so sind auch 
Schwefelwasserstoff, sowie Phosphor- und Arsenwasserstoff als 
Kontaktgifte vor der Wasserstoffabsorption am besten zu entfernen. Das 
Paal-Hartmannsche Verfahren hat besonders auch in der Gasanalyse eine 
hervorragende Bedeutung erlangt.>) 

Von festen Absorptionsmitteln kommen außer dem bereits erwähnten 
metallischen Palladium vor allem Silberoxyd und Kupferoxyd in 
Betracht. Silberoxyd absorbiert Wasserstoff bereits in der Kälte. Bei 100° 
verläuft die Reaktion rasch und quantitativ und kann dazu dienen, 
Wasserstoff aus anderen Gasen, z. B. aus einem gesättigten Kohlenwasser- 
stoff und sogar aus freiem Sauerstoff abzuscheiden.®) 


1) C. Paal und W. Hartmann, Die gasvolumetrische Bestimmung des Wasserstoffs 
durch katalytische Absorption. Ber. d.. Deutsch. chem. Ges. Bd. 43, S. 243 (1910); Chem.- 
Zeitg. Bd. 34, S. 105 (1910). 

2) ©. Paal und C. Amberger, Über kolloidale Metalle der Platingruppe. I. u. I. 
Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. Bd. 37, S. 132 (1904) und Bd. 38, S. 1401 (1905). 

>) Vgl. auch: ©. Paal und W. Hartmann, Über katalytische Wirkungen kolloidaler 
Metalle der Platingruppe. VIII. Die stufenweise Reduktion der Phenylpropiolsäure. 
Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 42, S. 3930 (1909). 

*) Das gebrauchsfertige kolloidale Palladium wird nach der Methode von Paal 
und Amberger von der Chem. Fabr. Kalle & Co., Biebrich a. Rh., hergestellt, ebenso 
die mit Pikrat versetzte Mischung, die man nur in Wasser zu lösen und auf 100 cm? 
zu bringen hat, um sie gebrauchsfertig in Händen zu haben; vgl.: O. Brunck, Die gas- 
volumetrische Bestimmung des Wasserstoffs. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 1313 u. 1331 (1910). 

5) 0. Brunck, 1. c. — Siehe auch: A. Gutbier, Fortschritte auf dem Gebiete der 
analytischen Chemie der Metalloide im II. Halbjahr 1910; Chem.-Zeitg. Bd. 35. S. 229 (1911). 

6) A. Colson, Über die volumetrische Bestimmung des Wasserstoffs und über 
die chemischen Spannungen. Chem.-Zeitg. Bd. 24, S. 147 (1900). — Vgl. auch: 
V. Nesmjelow, Beitrag zur Frage einer gleichzeitigen Bestimmung von Kohlenoxyd, 
Wasserstoff und Methan durch Anwendung fraktionierter Verbrennung. Zeitschr. f. analyt. 
Chem. Bd. 48, S. 232 (1909). 


408 Richard Kempf. 


Bezüglich erhitzten Kupferoxyds!) sowie metallischen Natriums®) als 
Absorbentien für Wasserstoff sei auf die Literatur verwiesen. 


yy) Absorptionsmittel für Sauerstoff. 


An Stelle von alkalischer Pyrogallollösung, die bekanntlich unter Um- 
ständen geringe Mengen Kohlenoxyd abgibt:), kann nach von der Pfordten*) 
eine Chromchlorürlösung zur Absorption von Sauerstoff dienen. Diese 
Lösung ist das einzige Absorptionsmittel, das gestattet, den Sauerstoff aus 
Schwefelwasserstoffgas heraus zu absorbieren.ö) Jedoch ist zu be- 
achten, daß sich Chromchlorür bei Gegenwart von Salzsäure allmählich 
unter Wasserstoffentwicklung zersetzt.‘) 

Auch eine alkalische Lösung von Natriumhydrosulfit (Na, 0,) 
ist zur Sauerstoffbindung ausgezeichnet geeignet”), wie namentlich die 
Untersuchungen von Franzen®) ergeben haben. 

Nach Dennstedt und Hassler°) ist eine Lösung von Kupferchlorür 
in Salzsäure, in die hinein man metallisches Kupfer in Form von Draht- 
netzrollen stellt, ein sehr wirksames Absorptionsmittel für Sauerstoff. Die 


ı) Ed. Jäger, Über eine volumetrische Bestimmung von Wasserstoff, Methan und 
Stiekstoff in Gasgemischen durch frakt. Verbrennung mit Kupferoxyd. Journ. f. Gasbel. 
Bd. 4, S. 764 (1898); Chem. Zentralbl. 1899, Bd. I, S.59. — Derselbe, Apparat zur 
volumetrischen Bestimmung von Wasserstoff, Methan und Stickstoff in Gasgemischen. 
Chem. Zentralbl. 1899, Bd. I, S. 636. — Siehe ferner A. Gautier, Grenzen der Verbrenn- 
barkeit des Wasserstoffs und der kohlenstoffhaltigen Gase durch rotglühendes Kupfer- 
oxyd, wenn sie mit einem großen Volumen Luft verdünnt sind. Comptes rendus de 
l’Acad des sciences de Paris. T. 130, p. 1353 (1900); Chem. Zentralbl. 1900, Bd. II. 
S.15. — @.v. Knorre, Über die Analyse des Leuchtgases und ähnlich zusammenge- 
setzter Gasgemische, insbesondere über die Stickstoffbestimmung im Leuchtgase. Chem.- 
Zeitg. Bd. 33, S. 717 (1909). — V. Nesmjelow, ]. ce. 

®) H. Moissan, Darstellung und Eigenschaften des Natriumhydrürs. Comptes 
rendus de l’Acad. des sciences de Paris. T. 134, p. 71 (1902); Chem. Zentralbl. 1902, 
Bd. I, S.397. — Vgl. auch: M.W. Travers, Experimentelle Untersuchung von Gasen. 
Braunschweig (F. Vieweg & Sohn) 1905, S. 41. 

®) Siehe darüber z. B.: Cl. Winkler, Lehrbuch der techn. Gasanalyse. Freiberg 
(Engelhardtsche Buchhandlg.), 2. Aufl., 1892, S. 74. 

*) O. von der Pfordten, Neues Absorptionsmittel für Sauerstoff. Liebigs Annal. 
d. Chem. u. Pharm. Bd. 228, S. 112 (1885). — Vgl. auch: Derselbe, Untersuchungen 
über das Titan, ebenda Bd. 234, S. 257 (1886). 

5) Vgl.: W. Hempel, Gasanalytische Methoden. 3. Aufl., 1900, Braunschweig 
(F. Vieweg & Sohn), S. 138. 

6) P. Jannasch und Vikt. Meyer, Über die Bestimmung des Kohlenstoff-, Wasser- 
stoff- und Stickstoffgehaltes organ. Verbindungen durch eine und dieselbe Verbrennung. 
Liebigs Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. 233, S. 379 (1886). 

‘) Vgl. z.B.: Jul. Meyer, Zur Kenntnis der hydroschwefligen Säure. Zeitschr. f. 
anorg. Chem. Bd. 34, S. 51 (1903). 

°) H. Franzen, Über die Verwendung des Natriumhydrosulfits in der Gasanalyse. 
Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 39, S. 2069 (1906). — Siehe auch: Derselbe, Zur 
Analyse hochprozentiger Gase. Zeitschr. f. anorg. Chem. Bd. 57, S. 397 (1908). 

°®) M. Dennstedt und F. Hassler, Die gleichzeitige Bestimmung des Stickstoffs 
mit Kohlenstoff, Wasserstoff usw. in organischen Verbindungen nach der Methode der 
vereinfachten Elementaranalyse. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 4, S. 2780 (1908). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 409 


Absorption ist genügend schnell, und das dabei gebildete Kupferchlorid 
setzt sich mit dem metallischen Kupfer sehr rasch wieder zu Chlorür 
um. Die Gegenwart einer geringen Menge Schwefelsäure vergrößert an- 
scheinend die Geschwindigkeit der Sauerstoffabsorption. Die Flüssigkeit 
bleibt brauchbar, solange noch Kupfer vorhanden ist, wenn man nur ab 
und zu einen Teil der Flüssigkeit durch Salzsäure ersetzt. Ammoniaka- 
lische Kupferchlorürlösung gibt leicht etwas Stickstoff ab.!) Zu beachten 
ist bei diesen kupferhaltigen Absorptionsflüssigkeiten, daß sie auch Kohlen- 
oxyd (siehe unten, S. 410) zu binden vermögen. 

Ein sehr bequemes Absorbens für Sauerstoff ist gelber Phosphor 
in Form von Stengelchen, unter Anwendung von destilliertem Wasser als 
Sperrflüssigkeit.?) Jedoch wird die Reaktionsfähigkeit des Phosphors durch 
die Gegenwart von geringsten Mengen Äthylen und anderen Kohlenwasser- 
stoffen, von ätherischen Ölen, Alkohol und anderen organischen Stoffen, sowie 
von Spuren Ammoniak verhindert. :) 

Ein Nachteil des Absorptionsmittels besteht ferner darin. daß sich 
Phosphor in reinem Sauerstoff unter gewöhnlichen Umständen nicht ohne 
weiteres oxydiert. 

Nach Centnerszwer*) wendet man daher besser eine 1-—-1!/,°/,ige 
Lösung von Phosphor in gereinigtem Ricinusöl an. Dieses Öl besitzt 
außer seinem ausgesprochenen Lösungsvermögen gegenüber Phosphor auch 
noch den Vorteil, daß es dessen Oxydationsprodukte auflöst, so daß die 
Lösungen auch bei längerem Gebrauch klar bleiben. Man kann mit der 
Phosphorlösung Sauerstoff auch im Gemenge mit kohlenwasserstoff- 
haltigen Gasgemischen quantitativ binden. In diesem Falle erwärmt 
man das Öl am besten etwas. 

Zu erwähnen ist endlich als Absorptionsmittel für Sauerstoff glühendes 
Kupfer, das man am besten — wie in der Elementaranalyse üblich — 
in Form von Drahtnetz anwendet.) 

Bezüglich der quantitativen Bindung von Sauerstoff in Gasgemischen 
mittelst einer alkalischen Ferrosulfat-Brenzkatechinlösung sei auf die 
Öriginalarbeit verwiesen.*) Über die rasche Absorption von in Wasser 
gelöstem Sauerstoff durch Natriumsulfit in Gegenwart geringster Spuren 
eines Kupfersalzes siehe unten (S. 479). 


) M. Dennstedt und F. Hassler, Die gleichzeitige Bestimmung des Stickstoffs 
mit Kohlenstoff, Wasserstoff usw. in organischen Verbindungen nach der Methode der 
vereinfachten Elementaranalyse. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 4, S. 2780 (1908). 

?) Siehe z. B.: Gasanalysator nach Gebhardt. Chem.-Zeitg. Bd. 31, S. 283 (1907). 

°) Graham, (uarterly-Journ. of Science. Vol. 11, p. 83 (1829). — Vgl. im übrigen 
die gasanalytischen Lehrbücher. 

#) M. Centnerszwer, Über den Gebrauch der Phosphorlösungen in der Gasanalyse. 
Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 494 (1910). 

°) Siehe z. B.: E. Tiede und E. Domcke, Zur Frage des aktiven Stickstoffs II. 
Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 47, S. 420 (1914). 

©) K. Binder und R. F. Weinland, Über eine neue scharfe Reaktion auf elemen- 
taren Sauerstoff. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 46, S. 255 (1913). 


410 Richard Kempf. 


06) Absorptionsmittel für Stickstoff. 
Zur Bindung von Stickstoff kann erhitztes Kalziumkarbid dienen.!) 
Ein Karbid mit 10°/, Chlorkalziumzusatz ist schon bei 800° ein rasch 
wirkendes Absorptionsmittel für Stickstoff. Es kann, da es auch den Luft- 
sauerstoff bindet, zur Darstellung von Argon aus der Luft dienen.?) 


ge) Absorptionsmittel für Kohlenoxyd. 


Das gewöhnliche Absorptionsmittel für Kohlenoxyd besteht, wie 
bereits erwähnt, in einer salzsauren oder ammoniakalischen Kupferchlorür- 
lösung.) Jedoch bindet erhitztes Kalziumkarbid ebenfalls dieses Gas.*) 

Wegen seiner verhältnismäßig niedrigen kritischen Temperatur 
(190°) läßt sich Kohlenoxyd durch Kondensation nur von Wasser- 
stoff (krit. Temp.: —252°) gut trennen (vgl. oben, S. 388 — 390). 


SI) Absorptionsmittel zur Reinigung von Edelgasen. 

Zur Reindarstellung von Argon aus der Luft erwies sich Kalzium- 
karbid mit einem Zusatz von 10°/, Chlorkalzium bei zirka 800° als gut 
geeignet (vgl. oben). 

Nach @ehlhof 5) absorbieren auch die Alkalimetalle bei der Glimm- 
entladung die meisten gasförmigen Beimengungen der Edelgase, z. B. Luft, 
Leuchtgas, Kohlenoxyd. Kalium absorbiert bei der Glimmentladung bereits 
bei einer Temperatur von 200°, Natrium erst bei 300°. Auch Stickstoff 
und Wasserstoff kann auf diesem Wege gereinigt werden. 

In ähnlicher Weise kann man nach Stark*) auch reines Argon ge- 
winnen. Fügt man zu dem Gemisch von Argon, Sauerstoff und Stickstoff 
Quecksilberdampf und läßt das Gasgemenge von einem Glimmstrom 
durchfließen, so aktiviert dieser sowohi den Sauerstoff wie den Stickstoff. 
Es setzt sich auf der Glaswand Quecksilberoxyd und Quecksilbernitrid ab 
und Argon bleibt rein im Rohr zurück. 


') Siehe z. B.: @. Bredig, Über Kalkstickstoff. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 13, 
S. 69 (1907); Chem. Zentralbl. 1907, Bd. II, S. 1095. 

?) Franz Fischer, Über die Darstellung von Argon aus Luft mit Kalziumkarbid. 
Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 40, S. 1110 (1907) und Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 13, 
S. 107 (190%). — F. Fischer und O. Ringe, Die Darstellung von Argon aus Luft mit 
Kalziumkarbid. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 41, S. 2017 (1908). — F. Fischer und 
©. Hähnel, Über die Reindarstellung von Argon und Stickstoff. Ber. d. Deutsch. chem. 
Ges. Bd. 43, S. 1435 (1910). 

®) Siehe im übrigen z. B.: E. Czakö, Bemerkungen über die Leuchtgasanalyse 
mit der Bunte-Bürette, besonders über die Bestimmung des Kohlenoxydes. Journ. f. 
Gasbel. u. Wasservers. Bd. 57, S. 169 (1914). — Zu beachten ist, daß die Lösungen des 
Kupferchlorürs auch Acetylen und Äthylen absorbieren; vel. W. Hempel, 1. e. S. 186. 

4) Vgl. z. B.: €. Graebe, Über die Darstellung von Ballongas. Chem.-Zeitg. Bd. 35, 
Rep. 8.143 (1911). — Nass, Über Ballonfüllease. Ebenda. Bd. 35, S. 166 (1911). 

°) Gehlhoff, Eine einfache Methode zur Reindarstellung von Edelgasen, Stickstoff 
und Wasserstoff. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 340 (1911). 

6) J. Stark, Ein einfaches Verfahren zur Darstellung von Argon. Physikal. 
Zeitschr. Bd. 14, S. 497 (1913). 


un 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik*“. 411 


Über die Isolierung von Neon aus Gasgemischen mit Hilfe elektrischer 
Entladungen zwischen Kohle- oder Metallelektroden nach Claude siehe 
oben (8. 392). 

Nach Ebler!) absorbiert kolloidales, trockenes Kieselsäurehydrat 
(von der ungefähren Zusammensetzung 4 SiO,.3 H,O) in reichlichem 
Maße Radiumemanation. 


2. Entwässern organischer Flüssigkeiten. 
(Vgl. Bd. I, S. 202—206.) 


a) Allgemeines. 
(Vgl. S. 202—203.) 

Beim Entwässern organischer Flüssigkeiten muß man zwischen sus- 
pendiertem und gelöstem Wasser unterscheiden. Das erstere gibt sich 
meist an einer opaleszierenden oder milchigen Trübung der organischen 
Flüssigkeit zu erkennen. Um diese suspendierten Wassertröpfchen zu ent- 
fernen, genügen häufig mechanische oder physikalische Reimigungs- 
methoden. 

In Rohölen, Gasteeren usw. liegen häufig Emulsionen von Petroleum 
oder dgl: mit Wasser, Salz und Schmutz vor. Infolge der starken Ober- 
flächenspannung der suspendierten Teilchen der schweren Öle läßt sich das 
Wasser aus diesen Emulsionen durch bloßes Erwärmen nur sehr schwer 
abscheiden. Nach Dittersdorf?) gelingt es nun, diese Oberflächenspannung 
durch mechanische Einwirkung scharfgekörnter Materialien, z. B. scharfen 
Sand, feinen Glassplittern, Eisenspänen oder del., aufzuheben, so dal) die 
suspendierten Ölkügelchen zusammenfließen und Öl und Wasser sich von- 
einander trennen. Man mischt entweder die erwärmte Emulsion mit den 
scharfkörnigen Materialien mittelst Luftgebläse oder mechanischem Rühr- 
werk oder bewirkt die Mischung in erwärmten Filtern, die mit den Ma- 
terialien gefüllt werden. 

Nach den Untersuchungen von Meunier und Maury?®) über Emul- 
sionen von Fetten und Ölen mit Wasser und wässerigen Lösungen nimmt 
die Stabilität der Emulsionen bei gleicher Temperatur zu, wenn die Ober- 
flächenspannung zwischen dem Öl und den Emulsionsteilchen abnimmt. 
Zusätze von Mineralsalzen, Alkalien, Säuren setzen die Oberflächenspan- 
nung zwischen Öl und Wasser herab und begünstigen daher die Bildung 


1) E. Ebler, Herstellung von Radium-Emanations-Präparaten. D.R.-P. 270.705; 
Chem.-Zeitg. Bd. 38, Rep. S. 158 (1914). 

2) L. Dittersdorf, Verfahren zur Abscheidung von Wasser aus Rohöl, Rohöl- 
destillaten, Teeren, Gasteeren oder dgl. D. R.-P. 257.194; Kolloid-Zeitschr. Bd. 13, S. 227 
(1913). 

3) L. Meunier und Maury, Die Emulsion der Fette. Ledermarkt; Collegium. 
1910, S. 277; Chem. Zentralbl. 1910, Bd. II, S. 1416. — Vgl. auch: L. Meunier, Der- 
zeitiger Stand unserer Kenntnisse über die Emulsionen. Ledermarkt; Collegium. 1910, 
S. 222; Chem. Zentralblatt. 1910, Bd. II, S. 358. 


412 Richard Kempf. 


von Emulsionen. Nach Breda!) ist es auch durch Anlegung einer elek- 
trischen Potentialdifferenz möglich, Ölemulsionen zu zerstören und 
das Öl zu größeren schlammigen Flocken zusammentreten zu lassen. 

Zu den Emulsionen lassen sich auch die Nebelin feuchten organischen 
Flüssigkeiten rechnen. Aus Benzol setzt sich der Feuchtigkeitsnebel sehr 
bald ab, beim Petroleum dauert der Vorgang merklich länger, und beim 
Paraffinöl sowie beim Transformatorenöl setzt sich der Nebel auch im 
Verlaufe von Monaten nicht vollständig ab.?) Durch Zentrifugieren dürfte 
sich hier häufig Abhilfe schaffen lassen. 

Nach Ssussanof) kann man das in Erdölen suspendierte Wasser 
durch Zusatz von Benzin zur Abscheidung bringen. Man läßt bei 
Zimmertemperatur oder unter Erwärmung auf 70° ruhig absetzen. Zentri- 
fugieren beschleunigt den Vorgang. Manche Sorten Naphtha leisten aber 
allen Versuchen, sie auf diese Weise zu entwässern, hartnäckigen 
Widerstand. 

Geringe Mengen wasserhaltiges Chloroform können durch Einführen 
von Filtrierpapierstreifen, die mit Wasser schwach angefeuchtet sind, 
leicht und schnell getrocknet werden. Die Papierfaser saugt das vorhan- 
dene Wasser bis auf einen Rest von etwa 05°, auf. Auch in Chloroform 
gelöstes Jod kann nach diesem „Eintauchverfahren“ entfernt werden. Man 
feuchtet Filtrierpapier mit einer Lösung von 2 g Jodkalium in 10 cm3 
Wasser schwach an und taucht es wiederholt in die Chloroformlösung, bis 
diese völlig entfärbt ist. *) 

Über das Trocknen von Benzol liegen sich widersprechende Angaben 
vor. Nach Groschuf) kann man Benzol leicht mit Hilfe von Natrium 
(siehe unten S. 418) völlig trocknen, nach Goldschmidt *) bereitet es da- 
gegen große Schwierigkeiten, ein völlig wasserfreies Präparat zu erhalten: 
es gelang dies nur mittelst Durchleitens eines völlig trockenen Luftstromes 
durch das Benzol, bis sein Gefrierpunkt einen Maximalwert erreicht hatte. 
Die Verluste waren bei diesem Verfahren natürlich beträchtlich. Durch 
Destillation ließ sich der geringe Wassergehalt, der sich fast immer 
vorfindet, nicht entfernen, auch nicht mit konzentrierter Schwefelsäure. 
Durch Zusatz von Phosphorpentoxyd wird zwar alles Wasser gebunden, 


') H. Breda, Dampfwasserentölung durch Elektrolyse. Elektrochem. Zeitschr. 
Bd. 18, S. 157 (1911); Chem. Zentralbl. 1911, Bd. II, S. 1969. 

?) E. Groschuff, Über die Löslichkeit von Wasser in Benzol, Petroleum, Paraffin- 
öl. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 17, S. 354 (1911). 

°) J. Ssussanoff, Abscheidung des in Erdölen suspendierten Wassers. Nephtanoje 
Djelo. 1910, Nr. 22; Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 85 (1911). 

*) ©. L. Jackson und A. H. Fiske, Verfahren zum Reinigen und Trocknen orga- 
nischer Flüssigkeiten. Amer. Chem. Journ. Vol. 44, p. 438 (1910); Chem.-Zeitg. Bd. 35, 
Rep. S. 30 (1911). 

5) E. Groschuf, Über die Löslichkeit von Wasser in Benzol, Petroleum, Paraffin- 
öl. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 17, S. 348 (1911). 

6) H. Goldschmidt, Über den Nitrierungsprozeß. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 642 
(1913). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 413 


aber beim Abdestillieren nimmt das entwässerte Benzol wieder Wasser aus 
der Luft auf. 

Häufig gelingt es, organische Flüssigkeiten dadurch von ihrem 
Wassergehalt zu befreien, daß man sie mit indifferenten, wasserunlöslichen 
Lösungsmitteln, die spezifisch leichter als Wasser sind und höher sieden 
als dieses, wie Xylol, Petroleum, Amylazetat, versetzt und dann die Mi- 
schung der Destillation unterwirft.!) Man kann sogar auf diese Weise den 
Wassergehalt sowohl fester wie flüssiger Stoffe quantitativ bestimmen, 
indem man das übergegangene Gemisch von Wasser und organischer Flüssig- 
keit in einem graduierten Gefäß auffängt und das Wasservolumen mißt.?) So 
kann man z.B. den Wassergehalt von Getreide, Malz, Hopfen, Biertrebern, 
Gerste, Mehl, Stärke), Butter 3), Honig‘), Eiereiweiß, Leinsamenmehl, Säge- 
spänen 5), Käse °), Gemüse”), Brennstoffen ®) usw. bestimmen. Besonders 
gute Dienste leistet das Verfahren bei der Wasserbestimmung in Flüssig- 
keiten oder leicht schmelzbaren Körpern. Für diese Zwecke hat zu- 
erst Mareusson?) eine praktische Methode ausgearbeitet. Die Versuchs- 
anordnung, wie sie zur Untersuchung von Ölen, Fetten, Seifen und Harzen 
anwendbar ist, stellt Fig. 172 dar. 

Man erhitzt 20—100 g Fett mit 100 cm? Xylol unter Zusatz einiger 
Bimssteinstückchen in einem Ölbade und fängt das durch einen kurzen 
Kühler verdichtete Destillat in einem 100 cm fassenden, nach unten sich 
verengenden und in !/,, cm3 geteilten Meßzylinder (Fig. 173) auf. Die Fett- 
menge ist so zu bemessen, dal das Volumen des Wassers höchstens 10 cm? 
und mindestens einige Zehntel Kubikzentimeter beträgt. Man destilliert 
das angewandte Xylol fast vollständig ab und spült etwa im Kühlrohr be- 
findliche Wassertröpfehen mit etwas Xylol nach. Den das Destillat ent- 
haltenden Meßzylinder stellt man bis zur klaren Trennung der Xylol- und 


1) Vgl. über diese Methode auch dieses Handbuch, Bd. VI, S. 735. 

2) J. F. Hoffmann, Über die neueren Wasserbestimmungsverfahren mit Hilfe der 
Destillation. Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 21, S. 2095 (1908). Hier findet sich auch eine 
Literaturzusammenstellung über dieses Gebiet. 

3) Nach Sjollema (1904); vgl.: C. Aschmann und J. P. Arend, Direkte Bestim- 
mung des Wassers in Butter und anderen Fetten. Chem.-Zeitg. Bd. 30, S. 953 (1906). 

#) U. Fabris, Über die Bestimmung des Wassers in Honig. Zeitschr. f. Unters. d. 
Nahr.- und Genußmittel. Bd. 22, S. 353 (1911). 

5) S. S. Stadtler, Die Bestimmung von Feuchtigkeit durch Destillation. Journ. of 
Ind. and Engin. Chem. Vol. 2, p. 66 (1910); Chem. Zentralbl. 1910, Bd. II, S. 38. 

6) S. S. Stadtler, 1. c. — C. Mai und E. Rheinberger, Die Wasserbestimmung im 
Käse. Zeitschr. f. Unters. der Nahr.- und Genußmittel. Bd. 24, S. 125 (1912). 

?) St. v. Haydin, Über die Bestimmung des Wassergehaltes von Gemüsen mit 
F. Hoffmanns Wasserbestimmungsapparat. Zeitschr. f. Unters. der Nahr.- u. Genußmittel. 
Bd. 25, S. 158 (1913). 

8) P. Schläpfer, Die Wasserbestimmung in festen und flüssigen Brennstoffen durch 
Destillation mit Xylol. Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 27, Aufsatzteil S. 52 (1914). 

9) J. Marcusson, Bestimmung des Wasser- und Säuregehaltes von Schmierfetten 
(konsistenten Fetten). Mitteil. aus dem Kgl. Materialprüfungsamt zu Berlin-Lichterfelde. 
Bd. 22, S.48 (1904). — Derselbe, Die Bestimmung des Wassergehaltes von Ölen, 
Fetten, Seifen, Harzen usw. Ebenda. Bd. 23, S. 58 (1905). 


414 Richard Kempf. 


Wasserschicht in warmes Wasser und stößt die an den Wandungen haf- 
tenden Wasserbläschen nach unten. Die Ablesung erfolgt nach Einstellen 
in Wasser von 15°. 1) 

Das Verfahren ist besonders dann am Platze, wenn in einer Probe 
außer Wasser noch flüchtige oder beim Erhitzen veränderliche Stoffe, z. B. 
flichtige Fettsäuren, ätherische Öle, Benzin usw., zugegen sind, ferner 
bei Gemischen von Ölen mit Seifen, die das Wasser bei dem üblichen 


Fig. 172. Fig.173. 


E 


SE. 
E ei 


nocecMm, 


BD DLD 


Gehe lnulnlund 


Graduierte Röhre für den Apparat zur 
Wasserbestimmung nach Marcusson. 


Verfahren (mehrmaliges Ab- 
dampfen mit absolutem Alko- 
hol) hartnäckig zurückhalten. 
Michel?) empfahl für 
Gyr = = derartige Wasserbestimmun- 
Apparat zur Wasserbestimmung in festen Körpern und gen die Anwendung eines Ge- 
Flüssigkeiten nach Marcusson. L 
misches von Toluol und 
Xylol und führte damit Versuchsbeispiele an Honig, Butter und Milch 
aus. Die Arbeitsweise und die Berechnung samt den anzubringenden Kor- 
rekturen beschrieb Michel eingehend. Die Resultate wurden gewichtsana- 
Iytisch kontrolliert; als Fehlergrenzen ergaben sich etwa + 0'2°/,. 
Über die Trocknung von Alkohol nach dieser Methode siehe die 
Literatur:) (vgl. auch dieses Handbuch, Bd. VI, S. 736). 


1) Vgl.: J. Marcusson, Laboratoriumsbuch für die Industrie der Öle und Fette. 
Halle (W. Knapp) 1911, S. 44. 

?) F. Michel, Zur direkten Wasserbestimmung in Nahrungsmitteln und Gebrauchs- 
gegenständen durch Destillation. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 353 (1913). 

3) Vgl.z. B.: @. Charanne, Über eine Anwendung der Youngschen Methode zur 
Darstellung des absoluten Alkohols. Bull. Soc. Chim. Belgique. T.27, p.205 (1913); 
Chem. Zentralbl. 1913, Bd. 11, S. 1376. 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 415 


b) Einige Trockenmittel für Flüssigkeiten. 
(Vgl. S. 203—206.) 


«) Natriumsulfat. 


Nach v. Siebenrock !) trocknet das viel empfohlene wasserfreie Na- 
triumsulfat feuchten Äther nur sehr unvollkommen. 

Zum Trocknen von ÖOrganbrei, wässerigen tierischen oder 
pflanzlichen Flüssigkeiten verführt man nach Njegovan ?) zweckmäßig 
folgendermaßen. 

Man erwärmt das Material in einer Reibschale auf etwa 40°, setzt 
bei dieser Temperatur nach und nach unter beständigem Umrühren wasser- 
freies Natriumsulfat (für je 19 Wasser etwa 0'794 Na,SO,) hinzu, stellt 
dann die Schale in kaltes Wasser und rührt weiter. Unterhalb 33°, dem 
Umwandlungspunkt von Natriumsulfat in Glaubersalz (Na;,SO, + 10 H,O), 
wird die Masse fest. Das entstandene Pulver trocknet man in dünnen 
Schichten im Vakuumexsikkator über Schwefelsäure (für je 100g H,O 
etwa 300 cm® H,SO,) und extrahiert dann das Material, das nur noch aus 
der Trockensubstanz des Versuchskörpers und wasserfreiem Natriumsulfat 
besteht, mit den gewöhnlichen wasserfreien Lösungsmitteln. 


B) Kupfersulfat. 


Das wasserfreie Salz ist wegen seiner Bläuung bei der Wasserauf- 
nahme ein guter, wenn auch nicht sehr scharfer Indikator für geringe 
Mengen von Feuchtigkeit in organischen Lösungsmitteln, z. B. in Alkohol 
(siehe oben S. 363), Benzol usw. Dagegen färbt es sich in feuchtem 
Paraffinöl nicht merklich, in Petroleum erst nach einigen Tagen kaum 
erkennbar. 3) 

Auch zum Entwässern von Ameisensäure und Essigsäure kann 
wasserfreies Kupfersulfat dienen. Man trägt z. B. 100 kg des Salzes unter 
Rühren allmählich in etwa 300 kg 80°/,iger Ameisensäure ein, läßt die 
Mischung erkalten und absetzen und behandelt die Säure, die bereits eine 
Konzentrationszunahme von 10—12°/, zeigt, nochmals mit der erforder- 
lichen Menge Kupfersulfat in gleicher Weise. Die Destillation der vom 
Kupfersulfat getrennten Säure liefert ein fast wasserfreies Produkt. Das 
zurückbleibende Salz wird kalziniert and wieder verwendet. ®) 


1) E.v. Siebenrock, Über das Trocknen von feuchtem Äther. Chem.-Zeitg. Bd. 33, 
S. 1213 (1909). 

2) V. Njegovan, Verbessertes Verfahren zum Trocknen von wässerigen, tierischen 
und pflanzlichen Flüssigkeiten, Organbrei usw. mit wasserfreiem Natriumsulfat. Biochem. 
Zeitschr. Bd. 43, S. 203 (1912); Chem. Zentralbl. 1912, Bd. II, S. 1468. 

3) E. Groschuff, Über die Löslichkeit von Wasser in Benzol, Petroleum, Paraffin- 
öl. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 17. S. 348 (1911). 

#) Chem. Fabrik Griesheim-Elektron, Frankfurt a.M., Konzentrieren von Ameisen- 
säure oder Essigsäure durch Behandlung mit wasserbindenden Salzen. D. R.-P. 230.171; 
Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 79 (1911). 


416 Richard Kempf. 


y) Kalziumchlorid. 


Wie bereits erwähnt, geht Kalziumchlorid mit vielen Alkoholen 
Verbindungen ein. Mit Methylalkohol bildet es z.B. die Verbindung Ca(], . 
4 CH, . OH.) 

Beim Trocknen alkaliempfindlicher Stoffe, z.B. von Wasserstoff- 
persulfid, mittelst gekörnten Chlorkalziums empfiehlt es sich, zunächst 
einige Zeit trockenes Salzsäuregas über das Trockenmittel zu leiten, ehe 
man es verwendet. ?) 


Zum Trocknen von Transformatorenöl eignet sich Chlorkalzium besser 
als metallisches Natrium?) (vgl. unten, S. 418). 


9) Kalziumbromid. 


Zum Trocknen von Brom*), sowie bromhaltigen oder Brom leicht 
abgebenden Substanzen >) wendet man zweckmäßig an Stelle des Chlorids 
das Bromid des Kalziums an. 


e) Kalziumozyd. 


Um Alkohol nach der Methode von Mendelejew®) rasch völlig zu ent- 
wässern. kocht man ihn zweckmäßig mit Kalk. So wurde z. B. bei der Dar- 
stellung von Cholesteryl-äthyläther absoluter Alkohol erst 24 Stunden mit 
groben Stücken frisch aus Marmor hergestellten Kalks gekocht und dann 
nach zweitägigem Stehen und Zusatz von frischen Kalkstücken unter sorg- 
fältigem Abschluß der Luftfeuchtigkeit destilliert. ”) 


Ö) Baryumozyd. 


Als Entwässerungsmittel für Hydrazin empfahlen Hale und Shet- 
terly°; neben Baryumhydroxyd und Natriumhydroxyd ganz besonders 
Baryumoxyd. 


') R. Kane, Beiträge zur Geschichte des Holzgeistes und seiner Verbindungen. 
Liebigs Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. 19, S. 168 (1836). 

?) J. Bloch und F. Höhn, Über Wasserstoffpersulfid. I. Geschichte und rohes 
Wasserstoffpersulfid. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 41, S. 1967 (1908). 

») Tobey, The Electrieian. Vol. 66, p. 492 (1911). 

*) Siehe z.B.: R. Kempf, Halogengruppe. Handbuch der Methoden der organi- 
schen Chemie von Th. Weyl, Leipzig (G. Thieme) 1911. Bd. II, S. 1085. 

°) Vgl. z.B.: H. Rupe und S. Kessler, Der Einfluß negativer Gruppen auf die 
Bildung der Semikarbazone. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 42, S. 4716 (1909). 

©) D. Mendelejew, Über die Verbindungen des Alkohols mit Wasser. Poggendorffs 
Annal. d. Physik u. Chem. Bd. 138, S. 246 (1869). 

”) O0. Diels und P. Blumberg, Über eine Methode zur Darstellung von Chole- 
sterinäthern. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 44, S. 2849 (1911). 

°) ©. F. Hale und F. F. Shetterly, Apparat zur Darstellung von wasserfreiem Hy- 
drazin. Journ. Amer. Chem. Soc. Vol. 33, p. 1071 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. 
S. 429 (1911). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 417 


7) Kalziumkarbid. 


Grob gepulvertes Kalziumkarbid kann zum Trocknen von Alkohol 
dienen.!) Es entwickelt unter Bildung von Kalziumhydrat mit feuchtem 
Alkohol eine dem Wassergehalt äquivalente Menge Azetylen. Die geringen 
Mengen Azetylen, die im Alkohol gelöst bleiben, können durch Schütteln 
mit wasserfreiem Kupfersulfat und nochmaliges Destillieren entfernt werden. ?) 
An der Bildung von Gasblasen auf Zusatz von Kalziumkarbid ist zu er- 
kennen, ob ein Alkohol wasserfrei ist (vgl. oben, S. 363. ferner S. 406). 


%) Kalihydrat. 


Nach Lockemann ®) läßt sich Pyridin am besten in der Weise völlig 
vom Wasser befreien, daß man es, wie Naumann) und Walden 5) vorge- 
schlagen haben, nach längerem Stehen über festem Ätzkali unter Aus- 
schluß der Luftfeuchtigkeit destilliert und in einem Exsikkator neben 
Phosphorpentoxyd aufbewahrt. 


ı) Aluminiumoayd. 


Nach Johnson ®) ist Aluminiumoxyd, wie es durch Erhitzen des Hydr- 
oxydes bei niedriger Temperatur erhalten wird, ein gutes Trocknungsmittel 
(vgl. oben, S.406). Es geht in Berührung mit Wasser unter Wärmeent- 
wicklung in sein Hydrat über: 


AO, +H,0 7 ” 2A10 (OH). 


Kalziumbromid, Zinkbromid und Zinkchlorid, sowie konzentrierte Schwefel- 
säure stehen in ihrer trocknenden Wirkung dem Aluminiumoxyd weit nach. 


!) P. Yvon, Über die Anwendung des Kalziumkarbids zur Darstellung von absolutem 
Alkohol. Compt. rend. de l’Acad. des sciences. T. 125, p. 1181 (1897); Chem. Zentralbl. 
1898, Bd. I, S. 319. — Siehe auch: J. Masson, Die Einwirkung von Kristallwasser auf 
Kalziumkarbid. Journ. Chem. Soc. London. Vol. 97, p. 851 (1910); Chem. Zentralbl. 1910. 
Bd. II, S.138. — Derselbe, Die Benutzung von Kalziumkarbid zur Bestimmung von 
Feuchtigkeit. Chem. News. Vol. 103, p. 37 (1911); Chem. Zentralbl. 1911, Bd. I, S.588. — 
Irvine, Die Verwendung von Kalziumkarbid zur Feuchtigkeitsbestimmung. Chem. News. 
Vo1.103, p.37 (1911); Chem.-Zeitg. Bd.35, Rep. S. 93 (1911). — A. Korff-Petersen, 
Die Verwendung von Kalziumkarbid zur Bestimmung der Mörtelfeuchtigkeit. Zeitschr. 
f. Hyg. u. Infektionskrankheiten. Bd. 75, S. 236 (1913); Chem. Zentralbl. 1914, Bd. I, S. 71. 

?) Vgl. aber auch: E. Ostermayer, Zur Darstellung von absolutem Alkohol mittelst 
Kalziumkarbids. Pharm.-Zeitg. Bd.43, S.99 (1898); Chem. Zentralbl. 1898, Bd. I, S.658. — 
Ferner: D. Vitali, Über die Anwendung von Kalziumkarbid zur Darstellung von abso- 
lutem Alkohol und zum Nachweis von Wasser in Alkohol, Äther, Chloroform ete. Boll. 
chim. Farm. Vol. 37, p. 257 (1898); Chem. Zentralbl. 1898, Bd. I, S. 1225. 

®) G. Lockemann, Über eine Darstellungsmethode für «a-benzoylierte Phenyl- 
hydrazine. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 43, S. 2224 (1910). 

*) A. Naumann, Reaktionen von Salzen in nichtwässerigen Lösungen. Ber. d. 
Deutsch. chem. Ges. Bd. 37, S. 4609 (1905). 

5) P. Walden und M. Centnerszwer, Über die Molekulargrößen einiger Salze in 
Pyridin. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 55, S. 321 (1906). 

6) @. Johnson, Aluminiumoxyd als troeknendes Agens. Journ. Amer. Chem. Soe. 
Vol. 34, p. 911 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 589 (1912). 

Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VII. 97 


418 Richard Kempf. 


x) Schwefelnatrium. 


Wasserfreies Schwefelnatrium kann zur Herstellung von absolutem 
Alkohol dienen: es wirkt auf Alkohol nicht ein, entwässert rasch und voll- 
ständig und kann durch einfaches Erhitzen regeneriert werden. !) 


%) Kaliumfluorid. 

Nach Frankforter und Frary?) ist Fluorkalium oft ein besseres 
Trockenmittel für Flüssigkeiten als Pottasche, da der Dampfdruck seiner 
gesättigten Lösung geringer ist, als der einer gesättigten Pottaschelösung. 
Auch wegen seiner größeren Löslichkeit in organischen Flüssigkeiten ist 


das wasserfreie Kaliumfluorid der Pottasche als wasserentziehendes Mittel 
gelegentlich vorzuziehen (vgl. S. 334, 364 u. 386). 


».) Natrium und Kalium. 


Zum Trocknen von Benzol wirkt nach Groschuf?) unter den ge- 
bräuchlichen Trockenmitteln Natrium am besten; sobald die Wasserstoff- 
entwicklung aufgehört hat, bewirken selbst frische Natriumflächen auch 
bei erhöhter Temperatur in der Regel keine weitere Gasentwicklung mehr 
(vgl. oben, S. 412). 

Dagegen ist Natrium zum Trocknen von Petroleum?) und ebenso von 
Transformatorenöl®) wenig geeignet. An Wasser gesättigtes Petroleum, 
das etwa S Tage ruhig über Natriumstücken gestanden hatte, enthielt 
noch soviel Wasser, dal bei der Destillation der erste Vorlauf sehr merk- 
lich getrübt wurde. Diese Reaktionsträgheit des Natriums (und ebenso des 
Kaliums), die in erster Linie durch die auf den Schnittflächen der Metalle 
gebildete Oxydhaut und die im Vergleich zum Benzol größere Viskosität 
der Flüssigkeiten veranlaßt wird, läßt sich in sehr einfacher Weise be- 
seitigen, indem man bei erhöhter Temperatur arbeitet und oxydfreies, 
geschmolzenes Alkalimetall verwendet: Beim Schütteln, besser noch beim 
Destillieren des Öls werden die etwa gebildeten Oxydhäute immer wieder 
von dem flüssigen Metall losgerissen. Der Destillationsapparat darf mit 
der Außenluft nur durch ein Chlorkalziumrohr kommunizieren, alle Glas- 
teile müssen vorher durch Erhitzen von ihrer Wasserhaut befreit werden. 

v) Kalium- Natrium. 

Für die Trocknung von Petroleum und Paraffinöl eignet sich eine 
bei Zimmertemperatur flüssige Legierung von Kalium und Natrium ebenso 
gut, wie geschmolzenes Natrium, vielleicht noch besser als dieses 3) (siehe 
oben). Die Legierung wird aus etwa drei Teilen Kalium und einem Teil 


'!) Chem. Fabrik Griesheim-Elektron, Herstellung von absolutem Äthylalkohol. 
D. R.-P. Nr. 236.591; Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 435 (1911). 

?) @. B. Frankforter und F.C. Frary, Gleichgewicht in Systemen, die Alkohole, 
Wasser und Salze enthalten, mit einer neuen Methode der Alkoholanalyse. Journ. of 
Physical Chem. Vol. 17, p. 402 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 421. 

>) E. Groschuff, Über die Löslichkeit von Wasser in Benzol, Petroleum, Paraffinöl. 
Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 17, S. 348 (1911). 

#) Tobey, The Electriceian. Vol. 66, p. 492 (1911). 


en NE ER N We SE mW en 2 1 2 a 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik*“. 419 


Natrium unter Petroleum zusammengeschmolzen, unter Benzol aufbewahrt 
und für die Destillation mit einer Pipette entnommen. 


£) Schwefelsäure. 


Auch durch Schütteln mit konzentrierter Schwefelsäure und Abheben 
im Scheidetrichter werden manche Flüssigkeiten, z. B. Äther), Brom ?) 
oder dgl., entwässert. Nach Scheffer?) erhält man einen völlig trockenen 
Äther, wenn man das reine käufliche Produkt zuerst zweimal mit kon- 
zentrierter Schwefelsäure schüttelt, dann über Natriumsulfat und zuletzt 
über Natrium trocknet und destilliert. Die vom Äther abgelassene Schwefel- 
säureschicht enthält stets reichlich gelösten Äther. Durch Versetzen mit 
demselben Volumen Wasser kann er zum großen Teil wieder abgeschieden 
werden, ist nun aber natürlich nicht als rein zu betrachten. 


Nachträge zum siebenten Kapitel. 


Prüfen auf Reinheit. 
(Vgl. Bd. I, S. 206—215.) 


I. Schmelzpunkts- und Gefrierpunktsbestimmung. 
(Vgl. Bd. I, S. 206—-214.) 


1. Allgemeines (vgl. S. 206—208). 


Wie bereits erwähnt (vgl. oben, S. 552), trifft die Regel, daß eine 
Substanz rein ist, wenn sich ihr Schmelzpunkt nach wiederholter Vornahme 
eines Reinigungsprozesses nicht mehr ändert, durchaus nicht immer zu. 

Z. B. bleibt der Schmelzpunkt mancher aus Fetten abgeschiedener 
Säuregemische konstant, so oft man sie auch umkristallisiert. In diesem 
Falle lösen sich die Säuren gegenseitig auf und bilden homogene Mischungen, 
die der Ausscheidung und Reindarstellung der einzelnen Säuren ganz 
außerordentliche Schwierigkeiten entgegensetzen.*) Ist das Verhältnis der 
Löslichkeiten zweier Komponenten eines Gemisches in einem Lösungsmittel 
gleich der Zusammensetzung des eutektischen Gemisches dieser beiden Kom- 
ponenten, so erhält man beim Umkristallisieren aus diesem Lösungsmittel 
stets ein Gemisch der beiden Stoffe mit konstantem Schmelzpunkt. 5) 


!) Nach Ullmann, Travaux pratiques de Chimie organique; vgl. z.B. Th. v. Fellen- 
berg, Bestimmung und Nachweis von Methylalkohol. Mitteilungen aus dem Gebiete der 
Lebensmitteluntersuchung u. Hygiene. Bd. 4, S. 128 (1913). — Siehe ferner dieses Hand- 
buch. Bd. I, S. 189. 

?) Vgl. z.B.: R. Kempf, Halogengruppe. 1. e. (Fußnote 4, S. 416.) 

®) F.E.C. Scheffer, Das System Äther-Wasser. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 84, 
8.729 (1913). 

*) Vgl.: J. Volhard, Justus v. Liebig. Leipzig (J. A. Barth) 1909, Bd. I, S. 168. 

°) R. Wegscheider, Eine Fehlerquelle bei der Charakterisierung chemischer In- 
dividuen. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 80, S. 509 (1912); Beibl. Annal. d. Physik. Bd. 37, 
S. 345 (1913). — Vgl. auch: R. Wegscheider und N. L. Müller, Untersuchungen über die 
Veresterung unsymmetrischer zwei- und mehrbasischer Säuren. XXVII. Über die Nitro- 
hemipinestersäuren. Wiener Monatshefte f. Chemie. Bd. 33, S. 899 (1912). — Siehe ferner: 


27% 


420 Richard Kempf. 


Manche Substanzen zeigen zwei Schmelzpunkte. Diese Erscheinung 
beruht entweder auf einer physikalischen oder einer chemischen Verände- 
rung der Substanz bei der Schmelztemperatur. Schmilzt ein Körper zu- 
nächst zu einer trüben Schmelze und tritt das Klarwerden erst bei 
höherer Temperatur ein, so verwandelt sich die Verbindung gewöhnlich 
in eine höher schmelzende isotrope Form. Die Substanz befindet sich dann 
zwischen dem Schmelzpunkt und dem Klärpunkt in der kristallinisch- 


flüssigen Phase. 

Auf die Erscheinung des doppelten Schmelzpunkts bei Fettsäure- 
glyzeriden!) sei hier nur hingewiesen, ebenso auf eine von Stoltzenberg?) 
angegebene Methode zur Schmelzpunktsbestimmung kristallinisch-flüs- 
siger Körper. 

Über die Sinterpunktskurve als ein einfaches Mittel zum Nach- 
weis chemischer Verbindungen zweier Komponenten hat Stock 3) eingehende 
Versuche veröffentlicht. 

Über die Abhängigkeit des Schmelzpunktes von der Korn- 
größe (vgl. Bd. I, S. 13) ist folgendes nachzutragen. Über den Einfluß des 
Dispersitätsgrades eines Kristalles auf seine Schmelztemperatur haben u. A. 
Ostwald*), Pawlow®), Küster), Goldstein’), v. Weimarn®), Doelter?), 
J. J van Laar, Die Schmelz- oder Erstarrungskurven bei binären Systemen, wenn die 
feste Phase ein Gemisch (amorphe feste Lösung oder Mischkristalle) der beiden Kom- 
ponenten ist. Zeitschr. f. physik. Chemie. Bd. 63, S. 216 u. 257 (1908). 

1) A. Grün und P. Schacht, Zur Synthese der Fette. I. Mitteil.: Symmetrische 
Glyzeride. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 40, S. 1778 (1907). — A. Grün, Über die 
Konsistenz- und Schmelzpunktsanomalien der Fette. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 45, 
S. 3691 (1912). 

2) H. Stoltzenberg, Zur Schmelzpunktsbestimmung kristallinisch-flüssiger Körper. 
Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 77, S. 73 (1911). 

3) A. Stock, Die Sinterpunktskurve, ein einfaches Mittel zum Nachweis chemischer 
Verbindungen zweier Komponenten. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 42, S. 2059 (1909). 
— Derselbe, Zur Kenntnis der Schwefelphosphorverbindungen. 4. Mitteil.: Über die 
Existenz des Phosphordisulfides PS, (P, S,). Ebenda. Bd. 42, S. 2062 (1909). 

*) Wi. Ostiwald, Bildung und Umwandlung fester Körper. Zeitschr. f. physik. Chem. 
Bd. 22, S. 289 (1897). 

5) P. Pawlow, Über die Abhängigkeit des Schmelzpunktes von der Oberflächen- 
energie eines festen Körpers. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 65, S. 1 (1908). — Derselbe, 
Über die Abhängigkeit des Schmelzpunktes von der Oberflächenenergie eines festen 
Körpers. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 65, S. 545 (1909). — Derselbe, Über den Ein- 
fluß der Oberfläche einer festen Phase auf die latente Wärme und die Temperatur des 
Schmelzens. Zeitschr. f. Chem. u. Ind. der Kolloide. Bd. 7, S. 37 (1910). — Derselbe, 
Über die Schmelztemperatur der Körner des Salols. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 74, 
S. 562 (1910); Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. S. 535 (1910]. — Vgl. auch: Derselbe, Über den 
Dampfdruck der Körner einer festen Substanz. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 68, S.316 (1910). 

6) F. W. Küster, Lehrbuch der allg., physik. u. theor. Chemie. Berlin 1909, S. 189. 

?) Goldstein, Ber. d. Russ. chem. Ges. Bd. 24, S. 64 (1891). 

3) P.P.». Weimarn, Zur Frage der Untersuchungsmethoden kapillarchemischer 
Probleme. Zeitschr. f. Chem. u. Ind. der Kolloide. Bd. 8, S. 133 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, 
tep. 8.241 (1911). 

°») €. Doelter, Allgemeines über Gleichgewichte in Silikatschmelzen. Zeitschr. f. 
Elektrochem. Bd. 17, S. 797 (1911). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 41 


Leitmeier !) eingehende Untersuchungen veröffentlicht. Die hierdurch fest- 
gestellte, auf die verschiedene Oberflächenenergie beruhende Tatsache, daß) 
ein und dieselbe Substanz in äußerst feiner Zerteilung meistens bedeutend 
niedriger schmilzt, als in etwas gröberem Korn ?), bedeutet praktisch bei 
der üblichen Art der Schmelzpunktsbestimmung organischer Stoffe im 
Kapillarröhrchen wohl kaum eine Fehlerquelle. Denn in diesem Falle, wo 
das Material kompakt im engen Röhrchen zusammenliegt, wird das frühere 
Zusammensintern des eventuell vorhandenen feinsten Staubes nicht be- 
merkbar sein. Dagegen ist der Korngröße zweifellos Rechnung zu tragen, 
wenn es sich um besondere — z. B. unter dem Mikroskop oder auf einer 
Quecksilberoberfläche ausgeführte — Schmelzpunktsbestimmungen handelt, 
wo die einzelnen Substanzteilchen gesondert beobachtet werden. Ferner 
sind diese Verhältnisse in der Mineralchemie von großer praktischer 
Wichtigkeit: Bei Silikaten können die Unterschiede des Schmelzpunkts 100, 
ja sogar 200° betragen, je nachdem man sie in Form grober Kristalle 
oder feiner Pulver untersucht. Schmelzpunktsbestimmungen dürfen daher 
bei Mineralien nur mit feinstem Pulver ausgeführt werden, wie man ja 
auch Löslichkeitsbestimmungen nur mit fein zerteilten Stoffen ausführt. :) 

Auf die Abhängigkeit des Schmelzpunktes vom Druck soll hier 
nicht näher eingegangen werden, da diese Verhältnisse für die gewöhn- 
lichen Schmelzpunktsbestimmungsmethoden praktisch ohne Wichtigkeit 
sind. *) 

Auch bezüglich der flüssigen Kristalle sei auf die Literatur ver- 
wiesen. 5) 


!) H. Leitmeier, Zur Kenntnis der Schmelzpunkte von Silikaten. Der Einfluß der 
Korngröße auf den Schmelzpunkt. Bestimmung des Schmelzpunktes einiger Silikate durch 
längeres Erhitzen. Zeitschr. f. anorg. Chem. Bd. 81, S. 209 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, 
Bd. II, S. 1453. 

2) Der Schmelzpunkt wird definiert als der Schnittpunkt der Dampfdruck- 
kurven der festen und der flüssigen Phase. Da nun der Dampfdruck eines 
Systems mit größerer Oberfläche im allgemeinen größer sein muß, als eines Systems 
mit kleinerer Oberfläche, so folgt daraus, daß der Schmelzpunkt eines feinen Pulvers 
im allgemeinen niedriger sein muß als der gröberer Körner; vgl. H. Leitmeier, ]. e. 

®) C. Doelter, ]. c. 

*) Vgl.darüberz.B.: A. Heydweiller, Über Schmelzpunkterhöhung durch Druck 
und den kontinuierlichen Übergang vom festen zum flüssigen Aggregatzustand. Wiede- 
manns Annal. d. Physik. Bd. 64, S. 725 (1898); Chem. Zentralbl. 1898, Bd. I, S. 1011. — 
G. Tammann, Über die Grenzen des festen Zustandes. II. Ebenda. Bd. 66. S. 473 (1898); 
Chem. Zentralbl. 1899, Bd. I, S.5. — @. A. Hulett, Schmelzpunkterhöhung durch Druck. 
Zeitschr. f. physik. Chem. Bd.28, S. 662 (1899). — @. Tammann, Kristallisieren und 
Schmelzen. Ein Beitrag zur Lehre der Änderungen des Aggregatzustandes. Leipzig 
(J. A. Barth) 1903. — F. Körber, Schmelzkurven stabiler und instabiler Kristallformen. 
Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 82, S.45 (1913). 

5) Siehe: 0. Lehmann, Flüssige Kristalle, sowie Plastizität von Kristallen im all- 
gemeinen. Molekulare Umlagerungen und Aggregatzustandsänderungen. Leipzig (W. Engel- 
mann) 1904. — R. Schenck, Kristallinische Flüssigkeiten und flüssige Kristalle. Leipzig 
(W. Engelmann) 1905. — ©. Lehmann, Flüssige Kristalle und die Theorien des Lebens. 
Vortrag. Leipzig (J. A. Barth) 1906. 


422 Richard Kempf. 


Gelegentlich läßt sich der Schmelzpunkt einer Substanz nach der 
thermischen Methode bestimmen, d.h. durch Beobachtung der Wärme- 
absorption, die im Augenblick des Schmelzens eintritt (latente Schmelz- 
wärme).) — 

Beim Zuschmelzen der Kapillarröhrchen für die gewöhnliche Art der 
Schmelzpunktsbestimmung ist darauf zu achten, daß keine Feuchtigkeit 
aus den Flammengasen in das Innere des Röhrchens hineingelangt. Man 
schmilzt es am zweckmäßigsten, indem man es in der Mitte erhitzt, durch 
Ausziehen zu, nicht durch direktes Erhitzen des offenen Endes in der 
Flamme. 

Ehe man das mit einer unbekannten Substanz beschickte Kapillar- 
röhrchen im Flüssigkeitsbade erhitzt, ist es ratsam, sich darüber zu ver- 
gewissern, ob das Material nicht etwa explosiv ist. Es ist vorgekommen, 
daß das Schmelzpunktsröhrchen unter Detonation der Substanz aus dem 
Bade herausgeschleudert, die Heizflüssigkeit (z. B. heiße Schwefelsäure) 
umhergespritzt und sogar der Heizbecher glatt durchschlagen wurde.?) — 

Bezüglich der Möglichkeit, durch die Bestimmung des Gefrierpunktes 
mancher Handelsflüssigkeiten, wie Milch, Essigsäure, einen sicheren An- 
halt über deren Zusammensetzung zu gewinnen, sei auf die Literatur ver- 
wiesen), ebenso auf die Beziehungen zwischen Schmelzpunkt und chemi- 
scher Konstitution. *) 


2. Schmelzpunktbestimmungsapparate. 
(Vel. S. 208— 214.) 
a) Apparate für allgemeine Zwecke. 


Nach dem Deutschen Arzneibuch°) wendet man zweckmäßig bei allen 
Stoffen, außer bei Fetten und fettähnlichem Material, den folgenden Appa- 
rat, der dem von @Gräbe vorgeschlagenen sehr ähnlich ist (vgl. Bd. I, 
Fig. 388, S. 211), für Schmelzpunktbestimmungen an. Man setzt ein Pro- 
bierrohr von etwa 15 mm Weite und 30 cm Länge in einen Rundkolben 
ein, dessen Hals etwa 3 cm weit und etwa 20 cm lang ist, und dessen 
Kugel einen Rauminhalt von etwa SO—100 cm? hat. Die Kugel beschickt 
man mit so viel Schwefelsäure, dal) diese nach dem Einbringen des Pro- 


1!) Siehe z. B.: C. Doelter, 1. c. S. 796. 
*) Siehe z. B.: Eng. Bamberger, Über Cazeneures Diphenylcarbodiazon und das Di- 
phenylearbazon. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 4, S. 3749. Fußnote 1 (1911). 

°®) Vgl.: A. Silvermann, Die Erniedrigung des Gefrierpunktes von Essig als Kon- 
trolle seiner Zusammensetzung. Chem.-Zeitg. Bd. 35. S.43 (1911). — A. Lam, Gefrier- 
punktsbestimmung der Milch. Chem. Weckblad. Bd. 11, S. 84 (1914). — M. €. Dekhuyzen, 
Dasselbe. Ebenda, S. 91: Chem. Zentralbl. 1914, Bd.I. S. 1118. 

*) Siehe z.B.: S. Smiles, Chemische Konstitution und physikalische Eigenschaften. 
Übersetzt von P. Krassa, bearbeitet und herausgegeben von ©. Herzog, Dresden und 
Leipzig (Th. Steinkopf) 1914, S. 177ff. 

°) Deutsches Arzneibuch. 5. Ausgabe. Berlin (R. v. Deckers Verlag) 1910, S.XXX. — 
Vgl. auch: M. Claasz, Die Prüfungsmethoden des Deutschen Arzneibuches. Leipzig 
(0. Spamer) 1913, S. 6. 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik*“. 423 


bierrohres etwa zwei Drittel des Halses ausfüllt; das Probierrohr beschickt 
man ebenfalls mit Schwefelsäure, und zwar mit einer etwa 5 cm hohen 
Schicht. Von der Substanz wird in der üblichen Weise in ein Kapillar- 
röhrchen von höchstens 1 mm lichter Weite soviel eingefüllt, daß sich nach 
dem Zusammenrütteln eine auf dem Boden des Röhrchens 2 bis höchstens 
3 mm hoch stehende Schicht bildet. Das Doppelbad wird ohne Verwendung 
eines Drahtnetzes erwärmt und die Temperatur von 10° unterhalb des zu 
erwartenden Schmelz- 
punktes ab so langsam 
gesteigert, daß zur Tem- 
peraturerhöhung um 1° 
mindestens !/, Minute 
erforderlich ist. Die 
Temperatur, bei der die 
undurchsichtige Sub- 
stanz durchsichtig wird 
und zu durchsichtigen 
Tröpfchen zusammen- 
fließt, istalsder Schmelz- 
punkt anzusehen. 
Einen sorgfältig 
durchkonstruierten 
Schmelzpunktbestim- 
mungsapparatgabLand- 
siedl!) an (Fig. 174). 
Die Vorrichtung ge- 
stattet, ebenso wie die 
Apparate von Roth, 
Houben u. A.. die direkte 
Ablesung des korri- 
gierten Schmelzpunk- 
tes. Die Badflüssigkeit 
ist durch ein Chlorkal- 
ziumrohr vor der Feuch- 
tigkeit der Außenluft 
geschützt. Zur Einfüh- 
rung und zum Fest- 
halten der Kapillarröhr- 
chen, die eine oben trichterfömig erweiterte Mündung haben, dient eine 
ungefähr 4 mm weite Glasröhre, die knapp an dem Thermometer anliegt. 
oben aus dem Kolbenhals herausragt und unten, wo sie etwas abgeschrägt 
und bis auf eine Öffnung von etwa 2 mm Weite zugeschmolzen ist, bis an 
die Thermometerkugel reicht. Man läßt das Kapillarröhrchen von oben her 


Schmelzpunktbestimmungsapparat nach Landsiedl. 


) 4. Landsiedl, Zur Schmelzpunktbestimmung. Chem.-Zeitg. Bd. 29, S. 765 (1905). 


494 Richard Kempf. 


durch die Glasröhre hineingleiten. Es bleibt mit seinem oberen erweiterten 
Ende darinnen hängen und zwar infolge der schrägen Stellung der Öffnung 
in einer zu der Thermometerkugel geneigten Lage. Die richtige Einstellung 
erfolgt weiterhin durch Verschieben und Drehen des Glasrohrs. Die Ein- 
richtung hat den großen Vorteil, daß man in bequemster Weise die Sub- 
stanz in das passend vorgeheizte Bad einzubringen vermag, eine Mög- 
lichkeit, die besonders bei zersetzlichem Material praktisch sehr wichtig ist. 

/weckmäßig sind auch Schmelzpunktkolben, die außer dem langen, 
zur Aufnahme des Thermometers bestimmten Halse oben noch zwei kurze 


Fig.175. Fig. 176. 


um 
| 
|| 
| 


al 
ET ee 


Schmelzpunktbestimmungsapparat nach Holleman, 
Hartogs und van der Linden. 


Tuben tragen, durch die man die 
Kapillarröhrchen mit der Substanz so 
einführt, dab sie sich mit ihrem 
I unteren Ende an der Quecksilberkugel 
Schmelzpunktbestimmungsapparat nach Anthes.. des Thermometers schräg anlehnen.!) 
Eine Kombination eines derartigen 
Apparates mit dem Thieleschen Schmelzpunktskolben (vgl. Bd. I, S. 212) 
empfahl Anthes®) (Fig. 175). Als sicherer Stützpunkt für die Schmelzpunkts- 
röhrchen ist hier noch ein neben dem Thermometer angebrachter und 
unten zum Ring gebogener, die Thermometerkugel konzentrisch umgebender 
Glasstab angebracht. Denselben Apparat gaben schon früher Apitzsch und 
Schulze?) an. 


‘) Vgl. hierzu: M. Busch, Zuschrift a. d. Redakt. Chem.-Zeitg. Bd. 36, S.337 (1912). 

°) E. Anthes, Schmelzpunktbestimmungsapparat. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 1375 
(1911). — M. Busch, ]. e. 

®) Vgl.: H. Apitzsch, Zuschrift a..d. Redakt. Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 71 (1912). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 425 


Zur schnellen und genauen Bestimmung der Erstarrungspunkte der 
drei isomeren Nitraniline, sowie ihrer Mischungen erwies sich ein Apparat 
als sehr geeignet, der nach dem Vorbild des Olbergschen Schmelzpunkt- 
apparats (vgl. Bd. I, S. 212, Fig. 589) konstruiert wurde (Fig. 176). Mit 
Hilfe dieser Vorrichtung betrugen die Fehler bei der Bestimmung der Er- 
starrungspunkte nur etwa 0'1—0'2°, und auf Grund der so erhaltenen 
Schmelzkurven konnte die Zusammensetzung von (semengen der drei Nitrani- 
line quantitativ bestimmt werden.!) — 

Etwas umständlich zwar, aber im Interesse einer zuverlässigen 
Schmelzpunktbestimmung unbedingt zu empfehlen ist die Durchmischung 
der Badflüssigkeit mit Hilfe eines mechani- 
schen Rührers, den man entweder mit der 
Hand oder mit einem kleinen Motor betreibt. 
Einen praktischen Schmelzpunktbestimmungs- 
apparat für Handbetrieb gab Matton?) an 
(Fig. 177). Die Kolbeneinrichtung mit dem 
doppelten Flüssigkeitsbade ähnelt dem Gräbe- 
schen Apparat, jedoch schließt das Einsatz- 
rohr die Kugel des Kolbens gegen den Hals 
hin ab, und zum Druckausgleich für die 
erwärmte Luft, sowie als Abzugskanal für 
die bei hoher Temperatur etwa auftretenden 
Schwefelsäuredämpfe dient ein besonderes, 
enges Seitenrohr, durch das auch zugleich 
die Führung des Rührers hindurchgeht. Ein 
Vorzug des Apparates besteht darin, daß bei 
hoher Temperatur die Schwefelsäuredämpfe 
nicht die Ablesung des Thermometers er- 
schweren können, und daß die Schwefelsäure, 
die ja mit der Außenluft nur durch einen 
ganz engen und langen Kanal in Verbindung —— 
steht, nicht leicht Wasser anzieht. Die Vor- Sehmelzpunktbeimmnngsapparat 
richtung bewährt sich daher namentlich auch 
für Schmelzpunktsbestimmungen an hochschmelzenden Substanzen; mit 
Schwefelsäure beschickt. ist sie bis über 300° brauchbar. 

Auch der von Seidell 3) beschriebene Schmelzpunktbestimmungsappa- 
rat, eine Verbesserung des von Menge +) angegebenen Apparates, bürgt für 


1) A. F. Holleman, J. C. Hartogs und T. ran der Linden, (Juantitative Unter- 
suchungen über die Nitrierung des Anilins. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 44, S.705 (1911). 

2) K. Matton, Neuer Schmelzpunktbestimmungsapparat. Zeitschr. f. angew. Chem. 
Bd.23, S. 557 (1910). 

®) A. Seidell, Praktische Verbesserung eines Schmelzpunktbestimmungsapparates. 
Journ. Amer. Chem. Soc. Vol. 33, p. 83 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 165 (1911). 

*) G. A. Menge, Studien über Schmelzpunktbestimmungen. Treasure Department 
Publ. Health and Marine-Hosp. Serv. U. St. Hygienie Laboratory, Bull. Nr. 70. Washing- 
ton, Oktober 1910; Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 145 (1911). 


426 Richard Kempf. 


zuverlässige Resultate. Die Durchmischung der Badflüssigkeit besorgt hier 
ein von einer Wasserturbine mittelst eines exzentrischen Rades betrie- 
bener Rührer, dessen unteres, ringförmig gebogenes Ende, wie der Rühr- 
stab in dem Apparat von Matton, eine vertikal hin- und hergehende Be- 
wegung ausführt. 

Eine ähnliche Rührvorrichtung, die wenig Raum beansprucht und 
recht praktisch zu sein scheint, gab Böiesenberger !) an (Fig. 178). Der Rühr- 
antrieb besteht, wie in der Abbildung ersichtlich, aus einem zu seiner 
Achse unter einem bestimmten Winkel geneigten Kreisring, der, durch die 
Turbine in drehende Bewegung gesetzt, mit seinem vertikal auf- und nieder- 


Schmelzpunktbestimmungsapparat nach 
Stoltzenberg. 


ee ae steigenden Rand den Rührer betätigt. 

Dessen Hubhöhe ist abhängig von 

dem Neigungswinkel des Ringes: je schiefer man diesen eingestellt hat, 
um so höher wird der Rührer bei jeder Umdrehung emporgehoben. 

Eine eigenartige Rührmethode, die das Prinzip der Winklerschen 
Absorptionsschlange (vgl. oben, S. 402) benützt, gab Stoltzenberg:) für 
Schmelzpunktkolben an (Fig. 179). Die Heizflüssigkeit wird durch Gas- 
blasen in Kreislauf versetzt, die durch das mittelste enge Rohr unten in 

!) Vgl.: Warmbrunn, Quilitz & Co., Neues Rührwerk nach Biesenberger. Im 
Laboratorium. Bd. 2, S. 295 (1913). 

°) H. Stoltzenberg, Schmelzpunktbestimmungsapparat. (Auch zu benutzen zur Lös- 


lichkeitsbestimmung kleiner Substanzmengen.) Ber. d. Deutschen chem. Gesellsch. Bd. 42, 
S. 4322 (1909). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 427 


die Heizschlange eintreten und stets eine gewisse Flüssigkeitsmenge vor 
sich hertreiben. Durch das obere schräg abfallende Verbindungsrohr strömt 
die Flüssigkeit wieder in das Beobachtungsrohr zurück, während die Gas- 
blasen in der mit Blasenstecher versehenen kugelförmigen Erweiterung 
platzen. Als treibendes Gas verwendet man am besten Kohlendioxyd 
aus einem Äöppschen Apparat unter Zwischenschaltung einer Schwefel- 
säure-Waschflasche. Über einen ähnlichen Apparat zur Bestimmung der 
Erstarrungspunkte von Flüssigkeiten siehe unten (8.430 u. Fig. 181, 5.429). 

Löwes elektrische Methode der Schmelzpunktbestimmung (vgl. 
Bd. I, S. 215) wurde von Fabinyi :) weiter ausgebaut und zur Bestimmung 
des Molekulargewichtes organischer Verbindungen angewendet. — 

Einen Apparat, der gestattet, genaue Schmelzpunktbestimmungen mit 
sehr geringen Substanzmengen unter dem Mikroskop auszuführen, gab 
Weber:) an (Fig. 180). Der aus einem 
kompakten Aluminiumblock bestehende 
Heizmikroskopiertisch ermöglicht, mi- 
kroskopische Präparate, z. B. winzige 
Kriställchen, bis auf 250° zu erhitzen 
und sie dabei gleichzeitig mit 60- bis 
100facher Vergrößerung zu beobachten. 
Die Größenverhältnisse und dieLage der 
vier Thermometer sind so gewählt, daß 
der Mittelwert der Temperaturen der 
des Präparates entspricht. Eine wasser- 
durchflossene Kühlvorrichtung schützt 
das Objektiv vor zu großer Hitze, und 
eine Asbestunterlage sowie eine Glas- 
platte halten die Wärme von dem Heizbarer Mikroskopiertisch nach Weber. 
unteren Teile des Mikroskops ab. 

Bei dem von Oram :) vorgeschlagenen Heizmikroskop geschieht die 
Heizung auf elektrischem Wege. Von einem gewöhnlichen Mikroskop mit 
hundertfacher Vergrößerung wird das Diaphragma entfernt und unter dem 
Tisch ein 24cm langes Messingrohr von 3'1 cm Durchmesser mittelst 
Klammern befestigt. Außen wird dieses als kleiner Ofen dienende Rohr 
mit einem elektrischen Widerstandsdraht +) umwickelt, der zur Isolation 
mit Bakelite imprägniert ist. Man erreicht so beispielsweise mit einem 
Strom von 0'6 Ampere Temperaturen von 64°, mit 0°95 Ampere 153°, 


‘ 


!) F. R. Fabinyi, Apparat zur Bestimmung des Schmelzpunktes und des Mole- 
kulargewichtes organischer Verbindungen. Chem.-Zeitg. Bd. 35. S. 1099 (1911). 

2) H. Weber, Heizbarer Mikroskopiertisch für Erwärmung bis 250°. Deutsche 
med. Wochenschr. 1912, S. 167. 

5) P. Cram, Bestimmung von Schmelzpunkten mit Hilfe des Mikroskops. Journ. 
Amer. Chem. Soc. Vol. 34, p. 954 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 589 (1912). 

#) Niekelin, Manganin, Constantan, Niekel-Chrom („Hoskins Widerstandsdraht“) 
oder dgl.; vgl. dieses Handb. Bd. I, S.54 und Bd. VI, S. 691. 


428 Richard Kempf. 


mit 1'25 Ampere über 200° usf. Bezüglich der Versuchsanordnung im ein- 
zelnen sei auf die Originalarbeit verwiesen. 

Das von Burgess!) angegebene Heizmikroskop ist durch Einbau einer 
Glühlampe zugleich als Zolborn-Kurlbaum-Pyrometer ausgestaltet. Auf einem 
elektrisch erhitzten Platinband werden die Substanzen zum Schmelzen ge- 
bracht. Mit der Vorrichtung ist es möglich, an Material von wenigen 
Hundertstel Milligrammen den Schmelzpunkt auf 1—2° genau zu bestimmen. 

Ebenfalls elektrische Heizung empfahl Pratt?) als sehr zweckmäßig 
bei Benützung eines .J. Thieleschen Schmelzpunktapparates (vgl. Bd. I, S.212). 
Man umwickelt den untersten Teil des seitlichen Armes mit feinem Man- 
sanin- oder Nickelchromdraht, bekleidet den ganzen Seitenarm mit Asbest 
und reguliert den elektrischen Strom mit Hilfe eines Vorschaltwiderstandes. 
Man erzielt so einen außerordentlich gleichmäßigen Temperaturanstieg. 


b) Apparate für extrem hohe oder niedrige Temperaturen. 
+) Schmelzpunktbestimmung bei sehr hohen Temperaturen. 


Ein Schmelzpunktbestimmungsapparat für hohe Temperaturen, der 
sich leicht und billig beschaffen läßt, gab Schwinger ?) an. Als Heizquelle 
dient ein Bunsenbrenner, auf dessen Brennerrohr mittelst eines soge- 
nannten „Auerlicht-Sparbrenners“ ein Lampenzylinder aus Jenaer Glas an- 
gebracht wird. In den Zylinder, der ein außerordentlich leicht regulierbares 
Luftbad darstellt, wird ein 18—20 cm langes, nicht allzu dünnwandiges 
veagenzrohr eingesenkt und mit einem geschmolzenen äquimolekularen 
Gemisch von Kali- und Natronsalpeter (Schmp. = etwa 220°) bis zu pas- 
sender Höhe beschickt. Wird die Salpeterschicht so hoch gewählt, daß sich 
der Quecksilberfaden eines abgekürzten Thermometers ganz darin be- 
findet, so erhält man ohne weiteres korrigierte Schmelzpunkte. Tempera- 
turen von 550° sind in dem Salpeterbad leicht zu erreichen. 

Als eine andere einfache Methode zur Bestimmung hoher Schmelz- 
punkte empfahl Havas *), gewöhnliches Weichlot in einem Porzellan- oder 
Nickeltiegel zu schmelzen, eine Probe der Substanz auf die Metallober- 
fläche zu legen und das Bad allmählich so hoch zu erhitzen, bis die Sub- 
stanz schmilzt. Während Quecksilber als Badfüllung oberhalb 180—200° 
nicht mehr brauchbar ist, läßt sich Weichlot bequem bis 450° benützen. 
Von noch allgemeinerer Anwendbarkeit dürfte für diese Zwecke das be- 
reits bei 71° schmelzende Woodsche Metall sein (vgl. Bd. 1, S.78u. 215). 


') @. K. Burgess, Ein Mikropyrometer. Physik. Zeitschr. Bd.14, S. 158 (1913); 
Chem.-Zeitg. Bd. 38, Rep. S. 33 (1914). 

°) D.S. Pratt, Ein neuer Schmelzpunktbestimmungsapparat. Journ. of Ind. and 
Engin. Chem. Vol. 4, p. 47 (1912); Chem.-Zeitge. Bd. 36, Rep. S. 193 (1912) und Chem. 
Zentralbl. 1912, Bd. TI, S. 1349. 

?) E. Schwinger, Ein Schmelzpunktbestimmungsapparat für hohe Temperaturen. 
Wiener Monatsh. f. Chem. Bd. 34, S. 977 (1913). 

*) E. Havas, Eine einfache Schmelzpunktbestimmungsmethode für hochschmel- 
zende Substanzen. Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 1438 (1912). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 429 


Eine etwas abgeänderte Form des 7. Thieleschen Kupferklotzes (vgl. 
Bd. I, S. 213) empfahl Derlin.) Der Kupferklotz ist um etwa 1!/, cm ge- 
kürzt, um das Bad auch für tieferliegende Temperaturgrade abgekürzter 
Thermometer verwendbar zu machen. Ferner ist eine verstellbare Lauf- 
schiene für den Brenner und eine Führung für die mit Schornstein ver- 
sehene Flamme vorgesehen. 

Ähnlich dem Bloc Maquenne und dem Thieleschen Kupferklotz ist 
eine Vorrichtung, die Bjerregaard?) zur Bestimmung des Schmelzpunktes 
von unscharf schmelzenden Substanzen, z. BD. 
von Asphalt und den Petroleumdestilla- 
tionsrückständen, vorschlug. 


Fig.181. 


Über das Heizmikroskop Doelters für 
höhere Temperaturen berichtete eingehend 
Kittl.>) —n 
nach d 
I a 
ß) Schmelzpunktbestimmung bei sehr tiefen 7 demkKipp’schen 
ö EEE Apparat. 
Temperaturen. | il 
Bequeme Apparate, die gestatten, extrem i 
niedrige Schmelzpunkte, also z. B. die Er- M 
starrungspunkte von Flüssigkeiten, zu be- 


stimmen, sind vergleichsweise selten vorge- 
schlagen worden. Zur Bestimmung von Schmelz- 
punkten, die nicht allzu tief unter 0° liegen, 
benützt man zweckmäßig die üblichen Apparate, 
mit denen man zwecks Molekulargewichtsbe- 
stimmung die Gefrierpunktserniedrigung von 
Lösungen mißt, z. B. den Beckmannschen Gefrier- 
punktbestimmungsapparat (vgl. Bd. I. S. 501). 
Man braucht nur an die Stelle des Beckmann- 
schen ein genaues gewöhnliches Thermometer "retaunem nie tina» esapparat 
zu Setzen und das äußere (Gefäß mit einem 

passenden Kühlmittel (vgl. darüber Bd. 1, S. 47) 

zu beschicken, um den Apparat für die Bestimmung niedriger Schmelz- 
punkte verwerten zu können. 


IE = 
gu! N 0, 
IN 
—ı z 
BT 


t) L. Derlin, Schmelz- und Siedepunkt. Apoth.-Zeitg. Bd. 25, 8.433 (1910); 
Chem. Zentralbl. 1910, Bd. II, S. 277. 

°) A. P. Bjerregaard, Ein Apparat zur Bestimmung des Schmelzpunktes von Sub- 
stanzen, die unscharf schmelzen. Journ. of Ind. and Engin. Chem. Vol.5, p. 938 (1913); 
Chem. Zentralbl. 1914, Bd.1, S.1. 

») E. Kittl, Einiges über Untersuchungsmethoden bei höheren Temperaturen und 
das Heizmikroskop. Österr. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenwesen. Bd. 61, S. 745 (1913); 
Chem. Zentralbl. 1914, Bd.I, S.513. — Am Schluß dieser Arbeit findet sich eine Zu- 
sammenstellung der Literatur über Heizmikroskope. 


450 Richard Kempf. 


Handelt es sich um so niedrige Schmelzpunkte, dal es der zuerst 
von Kraft‘) vorgeschlagenen Anwendung verflüssigter Gase als Kühlmittel 
bedarf, so versagt diese Apparatur. Man kann dann eine von Stoltzen- 
berg?) angegebene Vorrichtung (vgl. auch oben, S. 426) benützen (Fig. 181). 
Die Badflüssigkeit — Pentan oder eine andere sehr tief erstarrende Flüs- 
sigkeit — wird mit Hilfe eines unten durch eine Düse in den Apparat 
eintretenden Wasserstoffstromes in dauernder Zirkulation gehalten und 
durch Einsenken der Spirale in ein Kühlmittel langsam bis zu passender 
Tiefe abgekühlt. Zur Bestimmung von Schmelzpunkten bis zu — 60° ge- 
nügt eine Kohlendioxyd-Äthermischung, für tiefere Schmelzpunkte benützt 
man flüssige Luft. Die Substanz wird, wie üblich, in ein Kapillarröhrchen 
eingebr’acht und dieses am Thermometer befestigt. 


ec) Apparatur für Schmelzpunktbestimmungen spezieller Art. 
+) Bestimmung des Schmelzpunktes von Fetten. 


Zur Bestimmung des Schmelzpunktes der Fette und fettähnlicher 
Stoffe) wird nach dem Deutschen Arzneibuch +) das geschmolzene Fett 
in ein an beiden Enden offenes, dünnwandiges, U-förmig gebogenes Glas- 
röhrchen von 1/;—1 mm lichter Weite aufgesaugt, so daß die Fettschicht 
in beiden Schenkeln gleich hoch steht. Man läßt dann das mit dem Fett 
beschickte Glasröhrehen 2 Stunden lang auf Eis oder 24 Stunden lang 
bei 10° liegen, um das Fett völlig zum Erstarren zu bringen, befestigt es 
an einem geeigneten Thermometer derart, daß sich das Fettsäulchen in 
gleicher Höhe mit der Thermometerkugel befindet, bringt das Ganze in 
ein etwa 53cm weites, mit gleichen Teilen Glyzerin und Wasser beschicktes 
heagenzrohr und erwärmt allmählich. Die Temperatur, bei der das Fett- 
säulchen vollkommen klar und durchsichtig geworden ist, wird als der 
Schmelzpunkt angesehen. 

Eine elektrische Schmelzpunktbestimmung für Fette schlug ». Lieber- 
mann?) vor. In eine U-Röhre bringt man zunächst etwas Quecksilber und 

') F. Krafft, Über neunzehn höhere Normalparaffine Un H,;n +2 und ein ein- 
faches Volumgesetz für den tropfbar flüssigen Zustand. I. Ber. d. Deutschen chem. Ges. 
Bd. 15, S. 1694 (1882). 

°) H. Stoltzenberg, Die Schmelzpunktbestimmung bei tiefen Temperaturen als 
Kennzeichen für die Reinheit und den Nachweis von leicht zersetzlichen Körpern und 
Gasen. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 66 (1910). 

°) Vgl. darüber z.B.: J. Marcusson, Fette, fette Öle und Wachse, sowie techni- 
sche Umwandlungsprodukte der Ole, Fette und Wachse. Handbuch „Das Materialprü- 
fungswesen“ von F. W. Hinrichsen. Stuttgart (F. Enke) 1913, 8. 418. — @. Lunge und 
E. Berl, Chemisch-technische Untersuchungsmethoden. Bd. III, S. 649 u. 662, 6. Aufl., 
1911, Berlin (Jul. Springer). 

*) Deutsches Arzneibuch, 5. Ausgabe. Berlin (R. v. Deckers Verlag) 1910, S.XXXI. 
— Vgl. auch: M. Claasz, Die Prüfungsmethoden des Deutschen Arzneibuches. Leipzig 
(0. Spamer) 1913, S. 7/8. 

9) L.v. Liebermann, Apparat zur Bestimmung des Schmelzpunktes von Fetten. 
Zeitschr. f. Unters. der Nahrungs- und Genußmittel. Bd. 22, S. 294 (1911); Chem.-Zeitg., 
Bd. 35, Rep. S. 603 (1911). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 431 


dann in den einen Schenkel das geschmolzene Fett und läßt es erstarren. 
Darauf führt man in beide Schenkel je einen Pol eines Stromkreises, der 
mit einem elektrischen Läutewerk verbunden ist, in Form von Platin- 
drähten ein, und zwar so, daß der eine Draht im Fett kurz oberhalb der 
Quecksilberschicht endigt, der andere in das Quecksilber eintaucht. Auf 
das erstarrte Fett gibt man noch etwas Quecksilber und erwärmt das U- 
Röhrchen in einem Flüssigkeitsbad in der üblichen Weise. Beim Schmelzen 
des Fettes fällt das oben befindliche Quecksilber durch das Fett hindurch, 
schließt dadurch den Stromkreis, und die Klingel ertönt. Die jetzt abge- 
lesene Temperatur bezeichnet den Beginn des Schmelzens, das dann bald 
eintretende Temperaturmaximum, das sich einige Zeit hält, den höchsten 
Schmelzpunkt. 

Bezüglich anderer Methoden der Bestimmung des Schmelzpunktes 
von Fetten sei auf die Literatur verwiesen), ebenso bezüglich der Bedeu- 
tung der Schmelzpunktsdifferenz in der Fettanalyse.?) 


5) Bestimmung des Schmelzpunktes von Gelatinegallerten und des 
Erweichungspunktes von Pech. 


Eine zuverlässige Methode zur Schmelzpunktbestimmung von Gela- 
tinegallerten bekannten Gehaltes arbeitete Herold®) aus, der die fol- 
sende Versuchsanordnung als die zweckmäßigste und zuverlässigste 
empfahl. 

Man beschickt ein unten geschlossenes Glasrohr, das mit etwa 1 mm 
Spielraum über den unteren Teil eines in 0'1° geteilten Thermometers 
paßt, mit der flüssigen Gallerte, läßt diese erstarren, befestigt das Ther- 
mometer samt anhängendem Glasrohr in einem Reagenzglase als Luftbad 
und hängt das Ganze mit dem unteren Teil in warmes Wasser. Der Tem- 
peraturanstieg betrage in der Minute etwa 1°. Als Schmelzpunkt wird die 
Temperatur angesehen, bei der die Kohäsion der Gallerte aufhört und in- 
folgedessen das mit der Gallerte gefüllte Glasrohr anfängt zu sinken. Die 
Angaben sind zuverlässig bei Gallerten von 5—26°/, Gehalt. Es ist zweck- 
mäßig, nicht ein unten zugeschmolzenes, sondern nur provisorisch mittelst 
Glasperle, Quecksilber und einem Stückchen Gummischlauch verschlossenes 


!) Siehe z.B.: H. W. Mahr, Bestimmung des Schmelzpunktes von technischem 
Fett mit Hilfe des Viskosimeters des New-Yorker Städtischen Gesundheitsamtes. Journ. 
Ind. Eng. Chem. Vol.5, p.674 (1913); Chem.-Zeitg. Bd.37, Rep. S.642 (1913). — 
R. Meldrum, Erstarrungs- und Schmelzpunkte von Mischungen von Stearin- und Ölsäure. 
Chem. News. Vol. 108, p. 199 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 2108. — Der- 
selbe, Schmelzpunktsbestimmung nach der Kugelthermometermethode. Ebenda S. 223; 
Chem. Zentralbl. 1914, Bd. I, S. 493. 

2) Vgl. z. B.: A. Bömer, Beiträge zur Kenntnis der Glyzeride der Fette und Öle. 
VIH. Weitere Anwendungen der Schmelzpunktsdifferenz in der Fettanalyse. Zeitschr. 
f. Unters. d. Nahr.- u. Genußm. Bd. 27, S. 153 (1914). 

3) J. Herold jun., Die Bewertung der Gelatine durch Schmelzpunktbestimmungen 
von Gallerten bekannten Gehaltes. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 203 (1910). — Derselbe, 
Zur Analyse der Gelatine. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 93 (1911). 


432 Richard Kempf. 


(Hlasröhrchen als Aufnahmegefäß für die Gallerte zu verwenden und den 
Verschluß vor dem Einhängen des Thermometers in das Luftbad zu ent- 
fernen. Dadurch wird erreicht, daß der Boden des Gläschens frei von 
(Gallerte ist und der äußere Luftdruck nicht das Absinken des Röhrchens 
verhindern kann. Einen derartigen Apparat stellt Fig. 182 dar. — 

Zur Bestimmung des Erweichungspunktes von Pech wendet man — 
in ähnlicher Weise, wie bei der elektrischen Schmelzpunktbestimmung für 
Fette nach v. Liebermann (siehe oben) — ein Glas- 
röhrchen an, in das man das geschmolzene und Fig. 182. 
dann wieder zum Erstarren gebrachte Pech und 
darüber etwas Quecksilber einfüllt. Das Ganze 
wird in einem doppelten Flüssiekeitsbade in der 
üblichen Weise erhitzt, so daß die Temperatur in 
der Minute ungefähr um 1° steigt. Die Tempe- 
ratur, bei der das Quecksilber die Pechschicht 
durehbricht, gilt als Erweichungspunkt des Pechs. !) 

Die von French?) vorgeschlagene Methode 
der Bestimmung des Schmelzpunktes von Pechen 
sei hier nur erwähnt. 


y) Bestimmung des Erweichungspunktes 
von Silikatgläsern. 


Zur Ermittlung der Erweichungspunkte von 
Silikatgläsern haben Deck ‚und Stegmüller >) 
eine elegante Arbeitsmethode angegeben. Diese 
beruht darauf, daß lose zusammengehäufte Glas- schmeizpunktbestimmung von 
körner im Augenblick des Zusammenfließens plötz- Gelatine nachif/eronz, 
lich den elektrischen Strom leiten, ein Vorgang, 
der durch ein eingeschaltetes Mebinstrument scharf zu beobachten ist. Das 
zu kleinen Körnern zerstoßene Glas befindet sich in einem Porzellantiegel, 
der in einen kleinen, mit Asbestplatten gut verschlossenen elektrischen 
Tiegelofen nach Heräus (vgl. Bd.1, S. 71) eingesetzt ist. In die lockere 
(Glasmasse sind zwei dicke Metalldrähte als Elektroden sowie ein durch ein 
Marquardtrohr geschütztes Thermoelement eingeführt. Man erhält mit dieser 
Apparatur bei verschiedenen Gläsern als Vergleichstemperatur diejenige, 
bei welcher der gleiche Grad von Zähigkeit besteht. Gläser (starre Flüssig- 


') Siehe: M. Klinger, Bestimmung des Erweichungspunktes von Pech. Chem.- 
Zeitg. Bd. 38, S.63 (1914). — V. Abeles, Dasselbe. Ebenda S. 249. 

°) H.F. French, Eine neue Methode zur Bestimmung des Schmelzpunktes von 
Pechen. Journ. Ind. Eng. Chem. Vol. 3, p. 907 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. 8.173 
(1912). 

>) K. Beck, Über ein Verfahren zur Bestimmung der Erweichungspunkte von 
Silikatgläsern. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 17, S. 848 (1911) und Chem.-Ztg. Bd. 35, 
S. 613 (1911). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 433 


keiten) besitzen keinen eigentlichen Schmelzpunkt, sondern werden beim 
Erhitzen allmählich weich und schließlich flüssig.) 


Fig. 184. 


d) Thermometer für Schmelzpunktbestimmungen. 


In manchen Fällen, z. B. bei der Bestimmung des 
Schmelzpunktes von Paraffinen, kann die Form des Queck- 
silbergefäßes der benützten Thermo- 
Fig. 183. meter das Messungsergebnis beein- 
flussen. Um vergleichbare Resultate 
zu erzielen. wurde vorgeschlagen, für 
die Schmelzpunktbestimmung nach 
Pohl ausschließlich Thermometer mit 
kugelförmigem Quecksilbergefäh zu 
verwenden. ?) 

Von mehreren Seiten wurden 
Vorschläge gemacht, die bezwecken, das 
Anlegen und Befestigen der Schmelz- 
punktröhrchen am Quecksilberthermo- 
meter einfacher und sicherer zu ge- 
stalten, als dies bisher der Fall war. 
Bredt?) schlug ein Thermometer vor, 
dessen Schaft oberhalb der Kugel etwas 
aufgeblasen ist und an dieser Stelle 
vier Glasrinnen trägt, in die man die 
Kapillarröhrchen einbettet (Fig. 183). 
Das Haften der Röhrchen ertolgt 
in Flüssigkeitsbädern (konzentrierte 
Schwefelsäure oder Paraffin) durch 
Adhäsion, im Luftbade durch Um- 
wicklung mit einem dünnen Platin- 
ee draht. Weyl*); gab ein Thermometer 

apparat nach Brett. an, das oberhalb der Kugel mit einem 
Wulst versehen ist und auf diesem 


!) Vgl. über die Schmelzpunkte von amorphen Körpern im 
allgemeinen und von Silikaten im besonderen auch ferner: W. Nernst, 
C. Doelter, G. Tammann, A. Stock, Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 17, 
S. 799—800 (1911). — E. Dittler, ebenda. Bd. 18. S. 281 (1912). — ee 
Be ebenda. Bd. 18, 8.282. (1912). — Vol. ferner: Über die Be nn ann Tan. 
stimmung der Schmelztemperatur von Silikaten. Keram. Rundschau. 

Bd. 21, S. 327 (1913); Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 27, Rep. S.19 (1914). 

?) A. Halla, Zur Pohlschen Methode der Schmelzpunktbestimmung. Österr. Chem.- 
Zeitg. Bd. 13, 8.29 (1910); Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. S. 121 (1910). — Vgl. auch: 
R. Meldrum, ]. e. 


®) J. Bredt, ‘Thermometer zur Schmelzpunktbestimmung. Chem.-Zeite. Bd. 34. 
S. 221 (1910). I 


ee *) Th. Weyl, Einfacher Apparat zur Bestimmung des Schmelzpunktes. Chem.- 
Zeitg. Bd. 34, S. 488 (1910). 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 


a ur engere 


8 


454 Richard Kempf. 


eine gläserne Hülse mit Ösen zur Aufnahme der Schmelzpunktsröhrchen 
trägt (Fig. 134). 

Die von Kühn!) vorgeschlagenen Thermometer tragen neben der 
gewöhnlichen Skala, die voraussetzt, daß sich der Quecksilberfaden ganz 
auf der zu messenden Temperatur befindet, eine zweite Korrekturteilung 
für verschiedene Eintauchtiefen des Quecksilberfadens. Derartige Thermo- 
meter gestatten also den korrigierten Schmelzpunkt direkt abzulesen, ohne 
daß eine Umrechnung wegen des herausragenden Fadens notwendig wäre. 
Natürlich hat solche Korrekturskala für bestimmte Eintauchtiefen nur für 
eine ganz bestimmte Apparatur und eine ganz bestimmte Temperatur des 
Arbeitsraums Gültigkeit. — 

Sehr zweckmäßig scheint der von Wheeler?) angegebene Satz von 
7 Quecksilberthermometern (mit einem Meßbereich von je 50°) für die 
Schmelzpunktbestimmung zu sein. Die einzelnen Thermometer sind 20 cm 
lang, so dal) man sie bequem in den gewöhnlichen, langhalsigen Schmelz- 
punktkolben befestigen kann, haben aber nur eine 35 mm lange Skala, so 
daß der Quecksilberfaden stets fast ganz in das Bad eintaucht. Die Kugeln 
der Thermometer sind ziemlich klein. Über ihnen befindet sich eine Ein- 
schnürung zur bequemeren Befestigung der Kapillarröhrchen. 


II. Siedepunktsbestimmung. 
(Vgl. Bd. I, S. 214—215.) 


1. Allgemeines. 


Man kann den Dampfdruck einer Substanz entweder nach der dyna- 
mischen oder nach der statischen Methode bestimmen. Im ersteren 
Falle mißt man den Siedepunkt bei einem bestimmten Luftdruck, im 
anderen Falle den Druck der Substanz bei einer bestimmten Tempe- 
ratur. Es ist klar, daß man nach beiden Verfahren die zu verschiedenen 
Drucken gehörenden Siedepunkte erhält. Der größeren Einfachheit halber 
wendet man für die Siedepunktsbestimmungen meistens die dynamische 
Methode an. 


Bei genauen Siedepunktsbestimmungen unter vermindertem 
Druck ist es notwendig, die Ausdehnung des Quecksilberbehälters durch 
den im Innern des Thermometers herrschenden Überdruck zu berück- 
sichtigen. ?) 


') A. Kühn, Korrekturteilung für verschiedene Eintauchtiefen an Quecksilber- 
thermometern. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 373 (1911). 

?) A. S. Wheeler, Neue Thermometer für Schmelzpunktbestimmungen. Journ. Amer. 
Chem. Soe. Vol. 34, p.1189 (1912); Zeitschr. f. Unters. der Nahr.- und Genußmittel. Bd. 26, 
S. 152 (1913) und Chem. Zentralbl. 1912, Bd. II, S. 1597. 

3) 4. Smith und A. W.C. Menzies, Ein allgemeiner thermometrischer Fehler bei 
der Bestimmung von Siedepunkten unter vermindertem Druck. Journ. Amer. Chem. Soc. 
Vol. 32, p. 905 (1910); Chem.-Zeitge. Bd. 34, Rep. S. 477 (1910). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 435 


Bezüglich der Vermeidung von Druckdifferenzen bei Siedepunkts- 
bestimmungen zwischen dem Ort des Thermometers und des Manometers 
sei auf die Literatur verwiesen. !) 

Nach Krafft und Lohmann?) läßt sich der Einfluß der Schwere 
auf die Siedetemperatur direkt messen. Siedeversuche, die in verschiedenen 
Breitegraden angestellt wurden, ergaben, daß die Einwirkung der Schwer- 
kraft unter Umständen eine mehrere Zehntelgrade ausmachende Differenz 
in den Beobachtungen veranlassen kann. 

Bezüglich der Beziehungen zwischen Siedepunkten und chemischer 
Zusammensetzung‘) stellte Karl) fest, daß Monobromderivate organischer 
Verbindungen einen um etwa 24° höheren Siedepunkt besitzen als die 
entsprechenden Chlorverbindungen, und daß diese Differenz bei Dihalogen- 
körpern das Doppelte, bei Trihalogenkörpern das Dreifache beträgt. 

Auf Grund gewisser Regelmäßigkeiten, die sich bei der Beobachtung 
der Siedepunkte organischer Basen unter gleichzeitiger Berücksichtigung 
des Molekularvolumens ergaben, zeigte Wolffenstein >), daß die Basizität 
des Stickstoffs eine direkte Größe dieser Verhältnisse vorstellt, und dab 
man infolgedessen daraus einen Rückschluß auf die Stärke der Basizität 
stickstoffhaltiger Substanzen machen kann. Die experimentellen Unter- 
suchungen betrafen Glieder der Piperidinreihe, so daß die Versuche 
für die Alkaloidehemie eine besondere Bedeutung haben. — 

Die Fadenkorrektion bei der Bestimmung des Siedepunktes von 
Mineralölen in gläsernen Englerkolben erreicht ganz außerordentlich hohe 
Beträge: abgelesene Siedetemperaturen von 60—320° müssen um 0'8—18°8° 
korrigiert werden. Bei den für zolltechnische Prüfungen vorgeschriebenen 
Metallkolben betrugen dagegen die notwendigen Korrekturen bei den ent- 
sprechenden Siedetemperaturen nur 0'2—11'9°%. Diese erheblichen Unter- 
schiede in den Korrekturbeträgen sind offenbar auf die bessere Wärme- 
leitung des Metallkolbens zurückzuführen. ®) 


!) Siehe z. B.: €. v. Rechenberg-Ch. J. Hansen, Über eine wenig beachtete Fehler- 
quelle bei Siedepunktsbestimmungen unter vermindertem Druck. Journ. f. prakt. Chem. 
(2), Bd. 79, S.475 und Bd. 80, S. 449 (1909); Chem.-Zeitg. Bd. 33, Rep. S. 429 und 
649 (1909). 

°) F.Krafft und D. Lohmann, Das Sieden als Überwindung der Schwere und die 
Siedepunktsbestimmung unter gewöhnlichem Druck. Journ. f. prakt. Chem. (2), Bd. 80, 
S. 469 (1909); Chem.-Zeitg. Bd. 33, Rep. S.649 (1909). — Vgl. auch: F. Krajft, Das 
Sieden als Überwindung der Schwere und die Vakuumdestillation. Journ. f. prakt. Chem. 
(2), Bd. 80, S. 242 (1909). 

®) Vgl. darüber z. B.: S. Smiles, Chemische Konstitution und physikalische 
Eigenschaften. Übersetzt von P. Krassa, bearbeitet und herausgegeben von 0. Herzog, 
Dresden u. Leipzig (Th. Steinkopf), 1914, S. 203 ff. 

*) J.C. Earl, Beziehungen zwischen Siedepunkten. Chem. News. Vol. 100, p. 245 
(1909); Chem.-Zeitg. Bd. 33, Rep. S. 649 (1909). 

°) R. Wolffenstein, Über den Zusammenhang zwischen der chemischen Konstitution 
und den Siedepunkten. Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 26, Aufsatzteil S. 545 (1913). 

6) H. F. Wiebe, Berücksichtigung der Fadenkorrektion bei der Temperaturbe- 
stimmung in den Mineralöl-Siedeapparaten. Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 1306 (1912). 


28% 


456 


Richard Kempf. 


Bei der Bestimmung des Siedepunktes von Gemischen. z.B. von 
Rohpetroleum, ist im Auge zu behalten, dal) die Temperatur der siedenden 
Flüssigkeit wesentlich höher sein kann, als die der abziehenden Dämpfe. 
Die Temperatur der siedenden Flüssigkeit zeigt naturgemäß) um so weniger 
die Temperatur der abdestillierenden und als kondensierte Flüssigkeit bei 
der Destillationsanalyse gemessenen Dämpfe an, je mehr hochsiedende 
Kohlenwasserstoffe, wie z. B. im Leuchtpetroleum und noch mehr im Roh- 
petroleum, mit leichter siedenden gemischt sind. Die Tempera turdifferenzen 
können 60° und darüber betragen und sind bei Anwendung eines Metall- 
kolbens wesentlich niedriger als bei Anwendung eines Glaskolbens, weil 


Siedepunktbestimmungs- 
apparat nach Kablıkom, 
Solomonow und Gealine. 


in dem Halse des letzteren infolge 
der geringeren Wärmeleitfähigkeit des 
Glases eine bessere Dephlegmation der 
aufsteigenden Dämpfe stattfindet.') 


2. Apparate zur Siedepunkt- 
J} 
bestimmung. 


Am einfachsten und zuverlässig- 
sten bestimmt man den Siedepunkt 
einer Flüssigkeit durch Destillation am 
absteigenden Kühler. Stehen jedoch 
nur geringe Substanzmengen zur Ver- 
fügung, so wird man besser am Rück- 
flußkühler zum Sieden erhitzen. Hier- 
bei ist es notwendig. um zu verhin- 
dern, dal das Thermometer (sowie die 
Kolbenwandung und der aufsteigende 


Dampf) durch das herabtropfende Kondensat beständig 
wieder abgekühlt wird. den Rückflußkühler seitlich auf 
dem Kolben aufzusetzen und die kondensierte Flüssigkeit 
durch ein besonderes Rohr direkt in den Kolben zurück- 
zuleiten. Man kann dazu die von Kablukow, Solomonow und 
Galine?) (Fig. 185) oder die ganz ähnliche, von Besson?®) 
angegebene Vorrichtung (Fig. 186) benutzen. 

Zur genauen Bestimmung des Siedepunktes können natürlich auch 
die üblichen Apparate verwertet werden, die bei der Molekulargewichts- 


Fig. 186. 


— Preraeı 
Ne 


2F ) 
NS 
——SSS 


u 


\ 


Siedepunktbestim- 
mungsapparat 
nach Besson. 


bestimmung zur Messung der Siedepunktserhöhung von Lösungen dienen, 


!) H.F. Wiebe, \.c. — D.Holde, Beziehungen zwischen den Temperaturen der 
Dämpfe und der siedenden Flüssigkeit bei Kohlenwasserstoffgemischen. Ohem.-Zeitg. 


Bd. 37, S. 414 (1913). 


?) Iw. Kablukoır, A. Solomonow und A. Galine, Über Druck und Zusammensetzung 
der Dämpfe von Lösungen in wässerigem Äthylalkobol. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 46, 


S. 401 (1903). 


®) A. A. besson, Apparat zur Bestimmung des Siedepunktes. Chem.-Zeitg. Bd. 37, 


S. 1035 u. 1255 (1913); 


vgl. auch: R. Kempf, ebenda. S. 1255. 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 437 


und die z. B. von Deckmann bis ins Kleinste eingehend durchkonstruiert 
. worden sind (vgl. Bd. I, S. 506 ff. und Fig. 527, S. 505). — 

Die Zuverlässigkeit der Resultate derartiger Siedepunktbestimmungen 
hängt mit in erster Linie davon ab, daß Überhitzung und Siedever- 
zug vermieden wird (vgl. über die Mittel hierzu: Bd.I, S. 507 u. Bd. VI, 
S. 756— 758). 

Zur Bestimmung des Siedepunktes kleinster Flüssigkeitsmengen 
kann man nach Smith und Menzies !) folgendermaßen verfahren. Man füllt 
kleine Mengen (0'03—0'1 g) der Substanz in ein Glaskügelchen, wie es in 
der Elementaranalyse zur Verbrennung von Flüssigkeiten benutzt wird, 
biegt den kapillaren Hals um 180° herum, befestigt es mit der Öffnung 
nach unten mittelst Platindrahtes an einem Thermometer, hängt das Ganze 
in eine passende Badflüssigkeit und verfährt wie bei der üblichen Art der 
Schmelzpunktbestimmung. Beim Erhitzen entweicht zuerst die in dem 
Röhrchen eingeschlossene Luft; ist die Siedetemperatur erreicht, so be- 
einnt sofort eine gleichmäßige Entwicklung von Dampfblasen. 

In ganz ähnlicher Weise kann man auch den Siedepunkt kleinster 
Substanzmengen bei Minder- oder Überdruck bestimmen. ?) 


Ergänzungen zum achten Kapitel: 


Arbeiten mit Gasen. 
(Vgl. Bd. I, S. 215— 282.) 


I. Die Gewinnung von Gasen. 
(Vgl. Bd. 1, S. 215— 229.) 
l. Gasentnahme aus Bomben.°) 
(Vgl. S.215— 220.) 
a) Allgemeines. (Vgl. S.215— 218.) 
Über die Herstellung und Prüfung von Stahlbomben für flüssiges 


1) A. Smith und A. W.C. Menzies, Untersuchungen über Dampfdruck: I. Neue 
Methode zur Bestimmung des Siedepunktes kleinster Mengen Flüssigkeiten und nicht 
schmelzender fester Stoffe unter gleichmäßigen Bedingungen. Journ. Amer. Chem. Soc. 
Vol. 32, p. 897 (1910); Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. S. 477 (1910). 

?) A. Smith und A. W.C. Menzies, Untersuchungen über Dampfdruck: Eine ein- 
fache dynamische Methode zur Bestimmung von Dampfdrucken und Siedepunkten bei 
bestimmten Drucken, anwendbar für flüssige und feste Stoffe. Journ. Amer. Chem. Soe. 
Vol. 32, p. 907 (1910); Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. S. 477 (1910). 

») Literatur über verdichtete und verflüssigte Gase: E. Luhmann, Die 
Industrie der verdichteten und verflüssigten Gase. Wien und Leipzig (A. Hartleben) 
1904. — H. Teichmann, Komprimierte und verflüssigte Gase. Monographien über che- 
misch-techn. Fabrikationsmethoden. Bd. XIV. Halle a. S. (W. Knapp) 1908. — E. Urban, 
Laboratoriumsbuch für die Industrie der verflüssigten und komprimierten Gase. Ebenda. 
1909. — E. Berl, Verflüssigte und komprimierte Gase. Chemisch-technische Unter- 
suchungsmethoden von @. Lunge und E. Berl, Berlin (Jul. Springer). 6. Aufl. 1910, Bd. 1. 
S. 633—651. — M. Schall, Verdichtete und verflüssigte Gase. 140. Bd. der Bibliothek 
der gesamten Technik. Hannover (M. Jaenecke) 1912; vel. aber: R. W. Hilgenstock, 
Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 1474 (1912). 


458 Richard Kempf. 


Kohlendioxyd!) und Ammoniak?) liegen eingehende Mitteilungen amerika- 
nischer Forscher vor, worauf hier nur verwiesen sei. 
Über Explosionen von Stickstoff-5), Sauerstoff-*) und Wasser- 
stoffbomben5) wurde wiederum berichtet (vgl. im übrigen weiter unten, 
bei den betreffenden Gasen). 
Zu den Konstanten verflüssigter Gase sind noch die folgenden Ver- 
dampfungswärmen nachzutragen: 


Jodwasserstof 1. Ur EWR an RBB RR 
Schwefelwasserstoff (bei — 61372) . . . 13198 „ 9 
Bromwasserstoff (bei — 69689) . . . . 4868 „ 9 
Chlorwasserstoff (bei — 84299) . . . . 9875 „ 9 
Wasserstoff > EA INES er, 2 RR RR 


b) Ventile und Imhaltsmesser. 
(Vgl. S.218—220.) 


Nach Murmann®) wird das Reduzierventil an Kohlendioxydflaschen 
dadurch entbehrlich, daß man das Ansatzrohr mittelst einer Schicht fest- 
gestampften Papiers verstopft. Man erzielt so einen gleichmäßigen, ruhigen 
(rasstrom. 

An Stelle des Ventils nach Le Rossignol (vel. Bd.1I, S. 218) empfiehlt 
es sich, das von Körchenbauer?) konstruierte Feinregulierventil zu be- 

1) J. C. Minor, Herstellung und Prüfung von Kohlensäurezylindern. Chem.-Zeitg. 
Bd. 36, S. 377 (1912). 

®) F.W.Frerichs, Herstellung und Prüfung von Zylindern für wasserfreies Am- 
moniak. Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 378 (1912). 

5) Vgl. z. B.: Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 179 (1913). 

*) Siehe z.B.: H. Rasch, Die Zündungen durch verdichteten Sauerstoff und die 
Explosionsgefahr des Stickoxyduls. Weimar (C. Steinert) 1904. — @. Claude, Über die 
Unglücksfälle beim Arbeiten mit komprimiertem Sauerstoff und eine Versuchsanordnung, 
um sie zu vermeiden. Comptes rendus de l’Acad. des sciences. T. 145. p. 357 (1907); 
Chem. Zentralbl. 1907, Bd. HI, S. 1273. — L. Lucas, Explosionsgefahren von kompri- 
miertem Sauerstoff und Wasserstoff. Chem.-Zeitg. Bd. 33, Rep. S.505 (1909). — Rasch, 
Zur Frage der Explosionsgefahren von verdichtetem Sauerstoff und Wasserstoff. Chem.- 
Zeitg. Bd. 34, Rep. S.83 (1910). — W. Bramkamp, Einiges über die Unfallgefahr von 
komprimiertem Sauerstoff und Wasserstoff. Die Chem. Industrie. Bd. 35, S. 536 (1912); 
Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 666 (1912). — K. Bauer, Die Selbstentzündung der Redu- 
zierventile für verdichteten Sauerstoff. Werkstatt-Technik. Bd. 7. S. 485 (1913): Die Natur- 
wissenschaften. Bd.1, S. 920 (1913). 

5) Vgl. z. B.: Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 207 (1913). — Explodierender Wasserstoff. 
Zeitschr. ges. Kohlens.-Ind. Bd. 19, S. 977 (1913): Chem.-Zeitg. Bd. 38, Rep. S. 144 (1914). 

6) T. Estreicher und Al. Schnerr, Über die Verdampfungswärme einiger verflüssig- 
ter Gase. Chem.-Zeitg. Bd. 34. S. 994 (1910). 

) Vgl.: A. F. Holleman, Lehrbuch der anorgan. Chemie. Leipzig (Veit & Co.). 
5. Aufl. 1907, S. 16. 

®) E. Murmann, Kurze Bemerkungen aus der Laboratoriumspraxis. Österreichische 
Chem.-Zeitg. Bd.15, S.20 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 36. Rep. S. 165 (1912). 

®) Vgl.: L. Stuckert und M. Enderli, Eine Bombe mit Rührwerk für hohe Drucke 
und Temperaturen und ein neues Hochdruckreduzierventil. Zeitschr. für Elektrochem. 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik*. 439 


nutzen. Ein Herausfliegen des Stifts, wie es bei ungeschickter Handhabung 
des Rossignol-Ventils manchmal vorkommt, ist bei diesem neuen Ventil 
ausgeschlossen, ebenso ein Abdrehen der Ventilspindel. Das Ventil ver- 
meidet ferner die Stopfbüchse, so daß auch diese Quelle von Undichtig- 
keit in Wegfall kommt. Zwei durch eine Schraube zwischen Ventilgehäuse 
und Spindel gequetschte Vulkanfiberscheibchen besorgen die Abdichtung. 
Vor allem ist auch Rillenbildung im Ventilsitz, die z. B. bei dem Rossignol- 
Ventil zu Undichtigekeiten führen kann, bei der neuen Konstruktion aus- 
geschlossen, da Spindel und Ventilkegel aus zwei getrennten Stücken be- 
stehen und der Kegel deshalb beim Öffnen und Schließen des Ventils nicht 
mitgedreht wird: Eine seitliche Führung verhindert jede Drehung des 
Kegels, so daß dieser stets auf die gleiche Stelle des Gehäuses zu sitzen 
kommt. Ventilsitz und Ventikegel besitzen verschiedene Neigungswinkel. 
so daß die Dichtung theoretisch auf einer Linie stattfindet. 

Wie bereits erwähnt (Bd. I, S. 220), bildet bei den gewöhnlichen Re- 
duzierventilen die plötzliche Kompression des Sauerstoffes in der Ventil- 
kammer beim Öffnen des Hahnes und die dadurch bedingte Erhitzung der 
Hartgummidichtung oder anderer organischer Stoffe (Öl, Leder), die Feuer 
fangen können, eine gewisse Explosionsgefahr. Ein neues Reduzierventil 
des Drägerwerks in Lübeck versucht, diese Gefahr auszuschließen. ') Das 
erhitzte Gas, das bei den bisherigen Konstruktionen an der der Sauerstoff- 
bombe zugekehrten Fläche des Hartgummis zusammengedrängt wurde, 
wird bei dem neuen Ventil in eine Kammer geleitet, in der die Hitze des 
komprimierten Gases ganz unschädlich ist und von der Metallmasse bald 
abgeleitet wird. Auch bei ruckweisem Öffnen des Ventils sollen daher Ex- 
plosionen nicht eintreten können. 


2. Allgemeine apparative Technik der Gasentwicklung. 
(Vgl. Bd. I, S. 220—229.) 


a) Gasentwicklung durch die Einwirkung von Flüssigkeiten auf feste Körper. 
(Vgl. S. 221—227.) 


x) Debraysche Apparate. 
(Vgl. S. 222-225.) 


Das Wesen der Debrayschen Apparate besteht im Prinzip darin, dal) 
der Höhenunterschied der Gefäße für das feste und das flüssige 
Material bequem zu verändern ist, dergestalt. daß man in weiten 


Bd. 19, S.572 (1913). — Dieselben: Eine Bombe mit Rührwerk zur Messung der Re- 
aktionsgeschwindigkeit im heterogenen System bei hohen Drucken und ein neues Hoch- 
druckreduzierventil. Chem.-Zeitg. Bd. 37. S. 1288 (1913). — Vgl. ferner: @. Bredig 
und S. R. Carter, Katalytische Synthese der Ameisensäure unter Druck. Ber. d. Deutsch. 
chem. Ges. Bd. 47, S. 544 (1914). 

t) Vgl.: K. Bauer, Die Selbstentzündung der Reduzierventile für verdichteten 
Sauerstoff. Werkstatt-Technik. Bd. 7. S. 485 (1913); Die Naturwissenschaften. Bd. 1, 
8. 920 (1913). 


440 Riehard Kempf. 


Grenzen die Möglichkeit hat, dem festen Material seine Lage sowohl weit 
oberhalb als auch unterhalb des Spiegels der Reaktionstflüssigkeit zu geben. 

Der bereits erwähnte Apparat von Stritar !) (Fig. 187) ist typisch für 
diese Kategorie von (sasentwicklungsapparaten. 

Auf dem Umkippungsprinzip des v. Faboschen Apparates (vgl. Bd. I, 
S. 224, Fig. 402) beruht ein leicht zusammenstellbarer Gasentwicklungs- 
apparat, den Hodges?) vorschlug (Fig. 188). Die Vorrichtung besteht aus zwei 
gewöhnlichen, aber diekwandigen Erlenmeyerkolben, die mittelst T-Stück 
und Gummistopfen miteinander verbunden sind. Das obere Gefäß ent- 
hält eine paraffingetränkte, durchlöcherte Holz- oder Korkscheibe, auf der 
das feste, gasentwickelnde Material, z. B. Schwefeleisen, ruht. Der untere 
Erlenmeyerkolben wird mit der 
Säure beschickt. 

Dem Joakimschen Appa- 
rate (vgl. Bd. I, S.224, Fig. 403) 
sehr ähnliche, aber vor diesem 
keinerlei Vorzüge bietende Vor- 
richtungen schlugen Weinschenk?) 
und ferner Southerden *) vor. 


Fig. 188. 


5) Döbereiner-Mohrsche 

Apparate (vgl. S. 225—226). ee 
Das gemeinsame Merkmal "arten, ® 

dieser Art von Gasentwicklungs- 
apparaten ist darin zu sehen, daß der Behälter 
des gaserzeugenden festenMaterials direkt 
in das Säuregefäß eintaucht. Der Niveau- 
unterschied zwischen festem und flüssigem Mate- 
rial ist auch hier meist variabel. 


a Einen derartigen Apparat — in Verbindung 
mit zwei vertikal übereinander angeordneten 
Waschaufsätzen (vgl. oben, S. 400) — gab z. B. auch Ulrich°) an (Fig. 189) 


und ferner Braun.) 

Eine ähnliche Konstruktion empfahl neuerdings wiederum Steinkopf *) 
tür Azetylenentwicklung. Das Kalziumkarbid wird in einem vertikal ver- 
stellbaren Drahtkörbehen untergebracht (Fig. 190). 


‘) M. J. Stritar, Neue Laboratoriumsapparate. Chem.-Zeitg. Bd. 33, S. 264 (1904). 

*) E. R. Hodges, Ein einfacher Schwefelwasserstoffgas-Entwicklungsapparat. Chem. 
News. Vol. 104. p. 189 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 645 (1911). 

°) 4. Weinschenk, Einfache Form eines Gasentwicklungsgefäßes. Chem.-Zeitg. 
Bd. 29, S. 766 (1905); Chem. Zentralbl. 1905, Bd. II, S. 802. 

*) F. Southerden, Gasgenerator. Chem. News. Vol. 107, p. 86 (1913); Chem. Zen- 
tralblatt. 1913. Bd. I, S. 1377. 

°) Ulrich, Neue Laboratoriumsapparate. Gasentwicklungsapparat mit übereinander 
geschalteten Trocken- bzw. Absorptionsgefäßen. Chem.-Zeitg. Bd. 28, S.598 (1904). 

°) M. Braun, Eine neue Gasentwicklungsflasche. Chem.-Zeitg. Bd. 38, S. 320 (1914). 

‘) W. Steinkopf, Azetylenentwicklungsapparat. Chem.-Zeitg. Bd. 33, S. 969 (1909). 


ä 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 441 


Als Aufnahmegefäß für das feste Material schlug Serger !) wiederum 
von neuem einen Lampenzylinder, Vernon:) einen Trockenturm nach 
Fresenius vor (Fig. 191). Ähnlich ist auch die von Oppler°) angegebene, 
den Kippschen Apparaten angenäherte Konstruktion, die sich leicht mit den 
gewöhnlichen Hilfsmitteln des Laboratoriums zusammenstellen läßt (Fig. 192). 

Einen Döbereiner-Mohrschen Gasentwicklungsapparat in so großen 
Abmessungen, daß er 5 / Flüssigkeit und mehrere Kilogramm feste Sub- 


Fig. 189. Fig.190. Fig. 191. 


Gasentwicklungsapparat nach 
Vernon. 


stanz zu fassen vermag, 
gab Shedden*) an. Einen 
ähnlichen, gut durchkon- 
struierten Apparatschlugen 


ferner Brodtmann und 
Gasentwicklungsapparat Acetylenentwicklungsapparat € Er 
nach Ulrich. nach Steinkopf. Rodeu ald>) Vor. 


y) Kippsche Apparate (vel. S. 226—227). 
Sogenannte „verbesserte“ Kippsche Apparate tauchen von Zeit zu 
Zeit immer wieder auf. Die von Gutmann ®) vorgeschlagenen Verbesse- 


') A. Serger, Ein einfacher Gaserzeugungsapparat. Pharm.-Zeitg. Bd. 56. S. 807 
(1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 537 (1911). 

°) F. T.Vernon, Ein einfacher Schwefelwasserstoffentwicklungsapparat. Chem. 
News. Vol. 104, p. 256 (1911); Chem. Zentralbl. 1912, Bd. I, S. 309. 

°») B. Oppler, Billiger Ersatz des Kippschen Apparates. Chem.-Ztg. Bd.36. 8.96 (1912). 

*) F. Shedden, Ein einfacher Gaserzeuger. Journ. Soc. Chem. Ind. Vol. 32, p. 3 
(1913); Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 337 (1913). 

5) Brodtmann und Rodewald, Ein neuer Gasentwicklungsapparat zur dauernden 
Entnahme auch größerer Gasmengen. Chem.-Zeitg. Bd. 38, S. 187 (1914). 

6) L. Gutmann, Verbesserter Kippscher Apparat. Zeitschr. f.angew. Chem. Bd. 23, 
S. 728 (1910). 


442 Richard Kempf. 


rungen führen die Komplikation herbei, dal) zwei weitere Glashähne nötig 
sind und der Hahn am Gasableitungsrohr als Dreiweghahn ausgebildet 
werden mub. 

Durch Einfachheit zeichnet sich dagegen der Vorschlag von Michel !) aus. 
Der Schliffteil des Trichterrohres ist hier zu einem Hahnstopfen umge- 
wandelt, so daß der Apparat im übrigen vollkommen ohne Hähne und 
Schliffe ist (Fig. 193). 

Die von Me Dermott?) angegebene Modifikation des KAüöppschen 
Apparates hat den Vorzug der leichten Zugänglichkeit der inneren Teile. 


Fig. 192. Fig.193. Fig. 194. 


Gasentwicklungsapparat 
nach Kipp-Me. Dermott. 


Der untere Teil der 
| Vorrichtung besteht aus 
einem mit Einschnürung 

=% 


A versehenen Standzylin- 
a der, der mit dem oberen 
| SS Teil mittelst Schliffes 

mein. 

Einschnürung des Stand- 

zylinders ruht ein ringförmiger Behälter aus Porzellan oder Blei mit sieb- 

artig durchlöchertem Boden zur Aufnahme der gasbildenden Substanz 
(Fig. 194). 

Bei dem von Preuss®) angegebenen Kippschen Apparat ist in die 
Einfüllöffnung der Mittelkugel ein hohler Hahnstopfen. dessen Inneres 
zugleich als kleine Waschflasche ausgebildet ist, drehbar eingeschliffen 
(Fig. 195). 

Einen ebenfalls auf dem Prinzip des Kippschen Apparates beruhen- 
den, mit zahlreichen Hähnen und Schliffen versehenen Gasentwicklungs- 


‘) F. Michel, Ein neuer Gasentwicklungsapparat. Chem.-Zeitg. Bd. 35, 8. 52 
(1911). 

°®) F. A. Me Dermott, Neue Modifikation des Aippschen Apparates. Journ. Ind. 
Eng. Chem. Vol. 1, p. 811 (1909); Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. S. 49 (1910). 

°) @. Preuss, Gasentwicklungsapparat. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 1131 (1911). 


ee ee 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik*. 445 


apparat empfahl Bormann.!) Auf seine komplizierte Konstruktion sei hier 
nicht näher eingegangen. 

Die in Aippschen und ähnlichen Apparaten entwickelten Gase sind 
stets etwas lufthaltig, weil die oberste Kugel mit der Atmosphäre in Ver- 
bindung steht und sich die Säure daher mit den Luftgasen sättigt. Han- 
delt es sich also darum, in Kippschen Apparaten luftfreie Gase, z. B. reinen 
Wasserstoff?) oder reines Kohlendioxyd?), zu entwickeln, so muß man 
die Säure auskochen und sie nach dem Einfüllen gegen die Atmosphäre 
absperren, indem man die Luft aus der obersten Kugel durch das be- 
treffende Gas verdrängt und dieses nach Bedarf ergänzt. Man erreicht dies 
am einfachsten in der Weise, daß man die oberste Kugel mit einem zweiten 
Kippschen Apparat, der das gleiche Gas entwickelt, 


dauernd in Verbindung hält. ) 

Um den Druck des aus einem Kippschen 2 
Apparat entweichenden Gases zu erhöhen, kann man AB) 
auf den Tubus des Trichterrohres mittelst luftdicht 2 
schließenden und eventuell festgeschnürten Stopfens Ar 


ein langes Steigrohr aufsetzen, das in die Säure 
eintaucht und am besten — zur Erhöhung der Sta- 
bilität — bis in den Trichterstiel hinab reicht. Die 
Niveaudifferenz zwischen dem Flüssigkeitsspiegel im 
Steigrohr und im untersten Raum des Kippschen 
Apparates ist ein Maß für den erzeugten Gasdruck: 
jedes Meter Flüssigkeitssäule entspricht ungefähr 
1/0 Atmosphäre Druck. Soll das Gas eine Reihe hinter- 
einander geschalteter Waschflaschen passieren, so 
addieren sich deren hydrostatische Flüssigkeitsdrucke. 
Die Flüssigkeitssäule im Apparat muß daher im all- wieinngs int mach 
gemeinen größer sein als die Summe der einzelnen 

Säulen in den Waschflaschen, besonders dann, wenn die Waschflüssigkeiten 
spezifisch viel schwerer sind als die Säure im Apparat. 

Soll das entwickelte Gas unter einem höheren Druck entströmen, als 
dem Druck von etwa !/—”/ı Atmosphäre entspricht, so wird die ge- 
schilderte Einrichtung zu sperrig und unhandlich. Man verfährt dann ein- 
facher so, daß man gasdicht eine mit Quecksilber gefüllte Weltersche 
Sicherheitsröhre (vgl. Bd. I, S. 221 und Fig. 407, S. 227) aufsetzt oder ein 
zweimal rechtwinkelig gebogenes Rohr, das in einen hohen, schmalen, mit 
Quecksilber gefüllten Standzylinder eintaucht. Bei der letzteren Anordnung 
ist der Druck durch Heben und Senken des Standzylinders in weiten 


!) K. Bormann, Neuer Gasentwicklungsapparat. Zeitschr. f. analyt. Chem. Bd. 52, 
S. 641 (1912). 

2) Vgl.z.B.: M. W. Travers, Experimentelle Untersuchung von Gasen. Deutsch 
von T. Estreicher, Braunschweig (F. Viewege & Sohn) 1905, S. 41. 

8) Siehe z.B.: A. Thiel und E. Caspar, Über die Temperatur von Kältebädern 


. mit festem Kohlendioxyd. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 86, S. 269 (1914). 


444 Richard Kempf. 


Grenzen bequem regulierbar. Eine (Quecksilbersäule von 7'6 cm Höhe ent- 
spricht einem Druck von Y,, Atmosphäre; die Sperrsäule kann bei 
gleicher Druckwirkung 13’6mal niedriger sein als bei Anwendung von 
Wasser. — 

Zum bequemen Entleeren von Kippschen Apparaten empfahl Fried- 
mann!) ein Röhrensystem, das mittelst eines einfach durckbohrten Stop- 
fens auf den Apparat luftdicht aufgesetzt wird. Seine Handhabung ist 
ohne weiteres aus der Abbildung (Fig. 196) verständlich. Eine ähnliche Vor- 
richtung beschrieb Lockemann.?2) Wendet man Aöppsche Apparate mit 
einem Tubus am untersten Gefäß an, so erreicht man denselben Zweck 


Fig. 197. 


ji) 


Entleerungsröhre für Kippsche Apparate 
nach Friedmann. 


einfacher und bequemer durch Ein- 
setzen eines heberartig gebogenen Gasentwicklungsapparat nach Urbasch. 
Hahnrohres in diesen Tubus. 

Eine praktische Apparatur zur Entwicklung größerer Mengen 
Schwefelwasserstoffgas nach dem Prinzip des Kippschen Apparates schlug 
Urbasch®) vor (Fig. 197). Die Vorrichtung bezweckt insbesondere auch die 
ständige Bereitstellung von gesättigtem Schwefelwasserstoffwasser ohne 


I 


') 4. Friedmann, Röhre zum Leeren des Kippschen Apparates. Chem.-Zeitg. 
Bd. 37. S. 929 (1913). 

°) @. Lockemann, Entleerungsvorrichtung für den Kippschen Apparat. Chem.- 
Zeite. Bd. 38, S. 222 (1914). 

°) St. Urbasch, Neuer Schwefelwasserstoffapparat. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 1040 
(1910). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 445 


Geruchsbelästigung. Prinzipiell gleich ist die von Purrmann und Verbeek !) 
angegebene Vorrichtung, die als Laboratoriums-Zentralapparat speziell für 
die Entwicklung von Kohlendioxyd konstruiert worden ist (Fig. 198). 


8) Finkener- Apparate. 


Diese Kategorie von Gasentwicklungsapparaten ist dadurch gekenn- 
zeichnet, daß die Flüssigkeit von der äußeren Atmosphäre abge- 
schlossen ist und nur durch einen künstlich erzeugten Gas- 
überdruck zu dem gasentwickelnden festen Material gelangt. 


Fig. 198. 


Gasentwicklungsapparat nach Purrmann und Verbeek. 


Steht die Flüssigkeit unter gewöhnlichem Luftdruck, so befindet sie sich 
mit ihrer ganzen Masse unterhalb des festen Materials. 

Die Finkener-Apparate haben vor den Kippschen Apparaten den 
Vorzug langandauernder Wirkung und größerer Sparsamkeit während des 
Betriebes, da die Säure vollkommen ausgenützt wird. 

Man kann nach einem Vorschlage Wolfs?) jeden Kippschen Apparat 
mühelos so abändern, daß er nach dem Finkenerschen Prinzip wirkt: Man 


1) C. Purrmann und P. Verbeek, Ein praktisch bewährter Laboratoriumsapparat 
zur Entwicklung von Kohlendioxydgas. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 927 (1911). 

2) H. Wolf, Über eine Modifikation des Aippschen Apparates. Chem.-Zeitg. 
Bd. 18, S. 486 (1894). 


446 Richard Kempf. 


sprengt das lange Stielrohr der oberen Kugel etwa 2—3 Finger breit über 
der Einschnürung zwischen dem mittleren und unteren Gefäß ab und füllt 
in diese beiden (refäße so viel Säure ein, daß das verkürzte Rohr etwa 
> em in sie eintaucht. In die oberste Kugel bringt man eine mehrfach 
durchlochte Gummischeibe, beschickt sie mit dem festen Entwicklungs- 
material und verschließt sie mit einem Gummistopfen, durch den ein 
kurzes Hahnrohr führt. In den Tubus der mittleren Kugel setzt man einen 
doppelt durchbohrten Gummistopfen ein und bringt in ihm ein kurzes 


Fig. 199. 


Gasentwicklungsapparat nach Wo/f (System 
des Finkener-Apparates). 


Glasrohr mit Hahn und ein kleines 
Druckmanometer an (Fig. 199). Zur 
Einleitung der Gasentwicklung öffnet 
man beide Hähne und bläst in das 
untere Hahnrohr hinein, bis die im Stielrohr aufsteigende Säure mit der 
Füllung der obersten Kugel in Berührung gekommen und eine kräftige 
(rasentwicklung eingetreten ist. Alsdann schließt man beide Hähne, und 
der Apparat wirkt selbsttätig weiter in derselben Weise wie ein Kipp- 
scher Apparat. 

Den ursprünglichen Finkener-Apparat zeigt Fig. 200. Nach einem Vor- 
schlage Rothes!) ist es zweckmäßig, den Trichterstiel bis nahe zum Boden 
hinabreichen zu lassen und in das Rohr dicht unterhalb der Stelle, wo es in die 


Gasentwicklungsapparat nach Finkener. 


‘) Privatmitteilung von Herrn Prof. Dr. J. Rothe. 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 447 


Flüssigkeit eintaucht, ein seitliches Loch einzubohren. Es dringt dann zu 
dem festen Material stets frische Säure, während sich die verbrauchte, spe- 
 zifisch schwerere Säure unten im Gefäß ansammelt. 

Alle Verbindungen sind durch Glasschliffe hergestellt, welche durch 
Glasrohrfedern untereinander verbunden sind. Kautschuk oder del. ist gänz- 
lich vermieden. Auch die direkt am Apparat montierten drei Waschflaschen 
sind durch Glasschliffe und vielfach gebogene, dünne, federnde Glasröhren 
miteinander verbunden, und sämtliche Glasschliffe werden durch kräftige 
Spiralfedern sicher in ihrer Lage erhalten. Trotz seiner scheinbar erheb- 
lichen Kompliziertheit bewährt sich der Apparat, kunstgerecht hergerichtet 
und beschickt, ganz ausgezeichnet zur Gewinnung völlig reiner Gase, be- 
sonders ganz luftfreien Wasserstoffs. 

Man verfährt in diesem Falle zweckmäßig folgendermaßen.!) Die erste 
Waschflasche beschickt man mit Kalilauge (1 Teil KOH + 2 Teile H,O), 
die zweite mit Natriumhydrosulfitlösung?) (vgl. oben S. 408) und die 
dritte mit einer konzentrierten Lösung von Phosphorsäure®) vom spe- 
zifischen Gewicht 1'75—1'80.t) 

Den Gasüberdruck erzeugt man einfach so, daß man eine bestimmte 
Menge Zink in das untere (refäb hineingibt und alle Hähne schließt. Der 
sich entwickelnde Wasserstoff komprimiert die Luft, und mit einem Mano- 
meter überwacht man den entstehenden Druck. Spült man die Luft mit 
dem so entwickelten Wasserstoff vollständig aus allen Teilen des Apparates, 
indem man das Gasgemisch wiederholt absaugt und neue Mengen Wasser- 
stoff sich entwickeln läßt, so erhält man leicht ein so vollkommen reines, 
luftfreies Gas, wie es mit anderen Gasentwicklungsapparaten, bei denen 
die Säure immer wieder Luft aus der Atmosphäre aufnimmt, ohne be- 
sondere Vorkehrungen (vgl. oben, S. 443) nicht möglich ist. 

Für den allgemeinen Laboratoriumsgebrauch haben sich die folgenden 
Abmessungen der einzelnen Teile eines Finkener-Apparates gut bewährt: 
Inhalt des Säuregefäßes: 5 /, Inhalt der Kugel (einschließlich Hals): gegen 
1 2 und über 3%g Stangenzink fassend. Man beschickt das Säuregefäß mit 
3'8 1 verdünnter Salzsäure (3 Vol. Salzsäure 1’12 und 2 Vol. Wasser) und fügt 
zur Verdrängung der Luft 65 g Zink (in Form einer Stange) hinzu, sowie 
zur dauernden Freihaltung der Säure von Sauerstoff einige Kupferdrehspäne. 

Unmittelbar nachdem der Apparat in dieser Weise gefüllt ist, eva- 
kuiert man die Luft aus dem Säuregefäß und aus der Birne unter Zwischen- 
schaltung eines Manometers bis auf etwa 2 cm Quecksilberdruck. Ist der 
Druck infolge der Wasserstoffentwicklung allmählich wieder auf 1 Atmo- 


‘) Privatmitteilung von Herrn Prof. Dr. J. Rothe. 

°) Vgl. darüber z. B.: J. Meyer, Zur Kenntnis der hydroschwefligen Säure. Zeit- 
schrift f. anorg. Chem. Bd. 34, S.52 (1903). 

°) Die Anwendung von konzentrierter Schwefelsäure als Trockenmittel ist nicht 
angängig, da diese durch den Wasserstoff zum Teil zu Schwefeldioxyd reduziert wird. 

*) Man dampft die käufliche Phosphorsäurelösung in einer Porzellanschale (nicht 
Platinschale!) bis zu dieser Konzentration ein. 


448 Richard Kempf. 


sphäre gestiegen. so evakuiert man von neuem usf., bis man sicher sein 
kann, alle Luft aus der Apparatur verdrängt zu haben. Am Schluß beträgt 
dann der Gasüberdruck 11 em Quecksilber = etwa 15 m Wasserdruck. Die 
in die Kugel eingebrachte Zinkmenge (3:12 kg) genügt für 5malige Er- 
neuerung der Säure und liefert etwa 1000 2! Gas. — 

Nach dem Prinzip des Finkenerschen Apparates ist auch der von 
Wartha angegebene einfache Gasentwicklungsapparat konstruiert. !) 

Eine Kombination der Apparate von Kipp und Finkener empfahl 
Marek.) 


<) Apparate zur Gasentwicklung nach dem Tropfsystem. 
(Vgl. Bd. I, 3.250... 251.) 

Das unterscheidende Merkmal dieser Art Gasentwicklungsapparate 
besteht darin, daß sich die gesamte Arbeitsflüssigkeit oberhalb des 
festen Materials befindet. Beim Betriebe tropft 
und sickert sie langsam durch eine lange Schicht 
der festen Substanz hindurch und verläßt endlich 
‘ den Apparat unten in verbrauchtem Zustande 
meist in Gestalt einer Salzlösung. 

Derartige Apparate eignen sich in erster 
Linie für größere Laboratorien als Gasentwickler 
für den allgemeinen Gebrauch. speziell zur Ent- 
wicklung von Schwefelwasserstoff aus Schwefel- 
eisen und Säure (vgl. die Apparate von Ostiwald 
und Küster, Bd. I, S.251, Fig. 413). 

Eine besonders einfache Konstruktion nach 
diesem Prinzip für kleine Versuche gab Hinds>) 
an (Fig. 201). Die verbrauchte Säure fließt durch 
den Überlaufheber selbsttätig ab. 

Von Giwiggner*) wurde ein ähnlicher Appa- 
rat speziell für die Entwicklung von Salzsäure- 
gas aus Chlorammonun and oz 
Schwefelsäure konstruiert (Fig. 202). Durch Drehen 
des etwa 200 em? fassenden Tropftrichters im Schliff kann der Ausfluß 
der Säure auf immer neue Stellen des Salmiaks geleitet werden. 

Für Gasentwicklungen in größerem Maßstabe eignet sich der von 
Wartha°) empfohlene Apparat (Fig. 203). Man benützt die beiden unteren 


Fig. 201. 


‘) Vgl. im übrigen: V. Wartha, Zwei neue Gasentwicklungsapparate. Ber. der 
Deutsch. chem. Ges. Bd.5, S.561 (1872). 

°) J. Marek, Ein modifizierter Bormanzscher Gasentwicklungsapparat. Zeitschrift 
f. analyt. Chem. Bd. 52, S. 419 (1913). 

®) J.J. D. Hinds, Ein einfacher Schwefelwasserstoffapparat. Journ. Amer. Chem. 
Soc. Vol.33, p. 354 (1911); Chem.-Zeite. Bd. 35. Rep. S. 161 (1911). 

*) A. Gwiggner, Apparat zur Entwicklung von trockenem Salzsäuregas. Zeitschr. 
f. angew. Chem. Bd. 13, S. 1308 (1900). 

°) Y. Wariha, ]. e. 


Wal nn 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 449 


Kugeln eines Kippschen Apparates, setzt oben einen Scheidetriehter auf 
und verbindet dessen Luftraum durch ein Rohr mit der untersten Kugel. 
Überschüssig oder nachträglich bei bereits geschlossenem Entnahmehahn ent- 
wickeltes Gas drückt einen Teil der Säure durch dieses seitliche Rohr in den 
Scheidetrichter zurück und sammelt sich in der untersten Kugel, die also ge- 
rade so wie beim Kippschen Apparat die Funktion eines Gasometers erfüllt. 

Von mehreren Seiten wurde mit 
Erfolg versucht, den Apparat nach Ost- 
wald-Küster ins Handliche, Transpor- 
table zu übertragen, so z.B. von Teelu !) 
(Fig. 204), Me Coy?) (Fie. 205) und 
von Sklepinski°) (Fig. 206). Der Apparat 


Fig. 203. 


Gasentwieklungsapparat nach Giwiggner. Gasentwicklungsapparat nach Wartha. 


von Sklepinski ist der Tecluschen Konstruktion sehr ähnlich, zeigt aber 
gegen diese einige Unterschiede, die ohne Frage ebensoviele Vorzüge 
bedeuten. Zunächst wird die Säure besser — d.h. sicherer vollständig 

ausgenützt, da man sie erst abläßt, wenn sie gar kein Gas mehr entwickelt. 


!) N. Teclu, Zur Frage der kontinuierlich wirkenden Gasentwickler. Zeitschr. f. 
analyt. Chem. Bd. 33, S. 441 (1894). — Vgl.auch: N. Teelu, Zuschrift an die Redaktion. 
Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 1127 (1912) und R. Kempf, ebenda. S. 1280. 

2) H. MeCoy, Ein verbesserter tragbarer Gasentwicklungsapparat. Ber. d. Deutsch. 
chem. Ges. Bd. 37, S. 2536 (1904). 

3) A. M. Sklepinski, Eine Modifikation des Östwaldschen Schwefelwasserstoff- 
Apparates. Chem.-Zeitg. Bd.36, S. 884 (1912). — R. Hase, A.M.Sklepinski, N. Teclu, Zu- 


schriften an die Redaktion. Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 1127 (1912). — R. Kempf, Zuschrift 
an die Redaktion. Chem.-Zeitg. Bd. 36. S. 1280 (1912). 
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 29 


450 Richard Kempf. 


Im Teelu-Apparat rinnt sie dagegen ohne weiteres durch die Schicht des 
Materials hindurch. Ist also diese Schicht niedrig geworden oder hat sich 
ein Kanal gebildet, so fließt die Säure nicht vollkommen ausgenutzt ab. 
Auch daß im Teelu-Apparat die Gasentwicklungsbirne direkt mit dem 
toten Luftraum des zweitobersten Gefäßes kommuniziert, damit ein Druck 
auf die zufließende Säure ausgeübt werde, ist — namentlich für Wasser- 
stoffentwicklung — ein Nachteil, den der andere Apparat nicht aufweist. 
Um den Druck des austretenden Gases in dem Apparat von Sklepinskt 
zu erhöhen, braucht man nur ein Steigrohr von passender Länge auf die 


Fig. 204. 


= 


Gasentwicklungsapparat nach Gasentwieklungsapparat 
Teclu. Gasentwicklungsapparat nach Me Coy. nach Sklepinski. 


oberste Kugel luftdicht aufzusetzen und es mit Säure zu füllen (vel. 
oben, S. 443). 

Eine praktische Apparatur zur Entwicklung größerer Mengen Schwefel- 
wasserstoff nach dem Tropfsystem beschrieb Gwiggner !) (Fig. 207). Das 
aus den Fällungsgefäßßen entweichende überschüssige Gas wird hier in 
einem wasserberieselten, 70 cm langen, mit Glasperlen gefüllten, oben mit 
einem Winkelrohrstutzen als Abzug in den Kamin versehenen Glasrohr 


‘) A. Gwiggner, Apparat zur Entwicklung größerer Mengen von Schwefelwasser- 
stoffgas und teilweisen Gewinnung des Gases aus den Abgasen der Fällungen. Österr. 
Chem.-Zeitg. Bd. 14, S. 141 (1911) und Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 891 (1911). 


mr 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik*“. 451 


Fig. 207. 
fÄPPARAT zur ERZEUGUNG arösserer MENGEN von 
& SCHWEFELWASSERSTOFFGAS 
MIT 
VORRICHTUNG ZUR GEWINNUNG DES SCHWEFEL- 
WASSERSTOFFES AUS DEM ÄBGASE 
von A. GwWIGGNER 
E: 
H Ins FREIE 


MIT GLASPERLENFÜLLUNG 


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Aerauısäure Fell, sauer 


Gasentwicklungsapparat nach Gwiggner. 


452 Richard Kempf. 


für die Gewinnung von stets gebrauchsfertigem Sch wefelwasserstoff- 
wasser nutzbar gemacht. 

Eine dem Ostwald-Küsterschen Apparat außerordentlich ähnliche Vor- 
richtung zur Entwicklung von Gasen in größerem Maßstabe, z.B. von 
Wasserstoff, schlug ferner Naundorf!) vor. 


() Apparate zur Gasentwicklung nach der Einwurfmethode. 
(Vgl. Bd. 1, S. 273.) 


Alle bisher in diesem Abschnitt beschriebenen Gasentwicklungsapparate 
haben die gemeinsame Funktionsweise, daß während des Betriebes das 
feste Material an seiner Stelle bleibt und die Flüssigkeit zu ihm hin- 
wandert. sei es von unten her infolge eines Flüssigkeits- oder Gasdrucks, 
sei es von oben her hinabfallend gemäß der Schwerkraft. 

In manchen Fällen ist es nun vorteilhafter, umgekehrt zu verfahren 
und die feste Substanz in die ruhende Flüssigkeit einzutragen. 
Diese „Einwurfmethode“ ist namentlich bei der Entwicklung von 
Azetvlen aus Kalziumkarbid am Platze, da sich grobe Stücke Karbid bei 
der Reaktion mit Wasser leicht mit einer Schicht Kalkhydrat überziehen, 
welche die weitere Einwirkung des Wassers hindert. 

Ferner eignen sich die gewöhnlichen Gasentwicklungsapparate, z. B. 
ein Kippscher Apparat, auch deshalb nicht zur Entwicklung von Azetylen, 
weil diese Apparate durch die große Reaktionswärme leicht zum 
Springen gebracht werden. Diese Gefahr ist bei den Einwurfapparaten in- 
folge des großen Überschusses an Wasser nicht vorhanden. ?) 

Eine besonders einfache Konstruktion eines derartigen Apparates 
stammt von Küspert®) (Fig. 208). Der Boden der Flasche ist kegelförmig 
nach innen eingestülpt, damit das Karbid von dem Einwurfrohr weggeleitet 
und das Entweichen von Gasblasen aus diesem vermieden wird. Das etwa 
2cm weite Rohr funktioniert bei entsprechender Länge (etwa 40 cm) zu- 
gleich als Sicherheitsrohr. Man läßt sein unteres Ende nur wenig in das 
Wasser eintauchen; bei verhindertem Gasabfluß steigt dann das Wasser 
darin empor, und der Gasüberschuß entweicht schließlich, ohne daß Luft 
von außen eindringt. 

Der Einwurfapparat von Kühnlenz +) (Fig. 209) besteht aus einer 
dreihalsigen Woulffschen Flasche mit einem Ablaßhahn am Boden. Eigen- 
artig ist der weitgebohrte Hahn am mittleren Kopftubus: er ist in jeder 
Stellung geschlossen; indem man seine weite Höhlung ganz mit Karbid 
anfüllt und ihn dann um 180° dreht, trägt man unter Luftabschluß und 


1) A. Naundorf, Gasentwicklungsapparat. Stahl und Eisen. Bd. 29, S. 1445 (1909). 

2) Vgl.: H. Biltz, Dijodazetylen und Tetrajodäthylen. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 
Bd. 30, S. 1207 (1897). 

») F. Küspert, Einwurfapparat zur Azetylendarstellung. Chem. Zentralbl. 1905, 
Bd. I, S. 1683. 

4) F. A. Kühnlenz, Gasentwickler mit Materialzuführung unter Luftabschluß, ins- 
besondere für Azetylen. Chem.-Zeitg. Bd. 22, S. 603 (1898). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 453 


ohne Gasverlust neues Material in den Apparat ein, ohne die Gasentwick- 
lung unterbrechen zu müssen. Man beschickt die Flasche etwa bis zur 
Hälfte mit Kochsalzlösung. Den Kalkschlamm läßt man von Zeit zu Zeit 
durch den Bodentubus ab. 

Sehr praktisch ist auch der von Etard !) angegebene Einwurfapparat 
(Fig. 210), der speziell für die Darstellung von Jodwasserstoff (siehe 
unten, S. 470) konstruiert worden ist. In dem großen, 2—5 / fassenden 
Rundkolben befindet sich eine reichliche Menge roter Phosphor und Wasser, 
in dem kleinen Rundkolben das gepulverte Jod (ca. 1 kg). Indem man das 
letztere Gefäß in die punktiert gezeichnete Stellung em- 
pordreht und es nötigenfalls leise klopft, kann man be- 
liebige Mengen Jod in das Reaktionsgemisch eintragen, 
ohne dal Luft in die Apparatur gelangt. 


Fig. 208. 


Fig. 209. 


Apparat zur Entwicklung von 
Jodwasserstoffgas nach KEtard 
nach Kispert (Einwurf- Gasentwicklungsapparat nach Kühnlenz (Gasentwicklungsapparat nach 
methode). - (Einwurfsystem). dem Einwurfsystem). 


Gasentwicklungsapparat 


b) Gasentwicklung durch die Einwirkung von Flüssigkeiten auf Flüssigkeiten. 
(Vel. S. 227—229.) 

Zur Gewinnung ganz reinen Kohlendioxyds entwickelten Thiel und 
Caspar?) das Gas durch Vermischen einer wässerigen Kaliumkarbonat- 
lösung mit Salzsäure. Beide Lösungen, die 7’8-norm. waren und somit eine 
nahezu gesättigte Chlorkaliumlösung ergaben, wurden vor dem Einfüllen 
in die mit Bodentubus versehenen Vorratstlaschen ausgekocht und in diesen 
unter Kohlendioxyd, das von einem Kippschen Apparat oder auch von 
einer Bombe mit Reduzierventil geliefert wurde, aufbewahrt. Zur Ent- 
wicklung von Kohlendioxyd wurden die beiden Flüssigkeiten durch Hahn- 


1) A. Etard, Darstellung der Jodwasserstoffsäure. Bull. Soc. chim. de Paris. T. 49. 
p. 742 (1888); Chem. Zentralbl. 1888, S. 820. 

2) A. Thiel und E. Caspar, Über. die Temperatur von Kältebädern mit festem 
Kohlendioxyd. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 86, S. 268 (1914). 


454 Richard Kempf. 


röhrehen gleichzeitig in eine doppelhalsige und mit Bodentubus versehene 
Woulfsche Flasche geleitet. 


II. Spezielle chemische Methodik der Gasentwicklung. 
(Vgl. Bd. I, S. 230— 271.) 


a) Die Darstellung gasförmiger Elemente. 
(Vgl. Bd. I, $. 230—250.) 
+) Wasserstoff. ‘) 
Vel. S. 230— 234.) 

Der käufliche komprimierte Wasserstoff enthält stets noch etwas Stick- 
stoff und Sauerstoff. Caro und Schück?) gaben als Zusammensetzung 
elektrolytisch hergestellten und in Stahlflaschen auf 150-170 Atmosphären 
komprimierten Wasserstoffes zweier verschiedener Firmen die folgenden 
Durchschnittswerte an: 

Wasserstoff der Firma A: 985%, H; 123%, N; 02750 
e se Br 01%), BE: 109], O0 ZEN Er 

Um Sich vor Explosionen von Bombenwasserstoff infolge beigemengter 
Luft) (vergl. S.438) zu sichern, empfahl Zelarge +), vor der Druckprobenahme 
des Gases aus der Bombe seine Dichte zu messen. Im Handel vorkommen- 
der Wasserstoff, der über 0'170 ky wiegt, ist wegen Verdachts starker 
Luftbeimischung zurückzuweisen; besonders elektrolytisch gewonnener Wasser- 
stoff mit mehr als 4°/, Sauerstoff (Dichte etwa 0'143) ist zu verwerfen. 

Die Explosionsgrenzen von Wasserstoffgemischen bestimmte Perman 5) 
von neuem. 

Von den zahlreichen neueren Methoden der Wasserstoffgewinnung 
seien die folgenden kurz erwähnt. 

Elementares Silizium, das jetzt wohlfeil im Handel ist (etwa 70 Pig. 
pro Kilogramm), löst sich nach den Beobachtungen von Moissan und 
Siemens®) beim Erhitzen in einer wässerigen Lösung von Ätzkali unter 
Entwicklung von Wasserstoff. Die Reaktion verläuft theoretisch nach der 
folgenden Gleichung: 

+2 NaOH + H,O = Na, SiO, + 2H,, 

1) Siehe auch z. B.: A. Sander, Neuere Verfahren zur Wasserstoffgewinnung. 
Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 25, S. 2401 (1912). 

°) N. Caro und B. Schück, Untersuchungen über die Veränderung von Wasser- 
stoff in Gasballons. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 405 (1911). 

3) Siehe z. B.: Explodierender Wasserstoff. Zeitschr. f. ges. Kohlens.-Ind. Bd. 19, 
S. 977 (1913); Chem.-Zeitg. Bd. 38, Rep. S. 144 (1914). 

*) Lelarge, Über die Explosionsursache einer Bombe mit einem Luft-Wasserstoff- 
Gemisch. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 41 (1913). — Vgl. auch: Compt. rend. del’Acad. des 
sciences. T. 155, p. 914 (1912); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. I, S. 77. 

°) E. P. Perman, Journ. Gaslighting 1911, p-25; vel.: Th. Rosenthal, Die Braun- 
kohlenteerindustrie in A Jahren 1910—1912. Ober Zeig Bd. 37. 8.1594 (193): 


) H. Moissan und F. Siemens, Einwirkung von Silizium auf Wasser unterhalb 100°. 
Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 37, S. 2395 (1904). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 455 


jedoch wird mehr Wasserstoff frei, als der Bildung des Salzes Na, Si O, 
entspricht. Besonders glatt verläuft die Reaktion bei Gegenwart von Ätz- 
kalk.!) Zur Entwicklung von Wasserstoff im größeren Maßstabe erhitzt 
man z.B. 24 kg Ätznatron und 30 kg Wasser und trägt darauf allmählich 
unter Umrühren eine innige Mischung von 225 kg Silizium und 400 kg 
Kalkhydrat ein. 

Nach Jaubert?) eignen sich auch Ferrosilizium und andere Ferro- 
legierungen, z. B. des Aluminiums, Mangans und Kalziums, zur Entwicklung 
von Wasserstoff. Diese Legierungen reagieren bei hoher Temperatur mit 
Wasserdampf nach der folgenden Gleichung: 

3FeSi, + 40H,0 =Fe,0, + 18810, + 40 H.. 

Auch auf trockenem Wege kann man mit Hilfe von Silizium- 
legierungen Wasserstoff darstellen. Im Handel befindet sich ein eben- 
falls von Jaubert:) erfundenes Präparat „Hydrogenit“*), das aus einem 
trockenen Gemisch von gepulvertem Natronkalk und Ferrosilizium be- 
steht. Die Masse, die das Aussehen eines feinen grauen Sandes hat, ist 
entzündbar und gibt, während sie abbrennt, den gesamten in ihr ent- 
haltenen Wasserstoff ab, gemäß der folgenden Gleichung: 

Si+ Ca (OH), 2Na0H = (a0, Na, SiO, + 2H.. 

Aus 1%g Hydrogenit erhält man 270—370 ! Wasserstoff. Eine 50 %y 
Hydrogenit enthaltende Büchse brennt in 10 Minuten ab, indem sich die 
Masse wie Zunder in Asche verwandelt und gleichzeitig 16 m’ Wasser- 
stoff entweichen. Nach der Deutschen Patentschrift gibt man dem Reaktions- 
gemisch am besten die folgende Zusammensetzung 5): 


Herrosiliziuum (90-95, SD) - - - .... 25009 
Ätznatron, gepulvert Re 6000 „. 
Kalchydrat, gepulvert. .: : . . . . .. 2000, 


Die Gewinnung von Wasserstoff durch Erhitzen eines Gemisches von 
Kalziumhydrid und leicht Wasser abgebenden Stoffen (z. B. dem natür- 


!) Konsortium für elektrochem. Industrie, Nürnberg. Erzeugung von Wasserstoff 
durch Einwirkenlassen von Alkalilauge auf Silizium. D. R.-P. Nr. 216.768; Chem.-Zeitg. 
Bd. 33, Rep. S. 646 (1909). — Dieselben, Entwicklung von Wasserstoffgas aus Silizium 
und Ätzalkalilösung. D. R.-P. Nr. 241.669; Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. 8. 106 (1912). — 
Vgl. auch: W. O. Herrmann, Die Fortschritte der Elektrochemie in den letzten 6 Jahren. 
Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 750 (1913). 

?®) G. F. Jaubert, Erzeugung von Wasserstoff. Engl. Pat. 5005/1912; Chem.-Zeitg. 
Bd. 37, Rep. S. 528 (1913). 

®) @G. F. Jaubert, Verfahren und Apparat zur Gewinnung von Wasserstoff auf 
trockenem Wege und durch Verbrennung. Franz. Pat. 422.296; Chem.-Zeitg. Bd. 35, 
Rep. S. 249 (1911). 

*) Nicht zu verwechseln mit dem bereits erwähnten, von Mauricheau-Beaupre an- 
gegebenen Präparat gleichen Namens, das in der Hauptsache aus Aluminiumpulver 
(neben Zyankalium und Quecksilberchlorid) besteht. Vgl. dieses Handb. Bd. I, S. 234. — 
Siehe ferner: Chemische Fabrik Griesheim-Elektron. Verbesserte Methode zur Gewinnung 
von reinem Wasserstoff. Engl. Pat. 3188; Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. S. 195 (1910). 

5) Vgl.: A. Sander, Die Wasserstoffgewinnung auf trockenem Wege. Chem.-Zeitg. 
Bd. 35, S. 1273 (1911). 


456 Richard Kempf. 


lichen Gips !), sowie die Darstellung des Gases aus Eisen und Wasser- 
dampf ?) sei hier nur erwähnt. Auch bezüglich zahlreicher anderer Me- 
thoden der Wasserstoffdarstellung sei auf die Originalliteratur verwiesen, 
da die meisten Verfahren nur technisches Interesse besitzen. >) 

Entwickelt man Wasserstoff elektrolytisch, so enthält er gewöhn- 
lich als Beimengung etwas Sauerstoff, der durch Diffusion oder Konvektion 
von der anderen Elektrode hinüber in den Kathodenraum gelangt ist. Um 
dies zu vermeiden, schlug Gaede*) ein U-förmiges Elektrolvsiergefäß mit 
drei Elektroden vor. Die dritte Elektrode befindet sich in dem einen 
Schenkel im unteren Ende und ist mit der im anderen Ende des Schenkels 
befindlichen Elektrode durch einen Widerstand verbunden. Wird an diesen 
beiden Elektroden Wasserstoff entwickelt, so spült der an der dritten 
Elektrode gebildete Wasserstoff den durch die Lösung diffundierenden 
Sauerstoff aus und verhindert also seinen Zutritt zur anderen Kathode. 

Nach Curie und Debierne®) erhält man vollkommen reinen 
Wasserstoff, wenn man das mit den gewöhnlichen Hilfsmitteln gereinigte 
und getrocknete Gas noch durch ein im elektrischen Ofen sehr hoch er- 
hitztes Platinrohr leitet. Ohne diese Maßregel greift der Wasserstoff 
Radiumamalgam und Radium an. 

Einen Wasserstoffentwickler für den Arsennachweis nach der Methode 
von Marsh gaben Jadin und Astruc®) an. Man erhält nach diesem Ver- 
fahren — ebenso wie mit Hilfe des Finkener-Apparates (siehe oben, S. 445) 
oder eines Kippschen Apparates, dessen Säure sich unter einer Schutz- 
atmosphäre von Wasserstoff befindet (siehe oben, S. 443) — einen reinen, 
vollkommen luftfreien Wasserstoff. 

Bezüglich des von Collins) konstruierten praktischen Apparates zur 
Wasserstoffentwieklung unter konstantem Druck sei auf die Original- 
abhandlung verwiesen. — 


') M. Bamberger, Fr. Böck und Fr. Wanz, Entwicklung von Sauerstoff oder 
Wasserstoff aus Alkalisuperoxyden oder Kalziumhydrid. D. R.-P. 218.257; Chem.-Zeitg. 
Bd. 34, Rep. S. 105 (1910). 

°) Internat. Wasserstoff-Akt.-Ges. Frankfurt a. M. Gewinnung von Wasserstoff. 
Franz. Pat. 405.200; Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. S. 59 (1910). — Dieselbe, Darstellung 
von Wasserstoff. D. R.-P. 220.889; Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. S. 195 (1910). 

®) Siehe z.B.: (©. Graebe, Über die Darstellung von Ballongas. Chem.-Zeitg. 
Bd. 35, Rep. S. 143 (1911). — Nass, Über Ballonfüllgase. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 166 
(1911). — 4. Sander, ]. ce. — Derselbe, Neuere Verfahren zur Wasserstoffgewinnung. 
Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 657 (1912). 

*) W. Gaede, Die äußere Reibung der Gase. Annal. d. Physik. [4], Bd. 41, S. 289 
(1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, S. 333. 

°) Frau P. Curie und A. Debierne, Über das metallische Radium. Chem.-Zeitg. 
Bd. 34, S. 969 (1910). 

6) F. Jadin und A. Astruc, Wasserstoffentwickler zum Arsennachweis nach der 
Methode von Marsh. Journ. Pharm. Chim. [7], T. 5, p. 233 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 36, 
Rep. S. 289 (1912). 

”) 8. H. Collins, Ein Apparat zur Wasserstoffentwicklung unter konstantem 
Druck mit Wasserverschluß. Chem. News. Vol. 105. p. 217 (1912); Chem. Zentralblatt. 
1912, Bd. II, S. 222. 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 457 


Ein überaus scharfes Verfahren für den qualitativen Nachweis 
von Wasserstoff gab Zenghelis‘) an. Die Methode gründet sich auf die 
Okklusion von Wasserstoff durch Palladium und die unter Blaufärbung er- 
folgende Reduzierbarkeit einer Natriummolybdatlösung durch das mit dem 
Gas beladene Metall. Selbst 000001 4 Wasserstoff ruft noch eine erkenn- 
bare Hellblaufärbung der Versuchsflüssigkeit hervor. 

Genaue Bestimmungen der Löslichkeit von Wasserstoff in Platin 
liegen von Sieverts und Jurisch ?) vor. 

Über das Paal-Hartmannsche Verfahren zur gasvolumetrischen 
Bestimmung des Wasserstoffes durch katalytische Absorption 
siehe oben in dem Abschnitt: „Absorptionsmittel“ S. 406. 


5) Sauerstoff. 
(Vgl. 8. 234—239.) 


Die Reinheit flüssigen Sauerstoffes läßt sich mit Hilfe des Aräo- 
meters ermitteln.®) Reiner, flüssiger Sauerstoff hat beim Siedepunkt 
(— 182:5°) das spezifische Gewicht 1'124 *) (Wasser = 1). 

Technischer Sauerstoff ist oft sehr unrein. Nach Stevenson und Bas- 
kerville5) enthalten manche Handelssorten, die als rein verkauft werden, 
nur 935—99:7°/, Sauerstoff. Der Wassergehalt schwankte zwischen 0'15 
bis 5°0°/,; der Höchstgehalt an Kohlendioxyd betrug O'11%/,; 0:14%/, 
Wasserstoff sowie etwas Stickstoff wurden im elektrolytisch ge- 
wonnenen Sauerstoff gefunden. 

Morey®) stellte fest, daß aus flüssiger Luft gewonnener Sauer- 
stoff, der von der „Linde-Gesellschaft“ geliefert worden war, 96'9°/, Sauer- 
stoff, 2:8%, Argon und 0'3°/, Stickstoff enthielt. Der große Argongehalt 
läßt sich nach Claude”) darauf zurückführen, daß die Flüchtigkeit des 
Arsons der des Sauerstoffes näherkommt als der des Stickstoffes. 


1) ©. Zenghelis, Eine empfindliche Reaktion auf Wasserstoff. Zeitschr. f. analyt. 
Chem., Bd. 49, S. 729 (1910); Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. S. 629 (1910). — Vgl. auch: 
A. Gutbier, Fortschritte auf dem Gebiete der analytischen Chemie der Metalloide im 
zweiten Halbjahr 1910. Chem. Zeitg. Bd. 35, S. 229 (1911). 

2) 4A. Sieverts und E. Jurisch, Platin, Rhodium und Wasserstoff. Ber. d. Deutschen 
chem. Gesellsch. Bd. 45, S. 221 (1912). 

3) Vgl.: H. Erdmann, Über die technische Verwendbarkeit des flüssigen Sauer- 
stoffes. Chem.-Zeitg. Bd. 33, S. 1316 (1909). 

*) J. Dewar, Dichten von festem Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff. Proc. Royal 
Soe. London. Vol. 73, p. 251 (1904); Chem. Zentralbl. 1904, Bd. I, S. 1320. 

5) R. Stevenson und Ch. Baskerville, Untersuchung von technischem Sauerstoff. 
Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 464 (1911). — Vgl. auch: Dieselben, Die Chemie der An- 
ästhetika. II. Prüfung von Handelssauerstoff. Journ. of Ind. and Engin. Chem. Vol. 3, 
p- 471 (1911); Chem. Zentralbl. 1911, Bd. II, S. 1492. 

6) W. Morey, Das Vorkommen von Argon in aus flüssiger Luft hergestelltem 
käuflichen Sauerstoff. Journ. Amer. Chem. Soc. Vol. 34, p. 491 (1912); Chem.-Zeitg. 
Bd. 36, Rep. S. 390 (1912). 

?) @. Claude, Über die Darstellung des Argons. Compt. rend. de l’Academie des 
sciences. T. 151. p. 752 (1910); Chem. Zentralbl. 1911, Bd. TI, S. 6. 


458 Richard Kempf. 


Verwendet man den komprimierten Sauerstoff des Handels für die 
Elementaranalyse, so ist auf jeden Fall eine Prüfung des Gases durch 
einen blinden Versuch geraten. Man wird hierbei häufig eine nicht unbe- 
trächtliche Gewichtszunahme des Kaliapparates feststellen können. 

Bei Drucken unter 1 mm @uecksilberdruck wird nach Dewar !) flüs- 
siger Sauerstoff infolge der großen Verdunstungskälte fest, bei 115 mm 
entsteht nach 20 Minuten eine durchsichtige Gallerte. Eine Erstarrungs- 
punktbestimmung ergab 54° abs. Temperatur. — 

Wie schon Natterer 2) festgestellt hatte, kann beim Verdichten von 
Sauerstoff organische Substanz, z. B. das geölte Ventilleder der Kompres- 
sionsmaschine, Feuer fangen.?) (Vgl. im übrigen oben S.438 u. 439.) 

Um die bereits erwähnte Sauerstoffentwicklung aus Kaliumchlorat, 
das beim Erhitzen auf 350—-370° Sauerstoff abgibt, ruhig und gleich- 
mäßig zu gestalten, setzt man meist Braunstein, am besten auch noch 
Kochsalz zu. Nach Neumark) mischt man zweckmäßig 2 Teile Chlorat 
mit 2 Teilen Kochsalz und 3 Teilen Eisenoxyd oder 12 Teile Chlorat mit 
6 Teilen Salz und 1 Teil Mangandioxyd. Der entwickelte Sauerstoff wird 
mit Wasser und Natronlauge gewaschen. 

Am bequemsten zur Sauerstoffentwicklung dürften die Methoden sein, 
die vom Natriumsuperoxyd als Sauerstoffquelle ausgehen. Eine Reihe 
derartiger Verfahren sind bereits erwähnt worden (vgl. Bd. I, S. 237— 239). 
Um das pulverförmige Natriumsuperoxyd von dem in ihm enthaltenen und 
seine Wirksamkeit herabsetzenden Kohlendioxyd zu befreien und es gleich- 
zeitig in eine für die Sauerstoffentwicklung geeignetere Form 5) zu bringen, 
unterwirft man es der Heizwirkung des elektrischen Stromes. Man stei- 
gert die Hitze nur so hoch, daß alles Kohlendioxyd, aber noch kein Sauer- 
stoff entweicht. Die geschmolzene Masse wird in Brikettformen ausge- 
gossen und kommt unter dem Namen Oxon in den Handel.) 

Eine besonders ruhige Gasentwicklung erhält man, wenn man das 
Natriumsuperoxyd nicht direkt mit Wasser zusammenbringt, sondern mit 
festen Substanzen, die beim Erhitzen chemisch oder physikalisch gebun- 


') J. Dewar, Die Darstellung festen Sauerstoffes durch Verdampfung des flüssigen. 
Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 113 (1912). 

*) J. Natterer, Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wissensch. Wien. Bd. 6, S. 569 (1851) 
und Bd. 21, S. 201 (1854). 

®) Siehe z. B.: W. Bramkamp, Einiges über die Unfallgefahr von komprimiertem 
Sauerstoff und Wasserstoff. Die chem. Industrie. Bd. 35, S. 536 (1912) u. Bayer. Ind.- 
u. Gewerbeblatt 1913, S.511; Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 666 (1912). — A. B., Zur 
Kenntnis der Unfallgefahr bei komprimiertem Sauerstoff. Österr. Chem.-Zeitg. Bd. 16, 
S. 54 (1913); Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 179 (1913). 

*) A. S. Neumark, Die Herstellung von Sauerstoff an der Verbrauchsstelle. Me- 
tall and Chem. Eng. Vol. 9, p. 641 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 94 (1912). 

°) Vgl.: H. Foersterling und H. Philipp, Verfahren zur Herstellung eines bei Be- 
rührung mit einer Flüssigkeit, wie Wasser, in ruhiger Weise Sauerstoff entwickelnden 
Präparates aus Alkalisuperoxyd. D. R.-P. 193.560; Chem. Zentralbl. 1908, Bd.I, S. 907. 

6) D. E. Parker, Behandlung von Natriumsuperoxyd. V. St. Amer.-Pat. 935.542; 
Chem.-Zeitg. Bd. 33, Rep. S. 562 (1909). 


ar 
LE % 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik*“. 459 


denes Wasser abgeben, z. B. mit Gips, Natriumbikarbonat, Natronkalk oder 
Borsäure!), und das Gemisch dann schwach erwärmt. Das Verfahren 
unterscheidet sich im Prinzipe offenbar nicht im mindesten von demjenigen, 
das bereits früher Turner angab (vel. Bd. 1, S. 238). 

Wohl auf Grund der von Kempf und Oehler?) aufgefundenen Reak- 
tion zwischen Ammoniumpersulfat und Natriumsuperoxyd empfahl 
Helbig:) zur Gewinnung von Sauerstoff unter anderem ein Gemisch von 
Kaliumpersulfat und Natriumsuperoxyd. Die Reaktion des trockenen 
Gemenges kann durch Anzünden mit einem Streichholz oder durch Auf- 
träufeln von etwas Wasser in Gang gesetzt werden und pflanzt sich dann 
von selbst durch die ganze Masse fort. Sie verläuft nach der folgenden 
Gleichung: 


BIO EN O, = NA 80, FR, 80; + 0, — 


Sauerstoff entsteht auch bei der Einwirkung von Wasserstoff- 
superoxyd auf geelühte Permanganate, z.B. des Kaliums, Natriums 
und Baryums. Am besten verwendet man ein Gemisch aller drei Perman- 
ganate, wobei das Kaliumsalz im Überschuß sein muß. +} — 


Eine Vorrichtung, die selbsttätig den Sauerstoffgehalt der Luft an- 
zeigt, gab Calafat y Leon5) an: Die zu prüfende Luft läßt man eine Pla- 
tinschwammlampe durchstreichen, die sie, mit Methylalkoholdämpfen ge- 
sättigt, zum mehr oder minder heftigen Glühen bringt. Die durch ein Pyro- 
‚meter gemessene Verbrennungstemperatur ist ein Maß für den Sauerstoff- 
gehalt der Luft. — Ein außerordentlich scharfes Verfahren zum Nachweis 
elementaren Sauerstoffs arbeiteten Binder und Weinland*®) aus. — 


Carlson') stellte eine aus den Prinzipien der Thermodynamik abge- 
leitete Formel auf, welche gestattet, die Löslichkeit von Luftsauer- 
stoff in Wasser für verschiedene Temperaturen und Drucke zu berechnen. 


Über Absorptionsmittel für Sauerstoff siehe oben (S. 408). 


') M. Bamberger, Fr. Böck und Fr. Wanz, Entwicklung von Sauerstoff oder 
Wasserstoff aus Alkalisuperoxyden oder Kalziumhydrid. D. R.-P. 218.257; Chem.-Zeitg. 
Bd. 34, Rep. S. 105 (1910). 

2) R. Kempf und Ed. Oehler, Über eine Reaktion zwischen Ammoniumpersulfat 
und Natriumsuperoxyd. Ber. d. Deutschen chem. Gesellsch. Bd. 41, S. 2576 (1908). 

3) D. Helbig, Darstellung von Sauerstoff aus Gemischen von Salzen der Über- 
schwefelsäure, besonders Persulfaten des Kaliums und Natriums mit Oxyden oder Super- 
oxyden, besonders der Alkali- und Erdalkalimetalle oder mit den Hydraten dieser Stoffe. 
D. R.-P. 244.839; Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 216 (1912). 

#) A. Gutensohn, Erzeugung von Sauerstoff. Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 525 
1913). 

5) J. Calafat y Leon, Vorrichtung zum Anzeigen des Sauerstoffgehaltes der Luft. 
Franz. Pat. 454.109; Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 631 (1913). 

6) K. Binder und R.F. Weinland, Über eine neue scharfe Reaktion auf elemen- 
taren Sauerstoff. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 46, S. 255 (1913). 

7) T.Carlson, Über die Löslichkeit des Luftsauerstoffes in Wasser. Zeitschr. f. 
angew. Chem. Bd. 26, S. 713 (1913). 


460 Richard Kempf. 


y) Ozon. 
(Vgl. S. 239 — 244.) 


Nicht nur durch Zufuhr von elektrischer Energie oder von 
Wärme kann Sauerstoff in Ozon umgewandelt werden, sondern auch 
durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht.!) Diese Umwandlung von 
Sauerstoff in Ozon durch die kurzwellige strahlende Energie ist ebenfalls 
eine umkehrbare Reaktion, und zwar leitete Warburg?) auf thermody- 
namischem Wege ab, daß bei der Gleichgewichtskonzentration, die der 
Temperatur der auffallenden Strahlung entspricht, der photochemische 
Prozeß zum Stillstand kommen muß. Bei der thermischen Ozonisierung 
des Sauerstoffes ist das Gleichgewicht bei 4000° mit 22 Volumprozent 
erreicht. Die Ozonisierung des Sauerstoffes durch Bestrahlung geht bis 
zu einer Ozonkonzentration von etwa 2 Volumprozent, von da ab wirkt 
die Bestrahlung wieder zersetzend. 

Van Aubel®) stellte ebenfalls fest, daß bei der Bestrahlung von Luft 
sowie destilliertem Wasser, Olivenöl und Handelspetroleum mit dem Licht 
einer Quecksilberdampf-Quarzlampe Ozon entsteht. +) — 

Größere Mengen hochprozentigen Ozons erzeugt man sowohl im La- 
boratorium wie in der Technik am zweckmäßigsten auf elektrischem 
Wege, und zwar mit Hilfe Siemensscher oder Berthelotscher Ozon- 
röhren.’) Nach Warburg, Harries®) u. A. arbeitet man am rationellsten 
unter folgenden Bedingungen. Man wendet einen Wechselstrom von hoher 
Frequenz und einer nicht zu hohen Spannung an. Bewährt hat sich 
z.B. ein Wechselstrom mit 100 Perioden in der Sekunde und einer Span- 
nung von 7400 Volt.”) Bei Anwendung von reinem Sauerstoff und eines 


') Siehe z. B.: H. Henriet und M. Bonyssy, Über den Ursprung des atmosphäri- 
schen Ozons und über die Gründe der Schwankungen der Kohlensäure der Luft. Compt. 
rend. de l’Acad. des sciences, T. 146, p. 977 (1908); Chem. Zentralbl. 1908, Bd. II, S. 93. 

2) E. Warburg, Zur thermodynamischen Behandlung photochemischer Wirkungen. 
Chem.-Zeitg. Bd. 33, S. 1324 (1909). 

3) E.v. Aubel, Über die Erzeugung von Ozon unter dem Einflusse des ultravio- 
letten Lichtes. Chem.-Zeitg. Bd. 33, S. 1324 (1909) und Bd. 34, S. 107 (1910). — \gl. 
auch: R. D. Small, Ozon. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 1272 (1910). 

#) Siehe aber auch: €. Harries, Über Bildung des Ozons. Zeitschr. f. Elektro- 
chemie. Bd. 17, S. 629 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 586 (1911). 

5) Die sog. Berthelotschen Ozonröhren rühren in Wirklichkeit von H. Kolbe her; 
vgl.: O0. Hauser und H.Herzfeld, Zum Nachweis des Methans. Ber. d. Deutsch. chem. 
Ges. Bd. 45, S. 3515 (1912). 

SIE Le 

°) Untersuchungen über die gesetzmäßigen Beziehungen zwischen Ozonausbeute 
und der angewendeten Elektrizitätsstärke und -menge veröffentlichte Gray: A. W. Gray, 
Ozonisierung durch stille elektrische Entladung in dem Siemensschen Ozonapparat. 
Sitzungsber. d. kgl. preußischen Akad. d. Wissensch. Berlin 1903, S. 1016; Chem. Zen- 


tralblatt. 1904. Bd. I, S. 9. — Derselbe, Ozonisierung des Sauerstoffes bei der stillen 
elektrischen Entladung. Ann. d. Phys. [4], Bd. 13, S. 477 (1904); Chem. Zentralbl. 1904, 
Bd. IL, S. 783. — Siehe ferner: E. Warburg und @. Leithäuser, 7. Leistungsmessungen 


an Ozonröhren. 8. Über die Darstellung des Ozons aus Sauerstoff und atmosphärischer 
Luft durch Ozonröhren. Ann. d. Phys. [4], Bd. 28, S. 1 (1908): Chem. Zentralbl. 1909, 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 461 


Zehnröhrenapparates von Siemens & Halske erhält man dann eine durch- 
schnittliche Ausbeute von etwa 18°/, Ozon. Die Temperatur muß möglichst 
niedrig gehalten werden. Warburg‘) erhielt nach dem Vorgange von Bri- 
ner und Durand:), die sogar bei der Temperatur der flüssigen Luft 
Sauerstoff direkt in flüssiges Ozon überführten, die höheren Ozonkon- 
zentrationen mit Hilfe Siemensscher Röhren bei — 79°. Für die gewöhn- 
liche Laboratoriumspraxis ist aber die Anwendung einer besonderen Küh- 
lung im allgemeinen nicht notwendig, in besonderen Fällen, z. B. bei Dauer- 
versuchen, genügt jedenfalls einfache Wasserkühlung vollkommen. 

Nach Ladenburg kommt es ferner für die Ausbeute an Ozon sehr 
auf die Strömungsgeschwindigkeit des Sauerstoffes an.®) Harries 
fand, daß bei nebeneinander geschalteten Röhren seines Apparates das 
Optimum bei einer Geschwindigkeit von 60 Liter/Stunde, bei hinterein- 
ander geschalteten Röh- 
ren bei 8°6 Liter/Stunde ur 
liegt. Bei längerem Ge- 
brauch des gläsernen 

Ozonapparates stieg 
merkwürdigerweise die 
Ausbeute an Ozon. 

Nach v. Wartenberg 
und Mair *), die den Ein- 
fluß des Druckes auf die 
Ozonbildung untersuch- 
ten, hat in dem Druck- 
intervall von 0'25 bis 
5 Atmosphären sowohl 
die Ozonkonzentration 
wie die Ozonausbeute (in Milligramm Ozon pro Wattsekunde) ein sehr ausge- 
prägtes Maximum bei 05—1 Atmosphäre unter sonst ähnlichen Verhältnissen, 

Beobachtungen von Ladenburg jun. und Harries scheinen darauf hin- 
zudeuten, daß in dem aus reinem Sauerstoff erzeugten Ozon noch eine 
zweite Sauerstoffmodifikation, vielleicht O,, vorhanden ist. ?) — 


Ozonapparat nach v. Liebermann. 


Bd. I, S. 719. — @. Lechner, Über den Einfluß der Unterbrechungszahl und der Strom- 
form auf die Ozonbildung. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 17, S. 414 (1911). 

1) Vgl.: Die Tätigkeit der Physikalisch-technischen Reichsanstalt im Jahre 1912. 
Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 19, S. 595 (1913). 

2) E. Briner und E. Durand, Ozonbildung durch Einwirkung dunkler elektri- 
scher Entladungen bei tiefen Temperaturen. Compt. rend. de l’Acad. des seiences. T. 145, 
S. 1272 (1908); Chem. Zentralbl. 1908, Bd. I, S. 594. 

3) Vgl. auch: €. Harries, Über die Einwirkung des Ozons auf organische Ver- 
bindungen. Liebigs Annal. d. Chem. Bd. 374, S. 309 ff. (1910). 

#) H.v. Wartenberg und L. Mair, Über Ozonbildung bei verschiedenen Drucken. 
Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 19, S. 879 (1911). 
5) C. Harries, l.c. — Vgl. aber auch: A. Kailan, Über Bildung des Özons. 
Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 17, S. 966 (1911). — €. Harries, Zur Kenntnis der Be- 
standteile des Ozons. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 45, S. 936 (1912). 


462 Richard Kempf. 


Praktische Versuchsanordnungen und Laboratoriumsapparate zur be- 
quemen Özonerzeugung wurden von vielen Seiten vorgeschlagen. Eine be- 
sonders einfache Vorrichtung gab v. Liebermann!) an (Fig. 211). Mittelst 
eines -durchbohrten Korkstopfens befestigt man in dem einen Schenkel 
eines U-Rohres ein starkwandiges Reagenzglas, in das ein an einem Pla- 
tindraht angeschweißtes Stück Platinblech ?2) eingeführt worden ist, ver- 
schließt den anderen Schenkel des U-Rohres mit einem Korkstopfen, hängt 
das Ganze in ein starkwandiges Glasgefäß (Batterieglas) und füllt dieses 
sowie das Reagenzrohr mit verdünnter Schwefelsäure vom spezifischen Ge- 
wicht 14—1°5. Die Glasröhren für die Gaszu- und -ableitung werden an 
die seitlichen Stutzen der U-förmigen Röhre mit Hilfe längerer, durch- 
bohrter Korkstopfen angefügt. Sämtliche Korkstopfen werden zweckmäßig 
vorber mit Paraffin ausgekocht. Die übrige Einrichtung erhellt aus der 
Abbildung. 

Um bei Anwendung Berthelotscher Röhren Entladungen direkt von 
der inneren Stromzuleitung zur äußeren zu verhüten, kann man die 
Schwefelsäure innen und außen mit einer isolierenden Paraffinölschicht 
überdecken. Sicherer gelangt man aber zu einer vollkommenen Isola- 
tion, wenn man die äußeren Glasröhren verlängert und die so entstan- 
denen Manschetten mit vorher durch Erhitzen entwässertem Paraffinöl 
füllt. >) 

Eine anscheinend recht praktische Versuchseinrichtung für allgemeine 
Laboratoriumsarbeiten mit Ozon gab Brach*) an. Der Apparat erlaubt 
gleichzeitiges Ozonisieren in mehreren, parallel oder auch hintereinander 
geschalteten Arbeitsgefäßen, die mit Hilfe von Quecksilberverschlüssen 
leicht montiert und demontiert werden können. Als Leitungsrohr für Ozon 
empfiehlt derselbe Verfasser wachsumsponnenen Seidenschlauch 
(Nelatonsche Magensonde) oder verzinnte, biegsame Stahlrohre. Der Sauer- 
stoff wird zunächst in drei Waschflaschen, von denen die beiden ersten 
konzentrierte Schwefelsäure enthalten, während die letzte mit Phos- 
phorpentoxyd beschickt ist, peinlich getrocknet. Das entweichende Sauer- 
stoff-Ozongemisch wird durch einen mit stückigem Natriumbikarbonat 
gefüllten Turm geleitet, wodurch es von etwa entstandenen Stickoxyden 
gereinigt wird. 

Einen elektrischen Ozonapparat mit bequem kühlbaren, hohlen 
Elektroden gab Steynis?) an. — 


!) L.v. Liebermann, Einfache Laboratoriumseinrichtung zur Erzeugung eines 
kontinuierlichen Stromes ozonisierter Luft. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 734 (1911). 

?) Auch kupferne Elektroden sind anwendbar. 

>) E. H. Riesenfeld, Stille elektrische Entladungen in Gasen bei Atmosphären- 
druck. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 17, S. 726 (1911). 

*) H. Brach, Apparate zum Arbeiten mit Ozon und zu seiner quantitativen Be- 
stimmung. Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 1325 (1912). 

5) J. Steynis, Elektrischer Ozonapparat mit kühlbaren hohlen Elektroden. 
D. R.-P. 217.308. Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. 8.85 (1910). 


Ei 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 463 


Ausführliche. praktisch wichtige Mitteilungen über das Arbeiten mit Ozon 
und über seine Einwirkung auf organische Verbindungen machte Harries.!) — 
Eine neue einfache Darstellungsweise von Ozon auf chemischem 
Wege schlug Malaguin?) vor. Man übergießt 20 g Ammoniumpersulfat mit 
15 9 reiner Salpetersäure, erwärmt auf 70° und wäscht das sich ent- 
wickelnde Gasgemisch mit verdünnter Lauge. Man gewinnt so ein etwa 
H 3—4°/siges Ozon. Die Umsetzung erfolgt z. T. nach der Gleichung: 
5 @ERR 2,0: 7 > HNO, = (NH,,SO, +H,SO, #N, + 2 0,. 
ä Die Möglichkeit, durch Elektrolyse von Schwefelsäure ein hoch- 
E: 


prozentiges Ozon zu erhalten, ist bereits erwähnt worden:®) (vel. Bd. I, 

S. 243). Nach Archibald und v. Wartenberg*) kann die Ozonausbeute bei 
diesem Verfahren durch Überlagerung von Wechselstrom erheblich 
} _ erhöht werden. — 

. Bezüglich der Eigenschaften von Ozon sei von neueren Beobachtungen 
folgendes nachgetragen: 

Nach Manchot>) ist Ozon in reinem Zustande ein neutral reagieren- 
des Gas, das in konzentriertem Zustande eine azurblaue Farbe besitzt. 
Verflüssigt zeigt es eine blauschwarze Farbe und siedet bei — 119°.6) Das 
spezifische Gewicht des Gases ermittelte Ladenburg?) zu 147. 

Bezüglich der quantitativen Bestimmung von Ozon sei auf die 
Originalliteratur verwiesen.°) — 


ar: 


!) C. Harries, Über die Einwirkung des Ozons auf organische Verbindungen. 
Liebigs Annal. d. Chem. Bd. 374. S. 288ff. (1910). 

2) P. Malaquin, Eine neue Darstellungsweise des Ozons auf chemischem Wege. 
Journ. Pharm. Chim. [7], T.3, p.329 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S.337 (1911). 

®) Siehe ferner: Franz Fischer und L. bendixsohn, Über die Ozonbildung an 
rotierenden Anoden. Zeitschr. f. anorg. Chem. Bd. 61, S.13 (1909). — Dieselben, Über 
die Ozonbildung an ruhenden Strichanoden. Ebenda. S. 153 (1909). 

*) H. v. Wartenberg, Über Ozonbildung durch Wechselstromelektrolyse, nach Ver- 
suchen von E. H. Archibald. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 17, S. 812 (1911). 

5) W.Manchot, Notiz über Bildung von Stickoxyden im ÖOzonisator. Ber. der 
Deutsch. chem. Ges. Bd. 41, S. 471 (1908). — Siehe auch: W. Manchot und W. Kamp- 
schulte, Über die sauren Eigenschaften des Ozons. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 40, 
S.4989 (1907). 

6) L. Troost, Über die Siedetemperatur des flüssigen Ozons. Compt. rend. de 
l’Acad. des sciences de Paris. T. 126, p. 1751 (1898); Chem. Zentralbl. 1898, Bd. II, S. 254. 

?) A. Ladenburg, Über das Ozon. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 31, S. 2508 
(1898). — Derselbe, Über Dichte und Molekulargewicht des Ozons. Ber. d. Deutschen 
chem. Ges. Bd. 31, S. 2830 (1898) und ebenda. Bd. 32, 5.221 (1899). — Vgl. auch: Der- 
selbe, Eine neue Methode zur Molekulargewichtsbestimmung des Ozons. Ebenda. 
Bd. 34, S. 631 (1901). — Derselbe, Über die Dichtigkeit des Ozons. Ebenda. Bd. 34, 
5.1834 (1901). 

8) Siehe z.B.: @. Lechner, Über die Bestimmung des Ozons mittelst alkalischer 
Jodkaliumlösung. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 17, S.412 (1911). — H. Brach, Apparate 
zum Arbeiten mit Ozon und zu seiner quantitativen Bestimmung. Chem.-Zeitg. Bd. 36. 
S. 1325 (1912). — V. Rothmund und A. Burgstalier, Über die Bestimmung von Ozon und 
Wasserstoffsuperoxyd. Wiener Monatsh. f. Chem. Bd. 34, S. 693 (1913). — R. Fresenius, 
Bericht über die Fortschritte der analyt. Chem. Bd. 53, S.41 (1914); hier findet sich eine 
ausführliche Literaturzusammenstellung. 


464 Richard Kempf. 


Ozon löst sich wenig in Wasser. Nach Moufang!) löst 1! Wasser bei 
2° etwa 2 mg Ozon, bei 28° nur noch ca. 1'5 mg. Ein geringer Säurezusatz 
erhöht die Löslichkeit nicht unwesentlich, entgegengesetzt wirkt Alkali- 
hydroxyd oder -karbonat. Die Löslichkeit von Ozon in Wasser ist eine 
Funktion von Temperatur, Druck und vor allem der chemischen Natur des 
Wassers. 

Ziemlich erheblich löst sich Ozon u. a. in gereinigtem Paraldehyd: 
100 Vol. Paraldehyd absorbieren etwa 320 Vol. Ozon. Die Lösung ist ohne 
Ozonverlust wochenlang haltbar und kann zum bequemen Dosieren von 
Ozon für chemische Reaktionen dienen. ?) 

Leitet man ozonhaltiges Gas durch Natronlauge, so findet eine Zer- 
setzung des Ozons bis zu 3 oder 4°/, statt.3) Schaltet man dann noch 
dahinter eine Flasche mit konzentrierter Schwefelsäure, so tritt eine 
abermalige Verminderung des Titers um 2—3°/, ein. Auch wenn man ganz 
trockenes Ozon (gewonnen aus Sauerstoff, der über Phosphorpentoxyd 
geleitet wurde) durch konzentrierte Schwefelsäure schickt, wird immer 
etwas Ozon zerstört, und zwar bis über 1°/,. Benutzt man dagegen nicht 
so peinlich getrocknetes Ozon (gewonnen aus Sauerstoff, der nur durch 
Wasser oder konzentrierte Schwefelsäure geleitet wurde), so bleibt 
merkwürdigerweise der Titer unverändert.) — 

Hochprozentiger ozonisierter Sauerstoff zersetzt sich gelegentlich frei- 
willig unter heftiger Explosion.5) Namentlich beim Arbeiten mit etwas 
stärkerem Ozon (von etwa 50 Vol.’/, an) ist die größte Vorsicht am Platze. 
Nach Erdmann®) ist aber nur das gasförmige, nicht das verflüssigte 
Ozon zu Explosionen geneigt. — 

Die Frage, ob Ozon zur Luftreinigung brauchbar sei, wird ganz 
verschieden beantwortet. Von der ausgedehnten Literatur über diesen Gegen- 
stand seien hier nur einige wenige Arbeiten angeführt. 

Nach Konrich?) hat das Ozon auf Bakterien in trockenem Zustande 
keinerlei keimtötende Eigenschaften. Einzelne riechende Stoffe, z. B. 
Schwefelwasserstoff, können zwar durch Ozon verbrannt werden, aber 


!) Ed. Moufang, Über die Löslichkeit von Ozon in Wasser. Wochenschr. für 
Brauerei. Bd. 28, S.434 (1911); Chem. Zentralbl. 1911, Bd. II, S. 1674. 

°) S. Fraser, Fixieren von Ozon in Flüssigkeiten und anderen Körpern. 
D. R.-P. 216.093. Chem.-Zeitg. Bd. 33, Rep. S. 650 (1909). 

®) Vgl.: W. Manchot, Über die Bildung von Stickoxyden im Ozonisator. Ber. der 
Deutsch. chem. Ges. Bd. 41, S. 471 (1908). 

*) C. Harries, Über das Verhalten von Ozon gegen konzentrierte Schwefelsäure. 
Zeitschr. f. Elektrochem. Bd.18, S. 129 (1912). — Vgl. auch: Derselbe, Über Bildung 
des Ozons. Ebenda. Bd. 17, S. 631 (1911) und R. Luther, ebenda, S. 633. 

5) Siehe z. B.: Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 337 (1902). 

°) H. Erdmann, Einige neue Vorlesungsversuche. Ber.d.Deutsch. chem. Ges. Bd. 37, 
5.4739 (1904). 

‘) Konrich, Zur Verwendung des Ozons in der Lüftung. Chem.-Zeitg. Bd. 36, 
5.1360 (1912). — Derselbe, Zuschrift an die Redaktion. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 385 
und 604 (1913). — Siehe auch: Lee, Über physiologische Fragen der Lüftung. Chem.- 
Zeitg. Bd. 38, S. 161 (1914). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 465 


auch dazu sind so große Ozonmengen nötig, wie sie in der Praxis gar 
nicht benutzt werden können, weil die Luft dadurch vollkommen irrespi- 
rabel würde. Die Wirkung beruht demnach nur in seiner parfümieren- 
den, geruchsüberdeckenden Leistung. Aber auch diese Wirkung ist 
hygienisch nicht einwandfrei, weil Ozon bekanntlich die Schleimhäute an- 
greift und daher zu den giftigen Gasen zu rechnen ist. — Etwas weniger 
schroff ablehnend äußerte sich Czaplewski!) in dieser Angelegenheit. In 
trockenem Zustande werden Bakterien von Ozon zwar nicht zerstört, wohl 
aber in feuchtem Zustand. Aus technischen Betrieben liegen zum Teil gute 
Erfahrungen vor.?) Die wichtigsten Hoffnungen, die man an das Ozon 
knüpfte, daß es nämlich Gerüche werde beseitigen können, sind allerdings 
nur in geringem Mabe erfüllt worden.) — Entschiedene Lobredner für das 
Ozon als Luftreinigungsmittel sind dagegen u. A. Gärttner*), Hill und 
Flack>), Schmitz°), Kupfer’), Erlwein.°) — Bedenklich in hygienischer 
Beziehung ist aber auf jeden Fall der Umstand, daß bei der Ozonisierung 
von Luft auch Stickoxyde auftreten können°), die ohne Frage gesund- 
heitsschädlich wirken (vgl. unten, S. 472). 

Ozon läßt sich durch den Geruch schon bei Anwesenheit von 1 Teil 
in 10 Millionen Teilen Luft erkennen. !°) Bei der künstlichen Ozonisierung 
sol man sich bezüglich der Dosierung nach den Erfahrungen Erlweins 
möglichst an die Verhältnisse der Natur halten. Dem entsprechend sollten 
einem Kubikmeter Luft nur etwa O'1 mg Ozon zugesetzt werden. !!) — 

Als Hahnschmiere beim Arbeiten mit Ozon in gläsernen Apparaten em- 
pfiehlt sich die Anwendung von Metaphosphorsäure. Man erhält diese sehr 
einfach so, daß man das Hahnküken in pulverförmiges Phosphorpentoxyd ein- 
taucht und die hängengebliebenen Teilchen an der Luft zerfließen läßt. !?) 


2) Czaplewski, Verwendung des Ozons bei der Lüftung. Chem.-Zeitg. Bd. 37, 
S.978 (1913). 

2) Siehe z.B.: L. v. Vetter und Ed. Moufang, Das Ozon in der Brauerei. Wochen- 
schrift f. Brauerei. Bd. 28, S. 377 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35. Rep. S. 563 (1911). 

3) Vgl. darüber auch: L. Schwarz und @G. Münchmeyer, Weitere experimentelle 
Untersuchungen über Luftozonisierung. Zeitschr. f. Hyg. u. Infekt.-Krankh. Bd. 75, S. s1 
(1913); Chem. Zentralbl. 1914, Bd.I, S. 56. 

#) Gärttner, Die Reinigung der Luft mit Ozon. Sozialtechnik. Bd. 8, S. 166 (1909); 
Chem.-Zeitg. Bd.33, Rep. S. 357 (1909). 

5) L. Hill und M. Flack, Der Einfluß des Ozons in der Ventilation. Chem.-Zeitg. 
Bd. 36, S. 513 (1912). 

6) E.Schmitz, Zuschrift an die Redaktion. Chem.-Zeitg. Bd.37,S.384 und 604 (1913). 

?) L. A.v. Kupffer, Verwendung des Ozons bei der Lüftung. Chem.-Zeitg. Bd. 37, 
S.978 (1913). 

®) @g. Erliwein, Über Luftozonisierung. Techn. Rundschau. 1913, S. 131. 

®) Vgl.: W. Manchot, Über die Bildung von Stickoxyden im Ozonisator. Ber. der 
Deutsch. chem. Ges. Bd. 41, S. 471 (1908). 

10) Small, ]. ce. 

11) Ozaplewski, ]. e. 

12) Siehe: M. W. Travers, Experimentelle Untersuchung von Gasen. Deutsch von 
T. Estreicher, Braunschweig (F. Vieweg & Sohn) 1905, S. 24. — Vgl.: Franz Fischer und 
K. Massenez, Über die Darstellung von Ozon durch Elektrolyse. Zeitschr. f. anorg. Chem, 
Bd. 52, S. 209 (1907). 

Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 30 


4656 Richard Kempf. 


5) Stickstoff. 
(Vgl. S. 244— 246.) 

Zur Darstellung von Stickstoff im Kippschen Apparat kann man 
diesen mit Chlorkalk, der in Würfel gepreßt ist, und wässerigem Am- 
moniak beschicken. !) 

Eine praktische Versuchsanordnung zur bequemen Gewinnung größerer 
Mengen flüssigen und festen Stickstoffs gab Deschauer ?) an. — 

Über die Explosion von vier mit komprimiertem Stickstoff gefüllten 
Stahlflaschen wurde neuerdings berichtet. ®) (Vgl. oben, S. 438.) 

Über die Darstellung völlig reinen Stickstoffs (und Argons) veröffent- 
lichten Fischer und Hähnel*) ausführliche Angaben. 

Eine neue, sich durch größere Reaktionsfähigkeit auszeichnende Modi- 
fikation des Stickstoffs glaubt u. A. Strutt>) aufgefunden zu haben. Sie wird 
durch elektrische Entladungen aus dem gewöhnlichen Stickstoff dargestellt. 


2) Chlor. 
(Vgl. S. 246—250.) 

Die Graebesche Methode der Chlorgewinnung aus Salzsäure und 
Permanganatkristallen (vgl. Bd. I, S. 249) ist nach Lewis und Wedekind $) 
sehr empfehlenswert. Man erhält mit Hilfe der Versuchsanordnung der 
Verfasser einen konstanten Chlorstrom ohne jede Unterbrechung in jeder 


1) @. Neumann, Journ. f. prakt. Chem. [2], Bd. 37, S.342 (1888). — Vgl. auch: 
E.H. Riesenfeld, Stille elektrische Entladungen in Gasen bei Atmosphärendruck. Zeit- 
schrift f. Elektrochem. Bd. 17, S. 725 (1911). 

°) A. Deschauer, Apparate zur bequemen Darstellung größerer Mengen flüssigen 
und festen Stickstoffs in der Vorlesung. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 73 (1913). 

®) Vgl.: Chem.-Zeitg. Bd.37, S.179 (1913). — Siehe auch: Gg. Erliein, Herstellung 
und Verwendung von Ozon. Leipzig (H. A. L. Degener) 1912. 

*) Franz Fischer und O. Hähnel, Über die Reindarstellung von Argon und Stick- 
stoff. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 43, S. 1435 (1910). 

°) R..J. Strutt, Eine chemisch-aktive Modifikation des Stickstoffs, die durch die 
elektrische Entladung entsteht. Proc. Royal Soc. London. Serie A. Vol. 85, p. 219 (1911); 
Chem. Zentralbl. 1911, Bd. Il, S.346. — F. Comte, Über die chemisch-aktive Modifika- 
tion des Stiekstoffs. Physik. Zeitschr. Bd. 14, S. 74 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. I, 
S. 994. — E. Tiede, Aktiver Stickstoff. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 46, S. 340 (1913). — 
R.J. Strutt, Über die chemisch-aktive Modifikation des Stickstoffs. Physik. Zeitschr. 
Bd. 14, S. 215 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. I, S. 1570. — R.J. Strutt, Eine aktive 
Modifikation des Stickstoffs, die durch die elektrische Entladung erzeugt wird. V. Proc. 
Royal Soe. London. Serie A, Vol. 88, p. 539 (1913); Chem. Zentralbl. 1913, Bd. II, 
S. 931. — E. Tiede und E. Domcke, Zur Frage des aktiven Stiekstoffs. III. Ber. d. Deutsch. 
chem. Ges. Bd. 47, S.420 (1914). — Siehe auch: A. Koenig und E. Elöd, Zur Frage 
der Stickstoffoxydation bei elektrischen Entladungen. II.: Über die Aktivierung von 
Stickstoff und Sauerstoff im Gleiehstrom-Glimmbogen. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 47, 
S. 516 (1914); hier findet sich auch eine Zusammenstellung der neueren Literatur 
über aktiven Stickstoff. — H.B. Baker und R..J. Strutt, Über die aktive Modifikation 
des Stiekstoffs. Ebenda, S. 801. 

°) 8. J. Lewis und E. Wedekind, Die Reinheit des aus Kaliumpermanganat und 
Salzsäure dargestellten Chlors. Zeitschr. f. anorgan. Chem. Bd. 22, S. 580 (1909); Chem.- 
Zeitg. Bd. 33, S. 262 (1909). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik*“. 467 


gewünschten Geschwindigkeit. Das Gas erwies sich als völlig frei von 
irgend welchen nachweisbaren Mengen fremder Gase (Chlorperoxyd C1O,, 
Chlormonoxyd Cl, O, Sauerstoff usw.). Die Reaktion tritt unmittelbar beim 
Zusammentreffen der Reagenzien ein. 

Zur Absorption von Chlor aus chlorhaltigen Gasgemischen kann man 
diese durch flüssige, wasserfreie und keinen Wasserstoff enthaltende an- 
organische Chloride oder Oxychloride, am besten durch wasserfreies 
Zinntetrachlorid, leiten. Erhitzt man die so erhaltene Flüssigkeit —- am 
besten unter gleichzeitiger Druckverminderung —, so entweicht das ab- 

sorbierte Chlor wieder in reinem Zustande. ') 

Ein anderes Verfahren betrifft die Gewinnung reinen, trockenen 
Chlors aus dem festen Chlorhydrat, das aus feuchten, chlorhaltigen Gas- 
gemischen durch starke Abkühlung gewonnen wird. ?) 


b) Die Darstellung anorganischer gasförmiger Verbindungen. 
(Vgl. Bd. I, S. 250— 267.) 


x) Schwefelwasserstoff. 
(Vel. S. 250—253.) 


Daß Schwefelwasserstoff nicht verflüssigt im Handel ist, hat an- 
scheinend allein darin seinen Grund, daß es nicht möglich ist, ein ge- 
eignetes Metall zu finden, um daraus Röhren und hauptsächlich Ventile 
herzustellen, welche dem zerstörenden Einflusse des Schwefelwasserstoffs 
einen genügenden Widerstand zu leisten imstande wären. Guß- und 
Schmiedeeisen, Stahl, Bronzen usw. werden zerfressen, und die Ventile 
büßen in wenigen Tagen ihre Dichtung ein.?) — 

Über wertvolle praktische Erfahrungen mit dem Zentral-Schwefel- 
wasserstoffapparat nach Küster (vgl. Bd. 1, S. 250 u. Fig. 413, S. 251) be- 
richtete Stock.*) Auch Campbell>) beschrieb eine größere Schwefelwasser- 
stoffanlage, die sich für den Laboratoriumsgebrauch gut bewährt hat, 
ferner Urbasch (vgl. oben, S. 444 u. Fig. 197). 

Über die zahllosen verschiedenen Gasentwicklungsapparate, die spe- 
ziell für die Darstellung von Schwefelwasserstoffgas konstruiert worden 
sind, siehe im übrigen oben S. 439ft. 


!) Th. Goldschmidt, Abscheidung des Chlors aus chlorhaltigen Gasgemischen. 
D. R.-P. 206.104; Chem.-Zeitg. Bd. 33, Rep. S. 73 (1909). 

2) E. A. Sperry, Entwässerung von feuchtem Chlor. V. St. Amer. Pat. 905.602; 
Chem.-Zeitg. Bd.33, Rep. S.10 (1909). 

3) Siehe: P. Bourcet, Zur Frage der Verwendung von flüssigem Schwefelwasser- 
stoff in Laboratorien. Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 423 (1912). — Vgl. auch: J. Melbauer, 
ebenda. S. 150 und M. Ragg, ebenda. S. 201. 

#) 4. Stock, Über die Leitungsanlagen in chemischen Instituten. Chem.-Zeitg. 
Bd. 35, S. 1329 (1911). 

5) E. D. Campbell, Die Verteilung des Schwefelwasserstoffs in einem großen 
Laboratorium und die Verwendung von Aluminiumhähnen. Journ. Amer. Chem. Soc. 
Vol. 33, p. 947 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 437 (1911). 

30* 


A468 Richard Kempf. 


5) Schwefeldio@yd (schweflige Säure). 
(Vgl. S. 253 — 254.) 


Über Elektrolysen in flüssigem Schwefeldioxyd berichteten Bagster 
und Steele‘), Versuche über die Absorption von gasförmiger schwefliger 
Säure durch Kautschuk und durch Blutkohle veröffentlichte Reychler.?) 


x) Chlorwasserstoff. 
(Vgl. S. 254—256.) 


Einen neuen Apparat zur Entwicklung von trockenem Salzsäuregas 
im Laboratorium gab Dowzard:) an. Das Gas wird nach der gewöhn- 
lichen Methode aus konzentrierter Salzsäure und konzentrierter Schwefel- 
säure dargestellt, aber derart, daß — umgekehrt wie sonst — die Salz- 
säure tropfenweise in überschüssige Schwefelsäure gelangt. Konzentrierte 
käufliche Salzsäure fließt aus einer Vorratsflasche durch ein Rohr mit einer 
unten fein ausgezogenen Spitze in eine zur Hälfte mit konzentrierter 
Schwefelsäure gefüllte Entwicklungsflasche, die sich unterhalb des Salz- 
säurevorrats befindet. Die Spitze des Verbindungsrohres taucht bis auf 
den Grund der Schwefelsäure. Das sich entwickelnde Gas entweicht daher 
bereits ziemlich gut vorgetrocknet. In angeschlossenen Waschflaschen mit 
konzentrierter Schwefelsäure wird es völlig getrocknet. 

Über die Gewinnung völlig reinen und trockenen Chlorwasserstoffs 
nach Moissan siehe oben (S. 389). — 

Wie bereits erwähnt (vgl. oben S. 405). ist Phosphorpentoxyd 
zum Trocknen von Chlorwasserstoff (und ebenso von Bromwasserstoff) 
nicht geeignet, da es in Berührung mit diesen Gasen flüchtige, phos- 
phorhaltige Produkte liefert.*) Chlorzink ist hier als Trocknungsmittel 
vorzuziehen. 

Wasser von 0° absorbiert bei 760 mm Druck 5051 Volumen Chlor- 
wasserstoffgas. Auch in Äthylalkohol, Methylalkohol, Eisessig, Äther, Benzol, 
Hexan, Xylol ist das Gas löslich. 

Nach Pierre 5) löst 1 Volumen Alkohol (d = 0'836) 327 Volumina Chlor- 
wasserstoffgas bei 17°, dehnt sich-dabei auf 1'324 Volumen aus und zeigt 
dann die Dichte 1'005. Eine gesättigte Lösung von Chlorwasserstoff in 


') L. S. Bagster und B. D. Steele, Elektrolyse in flüssigem Schwefeldioxyd. Chem. 
News. Vol. 105, p. 157 (1912); Chem. Zentralbl. 1912, Bd. I, S. 1953. 

?) A. Reychler, Über die Absorption von Kohlensäure und von Schwefelsäuregas 
dureh Kautschuk und durch Blutkohle. Journ. de Chim. physique. T. 8, p. 617 (1910); 
Chem. Zentralbl. 1911, Bd. I, S. 599. 

®) E. Dowzard, Ein Entwicklungsapparat für Salzsäuregas für den Laboratoriums- 
gebrauch. Journ. Ind. Eng. Chem. Vol. 4, p. 452 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. 
S. 429 (1912). 

*) @. P. Baxter und R. D. Warren, Der Wirkungswert von Kalziambromid, Zink- 
bromid und Zinkchlorid als Trocknungsmittel. Journ. Amer. Chem. Soc. Vol. 33, p. 340 
(1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 185 (1911). 

°) Pierre, Annal. Chim. Phys. [3], T. 31, p. 135 (1851); Jahresber. 1851, S. 504. 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik*. 469 


Alkohol enthält 39:06°/, HCl bei 10°%.1) In ätherischer Lösung verliert 
Chlorwasserstoff seine Eigenschaften und entwickelt aus Marmor kein 
Kohlendioxyd, mit Natrium und Magnesium keinen Wasserstoff.?) Die Ab- 
sorption von gasförmigem Chlorwasserstoff in wasserfreiem Äther und die 
Löslichkeit von Äther in wässeriger Salzsäure wurde von Schuncke :) be- 
stimmt. Hiernach enthält ein Gramm einer Lösung von Chlorwasserstoff- 
gas in reinem Äther bei: 

— I + 04° + 148° + 30° 

03751 03541 02780 0:1947 g HÜI. 

Benzol löst bei 18° etwa 2 Gew.-°/, Chlorwasserstoff; diese Lösung 
hat kein elektrisches Leitvermögen. 

Die Dampfdrucke des Chlorwasserstoffs bei verschiedenen Tempera- 
turen bestimmten Cardoso und Germann.*) Verdichtet bildet Chlorwasser- 
stoff eine farblose Flüssiekeit von der Dichte 0'908 bei 0°5) und dem 
Siedepunkt —82°9°. 6) Fester Chlorwasserstoff schmilzt bei —111'3°. 7) 


9) Bromwasserstoff. 
(Vgl. S. 256— 258.) 


Zur Darstellung von wässeriger Bromwasserstoffsäure trägt man in 
Wasser, das von Brom unterschichtet ist, allmählich und in kleinen Mengen 
ein Sulfid, Polysulfid oder Sulfhydrat der Erdalkalien derart ein, 
daß eine Temperaturerhöhung vermieden wird.°) Hierdurch wird eine 
hydrolytische Spaltung der Sulfide verhindert und das Brom bleibt stets 
im Überschuß vorhanden. Die gebildete Bromwasserstoffsäure löst sich in 
dem Reaktionsgemisch, aus dem man durch Destillation oder Filtration 
des entstandenen Sulfats eine reine Säure gewinnen kann. — 

Nach Gray und Ramsay’) erhält man reines Bromwasserstofigas, 
wenn man Wasserstoff durch Brom strömen, die gemischten Gase durch 

1) J. C. Cain, Mitteilung über die Einwirkung von Chlorwasserstoff auf Äthyl- 
alkohol. Chem. News. Vol. 73, p. 82 (1897); Jahresber. 1897, S. 1185. 

2) Vgl.: Gmelin-Krauts Handbuch der anorg. Chemie. 7. Aufl., Heidelberg 1909, 
Bd. 1,, S. 84. 

3) J. Schuncke, Über die Löslichkeit des Äthyloxydes in Wasser und wässeriger Salz- 
säure. Zeitschr. f. physik. Chem. Bd.14, S.331 (1894); Chem. Zentralbl. 1894, Bd. II, S. 197. 

%) E.Cardoso und A. F.O.Germann, Dampfdrucke des Chlorwasserstoffs. Journ. 
de Chim. physique. T.11, p. 632 (1913); Chem. Zentralbl. 1914, Bd.1, S. 14. 

5) @. Ansdell, Proc. Royal Soc. of London. Vol. 30, p. 117 (1880); Jahresber. 
1880, S. 265. 

6) Me Intosh und B. D. Steele, Verflüssigte Wasserstoffverbindungen des Phosphors, 
des Schwefels und der Halogene als leitende Lösungsmittel. Proc. Roy. Soe. of London. 
Vol. 73, p. 450 (1904); Chem. Zentralbl. 1904, Bd. II, S. 398. 

?) A. Ladenburg und C. Krügel, Über die Messung tiefer Temperaturen. 1I. Ber. 
d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 33, S. 637 (1900). 

$) Gewerkschaft „Einigkeit“. Darstellung von Bromwasserstoffsäure. D. R.-P. 
233.840; Chem.-Zeitg. Bd. 35, Rep. S. 229 (1911). 

9) R. Whytlaw-Gray und W. Ramsay, Das Atomgewicht des Radiums. Zeitschr. 
f. physik. Chem. Bd. 80, S. 263 (1912). 


470 Richard Kempf. 


eine rotglühende, mit Asbest beschickte Quarzröhre hindurchstreichen und 
dann über eine Säule von Phosphorpentoxyd wandern läßt. Einen sehr be- 
quemen Apparat für diese synthetische Darstellungsweise des Gases gaben 
Claisen und Eisleb!) an. 

Bezüglich der Trocknung von Bromwasserstoffgas siehe auch oben 
Ss. 405 u. 8. 468. 

&) Jodwasserstoff. 
(Vel. S. 258 — 260.) 

Nach Beckmann?) erhält man bequem einen Strom von reinem Jod- 
wasserstoff, wenn man diesen zunächst aus Phosphortrijodid darstellt, ihn 
in Wasser bei 0° bis zur Sättigung einleitet und die an der Luft rauchende 
Lösung dann erwärmt. Zum Trocknen des entweichenden Gases verwendet 
man zweckmäßig Kalziumjodid: Chlorkalzium ist in diesem Falle nicht 
brauchbar, da es Salzsäure abgibt. 

Nach Bodenstein und Vietor Meyer °) sind aber so gewonnenem Jod- 
wasserstoff stets Spuren von Phosphorverbindungen beigemenet. Reinen 
Jodwasserstoff erhält man nur durch Überleiten von reinem Wasserstoff 
und Joddämpfen über erhitztem Platinasbest. 

Der reine Jodwasserstoff läßt sich, wenn er nicht mit Kautschuk, 
Kork oder dgl. in Berührung kommt, zu einer schwach amethystfarbigen 
Flüssigkeit verdichten, die bei — 357° siedet und bei — 51° erstarrt. ?) 

Über einen Apparat zur Entwicklung von Jodwasserstoff, siehe oben 
(S. 453, Fig. 210). 

(©) Ammoniak. 
(Vgl. S. 261— 263.) 

3equeme Prüfungsmethoden für das flüssige Ammoniak des Handels 
hat Richardson +) ausgearbeitet. Man bestimmt den Verdunstungsrückstand, 
der auf 100 cm? Ammoniak höchstens O'1 cm? betragen soll, und die beige- 
mengten Gase, die nach den Analysen von Richardson aus Luft mit einem 
etwas geringeren Sauerstoffgehalt, als der atmosphärischen Luft entspricht. 
und kleinen Mengen von Wasserstoff bestehen. Ferner enthält das käuf- 
liche Ammoniak wohl stets etwas Kohlendioxyd chemisch gebunden. 

Der Siedepunkt flüssigen Ammoniaks unter Atmosphärendruck liegt 
bei — 53°, der Schmelzpunkt der festen Verbindung bei — 777%. 5) 


!) L. Claisen und O. Eisleb, Über die Umlagerung von Phenolallyläthern in die 
isomeren Allylphenole. Liebigs Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. 401. S.28 (1913). 

°) E. Beckmann, Ebullioskopische Bestimmungen bei tiefen Temperaturen, —35'7° 
bis —82°9°. Zeitschr. f. anorg. Chem. Bd. 74, S. 297 (1911); Chem. Zentralbl. 1912, 
Bd. I, S. 1881. 

®) M. Bodenstein und Vietor Meyer, Über die Zersetzung des Jodwasserstoffgases 
in der Hitze. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 26, S. 1148 (1893). 

*) W. D. Richardson, Prüfung des flüssigen Ammoniaks des Handels. Journ. Ind. 
Eng. Chem. Vol. 2, p. 97 (1910); Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 198 (1910). 

°) Vgl.: F. Haber und R. Le Rossignol, Über die technische Darstellung von 
Ammoniak aus den Elementen. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 19, S. 55 (1913). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 471 


Flüssiges Ammoniak scheint das einzige Lösungsmittel für Natrium- 
amid zu sein. !) 


n) Stickoxydul (Lachgas)?): N,0. 
(Vgl. S. 263— 265.) 


Eine neue bequeme Methode zur Darstellung von Stickoxydul gab 
Quartaroli?) an. Man erwärmt hiernach 20—25 cm® Ameisensäure mit 
05g Natriumnitrat gelinde und leitet das sich entwickelnde Gas durch 
eine 20°/,ige, auf 40° erwärmte Kaliumhydroxydlösung. Wenn die Reaktion 
schwächer wird, fügt man eine neue Menge Kaliumnitrat hinzu, und fährt 
damit fort, bis die Gasentwicklung aufhört. Der Prozeß, der quantitativ 
nach der folgenden Gleichung verläuft: 


2KNO, + 6H.CO0OH = N;0 + 4C0, +5H;0 + 2H.COOK, 


kann auch zur Bestimmung von Nitraten in Trinkwässern, Dünge- 
mitteln oder dgl. dienen. 


%) Stickoxyd: NO. 
(Vgl. S. 265.) 


Über die physikalischen Konstanten des Stickoxyds bei tiefen Tem- 
peraturen berichtete Adwentowski.*) Die kritische Temperatur beträgt 
— 929°, der kritische Druck 646 Atm., der Siedepunkt liegt bei — 150'2°, 
der Schmelzpunkt bei — 160°6°. In flüssigem Zustande ist Stickoxyd in 
dicken Schichten hellblau, in dünnen farblos. Die hellblaue Farbe rührt 
wahrscheinlich von Spuren Stickstofftrioxyd (N, 0,) her. Bei niedriger 
Temperatur ist eine Polymerisation des Stickoxyds wahrscheinlich. 


ı) Stickstofftrioeyd (gasförmige salpetrige Säure, 
„nitrose Dämpfe“): N; O;. 
(Vgl. S. 266— 267.) 


Die gasförmige salpetrige Säure, wie man sie zum Diazotieren or- 
ganischer Verbindungen braucht, kann man auch aus einer Mischung von 
Stärkemehl und Salpetersäure darstellen.) — 


!) Vgl. dieses Handbuch. Bd. IV, S. 1144. 
?) Literatur z.B.: H. Rasch, Die Zündungen durch verdichteten Sauerstoff und 
die Explosionsgefahr des Stickoxyduls. Weimar (C. Steinert) 1904. 

®) A. Quartaroli, Neue Methode zur Darstellung von Stickoxydul und ihre An- 
wendung zur Bestimmung der Nitrate. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 353 (1911) und Gazz. 
chim. ital. Vol. 41 [IT], p. 53 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 2 (1912). 
*) K. Adwentowski, Über das Verhalten des Stickoxyds bei niederen Tempera- 
turen. Anz. d. Akad. d. Wiss. in Krakau 1909, S. 742; Chem.-Zeitg. Bd. 34, Rep. S. 93 
(1910). 
5) Vgl. z. B.: A. Strecker, Über die künstliche Bildung der Milchsäure und einen 
neuen, dem Glykokoll homologen Körper. Liebigs Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. 75, 
8.42 (1850). 


472 Richard Kempf. 


Über die große Giftigkeit nitroser Gase wurde vielfach berichtet. !) 
Die niederen Stickoxyde stellen ein um so tückischeres Gift dar, als bei 
ihrer Einatmung keine besonderen momentanen Beschwerden, wie es bei 
Chlor, Schwefeldioxyd oder dgl. stets der Fall ist, einzutreten pflegen. Die 
oft tödlich verlaufenden Symptome treten meist erst mehrere Stunden 
nach dem Einatmen der Gase auf. Es ist darum beim Arbeiten mit diesen 
Stickstoffoxyden ganz besondere Vorsicht geboten. 

Als Gegenmittel gegen die Schädigung durch nitrose Dämpfe ist so- 
wohl subkutane Chlorkalziumzufuhr, als auch die Anwendung von Chloro- 
form ungeeignet.) Letzteres kann sogar unter Umständen schädlich wirken.?) 
Dagegen sind Sauerstoffinhalationen *), nötigenfalls auch Aderlässe 5) oft von 
Erfolg gekrönt. 


c) Die Darstellung kohlenstoffhaltiger gasförmiger Verbindungen. 
(Vgl. Bd. I, S. 267— 275.) 


+) Kohlenoxyd. 
(Vgl. S. 267 — 268.) 


Nach Wade und Panting®) erhält man fast reines Kohlenoxyd in 
theoretischer Ausbeute, wenn man konzentrierte Schwefelsäure auf 
98/,iges, stückiges Cyankalium tropfen läßt. (Läßt man verdünnte 
Schwefelsäure auf Cyankalium einwirken, so entweicht fast reine Blau- 
säure; vgl. unten, S. 477.) 

Infolge seiner Geruchlosigkeit ist Kohlenoxyd das gefährlichste aller 
giftigen Gase, das schon viele Opfer gefordert hat.”) Es ist daher auch beim 
Arbeiten mit diesem Gase, das ein heftiges Blutgift darstellt, die größte Vor- 
sicht am Platze. 


!) Siehe z. B.: T. Gigli, Vergiftung durch nitrose Gase. Chem.-Zeitg. Bd. 34, 
S. 1136 (1910). — KRisel, Tödliche Vergiftung durch Einatmen untersalpetrigsaurer Gase. 
Ver. ger. Med. Bd. 41, S: 29 (1911) und Zeitschr. Med.-Beamte 1911, S. 388; Chem.-Zeitg. 
Bd. 35, Rep. 8.609 (1911). — Schubert, Über Nitrosevergiftung. Zeitschr. Med.-Beamte 
1911, Nr. 15 und Gewerbehyg. u. Gewerbekrankh. 1911, S. 12; Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. 
S.26 (1912). 

2) K. B. Lehmann und L. Diem, Experimentelle Studien über die Wirkung tech- 
nisch und hygienisch wichtiger Gase und Dämpfe auf den Menschen. XXX. Die Sal- 
petersäure. Arch. Hyg. Bd.77, 8.311 u. 323 (1913); Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 344 
(1913). 

3) F. Curschmann, Ist Chloroform ein geeignetes Gegenmittel nach Einatmung 
nitroser Gase? Deutsche med. Wochenschr. Bd. 37, S. 1025 (1911); Chem.-Zeitg. Bd. 35, 
Rep. S.579 (1911). 

*) Vgl. z. B.: Chem.-Zeitg. Bd. 36, Rep. S. 26 (1912). 

°) F. Curschmann, ]. e. 

6) J. Wade und L. ©. Panting, Darstellung von wasserfreiem Uyanwasserstoff und 
Kohlenoxyd. Proceedings Chem. Soc. 1897/1898, p.49 und Journ. Chem. Soe. London. 
Vo01.73, p. 255 (1898); Chem. Zentralbl. 1898, Bd. I, S. 826. 

") Vgl.z. B.: A. Neuburger, Zur Geschichte der Kohlenoxydgasvergiftungen. Chem.- 
Zeitg. Bd. 37, S. 1178 (1913). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 473 


5) Kohlendioxyd. 
(Vgl. S. 268— 270.) 


Infolge der Verwendung nahtlos gezogener Stahlflaschen an 
Stelle von geschweißten schmiedeeisernen Flaschen als Behälter für flüssiges 
Kohlendioxyd sank das Gewicht der Flaschen, die für den Transport von 
10 kg Kohlendioxyd nötig sind, von 42 kg auf 25 kg und der Preis von 
66 Mk. auf 14 Mk.!) — 

Praktische Maßregeln zur Gewinnung ganz reinen Kohlendioxyds aus 
einem Kippschen Apparate teilte Pregl?) mit. Um ein luftfreies Gas zu 
erhalten, wie es für manche analytische Zwecke, z. B. für die Stickstoffbe- 
stimmung nach Dumas, notwendig ist, muß man vor allem dafür sorgen, 
daß die zur Kohlensäureentwicklung aus Marmor dienende verdünnte 
Salzsäure von der in ihr stets gelösten Luft befreit wird. Man erreicht 
eine Entlüftung der Salzsäure in einfachster Weise dadurch, daß man durch 
das Trichterrohr des Kippschen Apparates ein haselnußgroßes Marmor- 
stück in die unterste Kugel hineinfallen läßt. Durch das reichlich ent- 
wickelte Kohlendioxyd wird die Luft aus der Salzsäure verdrängt. — Um 
zu verhindern, daß die Säure wieder Luft aus der Atmosphäre aufnimmt, 
muß man den toten Raum der obersten Kugel des Kippschen Apparates 
dauernd mit Kohlendioxyd gefüllt halten (vgl. oben, S. 443). 

Zur Bestimmung des Luftgehaltes des flüssigen Kohlendioxyds 
empfahl Wentzki3) eine bequeme Vorrichtung. 

Einen bewährten Laboratoriums-Zentralapparat zur Entwicklung großer 
Mengen Kohlendioxyd gaben Purrmann und Verbeek*) an (vgl. auch oben, 
S. 445 und Fig. 198). 


y) Athylen: CH, : CH,. 
(Vel. 8. 270.) 
Zur Darstellung reinen Äthylens kann man nach Mailhe>) Alkohol- 
dämpfe bei 360° über Tonerde leiten: 


CH, . CH, OH = CH,:CH, + H,0. 
Oberhalb der angegebenen Temperatur zersetzt sich das Äthylen, 
unterhalb derselben bildet sich Äther in merklichen Mengen. ®) 


‘) H. Baum, Die wirtschaftliche Bedeutung und die Handelstechnik der Kohlen- 
säureindustrie. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 361 (1911). 

?) Vgl.: F. Pregl, Die quantitative Mikroelementaranalyse organischer Substanzen. 
Dieses Handbuch. Bd. V,, S. 1333. 

°) 0. Wentzki, Apparat zur Bestimmung des Luftgehaltes der flüssigen Kohlen- 
säure. Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 26, Aufsatzteil 8.376 (1913). 

*) €. Purrmann und P. Verbeek, Ein praktisch bewährter Laboratoriumsapparat 
zur Entwicklung von Kohlendioxydgas. Chem.-Zeitg. Bd. 35, S. 927 (1911). 

°) Vgl.: P. Sabatier und A. Mailhe, Einwirkung der Metalloxyde auf die primären 
Alkohole (nicht reduzierbare Oxyde). Compt. rend. de l’Acad. des sciences. T. 147, p. 106 
(1908); Chem. Zentralbl. 1908, Bd. II. S. 675. 

6) Vgl.: ©. Sprent, Die technische Darstellung des Äthans. Chem.-Zeitg. Bd. 37, 
3.642 (1913). 


474 Richard Kempf. 


8) Azetylen!): CH! CH. 
(Vel. 8.271275) 


Zur Entwicklung von Azetylen aus Kalziumkarbid im Laboratorium 
eignen sich am besten die Einwurfapparate (vel. oben, S. 452). Jedoch 
dürfte auch die von Steinkopf angegebene Vorrichtung (siehe oben, S. 440 
und Fig. 190) brauchbar sein. Wendet man an Stelle von Wasser eine bei 
20° gesättigte Salzlösung an, so läßt sich nach Dennis und O’Brien?) 
ein ruhiger Strom von Azetylen auch im Kippschen Apparat entwickeln. 

Komprimiertes Azetylen ist, wie bereits erwähnt, explosiv, nicht da- 
gegen das in Azeton gelöste oder von porösen Massen aufgenommene 
Azetylen. Die Entdeckung, daß Azeton die Eigenschaft besitzt, große 
Mengen des Gases zu lösen, stammt von Claude und Hess. 3) Zur gefahr- 
losen Aufspeicherung von komprimiertem Azetylen kann die Azetonlösung 
nicht dienen, weil sich die Flüssigkeit während des Verbrauches des Aze- 
tylens oder durch Abkühlung zusammenzieht und dann oberhalb des Flüs- 
sigkeitsspiegels ein mit explosivem Azetvlengas erfüllter Raum entsteht. 
Das Verdienst, mit Hilfe der porösen Masse „Aga“ durch ein umständ- 
liches, sorgfältig ausgearbeitetes Verfahren einen praktisch brauchbaren 
Azetylenakkumulator geschaffen zu haben, gebührt Dalen. *) 

Bezüglich einiger anderer poröser Massen, die zur Aufspeicherung von 
Azetylen dienen können, sei auf die Literatur verwiesen.) Die Löslichkeit 
von Azetylen in Azeton und Azeton-Wassergemischen bestimmten Kremann 
und v. Höhnel $) 

Hiernach lösen sich in einem Liter wasserfreien Azetons bei 0° 37'289 
und bei 18° 21°0 g Azetylen. Bei Wasserzusatz nimmt die Löslichkeit von 
Azetylen in Azeton zuerst rasch, später (von 50 Volumprozent Wasser 
an) nur noch langsam bis zu dem Wert für reines Wasser ab. In diesem 


'!) Literatur: N. Caro, A. Ludiig und J. H. Vogel, Handbuch des Azetylens. 
Braunschweig (Friedr. Vieweg & Sohn) 1904. — J.H. Vogel, Das Azetylen, seine Eigen- 
schaften, seine Herstellung und Verwendung. Leipzig (Otto Spamer) 1911. 

?) L. M. Dennis und W. J. O'Brien, Die Bestimmung des Phosphors im technischen 
Azetylen. Journ. Ind. Eng. Chem. Vol.7, p. 834 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 37, 8.147 
(1913). — Vgl. dagegen: H. Biltz, Dijodazetylen und Tetrajodazetylen. Ber. d. Deutsch. 
chem. Ges. Bd. 30, S.1207 (1897). 

°») @. Claude und A. Hess, Über eine neue Aufspeicherungsmethode für Azetylen. 
Compt. rend. de l’Acad. des sciences. T. 124, p. 626 (1897); Chem. Zentralbl. 1897, Bd. I, 
S. 800. 

*) Vgl. P. Klason: Gustav Dalen, Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 1453 (1912). 

°) Siehe z. B.: Actiebolaget Gasakkumulator, Aufspeicherung von Azetylen in mit 
einer porösen Masse gefüllten Behältern. D. R.-P. 211.279: Chem.-Zeitg. Bd. 33, Rep. 
S. 399 (1909). — E. Dalen, Poröse Masse zur Aufspeicherung von in Azeton gelöstem 
Azetylen. Schwed. Pat. 34.285; Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. S. 385 (1913). — Soc. Champy 
Freres, Poröse Stoffe für Behälter explosiver Gase. Franz. Pat. 453.353; Chem.-Zeitg. 
Bd. 37, Rep. S. 568 (1913). 

6) R. Kremann und H.v. Höhnel, Über die Löslichkeit von Azetylen in Azeton 
und Azeton-Wassergemischen. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 848 (1913) und Chem. Zentralbl. 
1913, Bd. II, S. 1169. 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 475 


lösen sich pro Liter bei 18° 0'123 g Azetylen. Nach Olaude und Hess (l. e.) 
löst Azeton bei gewöhnlichem Druck und bei 15° das 25fache seines Vo- 
lumens an Azetylen, bei 12 Atmosphären etwa das 300fache. 

Eine bequeme Methode zur quantitativen Bestimmung des Phos- 
phors im technischen Azetylen gaben Dennis und O'Brien!) an. 

Delepine ?2) untersuchte die Entflammbarkeit eines Gemisches von 
Azetylen mit etwa 30°/, Luft und stellte fest, daß sich ein derartiges Ge- 
misch bei einem Druck von 1'!/, Atm. nicht entzündet, wenn ein Induk- 
tionsfunke von 2 mm Länge hindurchgeleitet wird (vgl. im übrigen die 
Originalabhandlung). Auch über die kleinste Azetylenmenge, die in einem 


- geschlossenen Raume eine Explosion veranlassen kann, liegen Untersuchungen 


von verschiedenen Forschern vor.?) 

Die Empfindlichkeit der Reaktion zwischen Azetylen und ammonia- 
kalischer Kupferlösung untersuchten Scheiber und Reckleben.*) Sie stellten 
fest, daß man aus ammoniakalischer, mit Hydroxylamin reduzierter Kupfer- 
lösung das Kupfer durch Azetylen noch in folgenden Verdünnungen ab- 
scheiden kann: 

1:100.000, wenn die Lösung keine organischen Salze enthält, 

1: 200.000, wenn größere Mengen Ammoniumazetat oder Ammonium- 
tartrat vorhanden sind. 

Die Fällungen werden allerdings bei den Grenzkonzentrationen im 
allgemeinen erst nach langer Zeit sichtbar. 


<) Cyan (Oxalsäurenitril): (CN)»: 


Zur Darstellung von Cyan >) erhitzt man getrocknetes und fein zer- 
riebenes Cyanquecksilber in einer Retorte oder Röhre aus schwer 
schmelzbarem Glas zum schwachen Glühen und fängt das entweichende 
Gas über Quecksilber auf. Der nach Thomsen ®) mit einer großen nega- 
tiven Wärmetönung verlaufende Prozeß vollzieht sich nach der folgenden 
Gleichung: 

Hg (CN), —> Hg + (CN), [— 19.000 cal.]. 

Als Nebenprodukt der Reaktion bildet sich schwarzes, nicht flüch- 
tiges Paracyan: (CN),, ein Vorgang, der mit einer positiven Wärme- 
tönung verbunden ist und die Hauptreaktion daher unterstützt. 


1) L. M. Dennis und W. J. O’Brien, Die Bestimmung des Phosphors im techni- 
schen Azetylen. Journ. Ind. Eng. Chem. Vol. 7, p. 834 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 37, Rep. 
8.147 (1913). 

2) M. Delepine, Über die Entflammbarkeit von mit 30°, Luft gemischtem Aze- 
tylen. Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 1214 (1912). 

3) Siehe: Kleinste Azetylenmenge, die in einem geschlossenen Raume eine Ex- 
plosion verursachen kann. Journ. f. Gasbeleuchtg. Bd. 57, 5.65 (1914). 

#) J. Scheiber und H. Reckleben, Beiträge zur Kenntnis der Konstitution des 
Kupferazetylürs. Ber. d. Deutschen chem: Gesellsch. Bd. 44, S. 223 (1911). 

5) Nach Gay-Lussae, Annal. d. Physik von Gilbert. Bd. 53, S. 144 (1814): vg 
J. Jacob Berzelius, Lehrbuch der Chemie, übersetzt von F. Wöhler, Lı, S. 293 (182 

6) Thomsen, Thermochemische Untersuchungen. Bd. 4, 5.390. 


les 
5): 


476 Richard Kempf. 


Mischt man dem Quecksilbereyanid Sublimat bei, so erfolgt die 
Uyanentwicklung schon bei schwachem Erwärmen.!) Der Prozeß ver- 
läuft dann unter Wärmebindung nach der folgenden Gleichung: 


Hg (CN), + HgCl, = (CN), + Hg, Cl. 


Auf nassem Wege kann man nach Jacguemin?) Cyan aus Cyan- 
kalium auf folgende Weise darstellen. Man gießt die konzentrierte wässe- 
rige Lösung von einem Teil Kaliumeyanid in eine Lösung von 2 Teilen 
Kupfervitriel in 4 Teilen Wasser und erhitzt schließlich. Es entweicht 
Cyan nach der folgenden Gleichung: 


4KCN + 2CuS0, = 2K,S0, + Cw (CN), + (CN). 


Aus dem gefällten Kupfereyanür kann man noch weitere Mengen 
Cyan gewinnen: Man filtriert es ab, wäscht es aus und zerlegt es durch 
wenig überschüssige Eisenchloridlösung vom spezifischen Gewicht 1’26 oder 
durch Erwärmen mit einem Gemisch von Braunstein und Essigsäure. Dem 
Uyan ist etwas Kohlendioxyd beigemengt, wenn das Uyankalium nicht 
ganz rein war. 

Zur Reinigung des Cyans von beigemengtem Cyanwasserstoff 
läßt man das (Gras über Watte streichen, die mit Silberlösung befeuchtet 
15) — 

Über einen sehr empfindlichen qualitativen Nachweis des 
Cyans berichtete Kunz-Krause*) und über die quantitative Bestim- 
mung des Gases liegen eingehende Angaben von Wallis) vor. 

Bei gewöhnlicher Temperatur stellt Cyan ein farbloses Gas dar, das 
eigentümlich stechend riecht und mit pfirsichblütroter Flamme brennt. 
Kühlt man das Gas bei Atmosphärendruck auf — 207° ab oder kompri- 
miert man es bei 15° auf 3'3 Atmosphären, so verdichtet es sich zu einer 
wasserhellen, leicht beweglichen Flüssigkeit von der Dichte 0:866 (bei 17:2°) 
und dem Erstarrungspunkt — 344°. 

Wasser löst ungefähr das 4'/,fache seines Volumens an Cyan bei 
gewöhnlicher Temperatur auf, Alkohol 2:3 und Äther 5 Volumina. Die Lö- 
sungen sind sehr unbeständig und färben sich beim Aufbewahren dunkel 
unter Abscheidung dunkler Flocken von Azulinsäure. In wässeriger Lösung 
findet außerdem partielle Verseifung und Bildung anderer C- und N-hal- 
tiger Substanzen statt. 


!) Berzelius’ Jahresber. Bd. 24, S. 84. 

°) @. Jacquemin, Darstellung von Cyan auf nassem Wege. Compt. rend. de 
l’Acad. des seiences. T. 100, p. 1005 (1885) und Annal. de Cbim. et de Phys. [6], T. 6, 
p. 140 (1885); Chem. Zentralbl. 1885, S. 437. 

°) Vgl.: Th. Wallis, Über die Synthese des Cyans und Cyanwasserstoffes aus 
den Elementen. Liebigs Annal. d. Chem. Bd. 345, S. 362 (1906). 

*) H. Kunz-Krause, Über das Vorkommen und den Nachweis von freiem Cyan 
im Leuchtgas. Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 14, S. 652 (1901). 

5) Th. Wallis, ]. e. 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 477 


Cyan ist ein sehr heftiges Gift von ähnlicher physiologischer 
Wirkung wie Uyanwasserstoff.!) 


C) Oyanwasserstoff (Ameisensäurenitril, Blausäure): HCN. 


Wünscht man Cyanwasserstoff mit organischen Verbindungen in Re- 
aktion zu bringen, so genügt es häufig, zu dem Reaktionsgemisch ein 
Cyanid und dann eine entsprechende Menge Salzsäure zu fügen. Auf diese 
Weise kann man z. B. mit der naszierenden Blausäure das Mandelsäure- 
nitril aus Benzaldehyd darstellen ?): 


C,H,.CHO + HCN = C,H,.CHOH.cN. 


Zur bequemen Gewinnung nahezu wasserfreien ÜCvanwasserstoffes 
läßt man nach Wade und Panting:) eine gut gekühlte Mischung gleicher 
Volumina konzentrierter Schwefelsäure und Wasser auf 98°/,iges, stückiges 
Cyankalium tropfen. Es entweicht reiner, nur durch Spuren von Feuch- 
tigkeit verunreinigter Uyanwasserstoff in fast theoretischer Ausbeute. (Gießt 
man dagegen bei gewöhnlicher Temperatur unverdünnte Schwefelsäure 
auf Kaliumeyanid, so erhält man, ebenfalls in theoretischer Ausbeute, fast 
reines Kohlenoxyd: vgl. oben S. 472.) 

Die gebräuchlichste Darstellungsmethode von Uyanwasserstoff war 
bisher die folgende. *) Man übergießt 3 Teile grob gepulvertes gelbes Blut- 
laugensalz in einem Kolben mit einem Gemenge von 2 Teilen konzen- 
trierter Schwefelsäure und 4—6 Teilen Wasser nd destilliert das Gemisch 
am absteigenden Kühler, bis der Kolbeninhalt einzutrocknen beginnt. Die 
entweichenden Dämpfe leitet man in ein mit gesättigter Chlorkalzium- 
lösung gefülltes, gut mit Kältemischung gekühltes Gefäß. Die wasserfreie 
Blausäure scheidet sich dann über der Lösung als oben schwimmende 
Schicht ab. — 

Cyanwasserstoff ist bei gewöhnlicher Temperatur eine klare, farb- 
lose Flüssigkeit von betäubendem, bittermandelölartigem Geruch. Ihre 
Dichte beträgt bei 18° 06969, ihr Siedepunkt liegt unter Atmosphären- 
druck bei 26°5°, ihr Erstarrungspunkt bei — 15°. 5) 

Blausäure ist eines der heftigsten Gifte, die bekannt sind. Für 
Menschen beträgt die tödliche Dosis im allgemeinen 005g. Nach Gre- 


!) Siehe z. B.: J. L. Burckhardt, Experimentelle Studien über den Einfluß tech- 
nisch wichtiger Gase und Dämpfe auf den Organismus. XXXIV. Zur Kenntnis des Cyan- 
gases (Dieyan). Arch. Hyg. Bd.79, S.1 (1913). 

2) A. Spiegel, Synthese der Tropasäure aus Azetophenon. Ber. d. Deutschen chem. 
Gesellsch. Bd. 14, S. 239 (1881). — Vgl. auch: L. Gattermann, Die Praxis des orga- 
nischen Chemikers. 9. Aufl. 1909, Leipzig (Veit & Co.), S. 273. 

3) J. Wade und L. €. Panting, Darstellung von wasserfreiem Cyanwasserstoff und 
Kohlenoxyd. Proceed. Chem. Soc. 1897/98, p. 49 und Journ. Chem. Soe. London. Vel. 73, 
p- 255 (1898); Chem. Zentralbl. 1898, Bd. 1, S. 826. 

#) Vgl. z.B.: L. Wöhler, Notiz über die Bereitung der wasserfreien Blausäure. 
Liebigs Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. 73, S. 218 (1850). 

5) Gay-Lussac, Annal. chim. phys. T. 95, p. 136 (1815). 


478 Richard Kempf. 


hant‘) reicht etwa Yjooo00 des Blutgewichtes an Uyanwasserstoff aus, um 
einen Hund zu töten. — 

Einen sehr praktischen Apparat zur gefahrlosen Darstellung, Aufbe- 
wahrung und Abmessung wasserfreier Blausäure unter Luftabschluß be- 
schrieb Steinkopf?) (vgl. im übrigen dieses Handbuch, Bd. VI, S. 668 bis 
669 und Fig. 216 daselbst). Beim Aufbewahren von Cyanwasserstoff ist 
vor allem auch dafür zu sorgen, dab die Luftfeuchtigkeit keinen Zu- 
tritt hat, da diese — hauptsächlich infolge partieller Verseifung — be- 
sonders schädlich auf die Haltbarkeit der Blausäure einwirkt. 


IlI. Das Auffangen und die Aufbewahrung von Gasen. 
(Vgl. Bd. I, S. 276— 282.) 


l. Gasometer. 
(Vgl. S. 276—278.) 


Im Handel befinden sich sogenannte Sauerstoffblasen, d.h. Gummi- 
beutel, die mit Schlauch und Absperrhahn versehen sind (Fig. 212). Nach 
Grossmann) benutzt man diese Gummibeutel oft zweck- 
mäßig an Stelle eines gläsernen oder metallenen Gasome- 
ters, namentlich für Gase, die mit Metall oder einer Sperr- 

flüssigkeit nicht in Berührung 

Fig. 213. kommen sollen. Durch Zu- 
sammendrücken bzw. Auf- 

—Tz rollen lassen sich diese Beutel 
völlig luftleer machen, so dab 
man das einzufüllende Gas 
rein erhält. Ist der Beutel ge- 
füllt, so kann man die Stärke 
2 des auszusendenden Gas- 

\ stroms durch stärkeres oder 
\+  gelinderes Zusammendrücken 
\N beliebig regulieren.) Ein be- 


!) N. Grehant, Physiologi- 
sche Untersuchungen über Üyan- 
wasserstoff. Compt. rend. Soc. de 
Biol. 1889, p. 573; Chem. Zentral- 
blatt. 1890, Bd. I, S. 404. 

?) W. Steinkopf, Apparat 


Sr alR ar = zum Aufbewahren und Abmessen 
sammler („Sauerstoff- Überlaufverhinderung bei Gasometern .,,- - . 
blase‘). i Fan Wistenfeld, giftiger, hygroskopischer oder tief- 


siedender Flüssigkeiten. Chem.- 
Zeitg. Bd. 34, S. 1319 (1910). 
3) F. Grossmann, Gummiwaren im Fabriklaboratorium. Chem.-Zeitg. Bd. 36, 
S. 446 (1912). 
4) Vgl. z.B.: M. Dennstedt und F. Hassler, Die gleichzeitige Bestimmung des Stick- 
stoffs mit Kohlenstoff, Wasserstoff usw. in organischen Verbindungen nach der Methode 
der vereinfachten Elementaranalyse. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 41, S. 2781 (1908). 


a ar 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 479 


sonderer Vorzug dieser Art Gasometer ist ihre bequeme Transportierbar- 
keit. Von der Industrie werden die Gasblasen in den Größen von 3 bis 
302 Inhalt mit Abstufungen von 2—5 ! geliefert. Auch mit einer Schutzhülle 
von braunem Segeltuch sind sie käuflich. 

Ein Nachteil dieser Sammelgefäße!) besteht darin, dab fast alle Gase 
mehr oder weniger rasch durch Kautschukwandungen diffundieren (vgl. 
dieses Handb. Bd. VI, S. 650 —653). 

Um bei Gebrauch eines der gewöhnlichen Laboratoriumsgasometer 
das obere Wasserreservoir dauernd mit Wasser gefüllt zu erhalten, ohne 
ein Überlaufen befürchten zu müssen, kann man die von Wüstenfeld ?) 
empfohlene Einrichtung treffen (Fig. 213). Man verbindet das untere Ende 
des Glasrohres « mit der Wasserleitung, das untere Ende des Glasrohrs b 
mit dem Ausguß, hängt den Apparat in das Wassergefäß hinein und läbt 
beständig einen mäßig starken Wasserstrom durch ihn hindurchtließen. 
In dem oben offenen Ansatzstück des Systems tritt dann eine Saugwir- 
kung auf, die genügt, etwaiges aus dem Rohr e im Überschuß zufließendes 
Wasser von Zeit zu Zeit abzuhebern. 

Einen „Sicherheitsgasometer“, der nur eine bestimmte — vorher 
einstellbare — Gasmenge abgibt, beschrieb Fässer. °) 


2. Sperrflüssigkeiten. 
(Vel. 8: 278281.) 


Verwendet man Wasser als Sperrflüssigkeit, so ist es gelegentlich 
wichtig zu beachten, dal mit Luft in Berührung gewesenes Wasser stets 
neben Stickstoff etwas Kohlendioxyd und vor allem nicht unerhebliche 
Mengen Sauerstoff gelöst enthält, der selbst durch Kochen nicht leicht 
vollständig ausgetrieben werden kann. In einem Liter destillierten Wassers 
sind bei Zimmertemperatur etwa 94 mg Sauerstoff gelöst.*) Ebenso sauer- 
stoffreich — eher etwas weniger — pflegt Leitungswasser zu sein. 
Um Wasser von seinem Sauerstoffgehalt zu befreien, kann man ihm 
Manganchlorür und Natronlauge 5) oder Natriumsulfit und eine Spur Kupfer- 
vitriol zusetzen. Die Reaktion zwischen Natriumsulfit und dem in reinem 
Wasser gelösten Sauerstoff, die bei gewöhnlicher Temperatur überaus träge 
verläuft, wird nämlich durch die allergeringsten Spuren eines Kupferions 
außerordentlich stark beschleunigt. Es genügt, daß das Wasser durch einen 


1) Siehe auch z. B.: (1. Winkler, Lehrbuch der techn. Gasanalyse. 3. Aufl. 1901, 
Leipzig (A. Felix), S. 23. 

2) H. Wüstenfeld, Vorrichtung zur Vermeidung des Überlaufens offener, mit 
Wasser gespeister Behälter. Chem.-Zeitg. Bd. 33, S. 412 (1909). 

3) Visser, Der Sicherheitsgasmesser der Pro-Gas-Maatschappy im Haag. Chem.- 
Zeitg. Bd. 38, S. 213 (1914). 

#) Siehe z. B.: T. Carlson, Über die Löslichkeit des Luftsauerstoffs in Wasser. 
Zeitschr. f. angew. Chem. Bd. 26, S. 713 (1913); Chem.-Zeitg. Bd. 38, Rep. S. 126 (1914). 

5) Vgl. das Verfahren zur Sauerstoffbestimmung in Wasser nach Winkler: siehe 
z.B.: H. Klut, Untersuchung des Wassers an Ort und Stelle, 2. Aufl., 1911, Berlin 
(Jul. Springer), S. 79. 


480 Riebard Kempf. 


Messinghahn gelaufen ist, um eine merkliche katalysatorische Reaktions- 
beschleunigung durch das in Lösung gegangene Kupfer herbeizuführen. !) — 

Als Sperrflüssigkeit für Ozon kann man konzentrierte Schwefel- 
säure?), Paraffinöl?) oder mit Ozon gesättigtes destilliertes Wasser) 
benutzen. Paraffinöl ist wegen seiner großen Viskosität allerdings etwas 
unbequem. 

Eine neue Methode zum Auffangen von Gasen unter Quecksilber 
aus der Quecksilberluftpumpe beschrieb Keyes. ®) 

Als Sperrflüssigkeit bei der volumetrischen Bestimmung des in Wasser 
gelösten Sauerstoffs eignet sich Vaselinöl.>) 

Bei der Untersuchung der Gase, die bei der Zersetzung von Natrium- 
äthyl durch Wärme entstehen, benutzte Schorigin‘®) als Sperrflüssiekeit 
Wasser, das im Liter etwa 350 g Chlornatrium und etwa 100 9 Kalium- 
hydroxyd gelöst enthielt. 


IV. Über das Abmessen von Gasen für präparative Zwecke. 
(Vgl. Bd. I, S. 281— 282.) 


Der Rotamesser von Küppers') (Fig. 214) besteht im wesentlichen 
aus einem sich nach oben konisch erweiternden Glasrohr, das mit einer 
Stunden/Liter-Skala versehen ist und einen Schwebekörper eigenartiger 
Konstruktion (Fig. 215) enthält. Ein von unten in das Meßrohr einströ- 
mendes Gas hebt den mit steilgewindeförmigen Einkerbungen versehenen 
Schwebekörper auf eine bestimmte Höhe und versetzt ihn gleichzeitig in 
schnelle Rotation um seine Vertikalachse, so daß er völlig reibungslos im 
xohre schwebt. Aus der Höhenlage des Schwebekörpers im Rohr läßt sich 
sofort an der Skala die Menge des pro Stunde hindurchstreichenden Gases 
ablesen oder berechnen. 


') A. Titoff, Negative Katalyse im homogenen System. Zeitschr. f. physik. Chem. 
Bd. 45, S.641 (1903); Chem. Zentralbl. 1904, Bd.I, S. 142. Siehe ferner: E. Abel, 
Über den Kupfergehalt in destilliertem Wasser. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd.19, S. 477 
(1913). — Joh. Pinnow, Über die gemeinsame Oxydation von Hydrochinon und Sulfit 
durch Luftsauerstoff. Ebenda, S. 262, 

?) Vgl.: R. Luther, Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 17. S. 633 (1911). — Siehe aber 
auch: €. Harries, Über das Verhalten von Ozon gegen konzentrierte Schwefelsäure. 
Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 18, S. 129 (1912). 

°) H. Brach, Apparate zum Arbeiten mit Ozon und zu seiner quantitativen Be- 
stimmung. Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 1326 (1912). 

*) F. @. Keyes, Verbesserte Methode zum Auffangen von Gasen aus der Queck- 
silberluftpumpe. Journ. Amer. Chem. Soc. Vol. 31, p. 1271 (1909); Chem.-Zeitg. Bd. 34, 
Rep. S. 49 (1910). 

°) Vgl.: R. Maucha, Kritische Betrachtungen über ein neues Verfahren zur Be- 
stimmung des in Wasser gelösten Sauerstoffs. Chem.-Zeitg. Bd. 34. S.186 (1910). 

°) P. Schorigin, Über die Natriumalkyle und über ihre Reaktion mit den Äthern. 
Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Bd. 43, S. 1933 (1910). 

‘) Der Rotamesser wurde K. Küppers patentiert und von Rau wissenschaftlich 
durchgearbeitet; vgl.: Neuer Gasmesser. Chem.-Zeitg. Bd. 34, S. 725 (1910). — Vgl. auch: 
Rotamesser, System Ä. Küppers von den Rotawerken Aachen. Journ. f. Gasbeleuchtg. 
Bd. 53, S.351 (1910). 


Pi 


ET EEE 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Lab oratoriumstechnik“. 481 


Da also der Rotamesser immer nur die Strömungsgeschwindig- 
keit eines Gases angibt, muß man zur Bestimmung der absoluten 
Menge eines durch den Apparat gegangenen Gases stets auch die Zeit 
feststellen. Zum Messen von Gasen, deren Strömungsgeschwindigkeit rasch 
wechselt, ist die Vorrichtung daher nicht zu gebrauchen. In solchen Fällen 
muß man eine Gasuhr anwenden (vgl. Bd. I, S. 282 u. Fig. 419, S. 281). 


Fig. 214. Fig. 215. 


ii BELEI eher “ 


| 
I 
IM 


"er Bes ILL. 


Rotamesser. 
(Apparat zur Bestimmung der Strö- - 
mungsgeschwindigkeit von Gasen.) Schwimmer des Rotamessers. 


Die Fehlergrenze beträgt beim Rotamesser noch nicht 1°/,. gleich- 
viel ob kleine oder große Gasmengen hindurchgehen. Im Handel befinden 
sich Rotamesser in Größen von Y/,, 2 bis 10 Millionen Litern stündlichem 
Höchstdurchlaß. 

Der Apparat hat sich auch in der Laboratoriumspraxis bereits aus- 
gezeichnet bewährt, so z.B. bei der Özondarstellung zur Bestimmung 
der durch den Ozonisator stündlich strömenden Luft- oder Sauerstoff- 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VII. 31 


482 Richard Kempf. 


menge.!) Für diese Zwecke und ähnliche Laboratoriumsarbeiten dürfte ein 
Rotamesser mit einem maximalen Durchlaß von etwa 20 / pro Stunde genü- 
gend groß sein.?2) Auch zur Abmessung von Sauerstoff und Wasserstoff 
zwecks rationeller Erzeugung einer Knallgasgebläseflamme sind die Rota- 
messer gut geeignet (Fig. 216). — 

Mehrere Vorzüge vor dem Rotamesser hat der „Capomesser“ von 
Ubbelohde und Hofsäß?) (Fig. 217). Der Apparat besteht für gewöhnlich 
aus fünf Kapillaren von verschiedener Weite und besonderer Form, die 
mittelst Hähnen jede für sich allein in den 
Gasstrom eingeschaltet werden können. Ein 
Manometer zeigt das Druckgefälle des Gases 
zwischen den beiden Enden der jeweils ange- 
wandten Kapillare an. Man schaltet bei den 
Messungen eine Kapillare von solcher Weite 


Fig. 216. 


on 
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o 
D 
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° 


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Wasserstoff 


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9 
an 


a 
un 
o 


Lrrrslurusli 


Capomesser. 


Anwendung zweier Rotamesser zur Erzeugung einer (Apparat zur Bestimmung der Strömungs- 
Knallgasflamme. geschwindigkeit von Gasen.) 


') Vgl. z.B.: €. Harries, Über die Einwirkung des Ozons auf organische Ver- 
bindungen. Liebigs Annal. d. Chem. Bd. 374, S. 311 (1910). — Derselbe, Über Bildung 
des Ozons. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 17, S. 632 (1911). — Derselbe, Über das Ver- 
halten von Ozon gegen konzentrierte Schwefelsäure. Ebenda. Bd.18, S. 129 (1912). — 
H. Brach, Apparate zum Arbeiten mit Ozon und zu seiner quantitativen Bestimmung. 
Chem.-Zeitg. Bd. 36, S. 1325 (1912). 

?) €. Harries, ]. e. (Liebigs Annal.) 

3) L. Ubbelohde und M. Hofsäß, Ein neuer Gasmesser „Capomesser“* und ein 
Zähigkeitsmesser für Gase. Journ. f. Gasbel. Bd. 55, S. 557 (1912); Chem.-Zeitg. Bd. 37, 
Rep. S. 79 (1913). — Dieselben, Ein Momentgasmesser „Capomesser* und ein Zähig- 
keitsmesser für Gase. Zeitschr. f. Elektrochem. Bd. 19, S. 32 (1913). 


Ergänzungen zur „Allgemeinen chemischen Laboratoriumstechnik“. 483 


ein, dal man einen gut ablesbaren Ausschlag am Manometer erhält, und 
erreicht auf diese Weise, daß die Genauigkeit der Gasmessung für geringen 
Gasverbrauch ebenso groß ist wie für starken. Die durchgehende Gas- 
menge hängt nur von der am Manometer abgelesenen Druckdifferenz ab. Der 
Apparat wird für Luft geeicht. Wird der Gasmesser für andere Gase ver- 
wandt, so wird zunächst die Zähigkeit des Gases gegenüber Luft be- 
stimmt und daraus die einmalige Korrektur für die auf Luftverbrauch 
bezügliche Tabelle berechnet. Der Gasdurchgang ist umgekehrt proportional 
der Zähigkeit der Gase. — 

Bezüglich der Differentialmanometer von Verbeek !) zur Messung 
der Strömungsgeschwindigkeiten von Gasen und Gasgemischen sei auf die 
Originalarbeit verwiesen. — 


') P. Verbeek, Über die Messung des Über- und Unterdruckes (Zuges) und der 
Geschwindigkeit von Gasen und Gasgemischen. Chem.-Zeitg. Bd. 37, S. 1338 u. 1361 (1913). 


31* 


Über mit dem Polarisationsapparat kombinierte elek- 

trisch heizbare Vorrichtungen zur Ablesung und Be- 

obachtung des Drehungsvermögens von Flüssigkeiten 
bei konstanter Temperatur. 


Von Emil Abderhalden, Halle a. S. 


Bei der Anwendung der sogenannten optischen Methode läßt man 
eine Fermente enthaltende Lösung bei 37° auf ein optisch-aktives Substrat 
oder auf einen Razemkörper einwirken, Das Gemisch wird im Polarisations- 
rohr im Brutschrank aufbewahrt und nur zur Ablesung des Drehungsvermögens 
daraus entfernt. Um zu verhindern, dal) während der Dauer der Feststel- 
lung der Drehung der Lösung diese sich stark abkühlt, habe ich Polari- 
sationsrohre mit einem Wassermantel konstruieren lassen. Es läßt sich je- 
doch auch durch diesen Wärmeschutz nicht vermeiden. daß bei im Ablesen 
wenig Geübten infolge der langen Dauer der Ablesung eine starke Abküh- 
lung des Rohres nebst Inhalt zustande kommt. Ich habe mich deshalb mit 
der Firma Schmidt d& Haensch in Berlin in Verbindung gesetzt und mit 
ihr eine Heizvorrichtung konstruiert, die sich ohne weiteres an jedem großen 
Polarisationsapparat dieser Firma befestigen läbt. Fig 218 zeigt den am 
Polarisationsapparat angebrachten Heizapparat. 

Die erwähnte Heizvorrichtung besteht aus einem elektrisch heizbaren 
Metallgefäß A (Fig. 219 u. 220), das sich mit einem mit Bajonettverschluß 
versehenen Deckel dicht abschließen läßt. Der Deckel enthält eine Öffnung 
zur Durchführung und Befestigung eines Thermometers 7. Ferner besitzt 
er eine größere, durch einen besonderen Deckel D verschließbare Öffnung. 
Durch diese kann man, ohne den großen Deckel abzunehmen, Polarisations- 
rohre in den geheizten Raum bringen oder solche daraus entfernen. In 
Fig.219 sind der besseren Übersichtlichkeit wegen diese Öffnung D und die 
Öffnung für den Thermometer 7 vertauscht. Es ist vorteilhafter, den Haupt- 
deckel so auf den Apparat aufzusetzen, daß die große Öffnung sich über 
demjenigen Polarisationsrohr befindet, das sich in der zur Ablesung der 
Drehung richtigen Stellung befindet (Rohr R, in Fig. 219). Man kann in diesem 
Falle das soeben eingesetzte Rohr sofort beobachten oder, falls sich z. B. 
Trübungen zeigen, das Rohr ohne weiteres aus dem Raum entfernen, um 
nachzusehen, worauf die Trübung beruht. 

Die Einrichtung der elektrischen Heizung erfordert keine besondere 
Beschreibung. Sie ergibt sich aus den Fig. 219 u. 220. Der eingeschaltete 
Widerstand W gestattet eine genaue Regulation und Abstufung der Tem- 


Elektrisch heizbare Vorrichtungen zu polarimetrischen Untersuchungen ete. 485 


peratur. Im Inneren des Raumes sind sechs kleine Schlitten $ angebracht. 
Sie dienen zur Aufnahme der Polarisationsrohre. Die Schlitten ruhen auf 
einer drehbaren Scheibe Sch. Die Achse der Scheibe trägt einen aus dem . 
großen Deckel in der Mitte herausragenden Knopf X, der zum Drehen der 
Scheibe bei geschlossenem Raum dient. Er enthält auf seiner oberen Seite 
Zahlen (1—6), die den Nummern entsprechen, die die Polarisationsrohre 
tragen. 

Hat man die gewünschte Temperatur hergestellt, dann beschickt man 
nun, ohne den großen Deckel abzunehmen, die einzelnen Schlitten mit den 


Fig. 218. 


zu beobachtenden Polarisationsrohren. Zu diesem Zwecke nimmt man den 
kleinen Deckel ab und setzt durch die Öffnung dasjenige Rohr in den 
Schlitten, das die der Stellung des oben erwähnten Knopfes entsprechende 
Nummer trägt — in Fig. 219 Nr. 4. Nun zieht man den Stift # — vgl. 
Fig. 219 u. 220 — nach außen und dreht den Knopf und damit die Scheibe 
mit den Schlitten um eine Nummer weiter und setzt wieder das der Stel- 
lung entsprechende Rohr ein. Hat die Scheibe die richtige Stellung erreicht, 
dann schnappt der mit einer Feder versehene Stift in eine Vertiefung der 
Scheibe ein. Dadurch wird erreicht, daß das einzelne Rohr immer mit seiner 


AS6 Emil Abderhalden. 


Achse ganz genau in die Achse des Polarisationsapparates resp. des Rohres 
(R, in Fig. 219) zu liegen kommt, durch das man beobachtet. 

Hat man die zu beobachtenden Rohre alle eingelegt, dann verschließt 
man den Deckel und beginnt nun in der gewohnten Weise mit der Be- 
stimmung des Drehvermögens der Lösung jenes Rohres, das sich im Ge- 
sichtsfeld befindet. Man notiert sich den abgelesenen Winkel und sieht 
dann am Knopf der Achse der Scheibe nach, welches Rohr eingestellt war. 
Nun zieht man den Stift F nach außen, dreht die Scheibe mittelst des 
Knopfes etwas, läßt den Stift wieder los und dreht nun so lange, bis 


W Widerstand. R, und R, Polarisationsrohre. 7’ Thermometer. D Kleiner Deckel. A Ge- 
heizter Raum. F Stift. K Knopf zum Drehen der Achse der Scheibe Sch, auf dem die 
Schlitten S sich befinden. © Rohr, durch das man beobachtet. 


der Stift einschnappt. Es ist dies das Zeichen, daß das zweite Rohr 
richtig eingestellt ist. So beobachtet man ein Rohr nach dem anderen. Be- 
merkt sei noch, daß die Scheibe beliebig rechts und links herum gedreht 
werden kann. Die leeren Rohre bewahrt man bis zum Gebrauch am besten 
im geheizten Raum auf, damit die beim Versuch eingefüllte Lösung mög- 
lichst rasch die Temperatur annimmt, bei der man beobachten will. 

Bei Verwendung der beschriebenen Einrichtung zu Untersuchungen 
über Fermentwirkungen ist die folgende Vorsicht notwendig. Es kann der 
Fall eintreten, daß sich eine Drehungsänderung bemerkbar macht, ohne dab 
eine Fermentwirkung vorliegt. Es kann z. B. optisch-aktives Substrat aus- 
fallen. Die Fällung kann zu Boden sinken und so der Beobachtung entgehen. 


# 


Elektrisch heizbare Vorrichtungen zu polarimetrischen Untersuchungen ete. 487 


Man schützt sich vor Täuschungen dieser Art dadurch, daß man nach 
beendetem Versuch oder auch während desselben das Polarisationsrohr 
rasch aus dem geheizten Raum entfernt und es umkippt und dann sofort 
wieder die Drehung bestimmt. Waren Fällungen eingetreten, dann verraten 
sie sich, beim Versuche die Drehung zu bestimmen. 

Vorläufig können sechs Rohre untergebracht werden. Sie sind 25cm 
lang und haben einen Inhalt von 2 cm:. Selbstverständlich kann man auch 
Einsätze für längere Rohre haben. 


Fig. 220. 


A Geheizter Raum. Ra 

a Schraube zum Befestigen des heizbaren Apparates am Polarisations- 
apparate B. 

D Kleiner Deckel. 

T Thermometer. 

R, und R, Polarisationsrohre. 

S Schlitten. 

Sch Scheibe. 

F Stift. 

H Achse. 


Wir beabsichtigen die Vorrichtung nicht nur zu Versuchen bei 37° zu 
benutzen, sondern auch Beobachtungen bei anderen Temperaturen anzustellen. 
Es läßt sich jede Temperatur mit großer Präzision einstellen und erhalten. 

Da es vorläufig noch nicht gelungen ist, die Temperatur im gesamten 
Raum des Heizapparates an allen Punkten gleichzuhalten, ist es not- 
wendig, ihn für jede Temperatur, die die Flüssigkeit im Polarisationsrohre 
haben soll, zu aichen. Es wird festgestellt, welche Temperatur das in be- 


488 Emil Abderhalden. Elektrisch heizbare Vorrichtungen etc. 


stimmter Stellung angebrachte Thermometer anzeigen muß, damit der In- 
halt der Rohre die gewünschte Temperatur anzeigt. Steht der Polarisations- 
apparat nicht in einem Raume, der vor jeder Temperaturschwankung ge- 
schützt ist, dann muß der Heizapparat noch besonders isoliert werden, 
z. B. mittelst Asbest. 


Fig. 221. 


HeizKörper 


Will man mehr als sechs Rohre beobachten und vor allem längere 
Polarisationsrohre benutzen, dann ist die senkrechte Anordnung der kleinen 
Schlitten, in denen diese ruhen, zu empfehlen. Am einfachsten wird eine An- 
ordnung gewählt, die bei der russischen Schaukel in Anwendung gebracht 
ist. Fig. 221 zeigt diese Konstruktion. Sie ist ohne weitere Erklärung ver- 
ständlich. Vorläufig macht die gleichmäßige Erwärmung des Raumes, in dem 
die Polarisationsrohre sich befinden, noch Schwierigkeiten. Doch’ werden 
sich diese beheben lassen. 


Eine Wage, die automatisch Gewichtsab- und -zu- 
nahmen registriert. 
Von Emil Abderhalden, Halle a. S. 


Es existieren schon eine Reihe von Wagen mit Einrichtungen, mit 
Hilfe derer Gewichtsschwankungen registriert worden sind. Sie sind alle 
für Dauerversuche und vor allem für exakte Untersuchungen ungeeignet. 
Die folgende von Herın Wilhelm H. F. Kuhlmann auf meine Anregung 
konstruierte Wage dürfte allen Anforderungen, die an einen automatisch 
Gewichtszu- und -abnahmen registrierenden Apparat dieser Art gestellt 


Vorderansicht der Gewichtszu- und -abnahmen automatisch registrierenden Wage. 


werden können, genügen.!) Die im folgenden geschilderte Wage ist seit 
über einem Jahre im physiologischen Institute zu Halle ununterbrochen im 
Betriebe. Sie ist vorläufig zu Stoffwechselversuchen bei Fischen und 
Axoloteln und namentlich zu Studien auf dem Gebiete der Pflanzenphysio- 
logie verwendet worden. Sie wird in noch größerem Maßstab konstruiert 
und zu exakteren Versuchen in einen luftdichten Kasten eingebaut, so 
daß die Gase und ferner der Wasserdampfgehalt der ein- und austretenden 
Luft genau festgestellt werden können. 

Das Prinzip, nach dem die Wage arbeitet, sei an der Hand eines 
Versuches an einer Blumenknolle geschildert (vgl. hierzu Fig. 222), die auf 


‘) Eine Wage, die in ähnlicher Weise, jedoch mit anderen Hilfsmitteln aus- 
schließlich Gewichtszu- oder -abnahmen registriert, hatte Herr Kuhlmann bereits kon- 
struiert. Vgl. Der Mechaniker. Nr. 13. 1910. 


490 Emil Abderhalden. 


der Wagschale liegend, zu treiben beginnt. Auf die leere Wagschale gibt 
man so viele Gewichte unter Benutzung eines Reiters, bis beide Wag- 
schalen ganz im Gleichgewicht sind, d. h. bis der Zeiger der Wage in 
Gleichgewichtslage um den Nullpunkt schwingt. Diese Einstellung wird 
erst vorgenommen, nachdem die Knolle einige Zeit im Gehäuse der Wage 
auf den Schalen gestanden hat. Bei der Einstellung wird genau so ver- 
fahren, wie bei jeder analytischen Wage. 

Der Balken der Wage trägt in der Verlängerung der Mittelschneide 
einen Planspiegel, dessen Fläche sich durch eine Blende vergrößern und 
verkleinern läßt. Dieser Spiegel, der von einem Gehäuse umgeben ist, steht 
in Ruhelage der Wage ganz senkrecht. Nachdem man die Wage eingestellt 
hat. wird sie arretiert. Dann wird eine in etwa 2 Entfernung befind- 
liche, auf einem Stativ befestigte Glühlampe (Fig. 222 a) zum Leuchten ge- 
bracht. Diese wirft durch ein Fernrohr Strahlen auf den erwähnten Spiegel 
und dieser reflektiert sie auf sehr lichtempfindliches Papier. das auf einer 
Trommel aufgespannt ist. Diese dreht sich mittelst eines Uhrwerkes und 
legt in der Zeiteinheit einen genau bekannten Weg zurück. Nur ein Teil 
der reflektierten Strahlen gelangt auf das Papier der Trommel. Es ist 
nämlich eine Blende in den Weg der Strahlen eingeschaltet, die nur einen 
ganz feinen Spalt besitzt. Das durch diesen fallende Strahlenbündel zeichnet 
auf dem photographischen Papier einen feinen Punkt. Würde die Wage 
in Ruhelage verharren, dann würde eine horizontale Linie verzeichnet. 

Sofort, nachdem die Glühlampe eingeschaltet ist, wird die Arretierung 
der Wage gelöst, und zwar jetzt mittelst eines Uhrwerkes. Dieses bewirkt, 
daß die mit ihm durch ein Zahnrad in Verbindung stehende Arretierungs- 
welle soweit gedreht wird, daß die drei Exzenter, auf denen die Arre- 
tierungsvorrichtungen für die beiden Schalen und den Querbalken ruhen, 
den tiefsten Stand erreichen. Eine weitere Drehung wird durch eine 
Hemmunesvorrichtung verhindert. Nun schweben die beiden Schalen mit 
ihrer Last frei. Jede Veränderung der Gleichgewichtslage wird durch das 
erwähnte Strahlenbündel verzeichnet. Handelt es sich um Versuche, bei 
denen die Gewichtsveränderungen sehr rasch erfolgen, dann ist es ratsam, 
zuerst die Arretierung durch das Uhrwerk zu beseitigen und rasch zu be- 
obachten, ob die Wage gut einsteht und dann erst die Glühlampe einzu- 
schalten. 

Wir wollen annehmen, daß die Knolle an Gewicht verliere. Sie soll 
sich auf der linken Schale befinden. Infolge dieser Gewichtsabnahme sinkt 
die rechte Schale immer tiefer. Der Wagbalken nimmt eine schiefe Stellung 
ein. Der Spiegel muß, da er mit dem Wagbalken fest verbunden ist, jeder 
Stellungsänderung desselben folgen. Das Strahlenbündel wird jetzt nicht 
mehr horizontal verlaufen, sondern der „Lichthebel“ wandert immer weiter 
nach oben. Sobald genau 1.deg Verlust eingetreten ist, ereignet sich 
folgendes. Am einen Ende des Wagbalkens ist ein kleiner Querbalken frei 
schwebend angebracht. Dieser trägt an den freien Enden ganz kurze senk- 
rechte Stäbchen. Ist 1 dey Gewichtsverlust eingetreten, dann berühren diese 


nd 


Eine Wage, die automatisch Gewichtsab- und -zunahmen registriert. 491 


senkrechten Stäbchen gleichzeitig zwei Kontakte. Dadurch kommt es zur 
Schließung eines bisher unterbrochenen Stromes. Die Kontakte stehen in 
Verbindung mit einem Relais (System Siemens & Halske) und dieses 
mit einem Akkumulator. Durch das Schließen des Stromes kommt es zum 
Umlegen des Relais. In diesem Augenblicke wird ein Elektromagnet be- 


Seitenansicht der Gewichtszu- und -abnahmen automatisch registrierenden Wage. 


tätigt, der einen gegenüberliegenden Anker anzieht. In der Fig.223 erkennt 
man diese im Wagegehäuse liegende Einrichtung. Man sieht ferner über 
dem Elektromagneten eine geschlitzte Säule. Diese ist mit 1 deg-Gewichts- 
stücken gefüllt. Diese bestehen aus Aluminiumplättchen. Von der Basis, 
auf der die Säule ruht, führt eine schräggestellte Bahn nach abwärts. Sie 


492 Emil Abderhalden. 


verzweigt sich in zwei getrennte Bahnen. Jede führt nach einem Becherchen, 
von denen je eines auf jeder Seite der Wage an einem der Träger der 
Schalen befestigt ist. In unserem Beispiel muß das verloren gegangene 
Dezigramm links ersetzt werden, d.h. es muß 1 deg in das linke Becherchen 
geworfen werden. Der erwähnte Elektromagnet hat durch das Anziehen 
des Ankers bewirkt, daß am Ende der erwähnten schrägen Bahn eine 
Klappe aufgestellt wird. Diese gibt dem fallenden Gewichte die Richtung an. 

Unmittelbar mit der Betätigung des erwähnten Elektromagneten ist 
ein zweiter Elektromagnet mit Strom versehen worden. Er zieht auch einen 
Anker an. Dadurch wird die eingangs erwähnte Hemmung des Uhrwerks 
aufgehoben. Das Uhrwerk dreht die Arretierungswelle. Die Wage wird 
arretiert. In diesem Momente fällt das Dezigrammgewicht in die ent- 
sprechende Schale. Eine kleine, durch das Uhrwerk vorwärts getriebene 
Leiste hat das unterste Gewicht der Säule auf die schiefe Bahn gestoßen. 
Die Arretierung ist nur eine momentane. Die Welle dreht sich weiter. 

Die Arretierung hat bewirkt, daß der Kontakt der senkrechten 
Stäbchen aufgehoben worden ist. Infolgedessen wird der Strom unter- 
brochen und die beiden Elektromagnete ziehen die entsprechenden Anker 
nicht mehr an. Die Arretierungswelle wird wieder in dem Momente durch 
die oben erwähnte Hemmung festgehalten, in dem die Exzenter ihre tiefste 
Stellung erreicht haben. Die Wage schwebt wieder frei in Gleichgewichts- 
lage und wieder beginnt der gleiche Vorgang, wie er oben geschildert 
wurde, falls die Knolle wieder an Gewicht verliert. Jedesmal wird auf dem 
lichtempfindlichen Papier eine Kurve aufgezeichnet und jedesmal, wenn 
1 deg verloren gegangen ist, wird die Wage auf den Nullpunkt zurück- 
geführt. Wir können für jeden Zeitpunkt genau ablesen, wie groß der Ver- 
lust war. Es kann auf 1 mg genau abgelesen werden. 

Nimmt die Knolle dagegen an Gewicht zu, dann sinkt in unserem 
Beispiel die linke Schale immer tiefer. Der Lichthebel schreibt nunmehr 
eine nach abwärts gerichtete Kurve. Sobald die Zunahme 1 deg beträgt, 
so wird jetzt der obere Kontakt durch die senkrechten Stäbchen des am 
Ende des Wagbalkens aufgehängten, reiterartigen Querbalkens berührt. 
Diesmal wird ein anderes Relais betätigt und bewirkt, daß derjenige 
Elektromagnet mit Strom versehen wird, der jenen Anker anzieht, der 
die Hemmung für das Uhrwerk beseitigt. Am Ende der schiefen Bahn, 
auf der die Gewichte in die Becherchen rollen, wird diesmal keine Klappe 
aufgestellt. Infolgedessen fällt nunmehr das Gewicht in das rechte Becherchen. 
Im übrigen funktioniert die Wage in derselben Weise, wie es oben ge- 
schildert worden ist. 

Die Trommel hat eine Umlaufzeit von 144 Stunden. Das Auswechseln 
des photographischen Papieres und das Neueinstellen des Versuches nehmen 
höchstens 5 Minuten in Anspruch. Der Versuch kann dann sofort weiter 
fortgeführt werden. Sollten noch geringere Unterbrechungen erforderlich 
sein, so ließen sich diese durch eine zweite Trommel auf ein Minimum 
reduzieren. 


Eine Wage, die automatisch Gewichtsab- und -zunahmen registriert. 493 


Die mit dieser Wage erhaltenen Resultate können direkt kontrolliert 
werden. Es muß die Zahl der Kurven natürlich mit der Zahl der gefallenen 
Dezigrammstücke übereinstimmen. Ferner muß sich nach Fortnahme der 
Gewichte aus den Bechern der Gewichtsunterschied auf beiden Seiten 
mittelst der entsprechenden Gewichte ausgleichen lassen. Endlich notiert 
man sich ganz genau die Zeitpunkte, in denen man eine Auslösung be- 
obachtet hat. Man wird immer während des Tages ab und zu einmal das 
Zustandekommen eines Kontaktes beobachten. Der Zeitpunkt muß mit dem 
Aufhören bzw. dem Beginn der entsprechenden Kurve ganz genau über- 
einstimmen. Derartige Kontrollen sind unerläßlich. Ferner muß man von 
Zeit zu Zeit sich davon überzeugen, daß der Kontakt wirklich in dem 
Momente zustande kommt, in dem 1 deg Verlust oder Zunahme eingetreten 
ist. Übrigens zeigt die Kurve ganz von selbst jede Störung an. Selbstver- 
ständlich muß ferner nach dem Aufwerfen des Gewichtes und erfolgter Be- 
seitigung der Arretierung die Wage genau um den Nullpunkt schwingen 
bzw. auf diesem stehen. 

Ich habe bis jetzt außer Versuchen mit Fischen und Axolotln solche 
mit Zwiebelpflanzen ausgeführt und z. B. über 1000 Stunden die Entfaltung 
der Blüten der Herbstzeitlose und von Arum beobachtet. Es war inter- 
essant zu beobachten, wie zunächst die Zwiebel ganz regelmäßig an (Ge- 
wicht verlor. Erst, wenn die Blütenstiele sich mehr und mehr entwickelten 
und die Oberfläche der ganzen Pflanze mehr und mehr zunahm, erfolgte 
ein rascherer Gewichtsverlust. Die Färbung der Blüten und das Ergrünen 
der Blätter bedingte eine erhebliche Verlangsamung der (rewichtsabnahme. 
Interessanterweise fand kein erheblicher Gewichtsverlust statt, als einzelne 
Blüten ziemlich rasch verwelkten. Offenbar stieg die Flüssigkeit in die 
Zwiebel zurück. Bei Arum zeigte sich regelmäßig während der Periode der 
fast plötzlichen Entfaltung der Blüte eine Gewichtszunahme. 

Es ist klar, daß nur sehr lange Beobachtungszeiten zu einwandfreien 
Resultaten führen können. Jedes einzelne Resultat muß durch weitere Ver- 
suche nachgeprüft werden. Man muß zu ergründen suchen, worauf be- 
stimmte Gewichtsschwankungen zurückzuführen sind. Beim Versuch mit 
dem Axolotl ist z. B. festzustellen, ob die Bewegungen, das Luftholen, die 
Ausscheidung der Stoffwechselendprodukte usw. Einfluß auf die Gewichts- 
veränderungen haben. 
| Der große Vorzug der hiermitgeteilten Art derBeobachtung 

liegt in der ununterbrochenen Gewichtsregistrierung. Es kann 
der Beobachtung nichts verloren gehen. Täuschungen sind ausgeschlossen 
oder sie lassen sich jedenfalls durch Kontrollversuche ausmerzen. 

Ich habe die Absicht, noch mancherlei Probleme mit der geschilderten 
Wage in Angriff zu nehmen. Vor allem interessiert mich der Verlauf der 
Gewichtskurve nach verschiedenartiger Ernährung und unter verschiedenen 
Bedingungen. Sobald sich die Versuche auf Warmblüter übertragen lassen, 
wird die Zahl der Fragestellungen eine sehr große. Vorläufig stören noch 
die Bewegungen der Warmblüter. Die Bewegungen der Wassertiere sind 


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494 Emil Abderhalden. Eine Wage, d. automat. Gewichtsab- u. -zunahmen ete. 


ohne jeden Einfluß auf die Wage, dagegen bewirken hüpfende und 
springende Tiere Schwingungen, die sehr stören. Es sind Versuche im 
Gange, um den Einfluß der Eigenbewegungen der Tiere auszuschließen. 
Die Wage kann natürlich stark vergrößert werden, so daß auch Versuche 
am Menschen möglich sind. 

Von Interesse wird es sein, winterschlafende Tiere zu beobachten 
oder z. B. den Verpuppungsprozeb von Schmetterlingen und die Periode 
vor und während des Ausschlüpfens der Schmetterlinge zu verfolgen. Vor 
allem bietet die Pflanzenwelt eine Fülle von Problemen. Endlich beabsichtigte 
ich, physikalisch-chemische Probleme mit der Wage zu lösen. 


Die Mikroluftanalyse und ihre Anwendungen. 


Von August Krogh, Kopenhagen. 


Das Prinzip der mikrogasanalytischen Technik beruht auf der 
wohlbekannten Tatsache, dab kleine Luftblasen in einer Flüssigkeit sich 
ungefähr so wie etwa halbflüssige Fetttropfen verhalten und sehr leicht 
z. B. von Gefäß zu Gefäl überführt werden können. Die Handhabung ge- 
staltet sich daher als von der gewöhnlichen gasanalytischen Technik grund- 
sätzlich verschieden. Wie sich die gewöhnliche Luftanalyse bei Verkleine- 
rung der Menge unter etwa 10 cm® immer schwieriger und mit weniger 
Genauigkeit durchführen läßt und mit Mengen unter 1 cm® kaum mehr 
möglich ist, hat die Mikromethode eine obere Grenze bei der Luftmenge, 
welche nicht mehr als ungeteilte Luftblase gehandhabt werden kann. 

Die mikroanalvtische Methode ist dann wiederum verschieden, je 
nachdem man eine Luftblase von 20 bis 1 mm® oder eine solche von 1 bis 
0'01 mm? zu analysieren hat. Im ersten Falle mißt man die Luftmenge 
in einer eingeteilten Kapillarröhre von entsprechendem Durchmesser (0°5 
bis 02 mm), im zweiten aber wird die Luftblase als Kugel betrachtet und 
unter dem Mikroskope direkt gemessen. Die letztere Form der Analyse 
nenne ich mikroskopische Gasanalyse. Die erstere wird einfach Mikro- 
analyse genannt. 


I. Die Mikrogasanalyse.') 


Der Apparat?) (Fig. 224) besteht aus einer in Millimeter geteilten Kapil- 
larröhre, gewöhnlich von 0'25 mm lichter Weite. Für einige, unten zu be- 
sprechende Zwecke kann es nützlich sein, eine etwas weitere Röhre zu be- 
nützen. Über O5 mm Weite hinauszugehen ist jedoch nicht ratsam, weil 
das nur Schwierigkeiten bei den Manipulationen bereitet und die Genauig- 
keit nicht fördert. Röhren unter 0'2 mm können zwar benutzt werden, 
beanspruchen aber die Gesichtsschärfe sehr stark. Die beiden Enden sowie 
auch der seitliche Ansatz 5 sind zu kleinen Trichtern erweitert. Der obere 
Trichter 2 bleibt aber verschlossen und dient nur zur Reinigung des Ap- 
parates. In den dritten Trichter ist eine Schraubenmutter mit Schraube 
aus Hartgummi eingefügt. Der ganze Apparat ist vollständig mit Wasser 

1) Krogh, On Micro-Analysis of Gases. Skand. Arch. Physiol. Vol. 20, p. 279 (1908). 

®) Von F. C. Jakob, Hauserplads, Kopenhagen, hergestellt. 


496 August Krogh. 


gefüllt. Die graduierte Röhre ist mit einem Wassermantel umgeben, in 
er welchem auch ein Thermometer 
angebracht ist. Der Mantel wird 
nicht ganz mit Wasser gefüllt. 
Mittelst der eingeschlossenen 
Luft kann dann das Wasser 
durchgemischt werden. 

Umden Apparatgebrauchs- 
fertig zu machen wird er zuerst 
oben geöffnet und die Schraube 
herausgenommen. Durch die 
Schraubenöffnung wird dann der 
Triehter 5 mit Wasser gefüllt 
und die mit Schweineschmalz 
gut eingefettete Schraube wie- 
der eingesetzt. Jetzt wird der 
Analysenapparat zweckmäßigmit 
der Reinigungstlasche (Fig. 225) 
und diese mit einer Wasserstrahl- 
pumpe verbunden. Man füllt ihn 
ganz mit Wasser und verschließt 
für einen Augenblick die obere Öffnung mit dem 
Finger, um sich zu vergewissern, daß die Schrauben- 
mutter und Schraube vollkommen dicht eingesetzt 
sind. Wenn die graduierte Röhre gereinigt werden 
soll, wird die Schraube etwas zurückgedreht und da- 
durch die Zweigröhre # mit Luft gefüllt, um das 
Eindringen der Reinigungsflüssigkeit in den Trich- 
ter 3 zu verhindern. Frisch hergestellte und daher 
noch heiße 25°/,ige Schwefelsäure oder Kaliumbi- 
chromat in 25°/,iger Schwefelsäure wird dann in den 
oberen Trichter hineingefüllt und durchgesaugt. 
Nachher wird mit Wasser nachgespült, und schließ- 
lich der ganze Apparat mit Wasser gefüllt, aus der 
Reinigungsflasche herausgenommen und oben ver- 
schlossen. 

Um den Apparat zu prüfen wird eine ziemlich 
große Luftblase mittelst Pipette in den unteren 
Triehter 7 hineingebracht und ungefähr 100 mın in 
die Röhre hinaufgezogen. Der Apparat wird dann 
umgedreht (7 nach oben). Die Luftblase bricht an 
dem Röhreneingang ab und steigt empor. Wenn not- 
wendig wird Wasser nachgefüllt. Beim Prüfen über- 
zeugt man sich zuerst, dal) die Luftblase durch die 


Die Mikroluftanalyse und ihre Anwendungen. 497 


Schraube leicht beweglich ist, dab sie sofort still steht, wenn nicht gedreht 
wird, daß sie, selbst bei ziemlich schneller Bewegung nicht in zwei oder 
mehrere getrennte Luftsäulen aufgelöst wird. In den Trichter gebracht muß 
die Luftblase ganz rund sein und nicht an das Glas haften. Zuletzt wird mit- 
telst Lupe nachgesehen, daß nirgendswo Wassertropfen an die Röhrenwand 
innerhalb der Luftsäule haften bleiben, wenn letztere hin und zurück bewegt 
wird. Die Bewegung der Luftsäule in der Kapillarröhre darf bei dieser Probe 
sowie bei Analysen nicht zu geschwind sein. Sonst wird auch in der reinsten 
Röhre eine Wasserschicht an der Wand hängen bleiben und die Resultate 
fälschen. Eine Geschwindigkeit von etwa 5mm pro Sekunde ist passend 
gefunden. 

Besteht der Apparat diese Proben nicht, muß wiederholt gereinigt 
werden. Es kann zuweilen notwendig sein, Kaliumbichromat in siedender 
25°/,iger Schwefelsäure zu benutzen, und es geht auch an, besonders in 
den 05 mm-Röhren einen dünnen Nickeldraht hindurch zu schieben. Alka- 
lien dürfen auf keinen Fall für die Reinigung verwendet werden. 

Für den Gebrauch montiert man den Apparat auf ein Stativ, so 
daß der Röhrenhalter mit dem Apparat sich um eine horizontale Achse 
drehen kann. Am bequemsten ist es, wenn er in jeder Lage ungefähr in 
Gleichgewicht ist. Das Analyseverfahren wird eingeübt, indem man eine 
große Blase aus atmosphärischer Luft mit der Saugpipette (Fig. 226, 2) in 
den Trichter einführt. Eine passende Länge derselben wird in die gradu- 
ierte Röhre hineingesaugt und der Rest abgebrochen. Das untere Ende 
der Luftsäule wird dann bei vertikaler Stellung des Apparates ungefähr 
auf O gebracht und die Länge abgelesen. Zum Ablesen benützt man zweck- 
mäßig eine Lupe, die in einem kleinen rechteckigen Holzklotz montiert ist 
(Fig. 224, 2). Der Klotz wird an das Glas angelegt und so beim Visieren der 
Parallaxefehler vermieden. Bei dieser sowie bei allen folgenden Ablesungen 
wird auch das Thermometer auf 01° abgelesen und der Stand notiert. 
Nach der Ablesung wird die Kohlensäureabsorption vorbereitet. Der Appa- 
rat wird mit dem Trichter schräg nach oben gedreht (Fig. 227). Die Luft- 
säule wird bis dicht vor dem Trichter hervorgeschoben und jetzt das 
Wasser so vollständig wie möglich mittelst Saugpipette aus dem Trichter 
entfernt. Dies ist notwendig, weil die Absorptionsflüssiekeiten mit Wasser 
vermengt mit Luft übersättigt werden und beim Abgeben von dieser 
Luft während der Absorption zu groben Täuschungen Veranlassung geben 
könnten. Mittelst Pipette wird jetzt der Trichter mit 10°/,iger Kali- oder 
Natronlauge gefüllt. Der Apparat wird nach der Stellung (Fig. 228) herum- 
gedreht und die Luftblase langsam nach unten geschraubt. Es ist sehr 
wichtig, daß sie nie aus der graduierten Röhre kommt. Gerät etwas von 
den alkalischen Absorptionsflüssigkeiten in die Röhre hinter der Luftblase, 
ist die Analyse verloren und der Apparat muß gereinigt werden. Um 
alles zu absorbieren wird die Luftsäule ein paar Mal etwa 5 mm hin und 
her geschraubt. Die ganze Absorption dauert höchstens eine halbe Minute. 
Die Luftblase wird dann zurückgeschraubt. und wenn das untere Ende 

Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VII. 32 


498 August Krogh. 


eben in die Kapillare hineingekommen ist, wird der Trichter mittelst der 
Spülpipette 7 mit eben angesäuertem Wasser ausgespült. Der Apparat wird 
un dann vertikal gedreht, die 


ET 
U) 
ER 


Luftblase wieder auf O ge- 
bracht und Länge und Tem- 
S peratur abgelesen. 
N 2 Die Sauerstoffabsorp- 
tion wird genau wie die 
Kohlensäureabsorption be- 
werkstelligt. Nur verwendet man statt 
10°/,iger Lauge eine Lösung von Pyrogallol 
in konzentrierter Kalilauge (100g Kalihy- 
drat Nr. 2, nicht mit Alkohol gereinigt, auf 
60cm? Wasser). Am bequemsten wird die: 
konzentrierte Kalilauge vorrätig gehalten. 
Man gibt dann !/,—1g Pyrogalloll — es 
kommt auf die Menge nicht sehr an — in 
die kleine Flasche, füllt mit Kalilauge auf, 
verschließt und schüttelt um, bis alles auf-- 
gelöst ist. In dem Fläschchen ist die Lö- 
\ sung bei Luftabschluß unbegrenzt haltbar. 
,, Die Berechnung der Analysen ist sehr 
einfach und geschieht am leichtesten mit- 
telst eines Rechenschiebers. Der Barometer- 
stand ändert sich nie merklich während der‘ 
wenigen Minuten (ca. 5), die eine Analyse 
dauert. Wenn sich die Temperatur geän- 
dert hat, werden die entsprechenden Ab- 
lesungen mit 0'1°/, für 0'2° Temperatur-- 
differenz korrigiert. Gewöhnlich ändert sich 


Fr 
PC 
62 


Fig. 226. 


die Temperatur entweder gar nicht oder doch so wenig, daß die Änderung, 
unberücksichtigt bleiben kann. 


Die Mikroluftanalyse und ihre Anwendungen. 499 


Beispiel: Analyse von atmosphärischer Luft 


Erste Ablesung Nach CO,-Absorption Nach O,-Absorption 
Oben 934 931 739 
Unten 02 05 0:0 

932 954 139 

Tp. 17.30 17-60 17.80 

Korrigiert 93°25 13°8 


CO, = — 0:05 mm = 0°/,. O, = 1945 mm = 20°9°/,. 

Die erreichbare Genauigkeit ist abhängig 1. von der Sauberkeit der 
Kapillarröhre. Dieselbe muß, wie gesagt, immer ganz rein sein, wenn man 
zuverlässige Analysenresultate zu erreichen wünscht. Es empfiehlt sich 
nach dem Gebrauch eine kleine Luftblase (10—20 mm) hineinzunehmen, 


Fig. 227. Fig. 228. 


dann den Trichter mit Bichromatlösung zu füllen und die Lösung hinter der 
Luftblase emporzusaugen. Die Luftblase soll es verhindern, dal die saure 
Lösung ganz nach oben diffundiert und z.B. in die Trichter 2 und 3 
hineingelangt.. 

2. Wenn der Apparat rein ist und die Vorschriften genau befolgt 
werden, hängt die Genauigkeit mit Bezug auf Sauerstoff und Stickstoff 
nur von der Ablesungsgenauigkeit ab, und wenn man (Grasblasen von etwa 
100 mm Länge analysiert, kann man eine Genauigkeit von + 0'1°/, er- 
reichen. Wenn das zu analysierende Gas Kohlensäure enthält, werden die 
Fehler, besonders im kleinsten Apparate, oft größer: + 0'2°/,. Falls Gas 
genug vorhanden ist, wird es dann vorteilhaft, die weitere Kapillare von 
05 mm Durchmesser zu benutzen. 

Als Genauigkeitsbeispiel gebe ich die folgenden kleinen Reihen von 
Analysen an 4 verschiedenen (rasgemischen. 

| 32* 


500 August Krogh. 


Atm. Luft 


0,-%, 0,-% C0,-% [0,-% 
20:95 22:05 04 10-1 
2105 22:05 06 36 
211 2185 07 3:8 
20:95 219 05 10°0 
0:55 
Mittel 2101 21'96 055 ISDN 


In der gewöhnlichen Gasanalyse benutzt man Kontrollanalysen von 
(rasmischungen von bekannter Zusammensetzung (in der Regel atm. Luft), 
um etwaige Fehler an dem Apparate zu entdecken. Wenn der Apparat in 
Ordnung ist, ist es nicht leicht. ernstliche Fehler bei der Analyse zu be- 
gehen, ohne es zu bemerken. Bei der Mikroanalyse liegt die Sache ganz anders. 
Kontrollanalysen sind zwecklos, weil der Apparat nicht leicht solcher 
Weise in Unordnung sein kann, dal) er konstant falsche Resultate gibt. 
Dagegen kann man sehr leicht, ohne es zu bemerken, bei der einzelnen 
Analyse einen Fehler begehen, welcher das Resultat fälscht. Wenn z. B. 
ein Staubpartikelchen mit den Reagenzien oder dem Spülwasser in den 
Apparat gelangt und an dem Meniskus haften bleibt, wird das leicht zu 
einer groben Entstellung führen. Ferner geschieht es zuweilen, besonders 
wenn Blut oder andere organische Flüssigkeiten im Apparate sind, dal) 
sich eine kleine Gasblase vom oberen Ende der Luftsäule loslöst und em- 
porsteigt, ohne dab man es bemerkt. Wenn es irgend möglich ist, sollte 
man daher immer Doppelanalysen machen, und nur wenn diese genügend 
übereinstimmen, das Resultat als gesichert betrachten. Des ist um so 
mehr zu empfehlen, weil die einzelne Analyse ja nur sehr kurze Zeit be- 
ansprucht. 


II. Die mikroskopische Gasanalyse.') 

Für diese Analyse sind erforderlich: 

1. Ein Mikroskop mit schwachen Vergrößerungen (Objektivbrenn- 
weiten 2°—1/, — 50 — 12mm) und mit Okularschraubenmikrometer ver- 
sehen. Die gewöhnlichen Okularmikrometer sind nicht anwendbar, aber 
man kann sich ohne das Mikrometer behelfen, wenn man mittelst Zeichen- 
apparats das Bild der zu analysierenden Luftblase auf eine Papierfläche 
projiziert und hier mittelst Zirkel den Diameter ausmißt. 

2. Ein Analysentrog aus Metall oder Glas bis 10 mm hoch und 
ungefähr von den Dimensionen eines englischen Objektträgers. Wenn der 
Trog aus Metall hergestellt ist, wird im Boden ein Loch gebohrt und ein 
Objektträger mittelst Paraffin (70° Schmelzpunkt) über den Boden ge- 
kittet. Zum Trog gehört ferner eine Brücke aus zwei gleichen Messing- 
klötzchen und einem darüber gekitteten schmalen Glasstreifen. 

!) A. Krogh, Methods of Microscopical Gas Analysis. Skand. Arch. Physiol. Vo1.25. 
p. 188 (1911). — A. Krogh, Composition of Air in Tracheal System of Inseets. Ibid. 
Vol. 29. p. 29 (1913). 


Die Mikroluftanalyse und ihre Anwendungen. 501 


3. Eine Einrichtung zur mechanischen Hervorführung der Reagenzien- 
pipetten (Fig. 228).!) 

4. Reagenzienpipetten aus Glas stellt man sich am bequemsten selbst 
her. Eine passende Glasröhre von 5 mm Dicke wird in der Flamme aus- 
gezogen bis zu einer Dicke von ungefähr 1 mm. In gewisser Höhe über 
einer kleinen Flamme, die man ausprobieren muß, gelingt es dann sehr 
leicht, die ausgezogene Kapillare weiter auszuziehen und beliebig zu biegen. 
Am oberen Ende werden die Pipetten mit Ebonitschrauben versehen, die 
man bequem mittelst dickwandigem Gummischlauch aufsetzt. 

5. Als Reagenzien verwendet man zum Füllen des Troges Glyzerin. 
200 cm? werden mit 1 Tropfen Normalsalzsäure angesäuert und gut mit 
Luft durchgeschüttelt. Ferner hält man vorrätig Kalilauge, dessen spezi- 
fisches Gewicht ein wenig kleiner als das des Glyzerins ist (25 Gewichts- 
prozent). Die Absorptionsflüssigkeit für Kohlensäure wird durch Vermischen 
von 1 cm: dieser Kalilauge und 9 cm: Glyzerin hergestellt und wird z. B. 
mit Rosolsäure stark rot gefärbt. Um die Absorptionsflüssigkeit für Sauer- 
stoff herzustellen, wird in eine kleine Flasche (20 cm?) zuerst 0'2 g Pyro- 
sallol gebracht, dann 2 cm® der Kalilauge und schließlich wird beinahe 
mit Glyzerin aufgefüllt. Das Ganze wird umgeschüttelt, gekühlt und dann 
nach Lüftung des Stopfens wieder geschüttelt, um die Flüssigkeit mit 
Stickstoff vollständig zu sättigen. Zuletzt wird Paraffinöl in 3—5 mm 
Schicht über die Absorptionsflüssigkeit gegossen, um weitere Absorption 
von Luftsauerstoff zu verhüten. In die Absorptionspipette für Sauerstoff 
wird immer ein wenig Paraffinöl mit aufgesaugt, und die Pipette wird 
auswendig nach der Füllung mit Fließpapier sorgfältig abgewischt, damit 
kein Öl in den Analysentrog gelangt. Es ist von Wichtigkeit, daß die Pyro- 
gallollösung nicht durch frühzeitige Sauerstoffabsorption zu dunkel wird, 
da man dann den Gang der Absorption unter dem Mikroskop nicht mit 
genügender Sicherheit verfolgen kann. 

Die Analyse geschieht in folgender Weise: Das Mikroskop muß auf 
einen genau horizontalen Tisch aufgestellt werden. Die Absorptionspipetten 
werden beschickt und am bequemsten in Glasflaschen bis zu dem Gebrauch 
aufgehängt. Der Trog wird mit angesäuertem Glyzerin gefüllt, bis zur 
Höhe der:Glasbrücke, und auf den Mikroskoptisch gestellt. Die Gasblase, 
z.B. aus dem Bein eines Insekts, wird jetzt eingeführt und schnell in den 
Fokus gebracht und so eingestellt, daß man den Rand ganz scharf sieht. 
Am besten benutzt man eine so starke Vergrößerung, daß der Diameter 
der Luftblase 1/,—!/, des Gesichtsfeldes ausmacht. Man mißt jetzt mittelst 
des Mikrometers den Diameter so genau wie möglich und versichert sich 
durch wiederholtes Einstellen, daß die Gasblase sich nicht bewegt. Wenn 
das der Fall sein sollte, ist die Brückenunterfläche nicht wagrecht und die 
Aufstellung muß korrigiert werden. 


!) Kann mit dem Analysentrog aus Metall von der Werkstätte des Laboratoriums 
Ny Vestergade, Kopenhagen, geliefert werden. 


502 August Krogh. 


Nach der Messung führt man die Kalipipette vorsichtig hinein, bis 
die Mündung dicht unterhalb der Luftblase zu Jiegen kommt und setzt ein 
wenig Kaliglyzerin hinzu (Fig. 229). An der Farbe sieht man, dal) die Absorp- 
tionsflüssigkeit wirklich in Berührung mit der Luftblase kommt. Nach der 
Absorption, welche ungefähr eine Minute beansprucht, mißt man aufs neue 
den Diameter der Luftblase und setzt dann die Sauerstoffabsorptions- 
flüssigkeit hinzu. Hier sieht man, falls Sauerstoff zugegen ist, die Absorp- 
tion sich vollziehen, indem eine dunkelbraune Zone sich um die Luftblase 
nach und nach entwickelt. Wenn diese Zone wieder zu erblassen beeinnt, 
ist die Reaktion zu Ende, und man kann zum dritten Male messen. Alle 
Messungen werden ohne Veränderung der Vertikaleinstellung des Mikro- 
skops durchgeführt. Die Volumina sind mit den dritten Potenzen der ab- 


"7 990 
Fig. 229. 


gelesenen Diameter proportional. Am bequemsten benutzt man einen 
Rechenschieber mit spezieller dritter Potenzskala. Auf jeden Fall werden 
zuerst die dritten Potenzen der abgelesenen Diameter bestimmt, und erst 
danach die CO,- und O,-Prozente auf gewöhnlicher Weise ausgerechnet. 
Nach einer Analyse muß natürlich der Trog sorgfältig gereinigt werden. 


Beispiel. 
Analyse von atmosphärischer Luft. 


Nm .nechtsen REIFE RAR 11:67 IR 
SE Tanks 4-45 4:67 4:64 
DR—IF 02 TOO 691 
D=n347 544 231 
Differenz CO 0268 
Prozent CO5=0:9, 0... 19:09, N, = UI 


Die Genauigkeit der mikroskopischen Analyse ist natürlich nicht 
sehr groß. Man kann die Messungen mit einer Genauigkeit von ca. 0'3°/, 
machen. Da (1 +.a)?, wenn a klein ist, mit großer Annäherung gleich 
1 + 3a gesetzt werden kann, entspricht dies einer Genauigkeit von zirka 


Die Mikroluftanalyse und ihre Anwendungen. 503 


1°/, in den Volummessungen. Wenn man atmosphärische Luft analysiert, 
läßt sich diese Genauigkeit auch tatsächlich erreichen. Eine Reihe von 
solchen Analysen haben einen durchschnittlichen Stickstoffprozent von 791 
angezeigt und der mittlere Fehler der einzelnen Analyse betrug + 1'3°)o- 
Wenn aber die Zusammensetzung der kleinen (rasblase von der der Atmo- 
sphäre abweicht, muß ein Diffusionsaustausch zwischen der Blase und dem 
Glyzerin stattfinden und größere Fehler entstehen. Diese Fehler sind aber 
bei der Anwendung einer Flüssigkeit wie Glyzerin auf ein Minimum herab- 
gedrückt. Wenn man statt Glyzerin Wasser anwenden würde, würden die 
analytischen Resultate ganz illusorisch werden. Die Fehler betreffen be- 
sonders die Kohlensäure, während die Sauerstoffresultate auch bei sehr ab- 
weichender Zusammensetzung der Gasblase recht brauchbare werden können. 

Die Analysen von bekannten Luftgemischen werden folgendermaßen 
bewerkstelligt. Das Gemisch wird in einer Gassammelröhre über Queck- 


Fig. 230. 


silber hergestellt und nötigenfalls umgeschüttelt. Ein Mikrogasometer 
macht man sich aus einer diekwandigen Glaskapillare mit höchstens !/, mm 
lichte Weite. An einem Ende wird eine gewöhnliche Glasröhre angeschmolzen 
und darin eine Hartgummischraubenmutter mit Schraube eingekittet. Das 
Ganze wird mit Quecksilber gefüllt und jetzt die Kapillare möglichst fein 
ausgezogen. Die lichte Weite der Spitze darf 0:01 mm nicht übersteigen. 
Aus dem Gasrezipienten wird Luft in langsamem Strom ausgetrieben. Das 
Mikrogasometer wird bis in die Spitze mit Quecksilber gefüllt, wie in der 
Fig. 230 gezeigt, angebracht und die Schraube zurückgedreht. Wenn es ge- 
nügend gefüllt ist, preßt man langsam Luft aus und zieht es dabei zurück. 
Es wird für einen Augenblick mit der Spitze in Glyzerin getaucht und 
wird dadurch verschlossen. Aus diesem Gasometer kann man dann kleine 
Luftblasen für Analysen unter der Brücke hervorpressen. 


904 August Krogh. 


Eine Reihe von Analysen von bekannten Kohlensäuregemischen haben 
folgendes ergeben: 


CO,-Prozent Mittel 


zugegen gefunden gefunden Korrektion 
504 39 35 165) 
396 29:0 318 30 10 
178 145, 148, 154, 149 15 5 
ek, Se 3 25 
33 T4 7 2 
15 6 6 E3) 
4:9 St 4 1 


Aus diesen Resultaten läßt sich eine Korrektion ermitteln, welche in 
Fig. 231 graphisch wiedergegeben ist, und die man zu den direkt gefun- 
denen Kohlensäureprozenten hinzuaddieren muß. Es versteht sich von 
selbst, dal diese Korrektion nur Gültigkeit haben kann, wenn die Luft- 


Fig. 231. 


25 30 35% gefunden 


blase nicht vor der Analyse umherbewegt worden ist, und man die 
Analyse mit normaler Schnelligkeit nach Hineinbringen der Luftblase 
macht. Die Korrektion hängt wahrscheinlich auch von der Größe der 
Luftblase ab. 


Analysen von Sauerstoffgemischen haben ergeben, daß man bei sol- 
chen mit S0—90°%/, 0, 2—3°/, zu wenig findet. Bei gewöhnlichen in der 
Natur vorkommenden Gasgemischen kann daher die Korrektion vernach- 
lässigt werden. 


III. Die Anwendungen der Mikro- und mikroskopischen Gas- 
analysen. 


Die Analysenmethoden für ganz kleine Luftmengen können für zwei 
sehr verschiedene Zwecke benutzt werden. Erstens um die Zusammensetzung 
von Luft, welche nur in kleinen Mengen zu haben ist, zu ermitteln und 
zweitens um die Spannung von in Flüssigkeiten gelösten Gasen zu be- 
stimmen. 


Zn 


Die Mikroluftanalyse und ihre Anwendungen. 505 


A. Die erste Anwendung erfordert deshalb eine gewisse Vorsicht, 
weil die Zusammensetzung von kleinen Luftblasen sehr leicht durch Dif- 
fusion verändert wird, und zwar besonders mit Bezug auf die Kohlen- 
säure. Man soll daher die Gasblasen so wenig und so kurz wie möglich 
in Berührung mit fremden Flüssigkeiten lassen. Man soll eine so große 
Gasblase wie möglich nehmen und dann von dieser eine passende Menge 
in die Kapillarröhre hineinziehen und für die Analyse verwenden. 

Wenn das geht, bringt man die Gasblase direkt in den Trichter des 
Mikroapparates hinein und saugt sie sofort langsam in die Röhre hinauf. 
Gewöhnlich läßt man den Trichter des Apparates in einem Trog oder 
Schale tauchen und macht hier die Luftblase direkt unter dem Trichter 
frei. Schale und Trichter können entweder mit Wasser oder aber mit 
Glyzerin gefüllt sein. 

Die Sauerstoffwerte können schon über Wasser, wenn man einiger- 
maßen schnell arbeitet, und eine nicht allzu kleine Luftblase zur Unter- 
suchung bekommt, vollkommen richtig werden, selbst wenn die Zusammen- 
setzung stark von der Atmosphäre abweicht. Ich habe z. B. für Bomben- 
stickstoff mit 0:'0°%/, CO, und 0'48°/, O, gefunden 0%, CO, und 05%, O;. 

Wenn man kohlensäurehaltige Gasblasen über Wasser analysiert, 
muß man genau darauf achten, dal) keine Spur Alkali zugegen ist. Man 
spült daher mit angesäuertem Wasser und macht am besten die Luftblase 
bei eben saurer Reaktion frei. Trotzdem bekommt man immer zu niedrige 
Werte. Ich habe z.B. in 4 Analysen von 5 mm? Blasen aus Luft mit 
5:9%/, CO, 54, 53, 49, 4°9%/, CO, gefunden. Dabei hatte ich die ersten 
Luftblasen sehr groß (30 mm: oder mehr) genommen, die beiden letzten 
kleiner. 

Weit bessere Resultate bekommt man, wenn man die für die Analyse 
bestimmte Luftblase über Glyzerin aufsammelt. Zu diesem Zweck wird der 
Trichter nach Ausspülung mit angesäuertem Wasser vollständig entleert, 
wie es für die Einfüllung von Absorptionsflüssigkeit geschieht. Glyzerin 
wird dann eingefüllt, der Apparat wird sofort gedreht und der Trichter 
dabei in einen passenden Trog mit Glyzerin eingetaucht. Mit der Schraube 
wird ein wenig Wasser aus der graduierten Röhre gepreßt, welches sich 
als kleine Kuppe über das Glyzerin lagert. Die Luftblase wird jetzt ein- 
geführt und in die Röhre gezogen und nachher wird dann das Glyzerin 
genau wie die Absorptionsflüssigkeit ausgespült. Drei Analysen von Aus- 
atmungsluft mit 5°72°/, CO, haben auf diese Weise analysiert 5°6, 9° 
und 5°6°/, CO, ergeben. 

Die Mikroanalyse ist unter anderem für die Untersuchung von 
Schwimmblasengasen von kleinen Fischen (Stichlinge), für die Tracheen- 
gase von größeren Insekten, für die Luftmengen, die von tauchenden In- 
sekten mitgeführt werden usw. verwendet worden. 

Für die Anwendung im Freien, für Untersuchungen über die Luft- 
zusammensetzung in den Schlupfwinkeln allerlei Tiere haben wir den 
Analysenapparat als portables Instrument in einem leicht tragbaren und 


506 August Krogh. 


mit den nötigen Hilfsmitteln ausgestatteten Kasten montiert.!) Der Kasten 
kann einem Stativ angeschraubt werden (Fig. 232). 

Die mikroskopische Analyse wird angewendet, wenn nur noch 1 mm® 
oder weniger Gas zur Verfügung steht. Ich habe sie z.B. zur Unter- 


Fig. 232. 


suchung der Gase in den trachealen Schwimmblasen von einer Mücken- 
larve (Corethra) angewendet.°) Dieses Tier (Fig. 233) ist in Teichen häufig 


Fig. 233. 


und vermag sich mittelst der Schwimmblasen genau mit dem Wasser in 
Gleichgewicht zu setzen. Jedoch findet keine Gassekretion statt, wie in 


‘) Kann von der Werkstätte des Laboratoriums Ny Vestergade, Kopenhagen, ge- 
liefert werden. 

®) On the Hydrostatic Mechanism of the Corethra Larva. Skand. Arch. Physiol. 
Vol. 25. p. 183 (1911). 


Die Mikroluftanalyse und ihre Anwendungen. 507 


der Schwimmblase von Fischen, sondern die Gasspannungen in den Blasen 
gleichen sich mit der Umgebung vermittelst Diffusion ziemlich schnell aus. 
Wenn z.B. eine Larve in Wasser mit 52°/, O, gesetzt war, fand ich nach 
einiger Zeit in den Schwimmblasen 48°/, O,. Die Gase gelangen so zur 
Untersuchung, daß man eine Schwimmblase herausnimmt und mittelst 
Pinzette unter der Analysenbrücke zerdrückt. Man bekommt nur 001 bis 
0'02 mm: Gas. Die methodische Anwendbarkeit dieser Schwimmblasen wird 
unten S. 517 näher erörtert. 

Ferner ist die mikroskopische Analyse an den gewöhnlichen Tracheen 
der Insekten angewendet worden, und zwar an den Tracheen der Beine.!) 
Man faßt das ganze Bein nahe am Körper mittelst Pinzette an, drückt 
es stark zusammen und reißt es ab. Es wird sogleich in den Analysen- 
trog gebracht. Die Tibia wird mit einer Schere durchschnitten und eine 
Luftblase mittelst Pinzette herausgepreßt. Eine ähnliche Methode könnte 
man gewiß auch, um die Tracheenluft von Pflanzen zur Analyse zu be- 
kommen, benutzen. 

Die Möglichkeiten der Analysen von sehr kleinen Gasmengen sind na- 
türlich mit den gegebenen Andeutungen lange nicht erschöpft, und es wird 
sich unzweifelhaft mit der Ausdehnung des Verfahrens auf neue Gebiete das 
Bedürfnis nach passenden Modifikationen geltend machen. Solche werden sich 
wahrscheinlich meistens leicht nach den obigen Beispielen ausarbeiten lassen. 

B. Bestimmung von Gasspannungen in Flüssigkeiten und 
Geweben mittelst Mikrotonometrie und Mikrogasanalyse.?) 

Die Spannung eines in einer Flüssigkeit gelösten Gases ist gleich 
seinem Partialdruck in einem Gasgemisch, das sich in Diffusionsgleichge- 
wicht mit der Flüssigkeit befindet. Die Totalspannung der in einer Flüssig- 
keit aufgelösten Gase ist selbstverständlich gleich der Summe der Par- 
tialspannungen und die Zusammensetzung eines Gasgemisches kann nur 
dann den Partialspannungen in einer Flüssigkeit entsprechen, wenn der 
Totaldruck des Gemisches richtig auf die Totalspannung eingestellt ist. 
Man bestimmt die Spannung, indem man den Diffusionsausgleich zwischen 
einer kleinen Gasblase und einer verhältnismäßig großen Menge Flüssig- 
keit bewerkstelligt. Die erste Aufgabe ist hierbei die Einstellung des Total- 
druckes, die zweite die Ermittlung der Partialspannungen durch Analyse 
der Gasblase. Da die Gasspannungen in Flüssigkeiten von der Temperatur 
abhängig sind, muß der Diffusionsausgleich bei bestimmter und konstant 
gehaltener Temperatur stattfinden. 

Die Gasspannungen in Flüssigkeiten werden zuweilen in Prozenten 
des Atmosphärendruckes, zuweilen in Millimeter Quecksilber angegeben. 
Um Verwechslungen, speziell mit Volumprozenten, vorzubeugen, ist es rat- 
sam, Gasspannungen in Millimeter Quecksilber anzugeben. 


1) A. Krogh, On the Composition of the Air in the Tracheal System of some 
Insects. Skand. Arch. Physiol. Vol. 29. p. 29 (1913). 

2) A. Krogh, Some New Methods for the Tonometrie Determination of Gas 
Tensions in Fluids. Skand. Arch. Physiol. Vol. 20. p. 259 (1908). 


508 August Krogh. 


Die Einstellung des Totaldruckes erfolgt, indem man das Volumen 
der Gasblase von Zeit zu Zeit während des Diffusionsausgleiches mißt. 
Findet man dabei, daß sich das Volumen fortwährend vermindert, ist der 
Totaldruck in der Gasblase zu hoch und muß vermindert werden. Steigt 
das Volumen an, ist der Druck umgekehrt zu niedrig und muß erhöht 
werden, bis sich das Volumen bei beliebig lange fortgesetztem Diffusions- 
austausch nicht mehr ändert. Die in Fig. 234 gezeigte Aufstellung ist für 
die Bestimmung von Blutgasspannungen benutzt worden und mit geringen 


14 


Fig. 234. 


Modifikationen, die unten näher zu besprechen 
sind, kann sie auch für andere Flüssigkeiten zur 
Anwendung kommen. 

Das Blut strömt aus einer Arterie oder Vene 
durch den Schlauch 5 in das Tonometer 7, 2, 3, 
bestehend aus dem Mikroanalyseapparat 3 und dem eigentlichen Tono- 
meter, das auf Fie. 235 und 236 separat dargestellt ist. Das Blut kommt 
durch die sehr enge Öffnung der Röhre 7 in das Tonometer hinein. 
Dank der exzentrischen Stellung dieser Röhre wird der Blutstrom die 
(rasblase 2 ein wenig nach unten drücken und in Rotation, gewöhnlich 
auch in Oszillation versetzen. Das Blut fließt dann durch die Röhre 7 
ab und wird im eingeteilten Gefäße 70 gesammelt. Dieses Gefäß steht 
mit dem Manometer 72, dem Druckregulationsapparat 15 und durch 75 
mit einer kleinen, für schwache Saugung eingestellten Wasserstrahlpumpe 
(oder anderem Luftverdünnungsapparat) in Verbindung. Die atmosphärische 
Luft hat durch die Röhre 174 Zutritt, und der Druck kann durch Auf- 


Die Mikroluftanalyse und ihre Anwendungen. 509 


und Niederschieben dieser Röhre beliebig unter dem Atmosphärendruck 
eingestellt werden. Nach bisherigen Erfahrungen ist die Totalspannung der 
gelösten Gase im kreisenden Blute immer etwas niedriger als der atmo- 
sphärische Druck. Der ganze Apparat wird vor dem Versuche mit ausge- 
kochter isotonischer Salzlösung gefüllt und man überzeugt sich, daß außer 
der tonometrischen Blase von 3—5 mm: keine Luft sich in dem Apparate 
befindet. Man stellt den Druck ungefähr auf den zu erwartenden ein und 
läßt das Blut ca. 3 Minuten zufließen, indem man nötigenfalls mittelst des 
Schraubenquetschhahns 5 den Strom regelt. Nach 3 

SRSEn Minuten wird der Blutstrom abgestellt und die Luft- 

blase in die Kapillare eingezogen und gemessen. 
Die Luftblase wird sogleich wieder heruntergebracht 
und dann erst das Blut zugelassen. Öffnet man zu 
früh für den Blutstrom, wird die Luftblase in mehrere 
kleine Blasen 'geteilt, die nicht wieder vereinigt 


Fig. 236. 


werden können. Nach einer Minute wird eine neue Messung vorgenommen. 
Hat sich dann die Länge nicht (oder jedenfalls nicht über 1 mm) geändert, 
ist der Druck richtig auf die Totalspannung eingestellt. Hat sich die Länge 
vergrößert, ist der Druck zu niedrig und vice versa. Man verändert dann 
den Druck, liest die Länge wieder ab, treibt die Blase nach unten und 
läßt wiederum Blut eine Minute zufließen, und so fort, bis man eine kon- 
stante Länge erhält. Jedenfalls muß die Blutdurchströmung mindestens 
insgesamt 5 Minuten dauern. 


* 


510 August Kroghn. 


Wenn die Totalspannung solcherweise bestimmt worden ist, wird bei 
abgestelltem Blutstrom die Klemme 17 geöffnet, um Atmosphärendruck 
im Apparate herzustellen, und dann das Tonometer aus dem Wasser ge- 
hoben, bis die Röhre 7 sich in Klemme & bringen läßt. In dieser Höhe 
ist das Tonometer ein wenig unter der Mündung von der Röhre 2 (Fig. 236), 
und wenn man jetzt den Mikroanalysenapparat abnimmt, wird das Blut 
zurückfließen und das Schlauchstück des Tonometers füllen. Man kann 
dann sogleich den nächsten Analysenapparat einsetzen und eine neue Be- 
stimmung machen, während die erste Luftblase analysiert wird. 


Beispiel: Tonometrie von venösem Blut bei 37°. 
Wasserdampftension 47 mm. Barometer 756 mm. 


Nach 3 Minuten Manometer — 30 mm, Länge der Blase 660 mm 


4 ei r —30 „ 4 R a 
—50 „ x n Pl 0: 522 
> 5 h —50 „ 5 3 > 034 
—65 „ e & „646 
6 5 R —65 „ 5 3; „. 653 
7 —65 ,„ 5 ns DA 


Totalspannung der gelösten Gase nach dieser Bestimmung 
156 — 60 — 47 = 649 mm. 
Die Analyse der Gasblase gibt: CO, = 63°, 
= #1%, 
N, =:89:6%,: 
Die Gasspannungen sind somit: CO, — 0'063.649 = 41 mm, 
0; =0041.649= 271 
N, = 0'896 . 649 = 581 

Die Genauigkeit der Spannungsbestimmung hängt teils von der 
Totalspannungsbestimmung, teils von der Gasanalyse ab. Die mögliche Ge- 
nauigkeit der Analysen ist oben erörtert worden. Sie beträgt + 0'1%/, = 
+ 08mm für den Sauerstoff und Stickstoff + 02%, = + 15mm für die 
Kohlensäure. Die Totalspannung kann sehr genau (bis auf + 11mm) be- 
stimmt werden, wenn sie wenigstens 10 Minuten hindurch wirklich kon- 
stant ist. Das ist jedoch zumeist mit Bezug auf organische Flüssig- 
keiten nicht der Fall, und eine Genauigkeit von +5 oder + Tmm muß 
gewöhnlich als befriedigend angesehen werden. Diese Genauigkeit ist er- 
reicht, wenn sich die Länge einer Gasblase von 3—5 mm> = 60— 100 mm 
nicht mehr als 1 mm pro Minute ändert. 

Die Wirkung eines Fehlers in der Totalspannungsbestimmung ist 
für jedes einzelne Gas eine verschiedene. Diese Verschiedenheiten sind für 
die Anwendungen der tonometrischen Betrachtungsweise und Methode sehr 
wichtig, und es ist daher notwendig, etwas ausführlicher darauf einzugehen. 

Wenn der Totaldruck in der Gasblase höher als die Totalspannung 
der gelösten Gase in der Flüssigkeit ist, wird immerfort Gas von der 


- 


Zu ZZ En Ze u nm 


Die Mikroluftanalyse und ihre Anwendungen. 51T 


Blase zu der Flüssigkeit abgegeben, und der Partialdruck von jedem Gas 
in der Blase muß höher als die entsprechende Partialspannung in der 
Flüssigkeit sein. Wenn nun alle Gase mit derselben Geschwindigkeit 
diffundierten, müßte der Fehler für jedes Gas seinem Partialdruck propor- 
tional sein. 

Beispiel: Wasser mit atmosphärischer Luft gesättigt (Totalspannung 
760 mm) in Berührung mit einer Gasblase aus atmosphärischer Luft bei 
einem Druck von 800 mm. 


0) N 


Partialspannung . . . . . 1594 mm 6006 mm 
Zusammensetzung der Gasblase 20'96°/, 79:04°%/, 
Baalmck ». -. -» .. . ....1678 mm. 6322 mm 
EL Er ee 84 316 
BE on raue. . 5'26 5:26 


Dieses Beispiel entspricht aber den tatsächlichen Verhältnissen nicht. 
Die Diffusionsgeschwindigkeiten der verschiedenen Gase sind durchaus 
verschieden, und es bewirkt dieses, daß, wenn der Totaldruck nicht richtig 
eingestellt ist, ändert sich die Zusammensetzung der Luftblase derart, daß 
der Fehler für das am schnellsten diffundierende Gas der geringste wird. 
Im oben besprochenen Beispiel hat man in der Tat folgendes gefunden: 


Ö, N, 
Partialspannung. . . . . . 1594 mm 600°'6 mm, 
Zusammensetzung der Gasblase 20°6°/, 79:40), 
Partialdruck -. . . . . . .. 1648 mm 6352 mm 
2.102. 54 346 
2.2 NE ee 344 576 


Für die Kohlensäure ist die Diffusionsgeschwindigkeit so groß, dab 
sich der Partialdruck praktisch richtig einstellt, selbst wenn der Total- 
druck mit sehr großem Fehler eingestellt ist. 

Es wurden z. B. zwei Bestimmungen von der ÜO,-Spannung von 
Wasser gemacht, welches mit ungefähr 10°/, CO, bei atmosphärischem 
Druck gesättigt war. Die eine Bestimmung bei atmosphärischem Druck 
ergab 9-87%/, CO, = 74 mm (Mittel aus 4 Einzelbestimmungen). Die andere 
wurde bei einem Minusdruck von 120 mm Hg ausgeführt, und man fand 
11'47°/, CO, = 723 mm (3 Bestimmungen). Der Fehler ist somit nur 177 mm 
und kommt den Fehlergrenzen der Analyse sehr nahe. 

Es folgt aus den obigen Betrachtungen und Beispielen, daß eine 
genaue Stickstoffspannungsbestimmung eine sehr genaue Einstellung des 
Totaldruckes erfordert. Wenn man die Forderung aufstellt, dal der Fehler, 
welcher von der Einstellung des Totaldruckes herrührt, den mittleren 
Analysenfehler nicht überschreiten darf, findet man, daß eine genaue 
Stickstoffbestimmung in gewöhnlichen Flüssigkeiten mit ungefähr 600 mm 
Stickstoffspannung eine bis auf 1 mm genaue Totaldruckeinstellung erfordert. 


512 August Krogh. 


Für den Sauerstoff gilt folgende Tabelle: 


Sauerstoffspannung Zuläßliche Abweichung des Druckes 
der Flüssigkeit von der Totalspannung 
300 mm 3 mm 
200%; D 
1008 10 
DO 20 
23% 40 
10% 100 
Hi 200 


Bei den praktisch vorkommenden Kohlensäurespannungen , O— 75 mm 
(10°/,), sind Fehler in der Totaldruckeinstellung bis 100 mm bedeutungs- 
los, und selbst größere Fehler bedingen nur kleine Abweichungen. 


Die Anwendung der tonometrischen Methodik auf Spezialfälle. 


Oben wurde als Beispiel die Tonometrie von lebendem arteriellem 
oder venösem Blut erörtert. Diese Aufgabe ist eine der schwierigsten, die 
man überhaupt mit dem Mikrotonometer in Angriff nehmen kann. und 
damit sie gelingt, müssen verschiedene Kautelen beachtet werden. 

1. Die Koagulation muß durch reichlichen Hirudinzusatz verhindert 
werden. Man kann entweder 80 »»g Hirudin pro Kilogramm Tier benützen 
oder, was weit billiger und bei der wechselnden Güte der Hirudinpräparate 
auch sicherer ist, sich selbst den Blutegelextrakt nach den Angaben von 
Abel!) herstellen. 

2. Alle Glasteile und besonders natürlich der Mikroanalysenapparat 
müssen sehr sorgfältig gereinigt und mit Blutegelextrakt in ausgekochter 
Salzlösung gefüllt werden. Auch die Kautschukschläuche müssen inwendig 
ganz rein sein. 

3. In den Analvsenapparat werden zwei Luftblasen gebracht. Die 
obere kleinere (von 1—2 cm Länge) wird in der graduierten Röhre be- 
halten und verhindert, dal das Blut im der Kapillare mit Salzlösung ver- 
mischt wird, was immer zum Anhaften der Blutkörperchen an die Kapillar- 
wand führt. Die tonometrische Gasblase wird so klein gewählt, als es mit 
einer hinreichenden Analysengenauigkeit vereinbar ist, weil dann das 
Gleichgewicht am schnellsten erreicht wird. Es empfiehlt sich absolut nicht 
mit großen Gasblasen in weiten Röhren zu arbeiten. 


') Journ. of Pharmacology and exp. Therapeuties. Vol. 5. p. 302 (1914). Die Köpfe 
von 200 Blutegeln werden zerrieben und mit 150 cm? Wasser unter Thymolzusatz 24 Stunden 
bei 0° extrahiert. Der Extrakt wird dann unter Druck abfiltriert oder abgepreßt und 
wird mit so viel Wasser gewaschen, daß man 150 cm® Filtrat bekommt. Das Filtrat wird 
auf 82—85° geheizt und mit Essigsäure zur Ausfällung der Proteine eben angesäuert. 
Es wird heiß filtriert und dann mit Natriumbikarbonat neutralisiert. Man kann dieselben 
200 Köpfe noch zweimal extrahieren. Der erste Extrakt wird gewöhnlich ca. 0'9g 
Hirudin enthalten, der zweite ungefähr 0'5 g. Der Extrakt ist bei niedriger Temperatur 
und ausreichend mit Thymol versetzt sehr lange haltbar. 


4 40 u 2 AD 


Die Mikroluftanalyse und ihre Anwendungen. 513 


4. Man muß vor allem schnell arbeiten und den Blutstrom so wenig 
und so kurz wie möglich unterbrechen, weil die Unterbrechungen koagu- 
lationsbefördernd wirken. Der Totaldruck muß daher im voraus so nahe 
wie möglich eingestellt werden, und man muß sich über die kleinste er- 
forderliche Genauigkeit bei der Totaldruckeinstellung orientieren. 

5. Die Öffnung der Einströmungsröhre (Fig. 235, Z) wird am besten 
sehr eng, etwa 0'2—0'5 mm je nach der zur Verfügung stehenden Blut- 
menge und der vorhandenen Druckdifferenz gewählt. Diese Öffnung wird 
folgendermaßen hergestellt: Eine Glasröhre von 1—1'5 mm liehter Weite 
und 2—2°5 mm Dicke wird etwas ausgezogen und abgeschnitten (Fig. 237, 7). 
Die Öffnung wird dann in der Flamme vorsichtig eingeengt, und wenn 
sie die gewünschte Weite erreicht hat (2), mittelst Schleifsteines oder 
feiner Feile abgeschliffen, bis die Öffnung nur ein Loch in der dünnen 
Glaswand darstellt (3). Wenn sich dann 
ein Koagel neben die Öffnung setzen Fig. 237. 
sollte, kann man es leicht durch 
schnelles Zusammenpressen des Kaut- 
schukschlauches 5 (Fig. 234) entfernen. 

6. Unmittelbar nach der Tono- 
metrie muß die Analyse erfolgen. Das 
Blut unter der Luftblase wird mit 
1°/,iger Salzlösung sorgfältig ausge- 
spült. Danach wird die Länge der Luft- 1 2 3 
blase gemessen und die Analyse dann 
in gewöhnlicher Weise fortgesetzt. Man muß aber auch bei der Analyse schnell 
arbeiten und dabei genau aufpassen, dal) nicht ganz kleine Blasen (gewöhnlich 
0:3—0'6 mm) sich von dem oberen Ende der Luftsäule loslösen. Wenn dies 
geschieht, kann man zuweilen noch die Analyse retten, indem man das 
Volumen der kleinen Blasen schätzt und zu den Ablesungen hinzuaddiert. 
Die Genauigkeit wird natürlich dadurch vermindert. !) 

Die für Blut beschriebene Technik kann mit unwesentlichen Modifi- 
kationen auch für andere strömende Flüssigkeiten benutzt werden, wenn 
sie nur in Mengen von 2 cm3 pro Minute erhalten werden können. Wenn 
die Totalspannung der gelösten Gase-nicht zu sehr vom Atmosphärendruck 
abweicht, empfiehlt es sich oft, den Druck-in der Gasblase nur dadurch 
zu regulieren, daß man die Ausströmungsöffnung längs einer Zentimeter- 
skala hebt oder senkt (Fig. 238). Von nicht strömenden oder zu langsam 
strömenden Flüssigkeiten muß ein genügendes Quantum aufgesammelt 
werden. Dies kann über Quecksilber geschehen. Es ist aber meistens weit 
bequemer, eine der modernen, ganz aus Glas hergestellten Spritzen zu be- 
nützen. Wenn man den Totaldruck nicht im voraus ziemlich genau kennt, 


1) Für tonometrische Versuche mit dem Blut größerer Tiere und speziell für ge- 
naue Bestimmungen von CO,-Spannungen ist, wie ich glaube, eine makrotonometrische 
Methode der Mikromethode vorzuziehen. Brodie hat neuerdings ein ausgezeichnetes In- 
strument für solche Versuche konstruiert. 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 33 


514 August Krogh. 


kommt man schwerlich mit weniger als 20—30 cm® Flüssigkeit aus. 
Wenn eine große Menge Flüssigkeit (100 cm® oder mehr) vorhanden ist, 
kann man die Tonometrie einfach aus einem engen Zylinder vornehmen, 
indem man mittelst Hebers aus den untersten Flüssigkeitsschichten schöpft. 

In einigen Fällen kann man eine vereinfachte Technik benützen, bei 
der auf der Totalspannungsbestimmung verzichtet wird und die (unvoll- 
ständige) Ausgleichung der Partialspannung bei Atmosphärendruck statt- 
findet. Diese Vereinfachung ist zulässig 1. mit Bezug auf die Kohlensäure, 
deren Partialdruck sich, wie oben gezeigt, ungefähr richtig einstellt, unab- 
hängig von dem Totaldruck und 2. mit 
Bezug auf den Sauerstoff, wenn der 
Partialdruck dieses Gases in der 
Flüssigkeit sehr niedrig ist, weil dann 
der absolute Fehler unbedeutend wird. 

Die Flüssigkeit wird in einen 
passenden Behälter gesammelt, welcher 
entweder eine der oben erwähnten 
Spritzen sein kann, oder, wenn eine ge- 
nügende Menge Flüssigkeit zur Durch- 
spülung vorhanden ist, ein Glasgefäß 
von nebenstehend abgebildeter Form, 
und am besten mit einem Thermo- 
meter als Stopfen (Fig. 239 und 240). 
Für Kohlensäure kann man sich, dank 
der großen Löslichkeit der Kohlen- 
säure, mit einer sehr kleinen Flüssig- 
keitsmenge begnügen. 1 cm? Wasser, 
bei gewöhnlicher Temperatur mit 10%, 
00, gesättigt (74mm Spannung), ent- 
hält ungefähr 100 mm® CO,. Wird eine 
UO,-freie Gasblase von 5 mm: hier 
eingebracht, braucht sie nur 0'5 mm® 
CO,, um die richtige Tension anzu- 
nehmen. 995 mm# bleiben in der Flüs- 
sigkeit zurück und die Spannung wird 
nur von 74 bis auf 73°6 mm absinken, 
was natürlich belanglos ist. Für Sauerstoffbestimmungen sind größere 
Flüssigkeitsmengen erforderlich, und es ist sehr oft von Nutzen, Gasblasen 
mit einem annähernd richtigen Sauerstoffprozent einzuführen. Wenn z. B. 
5 mm® atmosphärischer Luft in 10 cm® O,-freie Flüssigkeit eingeführt wer- 
den, muß die Flüssigkeit ungefähr 1 mm: Sauerstoff aus der Gasblase 
absorbieren. Wenn der Absorptionskoeffizient 003 beträgt, wird 1 mm® 
die O,-Spannung von O bis auf 25mm steigern. Das Sauerstoffprozent 
der Blase wird nur bis auf 0'3°/, absinken können. Man kann folg- 
lich das Tonometer für Sauerstoffbestimmungen nicht gern kleiner als 


Die Mikroluftanalyse und ihre Anwendungen. 515 


10 cm® machen, und wenn möglich, ist es vorteilhaft, es etwas größer zu 
wählen. 

Die Gasblase wird am besten mittelst des Mikroanalysenapparats ein- 
geführt.!) Eine passende Blase wird in der graduierten Röhre auf ge- 
wöhnliche Weise hergestellt und für O,-Bestimmungen in einer Ö,-armen 
Flüssigkeit zweckmäßig zu Stickstoff reduziert. Der Trichter wird dann 
entleert und mit der zu analysierenden Flüssigkeit aus dem Tonometer 
gefüllt. Der Analysenappa- 
rat wird schräg nach unten .. 
gedreht, die Luftblase in 
den Trichter gebracht. Die 
Spitze des Tonometers wird 
dann bis an die Luftblase 
hineingeführt und dieselbe 
vorsichtig eingesaugt. Der 
Spannungsausgleich wird 
durch Schütteln oder me- 
chanisch bewerkstelligte 
Rotation besorgt (Fig. 239). 
Die Ausgleichung von 
CO, -Spannungen dauert 
nur 1 bis höchstens 2 Mi- 
nuten. Für den Sauerstoff 
muß man, besonders wenn 
nicht von vornherein Stick- 
stoff eingeführt worden 
ist, bedeutend länger 
schütteln. 

Beispiel: In 25 cm? 
luftgesättigtes Wasser bei 
15° wurde ins Tonometer 
eine Stickstoffhblase einge- 
führt und 5 Minuten ge- 
schüttelt. Die Analyse 
zeigte dann 19'0°/, O, an. 
Eine neu eingeführte Stick- 
stoffblase hatte nach 10 Minuten 21'0°/, ©, (15°5°) und eine danach ein- 
geführte Blase aus atmosphärischer Luft ebenfalls nach 10 Minuten 20°7°/, 
0:50):2) 

1) Für die Kohlensäure ist ein spezielles kleines Tonometer konstruiert worden 
(Fig. 240). Das als Stopfen dienende Thermometer trägt unten ein ganz kleines, nach 
unten offenes Schälchen, das bei der Einführung von Flüssigkeit automatisch eine 
passende Gasblase zurückhält. Dieser Apparat wird von F. (€. Jacob, Hauserplads, Kopen- 
hagen, hergestellt. 


2) Die Differenz zwischen den beiden letzten Bestimmungen entspricht der Tem- 
peraturdifferenz. 


33* 


516 August Krogh. 


Das Tonometer muß natürlich die ganze Zeit am unteren Ende offen 
bleiben. Sonst kann sich der Druck im Innern sehr stark ändern, was 
wiederum auf die Zusammensetzung der Gasblase einen bedeutenden Ein- 
fluß haben kann. Diese Vorsichtsmaßregel ist nicht von allen Seiten bei 
den mikrotonometrischen Bestimmungen beachtet worden. welches wahr- 
scheinlich zu groben Fehlern Veranlassung gegeben hat. 

Wenn Körpertlüssigkeiten analysiert werden, ist es natürlich not- 
wendig, die Ausgleichung bei Körpertemperatur vorzunehmen. und wenn 
genaue Kohlensäurespannungsbestimmungen gewünscht sind, muß die 
Temperatur die ganze Zeit, bis sich die Luftblase in der graduierten 


\öhre des Analysenapparates befindet, einigermaßen konstant gehalten 
werden. Das Schütteln geschieht dann entweder in einem Thermostaten- 
raum, was natürlich das Genaueste ist, oder in passender Höhe über einem 
Gasapparat, dessen Flamme man auf ein dichtes Drahtnetz wirken läßt, 
um einen möglichst breiten heißen Luftstrom zu erhalten. Durch diesen 
letzteren sehr einfachen Kunstgriff kann man für kurze Zeit leicht eine 
genügend konstante Temperatur herstellen (Fig. 239). 

Nach erfolgtem Ausgleich wird die Gasblase in den Analysenapparat 
überführt. Der Trichter wird entleert und mit Flüssigkeit aus dem Tono- 
meter gefüllt, dann der Apparat umgedreht und die Gasblase eingeführt 
(Fig. 240). Auch diese Manipulationen können in gewisser Höhe über ein 
geheiztes Drahtnetz ausgeführt werden. 


Die Mikroluftanalyse und ihre Anwendungen. 517 


In überaus kleinen Flüssigkeitsmengen (bis 0'02 cm?) oder direkt in 
Geweben kann man noch annähernde Spannungsbestimmungen machen, 
indem man die Tracheenblasen (004—0'02 mm®) von Corethralarven (siehe 
oben S. 506) an der Stelle freier Gasblasen benutzt. Die Ausgleichung er- 
folgt ziemlich langsam, aber man hat dann andrerseits den Vorteil, daß 
man nach erfolgter Ausgleichung die Blasen mittelst Pinzette herausfischen, 
in den Analysentrog überführen und dort zerdrücken kann, ohne inzwischen 
eine merkliche Änderung der Zusammensetzung befürchten zu müssen. 
Diese Methode ist bis jetzt kaum versucht worden. Es scheint aber, daß 
sie für gewisse Fragestellungen wichtige Aufschlüsse wird geben können. 

Bei allen Gasspannungsbestimmungen in organischen Flüssigkeiten 
ist es von der allergrößten Wichtigkeit, um sich vor groben Täuschungen 
zu schützen, daß man untersucht, ob und inwieweit sich die Gasspan- 
nungen während des Versuches ändern. In vielen organischen Flüssig- 
keiten finden Prozesse statt, die eine Sauerstoffzehrung und bisweilen 
auch eine tonometrisch nachweisbare CO,-Spannungszunahme bewirken. Bei 
der direkten Tonometrie von strömenden Flüssigkeiten kann man in der 
Regel die Leitungen nach dem Tonometer so kurz und eng wählen, 
daß die Passage nur wenige Sekunden dauert und in solchen Fällen liegt 
keine Gefahr vor, daß sich die Gasspannungen irgendwie merklich ändern 
können, wie ich es auch durch direkte Versuche gefunden habe.!) Wenn 
man aber die Spannungsbestimmung an einer herausgenommenen Flüssig- 
keitsprobe macht, ist immer nach eventueller Sauerstoffzehrung zu forschen. 

Die Untersuchung wird mittels des abgekürzten tonometrischen Ver- 
fahrens durchgeführt, indem man nach beendetem Diffusionsausgleich eine 
neue Gasblase in das Tonometer einführt und so die Bestimmung ein bis 
mehrere Male wiederholt. 

Ich gebe als Beispiel eine solche Untersuchung von unter aseptischen 
Kautelen gelassenem, menschlichem Harn wieder. Anderthalb Stunden nach 
letzter Harnentleerung wurde 75 cm3 durch ein Tonometer von 25 cm? ge- 
lassen. Eine Luftblase mit 95°/, N, und 5°/, O, wurde eingeführt und das 
Tonometer 10 Min. rotiert. Gefundene Zusammensetzung CO, 9 0%/,, 0: 3°0%/,- 
30 Min. später wurde wieder eine Luftblase mit 6°/, O, eingeführt und nach 
weiteren 15 Min. analysiert: CO, = 9'0°/,, 0, = 0'7°/,. Eine dritte Blase (aus 
Stickstoff) wurde sogleich eingeführt und 25 Min. belassen. Diese zeigte 
CO, = 104°/,, 0, =0'1°/,. Eine starke Sauerstoffzehrung wurde somit 
nachgewiesen, und es wäre nicht berechtigt anzunehmen, daß die erste 
Analyse die Gasspannungen des Harns, wie es aus der Niere strömt, richtig 
wiedergab. Wahrscheinlich war da die Sauerstoffspannung eine höhere. 

Nachdem eine sehr starke Diurese durch den Genul) von 1 Liter 
Wasser hervorgebracht worden war, fand ich: 

11 Uhr 21 Min. Harn 200 em®, 11 Uhr 31 Min. Harn 100 cm® durch 
das Tonometer gelassen. 


1) A. Krogh, On the Oxygen Metabolism of the Blood. Skand. Arch. Physiol. 
Vol. 23. p. 193 (1910). 


518 August Krogh. Die Mikroluftanalyse etc. 


Tonometrie Tp. 9. 0,-%, 
11'32—11'45 385° 65 30) 
1150 —12:06 O0 60 51 

1:24— 147 DNS 65 4.6 


Hier wurde nur eine sehr geringe Sauerstoffzehrung beobachtet, und 
man darf schließen, daß die ersten Werte nicht entstellt sind. Wie oben 
auseinandergesetzt, bedürfen aber die Sauerstoffresultate einer Korrektur, 
weil die Totalspannung nicht richtig eingestellt war. 

Die Totalspannung war ungefähr 80°/, N,, 5°/, ©: und 6°%/, CO, = 91°, 
des atmosphärischen Druckes. Sie war somit ungefähr 60 mm niedriger 
als der Totaldruck. Nach der Tabelle Seite 510 würde ein Einstellungstehler 
von 30 mm bei 35 mm O,-Spannung (5°/,) einen Fehler von 0'1°/, bewirken. 
Der Fehler ist somit =0'2°/, und der Sauerstoffdruck 50 —02 = 480/, 


oder in mm (T50—46) . 0048 = 534 mm. 


Über Mikrorespirometrie. 


Von August Krogh, Kopenhagen. 


Während Respirationsapparate für größere Tiere nach dem Regnault- 
schen Prinzip ziemlich kompliziert sind und sein müssen, wenn eine be- 
friedigende Genauigkeit erreicht werden soll, können sie für ganz kleine 
Organismen oder Organe außerordentlich vereinfacht werden, ohne an Ge- 
nauigkeit einzubüßen. Solche Mikrorespirometer sind zuerst von Thunberg '; 2) 
beschrieben worden, dann von Winterstein:) und Widmark*) und spätestens 
wieder von Wänterstein®) weiter modifiziert. Diese Apparate sind im 
wesentlichen in diesem Handbuch schon besprochen. ®) 

Die letzte Wintersteinsche Modifikation ist in Fig. 241 gezeigt. Sie ist 
dadurch gekennzeichnet, dal die bei der Sauerstoffabsorption entstehenden 
Druckänderungen durch Verschieben des (Quecksilbers in der in Kubik- 
millimeter eingeteilten Kapillare wieder kompensiert werden und so das 
verschwundene Luftquantum direkt ablesbar ist und nicht erst durch 
Rechnung ermittelt werden braucht. Dieser Vorteil ist jedoch nicht be- 
sonders groß, weil das Volumen doch jedesmal auf 0° und 760 mm redu- 
ziert werden muß. 

Die beschriebenen Mikrorespirometer gestatten, mit Ausnahme des 
großen Thunbergschen, das schon ziemlich teuer und kompliziert ist. nur die 
genaue Bestimmung von überaus kleinen Luftmengen, warum gewöhnlich nur 
kurze Versuche möglich sind. Mit dem letzten Wöintersteinschen Apparat kann 
2. B. nur bis 50 mm: mit einer Genauigkeit von 0:1 mm? abgelesen werden. 

Für beliebig langdauernde und zugleich sehr genaue Versuche habe ich 
ein sehr einfaches und billiges Mikrorespirometer konstruiert, das eigent- 
lich nur eine leichte Modifikation des Barcroftschen Apparates für Blutgas- 
bestimmungen darstellt. 


!) Thunberg, Ein Mikrorespirometer. Skand. Arch. Physiol. Bd. 17. S. 74 (1905). 

?) Thunberg, Eine einfache Anordnung, um die Sauerstoffzehrung kleinerer 
Organismen oder Organe zu demonstrieren. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 19. S. 308 (1905). 

3) Winterstein, Über den Mechanismus der Gewebsatmung. Zeitschr. f. allgem. 
Physiol. Bd. 6. S. 315 (1907). 

*) Widmark, Über die Handhabung des Thunberg-Wintersteinschen Mikrorespiro- 
meters. Skand. Arch. Physiol. Bd. 24. S. 321 (1911). 

5) Winterstein, Ein Apparat zur Mikroblutgasanalyse und Mikrorespirometrie. 
Bioch. Zeitschr. Bd. 46. S. 440 (1912). 

6) Dieses Handbuch. Bd. III. S. 454—460. 


520 August Krogh. 


Mein Apparat) besteht aus einem mit Millimeterskala versehenen kapil- 
lären Manometer (Fig. 242). Die beiden Schenkel der Manometerröhre sind oben 
mit dickwandigen Kautschukschläuchen versehen und können mittelst ein 
und desselben Schraubenquetschhahns verschlossen werden. Nach hinten 
ist jeder Manometerschenkel mit einer Zweigröhre versehen, und hierdurch 
wird es mittelst Kautschukschlauches mit dem Tierbehälter — respektive 
Kontrollbehälter — in Verbindung gesetzt. Das Manometer ist zum Aufhängen 
an der Wand von Wasserbädern (Aquarien) eingerichtet. Die Tierbehälter 
können gewechselt werden und man kann für jedes Tier, an dem man Be- 
Stimmungen zu machen wünscht, einen entsprechenden Behälter finden oder 


Fig. 241. 


| EEE TEEEe EBEN" 
I PTR TER EFFFNPEFTTEFFEH 
A| 
| ) >> 


PR 
N 


einrichten (Fig. 245). Für die meisten Zwecke ausreichend und überall billig 
in verschiedenen Größen zu haben, sind Freudenreichs Kolben, wie sie für 
Bakterienkulturen verwendet werden. Man sucht sich zwei Behälter von 
möglichst gleichen Volumen aus. Beide werden mit der gleichen Menge — 
je nach Größe 1 bis mehrere Kubikzentimeter — 2°/,iger Natronlauge be- 
schickt, und in den einen wird das Versuchstier eingebracht. In den meisten 
Fällen kann man das Tier, in einem kleinen Säckchen aus Seidengaze ein- 
geschlossen, aufhängen (Fig 242). Die Behälter werden sorgfältig verschlossen, 


') Von F. C. Jacob, Hauserplads, Kopenhagen, hergestellt. 


a 
h 
= 


re 


5 


A 


PO 


Über Mikrorespirometrie. 521 


an den beiden Schenkeln des Manometers aufgehängt und soweit belastet, 
daß sie ins Wasser hinuntersinken. 

Nachdem die beiden Behälter in Wasser bei konstanter Temperatur 
gebracht worden sind, wartet man wenigstens eine Viertelstunde, bevor 
man den Apparat verschließt, damit Temperaturgleichgewicht eintreten 
kann. Sowohl während 
dieser Vorperiode wie auch 
während der Versuche 
selbst muß das Bad sehr 
sorgfältig durchmischt wer- 
den, so daß die beiden 
Behälter stets genau die- 
selbe Temperatur haben. 
Selbst eine ganz kleine 
Temperaturdifferenz kann, 
wie eine Berechnung zeigt, 
große Fehler bedingen. 

Nachdem das Mano- 
meter verschlossen ist, liest 
man zu bestimmter Zeit 
den Stand ab und wieder- 
holt die Ablesung in pas- 
senden Zeitintervallen. Jede 
Ablesung (die erste ausge- 
nommen) gibt mit der zu- 
gehörigen Zeitdifferenz di- 
vidiert eine Bestimmung 
der Sauerstoffabsorption. 
Bei konstantem Gaswechsel 
ist die Druckänderung, 
pro Minute oder Stunde 
berechnet, jedenfalls nach 
der ersten Stunde abso- 
lut konstant, wie die unten 
gegebenen Beispiele zeigen 
werden. 

Die Berechnung der 
Sauerstoffabsorption er- 
folgt am bequemsten nach 
der von mir früher gegebenen Formelt): Das Volumen des Tierbehälters 
mit zugehörigem Manometerschenkel sei A, das des Kompensationsbehälters 
C, der ursprüngliche Druck sei P, die abgelesene Druckdifferenz d mm, 
der Druck von 1 mm Manometerflüssiekeit p und die Volumenabnahme 


Fig. 242. 


!) Skand. Arch. Physiol. Bd.18. S. 382 (1906). 


52 August Krogh. 


von A, die von dem Emporsteigen der Manometerflüssigkeit in der zu- 


2 > 3 s d 1 
gehörigen Röhre verursacht wird, si a=—.v, wo v das Volumen von 


2 
1m der Manometerröhre ist. Es sei ferner t„ die Temperatur des 


Bades, t; die Lufttemperatur und fr die zugehörige Wasserdampftension. 
Man hat dann die verschwundene Sauerstoffmenge 
213 P— fr 273 A+C 
273," eo Sue oe 

Die Volumina A und Ü werden durch Auswiegen mit Wasser be- 
stimmt und Korrekturen für die Volumina der Natronlauge, des Tieres usw. 
werden angebracht. p wird aus dem spezifischen Gewicht der Manometer- 
flüssigkeit berechnet, v durch Kalibrierung der Manometerröhre mit Queck- 
silber ein für allemal bestimmt. 

Es leuchtet ein, dab die Größe Ap leicht mit sehr großer Genauigkeit 
bestimmt werden kann. Die Größe v bietet darum gewisse Schwierigkeiten, 
weil die Manometerröhren nie ganz kalibrisch sind, und es ist ferner unbe- 
quem, den Anfangsdruck und die Lufttemperatur jedesmal ablesen und in die 
Rechnung einführen zu müssen. Es ist daher außerordentlich vorteilhaft, 
wie Barcroft auch angegeben hat, die Manometerröhren eng zu wählen. 
In sehr engen Röhren kann man aber nur leichtbewegliche Flüssig- 
keiten anwenden, und ich bin daher zur Anwendung von reinstem käuf- 
lichen Petroleum in Röhren von 04 bis höchstens 05 mm Durchmesser 
übergegangen. v ist dann = 0'126 bis höchstens 0:199 mm?, 1 mm Petroleum 
entspricht 0'0000740 Atmosphären Druck, und wenn ich z. B. einen Behälter 
von 40 cm? anwende, habe ich Ap= 40.103. 740.105 — 2:96 mm®. 
Es leuchtet ein, dal) die verschiedenen Korrekturen, die auf v anzubringen 
sind, nur einen sehr kleinen Einfluß haben können. Ich reduziere daher 
v ein für allemal von gewöhnlicher Temperatur und mittlerem Barometer- 
stand (17° und 755 mm) auf 0° und 760 mm, und das reduzierte Volumen 
wird mit dem direkt bestimmten auf jeden Manometer eingeschrieben. 

Wenn die zwei Behälter A und C nicht mehr als 10°/, verschieden sind, 
was gewöhnlich sehr leicht zu erreichen ist, wird auch die Korrektur 
A+t 

20 


gierte Volumen des Tierbehälters in Kubikmillimeter ausgedrückt, mit 


A007 


belanglos, und der Gaswert von 1 nm wird einfach durch das korri- 


273 
"2731, 
der Manometerröhre. 

Bei den genauesten Versuchen, die bei verschiedenen Temperaturen 
angestellt werden, muß man natürlich den Korrekturen auf v Rechnung 
tragen und es kann ferner notwendig sein, noch die thermische Ausdehnung 
und daraus folgende Änderung des spezifischen Gewichts der Manometer- 
flüssigkeit zu berücksichtigen in solchen Fällen, wenn auch diese größeren 
Temperaturschwankungen ausgesetzt sind. Dies geschieht am besten da- 


multipliziert + das reduzierte Volumen von 1 mm 


Über Mikrorespirometrie. 5923 


durch, daß man die gesamte Länge der Flüssigkeitssäulen in den Mano- 
meterschenkeln unter den verschiedenen Bedingungen abliest und notiert 
und dann das gefundene Längenverhältnis als Reduktionsfaktor benutzt. 
Als vollständiges Versuchsbeispiel gebe ich folgenden Versuch an 
einer Mehlwurmpuppe im Ruhestadium. Gewicht 0'173 g. 
Volumen A = 4095 cm? Volumen C = 49:98 cm? 
Volumen des Manometerschenkels + 012 +012 
Volumen der Natronlauge . . . —200 _ | — 2:00 
Volumen des Tierbodens . . . —0'25 
Volumen des Tieres . . . — 0:17 

Volumen A eier 38:65 cm? C korrigiert 48:10 cm? 
v= 0'149 mm’, v auf 0° und 760 mm reduziert = 0'136 mm?° 
—_— —i0:136., San - — 0123 mm®. 
Ap = 3865.10°.740.10-° = 2:86 mm®. 
Gesamtlänge der Flüssigkeitssäulen im Manometer bei 17° 2182 + 
60 = 2782 mm. 
Um 2 Uhr wurde der Apparat aus 15° in ein Wasserbad von 282° 
gebracht. Die Länge der Flüssigkeitssäulen wurde als 218°9 + 60 = 2739 mm 
gemessen und der Sauerstoffwert eines Millimeters wird demnach 

213 2782 
(286. 3012 + 0'123) 97189 7 
Der Respirationsversuch wurde um 2 Uhr 20 Minuten begonnen und 
die folgenden Ablesungen wurden gemacht: 
Manometerablesungen 


2713 mm®. 


Zeit A C Total- 
Diff. Diff. differenz 
nn. ,. 1lli 107'8 
10 10 
Ir. 1121 106°8 20 
08 08 
er 1129 10607 7 3°6 
56 59 
Beil 1001 1) 
05 05 
Ber 51190 99:6 161 
2 3°6 
BEN... 1223 960 230 
07 0:9 
Be. '. 1230 951 246 
10°5 110 
Bin... . .. 1358 841 461 
06 07 
112 N 834 474 
09 07 


1 5 827 490 


524 August Krogh. 


Wenn man die Änderung während verschiedener Zeitintervallen be- 
rechnet, findet man: 


Druckänderung 
Zeit Dauer mm pro Abweichung 
Minuten mm Minute en 
222 2 RE EN RD 36 072 
229 DDr 2220020 15301 0504 
228-2547... ..726 12°5 04S1 
2591-3102 Sl 19 0'416 — 14 
2:94 aD ld 85 0447 +59 
310 ABER 255 231 0420 — (0:05 
321534. 027 Zeaunr2 155 228 0'415 — 17 


Im Mittel für die Periode von 2:52 bis 408, während welcher der 
Gaswechsel praktisch konstant gefunden ist, hat man pro Minute 0'422 mm 
Druckänderung und die Sauerstoffabsorption ist daher 0'422 .2:715 = 
— 1'146 mm3 pro Minute oder 595 em3 pro Kilogramm und Stunde. 

Um 4 Uhr 20 Minuten wurde der Apparat geöffnet und in ein 
Wasserbad von 22'6° gebracht. Die Länge der Flüssigkeitssäulen wurde 
um 5 Uhr als 218°3+60 mm gemessen. Der Apparat wurde verschlossen 
und die folgenden Bestimmungen gemacht: 


Druckänderung 


Zeit N Millimeter Millimeter an S 
pro Minute 

5:07—5'13 5 12 024 —5 
5:07 --5'38 31 74 0'239 —5 
510— 541 Bi) s0 0258 +24 
513--5'44 Sl 79 0'255 + 12 
5°41—6:09 28 0) 0'250 — 08 
5.-44—6'12 28 70 0:250 — 08 
6°09— 7:06 57 146 0:256 +12 
612— 7:09 a 146 0,256 + 12 
5:07—1709 193 307 0232 


Sauerstoffabsorption pro Minute daher 0'698 mm?, pro Kilogramm 
und Stunde 239 cm®. 
Es geht aus den beiden kleinen Tabellen hervor: 


1. Daß die einzelnen Ablesungen auf ungefähr 05 mm genau sind. 

2. Daß in den ersten 40—50 Minuten nach Temperaturwechsel 
scheinbar Stoffwechselschwankungen vorkommen, daß aber danach der Gas- 
wechsel der Puppen außerordentlich konstant ist und schon in kurzen 
Perioden mit großer Genauigkeit bestimmt werden kann. 

Am bequemsten orientiert man sich über die Konstanz des Stoff- 
wechsels, wenn man die abgelesenen Druckdifferenzen auf Millimeter- 


Über Mikrorespirometrie. 525 


papier einträgt mit den Zeitdifferenzen in Minuten als Abszissen. Fig. 243 
zeigt ein Beispiel von gleichzeitigen Bestimmungen an drei Puppen bei 
drei verschiedenen Temperaturen. Wenn man eine gerade Linie durch die 
Punkte ziehen kann, ist der Stoffwechsel konstant, und man kann seine 
Größe in Millimeter pro 60 oder 100 Minuten direkt ablesen. In Fig. 243 


Fig. 243. 


sind Ablesungen jede Minute gleich nach der Übertragung von allen drei 
Apparaten im selben Wasserbad vorgenommen. Während der ersten 50 Mi- 
nuten ist der Stoffwechsel nicht konstant, aber von ungefähr 2 Uhr an 
werden die Punktreihen gerade Linien. 


Fig. 244. 


Bestimmungen von respiratorischen Quotienten. Die Me- 
thode, wie bisher beschrieben, gibt nur über den Sauerstoffverbrauch des 
Versuchstieres Auskunft. Man kann aber auch den respiratorischen Quo- 
tienten bestimmen. Es würde am nächsten liegen, dies so zu machen, daß 
man eine genau abgemessene, beinahe CO,-freie Laugenquantität in beiden 
Behältern benutzte und dann nach Beendigung der Sauerstoffbestimmung 


926 August Krogh. 


das Tier entfernte, ein Schälchen mit überschüssiger Säure hineinstellte, 
die aufgenommene CO,-Menge frei machte und direkt am Manometer be- 
stimmte. Solche Versuche sind ausgeführt worden, aber die Fehlerquellen 
sind zu groß, um das Erlangen von befriedigenden Resultaten zu erlauben. 
Ich habe daher einen anderen Weg eingeschlagen, welcher auch früher von 
Thunberg angegeben ist. Ich beschicke die beiden Behälter eines Apparates 
nur mit einem Tropfen Wasser. Die Kohlensäure wird dann nicht absor- 
biert und die Bewegung der Manometerflüssigkeit zeigt die Differenz zwi- 
schen Sauerstoffabsorption und Kohlensäureproduktion an. Wenn man dann 
nachher einen gewöhnlichen Versuch mit demselben Tiere macht, kann 
man den Quotienten berechnen. 


Beispiel. 
Tenebriopuppe. Gewicht 0:13 g: 
19 Stunden 0,—00, . . . . . 0'207 mm3 pro Minute 
5 £ EEE 
Daraus UOz. 0. 0.2 Dot er 5 
tespiratorischer Quotient . . . 0738 


Tenebriopuppe. Gewicht 0:15 g: 


4 Stunden O0, .: . . . .2.2 220982 mm: pro Minute 
5 x 0,00. 0530 
Daraus», = rear, 2 0 
Respiratorischer Quotient . . . 0664 


Wenn die Bestimmung eine genaue sein soll, ist es notwendig, daß 
der Stoffwechsel des Tieres in beiden Perioden genau derselbe ist. Man 
tut daher am besten, den Versuch gleichzeitig mit zwei Tieren zu machen 
in zwei Apparaten, von welchen der eine mit Wasser, der andere mit 
Natron beschickt bleibt. Nach dem ersten Versuch werden dann die Tiere 
einfach vertauscht. 


Die Grenzen der mikrorespirometrischen Methode. Man könnte 
glauben, daß es vorteilhaft sein würde, kleinere Behälter im Verhältnis zu 
den Tieren zu benutzen, um größere Manometerausschläge zu erzielen. Dem 
ist aber nicht so. Erstens würde man dabei Ap kleiner im Verhältnis zu 
v machen, was nicht vorteilhaft ist, zumal Ap genau bestimmbar, v da- 
gegen immer mit schwer umgänglichen Fehlern behaftet ist. Zweitens 
würde dabei die Laugenoberfläche vermindert. Meiner Erfahrung nach 
sollte man nie eine geringere Größe als 20 cm® pro O1 g Tier anwenden. 
Andrerseits kann man aber mit Behältern von 20 cm? noch genaue Be- 
stimmungen an viel kleineren Organismen erhalten. Ich habe z. B. sehr 
gute Resultate in Versuchen mit Insekteneiern von 5 mg Gesamtgewicht 
gehabt, an welchen ich die Sauerstoffabsorption in 4—10stündigen Perioden 
bis an die Ausschlüpfung verfolgen konnte. 


Über Mikrorespirometrie. 527 


Bei großen Behältern macht sich der Mangel an Durchmischung der 
Luft und der Lauge als störender Fehler bemerkbar und ferner wird es 
schwieriger, beide Behälter bei genau derselben konstanten Temperatur 
zu halten. Ich habe gefunden, daß man nicht über 200 em® und somit 
nicht über 1 g Tiergewicht hinausgehen sollte. Die Behälter wähle man 
immer dünnwandig und von möglichst runder Form, um die Temperatur- 
konstanz und die Gasdiffusion im Innern zu fördern. Fig. 245 zeigt einige 
Tierbehälter, die ich benutzt und als zweckmäßig befunden habe. Nr. 1 
ist für Durchspülung und Füllung mit einer, von der gewöhnlichen ab- 
weichenden Atmosphäre eingerichtet. 3 und 6 sind mit einspringenden 
Glasknöpfen versehen, auf welche ein durchlöcherter Zwischenboden ein- 
gelegt werden kann. 

Bestimmungen bei wechselnder Intensität der Kohlensäure- 
produktion. In Apparaten dieser Art ist natürlich das CO,-Prozent im Tier- 


behälter nie gleich 0, sondern es muß eine gewisse Größe haben, damit Gleich- 
gewicht zwischen Produktion und Absorption bestehen kann. Bei wech- 
selnder Intensität der Kohlensäureproduktion muß sich die CO,-Menge im 
Tierbehälter ändern, und dies muß zu Fehlern Veranlassung geben, beson- 
ders wenn das CO,-Prozent ein hohes ist, weil bei den Sauerstoffabsorp- 
tionsmessungen davon ausgegangen wird, daß die Kohlensäuremenge kon- 
stant bleibt. Sinkt z. B. die CO,-Menge während einer Stunde von 20 bis 
10 mm®, wird man in derselben Zeit eine 10 mm? zu hohe O,-Absorption 
ablesen. Ich habe daher an einem Apparat mit 40 cm3-Behältern (Fig. 245, 
Nr. 3) die Geschwindigkeit der Kohlensäureabsorption bei verschiedenen 
CO,-Mengen gemessen. Der Apparat wurde wie gewöhnlich in ein Wasser- 
bad aufgehängt, und nachdem Temperaturkonstanz eingetreten war, wurde 
etwas CO,-haltige Luft in den einen Behälter eingeführt und nach erfolgter 
Druckausgleichung der Apparat verschlossen. Das Manometer fing nun an 


528 August Krogh. Über Mikrorespirometrie. 


sich zu bewegen, und jede Minute wurde der Stand notiert, bis er kon- 
stant wurde, und die Kohlensäureabsorption somit beendet war. 
Aus den Resultaten hat sich die folgende kleine Tabelle ableiten lassen: 


CO, im Apparat CO, absorbiert 
Hr mm? pro Minute mm? 
01 40 14 
005 20 B) 
002 fe) 2 
O1 4 0:9 
0005 2 05 


Die CO,-Produktion wird nur selten 2 mm® pro Minute übersteigen 
und das CO,-Prozent ist daher immer niedriger als in der freien Atmo- 
sphäre. Die Schwankungen, die selbst bei starken Schwankungen des Stoff- 
wechsels (50°/,) entstehen können, sind praktisch bedeutungslos, da sie in 
Versuchen von 1 Stunde Dauer höchstens ein Paar Prozent Fehler auf den 
stündlichen Sauerstoffverbrauch bewirken können. 


Funktionsuntersuchungen an den Lungen des Menschen 
mittelst gasanalytischer Methoden. 


Von August Krogh, Kopenhagen. 


Die folgenden Bestimmungen lassen sich mit derselben Apparatur 
und nahezu derselben Methodik unter Anwendung verschiedener Gase an 
den Lungen lebender Menschen ausführen: 


. Bestimmung von Exspirationsstellung und Vitalkapazität. 
Bestimmung der Residualluft. 

Bestimmung des „schädlichen Raumes“ der Respirationswege. 

. Bestimmung des Gasdiffusionskonstanten der Lungen. 

. Bestimmung des Minutenvolumens des Blutstroms. 

. Bestimmung der Sauerstoff- und Kohlensäurespannungen des nach 
den Lungen kommenden venösen Blutes. 


Die Volumenbestimmungen haben teils selbständiges Interesse, teils 
sind sie für die übrigen Bestimmungen notwendig. Dies eilt speziell für 
die Bestimmungen der Mittelstellung und der Residualluft. 

Für alle Bestimmungen benutzt man reeistrierende Spirometer 
(Fig. 246), welche den Aöroplethysmographen nachgeahmt sind und außer- 
ordentlich präzis arbeiten. Das Spirometer besteht aus einem aus Aluminium 
gegossenen Untergestell, welches mit einer Wasserrinne versehen ist, und 
einer Glocke (Sp@G!) aus paraffinierttem Aluminiumblech, die sich auf 
zwei Stahlspitzen drehend in dem Wasser auf und nieder bewegen kann. 
Die Glocke ist zur Stirnschreibung auf einer in konstantem Abstand sich 
befindenden Kymographientrommel (Tr) eingerichtet. Eine einfache Trommel 
mit Uhrwerk gehört zu dem Apparat und ist auf dem Stativ fest ange- 
bracht. Jedem Spirometer wird ein in Liter und Unterabteilungen ge- 
teilter Maßstab mitgegeben, welcher der genauen Ausmessung der Kurven 
dient. Beim Gebrauch läßt man immer zuerst die Spirometerelocke in 
ihrer tiefsten Stellung eine Nullinie auf der Trommel zeichnen. Mittelst 
dieser werden bei der Ausmessung die Kurven orientiert. Außerdem trägt 
das Spirometer eine feste Skala, welche die direkte Ablesung der Volumina 
in Liter gestattet. Zu dem vollständigen Apparat gehört ferner eine Uhr 
(Z), welche Hundertstelminuten direkt auf die Trommel schreibt. Im Boden 
des Spirometers ist eine Vertiefung. welche zwei Schraubenflügel beherbergt 
(siehe Fig. 255). Diese können durch ein Uhrwerk betätigt werden und be- 

Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 34 


Supomwe 


530 August Krogh. 


wirken dann in ein paar Sekunden eine vollkommene Mischung der Gase im 
Spirometer. Diese Mischvorrichtung ist sehr wesentlich, wenn es sich dar- 
um handelt, unmittelbar nach Einatmung in das Spirometer eine genaue 
Durchschnittsprobe zu erhalten. Das Spirometer ist ferner mit vier Röhren- 
ansätzen versehen. Eine weite und möglichst kurze dient zum Ein- und 
Ausatmen und wird mit dem unten zu beschreibenden Hahn verbunden. 
Eine andere ist ungefähr 3 mm weit und dient zur Einleitung von Gasen, 
wenn bestimmte Mischungen im Spirometer hergestellt werden sollen. Zwei 
kleine und enge Röhrchen endlich dienen zur Entnahme von Luftproben 
aus dem Spirometer. 

Die Spirometer werden in zwei Größen hergestellt. Das größere milt 
bis 72. Der Maßstab ist in !/,. 2 eingeteilt und 10 cm® können noch ge- 


Fig. 246. 


schätzt werden. Das kleinere mißt bis 15/7 und ist in !/,, Z eingeteilt, 
3 em> können noch geschätzt werden. Das kleinere dient ausschließlich für 
Bestimmungen des schädlichen Raumes, das größere für alle übrigen Be- 
stimmungen. 

Die Spirometer müssen genau horizontal aufgestellt und die Rinne 
bis zum Rande mit Wasser gefüllt werden. 

Der Dreiwegehahn (Fig. 247) ist aus Metall mit 22 mm-Röhrenansätzen 
hergestellt und gestattet die Verbindung zwischen Mundstück und Spiro- 
meter oder zwischen Mundstück und äußerer Luft. Wenn der Handgriff 
vertikal steht, ist der Hahn verschlossen. Zwei enge Röhrchen (a und 5) 
ermöglichen die Entnahme von Luftproben entweder vom Mundstück aus 


Funktionsuntersuchungen an den Lungen des Menschen etc. 531 


(a) oder aber nach Verschließung des Hahnes aus der Leitung zwischen 
Hahn und Spirometer (b). Es ist gewöhnlich nicht möglich, die Gassammel- 
röhren direkt an den Hahn oder das Spirometer anzuschließen. Die Ver- 
bindung wird dann 
durch sehr enge Blei- Fig. 247. 
röhren (lichte Weite 
1), mm), deren schädli- 
cher Raum vernachläs- 
sigt werden kann, her- 
. gestellt (Fig. 246, B). 
Die Gassammel- 
röhren (Fig.248) sind 
permanent mit Niveau- 
gefäßen mit Quecksil- 
j ber verbunden und zu 
} zwei oder vier auf Sta- 
% tiven montiert. Die 
Größe richtet sich nach 
der Menge Gas, welche zu einer Analyse erforderlich ist. Wir machen bei- 


j nahe alle Analysen mit 10 cm® Gas und benutzen dafür Röhren von 15 bis 
" 20cm? Inhalt. Für den größeren Analysenapparat sind 21 c23 erforderlich, 
R und man verwendet dann Gassammelröhren 

{ von ca. 30 cm®. Für einige Zwecke ist es not- 2er, 


wendig, die Proben momentan nehmen zu 
können. Dies geschieht dann in evakuierten 
Röhren (5). Der Verbindungsschlauch dieser 
Röhren mit dem Niveaugefäß ist diekwandig 
und mit einem Schraubenquetschhahn ver- 
sehen. Wenn die Röhre und der Hahn ganz 
ü mit Quecksilber gefüllt ist, wird die Niveau- 
E kugel in ihre unterste Stellung gebracht und 
mit einer Wasserstrahlpumpe verbunden. Die 
: Röhre wird in wenigen Sekunden evakuiert und 
| der. Quetschhahn dann verschlossen. Das Va- 
kuum hält sich, wenn der Schlauch gut ist, 
tagelang. 

Im folgenden wird vielfach von Be- 
stimmungen während Muskelarbeit von be- 
stimmter Größe die Rede sein. Für solche 
Bestimmungen benutzt man bequem Fahrrad- 
ergometer, deren mehrere Modelle von Zuntz, 
Benedict, Krogh und Martin konstruiert wor- 
den sind. In Kroghs Modell wird eine elektromaenetische Bremsvorrichtung, 
die ohne irgendwelche mechanische Friktion arbeitet, mit einer sehr genauen 
Wägung des Bremseffekts und also der Arbeit verbunden. Bei Variationen der 


34* 


532 August Krogh. 


Geschwindigkeit variiert gewöhnlich die Arbeit pro Umdrehung ein wenig. 
Die Wage schlägt aus und der Bremsstrom muß reguliert werden, bis sie 
wieder in Gleichgewicht kommt. In der neuesten Form des Apparates wird 
* diese Regulation automatisch bewerkstelligt. Mus- 
| kelarbeit von einer beliebigen Größe, bis 3000 Kilo- 
| grammeter pro Minute, kann auf diesem Apparat 
geleistet und gemessen werden.!) 
N Die gewöhnliche 
gasanalytische Technik 
wird im folgenden als 
bekannt vorausgesetzt.?) 
Ich habe die Haldane- 
schen Apparate und Me- 
thoden als die gleich- 
zeitig bequemsten und 
für die mei- 
sten Zwecke 
jn a il gen auesten 
IE Br. und 
empfehle, als 
für alle vor- 
IN kommenden 
li Analysen ge- 
nügend Hal- 
danesLabora- 
toriumsapparat (Fig. 249), dessen Gasbürette 
21 cm? faßt, von welchen 6 cm in 0'Ol em® 
geteilt sind. Für die Analysen von Sauer- 
stoff, Kohlensäure, Wasserstoff und Stick- 
oxydul gewährt der kleinere tragbare Appa- 
rat (Fig.250) für „general air analysis“, 
dessen Bürette nur 10 cm> faßt und von 7 bis 
10 in 001 cm® geteilt ist, eine vollkommen 
befriedigende Genauigkeit. und dieAnalysen 
können damit in etwas kürzerer Zeit ge- 
macht werden. 
& Für die Stickoxydulanalysen, welche 
man in Blutstrombestimmungen zu machen 
hat, ist eine Abänderung an dem kleinen Apparat wünschenswert, um die 


———— 


Fig. 249. 


nnultEIRRRANTERRTEUNDANTED 


u rn . 


ne en ge 


| Fi ee == 
| Im 5 


m re en or 


Tr 2 nee Ems oa ann ran ern Pereenar a 


!) Die sämtlichen im Vorhergehenden beschriebene Apparate, das heißt registrie- 
rende Spirometer mit Kymographion, Drei- und Vierwegehähne, Hundertstelminuten 
schreibende Uhren, Gassammelröhren auf Stativ, !/, mm Bleiröhre für Probeentnahme 
und Fahrradergometern können von der Werkstätte des zoophysiologischen Laborato- 
riums, Ny Vestergade, Kopenhagen, geliefert werden. 

°) Franz Müller, Biologische Gasanalyse. Dieses Handbuch. Bd. III. 


Funktionsuntersuchungen an den Lungen des Menschen ete. 533 


Zusetzung von Wasserstoff während der Analyse bequemer zu gestalten 
und für die Kohlenoxydanalysen, die bei Gelegenheit der Gasdiffusions- 
bestimmungen zu machen sind, ist die etwas größere Genauigkeit, die man 
mit dem größeren Apparat erreichen kann, von wesentlicher Bedeutung. !) 
Eine sehr eingehende Beschreibung der Apparate und des Analysenver- 
fahrens, die auch alle wesentlichen technischen Details berücksichtigt, findet 
man in Haldanes Buch.) 

Hier muß nur noch das Überführen von Gasproben in den Analysen- 
apparat kurz beschrieben werden. Das Überführen geschieht. indem man die 


Zr I 
| = ! ep 


engen Verbindungen (Bleiröhre) mittelst einiger Kubikzentimeter der Probe 
auswäscht. Zu diesem Zweck bringt man einen Dreiwegehahn über die 
Gasbürette an (Fig. 251). Das Niveaugefäß des Analysenapparates wird so 


‘) Die Haldaneschen Analysenapparate werden von Siebe, Gorman d: Co., 187 
Westminster Bridge Road. London S. E., hergestellt. Ähnliche Apparate, die ich aber 
nicht persönlich kenne, werden auch von Bleckmann d: Burger, Auguststr. 3a, Berlin 
N. 24, geliefert. 

®) Methods of Air Analysis. London 1912. 


554 August Krogh. 


hoch gestellt, daß sich das Quecksilber in der Bürette dicht unter dem Hahn 
befindet. Die Verbindung mit der Gassammelröhre wird hergestellt und man 
läßt ca. 2 cm? in die Bürette hinüberströmen. Durch Drehen des oberen 
Hahnes wird diese Menge wieder nach der Atmosphäre ausgetrieben, wobei 
man einen Finger bei a anbringt, um die Ausströmung zu regulieren und zu 
verhindern, daß das Quecksilber in Schwingungen gerät. Die Ausspülung mit 
2 cm? aus der Probe wird 5mal wiederholt und dann die Probe eingetrieben. 
Es entsteht dabei in der Gasbügette ein Überdruck. Um diesen zu be- 
seitigen, verschließt man den Hahn der Gassammelröhre, ehe noch die 
Bürette gefüllt ist, und senkt dann das Niveaugefäß weiter, bis der 
atmosphärische Druck erreicht ist. 

Bei den im Folgenden erwähnten Volummessungen an den Lungen und 
Luftwegen werden die Volumina aus Volumänderungen der Luft im Spiro- 
meter berechnet. In den Lungen befindet sich aber die Luft bei 37° und 
ist überdies bei dieser Temperatur mit Wasserdampf gesättigt. Die wahren 
Lungenvolumina sind deshalb entsprechend größer, und sie werden am 
einfachsten gefunden, indem man mit Hilfe der folgenden kleinen Tabelle 
(nach Haldane) die direkt berechneten Volumina zuerst auf 0° reduziert 
und dann auf 37° hinführt. Ist eine Bestimmung z. B. bei 17° und 750 mm 
Druck gemacht, wird das gefundene Volumen mit 91'11 multipliziert und 
mit 8144 dividiert. 

Für die meisten uns interessierenden Bestimmungen kann man aber 
die Reduktionen ganz entbehren und die Volumina, wie sie abgelesen sind, 
benützen, vorausgeseztt, daß sie alle bei gewöhnlicher Zimmertemperatur 
zwischen etwa 15° und 20° gemacht worden sind. 


Tabelle für die Reduktion von feucht gemessenen Gasvolumina 
auf 0° 760 mm Druck und Trockenheit (nach Haldane). 


740 745 750 155 760 7165 770 775 780 
Grad MEN SlSzmRestwerr 

10 :92:77 9339 9404 94:66 95:30 95:93 9657 9721 97:84 
11 9236 92:98 93:63 9425 94:89 95:52 96:16 9679 97-42 
12 91:95 9255 9318 9380 9444 95:07 9570 96:33 96:96 
13. 9154 92:17 9280 9341 9405 94:68 95:31 95:94 96:37 
14 91:13 9176 92:33 93:00 93:62 9426 9488 95:51 96:13 
15 . 90:71 91:34 9196 9257 9320 93:82 9444 95:08 95:70 
16 9029 90:92 9154 9215 9278 9340 9401 94:64 95:26 
17 8987: 9050 91.11. 9172 92:35 92:97 9358 9421 9483 
18 89:45 90:03 90:68 91:30 9192 92:54 93:15 9371 94:39 
19 s9:02 89:64 9025 90:86 9148 92:09 9271 93:32 93:94 
20 8859 8921 8981 9041 9104 9165 9226 92:88 93:50 
21 8818 88:86 8940 90:01 90:62 91:23 91:84 92:45 93:07 
22 8771 8832 8890 8953 90:14 9075 91:36 91:97 92:60 
23 8726 8787 8847 8903 8969 90:29 90:90 9151 92:13 
24 86:61 8743 88:01 88362 8923 98:83 90:44 91:04 91:65 
25 86'355 8696 87:57 8817 8879 89:38 89:98 9057 91:17 
37 80:26 80:87 8144 : 82:00 82:62 83:20 8375: . 84:34 8490 


Funktionsuntersuchungen an den Lungen des Menschen ete. 535 


1. Die Bestimmung der Exspirationsstellung, Mittelstellung und 
Vitalkapazität der Lungen. 


Das große Spirometer wird mit 3—4 ! atmosphärischer Luft gefüllt 
und wie in Fig. 246 gezeigt aufgestellt. Die Versuchsperson wird mit Mund- 
stück und Nasenklemme ausgerüstet und atmet einige Minuten lang durch 
den Hahn nach außen. Am Schluß einer normalen Exspiration wird dann 
der Hahn nach dem Spirometer umgedreht — am besten, ohne daß die 
Versuchsperson es bemerkt — und ein paar Atemzüge bei langsamer 
Trommeldrehung registriert. Dann wird eine möglichst tiefe Einatmung 
mit folgender möglichst tiefen Ausatmung befohlen und gleich nach diesen 
der Versuch beendet. Ehe man einen neuen Versuch machen kann, muß 
das Spirometer mit frischer Luft ausgespült 
werden. Die Volumina werden an der Kurve Fig. 251. 
ausgemessen (Fig. 252). 

Unter Exspirationsstellung bzw. Mittel- 
stellung versteht man das totale Luftquantum, 
welches bei diesen Stellungen in den Lungen 
vorhanden ist. Zu den direkt abgelesenen Vo- 
lumina muß man daher das Volumen der 
Residualluft addieren. 

Unter normaler Mittelstellung (Bohr) ver- 
steht man die Menge Luft, welche durchschnitt- 
lich während normaler Respiration in den 
Lungen vorhanden ist. Die Mittelstellung wird 
gewöhnlich als Mittel zwischen Inspirations- 
und Exspirationsstellung berechnet. Diese Rech- 
nungsweise gibt in den meisten Fällen etwas 
zu hohe Werte, da man länger in der Ex- 
spirations- wie in der Inspirationsstellung 
verharrt. 

Die eigentliche Normalstellung der Lun- 
gen ist die Exspirationsstellung, bei welcher alle 
Respirationsmuskeln erschlafft sind. 


Beispiel: 


Im Spirometer bei normaler Exspirationsstellung : 


Exspirationsstellung 


3) 

® e R . Inspirationsstellung 288 / 
e & tiefster 4 1:17 2 
5 i 5 3 Exspirationsstellung 494 / 
Daraus Vitalkapazität 4:94—1'17 all 
Reserveluft 4-94—3°55 a; 

139 2 + Residualluft 
Tal 


= 
+ Residualluft 


l 


355—2°88 
Mittelstellung1'39 + ae zer 


e 
“ 


August Krogh. 


io) 
& 
(or) 


Die Genauigkeit der Bestimmungen wird dadurch beeinträchtigt, 
dal eine Versuchsperson, die nicht an der Mundstückatmung gewöhnt ist, 
zunächst nicht natürlich atmet. Nach einigen Minuten werden doch in der 
Regel die Unregelmäßigkeiten so klein, daß sie für die hier erwähnten 
Bestimmungen bedeutungslos erscheinen. Den Gang der Atmung erkennt 
man leicht, wenn man an der freien Öffnung des Hahns z. B. eine Pflaum- 
feder aufhängt, die von dem Luftstrom bewegt werden kann. 

Viele Versuchspersonen atmen nicht gern so tief wie möglich ein 
und aus, und bestimmte Aufforderungen sind notwendig, um dies zu 
erreichen. 

Die Lungenvolumina sind von der Körperstellung abhängig und 
müssen somit für jede besondere Stellung, mit der man zu arbeiten wünscht, 
bestimmt werden. 


2. Die Bestimmung der Residualluft. 


Das Volumen der hResidualluft wird durch Vermischen mit einem 

bekannten Quantum Wasserstoff und Analyse des Gemisches bestimmt. 

Für diese Bestimmung muß zuerst die „Resi- 

Fig. 252. dualluft“ des großen Spirometers bestimmt wer- 

den, das heißt das Luftquantum, welches es noch 

enthält, wenn die Glocke ihre tiefste Stellung 

einnimmt. Die Bestimmung der Residualluft des 

Spirometers ist der Residualbestimmung an einer 
Person ganz analog. 

Man überzeugt sich zuerst, dal) das Wasser- 
niveau genau das richtige ist. Danach wird ein 
Stopfen in den weiten Röhrenansatz eingesetzt. 
Es hat sich als unzweekmäßig erwiesen, das Vo- 
lumen von Röhren zusammen mit dem des Spiro- 
meters-zu bestimmen. Bei einer mittleren Stel- 
lung der Glocke wird ca. 1/, 2 Wasserstoff zu- 
geführt und der Inhalt des Spirometers durch- 
mischt.!) Durch ein aufgelegtes Gewicht wird 
die Glocke zum Sinken gebracht, indem die Durchmischung fortgesetzt wird 
und die Luft durch die Gaszuleitungsröhre entweicht. Wenn die Glocke sich 
dem Boden nähert, wird eine Gasprobe in einen der beschriebenen Rezipienten 
genommen, und in dem Augenklick, wo die Glocke den Boden berührt, wird 
die Zuleitungsröhre verschlossen. Man entfernt jetzt das Gewicht von der 
Glocke und bringt ein entsprechendes Gewicht an der Gegengewichtstange 
an. Die Gaszuleitungsröhre wird wieder geöffnet, und man läßt ca. !/, bis 
12 Luft einströmen, verschließt wiederum und nimmt das Gewicht weg. 


!) Wasserstoff kann man auf Stahlflaschen haben. Wenn man nicht große Quanti- 
täten braucht, ist es jedoch billiger und bequemer, das Gas mittelst Kippapparates aus 
Zink und Salzsäure zu entwickeln. Das Gas wird gereinigt, indem man es durch eine 
starke alkalische Lösung von Kaliumpermanganat streichen läßt. 


Funktionsuntersuchungen an den Lungen des Menschen ete. 5317 


Das Volumen muß an der Trommel registriert und sehr sorgfältig aus- 
gemessen werden. Die Durchmischung wird die ganze Zeit fortgesetzt, und 
man nimmt schließlich eine Probe für die Analyse. 

Die beiden Proben werden auf Wasserstoff durch Verbrennen analysiert. 
Wir beginnen immer die Verbrennung bei so niedriger Temperatur der 
Platinspirale, daß wir Explosionen vollständig verhüten. Wir glauben, dal) 
dies von Wichtigkeit, sowohl für die Genauigkeit der Analysen wie für 
die Sicherheit des Apparates, ist. ?/, der nach der Verbrennung gefundenen 
Kontraktion ist Wasserstoff, !/, Sauerstoff. Es ist aber einfacher, für diese 
Bestimmungen mit der ganzen Kontraktion zu rechnen. 

Wenn man über einen geaichten Glasballon von entsprechendem 
Volumen (am bequemsten 1) verfügt, ist es einfacher und genauer, diesen 
für die Bestimmung zu benutzen (Fig. 253). Man setzt dann den bekannten 
Luftinhalt des Ballons zu dem Spirometer und bedarf nicht der Meßskala. 


Beispiel: 
Analyse von Probe I . . . .  . Kontraktion 25°37°/ 
= x “ZW nach Einfüllen von 11 Luft . F & 830, 
x.2537=(1-+x)7835 
x (2537 — 783) = 1783. Daraus x = 0'446 / 
+ Vol. des Stopfens in der Röhre 0'006 / 
Residualluft des Spirometers 452 cm?. 
Wiederholte Bestimmungen der Fig. 253. 
Residualluft des großen Spirometers 
dürfen ca. 20cm voneinander abweichen. 
Für Bestimmungen der Residual- 
luft von Menschen verbindet man auf 
gewöhnliche Weise das Spirometer mit 
dem Hahn und dem Mundstück. Der 
Verbindungsschlauch wird möglichst kurz 
bemessen. Die Röhrenleitungen vom 
Spirometer bis zum Hahn werden mit 
Wasser ausgemessen und die Volumina 
zur Residualluft des Spirometers addiert. 
Das Spirometer wird mit 2—4/ 
(je nach Größe der Vitalkapazität) 
10—15°/, Wasserstoff gefüllt, der In- 
halt gut durchgemischt, etwas davon 
durch den Hahn ausgetrieben und eine 
Probe aus dem Spirometer unmittelbar 
vor dem Versuch entnommen. Die Ver- 
suchsperson atmet durch den Hahn 
nach der Atmosphäre so tief wie möglich aus. Danach wird der Hahn 
gedreht, und sie macht 4 tiefe Atemzüge aus und in das Spirometer und 
endet wie zuvor mit einer möglichst tiefen Ausatmung (Fig. 254). 


538 August Krogh. 


Beispiel: 
Tp. 16°, Bar. 755 mm. Residualbestimmung an Frau M. 
Im®Spirometer WE I 28 
+ Residualluft des Spirometers 04527 Probe I: Kontraktion . . 22:330/ 
+ Schlauchverbindung . . . 00892 Probe II: ke „10 40 
Summe . a I Differenz . . 49205 
22.393.399 (& 3a 
4923.39 4 
x = —— = 09581 
X 1741 0'958 
Davon in Mundstück und Hahn . . 00221 
Residualluft der Versuchsperson . 0'936. 
2 A gals L 
Wirkliches Volumen 096, = 1:057. 


An Stelle der Residualluft kann man natürlich auch direkt das 
Volumen der Lungen bei Exspirationsstellung bestimmen und dann zweck- 
mäßig diese Bestimmung mit der unter 1 


Be beschriebenen kombinieren. Dieses Verfahren 
ist jedoch mit Bezug auf die meisten Ver- 
2 3.35 suchspersonen weniger genäu. 
w Fehlerquellen und Genauigkeit. 
|| Die Bestimmung der Residualluft ist — be- 
| | sonders an ungeübten Versuchspersonen — 
| 


nicht eine sehr genaue, weil die Stellung 
nicht mit genügender Sicherheit reproduziert 
werden kann. Man muß durchschnittlich mit 
etwa 100 cm® Unsicherheit rechnen, aber an 
geübten kann man eine weit bessere Über- 
einstimmung erzielen. 

Die letzte Ausatmung ist beinahe immer weniger tief als die erste. 
Dies ist teils ein Ermüdungsphänomen, teils hängt es davon ab, dab sich 
die totale eingeschlossene Luftmenge durch Absorption von Sauerstoff und 
Wasserstoff, die von der Ausscheidung von CO, nicht vollständig gedeckt 
wird, etwas vermindert hat. Die Absorption von Wasserstoff bewirkt einen 
Fehler, welcher die Residualluft zu groß erscheinen läßt, die Absorption 
von Sauerstoff dagegen einen solchen, der sie zu klein macht. Der Ein- 
fluß der beiden Fehler kann, wenn der Versuch in weniger als einer halben 
Minute durchgeführt wird, in Vergleich mit den reellen Schwankungen, 
die man findet, vernachlässigt werden. 

Das Volumen der Residualluft ist von der Körperstellung abhängig. 
3ei Muskelarbeit nimmt es gewöhnlich etwas zu. 

Von der Residualluft subtrahiert man für viele Zwecke das Volumen 
des „schädlichen Raumes“ der Luftwege und bekommt so die „alveoläre 
tesidualluft“. Die Bestimmung des schädlichen Raumes wird unten be- 


Funktionsuntersuchungen an den Lungen des Menschen etc. 539 


sprochen. Für Diffusions- und Blutstrommessungen kann man aber in der 
Regel die direkte Bestimmung entbehren und sich damit begnügen, den 
schädlichen Raum zu schätzen. 

Die Schätzung geschieht nach einer von Lindhard aufgestellten 
Formel.!) Man mißt die Körperlänge des Individuums in sitzender Stellung 
vom Gesäß bis zum Kieferwinkel und hat dann 


für Männer für Weiber 
Berenee . ...'. ...:68 + Dem 66 -£ nem 
schädlicher Raum (37°, feucht) 140 # Tn em? 115 + nem? 


3. Die Bestimmung des schädlichen Raumes der Respirationswege. 


Das Prinzip dieser von Siebeck?) angegebenen Bestimmung besteht 
darin, daß nach einer Einatmung von Wasserstoff die Luftwege sich mit 
diesem Gas füllen, während der Anteil, welcher in die Alveolen gerät, 
sich mit der Alveolarluft vollständig vermischt. Erfolgt jetzt eine Aus- 


atmung und bestimmt man sowohl die totale ausgeatmete Wasserstoff- 
menge wie das Wasserstoffprozent in der Alveolenluft, welche zuletzt aus- 
geatmet wird, kann man aus diesen Daten den schädlichen Raum be- 
rechnen. Die folgende Aufstellung hat sich als zweckmäßig für diese Bestim- 
mung erwiesen (Fig. 255). °) 

1 ist eine Glasglocke von ca. S00 cm? und in 100 cm? grob einge- 
teilt. Durch die Röhre links kann sie mit reinem Wasserstoff gefüllt 
werden. Man spült zu wiederholten Malen mit Wasserstoff aus, so dab 
auch die Röhre 2 bis zum Hahn gefüllt wird. Gewöhnlich werden zuletzt 
ca. 500 cm? eingefüllt und die Glocke dann unter Wasser versenkt. Eine 
Art Ventil (Gummiball oder Korkplatte) kann die obere Öffnung ver- 
schließen. Der Schlauch 2 von ca. 12 mm lichter Weite führt nach dem 


- 


Vierwegehahn 2, 3, 4, 5, welcher ähnlich wie der oben beschriebene Drei- 
2) Proc. Physiol. Soc., Juni 1914: Journ. of Physiol. 48. 
2) Skand. Arch. Physiol. Bd. 25. S. 87 (1911). 


3) Krogh and Lindhard, The Volume of the „Dead Space“ in Breathing Journ. 
of Physiol. Vol. 47. p. 30 (1913). 


540 August Krogh. 


weeehahn gebaut, aber nur mit Röhren von 12 mm versehen ist. Der Hand- 
griff ist mit einer Einschnappfeder ausgestattet, so daß die verschiedenen 
Stellungen geschwind und genau eingestellt werden können. Der für das Mund- 
stück bestimmte Ansatz ist mit einem Röhrchen für Probeentnahme versehen. 

Die Versuchsperson atmet durch 5 und Z aus der Atmosphäre. Nach 
einer Exspiration wird der Hahn bis 2 gedreht und der Wasserstoff wird 
inspiriert. Es ist vorzuziehen, wenn die Versuchsperson selbst den Hahn 
im richtigen Moment dreht, und man muß sicher sein, daß keine Exspira- 
tionsbewegung nach 7 ausgeführt wird. Sogleich nach der Inspiration 
wird der Hahn weiter bis 3 gedreht und 600—800 cm in das kleine 
Spirometer exspiriert. In diesem befinden sich im voraus etwa 400 cm? 
Luft, mit welcher Menge die Exspirationsluft vermischt wird.!) Die Ex- 
spiration wird an der langsam rotierenden Trommel registriert. Viele 
Leute sind geneigt, am Anfang der Exspiration noch eine ganz kleine In- 
spirationsbewegung zu machen. Eine solche Inspiration verdirbt den Ver- 
such, und es ist daher wichtig, daß sie sogleich aus der Kurve verraten 
wird. Wenn die gewünschte Menge exspiriert ist, und während die Ex- 
spiration seitens der Versuchsperson noch fortgesetzt wird, wird der Hahn 
geschlossen und eine Alveolarluftprobe in die, am besten evakuierte Röhre 6 
genommen. Der Inhalt des Spirometers und Verbindungsschlauchs wird 
schnell durchmischt, indem der Schlauch mit den Händen abwechselnd zu- 
sammengeprebt und losgelassen wird, während die Schraubenflügel rotieren, 
und man nimmt aus dem Spirometer eine zweite Probe. Die beiden Proben 
werden auf Wasserstoff analysiert. Man rechnet auch hier nicht mit dem 
Wasserstoffprozent, sondern mit der Kontraktion und setzt dann den 
inspirierten Wasserstoff zu 150°, Kontraktion statt 100°/, H, oder, da 
er nie ganz rein ist, zu 149'5°/, statt 99:7%/,. 

Die Residualluft des Spirometers sowie das Volumen der Leitung 3—7 
muß natürlich ein für allemal bestimmt sein. 

Die Berechnung des schädlichen Raumes geschieht nach folgender 
Formel: E sei das Volumen der Exspiration, aus der Spirometerkurve ab- 
gelesen, A. ist das Kontraktionsprozent der Exspirationsluft, Ah; dasjenige 
der Inspirationsluft und }, das der Alveolarluft. S ist der schädliche Raum. 
Wir haben dann die totale ausgeatmete Wasserstoffmenge Zh. gleich der 
Summe der Mengen, welche aus dem schädlichen Raume respektive den 
Alveolen gekommen ist, oder 

Eh, = Sh; — (E—S)h,, 
woraus S(h —h,) = Eh, — Eh, 
„_Eh,—Eh, 
Ve RESET 

Eh, ist die totale ausgeatmete Wasserstoffmenge und folglich gleich 

der Menge, welche sich im Spirometer nach Abschluß des Versuches be- 


( 


!) Wenn man zu wenig Luft im Spirometer hat, bekommt man leicht ein für 
die Analyse zu hohes Wasserstoffprozent. 


Funktionsuntersuchungen an den Lungen des Menschen ete. 541 


findet. Diese Menge berechnet man aus der Analyse von Probe II durch 
Multiplikation mit der totalen, im Spirometer vorhandenen Luftmenge. 


Beispiel: 
Im Spirometer am Anfang . . 0'400 1 
amannde... "08517 
Volumen der Exspiration.. . 0'451/ Probe I 25'87°/, Kontraktion 
Residualluft und schädl. Raum 
des Spirometers . . . . . 02087 Probe I 25'58°/, 
Abgelesene Luftmenee. . . . 08511 
Totale Menge . . 1'059 7 


Sh.— 1059 %X 25:58 = 2710 
2 04517 x 2587 —= 1165 


Differenz . . 1545| Daraus der schädl. Raum S = 125 cm? 
h; — h, = 1495 — 2587 = 1236| im Mundstück und Hahn . . 28 cms 


Persönlicher schädl. Raum . 97 cms. 
Fehlerquellen und Genauigkeit. Die theoretische Voraussetzung 
dieser Methode — daß die Alveolarluft sogleich nach der Inspiration ein völlig 
einheitliches Gemisch darstellt — hat sich bei der von Lindhard und Krogh 
angestellten eingehenden Prüfung als nicht stichhaltig erwiesen. Nach einer 
Inspiration von 057 H, fanden wir z. B. in einer Alveolarluftprobe nach 17 
Exspiration 14'0°/, H, und nach einem weiteren Liter nur noch 13°0°/,. Eine 
Berechnung zeigt aber, daß, wenn sowohl die Inspiration wie die Exspiration 
möglichst klein gemacht werden, der Einfluß von Fehlern dieser Größen- 
ordnung nur wenige Kubikzentimeter auf dem schädlichen Raum ausmachen 
wird. In- und Exspirationen werden daher so klein gewählt, daß man eben noch 
sicher sein kann, daß der schädliche Raum jedesmal vollständig ausgespült 
wird. Dazu genügen, wie Lindhard und Krogh gefunden haben, In- und Ex- 
spirationen von 3- bis 6mal das Volumen des schädlichen Raumes. Die untere 
dieser Grenzen darf nicht überschritten werden. Wenn man über die obere 
hinausgeht, verlieren die Bestimmungen anfangs nur wenig an Zuverlässig- 
keit, aber bei größeren Respirationen werden die Werte ganz unsicher. 
Als Genauigkeitsbeispiel gebe ich die folgende kleine Reihe von Bestim- 
mungen an A.K. 


Inspiration Exspiration Schädl. Raum 

IH, I em? 

05 07 154 
05 065 131 
05 10 150 
05 10 150 
05 1laal 150 
0:5 085 146 
075 08 156 
05 0:6 136 
0.75 0:65 125 
06 0:8 132 
0°6 0:8 136 Strenge Muskelarbeit 


06 08 148 ni $ 


542 August Krogh. 


Das Mittel dieser Bestimmungen ist 145 #3 cm? und der mittlere 
Fehler »—= + 11cm®. Das wahre Volumen (37°) wird 143. a 159 em®. 

Lindhard und Krogh haben ferner gezeigt, daß, wenn man den 
schädlichen Raum z. B. mit einer Glasröhre von bekanntem Volumen ver- 
mehrt, man auch tatsächlich das hinzugefügte Volumen in den Bestim- 
mungen wiederfindet. 

Lindhard hat neuerdings gefunden, daß die Mundstellung einen be- 
deutenden Einfluß auf die Bestimmungen des schädlichen Raumes ausübt. 
Das Volumen des Mundes ist ja sehr variabel, und wenn die Stellung der 
Kiefer nicht beachtet wird, kann man leicht Variationen im schädlichen 
Raume bis 30 cm® oder mehr bei ein und derselben Versuchsperson vor- 
finden. Beispiel: J. L. bei kleinem Mund 105 cm®, bei großem Mund 137 cm®. 
Andrerseits kann, wenn die Mundstellung genau kontrolliert wird, eine 
noch etwas bessere Übereinstimmung der Werte erzielt werden als die 
oben angezeigte. 


Es steht zu erwarten, dal) auch der jeweilige Zustand der Broncho- 
motoren einen Einfluß auf die Größe des schädlichen Raumes ausüben 
kann. Ein solcher Einfluß ist jedoch bisher nicht experimentell erwiesen 
und eine merkliche oder gar enorme Erweiterung bei Muskelarbeit, wie 
sie Zaldane und Douglas!) glaubten festgestellt zu haben, findet jedenfalls 
nicht statt. 

Die Bestimmungen des schädlichen Raumes werden besonders dafür 
angewendet, um die mittlere Zusammensetzung der Alveolarluft aus Ana- 
Iysen der Exspirationsluft und Messungen der Respirationstiefe berechnen 
zu können.?) Dies geschieht nach der von Dohr aufgestellten Formel 


NZ 
ES?’ 


in welcher # das Exspirationsvolumen, S der schädliche Raum, e, © und « 
die prozentige Menge eines Gases respektive in der Exspirationsluft. In- 
spirationsluft und Alveolarluft ist. 

Bei sehr tiefen Respirationen, wie z. B. während Muskelarbeit, wer- 
den Fehler mit Bezug auf S nur von geringem Einfluß sein, und man 
kann sich mit einer Schätzung begnügen, bei gewöhnlichen Respirationen 
zwischen 12 und etwa 400cm® muß S genau bestimmt werden, um 
zuverlässige Werte für x zu erhalten, und bei ganz kleinen Respirationen 
genügt auch die genauest mögliche Bestimmung von S nicht mehr, und 


man ist auf direkten Analysen der Alveolarluft ad modum Haldane?®) 
hingewiesen. 


‘) Journ. of Physiol. Vol. 45. p. 235 (1912). 
?) Krogh and Lindhard, On the average composition of the alveolar air. Journ. 
of Physiol. Vol. 47. p. 431 (1914). 


®) Haldane and Priestley, Journ. of Physiol. Vol. 33. p. 240 (1905). 


Funktionsuntersuchungen an den Lungen des Menschen etc. 543 


4. Die Bestimmung des Gasdiffusionskonstanten der Lungen. 


Die Gasdiffusion könnte man berechnen, wenn man die Lungenober- 
fläche, die durchschnittliche Dicke der Alveolarwand und den spezifischen 
Diffusionskonstant der Wand kannte. Diese Größen sind aber sämtlich 
unbekannt und zurzeit einer, wenn auch bloß annähernden Bestimmung, 
unzugänglich. Man muß daher die Diffusion direkt in den Lungen messen. 
Man verfährt dabei so, daß man ein Gas, welches durch die Alveolarwand 
diffundieren kann, in die Lungen bringt und untersucht, wieviel davon in 
gemessener Zeit aus den Alveolen in das Blut diffundiert. Um einen Dif- 
fusionskonstant hieraus zu berechnen, ist es aber notwendig, außerdem 
die mittlere Spannung des Gases sowohl in den Alveolen wie im Blute 
während des Versuches zu kennen. Nur dann kann man die mittlere 
Spannungsdifferenz und dadurch die Menge Gas, welche pro Millimeter 
Druckdifferenz in der Zeiteinheit diffundiert, berechnen. 

Die allermeisten Gase diffundieren so schnell und sind im Blute so 
schwer löslich, daß das Blut schon lange, ehe es aus den Lungen gekommen 
ist, damit praktisch gesättigt wird. Man kann dann die mittlere Spannung 
eines solchen Gases während der Passage nicht bestimmen, und es ist für 
Diffusionsversuche völlig unbrauchbar. Das einzige Gas, welches sich für 
Diffusionsbestimmungen verwenden läßt, ist das Kohlenoxyd, weil es vom 
Hämoglobin sehr fest gebunden wird. Wenn man nur kleine Mengen in 
das Blut diffundieren läßt, kann man, ohne einen nennenswerten Fehler 
zu begehen, damit rechnen, daß seine Spannung im Blute während der Passage 
nicht merklich über Null steigt. Der volle Druck des Kohlenoxyds in den 
Alveolen ist somit als Spannungsdifferenz verfügbar und es kommt nur 
darauf an, den mittleren Druck und die verschwundene Menge zu be- 
stimmen. 

Für die Bestimmung verwendet man das große Spirometer (7) mit 
Dreiwegehahn, Verbindungsschlauch, der wenigstens 50 cm lang und von 
150 cm® Volumen sein muß, Mundstück und Nasenklemme, Gassammel- 
röhren für 25 bis 30 cm®, die mittelst einer Gabelröhre zu zwei mit der 
Röhre 5 des Hahnes verbunden werden (Fig. 246), und den größeren Haldane- 
schen Analysenapparat. 

Die Methodik der CO-Diffusionsbestimmungen ist von Marie Krogh 
ausgearbeitet und auf die verschiedenen möglichen Fehlerquellen hin näher 
untersucht worden. Sie wird demnächst über die Resultate der Bestim- 
mungen an einer Anzahl verschiedener Personen berichten. Hier werden 
die Ergebnisse nur, soweit sie methodisch von Bedeutung sind, berücksichtigt. 

Die Bestimmungen werden folgendermaßen ausgeführt. Im Spiro- 
meter wird eine CO-Mischung von ungefähr 1°/, hergestellt. Das Kohlen- 
oxyd stellt man sich aus Ameisensäure (1 Teil) und konzentrierter Schwefel- 
säure (2 Teile) her. Es wird mit 20°/, KOH gewaschen und am besten 
in einem kleinen Gasometer, das man aus einer Woul/ffschen Flasche und 
einem Hahntrichter herstellt, aufbewahrt. Man gießt in den Trichter jedes- 


544 August Krogh. 


mal soviel Wasser, wie man Kohlenoxyd braucht und treibt es dadurch in 
das Spirometer hinüber. Nach der Vermischuug wird auch der Schlauch 
bis zum Dreiwegehahn durch Austreibung von !/; Z mit der CO-Mischung 
gefüllt. Die Versuchsperson atmet zunächst eine kurze Zeit durch Mund- 
stück und Hahn aus der Atmosphäre. Nachdem die Trommel und die 
Zeitschreibung in Gang gesetzt sind, macht sie auf gegebenen Befehl eine 
Ausatmung bis zur Residualluft. Der Hahn wird dann gedreht und sie 
macht eine tiefe Einatmung aus dem Spirometer. Nach ein paar Sekunden 
wird wieder ausgeatmet, und zwar wenigstens soviel, daß man sicher sein 
kann, dal der Schlauch bis zum Spirometer mit Alveolarluft gefüllt ist.!) 
Der Hahn wird dann geschlossen und durch die Röhre 5) am Hahn wird 
aus der Leitung eine Probe der Alveolenluft genommen. Nach etwa 
0'1 Minute wird der Hahn wieder nach dem Spirometer geöffnet und eine 
erneute tiefe Ausatmung gemacht. Unmittelbar nachher wird der Hahn 
nach außen gedreht, eine zweite Alveolarluftprobe aus der Leitung ge- 
nommen und die Trommel zum Stillstand gebracht. 

Die Kohlenoxydanalysen müssen mit großer Sorgfalt gemacht werden, 
wejl die absoluten Mengen von Kohlenoxyd sehr gering sind und die 
Fehler daher einen sehr großen Einfluß auf das Resultat ausüben können. 
Man absorbiert daher zuerst die Kohlensäure und bestimmt danach so- 
wohl die Kontraktion nach Verbrennung, wie auch durch Absorption die 
gebildete UO,-Menge. Die letztere soll genau das Doppelte der Kontraktion 
betragen. Wenn das nicht der Fall ist, sind entweder noch andere brenn- 
bare Gase im Gemisch vorhanden, oder der Apparat ist nicht ganz rein. 
Wenn die Kontraktions- und CO,-Werte gut stimmen, benutzt man die 
Summe beider. Wenn kleine Abweichungen zwischen den beiden Zahlen 
vorhanden sind, und besonders wenn die CO,-Werte etwas mehr als doppelt 
so groß wie die Kontraktionswerte sind, gibt man nach der Erfahrung von 
M. Krogh den Kontraktionszahlen den Vorzug. In der Berechnung ist 
es ganz gleichgültig, ob man die Kohlenoxydzahlen selbst oder beliebig 
andere, damit proportionale Werte benutzt.?) In vielen Fällen ist es vorteil- 
haft, wenn auch nicht notwendig, den Sauerstoff zu bestimmen. Zu dem 
direkt durch Absorption gefundenen Sauerstoffwerte muß man dann noch 
den bei der CO-Verbrennung verbrauchten Sauerstoff hinzuaddieren. 


t) Die für bestimmte Fälle günstigste Größe der Ausatmung wird unten näher be- 
sprochen. 

?) Im hiesigen Laboratorium sind die CO-Analysen mittelst eines speziell dafür 
eingerichteten sehr genauen Analysenapparates, der noch die Bestimmung von 0'001°/, 
gestattet, ausgeführt worden. Dieser Apparat, dessen Bürette 35 cm® faßt, von welchen 
8°/, in 0:01°/, geteilt sind, ist nach dem Pettersonschen Prinzip eingerichtet, weil das 
Haldanesche Kalimanometer für die gewünschte Genauigkeit nicht empfindlich genug 
ist. Die große Genauigkeit hat sich für das Fahnden auf Fehlerquellen, sowohl bei der 
Analyse wie in der Bestimmung als Ganzes, als sehr nützlich erwiesen. Sie ist aber 
schwer zu erreichen und, wenn die hier gegebenen Vorschriften genau befolgt werden, 
nicht für die Bestimmungen absolut notwendig. 


Funktionsuntersuchungen an den Lungen des Menschen etc. 545 


Die Berechnung der Diffusion wird am besten an der Hand eines 
Beispiels erörtert. Die erhaltene Kurve (Fig. 256) wird folgendermaßen 
ausgemessen. Man mißt in Litern den vertikalen Abstand zwischen den 
Linien 437 und 190. Dieser Abstand entspricht dem Luftvolumen, welches 
mit der Residualluft in den Lungen während des Versuches einge- 
schlossen war. 


Tp. = 16°, Barometer 747 mm. 


ale . Er 2471 
Bueslare Residuallut - . . . 2... 2... 1931 
Eingeschlossene Luftmenge . . . . . ....3701 


Man zeichnet die vertikalen Linien a und b so, daß sie die Aus- 
atmungskurven in einem vertikalen Abstand von den horizontalen Kurven- 
strecken von ungefähr 
150 em schneiden. Die- Fig. 256. 
ser Abstand entspricht 437 

dem gewöhnlichen 
schädlichen Raum. 
Wenn man über eine 
Bestimmungdesschäd- 
lichen Raumes der be- 
treffenden Person ver- 
fügt, benützt man na- 
türlich diese, vermehrt 
mit dem schädlichen 
Raum des Mundstückes 
und Hahns. Die bei- ee eh: 
den Linien entsprechen a 5 
den Zeitpunkten, wann 
die Luftproben die Lungenalveolen verließen. Ihr Abstand in Minuten ist 
die Dauer des Versuches. 


Die beiden Analysen ergaben 


I 1I 
Be rn. 22. 025%, 0140%, 
ers. ,0490/, 02750, 
Same... ...0..0:135%, 0415%, 


Die Menge CO, welche zu jeder Zeit aus den Alveolen in das Blut 
diffundiert. ist der gleichzeitigen CO-Konzentration Ü proportional und 
man hat daher die Differentialeleichung 

a ee 
oder mit der Anfangskonzentration 0'735 und der Endkonzentration 0'415 
nach t=0'082 Minuten. 
Ds log C,—log C, we 0,866 — 0'618 
t log e 0'082 x 04343 
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VII. 5 


= 698. 


546 August Krogh. 


Nach dieser Formel entspricht % der Menge CO in Kubikzentimetern, 
welche pro Minute und pro Kubikzentimeter Lungenvolumen in das Blut 
diffundieren würde, wenn die Lungen mit reinem CO gefüllt wären und 
die CO-Spannung des Blutes konstant auf O gehalten werden könnte. 

Aus k berechnet man dann weiter den Diffusionskonstant D als die 
Menge CO, welche durch die Lungen als Ganzes pro Minute und pro 
Millimeter Druckdifferenz diffundieren kann. Man findet 


in welcher Formel V das Luftvolumen in den Lungen, in Kubikzentimetern 
ausgedrückt, P den Druck in Millimetern Hg bedeutet. Der Druck ist 
gleich dem jeweiligen Barometerstand — der Wasserdampftension, welche 
bei 37° in den Lungen zu 47 mm gesetzt werden kann. Um jetzt D in 
Kubikzentimetern bei 0° und 760 mm ausgedrückt zu bekommen, muß 
natürlich V auf 0° und 760 mm reduziert werden. 

Wenn man der äußersten rechnerischen Genauigkeit zustrebt, müssen 
selbstverständlich alle diese Reduktionen ausgeführt werden. Da aber die 
Volumenbestimmungen immer auf wenigstens 1°/, unsicher sind, und da 
der Barometerstand als Korrektionsfaktor sowohl in V wie in P eingeht, 
kann man bei gewöhnlicher Temperatur und unter der Voraussetzung, 
daß die Residualluft nicht bei sehr abweichendem Barometerstand be- 
stimmt worden ist, die direkt abgelesenen Volumina unreduziert benutzen 
und nur mit einem, vom Druck unabhängigen und mit der Temperatur 
nur wenig variierenden Faktor (R) multiplizieren. Man hat z. B. bei 16° und 
740 mm Druck 


V V1xX 0'9029 


SEN ne SEEN, 
P 693 on 
und bei 16° und 770 mm Druck 
V 7 -940 e z 
2 Mer Val V1.% 0'00130 


1% 125 

Der Reduktionsfaktor R variiert folgendermaßen mit der Temperatur: 

14% 00031 
16° 0:00130 
182 0:00129 
200 000128 

Im oben angeführten Beispiel hat man somit den Diffusionskonstant 

für Kohlenoxyd 
D =VisKkRıs = 3700.6'98.0:00130 = 331. 

Die Diffusionsgeschwindigkeiten verschiedener Gase in einer Flüssig- 
keit sind mit den Absorptionskoeffizienten proportional und mit den Qua- 
dratwurzeln der Molekulargewichte umgekehrt proportional. Man kann 
nun infolge Untersuchungen von Cushny!) annehmen, daß die Scheide- 


!) Journ. of Physiol. Vol. 40. p. 26 (1910). 


Funktionsuntersuchungen an den Lungen des Menschen ete. 547 


wände zwischen Blut und Lungenluft sich in ihren Absorptionsverhältnissen 
ungefähr wie Wasser verhalten und somit die Absorptionskoeffizienten 
für Gase in Wasser benutzen. Man findet dann für die physiologisch 
wichtigen Gase Sauerstoff, Kohlensäure, Stickstoff, Stickoxydul ‚und 
Wasserstoff: 


0568 Vz _ 
- 00184 Ya 
4 VoR 
a = N; 
00184 30 


00242 V28 
U n— Cümpar=r 1 == 
00184 /52 
00122 V28 
(U ITSETE A TjERSS 
0:0184 28 
DE 00166 | 23 
0.0184 V2 

Fehlerquellen und Genauigkeit. Die Genauigkeit der Diffusions- 
bestimmungen hängt von der Analysengenauigkeit, der Bestimmung der 
Versuchsdauer und den Volumbestimmungen ab. 

1. Die Analysen können mittelst des größeren Haldaneschen Apparats 
mit einer Genauigkeit von £0'005°/, durchgeführt werden, wenn man 
mit sehr großer Sorgfalt arbeitet. Wenn man in der ersten Probe etwa 
0:5%/, CO hat und in der zweiten etwa 0'2°/,, können Fehler von 0°01°/, 
auf beide Analysen, aber in entgegengesetzter Richtung, höchstens eine 
Abweichung von 7°/, mit Bezug auf D herbeiführen. 

2. Die Dauer kann gewöhnlich leicht bis auf 1°/, genau bestimmt 
werden. 

3. Die Genauigkeit der Volumbestimmung ist, wie oben angeführt, 
gewöhnlich 100 cm? oder 2—3°/,. Wenn der schädliche Raum nicht be- 
stimmt, sondern geschätzt ist, kann dadurch noch ein Fehler von 1°/, 
herbeigeführt werden. 

4. Es ist eine Voraussetzung für die Berechnung, dab die CO-Span- 
nung im Blute während des Versuches keine melibare Größe erreicht. 
Eine Überschlagrechnung zeigt, dal) dies tatsächlich zutrifft. Rechnen wir 
z.B. mit einem CO-Prozent am Anfang von 0'5 und am Schlusse von 02 
und mit einem Lungenvolumen von 3/, sind während des Versuches von 


Fi 
180) 
(BU) 
=) 

Q 
— 
= 

Q 


—-D; 246 Deo, 


Dy, =D — 066 Deo, Dx,o = Deo 


= Deo: 


0'1 m Dauer _ .3000 = 9cm? CO aufgenommen worden. Das durchschnitt- 


liche Minutenvolumen ist 4/ und die OO-Kapazität 180 cm® pro Liter. Die 


Sättigung wird somit — 12'5%/,. Nach der Kurve von Douglas, 


180x 04 
Haldane and Haldane!) entspricht dies einer CO-Spannung von O'01°/, 
einer Atmosphäre. Die mittlere CO-Spannung im Blute während des 
Versuches ist dann 0'005°/,, während die mittlere Spannung in den Al- 
veolen ungefähr 0'35°/, beträgt. Die Spannungsdifferenz ist somit als 
0'345 statt 035 in Rechnung zu bringen und man findet den Diffusions- 


') Journ. of Physiol. Bd. 44. S. 278 (1912). 
30 


548 August Krogh. 


konstant etwa 1°/, zu niedrige. Wenn mehrere Versuche nacheinander an 
derselben Person gemacht werden, wird sich das CO im Blute anhäufen 
und etwas größere Fehler können entstehen. 2—3 Versuche können jedoch 
immer mit der hier beschriebenen Technik unmittelbar nacheinander 
folgen, ohne einen merklichen Fehler zu bedingen. 

Der kombinierte Einfluß der verschiedenen Fehler bewirkt, daß die 
mittlere Abweichung der einzelnen Bestimmungen einer Reihe an derselben 
Person während der Ruhe angestellten Versuche ca. 5°/, betragen wird. !) 
Dies gilt, wenn sämtliche Versuche auf das mittlere Lungenvolumen re- 
duziert sind. Wie unten näher erörtert wird, ist nämlich der Diffusions- 
konstant von dem Lungenvolumen in gesetzmäßiger Weise abhängig. 

Der Einfluß des Lungenvolumens auf den Diffusions- 
konstant. Die Berechnung des Diffusionskonstantes bei Mittel- 
stellung der Lungen. Die Größe des Diffusionskonstantes ist von dem 
jeweiligen Lungenvolumen abhängige. Wenn die Alveolen als dehnbare 
Kugel betrachtet werden dürfen, muß die Oberfläche dem Quadrat der 
dritten Wurzel des Volumens proportional sein. Ferner wird die Dicke 
der dehnbaren Wand umgekehrt proportional der Oberfläche sein. Die 
Diffusionsgeschwindigkeit ist proportional der Oberfläche und umgekehrt 
proportional der Dicke, und man hat somit unter der genannten Voraus- 
setzung, daß D der vierten Potenz der dritten Wurzel des Volumens 
proportional sein mub, 


Es hat sich aber herausgestellt, daß diese theoretische Ableitung den 
tatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht. M. Krogh hat z. B. die folgende 
typische Reihe von Werten an einer Versuchsperson bei verschiedenen 
Volumina der eingeschlossenen Luft erhalten: 


Alv. Lungenvolumen 


Versuch in Liter k D 
1 1:92 11:80 30% 
2 2:14 10:75 326 
3 2:32 9:95 3123 
4 Da 8:70 32:6 
5 348 6:65 308 
6 3:63 6:30 322 
7 371 625 318 
8 3:88 670 360 
B) 447 660 40:9 

10 4:63 5.65 38:2 


In den Bestimmungen mit eingeschlossenen Luftmengen über 3°4 
ist k innerhalb der Fehlergrenzen konstant und D somit mit V proportional. 
Bei Mengen unter 3°4 ! wächst k dagegen schnell an, und D wird ungefähr 
konstant und somit vom Volumen unabhängig. Dieses Verhalten ist mit 


!) In den Versuchen von M. Krogh ist die mittlere Abweichung, der größeren 
Analyseugenauigkeit entsprechend, ca. 3°,. 


f 
t 
l 


Funktionsuntersuchungen an den Lungen des Menschen ete. 549 


Formänderungen der Alveolen verknüpft.!) Bei größerem Luftinhalt sind 
die Alveolen mehr oder weniger kugelig und die Wände sind glatt. Volum- 
änderungen finden ohne oder nur mit geringen Formänderungen statt 
durch Dehnung der Wände. Von einem bestimmten Volumen ab, welches 
mit der natürlichen Mittelstellung sehr nahe zusammenzufallen scheint, 
verhalten sich aber die Alveolen bei fortgesetzter Verminderung des Vo- 
lumens ganz anders. Die Wände ziehen sich nicht mehr zusammen, sondern 
legen sich in Falten. Die Oberfläche und somit D hält sich dann konstant, 
während sich das Volumen vermindert. 

Hieraus ergibt sich die Regel von der Reduktion des Diffusions- 
konstantes auf die normale Mittelstellung. Wenn man eine Bestimmung 
bei kleinem Lungenvolumen macht, bestimmt man k und \V und der da- 
durch gefundene Diffusionskonstant ist mit dem bei der Mittelstellung 
gleich. Macht man dagegen eine Bestimmung bei größerem Volumen der 
eingeschlossenen Luftmenge, bestimmt man nur k und findet D durch 
Multiplikation von k mit dem aus speziellen Bestimmungen bekannten 
Volumen bei der Mittelstellung Vyı. 


In Versuchen an Personen, die nicht an Atmung an Apparaten ge- 
übt sind, ist die letztere Methode die leichteste und zugleich die genaueste, 
da man eine genaue Mittelstellungesbestimmung ziemlich leicht erhalten 
kann, und es dann nicht darauf ankommt, dal» die Versuchsperson im 
Diffusionsversuche selbst genau bis zur Residualluft ausatmet. 


Die Wirkung von Kreislaufänderungen auf die Lungendiffusion. 


Wenn die Durchmischung des Blutes in den Lungenkapillaren eine 
augenblickliche und vollkommene wäre und der Diffusionsweg somit nur 
der Dicke der Scheidewand entspräche, müßte der Diftusionskonstant un- 
abhängig vom Blutstrom sein. Es ist aber einleuchtend, daß das nicht der 
Fall sein kann, daß vielmehr auch innerhalb des Blutes in den Lungen- 
kapillaren ein Spannungsabfall von der vorderen bis zur hinteren Kapillar- 
wand vorhanden sein muß. Es fragt sich nur, wie groß dieser Spannungs- 
abfall ist, und wie er mit Variationen im Blutstrom sich ändert. Wenn 
verhältnismäßig kleine Änderungen des Blutstromes meßbare Änderungen 
des Diffusionskonstantes herbeiführen könnten, würde der Wert der 
Diffusionsbestimmungen sehr beeinträchtigt werden, und es wäre notwendig, 
sie jedesmal mit Blutstrombestimmungen zu kombinieren. Direkte Versuche 
haben nun gezeigt, daß kleinere Blutstromänderungen, wie sie etwa in der 
Ruhe vorkommen, keine außerhalb der Fehlergrenzen gehenden Änderungen 
der Lungendiffusion herbeiführen. Bei sehr starker Vermehrung des Blut- 
stroms, wie sie während anstrengender Muskelarbeit stattfindet, steigt aber 
der Diffusionskonstant deutlich an. 


') Cloetta, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. 66. S. 436—442 (1911). 


550 August Krogh. 


Beispiel: 
Diffusionskonstant Minutenvolumen 
[0/6] cm? l 
Ruhe: 8 AU BREITE 22 4-5 
Arbeit (1000 kg-m pro Minute) 441 456 20 


Die Bestimmungen während Muskelarbeit werden genau wie in der 
Ruhe ausgeführt. Nur macht man sowohl die Vorperiode wie die Versuchs- 
periode so kurz wie möglich (Versuchsperiode von 0°06 m) und benutzt 
daher eine evakuierte Gassammelröhre für die erste Probe. 


5. Die Bestimmung des Minutenvolumens des Blutstroms. 


Wenn das Blut in den Lungen mit irgend einem fremden Gas in 
Berührung kommt und sich mit diesem während der Passage vollständig 
sättigen kann, wird die in gewisser Zeit verschwundene (Grasmenge ein 
Mab für den Blutstrom. Die Bestimmung ist der Diffusionsbestimmung 
ganz analog, nur das angewandte Gas ist verschieden. Hier muß man ein 
(as benutzen, das nicht mit dem Blute eine chemische Verbindung eingeht, 
aber zu gleicher Zeit leicht löslich ist und mit so großer Schnelligkeit 
diffundiert, dal) man sicher sein kann, daß das Blut. wenn es die Lungen 
verläßt, im vollständigen Diffusionsgleichgewicht mit der Alveolenluft steht. 
Ein solches Gas ist das Stickoxydul, welches zuerst von Zuntz, Müller und 
Markoff für Blutstrombestimmungen angewendet wurde. 

Das Stickoxydul ist im Blute ziemlich leicht löslich!) und geht mit 
den Blutbestandteilen keine chemische Verbindung ein, so daß nur die 
physikalisch lösliche Menge aufgenommen wird. Das Gas ist im Handel 
auf kleinen Stahlflaschen zu haben und läßt sich übrigens auch sehr leicht 
rein darstellen.2) Die Analyse scheint zwar in vielen Fällen große 
Schwierigkeiten bereitet zu haben, ist aber trotzdem bei richtigem Vor- 
gehen leicht und mit vollkommen genügender Genauigkeit durchzuführen. 

Die Bestimmung gestaltet sich in Ruheversuchen folgendermaßen. 3) 

Die Aufstellung ist genau wie für die Diffusionsversuche Fig. 246. 
Man mischt im Spirometer 27 Luft mit 12 N,0. Die Versuchsperson atmet 
wie in den übrigen Bestimmungen zunächst durch das Mundstück und den 
Hahn nach außen. In Versuchen dieser Art und speziell in solchen, die 
das Erlangen von Ruhewerten bezwecken, ist es notwendig, daß die Ver- 
suchsperson mindestens 15 Minuten in der gewünschten Stellung verharrt. 
Erst dann hat sich die Zirkulation den Verhältnissen vollkommen ange- 


') Man hat bisher nach Bestimmungen von Siebeck an Rinderblut [Skand. Arch. 
Physiol. Vol. 21. p. 368 (1909)] mit einem Absorptionskoeffizient von 0'43 gerechnet. Sehr 
gut übereinstimmende Messungen, die Zindhard und Krogh eben an Menschenblut gemacht 
haben, zeigten aber, daß die richtige Zahl 0.405 + 0:005 ist. 

?) Zur Darstellung benutzt man Ammoniumnitrat, welches einfach in einem Kolben 
erhitzt wird. Das Gas wird durch 2—3 vorgeschaltete Waschflaschen mit Ferrosulfat- 
lösung gereinigt. 

®) Krogh and Lindhard, Skand. Arch. Physiol. Vol. 27. p. 100 (1912). 


Funktionsuntersuchungen an den Lungen des Menschen ete. 551 


paßt und man kann konstante Resultate bekommen. Einige Minuten vor 
dem Versuch läßt man dann Mundstück und Nasenklemme anbringen. 

Nach einer gewöhnlichen Ausat- 
mung wird dann der Hahn gedreht, und 
die Versuchsperson macht während 
einer Vorperiode von ca. 0'1—0'15 Mi- 
nuten 3 mäßig tiefe (27) In- und Ex- 
spirationen (Fig. 257). Die Vorperiode 
hat den Zweck, eine gleichmäßige Gas- 
mischung in den Lungen herzustellen 
und gleichzeitig das Lungengewebe mit 
N,O zu sättigen. Die Erfahrung hat 
gezeigt, daß durch diese Form der 
Vorperiode die Zirkulation am wenigsten 
gestört wird, während die Gasmischung 
in den Alveolen eine vollkommene wird. 
Nach der letzten Exspiration wird der 
Hahn geschlossen und dann eine Alve- 
olarluftprobe in oben geschilderter 
Weise aus der Leitung genommen. Nach 
einer Versuchsperiode von ca. 0'2 Minu- « 
ten wird in das Spirometer schnell 
bis zur Residualluft ausgeatmet und 
wieder eine Probe genommen. Während 
der Versuchsperiode soll die Lungen- 
stellung der Versuchsperson der nor- 
malen Exspirationsstellung möglichst 
gleichkommen und die Respirations- 
muskeln ganz erschlafft sein, so dab 
der Druck in den Lungen dem atmo- Be 
sphärischen gleichkommt. 

In Versuchen, die mit Muskel- 
arbeit verknüpft sind, fügt man zum 
(Gemisch im Spirometer noch 02—0'3 / 
O,. Man begnügt sich mit 2 tiefen Re- 
spirationen während der Vorperiode 
und macht die Versuchsperiode ent- 
sprechend kürzer. Bei angestrengter 
Muskelarbeit kommt man noch mit 
einer Versuchsperiode von 0'06 Minuten 
aus, weil der Kreislauf enorm gestei- 
gert ist. Man mul) natürlich in diesem Falle die erste Probe in eine evakuierte 
Röhre nehmen. 

Die Analysen werden durch Verbrennung des Stickoxyduls mit Wasser- 
stoff nach Absorption der Kohlensäure und des Sauerstoffs gemacht. 


350 


0258 m 


Fig. 25 


NEST EEE TE EN NE NEN EEE ENT: 


en re 


Sy 


DIN 


552 August Krogh. 


Wasserstoff wird in einem ganz kleinen Gasentwicklungsapparat aus 
reinstem Zink und Salzsäure bereitet und mit Wasser gewaschen, um 
die mitgerissene Lösung zu beseitigen. Die Säure ist, wie in Fig. 258 ge- 
zeigt, gegen den Luftsauerstoff vollkommen geschützt und bevor man den 
Apparat in Gebrauch nimmt, spült man es gut mit Wasserstoff aus. Der 
Wasserstoffapparat ist mit dem Hahn (V Fig. 249) des großen Haldaneschen 
Analvysenapparates dauernd in Verbindung. Benutzt man den kleineren Appa- 
rat, muß noch ein Dreiwegehahn in die Verbrennungspipette eingesetzt 
werden. 

Man nimmt für die Analyse zweckmäßig nur 95 (respektive 20) cm® 
Luft. Für die Kohlensäureabsorption benutzt man in diesen Analysen statt 

gewöhnlicher 10°/,iger Lauge kon- 
Fig. 258. zentrierte Kalilauge, um die Ab- 
sorption von N,O auf ein Mini- 
mum herabzudrücken. Die Sauer- 
stoffabsorptionsflüssigkeit ist die 
gewöhnliche (konzentrierte Kali- 
lauge mit Pyrogallol. Nachdem 
man CO, und 0, vollständig ab- 
sorbiert hat, setzt man durch den 
Hahn soviel Wasserstoff zu der 
Analyse, dal die Gasbürette un- 
gefähr gefüllt ist.') Man liest dann 
das Volumen aufs neue ab und 
verbrennt das Stiekoxydul, indem 
man zuerst nur schwach glüht, 
um eine Explosion zu vermeiden, 
und dann, wenn das meiste schon 
verbrannt ist, die Spirale beinahe 
bis zur Weißglut erhitzt. 

Es ist im Zuntzschen La- 
boratorium gefunden worden, dal 
Verbrennungen mittelst glühender 
Platinspirale von einer Spur Chlor- 
wasserstoff stark beschleunigt werden und es wird daher empfohlen, die 
Verbrennungspipette mit ganz verdünnter Salzsäure zu reinigen und feucht 
zu benutzen. Unsere Erfahrungen gehen darauf hinaus, daß die Verbren- 
nung schnell und vollständig erfolgt, wenn nur ein Überschuß) an Wasser- 
stoff und keine Spur Sauerstoff zugegen ist. Man muß daher den 
Sauerstoff aus der Analyse sehr sorgfältig absorbieren und ganz sicher 
sein, dal) man mit dem Wasserstoff keinen Sauerstoff hineinbringt. 


N 


x 
=; 
4 
4 
| 


!) Wenn der Apparat mehrere Tage nicht benutzt worden ist, spült man, bevor 
man die Analyse beginnt, die Verbindungen zwischen diesem Hahn und der Bürette mit 
Wasserstoff aus. 


Funktionsuntersuchungen an den Lungen des Menschen etc. 553 


Stickoxydul und Wasserstoff vereinigen sich nach der Formel 
NO+B,=H0O0+N 
I VoksD Vol RO TR VoL 


Die Kontraktion nach der Verbrennung ist somit gleich der vor- 
handenen Stickoxydulmenge. 


Beispiel der Analysen: 


Probe I Probe II 

Baimenzerpenommen - » -» ... 2.2.2.2 .9804 9:357 
Brbaätsorption von CO: . » . 2. 2.2.2..8824 8690 
H R I LE Er AIG 1573 
ee von d, 2... 2. 9853 9323 
erieennune von NO . . ....... 8867 8491 


Die Berechnung des Minutenvolumens. 


Beispiel: 
Versuchsperson J. J. Bar. 746 mm, Tp. 18°5°. 
Dauer der Versuchsperiode 0'162 Min. 


Volumen im Spirometer am Schluß . . . 2. ....2..4727 
N ‘ r während des Versuche 180 / 
R in den Lungen 9 a a 22 
+ alveoläre Residualluft 120 2 
4121 
Die obigen Analysen haben ergeben: 
Differenz. 
Probe I Probe II I korr. I korr. —UI 
C0,-% 5:16 13 — = 
DE, 1424 1194 1466 22120, 
N,0-°/, 10:60 8:89 10:91 2:02, 
N ) . 9. 9 T+f | Rn IS Arl= 
-°/o 70:00 72:04 Mittel N,O 3199 


Man findet immer, daß das Stickstoffprozent während des Versuches 
ansteigt. Dies rührt zum Teil davon her, dal) eine kleine Menge Stick- 
stoff aus dem Blut frei gemacht wird, weil die Stickstoffspannung des 
Gemisches niedriger ist als die des Blutes. Die auf diese Weise hervor- 
gebrachte Steigerung ist jedoch, wie eine Berechnung zeigt!), so klein, 
daß sie vernachlässigt werden kann. Zum gröliten Teil rührt die Steige- 
rung davon her, daß sich die eingeschlossene Luftmenge während des Ver- 
suches vermindert hat, indem mehr 0; + N,O absorbiert worden ist, als 
CO, freigemacht wurde. Wenn man jetzt die verschwundene Menge N,;0 
eintach aus den beobachteten Prozenten und dem oben gegebenen Volumen 
berechnen wollte, würde man einen Fehler begehen, indem das anfängliche 


!) Skand. Arch. Physiol. Vol. 27. p. 107 (1912). 


554 August Krogh. 


Volumen tatsächlich größer gewesen ist. Eine Korrektur wird am ein- 
fachsten bewerkstelligt, indem man die anfänglichen Prozente von O, und 
N,O unter Voraussetzung einer unveränderten Stickstoffmenge korrigiert, 


7o>- 


das heißt im gegebenen Falle mit multipliziert. Die so korrigierten 


Prozente sind in obiger Tabelle angeführt, sowie auch die Differenzen 
zwischen diesen und den schließlichen Werten. 

Wir haben somit die während des Versuches verschwundene N,0- 
Menge 412.0'0202 = 00834 7 und die verschwundene 0, - Menge 
412200272 0412128 

Die mittlere N,O-Spannung während des Versuches war 975°/, und 
die Blutmenge, welche bei dieser Spannung 834 cm? N,0 absorbieren 

00834 


könnte, somit —————— = 2:08 !. Dieses Volumen hat während 
0'405 x 0.0975 
0:162 Minuten durch die Lungen passiert und pro Minute findet man 
2:10 
also ei Blutstr on —— —= 1301. 
also einen Blutstrom von —65 


Diese Zahl muß aber korrigiert werden, weil sowohl das Luftvolumen 
in den Lungen auf 0° und 760 mm, wie auch der H, O-Druck auf Prozent 
von 760 mm reduziert werden sollten. Die beiden Korrektionen heben aber 
beinahe einander gegenseitig auf (wie oben S. 546 näher erörtert wurde), 
und es bleibt nur eine winzige Korrektion, die folgenderweise von der 
Temperatur abhängt: 


bei Bye . 232220,21500 
I ee 
SO ar u 
DOEITEREN 1. 0 


Das Minutenvolumen wird somit im gegebenen Beispiel M=13%0. 
0'977 = 1271 gefunden: 
Die ganze Berechnung wird folgendermaßen aufgestellt: 
ne 412 x 0:0202 x 0977 _ 1971 
"70405 x0095x0162 
und mittelst Rechenstabs erledigt. 

Die aufgenommene Sauerstoffmenge wird auf ähnliche Weise pro 
Minute berechnet und auf 0° und 760 mm nach der Tabelle S. 534 reduziert 
ei a 0.0272 x 0:899 een 

0'162 
Aus dem Sauerstoffverbrauch pro Minute während des Versuches und 
dem Minutenvolumen des Blutes berechnet man die Ausnützung des Sauer- 
stoffes, das heißt das Volumen O,, welches pro Liter Blut aufgenommen 
wird, oder was dasselbe ist, die Menge O,, welche pro Liter Blut an den 
Geweben abgegeben worden ist. Die absolute Ausnützung ist somit im vor- 
liegenden Beispiel 


Funktionsuntersuchungen an den Lungen des Menschen ete. 555 


0'625 a 
A 7377 00501 7. 

Um die prozentische Ausnützung zu berechnen, muß man noch die 
Sauerstoffkapazität des Blutes der Versuchsperson kennen. Diese wird am 
einfachsten mittelst eines auf Sauerstoff geaichten Hämoglobinometers be- 
stimmt. Ist die Sauerstoffkapazität im gegebenen Beispiel 18°6 cm? OÖ, 
pro 100 cm® Blut, hat man den Ausnützungskoeffizient 

22.0050] 

0'186 

Der Ausnützungskoeffizient für normale ruhende Menschen schwankt um 
0'3 und variiert gewöhnlich sehr wenig. 

Die Sauerstoffaufnahme während des Versuches ist beinahe immer 
der Norm gegenüber gesteigert. Indem man davon ausgeht, daß diese 
Steigerung einer entsprechenden Steigerung des Kreislaufes proportional 
ist, welche von den Versuchsbedingungen herbeigeführt wird, reduziert 
man das direkt gefundene Minutenvolumen auf das normale Minutenvolumen 
durch Division mit der gefundenen Sauerstoffaufnahme und Multiplikation 
mit der normalen Sauerstoffaufnahme, die man in einem Respirationsver- 
suche bestimmt hat. 

Im gegebenen Beispiel war die normale Sauerstoffaufnahme nur 

350 
625 


— 0'269 oder 26°9°/,. 


03307, und das Minutenvolumen wird also auf 127 — 671 reduziert. 


Fehlerquellen und Genauigkeit. 


1. Die Analysen von Gasmischungen mit Stickoxydul sind gewöhnlich 
bis auf 0'05°/, genau. Die Analysenfehler bedingen Fehler, die maximal 
5°/, auf dem Blutstrom ausmachen können. 


2. Der Absorptionskoeffizient des Blutes für N,O kann jetzt als bis 
auf 1°/, richtig angesehen werden. Die älteren Versuche, die mit dem 
Absorptionskoeffizient 043 ausgerechnet sind, bedürfen einer entsprechenden 
Korrektur. 

3. Die durchschnittliche N, O-Spannung während des Versuches wird 
einfach als das Mittel zwischen Anfangs- und Endspannung berechnet. Dies 
ist nicht streng richtig, da die Spannung nicht geradlinig, sondern nach 
einer logarithmischen Kurve absinkt. Spezielle Berechnungen haben aber 
gezeigt, daß der dadurch begangene Fehler nur 1°/, erreichen kann. Die 
benutzte Rechenmethode ist einfacher als die logarithmische, welche in- 
folge der Kontraktion des Gasvolumens sehr schwer durchführbar ist. 

4. Die Bestimmung des Gasvolumens in den Lungen ist gewöhnlich 
bis auf 100 cm? (ca. 3°/,) genau. In Versuchen mit ungeübten Versuchs- 
personen können die Fehler jedoch größer sein und wahrscheinlich 200 em? 
erreichen. 


5. Die Zeitbestimmung ist beinahe immer bis auf 1°/, richtig. 


August Krogh. 


ö1) 
SU 
(or) 


6. Auf der berechneten Kontraktion des Gasvolumens während des 
Versuches können nur sehr kleine Fehler, welche von Ausscheidung von 
ein wenig Stickstoff und von Fehlern der Gasanalyse herrühren, vor- 
handen sein. 

Die unter 4.—6. erwähnten Fehler machen sich in gleicher Weise 
auf dem Minutenvolumen und auf der Sauerstoffaufnahme geltend. Bei der 
Reduktion werden sie daher praktisch vollständig eliminiert (Lindhard), 
aber es fragt sich, ob die Reduktion selbst berechtigt ist oder ob man 
eventuell dabei neue Fehler einführt. 

7. Die Reduktion des Kreislaufes auf Normalstoffwechsel. 
Die Steigerung der Sauerstoffaufnahme während des Versuches kann von 
zwei verschiedenen Ursachen herrühren, die gleichzeitig oder jede für 
sich wirksam sein können. Erstens kann der Blutstrom während des Ver- 
suches einfach beschleunigt sein. Dies bedingt natürlich eine Vermehrung 
der Sauerstoffaufnahme, und wenn wir es mit einer einfachen Vermehrung 
der venösen Blutzufuhr ohne Änderung des venösen Sauerstoffprozentes zu 
tun haben, ist die Steigerung des Blutstroms der Steigerung der Sauer- 
stoffaufnahme proportional und die oben beschriebene Reduktion ist be- 
rechtigt. 

Zweitens ist es aber auch möglich, daß sich die Zusammensetzung 
des venösen Blutes bei der Steigerung des Blutstroms ändert, daß z. B. 
bei einer tiefen diaphragmatischen Einatmung verhältnismäßig mehr Ab- 
dominalblut den Lungen zugeführt wird, und daß dieses Blut sehr arm an 
Sauerstoff ist. In diesem Falle kann keine Proportionalität zwischen Sauer- 
stoffaufnahme während des Versuches und Blutstrom bestehen. 

Lindhard hat diese sehr wichtigen Verhältnisse einer näheren Unter- 
suchung unterworfen und wird seine Resultate sehr bald veröffentlichen. 
Die folgenden methodisch wichtigen Angaben und Beispiele hat er mir zur 
Verfügung gestellt. 

Die Steigerung des Gaswechsels und Blutstroms während des Ver- 
suches ist im wesentlichen von der Respiration während der Vorperiode 
bedingt.!) Sind Atemzüge von 2/2 ohne Anstrengung zu machen, kann die 
Steigerung sehr klein sein, sind sie aber anstrengend, wird die Steigerung 
immer groß. 

Bei verschieden großen Respirationen von natürlichem Typus wird 
die Ausnützung kaum beeinflußt, das heißt, die Zusammensetzung des 
Venenblutes hat sich trotz der Steigerung nicht verändert. Verändert man 


') Die Kreislaufsänderungen während des Versuches rühren in der Hauptsache 
von den respiratorisch bedingten Druckänderungen in dem venösen Reservoir her [siehe 
Krogh und Lindhard, Bioch. Zeitschr. Bd. 59. S. 260—280 (1914)], können aber auch 
zum Teil psychisch bedingt sein. Sie sind im ersten Versuche mit einer Person gewöhn- 
lich sehr groß und werden dann allmählich kleiner. An geschulten Versuchspersonen 
mit genügend großer Vitalkapazität, um von den Respirationen der Vorperiode nicht 
angestrengt zu werden, beobachtet man in der Regel nur ganz kleine Steigerungen. 


Funktionsuntersuchungen an den Lungen des Menschen ete. 557 


aber willkürlich den Respirationstypus, findet man, daß eine rein thora- 
kale Respiration eine abnorm kleine, eine rein abdominale dagegen eine 
abnorm hohe Ausnützung während des Kreislaufsversuches bedingt, wie z. B. 


Minuten- Sauerstoff- Aus- 
volumen aufnahme nützung 
I cm? cm? 
Thorakale Respiration . . . .6%9 272 395 
Abdominale Respiration . . . 465 271 58:5 


Wenn man während der Versuchsperiode nicht die Respirations- 
muskeln erschlafft, sondern entweder eine Saugung oder aber einen Druck 
in den Lungen herrschen läßt. können auch dadurch Schwankungen in 
der Zusammensetzung des zuströmenden Venenblutes hervorgebracht werden, 
wie z.B. 


M S A M 

l em? cm? reduziert 
Bene... 6 300 43 55 
ai. D°6 218 3) 62 
Saugung . 79 367 465 52 
Druck. 6:05 215 35:5 68 


Wenn man aber die oben angegebenen Vorsichtsmaßregeln beachtet, 
hat es sich herausgestellt, daß Reihen von Bestimmungen an derselben 
Versuchsperson, in welchen die direkt gefundenen Zahlen für den Blut- 
strom sehr stark voneinander abweichen, nach der Reduktion gut über- 
einstimmende Werte liefern, wie z. B. die folgenden Versuche an Frau M. 


O,proMin. M 


Datum es Be A Resp.-Ver- redu- 

such ziert 
3./X. 835 324 39 154 44 
Aula. 5....'7°25 279 385 184 44 
BR ı:.,6°7 269 40 199 42 
2 62 232 375 187 455 
27./XL.. 69 262 38 172 45 


Mittel. . 44 + 0°06 


= Orl39rT — 90);- 


8. Endlich ist noch ein Fehler zu erwähnen, der sehr schwer zu 
schätzen ist, nämlich der mögliche Verlust an Stickoxydul zu anderen Ge- 
weben und speziell zu dem Lungengewebe selbst. Man kann nicht daran 
zweifeln, daß das Lungengewebe etwas Stickoxydul aufnehmen muß, und 
man kann nicht wissen, inwieweit es sich mit dem Gase sättigt, und ob 
es vielleicht noch das Gas weiter nach anderen Geweben abgibt. Wir 
nehmen an, daß sich das Lungengewebe während der Vorperiode ungefähr 
mit N,O sättiet, und daß es dann während der Versuchsperiode nichts 
absorbiert und auch nichts abgibt. Da die N,O-Spannung in den Alveolen 
während des Versuches sinkt, wäre es theoretisch wohl möglich, dal) das 


558 August Krogh. 


Lungengewebe zuerst N,0 absorbierte und dann zum Schluß etwas davon 
wieder zurückdiffundieren ließe. Unsere Kontrollversuche haben gezeigt, 
dal) Variationen in der Länge der Vorperiode zwischen 5 und 20 Sekunden 
keinen meßbaren Einfluß auf die Blutstrommessungen ausüben, was ent- 
schieden dafür spricht, daß sich das Gewebe sehr schnell praktisch voll- 
ständig sättigt. Andrerseits haben Versuche an toten Hunden gezeigt, dab 
während 15—20 Sekunden eine Zurückdiffusion von N, OÖ in die Alveolen 
nicht stattfindet, wenn man die Lungen bei einer Spannung von etwa 
15°/, sättigt und dann die Alveolenluft bis auf 13°/, verdünnt. Wir glauben 
daher, daß der Fehler, welcher von Absorption oder Abgabe von N, 0 
seitens des Lungengewebes herrührt, jedenfalls klein sein muß. 


6. Die Bestimmung der Sauerstoff- und Kohlensäurespannungen 
des nach den Lungen kommenden venösen Blutes. 


Wenn man Luft in den Lungen behält, wird die Sauerstoffmenge 
abnehmen und die Kohlensäuremenge zunehmen, und wenn man lange 
genug fortsetzen konnte, wird schließlich ein ungefähres Gleichgewicht 
mit dem venösen Blute eintreten. Eine solche Ausgleichung läßt sich, wie 
Fridericia gefunden hat, mit Bezug auf die Kohlensäure ziemlich leicht 
und schnell erreichen. Mit dem Sauerstoff geht es aber nicht, weil die 
Ausgleichung nur langsam vor sich geht, und Friderieia hat dann mit 
Benutzung der hier gebräuchlichen Apparatur eine Methode für die Be- 
stimmung der Spannung beider Gase im Venenblute ausgearbeitet.) Die 
folgende Darstellung stützt sich auf seine Versuche, die übrigens noch 
nicht ganz zum Abschluß) gebracht worden sind. 

Die Aufstellung ist genau die gleiche, wie sie für Diffusions- und 
Kreislaufsversuche benutzt wird (Fig. 246). Man füllt das große Spirometer 
und die Leitung mit Stickstoff aus einer Bombe?), fügt dazu unter Durch- 
mischen etwa 6—7°/, CO, und unter Umständen auch noch ein wenig 
atmosphärischer Luft. Die Versuchsperson atmet zur Residualluft aus und 
dann aus dem Spirometer so tief wie möglich ein. Danach wird am 
besten bis zur gewöhnlichen Exspirationsstellung ausgeatmet und eine 
Probe der Alveolarluft auf gewöhnlicher Weise aus der Leitung genommen. 
Nach einer Versuchsperiode, die man nicht länger macht, als es die Ver- 
suchsperson bequem aushalten kann, wird dann wieder ausgeatmet und 
die zweite Probe genommen. Die Versuchskurve und die Zeit wird wie ge- 
wöhnlich registriert (Fig. 256). 

Man findet z. B. 


!) Eine im Prinzip ähnliche, aber technisch sehr unvollkommene Methode für die 
Bestimmung der Venenblutspannung ist von Plesch angegeben worden. Hämodynamische 
Studien. Berlin 1909. 

?) Es ist für diese Versuche notwendig, daß der Bombenstickstoff wenigstens 
bis auf 99°/, rein ist. 


Funktionsuntersuchungen an den Lungen des Menschen ete. 559 


Barometerstand 775 mn, Versuchsdauer O'15 m, Volumen der ein- 
geschlossenen Luftmenge 32 1. 


Biphemik., 0. 1. 602,005 3442,70 
Bann. 280. 20. .467105.0035.5832 0% 
Diitenenzert at. 2.0 20 150, 
Muwchsehnitte = 2.2 1. one DIDAU, O; 


Während des Versuches hat das Blut 3200 .0'0039 = 12'5 cm? O0, 
an die Luft abgegeben. 

Aus der O,-Dissoziationskurve des Blutes und dem Minutenvolumen, 
welches in solchen Versuchen zu ca. 7! gesetzt werden darf, läßt sich 
berechnen, daß das Blut bei einer O,-Spannung von ungefähr 6°/, (40 bis 
45 mm) pro Minute und 1°/, (7’6 mm) Spannungsdifferenz ungefähr 180 cm? O, 
abgeben oder absorbieren wird.!) Die 125 cm? O,, welche in 0:15 Mi- 
nuten abgegeben sind, erfordern daher eine mittlere Spannungsdiffe- 
renz von 


12:5 


er — () r0 F 
ne 


Die Spannung des Venenblutes muß somit 5:64 + 045 = 6'1°/, sein, 
und eine vollkommene Ausgleichung hat nicht während des Versuches er- 
folgen können. Die Grundlagen dieser Berechnung sind nicht sehr genau 
und die Berechnungsweise selbst nicht streng richtig. Die möglichen Fehler 
auf der Spannungsbestimmung können doch 0'1°/, kaum übersteigen. Die 
Spannung wird auf Millimeter umgerechnet durch Multiplikation mit (755 —47). 
Man hat 0'061. 708 = 43 mm. 

Wenn das Sauerstoffprozent während des Versuches sich nicht über 
0'7°/, pro Minute geändert hat, kann man, ohne einen merklichen Fehler 
zu begehen, damit rechnen, daß die zweite Probe die O,-Spannung des 
venösen Blutes richtig wiedergibt. 

Für die Kohlensäure ist es zurzeit unmöglich, eine Berechnung an- 
zustellen, wenn eine so große Änderung eingetreten ist, daß man nicht 
annehmen darf, daß die zweite Probe die Spannung richtig wiedergibt. 
Es ist daher für beide Gase von Wichtigkeit, daß man von vornherein 
ungefähr auf die richtige Spannung einstellt, und es ist ferner vorteilhaft, 
den Versuch möglichst lange auszudehnen. In der folgenden Reihe von 
Bestimmungen sind die Gasmischungen für diesen Zweck besonders 
glücklich gewählt und die Resultate zeigen daher die reellen Schwan- 
kungen in den Gasspannungen des Venenblutes während der drei Stun- 
den an. 


') Den Diffusionsuntersuchungen zufolge kann diese Menge auch durch Diffusion 
unter den gegebenen Bedingungen die Alveolarwand passieren. Pro Millimeter Druck- 
differenz findet man, daß 23 cm? O, passieren müssen, während der mittlere Diffusions- 
konstant für Sauerstoff 35 beträgt. 


560 Angust Krogh. Funktionsuntersuchungen an d. Lungen d. Menschen etc. 


ae O, aufg. Mittl £ 
ee a ee a 
ea dauer Luft- SE SR MLLUNER, 

: I II I II suches differenz (O3 0, CO, 0, 

m menge En 0, 0%, %, mm mm 
2?0° 0197 30 676° 16:990 57108 75:83 39 0 THIS? 
240 0184 315 6535 640 578 565 +41 041277,64 560 455 40 
30 0184 29 660: 649 548 547 0 (0) 65 547 46 39 
430 0214 27 GANZE ED 27 OT Sad een 3 
450° ° 0267 30 6:15 762925727 556: +5 041077623 Se 395 
520 0265 30 63 617 591 599 —-24 005 615 600 44 42:5 


Bedeutung der Kreislaufszeit für die Bestimmungen 4, 5 und 6. 


In den Bestimmungen des Diffusionskonstantes, des Minutenvolumens 
und der (Gasspannungen des Venenblutes ist es eine notwendige Bedin- 
gung, daß der Versuch (inklusive Vorperiode) innerhalb eines Kreislaufs 
durchgeführt wird. Die normale Kreislaufsdauer während der Ruhe kann 
nach den Bestimmungen auf ca. 1 Minute veranschlagt werden, man muß 
aber damit rechnen. daß, wie gezeigt, die Versuchsbedingungen den Kreis- 
lauf etwas beschleunigen, und ferner, daß ein Teil des Blutes sicher schneller 
nach den Lungen zurückkehrt. Man kann die maximale Beschleunigung 
auf 100°/, veranschlagen (Kreislaufszeit 05 Minuten) und die Bestim- 
mungen dürfen daher nicht über 0'3 bis höchstens 04 Minuten dauern. 

Während Muskelarbeit ist es immer, und zwar besonders mit Rück- 
sicht auf die enorme Steigerung der Blutstromgeschwindigkeit angezeigt, 
die Versuche in kürzester Zeit durchzuführen. Die Kreislaufszeit kann bis 
auf 0'2 Minuten herabgehen und eine Bestimmung darf dann im ganzen 
höchstens 0°15 Minuten in Anspruch nehmen. 


Die „interferometrische Methode“ zum Studium der 
Abwehrfermente. 


Von Paul Hirsch, Jena. 


Zum Nachweis der Abwehrfermente standen bisher in der Haupt- 
sache zwei Methoden zur Verfügung, das von Adderhalden angegebene 
Dialysierverfahren und die von dem gleichen Autor eingeführte „optische 
Methode“. Vor kurzem beschrieb P. Hirsch!) eine genaue quantitative Me- 
thode zur Verfolgung der Abwehrfermente beziehungsweise der Intensität 
ihrer Wirkung. Diese Methode gründet sich auf folgende Überlegung. Läßt 
man z.B. das Serum einer Schwangeren auf Plazentagewebe einwirken, so wird 
letzteres zu Peptonen abgebaut, die sich, da Peptone lösliche Körper sind, 
in dem Serum lösen. Nimmt man einmal Serum allein. zum anderen 
Serum, das längere Zeit auf Plazentagewebe eingewirkt hat, so sind 
zwischen beiden Unterschiede in der Konzentration vorhanden, die man 
mit Hilfe des Interferometers quantitativ bestimmen kann. 

Nach den Gesetzen der Fermentwirkung bestehen Beziehungen 
zwischen Menge des Fermentes, Menge des Substrates, Dauer der Ein- 
wirkung und Fermentwirkung. Auf die Quantität des Fermentes kann bei 
gleicher Einwirkungsdauer, gleichbleibender Menge des Substrates und 
gleicher Konzentration des Systems aus der Fermentwirkung, in unserem 
speziellen Falle aus der Menge der gebildeten Peptone, geschlossen werden. 
Die Einhaltung der gleichen Einwirkungsdauer und der gleichbleibenden 
Konzentration bietet keine Schwierigkeiten, es wird einfach immer die 
gleiche Menge Serum benutzt und die Einwirkungsdauer stets auf genau 
24 Stunden bemessen. Größere technische Schwierigkeiten verursachte 
schon die Anwendung der gleichen Menge des Substrates, vor allen Dingen 
in gleichbleibender und gleichmäßiger Form. Es mußten haltbare, pulver- 
förmige Organtrockenpräparate dargestellt werden. 


*) P. Hirsch, Fermentstudien: I, Bestimmung von Fermentwirkungen mit Hilfe 
des Interferometers. I. Mitteilung. Die Anwendung der „interferometrischen Methode“ 
zum Studium der Abwehrfermente. Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 91. S. 440—449 
(1914). — Derselbe, Eine neue Methode zum Nachweis der Abwehrfermente. Zu- 
gleich zweite Mitteilung zur Frage ihrer Spezifität. Deutsche med. Wochenschr. 1914. 
Nr. 31. 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 36 


562 Paul Hirsch. 


Ehe auf die eigentliche Methode eingegangen sei, soll erst das 
Prinzip und die Einrichtung des Interferometers beschrieben werden. 


Einrichtung des Interferometers. 


Die Einrichtung des Interferometers (des sogenannten Flüssigkeits- 
interferometers) wird am leichtesten verständlich sein, wenn man sich zu- 
nächst mit dem Prinzip des Rayleighschen Interferometers!) (dem soge- 
nannten langen Interferometer) vertraut macht?) (Fig. 259). 

Ein aus einem Kollimator austretendes Lichtbüschel geht durch zwei 
parallele Spaltblenden hindurch in ein Fernrohr und erzeugt eine Fraun- 
hofersche Beugungserscheinung; dieselbe besteht aus einem weißen Bilde 
des Kollimatorspaltes, in dem das sogenannte Maximum nullter Ordnung und 
symmetrisch dazu angeordnete Beugungserscheinungen, Beugungsspektren, 


Fig. 259. 


Laboratoriums-Gas-Interferometer im Auf- und Grundriß (etwa !/,, natürl. Größe). 


Das aus dem Kollimator K7 ausgetretene parallelstrahlige Büschel geht zum Teil durch 
die Kammern L, G und die Kompensatorplatten P!, Pg, zum Teil über den Kammern hin 
durch die Hilfsplatte H in das Fernrohr F, das mit einem Zylinderokular Ok ausgerüstet 
ist. Tr ist die 100teilige Trommel der Mikrometerschraube des Kompensators. @ bezeich- 
net die Gaskammer, die mit der Luftkammer L zusammengelötet ist. Pg ist die feste Platte 
des Kompensators. Die Doppelblende ist auf das Objektivende des Fernrohres aufgeschoben. 
Die Zylinderachse steht parallel der Längsrichtung des Spaltes und der Doppelblende. 


auftreten, die durch sehr schmale Minimastreifen getrennt sind. Setzt 
man zwischen Kollimator und Fernrohr eine Doppelkammer, so verändert 
sich die Erscheinung nicht, wenn beide Kammern mit gleicher Substanz 
gefüllt sind. Sind die Substanzen verschieden, d. h. hat die eine Substanz 
eine andere Lichtbrechung als die zweite, so ist die optische Weglänge in 
beiden Kammern verschieden. Die Interferenzerscheinung ist gegen ihre 
bisherige Lage verschoben. Die Hauptsache an diesem Interferometer ist 
eine Einrichtung, durch die es gelingt, eine Interferenzerscheinung, und 
zwar eine unveränderliche, Normalinterferenzerscheinung, unabhängig von 

!) F. Haber und F. Löwe, Ein Interferometer für Chemiker nach Rayleigschem 
Prinzip. Zeitschr. f. angew. Chemie. Bd. 23. S. 1393—1398 (1910). 

?) Die Bildstöcke wurden in dankenswerter Weise von der Firma (€. Zeiss, Jena, 
zur Verfügung gestellt, zum Teil besonders angefertigt. 


Die „interferometrische Methode“ zum Studium der Abwehrfermente. 563 


der durch verschiedene Lichtbrechungen erzeugten verschobenen Interferenz- 
erscheinung sichtbar zu machen, also ein unveränderliches Vergleichs- 
spektrum. Es stellt hierdurch das unveränderliche System eine ideale Null- 
marke dar. Durch Drehen der Schraube eines Kompensators kann man 
leicht die zwei oben erwähnten schwarzen Streifen, die das Maximum 
nullter Ordnung (das Weiße) begrenzen, in dem oberen und unteren Bilde 
genau auf Koinzidenz einstellen. Durch Ablesen der hierzu notwendig ge- 
wesenen Trommelumdrehung kann man die Unterschiede in dem Licht- 
brechungsvermögen der beiden verglichenen Substanzen feststellen. 

Das eben beschriebene Interferometer ist speziell für Gasunter- 
suchungen gebaut. Aus ihm entstand durch Anwendung des Prinzips der 
Autokollimation das tragbare Gasinterferometer.!) Abgesehen davon, daß 
die Gaskammer desselben im Gegensatz zu der 1m langen Kammer des 
„langen Interferometers“ in der Regel nur 10cm lang ist, weicht es von 
diesem insofern ab, als Kollimator und Fernrohr zu einem einzigen Teile 
vereinigt sind, dessen Objektiv die Strahlen auf dem Hinwege zum Spiegel 
parallel und auf dem Rückwege wieder konvergent macht. In der Brenn- 
ebene des Objektivs sind nebeneinander der sehr fein verstellbare Spalt und 
das Zylinderokular angeordnet. Durch das Zylinderokular, sämtliche Inter- 
ferometertypen sind mit einem solchen versehen, wird der durch hohe 
Vergrößerung verursachte Übelstand der geringen Helligkeit des Bildes in 
eleganter Weise überwunden. Ein Zylinderokular vergrößert nur in der 
Richtung senkrecht zu seiner Achse, wirkt aber in Ebenen, die durch die 
Achse gehen, wie ein Fenster. Vermöge dieser Trennung durch diese 
letztere Eigenschaft werden die beiden Streifensysteme auf das vorteil- 
hafteste getrennt. Die Gaskammern. ebenso die Kompensatorplatten werden 
zweimal von den Lichtstrahlen durchsetzt. Die beugende Doppelblende ist 
in oder dicht an die Spiegelebene gelegt. 

In direkter Anlehnung an dieses tragbare Gasinterferometer wurde nun 
von Löwe?) das Flüssigkeitsinterferometer ) konstruiert (Fig. 260, 261, 262). 
Zur Aufnahme der beiden zu untersuchenden respektive zu vergleichenden 
Flüssigkeiten dienen Kammern, welche zwecks Temperaturausgleichs in 
einem Temperierbade angeordnet sind. *) Die zu beobachtenden Erscheinungen 


') F. Löwe, Ein tragbares Interferometer für Flüssigkeiten und Gase. Zeitschr. 
f. Instrumentenk. Bd. 30. S. 321—329 (1910). — Derselbe, Ein neues Interferometer 
für Gase und Flüssigkeiten. Physik. Zeitschr. Bd. 11. S. 1047—1051 (1910). 

2) F. Löwe, ]. c. ; 

°) Die beschriebenen Interferometer werden von der Firma €. Zeiss-Jena herge- 
stellt. Ein Wasserinterferometer mit einer auswechselbaren Wasserkammer kostet 
M. 625.—. Zur Ausrüstung gehören: 1 Akkumulator zu 4 Volt, in Holzbehälter, mit 
Kabel und Steckkontakt M. 35.—, ein Gestell M. 10.—, 6 Reserveosramlämpchen 
M. 10:50 sowie ein Thermometer 0—50° in !/,,° geteilt M. 16.—. Die Gesamtkosten für die 
einfachste Ausrüstung belaufen sich also auf M. 696.50. Für jede weitere Kammer werden 
M. 75.— berechnet. 

*) Das Wasserinterferometer kann auf Wunsch auch mit einer Gaskammer ver- 
sehen werden, so daß es eine Kombination von Gas- und Flüssigkeitsinferometer dar- 
stellt. Die Kosten einer Gaskammer einschließlich des Anpassens belaufen sich auf 


36* 


564 Paul Hirsch. 


sind die gleichen wie bei dem eingehender beschriebenen Interferometer 
von Rayleigh. Sind die beiden Hälften der Doppelkammer mit Flüssigkeiten 
gleicher Konzentration gefüllt, so zeigen beide Interferenzfiguren das 
gleiche Aussehen (Nullage), enthält jedoch die eine Kammer eine Flüssig- 
keit von größerer Konzentration, so wird hierdurch ein Unterschied in 
der sogenannten optischen Weglänge bedingt und demzufolge sind beide 
Interferenzbilder verschieden. Wenn man nun durch langsame Drehungen 
der einen Kompensatorplatte mit Hilfe einer mit Teilung versehenen 


Fig. 260. 


HER 


Gesamtansicht des Flüssigkeits-Interferometers in Gebrauchslage. A der Akkumulator. K Schutzkappe. 
V Verschlußdeckel. WK Wasser-(Flüssigkeits-)Kammer. Z Klammer zum Herausnehmen des Akkumula- 
tors aus dem Holzkasten. 


Mikrometerschraube den Unterschied der optischen Weglänge wieder aus- 
gleicht, so nehmen allmählich beide Interferenzbilder wieder gleiche Lage ein. 
Das Messen mit dem Kompensator stellt also eine Nullmethode 
dar, dieerfahrungsgemäß bei den verschiedensten Beobachtern 
zu gleichmäßigen und genauen Resultaten führt, jeder subjek- 
tive Beobachtungsfehler aber ausgeschaltet wird. 


M. 100.—. (Wegen Benutzung des Gasinterferometers zu medizinischen Fragestellungen 
vgl. M. Hahn und It. Heim, Die Bestimmung der Kohlensäurespannung in der Alveo- 
larluft mittelst des Interferometers. Berliner klin. Wochenschr. 1913. Nr. 5.) 


a 


Die „interferometrische Methode“ zum Studium der Abwehrfermente. 565 


Die Kammern sind so konstruiert, daß sie auf das bequemste ge- 
füllt und vor allen Dingen gereinigt werden können (Fig. 265). Sie werden 
für gewöhnlich in Karnmerlängen von 5, 10, 20, 40 und 50 mm geliefert. 


Gebrauch des Interferometers. 


Was die Untersuchung mit dem Interferometer im allgemeinen (auf 
die spezielle Untersuchungstechnik bei serologischen Arbeiten wird weiter 
unten eingegangen) anbetrifft, so wird nach Feststellung des Nullpunktes 
mit gleichartigen Flüssigkeiten, z. B. destilliertem Wasser, in beiden Hälften 
der Doppelkammer, die eine der beiden Kammerhälften ausgehebert und 
sorgfältig mit Filtrierpapier ausgetrocknet. Die letzten Spuren von Feuchtig- 
keit werden durch ein über ein Holzstäbchen gewickeltes Wattebäuschehen 
entfernt. Durch nochmaliges Nachreiben mit einem frischen Wattebäuschchen 
entfernt man etwaige 
Wattefäserchen, die an Fig. 261. 
den Glasplatten der Kam- Se 
mer haften geblieben sein 
sollten. Es sei hier darauf 
hingewiesen, daß ein Be- 
feuchten der Kammern 
mit Alkohol, Toluol oder 
ähnlichen harzlösenden Sub- 
stanzen wegen des Kittes, 
mit dem die Glasfenster 
der Kammern befestigt 
sind, ängstlich vermieden 
werden muß. Nun wird 
die auf diese Weise ge- 
reinigte Kammerhälfte mit ER. j 

Der „Kopf“ des Flüssigkeitsinterferometers. K F die Beleuch- 
der zu untersuchenden tungseinrichtung. Ok das Okkular. MT die Meßtrommel. 
Flüssigkeit gefüllt. Es ist 
nun notwendig, mit der eigentlichen Messung, d.h. mit dem Einstellen 
der beiden Beugungserscheinungen auf Koinzidenz, so lange zu warten, 
bis die Temperatur zwischen den gefüllten Kammern und dem Tem- 
perierbad ausgeglichen ist. Dieser Vorgang dauert, wenn die Lösungen 
bereits einige Zeit in dem Beobachtungsraum aufbewahrt waren, nur 
wenige Minuten, da der Temperaturausgleich durch die vergoldeten 
Kammern sehr rasch vor sich geht. Man kann den Temperaturausgleich 
sehr leicht verfolgen. Ist er noch nicht beendet, so sind die Streifen des 
veränderlichen Systems entweder krumm (Fig. 264), oder sie verlaufen 
schräg zu denen des unveränderten Interferenzbildes. Es darf also mit der 
Messung erst dann begonnen werden, wenn das Interferenzbild sein nor- 
males Aussehen wieder angenommen hat, was im allgemeinen in 2 bis 
3 Minuten eingetreten sein dürfte. 


566 Paul Hirsch. 


Es empfiehlt sich, die Temperatur des Temperierwassers unter der- 
jenigen des Beobachtungsraumes zu halten, damit nicht durch Konden- 
sation von Wassertröpfehen an den Glasdeckeln der Kammern Meßfehler 
entstehen. 

Die einzige Schwierigkeit, mit der vor allem der ungeübte Beob- 
achter zu kämpfen hat, liegt darin, dab es hauptsächlich bei Messungen 


Fig. 262. 


Schematische Zeichnung des Flüssigkeits-Interferometers im Auf- und Grundriß. 


B Beleuchtungsapparat, enthaltend ein Osramlämpcehen und ein Linsensystem. Das auf 
den Spiegel S nahezu senkrecht auffallende Licht wird zurückgeworfen und durch das 
Objektiv des Fernrohres zu einem Interferenzbild vereinigt. Das Bild liegt dicht neben 
dem sehr fein einstellbaren Spalt am Okular Ok und wird durch die Zylinderlinse des- 
selben betrachtet. Die Lichtstrahlen der parallelen Strablenbüschel müssen auf ihrem 
Wege von und zu dem Spiegel S durch die Platten P, und P, des Kompensators X, 
ferner durch die planparallelen Platten des lemperierbades Tr, die Temperierflüssigkeit 
und durch die planparallelen Glasplatten der auswechselbaren Flüssigkeitskammer W und 
durch die darin enthaltenen Flüssigkeiten. Die untere Hälfte des Strahlenbüschels er- 
zeugt das Vergleichsinterferenzfigurensystem. In der Nullage der Streifensysteme nimmt 
die Trommel M des Kompensators mit dem Umdrehungszähler Z ebenfalls die Nullage 
ein. Th Tubus für ein Thermometer. 


von sehr verschieden konzentrierten Flüssigkeiten, besonders bei kolloidalen 
Lösungen, sehr schwer ist, auf das richtige Streifensystem einzustellen. 
Bei reinem Wasser oder niedrigen Konzentrationen ist das übereinander 
gehörende Streifenpaar vollständig identisch. Die Streifen sind vollständig 
schwarz und höchstens an den beiden Aubenseiten von leichten blauen 
Säumen begrenzt. Die benachbarten Streifensysteme, der Abstand eines 
Streifensystems beträgt etwa 20 Trommelteile, sind, wenn sie mit der 


Die „interferometrische Methode“ zum Studium der Abwehrfermente. 567 


Nullage in Koinzidenz gebracht werden, anders gesäumt, der blaue Außen- 
saum ist verschwunden; an seine Stelle ist ein roter Innensaum getreten. 
In dem schweren Erkennen der zugehörigen Streifenpaare liegt, allerdings 
fast nur bei Messungen über ein größeres Intervall, für den Ungeübten 
die Möglichkeit eines Meßfehlers, dessen Größe allerdings eine sehr be- 
schränkte ist. Es gibt jedoch ein recht einfaches Mittel, um sich zu über- 
zeugen, ob das richtige Streifensystem eingestellt ist. Wenn man das 
Auge vor dem Okular hin und her bewegt, so bleibt das richtige Streifen- 
paar unverändert, während sich bei einem falschen die bunten Streifen- 
ränder auseinanderziehen und dadurch der Unterschied gegen das untere, 


Fig. 263. 


Ansicht einer Wasser- resp. Flüssigkeits- 
kammer. Gegen Verdunstung ist die Flüssig- 
keit durch einen Glasdeckel D geschützt. 


feststehende System noch auffälliger wird. Bei etwas Übung hat jedoch 
der Untersucher mit diesen Schwierigkeiten nicht mehr zu rechnen. 


Die „interferometrische Methode“ zum Studium der Abwehr- 
fermente. 


Anforderungen an die Organe. 


Wie bereits eingangs erwähnt, benötigt man zur quantitativen Ver- 
folgung der Wirkung der Abwehrfermente stets gleiche Mengen des Sub- 
strates.. An die Substrate müssen sehr große Anforderungen gestellt 
werden. Man muß von einem brauchbaren Organpräparat verlangen, dab 
es erstens trocken, zweitens vollständig frei von löslichen Bestandteilen 
und vor allen Dingen haltbar ist. 

Die erste Bedingung, daß die Präparate trocken sein müssen, ist 
deshalb notwendig, da die geringste Feuchtigkeit eine Verdünnung des 
Serums verursacht, die im Interferometer nachweisbar ist und dadurch zu 
entgegengesetzten Ausschlägen führt. 

Als Kriterium zur zweiten Anforderung wird die Ninhydrinprobe 
benutzt. Es muß von einem Präparat verlangt werden, dal 5 cm® Koch- 
wasser mit 2cm® einer 1°/,igen Ninhydrinlösung keine Farbreaktion mehr 
geben, daß das Kochwasser bei der Untersuchung im Interferometer gegen 
destilliertes Wasser als Vergleichsflüssigkeit keine Verschiebung der Inter- 
ferenzfiguren zeigt, und schließlich daß O5 g an 5 cm® physiologischer 


568 Paul Hirsch. 


Kochsalzlösung bei 24stündigem Aufenthalt im Brutschrank keine inter- 
ferometrisch nachweisbaren Produkte abgeben. 

Die Organpulver, welche diesen Anforderungen entsprechen, werden 
in Mengen, die zu je einem Versuche benutzt werden sollen, auf der ana- 
Iytischen Wage abgewogen und in Glasröhrchen aus alkalifreiem Jenaer 
Glas steril aufbewahrt. 


Darstellung der Organe. Bereitung eines Plazentapräparates.!) 


Schon gleich nach Bekanntwerden der Abderhalden-Reaktion ver- 
suchten verschiedene Autoren Trockenpräparate einzuführen. Der erste, 
der mit Trockenorganen arbeitete, war Lindig?), der nach den noch nicht 
verschärften Bedingungen ausgekochte große Plazentastückchen im Trocken- 
schrank trocknete und dann im Mörser pulverisierte. In ähnlicher Weise, 
nur aseptischer, verfuhr King.3) Diese Versuche kranken einmal an der 
Tatsache, daß ihnen die nicht verschärften Prüfungsbedingungen auf Ab- 
wesenheit von löslichen, die Ninhydrinreaktion gebenden Produkte zugrunde 
liegen, vor allen Dingen jedoch daran, daß die ausgekochten Plazenta- 
stückchen nachträglich zerkleinert und dann nicht mehr ausgekocht wurden. 

Zur Darstellung eines brauchbaren und haltbaren Organpräparates, 
z. B. eines Plazentapräparates, verfährt man wie folgt. Die Plazenta wird 
auf das sorgfältigste entblutet. Man zerkleinert dieselbe dann mittelst einer 
Fleischhackmaschine und entfettet die nochmals gut ausgewaschene Pla- 
zenta im Extraktionsapparat durch Tetrachlorkohlenstoff und Azeton. 
Hierauf wird der Plazentabrei mit Wasser gekocht. Es empfiehlt sich, 
diesen Prozeß etwa 5mal zu wiederholen. Nun muß die Plazenta fein zer- 
mahlen werden. Wir bedienen uns dazu einer Porzellanmühle mit Motor- 
betrieb, die ein Naßmahlen gestattet. Um ein Faulen des Organes beim 
Mahlen zu vermeiden, mahlt man unter fortgesetzter Zufuhr von Toluol- 
wasser. Der äußerst feine Plazentabrei wird unter Toluol aufgefangen. Ist 
der Mahlprozel) beendet, so wird der Plazentabrei scharf abzentrifugiert. 
Diese so erhaltene, äußerst fein verteilte Plazenta wird dann weiter ausgekocht. 

Das Auskochen einer so fein verteilten Plazenta erfordert nun einige 
Kunstgriffe. Ein Auskochen in gewöhnlicher Weise ist wegen des starken 
Schäumens und des damit verbundenen Substanzverlustes sowie wegen 
des Festbrennens von Plazentateilchen an den Wandungen des Gefäßes 


‘) Die Darstellungsweise des Plazentatrockenpräparates läßt sich auf andere Or- 
gane nicht übertragen. Jedes Organ erfordert eine besondere Zubereitung. Es soll hier 
nur die Anwendung des Interferometers an einem Beispiel: Diagnose der Schwanger- 
schaft, gezeigt werden. Wegen der Darstellung der sonstigen Organe verweise ich auf 
die in Vorbereitung befindlichen weiteren Mitteilungen. 

?) P. Lindig, Über Serumfermentwirkungen bei Schwangeren und Tumorkranken. 
Münchener med. Wochenschr. 1913. Nr. 6. 

°) V.L. King, Über trockenes Plazentapulver und seine Anwendung bei dem 
Abderhaldenschen Dialysierverfahren bezüglich der Diagnose der Schwangerschaft. Mün- 
chener med. Wockenschr. 1913. Nr. 22. 


Die „interferometrische Methode“ zum Studium der Abwehrfermente. 569 


unausführbar. Es gelingt das Auskochen jedoch sehr leicht, wenn man in 
die Aufschwemmung des Plazentabreies in möglichst wenig Wasser strö- 
menden, eventuell sogar überhitzten Wasserdampf leitet. Als Dampfent- 
wickler benutzen wir einen Kulischschen Dampfentwickler, der das gleich- 
zeitige Auskochen mehrerer Organproben gestattet. Das Auskochen wird 
so oft wiederholt, bis 5cm® Kochwasser mit-2cm® Ninhydrinlösung keine 
Farbreaktion mehr geben. Ebenso darf das Kochwasser bei Benutzung von 
destilliertem Wasser als Vergleichsflüssigkeit bei der Untersuchung im 
Interferometer keine Verschiebung der Interferenzfiguren zeigen. Die je- 
weilige Kochdauer soll 5 Minuten betragen. Ist das Plazentapulver ge- 
nügend ausgekocht, so wird das Wasser entfernt und Azeton zur Ent- 
wässerung zugegeben. Die Entwässerung geht sehr rasch vor sich. Es wird 
nun auf einen gehärteten Filter rasch abgesaugt, das Plazentapulver 
einige Male mit Azeton nachgewaschen, lufttrocken gesaugt und dann 
sofort in größere Röhren aus alkalifreiem Jenaer Glas eingeschmolzen. 
Diese werden dann sofort in einem Kochschen Dampftopf sterilisiert. 

Ehe das Organpulver nun in der zu jedem Versuche nötigen Menge 
abgewogen und in entsprechende Röhren eingeschmolzen wird, muß es 
nochmals, auch biologisch auf spezifischen Abbau geprüft werden. 

Hat die definitive Prüfung die Brauchbarkeit des Präparates ergeben. 
so wird es in Mengen von 005—0'1g auf der analytischen Wage ab- 
gewogen, in kleine Ampullen aus Jenaer Glas eingeschmolzen und an drei 
aufeinander folgenden Tagen je !/, Stunde im Dampftopf sterilisiert. 


Standardisierung der Organpräparate. 


Ist nun z. B. die Operationsnummer eines dargestellten Plazenta- 
präparates verbraucht und muß man ein neues Plazentapräparat darstellen, 
so muß dieses auf das alte Plazentapräparat eingestellt werden, wenn man 
die mit dem neuen Präparat erhaltenen Werte mit denen des ersten 
Präparates vergleichen will. Man verfährt in einem derartigen Falle wie 
folet: Man nimmt je eine gleiche Menge des ersten sowie des neuen 
Präparates und setzt Versuche mit dem gleichen Serum an. Angenommen, 
das erste Präparat zeitigte einen 1500 Trommelteilen entsprechenden Abbau. 
Das neue Präparat möge einen 1200 Trommelteilen entsprechenden Abbau 
zeigen. Man müßte nun entweder von dem neuen Präparat die 1'25fache 
Menge der bei dem Einstellungsversuch angewandten Menge nehmen, 
oder einfacher, man multipliziert die bei Anwendung des neuen Plazenta- 
präparates erhaltene Trommelteiledifferenz mit 1'25, dem Wertigkeits- 
faktor des neuen Plazentapräparates in bezug auf das erste, gewissermaßen 
als Standardpräparat dienende Plazentapulver. 


Ausführung der Untersuchung. 


Zur Ausführung einer Untersuchung auf Abwehrfermente nach der 
„interferometrischen Methode“ verfährt man folgendermaßen: 


570 Paul Hirsch. 


Von zwei sorgfältig mit Gummistopfen verschließbaren sterilen Zen- 
trifugiergläschen !) wird das eine mit Serum, das andere mit Serum + 
einer abgewogenen Menge Substrat (man soll im allgemeinen etwa 005 
bis 0'1 g anwenden) beschickt. (Ist die Abbaumöglickkeit von verschiedenen 
Organen zu prüfen, so müssen selbstverständlich entsprechend viele Zen- 
trifugiergläschen genommen -werden.) Beide Röhrchen werden genau 
24 Stunden bei Brutschranktemperatur aufgehoben, nach Ablauf dieser 
Zeit zentrifugiert und dann die beiden klaren Sera interferometrisch 
untersucht. Zu diesem Zwecke wird die eine Kammerhälfte einer Doppel- 
kammer (es empfiehlt sich die Benutzung der 5 mm-Kammer wegen des 
geringen Inhalts) mit dem Serum, das auf das Substrat eingewirkt hatte, 
die andere Hälfte mit dem als Vergleichsflüssigkeit dienenden unbehandelten 
Serum beschickt. Die Kammer wird in das Interferometer so eingesetzt, 
dal das höher konzentrierte Serum, es kann dies gegebenenfalls nur das 
Serum sein, welches auf das Substrat eingewirkt hatte, sich auf der Seite 
des verstellbaren Kompensators oder mit anderen Worten auf der Seite 
der Meßtrommel befindet. 

Es sollen hier an dieser Stelle einige Bemerkungen über den Einfluß 
der Temperatur auf das Resultat der Messungen gemacht werden. Man 
kann geneigt sein, annehmen zu müssen, daß das Resultat der interfero- 
metrischen Messungen in ähnlicher Weise von der Temperatur abhängig 
sei wie das Drehungsvermögen bei der polarimetrischen Messung, man 
also zu genauen Messungen eine Temperatur von 375° einhalten müsse. 
Es ist dies jedoch bei Differenzmessungen, wie sie bei der „interfero- 
metrischen Methode“ zur Verfolgung von Abwehrfermentwirkungen aus- 
geführt werden, nicht der Fall. Es haben ausgeführte Versuche ergeben, 
daß die Differenz in Trommelteilen, d.h. die Anzahl der Trommelteile, 
die durch das wegen der Verschiebung der Interferenzfiguren bedingte 
Drehen der Kompensatorschraube als Ausschlag abgelesen wurden, inner- 
halb weiter Temperaturunterschiede die gleiche ist. Es ist an sich ohne 
jeden Einfluß bei dem Resultat der Messungen, ob diese bei einer Tem- 
peratur von 10° oder 40% ausgeführt werden. Allerdings gilt diese Tatsache 
nur bei Differenzmessungen von gleichartigen Substanzen wie in unserem 
Falle von Serum. Sind die zu vergleichenden Substanzen heterogen, so 
spielen die Temperatureinflüsse auf das Resultat der Messungen eine 
ziemlich bedeutende Rolle. Man kann wohl sagen, daß die Unabhängigkeit 
von der Temperatur ein nicht zu unterschätzender Vorteil der „interfero- 
metrischen Methode“ ist. Nur die Einwirkung des Serums auf das Sub- 
strat ist an die Temperatur von 37°’5° gebunden. 

Hat die Doppelkammer die Temperatur des Temperierbades ange- 
nommen, so führt man die Messung aus. Nach jeder Messung muß die 
Kammer auf das sorgfältigste gereinigt und getrocknet werden (vgl. oben). 


!) Zentrifugiergläser in brauchbarer Form und Größe liefert Erich Koellner, Glas- 
technische Anstalt, Jena. 


Die „interferometrische Methode“ zum Studium der Abwehrfermente. Dyal 


Bei Benutzung von Serum empfiehlt es sich, die Kammer nach Entfernen 
desselben zuerst mit physiologischer Kochsalzlösung und dann erst mit 
destilliertem Wasser auszuspülen. Man entleert die Kammer am besten 
mittelst einer 5 cm®-Pipette mit Gummibirne. 


Fehlerquellen der Methode. 


Abgesehen von den Fehlerquellen, die auch bei dem Dialysierver- 
fahren in Frage kommen können — der Gehalt des Serums an zuviel 
dialysablen, die Ninhydrinreaktion gebenden Stoffen spielt hier gar keine 
Rolle —, sind bei der „interferometrischen Methode“ besonders folgende 
Punkte zu beachten, welche zu falschen Schlüssen führen können. 

Es ist nötig, daß das zur Anstellung der Versuche benutzte Serum 
nicht nur allein von einer Blutentnahme, sondern auch aus einer Serum- 
menge stammt. Es haben ausgeführte Versuche ergeben, daß Serum, 
welches im Laufe einer Blutentnahme innerhalb weniger Sekunden in ver- 
schiedenen sterilen Gefäßen aufgefangen wurde, verschieden hohe Kon- 
zentration (bis zu 150 Trommelteiledifferenz) besitzt. Um die hierdurch 
bedingte Trommelteiledifferenz auszuschließen, muß entweder das zu be- 
nutzende Serum von einer Serumprobe stammen oder man muß vor 
Anstellung der Versuche die einzelnen Serumproben einer Blutentnahme 
mischen. 

Ferner können durch mangelhaften Verschluß der Zentrifugengläser, 
in denen die Bebrütung des Substrates vorgenommen wird, infolge von 
Verdunstung Konzentrationsunterschiede entstehen. Es ist deshalb ein voll- 
kommen dichter Verschluß unbedingt erforderlich. Sollte sich während der 
Bebrütung viel Kondenswasser in den Röhren gebildet haben, so schüttelt 
man vor dem Zentrifugieren diese gut um. Man kann sich durch einen 
einfachen Versuch davon überzeugen, daß hierdurch diese Möglichkeit eines 
Fehlers vollständig ausgeschaltet ist. Man lasse in einem gut verschlossenen 
Röhrchen irgend eine Salzlösung solange im Brutschrank stehen, bis sich 
Kondenswasser an den Wandungen abgeschieden hat. Hat man zwei der- 
artige Proben angesetzt, so kann man sich durch interferometrische Unter- 
suchung von der Richtigkeit obiger Ausführung überzeugen. 


Genauigkeit der Methode. 


Die Genauigkeit der „interferometrischen Methode“ ist eine äußerst 
grobe. 

Man kann diese in sehr einfacher Weise auf folgende Art demon- 
strieren. 

Es wurden 0'1 g Plazentapepton „Höchst“ in 20 cm® Wasser gelöst. 
Von dieser 0'5°/,igen Stammlösung wurden 0°05- und 0:005°/,ige Lösungen 
hergestellt. Diese Lösungen wurden mit destilliertem Wasser als Ver- 
gleichsflüssigkeit interferometrisch untersucht. 

Nachstehende Tabelle gibt die Resultate an: 


572 Paul Hirsch. Die „interferometrische Methode“ zum Studium ete. 


Temperatur des Temperierbades 18:7 


20 mm-Kammer 5 mm-Kammer 
(N ass 1203 326 
DER EN ER 00 32 
OD re 1 3 


Die Zahlen bedeuten die Anzahl der Trommelteile, die durch das 
wegen der Verschiebung der Interferenzfiguren bedingte Drehen der 
Kompensatorschranbe als Ausschlag abgelesen wurden (Trommelteile- 
Differenz). 

Ordnet man die Zahlen graphisch in einem Koordinatensystem an, 
so verläuft die Kurve, abgesehen von einem kleinen Meßfehler von drei 
Trommelteilen, sowohl für die 20 mm- als auch für die 5 mm-Kammer in 
einer geraden Linie. Man kann diese Kurve gewissermaßen als 
Eichkurve benutzen, da sie uns für jede Anzahl von Trommel- 
teilen die dazu gehörige Peptonenkonzentration, mithin also 
auch bei Einwirkung von Serum von Schwangeren auf Plazenta 
die durch die Tätigkeit der Abwehrfermente gebildete Menge 
von Peptonen angibt. '!) 

Man kann die Genauigkeit der Methode auch noch in anderer Weise 
darstellen. 

Es lassen sich bei Benutzung der 20 mm-Kammer Konzentrations- 
änderungen von 0'001°/,, bei Benutzung der 5 mm-Kammer von 0'005°/, 
feststellen. Der Inhalt der 20 mm-Kammer beträgt 2 cm®, es lassen sich 
also 0:00002 9 = 0:02 mg Pepton feststellen. Da der Inhalt der 5 mm-Kammer 
05 cm3 beträgt, lassen sich also bei ihrer Benutzung 00001 y=0O'1 mg 
Pepton feststellen. 


!) Die Firma Carl Zeiss-Jena justiert auf Wunsch die Interferometer in der Art, 
daß die angegebenen Eichwerte direkt benutzt werden können. Es ist dann eine Neu- 
eiechung unnötig. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissen- 
schaften. 


Von Emil Löwi, Wien. 


ERSTER TEIL. 


Die bei biologischen Untersuchungen in Betracht kommenden 
mathematischen Operationen. 


Durch die Einführung der Zahl in die Beschreibung von Zuständen 
oder Vorgängen der belebten Natur gelingt es häufig, diese einer mathe- 
matischen Behandlung ebenso zugänglich zu machen wie physikalische 
oder chemische. Das notwendige Zahlenmaterial gewinnt man meist auf 
dem Wege der Messung, in manchen Fällen auch auf dem der Zählung. 
Um den Ausdruck des Naturgesetzes zu finden, ist es notwendig, die Er- 
gebnisse verschiedener bei der Untersuchung des Vorganges oder Zustandes 
vorgenommener Messungen oder Zählungen in geeigneter Weise zueinander 
in Beziehung zu bringen. Das geschieht dadurch, daß man unter genauester 
Berücksichtigung der Umstände, unter denen die Untersuchung erfolgte, 
die gewonnenen Zahlen in zweckmäßiger Weise anordnet (Bildung von 
Tabellen). Gelingt es, aus dem geordneten Zahlenmaterial einen gesetz- 
mäßigen Zusammenhang zwischen dem Größer- und Kleinerwerden der 
Zahlen bei gewissen Veränderungen der Umstände, unter denen der Vor- 
gang erfolgte, zu erkennen, so sucht man dieses Abhängigkeitsverhältnis 
durch eine Formel auszudrücken, und diese ist, wenn ihre Richtigkeit 
durch weitere Versuche bewiesen ist, der Ausdruck des Naturgesetzes. 
Eine besondere, sich durch Übersichtlichkeit und Anschaulichkeit auszeich- 
nende Form, in die man das Ergebnis der Untersuchung kleiden kann, 
bildet die graphische Darstellung, eine Abart derselben die durch den 
untersuchten Vorgang mit Hilfe geeigneter Instrumente selbst bewirkte 
Registrierung, welche zu ersterer insofern einen gewissen (regensatz bildet, 
als sie nicht vom Zahlenmaterial ausgeht, sondern umgekehrt durch Aus- 
messung der automatisch entstandenen Aufzeichnungen ein zur Aufstellung 
von Formeln mehr oder weniger geeignetes Zahlenmaterial liefert. 

Einige Zweige der Mathematik, wie die Kombinatorik oder die syn- 
thetische (projektive oder neuere) Geometrie, betrachten die Gebilde, mit 


574 Emil Löwi. 


denen sie sich beschäftigen, ohne ihnen irgend einen Zahlencharakter bei- 
zulegen, bloß insoferne, als sie die Beziehungen untersuchen, die zwischen 
ihnen infolge der verschiedenen möglichen Gruppierungen oder ihrer ver- 
schiedenen räumlichen Lage zueinander herrschen. Auch von derartigen 
Methoden wird bei der Lösung mancher biologischer Probleme Gebrauch 
gemacht. | 

Vorliegende Skizze gibt in ihrem ersten Teil eine Übersicht über 
die bei der Auswertung von Beobachtungsresultaten zu verwendenden ma- 
thematischen Methoden in elementarer Darstellung. Die beiden anderen 
Teile beschäftigen sich damit, den Weg zu zeigen, auf dem auf verschie- 
denen Gebieten der Biologie (im weitesten Sinne) das durch Beobachtung 
gewonnene Material so verwertet werden kann, daß das Ergebnis der 
Untersuchung nicht in Form einer mehr oder weniger genauen, immer 
aber etwas langwierigen Beschreibung, sondern in der exakten Form 
der Wiedergabe durch die Ausdrucksmittel der Mathematik ge- 
geben wird. 


Über Beobachtungsfehler und Fehlerausgleichung. 


Führt man eine Messung irgendwelcher Art, sei es eine Längen- 
oder eine Gewichtsbestimmung, eine Temperatur- oder Luftdruckablesung, 
eine Bestimmung mit einem Winkelmeßinstrument, oder sonst irgend eine 
Größenermittlung anderer Art aus, so findet man, wenn man mit dem- 
selben möglichst fehlerfreien Instrument und mit möglichster Sorgfalt 
dieselbe Messung an demselben Objekt wiederholt, daß die beiden Ergeb- 
nisse trotzdem nicht vollkommen miteinander übereinstimmen. Eine weitere 
mehrfache Wiederholung derselben Messung unter genau gleichen Um- 
ständen liefert wieder voneinander etwas abweichende Werte. Da weder 
am Objekte noch am Instrumente sich etwas geändert hat, sind bei der 
Messung ohne Zweifel irgend welche Fehler unterlaufen. Es handelt sich 
um unvermeidliche Beobachtungsfehler. Die Ursache ihres Auf- 
tretens kann unter den oben gemachten Voraussetzungen nur in der Un- 
vollkommenheit der menschlichen Natur und in der Ungenauigkeit, mit 
der bis zu einem gewissen Grade selbst das beste Meßverfahren behaftet 
ist, begründet sein.!) Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dal) einzelne 
Beobachtungswerte „zufällig“ miteinander vollkommen übereinstimmen. 
Von den mehr oder weniger zahlreichen Beobachtungswerten sind not- 
wendigerweise die einen größer, die andern kleiner als der in der Regel 
der direkten Erkenntnis verschlossene wahre Wert, die einen stehen ihm 


1, „Grobe“ Fehler, wie sie etwa einem Irrtum des Beobachters bei der Ablesung 
oder ungenügender Sorgfalt entspringen, oder durch äußere störende Einflüsse verur- 
sacht werden können, sowie „systematische“ Fehler, wie sie einer zu geringen, für den 
angestrebten Zweck nicht ausreichenden Genauigkeit des Instrumentes, oder einer un- 
richtigen Aufstellung desselben, welche die Beobachtungswerte größer oder kleiner er- 
scheinen läßt, als sie wirklich sind, können nicht den Gegenstand einer besonderen Er- 
örterung bilden, da man sie vermeiden kann. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 575 


näher, die anderen ferner, und zwar sind kleine Fehler wahrscheinlicher!) 
als große.?) Als Ergebnis der Messung gibt man den „wahrscheinlichsten“ 
Wert oder „Mittelwert“ an. Dieser wird, wenn alle Beobachtungen unter 
genau gleichen Umständen ausgeführt wurden, also als gleich genau an- 
gesehen werden können, durch das arithmetische Mittel aller beobachteten 
Werte dargestellt. Hat man bei n-maliger Ausführung derselben Messung 
+bk+..+, 

n { 
die Summe aller /-Werte schreibt man einfach Z/ oder nach Gauß [1]. 


die Werte /,,/;..../„ gefunden, so ist der Mittelwert L—= 


1]? : 
also = . Da die Beobachtungswerte / teils größer, teils kleiner sind 


als der endgültige Mittelwert L, so rechnet man die Fehler » entsprechend 
positiv oder negativ; die algebraische Summe aller Fehler einer Beob- 
achtungsreihe ist [v]=0, meist nicht genau, sondern annähernd, also 
vielleicht besser zu schreiben [vo] “0, und zwar um so eher, je größer 
die Zahl der Einzelbeobachtungen war. Ein erhebliches Abweichen von 0 
deutet auf grobe Fehler hin. Um die Genauigkeit der Messung beurteilen 
zu können, wird man zu ermitteln trachten, wie groß der Fehler ist, der 
im Durchschnitt oder im Mittel auf die Einzelbeobachtung kommt, und 
wie weit der als Endergebnis berechnete Mittelwert sich vom wahren 
Werte der Beobachtungen entfernen dürfte. 

Addiert man die absoluten Werte der Fehler » — sie seien mit 
jo] bezeichnet — und dividiert die Summe durch die Anzahl der Beob- 
achtungen, so erhält man den „durchschnittlichen Fehler“ einer Beob- 
achtung d= [ei welcher aber kein richtiges Bild von der Zuverlässigkeit 


der Messung gibt, da bei seiner Ermittlung die einzelnen Fehler ohne 
Rücksicht auf ihre Größe gleichen Einfluß haben. In der Tat aber wird 
das Resultat durch größere Fehler in höherem Grade ungünstig beeinflußt 
als durch kleinere, und man bestimmt deshalb lieber den „mittleren Fehler“, 
bei dessen Berechnung man nicht die einzelnen Fehler addiert, sondern 
deren Quadrate, und ihnen somit einen mit ihrer Größe progressiv 


‘) Es kann nicht Aufgabe dieser kurzen Anleitung sein, die Richtigkeit der an- 
geführten Sätze und Formeln zu beweisen. Hierüber sind die einschlägigen Spezialwerke 
einzusehen, von denen einige im Literaturverzeichnisse (S. 670) angegeben sind und auf 
die notwendigenfalls verwiesen wird. 

?) Siehe z. B. Weitbrecht [78] (S. 33—40). 

®) Die numerische Berechnung dieses Ausdruckes kann man sich dadurch er- 
leichtern, daß man nicht die /-Werte selbst addiert, sondern einen Näherungswert N 
annimmt, der ungefähr in der Mitte in annähernd gleicher Entfernung von den ex- 
tremsten /-Werten liegt, und unter Beachtung der Vorzeichen die Differenzen v 
addiert, welche N auf die einzelnen /-Werte ergänzen; durch Vereinigung der algebra- 
ischen Summe der v-Werte, durch die Anzahl der Beobachtungen dividiert, mit dem 


Näherungswert erhält man dann den Mittelwert entsprechend der Formel L= N + — 


(vel. S. 601). 


16 Emil Löwıi. 


Br! 


wachsenden Einfluß verleiht. Die Formel für das Quadrat des mittleren 


o Oi Wa Rn / 2 
Fehlers m ist m? = ee) somit ist m = + [® | a 
el Val u | 


Die Genauigkeit des Mittelwertes Z beurteilt man nach der Größe 
seines gleichzeitig anzugebenden mittleren Fehlers M,, dessen Quadrat 
man aus dem mittleren Fehler der Einzelbeobachtungen durch die Di- 


m? 
vision durch die Anzahl der Beobachtungen erhält: M/’= — somit 


Ist eine Messungsreihe mehrmals ausgeführt worden, von demselben 
oder von verschiedenen Beobachtern, und liegt von jeder Reihe ein Mittel 


(L', L's, L', .... L‘s) vor, so wird man als Endresultat einen aus der 
Vereinigung der einzelnen Mittel hervorgegangenen Wert angeben; dieser 
IL] 


kann aber nicht einfach das arithmetische Mittel =— sein: man muß 
5 


vielmehr berücksichtigen, daß Reihen, die aus einer größeren Anzahl von 
Einzelbeobachtungen bestehen, dem wahren Werte näher kommen als 
kürzere; das „Gewicht“ einer Reihe ist proportional der Anzahl von 
Einzelbeobachtungen, aus denen sie besteht; man wird also, um das Ge- 
wicht zu berücksichtigen, jedes Mittel mit der Anzahl »,, ns, %3 ....Nn 
der Beobachtungen, aus denen es zusammengesetzt worden ist, multipli- 
zieren und durch die Gesamtzahl aller Beobachtungen (Summe aller n) 
dividieren. Der endgiltige Mittelwert Z wird dann durch die Formel aus- 
} 

ne a 
[rl 

Die bisher besprochenen Methoden, die sich mit der Ausgleichung 
direkter Beobachtungen beschäftigen, finden auch Anwendung, wo es 
sich nicht um wiederholte Messungen derselben Größe, sondern um 
zahlenmäßige Feststellungen an demselben Merkmale verschiedener 
gleichartiger Individuen handelt, worüber später in der Kollektivmaßlehre 
berichtet werden soll. Hier mag noch erwähnt werden, daß man auf die- 
selbe Weise bei der Zählung von in einem flüssigen Medium suspendierten 
mikroskopischen Objekten (Mikroorganismen, isolierten Gewebszellen) mittelst 
einer Zählkammer vorgehen kann, falls eine höhere Genauigkeit als bei 


') Man würde im Nenner » erwarten; dann wäre die Formel aber nur zutreffend, 
wenn der wahre Wert bekannt und die Fehler die Abweichungen », der einzelnen 


> 


Beobachtungswerte vom wahren Werte wären; dann wäre m®— _“”. Berechnet man 
n 

aber die Fehler als Abweichungen der Einzelbeobachtungen vom Mittelwert, welcher 

selbst wieder gegenüber dem unbekannten wahren Werte eine gewisse Abweichung auf- 

weist, dann ist, wie man leicht ableiten kann (siehe z. B. Weitbrecht, S. 24—27), die 

Quadratsumme kleiner, [v*] < [v,?];, und man muß auch den Nenner verkleinern ; die 

Verminderung gerade um die Einheit hat sich als allen Anforderungen entsprechend 


erwiesen. (Ableitung siehe z. B. ]l. e., ferner daselbst S. 36.) 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 577 


der zu praktischen Zwecken vorgenommenen Blutkörperchenzählung er- 
wünscht ist.?) 

Seltener wird bei biologischen Arbeiten der Fall eintreten, daß nicht 
die beobachtete Größe selbst, sondern eine andere, aus ihr abzuleitende. 
das Ziel der Untersuchung bildet und von den unvermeidlichen Beob- 
achtungsfehlern befreit werden soll (Ausgleichung vermittelnder Beob- 
achtungen), kaum jemals der Fall. daß mehrere Größen durch die Beob- 
achtung bestimmt werden sollen, die infolge eines Naturgesetzes in irgend- 
einem Abhängigkeitsverhältnis voneinander stehen (Ausgleichung bedingter 
Beobachtungen), so daß infolge der Beobachtungsfehler selbst ihre aus 
wiederholten Bestimmungen berechneten Mittelwerte die Gleichung, welche 
ihr Abhängigkeitsverhältnis darstellt, nicht voll befriedigen, sondern erst nach 
einer gewissen Korrektur.?) Um so häufiger dagegen hat man Veranlassung, 
bei dem Versuch, aus beobachtbarem Zahlenmaterial ein Gesetz abzuleiten, 
zwar nicht die gefundenen Größen wiederholt zu bestimmen und zu korri- 
gieren, sondern für andere, in der angenommenen Formel vorkommende, 
nicht direkt beobachtbare, sondern zu berechnende Größen einen möglichst 
genau genügenden Wert zu finden, wobei man ebenfalls nach den für die 
Ausgleichung vermittelnder Beobachtungen geltenden Gesetzen vorgeht. :) 
Eine Eigentümlichkeit der Naturgesetze ausdrückenden Formeln besteht 
nämlich darin, daß es sich oft um variable, voneinander abhängige 
Beobachtungsgrößen handelt, so daß bei der Ausgleichungsrechnung nicht 
die bei wiederholter Messung erhaltenen Werte derselben Größe, sondern 
die für die Variablen unter verschiedenen Umständen erhaltenen spe- 
ziellen Werte beim Einsetzen in die Formel diese nicht ganz erfüllen. Das 
Ziel der Rechnung ist dann nicht, die mit Fehlern behafteten speziellen 
Beobachtungsgrößen zu korrigieren, sondern die von ihnen nicht 
abhängigen, in der Formel vorkommenden, für den untersuchten Vorgang 
charakteristischen Konstanten mit möglichster Annäherung an ihren 
wahren Wert zu berechnen. Meist wird bei biologischen Untersuchungen 


) Beschreibung zahlreicher alter und neuer Zählkammerkonstruktionen, mit 
kritischer Besprechung und mit Berechnungen bei Bürker |8]; siehe insbesondere 
S. 23—28. 

?) Wie z.B. die drei Winkel eines Dreiecks, deren nach mehrfacher Bestimmung 
gefundene Mittelwerte noch einer weiteren Ausgleichung bedürfen, da sie auch die Be- 
dingung, einander zu 360° zu ergänzen, genau erfüllen müssen. 

3) Die Ableitung der für die Ausführung der genannten Ausgleichungsmethoden 
notwendigen Formeln ist nicht so sehr schwierig als vielmehr langwierig; es sei deshalb 
von einer Besprechung, die in Kürze nicht möglich ist, abgesehen und auf die ein- 
schlägige Literatur verwiesen. Die spezielle Berechnung der aufgestellten Formeln er- 
folgt nach den gewöhnlichen Regeln der Arithmetik ; wegen des Aufwandes an numerischen 
Operationen — einige Beispiele geben wir im dritten Teile, S. 642ff. — ist sie oft sehr 
zeitraubend und beschwerlich, zumal es sich meist um sehr vielzifferige Zahlen handelt. 
Die Gefahr, daß Irrtümer durch Verrechnen unterlaufen, ist eine nicht geringe; ver- 
kleinert wird sie durch den Gebrauch von Rechentafeln — etwa der C’relleschen [90] —, 
da hiedurch Zeit und Mühe erspart wird und die Ermüdung durch die Rechenarbeit 
weniger groß ist. 

Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 37 


578 Emil Löwi. 


dies nicht mit derselben Exaktheit möglich sein wie bei physikalischen 
oder chemischen; denn die beobachteten Zahlen (die Variablen) sind nicht 
nur, wie es bei dieser Rechnung angenommen werden muß, nicht fehler- 
frei, sie unterliegen vielmehr noch anderen Störungen als die für die Ab- 
leitung empirischer Formeln der Physik und Chemie benützten Zahlen: 
die Organismen reagieren weniger gleichmäßig auf bestimmte Abänderungen 
der Versuchsbedingungen als anorganische Versuchsobjekte — infolge ihrer 
Variationsbreite — und lassen die Erreichung des gewünschten Punktes 
der zu bestimmenden Größe, etwa ein bestimmtes Wachstumsstadium, 
weniger exakt erkennen, als anorganisches Material entsprechende Punkte, 
etwa die Erreichung eines bestimmten Teilstriches der Skala eines Meb- 
instrumentes, oder einer bestimmten Konzentration. Zur Ableitung der 
Formeln sind daher um so mehr solche Wertepaare zu verwenden, bei denen 
die abhängige Variable als Mittel der Beobachtungswerte wiederholter 
Versuche berechnet wurde. 


Literatur: Eine kurze Darstellung der Ausgleichungsreehnung bietet Weitbrecht 
[78], eine erschöpfendere, nicht allzu schwierige, mit Beispielen aus der Astronomie, 
Geodäsie und Physik Czuber [80], S. 246—343 (Lit.!). Die größeren Lehrbücher der 
Ausgleichungsrechnung haben vorwiegend geodätische Zwecke im Auge. — Vgl. auch 
die mit Beispielen aus der Physik und Chemie versehene kurze Anleitung im Abschnitte 
über „Fehlerrechnung“ bei Nernst-Schönflies [73]. 

Betreffs der Fehlerrechnung bei der Ausmessung von Kurven siehe das auf 
S.589, Zeile 4ff. über Poirot Gesagte. — Die Berechnung von Konstanten behandelt aus- 
führlich Szeinhauser [84]. 


Häufigkeitsrechnung, Wahrscheinlichkeitsrechnung und Kombi- 
natorik. 


Ist eine Anzahl U von irgendwelchen Größen (Objekten, Eigen- 
schaften, Vorgängen, ...... ) vorhanden, von denen einige, a, sich vor 
den übrigen durch den Besitz (oder Mangel) eines besonderen Merkmals A 

5 r a 2 [A 5 5 an: = 
auszeichnen, so nennt man das Verhältnis U die relative Häufigkeit H 
der besonders unterschiedenen Größen. Eine andere Gruppe, von der An- 
zahl 5, deren Mitglieder durch ein anderes Merkmal, B, von den übrigen 
verschieden sind, hätte die relative Häufigkeit T und so ließe sich durch 
Betrachtung anderer Merkmale, welche ce, bzw. d, e..... n Gliedern der 
vorhandenen Größen zukommen, die relative Häufigkeit der zu jeder Gruppe 
(& d e N E > 
Trmw. T bestimmen. Gelangen Objekte 
derselben Art wiederholt zur Beobachtung und hat man jedesmal ihre 
Zabel U, en e U, sowie die absolute Häufigkeit «a,, a, 43, 
RAR a, der durch das Merkmal A vor den übrigen ausgezeichneten 
(Gliedern festgestellt, so werden die relativen Häufigkeiten H,, H,, H,, 
..... H, jedesmal verschieden ausfallen. Sie können sehr stark vonein- 
ander abweichen, die Unterschiede können aber auch so geringfügig sein, 


gehörigen Glieder als 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 579 


daß die H-Werte bloß innerhalb ziemlich enger Grenzen schwanken, so 
daß man sie, ohne von der Wahrheit wesentlich abzuweichen, als gleich — 
oder nahezu gleich ("v) — ansehen kann: HH» H, w,H,w ..... so.H;; 
in dieser Gleichheit wird man, falls man sie genügend oft beobachtet hat, 
den Ausdruck einer Gesetzmäßigkeit erblicken, so sehr, daß man für ein 
neuerliches Auftreten der Objekte in einer Zahl U für das Merkmal A 
eine mit den früheren gefundenen H-Werten übereinstimmende relative 
Häufigkeit erwarten darf. Man nennt diese Zahl H, die man durch zahl- 
reiche Beobachtungen festgestellt hat und die wahrscheinlich auch bei 
weiteren Beobachtungen sich einstellen wird, die Wahrscheinlichkeit 
(a posteriori) für das Auftreten der mit dem Merkmal A versehenen Ob- 
jekte: W(A)=H. Sie stellt das Zahlenverhältnis der durch das charakte- 
ristische Merkmal kenntlichen zur Gesamtzahl der beobachteten Objekte dar. 

Von den beiden Grenzfällen OÖ und 1 (von den U-Gliedern der Reihe 
hat keines, bzw. haben alle das charakteristische Merkmal) abgesehen 
ist H immer ein echter Bruch. Um die relativen Häufigkeiten von Größen, 
die verschiedenen Beobachtungsreihen angehören, leicht vergleichbar zu 
machen, ist es zweckmäßig, die Brüche umzuformen, so daß alle denselben 
Nenner haben, und zwar wählt man hierfür 100; man berechnet somit das 


Prozentverhältnis: «:U=p:100, gibt also den Bruch in der Form — an, 
oder, was dasselbe ist, p°/,. — Unter den weißen Blutzellen des gesunden 


erwachsenen Menschen finden sich unter normalen Umständen 25°/, Lympho- 
zyten; somit wird bei der Zählung, unter Voraussetzung gleichmäßiger 
Verteilung, jede vierte weiße Blutzelle — natürlich bloß durchschnittlich 
— sich als Lymphozyt erweisen, oder die Wahrscheinlichkeit, auf einen 
Lymphozyten zu treffen, ist !/,. Wodurch dieses Verhältnis bedingt ist, 
ist nicht bekannt, es ist deshalb auch nicht berechenbar, sondern bloß 
auf dem Wege oftmaliger Zählungen zu ermitteln. In anderen Fällen da- 
gegen lassen auf Grund gewisser Voraussetzungen in der Natur vor- 
kommende Zahlenverhältnisse sich berechnen. Bei der Kreuzung eines 
pflanzlichen oder tierischen Individuums mit einem einer anderen Rasse 
angehörenden können die Eigenschaften der Eltern in verschiedener Weise 
auf die Nachkommen übergehen. Bezeichnet man den vererbbaren Merkmal- 
komplex des einen Elters mit AA, den des anderen Elters mit aa, so wird 
man zweckmäßig die Chromosomenmasse der reifen Fortpflanzungszelle 
nach der Reduktionsteilung mit A, bzw. mit a bezeichnen. Bei der Be- 
fruchtung wird durch die Kernverschmelzung die volle Chromosomenzahl 
wieder hergestellt; die Individuen der entstehenden Generation F, besitzen 
den Merkmalkomplex Aa. Paaren nun F,-Individuen untereinander, so 
werden die Deszendenten (F,-Generation) untereinander verschieden sein, 
da die halbe Kernmasse jedes Elters A oder a sein und jeder dieser 
beiden Teile bei der Befruchtung sich mit einem gleichen oder ungleichen 
Anteil vereinigen kann; es sind somit die Möglichkeiten AA, aA, Aa, aa 
vorhanden (Variationen zweier Elemente der 2. Klasse mit Wiederholung). 
37* 


580 Emil Löwi. 


Da die Merkmalkomplexe aA und Aa sich nicht voneinander unterscheiden, 
ist in der F,-Generation das Auftreten des Merkmalkomplexes Aa doppelt 
so oft zu erwarten, als jenes von AA oder von aa; die drei möglichen 
Typen werden im Verhältnis 1:2:1 vertreten sein. Diese zur Erklärung 
zahlreicher tatsächlich beobachteter Zahlenverhältnisse geschaffene Ableitung 
(Mendelsches Gesetz) !) hat ihre Richtigkeit dadurch bewiesen, daß es mit 
ihrer Hilfe gelingt, für die Deszendenz die relative Häufigkeit der verschie- 
denen Typen voraus zu berechnen. Ist der Komplex AA durch das Vor- 
handensein eines besonderen Merkmals (z. B. schwarzer Farbe) ausgezeichnet, 
das dem Komplex aa fehlt (die Tiere sind weiß), so werden alle Nach- 
kommen in der F,-Generation das Merkmal besitzen (da in ihrer Erbmasse 
Aa das Merkmal, also im angenommenen Falle die schwarze Farbe, vor- 
handen ist).2) Von den Individuen der F,-Generation werden drei Teile 
das Merkmal besitzen (AA, aA, Aa). Während also die Kinder alle dem 
einen der Eltern gleichen, gleichen von den Enkeln ®/, dem einen Großb- 
elter (der durch das Merkmal ausgezeichnet ist, D), '/, dem anderen 
(dem das Merkmal fehlt, R). Die Wahrscheinlichkeit (a priori), unter 
den Enkeln D-Individuen zu finden, ist W(D)=:/,; die Wahrscheinlich- 
keit für das Auftreten von R-Individuen aber ist W(R)= '/,.?) Bei der 
Kreuzung eines Mitgliedes der F,-Generation, Aa, mit einem des charakte- 
ristischen Merkmals entbehrenden der Elterngeneration, aa, bestehen für 
die Deszendenten die Möglichkeiten Aa, aa, Aa, aa; somit D:R=1:1, 
und tatsächlich ergeben derartige Kreuzungsversuche gleich viel D- und 
R-Individuen. ®) 

Die berechneten Zahlenwerte finden sich in der Natur meist nicht 
genau, sondern nur bis zu einem gewissen Grade angenähert. So fauden 
sich (nach Bateson®) bei einer Kreuzung von Hühnern, die einer dunkeln 
und einer hellen Rasse angehörten, in der F,-Generation 549 helle und 
176 dunkle, was einem Verhältnis von 31:1 entspricht. Derartige geringe 
Abweichungen sind unvermeidlichen Beobachtungsfehlern vergleichbar und 
sprechen nicht gegen die Richtigkeit einer Theorie. Die Übereinstimmung 
der beobachteten mit den berechneten Werten ist um so größer, je 
größer die Beobachtungsreihen sind — wenn die Voraussetzungen, auf 
die sich die Berechnung stützt, richtig sind; andernfalls erkennt man 
eben daran, dal) die Ergebnisse der Beobachtungen in ganz bestimmter 
Weise von der Berechnung abweichen, daß Voraussetzungen gemacht 
wurden, die den Tatsachen nicht entsprechen. 


!) Literatur bei Przibram [44], S. 111. 

?) Von anderen, in der Natur ebenfalls vorkommenden Möglichkeiten sehen wir 
hier ab. 

®) Über die Bedeutung von D und R siehe die einschlägige Literatur, z. B. 
Przibram ]. c. 

*) Weitere Berechnungen und Literatur siehe Przibram [46, III], V. Kapitel und 
[45], VI. Vortrag. 

5) Zit. nach Przibram [44] (Morphologie), S. 112. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 581 


Zu definieren ist die Wahrscheinlichkeit (a priori) eines Ereignisses !) 
E als das Verhältnis der Zahl a der dem Ereignis E günstigen Fälle zur 
Gesamtzahl U der überhaupt möglichen gleichberechtigten Fälle, die ein- 
ander ausschließen und voneinander unabhängig sind.?) Gleichberechtigt 
sind Fälle, die die gleiche Möglichkeit des Eintreffens haben. In dem oben 
gegebenen Beispiel, wo es sich um die drei beobachtbaren Fälle AA, aa 
und Aa handelt, wäre man geneigt, für jeden von ihnen die Wahrschein- 
lichkeit !/, anzunehmen, wenn man außer acht ließe, daß der Fall Aa 
die doppelte Möglichkeit des Eintreffens habe als jeder der beiden anderen 
Fälle, da er auch in der ganz gleich erscheinenden Form aA vorkommt. 
Zur Ermittlung der Anzahl der in Betracht kommenden Fälle bedarf man 
oft der Regeln der Kombinationslehre. 3) 

Besteht das Ereignis E darin, dal) mehrere Ereignisse E,, E,...... 
gleichzeitig eintreffen müssen, um E zu geben, so ist W (E)= W (E,)- W(E,) - 
At... (Produktregel, nach Bruns) (E, und E, stehen zueinander im 
Verhältnisse des Sowohl — als auch, nach 
Stumpf ®); findet aber das Ereignis E statt, 
wenn E‘ eintrifft, aber auch beim Eintreffen 
Bu Ben EB ‘....., dann ist W(E) = 
WE) HTW(EN) + W(E)+..... (Sum- 
menregel, nach Bruns) (Entweder-oder-Regel, 
nach Stumpf *). — Der Fruchtknoten von Fı F: 
nn: ut = en ae F, Längsschnitt durch ein Fach 
vor, die sich durch ihre Symmetrieverhält- ges Aesculusfruchtknotens: F, 
nisse voneinander unterscheiden (Löwi [29]). Längsschnitt durch ein anderes 
Beachtet man, daß durch die verschiedene In- Feb, dessen Bau zu dem des 

: er : F & 5 ersteren symmetrisch ist. (Nach 
sertionsmöglichkeit der beiden übereinander Löwi [29], Fig. 4.) 
stehenden Samenanlagen jedes Faches zwei 
Fachtypen F, und F, (Fig. 265) auftreten können, und der normale Frucht- 
knoten aus drei Fächern besteht, so ist die Wahrscheinlichkeit W für das Auf- 
treten eines bestimmten Bautypus, unter der Annahme, daß die beiden Fach- 
typen gleichberechtigt sind, somit die Wahrscheinlichkeit von je Y/, haben: 

kam 1 
nie 8 
sowohl das erste, als auch das zweite, als auch das dritte Fach die für 
diesen charakteristische Gestalt haben (Produktregel). Beachtet man ferner, 
daß durch das Zusammentreten lauter gleicher Fächer ein regelmäßigerer 
Bau der Frucht zustande kommt als durch das Zusammentreten ungleicher 
Fächer, und fragt nach der Wahrscheinlichkeit W, des regelmäßigeren und 


Fig. 265. 


es muß nämlich, um einen bestimmten Typus zu geben, 


!) Der Terminus „Ereignis“ ganz allgemein gebraucht, auch wenn es sich um 
das Vorhandensein oder Fehlen einer Eigenschaft, eines Vorganges, einer körperlichen 
Differenzierung, ........ handelt. 

2) Diese Definition folgt den Ausführungen Bruns’ ([79], $ 8). 

3) Beispiele aus der Vererbungslehre siehe die in Anm.*) auf S. 580 zit. Literatur. 

#) Mitgeteilt von Meissner |77). 


582 Emil Löwi. 


der Wahrscheinlichkeit W, des weniger regelmäßigen Bauplanes, so erhält 
man, da erstere entweder nur aus F,- oder nur aus F,-Fächern bestehen 
al 


kann, die Wahrscheinlichkeit W = r3 4 ai n (Summenregel), für letztere, 


da F, und F,, oder kürzer geschrieben 1 und 2, zu den aus je drei Ele- 

menten bestehenden Variationen 112, 121, 211, oder 122, 212, 221 zu- 

sammentreten können (die ebenfalls möglichen Variationen 111 und 222, 

da den regelmäßigeren Bauplan bildend und deshalb dem vorigen Falle 

angehörend, hier nicht mitgerechnet), W, = m: Das durch Rechnung 
Ä 


gefundene Gesetz besagt, daß bei einer genügend großen Anzahl von 


Früchten die relative Häufigkeit des regelmäßigeren Typus 2’ die des weniger 


62] 


me DER, > SE 5 
regelmäßigen 7 (oder 0'25, bzw. 0'75) betragen werde. Bei der Aus- 


zählung der vorhandenen 235 Früchte fanden sich 52 vom regelmäßigeren, 
180 vom weniger regelmäßigen Typus, was den berechneten relativen 
Häufigkeiten mit ziemlicher Annäherung (0'22, bzw. 078) entspricht. 


Graphische Methoden. 


Die graphischen Methoden gehen meist darauf zurück, daß die 
lückenlose Aufeinanderfolge von Zuständen, welche in ihrer Gesamtheit 
einen Vorgang bilden, durch eine größere oder geringere Anzahl von 
Punkten- einer Ebene versinnbildlicht wird. Die Lage eines Punktes in einer 
Ebene wird eindeutig bestimmt durch Angabe seines Abstandes von zwei 
einander schneidenden Geraden dieser Ebene, welche bei rechtwinkligem 
Schnitt die Achsen eines rechtwinkligen Koordinatensystems bilden. Vom 
Schnittpunkt der beiden Achsen, dem Koordinatenanfangspunkt oder Ur- 
sprung der Koordination an, wird die Richtung jeder Achse nach der 
einen Seite positiv, nach der anderen negativ aufgefaßt, und zwar gilt 
für die quer verlaufende, Abszissen- oder X-Achse die rechte Seite, für 
die in der Zeichenebene von unten nach oben ziehende Ordinaten- oder 
Y-Achse die obere Seite als die positive. Der zwischen den positiven 
Richtungen der beiden Achsen liegende Quadrant wird als der I. bezeichnet, 
den II., III. und IV. pflegt man so anzuordnen, daß ein in der Ebene 
der Achsen liegender, in ihrem Ursprung drehbarer Zeiger sich entgegen- 
gesetzt der Uhrzeigerbewegung drehen müßte, um sie ihrer Ziffernbezeich- 
nung entsprechend zu durchwandern. Diesen Festsetzungen haftet etwas 
Willkürliches an — man könnte ebensogut das Gegenteil bestimmen —., 
da sie aber, auch in Geometrie und Physik, die häufigsten sind, empfiehlt 
sich im Interesse der Einheitlichkeit der Darstellung ihre allgemeine An- 
nahme. Meist genügt die alleinige Verwendung des I. Quadranten. 

Ein Vorgang, z. B. das Längerwerden eines Metallstabes mit steigender 
Temperatur, läßt sich auf Veränderungen mehrerer Reihen beobachtbarer 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 583 


Werte zurückführen. Im vorliegenden Falle kommen zwei derartiger Reihen 
in Betracht: die Reihe der verschiedenen Temperaturen und die Reihe 
der verschiedenen Längen. Jedem der einen Reihe angehörigen Wert ent- 
spricht ein ganz bestimmter Wert der anderen, oder, wie man sich aus- 
zudrücken pflegt: es handelt sich um zwei Größen, von denen jede ver- 
schiedene Werte annehmen kann, also um zwei variable Größen. Die Unter- 
suchung erfolgt auf die Weise, daß der Experimentator die eine der beiden 


variablen Größen — die unabhängige Variable — nacheinander ver- 
schiedene Werte annehmen läßt und den sich jedesmal einstellenden Wert 
der anderen Variablen — der abhängigen Variablen — ermittelt. Jedes 


Wertepaar stellt einen bestimmten Zustand des untersuchten Vorganges 
dar und kann zur Konstruktion eines Punktes der graphischen Darstellung 
benützt werden: die beiden Werte sind die Abszisse und Ordinate des 
Punktes, d.h. seine Abstände von der Abszissen- bzw. Ordinatenachse 
(= die Koordinaten des Punktes). Um sie ins Koordinatensystem ein- 
tragen zu können. wird eine willkürlich gewählte kleine Strecke als Ein- 
heit angenommen, z.B. die Länge eines Millimeters, und als gleich- 
bedeutend mit der Einheit — oder einem Vielfachen oder Maß derselben 
— der Variablen angesehen. In dem oben angenommenen Beispiel würde 
1 mm auf der Temperaturachse einem Grad entsprechen; auf der Längen- 
achse müßte, wegen der geringen Längenzunahme des Objektes), 1 mm 
als Vertreter einer Länge von 0'1 oder O'01 mm angenommen werden. 
Zum bequemen Auftragen der die Werte der Variablen wiedergebenden 
Strecken verwendet man zweckmäßig das im Handel erhältliche Millimeter- 
papier (quadriertes Papier mit Millimetereinteilung).?) Durch Konstruktion 
von Punkten aus möglichst vielen Wertepaaren erhält man das unter- 
brochen gezeichnete Bild einer Kurve. Meist vereinigt man die Punkte 
durch Verbindung jedes von ihnen mit dem folgenden durch eine Gerade 
zu einem zusammenhängenden Linienzuge.?2) — Ebenso wie die Beobach- 
tung einzelner Zustände desselben Objektes können auch zahlenmäßig aus- 
drückbare Unterschiede einer Eigenschaft bei verschiedenen gleichartigen 
Individuen in Abhängigkeit von den die Unterschiede bewirkenden Faktoren 
Gegenstand der graphischen Darstellung sein. 


1) Z.B. ein Kupferstab, der bei 0° 1» lang ist, nimmt bei Erwärmung auf 
100° C um 171 mm zu. 

?) Gelegentlich sind größere Quadrate erwünscht; dann lassen sich verschiedene 
ebenfalls käufliche Papiersorten mit Quadraten von 2, 3 oder 5 mm Seitenlänge ver- 
wenden. 

3) Auf welche der beiden Achsen die unabhängige, auf welche die abhängige 
Variable aufgetragen wird, ist im allgemeinen gleichgültig, ebenso die Länge der als 
Einheit zu wählenden Strecke, die selbst für beide Achsen verschieden sein darf, aus- 
genommen in dem Falle, daß man an der graphischen Darstellung Messungen vornehmen 
will. Eine Veränderung des Maßstabes für die Darstellung der Beobachtungswerte, im 
obigen Beispiel etwa 1 mm entsprechend (wir wollen = schreiben) 5° und 1 mm = 0'005 mm, 
würde an dem allgemeinen Charakter der entstehenden Kurve nichts ändern, sie wäre 
bloß nach der Richtung der einen oder der anderen Achse mehr auseinandergezogen 
oder zusammengeschoben. 


584 Emil Löwi. 


Bei Vorgängen, die sich in Zeit und Raum abspielen, benützt man 
gewöhnlich die Abszissen- als Zeitachse und die Ordinaten- als Raum- 
achse (siehe z. B. die Wachstumskurve S. 613). Ausnahmsweise wird in be- 
sonderen Fällen die Raumachse nach abwärts gelegt (wenn mit dem unter- 
suchten Objekt eine räumliche Vorstellung der Richtung nach abwärts 
verknüpft ist, siehe z. B. Fig. 276 und Fig. 284). Kommen entgegen- 
gesetzte Richtungen in Betracht, so sind beide Seiten der Raumachse, 
also I. und IV. Quadrant zu verwenden (z. B. beim Übergang positiver 
Tropismen und Taxien in negative — oder umgekehrt — mit der Zeit- 
dauer oder der Intensitätssteigerung von Reizen). In derselben Weise sind 
Aufnahme und Abgabe einer chemischen Substanz, Zunahme oder Abnahme 
des Grades einer Eigenschaft in Abhängigkeit von dem Faktor, dessen 
Wirkung man untersucht, zu beiden Seiten einer Achse darzustellen. 
Kommen mehr als zwei Variable in Betracht, dann wird der Versuch in 
mehrere Reihen zerlegt, von denen jede die gegenseitige Abhängigkeit 
von nur zwei Faktoren, unter Konstanthaltung der übrigen, berück- 
sichtigt!), so daß die Abhängigkeitsgesetze im gewöhnlichen zweiachsigen 
Koordinatensystem darstellbar sind.?) 

Das direkt aus den Beobachtungsresultaten gewonnene, vorerst ge- 
wöhnlich in Tabellenform niedergelegte Zahlenmaterial gibt in graphischer 
Darstellung nur selten das Bild einer richtig gezeichneten Kurve, aus der 
man ohneweiters eine Formel ableiten könnte, sondern meist eine mit 
mannigfachen Unregelmäßigkeiten behaftete gebrochene Linie, deren Ge- 
samtverlauf allerdings oft so ist, daß eine gewisse Übereinstimmung mit 
einem bestimmten Gebilde der Geometrie nicht zu verkennen ist. Bei 
wiederholter Ausführung desselben Versuches erhält man Kurven, die in 
den Details voneinander abweichen. Man kann deshalb eine graphische 
Ausgleichung vornehmen, indem man zwischen die durch die Beob- 
achtung festgelegten Punkte einen Linienzug legt. der einer durch eine 
einfache Formel der analytischen (reometrie ausdrückbaren Kurve von be- 
stimmten Eigenschaften möglichst nahekommt, und zu deren beiden Seiten 
sich die aus den Beobachtungswerten konstruierten Punkte als unvermeid- 
liche Beobachtungsfehler gruppieren. Die exakteste Form des Naturgesetzes 
ist gefunden, wenn die der angenommenen ausgeglichenen Kurve ent- 
sprechende Formel Wertepaare für die beiden Variablen zu berechnen er- 
möglicht, welche mit den beobachteten — bei vorheriger Berechnung den 
noch zu beobachtenden — innerhalb der Grenzen der Beobachtungsfehler 
übereinstimmen. Hierzu ist die Kenntnis der speziellen Werte der Kon- 


!) Siehe Anm. 1 auf S. 663. 

*) Graphische Darstellungen im räumlichen (dreiachsigen) Koordinatensystem 
sind möglich, werden aber selten ausgeführt; die Zeichnung des räumlichen Gebildes 
ist ziemlich schwierig. Das Abhängigkeitsgesetz der drei Variablen wird dann durch 
eine Fläche ausgedrückt. So hat ©. Fischer die Drehungsmomente von Muskeln — 
ihre Größen sind von zwei Winkelgrößen abhängig — durch „Momentflächen“ darge- 
stellt; hierüber siehe Fischer [12], S. 236 ff. und [14] Tafel IV; auch bei R. Fick [11], 
S. 322—326 (Literaturangaben S. 320). 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 385 


stanten notwendig, welche, da für die Variablen durch Beobachtung 
beliebig viele Werte festgestellt werden können, überbestimmt und daher 
nach den Gesetzen der Ausgleichungsrechnung zu berechnen sind. Meist 
begnügt man sich damit, aus den Beobachtungswerten die Kurve zu kon- 
struieren, da die Ableitung einer genauen Formel meist sehr schwierig 
ist. Wenn für das Abhängigkeitsgesetz der beiden Variablen voneinander 
eine einfache mathematische Formel von genügender Genauigkeit über- 
haupt sich nicht auffinden läßt, dann bleibt die Kurve selbst das beste 
Mittel zur Erkenntnis der Art des Zusammenhanges der beiden. Andrer- 
seits ist es aber auch möglich, für jede beliebige Kurve innerhalb 
gewisser Grenzen eine annähernd entsprechende Formel aufzustellen, 
und auch den Grad der Annäherung willkürlich zu bestimmen: je genauer 
aber die Formel die Kurvenpunkte wiedergibt, desto komplizierter wird sie. 

Während zum Zwecke der graphischen Darstellung vereinzelte 
Punkte der das Naturgesetz ausdrückenden Kurve in größerer oder 
kleinerer Zahl durch die Beobachtung festgestellt werden, erhält man 
durch Anwendung der Selbstregistrierung eine stetige Linie. Die Selbst- 
registrierungsmethoden sind besonders zur Darstellung von Vorgängen mit 
sehr schnellen Veränderungen geeignet. Die Zeiteinheiten werden durch 
einen eigenen Zeitschreiber (Uhrwerk, schwingende Stimmgabel) auf die 
Abszissenachse aufgetragen, oder ihre Zahl wird, vollkommen gleichmäßige 
Bewegung der Schreibfläche mit bekannter Geschwindigkeit vorausgesetzt, 
nachträglich durch Messungen der Abszissenlängen bestimmt. Die 
variablen Endpunkte der Ordinaten werden durch die Spuren markiert, 
welche bewegte Massen, die durch in geeigneter Weise wirkende Über- 
tragungen — durch Hebelwirkungen, eine in Röhren auf und ab 
schwankende Quecksilbersäule mit Schwimmer, Luftübertragung — aus 
ihrer Ruhelage gebracht werden, auf der Schreibfläche zurücklassen. Die 
Trägheit dieser Massen beeinflußt die Schreibung, besonders bei sehr 
schnellen Schwankungen der Kurvenwerte: kleine, dem untersuchten Vor- 
gang eigentümliche Schwankungen werden dadurch verdeckt, daß die 
Schreibvorrichtung ihnen nicht genügend schnell folgen kann: durch 
Verwendung eines „immateriellen“ Hebels — Reflexion eines Lichtstrahles 
durch einen Registrierspiegel auf eine lichtempfindliche Schreibfläche (photo- 
graphische Registrierung) — wird das Trägheitsmoment der in Betracht 
kommenden Massen wesentlich verkleinert und das Kurvenbild den Ver- 
hältnissen der Wirklichkeit mehr entsprechend. 

Während durch die graphische Darstellung die verschiedenartig- 
sten Abhängigkeitsverhältnisse ausgedrückt werden können, ist die Selbst- 
registrierung auf die Darstellung der Veränderungen einer an einem 
und demselben Organismus zu messenden variablen Größe mit der 
Zeit beschränkt. Die schnellen Schwankungen der Ordinaten erfolgen aus 
inneren Gründen, eine Abänderung der Versuchsbedingungen hat zwar ein 
etwas anderes Kurvenbild, aber von ähnlicher Kompliziertheit zur Folge; 
es ist nicht möglich, die Kurve mit einem durch eine bestimmte Formel 


586 Emil Löwi. 


der analytischen Geometrie ausdrückbaren Gebilde zu vergleichen. Man 
denke an die verschiedenen Gestalten, die eine Muskelkontraktionskurve 
annehmen kann, oder an die Mannigfaitigkeit der Pulskurve unter ver- 
schiedenen physiologischen und besonders pathologischen Verhältnissen. 
Dagegen gibt z. B. das bei Erzielung gleicher Wirkungen herrschende Ab- 
hängigkeitsgesetz zwischen Reizintensität und Reizdauer (Genaueres siehe 
II. Teil, S. 630) eine Kurve, die ohneweiters als gleichseitige Hyperbel er- 
kennbar ist. Einen Weg, auch für die kompliziertesten Kurven Formeln 
aufzustellen, bietet, sofern es sich um periodische Funktionen handelt, die 
Zerlegung in Komponenten, in Teilwellen, aus deren Zusammenwirken sie 
entstanden gedacht werden können: die Zurückführung periodischer auf 
die einfachste (Sinus- oder Kosinus-) Funktion mit Hilfe der Fourierschen 
Reihe. Berechnungen dieser 
a Art hat Araky |3] unter 
anderem an der Pulskurve 
ausgeführt; auf dieselbe 
Weise berechnete er auch 
die Kurve einer einzelnen 
Muskelkontraktion, indem 
er sieim ganzen als eine 
Periode auffaßt. 
Bei periodischen Kur- 
y ven wird man sich oft 
%q ©, dafür interessieren, was 
ES man als mittleren Wert 


Der Mittelwert Z aller Ordinaten zwischen x. und x, der Ordinate (d.h. als mitt- 
läßt sich als die Höhe eines über der Strecke za x ]eren Wert der periodisch 
als Grundlinie errichteten Rechteckes (z.NN'x») auf- _ Be En 
fassen, das der Fläche gleich ist, die von der einen schwankenden Größe, um 
Periode (MPQM‘) der Kurve, ihrer ersten und letzten deren Untersuchung essich 
Ordinate (xaM und x;,M‘) und dem zwischen den handelt) zu betrachten 


beiden letzteren liegenden Stück der Abszissenachse B 
(Ca x) begrenzt wird. habe. Ohne Zweifel das 


arithmetische Mittel aller 
zwischen Anfangs- und Endpunkt der Periode vorhandenen Ordinaten, nach 
UF 
n 
z.B. der Periode MM‘ (Fig. 266), eine Fläche dar (x, MPQM’., — F'), während 
der Zahl », die man als Gesamtheit der Fußpunkte aller Ordinaten be- 
trachten kann, der Strecke x, x, = g entspricht. Das gesuchte Mittel ist 


X: 


der bekannten Formel L = nun stellt die Gesamtheit aller Ordinaten, 


BA) ge DR: 
also L= — ). die Größe der Fläche F findet man mechanisch am besten 


durch Ausmessung mit dem Planimeter. ?) x 
Jf(x)dx 
X: 
t) Stellt eine Integration dar: 1=f(x), und L= rn. nach letzterer 
7 xh —Kz 


Formel kann die Größe der Fläche auf rechnerischem Wege gefunden werden, wenn 
die Formel der Kurve 1= f(x) bekannt ist. 
2) Siehe ferner die im Abschnitte über Morphologie auf S. 607 f. angegebenen Methoden. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 587 


In der Pflanzenphysiologie findet die Selbstregistrierung wenig An- 
wendung. bisher nur in einigen Fällen von langsam fortschreitenden und 
deshalb besonders lang zu beobachtenden Vorgängen. So wurden, um das 
Längenwachstum von Pflanzen zu verfolgen, Auxanometer konstruiert. Das 
älteste, von Wiesner [69] angegebene, schreibt die Endpunkte der durch 
exzentrische Rotation eines vertikal stehenden Zylinders in gleichen Zeit- 
intervallen gemessenen Ördinaten auf die Mantelfläche, während andere, 
wie das Pfeffersche [41]!), ähnlich den Kymographien gebaut sind und 
Kurven schreiben. 

Außer den besprochenen Methoden der graphischen - Darstellung. 
welche alle auf das rechtwinklige Koordinatensystem zurückgehen, wären 
noch andere, etwa solche im Polarkoordinatensystem möglich und manchmal 
zweckmäßig, sie scheinen aber bisher bei biologischen Untersuchungen 
noch keine Anwendung gefunden zu haben.?) 

Wie die Abhängigkeit einer Naturerscheinung von verschiedenen 
Faktoren. so läßt sich auch der Zusammenhang zwischen verschiedenen 
Graden einer Eigenschaft und der Anzahl, in der jeder zur Beobachtung 
kam, graphisch darstellen, worüber in der Kollektivmaßlehre berichtet 
werden soll. Zu erwähnen wäre noch, daß auch die relative Häufigkeit in 
sehr anschaulicher Weise dargestellt werden kann, nämlich als Sektor 
eines Kreises im Verhältnis zu dessen Gesamtfläche, die der Anzahl der 
untersuchten Größen, U (s. S. 578), entspricht (Fig. 267). Die Größe des zu 
konstruierenden Zentriwinkels des Sektors findet man durch einfache Mul- 
tiplikation der relativen Häufigkeit mit 360°. Denn da die Gesamtkreis- 
fläche, also der Zentriwinkel von 360°, die Zahl 7’ darstellen soll, entspricht 


+7 der Einheit und Xa — somit 360H, der Zahl a. Liegt die re- 
lative Häufigkeit in Form einer Prozentzahl vor + —H il .); so ist der 
Wert des Zentriwinkels 206 360° = 36. p°. 


Literatur. Zusammenfassende Darstellung: Langendorf [26]. (Umfaßt 
die graphischen [einschließlich der optischen] Registriermethoden; Beschreibung der 
Vorrichtungen zur Zeit- und Signalschreibung, samt den speziellen Anwendungen in der 
Physiologie; mit einem kurzen, elementar gehaltenen Abschnitt über die Ausmessung 
von Kurven.) 

Über graphische Registrierung: Frank [15]. (Kritische Beschreibung der 
Hebel benützenden Instrumente und, auf Grund der in früheren Arbeiten nieder- 
gelegten Untersuchungen des Verfassers, eingehende Behandlung der Theorie.) — Der- 


») Der Schreiber wird zweckmäßig an dem sich nach aufwärts bewegenden Ende 
der über die Rolle laufenden Schnur angebracht, da man so eine aufsteigende Kurve 
erhält, was man beim Wachstum als natürlich empfindet, während die Anbringung 
des Schreibers auf der anderen Seite eine absteigende Kurve erzeugt, die einen etwas 
verwirrenden Eindruck macht. 

2) Über die Verwendung derartiger Darstellungsmethoden in der Physik siehe 
F. Auerbach, Die graphische Darstellung („Die Naturwissenschaften“. 1913. S. 139 £E. 
und S. 159 ff.). 


As 
@ 
BR 12%T 
DESE ——— m 
dis 20J. 20-40J. 40T60J. 60 "804. ÜbersaJ. 
FE . D . .. . . r* . . . 
Ss Relative Häufigkeit einiger Todesursachen während eines Jahres in Wien') und ihre Beziehung za verschiedenen Lebensaltern. 
= Ls Lebensschwäche der Neugeborenen (einschließlich angeborener Mißbildungen). 
= E Epidemische?) Krankheiten. 
T Tuberkulöse Erkrankungen. 
G Geschwülste. 
As Altersschwäche. 
(Die Fläche des ganzen Kreises entspricht der Gesamtmortalität des betreffenden Lebensalters.) 
Die fünf Diagramme zeigen das Mortalitätsmaximum für epidemische Krankheiten vor dem 20. Jahre, für Tuberkulose zwischen 
20 und 40 Jahren, für Geschwülste zwischen 40 und 80 Jahren. 
') Berechnet nach dem Zahlenmaterial des Statistischen Jahrbuches der Stadt Wien für das Jahr 1910, 8. 88 ff. 
°) Der Begriff ist im Jahrbuch nicht ganz richtig begrenzt ; einfachheitshalber wurden bei der Ausführung vorliegender 
Berechnungen die gegebenen Zahlen unverändert beibehalten. 
so 
2 
en) 


f 
€ 


strierinstrumente, welehe Manometer oder 


i 


o 
oO 


S. 1—122. (Bau und Theorie der Re 


selbe [16], 


benützen.) 


o 
Le] 


Luftübertragun 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 589 


Über Apparate zur zwei- und dreidimensionalen Registrierung‘): 
siehe Wirth [71], S. 457—461. 

Über photographische Registrierung: Garten [21]. 

Über Ausmessung und Berechnung von Kurven: Poirot [42], S. 155 ff. 
(allerdings mit Rücksicht auf die spezielle Anwendung in der Phonetik geschrieben, 
aber auch sonst sehr viel Wissenswertes, für andere Untersuchungen Verwendbares 
bietend, u. a. einen Abschnitt über die Fehlerrechnung bei der Kurvenausmessung 


S. 168—177). 


Geometrische Methoden. 


Bei der Analyse morphologischer Verhältnisse kommt es gelegentlich 
vor, daß der Untersucher genötigt ist, mit geometrischen Begriffen zu 
operieren. Eine zusammenfassende Darstellung ist noch nicht versucht 
worden, vielleicht auch noch nicht möglich, und so mögen auch hier bloß 
einige diese Richtung erläuternde Beispiele aus verschiedenen Teilen des 
Arbeitsgebietes vorgeführt oder kurz angedeutet werden. 

Ist in einer Ebene (Fig. 268) ein Punkt O und ein von ihm aus- 

gehender Strahl OX gegeben (Polarkoordinatensystem), so läßt sich die 
Lage jedes Punktes P der Ebene durch seinen 
Abstand PO vom Punkte O (dem Pol) und er 
durch den Winkel XOP bestimmen. Die Be- 
zeichnung X XOP ist ohne weitere Fest- 
setzung nicht immer eindeutig, was man, 
wenn der Punkt P durch Drehung der 
Strecke OP in der Ebene um O die Lage P‘ 
einnimmt, leicht einsieht: XOP‘ würde den 
%£ © bezeichnen, während hier der erhabene 
&£ x‘ in Betracht kommt; man setzt also 
fest, daß die Winkelbezeichnung für die 
Drehrichtung im positiven Sinne (= ent- Der Drehungssinn von Winkeln. 
gegengesetzt der Uhrzeigerdrehung) gilt. 
Dann ist XXOP‘ = x‘, während der im entgegengesetzten Drehungssinne 
entstanden gedachte X » als X (— XOP‘) bezeichnet werden müßte (oder 
als X P’OX, wenn die Drehung des Strahles P‘’O im positiven Sinne ge- 
meint ist). 

Manche Gebilde der organischen Natur, welche schraubenähnliche 
Gestalt haben, wie die Schalen vieler Schnecken, die Ranken der Pflanzen, 
können in zwei Formen vorkommen, die sich durch die Richtung der 
Windung unterscheiden. Bei der Beschreibung geben die Untersucher in 
verschiedener Weise an, was sie als links und was sie als rechts gewunden 
ansehen, so daß bei exakter Ausdrucksweise ein Mißverständnis nicht zu 
befürchten ist, wenn auch manche Autoren das als links bezeichnen, was 
von anderen rechts genannt wird und umgekehrt?); doch erscheint es 


1) Die Bewegung in jeder Dimension wird als eigene ebene Kurve registriert. 
2) Über die Schwierigkeiten der Terminologie siehe z.B. R. Fick [11], S. 21. 
oder van Iterson [22], S. 16, $ 7. 


590 Emil Löwi. 


unzweckmäßig, Termini für bilaterale Lageverhältnisse auf solche, die 
durch Drehung entstanden gedacht werden können, zu übertragen. Ver- 
wendet man aber die Bezeichnungen der positiven und negativen Drehung 
oder Windung, welche man ohne Schwierigkeit von dem oben gegebenen 
Schema aus auch auf den Raum ausdehnen kann, so bleibt man im Ein- 
klang mit den geometrischen Vorstellungen und es ist keine besondere 
Festsetzung über die Art der Richtungsbestimmung zu treffen als allen- 


Fig. 269. 


(Schraubige Blattstellung, Drehungssinn positiv. D — 


(Für eine spiegelbildlich gleiche Figur ist D= — —) 


AA’ zylindrisch gedachte Pflanzenachse, SS’ die die Blattansätze verbindende 
Schraubenlinie. 
Denkt man sich den Zylinder über eine Ebene gerollt (gegen XX‘), so kann 
man sich vorstellen, daß die Schraubenlinie hierbei abgerollt wird, so daß sie 
eine Gerade mit den den Blattansätzen entsprechenden, gleich weit entfernten 
Punkten 0, 1‘, 2, 3‘, 4, 5° bildet. Diesen entsprechen auf der Geraden a,, 
die durch Abrollung des Umfanges des Querschnittes pp’ entsteht, die Projek- 
tionspunkte «a, bis a,. Während der Abrollung von 0 bis 5° (= von a, bis a,) 
hat der Zylinder zwei ganze Umdrehungen ausgeführt: 2U, zwischen jedem 


7 


B 5 al 
Blattansatze und dem nächsten den fünften Teil dieser Größe: =. also 


DO NIE 


2 a 
Va: 360°. In den Querschnittsebenen 99° und gg‘ ist dieser Win- 
5 


kel zwischen den Blättern 5 und 7 eingezeichnet. 


falls die eine, bei unbefangener Betrachtung sich beinahe von selbst er- 
gebende, dal der als wandernd gedachte Punkt auf der Schraubenlinie 
nach aufwärts (auf einer Spirale, also einem ebenen Gebilde — etwa einem 
Blütenköpfehen mit spiralig angeordneten Einzelblüten — vom Zentrum 
gegen die Peripherie) fortschreitend zu denken ist. In der Blattstellungs- 
lehre kommt bei schraubiger Blattanordnung (Fig. 269) die Bestimmung des 
oben mit x oder » bezeichneten Winkels in Betracht, ausgedrückt durch 
einen Bruch, der im Nenner die Anzahl der Blätter hat, welche der auf 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 591 


der Schraubenlinie aufwärts steigende Punkt passiert, wenn er von einem 
(als O bezeichneten) Blatte zum nächsten, genau über dem Ausgangsblatte 
stehendem Blatte m (in der Figur ist es 5) gelangt, während der Zähler 
die Anzahl n (in der Figur 2) der hierzu notwendigen ganzen Umkreisungen 


up n 2 5 SE 
der Achse angibt. Die Zahl Baker als Divergenz D bezeichnet, ist immer 


ein echter Bruch; durch das Vorzeichen wird die Richtung der Schrauben- 
windung angegeben. Denkt man sich die die Pflanzenachse (AA) um- 
ziehende Schraubenlinie mit den Blattansätzen auf eine Querschnittsebene 
(QQ°) projiziert, so stellt sie sich als Kreislinie dar, die in gleichen Ab- 
ständen die Projektionen der Blattansätze trägt. Werden diese durch 
Radien mit dem Mittelpunkt des Kreises verbunden, so schließen je zwei 
Radien, die zwei auf der Schraubenlinie einander benachbarten (unmittelbar 
aufeinander folgenden) Blattansätzen angehören, den Divergenz->£ D ein, 
dessen Größe in Winkelgraden man durch Multiplikation der 


Zahl + —mit 360° erhält: #D= + — 3600. (Näheres 


siehe Figurenerklärung.) » CT 

Die Gelenkmechanik stellt, um ein Wort A. Ficks [94] 
zu gebrauchen, „die Geometrie der Gelenkbewegungen“ 
dar. Die Form vieler Gelenkflächen läßt sich geometrisch 
erklären, wenn man sie sich durch Rotation einer Kurve | 
um eine feste Achse entstanden denkt. Wie ein um seinen | 
Durchmesser rotierender Halbkreis eine Kugel erzeugt, so / se 
ergibt sich durch Rotation eines Kreissegmentes (Fig.270a) \ 7/7 
um eine zu seiner größten Sehne parallele Achse, der es | 
seine konvexe Seite zuwendet, ein charakteristischer Körper, putsteh naeleines 
die „Kreisrolle“ (Fig.2705), die als Gelenkelement häufig Rotationskörpers. 
vorkommt, und auf ähnliche Weise lassen sich auch andere 
Gelenkformen erklären. Von derartigen Vorstellungen ausgehend entwickelt 
in außerodentlich anschaulicher Weise R. Fick [11] die Lehre vom Bau der 
Gelenke und geht dann auf die verschiedenen möglichen Bewegungsformen 
und deren Untersuchung am natürlichen Material über. 

Bei niederen Tieren finden sich häufig Skelettbildungen in Gestalt 
sehr regelmäßiger Kalk- oder Kieselkörperchen. Ein Versuch, einige dieser 
Formen geometrisch zu erklären, rührt von F. E. Schulze?) her. Lagern 
sich mehrere kugelförmige Gebilde aneinander und scheiden in die Spalten 
zwischen sich eine skelettbildende Substanz ab, so muß diese die Form 
annehmen, die durch Größe und Zahl der Kugeln bedingt ist, also etwa 


Fig. 270. 


ı) Ein mit Blattstellungsfrage zusammenhängendes Problem in vollkommen geo- 
metrischer Betrachtungsweise behandelt J. Wiesners Untersuchung über die Lage der 
Riefen [66], worin auch auf den Gegensatz der beiden möglichen Drehriehtungen 
(mit eigener Bezeichnungsweise) Bedacht genommen wird. — Bloß von geomet rischen 
Voraussetzungen ausgehend behandelt die ganze Blattstellungslehre van Iterson [22]. 

?) Zit. nach Verworn [63], 8. 591. 


592 Emil Lö wi. 


bei vier gleich großen, einander berührenden Kugeln, die so angeordnet 
sind, daß ihre Mittelpunkte die Ecken eines Tetraeders bilden, die Gestalt 
der bekannten, bei Spongien vorkommenden Vierstrahler. Dreyer!) erklärt 
die Sache etwas anders: Wenn sich in einer schaumigen Masse mehrere 
Blasen aneinander lagern, so verschieben sich ihre Scheidewände so lange, 
bis die Oberfläche der Blasen die kleinstmögliche ist: wo mehrere Wände 


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Durch die beiden Punkte P, und P, gehende Schar von Kreisen nebst ortho- 
gonal zu ihr liegenden Kreisen. 


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aneinander stoßen, entstehen Kanten, in denen sich langgestreckte Stacheln 
bilden können. 

Das Wesen der Strahlungserscheinungen bei der Karyokinese läßt 
sich dem Verständnis durch die geometrische Betrachtung näher bringen: 
Konstruiert man durch zwei feste Punkte P, und P, eine Kreisschar 


1) Zit. nach Przibram [46, IV], S. 26 ff. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 595 


(K, K', K“, K“....xKr) (Fig. 271), so erkennt man in der Mitte der 

Zeichnung (in der Figur stark ausgezogen) Kernspindel und Polstrah- 

lungen. Konstruiertt man nun noch eine orthogonale!) Kreisschar 

Ben: ...... Or) hinzu, so ergibt sich das bekannte Bild, 

das in der Physik zur Erläuterung der Kraftlinien (K, K‘,.... Kr») und 

Niveauflächen (0, ©‘, .... 0») des elektrischen oder magnetischen Feldes 

entworfen wird.?2) Die magnetischen Kraftlinien kann man bekanntlich 

dadurch sichtbar machen, daß man einen Stabmagneten mit einem Karton 

bedeckt, auf welchen man unter leichten Erschütterungen Eisenfeilspäne 

streut. Die Anwendung auf die Vorgänge bei der Zellteilung ist klar: 

zwischen den beiden Punkten P, und P, herrscht gegenüber der Umgebung 

irgendeine Differenz, wahrscheinlich osmotischer Natur, welche im Begriffe 

steht, sich auszugleichen, und dabei sichtbar werdende Strömungen erzeugt. 

Durch Verbindung aller Punkte gleichen osmotischen 

Gefälles würde man die orthogonalen Kreise O0, Fig. 272. 

O0‘, ..... 0" (mit immer größer werdendem Radius) 

(= Niveaulinien) erhalten, deren letzter, O®, sein 

Zentrum im co hat. Seinen sichtbaren Ausdruck kann a 

er in einer Äquatorialplatte finden.) — Die Er- 

scheinungen lassen sich durch Herstellung des os- | 

motischen Gefälles an nichtbelebtem Material nach- 

ahmen (Ledue [27]). — Gegen den Vergleich der 

Zellteilungsfiguren mit den Zuständen im magne- a’ 

tischen oder elektrischen Feld wurde eingewendet, 

daß es sich im letzteren Falle um zwei ungleiche 

Pole handle. Es läßt sich aber durch Konstruktion Zwei nebeneinander lie- 
ee. Bu : . gende Pole miteinander 

von Kraftlinien, wie sie etwa aus einem einzelnen „ieht beeinflussend ge- 

Magnetpol austreten, zeigen, dal durch zwei der- dachten Kraftlinien. 

artige nebeneinander befindliche Figuren ähnliche 

Spindeln zustande kommen; durch drei entstehen die bekannten Triaster- 

figuren (tripolare Mitosen), wie sie bei manchen Kernteilungen (beson- 

ders in Geschwülsten) vorkommen und auch bei abnormer Befruchtung 

durch zwei Spermakerne beobachtet wurden. Sind a und a‘ (Fig. 272) zwei 

gleiche Pole, z.B. Stellen, die gegenüber der Umgebung eine höhere 

Konzentration oder eine höhere Temperatur haben*), dann sind die von 

ihnen ausgehenden Strahlen die Kraftlinien, deren zwischen beiden Polen 

gelegener Teil als Strahlungsspindel erscheint und gleich weit von beiden 


!) d.h. die Kreise der ersteren unter rechtem Winkel schneidende. 

?) Siehe z.B. Berliner [91], S. 369 und 454 ff. 

®) Im Raume spielen sich die besprochenen Vorgänge in Form von Kugelober- 
flächen ab, deren Schnitte mit der Zeichenebene Kreise bilden; die Äquatorialplatte, 
eine Ebene, stellt sich als Gerade (in Fig. 271, gg‘) dar. 

#) Mit Eisenfeilspänen und den gleichen Polen zweier oder dreier Stabmagnete 
dürfte man den Versuch nicht ausführen, da infolge der abstoßenden Wirkung der Pole 
aufeinander zwischen ihnen keine Spindel, sondern ein leeres Feld zustande käme 
(siehe bei Przibram [46, I.] die Figuren 3 und 4 auf Tafel V). 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 38 


594 Emil Löwi. 
entfernt eine Äquatorialplatte ausbilden kann. Die Niveaulinien wären die 
um jeden Pol als Mittelpunkt beschriebenen konzentrischen Kreise. !) 

Wie Kreisscharen, so lassen sich auch andere Kurvenscharen ?) nebst 
ihren orthogonalen Trajektorien?) zur Klärung mancher biologischer Pro- 
bleme heranziehen. .J. Sachs machte darauf aufmerksam, daß die Bildung 
der Zellwände in jüngsten Pflanzenteilen nach zwei Richtungen vor sich 


gehe, parallel zur Organoberfläche — diese Wandrichtung nannte er 
periklin —, und senkrecht auf diese — antiklin. Auf dem Längsschnitte 


durch eine Vegetationsspitze bildet die Gesamtheit der Periklinen eine Schar 
konfokaler Kegelschnittslinien, 
für die die Antiklinen die ortho- 
gonalen Trajektorien darstellen: 
das erkennt man besonders leicht 
dann, wenn man nach dem Bilde 
des mikroskopischen Längs- 
schnittes eine schematische Zeich- 
nung des Zellwandverlaufes ent- 
wirft, indem man die Knickun- 
gen, unter denen oft Zellwände, 
die dem Verlauf eines bestimmten 
Kurvenzuges entsprechen, an- 
einander schließen, ausgleicht. 


Fig. 273. 


klinen ebenfalls eine 


thoden , 


Geometrische Konstruktion zweier konfokaler, 
einander rechtwinklig schneidender Parabel- 
scharen. Fokus: Schnittpunkt der Geraden XX” 
und YY‘. Die Parameter (p) aller Kurven sind 
auf der Geraden XX’ als Entfernung des Fokus 
vom jeweiligen Schnittpunkte des einen Kurven- 
astes mit XX’ in der Figur direkt ableshar 
(der Wert ist jeder Kurve beigesetzt). — Die 
nach aufwärts gerichteten Kurven sind nun 
soweit ausgezogen, als sie innerhalb der äußer- 
sten der gezeichneten, nach abwärts gerichteten 
Parabeln zu liegen kommen, wodurch die große 
Ähnlichkeit mit dem Längsschnitte eines Vege- 
tationskegels einer Blütenpflanze hervortritt. 


Sachs [56] führte geometrische 
Konstruktionen verschiedener 
konfokaler Kurvenscharen aus, 
die den oben erwähnten Bedingun- 
gen entsprachen (vel. Fig. 275), 
und wies die Ähnlichkeit mit 
wirklich in der Natur vorkom- 
menden Bildungen nach.?) Das 
(Gesetz gilt für verschiedenartige 
Kurven. Bei parabolischem 
Umriß des Längsschnittes eines 
Vegetationskegels bilden die Peri- 


klinen (und die Umrißlinie) eine Schar konfokaler Parabeln, die Anti- 


solche, 
orthogonal sind. 


Zur Erklärung der Spongiosa-Architektur 
ähnlicher Weg eingeschlagen. Der erste, 


deren Angehörige zu denen der ersteren 


der Knochen wurde ein 
der sich mit dieser Frage be- 


1) Lit. bei Verworn [63] (S. 570 ff.); siehe auch Przibram [46, I], S. 293—34. 


?) Siehe Anmerkung 2 auf S. 663. 


3) Die zitierte Abhandlung enthält noch andere Beispiele geometrischer Me- 


desgleichen eine andere Abhandlung desselben Verfassers über Zellenwachs- 


tum [57]; vel. ferner über die Ablenkung der Markstrahlen bei Schwendener [61], 


S. 107—112. 


ee ie Deu 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 595 


schäftigte, Hermann Meyer !), entwarf schematische Zeichnungen des Ver- 
laufes der Knochenbälkchen und erkannte, daß letztere zwei Systeme von 
einander kreuzenden Kurvenzügen bilden, für deren Verlauf er mecha- 
nische Ursachen verantwortlich machte; als er durch einen Mathematiker 
in eine Umrißzeichnung des oberen Femurendes „die in Betracht kommen- 
den graphisch-statischen Zug- und Druckkurven“ (Fick 1. e.), die soge- 
nannten Spannungstrajektorien, einzeichnen ließ, stimmten diese tatsäch- 
lich mit den vorher entworfenen schematischen Zeichnungen überein. Es 
handelt sich um zwei einander in der Achse des Knochens rechtwinklig 
schneidende Kurvenscharen. °) 

Im Anschluß an die Besprechung geometrischer Methoden wollen 
wir in Kürze noch einige jener Fälle erwähnen, in denen die zeichnerische 
Darstellung in der Ebene nicht ausreicht, um über schwierige morpho- 
logische oder mechanische Verhältnisse befriedigenden Aufschluß zu geben, 
und die daher Veranlassung zur Konstruktion von Modellen boten. Um die 
Wirkungen, welche benachbarte Anlagen von Ausgliederungen von Pflanzen- 
achsen aufeinander ausüben, und welche die Lageverhältnisse der ausge- 
bildeten Organe bestimmen, kennen zu lernen, hat man Kegel oder Zylinder 
benützt, deren Mantelflächen mit Kugeln in bestimmter Anordnung besetzt 
waren: Kugelsäulen.®) Zur Untersuchung, wie die Form der Gelenke die 
möglichen ‚Bewegungsarten bedingt, sind von R. Fick*) hölzerne Modelle ver- 
wendet worden. Zur genauen Analyse der Bewegungen, welche windende 
Pflanzen ausführen, bildete Schwendener (siehe [61] 8.97) die einzelnen Stadien 
mit dünnen Bleiröhren nach, so daß er nach Beendigung des zu unter- 
suchenden Vorganges die einzelnen Stadien in einer Weise überblicken 
konnte, wie es durch bloß gezeichnete Abbilder niemals möglich gewesen 
wäre. Weniger erfolgreich waren die Versuche, die Zellteilungsvorgänge 
durch Modelle zu erklären. 5) 


Kollektivmaßlehre. °) 


Bei der unerschöpflichen Mannigfaltigkeit der Formen der organischen 
Natur, welche die Veranlassung bot, die Systeme des Pflanzen- und Tier- 
reiches mit ihren Klassen und Ordnungen, Gattungen und Arten in immer 


1) Siehe R. Fick [11], S. 9 ff. 

2) Vgl. die kurzen Ausführungen Disses in der Skelettlehre (S. 21—24) von Barde- 
lebens Handbuch der Anatomie (I. Bd. 1. Abt.); Literaturangaben daselbst S. 29. 

3) Über deren Bedeutung wird von van Iterson ausführlich berichtet ([22] S. 77 
bis 94). — Dieser Autor gibt an anderer Stelle (S. 259) eine plastische Masse an, die 
ihm bei der Herstellung von Modellen gute Dienste geleistet hat. 

*) Siehe [11] S. 261f.; Modelle anderer Art S. 306, ferner S. 234 ff.; über die 
Verwendbarkeit von Gipsabdrücken und Abgüssen der Gelenkflächen siehe S. 11 ff. 

°) Siehe Anm.'!) auf S. 594. 

6) Grundlegendes Werk: Fechner [81]. Ausführliche, streng wissenschaftliche, von 
der Theorie ausgehende Darstellung: Bruns [79] („erste lehrbuchmäßige Darstellung 
der allgemeinen Kollektivmaßlehre“). Knappere, an Beispielen erläuterte klare Darstel- 
lung: Czuber [80], S. 344—384. 


38* 


596 Emil Löwi. 


kleinere Unterabteilungen zu zerlegen, gelingt es selbst unter Individuen, 
die durch die Gemeinsamkeit aller Merkmale sich als Angehörige der- 
selben engsten Unterabteilung erweisen, kaum jemals, zwei einander 
vollkommen gleiche Exemplare aufzufinden. Die Gleichheit desselben Merk- 
mals bei verschiedenen Individuen besteht nur bis zu einem gewissen, 
allerdings bei Angehörigen derselben niedersten systematischen Einheit oft 
sehr hohem Grade. Zahlenmäßigen Bestimmungen zur Charakterisierung 
der Art (Unterart, Rasse) haftet deshalb immer noch etwas Individuelles 
an. Denn die bloße Angabe des arithmetischen Mittels, wenn auch durch 
Untersuchung noch so vieler Individuen festgestellt, belehrt nicht darüber, 
ob irgend ein Wert besonders häufig, ein anderer besonders selten oder 
gar nicht vorkommt, sondern erregt den Eindruck, als ob die verschiedenen 
Werte bei einer ungefähr gleich großen Anzahl von Individuen gefunden 
worden wären. Nun kann aber gerade in der Bevorzugung oder Meidung 
gewisser Werte oder Wertgruppen eine Gesetzmäßigkeit liegen. Es ist 
deshalb notwendig, nicht einfach die Mittelwerte zu bestimmen, sondern 
die Beobachtungsreihen in einer zur Aufdeckung von Gesetzmäßigkeiten 
geeigneten Weise zu verarbeiten. Die hierbei geübten Methoden, welche 
man als statistische zu bezeichnen pflegt, wurden zuerst von Fechner in 
zusammenhängender Darstellung zu einem Lehrgebäude unter dem Namen 
„Kollektivrmaßlehre“ vereinigt, ein Name, der allgemein angenommen 
wurde, während man die Bezeichnung „Statistik“ gewöhnlich auf die zahlen- 
mäßige Verarbeitung von Beobachtungen oder Ermittlungen über Massen- 
erscheinungen der menschlichen Gesellschaft beschränkt. Diese 
Einschränkung des Begriffes erscheint, wenn sie auch sehr verbreitet ist, 
nicht gerechtfertigt, und es spricht nichts dagegen, den Namen Statistik 
(im weiteren Sinn) für jedes Problem der Kollektivmaßlehre zu verwenden. 

Eine Anzahl von gleichartigen Individuen (oder Vorgängen, oder 
sonstigen Einzelgrößen ), welche ein gemeinsames Merkmal besitzen, be- 
züglich dessen sie verglichen werden können, bilden einen Kollektivgegen- 
stand (K.-G.) oder eine Kollektivreihe. Die Anzahl der untersuchten Einzel- 
größen, der „Glieder“ („Exemplare“), bezeichnet man als „Umfang“ des 
K.-G., das betrachtete Merkmal als „ordnendes Merkmal“ oder, falls es 
zahlenmäßig ausgedrückt wird, als „Argument“. Kann letzteres innerhalb 
gewisser Grenzen („Extremwerte“) jeden beliebigen Wert annehmen, wie 
es bei Messungen der Fall ist, so ist der K.-G. ein stetiger, können aber 
die Zahlenwerte — und das findet bei Zählungen statt — nicht jeden 
beliebigen Wert, sondern nur den ganzer, positiver Zahlen annehmen, 
dann ist der K.-G. unstetig. Manche Merkmale, wie etwa die Farbe, lassen 
sich nicht ohneweiters zahlenmäßig ausdrücken, sie gehören aber doch 
einem stetigen K.-G. an, da sie in entsprechender Anordnung, wie die 
Reihe der natürlichen Zahlen mit Hilfe der Dezimalzahlen, durch ihre 


') Zum Beispiel auch die bei häufiger Vornahme derselben Messung auftretenden 
Beobachtungsfehler, oder meteorologische Erscheinungen, oder psychische Phänomene. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 


597 


„Nuancen“ lückenlos ineinander übergehen. In anderen Fällen, wenn man 
z. B. Menschen bezüglich ihrer geistigen Befähigung miteinander vergleichen 
will, besteht zwar auch eine ähnliche Nuancierung, sie ist aber weniger 


augenfällig und man muß, um die verschiedenen 
Grade quantitativ anordnen zu können, ihnen 
schätzungsweise nach gewissen Grundsätzen Zahlen- 
bezeichnungen zuteilen. Zu erwähnen wäre noch 
das Vorkommen von ordnenden Merkmalen, die 
nicht durch quantitative Unterschiede gebildet 
werden, sondern durch solche der verschiedenen 
Anordnung von Teilen im Raume, oder verschie- 
dener morphologischer Ausbildung, so daß ihnen 
der Zahlencharakter vollkommen mangelt, und auch 
auf keine indirekte Weise beigelegt werden 
kann, wie etwa Verzweigungstypen von Blutgefäß- 
stämmen, Lagebeziehungen, die sich bloß durch 
ihre Symmetrieverhältnisse unterscheiden, die pri- 
mären Sexualcharaktere u. dgl. Derartige Kollektiv- 
gegenstände, deren Gliedern man nicht ohneweiteres 
Argumentwerte beilegen kann, lassen sich durch 
eine später zu beschreibende Umformung (siehe 
S. 600) ebenso behandeln wie alle übrigen. 

Die Verarbeitung einer Beobachtungs- oder 
Untersuchungsreihe beginnt mit der Aufstellung 
der Urliste. In dieser sind die Argumentwerte in 
der Reihenfolge, in der sie gefunden wurden, ver- 
zeichnet (Tabelle I, Kolonne I und II); ihr pflegt 
keine besondere Bedeutung zuzukommen, weshalb 
sie von den Autoren meist nicht mitgeteilt wird. 
Aus ihr wird die primäre Verteilungstafel gebildet, 
indem man die Argumente (x) nach ihrer Größe 
ordnet, jeden Wert aber nur einmal aufschreibt 
und die Anzahl (y) der Exemplare, bei denen er 
vertreten ist (Wert der „Verteilungsfunktion“), bei- 
fügt, was bei unstetigem K.-G. ohne weiteres ge- 
lingt, bei stetigem aber eine um so längere und 
unübersichtlichere Tabelle gibt, je kleiner man die 
Einheit, nach der das Argument gemessen wird, 
annimmt, je kleiner somit die Anzahl — sie kann 
auch OÖ sein — der auf jeden Argumentwert ent- 
fallenden Individuenzahl ist. Man wird deshalb die 
Einteilung nicht nach den kleinsten meßbaren 


Panol 
I TR + SIE), IV 
a 
RE 2 
er 
re 7 
Se 
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£ F 
Se hi 
(6 £ F 
I) 16 Zn W 
ION ya, a 
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ryal? sehr 
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1.213.012 = 
18 16 - F 
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25 14 = W 
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28 14 E= F 
Sg ar 1 w 
Or 
Sa 22 Mn 
sea = 7 
SS De nr 
Erg Erg hi 
35 al — 

22 12 


Tab. I. Urliste. 
Tab. I—1V. Durchmesser des 
mittleren Leitbündels der 
Fruchtschuppe von Pinus 
moutana. (Kolumne I und II 
der Tab. I entnommen aus 
M.Serke, Vergleichend ana- 
tomische Untersuchung einer 
interglazialen Konifere. Öst. 
bot. Zeitschr. 1909. ') 


Einheiten vornehmen, 


sondern nach höheren, auf welche man dann die Bruchteile der gewählten 


!) Längeneinheit der Kolumne II ist das Intervall des verwendeten Okularmikro- 
meters, da Verfasser für seine Zwecke mit relativen Maßangaben ausreicht. 


598 Emil Löwi. 


Einheit abrundet, also etwa bei einer Messung in Zentimetern die Bruch- 
teile, wenn sie kleiner als !/;, cm sind, wegläßt, wenn sie größer sind, auf 
ein Ganzes ergänzt: als xcm lang gelten dann alle Individuen, deren in 


E 1 1. ß 
Zentimetern angegebene Länge zwischen % 5 undz+ = liegt. Die Zahlen 


_ 


x = werden als Wechselpunkte bezeichnet, die Zahlen x, welche alle 


3 1 ger 2 
zwischen in und +75 liegenden Werte vertreten, als abgerundete 


Argumente. Auf diese Weise hat man zum Zwecke der weiteren Verar- 
beitung die stetige Kollektivreihe auf die Form einer unstetigen gebracht. 

Die primäre Verteilungstafel besteht aus zwei Kolumnen: die erste 
enthält alle x-Werte, von denen jeder von dem unmittelbar vor und nach 
ihm stehenden um dieselbe Differenz verschieden ist, die zweite die je- 
weilige Anzahl (y) aller Individuen, deren Argumente von den den be- 
treffenden z-Werten vorhergehenden und nachfolgenden Wechselpunkten 
eingeschlossen werden (siehe Tabelle II). Bei y-Werten, die genau auf 


Tab. I Tab. Ha Tab. IIb Tab. IIe 
| | | 
| x Yy vy v Yy- lv] v yo? 
| 10 2 et 8 —34 68 11:56, 8253412 
| 11 7 —® a! — 24 168 12162 .94:32 
12 6 2 12 —14 84 1-96, 776 
| 13 5 — Zr —04 20 0:16 0:80 
| 14 5) 0 0 +06 30 036 1:80 
| 15 1 ap 1 +16 16 2:56.22:56 
16 4 +2 S +26 104 676 2704 
| 1er 4 8 12 +36 144 12:96 5184 
18 1 74 4 | +46 46 2116 21:16 
PER 6 (y-\ell= 680 [m] 20440 
+25 
by=—21 


Tab. II. Primäre Verteilungstafel. Wechselpunkte sind 10!/,, 11/,, 12%/,,.. . - 


Tab. IIa. Berechnung des Argumentdurchschnittes M (mit Benützung des vor- 
läufig angenommenen Mittelwertes N —= 14). 
[vr] — 21 


Tab. IIb und e. Berechnung der durchschnittlichen Abweichung va und der 
mittleren Abweichung (Streuung) vm aus den Abweichungen » der jeweiligen 
Argumentwerte vom Argumentdurchschnitt. 


edler 
[v] 35 


ya "204.40 Fer 
En I 7 aha 


einen Wechselpunkt fallen, ist es gleichgültig, ob man sie dem vorher- 
gehenden oder dem nachfolgenden z-Werte zuteilt, nur muß man konse- 


dl UN m lo 2 U essen u Auer 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 599 


quent sein und es innerhalb derselben Untersuchungsreihe immer nach 
derselben Richtung tun. Aus der Tabelle zu erkennen, welchem Argument- 
werte die größte, welchem die kleinste Gliederanzahl zukommt, wo bei 
den stets steigenden x-Werten die y-Werte ebenfalls steigen und wo sie 
fallen und was für eine Gesetzmäßigkeit darin sich etwa ausprägt, ist 
etwas schwierig. Mit einem Blicke dagegen wird die Verteilung der y-Werte 
übersehbar durch die graphische Darstellung: die abgerundeten Argumente 
werden als Abszissen (x) aufgetragen und in deren in gleichen Intervallen 
aufeinanderfolgenden Endpunkten Normale errichtet, auf welchen, von der 
Abszissenachse an, die jeweils entsprechenden absoluten Häufigkeiten der 
Exemplare — die Werte der Verteilungsfunktion, die Ordinaten (Y) 
eingezeichnet werden. Durch Verbindung der Ordinatenendpunkte erhält 
man die Häufigkeits- oder Verteilungskurve. 

Hat man die Wechselpunkte zu nahe beisammen gewählt, dann wird 
die Tabelle unübersichtlich lang und die Verteilungskurve wird durch 
stärkere Unregelmäßigkeiten sowie durch das häufigere Vorkommen von 
leeren Argumenten — Werten, die unter den untersuchten Exemplaren 
nicht vertreten waren, also z-Werte, deren zugehörige y=0 sind — in 
einer die Gesetzmäßigkeit verschleiernden Weise entstellt. In diesem Falle 
ersetzt man die primäre durch die reduzierte Verteilungstafel: die 
aufeinanderfolgenden Argumentwerte werden paarweise durch Bildung des 
arithmetischen Mittels und die dazugehörigen Exemplaranzahlen durch 


Summierung zusammengefaßt. An Stelle der Werte &,, &3, X3, --- -- - en 
in Yn der primären Verteilungstafel treten die neuen 
en Va = I ; 

abgerundeten Argumente ee a re. und die absoluten 
Häufigkeiten y, + 9%), (Y3 + Yı), -- - -- (siehe Tabelle III). — Die durch 

Tab. III 

ur y' Tab. III. Reduzierte Verteilungstafel. 

1 x, y'‘: Die neuen abgerundeten Argumente und ihre 

128 11 absoluten Häufigkeiten. 

14, 6 Wechselpunkte sind: 9'/,, 11'/,, 13%/,, - . . . ; gegen- 

167, 8 über der Tab. II ist jeder zweite Wechselpunkt „ein- 

1: | fach ausgelöscht“ (Bruns). ') 


die Wechselpunkte getrennten Teilstrecken der primären Verteilungstafel 
lassen sich gegebenenfalls anstatt paarweise auch in Gruppen zu 3, 4, 
ge n Teilstrecken zusammenlegen, wobei n eine ziemlich große Zahl 
sein kann; hierbei ist die Wahl der Wechselpunkte freigestellt, da man 
bei der Zusammenlegung einer größeren Anzahl von Teilstrecken an be- 
liebiger Stelle damit beginnen kann. Bruns empfiehlt (S 2138), die Wechsel- 
punkte so anzulegen, daß der dem unteren Extrem unmittelbar vorher- 


1) Der vorgelegte K.-G. bedarf wegen der Kleinheit seines Ausbreitungsgebietes 
der Aufstellung einer reduzierten Verteilungstafel nieht; nur deshalb, weil seine Urliste 
bekannt war, wurde er auch hierfür als Beispiel beibehalten. 


600 Emil Löwi. 


gehende von diesem ebenso weit entfernt ist als der unmittelbar auf das 
obere folgende von diesem. 

Eine andere Methode zur Darstellung des Abhängigkeitsverhältnisses 
zwischen den Argumentwerten und den Häufigkeiten der Exemplare ist 
das Summenverfahren. In seiner einfachsten Form erhält man die Summen- 


Tab. IV 
i 
x 3Y Tab. IV. Summentafel. 
ı i 
1 5 In der mit Yy bezeichneten Kolumne steht bei jedem 
o 1 
3 on Argument x; die Summe aller y-Werte, die zu den 
14 55 Argumenten %,, %, - . . . %&; gehören. Der dem 
15 36 oberen Extrem von x entsprechende y-Summenwert 
16 30 ist infolgedessen gleich dem Umfang des K.-G. 
17 34 
18 35 
tafel aus der Verteilungstafel durch Addition jedes Argumentes zur Summe 
eo) 
aller vorhergehenden: den Argumentwerten &,, &%, 43, ..... X, ordnet 
man die Summenwerte y,, Yı +Y, YıtY +Y, ---- „NM Ht---.. + Ya 


zu (siehe Tabelle IV). Aus einer vorgelegten Summentafel läßt sich leicht 


= 1 
die Verteilungstafel herstellen, indem von jedem Summenwert &y der vor- 
1 
i—1 


hergehende £y subtrahiert wird, da man dadurch den dem Argument z; 


1 
entsprechenden Häufigkeitswert y; erhält. 

3ei Kollektivreihen, deren Glieder sich durch ordnende Merkmale 
ohne Zahlencharakter unterscheiden, begnügt man sich oft mit der bloßen 
Angabe der relativen Häufigkeit, in der die einzelnen Exemplartypen 
unter der Gesamtzahl der untersuchten Individuen vertreten waren. Man 
kann aber auch über die Verteilung der Typen Aufschluß erhalten, wenn 
man die Urliste in gleich große Gruppen teilt und die Anzahl der in 
jeder derselben vorkommenden Individuen eines bestimmten Typus als 
Argument eines unstetigen K.-G. ansieht, dessen Glieder durch die Gruppen 
gebildet werden. Sei z. B. die Verteilung der Geburten männlicher Indi- 
viduen zu ermitteln, so würde man die Gesamtzahl der beobachteten Ge- 
burten in Gruppen etwa zu je 100 einteilen. Als Argument ist dann jede 
ganze Zahl zwischen O und 100 (die beiden genannten Werte eingeschlossen) 
möglich, und man würde bei jedem der x-Werte 0, 1, 2,..... 99, 100 
als y-Wert zu notieren haben, wie viel Hundertergruppen die genannte 
Anzahl männlicher Individuen aufwiesen. 

Von den zahlreichen Elementen oder Bestimmungsstücken, die Fechner 
zur Charakterisierung eines K.-G. annahm, wie Umfang und Extremwerte, 
ist am wichtigsten der Argumentdurchschnitt. Man berechnet ihn als 
Mittel (M) der Argumentwerte (=) unter Berücksichtung des durch die 
jeweilige Exemplaranzahl (y) gegebenen Gewichts. Es wird also die Summe 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 601 


der Produkte aus jedem x mit dem zugehörigen y durch den Umfang der 


Reihe (U = |y]) dividiert: M = & 1 | ; zur Erleichterung der Rechnung kann 


man das auf S. 575, Anm. 3), Skene Verfahren der Wahl eines vorläu- 
figen annähernden Mittelw ertes (N) benützen und aus den Abweichungen (v) 


der einzelnen Häufigkeitszahlen (y) das Mittel > vl} | bilden. Der Argu- 


mentdurchschnitt ist dann: M=N + in een siehe Tabelle IIa). Ent- 
sprechend der bei der Fehlerausgleichung geübten Bestimmung des durch- 
schnittlichen und des mittleren Fehlers läßt sich die durchschnittliche und 
die mittlere Abweichung (v, und »,„) der Argumentwerte vom Argument- 


E al nndıo.. VARzaı Iyv®] (siehe Tabelle IIb 
1%] AN 

und c). Die mittlere Abweichung, nach Bruns Streuung genannt, bildet 
ein Maß für die Ausbreitung des K.-G. — Die vorgeführte elementare Be- 
rechnung des Argumentdurchschnittes und besonders der Streuung ist 
bei Reihen von größerem Umfang langwierig und mühsam. Bruns hat 
Formeln abgeleitet, mit deren Hilfe sich die Rechnungen bequemer und, 
da auf das Summenverfahren zurückgehend, mit vorwiegender Anwendung 
von Additionsprozessen ausführen lassen. 

Von den übrigen Bestimmungsstücken eines Kollektivgegenstandes 
sind noch der Zentralwert und der dichteste Wert von Interesse. Der 
dichteste Wert (oder das Dichtigkeitsmittel) ist am leichtesten aus der 
Verteilungskurve ablesbar: es ist der Argumentwert, dem der größte 
Ördinatenwert zukommt. Der Zentralwert ist aus der Summentafel (oder 
der Summenkurve) zu entnehmen, er ist jener Argumentwert, für den die 
Summenfunktion gleich dem halben Umfang des Kollektivgegenstandes ist: 
die Anzahl der vor ihm liegenden Glieder ist gleich der der ihm nach- 
folgenden.) 

Schwanken die Argumentwerte innerhalb sehr weiter Grenzen, so 
daß das Intervall der Wechselpunkte, welches man doch immer viel kleiner 
als die kleinsten Argumentwerte wählt, im Gebiete der höheren Argument- 
werte im Verhältnis zu deren Größe so klein ist, daß daselbst in jedem 
Intervall nur ganz unbedeutende Zuwächse zustande kommen, dann ist 
der vorgelegte K.-G. der gewöhnlichen (nach Fechner „arithmetischen“) 
Behandlung unzugänglich. Denn in der Region der höheren Werte würde 
die primäre Verteilungstafel eine Reduktion verlangen, welche man aber 
nicht in entsprechender Weise vornehmen kann, da bei einer Zusammen- 


durchschnitt bestimmen: v, = 


!) In unserem Beispiel ist u dichteste Wert = 11 (siehe Tabelle II); der 


= 


Zentralwert liegt bei 13, da-—— = = 175 ist, und dieser Wert der Summenfunktion 


zwischen den u Werten 15 und 20 der Summentafel (siehe Tabelle IV) liest, zu deren 
1 


letzterem der Argumentwert 13 gehört. 


602 Emil Löwi. 


legung von genügend vielen Teilstrecken die Wechselpunkte nun so weit 
voneinander entfernt wären, daß ihre Intervalle größer wären als die 
x-Werte der unteren Teile der primären Tafel. Für derartige Fälle schlug 
Fechner die „logarithmische“* Behandlung vor: als Argumente sollen nicht 
die abgerundeten Mabßzahlen des ordnenden Merkmals selbst, sondern ihre 
Logarithmen dienen. Sind z. B. die beiden Extreme des K.-G. 15 und 550, 
so läßt sich keine Größe als Wechselpunktintervall wählen, welche eine 
in allen Teilen befriedigende Tabelle ergäbe: denn notwendigerweise 
sind den hochwertigen Teilen der Tabelle entsprechende Intervalle so groß, 
daß bei ihrer Anwendung auch auf das Gebiet der niederen Argumente 
Schwankungen von einigen Einheiten, welche aber daselbst, wegen der 
Kleinheit der Argumente, bedeutungsvoll sein können, vollkommen unkennt- 
lich werden. Führt man aber an Stelle der gefundenen Maßzahlen der 
Exemplare deren Logarithmen als neue Argumente ein (siehe Tabelle V), 


Tab. V Tab. V. Anfang und Ende einer Tafel der Loga- 
rithmen von Argumenten, die sich über ein 


| | großes Gebiet ausbreiten. 
Kee log x x log« Teilstreekenlänge: 0'0001 
15: 1-1761 i e ET 117605, 117615, 
16 1204 | .- : . ., 274035, 274045 
175271, 23048 710%: - Mitteder äußersten Wechselpunkte der Reihe: 
- a | 548 27388 2-740 
549  2:7396 = a 195823: 
550 27404 - 4 | 
| Entfernung derselben von jedem der beiden 


| | äußersten W echselpunkte 078220. 
(Beilsktnn der logarithmischen Tafel siehe folgende Tabelle.) 


Tab. VI Tab. VI. Tafel der äquidistanten lo- 
- garithmischen Wechselpunkte; Teilstrek- 
| kenlänge durch Reduktion der Tab. V 


log a’ Ze. log x‘ 3 | auf 0°03 gebracht (also je 300 der ur- 
114825 14:07 2 } sprünglichen Teilstrecken zusammenge- 
1178253 15-08 f £ | faßt); von der Mitte der ursprünglichen 
120823 1615 | Er äußersten Wechselpunkte, 195825, sind 
. 123835 1731 2-67823 4767 | 27 Teilstrecken ä 0'03 (also Gesamtlänge 
! 2708235 5108 | 081) nach beiden Seiten notwendig, um 
27385 5473 | die ursprünglichen Extreme eben zu über- 

2.768235 3865 schreiten (1'95825 — 0:81 = 114825 und 


195825 + 081 = 276825). 

Nach der Kolumne der x‘, deren In- 
tervalle nun nicht gleich sind, wird die Verteilungstafel angefertigt, indem aus der Ur- 
liste die Anzahl der in das Intervall je zweier aufeinanderfolgender x‘-Werte fallenden 
Exemplare bestimmt sind. 


so entsprechen den logarithmischen äquidistanten Wechselpunkten Numeri, 
deren Distanzen nicht gleich bleiben. sondern mit dem Werte der Loga- 
rithmen steigen (siehe Tabelle VI).!) — Eine ähnliche Methode schlug 
R.v. Lendenfeld vor |28], die er zum Unterschiede von der gewöhn- 
lichen, der „absoluten“, die „relative“ nannte. Indem er von der Voraus- 


!) Einwendungen 
Methode siehe Bruns $ 


gegen diese „auf den ersten Anblick sehr plausibel“ aussehende 
2) 


BR 


e 
1 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 603 


setzung ausging, daß bei der Ausbreitung der Argumentwerte über ein 
sehr großes Gebiet sich nur dann eine richtige Anschauung von der Ver- 
teilung gewinnen lasse, wenn das Verhältnis je zweier aufeinander 
folgender abgerundeter Argumentwerte in allen Teilen der Verteilungs- 
tafel dasselbe ist, ließ er sie — oder vielmehr die Wechselpunkte — in geo- 
metrischer Progression steigen (a®, al, a®,..... a®), während sie bei 
der absoluten Methode eine arithmetische Progression bilden.t) Be- 
sonders zweckmäßig ist es, wenn jeder Wechselpunkt den vorhergehenden 
um 10°/, übertrifft, weshalb v. Lendenfeld als Basis der geometrischen 
Progression 1’I empfahl, bei welcher Zahl die genannte Forderung erfüllt 
ist.?2) In graphischer Darstellung sind die aufeinanderfolgenden Argument- 
werte in gleichen Abständen aufzutragen und mit der Bezeichnung des 
Intervalls, das sie jeweils vertreten, zu versehen: 


Wi 11a Not. Lat Wars 1-9 +2 Wars 
bis bis bis 
jet a 112 +3 

lansarı- Wa, Wn+ı ,.... äquidistante Wechselpunkte.) 


Die Ähnlichkeit zwischen dieser Methode und der Feehnerschen liegt 
auf der Hand: Fechner ordnet die Argumente der Urliste arithmetisch. 
logarithmiert sie hernach und setzt in der Reihe der Logarithmen durch 
entsprechende Wahl des Intervalles die äquidistanten Wechselpunkte fest. 
muß aber zu jedem Wechselpunktlogarithmus den Numerus aufsuchen und 
nun zwischen diese neuen Wechselpunkte das Material der Urliste ein- 
ordnen.?) Ist der unterste logarithmische Wechselpunkt m, das Wechsel- 
punktintervall x, so ist die Reihe der Wechselpunkte m, m +x, m-+ 2%. 
Mar... ..: und die dazugehörigen Numeri 10”, ]0m +=, 1]0m+%, 
Bee... ; den äquidistant, also in einer arithmetischen Reihe fort- 
schreitenden Wechselpunkten entsprechen somit Numeri, die in geo- 
metrischer Reihe steigen, und nach diesen wird die Verteilungstafel an- 
gelegt. Lendenfeld dagegen hat die wirklich durch Messung erhobenen 
Längen in einer geometrischen Reihe angeordnet, indem er Potenzen von 
ea Wechselpunkte annimmt: 1°, 1P +! 17, +?..... ; die Potenz- 
exponenten bilden auch hier eine arithmetische Reihe, und würde man 
logarithmieren, so erhielte man die Reihe 

use it. (nl) os 141, m + PD) log 11,...... 


') Vgl. die ersten Kolumnen der Tabellen II, III, VI: arithmetische Progres- 
sionen, deren unmittelbar aufeinanderfolgende Glieder um 1, bzw. 2 und 0'03 ver- 
schieden sind. 

1 — c 

10 =a. 

®) Zweckmäßig wird hierbei (Bruns) zuerst die Summentafel (aus der sich ja 
durch Subtraktion jedes Ordinatenwertes vom vorhergehenden die primäre Verteilungs- 
tafel ergibt) aufgestellt, indem man für jeden der neuen Wechselpunkte in der Urliste 
abzählt, wie viel Exemplare vor ihm vorkommen 


n 
”) Denn aus der Forderung an + 5 =an+1folgt Ilar = 10an +1 und 


604 Emil Löwi. 


ganz analog den Wechselpunktlogarithmen Fechners: 

mlog 10, (m +) log 10, (m + 2x) log 10, 
einer Reihe, die wegen log 10 — 1 mit der auf voriger Seite, Zeile 11 v. u., 
gegebenen identisch ist. 

Während die Urliste gewöhnlich keine Bedeutung hat und bloß das 
Material zur Aufstellung der primären Verteilungstafel liefert, läßt sich in 
Fällen, in denen die Exemplare in der Reihenfolge, in der sie zur Beob- 
achtung kamen, durch eine zeitliche oder räumliche Beziehung verknüpft 
sind, erkennen, ob die Schwankungen der Argumentwerte in der Urliste 
rein zufällig sind oder von der zeitlichen oder räumlichen Lage beeinflußt 
werden. Fechner bezeichnet zu diesem Zwecke jedes Exemplar, je nach- 
dem ob seine Maßzahl ober- oder unterhalb des Argumentdurchschnittes 
liegt, mit + bzw. — und untersucht in der Reihenfolge, in der die Exem- 
plare zur Beobachtung kamen, wie oft gleiche Vorzeichen und wie oft un- 
gleiche unmittelbar aufeinander folgen: bei annähernd gleich viel Zeichen- 
folgen (F) und Zeichenwechseln (W) ist die Anordnung der Individuen als 
rein zufällig anzusehen, andernfalls besteht eine gewisse Gesetzmäßigkeit. 
In unserer Tabelle I ist in Kolonne III und IV die besprochene Operation 
durchgeführt, die Anzahl der Zeichenwechsel und -folgen ist durchaus 
nicht gleich, obwohl man glauben könnte, daß die Objekte in zufälliger An- 
ordnung gemessen wurden. Bedenkt man aber, daß die Fruchtschuppen 
jedes Zapfens zueinander in einer gesetzmäßigen räumlichen Beziehung 
— Orientierung zu Basis und Spitze des Zapfens — stehen, welche nicht 
ohne Einfluß auf ihre Größenverhältnisse sein dürfte, und daß der Unter- 
sucher bei der Messung der demselben Zapfen angehörigen Fruchtschuppen 
unwillkürlich im großen und ganzen wohl iu einer der natürlichen Anord- 
nung entsprechenden Reihenfolge vorging — Verfasser gibt darüber, weil 
für seine Zwecke gleichgültig, nichts an —, so ist es klar, daß die Urliste 
außer den unregelmäßigen, zufälligen, auch gesetzmäßige Schwan- 
kungen enthält, durch welche die Ungleichheit der Wechsel und Folgen 
bedingt ist. Ein Beispiel für die Beeinflussung der Argumentschwankungen 


Tab. VII 
6) M — oO M= Tab. VII. Anzahl der Todes- 
| 26°8 238 fälle an akuter Bronchitis wäh- 
T 32 + 238 + rend der einzelnen Monate 
II 42 + 31 un (I— XII) eines Jahres in Wien.') 
II u #E 41% i 
IV 4 Pre See Die Tabelle besteht aus 
a Aus zwei Urlisten, in denen die ein- 
VI 93. = Se zelnen Monate die Glieder, die 
VII Be = Anzahl der männlichen, bzw. 
VII 15 r 17: we weiblichen Todesfälle die Argu- 
IX 10.0 10, mente bildet. 
X 3° — 16 
XI 393 + 3 + ') Statist. Jahrbuch d. Stadt 
XI 21 - -— a = Wien f. d. Jahr 1910, 8. 84. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 605 


durch die zeitliche Anordnung gibt Tabelle VII: die Zeichenfolgen sind 
viel zahlreicher als die Wechsel und bilden zwei Gruppen, da die Argu- 
mente vom I.—V. Monat über, vom VI.—X. unter dem Durchschnitte 
liegen (vgl. die Kurven zur Tabelle VII, Fig. 274); die Deutung ist einfach: 
es handelt sich um die Mortalität an einer akuten Infektionskrankheit: 
die hoben Argumentwerte, d. h. die zahlreicheren Todesfälle kommen in 
der rauhen Jahreszeit vor. Die Schädlichkeit, die zur Erkrankung führt, 
wirkt auf beide Geschlechter in 

gleicher Weise ein (vgl. den über- en 

einstimmenden Verlauf beider 
Kurven). 


Das mathematische Ziel der 
Kollektivmaßlehre liegt darin, 
sich nicht mit der Angabe der 
Mittelwerte, Abweichungen, Ex- 
tremwerte u. dgl. zu begnügen, 
sondern die Abhängigkeit deı 
y-Werte von den x-Werten, wie 
sie sich in der Verteilungs-und der 
Summenkurve ausprägt, durch 
eine Formel — allgemein aus- BB. NG K,.K MM. 
gedrückt y—= f(x) — wiederzu- 
geben. Wie diese Funktion be- Graphische Darstellung zur Tabelle VII. 
schaffen ist — Fechner dachte 
ursprünglich an dasselbe Abhängigkeitsgesetz, nach dem die Beobachtungs- 
fehler nach dem Gau/schen Fehlergesetz verteilt sind — müßte für jeden 
K.-G. nach Aufstellung zahlreicher Reihen festgestellt werden und die Richtig- 
keit der angenommenen Formel durch Übereinstimmung vorher berechneter 
y-Werte mit den zugehörigen x&-Werten — innerhalb der Grenzen der (unaus- 
geglichene Zufälligkeiten darstellenden) unvermeidlichen Abweichungen — 
mit den empirisch gefundenen Resultaten bewiesen werden. Genaue Regeln 
für die Ausführung derartiger Berechnungen und Tabellen zur Erleichterung 
hat Bruns angegeben. Unausgeglichene Zufälligkeiten treten im allgemeinen 
umso störender auf, je geringer der Umfang eines K.-G. ist. Trotzdem ist 
es gelungen, auch für kleine Reihen Formeln aufzustellen, welche sehr gut 
mit den Ergebnissen der Wirklichkeit übereinstimmen (Bortkewitsch |82]). 


ZWEITER TEIL. 
Spezielle biologische Probleme in mathematischer Betrachtung. 
1. Morphologie und Biomechanik. 


Zur zahlenmäßigen Bestimmung der Gestalt von Organismen und 
ihrer Teile sind Längenmessungen, meist nach mehreren Dimensionen, er- 


606 Emil Löwi. 


forderlich, mittelst Meßbandes (wofür bei kleinen Organismen ein Streifen 
Millimeterpapier verwendet werden kann), Maßstabes oder Meßzirkels. An 
deren Stelle tritt bei mikroskopischen Objekten das Okularmikrometer. 
Da die absoluten Werte der Teilungsintervalle des letzteren für jedes 
Vergrößerungssystem besonders festgestellt werden müssen, kann es 
manchmal zweckmäßig sein, den wiederholt benützten !) Weg einzuschlagen, 
die Objekte mittelst des Adbeschen Zeichenapparates zu skizzieren und 
mit einem unter denselben Verhältnissen durch Zeichnung der Einteilung 
des Objektmikrometers hergestellten Maßstabes, dessen Intervalle von 
Y/, 0, mm man auf der vergrößerten Zeichnung leicht weiter einteilen kann 
— bei genügend starker Vergrößerung bis auf solche, die 1 u. entsprechen — 
direkt auszumessen; hierbei müssen die Objektträger die Dicke des Objekt- 
mikrometers haben. Genauer und, besonders wenn zahlreiche Messungen 
unmittelbar hintereinander vorgenommen werden sollen, vorteilhaft ist die 
mikrophotographische Aufnahme der Objekte und unter denselben Um- 
ständen des Objektmikrometers und die Ausmessung der Negative.2) Ein 
anderes Verfahren zur sehr genauen Ausführung zahlreicher aufeinander 
folgender Messungen mikroskopischer Objekte besteht in der Ausmessung 
der in geeigneter Weise durch Mikroprojektion auf einem Schirm ent- 
worfenen auberordentlieh stark vergrößerten Bilder (R. v. Lendenfeld 
[28]). Die Dicke mikroskopischer Objekte läßt sich durch die Mikro- 
meterschraube bestimmen. indem man auf die obere und dann auf die 
untere Fläche des Objektes einstellt.2) Die Kenntnis der Maße des Ob- 
jektes nach den drei Dimensionen des Raumes ermöglicht die annähernde, 
mehr oder weniger genaue Bestimmung des Volumens, falls es sich um 
einen Körper handelt, der in genügendem Grade einem bestimmten geo- 
metrischen Gebilde gleicht. Das Volumen von Paramaecien wurde von 
H. Rautmann |52] unter der Annahme, daß sie die Form von Rotations- 
ellipsoiden mit der großen Halbachse a und den beiden kleinen Halb- 


PR AaDET h EB F 
achsen b haben, nach der Formel Yes bestimmt. Bei Organismen 
mit wesentlich verschiedenen Maßen nach allen drei Dimensionen könnte man 


4aber 
——— anwenden. Genauere 


.) 
Resultate als die direkte Messung ergibt, wenn man über genügendes, von 
fremden Bestandteilen freies Material verfügt, die Volumbestimmung mittelst 
des Hämatokriten ®): Die in einem genau graduierten Röhrchen bis zur 
Konstanz des Volumens zentrifugierten Organismen werden gezählt, indem 
man sie in einer nicht zu großen Menge Wasser durch Aufschütteln gleich- 


die Formel des dreiachsigen Ellipsoides V = 


') Zuerst ist wohl von Schwendener [59] für derartige Zwecke das Zeichen- 
prisma angewendet worden. 

?) Siehe Kaiserlings Artikel „Mikrometer und Mikrometrie“ in der Enzyklopädie 
der mikroskopischen Technik (2. Aufl., Urban & Schwarzenberg, 1910). 

3) Siehe Kaiserling, 1. ec. 8. 121. 

*) Genaue Besprechung des Instrumentes bei Koeppe [24], S. 35ff. 


| 
| 
i 
| 
| 
| 
| 
| 
| 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 607 


mäßig verteilt, so daß eine schwach getrübte Suspension, deren Volumen 
man genau abliest, entsteht, von der mit einer genauen Pipette ein kleines 
Volumen, z. B. !/, cm®, auf einen Objektträger gebracht und die Zahl der 
Zellen unter dem Mikroskope direkt bestimmt wird. Zur Erleichterung 
der Zählung bedeckt man den Tropfen mit einem zweiten Objektträger, 
der eine beliebige, wenn auch etwas unregelmäßige Quadrateinteilung trägt 
(„improvisierte Blutkörperchen-Zählvorrichtung“ nach Pütter [50], 8. 12). 
Da man aus der gefundenen Zahl n die Anzahl N, die in der Suspension 
vorhanden war, leicht findet und das Gesamtvolumen der Organismen 
(Zentrifugier-Bodensatz), das man als [v] bezeichnen kann, gleich dem 
Produkte aus der Größe v und der Anzahl N der Individuen, also N-v 
[v] 

N: 

Diese Methode gibt nur dann das absolute Volumen der Körperchen genau 
an, wenn jedes allseitig an die Nachbarn anschließt, während in der Tat zwischen ihnen 
kleine, von Flüssigkeit erfüllte Lücken übrig bleiben ; die Gesamtmasse nimmt einen 
größeren Raum des Meßröhrchens ein, als der Summe der Teilvolumina entspricht 
(vgl. bei Köppe 1. e. S. 38). 

Die Bestimmung der Oberfläche bietet keine Schwierigkeit, wenn es 
sich um ein Gebilde handelt, das mit genügender Annäherung einem nach 
den Formeln der Stereometrie berechenbaren Körper vergleichbar ist. Für 
die Ausmessung der Oberfläche stark gegliederter Körper, wie des mensch- 
lichen, gibt K. Meeh |35] einige Methoden an, von denen er folgende für 
die beste hält: die ganze Körperoberfläche wird durch Auftragen von 
Farbstoffstrichen in möglichst geradlinig begrenzte Bezirke eingeteilt und 
deren Umrisse auf transparentes Papier durchgepaust, auf welchem nun 
durch weiteres Einteilen der Figuren in lauter Dreiecke eine direkte Aus- 
messung und Berechnung der letzteren und durch Summierung der Flä- 
cheninhalte der Betrag der Gesamtoberfläche erhalten wird. Zwischen 
Oberfläche und Kubikinhalt verschiedener Menschen — und ebenso ver- 
schiedener Individuen anderer gleichartiger Organismen (wie auch ver- 
schiedener einander geometrisch ähnlicher Körper überhaupt) — besteht die 

3 3 ‘ 
Beziehung YO: YO‘ = YV: YV“ oder 0:0'= V*s: V*%, woraus m nn. 
also die Konstanz des Verhältnisses von Oberfläche zu Volumen folgt. In 
entsprechender Weise ist auch das Verhältnis der Oberfläche zum Gewichte 


ist, ergibt sich für das Volumen des einzelnen Exemplars: v= 


p konstant: 2 —k und O=k:p”. Als Wert der Konstante wurde für 


den Menschen k ® 12:3 (genauer 123123) gefunden. Wird OÖ in Kubikzenti- 
metern und p in Grammen ausgedrückt, so ergibt sich für einen 60 kg schweren 
Menschen: 0 = 12:3123 x 60000% = 12:3123 x 15326 = 18870 cm*. 
Um den Flächeninhalt einer unregelmäßig begrenzten ebenen 
Figur, z. B. eines Organdurchschnittes, zu bestimmen, ist es am besten, 
den Umriß auf Papier zu zeichnen und dieses längs der gezeichneten 
Linie auszuschneiden. Ein quadratisches (oder rechteckiges) Stück desselben 
Papiers von der durch direkte Messung der Seite leicht berechenbaren 


608 Emil Löwi. 


Fläche G dient als Maß. Denn da die Höhe der ausgeschnittenen Papier- 
körper, d. h. die Dicke des Papieres, bei beiden gleich ist, verhalten sich 
die Volumina, somit auch die Gewichte P‘ und P wie die Grundflächen 
G‘ und G, und es ist nur notwendig, beide Papiere abzuwägen, um nach 
der Proportion G:G‘—=P:P‘ die Größe der unbekannten Fläche zu finden: 


SE dep: 5 : x 
— . Bei mikroskopischen Objekten erhält man eine vergrößerte 


Umrißzeichnung nach Schiwendeners Verfahren und hat die berechnete 
Zahl G‘ noch durch die Vergrößerungszahl zu dividieren. Da die bei der 
Wägung auftretenden unvermeidlichen Beobachtungsfehler das Ergebnis 
weniger beeinflussen, wenn es sich um größere Gewichte handelt, haben 
R. Fick und Grohmann‘) die Figuren auf gleichmäßig dicke Bleiplatten 
aufgeklebt und letztere ausgeschnitten und gewogen. Die Papierschablonen 


stellten sie auf die Weise her, daß sie die Querschnittflächen — es han- 
delte sich um gehärtete, mit dem Rasiermesser senkrecht zur Faserrichtung 
geschnittene Muskeln — etwas mit Stempelfarbe befeuchteten und auf 


das Papier abdrückten. Ist für den beabsichtigten Zweck nicht die Fläche 
des ganzen Querschnittes, sondern nur die gewisser Teile von Interesse, 
so kann man alles nicht Gewünschte aus der Papierzeichnung ausschneiden 
und bloß den Rest zur Wägung verwenden, ein Verfahren, das H. Ambronn 
[1] (8. 521) anwendete, als er an Querschnitten von Pflanzenachsen bloß die 
von den mechanischen Elementen eingenommene Fläche bestimmen wollte: 
er schnitt aus der Zeichnung die Zelllumina aus, so daß ein Gerüst übrig 
blieb, das bloß aus den Zellwandungen bestand. Ohne Wage läßt sich die 
von einer Umrißlinie eingeschlossene Fläche, besonders wenn sie nicht zu 
klein ist, mit ziemlicher Annäherung durch Zeichnung auf Millimeterpapier 
bestimmen: man zählt einfach die eingeschlossenen Quadrate (ä 1 mm?), wobei 
man die von der Grenzlinie abgeschnittenen Bruchteile, die größer als !/, 
(Quadrat sind, für voll nimmt, kleinere aber ungezählt läßt. Zur Erzielung 
größerer Genauigkeit ist oft die Ausmessung mittelst Planimeters erwünscht. 
So untersuchte z. B. Drasch ?2) die Bewegungserscheinungen an den Drüsen 
in der Nickhaut des Frosches, indem er an den mittelst des oben be- 
schriebenen Zeichenverfahrens angefertigten Bildern des optischen Quer- 
schnittes der Drüsen die äußere Peripherie sowie den Umfang des 
Lumens bestimmte, welche beide unter dem Einfluß verschieden gear- 
teter und an verschiedenen Stellen angreifender elektrischer Reize unab- 
hängig voneinander verschiedene Größen annehmen. Die jeweilige Differenz 
zwischen der vom äußeren und der vom inneren Umfang eingeschlossenen 
Fläche gab den Gesamtquerschnitt des Zellbelages an. 

Die Größe und oft auch die Form des Querschnittes eines Gebildes 
sind von Bedeutung für die Festigkeitsverhältnisse. Belastet man einen 


1) Siehe Fick [11], S. 295. 
2) Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1899 (zit. nach Nagels Handb. d. Physiol. d. Men- 
schen. Bd. 2. S. 927 f.). 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 609 


stab- oder bandförmigen Körper, der an dem einen Ende an einem ge- 
nügend festen Stativ in geeigneter Weise festgeklemmt ist und vertikal 
herabhängt, am anderen Ende, wo er eine möglichst leichte Wagschale 
trägt, durch allmähliches Auflegen von Gewichtsstücken, so wird endlich 
eine ganz kleine Vermehrung des bereits wirkenden Gesamtgewichtes P 
die Zerreißung herbeiführen. Unter sonst gleichen Umständen wird P um 
so größer sein, je größer der Querschnitt q des Körpers vor Anwendung 
des Zuges war. Man wird also die zur Zerreißung führende Kraft auf die 
Flächeneinheit beziehen, um vergleichbare Resultate zu erhalten. Das 
Maß für die Zugfestigkeit (Modul der Zugfestigkeit, Festigkeitsmodul) K; 
ist das Verhältnis der größten Gewichtsmenge Pax, die vor dem Zerreißen 
eben noch getragen wird (in kg), zum Querschnitt q (in mm?) des Körpers, 
K,= sr 
Zugfestigkeit von Pflanzenstengen oder Blättern, wobei er q nach der 
S.606 und 608 erwähnten Methode bestimmte. Zur Untersuchung der 
Festigkeitsverhältnisse dicker Oberhäute schnitt er aus ihnen genügend lange 
und nicht zu breite Riemen aus, an denen dann die Belastungsversuche vor- 
genommen wurden. Auf dieselbe Weise ging Triepel [62] bei der Unter- 
suchung des „gelben Bindegewebes“ (elastischen Gewebes) vor, indem er 
aus dem Nackenbande des Rindes mit einem Doppelmesser Streifen aus- 
schnitt, die er zum Versuch verwendete; den Querschnitt fand er durch 
Berechnung aus dem bereits bekannten spezifischen Gewichte s und der 
bei jedem Versuch bestimmten Länge I des Versuchsobjektes und seinem 


. Schwendener |59] benützte diese Methode zur Bestimmung der 


Gewichte p; da das Volumen v = ist, andrerseits aber auch durch ql ausge- 


drückt wird, ergibt sich für q aus der Formel ql = — der Wert en Denselben 
Vorgang befolgte Schwendener, wenn die Ermittlung von q durch Messungen 
auf Schwierigkeiten stieß, wie bei den dünnen Ringquerschnitten von 
Halmen. — Wird an das herabhängende noch nicht belastete Organ ein 
Maßstab angelegt, so kann man bei steigender Belastung die fortschreitende 
Verlängerung verfolgen. Wenn ein Körper von der Länge | (mm) und dem 
Querschnitt q (mm?) bei der Belastung P (kg)!) um die Strecke % (mm) 
verlängert wird, so lassen sich seine elastischen Eigenschaften durch fol- 
gende Beziehungen der genannten vier Größen zueinander charakterisieren : 
Das Verhältnis der Belastung zum Querschnitt (also die auf die Flächen- 


einheit wirkende Belastung) as die (Zug)spannung, und das Verhält- 
q 
nis der Gesamtverlängerung zur Länge (also die auf die Längeneinheit 
2 1 
entfallende Verlängerung) Sr Man könnte denken, > und x seien pro- 


1) P darf nicht so groß sein, daß nach Aufhören der Belastung die Verlängerung 
zum Teil bestehen bleibt (— die Elastizitätsgrenze darf nicht überschritten werden). 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmetboden. VIII. 39 


portional (Hookesches Gesetz); das ist aber nur bei vollkommen homogenen 
und isotropen Körpern der Fall, also kaum jemals bei Körpern der orga- 
nischen Natur. Für die elastischen Eigenschaften der letzteren sind der 
treffendste Ausdruck die aus den verschiedenen s- und den entsprechen- 
den «-Werten konstruierten Dehnungskurven; diese haben keine Ähnlich- 
keit mit bestimmten Kurven der Geometrie und sind nicht durch einfache 


Formeln wiederzugeben. Das Verhältnis —, bei Körpern, die nicht dem 
04 


Hookeschen Gesetz folgen, für jede Belastung verschieden, bildet den 
Elastizitätsmodul (oder Dehnungsmodul) E; bei Ersetzung von s und > 
A : 2 0 Era | 
durch die ursprünglich genannten vier Größen ist BE — In 
ähnlicher Weise geht die Untersuchung der Druckfestigkeit vor sich. Bei 
der Beanspruchung eines Körpers auf Biegung kommt aber auch die Form 
des Querschnittes in Betracht. Die zur Verwendung gelangenden Formeln 
und ihre Ableitung, sowie zahlreiche Beispiele über die Prüfung der Festig- 
keitsverhältnisse pflanzlicher und tierischer Organe besprechen Schwendener 

[59] u. [61, (S. 1—28)] und Triepel [62]. 


2. Bewegung und Wachstum. 


Der einfachste Bewegungesvorgang, die gleichförmige Bewegung eines 
Punktes auf gerader Bahn, wird durch die Gleichung s= ct bestimmt, 
wobei e (die Geschwindigkeit) den in der Zeiteinheit, s den in der 
Zeit t zurückgelegten Weg bedeutet. Freibewegliche Organismen pflegen 
sehr unregelmäßige Bahnen zu beschreiben. Um eine geradlinige Be- 
wegung bei Paramaecien zu erzielen, verwendete Nagai [38] die Gal- 
vanotaxis. Die Tiere wurden mittelst Kapillare in einen kleinen, auf 
einen Objektträger aufmontierten Glastrog gebracht, an dessen aus porösem 
Ton bestehenden Schmalseiten die Pinsel der unpolarisierbaren Elektroden 
angelegt wurden und an dessen einen Längswand eine Papiermillimeter- 
skala angebracht war. Beobachtet wurde mit der Lupe und das Tier 
nach Durchschwimmung der gewählten Länge durch Stromwendung zur 
Umkehr veranlaßt. Die Zeit wurde durch Zählung der Ausschläge eines 
Metronoms gemessen. Ein Paramaecium brauchte zur Passierung der 
Strecke von 5 mm (bei einer Stromstärke von 0:18 Milliampere und einer 
Temperatur von 15—18°) gewöhnlich 8 Metronomschläge a !/, sec.; die 
Schwimmgeschwindigkeit wäre somit =—= r = 1m, Zur Br 
höhung der Genauigkeit wurde das arithmetische Mittel einer größeren 
Anzahl von hintereinander vorgenommenen Beobachtungen bestimmt. So 
ergab sich, daß ein Paramaecium durchschnittlich die Zeit von 77 Metro- 
nomschlägen brauchte, um 5 mm zurückzulegen. Chemische Veränderungen 
des Mediums hatten andere Schwimmgeschwindigkeiten zur Folge: Ent- 
hielt das Wasser 0'005°/, Alkohol, so war bloß die Zeit von 6'8 Metronom- 


bie 6 


FEB rn EC WERE DBEREERUE 


BE ln 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 611 


schlägen zur Durchwanderung derselben Strecke erforderlich, die Ge- 
schwindigkeit war also größer geworden, der geringe Alkoholzusatz hatte 
erregend gewirkt; das Verhältnis der Geschwindigkeiten in schwach alkohol- 
hältigem und in reinem Wasser, Can und Cw, wird durch die Proportion 


dargestellt: Gase: Cw = MER: De oder Gr :Cw = tw e CAlk, woraus für 
tax tw 
den angegebenen Spezialfall der Wert folet: = — = = = 1413, ist .der 
Ww 


auf diese Weise erhaltene Wert bei Anstellung des Versuches mit anderen 
Konzentrationen von Alkohol oder einem anderen Stoffe N kleiner als 1, 
also -. so läßt sich daraus auf eine lähmende Wirkung des Medi- 

w 
ums auf Paramaecium schließen. 

Auf ähnliche Weise kann man die Geschwindigkeit von Flüssigkeiten, 
die in mikroskopischen Bahnen strömen, bestimmen: bei der Untersuchung 
der Blutströmung in den Kapillaren (in der Schwimmhaut von Fröschen, 
in der Lunge von Fröschen oder Molchen) beobachtet man, wie es schon 
oft ausgeführt wurde!), wie lang ein Blutkörperchen braucht, um von 
einem Punkt zum andern, dessen Entfernung mikroskopisch meßbar ist, 
zu gelangen. Ebenso bestimmte V. Vouk |64] die Geschwindigkeit der 
Plasmaströmung in Myxomyceten-Plasmodien, indem er in einer unter das 
Mikroskop gestellten Schalenkultur einen möglichst geraden Plasmastrang 
in die Richtung der Okularmikrometerteilung einstellte und die Geschwin- 
digkeit der Flüssigkeitsströmung dadurch beurteilte, daß er eines der in 
der fließenden Masse vorhandenen festen Körperchen ins Auge faßte und 
die Zeit, die es zum Passieren einer gewissen Anzahl von Intervallen 
brauchte, mit der Stoppuhr (Sekundenchronometer) feststellte; nach Um- 
rechnung der Teilung auf Millimeter ergab sich die Geschwindigkeit nach 


DER Au ChE a AS 
der Formel = in ”” sc. Nun ist die Geschwindigkeit nicht konstant, 


was zum Teil mit dem Rhythmus der Bewegung zusammenhängt: das Proto- 
plasma strömt eine gewisse Zeit (P), während welcher die Geschwindigkeit 
allmählich bis zu einem Maximum zu- und dann wieder abnimmt, nach 
der einen Richtung, dann unter ähnlichen Geschwindigkeitsänderungen 
eine — gewöhnlich etwas kürzere — Zeit (R) nach der entgegengesetzten ; 
die Bewegung ist eine ungleichförmig beschleunigte, bzw. verzögerte; für 
die Geschwindigkeit v ergeben sich daher für oft hintereinander an dem- 
selben Strome wiederholte Messungen während desselben einmaligen Hin- 
und Herströmens („Rhythmusdauer“ T) verschiedene Werte, aus denen 
Vouk |65] als Endergebnis das arithmetische Mittel berechnet. Erhöhung 
der Temperatur hatte Erhöhung der Geschwindigkeit zur Folge. Bezüglich 
der Richtung der Bewegung ergab sich die Gesetzmäßigkeit, dad P+R 
bei demselben Plasmodium eine konstante Größe ist, die oben erwähnte 


') Lit. siehe Frank [16], S. 260. 
39* 


612 Emil Löwi. 


Rhythmusdauer, alsoP + R=T. Bezeichnet man den während der Zeit P 
zurückgelegten Weg mit A» und den in entgegengesetzter Richtung zu- 
rückgelegten Weg während der Zeit R mit Ar, so ergibt Apr — Ar die Ent- 
fernung eines Punktes der Plasmamasse am Ende der Zeit T von dessen 
Lage zu Anfang von T. Ergibt die Differenz eine negative Zahl, ist also 
Ar>Ap. so ist jetzt die Bewegungsrichtung des Plasma der ursprünglichen 
entgegengesetzt. Den vom Plasma während einer Rhythmusdauer zurück- 
gelegten Weg, den wir durch A= Apr + |Ar| ausdrücken wollen, der direkt 
schwer bestimmbar ist. schon wegen seiner Länge, die viel größer als der 
Durchmesser des mikroskopischen Gesichtsfeldes ist, findet Vouk [65] 
annähernd auf folgende indirekte Weise: er faßt das während des 
einmaligen Hin- und Herströmens (Zeit T) aus einer größeren Anzahl von 
Geschwindigkeitswerten v gewonnene Mittel G als Geschwindigkeit einer 
gleichförmigen Bewegung auf und wendet zur annähernden Bestimmung 
des unbekannten Weges A, analog der Formel s= ct, die Formel 
AG) an. 

Bewegungen, die infolge eines äußeren Anlasses erfolgen, werden unten im Ab- 
schnitte über die Reizbarkeit besprochen. 

In naher Beziehung zur Bewegung steht das Wachstum insofern, 
als es in einem Auseinanderrücken (oder auch, bei regressiven Wachs- 
tumsvorgängen, Zusammenrücken) der materiellen Punkte des wach- 
senden Organes besteht. Die Entfernung des einen von zwei betrachteten 
Punkten gegenüber dem anderen als ruhend gedachten verändert sich mit 
der Zeit; die Differenz der Entfernungen zu Anfang und zu Ende der 
Beobachtungszeit stellt also den zurückgelegten Weg, den Zuwachs dar, 
dessen auf die Zeiteinheit entfallender Teil der Geschwindigkeit entspricht 
und als Wachstumsgeschwindigkeit bezeichnet wird. Die Massenzu- 
nahme eines Organismus geht meist nicht nach allen Richtungen des 
Raumes in gleicher Weise vor sich, sondern eine — die Längsrichtung — 
pflegt den anderen gegenüber bedeutend begünstigt zu sein, weshalb man 
sich häufig mit der Untersuchung des Längenwachstums begnügt. Meist 
sind die Zuwächse, die während gleicher Zeiträume erfolgen, nicht gleich. 
Infolgedessen ist die Wachstumsgeschwindigkeit e während der Beobach- 
tungszeit T, während welcher das Objekt von der Länge ], zur Länge |], 
heranwächst, nur als mittlere Wachstumsgeschwindigkeit aufzufassen; sie 
wird durch die Formel ausgedrückt e = _- la 
intervallen von der Dauer der Zeiteinheit t erfolgen aber verschieden 
große Zuwächse; diese, als Differenz der Länge l;_, zu Anfang und |; zu 
Ende eines beliebigen Zeitintervalles t; ausgedrückt, geben die fortwährend 
veränderliche Wachstumsgeschwindigkeit an: v=1;— 1; ı: hat man größere 


. In den einzelnen Zeit- 


!) Zu beachten ist also, daß in dieser Formel A nicht die Länge des Plasma- 
fadens darstellt, sondern die des von jedem Teileben während des einmaligen Hin- und 
Zurückströmens zurückgelegten Weges. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 613 


Zeitintervalle x gewählt, während welcher die Länge von | auf l‘ zunahm, 


4 


e | 
Bet No 


In einzelnen Stadien der Entwicklung eines Organismus 


können gleichen Zeiträumen gleiche oder annähernd gleiche Zuwächse ent- 
sprechen, wie es in der in Fig. 275 dargestellten Kurve zwischen den 


Tabelle VIIL?!) 


_ Alter in Tagen?) Länge in Millimeter Fig. 275.°) 
8 3 
9 7 

10 9 
11 11 
14 13 
m 15 
20 17 
23 19 
27 20 
32 22 
40 { 30 


Wachstum des Larvenstadiums von Rana 
fusca (Grasfrosch) vom Tage des Ausschlüpfens 
bis zur Entwicklung der Hinterbeine. 
Alle Längenangaben sind als Durchschnitte 

der Messungen von 10 Tieren gewonnen. (Zu Tabelle VII.) 


Mtllimeler 


Punkten 11 und 23 der Abszissenachse der Fall ist. Dort entsprechen den 
je drei Tage umfassenden Intervallen 11, 14, 17, 20, 23 Zuwächse von 
je 2mm, so daß die Länge von 11 auf 13, 15, 17 und 19 steigt; die 
Zuwächse sind den Zeiten proportional. Der graphische Ausdruck der 
Proportionalität ist die Gerade. Bezeichnet man die Längenzunahmen 


(siehe Fig.) mit y“—y‘, y’“—y“,.... und die entsprechenden Zeiten 
mit xx‘, xx“, ...., so ist die (konstant bleibende) Geschwindigkeit 
y"—y' 7. 


eu u . , eine Formel, in der man die Gleichung 
der Geraden erkennt. Der konstante Quotient®) ist im vorliegenden Fall 
®/,, d.h. die Geschwindigkeit pro Tag ist ?/; mm. Die übrigen Teile der 
Kurve sind in verschiedener Weise gekrümmt und lassen sich nicht durch 
eine einfache Formel ausdrücken. 

Während zwei im Raume sich bewegende Punkte in bezug auf ihre 
Geschwindigkeit ohneweiters miteinander verglichen werden können, gibt 


der analoge Vorgang bei Wachstumsvorgängen nicht immer ein richtiges 


t) Bruchstück einer Wachstumstabelle aus Przibram [46, IV | (aus den zu Tafel VII 
gehörigen Tabellen). 
?) Vom Anfauge der Embryonalentwicklung an gerechnet. 
5) Als y, y‘, y“ sind in der Figur irrtümlicherweise die Punkte 13, 15, 17 statt 
11, 13, 15 bezeichnet. 


*) Dieser wird einfach durch & ausgedrückt, wenn der Beginn der Zeit und der 
x 


Anfangspunkt der Bewegung als Nullpunkt gelten (die Gerade beginnt dann im Koor- 
dinatenanfangspunkt). 


614 
Fig. 276. 


Zeitachse, Smm —I2h 


x A 
SCH 

za SL EH 

N IX SSSNCanzzsabe 
EIN 

N BANSNaE® 


Bunnuna 
EEE 
Dr 


Hi 


= 7/7271 


ERENGE 
BEBEBENDNG BE! 
LIKIN 
BBns| 


TREE 


aunuzsesugsnugmunn (sauna 
GBEERBEHEEBERBENBBRE 


HaBEHEHNeN 
Hain 


Graphische Darstellung des Wachstums 
der Wurzel eines Keimlings von Vieia 
Faba. (Nach einer Tabelle) in Detmer, 
Das kleine pflanzenphysiologische Prak- 
tikum, Jena 1905, S. 193.) 
Auf die 12mm lange Wurzel wurden, 
'/,mm von der Spitze beginnend, Tusch- 
marken in Entfernungen von je lmm 
aufgetragen und die Länge der Wurzel 
auf diese Weise in 9 gleiche Zonen ge- 
teilt. (Von der Basis gegen die Spitze 
mit den Ziffern I bis IX bezeichnet.) Die 
9 Weachstumskurven zeigen die Zu- 
wächse, die jede der 9 Zonen in Zeit- 
räumen von je 12 Stunden (insgesamt 
4 Tagen) erfährt. 


Emil Löwi. 


Bild von den tatsächlichen Verhält- 
nissen. Denn ein infolge Wachstums 
vorrückender Punkt bewegt sich nicht 
bloß mit seiner eigenen Geschwindig- 
keit, sondern außerdem auch mit der 
der vor ihm liegenden Punkte. Trägt 
man auf einen wachsenden Pflanzen- 
teil in gleichen Abständen künstliche 
Marken (Tuschstriche) auf, so ändern 
sich allmählich die Entfernungen der 
Marken voneinander: es läßt sich für 
jede dieser Marken eine eigene Kurve 
des Vorrückens konstruieren (Fig.276). 
Die letzte, der Spitze zunächst liegende 
Marke hat eine Kurve K,, welche wegen 
ihrer bedeutenden Flachheit eine ge- 
wisse Ähnlichkeit mit einer Geraden 
hat — die Geschwindigkeit bleibt nicht 
ganz konstant, sondern nimmt allmäh- 
lich‘ etwas zu — und welche, wenn 
man von der unbedeutenden Entfernung 
(!/; mm), die noch bis zur Spitze fehlt, 
absieht, die Wachstumskurve des 
ganzen Organs ist. Trägt man aber 
die Länge der IX. Zone in den ein- 
zelnen Zeitintervallen gesondert in 
ein Koordinatensystem ein (Fig. 277), 
dann erhält man eine stark gekrümmte 
Kurve; aus dieser ersieht man sofort, 
dal) die Wachstumsgeschwindigkeit der 
IX. Zone allein anfangs sehr gering 
ist und später sehr schnell zunimmt, 
und daß die Flachheit der gekrümmten 
Kurve dadurch zustande kommt, dab 


!) Die Zahlen des Originals in etwas veränderter (übersichtlicherer) Anordnung 


sind folgende: 


Zeitintervalle a 12 Stunden. 


0) 1 2 3 
I 1 1 il 1. 
11 1 1 1 1 
=, 000 1 1-5 15 1'5 
© IV 1 2 2 2 
= V 1 2:3 5) 5) 
= VI 1 2:5 45 5) 
N VI il 19 45 be) 
VIII 1 15 2:5 55 
IX il 1 15 2 


4 b) 6 Z 8 
1 1 1 1 1 
1 1 1 1 1 
15 15 15 15 15 
2 2 2 2 2 
3 B) B) 3 3 
5) 5) B) B) B) 
9 h) 9 I 9 
12 19 25°5 28 29 
35 4 m 145 24 


- 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 615 


die ersten Zonen anfangs schnell und später langsam wachsen, während die 
letzten Zonen sich umgekehrt verhalten (vgl. Kurve K,, welche als K‘, in 
Fig. 277 nochmals gesondert auf eine Abszissenachse bezogen — also 
nicht wie K, auf die vorhergehende Kurve — eingezeichnet ist), und dab 
die einem proportionalen Wachstum nahekommende Flachheit der IX. Zone 
nicht dieser selbst eigentümlich ist, sondern einem Zusammenwirken der ver- 
schiedenen Geschwindigkeiten der 9 Zonen entspringt. Wenn es auf einen 
Vergleich zwischen verschiedenen Organen oder Individuen ankommt, ist 
es deshalb häufig zweckmäßig, als Maß der Geschwindigkeit nicht den 
absoluten Zuwachs in einem bestimmten Zeitintervalle anzugeben, sondern 
den Zuwachs im Verhältnis zur Anfangslänge, und zwar in Prozenten der 
letzteren ausgedrückt. 

Bei der Beschreibung des Diekenwachstums schlägt man insofern 
einen etwas anderen Weg ein, als man bei der Beobachtung von zwei 


Fig. 277. Fig. 278. 


Hi 


BBPSAGHBERRTSEIEE 
H H 

EHFH H 

Dr] [1] 


EICH 
[11 
| 
Ft 


(Erklärung s. Text.) 


Wachstumskurve der IX. Zone allein ».,ı. a f 
Eve robend angenom- Punkten P und P‘, welche etwa an dem 


menem Grenzpunkt gegen die VIII. Zone. kreisfürmigen Querschnitte eines kon- 
Zum Vergleich ist auch die Wachstums- zentrisch gebauten zylindrischen Organs, 
kurve der VII. Zone (K_), ebenfalls bei : : E 2 B 
fixiert gedachtem Anfangspunkt einge- z. B. einer Pflanzenachse, diametral 
tragen. gegenüber liegen (Fig. 278), nicht gut 
einen der beiden, gegenüber dem anderen 
als beweglich gedachten, als ruhend betrachten kann: man fallt viel- 
mehr beide als gegenüber dem ruhenden Mittelpunkte im Raume fort- 
schreitend auf. Zur Bestimmung der Wachstumsgeschwindigkeit wird 
man zwar mit dem Instrumente die Durchmesser 2r zu Anfang und 2R 
zu Ende der Beobachtungszeit t ermitteln, die Rechnung aber mit den 
Halbmessern, deren Differenz den zurückgelegten Weg bildet, ausführen. 
R—r 
t 
An den Schalen von Foraminiferen, die aus einer größeren Anzahl 
von spiralig angeordneten Kammern bestehen, die alle einander in geo- 
metrischem Sinne ähnlich sind, während ihre Größe mit dem Verlaufe 
der Spirale steigt, wurde die Beobachtung gemacht, daß das Verhältnis 
der Längen je zweier aufeinanderfolgender Kammern und desgleichen das 
Verhältnis der Breiten eine konstante Zahl ist. Aus zahlreichen Messungen 


Als Wachstumsgeschwindigkeit ergibt sich somit e = 


616 Emil Löwi. 


ergab sich als Durchschnitt für diesen „Koeffizienten der Kammerprogression* 
1:26, das ist die dritte Wurzel aus 2 (Przibram [47]; auch [46] S. 79). Da 
man annimmt, daß jede Kammer von der gesamten Plasmamasse der Zelle 
gebildet wird, so muß deren Volumen von Kammer zu Kammer sich ver- 
doppeln. Denn wenn das Volumen v z. B. eines prismatischen Körpers mit 
den Kantenlängen A, B und C (also v= ABC) sich verdoppelt, so ist 
das neue Volumen V=2v=2ABC, was bei gleichmäßiger Massenzunahme 
nach allen drei Dimensionen (so daß die Gestalt des Körpers ähnlich 


3 3 3 
bleibt) nur nach der Formel AY2.BY2.C 2 möglich ist. Bei größeren 


Tieren (Mantiden), bei denen (Gewichtsbestimmungen möglich waren, 


fanden H. Przibram und F. Megusar [48], daß von Häutung zu Häutung 


das Gewicht des Tieres sowohl als der abgeworfenen Haut sich verdoppelte, 
3 


während die Länge annähernd auf das Produkt der früheren mit /2 zu- 
nahm. 

Wie Längen-, so können auch Gewichtsangaben zur Konstruktion von 
Wachstumskurven verwendet werden. Als Wachstumsgeschwindigkeit gilt 
dann die Gewichtszunahme in der Zeiteinheit; sie kann entweder absolut 
oder als Prozentzahl des in der vorhergegangenen Zeiteinheit erreichten 
Gewichtes angegeben werden. Als Zeiteinheit empfiehlt H. Friedenthal [18] 
bei physiologischen Untersuchungen bloß die Sekunde und allenfalls 
noch den Tag zu verwenden, letzteren aber ebenfalls in Sekunden, deren 
Anzahl in Potenzen von 10 auszudrücken ist, umgerechnet. Ein Tag 
(86.400 Sekunden) wäre als 864 x 10” * sec. zu bezeichnen. Entsprechend 
sind die Gewichte bloß in Grammen, und zwar wieder in Potenzen von 10 
anzugeben; 1 mg wäre also durch 1 x 10° zu geben. Durch diese Ver- 
wendung des CGS-Systems wäre nach Friedenthal der Vergleich zwischen 
den Wachstumsvorgängen bei verschiedenen Organismen erleichtert. 

Von den zahlreichen möglichen Bewegungsvorgängen haben wir oben 
nur den einfachsten Fall, die Bewegung eines Punktes auf gerader 
Bahn betrachtet, und dieser noch eine weitere Beschränkung auferlegt. 
die gleichbleibende Geschwindigkeit, wo aber letztere Bedingung nicht 
erfüllt war. einen annähernden Wert aus dem Mittel mehrerer Geschwindig- 
keitswerte zu berechnen gesucht oder es bei der graphischen Darstellung 
bewenden lassen. Ändert sich die Geschwindigkeit mit der Zeit, aber so, 
daß sie in gleichen Zeitintervallen um denselben Betrag (Beschleunigung) 
zu- oder abnimmt (gleichförmig beschleunigte beziehungsweise verzögerte 
Bewegung), dann läßt sich ebenfalls noch eine einfache Bewegungsgleichung 
aufstellen, wie eine solche die Physik für die Bewegung beim freien Fall 


gt? i a i ZA: ; 
ee) oder beim Wurf mit der Geschwindigkeit ce nach aufwärts (oder 


ot? 
— > 


abwärts) (s=ctF 


>) lehrt; hierbei ist der Geschwindigkeitszuwachs pro 


Zeiteinheit, die Beschleunigung &, durch die fortdauernde Einwirkung der 


u en EEE GBR BNENE 2 7 


ee UT I 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 617 


Erdschwerkraft bedingt, während die dauernde Einwirkung irgendeiner 
Kraft bei anderen Bewegungen eine Beschleunigung von anderer Größe her- 
vorrufen würde. Derartige Fälle kommen auch in der organischen Natur 
vor; wir werden später (S. 633) sehen, dal für das Reizwachstum einer 


Pflanze sich eine Formel aufstellen ließ, die der Formel s=-c+t 


= 


vollkommen analog gebaut ist. Die Geschwindigkeit einer nicht gleich- 
förmigen Bewegung ändert sich fortwährend und kann nicht als der in 
der Zeiteinheit zurückgelegte Weg definiert werden; denn das als Einheit 
angenommene Zeitintervall, gewöhnlich die Sekunde, ist noch immer ge- 
nügend groß, um weiter in noch kleinere Einheiten geteilt zu werden, 
deren jeder wieder verschieden große zurückgelegte Wegstrecken ent- 
sprechen; die Geschwindigkeit (v) ist also auch in jedem möglichst kleinen 
Zeitteilchen eine andere, und zwar ist ihre einzig richtige für alle Be- 
wegungsformen zutreffende Erklärung: Das 

Verhältnis des in einem unendlich kleinen ee 
Zeitteilchen (dt) zurückgelegten Wegstückes 


ns Während 


(ds) (Fig. 279) zu ersterem: v = dt 


die ganz ähnlich gebaute Formel ce = - (Ver- „& - 
hältnis Weg zur Zeit) nur die Berechnung der 
konstanten Geschwindigkeit aus der Weg- 
formel s=ct ermöglicht, ist der Ausdruck | 
d u h ; s a 

Ar (Differentialquotient des Weges nach der . Zestachse 

Zeit) der Schlüssel, um mit Hilfe der Regeln der Differentialrechnung aus jeder 
beliebigen den zurückgelegten Weg als Funktion der Zeit darstellenden Formel 
die als solche nicht in ihr enthaltene variable Geschwindigkeit zu berechnen. 


Wegachse 


gt? DRYLE „IR 
Aus der Formel s= ct + ”—- würde man — bei Verzicht auf die in den ele- 


2 
mentaren Lehrbüchern der Physik gegebene leicht verständliche, aber schwer- 
fällige Ableitung — erhalten: v= z —T Yen — .2t=c+gt. Auf ähn- 


liche Weise ergibt sich aus der Geschwindigkeitsformel die Beschleuni- 
gung (wenn negativ: Verzögerung), das ist die einem kleinsten Zeitteilchen 
entsprechende Geschwindigkeitsänderung, wenn abermals der Differen- 
tialquotient (= 2. Differentialquotient) gebildet wird: aus der Formel 

dv 


n=+8 (oder als zweite Ab- 


v=c-+sgt folgt für die Beschleunigung 


a ix e 2s 
leitung der Formel s=ct + — geschrieben: Tr: 


Erfolgt die Bewegung eines Punktes nicht auf gerader Bahn, so läßt 
sie sich nicht durch eine bloß 2 Variable enthaltende Formel ausdrücken; denn 


— 


618 Emil Löwi. 


bei einer in einer Ebene liegenden krummen Bahn sind bereits 2 Variable 
erforderlich, um die Form der Bahn zu bestimmen. Ein Abbild der Bahn, 
etwa eine Spur, die der Punkt während seiner Bewegung zurückgelassen 
haben könnte, in ein rechtwinkeliges Koordinatensystem eingetragen, er- 
gibt eine Kurve, die Bahnkurve, deren Punkte alle durch 2 Koordinaten 
bestimmt sind, welche beide Weestrecken bedeuten, und zwar nach zwei 
aufeinander senkrechten Richtungen verlaufende; die Zeit läßt sich da- 
durch darstellen, daß man auf der Bahnkurve selbst einzelne Punkte be- 
sonders hervorhebt und mit der entsprechenden Zeitbezeichnung versieht, 
oder daß man bei der Konstruktion der 
Bahnkurve des sich bewegenden Punktes 
durch Projektion auf eine zur Ebene 
seiner Bewegung parallele Ebene diese 
in gegebenen gleichen Zeitintervallen 
vornimmt. Errichtet man nun in der 
Ebene der Bahnkurve ein beliebig ge- 
legenes rechtwinkeliges Koordinaten- 
system (Fig. 280, CX. CY)'), so läßt sich 
die Bewegung als Resultierende zweier 
Bewegüngen auffassen. Trägt man die 
Ordinaten y der aufeinander folgenden 
Punkte der Bahnkurve in einem neuen 
rechtwinkeligen Koordinatensystem auf 
Projektionskurve von Zea Mays nach die Raumachse auf, während die Zeit- 
Fritsche”), Vergr. 10. Die Spitze der 
wachsenden Keimpflanze von Zea Achse entsprechend den angenommenen 
wurde von obenher 4'/, Stunden lang Zeitintervallen geteilt wird (Fig. 281), 
der = ER TEER EDDIE so erhält man durch die bekannte Kon- 
talebene. in kleinen Zeitinterval- Struktion eine Kurve, die das Abhängig- 
len, meist 7'/, Minuten, ihre jewei- -keitseesetz des in der Y-Richtune zu- 
lige Lage auf einer Zeichenebene re + Sr 
(bei 10facher Vergrößerung) fixiert. Tückgelegten Weges von der erforderlich 
Die Originalkurve®) wurde für vor- gewesenen Zeit ausdrückt, eine „Weg- 
liegende Zwecke in das Koordina- kurve“. Durch dasselbe Verfahren mit 
tensystem mit den Achsen EX und d E 
i CY eingetragen. den Abszissen x der Bahnkurve erhält 
j man eine zweite Wegkurve, die für die 
X-Richtung. Nun kann man die Geschwindigkeit der Bewegung durch 2 Diffe- 
rentialquotienten, entsprechend den beiden Wegkurven, angeben: = und - 
Zur vollständigen Bestimmung der Bewegung eines Punktes im 
Raume muß man sie in drei zueinander senkrechten Richtungen be- 


Fig. 280. 


imm = 0Ymım 


uB 
BB 
BB! 
BB 
[11 
E11 
B 


AN ana 


/mıin zZ ne 


!) Hier handelt es sich zwar nicht um die Bewegung in einer Ebene, doch stellt 
die Figur nicht die Bahnkurve des bewegten Punktes selbst, sondern die seiner Pro- 
jektion auf eine Horizontalebene dar. 

°) Dissert. Leipzig 1899. 

3) Kopiert aus Jost L., Vorlesungen über Pflanzenphysiologie. Jena, Gustav 
Fischer, 1904, S. 652, Fig. 163. 


= 


Mathematische Methoden in deu biologischen Wissenschaften. 619 
trachten, es ist also ein dreiachsiges Koordinatensystem und die Zerlegung 
der Bahnkurve in drei Wegkurven notwendig. Zur Konstruktion der 
letzteren sind bloß zwei aufeinander senkrecht stehende Koordinatenebenen 


erforderlich. In dem oben 
besprochenen Falle würde 
man noch eine Vertikal- 
ebene verwenden und auch 
auf diese die jeweilige Lage 
der sich bewegenden Pflan- 
zenspitze projizieren, die 
Entfernung z von einer be- 
liebig angenommenen hori- 
zontalliegenden Raumachse 
dieser Ebene mit einem 
Horizontalmikroskop bei 
derselben Vergrößerung 
messen und mit der gleich 
groß wie früher angenom- 
menen Einheit zur Kon- 
struktion der Wegkurve 
auftragen. Durch die beiden 
früher genannten Diffe- 
rentialquotienten und durch 


y : 
FE wäre dann die Ge- 


Fig. 281. 


DIEmm 


HEHE 
Hi 


Raumachse Tmm 


1202220, 03,137. en 2 5 
Zeifachse, Imm = Smin 


Die beiden Wegkurven der in der Horizontalebene 
wandernden Projektion der Pflanzenspitze der vorigen 
Figur. Als Abszissen wurden die den einzelnen Punk- 
ten von Fig. 280 beigesetzten Zeitangaben aufgetragen, 
wo sie fehlten, wurde angenommen, daß die unbe- 
zeichneten Punkte das Zeitintervall zwischen dem 
unmittelbar vorhergehenden und dem nachfolgenden 
bezeichneten Punkte in gleiche Teile teilten. Als 
Ordinaten dienten die Verschiebungen des Punktes 
längs der Achse CX, beziehungsweise CY: 
ee ee Bewegung in der X-Richtung, 
o—0—-0--o Bewegung in der Y-Richtung. 


m 


) 


schwindigkeit nach allen 
Richtungen des Raumes 
vollständig bestimmt. Auf diese Methode läßt sich die Lösung eines 
der schwierigsten Bewegungsprobleme der Physiologie zurückführen, die 


!) Aus den zwei Raumkoordinaten und den Zeitangaben der Fig. 15 (Bahnkurve) 
läßt sich folgende Tabelle zusammenstellen, aus der man leichter als durch direkte 
Ablesung von der Bahnkurve die beiden Wegkurven konstruieren kann: 


= Y t >= y t 
30 32); 145 h 5 31, 50 h 
28%), 30°), 152%. 6 6 4 
26% 298), 2 4), 10 410 
24°] 27°], 2 6 12 420 
23 25 915 7a: 15 430 
22 23 222, 7 20°), 440 
193), 18'/, 230 Su 24° 450 
17 13:= 937, 10 291, > 
16 1123/, 245 13 264, 510 
14 9 >50 15 342], 520 
12 7 55 18!/, 24°), 530 
4177. 5°, 3 19 21? 545 

8), 4 310 2127, 20°], 6 

%ls 2’; 320 23 20! 65 

4°], 1 330 24! 18 610 

2°], 24, 340 ie 173], 630 


620 Emil Löwi. 


Untersuchung der Bewegung im Raume, die der Gesamtschwerpunkt des 
menschlichen Körpers beim Gehen ausführt, mittelst der von W. Braune 
und O. Fischer ausgearbeiteten Methode.) Das mit schwarzem Trikot be- 
kleidete, in einem verdunkelten Saale schreitende Versuchsindividuum trug 
längs der einzelnen Körperabschnitte und auf dem Kopfe kapillare Geißler- 
röhren -— nähere Beschreibung kann hier nicht gegeben werden —, die 
durch einen mittelst einer großen Stimmgabel in Intervallen von 0'0383 Se- 
kunden unterbrochenen Strom intermittierend zum Aufleuchten gebracht 
wurden, und wurde gleichzeitig von vier photographischen Apparaten ?) 
aufgenommen. Die Lage des Schwerpunktes der einzelnen Körperabschnitte 
war durch einen um die Geißlerröhre gezogenen Ring von schwarzem 
Asphaltlack angedeutet, der auf der Platte als Unterbrechung der leuch- 
tenden Linie erschien. Ein Doppelschritt bestand aus 26 in Zeitintervallen 
von Je 0'038 sec. aufeinanderfolgenden Phasen, nach deren Aufnahme auf 
dieselben Negative, bei unveränderter Stellung der Apparate, je ein auf 
der betreffenden optischen Achse senkrecht stehendes Koordinatennetz 
photographiert wurde. Die Koordinaten des Gesamtschwerpunktes wurden 
für jede Phase aus den Koordinaten der Einzelschwerpunkte bestimmt, 
wobei infolge der Zentralprojektion, in der die vom Objektiv gelieferten 
Bilder gegeben sind, noch eine Umrechnüng mittelst besonderer Formeln 
nötig war, um die wirklichen räumlichen Koordinaten zu erhalten. Zum 
Schlusse wurden die Koordinaten des Gesamtschwerpunktes bezüglich der 
Horizontal-, Frontal- und Sagittalebene bestimmt und durch die den ein- 
zelnen Phasen entsprechenden Punkte jeder Ebene?) Wegkurven !) gelegt. 
Da die Ableitung einer genügend genauen Formel für die drei Wegkurven, 
aus deren ersten und zweiten Differentialquotienten man die Geschwindigkeit 
und Beschleunigung für jede Zeit berechnen könnte, außerordentlich 
schwierig: ist 5), wurde die Aufgabe graphisch ®) gelöst: die trigonometrische 
Tangente des Winkels, den die in einem Punkte an die Kurve gezogene 
Kurventangente mit der Abszissenachse bildet, entspricht dem Differential- 
quotienten der Kurvengleichung für diesen Punkt. Aus den 26 den ein- 
zelnen Phasen entsprechenden Tangenslängen und den dazugehörigen 


') Außer den Originalabhandlungen „Der Gang des Menschen“ I und II [6 und 
13] s. die Beschreibung der Methode in Fischers „Methodik der speziellen Bewegungs- 
lehre“ [12] S. 230—297. (Die zitierte Stelle ist auch in desselben Verfassers Medizini- 
scher Physik [93] S. 454—475 abgedruckt.) 

?) Zwei rechts und links von der Gangrichtung mit den optischen Achsen senk- 
recht auf diese, die beiden anderen rechts und links von vorn, ihre beiden optischen 
Achsen unter 30° die Gangrichtung schneidend; gemeinsamer Schnittpunkt der vier op- 
tischen Achsen in der Gangrichtung. 

») Die Konstruktion wurde in sehr großem Maßstabe ausgeführt: die drei recht- 
winkeligen räumlichen Koordinaten wurden in natürlicher Größe als Ordinaten aufge- 
tragen, und 1 see = 1 dm als Abszisse. 

*) S. auch Frschers Med. Physik [93] S. 51—59 (Abbildungen der Kurven). 

5) Vgl. S. 627 Aum.') 

6) Hierüber s. auch Fischers Med. Physik. S. 62—75. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 621 


Zeiten wurden die „Geschwindigkeitskurven* konstruiert.!) Auf dieselbe 
Weise ergaben sich aus den Geschwindigkeitskurven „Beschleunigungs- 
kurven“. Bei dem großen Maßstab der Zeichnungen ließ sich für jede 
Zeit der spezielle Wert der Geschwindigkeit und Beschleunigung leicht 
ablesen. 

Im Gegensatz zu den Bewegungen, bei denen das Fortschreiten eines 
Punktes — oder eines Körpers, dessen ganze Masse man sich in einem 
Punkte konzentriert denkt — im Raume beobachtet wird, den Trans- 
lationsbewegungen, kann ein Körper ohne seine gleichzeitige Fortbe- 
wegung im Raume auch insoferne in Bewegung sein, als seine Punkte 
alle im Verhältnis zu einem als ruhend angenommenen Punkte ihre 
Lage im Raume ändern: Rotationsbewegung.?) Zu diesen gehören die 
Bewegungen der Extremitäten und ihrer Teile um die Gelenke. Mit 
der Untersuchung dieser Verhältnisse hat sich besonders ©. Fischer be- 
schäftiet und seine Erfahrungen in zahlreichen Abhandlungen niederge- 
legt. ?) 


3. Erscheinungen des Energiewechsels und Stoifwechselvorgänge. 


Jede Leistung der lebenden Substanz, mag sie sich als was immer 
für eine Energieform äußern, geht in letzter Linie auf einen chemischen 
Umsatz zurück. Wird ein Muskel durch ein äußeres Agens veranlaßbt, 
Arbeit zu leisten, so ist letztere bedeutend größer, als der zugeführten 
Energie entsprechen würde: der äußere Anlal) hat bloß als „Auslösung“ 
gewirkt, während die zutage tretende mechanische Energie aus dem 
Umsatz einer äquivalenten Menge chemischer Energie stammt. Wie sehr 
die Auslösung von der Leistung quantitativ übertroffen wird, zeigt folgender 
Versuch #): Läßt man auf den auf einer festen Unterlage ruhenden Nerven 
eines Nervmuskelpräparates (Gastrocenemius vom Frosch) ein Gewicht von 
0485 g aus einer Höhe von 10'1 mm herabfallen, so kann der sich nun 
kontrahierende Muskel ein Gewicht von 485g 38 mm hoch heben. Die 
geleistete Arbeit beträgt 48°5 x 38 — 1843 gmm — außerdem wird noch 
Wärme gebildet —, während bloß 0485 x 101 = 49 gmm die Kontraktion 
veranlaßten. Die Beziehung zwischen mechanischer Arbeit und Stoffver- 
brauch wurden von M. Camis |9]) durch Versuche am überlebenden 
Herzmuskel festgestellt. Ein Kaninchenherz wurde in einem modifizierten 
Langendorfschen Apparat>) durch die Kranzgefäße mit dextrosehaltiger 
Ringerlösung gespeist und hob bei seinen Kontraktionen, ohne Blut zu 


1) Über berechnete Geschwindigkeiten und aus diesen konstruierte Geschwindig- 
keitskurven s. das S. 627 angegebene Beispiel. 

2) Zusammenfassende elementare Darstellung der physiologischen Bewegungslehre 
in ©. Fischers Med. Physik. 

3) S. Lit.-Verz. von Fischer [12]; s. ferner Fischer [14]. 

#) Tigerstedt, Lehrb. d. Physiologie (Leipzig 1905). I. S. 59. 

5) Über die Originalmethode Langendorffs siehe Frank [16], S. 156 ff. 


622 Emil Löwi. 

fördern, einen Registrierhebel OA, mit einem Gewicht P (Fig. 282). Die 
vom Herzen bei jeder Kontraktion geleistete Arbeit A besteht aus der 
Hebung des Gewichtes P vom Punkte P, bis P,, des Hebelgewichtes p 
von B, bis B, und seines eigenen Gewichtes Pr, das man sich aus 
mehreren sozusagen etagenförmig übereinander angeordneten zusammen- 
hängenden Teilgewichten vorstellen kann, auf verschieden lange Strecken, 


Fig. 282. 


oO 


(Nach Camis, durch Schematisierung 
vereinfacht, Buchstabenbezeichnung 
abgeändert.) 

O Drehpunkt des Hebels 0A. 


0A, Lage desemporgehobenen Hebels. 


P Vom Herzen zu hebendes Gewicht. 
B, und B, Schwerpunkt des Hebels. 
P, und P, Angriffspunkt der Last P. 
Wegen der Kleinheit des X A, OA, 
lassen sich, ohne einen wesentlichen 
Fehler zu begehen, bei der Berech- 
nung die Bogen A,A,, B,P, und 
P,P, als von A,, B, und P, auf A, O 
gefällte Normale ansehen, so daß 
man nach Ausmessung der jeweiligen 
Höhe H=4A,4, auf der gezeich- 
neten Kurve die Länge der Strecke 
P,P,=h, um welche die Herz- 
spitze und das Gewicht P, sowie 
der Strecke B,B, =‘, um welche 
das Hebelgewicht gehoben wurde, be- 
rechnen kann: 
HEWEH—- EIER DEPIG 


die um so kleiner sind, je näher der 
betreffende (ein Teilgewicht bildende) 
Herzabschnitt dem Aufhängepunkt des 
Herzens liegt, also zwischen OÖ und der 
Länge der Strecke P, P,; = h liegen; man 


nimmt deshalb das Mittel N es ist also 


A=P-h+ Pan + p-h 


war die Anzahl der während der Beob- 
achtungszeit t vorgekommenen Kon- 
traktionen n;, so war die hierbei ge- 
leistete Arbeit 


OR 
A=[(P+ EL + ph‘]-n.. 


Zur Bestimmung des chemischen Äqui- 
valents dieser Arbeitsleistung wurde der 
Zuckergehalt der während des Versuches 
durch den Herzmuskel gegangenen 
Speiseflüssigkeit bestimmt: es ergab 
sich gegenüber dem Gehalt einer gleich 
groben nicht zum Versuche verwendeten 
Menge Flüssigkeit ein Fehlbetrag an 
Dextrose, D;, und diese Größe ist das 
gesuchte chemische Äquivalent. Die 
Gewichte in Grammen und die Hub- 
höhen in Zentimetern ausgedrückt, ergibt 
die Arbeit A: in Zentimetergrammen. 
Die Größe - gibt die auf die Arbeits- 
nn 7 
einheitentfallende Menge Betriebsstoffan. 


Infolge mechanischer Leistungen der Muskeln entstehen in ihnen 


gewisse Stoffwechselprodukte; schon vor langer Zeit, als die Ursache der 
Ermüdung nachgewiesen !), wurden sie zuerst von W. Weichardt?) zu- 
nächst aus ermüdeten Muskeln, dann auch aus den Ausscheidungen des 
Körpers und endlich auf chemischem Wege direkt aus Eiweiß hergestellt. 


!) Siehe Verworn [63], S. 500—502 (Lit.!). 
2) Über Ermüdungsstoffe. Stuttgart, F. Enke, 1900. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 623 


Aus der Menge der Zerfallsprodukte bei einem gewissen geleisteten 
Arbeitsquantum könnte man in ähnlicher Weise, wie es bei der Auf- 
nahme des für eine gewisse Arbeit notwendigen Stoffquantums geschehen 
ist, eine Äquivalenzgleichung ableiten, doch stehen der Bestimmung der 
quantitativen Beziehung zwischen dem Grade der Muskelleistung und der 
Menge der gebildeten Ermüdungsstoffe außerordentliche Schwierigkeiten 
gegenüber. 

Die im Körper der Organismen aufgespeicherte Energie, auf deren 
Kosten alle Lebensäußerungen vor sich gehen, stammt aus verschiedenen 
Energiequellen der Außenwelt, vorwiegend wieder aus chemischer, dann aber 
auch aus thermischer und optischer Energie. Letztere spielt die größte 
Rolle bei der Zerlegung der Kohlensäure und Verwendung des frei werdenden 
Kohlenstoffes zur Synthese der einfachsten organischen Verbindungen in 
der grünen Pflanze unter dem Einfluß des Sonnenlichtes. Für die Produktion 
von Stärke im .Blatte von Nerium berechnet Pfeffer‘), daß auf den 
Quadratmeter Blattfläche pro sec. eine Menge von 0'000535 g Stärke ent- 
fällt. Die Verbrennungswärme von 1g Stärke wird mit 4100 Kalorien?) 
angegeben. Die unter den besagten Verhältnissen aufgewendete Energie 
ist daher mit 0:000535 x 4100 kal. äquivalent, hat also den Wert von 
22 kal. 

Zuführung von thermischer Energie hat eine Erhöhung der Intensität 
der meisten Lebensvorgänge zur Folge, und zwar gewöhnlich nach dem- 
selben Gesetze, das van ’t Hof für die Zunahme der Geschwindigkeit 
chemischer Reaktionen bei Temperaturerhöhung nachgewiesen hatte °): einer 
Steigerung der Temperatur von t° C auf t-+ 10° entspricht eine Zunahme 
der Geschwindigkeit auf das Zwei- bis Dreifache; die neue Geschwindig- 
keit kt ı 10 ist 2-- 3mal so groß als die frühere k+, so daß der Quotient 

_kterno 

3 Kae kt 

Zahl ist, 2<Q,, <3. Dieser biologische Temperaturkoeffizient gestattet 
es aber nicht, aus der Geschwindigkeit bei gegebener Temperatur die 
bei jeder beliebigen anderen herrschende zu berechnen, da er bei dem- 
selben Organismus in verschiedenen Teilen der Temperaturskala unter 
sonst gleichen Umständen voneinander abweichende Werte hat: bei höheren 
Temperaturen ist er kleiner. Das van ’t Hoffsche Gesetz wurde bei zahl- 
reichen Lebensvorgängen (Geschwindigkeit der chemischen Vorgänge bei 
der Atmung, Bewegungsgeschwindigkeit, Entwicklungsgeschwindigkeit) an 
Tieren und Pflanzen nachgewiesen.*) Nicht zutreffend fand P. Jensen [23] 
das Gesetz bei der Frage, wie der Längenzuwachs ruhender Muskeln bei 
Erhöhung der Temperatur sich zur ursprünglichen Länge (l.) verhalte. 


eine zwischen den engen Grenzen 2 und 3 eingeschlossene 


!) Pflanzenphysiologie (2. Aufl.) I. Bd., S. 331. 

°) Grammkalorien, kal. 

®») Vorlesungen über theoretische und physikalische Chemie, Heft I, S. 223 
(Braunschweig 1898). 

*) Zusammenstellung von Beispielen (Lit.!) bei A. Przibram [45], S. 30. 


624 Emil Löwi. 


Das Abhängiekeitsverhältnis läßt sich nicht durch die einfache Formel 
lt + 10 
lı 
Faktoren in Betracht kommen, vor allem die Geschwindigkeit der Tempe- 
raturänderung. Da eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende 
Formel sich zur Zeit nicht aufstellen ließ, begnügte sich der Autor (l. e. 
S. 326: siehe ferner S. 327 f.) mit der Diskussion der ungefähr zu er- 
wartenden Eigenschaften einer solchen Formel. Einen anderen Tempe- 
raturkoeffizienten fand B. Zehl |72]: Um die Giftwirkung organischer und 
anorganischer Stoffe auf Pilzsporen (gemessen an der Konzentration, 
welche die Keimung eben noch ermöglichte) auf das Zwei- bis Dreifache 
zu steigern, war eine Erhöhung der Temperatur um 20 30° erforderlich. 
Nach der oben gewählten Ausdrucksweise wäre also 2 <Qa»_— „»<B und 


k 20 —- 30 = Sue 
— cn — Berechnungen von Q,, bei Stoffwechselversuchen 
t 


—(),, geben, da außer dem Temperaturunterschied noch andere 


wurden von A. Pütter |49| ausgeführt. 

Durch die Assimilation der Nahrungsstoffe wird dem Organismus so 
viel Energie zugeführt, als die betreffenden Stoffe bei der Verbrennung 
(in Kalorien» ausgedrückt) geliefert hätten. Bleibt das Körpergewicht 
konstant, so kann eine dem Verbrauch an Nahrungsstoffen gleiche Energie- 
menge wieder abgegeben werden, und zwar als mechanische Energie (ge- 
leistete äußere Arbeit) oder als thermische, während ein Teil (Ausschei- 
dungen aller Art, vorwiegend Abfallsprodukte des Stoffwechsels) wieder 
als chemische Energie erscheint. Um die verschiedenen Energieformen mit- 
einander vergleichen zu können, müssen sie auf gleichwertige Mengen einer 
und derselben — man nimmt die thermische — umgerechnet werden. ?) 
Man bestimmt die Verbrennungswärmen der zugeführten und der ab- 
gegebenen Stoffmengen?), während die durch den Lebensprozeß gelieferte 
Wärme durch kalorimetrische Vorrichtungen direkt gemessen ?) wird; die 
gelieferte mechanische Energie, wozu auch die durch die eigene Loko- 
motion geleistete Arbeit gehört, erfährt man aus dem Mehrverbrauch an 
Nahrungsstoffen gegenüber dem Nahrungsverbrauch in derselben Zeit im 
Zustande vollkommener Ruhe (bei gleichbleibendem Körpergewicht).? Zur 
Arbeitsleistung von 1 nkg sind für den Menschen beim Gehen auf hori- 
zontaler Bahn günstigsten Falls 7’5 Kalorien erforderlich; für einen Menschen 
von Pkg Gewicht kommt beim Steigen bis zu einem hm vertikal über 
dem Ausgangspunkt liegenden Punkte außer diesem Verbrauch noch der 
aus der Formel Arbeit = Kraft x Weg zu berechnende in Betracht: 
75.P.h; der Energieverbrauch für das Gehen in der Ebene hat sich mit 
durchschnittlich 500-- 600 Kalorien pro Kilogramm und Kilometer er- 


t) Über die Definition der verschiedenen Kalorien siehe Aohlrausch [96] (oder 
auch [97]). 

?2) Über die Methoden siehe Rubner [55]. 

3) Methoden und Literatur bei Caspari und Zuntz im 1. Bd. (3. Abt.) von Tiger- 
stedts Handb. d. physiol. Methodik (S. 50 ff.). 


er 2 2222 2.0 3 Sn 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 625 


geben. — Bezeichnet man die vom Körper gelieferten Energiemengen, 
welche durch die Verbrennungswärmen der ausgeschiedenen Stoffe, durch 
die kalorimetrischen Methoden und durch Umrechnung der mechanischen 
Leistungen auf äquivalente Mengen Wärmeeinheiten bestimmt werden, als 
Berl, 2... (alles in Kalorien ausgedrückt), die vom Körper mit 
den Nahrungsstoffen (und durch die Atmung) aufgenommenen Energie- 
mengen (ebenfalls in Kalorien ausgedrückt) als —E‘, —E“, —E” ..... 
so ist die Summe aller zugeführten und die Summe aller abgegebenen 
Energiemengen gleich, die algebraische Gesamtsumme also gleich O, [E] = 0. 
Rubner‘) fand als Versuchsfehler bei der Bestimmung der abgegebenen 
Energiemengen ein Minus von nicht mehr als 0'59°/, der zugeführten. 

Die zur Erhaltung des Stoffwechselgleichgewichtes in der Ruhe er- 
forderliche Energiezufuhr ist bei gleichartigen Tieren von der Körper- 
größe abhängig, und zwar ist sie nicht dem Gewichte (p), sondern fast 
vollkommen der Körperoberfläche proportional. Wegen der bekannten 
Beziehung zwischen Oberfläche und Gewicht (vgl. S. 607) erhält man den 
auf die Oberflächeneinheit entfallenden Energieverbrauch durch Division 
des experimentell ermittelten Gesamtverbrauches durch p”. Bei Hunden, 
die bei behaglicher Wärme im Käfig gehalten und nicht zu eiweißreiche 
Kost erhielten, ergab sich für die der Oberflächeneinheit entsprechende 
Körpermasse ein Verbrauch von ungefähr 120 kal.; für einen beliebigen Hund 
vom Gewichte p läßt sich also der Erhaltungsverbrauch mit 120 p’: veran- 
schlagen (Caspari-Zuntz, 1. ce. S.50). Auf dieselbe Weise läßt sich der Verbrauch 
für den horizontalen Gang aus dem Körpergewicht berechnen: er beträgt, 
durch p” dividiert, pro 1m Weg ca. 4 kal.; ein 142 %g schwerer Hund 
wird somit für 1000 m horizontalen Weges 142° x 1000 x 4 kal. = 5°86 x 
4 Kal. = 2344 Kal. verbrauchen (Caspari-Zuntz, 1. c., S. 62).?) 

Den Energieaufwand, den die Unterhaltung des organischen Wachs- 
tums erfordert („Entwicklungsarbeit“)3), hat Tang! durch Bestimmung der 
Verbrennungswärme von Eiern in bestimmten Stadien der Bebrütung (Ab- 
nahme der Verbrennungswärme mit fortschreitender Entwicklung) und 
Rubner*) an Bakterienkulturen, einerseits ebenfalls durch Ermittlung der 
Verbrennungswärme, andrerseits kalorimetrisch bestimmt. Bei einer Bak- 
terienaussaat auf einer abgewogenen Menge Nähragar von bekanntem 
Trockengewicht ergab sich am Ende des Versuches, daß die Summe der 
Trockengewichte des Agars und der gewachsenen Bakterienmasse kleiner 
war, als das Trockengewicht der anfangs vorhanden gewesenen Nährstoff- 
masse. Der Fehlbetrag war im Energiewechsel aufgebraucht worden und 
stellt, in Kalorien ausgedrückt, den Energieumsatz dar, der dem ebenfalls 
in Kalorien angegebenen Werte der gewachsenen Bakterienmasse entspricht. 


Hlul: ©: 5.102. - 
2) Es sei an dieser Stelle auf die sehr interessanten Berechnungen A. Pütters 
über den Stoff- und Energiewechsel der Fische hingewiesen [51]. 
3) Siehe Przibram [45], S. 27; Literatur bei Rubner, 1. ce. S. 218. 
#) ]. c. S. 218—221. 
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII, 40 


626 Emil Löwi. 

Von den Gesetzen, nach denen der Transport von Stoffen im Organismus vor 
sich geht, ist noch nicht viel nach exakten Methoden erforscht worden. Am zahl- 
reichsten und erfolgreichsten waren die Untersuchungen auf dem Gebiete der Lehre 
vom Blutkreislauf, welche als hydrodynamisches Problem Gelegenheit zur Nachahmung 
der beobachteten Erscheinungen durch Modelle gab. Insbesondere hat diesen Weg 
Isebree A. Moens |36] eingeschlagen, um für die charakteristische Gestalt der Pulskurve 
eine Erklärung zu suchen. Auf pflanzenphysiologischem Gebiet hat die Bewegung der 
Flüssigkeiten in den Leitungsbahnen, obwohl bereits ausgedehnte Untersuchungen vor- 
liegen, noch keine Bearbeitung in mathematischer Richtung gefunden, wohl aber die 
Bewegung des Wasserdampfes in den Spalträumen und seine Ausscheidung durch die 
Spaltöffnungen, besonders durch O. Renner [53], welcher ebenfalls die in Betracht 
kommenden Gesetze an Modellen studierte und durch Anwendung der gefundenen 
Formeln auf das durch Beobachtung von Transpirationsvorgängen an Pflanzen ge- 
wonnene spezielle Zahlenmaterial ihre Gültigkeit auch am lebenden Objekte nachwies. 
Die Abhandlungen ' dieser beiden Autoren sind hervorragende Beispiele der Erfolge, 
deren die mathematische Behandlung biologischer Probleme fähig ist; wegen ihrer zum 
größten Teil auf Berechnungen fußenden Darstellung sind sie zu kurzer Besprechung nicht 
geeignet, so daß wir uns mit der bloßen Erwähnung begnügen müssen. 


4. Die Reizbarkeit. 


Aufgabe der Reizphysiologie ist es, die infolge qualitativer und 
quantitativer Veränderungen der Lebensbedingungen bei einem Organismus 
wahrnehmbar werdenden 
Wirkungen zu untersuchen 
RB und die Abhängigkeitsge- 
' setze, die zwischen den ge- 
nannten Veränderungen 
(= Reizen) und deren Wir- 
kungen (= Reizwirkungen) 
bestehen, zu erforschen. 
In der Tierphysiologie 
wurde am _häufigsten und 
genauesten die elektrische 


Fig. 283. 


B'B C 
Schema einer Muskelzuckungskurve. 


R Beginn der Reizung (RA Latenzzeit). A Beginn, 
C Ende der Kontraktion. B der die stärkste Kon- 
traktion darstellende Punkt der Kurve; dieser ent- 


R 4 


spricht der Zeit AB‘, wenn ein Stirnhebel beuützt 
worden ist; bei einem Hebel mit Seitenschreibung') 
ist die Ordinate des Punktes B der Kreisbogen 
B‘“B, dessen Zentrum im Drehpunkt des Hebels 
liegt, die Abszisse also AB“. Um aus den 
durch die Hebelwirkung vergrößert aufgezeich- 
neten?) Ordinaten die Größe der Exkursion, die 
das freie Muskelende ausführt, zu erfahren, ist 
Umrechnung aus dem Längenverhältnis der beiden 
Hebelarme erforderlich. (Die nach € folgenden 
Nachschwankungen sowie der Verkürzungsrück- 
stand sind als nicht zur Zuckungskurve gehörig 
weggelassen worden.)?) 


Reizung des Muskels unter- 
sucht. Die Messung der Reiz- 
wirkung ist wegen der 
Schnelligkeit ihres Verlaufes 
bloß auf dem Wege der 
Selbstregistrierung möglich. 
Es ergibt sich die Kurve 
einer ungleichförmigen Be- 
wegung (Fig.283). Der von 
dem einen Endpunkt des 
Muskels gegenüber dem an- 


'!) Über tangentiale (= Bogen- oder Seiten-) und radiäre (= Stirn-) Schreibung 


s. Frank [15], S. 23—25. 


°) Über die Zeichnung von Kurven in natürlicher Größe s. Frey [17], S. 91. 
») Über die Ausmessung von Muskelkurven s. Frey [17], S. 109ff. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 627 
deren, fixierten, zurückgelegte Weg ist B'B+ |BB‘|, die dazu notwen- 
dig gewesene Zeit (Zuckungsdauer) AG (von der Latenzzeit RA abgesehen). 
Die Geschwindigkeit der Bewegung ist um so größer, je steiler der 
Aufstieg oder Abfall der Kurve ist. Alle diese Verhältnisse lassen 
sich auch durch eine Formel ausdrücken, in der sich der zurückgelegte 
Weg y (die jeweilige Zuckungshöhe) als Funktion der Zeit t darstellt: 
y=f(t); dann ist die Kontraktionsgeschwindigkeit y‘ der Differential- 
quotient des Weges nach der Zeit: a Durch Bestimmung zahl- 
reicher Werte für y‘. welche als Ordinaten zu den entsprechenden t-Werten 
aufzutragen sind, erhält man ein Bild vom wechselnden Verlauf der Ge- 
schwindigkeit: die Geschwindigkeitskurve. !) 

Unsere bisherige Betrachtung beschäftigte sich bloß mit der mathe- 
matischen Beschreibung (durch Kurve und Formel) der Wirkung eines 
Reizes auf einen Muskel im allgemeinen. Die zahlreichen Abhängig- 
keitsverhältnisse, die zwischen Reizwirkungen einerseits und den Inten- 
sitäts- und Zeitverhältnissen des Reizes, sowie den begleitenden Faktoren, 
wie Temperatur, Feuchtigkeit u. dgl. andrerseits bestehen, sind fast aus- 
schließlich graphisch untersucht worden; die rechnerische Aus- 
wertung der gefundenen Gesetze stößt oft auf mancherlei Schwierigkeiten, 
unter denen dem wechselnden Verhältnis zwischen Länge und Spannung 
des Muskels wegen seiner Kompliziertheit ?2) eine besondere Bedeutung zu- 
kommt. Läßt man elektrische Reize von verschiedener, nicht zu großer 
Intensität auf einen isolierten Muskel bei gleicher Belastung einwirken, 
dann ist nach A. Fick die Hubhöhe gerade proportioniert der Reizstärke. 
Verändert man aber bei gleichbleibender Reizstärke die Belastung, dann 
läßt sich das Abhängigkeitsverhältnis der Hubhöhe h von der Belastung P 
nicht durch eine einfache Formel geben. Man würde erwarten, daß bei 
stärkerer Belastung die Hubhöhe etwa so abnähme, daß die geleistete 
Arbeit A dieselbe bliebe, also A=Ph=konst. Infolge der bei wachsender 
Belastung ebenfalls, aber nicht proportional zunehmenden Dehnung muß 
bei jeder Belastung die Länge des Muskels auch in der Ruhe bestimmt 
werden. Hermann entwirft zu diesem Zwecke für verschieden abgestufte 
Belastungen eine Dehnungskurve des ruhenden und des gereizten Muskels 
und erhält die’Hubhöhe als Differenz der Ordinaten der derselben Be- 
lastung entsprechenden Punkte der beiden Kurven (Fig. 284). Es handelt 
sich um eine relativ einfache Bestimmung, da bloß die jeweilige Ver- 
kürzung des Muskels, nicht aber auch die Zuckungsdauer gesucht wird. 
Will man die Abhängigkeit beider Größen von einer Veränderlichen dar- 
stellen, so wird man ebenfalls für jede derselben ein eigenes Gesetz auf- 
stellen. Bei verschiedenen Temperaturen nimmt die Muskelkurve die Formen 
‘an, welche Fig. 285 zeigt; aus ihnen erhält man als Abhängigkeitsver- 


!) Ausführung einer solchen Berechnung bei Araky [3], S. 91. 
?) Siehe v. Frey [17], S. 92 (Literaturangaben). 


40* 


628 Emil Löwi. 


hältnis der Zuckungshöhe von der Temperatur die zweigipfelige Kurve der 
Fig. 286, für die Zuckungsdauer bei verschiedenen Temperaturen eine 


ni 


N 


STR 


SUN 


N 


a, 


Y Ar 


Bestimmung der Hubhöhen aus der Ordinaten- 
differenz der Dehnungskurven (nach Hermann), 
modifiziert). 

Oa, und Oz, Länge des unbelasteten Muskels, 
ruhend und gereizt. 


©, 4,5% dy, %, Ay . . . Länge des ruhenden Muskels 
bei der Belastung x, z,, 25, - - 
X, %s 2g%y, X, . .. Länge des Muskels bei der 
jeweilig gleichen Belastung gereizt. 
d,%, Hubhöhe des unbelasteten Muskels, «a, &, 
4,%, .... Hubhöhen des belasteten Muskels. 


Kurve von hyperbelartigem 
Verlauf (Fig. 287). 

Die Untersuchung der 
Wirkungen, welche qualita- 
tiv und quantitativ verschie- 
dene elektrische Reize auf 
Muskeln ausüben, haben zur 
Aufstellung zahlreicher Ge- 
setze geführt, ohne dab man, 
wie es scheint, bisher an 
ihre zahlenmäßlige Formu- 
lierung geschritten wäre. 

Eine ähnliche Rolle, 
wie in der Tierphysiologie 
das Studium der Wirkung 
elektrischer Schläge auf die 
kontraktile Substanz, spielt 
in der Pflanzenphysiologie 
die Untersuchung der Wir- 
kung, welche von einem 
Lichtstrahl oder von der 
Schwerkraft auf wachsende 
Pflanzenteile ausgeübt wird. 


Man hatte früher die Anschauung, daß die Pflanze im Gegensatz 
zum tierischen Organismus auf Reize sehr langsam reagiere. Denn 


Fig. 285. 


Verlauf der Muskelzuckungskurve bei verschiedenen Temperaturen. 
(Nach ©. Weiß®, mit veränderter Bezeichnung.) 


Den Kurven 1, 4 6, 8, 


11 entsprechen die Temperaturen 


—5°, 0°, 19°, 30°, 42%/,°. (Für die nicht genannten Kurven ist die 


Temperatur aus dem Original nicht zu entnehmen.) 


!) Lehrbuch der Physiologie. Berlin 1900, Verlag Aug. Hirschwald, S. 278, Fig. 37. 
2) Allgemeine Physiologie der Muskeln und Nerven in Zuntz-Loewry, Lehrbuch 
der Physiologie des Menschen. Leipzig 1909, F. C. Vogel, S. 95, Fig. 56. 


EDEN I 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 629 


wenn ein im dunklen wachsendes Pflanzenorgan, etwa ein Keimling, von 
einer Seite mehr oder weniger lang belichtet wird, bedarf es, je nach 
der Stärke und Dauer der Belichtung, noch einer gewissen Zeit (Induk- 
tionszeit), bis man die Krümmung gegen die Richtung, aus welcher 
das Licht einfiel — positiven Helio- 

tropismus — wahrnimmt. Für die Fig. 287. 

Minimalzeit, welche notwendig ist, 
damit bei gegebener Reizstärke ein 
Pflanzenteil überhaupt noch eben 
merklich reagiere, ist der Ausdruck 
Präsentationszeit in Gebrauch. Die 
Aufgabe, die Abhängigkeitsverhält- 
nisse der Präsentationszeit von der 
Intensität des einfallenden Lichtes zu 
ermitteln, hat P. Fröschel |19, 20] ge- 


le 


löst. Er setzte Keimlinge in der 
Dunkelkammer den Strahlen einer 


is 


stets gleichbleibenden schwachen Licht- 
quelle von bekannter Intensität aus: 
da die Versuchspflänzchen in ver- 


Fig. 286. 


Zuckungsdauer 


Sur Ram 


50 49° 30° 429° RIRERTELE 


Temperatur 30° 42%? 
Temperatur 


Gesetz der Abhängigkeit der Höhe und der Dauer einer Muskelzuckung von der Tem- 
peratur. Von den beiden ersten Größen wurden fünf Werte aus Fig. 285 im gleichen 
Maßstabe als Ordinaten in je ein neues Koordinatensystem eingetragen, mit den ent- 
sprechenden Temperaturen als Abszissen. 
(Für die Zuckungsdauer der Kurven / und 4, die aus Fig. 285 nicht vollständig zu ersehen 
ist, wurde angenommen, daß der Versuch sie in gleicher Größe ergeben hätte, und die 
Kurve in Fig. 287 zwischen die beiden Punkte gelegt.) 


schiedenen, genau gemessenen Entfernungen von der Lichtquelle standen, 
wirkten auf sie verschiedene Lichtintensitäten ein, und zwar, da erstere 
sich wie 1:1/,:!/, verhielten, war das Verhältnis der Lichtintensitäten 
1:4:16. In zahlreichen Versuchsreihen wurden in jeder der drei Ent- 
fernungen Versuchspflanzen während verschieden langer Zeiten (/;—15 Mi- 
nuten) den Lichtstrahlen ausgesetzt, und beachtet, welches die kürzeste 


ar 
“uidbat 


E Farm = Er 


a 


630 Emil Löwi. 


eben noch zur Reaktion führende Zeit in jeder der drei Entfernungen war. 
Diese Präsentationszeiten als Ordinaten und die entsprechenden, aus den 
Entfernungen berechneten Lichtstärken als Abszissen aufgetragen. ergaben 
eine Kurve, welche mit großer Wahrscheinlichkeit als gleichseitige (auf 
die Asymptoten als Koordinatenachsen bezogenen) Hyperbel anzusehen 
war, eine Annahme, die in der Folge durch zahlreiche Versuche als richtig 
erwiesen wurde. Infolgedessen ist das Abhängigkeitsgesetz zwischen Licht- 
intensität (I) und Präsentationszeit (t) durch die Formel I.t = konst. 
gegeben. Der spezielle Wert der Konstanten ist für die untersuchte 
Pflanzenart charakteristisch. Fröschel schlägt die Angabe seines reziproken 
Wertes als Maß für die Empfindlichkeit vor. Denn je empfindlicher ein 
Organ ist, desto kleiner wird bei gegebener Reizintensität (I) die Präsen- 
tationszeit (t) sein und somit auch die Konstante (k=1.t), desto größer 
f N 

Ik} 

Das Abhängigkeitsgesetz zweier Variabler, konstante Produkte zu 
bilden, fand A. Maillefer [53] auch bei seinen Versuchen über die Wirkung 
der Zentrifugalkraft auf Keimpflanzen. Sein Apparat ermöglichte es, 
die Stellung der Versuchspflanzen automatisch so zu verändern, daß sie 
während der Rotation abwechselnd, während ebenfalls willkürlich einstell- 
barer Zeiten in verschiedene Entfernungen von der Drehachse gebracht 
wurden, also verschieden starken Zentrifugalkräften ausgesetzt waren, 
wobei sie gleichzeitig bei jeder Stellungsveränderung auch so gedreht 
wurden, daß die entgegengesetzte (um 150° verwendete) Flanke peripher 
zu liegen kam. Bei einem gewissen Verhältnis zwischen den Zentrifugal- 
kräften und den entsprechenden Einwirkungszeiten hoben die entgegen- 
gesetzten Wirkungen einander auf und es kam keine Krümmung zustande, 
und zwar fand sich bei der Messung der Entfernungen, daß das der Fall 
war, wenn die Kräfte (f, und f,) den entsprechenden Zeiten (t, und t,) 
verkehrt proportional waren: f,:f, =t,:t, oder f, t, =f; t,. Weitere Formeln 
leitete Maillefer aus dem Zahlenmaterial anderer Autoren (Bach, Ozapek) ab. 
Aus den Tabellen H. Bachs |5], der die Zentrifugalkraft in ihrem Ver- 
hältnis zur Schwerkraftbeschleunigung g angab!), konstruierte er eine 
Kurve, die er als gleichseitige Hyperbel ansah, und deshalb als Abhängig- 


also deren reziproker Wert 


a 
keitsgesetz xy—=a oder y=— annahm, welch letztere Formel er aber zur 
x 


: a a Te 
Verallgemeinerung durch y= —- ersetzte. Da sich beliebig viele x- und 
; X 


y-Werte experimentell bestimmen lassen. ist die Aufgabe der Berechnung 
von a und b überbestimmt: ihre vorteilhaftesten Werte können durch ein 
Ausgleichungsverfahren ?2) ermittelt werden. Durch Substitution von y durch 


!) Über die Ausführung derartiger Berechnungen siehe auch Salpeter |76]. S.87—89. 
?) Maillefer benützte eine von Palin Elderton angegebene Metnode (’Frequeney 
curves and correlation, London 1905). 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 631 


die den Zentrifugalkraftwerten x entsprechenden Präsentationszeiten er- 
hielt Maillefer für b annähernd 1, so dab die Formel ihre ursprüng- 
liche Gestalt xy = a wieder annahm. Der spezielle Wert von a ist 
eine für die untersuchte Art charakteristische Konstante. Bezeichnet 
man eine als Maß oder als Vielfaches der (als Einheit angenommenen) 
Erdschwerkraft g ausgedrückte Fliehkraft als f, die entsprechende Prä- 
sentationszeit als P, so erhält man für letztere P=7; als Präsen- 
tationszeit p, der Erdschwere!) würde sich somit, da dann f=1 wäre, 
pı =a, also die Konstante selbst ergeben. Man kann deshalb in der 


früheren Formel a durch p, ersetzen, wodurch sie in P=$ oderPf=p, 
übergeht; in dieser Gestalt drückt sie die Beziehungen aus, die zwischen 
einer beliebigen Fliehkraft, ihrer Präsentationszeit und der Präsentations- 
zeit der Schwerkraft bestehen. 

Entsprechend der für die Präsentationszeit P geltenden, aus y= = 


abgeleiteten Formel nahm Maillefer für die Reaktionszeit R?) einer Flieh- 
kraft f die Formel R= Pr. 
stische Konstante, für b aber ein von 1 verschiedener Wert ergab, und zwar 
sowohl bei Verwendung der experimentell gefundenen Zahlen, die Bach, 


an, wobei sich für a wieder eine charakteri- 


als auch jener, die Czapek mitteilt, annähernd 02; wegen f?=f’—|/f 


m: i a 
wird die Reaktionszeit durch R= — ausgedrückt. 


Vi 

Die oben erwähnte ältere Anschauung von der langen Zeit, welche 
Pflanzen brauchen, um auf Reize durch Wachstumsbewegungen zu re- 
agieren, hat sich, wie Warwara Polowzow [43] und vor ihr N. Moisescu [37] 
zeigten, als irrig erwiesen; denn beobachtet man einen heliotropisch oder 
geotropisch gereizten Pflanzenteil anstatt mit unbewaffnetem Auge mit 
dem Mikrometer des Horizontalmikroskops, so nimmt man sofort?) mit 
dem Einsetzen des Reizes auch den Beginn der Reaktion wahr. Mit Hilfe 
dieser Methode hat Maillefer bei seinen neuerlichen Versuchen [34] 
sehr bemerkenswerte Erfolge erzielt. Die bei Ausschluß von Licht gezogenen 
Keimpflanzen wurden in einem lichtdichten Kasten in die Horizontallage 
gebracht und durch ein Fenster mit gelben Lichtfiltern, hinter denen, wie 


t) Minimalzeit, während welcher die Pflanzenachse horizontal gelegt sein müßte, 
damit nach Ausschaltung der Schwerkraft (durch langsame Rotation um eine horizon- 
tale Achse auf dem Klinostaten) eine eben noch wahrnehmbare Krümmung einträte. 

2) — die zwischen Beginn der Reizung und eben wahrnehmbar werdender Re- 
aktion verfließende Zeit. 

3) Nach Bach ([5] Kap. VII) gibt es auch bei dieser Versuchsanordnung eine, 
wenn auch kürzere Reaktionszeit. 


632 Emil Löwi. 


durch Versuche festgestellt wurde, Pflanzen selbst nach einem Tage noch 
keinen Phototropismus zeigten, während des Zeitraumes einer Stunde alle fünf 
Minuten mit dem Horizontalmikroskop beobachtet. Die Abweichungen h!) 
(Fig.288) von der Horizontalen als Ordinaten und die entsprechenden Ex- 
positionszeiten als Abszissen aufgetragen, ergaben gebrochene Linien, deren 
(resamtverlauf ungefähr dem der Kurve in Fig.289 entsprach. Unerwarteter 
Weise krümmten sich nämlich die Pflanzen anfangs nach abwärts — po- 
sitiv geotropisch —, die h-Werte sind also als negative Zahlen aufzufassen 
und die entsprechenden Ordinaten in den vierten Quadranten zu verlegen. 
Bald aber nahm die Abwärtskrümmung wieder ab (bei Erreichung des 
Punktes S) und ging nach vorübergehender Wiederherstellung der Horizon- 
tallage (beim Punkte B;, h=0) in 
eine schnell zunehmende Aufwärts- 
krümmung (h-Werte positiv) über. Die 
Betrachtung der Figur lehrt, dab 
jedem Punkte des Kurvenstückes OS 
auf dem Kurvenstücke SB ein Punkt 
entspricht, der die gleiche Entfernung 
von OX hat?); jedem h-Werte ent- 
sprechen somit zwei t-Werte, das Ab- 
hängigkeitsverhältnis h=f(t), oder die 
Formel der die beobachtete Erscheinung 


Fig. 288. 
al 
h | 
7 | 
| 
A Ya 
04 Die Pflanzenachsebei Beginn Schematische Kurve der Abhän- 
des Versuches, O4‘ Pflanzenachse gigkeit des Grades der geotropi- 
geotropisch gekrümmt, AA’ Ab- schen Krümmung von der Zeit der 
weichung von der Horizontalen. Einwirkung der Schwerkraft. 


charakterisierenden Kurve wird also wahrscheinlich durch eine quadratische 
Gleichung ausdrückbar sein. Maillefer hält sie nach ihrem Verlauf für eine Pa- 
rabel, die durch den Ursprung geht, und legt ihr die Formel bei: h—= at + bt2.) 
Die Aufwärtsbewegung wurde an der Pflanzenspitze beobachtet, und da 


‘) Mittelwerte der Abweichungen, die bei einer größeren Anzahl von Exemplaren 
annähernd gleicher Längen, bei denen der Versuch bei gleicher Temperatur ausgeführt 
wurde, sich einstellten. 

?) Dasselbe gilt für das Kurvenstück BP und eine über O in den zweiten Qua- 
dranten reichende Verlängerung des Kurvenstückes SO, welche nur deshalb nicht 
in Betracht kommt, weil die entsprechenden t-Werte negativ sind, also einer vor Beginn 
des Versuchs liegenden Zeit entsprechen würden, was im vorliegenden Falle, als wider- 
sinnig, nicht diskutierbar ist. 

®) Über diese Formel siche Anmerkung 3 auf S. 663. 


Fr 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 633 


längere Pflanzen bei gleicher Krümmung größere Exkursionen beschreiben als 
kürzere, wurden die Versuchsobjekte in Gruppen von je annähernd gleicher 
Länge geteilt und jede Gruppe gesondert untersucht. Ferner wurden Ver- 
suche bei verschiedenen Temperaturen angestellt. Aus einer größeren An- 
zahl von experimentell bestimmten Werten für h und den entsprechenden 
Zeitwerten t ließen sich die Konstanten a und b für jedes Längenintervall !) 
bei verschiedenen Temperaturen durch Ausgleichungsrechnung bestimmen. 
Aus den zahlreichen Tabellen seien einige a- und b-Werte für die oberen 
und unteren Längen- und Temperaturgrenzen mitgeteilt: 


Für a fand sich: 


bei 15° bei 27 
für die Länge 10 mm + 00002 - 00010 
30 „ + 00100 — 0:0542 


Für b bei denselben Temperaturen und für dieselben Längen: 
+ 0:00009 + 0:00024 
+ 0:00001 + 000170 


Auf die gesetzmäßigen Beziehungen, welche zwischen den ver- 
schiedenen Längen und Temperaturen und dem für sie jeweils charak- 
teristischen Werte der beiden Konstanten bestehen. wollen wir hier nicht 
näher eingehen, sondern bloß erwähnen, daß sowohl a als auch b Maße 
für die Reizbarkeit der Pflanze darstellen, das (vorwiegend negative) a für 
die Schnelligkeit der zu Beginn der Reaktion stattfindenden Bewegung der 
Pflanze nach abwärts, das b für die Stärke der Aufwärtskrümmune. 

Die Gleichung h=at + bt? drückt den Weg (h) aus, den ein Punkt 
(die Pflanzenspitze) zu beliebigen Zeiten (t) eines begrenzten ?2) Zeitraumes 
bezüglich der Horizontalebene, von der die Bewegung ausging, zurück- 
gelegt hat. Die gleichzeitig vor sich gehende Horizontalbewegung (also 
bezüglich einer auf der Pflanzenachse senkrecht stehenden durch die Lage 
der Spitze im Raume zu Anfang der Bewegung gehenden Vertikal- 
ebene) infolge des Wachstums kommt hierbei als nicht zum unter- 
suchten Problem gehörend und dasselbe auch nicht beeinflussend nicht 
in Betracht. Bildet man den Differentialquotienten des Weges nach der 
Zeit 3), n- a+ 2bt, so erhält man die Geschwindigkeit der Bewegung. Der 
zweite Differentialquotient hat bekanntlich ebenfalls eine physikalische Bedeu- 
d?h 
daß 2b als „geotropische Beschleunigung“ (Maillefer) aufzufassen ist. 


tung: er stellt die Beschleunigung einer Bewegung dar. Aus —aibTolet, 


!) Intervall im Sinne der Kollektivmaßlehre gebraucht. 

?) Diese Einschränkung gilt nur für den physiologischen Versuch; vom mathema- 
tischen Standpunkte aus können h und t jeden rationalen Wert annehmen, da die 
durch die Gleichung ausgedrückte Kurve sich beiderseits (in der Figur über die Punkte O 
und P hinaus) ins Unendliche erstreckt. 

3) Wir folgen hier, wenn auch auf dasselbe Endziel hinstrebend, nicht ganz 
den Ausführungen der Originalabhandlung. 


634 Emil Löwi. 


Was man bisher als Reaktionszeit bezeichnet hat, kann nicht mehr als 
absolutes Maß für den Reizvorgang gelten, höchstens als relatives. für die 
Zeit, welche zwischen dem Beginn des Reizanlasses und der Erreichung eines 
bestimmten Grades des Reaktionserfolges verfließt — in den bespro- 
chenen Versuchen: bis zur Erreichung des mit unbewaffnetem Auge eben 
wahrnehmbar werdenden Krümmungsstadiums —, während in der Tat die 
teaktion, wenn auch dem beobachtenden Auge nicht kenntlich, schon seit 
längerer Zeit im Gange war. Zum Ersatz ist als Maß die Geschwindig- 
keit der Reaktion zu verwenden. In ähnlicher Weise werden wohl auch 
die Begriffe der Induktions- und Präsentationszeit zwar nicht ganz auf- 
zulassen, aber anders zu begrenzen sein, denn auch sie fassen in der 
gegenwärtigen Definition als Anfangspunkt der Reaktion einen für ihren 
Verlauf ganz gleichgültigen, von der zufälligen Unterschiedsempfindlichkeit 
des unbewaffneten menschlichen Auges abhängigen Punkt auf. 

Verworn |63] rechnet zu den Reizen auch die Wirkung von Agen- 
tien, welche Lebenserscheinungen herabsetzen, wie die Narkotika, eine An- 
sicht, die manchem, der mit dem Begriffe der Reizung nur den der Er- 
regung, also der Steigerung von Lebenserscheinungen verknüpft, befrem- 
dend erscheinen mag. Dem mathematisch denkenden Physiologen aber, der 
gewohnt ist, seine Beobachtungsresultate nicht bloß ihrem absoluten Werte 
nach zu vergleichen, sondern ihnen auch, wenn erforderlich, ein bestimmtes 


Vorzeichen beizulegen, je nach der „Richtung“ — sei diese zeitlich, oder 
räumlich, oder quantitativ —, in welcher ein Lebensvorgang im Vergleiche 


zu dem als Normalverhalten (Ruhelage, Nullpunkt) aufgefaßten verläuft, 
wird es nicht zweifelhaft sein, daß Verworns Auffassung die richtige ist. 
Unter den chemischen Agentien, welche eine Lebensäußerung, z. B. das 
Wachstum, herabsetzen (Gifte), gibt es bekanntlich auch solche, die in 
sehr geringer Konzentration wachstumsfördernd, also als Reizmittel 
wirken (z. B. Schwermetallsalze und andere Verbindungen als Förderer des 
Pilzwachstums, Richards |54]|; desgleichen Kokain und Morphium []. e.]; vgl. 
das Exzitationsstadium bei der Narkose). Es ist deshalb kein Grund vor- 
handen, die schon bei etwas höherer Konzentration auftretenden hemmen- 
den Wirkungen als etwas von den Reizen verschiedenes aufzufassen. 
Außerdem findet sich ja ein ganz ähnliches Verhalten auch bei anderen 
Reizanlässen vor. Die heliotropische Krümmung mancher Pflanzen nimmt 
bei stärkerer Lichtintensität nur bis zu einem gewissen Grade zu; steigt 
die Lichtintensität noch weiter, so hat sie eine geringere Reizwirkung und 
bei einer gewissen Maximalstärke überhaupt keine mehr zur Folge. Diese 
Maximalintensität liegt für manche Pflanzen (z. B. Phycomyces ») ziemlich 
niedrig, so daß sie leicht noch überboten werden kann, und dann tritt wieder 
eine Reizung ein, aber in entgegengesetzter Richtung: die Pflanze krümmt 
sich von der Richtung der Lichtquelle weg. Würde man die Lichtintensitäten 
auf eine Abszissenachse auftragen, die Stärke der heliotropischen Krümmung 


!) Nach Oltmann, Flora 75 (1892) u. 83 (1897). 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 635 


in irgend einem Maß, z. B. als Größe des Neigungswinkels mit der Vertikalen 
auf die Ordinatenachse (Fig. 290), so würde man eine bei einem Minimum (0) 
beginnende, über ein Maximum (M) zu einem zweitem Minimum (m,, 
Wiedererreichung der Nullinie OX) gelangende Kurve erhalten, welche endlich 
unter die Abszissenachse (da nun — negativer Heliotropismus — die 
Ablenkungsrichtung der Pflanzenachse der früheren entgegengesetzt ist) 
hinabsteigt, und sie würde vielleicht!) ein zweites Maximum (M) und 
endlich einen dritten Null- 

punkt (m,) erreichen. Der 

Einfluß eines Giftes auf einen Y 
Lebensvorgang, etwa auf das 


Fig. 290. 


Wachstum, würde entspre- + 8 
chend der fallenden Lebens- S 
tätigkeit bei steigender Kon- x 
zentration durch eine fal- S 


lende Kurve (Fig. 291 Nn) 
(analoge dem Kurvenstück 
m,M der vorigen Figur) er- 
geben, wenn die jeweilige 
Konzentration als Abszisse. Schematische Darstellung des Überganges des positiven 


n. 3 Heliotropismus in negativen bei Überschreitung einer 
das für den Grad der Le- gewissen Lichtintensität. 


benstätigkeit gewählte Maß, 
etwa die in gleichen Zeiträu- Fig. 291. 
men zustande gekommene 
Größe der Versuchsobjekte 


\ 
oder (nach dem Vorgang Sy N 
Richards’ bei Untersuchun- Sy 
gen an Pilzen, 1. c.) deren ER 
Gewicht als Ordinaten auf- SS 
getragen werden. Diese N 
Kurve erfährt in ihrem N efehtor 72 z 


Anfangsstück eine Korrek- 
tur, wenn man die Versuche Schematische Darstellung der Giftwirkung verschiedener 
Konzentrationen. 


mit ganz geringen Konzen- x, Kurve der. hemmenden Wirkung, NNmN, Kurve 


trationen beginnt. Richards der fördernden Wirkung sehr geringer Konzentrationen. 
hat bei Pilzen schon durch 

Zusatz von nur 0:0005°/, Zn SO, zur Nährlösung eine deutliche Förderung des 
Wachstums beobachtet, bei 0'003°/, eine Verdopplung der Pilzmasse gegen- 
über der Norm (Wachstum in Zn SO,-freier Nährlösung); eine weitere Stei- 
gerung des Gehaltes an ZnSO, aber war schädlich. Somit bildet letztere 
Konzentration den Maximalpunkt N„ der Kurve, von wo letztere herab- 
steigt und irgendwo sich mit der ursprünglich angenommenen Kurve N\n 


1) Nach den Ausführungen L. Josts in der 1. Aufl. (1904) seiner Pflanzenphysio- 
logie, S. 571 (vgl. Anm. 4 auf S. 664). 


636 Emil Lö wi. 


vereinigt; hierbei muß sie an einer Stelle die Nullinie NN‘ (welche hier 
nicht, wie in Fig. 290 mit der Abszissenachse zusammenfällt, weil das 
Normalverhalten hier nicht die Reaktionslosigkeit, also Null, sondern eine 
bestimmte positive Größe ON, das Wachstum innerhalb einer bestimmten 
Zeit in giftfreier Nährlösung bedeutet) erreichen, beim Punkte N,, so dab 
dieser dem Punkte m, der vorigen Figur vergleichbar ist, während das 
Kurvenstück NN„N, gleichsam eine positive Reaktion im Gegensatz zu 
dem einer negativen Reaktion entsprechenden Kurvenstück N,n darstellt. 
Ein Aufstieg des letzteren gegen die Nullinie, ähnlich dem allerdings ohne- 
hin vorerst bloß hypothetischen Stück Mm,, ist natürlich vollkommen aus- 
geschlossen, da n das Minimum der Konzentration darstellt, bei welcher 
überhaupt kein Wachstum mehr möglich ist. 

Ob man die hemmenden oder fördernden Einwirkungen mancher 
Agentien (Gifte) vorwiegend auf das Wachstum, die erregenden oder läh- 
menden einiger von ihnen (Narcotica) auf die verschiedensten Lebensfunk- 
tionen teilweise oder insgesamt den Reizen zurechnen will oder nicht — 
sicher ist, daß man sie insgesamt vom Standpunkte der Reizphysiologie 
aus behandeln und verstehen kann. Die Aufstellung exakt gefabßter Ge- 
setze für die Abhängigkeitsverhältnisse der drei Hauptvariabeln, Reiz- 
intensität, Reizdauer, Reizwirkung, scheint man zwar noch nicht versucht 
zu haben, es ist aber sehr wahrscheinlich, daß ähnliche Gesetze, wie sie 
für die heliotropische und geotropische Reizung gelten und zum Teil für 
andere Reize als gleichfalls geltend schon nachgewiesen wurden, auch 
für die Wirksamkeit chemischer Agentien bestehen. Andeutungen zur Aus- 
führung derartiger Untersuchungsreihen finden sich in der Literatur vor, 
die Autoren haben aber nicht versucht, ihre Ergebnisse in mathematische 
Form zu kleiden, zumal sie sich ein anderes Ziel als die Subsumierung 
der von ihnen beobachteten Erscheinungen unter allgemein gültige reiz- 
physiologische (Gesetze gesteckt hatten. Wenn Brooks!) Pilzsporen eine 
begrenzte Zeit lang der Giftwirkung aussetzte und sie dann in giftfreie 
Nährlösung zurückbrachte, und die kürzeste Einwirkungszeit bestimmte, 
welche zur Abtötung der Sporen ausreichte, so hat er die Minimal- 
zeit bestimmt, welche genügte, um nach dem Aufhören des Reizes den 
Eintritt einer bestimmten Wirkung zu erzielen, somit eine Art Präsen- 
tationszeit. Wenn aber Zehl |72] Pilzsporen dauernder Giftwirkung aus- 
setzte und die „Grenzkonzentration“ für die Keimung suchte, d.h. 
die stärkste Konzentration, bei welcher eben noch überhaupt eine Kei- 
mung möglich ist, so hat er nichts anderes getan als von den drei 
in Betracht kommenden Variablen: 1. Reizintensität (= Giftgehalt der 
Lösung, Konzentration), 2. Reizdauer, 3. Reizwirkung (Grad der Kei- 
mung) für die dritte einen bestimmten Wert festgesetzt (eben noch 
mögliche Keimung), sie somit zur Konstanten gemacht, und bei mehr- 
facher Ausführung des Versuches mit verschiedenen Werten der ersten 


1) Zit. nach Zehl [72], S. 151 £. 


j 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 637 


(unabhängigen Variablen) die zweite (abhängige) automatisch die durch 
das Naturgesetz geforderte Größe erlangen lassen ; er hat somit die Ver- 
suche nicht anders ausgeführt, als ob er eine Reaktionszeit hätte be- 
stimmen wollen. 

Eine praktische Anwendung hat die Ermittlung der Relation Reiz- 
intensität— Einwirkungsdauer für die Zwecke der Desinfektion gefunden. 
Die beiden Variablen sollen so gewählt werden, daß zu einem gegebenen 
Werte der Unabhängigen (= Konzentration des Desinfektionsmittels) der 
Minimalwert der Abhängigen (= Zeitdauer der Einwirkung) gesucht wird, 
der eben einen bestimmten Erfolg (= Abtötung der Mikroorganismen) 
nach sich zieht. B. Krönig und Th. Paul |25] arbeiteten eine Methode !) 
aus, durch deren Anwendung es möglich ist, Bakterien oder ihre Sporen 
eine Zeitlang der Giftwirkung einer Lösung auszusetzen und nachher der- 
selben wieder vollständig zu entziehen, so daß die Zahl der überlebenden 
bei gleichmäßiger Aussaat auf Platten durch die Anzahl der im gegebenen 
Zeitraum sich entwickelnden Kolonien bestimmt werden kann. Die Kon- 
zentration der Giftlösung wurde durch die Anzahl Liter angegeben, in 
der bei der jeweilig benützten Verdünnung 1 Mol des Giftstoffes enthalten 
wäre (n-litrige Lösung: eine Grammolekel [= 1 Mol] des gelösten Stoffes 
wäre in n Litern der Lösung enthalten), und zwar empfehlen die Autoren 
Konzentrationen, die aus der 1-litrigen Lösung durch Multiplikation mit 
Potenzen von 2 (also !/,-Äitrige, Y/s-, 1-, 2-, 4-, 8-, .... litrige Lösungen) 
zu berechnen sind. Bezüglich der Abhängigkeit der zutage tretenden Des- 
infektionswirkung verschiedener Konzentrationen von der Einwirkungs- 
dauer (bei gleicher Temperatur) teilen sie von Ä. Ikada ausgeführte Be- 
rechnungen mit (l. ec. S. 95—101). Letzterer fand, dab zwischen der Anzahl 
der überlebenden Sporen und der Verdünnung des Mittels, wenn die Zeit, die 
bei der Verdünnung v notwendig ist, um die Zahl der lebenden Sporen auf n 
herabzudrücken, durch t„., bezeichnet wird, folgende Verhältnisse bestehen: 


( __ bn,.2v und 


er tn, SV: a I 


de er tn.v. 


für die Quotienten fand er einen annähernd konstanten Wert, ungefähr 
1:70; data.» =tn.,:1'70 ist, ergibt sich, wenn man von v=16 ausgeht: 


tn. 1e 4:170 
Bean ae O0 = tn.1s: 270° 
Bra te. 1108 


Ber —tn, rl A0R, 


!) Der Grundgedanke derselben (von Th. Paul in Kürze auch anderweitig [39] 
mitgeteilt) ist folgender: Es wird eine Bakterienaufschwemmung von bestimmtem Ge- 
halt hergestellt und die Bakterien an eine bestimmte Anzahl von Tariergranaten von 
gleicher Größe angetrocknet, mit letzteren eine bestimmte Zeit in die Desinfektions- 


638 Emil Löwi. 


also bei 2”r-facher Verdünnung muß, um dieselbe Anzahl überlebender 
Sporen zu erzielen, das Mittel die 1’70”r-fache Zeit einwirken. 


So interessant diese und die folgenden, hier nicht wiedergegebenen Berechnungen 
und Überlegungen der Originalabhandlung auch sind, so möge doch darauf hingewiesen 
werden, daß die graphische Darstellung „Einwirkungsdauer in Minuten — Anzahl der 
überlebenden Sporen“ für jede Konzentration besser zur Erkenntnis der Gesetzmäßig- 
keit führt, da sich jedesmal eine dem Gesamtverlaufe einer gleichseitigen Hyperbel im 
allgemeinen folgende Kurve ergibt, so daß das Abhängigkeitsverhältnis der beiden ge- 
nannten Variablen sich schon ohne Berechnung als eine Art verkehrter Proportionali- 
tät erweist. Mit der Frage, wieso es kommt, daß die Beobachtungswerte die Probe auf 
die verkehrte Proportionalität — Konstanz der Produkte beider Glieder jedes Werte- 
paars — nicht zu bestehen scheinen, so daß Th. Paul [39] geradezu sagen kann 
(S. 42), „die Zeit, welche zur Abtötung der Bakterien nötig ist“, ist „nicht proportional 
der Konzentration, d.h. eine halb so starke Lösung braucht nicht die doppelte Zeit, 
um denselben Desinfektionseffekt hervorzubringen, sondern mehr oder weniger“, werden 
wir uns im dritten Teil beschäftigen (s. insbesondere S. 653 ff.). 


5. Biologie. 


Als Biologie im engeren Sinne pflegt man die Lehre vom Verhältnis 
der Organismen zueinander und zur unbelebten Natur zu bezeichnen. Ohne 
durch eine genaue Begriffsbestimmung das Arbeitsgebiet streng zu um- 
grenzen, soll dieser Abschnittt einige bei hierher zu zählenden Problemen 
angewendete, in den Rahmen unserer Skizze fallende Methoden vorführen. 

Eine der für die Art charakteristischen Größen, die durchschnittliche 
Lebensdauer der Individuen, wird bei einzelligen Organismen, die sich nur 
durch Zweiteilung fortpflanzen, durch eine andere ersetzt, die „Generations- 
dauer“, nämlich die Zeit, welche eine Zelle von ihrer eigenen Entstehung 
durch Teilung bis zur Selbstteilung braucht, also die Zeit zwischen zwei auf- 
einander folgenden Teilungen. Unter der Annahme, daß jede Zelle nach einer 
Zeit 7 in zwei Zellen zerfällt, werden aus a vorhandenen Individuen in 
der genannten Zeit 2a. in der Zeit 27 durch abermalige Verdopplung 4a, 
inder Zen’ 37 822.20. wie man sieht, bilden die Koeffizienten von a 
aufeinander folgende Potenzen von 2, deren Exponenten dem jeweils ent- 
sprechenden Koeffizienten von 7 gleich sind, nach der Zeit nr, d.h. nach n 
Teilungen, werden also 2?.a Individuen vorhanden sein. Letztere Zahl mit b 
bezeichnet, ergibt die Formel b=2".a, woraus nach der Umformung 
loe b=n log 2+log a sich die Zahl der Teilungen ergibt: 

bei ere 
log 2 
Da die n-(renerationen während der Beobachtungszeit t=n7- ent- 


standen, ist die (Grenerationsdauer  e Für Choleravibrionen ergab 


lösung gebracht (bei 18°C = 0'2°) und nachher durch geeignete chemische Mittel wieder 
von anhaftenden Teilen der Giftlösung befreit; endlich werden die Bakterien durch 
Schütteln der Granaten in einem Röhrchen mit Wasser von letzteren abgelöst und mit 
der entstehenden Emulsion das Plattenkulturverfahren ausgeführt. 

!) Berechnung zuerst ausgeführt von Buchner und seinen Mitarbeitern [7]. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 639 


sich bei 37° innerhalb dreier Stunden eine Vermehrung von 149 auf 
96000 Individuen; die Zahl der Teilungen ist also 
ne log 96000 —log 149 _ 498 — 2:17 
g log 2 777038 
3x 60 
= 
terien am Anfang und am Ende der Beobachtung ermittelt man gegen- 
wärtig meist mikroskopisch mittelst Zählkammer, während die zitierten 
Autoren das Verfahren einschlugen, eine geringe in bestimmtem Verhält- 
nisse verdünnte Menge der Reinkultur am Anfang und am Ende der be- 
stimmten Zeit auf Platten auszusäen und jedesmal die sich entwickelnden 
Kolonien zu zählen. 

Die bei der digenen Fortpflanzung infolge der Vererbung vor sich 
gehende Mischung von Charakteren erfolgt nach Gesetzen, die es ermög- 
lichen, die relative Häufigkeit eines gewissen Merkmalkomplexes für eine 
bestimmte Generation zu berechnen. Die Merkmale einer Generation F; 
stammen von den Merkmalen der Elterngeneration F, und Großeltern- 
generation F, in der bekannten Verteilung (vgl. S.579 und 580) her, dal) 
die eine Hälfte der Individuen den Eltern (F,-Generation) (und zwar 
ı/, jedem Elter) gleicht, die andere Hälfte den Großeltern (F,). Geht man 
in der Reihe der Aszendenten auf die nächstvorhergehende (Generation 
F_, und F_, zurück, so wird bei Wirksamkeit desselben Gesetzes !/, der 
F,-Individuen sich nach seinen Eltern F_, (!/, nach jedem Elter), die 
andere Hälfte nach F_» richten. Bei Betrachtung der ganzen Deszendenten- 
reihe von F_, bis F, werden von den Angehörigen der letzteren !/, nach 
F, sich richten, !/, nach F,, welch letztere wieder zur Hälfte, also '/, der 
Gesamtzahl, auf F_, zurückgehen, während die zweite Hälfte (='!/, der 
Gesamtzahl), die von F_, ableitbar sein werden, nach demselben Gesetz 
von höheren Deszendenten ableitbar ist, also wieder zur Hälfte (1/, der 
Gesamtzahl) von F_,, während die andere Hälfte auf dieselbe Art weiter 
zu teilen sein wird. Es ergibt sich also für jede Generation als Formel 
für die Herleitung der Merkmale von denen der vorhergegangenen Gene- 
rationen die unendliche Reihe: 


1 1 1 1 
etatTt auleier 2 792 


—4 15 


die Generationsdauer in Minuten ist = — 20. Die Zahl der Bak- 


1 1 1 1 l 


- Re s h A: E 
die Merkmale der n-ten Generation sind in — Exemplaren der Nach- 


2n 

kommen zu erwarten (Galtonsches Vererbungsgesetz). Zuchtversuche haben 
die Richtigkeit des Gesetzes in manchen Fällen durch große Anräherung 
an die berechneten Zahlen erwiesen, in anderen zeigten sich, wie bei 
Wahrscheinlichkeitsgesetzen natürlich, erheblichere Abweichungen. 

Will man von einem zahlenmäßig ausdrückbarem Merkmal den für 
eine Art charakteristischen Wert angeben, so genügt bekanntlich nicht 
dessen Feststellung an einem einzigen Individuum, da die Werte verschie- 


640 Emil Löwi. 


dener Individuen (desselben Entwicklungszustandes) innerhalb gewisser 
Grenzen („Variationsbreite“) schwanken, sondern man wird möglichst viel _ 
Individuen nach den Gesetzen der Kollektivmaßlehre untersuchen. Die ge- 
fundenen Maßzahlen als Ordinaten, ihre unter dem untersuchten Material 
beobachteten Häufigkeiten als Abszissen aufgetragen, ergeben die Variations- 
kurve. Bei wiederholter Feststellung derselben an neu gesammeltem, mög- 
lichst reichlichem Material erhält man Kurven von um so ähnlicherem Ver- 
lauf, je größer das Untersuchungsmaterial der einzelnen Beobachtungs- 
reihen war. Sie bilden in ihrer Gesamtheit ein mehr oder minder breites 
Band und haben die Tendenz — bei sehr reichlichem, in jeder Reihe 
mehrere Tausend Exemplare umfassendem Untersuchungsmaterial — in 
eine einzige Kurve zusammenzufallen. F. Ludwig, der in besonders großer 
Menge Zählungen vornahm und vornehmen ließ, konnte für einzelne Ver- 
hältnisse an Pflanzen Erfahrungen verwenden, die an etwa 20.000 Exem- 
plaren derselben Art gewonnen worden waren. Die Variationskurven hatten 
entweder nur einen einzigen Gipfelpunkt, oder außer einem Hauptgipfel 
mehrere Nebengipfel. In allen von Ludwig |30 u. 31] untersuchten Fällen 
hatten sowohl Haupt- als Nebengipfel eine charakteristische Lage: sie fielen 
auf einen Punkt der Reihe 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55... :... (zum Teil auf die 
einfachen Multipla dieser Zahlen, besonders 10, 16, 21). Diese Reihe (Zame- 
sche Reihe, auch Fibonaceische Reihe genannt) entsteht, von O und 1 be- 
sinnend, dadurch, daß durch Summierung der beiden letzten Glieder ein 
neues gebildet wird, lautet also in ihrer Vollständigkeit 
VB: bage e e AT 

Es ist dieselbe Reihe, welche in der Lehre von der Blattstellung als 
Hauptreihe bezeichnet wird!): Bei schraubiger Blattstellung stehen näm- 
lich die mit gleicher Ordnungsziffer zu bezeichnenden Blätter der ein- 
zelnen Schraubengänge in geraden Zeilen (Orthostichen) längs der Achse, 
und die Anzahl dieser Zeilen bei den verschiedenen Pflanzenarten ist meist 
ein Glied der genannten Reihe. Den Brüchen — DB bei 
denen sowohl der Zähler als auch der Nenner nach demselben Gesetz wie 
unsere Reihe fortschreiten, wird eine besondere Bedeutung zugeschrieben. 
Die Divergenzen (s. S. 591), die in der Natur am häufigsten vorkommen, 
sind nämlich nach den Beobachtungen mancher Autoren Glieder dieser 


— 


Reihe.2) Die einzelnen Glieder lassen sich als Näherungsbrüche des un- 


endlichen Kettenbruches —! N (auch: 1:2, I,’ Ger Fe 
ee 


geschrieben) berechnen.®) Es ist auch möglich, das Endglied zu bestimmen ; 


1) Vgl. van Iterson [22], S. 32ff und 195ff. 

2) Widerspruch gegen diese Anschauung bei Schiwendener [60] S. 745. 

») Näheres s. z.B. Wiesners Elemente d. wiss. Bot., Bd. I u. III, die Abschnitte 
über „Blattstellung“. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 641 


es handelt sich um einen unrein periodischen Kettenbruch (1:2, 1), von 
dessen periodischem Teil man den Wert auf folgende Weise erhält: 


u. 1 Sx.und = N durch Auflösung der Gleichung er- 

1 + I1+x 

Be... 

Se Doc FR ee ER eg 
gibt sich x+x?=1 und sus /1+1= 12 a a 
durch Vereinigung mit dem vorperiodischen Anteil Bi ergibt sich > 

9) YA Era 3 
und 2 woraus durch die Umformung —— 2 = 
= en Vv5+3 (5 +3)(/5—3) 
2 
2 - 1 42 — 5 
Fe 05 = > (Y5—3) der Ausdruck _n hervorgeht. 


} 1 R : 2 ! 
D ollständ Reihe der Brüche ist t —, — 
e.V ändıge heihe der brüche ıst soml RAR FETTE, 
3—/5 
2 


genz ist die, daß an der ganzen Achse kein Blatt vorhanden ist, das 
genau über einem anderen steht. !) 

Die Variationskurve durch eine Formel auszudrücken wurde, wie 
bereits oben (S. 605) erwähnt, zuerst von Fechner?) versucht: das Gauß- 
sche Fehlergesetz, das die Beziehung der relativen Häufigkeit der ver- 
schieden großen Beobachtungsfehler zu ihrer Größe ausdrückt, gilt an- 
nähernd auch für die Abweichungen der variierenden Mermale der Or- 
ganismen.3) OÖ. Ammon |2] gibt die Formel in der einfachen Gestalt an: 


. Die Bedeutung einer irrationalen Zahl als Formel für die Diver- 


gend, wobei x den Betrag der Abweichung vom Mittel und y die 
Be: - 


Häufigkeit des Vorkommens (die Wahrscheinlichkeit) jeder Abweichung 
bedeutet; e ist die Basis der natürlichen Logarithmen, die beiden anderen 
Größen sind Konstanten, die für verschiedene Fälle verschiedene Werte 
annehmen, und zwar ist Y die Häufigkeit des Mittelwertes, h ein Faktor, 
der dem bei unvermeidlichen Fehlern unterworfenen Beobachtungen soge- 
nannten Präzisionsmaß entspricht, einer Größe, die mit der Genauigkeit 
der Beobachtung zusammenhängt. ®) 


Eine Erweiterung erfährt die gewöhnliche variationsstatistische Methode dann, 
wenn es sich um die zahlenmäßige Vergleichung zweier oder mehrerer variierender 
Größen miteinander handelt, etwa um das Verhältnis der Variation eines Organs zu der 


1) Hierüber s. Wiesner [68]. 

®) S. insbesondere die Zusammenstellung [81] S. 483 b. 

») Vgl. F. Ludwig [32]. 

#) Wie obige Formel, die auch y = Ye-h? x? oder Y exp (—h’ x?) geschrieben 
werden kann, theoretisch abgeleitet wird und wie sie in die dem Fehlergesetz gewöhn- 
lich gegebene Fassung übergeführt wird s. Czuber [80] $ 136; über das Präzisionsmaß 
ebd. $ 137. 

Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 41 


642 Emil Löwi. 


an anderen Orten oder zu anderen Zeiten beobachteten, oder um die Beziehung der 
Variation der Maße eines Organs in der einen zu der in der anderen Dimension u. dgl. 
Eine ausführliche Untersuchung über die Beziehungen der Längen und Breiten der 
Korollenblätter und Nebenkronenblätter einer Narzisse hat J. Perriraz |40] geliefert; 
hierbei kamen in Betracht: die Beziehungen zwischen der Länge der Korollenblätter und 
der Nebenkronenblätter, desgleichen die Beziehungen zwischen den beiderseitigen Breiten; 
ferner das Verhältnis zwischen der Länge und der Breite der Korollenblätter, desglei- 
chen dasselbe Verhältnis bezüglich der Nebenkronenblätter. Über die Korrelationen, die 
an den Flossenstrahlen eines Fisches beobachtet wurden, teilt Duncker in einer sehr aus- 
führlichen Untersuchung Formeln und Berechnungen mit [10]. Die Handhabung der 
„Korrelationsmethode* wird in Kürze von F. M. Einer |83] erläutert. 

Hier nicht erwähnte Gebiete der Biologie im engeren Sinne, wie Regeneration, 
Geschlechtsbildung, Selektion, Psychophysik finden sich bei H. Przibram |45] besprochen; 
ihre Eignung zu exakter Behandlung wird durch zahlreiche Formeln dargelegt, wobei 
ein umfangreiches Literaturverzeichnis das weitere Eindringen erleichtert. 


DRITTER TEIL. 
Mathematische Formeln als Ausdrucksmittel biologischer Ge- 
setzmäßigkeiten. 


1. Von der Tabelle über die graphische Darstellung zur Formel. 


Im I. Teil haben wir in allgemeinen Umrissen Angaben gemacht über 
die bei der Ableitung von Formeln aus Beobachtungszahlen — was darunter 
zu verstehen ist, wurde bereits erläutert — zur Verwendung kommen- 
den Operationen. Das Endergebnis einiger derartiger Untersuchungen 
in verschiedenen Formulierungen haben wir an anderer Stelle (II. Teil, 
S. 6530—633) ebenfalls vorgeführt. Hier wollen wir an einigen Beispielen 
den Weg, auf dem man zur Erkenntnis des Gesetzes gelangt, das zwischen 
zwei Variablen — für die eine größere oder geringere Anzahl von Werte- 
paaren durch Beobachtung bestimmt worden ist — waltet, selbst be- 
schreiten und versuchen, dieses Gesetz in das Gewand einer Formel 
zu kleiden. 

Zahlreiche Abhängigkeitsgesetze sind zwar messend verfolgt worden, 
die Autoren haben sich aber meist mit der Mitteilung der bekannten beiden 
Zahlenreihen — Wertepaare der beiden Variablen — beenügt. Wenn wir 
nun hier aus einigen solcher beliebig aus der Literatur herausgegriffenen 
Tabellen das exakt zu fassende Gesetz ableiten, so ist es klar, daß hierbei 
Jede unbeabsichtigte (subjektive) Beeinflussung ganz von selbst ausgeschlossen 
ist, da einerseits unsere Darstellung über die bereits fertig vorgefundenen 
Beobachtungswerte keine Macht hat, andrerseits aber die Beobachter selbst 
nichts, in Erwartung eines bestimmten Gesetzes, in die Beobachtung 
hineinlegen konnten, da sie nicht die Absicht hatten, ein solches abzuleiten. 

Bei der Ausführung einer Reihe von Versuchen, die sich voneinander 
nur dadurch unterscheiden, daß man jedesmal der unabhängigen Variablen 
einen größeren Wert gibt als vorher, beobachtet man, daß die abhängige 
Variable entweder ebenfalls steigt, oder daß sie fällt, oder auch, daß sie 
bis zu einem gewissen Wert der Unabhängigen steigt und dann wieder 


ER EEE Eu u 


a 
5 
=; 


u 


in 


N  - 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 643 


fällt (oder umgekehrt). Dieser Wert, Maximal- bzw. Minimalwert der be- 
treffenden Variablen, hat für das zu untersuchende Gesetz eine besondere 
Bedeutung; in dem nun folgenden Beispiele stellt er das Optimum des 
Prozesses dar. Aus Tabelle IX ist zu ersehen, daß Sporen von Bacillus 


Tabelle IX.') 


R S 
05 70 
5 60 
8 96 

12 56 
16 54 
50 
50 
68 


8 
1745 560 
[P] [5] 


Nährflüssiekeit ist. 
Bei 23—25°/, ist 
die kürzeste Kei- 
mungszeit, also das 
Optimum der Kei- 
mung (50 Stunden) 
erreicht, noch hö- 
here Konzentratio- 
nen setzen sie wie- 
der herab. Trägt 
man die Beobach- 
tungswerte in der 
üblichen Weise in 
ein Koordinaten- 
system ein (Figur 


Tabelle X. 
SP B2 IE8 B= SP? 
35 0:25 0'125 0:0625 75 
300 25 125 625 1.500 
448 64 512 4.096 3.084 
672 144 1.728 20.736 8.064 
864 256 4.096 65.536 13.824 
1.150 529 12.167 279.841 26.450 
1.250 625 15.625 390.625 31.250 
2.720 1.600 64.000 2,560.000 108.800 
4.320 2.025 91.125 4,100.625 194.400 
11.759  5.268°25 189.378:125 7,422.084:0625 8387.889°5 
[SP] BB] [P®] Be] [SP?] 
subtilis eine um so kürzere Zeit zur Keimung brauchen, also um so besser 
keimen, je höher konzentriert — bis zu einem gewissen Grade — die 
Fig. 292. 
50 
40 
SS 
go 
Sa H 
RD - 
EN N 
& 20 H T ua 
Q& 
ROSZ : 
SA 
‚dv 3 
SES E 
I 40 50 60 70 50 90 X 


292), so bemerkt 
man, daß die den 
einzelnen Werte- 
paaren entsprechen- 
den Punkte in einer 
Weise angeordnet 
sind, daß sich ohne 


Zeit in Stunden ($) 


Baecillus subtilis, Sporenkeimung. Dieschwarzen Punkte 

entsprechen den Beobachtungswerten (Tab. IX), die durch den 

Kurvenzug verbundenen, als Ringelchen gezeichneten sind 

aus den berechneten S-Werten (Spalte V der Tab. XI, S. 647) 
konstruiert. 


Schwierigkeit teils durch sie, teils nahe an ihnen vorbei eine regel- 
mäßige Kurve legen läßt, die eine große Ähnlichkeit mit einer Parabel 


‘) Zeit in Stunden (S), welche zur Keimung der Sporen von Bacillus subtilis not- 
wendig ist, wenn sie in Wasser, das eine gegebene Menge (in Prozenten, P) Liebigs Fleisch- 
extrakt enthält, gebracht werden. Nach Schreiber [58]. 


41% 


644 Emil Löwi. 


hat. Durch die Ausgleichungsrechnung läßt sich die Formel derjenigen 
Parabel berechnen, die sich allen Beobachtungspunkten am besten an- 
schmiegt. Diese Formel bildet den mathematischen Ausdruck des Natur- 
gesetzes, nach welchem jeder Wert der einen Beobachtungsgröße von einem 
ganz bestimmten der anderen abhän- 

gig ist. Die Abweichungen zwischen az 

beobachteten und berechneten Werten 
der abhängigen Variablen sind die 
Folgen von Beobachtungsfehlern. Eine 
Parabel kann durch die Formel y? = 2px 
ausgedrückt werden. Das dieser Formel 
zugrunde liegende Koordinatensystem 
(OX, YY‘ in Fig. 295) fällt kaum je- 
mals mit dem Koordinatensystem der Be- 
obachtungswerte (CT, CS in Fig. 293) 
zusammen. Um in letzterem die Glei- 
chung der vorgelegten Parabel zu fin- 
den, sind die Koordinaten x und y jedes 
Punktes um die Koordinaten m und.n (Erklärung s. Text.) 

des Scheitels der Parabel im Beobach- 

tungssystem zu vermehren: +m=S,y+n=P; die Gleichung y?=2px 
geht dadurch über in 


(P—n)?=2p(S—m) 1 
die Auflösung der Gleichung nach der abhängigen Variablen S ergibt 
P°—2Pn+n?=2p(S—m) und 
De n nm2+2mp 
S = P*- — — P-— + —— 9); 
2p p 2p 
ordnet man nach steigenden Potenzen von P und bezeichnet die Koeffi- 


zienten, vom P-freien (= P’ enthaltenden) Gliede beginnend, als neue Kon- 
stanten mit a, b und c, so daß 


n?+2m 
2p — = 
n 
En —b 2,) 
1 ee 
3D —e 2,) ist, so geht Gleichung 2) 
über in S=a+bP+cP? 3). 


Aus dieser Gleichung wären nun die speziellen Werte der drei Konstanten 
zu berechnen. Würde man für S und P die bei den einzelnen Beobach- 
tungen gefundenen speziellen Werte S, und P,, S; und P,,S,;, und P,..... 


!) In Fig. 292 ist, um Raum zu sparen, die Ordinatenachse und der den Punkten 
von 40 abwärts entsprechende Teil der Abszissenachse mit dem Ursprung, da entbehr- 
lich, nicht gezeichnet. 


Kinn 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 645 


Sy und Px einführen, so wäre die Aufgabe, da N Gleichungen für bloß 
3 Unbekannte vorhanden sind, überbestimmt; aus je 3 beliebigen speziellen 
Gleichungen des Systems könnte man a, b und ce berechnen — die Be- 
obachtungswerte spielen hierbei die Rolle von Koeffizienten der die Unbe- 
kannten darstellenden Konstanten —, die Ergebnisse würden aber von- 
einander um mehr oder weniger große Beträge differieren. Diese Wider- 
sprüche zu beseitigen ermöglicht die Ausgleichungsrechnung, welche auf die 
von Gauß ausgearbeitete Methode der kleinsten Quadrate zurückgeht.?) 
Hiebei werden alle Beobachtungswerte in gleicher Weise zur Berechnung 
verwendet. Multipliziert man die für das Gesetz angenommene Gleichung 
der Reihe nach mit den Koeffizienten der x (im vorliegenden Falle 3) Kon- 
stanten (also mit 12, P und P°), und setzt in jede der x Gleichungen nach- 
einander alle N Beobachtungswerte ein, so erhält man x Gleichungssysteme ; 
durch Addition der speziellen Einzelgleichungen („Bedingungsgleichungen “) 
jedes Systems ergeben sich so viele aus allen Beobachtungswerten berechnete 
und voneinander unabhängige Gleichungen („Normalgleichungen“), als Un- 
bekannte (Konstante, 2) vorhanden waren. Auf diese Weise erhält man aus 
Gleichung 3) durch Einsetzung der Beobachtungswerte die Bedingungs- 
gleichungen: 


S =a+tbP, +cP: 
,=a+bP,+ cP;2 5 
Ss =a+bP, + cP,;? S 
. * ” - O 
eu epp ep: 
und [S]J=Na+ b[P]+e[P:] 4) 


als erste Normalgleichung: ferner erhält man aus Gleichung 3) durch Multi- 
plikation mit P, bzw. mit P? zunächst 


SP =aP +bP?+cP: 


und SP?=aP?+bP®:+ cP* und durch Addition der 

entsprechenden Bedingungsgleichungen die 2. und 3. Normalgleichung: 
[SP ]J=a[P ]+b[P?]+ e[P®] 5) 
[SP?]=a[P?2] + b[P®]+ e[P*] 6). 


Durch die Gleichungen 4), 5) und 6) sind die 5 Konstanten eindeutig be- 
stimmt. Führt man die angezeigten Summenausdrücke aus (Tabelle X) und 
setzt ihre speziellen Werte in die 3 Gleichungen ein, so erhält man die 
speziellen Normalgleichungen: 


!) Näheres s. die auf S. 578 angegebene Literatur; vgl. ferner Anm. °) auf S. 577. 
2) Koeffizient von a ist P°=1. 


646 Emil Löwi. 


BO EI ae 1745 b+ 526825 € 7) 
11:75 95 A492 a 5721926823, 7 721827 Tre 
381.8895 = 526825 a + 189.378°125 b + 7,422.084.0625c 9), 
aus deren Auflösung nach einer der gebräuchlichen Methoden für die 
3 Konstanten die Werte 


ar 130225 
b’—= 2.715543 
e= 006103 folgen. Die Formel 
S = 799225 — 27555 P+ 00610 P? 10), 


durch welche somit das untersuchte Gesetz ausgedrückt wird, hat aber 
etwas sozusagen Farbloses an sich: man kann sich aus ihr nicht ohne- 
weiters ein Urteil über die Bedeutung der Konstanten bilden; es erscheint 
vielmehr angezeigt (wenn auch nicht notwendig), aus letzteren die ursprüng- 
lichen Konstanten m, n, p zu berechnen und das Gesetz in Form der 
Gleichung 1) 
(P—n)?=2p (S—m) 

auszusprechen. Aus der Gleichungsgruppe 2,), 23), 33) (S. 644) berechnen 
sich die ursprünglichen Konstanten mit 


| woraus die speziellen Werte 


0 2p = 16385 
b a 
nr: n =225 
b? BE 
Ma 05 m — 48'822 folgen. 


Das gesuchte Abhängiekeitsgesetz wird also durch die Formel 

ausgedrückt: 
(P — 22:3)? = 164 (S — 48'8) 11) 

Erprobung des Gesetzes. Führt man in Gleichung 11) für die un- 
abhängige Variable P beliebige Werte ein, so müssen die jedesmal berech- 
neten Werte der abhängigen Variablen S mit den entsprechenden, durch 
die Beobachtung festzustellenden — innerhalb der Grenzen der Versuchs- 
fehler) — übereinstimmen. In Tabelle XI sind die Ergebnisse der für 
jedes Wertepaar durchgeführten Berechnung zusammengestellt. Die Ab- 
weichungen » zwischen den berechneten und den beobachteten S-Werten, 
obwohl viel größer als die etwa bei physikalischen Untersuchungen zu er- 
wartenden, sind immerhin genügend geringfügig, um das Gesetz als richtig 
ansehen zu können. Insbesondere tritt dies bei Betrachtung der Kurve 


‘) Es wurde hier absichtlich von Versuchs-, nicht von Beobachtungsfehlern 
gesprochen, da wegen der besonderen Eigentümlichkeiten biologischen Untersuchungs- 
materials die unvermeidlichen Fehler mehr zu Lasten des Objektes als des Beob- 
achters fallen; vgl. S. 578. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 647 


Tabelle XI. 


pP P—22-3 (P—-22-3)2 Y Sherechnet2) © beob- D 
05 — 218 47524 28:1 769 70 — 6:9 
5 —17'3 299.29 18:3 671 60 — 
8 —143 20449 12:9 613 56 — 58 

12 —10'3 106:09 6'5 553 56 + 07 
16 — 63 39:69 24 91:2 54 + 2:8 
23 0:7 049 00°) 48:8 50 +12 
2) ul 729 04 492 50 +08 
40 KENT 31329 19:9 687 68 — 0:7 
45 227 51529 314 802 96 +15'8 


(Fig. 292) hervor: die aus allen berechneten Punkten konstruierte Parabel 
fällt so zwischen die beobachteten Punkte, daß letztere, soweit sie nicht 
im Kurvenzug selbst oder seiner nächsten Nähe liegen, ziemlich regel- 
mäßig zu seinen beiden Seiten verteilt sind; im unteren Teile der Parabel 
(s. Fig. 292, vom Ordinatenpunkt 23 abwärts) liegen die beobachteten Punkte 
auf einer die Parabel schneidenden Wellenlinie — die Abweichungen von 
den berechneten Punkten sind nicht erheblich —, während vom oberen 
Teil dureh die Beobachtung zu wenig Punkte festgestellt worden sind, 
deren letzter (der 9. der ganzen Reihe) gegenüber der Rechnung die sehr 
bedeutende Abweichung + 15'8 hat. 

Diskussion der Formel. Aus Gleichung 1) und 11) erkennt man 
sofort die Lage des Parabelscheitels, somit im vorliegenden Fall die Lage 
des Optimum des untersuchten Vorganges: der Parabelscheitel hat die 
Koordinaten m und n, der Vorgang sein Optimum, wenn P=n und 
S=m (vgl. Fig. 293, O), also im vorliegenden Falle bei der Konzentration 
22:50/, und dem daselbst herrschenden Keimungszeitminimum+) von 
48'8 Stunden. Die dritte Konstante, p, der Parameter der Parabel (in den 
Formeln immer als 2p auftretend), ist für die Gestalt der letzteren mal)- 
gebend (vgl. die Parabelscharen S. 594): je größer bzw. kleiner p ist, 
desto weiter voneinander entfernt bzw. näher beisammen stehend sind 
die beiden, dem gleichen Abszissenwerte der Scheitelgleichung entspre- 
chenden Ordinatenwerte Über das Maximum und Minimum gibt die 
Formel keine Auskunft. Es dürfte deshalb zweckmäßig sein, jene äußersten 
Werte der unabhängigen Variablen, bei denen der Vorgang eben noch 
möglich ist, irgendwie zum Ausdruck zu bringen. Bei dem vorgeführten 
Beispiele wäre zu untersuchen, ob bei Konzentrationen, die geringer als 
0:5%/, und größer als 45°/, sind, überhaupt noch eine Keimung eintritt, 
ferner ob die großen Abweichungen, die Tabelle XI am Anfang und am 
Ende zwischen den berechneten und beobachteten S-Werten zeigt, nur 
zufällige, bei Gewinnung der beobachteten S-Werte durch Mittelbildung 
(s. S. 658) zurücktretende sind, und wäre die Formel bei negativer Ent- 

(P—22°3)? 

=), ae 188, 


*) Der Wert der vorhergehenden Spalte um 488 vermehrt. 
®) Auf 3 Dezimalstellen berechnet: 0'029. 
4) Vgl. Anm. 5 auf S. 664. 


648 Emil Lö wi. 


scheidung der ersten und positiver der zweiten Frage etwa folgender- 
maßen zu schreiben: 


P—223)2=164 (S—-48:8) 1), 


oder wenn man die große Abweichung des 9. Beobachtungspunktes 
(vel. S.647) nicht als Versuchsfehler, sondern als gesetzmäßige Abweichung 


40 45 
vom Parabelverlauf auffaßt, P statt P. 
0-5 0°5 

In der Parabelformel tritt die eine der beiden Variablen — wir wollen sie mit 

L bezeichnen — in der ersten, die andere — sie hieße @ — auch in der zweiten 


Potenz auf. Welche von beiden die abhängige, welche die unabhängige ist, hängt von 
der Natur des Problems ab, und das ist der Grund, weshalb wir hier die übliche Be- 
zeichnung x und y, welcher außerdem eine bestimmte Beziehung zu den Achsen des 
Koordinatensystems anhaftet, aufgelassen haben. Hat man Grund, in einem Abhängig- 
keitsverhältnis irgendwelcher Art ein Parabelgesetz zu vermuten, so kann man sofort 
mit einer der Gleichung 3) analog gebauten Formel 


L=a+bQ+c0:? 12) 


beginnen. Ein Blick auf die aus den Beobachtungswerten entworfene graphische Dar- 
stellung belehrt darüber, welche Variable der Größe Q entspricht: man lege die Figur 
so vor sich, daß die Parabelachse vom Scheitel horizontal nach rechts verläuft, und hat 
dann, nach der Formel y„’=2px, die auf der nun vertikal stehenden Achse ablesbaren 
Beobachtungswerte als @ zu betrachten. Nach Beendigung des Ausgleichungsverfahrens 
würde man die ursprünglichen Konstanten, die wir jetzt 1, q und p nennen, nach 
der Formel 


Q+QY’=2p (L+)D 13) 


berechnen, wobei sich je nach dem Quadranten des Beobachtungskoordinatensystems, 
in dem der Scheitel der Parabel liegt, für die speziellen Werte sowohl von q als auch 
von l entweder positive oder negative Vorzeichen ergeben können (vgl. Fig. 297, S. 664). 
Meist ist L die abhängige Variable. Ihre Werte findet man bei Erprobung des Gesetzes 
durch Auflösung von Gleichung 13): 
) 2 
„_ +9 
2p 
tionen). Wäre Q die Abhängige, so müßte man bei der Erprobung des Gesetzes nach 
Q auflösen und erhielte: 


— 1 (vgl. die in Tabelle XI, 1. Horizontalreihe angezeigten Opera- 


A=SENV2r +99 14), 
also für jeden L-Wert 2 Q-Werte. 


Ungemein häufig sind die beiden Variablen durch ein Abhängigkeits- 
gesetz verknüpft, vermöge dessen dem Steigen der einen ein Fallen der 
anderen und umgekehrt entspricht, und das in graphischer Darstellung 
eine bald sehr regelmäßige, bald mehr oder weniger entstellte gleichseitige 


'‘) Die oben gefundenen speziellen Werte der Konstanten sind hier nur beispiels- 
halber in die Formel eingesetzt; denn es ist klar, daß bei Gewinnung der S-Werte 
anstatt aus einer einzigen Versuchsreihe aus einer größeren Anzahl solcher durch Mittel- 
bildung genauere und daher von den oben gefundenen etwas abweichende Konstanten sich 
ergeben werden. 


BE ET 


Se Ar ee Dee Fre a a 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 649 


Hyperbel gibt. In Tabelle XII teilen wir die Wertepaare einer unter großen 
technischen Schwierigkeiten ausgeführten Unter- 


Tabelle XII. suchung mit, welche von einem derartigen Gesetz 
Er - beherrscht zu werden scheinen; es handelt sich 
in rn um die von .J. Wiesner vor mehr als vier Jahr- 
Se ne zehnten ausgeführte Bestimmung der Zeiten, die 
15 5-8 von den Sporen von Penicillium glaucum bei Aus- 

> > saat auf Zitronenscheiben bei verschiedenen Tem- 
a” 9-5 peraturen bis zur Keimung benötigt wird [67]: 
35 2:25 die Schwierigkeit bestand darin, daß der Autor 

e 2 damals nicht über Vorrichtungen zum Konstant- 

7 172 halten der verschiedenen Temperaturen verfügte 

11 10 und annähernd konstante Temperaturen von ver- 
= > schiedener Höhe dadurch erzielte, daß) er die Ver- 
22 025 suche in Räumlichkeiten aufstellte, die von einem 
> > geheizten Raume — es war im Winter — ver- 
35 04 schieden weit entfernt waren. Die tiefsten Tem- 
38 055 peraturen erhielt er durch Aufstellen der Kultur- 
Eu 0% gefäße im Freien sowie Eingraben eines Teils 


derselben im Schnee; den geringen Schwankun- 

gen der Temperatur in jedem Raume wurde 
durch Angabe des Mittels aus den Ablesungen zu verschiedenen Zeiten 
Rechnung getragen. Bei den einzelnen Temperaturen wurden die in 
Tabelle XII zusammengestellten Zeiten (in Tagen) gefunden. Dem Steigen 
der Temperatur entspricht ein Fallen der Zeitdauer, eroßenteils ziemlich 
regelmäßig, erst gegen Ende der Tabelle treten einige kleine Störungen 
auf: der jähe Abfall von 075 auf 025 und nach diesem wieder der an- 
scheinend zu hohe Anstieg auf 05 und 0'7, dem noch einige Schwankun- 
gen folgen. Zur Konstruktion der Kurve wird man Temperaturgrade (T) 
und Tage (d) nicht durch dieselbe Strecke geben, da die in Betracht kom- 
menden Maßszahlen der ersteren zwischen den Extremen 1'5 und 425, die 
der letzteren zwischen den viel kleineren Extremen 0'25 und 5'8 einge- 
schlossen sind — man erhielte sonst eine zu sehr zusammengeschobene 
Kurve, die in manchen ähnlichen Fällen vielleicht nicht richtig erkennbar 
wäre —, man wird vielmehr die Maßzahlen beider Variabler auf dieselbe 
Größenordnung bringen, im vorliegenden Falle durch Multiplikation der 
Zeitwerte mit 10, so daß die Konstruktion sowie auch die folgende Be- 
rechnung mit Zehnteltagen D ausgeführt wird, deren Extreme nun 25 und 
58 sind. Die graphische Darstellung (Fig. 294) läßt die oben erwähnten 
Schwankungen deutlich als zufällige Abweichungen erkennen; sie stören 
den Gesamtverlauf der Kurve nicht sonderlich, diese ist vielmehr leicht 
als gleichseitige Hyperbel erkennbar. Da die Gleichung einer solchen xy=k 
ist, werden wir mit gleichzeitiger Benützung der bei vorigem Beispiel ge- 
gewonnenen Erfahrung nicht etwa bloß TD=k als Gleichung des gesuch- 
ten Abhängigkeitsverhältnisses annehmen, sondern die T- und D-Werte 


650 Emil Löwi. 


um je eine Konstante a und b vermehren oder vermindern?): über das 
Vorzeichen der speziellen Werte von a und b läßt sich von vornherein 
nichts aussagen, wir wer- 
den einfach 


(T'+)D+b)=k nl) 


Fig. 294. 


schreiben (vgl. das auf 
S. 648 über die Vorzei- 
chen der Parabelkonstan- 
ten Gesagte). 

Durch Ausführung 
der Multiplikation geht 
die Gleichung in 


TD+aD+br+ab=k 112) 


über, und bei Ersetzung 
des nur aus Konstanten 

Zehnteltage D) bestehenden Ausdruckes 
N BEER, k—ab durch eine neue 
Die zur Sporenkeimung (näheres s. Text) nötige Zeit 


in Abhängigkeit von der Temperatur. Die beobachte- Konstante ce in 
ten Werte als Punkte, die durch eine gebrochene 


Temperaturgrade nach Celsius) 


= DE 
Linie miteinander verbunden sind, die berechneten TD-+-aD +br=e 119). 
Werte der ausgeglichenen Kurve durch Ringelchen : { H : 
dargestellt. Die Abszissen der 18 Beobachtungspunkte Aus dieser Glei- 


sind die zehnfachen Werte von Spalte 2 in TabelleXI; chung lassen sich durch 
die Abszissen des 2. bis 18. berechneten Punktes (der das bei der Bildung der 
1. wurde wegen seiner weiten Entfernung nicht ge- a Eu 
zeichnet) finden sich in der 4. Spalte der Tabelle XIN. Gleichungen 4), 5), 6) 
(5.645) angewendete Ver- 

fahren?) die 3 allgemeinen Normalgleichungen aufstellen: 


[TD:]+a[D®]+b[rD]=e[D] 14) 
[7?D] + aD] + b[r:] =e[r] 11D) 
[TD|J+ alD| + bir] =Ne 116) 


'!) Auf die Notwendigkeit der Annahme mindestens der einen Konstanten a 
hätte schon die Überlegung geführt, daß r von einem ganz willkürlichen Punkte, dem 
Gefrierpunkt des Wassers, aus gerechnet wird. Bei Annahme eines anderen Nullpunktes 
hätte die Abszissenachse des Beobachtungskoordinatensystems eine andere Lage und 
infolge dessen a einen anderen Wert; so wäre bei Verwendung der Fahrenheit-Skala oder 
des absoluten Nullpunktes die Abszissenachse um 32 bzw. 273 Einheiten tiefer anzu- 
legen und a wäre entsprechend größer. — Es ist natürlich auch denkbar, daß bei einem 
Problem der Wert der einen oder auch der beider Konstanten sich als Null erweist. 

°) Bei Steinhauser [84] (S. 111ff.) werden andere Lösungsmethoden vorgeführt; 
für die Zulässigkeit der hier geübten Methode, welche keine wesentliche Schwierigkeit 
bietet — wir werden sie noch an einem zweiten Beispiel erläutern —, spricht das sehr 
befriedigende Ergebnis der Berechnungen. (Man vergleiche, wie in Fig. 294 die be- 
rechneten Punkte der ausgeglichenen Kurve so zwischen die Beobachtungspunkte 
fallen, wie ein zum Zwecke graphischer Ausgleichung aus freier Hand gelegter Kurven- 
zug fallen müßte.) 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 651 


Die Berechnung der Klammerausdrücke aus den Zahlen der Ta- 


belle XII — die Zahlen der 2. Spalte immer mit ihrem zehnfachen Wert 
genommen! — führt auf die 3 speziellen Normalgleichungen 
29.977125 + 958625 a+ 217275 b= 296 5e ır!) 
48.387875 + 217275 a-+ 8989 b==30hre 118) 
217275 + 2965 a-+ 306 bl 119), 


deren Auflösung die speziellen Werte von a, b, ce, nämlich 
— 11295, — 3°87905, 3615933 
ergibt; aus der letzten Zahl erhält man, da c=k-—-.ab ist, durch Ver- 
mehrung um das Produkt der beiden ersten die Konstante 
k = 4054072. 
Die untersuchte Gesetzmäßigkeit wird durch die Formel ausgedrückt 
(a und b auf 2, k auf 3 Dezimalstellen abgerundet und D durch 10d er- 


setzt, um dieselben Einheiten, wie in der Beobachtungstabelle, auch in der 
Formel zu haben): 
(T— 1:13) (104— 3'88) = 40:541 10). 
Die Auflösung nach 10d ergibt die zur Erprobung des Gesetzes zu 
verwendende Formel 
40'541 * 


nach der die Tabelle XIII berechnet ist. Aus ihren beiden letzten Spalten ist 


Tabelle XII. 


40541 N — 
ll 0 D!) 10 d beobachtet 
u = d berechnet 

15 0:37 10957 11345 11'35 58 

2 0:87 46:59 50:47 5:05 5° 

25 1:37 29:59: 3347 335 3 

3 1:87 21'673 2556 2:56 2:5 

35 2:37 17'106 20:99 2:10 2:25 

4 287 14'126 15:01 180 2 

5) 3:87 10475 1436 144 15 

7 5:87 6906 10:79 1:08 12 
11 9:87 410: 739 080 1 
14 12:87 315 703 070 075 
17 15'87 2594 643 0:64 075 
22 20:87 1'942 582 0:58 025 
26 24:87 1'630 ad 0:55 05 
32 30:87 1'313 519 0:52 07 
35 3387 1'1% 9:08 0:51 04 
38 3687 10% 4:98 0:50 055 
40 3887 1'043 4:92 0:49 07 
42°5 41:37 0979 4:86 0:49 0:3 


') Die um 3'88 vermehrten Werte der vorhergehenden Spalte. 


652 Emil Löwi. 


zu ersehen, daß die berechneten Werte der abhängigen Variablen mit den 


beobachteten befriedigend — mit Rücksicht auf die oben erwähnten tech- 
nischen Schwierigkeiten Kann man sagen sehr gut — übereinstimmen, 


mit alleiniger Ausnahme des ersten (11'355 berechnet gegen 5'8 beobachtet); 
ob diese Ausnahme ein Zufall ist, der bei wiederholter Ausführung des 
Versuches sich ausgleichen würde, oder eine Gesetzmäßigkeit, ist aus dem 
vorliegenden Zahlenmaterial nicht zu entscheiden. Wollen wir vorläufig 
letzteres annehmen, dann würden wir T=2 als unteren Grenzwert in die 
Formel einsetzen und diese folgendermaßen schreiben: 


425 


(T— 1:13) (104— 3:88) — 40541. 


Das Längenwachstum von Pflanzenachsen wird bekanntlich durch Licht 
gehemmt, und zwar um so mehr, je intensiver das Licht ist. Die von 
J. Wiesner abgeleitete Methode der Lichtmessung ermöglicht es, die Be- 
ziehungen zwischen Lichtstärke und Längenwachstum zahlenmäßig zu unter- 
suchen. Tabelle XIV gibt eine von Wiesners Versuchsreihen wieder, aus 


Tabelle XIV.ı) der wir die Formel des herrschenden Abhän- 
N De gigkeitsgesetzes ‚ableiten wollen. Wie bei vorigem 
ıchtstäarke Fe . . . . r 

des Länge dr Beispiel werden wir auch hier den Werten der 
Standortes Hypokotyle - PL: R B R N E 

(mm) einen Variablen — hier ist es die unabhängige 

! 1: — durch Bildung von Vielfachen eine andere 

DR 3:5 Größenordnung verleihen: anstatt von der Licht- 

- 68 stärke o—=1 werden wir von der Lichtstärke 

&> ® = 100p = 100 

10 156 : en 14 : = 

1 2 ausgehen (Tab. XV, Spalte 1). Die unter Verwen- 

30 28°0 , Serse 

x dung der neuen Werte konstruierte Kurve ist eine 

100 505 fast vollkommen störungsfreie Hyperbel. Nach Auf- 

1 | 

Cm 55:2 stellung der Formel 

1 

2000 642 (P+m) (L+n)=k nl) 

—, 652 gehen wir nach derselben Methode wie bei vorigem 

N ee: Beispiele vor, ersetzen den Ausdruck k—mn durch 

0.) 90 


die neue Konstante e und bilden die 3 allge- 
meinen Normalgleichungen 


[IPL]+[P]Jn+[ L]m=Ne 2) 
[PL?] + [PL]n + [| L? ]m = [Le 119) 
[P®L] — [P?]n _ [PL|m == [PJe nt), 

aus welcher (s. Tab. XV) die 3 speziellen Normalgleichungen 
806172 =. 18952771 -2 356.12 m = 9% 11D) 
10.2715109 + 806171 n-+ 19.361453 m =5561c 116) 


29.922:42793 + 13.2371252n + 806°171m = 18352 c ı) 


'!) Abhängigkeit des Längenwachstums des Hypokotyls von Lepidium sativum 
von der Lichtstärke nach Wiesner [70], S. 235ff. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 653 


Tabelle XV. 


® RT 3 p L? DL DL: 
100 15 150 10.000 2:25 15.000 225 
50 35 1% 2.500 12:25 8.750 612° 
25 68 170 625 4624 4.250 1.156 
10 156 156 100 24336 1.560 2.433°6 
333) 280 93333 111111 78400 Sl1l1lll 2.613:3333 
1 505 50,5 10 2550:25 50:5 2.550°25 
1 ee 1 0:01 3047°04 0.552 304704 
0055 62 321 00025 412164 016050  206:0820 
004 652 2608 00016 425104 010432 1700416 
00 656 0000 00000 4303-36 0:00000 0:0000 
18952 3561 806171 13.2371252 19.361743 29.922:42793 10.2715109 
[®] [L] [PL] [°] (L?) [PL] [PL°] 


folgen. durch deren Auflösung sich zunächst für 

n. m, C 
die Werte 040272191, 3'11785294, 19927622 ergeben und hernach 
für k=c+ mn der Wert 20053185 folgt. Schreibt man nun noch 100 o 
für P, so erhält das Gesetz die Form 


(1000 + 3:12) (L + 0°40) = 20053 1118) 
20053 
Su re I 
oder L 1009 + 312 040 IH ) 
Die aus letzterer Formel berechneten 10 L-Werte sind 
Tabelle XVI. 75.32707,7149. 307 4832:6179,.029, 631, 639 
gegenüber den] 


an I. 79] FR:£ >) . «Fr AR:I ER ..) DF»£ EIN 6 
Eesachteten | 19.2052..68,. 156, 280.503, 332, 642,652, 65:6, 


die Abweichungen | a ee 
ersterer von letzteren | 0:0, 01, 01, 707, + 


IV 


230 167, 13, 21, —17. 


Die Übereinstimmung ist sehr befriedigend (bloß der 7. Wert zeigt 
eine erheblichere Abweichung) und tritt besonders in der graphischen Dar- 
stellung hervor: die beiden Kurven fallen beinahe zusammen. 

Nun wollen wir noch einen Blick auf ein oben (S. 637 f.) bereits 
berührtes Problem werfen, das sich mit der Vitalresistenz von Mikro- 
organismen gegen chemische Schädigungen von verschiedener Intensität 
bei verschieden langer Einwirkungsdauer beschäftigt. In der a. a. 0. er- 
wähnten Abhandlung von Th. Paul und P. Krönig wird in einer Tabelle 
von 5 Spalten die Anzahl der Milzbrandsporen angegeben, welche in einer 
Aufschwemmung von bekanntem Gehalt bei Einwirkung von wässeriger 
HgCl,-Lösung, die in 5 verschiedenen Konzentrationen, immer bei der- 
selben Temperatur. zum Versuche verwendet wurde, nach Zeiträumen 
von verschieden langer Dauer noch am Leben geblieben waren. Trägt man 


!) Bei Berechnung der entsprechenden Werte der anderen Spalten wurde nicht 
von diesem periodischen Dezimalbruch, sondern, wegen der größeren Genauigkeit, von 


100 
30 Qusgegangen, was auch einfacher ist. 


654 Emil Löwi. 


für jede Konzentration verschiedene Zeitpunkte der Einwirkung auf die 
eine, die jeweilig ermittelte Anzahl überlebender Sporen auf die andere 
Achse eines rechtwinkligen Koordinatensystems auf, so erhält man eine 
Schar von 5 gleichseitigen Hyperbeln, welche bezüglich der Zeitachse um so 
mehr vom Ursprung wegrücken, je geringer die Konzentration ist, während 
sie bezüglich der zweiten Achse die gleiche Lage zu haben scheinen. Die 
Anzahl der überlebenden Sporen mit v, die entsprechenden Zeiten mit t 
bezeichnet, wäre die Formel der Hyperbeln (v+a) (t+b)=k, wobei a 
wahrscheinlich für alle Konzentrationen gleich ist, b mit fallender Kon- 
zentration steigt. Würde man dieselbe Konzentration bei Aufschwemmungen 
von verschiedenem Sporengehalt prüfen, dann würde b immer gleich bleiben, 
a aber mit dem Sporengehalt steigen. und was endlich die dritte Konstante 


Fig. 295. 

Hyperbelscharen der Formel 
Y . @&+m)y+n)=k. 
Die speziellen Werte der 3 
| Konstanten (in Millimetern) 
N 


sind für die 6 Fälle der 
Figur: 
mn k 
0 0 9 
15 00280 
1: 07.0120 
200 40 
12920210210 
40 % 


X. 


anbelangt, so kann kein Zweifel bestehen, daß diese charakteristisch ; ist 
einerseits für die Art des untersuchten Organismus, andrerseits für die 
Natur des angewendeten chemischen Mittels. In graphischer Darstellung 
bestimmen a und b die Lage der Hyperbeln (bezüglich jeder der beiden 
Beobachtungskoordinatenachsen), k ihre Gestalt (vgl. die Konstruktionen 
der Fig. 295). 

Jedes als gleichseitige Hyperbel darstellbare Gesetz ist also der Aus- 
druck der verkehrten Proportionalität, es ist nur zu beachten, daß zur Er- 
zielung der konstanten Produkte jede Variable nicht von dem gewöhnlich an- 
genommenen Nullpunkte ihres Maßsystems aus gemessen werden darf, sondern 
von einem anderen, jedesmal erst zu ermittelnden, der für den untersuchten 
Vorgang bei Konstanthaltung aller Faktoren (außer den beiden in Frage 
stehenden Variablen), die geeignet wären, den Vorgang zu beeinflussen, 
charakteristisch ist. Berücksichtigt man aber außer den beiden Variablen 
noch eine dritte — im zuletzt besprochenen Beispiel außer der Sporenan- 


re 


a 


ne ee 


ee 


a a a 5 sul Be u ae 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 655 


zahl und der Einwirkungsdauer die Konzentration der HgQL,-Lösung —, 
für deren verschiedene Werte das Abhängigkeitsgesetz der beiden 
ersten Variablen festgestellt wird, so erhält man für jeden Wert der 
dritten Variablen dasselbe Gesetz der beiden ersten, aber mit verschiedenen 
speziellen Werten der Konstanten, und die Beziehung aller drei Variablen 
zueinander wird durch eine Kurvenschar ausgedrückt. 

Bei räumlicher Anordnung der Kurven längs einer dritten (im Ursprung der 
beiden ersten auf diesen senkrecht stehenden) Koordinatenachse in Entfernungen von- 
einander, die den jeweiligen Werten der dritten Variablen entsprechen, läßt sich eine 
Fläche durch sie legen, deren jeder Punkt durch seine 3 Koordinaten zueinander ge- 
hörige Werte der 3 Variablen bestimmt. 

Bei Kurven, aus deren Verlauf man nicht mit Sicherheit auf eine 
bestimmte Formel schließen kann, ist es notwendig, die Versuchswertepaare 
so auszuwählen, daß die Werte der unabhäneigen Variablen eine Reihe 
von bestimmten Eigenschaften bilden, worauf geprüft werden muß, ob die 
entsprechenden Werte der abhängigen ebenfalls eine Gesetzmäßigkeit er- 
kennen lassen. Ist letztere gefunden, dann lassen sich aus den beiden 
Reihen die Formeln der einander entsprechenden Glieder aufstellen, aus 
denen die Formel der Kurve berechenbar ist (s. Anm. 6, S.664). Oder man 
kann aus der Schnelligkeit des Ansteigens der einen Variablen im 
Verhältnis zur anderen einen Schluß auf die Eigenschaften der Kurve 
ziehen, wie es bei folgendem Beispiel der Fall ist. Kurzdauernde, 
schnell aufeinander folgende Lichteindrücke von gegebener Intensität 
unterscheidet das menschliche Auge endlich nicht mehr als geson- 
derte Reize; es nimmt vielmehr, wenn der Wechsel hell—dunkel ge- 
nügend schnell erfolgt, einen kontinuierlichen Lichteindruck wahr. Als Ver- 
schmelzungsfrequenz pro Sekunde (=die zum Aufhören des Flimmerns, 
also zum Entstehen des kontinuierlichen Lichteindruckes notwendige 
Frequenz, bei gleicher Dauer der hellen und der dunklen Phase) fand 
Baader für 5 verschiedene Lichtstärken (x), deren schwächste mit der Ver- 
schmelzungsfrequenz 18°96 als 1 bezeichnet wurde, die in Tabelle XVII) 
angegebenen Zahlen (y). Die Kurve steigt anfangs steil an (fast parallel 

zur Ördinatenachse), biegt aber dann um und wird sehr 
Tabelle XVII. flach (fast parallel zur Abszissenachse). Die Betrachtung 


3 y der Tabellenwerte zeigt ein unverhältnismäßig schnelles 
1 18:96 Ansteigen der x gegenüber dem nur mäßigen Ansteigen 


is der y, so dab man vermuten kann, daß in der Formel 
193 41.31 Potenzen der ersteren eine Rolle spielen. Es soll nun eine 
1800 5024 Gleichung zwischen einer Potenz von x, x?, und irgendeiner 
nicht näher bekannten Funktion von y gesucht werden, 

und aus ihr der Potenzexponent p und noch andere etwa vorhandene Kon- 
stante berechnet werden. Zur Bestimmung von p wird logarithmiert wer- 
den müssen, so daß hernach in der Gleichung statt x? p log x vorkommt. 


') Nach Kries, Die Gesichtsempfindungen, in Bd. III (8.252) von Nagels Hdbch. 
d. Physiol. d. Menschen. 


656 Emil Löwi. 


Über die andere, y enthaltende Seite der Gleichung kann noch nichts aus- 
gesagt werden. Wir wollen versuchen, ob vielleicht log x zu log y in einer 
einfachen gesetzmäbigen Beziehung steht. In graphischer Darstellung er- 
geben die Logarithmen der 5 Versuchswertepaare (Tabelle XVIII) fünf 
Punkte, die mit ganz 
geringfügigen Abwei- 
chungen dem Verlauf 


Fig. 296. 


FFFFFFFEFEFI 
Bassuass 


Tabelle XVII. 
X=)hbg x ı Yekgiy 
0:00000 127784 
060206 138703 
125527 146480 
2:28556 1:61606 
325527 170105 


BEu8 
EHHFFFFeH HH 


Graphische Darstellung der (auf 2 Dezimalstellen abgerun- . , 
deten) Versuchswertepaarlogarithmen der Tabelle XVIH, nn Geraden folgen 
mit der Ausgleichungsgeraden. (Fig. 296). Aus dem 


vorliegenden kleinen 
Zahlenmaterial läßt sich nicht entnehmen, ob die Abweichungen von der 
Geraden die Folge einer Gesetzmäßigkeit oder die Folge von Versuchs- 
fehlern sind; wir wollen letzteres und damit als Abhängigkeitsverhältnis 
der Logarithmen die Formel der Geraden annehmen, womit wir, wie der 
Erfolg der Rechnung zeigt, tatsächlich der Wahrheit mindestens sehr nahe 
gekommen sind. Für logx und log y die neuen Variablen X und Y ge- 
setzt wäre also die Formel 
V=ALEBR vl). 
Unterwerfen wir diese Gleichung dem bei den früheren Beispielen 
angewendeten Ausgleichungsverfahren!), so wären die 2 allgemeinen Nor- 
malgleichungen 
[YJ= NA +BiX] v2) 
[XYJ= A[X] + BIX*] Be 
aufzustellen, aus denen durch Berechnung der Summenausdrücke die spe- 
ziellen Normalgleichungen 


745678 = 5 A+ 739816 B ıv4) 
119120565969 = 739816 A + 17758746305 B ıvd) 
hervorgehen, welche für die beiden Konstanten die Werte 
A = 1'300485 


B = 0128399 
ergeben. Ersetzt man nun in Gleichung ıyl) die Variablen durch die ur- 
sprünglichen logarithmischen Ausdrücke, die Konstanten durch ihre spe- 
ziellen Werte, so geht die Formel in 


log y = 1'300485 + 0'128999 log x ıv6) 


1) Einwendungen dagegen s. folgende Seite. 


—— 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 657 


über. Aus dieser lassen sich die Logarithmen vollständig entfernen, wenn 
man 1300485 als Logarithmus eines erst zu suchenden Numerus auffaßt: 
da 1300485 der Logarithmus von 199745 ist, läßt sich Gleichung ıv6) 
auch in der Form 


log y=log 19'9745 + 0:128999 log x iv?) 
schreiben, welche, bei gleichzeitiger Kürzung der Dezimalstellen, in Gleichung 
weiIIgixn» ıvd) 


umformbar ist. Es soll nun gleich geprüft werden, ob letztere tatsächlich 
der richtige mathematische Ausdruck des herrschenden Gesetzes ist. Zu- 
vor sei aber noch auf die Möglichkeit einer weiteren Abänderung hinge- 
wiesen: Durch eine kleine Abrundung jeder der beiden Konstanten kann 
man der Formel eine handlichere Gestalt verleihen, ohne mit dieser Will- 
kürlichkeit einen großen Fehler zu begehen. Durch die geringfügige Vermeh- 
rung des Koeffizienten um 0:03 erhält man eine ganze Zahl, 20, durch die 
Verminderung des Potenzexponenten um 0'004 eine als gemeinen Bruch 


aufschreibbare Zahl, De so daß die Formel bei gleichzeitiger Er- 


setzung des Potenzexponenten < durch den Wurzelexponenten 3 die Ge- 


8 
stalt y=2%0)x ıv9) 
erhält. Wie gut die Gleichung auch in dieser!), nicht bloß in der ersteren 
Form das Gesetz wiedergibt, ist aus Tabelle XIX zu ersehen. 


Wenn wir die letzte Aufgabe ganz 
Tabelle XIX. nach Analogie der früheren gelöst und hierbei 
auch ganz gute Resultate erzielt haben, so 


os Ba er ist die angewendete Methode in diesem Falle 
y 19-97 18-96 20:00 vom mathematischen Standpunkte aus doch 
y. 93-88 94-38 23-78 nicht ganz einwandfrei: durch die Normal- 
y, 28:99 29-84 28-87 gleichungen wurden ja nicht die den Beob- 
y, 39:37 41°31 38:61 achtungsgrößen selbst, sondern die ihren: 
Js 52:52 50:24 51:04 Logarithmen am besten genügenden spe- 


ziellen Werte der Konstanten ermittelt. Un: 
letztere aber so zu bestimmen, daß die Beobachtungswerte selbst ausgeglichen wer- 
den, müßte man hier, wie in vielen anderen Fällen, auf die relativ einfache Berechnun« 
mittelst Normalgleichungen verzichten und dafür eine Methode anwenden, welche vorerst 
Näherungswerte bestimmt und diese allmählich verbessert. Über die Ausführung solcher 
Berechnungen siehe Szeinhauser [84], S. 154—178. 


Obwohl in unseren Beispielen nur je eine Versuchsreihe die Grund- 
lage der Berechnung bildete, war die herrschende Gesetzmäßigkeit mit ge- 


‘) Sie ist als Approximationsformel gedacht, um auf den ersten Blick einen leicht 
faßbaren, der Wahrheit ganz nahe kommenden Begriff von der Art des Abhängigkeits- 
verhältnisses der beiden Variablen zu geben, nicht etwa, um aus ihr tatsächlich Werte 
zu berechnen. 


Abderhalden, Handbuch der 5iochemischen Arbeitsmethoden. VIIL. 42 


658 Emil Löwi. 


nügender Schärfe zu erkennen und die berechneten speziellen Werte der 
Konstanten sind, wenn sie auch nicht beanspruchen dürfen, als voll- 
kommen genau zu gelten, immerhin recht gute Annäherungen an die das 
jeweilige Gesetz besser erfüllenden Werte, die bei Verwendung eines reich- 
licheren Beobachtungsmaterials zum Vorschein kommen würden. Zur Er- 
mittlung der letzteren müßte man nämlich mit einer größeren Anzahl von 
unter ganz gleichen Umständen zustande gekommenen Versuchsreihen ar- 
beiten; die den gleichen Werten der unabhängigen Variablen entsprechen- 
den Werte der abhängigen würden in den einzelnen Versuchsreihen nicht 
ganz übereinstimmen und erst ihre Mittelwerte würden zur Berechnung zu 
verwenden sein. Auf diese Weise würde man endlich über eine Reihe von 
Wertepaaren verfügen, die bereits unter Verwendung eines Ausgleichungs- 
verfahrens gebildet worden sind und die infolgedessen auch eine Kurve 
liefern, die weniger mit auffälligen Unregelmäßigkeiten behaftet wäre. Die 
speziellen Werte der Konstanten wären um so genauer zu erwarten — 
ihrem Idealwerte um so näher kommend —, aus je mehr Einzelwerten die 
Mittel aufgebaut worden sind. 

Bei der besonderen Beschwerlichkeit der Arbeit, die nach der Auf- 
stellung der allgemeinen Normalgleichungen beginnt, ist der Wunsch nach 
Erleichterungen naheliegend. Auf den Vorteil, den die Verwendung von 
Rechentafeln bietet, haben wir bereits hingewiesen (S. 577, Anm.®). Ferner 
wird man bestrebt sein, die zu lösenden Gleichungen auf eine möglichst 
einfache Form zu bringen. Bei der Berechnung der Produkte und Poten- 
zen, welche man zur Ermittlung der Summenausdrücke der Normal- 
gleichungen benötigt, darf aber durchaus keine Abkürzung der De- 
zimalstellen vorgenommen werden. Bei der Auflösung der speziellen 
Normalgleichungen sind Kürzungen in beschränktem Male zulässig, doch 
müssen bei den Divisionen oft sehr viele Dezimalstellen entwickelt 
werden, wobei man sich nach der Anzanl der im Endresultat gewünschten 
Stellen zu richten hat. Bei der Aufstellung der allgemeinen Normalgleichun- 
gen kann man gelegentlich durch Zusammenziehung von Konstanten Ver- 
einfachungen erzielen. Keinesfalls dürfen aber Veränderungen an den 
Variablen in der Weise vorgenommen werden, daß man einen beide 
Variable enthaltenden Ausdruck als neue Variable einführt, da die Be- 
rechnung sonst zu anderen Resultaten führen würde. Man darf also 
durchaus nicht etwa in der Formel y=ax- bx? das etwas schwer- 
fällige Rechnen mit dem Quadrate dadurch erleichtern wollen, dal) man 


$ ne y v 
zunächst durch x dividiert, = +bx, und nach Ersetzung von a 


£ 2 


durch die neue Variable z nach der bequemeren Formel z= a + bx rechnet. 

Will man die mittlere Abweichung M, der berechneten und der be- 
obachteten Werte angeben, so verfährt man ähnlich wie bei der Angabe 
des mittleren Fehlers bei der Ausgleichung direkter Beobachtungen (siehe 
S. 575£.), nur benützt man zur Division der Summe der Quadrate der Einzel- 
abweichungen nicht die um 1 verminderte Anzahl N der Einzelbeobachtun- 


ah 


a re 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 659 


gen, sondern die um die Anzahl x der Konstanten (= Anzahl der Nor- 
[0] 
N—ı 
dann ihren Zweck vollkommen erfüllen, wenn das Zahlenmaterial nach den 
eingangs S.658 dargelegten Grundsätzen gewonnen wurde. Andernfalls würde 
nämlich jede zufällige Abweichung, deren Betrag einigermaßen er- 
heblich ist, die Größe der mittleren Abweichung sehr bedeutend beein- 
flussen und das Resultat der Berechnung ungünstiger erscheinen lassen, 
als es wirklich ist. So zeigt unser drittes Beispiel (S. 652 £.) eine sehr gute 
Übereinstimmung zwischen Rechnung und Beobachtung (vgl. die Ab- 
weichungen S. 655, Z. 14 v. u.), als mittlere Abweichung würde man aber 
trotzdem einen ziemlich hohen Betrag erhalten: 


6670 
7 Ber Be g93—_ +}% 
= 2/7 =1353 310, 
wegen der einzigen nicht geringfügigen Abweichung von 6”, die der 
7. Punkt hat, deren Quadrat 4489 allein viel größer (mehr als doppelt 
so groß) ist als die Summe der Quadrate aller übrigen Abweichun- 
gen, 2181. 


malgleichungen) verminderte: M, = V . Diese Angabe kann aber nur 


2. Allgemeines über die Aufstellung empirischer Formeln. 


Von dem ganzen einer gegebenen Gleichung entsprechenden Kurven- 
zug kommt für das untersuchte Abhängigkeitsverhältnis nur ein beider- 
seits begrenztes Stück in Betracht, da die unabhängige Variable, wenn sie 
einen Wert annimmt, der über einen ganz bestimmten Maximal- oder 
Minimalwert hinausgeht, Verhältnisse schafft, unter denen der zu unter- 
suchende Vorgang überhaupt nicht stattfindet. Handelt es sich z. B. um 
die Untersuchung der Abhängigkeit eines Lebensvorganges von der Tem- 
peratur, so wird selbstverständlich bei einer gewissen zu hohen Tempera- 
tur sich kein Kurvenpunkt mehr bestimmen lassen, da das Leben über- 
haupt nicht möglich ist; aber auch die nächst tieferen Temperaturen, die 
das Leben zwar nicht sofort vernichten, können es bereits derartig schä- 
digen, daß der Vorgang, da an einem zugrunde gehenden Organismus 
beobachtet, als nicht mehr unter denselben Verhältnissen sich abspielend 
betrachtet werden darf, und wenn die dem oberen Temperaturextrem sehr 
nahe liegenden Temperaturen für die abhängige Variable Werte ergeben, 
die das für die tieferen Temperaturen ermittelte Gesetz nicht mehr er- 
füllen, so ist das eben auf die geänderten Verhältnisse zurückzuführen. 
Daraus folgt also der Schluß: Werte, die den Extremen, außerhalb derer 
der Vorgang unmöglich ist, zu nahe liegen, können von der ausgegliche- 
nen Kurve stark abweichen (oder weniger richtig ausgedrückt: folgen 
nicht mehr dem Gesetz). Eine andere Möglichkeit ist die, daß der Vor- 
gang früher unmöglich wird, als die Lebensgrenze erreicht ist; dann wird 
mit der Annäherung der unabhängigen Variablen an ihr Extrem der Wert 

42* 


660 Emil Löwi. 


der abhängigen Variablen immer kleiner, bis letztere einen Wert erreicht, den 
der Beobachter als Null zu bezeichnen genötigt ist, da er das Ablaufen 
des zu untersuchenden Vorganges nicht mehr nachweisen kann: dabei 
kann man sich aber noch immer vorstellen, daß die abhängige nicht 
wirklich O0 geworden ist (die Kurve also die Achse der abhängigen Va- 
riablen nicht schneidet), sondern bloß minimale und noch immer kleiner 
werdende Werte annimmt (die Kurve würde sich dann asymptotisch 
der Achse nähern). 


Das durch die Beobachtungspunkte gelegte Kurvenstück ist manches Mal zu kurz 
und zu wenig charakteristisch gekrümmt, um als Bestandteil einer bestimmten Kurve 
erkannt zu werden. Aber auch dann läßt sich eine mehr oder weniger genügende Formel 
aufstellen. Hat man N Punkte durch Beobachtung festgestellt, so gibt jede beliebige 
wie immer gebaute Gleichung zwischen den beiden Variablen, die gerade N Kon- 
stante (in allgemeinen Zahlen) besitzt, durch Berechnung der speziellen Werte der Kon- 
stanten eine Formel, die alle zur Berechnung verwendeten Beobachtungspunkte genau 
wiedergibt. Denn da es sich um N Gleichungen (aus den N Beobachtungswertepaaren) 
mit N Unbekannten (den N Konstanten) handelte, war die Aufgabe bestimmt und 
deshalb ohne Ausgleichungsverfahren lösbar, die Formel darf aber deshalb nicht 
darauf Anspruch erheben, als der richtige Ausdruck eines Naturgesetzes betrachtet 
zu werden. Man wird vielmehr, falls es nicht gelingt, auf irgend eine Weise zur 
Annahme eines bestimmten Gesetzes zu ‘gelangen, als Ersatz für dasselbe, wenn 
man überhaupt eine Formel aufstellen will, eine möglichst einfache und dabei der 
Beobachtungskurve trotzdem möglichst gut genügende aufsuchen. Man wird also 
bei N Beobachtungswertepaaren eine Formel annehmen, die weniger als N Konstante 
besitzt, deren spezielle Werte durch Ausgleichungsrechnung festzustellen sind. Die 
einfachste geeignete Formel ist das Polynom y=a+tbx+ex’+dx?+ext..... 
Für einen sehr schwach gekrümmten Kurvenbogen wird man bereits mit den beiden 
ersten Gliedern, y=a+ bx, der Gleichung einer Geraden, auskommen; die durch 
die Ausgleichungsrechnung ermittelten speziellen Werte für a und b ergeben von den 
vielen bei graphischer Ausgleichung als Ersatz für den Bogen möglichen Geraden 
diejenige, welche den Beobachtungswerten am besten genügt. Findet man ein zu 
starkes Abweichen der Geraden von der Beobachtungskurve, dann wird man die 
Formel durch eine andere mit mehr Konstanten ersetzen: y=a+bx- cx’. Je mehr 
Beobachtungswerte vorliegen, desto leichter ist es möglich, daß auch diese Formel 
nicht genügt; in diesem Falle kann man die Aufnahme einer weiteren Konstanten 
(y=&a+ bx-+ cx?+ dx?) versuchen, und so könnte man theoretisch, wenn die Formel 
mit 4 Konstanten auch noch nicht zu genügen scheint, noch ein fünftesGlied annehmen 
— die Berechnung würde sich dana immer schwerfälliger gestalten und man hätte 
eigentlich nicht viel gewonnen; denn das genannte Polynom ist ja nur ein Notbehelf, den 
man als Ersatz für das nicht bekannte wirkliche Gesetz verwendet. Durch die Ver- 
mehrung der Glieder müssen ja die berechneten Werte den beobachteten besser ent- 
sprechen, ohne daß man deshalb behaupten dürfte, dem Gesetze näher gekommen zu 
sein. So nützlich die Formel für manche technische Zwecke sein mag, um etwa für 
rein praktische Arbeiten aus einer ausreichenden Anzahl beobachteter Werte durch Be- 
rechnung andere, von bestimmten Eigenschaften, vielleicht für eine tabellarische Zu- 
sammenstellung, berechnen zu können, so sehr wird man sie bei biologischen Unter- 
suchungen zu vermeiden und dafür lieber dem wirklichen Gesetz auf die Spur zu 
kommen trachten. Andrerseits läßt die Formel aber auch bei der Verbesserung einer 
aufgefundenen, die bestehende Gesetzmäßigkeit tatsächlich bereits ausdrückende, aber 
noch nieht ganz befriedigende Formel verwenden. Es handelt sich z. B. um zwei Größen, 
die offenkundig zueinander in einer Art umgekehrter Proportionalität stehen, die sich 
zwar durchaus nicht durch xy=k, aber mit ziemlicher, wenn auch noch nicht genü- 
gender Genauigkeit durch (x— m) (y—n)=k geben läßt. Bei Umformung der Glei- 


kr 
r 
“ 
& 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 661 


k 


+n kann man den Ausdruck 


ansehen, die bei Vermehrung der Glieder — zur Erzielung größerer Genauigkeit, 
vgl. vorige Seite, Z.21v.u.—als 2., 3.,..... Potenz einzuführen und mit Koeffizienten 
k,, k,, ... . . als neuen Konstanten zu versehen sein werden: 
k k 
a 1 2 
y=n+ + SE 


(x—m) (—m) 


chung auf y= E : als abhängige Variable 


oder y=n+k,X+k,X?’+.... Ebenso könnte man, wenn etwa die Formel y = 

a + blogx ein beobachtetes Gesetz nicht genügend genau wiedergibt, versuchen, durch 

die Formel y=a+blogx-+ c log’x eine bessere Übereinstimmung zu erzielen. 
Ableitungen und spezielle Berechnungen siehe bei Steinhauser. 


3. Die mathematische Fassung von Hypothesen. 


Oft läßt sich über den Ablauf eines Vorganges auf Grund gewisser 
Überlegungen oder durch Analogie mit anderen Vorgängen eine Formel 
aufstellen, welche zwar nicht geeignet ist, unmittelbar durch die Beob- 
achtungsresultate auf ihre Richtigkeit geprüft zu werden, wohl aber nach 
einer gewissen Umformung: die Formel gibt die Beziehungen zweier den 
Vorgang charakterisierenden Beobachtungsgrößen als Differentialgleichung 
wieder. Da ein Vorgang als eine Reihe von stetig ineinander übergehen- 
den Zuständen gedacht werden kann, läßt sich von der Geschwindig- 
keit, mit der diese Veränderung jeweils vor sich geht, sprechen, und 
im Sinne dieser übertragenen Bedeutung des Geschwindigkeitsbegriffes 
kann man außer der Geschwindigkeit bewegter Massen etwa eine Auf- 
lösungsgeschwindigkeit annehmen, oder eine Abkühlungsgeschwindigkeit, 
Wellenfortpflanzungsgeschwindigkeit, Reaktionsgeschwindigkeit u. del. Kann 
man nun die Geschwindigkeit — als Differentialquotient ausgedrückt —, 
auf Grund einer irgendwie berechtigten Annahme, einer gewissen Be- 
ziehung zweier beobachtbarer Größen gleichsetzen und integriert diese 
Differentialgleichung, so erhält man eine Formel, aus welcher man durch 
Einsetzung spezieller Werte der Beobachtungsgrößen unmittelbar ihre und 
damit auch der gemachten Annahme Richtigkeit, bzw. bei Nichterfüllung 
der Gleichung durch die Beobachtungswerte die Unrichtigkeit der gemach- 
ten Annahme erkennen kann. 

Madsen und Jürgensen !) beobachteten, daß eine Ziege, der sie 40 cm? 
einer Choleravibrionenkultur injiziert hatten und täglich etwas Blut aus 
der Jugularvene entnahmen, ein Serum lieferte, dessen agglutinierende 
Kraft (q) in den ersten Tagen bis zu einem Maximum (am 8. Tag) an- 
stieg, dann aber erst rasch und allmählich immer langsamer abfiel. Madsen 
nahm an, daß der Abfall annähernd nach dem für die Geschwindigkeit 
einer chemischen Reaktion geltenden Gesetze erfolge: die Geschwindigkeit 
wäre zu jeder Zeit (t) der bestehenden Konzentration (durch die agglutinie- 
rende Kraft ausgedrückt) proportional; die Formel enthält dann eine 
Potenz von q (der Wert des Potenzexponenten n muß erst durch Rech- 


1) Zit. nach Arrhenius [4], S. 3—6. 


662 Emil Löwi. 


a d 
nung bestimmt werden) und einen Proportionalitätsfaktor k, also —_ kn: 


dt 
Durch Integrieren erhält man nach der Umformung Eu — = Kon g® 
das "KGrAE IK 
5 1 er 1 1 t 


(1—n)—C-k(1—n). Für k (1—n) und —Ck (l—n) lassen sich die 


r Rz 2 l 
neuen Konstanten K und K‘ einführen, wodurch die Formel auf wos 


t-K+K‘ vereinfacht wird. Die Versuche haben ein genügendes Überein- 
stimmen der Formel mit den Beobachtungswerten ergeben. Für n fand 
sich im angeführten Versuch mit der Ziege 35, bei anderen Versuchen 
andere Werte; für den Zerfall von Antikörpern im menschlichen Körper 
fand Madsen häufig n=2. — Die Beeinflussung der Toxine durch ihre 
Antitoxine oder manche andere Stoffe, sowie die Abschwächung der Toxine 
mit der Zeit oder mit der Temperatur geht, wie bereits in zahlreichen 
speziellen Fällen nachgewiesen wurde!), nach den für chemische Reaktionen 
geltenden, auf das Massenwirkungsgesetz von Guldberg und Waage zu- 
rückführbaren Gesetzen vor sich. :) 

Auf Grund gewisser Voraussetzungen können für komplizierte Vor- 
gänge, die zur Durchführung numerischer Berechnungen noch nicht ge- 
nügend bekannt sind, Formeln aufgestellt werden, die sie dem Verständnis 
näher bringen. In solcher Weise hat 0. Weiss®) die Frage beantwortet, 
wieso es möglich ist, dal durch die Flimmerbewegung einzelliger Orga- 
nismen, die nach zwei entgegengesetzten Richtungen erfolet, nur nach 
einer Richtung ein Effekt (nämlich die Vorwärtsbewegung des eigenen 
Körpers oder auch anderer in genügender Nähe befindlicher Körperchen) 
zustande kommt. Zur Vereinfachung der Aufgabe wurden folgende An- 
nahmen gemacht: 


1. Die Bewegung finde im Wasser statt. 

2. Die Bewegung jedes Wimpernhaares erfolge in einer Ebene. 

3. Das Haar sei gerade und zylindrisch. 

4. Jede halbe Schwingung gehe mit konstanter Geschwindigkeit vor sich. 
Ist p der Druck, den ein mittlerer Punkt der Zilie auf das Wasser ausübt, und 
ist dieser proportional dem Quadrate der Geschwindigkeit, dann besteht 
die Formel zu Recht p= kv? (wobei k eine Konstante ist); bei einer halben 
Schwingung von der Amplitude s ist die Energie E=ps=kv:.s, und 
wenn die Amplitude im der Zeit t durchlaufen wird, dann ist der Effekt 


') Eine Zusammenstellung liefert Arrhenius [4]. 

?) Genauere Angaben hierüber sowie Rechenbeispiele finden sich (unter Guldberg, 
Waage, Massenwirkungsgesetz, mono- oder unimolekulare und bimolekulare Reaktionen) 
in den zitierten Lehrbüchern der Differentialreehnung [73—76], sowie bei Höber, 
Physikal. Chemie d. Zelle (Leipzig, Engelmann). 

°) „Die Flimmerbewegung.“ IV. Bd. von Nagels Hdbch. d. Physiol. d. Menschen. 
S. 678. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 663 


N—--—_ — ky2.v—kv:. Der Nutzeffekt wäre sonach proportional der 


3. Potenz der Geschwindigkeit, d. h. die Fortbewegung geht in der Rich- 
tung vor sich, in der das Schlagen schneller erfolgt. 


Anmerkungen. 


1. (Zu S. 584.) Ein Schema für eine derartige Untersuchung wäre etwa folgendes: 
Es sei die Abhängigkeit eines Wachstumsprozesses von den Temperatur- und Lichtver- 
hältnissen zu untersuchen ; es kommen also 4 Variable in Betracht: Zeit, Tem- 
peratur und Licht als unabhängige, die vom Experimentator richt direkt beeinfluß- 
bare Volum- oder Massenzunahme, an der das Wachstum beurteilt wird, als abhängige 
Variable. Bei willkürlichen Abänderungen einer der drei ersten Variablen, bei Konstant- 
haltung der beiden übrigen, ergeben sich folgende Versuchsreihen: 1. Bestimmung der 
innerhalb verschieden langer Zeiträume bei gleichbleibender Temperatur und gleich- 
bleibendem Licht sich einstellenden Wachstumsgröße. 2. Bestimmung der innerhalb 
einer gegebenen Zeit und unter denselben Lichtverhältnissen bei verschiedenen Tempe- 
raturen sich einstellenden Wachstumsgröße. 3. Bestimmung der innerhalb einer gegebenen 
Zeit und bei derselben Temperatur unter verschiedenen Lichtverhältnissen sich ein- 
stellenden Wachstumsgröße. Jede Versuchsreihe läßt sich weiter in mehrere Unterreihen 
zerlegen, da die Konstanthaltung der zwei Faktoren in verschiedenen Höhen der bei ihnen 
möglichen Werte erfolgen kann. 

2. (Zu S. 594.) Eine Kurvenschar wird von allen Kurven gebildet, die durch die- 
selbe Gleichung gegeben werden und sich nur durch die speziellen Werte der Konstanten 
voneinander unterscheiden. Wenn von zwei Kurvenscharen jede Kurve der einen von 
jeder der anderen rechtwinklig geschnitten wird, so nennt man die Kurven jeder Schar 
die orthogonalen Trajektorien der Kurven der andern. Die beiden Scharen können von 
gleichartigen Kurven gebildet werden (z. B. 2 Scharen konfokaler Parabeln) oder von 
ungleichartigen (z. B. eine Schar konfokaler Ellipsen und eine Schar bezüglich derselben 
zwei Brennpunkte konfokaler Hyperbeln). 

3. (Zu S. 632.) Daß h=at-+ bt? tatsächlich die Gleichung einer Parabel ist, läßt 
sich folgendermaßen nachweisen: Die Scheitelgleichung einer Parabel, d. h. die Gleichung 
einer Parabel, deren Scheitel im Koordinatenanfangspunkt liegt und deren Achse mit 
der positiven Richtung der Abszissenachse zusammenfällt, ist y? = 2px (die Konstante p, 
der Parameter, ist bekanntlich die Entfernung des Brennpunktes von der Leitlinie der 
Parabel); für vorliegende Parabel wäre die Gleichung in bezug auf ein neues vom Parabel- 
scheitel S aus als Ursprung errichtetes Koordinatensystem (Fig. 297, S. 664), da die Achse 
der Parabel mit der positiven Seite der H-Achse zusammenfällt, durch die Gleichung 
T?’=2pH gegeben, wobei T und H die Koordinaten jedes Punktes der Parabel in 
diesem neuen Koordinatensystem bedeuten. Mit Hilfe der Koordinaten des Punktes S 
im alten System, n und m (n ist eine negative Zahl, IV. Quadrant!), läßt sich jeder T- 
und H-Wert durch einen entsprechenden t- und h-Wert dadurch geben, daß man von 
letzterem m bzw. n subtrahiert: 


T=t—m 

H=h+n, 
so daß die Formel T?= 2pH in (t— m)’—=2p(h-+n) übergeht. Aus letzterer erhält 

2 

man t—2tm+m?=2ph+2pn und Be, —t bog es ist sonach 
1 m m? ; : rk 
— —I und — — =a. Der Ausdruck ——n muß gleich O sein, was bei einer durch 
2p P 2p 


den Ursprung gehenden Parabel tatsächlich der Fall ist; man braucht bloß die Koor- 
dinaten des Punktes O, also h=0 und t=0 in die Formel einzusetzen, um dies zu 
erkennen. Dasselbe Resultat erhält man auch bei Verwendung der Koordinaten des 


664 Emil Löwi. 


zweiten Punktes, dessen h=0 ist, des Punktes B; dessen t-Wert ist 2m (siehe Figur); 
für bh und t die Werte O und 2m in die Formel eingesetzt, gibt die Gleichung 


2 2 
0=(2m)? en — 2m: 2 + = _ n). aus welcher ebenfalls : —a = Ofolst. 
4. (Zu 8. 635.) Nimmt man nach Josts (l. c.) Vorgang etwa die Reaktionszeit als 
Maß für die heliotropische Wirkung und trägt ihre Werte als Ordinaten auf, dann er- 
hebt sich nach Erreichung des zweiten Nullpunktes 
Fig. 297. (siehe Figur 298) die Kurve wieder; denn die dann 
zum zweiten Male zunehmende Reaktionszeit ist 

a7 wieder eine positive Größe. j 
5. (ZuS.647.) Das Minimum läßt sich auch leicht 
berechnen, wenn bloß Gleichung 3) oder 10) gegeben 
ist. Gleichung 3) nach P differentiiert und die Ablei- 
tung = 0 gesetzt (Maximum- oder Minimumbedingung) 


ergibt: ’—=b+2cP =0, worauP = — n folgt, 


ein Wert, der tatsächlich mit n identisch ist (siehe 
S. 646); dieser P-Wert in die ursprüngliche Glei- 
chung 3) eingesetzt ergibt für S das Maximum oder 
Minimum, im vorliegenden Falle Minimum (was auch 
ohne Kenntnis der aus Fig. 293 (S.644) ersichtlichen 
Verhältnisse aus der Gleichung allein zu entnehmen 
ist, da die zweite Ableitung positiv ist: S’ = 2e): 


Fig. 298.2) 
we 
N 
X- und Y-Achse: Koordinatensystem 
der Beobachtungswerte (7 und Ah). Passhir Nebiahive 
T- und H-Achse: Transformiertes or Bad 


Koordinatensystem, Achsen denen 
des ursprünglichen parallel, Ursprung 
im Scheitelpunkt Sder zu untersuchen- 
den Parabel; durch Drehung letzterer 
samt den Achsen in der Ebene im 
Punkte S um — 90°!) erhält man die 
Parabel in der bei der Aufstellung 
der Scheitelgleichung gewöhnlich ge- 
wählten Lage. 


Reaktionszeilen — 


Lichtintensitalen — | 


Se 10 2 Sue Seeger 2 3) 
b b2 b2 pe b? 
Smlaa Bu an Far Bea 


in vollständiger Übereinstimmung mit dem auf S. 646 auf ganz andere Weise ermittelten 
Werte von m. 

6. (Zu S. 655.) Zweckmäßig ist es, gleich bei der Anstellung der Versuche der 
unabhängigen Variablen nicht willkürliche Werte zu erteilen, sondern solche, die in 
ihrer Aufeinanderfolge einer bestimmten Gesetzmäßigkeit genügen, z. B. eine arithmeti- 
sche oder geometrische Reihe bilden, oder den Versuch mit so zahlreichen Werten aus- 


') In der Figur sinnbildlich durch Umlegung der Bezeichnung 7 und H ausge- 
drückt; man braucht bloß die Figur so zu drehen, daß die beiden Buchstaben aufrecht 
stehen, um die vollständige Analogie der Formel 7’ —=2p»pH mit der gewöhnlichen 
Fassung y?’ = 2p.r einzusehen. 

”) Nach Jost ]. c. Fig. 146, S. 572, etwas vereinfacht. 


Be 0 Dh U DU nn 


lad = Sn a DH en ee 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 665 


zuführen, daß man aus ihnen die der gewünschten Gesetzmäßigkeit entsprechenden aus- 
wählen kann.!) Wir wollen hier den Fall betrachten, daß die unabhängige Variable 
nach einer arithmetischen Reihe steigt, und die entsprechenden Werte der abhängigen 
sich als geometrische Reihe erweisen.?) Ist das 1. Glied der beiden Reihen x und y, 
dann wären, wenn die Differenz der arithmetischen Reihe mit a, der Quotient der 
geometrischen mit q bezeichnet wird, die folgenden Glieder: 


Glied, 
2. x+ 4 yq 
3 x+2a yq? 
4 u 


x+3a yq?® 


n. x+(n—1)a yqn-1 
(n+1l). x+na yga 
Die letzte Zeile der Tabelle enthält das (n + 1)te Glied, also 
X\ı+1=x-+na 


Yn+ı1ı=yg%; für n folgt aus der ersten Gleichung 
n= = — und aus der zweiten 
jr 
n= = Te Da das erste Glied x und y konstante Größen sind 
— sie seien mit &£ und n bezeichnet —, das (n + 1l)te aber als Vertreter jedes beliebi- 


gen Gliedes einfach durch x und y gegeben werden kann, gehen die beiden Formeln 
= logy— log 

log q 
a(logy— logr) hervorgeht. Durch Umformung und Zusammenziehung der konstanten 
Ausdrücke erhält man: ; 


z x 
DE undn= 


über, aus deren Vereinigung (x — &)logq= 


eg, (log y — log) 
4 —— 
logq 
x—:=Alogy—Alog 
t—Alogn=B 
x=Alogy + B (Logarithmische Kurve). 
Eine weitere Umformung ist folgendermaßen möglich: 
B=logb 
A=%°) 
x=alogy+logb 
1 =by |) 


!) Es gelingt nicht immer, den Versuch unter solchen Bedingungen auszu- 
führen, daß gerade die Werte der Unabhängigen, die man zur Herstellung der ge- 
wünschten Reihe braucht, herrschen. Dann wird man durch Interpolation die fehlenden 
Glieder der Reihe ergänzen. Zum vorläufigen Überblick genügen annähernde Werte, die 
man oft aus der Kurve der Beobachtungswerte ablesen kann. 

2) Der noch einfachere Fall zweier arithmetischer Reihen bedarf keiner wei- 
teren Erläuterung, da er die Proportionalität bedeutet, in graphischer Darstellung die Gerade. 

») Diese Substitution wird nur aus äußeren Gründen vorgenommen, um das For- 
melbild gleichmäßiger zu gestalten. 

*) Ist y die Abhängige, dann sind die Konstanten in anderer Weise zusammen- 
zuziehen. Behält man den Ableitungsweg bis Gleichung x=Alugy-+ B bei, so würde 
man dann schreiben: 


666 Emil Löwi. 


Bilden beide Variable geometrische Reihen, mit den Quotienten p und q, so 
wäre die Formel eines beliebigen Gliedes, bei anologer Bezeichnung wie früher, x—=:p» 
< E 
und y=nq:%; durch Elimination von n entsteht die Gleichung u = 
> 
logy — logn 
log q 
chungen von der Form loeex=A-+Blogy oder loegy=A- Blogx (Potenzkurve) 
(wir wollen, obwohl die Konstanten in den beiden Formeln verschiedene spezielle 
Werte haben, einfachheitshalber dieselbe Bezeichnung wählen), die sich in Gleichun- 
gen von der Form x=ayb oder y=axb verwandeln lassen. 
In ähnlicher Weise würde man auch bei anderen Reihen vorgehen. 


; durch Umformung und Konstantenzusammenziehung erhält man Glei- 


Literatur. 


Weit entfernt, Vollständigkeit anzustreben, führt dieses Verzeichnis vorwiegend 
solche Originalabhandlungen und zusammenfassende Darstellungen an, welche zur Er- 
läuterung der behandelten Fragen besonders geeignet sind; diejenigen von ihnen, welche 
unter anderem als Quellen zur Aufsuchung weiterer Literatur in hervorragender Weise 
in Betracht kommen, sind durch den Zusatz (Lit.!) bervorgehoben. Arbeiten, die bloß 
wegen vereinzelter spezieller Angaben erwähnt und bereits in Fußnoten zitiert wurden, 
sind hier nicht nochmals genannt. — Mathematische Lehr- und Nachschlagsbücher 
nebst einigen physikalischen Werken sind am Schlusse des Verzeichnisses zusammengestellt. 


7 (beziehungsweise i) vor dem Titel eines Werkes bedeutet, daß dieses 
(beziehungsweise einzelne Stellen desselben) eine gewisse Vertrautheit 
mit höherer Mathematik voraussetzt, 

* daß es zur Untersuchung spezieller Fragen der Biologie (im weitesten 
Sinn) sich vorwiegend mathematischer Methoden bedient. 

(Die mit ° bezeichneten Arbeiten waren mir im Original nicht zugänglich.) 


1. Ambronn H., Über die Entwicklungsgeschichte und die mechanischen Eigenschaften 
des Kollenchyms. Jahrb. f. wissensch. Bot., Bd. XII, 1879—1881, S. 473ff. 
. Ammon O., Der Abänderungsspielraum. Ein Beitrag zur Theorie der natürlichen 
Auslese. Sonderabdruck aus der Naturwissensch. Wochenschr. Berlin, F. Dümmler, 
1896. (Ref. in Biol. Zentralbl., 17. Bd. 1897, S. 311—314.) 
3. #7 Araky S., Beiträge zur harmonischen Kurvenanalyse. Zeitschr. f. allg. Physiol., 
VII, 1908, S. 405—421. 

4. Arrhenius S., Immunochemie. Leipzig, Akad. Verlag, 1907. 

5. Bach H., Über die Abhängigkeit der geotropischen Präsentations- und Reaktionszeit 
von an äußeren Faktoren. Pringsheims Jahrb. f. wissensch. Bot., Bd. 44, 
S. 57—123, 1907. (Lit.!) (Zahlreiche Tabellen und Kurven.) 

6. Braune W. und Fischer O., Der Gang des Menschen. 1. Teil: Versuche am unbe- 
lasteten und belasteten Menschen. Abh. d. math.-phys. Klasse d. kgl. Sächs. Ges. 
d. Wissensch., Bd. XXI, Nr. IV, 189. 

. ° Buchner, Longard und Riedlin, Zentralbl. f. Bakteriol.. 1. Abt., Bd. II, S.1. (Zit. 
nach Heim, Lehrb. d. Bakteriol., Stuttgart, Enke 1911, S. 170; daselbst etwas Lit.!) 

8. Bürker, K., Zählung und Differenzierung der körperlichen Elemente des Blutes. 

Tigerstedts Handb. d. physiol. Methodik, Bd. II, Abt. 5 (Lit.!). 
9. Camis Mario, Sul eonsumo di idrati di carbonio nel cuore isolato funzionante. 
Zeitschr. f. alle. Physiol., VIII, 1908, S. 371ff. 


iv 


1 


X B 1 B N 
sy=7 7, woraus bei Ersetzung von re durch x und — SW durch $& die 


je) 
[=] 
=} 
_ 
l 


Formel 
logy=2x+ wird, die sich noch in 
y— 10@x +3 umformen läßt. 


$ 


En 


10. 


11. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 667 


* Duncker @., Korrelationsstudien an den Strahlzahlen einiger Flossen von Acerina 
cernua L. Biol. Centralbl., Bd. XVII, 1897, S. 785ff, u. S15ff. 

Fick Rudolf, Handbuch der Anatomie und Mechanik der Gelenke unter Berück- 
siehtigung der bewegenden Muskeln. II. Teil: Allg. Gelenk- und Muskelmechanik 
(im II. Bd. von Bardelebens Handb. d. Anat. d. Menschen). Jena 1910. (Lit.!) 
(Sehr ausführliche, elementar gehaltene Darstellung mit plastisch wirkenden, 
stereometrischen Figuren.) 


. Fischer Otto, Methodik der speziellen Bewegungslehre. Tigerstedts Handb. d. physiol. 


Meth., Bd. II, Abt. 3, $. 120—316 (Lit.!9). 


. — —, Der Gang des Menschen. II. Teil: Die Bewegung des Gesamtschwerpunktes etc. 


Abh. d. math.-phys. Klasse d. kgl. sächs. Ges. d. Wissensch., Bd. XXV, Nr. 1, 1899. 


. — —, Theoretische Grundlagen für eine Mechanik der lebenden Körper (Lit.!). 


Teubners Verlag (TS. XXII). 


. rt Frank O., Kymographion, Schreibhebel, Registrierspiegel, Prinzipien der Regi- 


strierung. Tigerstedts Handb. d. physiol. Methodik, Bd. I, Abt. 4, S. 1—50 (Lit.!). 
— —, Hämodynamik. Ebenda, Bd. II, Abt. 4 (Lit.!). 


.v. Frey M., Allgemeine Muskelmechanik. Ebenda. Bd. II, Abt. 3 (Lit.!). 
. Friedenthal H., Das Wachstum des Körpergewichtes des Menschen und anderer 


Säugetiere in verschiedenen Lebensaltern. Zeitschr. f. allgem. Physiol., 1909, IX, 
487. (Bringt Berechnungen über die extra- und intrauterine Wachstumsgeschwin- 
digkeit.) 


. Fröschel P., Untersuchungen über die heliotropische Präsentationszeit. I. Mitteilung. 


Sitzungsbericht d. kais. Akad. d. Wissensch. in Wien, math.-nat. Klasse, Bd. CXVIL, 
Abt. I, 1908. 


. — —, Untersuchungen über die helivtropische Präsentationszeit. II. Mitteilung. Eben- 


da, Bd. CXVIIH, Abt. I, 1909 (Lit.)). 


. Garten S., Die photographische Registrierung. Tigerstedts Handb. d. physiol. Metho- 


dik, Bd. I, Abt. 1, 8. 65—124 (Lit.)). 


. # van Iterson jun. G., Mathematische und mikroskopisch-anatomische Studien über 


Blattstellungen. Nebst Betrachtungen über den Schalenbau der Miliolinen. Jena 1907. 


. Jensen P., Die Länge des ruhenden Muskels als Temperaturfunktion. Zeitschr. f. 


allg. Physiol., VII, 1908, S. 291— 342. 


. Koeppe W., Physikalische Chemie in der Medizin. Wien 1900. 
. Krönig B. und Paul Th., Die chemischen Grundlagen der Lehre von der Giftwir- 


kung und Desinfektion. Zeitschr. f. Hygiene und Infektionskrankheiten, Bd. XXV, 
1897, S. 1—112. 


. Langendorff O., Physiologische Graphik, 1891. 
. Ledue St., Das Leben in seinem physikalisch-chemischen Zusammenhang. Übers. v. 


Gradewitz. Halle 1912. 


. v. Lendenfeld R., Bemerkungen über die technische Ausführung und biologische Ver- 


wertung mikroskopischer Messungen. Zeitschr. f. wissensch. Mikroskopie, Bd. XX VIII 
(Jahrg. 1911), S. 27—34. 


. #* Löwi Emil, Die räumlichen Verhältnisse im Fruchtknoten und in der Frucht von 


Aesceulus in mathematischer Behandlung. Österr. bot. Zeitschr., LXIII, Jahrg. 1913, 
S. 356— 370. 


30. #® Ludwig F., Über Variationskurven und Variationsflächen der Pflanzen. Bot. Zen- 
tralblatt, Bd. LXIV (Jahrg. 16, 1895, IV. Quartal), S. 1, 33, 69, 97. 

31. #*— —, Weiteres über Fibonaceikurven. Bot. Zentralbl., Bd. LXVIII (Jahrg. 17, 
1896, S. 1—8.) 

32.#— —, Die Variabilität der Lebewesen und das Gaufßsche Fehlergesetz. Zeitschr. f. 
Mathematik und Physik, Bd. 43, 1898 (Lät.!). 

33. * Maillefer A., Etude sur le Geotropisme. Bulletin de la Soeiete Vaudoise des 


Sciences Naturelles 5e S. Vol. XLV, 1909, p. 277—312. 


!) Chronologisch geordnetes vollständiges Verzeichnis. 


668 Emil Löwi. 


. # Maillefer A., Etude sur la Reaction geotropique. Ebenda, Vol. XLVI, 1910, p. 235 bis 
254. 415-432. 


5. Meeh K., Oberflächenmessungen des menschlichen Körpers. Zeitschr. f. Biol., Bd. 15, 


1879, S. 425. 

. + Moens, Isebree A., Die Pulskurve. Leiden 1878. 

. ° Moisescu N., Kleine Mitteilung über die Anwendung des horizontalen Mikroskops zur 
Bestimmung der Reaktionszeit. Ber. d. Deutsch. bot. Ges.. Jahrg. 23, 1905, S. 364 ff. 

. Nagai H., Der Einfluß verschiedener Narkotika, Gase und Salze auf die Schwimm- 
geschwindigkeit von Paramaecium. Zeitschr. f. allg. Pysiol., Bd. VI, 1906, S.195—212. 


. Paul Th., Entwurf zur einheitlichen Wertbestimmuug chemischer Desinfektionsmittel. 


(Sonderabdr. aus der Zeitschr. f. angewandte Chemie, 1901, Heft 14 u. 15.) Berlin, 
Julius Springer, 1901. 

.#® Perriraz J., Etude biologique et biometrique sur Nareissus angustifolius eurtis. 
Bulletin de la Societe Vaudoise des Sciences naturelles, Vol. XLV, Nr. 165, 
1909, pag. 153 — 176. 

. Pfeffer W., Bezugsquelle und Preis einiger Apparate. Bot. Zeitschr., 45, 1887, S. 27 bis 
31. (Kurze Notizen unter anderem über einige Registrierapparate.) 


2. x Poirot J., Die Phonetik. Tigerstedts Handb. d. physiol. Methodik, Bd. III, Abt. 6 


(Lit. !). 

. Polowzow Warwara, Untersuchungen über Reizbewegungen im Pflanzenreich. Jena 
1909. 

. Przibram H., Einleitung in die experimentelle Morphologie der Tiere, 1904. 

. — —, Anwendung elementarer Mathematik auf biologische Probleme. Leipzig, 
Engelmann, 1908 (Lit.!). 


3. — —, Experimentalzoologie. I. Embryogenese, III. Pbylogenese, IV. Vitalität. 


. — —, Die Kammerprogression der Foraminiferen als Parallele zur Häutungspro- 
gression der Mantiden. Arch. f. Entwicklungsmechanik (eingeg. 8. XII. 1912), 1913. 

. Przibram H. und Megusar F., Wachstumsmessungen am Sphodromantis bioculata, 
1. Länge und Massen. Arch. f. Entwicklungsmechanik, 1913. 

. Pütter A., Der Stoffwechsel des Blutegels. I. Teil. Zeitschr. f. allgem. Physiol., Bd. VI, 
1907, S. 217— 286. 


. — —, Methoden zur Erforschung der Protisten. Tigerstedts Handb. d. physiol. 
Methodik, Bd. I, Abt. 2, 1908, S. 1—68. 
51. * — —, Die Ernährung der Fische. Zeitschr. f. allg. Physiol., 1909, S. 147. (Enthält 
zahlreiche Tabellen über Stoff- und Energieumsatz.) 
. ’Rautmann H., Der Einfluß der Temperatur auf das Größenverhältnis des Proto- 
plasmakörpers zum Kern etc. Arch. f. Zellforschung, Bd. III, S. 44—80. 
. *Renner O., Beiträge zur Physik der Transpiration. Flora, Bd. 100 (1910), H. 10, 


S. 451 —547. 


54. Richards H., Über Beeinflussung durch chemische Reize. Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. 30, 


1897. 
. Rubner M., Die Kalorimetrie. Tigerstedts Handb. d. physiol. Methodik, I. Bd., Abt. 3, 
S. 150ff. (Lit.!). 


. Sachs J.‘), Über die Anordnung der Zellen in jüngsten Pflanzenteilen. Arb. d. bot. 


Inst. Würzburg, Bd. II, 1882 (H. 1, 1878). 


. — —, Über Zellenanordnung und Wachstum. Ebenda, Bd. II. 1882 (H. 2, 1879). 
. Schreiber O., Über die physiologischen Bedingungen der endogenen Sporenbildung 


bei Bacillus anthraeis, subtilis und tumescens. Zentralbl. f. Bakt. ete., Abt. 1, 
Bd. XX, 1896, S. 353 ff. und 429 ff. 


. *Schwendener S., Das mechanische Prinzip im anatomischen Bau der Monocotylen. 


Leipzig 1874. 


!) Die beiden angeführten Abhandlungen finden sich auch in: „Gesammelte Ab- 


handlungen über Pflanzenphysiologie* von Julius Sachs, Leipzig, Engelmann 1893 


(S. 


1067—1125 und S. 1126— 1149). 


5 


EN. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 669 


60. Schwendener S., Zur Theoried. Blattstelluugen. Sitzungsber. d.kgl. preuß. Akad. d. Wiss., 
1883, 1I. Halbbd. 

61. — —, Vorlesungen über mechanische Probleme der Botanik. Herausg. v. Holter- 
mann, Leipzig 1909. 

62. Triepel H., Einführung in die physikalische Anatomie (Lit.!). Wiesbaden, J. F. Berg- 
mann, 1902. (Behandelt die Elastizitäts- und Festigkeitsverhältnisse der mensch- 
lichen Gewebe und Organe [146 S.]. Vorangestellt ist ein kurzer elementar ge- 
haltener [70 S.] Abriß der allgemeinen Elastizitäts- und Festigkeitslehre.) 

63. Verworn M., Allgemeine Physiologie. (Zitate n. d. 4. Aufl. 1903 gegeben.) 

64. Vouk V., Untersuchungen über die Bewegung der Plasmodien. I. Teil. Die Rhythmik 
der Protoplasmaströmung. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss. in Wien, math.-nat. 
Kl., Bd. 119, 1910, S. 858—876. 

65. — —, Untersuchungen über die Bewegung der Plasmodien. 11. Teil. Studien über 
die Protaplasmaströmung. Denkschr. d. math.-nat. Kl. d. kais. Akad. d. Wiss. in 
Wien, Bd. LXXXVIIH, 1912, S. 653—692. 

66. * Wiesner J., Untersuchungen über die charakteristischen Riefen an den Achsen- 
organen der Pflanzen. Sitzungsber. d. math.-nat. Kl. d. kais. Akad. d. Wiss. in Wien, 
XXXVIM. Bd., 1859, S. 704—718. 

67. — —, Untersuchungen über den Einfluß der Temperatur auf die Entwicklung 
von Penieillium glaucum. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss. in Wien, 1873, 
Bd. LXVII, Abt. 1. 

68. # — —, Über rationale und irrationale Divergenzen. Flora, 1875, Nr. 8 u. 9. 

69. — —, Über eine neue Konstruktion des selbstregistrierenden Auxanometers Flora 
59, (1876), S.467 ff. (Bespricht unter anderem Fehlerquellen einer älteren Kon- 
struktion, denen der neue Apparat nicht unterworfen ist, „da derselbe alle Zu- 
wachse nicht in einem Kreisbogen, sondern in einer zum Zuwachs parallelen, 
also vertikalen Linie verzeichnet ...“) 

70. — —, Der Lichtgenuß der Pflanzen. Leipzig, Engelmann, 1907. 

71. + Wirth W., Psychophysik. Tigerstedts Handb. d. physiol. Methodik, Bd. III, Abt. 5 
(Lit.!). 

72. Zehl B., Über die Beeinflussung der Giftwirkung durch die Temperatur ete. Zeitschr. 
f. allgem. Physiol., Bd. VIII, 1908, S. 140—190. 


Mathematische Literatur. 
I. Infinitesimalreehnung. 


Obwohl sehr viele biologische Probleme sich mit den Mitteln der elementaren 
Mathematik verfolgen lassen, bedienen sich immer mehr Autoren der höheren Mathe- 
matik, in der richtigen Überzeugung, daß sie auf diesem Wege leichter ans Ziel, manch- 
mal aber auch weiter kommen. Die Kenntnis wenigstens der Grundzüge der Infinitesi- 
malrechnung wird also immer unentbehrlicher.‘) Somit erscheint es, obwohl unsere 


!) Es werden bereits seit geraumer Zeit Stimmen laut, welche vorschlagen, den 
Mathematikunterricht in der Mittelschule in der Richtung zu reformieren, daß, bei mög- 
lichst frühzeitiger Einführung des Funktionsbegriffes, endlich auch, auf vorwiegend 
geometrische Anschauungen gestützt, die einfachsten Sätze der Differential- und Integral- 
rechnung durchgenommen werden. Wie berechtigt diese Forderung ist, werden am besten 
diejenigen fühlen, welche während ihres Fachstudiums oder vielmehr meist erst nach 
Beendigung desselben das Bedürfnis nach weiterer mathematischer Ausbildung empfinden 
und die sich nun erst auf mehr oder weniger mühsame Weise in die Elemente der ihnen not- 
wendigen höheren mathematischen Disziplinen einzuarbeiten genötigt sind. Einige Worte 
nebst Literaturangaben über die erwähnten Reformvorschläge finden sich bei Voss [89], 
S. 115—117; den ersten und, wie mir scheint, glänzend gelungenen Versuch, sie in die 
Praxis umzusetzen, bildet das Lehrbuch von Behrendsen und Götting [85], welches seiner 
ganzen Anlage nach von den herkömmlichen Mittelschullehrbüchern so weit abweicht, daß 
es selbst dem, der im Prinzip darin nichts Neues findet, sehr viel Interessantes bietet. 


670 Emil Löwi. 


Skizze fast ausschließlich elementare Methoden berücksichtigt, zweckmäßig, an dieser 

Stelle einige einschlägige Werke zu erwähnen‘): 

73. Nernst W. und Schönflies A., Einführung in die mathematische Behandlung der 
Naturwissenschaften. (Lehrbuch der Differential- und Integralrechnung, mit Bei- 
spielen aus der Chemie und Physik. Enthält eine analytisch-geometrische Ein- 
leitung und eine auch die Elementarmathematik umfassende Formelsammlung 
mit kurzen Abschnitten über Permutationen, Wahrscheinlichkeitsrechnung.) 

74. Burckhardt H., Vorlesungen über die Elemente der Differential- und Integralrech- 
nung und ihre Anwendung zur Beschreibung von Naturerscheinungen. Teub- 
ners Verlag, 1907. (Angenehm geschriebenes, von vereinzelten Unklarheiten ab- 
gesehen leicht verständliches Buch. Mit einigen Beispielen aus der Physik und 
Chemie. Enthält auch einiges über Interpolation.) 

. Michaelis L., Einführung in die Mathematik für Biologen und Chemiker. Berlin, 
Springer 1912. (Speziell für Biologen bestimmtes Lehrbuch der Differential- und 
Integralrechnung, welches nach einem die Hauptpunkte der Elementarmathematik 
rekapitulierenden Abschnitte auf dem Wege der analytischen Geometrie allmäh- 
lich in sein eigentliches Gebiet einführt. Enthält eine kurze Erläuterung der 
Fourierschen Reihe”) Sehr handliches Werk, von mäßigem Umfang [250 S.], 
leicht lesbar, mit Beispielen und vielen Figuren.) 

76. Salpeter J., Einführung in die höhere Mathematik für Naturforscher und Ärzte. 
Jena, Fischer, 1913. (Mit zahlreichen Figuren versehenes Lehrbuch, mit Bei- 
spielen aus verschiedenen Gebieten der organischen und anorganischen Natur- 
wissenschaften.) 

(Siehe ferner [85]). 


—1 
ot 


II. Wahrscheinlichkeitsreehnung und ihre Weiterbildung. 


77. Meissner O., Wahrscheinlichkeitsrechnung nebst Anwendungen. Mathematische Biblio- 
thek 4. Teubners Verlag, 1912. (Allgemein verständliche erste Einführung in die 
Wahrscheinlichkeitsrechnung, Ausgleichungsrechnung und Kollektivmaßlehre, 64 5.) 

78. i Weitbrecht Wilh., Ausgleichungsrechnung nach der Methode der kleinsten Quadrate. 
I. Teil. Ableitung der grundlegenden Sätze und Formeln, Sammlung Göschen, 
Nr. 302. (Kurzgefaßte Darstellung des Gesamtgebietes der Ausgleichungsrechnung.) 
(Der I. Teil enthält Beispiele aus der Geodäsie.) 

79. 7 Pruns H., Wahrscheinlichkeitsrechnung und Kollektivmaßlehre. Teubners Ver- 
lag, 1906. 

80. 7 Czuber E., Wahrscheinlichkeitsrechnung und ihre Anwendung etc. Bd. I. Wahr- 
scheinlichkeitstheorie. Fehlerausgleichung. Kollektivmaßlehre. Teubners Verlag, 
1908. 

81. i Fechner G. Th., Kollektivmaßlehre. Im Auftrag der königlich sächsischen Gesell- 
schaft der Wissenschaften herausgegeben von @ottl. Friedr. Lipps. Leipzig, Engel- 
mann, 1897. 

82. Tv. Bortkewitsch L., Das Gesetz der kleinen Zahlen. Teubners Verlag, 1898. 

83. Exner F. M., Über die Korrelationsmethode. Jena, Gustav Fischer, 1913. (Sonderabdr. 
a. d. Naturw. Wochenschr.) 

84. 7 Steinhauser A., Die Lehre von der Aufstellung empirischer Formeln mit Hilfe 
der Methode der kleinsten Quadrate für Mathematiker, Physiker, Techniker. 


‘) Es ist von einigem Interesse, zu beachten, wie die vier im folgenden in der 
Reihenfolge ihres Erscheinens angeführten Werke ihre Aufgabe auffassen. Die beiden 
ersten sprechen zwar in ihren Untertiteln von „Naturwissenschaften* und „Naturer- 
scheinungen“, berücksichtigen aber bloß die anorganische Natur, während das dritte sich 
an einen vorwiegend, das vierte an einen ausschließlich biologischen Leserkreis 
wendet. 

°) Eine für Nicht-Mathematiker bestimmte Anleitung zur Kurvenanalyse nach 
Fourierschen Reihen hat Poirot ([42] S. 155—224) geliefert. 


Mathematische Methoden in den biologischen Wissenschaften. 671 


Teubners Verlag, 1889. (Möglichst elementar gehaltenes, von vereinzelten stili- 

stischen Härten abgesehen leicht lesbares Buch, das auf alle in Betracht kom- 

menden Fragen erschöpfend Auskunft gibt, so daß es als Anleitung für die Be- 
rechnung von Formeln aus Beobachtungsresultaten sehr verwendbar ist.) 

Ein die Kombinatorik, Wahrscheinlichkeitsrechnung, Ausgleichungsrechnung und 
Kollektirmaßlehre umfassendes Werk, das die Mitte zwischen den elementaren Ein- 
führungen und den ausführlichen Lehrbüchern hielte und besonders die Anwendung der 
genannten Disziplinen in den biologischen Wissenschaften berücksichtigte, von etwa dem 
Umfange und der Art der Darstellung wie die unter I genannten Bücher, gibt es nicht. 


III. Elementarmathematik und anderes. 


85. Behrendsen O. und Götting E., Lehrbuch der Mathematik nach modernen Grund- 
sätzen. Teubners Verlag. (Unterstufe [2. Aufl.] und Oberstufe in zwei Ausgaben; 
Ausgabe B ist die reichhaltigere.) (Für den Mittelschulunterricht bestimmtes 
Lehrbuch der Elementarmathematik, welches den „Funktionsbegriff und alles, 
was damit zusammenhängt, also graphische Darstellung, geometrische Methoden, 
Differential- und Integralrechnung mit dem übrigen Lehrstoff von Anfang an 
verquickt und verschmülzt“.‘) Behandelt [Oberstufe] auch die Trigonometrie und 
analytische Geometrie, sowie in einem eigenen Abschnitte [92 S.] die Elemente 
der Differential- und Integralrechnung, ferner die Elemente der neueren Geometrie. 
Stellt sich ganz auf den Anfang des Anfängers, übertrifft jedoch nicht nur durch 
die hierdurch bedingte Art der Darstellung, sondern auch durch die Fülle des 
behandelten Stofes die anderen, ebenfalls die Reformvorschläge [siehe S. 669, 
Anm. ')] berücksichtigenden, in den letzten Jahren erschienenen Lehrbücher und 
ist als Nachschlagbuch über Fragen der Elementarmathematik — in etwas wei- 
terem Sinne gefaßt, als bisher im Mittelschulunterricht gebräuchlich — außer- 
ordentlich empfehlenswert.) 

Ähnliche Ziele verfolgen die beiden folgenden Werke, welche ihr Gebiet aber im 
Verhältnis zum vorhergehenden insofern einschränken, als sie einige der in jenem be- 
handelten Gebiete überhaupt unberücksichtigt lassen oder sie nur andeutungsweise 
streifen, dafür aber in manchen Einzelheiten wieder über jenes hinausreichen (z. B. [86] 
durch sehr eingehende und interessante Behandlung der Lehre von den Gleichungen) 
und überhaupt, wenn auch nichts voraussetzend, für Leser berechnet sind, welche die 
erste Grundlage der Mathematik bereits einmal kennen gelernt haben. 

86. Borel E., Elemente der Mathematik. Deutsche Ausgabe von Paul Stäckel. I. Bd.: 
Aritkmetik und Algebra, II. Bd.: Geometrie. Teubners Verlag, 1908/1909. (Zu- 
nächst ebenfalls für den Mittelschuluntericht, aber für den Lehrer bestimmtes 
Werk, das auch als Nachschlagbuch für den Nichtmathematiker‘) gedacht ist, 
der sich etwa zur Einführung in die höhere Mathematik eine geeignete Grund- 
lage schaffen will. Leitet infolgedessen bis hart an die Schwelle der Infinitesimal- 
rechnung, ohne deren Gebiet selbst zu betreten. Der zweite Band enthält Plani- 
metrie und Stereometrie in eigenartiger Anordnung und Behandlung. [Trigono- 
metrie und analytische Geometrie werden nicht berücksichtigt.] In beiden Bän- 
den zahlreiche Beispiele, deren Lösungen als gesonderte Heftchen kürzlich er- 
schienen sind.) 

87. Tannery J., Elemente der Mathematik. Deutsche Ausgabe von Klaess, Teubners 
Verlag, 1909. (Sehr knapp gefaßtes®) Lehrbuch, das die Grundbegriffe voraussetzend 
und kurz rekapitulierend auf vorwiegend geometrischem Wege [analytische Geo- 


1) Aus dem Vorwort zur 1. Auflage. 

°) Als solches sich auch durch den Besitz eines genau gearbeiteten alphabeti- 
schen Sachregisters — fehlt leider bei den beiden anderen Lehrbüchern — erweisend. 

®) 319 Seiten Text, nebst einem 20 Seiten umfassenden geschichtlichen Anhang 
von Paul Tannery. 


672 Emil Löwi. Mathematische Methoden ete. 


metrie, Kurvenkonstruktion] bis in die Elemente der Integralrechnung und der 
Lehre von den Grenzwerten einführt, ohne auf deren Methoden selbst einzugehen.) 

88. Sporer B., Niedere Analysis. Sammlung Göschen, Nr. 53. (Enthält unter anderm 
eine kurze Darstellung der Kombinationslehre, einiges über Reihen, sowie eine 
elementar gehaltene Anleitung zur Ausführung von Interpolationen.*)) 

89. Voss A., Über das Wesen der Mathematik. 2. Aufl., 1913, Teubner (Lit.!). (Enthält 
nichts, was mit unseren Ausführungen irgendwie zusammenhinge, gewährt aber 
dem Nichtmathematiker so viel Einblicke in weniger bekannte Gebiete der Mathe- 
matik, daß, abgesehen von dem geradezu ästhetischen Genusse, den die Lektüre 
des Buches bietet, vielleicht mancher Leser irgendwelche Anregungen empfangen 
würde, die einmal für die organischen Naturwissenschaften Bedeutung haben 
könnten.) 

90. Crelle A. L., Rechentafeln. Neue Ausgabe besorgt von O. Seeliger, Berlin, G. Rei- 
mer, 1914. 


Physikalische Lehr- und Nachschlagsbücher. 


Experimentalphysik in elementarer Darstellung: 

91. Berliner A., Lehrbuch der Experimentalphysik in elementarer Darstellung. Gustav 
Fischer, 1911. (Fassung sehr einfach und ausführlich, weshalb das Buch etwas 
umfangreich [772 Seiten Text] ist.) 

92. Lecher E., Lehrbuch der Physik für Mediziner und Biologen. Teubner 1912. (Bei 
knapper Fassung [457 Seiten Text] reichhaltiges, leicht verständliches Lehrbuch, 
das überall auf die praktischen Anwendungen der vorgetragenen Lehren in den 
biologischen Wissenschaften [besonders in der Medizin] hinweist.) R 


Eine Ergänzung der Physik-Lehrbücher, weil die von jenen nicht behandelten, 
für den Mediziner (und, wie hinzugesetzt werden darf, wohl auch manchen Biologen 
anderer Richtung) wichtigen Gebiete vorführend, bildet: 

93. Fischer O., Medizinische Physik. Leipzig, Hirzel 1913. (Sehr ausführliche und um- 
fangreiche [1120 S.] elementare Darstellung der Bewegungslehre und Muskel- 
mechanik”), der Akustik des Gehörorgans und der Sprechwerkzeuge sowie der 
Optik des Auges und einiger oft angewendeter Instrumente.) 

Will ein moderner Ersatz für folgendes ältere Werk sein: 

94. Fick A., Die medizinische Physik. Vieweg, Braunschweig 1885 (3. Aufl.; die 1. Aufl. 
war 1856 erschienen). 


Einen kurzen Abriß der Elastizitäts- und Festigkeitslehre bietet: 
95. * Hauber W., Festigkeitslehre. Samml. Göschen, 288 (Lit.!). 
(S. auch Triepel [62], S. 1—78.) 


Zur Ausführung physikalischer Messungen bietet die beste Anleitung: 

96. # Kohlrausch F., Lehrbuch der praktischen Physik. Teubners Verlag. (Lit.!), oder das 
kleinere, elementar gefaßte, im selben Verlag erschienene Werk desselben Ver- 
fassers: 

97. — —, Kleiner Leitfaden der praktischen Physik. 


‘) Ausführliche Werke über die genannten Materien: Netto E., Lehrbuch der 
Kombinatorik. Teubner, 1901. — Kunge C., Theorie und Praxis der Reihen. Sammlung 
Schubert, Bd. XIV. — Seliwanoff D., Lehrbuch der Differenzenrechnung. Teubner, 1904. 

2) Vgl. auch [14]. 


v 


n— 


Register. 


Die beigedruckten Ziffern bedeuten die Seitenzahlen. 


A. 


Abmessen von Gasen 480. 

Absorptionen durch Tierkohle 
375. 

Absorptionsgefäße für Gase 
394 


Absorptionsglocke nachMüller 
39. 

Absorptionsmittel für Gase 
393#., 405. 

— für Kohlenoxyd 410. 

— für Sauerstoff 408. 

— für Stickstoff 410. 

— für Wasserdampf 405. 

— für Wasserstoff 406. 

— zur Reinigung von Edel- 
gasen 410. 

Absorptionsschlange nach 
Winkler 397, 402. 

Absorptionsvorlagen 402. 

Abwehrfermente, „interfero- 
metrische Methode“ zum 
Studium der 561. 

Abweichung, durchschnitt- 
liche 601. 

— mittlere 601, 658f. 

Abweichungen zwischen be- 
obachteten und berech- 
neten Werten 644, 647, 
653, 658. 

Adlersche Benzidinprobe zum 
Blutnachweis im Magen- 
inhalte 80. 

Adsorption 335. 
Adsorptionsvermögen der Fil- 
ter für Eiweißionen 57. 
— der Filter für freie Salz- 

säure 66. 

Agglutinin, Adsorption von — 
durch Tierkohle 377. 

Agmatin, Darstellung 263. 

Albertbiskuits (als Trocken- 

probefrühstück) 45. 

Albumin,refrakt. Bestimmung 
100. 

Alizarinrot 72. 


Alkalibisulfite als Entfär- 
bungsmittel 384. 
Alkaliwirkung auf frische ° 


Schleimgranula 208. 

Alkaloide, Lösungsmittel für 
359. 

Alkohol, Trocknen von 414. 
Aloinprobe zum Blutnachweis 
im Mageninhalte 80. 
Altmann’s neutrales O0sO,- 
Kaliumbichromatgemisch 

(Fixierung) 186. 

— neutrales OsO,-Kalium- 
bichromatgemisch, Modi- 
fikation nach Sehridde 
188. 

— Kernfixierung 199. 

Aluminiumanalysen als Ent- 
färbungsmittel 384. 

Aluminiumbromid als Lö- 
sungsmittel 359. 

Aluminiumoxyd als Trocken- 

mittel 417. 

Alundum, Extraktionshülsen 
aus — 349. 

Ameisensäure als Lösungs- 
mittel 366. 

Ameisensäurenitril 477. 

Amieiprismen 85, 93. 

Aminogruppen (an den) ge- 
bundene Salzsäure 66. 

Aminosäuren 62. 

Ammoniak 470. 


Amylazetat als Lösungs- 
mittel 359. 
Anforderungen an Örgan- 


präparate zur interfero- 
metrischen Methode 567. 
Anilin als Lösungsmittel 374 
Anisol als Lösungsmittel 374. 
Ansaugung des Mageninhaltes 
50. 
Antipepsin 73. 
Appetitmahlzeit 48. 
Argon 355. 
— Reinigung 393. 
Argument 596. 


Argumentdurchschnitt 600f. 
Argumente, abgerundete 598. 


— leere 599. 
Argumentschwankungen, Un- 
terscheidung zufälliger 


und gesetzmäßiger 604. 

Aschenanalyse der seltenen 
Elemente 290. 

Aspiratiin zur Gewinnung 
des Mageninhaltes 50. 

Aspirator (Friedliebscher) 50. 

Äther als Lösungsmittel 359. 

Ätherersatz 369. 

Ätherisierung 155. 

Äthylalkohol 334, 352, 354, 
358, 363 ff. 

Äthylen, Darstellung 473. 

— Reinigung 3%. 

Atmung, Untersuchung der — 
an Zellen und überle- 
benden Organen 21#f., 
33H. 

Atropinvergiftung, chronische 
in ihrer Wirkung auf 
Schleim und Drüsen 207, 
auf seröse Drüsen 212. 

— Aufhellen der Präparate 
187. 

— Aufkleben der Schnitte 
192. 

Aufzuchtapparat für keim- 
freie Tiere 314, 317. 
Aufzuchtraum, Vorbereitung 
des — für keimfreie Tier- 

haltung 320. 

Ausfrierenlassen 354. 

Ausführung der Untersuchung 
mittels der interferome- 
trischen Methode 569. 

Ausgleichung, graphisched84. 

— von Beobachtungsfehlern 
HT. 

Ausgleichungsrechnung (Bei- 
spiele) 630, 633, 644 ff, 
652f., 6ö6f. 

Ausheberung des Mageninhal- 
tes 52. 


Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VII. 43 


674 


Auslaugen von festen Kör- 
pern 342#. 

Aussalzen 334, 385. 

Ausschütteln im Scheide- 
trichter 325. 

Ausspülung des Magens 52. 

Automatische Wage 489. 

Auxanometer 587. 

— nach Trost 243. 

— nach Bovie 246. 

— für Diekenwachstum nach 
Golden 251. 

— nach Sachs 238. 

— nach Wiesner 239. 

— nach Pfeffer 241. 

— nach Kohl 242. 

Azetessigester, Isolierung der 
Ketoform 355. 

— Trennung der Enol- und 
Ketoform 334. 

Azeton 343, 349, 352, 358, 
362. 

Azetylehlorid als Lösungs- 
mittel 359. 

Azetylen, Darstellung 452, 
474. 

Azetylenakkumulator 474. 

Azidität des Magensaftes 61. 

Aziditätsgrade 62. 


B. 


Bacillus aminophilus intesti- 
nalis 266. 

Bahn (Form der — einer Be- 
wegung) 612. 

— gerade 616. 

— krumme 618. 

Bahnkurve 618. 

Bakterien, biologische Ver- 
suche an 18. 

Bakterien, refrakt. Untersu- 
chung ihrer Wirkung 116. 

Baldriansäure 60. 

Baryumchlorid als Lösungs- 
mittel 375. 

Baryumkarbonat als Entfär- 
bungsmittel 382. 

Baryumoxyd als Trockenmit- 
tel 416. 

Baryumphosphat als Klär- 
mittel 382. 

Bauxit 349. 

Bechergläser nach Kersten 
356. 

Becherzellen 204. 

Beckmannscher Gefrierpunkt- 
bestimmungsapparat 429. 

Bedingungsgleichungen 645. 


Register. 


Benzidinreagens nach O. und 
R. Adler zur Blutbestim- 
mung im Mageninhalte 80. 

Benzin 325, 367. 

Benzinersatz 369. 

Benzol 354, 355, 358, 365. 

— Abscheidung aus Gasge- 
mischen 389. 

— Trocknen von 412, 418. 

Benzolersatz 369. 

Benzoylsuperoxyd als Entfär- 
bungsmittel 383. 


Beobachtungsfehler (unver- 
meidliche) 574. 
— Abweichungen zwischen 


berechneten und beobach- 
teten Werten als solche 
aufzufassen 644. 

— bei graphischen Darstel- 
lungen 584. 

— ihr Analogon bei Wahr- 
scheinlichkeitsproblemen 
580. 

Berschsche Stärkelösung 68. 

Berthelotsche Ozonröhre 460. 

Berthelotsches Gesetz 330. 

Beryllium, Reaktionen 279. 

Beschleunigung 616f., 633. 

— graphische Bestimmung 
620. 

— graphische Kurve 621. 

Bewegung 610. 

— im Raume 619—621. 

— gleiehförmige 610. 

— ungleichförmige 611, 
616 f., 626. 

Bier, Ausschütteln von 327. 

— refrakt. Untersuchung 
119. 

Blattfarbstoffe, Extraktion 
der 343. 

Blattstellungslehre (Berech- 
nungen) 590 f., 640 £. 

Blausäure 477. 

Bleiazetat, basisches, als 
Klärmittel 385. 

Bleimethode 173. 

Bloc Maquenne 429. 

Blam-Fuldsches Verfahren 
der Labbestimmung im 
Mageninhalte 76. 

Blutplättchen, biologische 
Versuche an 17. 

Blutegelextraktion nach Abel 


519, 
Blutentnahme, zur Refrakto- 
metrie 9. 
Blutgasspannung, Bestim- 


mung an Venenblut in 

den Lungen 558. 
Blutgasspannungen, Bestim- 

mung von 508, 512. 


Blut, indirekte Bestimmung 
des Gefrierpunktes klein- 
ster Mengen 6. 

Blutkörperchenvolumen, re- 
frakt. Bestimmung 102. 

Blutkohle 375. 

Blutlipase 307. 


Blutnachweis im Magen- 
inhalte 79. 

Blut, Refraktometrie des 
958. ü 

Blutserum, Refraktometrie 
des 95 ff. 


Blutzellen, Gewinnung und 
Verarbeitung für biologi- 
sche Versuche 15 ft. 

Boassche Mehlsuppe 45. 

— milchsäurefreie Probekost 
45. 

— Probeabendessen 47. 

— Reagens zum Nachweis 
freier Salzsäure im Ma- 
geninhalte 59, 65. 

— Verfahren zur quantita- 
tiven Milchsäurebestim- 
mung im Mageninhalte 
69. 

Bodenmüdigkeit 145. 

Böden, verschiedene, in ihrem 
Einfluß auf die Keimung 
146. 

Bomben 437. 

Bourgetsche Probemahlzeiten 
47. 

Braunsteingel 385. 

Brom 355. 

Bromwasserstoff, Darstellung 
469. 

Brot als Probefrühstück 45. 

Brunstzeit, Drüsen zur 221. 

Buccaldrüsen 205, 206. 

Bufotalin 359. 

Bürzeldrüse 202. 

Butanon als Lösungsmittel 
362. 

Butter, refrakt. Untersuchung 
119: 

Butterrefraktometer 87. 

Buttersäure-Nachweis im Ma- 
geninhalte 61. 

Butyrometer nach Sahli zur 
Fettbestimmung im Ma- 
geninhalte 53. 


G 


Capomesser 482. 

Caseinverfahren zur Pepsin- 
bestimmung im Magen- 
ınhalte 75. 


Fr ee yor®- 


Pa 9 0 ee a Mr 


ui 


| 
| 
j 


un 


Caesium, Reaktionen 269. 

— Spektrum 296. 

Cer, Reaktionen 282. 

Ceriterden, gemeinsame Re- 
aktionen mit Ytterden 
281. 

Chinolin 326, 359. 

Chlor, Darstellung usw. 466. 

Chlorbenzoesäuren, Trennung 
397. 

Chlorgehalt des Ammonchlo- 
rides und der tlüchtigen 
Chloride im Mageninhalte 


— der festen Chloride im 
Mageninhalte 63. 

— (gesamter) des Magen- 
inhaltes 64. 

— der Salzsäure im Magen- 
inhalte 64. 

Chlorhydrat 467. 

Chloride, quantitative Be- 
stimmung im Magenin- 
halte 63. 

Chlorkalziumröhren 401. 

Chloroform 341, 354, 355, 
358, 369. 

— Reinigen von 412. 

Chlorophyll 334. 

Chlorwasserstoff, Darstellung 
468. 

— Löslichkeit in. Alkohol, 
Äther, Benzol 469. 

Chlorzink als Trockenmittel 
468. 

Cholesterin als Reageus auf 
Selensäure 276. 

Cholsäure 360. 

Christiansches Verfabren zur 
Standardisierung derMett- 
schen Röhren 72. 

Cottrellsches Gasreinigungs- 
verfahren 391. 

Cyan, Darstellung 475. 

Cyaninfärbung der Kerngra- 
nula 198. 

Cyanquecksilber 475. 

Cyanwasserstoff, Darstellung 
477. 


D. 


Darmbakterien,ihre Bereitung 
311, 312. 

Darmepithelien, Verarbeitung 
zu biologischen Versuchen 
di, 

Darmsaft, Nachweis im Ma- 
geninhalte 80. 

Darstellung, graphische, s. 
graphische Darstellung. 


Register. 


Darstellung von Organpräpa- 
raten zur interferometri- 
schen Methode 568. 

Debraysche Gasentwicklungs- 
apparate 439. 

De Renzisches Probefrühstück 
44. 

Desinfektionskraft von Alko- 

hol 364. 

Desodorierung von Flüssig- 
keiten 379. 

Destilliertes Wasser, Giftwir- 
kung bei der Keimung 
143. 

Dichloräthylen, syn., als Lö- 
sungsmittel 371. 

Dicehtester Wert 601. 

Dichtigkeitsmittel 601. 

Diehtung von Korken 351. 

Differentialmanometer 483. 

Differentialquotient 617, 633, 
661 

Difierenzrefraktometer 84. 

Digerieren 342. 

Dimethylamidoazobenzol 59. 

Döbereiner-Mohrsche Gasent- 
wicklungsapparate 440. 

Druckluft, Gewinnung und 
Sterilisation 318, 319. 


E. 


Edestinverfahren zur Pep- 
sinbestimmung im Magen- 
inhalte 74. 

Eier als Probefrühstück 44. 

Eigelbbouillonsuppe nach 
Sahli 47. 

Einbetten der Präparate 187. 

Einstichverfahren 163. 

Eintauchrefraktometer 90. 

Einwurfmethode, Apparate 
zur Gasentwicklung nach 
der 452. 

Eisengehalt der Probekost: 


kolorimetrische Bestim- 
wung 54. 

Eisenhydroxyd, kolloidales 
385. 


Eisessig 355. 
Eiweißbestimmung, refrakt. 
— im Blutserum 98. 

— in Ex- und Transsuda- 
ten 103. 

— im Harn 107. 

Eiweißionen, Verhalten bei 
der Filtration 57. 

Eiweißkörper, einzelne des 
Blutserums, refrakt. Be- 
stimmung 99. 


675 


Elastizität 6091. 
Elektrische Methode der 
Schmelzpunktsbestim- 

mung 427. 

Elektrischer Strom, Einfluß 
auf die Keimung 147. 
Elektronen als Zentren von 

Flüssigkeitskeimen 392. 

Elektrokultur 148. 

Emanation, Einfluß auf die 
Keimung 135. 

Emulsionen, Zerstörung von 
211. 

Emulsionsbildung 327. 

Energie, chemische 621, 624. 

— mechanische 621. 

— optische 623. 

— thermische 623f. 

— -verbrauch. Beziehung zu 
Gewicht und Oberfläche 
des Körpers 625. 

— — bei Lokomotion des 
eigenen Körpers 624, 625. 

— — beim organischen 
Wachstum („Entwick- 
lungsarbeit“) 625. 

Enfleurage 324. 

Enteiweißung 385. 

Entfärben von Flüssigkeiten 

375. 

Entfärbung von Flüssigkeiten 
aufchemischem Wege 383. 

Entfärbungsmittel 375 f. 

EntfettungvonKnochen, Leim- 
leder 342. 

Entleerung des Mageninhaltes 
49. 

Entölung von Ölfarben 371. 

Entwässern organischer Flüs- 
sigkeiten 411. 

Entwässerung der Präparate 
186. 

Entwieklungsarbeit 625. 

Enzymatische Eigenschaften 
des Mageninhaltes, Fest- 
stellung 71. 

Eponit 379. 

Erdsäuren, Lösung 292. 

Erweichungspunkte 431, 432. 

Erythrocyten, biologische Ver- 
suche an 16. 

Essigester 333, 335, 339, 358. 

Essigsäure, Adsorption von 
— durch Tierkohle 378. 

Esterspaltung, Bestimmung d. 
— nach Rona u. Michaelis 
mittelst der Tropfmethode 
301. 

Eutektisches Gemisch 352. 

Ewald-Boassches Expressions- 
verfahren zur Entleerung 
des Mageninhaltes 49. 


43* 


676 


Ewald-Boassches Probefrüh- 
stück 44. 

Explosion von Stickstoffbom- 
ben 466. 

Explosionsgrenzen von Aze- 
tylen 475. 

Explosionsgrenzen von Wasser- 
stoff 454. 

Expressionsverfahren nach 
Ewald-Boas zur Entlee- 
rung des Mageninhaltes 
49. 
Exspirationsstellung der Lun- 
gen, Bestimmung 535. 
Exsudate, refrakt. Untersu- 
ebung 102. 

Extrahieren 170. 

— von festen Körpern 342 ff. 

— von flüchtigen Körpern 
324. 

— von Flüssigkeiten 324 ff. 

Extraktion, Theorie der 330. 

— von festen Körpern 342 ff. 

— von Flüssigkeiten, selbst- 
tätige 335. 

— leicht zusammenbackender 
Pulver 348. 

— selbsttätige, von festen 
Körpern 344 ff. 

Extraktionsapparate 327. 

— selbsttätige 335 ff. 

— — für spez.leichtere Lö- 
sungsmittel 336. 

— — für spez. schwerere 
Lösungsmittel 341 ff. 

— für wärmeempfindliche Lö- 
sungen 340. 

Extraktionsmittel 325. 

Extremwerte (beim physiolo- 
gischen Versuch) 6471f., 
632. 

— (in der Kollektivmaßlehre) 
996. 


Fr. 


Fäden in Zellen 209, 214. 

Fadenkorrektion bei d. Siede- 
punktsbestimmung 435. 

Fehler (s. auch unter „Ab- 
weichung“ und unter „Be- 
obachtungsfehler“), abso- 
lute Werte der 575. 

— durehschnittlicher 575. 

— mittlerer 575f. 

— Quadrate der 575. 

Fehlerausgleichung 574. 

Fehlerausgleichungsgesetz 
(Gaußsches) 605. 

Fehlerausgleichungsreehnung 
beider Kurvenausmessung 


589. 


Register. 


Fehlerquellen der interfero- 
metrischen Methode 571. 

Fermente, refrakt. Untersu- 
chungihrer Wirkung 116. 

Ferrisulfatlösung nach Meu- 
nier 45. 

Ferrosilizium zur Wasserstoff- 
entwicklung 455. 

Festigkeit 609. 

Fett, refrakt. Bestimmung im 
Mageninhalt 108#t. 

— in der Milch 113. 

— in der Sahne 114. 

Fettbestimmung 371, 372. 

— nach Sahli im Magen- 
inhalte 55. 

Fette, Schmelzpunkt 419, 
422, 430. 

— Spaltungsgrad im Magen- 
inhalte 78. 

Fettextraktion 342, 349, 351. 

Fettsäuregemische, _fraktio- 
nierte Fällung 357. 

Fettsäuren, Nachweis im 
Mageninhalte 60. 

Fettumsetzungen 193. 

Fettzwiebelfrühstück 45. 

Feuergefährlichkeit organi- 
scher Lösungsmittel 358. 

Fibrinogen, refrakt. Bestim- 
mung 101. 

Filtrieren ätherischer Lösun- 
gen 361. 

Finkenersche Gasentwick- 
lungsapparate 445. 

Fixierung, Allgemeines 185, 
186. 

Flächeninhalt, Bestimmung 
desselben bei unregel- 
mäßig begrenzten ebenen 
Figuren 607. 

Flächenwachstum 255. 

Flammenfärbung durch sel- 
tene Elemente 292. 

Fleisch als Probemahlzeit 45. 

Fleischextrakt als Probemahl- 
zeit 46. 

Fliegen, keimfreie Züchtung 
3 

Fliegeneier, keimfreie Ge- 
winnung 313. 

Flimmerbewegung 662. 

Florencesches Reagens zum 
Urobilinnachweis im Ma- 
geninhalte 81. 

Florentinerflaschen 341. 

Flüchtige Fettsäuren, Nach- 
weis im Mageninhalte 60. 

Flüssige Kristalle 421. 

Flüssiges Probefrühstück 
nach Jaworski und Glu- 
zinski 45. 


Flüssiges Probefrühstück 
nach Kuyjer 46. 

— — nach Koettlitz 46, 

— — nach Mintz 46. 

— — nach Schalij 46. 

— — nach Talma 46. 

Flüssigkeitsinterferometer 84. 

— Einrichtung des 563. 

— Gebrauch des 565. 

Formamid als Lösungsmittel 
359. 

Formeln, Ableitung empiri- 
scher (s. auch unter „Aus- 
gleichungsrechnung“) 659. 

Formoltitrierung nach Sö- 
rensen 66, 78. 

Fouriersche Reihe 586. 

Fraktionierte Absorption 385. 

Fraktioniertes Fällen 385. 

Frankonit 381. 

Freihandmarkieren 231. 

Frescenius’ Vorlage 403. 

Friedliebscher Aspirator 50. 

Froschlarven, keimfreie Züch- 
tung 312. 

— keimfreie Gewinnung313. 

Fühlhebel nach Jost 250. 

Fuld-Levisonsches Edestin- 
verfahren zur Pepsin- 
bestimmung im Magen- 
inhalte 74. 

Fullererde 380. 

Fütterung keimfreier Tiere 
322. 


G. 


Galläpfeltinktur als Reagens 
auf Erdsäure 286, 288. 

Galle, Nachweis im Magen- 
inhalte 80. 

Gärungsgeschwindigkeit, Mes- 
sung der 42. 

Gasanalyse, Mikromethode 
49. 

— Mikroskopische Methode 
500. 

Gasdiffusion durch Menschen- 
lungen, Bestimmung 543. 

Gase, Arbeiten mit 347. 

— als Keimungsförderer 144. 

— Nachweisim Mageninhalte 


Gasentnahme aus Bomben 437. 

Gasentwicklung 439 ff. 

— durch Einwirkung von 
Flüssigkeiten auf feste 
Körper 439 ff. 

— durch Einwirkung von 
Flüssigkeiten auf Flüssig- 
keiten 453. 


Gasentwicklungsapparate 
nach dem Tropfsystem 
448. 

— nach der Einwurfs- 
methode 452. 

Gasometer 478. 

Gasreinigung, chemische 
393 8. 

— durch Elektrizität oder 
Magnetismus 390. 

— durch Erzeugung von 
periodischen Temperatur- 
und Druckänderungen 
392. 

— durch Wärmeentziehung 
388. 

— mechanische 337. 

— physikalische 388. 

Gassammelröhren 531. 

Gasuhr 481. 

Gaswaschaufsätze 394. 

Gaswaschflaschen 395 ft. 

Gebrauch des Interfero- 
meters 565. 

Geerssche Probe zum Blut- 
nachweis im Mageninhalte 
9. 

Gefäßerweiterung, Wirkung 
auf Drüsen 209. 

Gefriermethode nach Altmann 
198. 

— nach Kossel 198. 

Gefrierpunkt, indirekte Be- 
stimmung kleinster Men- 
gen von Blut, Harn, Zell- 
saft usw. 6. 

Gefrierpunktsbestimmung 
419f. 

Gefrierpunktserniedrigung 
und Brechungsindex 106. 

Gelatine als Klärmittel 382. 

Gelatinegallerten, Schmelz- 
punkt 431. 

Gelenkmechanik 591. 

Generationsdauer (bei Mikro- 
organismen) 638. 

Gerade, als graphischer Aus- 
druck der Proportionalität 
613. 

— Gleichung der 613, 556, 
660. 

Gerbstoffextrakte, Entfärbung 
von 384. 

Gerb- und Gallussäure, Be- 
stimmung in Tinten 332, 
339. 

Gesamtazidität des Magen- 
inhaltes 62. 

Gesamtchlor des Mageninhal- 
tes 64. 

Gesamtmenge des Magen- 

inhaltes 52. 


Register. 


Gesamtsalzsäure des Magen- 
inhaltes 62. 

Geschlechtsdrüsen von Am- 
phibien 221. 

Gesehwindigkeit 610 ft., 661. 

— chemischer Reaktionen 
(Massenwirkungsgesetz) 
661. 

— chemischer Reaktionen 
(van 't Hoffsches Gesetz) 
623. 

— der Reaktion auf einen 
Reiz 634. 

— des Wachstums612—615. 

— graphische Bestimmung 
der 620. 

— nicht konstante 611, 617. 

Geschwindigkeitskurve 621, 
627. 

Gesetz des Minimums 165. 

Gewicht einer Reihe 576, 
600 

Gewichtszunahme beim 
Wachstum 616. 

Gewinnung des Mageninhaltes 


Gifte, Einwirkung auf die 
Keimung 140. 

Giftwirkung 624, 634 f., 636, 
637. 

Glaskolben mit Quecksilber- 
rinne 350. 

Globulin, refrakt. Bestimmung 
100. 

Godart-Danhienx sches Probe- 
frühstück 45. 

Gold, Reaktionen 273. 

Goldpurpur 274. 

Gräfe-Apparat 344. 

Granulaersatz bzw. Neubil- 
dung 209. 
— intrazelluläre Verände- 
rungen der 205, 206. 
Graphische Ausgleichung 584. 
— Darstellung im rechtwink- 
ligen Koordinatensystem 
583, 643f., 648 fl., 653, 
654, 656. 

— — im Polarkoordinaten- 
system 587° 

— — der relativen Häufig- 
keit 5871. 

— — in der Statistik (Kol- 
lektivmaßlehre) 599. 

— Methoden 582. 

Großsches Kaseinverfahren 
zur Pepsinbestimmung im 
Mageninhalte 75. 

Guldberg und Waage, Gesetz 
von 662. 

Günzburg-Steensmasches Re- 
agens zum Nachweis 


677 


der freien Salzsäure im 
Mageninhalte 59, 65. 


El. 


Hafergrützenabguß als Probe- 
mahlzeit 45. 

Hafermehl als Probemahlzeit 
45. 

Hahnschmiere beim Arbeiten 
mit Ozon 465. 

Halogenhaltige Lösungsmittel 
336, 368. 

Hardersche Drüse 202. 

Harn, indirekte Bestimmung 
des Gefrierpunktes 
kleinster Mengen 6. 

— refrakt. Untersuchung 
104. 

Harnsäure, Adsorption von 
— durch Tierkohle 378. 

Häufigkeit, relative 578, 579. 

— — graphische Darstellung 
derselben 587 f. 

Häufigkeitskurve 599. 

Häufigkeitsrechnung 578. 

Hautdrüsen der Amphibien 
203. 

Hefe, biologische Versuche 
an 19. 

— Messung der Gärungsge- 
schwindigkeit 42 f. 

Heidenhain, M., Eisenalaun- 
Hämatoxylin-Färbung 
196. 

Heizapparat, kombiniert mit 
Polarisationsapparat 
484 ff. 

Heizmikroskope 427, 429. 

Heizung mit elektr. Glüh- 
lampen 351. 

Heliotropismus 629, 634 f. 

Hemmungsstoffe der Pepsin- 
wirkung im Mageninhalte 
79. 

Hexan 334. 

H- und ÖH-ionen als Kei- 
mungsmittel 142. 

Histidin, bakterieller Abbau 
265. 

Holzkohle 376. 

Hopfenbitterstofte , 
tion der 370. 

Hopkinssche Reaktion zum 
Milchsäurenachweis im 
Mageninhalte 60. 

Horizontalmikroskop 235. 

Hühnchen, keimfreie Züch- 
tung durch Schottelius 
und Cohendy 312. 


Extrak- 


678 


Hühnereier, Entkeimung von 
313. 

Hydrodinatriumphosphat, An- 
wendung nach Roux und 
Labarlais bei Probemahl- 
zeit 45. 

Hydrogenit 455. 

Hydrosulfite als Entfärbungs- 
mittel 384. 

Hyperbel, gleichseitige 586, 
630, 638, 649, 652, 654. 

— -schar 654. 


E 


Iminazolyläthylamin, Darstel- 
lung 264. 

— Synthesen 267. 

Indium, Reaktionen 278. 

— Spektrum 296. 

Indoläthylamin, Darstellung 
263. 

Indolnachweis im. Magenin- 
halte 82. 

Induktionszeit 629, 634. 

Inhaltsmesser an Stahlbom- 
ben 438. 

Inouye-Mugurumasche Probe- 
kost 48. 

Integrieren 586, 662. 

Intensivdüngung 147. 

Interferometer, Einrichtung 
der 562. 

— Gebrauch des 569. 

Interferometrische Methode 
zum Studium der. Ab- 
wehrfermente 566. 

— Ausführung der 569. 

— Fehlerquellen der 571. 

— Genauigkeit der 571. 

— Organe für die 567. 

— Prinzip der 561. 

Iridium-Reaktionen 272. 


Alk 


Jacoby-Solmsches Rieinver- 
fahren zur Pepsinbestim- 
mung im Mageninhalte 75. 

Jaworski-Gluzinskisches 
flüssiges Probefrühstück 
45. 

— — Probefrühstück 44. 

Jodhäminkristalle zum Blut- 
nachweise nach Strzyz- 
kowsky 79. 

Jodkalium, Anwendung bei 
Probekost 48. 

Jodometrische Methode naeh 
Sahli-Wezrumba zur Fest- 
stellung der Säureakti- 
vität des Magensaftes 67. 


Register. 


Jodwasserstoff, Darstellung 
453, 470. 


K. 
Kalihydrat als Trockenmittel 
417. 
Kalium als Trockenmittel 
418 


Kaliumchlorat zur Sauerstoft- 
gewinnung 458. 
Kaliumfluorid 334, 386. 
— als Trockenmittel 418. 
Kaliumkarbonat 334, 386. 
Kaliumnatrium als Trocken- 
mittel 418. 
Kaliumpersulfat zur Sauer- 
stofidarstellung 459. 
Kalorie 624, 625. 
Kalziumbromid als Trocken- 
mittel 416. 
Kalziumehlorid als Trocken- 
mittel 416. 
Kalziumhydrid zur Wasser- 
stoffentwicklung 455. 
Kalziumhydrosulfit als Ent- 
färbungsmittel 384. 
Kalziumkarbid 363. 
— als Trockenmittel 363, 
406, 417. 
Kalziumoxyd als Trocken- 
mittel 416. 
Kambaraerde 380. 
Kapillarimetrische Bestim- 
mung der freien Salzsäure 
im Mageninhalte 66. 
Karyokinese 592. 
Kautschuk, Extraktion 349. 
Keimapparate 130 fi., 225. 
Keimbett, Befeuchtung des- 
selben 128. 


— Einfluß auf die Samen- 


keimung 127. 

Keimfähigkeit der Samen 
223. 

Keimkasten nach Sachs 226. 

Keimkraftprüfung 128. 

Keimschale 120. 

— nach Wiener Typus und 
nach Molisch 224. 

Kerngranula 197 ft. 

Kieselgur als Klärmittel 380. 

Kieselsäure als Klärmittel 
382. 

Kieselsäurehydrat als Ab- 
sorptionsmittel für Gase 
411. 

Kippsche Gasentwicklungs- 
apparate 441. 

Klären von Flüssigkeiten 375. 

Klärpunkt 420. 


Knochen, Entfettung von 342. | 


Knochen, Extraktion von 372. 

Knochenkohle 376, 384. 

Knoches Modifikation der van 
Giesonscehen Färbung 197, 
218/219: 

Knorrsches Hafermehl als 
Probekost 45. 

Kohle als Entfärbungsmittel 
aa 

Kohlendioxyd, 
von reinem 453, 473. 

— Entwieklung im großen 
Maßstabe 473. 

Kohlenoxyd, Darstellung 472. 

Kohlensäurebildung, Bestim- 
mung. der —anZellen und 
überlebenden Organen 38, 
41f. 

Kohlensäure, Darstellung 473. 

Kohlensuboxyd 390. 


Koks 376. 
Kollektivgegenstand 59. 
— logarithmische Behand- 


lung 602. | 

— relative Methode 602. 

Kollektivmaßlehre 596, 640. 

Kolloidtone als Reinigungs- 
mittel für Flüssigkeiten 
3831. 

Kolorimetrische Bestimmung 
des Eisengehaltes der 
Probekost 54. 

Kombinatorik 578. 

Kondensationsanalyse 390. 

Kongopapier 59, 66. 

Königswasser als Lösungs- 
mittel 374. 

Konstante 577, 630, 631, 636. 

Konstanten, Berechnung von 
644ft., 650. 

Koordinatensystem, recht- 
winkliges (s. auch unter 
„GraphischeDarstellung‘“) 
582. 

— dreiachsiges (räumliches) 
518f. 

— zur Analyse der Bahn- 
kurve 618. 

— zur Konstruktion der Weg- 
kurven 618f. 

Kork 351. 

— Extraktion durch Äther 
361. 

Korngröße, Abhängigkeit des 
Schmelzpunktes von der 
420. 

Korrelationsmethode 642. 

Koettlitzsches tlüssiges Probe- 
frühstück 46. 

— Verfahren zur Labbe- 
stimmung im Magenin- 
halte 77. 


Darstellung 


a een nn ei ie ee 


Kreisschar 593. 
Kristallalkohol 354. 
Kristallchloroform 354. 
Kristallhabitus 357. 
Kristallinisch-Hüssige Sub- 
stanzen 420. 
Kristallisationsbeschleuni- 
gung 357, 358. 
Kristallnitrobenzol 354. 
Kristallpyridin 354. 
Kristallwassr 354. 
Berystalle 2. 8. Kristall. . . 
Kupfersulfat als Troeken- 
mittel 415. 


Kurve 584. 
— ausgeglichene 584. 
— periodische (Mittelwert 


der abhängigen Variablen) 
86. 

— der Muskelzuckung 626 ff. 

Kurvenschar 593f:., 654f., 
663. 

Kussmaulsches Probemittag- 
essen 46. 

Kuyjersches flüssiges Probe- 
frühstück 46. 


L. 


Labbestimmung im Magen- 
inhalte 76. 

— nach Blum und Fuld 76. 

— nach Koettlitz 77. 

Labialdrüsen 205, 206. 

Laboratoriums-Gas-Interfero- 
meter 562. 

Laboratoriumsluft, ihre Ein- 
wirkung auf die Pflanze 
230. 

Laboratoriumstechnik 324 ff. 

Lachgas, Darstellung 471. 

Längenwachstum, Beziehung 
desselben zur Volum- und 
Gewichtszunahme 616. 

Lanthan, Reaktionen 282. 

Leimleder, Entfettung v. 342. 

Leosche Reaktion zum Nach- 
weis flüchtiger Fettsäuren 
im Mageninhalte 60. 

Leube-Riegelsches Probemit- 
tagessen 46. 

Leukoeyten, biologische Ver- 
suche 17. 

Lezithin, Gewinnung aus Ei- 
gelb 325. 

Licht, Einfluß auf d. Keimung 
120 f., lichtharte Samen 
12T. 

Ligroin 355, 358. 


“ Lipasebestimmung im Magen- 


inhalt 77. 


Register. 


Lithium, Reaktionen 269. 

— Trennung von Caesium u. 
Rubidium 296. 

Loeningsche Schlundsonde 49. 

Logarithmische Behandlung 
eines Kollektivgegenstan- 
des 602. 

Lösungsmittel 325, 358 ff. 

Lueidol 383. 

Luft, Gerinnung keimfreier 
316. 

Luftreinigung durch Ozon 464. 
Luftsauerstoff, Löslichkeit 
von — in Wasser 459. 
Lungen, Funktionsuntersu- 
chungen an 513, 529. 
Lungesche Zahnkugelröhre 

403. 


M. 


Magen, Sekretionsvermögen 
bB. 

Mageninhalt, Ansaugung 50. 

— Aspiration 50. 

— Ausheberung 52. 

— Baldriansäure 60. 

— Blutnachweis 79. 

— Buttersäurenachweis 61. 

— chemische Untersuchung 
Hi: 

— Chlorgehalt der festen 
Chloride 63. 

— Chlorgehalt der Salzsäure 
64. 

— Chlorgehalt des Ammon- 
chlorides und der flüch- 
tigen Chloride 64. 

— Darmsaftnachweis 80. 

— Eisengehalt d. Probekost 
(kolorimetrische Bestim- 
mung) 54. 

— Enzymatische Eigenschaf- 
ten 61. 

— Essigsäurenachweis 61. 

— Expression 49. 

— Fettgehalt der Probekost 
(Bestimmung nach Sahli) 
533 

— freie Salzsäure 50, 59, 65. 

— Gallenachweis 80. 

— Gase 80. 

— gebundene Salzsäure 58, 
66. 

— Gesamtazidität 62. 

— Gesamtehlor 64. 

— Gesamtmenge 52. 

— Gesamtsalzsäure 62. 

— Gewinnung 49, 

— Indolnachweis 82. 

— Labbestimmung 76. 


679 


Mageninhalt, Methodik d. Un- 
tersuchung 44. 

— Milchsäurenachweis 60. 

— Nachweis anomaler Be- 
standteile 83. 

— Nachweis flüchtiger Fett- 
säuren 60. 

— Nachweis freier Salzsäure 
59. 

— Nachweis saurer Phos- 
phate 61. 

— Pankreassaftnachweis 80. 

— Pepsinbestimmung 71. 

— Physikalisch - chemische 
Untersuchung 57. 

—- Quantitative Bestimmung 
der Chloride 63. 

— Quantitative Bestimmung 
der freien Salzsäure 65. 

— Quantitative Bestimmung 
der gebundenen Salzsäure 
66. 

— Quantitative Bestimmung 
der Gesamtazidität 62. 

— Quantitative Bestimmung 
der gesamten organischen 
Säuren 69. 

— Quantitative Bestimmung 
der Gesamtsalzsäure 62. 

— Quantitative Bestimmung 
der Milehsäure 39. 

— Qualitative Prüfung auf 

Säuren 58. 

— Quantitative Bestimmung 
der Azidität der flüchtigen 
Fettsäuren 70. 

— (uantitative Bestimmung 
der Azidität der sauren 
Phosphate 68. 

— refrakt. Untersuchung 
108#., 117 #8. 

— Schwefelwasserstoffnach- 
weis 83. 

— Salzsäuredefizit 66. 

— saure Bestandteile 58. 

— Schleimgehalt 
(Schätzung) 78. 

— Spaltungsgrad der Fette 
78. 

— Tryptophannachweis 82. 

— Urobilinnachweis 81. 

— Verdauungsgrad der Fette 
78. 

— Verdauungsgrad der 
Kohlehydrate 78. 

— Verdauungsgrad der Pro- 
teine 78. 

Magenlipase 308. 

Magensaft, Feststellung der 
abgesonderten Menge 53. 

Magnesiumchlorid als 
Lösungsmittel 375. 


680 

Magnesiumhydrosilikate als 
Entfärbungsmittel 381, 
382. 


Mangansuperoxydhydrat, kol- 
loidales 385. 

Markierer von Ganong 234. 

— von Wiesner 233. 

Markierungsmethode von Graf 
v. Luxburg 232. 

Massenwirkungsgesetz 662. 

Mathieu-Reinardsches Rest- 
verfahren zur Feststellung 
der Gesamtmenge des 
Mageninhaltes 52. 

Maximum s. Extremwerte. 

Mazerieren 342. 

Meerschweinchen, 
Züchtung 312. 

Mehlsuppe nach Boas als 
Probekost 45. 

— nach Inouye und Mugu- 
ruma als Probekost 48. 

— nach Sahli und Seiler als 
Probekost 47. 

— nach Schlaepfer als Probe- 
kost 43. 

Mehlsuppenfrühstück nach 
Sahli und Seiler 47. 

Mendelsches Gesetz 580. 

Merkmal, ordnendes 596. 

— — ohne Zahlencharakter 
597, 600. 

Messung mikroskopischer 
Körper 606. 

Methode von Fleck 259. 

Methode von Jean 260. 

Methode von Kraus 260. 

Methode von Nierenstein und 
Spiers 260. 

— von Sanio 259. 

Methylalkohol 334, 358, 364, 
312. 

— Nachweis im Äthylalko- 
hol 334, 386. 

Methylketon als Lösungsmit- 
tel 362. 

Mettsche Methode zur Bestim- 
mung des peptischen Ver- 
mögens des Mageninhaltes 
zaB 

— Röhren, Standardierung 
nach Christiensen 72. 

Meuniersches Probefrüh- 
stück 45. 

Milch, Anwendung als Probe- 
mahlzeit 44. 

— refrakt. Untersuchung 
113. 

— refrakt. Fettbestimmmung 
113. 

— refrakt. Prüfung der 
blauen Lösung 114. 


keimfreie 


Register. 


Milch, refrakt. Prüfung des 
Milchserums 115. 

— refrakt. Bestimmung des 
Milchzuckers 115. 

Milchfettbestimmung 
Gottlieb-Röüse 325. 

Milchfettrefraktometer 87. 

Milchsäure, Nachweis im Ma- 
geninhalte 60. 

— quantitative Bestimmung 
im Mageninhalte 69. 
Milchsäurefreie Probekost 

nach Boas 45. 

Milchzucker, refrakt. Bestim- 
mung 115. 

Mineralgele als 
3831. 

Mineralwässer, refrakt. Un- 
tersuchung 119. 

Minimum s. Extremwerte. 

Mintzsches flüssiges Probe- 
frühstück 46. 

— Verfahren zur quantita- 
tiven Bestimmung der 
freien SalzsäureimMagen- 
inhalte 65. 

Minutenvolumen des Blut- 

stroms, Bestimmung 550. 

Mikrogasometer 513. 

Mikroluftanalyse 495. 

— Anwendungen 504. 

— Tragbarer Apparat 506. 

Mikrorespirometrie 519. 


nach 


Klärmittel 


Mikroskopische Gasanalyse 
500. 

— — Anwendungen 507, 
577. 

Mikrotonometrie 507. 

— abgekürztes Verfahren 
514. 


— an Blut 508, 512. 

— an Harn 517. 

— von Kohlensäure 515. 

Mischkristalle, Bildung von 
352. 


Mittel. arithmetisches 575, 
576. 
Mittelstellung der Lungen, 


Bestimmung 535. 

Mittelwert 575, 576. 

— Berechnung desselben 575, 
601. 

— der abhängigen Variablen 
bei periodisch schwanken- 
den Größen 586. 

Mittelwerte, ihre Verwerdung 
bei Beobachtungsreihen 
647, 649, 6571. 

Modelle zur Untersuchung 
morphologischer und me- 
chanischer Probleme 59, 
626. 


Molekulargewicht, Mikrosko- 
pische Bestimmung mit 
kleinsten Mengen Substanz 
nach Barger 1. 

Molybdän-Chromsäure-Ver- 
fahren nach Altmann 199. 

Molybdän, Gravimetrische Be- 
stimmung 298. 

— Reaktionen 274. 

Motilität des Magens, refrakt, 
Untersuchung 108#. D 

Muskelkontraktionskurve 586, 
626 ff. 

Muzin- bzw. Muzigengranula 
s. Schleimgranula. 

Myrrhentinktur, Herstellung 
von 343. 


N. 


Näherungswert (bei der Be- 
rechnung des Mittelwertes 
575 Anm. °) 

Nahrungsmittelkontrolle, An- 
wendung der Refrakto- 
metrie in der 119. 

Naphthalin als Lösungsmittel 
359. 

Narkoseäther 360. 

Natrium als Trockenmittel 
418. 

Natriumhydrosulfit als Ent- 
färbungsmittel 384. 

Natriumsulfat als Lösungs- 
mittel 375. 

— als Trockenmittel 415. 

Natriumsuperoxyd zur Sauer- 
stoffdarstellung 458. 

Nebelbildung 392. 

Negativ, s. positiv. 

Neon, Isolierung aus Gasge- 
mischen 392, 411. 

Nephelometrisches Verfahren 
der Pepsinbestimmung 
nach Kober 76. 

Nervenreizung, Veränderun- 
gen von Drüsen nach 
210— 212. 

Nesslersches Reagens 369. 

Netz, intergranuläres der 
Kerne 199, 

— des Zellprotoplasmas 205. 

Neubergs Klärmittel 385. 

Neutralrot, Anwendung nach 
Schlaepfer bei Probekost 
48. 

Niekhaut-Drüse des Frosches 
214. 

Niob, Reaktionen 286. 

Nitrobenzoesäuren, Reinigung 
3971. 

Nitrobenzol 354, 374. 


Nitroglycerin 342. 

Nitrose Dämpfe 471. 

Nitrotoluol 355. 

Normalgleiehungen 645, 650, 
652, 696. 

Normallösungen, refrakt. Un- 
tersuchung 119. 


O. 


Oberfläche, Bestimmung der- 
selben bei stark geglie- 
derten Organismen 607. 

Ölprobefrühstück 80. 

Oesophealdrüsen vom Frosch 
207. 

Olivenöl als 
mittel 325. 

Operation, keimfreie 321. 


Extraktions- 


Operationsraum, keimfreier 
321. 

Opiumtinktur, Herstellung 
von 343. 


Optimum 643, 647. 

Optische Methode 484 ft. 

Orbitaldrüse 205, 206. 

Ordnendes Merkmal, s. Merk- 
mal. 

Organe zur interferometri- 
schen Methode. 

— Anforderung an die 567. 

— Darstellung von 568. 

— Standardisierung der 569. 

Organische Säuren, quantita- 
tive Bestimmung im Ma- 
geninhalte 69. 

Orthogonal 593, 594. 

Osmium-Reaktionen 272. 

Osmotischer Druck. Indirekte 
Bestimmung mit kleinsten 
Mengen von Pflanzensaft 
usw. 6. 

Ostwaldsches Gesetz der Um- 
wandlungsstufen 353. 

Oxalsäurenitril, Darstellung 


Oxon 458. 

Oxydationsgeschwindigkeit, 
Bestimmung der, 1. Me- 
thode 21 ft. 

— Bestimmung der, 2. Me- 
thode 33 ff. 

Oxyphenyläthylamin, Dar- 
stellung 262. 

Ozon, Darstellung usw. 460 ff. 

Ozonapparate 460 ff. 


P. 


Palataldrüsen 205. 
Palladium, Reaktionen 271. 
Pankreas, 219, 220. 


Register. 


Parabel 594, 632f., 643. 

Parabelschar 594. 

Parotis des Kaninchens 210, 
211. 

— der Katze 196, 197, 211 
bis 219. 

— der Maus 214. 

— tätige, Färbung der 197. 

„Parotis“, sog. von Salam. 
maceul., s. Hautdrüsen der 
Ampbibien. 

Pech, Schmelzpunkt 431. 

Peligotsches Rohr 402. 

Pepsin, refrakt. Bestimmung 
im Magensaft 117#. 

Pepsinbestimmung im Magen- 
inhalte 71. 

Pepsineinbeiten 75. 

Peptisches Vermögen des Ma- 
geninhaltes 71. 

Peptone 58, 62. 

Perforationsapparate 335 ff. 

Perforator von Partheil und 
Rose 338. 

Petroläther 325, 334, 358, 367. 
Petroleum als Reagens auf 
selenige Säure 276. 
Pettenkofersche Röhre 402. 

Pflanzenkohle 379. 

Phenyläthylamin, Darstellung 
261. 

Phenylhydrazin 355. 

Phosphate (saure), Feststel- 
lung im Mageninhalte 61, 
63. 

Phosphorbestimmung im Aze- 
tylen 475. 

Phosphorpentoxyd als Trok- 
kenmittel 468. 

Phospborsalzperlen der sel- 
tenen Elemente 293. 

Physikaliseh-chemischeUnter- 
suchungdes Mageninhaltes 
57. 

Planimeter 586, 608. 

Platin, Reaktionen 270. 

— Trennung von anderen 
Elementen 294. 

Plazentapräparat, Darstellung 
eines — zur interfero- 
metrischen Methode 568. 

Pneumatisches Extrahieren 
324. 

Polarisationsapparat, kombi- 
niert mit Heizapparat 
484 ff. 

Polarkoordinatensystem 589. 

Polarplanimeter, System Ams- 
ler 255. 

Polypeptide 62. 

Positiv (negativ) als Rich- 
tungsbezeichnung bei 


681 


Schraubenlinien und Spi- 
ralen .590. 

Positiv gewunden 589. 

Positive Richtung der Koordi- . 
natenachsen 582. 

Positiver Drehungssinn von 
Winkeln 589. 

Postmortale = supravitale 
Zellen 19. 

Präputialdrüsen 201. 

Präsentationszeit 629, 630, 
631, 634, 635. 

Preßvorriehtung beim Maze- 
rieren 342. 

Probeabendessen nach Boas 
47. 

— nach Bourget 47. 

Probefrühstück nach Boas 
(trockenes) 45. 

— nach Bourget 47. 

— nach Ewald-Boas 44. 

— nach Georges 44. 

— nach Godart-Darhieux 45. 

— nach Inouye und Mugu- 
ruma 48. 

— nach Jaworski und Glu- 
zinski 44. 

— nach Jaworski und Glu- 
zinski (flüssiges) 46. 

— nach Kuyjer (flüssiges) 
46. 

— nach Koettlitz (Hüssiges) 
46. 

— nach Meunier 45. 

— nach Mintz (flüssiges) 46. 

— nach Roux und Labou- 
lais 45. 

— nach De Renzi 44. 

— nach Ritter und Hirsch 
44. 

— nach Robin 44. 

— nach Sahli (Eigelbbouil- 
lon) 47. 

— nach Sahli (jodkalium- 
haltiges) 48. 

— nach Sahli (trockenes) 
45. 

— nach Sahli und Seiler 
(Mehlsuppe) 47. 

— nach Schalij (flüssiges) 
46. 

— nach Schaepfer 48. 

— nach See 45. 

— nach Strauß und Leva 
45. 

— nach Talma (flüssiges) 
46. 

Probekost, milchsäurefreie 
nach Boas 45. 

Probemahlzeiten 44. 

Probemittagessen nach Bour- 
get 47. 


Abderhalden, Haädbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. VIII. 44. 


682 


Probemittagessen nach Kuss- 
maul 46. 

— nach Leube-Riegel 46. 
Proportionalität, graphische 
Darstellung der 613. 

— verkehrte 629f., 654. 
Proteine 58, 62. 
— Verdauungsgrad im Ma- 
geninhalte 78. 
Proteosen 58, 62. 
Protoplasma, basales 205. 
— intergranuläres s. Netz. 
Prüfen auf Reinheit 419. 
Pulskurve 586. 
Purinderivate, Adsorption 
von — durch Tierkohle 
378. 
Purpurschnecke, 
der 372, 374. 
Pyridin 354, 358. 


Extraktion 


Q. 

Quadranten (im rechtwink- 
ligen Koordinatensystem) 
582, 584, 632. 

Quadrate, Methode der klein- 
sten — 645. 


(uercetin, Bestimmung in 
Wein 332. 
R. 

Radium, Einfluß auf die 


Keimung 133. 
— — — das Treiben 160. 
— Kristallisationsbeschleu- 


nigung durch — 357. 
— Reinigung 385. 
Radiumchlorid, Umkristalli- 


sation 353. 

Raffinieren von Rohrzucker 
378. 

Raumachse 584. 

— nach abwärts gelegt'584. 

Reaktionsgeschwindigkeit 
623, 634. 

— Bestimmung der — in 
Zellen 12 ff. 

Reaktionszeit 631, 634, 636. 

Reduktionsmittel als Ent- 
färbungsmittel 384. 

Refraktometer nach Abbe 5. 

— nach Pulfrieh 90. 

— nach Wollny 87. 

Reihe, Gewicht einer — 576, 
600. 

Reihen 665 £. 

Reinigen 324 ff. 

— von Gasen 386 ft. 

Reißnersches Verfahren zur 
Feststellung der Menge 


Register. 


der Gesamtsalzsäure im 
Mageninhalt 63. 
Reize (erregende und läh- 
mende Wirkung)611, 634. 
Reizdauer 586. 
Reizintensität 586, 629. 
Residualluft, Bestimmung der 
536. 


Respirationsapparat, Mikro- 
519 


Restverfahren nach Mathieu 
und Reimond zur Fest- 
stellung der Gesamtmenge 
des Mageninhaltes 52. 

Retortengraphit 376. 

Retrolingual-Drüse 207, 208, 
209, 210. 

Rieinverfahren nach Jacoby- 
Solms zur Pepsinbestim- 
mungim Mageninhalte 75. 

Riechstoffe, Gewinnung von 
324. 

Ritter-Hirschsches Probefrüh- 
stück 44. 

Rhodium, Reaktionen 271. 

Robinsches (Albert) Probe- 
frühstück 44. 

Röntgenstrahlen, Einfluß auf 
die Keimung 139. 

Rossignol-Ventil 438. 

Rotamesser 480. 

Roux-Laboulaissches 
frühstück 45. 

Rubidium, Reaktionen 269. 

— Spektrum 296. 

„Ruhende“ und „tätige“ 
Drüsen 206 ff. 

Ruheperiode 154. 

Rühren (bei Schmelzpunkts- 
bestimmungen) 425. 

Ruthenium-Reaktionen 


Probe- 


273. 


S. 


Sahlische butyrometrische Me- 
thode 55. 
— Eigelbbouillonsuppe 47. 
— Schlundsonde 50. 
Sahlischer Butyrometer 55. 
Sahlisches jodkaliumhaltiges 
Probefrühstück 48 
— Trockenprobefrühstück 45. 
Sahli-Seilersches Mehlsuppen- 
frühstück 47. 
Sahli-Wezrumbasche jodome- 
trische Methode zur Fest- 
stellung der Säureaktivi- 
tät des Magensaftes 67. 
Sahne, refraktometr. Fettbe- 
stimmung in 114. 
Salpetersäure als Lösungs- 
mittel 374. 


Salpetrige Säure, gasförmige 
471. 
Salzsäure, Anwendung nach 
Schalij bei Probekost 46. 
— Defizitim Mageninhalte66. 
— Feststellungderim Magen- 
inhalte an den Amino- 
gruppen gebundenen 66. 
— Feststellung der freien 
(im Mageninhalte) 65. 
— Feststellung der gebun- 
denen (i. Mageninhalte)66. 
— Feststellung der gesamten 
(im Mageninhalte) 62. 
— Nachweis freier (im 
Mageninhalte) 59. 
Sauerstoff, Darstellung 457 
— Löslichkeit im Wasser 479. 
— Reinigung 393. 
Sauerstoffblasen 478. 
Sauerstoffverbrauch von 
Fetten s. Oxydationsge- 
schwindigkeit. 
Säureaktivität des Magenin- 
haltes, Feststellung nach 
Sahli-Wezrumba 67. 
Säurefuchsin-Färbung nach 
Altmann 193. 
— nach Schridde 194. 
Schädlicher Raum der Luft- 
wege, Bestimmung 539. 
Sehalijsches flüssiges Probe- 
frühstück 46. 
Scheidekolben 327. 
Scheidetrichter 326 ff. 
Scheidevorrichtungen 326 ff. 
Schlaepfersche Probekost 48, 
Schleimfänger 78. 
Schleimgehalt des Magenin- 
haltes, Schätzung 78. 
Schleimgranula-Färbung nach 
Langley 195. 
— nach Metzner 196, 204. 
Schleimgranula-Fixierung 
nach Langley 189. 
— nach Metzner 189. 
Schleimzellen im Eileiter des 
Frosches und in den Aus- 
führungsgängen der Spei- 
cheldrüsen von Schlangen 
204. 
Schlundsonden 49. 
Sehlundsonde n. Loening 49. 
— nach Sahli 50. 
Schmelzpunkt v. Fetten 419. 
— Konstanz des 352. 
Schmelzpunktsbestimmung 
419 Mr. 
— bei sehr tiefen Tempera- 
turen 429. 
— bei sehr hohen Tempera- 
turen 428. 


} 
| 


Schmelzpunktbestimmungs- 
apparate 422 ff. 

Schnittdieke 191. 

Schueldersche Extraktions- 
methode 326. 

Sehütteltriehter 326 ff. 

Söeesches (Germain) Probe- 
frühstück 45. 

Seewasser, refrakt. Untersu- 
chung 119. 

Sekretausstoßung aus Zellen 
207. 

Sekretfärbung, s. Knoche. 

Sekretionsreiz der Probemahl- 
zeiten 49. 

Sekretionsvermögend. Magens 
53. 

Selen, granimetrische Bestim- 
mung 297. 

— Reaktionen 275. 

Selbstregistrierung 585, 587, 
626. 

Seltene Elemente, Analyse 
269. 

Seltene Erden, Reaktionen 
231. 

— — Übersicht 280. 

— — Umkristallisation 353. 

Serumgewinnung zur refrakt. 
Untersuchung 97. 

Sicherheitsgasometer 479. 

Sicherheitswaschflaschen für 
Gase 395. 

Siedepunktsbestimmung 
434. 

Siedepunktbestimmungsappa- 
rate 436. 

Siedepunktsregelmäßigkeiten 
435. 

Siedeverzug, Vermeidung von 
437. 

Siemenssche Özonröhre 460. 

Silikatgläser, Erweichungs- 
punkt 432. 

Silizium zur Wasserstoffent- 
wieklung 454. 

Sinterpunkt 420. 

Sjöquistsches Verfahren zur 
Feststellung der Menge 
der Gesamtsalzsäure im 
Mageninhalte 611. 

Sörensensches Formoltitrie- 
rungsverfahren 66, 78. 

Soxhletapparate 346 ft. 

Soxhlethülsen 349. 

Speicheldrüsen der Reptilien 
203. 

Spektra verschiedener Ab- 
sorptionsflüssigkeiten 
2n1. 

Spektraltafel der seltenen 
Elemente 296. 


Register. 


Spermatocyten - Kerngranula 
n. Metzner 199, 200. 
Spermazellen von Fischen, 
Gewinnung und Verar- 

beitung 17. 

Sperrflüssigkeiten beim Ar- 
beiten mit Gasen 479. 

Spezifisches Gewicht und 
Brechungsindex 106. 

Sphärokristalle 203. 

Spirometer, registrierende 
529. 

Sporen (von Bakterien, Pilzen) 
636, 637, 643, 649, 
653. 

Standardierung der Mettschen 
Röhren n. Christiansen 
12. 

— der Örganpräparate zur 
interferometrischen Me- 
thode 569. 

Stärkelösung nach Bersch 68. 

Statistik 596. 

Stauung, Bilder von Sekret- 
stauung 218. 

Sterilkultur 178. 

Stickoxyd 471. 

Stiekoxydul, Absorptionskoef- 
fizient im Blut 555ft. 

— Analyse 552. 

— Darstellung 471. 

Stiekstoff, Darstellung 466. 

Stickstotfoxyd 431. 

Stocksche Vorlage 403. 

Strahlenfilter nach Baar 123. 

Straußsche Einrichtung zur 
Gewinnung des Magen- 
inhaltes 51. 

Strauß-Levasches Fettzwie- 
backfrühstück 45. 

Straußsches Verfahren zur 
Feststellung der Gesamt- 
menge des Mageninhaltes 
53. 

— Verfahren zur Schätzung 
desMilchsäuregehaltes des 
Mageninhaltes 70. 

Streckungswachstum, die 
Methoden der Messung 
231. 

Streuung 601. 

Strömungsgeschwindigkeit, 
Bestimmung der — von 
Gasen 481. 

Strzyzowskisches Jodhämin- 
verfahren zum Blutnach- 
weis 79. 

Sublingual-Drüse des Hünd- 
chens 214. 

Summenfunktion 601. 

Summentafel 600. 

Summenverfahren 600. 


683 
T: 


v. Taborasches Verfahren zur 
quantitativen Bestimmung 
der Azidität saurer Phos- 
phate im Mageninhalte 69. 

Talgdrüsen 201. 

Talmasches flüssige Probe- 
frühstück 46. 

Tanninlaugen, Entfärbung 
von 384. 

Tantal, Reaktionen 286. 

Tee, Anwendung als Probe- 
mahlzeit 44. 

Teilrädchen von Grisebach 
234. 

Teilungsgesetz von Berthelot- 
Nernst 330. 

Teilungskoöffizient 330. 

Tellur, Gravimetrische Be- 
stimmungen 297. 

— Reaktionen 277. 

Temperaturregulierung (für 
Refraktometrie) 86, 93, 
94. 

Terpentin 325, 371. 

Tetrachloräthan als Lösungs- 
mittel 372. 

Tetrachlorkohlenstoff 325, 
327 3L0R U 

Thallium, Reaktionen 270, 

-— Spektrum 296. 

— Trennung von anderen 
Elementen 293. 

Thermometer zur Schmelz- 
punktsbestimmung 433. 

Thermostat 257. 

Thionsäurederivate in Nah- 
rungsmitteln 385. 

Thorium, Reaktionen 285. 

Thymol, Verteilung zwischen 
Wasser und Wein 333. 

Thymuszellen, Verarbeitung 
zu biologischen Versuchen 

1 

Tierkohle 375. 

Tinkturen, _ Bereitung von 
343. 

Tintenanalyse 332, 335, 339. 

Titan, Kolorimetrische Be- 
stimmung 299. 

— Reaktionen 285. 

Titrierungsgrade 62. 

Toluol 358, 373. 

Tonsil 381, 382. 

Tragbares Gasinterferometer 
563. 

Trajektorien 594. 

Tränendrüse, Granula der — 
201. 

Transsudate, refrakt. Unter- 
suchung 102. 


44* 


684 


Treibverfahren 153. 

Trennen auf Grund verschie- 
dener chemischer Affi- 
nität 386. 

— auf Grund verschiedener 
Löslichkeit 324 ff. 

Triehloräthylen 325, 371. 

Troekenmittel für Flüssig- 
keiten 415 fi. 

Trockenprobefrühstück nach 
Boas 45. 

— nach Sahli 45. 

Trockenröhren 401. 

Trockentürme 399. 

Trocknen ätherischer Lösun- 
gen 361. 

— von Gasen 386 ff. 

— von Pflanzenmaterial 167. 

Trocknungsmittel für Gase 
403. 

Tropfmethode 301. 

Trypsin, Adsorption von — 
durch Tierkohle 377. 
Tryptophan, Nachweis im 

Mageninhalte 82. 


02 


Überhitzung bei der Siede- 
punktsbestimmung 437. 

Überlebende Organe, Allge- 
meine Vorschriften für 
Versuche an 19. 

— — Versuche an 19. 

Uffelmannsches Reagens zum 
Milehsäurenachweis 60. 

Uhrzläser nach Kunz-Krause 


355, 356. 
Umkristallisieren 351 #. 
Umwandlungsstufen, Gesetz 

der 353. 


Universal-Extraktionsapparat 
341. 

Uran, Gravimetrische Bestim- 
mung 298. 

— Reaktionen 278. 

Urliste 597. 

Urobilin, Nachweis im Magen- 
inhalte 81. 

U-Röhren 401. 

Ur-x 376. 


W. 


Wachstum 612. 

— Geschwindigkeit 612 bis 
615. 

— — Messung durch die Ge- 
wichtszunahme 616. 


Register. 


Wachstumskurven 613—615. 

Wage, automatische registrie- 
rende 489, 

Wahrscheinlichkeit, a poste- 
riori 579. 

— a priori 580, 581. 

Wahrscheinlichkeitsrechnung 
578. 

Wahrscheinlichster Wert 575. 

Wärmeabsorption, Bestim- 
mung des Schmelzpunktes 
aus der 422. 

Wärmeschutzmantel für Ex- 
traktionsapparate 350. 

Warmwasserbad 159. 

Waschen von Gasen 386 ff. 

Waschflaschen für Gase 39H H. 

Wasser als Lösungsmittel 
366. 

— Anwendung als Probekost 
46. 

— Reindarstellung 354. 

Wasserbestimmung durch De- 
stillation 413. 

Wasserkultur, Die Methoden 
v. Ganong u. Gregoire 
228. 

Wässern der Präparate 186. 

Wasserstoff, Darstellung von 
454. 

— Löslichkeit in 
457. 

— Nachweis von 457. 

— quantitative Bestimmung 
457. 

Wasserstoffionenkonzentra- 
tion 59, 60. 

Wasserstoffsuperoxyd 355. 

— zur Sauerstoffdarstellung 
459. 

Webersche Guajakprobe zum 
Blutnachweis im Magen- 
inbalte 80. 

Wechselpunkte 598. 

Wegkurve 618. 

Wein, Ausschütteln von 
B2H. 

— Entfärbung von 378. 

— Klären von 385. 

Wertepaare 578, 583, 658. 

Will-Varrentrappsche Vorlage 
403. 

Winklers Absorptionsschlange 
397, 402. 

Wolfram, Grayimetrische Be- 
stimmung 299. 

— Reaktionen 288. 

Wurzelwachstum 226. 


Platin 


—— He I—— 


r 


Yttererden, Gemeinsame Re- 
aktionen mit Ceriterden 


281. 


2. 


Zählung mikroskopiseher Ob- 
jekte 576. 

Zeiger am Bogen nach Sachs 
236. - 

Zeitachse 584. 

Zellen, lebende (bei erhaltenem 
Kreislauf), Langleys Me- 
thode an der Kaninchen- 
parotis 210, 211. 

— — Kühne und Lea am 
Kaninchenpankreas 219. 

— überlebende der Sala- 
manderparotis 203. 

— — von Becherzellen 204, 
203. 

— — von Oesophagusdrüsen 
207. 

— — von 
208, 209. 

— — von serösen Drüsen 
211, 214. - 

Zellsaft, indirekte Bestim- 
mung des osmotischen 
Druckes mit kleinsten 
Mengen von Pflanzensaft6. 

Zentralwert 601. 

Zerebrospinalflüssigkeit, re- 
frakt. Untersuchung 104. 

Ziegen, keimfreie Züchtung 
von 312. 

Zirkonium, Gravimetrische 
Bestimmung 299. 

— Reaktionen 283. 

Züchtung erwachsener Tiere 
in keimfreien Lebensbe- 
dingungen 313. 

— keimfreie, Hauptforderun- 
gen derselben 313. 

Zuckerbestimmung, refrakt., 
im Harn 106. 

— in der Milch 115. 

Zuckergemisch, Trennung 344. 

Zuckersäfte, Klären von 385. 

Zufällige Schwankungen, Un- 
terscheidung von gesetz- 
mäßigen 604. 

Zuwachsautograph von Fried- 
rich 251. 

Zwieback, Anwendung als 
Probekost 44. 


Schleimdrüsen 


Druck von Gottlieb Gistel & Cie.. Wien, IIH.. Münzgasse 6. 


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Abderhalden, Emil 


Handbuch der biochemis chen 
Arbeitsmethoden 


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