Skip to main content

Full text of "Handbuch der christlich-kirchlichen Alterthümer, in alphabetischer ordnung, mit steter Beziehung auf das, was davon noch jetzt im christlichen Cultus übrig gelieben ist"

See other formats


Google 


This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project 
to make the world’s books discoverable online. 

It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 
to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 
are our gateways to {he past, representing a wealth of history, culture and knowledge that’s often difficult to discover. 


Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book’s long journey from the 
publisher to a library and finally to you. 


Usage guidelines 
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 


public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to 
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying. 





‘We also ask that you: 


+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individual 
personal, non-commercial purposes. 





and we request that you use these files for 


+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google’s system: If you are conducting research on machine 
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 


+ Maintain attribution The Google “watermark” you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 


+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can’t offer guidance on whether any specific use of 
any specific book is allowed. Please do not assume that a book’s appearance in Google Book Search means it can be used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe. 






About Google Book Search 


Google’s mission is to organize the world’s information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers 
discover the world’s books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web 
alkttp: /7sooks. google. com/] 














Google 


Über dieses Buch 


Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 

Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei — eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 


Nutzungsrichtlinien 


Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 

Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 


+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 


+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 





+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 


+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 





Über Google Buchsuche 


Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|'http: //books .google.comldurchsuchen. 














901 


. Vecelouun E83 


j Sanddbud 
chriſtlich- kirchlichen Alterthumer 
in atphabetifger Ordnung | 


. fieter Beziehung auf das, was davon noch jest im cheiffichen 
Gultus äbrig geblieben iſt. 


Bon 


M. Catl Chriſtian Friedrich Siegel, 


Diaconus und Beſperprediger zu St. Thoma in Leipzig. 


| Bierter Band. 
Monchthum — Ulteibtwasser. 





geipzig, 


Berlag von Ludwig Shumann. 
| 1838, 


Borrede 


Hiermit übergebe ich dem theologifchen Publikum ben letzten 
Theil meines Handbuches der chriſtlich⸗ kirchlichen Alterthämer ıc. 
mit ben verſprochenen mehrfeitigen Kegiſtern. Wenn es an⸗ 
genehm iſt, eine an ſich gewiß muͤhevolle Arbeit beendiget zu 
haben, fo wird dieß Gefähl noch durch die Erfahrung erhöhet, 
daß mein Buch mündlich und fchriftlich eine freundliche Wür- 
digung erfahren hat. Namhafte Theologen nicht nur auf” 
unferer, fonbern auch auf auswärtigen Univerfitäten, haben 
fih beifälig in ihren akademifchen Vorleſungen barüber ers 
Märt, und in dem Gerödorfifchen Repertorium, fo wie in 
ber Jenaiſchen und Hallifchen Literaturzeitung find ſchriftlich 
ähnliche Urtheile darüber gefällt worden. Vorzüglich 
fühle ich mich meinem Herrn Recenſenten in der Halliſchen 
Eiteraturzeitung (f. Hall. Allgem. Litz. No. 33. 20. Aug. 1838.) 
verpflichtet, der mit eben fo viel Sachkenntniß ald Billigkeit 
und Humanität meine Arbeit gewürdigt hat. Ich muß bie 
mir gemachten wenigen Außftellungen als wahr. anerkennen 
und kann nur etwa zu meiner Entfhuldigung anführen, daß 
mir bei meinen anderweitigen Amtögefchäften theild die Zeit, 
theild die Uebung und Gefchicklichkeit zum Gorrigiren abging. 
Uebrigens find während der Zeit, in welcher ich an mei⸗ 
nem Handbuche arbeitete, ſo viele neue Unterſuchungen auf 





V 


dem Gebiete der hriftlich- kirchlichen Archäologie angeſtellt und 
‚ fo viele neue Anfichten eröffnet worden,‘ daß ich leider jetzt 
fhon manchen Artikel, wenigftens 'zum heil, umarbeiten 
könnte. Sch werde mich aber beftreben auch ferner dem Buche 
die möglichfte Brauchbarkeit dadurch zu erhalten, daß ich von 


ZSeit zu Zeit Pleinere Supplemente liefere, welche die nöthigen 


Werbefferungen und Ergänzungen nachtragen., Empfangen Ste 
zum Schluffe, verehrte Freunde und Gönner, nicht nur in 
‚ Reipzig, fondern aud auswärts meinen herzlichen Dank für 
das freundliche Durleihen größerer Werke und Eleinerer Mono⸗ 
graphien, beren ich zu meiner Arbeit bedurfte; es wird mis 
diefe Gefaͤlligkeit ſtets uwergeßlich "bleiben, 

Möge bie gätige Vorſehung, die mir Kraft und Kube 
dauer zu mehrjähriger Arbeit verlieh, auch baburdy fegnend 
über diefem Buche walten, daß «5 in recht Vielen bie Ueber⸗ 
zengung befeflige, wie bie Gründung und Werbefierung ber 
yeiftlichen Kirche zu den boͤchſten weltgeſ chechelichen Wohl⸗ 
thaten gehöre, 

Geſchrieben Leipzig in der isn 1838. 


Der — 


pa» 


Verzeichniß. 


-der in dieſem Banbe enthaltenen Artikel. 


M. 


Mindtyum, allgemeine geſchichtliche Raqhrichten davon.. S8* 

Möndtpum. Rachrichten über das innere Aoſterleben.. 29-108 

Mufik Suflrumentalmufit, .e re ee een. 105-109: 
7 


FIFTIT ee Gottesbienf. Bielien tm ri 
2 ® “ ® L} R- ) " 0 © © 6 (Rüden 110-114 


5, Rarrenfefte, befonders ti tern chri abenblänbis 
a ne 


D. 
Delung, legte. o 0 0 0 0 00100000 0. 119—177 
Drdbaliemn oe 1 ee. . 128-146 
Drbinatimn „ee dere ee. 148-150 
Drgelin in ben Reden ee - 0 0 0 1 0 0 vr eo. 0. 160-165 
Dfiarien .. 2,1 | oe. 0001 en. 166-168 
9. | 
Yalmfonntag, Palmffle - So 00005. 18-173 
Papalſyſten. eo 0. .. 0 00% 174-192 
Yaratolaneın 1 Due Zur ar Ser Zr zer Zr Zr rer Ser Ser Zee 193— 194 
Patriarch. oo Tr ET — Tr HL LT re 0 0 195—200 
Petrus und Paulus. . 0. 8 9 0o—0— 2.2 eo 9 4 201-210 ! 
Pfingſten. 00 . . eo 1 er [00 0 211-218 
Ppilippus unb Salobus ._ 0 0 01 1 0 8 0 0 4 219 —221 
Dresbuten so 0 0 0 0 0 1 Et 1 0 0. 0° 2-29 
Proceſſionen. Pe EEE GE 0004 20-249 
Propheten. . 1 | 0 01 11 011111. 0 250—251 
Q. 


Quabrageſimalfaſten.. 0 0 0 0 0 0 0 0 32256 


ev ı 0 9 oc do ©. 257269 
. 0 0 9 1 vo 0 0 270-289 
. eo 0,0. 290-236 


Reliquien s Verehrung. 
Ritterorden, geiſtliche.. 
Rofenlranp «0. +. 


“ 
% 
° 


vi 


] 


©. 


Sabhatum magnum. . .» . vo... 


Scähreibetunft im chriſtlich⸗kirchlichen Leben, . j j . 
Simon und Iudba vn 0 00 00 00.0 
Binnbilber . . «+ 0 9 8 0 ty a2 08 0. 
Gonntagp 2 0 0 neo oo.» .».0o 000 
Statio, ... .-.. oo 0 oe 2 8 9 tt ı 0.9 
Statiſtiſch-geogradhiſche Neberfidst bes. bri 

ih irblichen + erb Kr A Ira . ai 
Qubbiaconen 0 0 0 1 ee hot oe 1 1.’ . 
Synodalverfaſſung im chriſtlich⸗ kirchlichen Leben.. 
Taufe. . 0 0 00 0 00 8 0 1 8 9 00 
Shbom See en 
Zonfur ...0r 1 8 1 0 0 1 ı 0o 0 0 >» 
Trinitatisfeſt. . eo... .!. ee ee 2 9 oo. 0. 


unterziätsanfgiten im Ariftä,Kräiiäen Eben, . 


Be terunfen . » 


. 060.0. er een oe 
Berlläösgungsfelr - 
Berfiogbene — 


VWallfahrten. u on eo 0. 0. 
Weidwallen >» oo 0 0 0 m eo 0 ee 0 0 0. 


.e 8 eo ve 0 8  —e 


Pr P...... 


1616 





1. 
Moͤnchthum 
in der chriſtlichen Kirche. 


A. 
Geſchichtliche Nachrichten im allgemeinen von dem Urſprunge, 
dem Fortgange und dem Schickſale des Moͤnchthums in ber 
neuern Zeit. 


I. Hohes Altertbum jener Sitte, in der Einfamkeit 
fi) geifllichen Webungen und dem befihaulichen Leben zu 
widmen. 1. Gewoͤhnlich angenommener Anfangspunct 
des Moͤnchthums in der Chriftenheit, und fchnelles Ver⸗ 
breiten deſſelben bis auf Benedict von Nurſia. IU. Ver⸗ 
haͤltniß der Mönche zum Klerus und zum Staate in 
dieſer Zeitperiode, IV. Bon da bid auf die Stiftung 
der Bettelorden. V. Von den eingeführten Bettelorden 
bis auf die Reformation. VE Einfluß der Reformation 
auf das Moͤnchthum in der römifh«Fatholifchen Kirche. 
VI. Entſtehung des Sefuiterordens‘, fein Schidfal waͤh⸗ 
rend der Jahrhunderte Ar Beſtehens. VIIL Möndhs 
thum in der heutigen chriftfichen Welt und Würdigung 
dejlelben nach feinem Einfluffe auf Voͤlkergluͤck. Ä 


Literatur. Monographien. Brunelli sententia de 
sordinib. religiosis in Martöne u. Dürandi Collect. ampliss. veter. 
scripter. Tem. 6. p. 2 segg. — Anonymi, monachi Carthusiensis 
Vallis-Dei, dialog. de diversar. religionum origine et earum tem- 
porib. et legib. Ebendaf, p. 11— 94. — Anonymi liber de diversis 
ordinib., quae zunt in eoclesis,.ex cod. ms. s. Jacobi Leodiensis. 

Siegel Sanbbug IV. _ 1 


— 


| Moͤnchthum. 


Ebendaf. Tom. 9. p. 1027 — 74. — Pk. Calzolsi Hist. monastica, 
Florenz 1561. 4. — Mth. Galeni origines monasticae. Dilingen 
1568. 4. — Rm. Fraguier tract. de religiosis sectis earumque 
auotorib. in Tractatus Tractatuum. Tom. 14. p. 103 seqq. Vened. 
1584. fo. — 5. Ad. Eoniori Stände u. Orden der h. rom. kathol. 
Kirche. Frankf. a. M.1585. 4. — Rdf. Hospinian de monachis h. e. 
de origine et progressu monachatus et ordinum monasticor. equitum- 
que militarium libri sex, Zürich 1588. 1609. fol. Genf 1669. fol. 
Obſchon reih an Polemik, ift das Buch doch eines der brauchbariten. — 
J. Creccelii collectanea de origine et fundatione omnium fere mona- 
sticor. ordinum. Frankf. 1614. 4. -- Jac. Middendorp Originum 
anachoreticarum sylva. Cöln 1615. 8.,— Ant. Miraei Originum 
monasticarum libri 4.; accessit ejusd. auctoris auctarium s. liber 6. 
Cöln 1620. 8. — Proap. Stellartii Aunales monastici s. chronolo- 
gia libris 17. totidemque seculis distineta. Duaci 1627. 4. — 
J. Pt. de Crescenzi Presidio romano, overo della milizia eccle- 
siast. et delle religioni si cavalleresche come claustrali libri 8. 
Piacenza 1648. fol. — Nehr. a Mündelheim Antiquarium monasti- 
cum. Wien 1650. fol. — Fr. Bivarii de vetere monachatu et re- 
gulis monasticis libri 6. Opus in 2 part. distributum cum eonti- 


nuat. Th. Gomez. Lyon 1662. fol. — J. Mabillon de monachor. 


origine, statu et regulis in occidente ante Benedictum in fein. 
Vorr. zu Acta Sanctor, Ord. Bened. Seeul. 1. p. 7 seqq. Paris 
1668. fol. — At. Dad. Alteserra Asceticon s. originum rei mo- 
nast. libri 10. Paris 1674. 4.; rec. notasque adjecit Ch. F. Glück. 
Halle 1782. 8. — Mt. de Ossuna y Rus Memorias y Reouerdos 
de lo sagrado y Real de la Republ. de Dios. Sevilla 1678 — 79. 
2 Bde. 2. — &Adr. Schoonebeek Hist. de la fondat. des ordres re- 
lig. Amst. 1688. 8. 1700. 2 Bde. 8., u. Descript. des ordres 
des femmes et filles reig. Ebendaf. 1700. 8. — Jo. Hildebrand 
de religiosis eorumque variis ordinibus. Helmst. (1701) 1741. 4. — 
Hermant Hist. de lötallissement des ordres religieux etc. Rouen 
(1657) 1710. 4 Bde. 8. — ıPh. Bonani Ordinum religiosorum 


: eatalogus.. Rom. (1706 2eq.) 1714. 3 Bde. 4. — Hipp. Helyot 


Histoire des ordres monastiques. Paris 1714—19. 8 Bde. 4. deutſch 
Zeipz. 1735—56.:8 Bde. 4.5 eine verb. Ausg. begann Frankf. 1830. 
Greg. Rivii (d. i. G. Bkh. Lauterbach) Monastioa histbria occi- 
dentis in 3 tomos divisa, Lpz. 1737. 8. — L. At. Muratori diss. 
de monasterior. erectione et monachor. institutione, in befjen Anti- 
quitatt. ‚Ital. med, aevi Tom. 5. p. 361—492. Mail. 1740. fol., 
u. de monasteriis monakum. Ebendaſ. p. 493—586. — (Muflon) 
pragmat. Gefch. der vornehmſt. Moͤnchsorden a. ihrer eigen. Geſchichts⸗ 
fchreib., in e. deutfchen Auszuge (von 2. Gli. Crome) m. e. Borr. 
von Ch. W. Fr. Wald. Leipz. 1774—84. 10 Bde. 8. — (Ch. F. 
Schwan) Abbildung aller geiftl. u. welt. Orden, nebft ein. kurz. Geld. 
berfel6. von ihrem Urfprunge bis auf unfere Zei. Mannh. 1779— 
94. 46 Heft. 4. — 8. Zu. Weber die Möncherei ober gefhichtl. Dar 
ſtell. der Kloſterwelt. Stuttg. (1819) 1834. 4 Bde, 8. — W. DE: 

ring Gefchichte der vornehmften Mönchsorben. Dresden 1828. 8. — 
Noch andere Schriften. f..bei Walch Biblioth. theol. III. p. 562 seqg., 


Moͤnchthum. 3 


u. in F. P. v. Smitmer's Literatur der geiſil. u. weltlichen, Militais 
u. Ritterorden; 2. Ausg. von Alb. Cp. Kayſer. Amb. 1802. 8. Die 


Schtiften über die Geſchichte der einzelnen Orden find ebenfalls in den 


angefuͤhrten Schriften verzeichnet und in mancher Beziehung noch voll⸗ 
fländiger in Winer's theol. Literat. 8. Ausg. 

Allgemeinere Werke. Die Geſchichte des Moͤnchslebens 
behandeln alle Kirchenhiſtoriker der aͤltern und neuern Zeit, doch vers 
dienen befonders Tillemont, Schrödy, Schmidt, Neander und Hafe 
beroorgehoben zu werben. — Bon den kichl. archaͤolog. Schriftfielern 
gehören hierher: Bingh. Tom. 3. das ganze 7. Bud. — Schöne 
2b. 1. p. 275 f. u. Th. 3. p. 118 fe — Auguſti Bd. 11. p. 65 ff. 
u. 41 ff. — Binterim Bd. 3. Th. 2. p. 419 ff. 

I gobes Alterthum jener Sitte fi in der Ein 
ſamkeit geiftlliben Uebungen und dem befdhauli- 
hen Leben zu widmen. — Lange fchon vor dem Beginn 
des Chriftenthums hatte befonders im Driente dee Dang zur Einfam: 


kit und zum befchaulichen Reben Statt gefunden, In Argypten, Aſſy⸗ 


tin, Perfien und Indien eriftirten früh Afceten, Einfiedler und Moͤn⸗ 
he. Auch in den Mofterien der Griechen finden ſich nicht undeutlich 
Spuren moͤnchsartiger Bußuͤbungen, fowie uns in der Lehre des 
Pythagoras, was namentlich den äußern Kultus betrifft, eine auffallende 
Aehnlichkeit mit den Sitten und Gebräuchen chriftliher Moͤnche entge⸗ 
gentritt. Das lange Stillſchweigen, die hoͤchſt einfachen Genüffe, bie 
borgefhriebene Kleidung, bie firengen Selbfiprüfungen geben davon. ein 
unverwerfliches Zeugniß. — Noch mehr aber als die genannten Ders 
bindungen nimmt unfre ganze Aufmerkfamteit eine Gemeinfhaft der 
Juden in Anſpruch, welche ſich deutlich genug als eine vorchriſtliche 
Moͤnchsgeſellſchaft ankuͤndigt, wir meinen die Eſſaͤer oder Eijjener. 
Nach den wahrſcheinlichſten Vermuthungen bildete ſich zuerſt diefe Ges 
ſellſchaft, als die graufamen Verfolgungen des Antiohus Epiphanes 
viele Juden zwangen, fih in Einoͤden, gleihfam in ein Freiwilliges 
Eril, zu begeben. Schon bieß iſt vorzuͤglich bemerkenswerth, da das 
erfte chriſtliche Anachoretenleben auf ähnliche Art entftand. Dort in 
der Wüfte zwiſchen Judaͤa und Aegypten bildete ſich nämlich eine Secte 
gottesfürchtiger Menfchen, voelhe auch in ruhigen Zeiten nicht zurüds 
kehren mochten in die Gemeinſchaft mit andern, fondern In einer Art 
von Klöftern fich vereinigten und däfelbft alles in Gemeinfchaft befaßen. 
Sie hatten ihre Probejahr, ihre gemeinfhaftlihen Mahlzeiten, ihre 
gleihförmige Kleidung und legten auf das oͤfters wiederholte Gebet einen 
hoͤhern Werth, als andere Weltkinder. Entſagten auch nicht alle ber 
Ehe, fo galt es doch fir verdienftlih, auch bier eine ſtrenge Enthalt: 
famkeit zu üben. Wenn wir endlich noch des furchtbaren Eides geden- 
fen, durch welchen fich jeder bei der Aufnahme zu firenger Beobach⸗ 
tung ber Gefege verpflihten mußte, fo merden wir uns des Gedan⸗ 
kens nicht erwehren koͤnnen, daß es moͤnchartige Inſtitute fchon vor 
Cheiſto gegeben habe. — Merkwuͤrdig find auch die Therapeuten, des 
un ſchon Philo und Joſephus Erwähnung thun. Am See Moͤris 
unweit Alexandrien wohnend, hielten fie ſich, wie die ſpaͤtern Anacho⸗ 
teten in ihren Cellen (osureloıs, uovaoznoloıs) eingeſchloſſen, wo fie 
ſich auch mit Gebet und mit Betrachtung göttlicher Dinge beichäftigten. 


a 


Handbuſch 
chriſtlich- kirchlichen Alterthumer 
in alphabetiſcher Ordnung | 


mit 


>. gu Begiehung auf dad, was Davon noch jetzt im chriſtlichen 


Eultus übrig geblieben iſt. 


Bon 


M. Carl Chriſtian Friebrich Siege, 


Diasonus und VBefperprebiger zu St. homä& in Leipzig. 


| Bierter Band. 
Möonchthum — Weihwasser. 





Leipzig, 
Berlag von Ludwig Schumann. 
| 1838, 





6 Woͤnchthum. 


Urheber der eigentlichen Kloͤſter, der Cönobien. (von xowös Ploc), ober 
Monafterien anzuftpen fe. Sind naͤmlich die Gellen in einem Ge: 
bäude vereinigt, fo heißt diefes Cönobium oder Monafterium. Beſte⸗ 
ben dagegen die Wohnungen der unter gemeinfchaftlicher Aufficht ſte⸗ 
benden Moͤnche in einzelnen Gellen oder Hütten, fo bilden fie zufams 
men eine Laura. — Nach den Nachrichten, die fich in der angeblich 
von einem gleichzeitigen Mönche gefchriebenen Lebensgeſchichte des Pas 
chomius finden, muß man ihn freilich als den Stifter von Monafterien 
betrachten. Die Nachrichten Hingegen, die Sozomenus giebt, laſſen 
eher an Lauern denken. Jedoch mußten fih die meiften Lauern bald 
in Monafterien umwandeln. Erſtere erfchwerten dem Vorfteher die Auf: - 
fiht, fie beraubten die Mönche. mancher Bequemlichkeiten und ſchuͤtz⸗ 
ten weniger gegen Gefahren. Daß bdiefe afcetifche Lebensweiſe übrigens 
nicht blos bei dem männlichen, fondern zugleich bei dem weiblichen 
Geſchlechte Eingang fand, war natuͤrlich. Die Anzahl der Jungfrauen, 
die fi) dem ehelofen Stande widmeten, war fhon vor diefer Lebensart 
fehe groß. Wenn nun mehrere derfelben ſich vereinigten, um beiſam⸗ 
men zu leben, gemeinfchaftlid zu arbeiten, zu beten u. f. w., wenn 
die jüngern’ fich der Fuͤhrung der Altern überließen, fo mußte fi) bars 
aus dad Nonnenmefen von felbft hervorbilden.. In Aegppten fcheint 
dieß bereits fehr früh yefchehen zu fein. Wenigſtens finden ſich bort 
Sungfrauenhäufer, die nur auf diefe Art entftanden feyn konnten, — 
zu einer Zeit, wo man noch von feinen männlihen Monafterien wußte. 
Schon Antonius gab, als er fein Einfiedlerleben antreten wollte, feine 
Schweſter in ein, folches Haus. (Athanas. vit. Ant.), — Bon Pas 
chomius wird erzählt, daß er ein meibliches und ein männliches Kloſter 
neben einander errichtet habe, jedoch um alle Gefahr zu vermeiden, das 
eine dieſſeits, das andere jenfeits des Nils. Das Dafeyn diefer Kids 
fter ift nicht zw leugnen; wohl aber der Umftand zu bezweifeln, daß fie 
Pachomlus felbft errichtet hatte. Wie beträchtlich die Anzahl der aͤgyp⸗ 
tifhen Mönche müffe gewefen fen, erfieht man 3. B. ſchon daraus, 
daß Pachomius allein Über 7000 die Aufficht führte. Aus Aegypten 
flammen auch die Namen Nonni und Nonnae, mwodurd Reine, Hei⸗ 
lige bezeichnet werden ſollen. Hier fcheint audy der Drt zu feyn, um 
die verfchiedenen Benennungen zu erwähnen,. mit denen man biejenis 
gen bezeichnete, die ſich einer folchen Lebensart ‚wibmeten. Den Aus: 
druck Afceten haben wir bereits erklärt. ' Zwiſchen Anachoreten und 
"Eremiten macht man gewöhnlich folgenden Unterfchied: Unter den er: 
ſtern verfteht man ‚diejenigen, welche fih in die Einſamkeit zurüdziehen, 
ohne gerade ihre Wohnung in den Einöder aufzufchlagen; unter Eremiten 
aber diejenigen, melde in einfamen, verödeten Gegenden in einzelnen 
Gellen oder auch Höhlen wohnten. Der fo oft vorfommende Ausdruck 
Coenobitae ift offenbar aus dem. griechifchen xoıwöc Plog entftanden und 
wird gebraucht ſowohl wegen bes Zufammenlebens an einem Drte, ale 
wegen der communio bonorum und der gemeinfchaftlihen Regel, nad 
welcher ſich alle richteten. Movaxol, feltener uovatovres, werben alle 
in der Stille und Einſamkeit Lebende genannt, nicht blos diejenigen, 
. melde in Eindden und Wuͤſten wohnen, fondern aud) diejenigen, wel: 
che in der Geſellſchaft ferbft fi) abfondern und fih in Umgang und 
Lebensart iſoliten. Ein altes Gloffar erklärt govayds buch 6 udrw 





! 


Moͤnchthum. 7 


Löv Io. Seit dem 8. und 4. Jahrhundet wurde biefes Wort ber 
vorherrſchende Name für die Coͤnobiten um das Deutſche Moͤnch iſt 
offenbar daraus entſtanden. 

War nun einmal das Moͤnchsleben in Aegopten eingeleitet, fo 
verbreitete es ſich bald nach Paldftina, wein es frühzeitig ein gewiſſer 
Hilarion brachte, ein Schüler des Antonius, beffen Lebensgeſchichte 
Hieronymus befchrieben hat. (Hieronym. vit, Hilarion. — Sozomen. 
hist. eecles. Ill. 14.) — Durch ihn vurde Paläflina und Syrien 
bald eben fo reih an Mönchen, wie Aegypten. Bald nah ihm trug 
Hieronymus, ber fo lange als Mönch ba Bethlehem lebte, nicht we⸗ 
nig bei, um auch hier das Mönchswehn empor zu bringen. Auch 
in Armenien und Xethiopien fand es ba Eingang. Es läßt ſich den⸗ 
ten, daß biefe nach und nad) entflandenn zahlreichen Kloͤſter eine ges 
wiſſe Samilienähnlichleit an fih tragen, ba fie alle ihren Urfprung von 
jenen erften Stiftern des Moͤnhthums herleiten. Aber an eine bins 
dende Regel war noch nicht zu denken. Alles war Herkommen unb 
Obſervanz, und wurde nady der Verfchiedenheit des Klima und nad 
befonders gefühlten Beduͤrfniſſen vielfach abgeändert. Der jebesmalige 
Vater oder Vorficher des Klofles (Hyoduervos, aßpüs, Abt, bei den 
Griechen Archimandrit, von Manira, Klofter) war auf jeden Fall das 
lebendige Geſetzbuch. So viele Kiöfter, giebt Caffian ſelbſt zu, fo 
viele Regeln. | 

Hier muß auch noch eines ehzelnen Mannes gebacht werden, mel: 
Her im Morgenlande ungemein michtig auf das Mönchsleben einwirkte, 
es iſt Baſilius der Heilige oder Goße, welcher daher mit dem Ehrens 
titel eined Patriarchen der griechifchen Kirche prangt. Im Jahre 529 
zu Caͤſarea geboren, widmete er frh früh den Wiſſenſchaften, und 


zeichnete fi bald durch die vielfeiige Bildung feines Geiſtes aus. 


Eine Reife, die er durch Speien, Patäftina und Aegypten unternahm, 
verbunden mit den Vorftellungen feiner frommen Schwefter, Makrina, 
erwete in ihm bald eine heftige Schnfucht, dem Beifpiele ſchwaͤr⸗ 
merifcher Afceten nacjzueifern. In einer Eindde von Pontus fammelte 


fih bald eine Moͤnchsgemeinde um ihn. Uber fein reger Geiſt konnte 


fi) auch hier nicht der wiſſenſchaftlichen Befchäftigungen entichlagen ; 
daher verdankt die Kirche feiner Blöfterlihen Mufe eine Anzahl Schrif⸗ 
ten, die zwar vorzüglich fi mit Empfehlung des einfamen, befchauli: 
hen Lebens befchäftigen, aber doch, im Lichte jener Zeit betrachtet, hoͤchſt 
ehtenwerthe Gefinnungen ausfprechen und ein nicht unrühmliches Zeug: 
niß von feinem Nachdenken ablegen. Man fchreibt ihm eine doppelte 
Mönchsregel zu, welche er 361 gefchrieben haben foll und worin er den 
Verſuch machte, das Moͤnchsleben nad gefeglihen Beſtimmungen zu 
ordnen... Diefe Regel war, wenn fie anders nicht aus einer ſpaͤtern 
Zeit herrührte, wie Diele behaupten wollen, im Ganzen genommen 
nod wenig ſtreng und man findet in ihr die drei feierlichen Kloſterge⸗ 
lübde nicht, welche für immer und unauflöslic banden. Daher auch) 
den Abtruͤnnigen die Rüdkehr in die Welt keineswegs verfagt war, 
Auch als Bafilius im Jahre 370 den bifhäflihen Stuhl zu Cäfarea 
beſtieg, fo feßte er, trotz aller Kämpfe, in welche ihn Meletianiſche 


und Arianifche Streitigkeiten verwidelten, feinen Eifer für Verbreitung . | 
des Moͤnchthums for. Nicht nur bis zu feinem Tode (379) fah er. 


I 


—— 





8 — Monchthum. 
unzählige Kloͤſter entſtehen und mit andaͤchtigen Schwaͤrmern ſich füllen, 
ſondern die Kirche, namentlich bie griechiſche, hat fein Andenken hoch 
geſtellt und felert jaͤhrlich des Feſt feines Namens. — Jene Regel des 
Baſilius iſt bis auf dieſen Tag die Grundlage aller Kloſtervorſchriften 
‚in der griechiſchen Kirche, ud alle Mönche verehren in ihm ihren Pas 
tischen, Dennoch kann ma ihn nicht einen Ordensſtifter nennen, 
benn die griechifche Kirche unterfcheidet fih weſentlich von der abend⸗ 
laͤndiſchen auch dadurch, daß ihr Moͤnchsinſtitut nie duch bie Stiftung 
verſchiedener Orden zu einem fo viellöpfigen und daher auch vielfinniz 
gen Ungeheuer erwachfen tft, wie im Abendlande. Darin fcheint auch 
‚der Grund zu liegen, dag die Mönche der griedifhen Kirche faſt ohne 
Unterbrehung bis auf die nereſten Zeiter im einer Verehrung flehen, 
deren ſich die abendländifchen ſchon länzft niche mehr rühmen können. 
So kann einer dort eine geifilihe Stelb bekleiden, der nicht früher das 
Moͤnchsgeluͤbde abgelegt hat. Daher läßt fich auch die Geſchichte des grie⸗ 
chiſchen Moͤnchthums in wenig Worte faſen. Nicht ohne heftige Kämpfe, 
"welche e6 gegen die Arlaner und gegen diele griechifche Kaifer durchzufech⸗ 
ten hatte, konnte das Klofterthum ſich Fine Eriftenz und fein Anfehen im 
Driente erftreiten, doch nur um nachher fich defto fefter und unerfchüts. 
terlicher zu begründen. Kinftweilen ehielt die Negel des Baſilius Zu⸗ 
füge, wie die Verhältniffe fie zu verungen ſchienen, namentlich bie drei 
feierlichen Gelübde.. Sie ward in Rußland nachher eben, fo allgemein 
angenommen, als früher in den Lärdern bes Orients, und wird noch 
jest in den verfchiedenen Klöftern nich firengern oder mildern Grunds 
fügen beobachtet. Im 4. und in sen folgenden Jahrhunderten wan⸗ 
berten griechifhe Mönche nad alien und andern Gegenden des 
Abendlandes und errichteten ‚dort Klöfter, in denen des Bafilius Regel 
beobachtet wurde, wo jedoch viele dem fpäter maͤchtig emporfirebenden 
Venedictinerorden anheim fielen. So viel mußten wir, vorgreifend der 
Beit, hier flüchtig vom Bafılius und dem Moͤnchthume der griechifchen 
Kirche berühren, um nun ausfchließend unfer Auge nad) dem Abends 
lande zu werfen, wo fi das Mönchewefen ganz andere ausbildete. 
Gehen wir nun auf das Abendland über. Dorthin mochten früh 
[don einzelne Mönche gekommen ſeyn, um bie neue Lebenswelfe zu 
empfehlen. Allein das zauhere Klima mar hier dem Leben im Freien 
eben fo wenig günftig, als die Denkungsart der Meiftenz; und. bie 
fhwärmerifche Begeiſterung, melche immer bazu erfordert ward, ſolche 
Pflichten zu übernehmen und folhe Opfer zu bringen, mußten hier erft 
duch kuͤnſtliche Mittel erzwungen werden. Druͤckte doch hier fogar als 
fonderbared Widerfpiel ben Einfiedler- und Moͤnchsſtand noch eine ges 
wiſſe Berachtung, welche die neuen Sonderlinge wegen ihrer rauhen 
und anflößigen Außenfelte traf. Daher finden fi wohl bier und da 
- Einfiedler, aber zeritreut und in kleiner Zahl. Erſt der Ruf eines aus⸗ 
gezeichneten Kirchenlehrers und das Beifpiel eines berühmten Eremiten 
Eonnte dem Moͤnchsleben felbft Eingang verfhaffen. Athanafius näms 
lich, Biſchof zu Alerandrien, kam im Jahre 340 in Begleitung eini⸗ 
ger aͤgyptiſchen Moͤnche, unter welchen fid der berühmte Amon befand, 
nah Rom, und wußte bald durch feine hinreißende Beredſamkeit we⸗ 
nigftens einige Gemüther für Beobachtung eines Höfterlichen Lebens 
ju gewinnen. Was Achanafius begonnen, wurde dann mit nicht ges 


u Moͤnchthum. 1) 
eiugem Gifee vom Ambroſius und Hieronymus fortgefegt, und es bils 
beten fich fon gegen da6 Ende bes 4. Jahrhunderts zahlreiche Kloͤſter. 
In Sallien war ed Martin, Bilhof von Tours, welder das beruͤhmte 
Kloſter Marmontier (magaum monasterium), bie ältefle Abtei Frank 
reichs, fliftete. Bei feinem Tode foll man dort [hon gegen 2000 Mon; 
che gezählt haben. — Ein noch glüdlicherer Verſuch wurde in dems 
felben Lande 405 von Eaffian, welcher das Klofterleben von der Quelle 
ber kannte, gemacht, demſelben Eingang zu verſchaffen. Der Abtei 
des heiligen Victor, welche er zu Marſeille gruͤndete, ſoll er ſelbſt als 
Abt vorgeſtanden habın. in beſonderes Verdienſt erwarb er ſich aber 
bucch feine Bücher über, das Kloſterweſen, namentlich durch ſeine inatituta 
. eoenobiorum. in ſofern darin ſchon eine Veranlaſſung gegeben war, 
bie Mönche zweckmaͤßig und. nach beflimmter Vorfchrift zu beſchaͤftigen, 
bildeten fie die Grundlage der ſpaͤtern Benedictinerregel. Auch in ans 
dem Teilen des Abendlandes hatte um diefe Zeit das Moͤnchsleben 
fehr überhand genommen. 

Wirft man nun einen Btid auf diefe Erfheinung zurüd und fragt 
fih, wie ein Snftitue der Art im Chriftentyume, dem baflelbe, wie ' 
wir fhon gezeigte haben, gar nicht natürlich ift, fi) dennoch ausbilden 
tonnte; fo muß man mehrere wirkende Urſachen anführen. Daruͤber 
bat ſich Gibbon in Teinem bekannten Werke meitläuftig erklärt. Wie 
wollen nur die wichtigften ‚ bierher gehörigen Gründe namhaft machen, 
Bor allen Dingen gehört hierher 

1) die oben fchon erwähnte Aoxnoıs. Durch fie hatte fi früh 
in bie reine Chriſtuslehre manche gnoftifche und neuplatonifche dee von 
der Berdienftlichleit der Ertödung gemifcht, wodurch jene abenteuerliche 
Froͤmmigkeit entftand, die bald eine gemeine und böbere Zus 
gend unterfchied und für letzter Nahrung in einem befchaulichen, ein» 
famen Leben, verbunden mit Enthaltſamkelt und Selbftpeinigung, zu 
finden hoffte. 

2) Bei dem Entſtehen biefer Lebensart im Oriente iſt auch der 
klimatiſche Einfluß nicht zu uͤberſehen, fo wie die feurige Phantafie der 
Morgenländer, die, wenn fie mil geroiffen firen Ideen in Berbindung 
trat, immer Staunenerregendes und Abenteuerliches erzeugte. 

3) Das Moͤnchthum mußte aber recht eigentlich gefoͤrdert werden, 
als ſelbſt Männer, wie Eufebius, Athanaſius, Hieronymus, Ehryſoſto⸗ 
mus und Auguſtinus ſeit ber "Mitte des A. Jahrhunderts daſſelbe nicht 
genug ruͤhmen konnten, und duch Wort und Schrift es laut verkuͤn⸗ 
digten,, daß man im ſtrengen Afcetenleben ein Worbild des volllommes 
nen Chriftenthums finde. Nun fonnte es nicht anders kommen, eine 
fo nachdruͤckliche, ſcheinbar volgültige Empfehlung mußte das Klofter> 
eben gleihfam buch das Anfehen der Kirche autorifiren und ed unter 
den unmittelbaren Schug der Bifchöfe ſtellen. Nun galten die Kofler 
anflalten wenigftens in der Meinung der Meiften für Anſtalten ber 
Kirche, in welhen man chriſtliche Moral practifh lernen koͤnne; num - 
fonnten diefe Anftalten, feibft mit mehr Nachdruck, eine Verfaffung ent» 
werfen, da fie im Falle des Widerſpruchs auf das Urtheil hochverehrter 
Kirchenvaͤter fi berufen durften. Und bdiefe Berufung mußte um fo 
mehr Gewicht haben, da viele diefer Lehrer nicht blos felbft früher dad . 
Kioflerleben ‚geführt hatten, fondern fogae feine Uebungen auf bem 





4 — Moͤnchthum. 


Sie erſcheinen uns als eine Geſellſchaft von Religioſen, unter denen 
wieder eine große Verwandtſchaft mit den Pythagoraͤern Statt findet. — 
Ein Vorbild dieſer Sitte lag demnach dem Chriſtenthume ziemlich nahe, 
obgleich uͤbrigens jenes einſame beſchauliche Leben dem Geiſte deſſelben 
voͤllig fremd iſt. Die Gotteslehre Jeſu treibt vielmehr den Menſchen 
an, in aͤußerer Thaͤtigkeit und im Verkehre mit der Welt eine wuͤrdige 
Lebensaufgabe zu loͤſen. Welche Mühe man ſich daher auch gegeben 
hat, exegetiſch nachzuweiſen, daß die Zuruͤckgezogenheit von der Welt 
in dieſem Sinne von Jeſu und den Apoſteln geboten worden ſei; ſo 
iſt doch dieſe Bemuͤhung immer vergebens geweſen. Ja das Beiſpiel 
von beiden ſteht in dem groͤßten Widerſpruche mit dieſer Lebensart. 
Die erſten Anfaͤnge davon beginnen gleichzeitig mit der eigenthuͤmlichen 
Anſicht von einer hoͤhern, vollkommenern und von einer gewoͤhnlichen, 
gemeinen Tugend. Dieſe Idee wurde ebenfalls dem Chriſtenthume auf⸗ 
gedrungen und ruͤhrte her von ben verſchiedenen philoſophiſchen Schulen 
und Secten, beſonders der platoniſchen und pythagoraͤiſchen, von denen 
einzelne Glieder zum Chriſtenthume uͤbertraten. Zu dem Eigenthuͤm⸗ 
lichen, das fie mit zum Chtiſtenthume heruͤberbrachten, gehörte auch 
die Goxnaıg oder die vermeintlich höhere Tugend, wovon fie Afceten 
heißen. Jener Ausdrud mar entlehnt von den Anftrengungen in ben 
Kampfipielen und von den Uebungen, bie dazu erfordert wurden. Die 
Philoſophen bezogen das Wort auf eigenthümliche Uebungen in der 
Sittenlegre. Afceten waren demnah anfangs eine Art dyriftli- 
her Philofophen, weldhe fih durh Entfagung und 
durch Beobahtung einer firengen Lebensart. aus- 
zeihneren. Manche gnoftifdie und neuplatonifhe Idee von der 

erdienfttichkeit ber Ertödung des Fleiſches mifchte fih nun in die reine 
Chriſtuslehre. Wie das Sonderbarfte immer Nachahmung findet, fo war 
ed auch .bier der Kal. Menfchen aus allen Ständen, Altern und Ge⸗ 
. fhlechtern fingen an bie Lebensart jener frühern Zöglinge heidniſch⸗ 
phflofophifcher Schulen nahzuahmen, und man nannte fie mit dem 
allgemeinen Namen XAfceten, in wiefern fie entweder allein oder in 
Geſellſchaft mit Steichgefinnten befondere Uebungen ber Froͤmmigkeit 
duch Faften, Beten, Wahen, Kafteien u. f. w. anfteliten. Diefe 
Boxnoıs war .anfänglih nur noch als exercitium pietatis bei einzelnen 
Menfhen und bei einzelnen Familien gewöhnlich, ohne daß man des⸗ 
"Halb aus det Geſellſchaft der Menſchen floh. So fah felbft Augufti- 
nus nod zu feiner Zeit Afceten in Rom und Mailand, welche unter 
der Leitung eines, Presbpters ohne allen dußern Zwang in einem Haufe 
beifammen lebten, fi von ihrer Hände Arbeit nährten und häufig 
fafteten. Doc, fcheint diefe Sitte bald wieder verfhwunden zu feyn. — 
Mehe nahm nun im Morgenfande die Gewohnheit uͤberhand, fich 
gänzlih von der menſchlichen Geſellſchaft zu trennen, und in der Wüfte 
und in den Gebirgen fich einem befchaulihen Leben zu twidmen. Es 
laͤßt fih nicht genau ausmitteln, ob an diefer Sitte mehr bie bereits 
bis zum Abenteuerlihen ausgebildete Goxmoıg oder ber Drud ber Vers 
folgungen Antheil hatte. Vielleicht wirkte beides vereint, nur daß fich 
von der Wirkſamkeit des Iegtern Grundes wirklich gefchichtliche Beiſpiele 
anführen laſſen. Die Menge biefer Afceten muß ſchon im 3. Jahr⸗ 
hunderte fehr groß geweſen ſeyn, nur baß wir von wenigen bie Namen 


Monchthum. | 23 


" . I 
ein Jaht dafuͤr feflgefent) einer Prüfung unterworfen, ob er auch alles 
erfüllen könne, was die Megel verlangte. Beharrte der Novize bei bie 
fem Borfage, fo durfte er öffentlich fein feierliched Geluͤbdde (rotum 
solenne) ablegen, durch welches er fich fell und unmiderrufli am. Die 
Geſellſchaft und an ihre Geſetze band. ° - 

b) Diefes Gelübde enthielt ein breifaches Verſprechen. Er ge: 
fobte nämlih im Klofter zu bleiben (Stabilitas loci); alem Kigen- 
thume zu entfagen, fo wie unverbrüdlihe Keufchheit zu beobadıten 
(conversio morum), und unbedingten Gehorfam gegen die Obern zu 
bemeifen. Niemand wird das Wohlberechnete biefes dreifachen Ver⸗ 
fprechens überfehen können. ' 

c) Die Verfaffung mar rein mohardhifh zu nennen. Sollte 
gleich der Abt nicht umfonft den Namen Vater (Abbas) führen, fon: 
dern nach dem ausdrüdlichen Verlangen der Regel feinen Untergebenen 
mit einiger Liebe zugethan fepn, fo war ihm doch "auch volle Gewatt 
gegeben, richt blos überall dasjenige zu wählen, was er für das Beſte 
bielt, fondern auch mit der Strenge des Geſetzes gegen diejenigeif zu 
verfahren, melde dawider gefehlt baten. An ben ewigen Richter wird 
er erinnert, dem er einft Rechenſchaft zu geben babe, im Kiofter aber 
war er Niemandem verantwortlich, weder dem Prior oder Propſt (prae- 
positus), weldyer nad) ihm die hoͤchſte Wuͤrde bekletdete, nach den Des 
canen, welche in groͤßern Klöftern eine kleinere Anzahl Mönche beaufs 
ſichtigten. 

d) Die Beobachtung ber canoniſchen Stunden wurden zum Ge⸗ 
feg erhoben und oͤfteres Gebet empfohlen. (Schon Gaffian hatte bie 
gemeinſchaftlichen Andachtsübungen in den Klöftern an gewiſſe Tages⸗ 
zeiten gebunden und eine engherzige Deutung ber Worte des Pfalmiften 
(Pf. 119— 164): „Ich lobe did Herr des Tages fiebenmal,” hatte 
fieben canonifhe Stunden am geeignetfien dazu gehalten, bie matnti- 
na, prima, tertie, sexta, nona, officium, vesperarum und das 
Completorium, fo genannt, weil mit demfelben ber auf einen Tag zu 
verrichtende Gottesdienſt beicylofjen wird. «Der wahrfheinlid fpdtere 
Name: „canonifhe Stunden,” rührt daher, weil alle Kloſterleute ver: 
bunden find, dieſelben nach einer gewifien Regel (canon) zu halten, 
wozu bie fogenannten officia divina nähere Anweifungen geben), Außer: 
dem follten fie ihre Zeit theilen zwifchen Handarbeiten und Lefen der 
heiligen Schrift. Denn nur dann, erklärt Benedict, feid Ihe wahre - 
Mönche, weyn ihe von eurer Hände Arbeit lebt. i 

e) Die Vorfchriften wegen des Eſſens, Trinkens und Kleidens 
athmen einen gewiſſen Geift der Mitde, der die Bebürfniffe der menfch- 
lichen Natur wohl beruͤckſichtigt. Auch nicht einmal auf gleichfoͤrmige 
Kleidung drang man, fondern auf eine: Kleidung, die dem Klima nnd 
dem Bedürfniffe angemeffen war. Kür gewöhnlich empfahl er die Kav 
puge, einen Rod und das Schulterkleid ohne Aermel, welches man 
damals als am bequemiten zur Arbeit wählte, fpäter aber in zwei 
Streifen verwandelte, melde von ber Schulter herab Bruſt und Rüden 
bededten‘, fo, daß es in eine unnüge Ziertath ausartete, 

f) Noch verdient die Sitteniehre feiner Regel gerühmt zu mer 
ben, indem fie eine hoͤchſt ehrenvolle Ausnahme von den Korberungen 
der gewöhnlichen Moͤnchsmoral macht und namentlich auf die fonft fo 


6 Moͤnchthum. 


Urheber der eigentlichen Kloͤſter, der Coͤnobien (von xowög Aloc), ober 
Monaſterien anzuſthen fe. Sind naͤmlich die Cellen in einem Ges 
bäude vereinigt, fo heißt dieſes Cönobium oder Monafterium. Beſte⸗ 
ben dagegen die Wohnungen der unter gemeinfchaftlicher Aufficht fies 
benden Mönche in einzelnen Gellen oder Hütten, fo bilden fie zufams 
men eine Laura. — Nah den Nadırichten, die fi) in der angeblich 
von einem gleichzeitigen Mönche gefchriebenen Lebensgeſchichte des Pas 
chomius finden, muß man ihn freilich als den Stifter von Monafterien 
betrachten. Die Nachrichten Hingegen, die ‚Sozomenus giebt, laffen 
eher an Lauern denken. Jedoch mußten fi die meiften Lauern bald 
in Monafterten umwandeln. Erftere erfchwerten dem Vorſteher die Aufs 
fiht, fie beraubten die Moͤnche mancher Bequemlichkeiten und ſchuͤtz⸗ 
ten weniger gegen Gefahren. Daß diefe afcetifche Lebensweiſe übrigens 
nicht blos bei dem männlichen, fondern zugleih bei dem weiblichen 
Geſchlechte Eingang fand, war natuͤrlich. Die Anzahl der Jungfrauen, 
die ſich dem ehelofen Stande widmeten, war fchon vor diefer Lebensart 
fehr groß. Wenn nun mehrere derfelben fich vereinigten, um beifams 
men zu leben, gemeinfchaftlih zu arbeiten, zu beten u. |. w., wenn 
die jüngern’ fi der Führung der aͤltern überließen, fo mußte ſich bars 
aus das Monnenmefen von felbft hervorbilden. In Aegypten ſcheint 
dieß bereit ſehr früh yefchehen zu fein. Wenigſtens finden ſich dort 
Sungfrauenhäufer, die nur auf diefe Art entftanden feyn konnten, — 
zu einer Zeit, wo man noch von feinen männlichen Monafterten wußte. 
Schon Antonius gab, als er fein Einfiedlerleben antreten wollte, feine 
Schweſter in ein, folches Haus. (Athanas. vit. Ant.), — Bon Pas 
homius wird erzählt, daß er ein weibliches und ein maͤnnliches Kloſter 
neben einander errichtet babe, jedoch um alle Gefahr zu vermeiden, das 
eine dieſſeits, das andere jenfeits des Nils. Das Daſeyn diefer Kids 
fter ift nicht zu leugnen; wohl aber ber Umftand zu bezweifeln, daß fie 
Pachomlus feldft errichtet hatte. Wie beträchtlich die Anzahl der aͤgyp⸗ 
tifhen Mönche muͤſſe gewefen fepn, erfieht man 3. B. ſchon daraus, 
daB Pachomius allein über 7000 die Aufficht führte. Aus Aegypten 
flammen auch die Namen Nonni und Nonnae, wodurch Reine, Dei: 
lige bezeichnet werden follen. . Hier fcheint auch ber Ort zu feyn, um 
die verfchiedenen Benennungen zu erwähnen,. mit denen man diejeni⸗ 
gen bezeichnete, die ſich einer folchen Lebensart wibmeten. Den Aus 
druck Afceten haben wir bereits erklaͤrt. Zwiſchen Anachoreten und 
»Eremiten macht man gewoͤhnlich folgenden Unterfchied: Unter den ers 
flern verfteht man diejenigen, welche fih in die Einfamkeit zurüdziehen, 
ohne gerade ihre Wohnung in den Einoͤden aufzufchlagen; unter Eremiten 
aber diejenigen, welche in einfamen, verödeten Gegenden in einzelnen 
Gellen oder auch Höhlen wohnten. Der fo oft vorfommende Ausdruck 
Coenobitae ift offenbar aus dem. griechifchen xoıwöc Plog entftanden und ” 
wird gebraucht fowohl wegen des Zuſammenlebens an einem Drte, als 
wegen der communio bonorum und der gemeinfhaftlichen Regel, nad) 
welcher fich alle richteten. Movaxol, feltener uovalovres, werden alle 
in ber Stille und Einſamkeit Lebende genannt, nicht blos diejenigen, 
. welde in Eindden und Wuͤſten wohnen, fondern auch diejenigen, wel⸗ 
che in der Sefelifchaft fetbft fi abfondern und fih in Umgang und 
Lebensart iſoliren. Ein altes Gloffar erklaͤrt uovayds duch 6 udrw 


Möndhthum = 5 


land ber Fall war. mit Weiffenburg, Reichenau, Pruͤnn, St. Emmeran, 
in England: Bancer und St. Aldan. Nicht bios die Beguͤnſtigung 
deö päpitlichen Stuhls von Gregors Zeit an macht allein die ſchnelle 
Verbreitung des Ordens erflärlih, fondern mehr nach der Umfland, daß 
man ſich ihrer als Slaubensboten dorthin bediente, wohin das Chris 
ſtenthum bis jegt noch nicht gebrungen war. Und im Sinme wahrer 
Miſſionaͤre brachten fie mit der neuen Lehre den rohen Bölkern ein 
gefittere® Leben. Da kam es ihnen trefflich zu Statten, daß ihre Res 
gel ihnen Handarbeiten zur Pflicht machte; denn ohne Macheiferung 
‚ konnte es nicht bleiben, wenn duch die Xhätigkeit der Mönche. in 
mwüften Gegenden, wie durch Zauberfchlag, die bluͤhendſten, uͤppigſten 
Zluren hervorgerufen wurben und an ber Stelle ärmlicher Hätten fefte, 
fihere Wohnungen fi, erheben. Ja ganze Städte verdankten Kloſter⸗ 
fliftungen ihre Einrichtungen, wie Eichitäde, Friglar, Fulda. Deutſch⸗ 
land, welches vor allen andern Ländern die fegensteichen Folgen diefer 
Bemühungen empfand, hat in ber Kultur des Bodens und in den 
Anfängen der Gefittung damals Niefenfchritte getan. Und biefe Wohl⸗ 
thaten wurden um fo höher angefchlagen, je weniger man nod) empfin⸗ 
ben Eonnte, daß auf diefem Wege den Völkern ein Chriſtenthum auf: 
gedrungen wurde, welches von der urſpruͤnglichen Lehre nur hoͤchſt 
unvolltommene Spuren an fid trug. In diefer Zeit iſt es, wo man 
die Benebictiner Wohlthäter der Menfchbeit nennen darf, zumal da fih 
au in ihren innern Einrichtungen ruͤhmliche Veränderungen gebildet 
hatten. - Schon Benedicts Regel erlaubte das Lefen erbaulicher Schrif: 
ten, und dieſe Erlaubniß wurde bald fo meit ausgebehnt, daß man, 
ttog des heftigen Widerſpruchs einiger Kirchenlehrer, bald wiſſenſchaft⸗ 
lihe Uebungen vornahm, und daß felbft heidniſche Schriftiteller bier und 
da in den Kloͤſtern ihre Freunde und Verehter fanden. Gaffander, ber 
Zeitgenoſſe Benedicts, war darin nicht vergeblich mit einem glänzenden 
Beifpiele vorangegangen. Der Fleiß der Mönche erhielt nun in Abfcheifs 
ten, welche bald zu Bibliothefen anwuchſen, einen großen Theil ber 
altctaffifchen Literatur, welche fonft für uns unmibderbringlich verloren 
war. Diefe VBefchäftigungen des Abfchreibens Lonnten nicht immer 
medanifch bleiben, und das Licht, welches die alten Claſſiker ausſtreu⸗ 
ten, mußte die Köpfe erleuchten und neue Gedanken hervorloden. So 
wurden die Klöfter die einzigen Zufluchtsorte und die wahren Werkitäts 
ten der Gelehrſamkeit. Dazu kam, daß man für diejenigen Kinder, 
weiche im zarten Alter dem Kloſter dargeboten wurden, eine Art Unters 
richtsanſtalten errichten mußte, ‚welche alimählig in foͤrmliche Klofters 
ſchulen übergingen, an deren Bildung auch ſolche Theil nahmen, wel⸗ 
che ſich nicht zum Kiofterleben beflimmt hatten. Aus folhen Sitzen 
der Gelehrſamkeit wählte man nun am liebften die Dieneg der Kirche, 
die höhern Geifllihen, feibft Biſchoͤfe. Daher es audy immer allge 
meiner ward, daB Mönche die Priefterweihbe annahmen, unb fo gab 
ed bald keinen Mönch mehr, ber nicht auch als Mitglied des Klerus 
hätte betrachtet werben ‚müffen. So wuchs mit der Zeit bie Achtung 
gegen biefen Orden, fo wie der Reichtum beffelden immer ‚mehr. 
Allein dieß war auch die -Klippe, an welcher der Ruhm und die frühere 
wohlthätige Wirkſamkeit jenes Moͤnchsvereins fcheiterte. Daß bald von 
einer gewifienhaften Beobachtung ber Regel nicht mehr bie Rebe feyn 








8 Monchthum. 
unzählige Kloͤſter entſtehen und mit andaͤchtigen Schwaͤrmern ſich fuͤllen, 
ſondern die Kirche, namentlich die griechiſche, hat ſein Andenken body 
geſtellt und feiert jaͤhrlich des Feſt feines Namens. — Jene Regel des 
Baſilius iſt bis auf dieſen Tag die Grundlage aller Kloſtervorſchriften 
‚in der griechiſchen Kirche, ınd alle Mönche verehten in ihm ihren Pas 
triarchen. Dennoh kann mann ihn nicht einen Ordensſtifter nennen, 
benn die griechifche Kirche uaterfcheidet ſich welentlih von der cbends 
laͤndiſchen auch dadurch, daß ihe Moͤnchsinſtitut nie durch bie Stiftung 
verſchiedener Orden zu einem fo viellöpfigen und daher auch vielfinni= 
gen Ungeheuer erwachſen tft, wie im Abendlande. Darin ſcheint auch 
‚der Grund zu liegen, daß die Mönche der griechiſchen Kirche faſt ohne 
Unterbrechung bis auf die nereften Zeiter in einer Verehrung flehen, 
deren fich bie abenbländifchen ſchon länzft nicht mehr rühmen können. 
So kann feiner dort eine geifiliche Stele bekleiden, der nicht früher das 
Moͤnchsgeluͤbde abgelegt hat. Daher laͤß ſich auch die Gefchichte des grie⸗ 
chiſchen Mönchthums in wenig Worte faſen. Nicht ohne heftige Kämpfe, 
welche e8 gegen die Arianer und gegen diele griechifche Kaifer durchzufech⸗ 
ten hatte, konnte bas Kiofterthum ſich Fine Eriftenz und fein Anfehen im 
Oriente erftreiten, doch nur um nachhr ſich defto fefter und unerſchuͤt⸗ 
terlicher zu begründen. Einftweilen ehielt die Regel des Baſilius Zu⸗ 
füge, wie die Verhältniffe fie zu verangen ſchienen, namentlich die drei 
feierlichen Gelübde.. Sie ward In Rußland nachher eben, fo allgemein 
angenommen, als früher in den Lärdern des Orients, und wird noch 
jest in ben verfchiedenen Klöftern nıch firengern oder mildern Grund⸗ 
fügen beobachte. Am 4. und in Jen folgenden Sahrhunderten wan⸗ 
berten griechiihe Mönche nad alien und andern Gegenden des 
Abendlandes umd errichteten ‚dort Klöfter, in denen des Bafilius Regel 
beobachtet wurde, wo jedoch viele dem fpäter Mächtig- emporfirebenden 
Wenedictinerorden anheim fielen. So viel. mußten wir, vorgreifend ber 
Zeit, hier flüchtig vom Bafilius und dem Moͤnchthume der griechifchen 
Kiche berühren, um nun ausfchließend unfer Auge nad dem Abenb> 
lande zu werfen, wo fi) das Moͤnchsweſen ganz anders ausbildete. 
Gehen wir nun auf das Abendland über. Dorthin mochten früh 
ſchon einzelne Mönche gekommen feyn, um bie neue Lebensweife zu 
empfehlen. Allein da& saubere Klima mar hier dem Leben im Freien 
. eben fo wenig günftig, als die Denkungsart ber Meiftenz; und. bie 
ſchwaͤrmeriſche Begeifterung , melche immer dazu erfordert ward, folche 
Pflichten zu übernehmen und folhe Opfer zu bringen, mußten bier erft 
durch kuͤnſtliche Mittel erzwungen werden. Drüdte doch bier fogar als 
fonderbares Widerfpiel den Einſiedler- und Moͤnchsſtand noch eine ges 
wiſſe Beratung, welche die neuen Sonberlinge wegen ihrer rauhen 
und anflößigen Außenfeite traf. Daher finden ſich wohl hier und da 
Einſiedler, aber zertreut und in einer Zahl, Erſt der Ruf eines aus: 
gezeichneten Kirccheniehrers und das Beifpiel eines berühmten Eremiten 
Eonnte dem Moͤnchsleben felbft Eingang verfchaffen. Athanafius naͤm⸗ 
lich, Biſchof zu Alerandrien, kam im Sahre 340 in Begleitung eini⸗ 
ger aͤgyptiſchen Mönche, unter welchen fich der berühmte Amon befand, 
nah Rom, und wußte bald durch feine hinreißende Beredſamkeit wes 
nigſtens einige Gemüther für Beobachtung eines Llöfterlichen Lebens 
zu gewinnen, Was Achanafius begonnen, wurde dann mit nicht ges 


Mönchthum. 17 


zu machen. Daher fchwand, ben Abenbmahlskelch ausgenommen, nun 


alles Gold und Gilber felbft von ben zum heiligen Gebraudy be: 
ſtimmten Gegenftänden, und Holz und Eifen traten überall an bie 
Stelle der edein Metalle. Auch in finnlichen Genüffen follte fich dieſe 
Strenge offenbaren, was aber bald diefer Stiftung den Todesſtoß vers 
fegt hätte, wenn nicht der heilige Bernhard (geb. 1091) fih an fie 
angefchloffen und gleichfam ber zweite Stifter des Ciſtercienſerordens 
geworden wäre. Diefer Orden hatte in feiner Bluͤthe hber 2000 Kids 
ſter und 1 143 gab Alphons von Portugal fein ganzes Reih dem Or 
ben in Zehn. 


5)-Prämonftratenferorben. Morbert, ein Deutfcher, dee nachher - 


Biſchof von Magdeburg murde, wollte die an vielen Orten fintenbe 
Kofterzucht der regulicten Chorherrn (vom welchen bald befonders die 
Rede feyn wird) wieder herftellen, indem er zu Premontre in Chams 
pagne im Fahre 1120 einen neuen Orden derſelben fliftete, weicher, 


da er durch fein ernfihaftes Leben und Sitten berühmt wurde, und ſich 


auf nuͤtzliche Künfte und Wiſſenſchaften legte, fi) unvermuthet in einem 
großen Theile von Europa aushreitete und in Eurzer Zeit unglaubliche 
Reichthuͤmer erlangte, jedoch‘ auch fpäter eben dadurch von feinem früs 


bern Anfehen herabſank. Diefer Orden machte von den zeither ermähns ' 
ten eine Ausnahme, daß er nicht der Megel Benediets, fondern Augu⸗ 


flins folgte. 

Andere, minder berühmte, Mönchövereine in dieſem Zeitraume 
übergehen wir hier, da fie anderwärts ſchicklicher Erwähnung finden. 

Wir Lehren, nachdem wir die mwichtigften Reformen des ditern, 
ausgearteten Benebictinerordens beachtet haben, zu ihm zuruͤck, und be 
merken über‘ die weitere Gefchichte deſſelben Kolgendes: 

Trotz aller ber genannten Reformen blieb doch ein alter Stamm 
bee Benedictiner, wozu man entweder alle die rechnen darf, die gar 
tefne Reform angenommen haben, oder zur Gongregation von Clugny 
ſich zählen. Die erftern haben ſich ganz im Geifte der alten Stiftung 
nicht durch einen engen Verband gegenfeltig zufammengehalten, noch 
fi) einer gemeinfhaftlihen Regierung unterworfen, fondern jede Abtei 
behauptet für fi eine gewiſſe Unabhängigkeit. Wenn bei ben erwaͤhn⸗ 
tn Reformen die Benedictiner gleihfam in dep Hintergrund . traten, 
fo feinen fie auch felbft das Streben nach Hffentlicher Volksgunſt auf: 
gegeben zu haben. Beati pessidentes dachten fie unb lebten daher fo, 
baß das. geiftliche Leben völlig unterging in dem weltlichen. Die bald 
zu erwähnende Einführung der Lalenbrüder hatte nächft dem verführeris 
hen Mammon den hauptſaͤchlichſten Antheil an diefer Entartung ; 
denn die Mönche, welche in ihnen ihre Diener fahen, fanden es gar 
zu reizend die Derren zu fpielen. Aber von einer Seite zeigten ſich 
die alten Benebictiner längere Zeit noch al& nicht ganz Kberflüffig, wir 
meinen durch den voifienfchaftlichen Geift, welcher nicht fo ſchnell unter 
ihnen ſchwand, und felbft mit dem freiern Weltteben ſich vertrug. Nur 
Schade, daß dieſes Verdienſt nicht die Volksbildung berührte, für die 
der Benebictiner ſelbſt abfichtlicdh "Leinen Sinn hatte. Selbft ihre Klo⸗ 
ſterſchulen, wo man früher die Bildung. des Volks berüdfichtigte, wur: 


den zu vornehm fürs Volk und flanden von nun an nus dem Klerus . 


und dem Adel offen. Bis zu einer außerorbentlichen Höhe mochte bie 
Siezel Handbuch IV. 2 


* 


110. Monchthum. 


Biſchofſtuhle, fo viel es ſich mit ihrem Amte vertrug, fortſezten. Was 
auch nur ein einzelner Mann hier vermochte, haben wir oben bei Ba⸗ 
ſilius geſehen. Hierzu kam 


4) noch das in jenen Jahrhunderten, wo ſich das Moͤnchsleben 
zu bilden anfing, hertſchende Sittenverderben und die mehrfach geſtoͤr⸗ 
te bürgerlihe Ruhe und Sicherheit. Wie das Bewußtſeyn großer 
Schuld, fo trieb wohl auch viele beffere Menfchen die Wahrnehmung 
von großen Verbrechen und Greueln in dem gewöhnlichen öffentlichen 
Reben in die Einſamkeit. Selbſt die Unficherheit des Beſitzes trug wohl 
dazu bei, Lieber freimillig zu opfern, was man doch nicht zu behaupten 
‘hoffte und ſich damit ein friedliches Aſyt zu verfchaffen. Aus Ddiefen 
und ähnlichen Urfachen läßt ſich die fhnelle Verbreitung des Moͤnch⸗ 
thums im Driente und Decidente erklären. | 


Aber auch ſchon gegen das Ende unfrer Periode zeigten ſich ſchaͤd⸗ 
Tihe Ausartungen des Moͤnchthums in Beziehung auf Sitten und 
Schmärmere. Das freie ungebundene Leben hatte wohl manchen ge= 
lockt, auc ohne ein religiöfes Beduͤrfniß das Einfiedlerleben zu ergreis 
fen. Uber bald überdrüffig des einförmigen Daſeyns, zogen fir, zwar 
in Eremitengeftale, in der That aber als Abenteurer durch Stadt und 
Land, und droheten duch ihr Thun und Treiben der hohen Verehrung, 
welche man bisher dem Einfiedlerleben zollte, einen empfindlichen Stoß 
beizubringen. Sie hießen Sarabaiten, auch Gprovagen und wurden 
fhon früh von den andern als unaͤchte Söhne der Wuͤſte angefehen. 
Die daraus fih bildenden Schwärmereien find hinlängli durch Die 
fogenannten Säulenpeiligen, die Styliten, die Akumeten oder Ruhe: 
loſen, auch Studiten u. a. hinlänglid bekannt. Es bedurfte- alfo das 
Moͤnchthum einer Reform, wie fie ihr durch den zu erwähnenden Be: 
nedict von Nurfia zu Theil ward. 


IT) Verhältniß der Mönde 3um Rlerus und 
zum Staate in dbiefem Zeitraume. — Utiprünglich betrach⸗ 
tete man die Mönche als Laien. Daher kommt es auch, daß z. B. 
die Synode zu Chalcedon die nämlichen Verbrechen bei Klerikern blos 
mit der Abfegung, bei Mönchen dagegen und bei andern Raien mit. der 
Ercommunication befttaft. Indeſſen war es fchon fehr früh gewoͤhn⸗ 
ih, daß Manche, die ſich dem geiftlichen. Stande beftimmten, zuvor 
in den Moͤnchsſtand traten, und Athanafius Eonnte daher eine Reihe 
von Bifchöfen bernennen, welche vordem Möndye geweſen waren. So 
kam es daher bald dahin,. dag man die Moͤnchsinſtitute als Semina= 
rien fle den Klerus betrachtete. Schon Eiricius ermahnte in feinem 
erſten Decretale, daß man Mönche von geprüften Sitten zu Klerikern 
erhöbe. Und Kaifer Arcabius verordnete bald nachher im Jahre 398 
das Naͤmliche. Daß mande eiftige Verehrer des afcetifchen Lebene 
diefe Beförderung der Mönche in den Klerus nicht gern fahen, — bie 
war natuürlich. Cassian. de institut. Coenob, X. 17. — Die 
Ubgelegenheit der Meonafterien erforderte es meift, daß in denſel⸗ 
ben eigene Geiſtliche angeftellt wurden. Ausnahmen fanden aller 
dinge State; indeſſen fpricht doch die Synode von Chalcedon von 
ben Geiftlihen ber Synode fo, daß mon fließen. kann, die mei: 
ſten derſelben ſeien damals mit folchen verfehen gewefen. Anfangs 


4 


Monqhthum. ty 


indem fie fogar bie Abtswuͤrde für fi und ihre Werwandten in Ans 
ſpruch nahmen. Lauter und lauter erhoben daher die Mönche ihre 
Klagen gegen bie Biſchoͤfe, bis es einzelnen Kiöftern gelang, ſich ihres 
Einfluffes gänzlih zu entfchlagen und fi dem Schuge der Päpfte uns 
mittelbar zu unterwerfen. - Solche Ktöfler hießen befreite (monasteria 
exemta). Die Eremtiönen wurden immer häufiger, da es den Päpften 
eben fo willtommen war, die Mönche, als die getreueflen Diener ihrer 
Macht, zunaͤchſt an ihren Stuhl zu knuͤpfen, als es den Mönchen 
wuͤnſchenswerth erfchien, fi) von einer nahen laͤſtigen Aufficyt zu bes 
freiem. Diefe Befrelungen aber führten ein größeres Uebel herbei, als 
dee Druck dee Biſchoͤfe je hätte bewirken koͤnnen; denn bie Schlaffheit 
und Willkuͤhr artete in eine grenzenlofe Zügellofigkeit aus. Daß von 
einer gewiffenhaften Beobachtung der Regel und namentlich der Gelübbe 
nicht mehr die Rede feyn konnte, liegt am Tage, und bie Aebte ſelbſt 
gaben durdy Einmifchung in Welthändel und durch Argerliches Weltle⸗ 
ben das verderblichfte Beifpie. — ine andere in diefem Zeitraume 
eigenthuͤmliche Erfcheinung find J 

b) die fogenannten Laienäbte. Schön im 8. Jahr 
hunderte hatten es einzelne Große des fränkifhen Reichs gewagt, ſich 
mit bewaffneter Hand in Beſitz von Kloͤſtern zu ſetzen und einen Theil 
ihrer Einkünfte ſich zuzueignen. Die Unruhen bes 9, Jahrhunderts 
waren folhen Gewaltſtreichen noch günftiger und bebrängte Fuͤrſten 
fahen darin gar ein willlommenes Mittel bie Verdienſte ihrer Großen 
auf die wohlfeilfte Art zu belohnen. Sie emipfahlen nämlich vorneh⸗ 
men Laien den Schuß der Klöfter (daher Gommenden), was aber nichts 
anderes hieß, als fie gaben ihnen die Erlaubniß mit den Kloflergütern 
nah Belieben zu fchalten und zu walten. So entſtanden Laienähte, 
Mfeindenäbte (abbates commendatarii), auch Grafenäbte (abbacpmi- 
tes) genannt. Das Kofler St. Denys zählte als folhe in ununter⸗ 
brochener Kolge König Karl den Kahlen, Robert, Herzog von Frank 
reich und Hugo Gapet. Zwar wurde biefe Würde nicht erblich, und es 
folten die Laienäbte das Beſte der Klöfter und der Mönche immer im 
Auge behalten, aber fo viel iſt gewiß® daß bie weltlihen Führer noch 
weniger geeignet warem, bem Sittehverberben in den Kloflermauern Eins 
halt zu thun. Diefe bis in das 10. Sahrhundert fortdauernde Eins 
sihtung war in mehr als einer Hinſicht verderblich für das Moͤnchs⸗ 
leben, und verdrängte hier und da felbfl noch die legten Spuren der 
alten Moͤnchezucht. Eine noch einflußreichere Erſcheinung faͤllt in 
biefen Zeitraum, “ 

c) nämlich das Entfichen ber fogenannten Canonicorum, Mes 
ben dem eigentlich fogenannten Klerus hatte ſich, wie wir zeither fahen, 
das Moͤnchthum eine hohe Achtung verfchafft, und felbft dadurch, daß 
die Mönche Kleriker wurden, hatte ihr Anfehen nicht verloren. Die 
Kleriker wollten nun Mönche werden und hofften dadurch ebenfalls zu 
gewinnen. Etwas Aechnliches . hatte fhon zu Zeiten Auguftin’s beftans 
ben, der als Bifchof zu Hippo alle die Kleriker, die zu feiner Kirche 
gehörten, veranlaßte, mit ihm in gemeinfhaftliher Wohnung ein afces 
tiſches Leben zu führen, allein, was auch die Auguſtiner⸗Chorherrn 
dagegen fagen, es ifl gewiß, daß wenigſtens nicht lange nach feinem , 
Tode die Verbindung fich aufloͤſte. — Chrodegang, Sao zu Die, 


· 


12 | Moͤnchthum. 


Aeltern ſie nicht abhalten, auch deshalb ſie nicht ganz enterben, ſondern 
ihnen wenigſtens den vierten Theil ihres Eigenthums hinterlaſſen ſollen. 

IV) Ausbildung und Schickſale des Möndız 
tbums von Benedict von Ylurfia bis auf die Stifs 


* 


. tung der Bettelorden. — Der Plan’ dieſes Handbuchs ers 
laubt es nicht, audy nur eine gedrängte Geſchichte des Moͤnchthums zu 


liefern, fondern wir müflen ung nur mit den Dauptdaten und mit den 
hierher gehörigen einflußreichften‘ Veränderungen begnügen. Wir haben 
es ſchon angedtutet, dab am Schluſſe der vorigen von uns feflgefegten 
Periode das Moͤnchsweſen tief in Verfall gerathen war. Die zahlrei⸗ 
hen Haufen der Mönche ſchwaͤrmten müßig umher, ergaben ſich dem 
Wohlleben, flifteten Unruhen u: f. w. Darum erwarb fih ein Mann, 
der dieß alle® veränderte, große Verdienſte. Auf ihn müffen wir alfo, 
in dem von uns feftgefegten Zeitraume, zunaͤchſt unſre Aufmerkfamteit 
richten. Es ift 

Benedict von Vurſia, geb. 450. Gregor ber Große, 
einer der waͤrmſten Verehrer Benedictd, bat uns bie Alteften Nachrichs 
tem uͤber die Lebensgeſchichte deffelben hinterlaffen, Nachrichten, bie er 
aus dem Munde einiger Schüler Benedicts empfangen zu haben ver: 
fihert. Leider find auch diefe Nachrichten ſchon dergeſtalt mit Wunders 
fagen durchflochten, daß es oft ſchwer ift, bis auf die zu Grunde lies 
gende Begebenheit völlig durchzublicken. Benedict war von feinen Ael⸗ 
tern beftimmt, fih den Wiffenfhaften zu widmen, und hielt ſich des⸗ 


halb einige Zeit zu Rom auf. Allein noch zu rechter Zeit erblidte der 


Knabe — um mit Gregor zu reden, — den Abgrund, vor welchem 
er ftand und entfagte, den Wiffenfchaften, um ſich dem afcetifchen Les 
ben zu weiben. Cr entwich, begleitet von feiner ehemaligen Amme, 
und machte auch ſchon den Anfang Wunder zu thun. Die Amme 
hatte naͤmlich auf der Reife ein Gefäß geborgt und duch Zufall zers _ 
brochen, er ſtellte daffelbe aber fogleich unverfehrt herr — Seldſt die 
Geſellſchaft der Amme war ihm ftdrend und er verließ auch diefe und 
fuchte eine einfame Gegend. Ein römifcher Mönch fand ihn bier, hörte 
und billigte fein Vorhaben, und brachte ihm feitdem an geriffen Tagen 
das Brod, das er ſich felbft abgebarbt hatte. Da uns jedoch hier niche 
fowohl des Mannes Lebensgefchichte intereffirt, fondern mehr ‚bie von 
ihm herruͤhrende Mönchsregel, fo übergehen wir mehrere Lebensumftände 
deſſelben und bemerken nur noch, daß er fih, durch einen neidifchen 
Priefter verfolgt, nach Campanien zurüd;og, wo er auf dem Monte 
Caſſino ein Klofter erbaute und dafelbft bis an fein Ende 545 die Würde 
eines Mbtes bekleidete und den Ruf großer Deiligkeit fi erwarb, Dieß 
würde jedoch für bie damalige Zeit nur etwas gewoͤhnliches geweſen ſeyn, 
wenn nicht die Regel, die er feinem Klofter gab, feinen. Namen im 
Abendlande unvergeplich gemacht hätte. Wir faflen diefe etwas genauer 
ins Auge‘, weil fie das Gefegbuch wurde, dem ſich bald alle abendlän: 
difhe Mönche in fpäterer Zeit unterwarfen. Man datirt fie gewöhnlich) 
vom Sabre 515 her und fie hatte im Vergleich mit andern ſchon bes 
fiehenden Regeln , folgende Eigenthuͤmlichkeiten: 

a) Es follte dadurch die Aufnahme in bie Kloftergemeinfchaft 
erſchwert werden. Nun reichte der ausgefprochene Wille des Ankoͤmm⸗ 
lings nicht mehr aus, fondern er mußte fich eine Zeitlang (bald wurde 


€ - ® 


, — —. Moͤnchthum. | 21 


fie auch Bekehrte (Conversi), weil fie ſich zur Führung eines beffern 
Lebens dem Kofler angeboten. Die Mönche fanden dadurch Muße zu 
gelehrten Beſchaͤftigungen, oder zum bequemern Leben, und die Wohl 
babenheit der Kiöfter mußte fih durch den Gewinn rüftiger und gelern= 


ter Arbeiter außerordentlich vergrößern. Aber es war zugleich Veran: . 


laffung gegeben zu innerm Zwiſt und Uneinigkeit. Der Uebermuth der 
Mönche erlaubte fich ungebührlihen Drud gegen bie Laienbrüder, und 
Diefe, welche durch ihre Sefchäfte In häufigerm Verkehre mit der Außens 
welt flanden, brachten durch Rohheit und Sittenlofigkeit dem Inſtitute 
Leine Ehre, welchem fie angehörten. Merfwürdig iſt es, daß die Val 
Lombrofer Mönche, die fich einer befondern Strenge rühmen durften, 
die neue Einrichtung der Laienbrüder befonders veranlaßten. 

V) Don der Stiftung der Bettelorden bis auf 
die Reformation. — Der menfchliche Geift ſchien fih ‚zu Ans 
fange ber eben bezeichneten Zeitperiobe erfhöpft zu haben, das befhaus 
liche Leben durch neue unechörte Uebungen zu, heiligen. Denn alle bie 
Reformen des weitverzweigten Benedictinerordens mußten fih im Ber: 
- faufe ber Zeit als unwirkſam erweifen und die Moͤnche und Nonnen durch 
ihren Abfall von ber Regel gar bald ben wundervollen Zauber ſelbſt 
zerftören, dur welchen die Laien flr das Kiofterleben begeiftert wor⸗ 
den. waren. Und dennoch gelang es einer an und für ſich hoͤchſt eine 
fahen Mafregel, dem Klofterleben neue und außerordentliche Beguͤnſti⸗ 
gung zuzuwenden, und ihm dem fchon faſt verfcherzten Einfluß wenig- 
ſtens auf 200 Jahre fefler als je zu begründen. Wer hätte es dem 
Einfalle eines Schwaͤrmers, das Gelübde der Armuth in ein Gelübbe 
des Bettelns umzumandeln, angefehen, daß bucch ihn die Klöfter einen 
neuen Glanz erhalten folften? Zwar dürfen wir nicht in Abrede ſtellen, 
daß hierzu mehr als eine Urfache mitwirkte, aber gewiß iſt es doch, 
daß ber neue Auffchwung des Klofterlebens mit und durch die Einfüh: 
rung der Bettelorden beginnt und im biefer Beziehung ganz neue Er⸗ 
ſcheinungen veranlaßt. | 

Johann Bernardone, weicher 1182 zu Affifi, einer Stadt in Spo⸗ 
leto, ‚geboren "ward, widmete fi) dem Stande feines Waters, eines 
Kaufmannes, und brachte von Frankreich, wohin es in Handelsgeſchaͤf⸗ 
ten eine Reife unternommen hatte, eine fo geläufige Kenntniß der fran⸗ 
zoͤfiſchen Sprache, vielleicht auch fo leichte franzöfifche Sitten mit, daß 
er bald in feiner Vaterftadt unter dem Namen ber Franzoſe, Francis- 
cus, bekannter war, als unter feinem eigenen. Auch iſt Sranz oder - 
Franciscus von Aſſiſi fpäter fein biftorifcher Name geblieben. In fei: 
ner Jugend fchien er blos darauf bedacht, das Vermögen feines Vaters 
in einem wüften und audfchweifenden Leben zu verfchwenben, wobei 
aber zugleich eine unbefonnene Fteigebigkeit einen Hauptzug feines 
Charakters bildete; ein Umſtand, weicher die. plögliche Ummanbdlung, 
die mit ihm vorging, einigermaßen zu erklären vermag... In einem 
Parteikriege feiner Baterftadt, in welchem er in Gefangenfchaft gerteth, 
änderte er plöslich feinen Sinn und wurde nun in eben dem Grade 
veligiöfer Schwärmer, mie er zuvor ben Freuden der Welt nachgegans 
gen war. Cine Wallfahrt nah Rom vollendete feine Schwärmerei, 
Noch hatte fein aufgeregter Geifl Beinen feſten Punct gefunden. Nur 
als er 1208. bei einee Meſſe das Verbot Jeſu an feine Jünger verlefen 








4 Moͤnchthum. 


hoch geprieſenen Kaſteiungen des Körpers Eelnen Werth legt. Nur, 
daß. er durch ein Geſetz gleichſam die Sitte heiligte, Kinder dem Kloſter 
barzubringen (oblati), hat man bei aller Billigkeit der Beurtheilung dem 
Benedict mit Recht verargen müffen, obgleich er wahrfcheinlich die Fol⸗ 
gen bes unfeligen Gebrauchs nicht berechnen Fonnte. 

Laͤßt fih nun auch nicht die Regel Benedicts, wie einige Kicchens 
verfammlungen thaten, eine. heilige nennen und in ihr eine befondere 
Eingebung des heiligen Geiftes finden, fo iſt doch fo viel unverkennbar, 
daß, wenn einmal Moͤnchsinſtitute ſeyn follten, von einem Mönde 
nicht füglicy zweckmaͤßigere Geſetze ertheilt werden konnten. Dadurch 
wurden die Mönche an eine fireng gleichförmige, harte, jedoch nicht 
überfpannte Lebensweife gewöhnt. Sie wurden dadurch auf ihr Klofter 
beſchraͤnkt und verpflichtet, ihre Nebenftunden (die nicht dem Beten 
u. ſ. f. beſtimmt waren) der Handarbeit, dem Studiren, dem Uns 
terrichte der Sugend zu widmen. So hörten die Mönche auf, dem 
gemeinen Weſen laͤſtig zu fern; ja fie fingen an, bemfelben nuͤtzlich 
zu werben. 

Defienungeachtet würde man ſich fehr irren, wenn man eine ſchnelle 
Verbreitung biefer Regel annehmen wollte. Das ganze Abendland 
halte damals vom Geröfe der Waffen und von dem Gefchrei ber 
Gewaltthaͤtigkeiten wieder, Zeitumſtaͤnde, bie dergleichen. Einrichtungen 
nicht günftig find. Auch wurde von einer Seite her, wo man es am 
wenigſten hätte vermutben follen, eine Menge Kloͤſter im Abendlande 
errichtet; nämlid, von Irland her. Dort hatte fih das. Chriftenthum 
nicht nur mit veißender Schnelligkeit verbreitet, fondern es war auch 
hier ein reger Miffionseifer thaͤig. Columbanus war der berühnmitefte 
dieſer iriſchen Miffiondre. Nachdem er mehrere Kiöfter in Frankreich 
errichtet und feinem Schüler Gallus (St. Gallen) unter gleicher Ber 


ſchaͤftigung am Bodenſee gelaffen hatte, ging er bis nach Stalien und 


ftarb dafelbft 613, nahdem er auch dort ein Kloſter geftiftee hatte, 
Daß feine Regel, welche fi) von der Benedicts durch unmenſchliche 
Strenge und. Zeloteneifer unterſchied, in vielen Kiöftern Gallien ange: 
nommen wurde, zeigt deutlich genug, daß es den VBenedictinern noch 


keinesweges gelungen war, ihre Regel allgemein geltend zu machen. 


Nur erft dem Papfte Gregor I. war es vorbehalten, den Benedictiner⸗ 
orden in der abendländifchen Kirche allgemein zu machen. Er ließ ſich 
dieß im böchften Grade angelegen feyn, wie man fhon aus feiner Bio: 
graphie, oder vielmehr aus feinem Panegyrikus auf Benedict ſchließen 
darf. Durch Auguftinus, melden er mit 40 DBenedictinern zur Be: 
kehrung der Angelfachfen ausfendete, kam die Regel nad, England und 
verbreitete fih von da nach Stand. Die dort fhon vorhandenen 
Mönche, 3. DB. des Columbanus Schüler, traten um fo lieber unter 
die mildere Herrfchaft Benedicts, je unerträglicher das harte Joch ihres 
bisherigen Lehrers ward. Vom 6. bis 9. Jahrhunderte entwidelte ſich 
immer mehr die Blüthe bes Benedictinerordens. Das Klofter Monte 
Cassino, obgleich 680 von ben Longobarden zerflört, erhob ſich doch 
720 deſto herrliher aus feinen Trümmern. Beruͤhmte Benedictiner⸗ 
abteien erhoben fi) in Srankreih und Deutfchland. Lange haben die 
Kamen St. Fleury, St. Denys, la Chaife Dieu, Lerins, St. Victor, 
Gordie u, a. ihren Ruhm in Frankreich behauptet, fo wie dieß in Deutſch⸗ 


Moͤnchthum. .» 


Melt ein gottfeliges Leben führen koͤnne, wenn man nur gute Vor 


füge faſſe, vaufchenden Vergnuͤgungen und unchriftlichen Zerfitenungen 
entfage und bafür durch andächtige Uebungen, durch Gebet und Kaften 
bie alitäglichen Beichäftigungen heilige. So bildete fidy eine Geſellſchaft 
Sommer im Lande, eine Art Herrnhuter, denen ber Beſuch der 
Schauſpiele, ber Bälle, dee Saftmäler eben fo ſehr ein Greuel war, 
als alle Prunk⸗ und Glanzſucht der Welt, und welche zugleich manche 
damals feltene Tugend übten. Auch daß nur derjenige zur Aufnahme 
in den Orden fähig war, welcher hinlängliches Vermoͤgen ober austei⸗ 
enden Erwerb nachweiſen konnte, um nicht anbern befchwerlih zu 
fallen, war eine ber vernünftigften Anordnungen bed heiligen Fran⸗ 
ciscus. — Aber das ganze Inſtitut hatte doch auch feine Schatten: 
feite. Denn, fo weit auch bisher das Moͤnchthum feinen Einfluß aus: 
gebreitet hatte, fo kannte es doch in feinem Beſtehen beflimmte Gren⸗ 
zen, durch welche es fi von dem ‚weltlichen Leben fcharf abfonderte. 
Mit den Tertiatiern aber wurden biefe Schranken niedergsrifien und es 
bildete fich mitten unter ben Weltleuten eine Geſellſchaft von Moͤnchs⸗ 
und Nonnenbaftarben, welche dem öffentlihen, dem bürgerlihen und 
häuslichen Wohle vielfach ſchadeten, da fie im Dienſte ber Klöfter ſtan⸗ 
den. — Der Drden gewann: fehnell allgemeine Ausbreitung, da es 
verführerifh genug war, an den Segnungen: des Kloſterlebens Theil 
nehmen zu können, ohne doch felbft die Welt zu verlaffen. Kaifer und 
Könige ließen fich nicht felten in bie Gemeinſchaft der Zertiarier aufs 
nehmen, doch in manchen Ländern erfuhren fie Bedruͤckung und Ber: 
folgung. | 

Mit den Bettelorden überhaupt, mit. ben Franciscanern unb den 
bald zu erwähnenden Dominicanern, traten aber Beränderungen ein, 
die den kirchlichen Zuſtand in jeder Hinſicht beeinträchtigten. Beide 
Orden erkannten bald keinen andern Auffeber, als ben General ihres 
Ordens und hatten einen um fo freien Spielraum, als fie im Jahre 
1227 die Erlaubniß Beichte zu figen und Buße aufjulegen erhielten, 
und ein päpftlicher Befehl an die Bifcyöfe erging, fie nicht nur guͤnſtig 
aufzunehmen‘, fondern ihnen felbft allen Beiftand zu leiſten. Seit dem 
Sahre 1236 entband fogar eine päpftliche Bulle diefen Orden von der 
Beſuchung der Spnoden und bem Gehorfam gegen alle Didcefanvers 
ordnungen. Dadurch wurden diefe Bettelmoͤnche ſelbſt über die Bis 
ſchoͤfe und Pfarrer erhoben. Sie durcftreiften nun ganz Europa ate 
Bevollmaͤchtigte, Gefandte ihres römifchen Oberhauptes; fie drangen 
auf die Ranzen, in die Beichtſtuͤhle, und die Biſchoͤfe, welche zeither 
noch die Aufſicht über das Lehr: und Seelenforgeramt geführt hatten, 
verloren nun den legten Schein von Amtsgewalt, ba jegt dieſe Aemter 
unabhängige Bettelmoͤnche zu verwalten hatten. Je größer nun ber 
Bulauf zu einem mwandernden Beichtſtuhle wurde, weil bei demſelben 
alle Scham wegfiel und die groͤbſten Suͤnder ihre Abſcheulichkeiten 
einem Beichtiger vertenuen konnten, bem fie vielleicht nie wieder vor 


die Augen kamen, deflo mehr fühlten ſich diefe Bettelmönce und defto 


troßiger ‚begegneten fie Biſchoͤfen und andern Geiſtlichen, die als Prebi- 
ger das ordentlihe Seelenforgeramt in den Parocieen hatten. Dieß 
mußte benn doch alle Ordnung in dem geiftlihen Stande auflöfen und 


alle heilſamen Wirkungen hindern, weiche das Seelenforgeramt hätte 





u sr 5 





ı U Moͤnchthum. 


hoch geprieſenen Kaſtelungen des Koͤrpers keinen Werth legt. Nur, 
daß er durch ein Geſetz gleichſam die Sitte heiligte, Kinder dem Kloſter 


darzubringen (oblati), hat man bei aller Billigkeit der Beurtheilung dem 


Benedict mit Recht verargen muͤſſen, obgleich er wahrſcheinlich die Fol⸗ 
gen bes unfeligen Gebrauchs nicht berechnen konnte. 

Laͤßt fih nun aud nicht die Regel Benedicts, role einige Kicchens 
verfammlungen thaten, eine, heilige nennen und in ihr eine befondere 
Eingebung bed heiligen Geiſtes finden, fo ift doch fo viel unverkennbar, 
daß, wenn einmal Moͤnchsinſtitute ſeyn follten, von einem Mönche 
nicht füglich zweckmaͤßigere Geſetze ertheilt werden konnten. Dadurch 
wurden die Mönche an eine ſtreng gleichfoͤrmige, harte, jedoch nicht 
überfpannte Lebensweiſe gewöhnt. Sie wurden dadurch auf ihr Klofter 
befchränkt und verpflichtet, ihre Nebenfltunden (die nicht dem Beten 
u. ſ. f. beftimmt waren) der Handarbeit, dem Studiren, dem Uns 
terrichte der Jugend zu widmen. So hörten die Mönche auf, dem 
gemeinen Weſen läflig zu ſeyn; ja fie fingen an, bemfelben nüglich 
zu werden. 

Deffenungeachtet würbe man ſich fehr irren, wenn man eine ſchnelle 
Berbreitung diefer Regel annehmen wollte. Das ganze Abendland 
halte damals vom Getöfe ber Waffen und von dem Gefchrei der 
Gewaltthaͤtigkeiten wieder, Zeitumftände, bie dergleichen, Einrichtungen 
nicht günftig find. Auch wurde von einer Seite her, wo man e8 am 
wenigften hätte vermuthen- follen, eine Menge Klöfter im Abendlande 
errichtet; nämlich von Irland her. Dort hatte fih das: Chriftenthum 
nicht nur mit reißender Schnelligkeit verbreitet, fondern es war auch 
hier ein reger Miffionseifer thaͤtig. Columbanus war der berühnitefte 
diefer iriſchen Mifftondre. Nachdem er mehrere Klöfter in Frankreich 
errichtet und feinem Schüler Galus (St. Gallen) unter gleicher Be 


ſchaͤftigung am Bodenſee gelaffen hatte, ging er bis nach Stalien und ' 


ftarb daſelbſt 6135, nahdem er auch dort ein Kloſter geftiftet hatte, 


Das feine Regel, welche ſich von der Benedicts durch unmenfchlice 


Strenge und. Zeloteneifer unterſchied, In vielen Kloͤſtern Galliens ange: 
nommen wurde, zeigt deutlich genug, daß es den DBenedictinern noch 
keinesweges gelungen war, ihre Regel allgemein geltend zu machen. 
Nur erſt dem Papfte Gregor I. war es vorbehalten, den Benedictiner: 
orden in der abendländifchen Kirche allgemein zu machen. Er ließ ſich 
dieß im böchften Grade angelegen ſeyn, wie man fchon aus feiner Bio: 
graphie, oder vielmehr aus feinem Panegyrikus auf Benedict fchließen 
darf. Durch Auguflinus, melden er mit 40 Benedictinern zur Bes 
kehrung ber Angelfachfen ausfendete, kam die Regel nach England und 
verbreitete fih von da nah Irland. Die dort fhon vorhandenen 
Moͤnche, 3. DB. des Columbanus Schüler, traten um fo lieber unter 
die mildere Herrſchaft Benedicts, je unerträglicher das harte Zoch ihres 
bisherigen Lehrers ward. Bom 6. bis 9. Jahrhunderte entwidelte ſich 
immer mehr die Blüthe des Benedictinerordens. Das Klofter Monte 
Cassino, obgleich 580 von den Longobarben zeritört, erhob fich doch 
720 befto herrlicher aus feinen Truͤmmern. Beruͤhmte Benedictiner: 
abteien erhoben fi in Frankreich und Deutfchland. Lange haben die 
Namen St. Fleury, St. Denys, la Chaife Dieu, Lerins, St. Victor, 
Cordie u. a. Ihren Ruhm in Frankreich behauptet, fo wie dieß in Deutfchs 


Mönchthum, 5 


fließen koͤnnten, fonbsen es folle ihnen auch vergönnt ſeyn uͤberall zu 
prebigen,, wenn fie fich jährlich einmal dem Provinzialminifter der nie- 
bern Brüder von der Obfervanz in ihrer Kapuze zeigten. — Dieb 
geſchah im Jahre 1525 oder 265 alfo ein wunderbares Widerſpiel ber 
großen Reform der Kirche, ‚welche von Mittenberg aus im vollen Gange 
war. — Nichts deſto weniger aber, daß der Papft obige Begünftigung 
ausgefprochen hatte, wurde Matteo be Baſſi doch, als ee fih nad 
Jahtesverlauf im Klofler zeigte, verhaftet und nur mächtige Fuͤrſprache 
konnte ihn befreien, Ludwig von Foffembruno und deffen Bruder 
geſellten fih zu ihm und diefe erhielten nun 1528 vom Papfte ſchrift⸗ 
lich die Erlaubniß, fi unter obgenannten Bedingungen an die Con⸗ 
ventualen anzufcließen, übrigens aber als Einſiedler in der gewählten 
Kleidung ein ftrenges Leben zu führen. So ward alfo durch ungehors 
fame Kiofterbrüder, welche Tieber nach eigener Wahl, als unter der 
ſtrengen Disciplin Anderer leben wollten, ein Orden gegründet, welcher 
bald hochgeehrt daftand, und fo erzeugte eine Untreue gegen das Ges 
feg, welche ſtreng hätte geahndet werden follen, einen neuen, ſpaͤt 
aber üppig nachbluͤhenden Zweig der Franciscanergefellfhaf. Der 
anfänglihe Spottname: SKapuziner, wurde bald zum Ehrentitel 
und die erſten Holz: und Lehmbhütten, weiche die Einfiebler ſich 
anfangs aufbaneten, wurden bald in zahlreich befegte Kiöfter vers 
wandelt. Sie fchärften die Regel des Franciscus noch durch befons 
dere. Uebungen, durch tägliches Saflen, Geißeln, barfuß und mit unbes 
dedtem Haupte Gehen, duch die Verfhmähung bes baaren Gel⸗ 
des beim Betteln (wiewohl das Lestere nur in der erften Zeit). Alles 
dieß gewann’ ihnen die Zuneigung der Denge, und ba abtrünnige Mis 
noriten, Conventualen und Dbfervanten in bedeutender Zahl zuſtroͤm⸗ 
ten, konnten fie ſchon 1529 ihr erſtes Capitel halten, auf welchem 
Matteo zum erſten Generalvitar ernannt, der nur den Beneralmeifter 
der Conventualen über fi erfannte. Die Obfervanten ſcheueten fein 
Mittel fih den täglich mehrenden Kapuzinern entgegen zu flellen; ja 
.fie griffen feloft zu den Waffen; allein das Heer ber Kapuziner nahm , 
täglich zu und ward immer furchtbarer, da man nur bandfefte Leute 
von flarfem ‚Rörperbaue aufnahm. Ja ſogar das fonderbare Mißgefchidk 
des Ordens, daß feine eriten Führer faft alle abtruͤnnig wurden, konn⸗ 
ten ihm nicht erfchüttern. Der vierte Generalvikar Bernhard Occhino 
beſchwor fogar das Glaubensbekenntniß bes Calvin (1542). Schon trium⸗ 
phirten die Franciscaner und der Papft felbft trug Bedenken einen Dr 
ben beſtehen zu Laffen, welcher fo ‚gefährliche WBeifpiele gab. Aber bie 
gute Natur der Kapuziner befand auch biefen Sturm. Bon Frank⸗ 
reich aus, wohin fie 1573 von König Kart IX. berufen worden was 
ten, wurden fie bald in Spanien heimifh und gewannen durch zahl: 
reiche Miſſionen auch außerhalb Europa Grund und Boden, während 
fie in Deutfchland von Ende des 16. Sahrhunderts an fich einer ſchnel⸗ 
lern Verbreitung erfreuten. Ja ihrem Einfluffe glüdte es, bei Papft 
Paul V. ihre feierliche Anerkennung als Achte Tranciscaner 1608 zu 
bewirten, worauf 1627 Urban VII. aller Gefhichte zum. Trotz die 
Erklaͤrung folgen ließ, daß die Kapuziner, in geraber Linie vom heiligen 
Franciscus abflammten. Auch mar fchon 1619 das lockere Band, das 
fie an die Conventualen Inüpfte, völlig aufgelöft worden, ba Paul V. 





16 . Moͤnchthum. 
konnte, Ilegt am Tage, und bie Aebte ſelbſt gaben durch Einmiſchung 
in Welthaͤndel und durch eigentliches Weltleben das verderblichſte Bei⸗ 
ſpiel. Don’ der Mitte bes 8. Jahrhunderts an bis auf die Entſtehung 
der Bettelorden beginnen daher zahlreiche Reformen des Mönchlebeng, 
denen aber immer bie Regel Benedicts zu Grunde lieg. Wir führen 
hier nur die wichtigften in ber Kürze chronologiih an, weil wir in 
einem befondern, Artitel das Moͤnchsleben nach feiner innen Beſchaf⸗ 
fenheit und nach feinen verfchledenen Divergenzpuncten in den einzelnen 
Orden betrachten wollen. Zuvoͤrderſt wurde bie Regel Benedicts wies 
der bergeftellt 
1) dur das von dem Herzoge Wilhelm von Aquitania geſtiftete 
Klofter Cluniacum (Clugny) 910 duch den Abt Berno. In allgemeis 
nern Ruf aber kam bdafjelbe erft unter bem zweiten Abte Odo (927— 
“ 941), welcher jene Regel durch eigenthuͤmliche Zufäge ſchaͤrfte. Er und 
feine Nachfolger wurden bald Gegenflände ber frommen Bewunderung 
und unaufhörlid zur Anlegung neuer und zur Reformation alter Kloͤ⸗ 
fier berufen. So entfland in dem Benedictinerorden die erfie Congres 
gation (die congregatio Cluniacensis), eine befondere Vereinigung vies 
ler Klöfter unter einem gemeinfamen Oberhaupte, dem Abte von Clugny. 
Italien erhielt erſt fpäter feine Reformatoren des Moͤnchthums 

- 2) duch Rommaldos, welcher buch die Gründung ber Einfiebelei zu 
Camalbolf (campus Maidoli, Comaldulum in den Apenninen bei Arezzo) 
. am 1018 (+ 1027) ben Einfiedlerorden der Camaldulenszes fliftete, und 
Johannes Yualbert, aus deſſen Einfiedelei zu Vallombrofa (Vallis um- 
brosa ebenfalls in den Apenninen unmeit Florenz) um 1038 (t 1093) 
ber Cönobiterorden von Ballombrofa hervorging. 

3) Von 1084 beginnt die erfte Anlage zu dem nicht minder bes 

ruͤhmt gewordenen Orden der Carthäufer. “Bruno von Coͤlln, Rector 


der Domfhule und Canzler von Rheims, verließ Mheims, nicht. 


eben erbaut durch das drgerliche Leben des Erzbiſchofs, und men» 
dete fich mit fechs andern an Hugo, Biſchof von Grenoble, welcher 
ihnen eine romantifhe Wuͤſte Carthaus (la Chartreuse), nicht allzus 
weit von ber genannten Stadt, anwies. Die Megel Benedicts galt 
angeblich auch dort, in der. That aber empfahl das Leben Bruno’s, 
welches die Megel ergänzte, eine Selbfibezwingung und Selbfipeinigung, 
von welcher alle bisherigen Benedictiner keinen Begriff gehabt hatten. 
Vorzuͤglich waren es ununterbrochenes Schweigen und tiefe Ruhe, mwels 
he das Leben in Carthaus heiligen follten, und welche auch die charak⸗ 
geriftifchen Beichen der Carthäufermöndye geblieben find. 
4) Gegen das Ende bes 11. Sahrhunderts im Jahre 1098 zog 
der Abt von Molisme in Burgund, Mobert, als er feine Mönche auf 
eine Weile bewegen konnte, nach der Regel des heiligen Benedict zu 
eben, mit 20 Gefährten nad Giteaur (Cistertium, vielleiht von 
dem hafeldft befindlichen Ciſternen). Mehrere Nachfolger der genann⸗ 
ten Robert, wie Alberih, Stephan (1109) bildeten diefen Orden mehr 
aus. Moch immer mar ber Glaube an die Vortrefflichkeit der Bene⸗ 
dietinerregel fo tief begründet, daß auch dieſe Satzungen wiederum auf 
richte andres drangen, als auf Beobachtung jener Riz ohne Aus⸗ 
nahme und Milderung. Genannter Stephan ſuchte beſonders durch 
Beobachtung einer recht auffallenden Armuth ſeinen Orden bemerklich 


‚ Moͤnchthum. uar 


man fie oft nannte, ihre Cellen bald unter ein Dad. — Der Stifter 
diefed Namens gab für feine Zeit das feltene Beiſpiel, daß er von 
Kräutern und Wurzeln lebte, und auf hartem Selen fen Lager auf 
ſchlug. Die vom Papfte Sirtus IV. 1474 ertheilte Beſtaͤtigung ent» 
zog diefe Moͤnche der Auffiht der Biſchoͤfe. Franciscus von Paula 
machte erft fpät eine Regel, vielleicht in ber Ueberzeugung, ein leben» 
diged Beifpiel wirke mehr als ber todte Buchſtabe. Ein zufältiger Uns . 
fand wurde befonders für Sranciscus guͤnſtig, indem ihn Ludwig KL 
1482 nah Paris kommen ließ, in der frohen Hoffnung durch ihn dem 
Leben erhalten zu werden. Franciscus kam und konnte zwar dem 
Könige nicht helfen, benugte aber die Gelegenheit, dem Orden in 
Stankrei Eingang zu verfhaffen, von wo er auch bald nach Spanien 
überging. Auch vom Kaifer Marimilian erhielten fie 1497 den Ruf 
nad Deutichland. Die erſt 1493 für- den Orden aufgefegte Regel 
nannte Franciecus correctorium, um die Abſicht einer befondern Strenge 
anzubeuten, Um feinem Orden etwas Befonderes, etwas Piquantes 
vor den übrigen zu geben, fügte er den 5 Selübden noch das Ate 
eines beitändigen Faſtenlebens hinzu; benn das Faften, fagte er, iſt 
das Del, das überall oben ſchwimmen muß. Papft Alerander VI. bil 
tigte 1501 die Megel und nannte die Klofterbrüder, wie es fcheint, 
nicht ohne einen demüthigenden Seitendlick auf die Diinoriten, Minis 
men, daher fie kein Bedenken trugen, den Ausſpruch Jeſu: „was ihre 
„gethan habt einem unter den Geringflen (ex minimis) meiner Bruͤ⸗ 
„der, das habt ihe mir gethan!“ auf fid anzumenden. Im Ueber 
maße feiner Gunft.. ertheilte ihnen Alerander uͤberdieß alle Privilegien 
der 4 großen Bettelorden. Sranciscus hatte früh angefangen und er 
reichte ein hohes Alter (er wurde 91 Jahre alt), daher er bie Freude. 
eriebte bei feinem Tode [1507] feinen Orden fhon In 5 Provinzen 
blühen zu fehen. Später zählte der Orden bis gegen 450 Kloͤſter. — 
Ehe wir noch dem Neformationszeitalter zueilen, das auch für das 
Moͤnchthum im Abendlande fo ungemein wichtig mwurbe, wollen mit 
nur noch zroeier Orden gedenken, wovon ber eine wenigftens von bes ' 
deutendem Einflufie gewefen tft, nämlich des Dominicaner und Cars 
meliterorden. 
Domingo Guzman, ein edler Caſtilianer, wurde ſchon vor ſei⸗ 
ner Geburt, welche 1170 erfolgte, durch einen wunderbaren Traum 
verkuͤndigt. Wohl mochte er feine Mutter in eine aͤngſtliche Bewegung 
verſetzen, als ihr traͤumte, ſie ſolle ſtatt eines Menſchen einen kleinen 
Hund zur Welt bringen, welcher eine hellleuchtende Fackel in ſeiner 
Schnauze halte. Aber der Erfolg gab, dem Geſichte der frommen Frau 
eine beſſere Deutung. Schon als Knabe liebte Dominicus Stille und 
Einſamkeit, und nachdem er als Juͤngling in den geiſtlichen Stand 
getreten war, entwidelte er eine außerordentliche Gewalt der Rede, vor⸗ 
züglih, wenn er zuc Buße und Befferung ermahnte. Dadurch zog er 
die Aufmerkfamkeit Diego’s, Biſchofs zu Osma, auf fih, welcher ihn 
veranlafte das Chorherrnkleid zu nehmen, und mit ihm vereint bie 
Megulirung ber ausgearteten Geiftlihen feiner Kirche nach Auguftin’s 
Vorfchriften zu Stande zu bringen. Der Erfolg rönte feihe Bemüs 
bungen und begeifterte ihn zu fernern Verſuchen. Eine 1204 mit 
Diego gemeinfhaftlih unternommene Reife nach Frankreich eröffnete 





‘ 


Verwilberung der Benedictiner zu Anfange bes 14. Jahrhunderts ge⸗ 


ſtiegen ſeyn, da ſich ſelbſt Paͤpſte dazu veranlaßt ſahen, mit Ernſt und 
Nachdruck dem Unmefen ‚zu ſteuern. Die paͤpſtlichen Bullen Clemen- 
tina und Benedietina (von Clemens V. 1311 und Benedittus XII. 1336) 
geben uns in ihren Verordnungen einen anfchaulichen Begriff, wie tief 
binein böfe die Sache geworben war. Aus der Benedictina lernen wir 
auch den bamald noch weiten Umfang des Ordens kennen, indem er in 
86 Provinzen, wovon manche ein ganzes Land umfaßte, eingetheilt war. 
Jedoch waren bie päpfllichen Verordnungen eben nicht wirkſam, weil fie 
in eine Zeit fielen, wo felbit fchon unter Laien der Glaube an die vers 
nichtende Kraft eines päpftlihen Bannſtrahls nicht mehr feſt ftand. 
Nur noch einigemale tritt der DBenedictinerorden als wohlthätig 
und glänzend hervor, einmal in den Bätern des Oratoriums, von 
Philipp von Neri 1548 zu Rom geftifter, die ſich die ſchoͤne Aufgabe 
fegten ,.da8 Leben des verwilderten Volkes durch chriftliche Liebe zu bils 
den. (S. Schroͤckh KG. f. der Ref. Sc Thl. p. 491. Herbſt in Tür 
bing. Quartalfchr. 1835. Hft. 8.) 
Ein noch dauernderes Andenken hat fi bie Congregation von 
St. Maurus, 1618 zu Paris begründet, erworben, befonders durch den 


Umſtand, daß gelehrte Beſchaͤftigungen gleihfam die Seele der Verei⸗ 


nigung bildeten. Alles geſchah um gelehtte Studien zu pflegen. Die 
Novizhäufer wurden gelehrte Bildungsanftalten, in welden die Aufzu: 
nehmenden einen förmlichen Curſus machten und duch fuftematifch: 
toiffenfcheftlichen Grund, den fie hier legten, fidy zur Aufnahme in den 
Drden und zur Priefterweihe befähigen mußten. Alles vereinigte fich hier, 
um gr fiterarifche Unternehmungen zu begünftigen und auszuführen. 
S. Schrödh a. a. D. p. 478 ff. Herbft a. a. 9.1833. Hft. If. Nie. 
werden aus Diefem Vereine in der Literärgefchichte ‚die Namen eines Ma: 
billon, Montfaucon, Ruinart, Thuillier, Martene, d'Achery, le Nourey 
vergefjen werben können. — "Aber als eben bdiefe gelehrte Bildung 
nicht umhin Eonnte, ſich gegen Anmaßungen der Päpfte und Beſtre⸗ 
bungen der Jeſuiten zu erklären, da waren ihre Gegner zu mächtig. 
Ste. unterlagen im Kampfe und es wurde ihnen der Muth benom: 
men, ferner mit den Ergebniffen ihres zeifern Nachdenkens hervorzutre- 
ten. Darum folgte ihnen aud bei ihrer Auflöfung in ber franzöfifchen 
Mevolution weniger das Bedauern ber gelehrten Well. Nachdem 
wir nun zufammenhängend in kurzen Umtiffen die Gefchichte des Be⸗ 
nedictiner⸗Moͤnchthums mitgetheilt haben, koͤnnen wir nun einige we⸗ 
fentlihe Veränderungen und Erfcheinungen in der von uns feflgefegten 
Zeitperiode nachholen. Es gehören dahin | 
a) die fogenannten Rlofter = Eremtionen. Alle 
Kiöfter ohne Ausnahme waren bisher ber Auffiche des Bifchofs, in def 
fen Sprengel fie lagen, unterworfen, und hatten fi ihres befondern 
Schuges zu erfreuen. Aber im Bewußtſeyn ihrer Macht und ihres 
Uebergewichts fühlten bie Kiöfter bald, daß fie des Schuges nicht mehr 
bedurften und konnten daher den Wunſch nicht unterdrüden, auch ihrer 
Aufficht fih allmählig zu entziehen. Doch find auch die. Biſchoͤfe hier nicht 
von aller Schuld freizufprechen. Denn lüftern nach den reihen Schägen 
der Klöfter erlaubten fie ſich manche Einmifhung in bie oͤkonomiſchen 
Berhältniffe derfelben und verlegten zuweilen die Rechte der Mönche, 


Moͤnchthum. 29 


zum Generalmelſter des von ihm geſtifteten Drdens ernannt, deſſen 
Mitglieder nach einer Bulle vom folgenden Fahre Predigermoͤnche (fra- 
tres praedicatores) heißen folten. Nun begann ein frifches Leben in 
der neuen Geſellſchaft. Ihrer erften Beſtimmung eingedent, wanderten 
die Brüder nun nad allen Gegenden und fanden fo Gelegenheit eine 
Menge neuer Klöfter zu fliften. Sehr weislih wählte Dominicus ſei⸗ 
nen Sig zu Rom, denw dadurd wurden gleich anfangs und auch fu 
ber Holgezgeit dem Orden große Vortheile zugemendet. Durch das erfte, 
Generatcapitel, welches 1220 zu Bologna gehalten wurde, erklärten ſich 
die Dominicaner feierlih für WBettelmönde, indem fie allen Gütern 
und Cinkünften entfagten und von nun an nur von dem leben wolls 
ten, was ihnen ber milde Einn der Gläubigen bieten würde, Das 
zweite Generalcapitel zu Bologna 1221 gab das Überrafchende Refultar, 
daß der Orden fhon in den 5 Jahren feines Beſtehens bis zu 60 
Kloͤſtern angewachſen war, welche in 5 ‘Provinzen, unter welden Spas 
nien, Deutfchland, England und Ungarn genannt werden, vertheift 
murden. Noch in demſelben Sahre neigte Dominicus fein miüdes 
Daupt zum Todesſchlafe. 

Dominicus war beſſer als fein Orden, und trägt wiſſentlich auch 
die Eleinfte Schuld al des Unheils, welches dieſer über die Menfchheit 
gebracht hat. Befangen zwar in der Anficht feiner Zeit glaubte er für 
die Erhaltung des päpftlichen Anfehens alles thun zu müfjen; aber fein 
Serz führte ihn doch offenbar den beffern Weg der Milde und Sanft: 
rauth. Daraus, und aus feinen gewiß nicht gemeinen Rednertalenten, 
laͤßt es fi auch erklären, daß er durch feine Predigten bei den Albis 
genfern glänzendere Siege erfocht, als die päpftlihen Legaten mit dem 
Bannſtrahl und das Glaubensheer mit Feuer und Schwert. 

Seine naͤchſten Nachfolger, Johann VI. und Raimund de Pen: 
nafort führten das, begonnene Werk mit Eifer und Geſchicklichkeit weis 
ter und batten die Freude, den‘ Orden immer mehr audzubreiten. In 
die entfernteften Länder aller Welttheile fendeten fie ihre Glaubensbo⸗ 
ten, und wo fie nur Fuß gefaßt, in Oftindien und Merico, bei den 
Deruaneın und Mongolen, errichteten fie Dominicanerktöfter. Aud) 
fehlen der Drden das Geheimniß zu befigen, fi zu rechter Zelt und’ am 
rechten Orte zu verjüngen. So mußten fie in der neuen Welt wieder 
zu erobern, was bie um ſich greifende Aufklaͤrung in der alten ihr ent: 
zogen hatte. Es ift gemiß keine Übertriebene Angabe, daß der Orden 
zu der Zeit feine® ausgebreiteten Umfanges in feinen 45 Provinzen ein 
Heer von 150,000 Mitgliedern Babe ftellen koͤnnen. — Wiewohl aud) 
in diefem Orden Reformen nöthig wurden, fo iſt er dody nie in befon- 
dere Zweige zerfallen, die wieder völlig unabhängige Orden ' geworben 
wären und ſich von der Oberherrfchaft bes Generals hätten Losfagen 
dürfen. Nur eine Reform machte fi in etwas bemerkbar . und auf: 
follend. Papft Martin V. hatte 1425 dem Orden die Erlaubniß ges 
geben, Einkünfte, Güter und liegende Gründe zu befigen, wodurch 
eine ihrer Hanptbefiimmungen, Bettler zu feyn, aufhoͤrte. Dadurch 
artete nun ‚der Orden fichtbar aus und Schwelgerei und Wohlleben 
nahm unter feinen Gliedern uͤberhand. Die Luft, auf befchwerlichen 
Wanderungen. das Evangelium zu verfündigen, verſchwand dabei von 
ſelbſt, und fo hörten auch die Predigermoͤnche auf, als Miffionäre zu 


‘ 


N 


20 Woͤnchthum. 


ſah mit tiefem Bedauern bie Zuͤgelloſigkeit, welcher ſich die Weltgeift: 


lihen ergaben (d. H. diejenigen Geiſtlichen, die ſich durch kein Ordens: 
gelübde verbindfih gemacht hatten und in keiner Ordensverbindung 
tebten), und dem Volke dadurch ein Aergerniß geben mußten. Daber 
that er um 760 dem Kleruß feiner Kirche den Vorfchlag, in gemeinfchafte 
licher Wohnung, Lebensweife und Andachtsuͤbung ein canonifches Leben 


mit ihm zu führen. Der Erfolg übertraf, feine Erwartung. Denn er - 


fand ſelbſt weniger Widerftand, als er erwartet hatte, und bemerkte, 
daß die dadurch geweckte Verehrung des Volks für den Klerus den 
Kirchen reiche Schenkungen zuwendete. Da Chrobegang ihnen eine 
Megel, meift nach. Benedicts WVorfchriften entwarf, welche ihnen zum 
Canon diente, uannten fie ſich Canonici (da6 Wort in engerer Bedeu: 
tung genommen, da es fonft audh von allen Drdendleuten gebraudyt 
- wird). Obgleich tautologiſch, unterſchied man fpäter zwiſchen canonici 
regulares, Kloftergeifflihen, und canonici seculares, Weltgeijtlihen. Da⸗ 
bei bildete ſich der noch engere und eigenthümliche Sprachgebrauch, nad) 
welchem die Kleriker, welche nach Art der Mönche, ohne jedoch zu ih: 
nen zu gehören, nach einer gewiſſen Megel ein xowöv Alov führten, 
_ eanoniei regnlares (tegulicte Chorheren), genannt worden, und das 
- Haus ihres Aufenthalts hieß monasterium (daher Münfter). Sie hat: 
ten faft gleihe Beobachtungen mit den Benedictinern, nur daß ihre 
Amtsverrichtungen ihnen nicht geftatteten, die Claufur ſtreng zu beob: 
achten. Auch war ihnen eigenes Beſitzthum zugeftanden, Nicht nur in 
Frankreich ahmte man fchnell Chrodegangs Beifpiele nach, auch in Stalien, 
Deutfhland u. a. L. wurde bald das gemeinfchaftliche Leben eingeführt. 
Da die Regel von andern Biſchoͤfen vielfach verändert wurde, fo konnte 
man im Verlaufe der Zeiten wohl 150 Arten folcher Canonici (Chor: 
herren) unterfcheidben. Wir bemerken nur noch, daß durch diefe Einrichtung 
die Hoffnung der Biſchoͤfe, ihren Klerus abhängiger zu machen, ſchei⸗ 
‚texte; benn die Chorherrn nahmen bald eine feindfelige Stellung gegen 
diefelben in ihren Gapitelverfammlungen ein. (Das vieldeutige Wort 
capitulum in der Kirchenfprache bezeichnet bier den Verein der cano- 
. micorum oder auch Domperen genannt, bie, wie-fie fich zu gewiffen Be⸗ 
ſchaͤftigungen verbunden hatten, aud) nad) und nach eigenthümliche Vor⸗ 


rechte erlangten. Der Name foll von der Gewohnheit herrühren, daß. 


"in ihren gemeinfhaftlihen Verſammlungen gewiſſe Capitel von der ih: 
nen eigenthümlichen Regel oder aus der Bibel pflegten verliefen zu wer⸗ 
den. Sie find bekannter unter dem Namen der Domcapitel.) Noch 
faͤllt eine Erfheinung in unfern Zeitraum, die auf das Möncheleben 
einwirkte und es merklich veränderte, wenn auch nicht verbefferte. Es find 

d) die fogenannten Laienbrüder. Se läfliger den 
Mönchen bie in Benedictd Regel ausdruͤcklich geforderte Handarbeit 
vourde , defto mwilllommener war ihnen ein Stand erfchienen, welcher 
thnen bdiefelbe gleihfam ex officio abnahm. Da es nämlich den Kloͤ⸗ 
ſtern noch immer nicht an zahlreichen Zuſpruch fehlte von Leuten aller 
Stände und jeden Alters, fanden fih unter diefen Viele, welche, da 
ihnen alle Kenntnifje felbft bis aufs Leſen und Schreiben abgingen, 
‚zum Dienfte der Kirche völlig untauglih waren, und fi) daher auf 
andere Meile duch die Kraft ihres Körpers oder durch Die Geſchicklich⸗ 
keit ihrer Hände dem Kloſter nüglih machen mußten. Man nannte 





Woͤnchthum. 21 


ſie auch Bekehrte (Conversi), weit fie ſich zur Fuͤhrung eines beſſern 
Lebens dem Kloſter angeboten. Die Moͤnche fanden dadurch Muße zu 
gelehrten Beſchaͤftigungen, oder zum bequemern Leben, und die Wohl⸗ 
habenheit der Klöfter mußte fi duch den Gewinn rüftiger und gelern> 
tze Arbeiter außerordentlid vergrößern. Aber e8 war zugleich Veran⸗ 
laſſeng gegeben zu innerm Zwiſt und Uneinigkeit. Der Uebermuth der 
Mende erlaubte ſich ungebührlihen Drud gegen die Laienbrüder, und 
dirfe, welche durch ihre Gefchäfte in haͤufigerm Verkehre mit der Außens 
welt fianden, brachten durch Rohheit und Sittenlofigkeit dem Inſtitute 
keine Ehre, welchem fie angehörten. Merkwuͤrdig ift es, daß die Vals 
lembrofer Moͤnche, die ſich einer befondern Strenge rühmen burften, 
Sie neue Einrichtung der Laienbruͤder befonders veranlaßten. 

IV) Don der Stiftung der Bettelorden bis auf 
bie Reformation. — Der menfhliche Geift ſchien fi ‚zu Ans 
fange der eben bezeichneten Zeitperiode erfhöpft zu haben, das befchaus 
lihe Leben durch neue unerhörte Uebungen zu heiligen. Denn alle bie 
Reformen des meitverzweigten Benedictinerorbens mußten fih im Ber 
laufe der Zeit als unwirkſam erweiſen und die Mönche und Nonnen burcy 
ikten Abfall von der Regel gar bald ben munbervollen Zauber felbft 
jerftören, durch welchen die Laien für das Klofterleben begeiftert wor⸗ 
den waren. Und dennoch gelang e8 einer an und für ſich hoͤchſt ein: 
fachen Maßregel, dem Kloflerleben neue und außerordentliche Begünftis 
gung zuzumenden, und ihm ben fchon faft verfcherzten Einfluß wenig: 
ſtens auf 200 Jahre fefter als je zu begruͤnden. Wer hätte e8 dem 
Einfalle eines Schwärmers, das Gelübbe der Armuth in ein Gelübde 
des Bettelnd umzuwandeln, angefehen, bag durch ihn die Kiöfter einen 
neuen Glanz erhalten folften? Zwar dürfen wir nicht im Abrede ſtellen, 
bag hierzu mehr als eine Urfache mitwirkte, aber gewiß iſt es doch, 
daß der neue Auffhwung des Kioflerlebens mit und durch die Einfüh: 
rung der Bettelorden beginnt und in biefer Beziehung ganz neue Era 
ſcheinungen veranlaßt. 

Johann Bernardone, weicher 1182 zu Affifi, einer Stadt in Spo⸗ 
leto, ‚geboren "warb, widmete fih bem Stande feines Vaters, eines 
Kaufmannes, und brachte von Frankreich, wohin es in Handelsgeſchaͤf⸗ 
ten eine Reife unternommen hatte, eine fo geläufige Kenntniß der fran⸗ 
zöfiihen Sprache, vielleicht auch fo leichte franzöfifhe Sitten mit, daß 
er bald in feiner Baterftadt unter dem Namen ber Franzoſe, Francis⸗ 
cas, bekannter war, als unter feinem eigenen, Auch ift Franz ober - 
Franciscus von Affift fpäter fein hiftorifcher Name geblieben. Sn fei: 
ner Sugend fihien er blos darauf bedacht, das Vermögen feines Vaters 
in einem wuͤſten und ausfchmweifenden Leben zu verfchwenden, wobei 
aber zugleih eine unbefonnene Fteigebigkeit einen Hauptzug feines 
Charakters bildete; ein Umftand, welcher die. plögliche Ummandlung, 
die mit ihm vorging, einigermaßen zu erklären vermag. In einem 
Parteikriege feinet Vaterſtadt, in welchem er in Gefangenſchaft gerieth, 
änderte er plöglich feinen Sinn und wurde nun in eben dem Grade 
religiöfer . Schwärmer,, wie er zuvor ben Freuden ber Welt nachgegans 
gen war. Kine Wallfahrt nah Rom vollendete feine Schwärmerei. 
Noch hatte fein aufgeregter Geiſt "keinen feſten Punct gefunden. Nur 
als er 1208 bei einer SReffe das Verbot Jeſu an feine Jünger verlefen 


r 


32 Moͤnchthum. 


hoͤrte, daß dieſe weder Gelb, noch Taſche, noch Schub und Mod bef 
fi) tragen und nie mehr als einen Rod befigen follten, entzuͤndete 
fih in ihm der Gedanke, ihrem Beifpiele zu folgen. Er nahm jenes 
Gebot Huchftäblich zu feiner Regel, und wählte ftatt bes Guͤrtels den 
Strick, weil jener zur Aufbewahrung des Geldes gefhidt war. So 
309 er aus und theilte feine Zeit zwiſchen Betteln und Bußpredigen. 
Die Hohe Bewunderung, weldye man überall ibm fchenkte, fammelte 
bald ein Häuflein Andächtiger um ihn, welche aus Verehrern feine 
Begleiter wurden, und ſchon im Jahre 1209 war er im Stande, zwölf 
Schäler, je zwei und zwei, wie die Apoftel, nach allen Gegenden bin 
auszufenden. Mir würden die Grenzen dieſes Handbuchs überfchreiten, 
‚wenn wir eine ausführliche Geſchichte diefes Mönchsfüriten in extenso 
geben wollten. Wir verweilen barum auf bie befannten kirchenhiſtori⸗ 
(hen Werke eines Schrödh, Schmidt, Gieſeler u. a., worin die Les 
bensumftände des heiligen Franciscus ausführlicher erzählt werben. 
Hier bemerken wir nur noch im allgemeinen, daß man gewöhnlich die 
Entitehung des Franciscanerordens vom Jahre 1210 datirt, in wels 
chen biejelbe niebergefchrieben wurde. Auch bei ihm bilden Die drei 
Geluͤbde die Grundlage der Regel, eigenthuͤmlich iſt ihm nur der Geift 
ber Strenge, in welchem er biefelbe erklärte. So verlangte er von feis 
nen Schülern eine ganz andere Armuth, ald man bisher in ben Kloͤ⸗ 
fiern beobachtet hatte. Denn bei ihm war nicht blos dem Mönche das 
befondere Eigenthum verfagt, auch die Gemeinſchaft, das Kiofter, follte 
nichts befigen. Ja felbft den Grund und Boden, auf welchem das 
Kloſter ftand, ſollten fie nicht den ihrigen nennen. Demuth wurde den 
Brüdern zum heiligen, unverbruͤchlichen Gefege gemacht. Wie das 
Bettlerkleid, welches fie trugen, daran erinnerte, fo wurden auch ihre 
Benennungen im Sinne der Demuth gewählt. So ließen fie ſich bef 
aller ſchwaͤrmeriſchen Verehrung für ihren Stifter lieber Minoriten 
(fratres minores) als Stanciscaner nennen, fo verdrängte bad befchele 
bene Diener (minister) ben flolzen Priortitel. Wir uͤbergehen bie dies 
len zufälligen Begünftigungen des Ordens und führen nur noch an, 
bag auf einem zweiten Generaleapitel des Ordens 1219, wenn wir ber 
Gage trauen "dürfen, fih 5000 Abgeordnete der Kloͤſter einfanden. 
" Sehen wir zu den eigenthümlichen Erfcheinungen über, die durch bie 
Bettelorden überhaupt und durch die Franciscaner beſonders herbeiges 
führe wurden. 

Zuvoͤrderſt ging eine Art Nonnen aus den Einrichtungen des Frans 
eiscus hervor, bie unter den Namen ber Klariffinnen bekannt wurden 
und von welchen wir in einem andern Artikel fprechen merben. Be⸗ 
fondere Erwähnung verdient aber ber Orden ber Tertiarier. Als Frans 
ciscus durch feine Predigten das Bold zu einem bußfertigen Leben zu 
flimmen fuchte, verlangte aller Orten fo viel Volks bie Kutte zu neh⸗ 
men, baß es ihm felbft bedenklich ward, fie alle dem öffentlichen Leben 
zu entziehen. Denn, wenn ev auch in ben guten Willen und die Aus: 
dauer Aller fein Vertrauen hätte fegen dürfen, fo mußte er mit Recht 
ben Unwillen der Großen fürchten, wenn er Stadt und Land von nuͤtz⸗ 
lichen Arbeitern entblößte und dagegen mit Bettlern und Kopfhängern 
füllte. Daher machte Franciscus dem Wolle begreiflich, wie man ja 
auch ohne feierliche Geluͤbbe und ohne förmliche Abfonderung von ber 


Moͤnchthum. 33 


eine Regel erthellte. Sie mochte wahrſcheinlich nach Bafi⸗ 
lus Borfchriften verfaßt ſeyn und Hatte weiter nichts Beſonderes, als 
baf fie zunaͤchſt auf Ginfledler berechnet war, weiche in abgefonberten 
Cellen lebten. Honorius II. beftdtigee biefelbe 1224. — Als aber 
nach dem Frieden mit den Saracenen (1229) bie Einflebler auf dem 
Carmel harten Verfolgungen ausgefegt waren, entfchloffen fie ſich, vors 
gebtich durch die Maria feibft dazu ermuntert, das gelobte Land zu 
verlafien. Von Cypern und Sicilien, wohin fis ſich ſeit 1238 zuerft 
wenbeten, kamen fie bald nad Frankteich und England. Ueberall 
empfing man fie mit offenen Armen. Lubwig der Heilige fliftete ſelbſt 
1259 das erſte Carmeliterkiofter zu Paris. Allein ihr Uebergang nad 
Europa mußte bedeutende Veränderungen herbeiführen. Innocenz IV. 
gab 1247 ihrer Regel auf ihr Anfuchen eine Erklärung, in welcher fo 
Manches mehe ihren neuen WBerhältniffen gemäß feflgefegt wurde. 
Das eremitifche Leben mußte nun dem ceÖnobitifchen weichen und es 
ward daher nicht mehr barauf gedrungen, daß ihre Klöfter fih in Ein: 
oͤden befünden. Das Geluͤbde ber Keufchheit, das man bisher nicht 
ausdrüdlic, abgelegt hatte, wurde dem bed Gehorſams beigefügt, und 
neben mander Milderung, die man geftattete, doch im Ganzen bie 
Härte der frühen Sagungen zum Grunde gelegt. — Durch dir Be⸗ 
günftigung Innocenz IV. und durch die Wegämftigung des Ordens⸗ 
Generals Simon Stock brätete ſich bee Drden mit reißender Schnellig⸗ 
kit aus. Doch ganz die Erſcheinungen, wie bei amdern Drden, tras 
im aud bier ein. Das Gluͤck machte die Carmeliter Abdermichig, 
führte zu Ausfchweifungen und zum Verfall, nachdem diefe Möndye im 
13. und zu Anfange des 14. Jahrhunderts geblüht hattın. Alle die 
gewöhnlichen Erfcheinungen , daß man Milderung der Hegel mußte eins 
treten laſſen, daß fih Parteien bildeten und wieder befondere Eongre⸗ 
gationen entſtanden, welche theils der neuern Anordnung gehorchten, 
theils aber auch die alte Strenge zuruck wuͤnſchten, ſehen wir hier wies 
derkehren. Beſonders faßte Johann Soreth, ſeit 1451 General des 
Ordens, den Plan, durch ſtrengere Forderungen eine zweite Reforma⸗ 
tion vorzunehmen. Er fand aber wenig Beifall bei ſeinen Ordensbruͤ⸗ 
dern, ſo daß dieſe ihn ſelbſt 1471 durch Maulbeeren vergifteten. — 
Gluͤcklicher war Soreth in einer Stiftung anderer Art, Er hielt es 
nämlich für ſchimpflich, daß feinem Drden bie Nonnen fehlten, da doch 
Maria demfelben befonderd günftig geweſen ſei. Er bekleidete daher 
zueft Wittwen und Waifn mit dem heiligen Schleier, und fiftete 
ſelbſt fünf Häufer für Garmeliterinnen. Und aus einem biefer Non⸗ 
nenkloͤſter ging endlich bie dritte und nachdruͤcktichſte Reform hervor umd 
ein Weib war es, welches buch ſchwaͤrmeriſchen Eifer die Maͤnner bes 
fhämte. Thereſia von Cepeda, welche fi ſchon im 22. Jahre ihres 
Lebens (1536) im Kofler zu Avila einkleiden ließ, hielt nicht einmal die 
urfprünglihe Regel Albrechts mit Innocenz IV. Deutungen für aus 
seichend, fonbern machte durch eine Anzahl elgener Aufäge die Uebun⸗ 
gen noch weit mühfeliger. Zum unverbrächlichen Geſetz erhob fie das 
Barfußgehen und erichlen faſt nie anders als mit nadten Füßen. Ge 
horſam wurde mit fo umerbittlicher Strenge gefordert‘, dag felbfl das 
Unmögliche, wenn es verlangt wurde, verfucht werden mußte Wie 
übergehen das Umnathsliche und zum Theil Ekelhafte, wodurch fich 

Giegel Handbuch IV. | 8 


2 | Monchthum. 


haben ſollen. — Wie bemerken dieß gleichſam anticipando, weil wie 
bald noch andere Veränderungen erwähnen muͤſſen, die eine aͤhnliche 
bald zu ermähnende Moͤnchsgattung veranlafte, und wir kehren noch 
auf einige Augenblide zu dem Franciscanerorden zurüd, um ihn 


dann auf immer zu verlaffen. Genau: genommen bat ex eine und dies 


felde Geſchichte mit den übrigen- frühern Orden. Auch er artete aus; 
dieſe Ausattung veranlaßte Reformen und dieſe brachten Spaltungen 
und Zwietracht in den Orden. Jedoch iſt es nicht zu leugnen, daß 


dieſer Orden lange fein Anſehen behauptete, ba_er beſonders durch den 


paͤpſtlichen Stuhl beguͤnſtigt wurde. Man darf daher einen nicht un⸗ 
beträchtlichen Zeitraum annehmen, ‘wo die Maſſe des Volks nur die 
Predigten der Sranciscaner und ihren Beichtſtuhl befuchte, und daß ber 
Gnade Gottes nur der theilhaftig zu werden hoffte, weichem vergoͤnnt 
war, in der Mönchskutte biefes Ordens zu ſterben. — Wie wenig 
auch ber Orden anfangs auf gelehrte Bildung berechnet war, fo ließen 
fi) dennody bei dem ſtarken Budrange zu demfelben gelehrte Männer, 
welche ihre Studien fortfegten, nicht abweiſen, ja bei ihren Streitig⸗ 
keiten mit ben gebildeten Dominicanern wurde das Bebürfniß von Mits 
gliedern, welche wenigftens in der Kunft zu. disputiren nicht uner⸗ 


- fahren waren, immer fühlbarer. Daher werden unter ben Gelehrten 


im Zeitalter der ſcholaſtiſchen Philofophie bald Franciscaner mit ausge⸗ 
zeichneter Verehrung genannt, wie Alerander von Hales, Bonaventura, 
Duns Scotus, Roger Bacon (doctor mirabilis genannt, deſſen un⸗ 
geachtet aber mehrmals der Magie verdächtig ins Gefaͤngniß geworfen). 


Thomas Murner, die Beißel der Narren, war auch ein Francisca⸗ 


.. 


ner. — Stolzer als auf feine Gelehrten blickte ber Franciscanerorden 
auf die Zahl feiner Märtyrer und Glaubensboten und auf die Päpfte, 
melde ihre Kutte getragen hatten. Nicolaus IV., Alerander V., Sir 
tus IV. und V. gehörten zu diefen und Clemens XIV., der eines befs 
fern Thrones würdig gemefen waͤre. | | 

Weuenn Franciscus nur die Glariffinnen und Tertiarier als aͤchte 


Zweige ſeines Ordens anerkannte, wer haͤtte da erwarten ſollen, daß es 


nach einigen Jahrhunderten einem neuen Sproͤßlinge deſſelben gelingen. 
ſollte, jenen nicht nur gleichgeſtellt zu werden, fondern ſogar eine Un⸗ 


abhaͤngigkeit zu erzwingen, deren ſich wenigſtens Tertiarier und Clariſ⸗ 


finnen nicht zu rühmen wußten. Wunderbar und abenteuerlich war 
die Beranlaffung bazu: Matteo de Baffi (in Urbino), ein Ob⸗ 
ſervant im Kloſter Monte Zalco, machte ſich befondere Gewiſſens⸗ 
ferupel darüber, ob auch die Kleidung des Ordens bes urfprünglich 
eingeführten ganz gleich fe. Eine Abbildung des heiligen Fran: 
ciscus überzeugte ihn vom Gegentheile. Die frühere lange und 
fpigig zulaufende Kapuze hatte fi zu einer Eleinen runden vers 
unflalte. Matteo de Baſſi entfprang darum feinem Kofler, um 
in der Einſamkeit feiner Kapuzen: Gewiffenhaftigkeit nachleben zu koͤn⸗ 
nen. Da er nicht ohne Grund die Berfolgung feiner bisherigen 
Kloſterbruͤder fürchtete, fo wanderte er, angeblich) duch eine Erſchei⸗ 
nung Jeſu und des heiligen Frandiscus dazu aufgefordert, nad 
Rom. Hier erlangte er vom Papfte Sirtus VIL mehr, als er wünfd: 
te; denn dieſer erlaubte ihm nicht bloß in der fpigigen Kapuze mit 
allen denen als Einfiedler zu leben, die fich zu gleicher Lebensart ent> 


O 





Moͤnchthum. 3 


Nordafrika's, verfcheucht durch den Einbruch der Vandalen, fich wirk⸗ 
ich, wie jene behaupten, nach Italien und andern Ländern geflüchtet 
und dahin Auguftinus Regel und Obfervanzen gebracht hätten, fo wäre 
e& doch in ber That ein feltener Eigenfinn der Geſchichte, darüber laͤn⸗ 


ger als 700 Jahre ein hartnädiges Schweigen zu beobachten. Und, 


wenn die Geſchichte ſchwieg, fo hätten doch gewiß die Mönche geſchrieen. 

Die Sache verhält fiy vielmehr fo: Neben den beftehenden und 
von der Kirche beftätigten Drden hatten fih im 11. und 12. Jahrhun⸗ 
dert, namentlidy in Stalien, mehrere Ginfieblergefellfchaften gebildet, 
welche meift ohne Regel fih nah Willkühr eine Verfaffung gaben, und 
gewiffe Obſervanzen unter fich gelten liegen. Die bebdeutendften unter 
ihnen waren die Boniten, die Drittinianer, die toska— 
nifhen Einfiedler, die armen Ratholiken, die Sad. 
träger von der Buße und Wilhelmiten. War eo nun 
überhaupt ein Uebel zu nennen, daß es bei dem gleihfam privilegirten 
Unheile, welches bie gefeglich genehmigte Klofterwelt über bie Chriftens 
heit brachte, noch Gemeinfchaften gab, welche fi) der Aufficht der 
Kirche ganz entzogen, fo erhob überdieg der Brodneid ber Francisca⸗ 
ner und Dominicaner über diefelben laute Klage, befonbers über bie 
Boniten, welche in ihrer Tracht von den Minoriten ſchwer zu unters 
fheiden waren. Gregor IX. verordnete daher 1241, daß fi) die Bonts 
ten fortan durch bie ſchwarze Kutte und den Kruͤckenſtab unterfcheiden, 
und wenn fie um Almofen anfpräden, ausdrücklich erklaͤren follten, 
weichen Orden fie angehörten. Auch gab er und Innocenz IV. meh⸗ 
sen jener infiedlercongregationen bie Megel Auguſtins. Diefe Regel 
rührte aber keinesweges fo, wie man fie beobachtete, von dem Kirchens 
lehter Auguſtinus her, fonbern war weit fpäter mit Beruͤckſichtigung 
zweier Reden befieiben, de moribus clericorum und feines 109ten 
Briefes an die Nonnen, mit vielen Zufägen, welche eine neuere Zeit 
verrathen, entwarfen worden. Der bleibende Grundfag der Päpfte durch 
Entftehung eillzelner Congregationen nicht die Zahl der Orden vermeh⸗ 
ven zu laſſen, veranlaßte beſonders Alerander IV. in dem großen Ca⸗ 
pitel zu Rom 1256 eine Bereinigung der genannten Gongregationen 
herbei zu führen, welcher nur wenige fich entzogen. - So entitand jet 
erft dee Orden der Einfiedler des heiligen Auguflinus, melcher bei feiz 
nem Entficehen das Eigenthuͤmliche hatte, daß er nicht, wie die andern, 
von Heinen Anfängen ſich allmählig entwidelte, fondern fogleih in 4 
Provinzen, Frankreich, Deutfchland, Stalien und Spanien, fein Das: 
fein ankündigen konnte. Den Namen der Eremiten bebielten fie nur 
darum bei, weil die Gemeinſchaften, welche hier zuſammentraten, fruͤ⸗ 
ber als Einſiedler gelebt hatten. Sie hätten fi ſogleich Moͤnche nen: 
nen ſollen. Ihre Regel athmete übrigens keineswegs den Geiſt der 
Strenge, wodurch fonft neue Orden ihr erfted Auftreten bezeichneten. 
Es waren mildernde Rüdfichten darin genommen. — Froh der Ber: 
einigung gaben die Päpfte den Auguftinern bald bebeutende Privilegien. 
Sie erhielten nicht nur ihren General (Lanfranc Septala bekleidete 
zuerſt dieſe Wükde), ſondern auch in einem Garbinalbefchäger die Zu: 
ſicherung beſonderer Fuͤrſprache beim Papfte in Angelegendeiten des Dr: 
dens. Das Amt eines Sakriſtan der paͤpſtlichen Capelle, womit die 


V 


Seelſorge des heiligen Waters verbunden war, konnte, fortan mus von 
. 3% N 


ru Wenchtham. 


ihren. Orden und ihren General für völlig unabhängig erklärte. Ein 
fo ausgezeichnetes Gluͤck mußte wohl auch feine deſondern Urfachen 
haben. Und diefe finden wir in den mächtig auffirebenden Jeſuiten, 
die fi ber Kapuziner als geeignete, Werkzeuge bedienten, durch fie, 
als; einfältige, fcheinbar unverbädjtige Diener bes Glaubens, ihre Pläne 
buschzufegen, und beide Theile befanden fich fo wohl dabei, daß die 


Kapuziner bald für die .dienftbefliffenen Knechte ber Jeſuiten gelten 


Sonnten, Sie leifteten diefen fehr weſentliche Dienfte, da fie bei dem 
Volbe aus mehrern Gruͤnden fehr beliebt waren. Denn ihrer urſpruͤng⸗ 
lichen Beſtimmung gemäß nicht auf gelehrte Befchäftigungen hingewieſen, 


. erhoben fie fih auch nie duch, Bildung über das Volk. Selbſt durd) derbe 


Spaͤße beiuftigten fie den gemeinen Mann und fie ſcheuten ſich nicht, 


Die. Zeichen einer ſchmuzigen und bettelhaften Armuth zur Schau zu 


tragen. Das zum Theil Eyniſche des Ordens zu bezeichnen, dürfen 
wir nur einen Gebrauch anführen. Um nämlih ben Novizen einen 
Vorſchmack defien zu geben, was fie zu ‘erwarten hätten, ward zu ih⸗ 
xem Sutter alles, was von den zufammengebettelten Speifen übrig 
war, aus fo verfchiedenen Beſtandtheilen es auch beflchen mochte, in 
einem Troge durch einander berührt, und dieß Quodlibet mußten dann 
diefe ohne die Hände zu gebrauhen, blos mit dem Munde verzehren. 
Dieß nannte man. à la cochon fpeifen. Es tft begreiflih, daß, wer 
einmal in einer folhen Schule feine Vorſtudien beendigt hatte, Leicht 
fürs ganze Leben allen Ekel überwunden haben mußte. Auf tägliches 
Geißeln hielten diefe frommen Väter noch mehr, als irgend ein: anderer 
Drden, und das hochverdienftliche Betteln, verbunden mit einer buch⸗ 
ftäblihen Armuth, haben fie wenigſtens längere Zeit beobachtet. Kreis 
lich fpäter füllten fih auch ihre Kirchen mit foftbaren Gefäßen und 
ihre Vorrathskammern und Keller mic Mitteln zu Genüflen, wovon 
die Regel nichts wußte. Als Miffiondre thaten fie, fo lange fie noch an 
Entbehrungen aller Art gewöhnt waren, gute Dienfte.. Im Jahre 1782 
zählte ihre Orden noch über 26,000 Mitglieder. . 
Saft zu gleicher Zeit mit den Kapuzinern, nur etwas früher, ent: 
fproßte dem Franciscanerorden ein neuer Zweig, welcher den alten 


Stamm bald an innerer Lebenskraft zu überbieten brohese. In Stan: 


cefco de Paola fchien ein zweiter Kranz von Affift wieder aufzuleben. 
Nicht genug, daß auch er eine außerordentliche Aehnlichkeit mit Jeſu 


‚zeigte, hatte die Legende fchon feine Wiege mit. Fabeln und Wunder: 
maͤhrchen ausgefhmüdt. Und kaum war er aus den Kinderjahren ge: 


treten, als ihn eine unbezwingliche Neigung in ein Stanciscanerfiofter 
führte. Allein noch vor Ablegung des Gelübdes verließ er das Kloſter, 
weil die dortigen Klofterleute feinen firengen Begriffen keinesweges ent⸗ 
fprahen. Er ging nun in die Wuͤſte und widmete fih da, ohne 
fremde Anleitung, einer ſtrengen Buße, wie fie bei den Eremiten früherer 
Zeit üblich war. Der junge Schwärmer fand Anhang und fo fehen 
wir ihn 1435 ſchon mit einer Anzahl Schülern in der Nähe von Paola 


eriheinen und Gellen und eine Gapelle errichten. Man nannte fie die 


Leine Geſellſchaft, die Einfiedler des. heiligen Sranciscus (nämlich von 
Aſſiſi), woraus deutlich erhellt, daß man fie nicht. für einen neu begin 
nenden Orden gelten laſſen wollte. Die Zeit des Einſiedlerlobens war 
aber laͤngſt verſchwunden und fo brachten auch unfere Paulaner, wie 


18 1. au 298 


— — — — 





Moͤnchthum. 3% 
beſprochene Gonvertit Werner angehörten. Allein fie haben ſich nicht 
durch etwas Beſonderes ausgezeichnet. Will man im Kuren eine ges 
drängte Auskunft daruͤber haben, fo findet man fie in ber bereits oben 
angeführten Schrift: Geſchichte der Moͤnchsorden won Morig Di: 
‚ing x. 2te6 Boch. p. 71— 82, Wir ſelbſt haben befonders in Ne. 
U. und 11. dieſes Artilels jene Monographie benutt. 

V) Einfluß der Reformation auf das Mönde 
thbum in der römifch = Bathbolifhen Kirche. — Wk 
fehen bier alled das als befannt voraus, was das große Reformations⸗ 
werd Luthers vorbereitete, und bemerden nur dieß, daß es die großen 
Mißbraͤuche des Moͤnchthums mit waren, weldhe ben erſten Impuls 
zu dieſem weltgefchichtlichen Ereignifie gaben. Die Vorſehung führte 
kuthern ins Kloſter und zeigte ihm da alle die Graͤuel des Moͤnch⸗ 
thums, wie fie ihn nah Rom führte, damit er feine fcheue Vereh⸗ 
tung vor dem Papfle ablegen und ihm: mit Ueberzeugung ben Antichrifl 
nennen koͤnne. Hätte ibm das Kiofter, der erſten Beſtimmung gemäß, 
ingend eine veligiöfe Seite gezeigt, gewiß Luther, dem eine lebendige 
Phantafie nicht abzufpredgen war, hätte mit aller der Wärme feines 
Gefühle das Juſtitut vertheidigt, mit welcher er es nachher verdanımte. 
Aber dee Glaube war tobt in den Kloftermauern und Despotismus, 
irdiſches reiben und alle Laſter walteten frei, wo er Froͤmmigkeit und 
Zugend gefucht hatte. Darum folgte Luther gern dem Kufe feines 
verebeten Ordensprovincials Staupig, an ber nes errichteten Univerfis 
tät zu Wittenberg Philoſophie zu lehren, da fich hier ein freierer und 
leer Wirkungskreis fie ihn eröffnete und bie unwuͤrdigen Feſſeln, die 
im and Kloſter knuͤpften, doch einigermaßen gelöft wurden. : Kinen 
noch tiefen Bli in das Verderbniß der Kloͤſter warf er, als Staupig 
ihm 1516, da er abweſend ſeyn mußte, auf einige Zeit das Vicariat 
übertrug. Doch verzweifelte er noch keineswegs an eimer Beflerung, 
fondern empfaht den Moͤnchen aufs nachdruͤcklichſte das Studium ber 
Bibel. Da trat Zegel mit feinem Ablaßkram auf, und Luther wurde 
zu tief von feines unerhörten Frechheit empoͤrt, als bag er nicht ernft 
und mit Nachdruck dawider hätte auftreten follen. Bei der bekannten 
Rivalität der einzelnen Bettelorden mufte man damals wohl von vie: 
ien Seiten glauben, ber Widerſpruch Luthers fei blos durch Ordens: 
eiferfaht gewedt worden; aber thöricht wäre es die befangene Anſicht 
jener Zeit theilen zu wollen. Gewiß, Luther hätte den Auguſtiner⸗ 
Ablafprediger eben fo unfanft behandelt, als er mit dem Dominicaner Tegel 
verfuht. Wo die Sache fo laut ſprach, konnte die Perfon ihm nichts 
gelten. Ueberhaupt zeigte Luther auch bier ein Benehmen, das die 
Boransfegung rechtfertigt, ee würde bei einiger Mäfigung von Seiten 
der katholiſchen Partei nie fo weit gegangen feyn. In Beziehung auf 
bie Kiöfter verfuhe er mit einer Beſonnenheit, welche in andern Faͤl⸗ 
len oft ‘an ihm vermißt wurde; denn feine Anficht von der Unauflös: 
lichkeit gethawer Geluͤbde machte ihm anfangs großes Bedenken, ob man 
dafielbe ohne Verlegung des Gewiſſens zerreißen dürfe Mur immer 
tieferes Forſchen und dadurch gewonnene Klacheit der Anfichten aͤnder⸗ 
ten bier feine Ueberzeugungen. Er felbfi war 1524 der letzte Mind 
feines Kloſters, der die Kutte ablegte, und er mußte endlich diefen Schritt 
tun, wenn er mit der ihm fo lieb gewordenen Anficht von ber Rechts 


⸗ 


28 Wwuvdudhthum. 


en feiner Thaͤtigkeit eine ausgebreitete Wirkſamkeit. Die Kegerei ber 
lbigenſer nämlih hatte im Languedoc'ſchen "unter ‚bem mächtigen 
Schuge der puovenzalifchen Grafen und Barone fid) „weit ausgebreiter 
and einen für den römifhen Stuhl hoͤchſt bedenklichen Character anges 
nommen. Für den Zweck einer folhen Gefahr entgegen zu wirken, 
Schienen befonders Diego und Dominicus geeignet. Sie erlangten leiht - 
die Erlaubnig von Innocenz III. zwei Jahre lang, durch Glaubenspre⸗ 
digten die Belehrung der Albigenfer zu verfuhen. Man muß beiden . 
Männern die Gerechtigkeit widerfahren laſſen, daß fie Schonung und 
Sanftmuth anmendeten, und dadurch mehr audrichteten, als die zeit= 
berigen päpftlichen Legaten, welche duch ihren Uebermuth und ihre 
Härte alles gegen fih empörten. Nach Diego’d Zode wurde der Ges 
danke immer lebendiger in ihm, einen Orden zu ftiften, deſſen Daupt: 
zweck es feyn follte, durch die Predigt des Evangeliums die Ketzer zur 
rechtgläubigen Kirche zuruͤck zu führen, und buch Ausbreitung des 
Ehriftentyums die Herrſchaft des papftlihen. Stuhles zu vergrößern. 
Einen Orden nun, deſſen Beflimmung ed war, feine Mitglieder ohne 
Ruhe und Raſt in alle Gegenden auszufenden, kormte der engere Klo⸗ 
fterverband, welcher an eine Stelle feffelte, eher hinderlich als fördernd 
erfcheinen. Aber ed war-nun einmal berrfchende Anſicht der Zeit, da 
ein fo großes Unternehmen nur unter dem Zwange eines Moͤnchsordens 
gedeihen konnte; zudem hatten die Klöfter das Band der Verfchliegung 
Längft gelöit. Und was die Hauptſache war, Dominicus fand in den 
Kloftergelübden allein die Möglicpkeit, die beginnende Gemeinſchaft 
unauflöslih zufammen zu halten. Doc die Zeit fchien feinem Unter: 
nehmen nichts weniger als günftig zu fenn. Im Jahre 1213 nämlich, 
wo er ſchon 16 Perfonen zur erften Begründung des Ordens um fidy 
verfammelt hatte, erklärte die vierte oͤlumeniſche Kirchenverfammlung im 
Lateran, es folle einer eine neue Kloftergemeinfchaft gründen, fondern 
ſich lieber zu einer der ſchon beftehenden wenden; denn die Bemerkung, 
daß dem Moͤnchthume, gleich der Hydra, immer mehr Köpfe nachwuͤch⸗ 
fen, hatte zu gerechten Bedenklichkeiten Weranlaffung gegeben. Nur 
den eifrigen Dominicus konnte das Machtwort nicht abfchreden, fons 
dern er brachte noch in demſelben Jahre fein Geſuch, einen neuen 
Orden zu fliften, bei dem Papfte an. Innocenz III., um nicht incons 
fequent zu erfcheinen, genehmigte die neue Vereinigung, ihre Bedeut⸗ 
ſamkeit wohl ahnend, unter der Bedingung, daß fie eine bereits in ber 
Kirche eingeführte Negel annähmen, und ihm die: Verordnungen und 
Sagungen vorgelegt würden. Alle andere Bedenklichkeiten ſchlug er 
duch) das Gewicht nieder, daß ein Gefiht ihn über die Zulaͤſſigkeit 
bes Unternehmens belehrt habe. 

Die Wahl konnte dem Domintcus nicht ſchwer werden. Bon !Augu⸗ 
flinus, dem großen Vorbilde aller Prediger, rührte angeblich eine Regel 
ber, welche für diejenigen die geeignetfte ſchien, die ja felbft die Verkuͤn⸗ 
digung des Evangelii zu ihrem Hauptzwecke machten. Diefe Regel wurde 
von Dominicus noch dadurch geſchaͤrft, daß ftrenges Faſten, ununterbrodyenes 
Stillſchweigen, wenn fie fih im Kloſter befanden, und unverbrüchliche 
Armuth von den Mitgliedern des Drdens gefordert wurden. Domini: 
cus legte den Grund zum erften Klofter in Zouloufe und bei feinem 
abermaligen Aufenthalte in Rom 1216 wurde er von Honorius IM. 





Moͤnchthum. | 29 


zum Generalmeiſter bes von ihm geflifteten Drdens ernannt, beffen 
Mitglieder nach einer Bulle vom folgenden Fahre Prebigermönde (fra- 
tres praedicatores) heißen follten. Nun begann ein frifches Leben in 
der neuen Geſellſchaft. Ihrer erſten Beftimmung eingeben, wanderten 
die Brüder nun nad allen Gegenden und fanden fo Gelegenheit eine 
Menge neuer Klöfler zu fliften. Sehr weislich wählte Dominicus ſei⸗ 
nen Sig zu Rom, denn daduch wurden gleich anfangs und auch in 
ber. Folgezeit dem Orden große Vortheile zugewendet. Durch daß erfte, 
Generalcapitel, welches 1220 zu Bologna gehalten wurde, erklärten ſich 
die Dominicaner feierlih für Bettelmoͤnche, indem fie allen Gütern 
und Einkuͤnften entfagten und von nun an nur von dem leben woll⸗ 
ten, was Ihnen der milde Sinn der Gläubigen bieten würde, Das 
zweite Generalcapitel zu Bologna 1221 gab das Überrafchende Refultar, 
daß der Drden ſchon in den 5 Sahren feines Beſtehens bis zu 60 
Kloͤſtern angewachſen war, welche in 5 Provinzen, unter welchen Spas 
nien, Deutſchlaͤnd, England und Ungarn genannt werden, vertheilt 
murden. Noch in demfelben Jahre neigte Dominicus fein muͤdes 
Haupt zum Todesſchlafe. 

Dominicus war befjer als fein Orden, und trägt wiffentlih auch 
die kleinſte Schuld al des Unheils, welches bdiefer über die Menfchheit 
gebracht hat. Befangen zwar in der Anficht feiner Zeit glaubte er für 
die Erhaltung des päpfllichen Anſehens alles thun zu müffen; aber fein 
Herz führte ihn doch offenbar den beffern Weg ber Milde und Sanft: 
muth. Daraus, und aus feinen gewiß nicht gemeinen Rednertalenten, 
läßt es ſich auch erklären, daß er durch feine Predigten bei den Albi⸗ 
genfern glänzendere Siege erfocht, als die päpftlihen Legaten mit dem 
Bannſtrahl und das Slaubensheer mit Feuer und Schwert. 

Seine nädften Nahfolger, Johann VI. und Raimund de Pen: 
nafort führten dag begonnene Wert mit Eifer und Geſchicklichkeit weis 
ter und hatten die Sceude, den Orden immer mehr auszubreiten. In 
die en“fernteiten Länder aller Welttheile fendeten fie ihre Glaubensbo⸗ 
ten, und wo fie nur Fuß gefaßt, in Oſtindien und Merico, bei den 
Peruanern und Mongolen, errichteten fie Dominicanerkloͤſter. Auch 
ſchien der Orden das Geheimniß zu befigen, ſich zu rechter Zeit und’ am 
rechten Orte zu verjüngen. So mußten fie in ber neuen Welt mieber 
zu erobern, was die um ſich greifende, Aufklaͤrung in der alten ihr ent: 
zogen hatte. Es ift geroiß keine Übertriebene Angabe, daß der Orden 
zu der Zeit feines ausgebreiteten Umfanges in feinen 45 Provinzen ein 
Heer von 150,000 Mitgliedern Babe ftellen können. — Wiewohl aud) 
in dieſem Orden Reformen nöthig wurden, fo ift ee doch nie in befon= 
dere Zweige zerfallen, die wieder völlig unabhängige Orden ' geworden 
wären und ſich von ber Oberherrfhaft des Generals hätten losſagen 
dürfen. Nur eine Reform machte fi) in etwas bemerkbar und auf: 
fallend. Papſt Martin V. hatte 1425 dem Orden bie Erlaubniß ges 
geben, Einkünfte, Güter und liegende Gründe zu befigen, wodurch 
eine ihrer Hauptbeflimmungen, Bettler zu ſeyn, aufhört. Dadurch 
artete nun ‚der Orden fihtbar aus und Schmwelgerei und Wohlleben 
nahm unter feinen Gliedern uͤberhand. Die Luft, auf befchwerlidyen 
Wanderungen das Evangelium zu verkündigen, verſchwand dabei von 
ſelbſt, und fo hörten auch die Prebigermönde auf, als Miffionäre zu 


Bu | 





20 WMWMoͤnchthum. 
wirken. Dieß fühlte ein Mitglied bes Ordens Anton fe Quleu ſchmerz⸗ 
lich und ſtellte darum in einem Kloſter zu Lagnes bei Avignon 1686 
auf den Grund dee verdienſtlichen Armuth die alte Obſervanz wieder 
‚ ber. ‚Mic der Armuth follte aud bie alte Strenge des Ordens wies 
derkehren und Predigen ein Dauptgefchäft des Ordens werden. Nicht 
abgeneigt waren mehrere Kiöfter, auf diefe Art das geſunkene Anfehen 
des Ordens zu heben, bis Anton 1640 im friſchen Bekehrungseifer 
auch das Barfußgehen bei feinen Obfervanten einführen wollte. Als 
würden ihnen jest erſt die Augen geöffnet, erhoben fih nun mit aller 
Macht die -Dominicaner gegen die Congregation, welche Miene machte, 
einen neuen befondern Orden zu begrunden, und Längft bekannt mie 
allen Künften und Mitteln ber Verfolgung, gelang es ihnen bald, ben 
Pater Anton in feine Schranken wieder zuruͤckzuweiſen. Dem Bars 
- füßgehen mußten feine Anhänger nun für immer entfagen, fie entſchaͤ⸗ 
digten fich aber dafür durch mwunderliche Kaſteiungen mancherlei Art; 
fo war es keinem verflattet am Feuer Schuß gegen die Kälte zu fuchen. 
Diefe Congregation des heiligen Sakraments, wie fie ſich gern nannte, 
bat wicht viel Ausbreitung gewonnen. , 

Ein Orden, welches ſich das große Biel gefegt hatte, durch Pre⸗ 
Digen das Chriſtenthum zu verbreiten und Glaubensirrthümer zu vers 
tigen, konnte mit Zuverfiht auf den Dank der Mit: und Nachwelt 
rechnen; aber die Dominicaner haben denfelben dadurch verfcherzt, daß 
fie der chriftlihen Milde gar bald vergeffend, das Schwert brauchten, 
wo fie mit der Zunge nicht durchkamen, und daß fie, flatt allmählig 
das Volt aufzuklären, baffelde in noch fchmählichere Feſſeln des Sera 
thums und Aberglaubins ſchmiedeten. Sie ftrebten, wie bie tan 
ci8caner, nach Einfluß und Anfehen, aber oft auf andern Wegen. 
Während die Minoriten bie Männer des Volks waren, ftrebten bie 
Domintcaner vorzugsweife. nach der Gunſt der Großen und nad dem 
Beifalle der Fürften. Daher haben die Dominicaner auch fehneller als 
“ die andern bad Bettlerkleid abgeworfen, das in Paldften und an Höfen 
eft anftögig fenn mußte, und haben ſich gern ben feinen Sitten ges 
fügt, wo es Vortheil brachte. Am franzöfifchen Hofe find die Domi- 
nicaner in faft ununterbrochener Folge bis auf Heinrich IV. Beichtvaͤ⸗ 
ter geweſen, und die Könige von Caſtilien haben faft 500 Jahre lang 
biß auf Karl V. ihre Seelforger ausfchließlih aus dem Dorhinicaner= 
orden gewählt. Den Jeſuiten gelang es erft, fie aus diefem Felde ihrer 
Thätigkeit zu fchlagen. on 

Weiche Verſchuidung auch fan bier auf ihnen Taften mag, fo 
erſcheint fie doch unbedeutend gegen den ungeheuern frevelhaften Miß⸗ 
brauch, welchen fie mit ihrer Gewalt al6 Inquiſitoren trieben. Schon 
feit Dominicus verwaltete ber jebesmalige General des Ordens ala be= 
fonderes Vorrecht das Magisterium sancti palatii, und hatte fin die⸗ 
fem Amte die Verpflichtung, über alle erfcheinende Bücher eine ſtrenge 
Cenſur zu führen. Die rechtgläubige Lehre gab dazu allein den Maß⸗ 
flab. Über die Kegereien, meinte man, würden doch nicht eher auf: 
"hören, bis man bie Keger ſelbſt völlig unterdrüdt babe. Zwar waren 
früberhin ſchon die Biſchoͤfe beauftragt worden, Olaubenseinigkeit in 
ihren Sprengeln zu erhalten. Aber das Benehmen der Bilchöfe war 
bier wenigftens fehr ungleich und wie es ben Päpften duͤnkte, nicht 


Moͤnchthum. Ba a 
burchgreifenb genug. - Gregor IX. orbnete darum auf der Kirchenver⸗ 


fammlung zu Zouloufe 1229 die Errichtung ſtehender Ketzergerichte 


an. Es follten in jeder Parochie von dem Bifchofe ein Prieſter und 
einige Laien beflellt werden, mit dem Auftsage, alle Reber auszuſpuͤren 
und fie vor ihre Gericht zur Verantwortung oder Strafe zu ziehen. So 


entiland das sanctum officium oder die heilige Inquifitien, welde . 


fi) bald von dieſem Einfluffe der Biſchoͤfe frei- machte und in ben 
Händen der Dominicaner, welchen man Ddiefelbe fhon 1233 foͤrmlich 
und ausſchließlich übergab, die furchtbarfte Geißel der Menſchheit wurde. 
Die Graͤuel dieſes Blutgerichts find zu bekannt, als daß fie Hier 
einer weitläuftigen Schilderung bedürften. Doch nit überall 
nahm man das Joh bes neuen Glaubenszwanges fo gutwillig auf. 
Die Bifhöfe konnten nur mit Widerwillen es zugeben, daß auf diefe 


Art ihre Macht noch mehr befchränkt wurde. Die Gerichte felbft vers 


urfahten ungeheuern Aufwand und erbitterten durch raffinirte Grau⸗ 
fameit die Gemuͤther. In Deutfchland mußte der blutduͤrſtige Conrad 
von Marburg erft felbft mit dem Tode buͤßen, ehe die Inquiſition in 
den Gang kam, und diefes Land [chüttelte zuerft auch das mit tiefem 
Unwillen getragene Joh ab. Auch Frankreich, die Wiege dieſes geiſt⸗ 
lihen Trivunals, verftieß das entartete Kind, und nur das unglüdiiche 
Spanien hat mit unbegreifliher Langmuth bis gegen.das Ende des 
vorigen Jahrhunderts fich durch - die Inquiſition tiefe, in. Aberglanben 
und Entvölferung noch jegt nachblutende Wunden ſchlagen laſſen. 


Anfangs waren Franciscaner und Dominicaner nicht in Unfrieben. 


‚mit einander, da fie zu verfchiedene Wege eingefhlagen hatten, um ihe 
Ziel zu erreihen. Ja fie mußten wohl zu Zeiten vereint kämpfen, da 
nicht blos die ganze beftehende Kloſterwelt ſich gegen die beiden Bet⸗ 


telorden,, die ſich fo breit machten, erflätte, fondern auch, und vor⸗ 


zuͤglich, die Weltgeiſtlichen gegen Befelfchaften erbittert feyn mußten, 
welche fich ihres Vorrechtes, an- allen Orten zu predigen, Beichte zu 
hören und Sakramente zu verwalten, frei und ungehindert bedienen 
durften. So mußten die Dominicaner namentlid ihre Anfprüde an 
Lehrſtuͤhle auf Untverfitäten fafl mit Gewalt erobern und ihrer über: 
wiegenden Gelehrſamkeit wäre es nicht gelungen, ſich hier zu behaupten, 
Ä wenn nicht die Gunſt ber Päpfte endlich jeden Widerfpruch entkraͤf⸗ 
tet hätte. i 

Aber bald entbrannten zwifchen den Bettelmoͤnchen felbft bebenkli= 
he Kämpfe, die mit ber größten Erbitterung geführt wurden. Ein: 
mal mußte fchon dag bie gegenfeitige Eiferfucht erregen, daß bie Domi: 
nicaner über die Minoriten weit an Gelehrſamkeit hervorragten, und 
die Lehrftühle der Univerfitäten und Schulen mit allgemeinem Belfalle 


befliegen. Die Dominicaner verehrten längft ihren Albert den Gro⸗— 


ben, ihren Thomas von Aquino (doctor angelicus) ald hohe Zierden 
der Gelehrſamkeit, als die Stanciscaner noch Beinen aufweilen konnten, 
der diefen die Schuhriemen aufjuldfen verdient hätte. Da trat endlich 
der Franciscaner Duns Scotus auf mit lautem Widerfpruche gegen bie 
Lehtre des Thomas von Aquino, und Thomiſten und Scotiften lagen 
un lange Zeit im erbitterten Kampfe gegen einander zu Felde. Ein 
Hauptpunct ihres an ſich umfruchtbaren Streites war bie. unbefledkte 
Jungfrauſchaft der Maria, welche die Thomiſten verwarfen. Die 





2 Mörchthum. 


Franciscaner aber, welche fi zu Rettern berfelben aufwarfen, gewan⸗ 
nen dadurch beim Volke außerordentliih. Denn weit entfernt, daß 
daffelbe duch die genaue Auseinanberfegung eines fo delicaten Punctes 
verlegt worden wäre, fo hörten die Laien dergleichen vielmehr mit be⸗ 
fonderer Erbauung an. Uebrigens ſchworen die meiflen Dominicaner 
‚zue Sahne ber Nominaliften und vertheidigten Auguftins Lehre in feis 
ner firenaften Auslegung, während bie Sranciscaner fih mehr zum 
Semipelagianiemus hinneigten. Tauler, einer ber beiten Myſtiker 
feiner Zeit, gehörte zu diefem Orden, fo wie Fra Bartolomeo, den die 
- Merle feines Pinſels unvergeflih machten. Daß aber auch unter der 
Dominicanerkutte das edelfte Herz fchlagen konnte, hat der Menſchen⸗ 
freund Las Caſas bemiefen. | ' 
Berühren wir nun noch einige Mönchövereine, die in den Zeiten 
unmittelbar vor der Reformation einigen Ruf erlangten. Es gehören 
dahin die Carmeliter. Wenn alle Mönchsorden ohne Ausnahme: fich 
das Vorrecht anmaßten, die Gefchichte durch Mährchen und Erdichtun= 
gen zu verfälfchen; fo haben doch hier die Garmeliter alle Andere übers 
troffen. Je fchwieriger e6 war, eine neue Mönchsregel durch etwas auf: 
fallend Verdienſtliched, geltend zu machen, defto eiftiger griffen die Car⸗ 
meliter nach bem legten Mittel, fih hoch über alle beftehenden Kloſter⸗ 
verbindungen zu erheben; fie bemiefen: Mir find früher da gemwefen, 
als ihe alle. Beguͤnſtigt wurden fie hierin bei der Teichtgläubigen Men⸗ 
ge vorzüglich dadurch, daß man den Orden nicht nach und nad) auf 
europaͤiſchem Grund und Boden entftehen fah, fondern daß fie plöglich 
als eine foͤrmlich geordnete Gemeinfhaft aus weiter Kerne einwander: 
ten und zu einer Zeit, wo fi taufend Blicke fehnfuchtsvoll nad dem 
gelobten Lande wendeten, aus demfelben, als ihrer urfprünglichen Hei⸗ 


.  math, bei den Abendländern einkehrten. Um nur ein Pröbchen ftatt 


vieler von dem Lügengeifte dieſes Ordens anzuführen, bemerken wir, 
daß die Garmeliter ihren Orden bis auf Elias zur&dführten, den fie 
"den Stifter defjelben nannten. Um, Beweiſe dafür waren fie nicht 
verlegen. Elias Leben zeigte beutlih, daß er die 3 Geluͤbde beobach⸗ 
tete. Gott befahl ihm, fih am Bache Chrich zu verbergen, alfo in 
der Einſamkeit zu leben. — Die fpottenden Knaben nannten ihn einen 
Kahlkopf, alfo hatte er die Zonfur; — und als er Elifa durch den 
Prophetenmantel weihete, hat er ja offenbar die erfte Einkleivung vor⸗ 
genommen. Wir übergehen ähnlihe Lügen, 3..B. daß Jeſus und 
> feine Apoftel ſelbſt Carmeliter geweſen wären, und baß der Orden in 
einem Generalcapitef gleih nad der Ausgießung des heiligen Geift«s 
feierlich befchloffen Habe, -die chriflliche Religion anzunehmen, woraus 
fih die fehnelle Verbreitung derfelben erklären ließe — wir wenden ung 
vielmehr zur wirklichen Geſchichte, die ein ganz anderes Ergebniß be⸗ 
merklich madıt, . 

Berthold, aus Calabrien, ein tapferer Ritter im Heere Gottfrieds von 
Bouillon, löfte (ed war waͤhrend des zweiten Kreuzzugs) ein im Kampfe 
vor Antiochia gethanes Geluͤbde dadurch, daß er die Kutte nahm und fich 
auf dem Carmel möndysartigen Bußübungen widmete. Möglich, daß 
er dort ſchon einzelne Einfiedler vorfand, welche gleiches Beduͤrfniß 
dahin geführt hatte, gewiß aber, daß fich bald eine folenne Gemeinde 
um ihn fammelte, welcher im Jahre 1209 Albrecht, Patriarch) von 


Ed 
N 


Moͤnchthum. 33 


Seuafolem eine Regel erthellte. Sie mochte wahrſcheinlich nah Baft⸗ 
lius Vorſchriften verfaßt feyn unb Hatte weiter nichts Beſonderes, als 
baf fie zunaͤchſt auf Kinfiedler berechnet war, welche in abgefonderten 
Gellen lebten. Honorius III. beflätigte biefelbe 1224. — Als aber 
nad) dem Frieden mit den Saracenen (1229) die Einfiedler auf dem 
Carmel harten DBerfolgungen ausgefegt waren, entſchloſſen fie ſich, vor 
geblih durch die Maria ſelbſt dazu ermuntert, das gelobte Land zu 
verlafften. Von Cypern und Sieilien, wohin fie ſich ſeit 1238 zuerſt 
wendeten, kamen ſie bald nach Frankteich und England. Ueberall 
empfing man fie mit offenen Armen. Ludwig der Heilige ſtiftete ſelbſt 
1259 das erfle Carmeliterkiofter zu Paris. Allein ihre Webergang nad 
Europa mußte bedeutende Veränderungen herbeiführen. Innocenz IV. 
gab 1247 ihrer Regel auf ihr Anſuchen eine Erklärung, in welcher fo 
Manches mehr ihren neuen Werhältniffen gemäß feflgefegt wurde. 
Das eremitifche Leben mußte nun bem eÖnobitifhen weichen und es 
ward daher nicht mehr darauf gedrungen, daß ihre Kiöfter fih in Ein: 
öden befänden. Das Belübde ber Keuſchheit, das man bisher nicht 
ausdrüdlich abgelegt hatte, wurde dem des Gehorſams beigefügt, und 
neben mancher Milverung, bie man geflattete, doch im Ganzen bie 
Härte der frühern Sasungen zum Grunde gelegt, — Dur div Be⸗ 
günftigung Innocenz IV. und duch die Begänſtigung des Ordens⸗ 
Generals Simon Stod brätete fi ber Drden mit reißender Schnellig⸗ 
keit aus. Doch ganz die Erſcheinungen, mie bei andern Orden, tras 
ten aud bier ein. Das Glüuͤck machte die Garmeliter ubermüͤthig, 
führte zu Ausfchweifungen und zum Berfall, naͤchdem diefe Möndye im 
13. und zu Anfange des 14. Jahrhunderts gebluͤht hatten. Alle die 
gewöhnlichen Erfcheinungen,, bag man Mitderung der Hegel mußte eins 
tceten Laffen, daß fi Parteien bildeten und wider befondere Eongre⸗ 
gationen entflanden, welche theild ber neuern Anordnung gehordten, 
theil8 aber auch die alte Strenge zuruͤck wänfchten, fehen wie bier wies 
derkehren. Beſonders foßte, Johann Soreth, ſeit 1451 General bes 
Drbens, den Plan, durch firengere Korderungen eine zweite Meformas . 
tion vorzunehmen. Er fand aber wenig Beifall bei feinen Ordensbruͤ⸗ 
dern, fo daß diefe ihm felbft 1471 duch Maulberren vergifteten. — 
Gluͤcklicher war Soreth in einer Stiftung anderee Art, Cr hielt es 
nämlich für ſchimpflich, daß feinem Drben die Nonnen fehlten, dba body 
Maria demfelden befonders günftig geweien ſei. Er bekleidete daher 
zuerft Witwen und Waiſen mit dem heiligen Schleier, und ftiftete 
ſelbſt fünf Häufer für Carmeliterinnen. Und aus einem biefer Non⸗ 
nenkloͤſter ging endlich die dritte und nachdrücklichſte Reform hervor und 
ein Weib war es, welches buch fchwärmerifhen Eifer die Männer bes 
fhämte. Therefia von Gepeda, welche ſich ſchon im 22. Jahre ihres 
Lebens (1686) im Kofler zu Avila einkleiden ließ, hielt nicht einmal bie 
urfprüngliche Regel Albrechts mit Innocenz IV. Deutungen für aus: 
seichend,, fondera machte durch eine Anzahl eigener Zuſaͤtze die Uebun⸗ 
gen noch weit mühfeliger. Zum unverbruͤchlichen Geſetz erhob fie das 
Barfußgehen und erfchlen fat nie amders ale mit nadten Süßen. Ges 
hotſam wurde mit fo umerbittlicher Strenge gefordert, daß ſelbſt das 
Unmögliche, wenn es verlangt wurde, verfucht werben mußte. Wir 
übergeben das Ummathsliche und zum Schell Ekelhafte, wodurch fich 


34 | Monchthum. 


dieſe traurigen Opfer des Fanatismus Gott wohlgefaͤllig zu machen 
glaubten und wobei ſie auch den traurigen Ruhm behaupteten, es 
darin weiter gebracht zu haben, als alle andere. Thereſia hatte den 
Muth, ihre Reform ſelbſt auch in vielen Moͤnchskloͤſtern der Carmeliter 
einzuführen. Bet ihrem Tode war dieſelbe ſchon von 32 Haͤuſern an⸗ 
genommen. Bon Spanien aus verbreiteten fie fich in viele andere Linz 
der, und erhielten fogar endlih bie Beguͤnſtigung, fidy einen eigenen 
General wählen zu dürfen. Sie nannten ſich Carmeliter: Barfüßer. 
Mit Therefias Stiftung zugleich trat noch eine neue Einrichtung ins 
Leben. In Erwägung, daß die Garmeliter Einfiedler gewefen waren, 
follten naͤmlich die Barfüßer des Ordens in jeder Provinz eine Eindde 
befigen, wohin fich diejenigen zuruͤckziehen könnten, welche eine Zeit lang 
ein völlig zuruͤckgezogenes Leben führen wollten. Doch wählte man 
dazu nur diejenigen aus, die fih Stärke genug zutrauten, folhe Mühz 
. feligkeiten ertragen zu innen. — Auch Tertiariercarmeliter gab es 
feit 1476. 

Schon oben haben wir angebrutet, daß die Sarmeliter auf nichts 
fo flolz waren, als auf das angeblich hohe Alterthum ihres Beſtehens, 
und daraus zugleich hat man die lebhaften Verſuche zu erklären, im 
Drden Uebungen wieder einzuführen, wie man fie nur von den aͤgypti⸗ 
ſchen Afcetenfchwärmern zu erzählen mußte. Beides zufammen kann 
man ben Geift des Ordens nennen. Naͤchſtdem aber brüfleten ſſch die 
Carmeliter mit dem befondern Schuge der Maria, daher fie auh am 
kiebften den vollfiändigen Titel brauchten: Orden unfrer L. Fr. vom 
Berge Carmel. Maria, erzählen fie mit frecher Stirn, geht nicht nur 
felbft alle Sonnabende ins Fegefeuer, um alle Carmeliterfeelen daraus 
zu befreien, fondern fie ift auch dem General Simon Stöd erfchienen, 
um ihm eigenhändig zum befondern Gnadenzeichen das. Scapulier (aud) 
der Eleine Habit bee Maria genannt) zu überreichen, mit der Zufiches 
rung, baß, wer in biefem Scapulier ſterbe, der ewigen Seligkeit ges 
wiß fei. Und im Vertrauen auf dieſes Verſprechen bildete ſich auch 
eine Scapulierbruͤderſchaft, welche zahlreiche Anhänger fand, — Die 
Verfaffung iſt ariffokratifh, denn der General iſt dadurch fehr bes 
ſchraͤnkt, daß er bei nur einigermaßen wichtigen Angelegenheiten die 
Definitoren (Generalcäthe) zu Mathe ziehen muß. — 

No müffen wir Einiges von den Auguftinern anführen. Die 
Bahl ber vier großen Bettelorden warb mit den Auguflinereremiten voll. 
Auch diefee Orden führte feinen Urfprung auf unerwiefene Zhatfachen 
zuruͤck. Entfchieden ift es, daß Auguflinus nach einer leichtfinnig verleb⸗ 
ten Jugend umd vielfachen Verirrungen vom Latholifhen Glauben, das 
Bedürfnig nad den Begriffen der damaligen Zeit ſich durch ein bufferti- 
ges afcetifches Leben mit der Kirche wieder auszuföhnen ſuchte. Er eiferte 
daher vor feiner Erhebung zum Biſchofe (395) zu Tagaſta mit meh⸗ 
tern Freunden und Landsleuten durch Faſten, Gebet und Kafleiungen 
den Einfieblen und Kloſterheiligen Aegyptens nach, deren Beifpiel ih⸗ 
nen ja nicht fern lag» Aber daß das Kloſter zu Tagaſta ſchon eine 
Regel von Auguflinus erhalten, und daß bie Zahl der Kiöfter ſich nad 
biefem Vorbilde bald ungemein vermehrt habe, find eben fo unerwie 
fene Behanptungen, ale daß die Auguftinecemiten ihre Eriftenz in unun⸗ 
terbrochener Folge davon .ableiten wollen. Denn wenn bie Döndhe 


\ 


13 6 
*! 1,2 2. Si a 2a 


⸗ .* t “> 
R1 — A 211 aa — 


DK Ze Er a Er Er —1 “ 


— — mn Mo - 2. »V 2. 


Monchthum. 3 


Neordaftika's, verfcheucht durch den Einbruch der Wanbalen, fih wirk⸗ 
4, wie jene behaupten, nach Stalien und andern Ländern geflüchtet 
zud dahin Auguftinus Megel und Obfervanzen gebracht hätten, fo wäre 
es deh in ber That eim feltener Eigenfinn der Geſchichte, darüber Län: 
gr als 700 Jahre ein hartnädiges Schweigen zu beobadıten. Und, 
sem bie Geſchichte ſchwieg, fo hätten doc) gewiß die Mönche gefchrieen. 

Die Sache verhält ſich vielmehr fo: Neben den beflehbenden und 
ven dee Kirche beflätigten Drben hatten fih im 11. und 12. Jahrhun⸗ 
et, namentlich in Stallen, mehrere Cinfiedlergefellfchaften gebildet, 
reihe meift ohne Kegel fih nach Willkühr eine Verfaffung gaben, und 
gueiffe Obfervangen unter ſich gelten ließen. Die bedeutendfien unter 
ihnen waren die Boniten, die Brittinianer, die 108 Pas 
nifhen Einfiedler, die armen Ratholiken, die Sad, 
träger von der Buße und Wilhelmiten. War es nun 
überhaupt ein Uebel zu nennen, daß es bei dem gleichſam privilegirten 
Unheile, welches die gefeglich genehmigte Kloſterwelt uͤber die Ghriftens 
beit btachte, noch Gemeinfchaften gab, melde fi der Aufſicht der 
Kirche ganz entzogen, fo erhob uͤberdieß der Brodneid der Franciscas 
ner und Dominicaner über diefelben laute Klage, beſonders über die 
Boniten, welche in ihrer Tracht von den Minoriten ſchwer zu unters 
Iheiden waren. Gregor IX. verordnete daher 1241, daß fidy die Boni⸗ 
tn fortan ducch die ſchwarze Kutte und ben Kruͤckenſtab unterfcheiden, 
und wenn fie um Almofen anſpraͤchen, ausdruͤcklich erklären ſollten, 
zelhem Orden fie angehörten. Auch gab er und Innocenz IV. mehs 
mm jener Kinfiedlercongregationen bie Regel Auguſtins. Diefe Regel 
üsrte aber keinesweges fo, wie man fie beobachtete, von dem Kirchen⸗ 
shrer Auguſtinus ber, fondern war weit fpäter mit Berüdfichtigung 
zweier Reden Defielben, de moribus clericorum und feines 109ten 
Btiefes an die Nonnen, mit vielen Zufägen, welche eine neuere Zeit 
wrrathen, entwosfen worden. Der bleibende Srundfag der Päpfte durch 
Eatſtehung einzelner Gongregationen nicht die Zahl der Orden vermeb- 
un zu laflen, veranlaßte befonders Alerander IV. in dem großen Ga: 
pitel zu Rom 1256 eine Vereinigung der genannten Gongregationen 
becbei zu führen, welcher nur wenige fich entzogen. - So entitand jegt 
et der Orden der Einfiedler bes heiligen Auguftinus, welcher bei ſei⸗ 
nem Eutſtehen das Eigenthuͤmliche hatte, daß er nicht, wie die andern, 
von Erinen Anfängen fit) allmählig entwidelte, fondern fogleih in 4 
Provinzen, Frankteich, Deutfchland, Stalien und Spanien, fein Das 
kin ankündigen konnte. Den Namen der Gremiten behielten fie nur 
darum bei, weil die Gemeinſchaften, welche hier zuſammentraten, fruͤ⸗ 
ber als Einſiedler gelebt hatten. Sie hätten ſich ſogleich Mönche nen: 
nen folen. Ihre Regel athmete übrigens keineswegs den Geift ber 
Strenge, wodurch fonft neue Drben ihr erſtes Auftreten bezeichneten. 
5 waren mildernde Rüdfihten darin genommen. — Froh der Ber: 
Aanigung gaben die Päpfte den Auguftinern bald bedeutende Privilegien. 
Cie erhielten nicht nur ihren General (Lanfrance Septala bekleidete 
juerſt diefe Wuͤrde), fondern auch in einem Cardinalbeſchuͤtzer die Zu: 
Nherung beſonderer Fuͤrſprache beim Papfte in Angelegenheiten des Dr: 
dene. Das Amt eines Sakriſtan ber -päpftlihen Gapelfe, womit die 


\ 


Orslforge des Heiligen Vaters verbunden war, Eünmte, fortan mus von 
. 32* 


38 Monchthum. 


einem Auguſtinermoͤnch verwaltet werden. Den Krüuͤckenſtock burften fie 
ablegen, mußten fich aber verbindlich. machen, bie ſchwarze Kutte zum 
tragen. Als vierter Bettelorden wurden fie jedoch erft 1567 durch 
Pius V. anerlaunt Die Verfaffung war ariftofratifh, wie bei bes 
Earmelitern.. Ä 
j Man: hätte erwarten follen, daß die mildere Megel Auguſtins ge= 
wöhnlichen Ausartungen des Ordens wenigftens auf eine längere Zeit 
vorbeugen werde, Allein fhon im 14. Jahrhundert erhoben fich laute 
Klagen über den Verfall der Zucht bei den Auguflinern und wedterz 
bei den Slaubenseiferern bie Luft zu reformiren. Nun finden mir die 
alten Erſcheinungen der verfchiedenen Gongregationen wieder, von denen 
die Barfüßers Augufliner am längften den Ruf einer gewiffen Strenge 
behaupteten. Waren num auch in einer Art diefe Gongregationen benz 
Orden nachtheilig, fo beförderten fie doch auf der andern Seite feine 
ſchnellere Ausbreitung. — Die Auguſtinernonnen können fih mit 
ſcheinbar größerem echte einer frühern Entftehung rühmen, als die 
Möndye; denn in dem oben erwähnten Briefe giebt Auguftinus wirk⸗ 
lid) einer Nonnengemeinfchaft, deren Vorſteherin feine Schwefter war, 
Worſchriften für ihe Zufammenteben. Dennoch fällt auch die Stiftung 
der Einfiedlernonnen des heiligen Auguftins in die Zeit, wo bie Ere= 
mitenvereine Italiens fih zu einem Drden verbunden hatten. Jedoch 
fieben fie in einem fo lodern Verbande mit bdiefen, baß fie nicht efn= 
mal, mit wenigen Ausnahmen, den General ber Auguftiner Über ſich 
erkennen, fondern unter dem Scuge und der Aufficht der Biſchoͤfe le⸗ 
ben. — Auch Zertiarier hatten Die Augufliner, denen fie, wie die 
Garmeliter das Scapulier, den kleinern ledernen Gürtel gaben, mit def= 
fen Befig außerordentliche Verheifungen verbunden waren. — Wie 
die Augufliner die legten waren, melde der vollen Mechte eines Betz 
telordens theilhaftig wurden, fo blieben fie auch die ſchwaͤchſten ars 
Macht und Einflug. Zwar hatten fie auch zur Zeit ihrer weiteſten 
Ausbreitung mehr ald 2000 Klöfter; nie aber konnten fie es doch mie 
Dominicanerın und Sranciscanern aufnehmen und wollten es vielleicht 
auch nicht, da fie den ruhigen Genug und das ftille Leben ſchon lieb 
gewonnen hatten. Zwar ruͤhmt ſich dee Orden eines Onuphrio Pan⸗ 
vint, eines Cardinal Noris, eines Abraham a Sancta Clara, eines 
Louis de Leon. Aber dieß waren nur glänzende Ausnahmen, die mei⸗ 
fen gingen im wüſten Lebensgenuß ganz verloren oder trübten das 
reine Licht derfelben ducch widerlihe Schwärmere. Erſt im 17. ımd 
18. Jahrhundert, wo fie den Einfluß einer aufgeklärten Zeit nicht mehr 
abwehren konnten, zeigte ein Theil ihrer Schulen eine edlere Thaͤtig⸗ 
keit. Uebrigens war um biefe Beit ihre befle Kraft fhon gebrochen, ba 
man e6 ihnen nicht vergeflen Eonnte, daß aus ihrer Mitte der Erzfeind 
dee römifch » katholifchen Kirche, Dr. Martin Luther, hervorgegangen war. 
Sie hatten mehr, wie andere Orden an Klöftern eingebüßt. Auch die 
Serularifationen der neueften Zeit haben ihnen empfindliche Verluſte 
beigebracht, und nur in Portugal und Garbinien und ia ber neuen 
Welt haben fie fich bis jest einer ungeflöxten Exiſtenz zu erfreuen 
gehabt. No könnten wir einige Moͤnchs⸗ und Nonnenvereine in bie 
fem Zeitrauma erwähnen, wie 3. B. die Serviten, denen der geiftreiche 
Maul Sarpi, ber gelehrte Ferrarius, und in der neueſten Zeit der viel 


Moͤnchthum. 
beſprochene Glonvertit Werner angehoͤrten. Allein fie haben fidy nicht 
durdy etwas Beſonderes ausgezeichnet. Will man im Kursen eine ges 
drängte Auskunft dariiber haben, fo findet man fie in ber bereits oben 
angeführten Scheift: „elöihte der Moͤnchſsorden von Moritz Di: 
sing x. Ates Boch. p- 71—82% Wir felbft haben befonders in Ne. 
U. und ll. diefes Areikels jene Monographie benutzt. 

V) Einfluß der Reformation auf das Mönd- 
tbum in der römifch s Eatbolifhen Kirche. — Wie 
fegen bier alled das als befannt voraus, was das große Reformations⸗ 
wert Luthers vorbereitete, und bemerken nur dieß, daß es die großen 
Mißbraͤuche des Moͤnchthums mit waren, welde ben erflen Impuls 
zu dieſem weltgefchichtlichen Ereiguiffe gaben. Die Vorſehung führte 
Luthern ind Kloſter und zeigte ihm da alle die Graͤuel des Moͤnch⸗ 
thums, wie fie ihn nah Rom führte, bamis er feine ſcheue Vereh⸗ 
zung vor dem Papfle ablegen und ihn mit Ueberzeugung den Antichrift 
nennen könne. Hätte ihm das Kofler, der erſten Beflimmung gemäß, 
irgend eine reltgiöfe Seite gezeigt, gewiß Luther, dem eine lebendige 
Dhnntafie nicht abzuſprechen war, bätte mit aller ber Wärme feines 
Gefühle das Suftitut vertheidige, mit weicher er es nachher verdammte. 
Aber der Glaube war tobt in den Klofiermauern und Despotismus, 
irdiſches reiben und alle Laſter malteten frei, wo er Frömmigkeit und 
Tugend gefuche hatte. Darum folgte Luther gern dem Rufe feines 
verehrten Ordensprovincials Staupig, an der neu ertichteten Univerfis 
tät zu Wittenberg Philoſophie zu Icheen, da fich bier ein freierer und 
edlerer Wirkungskreis fuͤr ihn eröffnete und bie unwuͤrdigen Feſſeln, die 
ihn ans Kloſter knipften, doch einigermaßen geloͤſt wurden. Einen 
noch tiefern Blick in das Verderbniß der Kloͤſter warf er, als Staupitz 
ihm 1616, da er abweſend ſeyn mußte, auf einige Zeit das Vicariat 
übertrug. Doc verzweifelte er noch keineswegs an einer Beſſerung, 
fondern empfahl den Möndyen aufs nachdruͤcklichſte das Studium der 
Bibel. Da trat Tegel mit feinem Ablaßkram auf, und Luther wurde 
zu tief von feiner unerhörten Frechheit empoͤrt, als daß er nicht ernſt 
und mit Nachdruck dawider hätte auftreten follen. Bei der bekannten 
Rivalität der einzelnen Bettelorden mußte man damals wohl von vie: 
len Seiten‘ glauben, ber Widerſpruch Luthers fei blos burdy Ordens: 
eiferfucht geweckt worden; aber thöricht wäre es bie befangene Anficht 
jener Zeit theilen zu wollen. Gewiß, Luther bätte den Auguſtiner⸗ 
Ablaßprebiger eben fo unfanft behandelt, als er mie dem Dominicaner Tegel 
verfuht. Wo die Sache fo laut ſprach, Lonnte die Perfon ihm nichts 
gelten. Ueberhaupt zeigte Luther auch bier ein Benehmen, bad bie 
Borausfegung rechtfertigt, er würde bei einiger Maͤßigung von Seiten 
der katholiſchen Partei nie fo weit gegangen feyn. In Beziehung auf 
die Kiöfter verfuhe er mit einer Beſonnenheit, weiche In andern Faͤl⸗ 
len oft ‘an ihm vermißt wurde; denn feine Anfiht von ber Unaufloͤs⸗ 
lichkeit gethaner Geluͤbde machte ihm anfangs großes Bedenken, ob mar 
daſſelbe ohne Verlegung des Gewiſſens zerreißen duͤrfe. Mur immer 
tiefere® Forſchen und dadurch gewonnene Klacheit der Anfichten aͤnder⸗ 
ten bier feine Weberzeugungen. Er felbft war 1524 der leute Moͤnch 
feines Kloſters, der die Kutte ablegte, und er mußte emblich diefen Schritt 
thun, wenn er mit der ihm fo lieb gewordenen Anficht von der Recht: 


3 u Moͤnchthum. 


fertigung durch den Glauben nicht in immerwaͤhrendem Zwieſpalt leben 
wollte, Ueberdieß kam ˖ der moraliſche Ekel hinzu, welcher ſchon laͤngſt 
den mechaniſchen Gottesdienſt, das unthaͤtige Leben und. die fromme 
Bettelei verdammt hatte. — Endlich mußten auch tiefere Betrachtun⸗ 
gen über daB wahre Wohl des Staats die Fürften belehren, wie nach⸗ 
theilig ihnen der ungeheure Güterbefig der Klöfter und Stifter in finans 
zieller Dinficht geworden fei. Und fo wandelten denn mit ſtillem 
Dante gegen Bott und mit Iautem Jubel unzählige Mönche und Non: 
nen aus den däfteen Klofterhajten hinaus ins frifche fröhliche Leben, 
und in der Haft, womit fo .viele bie dargebotene Freiheit ergriffen, vers 
rieth ſich deutlich genug, mie aunfreirmittig ihre Geluͤbde geweſen waren, 
mit welhem Widerwillen men fie beobachtet hatte. 
-  Merfen wir nun einen Bid zuruͤck auf die großen Folgen ber 
Reformation, fo müffen mis biefe bald günftig, bald ungünflig nen= 
nen. Bu den günfligen Folgen aber muß man einmal [dom 

a) den Umftand zehnen, daß ein großer Theil 
des nördlichen. Europa van den Mönchen befreit 
wurde. An vielen beutfchen Ländern, wie in. Sadhfen, Braun⸗ 
ſchweig, Deffen, Würtemberg, Baden, und in ben meiſten freien 
Reicheftädgen, wie Hamburg, Nürnberg, Luͤbeck, Frankfurt a. M., 
fanden die Klöfter bald Iter, umd waren durch den freiwilligen Austritt 
ihrer Bewohner ſaͤculariſirt oder weltlich gemacht. Schweden und Däs 
newark folgten um fo willigee dem nerführerifchen Beilpiele, da man 
in jenen Ländern dem Kloſterweſen nie recht hatte Gefchmad abgewins 
nen können. Albrecht von Brandenburg wagte noch mehr, indem ex 
das Hochmeiſterthum Preußen in ein weltliches Sürftentyum verwan= 
delte. Auch im Süden wehrte man mit Mühe dem Sturme der Zeit 


auf die Kloͤſter. Eine andere wichtige Folge der Reformation in dieſer . 


"Beziehung war auch die, 

- WM daß inden Klöftern-felbft Reformen zum Beſ⸗ 
fern wirPlich wurden. Die Klagen und Schmaͤhungen über 
das arge Weſen, 208 in den Klöflern herrſchte, wurden nicht mehr 
einzeln vernommen, fonbern hatten als Feldgefchrei ganzer Völker eine 
gefährliche Deffentlidykeit erlangt. Daher wurden felbft diejenigen, wels 
che der alten Kirche noch anbingen, aufmerkſam auf die Gebrechen bes 
. Klofterrosfens, und verlangten dringend Abflelung derſelben. Nun fruch⸗ 
teten zwar die Reformen, die man von neuem auf den Concilien in 
Vorſchlag brachte, menig, da die Päpfte nie rechten Ernſt dabei zeigten, 
- aber im Snnern vieler. Ktöfter ging indeß eine flille, doch heilfame 
Veränderung vor. Mönche und Nonnen hatten endlich die Ueberzeu⸗ 
gung gewonnen, daß fie mit ber Verehrung des Volle die feſteſte 
Stüge ihrer Exiftenz verloren hatten und fuchten daher biefelbe auf 
alle Weife wieder zu gewinnen. Die Verfchließung ward von neuem 
pewiftenboft beobachtet, der allzuhäufige Umgang mit Weltleuten abges 

rochen, das Ärgerliche Leben bier unterdrüdt, dort wenigftens heimlich 


getrieben und die ernflern Befchäftigungen mit Sugenduntereiht und . 


barmberzigen Werken wleder vorgenommen. So hatte die Neformation 
ben Triumph aud da wirkfam zu feyn, wo man fie ans meiften Id» 
fierte.. Auch kann man wohl al& günftige Folge der. Meformtaion 
noch anführen, 


Monchthum. 30 

o) daß unter den neuen Kloſtervereinen (bie chro⸗ 
nologiſche Ordnung derſelben und Ihre etwaige Merkwuͤrdigkeit findet 
man nachgewieſen in Doͤrings oft genannter. Geſchichte ber Moͤnchsor⸗ 
den Th. 2. p. 98 ff.)-Teit der Reformation doch wenig: 
Rens einer war, der ſich als wohlshbätig für die 
Menſchheit bewies, 

Wie die Vorſehung Bottes oft in das Schlechteſte und Verach⸗ 
tetfte den Keim des Bellen und Hellfamfien legt, fo verdanken wir den 
Raſereien bes wunderlichfien Deitigen einen ber wohlthätigften Orden. 
Johanu von Gott (Johannes à Dieu), ein Portugiefe von Geburt, 
gefiel fi in ben auffallendfien Gonderbärkeiten. Diefe wurden ſelbſt 
dem Glauben der Spanier zu Fark, fo daß fie ben Schwärmer in ein 
Toſlhaus braten. Bon da nichts weniger als geheilt entlafien, hatte 
er bie fire Idee aufgefaßt, ben Kranken beisuftehen. Mit dem Spru⸗ 
de: Deine lieben Brüder, thut Gutes um ber Liebe Gottes willen, 
wanderte er durch die Straßen und wendete alles, was er echielt, auf 
Krankenpflege. 1540 Eonnte er ſchon ein Haus zu Granada miethen, 
weiches das erfle Hofpital und die Grundlage bes Drdens wurde. 
Madrid, Cordoda u. a. folgten bald dem guten Beiſplele. Doc lag 
es keineswegs in feinem Piane, einen Moͤnchsorden zu filften, ihm 
ſelbſt mochte die Kloſterluft am wenigſten behägen. Aber ba nım ein- 
mal was damals für wohlthätig gelten ober auf dauernde Unterſtuͤtzung 
rechnen wollte, in den Bann des Kiofters mußte, fo fügte er fih in _ 
das Unvermeidliche, und wählte Krankenpflege zum vierten Gelübbe, 
Diime Regel ordnete Johannes anfangs alles, was zum Beiſtande für 
die Aranken biente und gab ein lebendiges Belfpiel ruͤſtigen Strebens, 
Papft Pins V. gab ihnen erſt 1572 mit feiner Beſtaͤtigung die Regel 
Auguftins. Ihr General nannte fich Major generalis, der Superior 
eines jeden Hofpitale Major. Bon Spanien aus verbreitete fich ber 
Orden nach Stalien, Deutſchland und Amerika, und hat äberall des 
Guten viel geftiftet. Darum hat aber auch der Genius bes Wohl⸗ 
thuns faft alle ihre Häufer in den. Stärmen der Zeit von dem Unter 
gange gerettet. In verfchledenen Ländern führen die Hoſpitaͤlermoͤnche 
verfchiedene Namen, als: Brüder der chriftlichen Liebe, Bruͤder der Gaſt⸗ 
freundfchaft u. a. In Deutfhiand, vornehmlich in Deftreich, fliften 
fie ſich als barmherzige Brüder noch taͤglich ein freundliches Andenken . 
ihres Namens und üuͤben die für Mönche hoͤchſt feltene Toleranz, daß 
ber Jude und der Proteftant bei ihnen ohne Entgeltung biefelbe wohl⸗ 
thätige Pflege erfährt, wie der- vechtgldubige Katholik. Ihre Hofpitäler 
zu Wien und Prag find wahre Mufter für ſolche Anftalten und wer: 
den von ber Regierung durch Begänftigungen aller Art in ihrer Thaͤ⸗ 
tigkeit unterflüßgt. Ä 

3u den unglınfligen Kolgen, die ſich bach bie Reformatien in 
Abfiche auf das Moͤnchthum entwickelten, gehöst j 

a) der Umftand, daß es von einem Theile feines 
zeitberigen Schauplages feinen BliE nun von 
Öften und Norden nah Weiten bin wendete, wo 
ein großes reiches land aus.den Slutben, wie durch 
Zauberfhlag auftauchte. Wären die Moͤnchsorden nit taub 
gewefen für die großen Lehren, die ihnen eben bie Geſchichte in wars 


“ indie. 


nenden Beiſpielen vorgetragen hatte, fo hätten fie über bie neue "Belt 
sinen ganzen Fruͤhling ſchoͤner Hoffnungen berbeiflihuen und ihre ſchwe⸗ 
een Verfündigungen wieder gut machen koͤnnen. Aber fie begannen dort 
aur biutdürftiger und einflußreicher das alte Spiel und begründeten auf 
300 Jahre von neuem ihre furchtbare Macht. Doch eine weit fhlimmere 
Geburt der Reformation, man darf fie wohl Yusgeburt nennen, war 
b) die Entftebung des Jeſuiterordens. Wir müfs 
fen uns auch bier wermöge der Grenzen, die dieſem Haudbuche gefetzt 
. find, nur mit ben allgemeinem Daten und mit den Hauptergebniſſen 
begnügen. Wir betrachten daher die Tendenz, die Schidfale und bie 
Wirkungen ded Ordens in den Jahrhunderten feines Beſtehens. 
16te8 Jahrhundert. Bekanntlich iſt Ignatius von Loyola, - 
geboren 1491 auf dem Schloffe gleiches Namens im fpanifchen Biss 
caya, ber Stifter dieſes Ordens. Mir fegen hier das Abenteuerliche 
feiner Lebensgefhichte, fo wie die Wahrheit als befannt voraus, daß 
ber eigenthuͤmliche Geiſt des Ordens nur zum Bleiniten Schelle von ihm 
herruͤhre. Schwaͤrmeriſche Anſichten vom Moͤnchsleben beſchaͤftigten ihr 
unaufhoͤrlich mit dem Wunſche, einen Orden zu ſtiften. Endlich, nach 
Bekaͤmpfung nicht geringer Schwierigkeiten, am 16. Auguſt 1634 ges 
lang eg ihm mit ſechs feiner Gefährten das feierliche Geluͤbde abzule⸗ 
gen, allen Guͤtern zu entfagen und fi ber Bekehrung ber Unglaͤubi⸗ 
gen zu widmen, und zwar geſchah dieß auf framzöfiihem Boden. Es 
war vor der Hand hoͤchſtens nur darauf abgefehen, einen verjängeen 
Dominicanerosden ins Leben zu rufen. Anfangs hatte ſich der Orden 
das gelobte Land zum Wirkungepiatze auserfehen, aber fei es Zufall 
ober Abfiche, ein Meiſterſtreich war e6, daß fie ihren Plan aͤnderten 
und fich dem Papſte zu Mom gleihfem als eine heilige Schaar zu 
ernigen Dienſten erboten. Sie nannten fi von der Geſellſchaft Jeſu 
(Societas Jom) und legten, obgleich fie ſich zu dem drei gewöhnlichen 
Geluͤbden verbanden, doch auf das des Gehorfams, melden fie durch 
unbebingte Unterwerfung. unter den Willen des Generals erklären, einen 
vorzüglichen Werth, fo wie auf das vierte Gelübde, weiches fie hinzufuͤg⸗ 
tem, uͤberall hinzugehen, wohln der Statthalter Chriſti fie fenden würde. 
Zu bewundern iſt «6, daß Paul ME es anfänglich bei einer ziemlich 
lauen Aufmunterung das Ürdend bewenden ließ, indem er 1540 die 
Zahl der Ordengglieder nur auf 40 beſchraͤnkte. Wielleicht hatten ihn viels 
fache Erfahrungen vorſichtiger gemacht, indem ja mehr als einmal Or⸗ 
ben aufgetresen waren, weiche die [hönften Erwartungen aufs. bitterfte 
gräufer, und das pApftliche Anfehen mehr erfchhttert, als befeftigt hatten. 
541 war Ignatius zum General erwählt und fchlug feinen Sig 
zu Kom auf, währenh Glaubensboten von da nad allen Gegenden 
binwandertenz; denn durch Miffionen gründete ber Orden fein Gluͤck und 
feine Gewalt. Von nun an erbaten. fi) mehrere Länder Europa’s 
Sefuiten, wie Portugal, Stalin, und Paul Ill. hob ſchon 1648 bie 
Meichränfung der Anzahl ihrer Mitglieder auf, Ueberhaupt mochte 
nun dem Papſte bie Ueberzeugung gelommen fepn, wie hoͤchſt wich⸗ 
tig ihm die räßige Schaar werben koͤnne; denn er überfchättete 
faft ben Orden mit Privilegien aller Ar. Sie durften nun aller Or⸗ 
ten peebigen, Beichte hören, und ſollten nicht einmal, wie andere 
Geiſtliche in Bezug auf Defielefen, am beſtimmte Tageszeiten gebunden 


Miachtäum. | 4 


fen; ja fein Vertrauen ging fo weit, baß er den Jeſuiten erlaubte, 
ons eigener Machtvollkommenheit neue Geſetze in ihrem Orden einzu 
führen und befichende zu aͤndern. Und in ber That wendeten fie bafke 
auch mit entfchiedenem Gluͤcke vom päpftlichen Stuhle die naͤchſte Ges _ 
fahr ab, die ihm drohte. Denn nicht ohne geheimes Grauen bemerkte 
ber Bifchof zu Rem, mie in Deuiſchland bie Reformation fich immer 
weiter ausbreitste, wie ſelbſt das gefähzliche Beiſpiel, fild vom Ginfluffe 
der Curie unabhängig zu machen, nicht umſonſt gegeben zu ſeyn ſchien, 
und wie ber Geiſt der Aufklärung durch dem vecbefferten Wolksunters 
wicht die. Nationen mehr und mehr über ihr wahres Intereſſe beichrte, 
Fest traten bie Sefuiten auf und zwar, was ihnen ein entſchiedenes 
wicht geben mußte, wicht als die blinden Glaubenseiferer, bie 
mit dem Schwerte basein fchlugen, ſondem die ſich durch feine® Bes 
nehmen andy bei den hoͤhern Ständen beliebt zu machen wußten. Und 
da fie mit durchdachter Schlauheit fich ſelbſt, wo «8 nöthlg war, dem 
Schain freifinniger Lehrer zu geben wußten, gelang es ihnen nament⸗ 
. lich in Baliern und Deſtreich, die große Menge wieder unter das Joch 
bee altım Lehre au zwingen: E = 
.Mochten ihnen auch in einzelnen Ländern Curopa's, wie in Frank⸗ 
zeih und durch den Dominioamerorden in Spanten, große Hinderniffe 
in den Weg gelegt werden, fie überwanden biefelben und wußten ſich 
gerade in folchen Laͤndeen am gluͤcklichſten zu befefligen, wo man Ihnen 
anfangs ars meiflen entgegen gewefen war. 

1356 fierb Ignatins. Mögen auch die Jeſuiten auf feinem Grabe 
wahle eine noch fo prahlende Prunkſchrift auf das ihm errichtete Denk: 
mahl gefeht haben, ihm verdankt der Drden dennoch zum kleinern 
Theile fein Gluͤck und feine Ausbreitung. Wäre es möglich geweſen, 
bem Ignatius in einem Zauberfpiegel der Zukunft deu Orden in der 
furdyebaren Größe zu zeigen, in welcher er fpäter dafland, er Hätte 
geſtehen müflen, zu einem fo kühnen Plane babe er fich in feinen ftols 
zeſten Traͤumereien nicht erheben Binnen. Die fpätern Generale Rainez 
und Aquayiva ragten weit über Ignatius hervor. 

Die ungebeuern Anmaßungen aber und die abfcheulihen Verbre⸗ 
den des Ordens mußten fi bald ſelbſt beftrafen. 1594 gaben fie 
einem ihrer Schüler, Johann Gaftel, das Meffer in die Hand, um 
Henri IV. zu morden. Der Verbrecher geftand balb ein, daß ihn 
Die Sefuiten von der Verdienftlichleit des Koͤnigsmordes überzeugt haͤt⸗ 
ten. Mit Caflel mußte der Sefuitenrector Guignard, deſſen Papiere 
von feinen versuchten Grundſaͤtzen Zeugniß gaben, unter Qualen des 
Todes fein Verbrechen büßen. Durch feierlichen Schluß des Parla⸗ 
ments wurde der Orden aus bem Lande verbannt. Dennod verließen 
auch jest noch nicht alle Jeſuiten das Land und viele warteten in welt 
licher Kleidung die günfligere Gelegenheit ab, von neuem ald Ordens⸗ 
brüder wieder auftreten zu können. 1601 traf. die Sefuiten das Schids 
fal, auch aus England verbannt zu werden, und nachbem ihre ſcheuß⸗ 
liche und abenteuerliche Idee der Pulververfchwörung, weiche König und 
Darlament mit einem Streicye vernichten follte, entdedit war, folgte ihnen 
der Fluch Englands auf ihrer zweiten Flucht 1610. — Auch in den Nies 
derlanden fiel Withelm von Dranien 1584 als ein Opfer ihrer Wuth, 
und ein Angriff. auf Morig von Naflau Leben mußte 1595 entdedit wers 





44 Ä Monchthum. 


den, ehe fie durch feierlichen Schluß verdammt, bie vereinigten Staaten 
verließen. Eben fo mußten fie in Rußland das falfche Spiel mit dem 
angebltchen Demetrius durch fehleunige Entfernung bezahlen, und in 
Schweden konnten fie fih nur bis 1607 halten. Selbſt in Yeatien, 
wo fie ſchon früher unter Lainez mit Mühe einen Sturm, der gegen 
fie ausbrach, beſchworen hatten, gab Venedig das bedenkliche Beiſpiel 
eines gerichtlichen Verfahrens gegen den Orden, welches die Verban⸗ 
nung deſſelben herbeiführte. Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts 
(1588) fällt audy noch das Unternehmen des Jeſuiten Molina, der «6 
wagte, das Syſtem des Thomas von Aquino, welches bisher In der 
roͤmiſch⸗katholiſchen Kirche fr rechtgläubig galt, zu beftweiten. Die 


dadurch befeidigten Dominicaner traten mit lauten Anklagen gegen bie 


Geſellſchaft Zefu auf. Der Papft Clemens VIE verdammte endlich 
1605 Molina’s Grundfäge und foll fih damit fein Todesuetheil untere 
ſchrieben haben, Indem er wenige Tage nad) Erlaffung dee Buße ftarb. 
‚Sein Rachfolger, Paul V. hielt es wenigſtens für das Welle, Beiden 
Theilen uͤber die fretfigen Lehren ein ewiges Stillſchweigen aufzulegen. 
Wie bedenklich nun auch ſchon damals das Schickſal der Jeſuiten ſchien, 
fo fanden fle doch am Schluſſe dieſes Jahrhunderts in einem ihrer 
Ordensgenerale, Claudius Aquaviva (von 1581 — 1616), eine mächtige 
Stüge. Er ergriff das Ruder, welches Franz von Borgia nachlaͤſſig 
geführt hatte, mit Kraft und Nachdruck, und fehte allen Anfechtungen 


der Gegner eine elferne Stirn und eine furchtbare Ausdauer entgegen. 


Um Ddiefe Beit war es, wo die Grundfäge des Ordens immer mehr ans 
Licht traten. Fürften und Päpfte überzeugten fih, daß Selbſt⸗ und 


Herrſchſucht die Jeſuiten befonders befeelten. Das Intereſſe der Kirche 


behielten fie nirgends im Auge; denn es war ihnen ziemlich gleichguͤl⸗ 
tig, ob neben Chriftus zugleich Dalai Lama oder Gonfucius verehrt 
werde, menn nur ihr Einfluß an den Höfen umd unter dem Wolle da= 
durch gefichert werden Tonnte. Auch dem Papfte gehorchten fie nur fo 
lange, als er ſich feine Einfprüce gegen ihre Verfahren erlaubte; denn 
Spott und Verfolgung erfuhr er, wenn er dem Unfuge, den fie tries 
ben, durch ein Machtwort fleuern wollte. Wie weit übrigens fchon dee 
Orden In dem erften Sahrhundert feine Zweige verbreitet hatte, beweiſt 
bie glaubhafte Angabe, nach welcher 1608 in 29 Provinzen ſich ſchon 
10,500 Sefuiten fanden. "So menig hatten die ungünftigen Verhaͤlt⸗ 
niffe, welche gerade damals über der Geſellſchaft walteten, biefelbe 
erfchüttern können. 

17tes Tahrbundert. Der orfte Meiſterſtreich der Jeſuiten 
in dieſer Zeitperiode war die aufs neue erfämpfte Aufnahme und Duls 
bung derfelben in Frankreich und diefe Begünſtigung lohnten fie — mit 
dem bekannten Koͤnigsmord durch Ravaillac. Die Unterfuhung wurde 
mit auffallender Unbedachtfamkeit geführt und darum erlaubt die hiſto⸗ 


riſche Treue nicht zu behaupten, daß Heinrich ale ein bintiges Opfer 


gefallen fel. Aber auffallend bleibt e8 immer, daß Pater Cotton (der 


Beichtvater des ermordeten Heinrichs) ſich herabließ, den Mörder zu 


brſuchen und ihn vor Ausfagen zu warnen, welche rechtfchaffene Leute 
verdächtig machen könnten. Noch bedenklicher erfchten die Ausflucht des 
Sefniten d'Aubigny, der auf Ravaillac's Geſtaͤndniß, bei ihm gebeichtet 
zu haben, verficherte, er beſitze die Gabe, Beichtgefländniffe zu vergeffen. 


Moͤnchthum. | 7 


In vollen Bügen genoſſen jegt die Jeſuiten ihren Triumph. Cine 
Meiberherefchaft und ein unmünbiger König, das waren die Umftände, 
die fi zum Beften des Ordens benugen liefen. Die Erhebung ber 
Königin Maria von Mebicis zur Regentfchaft und die Abdankung Suls 
ly's gaben bie erften Beweiſe ihres aufßerordentlichen Einfluſſes. Was 
auch das Parlament einwendete und abzuwehren fuchte, die Jeſuiten 
etcogten die ausgebehnteften Privilegien, und griffen mit immer groͤ⸗ 
ferer Frechheit in bie Angelegenheiten des Staats ein. Das durch die 
Sefuiten amgerichtete Elend erreichte eine hohe Stufe unter Ludwig XIV, 
Der ſchwache König erlaufte die Abfolutien für die Sünden, die et 
täglich wiederholte von feinen Beihtodtern la Chaiſe und le Teller mit 
dem Blute und Unglüde feiner Unterthanen. Zwar tönte in den Ans 
klagen Pascals und manch freimüthigen Kaͤmpfers für die gute Sache 
den Sefuiten die Stimme ber Wahrheit entgegen, aber mit den allmädy 
tigen Miniſtern Richelien, Mazarin und Louvois und mit den Buh⸗ 
lerinnen des Königs im Bunde trogten fie der Stimme der Wahrheit 
und dem Unwillen ber Beſſern. Die wüthende Verfolgung ber Sans 
feniften, die Niedermetzelung der Hugenotten buch Dragoner, bie 
Widerrufung des Edicts von Nantes und bie verbrechetiſchen Anfchläge 
auf das Leben des Königs bilden eben fo viele grauſe Nachtſtuͤcke, von 
weichen das menfchliche Gefühl ſich mit Exbitterung und Abfcheu weg⸗ 
wendet. Ein noch ungeheurer Irrthum, daß man bie Jeſuiten buch 
—— für das Beſſere gewinnen koͤnne, fand jest erſt vollſtaͤndige 
iderlegung. 

Auch in England gewannen die Jeſuiten im Laufe bieſes Jahr⸗ 
hmderts noch einmal Einfluß und politiſche Bedeutſamkeit. Indem 
auch ſie auf die dort herrſchende allgemeine Religionsduldung Anſpruͤche 
machten, errichteten fie Seminarien und Collegien, und zogen Jacob IL, 
der dem katholiſchen Glauben nicht abhold war, im ihre Intereſſe, bie 
Wilhelm von Dranien, von den hart bevrängten Proteftanten gerufen, 
ideen Plänen gewaltfam ein Ziel fegte. Sie mußten auswandern, um 
nie wieder zus kehren. — Ueber Chriflinens Belehrung jubelte der Ders 
ben zu früh, ba fie Ihrer öniglichen Würde entfagte und die Schwe⸗ 
den gegen die Verführer einen deſto tiefen Abſcheu faßten. — Pors 
tugel trug geduldig das aufgebrungene Zoch, und Alphons VE wurde 
durh einen MWolksaufftand , weichen die Jeſuiten einleiteten, belehrt, 
nn sattug er den Verſuch gewagt hatte, ſich ihres Einfluffes zu 
entledigen, 

In Deutfchland hatten fi) die Zefuiten bisher begnuͤgt, dem Pros 
teſtantismus durch Verkegerung und Verfolgung in engem Kreifen Ab⸗ 
bruch zu hun, zum Beginnen aber des 17. Jahrhunderts hatten fie 
es anf nichts GBeringeres, als eine gemaltfame Vettilgung beffelben 
—5 Den Krieg, welcher 30 Jahre lang mit ber Erbitterung des 
teligiöfen Fanatismus geführt wurde, war von den Jeſuiten erſt zur 
bellen Flamme angefacht worden. Zwar mußten fie, eben als das Vor: 
Ipiet des großen Kampfes begann, Ungam, Böhmen, Mähren und 
Schiefien räumen, aber Ferdinand verficherte fie feines deſto Eräftigern 
Schutzes. Mußten fie auch ihren Plan, das peoteflantifche Deutſch⸗ 
land wieder umter die Macht des Papftes zu zwingen aufgeben, fo 
breiteten fie deſto eiftiger über die katholiſchen Laͤnder eine tiefe Finſter⸗ 


‚44 Monchthum. 


ib der Bigetterle und bes Aberglaudens. Am meiſten gefaͤhrdet ward 
ihre Exiſtenz in Aſien. Die häufigen Unruhen, welche fie ſtifteten, und 
beſonders die aͤrgerlichen Streitigkeiten mit den Hollaͤndern, welchen ſie 
um jeden Preis die dort errungenen Handelsvortheile ſtreitig machern 
wollten, oͤffneten den Völkern die Augen über die ungemeſſene Habſucht 
nab den Ehrgeiz der Jeſuiten, die ihnen flaatsgefährlide Pläne ein⸗ 
gab. Die häufigen Chriftenverfolgungen, welche gerade damals fo oft 
ausbrachen, waren fall ohne Ausnahme von den Jeſuiten veranlaße 
morben. Unter fo günfligen Verhältniffen mar die Zahl der Jeſuiten 
in biefem Jahrhunderte bis auf 19,000 gewachſen. 

Aufbebung des Drdens im 18ten und Wieders 
berftellung deffelben im 19. Jahrhunderte, Es wür 
be für den Zweck dieſes Handbuchs zu weitläuftig feyn, die Größe und 
Macht des Ordens mit Ablauf des 17ten und felbft noch im 18. Jahr⸗ 
hunderte nachzuweiſen. Genug, fie war von einer ſolchen Bedeunmg, 
Dog die Flaggen ihrer Handelsſchiffe auf allen Meeren wehten und 
ihren Vorrathskammern den Segen der Länder, ben Schweiß der Voͤl⸗ 
Be zutengen. Fuͤrſten bublten um ihre Gunft und die Päpfte ſelbſt 
Ichienen In ihrem Disnfte zu fleben. Aber dem Gluͤcke folgt nur allzus 
oft die Verblendung und ber Uebermuth, und durch beide gruben fie 
fich ihe. Grab. Der empfindlichſte Schlag traf fie in ber Mitte des 18. 
Zahrhunderts von Portugal aus, wo fie es gerade am wenigſten er: 
wartet hatten. Schen Johann V., zwar von Sefuiten gebildet, täufchte 
fi. Aber Joſeph I., der 1750 den Thron beftiegen hatte und fein 
Mintfter, der Marquis von Pombal, entwidelten befanntlic eine nicht 
geabmete Energie gegen den Drden. Ihr altes Mittel, Königsmorb, 
mißgluͤckte. Die Sculdigen wurden zu Tod und Gefängniß verurs 
theile, die unermeßlichen Güter des Ordens eingezogen und 1759 warb 
die Geſellſchaft durch koͤniglichen Spruch feierlih aus den portugiefifchen 
Staaten verbannt. Als nun das Zauberwort gefunden, welches ben 
furchtbaren Bann löfen konnte, folgten bald andere Staaten dem ver: 
führerifchen Beifpiee. So ward der 1762 gefaßte Beſchluß des Par: 
laments, die Jeſuiten unter Peiner Bedingung länger in Frankreich zu 
dulden, 1764 mit aller Strenge in Ausführung gebracht. Neapel, 
Sicitien, Malta und Spanien thaten ein Gleiches 1767, und feldft in 
Deutihland fehlte es nicht an bedenklichen Anzeichen. Jetzt waren die 
Augen aller Länder nah Nom gerichtet, wo ſich die vertriebenen Se: 
fuiten einflweilen fammelten. Und auch von bier aus gefhah Unerhoͤr⸗ 
tee. 1769 feste Ganganelli die dreifache Krone auf fein Haupt, und 
1773 erfolgte von feiner Seite in dem Breve: Dominus ac redem- 
tor noster eto., die Aufhebung des Ordens. Der Entfhluß war eben 
fo edel und kuͤhn, da Ganganelli nad) eigner Verfiherung mußte, daß 
er mit dem Breve fein Todesurtheil unterfchreibe. Schon mad) zwei 
Monaten unterlag er der Kraft des langſam wirkenden Giftes aqun 
tofana. Der Orden zählte kurz vor feiner Aufhebung 22,800 Mits 
glieder — Daß Friedrich II. den Orden trotz dieſes Breve duldete, 
zührte wohl mehr daher, daß er nicht vom Papfle abhängig erfcheinen 
wollte. Uebrigens war aber dieß für die Jeſuiten von keinem Gewinne, 
da Preußen nie das Land war, mo ihre Pläne gelangen. Wichtiger 
hätte die Begünfligung der Kaiferin Katharina MM. für die Jeſuiten 


Moͤnchthum. 45 
werden Tonnen, wenn fie ſich nicht auch hier fpäter dab Werbannunge 
heit geſprochen hätten. Uedrigens war dee Geiſt der Aufklärung, 
der immer mehr zu den Voͤlkern der Erde drang, den SYefuiten. nicht 
einig, eben fo wenig vote die franzöftfche Mevolution. Unter Napo⸗ 
leons allgewaltigem Einfluſſe, der ja feibft ein Zoͤgling ber evolution 
mar, durfte der Orden keine Wiederherſtellung hoffen. & 

Aber kaum war das große Befreiungowerk Eurepa’s vom franzöfls 
fhen Joche vollendet, fo flelite auch Papft Pius VII. 1826 den Drden 
völlig wieder her, wie ee früher beflanden hatte. Dem Beiſpiele Roms 
folgten viele Städte Italiens und Spanien, Sarbinlen und Freiburg 
in der Schweiz nahmen, dem Rufe ihres geiſtlichen Hirten gehorfam, 
die neu begründete Gefelifhaft in ihren Schooße auf. Ihe wiederers 
langter Einfluß in Frankreich iſt abermals durch die neuefte Geſtaltung bee 
Dinge gefährdee worden, wenn anders nicht der daſelbſt enfflandene St. 
Gimenismus ein neuer Jeſuitenverſuch iſt, die Welt von der Unerfchöpfliche 
keit ihres Genie's zu Überzeugen, wenn es gilt die Zeitgenoffen zu beherrs 
fen, ſei es durch die Waffen des Aberglaubens oder des Unglaubens. 
Deutfchland fcheint dem Drden am entfchiedenften entgegen zu treten, Dank 
fi e6 feiner Aufklaͤrung, wenn man nicht den Orden der Redemtoriften 
(auch Liguoriften genannt), 1820 in Frankreich geftiftet, für eine Jeſuiten⸗ 
gefellfhaft unter fremdem Namen gelten lafien wit. Bethaͤtigt hatte fich 
alfo das merkwürdige Wort des dritten Generale, Kranz von Xorgfa: 
„Wie Lämmer haben wir uns eingefhlihen, wie Wölfe werden wie 
„segieren,, vole Hunde wird man uns vertreiben.” Nun fleht noch zu 
warten, ob der feste Theil der Prophezeiang: „ſich wie Adler zu 
„derſͤngen,“ in Erflllung gehen werde. Ob biefer Orden je leder 
zur Bedeutſamkeit gelangen werde, iſt eine Frage, die ſich ſchwer beants 
worten läßt. Gerade die neuere Geſchichte hat fo oft das Unerwartete 
herbeigeführt, und die wahrſcheinlichſten Berechnungen beffen, was 
tommen könne, fo oft getaͤuſcht, daß auch ein abermaliger Aufſchwung 
des Jeſuitismus nicht in dem Bereich der Unmöglichkeiten liegt. — 
Deutfchtand wenigftens ſcheint durch gründlihe Bildung und vernünfs 
tige Aufklaͤrung ſich dem Einfluffe deffelben auf immer entzogen zu 
haben. — Wirft man noch einen Blick auf die Geſchichte diefes Or⸗ 
dens zurüd, fo kann man als Menfchenfreund nur bedauern, daß fo viel 
oft wahrhaft aufopfernde Thätigkeit, Talent und Klugheit Zwecken diente, 
bie nur ein Fluch für die größere Maſſe der Menfchheit werden mußten. 

Kehren mir auf einige Augenblide zu den Übrigen Mönchsorden 
zurüf, die gleichſam In den Dintergeund der Beachtung traten, als 
die Jeſuiten ihre große Rolle fpielten, fo läßt fi von ihnen nur mes, 
nig fagen. Als babe die große Miederlage,, welche fie durch die Mefors 
mation erlitten, ihnen allen Muth zu fernern Angriffen benommen, bes 
Ihräntten fie ſich meif darauf, vertheidigungsweiſe das Gerettete zu 
fhügen. Eine ftile, aber beilfame Reform war im Imern ber 
Kloͤſter vorgegangen. Wenn man auch nicht die ehemalige Scheu 
vor der Kloſtertugend in Anfpruh nehmen tonnte, fo murbe body 
das Beſtreben fichtbar, buch ein anftändigeres Leben, durch gründs 
lichetes Wiffen, durch wohlthätigeres Wirken die Achtung ber Zeitge⸗ 
wollen zu gewinnen. Freilich gab es auch davon viele Ausnahmen: 
Gerade die reichſten Stifter und Abteien dlieben tamb-- für vie Lehren 





46 | Woͤunchthum. 


dee Zeit und lebten ungeflört fort in Faulheilt und Schwelgerei. Im 
418. Jahrhundert erft ſchien man fih barauf zu befinnen, daß ein In⸗ 
flitue, welches ſich ſchon feit Sahrhunderten uͤberlebt zu Haben fchien, 
wohl auch aufgelöft werden könne. Venedig gab dadurch, daß es unter 
bem Vorwande von Reformen mehrere Kloͤſter aufhob, zuerſt das Feld⸗ 
geſchrei, das bald in ganz Europa wiederhallen ſollte. Was jenes im 
Kleinen verſucht hatte, führte Joſeph IL. im Großen aus. Nach man 
cherlei Vorbereitungen gab er plöglih ben Befehl, daß alle diejenigen 
Kiofterleute,, weiche ſich nicht von Seiten ihrer wohlthätigen Wirkſam⸗ 
keit ausweiſen konnten, auseinander gehen konnten. So ward alsbald 
die Zahl der Kiöfter in der oͤſtreichiſchen Monarchie auf die Hälfte und 
der Klofterbewohner auf ein Drittheil zurüdgebraht. Das Volk be: 
wunberte mit ſtillem Staunen die Weisheit bes Kaifers, mit welcher 
er die Güter ber Klöfter zu den mohlthätigfien Zweden verwendete und 
diejenigen Anftalten, welche er fortbeftehen ließ, zu beilfamer Thaͤtigkeit 
verjüngte. Diefem Beifpiele folgten bald Neapel, Portugal, Toskana 
und Baiern. Aber nur in Frankreich gab die evolution mit allen 
ihren Schredniffen das Beifpiel einer Säcularifation ohne alle Aus: 
nahme. Die Nationalverfammlung erklärte 1790 alle Güter der Kirche 
für. Nationalgut, vernichtete die Gültigkeit der Ordensgelübde und kuͤn⸗ 
digte die Aufhebung aller Klöfter und Drden an. Zwar erhielten die 
Mönche und Nonnen anfehnliche Penſionen, dennody feste fid, die Na⸗ 
tion in eine Erbſchaft von ungeheuern Reichthumern. Rapoleon fühlte 
feinen Beruf, jenen Beſchluß des Nationalconvents für ungültig zu 
erklaͤren, vielmehr trat die allgemeine Säcularifation nicht ohne fein 
Bulaffen nah bem Frieden von Luneville 1801 in allen den Ländern 
ein, in welchen er vermöge deſſelben feinen Einfluß geltend machte, 
vornehmlich in Stalien, der Schweiz und Spanien, . In Deutfckland 
aber, wo Deftreih ausgenommen, die Aufhebung aller geiftlichen Fürs 
‚ftenthümer, Stifter und Kiöfter feit 1803 allgemein. ward, war es 
weniger bie Ueberzeugung von der Unzuläffigkeit folcher Anflalten, als 
bie Begierde, fih für manchen Verluſt ſchadlos zu halten, weiche ihre 
Auflöfung herbeiführte. 
So fchien es endlich dahin gelommen zu feyn, daß das Inſtitut 
bes Moͤnchthums bald nur noch zu den Erſcheinungen ber Bergangens 
beit gerechnet werben konnte, ale Papſt Pius VIL nad) feiner Wiedereins 
fegung in feine alten Mechte 1814 die Wiederbelebung aller geiftlichen 
Orden feierlich ankuͤndigte. Und in der That hat das Moͤnchthum 
ſeitdem ſchon in manden Ländern, befonders wo die Bourbonen dem 
Thron aufs neue befliegen, allen Erwartungen zum Trotze außerordents 
liche Eroberungen gemacht. Es knuͤpfen ſich aber an die Wiederher⸗ 
ſtellung des Kloſterlebens, beſonders im Mittelpuncte Deutſchlands, in 
Baiern ſo niederſchlagende Bemerkungen an, daß wir gern und frei⸗ 
willig uns daruͤber Stillſchweigen auflegen. 
So find wir in der Geſchichte des Moͤnchthums bis in die neueſte 
Zeit herabgeſtiegen und unwillkuͤhrlich drängt ſich uns die Frage von 
dem Werthe oder Unwerthe dieſer geſchichtlichen Erſcheinung auf. Wir 
wollen das Gute, welches das Moͤnchthum, namentlich fuͤr das Mit⸗ 
telalter, geſtiftet hat, nicht parteiiſch uͤberſehen. Mönche waren es, 
welche den Keim des Chriſtenthums in ferne Laͤnder, unter wilde Voͤl⸗ 


Moͤnchthum. 47 


ker trugen, wohin nur eine fromme Schwärmerel die Eifrigen führen 
konnte. Moͤnche haben wuͤſte Gegenden urbar und die Neubekehrten 
oft fuͤr ein geſittetes Leben empfaͤnglich gemacht; Moͤnche haben ſich 
der verwahrloſeten Menſchheit angenommen und durch Lehre und Un⸗ 
terricht das tiefe Dunkel der Barbarei, wenigſtens einigermaßen, erhellt; 
fie Haben Werke ber Barmherzigkeit verübt und Manchem hülflofen 
Wanderer, manchem graufam Berfolgten Obdach und Pflege geboten; 
fie haben das Licht der Wiſſenſchaft bereichert, daß es nicht gänzlich 
verlöfche und durch fleigiges Abfchreiben Foftbare Schriftdentmäler des 
Alterthums einer dankbaren Nachwelt Hberliefert; fie haben endlich das 
durch felbft politifch wohlthatig gewirkt, daß fie die Tyrannei weltlicher 
Macht durch veligiöfe Lehren und Vorurtheile vielfach befchräntten. — 
Aber abgefehen davon, dag manches dieſer Verdienfte wohl auch auf 
anderm Wege erreicht werben Eonnte, fo ift e8 doc) ihre Schuld, daß 
der größte Theil der Klofterleute felbft durch den graufamften Sırthum 
um feine Zufriedenheit und fein Lebensglüd betrogen ward, daß Aber: 
glaube und Bigotterie mit allem ihren verberblichen Gefolge die reine 
Rehre des Chriſtenthums und ihre wohlthaͤtige Wirkung für Geift und 
Gemüth vernichteten, daß aͤußere MWerkheitigkeit neben Innerer Verwor⸗ 
fenheit an die Stelle einer gereinigten Sittenlehre trat, daß Muͤßig⸗ 
gang und Schwelgerei bie beften Kräfte ber Völker aufzehrten, daß ber 
freiere Umfhwung des menſchlichen Geiſtes durch Intoleranz und Ben 
folgungsmuth gewaltfam gehemmt wurde, daß Künfte und Wiſſenſchaf⸗ 
ten im engen Gewahrſam der Kloͤſter kuͤmmerlich ihre Dafeyn feiften 
mußten, und daß endlih die Staaten unter ber Laft unfreimilliger 
Opfer ob der Entoölkerung und Bettelei nie im fröhlichen Aufblühen 
gebeihen Eonnten; mit einem Worte, daß bie MenichHeit wenigftens um 
ein Sahrtaufend in ihrem Bildungsgange zurüdgeblieben if. Und 
darum möge denen, welche die goldene Zeit der Möncherei zuruͤckrufen 
wollen, der Herr vergeben, denn fie willen nicht, was fie thun. 


2. 
| Moͤnchthum | 
in ber Hriftlihen Kirche. 


B. 
Nachrichten über das innere Kloſterleben. 


I. Einleitende Bemerkungen. II. Wohnungen der 
fogenannten Kloſterleute. II. Regierungsweiſe und 
Subordinationdverhältnig in den Klöftern. IV. Ver⸗ 
—Aa und Leiſtungen derer, die ſich dem Kloſterle⸗ 

en widmeten vor und nach ihrem abgelegten Geluͤbde. 

V. Suftentationsmittel und Bekoͤſtigung der Kloſterbe⸗ 
wohner. VI. Kleidung derſelben. VII Strafdidciplin, 
die unter ihnen üblih war. VII. Bon den Verhältnis 
fen der Klöfter zu der übrigen Welt. 


Literatur, Die oben unter A. angeführten allgemeineren 
Schriften belehren zugleih mit über das innere Klofterleben. Ins⸗ 
befondere verbreiten fih darüber: Briefe über das Moͤnchsweſen 
9. e. kathol. Pfarrer an e. Freund. Bd. 1. (von G. M. la Rode u. 
J. Zac. Brechter). Zuͤrich (1771. 72.) 1780., Bd. 2 — 4. (v. Kp. 
Kiesbeck). Ebend. 1780. 81. 8.5 Briefe Über den Coͤlibat, e. Anhang 
zu ben Briefen Über das Moͤnchsweſen. Oberhauſen 1781. 8. — Abs 
bild. u. Beſthreib. ſaͤmmtl. geiſtl. maͤnnl. Orden d. kath. K., herausg. 
v. J. 8. Wirt. Prag 18080. 38 Hft. 8. — Abbild. u. Beſchr. 
ſaͤmmtl. weibl. Orden x. Ebend. 1820-29, 32 Hft. 8 — Edm. 
Märtene de antiquis monach, ritibus libri 5. Lyon 1690. 4. — 
J. 9. Jaͤck wahres Bild der Kloͤſter, wie fie ehemals gewelen find und 
was fie hätten feyn follen. Bamb. 1827. 8 — Blide in das In» 
nere bee Prälaturen od. Kloflerceremonien im 18. Jahrhundert. Gotha 
179. 9. 2 Bde. 8. — (Hof. Pest) Briefe aus dem Noviziat. Zuͤ⸗ 
sid 1780—82. 3 Bde. 8 — Noch führen wir an: Ren. Choppin 
Monastioon, s. de jure ooenobitar. Editio noviss, cum variis do- 
eumentis , diplomatib. et privilegiis monasterior. Paris 1709. fol. 
u 6. — Die verfchlebenen Ausgaben ber einzelnen Ordensregeln koͤn⸗ 


Moͤnchthum. 49 


nen wir hier nicht anfuͤhren und verweiſen blos auf die folgenden vier 
Sammlungen: Concordia regularum, auctore s. Benedioto, nune 
prim. edita ex biblioth. Floriacensis monasterii, notisque et obser- 
vationib. illustrata ab Hug. Menardo. Paris 1638. 4. — Codex 
regular., quas s. patres monachis et virginib. sanotimonialib. ser- 
vandas praescripsere, collectus olim a s. Benedieto. Luc. Holste- 
nius in 3 partes digestum aucetumque edidit cum appondice. (Rom. 
1661 u. Paris 1663. 5 Bde. 4.); nune auotus, amplific. et ob- 
servationib. erit. bist. illustr. a Marian. „Brokie. Augsb. 1759. 
6 Bde. fol. —— Pop. Stellartii fundamina et regulae omnium ordi- 
num monasticorum et militer., quib. ascetioge religionis status a 
Chr. institutus ad 4. usque seculum productus et omnes ordinum 
regulae postmodum conseriptee promulgantur. Duaci 1626. 4. — 
(Mrqu. Herrgott) Vetus disciplina monastica, s. collectio auctor. 
ordinis. s. Benedicti, maximam partem ineditor., qui ante 600 fere 
annos per Ital,, Gall. atque Germaniam de monaslica discipline 
tractarunt. Paris 1726. 4. | 

l) Zinleitende Bemerlungen. — Indem wir Be 
Iehrungen über das innere Klofterleben verfprahen, müflen wir ſchon 
im vorans bemerken, daß wir hier nicht jede Eigenthuͤmlichkeit einzel⸗ 
ner Drden ins Auge zu faflen im Stande find, fondern daß wir nur 
das Semeinfame berühren können, welches beinahe In jedem Drben und 
in jedem Kofler angetroffen. wird. Indem mir aber biefe® thun, 
werden fich auch ſtark hervortretende Abweichungen in der Kuͤrze be: 
merten laſſen. 

Anlangend nun die Quellen, aus welchen diefe Nachrichten zu 
[höpfen find, fo verdienen zundchft beachtet zu werden die Statuten 
und Gefege, die man fchon früh für Diejenigen entwarf, welche fidy 
dem Kiofterleben tweihen wollten. Sie find unter dem Namen ber 
Moͤnchsregeln bekannt... Da das Moͤnchthum im Driente nie die ver: 
ſchiedene Geftaltung und Ausbildung erhielt, wie im Abendlande, fo 
bemerken wir hier im Allgemeinen, daß man größtentheils der Regel 
des heiligen Bafilius folgte, was auch noch jest ber Kal if. — Bas 
ſilius nämlich, wie wie fchon in der vorigen Abtheilung: „Moͤnchthum,“ 
gefehen haben, war im Morgenlande nicht nur Überhaupt -ein Freund 
des Kloſterlebens, fondern auch, wie es damals geflaftet war, ein Re: 
formator und Verbeſſerer defjelden. Gregor, der Nazianzener, fage 
barum in der Lebensbefchreibung feines Freundes Baſilius des Großen, 
daß er die Kloͤſter zuerſt mit erdacht, auch die alten Gebräuche und 
die wilde Lebensart der Mönche geordnet und: auf diefe Weife dee Me: 
ligion näher gebracht habe. Denn er befahl die Kloͤſter näher bei ber 
menfchlihen Geſellſchaft zu errihten, damit fie bei der Hand wären, 
wenn ein Liebeswerk fie riefe, ohne doch ihre Ruhe bucch das Geraͤuſch 
der Welt zu ſtoͤren. Hauptſaͤchlich fei die Abſicht des Baſilius bahin 
gegangen, die Mönche für die Welt brauchbar zu machen und durch fie 
den Menfchen ein Beilpiel von Gemuͤthsruhe, von Standhaftigkeit, 
von Weisheit und von innerer Betrachtung zu geben. 

Die Regeln des heiligen Baſilius, welche er für die Mönche nie: 
derſchtieb (wahrfcheinlih auch Nahahmungen vorhandener Schriftwerke 
der Art) find eigentlich Worfchriften qus dee floifchen Phlloſophie, mit 

Siegel Handbuch IV. | 4 


50 .  Röndtäum. 


eingewebten aſcetiſchen Anfihten, und beide unterflügt buch Stellen 
aus ber heiligen Schrift. Die Apathie, oder die innere Ruhe, frei 
von allen flörenden Gemüthöbemegungen, follte ber Hauptzweck ihres 


Lebens ſeyn. Um diefes zu erreichen empfahl er ihnen Faſten, Arbeit 


und Keufchheit. Wünfhe Jemand in ihre Sefellfhaft aufgenommen 
zu werden, fo müfle man ihn bucch harte und von der Welt gering 
geachtete Arbeiter prüfen, um zu fehben, ob er Eifer und Ausbauer 
befige. Gehorchen follten fie nur Gott, doc gegenfeitige Ermahnun⸗ 
gen willig annehmen, und den Borgefegten als ihren Vater betrachten, 
defien Gebote befolgen und die ihnen aufgetsagenen Gefchäfte ohne 
Widerfpruh und Murren verrichten. | 

Mir wenden und zu dem Moͤnchthume im Dceidente, wo es fi 
vielfeitigee und umfaflender ausbildete, da es hingegen im Driente ftets 
in einer gewiſſen Einfachheit fortgedauert hat. Um bie Schriften zu 
würdigen, die hier als Quellen dienen koͤnnen, um ans ihnen Nach⸗ 
richten über bas Klofterleden zu fehöpfen, kann man zwei Perioden 
bilden, naͤmlich A) Quellenfchriften vor Benedict von Nurfia bis zum 
6. Sahrhundere Hin und B) Quellenfchriften nah Benedict entlehnt 
aus den Sahrhunderten des Mittelalters bis zur Neformation. 

A) 3u den Quellenfchriften über das Mönchsleben vor Benedict 
find bie Regeln zu rechnen, bie ben diteflen Beförderern des Moͤnch⸗ 
thums zugefchtieben worden, 3. B. dem Pahomius. Man findet fie 
in lateiniſcher Ueberfegung in dem oben angeführten Werfe Holsten. 
Cod. Regular. nebſt den fogenannten mpflifhen Werken des Pacho⸗ 
mius p. 95—117. Das Eigenthämliche, was der oben angeführte Amon 
als Begründer bes Moͤnchthums anordnete, findet man erwähnt in 
Palladius (hist. Lausiac. o. 7 seqq.) Soorat. hist. eccles. I. IV. o. 28. 
Sozom. h. e. I. I. c. 14. wozu man noch eine Sammlung und Uebers 
fegung beifügen kann, die dem Rufinus beigelegt wird. (Vitae Patrum 
oft gedrudt, aud) in Rosweidii Vitis Sanotor.) — Der widtigfte Schrift» 
fleler jedoch für diefe Periode bleibt Caffian (T gegen 448). Sein hierher 
gehörige Werk de institutis Coenobior. wurde einzeln 1485 zu Bafel 
in Folio gedrudt. Sn Holsten. Cod, Reg. monastic. Tom. Il. p. 
5 — 59 ift e6 ins Kurze gezogen. Aus dieſem Werke und aus Col- 
lationes patrum in Scythica eremo commorantium XXIV. (lUnter= 
tedungen mit den Einfiedlern in der feytiihen Wuͤſte) hat Schrödh 
Thl. 8. p. 404—75 vollfländige Auszüge gegeben. Auch die Legtere 
Sceift ift befonders in Folio, Bruͤſſel 0. D. (etwa 1474) edirt worden. 
Es find diefes nicht nur Hauptichriften für diefe Periode, fondern auch ſelbſt 
für die Folgezeit, indem Benedict von Nurfia vieles aus benfelben auf: 
nahm und beflätigte. In neuerer Zeit ift eine Scheift erfchienen, wel⸗ 
. he für die angegebene Periode ſehr lehrreich iſt, nämlich Neanders 
Chryfoftomus 2 Bde. Berlin 1821. 1832. 

B) Was nun die Periode nady Benedict von Nurfia betrifft, fo 
ift die von ihm herrührende Mönchsregel die Hauptquele. Im Aus» 
zuge findet fie fih in Holstenii cod. reg. monastic. Tom. 1. p. 111 
—35. — Allgem. Encpklopädie Thl. 9. p. 8—%0. — Da jedoch 
von nun an das Klofterleben fih mannigfaltiger geftaltete und einen 
Umfang gewann, den man nicht 'geahnet hatte; fo koͤnnen bier meh 

rere Schriftgattungen als Quellen benugt werden. Es gehören befon- 


\ 


® 
ee 12 2214 6 


’ 


Wonchtham. 51 


ders dierher die Briefe des Papſtes Innocenz III., aus weichen man 
das Kirchenthum und beſonders das Kloſterleben feiner. Zeit ſehr deut⸗ 
lich erkennen kann. Stephan Baluze hat fie 1682 in 2 Fol. heraus⸗ 
gegeben. Außerdem finden ſich wichtige, hierher gehörige Nachrichten 
auch in den Städtechroniten des Mittelalters und in den Chroniken 
einzelner berühmter Kiöfter, in ben Goncilienacten befjelben Zeitraums 
und felbft in den päpfilichen Decretalen. Nicht minder kommen hier 
in Betrachtung die Gefchichte der verfhiedenen Moͤnchsorden überhaupt 
und die Geſchichte einzelner Orden, wovon wir oben bie betreffenden 
Bücher angeführt haben. Aus biefen und ähnlichen Quellen fchöpften 
wieder die Verfaſſer der größern Werke über diefen Gegenfland in ber 
fpäten Zeit. In der römifchen Kirche Thomaſſin, Martene, Helpot 
2. a., in der proteſtantiſchen Kirche Hoſpinian in feiner oben angeführ- 
tm ſehr brauchbaren Schrift. Aus biefen zeither angegebenen eigentlichen 
und abgeleiteten Quellen fchöpfte Raumer einen kurzen Abriß bes Klo⸗ 
fiertebens in feiner Gefchichte der Hohenftaufen ThL 6. p. 259— 350. 
Ans diefen und andern Quellen haben auch wir gefchöpft, um eine 
gedrängte Ueberſicht von dem innern Klofterleben nach den oben ange: 
führten Rubriten zu geben. Wir wenden uns zur erſten berfelben. 

I) Wohnungen der fogenannten ZRlofterleute. 


Bir haben oben im erſten Abfchnitte des Artikels Moͤnchthum gefes ' 


ben, daß es ſchon vor dem Moͤnchthume eine gewiſſe afcetifche Lebens: 
art gab, und dag aus diefer zunächfi die Anachoreten oder Einfiedler 
hervor gingen, bie fih in einfame, wüfte Gegenden begaben und dort 
fein im eigentlichen Sinne als Einfiedler lebten, fpäter aber, befons 


ders auf Veranlaffung berühmter Kirchenlehrer, ihr einfiedlerifche® Leben - 


in einer gewiſſen Gemeinfchaft fortfegten. Es glichen darum ihre Woh⸗ 
zungen einem Lager. Jeder Mönch mußte fidy feine Geile ſelbſt bauen, 
aber in beftändiger Verbindung mit dem Coenobium bleiben, welches 
gleichſam der allgemeine Sammelplag war. Es fcheint darum das 
Coenebium ein größeree Mittelgebäube gewefen zu feyn, um welches 
herum fidy die einzelnen Cellen zufammen reiheten. Wir führen hier 
die kloͤſterliche Einrichtung des palaͤſtinenſiſchen Abtes Gerafimus an, 
wie fie in Surii vit. SS. d. 20. Jan. c. 57._ mit folgenden Worten 
befhrieben wird: Hic ergo magnus Gerasimus, qui Jordanis Soli- 
tudinis eivis fuit simul et patronus, cum maximam illic lauram, 
quse non pauciores, quam 70 Anachoretas habebat, oontraxisset, 
et praeterea coenobium in medio ejug optime collo- 
casset, eurabat, ut, qui inducebantur quidem Monachi, mane- 
rent in coenobio et vitam monasticam exereerent. Qui autem 
erebris et longis se laberibus exerenerant, et ad perfeetionis men- 
suras jam pervenerant, eos in ils, quae vocantur cellis, eollocans, 


sab hac jubebat vivere regula, ut quinque dies hebdomadae in sun 


eella sileret, nihil gustans, quod esset esculentum, nisi panem et 
aquam et dactylos. Sabbato autem et dominica venientes in ec- 
elesiam, cum partieiparint sanctifienta, ooeto uterentur in ooenobio 
& sumerent parum vini, ‚ 

Eine folche Verbindung des anachoretifchen und cönobitifchen Les 
bens findet man faft in allen Kloͤſtern der frühren Zeit. " Vorzüglich 
mar es die Bemühung bes berlihmten Bafilius des Großen, zu bewei⸗ 





u — 





32 Ä WMoͤnchthum. 


ſen, daß man auch in der Einſamkeit die Verbindung mit ſeinen Bruͤ⸗ 
. dern nicht gaͤnzlich aufgeben dürfe, und daß eine völlige Abſonderung 
mit großer Gefahr verbunden ſei. Dieß ift die Abficht in feinen afcetis 
[hen Reden und in feinen größern und Türzern Möncheregein (doxm- 
zıxal dıarafeıs). ©. Basjl. M. Opp. Tom. I. p. 199 segq., vergl. 
Holstenii Cod. Regular. P. I. p..169 segg.. — Und dem gemäß 
waren auch die von ihm geftifteten und beförderten Vereine, melde 
nicht blos in der Einsde, fondern auch in der Nachhbarfchaft der Städte 
geftiftet wurden, eingerichtet. Es iſt diefe Einrihtung bei den -oriens 
talifhen Moͤnchen, welche fich nach der Megel des heiligen Baſilius 
richten, auch no in fpätern Zeiten geblieben. Die Klöfter auf dem 
Berge Athos tragen noch bis auf den heutigen Tag bas- Gepräge diefer 
Snftitute, welche den Anachoretiömus mit dem Cönobitismus vereini= 
gen, an fih. Es wurden auch einige bafillanifche Kloͤſter in Sicilien, 
Italien und Spanien geftiftet. Auch die vom Eaffianus im füdlihen 
Frankreich, nad) dem Muſter der dgpptifchen eingerichteten Ktöfter ſchei⸗ 
nen diefelbe Verfaffung gehabt zu haben. In Spanien bietet das bes 
rähmte Moͤnchsinſtitut zu Mont =ferrat (Mons Serratus) in Gatalonien, 
obgleich nad) Benedicts Stiftung, noch ein Mufter der alten Einrich- 
tung bar, 

Sm Abendlande aber gab man ber alten cönobitifchen Regel den 
Vorzug, fo daß die Kiöfter nicht ein Inbegriff vieler einzelner gettenns 
ter Wohnungen, fondern eine Gemeinwohnung einer beflimmten Ans 
zahl von Afceten waren, beren je zwei ein befonderes Zimmer 
(eella, cellula) bewohnten, welche aber gemeinſchaftlich aßen, beteten 
und (wenigſtens zum Theil) arbeiteten. Der Grund dieſer Einrichtung 
war die Erfahrung, daß e6 bei der anachoretifchen Verfaſſung fehmwer, 
mo nicht unmöglich fei, die Disciplin aufrecht zu erhalten und eine 
ſtrenge Claufur einzuführen. Schon die Regel bes heiligen Benedict 
ertlärt die Gyrovagos, d. 5. die an keinen beflimmten Ort gebundenen, 
fondern herumfchweifenden Moͤnche, für die verwerflichiten von allen, 
&. Regula 8. Benedict. c. 1. p. 8 — Auch im 9. und 11. Jahr⸗ 
hunderte warb auf firenge Claufur gebrungen, und diefer Strenge vers 
dankt es bie occidentalifche Kirche hauptſaͤchlich, daß ihre Ruhe niche 
fo, wie im Driente, durch die Zügellofigkeit und das Umherſchwaͤrmen 
wilder Moͤnchshorden geflört wurde, wovon die neſtorianiſchen, euty⸗ 
chianiſchen, monophpfitifchen und monotheletifchen Streitigkeiten fo Viele 
traurige Beweiſe liefern. 

&o zahlreich bewohnte Kiöfter, wie der Orient hatte, konnte frei⸗ 


lich der Occident nicht aufweiſen. Wie wäre es auch möglich geweſen, 


Geſellſchaften von 5— 7000, bergleihen im Driente keine Seltenheit 
waren, in einer Wohnung umterzubringen und in Orbnung zu erhal- 
ten? Aber eben daher laͤßt ſich auch die größere Anzahl von Kloͤſtern 
erären, da der Hang zum Ktlofterleben nicht geringer war, als in dee 
morgenländifhen Kirche. Aber auch der größere Umfang der abendläns 
bifhen Kloftergebäude erhält daraus feine natürliche Erklärung. Bon 
ſolchen Goloffal» Kiöftern , wie das Kiofter zu San Lorenzo in Spanien 
oder mehrere WBenedictinerabteien und Sefniten= Collegia in Stalien, 
Frankreich, Deutfhland, Polen u. f. w., findet man im Oriente’teln 
Beiſpiel. Jedoch drangen die fpdtern Bettlerorden in ihrer anfänglichen 





Moͤnchthum. | 53 


Strenge auf Eleinere und unanfehnliche Kloftergebäube, bie aber nach unb 
nad) dody auch in größere und bequemere Gebäude umgelchaffen wurden. 

Die alten Klöfler wurden in einfamen Gegenden (dv donjuoıg) 
angelegt. Dieß änderte ſich feit den Zeiten bes heil. Baſilius und Bene 
dietus, welche eine gänzliche Abfonderung von ber menfchlichen Gefell: 
ſchaft widerriethen. Noch mehr verlor ſich das Anachoretifche von ber 
Zeit an, mo bie Canoniei regulares in die Städte eingeführt wurden. 
Seitdem wurden die Kloͤſter nicht nur in ber Nachbarfchaft der Städte, 
fondern auch in diefen felbft angelegt und dadurch die Verbindung mit 
bee Kirche und dem Klerus noch enger gemacht. Auch dieß ftand mit 
der dadurch noch mehr erleichterten Glaufur in Berbindung. In 
Joachim Hildebrand Tractat, de Religiosis, Helmst. 1701. 4. p. 21, 
wird hierüber folgende Bemerkung gemacht: Locum, in quo Monaste- 
rium exstrui debet, Synodus Mogunt. a. 813 talem definit, in quo 
necessaris ad victum facile haberi possint, ne necessitas Monschis 
vel Monialibus detur erebro Coenobio exeundi, et quo loco pudi- 
eitia probe sit custodita et quibusdam quasi cancellis inelusa. Hine 
in hunc usque diem pleraque monasteria loeis amoenioribus et ma- 
xime fertilibus sita sunt, adeo, ut nonnulli de fertilitate alicujus 
territorüi judicent, si multa ibidem monasteria exstant. Sed non 
male conqueritur Trithemius, Abbas Spangheim. in Chronic. Hir- 
sov. veteres Monachos cellas habuisse tenebrosas, sed corda virtu- 
tib. illustria; hodiernos autem monachos lucidas habere cellas, sed 
corda vitiorum tenebris obducta. : ' 

Daß aber die Klöfter fo Häufig in die Städte verlegt wurben, Hatte 
doch nicht allein in ber Erleichterung der Subfilten; und Disciplim, 
fondern auch ta der geößern Sicherheit feinen Grund. Bei den Ein: 
fällen dee Barbaren und in den Zeiten des Fauſtrechts, wo felbfl Kirs 
chen und Altäre nicht verfchont wurden, waren vorzuͤglich die Kloͤſter 
der Raub: und Plünderungsfuht roher Rotten ausgefegt, unb die 
Chroniken find mit Gräuelthaten aller Art, welche gegen die einfam 
liegenden Kloͤſter verübt wurden, angefüllt. Vorzuͤglich aber waren bie 
Sungfrauen= und Nonnentlöfter in Gefahr, den viehiichen Leidenfchaften 
und Lüften der Räuber und Soldaten preißgegeben zu merden. Daher fuchte 
man für biefe SInftitute Zuflucht und Sicherheit in den Städten, wo ber- 
gleichen Erceffe weniger zu beforgen waren. Auch rührt daher die Ges 
mwohnheit, die Kloͤſter mit Gräben, Mauern, Baftionen und Wällen 
zu umgeben unb fie zum Theil in regelmäßige Feſtungen zu verwan: 
dein. Im Driente waren foldhe Sicherheit: und Vorſichtsmaßregeln 
noch weit nothwendiger als im Abendlande, und es ff aus den Bes‘ 
richten der Meifebefchreiber fattfam bekannt, daß die meiſten orientali⸗ 
ſchen Kloͤſter noch bis auf ben heutigen Tag befeſtigten Schlöffern und 
regelmäßigen Forts gleichen. - 

Was nun die Befchaffenheit der Kloftergebäude betrifft, To iſt im 
Allgemeinen zu erinnern, daß fie im ben erfien Zeiten ſehr einfach und 
befhräntt waren. Zudem man die Mönche als Buͤßende betrachtete, 
die fich durch Entbehrung und freiwillige Entfagung vor allen andern 
amszeichnen follten, durften auch ihre gemeinfhaftlihen Wohnungen 
nicht befonder6 bequem und prächtig fen. Ra, wir haben im Artikel 
Kirchengebäude Thl. II, p- 389 sen, daß in den Städten den Kloͤ⸗ 





56 J Moͤnchthum. 


deutend iſt. Zuweilen wird die lateiniſche Ueberſetzung Conriotorium 
gebraucht, wovon ſich jedoch in aͤltern Zeiten kaum ein Beiſpiel findet. 
4) Laura, Aavga oder Außen, iſt die alte Benennung ber 
Anachoretenwohnungen,, von denen wir bereits oben .gefprochen haben, . 
Nach Suidas iſt Auvpa 7 oxevy xasoıxla suv Movaxur. Beim 
Balsamon ad Cone, Nic, Il. c. 12. p. 517 werden verbunden: zapd 
. sov @avoIEv dgıdundlrswr uovaoıyolor, 7 xal 7ovxaoıngıuv zul 
Avaxwentıziv xeAlay (cellularum) zul Außewv, xal ünkwg zaToxn- 
znolwv novaxıxov. Nach Epiph. haeres. LXIX. p. 311 war Aavga 
oder Aaßoa ein enges und ſchmuziges Gäßchen (angiportus) in Alexan⸗ 
drien, nad) welchem man die Eleinen und armfeligen Anachoretenwoh⸗ 
nungen in Thebais, Paläftina, Syrien u. a. benannte. Man pflegte 
Laura , welches auch bei den Lateinern häufig vorlommt, dem coenobia 
entgegenzufegen. | 

5) Ssureiov — welches bie Lateinee Semnium, wohl auch 
verfümmelt Simnium oder Sceimnium, ausfprachen unb duch Mona- 
sterium sive Honestor. conventiculum erflärten, zumellen audy Sanctua- 
rium überfegten, war der Name, welchen Philo dem Verſammlungs⸗ 
orte dee Therapeuten beilegte, und welchen man um fo lieber beibehielt, 
da man fie für die Ahnherren der chriftlihen Moͤnche hielt. Nach 
Suidas iſt osurveioy TO Movaoıngıov, &v w movormero: ol Goxızal 
Ta Tod osuvov Piov uvorzpa selovcı. Mach Methodius wurben vor: 
zugsweife die vom Evängeliften Markus (tie die Zradition behauptete) 
geftifteten Klöfter aeuveia genannt. 

6) Aoxnrnjoıovi. e. doxnrwv xaraywyn, locus exercitationis 
et eontemplationis. Die Lateiner haben Asceterium beibehalten, aber 
An fpätern Zeiten ſehr corrumpirt. Nah du Gange find die Wörter 
Archisterium, Architerium, Areisterium, Architrium, Ascisterium 
nichts anderes, als Corruptionen eines und deſſelben Wortes. 

Dpovrıornovov ift fo viel.ald daxmrnoıov, mit befonderer 
Beziehung auf Nachdenken und Geiftesübungen. Das Wort Curato- 
rium würde ihm entjprehen, wenn ed nicht eine andere Bedeutung 
erhalten hätte. Doc, wird die Wohnung des Abtes und Priors, wel⸗ 
cher auch Curator hieß, zumeilen Curatorium genannt. Die Kloͤſter 
erhielten biefen Namen hauptſaͤchlich wegen der mit bdenfelben verbun= 
benen Schulen und Erziehungsanftalten, wodurch fie fi große Ver— 
bienfte erwarben, und weshalb fie auch in ber Confess. Aug. art. 27. 
Apolog. A. C. art. XIII. befonderö gerühmt werden. — Auch auf 
bie Sorgfalt, welche gewiſſe Mönchsorden, 3. B. die Benedictiner, 
Bafilianer u. a., auf die Erhaltung und Förderung der claffifchen Kite 
ratur, fo wie der Kunft, verwendeten, paßte diefer Name fehr gut. 

8) Hovzaosneıo»y, Heaychasterium, wird erklärt: locus, in 
quo degunt novxaoral. Diefer Ausdrud aber bezeichnet diejenigen, 
welche ſowohl zur Ruhe (vita otiosa), als zum Schweigen (Silen- 
tium) verpflichtet waren. Die Verpflichtung zum Schweigen, welde 
fhon bei dem Ppthagordern gefunden wird, war auch in [pätern Zei⸗ 
ten, befonders hei den Karthaͤuſern, Trappiſten u. a., ein befonberes 


Moͤnchsgeluͤbde. 


9) Conventus. Conventuelis domus, conventuales fratres, 
congregatio und ‚veripandte Wörter, welche eine geſellſchaftliche Ver⸗ 


Monchthum. | 57 


bindung umb ein Zuſammenleben anzeigen, werben häufig fuͤr Kiofter und 
defien Bewohner und Einrichtung gefegt. Auch gehören hierher die Wirter 
Göflypazoy (fraternitas) und adeApazgın, weil bie an einem Jdrte 
zuſammenlebenden Mönche als Glieder einer Familie angefehen werden. 

(0) Hyovusvsioy ift eigentlih der Sig der Nyovuereia 
(preefeetura) oder die Wohnung des Ayovuevoc (primas #. prin.ceps 
monasteril), i. e. Abbas oder der nyovueon (Hegumena, Praepo sita, 
Domina, Abatissa). Dann wird e6 für die ganze Anſtalt gefegt, ob: 
glei Hegumenium auch zuweilen das Fremdenzimmer bedeutet. 

11) Die oft bei Griechen und Lateinern vorkommende Benennung 
Mordoa, Mandra, Viehſtall, Schafhürde zc., iſt auß der Vergleichung des 
Moͤnchslebens mit dem Nomadenleben hergenommen, und bezieht fich theilg 
auf die urfprlinglichen Anachoretenwohnungen, theils auf die Abfond erung 
von der menfhlichen Geſellſchaft. Es ift alfo eine aͤhnliche Metapher, 
wie grex, congregatio u, a. Wäre ber Sprachgebrauch von Mandra 
(ovile) bei griehifhen und roͤmiſchen Schriftſtellern (Theoerit. Iıl. IV. 
61., wo der Scholiaft aber zwifchen drei Bedeutungen ſchwankt urıd eine 
ſchwerfaͤllige Ableitung giebt, und beim Juvenal und Martial) nicht b egruͤn⸗ 
det; fo würde man vermuthen können, daß es ein orientalifhes Wort 
fei und entweder bem fyrifhen mandra (r. nader, vovit, wofıer bar 
nedre filius votorum) — Assemanni Biblioth. Or. Tom. I. |». 286 
locus et status voti ober dem arabifchen hadir (nodur r. nada.ra so- 
lus mansit) singularis entſpreche. Es iſt aber weniger der U mfland 
entgegen, daß diefed Wort bei Griechen und Römern vorlommt (weil 
fie e8 aus dem Driente entlehnt haben koͤnnten), als vielmehr tier Um: 
ſtand, daß ed von den orientaliſchen Schriftflellern ſelbſt nicht in die 
fer Bedeutung gebraucht wird. 


12) Bet den Syrern und Arabern findet man faft ohne Aus: 
nahme das Wort Dairo 643) und Dairon (55) filäe Klo⸗ 


fier, und zwar vom Zeitworte dür, welches vorzugsmeife !oon ben 
Zelten und Wohnungen der Nomaden gebraudt wird. ALRichaelis 
(Castelli lexic. Syr. P. I. p. 189) macht hierüber die Benaerkung: 
Monasterii signific. apud ecclesiasticos seriptores historicosq ue chri- 
stianos frequentissima et ubivis obvia (veryl. Assemanni Bibl, Or. 
T. I. p. 32) inde fortassis orta, quod in salitariis locis (:remitae 
sua a solitudine sic dieta monasteria conderent. Nomen ergo Pa- 
gor. solitarior., in quibus Nomades per deserta vagi hal»itabant, 
ad monasteria,. initio non saxca nec ornata, transferebatur. Do- 
mus, ut ait poöta, antra fuerunt, et densi frutices, Heec scri- 
bens generaliorem habitationis notionen neutiquam in dubium voco, 
sed proprias ac speciales pono. 


ID) Regierungsweife und Subordinationsver: 
bältniß in den Zlöftern. — So fehe aud in den kloͤſterli⸗ 
hen Einrichtungen die Gleichheit aller hervorgehoben wurde, fo hatten 
. doch frühere Erfahrungen und ein richtig gefühltes Standes interefie in 
den Moͤnchs⸗ und Nonnenvereinen obrigkeitlihe Beſtimm ungen und 
Subordinationsverhältniffe eingeführt. Won der fehr alten (Einrichtung, 
daß man am die Spitze der Regierung eines Kloflerd einen Abt ſtellte, 


\ 








60 | Moͤnchthum. 

Bon dieſer Regierungsform im engern Sinne, beſchraͤnkt auf bie 
Disciplin einzelner Klöfter, kann man eine andere im weitern Sinne 
unterfcheiden. Ein Orden hatte bekanntlich nicht. nur ein einziges Klo 
fter , fondern mehrere. Ale Kloͤſter zufammen, welche eine und dies 
felbe DOrdensregel haben und befolgen, machen einen Orden oder eine 
Drbenscongregation aus. Da nun Klöfter eines und deſſelben Ordens 
in mebrern Ländern entflanden, fo nannte man einen Landesbezirk, 
wo mehrere Kiöfter derfelben Regel fich befanden, eine Provinz. Durch 
dieſe Einrichtung, die ihren Urfprung dem erweiterten Klofterwefen im 
Mittelalter verdankte, erweiterte fi das Klofterregiment, und es bils 
dete fih ein Subordinationsverhältniß, wie es ungefähr bei der meltli= 
chen Regierung durch hohe und niedere Beamte ſich herausftellte. Jede 
fogenannte Ordensprovinz hatte ihren Provinzial, d. 5. einen Borges 
fegten,, ber alle Kiöfler in einem gewiſſen Landesbezirke beauffichtigte, 
und unter welchem wieder die Kloſterbeamten einzelner Klöfter ſtanden. 
Ein folher Provinzial wurde entweder durch die Kloſterobern einer gan⸗ 
zen Provinz, oder durch ben Ordensgeneral, von welchem glei Die 
Rede ſeyn wird, erwaͤhlt. Er hatte den Vorſitz bei den fogenannten 
Capitulis Provineialibus, welches Verſammlungen der Klofterobern einer 
Provinz waren, um über die Angelegenheiten des Ordens zu berath» 
fhlagen, und er hatte ungefähr biefelben Gefchäfte zu verrichten, . die 
einem Bifchofe in Abfiht auf die Geiſtlichen feines Sprengels 
zulamen. Ueber diefen Provinzialen ftand jedoch noch eine höhere 
Behörde, in der Perfon bes Drdensgenerald. So nennt man naͤm⸗ 
lich das Mitglied eines Ordens, das die oberfle Auffiht und. Di⸗ 
vection aller zu bemfelben gehörigen Klöfteer in Europa führt. Die 
meiften Generale werden vermittelft der Provinzialcapitel burch Abſtim⸗ 
mung ber Deputitten gewählt und werden theild lebenslaͤnglich, theils 
nur auf einige Fahre gewählt, wobei aber nie bie päpftliche Beftdtigung 
fehlen darf. Gewöhnlich refidirten fie in Rom, und e6 fand ungefähr 
bei ihnen daſſelbe Verhältnig Statt wie bei ben frühern Apocriſiarien 
. d. Art), welche der römifche Biſchof am byzantinifchen Hofe unters 
bielt. Bei bem mehr ausgebildeten Klofterleben fanden es auch viels 
verziweigte Orden ihrem Intereſſe gemäß, einen Vertreter ihrer Angele- 
genheiten in der Perfon des Drdensgenerald zu haben, der gewöhnlich 
für feine Sphäre fehr forgfältig und gluͤcklich gemählt war. Manche 
Drden jedoch fanden es auch zwedimäßig, daß ihre Generale in Frank⸗ 
reich refibieten, 3. B. die Ciftercienfer, Karthäufer, Prämonftratenfer u. a. 
So Hatte fi) denn befonders im Mittelalter eine Klofterdisciplin gebil⸗ 
bet, die das Einzelne, wie das Ganze ziemlich fcharf umfhßte und bei 
manchem Ueberfpannten, Abergläubifchen und Schwärmerifchen doch auch 
von einem ausgezeichneten Adminiflrationstalente zeugte. 

UIV) Derpflidhtungen und Leiftungen derer, die 
fi dem Kloſterleben widmeten vor und nach ihrem 
abgelegten Belübde. — Die Gewohnheit, diejenigen eine Zeit 
lang erft zu prüfen, bie in einen Klofterverein treten wollten, ift ſehr 
alt und kommt fchon in den erften Zeiten, wo man von dem anacho⸗ 
tetifchen zu dem cönobitifchen Leben überging, vor. Schon Pahomius 
und Gaffianus machen fie zur Pflicht, und noch deutlicher tritt dieſe 
Einricptung in der Regel Benedicts hervor, wo Cap. 58. von der Auf: 


Mönchthum. 61 
nahme nener Mitglieder handel. Hier heißt ed: Niemand folle Leicht 
Zutritt erhalten, fondern berfelbe erfchwert feyn, Indem man den MReus 
ling 4 oder 5 Zage vor ber Thuͤr einer fchimpflihen Behandlung auss 
fege. Ertrage er fie geduldig, fo führe man ihn In die Celle ber Fremd⸗ 
linge, wo er einige Tage bleiben folle, dann in die Selle ber Novizen, 
barin er eſſe umd fchlafe. Kin Älterer Bruder werde abgefandt, um 
ihn zu prüfen, ob er mit Ernſt Gott fuche, indem er den Meg zu 
dbemfelben als rauh und beſchwerlich ſchildert. Verſpricht er Ausdauer 
und Stanphaftigkeit, fo werden ihm nach zwei Monaten bie Megeln 
vorgelefen. Bleibt er bei feinem Vorſate, fo werben fie nach fechs 
Monaten zum zweitenmale vorgelefen und nah vier Monaten zum 
brittenmale; verfpricht er "hierauf diefelben anzunehmen und fich darnach 
zu richten, fo wird er aufgenommen und darf nun nicht mehr zurüds 
treten. Seine Aufnahme gefchiehe im Bethauſe vor der ganzen Gefells 
fhaft, in deren Gegenwart er vor Gott Beftändigkeit und Gehorfam 
gelobt. Weber dieſes Verſprechen ftellt er eine Urkunde aus im Namen. 
der Heiligen und des Adtes, die er unterfchreibt, oder wenn er dieß nicht 
fann, duch einen andern thun läßt und legt diefelbe auf den Altar. 
Hierauf wirft er fih vor allen Brüdern nieder und erfucht fie, für ihn 
zu beten. Sein Eigenthum muß er vorher den Armen fchenten ober 
dem Kloſter überlaffen, auch feine Kleider ausziehen, wofür er andere 
erhält. Die feinigen werben in ber Kleiderfammer aufbewahrt und er 
bekommt diefelben zuruͤck, wenn er ausgefloßen wird. Diefes Probes 
jahr, mit dem eigenthümlihen Namen Noviziat belegt, hat immer 
fortgedbauert, nur daß es nicht in den Schranken des Mäßigen unb 
Anftändigen fich erhielt, wie es nad Benedicts Regel beftimmt war, 
ſondern in der fpätern Kloftereinrichtung zur Unnatur wurde und in 
Unfinn ausartete. Es iſt unglaublih, was man alles anmwendete, uns 
die Novizen harte Prüfungen beſtehen zu laſſen, und die fogenannten 
Movizenmeifter, oder diejenigen Drbensgeiftlihen, unter beren beſon⸗ 
derer Auffiche die neuen Ordenscandidaten fanden, können recht eigents 
ih in die Claffe der Menſchenquaͤler gerechnet werden. Um bie 
Novizen in Armuth, Demuth und Verleugnung zu üben, war in 
manchen ſpaniſchen Sarmeliteröftern eine gemöhnlihe Probe biefe:- 
Man verfleidete einen folchen jungen Menſchen in einen Bettler, zog 
ihm einen recht lumpichten Rod an und ſchickte ihn in ſolchem Aufs 
juge unerfannt in die Stabt, mit dem Gebote, Almofen zu fammeln. 
Mittterweile ließ der Superior des Kloſters der Polizei anzeigen, man 
möchte ſich eines gewiſſen verdaͤchtigen Bettlers, den er fo und fo’ 
bezeichnete, und für einen Landftreiher und Spitzboben ausgab, 
bemächtigen und ihn fegen laſſen. Die Polizei eemangelte nicht den 
bezeichneten Menfchen gefangen zu nehmen, in Ketten zu legen und 
jelhes dem Superior zu melden. Nun erft ließ diefer wieder fagen, 
der in Verbaft genommene Menſch fei einer von ihren Novizen, den 
fe auf die Probe hätten flellen wollen. Dann wurde er wieder losge⸗ 
Iaffen und bei feiner Rückkehr im Kloſter manchmal noch dazu mit 
einer nachdruͤcklichen Strafe für fein langes Außenbleiben empfangen. 
Mar würde ein dies Buch fchreiden koͤnnen, wollte man alle die, 
Ionderbären, zum Theil ekelhaften und graufamen Prüfungen befchreiben, 
denen die Movizen unterworfen waren zur Zeit des weitverbreittten Ko: 


\ 
° % 


62 _ Moͤnchthum. 

ſterlebens im Mittelalter. Es beſtaͤtigt ich auch hier und wird ſich noch 
mehrmals in dieſem Artikel wiederholen, daß Stoicismus und Cynis⸗ 
mus im Kloſterleben Wurzel faßten und in ſpaͤtern Erſcheinungen im⸗ 
mer wiederkehrten. Wenn nun auch in neuerer Zeit die hoͤhere Geſit⸗ 
tung im Noviziate dergleichen unwuͤrdige Pruͤfungen verdraͤngt hat, ſo 
bleibt es doch immer noch beſchwerlich, und noch ein neuerer Schrift⸗ 
ſteller ſagt davon: „Die Novizen muͤſſen die geiſtlichen Uebungen und 
„den Kirchendienſt ihres Ordens erlernen, die niedrigſten Hausarbeiten 
„fuͤr das Kloſter verrichten, ſich außer gewiſſen, dazu feſtgeſetzten Stun⸗ 
„den des Sprechens enthalten, dem Novizienmeiſter, einem Ordens⸗ 
„geiſtlichen, unter deſſen beſonderer Aufſicht ſie ſtehen; von den unbe⸗ 
„deutendſten Handlungen Rechenſchaft geben und ſich bei den geringſten 
„Verſehen harten Strafen unterwerfen. Nicht alle Orden und Kloͤſter 
„ſind ſich in Ruͤckſicht der Strenge in der Behandlung ihrer Novizen 
„gleich, und in Faͤllen, wo entweder die Beſorgniß, fie koͤnnten da⸗ 
„buch von der Ablegung des Drdensgelübbes abgelenkt werden ober 
« „Kamilienrudfichten eintreten, hat man ihnen das Probejahr zu erleich⸗ 
„tem gewußt.” 


Webrigend dauert das Noviziat gewoͤhnlich ein Jahr; hat aber die 
Pegel eines Ordens eine längere Zeit feftgefegt, fo muß fich der Noviz 
dieſer Beſtimmung unterwerfen. Während der Probezeit ſteht es dem 
Novizen frei, wieder aus dem Orden zu treten, in den beiden letzten 
Monaten des Noviziats koͤnnen die Novizen nach eingeholter Erlaubniß 
des Biſchofs, jetzt nur mit Bewilligung der Staatsregierung, über ihre 
Bermögen verfügen. Alle während ber erften Monate gemachten 
Diepofitionen find ungültig, eben fo find jene Anordnungen, welche in 
den beiden legten Monaten gemadyt werden, fraftlos, wenn der Noviz 
inzwifchen aus dem Ordensverbande tritt. 


Iſt nun das Prüfungsjahr vorüber, und ber Noviz beharrt auf 
feinem‘ Entfehluß in den Orden zu treten, fo läßt man ibn Profeß 
thun, ein Kunflausdrud, wodurch man anbeuten will, baß Jemand 
für würdig befunden worden fei, bie allgemeinen, wie bie befondern 
Ktoftergelübde abzulegen. Man bezeichnete daher einen wirklichen Mönch 
mit dem Ausbrude Professus, und in jedem Orden hatte er bie drei 
Grundgelübde abzulegen, daß er nicht beirathen, nichts von zeitlichen 
Sütern befigen und unbedingten Gehorfam gegen feine Obern leiften 
wolle. Bom 10. Jahrhundert an achtete man das Kloftergelübde der 
Taufe glei, und behauptete, daß man ſich duch dafjelbe der Gnade 
Gottes befonders würdig mache, und auf eine höhere Stufe der Voll⸗ 
kommenheit erhebe. Diele Anficht ſtellt felbft noch in neuerer Zeit. Bels 
larmin auf, wenn er das Klofterleben einen Statum religiosor. ho- 
minum ad perfeotionem christianam tendentium per tria vota easti- 
tatis, paupertatis et obedientiae nennt, und anders urtheilt die roͤmi⸗ 
ſche Curie auch noch nicht darüber, man mag nun die Acta Cono. 
Trident. oder ſelbſt die neuelle Praris berüdfichtigen. Uebrigens haben 
einzelne Orden auch noch befondere Gelübde, die neben ben drei ges 
nannten beobachtet werden, 3. DB. das Schweigen bei den Karthäufern, 
die Krankenpflege, befondere Geluͤbde das Faſten, das körperliche Ka⸗ 
fleien betzeffend u. dergl. Allein da diefe mehr in eine Specialgefchichte 


Moͤnchthum. 65 


fegleich nach dem Fluſſe zu tragen umb Ihn ins Waſſer zu werfen. 
Mucus erfülte den Befehl ohne Zögern und ber Knabe würde unfehls 
bar dad Leben verloten haben, wenn nicht andere Mönche ben Aufteag 
echaltm hätten, ihn aufzufangen und heraus zu ziehen. — Wie ſehr 
man früher in Aegppten bemüht war, die Geiſteskraͤfte der Kloſterbe⸗ 
wehner gänzlich unthätig zu machen und fie zum blinden Gehorfame 
ju gewöhnen, davon erzählt berfelbe Caſſian ein Beiſpiel. Der Obere 
eines Kiofters befahl einem gewiffen Johannes, welcher fpäter ſelbſt 
Abt wurde, einen därren Stab in die Erde zu flogen und benfelben 
tägli zu begießen, wozu er das Waſſet 2000 Schritte aus dem Nil 
berholte. Nach jahrelanger fortgefegter Mühe endigte jener bie Pruͤ⸗ 
fung, wie Caſſian erzählt, daß er den Stab herauszog. Sulpicius 
Severus will aber wiflen, er fei im dritten Jahre grün geworden unb 
habe geblüht. Faſt follte man wähnen, der Abt babe feinen Scherz 
mit der unterwürfigen Einfalt des Johannes getrieben, indem er ihm 
dergleichen fonderbare Befehle ertheilte; denn einft befahl er ihm auch, 
ein ungebeures Felsſtuͤck wegzuwaͤlzen und ſah zu, wie fidh biefer vers 
sehlih abmühete und anſtemmte, fo daß der ganze Körper von Schweiß 
ttiefte. Ein andermal befahl er ihm, das einzige Oelflaͤſchchen, wels 
ches fi im Klofter, ja vielleicht in der ganzen Wuͤſte vorfand und zur 
Heilung der Kranken, fo wie der Beichädigten diente, zum Feuſter 
hinauszuwerfen. Dieß aber zeigt, daB der Gebietende fowohl, als der 
Grhorchende gefühllofe Thoren waren. Daß nun bie fpätere Moͤnchs⸗ 
geihichte noch viel reicher an folhen Gehorfameproben war, ließe fich 
fehr leicht zeigen, wenn ed nöthig ware. Die bereits bei Gelegenheit 
ber Rapusinergefchichte erzählte Mahlzeit à la eochon ift ebenfalls ein 
Pröbchen von dem umbedingten Gehorfam in diefem Orden. 

Indem wir nun auf die Leiftungen und Verpflichtungen bee Klo: 
ferleute (worunter wie Mönche und. Nonnen verftehen) übergehen, 
müffen wir bemerken, baß fich diefelben A, in vorgefchriebene, B. in 
freiwillige eintheilen Jaffen. Zu den vorgefchriebenen Leiftungen und 
Verpflihtungen. (wir haben hier beſonders Benedicts Regel im Auge, 
welche doch der Grundtypus für alle fpätere Orden biieb) gehörten 
aber zuförderfi | 

a) täglihe AUndbahhtsübungen, die an gewiffe 
Stunden gebunden waren und Tag und Uacht aus 
füllten. Schon Caſſian hatte die gemeinfchaftlidden Andachtsuͤbun⸗ 
gen in den Kiöftern an gewifle Zageszeiten gebunden und eine engher⸗ 
iige Deutung der Worte des Pfalmiiten (Pf. 119. V. 164): Ich 
lobe dich des Tages fiebenmal um der Rechte twils 
len deiner Gerechtigkeit, hat fieben Stunden am geeignet 


% 


fin dazu gehalten, die unter dem Namen ber fogenannten horar. - 


eanonic. bekannt find, welche wir ſchon mehrmals erwähnt haben. 
Die erſte heißt Matutina oder Metten, welche bald nah Mitternacht 
gehalten wird, die andere Prima, die kur; vor Sonnenaufgang gehals 
tn wird, und die dritte Tertia, auch Aurers und hora aaom genannt, 
wird kurz nach Aufgang der Sonne gefeieet. Die vierte hieß Sexta und 
folgte bafd auf die Tertia, die fünfte None, welche bei dem Mittags⸗ 
eſſen gehalten wird; die fechite Vespertina, Vesper, ungefähr um 8 Uhr 
und die fiebente Completorium, bie ihren Namen davon bat, daf 
Siegel Hdbuch IV. 6 


Ä 68 Moͤnchthum. 


offleia beatae pietatis impenditis. Et ideo diseits quidem naturas 
herbarum commistionesque specierum sollieita mente tractate. Er 
empfiehlt ihnen die Schriften des Dioscorides, Hippocrates und Gas: 
lenus. Vergl. Stäudlin im kirchenhiſtoriſchen Archive für 1825 p. 
413 ff. Wir lernen alfo aus dieſen Aeußerungen Caſſiodor's Xf. über 
ihn Schrödh KG. Thl. 16. p. 128 — 51), daß die Benedictiner theils 
wiſſenſchaftlich, theils Eörperlih mit Aderbau, Garten= und Obftcultur 
fi) ſehr wohlchätig und nüglich befhäftigteen. Zu den duch die ˖Or⸗ 
densregel oder burch fpdtere Anordnungen vorgefchriebenen Leiſtungen 
und BVerpflichtnngen gehörte auch) 

c) der Unterricht. Direct jedoch findet fi dafür keine be: 


‚fondere Anordnung in der Megel Benedicts, wohl aber indirect. Cap. 


69. (f. Holsten. 1. 1. Part. I. p. 54) {ft überfchrieben de filiis nobi- 
lium vel pauperum, qui offeruntur. Um biefe Ueberfchrift zu verfte- 
ben, muß man fi an eine Sitte erinnern, die ſchon vor Benedict 
fett dem 4. Jahrhundert Statt fand; es waren bieß die fogenannten 
Ktofterfchulen, Seholae oblator. genannt. Viele Aeltern widmeten, weil 
es fonft wenige andere Schulen gab, ihre Knaben dem Moͤnchsſtande, umd 
gaben fie den Mönchen zum Unterricht. Diefe Knaben hießen Oblati. 
Sie durften nachher den Möndyftand nicht wieder verlaflen und fo wa⸗ 
ren die Kloftarfchuten Moͤnchsſeminare. Diefelben flanden aber auch 


- andern jungen Leuten offen. Seit der Synode zu Arles im Jahre 454 


wurden fie bier und da den Bifchöfen unterworfen und die Schulen 
wurden als ein Anhang der Kirche betrachtet. Man kann alfo in die: 
fer Beziehung wohl behaupten, daß zu den gebotenen Verrichtungen In 
den Kloͤſtern wenigſtens für einzelne Individuen aud der Unterricht 
gehörte. Dies hat bis zur Zeit der Reformation fortgedauert und findet 
auf der pprendifhen Halbinfel und in Stalien zum Theil noch Statt. 
Zu jeder Bett find wenigſtens einige Kiöfter Unterrihts- und Penfions- 


anſtalten In Batholifchen Laͤndern gemefen und find es zum Theil noch. 


Jedoch zeichneten fich in dieſer Hinficht bie WBenedictinerkiöfter fehr vor: 


-theilhaft aus. In diefen waren scholae interiores und exteriores. 


Jene waren Schulen für Knaben, die dem Moͤnchsleben ſich weihen 
wollten, diefe waren Schulen für bürgerlihe Knaben, die aber, wenn 
fie dieſe Schulen beſuchen wollten, hierzu ſchriftliche Erlaubniß des 


Biſchofs haben mußten, und austreten tonnten. Fruͤherhin fcheint man 


in denfelben nicht Elementarunterricht ortheilt zu haben, fondern nur 
Unterticht in dem, was man damals Theologie nannte und in ‚dem 
kirchlichen Geremoniell. Als aber auch die scholae exteriores für 
nothwendig "erachtet wurden, da dehnte man den Unterricht auf bie 
fogenannten fieben freien Künfte aus, nämlich Grammatik, Dialektik, 
Rhetorik, Mufit, Arichmetit, Geometrie und Aftronomie, von denen 
die brei erflern das Trivium, die legtern vier das Quadrivium genannt 
wurden. Auch von diefer Seite kann man behaupten, daß bie. Literatur 
in die Kloſterſchulen der Benedietiner ſich flüchtete. Sie wurden bald 
in den vorzüglichiten Ländern Europa's errichtet, wie in Stland, Eng⸗ 
land, Frankteich, Spanien, Stalien, Deutſchland, und einzelne Städte 
erhielten davon eine befondere Beruͤhmtheit, z. B. Armagh, Canterbury, 
Oxford, York, Cambridge, Tours, Rheims, Clermont, Parts und 
St. Emmmun in: Megcheburg, Hersfeld, Worms, Gorvey, Yulba, 


Moͤnchthum. 65 


ſogleich nach dem Fluſſe zu tragen und ihn ins Waſſer zu merfen. 
Mucius erfuͤllte den Befehl ohne Zögern und der Knabe würde unfehl⸗ 
bar das Leben verloten haben, wenn nicht andere Mönche den Auftrag 
erhalten hätten, ihn aufzufangen und heraus zu ziehen. — Wie ſehr 
man früher in Aegypten bemüht war, die Geiftesfräfte der Kiefterbes 
wohner gaͤnzlich unthätig zu machen und fie zum blinden Gehorfame 
zu gewoͤhnen, davon erzählt derfelbe Gaffian ein Beiſpiel. Der Obere 
eines Kloſters befahl einem gewiſſen Johannes, welcher: fpäter ſelbſt 
Ast wurde, einen duͤrren Stab in die Erde zu flogen und bdenfelben 
täglich zu begießen, wozu er da6 Waſſet 2000 Schritte aus dem Ni 
herholte. Nach jahrelanger. fortgefegter Mühe endigte jener die Pruͤ⸗ 
fung, wie Caſſian erzählt, daß er den Stab herauszog. Sulpicius 
Severus will aber wiſſen, er fei im dritten Jahre grün geworden und 
habe geblüht. Faſt follte man waͤhnen, der Abt habe feinen Scherz 
mit der unterwürfigen Einfalt bes Johannes getrieben, indem er ihm . 
bergleihen fonderbare Befehle ertheilte; denn einſt befahl er ihm audy, 
ein ungebeures Felsſtuͤck wegzuwaͤlzen und fah zu, wie ſich dieſer ver: 
geblich abmühete und anflemmte, fo daß ber ganze Körper von Schweiß 
triefte. Ein andermal befahl er ihm, das einzige Delfldfchchen, wels 
ches fih im Kofler, ja vielleicht in der ganzen Wuͤſte vorfand und zur 
Heilung der Kranken, fo tie der Beſchaͤdigten diente, zum Fenſter 
binauszumwerfen. Dieß aber zeigt, daß der Gebletende fowohl, als der 
Gehorchende gefühllofe Thoren waren. Daß nun bie fpdtere Mönche: 
gefhichte noch viel reicher an ſolchen Gehorfameproben war, liege ſich 
fehe Leicht zeigen, wenn es nöthig wäre. Die bereits bei Gelegenheit 
ber Kapuzinergeſchichte erzählte Mahlzeit à la cochon iſt ebenfalis ein 
Pröbchen. von dem unhedingten Gehorfam in biefem Orden. 

Indem wie nun auf die Leiſtungen und Verpflichtungen bee Klo: 
flerleute (worunter wie Moͤnche und. Nonnen verfichen) übergehen, 
müflen wir bemerken, daß fich diefelben A. in vorgefchriebene, B. in 
freiwillige eintheilen laſſen. Zu ben vorgefchriebenen” Keiftungen und _ 
Berpflihtungen. (wir haben hier befonders Benedicts Regel im Auge, 
welhe doch der Grundtypus für alle fpätere Orden biieb) gehörten 
aber zuföcderfi | 

a) täglihe Undahtsäbungen, die an gewiſſe 
Stunden gebunden waren und Tag und Kladht aus⸗ 
füllten. Schon Caſſian hatte die gemeinfchaftlihen Andachtsuͤbun⸗ 
gen in den Klöflern an gewille Zagebzeiten gebunden und eine engher: 
jige Deutung der Worte des Pfalmiften (Pf. 119. 8. 164.): Ich 
lobe dich des Tages fiebenmal um der Redhte wills 
len deiner Gerechtigkeit, hat fieben Stunden am geelgtiets 
fen dazu gehalten, bie unter bem Namen ber fogennnnten horar. -» 
eanonic. bekannt find, welche wir [don mehrmals erwähnt haben. 
Die erite heißt Matutina oder Metten, welche bald nah Mitternacht 
gehalten wird, die andere Prima, die Eurz vor Sonnenaufgang gehale 
ten wicd, und bie dritte Tertia, auch Aurers und hora sacns genannt, 
wird kurz nach Aufgang der Sonne gefeiert. Die vierte hieß Sexta und 
folgte bald. auf die Tertia, die fünfte Nona, welche bei dem Mittags⸗ 
efien gehalten wird; die ſechſte Vespertina, Vesper, ungefähr um 8 Uhr 
und die fiebente Completorium, die ihren Namen davon bat, daß 

Siegel Handbuch IV, 6 





J 


70 | Monchthum. 


fruͤhern Benedictiner geleiſtet hatten. — Außer den nach ben drei 
Hauptgeluͤbden und nach der eigenthuͤmlichen Ordensregel veranlaßten 
Verpflichtungen und Leiſtungen der Moͤnche gab es aber auch — 

B) noch freiwillige Uebungen, Entſagungen 
und Selbſtpeinigungen, bie oft an das Unglaubs 
lihe grenzen und don Derrüädtbeit bes Verftandes 
zeigen. Auch bier muß zur Ehre Benedictd erwähnt werden, daß 
“er die, Üebertreibung feiner Vorzeit in diefem Puncte nie theilte, und 
daß die kloͤſterliche Weberfpannung fpäterer Jahrhunderte fi nicht auf 
Benedict berufen darf. Wie mild ift unter andern das 59. Gapitel 
‚ ausgedrüdt, überfhrieben: de Quadlragesimae obserratione, wo «6 
beißt: Eigentlich folle das ganze Leben eines Mönche eine fortgefegte 
Saftenzeit feyn, da dieſes aber nur wenige im Stande wären, fo moͤch⸗ 
ten fie dem Körper aus eigenem Entfchluffe etwas von der Speife (alfo 
nicht bis zum unnatürlihen Entbehren) der Getränke, dem Schlafe 
und dem Gefpräche entziehen. — Wie verfchieden iſt diefe mildere 
Anficht ſchon von dem unnatürlichen Faſten im Driente und in Aegypten, 
befien jedoch bie abendländifhen Moͤnche nie fähig wurden. Wie mes 
nig drang Benedict auf Selbfipeinigung, die fhon vor ihm in ber 
älteften Mönchegefchichte fich herausſtellte und die auch nah ihm zur 
befondern Klofterheiligkeit gerechnet wurde. 

Wir würden ein eines Buch fchreiben können, wollten wir auch 
nur die Arten der freimilligen Uebungen oder vielmehr Seibflpeiniguns 
gen fchildern, welche die Schwärmerei in den Kloͤſtern erdachte, umd 
wodurch fie wähnte Gott befonders zu gefallen und eigenthümliche Ans 
fprüche auf eine höhere Seligkett zu haben. Auch würden wir, woll⸗ 
ten wir dieß, unfern Lefern nur Bedauern und Ekel einflößen,, -indenz 
man oft nicht weiß, ob man biefe Verierungen mehr bemitleiden oder 
verabfcheuen fol, Wir wollen nur einige als Beweis anführen. Zus 
förberfi mag bier angeführt werden 

a) das Saften. Im wiefern das Faſten ſchon früh zur Koxnoiç 
im: Orlente gehörte und felbft ein Lirchliches Inſtitut wurde, haben wie 


im Artikel Faſten nachgewiefen. Wenn man von ben frühelten Zeiten ' 


an auf daffelbe einen fo hohen Werth febte, fo iſt e8 nicht zu verwun= 
dern, daß es im Kloſterleben befonder6 geboten wurde, da man in 


bemfelben eine größere Heiligkeit des Lebens vorausfegte. Schon früh . 
mar es baher Sitte im Oriente den Kiofterleuten ein firengeres Faſten 


zuzumuthen, als den Laten. Diefe Sitte hat ſich auch in ber griedhl: 
[hen Kirche bis auf den heutigen Tag erhalten. Die vielen Faftens 
wochen im Sabre (f. d. Art. Faſten), ſchon befchwerlich für die Laien, 
waren e6 befonders für ‚die fogenannten Calogeri, und Reifende, welche 
in der neuern Zeit berühmte Kiöfter im Driente befuchten, 3. B. auf 
den Bergen Athos und Sinai können die Wirtuofität dee Mönche im 
Faſten nicht genug bewundern. Allein fie haben ihre Vorbilder bereits 
in der Alteften Mönchsgefchichte des Drients, und. Caſſian erzählt, daß 
bie Lebensart der Brüder fehe ſtreng gemefen fei, und daß Kräuter mig 
Salz gewürzt für eine koͤſtliche Speife gegolsen haben. Schon Paco: 
minus ‚foll fi in ber Einöde von Brod. und Salz, worunter er noch 
Staub und, Aſche miſchte, genährt haben. Evagrius I. 21. und Sul- 
pitins Severus Dial. I, rühmen es von den Anachoreten, die ben 


Moͤnchthum. 69 
Hieſchaut, Salzburg, St. Blafien auf dem Schwarzwalde, St. Gal⸗ 
in u. a. Wirft man nun einen Blick auf dieſe in der Regel Bene: 
biets ausdruͤcklich gebotenen Leiflungen der nach ihm genannten Mönche 
oder auf das, mas fie felbft im Geiſte der Regel freiwillig wirkten; fo 
muf man dieſem Drden, der Übrigens, gleihwie ein Hauptſtamm in 
mehrere Zweige auslief, wie von uns eben gezeigt worden ift, wenig: 
ſters in dee Zeitdauer vom 6. bis 9. Jahrhundert große Verdienſte 
zugeſtehen. Dan findet diefelben gut gefchildert in Mosheim’s KG. 
Thl. 1. p. 777, wo es in der Anmerkung heißt: „Benedict gab dem 
„Moͤnchsleben feiner Zeit fhon daduch eine andere Einrichtung, daß 
„ee das herumfchweifende Leben der Mönche aufhob und ihr Geluͤbde 
„unwiderruflich machte. Es ift fein Wunder, daß fich diefee Orden fo 
„ausgebreitet hat. Seine Regel fchicdte ſich beſſer für die Europder, 
„als die übrigen, und die erften Benedictiner waren auch fromme, auf: 
„richtige und nuͤtliche Leute. Wo fie hinkamen, verwandelten fie 
„Bülteneten in angebaute Fluren, führten die Viehzucht und den 
„Ackerbau ein, arbeiteten mit ihren Händen, trodneten Moräfte und 
„rodeten Wäldern aus. Diefe Mönche (wir nehmen aber dieß Wort 
„in feiner allgemeinen Bedeutung, daß wir auch die Zweige diefes Ordens, 
„die Carthaͤuſer, Gifterzienfer, Prämonfteatenfer, Camaldulenfer u. f. w. 
„Darunter begreifen), haben ganz Europa, befonders aber Deutfchland, 
„große Dienfte erwiefen. Sie haben das legtere angebaut und frucht- 
„bar gemacht. Sie find die, welche uns alle Bücher ber Alten, alle 
„Wiſſenſchaften und Gelehrſamkeit aufbehalten haben. Denn fie muß: - 
„tn in ihren Kloͤſtern Bibliotheken unterhalten, da fie nad) ihree 
‚Megel zum täglichen Lefen verbunden waren. Einige Mönche mußten 
„die Schriften der Alten abfchreiben, woher die. Abfchriften kommen, 
„die noch bier und da in den Klöftern vorhanden find. In ihren Kids 
„ftem wurden die Wiſſenſchaften noch allein getrieben, und ihre Klo⸗ 
„ſterchroniken find fehr wichtig für die ‚Gefchichte ihrer Zeit. Außer 
„ihren Moͤnchsſchulen machten ſich befonders wichtig ihre Schulen für 
„weitiihe Perfonen. Hier wurden Gelehrte gebildet, die man an ben 
„Höfen brauchte, Canzler, Vicecanzler, Geheimfchreiber. Diefe ſorg⸗ 
„ten hernach wieder für ihre Kloͤſter. Selbſt Fürftenföhne wurden bei 
„den Benedictinern erzogen, und behielten auch auf dem Throne noch 
„eine Liebe und Hochachtung gegen den Drden bei,. dem fie ihren 
„Unterricht zu danken hatten. Aber der Reichthum wurde die Klippe, 
„an weldyer die Tugend der Benedictiner fcheiterte. Auch fie wurden 
„dadurch wollüftig, träge, und trog feiner vielen Reformen und felbft 
„ba, wo er In der neuen Zeit zu feinen literärifhen Beſchaͤftigungen, 
„tote in Frankreich zurückkehrte, hat ex nie wieder gelelftet, was die Be⸗ 
„nedictiner in den erſten Jahrhunderten ihres Beſtehens geleiftet ha⸗ 
„ben m f. mw.’ 2 | 
Sn der Thatift es zu beklagen, baß außer ben brei Geluͤbden 
dieſer Orden feine nüsliche Thätigkeie fobald aufgab, und daß andere 
Order, wenn fie auch außer denfelben noch andere Leiftungen gelobten, 
doch nur dadurch der Schmärmewi und “einer abenteuerlichen Froͤmmig⸗ 
keit anheim fielen. -Was gewann die Welt, wenn die Surthäufer 
ſchwiegen, die Barfüßer unbeſchuht gingen, die Bettelorden bettelten und 
ſelbſt die ſpaͤtern Predigtmönche erfegten nur Im geringen Grade, was bie 


78 . Möndhthum. 


durch ſolche Strenge die verlorne Achtung und Theilnahme wieder zu 
geroinnen ſuchte. Noch mehr war, dieß der Kal, wenn ein ganz neuer 
Orden entfland, der dann an Strenge und Kloſterheiligkeit alle übrigen 
zu übertreffen fuchte. Als Beifpiel koͤnnen wir hier den Carthäufer>, 


. Sarmeliters und die Bettelorden anführen. Cine andere ſolche freiwillig 


übernommene Selbfipeinigung, die in manchen Klöftern zu den gefeglich 
verorbneten Bußuͤbungen gehörte, aber als freiwillig übernommene 
Uebung für noch verdienftlicher galt, die auch vom Klofter ausging und 
zu ihrer Zeit beinahe in ganz Europa in fanatifche Wuth ausartete, iſt 

b) 898 Beißeln. Als Bufmittel und als BZüchtigung der 
Verbrecher war das Geißeln fhon vor den Zeiten des Chriſtenthums 
befannt. Bei den Aegyptern geißelten ſich die Priefter der Diana 
Soythia und der Dea Syra, bei den Römern die Luperoi oder die 
Priefter des Dan. Der Umftand aber, dag auch Chriftus und die 


Apoſtel gegeißelt worden feien, gab der Andächtelet finfterer Zeiten Anz 


laß zu willkuͤhrlichen Sefbfipeinigungen. Um an den Leiden Chrifti 
Theil zu nehmen, und fih der Entfündigung duch ihn deſto gewiſſer 
zu machen, wurde es feit dem 10. Jahrhundert immer gewöhnlicher 


ſich zu geißeln, d. h. mit einem peitfchenartigen, mit Stacheln verfehe> 


nem Sinftrumente zu zerfleifhen. Doch erſt feit dem 11. Jahrhundert 
wurde diefe Urt der Büßung allgemeiner, als Petrus Damianus von 
Ravenna, Abt des Benebictinerklofters Santa Croce d’Avellano bei 
Gubbia in Stalien, fpäter Cardinalbiſchof von Oſtia, der Chriftenheit 
und ganz befonders den Mönchen bie Geißelung zur Buße für ihre 
Sünden auf das Dringendfte empfahl, Bon nun an wurde das Sei: 
Bein, wie es früherhin nur Disciplinarftrafe geweſen war, eine freis 
willige Bußübung, die bald in jedem Kloſter, obgleih anfangs mit 


Widerſpruch vieler Mönche, Üblic wurde. Damianus ſchrieb felbft eine 


Schrift de laudibus flagellorum , in welcher er nicht nur enorme Selbſt⸗ 
geißelung gebot, fondern auch mit feinem eigenen Beiſpiele vorleuchtete. 


Er führte als Abt eines DBenebictinerkiofters feine Moͤnche zum Geißeln, 


verwande 


als zu einer frelwilligen Uebung an, und vertheidigte dieß gegen alle 
Moͤnche, die dagegen auftraten. Beſonders ftellte er das Beifpiel eines 


feiner Schüler, Dominicus ded DBepanzerten, ber ihn felbit in der 
fürchterlichften Selbftgeißelung weit übertraf, zum Muſter vor (S. 
Opera. de vita SS. Rudolphi Episcopi Eucubini et Dominici Lori- 
esti. Tom. IL 1 J. ep. 19. p. 209 seqg. et Opuse. L. Institutio 
monialis ad Blancam ex Comitissa Sanctimonialem p. 334 seqgq. 
Tom, Ill. Opp.) In der legtern Schrift wuͤnſcht er, daß Bianca dies 
fen Dominicus felbft fehen möchte, weil er nicht im Stande fei, feine 
heilige Strenge nach Würden zu befchreibenz er nennt ihn aud ans 
derswo feinen Lehrer und Deren. Diefer Dominicus trug ungefähr 18 
Fahre hindurch einen elfernen Panzer auf blogem Leibe, fo mie noch 
zwei eiferne Reifen um benfelben und zwei andere um bie Arnte. Faſt 
an jedem Tage fang er die Pfalmen zweimal durch (wie pünctlich 
wurde bier das Gebot Jeſu erfüllt: Ihr folle nicht viel Worte mas 
en, wenn ihre betet!), indem er ſich unaufbörlih mit Beſen züchtigte. 
Defter& that er unter feiner eifernen Laſt 1000 Kniebeugungen (meta- 
nocas), ya er den ganzen Pfalter ohne Zuͤchtigung herfagte. Er 

einige Jahre vor feinem Rode bie Beſen in Peitfchen von 


Monchthum. 73 


Riemen und umſchloß auch noch feine Hüften und Schenkel mit vier 
eiemen Reifen, bis er im Sahre 106% fein Leben, auf welches er fo 
lange losgeſtuͤrmt hatte, endige. Damianus war überzeugt, daß Dos 
minicus die Wundenmale Jeſu fletd an fich getragen habe, und ſetzt 
binzu, man ®önne in Anfehung feiner mit dem Nazianzifhen Grego: 
ans fagen: WBergieb es, o Chrifte, den frommen Seelen, welche übers 
mäfig fireng find und gegen ſich felbft wärhen. — Obgleich Mabillon 
Annal. Ord. S. Benediet. Tom. IV. p. 559 gut gezeigt bat, daß ſchon 
vor Damianus das Geißeln als freiwillige Bughbung fei empfohlen 
morden, fo haben doch von feiner. Zeit an mehrere andere Orden feine 


Emahnung zum freiwilligen Geißeln wohl beachte. Dominicaner und ' 


Stancicaner zeichneten ſich bald als vorzügliche Geißler aus. — Uebris 
gens iſt es befannt, daß fich diefe Geißlerwuth auch den Laien mits 
teilte, und daß fie eine befondere Epifode in der Kirchengefchichte des 
Mittelalters bilde. Selbſt Fürften ließen fich entlleidet von ihren 
Beichtvaͤtern geifeln. Ludwig IX. von Frankreich trug zu diefem Be⸗ 
bufe eine elfenbeinerne Buͤchſe mit fünf Beinen elfernen Ketten bei ſich 
und ermunterte feinen Beichtvater derb zuzufchlagen. Auch theilte er 
dergleichen Kettenbüchfen an die Prinzen und Prinzeffinnen feines Hau: 
fd und andere Vornehme ald befondere Gnadengeſchenke zu gleichem 
Gebrauche aus. Da aber die Geißlerwuth unter Laien nicht hierher 
gehört, fo verweilen wir auf die zahlreich darüber vorhandenen Schrif⸗ 
ten, wovon wir nur anführen: Verſuch einer Gefchichte der chriftlichen 
Geißlergefeufehaften u. f. w. von E. G. Körftemenn in Stäudlins und 
Tzſchirners Achiv für LS. Se Bd. 1., 2. und 8. Stud, fpäter als 
ſelbſtſtaͤndige Schrift, Halle in der Rengerfhen Buchhandl. 1828. 8. 


Wirft man nun nod einen Blick auf die zeither betrachteten Ver⸗ 


pflichungen und Leiftungen derer, die fi) dem Kiofterleben mwidmeten, 
vor und nach ihrem abgelegten Gelübde, fo fühle man fich unwillkuͤhr⸗ 
li gedrungen die obige Behauptung. zu wiederholen, daß, wenn ein» 
mal Klofterieben ſeyn folte, Benedicts Megel doch die zweckmaͤßigſte 
war. Wie billig und zwedmäßig find die Forderungen an feine Klos 
ferfeute gegen die unnatürlichen, Üüberfpannten und nuglofen Aufgaben, 
welche fpätere Drdensflifter ihren Anhängern beflimmten. Welche nuͤtz⸗ 
lie Leute waren die frühern Benedictiner, und wie wenig leifteten 
ſpaͤtere Mönchsvereine, da man felbfl die Frage aufwarf: ob ein Möndy 
auch arbeiten dürfe, und ob nicht das befchauliche Leben, der fromme 
Müfiggang und die bekannte Kloſtertugend weit über- nüglihe Koͤr⸗ 
per: und Geiftesbefchäftigung zu ſehen ſei. Wenigftene war es biefe 
Anfiht mit, fo wie der Muͤßiggang, ber bald die meiften Drden in 
Mißcredit fegte und zu Ausfchweifungen und Wöllerel verfuͤhrte. Wir 
gehen auf einen andern Punct Über, ber das innere Kloſterleben bes 
kifft, wie meinen 


v die Suftentstionsmittel und Beköftigung 


der Blofterbewohner. — Wir können uns über den eritern 
Punct kürzer faſſen, da wir bereits im Artikel Klerus, wozu wir im 
witern Sinne auch die Klofterwelt rechneten, von den Quellen gefpros 
Gen haben, aus weichen feine. Einkünfte floffen. Hier fei nur von 
den eigenthuͤmlichen, befondern Erwerbsarten die Rede, wodurch Die 
KHiler ihr Beſtehen ficherten.- Außer den allgemeinen Urfachen, wos 


a0 Monchthum. 


durch ber Geſammtklerus feine Einkuͤnfte vermehrte und wobon wie 
Theil UI. p. 91 ff. gefprochen haben, laͤßt fih von den Klöftern noch 
manches :Eigenthümliche anführen, wodurch ihr Beſitzthum im Laufe 
bee Zeit fi ins Unglaubliche vermehrte. 

. a) Einmal theilten fie mitden Kirhengebäuden 
die Begünftigung (f. d. Art.) daB man, ebe man zum 
Baue derfelben fhritt, die Mittel anmies, wodurd 
KRirchen und Klöfter erhalten werden Eonnten. Diele 
Mittel beflanden nun theild in beftimmten Geldfummen, oder in Laͤn⸗ 
dereien,, oder in zugewiefenen Binfen. Da die Gründung der Klöfter 
von Königen und Fuͤrſten, von hohen Geiftlihen oder von reichen Pri⸗ 
vatperfonen ausgingen, die fih dadurch den Himmel zu verdienen 
glaubten, fo iſt es mehr als wahrfheintiih, daß ſchon die urſpruͤng⸗ 
liche Dotation nicht gering war. 

b) Eine.andere, nicht genug berüdfichtigte Urfache bes Kloſter⸗ 
reichthums liegt auh in dem Sleißge und der Cultur des 
Bodens von jenen Ländereien, die man ben Ald- 
ftern zu ihrem Befteben anwies. Sleibige Mönde, fo lange 
fie noch durch ihre Regel zue Handarbeit und namentlich zur Bodencultur 
verpflichtet waren, [hufen aus Einöden und ausgerodeten Wäldern las 
chende und fruchtbare Gefilde. Wie einträglic) wurden nun folche neue 
Schöpfungen in wenig Jahrzehnten; ja, wie fleigerte fih ihre Werth 
nad) einer Zeitdauer von Jahrhunderten! Man errodge, was nach und 
nad aus den Schöpfungen der Benedictiner vom 6. bis 9. Jahthun⸗ 
dest gemorden ift, und man ˖wird nicht leugnen koͤnnen, daß der wachſende 
Kiofterreichehum der Benedictiner auch aus einer ruͤhmlichen Quelle flo. 

0) Beſonders wird die Kunft und Sclaubeit der Klofterobern 
geruͤhmt, die es trefflich verſtanden, vortheithafte Zaufchverträge zu 
Stande iu bringen. ©, 3. B. dad Verzeichnig in Ebersberg. tradit. 

d. 

d) Mm ihres Schuges, um ihres geiftlichen Beiftandes gewiß zu 
fepn ‚ begaben ſich viele freie Leute in ihre Dörigkeit, oder man bewil⸗ 
ligte diefen gewiſſe Rugbarkeiten unter der Bedingung des künftigen 
Heimfalls aller ihrer Befigungen an das Klofter. S. Möfers Osna⸗ 

brüd. Geſchichte, IL Urkunde. 35. 
eo) Wußten fie Lehne, oft mit Beiflimmung der Lehnsherrn, im 
Eigenthum zu verwandeln oder diefe erlaubten ihren Mannen und Zeus 
ten ganz im Allgemeinen unbewegliches und bewegliches Gut an Kira 
chen und Kiöfter zu Überlaffen. So 1259. Gieichense diplom. 537. 
— Wenk, heſſ. Geſchichte, IM. Urkunde 75. 

. f) Bisweilen nahmen Kloͤſter reiche Perfonen als Moͤnche an, 
um fie zu beerben, während diefe nach wie vor, weltlid außerhalb der— 

felben lebten und nicht einmal die Koften gewöhnlichen Unterhalteg vers 
urſachten. ©. Innoc. Ill, deeret. 598. — Schwarzacense chren. 20. 
ur &) Kein Moͤnch durfte als ein habeloſer Menſch irgend ein Eigen⸗ 

thum einem Dritten anweifen oder vermachen ; wogegen umgelehrt bie 
meiften Orden um die Mitte des 13. Zahıhunderts von den Päpften 
das Recht erhielten, Erbſchaften für die Monde fo an fih zu ziehen, 
als wären diefe noch weltlichen Standes. Freilich wurde diefes Recht, 
welches den Kloͤſtern ungeheuer viel Gut der flerbenden Verwandten 


Moͤnchthum. 73 


verſchafft Haben wuͤrbe, von ben lebenden Laien ſehr oft beſtritten unb 
vereitelt. Schon 1142 gab Papft Iumocenz Il, ben Mönchen in Mons 
tecalfino jenes Recht, gleich den ‚Laien zu erben (jebech wurden Lehne 
ausgenommen). Es ift aber zweifelhaft, ob die Urkunde Acht iſt; ges 
wiß hingegen, daß fie nicht übern zur Vollzieyung am Die Sta⸗ 
tuten von Verona fegen fell, daß Moͤnche und Weltgeiftliche zwar nicht 
mit Brübern meltlihen Standes; wohl aber mit Schweſtern zu glei⸗ 
hen Theilen erben komten. 

h) Die Eirchliche Gefeggebung war der Echaltung und Mehrung 
der geiſtlichen Guͤter fehr günftig, fo 3. B. in Hinficht ber gegen fie 
ſtatt findenden Verjährung. 100 Jahre waren als Verjaͤhrung für ein 
Klofter beſtimmt. 

i) Vorzüglich aber komme bier der oben fchon bemerkte Umſtand 
in Betracht, daß zur Zeit des Mittelalters die Pfarrgeiftlichen immer 
mehr in der Achtung des Volks gegen die Klofler: oder Ordensgeiſt⸗ 
lichkeit fanten, und daß fich die Theilnahme und Freigebigkeit mehr 
auf die Klöfter hinwendete. Darum waren Schenkungen eine vorzügs 
lie Quelle des Reichthums in den Kiöftern. Mit Recht fage Wilhelm 
von Nangis (zu 1232) über die Zeig des heiligen Bernhard: „Die Fürs 
„Ten und Präfaten waren den Mönchen uͤberaus günftig, fie boten ihnen 
„fteiwillig Aecker, Wieſen, Wälder und alles dar, was zur Anlegung 
„und Erhaltung der Kloͤſter dienen konnte.” Die Zahl der Urkunden, 
welche über Schenkungen auf uns gekommen find, ift fehr groß. (S. z. B. 
bie Anzahl in den Monum. boicis, die Traditiones Fuldenses u. a.) 
Vom Kloſter Eberöperg find allein 328 Scentungenummern, Die 
Erlaubniß, zum Klofterbau bei den Gläubigen zu fammeln, wirkte eben: 
falle wie eine Schenkung. Diele fanden theild flatt unter Lebenden, 
theils letztwillig auf dem Todtenbette. Und wie viel Gelegenheit zue 
Cinwirtung Hatten nicht die GSeiftlichen als Pfleger von kranken oft 
Rerbenden Pilgern, ald Vorfteher von Hofpitätern, als Schreiber von 
Zeftamenten u. f. w. Uber freilich wurden fchlechte Mittel keineswegs 
immer verfchmäht, und die Ermahnung, feine Sünden durch Schen⸗ 
tungen auf dem Kodtenbette gut zu machen, ging oft aus Habfucht 
bevor. Dder wenn man. diefe nicht geradezu ausſprechen wollte, fo 
fragte man wohl den Kranken: „Wiuft du die Moͤnchskutte anzies 
hen?“ — umd wenn ber oft Beſinnungsloſe oder der Folgen nicht Eins 
gedenfende mit Ja antwortete, fo behauptete man: das Vermögen ſei 
diermit dem Kloſter übergeben. — Nicht immer war ein Angehöriger 
jur Hand, zornig und gewandt, um (mie in einem Innocenz Ill. zur 
Entſcheidung vorgelegten Falle) zu beweifer, daß der Kranke nicht wiſſe, 
was er rede. - Jener Verwandte that nämlich unmittelbar auf die Fra⸗ 
ge: „Willſt du die Moͤnchskutte anziehen?” die zweite — willft du 
ein Eſel ſeyn?“ worauf glejch andaͤchtig die Bejahung folgte. — Noch 
Iebhafter, als mit den Verwandten, wurde bisweilen der Streit, wenn 
man fi der Erbſchaften von Geiftlihen anmafite , die nicht zum Klo⸗ 
Ner gehörten, und auf deren Guͤter, wenn fie ohne Willenserklaͤrung 
geſtorben waren, der Biſchof ein näheres Anrecht behauptete. 


Den Schenkungen waren oft Bedingungen, in ber Regel geiſtli⸗ 


Ger, bisweilen aber auch anderer Art hinzugefuͤgt. Am haͤufigſten 
‚wurden Seelenmeflen verlangt und verfproden, oder auch, daß man, 


- 


S 





76 2.7 Mönchehum, 


wenn ſich ber. Schenkende rine Meffe beſtellte, diefe in feiner Gegen= 


wart lefe. Mehrere Mate behielten fi bie Stifter gewifle Einnahmen 
in Natur vor, welche in ihrer Abweſenheit den Armen zu gut kom⸗ 
men follten. Abweichungen von den vorgefchriebenen Zweden und 


‚eigenmächtige Abänderungen waren theils duch paͤpſtliche und kirchliche 


Borfchriften unterfagt, theils wurden auch vom Schenker ſogleich Stras 
fen und Verrvünfhungen hinzugefügt, fo 3. B. daß Aebtiſſin, Priorin, 
Kellnerin bis zur gefeglihen Wollziehung bei Waſſer und Brod le⸗ 
ben follten. 

Manche Stiftungen gedachten mehr des Leibes, als des Geiſtes; 
denn neben einzelnen, zu Büchern, zum Unterrichte eines Kindes, zu 
Lichtern auf dem Altare finden ſich häufigere folgender Art: — zu 
Weißbrod und ein Gericht mehr, — um Pelze für die Schweftern zu 
kaufen, — zu Lichtern, damit die Schmeftern im Schlafzimmer fehen 
tönnen, und von der ihrem fhmwädhlichen Gefchlechte eigenthuͤmlichen 
Zucht befreit werden; — zu einer Erquidung jedesmal, wenn die 
Schweſtern Blut laffen; zu Wein, weil um beffen Mangels willen 


gelehrte und gemiegte,Perfonen nicht eintreten wollten; zu Wein und 


Fiſchen, und wenn ja die Einnahme zu etwas anderem verwandt wird, 
fättt fie an die Geber zurüd, zu Nahrungsmitteln, und mer die Stifs 
tung dazu wicht treulich verwendet, defien Theil foll ſeyn mit Judas und 
Nero u. f. w. (Wir haben im Artikel Saftfreundfchaft 2 Bd. p. 178 
gezeigt, daß die Sitte ſchon alt ſei, bei Vermaͤchtniſſen gräßlihe Ver⸗ 
wünfhungen gegen folche auszufprehen, die das Legirte feiner Beſtim⸗ 
mang gemäß nicht anwenden würden.) — Während Manche ein Be⸗ 
gräbnig im Klofter, oder Seelenmeffen am Todestage als etwas fehr 
Wichtiges ausbedungen, ordnete ein Ritter von Ilburg im Jahre 1297, 
dag an feinem Todestage im Klofter ein Zeft gefeiert werde mit Wei⸗ 
zenbrod, frifher Butter, Eiern, Zifhen, Wein, Mech und Ludauer 
Bier. Aus folhen und Ähnlihen Vermaͤchtniſſen, fo wie aus dem 
fteigenden Reichthum der meiften Orden, läßt es ſich erflären, wie fruͤ⸗ 
her oder fpäter in jedem Klofter Schwelgerei üblich werden mußte. 
Freilich erfchraten Ernſtere hierüber und dadıten daran, nicht blos ein 
Maaß des Genuffes, fondern überhaupt ein Maaß des Befiges und des 
Reichthums feflzufegen. Aber nur in ben Bettelorden erhob man folche 


. einzelne Anregungen zur Regel, und brachte fie zur Vollziehung, ob⸗ 


gleich auch hier nicht immer der Erfolg dem Gebpte entſprach. 

Was nun die Verpflegung der Klofterbewohner durch Speife und 
Trank betrifft, fo treten wir auch hier ganz verfchledenen Erſcheinungen 
entgegen. Einen glüdlichen Mittelweg hatte Benedicts Megel gebahnt. 
Andere DOrbengftifter drängten zu einer angeblich verdienftlihen Strenge 
und Entfagung hin, welche Eörperlihe Erfhöpfung, ja Krankheiten nach 
fih 309. Noch andere Orden, wenn fie eine Zeit lang beitanden hat» 
ten und zu Reichthum gelangt waren, verfielen in Ueppigfeit und 
Schwelgerei. Bisweilen Außerten auch die Aebte und die Kloſtervoͤgte 
Einfluß auf die Verpflegung des Klofterperfonals, obgleich in den mei: 
ften Kiöftern beſtimmte Verordnungen vorhanden waren, wann firenger 
oder mölder gefaftet werden folle, wie oft und mie viel Mönchen, Laien⸗ 
brüdern, Dienftboten u. a. an Fleiſch, Brod, Vier, Wein und derglei: 
dien zukam. 





Monchthum. | 77 


Das nun auch hier ein gluͤcklicher Mittelweg. von Benedict eins 
geſchlagen wurde, ergiebt ſich aus feiner Regel Cap. 89 — 41., wo 
von den Speifen,, von den Getränfen und den Stunden der Mahlzeit 
die Rede iſt. Vergl. Holsten. l. 1. P. Il. p. 412eqq. Taͤglich, ſowohl 
Mittags als gegen Abend, follten zmeierlet gekochte Semüfe, pulmentaria, 
aufgefegt werden , wovon jedem bie Wahl äberlaflen fi. Auch noch 
Obſt und junge Kräuter, wenn es bie Zeit mit ſich brädte, als britte 
Speiſe; dann ein Pfund Brod für jeden einzelnen; nur bei ſchwerer 
Arheit folle der Abt nad) Butbefinden etwas mehr vertheilen laſſen. — 
Bon dem Getränke. Db es gleich gefchrieben flehe, der Wein gehöre 
nicht für die Möndye, fo follten fie doch täglich eine halbe hemima 
erhalten, weil fie ſich beutiges Tages nicht an jenen Ausfpruc halten 
wollten. — Denen Gott die Gabe der Enthaltſamkeit geſchenkt habe, 
biefe wärben ihren eigenen Lohn empfangen. Wegen der Hitze, oder 
wegen der Arbeit könne der Vorficher das Maaß nach Gutbefinden vers 
seößern; doch folle ſich keiner fatt trinken, auch nicht murren, wenn 
ihm etwa® abgebrochen oder wohl gar gänzlich entzogen werde. — Bon 
den Standen der Mahlzeit. Vom Paſſahfeſte bis zu Pfingſten ſoll⸗ 
ten fie um bie ſechſte Stunde, alfo um Mittag, fpeifen, und dann 
wieder gegen Abend. Im Sommer von Pfingiten an des Mittwochs 
und des Freitags faften biß zur neunten Stunde, wenn e6 anders die 
Geldarbeit und bie Hige zulaſſe. Vom September an um die neunte 
Etunde jedesmal fpeifen, in ber Faften aber erſt gegen Abend, doch 
jederzeit noch bei Abend vor dem Lichtanzunden. 

Man fieht aus dieſer Anordnung Benedicts, daB er weder bie 
übertriebene Strenge billigte, von weicher Caſſian in Beziehung auf bie 
ögpptifhen Moͤnche fpricht, welche Kräuter mit Salz gewürzt, ſchon 
als eine koͤſtliche Speife betrachten mußten, noch auch bie ſpaͤtern Uebers 
treibungen der Art im Moͤnchsleben gebilligt haben würde. Mehrere 
Jahrhunderte hindurch, wo Benedicts Regel im Abendlande das größte 
Anfehen behauptete, mag man diefen Mittelmeg zwifhen dem Zuviel 
und Zumenig in Abficht auf die Kloſterkoſt betreten haben. Als aber 
die Reformen des DBeriebictinerordens erfolgten, als immer neue Ordens⸗ 
zweige und neue Orden entflanden, und dieſe buch eine befondere 
Strenge Aufmerffamleit erregen mollten, da wurde gewöhnlich zu ber 
neuen, firengen Kloſterdisciplin auch ein firenges Kaften gerechnet. Die 
Uebertreibumgen in dieſer Art-waren oft arg, und es mußte felbft gem ' 
ſetlich eingefchritten werden, um diefer Strenge zu flenern, weil fie 
gefaͤhrliche Krankheiten und einen frühen Tod bei' mehrern Klofterleuten 
berbeiführtee.. Haft das Unmoͤgliche und Unglaublihe leiſteten und 
verlangten hier mehrere DOrdensftifter und Meformatoren. Dieß gilt na> 
mentlih von Bernhard dem Heiligen oder von Clatenaus, ber, obgisich 
von Natur ſchwaͤchiich, fi) in ausgefuchten Qualen in Faſten und 
Baden, faſt das Ummögliche zumuthete. Der Biograph dieſes merk 
würdigen Mannes fagt darum fehr wahr von ihm: „Er verfland es 
„glei gut im Kiofter den vollkommenen Mönch zu fpielen und außer 
halb deffelben in die Händel des Staats und ber Kirche mit Nach⸗ 
„dene einzugreifen.‘ Hierher gehören auch Franciſcus, der den Kreis 
feiner Webber durch ausgefischte Qualon erbaute. Den Bruder :Efel, 
wie er feinen: Körper nannte, peinigte er auf mannigfaltige et, Indem 


7 Mönchthum. 


ee fih In Eisgruben flürzte und in denſelben bIE zum Erſtarren ver⸗ 
weilte, oder fich nadend in den Schnee Iegte oder felbft das vierzig⸗ 
tägige Faſten Jeſu buchftäblih nahm und zu üben verſuchte. Welche 
Koft mochte Franciscus feinen Mönden zumuthen, von deſſen Regel 
Innocenz IE. ſelbſt verficherte,, fie fei mehr für Schweine, als für 
Menſchen gefchrieben. Ein noch blühender Zweig der Scanciscanergefells 
ſchaft, die Kapuziner, nahmen felbft das tägliche Faften an-, d. h. ein 
folches Verfagen der Speifen und der Getränke, wie es in andern Klöftern 
nur während. der eigentlichen Faſtenwochen beobachtet zu werden pflegte. 
Noch weiter ging ber oben erwähnte Franciscus von Paula, durch 
defien Bemühen dem Franciscanerorden ein neuer Zweig entfprofte. 
Er wagte es zuerft in feinem Orden den drei Gelübben noch das vierte 
eines beftändigen Kaftenlebens hinzuzufügen, benn das Faften, fagte er, 
iſt das Del, das Überall oben fhwimmen muß. Darum war nicht 
blos der Genuß des Zleifches verboten, fonbern auch alles deſſen, was 
vom Fleiſche kommt, als Eier, Milch, Butter und Kaͤſe; nur Brod, 
Waſſer und Del waren verftatte. Daß nun diefe und ähnliche Ordens: 
flifter umd Reformatoren wenigitens in den erften Zeiten ihrer einge- 
führten firengen Regel ihren Mönchen und Nonnen fehr magere Koft 
zumutbeten ; ift ſchon an fi wahrſcheinlich und die Nachrichten von 
, einzelnen Klofterheiligen, die e8 namentlih im Faſten zu einer gewiffen . 
Virtuoſitaͤt gebracht hatten, fallen immer in die Zeiten des Mittelals 
ters, wo ſich gewiſſe Orden reformiren oder ganz neue entfiehen. 
Allein die immer und immer wiederkehrende Erſcheinung in biefer 
Beiehung war die, daß die Moͤnche und Monnen folder firengen 
Regeln die übertriebenen Faftengebote bald Läftig fanden, und dag 
ber ſchnell und Leicht erworbene Reichthum der Kiöfter den Wunſch nach 
einer reichlichern und feinern Koft unterflügten. Manche Klöfter, gleich⸗ 
fam erflaunt darüber, wie dee Reichthum, den die kargen Vorfahren 
gefammelt hatten, fo lange habe unbenugt bleiben innen, überliegen ' 
fi) einem ungemefjenen Wohlleben. Ihre Aebte lebten bald mehr 
außer den Klöftern als in benfelben und gaben ſich allem weltlichen: 
Bergnügungen ihrer Zeit hin. Allen Orden zur Zeit ihres Verfalls, 
warf man Ueppigkeit und Böllerei vor, und in Zeitaltern, bie ber Res 
formation vorhergingen, waren die Tiſchfreuden bes Klerus und befon- 
berö des Kloſterklerus häufig ein -Segenfland der Satyre. Eine fi 
darauf beziehende Stelle aus einem Briefe des Erasmus an den Bi: 
fchof zu Bafel haben wir im Artikel Faſten, 2er Bd. p. 76 angeführt 
und viele ſatyriſche Anfpielungen der Art findet man befonders in ben 
befannten epistolis viror. obseuror. Audy muß ber. Uebelltand wirk⸗ 
lid) groß geroefen fepn, wenn man darauf achtet, was von der Küche 
“einzelner Kloͤſter erzähle wird. So foll man in einem gewiffen Zeit: 
raume im Kofler von St. Sallen_täglih mehr als 10 Gerichte ges 
geffen haben. Vergl. Monum. boiea IE. 91. IV. 90. VIII. 146. — 
Ar Geſchichte von St. Ballen I. p. 471. — Wünfcht man mehrere 
Beiſpiele dee Art zu lefen, fo finden fich oft fehr intereffante, ins Ein: 
. zelne gehende Nachrichten darüber in den Städtecheoniten jener Zeit. 
Oft Fam es fogar zu Xhätlichleiten und unanftändigen Auftritten, 
wenn eine zu Large Beköftigung vom Abte ausging. Bisweilen hat- 
ten. auch Abt und Mönche Grund ſich über die Kioflernögte und welt: 


Moͤnchthum. 717 


Daß nun auch hier ein gluͤcklicher Mittelweg von Benedict eins 
geſchlagen wurbe, ergiebt fih aus feiner Regel Cap. 89 — 41., wo 
von den Speifen, von den Getränken und den Stunden der Maͤhlzeit 
die Rede iſt. Vergl. Holsten. 1. 1. P. Il. p. 41.2eqq. Taͤglich, ſowohl 
Mittags als gegen Abend, foliten zmeierlei gekochte Semüfe, pulmentaria, 
aufgefest werden, wovon jedem die Wahl überlaften fi. Auch noch 
Obſt und junge Kräuter, wenn es die Zeit mit ſich brädyte, als beitte 
Speife; dann ein Pfund Brod für jeden einzelnen; nur bei ſchwerer 
Arbeit folle der Abt nad) Gutbefinden etwas mehr vertheilen laſſen. — 
Bon bem Getränke. Ob es gleich gefchrieben ſtehe, der Wein gehöre 
nit für die Mönde, fo follten fie doc täglih eine halbe hemma 
erhalten, weit fie ſich heutiges Tages nicht an jenen Ausfprud halten 
wollten. — Denen Gott die Gabe der Enthaltfamkeit geſchenkt habe, 
diefe würden ihren eigenen Lohn empfangen. Wegen der Dige, oder 
wegen ber Arbeit könne ber Vorſteher das Maaß nach Gutbefinden vers 
erößernz doch folle fich Leiner fatt trinken, auch nicht murren, wenn 
ihm etwas abgebrochen oder wohl gar gänzlich entzogen werde. — Bon 
den Stunden der Mahlzeit. Vom Paſſahfeſte bis zu Pfingiten foll 
ten fie um bie ſechſte Stunde, alfo um Mittag, fpeifen, und dann 
wieder gegen Abend. Im Sommer von Pfingften an des Mittwochs 
und bes Freitags faflen bis zur neunten Stunde, wenn es anders bie 
Keldarbeit und die Hise zulaſſe. Vom September an um die neunte 
Stunde jedesmal fpeifen, in der Faften aber erft gegen Abend, doch 
jederzeit noch bei Abend vor bem Lichtanzüunden. 

Man fieht aus diefee Anordnung Benedicts, daß er weber bie 
bbertriebene Strenge: billigte, von welcher Gaffian in Beziehung auf die 
ägpptifhen Moͤnche fpricht, welche Kräuter mit Salz gewürzt, ſchon 
als eine koͤſtliche Speife betrachten mußten, noch auch die fpätern Webers 
treibungen der Art im Möndyeleben gebilligt haben wurde. Mehrere 
Jahrhunderte hindurch, wo Benedictd Megel im Abendlande das größte 
Anfeben behauptete, mag man dieſen Mittelmeg zwifhen dem Bupiel 
und Zumenig in Abſicht auf die Klofterkoft betreten haben. Als aber 
die Meformen des Benedictinerordens erfolgten, als immer neue Orbens⸗ 
zweige und neue Orden entftanden, und biefe buch eine befombere 
Strenge Aufmerkſamkeit erregen wollten, da wurde gewöhnlich zu ber 
neuen, firengen Klofterdisciplin auch ein ſtrenges Faſten gerechnet. Die 
Uebertreibungen in biefer Art waren oft arg, und es mußte felbft gen ' 
ſetzlich eingefchritten werden, um bdiefer Strenge, zu flewern, weil fie 
gefährliche Krankheiten und «einen frühen Tod bei mehrern Kioſterleuten 
berbeiführte. Faſt das Unmöglihe und Unglaubliche leiſteden umb 
verlangten bier mehrere Ordensftifter und Meformatoren. Dieß gilt na⸗ 
mentlich von Bernhard dem SDeiligen oder von CMairvaur, ber, obgleich 
von Ratur ſchwaͤchlich, ſich im ausgefuchten Qualen in Faſten und 
Wachen, faſt das Unmögliche zumuthete. Der Biograph biefes merk 
wirrdigen Mannes fagt darum ſehr wahr von Ihm: „Er verfiand es 
„gleich gut im Kloſter den volllommenen Mind) zu fpielen und außer 
„Halb deffelben in die Händel bes Staats und ber Kirche. mit Nach⸗ 
„druck einzugreifen.” Hierher gehören ‚auch Franciſscus, ‘der den Kreis 
feiner Bruͤder durch ausgeſuchte Qualen erbaute. Den Bruder Eſel, 
wie er feinen: Körper nannte, peinigte er auf mannigfaltige Art, Indem 


02 


80 WMoͤnchthum. 


ſich koͤnigliche und kaiſerliche Freibriefe geben ließen, um gegen will⸗ 
kuͤhrliche Einlagerung und Behandlung von Beamten, Adelichen und 
Praͤlaten gefhügt zu feyn. Ueber Nahrung und: Wohnung hinaus 
verlangten manche Uebermüthige auch Kleider, Pferde, Laſtthiere, Reife 
geld und dergleichen. Wenn die Könige ſelbſt fo verfuhren (fo hatte 
Heinrich 1. von England feine Pferde in mehrere Abteien eingeſtellt. 
Die Abtei von St. Albans hatte einen Gaitftal auf 800 Pferde), 
wenn fie nicht blos fi, fondern auch gleich den Adelichen ihre Pferde, 
Hunde und Jagdvoͤgel in die Koft gaben, dann halfen freilich weltliche 
Schugmittel nit mehr aus, und man griff zu ben oft wirkſamern 
geiftlihen Strafen. | | | 

Die Ankunft fo vieler Säfte verteug fich oft nicht mit dem bes 
barrlihen Stilifhweigen, welches manche Regel verlangte. (Claß Ges 
fhichte von Würtemberg II. 48. — Urban IV. gab fremden Mön- 


chen, wenn fie in ein Kiofter nach Compiegne kämen, die Erlaubniß 


zu reden, ob es gleich ihr Gelübde fonft unterfagte.) Dan hatte aber 
die Zeichenſprache durch die umſtaͤndlichſten Vorſchriften und fleißige 
Vebungen auf einen hoben Brad der Bolllommenheit gebraht. So 
gab es Zeichen (meift duch Hände und Finger) für alle Eßwaaren, 
Getränke, Kleidungsſtuͤcke und derpleihen. Ein Finger unter da6 Auge 
gelegt bedeutete z.B. Kirfchen, der Eleine Finger an die Lippen gelegt 
bedeutete (ein Angedenken an fäugende Kinder), Milch u. f. w. Auch 
tft im Ganzen genommen, wenn nicht ein Orden bem überfpannteften 
Sanatiemus huldigte, die Krankenpflege der Klofterbewohner zu ruͤh⸗ 
men. Man hatte gewöhnlich eigene Krankenzimmer, und bie, Kran 
kenkoſt war eine beilere als die gemöhnliche Moͤnchskoſt. Darum fehlte 
es auch nicht an Fällen, wo ſich Moͤnche krank flellten, um auf einige 
Beit beſſer verpflegt zu werden. — Gehen wir auf einen andern 
Punct über, der im Moͤnchs⸗ und Monnenieben nicht unerheblich 
war, naͤmlich | 

. VI) auf die Kleidung derfelben. — Auch hier müf- 
fen tie der Megel Benedicts den Lobſpruch ertheilen, daß fie das Vers 
nünftige und Zweckmaͤßige anordnete. In Benedicts Regel Cap. 55. 
(f. Holaten. Cod. regular. P. II. p. 51 seqq.), uberſchtieben de vestia- 
riis et calciariis frattum, beißt e6: „Die Kleidung folle nad dem 
„Klima eingerichtet ſeyn, zwei Capuzen, eine rauhe für ben Winter 
„and eine glatte für ben Sommer, und zwei Tuniken des Wechfels 
„und des Waſchens wegen wären hinreichend, eine Jade zur Arbeit, 
„dann Strümpfe und Schuhe. Auf Farbe und Stoff fei keine Ruͤck 
„ſicht zu nehmen, fondern zu Faufen, wie es am lelchteften und wohl: 
‚feilften zu haben ſei. Die Kürze und Länge der Kleidung folle ber 
‚Abt beftimmen. Bel dem Empfange der Kleidungsftüde müßten die 
„alten zurücdgegeben werden, um fie unter die Armen zu vertheilen. 
‚Keiner folle ein Stud tragen, welches er nicht vom Abte empfangen 
„babe. Aus diefer Anordnung fieht man, wie Benediet gleich weit 
entfernt war von bem Cpnismus und ber myſtiſchen Zänbelei der Mön- 
he im Driente, wie fie Caſſian ſchildert und auch von ber fpätern 
armfeltgen, dem. Klima toiberfprechenden Kleidung der Frandecaner=, 
Barfüßers und Kapuziner» Mönche. Eine merkwuͤrdige Stelle Uber bie 
ägpptifchen Afceten, weiche die Vorbilder aller Mönche in den übrigen 


Moͤnchthum. | 8 


Linden waren, findet fi in Sosomenus h. e, Al. 18, Hier beißt 
es: „Zur Zeit des Conſtantius entflanden eine Art Mönche, die ſich 
„Zabennifiten, von der Inſel Tabenna, nannten, und die den ‚Elias 
„nachzuahmen fuchten. Ihr Oberhaupt war Pahomius. Sie trugen _ 
„Selle, theild ihren Eifer anzuzeigen, dem Elias nachzuſtreben; theils 
„um barzuthun, wie bereit fie wären, allen Sinnengenuß zu bekaͤm⸗ 
„pfen. Berner trugen fie Unterkleider ohne Aermel, um anzudeuten, 
„daß ihre Hände frei von allem Unrechte und von aller Beleidigung 
„wären. Ueber ben Kopf hatten fie eine Kapuze gezogen (xovxovAcor), 
„um zu zeigen, mie einfach ihe Leben fei, weil man fonft den Kopf der 
„Kinder mit einer folhen Kapuze bedeckte, um fie gegen die Dige und bie 
‚Kälte zu fichern.” — Ueberdieß hatten fie noch einen Gürtel um die 
Lenden und eine Art Mantel um die Schulter, dvaßoraior, Ummurf,: ung 
zu beweifen, wie bereitwillig fie wären, Gott zu dienen und feinen, Befehl , 
auszuführen. — Hieronymus aber vergleicht die Afceten, weiche Kapus 
zen wie die Kinder trugen, mit Uhu und Eulen, ep. XXI. ad Eustach. 
Wir haben deshalb diefe Stelle im Auszuge mitgetheilt, um zu 
jeigen,, wie die frühere ſchwaͤrmeriſche Ueberfpannung der Moͤnche im — 
Oriente doch auch in der ſpaͤtern Zeit im Abendlande Nachahmer fand, 
daß aber von dieſer Verirrung der alte Benedictinerorden freizuſprechen iſt. 
Betrachtet man die Moͤnchskleidung im Allgemeinen, ſo laͤßt ſich 
von ihr behaupten, daß ſie in Form und Schnitt etwas Alterthuͤmli⸗ 
ches hat und einfach und weit ill. Die Farben find meiſt dunkel, 
ſchwarz, grau, braun, wechfelt aber auch zuweilen mit weiß ab. 
Gie ermangelt der Kunflform, ift ähnlih einem in gleicher Weite 
berabfallenden Sade (daher Moͤnchskutte), und ift wohl mit aus 
dem Kleide der Büßenden in der altem Kirche zu erklären, ins 
dem der Moͤnchsſtand nah den Ausiprühen berühmter Kirchen⸗ 
lehter ein fortdauernder Bußftand fern ſollte. — Wie wie bereits 
geichen Haben, legte Benedict in feiner Megel keinen befondern 
Werth auf die Kleidung; diejenige, die er.vorfchrieb, war ungefähr die 
Zracht dee damaligen Landleute. Später jedody nahmen fie mehr eine 
geihmäßige Tracht an. Sie kleideten ſich in weiße weite Nutten mit 
weiten Aermeln, nebft einer weißen Kopflappe, die oben ganz zugefpigt 
war. Das Schulterkleid war ſchwarz. So fiebt man fie auf Gemäls 
den. Se mehr aber in der Folge ein Orden fi ‚duch Strenge aus: 
zuzeichnen fuchte, deſto mehr machte er dieß auch bemerkbar in der 
Kleidung. Demuth und Entfagung ſollte auch das dußere Gewand 
ausdrüden. Darum entbehrten auch die Mönche mander Drden -fols 
her Kleidungsftüde, welche die Laien. für unentbehrlih hielten, oder 
fie trugen diefelben von einer Beſchaffenheit und auf eine Art, die ſehr 
unbequem waren. Uebrigens würde es faft unmöglich feyn, die vers 
ſchiedenen Nuancen der Moͤnchskleidung darzuftellien, wie ſehr fie fich 
auh im Weſentlichen immer ähnlich bleibt. Am beiten wird man dieß 
einfehen, wenn man Werke, wie „Helyot's ausführliche Geſchichte aller 
geiſtlichen und weltlichen Kloſter- und Ritterorden,“ zur Hand hat. 
Hier innen das eben Gefagte die mannigfaltigftien Abbildungen am 
beten erläutern. Wir wollen baher nur einzelne Beſtandtheile der 
Moͤnchskleidung befonders betrachten, entweder, weil wir fie fo ziemlich 
bei allen Ordensleuten wiederfinden, ober weil fie an merkwürdige 
Siegel Handbuch IV. 6 : 





83 Ä Deonchthum. 


Eigenthuͤmlichkeiten der Moͤnchsgeſchihte erinnern. Wir machen den 


Anfang mit der Kopfbedeckung. Schon Caſſian erzaͤhlt von den 
Moͤnchen feiner Zeit, daß fie eine Art.größerer Haube, bie bis an die 
Schultern reichte, getragen hätten, wie fie ungefähr kleine Kinder bei 
Tag und - Nacht zu tragen pflesten, um damit kindliche Einfalt und 
Unfchuld anzuzeigen. Dan nannte fie Cucullus. Wichtiger bat fich 
aber in diefer Beziehung die Benennung capa, eappa, capitium, _@- 
putium gemacht, wovon das fpätere Kapuze abgeleitet wird, Man 
nimmt an, daß eine Art Oberkleid auch unter den Laien gewoͤhnlich 
gewefen fei, deſſen fi) Weiber und Männer bei unfreundlicher Witte: 
sung bedienten, befonders aber Kaufleute auf ihren Reifen. An dies 
fem weiten Kleide mit eben fo weiten Aermeln fei am Halſe eine Kopfs 
bededung angenäht gewefen, die man zuruͤckſchlagen oder aud bei un⸗ 
günftiger Witterung über Kopf und Geficht ziehen konnte. Diele bes 
queme und nichts weniger als Lururidfe Kleidung hätten die Mönche 
angenommen und auch da beibehalten, wo dieſelde durch die wechlelnde 
Mode bei den Laien Längft ungewöhnlid geworden ſei. Wie aber diefe 
Kapuze Veranlaffung wurde, dag ein ganz neuer Sprößling des Kranz 
ciscanerordens unter dem Namen der Kapuziner entfland und fo wich⸗ 
tig in bet Mönchswelt wurde, {ft von uns oben p. 24 in ber erſten 
Abtheilung d. Art. gezeigte worden. Die Kapuziner unterfcheiden fich 
von dem übrigen Stanciecanern durch nichts, als durch ihre ſpitzig zu⸗ 
gehende Kapuze und durch den langen Bart, Uebrigens haben die graue, 
wollene Kutte alle Scancidcaner mit einander gemein, fo wie den Strid um 
den Leid, an dem ein Enotiger Geißelſtrick hängt, und die runde und 
kurze Kapuze. Man leitet das Wort Kapuze wohl am natürlichflen 
von caput ber, indem ed Kopfbebedung bezeichnen ſollte; mehr fen 
ſcheint die Ableitung von dem altdeutihen Fappen, d. i. bededen, 
zu liegen, Uebrigens findet man bei Helyot 1. 1. 7er Band mehrere 
Franciscaner⸗ und SKapuzinermönde, theils mit, theils ohne Mantel 
und Hut abgebildet, welche Kleidungsftüde fie auf Reifen tragen durf⸗ 
ten. Wenn man Kapuze und Strid ausnimmt, hat die Tracht etwas 
Aehnliches bei den heutigen Griechen, Türken und bei den polnifchen 
Juden. Wir gehen zu einem andern Kleidungsftüde der Moͤnche Über, 
welches befonders Im Garmeliterorden eine große Mole gefpielt bat, ' 
das Scapulier. Darunter verfteht man benjenigen Theil 
eines Moͤnchskleides, welcher ohne Aermel ift (daher auch Armiclausa 
genannt) und bloß aus zwei Lappen von Tuch befteht, wovon ber eine 
über die Schulter, ber andere über die Bruft hängt. Es hat feinen 
Namen von Scapula, das Schuilterblatt, und koͤnnte darum Schulter: 
kleid heißen. Es ift ein Beſtandtheil der Moͤnchskleidung in mehrern 
Orden, und geht bei dem eigentlichen- Drbensleuten bis auf bie Füße, 
bei den Laienbrüdern aber nur bis an die Knie. Diefed Scapulier hat 
befonders Im Carmeliterorben eine große Role gefpiel. Wenn dieſer 
Orden an Unverfhämtheit im Lügen alle andere überteoffen bat, fo hat 
er dieß auch in Abſicht auf das Scapuliermähechen bewieſen. Ein 
alter Ordensgeneral ber Sarmeliter, Simon Stoch oder Stod in Eng⸗ 
- Sand, fo erzählt man, babe die Jungfrau Maria gebeten, den Carme: 
litern, bie von ihr den Namen führten, ein Gnadenzeichen zu geben. 
Die Sungfrau fei ihm erfchienen und habe das Scapulier in der Hand 


% 


Woͤnchthum. | 88 


baftend zu ihm gefagt: Dileetimime All, recipe hac tui. ordinis 
Soapulare meae confraternitatis signum, tibi et cıwmetis Carmelitia 
privilegium, ion quo moriens aeternum non patietur inoendium, soce 
signum salatis, salus jn periculis, foedus pacis et paoti sompiterni. 
Diele Erſcheinung ſoll fid, 1251 zugetragen haben, und gleich darauf 
fi Simon zu einem Sterbenden gerufen worden, ber mit ber Ders 
zweiflung ringend von Gott und den Saframenten nichts habe hörem 
wollen, und immer gerufen habe: Ih bin verdammt! Gobald aber 
Stock uͤber diefen Ungiäcdlihen das Scapuller geworfen, fei er ruhig 
geworden, habe die Kirchenfalramente empfangen und bald darauf feinen 
Geift aufgegeben Sa, er fei auch nach feinem Tode erfchienen und 
babe verfichert, daß es wohl um ihn fiche, indem er buch das Sea⸗ 
pulier, als durch einen Schild den Nachſtellungen des Teufels entgans 
gen fe. — Außer diefer Erfcheinung follen ſich noch mehrere ähnliche 
zugetragen haben, und man beruft fidh befonbers auf eine Bulle des 
Papſtes Johann XXII., in welcher vorgegeben wird, daß⸗ ihm eben⸗ 
falls die Heilige Jungfrau als Carmeliterin erſchienen fei mit dent Wer» 
fprechen,, die Carmeliter und die Brüder bes Scapuliers foRten niche 
länger, als bis zum nächflen Sonntage im $egefener bleiben, wenn 
fie naͤmlich das Scapulier bis an ihren Tod trügen, die Kenfchheit 
bewährten, bie canoniſchen Stunden abwarteen und ſich alle Mittwo⸗ 
den und Sonnabende bes Fleiſches enthielten. Zwar bat es auch nicht 
in des römifchen Kirche an einfichtsvollen Kirchenhiſtorikern gefehlt, die 
diefe Maͤhrchen in ihrer wahren Geftalt zeigten, wie 3. B. ber Parifer 
Theolog Johannes Launoy; deſſen ungeachtet aber Hat man nicht aufgehört, 
die Sache als hiftorifche Wahrheit zu betrachten, und noch 1751 murbe 
zu Regensburg und an einigen andern Orten ein 600jaͤhriges Scapu= 
lierjubilaͤum gefeiert. Ihre anfangs weiß und braun geftreiften Maͤn⸗ 
tel vertaufchten fie mit ganz weißen, unter denen fie fonft ſchwarze, 
feit der Mitte des 15. Jahrhunderts aber kaſtanienbraune Kutten trus 
gen. In jenem geftreiften Mantel fieht man fie auch bei Helyot abge: 
bifdet und unter den Abbildungen ſelbſt lieft man, daß diefelben von 
Gemälden entnommen find, welche in den Kirchen der Carmeliterkloͤ⸗ 
fier fi befinden. Die Beihnung Thl. J. p. 870 fol von einem Ges 
mälde in einem Klofter zu Antwerpen eutnommen ſeyn. 

Mebrigend entfland auch noch eine Bruͤderſchaft vom Seapuller 
beiderlei Geſchlechts, Die fich zue Ehre der Maria verbanden, woͤ⸗ 
chentlich einmal oder mehemals zu falten, täglihb das Baterumfer 
uud Ave Maria oft zu beten und am Halſe zwei Beine Stüden 
von dunkelbraunen, nur von ben Carmelitern conſecrirtem Tuche 
in Form eines Scapuliers zu tragen. Diefe Scapuliergeſellſchaft 
vereinigte fi, jähelih an dem davon benannten fSefte, am 16. Julius, 
in einer befondern Kirche zum Gebete. Vergl. Joh; de Launoy die- . 
sert. duplex (die erfle) de origine et confirm. privilegiati Scapula- 
ia Carmelitar. Lugd. Batar. 1642. Uebrigens finder fi in Muͤl⸗ 
lets Keyxtt. d. Kiechenrechts und der rim. kathol. Liturgie p. 251 in ben 
Noten eine Genjectur über den Urſprung des Scapuliets, bie nicht 
anwaheſcheinlich iſt. „Das Scapulier,” fagt hier Müller, „war eine 
„Art Schürze, welche die Benedictiner zuerſt, wahrſcheinlich zur Scho⸗ 
„nung yhrer Ordenskleider bei ihren Handarbeiten tragen. Die Gar: 


84 Minden - | 


„melitee verBleinerten baffelbe und machten es u einem Zeichen ber 


„Verehrung dee Mutter Gottes. Auf den beiden Laͤppchen, ‚die von. 


„den Schultern auf Bruſt und Rüden beraßhingen, wurden Bil 
„der gemalt.” - | 

Die fpätern firengen Orden geflatteten, was die Unterfleider ans 
betrifft‘, entweder gar keine, oder nur hänfene Hemden und foldye, die 
von grobem Zeuge verfertigt waren. | | 

Aud die Fußbekleidung ift im Mönchsleben nicht unbeachtet ges 
. blieben. Gaffian bereits ſchildert die aͤgyptiſchen Mönche als foldye, die 
nur Sandalen getragen oder völlig barfuß gegangen fein. Aus falfch 
verfiandenen Ausſpruͤchen Sefu, 3. B. Matth. 10, 9-10, nahm bie 
fpätere Kloſterſchwaͤrmerei dieſen Umſtand wieder auf und fuchte auch 
darin ein befonderes Verdienſt. Jedoch bilden die fogenannten Barfü: 
ßermoͤnche keinen «befondern Orden, fondern ed giebt nur in mehrern 
Bettelorden, 3. DB. den Carmelitern, Stanciscanern, Auguftinern, Con⸗ 
gregationen von Barfüßern und Barfüßerinnen. Auch theilen fie ſich 
wieder in ſtrenge und minder flrenge Barfüßer ein. Die legtern tras 
gen nur Sohlen auf dem Sußblatte, die mit Bändern um den übris 
gens nadten Fuß befeftigt find; die erftern gehen ganz barfuß. Dazu 
gehören 3. DB. die Alcantariner, nach ber Reform Peters von Alcan⸗ 
tara. Dean findet diefe noch häufig ‚in Spanien und Portugal, fels 
tener in Stalien. Ä 


Hier wäre auch der Ost noch, von einem Beſtandtheile der Moͤnchs⸗ 


tracht zu fprehen, nämlich von der Tonſur, weil diefe vom Ktofterles 
ben ausgegangen iſt und ſich auf den übrigen Klerus verbreitet hat, 
Allein da das dahin gehörige Material einen größern Raum einnimmt, 
und wir den gegenwärtigen Artikel nicht allzufehr erweitern wollen, fo 
werden wir weiter unten einen befondern Artikel geben, auf welchen 
wir hiermit verweilen. Was die Abbildung der Moͤnchstracht betrifft, 


fo ift im Ganzen genommen das mehrmals angeführte Werk voh He⸗ 


lyot immer.noc brauchbar, obgleih illuminirte Kupfer.die Sache noch 
mehr veranfchaulihen würden, Webrigens ift freilich der Kritik des 


Verfaſſers nicht immer zu trauen, und mehrere Abbildungen mögen . 


darum aud) nur Kinder der Phantafie, nicht aber der Wirklichkeit, ſeyn. 
Dieß gilt befonders von den Abbildungen der geiftlihen Ritterorden, 
von welchen ebenfalls in einem befondern Artikel die Rebe fen wird. 

Wir theilen bier eine Stelle aus Raumers Gefhichte der Hohen» 
ftaufen 6. Bd. p. 281 und 82 mit, weil fie einiges Licht auf das 
Kleiderweſen der Mönche im Mittelakter wirft, „Die Fragen über die 
„Kleidungen , heißt es. hier, ‚wurden mit großem Eifer bebanbelt, 
„und wenn Klofter und Orden fich hierbei in die Quere kamen, fo 
„entfland heftiger, ſelbſt bie zur paͤpſtlichen Entſcheidung hinangetrie⸗ 
„bener Steeit. Das Recht der Erfindung, des ungeftörten Beſitzes, 
„dee Vorzug größerer Heiligkeit und Entfagung wurde geltend gemacht. 
„An den Kleidern konnte man Orden, Abtheilung, Würde fo erkennen, 
„wie Regimenter -und Offiziere in unfern Tagen. Nur daß man fich 
„jetzt in Pracht, Karben und Stidereien überbietet, während damals 
„Armuth, Entfogung, Einfachheit aud) in ber Kleidung überall fich zeigen 
„sollte. Viele Kirchengeſetze, welche deu Gebrauch bunter Zeuge, koſt⸗ 


„barer Pelze, goldener Ringe und dergleichen gar oft unterfagen, beweis 


— 








Moͤnchthum. 85 


„fen jedoch, daß es nicht an Uebertretung jener Grunbſaͤtze fehlte. 
„Die Vorſchriften erſtrecken ſich uͤber alle Theile der Bedeckung, von 
„den Fuͤßen bis zum Kopfe. Haͤrene Hemden zog man in ſtrengen 
„Orden auf den bloßen Leib, und wer dieß nicht ertragen konnte, ſollte 
„grobe, ungefaͤrbte, wollene Kleider tragen. Haͤnfene und leinene Hem⸗ 
„den galten ſchon fuͤr uͤppig und wurden oͤfterer verboten, als erlaubt. 
„Es durfte den Paͤpſten nicht für zu geringfügig erſcheinen, Kleiderord⸗ 
„nungen für einzelne Kiöfter zu beftätigen und feftzufegen, welche Stüde 
„Seiner Kleidung dee Moͤnch des Nachts anbehalten und wekche er aus⸗ 
„ziehen mußte. Nah Ort und Lage ward von den Püpften bisweilen 
„das als Ausnahme geftattet, was die Regel verbot. Den Mönchen 
„eines kalt liegenden Klofters erlaubte 5. B. Innocenz IV. wärmere 
„Hüte zu tragen; den Einſiedlern im Schwarzwalde erlaubte Mono: 
„tius II. vom November bis zum Aprit Schuhe anzuziehen. Hier⸗ 
„aber befchwerten ſich indeß bie andern Drdensbrüder fo lange und fo 
„laut, bis jene Erlauͤbniß allen ertheilt wurde, Manchmal fheinen bie’ 
„Anfichten. über Werth; und Bedeutung gewiſſer Kleidungsftüde gewech⸗ 
„felt zu haben. So heißt es 3. B. an einer Stelle: Die Prämon> 
„ſtratenſer follten Beine Handſchuhe tragen, damit fie Über folhen aus⸗ 
„zeichnenden Putz nicht flolz würden, und ein andermal dagegen vers 
„ſtattet ein Papft dem Vorftcher eines Kiofters in Magdeburg Hand: 
„Ihuhe zu tragen, damit die zu heiligen Dingen gemeiheten Haͤnbe 
„nichts Fremdartiges berühren oder durch Hige und Kälte leiden moͤch⸗ 
„ten.“ — Ueberhaupt durfte man gewiſſe Kleidungsſtuͤcke ohne Erlaub⸗ 
niß der Paͤpſte nicht anlegen, und dieſe belohnten ausgezeichnete Aebte 
damit, ſo wie man wohl jetzt mit Orden und Uniformen belohnt. 
Mitra, Dalmatika, Sandalen, Ring, Stab, Handſchuhe wurden dann 
mit geiftlihen Deutungen und Ermahnungen in ber Regel zu großer 
Freude der Begnadigten überfandt. — Auch bie Aebte hatten Einfluß 
auf die Fertigung befferer oder ſchlechterer Kleidung, Wenigſtens ward 
ums Jahr 1219 dem Vorſteher des Kloſters auf dem Petersberge vor: 
geworfen, er laffe nicht um ſtreng heiliger Zucht willen, fondern aus 
Geiz feine Mönde halb nadt ohne Hemden und Hofen einhergehen. 
Gegen folhe Mißbraͤuche fuchte und fand man Hülfe bei den Bicdhlis 
den Obern, welche aber auch, um Webelftände anderer Art zu vermeis 
den, unterfagten, flatt der Kleidung baared Geld zu geben. Wir 
gehen Über 

vi) zu der Strafdiscipltn in den Rlöftern — 
Gie zeige und das Klofterleben in feiner düfterfien Schattenfeite. Denn 
wie unparteiifh man aud die darüber vorhandenen Nachtichten prüfen 
mag, immer wird man urtheilen müſſen, daß fih darin ein Bleine 
liher, in falfher und abenteuerliher Srömmig- 
Reit befangener Geiſt ausdrädt, nicht minder ein 
Despotismus, der aus wöhlberedhneter Klofterpos 
litik einen fclavifchen bis zum Stumpffinn führen: 
den Beborfam fordert und endlich eine raffinirte 
Grauſamkeit. Es wird nur ber Erwähnung einiger Thatfachen 
bedürfen, um diefe Anklage gu rechtfertigen. 

Daß ſich viel Kleinliches, den Geiſt einer falſchen und überfpann- 
ten Froͤmmigkeit Athmendes, in der kloͤſterlichen Strafdisciplin zeigt, 


86. BEE Moͤnchthum. 


iſt einerſeits leicht erklaͤrlich, andrerſeits aber auch ohne Schwierigkeit 
mit vielen Belegen darzuthun. Als das Kloſterleben ſich zu bilden 
anfing, waren bereits manche falſche Anſichten und manche uͤberſpannte 
Ideen in das chriſtliche Leben uͤbergegangen. Dahin gehoͤrt z. B. das 
Gebet ſchon als opus operatum für verdienſtlich zu halten, bag Weſen 
der Froͤmmigkeit mehr in einem aͤußern Ceremoniendienſte und in koͤr⸗ 
perlicher Abtoͤdtung zu ſuchen. So lobenswerth in mehr als einer 
Beziehung Benedicts Regel iſt, fo verleugnet fie doch in biefer Hin⸗ 
fiche the Zeitalter nicht. Sie fordert bereits, daß nach dem legten Gottes— 
bienfte, Completorium genannt, Niemand mehr mit einem Andern fprechen 
folle, daß, wer auf ein gegebenes Zeichen nicht fogleih beim Gottes⸗ 
dienfte oder bei Tiſche, erfcheine, wer beim Vorleſen einen Fehler mas 
he und ſich nicht fogleich demüthige, mit erniedrigenden ‚Strafen zu 
belegen fei. Verordnete doch ſchon Benedict, daß fämmtlihe Pſalmen 
in einer Woche mußten gefungen werden, ja, daß mehrere in derfelben 
Woche wiederholt werden follten. Wie fest fchon die den Wahn vors 
aus, das Singen und Beten, auch nur verrichtet, wenn es auch nichts 
zur Erhebung und Veredlung des Gemuͤths beitrage, ſchon verdienftlich 
. fei und Gott mohlgefälig made. Roch viel weiter gingen in diefer 
Hinfiht die fpätern Drben. Wir heben bier Einiges aus der Kloſter⸗ 
disciplin der Sarmeliter aus. So wurden z. B. in den Kloͤſtern ber 
therefianiihen Reform geringfügige Kleinigkeiten mit harten Strafen 
beisgt. Eine Nonne, wenn fie ein Weilchen länger . gearbeitet hatte, 
ale das Gebot befahl, mußte zur Pönitenz ganzer 14 Tage in der 
Küche als Magd dienen, und zwar ohne Scapulier, eine emfindliche 
Strafe in dieſem Drden. — Andere verloren auf ganze Monate Gig 
und Stimme im Gapitel, weil fie einer Proceffion des Allerheiligſten 
durch eine Ritze in der Wand verflohlener Weiſe zugefehen hatten, 
Noch andere wurden mit Sefängniß geftraft, wenn fie nuc einen hal⸗ 
ben Bogen Papier ohne Erlaubniß genommen hatten. — Ein Mind), 
der zu fpat läutete, mußte zur Strafe von Mitternaht bis Morgen 
auf der Erde liegen. — Wer über Tiſche die Augen ein wenig auf 
bob, und fie nicht beftändig recht duckmaͤuſeriſch niebergefchlagen hielt, 
dee mußte fich gefallen laffen, daß man fie ihm mit der Serviette oder 
dem Schüffeltuche zuband.. Auf dem geringften unvorfichtigen Lächeln 
‚ fand eine Poͤnitenz von vierzehntägigem Faften bei Wafler und Brod, 
alfe drei Tage Geißel und die ganze Zeit ohne ‚Scapulier zu gehen. 
Unfere Behauptung jedoh wird fi noch mehr bethätigen, 
wenn wir, ohne mühfem ein Beiſpiel zu füchen, bei ber Stufenfolge 
der fogenannten Süundenfhulden im Garmeliterorden verweilen. Hier 
unterfcheibet man nämlich die culpa levis, media ot gravis. — on 
ber erſten Glafje, welche unfchuldige und oft ganz unwillkührliche Hand: 
" tungen als firafbar bezeichnet, wollen wir bier gar nicht fprechen 
und fogleich zur Culpa media übergeben. Diefe Claſſe faßt folgende 
Uebertretungen in fih: Wenn man etft zum erften Pfalm zum Chore 
fommt, — wenn man entweder im Capitel (Verſammlung) oder bei 
des Handarbeit, ober bei der Predigt fehlt, — wenn man anders lieſt, 
oder fingt, als die Megel befiehlt, — in dem Gapitel ohne Erlaubniß 
redet, wenn man ohne Noth in das Backhaus oder in die Küche 
geht, — für alle dieſe genannten und ihnen aͤhnliche Uebertretungen 





Monchthum. 37 


iſt die Strafe eine Geißelung vor der ganzen Verſammlung von der 
Hand des Superiors ober der Superiorin, je nachdem bie Verbrechen 
in einem Moͤnchs- oder Nonnenktofter vorkommen. — Kine ſchwere 


Schuld ober eine Bergehung von ber dritten Glaffe ift, wenn man im 


Sprachzimmer, felbft ohne zu ſprechen, erfcheint. Die darauf gefegte Strafe 
befteht in drei Geißelungen vor der vollen Verfammlung und drei Tage 
Salten bei Wafler und Brod. — Die Schuld fleigt, wenn man ohne 


Eclaubniß nicht allein in das Sprachzimmer geht, fondern auch daſelbſt " 
ſpricht. Die auf diefe ſchwere Sünde geſetzte Strafe ift fehe hart und 


demuͤthigend. Kine Nonne, die fich dieſes Verbrechens fchuldig ges 
macht bat, ſoll fih auf den Boden niederwerfen und demüthig um 
Vergebung flehen. Sie fol ihre Schultern entblößen und die Geißel, 
fo viel und fo ſcharf es die Priorin für gut finden wird, zur Strafe 
für ihre Miſſethat empfangen. Darnach, wenn ihr geboten worden 
aufzuſtehen, foll fie in eine, ihr angewiefene Gelle ſich verfügen, Ihres 
Amtes verluftig feyn, keinen Sig und Stimme in dem Gapitel haben, 
ausgenommen zu ihrer Anklage, und foll die unterfte oder legte von 
allen feyn, bis zur völligen Buͤßung ober gänzlichen Genugthuung für 
ihre VBergehung. Bei der Mahlzeit foll fie fi) ganz nadend, nur mit 
ihrem Mantel bebedit, mitten in dem Refector auf die Erde legen und 
nichts ale Waſſer und Brod haben. Wenn die ordentlichen Tagezei⸗ 
ten (horae canonieae) und das Gratias Nachmittags gehalten wird, fo 
fol fie vor- der Thür des Chors auf der Erde hingeſtreckt Liegen, daß 
die Schweſtern über fie hingehen und fie mit Füßen treten. Wie die 
Mönche von der therefianifchen Reform in allen Stücken übertrieben 
heilig und fireng ſeyn wollen, fo find fie es auch in den Bußuͤbungen. 


Sie begnügen ſich nicht mit den in falt allen Drden üblichen Bußca⸗ 


piteln wöchentlich einmal vor dem Prior, fondern fie haben auch noch 
außerdem unter fi) einen fogenannten Eiferer, befien Amt unter 
andern iſt, daß er alle Abende in dem Refertorium eine Gewiſſensruͤge 
oder Bußvermahnung über die täglichen Sündenfhulden anftellen muß. 


Die Fratres müffen fie mit Demuth und mit Freuden annehmen und , 
zur Danffagung dafür dem Prior das Scapulier küffen. Und dieſe 


Uebung iſt nicht etwa bloß ein übermäßig verdienftlihes Wert (opus 
supererogationis, fondern es ift unter andern in den Satzungen mit 
vorgefchrieben. Mehreres der Art findet man in ber Histoire generale 
des Carmelites in Muflon’s pragmatifcher Geſchichte der Mönchsorden, 
Aengſtlich, ſerupuloͤs und einen Aberglauben verrathend, ber biöwellen 
feibit an Albernheit grenzt, ift das Geremoniel bei gottesdienftlichen 
und andern Verrihtungen, wovon wir fhon hin und wieder in dieſem 
Handbuche Beifpiele angeführt haben, befonders Thl. I. p. 27, wo von 
den Vorſchriften die Mede ift, die fih auf die Abminiftration ber 
Euchariſtie beziehen. Ä 

Noch ftärker aber tritt in dem Mönchsieben ein Despotismus her⸗ 
vor, der aus wohlberechneter Klofterpolitit einen fctavifchen, bis zum 


Stumpffinn führenden Gehorfam fordert. Die Stimme des - 


Superiora ift Bottes Stimme, bieß mar ber oberſte Grund: 
fas falt in allen Drden. Seibſt wenn der Befehl unvernünftig, rafend 
und gar gottlos ift, muß blindlinge gehorcht werden, fo hieß es wenig⸗ 
ſtens bei den firengern Carmelitern und Carmeliterinnen. Die Supe: 


> 





88 Woͤnchthum. 


riorin befichlt, eine Katze ſolle die Chorlection in Temebris fingen, fo 
muß bie Kage fingen (Annales des Carmes dechauäses de France I. 
1. c. 63. p. 118), fie. befiehlt die Schüffel zu eſſen, fie befiehlt die 
andern Monnen zu verwunden, zu verſtuͤmmeln, ja gar zu töbten 
u. f. w., fo muß die Nonne, glei ohne Widerrede gehorcden. 

Und eben fo wenig darf der leidende Gehorfam fehlen; benn es 
it unmöglih, daß die leidende Obedienz (der Befehl der 
Dbern) etwas gebiete, was böfe fei, fo beißt der 
Grundſatz. Wenn die heil. DObedienz befahl, daB man frank 
feyn follte, fo mußte man krank feyn, ungeachtet man fi) wirklich 
ganz wohl befand. Man legte fih, man ließ die Ader öffnen, man 
nahm Arznei, man hatte Sieber, man würde aus Gehorſam gem ges 
ftorben fen. Und fo umgekehrt mußte man aus Gehorſam auch ges 
fund werden, wenn man micklid nocd fo frank war: (ibid. I. IL e. 
19.). — Aecußerſt ſtreng war der ˖Gehorſam befonders in den erften 
Kloͤſtern der thereſianiſchen Reform. (Man vergl. was oben p. 32 ff. 
über .diefen Orden gefagt worden ifl.) Wenn fih 3. B. ein Frater 
conversus von ungefähr mit Lauter Movizen in einem Kloſter allein 
‚befand, hielt er, um feinen Rang zu behaupten, indem ihm von feis 
nen Untern eben fo firenger Gehorfam zukam, als dem Generale felbft 
. von ben übrigen, mit den Novizen Gapitel, börte ihre Beichte und 
ftrafte fie derb mit Geißeln, während eines Miserere und de Profun- 
dis. — Ein anderer Frater madıte eine faure Miene über ein uner> 
hört ſchwarzes und hartes Stud Brod, das ihm zur Portion gereicht 
war. Sogleich ließ ihm der Superior das Ordenskleid ausziehen, ihn in 
den Stall bringen, an die Krippe binden und Stroh und Hafer frefien, 
wie ein Maulefel. (Histoire generale de Carmes etc. c. 13.) Ein 
‚ anderer legte ſich aus Gehorfam auf Difleln nieder und lag fo 10-12 
- Stunden. Eben folhe harte Forderungen machten einzelne Orden in 
Hoficht auf das Schweigen, indem fie zu einem gänzlihen oder zu 
einem Stilfhmweigen auf gewiſſe Zeit verpflichteten. Sjene Gattung ber 
Alcefe, die im Schweigen etwas Selbftverleugnendes und Verdienſtli⸗ 
ches fand, iſt uralt und dem heidniſchen und jüdifchen Alterthume 
nicht unbekannt. (Man denke bier an das Schweigen ber Ppthagorder 
und der Effder, wie von Einigen behauptet wird.) In der chriftlichen 
Aoxnoiç volederholt es ſich und in dem frühern aͤgyptiſchen Anarhoreten= 
und Mönchöleben‘ vermied man wenigſtens das überflüffige Sprechen. 
Auch Benedict in feiner Regel Gap. 42. verordnet: Nach dem legten 
Gottesdienfte, Completorium, fol Niemand mehr fprechen, außer wenn 
‚ ein Sremder noch ankaͤme oder der Abt noch einen Auftrag zu ertheiz 
len hätte. Auch die Uebertretungen des gänzlihen oder nur auf eine 
gewiſſe Zeit befohlenen Stillfhweigend wurde ungemein hart beftraft. 
Diefer fanatifhe Eifer im Stilifehweigen ſchuf in den Klöftern eine 
ziemlich ausgebildete Zeichenfpradhe. . Man hatte verabrebete Merkmale, 
die Stimme, das Wafler, das Brod, das Scapulier, die Geißel, den 
Rüden u. ſ. f. 3. E. den Novizenmeifter zu nennen, machten fie 
- ein Kreuz, wie bei dem Segenſprechen, — das Haͤndefalten bedeutete 
die Zeit zum Beten, die Hand auf ber Bruſt bezeichnete eine gewiſſe 
.Nothdurft der Natur, das Blafen in die Singer hieß Lichtanzunden 
u. ſ. w. 


Moͤnchthum. | : 89 
Ungereimt und naͤrriſch erfheine auf den erflen Anblick allerbings 
biefee geforberte und geleiftete Gehorſam; allein er war in der kloͤſter⸗ 
lichen Politit wohl berechnet. -War diefer Gehorfam einmal feft bes 
geimbdet, fo konnte man bie Religiofen gebrauchen, wie man wollte; 
fie waren bloße Werkzeuges in der Hand ihrer Superioren. Man ges 
mann bei den Religiofen übrigens gar fehr, indem man biefen Gehors 
fam nicht als ein menfdliches Geſetz, fondern als einen Gottesdienft 
vorſtellte, mithin als eine Art Selbftverleugnung nad) dem Srundfage: 
Die Stimme des Dbern ift Bottes Stimme. — Uebtis 
gend gewann man dadurch nicht wenig in den Augen ber Laien, wenn 
diefe in Klöftern Leute ecblidten, die fih um Gottes willen auch einem 
befchwerlihen blinden Gehorſame unterwarfen. Kurz biefer Despoties 
mus verfchaffte dem Orden drei wichtige Vortheile, ſtrenge Drd- 
nung in dem Innern, ftete Hebung in der Selbft 
verleugnung und großen Ruhm und. Beifall bei 
den Laien. 
Doch auh felbft von Zärte und raffinirter 
Grauſamkeit Iäßt fi die Flöfterlihe Strafdisci⸗ 


plin nicht freifprehen. Wir fommen bier noch einmal auf 


das Geißeln zuruͤck. Dieß war ein freiwillige und von diefem haben 
wie bereitö geſprochen; es war ferner ein durch die Gonftitutionen 
gebotenes und mithin gefegmäßiges. So verrichteten es 3. B. die Mönche 
alle Montage, Mittwochen und Freitage nach ben Kompleten, bie 
Nonnen aber uͤberdieß noch in der Adventszeit alle Serien oder Feier: 
tage und zwar mit Ruthen. Es gab aber au ein züchtigendes Gei⸗ 
fein, und von bdiefem fol bier, wo von der Mlöfterlichen Strafdisciplin 
die Mede ift, gehandelt werden. Diefes Geißeln als Strafe hieß mit 
einem befondbern Namen bie Disciplin. Sie wurde bei geringfügigen 
Vergehen verorbnet. Sie erfolgte faſt allemal bei den fogenannten 
Gapitelbeichten (culpae) der Novizen. Die Art, wie biefe unvernünfs 
tige Bußuͤbung gefchehen foll, iſt auch genau vorgefchrieben. Derienige 
Novize, welcher die Geißel empfangen foll, muß nieberfnien, er muß 
feinen Gürtel und Rod losmachen und ben Rüden entblößen, um. die 
beiligen Schläge der Geißel oder ber Muthen zu empfangen. Darnach, 
wenn es gnefchehen ift, muß er bes Movizenmeilters Scapulierfaum mit 
vieler Demuch küffen, um für die Strafe zu danken. Dabei fehlt es 
gewöhnlich nicht an heiliger Nacheiferung. Den übrigen Novizen würbe 
man es als Lauigfeit und als einen Mangel der Andacht auslegen, 
wenn fie einen ihrer Brüder allein geißeln ließen, ohne ihm Gefellfchaft 
zu leiften. Sie bitten fidy vielmehr eine gleiche Gnade aus. und erhal: 
ten fie feicht. Und finden fich feine von freien Stüden, fo erfeht der 
Movizenmeifter den Mangel gewiß durch feinen Befehl. Man fchlug 
entweder die obern Theile des Körpers, vorzüglich die Schultern und 
den Rüden, aber auh Bruſt, Oberarme, Hals und Kopf wurden 
getroffen. Dieb hieß die obere Disciplin (Disciplina sursum aud 
secundum supra im beſten Mönchelatein), ober man ſchlug die untern 
Theile und die Lenden (dieß war die disciplina deorsum, secundam 
sub,), deren fich meiftene die Weiber bedienten. Nimmt man nun am, 
dag das gefegmäßige Geißeln immer ‚und immer wieberlehrte, daß im 


den meiften fpätern Bettelorden Mönche und Nonnen im freiwilligen 





— 


—M Wonchthum. 


Geißein ſich zu Iberbieten ſuchen, ja, daß es ſelbſt ſehr oft ale Straf⸗ 
disciplin verhaͤngt wurde; ſo kann man kaum begreifen, wie ein ſol⸗ 
ches Verfahren ohne Nachtheil fuͤr Geſundheit und Leben lange fortge⸗ 
ſetzt werden konnte. Entweder man muß annehmen, daß dieſes Gei⸗ 
ßeln mehr Komm als Ernſt war, ober man muß glauben, daß der 
menſchliche Körper bis zu einem hohen Grabe von Gefühllofigkeit abges 
ftumpft. werden kann. | 
Gehen role nun, um ben verfprochenen Beweis zu führen, zu 
einem anders Orben über, es fel der fpätere Sranciscanerorden. Wenn 
man "dern vorehriftlichen Alterthume ſehr häufig den Vorwurf machte, 
daß es im Beſtrafen der Verbrechen und namentlich dann, wenn Difs 
fethäter vom Leben zum Tode follten gebracht werden, fehr grauſam 
gervefen ſei, fo weiß man nit, ob daffelbe nicht in noch hoͤherm 
Grade von der Höfterlihen Criminaliuſtiz im Mittelalter gilt. Ge: 
möhnlich hatte jeder Orden feinen Griminalcoder und diefer war befons 
ders forgfältig, aber mit barbarifher Strenge abgefaßt. Erwaͤgt man 
das Verhaͤltniß des Verbrechens -zuc Strafe, fo ſchaudert man, wie 
z. B. Entweichungen aus dem Klofter, Ungehorfam gegen bie Obern 
und dergleichen auf das Graufamfte geahndet wurden. Man übte in ben 
Wohnungen des Friedens, der brüderlicen Liebe und ber Frömmigkeit, 
eine Härte, bie der bürgerlichen Criminaljuſtiz in Form und Ausübung 
nicht nur nicht nachſtand, fondern fie oft ſelbſt uͤberbot, da jene öffentlich, 
diefe aber im Geheimen an ſolchen Drten vollzogen wurde, wo man das 
Schreien und die Schmerzenslaute des Gemarterten nicht verfiehen konnte. 
Forturen von mehr als einer Art find in dem Strafcoder der 
Sranciscaner erlaubt und vorgefchrieben. Daß perfönlihe Rache ber 
Kloſterobern oder verläumderifhe Inſinuationen oft Unglüdliche in einen 
Verdacht brachten, wo man die Zortur anwenden durfte, wicd daraus 
wahrfcheinlih, daß man ein gerichtliches Verfahren anordnete, durch 
welches folher Willkuͤht und Schaͤndlichkeit follte entgegengetreten wers 
den, eine Abſicht aber, die felten erreicht und Öfterer vereitelt wurde. 
Man ficht daraus, was ſich die Brüder in einem Orden einander felbft 
zutrauten. Wir erwähnen nur einige Streafarten, wie fie, aus ben 
Quellen gefchöpft, in der pragmatifhen Geſchichte der vornehmften 
Möncorden (v. Muffon) im Vi. Gap., überfchrieben Klofterzucht, 
erzähle werden. — Mir heben hier auförberft die fogenannte Beis 
.‚Beltortur aus. Diefe ift etwas ganz anderes, als die fogenannte 
Disciplin. Sie befteht in einer Geißelung durch fremde Hände, Der 
Richter beftimme die Zahl der Diebe und das Inſtrument, womit der 
Inquiſit gepeitfcht werden fol. Bald gefchieht es mit Striden, bald 
mit Riemen, bald mit Spisgerten, bald gar mit Drabtletten. Die 
Scene diefer Geißelung ift fuͤrchterlich. Der Pater Provinzial zähle die 
Streiche felbft an einem Roſenkranze ab und zählt fo langfamı, daß 
man zwifchen jedem Streihe ein halbes Ave Maria beten kann, und 
der Bruder Peiniger peitfcht fo derb, daß der Inquiſit, der doch wohl 
ans Geißeln gewöhnt iſt, bisweilen ſchon bei den erften Streichen ein 
lautes Geſchrei erhebt. Selten kommt der Delinguent anderd aus dies 
fer Scene, ale mit Blut und Wunden bededt, in der traurigen Bes 
flalt eines, der Spießruthen gelaufen if. Wer dachte hier nicht unwill⸗ 
kuͤhrlich an die ruſſiſche Anute auf Zoo und Leben? — Cine andere 


Moͤnchthum. 91 | | 


Urt von Tortur nennt man bie Tarillen. Es finb Beine Knoͤchet, 
welche fich im den Fuͤßen einiger Thiere finden und ben Wuͤrfeln aͤhn⸗ 
li fehen. Sie werden mit emem Stuüͤcke Del; von 8 oder 4 Schub, 
welches die Italiener Stangetta nennen, von beiden Seiten auf bie 
Anöchel ded Inquiſiten getrieben, um biefen empfindlichen Theil zu 
dräden, und einen entſetzlichen Schmerz zu verurſachen. 

Noch eine der harten fchweren Torturen iſt die Feuertortur. In 
ben ätteften Zeiten war fie Grauſen erregend. Der Inquiſit mußte ſich 
mitten in das Torturgemach fegen. Man entblößte ihm die Fuͤße und 
fhmierte ihm die Fußſohlen mit einer Speckſchwarte. Dann feste man 
ein Becken mit glühenden Kohlen vier Zoll oder eine Hand breit von 
"ven Fußfohlen und fengte und bratete die Fuͤße, daß das Fett heraus» 
quol. Diefe Procedur hat man abgefhaffl. Soll und muß etwa noch 
eine Fenertortur gebraucht werden, fo befteht fie bei den ehrwuͤrdigen 
Minsriten darin: Man nimmt abgehärtete Eier und macht diefelbex 
im fiedenden Waſſer heiß. Diefe fiedend heißen Eier widelt man im 
leinene Tuͤcher, fledlt fie dem Inquiſiten umter die Achſeln und läßt fie 
ein Credo durch unter den Armen halten. Wenn der Delinguent das 
erftemal nicht bekennt, fo wird bie Procedur wiederholt. Ein Superior 
zu Genua erfand biefe Zortur, und da er die Folter und ſelbſt die alte 
Zeuerprobe umfonft verfucdht ‚hatte, gelang es ihm durch. diefe die 
Mahrheit heraus zu bringen. Schon beim britten Credo bekannte ber. 
Delinquent, der einen Mord begangen hatte, umd entdeckte zugleich alle 
Mitſchuldige, da fie dann fämmtlich zu den Galeeren verurthrilt wurden. 

Eine der fchauderhafteften EStrafarten war in ben Franciscaner⸗ 
fiöftern das fogenannte Begraben in paoe. Nie hat man einer furcht⸗ 
baren Sache einen mildern Namen gegeben. Dan verfland darunter 
das Lebendigbegraben der Mönche und Nonnen. Den Urfprung leitet 
man vom Driente her. Die alten Römer nahmen diefe Strafart von 
den Perfern an und übten fie an unteufhen Veſtalinnen. 

Gemeiniglich war die Strafe mit Pomp und Ceremoniel verbun⸗ 
den, damit fie mehr Schreden und Grauſen verurfachen möchte Vor⸗ 
ber ging die Degradation. Der Derurtheilte verlor den Moͤnchsſtand, 
und wenn er ein Prieſter war, zugleich feine Prieftermärde. Was 
zum Mönch: und Priefterhabit gehörte, wurde ihm ausgezogen, und 
der Inquifit mußte fih auf die Delinquentenbank fegen. Gegen ihm 
hber (ag die Ordensregel, welche er Übertreten hatte, und die ihn jetzt 
rihten und verbammen follte. Um ihn ber waren alle Religiofen des 
Klofters und fangen im tiefen Zrauertone den 108. Pſalm. Zwiſchen 
jedem Berſe machte man eine lange Paufe. Inzwiſchen zog man-ihm 
alle noch Übrigen Kleidungsftücde aus und zerriß fi. Man ſchnitt ihm 
Bart und Haare ab, man fchabte ihm die Haut von den Fingern, man 
nahm ihm die Tonfur, Indem man die oberfte Haut mit einem Scheer 
oder Federmeffer ablöfte, um ihm auf gewiffe Weife die Eonfecration 
wieder zu nehmen, die er bei feiner Profeß und Drbination erhalten 
hatte. — Und nun führte man ihn in paee. 

Nachdem die Degradation des Mine gefchehen und das Urtheil 
dorgelefen worden, begleitete man den Degradirten ih Proeeffion zu 
feiner Ruhe. Bis auf den Rod entkleidet ging er dahin. Voraus 
der Kreuztraͤger mit umgekehrter Kapuze, hinter ihm bie Kirchendiener 


Tu Wönchthum. 


mit ausgeloͤſchten Lichtern, bei dieſen zwei andere Geiſtliche das Rauch⸗ 
faß und den Weihkeſſel tragend. Auf dem Wege ging man mit lang⸗ 
ſamen, pathetiſchen Schritten. Alle Bruͤder ſchritten mit eingedruͤckter 
Kapuze einher, die Augen zur Erde geworfen, das Geſicht voll Beſtuͤr⸗ 
zung und Trauer, die Haͤnde unter das Scapulier geitedt. Ste fans 


gen Sterbelieder und Todtenmeſſen im traurigen Eläglichen Zone 


Wenn man endlih an bem zu feinee Ruhe beflimmten Orte ange: 
‚ kommen war, fang min noch das Libera, befprengte ihn mit 
Weihwaſſer und raͤucherte. Man gab ihm ein Brod von zwei oder 
drei Pfunden, einen Zopf mit Waſſer und ein brennendes geweihetes 
Licht. Und nun fenkte man ihn in eine Gruft, welche in Form eines 
Brunnend oder vielmehr in Form eines Grabes ausgehöhlt und von 
allen Seiten bi8 auf den Eingang vermauert war. Sobald der Ber: 
brecher hereingelaffen worden war, mauerte man ben Eingang der Gruft 
zu und ließ ihn darin umlommen. Die Sraufamfte, ſchrecklichſte To⸗ 
desart von ber Welt! Sie hat etwas noch Schrediicheres, als bie 
Strafen der Beftalinnen. — Und das Geremoniel! — Man kann fid) 
„nichts fo Trauriges, fo Scaudervolles denken ald dieß. Niemand 
Eonnte der Seterlichkeit ohne Wehmuth beiwohnen, jeder Bruder ſchwamm 
bei einer ſo tragiſchen Scene in Thraͤnen. Daß dieſe und aͤhnliche 
Nachrichten von der kloͤſterlichen Strafgerechtigkeit keineswegs übertrie⸗ 
ben ſind, hat noch die neueſte Zeit gelehrt. Als die Franzoſen auf 
ſpaniſchem Boden Krieg führten, fanden fie in den von ihnen befesten 
Kloͤſtern nicht nur bie ſcheußlichſten Gefängniffe, fordern auch Folter 
kammern und Marterwerkgeuge, die man anderwärts gar nicht kannte, 
In Liorente’s Histoire critique de l’inquisition d’Espagne, Paris 
"4815. Deutſch von Hoͤck, 4 Bande, Gmünd 182122, findet man 
vieles hierher Gehörige. 

Nur der in Wahn und Irrthum befangene Zeitgeift mag foldhe 
Straf⸗ und Todesarten entſchuldigen, eine erleuchtete Zeit ſchaudert bei 
dem Gedanken, daß ein ſolches Verfahren an Orten Statt finden konn⸗ 

te, welche ausſchuehend die Wohnſitze der chriſtlichen Liebe und Froͤm⸗ 
migkeit ſeyn ſollten. — Noch eine Frage draͤngt ſich uns, den Kindern 
einer ſpaͤtern Zeit, unwillkuͤhrlich dabei auf, naͤmlich: Pie konnte die 
bürgerliche Obrigkeit dergleihen Greuel dulden? Die Aloſterdialektik 
hatte fih auch bier vorgefehen. - Sie argumentirte fo: Kin Klofter 
muß das Recht über Leben und Tod in Anfehung feiner Glieder haben. 
Ein Religiofe wird durch Ablegung feines Gelübdes ein bürgerlich Todter 
(eiviliter mortuus), durch feine Selübde hört er auf ein Mitglied des 
Staats, ein Bürger des Reichs zu feyn. Indem alfo ber Landesherr 
einen Orden beftätigt, fo muß man annehmen, daß er das Majeſtaͤts⸗ 
recht über einen Unterthbanen, der Religioſe wird, dem Praͤlaten übers 
gebe. Hierin Liege der Grund, warum jeder Drden, jedes Kloſter 
. feinen Kerker hat, hierin der Grund, warum jeder Orden fein befons 
deres peinliches Recht und feinen eigenthümlichen Griminalcodtr hat, — 
Dank fei es der fortgefchrittenen bürgerlichen Gefeggebung, daß wenig» 
ftens in einigen Ländern Europa’s dergleihen Greundfäge nicht mehr 
beachtet werden. 

Muͤſſen wir auch auf das MWerdienft Verzicht leiſten, eine ers 
fhöpfende Darftelung bes innern Klofterlebens geliefert zu haben, fo 


Moͤnchthum. 93 


hoffen wie doch, daß ber Lafer von uns auf einen Stanbort verfeht wor⸗ 
den fei, von wo aus er. wenigftens einige Iehrreiche Blicke in das innere 
eigenthbumliche Leben der Klofterwelt wird thun koͤnnen. Mehr in dies 
fer Hinſicht zu liefern geflattet die Befchaffenheie und der Zweck dieſes 
Handbuchs nicht. J 

Beteits in dem erſten Abſchnitte dieſes Artikels haben wir zZezeigt, 
in welchem Verhaͤltniſſe die Moͤnche und Nonnen der fruͤhern Jahr⸗ 
hunderte ungefaͤhr zum Klerus und zum Staate ſtanden. Dieſe Unter⸗ 
ſuchung wird aber noch anziehender für den ſpaͤtern Zeitraum des Mit⸗ 
telalters ſeyn, wo das Kloſterleben ſeine eigenthuͤmliche Form und 
weiteſte Ausdehnung erhielt. Wir ſprechen alſo noch 

VIIh Don dem Verbältniffe der Kloͤſter zu der 
übrigen Welt. — Ganz natürlih nimmt unfte Darftelung den 
Gang, daß wir das Verhaͤltniß der Kiöfter A. zu dem übrigen Klerus 
und B. zu ben Laien beachten. 

A) Verhaͤltniß zu dem übrigen Rlerus, und zwar 

a) zu den Pfarrern und Weltgeiftlihen. Urfprüngs 
lih waren die Mönche von der Welt, ja von allen geiftlichen Rechten 
und Gefhhäften fo abgefendert, daß fie mit den Pfarzern und Seelens 


forgern in gar Beine Berührung kamen. Altmälig aber änderten fih 


die Verhältniffe. Mancher hielt es für heilbringender im Kloſter zu 
beihten,, taufen und begraben zu laſſen. In ſolchen Fällen foRte nad 
Vorſchrift der” Kirchengefege der WWBeltgeiftliche feine Gebühren umverkürzt 
erhalten. Allein dieß war theils nicht zu controliren, theild verfuhren 
Laien und Moͤnche dabei mit wenig Gewiſſenhaftigkeit. Dagegen fühe- 
un die Weltgeiftlihen Belchwerden ungefähr in der. Art: ‚Das 
„Noͤnchsgeluͤbde vertrage ſich nicht mit dem dußerlihen, gefchäftigen 
„Leben eines Seelenforgers, nicht mit Einnahmen flr kirchliche Verrich⸗ 


„tangen, nicht mit. dee Anmaßung, keinem Bifchofe oder kirchlichen 


„Obern ‚unterworfen zu feyn. Auch begnüge man fih nicht damit, im 
„Kofter ſelbſt dem Weltgeiftlihen zu nahe zu treten, fondern man 
„trachte auch auf alle Weife darnach, in den Beſitz von Pfarrftellen zu 
„tommen, und diefe vom Klofter aus verfehen zu laſſen. Dürfe doch 
„den Gefegen nad kein Weltgeiſtlicher zugleih Abt, Vorſteher ober 
„Moͤnch ſeyn, warum alſo follten disfe ein Recht haben, aus ihren 
„Kteiſen herauszutreten?“ (Thomassin. P. I. 1. 3. c. 19.) 

Auf den Grund folcher vielfah und laut ausgefprochenen Klagen, 
feste Papft Calixtus II. noch im Jahre 1122 der ditern Anſicht ges 
mäß, feſt: Daß kein Moͤnch Beichte hören, Kranke beſuchen, die leute 
Delung reichen und Öffentlich Meſſe Iefen dürfe; und noch 1197 bes 
firamte Alerander III., daß die zum Kloſter gehörige Gemeinde durch 
einen vom Biſchofe abhängigen GBeiftlichen: verwaltet werben folle. 

Nunmehr ertheilten aber die. anfänglich wohl höflich erfuchten Bis. 


ihöfe bisweilen jene Rechte, und dann war für den verlaffenen Welt: 


geiftlichen nuc im fernen Rom Huͤlfe zu fuchen, wo fid bie Anfichten 
almälig immer günftiger für die Kiöfter geftalteten. Gleichzeitig mehrte 
fi) duch Erwerbungen, durch Verleihung von Gütern u. a. m. bie 
Zahl der Pfarreien, für welche Kiöfter Patronatsrechte auszuüben hat: 
ten, und hiefur wußten fie fich ‚die nothroendige Beiflimmung der Bi: 
ſchoͤſe zu verfchaffen,, bis fie fpäter, . wie wir. unten fehen werben, fich 


J 


⸗ 


| | Moͤnchthum. 


Nauch dieſen widerſetzen oder paͤpſtliche Entſcheidungen erlangen konnten. 
Auch erſchien es nicht unnatuͤrlich, daß die, oft am beſten unterrichte⸗ 
ten, am meiſten dabei intereſſitten Mönche alle ihnen weltlich angehoͤ⸗ 
renden Gemeinden, auch geiſtlich verſorgen moͤchten. Deshalb gab ſchon 
Urban II. (aber wohl nur im einzelnen) die Erlaubniß, Pfarreien mit 
Moͤnchen zu befegenz und Alerander I. verordnete im Sabre 1179 
ganz allgemein, daß diefe den Biſchoͤfen vorgefleilt und in ben vom ih⸗ 
. nen abhängigen Kirchen angenommen werben durften. . Denn wenn auch 
manche Klöfter, als ſolche durch päpflliche Freibriefe ganz dem Eins 
fluffe der Biſchoͤfe entzogen wurden, fo blieben doch die übrigen Kirchen⸗ 
‚ and Kloflergemeinden gewöhnlich ihrer Auffiht unterworfen. Nur 
ausnahmsweife ward dem Biſchofe unterfagt, einen vom Kloſter als 
tüchtig im Vorſchlag Gebrachten noch befonders zu prüfen. Erwaͤgt 
- man nun dieß und Aehnliches, beſonders aber die ausgedehnten Privis 
legien, welche die Päpfte den fpätern Bettelorden ertheilten, fo erlangt 
man das, wahre umd kurze Ergebniß: Die Weltgeiftlichen 
wurdch durch die Rlöſter im hoben Grade beein 
b) Don dem Verbältniffe der Blöfter zu den 
Biſchofen und Erzbifhöäfen. Die Bilhöfe und Erzbiſchoͤfe 
behaupteten: Das Geluͤbde des Gehorfams, welches der Moͤnch und 
dee Abt ablege, gehe ohne Ausnahme auf alle geiftlihe Obern und bie 
Kloͤſter wären ihnen unbedenklich in jeglichem unterworfen. Auch fins 
den wir, daß fie ihre Beiſtimmung gaben zu Anlegung von Kloͤſtern 
und zur Veräußerung von Grundſtuͤcken; dag Geſchenke von Geiſtlichen 
oder Laien am Klöfter ihrer Genehmigung bedurften; daß fie die eigen= 
mächtige Uebung von Pfarrrechten, bie eigenmächtige Abfesung von 
Meltgeiftlihen durch bie Aebte unterfagten, daß fie ſolche Geiftliche 
weiheten, gleich den übrigen behandelten, ja alle, urfprünglich einem 
Bifchofe zuſtehenden, kirchlichen Handlungen im Kloſter vornahmen. 
Sie verwilligten ferner den Kloͤſtern Ablaß auf 41 Tage fl Pilger 
“und andere, welche Gefchenke barbrachtenz der Erzbiſchof von Mainz 
gab fogar einem Abte das Hecht, die Inful zu tragen. 
Dieß war allerdings die Praris der frühern Zeit, wie wir mehr 
mals gezeigt haben. Allein fpäter entſtand einerfeits Unzufriedenheit 
dee Moͤnche felbft über jene gefepliche Abhängigkeit, und umgekehrt 
griffen die Biſchoͤfe ber das gerechte Man hinaus. Hieraus entftand 
nun Streit aller Art, und berjenige, bei dem beide Thelle Hülfe fuchs 
ten, war dee Papſt. Achtet man nun auf diefen Kampf zwiſchen 
Biſchoͤfen und Kiöftern, fo neigte fih gewöhnlich der Sieg auf bie 
Seite ber Kloͤſter. Wenn nämlich die Päpfte auch anfangs den dltern 
Anfichten gemäß dem Biſchofe die herkömmlichen Rechte zumielen, fo 
ſchien es ihnen doch Beine Verlegung der Kicchengefege, wenn fie Kiöfter 
unmittelbar in Schug nahmen, gleichfam für dieß ober jenes Kloſter 
Biſchof wurden und deſſen Rechte und Pflichten übernahmen, Die 
frühern paͤpftlichen Schugbriefe behalten zwar immer die Rechte des 
Biſchofs unangetaftet vor; aber ein, auch nur bedingt freies, mit Rom 
in naͤhere Verbindung getretenes Kloſter, wurde weniger nachgiebig 
und wollte feinen’ jährlichen Zins nicht umſonſt dorthin entrichten. Der 
Papſt war zugleich ein mächtigerer und doch andy wieberum win ent: 


Mönhthum. 98 


fernteree Oberer. Das reiste bie Kloͤſter ſich ihm anzuvertrauen, und 
wiederum erhoͤhete er gern ſeine geiſtliche Macht und ſeine weltlichen 
Einnahmen. Hierzu kam, daß viele Gruͤnder von Kloͤſtern gleich an⸗ 
fangs deren Freiheit vom biſchoͤflichen Cinfluſſe ausbedungen. So war 
+ B. die fo mächtige und weit verbreitete Gongergation von Clugny 
allein dem Papfte unterworfen. Berner gab es Gegenden, bie feinem 
Biſchofsſprengel beſtimmt zugerotefen oder unangebanut waren; mithin 
Eonnte hier von Eingriffen in die beſtehenden Rechte nicht die Rede 
ſeyn. Oder manches Kloſter blieb feinem weltlichen Stifter, dem Ks 
nige, unterroorfen, ohne Dqzwiſchenkunft eines Biſchofs oder Erzbiſchofs. 
Waren endlich auch deren Rechte in Sreibriefen vorbehalten , fo erzeugten 
bob Bann, Interdict, zwiefpaltige Biſchoſs⸗ und Papflwahlen u. a, 
Gelegenheit und Vorwaͤnde, fih einem @influffe zu entziehen, melchee 
dee nächfle, wie ‚der druͤckendſte war. Und wenn gleich dem Bifchofe 
einige Rechte und Gefchäfte verblieben, welche kein anderer in den Kids 
fleen vornehmen tonnte, fo wurde doch deren innere Geſetzgebung im. 
mer freier, und’ felbft in Hinficht jener Gefchäfte ertheille ihnen der 
Dapft oft die Erlaubniß, fih an einen andern Biſchof zu wenden, int 
Salle der des Sprengels unangenehme Schwierigkeiten mache, 
Durch diefe und andere einwirkende Urſachen Fam «8 nach unb 
nah dahin, daß die ganze Kioflergeifttichkeie eine für fich beftehenbe 
Koͤrperſchaft, ımd alle Unterordnung ımter Obere, die, ihres Ordens 
und den Papft ausgenommen, hörte auf. Kloſtergeiſtlichkeit und Welt⸗ 
geiftlichleit ftanden als zwei felbfiftändige Hälften der Kirchenwelt eins 
ander gegenüber, und vom Mönche aufwärts durch Prior, Abt umb 
Gohgregation flieg die eine, von Weltgeiftlichen aufwärts durch Bifcyof 
und Erzbiſchof flieg die andere Reihe hinauf bis zum Papſte, dem 
Stellvertreter Chriſti auf Erben. Die Ehrfurcht vor der Helligkeit der 
Mönche und ihred Standes, ihre Erhebung zu den hoͤchſten Stellen 
der zweiten Reihe, ſelbſt zum päpftlihen Stuhle, Ihr großer mweitliher 
Befig und ihre Kenneniffe, der Vortheil des Papftes und taufend an 
dere Grunde wirkten mit'dazu, daß auch das biſchoͤfliche und erzbiſchoͤf⸗ 
lihe Anſehen durch bie Kiofterwelt beeinträchtigt wurde. ' 
c) Don den DVerbältniffen der einzelnen Blöfter 
zu-den Longregationen und größern Ördensver- 
bindungen. Der Mangel, welcher durch die Auflöfung bes Vers 
haͤltniſſes dee Klöfter zu den Bifchöfen entfland, wurde zum Theil aus⸗ 
gefuͤlt durch die enge Verbindung der erften unter einander und burd) 
die neuen, mit mannigfachen Verfaſſungen verſehenen Genoſſenſchaften, 
weihe unter dem Ramen von Congregationen oder von befondern - 
Dirden, der abendländifchen Klofterwelt ein neues Leben und eine vers 
änderte Bedeutung gaben. 
Saft allen Llöfterlihen Einrichtungen lag nämlich im weſtlichen 
Europa die Megel des heiligen Benedict zum Grunde; alle hatten in 
dieſer Beziehung etwas Gleichartiges und Gemeinfchaftlihes. ber 
jedes Kloſter fland übrigens einzeln für ſich und es fehlte ganz an ver- 
fefiungsmäßiger Verbindung und Unterorbnung. Diejenigen Verbin⸗ 
dungen, welche aus Freundſchaft und vertragumäßtg zwiſchen einzelnen 
Kloͤſtern oder auch mit Stiftern gefihloffen wurden, hatten nur den 
Zueck einer wechfelleitigen, gaftlichen Aufnahme ihrer Glieder, des wech 


aß6 Wövönchthum. 


ſelſeitigen Leſens von Seelenmeſſen bei Todesfaͤllen, ber Mittheilungen 
von Leichenreden und dergleichen. — Im 9. Jahrhundert finden ſich 
zuerſt Spuren von Genoſſenſchaften, jedoch ohne ſchnelles Wahsthum, 


und nur der Umſtand, daß mehrere Kloͤſter oft einem Abte untergeord⸗ 


net, daß den Mutterkloͤſtern ein großer, bisweilen fogar druͤckender Eins 


= fluß uͤber die Töchterklöfter eingeräumt wurde, beutet den Uebergang zu 


umfofenden Verbindungen an. Zulegt war es aber fehr deutlich zu 
fühlen, daß eine engere Gemeinfchaft größere Kraft gebe, und die Kla⸗ 
gen Über die Ausartungen vereinzelter Moͤnchskloͤſter drängten zu Bel: 
ferungen , welche theils in Erneuerung und firenger Befolgung der berüche 
tigten Regel, theil in Aufllellung von Verfaſſungsformen Liegen muß» 
ten, an denen ed, im engern Sinne, bisher ganz gefehlt hatte. Da⸗ 
her entflanden nun mehrere große und berühmte Senoffenfchaften, denen- 
faft ohne Ausnahme die Megel des heiligen Benedicts zum Grunde 
lag; die Zuſaͤtze derſelben betrafen größtentheild das Einzelne des tägli> 
hen Lebens. Wielleicht wurde man bierbei nur Ängftlicher und einfeis 
tiger, wo man glaubte volllommener zu werden. Daß aber die lange 
vernachläffigte Regel nun, des neuen Eifers halber, in ihren Haupt⸗ 
theilen wieder befolgt wurde, war gewiß ein Gewinn. 
Die alten. Benedictiner ſchloſſen ſich größtentheild an eine ober 
bie andere von ben neuen Genoflenfchaften an, , und wenn auch nicht mehr 
alle durchaus gleichförmig waren, fo biieb doch allen eine Grundform 


- und die früher ganz loſe Verbindung des Ganzen ward in den eins 


zelnen Genofjenfchaften weit enger; fie erhielten einen Mittelpunct mit 
größerer Gewalt, einen oberleitenden Abt, oder eine oberleitende Be⸗ 
hoͤrde und Dauptoerfammlungen ober GSeneralcapitel nad) mannigfals 
tiger Weiſe und mit verfchledenen Rechten und Pflichten. Die böchfte 
Gewalt im Orden, gewöhnlich alfo der Abt des Hauptkloſters und hie 
Hauptverſammlung, trat in die Rechte des Biſchofs. Jener viſitirte 
alle. Kloͤſter, ohne feine Erlaubniß fanden keine groͤßern Anleihen, feine 
Veraͤußerungen, Beſetzungen und Einſetzungen ſtatt, ihm gelobten die 
einzelnen Vorſteher Gehorſam u. ſ. w. Jedes Kloſter mußte die allge⸗ 


meinen Verſammlungen beſchicken, um uͤber das Beſte des Ordens zu 


berathen, Beſchluͤſſe zu erfahren und ihnen zu gehorchen. Die Rechte 
und Vorzuͤge des Stammkloſters und des Hauptabtes waren mithin 
ſehr bedeutend, und ſie wußten ſich uͤberdieß auch wohl Geſchenke und 
Vortheile aͤußerer Art zu verſchaffen. Andererſeits machte aber beſon⸗ 
ders das Abhalten der Generalcapitel dem Stammkloſter große Koſten 
und Auslagen, fo daß die Ciſterzienſer ſchon im Jahre 1152 feſtſetz⸗ 
ten, Niemand folle über eine gemwilfe Zahl Pferde und Diener mit 
bringen oder über die gefegliche Zeit verweilen. Wer diefe Gefege über: 
trat, mußte faften,. und Wein ward während der Zelt fo zahlreichen 
Beſuches gar nicht gereicht. | 

Offenbar gewann durch diefe Einrichtung das Kioflerleben an Zu: 
fammenhang und Haltung, und wenn aud bie Auffiht vom Mittels 
puncte her nicht bloß, ſtreng, fondern bisweilen aud etwas willführlich 
war, fo rettete doch auch die Kraft und der Schug bes einigen Ganzen 
vor vielen erheblichen Gefahren. Nur diefen großen Genoflenfchaften 
und den Päpften verbankten es die Kiöfter, daß fie nicht fchon damals . 


groͤßtentheils aufgelöft und fecularifirt wurden. Welche Macht, Aus: 


- 


Moͤnchthum. = 


q 
beeitung und Einfluß aber folde Congregationen haben mußten, gehr 
daraus hervor, daß 3. SB. unter dem Kloſter Geve (im Königreiche 
Neapel) 120 Kloͤſter und 830 Kirdyen flanden (klelyot V. c. 26.). » 
Der Orden der Prämonftratenfer zählte 80 Fahre nach feiner Stiftung 
24 Landfchaftsmeifter, 1000 Achte, 300 Pröpfte, 500 Nonnentlöfter 
2.f. w. (Bersl. Plancks Geſchichte der Geſellſchafteverf. IH. 2. 497.) . 
Die meiften Kiöfter waren Elug genug, den Vortheil zu erkennen, wel: 
der aus dem Werhältnifie zu dem größen Ganzen für fie entftand. 
Einzeine ſuchten indefjen jegt eben fo von den Ordensverbindungen frei 
ja werden, wie.fräher von dem Einfluſſe der Laien und der Biſchoͤfe. 
Bu einer ſolchen Vereinzelung boten jedody mit Recht bie Mäpfte nicht 
die Hand, fondern fie traten, wenn etwa die Schluͤſſe der Hauptver⸗ 
—— nicht gehörig gehalten wurden, beſtaͤtigend und verſchaͤr⸗ 
hinzu. 

Innocenz Il. verordnete, daß die Kloͤſter einer Landſchaft, welche in 
keiner Geſammtverbindung ſtaͤnden, dennoch alle drei Jahre Verſammlun⸗ 
gen unter der Leitung von zwei Giflerzienferäbten halten ſollten, welche 
fich noch zwei andere Aebte zum Beiſtand wählten. Uebrigens wollte 
diefer große Papft-, daß ſolche Beauftragte, daß Überhaupt die Einwir⸗ 
fung des Ordenslebens keineswegs die Rechte der Biſchoͤfe vernichten, 
fondern eine wedhfelfeitige Beobachtung, eine verdoppelte Wachfamteit 
eintreten, und gegenfeitige Bemerkungen und Beſchwerden zur Entſchei⸗ 
dung an ihn kommen ſollten. Diefer Gedanke ward jebach nachher 
nicht weiter ausgebildet, er kam nicht allgemein zue Anwendung. Ohne 
paͤpſtliche Genehmigung durfte Niemand eine neue Genofienfhaft bil 
den, und da bie bisherigen jebem Zwecke zu genügen ſchienen, fo vers 
bet Innocenz Mi. im Sabre 1215 auf der lateranifden Kirchenver⸗ 
fammlung ein für allemal das Errichten neuer Orden. 

d) Dom Derbältniffe der Zlöfter zum Papfte. 
Die Freibriefe, welche bie Päpfte den Kloͤſtern ertheilten, enthielten 
anfangs faſt nur geiftliche Befehle gegen Willkuühr und Gewalt; allmaͤh⸗ 
fig. aber wuchs die Zahl der Beflimmungen und der pofitie zugeſpro⸗ 
denen Rechte über ale Erwartung, ja über billiges Maaß hinaus, 
Folgende Puncte find aus ſolchen Freibriefen hergenommen: 

aa) Dec Biſchof darf ſich nicht in die Wahl des Abtes miſchen, 
für feine Verrichtungen (Weihe, Einſetzung, heiliges Del u, ſ. w.) 
kein Geld verlangen, keinen Bann ſprechen gegen Mönche oder gegen 
Leute des Kiofters, welche mit dem Zehnten in Rüditand bleiben. 
Was der Biſchof etwa verweigert, wird dee Papſt geben, wenn man 
fi) unmittelbar an ihn wendet. 

bb) Kein Bann, kein Interdict. gilt für das Kloſter, wenn nicht 
der Papft dieß auddruͤcklich befiehlt. 

eo) Der Papſt hält uͤber die Unverletzlichkeit ber Kloſterguͤter und 
Kraft jeden Eingriff in diefe Vergunftigungen. | 

dd) Das Kiofter darf Geiſtliche und Laien aller Art aufnehmen. 

ee) Das Zeugniß der Mönche gilt in ihree eigenen Sache. Gie 
koͤnnen ſich duch keine Bürgfchaft verpflichten. 

ff) Sie find frei vom Zehnten und Auflagem, frei von ber welt: 
Ken Gerichtöbaskeit und ber Pflicht, auf den bifchäflichen Synoden 
in erſcheinen. Auch follen dieſe Synoden nicht im Kloſter gehalten 

Cirgel Handbuqh IV. 7 


8 . Moͤnchthum. 


werden, ‚ober ein Biſchof ſich aus andern Gruͤnden und zu andern 
Zwecken ſelbſt einlagern. 
7. gg) Niemand darf innerhalb des Kloſterbezirks Kapellen, Got⸗ 
tesaͤcker und dergleichen anlegen. ' 
hh) Das Kiofter darf jeden bannen, ber ihm zu nahe tritt, und 
bie hiervon benachrichtigen Bifchöfe follen dieſen Bann anertennen. 
‚3i) Es darf Kirchen bauen und mit Kreuzen bezeichnen, Geſchenke 
und Vermaͤchtniſſe annehmen, ohne daß Laien oder Prälaten berechtige 
wären, Abzüge zu machen. 
kk) Mehrere Kiöfter erhalten für die fie an gewiflen Tagen Bes 
ſuchenden, Ablaß auf zmei bis fieben Jahre. 

Man fieht aus diefem kurzen Auszuge, wie groß die Beguͤnſti⸗ 
gungen waren, welche bie Kloͤſter durch paͤpſtliche Freibriefe erhielten. 
Man würde jedoch deifen ungeachtet irren, wenn man glauben wollte, 
diefelben feien im vollen Umfange beachtet worden. Die Laien nann⸗ 
ten entweder dergleichen Freibriefe erfchlichen , oder fie bezweifelten übers 
haupt die ſchrankenloſe Vollmacht des Papftes. Won den Laien mußten 
darum oft die Klöfter am meiften leiden, ehe der entfernte Papſt zu 
Hülfe kommen konnte. Wiederum blieb diefem oft nichts Ubrig, als 
feine Hülfe duch Bifchöfe und Erzbiſchoͤfe zur Vollziehung bringen zu 
lafien, welche ſich natürlic in ſolchen Faͤllen nicht ſehr beeilten, die 
Laien zu bannen und die Geiſtlichen abzufegen. 

Endlih war der päpfttihe Schug feibft nicht ohne Unbequemlichs 
‚Seiten. Zuvoͤrderſt mußte das Klofter in der Regel eine jährliche Abgabe 
übernehmen, welche von einem Goldftüde bie 12 und auch wohl 
höher binanftieg. Hierzu kamen die Koften der Ausfertigung und der 
bei jedem neuen Papfte gefuchten Ecneuerung ber Sreibriefe, die Koften 
der nothwendigen Reifen nad) Rom u. a. in unruhigen Zeiten zahlte 
man zwar oft viele Sabre lang eine Abgabe nad) Rom, aber fie wurde 
darum nicht gefchentt, fondern in günftigen Zeiten beigetrieben. Uebri⸗ 
gend fleigerten fi) die päpftlihen Anmaßungen immer höher. Die 
anfangs höflihen Empfehlungen zu Pfründen wurden alimählig Ges 


bote, die man nicht umgehen durfte, ohne wohl gar gebannt zu wer⸗ 


den, und aus dem Eide, welche Biſchoͤfe und Aebte -feit dem Anfange 
des 13. Jahrhunderts dem Papfte ſchwuren, ließ ſich allerdings Untere 
werfung jeglicher Art’ herleiten. So erfuhren- denn aud die Kloͤſter, 
daß die päpftlihe Bevormundung, die ihnen früher fo wohlthätig gewe⸗ 
fen war, hoͤchſt druckend und Läflig werden konnte. 
’ ‚B Don der Derbältniffen der. Alöfter zu den 
sten. j ‘ 
a) Ju den ELandleuten. Im allgemeinen laͤßt fich kurz 
- behaupten, daß ſich die Kloſterbauern befjer befanden.und milder behane 
beit wurden, als bie der Laien und felbft der Stiftsherren. Es war 
fein Einzelner im Klofter fo beitimmt zum Eigennug angeregt, es hatte 


kein Einzelner bei etwaigen Erpreffungen fo beſtimmten Vortheil, und 
au chriſtlicher Milde trieb Die geiftliche Stellung, das Kloftergefeh und 


das Kloftergelübde. Auch hier galt das Sprühwort: Unterm Krumms 
ftabe ift gut wohnen. a 

) Don dem Perbältniffe der. Rlöfter zu den 
Städten und Bürgern. Daß es die Bürger bei dem allges 


Moͤnchthum. 9 
meinen Sinne der Zeit nicht au Ehrfurcht gegen bie Kloͤſter und an 
Schenkungen haben fehlen Laffen, tft fo gemiß, als daß aus ben Eigen» 
thumsanfprüchen und Wechfelverhältniffen Streit entflchen mußte, ine 
Befortdere wenn Kiöfter Rechte dee Bürger und ber Stadtobrigkeit für 
fi) geltend machten, oder in dieſer Hinſicht Freibriefe bei weltlichen 
und geiftlihen Obern auswirkten. So hatte 3. B. das Kloſter Weir 
benftephan eine große Zahl Dandmwerker, Bierbrauer, Weinſchenken 
u. a. m. in ber Stabt Freifingen, welche in Dinfiht auf Klagfachen, 
Zoll und Abgaben und dergleihen viele Vorrechte vor den Stadtbuͤr⸗ 
gern verfangten. ine foldhe Zurückſetzung und nachtheilige Stellung 
in Hinfiht ihres Gewerbes wollten diefe natürlich nicht dulden, und 
das Kofler fand gerathen in Manchem nachzugeben, befonders aber die 
Brauerei in feine eigenen Mauern zu verlegen. Umgekehrt finden fich 
Beifpiele, wo Stadts und Dorfgemeinden Anſprüchen entfagen und 
die Schöppen nebft den Stadtgrafen das Nöthige hierüber beglaußigen. 
Mehrere pommerfhe Städte (fo Barth und Kyrig) ließen fi im Sabre 
1255 vom Fürften von Rügen verfprechen,, daß ohne Ihre Zuſtimmung 
in ihren Mauern und auf ihrem Gebiete kein Kloſter dürfe angelegt 
werden. — Strenger, als je die deutfhen Städte, verführen die 
italienifchen , befonder6 nad) dem Conftanzer Frieden, gegen die Kiöfter, 
fie befhräntten ihre Mechte fo viel nur moͤglich, und verlangten, daß 
fie zu den öffentlichen Laſten unentgeltlih nach Kräften beitragen möchten. ' 

c) Don dem PDerbältniffe der Zlöfter zu dem‘ 
Adel. Ein fehr großer Theil der Kloͤſter erwuchs unmittelbar aus 
den Stiftungen und Schenkungen der Edeln, Grafen, Fuͤrſten und 
Könige, und nicht minder oft dankten jene ihre Erhaltung dem Schuge 
und den Schußbriefen derfelben. Andererſeits gereichten bie Kiöfter auch 
jenen zu großem Bortheil, und fo wie man in unfern Tagen wohl die 
ftebenden Deere zum Unterlommen nachgeborner adeliger Schne gehal⸗ 
ten hat, fo erfüllten die Klöfter Damals im, verdoppelten Maaße diefen 
Zweck, weil fie nicht blos die Söhne verforgten, fondern auch für bie 
unverheiratheten Toͤchter eine Zuflucht, eröffneten. Hierauf hatte jedoch 
urfprünglich der Adel kein ausſchließendes Mecht, und erſt ſpaͤter vers 
langte mann zur Aufnahme in einzelne Kloͤſter die Geburt von adelichen 
Alten. Daß aber die bei Stiftung eines Kloſters vorbehaltenen 
Stellen vorzugsweife biefen gegeben wurden, verfteht fih von felbft. 
Ein ſolches Vorrecht wurde auch zugeftanden, wenn Xeltern Ihre Kins 
ber, wenn ſich alte Einderlofe Eheleute in ein Kiofter einkauften. So 
freundlich nun die Verhältniffe von diefer Seite erfchienen, fo waren 
fie doch zumeilen bedenklich, ja gefährlih. Bedenklich war e8, wenn 
ein Klofter an Adeliche Geld lieh; denn der eine oder der andere Theil 
. pflegte über zu niedrige oder zu hohe Zinfen und Vergütungen zu las 
gen. — - Bebenklih war es, Grundſtuͤcke bei Geldvorſchuͤſſen als Pfand 
zu geben oder zunehmen; denn oft ließ man bie zar Cinlöfung ges 
fegte Friſt verftreichen und einer von beiden Theilen litt bedeutenden 
Schaden. Sn den Zeiten der Kreuzzüge hatten jedoch die Kiöfter weit 
öfter Vortheil, ats Schaden bei folchen Geſchaͤften, indem der Pfand⸗ 
geber oft nicht zurückkehrte, und dann das Grundſtuͤck fuͤt den geringen 
Pfandſchilling dem Darleihenden verblieb. Nur ſchwiegen die Ber: 
wandten Teinedroegs immer ſtill und hätten dern dem gieſter alles wie⸗ 





ber abgenommen , was Ihre Vorfahren diefen uͤberlaſſen hatten. Nicht 
folten mußte dann der Abt in den. mittleren Ausweg willigen und dem 
Sordernden sinen Theil der Güter als Lehn zuruͤckverleihen, ober felbit 
eine Abgabe Übernehmen. Bon bier war der Uebergang zu heftigen 
Maßregein nahe. Markgraf Dito von Meißen hatte ums Jahr 1190 
dem Kofler Zelle zum Heil feiner Seele 8000 Mark Silber gegeben. 
Als aber deſſen Sohn Albert, ber mit dem Water in Zwiſt gelebt 
batte, nach Zelle kam, forderte er das Geld zuruͤck. Voll Vertrauen 
auf die Heiligkeit ded Ortes legten es die Moͤnche auf dem: Altare der 
Mutter Gottes nieder, allein Albert nahm es unbelüimmert mit bins 
we. — Defters gingen aber auch bie Unbilden von dem Adel aus, 
Die Ktöfler mußten dann Geld zahlen, Lehne geben, Land abtreten, 
Jagddienſte leiften, Hunde füttern, theure Regenkleider kaufen u. a. m. 5 
und je Briegerifcher bie Zeiten, deſto mehr Willkuͤhr, Thon um deswil⸗ 
len, weil dann die geiftlichen Gegenmittel am wenigften Eindrud mach⸗ 
sen. Wechfelte Macht und Einfluß, fo kam freifich oft die Meihe ſchwe⸗ 
ven Buͤßens an die Adelihen, und Vergabungen an diefelben, Lehne 
und dergleichen wurden ihnen nicht blos wieder abgenommen, ſon⸗ 
bern fie mußten noch Überdieß zugeben und Kirchenſtrafen leiden, 


- d) Don dem DVerbältniffe der Aldfter zu den 
KRloſter- und Schutzvoigten. Da wir Mehreres Über dieſen 
Seyenftand bereits in dem Artikel: Kirchliche Beamte, die nicht blos 
liturgiſche Gefchäfte verrichteten,. und auch nicht Immer Kleriker waren. 
Bd. IHı p. 428 ff. erinnert haben, fo können wie uns hier kürzer fafs 
fen. Schon früh entitanden, wie wir bort gefehen haben, in den 
bifhöflichen Sprengeln fogenannte Delonomen, benen bie Verwaltung 
ber kirchlichen Güter anvertraut war. ie mußten, wie wir bort 
gefehen haben, Kleriker feyn. Die anfänglichen Kloͤſter mit noch bes 
ſchraͤnktem Eigenthume mochten diefe Einrichtung von der fpäter foges 
nannten Weltgeiftlihkeit angenommen haben. Allein als die Kloͤſter 
mehr Eigenthum erhiflten und größere Gemeinheiten ſich bildeten, änderte 
fi dieß. Das Geluͤbde ſchied die Moͤnche einerfeitd von ber Welt, 
andererfeitd aber flanden fie mit den Weltlichen in fo vielen Verhaͤlt⸗ 
niffen (in Dinficht auf Rechtspflege, Steuererhebung, Steuerzahlung 
und bergleihen), daß fie Laien zur Uebernahme folcher Gefchäfte aufs 
fuchen mußten. Noch mehr bedurften fie eines angefehenen, mächtigen 
Mannes, der fie gegen Angriffe fchügte und ihre Fehden führte. Ende 
lich waren fie buch ihr Grundvermoͤgen, ihre Lehne und bergleichen zus 
Reichtdienſt und Krieg verpflichtet, welchen der Klofter:, Kaft= ober 
Schutzvoigt übernahm. Mithin erſcheint deren Dafeyn fo nothwendig, 
als heilbringend. Aber aus nahe liegenden Gründen artete biefes Vers 
haͤltniß nur zu leichte und zu oft aus. Es würde zu meitläuftig ſeyn, 
alle diefe Ausartungen befonders aufzuzählen. Kolgende aus Klagſchrei⸗ 
ben, Sreidriefen ‚und Verträgen mit Schugvoigten entnonmene Puncte 
werfen ein näheres Licht Über das ganze Verhaͤltniß. 


4) Niemand fol fi zum Voigt. aufdrängen (ein Abelicher, der 
ſich aufdrängte, warb vom Erzbifchofe gebannt, Gudeni ood, I. 466.) 
Mißbrauch der Stelle beendet das Anrecht, | 


2) Niemand ſoll die Gchugvoigtei an einem Dritten yeräufem, 


m — — Ds “— Pur — — — Ba 


— —— al — — — 


Moͤnchthum. 101 


dertauſchen ober verpfaͤnden; Niemand fie theilen ober einen andern 
wur Geſchaͤftsfuͤhrung beftellen. 

3) Die Boigte follen ihr Amt nicht in ein erbliches verwandeln, ober 
gar ein Weiberlehn daraus machen. Sie follen kein Erbrecht an geifts 
lihen Srundflüden erwerben. 

4) Dee Voigt darf die Unterthanen nicht befteuern (tie dieß zur 
Berdoppelung des Drudes wohl geſchehen war), er darf fie nicht ſchla⸗ 
gen oder fonft übel behandeln; er darf kein Gericht halten ohne Zuzie⸗ 
bung ber Schöppen, welche in der Regel aus Leuten des Kloſters ges 
nommen werden. . 

5) Er bat kein Bericht über bie Mönche; ja Innerhalb des Klo⸗ 
ſters deſteht ein Bezirk, wo allein der Burgbann bes Abtes gitt. 

6) Der Boigt darf fein Land in Zins austhun, keine heimgefals 
Imen Grundftüde in Beſitz nehmen, Beine Pächter, Meier, Schulzen 
und Dienſtboten anfegen oder abfegen, keine Bußen eigenmaͤchtig aufs 
legen, Lieferungen oder Vorſpann verlangen; er darf ſich innerhalb bes 
Kloſters nicht anbauen und: daſelbſt wohnen. 

7) Ueber die Sonderleute, d. b. diejenigen, welche unter bem 
Abte ſtehen, hat er gar fein Recht. 

8) Er darf Leute nicht (wie es manchmal geſchah) quälen, bis 
fie auswandern , nicht ihre dadurch erledigten Höfe in DBeflg nehmen. 

9) Die Uebung peinlicher Gerichtsbarkeit verbleibt in der Megel 
em Voigte; aber er foll fih mit dem dritten Theile der Gerichtsein: 
nehme begnügen. Er fol, fo fegen andere Verträge fell, nur auf 
Berlangen des Abtes und mit deffen Zuziehung Gericht halten. 

10) Er wird nur verpflege, wenn er im Kofler etwas zu thun 
hat; keineswegs aber wird ihm Eſſen zugefhidt oder nachgeſchickt. 

11) Es wird beſtimmt, mie viel der Voigt erhalten foll, Gelb, 
Rein, Bier, Fiſche, Fleiſch, Gaͤnſe, Huͤhner, Bier, Käfe, Gebühren, 
Abfahrtsgeld, Schaarwerl, Nachtlager m. f. w. Xroß aller diefer und 
ähnliher Bedingungen fehlte es doc oft den Kiöftern an Macht, fie 
aufrecht zu erhalten, und nur felten erfegten reuige Voigte auf dem 
Zodbette den angerichteten Schnden oder entfagten ihren Anfprücen. 
Auch achteten die Nachfolger nicht immer die Bewilligungen ihrer Vor: 
gänger. Waren jene minderjährig, und gelang es dem Abte die Vor: 
mundſchaft über diefeiben zu erhalten, fo wurde, wo nicht bieibender 
Vottheil erftritten,, doch Linſtweilige Ruhe herbeigeführt. 

Wie viel eine Schuhzvoigtei einbringen. konnte, geht, um ein Bei: 
fpiel zu geben, daraus hervbr, daß der Herzog von Zähringen für bie 
von Et. Gallen im 12. Jahrhunderte 4400 Mark Silber bot, und 
faft noch mehr lieferten im Verhaͤltniß manche Eeinere Kiöfter, fo daß 
anf diefem Wege mittelbar ein Theil ber geiſtlichen Güter und Kin: 
nahmen in weltliche Hände zurüd floß. - 

e) Don dem Derbältniffe der Aläfter zu Röni: 
gen und Raifern. Die Kaiſer ftifteten viele Klöfter vom Reiches 
und Erbgute, und wirkten nicht felten bei den geiſtlichen Dbern dahin, 
daß fie große Vorrechte befamen oder dem Papfte felbft unmittelbar 
unterworfen wurden. Dazu boten diefe nicht allein gern die Dand, 
fondern flellten auch wohl im Allgemeinen. den minder willlommenen 
Grundſatz auf: Stiftungen, die im Wefentlichen unmittelbar unter 





oeee WVwubcebonrchthum. 


en Koͤnigen ſtaͤnden, müßten auch unmittelbar dem Papſte unterwor⸗ 
n ſeyn. Vorſichtige Kloͤſter ließen ſich gern vom Kaiſer und vom 
Japfte Freidriefe geben, und insbefondere ihre gegenwärtigen und künfs 
gen Befigungen beftätigen ; dann fehlte, wie fid) auch die Zeiten fleils 
n, bie Hülfe felten ganz. In ber Regel war ed Gewinn, fih ohne 
wifchenperfon an den König wenden, ihm leiften, liefern und zahlen 
u dürfen, obgleich, Klöfter fih, auf den Fall ploͤtzlich eintretenber Ges 
ıhr, auch wohl die Erlaubniß ausbedungen, einftweilen einen nähern 
Schugherrn anzunehmen. Am nöthigften war biefer oft in Stalien 
egen die Staͤdte; denn bie kaiſerlichen Freibriefe galten dafelbft weniger 
(8 in Deutfchland. Sm Ganzen betrafen diefe Seibriefe vorzugemeife 
ie weltlichen, wie bie. des Papſtes die kirchlichen Rechte, 3. B. 
ehnsmannen bürfen ohne Anfrage dem Kloftee Schenkungen machen, 
as eintommende MWehrgeld gehört dem Abte und den Mönchen, nicht 
em Voigte. Das Klofter fol, wenn der Kaifer in ber Nähe Hof 
alt, nicht mit Einlagerung beſchwert werden, und iſt nur im Noth⸗ 
alle verpflichtet, feine Gefandten aufzunehmen. Innerhalb« einer bes 
Himmten Bannmeile darf kein Herzog, Graf oder Markgraf Gericht 
alten, Leiftungen verlangen oder fi fonft einmifhen. Das Klofter 
ft frei von Zoͤllen für alles, was es kauft und verkauft, oder wenigs 
tens für feinen Bedarf an Wein und Lebensmitteln u. f. w. 

Dhne die Gegenwirkung der Kirche dürften dennoch die melften 
kloͤſter, ſchon während des Mittelalters, alimählig in weltliche Hände 
ekommen feyn. So hatte, um nur ein Beifpiel anzufühten, Wil 
elm I von England bei feinem Tode (außer dem Erzbischume Gans 
erburp und den Bisthümern Salisbury und Winchefter) zwoͤlf der 
eichften Abteien. unbefegt in feiner Hand. Noch oͤfterer bewirken Koͤ⸗ 
ige die Belegung der Abteien entweder auf loͤbliche oder auf tadelns⸗ 
verthe Weile, So wurde z. DB. auf Otto's I. Empfehlung ein zmölfs 
aͤhriges Mädchen —** und umgekehrt konnte Friedrich J. be⸗ 
jaupten, daß nach der Abnahme des koͤniglichen Einfluſſes, viel ſchlech⸗ 
ere Perfonen als vorher, zu geiftlihen Würben und Aemtern kämen, 

f) Don der Berihbtsbarkeit der Klöfter. De 
‚Ugemeine Grundſatz, dag Geiſtliche für ihr Gut und für ihre Perſo⸗ 
ven von jeder weltlichen Gerichtsbarkeit frei feien, nahmen auch die 
tiöfter und Moͤnche für fih In Anſpruch, und machten ihn in dems 
elben Maaße geltend, wie jene. Nicht felten, erftritten fie ebenfalls für 
‚le ihre Leute die eigene Rechtspflege, und. wo man bie Befreiung von 
en Rechtsſpruͤchen der hoͤchſten Landesbehörden noch nicht einrdumte, 
ieß man fie doch für die niedern Stellen gelten. Wie durch die von 
en Königen bewilligte Bannmeile aller weltliche Einfluß innerhalb ders 
elben aufhoͤrte, iſt fchon gezeigt worden. Ohnedieß befreieten Geluͤbde 
ind Kirchengeſetze die Moͤnche von manchen Formen, denen ſich Laien 
interwerfen mußten; doch waren jene, wenn ſie uͤber ihre Mitbruͤder 
eugen wollten, zum Eide verpflichtet, ſobald ihn die Gegenpartei 
licht erließ. 

Trotz aller Beguͤnſtigungen mußten die Kloͤſter oft ſehr langwie⸗ 
ige und koſtſpielige Proceſſe führen, und Adeliche und Städte erſchwer⸗ 
en (über jene Vorrechte zornig) auf alle Weife deren Fortgang. Nun 
ahm ſich der Papft zwar der Klöfter gegen bie Laien bei allen Fragen 


Moönchtchum. 103 


über bie Gerichtsbarkeit ans daß er dieſelbe aber für ſich behielt, hatte 
bisweilen ebenfalls drüdende Folgen. Dieß ergiebt fi fogar aus päpfts 
lichen Sreibriefen, wonach der Abt und die Klofterleute nicht von päpffe 
‚ lien Gefandten außerhalb eines gewiffen Sprengel und nicht über 
eine befiimmte Entfernung von ihrer Deimath vorgeladen werden follen. 
Der Umfang der von Laien an die Kloͤſter ausdruͤcklich Üüberlaffenen 
Gerichtöbarkeit mar nicht immer glei; auch iſt der Gerichtsvoigt nicht 
felten vom Kloſtervoigte verfchieden. Bereinigten fi beide Aemter in 
einer Derfon, fo geftaltete fih Manches anders, als im umgekehrten 
Kalte. In der Regel hatte kein Klofter den Blutbann, fondern lies 
ferte die Verbrecher an die nächften Zentgerichte ab, doch findet ſich, 
dag ihnen (trotz des Srundfages: die Kirche trachte nicht nach Blut), 
die Handhabung der peinlichen Gerichtsbarkeit nicht felten verliehen wurde, 
Die Klöfter behaupteten, daß Verbrecher eine fichere Zufludt in 
ihren Mauern finden müßten, und Laien, die ſich 3. B- ins Jahre 
1240 daran nicht kehrten, mußten in einem englifhen Kloſter Kicchens 
buße thum und wurden gegeißelt. Mehrmals baten Möndye Verbrecher 
vom Tode los und Bleideten fie ein; ja König Roger von Eicilien gab 
dem Abte von Cava das außerordentlihe Recht, Daß er Werbrecher, die 
zum Tode veruriheilt worden, begnadigen bürfe, fofern er ihnen bes 
gegne oder an den Drt ihrer Haft komme. Begüunftige waren auch bie 
 Köfter, was den Reichsdienſt und die Lehnsverhaͤltniſſe betrifft. Die " 
Ktöfter hatten Leben und gingen zu Lehen, und mußten im Nothfalle 
ihre Kloftermannen ftellen. Auch die Steuerfreiheit genoffen fie in eben 
dem Maaße, als fie überhaupt von der Kirche und für die Kirche verlangt 
wurde. Jedoch geriethen fie hier oft mit Biſchoͤfen und Weltgeiftlihen in 
Cotlifion, und kaiferlihe und paͤpſtliche Zuſtimmung mußte in manchen Faͤl⸗ 
fen mit ſchweren Koften ertauft werden. Von Grundftüden, welche ein 
Kofler urbar machte, brauchte es In der Megel keinen Zehnten an Welt: 
geiftlihe zu geben. Ausdehnung bes Zehntrechted auf ungewoͤhnliche 
Gegenflände gelang ben Kıiöftern felten. So fagten z. B. die Fifcher, 
ale man in den Niederlanden den Deringezehnten verlangte, fie woll⸗ 
ten liebet die Mönche decimiren. — Mit den Bürgern in den Staͤd⸗ 
ten wechfelten gute und böfe Berhältniffe. Das, was man dem Klos 
fer, fo lange es Bürgerhäufer und Stellen felbft beſaß, zugebilligt 
hatte, hielt man mit Recht für erlofhen, wenn diefe wieder in Laien⸗ 
bände kamen. Im, Ganzen befaß die Kioftergeiftiichkeit fo viel Anſe⸗ 
ben und Gewalt, daß fie Unbilliges in der Megel zurüdweifen, ja fich 
bisweilen dem Billigen entziehen fonnte; wenn fich aber, mas-feit der 
Mitte des 13. Jahrhunderts oͤfter vorkam, Könige und Paͤpſte über 
ihre Befteuerung vertrugen, und einer dem andern fein Theil abgab, 
ba hatten alle Auskunftsmittel ein Ende, man mußte gehorchen. — 
Zuletzt fei noch die Rede 
g) von der Bewalt, die man oft gegen Riöfter 
ausübte. Dbyleih aus dem VBisherigen hervorgeht, daß das firenge 
Recht nicht immer gegen die Kiöfter beachtet wurde, fo geben wir doch 
noch einige Beiſpiele von frevelhafter gegen fie ausgeübter Willkuͤhr. 
Wie ſehr man fi davor fürchtete, zeigen päpflliche Freibriefe, worin es 
heißt: Niemand folle in den Klöftern flehlen, rauben, euer anlegen, 
Meufhen gefangen nehmen oder tödten. Und in der That kam es 





1. Möndhthum, 


mehrere Male fo weit. Ein Abt z. B. beklagte ſich bei Innocenz III., 
bag ihn die Miniſterialen eines Grafen thätlih gemißhandelt haͤtten. 
Im Sabre 1231 vertrieben Unberechtigte alle Mönche aus einem baieris 
ſchen Kiofter und fegten ſich darin feft, bis Herzog Otto fie bezwang 
und einige aufhängen ließ, Richard Loͤwenherz erpreßte auf das gewalts 
famfte viel Geld von den Gifterzienfern, nachher aber kam es ihm nicht 
darauf an, vor den verfammelten Aebten, angeblich knieend um Ders 
zeihung zu bitten; nur an Ruͤckgabe des Erpreßten war nicht zu denken. 

Am aͤegſten ging es indeſſen wohl in Stalien her. So verbranns 
ten Uebelthäter im Sabre 1106 die Saaten des Kloſters Karfa, plüns 
derten daffelbe, machten aus ben heiligen Gewaͤndern Soldatenhofen, 
fegten einem Efel die Abtsmuͤtze auf, redeten ihn. fpottend an: Gebt 
den Segen, Here Abt! Hierauf zwangen fie einen Mind, die Scham: 
theile und den Hintern eines Eſels zu küflen, warfen einen andern 
nadt mit einem alten Weibe in eine Grube, fchaukelten eine Nonne 
hin und her, nachdem fie bdiefelben bei den Beinen aufgehangen hatten. 
In ſolchen fhandbaren Källen waren bie härteften Kirchenfirafen nicht 
zu flreng. Bisweilen aber hatten doch die Päpfte Veranlaffung, eins 
zeine Mächtige zu fchonen, oder Ihe Bann blieb lange ohne Wirkung. 
Auf Mantua 5. B. laflete, meil einige im Kloſter geplündert hatten, 
das Interdict vorm Jahre 1244 bis 1277. Man wollte keine Genug⸗ 
thnung leiften, oder die Unfhuldigen Eonnten fie nicht erzwingen, ober 
mar bradyte überhaupt den Spruch wicht ſchnell in Erfüllung, 


° 


3. 
Mufit, 


und zwar Inſtrumentalmufik ‚ weil von ber Vokal⸗ 
mufit im Kultus der Chriſten bereitd im” Artikel 
Geſang die Rede geweſen ift. 


I. Rame und Begriff der. Inftrumentalmufil und 
ihr Gebrauch bei gottesdienftlichen Feierlichkeiten im heid- 
niſchen und jüdifchen Alterthume. IT. Diefer Analogien 
der chriſtlichen Vorzeit ungeachtet findet man doch im 
Hriftlichen Alterthbume mehr den Gefang als die Snftrus 
mentalmufit auögebildet. II. Nur nach und nad ges 
winnt diefe Gattung der Tonkunſt im chriſtlich⸗-kirchli⸗ 
den Leben Eingang und ihre höhere Ausbildung gehört 
mehr der neuern und neueften Zeit an. 


Eiteratur. Gerbert de cantu et musica saora. Typis San 
Biasianis 1774. Tom. 1. p. 57 seqgq., befonder& aber Tom. U. 1. Il. 
e. $. überfchrieben: De erganis aliisque instrumentis musicis in 
eociesiam inductis. — Bingh. 1.1. Vol. Vi. p. 26, wo einiges von 
dem Tadel der miusicae theatralis beim Hieronymus vorkommt. — 
Pellicia de politia eooles. Tom. I. p. 256. — Bladmore Ir Thi. 
p. 325. — Fluͤgge's Geſch. des deutfhen Kirchens u. Predigtw. Zhl. 1. . 
p 125. — Forkel Geſch. der Muſik. Lpz. 1788. 2 Thle. 4. — 3. €. 
Däusner Sefchichte des chriftlichen, insbeſondere des evangel. Kirchengeſangs 
umd der Kirchenmufil von Entſteh. des Chriftenthums an bis auf unfere 
Zeit. Quedlinb. 1834. 8 — Fuͤr das Neuere befonders das nuͤtzliche 
Wert: Enspllopädie der gefammten mufifalifhen Wiffenfhaften, oder 
Univerfalleriton der Tonkunſt, bearbeitet von Fink, de la Motte Kouque, 
Dr. Heinroth u. a., unter Rebaction des Dr. Guſtav Schilling. 4 Bde. 
in alphabet. Ordnung. Stuttgart bei Köhler 1835. Es gehören bes 
ſonders hierher die Art. Mufit, Inſtrumentalmuſik, — Blaßinſtru⸗ 
mente, — Drgel, — Gantaten, — Miſſen, — Motetten, — Gans 


torien u. a. Als chronolog. Leitfaden, um bie allmählige Ausbildung . ' 


dee Inſtrumentalmuſik nachzumeifen, iſt auch fehe brauchbar: Geſchichte 


106 ES MU, 


der europäifch «abendländifchen oder unfrer heutigen Muſik, Darſtellung 


ihres Urſprungs, Ihres Wahsthums und ihrer ſtufenweiſen Entwides 
lung. Bon den erſten Jahrhunderten des Chriſtenthums bis auf unſre 
Beit. . Für jeden Freund der Tonkunſt, von R. ©. Kiefewetter. kelp⸗ 
zig bei Härtel 1834. 4. 

I) Vame und Begriff der Inſtrumentalmuſik 
und ihr Gebrauch bei gottesdienſtlichen FSeierlich— 
keiten des heidniſchen und jüdiſchen Alterrbums. — 
Es iſt bekannt, daß das dem Griechiſchen entlehnte Wort Muſik 
urſpruͤnglich von ſehr weiter Bedeutung war. Die Griechen verſtanden 
darunter die fogenannten Muſenkuͤnſte, vorzuͤglich Tonkunſt, Dichtkunſt 
und Redekunſt. Spaͤter wurde der Name Muſik blos auf die Kunſt 
durch Toͤne das Gemuͤth angenehm anzuregen uͤbergetragen, und ſchied 
ſich bald in die Vokal: und Inſtrumentaimuſik. Erſtere beſteht aus 
Toͤnen der menſchlichen Stimme, letztere wird blos von muſikaliſchen 
Inſtrumenten ausgeführt. Daß ale Inſtrumentalmuſik urſptuͤnglich 
eine Nachahmung des menſchlichen Geſanges ſei, kann, wo nicht hiſto⸗ 
riſch, doch wenigſtens phyſiologiſch und philoſophiſch erwieſen werden; 
denn die Toͤne der menſchlichen Kehle klangen dem Ohre zu lieblich, als 
daß der Menſch nicht haͤtte auf die Erfindung kommen koͤnnen, durch 
den Klang todter Körper Toͤne hervorzubringen. Wahrſcheiñlich ent⸗ 
ſtand unter allen muſikaliſchen Inſtrumenten die Floͤte zuerſt, indem 
Leute, welche im Freien lebten, zufaͤllig ein ausgehoͤhltes Rohr an den 
Mund fegten ı und durch Einblafen des Athems einen Ton aus demfels 
ben lodten.- Die Entſtehung der Saiteninſtrumente als mehr zu⸗ 
fammengefester Körper, gehört einer fpätern Zeit an. 

Mie dem nun auch fei, fo ift wenigſtens fo viel gewiß, -daß muff ts 
kaliſche Inſtrumente, Blaß: und Saiteninftrumente, Thon im vorchriſt⸗ 
lihen Alterthume bei Heiden und Juden in vielfältiger Anwendung 
vorhanden waren. Griechen und Römer bedienten fich three bei ihren 
Gaſtmaͤhlern, bei Keichendegangniffen, im Kriege und aud bei ihren 


gottesdienftlihen Handlungen, 3. B. bei felerlihen Opfern. Aber bes - 


fonder® ausgebildet zum veligiöfen Gebrauche erfcheint die Inſtrumen⸗ 
falınufit bei den Juden. Durch David wurde fie mit dem Qempels 
eultus in mehrfeitige Verbindung gebracht. Es führten nämlich 
die Leviten, in verſchiedene Claſſen abgetheilt, die heilige Muſik bet 
feierlichen Opferhandlungen aus. 2 Chron. 29, 25 ff. 80, 21. 35, 
15. 1 Macc. 4, 45. Auch die Propheten fcheinen die Inſtrumental⸗ 
mufit bei ihren Worträgen benugt zu haben, vergl. 1 Sam. 10, 5,, 
“fo wie fie fih im einzelnen Fällen durch diefelbe zu Weiffagungen be: 
geifterten, 2 König 3, 75. Nach Korkel Sefhichte der Mufil I, 145., 
mar die Muſik der Debräer fehr einfah, und es fehlte ihr das, was 
die heutige muſikaliſche Theorie Harmonie zu nennen pflegt. Die ganze 
muſikaliſche Kunft der Hebrder wird ſich alfo auf den Vortrag gemiffer 
einfacher und menig geregefter Melodien befchräntt haben und von ber 
der alten Griechen und der heutigen Drientalen (Niebuhr's Reifen 1. 
175 f. Bolney Reifen I1..325.) im Wefentlihen nicht fehr verfchieden 


geweſen ſeyn. Man fcheint befonderß eine heiltönende Muſik geliebt 


zu haben. Für die Tempelmuſik geht dieß aus ber Befchaffenheit ber 
Inſtrumente (Saiteninftrumente, Floͤten, Cymbeln und dergleichen) herz 


3” 
2= 


21] ce - 


— 24 


ee» u h} “x * 
.. * ‚r . 
— Yu fer Ba 2... 


pr W 


Duft. 107 


vor. Im Allgemeinen wird man aber bie hoben Vorſtellungen, weis 
he bier und da über die bebräifche Muſik, befonders Über die Tem⸗ 
pelmuſik, geäußert worden find, ſehr herabſtimmen muͤſſen, obſchon eine 
erſchoͤpfende und voͤllig klare Darſtellung der muſikaliſchen Kunſt der 
Hebtaͤer bei der Mangelhaftigkeit der blos gelegentlichen Notizen ſich 
nie wird geben laſſen. Iſt man doch ſelbſt uͤber die Muſik der alten 
Griechen noch zu keinem Refultate gelangt. Das wenige uns Bekannte 
ift duch Combinationen mehr oder weniger gluͤcklich in Zuſammenhang 
gebracht. G. Martini Stories della musica. Bologn. 1757. 4. I. C. 
4 segg. — Forkel Geſch. der Mufit I. p. 99 f. — de la Motette . 
da Constant traite sur la poisie et ia musique des Hebreux, Paris 
1781. — Sonne de musica Judaeorum in sacris. Hafniae 1724. 
— Dfeiffer über die Muſik der alten Hebraͤer. Erlang. 1779. 4. — 
Saalſchuͤt Form der hebr. Poeſie p. 329 ff. und Gefchichte und Wuͤr⸗ 
bigung der Muſik bei den Hebräern. Berlin 1829. 8 — 9. 3 
Schneider, Därftellung der bhebr. Mufil. Bonn 1834. 8, 

Die muſikaliſchen Snftrumente der Sfraellten zerfallen in drei 
Glaffen. 1) Schlag: und Bewegungsinftrumente, Tamburin, Beden, 
Zriangel; 2) Blaßinftrumente, Floͤten,, Trompeten, Hörner; 83) Gis 
ther, Harfe u. fe w. Das Belte über’diefe Inſtrumente findet man 
wohl zufammengeftellt in Winers biblifhem Reallexikon, zweite Aufl, 
Artikel: Mufitalifhe Inſtrumente p. 145 ff. 

1) Diefer Analogien im jüdifhen und beidnix 
fhen Rultus ungeadhtet, finder man im dhriftlihen 
Altertbume doch mehr den Geſang als die Inſtru⸗ 
mentalmufit ausgebildet. — Bon, der Ausbildung des 
Sefanges im chriſtlich⸗kirchlichen Leben haben wir in dem Artikel Ges 
fing, der in Pſalmodie und Hymnologie zerfiel, ausführlich gehandelt, 
weswegen wir hier darauf zurkchweifen. Daß man in den erften chrifts 
liden Sahrhunderten keine Spur von Inſtrumentalmuſik findet, läßt ſich 
aus mehr ald einem Grunde nachweiſen. Die gebrüdte Lage ber frühes 
fien Bekenner Jeſu erlaubte die ſchon nicht, da fie ihre gottesdienfllichen 
Berfammilungen fehr oft nur im VBerborgenen und geräufchlos halten mußs 
ten. Ein anderer Grund lag auch in der aͤngſtlichen Beforgniß, nichts vom 
Juden⸗ und Heidenchume anzunehmen, eine Belorgniß, die auch noch 
bann vorherrfchend blieb, als das Chriftentyum mit Gonftantin ſich zur 
Staatereligion erhob. Daraus läßt es ſich auch erfiären, daß bei dem, 
zum Theil ſehr umftändlichen, Befchreibungen des Gottesdienftes in Con⸗ 
Rantinopel, Serufalem, Antiochien u. f. w., dod nie eine Spur von 
Saftrumentalmufit vorkommt. Deffen ungeachtet hat man behauptet, 
daß einzelne berühmte Kirchenlehrer bereits die Sinftrumentalmufit im 
chriſtlichen Kultus erwähnt und empfohlen hätten. Allein betrachtet 
man Ddiefe Stellen etwas genauer, fo ergiebt fi bald, .daß fie nicht 
vom kirchlichen Gebrauche, fondern vom Privatgebrauche fprehen. Was 
die Etelle aus Siemens Alerandrin. Paͤdagog. 1. I. c. 4. betrifft, fo 
erklärt er, daß ein Chriſt nicht fündige, wenn er fih beim Singen 
einer Gither oder Leier bediene. Diefe Aeußerung aber, wie man aus 
dem Gonterte fiebt, bezieht ſich blos auf den Privatgottesdienft.. Eben fo 
verhält es fich auch mit einer Stelle des Chryſoſtom. zu Pf. 150. — 
Mit befonderem Nachdruck bat ſich Durandus auf den Julianus Halle 


u \ 


13108 — Mufit, 


earnaſſis berufen, der zu Anfange des 6. Jahrhunderts lebte, als wel⸗ 


cher geſchrieben haben ſoll, daß zu feiner Zeit ſchon Orgel: und In⸗ 


ſtrumentalmuſik üblich gewefen fei. Allein betrachtet man bie Stelle 
genauer, fo fagt Julian def Erklärung einiger Worte Hiobs Cap. 30, 
81. meiter nichts, als daß muſikaliſche Snftrumente gar wohl beim 
Gortesdienfte gebraucht werden koͤnnten, zumal, da diefes fhon im 


Tempel zu Serufalem gefchehen ſei. Aus diefen Worten läßt fi doch - 


nicht der Beweis führen, daß Inſtrumentalmuſik bereits damals üblich 
gewefen fei. — Wir gehen darum auch ſogleich zu der Wahrheit Über: 
1) Die Inſtrumentalmuſik im hriftlich - Firdhs 


lichen Leben bat fihb nah und nad) verbreitet und 


gebört ihrer höhern Ausbildung nad der neuern 
und neueften Zeit an. — Als einleitende Vorbereitungen kann 
man anfehen den allmählig üblich gewordenen Gebrauch der Drgel 
(f. darüber den bei. Art.), deren man ſich ſchon bediente, um damit in 
der Kirche den gregorianifchen Geſang und die Choräle zu begleiten. 
Bu Anfange des 16. Jahrhunderts fing man ben SFiguralgefang in der 
Kiche an, ben ums Jahr 1440 ein gewiſſer Engländer, Namens 
Dunſtaph, in ſolche Ordnung gebracht haben foll, dag man von ber 
Beit angefangen , Lieder in verfchiedenen Stimmen, nad) Baß, Tenor, 
At, Discant, in liebliher Harmonie abzufingen. Wernsdorf hat in 


feiner Dissert. de primordiis emendatze per Lutherum religionis 


Tom. IV. 8. 9., die verbefferte Kichenmufit unter die Praeludia der 
Kircchenreformation geredet. Wie Luther die Mufit im kirchlichen 
Leben beförderte, und die nüchterne Xrodenheit der Neformirten und 
die Verachtung aller Muſik mandyer Fanatiker niche theilte, haben wir 
im Artikel Gefang gezeigt, und mehreres der Art kommt auch im 
Artitel Orgel vor. | 

Die Erfindung der Menſuralmuſik bewirkte, daß auch der Choral 
im beflimmteren Zeitmaße vorgetragen wurde, und bildete die Harmonie 
weiter aus. Mun wurden Singchoͤre nothmwendiger, und der Gefang 
vorzüglich in Italien zu mehrerem Glanze des religiöfen Kultus ange 
wendet. (S. die oben angeführte Encyklopaͤbie Artikel Italieniſche 
Muſik.) Die Orgeln wurden feit dem 15. Jahrhundert immer volls 
kommener und auch andere Inftrumente in ber Kirche eingefährt, gegen 
welche, fo wie überhaupt gegen die neuere Siguralmufit, die in der 
Inſtrumentalmuſik eine vorzüglihe Stüge fand, fich öfters eifernde 
Stimmen in der Kirche erhoben. Doch waren fie größtentheil® gegen 
den Mißbrauch der Figurals und Inſtrumentalmuſik gerichter, und 


- vermochten diefe nicht aus der Kirche überhaupt zu verbannen. Kine 
neue Periode der Kirchenmuſik eröffnete fih im 15. und 16, Jahrhun⸗ 


dert, und wurde duch große Meiiter in den Miederlanden, in Stalien, 


Frankreich und Deutfchland verbreitet. Bekannt find Luthers Verdienfte 


um den deutfhen Kirchengeſang, für welchen er befonders durch feinen 
Freund Sanffel wirkte. Vom 17. und 18, Sahrhundert an wurde die 
Kirchenmuſik immer glänzender und immer mehr durch weltliche Muſik 
verfülfht. ' | u 

‚ Die Klage über die unvollkommene Ausführung der Kirchenmuſik, 
welche mean ‚häufig wahrnimmt, muß indefien von der Klage über Auss 


» artung der Kirchenmuſik überhaupt unterfchieden werben. Da es der 


Muſik. 109 


Zweck der Kirchenmuſik iſt, die Herzen der Zuhoͤrer zu Andacht und 
Froͤmmigkeit zu ſtimmen, fo muß ſich der Kirchenſtyl durch Ernſt, 
Feierlichkeit, Erhabenheit und würdige Haltung, durch Entfernung aller 
profanen Künfteleien, fchwierigen Läufe und Goloraturen, die allein 
dazu dienen, die dußere Fertigkeit der Sänger und Spieler zu zeigen, 
und Verbannung weltlidy füßer, uͤppiger, leidenfchaftlidher oder ſcher⸗ 
jmder Melodien von dem freien und ungebundenern Style der weltlis " 
hen Muſik, befondere vom Theaterſtyl, welchen man’ dem Kirchenſtyle 
entgegenfegt, unterfcheiden. In Ruͤckſicht des Techniſchen und Akuflis - 
(hen erfordert die Kirchenmuſik große Einſicht, weil größere Gattungen 
der Harmonie und zu ſchnelle Modwationen in den nachhallenden Ges 
wölben großer Kirchen leicht undeutlich vernommen und mißtönend wer⸗ 
den. — Sin der römifc = katholifhen Kirche hat die Kirchenmuſik ihre 
beflimmten Formen des Texrtes, weichen fie fich feſter anfchließt, 3. B. 
den Text der Meſſe oder Miſſa, die Offertorin, Te Drum, Gatve, 
Requiem, Pſalmen u. ſ. w. — Bei den Proteftanten hingegen ha⸗ 
ben fiy Dichter und Componiften neue Formen erlaubt, und es wech⸗ 
feln bei dem gewöhnlichen Gotteebienfte um hell jene genannten 
Stüde lateiniſch gefungen mit deutfhen Motetten, Gantaten, Dratos 
sin ab (die nähere Charakterifirung genannter Kicchenitäde findet man 
in der oben genannten Encyklopaͤdie in den Artt. gleiches Namens), in 
welchen legtern, befonders wenn fie dramatiſch find, fehe oft der Ueber⸗ 
gang ih die Opernmuſik bemerkt worden if. Die größern neuern Comes 
poniften find: Paleſtrina, Allegri, Durante, Morales, Lolli, Scar— 
lati, Orlando Laſſo, Caldera, Leo, Pergoleſi, Händel, Bach, Graun, 
Haſſe, Jomelli, Stuͤlzi, Kerl, Role, Naumann, Schulz, Kunzen, 
Wolf, Epdler, Mich. und Sof. Haydn, Mozart, Vogler, Chermbiniz 
doch find die letztern von Mid. Haydn an nidyt Immer dem galanten 
Stole der weltiihen Muſik ausgewihen. Auch haben wir treffliche 
Bere von Domilius, Telemann, Echmittbauer, Schuſter, Doles, 
Hiller, Schicht, Fiſch, Weintig, Abt, Stadler, Danzi, Winter, ©. 
Weber, Gr. Schneider u. A. — Hiller: Was ift wahre Kirchenmuſik, 
keipjig 1789, und Voglers deutfche Kirchenmuflt, Münden 1807. 


| 4. | 
Naͤchtlicher Gottesdienſt (Vigilien) 
im chriſtlichen Kultus, 


I. Begriff, Name, Urfprung und Feier der Vigt- 
ten. II. Verſchiedene Beurtheilung der Bigilien von 
. Seiten berühmter Kirchenlebrer und Bemerkungen über 
die Pigilien dee Arianer. II. Allmählige Veraͤnderun⸗ 
gen, die mit den PVigilien vorgingen und theilmeiles 
gänzliches Aufhören derfelben, IV. Bigilien in der heu⸗ 
tigen chriftlichen Welt. 


Monographien. 'Vertraugott Klepperbein de ritu vigiliar. 
sacro et profang. Vitebergae 1685. — De vigiliis, eine Abhandl., 
fleht in den observ. eccles. Pfanneri. — De sacris nocturnis Aut. 


M. Joh. Georg. Weber. Lips. 1719. — Ueber bie Bigilien. In - 


den Nordalbingifhen Blättern Hft 5. Hamb. 1821. p. 301 ff. 

Ilgemeinere Schriften. Bingh: Origin. Vol, IX. 
p. 45. und p. 146. — Baumgartend Erläuterung der chriſtl. Alterth. 
p. 324 f. — Augufti in f. Denkwuͤrdigkk. handelt nidht im Zuſam⸗ 
menbange darüber, fondern nur gelegentlich in mehrern Theilen f. Bu⸗ 
ches. — Schoͤne's Geſchichtsforſchungen über die kirchl. Gebräuche III. 
Thl. p. 258 ff. — Rheinwalds kirchl. Archaͤologie (mehr kurze An⸗ 
deutungen) p. 169—198. 239. 

1) Begriff, Ylame, Urfprung und Seier der Di. 
gilien. — Die Gewohnheit der frühen Chriſten bis tief in die 
Macht im Gebete, mit Gefang- oder bei andern gottesdienſtlichen Er⸗ 
munterungen in den kirchlichen Verſammlungen zu verweilen, oder vor 
Tagesanbruche in gleicher gemeinfchaftlicher Abſicht zufammenzufonmen, 
nennt man mit einem gemeinfhaftlihen Namen Vigilien (vergl. den 
Artikel Agape Nr. 1.) Wahrfcheinlih gab zu diefem Namen. jene 
Selbſtbeherrſchung Veranlaſſung, die um chriftliher Andachtsuͤbungen 
willen fi auch den Schlaf verfagen konnte. Nacturnae preces defi⸗ 


niert daher Du Fresne =. h. v. die Vigilien, quibus veteres elim . 


Christiani vacabant. Sie haben die Analogie bes jüdifchen und heidni: 
[hen Alterth. für fih. Die Juden fingen nämlich jedesmal ihren Tag - 


mit dem vorhergehenden Abende an, daher auch die Feier ihrer Feſt⸗ 


tage immer vom Sonnenuntergange des vorigen Tages gerechnet wur⸗ 


. 


⸗ 


Naͤchtlicher Gottetdienſt. 111 


de. ©. 2 Buch Moſ. 12, 6. 4 Buch. Moſ. 29, 5. (S. d. Art. 
Sabbath in Winers bibl. Reallex.) Auch die heidniſchen navsuyldsc 
konnten wenigſtens ſpaͤter mit als Vorbilder dienen. Was nun die 
Wahl des Namens Vigiliae betrifft, fo giebt dafür Chrysostom. hom. 
l. de verb. Jes. ungefähr bdenfelben Grund an,. der bereits von uns 
bemerkt worden if. Ambrofius hingegen zu Pf. 119. V. 147. leitet 
den Ramen von der Gewohnheit Sefu ber, die Nacht im Gebete zuzus 
bringen. Jedoch der Grund bdiefer nächtlihen Andachtsuͤbungen liegt 
viel näher, fie waren bei der früheflen Verbreitung bes Chriſtenthums 
ein Werk der Nothwendigkeit, indem die neuen Belenner Sefu, durch 
jüdifche und Heidnifche Verfolger gezwungen, ihre gottesdienftlichen Vers 
fommlungen auf die Nachtzeit verlegen mußten. Darauf deuten ſchon 
N. T. Stellen hin, Act. 12, 12. 20, 7. Joh. 20, 19. Daſſelbe 
ergiebt ſich auch aus andern Zeugniflen. Plinius in dem belannten 
10. Br. ad Trajan. nennt diefe Berfammlungen nocturnos und ante- 
hıeanos, und mas wohl zu erwägen ift, die aͤltern Apologeten vers 
theidigen fie nur als ein Werk der Nothwendigkeit, nicht aber als In⸗ 
fitute, die für alle Zeiten Empfehlung verdienten. — Get es nun, 
daß man aus Gewohnheit diefe nächtlichen, religiöfen Zuſammenkuͤnfte 
lieb gewonnen bite, oder daß die Macht überhaupt die. Gemuͤther feier 
licher fimmt und zur Andacht erhebt, kurz man findet auch da noch 
Spuren diefes nächtlichen Gottesdienftes, wo die Chriften nicht mehr 
von Außen ber in ihrem aͤußern Kultus geftört waren. — Anfangs 
fheint man die Naht vor jedem Sonntage, mwenigftens in einzelnen 
Gegenden, fo gefeiert zu haben. Allein von diefer Sitte wich man bin 
und wieder wohl früh ſchon ab, theild weil ein gewiſſes Uebermaaß 
von Andachtshbungen in Verbindung mit dem Sonntage veranlaßt 
wurde, theils weil fich die feftlihen Tage ohnehin vermehrten, theils 
weil fi auch bereits bittre Klagen über die Mißbraͤuche der Bigilien 
vernehmen ließen. Nach Aufhoͤren der fonntäglihen Wigilien biicben 
doch die Vigilien vor den hohen Feflen und vor Epiphanien und Dims 
melfahrt noch gewöhnlich. Beſonders war berühmt die fogenannte 
DOftervigilie, von welcher ausführlicher gehandelt worden ift in dem Art. 
Sabbatum magnum Nr. Il. b. Borzüglich erhielten fi) noch lange 
die Bigilien an den Denktagen ber Märtyrer. (S. den Artikel März ' 
tyrerfefle.) Ja auch auf befondere Beranlaffungen wurden zumeilen 
Vigilien gefeiert. So veranftaltete der Kaifer Conftantin nah Been⸗ 
disung der nicänifhen Synode in feiner neuen Hauptftadt einen fols 
hen naͤchtlichen Gottesdienft, wobei er in der ganzen Stadt Wachs⸗ 
kerzen und Sadeln anzünden ließ, damit, wie Euseb. vita Const. 
M. IV. 22. fih ausdrüdt, die Nacht heiler zum Durchwachen fet, 
als ihn die Sonne zu erleuchten im Stande wäre. — Was nun die 
Feier derfelben anbetrifft, fo verfteht ſich von felbft, daß Anfangs, als 
den Chriften nur nächtlicher Gottesdienſt zu Halten vergonnt war, alle 
anderwärts erwähnten Beſtandtheile der Öffentlichen Gottesverehrung, ale 
Gefang, Gebet, Predigt und Abendmahlsfeier, in denfelben üblich wa⸗ 
m. Die mag auch noch lange der Fall bei den Vigilien an den 
Mörtprerfeften und vor den oben genannten Feſttagen her Fall geweſen 
ſeyn, wofle ſich mehrere Zeugniffe anführen laſſen. Bei den Sonn⸗ 
togspigifien mag man aber fchon früh die Liturgie abgekürzt und in 








18° Mächelicher Gottesdienſt. 


gereiffe Gebete und Gefänge verwandelt haben. Die Bigillen waren 
in diefer Geſtalt nur eine Art von Dalbfeier, beftehend In Pfalmodte, 
Hpmnologie und einigen Gebetöformularen. Die ſich darauf beziehen» 
ben kirchlichen Ausdrüde werden im naͤchſten Abſchnitte ihre Erklaͤ⸗ 
tung finden. ' 

1) Derfhiedene Beurtheilung der Digilien von 
Seiten hriftliher Kirchenlehrer und Bemerkungen 
über die Digilien der Arianer. — In ber Periode von 
Gonftantin dem Großen bis. auf Gregor den Großen (zu Ende des 6, 
Sahrhunderts) mögen diefe Vigilien noch fehr im Gebrauche gemefen 
fepn, daher wir fie auch von berühmten Kirchenlehrern des 4. und 
5. Sahrhunderts erwähnt finden. Schwankend erklaͤrt fiy darüber Bas 
filius, der,in feinen Reden am Oſterfeſte die vorhergehenden Vigilien 
datd lobt, bald tadelt, je nachdem er von dem dabei Worgefallenen 
unterrichtet worden war. Standhafter im Lobe derjelben iſt Ehryſoſto⸗ 
mus, welcher der Bigilien häufiger in feinen Homilien erwähnt und 
fie ayounvlag auch dinvexeıs oraosız xal nayrııyovg nennt. En ftellt 
die Bigitien als etwas fehr Löbliched und Verdienſtliches vor und ver 
gleiche die, welche daran Theil nahmen, mit den Sgaaren ber Engel, 
welche flet6 den Thron Gottes fingend und preifend®umgeben. Oben 
fängen die Heere der Engel den Preis, auf der Erde thäten es die 
Menſchen in Chöre getheite in der Kirche u. f. wm. — In Afrika was 
ven die Vigilien ebenfalls üblih; denn Auguflinug fagt: „Das Bott 
„babe die ganze Nacht mit dem Bifchofe in der Kirche durchwacht und 
„feine Mutter fei dabei zugegen gewefen.” — Am merkwürbigften iſt 
jedoch der Streit, der zwiſchen Bigilantius und Hieronymus Kber das 
Abſchaffen oder Beibehalten der Vigilien geführt wurde.‘ Vigilantius, 
jener freifinnige Presbyter, das fittlihe Werderben in ber Kicche, und 
befonder6 bei dem Klerus, ſchon damals erfennend umb bitter tadelnd, 
führe, wie es fcheint, unleugbare Thatfachen davon an, daß die Bis 
gilien durch viele ſchaͤndliche Handlungen der Völlerel. und Wolluft wäs 
ren entweiht worden. Dagegen bietet Hieronymus alled auf, um dem 
Tadel des Vigilantius zu entkräften. Die Ausfchweifungen jener Leute, 
entgegnet. er, dürften frommen Menfchen nicht zugerechnet werden. In 
dem Sommentar Aber Dan. 4, 13. nennt er die Vigilien, wie Chryſoſtomus, 
eine Nahahmang von Eingelsverrihtungen. Doch warnt er in einem 
Briefe an feine Freundin Läta, fie folle In den Vigilien ihre Tochter keinen 
Singer breit von ſich laſſen. — Aus einem andern Schriftfleller des 





6. Zahrhunderts, Sidonius Apollinaris 5. B. 17. Br., erfährt man, - 


daß jegt noch die Bigilien vor ben Zeiten der Märtyrer gefeiert wurden. 
| Im Zeitalter des Chryſoſtomus verdienen auch noch bie Vigilien 
ber Arlaner erwähnt zu werden, welche ſelbſt zu einem gefährlichen 
Aufruhre VBeranlaffung gaben. Die Arianer durften innerhalb der 
Ringmauer keine Kirchen haben, fie nerfammelten ſich daher an müs 
chentlichen Feſttagen, d. i. am Sonnabende und Gonntage, in einem. 
Säutengange der Stadt und fangen Wechfeigefänge, welche die Grund⸗ 
fäge ihrer Lehre enthielten. Dieſes trieben fie den größten Theil ber 
Nacht hindurch. Mit der erften Morgendaͤmmerung gegen fie, derglei⸗ 
hen Wechfelgefänge fingend, zu ben Thoren hinaus, nad ben Orten, 
wo fie ihre Verfammiungen zu halten pflegten. De biefe Gefänge 


Naͤchtlicher Sotteßdierft. 188 
aufköpige Stellen gegen bie Gleichweſenhelt des Sohnes enthishen, ins 
bem fie oft die Strophe wiederholten: „Wo find bie, welche fagen: 
„Drei find eine Kraft!” fo befürchtete Johannes Chrpfoftomus, die 
Unwiffenden unter feiner Gemeinde moͤchten dadurch von ber Kirche 
abgezogen werden. Er ſtellte daher mehrere von feinen Leuten auf, 
weldye ebenfaüs in ber Nacht Hymnen fangen, um ben Bemühungen 
ber Arianer entgegen zu wirken und die eigenen Mitglieder im Glauben 
zu ſtaͤrken. Obgleich dieſe von Chrpſoſtomus getroffene Einrichtung 
ſehr zweckmaͤßig ſchien, fo entſtand doc ein gefährlicher Aufſtand dar⸗ 
aus; denn um bie naͤchtlichen Verſammlungen der Rechtglaͤubigen zum 
Lobe der Gleichweſenhelt des Sohnes glänzender und wuͤrdevoller zu 
machen , hatte die Kaiferin Euboria filberne Kreuze, auf welchen Wachs⸗ 
kerzen brannten, auf ihre eigenen Koften machen laſſen. Dieß ents 
flarmmte den Unwillen der Arianer, bie deshalb im der naͤchſten Nacht 
einen Aufruhr ersegten, wobei nicht nur der Kaͤmmerer der Kaiferin 
verwundet wurbe, fondern auch mehrere Dienfchen daB Leben verloren. 
HDierüber wurde der Kaifer ſehr aufgebracht, und unterfagte den Aria⸗ 
nern Pünftig ihre Hymnen öffentlich zu fingen. Jedoch müflen bie 
Arianer noch lange, we fie es ungehindert thun konnten, die Bigilien 
beibehalten haben; denn ungefähr ein Jahrhundert fpäter finden wir, 
baß Zheoborich, der Gothenkoͤnig, (indem die Gothen und andere germa⸗ 
nifhe Volksſtaͤmme dem Arianismus anhingen) diefen Bigilien beis 
sohnte, um feinen Eifer für den Glauben gu eigen. Vergl. Side: 
aius Briefe DB. 2 Br. — Dieb mag auch der Grund feye, war: 
um die Vigilien ſelbſt in ber rechtgläubigen Kirche trotz aller Klagm 
einzelner Kirchenlehrer und Synodalbeſchluͤſſe längere Zeit fortdquerten. 
Man fücchtete den Arianern nachzuſtehen, die mit ihren nächtlichen 
Gottesverehrungen und ihren fchönen Hymnen aligemeinen Beifall 


sineruteten. 

. 311) Allmäbhlige Deränderungen, die mit den 
Digilien vorgingen, und gänzlihes, theilweiſes 
Abſchaffen derfelben. — Es mußten doch zu fihreiende Miß: 
braͤuche bei ben vesfhiedenartigen Vigilien ſich gezeigt haben; denn 
ſchon im 35. Can, des Conc. Kliber. a. 805. wurde ben Frauenzim⸗ 
mern ausdrüdlich verboten an den Bigilien Theil zu nehmen; denn es 
heißt hier: Piäcuit prohibere, ne feminae in ooemeterio pervigilent, 
20, quod saepe sub obtentu orationis latenter scelem cemmittun- 
‚sur. Wie nad und nad bie Wigilienfeirg abgeändert und endlich in 
ber abendlaͤndiſchen Kirche groͤßtentheils abgefchafft wurde, zeigt Poly- 
der. Vergil, de rer. invent. }. Ill. e, 8. Nach einer Verordnung 
aus dem 6. Jahrhunderte durften die Vigilien niche mehr auf freien 
Plaͤten, 3. B. auf Kirchhoͤfen, gehalten werden. Allmäpli fing man 
an die Sonntagsvigilien zu beſchraͤnken, und verwandelte fie in 
Veſpern, welche Sonnabendse am Ende des Nachmittags gehalten 
wurden, oder in einen Krühgotsesdient (offielum matutinum, das 
ber Frühmetten). Daraus erklären fih auch in ber ſpaͤtern Kickhens 
fpracye des Abendlanbes die Benennungen officia matutina et vesper- 
tina, horae lucernales, psalmi matu:ini et vespertini und bergleis 
hen. Bis ins 13. Sahrhundert find die Vigilien im Abendlande faft 
gänzlich abgeihafft, wenn man etwa die Klöfter und einzelne Gathes ' 

Siegel Yandtu IV 8 





14° Nächtlicher Gottesdienſt. 


dralkirchen ausnimmt. Man hatte nach und nach flatt der Sonnabends⸗ 
vigilien das Sonnabendsfaften eingeführt, was aber die griedhifche Kies 
che ſtets gemißbilligt hat, mie fie denn auch, immer einige Bigilien vor 
den hohen Feſten bis auf den heutigen Xag beibehielt. Noch ift zu 
bemerken, daß die römifche Kirche das Wort Vigilien in einem eigen 
thümlihen Sinne entweder von dem ganzen officio pro defunctis, 
oder von einzelnen Liedern und Gebeten braucht. Du Fresne s. h. v. 
Vigiliae i. e. officium, quod pro defunctis canitur, quomodo etiamnum 
ppelat Vergl. uͤber dieſen Sprachgebrauch den Artikel Verſtorbene. 
IV) Vigilien in der heutigen chriſtlichen Melt. — 

Nur noch ſchwache Spuren ſind jetzt in dem chriſtlichen Kultus von 
den alten Vigilien vorhanden. Das Meiſte davon hat ſich jedoch noch 
in der griechiſch⸗katholiſchen Kirche erhalten. Hier werben noch von 
den Prieftern und den fogenannten Calogeris die $eftvigilien gefeiert. 
Doch es giebt auch noch einen jährlich wiederkehrenden Morgens und 
Nachtgottesdienft in der griechiſchen Kirche am Charfreitage und am 
Sonnabende vor Oftern,- von welchem das Noͤthige bei den beſondern 
Artikeln Charfreitag und Sabbat. magn. erinnert worden iſt. In der 
roͤmiſch⸗katholiſchen Kirche iſt die Sache fo gut wie verſchwunden, doc 
der Name Vigilie in der Bedeutung als dies profestus, d. h. Tag 

vor einem Feſte, beibehalten worden. Nur etwa die eihnachtsvigitie 
oder auch Mette iſt davon ausgenommen, doch fol in einigen Cathe⸗ 
draffichen und Kloͤſtern die alte Wigiltenfeter noch übrig fern. — 
Daß in der proteftantifchen Kirche die Vigilien nicht gänzlich abgefchaffe, 
find (wiewohl die fpmbolifchen Bücher fie mehrmals unter den abzus 
ſchaffenden Mißbtaͤuchen mit aufführen) beweifen unter andern die Chrifts 
metten, welche in vielen proteftantifchen Ländern nod bis auf den heu⸗ 
tigen Tag gewöhnlich find und über deren Mißbrauch fo fehr geklagt 
wird. Doc bat in den neueften Zeiten ein Gottesdienft in den Abend⸗ 
ftunden am Borabende des Neujahrstages hin und mieder im prote: 
ſtantiſchen Deutfhland viel Beifall gefunden. Auch fand der Ver 
faffer in einer ganz neuen Schrift (Eſſen bei Bädeder 1830: Fliedners 
Collectenreiſe nach Holland und England. ıc.) den Umftand erwähnt, 
daß in der reformirten Kirche in Holland dergleichen Abendgottesdienfte 
gewöhnlich und zahlreich befucht wären. Schubert in’ feiner‘ Schrift: 
Schwedens Kirchenverfaſſung fagt p. 418 1. Thl.: „In vielen Pros 
„vinzen find bie Chriftmetten am erften Sefltage Fruͤhmorgens um 5° 
‚Abe noch gewöhnlich und die Erleuchtung der Kirchen wird einer Rei⸗ 
„henfolge nad von den Dörfern beſtritten.“ Bekanntlich find auch in 
der Brüdergemeinde nächtlihe Andachten eingeführt und die Charfrei⸗ 
tags- und Dftervigilien werden mit großer Feterlichleit gehalten. Auch 
die Neujahrsvigilie iſt finnreih und erbaulih angeordnet. Vergl. 
Schulze von der Entftehung und Einrichtung der evangel, Brüdergem, 
p. 145. Will man übrigens eine warme Vertheidigung des nächtlis 
Sen Gottesdienſtes lefen, fo findet man fie in Horſts Myſterioſophie 

2. Thl. 1827. p. 617 — 25. 


8. 


NRarrenfeſte, 


beſonders im ſpaͤtern, chriſtlich⸗ abendlaͤndiſchen 
Kultus des Mittelalters. 


J. Name, Begriff, Urſprung und allmaͤhlige Aus⸗ 
bildung dieſer Feſte. IL Welche Narrenfeſte und auf 
welche Art man ſie beſonders im ſpaͤtern Mittelalter zu 
feiern pflegte. III. Bemühen der kirchlichen Geſetzgebung, 
diefe unwuͤrdigen Feſte zu verdrängen, | 





Literatur. Jo. Beleth de dirin. öffie. e. 72%. — G. Du- 
randi Rationale div. offic. I. VII. ec. 15. — Memoires potr servir 
ü Phistoire de la fete des foux, qui se faisait autrefols dans plu- 
sieurs eglises, par M. de Tilliot & Lausanne et & Gendre 1751. 
(die Haupefchrift über dieſen Gegenſtand). — Du Fresne Glossar. 
& v. Calendae seu festum Calendat., auch a. v. Cerrula. — Melde 
ners Geſchichte des Mittelalters 2. Bd. p. 246 ff. — Floͤgels Geſch. 
der Eomifchen Literatur enthält verhaͤltnißmaͤßig nur wenig über biefen 
Gegenſtand. — Schroͤckh's chriſtl. KG. Thl. 28. p. 271 — 73. 

D) ame, Begriff, Urfprung und allmählige 
Ausbildung der Llarrenfefte. — Man verfieht darunter 
Parodien auf kirchliche Feſte und Feletlichkeiten durch luſtige Schwäne 
‚und niedere Poffenreißerei, beſonders von Seiten des unten Klerus. 
Wie man diefe Kefte befonderd von den Heibnifchen Saturnalien her⸗ 
leitete, die am 1. Januar die Römer feierten, haben wir im Artikel 
Beſchneidungsfeſt Thl. 1. ps 208 ff. gezeigt. Dort iſt auch von une 
bemerkt worden, daß die. anfangs geringere Zahl der Chriften in ber 
Mitte der zahlreichern heidnifchen Bevoͤlkerung Biefen feftlichen Tag 
mehr als einen Buß⸗ und Trauertag feierten, wodurch fie ihren Ab: 
[deu gegen heidniſche Ausſchweifungen zeigen mwolltet. Sa, es Toll 
fogar ein Epotts und Hohnfeft von Selten der Chriſten eingeführt 
worden ſeyn, mit weldhem fie die Ausfchweifungen der römifchen Gas 
tumalien parodirten. Als nun aber nad und nad der Paganismus 
ganz verſchwand und die Bevoͤlketung rein chriftlich wurde, fo hörte zwar 
der Zweck des Feſtes auf; aber das Spottfeſt dlieb, To wie Manches 
von den altım Satımmalien, ‚weil fih das Volk ungern ge ber Freude - 


116 | Narrenfefte . 


und Ergöglichkeit nehmen Tief. Schwieriger jeboch iſt der Umſtand zu 
. erklären, wie e8 kam, daß man dergleichen Poffenreißerei in die Kir 
chen verlegte und folhe von dem niebern Klerus geübt wurde. Der 
Verfafler hat nirgends in den Quellen, die ihm zu Gebote flanden, 
etwas darüber finden können. Zwar fagt Fuhrmann in feinem Hand» 
wörterbuche der chriftlichen Religions: und Kirchengefchichte in dem 
kurzen Artikel Narrenfeft: „Als feit dem 12. Jahrhundert fich die 
„Ritterſpiele auch in die Kirchen einfchleihen wollten, fcheint e6, daß 
„das Narrenfeft, welches die Diaconeg und Subdiaconen und der nies 
„bere Klerus fogar in ben Kirchen gab, entilanden iſt.“ Wenn nicht 
vielleicht unter Ritterfpielen hier etwas anderes zu verſtehen iſt, ale die 
fogegannten Furasere, Die doch unmoͤglich in den Kirchen gehalten wer⸗ 
ben konnten, fo weiß ber Verfaſſer keinen Klaren Sinn In diefer Aeu⸗ 
ferung zu finden. "Er vermuthet vielmehr, daß das alte Hohnfeſt ber 
Saturnalien von Seiten der geringeren Chriftenzahl unter einer noch zahlrei⸗ 
F heidniſchen Bevoͤlkerung ſich beſonders in Verſpottung prieſterlicher 
Felerlichkeiten demerkbar gemacht habe. Dieß trug man auf den chriſt⸗ 
lichen Klerus uͤber, und die Geſchmackloſigkeit des Zeitalters, ſo wie der 
zu gleicher Zeit beliebte Gebrauch geiſtlicher Comoͤdien in Kloͤſtern und 
yon Laien aufgefuͤhrt, erklaͤren dag Uehrige. 
1) Welche Narrenfeſte und auf welche Art man 
“ fie befonders.im fpstern Mittelalter 3u feiern 
pflegte! — So mie biefe Feſte nicht allenthalben einerlei Namen 
hatten, fo wurden fie auch nicht allenthalben um diefelbe Zeit gefeiert. 
Gewoͤhnlich beging an die Marrenfefle um Weihnachten und Neus 
jahr, mie bie alten Satumalin. Wie an den Saturnalien her 
Woͤmer die Sclaven die Rolle ihrer Herren übernahmen, fo fpielten 
an, ben Narrtenfeften die Diaceni und andere geringere Bedienten ber 
Kirchen und in ben Kloͤſtern die Laienbruͤder die Perfonen ihrer Vor⸗ 
geſetzten. Man wählfe in den Klöfteen einen Abt und an den Kicchen 
einen Biſchof, oder Erzbifchof, oder Papft der Narren, je nachdem 
eine Kirche einem Bilchofe, oder Erzbiſchofe, oder dem Papfte gehörte 
oder unterworfen war. Diefen neuerwählten Abt oder Biſchof u. f. w. 
bekleidete man mit allen Inſignien der nachgeäfften Würde, führte ihn 
unter großer. Begleitung in die Kirche und ließ ihn alle heilige Hands 
Jungen der Perfon verrichten, weldye er vorftellen follte (vergl. die oben 
angeführten Memeoires von Tilliot p. 5—7), fo daß er zulegt ſelbſt 
den Segen ertheilte. Die Begleiter und Gehlilfen deſſelben beftanden 
qus jungen Geiſtlichen, welche auf die feltfamfte Art verkleidet, und 
entweder mis Magken bededit oder mit allerlei Karben beftridhen waren. 
Diefer wilde Haufe tried fhon Auf dem Wege nach der Kirche den 
—8 Muthwillen, der in der Kirche und bei dem Ruͤckzuge aus 
er Kirche einen beinahe unglaublichen Grad erreichte. Waͤhrend der 
angebliche Biſchof alles, was den Chriſten des Mittelalters heilig und 
ehrwuͤrdig par, yahäffte, tanzten die Perſonen ſeines Gefolges die 
unzuͤchtigſten Tänze, fangen die unzüchtigften Lieder, fpielten auf dem 
Altare mir Wuͤrfeln, aßen Wuͤrſte oder amdere Ledferrien, und warfen 
altes eher oder andere ſtinkende Dinge in das Rauchfaß. Wenn man 
Aus der Kirche zurücfehrte, fo tanzte und ſchrie man Immer fort, und 
manche Geifiliche odar quch Laien, die ſich in den sofenten Bug milde 





Nartenfefle. | 117 


tm, entkleldeten ſich auf öffentlicher Straße gänzfih. Sehr ofe fehte 
man den Biſchof oder Erzbiſchof und Papſt der Narren auf einen - 
elenden Karren, von welchem man auf die Vorkbergehenden Schimpfe 
teben und Koch herabwarf. 

Wie des Feſtes der Narrenbiſchoͤfe, fo erwaͤhnt jener Zeitraum 
eines gewiſſen Gfelsfeftes, das zwar kein gotteddienftlihes war, aber 
doch von den Beiftlihen in den Kirchen gefeiert wurde. Es gehört, 
wie das oben beſchriebene Zeil, zu den Beweiſen von dem damaligen 
tiefen Berfalle der Religion, weil man eine poffenhafte Darftelung 
der heiligen Dinge zum wilden Volksbeluſtigung entweihte. Seit dem 
9. Jahrhundert warb es angeblich zum* Andenken des Eſels, auf wels 
hem Chriftus in Serufalem einzog, befonders in franzoͤſiſchen Kirchen, 
zu Weihnachten gefeiert. Auch erhielt ſich biefe irreligioͤſe Sitte viele 
Jahrhunderte. Das Feſt hatte fogar feine eigene Liturgie von Gefäns 
gen, welche Du $reöne ini Glossar. a. v. Fest. Asinor. p. 402 segq. 
mittheilt. Bei der Einführung des mit einem Chorhemde bededten 
Efels in die Kirche ward ein pofjenhaftes Lied gefungen, wovon wit 
bier einige Steophen mittheilen, 

Orientis partibus 
Adventavit asinus 
Pulcher et fortissimus 


Sarcinis aptissimus 
He, Sire Ave Hé. 


> 


Hic in collibus Siosen 

Enutritus sub Ruben 

Transilt per Jordanem 

Salut in Bethlehem 

He; Sire Ave, Hé etc. 
(Das Lied finder ſich bei Tilliot p. 16 — 16.) Am Ende ber Gere 
monie ſchrie der Priefter dreimal wie ein Eifel und das Volk antwor- 
tete dreimal darauf in eben dem Tone. Vergl. Floͤgels Geſchichte des 
Grotest : Komifhen p. 167 — 70. — Teutſcher Merkur 1784. IV. p. | 
79 —85. — Hübeli’s Vorleſungen über die chriſtl. KG. 2ted Hft. 
p. 97—99. — Schroͤckh. Thl. 28. p. 273. Vergl. auch den Ark. Palmfeſt. 


UND Bemühen der kirchlichen Gefeggebung, die 
fe unwürdigen Sefte zu verdrängen. — Die Mißbraͤuche 
dabei waren fo groß, daß fie auch in den finfterften Jahrhunderten 
alten Bernünftigen und Gutgefinnten auffielen. Göncilien, Päpfte und 
andere Haͤupter der Kirche unterfagten fie daher ſchon vom 12. Jahr⸗ 
hundert an, und dieſe Verbote wurden faſt in jedem Menſchenalter wie⸗ 
derholt. Solche Verbote aber hatten eben ſo wenig Wirkung, als die 
von andern zuͤgelloſen Feſten oder verderblichen Mißdraͤuchen. Die 
Narrenfeſte dauerten allenthalben bis in das 16. Jahrhundert fort, und 
im 15ten behaupteten ſelbſt Geiſtliche, daß dos Narrenfeſt eben ſowohl, 
als das der Empfängnig Marid von Gott gebilligt fei, und nicht we⸗ 
niger beilfame Wirkungen hervorbringe. „Unſte Borfaheen ,” fagten 
die Vertheidiger der chriftlihen Saturnalien (Tilliot aus dem Ger- 
son p. 30), „waren große und ehrwuͤrdige Männer. Diefe haben das 
„Narrenfeſt aus weiſen Grönden eingefegt. Laffet uns leben, wie fie, 
„und dann auch thun, was fie thaten. Wir feiern das Narrenfeſt, 








118 Narrenfeſte. 


„um uns unſchuldig zu ergoͤtzen, bamit bie Nartheit, bie uns ange⸗ 
„boren wird, wenigftens einmal im Jahre recht ausbrechen kann. 
„Faͤſſer mit Wein würden fpeingen, wenn man ihnen nicht von Zeit 
„zu Zeit Luft ließe Mir alle find alte Fäffer, die fchlecht gebunden 
„Ind, und welche ber Wein der Weisheit würde fpringen machen, 
„wenn wir ihn buch eine unaufhörliche Aufmerkſamkeit im Dienfte 
„Gottes fortbraufen ließen. Dan muß ihm bisweilen zinige. Kleine 
„Srholungen geben, damit er fih nicht ohne Nugen verliere.” — 
Aehnliche Gründe führte man aud für das Eſelsfeſt an. 
Bon Rom aus fam man felbft zur Einfiht, wie hoͤchſt unſchick⸗ 
ih diefe Seter fel. Der päpfttiche Legat ließ im Jahre 1191 durch den 
Bifhof zu Paris Ddg und einige Domherren dieß Feſt aufheben. Die 
Pariſer Synode verbot es ebenfalls, dennoch erhielt es fi) noch lange ins 
13. und 14. Jahrhundert, wenn es auch gleich die Sorbonne 1444 un: 
terfagte. Selbit 1530 gab es noch in England einen Knabenbiſchof. 
Mehrere Kicchenverorbnungen rügten es vergeblih. Endlich verbot das 
Concil zu Bafel in der 21. Seffion mit Nahdrud diefen Mißbrauch, 
ſo wie alle Jahrmaͤrkte und Schmauferelen in den Kirchen. Niemand 
ſprach übrigens flärker dagegen, als ber vortrefflihe Nicolaus von 
Clemangis in feinee Schrift: De novis eelehritatibus non instituendis. " 


6. 
Delung, letzte. 


I. Der Begriff der letzten Delung, wie ibn die tö- 
miſche Kirche beitimmt, ift weder im N. T. noch im 
hriftlihen Altertbume gegründet. - II. Warum und wann 
nahm der einfache und alte Gebrauch des Salbens die 
Seftalt des Sakraments der lebten Oelung an, und mie 
verhalten fich bier die römifche und griehifche Kirche zu 
einander? IN. Eigentbümliche Grundfäße, nach welchen 
dieſes Saframent in der römifchen Kirche verwaltet wird. 
IV. Anfichten feit der Reformation von dem Sakra⸗ 
mente der lebten Delung und theilweiſes Fortbeſtehen 
deffelben im der heutigen chriftlichen Welt. - 


Literatur Aktlgemeinere Schriften, die nebf 
andern arhäologifhschriftlihen Begenftänden von 
derlegten Delung bandeln. Die meiften Schriften der Art 
gedenken der legten Delung als eines fpätern Gebrauchs nicht, wie 
+ B. Bingham, Bladmore, Baumgarten, Rheinwald. Schöne in ſei⸗ 
nen Geſchichtsforſchungen 1. Thl. p. 392, und 3. Thl. p. 450, erwähnt 
etwas Weniges. Meitläuftiger und gründtich handelt davon Augufli in _ 
einen Dentmürdigkeiten Thl. 9. p. 464 — 493. 

Mionograpbien. De sacramento eXtremae unctionis. 
Auet, Hartmanno Springlio Tigurino. 1613. — Ph. Faber dispu- - 
tatt. theol. de rentitut, et extrema unctione. Vened. 1625. Fol. — 
Jo. DaHaei de duobus Latinor. ex unctione facramentis, confirma- 
tione et extrema unetione disput, . Genev. 1659 (zeigt, daß die 
köte Delung aus der Bibel nicht bewiefen werden kann, und daß fie 
auch in den erfien Zahrhunderten gar nicht üblidy war). — J. Mabillon 
de extreme unctione in der Praef. ad Acta SS. ordin. Bened. Secul. I. 
Paris 1668. Fel. p. 47 segg. — Jo. Launoi de sacramento unctionis. 
inffrmorum. Paris 1673. — Samhoeuvius (De sainte Beure) de extre- 
me unctione. Paris 1686. — Sacror. elaeoshrismatw» myrothecia 
tria, .Anctore Fortunato Scacehi. Rom 1625. 3 Bde. 4. Amste- 
lod. ap. Franeise. Hallmann. 1710. Fol. (Ein Werk, worin faft alles 
zuſammengetragen ift, road man über den Gebrauch des Deis findet.) — 


N 


120 Delung, legte. on 


Christ. Kortholt dissert. de extrema unctione in dissert. Anti- 
Baron. D. VI. p. 163 seqgg. — Agnello Onorato Diss. dell’ estre- 
ma unzione, o sia dell’ antico e lodevol rito di s. chiesa nel? 
amminiastrare all’ infirmi la s. unzione prima di dar loro il via- 
tico. In Dissertazzioni ecclesiast. del medesimo. (Lucea 1737. %) 
p. 114— 137. — A. J. Rosshirt expositio doctrinae cathol. d 
' sacramento extremae unctionis. Würzb. 1791. 4 — J. F. Grebner 
de sacramento extremae unctionis, &bendaf. 1797. 4. — Sof. Glaͤ⸗ 
fer die Rrankendlung in ihrer bibl. und hiſtor. Begründung. Regensb. 
1831. 8. — Eine fpecielle Monographie, das Gebetöt der griechiſchen 
Kirche betreffend, iſt von Chr. Sonntag Animadversiones in Metro- 
phanis Critopuli Conf. ecel. oriental. c, XIII. de Euchelaeo. Alt- 
dorf 16986, In alleiniger Beziehung auf bie in der heil. Schrift 
erwähnte Salbung und bie Stellen Mec. 6, 13., und Jac. 5, 14. 
insbefondere J. And. Schmid De curatione morborum per oleum. 
‚ Jena 1695. 4. (audy in feiner Decas dissertat.,, — _Cornel. Hazar 
doctrina 8. Jacobi Apostoli de extrema unctione aegrotorum. 1661. 
— Conr. Ikenii de unctione aegrotor. preeibus junota et mutua 
offensionum confessione. Bremae 1749. 
I) Der Begriff, wie ihn die fpätere römifche 
Birde von der legten Oelung beftimmte, iſt weder 
. T. noch im driftlihben Alterthbume gegrün: 
det. — Noch ein neuer Schriftfleller über die katholiſchen Kicchenz- 
gebräuche, naͤmlich Grundmapr in feinem oft angeführten liturgifchen 
Lexikon ꝛc. p. 251, nennt die legte Delung ein heilige Sakrament, eine 
Salbung mit dem gemweihten Dele, welche der Priefter an dem Kopfe, 
an den Händen und Füßen eines gefährlich Frank liegenden Chriften nach 
Einfegung Chrifti und der Verordnung der Kicche vorzunehmen pflege. — 
Wie immer, fo ſuchen audy hier die Lturgifhen Schriftflelfer der roͤmiſchen 
Kirche diefe religiöfe Keierlichkeit aus dem N. T. oder wenigftens aus 
bem chriftlihen Alterthume abzuleiten; allein beides wohl nice mit 
großem Gluͤcke. Zuvoͤrderſt beruft man ſich Hier auf zwei Stellen im 
N. T., auf Mrc. 6, 13. und Jac. 5, 14 f. Jedoch in der erftern 
Stelle ift von wunderbaren Deilungen der Apoftel die Rede, wo bie 
Salbung NRebenfahe war, und in der legtern Stelle wird die Heilung 
nit vom Salben, fondern nah 5, 14. ausdrüdlih vom Gebete her: 
geleitet. Wenn aber audy dieſe Stellen fo viel bemweifen, daB man zu 
damaliger Zeit dem Dele eine befondere Kraft zufchrieb, fo bezog man 
doch offenbar dieſe Kraft auf die Heilung der Krankheit felbft, nicht. 
aber auf religiöfe Zwede, am wenigſten auf die Zubereitung zum Ster⸗ 
ben. Daß man aber da6 Salben als ein Heilmittel gebrauchte, laͤßt 
ſich aus der Gewohnheit des ganzen Drientes, fo wie der Juden ins⸗ 
befondere nachweifen. In der Kürze findet man darüber viel Belchrendes 
in Winers biblifhem Reallexikon unter den beiden Artikeln Arzneikunde, 
Salbung. — Mile wenig aber das fpätere Sakrament, die letzte 
Delung, fi biblifh begruͤnden laͤßt, eben fo ſchwer und fafl noch 
ſchwerer iſt es den Vertheidigern der fieben Sakramente geworden, bie 
legte Delung aus dem dhriftlichen Alterthume abzuletten. Im Allge⸗ 
meinen berief man ſich darauf, daß ja der Salbung haͤufig genug bei 
den Schriftſtellern der frühen Jahrhunderte Erwaͤhnung geſchehe. 


Dslung ’ letzte. 121 


Mein proteftantifchee Seite zeigte man immer flegreikh,, daß entweder 
diefe Stellen von der Salbung bei der Taufe oder Confirmation hans 
drin, oder aus fchriftlichen Ueberreſten entiehnt freien, deren Unaͤchtheit 
ſich entfchieben nachweiſen laſſe. Ausführlih und gründlich finder 
man diefe Behauptung ausgeführt in Auguſti's Denkwuͤrdigk. Thl. 9. 
n 469, und man gewinnt durch ihn das Ergebniß, daß das Sakra— 
ment der fogenannten lehten Delung erft eine Erfindung des fpätern 
Rittelalters ſei. Im ganzen genommen möchte ſich bier nichts 
Veſſeres fagen Laffen, als was von Flügge: Geſchichte des deut⸗ 
[ten Kirchen- und Predigtweſens 2. Thl. p. 63 bemerkte worden 
ft: „So wenig es ſich auch behaupten läßt, daß fchom die alte Kirche 
„6 Saktament dee legten Delung als ſolches und in der ſpaͤtern 
„som kannte, fo wenig läßt fi) Doch auch leugnen, daß fie die Krans 
„ten zu falben pflegte, und die Kranten für diefe Welt z& erhalten. 
„8% war eine Salbung der Kranken mit Del ‚überhaupt, aber feine 
„lezte Delung, die man-fannte und anmwandte, und am wenigiten ein 
„Sakrament, das man ihnen mittheilte. Es war ein Ritus, ben 
„man von dem älteflen Zeiten an beibehielt, der aber bis ins Mittels 
„alter herab nur die Seneſung ded Kranken und nicht feine Blnftige 
„Seligeit zum Zwecke hatte. ben: fo wenig follte fie dienen dent 
„Kranken Vergebung feiner Sünden zu verfhaffen. Sie konnte den 
„Satehumenen- eben ſowohl als den getauften Chriften ertheile werden, 
„und Laien tonnten fie in feüheen Zeiten fo aut ertheilen, als Geiſt⸗ 
„ide. Darum ſprach man auch nur von der unetio infirmorum et 
„energumenorum, und nicht von der unctio extrema oder exeun- 
„tum, wie die tridentinifhe Spnode das Sakrament auch rannte.” 
I) Warum und wann nahm der alte Bebraudı 
des Salbens die Beftalt des Sakraments der les 
ten Belung an, und wie verhalten fi bier die röds 
miihe und griehifdhe Birdhe zu einander? — Es iſt 
ei mehreren der fieben Sakramente, welche die roͤmiſche Kiche ans 
nimmt, nicht ganz leide nachzumeifen, wie und warum fie fi fo ges 
tade ausbildeten und geflalteten. Dieß gilt auch von ber legten Des 
lung. Im Allgemeinen möchten fi nun folgende Urfahen anführen 
laſſen: Die miyflifhe Deutung der Kircyengebräuche wurde, wie wir 
öfters ſchon bemerkt haben, früh vorberrfchend im chriftlichen Kultus. 
Bald ging man einen Schritt weiter, und was man früher nur 
mpftifch gedeutet: hatte, dem ſchrieb man bald eine hyperphyſiſche Kraft 
zu. Damit vereinigte fi) das Beſtreben, den Stand der Kleriker im⸗ 
mer mehr zu heben und Ihn als recht eigentlich vermittelnd zwifchen 
Bott und den Menſchen zu betrachten. Mit diefen allgemeinen Gruͤn⸗ 
den, weraus ſich bie eigenthuͤmliche Geſtaltung des Sakraments der 
legten Delung erklaͤren läßt, flimme überein, was Walch in feiner 
Einleitung in die Meligionsftreitigkeiten außerhalb der roͤmiſchen Kirche 
fagt (2. Th. p- 405 f.). „Die letzte Delung,” bemerkt er daſelbſt, 
„iſt nach und nad anfgelommen. Den Gebrauch der Salbung, ber 
„iemliche Zelt gedauert hatte, wollte man nicht gern abkommen laſ⸗ 
„fen. Gleichwohl aber, da man fah, baß dieſer Gebraudy wie vors 
„ber nicht mehr die Wirkung that, fo war man barauf bedacht, bie 
„Bade in eine andere Form zu bringen. Man fing an, ihm eine 


19 | Delung, lehte. | 


„andere und zwar eine geiftliche Wirkung für bie Seele belzulegen, 
„weshalb man fie auch auf bie Zeit verlegte, wann das Lebensende 
„berbeitommen wollte.‘ 

Die eigentliche Ausbildung aber diefes Sakraments rührt von den 
Scholaftitern her, befonders duch das Bemühen des Deren Zombars 
dus Sentent. I. IV. distinet. XXIII. Thom. Aquin. I. IV, distinet, 
25. — Hugo de St. Victore de saerament. 1. Il. e. 2—$. u. a. 
Von ihnen wurde diefer Gebrauch ald Sakrament ausgeprägt, und zwar 
in der Reihe ale das fünfte, und jetzt ſcheint auch der Name unetio 
oxtrema entſtanden zu ſeyn, da fruͤherhin nur die Benennung visita- 
tio et unetio infirmorum gewoͤhnlich war. Vom 12. Jahrhunderte 
an iſt dieſer Ritus in der abendlaͤndiſchen Kirche faſt allgemein ge⸗ 
braͤuchlich, und bildete ſich im Fottgange der Zeit ſo aus, daß 1409 
Papſt Eugenius IV. auf dem florentiniſchen Concil die ſich darauf 
beziehenden Lehrſaͤtze beſtaͤtigte, und verordnete, daß die letzte Delung 
als Sakrament angeſehen werden ſolle. Sa bier kommen ſchon beſon⸗ 
dere Einzelnheiten vor, indem verordnet wird, daß man dazu Olivenoͤl, 
von einem Biſchofe geweiht, nehmen ſoll. Auch ſind die zu ſalbenden 
Glieder naͤher bezeichnet, ſo wie die Formel, womit dieß geſchehen ſoll. 
Dieß alles beftätigte ſpaͤter die tridentiniſche Kirchenverſammlung. Das 
ſelbſt heißt es Sess. XIV. can. I. Si quis dixerit, extremam unctio- 
nem non esse vere et proprie sacramentum a Christo Domino nostro 
institutum et a beato Jacobo apostolo promulgatum, sed ritum 
tantum acceptum a patribus, aut figmentum hunanum, anathema 
nit. Jedoch ijt zu bemerken, daß trog diefer Spnodalbefiimmung die 
Lehrer ber römifhen Kirche nie ganz einig über den Urfprung, die 
Wirkung und die Ausübung‘ diefes vermeintlichen Sakraments gewe⸗ 
ſen ſind. 

‚Was nun die griechiſche Kirche betrifft, fo bat fie wenigſtens ein 
ähnliches Sakrament, welches fie aber nach ihrer Praxis Euchelaepn — 
Gebetoͤl, nennt. Man nimmt dazu reines Baumoͤl und fihreibt Dies 
fem Gebrauche die Wirkung zu, daß es die Sünden bei wirklich Buße 
fertigen wegnehme (Goar ad Eucholog.), und auch zuweilen die Ge: 
ſundheit wieder ſchenke. (Vergl. Jeremias in Actis Wirtemberg. p. 79 
und Conf. Graeo. p. 181.) Auch bie Griechen leiten ihr Euchelaion. 
aus den oben angeführten N. X. Stellen Mre. 6, 17. uno ac. 5 
414. ber. Allein auch fie vermögen nicht ein Zeugnig dafür aus dem. 
chriſtlichen Atterthume anzuführen, fondern fie berufen ſich nur auf die 
gar nicht beftrittene Zaufs und Gonfirmationsfalbung, wie Sonntag, 
ig dee oben angeführten Monographie de Euchelaso p. 16 seqq., 
gezeigte hat. Deineccius 3. 1. Thl. 2. Cap. 6. p. 197 f. bat gut darge⸗ 
than, daß im Zeitalter wenigſtens der frühern griechifhen Kirchyenväter 
dieſes Sakrament nicht habe Statt finden können, ja etmas Aehnliches 
von diefem Gebrauche hatten jene felbft an den Balentinianern und 
andern Haͤretikern als Aberglauben yemißbilligt, wie man fih aus 
Izonaeus adv. haeres. I. 1. 0. 18. Epiph. haeres. 36. u. w. ber: 
zeugen könne. Ob fih nun aber gleih auf dieſe Art beweiſen laßt, 
daß die Griechen ihe süyeAuroy weder bibliſch noch alterthümlich docu⸗ 
mentirt nachweiſen koͤnnen; fo erfährt man doch nicht, in welche Zeit 
des Anfang diefes Ritus zu ſetzen feyn möchte So viel iſt gewiß, 





Delung, lehte. 1 


bag Johannes Damafcenus, ein Hauptgewaͤhremann ber griechiſchen 
Dogmatit, von biefem Gebrauche gar nichts weiß. Daß nun, wie 
Miele haben behaupten wollen, die yriechifche Kirche diefen Gebrauch 
fpäter von der römifhen entiehnt habe, widerlegt Beilarmin. de ex- 
trema unetione fehr beſtimmt, wenn er fagt: Accedat denique testi- 
monium ecelesise Giraecae, quod ideo pondus suum habet, quia, 
cum constet, Graecos non Acccpisse auos Titus a Tomana cocclesia, 
prassertim ab annis. plus quingentis, quibus a nobis separati fuo- 
rant, certun est, ea in quibus convenimus, esse antiquiora schis- 
matibus et haeresibus, quae postea natae sunt. Man urtbeilt darum 
im Allgemeinen wohl richtig, daß die Lehre vom eurdägıor der fpätern 
Theologie in der griehifhen KHiche nah Joh. Damafcenus angehöre, 
Senn aber bei ben irenifhen Berfuchen, die abend und morgenidns 


diſche Kirche wieder mit einander zu vereinigen, befonders von Seiten der . 


Moͤmiſch⸗Katholiſchen ein großes Gewicht darauf gelegt wird, daf beide 
Kirchen in der Lehre von den Sakramenten und In der Zahl berfelben 
ds Bereinftimmten ; fo ift dieß Überhaupt und befonders in Beziehung auf 
Die legte Delung ungegrünbet. Hier weicht die Praris der griechifchen 
Kirche wefentlidy von der abendländifchen ab, indem die Griechen nicht 
bis auf die legte Todesſtunde warten, um die Delung anzuwenden. 
Sie brauden vielmehr das Del fogleih, wenn Jemand von einer 
Krankheit befallen wird, ſo daB fie oft diejenigen Kranken falben, bie 
noch in die Kirche geben können. Auch finden fie nichts Unfchidliches 
darin, daS fie diefe Salbung an einem und demfelben Menfcyen fo oft 
wiederbolen, al& er von Neuem krank wird. Daher bat es auch nicht 
an Xheologen der römifchen Kirche gefehlt, welche die Griechen eines 
Aftergebrauch® dieſes Sakraments befhuldigten. S. Launoi de sa- 
eramento unctionis infirmorum, Auch haben die Polemiker ber römis 
fen Kirche nicht Urfache ein fo großes Gewicht auf die Uebereinflims 
mung ber Griechen mit den Abendländern in Abdfiht auf bie Steben» 
zahl der Sakramente zu legen, indem biefe keineswegs fo groß if, als 
man vorgiebt, theils auch viel fpäter und nie ganz übersinftimmend 


Statt gefunden hat. Vergl. Maertene de antig. eccles. - ritib. L 1. 


o. VIE. ant. 2. Was hingegen den Aberglauben betrifft, weichen bie 
Griechen bei dieſem Gebrauche zeigen, fo fcheinen fie die Roͤmiſch⸗ 
Katholifchen noch zu überbieten. 

1): Zigentbämlihe Grunbfäge, nah welchen 
848 Saframent der legten Delung in der römifchen 
Kirche verwaltet wird. — Disfe laſſen ſich beziehen 

a) auf die Perfonen, melde fähig find, die legte Delung 
zu empfangen. Die Taufe ift hier ein Haupterforderniß, fo daß alle 
Ungetaufte, alle Nichtchriſten von der legten Delung ausgefchloffen 
wurden. Dahin redhnete man aud Kinder, bie noch nicht zum vols 
im Gebrauche ihrer Vernunft gelangt voaren. Wahnfinnige, die ihres 
Berftandes gänzlich beraubt find, unbußfertige Mifjechäter, die wegen 
ſchwerer DBerbrechen zum Tode verurtheilt worden waren,- alle Mens 
fen, welche fich im Zuſtande vollkommener Gefundheit und Kraft 
befinden. In diefen Brundfägen” blieb man fich fo ziemlich gleich. 
As Megel wurde angenommen, daf bie communtonsfähigen Kinder 
auch bie legte Delung empfangen konnten, ſelbſt wenn fie ned wicht 


[ 


v7 Delung lette. 


wirklich communieirt hatten. Da man nun ſpaͤterhin die Communion 
ſchon im 7 — 8. und 9. Jahre geſtattete (f. den Artikel Abendmahl), 
ſo befchränfte man auch bier die frühern Perceptionstermine auf biefes 
Aiter. Doch blieb man ſich bier nicht gleich. Spnodalflatuten aus 
dem 13. Jahrhunderte fegerr auch das 14te, zumeilen da® 15. Lebens⸗ 
jaht fell. Wenn übrigens die furiosi und dementes erwähnt werden, 
fo nahm man davon Fieberkranke und vom pföglichen Wahnfinne Ers 
griffene aus, zumal wenn Ihe anderweitiger tadellofee Wandel bekannt 
war. Daß man aber ſchweren Verbtechern die legte Delung verfagte, 
erklärt fih aus dem, Umftande, daß biefe, Feierlichleit gewöhnlich mit 
dee Abſolution und Euchariftie ‚verbunden wurde. Miüfte man naͤm⸗ 
lich Jemanden wegen Verbrechen, die mit Kirchenbuße und Ercommus 
nitation verbunden waren, die Abſolution verfagen, fo galt dieß auch 
nothwendig don der legten Delung. Daraus bildete ſich nun ein an⸗ 
derer allgemeinere Grundfag, nämlih dir: Mer im articulo mortis 
abſolvirt und zur Euchariflie zugefaffen wurde, der konnte auch das 
Sakrament der Sterbenden empfangen. Darin liegt aud der Grund, 
warum man barauf beftand, daß bie legte Delung erft auf die Abfos 
lution und Euchariſtie folgen follte. Was nun 

b) ®rt und Zeit betrifft, fo hat fi auch darüber der 
Natur der Suche nad) eine feftere Obfervanz im der römifchen Kirche 
gebildet. Wenn man hier nur Schwachen und Kranken die legte Des 
lung reicht, fo fallen vor ſelbſt feſtgeſetzte Termine weg und der Grad 
der Krankheit beitimmt diefelben. Auch wird jegt des Kranken Woh⸗ 
mung und. das Krankenlager felbft als der natürliche Ort vorausgefegt, 
wo dieſes Sakrament empfangen wird, fo daß auch von der lebten 
Delung der Rame Privatfalrament paffend if. — In der griehifhen 
Kirche mußte dieß anders fen, ba e8 hier gebräuchlich war, auch den 
Gefunden, befonders am gruͤnen Donnerflage und ohne vorhergegans 
gene Buße das. Euchelaeon zu ertheilen. S. Leo Allatius de con- 
serisu etc. I. HI. oc. 16. Auch außer dem grünen Donnerstage, follten 
ſich die Candtdaten dieſes Sakraments, wo möglich in der Kirche ein⸗ 
finden und aus Metrophanes Critopuius Goar und aus aͤndern ſpaͤ⸗ 
tern Schriftſtellern über die griechiſche Kirche ſieht man, daß die Haus⸗ 
oͤlung gleichſam nm als Ausnahme von der Megel Statt gefunden 
babe. Zeigt fih nun auch in der lateinifhen Kirche früherhin etwas 
Aehnliches, fo hat man bier fpäter die legte Delung immer als ein 
Saoramentunr privatum und domesticam betrachtet. Doc ſcheint die 
Sitte, da8 Del am grinen Donnerftage zu weihen, fih aus früheren 
Zelt Herzufchreiden und mit der geiechifhen Kirche zu harmoniren. — 
Ob die Krankenſalbung miedechoft werden dürfe, ift bejahend durch die 
Beſchluͤſſe des Cone. Trident. beantwortet. Deſſen ungeachtet ift die 
Frage von kathollfchen Theologen aufs Neue aufgefaßt worden, indem 
ber einige Sakramente batd wicht wiederholt werden, wie bei der Taufe, 
Drdination und Eonfirmakion, bald aber auch wiederkehren, role das 
Sakrament dei Buße ımd der Euchariſtie, weshalb auch die extreme’ 
umetio ſtets mit dieſen zwei letzten Saframenten in genaue Verbin— 
bang gefegt wird. Jedoch finden nach Dorandi ration. divin. oflie. 
8-1. 0. 8 zwei Beſthraͤnkungen State, naͤmlich, daß die letzte Delmg 
du nm Individurn birinen Jahresfriſt nur einmal vollzogen - werben: 


Delung, Iehte. 185 
barf, auch wenn baffelbe mehrmals erkrankt, und banp'‘, daß bie Inte 
Delung, vom Biſchofe verrichtet, von einem Priefter nicht misderheit 
werben darf. Daß dagegen hier bie Griechen eine Wiederholung un⸗ 
bedenklich geſtatten, ift aus dem Obigen Bar. 

co) In Beziehung auf die Srage, von wem die 


fe8 Salrament 3u verwalten fei, flellen die roͤmiſche und 


griehifhe Kirche nah ac. 5, 14. deu allgemeinen Grundſatz auf: 
Minister hujug seeramenti ascerdos est, wozunter im der roͤmiſchor 
Tirche der Biſchof mitbegriffen tl. Die Griechen urgiren den Plural 
rovb zgeoßuregovg tig dxxhnolas, und folgern dareus, daß nicht ip, 
ſondern mehrere, und zwar ſieben Prieſter dieſes Sakrament adminiſtri⸗ 


ten ſollen. Um das Rothwendige dieſer Siebenzahl zu erweiſen, ſheint 


man ſich eben nicht gluͤcklich auf Dis ſieben Todſuͤnden, auf die ſieben 
Gaben des Heiligen Geiſtes berufen zu haben. Den veuern Scheift⸗ 
flellern über die griechiſche Kirche, welche behaupten, daß es mit dieſer 
Siebenzahl nicht fo genau genommen werde, widerfprit Leo Allatius 
1. e. 1. 8. 0. 16., Indem er zeigt, daß drei Priefler nur die geringfie 
Zahl bei der Salbung fei und dlos für den Nothfal erlaubt werde, 
Nicht nur in Conſtantinopel, fondern auch in andern Kirchenordnungen 
werde eine jebe, von weniger als drei Prieftern ertheilte Salbung für 
ungültig erklärt, und felbft mit der Abfegung beſtraft. Auch ini Occi⸗ 
dente müflen früperbin mehrere Salbungspriefter vorfommen, indem 
unter andern die Waldenfer. Diefeu Gebrauch auch deshalb tadeltem, 
weil dabei mehrere Priefter nöthig wären. Dieß mag aber bie Zeit 
berühren, wo im Abficht auf die Drffentlichleit der Salbung eine aͤhn⸗ 
liche Praris im Morgen» umd Abendlande Statt fand. Später aber, 
als in der römifhen Kirche die Salbung ein Sacramentum privasym 
wurde, bildete*fih die Dbfervanz, daß nur ein Prielter die Salhung 
zu verrihten habe, mit mehrern fcharfen Nebenbeſtimmungen aus. 
Darum heißt es in der Agenda Colon. eccl: 1614. p. 104: Qum- 
vis autem plures sacerdotes ad presandum adesse possipt, NnUs 
tamen idemque sit oportet, qui infirmum ungit et fermae verba 
pronuntiat, Näher wird ebendafelbft noch beſtimmt, daß der eigent⸗ 
liche Paſtor, unter beffen Parochie der Kranfe gehört, die Delung zu 
verrichten habe, es fei denn, daß er einem andern befählgten Kieriker 
Dazu den Auftrag gebe. Diefe Verordnung iſt in fofern zweckmaͤßig zu 
nennen, als dadurd) das Parochialverhältniß, befonders Durch die Moͤn⸗ 
che, weniger. geftört werden kann. 

d) In Anfebung der Waterie dieſes Sakra— 
ments unterfheiden die Esfuiflten und Scholaftis 


Ber eine materiam remotam et proximam. Jene 


it das Oleum benediotem, diefe die unetio ipsa, ober Der aetus 
unctionis. Am grünen, Donnerftage hat der Biſchof eine dreifache 
Delweihung vorzunehmen. 1) Oleum pre infireis, 2) Oleum 
ad chrisws, &) Oloum ad Catechumenas. Die Art, wie die 
geſchieht, findet man in dem oft angefühuten Lexikon won Grund⸗ 
map, Artikel gruͤner Donnerſtag. Mod, weitlaͤuftiger verbreltet 
ſich daruͤher ein friherer liturgiſcher Schriftſteller der roͤmiſchen Kirche 
Honor, Augustedun. 1. 8. ©. 60 — 82. Dieſes am gruaͤnen Donnaet⸗ 
finge zum Behufe bes legten Delung gemeißte De wird. in einer‘ 


- 





| 
v 


‘ 


u 


Flaſche aufbewahrt und für jeden noͤthigen Fall bad Etforberliche dar⸗ 
aus genommen, Reicht es. nicht aus, fo kann der Geiſtliche etwag 
feifches Olivenoͤl dazu thun und mit dem bereits confecrirten vermifchen. 
Hier weichen die Griechen abermals ab, Indem das Salboͤl für jeden 
befondern Ball confecrirt wird, und zwar von fieben, im Nothfalle auch 
nur von drei, Prieflen. S. die oben erwähnte Monographie von 
&onntag de Euchelaio p. 31. Nach Metrophanes Gritopulus nehmen 
die Griechen auch zuweilen Wein zu ihrem Euchelaion. 

e) Auch endlich In der Art, wie die letzte da 
lung ertheilt wird, findet man bet Griechen unb 
S.ateinern verfhiedene Bebräuche. Folgende fieben Theile 
werden nach den Decreten der florentinifchen Kirchenverſammlung anno 
1429 gefalbt: 1) Oculi. 2) Aures. $) Nares. 4) Os. 5) Mr 
nus — propter quinque sensus. 6) Renes, ubi est sedes concu- 
pisoentiae.: 7) Pedes ob vim progressivam et executionem. Bier 
auf Hat man fih in ber Regel in der römifchen Kirche befchränft, doch 
ift e6 zur Sitte geworden, Statt der Nieren bie Bruſt zu falben. 
Vergl. Bellarmin in extrem. unct. c. X. p. 1290. — Allgemeiner 
drüdt ſich das Conc. Trident. Sess. XIV. c. 1. aus, wo dad vom 
Biſchofe geweihte Del bie Materie des Sakraments heißt, wodurch die 
Gnadenwirkung des heiligen Geiſtes abgebildet werde. Die Form aber 
beſtehe in den Worten: Per istam unctionem indulgeat tibi Deus, 
quidquid peccasti per vikum, auditum, gustum, odoratum et tactum. 
Sonach würden nur die fünf Sinnesorgane zu falben ſeyn. Jedoch 
muß fi die Praris auch noch für Hände und Füße entſchieden haben, 


‚wie man bieß aus dem Artikel legte Delung wahrnehmen kann. Um 


den Kleinigkeitsgeiſt diefer Kirche in folhen Dingen kennen zu lernen, 
will der Verfaſſer nur folgende Worte aus dem genannten Artikel ause 
beben: ' Einem kranken Priefter werden bie Hände bei Ertheilung dies 
ſes Satramentd nur von außen gefalbt, weil felbige ſchon bei der 


‚Driefterroeihe von innen gefalbt worden find. 


Ob man gleih auf der flocentinifchen Kirchenverſammlung anno 
1429 das verfchiedene Ritual beider Kirchen bei der legten Delung für 
unweſentlich erklärt hatte, fo proteflirten doch bie riechen dagegen feit 
1442, wo fie das florentiniſche Concordat wieder aufhoben. Wiewohl 
einzelne fpätere Schriftflellee über die griechiſche Kirche In Befchreibung 
des Satbungsrituals abweichen, flimmen fie doch darin überein, daß 
fie die Kreugesform bei der Salbung an den verfhiedenen Körpertheis 
fen abzubilden fuchen und eine fiebenfahe Salbung vorziehen, wie 
fi) das weiter unten ergeben wird. Ohne Ruͤckſicht auf das übrige, 
oft willkuͤhrliche und lokal verfchiedene, Ritual zu nehmen, fällt es auf, 
baß die römifhe Kirche als formula solennis nur eine deprecatoria 
wählt, da fie fonft einen. gewiffen Abfolutismus bei Verwaltung ber 
Sakramente liebt. Bellarmin de extrem. unct. e. 7. p. 1266, giebt 
davon den Grund an, weil dieß Salrament fei quasi poenitentia quae- 
dam infirmorum, qui non possunt jam facere opera poenitentise, 
Ideirco, fährt er fort, hoc interest inter haeo duo sacramıenta, 
quod in sacr. poenitentia requiritur confessio et satisfactio et pro- 
inde opera laboriosa ex parte suscipientis sacramentuni: unde ibi 
est justitia et misericordia, in hoc agtem sacramente est sola Dei 


s 


, 


Delung , lebte. 187 


mnisericordia et ideo dieitur; Indulgeat tibi Deus eto. 
Wergleiht man nun die Praris beider Kicchen in Abſicht auf das Ris 
tuelle dieſes Sakraments, fo muß man an ber griechifhen Liturgie dem 
Charakter des Erbaulichen und Bibliſchen, hingegen die laͤſtige Länge 
derfelben tadeln. Lobenswerth ift in der römifchen Kirche die zweckmaͤ⸗ 
Bige Kürze, bei welcher im Nothfalle noch Auslaffungen erlaube find. 

IV) Anfihten feit der Reformation von dem 
.Saframente” der legten Delung und tbeilweifes 
Sörtbefteben deffelben In der heutigen criſtlichen 
Birdhe. — In Luthers Bekenntniſſe vom Abendmahle Chrifti, 
welches man feine große Gonfelfion zu. nennen pflegt (ſ. Luthers 
Schrift nach der Walchſchen Ausgabe p. 1118 ff.), erklärt ſich Luther 
folgendermaßen darkber: ‚Die Detung ließe ich geben, wenn man fie 
„nah dem Evangeliften Mic. 6, 15. und ac. 5, 14. bielte, und fie 
„bei den Kranken mit Gebet und Ermahnung verbände. - Aber ein 
„Sakrament daraus zu mahen if nichts, eben fo wenig als Ehe, 
„Prieſteramt und Buße eins find.” — Auf ähnliche Weiſe erklaͤrten 
ſich auch reformicte Theologen, obgleih unter andern Hugo Grotius 
(vergl. Schroͤckh's KG. feit der Reform. Thl. 5. p. 318) die letzte 
Delung, wenn auch nicht ald Sakrament, doch als fombolifhen Ges 
brauch beibehalten wiſſen will. In dem proteſtantiſchen Kirchenſyſteme 
findet ſich alſo die legte Delung nicht mehr, wohl aber in ber griechifch⸗ 
und roͤmiſch⸗katholiſchen Kicche und bei einigen kleinern morgenländis 
ſchen GChriftenparteien. Da wie fon hin und wieder die Praxis ber 
römifchen Kiche in Abſicht auf bie Sakrament mit geſchildert haben, 
wie fie größtentheils noch jetzt Statt findet; fo wollen wir nur Einiges 
von der Dbfervanz der neuelten griechifchen Kirche anführen, weil fie 
wefentlich von dem römifchen Ritus abweiht. In Schmitt's Darftels 
lung ber griechiſch⸗ruſſiſchen Kirche, Mainz 1826. p. 220 heißt es fo: 
„Es wird ein Tiſch geſetzt und eine Schäffel mit Weizen darauf. 
„auf den Weisen wird eine leere Lampe geftellt und fieben Beine 
„Rüthen, am Ende mit Baummolle zufammen gebunden, werden zus 
„Salbung des Kranken in den Welzen geftedt. Das Evangelium 
„wird darauf gelegt und eine Kerze ober ein Liche wird jedem Prieſter 
„gegeben. — Sieben Priefter ſtehen rund um den Tiſch in -Ihrem 
„Pſalmion. Der erfte Priefter nimmt das Rauchfaß nebft dem Rauch⸗ 
„werke, und beräudert den Tiſch rund umber, wenn das Del darauf 
„seht, und die zu falbende Perfon entweder in der Kirche oder in 
„einem Privathaufe gegenwärtig if. Sodann fegt er ſich an-den Tiſch, 
„mit dem Geſicht gegen Dften, und fängt an und fagt c.” Nun folgt 
die unzweckmaͤßig lange Riturgie, die, ob fie gleih auch Schmitt im 
Auszuge gegeben hat, noch anderthalb Druckbogen einnimmt, 





7. 


Orbalien, 


oder Gottesurtheile im öffentlichen Leben der Chriften, 
| bejonderd im Mittelalter, 


I. Begriff, Name und frühes Vorhandenſeyn ber 
Ordalien bei mehrern Völkern des Alterthums, befon= 
ders bei den Germanen. II. Ueberſicht der wichtigſten 
Gottesurtheile bei den Germanen befonders im Mittelal- 
ter. IT. Verhaͤltniß der Kirche zu den Gottesuctheilen. 
IV. Schlußbemerkungen. | 


.. 

Literatur. Eberh.Rud. Roth de more, quo rei olim apud ple- 
zosque-Europae populos, per ferrum candens, ardentes prunas rogum- 
que prohabantur. Jen. 1676. — Phil. Grossgebauer: de examinib. 
Germanor, vet. Vimar. 41699. — W, Juch de modis probandi inno- 
contiam apud veteres. Jen. 1709. — Christ. Ebeling de provoca- 
tione ad judieium Dei seu de probatienib., quao olim fiebant per 
juramentum, duellum, per ferrum candens, per aquam ferventem 
et frigidam, per symbolum erueis, per sortem, per cruentationem 
oadaverum ocoisorum et per eitationem ad tribunal Dei, Lemgo 
1711. — Dissertations sur les épreuves auperstitieuses appellen 
jugements de Dieu. , ©. Memoires de Treroux. 1711. p. 1025. 
seggq. — Jo. Ihre de judiciis Dei. Rostock 1752. — Chr. Grübel 
de probatione liberer. per aquam. Jen. 1671. — Jo, Schmid pro- 
batio rer. dubier. per aquam facte. Lips. 1685. — Chr. Ludw. 
Lieberkühn de offa judiciali; Anglo-Saxonib, consupetud. Hal, 
"41771. — J. T. Eckard de ritu antiquissimo per ignes et carbones 
oandentes incedendi, Isen, 1791. — Jo. Andr. Schmidt de ritu 
probandi innocentiam per Eucharistiam. Helmst. 1715. — Jo 
Selden de modo probandi innocentiam per duella.. Lond. 1610. 
1712. ©. Seldeni Opera. Tom. IH. — Fr. Majer Gefchichte ber 
Drdalien, insbefondere der gerichtlichen Zweilämpfe in Deutfchland. 
Sena 1794. — Bmwider über die Ordale. Göttingen 1818. 

Goldasti rer. Alemanicar.. Tom. Il. p. 139 seqgg. — St. Ba 
luxi Capitular. reg. Francor. Tom. Il. p. 639 segg.. — Eokharti 
comment. de rebus Franciae orientalis. Tom. Il, p. 925. — Mart. 


® 


| Drbalien. - 1828 


Gerberti Monumenta vet. liturg. allemann. T. Il. p. 558 seqq. 
Sr. v. Raumers Geſch. der Hobenflaufen und ihrer Zeit. Bd, 1. p. . 
153. Bd. 8. p. 415. Bd. 5. p. 269 fi. Bd. 6, p. 150. — 
ac. Grimms deutfhe Rechtsalterthͤmer. Göttingen 1828. p. 908 
bis 37. Auch ift der Art. Ordalien von Wilde in ber Encpklop. von 
Erſch und Gruber. 8te Section O — 3. Leipsig, bei Brodhaus. 
1833. ſehr fleißig gearbeitet. | 
I) Begriff, Name und frühes Vorhandenſepn 
der Ordalien bei mehrern Dölkern des Alterthums, 
namentlih bei den Bermanen. — Wenn von Ordalien 
die Rede ift, fo muß man wohl unterfheiben die Sache und ben Nas 
men. Jene iſt uralt und vererbte fich auf bie meiften Möller des 
Alterthums. Diefer Hingegen flammt von den Germanen ber, und 
erhielt erſt im fpäterer Zeit das lateiniſche Buͤrgerrecht als Subſtantiv 
der 1. und 2. Declin. Ordela, ae und Ordellum, i.Jedoch iſt dies 
fee Name mebr in der neuen Zeit in Gebrauch gelommen und bie 
lateiniſch fchreibenden Schriftfteller bedienen ſich mehr bes Ausdrucks 
judiciam Dei. Diefes iſt die eigentliche Ueberfegung des altdeutfchen, 
fähfifchen und fraͤnkiſchen Worted Ordel, Ordeal, Urdel, Urtelli 
(woraus fodann Urtheil geworden iſt). Die deutſchen und engliſchen 
Etymologiſten find zwar in ber Ableitung und darin verichieden, ob 
das More aus Or oder Ur (welches nad ihnen entweder Groß — 
oder Bott — oder das Kette bebeutet), und Dol, Duel, Dele, 
Erzählung, Darftelung, Beſcheid u. f. w., oder ein vooab. radicale 
seu originale ſei; aber in dem Begriffe flimmen alle überein, daß 
darunter die Entfheidung der Wahrheit und des 
Rechtes durch die Gottheit verſtanden werde — 
Mer fi über die Gottesurtheile und die verſchiedenen Arten berfelben 
ans, den alten Gloſſarien und antiquarifchen Werken näher zu unters 
sichten wuͤnſcht, muß (da bie Rubrik ordelium in vielen ganz fehlt) 
die Artikel Judieium Dei, Examon pedale ignis, examinatio, pur- 
gatio, oder auch ferrum, aqua (fervida, frigida), Duellum, Cam- 
piones u. a. vergleichen. Dec findet man in den meillen der ange 
jelgten. zahlreichen Monographien, eine ziemlich vollfiändige Zaſam⸗ 
menſtellung. Ordalien finden wir ſelbſt bei ben mit den «dellten Anz 
lagen ausgeſtatteten Menfchenfiämmen und mit flaunender. Bewunde⸗ 
tung bemerken wir, baß fie fich auch bei diefen lange Jahrhunderte 
binducch erhalten haben. Aus einer Reihe Ichrreicher Nachweiſungen, 
die Grimm (in f. Grammat. IL p. 788 ff.) gefammelt bat, wellen 
wie nur Einiges hervorheben. Ordalien waren felbft des Griechen niche 
fremd, In einer Stelle bes Sophokles (Antig. v. 264.) wird des 
Tragens des geglühten Eiſens (uudpovs aipely zepoir), und bes 
Durchgehens durch die Flamme (nüg dıdenemv) erwähnt. — In is 
cillen war ein eigenes Gottesurtheiß bei der Diebſtahlsbeſchuldigung 
üblich, welches mit der germanifchen kalten Wafferprobe einige Aehn⸗ 
lichkeit hat, Dee Angeklagte mußte ſich naͤmlich durch einen Eid reis 
Risen, ber auf eine Tafel gefchrieben, in einen heiligen See. (lacus 
Palieor.) geworfen wurde. Schwamm bie Tafel, fo galt dieß als Zeis 
hen ber Unfchuld, fan fie unter, fo war der Diebſtahl und Meineid 
erwieſen und der Ueberführte wurde in dem See ertraͤukt, weil er «6 
Cirgel Sapktu IV. | 9 





130 Drbaflen, 


gewagt hatte, bie Goͤtter als Beugen feiner Unſchulb anzurufen. Aehn⸗ 
liches wird auch von einer Quelle in Ephefus erzaͤhlt. Eine Jung⸗ 
frau, die ihre Reinheit beweiſen wollte, flieg mit einer Tafel, worauf 
die eidliche Verſicherung gefchtieben war, um ben Hals gehängt, im 
bie Quelle, bern Waſſer kaum bie Mitte ihres Knoͤchels berähtte. 

. War fie ſchuldig, fo bob fi) das Waſſer bis zur Tafel empor. Es 
erinnert dieß an bie chriftliche Eidesleiftung an dem Grabe der Märtyrer, 
- welche ſelbſt Auguftinus in dem Glauben, daß an der heiligen Stätte 
ber Meineid fogleich beftzaft werden würde, empfahl. 


Bei keinem Volke find aber die Ordalien mehr ausgebildet, mebe 
berbreitet, als bei den Indien, Ihre Geſetzbuͤcher enthalten darüber 
fehr ausführliche Vorſchriften und fie find bei ihnen noch fortwährend 
int Gebrauch. In den Asiatio ressarches V. 1. p. 389 finder fi) 
darüber eine fehr inteteſſante Mittheilung von Warren Haſtings, in 
weicher auch auöflihrlic zwei Beiſpiele von Gottedtrtheilen, bie Im 
Fahte 1783 In Benares angeftellt wurden, erzählt werben. Außerdem 
werben bafeibft neun Arten von Gottesuetheilen angegeben und näher 
befegrieben,, 1) durch die Wage, 2) duch Feuer, 8) duch MWaffertau: 
Gen, 4) duch Gift, 5) durch Trinken von dem Waller, worin das 
Bild einer Gottheit gewaſchen worden, 6) durch Reis, 7) buch ſieden⸗ 
des Del, 8) dutch glühendes Bifen, 9) durch ein filbernes und eiſernes 
Bid. Einige biefer Proben ſtimmen fat ganz mit denen überein, 
welche wir weiter unten als die bei ben germanifhen Völkern Üiblichen, 
kennen lernen werben. Dahin gehört das Tragen des gluͤhenden Eis 
ſens, ferher die Probe des fiedenden Oeles, welche ſich von beim gers 
manifchen Keſſelfang nur dadurch unterſcheidet, daß bei dieſem fiedendes 
Waſſer genommen wurde, und der Beſchuldigte einen Ring oder Stein 
hervorholen mußte. Die Rrisprobe iſt das judichum fine ber Angels 
fachfen. Die Waſſertauche hat einige Aehnlichkeit it det germanifchen, 
kalten Waſſerprobe. Bel den Yadterw mußte der Angeſchuldigte ſich 
eine duch das Abfchießen und Wiederholen von Pfeilen genau ber 
flimmte Zeit unter bem Waſſer halten; bei beit Germanen wutde es 
als. en Zeichen der Schuld oder Unſchuld angeſehen, je nachdem ber 
Angeflagte auf dem Waſſer ſchwamm oder unterging. Das Gottes⸗ 
urtheil durch das Hervorziehen eines ſilbernen oder eiſernen Bildes aber, 
wobei dieſes für die Schuld, jenes für bie Reinheit zeugte, iſt nichts 
anderes, als eine Entſcheidung durch das Loos in einte etwas veran⸗ 
berten Form. Das Gorteburtheil durch die Wage erinnert un das 
Wiegen der Hexen im fpätern Mittelalter. Ber den Judiern wurde 
ber Angeklagte zuerfi auf einer berichtigten Wage genau gewoyen, dann 
bie Anklage auf en Papier gefchrieben, ihm auf das Haupt gelegt und 
ee für ſchuldig gehalten, wenn fein Gewicht badurdy‘ vermehrt wurde. 
Eine fehr bemerkenswerthe Erfcheinung iſt es, daß man bei den vers 
fhledenften Völkern in der verſchiedenſten Belt den Gebrauch berfeiben 
Mittel zur Wiederherſtelumg von Recht und Unrecht, Schuld und 
Unſchuld wieder finder, die Art der Anwendung dieſer Mittel, um ba» 
durch zu der einen oder andern Uebergeugung zu gelangen, aber Pages 
gen oft ſehr verfchieden, Hier und da felbft ſchwankend iſt. Huch unfıe 
heilige Schrift erwaͤhnt eines bei ben Hebraͤern üblichen Gotteburtheiles, 


Ordalien. 131 


wodurch man die Schulb eines des Ebene angeklagten Welbes zu 
ermitteln ſuchte. 4 B. Moſ. 5, 24 — 28 

Alle Notizen über die Sottesurtheite bei fremden Völkern find aber 
zu abgeriſſen, zu dürftig und zum heil auch zu unfiher, um uns 
das Weſen dieſes für die Kultur⸗, Religions⸗ und Rechtsgeſchichte wich⸗ 
tigen Gegenſtandes genauer erkennen zu laſſen. Die Geſchichte der 
Ordalien bei den Germanen kann dieſen Mangel gleichſam erfeten. 
Es dürfte aber dabei zweckmaͤßig ſeyn, erſt die einzelnen Gottesurtheile, 
welche im Mittelalter uͤblich waren, durchzugehen, weil ſich, wenn die⸗ 
ſes geſchehen iſt, nicht unintereffante Bemerkungen antnhpfen la 

1) Ueberfiht der widtigften Böttesurtheile 
der Dermanen im Mittelalter. — In den oben angefühes 
ten deutſchen Rechtsalterthüͤmern p. 911 ff. werden bie verchiedenen 
Arten der Gottesurtheile folgendermaßen zuſammengeſtellt. 

I) Feuerurtheil (jedioium ignie). 
1) Die bloße Hand ins Feuer halten. 
2) Im bloßen Dembe durch einen entflammten olzſtoß gehen. 
3) Ein gluͤhendes Eiſen mit bloßen Haͤnden tragen oder mit 
bloßen Fuͤßen betreten. 
11) Wafferprobe (judieiem aquae). 
1 Mit heißem Waffer (aqua fervida =. culida). 
2) Mit kaltem Wafler (aqua frigida). 
III) Kteuzurtheil (jadieium erucis). 
* Batman (judiektim pugnae, =. duelli, &. . ommpi). 
ahrgericht. 
vh Gewelhter Bien (jedieium offze). 

Diefe Ciaffifitatton ſcheint aber darum tabefhaft zu feyn, weil fie 
nicht vollſtaͤndig genug if. Es fehlen namentlich Die nortes satrad. 
(sortes Sanetorem, sortitia divina) und das judienm etcheristichen, 
welches man nicht ganz zweckmaͤßig unter das judichant fee rechnen 
würde. Weide Arten ver Gottesuähelle find durch Hohes Alter und 
häufigen Gebtauch in der Rice fo merkwürdig, dag fie In diner Dan 
ſtellung der kirchlichen Alterthimer auf keinen Hal mie Stillſchweigen 
zu übergehen find. Auch haben wir beteits im einen kleinen Artikel, 
bberfcheleben: Abendmablageridht, das jedieium eucharisti- 
cam weitläuftiger behandelt. Wir machen den Anfung Mt der 


1. 


Sortitio sacrı 


Schon das Heldenthum fah fich genöthigt, um in den MWechfet 
und die Zufaͤlligkeit des Menſchenlebens einen gewiſſen Halt zu brin⸗ 
gm, ein die Schickſale beſtimmendes Weſen anzunehmen. Ob die⸗ 
ſes Wefen notga, fatum, sur, fortune, sors fi. ſ. w. nr 
wird, macht Leinen Unterfhled, da es immer dieſelbe Ibee iſt, 
melde diefee Glaube hervorgeht. Es Ift dns Mißtrauen in bie eigene 
Kraft und das Gefuͤhl der Unzulaͤnglichkeit der menfchlichen Weisheit 
jur Beſtimmung und Leitung unſers Schickſals. Timor est, qui fact. 
Deos, fagten die Alten mie Recht; denn ohne das Aedangtgeeienefude 


132 | Ordalien. 


und das Bewußtſeyn unſrer Unvollkommenheit und Schwaͤche wuͤrde es 
keinen Schickſalsglauben geben. Das Chriſtenthum hat durch die aus dem 
A. T. aufgenommene Lehre von der Vorſehung (mpovora) dem Schick⸗ 
falsglauben feine hoͤchſte Einheit und Vollendung gegeben. Durch bie 
Lehre von ber Providentia specialissima und von dem concursus Dei 
teiet das Chriſtenthum mit dem menſchlichen Leben in eine fo enge 
Verbindung, daß ber alte Spruch: Omnia cum Deo, et nihil sine 
eo in Erfüllung geht. 

Ä In wiefen nun, -troß bed Glaubens an göttliche Providenz, 
dennoch das Loos fowohl im A. als N. T. als Schidfalsentfcheidung 
. gebraucht werde, iſt gezeigt in Winers biblifhen Reallexikon Artikel 
2.008. Im NR. 8%. kommt Act. 1, 15 — 26. das bekannte Beifpiel 
vom Matthias vor, welcher an die Stelle des erhängten Judas Iſcharioth, 
um die Zmölfzahl der Apoftel zu ergänzen, gewählt wurde. Die Wahl 
ber beiden Apoftels : Sandidaten, des Joſeph Barſabas, mit dem Zunamen 
Juſtus und des Matthias gefchleht weder duch die Gemeinde, noch 
die Apoftel, fondern durch Loos. Die Erzählung iſt zu beflimmt, als 
daß die Sache zweifelhaft feyn koͤnnte. Es war fein Suffragium, fon: 
dern ein Sortilegium. Der ganze Zufammenhang zeigt deutlich, daß 
bier eine menſchliche, ſondern eine goͤttliche Wahl, oder ein Gottes⸗ 
urtheil, wie es unter andern auch 1 Chron. 24, 5. vorkommt, Statt 
fand. Die Alten fiimmen auch darin überein, daß diefe Mahl des 
Matthias eben ſo eine außerordentliche und goͤttliche ſei, wie die des 
Apoſtels Paulus Act. 9., daß aber dieß weder eine Vorſchrift noch ein 
Erempel der Nahahmung für den gewöhnlihen Gang der kirchlichen 
Verwaltung fe. So bemerkt Hieron. Comment. in Evangel. Joh. I. 
Nec statim debemus sub hoo exemplo 'sortibus credere, vel illud de . 
Actis Apostolorum huic testimonio copulare, ubi sorte in Apostola- 
tum Matthias eligitur. Cum privilegia singulorum non possint 
facere legem communem. Man findet auch in der alten Kirche fels. 
ten ein Beiſpiel der durchs Loos gemählten Kirchendiener. Vergl. ben 
Artikel Klerus Nr. IV. Wahl der Kleriker. — Nur dann pflegte man 
bei der Wahl zum bifchöflichen oder geiftlichen Amte zum Loofe feine 
Zuflucht zu nehmen, wenn man fi über die Auswahl mehrerer gleiche 
zeitig und übereinflimmend gewählter Individuen nicht vereinigen 
konnte. Diefe Art der sortitio war alfo keine andere, als die auch 
im bürgerlichen Leben gewöhnliche Entfcheidung zweifelhafter Faͤlle, 
welche auch Auguftin 180 ad Honor. und de doctr. christ. . I. c. 
28. für erlaubt hält. Vergl. Joh. Petr. de Ludewig dissert. de sorte 
suffrag. ecel. Observat, T. IV. Obs. XII. 

Bon dem auch bei den Griechen und Römern in vielem Fälen 
und Lebensverhältniffen gebräuchlichen Sortilegio (omouwdla, gußdo- 
novrela) tommen häufig Beifpiele unter den Ehriſten ſowohl bei 
dem Volke, als bei der Geiſtlichkeit, vor. Doch werden fie in ber Re⸗ 
:gel als heidniſcher Aberglaube verboten... Bei den fpätern Römern 
waren befonders bie Sortes Virgilianae fehr beliebt, wodurch ein zu⸗ 
fällig aufgefchlagener Vers des Dichters Sirgitiug, als ein Orakelſpruch 
irgend eine Sache oder Frage entfchled.” - Spartian. vit. Hadrian. 
p. 9. Lamprid. vit. Alexandr. Ser. c. 14. Die Chriften ahmten 
diefe Sitte nach und glaubten dabei recht chriftlic) zu handeln, wenn 


Ordalien. 133 


fie bie Bibel an bie Stelle bes Virgils ſetzten. Sie nannten das 
Sortes Sancetorum, auch wohl Sortes Evangeliorum. Von dem babei 
üblichen Verfahren giebt Gregor. Turon. hist. Frane. I. IV, e. 16. 
Nachricht. Allein ſowohl Concilienfhläffe, als auch berühmte Kirchen⸗ 
Lehrer, haben verordnet und gewünfcht, daß biefe Gewohnheit abge _ 
Tchaffe werden möchte. 

Dennoch ehrt die Gefchichte, bag man zu allen Zeiten oft über bie 
Grenzlinien hinausgegangen ift, und daß es mehrere kirchliche Parteien 
gegeben hat und noch giebt, bei welchen auch über Dinge, welche nicht 
in obige Kategorie gehören, eine regelmäßige und feierliche Loosbeflims 
mung Ötatt findet. Es ift bekannt, daß dieß namentlih unter die 
eigenthümlihen Einrichtungen der Brüdergemeinde gehört, und daß 
befonder& die bei ihr eingeführte Eheverloofung die meiften Beſchwerden 
und Borwürfe veranlaßt hat, 

Aber die sortitio sacra kommt auch noch in einem andern Sinne 
vor, nad weldhem fie vorzugsmeife in die Kategorie der hier vorzüglich 
michtigen Gottesurtheile gehört. Es ift nämlich eine uralte Gewohn⸗ 
beit, geheime Gebrechen durchs Loos zu entdeden. Schon im A. X. 
finden wir mehr als ein Beifpiel, worunter die ef. 7. 1 Sam. 14, 
42. und Son. 1, 7. erzählten Säle die merkwürdigften find. Auch 
find die befondern VBelehrungen durch das Urim und Thummim, 
(2 Mof. 28, 15—30. 3 Mof. 8, 8. 4 Mof. 27, 21. 1 Sam. 14, 
37 fi. 22, 10. 23, 9-12. 28, 6. u. a.), welche vorzugsweife das 
heilige 2008 heißen, hierher zu rechnen. Ungeachtet dieſes biblifchen -. 
Grundes aber mißbilligte in der Regel die Kirche diefes Erforſchungs⸗ 
mittel der Wahrheit, und e6 ward. gewöhnlich erinnert, daß ſolche 
außerordentlihe Schidungen Gottes nicht zur Nachahmung zu empfeh> 
len fein. Nur als Ausnahme vwourde dieſes duch bürgerliche Verfaſ⸗ 
fungen und Gefege erlaubte Verfahren auch kirchlich geflattet, jedoch 
nur als judicium Dei vulgare, nit aber eanonicum. In bem 
Pacto Childeberti et Clotarii heißt 08: Si servus in furto fuerit 
inculpatus, requiratur a domine, ut XX. noctes ipsum in mallum 
praesentet, et si dubietas est, ad sorten ponatur. Man bediente 
ſich aber beim Vorleſen nicht blos, wie beim Prrpsoua ber Steine, 
Kugeln und Zettel, fondern auch der Pfeile (Ezech. 21, 21.). Das 
Letztere ſchon Sitte der Araber und Hebräer (Hof. 4, 12.) war im 
Mittelalter gewöhntih. Die Stäbe wurden Teni (melches fo viel als 
baculi, virgae, bedeutet) genannt. Weber das Berfahren hierbei giebt 
Macri Hierolexic. s. v. Teni p. 814 folgenden Beriht: Teni meta- 
phorice sorten significant, ut in Frisiis legib. Tit. XIV. $. 1. re- 
fertur; iis enim baculis optantium sortes detegebantur, hoc nempe 
modo, quando inter varios de aliquo delicto imputatos, nescieba- 
tur praecise, quis eorum vere deliquerat, tune omnes ad eccle- 
siam ferebantur, ibique, si duo suspecti erant, duo baculi super 
altare ponebantur, unus scilicet cum signo crucis, alius vere sim- 
plex, ‘et lana munda conspiciebantur. Interea infamati Deam ora- 
bant, ut eorum proteusam innocentiam protegeret, ao ad altare 
accedens sacerdos, et si ejus copia non esset, innocens puer sorte 
deducebat unam ex illis virgis; et si‘ extrahebatur virga cruce 
signata, tunc illi duo, vel si plures ibi infamati, omnes innocen- 


’ 
[4 


134 | Ordalien. 


tes declarabantur; ai autem virga extrahebatur sine eruce, tuno 
ommes se purgere ab imputate delicto tenebantur, et quot erant 
impufgti, tot virgae eum singulorum nominibugs inseriptae sub es 
‚aunda lana tegebantur, et denuo mittebatur sors, et ille rang de- 
lioti deelarabatur, eujus nemen prius prodibat, Quse superstitiose , 
ignorantia a gentilibus originem traxerat, ut colligitur ex aupra 
dietis Frisiis legibus. A saeris oanenibus fanquam secularis pur- 
getio prohibite est. 


d U. 
Die Abendmahlsprobe. 


(S. den eigenen Artikel Abendmahlögeriht 1. Bd. dieſes Handbuchs 
p. 72 und 73.) 


IL 
Die Bafferproben. 


Die beiden Arten, die heiße und kalte Waflerprobe (judicium 
fervidae seu calidae aquae), haben zwar ein gemeinfchaftliches Ele⸗ 
ment, find aber fonft in mehren Puncten fo von einander unterfchies 
ben, baß man die heiße Probe fogar unter die Zeuerprobe rechnete. Im 
mehrern Ordnungen bei Martene Tom. Ill. p. 460, 475, 490 u. a. 
wird judicium ferventis aquae ganz in bie Kategorie mit des proba- 

tio ferri candentis, vomerum u. f, w. geſetzt. Wir handeln von jes 
der beſonders. 

1} Don dem GBottesurtbeile durch heißes Walls 
fer findet man die häufigften Zeugniffe und. Belchreibungen, und es 
ſcheint im 8. und 9. Jahrhunderte vorzugsmelfe In Frankreich einhei⸗ 
mifh gemwefen zu fepn. Auch iſt es gerade dieſe Probe, wozu die 
Kiche am bäufigften ihre Zuftimmung gab, und wobei die Geiſtlichen 
als Präparanten und Affiftenten gefchäftig waren. ’ 

Nach Balusii Capitul, Reg, Franc. T. Il. p. 632 seqg. Eck- 
hart Comment, de rebus Franc. T. Il. p. 923 seqq. u. a, war bie 
Procebur dieſe: Wenn von den geiftlihen und weltlichen Gerichten 
auf diefe Probe erfannt war, fa wurde ber vermeintliche Delinquent, 
welcher drei Zage zuvor blos Faſtenſpeiſen genoffen haben durfte, in bie 

. Kicche geführt, wo er niederfnieen mußte, während der Priefter drei Ges 
bete um göttlichen Beiſtand bei diefer Prüfung ſprach. Nach beenbdigter 
Dieffe ward er zur Communion zugelafien, nachdem ihn der Priefter 
zuvor feierlich aufgefordert hatte, Lieber die Schuld zu befennen, ale 
fih der Gefahr des Gottesgerichts amszufegen. Wenn der Inquiſit 
Ichwieg, fo wurbe ihm das Abendmahl mit den Worten gereicht: 
Diefer Keib und das Blut unfers Herrn Jefu Chris 
fi fei dir heute zur Probe. 0 

Nah der Communion beginnt nun bie eigentliche Geremonie, 
Dem Inquiſiten werden von einem Exorciſten oder Diaconus reine 

. Kleider angezogen, das Evangelium und heilige Kreuz zu kuͤſſen und 
gerweihtes Waſſer zum Frinken gegeben. Während beflan finge der Prie⸗ 


Ordalien. 135 


ſter eine kurze Litguei, und ſpricht folgenden Erowismus Aber das im 
einen Keſſel gegoſſene Waſſer. Exoroizo te, oreatura aqune, in 
nemine Dei patris omgipotentis et in nomine Jesu Christi, filii 
ejus, Domipi nostri, ut fias aqua exorcistata, ad eflugandam om- 
nem potestatem inimiel, et omne phantasma diabeli, ut, si hie 
bome qui manus in te missurus est, innocens exstiterik de hae 
eulpa, unde reputatur, pietas Dei omnipotentis liberet eum, et, 
si, quod absit, oulpabilis est, et praesumtuose in te manum mittere 
ausus furrit, ejusdem omuipetentis virtus super eum hose deelarare 
dignotur, us emnis homo timeat et oontremiscat nomen Banstum 
gieriae Domini nostri, qyi in Trinitate perfecta vivit et regnat, 
unus Deus per infinita aaecula saeoulorum. Amen. 

Hierauf wird unter einem langen Gebete das Keuer unter dem 
Keſſel angemacht, und fo lange unterhalten, bis das Wafler zu fieden 
amfängt: Die liturgiſchen Schriften enthalten befondere Borfcheiften 
und Vorſichtsmaßregeln, wonach dem Verdachte bes Betrugs oder artis 
diaholiege vorgebeugt werden fol. Vergl. den Ordo XII. bei Martene 
np. 484, eben fo Ordo VI, p. 474. — Wenn nun ber ſiedende Keſſel 
vom Feuer genommen wurde, fo warf der Richter einen Ming oder 
Stein in denfelben, welchen der Inquiſit, nachdem er zuvor da6 Pa 
kernoster geberst und ſich mit dem Kreuzeszeichen gefegnet, mit bloßer 
Hand herausholen wußte. Man nannte bieb in Deutfchland den 
Keffelgriff oder den Beffelfang. S. Adelungs Glossar. 
Mon. T. 1. p. 318. — Schmidt KG. V. p. 166. Sobald dieß ge: 
fhehen, wurde die Hand forgfältig eingewidelt und verfiegelt. Erſt 
nachdem drei Nächte voruͤber waren, wurde bie Entfieglung vorgenom: 
men, nd der Inquiſit, wenn bie Dand unverlegt war, für unſchul⸗ 
dig erklärt. 

2) Der Probe des Falten Waſſers wurden gewoͤhnlich 
Diebe. und Mörder, fpäterhin am haͤufigſten Wahrfager, Zauberer, 
Heren u. f. w. unterworfen, Daher entſtand bie Beneunung Sex en⸗ 
bad. Der Inquiſit wurde entkleidee und mit einem Streide um ben 
Leib, um ihn wieder berauszuziehen, ein, oder auch mehrere Male 
ins Waſſer geworfen, wobei das Unserfinfen für Beweis ber Unſchuld, 
das Schwimmen aber für Beweis der Schuld gehalten wurde. 

Dos Officium ecrlesiast. dabei mar im Weſentlichen dafjelbe, wie 
Bei dee vorigen Probe. Kin jejunium praerium von drei oder mehrer 
Tagen ward erfordert. Im Ordo Ill. bei Martöne p. 461 wird bie 
Vorbereitung fo angegeben: Quicunque judicium aquae frigidae vult 
facere, Judicium accipiant homipes, qui auspertiosem habent de 
ipso letrooinio, aut de ipsa felsitate eprum. Advocati autem illo- 
zum infsentes, qui mittendi sun in aquam, etim diligentia custo- 
dient. Item non sit in eis ulla.phantasia Disboli, illorumque cor- 
pus diligenter lavent, non solum onput sed otiam pedes. Posten 
jejunent illi, qui mittendi sunt in aquam XL. diehus. In Anfe 
bung der Missa und Communion iſt feine Veränderung. Das Waflee 
wird ebenfalls erercifit.. Im Ordo V. bei Martene p. 470 if bie 
hierher gehörige Formel zu finden, 

Da. diefe Probe nicht in der Kirche vorgenommen werben Eonnte, 
fo.follten hia Vrleſter unter Abſingung der Litanei und Beſprengung 


136 0 Prbalienl, 


mit Weihwaſſer den Inquifiten bis zu dem bazu beflimmten. Ort 
begleiten. Ob die Probe in einem Fluſſe, See, Teiche und ber 
gleichen gefchehen follte, iſt aus den liturgifchen Schriften nicht ficher 
. zu beflimmen. Man feine dazu befondere Waflerbehälter (lacus) 
gehabt zu haben. Der Ordo Ill. bei Maertene p. 463 fagt: 
Aqua non sit currens, nec foetens, neo tenebrosa, sed suavis et 
clarissima. Cine nähere Beſchreibung giebt Ordo IV. ibid. p. 467. 
Ita missa expleta homo praedictus id eoolesia non solum laneis 
vostibus, vorum etiam femoralibus, et aocingatur eirca renes Novo 
panno linteo, ne pudenda ejus videantur, cooperiaturque ad horem 
“ sire tempus pallio, vel cappa propter frigus et sic ad locum aquae 
cum progessione et letania ducatur, doneo dicatur agnus Dei, 
usque miserere nobis. 

Lacus autem aquae duodecim pedes mensuratos habeat in pro- 
funditate, viginti vero circumgquaque in latitudine et usque ad 
summum aqua impleatur. In tertia vero parte fovene fustes for- 
tissimi cum oleta fortissima ponantur desuper, ad sustinendum 
videlicet sacerdotem aquam benedicentem, et judices desuper assi- 
stentes, et hominem intraturum in aquam cum duobus vel tribus 
hominibus eum ibidem demittentibus. ’ 

Außerdem wirb noch erinnert, daß nicht nur der Inquiſit, fondern 
auch die Perfonen, welche ihn ins Waſſer werfen und wieder heraus⸗ 
ziehen, nüchtern feyn follen. 


IV. J 
Feuerproben. 


Die allgemeine Benennung war: Judicium ignis, jadicium 
igneum s. ignitum, probatio per ignem, examen forri canden- 
tis u. a. Folgende Arten biefer Proben werden unterfchieden: 

1) Die bloße Jand mußte eine beftimmte 3eit 
ins Seuer gehalten werden, ungefähr auf die Art, wie es 
bie alte Gefchichte von C. Mucius Scaevola (Liv. hist. lib. Il. c. 12.) 
erzaͤhlt. Blieb fie unverfehrt, fo war die Unſchuld erwieſen. In den 
tipuarifchen Gefegen, Tit. XXX. $. 1. XXXL $. 25., wird davon 
gehandelt; aber von einer Concurrenz ber Geiftlichen findet man nit 
gends etwas erwähnt. 

2) Der Inquifit mußte mit bloßem Hemde durch 
einen brennenden 50lzſtoß geben, und, wenn er für 
unſchuldig gehalten feyn wollte, von den Flammen unverlegt bleiben. 
Eine ſolche Probe beitand im Sabre 1057 der florentiniihe Moͤnch 
Deter (welcher davon den Namen Petrus igneus erhielt), um feinen 
Drdenshruder von dem Vorwurfe. einer ungerechten Klage, wider ihren 
Biſchof zu befreien... Diefe Probe wurde vom Wolle erzwungen. 
Schroͤckhs KG. Th. 28. p. 55—55. Eine Belhreibung der Proce⸗ 
bur bei diefee Probe ſteht bei Martöne Tom. Ill. p. 45859. — 
Sn dem Procefje des berühmten Dominikaner Hieron. Savonarola 
ſollte im Jahre 1498 ebenfalls eine foldye Feuerprobe, welcher fich beide 
fiteitende Moͤnchsparteien unterwerfen follten, Statt finden, und zwar 


DOrbalin. 137 


nach der aushrädiihen Erklärung, daB, obglelch bie Kicchengefege 
dergleichen Proben zu verbieten fchienen, in einem außerdedentlicen 
Salle, von einem folchen Mittel, die Wahrheit zu erfahren, Gebrauch 
gemacht werben duͤrfe. Der Tag dazu mar ſchon angefegt (der 7. 
Aprit 1498), ber Staatsrath verfammelt, und das Feuer angezündet. 
Aber beide Parteien machten Ausflicchte wegen bes Crucifixes und ber 
geweiheten Hoſtie, und fo unterblieb dieſes Gottesurtheil zum großen 
Mißfallen bes Volks, welches feinen ganzen Unwillen auf Savonarola - 
warf, den es für den Schuldigen erflärte. Die ganze Procedur wird 
von Schroͤckh KG. ausführlid, befchrieben. Andere Faͤlle wirklich abge 
legtee Proben diefer Art hat Grimm p. 912 angeführt. 

I) Die Probe des glühenden KEifens (feri can- 
dentis), welhe Stimm p. 913 ff. nad den verſchiedenen Gewohnhel⸗ 
ten en Franken, Sachſen, riefen u. a. befchreibt, war von dop⸗ 
pelter Art. 

1) Eine im euer geglühte Eifenmaffe von beflimmter Schwere 
(1 bis S Pfund Gewicht) mußte mit bloßen Händen bis an einen 
gewwiffen Punct getragen werden. Auch bafür findet fid ein officium 
eocles. bei Martöne Ordo VII. p. 47576, welche mit dem judicio 
aquae ferventis übereinflimmt und nur in einigen Stuͤcken abweicht. 
In den meiften Schriften iſt diefe Art gemeint, wenn vom judicio 
ferri candentis und judioio ignis bie Rede if, _ 

2) Der Inquiſit mußte mit bloßen Füßen über eine beflimmte 
Anzahl glühender Pflusfchaaren [chreiten. Man nannte dieß judieium 
vomerum ignitorum , oder auch examen pedale, und es :wicd bafjelbe ‘ 
auch in Martene Ordo VII. p. 477 und XV. p. 490 erwähnt. Die 
Vomeres werden In der Regel zu. 9, zumellen zu 6, ober auch wohl zu 
12 angegeben. Bel Ehebruch und Mord pflegte man auf biefe Probe . 
ju erkennen. Cono, Megunt. sub Rabano o, 24. u. a. 


V. 
Das Krerzurtheil. 


Ueber das judieium eruois find ..die Meinungen verſchieben. Das 
Wahrfcheinlichfte ift, daß es eine Art von Wettkampf zweier flreitenden 
Perfonen oder Parteien war, wer am längften mit ausgebreiteten Ars 
men vor einem Kreuze fliehen konnte, ohne fich zu bewegen oder bie 
Arme finken zu lafien. Bei verwidelten Streitigkeiten über Beſitz, 
Eigenthum, Grenzen u. f. w. ſcheint man diefe Kreuzprobe am haͤu⸗ 
foften angewandt zu haben. Als eine Entfheidung zwifchen uneinigen 
Eheleuten erlaubt diefe Probe das Conc. Vermer. a. 751. c. 17., aber 
blos in dem allgemeinen Ausdruda; Exeant ad erucem. 

Wenn diefes Sottesurtheil, wie Grimm p. 927 vermuthet, urs 
ſpruͤnglich heidniſch war und unter Handaufhebung und wahrſchein⸗ 
lich Anrufung heidnifcher Götter begangen wurde, fo begreift man um 
fo eher die wiederholten kaiſerlichen Verordnungen Ludwigs bed From⸗ 
men und Lothar's J., welche die Abſtellung befahlen. Sancitum est, 
ut nullus deinoeps quamlibet examinationem crucis facere praesu- 
mat, ne Christi passiv, quae glorilicate est, cujuslibet tomeritate 


138 hi Orbalien. 


sontemtui habestur. Auch iſt es wohl daher und wegen. ber Aehn⸗ 
lichkeit mit dem Zweikampfe zu erklären, daß man in den liturgifchen 
Büchern keine Spur eines office. eoclen. findet. 


VlI. 
Gottesurtheile durch Zweikampf. 


Es iſt ſchon bemerkt worden, daß bie Kirche zu keiner Zeit bie 
barbariiche Sitte des Zweikampfs, wolcher in den Kircyengefegen außer 
den Namen Monomachia und Duellum, auch den Namen judicium 
pugnae et campi und judieium sanguinis (wobei bie alte Regel gilt; 
onelesia non sitit sanguinem) führt, gebilligt ober geftattet hat. Das 
canonifche Recht Deoret. P. IE. o. II. qu. 5. erklärt fi) ganz beſtimmt 
dagegen. Andere Verordnungen fprechen die Mißbilligung viel härter 
und beftimmter aus. Das Decret. des Conc. Trident. Sess. 25. o. 
19, beruft fi auf die alten Kirchengefege und kann als die Quintefienz 
derſelben betrachtet werden. 

Da wir uns hier weder mit einer Geſchichte des Duells uͤberhaupt, 
noch mit einer Darſtellung der im Mittelalter ſo gewoͤhnlichen, ge⸗ 
richtlichen Zweikaͤmpfe zu beſchaͤftigen haben, ſo begnuͤgen wir uns mit 
einigen Bemerkungen uͤber das Verhaͤltniß der Kirche und der Geiſtli⸗ 
chen zu dieſer Nationalſitte. 

Obgleich es nicht an Beiſpielen fehlt, daß einzelne Geiſtliche und 
Moͤnche, wie an andern Gottesurtheilen, ſo auch an den gerichtlichen 
BZweikaͤmpfen, ungeachtet aller Verbote, einen thaͤtigen und perſoͤnlichen 
Antheil nahmen (denn da das Duell hauptſaͤchlich als ein Vorrecht der 
Freien und Edeln galt, ſo ſcheinen ehrgeizige Biſchoͤfe und Praͤlaten, 
welche in andern Stuͤcken den Rang der hoͤhern Staͤnde hatten, ſich 
auch dieſes angeblichen Standesvorrechts bedient zu haben), ſo verdie⸗ 
nen dieſe Ausnahmen doch weniger Aufmerkſamkeit, als die Sitte, daß 
die Geiſtlichen in den Faͤllen, wo ſie fuͤr ihre Perſon oder die Ehre 
ihres Standes und Ordens kaͤmpfen ſollten, einen Stellvertreter ſtellen 
durften. Dergleichen Stellvertreter wurden Campiones, zuweilen auch 
Pugiles genannt und waren anfangs blos zur Vertheidigung der Rechte 
der Weiber, Unmuͤndigen und Schwachen beſtimmt. * dieſen wur⸗ 
den bie Geiſtlichen in eine Kategorie geſetzt und ihnen geſtattet, ihre 
Sache durch Stellvertreter ausfechten zu laffen. Die Decretal. Greg. 
1. V. eit. XIV. de Clericis pugnantibys in Duelle enthält zwei Ver⸗ 
prbnungen von Alerander UI. und Coͤleſtin UL Die erſte verbietet 
den Seiftlichen den Zweikampf ſchlechthin, das zweite Gefeg unterfagt 
auch ſelbſt die belichte Stellvertretung. Nach Deeretal. Greg. lib, V. 
sie. 35, 6. 1. follen der Kirchenguͤter wegen überhaupt keine Duelle 
geftattet werden, Die Geſchichte aber lehrt, daß diefes Verbot häufig 
übertreten wurde. 
In den liturgiſchen Büchern findet man keine Spur von irgend 
einer kirchlichen Theilnahme an diefem Bottesurtpeile. Denn die zus 
meilen erwähnte benedictio armorum, gladii, vexillorum u. ſ. m. 
bezieht fich nicht auf den Privat: oder gerichtlichen Zweikampf, fon- 
dem anf die Waffenweihe ber füs Vaterland, Religion und Kirche 
ſtroitenden Krieger. . 


Ä VI. 
Das Bahrgericht. 


Auf dieſes Gottesurtheil wurde erkannt, wenn bei einer veruͤbten 
Mordthat viel Verdacht gegen ein oder mehrere Individuen vorhanden 
war. Man legte den Ermorbeten auf bie Bahre (daher die Benen⸗ 
nung judieium feretri), und befahl dem vermeintlihen Mörder, daß 
er mit feiner Hand die Wunden ober den Nabel des Entfselten beruͤhre 
und Dabei gewiffe Kormelg qusſpreche. Wenn nun aus den Wunden 
Blut oder Schaum floh, fo hielt man dieß für einen Beweis ber 
Schuld und fing ſogleich bie Specialunterfuhung an. Oft aber genügte 
es auch fhon, wenn der Zodte die Geſichtsfarbe wechfelte ober die Wunde 
zu zittern anfing, Es wird bemerkt, daB viele. Verbrecher in dieſen 
Faͤllen ſich fogleich des Mordes fchuldig bekannt hätten. — Nach 
Stimm p. 930 — 81 gedenkt zwar kein altes Geſet dieſer Prüfung; 
fie beruht aber auf einem alten Wolksglauben, den ſchon bis altdeut⸗ 
ſchen Gedichte (Mibelungen 98486 und Iwein 135664) erwaͤh⸗ 
nen. Außer Deutfchland war dieſes Gericht, welches auch judieium 
sanguinis (vom Bluten der, Wunden) genannt wurde, befonders in 
England und Schottland gebräuchlich. Kine naͤhere Beſchreibung giebt 
ChHrift. Knittels Zrartag von des Bahrrechts Natur, Eigenſchaften, Art 
u. f. mw, 1691. — 3.6. Schottelii Tractat von unterfchieblichen Rech⸗ 
ten in Deutfchland. 1649. p. 8A—101. — Bon einem kirchlichen 
Antheile an dieſem Gottesurtheile findet man keine Spur. 


VOL 
Die Probe des geweihten Biffens. 


Wenn glei, wie Majer (Gefchichte der Drbalien p. 67 ff.) und 
Grimim (Rechte: Altertblimer p. 952) annehmen, das judieium offae 
zuweilen mit der Abendmahlsprobe verwechſelt ſeyn mag, fo warb body 
in des Regel ein Unterfchied gemacht. Aber auch Schmidts Mermus 
thung (RG. V. 169): „Die Probe mit einen geweihten Biſſen Brod 
„war in England bei den niebern Geiſtlichen gewoͤhnlich und geſetzlich 
„beſtaͤtigt: — die Priefler reinigten ſich dagegen durch das Abend⸗ 
„mahl“ — dürfte nicht richtig fepn. Denn es wird immer als ein allge 
meines Verfahren angegeben, daß man ben eines Diebſtahls Werbaͤch⸗ 
tigen, ein Stu Brod oder Käfe, welches zuvor benedirirt worben, zu 
effen gab, im der Ueberzeugung, daß der Schuldige wicht vermoͤgend 
feyn werde, baffelbe hinunter zu ſchlucken und bei ſich au behalten. 
Daß diefe Probe unter befonderer Concurrenz der Geiſtlichen Statt ges . 
funden babe und gleichlam eine kirchliche Dandiung gemeien ſei, kann 
man ſchon daraus fchließen, daß ſich bei Martene Tom, HI. p, 477 ff. 
ein dreifaches offieium erclesiae dafuͤr findet. Beiſpiele den Anwen: 
dung dieſer Probe, unter andern auch von einem Grafen Godwin, Der 
glei nach Verſchluckung des geweihten Biſſens geflarben ſeyn fell, hat 
Du Fresne (Glosser. =. v. oornsuned) gelammelt, Die Wedensart, 
„daß wis dee Biſſen im Halſe ſtecken bleibe,“ welde mo im gemei> 


’ 





138 \ Ordalien. 


eontemtui habeatur. Auch iſt es wohl daher und wegen: ber Aehn⸗ 
lichkeit mit dem Zweikampfe zu erklaͤren, daß man in den liturgiſchen 
Buͤchern keine Spur eines offie. eocles. finder, 


VlI. 
Gottesurtheile durch 8weikampf. 


Es iſt ſchon bemerkt worden, daß die Kirche zu keiner Zeit die 
barbariſche Sitte des Zweikampfs, wolcher in den Kirchengeſetzen außer 
den Namen Monomachia und Duellum, auch ben Namen judieium 
pugnas et campi und jndieium sanguinis (wobei bie alte Regel gilt; 
erclesis non sitit sanguinem) führt, gebilligt ober geftattet hat. Das 
eanonifche Recht Deoret, P. IE o. I. qu. 5. erklärt fi ganz beſtimmt 
dagegen. Andere Verorbnungen fprechen bie Mißbilligung viel härter 
und beflimmter aus. Das Deoret, de8 Conc. Trident. Sess. 25. ©. 
19, beruft fih auf die alten Kirchengefege und kann als die Quinteſſenz 
derſelben betrachtet werden. | 

Da wir uns bier weder mit einer Geſchichte des Duells uͤberhaupt, 
noch mit einer Darflellung: ber im Mittelalter fo gewöhnlichen, yes 
richtlichen Zweikaͤmpfe zu befchäftigen haben, fo begnügen wie ung mit 
einigen Bemerkungen uͤber das Verhaͤltniß der Kirche und der Geiſtli⸗ 
chen zu diefer Nationalfitte. * 

Obgleich ed nicht an Beiſpielen fehlt, daB einzelne Geiftliche und 
Mönche, wie an andern Gottesurtheilen, fo auch an dem gerichtlichen 
Zweikaͤmpfen, ungeachtet aller Merbote, einen thätigen und perfönlichen 
Antheil nahmen (denn da das Duell hauptſaͤchlich als ein Vorrecht der 
Freien und Edeln galt, fo feinen ehrgeizige Biſchoͤfe und Prälaten, 
welche in andern Stüden ben Rang ber hoͤhern Stände hatten, fi 
auch dieſes angeblichen Standesvorrechts bebient zu haben), fo verdie⸗ 
. nen biefe Ausnahmen doch weniger Aufmerkſamkeit, als die Sitte, daß 
die Seifttihen in den Fällen, wo fie für ihre Perfon oder die Ehre 
ihres Standes und Ordens kämpfen follten, einen Stellvertreter flellen 
durften. Dergleichen Stelluertreter wurden Campiones, zurmeilen auch 
Pugiles genannt und waren anfangs blos zur Vertheidigung der Rechte 
der Weiber, Unmündigen und Schwachen beſtimmt. Ei biefen wur: 
den bie Beiftlihen in eine Kategorie geſetzt und ihnen geflattet, ihre 
Sache durch Stellvertreter ausfechten zu laffen. Die Decretal. Greg. 
1. V. tif. XIV. de Clericis pugnantibys in Duello enthält zwei Ver⸗ 
prbuungen von Alerander III. und Coͤleſtin UL Die erfie verbieter 
den Geiſtlichen den Zweikampf fchlechthin, das zweite Gefeg unterfagt 
auch ſelbſt die belichte Stellvertretung. Nach Decretal. Greg. lib, V. 
sie. 85. eo. 1. follen des Kirchenguͤter wegen überhaupt keine Duelle 
geftattet werden. Die Geſchichte aber lehrt, daß dieſes Verbot häufig 
übertreten wurde. 
In den liturgiſchen Büchern findet man keine Spur von irgend 
einer kirchlichen Theilnahme an dieſem Gottesurtheile. Denn die zu: 
meilen erwähnte benedietio armorum, gladii, vexillorum u. f. w. 
bezieht fi nicht auf den Privat⸗ ober gerichtlichen Zweikampf, fon- 
dem anf die Waffenweihe ber für Vaterland, Religion und Kirche 
fineitenhus rieger. 


VI. 
Das Bahrgericht. 


Auf dieſes Gottesurtheil wurbe erkannt, wenn bei einer veruͤbten 
Mordthat viel Verdacht gegen ein oder mehrere Individuen vorhanden 
war. Man legte den Ermorbeten auf bie Bahre (daher die Benen⸗ 
nung judieium feretri), und befahl dem vermeintlichen Mörder, daß 
er mit feiner Hand die Wunden oder den Nabel des Entſeelten beruͤhre 
und dabei gewiffe Formeln qusſpreche. Wenn nun aus ben Wunden 
Blut oder Schaum floß, fo hielt man dieß für einen Beweis ber 
Schuld und fing fogleich bie Specialunterfuchung au. Oft aber genügte 
es auch [hon, wenn der Todte die Geſichtsfarbe wechfelte oder die unbe 

u zittern anfing, Es wird bemerkt, daB viele Verbrecher in biefen 
älen ſich fogleich des Mordes fchuldig bekannt hätten. — Nach 
Grimm p. 930 — 31 gedenkt zwar kein altes Geſetz dieler Prüfung; 
fie beruht aber auf einem alten Volksglauben, ben ſchon bie altdeut 
ſchen Gedichte (Mibelungen 984.—86 und Iwein 186664) erwaͤh⸗ 
sien. Außer Deutfchland mar dieſes Gericht, welches auch judieium 
sanguinis (vom Bluten ber. Wunden) genannt wurde, befonders in 
England und Schottland gebräuchlich. ine nähere Beſchreibung giebt 
Chrift. Knittels Tractat von des Bahrrechts Natur, Eigenſchaften, Art 
u. ſ. w. 1691. — J. G. Schottelii Tractat von unterſchiedlichen Rech⸗ 
ten in Deutſchland. 1649. p. 34 - 101. — Bon einem kirchlichen 
Antheile an diefem Gottesurtheile findet man keine Spur. 


vo. 
Die Probe des geweihten Bilfens. 


Wenn gleich, wie Majer (Gefchichte ber Drbalien p. 67 ff.) umb 
- Grimm (Rechtes Alterthlimer p- 932) annehmen, da6 judieium offao 
zumwellen mit der Abendmablöprobe verwechlelt ſeyn mag, fo warb doch 
in der Regel ein Unterfchied gemachte. Aber auch Schmidts Wermus 
thung (RS. V. 169): „Die Probe mit einem geweihten Wiſſen Brod 
„war in England bei den niedern Geiſtlichen gewoͤhnlich und geſetzlich 
„beſtaͤtigt: — die Priefler reinigten fi dagegen durch das Abend» 
„mahl“ — dürfte nicht richtig fepn. Denn es wird immer als ein allge 
meines Verfahren angegeben, daß man den eines Diebſtahls Merbädr 
tigen, ein Stud Brod oder Käfe, welches zuvor benedieirt warden, zu 
effen gab, in der Uebergeugung, daß der Schuldige mit vermoͤgend 
feyn werde, baffelbe hinunter zu fchluden und bei ſich au behalten. 


Das diefe Probe unter befonderer Concurrenz der Geiſtlichen Start ges . 


funden habe und gleichſam eine. kirchliche Handlung geweſen ſei, kann 
man ſchon daraus ſchließen, daß ſich bei Martene Tom, HI. p. 477 ff. 
ein dreifaches offieium seclesiae dafür findet. Beiſpiele dee Anwen: 
dung dieſer Probe, unter andern auch von einem Grafen Godwin, der 
gleih nach Verſchluckung des geweihten Biſſens geflarben ſeyn fol, bat 
Du Fresne (Glossar, 8. v. cornsused) ge Die Webensart, 
„daß mir dee Biſſen im Halſe ſtecken bleihe,“ welche noch im gemei⸗ 


w⸗ 


140  Srbalien. 


nen Leben üblich ift, fol von biefem Drbale herſtammen. &, Chr. 
L. Lieberkühn Diss. de offa judiciali Anglo-Saxonum. Hal. 1771. 


RX. 
Der Gottesfriede 


Unter dem Namen Pax Dei oder Treuge oder Treua (Trevia, 
Treva, Treve), welches man mit dem deutſchen Worte Treue für 
gleich hält, entftand im 11. Sahrhunderte in Srankreich, England und 
Deutfchland eine von der Kirche ausgehende Anflalt, weldhe den wohl: 
thätigen Zweck hatte, das Fauſtrecht zu befchränten und mit ben Got> 
tesurtheilen ſchon dadurch In Verbindung gefegt wurde, daß diejenigen, 
welche eines Friedensbruchs verbächfig waren, fi durch ein Gottesge⸗ 
richt reinigen mußten. Man nannte dieß de Treuga (pace Dei se 
‘ expurgare). Wer beffelben überwiefen wurde, ward mit ber Ercom: 


munication beftraf. Das Conc. Tulugiense um 1045 bei Petr. . 


Marca de concord. sacerdot. I. IV. c. 14. Tom. Il. p. 279 verord: 


net: Si quis autem intra hanc praedictam Trevam Domini aliquod 


'malum alicui fecerit, in duplum ei componat et postea per judi- 
cium aquae frigidae Trevam Domini in sede S. Eulaliae emendet. 

Auch mit dem ſchon viel aͤltern Afylcechte der Kirchen ward bie 
Treuga Dei in enge Verbindung gefegt und die Afplfreiheit (vorzugs⸗ 
mweife pax Dei’ genannt) murde nicht ‚blos auf den Altar und das 
innere der Kichen befchräntt. 

Man beftimmte Anfangs für ben Gottesfrieben die legten Tage 
jedee Woche. Außerdem die ganze Advents⸗ und Faftenzeit, fo wie 
alle befondere Feſte, 3. B. Marientage und bergleihen. Aber man 
ſah ſich bald zu Reftrictionen gensthigt und für jede Woche nur bie 


Belt vom Sonnabend Abend bis Montag früh feflzufegen. Die nod 
jegt nicht ungemöhnlihen Sonnabends: Vespern und Montags : Frühs 


betftunden fcheinen noch aus diefer Zeit herzuftammen. . 

Obgleich aber. die meiften Belchlüffe der Synoden nicht nur bie 
päpftliche Confirmation (unter andern eine feierliche von Urban H. im 
Sehre 1093 und 1095), fondern auch die landesherrlihe Billigung 
und Unterflügung erhielten, fo Eonnte dieſer Gottesfriede fih dennoch 
nicht lange behaupten. Sm 12. und 13. Sahrhunderte bildeten fich 
unter dem Namen Confratriae und Confraternitates religioͤſe Privats 


gefelfchaften, deren Zwed die Aufrechthaltung des Gottesfriedens war 


und zum Theil erreicht wurde. In Deutfchland ward erſt duch dem 
von Marimilian I. im Jahre 1495 eingeführten allgemeinen ewigen 
Landfrieden dem Fauſtrechte und den Gottesurtheilen eine dauerhafte 
Grenze geſetzt. Henke's KG. Thl. 3. p. 9. 

Einige, feltener erwähnte Gottesurtheile übergehen wir bier und 
verweifen auf Auguſti's Denkwürdigkeiten 10. Bd. p. 302. — Grimm 
1. 1. p. 952 und Blunt über den Urfprung rel. Geremonien und Ge⸗ 
brauche ber roͤm. kathol. Kirche 1826. p. 8L— 85. 

1) Derhältniß der Kirche zu den Bottesur: 
thbeilen. — Dan hat, um dieß Verhältnig zu beflimmen, ziel 


gleich unrichtige Urtheile zu vermeiden: 1) daß die Gottesurtheile erft 


' 


Ordalien. 141 


eine Erſcheinung und ein Praduct bes Mittelalters ſelen, und 2) daß fie 
ats ein neues Inſtitut aus der Kirche hervorgegangen wären, um bem 
Einfluß des geiftlihen Standes zu vermehren und ber Hierarchie als 
eine Stüge zu bienen. Das Unrichtige der erflern Anficht haben wir 
bereit gezeigt, und dargethan, daß Gottesurtheile fchon vor ber chriſtli⸗ 
chen Zeit gewöhnlich geweſen feien. Die zweite Behauptung wuͤrde 
nur durdy die oben erwähnte heilige Looſung gerechtfertigt werden koͤn⸗ 
nen. Bei diefer nämlich laͤßt ſich theils ein Lirchlicher Urſprung, theils 
eine Billigung und Empfehlung durch die Kirche nachweiſen, obgleidy 
auch hierbei der vor⸗ und außerchriftliche Gebrauch als eine Reſtriction 
angefehen werden kann. Aber gerade dieſes Punctes erwähnen bie 
meiften Schriftfteller gar nicht; und die Behauptung, daß bie Berufung 
auf ein Gottesurtheil eine Erfindung der Geiſtlichen fei-, verliert das 
duch noch mehr an Wahrheit. 

Die beſſern Schriftfteller, wenn fie ſich auch nur im Algemeinen 
mit den Ocdalien befchäftigen, haben doch richtig anerfannt, theils, 
daß fie fchon vor dem 8. Jahrhunderte vorhanden waren, theild, daß. 
die Kirdje fie nicht erfand und empfahl, fondern nur buldete, um dem 
Aberglauben der Zeit und die National = Borurtheile fo viel ale moͤglich 
zu zuͤgeln. Schon Schroͤckh KG. Thl. 23. p. 256 ff. führt ein Bei⸗ 
fpiel aus dem 6. Jahrhunderte aus Gregor. Turon. de mirae. L. Il. 
o. 19. an, und rdumt ein, daß die Päpfie in der Regel bis ins 13. 
Jahrhundert die Gottesurtheile gemißbillige und unterfagt hätten. In 
Gieſelers Lehrbuch der KG. IE. Bo. 1. Abtheil. 2, Ausg. p. 269 heißt 
es: „Seit der Mitte des 9. Sahrhunderts fingen die Geiſtlichen, bee 
- „Robheit des Zeitalter nachgebend, an, das in ber beutichen echtes 
„pflege eben fo alte al& wichtige Ordalo, welches fie bie dahin meift 
„berieben, zum Xheil gar gemißbilligt hatten, unter ihre Aufficht zw 
„ziehen und entzogen durch milde Handhabung defielben dem Aberglaus 
„ben gewiß mande Opfer.” — Man kann damit auch folgende Aeu⸗ 
‚ Berung ‚in Fr. von Raumers Geſchichte der Hohenflaufen Thl. V. p. 
270 vergleihen. „Mit noch größerem Eifer, als gegen den Beweis 
„ducch Kampf, erklärten ſich die Paͤpſte gegen Gottesurtheile (Innoe. 
„ep. V. 107. XI. 46. XIV. 188.) und ſtraften die Prieſter, welche 
N hülfeeiche Hand geleiftet hatten. Allein fie konnten ihren Wil⸗ 
„len nur in- den geiftlihen Gerichten durchſetzen, und wir finden waͤh⸗ 

‚end des 12. und 13. Sahrhunderts nod manches Beifpiel, daß 
Geiſtuch⸗ durch ihre Theilnahme den Gottesurtheilen hoͤhere Feierlich⸗ 
„keit gaben.” (Wũrdtwein nov. Suba. VII. 90. X. 11. Monum. 
Boic. V. 238.) — Gewiß mußte fhon beim Kampfe mancher Uns 
f&yuldige leiden, noch weniger koͤnnen die Sottesurtheile, fofern man nicht 
für jedes ein Wunder annehmen will, für ein taugliches Beweismittel 
gelten umd wit Mecht hat die Kirche zur Verwerfung falfher Wunder 
hingewirkt. — Vergl. Thl. VI. p. 150.: „Von ben Gottesurthetlen, 
„welche die Raten vertheibigten und anwanden, während die Kirche und 
„befondets bie größten Paͤpſte, auf alle Weiſe widerſprachen und ſie aus 
„allen geiſtlichen Gerichten verbannten.“ 

Was nun dieſe Männer, die Geſchichte des Mittelalters darſtel⸗ 
lend, gut zeigen, daß die Kirche in Beziehung auf die Ordalien dem 
Geiſte der Zeit habe nachgeben müſſen, dieß läpt fih auch zum Theil 


. 148 Ordalien. 


amd der Natur ber Sache darthun. Sollte wohl bie Kirche, wenn Ihr die 
Frage vorgelegt wurde: ob Gottesurtheile überhaupt möglich felen, diefe 
. geradezu verneinen? Wenn fie dieß aber nicht Eonnte, ohne den Glauben 
an die fortwährende Wundermirfung, wovon body fo vieles in der Kirche 
abbing, aufzugeben, fo mußte fie natuͤrlich in Werlegenheit kommen, 
wenn von ihr eine nähere Erklärung und eine genaue Beſtimmung ber 
Kälte, wo bie Wunderwirkung angenommen und wo fie vermorfen und 
geleugnet werben follte, forderte. Jedes Gottesurtheil mußte, wenn 
nicht Taͤuſchung oder Betrug vorauszufegen war, als eine in keinem 
natürlichen Zufammenhange und Cauſalnexus flehende Handlung, oder 
als eine menſchliche Einſicht und Kraft überfleigendes Wunder anges 
nommen werden. Wie follte man aber das Leugnen der Wunber in 
einem Zeitalter erwarten oder fordern, wo alles auf den Wunderglau⸗ 
ben gebaut war? 
- Wie führen dieß nit in der Abſicht an, um die Gottesurtheile, 
beten verberblicher Einfluß zu offenbar ift, als daß es erſt einer befons 
den Veweisfuͤhrung bedüsfte, in Schug zu nehmen, fondern blos um 
zu verhäten, daß man der Kirsche des Mittelalters nicht mehr Schuld 
aufbürde, als fie wirklich bat, und daß man nicht Forderungen an 
fie made, welchen fie unter jenen Umftänden und Derbältnifien ſchwer⸗ 
lich ganz genügen konnte. Es blieb ihr kaum etwas Anderes übrig, als 
fid) der bürgerlichen Geſetzgebung des Staats anzufchließen oder vielmehe 
fih derfelben zu unterwerfen. Ä 
Will man ſich beiehten, wie die Päpfte im Mittelalter groͤßten⸗ 
theils den Ordalien nicht günflig waren, wie aber berühmte Erzbiſchoͤfe 
fi) bald dafür, bald dagegen erflärten und oft felbit in Conflict mit 
der weltlichen Regierung geriethen,, fo findet man dieß gut gezeigt bei 
Augufli in deſſen Denkwuͤrdigkeiten p. 260 ff. Sein Gewährsmann 
iſt beſonders Grimm in ber oben angeführten gruͤndlichen Schrift. 
IV) Schlußbemerkungen. — Diefe mögen ſich zuvoͤr⸗ 
derſt befchäftigen a) mit der Grundidee der Ordalien, bem leichten 
Mißbrauche derfelben, fo wie niit dem Beſtreben neuerer Gelehrten, 
ihnen eine möglichft milde Seite abzugewinnen. 5b) Mit der Frage, 
wie man die Nachrichten zu beurtheilen habe, daß das in den Orda⸗ 
lien Geforberte wirklich geleiftet worben fei, ob «8 gleih nad phyſi⸗ 
ſchen Gefegen: unmöglich fcheint. ©) Allmaͤhliges Aufhoͤren der Orda⸗ 
lien in dee chriftlihen Welt, ihr Fortbeſtehen aber bei nicht chriſtlichen 
Boͤlkern ſelbſt bie auf den heutigen Tag. | 
: 8) Me Drballen beruhen auf dem Glauben, baß Bott die Wahrs 
heit enthuͤllen, die Unfchuldigen befhügen, den Schuldigen beftcafen 
werde. Wie wahr nun aud, biefer Glaube au ſich ſeyn mag,’ fobald 
man alles auf dem Wege gewoͤhnlicher Wirkungsgefege von Geiten 
Gottes und ber Menfchen erwartet, fo verhält es ſich doch bei ben 
Dedalien ganz andere. Hier wird ein Glaube an eine gerechte und 
heilige Vorſicht vorausgefegt, ber alle Augenblicke, für jeben einzelnen 
Fall Wunder thut. w ſoicher Vorſehungsglaube iſt aber weder im 
der Schrift gegründet, noch kan ſich mit ihm bie gebildete Vernunft 
befreunden. Daher iſt au diefe Grundidee rein heidnifh, und es 
laͤßt fi) daraus der beſſere fireliche Inſtinet der meiften Paͤpſte und 
hochgeſtellter Geiſtlichen gegen bie Ordalien einigermaßen erklaͤren. Se 


Ordalien. 148 


mehr fi) das Licht der MWiffenfchaften verbreitete, deſto mehr thußte 
auch der Wahn bei den Drdalien bervortreten. Schade, daß fie duch 
nichts anderes, ale zunaͤchſt duch die Tortur erfegt wurden, Wie 
mandyer Unfchuldige mußte ein Opfer diefes Wahnes werden, da man 
Ihn einer folden Probe unterwarf, bei welcher er nah dem ge 
wöhnlichen Lauf der Dinge immer als fchulbig erfcheinen müßte. 

das Gelingen oder Mißlingen ber Ordalien, einzelne Zufaͤlle abgerech⸗ 
net, immer von deren abhding, welche die Worbereitungen zu bieſen 
Proben trafen, fo war dadurch dem Betruge und der Tüde ein weites 
Feld geoͤffnet. Auch wurde dadurch weit über die Gebühr gefttaft, 
ba der Ausgang einer foldhen Probe an fih Ion oft mit bedeutenden 
Schmerzen verbunden war und den Verluſt der Geſundheit des Leibes 
berbeiführte, indem er nachher noch den Lohn für feine Schuld zu 
empfangen hatte; ja, es trat zuweilen eine dreifache Strafe ein, teil 
nad) einigen echten der Frevel, welcher dadurch vertide wurde, baß er 
fi) auf das Zeugniß dee Gottheit zu berufen gewagt hatte, noch bes 
fondors beflzaft wurde. 

Stimm und einige andere neuere Gelehrte, bie fich geſchichtlich 
mit den Ordalien befchäftigten,, haben alles verſucht, denfelben eine 
mildere Anficht abzugewinnen. Sie ftellten darum die Vermuthung 
auf, daß Sottesurtheile nur felten Statt gefunden hätten. Allein dieß 
kann theild nur auf gewiſſe ſpaͤtere Zeitalter, theils nur anf die Freien 
(ingenuos, liberos) bezogen werden. Die Leibeigenen und Diener wur 
den haͤufig, theilß fler fich ſelbſt, theils als Stellvertreter ihrer Herr⸗ 
ſchaften dieſen Urtheilen unterworfen, und es zeigte fich auch Hierbei 
die Verwandiſchaft mit dem roͤmiſchen Torturgeſeze, weiches bie quae- 
stio in vervüs in- caput Domini erlaubte. Daß bie Ordalien ſonſt 
bäufig gerorfen ſeyn muͤſſen, kann man ſchon aus den kirchlich⸗litur⸗ 
giſchen Verordaungen erfehen, weiche barüber vorhanden find. Mar- 
töne (do amtig. 'rieib, eocles.) hat unter der Rubrik de variis jndielis 
s. probationibüs ad detegenda oceuita seu dubia erimina 15 ver 
ſchiedene Ordines ad facdendum judieinm mitgetheilt. Ueber den Zeits 
puntt, wo dad Officiam judicii divind abgefchafft worden ſei, fehlt «6 
.an ſicherer Auskunft. Die meiſten liturgiſchen Schrtiftſteller fagen bloß, 
daß dieſes offieium abgefhafft fei, ohne etwas Aber den terminus a 
quo zu bemerfen. Es ſcheint, daß die Abfchaffung nicht durch ein 
- befonderes Geſetz, fondern durch eine alfmählige Sondefcendenz zu dent 
Geifte und Geſchmacke des Zeitalter erfolgt fei. 

Der Milberungsgrund, daß die Gottesurtheite felten angewendet 
worben feiern, därfte demnach nicht von großem Gewichte feyn. Nur 
fo viel laͤßt fi) mit Gewißheit behaupten, daß daraus, daß bie Kirche 
De Gottesurtheile umter ihre Aufſicht und Leitung flellte und fih auf 
jeden Fall eine Eoncutrenz dabei vorbehielt, mehr Vortheil, ale Rach⸗ 
eheil entfland. Es ift wenigſtens bemerkenswerth, daß diejenigen Arten 
des Gottesgerichte®, wobei die Kirche mitwirkte, immer mehr gethildert 
und zuletzt ganz abgefhafft wurden. Dagegen war es nicht möglich, 
den Zweilampf, welchen die Kirche zu allen Beiten mißbilligte und mit 
der Ercommunication bedrohte, auszurotten. — Eine in Beziedung 
auf die Drdallen nicht unintereflante * iſt, 

b) wie man die Erzählungen zu beurtheilen 

t 





144 Ordalien. 


habe, daß das in den Ordalien Geforderte wirklich 
geleiſte worden ſei, ob es gleich nach phyſiſchen 
BGeſetzen unmoͤglich ſcheint? Sehe viele Faͤlle erzählt z. B. 
die Geſchichte von dem gluͤcklichen Ausgange der Feuer⸗ und Waſſer⸗ 
probe. Es waͤre gewiß unhiſtoriſch, ſie alle zu verwerfen. Wenn aber 
hier ein gluͤcklicher Ausgang oft Statt gefunden hat, wie iſt dieß zu 
erklaͤen? Bekannt iſt die Idee Montesquieu's (Esprit des loix |. 
XXVIII. eo. 17.), ber durch die haste Haut ber Germanen das Raͤthſel 
loͤſen will. „Wir Maͤnner, ſagt bei dieſer Gelegenheit Wilda (im Art. 
„Ordalien bei Erſch und Gruber) koͤnnen uns die harte Haut der alten 
„Deutſchen ſchon gefallen laſſen; ob aber unſre Frauen damit zufrieden 
„ſeyn wuͤrden, ihre Vorgaͤngerinnen eben ſo feuerfeſt ſich vorzuſtellen, 
„wollen wir dahin geſtellt ſeyn laſſen. Die Frauen aber waren es, die 
„gerade am bäufigften einer ſolchen Probe ſich unterwerfen mußten, wähs 
„rend die Männer zu dem Schwerte griffen.” Allein könnte Montes⸗ 
quieu's Urtheil nicht felbft in Abſicht auf die Frauen Wahrfcheintichkeit 
. behalten, wenn man erwägt, daß nach alten Berichten bie Laft ber 
Gefchäfte bei den Germanen vorzugsweife auf den Frauen lag, bie 
. Männer bingegen, ihre Waffenubungen abgerechnet, mehr in Müßige 
gang lebten. 
Ä Wiarda (Anmerkk. zu Afagab. 2. Abſchn. F. 28.) meint, das 
Eifen ſei bei dieſin Proben fo glühend, da6 Waller fo fiedend nicht 
gewefen, wie wir ed uns wohl denken. Er führt fogar eine Stelle 
aus dem altfriefifchen Landrechte an: die Knecht drage dat hete yseren 
van ter vonten (Taufſtein) to dem Altaer. Dat glogente yseren is 
verboden. — Die Stelle fleht indeß unter fo vielen andern vereinzelt 
und raͤthſelhaft; fonfl wird immer ausdrücklich gefagt, daß das Eifen 
ganz glühend, das Waſſer recht fiedend feyn fol. Deſſen ungeachtet 
möchten wir Wiarda's Meinung nicht unbedingt verwerfen. Dlancher 
glüdlihe Ausgang einer ſolchen Probe mochte dadurch bewirkt worden 
feun, daß die Priefler, welche das Ganze leiteten, bie in einiger Ents 
fernung ſtehenden, im Gebete verfunfenen Zeugen zu täufchen wußten, 
indem man das Eifen oder Waſſer nur ſcheinbar zu einem- fo hoben 
Grade erhigte, oder wenn dieß gefchehen war, doch wieder kuͤnſtlich eine 
raſche Abkühlung bewirkte, ehe die Probe vor fi ging. Nach einigen 
Anordnungen über bie Ordallen fehen wir, daß ber Keſſel eine Zeit 
lang, ehe der Beklagte hineingriff, vom Feuer genommen wurde, eben 
fo das Eifen, ehe man es demfelben darreichte. Wir find über dieſes 
alles fo im Allgemeinen unterrichtet, daß hier ein weites Feld für 
Möglichkeiten und Wermuthungen bleibt. Andere Gelehrte haben ges 
meint, daß man noch auf andere Weile den Beklagten in gewifien 
Fällen gegen bie faft unvermeidlich fcheinenden Folgen einer ſolchen 
Sottesprobe zu ſchuͤtzen und ein fcheinbares Wunder zu wirken gewußt 
habe. Dean kann ihnen beiflimmen, ohne dag man die vorher gehende 
Anſicht gerade zu verwerfen braucht; denn nad) Beſchaffenheit der Ums 
flände mag man fich bald auf diefe, bald auf jene Weife zu Helfen 
gefucht haben, wenn man es nicht für räthlih fand, die Sache ihren 
Gang gehen zu lafien. Daß man im Mittelalter Mittel gekannt has 
be, fi) gegen Brandſchaͤden zu [hügen, dürfte kaum bezweifelt werden. 
Trotula, ein Arzt dee falertinanifhen Schule, theilt ein Recept mit, 
* 


- 





Ordalien. 18 
Sustinet omne jpdieium aquae et ignis. Eben⸗fo Aykprfus Magnus: 


Si vis in manu tus portare ignem, ut non offendat, aecipe calcem 
dissolutam cum aqua fabarum calida et aliquaptulum megrau- 
calis et aliquantulum malvavisci et permijsce illud cum eo bene et 
deinde line. — Auch ‚Schmidt in feiner KG. Thl. 6. p. 173 .be: 
merkt: Auffallen muß «6, fo viele Beiſpiele erzählt zu finden, .. da 
bie Feuerprobe gluͤcklich beflanden worden ſei. Unftreitig muß man 
Mittel gefannt haben, um bie Daut ‚gegen den Brand zu ſichern. 
(Nah Hermbſtaͤdt's Bulletin des Neyen und Miffenswixd. Thl. 10. 
p. 280 beſtehen diefe Mittel in Alaun, Schwefelſaͤure und Seife) 
Das Volt fchrieb ben unerwartet gluͤcklichen Ausgang eines. Drdalcs, 
es fei eines Kampfes oder anderer Probe, wenn der Beklagte nach. ber 
gemeinen Meinung fchulbig war, ben Zeufelds und Hexenkuͤnſten zu, 
Daß dadurch der Schuidige fi) auch gegen. bie gefährlichften Proben 
ſicher flellen Tönne, bezweifelte man nicht. Daher machen auch. die 
vorgefchriebenen Formeln, mit. welhen man. ben Teufel aus: dem Feuer 
ober Waſſer, defien wan fich bedienen wollte, austreiben.fote, einen 
wefentlichen Beſtandtheil der. alten, Gottesurtheils⸗Ritualien aus. Sin 
einer derſelben heißt es unter andern: Kit .si, ex hoe seelere cuips- 
bilis fuerit et per aliquad malefieium aut per herbas. aut ‚por rdia- 
holicas incantationes hanc peccati sui culpam .pcaultare ‚voluerit 
vel tuam innocentiam contaminare vel violare posse se crediderit, 
magnifica tua dextra hoc malum evacuet et omnem veritatem de- 
monstret, Wir machen am Schluffe diefes Artikels noch aufmerkſam 
auf das | 

o) allmählige Aufbören der Ordalien unter 
den germanifhen DolEstämmen auf ihr Sortbeftes 
ben bei nicht hriftlihen OSslfern felbft bis auf den 
heutigen Tag. Ein Zeitpunct des Untergangs der Orbalien in den 
germanifhen Staaten überhaupt, oder auch nur in einzelnen. Rändern, 
laͤßt ſich um fo weniger angeben, als bie gefeglichen Aufhebungen der 
Ordalien doch nicht immer das wirkliche Verſchwinden berfelben zur 
Folge hatten. Im Allgemeinen kann man fagen, daß feit dem 14ten 
Jahrhundert die Ordalien feltener wurden und im 1öten fingen fie 
an duch den zunehmenden Gebraud des canonifchen Rechts, welches 
zur Ablehnung des Verdachtes andere Mittel, befonders den Reini⸗ 
gungseib, einführte, nody mehr aber durch den allgemein verbreiteten 
Gebrauch des zömifchen Rechtes nah und nach zu erlöfchen. "Nur des 
Bahrrechtes bediente man fi im 16. Jahrhundert und ſelbſt noch im 
18. Jahrhundert fogar bis auf die neuefte Zeit herab. (Dieß finder man 
gut nachgemiefen in dem oben angeführten Art. Orbalten in der alfges 
meinen Encyklopddie von Erſch und Gruber p. 490.) Der fortdauernde 
Glaube an Zauberei erhielt in Herenproceffen die Probe des Falten 
Waſſers. Die vermeintlichen Deren wurden auf das. Waffer gelegt, 
und wenn fie ſchwammen, für überführt erklaͤr. Ja es wurde bei 
benfelben außer diefer Probe, die man. had.Serenbad nannte, 
und die im 17. Jahrhunderte In Preußen, in ben benadhbatten Ge⸗ 
genden felbft noch in der erſten Haͤlfte bes 18. angetroffen wird, zus 
weilen auf die Hexenwage erlannt. Dan wog fie naͤmlich und 
erklärte fie, wenn fie ein ungewoͤhnlich leichtes Gewicht hatten, für 

Siegel Yanbtu IV. 10 


146 Ordalien. . 


ſchuldig. Dieſe Thorheiten hoͤrten allmaͤhlig auf, als es Thomaſius 
gelungen war, den Glauben an Heren faſt ganz zu verbannen. 
Als eine Seltenheit verdient erwaͤhnt zu werden, daß noch 1728 zu 
Szegedin in Ungarn eine Waͤgung mehrerer Hexen vorgenommen wur⸗ 
de. Demnach iſt, dieſe wenigen, jetzt ebenfalls erloſchenen Ordalien 
abgerechnet, das Ende des 16ten und der Anfang des 16. Jahrhun⸗ 
derts al& der legte Zeitpunct des Drdalienunfugs in Europa feflzufegen. 
Doch an ihre Stelle führte das römifche Recht, wie mir bereitö be⸗ 
“merkt haben, ein eben fo abfcheuliches Beweismittel in peinlichen Pros 
ceſſen, nämlich bie Kolter, ein. 
Noch jest finder man die Drbalien bei vielen außereuropälfchen 
Völkern. So halten die Senegambier in Afrita den wegen Verbre⸗ 
hen verbächtigen Perfonen ein glühendes Eifen an die Zunge; einige 
Neger auf der Küfte von Guinea geben benfelben Kräuter und Rinden 
von gewiſſer Art in bie Hände, umd glauben, daß die Schuldigen fid) 
daran verbrennen. Die Einwohner von Siam und Pegu haben bie 
Probe des kalten Waſſers. Die Tſchuwaſchen und Oſtiaken im aſiati⸗ 
ſchen Rußland verbinden das Gottesurtheil des geweihten Biſſens mit 
dem Eide; die Chineſen haben die Feuer⸗ und Waſſerprobe. Die meh 
ſten Drbalien aber find bei ben Hindus, im indifchen Archipelagus, 
in Kongo u. 0. D. Ä . 


8. 
Ordination 


I. Urfprung, Bedeutung und Alter diefes Gebrauchs, 
I. er die Drdination zu verrichten hatte, wann und 
wo fie gewöhnlich vollzogen wurde. III. Perfonen, mel: 
hen das chriftliche Altertum die Ordination verweigerte 
oder welche ed dazu befähigt hielt. IV. Gezwungene 
und wiederholte Ordination. V. Drdinationshandlung 
felbft, dabei übliche Formulare und nad) und nad) einge: 
führte Gebräuche. VL Einfluß der Reformation auf die 
Ordinationdfeierlichkeite VII. Fortdauer derfelben in der 
heutigen chriſtlichen Welt, | | 


Literatur, Allgemeine Werke. Bingh. ‚Origin. zer: 
fireut an mehrern Stellen, die wir bei den betreffenden Fällen beſon⸗ 
ders anführen werden. Schönes Geſchichtsforſchungen über die Kirch: 
lichen Gebräude 1. Thl. p. 182 ff. 2. Thl. p. 312 ff. — Auguſti's 
Dentwürbigkeiten 9. Bo. p. 338 ff. — Binterims Dentwürdigkeiten 
ber chriſtl. Bathol. Kirche 1. Bd. 1. Thl. pe 257 —455. 2. Ti. 

21 


p. 121 ff. 

Speciellere Schriften. A) Römifhe Rirche. Jo. 
Morini Commentarius historic. ao dogmatic. de sacris ecclesiae or- 
dinstionibus secundum antig. et recent. Latinos, Graecos, Syros 
etc. P. LI, IL. IH. Paris 1655. Bruxell. 1689.; nebft mebrern hier⸗ 
her gehörigen Schriften. Antwerp. und Amfterd. 1695. Fol. — De 
sacris electionibus et ordinationibus ex antiquo et novo ecclesiae 
usu. Autore M. Franeiseo Hallier sacrae theol. Paris. Doct. er 
Professore socio Sorbonico. Lutet. Paris. Sumptib. Sebastiani Cra- 
moisy, typogr. regii 1636. Fol. 2. Tom. ed. 3. Rom. 1749. 3 Vol. 
Fol. (verbreitet ſich ſehr ausführlich über die Ordinationsfeierlichkeit; 
ift aber voll von hiſtotiſchen Unrichtigkeiten und roͤmiſchen Vorurthei⸗ 
len). — Natalis Alexander dissert, VI. de septem diaconor. eleotione 
in feiner Hist. eeclesiast. Tom. I. p. 123. segg. (Die bogmatifchen 
Schriften über das Sakrament der Ordination können wir wohl bil: 
lig übergehen.) 

B) Proteftantifhhe Rirche. Antonii v. Dale dissertatio- 
nes IX. antiquitatib, quin et marmorib, cum Romanis F tum potis- 


1 | Ordination. 


Eine andere Frage jedoch iſt, ob der oben angeführte Grund, warum 
den Bifchöfen die Ordination ausſchließend Übertragen wurde, auch in 
fpätern Zeiten bei veränderten Anfichten, nod fo zwingend ſeyn konnte. 

Anlangend den Ort, wo die Ordination verrichtet wurde, fo gilt 
auch hier im Allgemeinen, daß es nur der gemeinfchaftliche —— 
lungsplatz der Chriſten, die Kirche, war. Daher bildete ſich ſchon früh 
der Grundfag: Ecclesia unicus ordinationis locus, Selbſt die Aus⸗ 
nahmen, die man dafür anführt, dienen zum Beweiſe dieſes Grund⸗ 
fages; denn fie werden mit großer Mißbilligung erwähnt. S. Socra- 
tes hist. ecoles. 1. IV. e. 29. Bon den Zeiten, als fih der Klerus 
in die ordines superiored und inferiores zu fheiden anfing, wurde 
es allmählig üblih, nur die erftern am Altare und im Chore, ‚die 
letztern aber außerhalb beffelben und in der Sakriſtei zu ordiniren, wos 
bei jedoch immer die Kirche der gefesliche Ort der Ordination biieb. 
Damit hängt aber noch die Obſervanz zufammen, daß jeder zu Ordi⸗ 
nirende für feinen Sprengel und in bdemfelben geweiht wurde. Vor⸗ 
zugsweiſe galt auch dieß wieder von dem Biſchofe/ obgleich auch dies 
felbe Norm für Presbpter und Diaconen angenommen wurde. Ne 
vage quis ordinetur, war darum bier die formula solemnis. In 
Beziehung auf die Verordnungen bed Conc. Nicaen. wird noch bis 
auf den heutigen Tag in der Batholifhen Kirche die Megel beobachtet, 
dag die Biſchoͤfe in ihren Metropolitan= oder Kathedralkirchen die Or⸗ 
dination empfangen. Daraus läßt fih auch in mehrern proteflantifchen 
Ländern die Obfervanz erklären, daß die Ordination nicht immer in 
der Pfarrkirche des Drtes, fondern in der Kirche, an welcher dee Ordi⸗ 
naotrt angeftelfe ift, gehalten wird. 

Was nun die Zeit der Ordination betrifft, fo hat Bingh. Anti- 
quite Tom. U. p. 177 segq. gründlich gezeigt, daß in den erften 
vier Jahrhunderten keine Spur einer feſt beilimmten Zeit zum Orbis 
niren vorfommt, fondern man verrichtete dieſen Weihegebrauh dann, 
wenn ihn Eichliche Bedürfniffe forderten. Daffelbe findet au in Bes 
ztehung des Drdinationstages Statt, Auch von diefem zeigt Bingham, 
dag bis Ind 4. Jahrhundert jeder Wochentag dazu gewählt werben 
Tonnte. Mag man auch fpäter hin und wieder den Sonntay befom 
ders dazu ſchicklich gefunden haben, fo tft dieß doch nicht als allges 
meine Obfervanz anzufehen. Daraus laffen fi) auch die verfchiedenen 
Angaben des Drdinationstages erklären. Bald [priht man von dem Sonn: 
abende, bald vom Sonntage und andern Wochentagen. Nach Renaudot 
(Coll. Liturg. Orient. Tom. I. p. 415) ift bei den Orientalen der regels 
mäßige Orbinationstermin der Sonntag, Thomassin. discipl, P. 11.1. 1. 
e. 87. Tom. IV. p. 552 heißt e& dagegen: In Oriente nulla certa 
sunt ordinationum tempora etiam nunc. Quilibet dominicus dies 
vel festus dominiois aequandus, ordinationi apud Graecos dicatur, 
sicuti usus erat. — In Beziehung auf die Tageszeit und Stunde, 
wird bald der Morgen, bald der Abend angegeben, je nachdem die 
Abendmahlsfeier, welche Immer genau mit der Ordination verbunden 
' war, begangen wurde. Jedoch ſcheint Bingham mehr die Morgenzeit 

als Obſervanz für das Ordiniren anzunehmen, indem er unter andern 
| erzählt, dem Novatian fei es zum Vorwurfe gemachte worden, daß er 
won dexurm, h. ©. quarta pomeridiane, und zwar von hominibus 


x 





Ordination. »1 


temulentis et orapula oppressis ſei orbinict worden. S. Euseb. hist, 
eocles. 1. VI. co. 48. Uebrigens läßt es ſich niche verfennen, daß im. 
Ganzen genommen die Nachrichten über bie Zeit dee Ordination abs 
wärts vom 4. Jahrhundert [parfam, ungenügend und wenig übereins 
flimmend find, weshalb auch Auguſti in feinen Denkwürdigkeiten Thl. 
9. p 410 ff. einiges Liche über diefe Dunkeln Puncte zu verbreiten 
ſucht. Er nimmt an, daß die hohen Seftvigilien als die alten figirten 
Drdindtionstermine anzufehen fein. Die alte Kirche bat es geliebt, 
nicht nur die Euchariftie, fondern auch die Zaufe mit der Ordination 
in Verbindung zu fegen, und die Benennung dies natalis, von der 
Bifhofsweihe gebraucht, Iprechen dieſe Beziehung deutlih aus. Bes 
fonders kommt hier das Sabbatum magnum oder die Oftervigilie in’ 
Betracht. In der That [price auch Leo der Große in der 81. Epiftel 
ganz deutlich davon, indem es. dort heißt: Quod a patribus novimus 
esse servatum a vobis quoquo volumus custodiri, ut non passim 
diebus omnibus sacerdotalis vel levitica ordinatio celebretur, sed 
post diem Sabbati ejusque noctis, quae in prima Sabbati lucescit, 
exordia deligantur. — Auch für Pfingften finden ſich ähnliche Winke. 
Später, als man die Ueberladung der Bigilien mit gettesdienfllichen 
Handlungen vermeiden wollte, oder al& die Feier derſelben ſchon in 
Abnahme kam, [heine man die jejunia quatuor temporum zu Ordinas 
tionsterminen beftimmt zu haben. ©. Thomassin. P. ii. L. H. o. 
12. Tom. V. p. 64. — Aus biefer Gonjectue würde fich ergeben, daß 
man früher die feierlichen Vigilien, fpäter die Zeit der quatuor jenu- 
niorum temporum zu Drdinationsterminen beftimmt habe. Wie es 
aber komme, daß man jest befonders die Biſchofsweihen an einem 
Apofteltage (eine gewiß nicht unfhidlihe Wahl des Tages) vornehme, 
dag man ſich namentlich in der römifhen Kirche felten mehr an bie 
‚ehemaligen Quatembertermine bindet, und dag Biſchoͤfe zu jeder Zeit 
die ordines majores und minores ertheilen, davon geſteht auch Auguſti 
keinen hinlänglidhen Grund angeben zu können. 

1) Perfonen, weldhen das hriftlide Alterthum 
die Ordination verweigerte oder weldye es dazu bes 
fähigt hielt. — Welch einen hohen Begriff die aufblühende chriftliche 
Kirche gleih Anfangs von der Würde eines Klerikers befonders in dem 
böhern Abftufungen hatte, können wir unter andern auch aus ben. 
Vorſichtsmaßregeln beurtheilen, bie man zu nehmen pflegte, che Je⸗ 
wand ordinirt wurde. Bingh. Antiquit. 1. Hl. c. 3. hat das bahin 
Gehörige auf einen dreifachen Geſichtspunct zurüdgeführt. Ex behauptet 
naͤmlich, daß dabei in Betrachtung komme i) ratio fidei, 2) ratio 
morum et 3) ratio externi status et conditionis ordinandorum. Da - 
as aber noch einfacher fheint, das Negative und Pofitive zu nennen, 
was von der Ordination ausfchloß oder dazu befühigte, fo wollen auch 
wie diefe Ordnung befolgen. Jedoch koͤnnen wir hier kürzer ſeyn, in⸗ 
dem derſelbe Gegenſtand in dem Artikel Klerus, in der Abtheilung 
Mr. VI., überſchrieben: „Befolgte Grundſaͤtze vor und nach der Wahl 
„ber Kleriker,“ ausfuͤhrlich abgehaudelt haben: Nur um das Noͤthige 
auch hier leicht uͤberblicken zu koͤnnen, wollen wir uns einer gedraͤng⸗ 
ten Kuͤrze befleißigen. 

Negativ betrachtet verweigerte man die Ordination 1) ben Wels 


152 Ordination, . 


bern; 2) den Katechumenen; 3) den Neophyten; 4) den Energumenen 
und Blißenden; 5) denen, welche auch nad) der Taufe noch fortfuh: 
ven, ein lafterhaftes Leben zu führen; 6) den fogehannten Clinicis; 
-7) den Sclaven; 8) den Berflümmelten und befonders Eunuchen; 
9) den Bigamis; 10) den von Ketzern Getauften; 11) den Advoka⸗ 
ten; 12) Mandien, die zu gewiffen bürgerlichen Aemtern verpflichtet 
waren und unter dem Namen der Gurialen oder Decurionen befannt 
find u. f. w. Man vergl. den Artikel Klerus Nr. VI. — Bingh. An- 
tiquite. 1. III. oc. 8. — Auguſti's Denkwürdigkiten Thl. 9. p. 861 ff. 
In folgenden Denfverfen find die meiſten der jetzt genannten Fälle 
berüdfichtigt. 
Aleo, venator, miles, caupo, aulicus, erro; 

Mercator, lanius, pincerna, tabellio, tutor; 

Curator, sponsor, conüäuctor, concilator [proxeneta.] 

Patronus cauaae ; procuratorve forensis. 

In causa judex civilj, vel capitali, 

Clericus esse nequit, Canones nisi transgrediantur. 


Mas nun bie pofisiven Eigenfchaften anbelangt, die man als befähiz 
gend zur Drdination vorausfegte, fo find es folgende: 1) Ein bes 
ſtimmtes Lebensalter, aetas canonica; 2) eine firenge Prüfung vor ber 
Drdination; 8) sin -allmähliges Auffteigen von niedern zu höhern Gras 
ben, befonders von den Beiten an, wo man ordines inferiores und 
superioreg zu unterfcheiden anfing; daher bie befondern SKirchenverord- 
nungen über die gradatio, Stufenfolge, und die interstitia, Zwiſchen⸗ 
räume; 4) jeder Geiſtliche fol für eine. beſtimmte Stelle orbinirt wer: 
ben; 5) die Forderung, daß jeder in dee Didces, im welcher er ordinirt 
wurde, ‚bleibe, und in feine andere übergehe, auch nicht mehr als ein 
Amt bekleide; 6) die Tonſur (f. den Artikel Tonſur). Auch über 


diefe pofitiven Regeln bei der Ordination eines Klerikers iſt weitläuftis , 


ger gehandelt worden im Artifel Klerus Nr, VI. 


IV) Bezwungene und wiederholte Ordination. 
— Mie frühzeitig man aud ſchon die Erſcheinung in der Kirche wahre 
nimmt, daß man fi von allen Seiten zum Klerus drängte, fo fehlt 
e8 doch beſonders im Laufe der erften vier bis fünf Sahchunderte nicht 
an Beifpielen, daB einzelne Männer, befonders zum Epiſkopate mit 
Gewalt gezwungen merden mußten. Bingh. 1. 1.1. IV. e. 7. p. 189 
führt die Beifpiele eines Paulinus, Cyprianus, Gregorius Thaumas 
turgus, Evagrius und Ambrofius u. a. an. Das Volk nämtid, welches 
damals den Iebhafteften Antheil an den Bilchofswahlen nahm, ‚war 
oft mit folcher Liebe und folhem Bertrauen gegen einzelne Individuen 
erfüllt, daß man feinem Wunfche, diefe zu Biſchoͤfen zu erwählen, nach⸗ 
geben mußte, wenn auch Manches dabei nicht in gehöriger Ordnung 
war, Forſchen wir nun nach den Gründen bdiefer Erfcheinung, fo Lie: 
gen fie zunächft wohl in jenem beſſern Sinne, der das apoftolifche 
Wort beberzigte: „Wer ein Bifhofsamt ſucht, begehrt etwas Wich⸗ 
tiges.” Die Biſchoͤfe jener Zeit nämlich gehörten wenigſtens einem 
großen Theile nach zu den ebelften Gliedern der Chriftengemeinden, 
man mäg nun ihre wifjenfchaftlihe Bildung oder ihren fittlichen Cha⸗ 
racter würdigen. Auch konnte die Sucht vor den Verfolgungen, mo 
gewoͤhnlich die Biſchoͤfe am meiften zu dulden hatten, mitwirken. Ob 


a WE 


L 


Drdinetion. 153 


aber nicht auch eine getoiffe »gehemchelte fromme Demuth babei mit 
thätig war, wie fo oft in ber fpätern Zeit, daruͤber kann der Geſchichts⸗ 
fpreiber nur Bermuthungen, nicht aber Gewißheit ausfprechen. — 
Ueber die wiederholte Ordination findet jedoch eine verfchiebene 
Praxis Statt. War nämlich Jemand von einem ketzeriſchen und ſchis⸗ 
matifchen Biſchofe ordinirt worden, fo hielt es die vechtgkäublge Partei 
für nöthig, diefen noch einmal zu ordinfeen, wenn er fih an ihte 
Kicchengemeinfchaft anſchloß. So mußten die Biſchoͤfe und Presbpter, 
die von dem fchismatifhen Bifchofe Meletius ordinirt worden waren, 
auf Befehl der nicaͤniſchen Kirchenverſammlung von Neuem ordinirt 
werden. Doch gab es auch Ausnahmen. So fchreibt Augustinus 
eontr. Parm. I. Il. ec. 13.: „Es wäre die Ordination der Donatiften 
„rechtmaͤßig geweſen, und fie felbft hätten als Kieriker der Kirche in 
‚„ieder amtlihen Stellung dienen Lönnen, wenn fie wieder zur Einig⸗ 
„keit derfelben zurückgekehrt wären.” — Was nun aber von Schis⸗ 
matikern galt, das galt auch von denen, bie von fogenannten Ketzern 
ordinirt worden waren. Die griechifhe Kirche hielt ſtreng auf diefe 
Maßregel, und im 3. Jahrhunderte war es durchgängige Praxis, wes 
ber die Zaufe noch die Drbdination der Ketzer für gültig zu halten. 
Jedoch fanden auch bier Ausnahmen Statt, wovon unter mehrern ans 
dern Beifpielen nur Folgendes angeführt werden mag." Anifius, Biſchof 
zu Theſſalonich, nahm nebft feinen Provinzialbifchäfen diejenigen auf, 
die Bonofius, ein ketzeriſcher Biſchof in Macedonien, orbinirt hatte, 
um dadurd die Partei des letztern zu ſchwaͤchern. Man findet darin 
‚bei diefer Gelegenheit ein gewiſſes kluges Bequemen der rechtgläubigen 
Kirche. Ste verwarf bald die Ordination der Keger, bald ließ fie dies 
felbe gelten, je nachdem es bem gemeinen Beflen der Kirche zutraͤglich 
fhien oder nit. S. Blackmore's chriſti. Alterth. 1. Thl. p. 264 ff. 
V) Ördinsationshandlung felbft, dabei übliche 
Sormulare und nah und nah eingeführte Bebräus 
be — Es iſt wohl nicht zu bezweifeln, daß auch abgefehen von bee 
fpätern Mebenider eines Sakraments, die Ordination doch früh ſchon 
als ein ausgezeichneter kirchlicher Gebrauch galt. Dieß ergiebt ſich un⸗ 
ter andern auch aus dem angelegentlihen Bemühen litusgifcher Schrifts 
ſteller, das dabei übliche dußere Ritual forsfältig zu befchreiben. - Die 
ältelte Schilderung der Ordinationsfeierlichkeit befindet. fi) in den Con- 
stitut. Apost. 1. VIII. o. 4. und 5. Im Auszuge in beutfcher Ueber: 
fegung hat das dort aufgezeichnete Ritual und die Gebetöformulare 
Augufti in feinen Denkwuͤrdigkeiten Thl. 9. p. 440 ff. mitgetheilt, 
Man wird bem Ganzen wegen feiner Einfachheit und Zweckmaͤpßigkeit 
nicht leicht feinen Beifall verfagen können. Die Ordinationshandlung 
aber genauer zu befchreiben, mie fie fi) in ber Kolge immer mehr 
erweiterte, und ausbildete, würde allzuviel Raum einnehmen. Wir 
begnügen uns darum außer dem, was früher erwähnt worden ift, Hier 
* tur die Schriften anzuführen, wo man fidh in ber lateiniſchen wie in 
der griechifchen Kirche über biefen Gegenfland näher belehren kann. 
In der römifchen Kirche gehört hierher das oben angeführte Werk: 
Morinus de, sacris ecclesiae ordinationibus. (Diefe Schrift iſt unter 
andern auch darum merkwürdig, meil ber. Verfaſſer in berfelben bie 
verfchiedenen Anfichten der Scholaftifer über die Sakramente und 


% 


154 Ordination, 


namentlidy über ben oharacter indelebilis nachweiſt.) Edm. Martene 
de sacris ecel. ritibus 1. 1. P. II. Edit. Rotomag. 1700. p. 337 — 
595. Es find 23 Ordines; davon enthalten Ord. 1— 18. die abends 
ländifchen und Ordo 19 — 23. die griehifhen und orientalifchen Wis 
tuale. Eusebius Renaudot Liturgiar. Oriental. colleetio Tom. I. 
Paris 1716. p. 467 seqq. enthält den bei Morinus und Renaudot 
fehlenden alerandrinifhen Ordinationsritus. 

Daß man es bei einer Feierlichkeit, die fo hoch geachtet wurbe, 
wie die Ordination, nicht an mancherlei Gebraͤuchen wird haben fehlen 
lafſen, laͤßt ſich ſchon von felbit erwarten. In der That ging ihr auch 
ſchon eine gewiſſe ernite Vorbereitung vorher, die befonders in Gebet, 
Bußübung und Faften beſtand. Wir haben in dem Artikel Klerus, 
wo von den Erfordernijien zum geiftlihen Stande weitläuftiger die 
Rebe iſt, einer theils wiſſenſchaftlichen, theils fittlihen Prüfung Erz 
wähnung gethan. Auch die Zonfur (f. den Artikel) kann: in der römis 
fhen Kirche ala Vorbereitung auf die ordines minores angefehen wer⸗ 
den, Befonders ertönt fchon aus früherer Zeit, 3. B. aus dem Zeitz 
alter Leo des Großen, eines Gelafius, das Gebot, daß die Geiftlichen 
follten jejunia jejunantibus ordinirt werden. Ja in den Zeiten, wo 
das Moͤnchsleben fchon mehr ausyebildet war, pflegten ſich beſonders 
"die Bifchöfe den Tag und die Naht vor ihrer Ordination in einem 
Klofter vorzubereiten. Wenn wir jest noch Einiges von den Ordina⸗ 
tionsgebräuchen anführen, fo wollen wir auch hier feine erfchöpfenbe 
Befchreibung geben, fondern nur Einiges, und zwar allgemein Uebli⸗ 
ches, anführen. Dabin dürfte zunaͤchſt gehören 

a) 868 Auflegen der Hände. Da bdiefer Gebrauch uns 
mittelbar aus dem apoftolifhen Zeitalter abflammt, fe darf man fid 
nicht wundern, wenn man mit einer gewilfen Allgemeinheit dafuͤr 
freah. Nannte man body deshalb die ganze Handlung yuooseola 
und zepororia, und braudte fie Anfangs ganz fpnonym mit ordi- 
natio. In der Folge aber unterfhieden die alten kirchlichen Schrift 
ſteller zrifchen beiden fo, daß xugodeora von der gemöhnlihen Dands 


auflegung bei andern religiöfen Feierlichkeiten, 3. B. bei des Zaufe, - 


Confirmation u. f. w., gebraucht wurde, dagegen yYapezovia von der 
Ordinatio proprie sic diets. S. Suiceri thesaur. Ton. Il. p. 1517. 
Es fehlt nicht an Zeugniffen, daß eine Ordination ohne Dandauflegen, 
wo nicht für ungültig, doch wenigftens für etwas Ungewöhnliches ges 
halten wurde. Daher konnte Bellarmin de aaer. Ord. I. 1. 0. 9. 
wohl fagen: Manus impositionem ad essentiam S. erdinis pertinere,. 
Auch) hielt man befondere Beflimmungen für nöthig, wie diefe ma- 
nuum impositio una et simplex oder duplex, triplex u. ſ. w. ſeyn 
follte, wie damit dad Signum erucis zu verbinden ſei. Es follte nie 
ein bloßes signum ohne Worte und Formeln feyn, damit ed nad) der 
Megel ded Auguftinus gehe: Accedit verbum ad elementum (= 
signum) et fit sacramentum. . Ä 

b) Die Salbung. Wie offen auch Schriftfiellee aus ber 
tömifhen Kirche geftehen und proteſtantiſche Theologen gründtich bewies 
fen haben, daß fi) von der fogenannten unctio feine Spur bie zum 
9, Jahrhundert finde, ja, daß fie in der orientaliihen Kirche niemals 
gewöhnlich geweſen fei; fo. hat doc, der neuefle Bearbeiter der chriſtli⸗ 


- 


Orbination. 5 


chen Archaͤologie in der * ſchen Kirche Binterim in feinen Denkwuͤr⸗ 
digkeiten 1. Bb. 1. Thl. p. 477 — 89 das Alter dieſes Gebrauchs 
etwas hoͤher hinauf zu (hellen gefucht” Allein theils wird auch durch 
diefe Deduction Binterim’s für das höher hinaufzufegende Alter biefes 
Gebrauchs nicht viel gewonnen, theild gefteht er ſelbſt, dag er in feis 
nem dietum probans, worauf er fich beruft, eine gewaltſame Veraͤn⸗ 
derung ber £efeart vornehmen müffe, woraus die unfichere Baſis der 
ganzen Unterfuchung hervorgeht. Es dürfte daher die Vermuthung 
proteftantifcher Archäologen vieles für fich haben, daß der Urfprung 
biefer Sitte befonders in das Zeitalter Gregor ded Großen falle, wo 
fo vieles aus der Levitifchen Verfaſſung berüber genommen und mit 
dee chriftlichen Liturgie verbunden wurde. Seit dem 9. Jahrhunderte 
fmden wir in der Inteinifhen Kieche die Salbung des Biſchofs und 
Presbyters eingeführt, und zwar mit dem Unterfchiede, daß ber Bifchof 
an Daupt und Händen, der Presbpter aber blos an beiten Händen 
gefalbt wurde. 

ec) Kreuzes zeichen und der Sriedenskuß. Beides 
findet ſich auch bei andern religioͤſen Feierlichkeiten, jedoch wird es bei 
der Ordination beſonders hervorgehoben. ‚Man ſ. Chrysostom. hom. 
55. in Mth. Dionys. Areopag. de hier. ecel. e. 5. Uebtigens herrſchte 
von jeher uͤber die Zeitmomente, wann, und uͤber die Zahl, wie oft 
dieſe Kreuze zu machen ſeien, Verſchiedenheit in der orientaliſchen und 
occidentaliſchen Kirche. Schon die Constitut. Apost. l. Vlil, o. 6. 
erwähnen, daß der Neugeweihte vom Conſecrator umarmt wurde und , 
den Bruderkuß erhielt. 

d) Uebergabe der heiligen Rleinodien, Gerd 
the und Kleider. Da mir von jeder Abflufung des Klerus eigene 
Artitel gegeben haben, fo ift auch dort jedesmal erwähnt worden, was 
beim Epiſkopate, Presbpteriate, Diaconate u. f. w. nah und nah 
in Beziehung auf den oben angeführten Punct üblich gemorben iſt. 
Dier fei nur noch fo viel erinnert, daß auch dieſer Gebrauch feinen 
A. T. Urfprung nicht verleugnen könne, und daß er fih im Gregoriar 
niſchen Zeitalter beſonders ausbildete. 

VI) Einfluß der Reformation auf die Ördina 
tionsfeierlihkeit. — Erwaͤgt man die Grundfäge der Mefors 
matoren von der cheiftlichen Kreiheit, befonder® in Abſicht auf das Kies 
chenceremoniel, erinnert man fih an ihre abweichenden Anfichten des 
zeither üblich gewelenen Begriffes eines Sakraments; fo kann man 
Ihon daraus auf einige Veränderungen ſchließen, die nun nothwendig 
auch in Abfiche auf die Drdinationsfeierlichleit eintreten mußten. Wir 
wollen die Divergenzpuncte zroifhen der griechiſch⸗ und roͤmiſch-katho⸗ 
liſchen Kirche (weil beide bier ziemlich zufansmenflimmen) und ber 
proteftantifhen Kirche in dieſer Beziehung, wenigſtens in einigen 
Puncten, nachmweifen. 

1) Die römifhe Kirche nennt die Prieſterweihe nicht nur ein 
Sakrament (in dem ihr eigenthuͤmlichen Sinne), ſondern behauptet 
auch von ihr, daß durch fie befondere Gnadengaben und ein character 
indelebilis mitgetheilt werbe,, weshalb fie auch als weſentlich nothwen⸗ 
dig zu beteachten ſei. — Luther hingegen erflärte anfangs die Ordi⸗ 
nation gar nicht für nothwendig, und unverhöhlen hatte. ex in feinen 





186: | Ordination. 


fruͤhern Schriften (z. B. an den Adel der deutſchen Nation) die Be⸗ 
hauptung ˖ aufgeſtellt, daß durch die Taufe alle Chriſten zu Prieſtern 
geweiht worden waͤren, und daß das Sakrament der Weihe blos eine 
Erfindung des Papſtes ſei. Da er jedoch die Mißbraͤuche wahrnahm, 
welche Schwaͤrmer und Fanatiket beſonders mit der chriſtlichen Freiheit 
auch in Beziehung auf das Lehramt trieben, ſo uͤberzeugte auch er ſich 
davon, wie noͤthig es ſei, einen chriſtlichen Lehrſtand beizubehalten, 
ihm aber die Geſtalt zu geben, bie dem Geiſte des Evangeliums ans 
gemefien und der Einfachheit der Altern chriſtlichen Kirche ähnlich wäre. 
Mit diefer gewonnenen Ueberzeugung mußte fih aber aud die Anſicht 
bilden, daß eine befondere Berufung und feierliche Einweihung zum 
hriftlihen Lehramte, wenn aud nicht im Sinne und Geifte ber roͤmi⸗ 
(hen Kirche, doch hoͤchſt zweckmaͤßig und mothwendig ſei. Diele Ans 
fiche ging. darum auch in die fpmbolifchen Bücher der Tutherifchen und 
veformirten Kirche über. S. Apolog. A. C. Art. VII. p. 204. Art. 


Schmalcald. P, Ill. art. 10. p. 334. Conf. Helvet. I. (a. 1536.) . 


art. XVIll: p. 55—56 und öfterer, Als ein müglicher und erbauli= 

her Gebrauch, der in ber Sinfachheit der alten Kirche beizubehalten 
‚fet, hat man darum ziemlich, allgemein bie Ordination unter den Pros 
teffanten betrachtet. Es kommen deshalb auch menig Beifpiele von 
der entgegengefegten Anfidht vor, wovon Fluͤgge in feiner Geſchichte des 

deutſchen Kirchen⸗ und Predigtweſens Thl. II. p. 255 eins anfuͤhrt. 

Ein gewifſer Fredericus in Pommern in der Mitte des 16. Jahrhun⸗/ 
derts hatte, ohne ordinikt zu feyn, fein Amt angetreten. Er wurbe 
deshalb abgeſetzt, welches Verfahren aud) nach der Enticheibung der 
Wittenberger Theologen (1555) gebilligt und der Umſtand beſonders 
hervorgehoben wurde, daß eine gute Kiechenordnung bie Ordination 


nothwendig vorausfege. Bei diefer Gelegenheit ſagt Fluͤgge: „Dieß 


„ſcheint auch der einzige Streit Über die Ordination gemwefen zu feyn. 
„Die lutherifche Kirche hat fie als kirchlichen Gebrauch beibehalten, und 
„nur den Aberglauben davon entfernt, den die katholifche Kirche Damit ver: 
„bunden batte. Sie,betrachtet fie als eine feierliche Handlung, wodurch 
„den berufehen Predigern bas Recht ertheilt wird, ihr Amt zu verwals 
„ten. Iſt nım auch nach den bemerkten Grundfägen bie proteflantifche 
„Kirche weit entfernt, mit der Ordination die Ertheilung befonderer 
„Gnadengaben, eine potestas spititualis ex opere operato unb ben 
„cbaraeter indelebilis, anzunehmen ; fo will fie boch diefelbe nicht «tg 
„einen bloßen Gebrauch angefehen wiffen. In den alten Kirchenordnun⸗ 
„gen und Agenden wird bei berfelben von einer befonden Wirkung 
„des heiligen Geiſtes gefprochen, weshalb auch hier der Gefang vorzuges 
„weiſe gewöhnlih war: Komm heiliger Geiſt. Diefe Anſicht fheint 
„ſich auch dadurch in ber Praris zu beftätigen, baß die: in ber protes 
„ftantifchen Kirche übliche öffentliche Degradation eines Predigers in 
„peinlichen Källen zwar einerfeitS zum Beweiſe dient, ber charaoter 
„indelebilis werde verworfen; anbererfeitd aber auch dafür fpriht, baß 
„man bie Ordination nicht für einen bios willkuͤhrlichen Gebrauch an⸗ 
‚„gefehen wiſſen will.‘ 
2) In der römifch= wie in ber griechiſch⸗ katholiſchen Kirche wird 
bei jeder Abſtufung zum Klerikate die Ordination ertheilt, ſo daß es 
eben fo viele Ordinatiönen als Stufen und Claſſen des geiſtlichen 


“ 


Ordination. 


Standes giebt. — Zwar iſt in. Anfeheng ber ſogenanntän -orilinem 
inferiorum eine Geſammtfeier in der roͤmilchen Kirche zuweilen uͤhlich, 
jedoch wird bie Prieſter⸗ und Diaeonateweihe ‘immer: als ein beſonderer 
Actus angeſehen und die Biſchofeweihe gilt als die hoͤchſte und feier⸗ 
lichſte. Jedoch macht die Conſecration des Patriarchen und des roͤmiſchen 
Papſtes, welche nicht zur Bifſchofsweihe gerechnet werden, noch einen 
Unterfchied. — Nach den Grundſaͤtzen der edangelifhen Kirche aber ' 
iſt für alle geiſtliche Würden nur eine Ordination, indem fie von den 
Abftufungen ihrer Geiſtlichkeit behauptet, daß fie nicht gradus juris- 
dietionis, auetoritatis secularis etc., fondern gradus beni st noces- 
sarii ordinis feien. Ja die liberale Anficht, namentlich der dutherifchen 
Kirche, geht bier fo weit, daß fie die Behauptung aufſtellt: einer, der 
ats Geiftlicher von der katholiſchen under reformirten Kirche zu den Luthe⸗ 
ranetn Übertrete und unter diefen wieber ein kirchliches Lehramt vers 
walte, könne, wenn er von einem römifchen Biſchofe oder reformirten 
Geiftlichen orbinirt worden ſei, es entweder bei der erſten Ordimation 
bewenden laſſen, oder ſich aufs Neue nad) lutherifchem Ritus ordiniren 
taflen. Cfr. Deylingii Pradent. pastoral. p. 210. Leipz. 1768. — 
Bon diefem allgemeinen Grumdfage in der proteflantifchen Kirche mas 
dyen jedoch zwei Odſervanzen eine Ausnahme, nmaͤmlich die Biſchofe⸗ 
wahl, wo in goangelifch schriftlichen Staaten das Epiſkopat noch ges 
woͤhnlich ift, und die. eigenthumliche Anſicht von der Ordination in. der 
engliſch⸗ biſchoͤflichen Kirche. Die Lucheraner in. Schweden und Daͤne⸗ 
mark ſehen die Biſchefsweihe für einen befondern "Act an, der auch bei 
:dem wieder vollzogen wird, welicher ſchon zuvor als Geiſtlicher ordi⸗ 
nirt worden war, desgleichen die boͤhmiſchen und maͤhriſchen Brüder, fo 
wie die Binzendorfilche Brädergemeinde. Die feit 1816 ernannten 
enangelifchen Biſchoͤfe in der Preußiſchen Monarchie haben bis jekt 
noch feine. kirchliche Weihe empfangen. Die hohe bifchöfliche Kirche in 
‚England nimmt eine dreifache Ordination an, zum Diaconate, zum 
Presbyteriate und zum Epiflopate. Es hat nicht an Stimmen in dies 
ſer Kirche gefehlt, jedoch immer mit Widerſpruch, die der Biſchofs⸗ 
weihe eben die Wirkſamkeit zufchreiben, wie in der römifchen Kirche. 
Auch hier ſprach man von einer höhern gebeimnißvollen Gabe, von 
‘einem charaeter indelebilis, welche durch bie Biſchofsweihe er: 
theilt würden. 
* 3) In der orimtalifhen und roͤmiſchen Kirche: wird nur die Orbi: 
nation als gültig angefehen, die von einem Biſchofe oder in defien. 
"befonderm Auftrage (z. B. duch Suffingan= oder Weihhbiſchoͤfe und 
auch duch andere Stellvertreter) ertheilt worden iſt. In der proteſtan⸗ 
tiſchen Kirche hingegen findet im Allgemeinen der Grundfatz Statt, daß 
jeder rite ordinatus auch Andere rite ordiniten koͤnne. Bei denjeni⸗ 
sen Proteſtanten, die das Epiſkopat nicht haben, ordiniren daher bald 
nach bloßem Herkommen, bald nach gefegliden Votſchriften (Ziegier 
de Superint. c. 14.) Generalſuperintendenten, Superintendenten, Haupt⸗ 
paſtoren, und ſelbſt Ins noͤthigen Falle Diaconen. Befenders hielt es 
die reformirte Kirche ihrer Presbyterialverfaſſung gemaͤß, nicht. zänen 
beſondern Werth darnuf zu ſeten, daß Geiſtliche von höherem Nange 
audſchließend: ordinirten. 
q) ˖ Die aͤußere Feierlichkeit betreffend, iſt⸗nicht zu: leugnen, daß 





158 ‘ , “ Ordination, 


die römifche Biſchofeweihe allerdings etwas Imponirendes habe. Allein, 


‚genau genommen, dreht fi doch nur alles um Anfichten und Vor— 
vechte, die weber aus dem chrifllichen Alterthume noch aus der Bibel 
gerechtfertigt werben koͤnnen. Ein von ber, Hierarchie erzeugter Aber: 
glaube ſpricht fid, unverkennbar aus, wenn man auf die Liturgie ach—⸗ 
get, wie fie noch jegt bei Bifchofsweihen vorgefchrieben if. Auch iſt 
das Feierlihe dabei gleihfam erichöpft, während die niebern ordi- 
nes in diefer Hinficht nur fllichtig und mechanifch behandelt werben. 
- Weniger überladend, und babei doch auch gewiß erhebend und erbaus 
"lich, find die Gebraͤuche bei der Drdination unter den Proteftanten; 
fie nähern ſich wieder der Einfachheit in der apoftolifchen und erfien 
chriſtlichen Kirche und find ungefähr folgende: Der Gandidat wird 
gewoͤhnlich an dem Orte, wo das Confiftorium iſt, umd zwar am 
bäufigften, an einem Mochentage ordinirt. Das Hauptgeſchaͤft ver: 
richtet gewöhnlich dabei der nad) dem Herkommen beftimmte Ordinater, 
indem er entweder in einem für diefen Zweck abgefaßten Formulare, 
oder auch in befonders ausgearbeiteter freien Rede den Neuerwählten 
an feine Pflicht erinnert und ihm dann die Hand auf das Haupt legt. 
Diefem folgen mehrere Geiftliche nad), bei diefer Handlung Affiftenten 
genannt, welche ebenfalls die Hand auf das Daupt bes Drdinanden 
legen unb ihm entweder einzeln, oder im Namen aller einen Gluͤcks⸗ 
und Segenswunfd zurufen. Alsdann communiciet ber fo feierlich ges 
weihte Prediger öffentlich und die ganze Handlung wird mit Gefang 
und Gebet geendist.e So fcheint ſich im Allgemeinen die Drdinas 
| eiomefekertiänkei in ber lutherifchen Kicche wohl nicht fehr unterſchieden 
u haben. | 

a VID Sortdauer diefer Seierlihkeit in der beus 
tigen hriftliben Welt. — In allen den bekannten Kirchen» 
ſyſtemen, deren Verfaſſung fi vollfommener ausgebildet bat, finden 


wir gefegliche Vorfchriften zur Ausuͤbung der Ordinationsfeierlichkeit. 
Dahin gehört in der vömifhen Kirche Conc. Trident. Sess. XIV.. 


‚©. 8. — Die Liturgien ‚in der griechifchen Kirche fchreiben nicht mins 
- ber die. Sormen für die verfchledenen Kleriker⸗ Abftufungen vor, wovon 
man die Belege findet in einer neuern Schrift. S. Joſeph Schmitt's 
. Darftelung der morgenländifch = geiechifch = ruffifhen Kirche. Mainz 
1826. — In der Epifkopalkiche in England gehören hierher. das 
Book of common prayer, und auch eine neuere Schrift über die 
Nationalkirche in Schottland, von Gamberg erzählt, wie fi dort der 
Actus der Weihe zu einem geiftlihen Amte geftaltet. Nicht minder 
fehlt e8 an gefeglihen Worfchriften dazu in den ditern und neuern 
Agenden der Iutherifhen Kirchen, tie z. B. auch die neufte, preußis 
fhe Agende beweifl. In mehrern deutſchen Ländern und Stäbten, 
3. B. in Schfen, Hannover, Braunſchweig, Hefien, Holftein, Ham⸗ 
durg u. f. w., fo wie in der nordifchen Lutherifhen Kirche Nortvegens, 
Dänemarks und Schwedens, wurde die Ordination immer als eine außs 
gezeichnete, Feierlichkeit betrachte. Ja man bat auch in ſolchen Ge 
genden der lutherifhen Kirche, wo nody die Ordination inter privatos 
parietes,, in der Saktijtel, in der Wohnung des Drdinators u. f. w. 
geſchah, diefen Uebelſtaͤnden abzuhelfen geſucht. Won den Fortfchritten, 
die unſte Zeit in biefer Dinfiche gemacht hat, mögen unter andern 


\ 


Ordination. 159 


auch bie vielen neuen, zwedmäßigen Drbinationsformulare zeugen, wie 
fie ſich theils in den beſſern Kirchenorbnungen, theils in homiletiſchen 
Magazinen niedergelegt finden. Ja auch an einzelnen, trefflihen Ges 
legenheitsreden,, die Drdination betreffend, fehlt es fo wenig, daß ihe 
bier wohl der Vorzug vor allen andern zugeflanden werden muß, 
Ueberhaupt macht man die Erfahrung, daß in der ganzen chrifllichen 
Zeitbauer nicht nur die Nüglichkeit und Unentbehrlichkeit eines beſtimm⸗ 
ten Lehr: und Prebigtamtes, fondern auch eine feierlihe Einweihung 
und Verpflichtung dazu anerfannt wurde. Es bleiben alfo nur als 
Gegner der Ordination übrig die Anabaptiften, die Quaͤker und 
einige andere Pleine Secten, bie den Grundſatz aufftellen, daß es zum 
Lehren feines befondern Standes und keiner eigenthuͤmlichen Sendung 
und Einweihung bedürfe. 


9, 
Orgeln 
inden Kirchen, 


I. Ein muſikaliſches Inſtrument unter dem Na- 
men Organon war fchon früh bei den Alten bekannt. 
II. Späterer, ungewiſſer Anfangspunct des Tirchlichen 
Orgelgebrauchs. IM. Verſchiedene Urtheile über die Zus 
laͤſſigkeit deſſelben. IV. Schickſale des Eirchlichen Orgel⸗ 
gebrauchs durch die Reformation und in unſern Tagen. 


Monographien. Fr. Blanchini dissert. de tribus gene- 
rib. instrumentor. musicae veterum organicae. Rom. 1742. (In 
drei Abfchnitten. Der erfte handelt von den Blasinftrumenten der 
Alten, der zweite von den Saiten: Snftrumenten und der dritte von 
Inſtrumenten, welche gefchlagen werden.) — ©. C. Müllers hiftorifch: 
philofophifches Sendfchreiben von Orgeln, ihrem "Urfprunge und Ges 
brauche in der Kirche Gottes. Dresden 1748. — Chryfanders hiſtor. 
Nachr. von Kirhenorgeln. Rinteln 1755. 8. — J. Uri Sponfels 
Orgelhiſtorie. Nürnberg 1771. 8. — D. B. de Celle Geſchichte der. 
Orgeln. Aus dem Franz. überf. Berlin 1795. — 3. W. Fiſchers 
Geſchichte und Befchreibung ber großen Orgel in Breslau. Ebend. 1821. 

Allgemeinere Werke. Bingh. Origin. Vol. Ill. p. 275. 
— Baumgartens Erläuterungen ıc. p. 395. — Hospin. de origine 
et progressu eto. templor. 1. I. c. 11. de origine Organor. Musi- 
cor. in templis, quae Germani dicunt Orgeln. — F. G. Walchii 
compend. antiquit. ecclesiast. p. 455. c. XIX. de instrumento mu- 
sico, speciatim de organis musiois. — Schönes Geſchichtsforſch. 
Thl. 8. p. 212 und 213. — Augufti’d Dentwürdigkeiten 11. Bd. 
p. 423 ff. — Rheinwalds kirchl. Archäologie p. 265. — 8. Keßler 
der mufitalifhe SKicchendienft. Iſerlohn 1832. 8. Vergl. Allgem. 
Literaturzeit. 1834. I. p. 363. — Allgem. Kirchenzeit. 18354. Nr. 

123. — Sonft enthalten auch die meiften der oben p. 105. ange: 
führten Schriften über Kirchenmuſik Notizen über die Orgel. 

D) Ein mufilalifhes Inftrument, Organon ge: 
nennt, war ſchon fruͤh bei den Alten befannt, — 
Das vieldeutige Wort öpyarov kommt bei ben Alten überhaupt für 


Orgeln. 161 


muſikaliſche Inſtrumente vor, welches Auguſtin ausbsüdtih bei ber 
Erklärung des 56. Pfalms bemerkt, indem er fage: „Alle muſikali⸗ 
„she Inſtrumente werden organa genannt, nicht allein die großen, 
„welche durch Baͤlge getreten werden, ſondern auch jeded andere, wel⸗ 
„ces einen Ton von ſich giebt.” — Im engen Sinne aber bezeids 
nete man bamit ein Inſtrument, das aus einer Reihe Pfeifen beſteht, 
denen auf irgend eine Art durch Waſſer⸗ ober Windbewegung 
abgewonnen wurden. Fruͤh ſchon erwähnen roͤmiſche und grieckifche 
Dichter eine gewiffe Art von Drgeln, melde als Pan's Erfindung 
gepriefen werben, und gewöhnlich aus fieben Schilfroͤhren (cslami) oder 
Metalipfeifen beflanden. Später wurden die fogemaunten Waſſerorgeln 
(organa bydraulioa) gewaͤhlt. Ihr Erfinder foll Cteſibius aus Alexan⸗ 
drien, ein Zeitgenoffe des Ptolemäus Evergetes, geweſen ſeyn. S. Plin. 
hist. nat. 1. VIL e. 37. Es gefchieht ihrer hin und wieder in den 
römifchen Autoren Erwähnung. Go erzählt Sueten. in vita Noronis 
von dieſem SKaifer: Aliquam diei partem per organa hydraulicg 
novi et ignoti generis circumduxit. Mach Tertull. de anim. co. 14. 
ift da6 organum hydraulicum eine ungeheure Erfindung (portontissimg 
munificentia) des Archimebes. Sie muͤſſen im Occidente lange uͤblich 
und beliebt, und nad Suet. vit. Ner. co, 14. aud) ‚während ber 
Schaufpiele gewoͤhnlich geweſen feyn. Auch. von ben fogenannten Mind; 
orgeln fpricht bereits das Alterthum. In Afrika und Spanien waren 
fie [don im 5. und 6. Jahrhundert gewöhnlich, wie bie glei anfangs 
angeführte Stelle des Auguftin zu Pſalm 56. zeigt. — Jedoch muͤſ⸗ 
fen von diefer Zeit an die Orgeln im Abendlande wieder ungewöhnlich 
geworden feun; benn e6 wird als sin befonders merkwuͤrdiger Amſtand 
angeführt, daß .der griechifche Kaifer Eonftantin Copronymus im Fahre 
757, nach Andern im Sabre 766, durch feinen Gefandten dem fränkis 
fen Könige Pipin dem Kleinen, während defien Aufenthaltes zu Com⸗ 
piegne, ein Geſchenk machte, wie Sighertus ad a. 766 und bie Anna- 
les Metenses Tom. Hl. a. 7556 melden. Dieſe Orgel ſcheint jedoch 
mehr eine Haus⸗ und Concertorgel gemeien zu ſeyn, wie fie in ‚Ganz 
flantinopel gewöhnlich waren. Dagegen war bie Orgel, ‚womit der 
Kaifer Michael Karl den Großen beſchenkte, in ber Kirche zu Aachen 
aufgeflellt,, welches das erſte Beiſpiel diefer Art if. Eine Beſchreibung 
davon bat der Monachus Sangallensis de ‚Car. M. 1. I. e. 10. (vgl, 
Canisii thesaur. monum, V. MI. p. 74) gegeben, worin er ‚unter ans 
bern fagt, daß aus den ‚groben und großen Pfeifen ſich eine Donnets 
flimme, aus den Heinen aber die Befhmägigkeit ber Lyra ‚vernehmen: 
ließe. Eine poetifche Schilderung diefer Orgel finder man dei Walafried 
Strabo de ornstu eoclesiae Aquisgran. Uebrigens «sitt auch 'bei den 
Drgeln der Fall ein, wie bei mehrern andern: Srfindungen, die in das 
Alterthum binaufteichen, daß man Spuren bavon in ‚einer fruheen Zeit 
findet, die aber nad) Jahrhunderten fich arſt wieder finden. Denkt 
man auch nur an die Einfälle der Barbaren in das Roͤmerreich, wo⸗ 
duch Kunſt und Miffenfchaft fo fehr in Verfall geriethen, -fo läßt fich 
ſchon daraus ;biefe Ecfheinung im Allgemeinen erklären. 

1) Späterer, ungewiffer Anfangepunct des 
kirchlichen ÖOrgelgebrauds. — Bo viel Ift als audges 
machte Wahrheit anzunehmen, daß ‚in ben erfisn Jahrhunderten nach 

Siege Hai IV. 11° 


/ 


x 


168 | Orgeln. 


Chriſtus bis auf Karl den Größen in vielen Gegenden Kicchenorgeln 
völlig ungemöhnlih und am einzelnen Drten nur felten gebräuchlich) 
waren. In dee Dunkelheit, die auf der früheren Gefchichte des kirch⸗ 
lichen Orgelgebrauchs ruht, tritt nur fo viel mit einiger Klarheit her⸗ 
vor, daß er vom 8. Jahrhundert begann und im 12. Jahrhundert 
völig allgemein wurde, daß dieß befonders in Deutfhland der Fall 
mar, wo auch die beruͤhmteſten und meiſten. Orgelkünftter lebten. Wir 
theilen im Auszuge mit, “was barüber die oben angeführte kleine 
Schrift: Fiſchers Gefhichte und Befchreibung der großen Drgel in 
Breslau ıc., weil e8 uns feiner Natur und Beichaffenheit wah am 
wahrfcheinlichften duͤnkt und auch mit andern darüber verglihenen Nach⸗ 
richten am beften übereinftimmt. S. 26 ff. ſagt ee: „In Münden 
„fol die erfte große Drgel geweien feyn. Dom 10. Jahrhundert an 
„‚vesbreiteten fi die Orgeln in den Hauptkirchen ber bifhöflihen Reſi⸗ 
„denzen und in den Kloſterkirchen Deutſchlands. — Nach vielen alten 
„Metunden geht die Erfindung folder Orgeln, wie wir fie etwa bie 
„zum 17. Jahrhundert hatten, ‚nicht über 1320 hinaus, — Ein 
„venetianiſcher Patrizier, Marinus Manutus (Sanudo), mit bem 
„Beinamen Zorfallus, ließ im Jahre 1312 die erfle große Orgel bauen 
„und in bie Kicche des heiligen Raphael ſezen. Der Erbauer war ein 
„Deutſcher. — Sm Sabre 1471 oder 1480 vermehrte man bie Zahl 
„der Pfeifen und führte das Pedal und den Unterfchiedb der Regiſter 
„ein. Der Erfinder, Bernhard, Hoforganift des Dogen zu Venedig, 
„war ebenfalls ein Deutiher. — Bis zu Ende des 15. Jahrhunderts 
„befanden fih im Münfter zu Straßburg, in dee Domliche zu Hals 
„berſtadt, in der Ulrichs⸗ und Barfügerliche zu Augsburg und in 
„dee Blafiuskiche zu Braunfchweig die erften großen Orgeln. Im 
„16. Zahrhundert folgten die Verbefferungen fchnell auf einander, — 
„sm Sabre 1580 befand fih zu Stendal eine Drgel, welche, auf dem 
„Manual Clavier 48 und im Pebal 26 Claves mit offenen und ge⸗ 
„beten Stimmen, auch fhon Zungenmwerke hatte. So war aber ein 
„halbes Jahrtauſend erforderlih, um bie Orgelbaufunft auf die Stufe 
„der VBolllommenheit zu erheben, auf welcher fie jetzt ſteht. Welche 
„Beitdauer mußte fie durchlaufen, ehe fie ſolche Meifterwerke liefen . 
„konnte, wie London, Straßburg, Börlig und Breslau aufweifen 
„koͤnnen, und ehe für die Pelersliche in Rom eine Orgel gebaut 
„werden konnte, die 100 Stimmen hat!” 

Außer Deutſchland zeichnete fich befonders England in der Orgel: 
baukunſt aus, ja es fcheint, daß hier auch früher colofjale Orgeln 
erbaut wurden. Mach allen Nachrichten aber von der Bauart und dem 
Aufftelen jener Orgeln ergiebt fi, daß, ehe man es: zu der fpätern Voll⸗ 
kommenheit gebracht hatte, diefes Inſtrument ſowohl in feiner Zufant: 
menfegung, ald auch in feiner Behandtung großen Schwierigkeiten un: 
terworfen war. Anfangs waren bie Orgeln fo unvolllommen, daß 
man einen vollfländigen Accord nicht darauf greifen, noch viel weniger 
einen Choral darauf fpielen konnte. Der ganze Nugen beftand darin, 
daß man beim Abfingen eines Chorald mit der Dand eine Taſte, die 
zwei 30% breit und ziemlich dick war, niederfchlug, um den Ton des 
Liedes feflzuhalten. Denn bie erften Werke hatten nicht leicht mehr 
als zehn Taſten, welche fo breit und fchwer-zu beibegen waren, daß 


Orgeln. 163 


Daher wahrſcheinlich bie Redensart entflanden iſt: Die Orgel 
ſchlagen. Mit der Zeit wurden die Zaften fchmäler und man ſchob 
auch zwifchen bie diatoniſchen Zöne bie Semitonia ein. Auch der lin: 
ten Hand gab man durch Verfertigung eines neuen Klavieres Befchaͤf⸗ 
tigung. Den jesigen Grad von Vollkommenheit konnte jedoch bie 
Drgel nicht eher erreichen, als bis im 17. Jahrhundert von Chrift. 
Sörner die Windprobe erfunden worden war, durch welche bei allen 
Bälgen ein völlig gleicher Druck des Windes erreicht werben kann. 
Berge. Sponfels Orgelhiſtorie. Nürmberg 1771, und Antony’s ge . 
Thichtliche Darftelung ber Entflehung und Vervolllommnung ber Orgels 
werte. Münfter 1832. 

II) Derfhiedenes Urtheil über die Zuläffige 
Beit des kirchlichen Orgelgebrauchs. — Es iſt merb 
wuͤrdig, daß die Orgel als muſikaliſches Inſtrument wie im Allgemei⸗ 
nen, ſo im Einzelnen früh ſchon Widerſpruch fand. — Die oriens . 
taliſch⸗griechiſchs Kirche hat die Orgel zu allen Zeiten verſchmaͤht, und 
fie nur aufs Theater und ins Concert verwiefen, weshalb fich aber 
auch hier der Kirhengefang tie fo ausbilbete, wie in der abendlänbis 
fhen Kirche. Einzelne berühmte Männer in der damaligen Zeit fcheis 
nen mit Unrecht dee Orgelverachtung angeklagt zu werben, in Wahrs 
heit aber gilt es von bem fchottifchen Ciftercienferabe Aelredus oder. 
Ealredus im 12. Jahrhundert, welcher in feinee Specula caritatis 1. 
1. c. 23. fih unter andern fo dußert: Unde cessantibus jam typis 
et figuris, unde in ecclesis tot organa, tot cymbalae? Ad quid, 
rogo, terribilis ille follium flatus, tonitrui potius fragorem quam 
vocis exprimens suavitatem? Ad quid illa voeis contractio-et in- 
fractio? Hic suceinit, ille discinit, alter medias quasdam notas 
dividit et incidit. — Betrachtet man aber biefe Stelle genauer und 
im Zufammenhange, fo wird doch auch hier mehr der Mißbrauch als 
der nüsliche Gebrauch der Orgel getadelt. Dieß gilt au) von den 
Verhandlungen des Tridentiner Concils. Kinige Mitglieder hielten die 
Mißbraͤuche für fo groß, daB fie lieber auf gänzliche Entfernung ber 
Orgel aus der Kicche, wenigftens in der Meffe, antrugen. Bmar ging 
dieſer Vorfhlag nicht durch; aber er veranlaßte body folgende gewiß 
zwedmäßige Verordnung Seas. XXII. c. 9. p. 165: Ab ecclesiis 
vero musicas eas, ubi sive organo sive cantu lascivum aut impu- 
rum aliquid miscetur, item seculares’ omnes actiones, vana atque 
adeo profana colloquia, deambulationes, strepitus, clamores ar- 
ceant, ut domus Dei vere domus orationis esse videatur ao dieci 
possit. Dieb Decret ward vom Papfte Benedict XIV. im Jahre 1749 
aufs neue eingefhärftl. Auch in proteflantifhen Kirchenorbnungen fehle 
es nicht an Vorfchriften über zweckmaͤßiges Orgelfpiel und Warnungen 
vor Mißbrauch. S. Hanauiſche Kirchenorbnung 1659. — Je mehr 
ſich aber die Orgeln vervoßlommneten und den Kirchengefang immer 
mehr ausbilden halfen, haben auch Dichter dee frühern und der gegen= 
wärtigen Zeit in Lobpreifung der Drgel gemetteifert. "An die Orgel 
knuͤpfte ſich auch die neuere Legende von ber heiligen Caͤcilie als Orgel⸗ 
erfinderin und Patronin des Gefanges, besen Gedaͤchtnißtag den 22, 
November gefeiert wird. Diefer Tag wird zu London buch ein gros 
ßes Muſikfeſt, fo wie auch auf ähnliche Art in manden Kloͤſtern 


\ 





ı 7 Drgeln. 


unter dem Namen des Caͤcilienfeſtes begangen. Allein hiſtoriſche Wahr⸗ 
deit fehle dieſer Legende ganz und gar, wenn man bie Chronologie 
beruͤckſichtigt; denn der Maͤrtyrertod der heiligen Gäcilie fällt in die 
Regierung des Kaifers Alexander Severus, mithin in die erſte Hälfte 
des 8. Jahrhunderts, wo vom kirchlichen Gebrauche der Orgeln noch 
gar nicht die Rede war. Sehr richtig fagt darum Fiſcher im der ange: 
führten Schrift p. 6. „Caͤcilie bat die Diget ‚nicht erfunden, nit 
„geſpielt, nicht geliebt, denn fie hat fie gar nicht gekannt.” Uebrigens 
- finden wir treffliche Oden auf bie Drgel von Dichtern aus ber römis 
ſchen und aus ber proteflantifhen Kirche. Wie bekannt find bier bie 
Namen eines Pope, Zacharid, Namler, Herder, E. Schutze, Chateau: 
driand, v. Weſſenberg u. a — Wir können uns nicht enthalten des 
tegtern [chönes Gedicht auf bie Orgel bier mitzusheilen. 
Wunderſchoͤn im bochgemölbten Dom 

Schwebſt du, wie ein Sternendhor am Simmel. 

Deiner Töne feierlichem Strom \ 

Weichet ehrfurchtsvoll dad Erbgetümmel, 

Nebez die @emeinde fleußt er hin, 

Zutert, ftärkt und abelt ihren Sinn. 


An der frommen Einfalt ſchwaches Lieb, 
‚Zönft du Kraft die Herzen gu durchdringen. 
Dem Gefang, von Liebe fanft entglüht, 
Giebſt bu Sigel fi zu Gott zu ſchwingen. 
Tempel und Gemeinbe ſchwebt empor, 
Mitzufingen ſcheint ber Engelchor. 

Mit der Allgewalt der Harmonien 
Leiteft du, wie Bäche die Gefühle, 
Haß und Neid eslöfhen, Sorgen fliehn, 
Staubbewohner flehn verlärt am Ziele; 
Sünder fülft bu mit der Wehmuth Schmerz; 
Wenn bu jubelft, jubelt jedes Herz. 


Heiliger bem Herzen wird das Feſt, 
Wird der Zrauertag durch beine Klänge. 
Bier am Brautaltar wie Fruͤhlingsweſt, 
Wie im Hain der Nachtigall Gefänge, 
Kuͤnden fie, gleid) Donner und Orkan, 
Dort am Grab, ben Sieg des Geiftes an. 


IV) Schidfale des Pirhlihen Orgelgebrauchs 
Sur die Reformation und in unfern Tagen. — 
Bir haben oben gezeigt, daß beim Beginn der Reformation die Or: 
gein fchon weit In der abenbiändifchen Kirche verbreitet waren. Euther, 
dei feiner Vorliebe für Muſik und für den Kirchengefang, konnte ans 
faͤnglich kein Feind berfelben fen, daher auch In den Kicdyen, die fpäter 
an die Lutheramer übergingen, die Orgeln nicht nur beibehalten, fons 
dere auch in den neuerbauten lutherifhen Kirchen mit großer Sachs 
kenntniß erbaut und angebracht wurden. Dieſes herrliche Attribut der 
Rirchen behielt alfo die kutherifche Kirche mit der roͤmiſch⸗katholiſchen 
gemeinfchaftlih. Die großen, zum Theil ‚weltberühmten Kiechen in ber 
katholiſchen Chriſtenhelt ermangeln auch eines gewiften Orgelluxus nicht. 
In der Peterölicche zu Rom giebt es nicht nur mehrere Drogen, fon> 
dem unter biefen auch vieleicht Die größte; denn fie hat 100 Stim⸗ 
men. Die berühmte Kirche im Escurial in Spanien hat außer ihrer 


A 


Orgeln. | 165 


anberweitigen verfehwenderifchen Pracht, auch 8 Orgeln. — Anders 
verhielt es fich mit der veformirten Kirche, die ihrem Grundſatze gemäß, 
in ihren Kirchengebaͤuden die hoͤchſte Einfachheit zu erſtreben, fich eben 
nicht günftig für die Drgel erklärte. In diefem Geifte find auch bie 
Morte gefchrieben in dem oben angeführten Werke von Hofpinian 
C. XI. de origine organor. musicor. in templis p. 74, tenn er 
fagt:- Organorum usus adversatur doctrinae Apostolorum ; 1 Cor. 14. 
De hoe nihil jam dicam, quod turpia et obscoena saepe sono 
organorum exprimuntur, ut carnis potius voluptati, quam aedifi- 
eationi spiritus serviant. Vidi ego aliquoties magna cum admira- 
tione plurimos e templis exeuntes, quam primum dulcis organorum 
sonus cessauset. — Noch flärker erklärt fih gegen die Orgein Eras⸗ 
mus in feinen annotat. ad 1 Cor. 14., wo er, nachdem das vermeint⸗ 
lich Unanftändige der Orgeln von ihm geruͤgt worden ift, mit den 
Morten fchließt: Praestaret 'itaque multorum doctrina ct pietate 
celebrium virorum judieio organa haee auferri ex templis, Gemwif: 
fermaßen bat ſich diefer Orgelhaß in der reformirten Kirche erhalten, 
wenn man etwa einige Gemeinden in Deutfchland und in der Schweiz 
ausnimmt. Noch ntehr aber iſt dieß ber Fall bei den Puritanern und 
Presbytetianern in England und Schottland, fo wie bei allen den klel⸗ 
nern Parteien, die den Öffentlichen Gottesdienſt geringfhägen. Bier 
findet man eher alles in den Kichen, als eine Orgel. — Ganz ans 
ders verhält es ſich dagegen in der römifchstatholifchen und lutheriſchen 
Kirche. Hier iſt die Orgel beim Sottesdienfte im hoben Anfehen und 
Orgelkuͤnſtlet und Orgelſpieler von berühmten Namen reihen bis auf 
die neneflen Zeiten herab. Sa bie Eleinfte Dorfkirche beſtrebt ſich ein 
ſolches Inſtrument zu befigen, und daher mag es aud kommen, baf 
der Kicchengefang bei den Lutheranern den hoͤchſten Grab von Wells 
kommenheit erreicht hat. | 


2. 
Dftiarien 


im frühern und ſpaͤtern chriſtlichen Kultus, beſonders 
des Abendlandes. 


J. Begriff „ Rame und Anfangöpunct dieſes Tirchli- 
chen Amtes. II. Nicht unmwichtige Selhäft der Oſtia⸗ 
rien, befonderd während der Arcandisciplin. II. Aufhoͤ⸗ 
ren dieſes kirchlichen Amtes in der griechiſch⸗katholiſchen 
und Fortdauer deſſelben in der roͤmiſch⸗katholiſchen Kirche. 


Literatur. Bingh. Antiquitt. ecoles. 1. III. e. 1. oder Vol. 
I. p. 356 — 88. — Baumgartens Erl. der chriſtl. Alterth. p. 182 — 
84. — Auguſti's Denkwürdigkk. 11. Bd. p. 288 — 89 (verhaͤltniß⸗ 
mäßig wenig), — Schoͤne's De hhtsforfhungen Thl. IH. p. 109 f. 
— Binterims Denkwürbigkeiten Bd. 1. Thl. 1. p. 308 fr — Bui- 
ceri thesaur. unter dem Worte Ovpwooc. 

I Begriff, Name und Anfangspunct biefes 
Firhlihen Amtes. — Dftiarien nannte man in der chriftlichen 
Kirche diejenigen Individuen, welche die Kiechthliren aufs und zuzu⸗ 
ſchließen hatten, und dafür forgen mußten, daß überhaupt alles beob- 
achtet wurde, was zur Zeit, wo fi) der Gottesdienft in bie Missa 
Catechumenorum- und Fidelium ſchied, nöthig war, um gute aͤußere 
Ordnung vor und in den Kirchen zu erhalten. In der früheften hart 
bedrüchten Kirche waren fie vielleicht die vom Bifchofe gewählten Vertrau⸗ 
‚ ten, welche den übrigen Gläubigen den Ort und die Zeit ber gottesdienſt⸗ 

lichen Berfammlungen im Geheimen ankündigen mußten, die Thüren 
öffneten und zuſchloſſen. Die Bifchöfe mögen fich ihrer zu verfchiede- 
nm Verrihtungen bedient haben, weswegen fie auc zuweilen Cursores 
genaunt werden, wie Baronius ad a. di. n. 12. aus dem Briefe des 
Ignatius an den Biſchof Polycarp beweiſt. Was nun früher die 
Noth eingeführt Hatte, das wurbe nachher ein befonderes kirchliches 
Amt und ein Ordo, Nach Eufebius Kirchengeſchichte VI. c. 13. ge: 
denkt ihrer Comelius, Bilhof zu Rom (+ 257). Es würde alfo 
als Anfangspunct dieſes Licchlichen Amtes das. dritte Jahrhundert 
anzunehmen feyn. KXertullian und Cyprian erwähnen deſſelben nody 
‚nicht, wohl aber Epiphanius in der Schrift: Expositio fidei n. XXI, 





Oftiarien. | 167 


bas Cone. Laod. (a. 861) can. 24. und ba& vierte Cone. Carthag. (a. 
399) ſpricht von diefem kirhlihen Amte als von einem, das in ber 
Kirche ſchon Lange beflanden babe. Diefe Thürhüter werben in ber 
Kirchenfprache des Deccidents und Orients Ostiarii, Janitores, JlvAw- 
eof, Fvoweol, genannt. Justin. Novell. III. 1. thut ihrer auch Er: 
wähnung. In größerer Zahl mögen fie jedoch in der griechifchen Kirche 
zur Zeit ihres Beſtehens angeftellt geweien feyn; denn Theodor. Stu- 
dit. (ep, 34. Fol. 846. edit. Sismond.) erwähnt einen Hebdomada- 
rius Ostiariorum. In bem Euchologium wird dem Oſtiar das Amt 
beigelegt, den Stab des Bifchofs zu tragen. Ostiarii baculum Pon- 
tifici praeferunt (Goar. Fol. 225.). j 

IH UNicht unwidhtige Befhäfte der Oftiarien 
befonders während der Arcandisciplin. — Es if 
. nicht unmwahrfcheinlih, ſagt Auguſti In feinen Denkwuͤrdigkeiten Thl. 
11. p. 239, daß man ‚die von David für die Stiftshltte angeorbneten 
Thürhüter für den Dienft der chriftlichen ox797 herübergenommen. habe. 
Dann ginge der Urfprung noch tiber das apoftolifche Zeitalter hinaus, 
Bei der Arcandisciplin war das Amt eines nuAweds oder Ivpwpog, 
wie in den heidnifchen Myſterien, von keiner geringen Wichtigkeit, und 
daher wäre auch das große Anfehen biefes Amtes in der alten Kirche 
zu erklären, fo wie der Umſtand, daß die orientalifhe Kirche ungefähr 
um die Zeit, wo bie Arcandisciplin aufhoͤrte, dieß Amt wieder abs 
ſchaffte. Im biefer Zeitperiode hatten die Oftiarten nicht nur die Kirchen. 
auf= und zuzufchließen, fondern auch die verfchiedenen Abfiufungen ber 
Chriften, als Catehumenen, Buͤßende, Energumenen, fo zu beaufſich⸗ 
tigen, daß fie ihren beflimmten Platz in den gottesdienfllichen Ver⸗ 
fammlungen erhielten und zu der feftgefegten Zeit diefelben wieder ver 
liegen. Bingham jedoch 1. 1. p. 37 macht bagegen die boppelte Auss 
ſtellung, daß eine ſolche Auffiht gar nicht nöthig geweien fei, indem 
in der afritanifchen Kirche und auch amderwärts Catechumenen, Buͤ⸗ 
Sende, Häretiler, Duden und Heiden an ber Missa Catechumenorum 
hätten Antheil nehmen dürfen; es babe alfo einer ſolchen aͤngſtlichen 
Beaufjihtigung nicht beburft. Uebrigens fei auch das, mas hier den 
Dfliarien zugefchrieben werde, anderwaͤrts ganz deutlich den Diaconen 
aufgetragen gemwefen. Allein dagegen läßt fich erwiedern., daß, ſo lange 
noch ein Unterfchied zwifchen der Missa Catechumenorum Und Fide- 
lium Statt fand, auch Perfonen vorhanden feyn mußten, bie Unbes 
fugte und Nichtberechtigte von den kirchlichen Myſterien zuruͤckhielten. 
Auch fiel das Oſtiariat in die Zeit, wo die Diaconen vornehmer wur⸗ 
den und manche von ihnen früher verrichteten Dienſte neu gefchaffenen, 
niederen Kirchendienern. überließen. . Man vergleiche den Artikel Diacos 
aus, mo wir biefes Umftandes Erwähnung gethan haben. Auch Hat 
dieß Baumgarten 1. 1. fehr gut hervorgehoben. Die Ordination der. 
Öftiarien, welche das Cone. Carthag. IV. co. 9. befchreibt, ift nicht 
viel verfhieden von der, wie fie noch jegt in der roͤmiſchen Kicche Statt 
findet und mie wir fie bald weiter unten fchildern werben. 

I) Aufbören diefes Firhlihden Amtes in der 
griechiſch-katholiſchen Kirche und Zortdauer def: 
felben in, der römiſch-katholiſchen Kirche. — Nah 
dem im Sahre 692 im Trullo zu Conftantinopel gehaltenen Concil 


103 77 Hffiarien, 


hörten bie Fvoweol in der griechifchert Kirche auf. Auch diefer Ums 
ſtand ſpricht wieder für die obige Behauptung, daß befonders die 
Oſtiarien zur Zeit ber Arcandiétiplin von befonderer Wichtigkeit waren 5 
denn gerade gegen das Ende des 6. Jahrhunderts hoͤrte der Unterfhied 
ber’Pltsse Catechumenorum und Fidelum auf. Vergl. ben Artikel 
Disciglina arcani. Uebrigens gingen ins griechifchen Kirchenſyſteme die 
feisheen Verrichtungen der Oſtiarien auf die Subdiaconen über (f. ben 
Artits Subdiaronen.) ' 

Anders verhielt es fidy hier im Abendlande. Bekanntlich fchieden fich 
in beiden Kirchenipflemen des Morgens und bes Abendlandes die ordi- 
nes majores und minores aus, wie wir im Artikel Klerus gezeigt bas 
ben. Im Abendlande rechnete man zu ber unterfien Stufe der Ordi-, 
num-.minorum das Oſtiariat, wie dieß auch noch jest uͤblich iſt. Als 
bie Myſterienform aufhörte, mußten fi auch die Gefchäfte der Oſtia⸗ 
vier ändern. In fpäterer Zeit war ihe Amt, bie Kirchen und Altäre 
an ber Fefttagen zu zieren, Obhut über die Kicchhöfe und Gräber zu 
halten, am grünen Donnerflage die nöthigen Vorkehrungen zur Seg⸗ 
nung und Weihe des Chrifams zu treffen u. bergl. m. 

Die Weihe der Oſtiare gefhieht auf folgende Art: Der Archis 
diacon ruft zuerſt alle zu Weihenden herbei, dann verlieft der. Notar 
die Namen bderfelben, und nachdem alle niedergelniet, giebt der 
Bifhof folgende Erktärung: Suscepturi filii carissimi offictum Ostia- 
riorum, videte, quae in domo Dei agere debeatis etc. — Hier⸗ 
auf reicht er jedem Einzelnen die Ktechenfchläflel dar, welche jeder mit 
dee Hand unter dem Gebete: Sie agite eto..berührt. Nach dieſem 
Acte führt der Archidiacon (oder Geremoniar) folhe zur Kicchthüre und 
laͤßt fie daſelbſt zu⸗ und aufſchließen, auch reicht er ihnen ein Gloͤck⸗ 
hen zum Läuten und Berühren hin, und führt fie dann zum Biſchofe 
‘wieder zuräd. Nachdem fie vor demſelben niedergeniet find, ſpricht 
diefee mit der Inful und gegen bie Wethcamdidaten gewendet: Deum 
pstrem omnipotenten: etc. - Nach biefen Gebete legt der Bifchof bie 
Inful wieder ab, und betet in bee Ricytung gegen den Altar: Ore- 
saus, floctsmus genua, Levate. Hierauf wendet er ſich zu den Ges 
weibeten, welche knien, und fpricht ohne Inful: Domine, sancte 
Pater omnipotens, aeterne Deus, benstdicere, dignare hos famu- 
los tuos etc. 

Bebelgens iſt noch zu bemerken, daß zwar der Oſtiarien⸗Ordo 
der geringſte unter den Beinen Weihen tft, jedoch immer ehrenvoller, 
as das jegige Kuͤſteramt, welches barum mit dem Oſtiariate nicht 
verwechfelt werden darf. Der Oſtiatiud gehört im wahren Sinne zum 
Klerus, der Küftee aber tft nur ein Diener der Geiſtlichen. Vergl. 
was im Artikel Kitas Bd. 8. über die niedetn Weihen der cömifchen 
Kitche Ne: 2. p. 7 ff. geſagt worden iſt. 


11, 
Palmſonntag, Palmfeſt. 


L Bedeutung und Alter dieſes Tages. I. Ber- 
[Bidene Namen deffelben. IH. Eigenthbümliche Gewohns - 
eiten und Feierlichkeiten am Palmfonntage. IV. Wie 
dieſer Tag noch jetzt in der hriftlichen Kirche gefeiert werde. 


£iterstur. Jo. Frider. Mayer Ecloga historico - theologioa 
de dominica Palmar. Gryphiswaldiae 1706. 4. — Hospinien. I. L. 
p- 85. — Joach. Hildebrandi de diebus fest, libellus p. 64. — 
Andreas Schmidii histor. festor. et dominic. p. 113. — Baumgars 
tens Erläuterung der chriſtl. Alterthuͤmer ıc. p- 858 — Auguſti's Den; 
wuͤrdigkeiten ans der chriſtl. Archäologie 2. Bd. p. 44 ff. — Schöne 
Geihichtsforfhungen 8. Thl. p. 262. | 

l) Bedeutung und Alter diefes Tages. — De 
Sonntag Palmarum follte an den feierlichen Einzug Jeſu in Jeruſalem 
und an die Verherrlichung bdefielben vor feinem Leiden erinnern. Cs 
darf nicht befremden, wenn bie Chriſten audy das Aeußere jenes feiers 
lichen Einzugs Jeſu nahahmten, und durch Palms oder andere grüne 
Zweige diefen Tag befonders auszeichneten, wenn man erwägt, daß «8 
tim jüdifchen wie im heidniſchen Kultus nicht an fprechenden Analogien 
fehlte. Wer müßte hier nicht unwillkuͤhrlich an die Lulabin (773435) 
oder Baiogyopla bei ben Juden nicht nur am Laubhüttenfefte, fordern 
auch am Kefte der Tempelweihe, des Paſcha's u. a. denten? ©. 2 
Macc. 10, 6. 7. 1 Macc. 18, 61i Apoc. 17, 9, Joseph. Archaeol. 
XIII. 13. 6. Ill. 10. 4. Joſephus braucht die Ausdruͤcke EvAogpoela, 
Hvooovs dx yorlxwv xal zırglur. Mit diefer Eulopopla bat man 
von eher die athenienfifhe Ooxopoela verglichen. Vergi. Hugo Gro- 
tiu. ad Me. 21. und Paulus Sommentar 3. Thl. p. 138—39, wo noch 
bemerkt wirb, daß, nach der Volkeſitte betrachtet, Hosanna mit unferm 
Vivat analog ift. 

Was das Alter diefes Tages betrifft, fo zeigt fich Hier eine große 
Verſchiedenheit zwiſchen ber griehifhen und lateiniſchen Kirche, Die 
erftere hat den Palmſonntag fchon entfchleden im 4. Jahrhundert (nad) 
Assemanni Bibliotheea Orient. Tom. I. p. 23: segq. fing die Feier 
dieſes Tages im Drient erſt 498 an), und zwar als Feſt (open) 
auf eine ausgezeichnete Weiſe gefeiert, wie dieß das Beiſpiel des Epi⸗ 
phanius beweiſt. Auch kommen in den griechiſchen Kirchenvaͤtern ſehr 


120 Palmſonntag, Palmfefl. 


‚häufige Beziehungen und Anfpielungen auf diefes Feſt vor, wenn fie 
auch nicht befonder6 davon handeln. Bemerkenswerth iſt auch die 
Sorgfalt, womit die Griechen das Palmfeft von ber großen Woche 
abzufondern und biefe erft mit dem darauf folgenden Montage anzu: 
fangen pflegen. Dieß gefchieht befonders deswegen; damit an bdiefem 
Tage auf keinen Fall gefafter werde. - | 

Meny dagegen Hildebranı de diebus festis p. 64 in Beziehung 
auf die lateinifche Kirche fagt: Post Epiphanium ejus meminit Maximus 
Taurinensis, qui circa med, sec. V. editis homiliis olaruit; fo be: 
ruht biefe Behauptung auf einem Irrthume. Unter den Domilien des 
Morimus, Bifhofs zu Turin, befindet fih allerdings eine, welche ben 
Zitel bat: Dominica in ramis Palmarum. Allein fie handelt nichts 
weniger ald vom Palmfefte, fondern tft eine gewöhnliche aſcetiſche Be⸗ 
trachtung über Pfalm 22. Mein Gott, mein Gott. Der Titel iſt 
von einer fpätern Hand ganz dem Snhalte ber Homilte zumider beigefügt 
worden, Vergl. Hofpinian 1.1.p.55. — Auguſti's Denkwuͤrdigkeiten ıc. 
2. Thl. p. 45 f. Weder bei Leo, noch Auguftin, noch Chryſologus, 
noch Caͤſar von Arles ift eine Homilie oder Erwähnung dieſes Tages 
anzutreffen. In den erften ſechs Sahrhunderten fehlen darum Spuren 
von dieſem Feſte in der lateinifhen Kirche und außer einigen Andeus 
tungen in Ambrofius Briefen unter andern im 33. Briefe ad Uxorem, 
ift Beda Venerabilis der erfte Homilet, welcher diefe Materie abhanbelt, 
Im Beitalter Carls des Großen ift der Palmfonntag fhon allgemein 
eingeführte. Dennoch ift es auch in ben ſpaͤtern Zeiten Kirchenſtyl ge> 
blieben, nicht festum Palmarunı, fondern lieber Dominica Palmarum, 
zuweilen aud) in palmis, in ramis palmar. und olivar. zu fchreiben. 
Hieraus ergiebt fi) von felbft, was von der Behauptung des Polydor. 
Vergil. (de rerum invent. 1. VI. c. 8.) zu halten fei, welcher die 
Feier dieſes Tages von einer wirklich apoftolifchen Einfegung ableitet. 

N) Derfchiedene Kamen des Palmfonntags — 
Dahin gehören 

1) Dominica Osanna oder Hosianna. Hildebrand 
de .dieb. festis p. 65—66 giebt davon folgende Erklärung: Diefe 
Benennung iſt hergenommen aus dem 118. Pfalm, welcher bei den 
Suden am Laubhüttenfeite” abyefungen wurde. An jedem ber fieben 
Tage, wo dieß Feſt gefeiert wwurde, hatte man einen eigenen hymnus, 
weicher Hosianna genannt wurde, weil fi jeder Vers mit biefem 
Morte ſchloß, etwa wie in unfern alten Kirchenliedern Halleluja oder 
xvors 2Alnoov. Auch die Juden pflegten an diefem Tage Palms, 
Dlivens, Morten: oder Weidenzweige in ben Händen zu halten, und 
nannten ſolche Zweigbuͤſchel wieder Hosianna, weil fie, fo oft das 
Mort Hosianna im. Hymnus vorkam, diefe Büfchel zu ſchwingen und 
zu bewegen pflegten. Wie leicht und natürlich diefe Sitte aus dem 
Judenthume in bie chrifllihe Kirche übergehen konnte, ergiebt ſich 
von ſelbſt. 

2) Pascha floridum, les Päques fleuries, Do- 
minica florum, der gräne Sonntag, der Blumentag — alles 
entfpreyenb der Dominica palmarum, in ramis palmarum, olivarım 
arborum, gestationis ramorum, z& fale, Aaipoposg Eoprn, doxopopla 
(f. Dresser‘ und Jo. Fasold Graecor. vet, iegoAoyla p. 186.). 


Dalmfonntag, Palmfef. 171 


3) Dominica Gompetentium, fowohl in Beziehung auf 
bie Zaufe ber Gatechumenen, welche an diefem Tage das Symbolum 
mitgetheilt erhielten, als auf bie Abfolution von Kirchenftcafen. 

4) Dominica indulgentiae und indulgentiarum 
mit Beziehung auf bie Loslaffung ber Gefangenen, Erlaß der Schul 
den, Abfolution dee Büßenden u. f. w., welche an diefem Tage anges 
kündigt warb. Vergl. de dom, Palmar. p. 8, woher wohl auch bie 
Benennung zvayyelscuös entfland. J 

5) Dominica capitilavii als Vorbereitung auf die Oſter⸗ 
taufen (f. Pamelius ad Tertull, de baptismo); duch als Reinigung 


aller vom Schmuz ber Faften, nah Alcuin, Rhabanus Maurus u a. 


©. Mayer l. 1. p. 6. 

6) Bei den Griechen war auch dee Name: Sonntag des Lazarus 
gebraͤuchlich, deſſen Auferfiehung den Tag zuvor gefeiert wurde. . 

1) Eigenthümliche Gewohnheiten und Seiers 
lLihPeiten am Palmfonntage. — Dahin’ gehören 

a) die Sitte am griechiſchen Kaiſerhofe an dies 
fem Tage goldene Münzen und andere Geſchenke 
hussutbeilen, und dieſe erhielten, vwoie das Feſt felbit, den Nas 
men Baia, d. h. Geſchenke am Palmfeſte. Diefelbe Sitte herrſchte 


auch bei den Patriarchen zu Conſtantinopel. S. Luitprandi rerum | 


ab Europae imperatoribus et regibus gestarum 1. VI. o. 5. Hilde- 
brand 1. L p. 65. Mayer de dom. Palmar. p. 7. Nach Nicetas H. 
E. IH. 2. und Casali de ritib. Christianor. p. 315,- wurden an dies 
fem Rage von den griechifhen Kaifern arme - Mädchen ausgeſtattet. 
Erwähnung verdienen auch in dieſer Beziehung 

b) die Palmprozeffionen, welche in vielen antiquarifchen 
Schriften ſchon von Gregor dem Großen abgeleitet werden (f. unter andern 
Hildebrand a. a. D. p. 64). Allein in den Schriften Gregors findet 
fidy weder eine Homilie, noch fonft ein Zeugniß darüber; es find Daher 
wohl diefe Prozeffionen meh in das Mittelalter herabzufegen. , Auf 
eine frühere Zeit derfelben läßt fi auch daraus nicht fchließen, weil fie 
fpäter in Palaͤſtina, auf dem claffiihen Boden des Chriſtenthums bei 
den tömifch= katholifchen Chriften bortiger Gegend gewöhnlich waren. 
Franeise, Quaresme (melher im Anfange des 17. Jahrhunderts als 
Commissar. apostol. in Paldftina war) giebt in feinem Buche: Elu- 
eidationes terrae sanctae Tom. II. 1. 4. e. 11..p. 333 seqq., eine 
Befchreibung ber dortigen Palmprozeſſionen. Allein fowohl aus biefer 
Schrift, als audy aus Paulus Sammlung ber merkwürdigfien Reifen in 


den Orient 2. Thl. p. 50 ff. und Thl. 6. p. 280 ff. ergiebt fi, daß die 


Franciscaner oder Deinoriten, welche viele Zahre das berühmtefte Etabliffes 
ment in Serufalem und Paldftina hatten, ihre europdifchen Inſtitute 
auf den Boben des heiligen Landes zu verpflanzen fuchten. Nach ber 
zulegt angeführten Stelle aus Paul: Samml. ıc. erzählt ber Reiſende, 


Stephan Schulz, welcher am 7. April 1754 das St. Salvatore: 


tofter zu Serufalem beſuchte, baß er biefe Prozeffionen nicht mehr 
gefunden, und auf fein Befremden die Antwort darüber erhalten habe: 
„Wegen des Gefpöttes der Griechen, und wegen vieler daher entilan- 


‚senee Unruhen feien diefe Prozeffionen bereits ſeit etlichen Jahren 


„unterblieben.‘‘ 


{ 


— 





1m2 Palmfonntag, Palmfeſt. 


©) In das Mittelalter gehört nicht minder der Aufzug mit bem 
fogenannten Palmelel. Bier Anaben mit Chorröden zogen einen höl 
zernen gefchnigten Ejel, worauf ein Geiftlicher in befonderer Kleidung 
faß, welcher die Perſon Jeſu vorftelen mußte. Dabei lautete man mit 
den Sloden, das rex gloriae wurde angeflimmt, umb dem, der auf 
dem Eſel faß, mit Palmzweigen allerlei Ehrenbezeugungen gemacht. 
Diefe Sitte, wie fie im Schooße ber Kirche ſelbſt oft getadelt wurde, 
erregte befonbers auch bei den Tuͤrken einen großen Widerwillen gegen 
‚die Chriften. Daher fagt Hildebrand de dieb. festis p. 65, von 
einer folchen BDatmefel: Progeffion: Farka est, fuisse Cracoviae ali- 
quando Turcices legatos, qui eum .spectassent, sublatis manibus 
clamaverint:' Quam impii estis, vos Christiani, qui asinum ado- 
ratis! Eine ahntiche Beſchuldigung der Türken gegen bie Chriften 
führt Mich. Serveto in feiner berichtigen Schrift de Trinit. err. 
edit. 1551. 1. 1. p. 12 an. Dan könnte leicht verfucht werben, den 
Grund diefer Gewohnheit aus den‘ erfien Sahrhunderten abzuleiten, 
wenn man an den alten Vorwurf der Onolatria, melche die Heiden 
den GCheiften machten, und woher bie legten au den Schimpfnamen 
Asinarii erhielten. Allein Zertullian giebt eine fo genügende Erklärung 
davon, Apologet, o. 16., daß man von biefer Vermuthung abflchen 
muß, Er zeigt naͤmlich, wie damals oft die Chrillen von den Heiden 
mit den Juden verwechlelt wurden. Bon ben legtern hatte Cornelius 
Tacitus, und vor ihm noch Pofidonius und Apollonius faͤlſchlich vorgege⸗ 
ben, daß fie einen goldenen Eſelskopf im Tempel zu Jeruſalem vers 
ehrt hätten, weis unter Moſes Anführung duch Hülfe der Eſel Wafs 
ferquelien in der Wüfte entdeckt worden wären. Uebrigens hat bdiefe 
Sitte der Dichter Neogeorgius (oder Kirdymeier geboren zu Straubins 
gen 1511, .1 1578) in feinem Regno Papistico I. IV. mit fcharfer 
Laune gefchildert. 

IV) Wie diefer Tag noch jegt in der dhriftlidhen 
Kirche gefeiert wird. — Das Feſtliche, was die griechifche 
Kirche ſchon früh diefem Sonntage gab (vergl. Ne. I. dieſes Artikels), 
bat fie auch in der neuesten Zeit gewiffermaßen beibehalten. Dieß 
fieht man unter andern daraus, daß am Palmfonntage nicht bie ges 
meine Liturgie des Chryſoſtomus, fondern die des heiligen Baſilius 
gewöhnlich iſt, deren ſich befanntlich die griechiiche Kirche nur an auss 
gezeichneten Sefttagen bedient. S. Heineccii Abbildung der alten und 
neuen griechifhen Kirche 8. Thl. p. 227. — Sehmid historia festor. et 
dominicar. p. 113, fagt mit Hinweiſung auf Leo Allatius: Etiem 
Graeci, huno diem oelebraut magnae pompae apparatu ramis oliva-, 
rum palmisque in cruces et alias formas oonfectis. 

Was die römifche Kirche betrifft, fo iſt wohl neuerlich in ben 
meiften Eatholifchen Ländern die anflößtge Sitte des Palmeſels abges 
fhafft worden. Dagegen ift bier aus dem Alterthume beibehalten wor⸗ 
den bie Palmweihe und die Palmprozeſſion, wovon zwei neuere 
Schriftſteller aus diefer Kirche folgende Nachricht ertheilen: „An diefem 
„Tage fängt bee Gottesdienſt mit der Weihung der Palm: oder Oli⸗ 
„venzmweige an, ober wo biefe feltener find, bedient man fich anderer 
„ums diefe Beit gruͤnender Zweige. Die zu meihenden Zweige werden 
„vom Priefter dreimal mit Weihwafler befprengt und dreimal beräus 


Palmfonntag, Palmfefl. 173 


„chert. Nach vollendeter Palmmeihe geht ber Erſte vom Klerus zum 
„Altar und giebt dem Priefler einen geweihten Palmzweig in die Hand. 
„Hierauf wendet fi) der. Priefter vor dem Altar gegen das Volt und 
„tbeilt die Palmzweige aus, nämlich zuerſt dem Geiftlichen, der ihm 
„zen Palmzweig reichte, dann dem Diacon und Subdiacon, ferner 
„den übrigen Geiftlihen nad ihrer Mangordnung, endlich dem ges 
„fammten Volle. Alte beugen bei diefer Feierlichleit das rechte Knie, 
„tüffen den Palmzmweig und die Hand bes Priefters (mit Ausnahme 
„der Prälaten). — Hierauf folgt unmitteläge die Progeffion. Der 
„Deieftee legt Weihrauch in das Rauchfaß. Der Diacon mendet fich 
„zum Volke und fpricht: Laffet uns in Frieden wandeln! Der Chor 
„antwortet: Im Namen Ehrifli. Amen. — Der Akoluthus mit dem 
„rauchenden Gefäße geht voraus, ihm folge der Subdiacon in feinem 
„gewöhnlichen Drnate, der das Kreuz (in der Mitte von beiden Atos 
„luthen mit brennenden Kerzen) trägt; dann bee Klerus, endlich der 
„Deiefter mit dem Diacon zur Linken. Das gefammte anwelende Volk 
„begleitet ebenfalls die Prozeffion. Alle tragen Palmzweige in Häns 
„den. — Das Kreuz tft mit einem blauen Velum bedeckt. Während 
„der Prozeſſion fingt der Chor wenigſtens einige der vorgeſchriebenen 
„Antiphonen. Wenn die Prozeffion zur Kirche zuruͤckkommt, fo gehen 
„einige Sanger in die Kirche hinein, die Thuͤre aber wird gefchloffen, 
„zur Erinnerung, daß uns Menfhen dee Himmel dur die Sünde 
„adame verfchloffen worden ſei. Nachdem der Priefter dreimal an bie 
„Thuͤre geftoßen bat, öffnet ſich diefelbe wieder, womit angedeutet wers 
‚den fol, daß der Himmel buch den Tod Jeſu mieber eröffnet wor⸗ 
„den fei.” S. die heilige Charwoche nah dem Mitus der roͤmiſch⸗ 
Tatholifchen Kirche, zweite rechtmäßige Auflage. Münden 1818. p. 
81 ff. in den untergefegten Noten. In diefem Buche findet man nicht 
nur die oben mitgetheilten biftorifhen Motizen, fondern auch die an 
diefem Tage gewöhnlichen Gebete, Antiphonen und Geſaͤnge. Der 
übliche Hymnus gloria, laus et honor etc. fol von Xheutphus, Bis - 
ſchof von Orleans, im 9. Seculo, verfertigt worden feypn. — Franz 
Grundmayr's Liturgifches Lexikon der roͤmiſch⸗katholiſchen Kirchenge⸗ 
braͤuche, unter dem Artikel Palmſonntag. 

In der proteſtantiſchen Kirche iſt der Palmſonntag durch nichts 
weſentlich von ben andern Sonntagen unterſchieden. Ste hat die evan⸗ 
gelifche Pericope mit der griechifejen und römifchen Kische gemein. An 
einigen Drten hat man die Gonfirmationsfeierlichleit auf den Palm: 
fonntag verlegt, und hin und wieder haben fich im proteſtantiſchen 
Deutſchland, 3. B. in Thuͤringen, ein und das andere Volksſpiel, role 
das Laufen nad) dem Brautbett uw. a., erhalten. Auch enbigt ſich we⸗ 
nigſtens fehr häufig in der deutfch = proteflantifchen Kirche da6 tempus 
elsusum während der Faftenzeit mit dem Palmſonntage, und die Auf: 
gebote nehmen mit diefem Tage wieder ihren Anfang. Auguſti's Denk 
wuͤrdigkeiten 2, Thl. p. 66 ff. 


12, 


Papalfyitem, | 


oder Tirchliche Monokratie im Abenblande, erkämpft 
durch die.Bifchöfe in Rom, 


| I. Einleitende Bemerkungen. II. Gründung und 
Wachsthum der päpftlihen Monokratie im Abendlande 
411 Jahrhunderte hindurch, III. Höchfter Culminations⸗ 
punct der päpftlihen Macht im 12, und 13. Sahrhuns 
derte und wichtiger Einfluß derfelben auf Tirchliche, mie 
auf weltliche Angelegenbeiten.. IV. Allmähliges Sinken 
der päpftlichen Macht vom 13. Jahrhunderte und mei⸗ 
ftend ungünftige Schickſale derfelben bis auf unfere Tage. 
V. Bergleichender Rückblick auf die morgenländifhe Schwe⸗ 
fterfiche und ihren gegenwärtigen Zuſtand. VI. Eine 
Stimme aus der römifh=FTatholifchen Kirche felbit, wel⸗ 
che Anfiht man noch jest in berfelben von dem Papite 
au hegen pflegt. | 


S.iterstur. Man findet in Walchs Biblioth. theol. Vol. II, 
p. 519—38, in.Erfh Lit. der Theol. 2. Ausg. Nr. 1967 —76, in 
Winers theol. Literat. 3. Ausg. Abfchn. 17. 5. 6., und in Stäudlin!s 
Geſchichte und Literatur der KG., die vielen zur Geſch. des Papſtth. 
gehörigen Schriften. Wir bemerken bier nur folgende: Unpartelifche 
Hiftorie des Papſtthums u. f. w. von einer Geſellſchaft gelehrter Maͤn⸗ 
ner in England, herausgeg. von 5. E. Rambach, 2 Theile. Magd. 
und Leipz. 1766—69. — Zul. Aug. Remers Geſchichte des Urfprungs 
and Wachsthums des Papſtthums. Braunſchweig 1770. — Geſch. 
der Entfl., des Wachsth. und der Abnahme der päpftl. Univerſalmon⸗ 
archie aus dem Ital., mit hiftorifchen Anmerkungen. Frankf. a. M 
1795. — Vergl. Tyge Rothe von der Hierarchie und der paͤpſtlichen 
Gewalt u. f. w. 2 Bände. Kopenhagen 1781. (Beide bilden den 
dritten Theil feines Werkes: Die Wirkungen des Chriftenthums auf 
den Zuſtand der Völker in Europa.) — 2. Meifters Eurzgefaßte Ges 
fhichte ber Dieracchie und ihrer heit. Kriege. BZürih 1788. — Die 


t 


Papalfyitem. Ä 175 


Hierarchie und ihre Bundesgenoffen in Frankreich. Aarau 1823. — 
Spittiers Geſch. bed Papſtth., herausgegeb. von Paulus 1826. — 
2. Ranke die roͤm. Päpfte,.ihre Kirche und ihr Staat im 16. und 17. 
Jahrh. Hamb. 1834 — 56. 3 Thle. 8 — Schroͤckh Thl. 17. p. 
3—79 u. a. m. St. 

I) Einleitende Bemerkungen. — Genau genommen 
gehört der Papſt auf dem hoͤchſten Culminationspuncte feiner Macht 
und feines Anfehens, nicht mehr dem chriftlichen Alterthume, fondern 
bem Mittelalter an, wo er zu ben anziehendſten Erſcheinungen gehört, 
die im Gebiete «der Gefchichte fi bemerkbar gemacht haben. Alein 
wie haben im Artikel „kirchliche Verfaſſungsformen“ gezeigt, wie die 
tirhlihe Dierarchle anfangs Demokratie, dann Ariftokratie, fpäter Dlis 
garchie und zulegt im Abendlande Monokratie wurde. Bis zu diefer 
ſich na und nad ausbildenden Verfaffungsform durch die Derfon des 
roͤmiſchen Biſchofs kamen wir in jener Unterfuhhung und verfpracdhen 
in einem befondern Artikel wenigftens in allgemeinen und gedrängten 
Umriſſen die kirchliche, Monokratie im Abendlande nad) ihrem Entſtehen, 

‚ihrem Wachsthume, Ihrer erreichten Höhe und ihrem allmähligen Sinken 
zu fchildern, ein Verfprechen, das wir auch darum Idfen müffen, weil in 
diefem Handbuche fehr oft in Beziehung darauf gefprochen werden mußte, 
Der billige Lefer wird hier nicht eine in extenso gegebene Geſchichte 
der Paͤpſte erwarten, fondern nur mehr im gebrängter Kürze die Um⸗ 
riffe biefes auffteigenden und nach und nad) wieder verfallenden Baues. 
Es würde ja ein ganzes Buch erforderlich feyn, wenn wir auch nur 
bie vorzüglichiten Memorabilia Papalia anführen wollten. In bie 
Rubrik „einleitende Bemerkungen‘ fcheint es zu gehören, etwas gu 
erinnern von dem 

1) Kamen des Papftes. Das Wort Papft (unrichtig 
Pabſt, iſt aus nanna oder nannag entflanden und bezeichnet einen 
Bater. In ben Alteften Zeiten nannten die Gemeindeglieder ihren 
Geiftlihen und Seelforger ihren Vater. Es war alfo ein Ehrenname. 
Nicht blos der Erzbifhof und Patriarch, fondern auch der Bifchof hieß 
in den ältern Zeiten Bater. Es laͤßt fi aus der Gefchichte nachtvei⸗ 
fen, daß bis zu Anfange des 6. Jahrhunders hin Papa der alte gemeift: - 
fchaftlihe Name aller Biſchoͤfe, felbft des zu Gonftantinopel und nicht 
der eigene Ehrenname bes roͤmiſchen Bilhofs war. Schwerlich ift ber 
dunkle und verworrene Brief des roͤmiſchen Biſchofs Sirkius (reg. 
384—98), worin ſich derfelbe Papft Siricius an die Rechtgläubigen 
uennt, in den Concil. general. Tom. Il. p. 1028 seq., und in 
Schönemanns pontif. Roman, epist. genuinis Vol. I, p. 436 szeq. 
aͤcht. — Der Biſchof zu Zicinum, Ennodius, ein kriechender Schmeichler 
der roͤmiſchen Bifchöfe, war ums Jahr 510 der erſte Schriftfleller, der 
den römifhen Papft vorzugewelfe Papa und Dominus Papa nannte - 
(Schrödh Thl. 22. p. 23 — 24). Außer Cafliovor folgte ihm in ges 
raumer Zeit keiner hierin; in Stalien indeß wurde es nad) und nad) aliges 
mein. Im Jahre 680 jedoch wurbe noch der Biſchof von Alerandrien 
auf der fechsten allgemeinen Spnobe Papa genannt. Seit bem Jahre 
660 verlangten indeſſen die Päpfte diefen Zitel für fich ausfchließend, 
un das mit ihrer Würde verbundene Anfehen zu erhalten. Papſt 
Gregor VIE, hat dieß auch, in feinen Dictaten N. 11. beſtaͤtigt. Es 





176 | Papalfoiten. 

: Sam fo Weit, daß ſowohl die Biſchoͤfe als auch die Kaifer ben Papſt 
Papam universalem, Papam totius orbis, und wie ver Erzbiſchof 
Theotmar von Salzburg im Jahre 901 an Johann IX. ſchrieb, uni- 
versalem papam, non unius orbis, sed tolius orbis nannten. Nicht 
lange aber genügte dem Papfte das einfache Ehrenwort Papa. Schmeichler 
nannten ihn bald Pontifex Maximus, Summus, Pater patrum, bald 
universalis Patriarcha, 3. B. Stephanus Metrop. von Lariffa im 5. 
Jahthundert. Weil die Bifhöfe das Ehrenwort: Heiligkeit, fo 
wie das Pater beatissimus häufig erhielten und auch Papſt Anaſtaſius, 
ben Biſchof von Serufalem, Johannes, in einem Briefe an benfelben ſo 
titulirte, fo kann es gar nicht befremden, wenn fid, die Päpfte vorzugs⸗ 
weile Ihre Heiligkeit nennen ließen. Vergl. Jo. Diecmann de 
vocis papae aetatibus. Dissert. II. Viteb. 167%. — Schroͤckh Thl. 
17. p. 23. Thl. 19. p. 276. Thl. 22%. p. 44, 60, 417. — Schloͤ⸗ 
zers Staatsanzeigen Hft. 19. (1783) p. 265— 72. Hier [heint auch 
der Ort zu feyn, um vorläufig noch etwas zu erinnern 

2) von der päpftlihen Kleidung. Im beiten Bande 
dieſes Handbuchs, wo wir p. 51 ff. von ber Amtstracht ber Geiſtli⸗, 
chen in dee roͤmiſch⸗katholiſchen Kirche geſprochen haben, haben wie 
die päpftliche Kleidung nicht befonders hervorgehoben, meil fie im We⸗ 
ſentlichen mit dem bifhöflichen Amtsornate übereinftimmt. Hier wols 
len wie nur das Wenige anführen, was auch in diefer Beziehung dem 
Dapfte eigenthuͤmlich if: Laſſen wir hier einen Schriftfteller aus der 
römifchen Kirche ſelbſt fprechen. (Ich. Andr. Müllers Leriton des 
Kirchenrechts und der römifch = katholifhen Liturgie 4. Bd. p. 171 ff.) 
„Die päpftlihe Kleidung ift von der biſchoͤflichen nicht fehr verſchieden; 
„doch ändert fie fi bisweilen. Das Pallium trägt der Papfl zu je 
„der Zeit und überall, während die Metropoliten ſich deffelben nur an 
„beſtimmten Feſttagen und bei gewillen SKirchenfeierlichkeiten und in 
„ihren eigenen Diöcefen oder Kirchen bedienen dürfen. — Bu bem 
„päpfhichen Ornate gehören 1) eine weißſeidene Toga; 2) purpurfare 
„bene Schuhe, worauf ein goldenes Kreuz eingeftide iſt; 8) ein Barett 
“ „oder eine Kappe, die über die Ohren geht; 4) ein Rochett (Rochetta) 
: „von Carmelin; 5) der Kragen; 6) das Cingulum; 7) die Stola .mit 
„den 5 Kreuzen verfehen, welche auf beiden Seiten herabhängt und mit 
„Edelſteinen verziert iſt; 8) der rothe päpftliche Mantel; 9) die Mitra.“ 

„Die gewöhnliche Kieidung, welche der Papft alle Tage trägt, iſt 
„ein Chorkleid von weißfeidenem Stoffe, ein Unterlleid von feinerem 
„leinenen Zeuge und eine Kappe von rothem Sammt. Die Farbe 
„Andert fih nad den Keflzeiten. An Oſtern, Pfingſten und Marien 
„reiten tft diefelbe weiß, im Advent und zur Faſtenzeit violet, und 
„am Charfreitage wie bei ben Seelenmeflen ſchwarz.“ ’ 

13) Srüändung und Wadhesthum der päpftlihen 
-Monokratie in den erfien 10 chriſtlichen Jahrh un⸗ 
derten. — Urfprünglic nahmen alle einzelne Mitglieder der Ge: 
menden, wie wir bereits im Artikel Kirchliche Verfaſſungsformen“ 
gezeigt haben, an allen fie betreffenden Angelegenheiten Theil, b; 5. 
jeder gab feine Stimme, wenn Aeltefte gewählt, Fehlende von dee Kir 
chengemeinſchaft ausgefchloffen oder bisher Buͤßende wieder aufgenommen 

werden folten, (Demoklrstifche Sierarchie,) Als aber bald 





Vapalſyſtem. 177 


bie Gemeinden einen größern Umfang erhielten, Lam bie Megierung 
und Leitung berfelben in die Hände ihrer Vorſteher, d. i. ber Biſchoͤfe 
und Aelteſten. Das Zutraum der Gemeinde zur Geſchicklichkeit, Recht⸗ 
fhaffenheit und zum Muthe ihrer Vorſteher ging leicht in eine Unters 
werfung über, und ihre Amt gab ihnen ein nicht unbebeutendes Anſe⸗ 
ben, wenn fie Gefhäftsgewandtheit und Begeiſterung für ihren Beruf 
in den Zagen ber Gefahr zeigten. Da e6 mehrere Presbpter in einer 
Gemeinde gab, erhob fi bald ber erſte, gewöhnlich auch der ditefte 
über den zweiten. Daraus, und weil die Presbpter nicht alles bes 
flreiten konnten, erwuchs diejenige Perfon, weiche über biefelben gefegt 
wurde, ber Bilhef. (Ariftoßratifhe Hierarchie.) Diefer 
erhob ſich als oberfter Vorfteher der Gemeinde ſowohl über jene, wenn 
fie gleich im 2. Jahrhundert noch einigen Antheil an ben kirchlichen 
Angelegenheiten behielten, ald auh, und mehr noch über die untern 
Geiftliyen und Laien. Das Goncil zu Laodicea im Jahre 364; gebot 
3. B. geradezu dieſe Unterwerfung der niedern Geilllihen unter bie 
öhern. Der Stadebifchof erhob ſich über ben Lanpbifchof. Die Bis 
Ihöfe der Hauptftädte wollten die Oberauffiht über die Biſchoͤfe klei⸗ 
neree Städte und auf dem Lande haben und erhielten den Namen 
Metropolitin. Die Biſchoͤfe der vier erften Städte bes roͤmiſchen Reiche 
zu Conſtantinopel, Antiohien, Alerandrien und Serufalem und im 
Abendlande zu Rom, maßten fid) über ihre Collegen in andern Städten 
und auf dem Lande den Dberrang an, und wurden Patriarchen, 
(Oligarchiſche Hierarchie.) Schon der roͤmiſche Biſchof Victor 
(in den Jahren 192—202) ambirte eine Derrfchaft Uber fremde, über 
die aflarifchen Gemeinden, bie er ſaͤmmtlich als härestifche in den Bann 
that. Bon Rom aus wurbe die Meinung vertheidigt und von Sees 
näus empfohlen, die Apoftel Petrus und Paulus hätten die vorzügs 
lihere Macht der roͤmiſchen Kicche begründet. Der roͤmiſche Biſchof wird 
auch im Streite über bie Kegertaufe im Jahre 256 beſchuldigt nach Obers 
gewalt über andere Biſchoͤfe geftrebt zu haben; denn Cyprian ließ in dies 
fem Jahre eine Kirchenverſammlung zu Karthago halten, auf welcher 
er in einer Anrede an die Verſammlung ſich kraftvoll darüber aͤußerte, 
baß feiner umter ihnen fih zu einem allgemeinen Biſchofe (episc, 
episcopor.) aufwerfen, daß kein Bifchof den andern richten und firafen 
dürfe und koͤnne. (Ullmählige Vorbereitung zur kirch— 
liden Monokratie im Abendlande durh den Bi- 
fhof zu Rom.) — Die römifhen Biſchoͤfe wußten in dem ers 
wähnten Streite, in ber Oſterſtreitigkeit und in ben arlanifchen Zwiſten 
ige Gutachten und ihre Urtheile allmählig geltend zu machen. Auch 
die Gewohnheit, ihre Stimmen einzuholen, wurde nah und nach zum 
Geſetz. Die Schmeicheleien, bie man ihnen fagte, bildeten fih zu ' 
Slaubensartilein. Von den vier Patriarchen wollte ber roͤmiſche bie 
erfte Stelle um fo mehr haben, da der Biſchof zu Conflantinopel dem 
römifchen an Ehre und Macht gleich, Über die Bilhöfe zu Rom und 
Alerandrien erhaben feyn wollte und nur nad) ihm auf den Rang Ans 
ſpruch machte. Died wurde ihm auch im Jahre 451 auf dem chalces 
doniſchen Concil verflattet, und fein Rang. und gleihe Macht nad 
dem roͤmiſchen beftdtige. Deshalb uͤbergab ihm der Kaifer die Didcefen 
von Afien, Pontus, Thracien unmittelbar. Die Biſchoͤfe von Ephefus, 

Siegel Yandtu IV. 12 


⸗ X 


178 | Papalſyſtem. 
Gäfewa, Heraklen verloren dadurch die echte höherer Dioͤceſan⸗Me⸗ 
tropoliten. Sie ſollten von theen Metropoliten, dieſe aber und alte 
Biſchoͤfe unter den benachbarten barbariſchen Voͤlkern von conſtantino⸗ 
politaniſchen Patriaechen ſelbſt ordinirt, und die Klagen gegen gewoͤhn⸗ 
liche Matropoliten beim hoͤhern Metropoliten ober beim Patriarchen 
au Gonſtantinopel angebracht werden, 

Aællein dieſer uͤberſtrahlende Glanz des letztern war bem roͤmiſchen 
Biſchofe unausſtehlich. Hatte ſich doch felbft Hieronymus dem Das 
maſus ſowohl perſoͤnlich als brieflich unterwuͤrfig bewieſen. Kein Wun⸗ 
der, daß die Anmaßungen immer zunahmen. Wenn der Patriarch 
zu GConftontinopel deshalb feinen erzbifhäflihen Sig für den. erſten 
Bielt, weil der Raifer der ganzen Chriftenheit in Neu⸗Rom (Byzanz) 
feinen Sig habe, fo berief fih Roms Biſchof auf die Aeußerung des 
Vrloͤſers Dit. 16, 18—19. Beide kämpften mit fleter Eiferſucht um 
den Primat: Der eben fo herrſchſuͤchtige als kuͤhne Biſchef von Rom, 
Leo J., verwarf die Gleichſtellung der Rechte und der Macht bed Pas 
triarchen zu Conftantinopel und bes Biſchofs zu Rom in dem 2Oflen 
Canon des Concils zu Chalcedon im Sahre 451. In ber Streitigkeit 
wit dem Bilchofe von Arelate, Hllarius, wirkte er im Jahre 445 bei 
dem Kaiſer Valentinian IH. die Verordnung aus: daß nach bem Vor⸗ 
zuge des heiligen Petrus, buch die Würde der Stadt Rom und durch 
Bas Anfehen — einer heiligen Synode — der Primat des apoſtoliſchen 
Srtuhls befeftigt worden ſei; e6 dürfe fih alfo Niemand erfühnen ohne 
Genehmigung diefes Stuhles etwas Umerlaubtes vorzunehmen. Denn 
nur alddann werde überall der Ktechenfriede beibehalten werden, wenn — 
bie ganze Kirche ihren Megenten anerkenne! — Wie dieſes . Streben 
nah Oberrang für die abendlaͤndiſchen Biſchoͤfe dem roͤmiſchen WBifchofe 
gelang, fo neigte fih aud im Kampfe mit ben Patriarchen zu Gons 
flantinopel das Uebergewicht allmählig auf die Seite bes roͤmiſchen 
Biſchofs. Was dazu beitrug, war theils der Ruhm, den Rom ale 
Haupritadt der befannten Erdenwelt Jahrhunderte hindurch behauptet 
hatte, theild der Rang, den die Gemeinde zu Mom unter allen cheifts 
lichen Gemeinden behauptet hatte, cheils ber hohe Reichthum an Be⸗ 
figungen ober liegenden Gründen, theils bie fortgehenden breiften Atten⸗ 
sate der eömifchen Biſchoͤfe auf Herrfchaft, die fich diefelben bei jeder 
. Gelegenheit über die Fuͤrſten anmaßten. Sie wollten in Kirchenange⸗ 
legenheiten bed Drients und Occidents auf Concilien und durch Macht⸗ 
ſpruͤche finaliter entfcheiden und alle Kirchenämter befegen. Mochten 
Die Schwierigkeiten noch fo abſchreckend ſeyn, mit aller Beredſamkeit, 
Lift und Eifer verfolgten fie ihren Zwei. — Aber auch bie Bilchöfe 
zu Gonflantinopel maften ſich den Titel oͤkumeniſcher Biſchoͤfe an. 
Gegen das Ende des 6. Jahrhunderts befchulbigten deshalb die zömi: 
fen Bifchöfe den Patriarchen Johannes Jejunator, daß er beim Ge⸗ 
brauche dieſes Titels berrichfüchtige Abfichten hege; und als er fich im 
Sabre 687 auf einer Kirchenverſammlung zu Eonflantinopel den Titel 
beilegte, ertärte Roms Biſchof, Pelagius II., diefe Synode, wenn fie 
gleich vom Katjer beftätige war, für flrafbar und ereommunicitte ben 
Pakriarchen. Go dauerten die Streitigkeiten über Namen und Titel 
zwiſchen Rom und Gonflantinopel faft bis ins 10. Jahrhundert fort. 
Erſt im Jahre 1224 boten ber griechiſche Katfer Baſilius H. und fein 





Papalſyſtem. 179 


Patriarch dem Papfte Johannes XIX. den Bergleich an: Die Kirche 
zu Conſtantinopel ſolle in ihrem Klrchſprengel die allgemeine heißen, 
bie römifche aber in der ganzen Chriſtenheit diefen Namen führen. — 
Doc fehlte es fortdauernd weder an Eiferfucht noch an Widerſpruch. 
Im oſtfraͤnkiſchen und angelſaͤchſiſchen Reiche wurde Roms kirch 
liches Oberregiment zuerſt gegruͤndet. In Deutſchland war WBonife; 
(Winfried) ein maͤchtiger Befoͤrderer deſſelben. Seit dem Jahre 7 
machte er ſich wiederholt mit einem Eide verbindlich, die deutſchen 
Biſchoͤfe zum Gehorſame gegen den Papſt durch Eide zu verpflichten. 
Nicht minder erhoͤhten und befeſtigten Miſſionen in auswärtige Reiche, 
das Aufdringen der Kirchenſprache und des roͤmiſchen Rituals die Macht 
der roͤmiſchen Biſchoͤfe. Als Pipin der Kleine gegen das Ende des 
8. Jahrhunderts einen anſehnlichen Landſtrich von Italien zum blei— 
benden (anfaͤnglich freilich nicht unabhängigen Beſitze) dem roͤmiſchen 
Biſchof Stephan Il. gab, ſtieg fein Anſehen als weltlicher Fuürſt noch 
hoͤher. Was unter Carl dem Großen nicht gelang, das gluͤckte unter 
ſeinen ſchwachen Nachfolgern Lubwig dem Frommen und Carl dem 
Dicken deſto mehr. Doms Biſchoͤfe maßten ſich ſchon im 9. Jahr⸗ 
hundert ein vormunbfchaftliches Recht über die Kaiſer an. Die ephes 
meren Beſitzer der italtenifhyen Krone wırden von ben Römern und 
einflußreih von dem Papfte erwaͤhlt. Dennoch ging es den Paͤpſten 
mit Errichtung dee kirchlichen Monarchie zu langfam. — Nun abet 


kamen gegen bie Mitte des 9. Jahrhunderts die erdichteten und vers 


fälfchten Decretalen der roͤmiſchen Biſchoͤfe im Pfeudo : Sfibor zum 
Borfhein, in welchen ed von ben Beiten ber Apoftel an, bis zu Ane 
fange des 7. Jahrhunderts in fd vielen Urkunden mit Nachdruck ein⸗ 


gefchärft wertbe, daß der roͤmiſche Biſchof der oberfte Herr, der Gefeße 


geber und Michter ber ganzen Wett ſei, ohne deſſen Genehmigung 


weder Synoden und Concile, noch die Detropoliten etwas Gultiges 


veranſtalten könnten. Sie wirkten auf das vortheilhaftefte für bie 
Hierarchie. Denn fobald diefe Sammlung von SKiechengefegen als Acht 
angenommen wurde, und öffentliche Auctorität befam, murben uud 


bie Srundfäge, welche die Hierarchie erhoben, in ben Gentüthern befe 


fligt, da fi nun die Päpfte mit allen ihren Anfprüchen auf vorhandene 
gefegliche Beftimmungen berufen konnten. Ramentlid) machte ber ſtolze 
Biſchof Nicolaus J. im Jahre 867 von ihnen Gebtauch. So warb 
denn im 9., 10. und 11. Jahrhundett das Streben der Päpfte, Tich 
von aller Staatsgewalt unabhängig gu machen und das Supremat über 
fie zu behaupten, immer ſichtbarer. Daraus, fo wie aus einigem Am 
dern, "was noch im 11. Jahrhundert gefchah, laͤßt ſich die außerotbent⸗ 
liche Macht der Päpfte in den folgenden Jahrhunderten erftären. Ge⸗ 
beit wir darum über auf den | 
HH Höhften LCulminationspunct der päpfli 
Gen Macht im 12. und 13. Jahrhundert, v 
fen ihren wichtigen Einfluß nad) auf Firdhlidye, wie 
auf weltiihe Angelegenheiten. — Bor und während des 
von uns beſtimmken Zeitraums beſtiegen Ausgezeichmere Männer den 
paͤpſtlichen Stuhl, Gregot TH. (Papſt von 1073-85), der an Geiſt 
amd Kraft alle kderteaf sind Sen Ber Weltherrſchaft mit brwun⸗ 
berndmwücdiger Folgerichtigkeit dutchzufuͤheen begenn; Neben IV.det 


d wel: . 





180. Papalfyftem, 
durch Gegenpapft Clemens III. mehrere Male aus Mom vertrieben, den⸗ 
noh 1088— 99 mit vielfeitigem Einfluſſe und feltenem Nachdrucke 
regierte; Alerander III., ber während feiner Regierung 1160—81 zwei 
Gegenpäpfte überlebte und den dritten flürzte, die Könige von Eng⸗ 
land und’ Schottland zum unbedingten Gehorfam in kirchlichen Sachen 
brachte, fi) vom Kaifer Friedrich I. die Steigbügel halten ließ und 
die Verfaſſung dee Papſtwahl feſt beftimmte, und Innocenz III., deſſen 
Regierung 1198 — 1216 das Papſtthum auf den hoͤchſten Gipfel der 
Macht und Wuͤrde brachte. Was die Paͤpſte fruͤherer Jahrhunderte 
nur in einzelnen Faͤllen verſucht hatten, machten dieſe großen, ihren 
Zeitgenoſſen uͤberlegenen Maͤnner durch dreiſtes Umſichgreifen und be⸗ 
harrliches Fortſchreiten in Einem Geiſte zur Regel. Zuvoͤrderſt übten 
fie ihren gewaltigen Einfluß aus 
a) auf den Klerus und die Kirche überhaupt. 
Sie knuͤpften die Geifttichkeit des weltlichen und mittleren Europa durch 
die Einführung einer neuen Eidesformel, duch die Nöthigung zum 
Gölibat und buch die SInveftitur, welche den Lehnsverband der Wis 
fhöfe mit ihren Fuͤrſten trennen folte, und unter Innocenz UI. in 
willkuͤhrliche Verfügungen. über Eirhlihe Würden und Pfruͤnden aus⸗ 
artete, gleih Vaſallen und eigenen Beamten mit unauflöslicyen Ban⸗ 
ben an ihren Stuhl. Sie brachten vermittelft ihrer Legaten und Nun⸗ 
tien das bifchöfliche Recht der Entſcheidung in Firchlichen und Ehefachen 
und das ausfchließende Heiligſprechungsrecht in ihre Gewalt, und gaben 
ber paͤpſtlichen Würde dadurd das Gewicht der einzigen Weihebehörde 
in der Welt, von welcher alle geiftliche Gewalt und Amtsbefugniß auss 
gebe. Die geſammte Kirche machten fie fid) endlich als einzige aus» 
ſchreibende Vorfiger ber Concilien und Nationalfgnoden, deren Beſchluͤſſe 
nur durch päpftliche Beflätigung gültig werden follten, und buch die 
nach und nach immer kuͤhner vortretende Behanptung der Infallibilität 
ober der Untrüglichleie ihrer Ausſpruͤche völlig unterthan, und fchufen 
fi durdy den Eugen Gebrauch ber Minds: und befonders ber Bet—⸗ 
telorden, eine geiftlihe Miliz, die, weil diefen Orden die Suquifition, 
das Beichts und Prebigtwefen und der öffentliche Unterricht auf Schus 
len und Univerfitäten in die Hände fiel, das geſchickteſte Werkzeug 
three Politit und eine der flärkften Stügen ihrer Macht geworden iſt. 
Nicht minder war auch in diefer Periode der Einfluß der Päpfte, wichtig 
b) auf weltlihe Angelegenheiten. Das Gelingen 
Ihrer unumfchränkten, geiftlichen Oberherrſchaft gab ihnen den Muth 
auch nach der weltlihen Souverainität zu ftreben. Doch find die welts 
lihen Hoheitsrechte des Papfles viel ſpaͤtern Urſprungs, ale die roͤmi⸗ 
fhen Hofichriftfieller behaupten wollen. Die Schenkung Gonftantins 
bes Großen betraf Fein Landesgebiet, fondern nur einzelne Gebäude und 
Güter bei Rom; duch Pipins Schenkung erhielt der Papft nur das 
dominium utile, d. h. die Nugung der ihm anvertrauten Ländereien, 
warb aber dadurch Vaſall der fränkifhen Könige und dann ber beuta 
‚schen Kaifer, welche die landesherrlihen Rechte über das päpftliche 
‚Gebiet ohne Widerſpruch ausübten und bis in das 12. Jahrhundert 
keine Papſtwahl ohne ihre Befldtigung gelten liefen. Erſt Sunocenz IM. 
feste e6 duch, daß Rom, die Marken und die mathildiſchen Erbguüͤter 
ihm ats ſouverginen Landesheren 1198 huldigten, womit auch der Iehte 


[) 


Papalfnftem. 181 


Schatten Ealferlicher Gewalt über Rom und den Papſt verſchwand. Guͤn⸗ 
flige Setegenheiten hatten dem römifchen Stuhle mehrere Königreiche zins⸗ 
bar gemacht. England befand fich, feit es chriftlich war, Polen und Un: 
garn feit dem 11. Jahrhundert, die Bulgarei und Aragonien felt dem 
Anfange des 13. Jahrhunderts, das Königreich beider Sicilien, beffen 
normännifhe Könige ſchon Lehnsträger des Papftes wurben, feit 1265, 
wo Clemens IV. es aus Haß gegen bie Hohenftaufen, dem Haufe 
Anjou gab, im dieſer Abhängigkeit; ja felbft der Orient würde unter 
die roͤmiſche Hetrſchaft gekommen feyn, wenn der Erfolg der Kreuz 
züge, die ohnehin im Abenblande manche ben Päpften vortheilhafte 
Umorbnung des bürgerlichen MWefens und Privatelgenthums veranlaßt 
hatten, weniger vorübergehend gewefen wären. S$nnoeenz III. durfte 
Könige, z. B. a von England, abs und einfegen und alle Welt 
mit feinen Bannſtrahlen bedrohen. Kaiſer Otto IV. nannte ſich von 
Gottes und des Papftes Gnaden, die Könige hießen des Papſtes Söhne 
und bie Furcht vor den Folgen des Interdicts, das er als Statthalter 
Chriftt über ungehorfame Fürften und ihre Reiche ausfprach, die Empoͤ⸗ 
rungsfuft der Vaſallen, die ſchlecht georbnete Verfaſſung der Staaten 
und die großen Mängel der Geſetzgebung unterwarfen bie Regenten 
jener Jahrhunderte von felbft der Vormundſchaft eines Herrn, deſſen 
Hof die Wiege der neuen Staatsllugheit, deſſen Macht und Anfehen 
durch die Waffen des Geiftes, unter dem Schutze ber öffentlichen Mei: 
nung und des Aberglaubens unwiberflehlih war. Nicht mie Unrecht 
wurde baher das Papſtthum feit jener Zelt eine Univerfalmonardie 
genaunt, und die Cardindie als Raͤthe, die Legaten in den verfchiedes 
nen Reihen der Chriftenheit als Vicekoͤnige, bie Erzbifchöfe und Bis 
ſchoͤfe als Präfecten und Unterpräfecten, die Pfarrer als Polizei und 
Rentbeamte, und die geifllichen Orden als das flehende Heer des roͤmi⸗ 
fhen Oberhirten betrachtet, deffen Wink über mehr denn 300,000 in 
diefen Adftufungen unter die Völker vertheilte, voͤllig in fein Intereſſe 
verwidelte, unbedingt gehorfame, und durdy alle Mittel der Religion 
und des Fanatismus mächtige Diener gebot. Wie fhädlih nun au 
das Papalſyſtem anf das religioͤſe Leben der Völker einmwirkte und freie 
Geiftesentwidelung hinderte, fo hatte doch biefes Prieflercegiment zur 
Gewoͤhnung roher Fürften und Voͤlker an Geſetzlichkeit und chrifttiche 
Sitten wohlthätig beigetragen, um im einer Zeit, wo Mechte erſt ents 
flanden, die Rechtsgruͤnde entiehnen zu koͤnnen. 

IV) Allmahliges Sinken der päpftlihen Macht 
vom 13. Jahrhundert, und: meiftens ungünftige 
Schickſale derfelben bis auf unfre Tage — Srank 
reich mar es, das zuerft mit Erfolg gegeh den Papſt in bie Schranken 
trat. An Philipp dem Schönen fand Bonifaz, einer ber kuͤhnſten 
und übermüthigften Paͤpſte, feinen Meifter, und feine Nachfolger blie⸗ 
ben mährend der Dauer ihrer Mefidenz zu Avignon 1807 — 77 unter 
franzoͤſiſchem Einfluffe. Offenbar litt die Seidſtſtaͤndigkeit der Päpfte 
durch den Umfland, daß fie nun an eine beftimmte politiſche Partei 
gebunden waren, wenn fie auch die kraͤftig erworbenen Vorrechte ihres. 
Stuhls noch fortwährend in alten Gegenden ber abendländifchen Chriften: 
heit ausübten. Doch tiefer fank ihr Anfehen, als 1378 neben dem italienis 
fhen Papfle Urban VE. von den franzöffichen Cardinaͤlen ein Graf von 





18 Papalſyſtem. 


Genf unter. bem Namen. Elemens VE. zum Papſte gewählt wurde und 
jeder nicht nur feinen eigenen Einfluß auf die feiner Partei ergebenen 
Nationen, nämlich der italienifche über Stalien, Deutfchland, England 
und die. nordifhen Reiche; der franzoͤſiſche über Frankreich, Spanien, 
Sapoyen, Lothringen und Schottland behauptete, fondern auch in eben 
fo unverföhnlihen Nachfolgern fortlebte. Dex offene Aemterhanbel, bie 
ſchaͤndlichen Erpreffungen und niedere Raͤnke, worin bie meiften diefer 
Gegenpaͤpſte einander überboten, gaben ben Worläufern der Reformas 
tion in England und Böhmen, Wicliffe und Huß, gerechten Grund 
u Beſchwerden und zu ben Forderungen einer Kirchenverbeſſerung. 


mar gelang es der Kirchenverſammlung zu Conftanz, das große Schisma 


ducch Abfegung der beiden Gegenpäpfte zu endigen; allein der 1417 
an’ ihre Stelle gewählte alleinige Papft Martin V. kam in den Befig 
der Rechte und ber Macht feiner Vorgänger, ohne bie Mißbraͤuche ber> 
felben abzuftellen., und felbft die noch deutlichern Meformationsdecrete der 
Kichenverfammiung zu Baſel wurden durch die Lift und. Beharrlich⸗ 
keit des fich gegen den Willen diefer Concilien behauptenden Eugen IV. 
aus dem Haufe Urfini, der von 14358 —47: Papft war, größtentheils 
unfräftig gersacht. Frankreich gewann er ſchon 1439 durch bie prags 
matifhe Sanction, welche die Freiheiten der galitanifchen Kirche bes 
gründete, und durch Unterhandlung mit ihm und feinem Rachfolger, 
dem als Freund ber alten Literature und Beſchuͤtzer ber gelehrten Fluͤcht⸗ 
linge aus. Sriechenland verdienten Nicolaus V., brachte Aeneas Spis 
vius als Geſandter Kaiſer Friedrich IIL 1449 das Wiener Concordat 
zu. Stande. Waruns aber darin den Beſchwerden ber deutfchen Nation 
fo wenig abgeholfen und das päpftlicde Intereffe fo forgfältig wahrges 
nommen war, merkten die von dem fchlauen Muterhändier Aeneas 
Sylvius zur Annahme üuͤberredeten deutſchen Fürften erſt dann, als 
letzterer Cardinal und 1458 unter dem Namen Pius -IL ſelbſt Papſt 
wurde. Sn dieſem Concorbate Hatte ber Papſt die Beſtaͤtigung ber 
Annaten, das Recht die Prälaten zu confirmiren und unter vielen 
andern Vorbehalten aud die Papfimonate, ober bie nicht mehr nad 


den Erledigungsſtellen, ſondern nah ben Monaten ber Erledigung, 


deren ſechs in jedem Jahre ihm vorbehalten waren, mit ben Stiftern 
abwechſelnde Verleihung der Pfruͤnden gewonnen. Dusch allmählige 
Ausdehnung biefer an ſich ſchon beträchtlichen Vortheile, die auch an⸗ 
dere chriftliche Reiche unter andern Titeln gewähren mußten, hatten bie 
Paͤpſte es noch im 15. Jahrhundert wieder fo weit gebracht, daß ihnen 
die volle Hälfte der Einkünfte des Occidents unter mancherlei Namen 


zufloß. Huͤlfe gegen die Tuͤrken war der gewoͤhnlichſte Vorwand, wozu 


? 


jeboh nur felten etwas won !biefen ungeheuern Summen angewendet 
wurde. Denn theils mußte die Gunf ber Parteien in Rom, unter 
welchen die alten Geſchlechter ber Colonna und Urfini feit lange ber 
wetteiferten, erkauft worden, theild nahmen die Beduͤrfniſſe der Ver 


wandten fo viel weg, daß für daß allgemeine Belle der Chriftenbeit 


wenig uͤhrig blieb. In der Sorgfalt für feine Kamille trieb 6 fein 
Papſt weiter, als Alerander (1492 — 1508), befjen Staatskunſt ber 
Religion und Moral eben fo. fremd war, wie fein Leben. Sein Nach⸗ 
folger Sulius 1. 1608 — 13 wandte nicht minder jede. Kraft auf polis 
tifche. Händel und ben Krieg mit Frankreich, in weichem er fein Heer 


“ 


Vapalſpſtem. 183 
uitterlich anführte, aber troh feiner Kanenen vor Bapard fichen mußee 
Zum Glück für ihn und feinen Nachfolger Leo X. wurbe Marimillan 
durch aͤußere Umflände, endlich durch feinen Tod gehindert, mit dem 
Einfalle einer Vereinigung der paͤpſtlichen und ber kaiſerlichen Kraus 
auf feinem Danpte hervorzutreten. 

Dur den Umſtand, daß Deſtreich, Frankreich und Spanien um 
die Lombardei und Neapel kämpften, und ſich daher wechſelsweiſe ums 
die Freuundſchaft des Papſtes bewarben, hatte deſſen politiſche Bedeu⸗ 
tung gegen das Ende des 15. Jahrhundeets von neuem zugenommen, 
«ia das wide mehr zu wehrende Wordringen des Zeitgeiſtes ein Greig⸗ 
niß herbeiftihete, an weichem Leo's X. Staatskunſt ſcheiterte. Luther, 
Awingli und Calbin waren bie Herolde, die faft die Hälfte bes Dccis 
dents vom Napſte losriſſen. Was frühere Jahrhunderte ber Unwiſſenheit 


dem Papfte zugeſtanden hatten, beſtaͤtigte die tridentiniſche Kirchenwer⸗ 


fammiung und die Geſellſchaft Jeſu (vergl. ben Artikel Moͤnchthum in 
diefem Bande p. 40 ff.) trat als eine Schutzwehr um feinen Thron, 
welche die Spuren "der Reformation in ben Eatholifch gebliebenen Staus 
ten zu, vertilgen, und was in Europa verloren worden war, durch 
Miffionen unter den Heiden zu erfegen firebten. Doc weber biefe 
neue Stüge, nod die Staasskunft fchlauer Däpfte, wie Clemens VIL, 
Medici, 15235— 34, ben bed Kaiferd General, Karl von Bourbon, 1527 
in die Engelöhurg trieb, und Paul IL, Farneſe, 1634 — 49, bee 
ſeinem Haufe Parma und Piacenza erwarb, noch die mönchifche Kirche 
lichkeit Pauls IV., Garaffa,. 1555 — 59, no die Maͤßigung Pius IV., 
Mebicl 1669 — 66, der fih bis zur Verwilligung des Kelches für bie 
busffitifchen Böhmen berabließ; oder die Anmaßung und Härte Pius V. 
1866 —79, bee durch feine, des ſtolzen Dominikaner und wuͤthen⸗ 
den Ketzerrichters, der er vorher geweſen, vollkommen wuͤrdige Nacht⸗ 
mahlabulle (In, coone Domini) Fuͤrſten und Völker empoͤrte, obgleide 
feine rauhe Sittenſtrenge ibm zur Ehre der Heiligſprechung verhalf; 
ferner die genveimmügige Thaͤtigkeit Gregors XIII. 1672 —85, welchen 
ber Welt den verbefferten (Gregsrianiſchen) Kalender gab, oder bie 
Regentengröße und Weisheit Sirtus V. 1585 —90; das Gluͤck Cie 
mens VIl., Aldebrandini, 1592-1605, der 1697 Ferrara zum Kir 
dyenftaate fchiug, noch endlich die Gelehrſamkeit Ucbans VIII., Barbe⸗ 
ini, 1623-44, dee Urbino dazu brachte und die Bewegung der Erde 
um bie Sonne von Galilei abfchwiren lieh, — vermochte das alte 
Unfeben eines Thrones wieder herzuſtellen, auf dem im bes Regel nicht 
die Religion, fondern bie Politil des Eigennupes unb ber Ah 
und im 16. Jahrhundert auch meiſt der Schwäche und Beſchraͤnkth⸗ 
regierte. Vergebens erneuerte man in. Rom die Sprache Gragord VII. 
und Imocen; HL; auch in katholiſchen Staaten wurde ber Unterſchied 
der Bicchlichen Angelegenheiten von ben politifchen ſchon beutlich g 
begriffen, um bie Ginfcheintungen: bed päpfilidden. Kinflußes a 
dis letztern zu meißbiligen. Belt ber Diiste des 16. Jahrhun⸗ 
derts wurde Bein beusfcher Kaifer mehe vom Papſte gekroͤnt; bie Fürs 
fen, bie ihm feine Politik abgelernt hatten, emtzagen ſich feiner Dos: 
mundſchaft, die Nationalkirchen gewannen: ihn: Greiheiten. ab, bie ex 
vergebene figeitig. machte, und der. weſtphaͤliſche Friede, den der beilige 
Subt nie. anerbannt hatte, gab einer Duldung, bie. wit ken Grund⸗ 


184 Papalfyſtem. 


lehren des Papismus in gradem Widerſpruche ſteht, eine öffentliche, 
von allen europdifchen Maͤchten verbuͤrgte Geltung. Unter ſolchen 
Umſtaͤnden konnte nicht mehr von Erweiterung der paͤpſtlichen Macht, 
ſondern nur von Anſtalten gegen ihren gaͤnzlichen Verfall die Rede 
ſeyn, und der Statthalter Chriſti der, da er anfing, ſich den Knecht 
der Knechte zu nennen, Herr aller Herren ward, mußte ſich nun in 
die Rolle eines Unterdruͤckten fügen. Der Janſenismus raubte ihm 
einen bedeutenden Theil der Niederlande, feine Bullen galten außer 
dem Kirchenſtaate nichts mehr ohne die Genehmigung der Könige, bie 
Abgaben aus fremden Reichen gingen immer fparfamer ein, in Frank⸗ 
reich und bald auch in Deutfchland wurde er das Ziel bes Wiges, und 
die würdigen Männer, die den Heiligen Stuhl im Laufe des 18. Jahr⸗ 
hunderts zierten, dee gelehrte Lambertint 1740 —58, und ber anfges 
Elärte Ganganelli 1769—74 mußten die Schuld ihrer Vorfahren bis 
fen, und fich die Achtung, die dieſe ertrogt hatten, durch Geduld, 
Machgiebigkeit und perföntiche Verdienſte fich zu erhalten ſuchen. Schlims 
mer ging es ihren Nachfolge. Pius VL. 177598 wurde had) 
bittern Erfahrungen von den Schritten der Aufklaͤrung, gerabe als ber 
Tod Joſephs II. ihm neue Hoffnungen gab, Beuge von ber Revolution, 
welche die feanzöfifche Kicche von ihm losriß und ihn feiner Staaten 
beraubte. Pius VII. 1800-23 mußte feine perfönlihe Sreiheit und 
ben Beſitz des verkleinerten Kirchenſtaates durch ein zweideutiges Con⸗ 
eordat mit Bonaparte umd durch fhmählige Exrniedrigungen erkaufen, 
um 1809 beides zu verlieren. . 

Er verdankte feine Wiederherſtellung im Jahre 1814 nicht feinem 


. gegen Napoleon gefchleuderten Bannftrahle, fondern der Verbindung 


der weltlihen Mächte, unter welhen zwei Reger (England, Preus 
fen) und ein Schismatiler (Rußland) ſich befanden. Gleich⸗ 
wohl ernouerte er nicht nur die Inquifition, den Jeſuiter⸗ und andere 
geiſtliche Orden, fondern auch Zorderungen und Grundfäge, bie den 
liberalen Ideen und Befchlüflen feiner Befreier entgegen waren. Ducch 
ben Cardinal Conſalvi proteflirte ee am 14. Juni 1815 gegen die 
Wiener Congreßbefhlüffe, welche Avignon, Ferrara und die fechlarifir . 
son Befigungen der katholiſchen Kirche in Deutfchland betrafen. Ziems 
lich deutlich ſprach fich In feiner ganzen Megierungsweife die Abſicht 
aus, den Geiſt des 11. und 12. Jahrhunderts zurädzueufen, und die 
Dauptmarime des römifchen Hofes, von feinen Behauptungen und 
Anfprüchen nie das Mindeſte aufzugeben, fondern nur die gelegene Zeit 


' abzuwarten. Sm gleichen Geiſte regierten Pius VII., Nachfolger, 


£eo XII., Annibale della Genga, 1823—29, Pius VIII., 182981, 
und Gregor XVI., Mauro Capellari, geboren den 18. September 1765 
zu Beluno im Gebiete der Republik Venedig, der am 3. Februar 1831 
zum Papſte ermählt ward. Leo XII. erwählte ihn zum Vorſtand des 
Collegiums der Propaganda und verlieh ihm 1825 die Cardinalswuͤrde. 
In der vielbewegten Zeit, an dem Tage, mo in Modena ein. offener 
Aufftand erfolgte, des in den folgenden Tagen mit reißender Schnel⸗ 
ligkeit um ſich geiff, auf den päpftlihen Stuhl erhoben, war er feinen 
Augenblick verlegen um bie zu ergreifenden Maßregeln. Umfichtig, fich 
in die Belt zu ſchicken, waren kaum die brohendften Gefahren beſei⸗ 
tigt, ald er mit Verordnungen und Bullen bervortrat, welche dem 


” \ 


Papalſyſtem. 265 


Geiſte der Nachtsmahlbulle verwandte Grundſaͤte enthielten, und in 
jeder Wendung die Abſicht verriethen, den Geiſt, der die Reformation 
hervorgerufen, anzugreifen und jedes Aufſtreben der Voͤlker zu benutzen, um 
die Fürften zum gemeinſamen Widerſtand gegen höhere Geiſtesentwickelung 
zu reizen. In dem Augenblide, wo der Verfaſſer dieß ſchreibt (Januar 
1838), fah ſich die preußifche Regierung genöthigt, den wiberfpenfligen ' 
Biſchof von Coͤln, Freiherrn Drofte zu Viſchering, gewaltfam von feinem 
Amte zu entfernen, über welche Maßregel der Papſt in einem öffentlichen 
Schreiben ſich ſehr bitter erklärt. Noch ift der genannte Erzbiſchof in ges 
fängliher Haft, und die Zeit muß lehren, wie biefer Kampf der preußi⸗ 
ſchen Regierung mit dem päpfllihen Stuhle wird ausgelämpft werben. _ 
Der Berfaffer kann ſich nice enthalten im Auszuge bie originelle 
und characteriſtiſche Schilderung mitzuteilen, die man in Spittlers 
Geſchichte des Papſtthums über die Gründung, das Wachsthum und 
das allmählige Sinken ber päpfllichen Monokratie im Abendlande findet. 
Was wir in allgemeinen Umriſſen dargeſtellt haben, theilt er in ſecht 
Derioden und bezeichnet den Geiſt jeder einzelnen nach ber ibm eigens 
thümlichen Darftellungsweife alfo:, 
Erfte Periode. (Bier erite Jahrhunderte der chrifllichen Zeit⸗ 
rechnung.) Der Papft tft nicht viel mehr, als der Pfarrer, Superin» 
tendent der Kirche von Rom. Man fiehbt nody gar nicht, daB fo etwas 
daraus werben koͤnne, was es nachher ward. Ein Knabe ohne große 
Hoffnung in diefer Periode, daß er je zum Manne werben würde, 
Sweite Deriode. (Vom Ende des Aten bis zum Ende bes 
8. Jahrhunderts.) Der Knabe waͤchſt allmaͤhlig heran. Es glädt ihm 
bie und da einen der Steeihe zu machen, bie ben tünftigen Man 
ankündigen; aber ein paarmal leidet er dafür Zuͤchtigungen, daß man 
glauben follte, die Luft zu weiten Berfuchen würde fich verlieren. 
Was wäre aus dem armen, bald nachher fo trogigen Biſchof geworben? 
Bielleicht ein Hofcaplan Str. lombardiſchen Majeſtaͤt, wenn fidy nicht 
der Räuber der fränkifhen Krone, Pipin, feiner angenommen hätte. 
Dritte Periode. (Vom Sten bis zu Ende des ülten 
Jahrhunderts.) Indeß die Religionslehre felbjt das unkennbarſte Ges 
webe elender Spigfindigkeiten und abergläubifcher Gebräude wird, 
erfcheine mit dem’ unerwartet gluͤcklichen Erfolge der Schwärmer aus 
Mecca. Der Biſchof von Rom, weil feine Nebenbubler buch Muha⸗ 
meds Glüͤck faſt ganz entkräftet find, waͤchſt und. fleigt ununterbrochen 
höher, theils unter dem Schuge ber Pipinifchen Ufurpatorsfansilte, theils 
auch von Zufällen  begünftige, welche nicht: das Werk feiner Politik 
waren. So wie überdieg duch Moͤnche, Handelsverkehr und Aufklaͤ⸗ 
rung genauerer Zuſammenhang unter den verfchiedenen europaͤiſchen 
Reichen entficht, bekommt er feine Wirkungsſphaͤre. Nicht an ber ins 
nern Kraft, blos an den Communicationslinien batte es ihm bisher 
gefehle. Der Papſt entſchluͤpft allmäplig dem Ei. — Die Unruhen 
des fraͤnkiſchen Reichs begünftigen feine Exiſtenz. Das Unglüd ber 
orientalifhen Kirche, die unter dem Drude ber Araber und Tuͤrken 
feufjt, verfhafft ihm manchen Zuwachs, indeß er außer Stalien oft 
faſt angebetet wird, wird. er in italien oft tobtgeichlagen, und auch jeng 
Anbetung hat ihre Perioden. Europa war in diefer Zeit ungefähr auf 
der Stufe der Aufklärung, daß es, ohne den Widerſpruch gu fühlen, 


—X Prapalfpflen, 
ba Micegott manchmal peitichte, wie dee Kamtſchabale feinen Gotzen 
yeügelt, wenn er glaubt., er habe ihn nicht erhoͤrt. 

Diertg Periode. (Das 12te und 1& Jahrhundert.) Dieß 
iſt die Zeit ber volltommen blühenden Macht des Papſtes. Derienige, - 
welcher in der Mitte diefer Periobe regierte, hat dieſelbe aufs voͤchſte 
veſtelrt Innocen; III. 

Sünfte Periode. (Das t4te und 16. Jahrhundert.) Trub⸗ 
felige Zeiten bis auf ben Einbruch der graßen Reformations-Calamitaͤt. 
Der Papſt iſt lange Zeit im Dienfle des Königs von Frankreich, und 
es war ein ſaurer Dienft, dem ber heilige Vater feinem- erſtgebornen 
Sohne thun mußte Der arme Papſt! Er muß fih in biefer Pes 
dee auf Geldſchneiderei lagen, in der That aus Beduͤrfniß und weil 
en an ein gutes Leben gewöhnt war. Einen foldyen koſtbaren Menfchen 
zu erhakten, war im 13. Jahrhundert für Europa theuer genug. ‚Nun 
kamen ihrer bald zwei, bald ihrer drei. auf. Man war genöthigt eine 
nötige Reduction und Caffntion mit ihnen vorzunehmen ; aber. ber, den 
mim. endlich für paſſabel erklärte, befierte fid) doch nit. So Lange 
es blos dem Dogma galt, und das Werberben bios theologiſch ifl, lei 
den es die Könige geduldig. Als aber bie Päpite zu begierig dem 
Untertbanen da6 Geld nehmen und als es bald der Päpfte mehrere 
giebt, de fängt man an Berfuche zu machen, ob die Feſſeln abgewor⸗ 
fen werben können. Johann KXL, Synode von Coflnig. 

Sehste Periode. (Bon Luther bis auf Sofeph IL von 
4517-1782.) Ein Auguftinermönd zu Wittenberg bringt mit Got: 
es Häülfe. zu Stande, mas Kaifer und Könige nicht vermocten. Er 
verführt dem Papſte den größten Theil feiner Unterthanen; aber biefer 
fihert ſich durch taufend krumme, fromme und unftomme Künfte der 
hbrigen. nody mehr. e Synode von Trient foll ben alten Schaben 
heiten, aber der Schade ſelbſt mird dadurch nur krebsartiger. Die 
Stanzofen ſprechen zwar viel davon, wie fie. nicht verbunden wären, dem 
Dapfle zu gebocchen; aber es war nur ein Prolog zu ihrer unterthänigen 
Selaverei. Seitdem die Jefuiten begraben find, mag der Papft auch fein 
Teſtament machen, und unfer jegiger Kaifer Joſeph IE. bat ihn ber Mühe 
bberhoben, den fhidlichen Beitpunct zur Verfertigung beffelben feſtzuſetzen. 
: Bei dieſer Gelegenheit kann fi der Verfaſſer nicht enthalten, 
Hiſtoriker zu: warnen, aus ben Greigniffen ihrer Zeit Vatlcinien auf 
Die Zukunft zu ftellen. Hätte Spittler unſre Zeit erlebt, er wuͤrde 
fi überzeugen, daß bee Papft noch immer nicht geneigt ſei, ein 
Teſtament in dem Sinne zu machen, wie Spittler im Zeitalter Jo⸗ 
ſephs meinte, daß es der Papſt werde machen müflen. Etwas Arhn⸗ 
liches ift auch Tzſchirner, dem geiftvollen Fortfeger der. Schrödh’fchen 
Kicchengefchichte, begeguet. Er mar ein Zeitgenoffe des mächtigen Mas 
poleond und erlebte. ben Zeitpunc, wo ber Papfl aus ber Reihe welt 
licher Fuͤrſten gedrängt und zu einem bloßen Biſchofe herabgemürbigt 
‚wurde, Er ſchildert jenes Ereigniß auf folgende, auch ber oratorifchen 
Schönheit nicht ermangelnde Art: „So trat dee Papſt aus der Reihe 
„europaͤiſcher. Füriten heraus. und ward genoͤthigt ſich mit ber Wuͤrde 
„bes *3 Biſchofs feiner Kirche zu begnügen. Die Zeit bauete fein 
„Reich, bis. Zeit. bat es wieder zerfidctz denn fie ſchafft fih, was fie 
„bedarf und fleeift veraltete Formen ab, mie ein langgebrauchtes 


Papalfpſtem. 283 
„Gewand. Das Fandament feines Reiche, bie Glaube am bie üͤber 
„mathrlihe Gnadenfuͤlle des Nachfolgers Petri und an feine Gewalt 
„zu binden und zu loͤſen, war laͤngſt erfhüttert, ein zufammenfinkene 
„bed Gebäude wurde es nur noch von morſchen Säulen geſtuͤtzt, laͤngſt 
„sah man feinem Kalle entgegen. Darum erusgte fein endlicher Unter 
„gang wicht Staunen und Berwunderung, noch lebhafte Theilnahme. 
„Die Katholilen trauerten nicht, die Proteflanten freueten ſich nicht, 
„Niemand verſuchte es, feinen Fall aufzuhalten, und, gemöhnt an dem 
„Anblid untergebender Reihe, ſah man mit Sleichgättigkeit das ins 
„vermeidliche geſchehen. Als man aber erfuhr, daß der unglädliche 
„Papſt unter einer ſtarken Bedeckung von Cavallerie und Gensd'armes 
„über. Florenz und Turin nah Grenoble im füblichen Frankteich abge⸗ 
„führt worden war, da mußte man das Losos derer beklagen, In denen 
„die alten Formen untergehen.” | 

Taſchirner felbft erlebte «6 noch, daß feine Hiflorifchen Combina⸗ 
tionen auf die Zulunft übergetragen,, ihn getäufcht hatten. Seboch 
blich fein Glaube fell, daß das Papſtthum mit feinen eigenthuͤmlichen 
Grundfägen im Kampfe mit der fortichreitenden Zeit dennoch umterges 
ben müfle. Unfere Zeit mit dem oben erwähnten Ereigniffe des Erz⸗ 
bifhofs von Coͤln giebt diefer Anfiche neues. Interefie. 

V) DVergleihender Ruͤckblick auf die morgenläns 
diſche Schwefterlirhe und ihren gegenmärtigen 
Juſtand. — Wenn im Abendlande ein glüdlicher Umſtand nad 
dem andern bie Macht Roms von Zeit zu Zeit fleigerte, wenn felbf 
ungünftig fcheinende Ereigniſſe, wie der Einfall roher Barbaren is 
Stalien, den päpftlihen Einfluß erhöhte und Einge Inhaber des heilige 
Stuhls die Zeitereiguiffe zu benugen verfianden; fo finden mir von 
allem disfen das Gegentheil im Morgenlande. Ertenfio verlor bie grie⸗ 
chiſch⸗ orientalifche Kirche durch große allgemeine Calamitaͤten. Zu 
ihrem Gebiete gehörten bis in das 7. Jahrhundert außer Oſtillyrien, 
dem eigentlichen Griechenlande mit Mora und dem Archipel, Stein 
afien, Syrien mit Paldfiina, Arabien, Aeappten und zahlreiche Ger 
meinden in Mefopotamien und Perfin. Allein durch die Exroberungen 
Muhameds und feiner Nachfolger verlor fie feit 6830 fait alle ihre Pro⸗ 
vinzen in Afien und Afrika und felbft in Europa wurde die Zahl ihrer 
Anhänger duch die Türken im 15. Jahrhundert beträchtlich vermindert. 
Es büdese fich bush den mit Feuer und Schwert verbreiteten Islam 
gegen frühere Jahrhunderte gerechnet gleichlam eine neue chriſtlich⸗ 
kirchliche Geographie und Statiftil. Es war daher nur eine theilweiſe 
Entſchaͤdigung, daß ber griechifchen Kirche mehrere ſlaviſche Voͤlkerſchaf⸗ 
ten, und beſonders die Ruſſen, zufisien, welche der Großfürſt Wladi⸗ 
mie der Heilige. 988 zun Annahme des griechiſchen Glaubens naͤthigte. 

Eben fo wenig erhob” fich auch .intenfiv bie griechiſch⸗katholiſche 
Kirche, man mag num bieß Wort auf den beſondern Einfluß des Klo 
tus im Staate ober anf die theologifhe Gelehrfamkeit und religiöfe 
Verſtandes⸗ und Derzensbildung ber griechiſchen Kirchengenoſſen bezies 
ben. An ehrgeisigem Aufſtreben der Patriarchen hat «6. in frühere 
Zahrhunderten zwar au nicht gefehlt; aber nie erlangten. fie ben Eins 
Kup, wie dee Biſchof von Rem. (Vergl. den Artikel Patriarch.) Auch 
waren bei bsp. äußern: Upföllen, die dan Qrient erſchoͤtterten, die. Kir 


158 Papalſyſtem. 

chenobern mehr auf das Erhalten des Wenigen beſchraͤnkt, als daß ſie 
auf Erweiterung ihres Einfluſſes hätten denken koͤnnen. In ein unters 
- georbnetes, ja druͤckendes Verhältniß gerieth die griechiſche Kirche durch 
bie tuͤrkiſche Botmaͤßigkeit und auch die Staatögemalt In der rufflfchs 
griechifchen Kirche hat es verflanden, das Anfehen des Klerus für fich 
unfhäblich zu machen. Die höcfte kirchliche Würde, die Patriarchens 
wöürbe (f. den Artikel Patriarch) in der griechifchen Kirche, hob Peter 
bee Große auf, weil fie der Patriarch Nikon (geftorben 1681) angebz 
lich gemißbraucht hatte, indem er unter die nach Adrian Tode 170% 
zur Wahl eines neuen Patriarchen verfammelten Biſchoͤfe mit den 
Worten trat: „Ich bin neuer Patriarch!“ und 1721 da6 ganze Kir⸗ 
henregiment feines Reichs einem Collegium von Biſchoͤfen und meltlis 
hen Räthen unterwarf, das erſt zu Moskau, jegt zu Peteröburg, feinen 
Sig hat. Es ift darum auch der politifhe Einfluß der griechiichen 
Geiſtlichkeit von dem 7. Jahrhundert abwärts nie bedeutend gewefen, 
und ift es auch in diefem Augenblide nicht. 

Auch die wiſſenſchaftliche Bildung des Klerus, wie mir mehrmals 
in biefem Handbuche zu zeigen Gelegenheit hatten, ſteht auf einer 
niedern Stufe. In der Dogmatik if man genau genommen bei os 
hannes Damafcenus geblieben, und der Kultus und das Kloſterleben 
An dieſer Kirche bat eine gewiſſe erflarıte Korm angenommen, über 
welche bei der eingerifjenen Unmwiftenheit des Klerus und des Volks mit 
ängfiticher Gewiftenhaftigfeit gewacht wird. Der Gottesdienft der gries 
chiſchen Kirche bleibt faft ganz bei äußern Gebraͤuchen flehen; Predigt 
und Katschefe machen den getingiten Theil davon aus. In der Tuͤrkei 
prebdigen nur die böhern Geiftlihen und in Rußland war unter dem 
Baar Alerei im 17. Iahrhundert das Predigen fogar ſtreng verboten. 
Die Liturgie beſteht Übrigens außer der Meffe, welche als die Haupt 
fache betrachter wird, im Votleſen von Schriftftellen, Gebeten und Hei⸗ 
Kigenlegenden, und im Herſagen von Glaubensbekenntniſſen oder Sprüs 
hen, welche der Liturg ober Priefter anfängt und das Vote im Chor 
fortfegt und beendigt. Die Klöfter folgen mehrentheild der firengen 
Regel des heiligen Baſilius. Beobachtende Relfende ſelbſt noch in ber 
neueften Zeit können darum den Mangel der religioͤſen Volksbildung 
in der griechiſchen Kicche nicht traurig genug fhildern. Es dürfte 
übrigens intereſſant feyn, noch zu vernehmen, wie fi die Anficht von 
dem Papſtthume in der roͤmiſch⸗-katholiſchen Kirche felbft in unfern 
Tagen geflaltet hat, nachdem es durch die großen Kreigniffe nach dem 
Sturze Napoleons wieder ins Leben trat. Wir führen daher auch zum 
Schluſſe diefes Artikels an: 

VD Eine Stimme aus der römifh:Parhölifchen 
Biche felbfi, welche Anfiht man noch jet in der 
felben vom Papfte 3u begen pflegt. —. Unſte Nachricht 
Darüber iſt entlehnt aus dem mehrmals angeführten Lexikon des Kira 
chenrechtd und der vömifch > Batholifhen Liturgie von Dr. Andreas 
Mülter, Domvikar zu Würzburg. Erfchien zu Würzburg 1881 Artis 
tel Papſt. — Der Verfaſſer erklärt fi alfo: Ä 

Papſt it das Oberhaupt der Patholifhen Kir⸗ 
he, der Mittelpunct der Glaubenseinheit, der 
Ylachfolger des heiligen Petrus, der Stellvertreter 


h 


Papalſyſtem. 289 
Chrifki auf Erden und das Organ des gefammten 
Lehr: und HSirtenamtes in der Eatbolifhen Kirche, 
Ein allgemeines Oberhaupt if fhon nach der Matur und der Verfaſ⸗ 
fung der Kirche nothwendig. Mach ber Lehre ber Katholiten ift die 
auch, und zwar nicht vermöge blos menfchlicher, fondern goͤttlicher 
Einrihtung in dem Primate Petri, welchen Jeſus biefem Apoftel, 
Mt. 16, 18. und Joh. 21, 15., mit dem echte der Nachfolge uͤber⸗ 
tragen bat, wefentlid begründet. \ 

Die Rechte des Papſtes zerfallen in wefentlidhe (jura pri- 
migenia), welche entweder auf göttlicher Anordnung beruhen, oder mit 
dem Primate verbunden werben, oder die zur Erreichung des Zwecks 
deſſelben — zur Erhaltung der Einheit im Glauben und in der Vers 
fefjung nothwendig find — und in zufällige (jura accessoria 
ober secundaria), die zwar nicht unmittelbar mit dem Primate zuſam⸗ 
menbängen, noch vom Anfange an mit demfelben verbunden waren, 
aber doch theils durch einen Zufammenfluß verfchiedener Umftände 
erworben worden find, theils auf Gewohnheiten, Worbehalten und 
Draris beruhen. * 

I) Die wefentliben Rechte des Papftea find: 

1) Das Recht zu fordern, daß alle Kirchen der Chriftenheit mit 
ihm ale dem Mittelpuncte der Einigkeit in ſteter Bereinigung fliehen 
und darin bleiben. 

2) Das Recht der Oberaufſicht zur. Erhaltung der Einigkeit im 
Glauben, in der Sitten und in ber allgemeinen Disciplin.. Daher 
das Recht, auf die Kirchenverfafiung und auf die beflehenden Canones 
und Anordnungen gegründete Vohzugsconflitutionen zu geben, fo wie 
das Recht auf Beforgung der dußern Kirchenangelegenheiten, und auf 
Ordnung berfelben duch Abfchließung von Concordaten mit den welt⸗ 
lihen Mächten. | 

3) Das Recht, von allen Biſchoͤfen und Kirchenvorſtehern uͤber bie 
Glaubens⸗ und Sittenlehre, wie über alle auf die Einigkeit der Kirche 
fi beziehenden Angelegenheiten Berichte abzufordeen. Da es eine 
wefentliche Pflicht des Kirchenoberhauptes iſt, für die Erhaltung der 
Einigkeit der Kirche zu forgen, fo muß baffelbe auch genau den Zu: 
ſtand dee Chriftenheit kennen, um die Hinderniffe befeitigen zu Binnen, 
welche der Kircheneinheit entgegenfichen. Dieſes Recht ftellte ſelbft 
Febronius nit in Abrede. Beifpiele von Relationen der Biſchoͤfe an 
den Papſt kommen fchon in den erften chriftiichen Jahrhunderten vor. 
So berichteten die numibdifhen und afrikaniſchen Biſchoͤfe (236) über 
die von ihnen gefaßten oncitienbefhlüffe an Steppan I.; ebm fo 
erftatteten die Väter des Concils von Arles (314) an ben Papft Syl⸗ 
— und jene des Concils von Sardica an den Papſt Julius L 

chte. 

4) Das Recht, Legaten und Nuntien zu ſchicken, welches gleichfalls 
aus der Obſorge der Kircheneinigkeit fließt. Denn da Relationen nicht 
immer vollſtaͤndig genug find, ober, wenn Parteien entſtehen, ſogar 
entftellt ſeyn koͤnnen, fo wird es oft nöchig, Legaten in die Provinzen 
abzufchiden,, um:bie obwaltenden Eirchitchen Angelegenheiten im Namen 
des Papſtes an Ort und Stelle beforgen ober ordnen zu laffen. 

5) Das Recht, ailgemeine Concilien zufammen zu berufen, auf 


m Bopalfflem. 


benfelben bir. Vorfig zu führen, dann bern Beſchtuſe zu nalehen, 
ſo wie auch ſelbige zu promuigiten und zu erequiren. 

6) Das Recht, bei entftandenen Gtaubensftreitigleiten peoviforfe 
ſche, dogmatiſche Entfcheldungen zu geben. Hier innen nämlich nicht 
ſogleich Concilien zufammen berufen werden; es kann daher das Kir⸗ 

henoberhaupt in Mothfällen, um bie Glaubenseinigkeit zu erhalten, 
innerhalb ber durch die heilige Schrift, Tradition und allgemein aner 
kannten Kichenfagungen feitgefegten Grenzen proviforifhe, allgemeine 
Deerete erlaſſen; bogmatifche Kraft erhalten aber ſolche erft dann, wenn 
die Webereinflimmung ber Kirche hinzugelommen iſt. So traf ber 
Papſt nad) der Säkularifation in Deutfchland proviforifche - Anordnun⸗ 
gen, wobei fich derfelbe nad) der. allgemeinen Kirchenlehre und ben 
eanonifchen Sagungen, oder, wie das baierſche Concorbat fi) ausdruͤckt: 
juxta canones nune vigentes et praesentem eoclesiae disciplinam 
ſich benahm. 

7) Rüdfichtlich der Gewähr ber Kirchengefege fteht dem Papſte 
vermöge des Primats das Recht zu, zu wachen, baß diefelben in voller 
Kraft erhalten umd befolgt werden. Das Kirchenoberhaupt. kann bies 
femnad die Kirdyenvorficher zur Erfüllung ihrer geiftlichen Amtspflich⸗ 
ten anhalten und ald Custos oder Vindex Canonum rein kirchliche 
- Mittel ba anwenden, wo es bie Aufrechthaltung der Canonen erfors 
dert. Kine Folge diefes Rechts ift 

8) das Devofutionsredht, vermoͤge deſſen ber Papft bie Fahrlaͤſſig⸗ 
keit der Kicchenvorfteher in Erfüllung ihrer oberhirtlihen Pflichten, 
unter Beobachtung der hierarchiſchen Stufenfolge, ergänzen Bann. 

9) Das Redht, Gene, welche ſich von ihren Kirchenvorftehern in ihrem 
geifllichen Vechaͤltniſſe gekräntt glauben, kirchlich zu ſchuͤtzen; desgleichen 
das Recht, in reingeifllihen Sachen Appellationen anzunehmen, wo⸗ 
nach die Berufung an ben Papft in letter Inſtanz geht. Jedoch wer⸗ 
ven meifl auf befonderes Anſuchen salvo jure summi Pontificis judi- 
ces in partibus vom Papſte ernannt, welche als päpftliche Bevoll⸗ 
mächtigte diefes Recht ausüben. | 

10) Das Recht, in Befolgung der Kirchengefege, wenn es bie 
Nothwendigkeit erheifcht, oder wenn ein befonderer Mugen zu erwarten 
iſt, zu dispenſiren. 

11) Das Recht, die Kirche und Biſchoͤfe bei Verletzung ihrer 
Rechte zu vertreten 

II) Die zufälligen Rechte des Papftes find: 

1) Das. Recht der Biſchoͤfe in Folge des Informativ⸗ und Defini⸗ 
tivprozeſſes zu beſtaͤtigen und gültige Poſtulationen zuzulaſſen, wie auch 
bie Bevollmaͤchtigung zum Antritte und zur Ausuͤbung des bifhöflichen 
Vorſteheramts zu ertheiten. Dieles Recht übten ehemals die Metro⸗ 
politen u. duch Gewohnheit aber wurde es ein päpfliiches Referat, 

-2) Das Recht, die Cardinaͤle zu ernennen. 

3) Die Biſchoͤfe auf. andere Sige zu berfegen, fo wie auf «im 
geſchehenes Anfuchen die Weberfegungen ſolcher um eines beſondern 
Bichlihen Nugens willen zu geſtatten. 

4) Das Recht, Hifchöfliche Coadjutoren gu ſegen ober auf geſche⸗ 
henen Vorſchlag ſolche zu beſtaͤtigen. 

58) Die Abdankungen und Biefgnatinen ber Bilhöfe anzunehmen, 


Papalipfem. 90 


6) Das Res, winbigse WBischinmer ober Bezitke, wo Gläubige, 
aber keine —— find, durch apoſtoliſche Vikare verwalten zu lafſen. 
7) Das Recht, die Biſchoͤfe nach vorhergegaugener Unterſuchung, 
welche in der Regel der Metropolit, und wenn es dieſen ſelbſt betrifft, 
ein anderer vom Papſte ernannter Spnobaleichter leitet, ihrer Wurde 
zu entſetzen. 
8) Das Recht, neue Bisthuͤmer zu ertichten ober beſtehende m 
Cheilen ober zu vereinigen, Gegenwärtig: worden dieſe Angelegenheiten 
im Benehmen mit den oberfien Staatsbehoͤrden eines jeden Landes 


chaͤftig 

9) Das Reit, ben Biſchoͤfen vor ihrer Conſecration den Eid der 
Treue und des Gehorſams abzufordern. 

10) Das Recht der Selig⸗ und Heiligſprechung. 

41) Das Recht, von den päpflichen Vorbehalten zu abſolviren. 

12) Das Recht, von den Ordensgeluͤbben und dem Coͤlibade zu 
entbinden, 

13) Das Mecht, geifiliche Orden einsuführen, zu beſtaͤtigen ober 
aufzuheben. Jedoch kann ebenfalls die nur im Einverſtaͤndniſſe mi 
der Staatöregierung geſchehen. 

14) Das Recht, den Erzbiſchoͤſen dder auch gewiffen Biſchoͤfen 
das Pallium zu verleihen. 

15) Das Recht, vefervirte Benefizien nur mit landesherrlichet 
Genehmigung zu vergeben, was aber auch ruͤckſichtlich answärtiger Kir 

chenpfruͤnden concordatmäßig zuſtehen kann. 

16) Das Recht, Ablaſſe zu ertheilen amd Annaten und Karen 
zu erheben. 

17) Das Recht, ben Bifchöfen bie fogenannten Duinquennal» 
Fakultäten, wie auch ihnen das Recht zu gewilfen Dispenfationen, 
Abfolutionen und Entfcheidungen zu ertheilen. 

18) Das Recht, allgemeine kirchliche Feſttage anzuorbuen, abyus 
ändern oder abzufchaffen. 

19) Das Recht, die Reliquien der Heiligen zu prüfen und ihre 
Ausfegung zu geſtatten. 

20) Die oberfte Leitung der Miſſionsanſtalten. Endblich gehoͤrt 
auch hierher 

21) das Recht, gewiſſe wichtigere Gegenſtaͤnde, oausae majores 
genannt, ſich allein vorzubehalten. — Außerdem hat man auch 


m Papſte 

III) gewiſſe Ehrenrechte zugeſtanden: 

a) den Vorzug der Weihe und den Vorrang vor uͤbrigen Biſchoͤ⸗ 
fen und kirchlichen Perfonen, weß Namens und Standes fie immer 
ſeyn mögen; 

b) befondere Ehrennamen und Titulaturen; } vgl. barlıber die Eins 

0) die päpfllihe Kleidung; - leitung zu biefem Art. 

d) Zu den befondern Ehrendbezeugungen gehören bie Geſandtſchaf⸗ 
ten, weiche theils bie Regenten ſowohl in kirchlichen als auch in polls. 
tifhen Angelegenheiten, dba der Papſt aud Regent vom Kirchenflaate - 
it, am päpftlichen Hofe unterhalten, theils dem neuen Papſte zur 
Verſicherung ihrer Ergebenheit und Treue zuzufenden pflegen; dann ber 
feierliche Empfang mit Progeffionen vom Klerus und Wolle, mie 


m Papalfoftem. 


—82 ſeines Namens im Meßeanon und in afwatlichen 
ebeten 

IV) Weitere beſondere Rechte des Papftes find: 

a) Als Patriarch) des Decidents übe er über die Kirchen deſſelben 
patziarta he Rechte. 
b) Als Exarch oder Primas von Italien hat er über. die italie⸗ 
nifchen Biſchoͤfe die exarchaliſchen Mechte; 

O) als Erzbiſchof der fuburbanifchen Provinzen übt er bie erzbis 

ſchoͤflichen Rechte, und 

d) als Biſchof von Rom bie biſchoͤflichen Rechte über bie roͤmi⸗ 
ſche Dioͤceſe aus. 

e) Der Papſt iſt auch vermoͤge feiner ihm zuſtandigen Weltlich⸗ 
keiten und nach ſeinem eigenen Staatsgeblete Regent, und es ſtehen 
ihm nah biefer Eigenfchaft bie weltlichen Hpheitsrechte im Kirchen⸗ 


flaate zu 
Die Gewalt des Papftes nad) feiner Eigenſchaft als Kirchenober⸗ 
haupt iſt eine geiſtliche; er bedient ſich daher zur Durchſetzung geiſtlich⸗ 
kirchlicher Zwecke nur canoniſcher Strafen. 

Waͤhrend der Erledigung des paͤpſtlichen Stuhls verwalten die 
Cardinaͤle den Kirchenſtaat in der Art, daß der Ordnung nach taͤglich 
drei neue Cardinaͤle, naͤmlich ein Cardinal⸗Biſchof, ein Cardinal⸗ 
Prieſter und ein Cardinal⸗Diacon in die Verwaltung eintreten. In 
die eigentlichen Rechte des Primats, wie in die paͤpſtliche Jurisdiction 
koͤnnen ſie ſich nicht einmiſchen, weil dieſe perſoͤnlich ſind. Nur im 
hoͤchſten Nothfalle iſt eine Ausnahme zulaͤſſig. 


u 
PBarabolanen 
in der frühern chriftlichen Kirche, 


£iteratur. Bingh. origines eocles, Vol. II. LIIL o, 9. 

1 — 4. — Baumgartens Erlaͤuterung ber chriſtl. Alterthuͤmer 

p. 140. — Schmidts Kirchengeſch. 8. Thl. p. 73 und 74. — Jo. 

Christ. Harenberg de parabolanis vet. oool. ehrist., quorum in co- 

dice Theod. Justinian. contracta injieitur mentio. Brunsviei 1748. 4. 

Steht auch in den Miseell. Lips. 1750. (Hier werden fehe unwahr⸗ 

fheintih die Parabolanen für Aerzte gehalten.) Du Fresne glosso- 

rium ad Scriptores mediae et infimae latinitatis bei dem Worte pa- 

rabolani und Suiceri thesaur. eocles. ebenfalls unter bem Worte 
ragaßolaroı, 

u dem niebern Klerus rechnete man am einigen Orten auch bie 
fogenannten Parabolani, Krankenwaͤrter, deren man ſich befonbers in 
Zeiten bediente, wo peftartige Krankheiten berichten — Wann fie 
aufgelommen find, läßt fi nur vermuthen, nicht aber genau beftims 
men. Zuerſt werden fie öffentlich erwähnt in den Geſetzen des juͤngern 
Theodofius, doch fo, daß man fon ihr früheres Vorhandenfeyn bars 
aus abnehmen kann. Wahrſcheinlich iſt auch ihr Urfprung auf bie 
Zeiten Conſtantins bes Großen zuruͤckzufuhren. — Ungezwungen läßt 
fi) der Name von naupaßolog, audax, temerarius, ableiten, indem 
dergleichen Krankenwaͤrter Leute feyn mußten, welche bei ihren Werrichs 
tungen die wahrfcheinliche Todesgefahr nicht fürchten durften. So 
erklärt e$ auch Dueren. de Minist. et Benefic, I. 1. c. 19. Para- 
bolani"ideo fortassis dicebantur, quia nagaßaAovy Epyov tractabant, 
i. e. rem periculi et discriminis plenam. Auch die Peflärzte hießen 
parabolani oder parabolarii,. Damit ſtimmt nicht minder ber Sprach⸗ 
gebraudy bei Profanferibenten überein, weldhe das Wort napaßoAog 
von denjenigen brauchten, die, wenn keine Miffethäter vorhanden was 
ten, bei Öffentlichen Schaufpielen mit wilden Thieren kaͤmpften, und 
dazu befonders erfauft und genährt wurden. Soer. h. e. I. 7. e. 22, 
Analog ift es in biefem Sinne dem Iateinifhen bestiarius, Mit 
Rüuͤckſicht auf diefen Sprachgebrauch erklären auch Manche Phil. 2, 80. 
— Als Kleriker werden fie befonder® in Alerandrien erwähnt, wo fie 
aus den niedern Volksclaſſen erwählt wurden. Die Biſchoͤfe und bie 
übrigen Lehrer bedienten fich Ihrer bei Peftkrankheiten, um die Armen 
und Kranken der Kirche zu verpflegen. Aus dem ephefinifchen Concil 

Siegel Dandbuch IV. 13 


| 194 u Porabolanen. . 


449 erhellt, daß auch zu Ephefus dergleichen Parabolanen vorhanden 
waren. Einige Beifpiele zeigten jedoch, daß fie ald dem Klerus an: 
gehörig und wahrfcheinlich genau mit dem Intereſſe der Bifchöfe ver: 
bunden, ſehr gefährlich für die bürgerliche Muhe werden konnten. Bei 
den Streitigkeiten, die in Alerandrien zwiſchen dem Biſchofe Cyrillus 
und dem kaiſerlichen Gefandten Oreſtes fi entfpannen, machten fie 
ſich ſehr berüchtigt, fo wie auch auf der Räuberfynode zu Ephefus. 
Daher hatte ſchon Theodoſius im Jahre 416 ein Gefeg gegen fie er: 
laffen, morin verordnet wurde, daß fie nicht mehr, zu den Klerikern 
gerechnet werben follten, ihre Zahl ſolle auf 500 befchränkt feyn und 
man folle nicht reiche Leute, fondern nur arme dazu nehmen. In 
einem fpätern Sefege vom Jahre 418 murde ihre Anzahl auf "600 
feftgefegt, und ihre Wahl dem Bifchofe überlaffen; auch wurden fie 
angewieſen, feinen Befehlen zu gehorchen. Cod. Theodor. 1. 16. tit. 
2. de episc, leg. 42 aeqq., auch hernady im Codice Justinianeo 1. 1. 
tit. 8. de episcop. leg. 18. Ihre Spur verliert fi jedoch bald wie: 
der, und in der Folgezeit möchten etwa eine, wiewohl entfernte, Aehn⸗ 
lichkeit mit ihnen haben die fogenannten Peftgefellfchaften, die ihre 
eigenen Prediger, "Aerzte, Leichenbeflatter und dergleichen hatten. 


14. 
Yatriard. 


I. Rome und Begriff. U. Wann und Durch welche 
Veranlaſſung fih die Patriarchenwuͤrde gebildet habe. 
II. Vorrechte und Amtöpflichten der Patriarchen. 
IV. Orte, wo fih die Patriarhenmwürde in auögezeich 
netem Anſehen erhielt, V. Bon den Patriarchen 
unabhängige Biſchoͤfe. VI In wiefern diefe Eirchliche 
Würde noch jegt in der hriftlihen Welt übrig fei, 


Citeratur. J. Morini Exereitatt. ecel, et bibl. (Diss. I. de 
Patriarch, et Primat. origg.). Paris 1669. Fol. — Thomassin 
Vetus et nova diseiplina J, 7—20. — J. Guil. Janus de origini- 
bus patriarcharum christianorum diss, 2. Viteb. 1718. 4. — 
Bingham Origg. ecocles. Vol. 1. lib. 2. c. 17. — Bieglers Verſuch 
einer pragmat. Geſch. der kirchl. Verfaffungsformen in den fünf erften 
Jahrh. pe 164 ff. — Geſch. der kirchl. Geſellſchaftsverf. von Pland 
1. Bd. 8. Periode Cap. 7. und 8 — Eiſenſchmidts Gefchichte der 
Kirhhendiener p. 60. — Schöne Geſchichtsforſchungen über die kirchl. 
Gebräuche 3. Th. — Schmidts LS. 8. Thl. — King Gebr. und 
Geremonien ber griech. Kirche p. 407 ff. — Staͤudlins kirchl. Geo⸗ 
graphie und Statiſtik. 2. Thl. p. 694 — Auguſti's Denkwuͤrdigkk. 
Thi. 11. p. 127. 149 —51. 

1) Name und Begriff, — Der Name iſt aus bem Ju⸗ 
denthume entiehnt, aber unter ben Chriften in den erſten Sahrhunders 
tem noch nicht uͤblich geweſen. Salmasius de primatu e. IV. p. 48. 
behauptet zwar, der alerandeinifche Biſchof fei ſchon zu Hadrians Zeis 
ten Patriarch genannt worden. Aber wenn man die Stelle näher 
betrachtet, auf die er fich beruft; fo fieht man, daB von dem jüdilchen 
Patriarchen die Rede ift, welcher zumeilen auch feinen Sig zu Alerans 
drien hatte. Mac der Zerfidrung Jeruſalems und bed Tempels Hörte 
bie hoheprieſterliche Würde unter ben Juden auf, dafuͤr aber hatten 
fie Dberauffeher oder Obervorftcher zu Badylon, Alerandrien und viels 
leicht noch in einigen Hauptftädten des Orients, welche den Namen 
Patriarchen führten, und von dem Kalfer in ihrem Amte beftätigt wur⸗ 
den. In der erſten Hälfte des 5. Jahrhunderts aber hörte biefer Titel 
und biefe Wuͤrde unter ben Juden auf, ging aber auf die Miontanis 
fen über, weiche diefe Benennung für ihre oberften Suciter annahmen, 


mr — — · — 
⁊ 


16 Patriarch. 


Nleron. ep. 54. Bald barauf gefiel aber dieſer Titel auch ben Recht⸗ 
glaͤubigen fo fehr, daß ſich ihre Biſchoͤfe wechſelsweiſe felbft fo nann⸗ 
ten. So nennt Gregor von Nazianz bie Biſchoͤfe, welche unter der 


Regierung des Conſtantius verfolge worden waren, Patriarchen. Auch 
in. einer Zrauerrede auf feinen Vater, der nur Bifchof in der kleinen 
Stadt Nazianz gewelen war, bedient er. fi deſſelben Ausdrucks. 
Desgl. Socrates hist, eccles. V. 8. — Was jedbocy eine längere Zeit 
als willkuͤhrlicher Sprachgebrauch gegolten hatte, wurde fpäter durch 
gefegliche Autorität von einigen Primärbifchöfen  vorzugsmweife und ins 
engern Sinne gebraucht. Auf diefe Weife iſt das Wort Patriarch 
zuerft gebraucht worden auf ber Synode zu Chalcedon 451. Act. IH. 
p. 295. Aus Sokrates Kirchengefcyichte, weicher um das Jahr 440 
fchrieb,, lernt man, daß fich innerhalb bes Zeitraums von 70 Jahren 
vom Conc. Constant. a. 381 bi8 zum Conc. Chalced, a. 451 dieſer 
Sprachgebrauch im engern Sinne alfo bildete. 

Wann und warum fidh diep atriarhenwärde 
gebildet babe? — Auch Hier haben Baronius und andere 
Schriftfteller feiner Kirche die Behauptung gewagt, dag die Patriarchen 
ſeldſt aus der apoftolifchen Kirche abzuleiten fein. Allein dafür laͤßt 
fih kein Hiftorifcher Beweis führen, wenn man bie undditen Briefe 
der erften Päpfte ausnimmt. Einige nehmen bie Zeit vor, Andere 
unmittelbar nad) dem nicänifchen Concil an. Allein vielleicht ift auch 
bier das Wahre ausgemittelt, wenn man zugiebt, daß die. Patriarchen 
würde der Sache nach ſchon früher beflanden babe, daß aber die ge: 
feglihe Beſtaͤtigung in fpätern Kicchenverfammlungen zu fuchen fei, 
und zwar allmählig vom Concil, Nicaen. bis Chaloedon. 451; denn 
auf den in diefem Zeitraume gehaltenen Synoden finden wir die mel: 
fien Beſtimmungen, angebend die Patriarchen in der hrifllihen Kirche. 

Was nun die Urfachen der gefleigerten Metropolitanwürde in eins 
zelnen Individuen beteifft; fo kann man außer dem Hange jener Zeit, 
den Klerus immer vormehmer und glängender zu geflalten, auf den 
Umftand aufmerkfam machen: nt 

1) Daß alle bie fpätern fogenannten Patriarchen fon in fruͤ⸗ 
bern Zeiten größere Auszeichnung vor deu übrigen Metropoliten genof- 
fen, die theils in der Berühmtheit ihrer Wohnorte, theild in dem 
größeren Umfange ihres Sprengeld einen Grund hatten. Dieß gilt 
namentlich von den drei Bifchäfen zu Rom, Alerandrien und Antios 
dien. Den erſten erfennen ſchon zu Ende des dritten Jahrhunderts 
die Bifchöfe der 10 Provinzen, bie man Suburbicarias nennt, den 
zweiten bie 6 Provinzen, in welche Aegypten eingetheilt war, und 
ben dritten: die 15 Provinzen, bie den fogenannten Drient aus⸗ 


machten, als ihren Metropoliten an. Als größere Metropoliten bes 


trachtet fie darum auch die Synode von Nicda, und der dahin gehörige 
fechöte Canon beweift wenigfiens fo viel, daB es fi) mit diefen drei 
geoßen Biſchoͤfen ganz anders verhalte, al6 mit den übrigen Metropos 
liten. Auch ift nicht zu überfehen, daß ſchon die Synode von Arles 
814 ben fehr. bezeichnenden Namen majores dioecosium episcopi von 
ihnen braucht, und daß fie auch hin und wieder Exarchi, Archie- 
piscopi genannt worden find. 

2) Auch das damals in ber Kirche nicht zu verkennende Streben, 


4 


Patriarch. 197 


bie. Einrichtungen bee weltlichen Obrigkeit nachzuahmen, trug unftreitig 
zur Ausbildung der Patriacchate bei. So hatte Conftantin ber Große 
die Eintheilung bes römifchen Reichs eingeführt, daß er vier praefectos 
praetorio verordnete und bdenfelben große Diftricte anvertraute, bie wie 
der ihre befondere Didcefen unter fi) begriffen. Daher wurde dieß 
auch von den Biſchoͤfen berjenigen Orte nachgeahmt, wo biefe prae- 
feeti praetorio ihren Sig hatten. Doc laͤßt ſich daraus nicht einzig 
und allein die Entflehung der Patrlarchate erklären, wenn man in 
Erwägung zieht, was Ziegler und Pland dagegen erinnen. Mehr 
noch trug gewiß dazu bei 

3) die gefliffentliche Erhöhung bes Biſchofs von Gonftantinopef. 

Die morgeniimdifchen Kalfer, beftwebt, ihre Nefidenz zur Hauptſtadt der 
Melt zu erheben, ſuchten audy den hier Lebenden Bifchöfen einen be: 
fondern Borrang zu verfchaffen. Beſonbers gilt dieß vom Kaifer Juſti⸗ 
nian Cod. Jüst. 1. tit. IL. o. 24. Kein Wunder alfo, daß alle bie 
groͤßern Metropoliten, bie zeither mit Conftantinopel auf einer Linie 
oder felbft höher ftanden, nach gleicher Auszeichnung ftrebten. Daher 
zeigen auch die Synodalbeſchluͤſſe jener Zeit, wie alle die machherigen 
Patriacchen ihr Intereſſe zu fördern verftanden. — Uebrigens bleibt 
es eine eigene Erſcheinung, daß bie andern Metropoliten das Empor: 
fireben dieſer einzelnen ihrer Standesgenoffen fo ruhig ertrugen, und 
es läßt fich dieß theils aus der damaligen ungünftigen Stellung der 
tömifchen Biſchoͤfe, theile aus dem großen Uebergewichte der Eaiferkichen 
Macht erklären. Jedoch hat es an feindlichen Reibungen deshalb in ber 
Folge nicht gefehlt, und in der Eiferfucht der Patriarchen zu Rom und 
Gonflantinopel liegt ein Grund, warum ſich fpäter bie lateiniſche 
und griechifche Kirche von einander trennten. 
| UN) vorrechte und Amtspflidhten der Patriar: 
hen. — Will man die Vorrechte und Vorzüge der Patriarchen kurz 
beftimmen,, fo. ann man fagen, fie flanden zu den Metropoliten im 
demfelbern Verhaͤltniſſe, wie diefe zu ihren umtergeorbneten Biſchoͤfen. 
Im Allgemeinen laͤßt fi von den Vorrechten der Patriarchen, die 
übrigens nicht zu jeder Beit und an allen Orten gleih waren, ge⸗ 
ſchichtlich Folgendes nachweiſen: 

1) Die Patriarchen ordinirten alle unter Ihnen ſtehende Metropo⸗ 
liten, fie feibft aber empfingen bie Ordination von einer Didcefans 
fonode. Cone. Chalced. ean. 28. Just. Novell, CXXXI. co. 8., wo 

.*8 beißt: Ipsum vero (Patriarcham) a proprio ordinari concilio. 

2) Ste befaßen bie Macht alle ihre Metropoliten und Provinzial 
biſchöfe zu einer Discefanfynode zu berufen. Theodoret. epist. 81. 

3) Es ſtand ihnen frei Appellation von den Ausfprüchen der 
Metropoliten und Provinzialfpnoden anzunehmen und das Urtheil ders 
felben aufzuheben. Cono. Chaloed, can. XVII. Cod. Just. I. 1. tit. 
W. e. XXIX. 

4) Sie konnten die Adminiſtration ber Metropoliten unterſuchen 
und dieſelden mit kirchlichen Strafen belegen, wenn ſie ſich der Ketze⸗ 
teien oder einer uͤbeln Verwaltung ſchuldig gemacht hatten. Auch bie 
den Metropoliten untergeordneten Biſchoͤfe durften ſie auf aͤhnliche Art 
behandein, wenn es ſchien, als habe man von Seiten der naͤchſten 
Behörde eine ſtrafbare Machficht gezeigt. Just. Novell. e. XXXVII. 


198 _ | Patriarch. 
e. 5. Sozomenus Kirchengeſchichte 1. 8. ce. 6. erzähle ein hierher 
gehöriges Beiſpiel. , 

5) Sie-mußten in wichtigen Angelegenheiten von ihren Metropo⸗ 
liten zu Rathe gezögen werben. Conc. Chalcedon. can. 80. ex Act, 
IV. p. 772. Auch Eonnten die Patriachen ihre Metropoliten ale 
Legaten in ihrem Sprengel gebrauchen, und ihre Amtögefchäfte von 
biefen verrichten laſſen. Synes. epist. 67. zu Anf. Wenigftens gilt 
bieß von Aegppten. Ä 

6). Es lag den Patriarchen ob, bie kirchlichen und weltlichen Ges 
fee, in wiefern die fegtern auch den Klerus betrafen, Eund zu machen. 
Justin. Novell, VI. Epilog. 

IV) Orte, wo die Patriarkhate fih im ausge- 
zeichneten Anfeben erhielten. — Anfangs traf man die 
Patriarchenwuͤrde in mehrern Städten ber abenb> und morgenländifchen 
Kirche an. Nach Bingh. 1. I. Tom. I. 1. 2. o. 17. $. 20. ließen ſich 
15 —14 Patriacchate berechnen. Unleugbar ift ed, daB anfangs Gäs 
farea in Cappadocien ‚über den ganzen Pontus und die benachbarten 
Länder; Ephefus über ganz Kleinafien; Theffalonich über Griechenland; 
Lyon über Gallien; Toledo über Spanien beinahe die Vorrechte ber 
Patriarchen genoffen haben. Allein duch die Anmaßung und durch 
die ausgezeichnete Beguͤnſtigung der Biſchoͤfe zu Rom und Conſtanti⸗ 
nopel ſanken alle diefe in ein mehr untergeorbnetes Verhaͤltniß zurüd, 
Nah und nad haben vier, fpäter fünf Patriacchen ſich in einem aus⸗ 
gezeichneten Range behauptet. Die erfte Stelle diefer Art bat man 
aus bekannten Gründen dem Bifchofe zu Rom zugeflanden. Der 
naͤchſte nach Ihm iſt früher der alerandeinifche Patriarch geweſen, der 
bie ſtaͤrkſte Dioͤces befaß, fo dag im 4. Sahrhundert allein zehn Mes 
tropoliten unter, ihm flanden, bis er nachher ber Macht de6 alt: und 
neuroͤmiſchen Bifhofs weichen mußte. — Der dritte in der Drdnung 
wurde der Patriarch von Antiochien, weil ſowohl diefe Kirche bie dltefte 
unter den Heiden war, als auch weil -Antiohien im römifhen Reiche 
nah Rom und Alerandrien den näcften Rang behauptete. — Ans 
faͤnglich iſt der Patriarch von Conftantinopel dem Range nad) ber vierte 
geweien, abes im 5. Seculo wurde er fo vorgezogen, daß er die zweite 
Stelle unmittelbar nah Rom einnahm, und auch die ausgedehntefte . 
Gerichtsbarkeit in ber morgenländifchen Kicche erhielt. Auf ber Synode 
zu Nicda im 6. Canon rechnete man ihn noch nicht einmal unter die 
Metropoliten, erft auf dem zweiten und vierten oonc. oecumen, erhielt 
er gleiche Rechte mit dem römifchen Biſchofe. Ihm wurde fogar der 
Name eines Patriarchae oecumenici oder capitis totius ecclesiae beis 
gelegt, cfr. Cod, Justin. 1. 1. tit. 2. 0. 24.5 eine Auszeichnung, die 
aber auch bald der römifche Biſchof, fo wie andere unabhängige Mes 
tropoliten ber abgefonderten morgenländifhen Kirche nahahmten, bei 
denen bie Benennung catholici noch uͤblich ifl. Die fünfte Stelle ift 
dem Patriarchen zu Serufalem ertheilt worden. Anfangs war aber hier 
der Name Patriarch ein bloßer Titel, indem der Metropolit zu Gäfaren 
und der Patriarch zu Antiohien nicht nur über die Nachbarfchaft, fon⸗ 
dern auch über die ‚Kirche zu Serufalem die Gerichtsbarkeit übten, 
Der nachherige Patriarch war nicht einmal zuvor Metropolit gemwefen. 
Cono. Nicaen. can, 7. Die Bilchöfe zu Serufalem benugten aber 


⸗ 


Vatriarch. 198 


fpäter bie Vortheile, bie ihren ber Name ihrer Stadt barbot, um ſich 
unabhängig von ihrem Metropoliten zu machen. Schon auf ber zwei- 
ten oͤkumeniſchen Synode zu Conſtantinopel a. 881 unterzeichnete der 
Biihof in Zerufalem vor feinem Metropoliten. Als Theodoſius II. 
ohne Weiteres den Biſchof in der alten Hauptſtadt bes jüdifchen Lan⸗ 
bes zum Öberbifhof über Palaͤſtina, Phoͤnicien und Arabien erhob, 
wurden bdaburch ſechs Provinzen dem Patriarchen von Antiochien ents 
riſſen. Der darüber entflandene Streit wurde auf der oͤkumeniſchen 
Synode zu Ehalcedon 450 fo gefchlichtet, daß fich ber Patriarch zu 
Jeruſalem mit Beibehaltung der drei Provinzen von Palaͤſtina unab⸗ 
daͤngig erhielt; die übrigen wurden bem Biſchofe von Antiochien zus 
rückgegeben. 

V) Mehrere Bifhöfe erhalten ſich unabhaͤngig 
von den Patriarchen. — Man wuͤrde irren, wenn man 
annehmen mollte, daß bie Biſchoͤfe, die früher mit den Patriarchen 
gleiche Rechte genoffen, ſchnell in ein ganz untergeorbnetes Verhaͤltniß 
getreten wären. Bu gefchweigen, daß fich die Patriacchalverfaffung gar 


uicht auf die chrifflihen Kirchen bezog, bie in Perfin, Arabien und 


anderwärts blühten,, gab es noch felbft im römifchen Reiche einige Kirs 
hen und kirchliche Provinzen, die ihre Unabhängigkeit von den Patriars 
hen behaupteten. Zuvor hatte man ſchon einige Bilchöfe, die eine 
befondere Unabhängigkeit behaupteten, und öfters die Metropoliten, weil 
diefe Niemandem von ihrem Berhalten, als einer Synode Rechenſchaft 
geben durften, auroxepaiovs genannt. Später aber brauchte man 
ed von denjenigen. Metropoliten, welche die Oberherrfchaft dev Patriars- 
den nicht anerlannten. So wurde auf ber Spnode zu Epheſus im 
Sabre 481 die Autotephalie des Biſchofs von Conſtantia in Cypern 
gegen alle Anfprüce des Patriarchen von Antiochla beitdtigt Act. 
VIL — Der DMetropolit der Bulgarei, ber zu Justinianea prima 
(Aarida) refidirte, ſtand eine Zeit Lang auch unter feinem Patriarchen, 
weil fi Rom und Conſtantinopel Jahrhunderte lang darüber ſtritten. 
Jedoch findet man das Wort adronipadag auch von Biſchoͤfen ges 
braucht, die ſich unabhängig von ihrem Metropoliten gemacht hatten, 
and unmittelbar unter einem Patsiachen ſtanden. Solche Biſchoͤfe ſoll 
das Parriarchat zu Serufalem, Conflantinopel und Antiochien gehabt 
haben, Ihrer gefchieht jedoch exit im 9. Jahrhundert Erwähnung. 
Bingh. Vol. I. 1. IV. o. 18. $. 8. 

VID In wiefern die Patriarchenwuͤrde noch jest 
in der hriftlichen Welt übrig ſei. — Wefentlihe Ver: 
änderungen gingen mit biefen Patrlarchaten vor, als Muhameds Er⸗ 
fheinen fo nachtheilig auf die morgenlänbifche Kirche wirkte und Das 
tömifche Patriarchat zu einem Oberprieflerthume über den ganzen Occi⸗ 
dent heranwuchs. Die vier Häupter der orientalifchen Kirche behielten 
zwar biefen Titel, verloren aber ducch die Eroberungen der Sarasenen 
den größten Theil ihres fonftigen Glanzes und Einfluſſes. Jetzt ift 
diefer Name noch übrig, jedoch unter fehe veränderten Verhaͤltniſſen, 
theils in ber roͤmiſchen, theils in: der griechiſchen Kirche, theild auch in 
einigen Partitularlirchen des Orients. In der römifhen Kirche hat 
man 1716 zu Liffabon, auf Verlangen des Königs Johann V. einen 
Patriarchen ernannt. Diefer erhielt den Rang vor allen Bifchöfen und 





200, Patriarch. 

Erzbiſchoͤfen in Portugal und Indien und vor allen portugieſiſchen 
Granden. Das alte Erzbischum von Portugal wurde dadurch ganz 
aufgehoben und eine Menge anderer Bisthimer befam er zu feinens 
Sprengel. Der Patriarch in Liſſabon iſt eigentlich portugiefifcher Papſt. 
Wenn er gottesdienfiliche Handlungen verrichtet, fo iſt er wie der Papſt 
gekleidet und feine Domherren wie die Cardinaͤle. Selbſt dem roͤmi⸗ 
fen Stuhl ſchien dieß Patriarchat mehrmals gefährlih zu werden. — 
Die Erzbifchöfe von Venedig und Aquileja führen nicht minder den 
Patriarchentitel, doch find fie nicht wie in Liffabon uͤber die andern 
Erzbifchöfe geſetzt. Dem Range nah fliehen in der roͤmiſchen Kirche 
bie Cardindle noch über ben Patriachen. — In der. griechifchen Kicche 
unter tuͤrkiſcher Oberherrfchaft hat bis anf bie neueften Zeiten der Pa⸗ 
triarchentitel fortgebauert. Mit dem meiften Glanze hat fi) bis vor 
wenig Jahren der Patriarch zu Conftantinopel erhalten. Er war bas 
Oberhaupt aller griechifchen Chriften im türkifhen Reiche, die Pforte 
feloft ertheilte ihm ben Rang eines Paſcha von drei Roßfchweifen, und 
er wurde ſelbſt vom Sultan eingefegt. Auch führte er den Titel 
ölumenifch fort. Bei dem neueften Kampfe der Griechen gegen bie 
Dforte wurbe auch der Patriarch zu Gonftantinopel ein Opfer ber tuͤr⸗ 
&ifchen Grauſamkeit, und den neuerlih vom Sultan ernannten Pas 
triarchen erfennen die Lämpfenden Griechen nicht an. Was die Patriar⸗ 
hen zu Serufalem,, Antiochien. und Alerandrien betrifft, die auch bis 
auf die neuefte Zeit fortgedauert haben, fo ift kaum noch ein Schatten 
ehemaliger Größe vorhanden. Es find jest oft nur bloße Titel ohne 
Einkünfte, ohne Biſchoͤfe, über welche fie eine Aufficht führen könnten. 
Sie kamen ſonſt mit Erlaubniß "des Patriarchen in Gonftantinopel 
bortbin, wo auch die von Sıleranbrien und Jeruſalem eigene Wohnuns 
gen und Kirdyen haben. Zuweilen verfammelten fich alle vier daſelbſt 
und bezeugten ihre Gemeinſchaft feierlich und Öffentlich, Welche Ver: 
änderungen bie griechiſche Kirche im tuͤrkiſchen Reiche durch die neueſten 
Ereigniffe erfahren ivird, muß bie Folgezeit lehren. — Ein noch groͤ⸗ 
Peres Anfehen hatte das im 16. Jahrhundert emtflandene Patriarchat 
über die ruſſiſch⸗ griechifdye Kirche in Moskau, welches aber Peter der 
Große eben deshalb wieder abfchaffte und in eine Heilige Synode ver 
wandelte. — Auch die befondern Kirchen im Orlente, 3. B. der 
Armenier, Abyffinier, SIacobiten und Maroniten, gehorchen eigenen . 
Dotriarchen. 


15. | 
Petrus und Paulus, 
Gollectivfeier beider Apoſtel. 


I. Nachrichten über die Lebensumftände beider Apo⸗ 
ftel nach dem N. T. und nach der Tradition, IL. Ur⸗ 
ſachen, Alter und Tag diefer Gedächtnißfeier. II. Be- 
fondere Seftfeier, die man zu Ehren a) ded Petrus, 
b) des Paulus noch außerdem veranftaltete. IV. Diefe 
Collectiofeier in der heutigen chriftlihen Welt. 





⸗ 


Literatur. Cave antiquitt. apostel, p. 218. — Andreas 
Wilkäi "Eopioypagplag pars posterior continens festa Xli. apostolor. 
in den Abfchnitten: Petrus und Paulus. Jena 1696. 8. — Hospi- 
nian. de origine Festor. oto. p. 116. — Joachim Hildebrandi de 
diebus festis libellus p. 102 — 8. — Schmidii histor. festor. et 
dominicar. p. 15% — Heortologia etc. auotore Guyeto ete. 1. 2. 
e. 25, — Stark's Kirchengeſch. bes erſten chrifil. Jahrh. 2. Thl. 
(Geſch. des Petrus p. 12 ff.) (Geſch. des Paulus p. 219 fi.) — 
Auguſti's Denkwuͤrdigkeiten 8. Thl. p. 175 ff. 

h VNachrichten über die Lebensumftände beider 
Apoftelnah dem X. T. und nad) der Tradition. — 
Petrus Ilfrgog (aram. Knpäc mp9) Joh. 1, 43. eigentlih Simon, 
einer ber 12 Apoftel Me. 10, 2, Er war der Sohn eines gewiſſen 
Jonas, Joh. 1.43., aus Bethfaida, Joh. 1, 45., und trieb das Fifchers 
gewerbe, Mt. 4, 18. Mr. 1, 16., wurde aber zeitig durch feinen Bruder 
Andreas mit Jeſu bekannt, erlangte deſſen volles Zutrauen, Mr. 5, 87. 
Mt. 17, 1. 26. 37., hauptfächlich wegen feines unerſchuͤtterlichen Glau⸗ 
bens an Jeſu Meffiaswärde, Mt. 16, 18. Diefer Glaube verlieh ihn 
auch bei der Gefangennehmung Jeſu nicht, Petrus folgte nebit Johan⸗ 
nes allein ins Haus bes Hohenprieſters, Joh. 18, 6., verleugnete 
zwar bier feinen Herrn und Meifter, Mr. 14, 66 ff. C. A. Huch 
Petrus non Petra, Erlang. 1757, was man nicht zu hoch aufnehmen 
darf, da ein offnes Bekenntniß viel gefchadet und nichts genugt haben 
würde, fchloß ſich aber bald mit erneutem Muthe an Jeſum an, und 
war nad) defien Himmelfahrt für die Sache bes Chriftenehums in 
Serufalem und in dem juͤdiſchen Lande mit dem feltenften Eifer chätig. 
Act. 2, 14. 5, 1. 8, 18. ete. Nach ber Hinrichtung bes Altern Ja⸗ 


2") ꝛ Petrus und Paulus. 


cobus wurde auch er verhaftet, Act. 12, 1 seqq., entkam aber gluͤck 
lid, Act. 12, 3 2eqq., und bereifte num das Auslanb (nach Euseb, 
8. 14. Epiph. haer. 27. Kleingfien), um bie chriftiiche Lehre, zus 
naͤchſt jedoch nur unter ben Juden, zu verbreiten (daher anoozoAos 
rijc neprroung Gal. 2, 8.) Im Jahre 52 war er wieder auf bem 
Apofteleonvent zu Serufalem, wo er in Bezug anf die Heidenchriſten 
ſehr liberale Anfichten dußerte, fpäter aber im Sabre 53, Gal. 2, 
11 2eqq., zu Antiohia von Paulus wegen dübertriebener Nachgie⸗ 
bigkeit gegen ſtrenge Judenchriſten öffentlich getabelt wurde, Vergl. 
E. @. A. Boeckel de controversia inter Paul. et Petrum Antio- 
. ehiae oborta. L. 1817. Weiter ift von Petrus Thaten und Schids 
falen aus ben N. T. Büchern nichts bekannt. Die Kicchenväter fügen 
aber noch eine Reife des Apoftels nach Rom hinzu, ohme jedoch über die 
Zeitbeſtimmung völlig einig zu feyn. Zuerft fagt Euseb. Chron. 3. 2. Jahre 
des Katfers Klaudius (3. 43) TIeroocç 6 xopvgpaloc zyv dv Avytıoyel 

newinv Heuslıwoang dxxinolav eis ‘Pounv ünacı xnoUTzwv 9 
svayydlıov; allein diefe Nachriht muß aus einem doppelten Grunde 
ſehr zweifelhaft erfhheinen, 1) weil Petrus nad) Act. 12. erfi nad 
dem Tode Jacobus bes XAeltern, d. b. im vierten. Regierungsjahre bes 
Claudius, Jeruſalem verließ; 2) weil die Notiz von der Gründung ber 
Antiochtfchen Gemeinde, mit welcher ber Aufenthalt des Petrus in 
Rom hier in Verbindung gebracht wird, mit Act. 11, 19 seqg. nicht, 
wohl vereinbar ift. Eufebius fchöpfte aber offenbar feine Angabe aus 
‚Clemens XAlerandrin. (Euseb. h. e. 2, 14. 15.), und biefer ging von 
einer Bemerkung Juſtins des Märtyrers, Apolog. 1. c: 26. p. 69, 
aus, bie auf einem durch Unkunde der Sprache veranlaßten Mißvers 
flande beruht, indem dieſer Kirchenvater eine Snfchrift, welche bie 
römifche Gottheit Semon anging, auf Simon ben Magier deutete. 
Nun hatte Petrus einft diefen Simon äffentlid gedemüthigt, Act. 8, 
18 seqg., dieß ſetzte man mit der Notiz des Simon in Verbindung, 
und fo bildete. fidy eine Sage von einem Aufenthalte des Petrus im 
Rom unter Clandius, aus deſſen Zeiten die obengenannte Infchrife 
berrühren follte. Vergl. Hug Einl. II. 49. — Ganz verichleden aber 
von bdiefer Angabe ifl-eine andere Notiz bei Iren. haeres. 8, 1. und 
Euseb. 4, 23. (nach Dion. Corinth.): dag Petrus und Paulus zus 
fammen in Rom fih aufgehalten unb ben. Märtyrertod gelitten haben. 
In feiner Chronik fest Eufebius biefe Begebenbeit ins 14. Regierungs: 
jahr Nero's, vergl. Lactant. mortt. persec. 2. Tertull. praescriptt. 86. 
Alles reducirt fih alfo auf das Zeugniß. des einzigen Dionpfius, der 
erſt um 170 lebte, und deflen Glaubwürdigkeit keineswegs völlig ent⸗ 
fhieden ifl. Bon polemifhen NRüdfihten gegen bie roͤmiſche Kirche 
aber, welche bekanntlich den Petrus zum erſten Bilhof Noms (f. van 
Til de Petro Romae martyre, non pontifice L. 1710) macht, und 
hierauf den Primat des Papftes gründet (Schrödh KG. VI 144 — 
167. — Anooaria de Petri primatu Rom. eccl. ab eo condit.. Rem. 
1776. 8.) brauchen bevgleihen Zweifel um fo weniger auszugehen, ba 
diefee Primat, auch alle hifterifche Vorausfegungen zugegeben, dennoch 
ein Unding bleibt, Berge. M. Butſchany Unterfuchung der Worgüge 
des Apoſtels Petrus. Hamb. 1788 und dazu Eichhorns Bibliothek 
IX. 660 ff.; befonders. aber Bretſchneider Dogm. I. p. 764 und 


Petrus un Pd. 283 


808 ff. — Spanheim, de fieta profestiene Petri in urbem Ro- 
zunm. — Eichhorns Eintelt. I. 561. Ill. 203. 603. — Biblioth. 
va thool, Letterk. 1806, vergl. 2. 23. 1808. Mr. 180., und 
in Allgemeinen über ben Apoſtel Petrus Winer's bibl. Realler. 
2. Ausg. Thl. 2. p. 276 — 88, wo auch noch andere Schriften vers 
zeichnet find. — 

Paulus, eigentlich Saulus, Apoſtel Jeſu und Verfaſſer mehrerer im 
M. T. Canon befindlicher Briefe, war ein Jude aus dem Stamme 
Benjamin (Phil. 8, 5.), und wurde zu Tarſus in Cilicien geboren 
(Act. 19, 11. 21, 39. 22, 2.) Sein Bater, welcher das roͤmiſche 
Buͤrgerrecht befaß (Act. 16, 87. 22, 27.), beflimmte ihn gu einem 
Rabbi und fandte ihn daher frühzeitig nach Jeruſalem, dem Haupefig 
der juͤdiſchen Geichrfamkeit, wo Paulus den Unterricht des berühmten 
» Gamaliel genoß (Act. 5, 34. 22, 3.), und duch ihn der Secte der 


Pharifaͤer einverleibt wurde; nebenbei hatte er jedoch auch nach dama⸗ 


ger Sitte ein Handwerk gelernt, nämlich das der Zeltweber 

xotòc Act. 18, 3. Die Verbreitung der chriftlichen Lehre in der Haupt⸗ 
ſtadt, welche immer flärker hervortrat, 308 bald des jungen Pharifders 
Aufmerkſamkeit auf ſich; fein feuriger, halbe Maßregeln verfhmähender 
Charakter riß ihn zur entfchiedenften Indignation hin, und im.Eifer 
für die alte, von Gott felbft fanctionirte Lehre kannte er kein angeles 
gentlicheres und Gott mwohlgefälligeres Geſchaͤft, als die Anhänger ber 
neuen Secte überall aufzufuchen, der flrafenden Gerechtigkeit zu übers 
geben und bei ihrer Hinrichtung ſelbſt thätigen Antheil zu nehmen. 
Act. 8, 1 seqq. 9, 1 seqg. 22, S seqq. 26, 9 seq., 1 Cor. 15, 9. 


_ 


1 Zim. 1, 13., Act. 16, 10. 22, 20. — Bald fchränkte feine Ze: - 


lotenwuth ſich nicht mehr auf Serufalem ein; mit einer Vollmacht des 
Spynedriums verfehen trat er eine Reife nah Damaskus an, wo die 
neue Lehre viele Freunde und Bekenner gefunden hatte, um auch biefe 
zu verderben (Act. 9, 1 seq.). Doch dem Biele feiner Reife fchon 
nahe, fieht er fi) auf einmal von einem himmlifhen Phänomen ums 


leuchtet; befinnungstos und geblendet finkt er zu Boden und wird in 


das Haus eines Cheiften, Ananias, gebracht. Hier kommt der Ent⸗ 
ſchluß, den jene Erfcheinung mit übermenichliher Kraft in ihm ges 
weckt hatte, zur völligen Reife; er läßt fi taufen und widmet von 
nun an, als nachgewählter Apofiel, feinen Feuereifer mit eben ber 
Unermuͤdlichkeit der Ausbreitung bes Chriſtenthums, wie er ihn vorher 
der Unterdrüdung bdeffelben gewibmet hatte. Die Erhebung bes Chris 
ſtenthums zu eines Univerfalreligion ward buch ihn entfchieden; er iſt 
Apoftel der Heiden im umfafiendften Sinne (L. F. Cellarius de Paulo 
geotium profan. apostolo ooque ad hoc munus obeundum maxime 
idoneo, Viteb. 1776. — F. E. Wilmsen de sapientia Christi in 
seligendo ad Apost. gentt. munus Paulo conspious. Hal. 1756.) 
Die von ihm zur Verbreitung der chriftlichen Lehre unternommenen Reifen 
erzaͤhlt die Apoftelgefchichte feines langjährigen Freundes und Begleiters 
Lukas; doch müfjen mit den Nachrichten bderfelben einige Winte des 
Apoftels felbft in feinen Briefen (vergl, 1 Cor. 15, 32. Sat. 1, 17. 
2 Cor. 1, 23 ff.) verbunden werben, und hiernach duͤrfte das oͤffent⸗ 
lihe Wirken Pauli. ımter folgende Rubriken, Sal. 1, 17., zu ordnen 
ſeyn. Nach einem kurzen Aufenthalte. in Damaskus begiebt fi Paus 


x 





MM Petrus und Paulus. 


lus nad) Arabien, von da wieber nach Damaskus, darauf das erſte 
Mal wieder nach Serufalem, wo er mit zwei Apofteln Belanntfchaft 
macht, dann nach Zarfus, von dort nah Antiohien, wo er nebfl 
Barnabas ein Jahr lang mit dem gluͤcklichſten Erfolge das Chriften> 
thum predigt, hierauf mit einer Collecte wieder nad) Serufalem. Kaum 
ift er in Antiochien wieder angelangt, fo wird er nebſt Barnabas von 
den Aelteften der Gemeinde zum Heidenmiſſionar ordinirt, und tritt 
num unverzüglich feine a). erſte Miffionsreile an. Die Hauptorte, bie 
fie berührte, waren Seleucia, Cyprus (Act. 13.), Perge in Pam: 
phylien, Antiochia in Pifidien, Sconium, Lyſtra und Derbe; von letz⸗ 
term Orte ging der Ruͤckweg nach Attalia und von ba zur See nach 
Antiochia. Die Ankunft judenchriftlicher Rigoriften erregte Spaltungen 
in der Gemeinde, weshalb Paulus und Barnabas nad Serufalem zum 
Apoftelconvente reifen, Act. 15, 2. Sal. 2, 1. Nach ihrer Zuruͤckkunft 
unternimmt Paulus mit Silas b) die zweite Miffionsreife. Diefe geht 
durdy Syrien und Gilicien nach Derbe unb Lyſtra (Act. 16.), dann: nad) 
Phrygien, Dalmatien, Myfien, Bithynien, Troas, Macedonien, 
Philippi, Amphipolis, Apollonia, Theffalonich, Beroͤa, Korinth, Ephe⸗ 
ſus; bier [hiffte fih Paulus ein und kommt über Cäfarea nah) Ans 
tiochia zurüd, ce) Deitte Mifffonsreife nach Galatien, Phrygien 
(Act. 18.), Epheſus, Troas, Macebonien, Achaja, Korinth, von da 
wieder nach Macedonien, wo fich der Apoftel zu Philippi einfchifft und 
zum Dfterfelte in Ierufalem anlangt. Auf allen biefen Reifen war 
er. von erbitterten' Juden und felbft von Heiden faft ununterbrochen 
verfolgt worden, hatte aber immer theils durch eigene Beſonnenheit, 
theils durch Unterftügung der Chriften ihren Nachftelungen zu entgehen 
gewußt; allein in der juͤdiſchen Hauptſtadt fanden feine Feinde Gele: 
genheit, ihn verhaften zu laſſen; er wurde nach Caͤſarea abgeführt, vom 
Proconſul Felix und fpäter vom Proconful Feſtus verhört, dann, weil 
er als roͤmiſcher Bürger an den Kaifer appellitte, nah) Rom einge: 
ſchifft. Auf dieſer Deportationsreife litt er bei Malta Schiffbruch, kam 
aber im Krählinge des folgenden Jahres in Rom an, mo er in weis 
tera Arreft gehalten wurde. Hiermit fchließt die Apoftelgefchichte. Die 
meitern Schidfale des Paulus kennen wir blos aus unverbürgten kirch⸗ 
lichen Sagen; er foll nämlih zu Rom auf freien Fuß gefegt, fpäter 
aber daſelbſt noch einmal gefangen genommen, und endlich unter Nero 
mit Petrus zugleich hingerichtet worden feyn. Die Hauptſtelle, weiche 
diefe® meldet, ift bei Euseb. H. E. 2, 22. 25., doc) drüdt ſich Euſe⸗ 
bius fehe behutfam aus, indem er ausdrüdlicd fagt: Aoyoc Eye, «8. 
geht bie Sage. — Im Allgemeinen find über das Leben des Paulus 
zu vergleihen: H. Witsii Meletemata Leidensia Herborn. 1717. 4. 
— Paley Horae Paulinae aus dem Engl. m. Anmerk. von Henke. 
Helmft. 1797. 8. — 3. 8. Hemfen der Apoftel Paulus. Gött. 1830. 
8 — 8. Schrader der Apoftel Paulus Th. 1— 3. Leipz. 1830 ff. 8. 
— Neander Gefchichte der Pflanzung des Chriſtenthums I. 68 ff. — 
Tholuck in den theol. Stubien und Kritiken. 1835. p. 364. — Ed. 
Kölner über den Geift, die Lehre und das Leben des Paulus. Aus 
Roͤhr's Magaz. abgedeudt. Neuſt. a. d. DO. 1885. 8. und Winers 
bibl. Realleriton. 2. Ausg. I. p. 245 — 68, wo auch bie fpecielle 
Literatur faſt vollſtaͤndig verzeichnet iſt. 


Petrus und Pan, 205 


II) Urfadhen, Alter und Tag der Gedaͤchtniß⸗— 
feier diefer beiden Apoſtel. — Wie ſchon in dem Artikel 
Maͤrtyrerfeſte ängebeutet worden iſt, war der Maͤrtyrertod, den Petrus 
und Paulus in Rom erbuldet haben follen, bie naͤchſte Weranlaflung 
zu einer befondern Gedaͤchtnißfeier beider Apoftel. Feierte man, auch 
nachdem die Verfolgungen aufgehört hatten, immer noch mit befonberee 
Auszeichnung bie Denk: oder vielmehr Todestage gewöhnlicher Märtyrer 
in einzelnen Städten oder ganzen Provinzen, wie leicht iſt dann ber 
Ubergang zu einer folhen Gedaͤchtnißfeier ben Petrus und Paulus 
betreffend. Darum iſt auch biefe Collectivfeier entfchieben bie aͤlteſte; 
denn die Homilien von Marimus von Zurin, Ambrofius, Leo dem 
Großen, Auguftin, Chryfoftomus beweifen, daß fie fhon am Ende des 
Aten und in ber erften Hälfte des 5. Jahrhunderts fehe weit verbreiter 
war. Unter ber Regierung bes Kaifers Anaflafius (F 510) wurde bie= 
ſes Feſt in Conftantinopel eingeführt, und Theodor Lector 1. 2. Col- 
lectan. erzählt, daß der roͤmiſche Senator Feſtus, ber von Mom als 
Gefandter an ben Lalferlihen Hof gefchidt' worden war, den Kaifer zur 
Einführung dieſes Feſtes ermunterte, welches in Rom ſehr heilig ge= 
halten wurde. Der Kalfer fügte fich auch diefem Wunſche, weil ihm 
nah den damaligen Beitumfländen an bem guten Einverfländnifie zwi⸗ 
[hen Rom und Gonftantinopel fehr viel lag. Aus diefem Umſtande 
folgt aber auch zugleih, daß in Rom die Gedaͤchtnißfeier der Apoſtel 
Petrus und Paulus fehr alt war, wie dieß bereits in bem Artiket 
Märtyrer Nr. 1. angedeutet worden iſt. Auch Chryſoſtomus Homil. 
167. Opp. T. V. edit. Savil. würbe eine frühere Seier biefes Feſtes 
in der griechifchen Kirche vorausfegen, wenn nicht viele an der Aechtheit 
derfetben zweifelten. — Srüber waren bie griechifchen Kirchenvaͤter in 
Beziehung auf beide Apoftel gleich beredt, und auch von ihnen wurbe 
Petrus mit den ausgezeichnetften Lobſpruͤchen beehrt. Außer vielen ans 
dern Stellen beweifen dieß Cyrill. Hierosol, Catech. X. 3. und Ca- 
tech. XVil. 22. Sparfamer aber wurde man in den Lobpreifungen 
des heiligen Petrus in dee griechifchen Kirche, als bie Lateiner vom 5. 
Sahrhundert an den Primat Petri beſonders hervorhoben. Zwar ließe 
auch die Griechen dem Petrus die Binde: und Löfefchiäffel, aber bie 
Wirkung derfelben befchräntten fie mehr auf die gukänftige, als auf 
die gegenwärtige Well. Der Glaube an Petrus, ale er des 
Dimmels, wurde bei allen Parteien ber orientalifch > griechifchen Kirche 
fo allgemein, daß wir denfelben als ein vorzügliches Stud bes Aber⸗ 
glaubens an ihnen getadelt finden. S. J. Conr. Dannhauer de relig. 
Moscoritar. Argentorat. 1687. p. 29. Es ift alfo nicht Undank ges 
gen den. Apoftel Petrus, was man bdiefer Kirche vorwerfen kann, fon» 
dern mur Vorſicht gegen die prätendirten irdifchen Nachfolger derſelben. 
Bei einer glüdiichern Ausbildung der Hierarchie in Conſtantinopel 
würde man vielleicht zu Rom in Abfiht auf Paulus ein gleiches Ver⸗ 
balten beobachtet haben. — Die Gefammtkicche des Alterthums flimmt 
darin überein, daß am 29, Juni ber Märtyrertod beider Apoflel, weils 

n fie zu Rom unter Mero’s Regierung erlitten, zu verhertlichen ſei. 
Nur einige laſſen die Hinrichtung des Apoftels Paulus einen Tag - 
päter, am 30. Zuni, wo die Commemoratio Pauli angeorbnet ifl, 
Oder auch noch eine längere Beit fpäter fallen. — Weit mehr Schwie⸗ 





Lu Petrus und "Paulus. 
ugkelien verurſacht das Jahr ihres Todes, indem bald GE, bald 67, 


bald 68 nach Chrifti Geburt daflır gehalten, wird. Die meiſten neb- 


"men die Mittelzahl 67 an.. Weber bie Art bes Todes findet man 
- übereinfimmende Nachrichten bei den Alten Das Supplicium 


Pauli beftand in der Hinrichtung durchs Beil oder Schwert, wofuͤr 
man Roͤm. 8, 55. und in andern Stellen Andeutungen und Weiflas 
gungen fand. Bei Petrus fand die Kreuzigung Statt, und Tertullian, 
Augufiin, Hieronymus und befonderd Marimus Zaurinenfis (f. deſſen 
Homillen Colon. 1678. p. 65 seqg.) deuten an, baß in diefer Bezie⸗ 
bung Petrus nicht nur Jeſu ähnlich gewefen fei, fonbern daß er auch 
für fih ausdrüdiid um biefe Todesart gebeten habe. | 

Eine eigene Erfcheinung iſt es, daß ber folgende Tag (30. Juni) 
noch befonders dem Andenken des Apoftels Paulus gewidmet if. Er 
führt übrigens nicht den Namen Festum, fondern blos Commemora- 
tio oder Celebritas 8. Pauli. Es entſtand daher bie Frage, ob dieſer 
Tag eben fo Heilig zu feiern fei. Dieb leugnet gewiffermaßen Gavanti 
thesaur. sacror. rit. Tom, II. p. 252. Indeſſen wurde boch biefer 


Tag häufig als eine Kortfegung des vorigen betrachtet. Diefer Anficht 
iſt Baronius Annotat, in Martyrelog. Rom. günftig, wenn er fagt: 


Summus Pontifex obire pridie Pontificiss functiones in utraque 
eoclesia S. Petri et S. Pauli, ob distantiam vero locorum consultius 
visum est, duobus diebus integrum de iis agers festum. Mit ans. " 


dern Worten aber heißt dieß nichtd anderes, als daß man ben Peters 


Daulstag als ein hohes Feſt von zwei Tagen gefeiert. hat. Nur vers 
mied man babei bie, gewöhnliche Xerminologie von feria prima et 
secunda, um nicht den drei hohen Dauptfeften, festis dominieis, zu 
nahe zu treten. Mit Baumgarten 1. 1. pe 305 anzunehmen, daß bie 
Collectivfeier des Petrus und Paulus an bie Stelle bes Heibnifchen 
Feſtes, welches dem Hercules und den Muſen gewidmet war, getreten 
fei, möchte doch in dieſer Beziehung zu weit bergeholt feyn. 

IH) BSefondere Seier, die man zu Ehren der beis 
den einzelnen Apoftel A) des Petrus, B) des Paus 
Ius veranftaltete. 

A) Petrus. Noch außer dem allgemeinen Denktage biefes 
Apoſtels in Vereinigung mit dem Paulus entitand im Laufe ber Zeit 
die befondere 

a) Stublfeier Petri. Schon früh wurde es in ber chrifts 
lichen Kiche Sitte, daß jeder Bifhof den Stiftungstag feiner Kirche 
feterlich beging. ©. Hospin. 1. 1. p. 48, und vielleicht ift auch ſchon 
früh der Name festum eathedrae gewoͤhnlich geweſen, indem cathedra 
und ecclesia bald Synonyme wurden. Wie leicht konnte man baber 
auf ben Gedanken kommen, ein ähnliches Feſt zum Andenken bes 
Detrus zu feiern, der al& der Stifter mehrerer Kirchen im Alterthume 
angefehen wird. Beſonders aber befchränkte man ſich auf Antiochien, 
als wo Petrus nach der Tradition früher Biſchof geweſen feyn fol. 
Daher fagt auch Schmib histor. festor. et dominicar. p. 104 wohl 
nicht unwahr: Dicatum hoo festum fuit in genere fundationi ecole- 


siarum Petri, postea ad ecclesiam Antiochenam fuit restrietum, 


quia primus Petri egressus ad Antiochenos fuit. Dieß ift auch bie 
Meinung Hildebrands L 1. p. 96. Eine, wiewohl ſehr verdaͤchtige 


Petrus und Daulus. E74 


Trabdition bes Alterthums fucht die Feler ber oathedras Antischense 
des Petrus noch näher aufzuklären. Sie läßt dieß Feſt vom Statt⸗ 
balter oder Fuͤrſten von Antiochien Theophilus (demfelben, welchem 
Lucas fein Evangelium und bie Apoflelgefchichte 'zueignete, und deſſen 
verfiorbenen Sohn Petrus wieder auferwedt haben foll) angeordnet 
und dann fpäterhin von mehren Gemeinden angenommen worden 
ſeyn. — Daß man, fobald bie Idee von einem Primate Petri ins 
Leben getreten war, außer der Antiocheniihen aͤltern Stuhlfeier am 
22. Februar, auch auf roͤmiſche Stublfeier dachte, ift wohl nicht zu 
verwunbdern. Jedoch ift die letztere (am 18. Juni) bie ‚bei weites 
jüngere unb nad Bellarmin. de Rom. Pontif. 1. 2. o. 6. bat erſt 
Daut IV. im Jahre 1578 die roͤmiſche als ein festum de praecepto 
verordnet, wogegen Gregor XIII. bie Antiochenifye ebenfalls als featum 
de praecepto betätigte, fo daß alſo erſt von biefer Zeit an beide Feſte, 
ohne, wie fonit, verwechfelt zu werben, mit einander beftehen. Das 
alſo fhon im 5. Sahrhundert erwähnte Feſt der Stuhlfeier Petri iſt 
einzig und allein auf Antiochien zu beziehen. In Rom und Afrika 
wird dieß Feſt auch Natale Petri de cathedra, oder auch Festum 
epularum Petri genannt. Nach Meratus in Gavanti thesaur. Il. 221. 
erElärt ſich der legte Name daraus, dag man bieß Keft in ber Abſicht 
verorbnet habe, um einen heidnifchen Aberglauben zu verdrängen, nad 
welchem man Speifen auf die Gräber bee Verftorbenen brachte, und fich 
Dabei nicht felten Ausſchweifungen erlaubte. Allein da auch bei dem 
chriſtlichen Hefte viel Unfittliches übrig geblieben fei, fo habe das Cone. 
Turonense Il. a. 670, nad) andern 567, im 22. Canon Folgendes 
befchloffen: Sunt etiam, qui in festivitate Cathedrae Domini Petri 
Apostoli cibos mortuis oflerunt, redeuntes ad domos proprias, 
ad Gentilitium revertuntur errores, et ‘post oorpus Domini saeratas 
Daemoni accipiunt escas, contestamur illam sollieitudinem tam 
pastores, tam presbyteros gerere, ut quemeungue in hao festivi- 
tate viderint, vel, ad nescio quas petras, aut arbores, aut ad 
fontes designata loca Gentilium penetrare, quae ad ecolesiae ra- 
tionem non pertinent, eos ab Ecclesia Sancta auctoritate xrepellant. 

b) Die Kettenfeier Petri. Im Lateinifchen heiße fie 
Festam Petri ad vinonla ober ‚Petrus ad vineula, feltener Festum 
eatenarum Petri. Es wird von ber Eatholifchen Kirche am 1. Auguſt, 
alfo gleichzeitig mit dem Makkabaͤerfeſte, gefeiert. Zweck und Gegenſtand 
beider find auch fo nahe verwandt, daß eine Combination beider recht 
paſſend heißen kann. (©. den Artikel Makkabaͤerfeſt, Doch aber 
ſcheint das Altere Feſt duch das hinzugefommene: jüngere in feiner Feier 
beeinträchtigt worden zu fegn. Hildebrand 1. 1. p. 102 seqg. hat aus 
Durandi ration. divin, officii l. VII. c. 19. folgende vier Grümbe 
angeführt, welche Eatholifche Schriftfteller für die Kettenfeier Petri nam⸗ 
haft machen. 1) Zum Andenken an die Ketten, welche ber auf Bes 
fehl des Herodes ins Gefängniß geworfene Petrus an ſich trug, Act. 
12, 6. 2) Zur Erinnerung an bie Feſſeln, welche dem Apoftel zw 
Kom unter Nero's Regierung angelegt twurben. ‚Unter Alerander E. - 
foßen duch ein Wunder diefe Ketten gefunden und als ein Helligchum 
für ewige Zeiten aufbewahrt worben feyn. Daher wird Alerander fos 
gar für. den Stifter des Feſtes gehalten, während Andere den Biſchof 


t 





2398 | Petrus und Paulus. 


Sylveſter (im Jahre 525) dazu machen, 3) Unter Kalſer Theobofius 
den Juͤngern fol, in Beziehung auf die vorgefallenen Wunder und um 
die Calendas Augusti (Triumph des Auguſt über bie Cleopotra), weiche 
der dabei herrichenden Weppigkeit wegen auch Gula Augusti hießen, zu 
‘ verdrängen, dieſe Solennität im Jahre 489 angeorbnet feyn. 4) An 
biefem Tage wurden dem römifchen Volke die Ketten Petri deshalb 
gezeigt, um feierlich an die dem Petrus von Zefu ertheilte Binde: und 
Löfegewalt zu erinnern, und um es zu ermuntern, ben Petrus anzurufen, 
bie Feſſeln feinee Sünden zu löfen. Diefer'allegorifch = mpftifhe Grund 
beingt den mwadern Hildebrand 1. 1. fo in Eifer, daß er in die Worte 
ausbricht: Verum valde vereor, ne Pontifioii, dum catenas Petri 
adorant, catenis tenebrarum vinci mereantur. — Aus dem zeither 
Geſagten ergiebt fi, wie wenig Uebereinflimmung bieß Feſt betreffend, 
ſelbſt in der römischen Kirche angetroffen wird. = 

.B) Paulus. Daß man ihm befonder6 noch eine eigenthuͤmliche 
Geier beftimmte, und diefelbe auch nach der Reformation in ber proteſtanti⸗ 
fhen Kirche beibehielt, dieß läßt fich aus dem oben Gefagten recht gut 


: erklären. Der Peter: Paulstag wurde body vorzugsweife immer nur 


dem Detrus gewidmet. Die Proteftanten feierten bie Pauli comme- 
morsatio am 30. Junius gar nicht, und dadurch wuͤrde verurfacht wor⸗ 
den feyn, daß gerade der Apoftel, der doch aus fo vielen Rüdfichten 
bei den Griechen und Proteflanten in dem hoͤchſten Anfehen ſteht, kirch⸗ 
lich vernachläffigt worden wäre. Die Proteflanten fanden es daher 
nach ihren Grundſaͤtzen gerathen, 
Pauli Belehrung 
(Festum Conversionis Pauli) 
am 25. Sanuar 

aus dem roͤmiſchen Kirchencalender in ben ihrigen aufzunehmen, da «6 
einen fo merkwürdigen Wenbepunct in dem Schidfale des Apoflels 
betrifft und fich blos auf die bekannte Erzählung in ber Apoftelgefchichte 
gründet. Bor bem 12. Jahrhundert findet fi jedoch keine deutliche 
Spur biefer Feier. Hoſpinian, Schmid, Baumgarten u. a. fegen 
deshalb erſt den Anfang berfelben ins Jahr 1200, wo Sinnocenz IIl., 
wie aus deſſen Epistola ad Episcop. Wormatiens. Decretal. lib. I. 
erhellt, dafjelbe verordnete, oder wie Baronius behauptet, wieder here 
ſtellte. Diefer legtere iſt nämlich der Meinung, daß unfer Feſt früher 
gewoͤhnlich geweſen, aber feit dem 9. Jahrhundert außer Gebrauch 
gekommen fei. Er beruft fi) auf die Homilien des Auguflinus und 
Beda als vollgültige Zeugniſſe. Allein aus dem Erſtern kann nur fo 
viel gefchloffen werden, daß man bie Bekehrungsgeſchichte bes Apoftels 
Act. 9. in den Kirchen öffentlich vorgelefen und als Text zu Predigten 
benutzt habe. Solcher Predigten kommen in den Werken des Auguſti⸗ 
aus mehrere vor, 5. B. Serm. de Sanct. 14. Serm. de verbis Apo- 
steler. 8. 9. 10. Lib. L. Homil. Serm. 17. Serm, de diversis, 
84 — 56. Aber wären auch biefe Stellen alle Acht, fo würde ſich doch 
aus keiner das Daſeyn eines befondern Feſtes erweilen laſſen. Eher 
Tann Beda, welcher fih in Anfehung des Stoffes auf Ausuflin bes 
ruft, als Beweis gelten, dab man wenigfiens in manchen Gegenden 
ein Zeft diefer Act gelannt habe. Bei dem, was zeither angeführt wors 
ben ift, läßt es ſich auch erklären, wie ein ſolches Feſt, wenn es auch 


‘ 


Petrus und Paulus. - 


hin und wieder uͤblich war, allmählig in Vergeſſenheit gerathen konnte. 
Seit dem 13. Jahrhundert wird aber biefe Feier immer allgemeiner, 
und fchon das Concil. Copriniacam a. 1260 oder 60 erwähnt berfels 
bem ausbrüdtiih. Clemens VIII. (+ 1592) erklärte die Conversio 
Pauli für ein Festum daplex majus, und nahm eine Homille von- 
Beda in das Breviarium auf. ©, Gavanti Thessar, s. rit. Tom. 
ME. p. 222. Wie diefes Feſt dazu komme, unter die Witterungsßcites 
rien gerechnet zu werben, laͤßt ſich nicht beflimmen. Es ſcheint aber 
biefer Volleglaube ſchon fehr alt zu fen. Matth. Dresserus liber de 
festis dieb. Christianor. et Ethnicor. Lips. 1660 hat p. 24. folgende 
Verſe, auf dieſen Umſtand ſich beziehend, mitgetheilt: 
Clara dies Pauli, bona tempora denotat anni: 

Si fuerint venti, designat proelia gentl, 

Si fuerins nebulae, pereunt animalia quaeque, 

Si nix, si pluvia, designat tempora cara. 


IV) Die Collectivfeier beider Apoftel in der 
beutigen hriftlihen Welt. — Sn dem griedifchen Feſt⸗ 
canon iſt noch jegt auf den 29. Juni ber Märtyrertod Petri und Pauli 
verzeichnet (7 Toy Anogsölum Illsoov xal Iluvlov dnosoun), aber 
an die Stelle der in ber römifchen Kirche üblichen Commemoratio 
Pauli am 30. Zuni findet man hier die colleetio duodeeim Aposto- 
lorum angeführt. S. Heineccti Abbildung ber alten und neuen gries 
chiſchen Kirche 3. Thl. p. 208. — Was nun die römifche Kicche 

“ beteifft, fo tft aus leicht erfläclichen Urſachen die Gollectivfeier bes 
Metrus und Paulus ein allgemeines Felt, und ſeitdem man auch bier 
eine Berminderung ber Feiertage für nothwendig hielt und bie andern 
Apofteltage aufhob, wirb der Peters Paulstag gleihfam als eine Com- 
memoratio omnium apostolorum angefehen, ©. vollftändiges katholiſch⸗ 
liturgiſches Erbauungsbuh von 8. W. W. 2, Bd. 1. Abtheil. p. 177. 
Prag 1796. Auch ſagt Grundmayr in feinem liturgifchen Leriton 
bee römifch » atholifchen Kirchengebräuche. Augsburg 1822: Die Kirche 
feiert diefen Kefttag mit einer Vigil, Faſten und Octav den 29. Juni. 
Ob aber dieß außer ber Latholifchen Kirche in Deutfchland in andern 
katholiſchen Laͤndern uͤblich fei, hat ber Verfafler aus Mangel an Nach⸗ 
richten über die gegenwärtige Feſtfeier in der roͤmiſchen Kirche nicht 
ermitteln innen. Wahrfcheinlich verurfahen auch bier oͤrtliche Obſer⸗ 
vanzen manche Ausnahmen. — Dis oben erwähnte Stuhlfeier bes 

- Deteus iſt noch jegt im dem roͤmiſchen Kirchencalenber doppelt verzeich- 
net, nämlich Stuhlfeier des heiligen Petrus zu Antlochien den 22. 
Februar und Stuhlfeier des heiligen Petrus zu Rom ben 18. Januar, 
Außer Rom und andern einzelnen Orten find jedoch biefe Feſttage 
gegenwärtig mit ben naͤchſten Sonntagen verbunden und nicht durch 
eine befondere Feier ausgezeichnet. Auch bie angeführte Kettenfeler des 
Detrus am 1. Auguft ift wohl mehr ein Localfeft in Rom; in ben 
griechifchen Menden tft fie auf den 16. Januar verzeichnet. - 

Was bie proteftantiiche Kirche betrifft, fo hat fie zwar, wie in 
dem Artikel Apofleifefte erinnert worden iſt, mehrere Apofteltage beis 
bebaften, aber doch auch hier ihre gewöhnlichen Grundſaͤtze befolgt. 
Wenn ber Peter: Paulstag in der roͤmiſchen Kirche als ein Hohes 
Feſt von zwei Tagen gefeiert wurde, fo feierten ihn bie Proteſtanten 

Segel Handbuch IV. i& 


0 Petrus und Paulus. 


nu am 29. Juni, und zwar eben fo einfach wie bie andern Apofteltuge. 
Die im ber römifhen Kirche gewöhnliche Commemoratio Pauli fand 

bier gar nicht Statt, wohl aber die Belehrung Pauli am 25. Jas 
nuar, weit diefe fih rein auf bie Erzählung Act. 9. gründete. Daß 
abes auch in der ueuern Zeit in der proteflantifchen Kirche bie Beier 
ber Apoſieltage theils große Weränderung erlitten, theils gänzlich abge⸗ 
ſchafft worden ift, darüber iſt zu © wos am Sclufle des 
niteis Apoftelfefte evinnert wurde, 





16, 
DPfinstten 


I. Pentecoste, Quinquagesima im weitern, 
I. Pentecoste im engern Sinne. II. Eigenthüm- 
lichkeiten des Pfingftcylus vor ben übrigen Feftchclen. 
IV. Religiössabergläubifche Gebräuche und Volksvergnuͤ⸗ 
gungen des Mittelalterd und der neuern Zeit, die mit 
dem Pfingſtfeſte in Verbindung ſtehen. V. Wie fich die 
Dfingftfeier in unfern Tagen geſtaltet. . 





Literatur. Dan. a Virg. Mariee de feato Penteoostes in 
fein. Specul. Carmelit. Tom. 1. p. 503 seqg. Antw. 1680. Fol. — 
Isaae. Faustius disgert, de Pentecoste. Argentorat. 1690. 4. — 
Ch. Wildvogel diss. de eo, quod justum est circa festum Bentc- 
costen. Jen. 1691. 4. — Michael Hoynovius de Festo Pentacostes, 
Regiomeont. 1693. 4. — J. Eliss Reichardt disp. de Penteooste. 
Jenae 1698. 4. — (J. And. Schmid) Progr. de Pentecoste yeteri 
«. Quinquagesima paschali. Helmst. 1710. 4. — J. And. Dans 
Programmata 5 do festo judaico Septimanarum ahrogato , ot surro- 
gıto in ejus lopum festo Penterosteli Christianorum. dene 1715 
—18. 4.; auch in J. Gerh. Meuschenii N. T. ox Falm. illustr. 
(Lips. 1736. 4.) p. 751 seqgg. — J. Christ, Hehenstreit diasert. de 
Penteeoste Veteram. Lips. 1715. 4. — Christ. Reuter diss. de eo, 
quod theologice sanctum justumque est circa tempus Pentscostale, 
Servestae 1718. 4. und: Repetita assertio ejus, quad in nupera dis- 
sert. fult disputatam de sanctitate temperis Pentecestalis Ebend. 


1718 4 — J. D. Winokleri oratio de iis, quae eirc® festum - 


Pentecostes sunt memorabilia. Ed. 2. Lipsine 1785. 4; auch in 
feinen Disquisitt. philol, (Hamburg 1741. 8.) p. 209.— 266. — 
Bened. Gottl, Clauswitz de analogia Penteeostes Vat. et N. Testm 
ment. Halap 1741. 4. — E. F. Wernsderf de quingnagesims 
Paschali. Lips. 1752. 4. — J. H. Heinrichs de prima festor, Pen- 
teeostal. eelebratione ab Apostolis instituts ate. ad Act. 2, 1 — 
13. Vid, N. T. Koppianaa edit. Vol. IH. P. II. Gosting. 1812. 
p. 810— 834, — Hespinianus de origine festor. ete. p 86. — 
Hildebrandi libellus de diehus festie ete. p. 83 42000. — Schmidii 
hietoria festor. et demänie. etc. p. 141 seqg. — Bingh. L 1. Vol, 

p. 120 segqg. — Auguſti Dentwärbigkeiten ı. Thl. 1. m 166 ff. 
ZH. 2, p. 348 ff. 354— 398. — Schöne Geſchichtsforſchungen Über 
die kircht. Gebräuche 1. Thl. p 351 —53. 8. Thl. p. 2ER — 88. 

) Pfingften im weitern inne. yo Ira weiten 


x 











212 Dfingften. 


Sinne brauchte man das Wort nerrexaoın (aus welchem unftreltig 
das deutſche Pfingften entftanden ift) von ben 50 Tagen unmittelbar 
nach dem Auferfiehungsfefte. Der lateinifhe Name für diefen Zeitz 
raum war Quinquagesima paschalis, zum Unterfchiede eines Sonn⸗ 
tags in der Faſten, der ſchlechthin quinquagesima genannt wurde. 
Der Anfangspunct dee hriftlichen veligiöfen Feier diefer 50 Tage läßt ſich 
nicht genau nachweiſen, doch muß fie bald nach dem apoftolifchen Zeit: 
. alter Statt gefunden haben, indem im 2. Seculo Irenaͤus und Ter⸗ 
tullian ihren, ſchon gedenken. Lesterer ‘in feinem Buche de idololatria 
fpricht zu einem Chriften: „Bei den Helden. kommt jeder Feiertag 
„nur einmal vor, bei dir alle Tage. Nimm die einzelnen Feiertage 
„dee Völker, reihe fie an einamber nach der Ordnung, fo werben fie 
„doch die 50 Tage (Penteeoate) noch nicht voll machen können.” — 
Ein Zeuge aus dem 3. Seculo iſt Drigenes, welcher, indem er die 
wenigen. Sefte der Chriften hernennt, aud noch zevrexoorn binzufügt. 
Im 4. Seculo ſpricht daflir das Conc. Hliber. can. 48. und Conc. 
Nicaen. o. 20. unb Ambros. Serm, 61. fagt ausdrüdiih: „Sämmts 
„liche 50 Tage. find gleih dem Paſcha zu achten und al® Sonntage 
„zu feiern.“ — Nicht minder laffen fih auch hierher gehörige Stellen 
aus Hieronymus und Chryfoſtomus beibringen. Deſſen ungeachtet 
kann doch diefe funfzigtägige Feier nicht als eine apoftolifhe Einrich- 
tung gelten, wie Ambrofius und Hilarius in prologo in Psalmos 
wollen, welche biefe Feier theils von Jeſu, theils von den Apofteln 
ableiten; denn Zertullian, welcher dem apoftolifchen Zeitalter viek näher 
ftand, erklärt bie quinquagesima nur aus der Tradition und Obfervanz 
der Kirche, Indem er de corona milit. c. 3. ausdruͤcklich fchreibt: 
Harum et aliarum ejusmodi disciplinarum, si legem expostules 
scripturarum, nullam invenies. Traditio tibi praetendetur auctrix, 
consuetudo confirmatrix, et fides observatrix. Rationem traditioni, 
consuetudini, fidei, patrocinaturam aut ipse perspicies, aut ab ali- 
quo, qui perspexerit, discen. 
Sammelt man nun die Nachrichten, wie die Ältere chriſtliche 
Kirche diefe 50 Tage feierte, fo ergiebt ſich Folgendes: 

. 3) Man zeichnete während biefes Zeitraums wiederum einzelne 
Wochen aus. Dahin gehört die nächfte Woche nach Oſtern, mit wel: 
her theils das neue Kirchenjahr begann, theils auch bie Getauften noch 
meiße Kleider trugen, zum Sinnbilde ihres reinern, edlern, chriſtlichen 
Lebens. Araxamıouög oder vea hieß dieſe Woche bei den Griechen, 
Septimana in albis bei den Lateinen. Dann fchleb man aud) eine 
Woche aus mitten in den 50 Tagen und fing fie an von ber feria 
quarta, ber vierten, bis wieder dahin im der fünften Woche. Diefe 
erhielt ben Namen ueoonevrexoosn. Leo Allatius fagt von diefer 
Woche: 'Duas mutilabat hebdomades, primam cauda, alteram ca- 
pite. Suicer in feinem thesaur. unter dem Worte nevsexuor, führt 
eine Stelle aus Chryſoſtomus Homilien an, wo biefe6 Wort ebenfalls 
vorkommt. Man foll biefe mittelfte Woche darum mehr ausgezeichnet 
baben, weil fie gleihfam beide Feſte, Oſtern und Pfingften, einigte. 

2) Die ganze Zeit während ber Quinquagesima wurde nicht ges 
foftet, noch kniend gebetet, weil es lauter Tage einer heiligen Freude 
feyn ſollten. S. Tertullian de corona c. 5. Cono. Nicaen. o. W. 


3 


Pfingſten. 213 


Da bie Vaͤter ber rechtglaͤubigen Kirche auf biefe Sitte angelegentlich 
und mie Algemeinheit halten, fo ift wohl zu vermuthen, daß dadurch 
ein fchasfer Segenfag zu gewiſſen bäretifchen Gebräuchen follte ange: 
deutet .rossden. — Auch fang man in biefen Zagen wieder das Hals 
leluja in den Kichen, weldes in ben Faſten nicht gefchehen durfte. 
Augustin, tractat. 17. in Johannem. 

3) Es war alle Tage Sottesdienft, und es iſt nicht unwahrſchein⸗ 
ih, daß auch täglich das Abendmahl genoffen werben konnte. Am- 
bros. comment. in Luo. e. 1. fagt daher: Ompnes quinquaginta dies 
ut pascha celehrandi sunt, et sunt tanquam dominica — In die⸗ 
fen Tagen pflegte man vorzüglich die Apoftelgefhicdhte vorzulefen, und 
war aus dem Grunde, weil dadurch die Wahrheit der Auferfiehung 
Jeſu Eräftig beflätigt worden fei, indem alles, was ſich mit ben Apo⸗ 
fteln eweignete, fir die Gewißheit diefer Thatſache ſpreche. Chrysostom. 
hom. XXXIII. in Genes. p. 369. Augustin. tractat. 6. in Joh. — 
Was aber die Feier von der Arbeit anbeteifft, fo iſt diefe gewiß nur 
in befchränfterm Sinne zu nehmen, Man verftand barunter wohl nur 
die einzelnen Zagesftunden, wo ber dienenden und arbeitenden Claſſe 
erlaubt wurde, am dem öffentlichen Gottesdienſte Theil zu nehmen, 
Eine gänzlihe Beier von der Arbeit ſchien theild wegen ber Verhaͤlt⸗ 
niffe der Armen, theild aber auch wegen der Chriftenverfolgungen nicht 
Statt finden zu können, indem fich durch gänzliche Acbeitslofigkeit die 
Chriſten vor den Nichtchriften würden ausgezeichnet haben. Hierzu 
kommt der Umftand, daß auch die übrigen bürgerlichen und gesichtlis 
hen Geſchaͤfte während diefer Zage nur mit Ausnahme dar Mode 
nah Oſtern ihren ungeſtoͤrten Fortgang hatten. Ausdruͤcklich ſagt daher 
Auguſtin Sermon. 17., gehalten am Sonnt. in albis: Peracti aunt 
dies feriati, sueeedunt jam illi conventionum, exactionum et liti- 
giorum. Deffentlihe Lufidarkeiten und Schaufpiele waren dagegen 
verboten. Cod. Theodos. 1. 15. tit. 5. de speotaculis leg. 6. . 

4) Die Taufe wie bie Abendmahlsfeier waren in der Auinqua- 
gesima befonders gewöhnlihd. In Beziehung auf die exftere ſagt Daher 
Tertullian, de baptismo c. 16.: Diem baptismo solenniorem Pascha 
Praestat, oxinde Pentecoste ordinandis lavacris latissimum spatium 
est, quo et Domini resurrectio inter discipulos frequentata: est et 
gratia Sp. S. dedicata. Was die Abendmahlsfeier betrifft, fo erklärt 
fhon die Synode zu Elvira can. 21. denjenigen für einen lauen Chris 
fen, dee nicht während dieſer Zeit das Abendmahl feiere. 

5) Man ermies fid während ber Quinquagesima befonders wohl: 
thätig gegen, die Armen. Lactant. de vero Dei cultu ec. 12. Auch 
wurden öfters Sclaven freigelafien. Vergl. G. N. Ittig de veteri in- 
dulgentia Paschali. Lipsiae 1700. 

6) Die chriſtlichen religiöfen Verfammlungsorte wurden mit Malen 
und andern grünen Zweigen ausgeſchmuͤckt, welchen Gebrauch einige von 
dem’ Laubhüttenfsfte der Juden, andere aber noch wahrfcheinlicher von 
den Floralien ber Roͤmer ableiten. Vid. A, I. Königemann de antir 
Quitate et usu betulae pentecostalis frondiumque saorar.: Kilon. 1707. 

Forſcht man ‚nun nad den Urfachen, warum das chriſtliche Alter: 
thum diefe Taye einft fo feierlich auszeichnete, fo findet man ihrer 
Mehrere angegehen. Chryſoſtomus hom. 8. de resurzegt. beutet hin 


. 
= . ‘ u. 





s16 | Pſingſten. 

3) Auch das frühere Ausſchmuͤcken ber Haͤuſer und Tempel niit 
Blumen und Zweigen am Pfingſtfeſte blich und in Burtorfs Syna- 
gog. Jud. o. 20. p. 443 findet man folgende Bemerkung: „Mos ille 
Christianorum, quod fento Pentecostes fenestras, domos et templa 
gramine, floribus et betulis viridantibus ornent, a Judaeis deseem 
die ad Christianos, Hi enim in laudem legis ejusque memoriam 
pavimenta aedium, platoas et synagogam gramine perspargünt, fasci- 
culos ramusculorum viridium passim fenestris 'apponunt, corollas 
virides capitibus impositas gestant, quia illo tempore, quo lex in 
monte Sinai tradita ost, onınia fuerant florentia et viridantia, id 
quod colligunt.ex Exod. XXXII. 5. 

11, Eigenthümlichkeiten des Pfingftcyclus vor 
den Übrigen Sefteyclen. — Das Pfingfifefl als feſtliche 
Beit, die mit einer Vor⸗ und Rachfeier verbunden ift (Sefteyelus), hat 
zuvoͤrderſt die Eigenthuͤmlichkeit, 

1) daß er weit jünger als bie übrigen Feſteyclen iſt. In Ver⸗ 


-  gleihung mit Weihnachten und Dftern muß der Pfingſteyclus in ber 


Form, welche er gegenwärtig in ber ganzen abenblänbifchen Kirche 
angenommen hat, als ber jüngfle angefehen werden. Denn er ift 
vor dem 13. und 14. Jahrhundert nicht abgefchloffen worben, wie bieß 
aus Alcuins Homiliarium erhellt, welches weder von einem Trinitatis⸗ 
fefte noch von den darnach benannten Sonntagen etwas weiß, fondern 
die auf Pfingften folgenden Sonntage bis zum Abvent herab nach dies 
fem Sefte benennt, und al® Dominica prima, secunda, tertia etc. 
post Pentecosten aufzaͤhlt. In der roͤmiſch⸗katholiſchen Kirche iſt 
zwar ſpaͤter die Rechnung nach Trinitatisſonntagen angenommen; doch 
findet man in den liturgiſchen Schriften und Breviarien bie alte Ter⸗ 
minologie noch häufig. Dagegen bat bie proteflantifhe Kirche die Tri⸗ 
nitatis> Nomenclatur allgemein In ihren Kirchencalender aufgenommen. 
2) Hat der Pfingſteyclus auch das Eigenthümliche, daß die abend: 
und morgenländikhe Kirche in Abfiche auf die Dctave dieſes Feſtes von 
einander abweichen. Die erfle fchließt mit dem Trinitatisfeſte, welches 
. aber die griechiſche Kirche nie feierte, fondern dagegen das Feſt aller 
Deiligen: Auch werden in derfelben Kicche bie folgenden Sonntage 
nicht nad) dem Pfingftfefte gezählt, fondern von den evangelifchen Lectigs 
nen, welche die Kirchenorbnung vorfchreibt (f. ben Artilel Sonntag 
Nr. 3). Man vergl. Leo Allatius de dominicis et hebdomadibus 
zecent, Graecor. o. KXÄXI— XXXIV Die evangelifche Pericope 
für den Sonntag nach Pfingften, Joh. 8, 1—15., wurde zu einer 
Beit gewählt, wo man noch Fein Zrinitatisfeft kannte, und ber Inhalt 
derfelben beweiſt, daß man bie Lehre von der Wiedergeburt und Crs 
neuerung..in eine genaue Beziehung mit dem $efte des heiligen Geiſtes 
fegte. In dee griechifchen Kirche verräth die Schlußfeier ein fpäteres 
Beltalter, wo ſich der Heiligendienft ſchon allgemeiner verbreitet hatte, 
ALS aber feit dem 14. Jahrhundert in der roͤmiſchen Kirche der Pfingſt⸗ 
cyclus duch das Trinitatisfeſt feine DOctave erhielt, fo änderte man auch 
die evangelifche Perikope, und wählte flatt Joh. 3, 1— 15. Mt. 23, 
18—20. — Bu ben Eigenthuͤmlichkeiten des Pfingſteyclus gehört, 
3) daß, wenn bie beiden erften heiligen Zeiten, Weihnachten und 
Dftern, auf das Erdenleben Jeſu Hinweifen, das Pfingffeft mit. feinem 


Pfingſten. 217 


-Introitue, und befonbers in bee lateinlſchen Kirche mıle feiner Detave, 
die überirdiſche Verherrlichung des Deilandes und den Urfprung bee 
chriſtlichen Kirche andeuten. Man feiert hier mehr ben in den Him⸗ 
mel erhobenen und zur Rechten Gottes verfegten Deiland, wie er die 
Verheißung von dem zu fendenden Parallet erfüllt und als unfichtbares 
Dberhaupt die von ihm geftiftete Gemeinde regiert. Diefer Anſicht 
gemäß fcheint auch die roͤmiſche Kirche zur Pfingftoctave glücklicher das 
Zrinitatiöfeft gewählt zu haben, welcher ein reines Dogma ohne hiſto⸗ 
riſche Thatſache zum Grunde liegt; es ift die Tiefe der Gottheit, welche 
bier, wie bie Epiftel> Pericope Rom. 11, 38 —386. fih ausdrüdt, zwar 
nicht ergrlandet, aber doch geahnet werden fol. Offenbar iſt darum das 
Feſt aller Heiligen In der morgenländifchen Kirche von der Idee, welche biefer 
Beier zum Grunde lag, abgewichen, und hat ben Stoff derfelben erweitert. 

IV) Einige mebr religiös: abergläubifde Bes 
braͤuche und Dolksvergnüägungen des Mittelalters 
und der neuern Zeit, die mit dem Pfingftfefte in 
Derbindung fteben. — Dahin gehört 

1) der Mißbrauch mit der Taube feit den Seiten 
des Mittelalters. Sehr viele Stellen In den Kirchenvätern 
belehren uns, daß man nah Mt. 8, 16. die Taube als Symbol des 
beitigen Geiſtes anſah. So fagt Chryſoſtomus Hom. XII. in Matth.: 
Christus quidem in natura nostra, sed apiritus in columbae specie 
apparuit, Mehrere Stellen der Art f. Suiceri thesaur. s. v. 72:0 
"orepa, Darum darf es ung nicht wundern, wenn Durandus rat. dir. 
offic, VI. o. 107. von feiner Zeit, dem Mittelalter, fagt, wo ber Gots 
- teödienft immer finnliger wurde: Tune (beim Schluffe der Missa) 
etiam ex alto (Sirchengemölbe) ignis projieitur, quia S. S. descendit _ 
in discipulos in igneis linguis, et etiam flores varii, ad denotan- 
-dum gaudium et diversitatem linguarum. Columbae etiam per 
ecclesiam dimittentur, in quo ipsa S. S. missio designatur. — 
Daffelbe beinahe erzählt auch Hildebrand de digbus festis p. 89: 
Pontificii eodem die solent albas columbas funiculis constrictas per 
templa aua emittere et in medio templo ligneam columbam szuspen- 
dere, quae sit symbol, S. S. — Noch jegt muß etwas Aehnliches 
in der römifchen Kirche Hin und wieder üblich feyn, wenn ander ber 
Nachricht Glauben beizumelien ift, die Grundmayr in feinem liturgis 
fhen Lexikon der roͤmiſch⸗katholiſchen Kirche Augsburg 1822 am Ende 
des Artikels Pfingften ertheilt: „Uebrigens wird bie Senbung bes heis 
„tigen Geiſtes nach jedes Landes Gewohnheit an dieſem Tage meiftens 
„in Figur einer Taube ober feurigen Zungen vorgeftellt.’ 

Zu den Vollsbeluftigungen zur Beit dieſes Feſtes gehöre. befonz 
ders in Deutfchland die Pfingftmaten und die Pfingft> oder Malen: 
taͤnze. Was die erflern betrifft, fo läßt fich vielleicht ihr Urſprung 
aus ben früheften Zeiten des Chriftenthums ableiten. In ber erften 
Kirche, wo man noch keine befondern Tempel hatte, pflegge män bei 
den -Gräbern ber Märtyrer Sottesdienft zu halten und um bdiefelben 
grüne Baͤume zu pflanzen. Nach der Zeit, als orbentlihe Gebäude 
zu gottesdienfilicden Verſammlungen üblih wurden, kam es auf, dies 
felben mit grünen Zweigen, befonders am Pfingſtfeſte, zu ſchmuͤcken, 
wozu nicht unwahrſcheinlich die Worte des 118. Pfalms: „Schmüdt 


28 Pfingften. 
„das Feſt mie Maien,“ Veranlaffung gaben, indem biefee Buruf mes 
gen der Jahrszeit befonders am Pfingflfefte feine Anwenbung fand. Bu 
nde des 11. Jahrhunderts mag diefe Sitte allgemein gewefen feyn, wie 
e8 lehrt A. L. Königsmann in diaputat. de antiquitate et usu betu- 
lae penteeostalis. Kiel. 1707. Auc vergl. man Andr. Rivini diatr, 
de Majumis, Maicampis et Roncaliis etc. in J. G. Graevii Synt. var. 
dissertatt. Utr. 1701. 4. — Birken hat man wohl deöiwegen dazu 
genommen, weil diefe Art Bäume überall leicht zu haben find, und 
weil auch ihr Geruch fehr angenehm if. Wegen des großen Mißs 
prauchs durch Wafdbefhädigung "wurde dieſe Sitte ih neuern Zeiten 
befonders in dem proteſtantiſchen Deutfchland verboten, in Sachſen 
erfchien 1715 ein ausdrüdlicher Befehl deshalb. — Aud die Maiens 
tänze im Freien find noch hin und wieder üblid, doch möchten diefe, 
wenn fie aus dem Alterthbume herruͤhren follten, mehr von den heidni⸗ 
fhen Majumis abzuleiten feyn. Cfr. Codex Theodos. XXV. I. 1—2. 
und Suidas, wo eine kurze Erklärung darüber gegeben toird. Eifenz. 
ſchmidts Gefhichte der Sonn» und Fefttage. Leipz. 1793. p. 227, wo 
noch andere ähnliche Gebräuche erzählt werden, 

Nicht minder rechnen auch einige hierher das Wergnügen bes Wo: 
gelſchleßens, welches an manchen Drten um die Pfingfizeit angeſtellt 
wird. Mehrere Gelehrte des 17. Jahrhunderts erklären den Urfprung 
defielben daraus, daß es von den Heiden zur Verſpottung bes heiligen. 
Geiftes aufgebracht worden fei, der bei der Taufe Chriſti in Geſtalt 
einer Zaube ſich geoffenbart habe. Den Ungrund diefer Behauptung 

aber fucht in einer befondern Gelegenheitsfchrift zu zeigen Paul. Chrift. 
Gilbert de ’OgnıForokoßokia 1714. Ueberhaupt: ift e8 dem Verfaſſer 
nicht gelungen, etwas Gnuͤgendes über diefen Gebrauch hiſtoriſch beis 
bringen zu koͤnnen. 
V) Wie fih die Pfingftfeier in unfern Tagen 
gefalte. — Als ein hohes oder Hauptfeſt wird Pfingften auch 
jege noch in der chriſtlichen Welt gefeiert. Man erinnert fi dabei an 
die den Schuͤlern Jeſu ertheilte und beflätigte Verheißung von der 
Sendung eines höhern göttlihen Beiſtandes, durch welchen fie fählg 
feyn follten, das Chriſtenthum leichter und glücklicher zu verbreiten. 
Dfingften alle daher allen Pirhlihen Parteien als Feſt der chriftlichen 
Religionsſtiftung. Jedoch iſt es im Aeußern minder feierlich ausge⸗ 
zeichnet, als die andern hohen Feſte, Weihnachten und Oſtern, wie dieß 
ein fluͤchtiger Blick auf die Feſtlehre der griechiſchen, roͤmiſchen und 
proteſtantiſchen Kirche zeigt. Die reformirte und zum Theil auch die 
lutheriſche Kirche feiert Pfingſten zwei Tage lang, manche reformirte 
Gemeinden, z. B. in Luͤbeck, nur einen Tag, einige wenige lucheriſche 
Laͤnder Deutſchlands drei Tage. Mehr dem Namen nach findet in der 
roͤmiſchen Kirche auch die Pfingſtvigilie noch Statt, in der Wirklich⸗ 
keit wird ſie in der griechiſchen Kirche gefelert, jedoch groͤßtentheils auch 
bier nur von den ſogenannten Calogeris. Am Sonnabende vor Pfing⸗ 
fen iſt auch jetzt noch die feierliche Waſſerweihe in der römifchen Kirche 
geroöhnlih, Im Allgemeinen aber find die Feierlichkeiten weit einfacher 
als in früherer Zei. Einige Östliche, einzelne Obſervanzen koͤnnen bier 
natuͤrlich nicht in Betrachtung kommen. 





17. 


Philippus und Jacobus. 
Gedaͤchtnißfeier derſelben am 1. Mai. 


I. Nachrichten von beiden Apoſteln im N. T. und 
nad) der Tradition. IL Urfachen der Sufammenftellung 
beider Apoſtel und Alter ihrer Gebächtnißfeier, III. Wie 
diefer Zag in der heutigen chriftlichen Welt begangen wird, 


Literatur. Cave untiquitates apostolicae S. Andreas Wil- 
kit "Eoeroypagia etc. p. 158 seqg. — Hespinian 1. 1. p. 81. — 
Joach. Hildebrandi lidellus de diebus festis p. 86. — Sehmidii 
historia festor. et dominicer. p. 135. — Heortologia ete. auctore 
Guyeto ete. 1. 2. co, 23. — Starks Geſchichte des 1. chriftt. Jahr⸗ 
hunderte 2. Thl. (Philippus p. 182 Auf Jacobus P» 163 ff.) — 
Augufti'6 Dentwürdigkeiten. 3. Thl. p 2 

HD Nachrichten von beiden. Anokeln im X. c. 
und nach der Tradition. 

A) Philippus, einer dee Apoſtel Jeſu aus Bethſaida, und 
wahrſcheinlich we feine übrigen Collegen von niedriger Abkunft und 
von niedrigen Stande. Außer Dt. 10, 8. ir. 3, 10. Luc. 6, 14. 
und ob. 1, 44. kommt er auch noch Koh. 6, 5. 12, 20. und 14,8. 
von Da Vetens und Andreas zwar früher Mehl wurden, aber erft 
fpäter fi) der Geſellſchaft Jeſu anfchloffen, fo kann er ale ber erſte 
unter ben beftändigen Apofteln betrachtet werden. Mehr läßt fih aus 
dem N. T. von ihm nicht erzählen, deſto reichhaltiger, aber zugleich 
auch defto widerſprechender ift die Tradition. Eine alte Nachricht im 
Üotelerii Patr. Apostol. T. 1. p. 272 nennt feinen Water Philoſanos 
und feine Mutter Sophia, und behauptet, daß er ein Fuhrmann ges 
weſen ſei. Scythien, Vorderaſien und Lbeyoien werden als ſeine Pro⸗ 
vinzen genannt. Fabrioii Cod. apoer. N. T. P. II. p. 768. Niceph. 
hist. 1. 2. c. 39. Simos. Metaphr. in Actis Philippi. n-bem leßten 
Lande ſoll ex zu Hierapolis geflorben fern, ob als Maͤrtyrer oder eines 
natuͤrlichen Todes bleibe unentſchieden. Tillemene memoires oecles. 
T. LP. IH. p. 956 2099. — Stark's Geſchichte der chriftl, Kirche des 
4. Jahrh. 2. Thl. p. 188 fr Daß er verheirathet geweſen und Kin⸗ 
ber hinterlaſſen hade, bezeugen Euseb. H. E. EI. eo. 81. und Clem. 





“ 


280 | Philippus und Jacobus. 


Alex. Stromat, III. p. 448. Vergl. J. A. Sehmid de apostolis uxo- 
ratis. Im Allgemeinen kann über das Leben dieſes Apoſtels Winer 
bibl. Realler. im Art. Philippus Nr. 6. Thl. II. p. 297 f. verglichen 
werden. Don den Actis Philippi uud dem fogenannten Itinerario oder 
Circuitu dieſes Apoftels iſt noch ein. Sragment bei Anastasius Sionita 
aufbewahrt. Fabricius Cod. apoer. N. T. P. Il. p. 806. Einige 
gnoftifhe Secten, befonder6 bie Keviten, bedienten fich eines Evanges 
liums des Philippus, Epiph. haeres, XXVI. c. 15. Der evangelis’ 
ſche Zert aus Joh. 14, 1-14. erwähnt blos ben Philippus, ohne des 
Sacohne zu gedenken. 

B) Iacobus, und zwar ber jüngere, Sohn bes Alphaͤus und 
der Maria, Dit. 15, 40. 16, 1., ebenfalls Apoſtel, Me. 10, 3., vgl. 
Mec. 3, 18. Luc. 6, 15. Act. 1. 13. Daß diefer von Kacobus dem 
Aeltern, von welhem in einem befondern Artikel die Rede war, 
verſchieden fei, ift keinen Zweifel unterworfen. Aber eine andere Streit: 
frage entiteht in Beziehung auf biefen Apoftel, 0b Sacobus, der Sohn 
des Alphäus, mit dem adeApog Tod xvolov einerlei Perfon fe. Die 
sdentität beider hat man bald behauptet, bald bezweifelt. Jedoch ift 
das Erſtere öfter von neuern Interpreten gefchehen. Achtet man auf 
das, was befonders Winer in feinem biblifhen Reallexikon I. p. 621 
beibringt, fo iſt es wohl keinem Zweifel ungerrorfen , daß Jacobus 
der adeApös xvolov bei Paulus mit dem Sacobus minor eine Perfon 
ſei, und diefen Jacobus hat man au unfkreitig für den Verfaſſer des 
bekannten katholiſchen Briefes zu halten. Bon diefem Apoflel hans 
dein darum beflimme Me. 10, 3. 27, 56. Mre. 3, 18. 15, 40. Luc, 
6, 15. Apoftelg. 1, 13., und wahrſcheinlich auch die Stellen 1 Cor. 
15, 7. Sat, 1, 18. 19..2, 12. Apoftelg. 12, 17. 15, 18. 21, 18. 
Die Attefte Tradition nennt ihn Biſchof von Jerufalem und legt ihm 
ben Beinamen: 5 dlxasog, bei. Vergl. die Relation bed Hegefippus 
bet Euseb. H. E. Il. c. 25. Derſelbe Hegefi ppuß berichtet weiter, daß 
die Pharifäer und Schriftgelehrten, aufgebracht über bie große Anzahl 
von Juden, welche buch ihn zum Chriſtenthume wären belehrt wors 
ben, feinen Untergatig befchloffen und vollzogen hätten. Dan habe ihn 
von der Zinne des Tempels herabgeftürzt, und als er von biefem Falle 
noch nicht todt war, mit Prügeln und Steinen getoͤdtet. Nach Stark 
fheint ein bekehrter Jude Verfaffer diefer abgefhmadten Legende beim 
Hegefippus‘ zu ſeyn. Zu ihrer Vertheidigung aber fchrieb Faber eine 
gelehrte Schrift: Eusebianae de Jacobi, fratris Jesu, vita et morte 
narrationis paries quaedam explicantur et defenduntur. Ansbaa. 
1795. 4 Bon befonderer Wichtigkeit ift, daß auch Joſephus Antir 
quitt. I. XX. o. 9. die Hinrichtung des Sacobus durch den Hohen 
priefter Ananus auf eine im Wefentlihen übereinftimmende Art erzähle, 
Vergl. Scaliger Animadvers. ad Eusebii Chron, p. 191. — Jo. Cle- 
riei Hist. eccles. duor. prim, seoul, p. 414. —  Mosheim de rebus 
obrist. ante Const. M. p 94 — 96. — Starts Geſch. der hriftlichen 
Kirche des 1. Jahrhund. 2. Thl. p. 165 fi. Im Allgemeinen vergk, 
Winer's bibl. Reall. L p- 620 ff. Ueber die apokryphiſchen Schriften, 
welche den Namen des Jacobus führen, nämlich das Prot-Evangel. 


‚und die Liturgia 8. Jacobi find Fabrioii Cod. apoor. N. T. P. Ill, 
.p. 35 segg. — Cara antigquit, apost. und Tillemant Menoir, eccles, 


b 


Philippus und Jacobus. 901 


- Tom. I. N. 16., wie auch Beausobre histoire de Manich. Tom. I. 


p. 358 seqq. zu vergleichen. 

ID) Urfahben der Zufammenftellung diefer bei 
ben Apoftel und Alter ihrer Gedäaͤchtnißfeier. — 
Wenn Petrus und Paulus zufammengeftellt werben, fo find dafür 
Innere und dußere Gründe vorhanden (f. den Art. oben p. 201). 
Bei Simon und Jubdas konnte theils der Umfland, daß fie Bruͤ⸗ 
ber waren, theild die Tradition von Ihrem gemeinfchaftlihen Tode 
in Betrachtung kommen. Aber bei Philippus und Jacobus ift fein 
ſolches Verhaͤltniß nachzuweiſen. Die dlteen Schriftſteller ſchweigen 
hieruͤber. Wilke in feiner oft genannten “Eopsoypap/a =. festa duo- 
decim apostolor. p. 167 führt Folgendes zur Erläuterung an: „In 
‚Aener Zeitperiode, wo man mit abergläubifcher Sorgfalt die Reliquien 
„ber Märtyrer und Heiligen aufzufuchen angefangen Habe (er nimmt bie 
„Mitte des 4. Zahrhunderts an), fei auch der Leichnam: des Philippus 
„von Hierapolis nach Rom gebracht, und in einer Gruft mit den Ges 
„beinen des Jacobus vereinigt worden. Später, im 6. Jabhrhundert, 


„babe ber roͤmiſche Biſchof Pelagius die von ihm erbaute Kirche den 


„beiden Apoſteln Philippus und Jacobus gewidmet, und daraus Laffe 
„ſich diefe Zufammenftellung erklaͤren.“ — Go geringfügig nun auch 
biefee Grund ift, fo muß man ihn doch in Ermangelung eines andern 
für den richtigen halten. — Wäre Übrigens diefe Nachricht wahr, fo 


ließe fih darauf auch die Vermuthung gründen, daß man früh ſchon 


diefem Apoftelpaare einen befondern Denktag gewidmet habe, von wel⸗ 
dem ſich fpäter au die Spur wiederfindet. Das Feſt aller. Apoſtel 
fand in ber Folge (f. ben Artikel Apofteifefle) wenig ‚Beifall mehr, 
daher ſchraͤnkte man es blos auf bie beiden Schüler des Herrn, auf 
Philippus und Jacobus, ein. Ob es aber früher nur Local: oder Pros 
vinzialfeſt, oder allgemeines Feſt geweſen ſei, laͤßt fih aus Mangel am 
geſchichtlichen Nachweiſungen nicht Bar genug machen. Bei den Spas 
niern fleht Philippus in großem Anfehen, weil fie glauben, daß die, 
weiche laut Joh. 12, 21. zu. Philippus gefprochen:, „Wie wellten 
„Sefum gern fehen,” Spanier geweien wären. — Die orientalifche 
Kirche weicht hier von dee römifchen dadurch ab, daß fie die memo- 


. siam beider Apoflel trennt, und für den Philippus als Denktag den 


14. November, für Jacobus hingegen den 23. Detober beflimmt. 

IN) Seier diefes Tages in der heutigen dhriftlis 
hen Welt. — Diefe erläutert fi) aus dem, was am Schluſſe 
des Artikels Apoftelfefte erinnert worden iſt. 


i 


N 


18. 
Presbyter. 
J. Begriff und Bedeutung dieſes Kirchenamtes im 


Hoftofifcpen Zeitalter, MH. den darauf folgenden 
ahrhunderten. 


— 





Citeratur. J. Morini exereitatio de Presbyteratus materia et 
forma, Sin fein, Commentar. de zacr. ecel, ordinat. P.3. (Amat. 1695. 
Fol) p. 102--124 und Exere. de Episoopis et Preosbyteris multis 
simul seerificantibus, et eucharistie post ordinationem presbyteris 
dates, Ebendaſ. p. 124— 132. — Jao. Boileau de antiquo Preaby- 
terorum jure in regim. ecoles. Taurin. 1678. 8. — Matth. Zim- 
Anermann de Presbyteris veteris eoolesiae sommentarielus. Ann 

verg 1681. 4. umd de Presbyterissis veteris ecolesise oommentario- 

Gbenbaf. 1681. 4. — Mich. Hentsehen de Presbytererum 
—— dignitate et potestate ordinandi ex jure divino et anti- 
geitate ecolesiae et hac oecsasione de epinoopis, presbyteris e& 
eberepiscopis. Rost. 1682. 4. — H. Dodwell diss. de Presbyteris 
doctoribus, dootere audientium et legationibus ecoleniasticis in fein. 
Dissertatt. Cyprian. (Oxon. 1684. 8.) p. 107-129 unb Dis. de 
potestate Presbyterii sede episcopali vacante. Ebendaſ. p. 192 — 
198. — Matth. Laroquanus de sacerdetibus seeundi ordieie. In 
fein. Adversar. ssor. (Lugd. Bat. 1688. 8.) p. 244 — 251. — J. 6. 
Zachoerner Schediasma philol.-theol. de Presbyteris pelitieis. Lips. 
1727. & — Die wichtigften Steeitichriften uͤber den Unterſchied ber 
Biſchoͤfe und Presbyter in der altem Kirche haben wir ſchon oben beim 
Artikel Biſchoͤfe Thl. 1. p. 228 f. verzeichnet. 

Allgemeinere Werke. Camp. Vitringa de Synagoga vet. 
Lib. III. P. I. oc. 1. — J. Bened. Carpzov Exercitt. in epist. ad 
Hebr, ex Philone p. 499. — J. Fr. Buddeus Ecoles. apestol. c. 6. 
— (p. Matth. Pfaff de origine jur. eocles. p. 45. — J. H. Böh- 
mer Jus ecclesiast. Lib. II. tit. 24. 6. 28. — Bingham Origines 
Vol. I ps 266 2eqq. — Baumgarten Erläuter. der chriſtl. Alterth. 
p. 9 ff. — Schöne Seihichtsforfhungen Bi 1. p. 246— 49. Bd. 

p. 96 — 98. — Eiſenſchmid Geſch. der Kirchendiener Thl. 1. p. 
67 ji — Augufii Denkwuͤrdigkeiten al. 11. p. 170 ff. — Seludtin 
Eh Geogr. und Statiſtik. Thl. 1. p. 129. 6. 1. p. 188. $: 3 ff. 

1 Begriff und Bedeutung diefes Kirchenamtes 


Preöbpter. 2 5) 


im apoſtoliſchen Zeitalter. — Wie beinahe fm ganzen 
Morgenlande, fo ſtand auch das Alter bei ben Hebraͤern wegen ‚der 
ihm eigenen Lebenserfahrungen in hohem Anfehen. Daher wählte man 
auch die Vorſtaͤnde und Richter ſeit den früheflen Zeiten aus ben Alten. 
Moſes wählte felbft ein Collegium von 70 Aelteſten, das im in der 
geſammten Leitung bed Volks beiftehen ſollee. (S. den Artiket Auter in 
Winers bibl. Reallexikon) In der Folge aber wurde dieſe Benennung 
ein bloßer Titel, und man brauchte fie von Womehnmem und Ein⸗ 
ſichtsvollen, von Inhabern gewißfer Ehrenftellen, weil biefo Einſichten 
vorausfegten und Einfluß auf Andere gewährten, : Gerade ſo brauch! 
die Eateiner ihr Senator, die Araber ihr Scheich, die Englaͤnder Ihe 
Alderman. Darum wurde aud) das hebräifche Krzpr und das griechiſche 
nosoßörego: im Zeitalter ef bei den Juden gebraucht, theils von 
den Belfigem des Synedriums obes des hohen Rathes zu Jeruſalem, 
Mt. 16, 21. 21, 28. und Öfteren; theils von den Vorſtehorn dee juͤdi⸗ 
fen Smagogen, welche mit dem doyouvayayos die Aufficht über 
die ganze Ordnung und Disciplin ber Synagogen führten, Luc. 7, 8. 
Philo opp. I. 395. Da man in ber erflen chriſtlͤchen Kirche die Syna⸗ 
gogals Berfafung zum Muſter nahm, fo nannte man auch die von 
den Apoſteln ermählten Vorſteher der erſten Chriſtenvereine Aettefte, 
Presbyter. Diefe waren aber nicht immer zugleich Lehrer, gerade wie 
in der jhdifchen Synagoge; daher man fie aud wohl nicht unſchicklich 
in blos regierende und lehrende Presbpter eintheilen kann. Die leh⸗ 
renden Presbpter hießen bei den Juden Pannaffe, bei ben Cüriften 
vielleicht anfangs Didaslalen. Paulus wuͤnſcht ben Presbptern auch 
Lehrfähigkeit, Tit. 1, 5., obgleich die Geſchichte lehrt, daß fein Wunſch 
nicht überall verwirklicht werden konnte. Sie waren Übrigens bei bes 
flimmten Gemeinden angeflellt, und hatten mithin nicht einem folchen 
ambulatorifcgen Beruf, wie die Apoftel und andre vom ihnen deleg irte 
Lehrer. Daraus laͤßt es ſich auch erklären, warum fi) der Apoftet 
Johannes in feinen beiden lepten Briefen ben Namen Presdpter hei⸗ 
legt. Er ſchrieb fie vermuthlich in fpätern Lebensjahren, wo er nicht 
mehr wumberreifte, ſondern in Ephefus vieleicht die Gefchäfte eines 
Vorſtehers beforgte, und darum nanmte ex ſich auch nicht mehr Apoftel, 
fondera Presbyter. Daß man im apoflolifchen Zeitalter Zlaxonoe 
und sopsoßusepos ſynonym gebraucht habe, darüber, fo wie über das 
Eigenthuͤmliche dieſes Sprachgebrauchs, vergleiche man ben Artikel Bi- 
ſchof Nr. 1. Um die Verrichtung der Presbpter oder Aelteſten im der 
erſten chriftlichen Kirche richtig zu beurtheilen, darf man nur unterfu⸗ 
chen, was dem Synagogenvorficher oblag. Das Geſchaͤft des juͤdiſchen 
Aelteften in der Synagoge war: bie nöthige Anftalt zu treffen, daß 
jede Handlung mit Ordnung vor ſich ging, Aber die Sitten der Mit: 
glieder, fo wie über aͤußere Zucht zu waden, bie Ungehorſamen zu 
beftrafen, befonbers ben Baun oder die Ausfchliegung über fie auszu⸗ 
ſprechen und bie Reuigen wieber aufzunehmen, vorkommende Sereitig⸗ 
keiten zu ſchlichten, Bortraͤge ber das Geſetz und die heiligen Schriften 
zu halten, und endlich das Wermögen ber Synagogen zu verwalten. 
Das Amt der Presbyter in den erſten chriſtlichen Gemeinden. erforderte 
gerade dieſe Dienſtleiſtungen; baher kann man ihre Amtspfiktten im 
apsflolifchen Zeitalter beziehen: 


231 Presbyter. 


a) auf die gottesdienſtlichen Juſammenkünfte. 
Hier hatten fie auf Ordnung zu ſehen und für religioͤſe Erbauung 
mittelbar und unmittelbar zu forgen. Damit flimmen auch die Nach⸗ 
richten überein von Juſtin dem Märtyrer und Tertullian. Der erſte 
Apol. 1. c. 87. erzählt, die Chriſten Hätten fiy an jedem Sonntage 
in frommmer Abfiht verfammelt, der Vorfteher (ngoeorws) habe über 
verlefene Abfchnitte der heiligen Schrift geſprochen und alsbann das 
Öffentliche Geber fo verrichtet, daß die übrigen entweder nur zuhörten 
oder felbft mitfprachen. Damit flimmt auch Zertullian überein, Apo- 
loget. c. 89. p. 95. Jedoch pflegten auch die chriftlichen Aelteften, 
wie in den jüdifhen Synagogen, nad) dem Verleſen der biblifchen 
Abſchnitte diejenigen aufzurufen, welche öffentlich lehren wollten. Das 
Ganze beſchloß dann ber Gemeindevorſteher mit einer herzlihen Er» 
mabnung. Bingh. Vol. VI. p. 122. Ob fie das Taufen ausfchlies 
$end in diefem Zeitalter verrichteten, läßt ſich ſchwerer beſtimmen, als 
Daß fie die Feierlichkeiten bei ber Euchariftie leiteten. Cfr. Clemens 
Rom. ep. ad Cor. $. 40— 42. Justin. Mart. Apol. 1. c. 55. 

b) Abgefehen von ihren Verrichtungen in den gottesdienfilichen 
Verfammlungen hatten ſchon die Apoflel den Presbptern eine Stimme 
zugeflanden, wenn es galt zwedimäßige Einrichtungen in den einzelnen 
Gemeinden zu treffen und über Gegenftände zu berathfchlagen, die das 
Wohl der gefammten neuen chriftlihen Religionsgefellfchaft betrafen, 
Act. 15, 6. 23. 16, 4. Beſonders lag ihnen die Sorge ob für die 
Armen und Kranken der Gemeinde, Zac. 4, 15., und Paulus er: 
mahnt fie, Act. 20, 25., darum zur Thätigkeit, damit es ihnen nicht 
an Mitteln fehle der leidenden Armuth Beiſtand zu leiſten. Zu Ges. 
hülfen ihrer Wohlthaͤtigkeit machten fie dann —*28 die Diaconen. 
Nicht minder waren fie verpflichtet, uͤber bie Reinheit der Lehre und 
dee Sitten zu wachen. Männern, bie fi in ihren Vorträgen von dem. 
einfachen, fruchtbaren Unterrihte im Chriftenchume entfernten, follten 
fie entgegen wirten, Apoc. 2, 2,, und Sittenreinheit überall aufrecht 
erhalten, Apoc. 2, 14. 1. Cor. 5. Auch Xertullian ſchreibt Se- 


niores oensurae ecclesiasticae praesedisse. Dieß find die erſten Spus 


een ber kirchlichen Disciplin, die in guter Abſicht eingeführt, fpäter fo 
ſehr gemißbraucht wurde. Auch hatten fie entflandene Streitigkeiten 
zu ſchlichten, 1 Cor. 6, 1—6., gerade wie die jüdifchen Aelteften, bie 
dieß Recht mit gewiffer Einfchränkung felbft unter der Herrſchaft ber 
Römer behaupteten. Joseph. de bello Jud. 1. 2. c. 20. $.5. Die 
den Römern eigenthümliche Politit, den von ihnen beherrichten Völkern 
gewilfe Gefege zu laffen, kam auch anfangs den Chriften zu Statten, 
fo fange als man fie noch nicht verfchieden von den Juden anſah, und 
darum darf es uns nicht wundern, wenn wir bie Presbpter im apoſto⸗ 
liſchen Zeitalter mit einer gewiſſen obrigkeitlihen Gewalt bekleidet fehen. . 
Aus allem diefen ergiebt ſich, daß in ben erften Jahrzehnten bes Chri⸗ 
ſtenthums die Presbptee viel Aehnliches mit den jüdifchen Spnagogens 
vorftehern hatten, und daß der Name Bifhof und Presbpter gleiches 
Unfehen aenoifen- Allein 
1) nah dem apoftslifhden Zeitalter gedich es 
bald dahin, daß die presbyter in ein untergeorb: 
‚netes Verbäliniß Famen, und die .zweite Abſtu⸗ 


— 





Presbyter. 2325 


fung des Rleras nach den Biſchöfen zu bilden ans 
fingen. — So ſchwer es iſt, die Zeit, wo diefe Veraͤnderung 
eintrat, genau nachzuweiſen; darf man doch im Allgemeinen wohl 
ſchon das Ende des erſten Jahrhunderts annehmen. Was zu dieſem 
untergeordneten Verhaͤltniſſe der Presbyhter beigetragen babe, tft zum 
Theil ſchon in dem Artikel Biſchof angeführt worden... Hier nur noch 
die Bemerkung, daß die Presbpter ſelbſt durch Leidenfchaftlichkeit und 
Ehrgeiz zu‘ diefee Veränderung beitrugen. Nach dem Dingange ber 
Apoftel und Apoſtelſchuͤler waren die an Würde fonft nicht verfchiedes 
nen Presbpter darum oft uneinig geworden, baß fie diejenigen unter 
den Laien, welche fie getauft hatten, als ein befonderes Eigenthum 
betrachteten, wodurch nicht nur Zwiſtigkeiten unter den Klerikern, fon: 
dern auch unter den Laien entflanden. Um dieſe zu befeitigen fah man 
ſich genöthigt die Hauptregierung der Kirche einem Einzigen unter den 
Aelteften aufzutragen, welcher über die Gemeinde und die übrige Geiſt⸗ 
Lichkeit die Aufficht und daher den Namen eines aloxonocç im engern 
Sinne führen ſollte. Dieß wird Mar aus einer Stelle des Hierony⸗ 
mus, wo er fchreibt: : „Ein Aeltefter und ein Biſchof fei einerlei, und 
„ehe noch durch Antrieb des Satans Trennungen in ber Kirche ents 
„fanden, und Einer unter dem Volke Paulifh, der Andere Apolliſch, 
„dee Dritte Kepbifch heißen wollen, fei die Kirche gemeinfchaftlih von 
„den Aelteſten regiert worden. Nachdem aber ein jeder Aeltefter dieje⸗ 
„migen, die er getauft hatte, fih als die Seinigen zueignete, habe 
„man in dee ganzen Welt befhloffen, daß einer unter den Aelteſten 
„über bie andern gefegt und bemfelben die Sorge ber ganzen Kirche 
„anvertraut werden follte, bamit auf ſolche Weife die Trennungen aufs 
„bören möchten.” — Allein ohne Kampf und MWiderfpruch mar dieſe 
Neuerung nicht erfolgt, daher auch die Briefe eines Stemens von Rom 
und des Ignatius voll find von dringenden Ermahnungen, ſih dieſe 
Einrichtungen gefallen zu Laffen und den Bifchöfen. den ſchuldigen Ge⸗ 
borfam zu ermweifen. Clem. Rom. ep. ad Corinth. e. 2. — Sf 
feenee der Grundſatz richtig, daß das, mas duch Synodalbeſchluͤſſe 
näher beflimmt wurde, bereit vorher ſchon Hin und wieder in Wir⸗ 
fung getreten feyn mußte, fo finden wir [don im 2. Sabrhundert 
Synodalverordnungen, wodurch der Biſchof als Herr und Gebieterz 
die Presbyter hingegen als Untergebene und Diener betrachtet wurden. 
Däufiger werden dergleichen Beſchluͤſſe im 8. Jahrhundert. Coneil. 
Antioch. (a. 270) can. 5. Da aber felbit die berühmteflen Kirchen⸗ 
lehrer Presbpter waren, fo darf man fih nicht wundern, daß feldft 
fpät noch im 4. Jahrhundert ein Hieronymus und Chryfoflomus hom. 
11. über 1 Timotheus 8. das untergeordnete DVerhältniß der Presbyter 
unter die Biſchoͤfe mißbilligen; ein Umſtand aber, der zugleih auch 


deutlich beweift, daß jenes Verhältniß bereite müffe ziemlich allgemein 


Statt gefunden haben. Was nun Ihre Amtöpflichten und Auszeichs 


nungen in bdiefee mehr umtergeorbneten Stellung betrifft, fo waren . 


es folgende: Mit Genehmigung oder im Auftrage des Biſchofs 
konnten fie, er mochte gegenwärtig ober abwefend ſeyn (f. den Arti⸗ 
kel Bifchof), 

1) Sffentlih lehren und predigen. Im 4. Jahr⸗ 


hundert ſcheint es ſchon allgemein uͤblich geweſen zu fen, baß dieß 
1 - 


Siegel HVandbuch IV. 


BT Me 


Selhäft von ben Presbytern anflatt der Biſchöfe verrichtet wurde. 


Dieb bemeift unter andern Auguftins und Chryſoſtomus Beiſplel; 
2) taufen und die Ratehumenen unterrichten. 


. Daher hatte auch Eyellus, Biſchof von. Jeruſalem, feine Katechefen. 


unftreitig als Presbyter ſchon verfertigt; 

3) das Abendmahl halten und in Abweſenheit 
des Biſchofs auch conſecriren. Selbſt das oͤffentliche 
Gebet verrichteten fies | 

4) die Büßenden wieder aufnehmen und die 
GBetsuften comfirmiren,. Diefe Verrihtung wurde ihnen jes 
doch felten Übertragen; 

5) bie Hand bei der Ordination der Presbyter 
"mis auflegen, obgleih der Biſchof die eigentliche Conferration 
verrichtete. Cone. Carthag. 4. can, 8. Constitt, eoeles. Alexandr. 
ean. 6. Gratiani deeretum dist. 23. 0. 8. 

Was die Auszeichnung In ihrer amtlichen Stellung betrifft, fo 
Sanın man Kolgerldes hierher rechnen. - ’ 

1) Die Presbyter waren Mitglieder bed Senatus ecclesiae, Con- 
eil. ecolen., früher Presbyterium, Synedrium presbyterer. Dieß Cols 
leglum entfchled unter dem Worfige des Biſchofs Über alles, was die 
Kirchenordnung dettaf. Auch für die eigentliche Kiechendisciplin waren 
fie mit thaͤtig; dieß flieht man aus mehrern Briefen Cyprians, z. B. 
Br. 6, 14. 28. Epiph. haeres. 57. num. 1. 
| 2) In der Kirche ſelbſt Hatten fie folche Sige, die man ebenfalls 
throni, und zwar throni secundi dieß, um fie von dem Gige ber 
Bifchöfe zu sunterfcheiden, der etwas erhabener war. An diefer Bir 
fchoffig, thronus medius, sedes media, ſchloſſen fich auf beiden Sei: 
ten die Sige der Presbyter an und bildeten einen Halbzirkel, daher 
«orona presbyteror. Theodoret. h. e. I. V. co. 3. 

3) Welch Anfehen die Presbpter in ben etften Jahrhundetten ges 
noſſen, ſieht man aus den Ehrentiteln, die man ihnen eben fo wie 
den Bifchöfen ertheilte, z. B. nooeorwzes, npooTuraı, duces, guber- 
natores, vid. Bingham Vol. I. 1. 2. c. 19 $, 14. Borzüglih wur⸗ 
ben fie von dem Verfaſſer der ‘apoftolifchen Conflitutionen, vom Drigenes, 
Chryfoftomus, Baſilius mediateres inter Deum et homines genannt. 

4) Auch auf Kicchenverfammlungen, ed mochten Provinzials ober 
allgemeine Spnoden ſeyn, hatten fir Sig und Stimme und konnten 
. aomine proprio das Jus zuflragli ausüben. Oft erichienen fie hier 
als Stellvertreter ihrer Biſchoͤfe. Euseb. h. e. 1. 6. 0. 48. Cone. 
Ittiberitan., 100 in dem procemium der Zahl von 36 Presbptern ges 
dacht wird. | 

5) Seibſt in andern Faͤllen thaten oft die Biſchoͤfe nichts ohne 


Worwilen der Presdyter. Go hat 3. B. Eyprian keine Hypodiaconen 


ohne ihre Einſtimmung ordiniren wollen. Siricius (sec. 4.) bringt 
Jovinians Sache an die Presbpter ep. 2. ad eccles. Mediolan., womit 
Synesil ep. 57 und 58. zu vergleichen find. u 

Aus dem zeither Gefagten ergiebt ſich, bag bi6 zum Aten und an 
mandyen Orten bis zum 5. Seculo die Stelung ber Presbpter, beſon⸗ 
bers wenn Harmonie zroifchen ihnen und den Bilhöfen Statt fand, 
Inner noch ein ausgezeichnetes Kirchenamt blieb. Aber vom dem ges 


Presbyter. 2m 


nannten. Zeklpunicte an finft das Anfchen und ber Einfluß ber Presbyter 
Immer mehr, wozu außer anlpen Urſachen befonders folgende zwei 
mitwirkten: 

1) Das immer höher ſteigende Anſehen der Biſchoͤfe, die num 
ſelbſt ihre Surisdiction auf bie üdrigen Biſchoͤfe ausdehnten. Wie 
natärlih war ed nun, daB fie biejenigen Kleriker befchränkten, von 
benen fie oft Widerfpruch erfahren hatten. 

2) Der Umftand, daß von dem 3. Seculo an ber chriſtliche Kle⸗ 
zus gern wie die jüdifhe Priefterfhaft wollte angefehen ſeyn. Dadurch 
wurde es bald gewöhnlih, daß man den Biſchof mit dem Hohenprie⸗ 
ſter, die Presbyter mit den Prieftern, und die umtern Kleriker mit den 
Leviten verglih. Dadurch kam «8 allmählig dahin, daß fie ihre früͤ⸗ 
bern Auszeihnungen verloren, und ihnen nur gewiſſe liturgifche Ver⸗ 
richtungen übrig blieben, benen man nach und nach in der römifchen 
Kirche eine hohe Wichtigkeit beilegte, und die Weihe dazu felhft zu 
den Sakramenten zählte. Kleriker nun, die zu folchen liturgiſchen 
Geſchaͤften geweiht wurden, hießen im engern Sinne Sacerdotes (im 
Deutſchen Priefter, unleugbar aus dem aͤltern Presbpter entſtanden). 
Als ſolche bilden fie noch jetzt eigenthuͤmliche Abſtufungen in ber roͤmi⸗ 
ſchen und griechiſchen Kirche, wovon ſogleich die Rede ſeyn wird. 

Ordination der Presbyter. Es iſt bekannt, daß hie 
Ordination in der fruͤhern chriſtlichen Kirche blos in Auflegen der 
Haͤnde und damit verbundenen ſchicktichen Gebeten beſtand. So iſt es 
verordnet im Cone. Carthag. 4. can. 8., wo es heißt: Presbyter 
cum ordinatur, Episcopo eum benedicente, et manum super caput 
ejus tenente, etiam omnes presbyteri, qui praesentes sünt, manus 
suas juxta manum episcopi super caput iltius teneant. Dieß mar 
hoͤchſt wahtſcheinlich allgemeine Obfervanz; denn auch in den alerans 
drinifchen Kirchenverordnungen finden wir dieſelbe Vorſchrift. Wenn 
einige ältere Gefege der Kicche, Can. apost. c. Il. Conc. Carthag. 5. 
e. &5., verlangen, der Presbpter folle nur von Einem Biſchofe ordinizt 
werden ; fo folgt daraus noch nicht, daß nicht auch Presbyter hätten 
ordinirt werden duͤrfen, ſondern es ſollte wohl nur ein Unterfchted zwi⸗ 
hen der Drbination des Biſchofs und des Presbpters Statt finden, - 
indem bei der bifchäflichen Weihe drei Biſchoͤfe nöthig waren. Die 
Weiheformel eines Presbpters, deren ſich Die roͤmiſche Kirche noch bes 
dient, naͤmlich recipe potestatem efferendi sacrificium Deo et oole- 
brandi missam tam pro vivie, quam pro mortuis fommt in dem 
exſten neun Jahrhunderten gar nicht vor, und es ſcheint auch feine 
fichende Formel nöthig geweſen zu feyn, indem bier jedem KBifchofe 
freie Wahl gelafien_ wurde. Die in ben apoflolifhen Gonftitutionen 
befindliche Formel 1. VIII. o. 16. enthaͤlt die Ausdruͤcke offerre aaeri- 
fieium und oelebrare missam gar wicht. 


Was von diefem RKirchenamte noch jegt in der 
briftliden Welt übrig fei. on der Presbyterlaiverfaffung 
der erften chriſtlichen Kirche finden wir noch jegt in England eine Nache 
ahmung. Hier heißen diejenigen in ber englifchen Kirche Presbyterias 
ner, die fih den fogenannten Eypiskopaten widerfeuten, die Biſchoͤfe 
verrsarfen, eine allgemeine Gleichheit ber Kirijendiene behaupteten, 


228 Presbyter. 


] 

und den Verſammlungen derfeiben alle Gerichtsbarkeit in. kirchlichen 
Angelegenheiten zugeflanden. Sie hahjn Ihren Namen baber, weil fie 
darauf dringen, daß das -Kirchenregiment nur den Presbptern, d. i. 
den vorfichenden XAelteften in Verbindung mit den Religionelehrern, zu 
überlaffen fei. Es giebt bei ihnen größere und kleinere Preöbpterien. 
In Schottland, wo die presbpterianifche Kirche die herrſchende ift, giebt 
es folcher größern Presbpterien gegen 70, die fih mit den Bisthumern 
oder Didcefen vergleichen Laffen. Ihre Vorſteher oder Presbpter wers 
den von den Geiſtlichen gewählt und haben kein befonderes Oberhaupt, 
weil Gleichheit unter den Kirchendienern Statt finden ſoll. Alte ein 
zelne Prediger in bdenfelben und auch die Kirchenvorftcher, welche keine 
Beiftlihen find, heißen Presbyteri, fo daß fie an die presbyteri regen- 
tes und docentes der alten Kirche erinnern, Uebrigens hat auch jede 
einzelne Kirche ihr presbyterium, da6 aus dem Prediger und Vorſte⸗ 
her beftehe, und wöchentlih eine Sigung hält. Diefe Preöbpterien 
insgefammt flehen wieder unter Provinzialfpnoden, wozu alle halbe 
Jahre Deputirte gefchictt werden. Sie verfammeln fih in ber vor: 
nehmften Stadt der Provinz, von welcher bie Synode felbft ihren Nas 
men erhält. Gewöhnlich machen ‚gegen zwölf ſolcher größern Presbys 

‚terien eine Provinzialfpnode aus. Dann wird jährlih zu Edinburg 
eine GSeneralfpnode der ganzen fchottifchen Geifttichkeit gehalten, wozu 
die Preöbpterien ihre Abgeordneten fchiden. — 


In der roͤmiſchen und griechiſchen Kirche ſchreibt ſich von den 
Dresbptern der alten Kirche noch diejenige Abſtufung des Klerus her, 
bie unter bem Namen Priefter im engern Sinne vorkommt. Sn jener 
gehört das Sacerdotium zu den fo genannten höhern Weihen (ordines 
majores). (SG. Grundmayr's Lexikon der römifch = Batholifchen Kir⸗ 
chengebräuche, im Artikel Prieflerweihe, wo auch die dabei gewöhnlichen 
Geremonien erzählt find.) Nah dem römifchen Kirchentechte iſt ein 
Priefter derjenige, des durch die Priefterweihe, melde allein vom Bis 
ſchofe verrichtet werden kann, ‚die Befugniß erhält, Meſſe zu Iefen, 
Beichte zu hören, zu kaufen, ba8 Abendmahl und die legte Delung zu 
reihen, zu trauen und zu predigen. Diefe Priefterweihe wird zugleich 
als ein Sakrament angefehen, welches characterem indelebilem ges 
währe, und der Coͤlibat ift damit nothwendig verbunden. 


In der griechiſchen Kirche folgen bie Ptesbyter oder Priefter der 
Drdnung nad) gleich auf die Biſchoͤfe. Ihr Gefchäft beſteht meiſtens 
in Meſſe lefen, Beichte hören, taufen, trauen zc., und felten nur pres 
digen fie. Die Priefterweihe fieht die griechiſche Kirche ebenfalls als 
ein Sakrament an; jedoch ift den Priefkern erlaubt, einmal, und zwar 
eine Jungfrau, zu heirathen. — Auch in der evanpelifch = Iucherifchen 
Kirche hat man die angeftellten Geiftlihen, wenigſtens noch in ber 
legten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Priefter genannt, jedoch nicht im 
Sinne des A. 8. und der heidnifchen Religionsverfaſſung, fondern 

- mehr in der allgemeinen Bedeutung, wo es ſynonym mit dem Worte 
Geiſtliche iſt. Auch verfagt bie zömifhe Kirche den proteftantifchen 
Geiftlihen den Namen Prieſter und wid fie nur Prädilanten genannt 
wiſſen. Jetzt iſt dieſer Name in der proteflantiihen Kirche. feltener 
geworden, weil man ba6 Unfchidliche deſſelben zue Stellung eines Geiſtli⸗ 


Presbyter. 229 


chen in dieſer Religionsgeſellſchaft nothwendig fuͤhlen muß. — Ganz 
neuerlich ſind auch in ber evangeliſch⸗lutheriſchen Kirche die Presbyte⸗ 
rien, wie fie Hin und wieder bei den reformirten Gemeinden angetrofs 
fen werden, zue Dandhabung einer beffern Kirchendischplin in Vorfchlag 
gebracht worden. Aber die flreitenden Stimmen für und wider find 
noch zu feinem Refultate gelangt, deflen die neuefte Geſchichte als 


einer wefentlihen Beränberung in der dußern Kicchenverfaffung gebens , 


ten müßte. 


v 


19. . 


Proceffionen 
im frühern und’ fpätern Kultus ber Chriften, 


T. Rame, Begriff, Urfprung und Alter der Proceſ⸗ 
fionen. IL. Verſchiedener Zweck der Proceffionen und 
Darum verfchiedener Eintheilungögrund derfelben. TIL Art 
"und Weife die Procefjionen zu halten. IV. She Beſte⸗ 
ben noch in der heutigen chriftlihen Welt. 


Literatur. MWonograpbien, a) in der römifchen 
Zircdhe: Nic. Serarii sacri peripatetici, seu libri Il. de sacris 
ecclesiae catholicae processionibus. Colon, 1607. a. in fein. Werken. 
(Mogunt. 1611. Fol.) Tom. IH. — Jacob. Gretseri libri 2. de eccles. 
zom. proocessionibus seu supplicationibus. Ingolst. 1606. -4. a. in 
feinen Werken (Ratisbon. 1734.) P. V. Tom. I. — Nicelai Sun- 
deri auctariolum ad Serarium Gretserumque de ritu catholicar. 
processionum. Ipris 1640. 8. — Jac. Eveillon de processionibus 
eoclesiasticis. Paris 1641. 8. — Christ. Lupi dissert. de sacria 
processionibus in fein. Operib. Vened. 1724. Fol, — De pro- 
. vessionibus rite celebrandis. Paris 1678. 8. — Ueber ben erfien 
Urprung und die Befchaffenheit der Zelte, Faſten und Bittgänge der 
katholiſchen Kiche. München 1804. Nur dogmatifch iſt die Abhands- 
-Aung: Weber außerordentliche kirchliche Proceffionen in der Kicchenzeis 
tung für das katholiſche Deutfchland. Jahrg. 1833. März (ES laſſe 
fi) kein vernünftiger Zweck durch fie erreichen; bagegen Bemerkungen 

der Redaction.) 

b) Monographien in der proteftantifhen Kirche. 
Jo. Franei Diatribe duplex de ritibus ecclesise latinae judaicis in 
den parergis theologieis, womit Joh. Casp. Kregelii exerc. de pro- 
cessionibus sacris et civilibus Hebraeorum zu vergleihen iſt. — 
do. Adolph. Hartmann dissert. de Ambarvalib. Pontificior. Marp. 
1740. 4. — Paul Antoni dissert. de saoris Gentilium processionibus, 
Lips. 1684. 4. — J. M. Chladen de stationibus veterum Christie- 
norum, Lips. 1744, 4. - 

0) Allgemeinere Werke. Muſſard's Vorſtellungen ber 
bei den Heiden üblichen in die chriftliche Kirche eingeführten Gebräuche 
p. 82—98. — Bingh. antig, ecoles. VIII. p. 80 seqg. Vol. V. 
p. 29 aeg. — Blackmore's chriſtliche Alterchümer Thl. IL p. 16 


Proceffionen. 231 


vis 18. — Baumgartens Erktämung ber chrifil. Atserihümer p. 442 — 
43. — Augufti’s Denkwuͤrdigkeiten 10. Bd. p. 15 ff. — Binterim’s . 
Denkwuͤrdigkeiten 4. Bd. 1. Thl. p. 655 ff. — Blunt Urfprung relig. 
Geremonien -uud Gebräuche. Leipz. und Darmſt. 1826. Zugabe HL. 
Proceffionen der alten und neuen Zeit p. 187. 
> 1) ame, Begriff, Urfprung und Alter der Pro 

cefflonen. — Ein Schriftſteller aus ber roͤmiſchen Kiche (Müller 
in feinem oft angeführten Lexikon x. 4. Bd. p. 200) befinirt die Pros 
ceffionen alſo: Sie find Sffentlige, unter gewiffen 
gottesdienſtlichen SeierlidhBeiten veranftaltete Auf— 
züge, welde nad einer betimmten Sorm und Ords 
nung von einer oder mehrern Rirchengemeinden 
gemeinfhaftlid an beſtimmten Tagen begangen, 
und tbeils inner, theils außerhalb des Bottess 
Haufes abgehalten werben. So Lange fie fih nur auf das 
Innere der Kirchen beziehen, unterliegen fie blos der Aufficht und Lels 
tung der Kirchenvorſteher; fobald fie aber außerhalb der Kirchen gehals 
ten und in entferntere Kirchorte geführt werden, tritt nebſt der kirchli⸗ 
chen Auffiht auch die polizeiliche ein. Daß das Wort processio im 
früheften chriſtlichen Alterthume in einer andern Bedeutung gebraucht 
wird, laͤßt fih aus den diteften Kirchenfcribenten fehr Leicht darthun. 
Processio hieß Anfanas bios bee Beſuch der gottesdienfilichen Vor⸗ 
fammiungen und die Theilnahme an den kirchlichen Religionsuͤbungen. 
Es wird allerdings der haͤuslichen Andacht entgegengefest und «ine Go⸗ 
meinfhaft mit andern vorausgefekt, aber ohne die Vorſtellung einer 
befondern Feierlichkeit, Deffentlihleit, Schmuck u. f. w. bamit zu 
verbinden. Procedere heißt in diefer frühern Zeit encris interesse, 
saora frequentare. Die Hauptfiellen für biefen Sprachgebrauch finden 
fi) bei Zertullian, z. B. in ber Schrift ad uxor. 1. AL. o. 4. p. 189. 
—— De praesoriptione haeref. o. 48. p. 248. — De eultu fominar, 
j. I. 0. 11. p. 180. Lieft man naͤmlich diefe Stellen genauer nad, 
fo ergiebt ſich fehr leicht aus dem Zufammenhange, baß hier Procensie 
von dem Beſuche der gottesdienftlichen Verſammlungen im Gegenſatze 
»von statio und jejunium im Haufe, fo wie von den vwisitandis fra- 
tribus (fi. o. Krankenbeſuchen) und bergleichen -veritanden werden muß, 
In mebrern Kirchengefegen und Gchriften wird Proosssio 

1) ohne weiteres für gottesdientlihde Vexs 
fammlung gefegt. Das griechiſche Wort ovvakıc (fo vi 
als. auvayuyı, avAAoyog, efe. Suiceri Thessur. Tom. II, p. 110 
— 11) wird bald durch LCollacte, bald durch Copventus, Hal 
durch Prooessio uberſezßt. So werben Conc. Laod. oan. VII. bie 
Worte: zspl Tou un deiv dnıovranter dv Talc ovrasını Todg 
waluous in der alten lateiniſchen Verſion ausgebrädt: In pror 
eessionibus on licsat psalmos sontexere. Und zwar wird dieſe 
Benennung zumellen ganz algemeln und ohne befonbere Bezichung 
auf die Euchariftie gebraucht. — Zur Zeit der osclesin pressa dounte 
bas procedere ad aaere freilich mehr insgeheim, als oͤffentlich geſche⸗ 
hen; aber ſeit erlangter Freiheit der Religionsübung wurde die prosessie 
das, was man jetzt eine Kirchfahrt zu nennen pflege. In fruͤherer 
Beit wurbe jedoch das Mort Proossie auch 


233 2 Droceffionen. 


2) häufig von einzelnen religidfen und Firdhlis 
hen Handlungen gebraucht, und bebeutet dann oft fo viel, 
ald comitatus, coetus ordinate dispositus et procedens, wenn «6 
auch feine processio plenaria et pompa ift. In der griechifchen Ueber: 
fegung der Novellen, z. B. Nov. LXVU., Nov. CXXIll. c. 32. 
wird fowohl Litania als Processus durch duo, nadsodog Überfegt 
und von jeder Aet- religiös kirchlicher Feierlichkeiten genommen. Es 
gehören dahin die processiones funerales s. funerariae, Leithenbegängs 
niffe, .Leichenconducte, wobei die Comites (eigentliche Leidtragende, 
Verwandte) und Spectatores unterihieden wurden. (Vergl. den Xtt. 
Verftorbene.) Auch bie Processiones et pompae nuptiales find hierher 
zu rechnen, von welchen wir im Artikel eheliche Verbindung Bd. 2, 
p. 23 gefprochen haben. Noch findet ber befondere Sprachgebraud 
Statt, daß ‚ 

3) die Aufſtellung und Anordnung der Kate 
chumenen, fowohl bei ber traditio symboli als beim Taufact 
an den großen KZaufterminen und bei der Präfentation als Neophy⸗ 
ten am Sonntage Quasimodogeniti processio und processus von den 
Griechen vorzugéweiſe mooßaoıc genannt wurde. ben fo die Ord⸗ 
nung und Meihefolge ber Communilanten bei den Oblationen und der 
Euchariſtie. Alles dieſes aber gehörte zur Arcandisciplin, und wurde 
: den Augen: ber Katechumenen eben fowohl als dee Profanen entzogen. 
Mur zur Zeit der Saororum puhlicorum wurde die Bedeutung 


. von Processio 


‚4 als felerlibe und Sdffentlihe Aufzüge für 
ewiffe. religiöfe und Eirhlihe Swede vorberrs 
hend. wie dieß Wort noch jegtin den Syflemen der 
griehifchen und römifhen Kirche gebraucht wird. 
Man nimmt gewöhnlih, um den Urfprung dieſer feierlichen Aufzüge zu 
erklären, einen dreifachen Entftehungsgrund an, nämlich bie Analogien 
aus dem jüdifhen und aus dem heibnifchen Alterthume, fo wie befons 
ders auß der Erzählung des N. T. vom Einzuge Chriſti in Jeruſalem, 
wie er Mt. 21, 1—11. und in den Parallelſtellen befchrieben wird. — 
Und in der That konnten alle drei Urfachen zufammenmicken. Zur. 
Zeit der Saororum publieorum wurbe Processio und Processus im 
altsrömifhen Sprachgebrauche genommen, wonach es theild den Auf: 
marſch des Heeres, theil6 den feierlichen Aufzug der Conſuln auf ben 
Circus maximus, theild den Einzug der Kaifer und Statthalter in ihre 
Reſidenzen bedeutet. Die alten Griechen brüdten e8 duch nounn und' 
nopanounn aus. Die Byzantiner fagten npdxeson und nopöxevan, 
und brauchten es fomohl im politiſchen als im kirchlichen Sinne; 
S. Steph. Balusii Miscellen. s. Collect. vet. Monument. Tom. IV. 
p. 58. Der feierliche und glänzende Aufzug, welchen bie SKaifer zu 
Eonfiantinopel alljährig an gewiffen Tagen zu halten pflegten, bieß 
voxzugsweiſe zgöxsvoos, wie man unter andern aus Leonis Diaconi 
Histor, 1. IV. c. 7. p. 64. (edit. Niebuhrii 1828) erfieht. Hier 
heißt es vom Kaiſer Nicephorus: IIpoxevoov de zara nv Tod oWwTn- 
E95 üvyalmyıy xara To eldsculvov Fo ruxwv En! vv xakovulınv 
Ilnyny noımoaufvov ou Paokkwg (vedg dd zavım nepıxaldng Ti 
Dcosoxu dedoumzar) dapagmug — ovrifarvey etc. — Übgleid) 





Proceffionen. 833 


diefee Aufzug am Simmelfehrtsfefte, und wahrſcheinlich nach ber Muts 
tergottesticche gehalten wurde, fo gehört er doch eben fo zu den politi: 
fehen Feierlichkeiten, vole ber berühmte Aufzug bes Doge von Venedig 
am Dimmelfohrtötage. Aber die Nach⸗ und Umbildung folcher Feier: 
lichkeiten in kirchliche kann daraus leicht erklärt werben. 

Solche Aufzüge. waren nun die kirchlichen Processiones plenariae 
et pompae solemnes bei gewiſſen feierlichen Gelegenheiten, ‚bei ber 
Birchlichen Feier von Sieges:, Dank: und Huldigungsfeften, bei ber 
Confecration, Inthronifation und Einholung der Biſchoͤfe, Metropos 
litane und Päpfte. Die Erzbifchöfe und Bifchäfe traten hierbei an die - 
Stelle der römifchen Conſuln und Kaifer, und es ward dabei alle Pracht 
und Kleidung der Inſignien, welche mit der Würde der Kirche nur 
immer vereinbar ſchien, an den Tag gelegt. 

Dem Vorwurfe nun, daß man etwas Profanes in das Cheiften: 
thum übertrage, fuchte man buch die Bemerkung zu begegnen, daß 
fon im A. X. häufige Beifpiele falcher Feierlichkeiten vorkaͤmen, wels 
che man unbedenklich nachahmen könne Man berief ſich auf die Chöre 
der Sänger und Jungfrauen zur Siegesfeier, wie 2 Mof. 15. 1. 20, 
21. Richt. 11, 34. 21, 21. 1 Sam. 10, 6. 18, 6. 7. Pſ. 68, 26. 
u. ſ. w. — Noch mehr Berechtigung und Aufforderung aber glaubte 
man in der Erzählung des N. T. vom Einzuge Chrifti in Jeruſalem, 
. Me. 21, 1— 11. zu finden. Solche Freudenzuige wurden daher auch 
blos Osanna genannt. Vergl. Hieren. ep. 145. Eine: voliftändige 
Beſchreibung einer kirchlichen pompa solennis giebt Polydor. Vergil. 
de invent. rer. I. Vi. p. 295—9. Es beftätigt ſich die 
ſemnach unfre obige Behauptung, daß ſich aus den 
Analogien des hbeidnifhen und jüdifhen Alter: 
tbums, fo wie aus der evangelifhen Geſchichte des 
V. T., diefpädtern Firhlihen Proceffionen genügend 
erklaͤren laffen. 

Wie leicht fi nun auch der Urfprung biefer feierlichen, kirchlichen 
Aufzüge nachwelfen läßt, fo wenig ift man doch über das Alter diefes 
Gebrauchs gleicher Meinung. Gewöhnlich legen katholiſche Schtiftſteller 
den Licchlichen Proceffionen ein hohes Alter bei, und leiten fie theils 
aus dem X. T., theild aus der apoflolifchen Zrabitionsanorbnung ab. 
Dagegen haben andere Schriftfteller diefer Gonfeffion über diefen Ges 
genftand freier und richtiger geurtheilt. Beſonders verdienen die Bes 
merkungen beachtet zu werden, welche man in Binterims Denkwuͤrdig⸗ 
keiten Thl. IV. Bd. 1. p. 555 findet. Der Berfaffer fagt hier p. 560: 
„Wenn fon bie Proceffionen an fidy nicht zum Weſen ber Religion 
„gehören, fo find fie doch mit der Auferlichen Ausübung derfelben fehr 
„eng verbunden , baher jede Religion, bie jüdifche ſowohl wie die heid⸗ 
„niſche, ihre Bittgänge und Proceffionen hatte. Nach biefen Grund: 
„fügen kann man bie Proceffionen von der Epoche ableiten, voo dem 
„Chriſtenthume freie und öffentliche Religionsuͤbung geftattet wurde. 
„Man trifft zwar In einigen Altern Kirchenvaͤtern auf Stellen, bie eine 
„Proceſſion auszudrüden feinen; allein wie wollen hiervon keinen 
„Sebrauch ‚machen. In den Zeiten der Verfolgung, wo die Ghriften 
„kaum in den Gräbern und untericdiihen Höhlen ficher waren, darf 
‚man keine Umgänge, keine feierlichen Bittgänge fuchen. Doch iſt es 





24 VProceſſionen. n 


omoͤglich, daß bie Chriſten in ben ruhigen Zwiſchenzeiten, auch ſelbſt 
„ia den erſten Jahrhunderten bei befonden Antäffen, ober an ben 
„beſtimmten Tagen, hier und dort einen, obfchon nicht fehr feierlichen 
„Umgang, , oder eine Proceffion hielten. Wir können fogar hierfür aus 
„dem Sahre, wo die Verfolgung Diocletians mwüthete, ein Beiſpiel 
„aufweilen, das nicht: beftritten werden kann. Als im Sabre 290 der 
„Leib des kurz vorher hingerichteten Märtyrer Bonifacius aus Tarſus 
„nach Rom gebracht wurde, ging den Ueberbringern die roͤmiſche Ma⸗ 
„trone, Aglais, mit vielen Klerikern entgegen. Dieb war gewiß eine 
„Proceſſion. Aber eine noch frähere finden wir in ben Maͤrtyreracten 
„des heiligen Cyprian. Sein Leib wurde in der Nacht in einem gro⸗ 
„ven Triumphe bei einem Fackelzuge von ber Gerichtöftelle in das Haus 
„des Macrobius getragen. Dieb geſchah in der Mitte des dritten Jahre - 
„bunderts, im Jahre 258. Dergleihen nächtliche Proceffionen ſcheinen 
„in damaligen Zeiten in Afrika nichts Ungewoͤhnliches geweſen zu feyn. 
„Denn in den Märtyreracten der Heiligen Montanus, Lucius, wird 
„auch davon gefprochen. Es unterliegt alfo keinem Zweifel mehr, daß 
„ſelbſt vor der Friedensepoche bie Proceffionen in der Kirche angenoms 
„men waren.‘ 
Dagegen nun erinnert Augufti mit Recht, 
1) daß die Beweiſe aus den Märtyreracten ents 
lehnt, mit großer Dorfidht zu brauden find, und 
daß es nicht rathſam ıfel, fih allein darauf zu 
berufen; ’ - - 
2) die angeführten Sälle find alle Begräbnißs 
proceffionen. Mit diefen aber hat e8 eine ganz eigene Bewandt⸗ 
niß. Die Heiden hatten ſchon aus Aberglauben einen gewiſſen Reſpect 
vor den Verftorbenen, und hielten e8 für große Rohhelt und Impietaͤt, 
die Begräbnißfelerlichkeiten zu flören. Schon in ber Formel: Reli» 
gionem alicui praestare druͤckt ſich diefe Sefinnung der Römer deutlich 
aus. Wir haben auch beſtimmte Zeugniffe darlıber bei Origines contra 
Celsum 1. IV. c. 18. — Lactant. Institut, divin. 1. V. o. 11. — 
August. de eivitate Dei 1. 1. e. 12. 1. Vil. e. 24. on. «. 
Wenn nun Überbieß die Chriften bei Beſtattung ihrer Todten fidh 
nad) dem Herkommen richteten und ihre Todtenfeier nicht am Tage, 
fondern des Nachts, wie es die römifche Sitte erforderte, veranftaltes 
ten, fo war für die hetdnifche Obrigkeit auch nicht einmal ein Schein» 
grund zu einem Verbote vorhanden. Denn ein Leichenconduct war 
nah römifchen Gefegen fo wenig verboten, daß vielmehr die Unter 
laſſung deſſelben für eine große Unanftändigkeit oder wohl gar Ruchlo⸗ 
figkeit gehalten wurde. Mir finden daher auch, daß den chriftlichen 
Berrdigungen am Tage Schwierigkeiten und Hinderniffe in den Weg 
gelegt wurden. Sn den Fällen aber, wo man den Ehriften die Beerdigung 
der Märtyrer nicht geftatten wollte, finden wir auch eine das Märtye 
rerthum felbft nicht fcheuende Widerfeglicyleit der ChHriften, und daß 
fie theils mit Lift, theils mit Gewalt den theuern Ueberreflen der Zeu⸗ 
gen der Wahrheit die letzte Ehre des Begraͤbniſſes erwieſen. Golde 
Faͤlle findet man Euseb. hist. ecol. 1. IV. o. 15. 3. V. e. 2. L VII. 
& 11.1. VIII. c. 6. 1. IX. e. 10. | lt 
Nun wollen wir zwar keineswegs leugnen, daß bie Begraͤbniß⸗ 


an 


\ 


Proceflionen. . 235 
feierlichleiten Der alten Ghrifien Proceſſionen genamut werden koͤnnen, 
und auch zumeilen fo genammt wurden; aber dennoch, iſt dieß nicht ber 
gewöhnliche Sprachgebrauch. 

Man nimmt gewöhnlih an, daß bie Arianer Veranlaflung geges 
ben hätten, dergleichen Procelfionen in der katholiſchen Kirche einzufuͤh⸗ 
ven, und wir würden barum abermals der Erfcheinung begegnen, Daß 
Haͤretiker Vorbilder der Nachahmung bei den Rechtgläubigen gemorden 
find. Allerdings beruft man fi) bier auch auf beflimmte Thatſachen. 
Aus Erzählungen bei Soerat. h. o, 1. VI. ead. I. VIII. c. 8. und Sozom. 
“hist, erhellt ganz beutlih, daß die Arianer in Conftantinopel, welchen 
Theoboſius der Große bios in den Worflädten ihren Gottesdienſt zu 
halten erlaubt hatte, nicht nur an den Kelten, ſondern aub am 
febenten und erſten Wochentage, des Nachts und am Morgen 
gottesdienſtliche Aufzüge oder Proceffionen hielten. Beide Referenten 
erwähnen wicht blos ihrer das arianifhe Glaubensbekenntniß aus⸗ 
brüdende Wechſelgeſaͤnge, fondern fagen auch ganz beſtimmt, baß ihre 
fingenden Haufen aus der Stadt und durd die Stadt zu ihren Der 
famımlungsprten gezogen wären. Was find das andere als Proceffio: 
nen? Doc mehr beftätige dieß das Verfahren des conflantinopolitanis 
fhen Patriarchen Chryſoſtomus. Diefer naͤmlich hielt es für da6 Rath⸗ 
famfte, das fo viel Beifall findende. Beifpiet der Arianer nachzuahmen 
und den von Briſo geführten und homoufiaftifche Lieder und Antiphos 
nen fingenden Haufen ber Katholiſchen filberne Kreuze und brennende 
Wachefackeln vortragen zu laſſen. Wenn bieß keine Proceffionen ſeyn 
ſollen, fo möchte man wohl fragen, was fonfl dieſen Namen führen 
koͤnne? Man könnte hoͤchſtens fagen, daß es keine folche Litaneien wa⸗ 
ren, wie die Bußgaͤnge vorzugsweiſe genannt wurden, von denen gleich 
die Rede ſeyn wird, ſondern daß fie einen andern Charakter und eine 
polemiſche Tendenz hatten. Es kam auch wirklich zwiſchen den ariani⸗ 
ſchen und katholiſchen Proceffionen zu blutigen Kaͤmpfen, weshalb der 
Kaiſer Arcadius den Arianern dergleichen gottesdienſtliche Uebungen 
unterſagte. Die Katholiſchen aber (dieß find die eigenen Worte des 
Sozomenus VII. 8.), welche auf diefe Weife und aus diefem Grunde 

an a aefangen hatten, blieben bis auf ben heutigen Tag bei 


So gewiß es nun aberaud nach dieſen umnverbächtigen Beugnifjen 
iſt, dab am Ende des 4. Jahrhunderts die Arlaner in Bonflantinopel 
zuerft Proceffionen gehalten und zur Einführung derfelben bei den 
Ratholifhen Gelegenheit gegeben haben, fo wuͤrde es doch voreilig ſeyn, 
bie Arlaner uͤberhaupt für die Urheber der Proceſſionen auszugeben. 
Es kann dieß nur mit Einſchraͤnkung auf Gonftantinopel ale richtig 
angenommen werden. Es fcheint aber, dag manche Schriftiieller aus . 
Beforgnig vor einem haͤretiſchen Urfprunge dieſes Zeugniß lieber ganz 
mit Stilifchweigen übergangen haben (mas auch in der Binterimſchen 
Darfiellung geſchehen iſt); oder daß fie, um das Alter der Proceffionen 
tiefer herabzufegen und als eine römifche Erfindung darzufiellen, zu fe 
ne und fpigfindigen Erklaͤrungen, wie fie Bingham macht, 

Buflucht nehmen. —F 

Aber dieſe an ſich ziemlich geringfügige Beſorgniß iſt ſchon des⸗ 
Halb uumäthig, weil man ſchon frühere, und wie es ſcheint, vom 





I 
236 Proceffionen, 


Arianismus ganz unabhängige Spuren biefer Sitte findet. Es gehört 
dahin ganz vorzüglich das Zeugniß Baſilius des Großen. Diefer bes 
richtet (Basil. M. ep. 63. ad Neocaesar. p. 97), daß in feiner Vaters 
ftadt der Geiſtlichkeit manche kiturgifche Einrichtungen (3. B. die Nocturs 
nen, die Antiphonen, das Pfalmfingen u. a.) mißfielen, weil fie zur 
Zeit Gregor’s des Wunderthaͤters noch nicht eingeführt geweſen mären. 
Darauf erwiedert ee, daß ja auch die Kitaneien, deren 
fie fi jegt bedienten, damals (3u Bregors Zeiten) 
noch nicht gebräuhli waren. Selbſt Bingham (V. 23.) 
muß eingeftehen, daß diefe Litaneien, welche früher nicht befannt was 
sen, von den übrigen liturgifchen Gebräuchen und der gewöhnlichen 
Pſalmodie unterfchieden werden müflen. Da nun Gregor. Thauma-. 
surg. um das Jahr 270 flarb und biefer Brief im Jahre 374 ges 
fhrieben worden (vergl. Nößlers Bibliothek der Kirchenväter Thl. 7. 


72-1385 — 156), fo muß alfo die Einführung dieſer Litaneien in Neu» 


Gäfaren in die Zwifchenzeit von 270 — 374 fallen, alfo weit früher, 
als in Gonftantinopel. 

Das Ergebniß alfo unfrer Unterfuhung über das Alter ber Pros 
ceffionen im Kultus der Chriften dürfte fih dahin geflalten: Pros 
cefftonen jener Battung, die wir anderwärts unter 
dem Ylamen der Supplikstionen, Rogationen, Lk 
taneien befprodhen haben, gebören gewiß ſchon 
dem 3. Jahrhunderte an. Ein Beifpiel der Procef- 
fionen zur Derberrlihung eines Dogma finden 
wir im Seitalter des Chryfoftomus, und Proceffios 
nen, welche als Dank: und Sreudenfefte angefehen. 
werden Eönnen, bildeten fih von der Zeit an, wo 
das Ihriftenthbum Staatsreligion. wurde, fehr haͤu⸗ 
fig und firirten ſich bald aut gewiffe Zeiten, die 
im Laufe eines Jahres wiederlehrten, oder wur: 
‚sen aub durch außerordentlihe Deranlaffungen 
herbeigeführt. Unter die herrlichſten Proceffionen dieſer Art ges 
hört die vom Kaiſer Theodofius veranflaltete Siegesfeier, welche von 
Socrat. hist. ecel. 3. VII. c. 23. befcyrieben wird. 

IH) Derfhiedener Zwedl der Proceffionen und 
verfhiedener Zintheilungsgrund derfelben, — Ad: 
get man auf die Schilderung diefer Preceffionen, fo ergiebt ſich, daß 
einige die Abfiche hatten, als kirchliche Bitte: und Bußgänge in Des 
mutb Dergebung der Sänden und Abwendung von 
Strafen und Gefahren zu erbitten; andere aber als Aufs 
züge der gläubigen Menge erfchienen, welhe Bank: und Srew 
denfefte feyn follten. Bon den eritern haben wir weitläuftiger 
bereits im Artikel Bußtage 1. Bd. p. 310 ff. und Litanei 3. Bd. p. 
196 gehandelt. Dort haben wir gezeigt, daß diefe Tage die Namen 
supplioationes, rogatienes, litaniae etc. führten. Wir verweifen dars 
auf zuruͤck und haben es hier nur mit denjenigen Proceffionen zu thun, 
die als Dans, Freuden > und Verherrlichungsfeſte gelten follten. 

Diefe theilen fich wieder ein im außerordentliche und in foldhe, bie 
an beitimmten Tagen im Sahre wiederkehren. Die erftern, veranlaßt 
dusch wichtige Siege, durch feierliche Einholung hoher kirchlicher Beamten 


| Proceſſiouen. 237 


und' dergleichen, beruͤhren uns auch weniger. Mehr aber- die letztern, 
und zwar diejenigen, welche entweder durch Kirchengeſetze beſtimmt oder 
durch alte Traditionen und Obſervanzen empfohlen ſind, und, wenn 
auch nicht allgemein, doch mehrern Gegenden und Dioͤceſen gemeins 
fhaftliy waren, mit einem Worte, bie in der alten Kirche üblichen 
Hauptprocefffonen. 

Einige, wie 3. B. Nicol, Serarius de sacr. process. p. 90-—92,' 
sedben von einer Sonntagsproceffion, welche der römifche Biſchof Aga⸗ 
petus im 6. Jahrhunderte angeordnet haben fol, Allein das darlıber 
Sefagte tft entweder nicht Mar und deutlich ausgedrüdt oder enthält 
eine hiſtoriſche und faktifhe Unrichtigkeit. Wenn vom Biſchofe Agapes 
tus gefagt wird: Hic conustituit processiones fieri diebus dominicis, 
fo kann dieß weder fo viel heißen, daß jeden Sonntag eine Volkspro⸗ 
ceſſion feyn fol, noch, daß alle Proceffionen nır am Sonntage gehals 
ten werden follen ; denn wider beides ſtreitet das Beiſpiel der alten 
Kirche und der taͤglichen Erfahrung, — ſondern nur ſo viel, daß 
auch an den Sonntagen Proceffionen gebalten 
werben dürfen. Um fih von ber Richtigkeit diefes Sinnes zu 
überzeugen, barf man fih nur an den Grundſatz der alten Kirche erin⸗ 
nem, daß an Sonn= und Fefltagen weder Faſten⸗- noch Bußübungen 
angeftellt werden durften, fondern daß fie nur als Freudentage behan⸗ 


- beit werden folten. Wenn alfo der ſonſt fo eigenmädtig und durch⸗ 


greifend handelnde Agapetus auh an den Sonntagen Proceffionen 
anorbnete, fö muͤſſen diefe einen andern, Charakter, als den der bloßen 
Bußübungen gehabt haben; denn fonft würde man ihm von allen 
Seiten ber widerfprochen haben, da ja etwa 50 Jahre fpdter einer 
feiner Nachfolger, Gregorius der Große, ungeachtet feines hohen Anſe⸗ 
hens wegen feiner Unterbrechung ber Quinquagesima ſo viel Mißfallen 
und Widerſpruch erregte. Es bleibt daher nichts uͤbrig, als die Pro⸗ 
ceſſion der Geiſtlichen vor dem ſogenannten Hochamte ober der Missa 
solemnis. — Dieſelbe Bewandtniß hat es auch mit den Feſtproceſſio⸗ 
nen, deren wir feit dem 6. ober 7. Zahrhundert häufig erwähnte fins 
"den. Man muß fih nit durch den Namen Litaniae täufchen laſſen; 
der zwar nach dem oben  bemerkten Sprachgebrauche vorzugeweile von 
ben fogenannten Buß⸗ und Bittgängen gebraucht wird, in welchen 
man Gott bei geriffen allgemeinen Galamitäten um Huͤlfe und Er⸗ 
barmen anrufte. Allein nah und nach erweiterte fih die Bedeutung 
dieſes Worted, und es wurde auf alle Proceffionen, audy auf die übers 
getragen, bie mehr Dank⸗ und Sreudenzüge waren. Die muß man 
fhon daraus abnehmen, daß Gregor der Große von vier Seftproceffionen 
zu Ravenna (am Felle Sohnnnis, des Apoftels Petrus, des heiligen 
Apollinatis und am Jahrestage der bifchäflihen Conſecration, genannt 
Natalis episcopi) redet, bei welchen der Bilhof im Pallie erſcheint. 
Nach Anastasii Lib. Pontif. Serg. L ‚hat Papſt Sergius I. (am Ende 
des 7. Jahrhunderts) verordnet: - Ut in diebus Annunciationis, Natir 
vitatis ‚ot- Dormitionis S. Dei Genitricis semperque Virginis Marine 
ac S. Simeonis, quod Hypapantem Graeci appellant, Litania 
(i. 9. Processio) exent a S. Adriano es ad S. Mariam populus 
oocarrat.. Wenn auch diefe Verordnung erſt von Sergius H. oder 
aus noch ·ſpaͤterer Beit herruͤhren follte (was beſonders wegen des Font, 


238 Proceffionen. 


notivitetis et dormitienis noͤthig fcheint), fo bleibt e8 immer merk⸗ 
würdig, daB ſchon frühzeitig befondere marianiſche Proceffionen für 
noͤthig erachtet wurden. Geben wie zu einigen diefer Proceffionen über, 
die ſchon in der alten Kirche als Dank⸗ und Jubelfeſte gefeiert wur: 
den. Mir rechnen dahin zunaͤchſt 

1) die feierlihe Proceffion am Palmfonntage. 
(Vergl. den Artilel Palmfell.) Bel vdiefer Proceffion fand der Ges 
brauch der Palmen oder anderer geweihter Baumzweige, der Blumen, 
weißen und farbigen Kleider, der Fahnen und Kreuze (vexilla et cru- 
ces, wie es in den Statuten Lanfranc’s vorgefchrieben wird) Statt, 
desgleichen da8 Herumtragen de6 Evangeliums (Mart. Gerbert. Liturg. 
Alem. Disquis. X. p. 995), bie Sitte des Palmeſels in natura oder‘ 
ia effigie (vergl. den Artikel Palmſonntag). Wir finden diefe Pro: 
eeffion vom Ende bes 7. Jahrhunderts an.faft allgemein. Naͤhme 
man an, daß Gregor der Große zuerft in der Quinguagesima Procefz 
fionen eingeführt, fo würde dieß bald nachher, in Beziehung auf bie feit 
640 nun audgebrochenen Öfterftreitigkeiten, die naͤchſte Veranlaſſung 
gu der durh das N. T. felbft empfohlenen Palmproceffion gegeben 
haben. Diefe aber würde den Procelfionen zum Johannisfeſte, fo wie 
an den Mariens und Apofleltagen zum Vorbilde gedient haben, wobei 
feeilich der etwas fpätere Urfprung biefer Feierlichleit, vorausgefegt wers 
den müßte — eine Annahme, welche bei der Unficherheit der Nachrichs 
ten Peine große Schwierigkeit Haben dürfte, 

2) Die Öfterproceffion. Sie kann als eine Doppelfeiee 
angefeben. werben. Die erfie bezog ſich auf bie feierliche Taufe, derem 
Hanpttermin das Sabbatum magnum war, Da nun zuweilen an 
einem Drte, wie 3. B. in Antiodien an biefem Tage gegen 3000 
Katehumenen getauft wurden (Chrysost. Ep. I. ad Innocent, et Pal- 
ladii vita Chrysostom. c. 9.), fo läßt ſich die Zweckmaͤßigkeit oder Noth⸗ 
wendigkeit einer ducch eine Proceffion zu bewirkenden Ordnung Leiche: 
denken. Anfangs gefhah die Taufe in der Vigilie und wurde erft fpät 
in der Nacht beendet; fpäterhin (nach Einführung der Kindertaufe) 
wurde fie in der Morgenftunde gehalten. Aud mit Abfchaffung ber 
Tauftermine biieb diefe Raufproceffion und wurde mit den Dfterprocefs 
fionen vom erften Oftertage bis zur Octave (oder dominica in albis) 

Verbindung gefest. In Ruperti Tuit, de off. divin. L VIE. ec. 
' wird die Feierlichkeit ausführlich befchrieben, und c. 21. heißt es: 
Nos essionem agimus solemnem, nosque et loca nostra adsper- 
® gimus aqua edieta in honorem ejus diei, quo judsi sumus bapti- 
ari in nomine Datris et filii st epiritus s. Der von Gerarius 
£p. 122) angeführte Ordo Romanus hat: Die sancto Paschae in- 
duti selemnissimis vestbus omnes Cierici convenientes ad statio- 
nem ad 9. Mariam majordn; primitus cantent tertiam. Qua finita 
fespersi aqua saneta, quae jostridie colloeta est in fonte, tam ipsi, 
quam et omnis populus, procelant cum omni deoore, cum crucibus 
et thyınla materlis, procedentibiß etiam sanctis Evangeliis, cantan- 
tes Antiphonas processimales. 
Das Waſſerſchoͤpfen In der Oſernacht (wovon ſich auch noch in 
der ebangellſchen Kirche einige Spurn finden) und die Conſecration 
ded Taufwaſſere fürs ganze Kirchenſjaht ſteht noch in Verbindung mit 


Proceffionen. 239 


dieſer alten, ſchon im Aten Jahrhunderte allgemein gebräuchlichen 
Taufproceſſion. 

Die andere, ſchlechthin ſogenannte Oſterproceſſion, zur Freuden⸗ 
bezeugung uͤber die Auferſtehung des Heilandes, hatte ihren Grund in 
ber evangeliſchen Erzählung, Mt: 28, 7—8., und daher entſtand auch 
die Benennung Galilaea, worüber fi) Rupert. Tuit. de oflic. divin. 
LV. oo 8. fo ausdrüdt: Locus ille, quo processionem suprems 
statione terminamus, reete a nobis Galilaea nuncupatur. Bei den 
Griechen wurde Fer. Ill. Paschatis vorzugsweife TaAsala genannt, 
weil an diefem Tage die Hauptproceffion war. (Gewöhnlich aber find _ 
die Oſterproceſſionen bei den Griechen regellofe Züge und Volkshaufen, 
welche unter dem Rufen: Xguorög avdorn, aAnIüc artery u. ſ. w. 
umhetſchwaͤrmen und mancherlei Unordnungen verurfachen. Um der⸗ 
gleihen zu verhäten, hat man fie im Abendlande ganz abgefchefft, ober 
doch blos auf einen einfadyen Umzug um die Kirdye oder um den ‚Altar, 
wie bei der Missa solemnis jeden Sonntag, befchräntt. 

Da wir hier mehr diejenigen Proceffionen befprechen, welche 
Freude und Dank ausdrüden, fo find die Supplicationes, Rogationes 
ober Litaniae, welche Mamercus in Gallien und Gregor der Große in 
Rom in ber Woche vor Himmelfahrt zwifhen Rogate und &raudi 
anordneten, nicht zu berühren, fondern fie gehören zu den beiden Arti⸗ 
keln Bußtage und Litaneien, wo auch das Möthige darüber. "erinnert 
worden if. 

Auch die Fronleichnamsproceſſion Binnen wir bier uͤbergehen, ba 
wir im Artikel Fronleichnamsfeſt Bd. 2. p- 164 eine Beſchteibung 
Davon gegeben haben. Bekanntlich gehört fie im roͤmiſchen Katbolicits 
mus zu den glänzendfien kirchlichen Aufzügen. — Auffallend ift es, 
daß in dee Binterimfhen Darſtellung, deren wie oben Erwähnung 
gethban haben, der Fronleihname:Proceffion gar keiner Erwähnung 
gelhieht. Im Mittelalter iſt aud noch die Rede 

3) von einer monatliden feierlihen Procef⸗ 
fion. Nad einer Verordnung von Innocenz III. (feit 1198), in der 
es heißt:- Statuimus et mandamus, ut singulis mensibus semel fiat 
generalis processio, seorsim virorum, ao seorsim, ubi fieri potue- . 
zit, mulierum — pro liberando terram sanctam (Harduini Colk 


Coneil. Tom. VIL ce. 5.) fol ale: Monate eine feierliche Proceſſien 


gehalten werden. Daß dieß ſchon vor Innocentius gefchehen fei, wird 
von Binterim bezweifelt, und die Monatsproceſſion zu den außeror⸗ 
bentlichen gerechnet. Das beigefügte: pro liberando terram sanctam — 
fheint die legte Bermuthung zu begünfligen und nur für ein Zeitalter 
zu paflen, wo man Hoffnung hatte, Paläftina den Saracenen zu ente 
reißen. Dennoch fcheint fie in mehrern Ländern permanent geworden 
zu ſeyn und dieß um fo mehr, da es bei diefer Hoffnung nicht heißen 
Tonnte: Cessante causa, oossat effectus. Uebrigens findet man im 
7. Jahthundert Lirchliche Verordnungen wegen Dionatslitaneien. Ge 
bat ſchon Cone. Toletan. XVII. a. 694. can. 6. fefigefegt: Deser- 
minus in commune statuentes, ut deinceps per totum anıım in 
oumetie duodeeim mensibus, per universas Hispanise ot Gallise 
Provineias, pro statu eo0cclesias Dei, pre ineolumitate principis 
nestri atque salvatione populi et indulgeatia totius goccati et & 


340 | Procacſſionen. | — 


eunctorum fideliam cordibus expulsione Diaboli, Exomologeses ro- 
bis gliscentibus celebrentur, quatenus tum generalem ömnipotens 
Dominus adflictionem perspexerit, et delictis omnibus miseratus 
indulgeat, et saevientis Diaboli incitamenta ab animis omnium 
procul efficiat. “ Aus diefer Einrichtung ift unleugbar der Urfprung der 
monatlichen oder halben Bußtage, wie fie in der evangelifchen Kirche 
bin und wieder fonft gebräudlih waren, und zum Theil auch wohl 
noch jegt gebräuchlich find, abzuleiten, nur mit dem Unterfhiebe, daß 
an die Stelle des Bußumganges ein Bußgottesdienſt gefegt wurde. 
4), Don Weihbnadhts:Proceffionen finder man 
Reine Spuren. Denn die Fer. IV. Nativ. Chr. oder Festum 
Innoc. fonft im Biscthum Conftanz gewöhnliche in Eckehardi de Casib. 
:8. Galli ec. 1. beſchriebene, glänzende Proceffion, war, wie auch Bins 
terim (p. 569) bemerkt,. „mehr ein Kinder: als ein Kirchenfeft.’ 
Dennoch follte man gerade bei diefem, eine fo große Mannigfaltigkeit 
darbietenden Feſtcyclus folche Feierlichkeiten am erften vermutben. Auch 
würde bie biblifhe Erzählung Luc. 2. von den Hirten auf dem Felde 
und der Erfheinung der himmlifhen Heere einen hinlänglihen Grund 
und Stoff zu Aufzügen dargeboten Haben. Der Unterlaffungsgrund ſcheint 
"allerdings zunaͤchſt in ber Jahreszeit und im Klima zu liegen, welche 
in den Abendländern, und befonders im Norden, Aufzügen außer ber 
Kicche nicht günftig waren. Aber es ift auch nicht unwahrſcheinlich, 
bag in der alten Zeit die Saturnalien, Ludi juveniles und Spectacula 
ber Heiden, welche die Chriften verabfcheuten, eine Veranlaſſung wur⸗ 
den, alled zu vermeiden, was einer Gleichſtellung der Chriften mit ben 
Heiden ähnlich fehen konnte. Blos bei dem zum Weihnachtscyclus 
noch gehörenden Festo trium regum oder Epiphania findet man etwas 
einer Proceffion Achnlihes, nämlich den Aufzug der. heiligen drei Kds 
nige. Aber es zeigt fich fogleih, daß dieß mehr ein volksthuͤmlicher 
Gebrauch, als eine kirchliche Einrichtung fei._ Selbft die ehemals in 
Coͤln übliche Proceſſion an diefem Zage kann nicht unter die legtern 
gerechnet werden und wuͤrde überdieg nur eine Lokalproceſſion feyn. 
Denn nad Herrm. Cronibach hist. trium regum. Colon. 1654. f. 
p. 784, war es der Magiftrat zu Coͤln, welcher im Sabre 1187 zur 
Abwendung der der Stadt drohenden Kriegsgefahr das Deeret erließ: 
Ut quotannis in Pervigilio Epiphanise totus senatus cum XLIV. 
de plebe, cum Doctoribus, Protonotariis, Secretariis et scceneis 
seu famulis togatis sub Curia collecti Capitolium petant, ibiqua 
fusis consuetis precibus, inde summum templum adeant, Sanctos 
Tres Reges venerentur et oblatis donis post orationem ad rei me- 
moriam perpetuanı honorent, postea ad Senatorium Sacellum omnes 
‚ vi juramenti se conferant: ibi concio solemnis habebitur et sacrum 
eantabitur ad Dei C. M. S. Dei Genetricis et coelitum omnium 
gloriam. But Zeit des Verfaſſers aber muß diefe Feierlichkeit nicht 
mehr Statt gefunden haben; denn er fest den frommen Wunſch hinzu: 
Haco tamen pietas, optandum, ut reviresceret, et hao ratione, velut 
Clientes, Patroni, suum obsequium personale, ut vocant, exhibe- 
rent, quorum praesidio sic aucta fuit civitas et ab hostibus custoditg, 
- Mach Gavanti thesaur. sacr, rit. T. J. p. 162 fol, nad alter 
Ordnung, jeder Missa solemnis (i. e. principalis et eonrventualig, 


! 


Droceffionen. 241 


quas in festis solemmieribus eantatur, in qua mihil omittitur, quod 
ad solemnitstem indicandam spertat) eine processio borangehen. 
Es ift aber darunter blos ber feierliche Aufzug bes zur Adminiftration 
der Meſſe gehörigen geifllichen Perfonale zu verſtehen, alfo dieſelbe blos 
auf die Kirche befchräntte processio colericalis, wie fie jet in det 
Oſterwoche Fer. V., VI. und VH. Statt findet. 


Uebrigens muß noch ermähnt werden, daß von biefen kirchlichen 
DProceffionen, bie zu einer beflimmten Seftzeit im Jahre wieberfehrten, 
unb entweber völlig allgemein in der römilchen Kirche oder Doch gemeins 
fam in einem Lande begangen wurben, die Rocalproceffionen noch zu 
unterſcheiden find. Faſt jede größere Stadt in ber katholiſchen Chriften: 
heit hatte dergleichen, die ſich theild auf beſondere Religuienfchäge, 
theil® auf Thatfachen der Ortsgefchichte und andere Eigenthuͤmlichkeiten 
gründeten. Dergleichen. Proceffionen waren fonft zu Bruͤſſel, in wel 
cher die Kreuzigung des Heilandes vorgeftellt wird; die Proceffion, bie 
von den Einwohnern zu Nivelle jährlich zu Ehren bee heiligen. Ger: 
traud gehalten wird; bie Procefiion unſers Heilandes auf dem Berge 


Calparia, die man am Charfreitage zu Courtray anftellt; die Procefiion 


des Mofenkranzes, welche von den Dominikaneın zu Venedig gehalten 
wird. Auch pflege man befondere Beitereigniffe durch feierliche Proceſ⸗ 
fionen zu bezeichnen. 


1) Art und Weife die Proceffionen zu balten. 
— Ueber biefen Punct findet man manche gute Nachricht bei Binterim 


1. k p. 265 ff. Man wird fi uber die große Manniyfaltigkeit und 


Verſchiedenheit beim Proceſſtonsweſen diterer und .meuerer Zeit nicht 
wundern, wenn man theils die Verſchiedenheit der Zeit, Verfaſſung 
und religtöfer, politifcher und aͤſthetiſcher Grundfäge, theils bie verfchies 
denen Arten und Glaffen ber Proceffionen ſelbſt näher betrachtet. Nie 
gende konnte fich die herrſchende Denkart und der Zeitgeſchmack deutli⸗ 
her zeigen, als gerade bei diefen kirchlichen Anſtalten, weiche ihrer 
Natur nach mehr ober weniger mur ein Product berfelben waren. Auch 
legt es in der Natur der Sache, daß ein kirchlicher Bitt: und Bußs 
gang, wobei man in Demuth Vergebung ber Suͤnden und Abwendung 
von Strafen und Gefahren erbitten wollte, von einer ganz. andern 
Beichaffenheit und Einrichtung fern mußte, als ein Aufzug der gläus 
bigen Menge, roriche ein Dank: und Freudenfeſt ſeyn ſollte. Schon 
Polyd. Vergil. de inventorib. rer. ]. VII. p. 395 fagt: At in re 
quoque Iaeta, saepe publice supplicamus, wt, qui metum malorum 
antea voveramus supplicando posten optati compates et securi 

denter, sic Deo gratias agamus. Die Hauptforge und das Verdienſt 
der Kirche befland darin, zu verhüten, daß die Buß⸗ und Bittgänge 
theils nicht in ein bloßes opus operatum außsarteten, theil® nicht zu 
einem bloßen Acte der Trauer: und Hoffnungslofigkeit würden; Die 
Denk: und Zreudenzüge fih aber nicht in eine bloße Wolksbeluſti⸗ 
gung vertulkdeiten, wobei des Heren nicht gedacht und die Demuth 
vergeffen würde. Wenn ſich aud nicht behaupten läßt, daß bie Kirche 
diefe gute Abſicht immer erreicht habe, indem fie oft genug durch Uns 
wiffenheit, Rohheit und Aberglauben vereitelt oder erſchwert wurde, fo 
bat fie ihe doc) wenigſtens zu gewiffen Zeiten vorgefchwebt, wie aus 

Siegel Handbuch IV. ” 16 


"242 Proceſſionen. 


den von ihrer Seite getroffenen Anſtalten und Einrichtungen, wenn 
man ſie naͤher betrachtet, ohne Schwierigkeit zu erkennen iſt. 

1) Die erſte und vorzuͤglichſte Sorge war auf Beſtimmung und 
Ethaltung einer guten Ordnung gerichtet. Dazu gehörte aber zuvoͤr⸗ 
derſt, daß die Proceffion verfaffungsmäßig verordnet und angekündigt 
murde, daß nicht jeder Volkshaufe willkuͤhrlich fih zu einer Proceffion 
ohne Genehmigung und Anführung der Geiſtlichen und ohne Beobach⸗ 
tung des vorgefchriebenen Ceremonlels conftituiren und nad Belieben 
ben Zug ablürzen oder verlängern durfte. 

2) Bei'den größern Aufzügen wurden nicht nur bie Gefchlechter, 
fondern auch die: Stände und Claffen von einander abgefondert, wie 
in Gregor's litania septiformis (vergl. den Artikel Litanei 3. Bd. 
p. 197 ff.), welche in ber Folge hierin als Mufter diente. Bei den 
einen Proceffionen wurde blos, wie im der Kirche auf Abfonderung 
ber Gefchlechter gefehen. 

Man ging in der Regel paarweife und in einer gewiſſen Ent: 
fernung von einander mit niedergefenkten Bliden und ohne mit einans 
ber zu reden. Sin dem Ordo eccles. Paris. in Martene de antiq. 
eccles. rit. Tom. Ill, p. 193 heißt es: In processionibus bini et 
bini servato ordine et juxta distantis incedant, vultibus in terram 
demissis, in quibus omnino caveant, ne confabulentur. Hinſichtlich 
des paarmweifen Aufzugs berief man ſich auf Mec. 6, 7. oder auch wohl 

auf 1 Mof. 6, 19—20., fo wie auf die jüdifche Obfervanz. 


4) In Anfehung der Stelle, welche der Klerus einnahm, finder 


man nach Verfchledenheit der Zeit und Umſtaͤnde eine breifache Obfer- 


vanz. 1) Die Klerifei eröffnete entweder den Zug, fo daß der Bifchof' 


ber Erfle war, vor welchem das Kreuz und die Fahnen bergetragen 
wurden und dann bie Übrigen Kleriker paarweife und in ihrer Ord⸗ 
nung folgten. 2) Oder fie befand ſich in der Mitte des Zuges, fo daß 
das Volk theild voranging, theild nachfolgte, und fo am beiten in Aufs 
ſicht gehalten werben konnte. 5) Ober fie befchloß den Zug, wobei die 
untern Kleriſer wieder den höhern vorangingen und ber Biſchof ber 
legte war. 

5) Duch das Moͤnchthum ward bei ben Proceffionen mandıe 
Störung und Abänderung hervorgebracht. Es gab Zeiten, wo ſich bie 
Möndye des ganzen Proceſſionsweſens bemächtigt und die Säcular: 
geiftlichleit faft ganz verdrängt hatten. Bei den folennen Proceffionen 
entitand nicht felten ein Rangſtreit zwiſchen Mönchen und Pfarrern, 
und die vielen Beſtimmungen in ben Ritualbüchern über die Stelle 
und die Tracht der Mönche bei Proceffionen ift ein Beweis von der 
Wichtigkeit, welche diefe Sache erhalten hatte. 

Auch die zahlreichen, . mit den Mönchsorden in Verbindung ſte⸗ 
benden Brüberfchaften (Fraternitates), 3. B. Fratres Coronae, S. 
Dominiei, S, Martini, Rosarii, Mariani u. a. brachten manche Ber: 
änderung und Erweiterung hervor. 

6) Für die Geiſtlichkeit galt nicht nur bie ſich von felbft verftes 
bende Vorfchrift ihrer Amtskleidung, fondern wie finden auch nach Vers 
fchiedenheit der Proceffionen befondere Beftimmungen. : Bei folennen 
Dank: und Freudenzuͤgen, 3. B. Palmarum oder Fronleihnam, muß: 
ten die Kleriker aller Ordnungen den ihnen zukommenden hödften 





| 


Proceffionen. 243 


Ornat, famme allen Inſignien und Attributen, und bie Biſchoͤfe das 
Pallium anlegen. Bei den Meinem Buß⸗ und Bittgängen war das 
Piuviale oder die Cappa gebräuchlich, worhber in Gavanti thesaurus 
. folgende Erklärung gegeben wird: Cum igitur processio sit quaedam 
eum populo itineraria conversio, recte pluviale adhibetur, quod, 
ut diximus, sanctae oonversationis formam designat. Die Rituals 
und Gerimontalbücher find reichhaltig an Beſtimmungen aller Art, und 
man fieht daraus die Wichtigkeit, welche auf biefen Punct gelegt wird, 
fo wie ſich Zweckmaͤßigkeit und Geſchmack darin felten verkennen laſſen. 
7) Zur das Volk wird bei freudigen Proceffionen nicht nur eine 
anftändige, fondern auch ausgeſuchte und feſtliche Kleibung erwartet. 
Die Jugend fol in der Megel in weißer und buntfarbiger Kleidung 
und mit Blumen und Kränzen geſchmückt erfcheinen. Schon im 5ten 
und 6. Jahrhundert kommen $Beifpiele vor, daß die Proceffione : Theils 
nehmer brennende Kerzen oder auch kleine Kreuze trugen, welche gleiche 
fam zu Amuteten dienten. An die Stelle berfelben teat feit dem 18. 
Jahrhundert der Roſenkranz (f. den Artikel). 
Bei den Supplilationen follte das Ganze das Anfehen ber Trauer 
und Buße haben, und fi der Vorfchrift und Gewohnheit des A. T. 
in Salt und Aſche gehen, nähern. Daher finden wir, daß alle Theil⸗ 
nehmer in ganz ſchwarzer oder ſchwarzgrauer Kleidung erfchienen, und 
daß daher der Name Litania nigra entfland. Desgleihen war ges 
woͤhnlich die Proceffion mit entblößten Füßen mitzumachen, und es 
wirb oft gerühmt, daß felbft vornehme Perfonen und gekroͤnte Hdupter 
fih nie [hämten, ſich folhen Bußübungen und Demuthöproben zu 
unterwerfen. Zur Zeit, wo bie DBrüberfchaften zu blühen anfingen, 
erfchienen fie häufig bei den Proceffionen mit einem Sad angethan, 
den Rüden entblößt und mit einem Tuche vor dem Munde. Sie 
wurden von ber befondern Art ihrer Buße Niniviten genannt, S. Po- 
Iydor. Verg. de rer, invent. l. VII. e. 6. . 
8) Die von Chryſoſtomus zuerſt eingeführte Sitte der Vortragung 
des Kreuzes wurde überall nachgeahmt und blieb allgemeine Gitte, 
Sa, fie wurde fogar durch Staatsgefege anbefohlen. Es gehört vor: . 
zuͤglich Hierher die Verordnung des Kaiſers Juſtinians Novell, 123. 
e. 32. Omnibus autem Laieis interdieimus Litanias facere sine 
sanctis Episcopis et qui sub eis sunt reverendissimis Clericis, Qua- 
lin enim est Litania, in qua sacerdotes non inveniuntur et solen- 
nes orationes faciunt? Sed et ipsas honorandas eruces, cum qui- 
bus et in litaniis ingrediuntur, non alibi, nisi in venerabilibus 
loois reponi: et si quando opus vocaverit ad litanias oclebrandas, 
tunc solum ipsas sanctas cruces &ecipere eos, Qui conzuete eas 
portare aolent et cum Episcopo et Clerieis Litanias celebrare, hoo 
eustodientibus sanctissimis locoram Episcopis, aut etiam eorum 
Clericis et per loea judicibus. Si quis autem in hoo capitulo prae- 
sentis nostrae legis virtutem aut transcenderit aut non vindicaverit, 
praedictas poenas patietur, Monasteriorum et reverendissimorum 
Monachorum dispositione. Das Letztere bezieht fih auf die Kloſter⸗ 
firafen, indem die Kloͤſter ale Buß⸗ und Zuchthäufer angefehen wurden, 
Der Kreuzträger hieß Crucifer, Signifer, Vexillifer, zumeilen 
auch Draconarius (mit Anfpielung auf bie halfen, Draconarios, 
1 





244 Proceffionen. | ! 


und auf den böllifchen Drachen, welcher vor dem Kreuze und bem 
Paniere der Chriften flieht). Gemöhntih wurde ein Diaconus. oder 
Subdiaconus dazu genommen. Auf jeden Sau follte der Träger in 
veste subdiaconali erfcheinen. Gavanti Thes. T. I._p. 505. 
9) Wenn man den Gebrauch ber Fahnen von dem Labarum 
Conftantin’s des Großen herleitet, fo laͤßt fih um fo weniger dagegen 
erinnern, ba die Hauptinfignie diefer neuen Meichefahne das Zeichen 
des Kreuzes war, fo daß mithin Fahne und Kreuz daſſelbe und das 
gemeinfchaftlihe Symbol und Emblem der Chriften waren. Auch iſt 
ed ein gewöhnlicher Sprachgebrauch geworben, Labarum als gleichbes 
beutenb mit Crux und vexillum ecclesiasticum zu nehmen. S. Du 
Cange Glossar. 3. v. Labarum. Wiederum wird vexillum für Crux 
" genommen. Auch in dem alten Hymnus bedeuten bie Worte: 
Vexilla regis prodeunt — 
nichts anderes, als das Kreuz, welches Chriſtus ben Sieger verfünbet 
eides, Kreuz und Fahne verbunden, findet man ſchon in Gregor. 
Turon. Histor. Frane. 1. V. ec. 4. Auch bei Honor. Augustod. de 
laminar. eccl. 1. I. o. 72. wirb gefagt: Cum ante nos Crux et 
Vexilla geruntur, quasi duo exereitus sequuntur, dum hinc inde 
ordinatim cantantes gradiuntur., Gpäterhin blieb dieß immer bie 
vorherrfchende Gewohnheit, zumal bei den feierlichen Aufzügen, wo «6 
galt die flreitende und triumphirende Kirche darzuftellen. 

Auf der einen Seite fcheint die Einführung der vor dem 9. Jahr⸗ 
hundert unbefannten Crucifixe, auf ber andern bie Idee ber Kreuzzüge 
das Meiſte dazu beigetragen zu haben, ben Fahnen, ſowohl bei ben 
Proceffionen als in den Kirchen, einen Platz zu verfchaffen. Sie pfleg« 
ten vor dem Anfange ber Ptoceſſion uͤber den Altar aufgehaugen und 
nach Beendigung derſelben im Schiffe der Kirche ober ber Camera 
paramendi aufbewahrt zu werben. Durandi ration. div. offic, I. I. 
c n. 82 

In den franzöfifchen und deutſchen Schriftftelleen bes 11ten und. 
12. Jahrhunderts findet man oft Fanones ganz unbezmweifelt in ber. 
Bedeutung von Vexilla ecclesiasticaa S. Macri Hierolexio. und 
Du Cange glossar. =. v. Fano. Die franzoͤſiſchen Stoffatoren erklären 
Fanon und Gangfanon durch la Banniere, alfo ganz dem Vexillo 
entſprechend. 

10) Als eine loͤbliche Sitte verdient angefuͤhrt zu werden, daß 
unmittelbar nach dem Kieuze das Evangelienbuch (Codex 'Evangelio- 


. zum) gewöhnlich von einem Diacon oder Archidiacon, welcher deshalb 


praefectus evangelio hieß, zumeilen auch vom —5* — ſelbſt getragen 
wurde. Es ſteht dieß in Verbindung mit ber Ordination, wo dem 
Biſchofe feierlich das Evangelium gegeben wird. ei Es ſollte zum Symbol 
bienen, daß die Kirche auf das Evangelium des Gekveuzigten gegründet, 
und dag alle kirchliche Handlungen nad) den Grundſaͤtzen des Evanges 
liums eingerichtet werben muͤſſen. 

11) Daß zur Zeit des Mariädienftes auch das Bildniß der &o- 
z0x0g herumgetragen und verehrt wurde, kann nicht befremden, da 
man weiß, daß in bdiefer Periode Maria beim ganzen Kultus überall 
die nächte Stelle nach Chriſtus erhielt, und daß dieß, feit Einführung 
des Sabbati Mariani im 11. Jahrhundert, felbft in der Anorbaung ber 





Proceffionen. 243 


Wochentage geſchah. Nach Baronii Anal. ad a. 590 hat Gregor 1. 
zuerft das Bild der heiligen Jungfrau bei einer feierlichen Proceffion in Rom 
berumtragen laſſen. In der orientalifchen Kirche geſchah daſſelbe, und 
zwar mit noch weit größerem Pompe. Man pflegte das Bild der hei: 
ligen Jungfrau auf einem prachtvollen kaiſerlichen Triumphwagen hers 
umzuführen. Nico. Serarii de process. sacr. I. I. c. 5. p. 46-47, 
50 u. a. Im Dceldente pflegte man entweder bad Bild der Maria 
oder auch die ganze Figur derfelben in Hol, Metal, Alabafter und 
dergleichen, nach der gewöhnlichen Vorftelung mit dem Kinde auf den 
Armen und dem Heiligenfcheine, herumzutragen. Es gefhah dieß 
befonders an den Mariafeften und am Festo corporis Christi. 

12) Bisweilen wirb auch eines befondern Chriftusbildes erwähnt. 
S. Binterim p. 569; dieß ſcheint fich auf Zeiten zu beziehen, wo das 
Crucifix noch nicht gebräuhlihh war und wo man es nody nicht wagte, 
die Perfon bes Heilandes duch einen lebendigen Menſchen darzuftellen, 
tie es fpäterhin in der Comoedia divina, befonders in den Paſſions⸗ 
fpielen und bei den Fronleichnamsproceffionen, wo man ganze biblifche 
Geſchichten und Gruppen darftellte, zu gefcheben pflegte. Bei dem 
letztern fcheint man oft die geweihte Hoftie für den Stellvertreter Chriftt 
und die Benennung Festum Corporis Christi {m eigentlihen Sinne 
genommen zu haben. Dem Tabernaculo und dem Baldachin wurde 
daher in Folge diefer Borftelung, als dem Vehikel bes gegenwärtigen 
Sottes, die Höchfte Ehrfurcht erwiefen. 

13) Daß auch fhon frühzeitig Heiligenbilder und Reliquien bei 
ben folennen SProceffionen von den Moͤnchen, Klerikern oder den Bi: 
fehöfen ſelbſt herumgetragen wurden, erhellt aus vielen Zeugniffen. 

Conc. Bracar. III. a. 572. e. 6. beruft fi darauf: Antiqua in 
hae parto et solennis consuetudo servabitur, ut in festis quibusque 
arcam Dei cum religquiis non Episcopi, sed Leritae gestent’ in 
humeris, quibus et in vetere lege onus id impositum novimus et 
praeceptum. Quod si etiam Episcopus reliquins per se deportare 
elegerit, non ipse a Diaconis in sellulis gestebitur,' sed potius 
pedissequa eo, una cum populis progressione procedente ad con- 
venticula. Sanctarum ecclesierum sanctae Dei reliquiae per eun- 
dem episcopum portabuntur. Indeß dürfte unter der antiqua et solem- 
nis consuetudo wohl nidht eine frühere Gewohnheit im der chriftlichen 
Kirche, fondern vielmehr die A. T. Anorbnung, nach welcher die Bun: 
beslade auf den Schultern ber Priefter und Leviten getragen wurde, 
zu perftehen feyn. . 

ah den Annalen bes Mich. Glycas trugen bei einer wegen 
anhaltender Dürre in Gonfltantinopel gehaltenen Proceffion die kaiſer⸗ 
lichen Prinzen und Minifter Reliquien von befonderem Werthe, worun: 
ter auch die epistola, Christi ad Abgarum und bie sacrae cunarum 
fascine, oder die Windeln bes Heilandes, gerechnet werden. 

14) Zür- alle Sreudenzüge war Gefang, Muſik und Glockenge⸗ 
laͤute gefordert, und man berief fih in Anfehung ber beiben erften 
Duncte auf bie Beiſpiele des A. T., z. B. 1 Könige 10., Nehem. 
12.u. a. Mach Serarius find an bie Stelle ber Tubarum sacerdo- 
talium im 4. X. die Glocken getreten. Bor Einführung derfelben bediente 
man ſich des Inſtruments, weiches die Griechen anuarrgov (pulsus 


246 Proceffionen. 


lignorum) nennen, umb welches ein Bret iſt, worauf mit hölzernen 
Hämmern ober Klöpfeln gefchlagen vwoird. Die orientalifhen Chriften 
haben, da die Türken den Gebrauch der Stoden nicht erlauben, noch 
bis‘ auf den heutigen Tag keine andere Art, den Gottesdienft oder bie 
Proceffionen anzuzeigen. Im Abenblande bedient man fich: nicht allein 
der Stoden, fondern auch der Schellen und Klingen, um bie einzels 
nen Stationen und Momente allen Theilnehmern näher zu bezeichs 
nen. — Bel vorzüglich glänzenden Proceffionen bediente man ſich 
auch des Feuergewehrs und Gefchüges, um den Effect noch zu verſtaͤr⸗ 
ten. In den Ritualblichern findet man, mie fi Leicht denken Läßt, 
nichts darüber. _ j u 

15) Bei Buß: und VBittgängen mußte alles, was Freude aus: 
brüdte, wegfallen, — auf diefelde Art, wie man in ber Charwoche das 
Slodenläuten und das Drgelfpielen weglieg — was auch in der evan⸗ 
gelifhen Kirche hin und wieder, 5. B. am ftillen Freitage und an den 
großen Bußtagen gefunden wird. Der barfüßlgen Umgänge (nudipe- 
dalia genannt) iſt fchon erwähnt worden, fo role des Gebrauch des 
Sacks oder Trauergewands. Auch ber Geißeln (flagella) finden tie 
zumellen erwähnt. Indeß erlitt der Gebrauch derfelben durch ben Uns 
fug, welden bie $lagellanten im 18. und 14. Sahrhunberte trieben, 
große Einſchraͤnkungen. 


16) Obgleich das Weihwaſſer (aqua lustralis s. benedicta) eigent⸗ 


lich nur zunaͤchſt fuͤr den Eintritt in die Kirche, ſo wie bei den prie⸗ 
ſterlichen Benedictionen beſtimmt iſt, ſo fehlt es doch auch nicht an 
Beiſpielen des Gebrauchs bei mehrern religiös: kirchlichen Handlungen 


und namentlich auch bei feierlichen Umgaͤngen. Auch dieß beſtaͤtigt 


Serar. 1. 1. c. 6. und vergleicht bamit eine muhamedanlfche Gewohn⸗ 
heit. Cum vinum lege Turcis interdietum sit, eunti ad Moscheam 
Sultano limpidae vitrum aquae sohrietatis veluti symbolum praefer- 
tur. At lustralis aqua nostra nobis aeceptae in baptismo semper- 
que in omni vita tuendae puritatis monimentum est, 


17) Brennende Kerzen und Lampen (cerei et lampades) find bei 


vielen Seierlichkeiten gewöhnlich und follen in der Megel bei Vortragung 


des Kreuzes ober des Venerabile niemals fehlen; aber vorzugsmeife find _ 


fie doch Attribute ‚des Fefles Maris Reinigung, welches daher den ges 
wöhnlich gewordenen Namen Lichtmeß (Festum s. Missa candelarum), 
fo wie die franzöfifche Benennung la Chandeleuse erhalten hat. Es ift 
für diefen Zag nicht blos die Kerzenweihe (cereorum benedietio), fons 
dern auch die SKerzenproceffion (cereorum et lampadum gestatio) 
angeordnet. Won beiden haben wir mweitläuftiger im Artikel Marid 
Reinigung 8. Bd. p. 228 ff. gefprochen. 

18) Als die Hauptſache aber bei allen Proceffionen wurben body 
bie Gebete (Preces) betrachtet. Diefe Gebete, welche theils recitirt, 
theild gelungen wurden, heißen vorzugsweife litaniae — ein Sprachge⸗ 
brauch, welcher auch in die evangelifche Kirche übergegangen ift und 
ber Unterfcheidung zwifchen großer und Eleiner Litanei zum Grunde liegt. 


Nach der Meinung des Cardinals Bong (de divina Psalmodia Co- 


ion. 1677. p. 387) kennt man* zwar den. Urſprung der Proceffionen, 
nicht aber der Gebets⸗ und Aneufungsformeln, welche fidy ins böchfte 
Alterthum verlieren. Seine eigenen Worte find: Etsi ergo litania- 


Proceffionen. | 247 


rum quarundaum, qua processiones aunt, auetor aliquis ex antiqui- 
tate proferri possit, non tamen, qua preeatienes nee qua in iis 
Sancti exorantur; sed illae ab Apostolicis viris induotse, quovis 
etiam vetustissimo auetore vetustiores reputantur. Quin docti ple- 
rique sentiunt, inter quos Jansenius et Baronius, Christi Domini 
tempore jam usitatas Hierosolymis supplicationes, in quibus fre- 
quentissime suum illud Osanna repetebant. Ron den Kormeln: 
Hosianna, xvore 2Afnoov u. a. könnte dieß, fo wie von den Fürbitten 
bei der Euchariftie, zugegeben werden, ba ihr früheres Dafepn unter 
andern aus den apoftolifhen Conftitutionen erhellt. . Aber die Invoca- 
tio Sanctorum et Martyrum, b. h. die namentlihe Anrufung, wie fie 
noch jegt gewoͤhnlich ift, flammt offenbar aus einer viel fpätern Zelt. 
ab, wo die Hagiolatrie noch nicht in den Äffentlihen Kultus überges 
sangen war. Der fchon erwähnte Walafried Strabo ſagt ganz bes 
flimmt: Litania autem Sanetorum nominum pontea creditur in 
usum &ssumta, quam Hieronymus Martyrologium, seoutus Eusebium. 
Caesariensem, per anni circulum conseripsit, ea, oratione ah Episco- 
pis Chronatio et Eliodoro, illud opus rogatus componere, quie 
Theodosius, religiosus Imperator, in Coneilio Episcoporum laudarit 
Gregorium Cordubensem Episcopum, quod amni die Missa explicate, 
eorum Martyrum, quorum natalitia essent, nomins plurima com- 
memoraret, Und body ift die nur der erfie Anfang, und bie hier 
erwähnte Commemorstio bezieht fi) blos auf die Märtyrer, deren 
Gedaͤchtniß viel früher in der Kirche eingeführt war, als die Gedaͤcht⸗ 
nißfeier der Apoſtel und uͤbrigen Heiligen. 


In der Mitte des 5. Jahrhunderts ſchrieb Eucherius eine, in 
vieler Hinſicht lehrreiche, Homilie de Litaniis, worin der Inhalt der 
Gebete und Fuͤrbitten ſehr genau angegeben, der Engel und Heiligen 
aber gar nicht erwaͤhnt wird, wie ſchon Bingh. Tom. V. p. 31 bes 
merkt bat. Die dlteften Formulare von Litaneien in Deutfchland und 
Stankreih bei Mabillon, Goldaftus und Caniſius u. a. enthalten gleich> 
falls keine Heiligennamen. Vergl. Binterim p. 578 ff. Auch fehlen 
fie in den Antiphonen Gregord des Großen für die Litania major, ' 
welche auch das Eigenthuͤmliche haben, daß fie, obgleich für bie Buße 
beſtimmt, doch nicht die Formel: Kyrie eleison, oder die Weberfegung: 
Miserere Domine, fondern die, Kröplichkeitsformel: Aleluja, enthalten, 


Außer den feftftehenden waren aber auch noch andere Gebete und 
Gefänge, nad Verſchiedenheit der Proceffionen und ber Zeitverhaͤlt⸗ 
nifte, im Gebrauche. Bei den Bitt: und ÜBußgefängen bebiente 
man fi in der Regel der fieben Bußpfalmen, worunter nad einem 
alten Herkommen und nad) Alerandrinifcher Zählung Pfalm 6., 31., 
36., 50. 101. und 102, gerechnet wurden Vergl. Bona Paalmod. 
div. p. 362 — 85. j 

Die Benennung Peslmi graduales (PH. 119 bis 138.) bezog 
ſich zwar zunaͤchſt auf die Meſſe und das Offertorium, aber auch auf 
die feierlichen Umgaͤnge. Garanti thesaur. szacror. rit. Tom. I. p. 
91 und 323. Bona Psalmod. div. p. 391 seqqg. Und bieß entſprach 
der hebräifchen Benennung Sehir hammaaloth (nm7>97:1 ra) in der 
Bedeutung von Tempelgefängen, Pügerliedern u. a. - 


N 
248 Proceſſionen. 


Bei den Feenleichnamsproceffienen waren gewoͤhnlich: Salve 
Regina, Vexilla regis prodeunt, Pange lingua gloriosi u. ſ. w., und 
ande Kirchenhymnen, fo wie die von Thomas Aquinas für dieſes 
Feſt eigens gedichtete Sequenz: Lauda Siom salvatorem ete. Die 
kirchliche Strenge erlaubte diefe Gebete und Gefänge blos in der latei: 
nifden Sprache, Noch im Jahre 1609 verordnete die oongregatio 
saerorum rituum zu Rom: In Festo S. S. Corporis Christi non con- 
venit oantase cantiowes vulgari sermone. In neueen Beiten hat man 
ſich weniger fireng an biefe Berordnung gehalten. 

IV) Proceffionen in der heutigen hriftlidhen 
Welt. — Solcher feierliher Aufzüge von ber Kirche veranflaltet,. 
giebt es noch jetzt im Kultus dee vömifch=katholifchen Kirche. Grund⸗ 
mayr in feinem liturgiſchen Lexikon der roͤmiſch⸗katholiſchen Kirchenge⸗ 
braͤuche ſagt darum im Artikel Proceffion: „Derlei Proceffionen wer⸗ 
„den das Jahr hindurch mehrere gehalten, beſonders aber ſind allge⸗ 
„mein folgende fünf: Die Proceſſion am Mariaͤ Lichtmeßfeſt mit 
„brennenden Kerzen; am Palmfonntage mit Palmzweigen; am Tage 
„des heiligen Marcus; die drei Proceffionen in der Kreuzwoche; und 
„enblih die Fronleichnamsproceſſion. Jedoch giebt es noch mehrere 
„Proceſſtonen in einzelnen, befonders größern Städten, die ſich auf 
„ein frühes Herlommen gründen, andere werden auch jet noch verans 
„laßt duch Natur⸗ und Zeitereigniffe, und find theils den Supplicas 
„tionen, theils den Ehrens, Dank: und Freudenzuͤgen beizuzaͤhlen.“ — 
Auch in der griechifchen Kirche finden fie Start, und Elßner in feiner 
neueften Beſchreibung der griechiſchen Cheiften in der Zürkei fagt in 
diefee Beziehung: „Proceſſionen Hält man auf die Art und in ber Menge 
„nicht, wie man im Papſtthume pflegt. Es gefhieht zum hoͤchſten ein 
„Umgang in ber Kirche oder innerhalb dee Ringmauer auf dem Kirche 

„bofe, nit aber auf den. Straßen. Die größte und gewoͤhnlichſte 
„Proceffion gefchieht mit dem heiligen Brode und Kelche in der Kicche. 
„Am: Charfreitage tragen vier Priefter Chriſti Bild auf ein Tuch ges . 
„malt unb an den vier Enden gefaßt in der Kirche herum, fein Leiden 
„und Sterben vorzuftellen.” — Am Ofterfefte wird das Gemälde der 
Auferſtehung Chriſti getragen, unter Begleitung des Evangelienbuchs, 
eines Kreuzes, auch wohl mit MWachslerzen unter Singen und Räus 
dern. Halten an einigen Orten bie Griechen Proceffionen mit mehr 
Auffehen und Pracht, is gefchieht e8 wohl aus unzeitiger Nachahmung 
ber Lateiner. (Jetzt follen die Rivalproceffionen von Seiten der grie: 
chiſchen Chriften gänzlich aufgehört haben.) Des Verfafler glaubte in 
der neueſten Schrift über die griechifche Kirche: Leribion der morgen: 
laͤndiſchen Kirche nach den beften fchriftlihen und mündlichen Quellen 
mit 5 Abbildungen von Dr. Edw. v. Muralt. Leipzig, Weygand'ſche 
Buchhandlung, 1838. (Das Werk beftcht aus dem fogenannten Leris 
dion, welches nichts amberes iſt, als eine Meihenfolge kurzer Artikel 
in Beziehung auf den griechiſchen Kultus in alphabetifcher Ordnung, — 
und was wichtiger iſt aus Briefen über ben Gottesdienft ber 
morgenländifchen Kirche, in weichen Manches, was tim Lexidion 
nur angebeutet iſt, weitläuftiger erläutert micd) etwas Näheres dar 
über zu finden, allein dee Artikel Proceffion befteht nur aus drei 
Bellen, und die angezogmen Briefe, die biefen Artikel weiter auf: 


od 














Proceffionen. 2» 


ehren folın , fogen kaum fo viel, als was vom Elßner bemerkt. 
worben 

Will man das Wort Proceffion von feierlichen Aufzügen im allge: 
meinen brauchen, die von der Kirche. veranlaßt werben, fo finden fie 
fi) auch, wiewohl felten, in ber proteftantifchen Kirche, Dergleichen 
erlebten wir 1817 und 1850 bei ber Jubelfeier der Reformation und 
der Uebergabe der augsburgifchen Confeffion, aber fie find nach Zweck 
und Form weſentlich von den Proceffionen ber roͤmiſch⸗ und griechifche 
katholiſchen Kirche verſchieden. Jaͤhrlich, wiederkehrende feierliche 
Dröceffionen an beflimmten Feſten Tonnen ‚die Proteftanten gar nicht, 
weil Marialatrie und Hagiolätrie, fo wie das Dogma von ber Wand⸗ 
lung im Abendmahle, ihren Grundfägen widerſpricht. Auch ber feiers 
liche Zug der Herenbuter nach bem Friedhofe am Oſtermorgen bat ganz 
andere Tendenz. 


20, 
Propheten 


Mitglieder des chriftlichen Lehritandes im apoftotifchen 


Siteratur. Mosbeim de illis, qui prophetae vocantur in 
N. T. Helmat. 1732, aud in f. dissert. ad hist, eccles. Il. 125. 
208. — J. G. Knapp de dono prophet. in eccles. N. T. Hal. 1755. 
4. — Zachariae de donor. prophet. variis gradibus in ecoles. christ. 
Goetting. 1767. 4. — Koppe 3. Ereurd zum Briefe an die Ephefer 
p. 148 segq. edit. sec. — Winer’s bibl. Realleriton IL. p. 837 f.— 
U. Neander Geſchichte der Pflanzung des Chriſtenthums Thl. 1. p. 32 
und 116. — %. Knobel Prophetismus der Hebräer. Breslau 1836. 
2 Thle. 8. an verfchiedenen Stellen, befonders Thl. 1. p. 95 f. 147 ff. 
152. 168. 170. 175. Thl. 2. p. 19 f. — Schönes Geſchichtsfor⸗ 
[dungen 1. Thl. p. 245. | 
m N. T. werden unter den Perfonen, bie äffentlih in ben 
hriftlihen Verfammlungen ſprachen und Iehrten, audy Propheten ge: 
nannt, 1 Cor. 12, 28. 4, 29. Eph. 2, 20. Abgefehen von der allge: 
meinen Bedeutung bed Wortes Prophet im A. und N. T., wovon hier 
bie Rede nicht ſeyn kann, muß man den Zuſammenhang folder Stel 
len genau erwägen, wo zoopnzng in dieſer eigenthümlichen engen 
Bedeutung vorkommt. Diefemnah mag man fih unter Propheten 
ſolche Chriften zu denken haben, die von eigenthümlicher Begeifterung 
ergriffen und gleihfam überwallend in der Verſammlung auftraten und - 
einen ertemporicten religiöfen Vortrag bielten, aͤhnlich vielleicht den 
Rednern in Quaͤkergemeinden. Daß das Zalent, Vortraͤge der Art 
zu halten, dem lebhaften feurigen Drientalen leichter werden mußte, 
als dem Lältern, ruhigern Nordlaͤnder, läßt Tich leicht ermefien. Viel⸗ 
leicht auch Hatte fhon etwas Aehnliches in der jüdifchen Spnagoge 
Statt gefunden und fi hier fhon der Name Prophet für dergleichen 
Vorträge firirt. — In wiefern nun diefe Propheten von den übrigen 
Apoftein und Lehrern verfchteden waren, laͤßt ſich ſchwer beftimmen, 
ba hierzu eine genauere Crörterung des dunkeln yAwooaıs Auleiv, dem 
bas nodpmsevew 'oft entgegengefegt wird (1 Cor. 14, 89. Act, 19, 6.), 
. erforderlich wäre. Das meifte Licht verbreitet über diefen Gegenftand 
die neuefte Schrift von Dr. Dav. Schulz: Die Geiftesgaben der erſten 
Chriften, insbefondere die fogenannte Gabe ber Spradyen. Kine ereges 
efhe rg. Breslau 1836. 8. Vergl. noch Knobel a. a, D. 
P- . 


Propheten. 251 


Mehr in dem gewoͤhnlichen Sinne, in dem man Propheten von 
Menſchen verſteht, welche Lichtblicke in die Zukunft thun, ſcheint der 
Apoſtel Act. 11, 28. von einem gewiſſen Agabus zu reden. Dieſer 
ſagte nicht nur eine große Hungersnoth dp’ ν olxouulvp, [ons 
dern auch, Act. 21, 10., die Befangenfchaft Pauli voraus, Beibes traf 
betanntlih ein. Ob nun auch Agabus die Gabe des begeifterten Vor⸗ 
trags befaß und übte, barlber ſchweigt die Geſchichte. Im. Walch 
dissert. de Agabo vate, Jena 1757. 4., auch in den Dissertatt. ad 
Act. App. ll. 131 2eqq. — Eichhorn Bibl. der bibl. Literat. VI. 
20 ff. — Kühnöl Comment. IV. 408 sequ. — Winer Realler. 
1. 435. — Auch dem weiblichen Gefchlechte wurden zumellen prophes 
tiſche Gaben zu Theil, wie Lukas von ben vier Töchtern des Almo⸗ 
fenpfleger6 und Evangeliſten Philippus erzähle. — Uebrigens müfjen 
die Propheten eine unwichtige Rolle in den erſten chriftlihen Ver⸗ 
ſammlungen gefpielt haben; denn Paulus nennt fie fogleich nach ben 
Apofteln unter ben Männern, welche zuc Belehrung und Erbauung ber 
Gemeinden verordnet waren. Es bleibt übrigens merkwürdig, dag nach 
dem apoftolifchen Zeitalter Bein Ficchliches Amt mehr mit dem Namen 
Dropheten bezeichnet wird. 





21. 
Quadraͤgeſimalfaſten. 


"I Urſprung und allmaͤhlige Ausbildung der Qua⸗ 
dragefimalfaften, HI. Urſachen warum, und ‚Art und 
Weiſe wie man fie feierte. III. Welche Spuren davon 
noch jest in der chriftlichen Welt anzutreffen find. 





S.iteratur. Ge de Dassel de jure temporis quadragesima- 
lis. Argent. 1617. 4. — De quadragesim. varia et multipliei ob- 
servatione, apud christianas gentes, comment. Jo. Tilesaci. Steht 
in befjen oper. var. Parisiis 1621. 8. — Jo. Dallaeus de jejuniis 
et quadragesima. - Daventr. 1654. 12. — Gisb. Voetii diss. de qua- 
dragesima et bacchanalibus, in fein. Dissertatt. select. theolog. P. III. 
p. 1383 — 1397. Ultraj. 1659. 4. — J. Launoi de veteri ciborum 
deleetu in jejuniis christianorum et maxime in quadragesima. Ed. 2. 
-edita Paris. 1663., in fein. Opp. Tom. Il. P. 2. p. 665-700. 
(Colon. Allobr. 1781. Fol.) — G. Green theses de sacris quadra- 
gesimae. Viteb. 1674. 4. — J. Je. Homborg de quadragesima 
veterum christianorum et ritibus in ea quondam usitatis diss,, qua 
etiam de recentiorum Papistar. Graecor, Russor. Syrianor. Geor- 
gianor. Maronitar. Jacobitar. etc. passim disseritur. Helmst. 1677. 
4. — Kurze Hiftorie der Faftenzeit, in unfhuld, Nachricht. v. J. 
1702. p. 146 ff. — J. Schack disp. jurid. de saneto tempore qua- 
dragesimae. Gryphisw. 1710. 4. — Delle domeniche di Settuage- 
sima, Quinquagesima e Quaresima. Steht in Sarnelli lettere eocl. 
1721 in Venezia. — J. G. Walch de jejunio quadragesimali. Je- 
nae 1727. 4. — Pet. Zorn quadragesima sacra apostolorum, ». dis- 
quis, philof, an apostoli meimoriam anniversariam Christi mortui 
et sepulti, statis et solennibus jejuniis parasceues et sabbati magni 
coluerint? Sedini 1731. 4. (bringt auch Manches über die Quadra⸗ 
gefimalfaften überhaupt bei). — J. Gli. Ehrlich de quadragesimae jeju- 
nio. Lips, 1744. 4 — Hospinian de festis p. 48. — Bingham 
Origg. Vol, IX, 1, 21. p. 177. — Baumgartens Erläuterungen x. 
p. 328 ff. — Hildebrandi de diebus festis libellus p. 50 4eqq. — 
Schöne Geſchichtsforſchungen ıc. 3. Thl. pe 253 ff. — Auguſti Denk: 
würbigkeiten Thl. IL p. 19 — 89. | | 

) Urfprung und allmählige Ausbildung der 
Quadrageſimalfaſten. — Früher fhon wurden in der ſchriſt⸗ 


\ 


Duadragefimalfaflen. 253 


lichen Kirche jährlich wiederkehrende Faſttage gewoͤhnlich. Beſonders 
glaubten die erſten Chriſten die Zeit feierlich durch Faſten bezeichnen zu 
muͤſſen, die Jeſus im Grabe zugebracht hatte, und zwar mit Bezie⸗ 
bung auf Me. 9, 16. Mrec. 2, 20. Luc. 5, 85. Darum daucrte die⸗ 
fe6 Zaften im Anfange auch nur 40 Stunden Tertull. de jefun. o. & 
15. Irenasus ap. Euseb, 6, 24. Spaͤterhin behnte man aber biefe 
Faſttage auf AO Tage aus, weswegen auch bie nächflen Wochen vor 
Dflern Iateinify quadragesima, und geichifh Teasagaxovsn hirfen. 
Jedoch nahmen fie Anfangs nicht die volle Bahl von 40 Tagen ein, 
ob man gleich den Namen davon entiehnte, um vielleicht bamic auf _ 
das AOtägige Faſten Jeſu, Eid u. ſ. w. anzufpielen. Roͤmiſche und 
auch einige Schriftfteller aus der protsflantifchen Kirche haben das. 
AOtaͤgige Faſten als eine apoftolifche Ginridhtung. angefehen. Allein 
waͤre dieß der Fall geweſen, fo würde mehr Uebersinftimmung geberrfcht 
haben, da man body bald mehr, bald weniger Wochen und Tage faltete. 
Auch ifl das kein Grund für ben apoftolifchen Uefprurig der AMtaͤgigen 
Saften, wenn Bafilins der Große, Ambrofius, Leo der Große «6 ein 
görtliches Inſtitut nennen, da bekanntlich die Rhetorik der Väter 
fhon das mit dem Namen des Göttlihen bezeichnet, was: das Beiſpiel 
Jeſu für fih hat. Ja nicht einmal der Ausdruck apoſtoliſch ift 
ganz flreng zu nehmen, indem Hieronymus ausbrüdlih fagt: Prae- 
ceopta majorum leges apostolicas arbitrantur. Soerat. h. oe. 5, 22. 
Sozom. 7, 19. ſprachen fchon von einer allmähligen Verlängerung dies 
fer Faſtenwochen, und deuten auch ſchon die gemilderte Strenge der: . 
felben an. Etwas fpdter führte man das Faſten vor Dftern auf 86 
Tage zurüͤck, welche in der morgenländifchen Kirche mit ber ſiebenten 
Woche vor Oſtern anfingen, Inden bier woͤchentlich zwei Tage vom 
Faſten ausgenommen waren. In der abenbländifchen Kirche fing man 
aber erſt in der fechsten‘ Woche vor Oſtern an, weil bier den Sonn⸗ 
abend mit gefaftet wurde. Cassian. collat. 21. o. 24. 25. 80. Gr 
gor. bomil, 16. in evangelia Tom. Ill, p. 42. Chrysostom. hom. 
11. in Genes. — Gregor in ber genannten Homilie giebt auch den 
Grund an, warum dieß S6tägige Faſten decimatio animae fei genannt 
worden, indem er fagt: Dum vero anaus per 865 dies dueitur, 
nos autem per 56 dies affligimur (il. e. jejunamus), :quasi anni 
nostri deeimas Deo demus. Auf biefe Art bat bas Faſten vor Oſtern 
im Beitalter Gregor ded Großen 86 Tage gedauert, bis es von ihm ſelbſt 
oder wie andre wollen, von Gregor IL. im 8. Serulo auf 40 Tage. 
ausgedehnt worden iſt, um den biblifhen Beiſpielen eines Moſes, 
Elias und Jeſus zu entfprehen. 2 DB. Mof. 84, 28. 1 Res. 19, 8. 
Me. 4, 2., fo dag nun bie Benennung quadragesima buchſtaͤblich zu 
nehmen ift, da man zuvor bafielde Wort auch von einer kieinern Zahl 
ber Faſttage vor Oſtern brauchte. Was übrigens geſchah, um diefer Eins 
richtung fpäter gefegliche Kraft zu geben, iſt bei dem Artikel Faſten 

erinnert worden, welcher bier überhaupt zu vergleichen if. 
IH) Warum man die Saftenseit vor Oſtern eins 
efühbrte und wie man fie feierlid ausgezeichnet 
abe! — Nah den Nachrichten, bie darüber im chriſtlichen Alters 
thume vorhanden find, wurbe man dabei von folgenden Gruͤnden geleitet. 
4) Man wollte dadurch eine erbauliche Erinnerung aw das Leiden, 


| ma | Quadrageſimalfaſten. 


und Sterben Jeſu befoͤrdern; durch Faſten und Entſagung ſollte man 
gleichſam mit ihm leiden und dee Suͤnde duch Enthaltung, Trauei, 


Rexue und Buße abſterben. 


2) Sollte dieſe Zeit als Vorbereitung fuͤr die Katechumenen und 
für die Poenitentes und Lapsi benutzt werden, weil jene gewoͤhnlich 
zu Oſtern getauft, diefe aber um biefelbe Zeit wieder in die Gemein⸗ 
ſchaft der Kirche aufgenommen wurben. Cyrill. catech. 1. $. 15. 
Conc. Carthag. IV. can. 55. — Die Poenitentes betreffend: Ambros. 
ep. 33. ad Marcellin. soror., wo es heißt: Erat dies, quo dominus 
sese pro nebis tradidit, quo in ecclesia poenitentialia relaxantur. 

3) Auch auf die Abendmahlsfeiee wollte man dadurch vorbereiten, 
au welcher die Kirche beſonders um die DOfterzeit verpflichtete. Chrys. 
hom. 52. in eos, qui pascha jejunant. 

4) Einen andern Grund aus ſpaͤterer Zeit führen an Leo serm. 
IV, de quadragesima und Cassian collat. XVI. e. XXX.; naͤm⸗ 


Ulich man habe durch die Faſtenzeit erfegen wollen, was die Chriften 


- 


jener Zeit bereits am freiwilliger Strenge in Faſten nachgelafien hätten. 

Vebrigens zeichnete man biefe 40 Rage von mehr als einer Seite 
feierlich aus, 

1) Man faflete mit vieler freiwilliger Steenge während biefer 40 
Tage in den erften Jahrhunderten, obgleih bis ins 6, Jahrhundert 
noch große Freiheit hberrfchte, indem Kirchengefege in dieſer Hinſicht 
noch nichts beflimmt vorfchrieben. Befonders lehren dieß mehrere Stels 
Ion in den Domilien des Chryſoſtomus, 3. B. hom..52. in eos, qui 
pascha jejunant. hom. 16. ad popul. Antioch, und öfterer. Socrates 
h. e. 5, 22. Sozom. 1. 11. Die Art und Weile, wie man faftete, iſt 
auch bereitö in dem Artikel Faſten befchrieben worden. 

2?) Durch eine Verordnung Theodosii Magn. in Cod, jur. 1. IX. 
tie. 85. leg. 4. und 5. mußten wegen biefer Faſtenwochen alle Crimi⸗ 
nalproceſſe ruhen. 

3) Man unterfagte die Schaufpiele und alle mit lärmenden Bers 
gnuͤgungen verbundene Seierlichkeiten, als Geburtstage, Hochzeiten, 
glänzende Gaſtgebote Cod. Theodor. 1. 15. tit. 5. leg. 5. Gregor. 
Nazianz. ep. 71. Conc. Laod. can. 52. Auch rechnete man fogar das 
bin bie natales martyrum. Das, was man durch diefe einfachere 
Zebensweife erfparte, wurde ben Armen beflimmt. Augustin. Serm. 


BS6. de tempore, Leo serm. 3. de jejun. pentee. Chrysolog. serm. 8. 


de jejunio et elemosyne, 

4) Wenigftens in den Hauptkirchen wurden täglich gottesdienſtliche 
Berfammtungen gehalten und das Abendmahl feierte man während ber 
Saflenzeit vor Oftern ale Sonnabende und Sonntage. Conc. Laod. 
e Cone. Trullan. can. 52. An den übrigen Tagen war an 
einzelnen Orten auch die missa praesanctificatorum gewöhnlich (f. den 
Artikel Meffe). " | 

UI) Welche Spuren der Uuadragefimalfaften 
find noch jest in der hriftliden Welt anzutreffen! 
— Im Allgemeinen kann man von allen drei Kicchenfoftemen unfter 
Zeit behaupten, daß ſich in ihnen Manches aus der Praris früherer 
Jahrhunderte erhalten babe, Manches aber auch verfchmwunden fei. Am 
ſtrengſten bat ſich die Saftendiscipiin ber fruͤhern chriftlichen Zeit erhalten‘ 


Quadragefimalfaften. 255 


a) in der griechiſch-katholiſchen Kirche. Wir 
baben dieß bereits im Artikel Kaften 2. Bd. p. 79 ff. bemerft, und 
finden genau genommen — auch wiederholt in der neueſten hier⸗ 
her gehoͤrigen Schrift: Briefe uͤber den Gottesdienſt der morgenlaͤndi⸗ 
ſchen Kirche von Dr. Edw. v. Muralt. Leipzig, Weygand'ſche Buch⸗ 
handlung 1838. Wir wollen, um die Darſtellungsweiſe des Verfaſſers 
bemerklich zu machen, welche zuweilen an das fuͤßlich Myſtiſche grenzt, 
nur folgende Stelle im Auszuge mittheilen: „Die ganze heilige große 
„Zeit der 40 Tage ſoll mit dieſer Zahl ſowohl das Faſten des Moſes 
„auf dem Sinai zur Annahme des A. B., als dasjenige des Prophe⸗ 
„ten Elias auf dem Horeb, da er die Stimme des Herrn im leichten 
„Saͤußeln des Windes vernahm nach dem Sturme und Gewitter, als 
„endlich das Faſten bes Erloͤſers ſelbſt auf dem Berge ber Verſuchum 
„vor dem Anfange der Verkuͤndigung des N. B. deſſelben. Diefe 
„Quadragesima iſt mie ein Zehntel des Jahres dem Herrn gewidmet, 
„aus ber Zahl der Tage unfers Lebens abgefondert, um unfte Herzen 
„ibm zum Opfer zu bringen.“ 

„Aber da in den fieben Wochen mehr denn 40 Tage find, fo 
„eönntet ihre fragen, von welchem Tage an und bis zu welchem die 
„Quadragesima ſich erſtrecke. Du mußt aber wiflen, bag die Kirche 
„Thon von den Zeiten der Apoftel an in ber Strenge ber Faſten an 
„sen Sonnabenden und Sonntagen nachgelaſſen hatz an jenen, wegen 
„ber freudenvollen Auferftehung des Herrn, an biefen wegen der Erins 
„nerung der Weltfhöpfung, und fo wird noch an biefen beiden Tagen 
„Rein Knie gebogen. Darauf haben einige von den Vätern ber paläflis 
„menfiihen Wüfle durch Dinzuflgung der Butterwoche und duch Auss 
‚„Ihliegung ſaͤmmtlicher Sonnabende und Sonntage bie Zahl ber eigents 
„hen 40 Rage herausgebracht. Indeß verſteht die rechtgldubige Kirche 
„gewoͤhnlich nur die fechs erften Faſtenwochen, ohne die Tage des 
„Lazarus und bee Palmen, weil diefes Feiertage find, und fo wird am 
„Sonntage vor den Palmen gefungen: Nach Vollendung der beflimms 
„ten 40 Zage laß uns auch die heilige Woche deines Leidens fchamen, 
„© DMenfchenfreund!” (Das Idiomelon im Anfange der Paratefe p. 
874 a.) Die großen Tage dieſer Woche aber zeichnet die Kicche mit 
befondern Gebräuhen und Gebeten vor allen andern aus, als die 
Krone der ganzen Faftenzelt und bie Vorhalle bes Paſcha. In Bes 
ziehung auf bie neuste Praxis, das Duadragefimalfaften betreffend, 
findet man 

b) für die r8miſche Kirche bei Binterim 5. Bd. 1. Thl. 
p. 169 $olgendes: „Der Afchtag (Aſchermittwoche, vergl. den Artikel) 
„eröffnes die Faften. Wie in den alten Zeiten die Büßer während 
„ihrer Bußzeit mehrmals mit Afche beftceut wurden, fo fängt die Kirche 
„die allgemeine Bußzeit auch mit einer Afchebeftreuung auf bie Häupter 
„oder Gläubigen an. Diefer Gebrauch iſt wahrſcheinlich aufgefommen, 
„nachdem die oͤffentliche Bußdisciplin gänzlich eingegangen war. Die 
„Aſchebeſtreuung fah man ats eine Einweihung und Introduction in 
„die Bußzeit an.” — Mit dem Anfange ber Faſten hörte bei eini⸗ 
gen Lateinern und überhaupt bei allen riechen ber Freudengeſang 
Alfeluja auf. — Fruͤher verfchleierte man bie Kreuze und Bilder vom 
erfien Sonntage ber Kaften an; im 15. Jahrhundert begann man dieß 


256 Quabragefimalfaften. 


erſt am Pafflonsfonntage zu hun. Aber aud ber Altar wurde mit 
eines Vorhange bedeckt, daß er dem Augen ber Gläubigen bie ganze 
Beit entzogen blieb. Heutzutage werben nur allein die Grucifirbilder 
mit einem Schleier behangen. Diefe Ceremonie fol bie tiefe Trauer der 
Kirche anzeigen. In Spanien und Frankreich begannen mit dem erſten 
Saftenfonntage die feierlichen Bfttgänge, welche während der ganzen Faſten⸗ 
zeit an den Sonntagen und auh an einigen Mochentagen fortgefegt 
wurden. Die benachbarten Kirchengemeinden trafen zufammen und 
befuchten gemeinfhaftlih die Hauptpfarrkicche brei Tage nad) einander, 
wie die dritte Synode von. Braga vorfchreib. Die Mönche hielten 
diefe Proceffionen durch die Kreuzgänge mit bloßen Füßen. — Was nun 

6) die proteftantifhe Kirche betrifft, fo war bie foge: 
nannte Kaflenzeit durch Mehreres, namentlich in ber Älteren Lutherifchen 
Kirche, ausgezeichnet, was aus früherer chrifllicher Beit herrſtammte. 
Dahin gehört das noch jest Statt findende tempus clausum, das 
Anterfagen ber Mufit und bed Tanzes während der Baftenzeit, fe wie 
der Schauſpiele und anderer oͤffentlichen Beluſtigungen. Allein in die⸗ 
ſen aͤußern Andeutungen der Leidenszeit Jeſu iſt wenigſtens im prote⸗ 
ſtantiſchen Deutſchland eine ſehr laxe Obſervanz eingetreten. Tanz⸗ 
muſik, Baͤlle, Schauſpiele und dergleichen haben ihren ungeſtoͤrten 
Fortgang, kaum daß man noch der Charwoche einige Aufmerkſamkeit 
ſchenkt. Nur etwa bie ſchwarze Altar: und Kanzelbekleidung, das 
Singen von Paffionsliedern und das Predigen über Texte aus ber 
Leidensgeſchichte erinnern daran, baf der Kultus auf das Leiden ımb 
Sterben des Erloͤſers hindeuten fol. Vergl. den Auffag über die Feier 
der Faſtenzeit in der deutſch⸗ proteftantifchen Kishe, in der Allgem. 
Kirchenzeit. 1834. Nr. 156. 


x 


22. 
KReliquienverehrung 
j im Kultus ber Chriften, 


I. Etymologie, Begriff, Urfprung und. hohes Alter 

der Reliquien, IL Große Ai emeinheit der Reliquien⸗ 

verehrung ſowohl in der katholiſchen Kirche als auch bei 
den Häretilern, und geringer Erfolg der Bemühungen 
derer, die das Mebertriebene und Unftatthafte diefer Ver⸗ 
ehrung zu beſchraͤnken fuchten. IH. Urfachen der Reli⸗ 
quienvermehrung felbit bis auf. die fpätern Jahrhunderte 
herab, IV. Größtöntheild nachtheiliger Einfluß der Res 
liquienverehbrung auf dad Volks⸗Vund kirchliche Leben. 
V. Reliquienverehrung in der heutigen chriftlihen Welt. 


Literatur. Die allgemeinen Schriften über Heiligenkultus 
f. oben Bd. 2. p. 260 f., andere bei Walch Biblioth. theol. I. p. 
203 segq. 11. 260 segg. und bei Winer theol. Literat. 8. Ausg. I. 
p. 478 f. Vergl. auch oben Bd. 1. p. 211 f., Bd. 3. p. 272 und 
818. Wir befchränfen uns bier auf die Schriften, die (menigftens 
vorwaltend) hiſtoriſch und antiquarifh von den Reliquien handeln; 
andere (ausfchlieglich bogmatifhe) Schriften |. bei Walh a a. D. I. 
203 ff. 11. 262 ff. — Agobard de translatione reliqularum s. marty- - 
rum etc. in fein. mehrmals gebrudten Werken, 3. B. in der Aus⸗ 
gabe Paris 1668. 8. Tom. Il. p. 123 2eqq. — Jac. Gretser de 
sacris romani imperii sanctorum reliquiis et reliquiarum menumentis, 
Ingolst. 1618. 4., auch in fein. Opp. — J. Launoi de cura eccle- 
siae pro sanctis et sanctor. reliquiis ac sacris officiis ab omni fal- 
sitate vindicandis. Paris 1660. 8. — Th. Steger de ortu et pro- 
gressu cultus reliquierum. Lips. 1668. 4. — J. Mabillon observa- 
tiones de sanctorum reliquiis in der Praef. ad Acta Ord. s. Bened. 
Seculi 2. p. SO seqq. (Paris. 1669. Fol.) und de probatione reli- 
quiarum per ignem in fein. Analect. ed. $. (Paris: 1723. Fol.) p. - 
568 seqq.; auch gehört hierher feine pfeubonpyme (unter dem Namen. 
Eusebius Romanus) epistola ad Theophilum Gallum de oultu sancto- 


rum ignotoram. Paris 1698. 4. u. d., auch in ben Analect, p. 
‘662, unter deren zahlreichen Gegenfchriften die Yon Ar. Plounier, 


Sigel Yamtup IV. 


- 


— 


258 Reliquienverehrung. 


(Rom 1700. 8.) herauszuheben ſeyn bürfte. — De la veneration ren- 
due aux reliques des saints, Avign. 17135. 8. — De Cordemoy 
traite des saintes reliques. Paris 1719. 8. — Petr. Moretti de 
ritu ostensionis sacrarum reliquiarum diss. hist. -ritualis. Rom. 
1721. 4. und Supplementum dissertationis etc. nad) fein. disa. de 
ritu variandi Chorale indument. in solennitat. Paschali Rom. 1732. 
4. — J. H. Jung disquis. antiqu. de reliquiis et profanis et sacrise 
earumque cultu. Gotting. 1743. 4. — J. Ach. Fel. Bielcke de 
cinerariis. Stargard 1745, Fol.; auch in Biedermanni select. 
scholast. Vol. I. fasc. 2. (Numburg. 1745. 8.) p. 677—95. — 
Bingham Origg. Vol. 10. p 91 — 93 (ſehr wenig). — Jac. Ben. 
Boffuer’8 Einleitung in die allgemeine Geſchichte der Welt, überf. und 
vermehrt von 3. A. Cramer. (Leipz. 1757 ff. 8.) Thl. 4. p. 285 ff. 
Gent brauchbar). — Schmidt's Handb. der chriſtlichen Kirchengeſch. 

l. 6. p. 246 ff. und an andern Stellen. — Auguſti Denkwuͤrdig⸗ 
keiten Bd. 2. p. 265 fe. — Binterim Denkwuͤrdigkeiten Thl. 4. 
VB. f. p. 133 f. Thl. 5. Bd. 1. p. 105 f. Thl. 7. Bd. 1, p. 37 f. 
(verhältnigmäßig wenig). — Die vielfach gefertigten Reliquienverzeichs 
niffe können wir hier nicht aufführen. Ein ſehr vouftändiges lieferte 
im 8. Sahrhunderte dee Abt Angilbert von Gentuia; f. Mabillon. Act, : 
Sant. Ord. Bened. Tom. IV. P. IL. p. 114 segq., unter den neuern 
iſt Fr. Graͤffer's Meliquienfchag der Chriſtenheit. Wien 1829, 8. wohl 
am vollſtaͤndigſten. " 

) Etymologie, Begriff, Urfprung und hobes 
Alter der Reliquien in der dhriftlihden Kirche. — 
Wenigftens in ähnlicher Beziehung, wie man das Wort reliquiae, 
(arum, aud) neutr. reliquis, or.) im chriftlich = fichlichen Sprachge⸗ 
brauche nimmt, kommt es auch bei römifhen Profanferibenten vor. 
Unter andern wird es bier von den Ueberbleibfeln der Zodten und bes 
ſonders von der Aſche gebraucht, die man nach Verbrennung ber Reichs 
name in befonbere Urnen fammelte. So kommt e6 vor bei Sueton. 
vit. Octav. c. 100., wo es heißt: Roliquias legerunt primores or- 
dinis equestris, tunicati et disoincti, pedibusque nudis ac Mausoleo 
condiderunt. Aehnliche Stellen findet man noch Tacit. Annal. III. 
4. Virg. Aeneid. V. 47. Cic. leg. H. 22, und oͤfterer. Daß man 
einen Unterſchied zwiſchen carpus und reliquise machte, und unter dem 
erſtetn oadaver integrum oder corpua sarcophago conditum, unter 


lettern aber singulas corparis partes, cineres u. a. verſtand, gefchah 


ebenfalls nad) dem in ben Seriptoribus rei Aug. nicht ungemöhnlichen 
Sprachgebrauche. Mebrigend werden aber unter Reliquien nicht 
blos einzelne Glieder und Rörpertheile, fondern 
auch Alles, was den Derftorbenen zunaͤchſt anges 
börte und als ein Attribut derfelben betradtet 
wird, verfianden, Daher ift die Definition entflanden: Beli- 


'Quiarum nomine intelliguntur non solum corpora Sanctorum vel 


eorum partes, sed etiam vestes, baculi, rosaria et alia, eorum 
usu vel attactu saorata, uti sunt instrumenta martyrii v. c. cKucen, 
funeg eto. ima et sepulora etc. 

Daß die Reliquienverehrung fhon vor und. außer dem Chriſten⸗ 
thume gefunden wird, ift sine zu entichiedene Thatſache, ala dag man 


— 


Reliquienverehrung. - 259 


ben Urfprung berfelben ber cheiftlichen Kirche zuſchreiben koͤnnte. Si⸗ 
findet fich bei mehren Völkern bes Alterthums, namentlich ben Aegyptern, 
Striehen und Römern, und den Chriften iſt eigentlih nue eine ges 
wife Form und ein hoher Grab ber Uebertreibung eigenthuümlich. 
Schon Bigilantius im 5. Jahrhundert, ein Presbpter aus Gallien 
gebürtig, der aber in Spanien lebte, rügt den Mißbrauch der Melis 
quienverehrung und befchnidigte die Chriften, welche er Cinerarios 
(Aſchenſammler) nennt, baß fie biefe Gewohnheit von den Heiden ent 
lehnt hätten. Vergl. die kleine Monographie Vogel de Vigilautie 
haeretico orthodoxo. Göttingen 1756. Allein ob er gleich von feinem 
mächtigen Gegner Hieronymus zum Schweigen gebradıt wurde, fo lehrt 
doch eigentlich Eufebius dafielbe; benn H.E. I. VIE c. 18. und 19, 
und 1. VII. o. 6. giebt er zu, baß die Chriften bie. Ehrfurcht wor den 
Gräbern und Weberreften der Märtyrer mit den Heiden gemein hätten, 
und hofft, daß diefe Uebereinflimmung bie Heiden dem Chriffenthume 
geneigt madyen werde. Euseb. praeparat. evangelic. Xläl. 11. 
Andere hingegen leugneten eine Nachahmung ber Heiden und [is 
teten den Urfprung aus ber heiligen Schrift ber. Schon bie Comstit. 
Apost, 1. VI. oe. 29. und Cyrill. Hieros. Catech. XVIII. n. 16. 
berufen fi) auf das durch die Gebeine des Propheten Eliſa bewirkte 
Wunder (2 Reg. 13, 21.) und auf die Ehrfurcht, welche König Jo⸗ 
fias den Gräbern und Gebeinen der Propheten erwies, 2 Reg. 23, 16. 
vergl. 1 Reg. 13, 2. 29. — Eben davon handelt auch Jeſus Sirach. 
e.46, 12. 49, 12. (ra dora Toy noogmsiv üvadaloi dx Tos 
zönov avzwr). Auf ſolche Fälle berief man fich am liebſten, um die ben 
Ueberreften ber Maͤrtyrer und Heiligen erroiefene Ehrfurcht zu vechtfertigen. 
Sn Anfehung der Gewohnheit, die Körper ber Märtyeer nicht zu beers 
digen, fondern in Haͤuſern aufzubewahren, mogegen fihon ber heilige 
Antonius im Anfange des 4. Jahrhunderts. eiferte (Atharasii vit. 8. 
Antonii Opp. Tom, I. P. II. p. 862) berief ex ſich auf 4 WMof. 60, 
25. und 26. 2 Moſ. 13, 19. Joſ. M, 32%. mb Sirach. AO, 18., 
wo von ber Aufbewahrung der Gebeine bed Patriarchen Joſeph ges 
handelt wird. - 
Daß die Reliquienverehrung ſehr hoch ins cheifitiche Alterthum 
Hinaufreihe, laͤßt fih fchon aus bem abnehmen, was wir von Bike . 
lantius und dem heiligen Antonius erinnert haben. Allin der Beweie 
laͤßt fich für eine noch frühere Zeit führen. Bereits im 3. Jahrhun⸗ 
derte fand eine Verehrung der Märtyrer: Reliquien Statt. Zur Belt 
der Diocletianifchen Berfolgung warfen die Deiden zu Milomebien bie 
Ueberrefte der Märtyrer ins. Meer, bamit ihnen wicht göttliche Ehro 
erwwiefen würde. Dieß erzählt Euseb. h. e. VIII. c. 6. Eim ſolche 
Vergötterung dee Maͤrtyrer machte auch Porphorius, wie ſpaͤterhin Kais 
fer Julien, den Ehriften zum Vorwurfe. Hieron. cantr, Vigi 
o. 9. Julian. Imp. ep. 62. Und in der That fehlt es nie au Bel 
fpieten eines offenbaren Aberglaubens in dieſem Stuͤcke. Wew einem 
Sarthagifhen Weite, Namens Lucilla, wird in Opteti Milervit. de . 
schsm. Donat. }. I. e. 16. p. 42 ed. Obertb. erzählt: Qube ante 
spiritualem cibum et potum, au, neaeio eujus martyris, si tamen 
martyris, libare dicabatur, et cum praeponeres oslWwi sulutari os 
nescio‘ cujus "hominis mortui, ek si mastyris, sad Perlen viadi- 
4 





260 Reliquienderehrung: 
ehti, correpta, cum confusione, irata discessit. Hierbei iſt der Aus⸗ 
druck martyris necdum vindicati zu bemerken, welcher eine förmliche 
Prüfung der Acchtheit und Anerkennung voraugfegt. 

U) Große Allgemeinheit der Reliquienvereh: 
rung fowohl in der katholiſchen Kirche, als aud 
bei den Häretifern, und geringer Erfolg der Be⸗ 
mübungen derer, die das Webertriebene und Uns: 
ſtatthafte derfelben zu befhränken ſuchten. — Bie 
groß und allgemein verbreitet die Neliquienverehrung gemefen ſeyn muͤſſe, 
laͤßt ſich ſchon daraus abnehmen, daß hierüber faft gar Bein Streit 
geherrſcht, und daß ein kritifches Verfahren, um zu unterfuchen, ob 
etwas als Achte Reliquie angefehen werden könne, fo wie ein abfichtlie 
ches Beſtreiten derfelben zu den feltenen Erfcheinungen gehörten, und 
wenn fie auch Statt fanden, doch meiftens fruchtlos waren. Auf dem 
erften Blick follte man glauben, daß alle Bilderfeinde zugleih auch 
und in einem noch höhern Grade Gegner der Reliquien feyn müßten. 
Und doch ft bieß fo wenig der Fall, daß wir vielmehr unter ben lei⸗ 
denfchaftlichften Ikonoklaſten die eifrigſten Verehrer der Reliquien fins 
den. Bel Manchen bat offenbar die Politik hierbei gewirkt, wie bei 
den Monarchen, welche den Bilderdienft ganz abfchafften oder doch 
beſchraͤnkten. Da ihr Verfahren für Impietaͤt und Sactilegium gehal> 
ten wurde, fo wollten fie diefen Verdacht dadurch von fich entfernen, 
daß fie gegen die unbezweifelten Reliquien eine deſto größere Pietät und 
Devotion an den Tag legten. Bei andern aber hatte biefe Inconfes 
quenz bed Verfahrens nicht blos in der Politik, fondern aud) in einer 
verfchiedenen Anfiht bee Sache ihren Grund. Dieß ift ber Fall bei 
Epiphanius, CEhryſoſtomus, Auguftinus, Hieronymus, Gregor dem 
Großen und vielen Andern Kirchenvätern, welche ſich zum Theil fehe 
nahdrüudlih gegen den Gebrauch der Bilder erklären und doch den 
Reliquiendienft auf alle Weiſe durch Lehre und Beiſpiel beförderten. 
Die Gruͤnde für diefe Verſchiedenheit fcheinen folgende zu ſeyn: 

1) In Anfehung der Bilder hatte man das beflimmte Verbot in 
- bee mofatfchen Gefeggebung: Du follit dir Fein Bild oder 
Gleichniß mahen! Und in der That war in dem ganzen Bil: 
derſtreite diefes Verbot dee Hauptpunct bes ganzen Controverd und es 
Loftete den Bilderfreunden nicht wenig Mühe, um über biefen Stein 
des Anftoßes wegzukommen. Ein foldyes Verbot ber Reliquien aber 
konnte weder aus dem 3. noch N. T. nachgewielen werden, und man 
hielt fi) baher um fo mehr zur Verehrung der Reliquien berechtigt, 
ba fie in ber Schrift nicht verboten, vielmehr durch Beifpiele des A. T. 
empfohlen war. 

2) Die Verehrung ber Reliquien hing mit bem tief eingemurzelten 
Wunderglauben aufs innigfte zufammen. Wie nach Auguflin (Serm. 
V. de natali Steph. Mart. Tom, V. p. 1271: Sicut solent apparere 
sanctorum corpora martyrum, revelatione Dei) bie meiften Reliquien 
durch eine befondere Offenbarung ober duch ein Wunder entdedt. wur 
den — in welche Kategorie nach Ambrofius auch das von Helena ents 
deckte Kreuz Chriſti gehörte —, fo wohnte ihnen auch fortwährend eine 
befondere Wunderkraft bei. Die Reliquien beſitzen die Kraft Dämonen 
zu vertreiben, Krankheiten zu heilen, Todte zu erwecken, Kandplagen 


Reliquienverehrung. 1 


abzumehren, Feinde zu verjagen, zukünftige Dinge zu verfünbigen, bie 
Unfchuld zu bemeifen und biele andere Dinge biefer Art zu bewirken, 
Man vergl. August, de cirit. Dei I. XXII. c. 8. epist. 157. Chry- 
sost. Hom. 66. ad pop. Antioch. Hieronym. contr. Vigilant. vit. 
Hilar. u. a. Es ifl leiht, eine ganze catena testimoniorum aus dent 
Schriften der berühmteften griehifhen und lateiniſchen Kirchenvaͤter 
des A. und 5. Sahrhunderts zufammenzubringen. In Anfehung ber - 
Bilder aber herrfchte wenigſtens nicht in ber frühen Zeit und im Allge⸗ 
meinen dieſer Glaube. In fpätern Zeiten, und als Ausnahme in früs 
hen, findet man erft die Vorflelung von Wunder: und Gna—⸗ 
denbildern, melde den Reliquien an bie Seite gefegt wurden, zu 
welchen man zu wallfahrten und welche man in Proceffion hetumzu⸗ 
tragen pflegte. " 

3) Aber auch abgefehen vom Wunbderglauben und blos aus bem 
mnemofpnifhen und hiſtoriſchen Geſichtspuncte betrachtet fchrieb man 
den Reliquien einen groͤßern Einfluß auf Belehrung und Beförderung 
der Andacht zu, al& den Bildern. An den Reliquien haste man, wenn 
fie auch noch fo unvolllommen und unvollitändig waren, body immer 
etwas Meelles und Subftantielles, während bei den Bildern alles nur 
ſymboliſch und repräfentativ war. Die Bilder, befonders die biftorkfchen, 
welche bier vorzugsmeife in Betrachtung kommen, blieben immer nur 
Kunftproducte, wobei die größere oder geringere Uebereinſtimmung mit 
den Driginalen von der Willkuͤhr und Gefchidlichkeit, fo wie vom 
Geſchmacke des Künftlers abhing. Bei ben Meliquien aber tonnte man 
verfichert feyn, ein Naturproduct vor fih zu haben, weldyes, wenn 
auch nicht mehr in feiner urfprünglichen Integeität und Form, doch immer 
noch als Werk und Attribut eines ehemals beftehenden Ganzen betrachtet 
werben konnte. — Dffendar hat auch dieſer hiſtoriſche Gefichtspunct 
dazu beigetragen, den Reliquien viele Verehrer zu verfhaffen. Auch 
bat die Sache, von diefer Seite betrachtet, weniger Anftößiges, indem 
bie Liebhabersi an Reliquien mit dem Eifer zu vergleichen ift, womit 
Freunde des claffifhen Älterthums die Ueberrefte der griechiſchen, roͤmi⸗ 
fhen ober germanischen Vorzeit zufammen zu bringen bemüht find, 
und ſich ſelbſt mit geringfügigen Gegenfländen, Urnen, Zähnen, Kno⸗ 
hen, Inſtrumenten, Sragmenten aller Art u. ſ. w., begnügen. 

Daß die Reliquienverehrung fehr allgemein verbreitet war, gebt 
auch aus dem Umitande hervor, daß felbft unter den häretifchen Par: 
teien keine fih fand, welche ben Glauben an Reliquien und ben telis 
giöfen Gebrauch derfelben verworfen hätte. Vielmehr übertrafen die 
meilten die katholiſche Kirche an blinder Verehrung derfelben. 

Legte man nun auf die Reliquien einen fo hohen Werth, fo follte 
man meinen, man wilde mit Kritik und Behutſamkeit dabei zu 
Werke gegangen ſeyn, um dem Betruge und dem Eigennuge zu feuern. 
Allein man findet Davon nur felten Spuren, und auch dieſe mehr in 
frühern Zeiten. Daß einzelne Biſchoͤfe es mit der Entdedung ber 
Wahrheit ernſtlich meinten, laͤßt fi aus dem Beilpiele des Biſchofs 
Martin von Tour erfehen. Nach Sulpitius Geverus machte er 
Die Entdedung, daß das Volk feine Andacht an dem Grabe eines 
Straßenraͤubers verrichte, welchen man aus Unkunde für einen Märtyrer 
gehalten und zu deffen Ehre ein, von einem Biſchofe geweihter, Altar 





2 7 Reliquienverehrung. 


erbaut war. Martinus ließ ſogleich dieſen Altar zerſtoͤren und bie 
Ueberreſte des Pſeudomaͤrtyrers wegichaffen, und drohte allen künftigen 
Verehrern derfelben mit ber Excommunikation. Diefes Beifpiel ift defto 
merkwärdiger, da gerabe dieſer Martinus ein eifriger Religuienfreund 
wor, und nach feinem Tode (3. 400) felbft bis auf feinen Mantel 
und feine wundertbätige Kappe, zur Reliquie ward. (f.' den Artikel 
Martin der Heilige). Bon Athanafius erzählt Rufin. hist. eccles. 1, 
II. e. 28., daß er mehrere ihm übergebene Reliquien einmamın ließ. 
Es bleibt aber ungewiß, ob er dieß deshalb that, weil er fie für uns 
aͤcht hielt, oder weil er unter der Hanb dem Aberhlauben fteuern wollte, 
Dieſes Eritifche Verfahren wird aber fpdter immer feltener und gewoͤhn⸗ 
lich berief man ſich bei der Entdedung neuer Reliquien auf eine bes 
fondere göttliche Eingebung und Offenbarung (duch eine Belehrung 
xar Grvap, dv Zxoraceı, eine Angelophante, Chriftophanie u. f. w.). 
Sreilih war bie in objectiver Hinſicht ein fchlechtes Beweismittel; 
allein in den Zeiten des Wunderglaubens war es nicht ohne Wirkung, 
und wenn ein frommer Bifchof, wie Cyprian, Augufltinus, Athana⸗ 
fius, Chryſoſtomus, eine göttliche Belehrung erhalten zu haben glaubte, 
fo wurde im der Regel kein Zweifel in folhe Behauptung gefegt. In 
vielen Fällen mar auch kein anderer Beweis anwendbar, weil die Ents 
fernung ber Zeit und des Ortes eine nähere Unterfuhung und "Prü- 
fung geflattete. Die Stelle des hiſtoriſchen Beweiſes vertrat alsdann 
bie authentifche Erklärung des Biſchofs oder eines Wunders. 

Eben fo verhält es fih mit den tadelnden Stimmen gegen bie 
Meliquienverehrung Überhaupt. Sie waren verhältnigmäßig felten und 
wurden faft immer beftritten und blieben gewöhnlich fruchtlos. Wir 
haben bereitd von dem Preöbyter Vigilantius am Ende des 4. Jahr: 
hunderts geſprochen, welcher in einer befondern Schrift Die Verehrung 
der Märtyrer und Reliquien angriff, und den Chriften (nach Hieron. 
eontr. Vigilant. c. 4.) den Vorwurf madte: Prope ritum Genti- 
lium videmus sub praetextu religlionis introduetum in ecclesiis, sole 
adhuo fulgente, moles cereorum accendi, et ubicunque pulviscu- 
lam, nescio quod in modioo fasoulo pretioso linteamine circumda- 
tum osculantes adorant. Anfangs fand zwar Biyilantius In Gallien . 
und Spanien einigen Beifall, allein bald darauf war von ihm nicht 
weiter die Mede. Schwerlich würde die leidenfchaftlihe und unbedeu⸗ 
tende Widerlegungsfcheift des SHieropm. fo viel bewirkt haben, wenn 
nicht der Geift der Zeit fi) gegen feine Grundfäge erkläre hätte. — 
Erſt im 9. Jahrhundert traten Claudius von Turin und der Erzbifchof 
Agobardus von Lyon, indem fie wider Bilder: und Heiligendienſt 
fchrieben, zugleich al& Gegner der Reliquien auf. Uber auch ihnen 
fchadete Geift und Geſchmack des Zeitalterd mehr, als ihre Gegner 
Jonas, Dungal u, a., welche beides für fi hatten. Im 12. Jahr⸗ 
hundert ſchrieb der franzöfifhe Abe Guibertus eine freifinnige Abhand⸗ 
lung unter dem Xitel: Libri quatuor. de pignoribus Sanctor. Opp. 
ed. d’Achery. 1651. p. 827 —67, worin er hauptfählih 1. 1. — 8 
seqg. und 1. III. die fchwache und Ärgerliche Seite ber Reliquienver⸗ 
ehrung aufdeckt. Aber auch biefer Schriftitelfer blieb, wie in Schrödh’s 
Kirchengeſchichte Thl. 28. p. 221 — 35 gut gezeigt wird, theils auf 
halben Wege ſtehen, theils Hatte er das. Schickſal fo vieler andern 


‚Reliquienverebrung. 263 


freimäthigen Schriftftellee, in Vergeſſenheit zu gerathen. Auch bie 
Spöttereien In ben epistolis obseuror. viror. I, I. p. 43 ed. Roterm. 
konnten im Ganzen nur wenig wirkten. Die Reliquienverehrung erhielt 
fih nit nur, fondern erweiterte fi) auch von Zeit zu Zeit. Darum 
machen wir jegt aufmerffam auf bie 

HD) Urfaden, warum die Religuienverehrung 
felbft bis in fpätere Jahrhunderte berab fi ims 
mer böher fteigerte und an Umfang immer mehr 
zunabm. Es Lafjen fih mehrere wirkſame Urfachen biefer Erfcheis 
nung anführen und dahin dürfte zuvoͤrderſt gerechnet werben 

1) der früh fhon erweiterte Begriff von Reli 
quien. Anfangs befchränkte ſich die Bedeutung von Reliquien flreng 
auf die Eörperlichen Ueberrefte der Märtyrer, und wenn auch in dieſer 
Beſchraͤnkung diefelben immer in großer Anzahl vorhanden feyn fonns 
ten, fo wäre die Reliquienverehrung, wenn man nicht weiter ging, 
verhältnigmäßig immer nur eine gemäßigte geblieben. Allein man 
dehnte den Begriff von Meliquien bald auch auf unbedeutende Kleinig⸗ 
keiten aus, deren fi bie Märtyrer bedient hatten, ja man trug auch 
in gleicher Bedeutung den Begriff Märtyrer auf biblifche Perfonen bes 
a. und N. 3. über, wodurch nicht nur die Märtprerzahl vermehrt 
wurde, fondern auch bie Gegenftände, die als werthvolle Ueberbleibfel - 
von bdenfelben betrachtet wurden. Man denke hier an die Splitter vom 
Kreuze Chrifti, an die Nägel von demfelben, an die Dornentrone Jeſu, 
an dad Schweißtuch und die Kleidung deffelben. Desgleihen auch bei 
den Apofteln und felbft bei Perfonen bes 4. T. Eben fo wirkte auf 
bie Vermehrung der Reliquien " 

2) die befonders nad) Verbreitung des Islams 
gewöhnlid gewordenen Wallfahrten nad Pald- 
ftina (f. diefen Artikel) vom Abendlande aus. Auch das Geringſte, 
was der Pilger mit von bort her brachte, galt als Heiligthum, das bald 
ben Kirchen geſchenkt, bald aber auch als Familienheiligthum aufbewahrt 
- wurde. Die Wunbderfuht und Leichtgläubigkeit des Zeitalterd kamen 
dazu und nahmen bald höchft unfichere und unbedeutende Kleinigkeiten 
als werthuolle Reliquien an. Hierher kann man .aud ferner 

3) den Umftand rehnen, daß die Beiligenle— 
genden das beliebtefte Erbauungsbudh des Volks 
und in den BRlöftern wurden (vergl. den Artikel Legenden). 
Um ihre Lebensgefchichten fo piquant wie möglich zu machen, durfte es 
auch nicht an wunderthätigen Reliquien von folden Heiligen fehlen, 
die, wenn fie auch in der Wirklichkeit nicht vorhanden waren, doch mit 
ſchamloſer Dreiftigkeit erdichtet wurden. Wie reich der Reliquienfchag 
auch von diefer Seite werden mußte, kann befonders ber Artikel 
„Hagiolatrie“ Lehren, den wir hier zu vergleichen bitten. 

4) Sm 9. bis zum 13. Jahrhundert erreichte jedoch biefer Unfug 
ben hoͤchſten Grad, und alle Kritit mußte verftummen, als Europa 
thbeils durch die Wallfabrten nah dem gelobten 
Lande, theils durch die Breuzzüge nit ganzen Ke— 
Iiquienmaffen überfhwemmt wurde. Durd die Erobe⸗ 
zung Gonftantinopels durch bie Ratelner im Jahre 1204 wurde auch 
in den nördlichen Ländern, und namentlich in Deutfdland, eln Kell: 








364 Reliquienverehrung. _ 
quienreichthum hervorgebracht, wodon man früher keinen Begriff gehabt 
hatte, und womit man alle Hauptlichen und Palaͤſte reichlich aus⸗ 
flatten konnte. Als bie koſtbarſten Reliquien Conftantinopels giebt der 
Kaiſer Alerius Comnenus in feinem Schreiben an bie fränlifchen 
Grafen und Ritter vom Sabre 1095 folgende an: „Die Säule, an 
„welcher Chriftus ‚gegeißelt worden; die Geißel; den Purpurmantel; 
„die Dornenkrone; der größte Theil des Kreuzholzes mit den Nägeln; 
„zwoͤlf Körbe Broden von den fünf Broden und zwei Fiſchen bei der 
„wunderbaren Speifung; der ganze Kopf und Bart Johannis des 
„Zäufers und viele andere Reliquien von Apofteln und Maͤrtyrern.“ 
Wenn auch biefes Schreiben nicht, ächt ober interpolict feyn follte 
(Schroͤckh Thl. 25. p. 47), fo iſt doch gerade gegen biefe auch fonft 
beftätigten Angaben am wenigflen einzuwenden. 

Aus dieſem Zeitalter rühren aud bie vielen Privatfammlungen 
her, welche unter der Benennung Lipsanothecae (Asııyarodnxos, aud) 
5108 Theoa, Irjx7), einen Reliquienfchrane, ein Reliquiencabinet bes 
zeichnen. Wir haben mehrere Beſchreibungen derfelben, 3. B. von ber 
Sammlung, welhe Herzog Heinrich der Löwe im Jahre 1172 aus 
Conftantinopel brachte, und welche zu Hannover aufbewahrt wird. 
Gerh. Molani Lipsanographia, sive thesaurus Reliquiar. Eleot. Bruns- 
Luneburg. als Anhang zu Jungii disquis. antiq. de reliquiis. Vergl. 
Joh. Phil. Krebs Lipsanotheca Weilburgensis. Wisbad. 1820. p. S—8. 

Aus diefen und andern Urfachen, ‚deren wie noch eine Menge 
“ anführen könnten, läßt fi) die: weit verbreitete und übertriebene Reli⸗ 
quienverehrung,, befonderd im chriftlichen Abendlande, erflären. Daß 
aber dadurch dem chrifflichen Leben mehr gefchadet als genügt wurde, 
läßt fich Leicht zeigen. Darum bemerken wir noch etwas von dem 

IV) größtentbeils nadhtheiligen Einfluffe der 
Reliquienverehbrung auf das Volks⸗- und Firdhlide 
Leben. Sie beförderte 

a) den craffeften und laͤcherlichſten Aberglaus 
‘ben im Volke, der, wie er dem Geifte des Chriften- 
tbums vSllig zuwider war, befonders zur Derfpots 
tung deffelben in neuerer Zeit reihen Stoff barbot. 
Wir haben fchon erwähnt, dag man den Reliquien gleihfam eine all 
mächtig wirkende Kraft zufchrieb und das Volk dadurch glauben machte, 
daß fie gleichſam ein Präfervativ gegen alle Uebel und ein Hülfsmittel 
felen, das Verborgene und Zukünftige zu entdecken. Aber die hier aus 
gefprochenen Behauptungen grenzten oft an das Lächerlihe und laſſen 
fih nur aus dem Geifte einer Zeit erlären, wo Leichtgläubigkeit und 
Wunderſucht vorherrfchend waren. — Der Bifchof von Serufalem er 
laubte allen Pilgrimmen Leine Stuͤckchen vom Kreuze Ehrifti mitzunebs 
men. Gleichwohl wurbe das Holz deflelben niemals kleine. — Ein 
gleiches Wunder wurde von ber Erde erzähle, in welche fih die Fuß⸗ 
tapfen des Heilandes eingebrüdt haben follen. Jeder, der nach Jeru⸗ 
falem wallfahrtete, wollte etwas von biefer Erde befigen, jeder nahm 
etwas davon mit, und dennoch litt fie feinen Abgang; man fah immer 
biefelben Fußſtapfen. Der fchreiendfle Widerfpruch zeigte ſich beſonders 
bann, wenn, mas nicht felten ber Fall war, Über eine Duplicität oder 
Triplicitaͤt einer und derfelben Reliquie fih Streit erhob. Einer ber auffal⸗ 


Reliquienverehrung. 205 


Lendften betraf bie Ueberrefte bes Dionyfins Areopagita im 10. und 11. 
Jahrhundert, welche fi die Benedictinermoͤnche in St. Denys in Frank 
reih und St. Emmeran zu Regensburg mit großer Erbitterung flreitig 
machten, und wobei felbft die Entiheidung des Papftes Leo IX. als 
nicht gnügend angefehen wurde. Selbſt ein Mann, wie Mabillon 
(Annal. Bened. T. Ill. IV.) zeigte hierbei eine einfeitige und leiden⸗ 
ſchaftliche Kritik. Das Urtheil Schroͤckh's (KG. Th. 23. p. 199) 
dürfte daher fehr wahr fen: „Da von der Ankunft des Areopagitis 
„Then Dionyfius in Gallien gar keine hiftorifhen Spuren, von feiner 
„Vermiſchung aber mit dem Dienpfius des 3. Jahrhunderts deflo deuts 
„lichere vortommen, fo kann man daraus ficher fchließen, daß die franz 
„zoͤſiſchen und deutfhen Moͤnche mit einem Lomifch sernfthaften und 
„andächtigen Eifer über einen blauen Dunft geflritten haben.” — 
Darf es und da wundern, wenn Voltaire und Ähnliche Geiſter, bie 
das reinbiblifche Chriftentyum vom verderbten Kirchenthume nicht zu 
unterfcheiden wußten, das Chriſtenthum mit Recht um ſolcher Erſchei⸗ 
nungen willen verfpotten zu können glaubten? Kin anderer Nach 
theil der Reliquienverehrung war, 

b) daß fih in die kirchliche Bottesverebrung 
Leremonien und Bebräude einfhlidhen, die weder 
das biblifche Chriftenthbum noch die Praris der ers 
Den deißliden Jahrhunderte für fi haben Da 

in gehört, ' 

aa) daß in der römifhen Kirche felbft nah eis 
ner gefeglichen Beftimmung in den Altären Relis 
quien müffen aufbewahrt werden, und daß dieß 
noch jegt eine Bedingung bei der Erbauung neuer: 
Altäre geblieben ift. Daher heißt es in der Heinen. Schrift 
von Locerer: Lehrbuch der hriftlich » kirchlichen Archäologie, Frank 
furt a. M. 1832. p. 85: Uebrigens war. die Sitte, die Reliquien 
der Heiligen zur Öffentlihen Schau und Verehrung auf ben Altären 
aufzuftellen, nicht gebräuchlich, vielmehr grub man fie in die Altäre 
ein, wie denn heut zu Tage in der Latholifchen Kirche kein Altar, auf 
dem Meſſe gelefen wird, fich vorfindee, in den .nicht bei deſſen Ein 
voeihung der Bilhof Reliquien einmauert, weswegen der Ort, wo bie 
felben eingemauert werden, das Grab (sepulerum) genannt wurde. 

bb) Daß die Reliquientäithen auf und bei dem 
Altare dem Volke zur Verehrung aufgeftellt wer: 
den, wobei der Aberglaube von mehr als einer 
Seite reihe Nahrung erbält; | 

co) daß man fie auch bei öffentlihen feierlihen 
Proceifionen als Begenftände der Adoration ber 
umträgt; 

dd) daß man dem Schwure über Reliquien 
zuweilen faft noch eine höhere Heiligkeit zufchrieb 
als über dem Evangelienbuche. 

Jedoch ift der Eicchliche Aberglaube zuroeilen nus temporell gewes 
fen, und Reliquien, bie einft in größern Städten mit großer Ehrfurcht 
betrachtet wurden, ſind jetzt gänzlich verfhwunden. Lokal kann fie in 
fo fern noch immer genannt werden, weil einzelne Städte in ber roͤmiſch⸗ 


266 Reliquienverehrung. 


katholiſchen Chriſtenheit auf ihre Meliquten aus früherer Zeit noch 
‚immer viel halten. Zum Beweife kann hier dienen das Blut des hei⸗ 
ligen Sanuarius, des Schugpatrons von Neapel, das man jährli am 
eriten Sonntage des Maimonates flüffig zu machen fuht. Mehrere _ 
Städte Staliens und Spaniens haben auch ſolche eigenthuͤmliche Reli» 
quien, an deren Vorhandenſeyn durch befondere Lokalfeſte erinnert Wird. 
Den ſchaͤdlichſten Einfluß äußerten jedoch die Reliquien dadurch, 

c) daß fie zu einem bödhft aͤrgerlichen und be 
trügerifhen Handel mit Reliquien Deranlaffung 
gaben. Klagen darüber kommen fhon in frühern Zeiten vor und 
fie wiederholen fid) immer lauter in der fpätern Zeit. Schon im Sten 
und 6. Sahrhundert kommen viele Beifpiele von abfichtlihen und ge> 
winnfüchtigem Betruge vor. Gregor, M. Epist. 1. Ill. ep. 30. ad 
Constant. Aug. erklärt fich gegen das bei den Griechen gemöhnliche 
Verfegen und Herumtragen der Reliquien, und erzählt fodann die von 
einem griehifhen Mönche verfuchte Betrügerei. Nam quidam Monachi 
graeci ante biennium venientes, nocturno silentio juxta ecclesiam 
S. Pauli corpora mortuorum in campo jacentia effodiebant atque 
eorum.ossa recondebant, servantes sibi dum recederent. Qui cum 
deprehensi, et eur hoc facerent, diligenter fuissent confessi sunt dis- 
cussi, quod illa ad Graeciam essent tanquam sanctorum reliquias- por- 

taturi. Auch das Coneil. Caeser. Aug. (Saragossa) a. 592. can. 2. 
fah ſich der überhandnehmenden DBerrügereien wegen zu der Beſtim⸗ 
mung genöthigt, daß die Aecchtheit oder Unächtheit der in den Kirchen 
der Arianer gefundenen Reliquien einem Gottesurtheile (und zwar der 
Feuerprobe) unterworfen werden follte. Dieß geſchah auch fünft noch, 
wie Edm. Martene de antig. ecoles. rit. Tom. Ill. p. 495 —96, 
an mehrern Beifpielen zeige. Cr theilt auch eine Befchreibung bes 
ritus sanctus reliquias probandi aus dem Ritual. bed Monast. Re- 
mensis mit. Es heißt in der Oratio unter andern: Domine Deus 
Jesu Christe — qui sacerdotibus tuis tua sancta mysteria Teve- 
lasti, et qui tribus pueris flammas ignium mitigasti, concede 
nobis indignis famulis tuis et exaudi pretes nostras, ut panaus 
iste, vel filum istud, quibus involata sunt corpora sanctorum, si 
vera non sint, crementur ab hoc igne, et si vera sint, evadere 

‚ valeant, ut justitiae non dominetur iniquitas, sed subdatur falsi- 
tas veritati, quatenus veritas tua tibi declaretur, et nobis omnium 
in te credentibus manifestetur, ut cognoscamus, quis tu es Deus 
benedictus in saecula saeculorum. Amen. — Daß die Mönche im 
Zeitalter Auguſtin's vorzüglich geſchaͤftige Reliquienhaͤndler waren, iſt 
von Schroͤckh in ſeiner Kirchengeſchichte Thl. 9. p. 217 ff. gut gezeigt 

worden. Wie nun bdieß-in den ſpaͤtern Kreuzzuͤgen immer mehr der 

“ Sau war, haben wir bereitd bemerkt. Wenn man die hierher gehoͤ⸗ 
tigen Erzählungen näher betrachtet, fo weiß man in der That .nicht, 
ob man ſich mehr über die Unverfhämtheit der Reliquienhaͤndler oder 
über die Leichtgläubigkeit der Reliquienkäufer wundern ſoll. 

Der Einfluß der Reliquien auf bie Firchliche Kunft, den Einige 
hoch anzufchlagen ſuchen, iſt genau genommen unbedeutend. Denn bie 
prächtig gearbeiteten Reliquienkäftchen, deren Binterim Bd. 4. 1. Thl. 
p. 183 erwähnt, find wohl nur geringfügige Kunfttelflungen gegen 


Reliquienverehrang. 267 


Anderes der Art in ben Kirchengebäuden. Daß bie Grucifirbitber, fo 
wie das Sinnbilb des Todes in Skeletten und Todtengerippen und das ' 
in der fpdtern Zeit fo berühmt gewordene Gemälde der Todtentanz 
aus der Reliquienverehrung zu erklären fei, iſt wenigſtens nad) Auguſti 
Thl. 9. p. 517 ff. problematify. Man bätte meinen follen, daß das 
Reliquienweien in feiner Schädlichkeit und Lächerlichkeit im Laufe forts 
geſchrittener Bildung hätte erfannt werden müflen; allein es behauptet 
fih noch bis auf den heutigen Tag. Darum gehen wir Über auf die 

V) Reliquienverehbrung in der heutigen hrifts 
lihen Welt. — Sie findet noch Statt 

a) im Rultus der griechiſch-katholiſchen Kirche, 
und der neuefte Schriftfleller über die morgenländifche griechifche Kirche, 
Muralt, thut ihrer in einem befondern Artikel Reliquien” Erwaͤh⸗ 
nung, und vermeift auf den vierten Brief, wo dieſer Artikel nähere 
Erläuterung finde. Im Ganzen genommen kann man daſſelbe 
Urtheit fällen, was wir Über die Daglolatrie der griechifchen Kirche im 
Vergleich mit der römifchen gefällt haben. Die Reliquienverehrung iſt 
bei den Griechen nicht fo ausgedehnt wie bei den Lateinern. Wie ihre 
Heiligenzahl geringer ift, fo ift es auch die Zahl ihrer Mellquien. "Auch 
roerden fie nicht fo zur Schau getragen, da ſelbſt die Proceffionen in 
der griechlfchen Kirche feltener und einfacher find als in ber römifchen. 
Die Anſicht in den Symbolen der griehifhen Kirche über die Reli⸗ 
quienverehrung findet man Confess. orthod. p. 828. — Metroph. 
Oritopul. Confess. p. 125 und 123. — Heineccii Abbildung Il. p. 
82 ff. Defto mehr Hält noch 

b) die römifhe Birche auf die Reliquienverebs 
rung. Sn den Beſchluͤſſen der Tridentiner Synode (Conc. Trident, 
Sess. 25. de invooatione sanctor.) zeigt fih das angelegentlichite Bes 
fireben, die Reliquienverehrung aufrecht zu erhalten, und darum wird 
jevem VBernichter derfelben das Anathema gedroht. Der Grund diefes 
Benehmens iſt auch leicht erflärbar, ba bie Reliquienverehrung mit 
andern Theilen ihres Kultus genau zufammenhängt, 3. B. mit der 
Hagiolatrie. Hört der Glaube an Reliquien auf und die Ehrfurcht 
gegen bdiefelben, fo ift auch ſchon der Weg zur Geringſchaͤtzung der Dei: 
gen gebahnt. Laſſen wir auch hier einen Schriftfteller aus der roͤmi⸗ 
fen Kirche fprehen, um die Praris und Grundfäge in derfelben in- 
Beziehung anf Neliquienverehrung in der neueften Zeit kenntlich zu 
machen. Es ift der oft erwähnte Dr. Andre. Müller in feinem Lexikon 
bes Kirchenrechts und der eömifch = katholifhen Liturgie, in dem Artikel 
Reliquien 4. Bd. p. 521 ff., wo er fih alfo vernehmen läßt: „Der 
„Kichenrath von Trient (fo drüden fih neuere Schriftſteller in der 
„sömifhen Kirche gewoͤhnlich aus, flatt die tribentinifhe Kirchenver⸗ 
„ſammlung) verordnet, dag die Reliquien ber Heiligen von ben Glaͤu⸗ 
„digen ftets in Ehren gehalten werben follen. Auch geftattet er nicht 
„nur die Verehrung der Bilder ber Heiligen, fondern auch die Aus: 
„fegung ihrer Neliquien, deren Werebrung ſich immer auf die Heiligen 
„und zulegt auf Gott bezieht, da fie nur als Werkzeuge der chriftlis 
„Gen Tugend und als Tempel des heiligen Geiſtes, beftimmt zur 
„Rünftigen Auferftehung und Herrlichkeit, verehrungswuͤrbig find. Wir 
sollen dadurch zur Nahahmung ber fhönen Beiſpiele ber Heiligen, 


208 Reliquienverehrung. 


„tote zu bankbarer Liebe gegen bie Helligen ermuntert werben. Dabei 
„ſoll aller Aberglaube fern gehalten, jeder Mißbrauch forgfältig vermie⸗ 
„den und ber öffentlihe Gebrauch der Meliquien erſt dann geflattet 
„werden, wenn fie vom Bifhofe mit Zuziehung einiger Theologen oder 
„Drdinariatsräthe unterfucht und mit einer Authentif, daß fie wirklich 
„Reliquien canonffirter Heiligen feien, verfehen worden find.” (Nach 
dem vierten Lateran, Conc. ean. 61. fieht das Recht dem Papſte zu. 
Auch befteht zu Rom eine Gongregation zur Unterfuchung der Autori⸗ 
fation der Reliquien, doch genügt auch bie Unterfuhung des Biſchofs. 
Coneil,. Trident. Sess. XXV. de invocat. et venerat. sanctor.) 
„Da die Wellärung eines Biſchofs über die Aechtheit einer Reli⸗ 
„quie an fih nur auf menfhlichen Zeugniſſen beruht, fo gehört fie auch 
„nicht zur Glaubenslehre; die Verehrung der Reliquien ift daher auch 
„keine pofitive, fondern nur eine negative Pfliht, die une jede Vers 
„ehrung berfelben verbietet, fofern ihre Aechtheit anerkannt ift.” _ 
„Man unterfcheidet zwiſchen anſehnlichen Reliquien (reliquiae 
„insignes), wozu der ganze Leichnam eines Heiligen oder größere Theile 
„deſſelben, 3. B. das Haupt, die Hände, Füße und zwiſchen weniger 
„anfehnlihen (minus insignes), zu denen nur fleinere Theile des Körs 
„pers. gehören. Die anfehnlihen Reliquien follen nur in der Kirche, 
„und zwar in der Regel auf einem Nebenaltare oder jn einer Neben: 
„capelle, oder in der Sakriſtei, niemals aber auf einem Altare, wo 
„das Sanctissimum ausgefegt iſt, in einem eigenen, mit angemeffenen 
„Derzierungen und Glasfcheiben verfehenen, übrigens wohl verfchloffe- 
„nen Behältniffe aufbewahrt‘, und zur Verehrung ausgefegt werden. 
„Det der Ausfegung derfelben ift gewöhnlich der betreffende Altar mit 
„zwei brennenden Kerzen beleuchtet, insbefondere finder dieß bei bem 
„Kreuzpartikeln Statt, jedoch werden hierbei die Kerzen auf dem 
„fogenannten Kronleuchter nicht angezindet. In biefet Hinſicht find 
„auch die Reliquien eine Zierde der Kirche. Alte Reliquien, wel: 
„Ge 3. B. bei-daufällig gewordenen Kirchen aus dem Sepulerum der 
„Altäre genommen werden, find in eigenen Schachteln u. f. w. ver 
„wahrt an bie bifchöfliche Behörde abzufchiden. Die weniger anfehn: 
„lichen erhalten eine eigene Saflung, welche benedicirt wird, und koͤn⸗ 


men entweder in eigens dazu beflimmten Behältniffen in der Sakriſtei 


„oder auch in Pfarr: und felbft in Privarhäufern an fhidlihen Orten 
„aufbewahrt werden,‘ | 

„Bel jedem neu errichteten Altare müffen Reliquien der Heiligen 
„eingefchloffen werden, welche fih dann bald über, bald unter dem 
„Altare, jedesmal aber innerhalb deſſelben befinden. Dieß geſchieht 
„nad, dem Gebrauche der erften Chrilten, welche meilt ihre Kirchen 
„and Altäre über den Grabftätten der Märtyrer gebauet haben. Eben 
„fo müfjen bei jedem feierlichen Amte die alldort eingefchlofienen Mes 
„liquien adgeräuchert werden.” 

„Endlich ift auch gebraͤuchlich, dag die in Kreuzpartileln und ans 
„been Behältniffen eingefhloffenen Reliquien den Gläubigen von den 
„Prieſtern von der unterfien Stufe des. Altar aus, zum Küffen dar: 
„gereicht, oder damit dad Haupt oder andere Theile berührt werden. — 
„Der Verlauf und Dandel mit den Reliquien ift unterfagt. Ein Aus: 
„ſchreiben der €, ©. Regierung unter der Ens vom 10. Januar 1827 


Reliquienverehrung. 28609 


„verbietet den Verkauf der Kreuzpartikeln und Reliquien, wie auch 
„deren Uebertragung an Nichtkatholiken ſelbſt auf dem Wege der 
„Erbſchaft.“ 

Bei der Reformation wurde mit allgemeiner Uebereinſtimmung 
zugleich mit der Hagiolatrie auch alle Reliquienverehrung (oder wie 
man ſie auch nannte Skeletelatrie) abgeſchafft und ſelbſt die Lutheraner 
ließen hier keine aͤhnliche Reſtriction und Modifikation eintreten, wie 
in Anſehung des Bildergebrauchs. Man ſetzte hoͤchſtens feſt, daß es, 
wenn kein Aergerniß vorhanden ſei, nicht erlaubt ſei, die vorhandenen 
Reliquien auf eine unanſtaͤndige und ſchimpfliche Weiſe zu behandeln. 
Hierher gehörige Stellen aus den Symbolen der Lutheraner und Re: 
formirten find Apol. C. A. p. 220 Art. Sm. p. 310. Confess. 
Helret. II. e. 4. und 5 


23. 
Ritterorden, geiſtliche. 


I. Einleitende Bemerkungen, IL. Geiſtliche Ritter⸗ 
orden, die beſonders in Palaͤſtina waͤhrend der Kreuz⸗ 
güge entitanden und unter dem Namen A) der deutichen 
Ritter, B) der Rohanniter=- Ritter, C) der Tempelherrn 
eine nicht unbedeutende Rolle fpielten. 


Literatur. Allgemeine Werte. Unter ben zahlreichen 
Schriften über, die Mitterorden heben wir nur die für unferen Zweck 
wichtigiten aus, und übergehen namentlich fafl alle diejenigen, die fich. nicht 
blos mit den geiftlichen Ritterorden befhäftigen: Hi. Meyiferi Zractat 
von dem dreifachen Ritterſtand und allen Ritterorden ber Chriftenheit zc. 
Stanff. a M. 1593. 4. m. Kupf., und Delitiae ordinum eque- 
strium, oder zween kurse doch ausführt. Zractate von dem hochloͤbl. 
Ritterſtand ꝛc. Leipz. 1617. 8. m. Kupf. — Aub. Miraei origines 
equestrium sive militarium ordinum, libri 2. (Antw. 1609. 4.) Cöln 
1638.8.; auch in J. Gruteri Chronicon Chronicor. ecclesiast.lib.2.p.1 - 
seqg. (Frankf. 1614. 8.) — Fr. Mennenii deliciae equestrium 5. 
militarium ordinum symbola insignia et origines. Ebendaſ. p. 46— 
245. — Andr. Mendo de ordinibus militaribus disquisitiones canon. 
theol. moral. et histor. 2. ed. Lugd. 1668. Fo. — Bh. Giusti- 
niani historia chronol, dell’ origine degl’ ordini milit. e di tutte le 
religioni cavalleresche etc. Venez. 1692. 2 Bde. Fol. m. Kupf. — 
Ascan. Tambprinius de militaribus ordinibus in fein. Op. de jure 
Abbat. (Colon. 1691. Fol.) p. 462 seqq. — J. Jo. Zentgrav de 
equitibus et equestribus ordinibus. Argent. 1693. 4. — Historia 
van alle ridderlyke en Krygs-Orden etc. nevens desselfs Dragten, 
Wapens en Zinteekenen, in’t koper gesneden door Adr. Schoone- - 
beek. Amst. 1697. 2 Xhle. 8. — Hermant hist. des religions ou . 
ordres milit. de l’egline. Rouen 1698. 8. m. Kupf. — Aubry de 
la Motraye tr. de divers ordres de chevalerie in fein. Voyages 
(La Haye 1732. Fol.) p. 1 seqq. —. Ph. Bonanni Orlinum eque- 
strium et militarium catalogus in imaginibus expositus, cum brevi 
narratione. Romae 1711. 4. — Hon. de Sainte Marie disserta- 
tions hist. et crit. sur la ehevalerie anc, et mod., secul. et regul., 
arec des notes.» . Paris 1718. 4. m. Kupf. — H. P. de Limiers 


Ritterorden, geiftliche. 271 


diss. sur les ordres militaires im Atlas hister: Tom. 7. (Amst. 
1720. Fol.) p. 101 segg. — Diss. sur les ordres militaires in 
Cereni. relig. de tous les peuples du monde. Tom. 7. P, 2. p. 23 
segq. (Amst. 1743. Fol.) — Hist. des 5 ordres reguliers et milit., 
des templiers, teutons, hospitaliers et chevaliers de Malthe, Pa- 
ris 1723. 2 Bde. 8. — Die in neuerer Zeit erfchienenen Schriften 
über das Ordensweſen führen wir nicht auf, ba fie fih nus fehr we⸗ 
nig mit den geifllichen Ritterorden befchäftigen, blos die neuefle Schrift 
von E. 3. Weber ift anzuführen: Das Ritterwefen und bie Templer, 
Sohanniter und? Marianer, "oder Deutſch⸗Ordens-Ritter insbefondere. 
2. Ausg. Stuttg. 1836. 387. 2 Zhle. 8. Auch mehrere der oben 
unter dem Artikel Moͤnchthum Thl. 4. p. 1 aufgeführten Schriften 
verbreiten fi über die Ritterorden, befonders ausführlid) Helyot, fo 
wie im Allgemeinen,_befonderd was die Altere Gefchichte der Orden ans 
langt, die gefchichtlihen Werke über die Kreuzzüge, unter denen Wils 
ten’s (Leipz. 1807 — 82. 7 Bde. 8.), und Michaud's (Paris 1812, 
Ed. 4. 1825 ff. 7 Bde, Deutſch von Ungewitter, Quedlind. 1828 ff. 
7 Bde. 8.) Werbe hervorzuheben find, Vergleichung verdienen. 

Deutfchbe Ritter. Incerti auctoris chronicon ordinis teu- 
ton, ex ms. Traject. in Ant, Matthei veteris aevi analect. Tom. 5. 
p. 617 — 854. (Hag.'Com. 1738. 4.) — Pt. de Dusburg chronicon 
ordinis teutonici, cum ejusdem ordinis privilegiis et antiquitatib, 
prussicis ed. Cp. Hartknach. Fkf. 1679. 4. — Raym. Duellii hist, 
ordinis equit. teutonicor, hospitalis s. Mariae Virg. Hierosol. ete. 
eum append. bullar, et diplomatum. Viennae 1727. Fol. — E. 
Hennig die Statuten bed deutfchen Ordens, nach den Original⸗Exempl. 
“m. Anmerkk., hiſt. diplomat. Beilagen und Gloffarium. Koͤnigsb. 
1806. 8. — Modus oreandi equitem teutonicum, et praefecti equi- 
tum scpultura in Matthei veter. aevi analect. Tom. 5. p. 908 — 
27. — Statuta et Acta publica varia ord. teut. in Luͤnigs deutſch. 
Reichsarchiv. — Debita seu statuta .equitum teutonicor. ex cod. ms. 
San-Dorotheano in Raim. Duellii Miscellan. Lib. 2. p. 11—64. 
(Aug. Vind. 1724. 4.) And. Schriften von 3. C. Venator, CH. ©. 
Elieen, 8. 5. Bachem, Sacobfon u. a. Die Schriften über die Heri⸗ 
haft des Ordens in Preußen, Liefland u. ſ. w. muͤſſen wir hier 
übergeben. 

Sobanniter = Ritter. H. .Pantaleonis militaris ordinis 
Johannitarum , Rhodiorun aut Melitensium equitum rerum memo- 
rabilium etc. historia nova. Basil. 1581. Fol. m. Kupf. — Jac. 
Bosio istoria della militia di s. Giovanni Gierosol. Rom. (1584 — 
1602.) 1621. 3 Bde. Fol.; e. franz. Bearbeit. gab unter feinem Ra: 
men heraus Pt. Bopffat, Lyon 1612. 4. u. m. Zufägen und Ans 
merkk. von 3. Baudoin und F. X. de Naberat, Paris (1629. 1649.) 
1659. Fol. — Bm. dal Poxzo hist. della relig, mitit. di =. Ulor. 
Gierosol., detta di Malta, dal’ a. 1571. eine al 1688. P.’ 1. 
Verona 1703. P. 2. Vened. 1715. 4. — Rene Aubert de Vertot 
hist. des ehevaliers hoapit. de s. Jean de Jerus. Paris 1726. 4 
De. Fol, m. Kupf.; weniger vollftänd. und ohne Kupf, Ebendaſ. 
(1727. 5 Bde. 8.) 1761. 7 Bde. 8.5 deutich von F. J. Rietham⸗ 
mer) m. Vorr. von 5. Schiller, Jena 1792. 95. 2 Re 8. — 


272 Ritterorden, geiſtliche. 


Paoli dell’ origine ed instituto del ord. di =. Gior. Rom. 1781. 
4. — J. 6. Dienemann Nachrichten von dem Johanniterorden ıc., 
herausgegeben von J. ©. Haffe. Berlin 1767. 4. m. Kupf. — Eſt. 
Salkenitein Gefh. des Sohanniterorbens. Dresden 1835. 2 Bde, 8. 
— (Seb. Pauli) Codice diplomat. del s. milit. ordine Gerosolim. 
oggi di Malta, raccolto da varii documenti di quell’ archivo etc. 
Lucca 1735 — 37. 2 Bde. Kol. — Statuta ordinis «. Joannis Hie- 


- xosol. Rom, 1584. Fol — Acta publica varia et statuta ordinis 


a. Joannis. In Lünig’s deutſch. Reichsarchive. Speciellere Schriften 
von Matth. de Gouffancourt, H. Marulli u. a. 

Templer. N. Gürtier hist. templarirrum. Amst, (1691.) 
1703. 8. — (8. Glo. Anton) Verf. einer Gefch. des Tempelherrnor⸗ 
dene. Leipz. (1779.) 1781. 8.; und: Unterfuchungen über die Ges 
beimniffe und Gebräuche ber Tempelherrn. Defisu 1782, 8. — 
d’Estival hist. erit. et apolog. des chevalliers du tempie. Paris 
1789. 2 Bde. 4.5 Deutfch Leipz. 1790. 2 Bde. 8. — K. F. Cramer 
Geh. des Tempelritterordens. Leipz. 1806. 8 — F. Gurlitt kurze 
Geſch. des Tempelherrnordens. Damb. 1824. 4. — WB. F. Wilde 
Geſch. des Tempelherrnordens. Leipz. 1826. 27. 2 Bde. 8 — Ct. 
Falkenſtein Geſch. des Tempelherrnordens. Dresden 1833. 2 Bde. 8. 
— Geſchichte bes Zempelherenordens, in Juſti's Taſchenb. die Vor 
zeit Jahrg. 1821. p. 163 — 815. — P. du Puy hist. de la conden- 
nation des templiers, avec quelques actes. (Paris 1650. 4. 1685. 
8. Amst. 1713. 8.) Brüssel 1751. 4., aud in fein. Traitez con- 
cern. l’hist. de France. (Paris 1700. 12.) p. 1— 226, -und in 
J. A. Thuani Oper. (Lond. 1733. Fol.) Tom. 7. p. 83 seqg.;5 
Deutſch Frankf. 1665. 4. — Ch. Thomasius de templarior. ordine 
aublato. Halis 1705. 4. — Aeta quaedam ad condemnstionem 
ordinis templarior. etc. pertinentia in G. W. Leibnitii mantissa cod. 
jur. gent. P. 2. p. 76 segg. (Hannover 1700. Fol.) — F. Nico 
lat über die Befchuldigungen, weldhe dem Xempelherrnorden gemacht 
worden und über deffen Geheimniffe. Berlin und Stettin 1. und 2, 
Ausg. 1782. 2 Thle. 8. (Begenfchrift von Buhle. Götting. 1804, 
8) — D. ©. Moldenhamwer Proceß gegen den Orden ber Tempelherrn 
nad) den Driginalacten. Hamb. 1792. 8. — J. v. Hammer Mysteriun 
Baphometis revelatum in den Sundgruben d. Orients. VI.1. Wien 1818, 
dagegen Raynouard im Journ. des Savans 1819, März und April, 
und C. Gruber in den Fundgruben VI. 4., vergl. Hammers Gegens 
rede ebendaf. — J. 5. v. Mayer neue Revif. der Anklage des Tem⸗ 
pelherrnordend in fein. Blaͤtt. für höhere Wahrh. Neue Folge J. — 
Ueber die wieberaufgelebten Templer zu Paris, vergl. Morgenbl. 1888. 
Mr. 114. Ag. Kichenz. 1888. Ne. 95. und F. W. Carove der Mefs 
ſianismus, die neuen Zempler u. f. w. Leipz. 1834. 8. — Institute 
et regulae ordinis militum templarior. in P. Stellartii regul. ord. 
monast. (Duaci 1626. 4.) p. 469—489. — $. Münter Statutens 
buch des Ordens ber Tempelherrn, a. e. alten franz. Handſchr. herausg. 
u. erläut. Berlin 1794, 8. — Das Levitifon, eine Geheimſchrift der 
Templer u. gleihfam ihre Symbol, hat Gregoire bekannt gemacht in 
fein. Hist. des sectes relig, Paris 1828. und in e. ausführl, Ausz. 
Thilo Cod. Apoer. N. T. L p. 819 ꝛegqq. — Ueber das im Archive 


Kitterorben , geiftliche. | 273 


ber Tempelherren zu Paris aufgefunbene far interpolirte Evang. Johan⸗ 
nis, vergl. Gregoire a. a. D. und Thilo a. a. D. p. 819 — 883. — 
And. Schriften von Ph. Meſſie, A. Straub, J. Cp. Wichmanns⸗ 
haufen u. a. _ " 

_ D £inleitende Bemerkungen. — Der Verfaffer war 
unfchlüffig, ob er der oben genannten Witterorden in feinem Hand⸗ 


buche Erwähnung thun follte. Allein da fie genau genommen mit 


dem Moͤnchthume zufammenhängen, und nur eine eigenthlimliche Art 
deffelben bilden; da fie au mit dem päpftlicden Stuhle in Verbins 
dung ftanden, der zur Zeit Ihres Entftehens fo mächtig war, wie in 
dem Artikel Papalfoftem gezeigt worden iſt; fo glaubte er biefelhen 
wenigſtens kurz berühren zu muͤſſen. Helpot führt ihrer mehrere an, 
von denen manche vielleicht gar nicht beitanden. Wir thun nur 
der oben genannten Erwähnung, weil fie im Abendlande mehrere 
Jahrhunderte hindurch einen nicht unbebeutenden Einfluß auf Kirche 
und Staat übten. 

Unter ben geiſtlichen Ritterorden verficht man Vereine, die 
mit Annahme irgend einer der vorhandenen 
Mönchsregeln fih noch Äberdieß zur Verpflegung 
Franker Pilger, zur Bekämpfung der Ungläubis 
gen und zur Derthbeidigung der Rircdhe verpflidhte: 
ten. Ihr Urfprung fällt in bie Zeit ber Kreugzüge, mo die abends 
ländifchen Chriften die Waffen ergriffen, um die. heiligen Länder wie⸗ 
der zu erobern. Sie hatten eine beftimmte Verfaffung, und nahmen 
entweder die Megel des heiligen Benedicts, oder jene ber regulirten 
Chorherren an, fügten aber auch diefer noch die Geluͤbde bei, bie Kirche 
zu vertheidigen und gegen bie Ungläubigen flreiten zu wollen. Die 
Tendenz diefer Orden würde ſowohl vom Papite als von den Zürften 
und Biſchoͤfen gnt aufgenommen; insbefondere ftellten fie die Paͤpſte 
unter ihren befondern Schu. Sie waren theild blos nur mili⸗ 
tairifhe Orden, wenn fie allein zum Kriegsdienfte, theils Hoſpitalor⸗ 
den, fofen fie zur Pflege kranker Pilger, theild gemifchte Orden, wenn 
fie zu dem Einen, wie zu dem Andern verbunden waren. Behandeln 
wir zunaͤchſt 

A) die Befhichte der deutſchen Ritter oder des 
deutfhen Ordens. (Bon ihm kommen auch die Namen vor: 
Orden ber Kreuzherrn, Orden der deutſchen Mitter vom Hofpital St. 
Marien zu Jeruſalem, Marianer, fpäter auch deutſcher Herrnorden.) 
Es laͤßt ſich die Geſchichte dieſes Ordens in vier Perioden theilen: 
1) Dom Urfprunge bes Ordens bis auf feine Beru- 
: fung nah Preußen. 2) Von feinen PFriegerifhen 
Thaten in Preußen als der Blüthezeit des Drdens 
und feiner volllommenften organifhden Ausbils 
dung gegen das 15. Jahrhundert bin. 3) Allmaͤh⸗ 
liges Sinken des Ördens und ungünftige Ereig⸗ 
niffe für denfelben in Preußen und in den Oftfees - 
provinzen. 4A) Schidfale diefes Ordens in der 
neuern und neueften Seit. 

1) Urfprung des Ordens bis auf feine Berus 

fung nach Preußen, Der erſte Grund deſſelben war nach Jacob 
Segel Hanbbuch IV. 18 n 





— — — 


ı 


st. - Ritterorden, geiſtliche. 


von Vitry (Hist. Hierocolym. o. 66. p. 1085. ap. Bongart. Tom. I.) 
ſchon gegen das Jahr 1130 zu Jeruſalem gelegt worden. Da nad 
ber Eroberung dieſer Stadt viele deutſche Wallfahrer dahin kamen, wel⸗ 
he die Sprache des Landes nicht verfianden, fo legte ein frommee 
Deuticher, der mit feiner Frau dafelbft wohnte, ein Gaſthaus (zeno- 
dochium) an, in welchem er Arme: und Kranke von feiner Nation 
milbehätig aufnahm. Ihrer wurden immer mehrere, baber verband er 
unter Einwilligung bes Patriarchen mit feinem Hoſpital auch ein Bet⸗ 


haus, und verpflegte lange Zeit diefe Ankoͤmmlinge auch durch gefams 


melte Almofen. Einige Deutfche wibmeten ſich ebenfalls ganz dieſem 
Dienfte. Inter denfelben fanden fi auch Edelleute, die fih nach und 
nad) entfchloffen, gleih den Tempelherren auch überdieß die Bertheidigung 
des heiligen Landes mit ben Waffen zu übernehmen, und zum Unter 
ſchiede von andern näheten fie ſchwarze Kreuze auf ihre weißen Mäntel. 

Doch den. eigentlihen Urfprung dieſes Ordens giebt Peter von 
Duisburg, ein Prieftee in demfelben gegen den Anfang des 14. Jahr⸗ 
hunderte, weit genauer an. (Petri de Duisburg Chronicon Prussiae 
P. I. o. 1. p. 13 segg.) Bei der Belagerung von Acco (ober Pto⸗ 
lemais), fchreibt er, im Jahre 1190 gab es in dem chriſtlichen Krieges 
beere einige andaͤchtige Männer aus Bremen und Lübel, welche mit 
leidsvoll den traurigen Zuſtand der Kranken bed gebuchten Heeres bes 


teachteten unb daher in Ihrem Zelte ein Spital für fie errichteten. Sie 


nahmen fie in baffelbe auf und pflegten fie von ihrem Bermögen auf 


bie Liebreichlte Art. Der König Heinrich von Jeruſalem, der Patriarch 


und die Biſchoͤfe, Herzöge, Markgrafen und viele der vornehmſten 

‚ faben diefe Anſtalt mie fo vielem Beifalle, daß fie durch den 
Herzog Eriedrih von Schwaben, befjen Bruder, ben Kaifer Hein: 
sh VL, erſuchten, ee möchte bei dem Papfle die Beſtaͤtigung dieſes 
Hofpitals auswirken. Dieß geſchah auch. Coͤleſtinus ILL. verprbnete, 
daß im gedachten Hofpital die Verpflegungsart der SHofpitalbrüder zu 


Jeruſalem eingeführt werden, Übrigens unter ben Mitgliebern ber Ges 


ſellſchaft die Einrichtung ber Tempelherren in Abſicht auf Kleriker, Rit⸗ 
er und andere Brüder gelten ſollte. Zugleich bemiiligte er ihnen neben 
den Vorrechten jener beiden Geſellſchaften, ein ſchwarzes Kreuz auf 
einem weißen Mantel zu tragen. Diefer Umfland gab Veranlaſſung, 
die Mitgtieder dieſes Drdens Kreuzberren zu nennen. 

Heinrich von. Walpot war ihr erſter Vorſteher. Die Bremiſchen 
and Luͤbeckiſchen Walfahrer uͤberließen ihm, als fie in ihr Vaterland 
zuruͤckkehren wollten, auf ben Rath der deutſchen Großen bei dem 
Kriegsheere, das beutfche Hofpital ber Jungfrau Maria zu Serufalem, 


d. h. ihe KRecht an daffelde (Petr. de Duisburg 1. 1. e. 2. p. 22.)— 


Nachdem aber Ptolemais esobert worden war, kaufte der Orden nabe 
an der Stadt einen ‚Garten, im welchem er eine Kirche, ein Spital 
und ein Wohngebäude anlegte, wo er nebſt feinen Mitbruͤdern bie 


Kranken wartete. Won dieſer feiner Würde nannte ich nod) im Jahre 


1386 einer aus feinem Geſchlechte Siegfried Walpot von Paflenheim — 
Oberſter⸗Spitt ler (Hartkwoch id. p. 23). Nech blieb der 
Drden fehr Mein auch unter den beiden folgenden Vorſtehern. Der 
dierte derſelben, Herman von Salsa, fet dem Jahre 1210, wänfcte 
daher, wenn ex auch ein Auge verlieren ſollte, deuſelben nur bis auf 


/ 


S 


Kitterorden, geiftliche. 2753 ° 
sehn zum Kriege gechftete Belder. wachſen zu ſehen. Aber Eurze Zeit 
nach) feinem Tode, fagt Peter von Duisburg I 1. 0. 6. p- 26, gab 
e6 bereitö 2000 deutſche Edelleute in demſelben. Diefer Herrmann vbn 
Salza, wie er Überhaupt ein wichtiger, einflußeeiher Mann in feingnz 
Beitalter war, ber befonders den Kaifer und Papft mehr als einmal 
mit einander ausföhnte und ein friedliches Verhaͤltniß zwiſchen beiden 
vermittelte, ift auch als die Stüge bes Ordens anzufeben. Schon bei 
feinen Lebzeiten erhielt der Drden paͤpſtliche und kaiſerliche Freiheitshriefe, 
auch anfehnlihe Schenkungen in den Morgenländern, im Stalien, 
Deutfhland und Ungarn. Der Kalfer Otto IV. nahm im Sabre 1213 - 
die Güter deffelben in Deutfchland nicht allein in feinen Schuß, ſon⸗ 
dern erlaubte auch jebem, der Reichslehen befaß, fie in Doffyung goͤtt⸗ 
cher Vergeltung dem Orden zu ſchenken oder zu verkaufen (Appendix 
s. selecta Privilegia Pontiff. et Impp. Rom. Ordini Teutenite con- 
eossa, n. 12. p. 11 seqg. in Duellü hist. Ord, Equit. Teuton,), 
Friedrich I. chat feit dem Jahre 1214 eben diefes und noch mehr füg 
den Drden. Er nahm ihn dergeftalt in die Familie des. Baifeplichen 
Hofes auf, daß daſelbſt für defien Qberhaupt (Magifler) und zuei- 
Brüder immer veichlidg geforgt werden follte, fprach deſſen Mitgliepeg 
von der Bezahlung der Schulden 108, walche fie vor dem Eintritte im 
ben Orden gemacht hatten; unb dergleichen mehr (ibid. m. 18 — 18. 
p 12 seqg.). Der Papſt Honorius IL. ließ in den Jahren 1220 
und 1221 ſecht Gchusbriefe und Freiheitsurkunden für den Orden qus⸗ 
fertigen (ibid. n. 1. 6. p. 1 aeqy.). Die Klugheit und Thaͤtigkeit des 
Ordensweiſters Herrmann trug zu dieſem Zuwachſe nicht wenig bei 
Beſonders aber empfahl er fit mit feigen Rittern bei der SBelagerung 
von Damiette, dieſes Schlüffels von Aegypten, im Jahre 1219, un 
ihre Tapferkeit Half vorzüglich die Stadt erobern (Olivoriug Scholast. 
Coloniens. de captione Damiatae p. 1189 ap. Bop , Außerdem 
Randen fie Friedrich II. bei feinen Feldzuge in Palaͤſtina treulich bei, 
und vermittelte in jener Beit mehr als einmal zwiſchen ihm 
und dem Papſte Srieden und Einigkeit. Doch vor allen andern bes 
nugten fie eing ihnen feit dem Jahre 1220 angebotene Gelegenheit, 
Ruhm und anfehnliche Güter zu erwerben fo geſchickt, daß fie noch 
am Ende dieſes Jahrhunderts Hesten eines großen und bluͤhenden Lande 
ſtrichs länge der Dftfee waren. Mit diefee Begehenheit wurde ber 
eigentlihe For des Ordens vosbereitet, und feine Yusbildung. zeigt ſich 
jeut in ihrer hoͤchſten Vollendung. Es beginnt daher auch mit biefen 
Begebenheit eine neue Epoche der Geſchichte des Ordens und er liefert 
ben deutlichen Veweis, wie viel vereinte Kraft und gemeinſchaftliches 
Intereſſe in einer Zait bewirken konnte, mg bie Barbarei noch mit dar 
hoͤhern Gefittung deu Voͤlker rang. . 

2) Wirkfamkeir des deutſchen Ordens in Prey 
Ben, immer pollfommnere Ausbildung deſſelhen 
und die böhfte Blöthe feiner Macht gegen dag 15 
Jahrhundert bin. Der Ruf des Ordens war unser ber heitung 
bes Herrmann von Salza fo geliegen, daß 1226 der Herzag Contod 
von Maffovien 1225 auf ben Rath des Heidenbekehrers Ghriftign, den 
Kaifer und dey Papfi bat, ben deutſchen Orden mit ber Belimpfung 
ber heidniſcher Parußgn zu beauftzagen, wohly gr Dem Orhan Das Rule 


[2 
v 
% 


276 Ritterorden,, ‚geiftliche. 


Land abtreten wollte. So lockend biefer Antrag au war, fo nahm 
ihn Herrmann doch erſt an, als ihm der Beſitz des Culmer Gebiets 
durch eine feſte Urkunde zugefichert worden war, auch Kaifer und Papft 
dem Orden alles Land, welches er von den Preußen erobern würde, 
als ewiges Kigenthum zugefprochen hatten. Während diefer Verhand⸗ 
lungen vergingen mehrere Jahre, und erſt 1230 begann der blutige 
Eroberungstrieg, der erft nach einer funfzigjährigen Dauer völlig been⸗ 
digt wurde. Herrmann ernannte einen berühmten Ordensritter, Her⸗ 
mann Balk, zum oberften Befehlshaber gegen die Preußen unter dem 
Titel Landmeifter- Er felbft nahm nicht perfönlih an dem Kriege 

Theil, da ihn die Sefammtangelegenheiten des Ordens und Gefchäfte 
am Kaiferhofe fortwährend befchäftigten, dagegen bewog er mehrere dee 
vornehmſten beutfchen Kürften, ale den Markgrafen Heinrich von Mei⸗ 
fen, die Herzöge von Schiefin und Pommern u. a., mit beträchtlichen. 
Heeren gegen bie Preußen zu ziehen. Während ber erfien dieſer Feld⸗ 
zuge erhielt der Orden auch einen bedeutenden Zuwachs feiner Befiguns 
gen im Deutichland. Schon früher hatten die Grafen von Hohenlohe 
Mergentheim bem Orden Übertragen, dann war ihnen burch das Teſta⸗ 
ment ber heiligen Eliſabeth das Hoſpital zu Marburg mit beträchtlichen 
Guͤtern zugefallen, welches fortan der Hauptfig des Landcomthurs von 
Heſſen wurde. Bei Magdeburg, in Deflreih, Steiermark und Kim: 
then erhielt er aufs Neue anfehnliche WBefigungen. Endlich trat dee 
Landgraf Conrad von Thuͤringen mit 24 Adeligen in den Orden, den 
er auch durch beträchtliche Guͤterſchenkungen bereicherte, und burch diefes 
Beifpiel aufgemuntert, meldeten fi) viele Adelige aus allen Gegenden 
Deutfchlands zur Aufnahme in den Orden. Die bedeutendfte Vergrößerung 
erhielt aber der Orden 1237 durch die Einverleibung der Schwertbrä: 
der in Liefland, die durch Uebertretung ihrer Ordensregel fo in Verfall 
gekommen waren, daß fie ihrem gänzlichen Untergange nicht 'beffer vors - 
zubeugen wußten, als durch ihre Vereinigung mit dem deutfchen Orden. 

So war ber beutfche Orden von einem geringen Anfange bis zu 
: einer bedeutenden Macht gewachſen, als am 20. März 1239 ber große 
Herrmann von Salza feine ruhmvolle Laufbahn endigte. Da unter 
ihm die Verfaffung des Ordens erft völlig ausgebildet wurde, und feits 
dem in ihren Dauptzügen unverändert geblieben iſt; fo wird hier der 
echte Ort ſeyn, einen kurzen. Umriß davon mitzutheilen. 

Die Mitglieder des Ordens mußten alle freie Deutfche von Adel 
feyn, und durften keine Verpflihtungen und Verbindungen mit andern 
Sefelifchaften haben. Außer ben drei Moͤnchsgeluͤbden, der Armuth, 
der Keufchheit und des Gehorfams, übernahmen die Ritter des deutfchen 
Ordens auch noch den immerwährenden Kampf mit ‚den Ungläubigen 
und die Krankens und Armenpflege, Seit 1221 gab «6 auch nod 
Priefterbrüber, bie den Gottesdienft des Ordens verwalteten, Dagegen 
aber von dem Kampfe mit ben Ungläubigen und -von der Armenpflege 
befreit waren. Außerdem gab es feit Hermanns Beiten auch noch 
Balbbrüäder und HSalbfhweftern; die nur ein halbes Kreuz 
trugen und im weltlichen Stande blieben, dagegen aber die Verpflich⸗ 
tung übernahmen, bei’jeber Gelegenheit zum Wohle des Ordens mits 
zuwirken, wogegen fie auch ber guten Werke des‘ Ordens theilhaftig 
wurden. - Das Oberhaupt des Drdens war dee Hochmeiſter, doch 





Kitterorden, geiffliche, | 277 


regkerte er nicht unumfchränkt, fonbern mit Rath und Beiſtimmung 
des Ordenscapitels, welches er bei wichtigen Angelegenheiten zuſammen⸗ 
berief. Auch gab es fünf Sroßbeamte des Ordens, dieß waren a) ber 
Sroßeomehur, in Friedenszeiten der naͤchſte nach dem Dochmeilter, und 
bei bem Ableben heflelben Regent bis zu ber neuen Hochmeiſterwahl, 
b) der Drbdensmarfhall, oberfier MWefehlshaber „im Kriege, co) ber 
Spittler, Dberauffeher dee Hofpitäier, d) ber Zrappier, dem bie Bes 
waffnung und Bekleidung des Ordens oblag, e) der Trosler, bes ben 
Ordensſchatz verwaltete. Die einzelnen Drdensbefigungen wurben von 
Comthuren verwaltet, von denen zuweilen mehrere unter einem Lands 
comthur flanden. Alle Comthure in Dentfchland flanden unter dem 
Deutfhmeifter, der in Marburg feinen Sig hatte, und mit einer gros 
Ben, fpäter felbft dem Hochmeiſter gefährliden Macht bekleidet war. 
In Liefland und aud in Preußen, fo lange bis, die Hochmeifter ihren 
beftändigen Wohnfig dahin verlegten, fland ein Landmeiller an des 
Spige der Verwaltung, der mit beinah gleiher Macht als der Hochmeis 
ſter gebot, doc von diefem abberufen werden konnte. Die Ordens⸗ 
ritter wohnten zu 12, 18, 24 und mehr ia Schlöffern neben einander. 
Jede folhe Gefammtheit hieß ein Konvent, deifen Haupt der Com: 
thur war. Die übrigen Drbdensbrüder verwalteten Hausaͤmter und 
waren Krankencomthure, Kuͤchen⸗, Keller:, Fiſch⸗, Miesh:, Futtet⸗ 
u. ſ. w. Meiſter. Die Lebensweiſe der Ordensbruͤder war Anfangs 
ſehr ſtreng. Sie durften nichts Eigenes beſitzen, keine ebdeln Metalle 
an ihren Kleidern oder Waffen tragen, nicht auf Federbetten, in ver⸗ 
ſchloſſenen Zimmern und im Dunteln ſchlafen, ſich nie ohne Erlaubniß 
uͤber Nacht von ihrem Wohnorte entfernen, ja ſelbſt das Reden war 
ihnen nach dem Abendeſſen nicht mehr geſtattet, wenn es der Comthur 
nicht bewilligte. Dieſe harte Disciplin, weit entfernt von dem Orden 
abzuſchtecken, war vielmehr ein neuer Sporn die Aufnahme zu begeh⸗ 
een.‘ Die [hwärmerifche Frömmigkeit dee Deutſchen gefiel fid in Ents 
behrungen, und ihre Begeifterung für ben. Kriegerubm fand nirgends 
ine glänzendere Befriedigung, als im Kampfe mit den Ungldubigen. 
aher drängten ſich auch die Sprößlinge der vornehmften Samilien zur 
Aufnahme , die nicht ohne firenge Prüfung bewilligt wurde. Das war 
auch der Grund, warum das deutſche Ordenskleid ſowohl für die reinſte 
Ahnenprobe, als für einen außer allem Zweifel ftehenden Beweis von Froͤm⸗ 
migkeit und Tapferkeit galt. Das Ordenskleid war übrigens ſchwarz, über 
welches ein weißer Mantel mit ſchwarzem Kreuze, welches einen filbernen 
Rand hatte, eingenäht war, Der Orden beſtand a) aus Rittern (mi- 
lites), welche zum Kampfe gegen die Ungläubigen und zur Beobach⸗ 
tung ber Regel verpflichtet waren, übsigens nach Art der Kanoniker 
einzelne Güter erhalten konnten; b) aus dienenden Brüdern (servien- 
tes), welche mit Ordenslaienbrübern eins waren, und ſowohl zur 
Beobahtung der Regel als auch zur Leiflung von Kriegsbienften 
verpflichtet waren; .c) aus Geiſtlichen (fratres clerici), welche dem 
Gottesdienſt in ben Kapellen des Ordens beforgten. Die Abbildungen 
ber. verfhiedenen Individuen biefes Ordens findet man bei Helyot III. 
p- 167 segg. Kine. ſehr wichtige Schrift für die, welche bie Ges 
ſchichte biefes Ordens intereſſitt, und auch fie Sprachforſcher, iſt: 
Die Statuten des deutſchen Ordens. Nach dem Original⸗Exemplar 





mie finnerfäuternden Anmerkungen, einigen hiftortfch » diplomatifhen 
Beilagen und einem vollſtaͤndigen hiſtoriſch⸗ etymologiſchen Glossarium, 
herausgegeben von Dr. Ernſt Hennig, Königsberg 1806. Das Ganze 
gerfaͤllt in die beiden Hauptabſchnitte: Statuten — Gewohnheiten 
des Ordens. l 

Nah dem Tode bes großen Herrmann von Salza, 1230, wuch® 
die Macht des Didens immer mehr. In der Periode von Salza’s 
Tod dis gegen das 15. Jahrhundert him hatte der Orden mandyen aus⸗ 
pezeichtieten Dochmeifter, aber der Sitz deſſelben mechfelte öfters. 1291 
Bing die Stade Akkon nach riner langen Belagerung verloren und mit 
dem Verluſte diefed Platzes hatte der Orden alte feine Vefigungen im 
Mörpenlande eingebüßt, und es war keine Ausficht vorhanden, den 
Ungläudigen das heilige Land wieder zu entreißen. Zunaͤchſt wurde num 
der Dauptfig des Ordens nach Venedig verlegt, aber da der Senat 
dieſer Stade zu erkennen gab, daß ihm der bieibende Hoffig eines 
unabhängigen Fhrften auf dem Gebiete der Republit unangenehm fei, 
fo erfolgte 1809 die Verlegung des Hauptordensfige® nad) Marienburg 
in Preußen, welches von dem allgwichtigften Einfluß der nordoͤſtlich⸗ 
eutopäifchen Länder war, da der hochmeiſterliche Hof ſich bald zu einem 
Sitze der Künfte und Wiſſenſchaften und zu einer Schule feiner Sitte 
Heflaltete. Bon nun an fließt die Geſchichte des Ordens mit der von 
Preußen zufammen, indem dieß das zufammtenhängende Hauptland, 
die übrigen Beſitzungen zwar reiche, Aber politifch unmichtige Güter 
waren. Mir führen darum auch bier nur das Hauptergebniß an, 
nämlich, daß der Drden den hoͤchſten Gipfel feiner Macht zu "Anfange 
des 15. Jahrhunderts erreicht hatte, wo fich feine Befigungen von der 
Dder bis zum finnifdren Meerbufen erfiredten, und feine jährlichen 
Einkünfte auf 800,000 Mark berechnet wurden. 

c) Allmähliges Sinten des Ordens und mei⸗ 
Rene ungünfige Ereigniffe für denfelben bis zur 

erlegung des Johmeifterfiges nah Mergentheim 

in Schwaben. Sehr drückend war im Laufe der Zeit die Herrag 
fhaft des Ordens In Preußen geworden. Schon früher faft immer 
während in Krieg mit Lithanen und Polen vermidelt, gerieth er in 
Krieg mit dem ehrgelsigen Wladislaw IV. (Jagello), der beide Staaten 
vereint hatte und den Drden zu uhterjochen firebte. In der unglüdib 
hen Schlacht 1410 von Tenneberg blieben der Größmeifter, faſt alle 
feine Ritter und die Häffte deB 83,000 Mann ſtarken Heeres; ber 
Reſt wurde zerftreut. — Worder= Preußen ergab ſich im Jahre 1464 
an Polen. Arch für Hinter⸗ Preußen mußte der Orden im Frieden ya 
Thorn 146% die polniſche Lehnsherrſchaft anerkennen, und ald er fid 
derfelben zu entziehen fuchte, gerieth er mit Polen in einen Krieg, 
weicher fi damit endigte, dag er auch Hinter: Preußen verlor, wel 
yes 1525 dem damaligen Hochmeifter Markgrafen Albrecht von Beam 
benburg, als ein erbliche® Herzogthum ımter polnifdyer Hoheit ertheilt 
wurde. Won jegt an hörte die Wickſamkekt des deutſchen Ordens in 
Preußen auf und wir innen nun zu feiner neuern und neurflen Ge⸗ 
ſchichte übergehen, die ſich 

d) beflimmen läft von der Verlegung des Bochmei— 
Rerfigesnah Mergentheim in Schwaben 1527, bis 


Kitterorden, geiftlihe. 279 


auf die neuere Zeit. Seit diefem Sabre iſt die Hoch» und 
Deutfhmeifterwürbe flets vereinigt geblieben. Walther von Kron⸗ 
berg erhob Mergentheim zum feſten Hocmeifterfige und flarb 
dafeinft 1543, Wolfgang Schutzbar, genannte Miſchling bi8 
1566. Unter ihm. verdorrte der bereit von dem Hauptſtamme ges 
trennte Zweig des deutichen Droge in Liefland völlig, indem der Heer⸗ 
meifter Sotthard von Keller Liefland dem Könige von Polen abtrat 
und 1562 Curland und Semgallen als erbliche, weltliche Herzog⸗ 
thümer, von Polen lehnbar in Beſiz nahm. Georg Hund von 
Wenktheim bis 1572. Heincih von Bodenhaufen trat die 
Regierung 1588 an ben Coadjutor, Erzherzog Maximilian von 
Deftreih, ab, der 1595 ihm In der Würde folgte und fie bis 1619 
bekleidete. Earl, Erzherzog von Deſtreich, auch Biſchof von Breslau 
und Briren feit 1624 folgte ihm, dann Johann Euflah von WW es 
fternady bis 1627 und Zohann Caspar von Stadion, kaiſerli⸗ 
er General bis 164. Leopold Wilhelm, Erzherzog von, 
Deftreih, Biſchof von Straßburg, Ollmuͤßz und Breslau, auch feit 
1656 Statthalter der Niederlande bis 1662. Die Hochmeiſterwuͤrde 
diente nun meiftens dazu, den Prinzen des Haufes Defteich oder den 
ihm befreundeten Kürften eine reiche Einnahme zuzuwenden. Auf dhns 
liche Art, meiftens mit Samiliengliedern des Hauſes Oeſtreich, wurde 
die Dochmeifteriteße beinahe das ganze 18. Sahrhundert hindurch beſetzt. 
Garl, Erzherzog von Deftreih, Bruder Kaifers Franz IL. legte 1804 
feine Würde nieder, die nun auf feinen Bruder Anton Joſeph Rats 
ner überging. 

Schon durch die Belegung des linken Rheinufers von den Frame 
zoſen hatte der deutſche Orden alle feine auf ber linken Rheinſeite ges 
legenen Befigungen verloren, die 1802 im Frieden zu Amiens, ohne - 
irgend eine Entfhädigung , abgetreten werben mußten. Noch blieben 
ihm feine auf der rechten Rheinſeite und in den oͤſtreichiſchen Landen 
befindlichen Güter und Comthureien, deren Beſitz feit der Auflöfung bes 
deutſchen Reiche und der Stiftung des Rheinbundes hoͤchſt unfichee 
wurde. Endlich Hob ein Decret vom 24. April 1808 den deutfchen 
Orden in allen Rheinbundsflaaten auf und ſprach die Orbendgüter dem 
Kürften zu, in deren Gebiet fie lagen. Die Comthure und Ritter 
vourden mit kargen Fahrgeldern abgefunden. So endete ein Inſtitut, 
* einft eine ruhmvolle Stelle unter ben europaͤiſchen Mächten 
einnahm. 

B) Ein anderer Orden, der ebenfalls im Zeitalter der Kreuzzuͤge 
entſtand, ift der dielnamige Orden der Hofpitalbräder des 
heiligen Johannes von Jerufalem, der Hofpital- 
orden, „Hofpitalbräbder, fpäterbin allgemeiner 
Ahodifer: Jobanniter-, Malteferritter genannt — — 
Auch diefer Ritterorden verfpeach in feinen erſten Anfängen gar nicht 
das zu werden, was er wirklich geworden fl. Er wurde in der Mitte 
bes 11. Zahrhunderte im Jahre 1048 veranlaft. Kaufleute von Amalfi, 
Ainer nenpofktanifchen Seeſtadt, die oft nach Syrien und zu den heili⸗ 
gen Orten in Palaͤſtina kamen, wuͤnſchten zu Jeruſalem eine Kirche 
zum Gottesbienfte in lateiniſcher Sprache zu beſitzen. Auf Erlaubniß 


bdes Rhyaltien erbauten fie dieſelde nahe an der Kirche des heiligen Grabes 





280 Kitterorden, geiflliche. 


und ein. Kiofier, weiches ba Iateinifche genannt wurde. Gür bie von 
andern Nationen ankommenben Evelleute und Geringern, bie gelb» 
und hälfles waren, oft auch trank in Serufalem anlangten, wurde 
neben jener Kirche eine Art von Hoſpital (xenodochium) angelegt, 
worin fie aus dem Kloſter verpflegt, auch durch freiwillige Gaben ber 
Kaufleute von Amalfi unterfiügt wurden. As Serufalem in die Ge 
walt der Chriften kam, erhielt dieß Hoſpital reichliche Einkünfte. Der 
damalige Borficher, Gerhard, umd die übrigen Plegebrüder nahmen 
1099 eine Möndyeverfafiung an, legten ein Gelübde ab und hefteten 

auf ihre Bruſt ein weißes Kreuz. Seitdem trennten fie ſich vom Abte 
und hießen in der Folge Hoſpitalbruͤder des heiligen Johannes von 
Jeruſalem. Paſchalis IL. beflätigte 1113 die ihm gemachten Schen⸗ 
kungen unb bemilligte ihm feinen befonden Schug. 

Nach Gerhatd's Tode im Jahte 1118 wurde Raymund du Puy 
(ober de Podio) Vorſteher ber Geſellſchaft, und durch ihn erhielt fie 
erſt eine bauerhafte Regel. Diefe genehmigte im Jahre 1120 Calixt II.; 
man findet fie unter andern in bem befannten Cod. Regg. Monastie. 
et Canonic. Tom. II, p. 441. Aug. Vindelie. 1759. Nach derfelben 
foßten die Hofpitalbrüber die Gelübde der Armuth, der Keufchheit und 
bes Gehorſams ablegen, niemals allein berumgeben, Almofen für die 
Armen fammeln, kein Gelb befigen, und überhaupt ber firengften 
Maͤßigkeit und Zucht unterworfen ſeyn, auch alle das Kreuz auf ihren 
Kieidern und Maͤnteln tragen. Man fieht zugleich, daß diefer Orden 
aus Priefteen, Laien und Klerikern zufammengefest wurde. 

Bereits fhon damals war der Orden fo reich, daß das Oberhaupt 
deffelben (Magister) ſich entſchloß, von feinem Weberfluffe Zurüftungen 
zur Bekriegung der Muhamedaner zu machen. Der König von Jeru⸗ 
falem nahm dieſes Anerbieten an und bu Puy theilte daher den Orben 
in drei Glafjen ab, in Ritter, Priefter und dienende Brüder, von 
welchen die erſtern als Edelleute, bie letztern als Buͤrgerliche in deu 
Krieg zogen; die mittlern aber die kirchlichen Geſchaͤfte des Drdens 
verwalteten. Diefe neue Einrichtung wurde von Innocenz I. im Jahre 
1130 gebilligt, der auch den Mittern ein weißes Kreuz im rothen Felde 
zur Sahne beflimmte. Doch führte ber Orden ungeachtet dieſer Veraͤn⸗ 
derung nod in biefem ganzen Zeitalter den Namen ber Hofpitalbrüber 
fost.- Der Krieg führende Theil beffelben that fih ſchon 1118 unter 
der Anführung Raymunde du Puy durch tapfere Thaten oft hervor. 
Daher bekam der Orden von dem folgenden Könige zu Jeruſalem 
anfehnliche Geſchenke an Bütern und vom Papfte Anaftaflus IV. im 
Sahre 1154 einen wichtigen Freiheitsbrief (vergl. Helyot L 1. Tom, 
il, p. 78 seqg.). 

Eine ſolche Auszeichnung, verbunden mit ben Reichthuͤmern des 
Orcdens, machte es demfelben befto leichter fi ſich von den Biſchoͤfen in 
Palaͤſtina, beſonders von dem Patriarchen in Jeruſalem, unabhaͤngig 
zu machen, aber nicht ohne den heftigſten Verdruß von dieſer Seite. 
Die Hofpitalbelider entzogen nach und nad ben Bilhöfen, wie Wil: 
heim von Tyrus meldet (Historia belli sacri 1. XVIIL e. 8. p. 932 
segg.), ihre Mechte über die Pfarrer und Zehnten. Wenn die Biſchoͤfe 
einen Geiftlihen mit dem Banne belegten oder ihm feine Amtöver 
richtungen unterfagten, fo ließen fie dieſes Urtheil gar nicht gelten. 





Ritterorden, geiſtüche. sa 


Henn jene irgenbwo ben Öffentlichen Gottesdienft verboten, fo achteten 
fie diefes eben fo wenig. Ja es kam fogar zu Thaͤtlichkeiten, und dee 
eben genannte Wilhelm von Tyrus erzählt, er habe viele Bündel 
Pfeile gefehen, die man von benen gefammelt hatte, welche von dem 
SHofpitalitern auf bie Prälaten abgefchoffen worden waren, und melde 
man vor dem Drte aufgehangen hätte, wo Chriftus fei gefreuzigt wor⸗ 
den, Nachdem der Patriarch und die übrigen Biſchoͤfe oft vergebene 
auf ihre Rechte gebrungen hatten, veifte endlich jener in einem fafl 
bundertjährigen Alter, nebft dem Erzbiſchofe von Tyrus, den Biſchoͤ⸗ 
fen von Alto (Ptolemais), Sidon, Cäfaren, Lydda, Sebafte (ehemals 
Samarien) und Tiberias nad) Rom, bald nad dem Jahre 1155, um 
von Adrian IV. mehr Gerechtigkeit zu erlangen. — Allein biefer und 
bie meiſten Cardinaͤle waren, nad ber Verſicherung des Erzbiſchofs 
Wilhelm, von ben Hofpitalbrübern fo tüchtig beflochen worden, daß 
ihre Gegner unverrichteter Dinge zuruͤckkehren mußten. 

Jene waren auch unter ihrem, noch bis zum Jahre 1160 Iebens 
ben Öberhaupte bu Puy immer. angefehener, reicher und mächtiger 
geworden. Wegen ihrer tapfern Beſchuͤtzung von Palaͤſtina hatten fie 
im Jahre 1133 von dem damaligen Könige von Jeruſalem bie Stade 
Berfabe erhalten, und bald darauf vermachte ihnen Alfons I., König 
von Jeruſalem, König von Aragon, einen Theil feines Gebiets, wofle 
fie wenigftens duch einen Wergleih im Jahre 1140 wichtige Rechte 
and Vortheile bafelbft erlangten. Sie hörten auch, fo lange die Kreuze 
zuge dauerten, nicht auf, ihren Ruhm mit ben Waffen in der Hand 
zu vermehren. Helyot 1. 1. Tom. Ill. p. 77 eqq. — Mir geben 
den weitern Verfolg ber Gefchichte des Johanniterordens in gebrängter 
Kirize meift nach Helyot und verweilen dann noch auf einige Augens 
blide bei der eigenthuͤmlichen Verfaſſung defjelben. 
Lange Zeit wußte ſich der Drden durch Zapferkeit und Einmuͤthig⸗ 
keit gegen die Waffen der Saracenen und Türken aufrecht zu erhals 
ten, bis er 1291 aus Paläftina vertrieben wurde. Mun’ verlegte er 
feinen Sig nad) Cypern, wo ihm der König dieſer Inſel bie Stadt 
Limiffon zum Zufluchtsorte gab. Sie blieben dafelbft etwa 18 Jahre, 
bis fie ſich der Inſel Rhodus bemeiftert hatten. Unter dem Großmels 
ſter Zulco von Billaret eroberten fie 1303 diefe Inſel, und zwar, wie 
erzählt wird, durch eine Kriegsliſt, indem fich einige Nitter, in Schaffelle 
gehülit, bei Beglnftigung eines Mebels umter den übrigen Schafen mit 
in die Hauptflade 'fchlichen und die Wachen niedermadten. Hier nahs 
men die Mitglieder des Ordens flatt des Namens Brüder den Namen 
Ritter an und nannten fi von dieſer Zeit Mhobiferritter. Gleich 
1310 verfuchten die Türken Rhodus wieder zu gewinnen, fie wurden 
jedoch gänzlich zuruͤckgeſchlagen. Jetzt entftanden im Orden ſelbſt Streis 
‚tigkeiten. Die Ungläubigen wollten fich biefelben zu Nuge machen, und 
ruͤſteten im Jahre 1821 24 Kriegsſchiffe aus, um Rhodus zu belagern. 
Der Generalvikar hielt es aber nicht für dienlich den Feind zu ermars 
ten, er ließ gefchwind vier Galeeren und einige Fahrzeuge ausrüften, 
die er nebft ſechs genuefifchen Galeeren dem Feinde entgegen ſchickte. 
Die Ritter griffen ungeachtet ihrer Eleinen Zahl die. Ungläubigen an 
und trugen den vollftändigften Steg davon. Mehrere Angriffe der Art 
ſchlugen in der Kolge die Rhobifer zuruͤck; allein 1522 erlagen fie ben 


. 


4 





xse Kitterotden, geiſtiche. 


Angriffen Sollmans II. Tapfer wehrte ſich auch jegt der Orden und 
vielleicht hätte er fi noch behauptet, wenn nicht ein Portugiefe, 
Andreas von Amoral, einen Brief an einen Pfeil befeftigt, in das 
Lager der Türken gefchofien hätte, worin er dem Sultan die ſchwachen 
Stellen der Stadt verrieth. Zwar wurde die Verraͤtherei entdedit und 
Amoral hingerichtet; allein die Tuͤrken benusten- die erhaltenen Nach⸗ 
rihten unb die tapferfte Gegenwehr vermochte nicht die Uebergabe zu 
vereiteln. Die Ritter gingen nun nach Candia, dann. nach Venedig, 
Rom, Viterbo, vornehmlih aber nah Nizza, Villa Franca nnd Sys 
vacufa, bis ihnen: Carl V. 1630 die Infeln Malta, Gozzo und Comino 
unter der Bedingung eines beſtaͤndigen Krieges gegen die Ungläubigen 
und Seeräuber, und der. Rädgabe diefer Infel an Neapel, wenn e8 dem 
Drden gelänge, Rhodus wieder zu erobern, überließ. Unter Ravalette (flarb 
1568) fchlugen fie 1565 einen gewaltigen Angriff Solimans IH. mit 
großem Verluſte zuruͤck und festen darauf ihre Seekriege gegen bie 
Türken, in denen fie allerdings mehrmäls dem Untergange nahe kamen, 
mit fo viel Tapferkeit und ſtandhaftem Muthe fort, dag fie bis 1760 
fib ohne alle fremde Vermittelung behaupteten. Seit diefer Zeit aber, 
wo ohne Dazwiſchenkunft Frankreichs der Orden wahrſcheinlich ganz 
unterlegen hätte,. waren feine Kreuszüge zur See bloße Spiegelgefechte. 
. Die Seemadht deffelben befland 1770 aus 4 Galeeren, 3 Galeotten, 
4 Schiffen von 60 und 2 Freyatten von 36 Kanonen nebft verfchles 
denen Pleinen Fahrzeugen. Ordensritter zählte er vor dem Ausbruche 
ber feanzöfifchen Revolution ungefähr 8000. — Unvermuthet durch 
Bonaparte angegriffen ergab ſich unter dem Hochmeiſter Hompeſch am 
10. Zuni 1798 Malta ohne allen Widerftand durch verrätherifche Ca⸗ 
pituletion. Im Sabre 1800 eroberten engliſche Flotten bie Infel durch 
Hunger, und ungeachtet im Grieden zu Amiens 1802 beflimmt wurde, 
daß fie unter der Sarantie einer neutralen Macht dem Orden zuruͤck⸗ 
gegeben werden folle, blieb doch England feitdem im Beſitze derſelben. 
Zum Kelten des Ordens hatte Hompefch, bald nachdem er Malte 
verlaſſen, auf feine Würde verzichtet, worauf am 16. December 1798 
der Kaifer Paul I. von Rußland zum Großmeifter erwählt wurde. 
Allein feine Wahl fand vielen Widerfpruch, auch dei dem Papſte, und 
der Kurfürft von Pfatzbaiern, Mar. Joſeph, hob fogar am 21. Februar 
1799, um den Streitigkeiten mit Rußland auszumeichen, ben: Orden 
in feinen Staaten gänglich auf. Nah dem Tode Pauls I. ernannte 
der Papſt den Itallener Ruspoli, + 1803, dann I. Bapt. Thom⸗ 
mafi, ebenfalls einen Staliener, und als diefer 1805 verſtarb, das 
Capitel den Bailli Caracioli de St. Elmo, zum Großmeifter. Der 
Haupefis des Drdens war, nahdem ihm Malta entriffen, Catanea in 

icilien, bis der Papft 1826 dem Gapitel und ber Regierung erlaubte, 
Ferrara zum Sige zu nehmen. 

Wir wenden und nun zur Berfaffung des Ordens, wobei wir 
ubermals Helyet 1. 1. Tom. Hl. v. XI. folgen, und zwar mit Bei⸗ 
fısumg deſſen, was über feine Zeit hinausreicht. 

et Johanniterorden hatte zur Zeit feiner hoͤchſten Bluͤthe fol: 
gende Drganifation: Der Orden  zerfiel in brei Hauptclaſſen, bie 
eigentfichen Ritter, weiche die Waffen führten, bie Gehorfamebrldee 
vder rigentlichen Geiſtlichen, und die dienenden Beuͤder oder Waffen⸗ 


, 

KRitterorden, geifkliche. 83 
ttäger (Sorvienti d’armi), welche die Pilger geleiteten und Kranke im 
den Spitäiern warteten. Um Ritter zu werben, wat Beweis des Adels 
nörhfg, und zwar mußte jeder Novize in Malta acht Almen, in Deutſch⸗ 
and ſelbſt ſechzehn Ahnen nachweilen (ausgenoiamen waren die natuͤr⸗ 
lichen Sötme von Königen und Fürften), um mit vollem Bechte In den 
Orden aufgenommen Ju werden. Solche Ritter ‚hießen Gerechtigkeits⸗ 
eitter (Cavalieri di giwstizie), biejenigen hingegen, bei welchen bie 
Ahnenprobe ſchwierig war, die aber dennoch in Ruͤckſicht Ihrer Wer⸗ 
dienfle aufgenommen wurden (Cavalieri di grasia). Dieſe letztern 
konnten jedoch nicht zu Ordendaͤmtern gelangen. Perfonen, weiche bie 
geiftitchen Gelkbde nicht ablegten, fondem aur dem Orden Beiſtand und 
Freue gelobten, umd nach Belieben wieber zurücktreten konnten, hießen 
Donaten oder Halbkreuze und trugen nur ein halbes (ſechsſpitziges) 
Kreuz. Juünglinge von 12-16 Jahren wurden als Pagen des 
Sroßmeiſters (deren gewoͤhnlich 16 waren) angeſtellt;z dieſe hießen Mi- 
nores. Mit dem 17. Jahre konnte der Movizenfiand angetreten und 
mie dem 18. Profeß gethban werben. Die Ritter legten nach gelelfteter 
Abnenprobe das Geluͤbde ab. Der Noviz erſchien dabei mit einem 
langen, fhwarzen Talar, Schnabelmantel genannt, bekleidet, mit bloßem 
Schwerte In der rechten unb mit brennender Kerze in ber linken Band, 
vor dem vom Großmeiſter bevollmaͤchtigten Ritter in der Kirche, waͤhr 
rend man aber Diefle- (as, Eniete er vor dem Altar nieder unb lieh das 
Schwert weiben, hörte dann die Mefie bis zum Ablefen der Epiftel, 
kniete vor dem Bevollmaͤchtigten nieder, der ihm die Pflichten feines 
Standes (die katholiſche Kicche, fo wie Wittwen und Waifen zu ſchuͤtzen 
umd bei den Fahnen des Ordens bis zum Tode auszuhalten) mit 
theilte, ihm, nachdem der Noviz die Kerze abgegebew hatte, das gemels 
bete Schwert, um es in die Scheibe zu fteden, übergab, Ihn mit 
einem Gürtel als Zeichen Eänftiger Keufhhelt umguͤrten ließ, und 
einem andern Ritter das Schwert, welches der Noviz zurückgegeben 
hatte, an deſſen Selte zu befeftigen befahl. Der Noviz z0g es hierauf 
aus ber Scheide, überbrachte 28 dem Bevollmächtigten und warb das 
mit mit atht Schlägen zum Bitter gefplagen. Der Bevollmaͤchtigte gab 
bierauf das Schwert zuruͤck und der Ritter ſchwang ed dreimal über 
ben Kopf als Drohung gegen die Ungläubigen. Der Bevollmaͤchtigte 
ſchuͤttelte nun den Ritter bei der Schulter, um ihn von dem bisherigen 
Erben zu einem reinem und böhern aufzuwecken, lleß demſelben hier 
auf die goldenen Sporen anſchnallen, und gab ihm eine Kerze, mit. 
der der neue Ritter am Altar niederkniete, den Schluß ber Meſſe 
hörte und cotumunicirte, hierauf fi wieder vor dem Bevollmaͤchtigten 
niederwarf, feinen Wunfſch, In den ‚Drben aufgenommen zu werden, 
wiederholte, auf Wefrngen des Bevollmächtigten verſicherte, dag er fein 
anderes Geluͤbde abgelegt habe, ehelos fei, Leine Bürgfhaft fire einem 
andern gebeiftet habe, und hierauf die Geluͤbde des Gehorſams, der 
Armuth umd der Keuſchheit ablegte. Der Ritter wurde nun von dem 
Bevolltmaͤchtigten als Achter Ritter umarmt, mit ſchwarzem Mantel, 
weißem Kreuz und fonfliger Nalieſerkleidung bekleidet ımb Ihm bie 
große Schnur, am der alle Stufen des Leidens Chriſti in Abbik 
dungen befeſtigt waren, angehangen; fie endete In Quaſten und hing 
«un der linken Seite herab. Der Kitter nahm Hierauf Die Kerze wies 





231 Ritterorden, geiſtliche. 


ber, kniete vor dem Altar, wo ber Prieſter bie gewöhnlichen Gebete 
über den Profeſſen ſprach, opferte hierauf ein Geldſtuͤck, kuͤßte dem 
Großmeiſter oder deſſen Benolimädhtigten die Hand, und warb in die 
Herberge (das Capitelhaus) geführt, wo er Brod, Salz und Waſſer 
gereicht befam und von jedem etwas genoß. Natürlich fiel bei dem 
Profeß der Beifltichen und dienenden Brüder der Mitterfchlag, das 
Anſchnallen der Sporn u. f. w. weg; fonft war aber das Geremoniel 
ziemlich daſſelbe. Die Beiftlihen waren entweder Diaconen oder 
Gaplane und wurden zum Dienfle der Kirche von Malta auf 10 Jahre . 
angenommen. Der. neue Ritter hatte noch die Ueberfahrtögebühren zu 
zahlen, eine Summe von 125 Piſtolen, die ehemals der Drden für 
die Reiſe nah Paldftina, ober nach Rhodus, welche berfelbe beforgte, 
befam, unb die noch forfgezahlt wurde, als Palaͤſtina und Rhodus 
längft in ber Gewalt der Türken waren, Bier Caravanen oder Kreuz⸗ 
züge mußte der neue Ritter gegen die Ungläubigen machen, von denen 
jede wenigſtens ein halbes Jahr dauern mußte. Bon ber vierten konnte 
jedoch der Papſt dispenfiren. Der Orden beförderte auch Proteflanten 
zu Rittern, ja es kamen im legten Jahrhunderte felbft Säle vor, wo 
et Perſonen von griechifcher Religion das Ritterkreuz gab. 

Die Ordenstracht war ſchwarz mit einem weißen, leinenen, acht⸗ 
fpigigen Kreuze auf dem Mantel und auf der Brufl, Im Kriege folls 
sen die Ritter einen rothen Waffenrod mit einem ſchlichten, nicht 
gefpigten Kreuze auf der Bruft und auf dem Rüden tragen, Dieß 
gab fpäterhin zu ber rothen Uniform der Maltefer Anlaß. Sie hatte 
rothe Auffchläge und ein weißes Kreuz in der Gegend des Herzens auf 
der Bruſt. In den lebten Sahrhunderten trugen fie auch auf ber 
Bruft ein goldenes, weißemaillirtes Kreuz an ſchwarzem Bande im 
Knopfloche, doch das Drdenszeihen war nicht vorgefchrieben. Auch bie 
Geiftlihen und dienenden Brüder trugen das Kreuz, jedoch nur auf 
ausdrüdlihe Erlaubnig des Großmeiſters. — Die verfchiedenen Sins 
bividuen, zu diefem Orden gehörig, findet man ebenfalls abgebildet bei 
Helyot 1. L 3. Thl. p. 114 ff. Der vornehmſte Beamte des Ordens 
war der Broßmeifter des heiligen Hofpitals zu St. 
Johann In Terufalem und Buardian der Armee 
Jeſu Chrifti. Er reſidirte zufegt zu la Valette auf Malta und 
erhielt von auswärtigen Mächten den Xitel Altezza eminentissima, 
Seine Einkünfte beftanden aus 6000 Seudi und ber Ordenskammer, 
nebſt allen Gefällen von den drei Inſeln und betrug jährlich gegen eine 
Million Gulden. Die weltlihe Macht lag größtentheils in feinen 
Händen, doch war er buch die Vorſteher der verfchiedenen Zungen 
beſchraͤnkt, welche Sefege gaben, Steuern anordneten u. f. w. Der. 
Großmeifter hatte das Gapitel zur Seite, das aus acht aus den vers 
fchiedenen Zungen gewählten Abgeordneten beſtand. Ieder von denfels 
ben hatte eine und der Großmeiſter zwei Stimmen. Außerdem hatten 
noch zwei der Alteflen Ritter Sis und Stimme in dem Gapitel. Aus 
ben Abgeordneten wurden die Großmeiſter gewählt Saͤmmtliche Mit⸗ 
glieder des Kapitels hießen auch Großkreuze, weil fie das Recht hatten, 
ein größeres Ordenskreuz ald die andern Ritter zu tragen. Diele Abz 
geordneten bildeten zugleich bie Häupter in den verfchiedenen Zungen, 
indem ber ganze Orden in acht Zungen oder Nationen geheilt war. 


J 


Ritterorden, geiflliche, | 285 


Diefe waren a) Provences ihr Haupt bieß Großcomthur und war 
Praͤſident des Schatzes. b) Auvergne; ihr fland der Marſchall vor, 
der die kandtruppen befehligte. e) Frankreich mit der Ballei Moreaq, 
deren Repraͤſentant der Großhoſpitaliter war und bie Aufſicht über die 
Lazarethe führte. d) Italien; dee Führer dieſer Zunge war Admiral 
oder General der Galeeren; nad andern Angaben wechfelte jedoch Dies 

fe Amt. e) Aragon, Navarra und Catalonien; ihnen fland der 
Groß > Confervator oder Drapierer vor, welcher, der Vicepraͤſident der 
Kammer war. f) Deutfchland; Ihe Haupt führte den Titel Großprior, 
Groß⸗Ballei⸗ oder Johannitermeiſter, war Neichefürft, hatte auf dem 
Reichstage Sig und Stimme und reſidirte zu Heitersheim, welches der 
Hauptort eines Fuͤrſtenthums von ſechs Dörfern war und eine eigene 
Drdensregierung hatte. Ihm war bie Aufficht über die Feſtungswerke 
von Civita vecchia und Gozzo Übertragen. Bu diefem Großpriorat ges 
hörte außes den Prioraten in Deutfchland, Ungarn, Böhmen und 
Dänemark, nebft der Ballei Brandenburg, deren Haupt Seermeifter 
bieß, zu Sonneburg refidirte und beträchtliche Comthureien unter ſich 
hatte. g) Caſtilien mit Portugal; ward von dem Großmeifter repräs 
ſentirt. h) Die legte Zunge endlih England, hatte den Turcopaller 


zum Vorſtande, welcher die Wachen und die Reiterei des Drbens . 


beauſſichtigte. — Schon Heinrich VIII. veranlaßte duch Einziehung 
der Güter des Ordens, daß diefe Zunge gänzlich einging. Erſt 1782 
ward vom Churfürften von Pfalzbaiern darauf angetragen, daß diefer 
eingegangene Zweig duch bie Zunge Baiern erfegt wurde, unb bieß 
ward vom Gapitel und Papfte beſtaͤtigt. Schon 1778 waren dagegen 
die Befigsungen in Polen und in Lichauen zu einem Großpriorate er» 
boben worben, welche fpäter zu einer förmlichen ruffiihen Zunge wur⸗ 
den. Jede Zunge zerfällt in mehrere Priorate, diefe wieder In Balleien 
und dieſe in Comthureien oder Commenden. Man rechnete, daß vor 
der Revolution 8000 Malteferritter eriftirten. Das Wappen bes Groß⸗ 
meifters, und fomit des Drdens, befland in einem filbernen, achteckigen 
Kreuze im rothen Felde oben mit einer Herzogskrone. Ein Roſenkranz 
umgab das Wappen. Unten hing an demfelben ein kleineres Maltes 
ſerkreuz. Die Umfchrift war: Pro fide. Bon ben oben erwähnten 
acht Zungen hatte fih, wie wir bemerkt haben, früh ſchon Eng⸗ 
land losgeriſſen; die drei franzöfifchen gingen während der Revolution 
ein, die caftififde und aragonifhe war feit dem Frieden zu Amtens 
von Malta getrennt; die italieniſche und deutfche Zunge hatten gleiche 
falls aufgehört und das Fuͤrſtenthum Heitersheim war in Folge des 
Presburger Friedens und der Bildung bes Rheinbundes an den Groß⸗ 
berzog von Baden gelommen. In Preußen bob dee König 1810 und 
11 die Ballei Brandenburg, das Deermeiftertfum und die Commens 
den des Ordens ebenfalls auf und fliftete zur Erinnerung an benfelben 
den Johanniterorden. Auf biefe Welfe ift der Sohanniterorden, "ber 
fest nur noch aus dem Großpriorate von Böhmen und zwei Großprio⸗ 
raten in Rußland beftceht, für aufgehoben zu achten, und feine Wie⸗ 
berherflellung um fo weniger gu erwarten, ba England durch den Pas 
eifer Scieden von 1814 im Beſitze der Inſel Malta beftätige wird. 

©) Der Tempelberrnorden, Templarii. Diefee 
geiſtliche Ritterorden wurde tim Sabre 1118 von neun frampöfiichen 


288 Nitterorben, geiſtliche. 


Evelleuten (unter benfelben war Hugo von Pagens, Gottfried be St 
Aldemar die Boruehmflen) zu Jeruſalem geflifte. Gie legten dem 
Patriarchen daſelbſt das Geluͤbde ab, daß fie, wie bie regulicten Cane⸗ 
niei, im Dienfle des Erloͤſers keuſch, gehorfam und ohne Eigenthum 
beben, die Kreuzzüge unterflügen und die Strafen zum Bellen ben 
nach Paläflina wallenden Pilger von Räubereieg reinigen und fchügen 
wollten. Der guders König des neuen Reichs daſelbſt, Balduin IL, 
raͤumtt ihnen eine Wohnung auf dem Plate das vormaligen falomonifchen 
Tempels (daher ihr Name) ein, und fongte mit dem Patriarchen, dem 
Vornehmen und ben angefehenften Geiſtlichen für Ihre Kleidung, wels 
de in einem weißen, leinenen Mantel (feit der Mitte des 12. Jahr⸗ 
hunderts mit einem achteckigen blutrothen Kreuze verfehen) und in einem 
weißen, leinenen Gürtel, welder auf ihre Verpflichtung zus Keuſchheit 
deuten follte, befland. Die Geiftlichen hatten weiße, die dienenden 
Brüder eine graue umd ſchwarze Kleidung. Auf ber Kicchenverfamms 
lung au Troyes 1127, und unter Papft Henorius IL. bekamen fie erſt 
eine Regel, welche man in Holstenii Cod, reg. monast. Tom. Il, 
p. 11832 — 46 und in Wilcke's Geſchichte des Tempelherrnordens (das 
Hauptbuch über dieſen Gegenſtand) Bd. 2. p. 203 findet, und das 
durch eine feſte Verfaſſung und eine feierliche Beſtaͤtigung. Der beis 
Uge Bernhard von Clairvaur, auf dies Concil entboten, wirkte für 
diefen Orden und deſſen fchnelle Verbreitung. Gr nahm bald am 
Mitgliedern, Anſehen und Einkuͤnften zu. Gegen bas Jahr 1180 
waren ſchon ber Ritter 800, ber dienenden KBrüdber aber umzählige, 
Shore Güter in den Morgenländern und in Europa waren duch hohe 
Schenkungen an Däufern, Ländereien und Gapitalten wirklich koͤniglich. 
Im Jahre 1244 befaß der Orden 9000 wohlfundirte Balleien, Com⸗ 
thureien, Priorate und Tempelhoͤfe. 

So muthig, ja oft glüdtich bie Tempelherren im Morgenlande⸗ 
fürs Beſte deu Chriften fochten, fo fingen doch fchon im 12. Jahrhun⸗ 
dert hie Klagen über fie an. ie waͤren Abermüthig, entzögen fich 
dem Gehorfame des Patriarchen zu Jeruſalem und verfagten den Kir 
hen den Zehnten. Hatte fie auch der Papſt Innocenz III. unmittels 
bar der yäpftlicden Hoheit unterworfen, fo erklärte fich doch berfelbe 
1208 dahin, daß fie dieſe Vorrechte wegen des Mißbrauchs zu verlie⸗ 
zen werch wären. Laute Klagen erhoben fih über ihre Anmaßung, 
über ihre Ausichweifungen in Wolluſt und Trunk, woher das Spruͤch⸗ 
wort fam: Er fäuft wie ein Tempelherr. Dem Patriarchen wollten 
fie nicht Gehorſam Leiften, ben Kaifer Friedrich II. wollten fio an bie 
Türken verrathen, Ludwig bem Heiligen, Könige von Frankteiqh, flans 
ben fie nicht wur ‚wicht bei, ſondern vereitelten auch die Belagerung 
von Domask, die ex unternommen batte. Sie hatten ſich dafuͤr drei 
Körbe mit Gold von den Belaggerten bedungen, dieſe ſchickten ihrem 
aber zum Hohne drei Körbe mit Kupfer flatt Goldes und Silbers. 

Als fie 1291 aus Palaͤſtina weichen wmußteg, breiteten fie fid- 
übersll- in Europa, vorzüglich im Frankreich, en Ihr Hauptſitz wurde 
bie Inſel Eypern, von wo fie den Heinen Krieg zur See gegen bie 
Caper der Saracenen führten, ie Ichten in Voͤllerei und Unordnun⸗ 
gen. Guchte glei Jac. Bernhard von Molay ben ausgearteten Geift 
ber Bitter zu verbeſſern, fa lag hoch biefen mahr am. zeitlichen Defisum 


Mitterorden, geiflliche.. 287 
gen, als am heiligen Grabe. Durch ihr gehtinmißvollet Weſen umb 
ihre Verfchwiegenheit bei der Aufnahme umd in ber innen Verwaltung 
wurden fie den Fuͤrſten verdaͤchtig. Man befchuldigte fie vieler Verbre⸗ 
den, Greuelthaten und Ketzereien, die meilt von ousgelloßenen und 
treuloſen Templern herrüheten. Der Oeden batte auch an deu Haͤndeln 
des Königs Philipp IV., des Schönen, von Frankreich mit dem Papſte 
Bonifaz VIH. gegen den erſtern Partei genommen. Papſt Clemens V;, 
ein Freund des Ordens, wollte die Beichuldigung umterfuchen, weichen 
aber jenes König 1307 am 18. Detober mit MWerhaftnehmung bes 
erwähnten Großmeiſters, mehrerer Ritter und aller Tempelherrn in 
Fraukeeih, mit Beſchlagnahme alter ihrer Güter, mit Wegnahme Ihres , 
Hofes, des Tempels in Paris, zuvor kam. Die Unterfuhung mußte 
der Erzbifchof von Sens, der Inquiſitor Wilhelm von Paris gegen fie 
anfangen. Die Verleugnung Chriſti und die Verhoͤhnung des Kreuzes 
mochten bei der Aufnahme von den Novizen als Probe des Gehotſams 
verlangt worden ſeyn, aber eins Entfernung vom katholiſchen Blauen 
iſt nicht erweistih. Die Übrigen Auſchuldigungen, daß die Ditglieber 
ben Xeufel verehrt, Zauberei getrieben, und ein Idol, Baphomet 
genaunt, angebetet, die Sakramente werachtet, bie Beichte den Geiſt⸗ 
lichen entzogen und fi) unnatlrlichen Laſtern überlaffen haben, dürften 
ſowohl argliſtige Verbrehungen ber Wahrheit, ale auch offenbare Er⸗ 
Dichtungen und wibderfinnig und abgeſchmackt ſeyn. Man gab nämlich 
eine galdene Meliquienkapfel, welche die Templer glei andern ortho⸗ 
doren Katholiken küßten, für jenen Teufelskopf, ben Baphomet, aus, 
Weil diefelben in den Zeiten, wo bie Transſubſtantiationslehre aufge⸗ 
kommen war, noch nach alter Weile die Elevation bei der Mefle weg⸗ 
ließen, fo gab man dieß für Verachtung der Sakramente ans. : Daß 
fie nur ihren Geiſtlichen beichteten, da6 benutzte man zur Anklage; 
fie ließen ſich von ihren weltlichen Obern abfolviren, und in three edeln 
Mänuerferundfchaft, die fie verband, fand man eind geflifientliche Werfühs 
rung zur grischifchen Liebe. Den König gelüflete nah den Guͤtern 
bes Ordens. Die demſelben srgebenen Inquuiſitoren (es waren bie den 
Templern mißgimftigen und hämifchen Dominikaner) brachten die oͤffent⸗ 
Ihe Meinung wider fie auf. Die gemißhandelten, gefangenen, durch 
bie Tortur gequälten Templer mußten alien den Frevel, wie man ihnen 
denfelben In den Mund geb, und welchen fie wie begangen hatten, gelüchen, 
zumal da ihre Beſtaͤtigung folder Auklagen ihnen nur das Leben reis 
ten konnte, und diejenigen, die das lingegründete dieſer Beſchuldigun⸗ 
gen betheuerten, hingerichtet wurden. — Zwar ſuchte Papſt Klemens V. 
das Anfangs gar zu milltührliche Werfahren gegen fie zu hemmen, 
übernahm die Inquiſition, vernahm felbft den Großmeiſter und andere, 
ordnete dann päpfilihe Commiſſarien dazu an, die ihr Geſchaͤft am 
7. Auguft 1809 anfingen. Allein bald bewog ihn ber König am bey 
Unterbrüdung bet Drbens Theil zu nehmen, fo fehr eh ihn au Aus 
fangs verbroß, daß jemer ber Kirche in ihr Michteramt fiel. Der Pro 
v6 ang zum Schein fer. Konnte man gleich auf den Orden wenig 
Gegruͤndetes bringen, fo Heß bach jener Inquiſitar und andy der Sönig - 
1810 54 Ritter tcbenhig nechrennen. Bis zum 26. Mai 1311 fuhr 
wn die päsfilichen Gommißfarien in ber Untsrfuchung fer, Wie im 
Branfisih, eben fo verfuhr man anberwärts gegen dieſe anglauͤckliches 





288 | Ritterorden geiſtliche. 


Schlachtopfer. Der Papſt ermahnte bie uͤbrigen Fuͤrſten Europa's eberis 
ſo die Tempelherrn gerichtlich zu verfolgen. Karl von Sicilien und 
Provence ahmte Philippe Beiſpiel nach und theilte die Beute mit dem 
Papſte. In England, Spanien, Portugal und Italien wurden die 
Tempelherren verhaftet, oder für völlig unſchuldig erklärt. In Deutfche 
land wurden nur in einigen Provinzen Unterfüchungen über fie anges - 
fteilt, in andern aber und in Böhmen niht. Auf den Spnobden zu 
Salamanca und zu Mainz 1310 wurden fie fir unfchuldig erklärt. 
Sm Jahre 1812 hob der Papſt auf der Kichenverfammlung zu Vienne 
duch, eine Bulle vom 2. Mär; aus päpftliher Machtvollkommenheit 
den Orden förmlih auf. Die Ausführung veranlaßte biutige Auftritte. 
So wurden, 3. B. der erwähnte Großmeifter Molay und der Groß⸗ 
pelor von ber Normandie Guido am 15. März 1314 auf einer Inſet 
in der Seine Öffentlich verbrannt. Die Johanniter erhielten die Güter 
des Ordens, die Schäge aber an Geld und Kleinodien wurden zu 
einem Kreuzzuge beſtimmt. Das Meiſte davon in Frankreich fiel der 
Krone zu. Betraͤchtliche Summen behielt fih ber Papit vor und in 
Spanien und Portugal wurden von den Gütern neue Ritterorden ges 
ſtiftet. In Deutfchland, wo man fie gerecht und glimpflich behandelte, 
bielten fie fih am laͤngſten, bie und da no bis 1819, — Der 
Markgraf MWoldemar von Brandenburg übertrug erſt 1818 ihre Güter 
an die Hofpitaliter, in welchem Orden viele Templer waren. Die oben 
angeführten Schriften von C. ©. Anton über die Gefchichte des Or⸗ 
dens und deſſen Unterfuhung Über die Gebräude und das Geheimniß 
dee Templer, fo wie das Bud, des Ordens der Tempelherren, heraus⸗ 
. gegeben von Münter, baden bie Unfchuld des Ordens erwiefen. Dr. 
Moldenhauer bat in feiner Schrift: Prozeß gegen den Orden der Tem⸗ 
pelherten, aus den Driginalacten der päpftlihen Commiſſion in. Frank⸗ 
reih u. f. w., Hamburg 179%, die Schändlichkeit und Gewaltſamkeit 
des Verfahrens ber franzöfifhen Gerichte in dieſer Sache aufgedeckt. 
Als der Here von Hammer in ben Sundgruben des Orients Bd. VI. 
1. Heft, Wien 1818 in dem Auffage Mysterium Baphometis reve- 
latum die Anklage der Apoftafie, des Gögendienfles und der unnatuͤr⸗ 
lichen Ausſchweifungen der Templer als Gnoſtiker und Ophiten er⸗ 
neuerte, hat Rainouard (Journal des Savans, Mars 1819) das Grunds 
loſe derfelden gezeigt und bewiefen, daß unter Baphomet Muhamed 
zu verftehen ſei. (Vergl. Raynouard’s Monuments hist, relatifs & la 
condemnation des Chevaliers du temple.) Auch Spivefter de Sacy 
hat im Magaz. encycl, 1810. Tom. VI. erwiefen, daß Baphomet 
nichts anderes als Muhamed bedeute. 

.Wilcke aber in der angeführten Schrift, legt dem Orden wieber 
Seheimniffe bei, die Kleriker, ein Theil des Ordens, hätten in den⸗ 
felben eine geheime Lehre verpflanzt und fie auch felbft befeflen. Nur 
die Faͤhigſten unter Ihnen wären bei ihrer Aufnahme in einen höhern 
Grad der Geheimniſſe des Ordens ringeweiht worden. Die Verleug⸗ 
nung Chrifti und die Anfpeiung des Kreuzes wären Zeichen des zweiten 
Grades gewefen. Die Ritter bes dritten Grades wären dann zue Ans 
betung des Kopfes, deſſen Dafeyn in ben Generälcapiteln nicht geleugnet 
werden koͤnne, und zu ben letzten zugelaflen worden. Muthmaßlich 
wäre in den Jahren 1166—69 umter Philipp von Naplus, die 


Ritterorden, geiflliche, 280 


geheime Lehre im DOrben eingeführt worden, welche gnoſtiſch, wiewohl 
aus Regereien dee damaligen Zeit hervorgegangen fe. Den Deismus 
hätten die Templer geradezu. von den Muhamedanern entlehnt; daher 
hätten auch einige ben Kopf, der eigentlich keinen Namen hatte, Bafs 
fomet, d. i. Muhamed, genannt. Der Kopf fei aber ein Spmbol ber 
Allweisheit des einzigen wahren Gottes, der Gürtel (die SchAur) ſei 
ein Zeichen dee Eingeweihten, Symbol der Keufchheit, und der Schleier 
ein Symbol der Verſchwiegenheit geweſen. Durch die Berührung bes 
Idols fei der Gürtel zum Talisman geweiht worden. Die Obern, 
befonders dee Großmeiſter, hätten nad) den geheimen Statuten bie 
Abfolution ertheilen können. Weil nicht alle Templer, fondern nur 
bie Obern die Geheimnifle des Ordens gekannt hätten, fo hätten bie 
Ausfagen der Ritter fehr verfchieden ausfallen muͤſſen; biftorifch bes 
trachtet fei die Xemplerei ein muhamedanifcher Gnoſticismus u. f. w. 
(vergl. Hall. Litz. 1829. I. Ne. 41.). Uebrigens hat der Tempelherrn⸗ 
orden auch in der neuern franzöfifhen Maurerei mit feinen Geheime 
niſſen geſpukt und Napoleon felbft fol Mitglied eines ſolchen Tem⸗ 
pelherrnordens gewefen feyn. Allein der Ungrund dieſer Behauptung 
wird deutlich nachgewiefen in Lenning's Encyklopaͤdie der Freimauret 
3 Bände, Leipzig 1822 — 28 unter dem Artikel Tempelherren. Wie 
beſonders in Frankteich Sefulten, St Simoniften u. a. Verſuche 
gemacht haben, ben Tempelherrnorden zu politifchen, theoſophiſchen 
und-mpftifchen Zwecken wieder ins Leben zu rufen, findet man, außer 
in den oben angeführten Schriften, angedeutet in dem encyklopädifchen 
. Wörterbuche der Wiffenfhaften, Künfte und Gewerbe zc. von 9. X. 
Dierer. Altenb. 1834 am Schluffe des Art, Tempelherrn. 


% 
R ! 
“ 4 


Sigel Handbuch IV. 19 





24. 


Roſenkranz, 


oder Werkzeug zur mechaniſchen Gebetsandacht, beſon⸗ 
ders im Kultus der roͤmiſch⸗katholiſchen Kirche, 


J. Begriff, Name und Urſprung des Rofenkranged. 
II. Abergläubifche Anfihten vom Rofenkranze im Mits 
telalter und einige befondere fpätere kirchliche Einrichtun⸗ 
en, die davon ihren Urfprung haben. III. Zadelnde 
‚Stimmm über den Rofenkranzaberglauben in früherer 
und in |päterer Zeit, und zwar größtentheils im Schoße 
ber römifchen Kirche felbit. 


Literatur. Monographien. Cappenstein de ortu et 

progressu Rosarii. — J. F. Mayeri dissert. de Rosario. Gryphisw. 

1708.) 1710. 4. — Halberftäbt. gemeinnügige Unterhaltungen 1803. 
t. 37— 40. — Deutfh. Merkur, 1781. Nr. 3. p. 56. 

Allgemeinere Werke. Schönes Gefhichtöforfhungen 
Thl. 2. p. 169. 70. — Schroͤckh's KG. Thl. 23. p. 154. hl. 27. 
p. 404. Thl. 28. p. 160. 61. — Benedicts XIV. Comm. ‚de festis 
Mar. P. IV. p. 222— 25. (Hier findet man aud mehrere Schriften 
aus der römifch = Batholifhen Kirche über den Roſenkranz verzeichnet.) 
Auguſti's Denkwürbigkeiten Thl. 8. p. 118. Thl. 5. p. 135 ff. — 
Binterim's Denkwuͤrdigkkt. 7. Bd. 1. Thl. pe 93 ff. eine befondere 
polemifche Abhandlung, von weicher am Schluffe diefes Artikels die 
Mede feyn wird. 

1) Begriff, Name und Urfprung des Rofen: 
Eranzes. — Man verfteht unter Roſenkranz eine Schnur Bleiner 
Kugeln von Bernſtein oder von anderm Stoffe, auf eine folhe Art 
gereiht, daß erſt eine größere und dann zehn Pleinere Kugeln, fodann 
wieder eine größere und zehn Bleinere Kugeln und fofort über zehnmal 
folgen. Bei der größern Kugel, welche durch die Finger gleitet, wird 
mit dem Credo angefangen, fodann ein Waterunfer, bei jeder der zehn 
kleinern Kugeln der englifhe Gruß, und das fo oft wiederholt gebetet,. 
bis die Betſchnur zu Ende ift oder der Anfangskugel fih naht Man 
nannte ben großen Roſenkranz (von 150 englifhen Grüßen und 50 


Roſenkranz. u 291 


Baterunfer) au den Marienpfalter, weil er eben fo viel Grüße 
enthält, ale im Pfalmbuche Pfalmen enthalten find. 

Der gewoͤhnliche Name dafür it Roſenkranz, lateiniſch 
Rosarium, zuweilen auch Corona beatae virginis, feit dem 13, Jahr⸗ 
hundert gewöhnlich Paternoster genannt, franzöfifh Chapelet. Den 
Namen Rofenkranz erklären gewöhnlich Schriftfteller aus der roͤmiſchen 
Kirche auf eine ſuͤßlich⸗ myſtiſche oder mährchenhafte Art. So fagen fie, 
Rosarium fei dieſes Werkzeug mehanifcher Andacht darum genannt wors 
den, weil darin Marla, bie Roſe von dem jüdifhen Dorne ber Ges 
genftand bes Gebets ſei. Sie galt ja für die Rofe von Jericho, für 
die goldene Hofe. Aber öfter noch fucht man bdiefen Namen mähr: ' 
chenhaft zu erklaͤren. Binterim, in ber oben angeführten Abhandlung, 
erklärt fich darüber alfo: „Die Benennung Roſenkranz foll durch eine 
„wunderbare Begebenheit entflanden ſeyn, bie wie hier mit ben Wor— 
„ten Schultings vorlegen. Cum quidam juvenis, qui beatissimae 
„‚virginis devotione tenebatur, in manus quörundam latronum inci- 
„Asset, et coronam parvam, quam vocant, ejusdem virginis cum 
„maxima devotione, genibus etiam flexis, antequam ab eis occide- 
„zetur, recitaret, visa est ipsa beata virgo duabus comitata virgi- 
„mibus ante juvenem adstare et per manus duarum virginum ex 
‚„juvenis ore duodecim rosas albas et tres rubras colligere, ex qui- 
„bus coronam fecit roseam, quam cum capiti praefati juvenis im- 
„posuisset, confestim disparuit et ex miraculo coronae et Rosarli 
„denominationem reliquit,” (Tom. IV. Bibliothe eccies. Part, I. 


p. 66.) 

Dos Merkwürbdige bei biefer Allegation iſt, dag Binterim nichts 
toeniger als Geneigtheit zeigt, das erklärte Factum unmahrfcheinlic zu 
finden. Jedoch führt er auch noch eine andere Erklärung an, indem 
er fortfaͤhrt: „Die heilige Rofalia, eine Verwandtin Kaifer Karls des 
„Großen, hatte in ihrer Eindde eine Schnur voll Meiner Körner, die 
„fie in ihrer Hand trug, woran fie wahrfcheinlicy auch betete, weil an 
„der Spige ein kleines Kreuz hängt. Auf der alten Abbildung dirfer 
„Jungfrau, bie in Sicitien fi vorfindet, lieſt man die Unterfchrift: 
„Coronam laudum magnae Dei matri supplex offert et solemnem 
‚„‚posteris commendat orandi modum. Der Maler fheint alfo auf unfer 
„Roſenkranzgebet hingeroiefen zu haben. In ber zwölften Abbildung 
„fieht man, wie der himmliſche Bräutiggm bie heilige Jungfrau mie 
„einer von Rofen und Gold zufammengeflochtenen Krone ziert, wobei 
„dieſe Unterfchrift if: Ab eodem sponso blandiente, modulantibus 
„Angelis, coronas ex auro et rosis contextas recipit, assistentibus 
„S. S. Ecelegiae prinoipibus Petro et Paulo. Bei der Eröffnung ' 
„des Stabes fand man die Schnur mit den Kömern neben ber heilis 
„gen Jungfrau liegen.” — Der Ylame Rofalia, der ihr 
von Chrifto Überreihte Aranz von Rofen, Eönnen 
vielleiht eine Deranlaffung zu der jegigen Benen— 
nung RofenEranz gegeben haben. Andere Verſuche, die 
fen Namen zu erflären, find nicht viel glüdlicher. So fagt man, der 
Name Roſenktanz komme daher, weil die erſten Mofenkränze aus Ro⸗ 
fenhofz, weldyes im Driente wählt, oder aus getrockneten, geſtoßenen 
und zu Eleinen Kugeln vereinigten Rofenblättern gemacht „wurden. Der 





- 


ET Roſenkranz. 


große, vollfländige Roſenkranz, Marienpſalter genannt, ſoll feine Ein: 
richtung von Dominicus erhalten haben. . Weberdieß gibt es auch Ro— 
fenkränze, die weniger Gebetskügelchen enthalten. Die Franziskaner, 
die nach der Zahl der (nur ihnen bekannten) Lebensjahre der Maria 
72 Kügelhen annehmen, halten ihren Roſenkranz für volllommener. 
Was nun den Urfprung dieſes Gebetemehanismus 'anbetrifft, fo 
liegt et allerdings im Dunkeln und den gemöhnlichen Annahmen laffen 
fih erhebliche Gründe entgegenfegen. Am allerwenigften hat die Be: 
bauptung für fih, daß der Roſenkranz fchon dem früheflen chriftlichen 
Alterthume angehöre; denn er ann nur das Erzeugniß einer Zeit feyn, 
wo bereitö das. Gebet als opus operatum und die Mariaverehrung 
. eingeführt war. Den Roſenkranz hat fo wenig Peter der Eremit (zur 
Beit des erften Kreuzzugs im 11. Sahrhundert) aus bem Driente ins 
Abendland gebracht und eingeführt, als ihn. ber Ordensſtifter Domini: 
cus in den beiden erften Jahrzehnten des 13. Sahrhunderts erfunden 
hat. (Die bießfalfige Legende findet man in Mabilons Praef. ad 
Acta Sanctor. Bened. Sec. V. n. 25., in Muſſons pragmat. Ges 
fhichte der Mönchsorden Bd. 8. p. 63 f. Vergl. Schrödh Thl. 27. 
p. 404.) Lange vor dem 10. Jahrhundert war er im Driente gemöhns 
lich. Als Betſchnur flammt er von den Arabern ber, bei welchen 
er in den diteften Zeiten und lange vor Muhamed gewöhnlicd war. 
Weil der Roſenkranz auch bei andern heibnifchen Völkern, namentlich 
bei den Kalmuden in Rußland, die denfelben in ber Hand führten, 
bei den Mongolen in der Zartarei, bei den Bekennern des Go, bei 
den Lamas (Prieftern) in Zibet, die ihn bald in der Hand, bald am 
dem Hals tragen, bei den Zalapoinen (auf der Halbinfel Indiens), im 
Königreihe Ava, in Siam, in China und auch in Sapan (wo bie 
Bonzen ihe Gebet nah) dem Roſenkranze verrichten) belannt und 
wahrſcheinlich ein alter Gebrauch iſt; fo muß er im Oriente feit uralter 
Zeit eingeführt und darum nicht riftlihen Urfprungs fepn. In Aras 
bien behielt ihn Muhameb als eine Landesfitte bei, und er iſt noch bei 
den Muhamedanern,, felbft bei den Schiiten vorgefchrieben (f. Niebuhrs 
Beſchr. von Arabien p. 67 und 121). Die Chriften aber gaben 
der Betſchnur in Anfehung bes Inhalts und der Wahl der Gebete, die 
fie am Roſenkranze ſtill herfagten, eine umgeänderte Einrichtung. 
Darauf mag allerdings das Mönchsleben im 4. Jahrhundert ſchon 
vorbereitet und eingeleitet haben. Palladius in der Lausiaca erzählt 
aus dem Leben des Mönche Paulus, dag er in feinem ganzen Leben 
weber ein Geſchaͤft unternommen, noch die geringfte Arbeit angerühre 
babe; auch nahm er nicht mehr Speife an, als er an demfelben Tage 
verzehren konnte. Seine Zeit brachte er unter immerwährenden Gebes 
ten zu. Zu diefem Endzwede hatte er 300 beftimmte Gebete für jeben 
Tag. Damit er fih nun nicht etwa aus Verſehen in der Zahl irren 
: mödte, fo trug er 300 Steinchen bei fih im Bufen und bei jedem 
Gebete warf er eins davon weg. Sozom. VI. 29. erzähle dafjelbe von 
ihm. So entfprang aus einem Moͤnchskopfe die fonderbare Sitte, 
welche bisher allen Religionen fremd geweſen war, daß man dem hoͤch⸗ 
flen und heiligften Wefen, dem allmifienden Vater, welchen Sefus nur 
im Geifte und in der Wahrheit verehrt wiffen wollte, die Gebete nach 
Zahlen berrechnete. Bald darauf wurde in den Kiöftern bie Zahl ber 





Kofenran. 293 


Pſalmen und Gebete feflgefege, welche zu jeber Tageszeit hergefagt 
werden folten. Wie wenig hatten wohl die verfchrobenen ſchwaͤrmeri⸗ 
fhen Moͤnche an das Wort des Herm Mt. 6, 7. gedacht: „Wenn 
„ihr betet, ſollt ihe nicht viel plapperm, wie die Heiden, denn fie mei⸗ 
„nen, fie werden erhört, wenn fie viel Worte machen.” — a fon 
die Altern Cinfiedler und Mönche zählten Gott eine Menge Gebete nach 
Kugeln vor, die fie zu hunderten bei fih trugen. In den Kiöftern 
lieg man fpäterhin jeden Moͤnch, der ſich vergangen hatte, zur Strafe 
eine gewiſſe Zahl von Gebeten halten; dieſe waren aber nur gemöhne 
lich das Vaterunſer und die Pfalmen. Im 6. Jahrhundert follen eben» 
falls die Benedictinermoͤnche ihre Gebete nad einer Reihe Kügelchen, 
die an einer Schnur gefaßt waren, bei ihrer Arbeit verrichtee haben, 
Wie nun aus dem Kiofterleben mandyes in das Leben der Weltgeiſtli⸗ 
chen und felbft ber Laien überging, fo konnte e8 auch mit Diefer Ge⸗ 
wohnheit der Fall ſeyn, und etwas konnten wohl auch die Kreuzzüge 
dazu beitragen, wo die Abendländer ſolche Gebetsfchnuren bei den 
griehifhen Chriften und aud bei den Muhamedanern fahen. Damit 
würde auch die allmählige Ausbildung des Roſenkranzes übereinftims 
men. Bis zum 11. Jahrhundert waren es hauptſaͤchlich das Waters 
unfer und die Pfalmen, welche die Andächtigen fo oft wiederholten. Nun 
kam nady und nad). das fogenannte Ave Maria, d. h. der Gruß des 
Engels an die heilige Zungfrau, hinzu, wozu man in bee Folge auch 
die Morte der Eliſabeth: „Du biſt gebenedeiet unter den Weibern,“ 
n. f. w.; und endlih das Gebet: „Heilige Maria, Mutter Gottes! 
bitte für und arme Sünder, jegt und in der Stunde unſers Abſter⸗ 
bene! Amen“ gefegt bat. Diefe fämmtlihen Gebete wurden, ber 
Bequemiichkeit wegen dergeflalt geordnet, daß 150 Kügelhen an eine 
Schnur gereiht, eben fo viele Ave Maria bedeuten, welche wiederum 
in 15 Abfäge eingetheitt find, wo allemal ein Waterunfer eingefchaltet 
und ein Geheimniß des Chriftentyums zur Betrachtung vorgelegt; ber 
Anfang des ganzen Gebets aber mit dem Credo, oder fogenannten 
Glauben gemadt wird. S. Mabillon 1. }. n. 119— 123. Ja um 
dieſe Zeit waren fowohl in England im Kofler Coventry als auch in 
Hennegau in den Niederlanden Nonnen und vornehme Frauen, melde 
bie Ave Maria an einee Schnur von Edelſteinen berfagten. (Vergl. 
Mabillon’s annal. ord, St. Benedicti L. LXIII. Nr. 69. 70.-ad an. . 
1044. T. IV. p 462. — Schrödh Thl. 23. p. 154—55.) — Das 
nun von Dominicus der vollftändige Roſenkranz oder der Marienpfalter 
fei eingerichtet worden, haben wir bereitö erwähnt. 

1) Aberglaͤubiſche Anſichten vom Rofenfranze 
im Mittelalter und einige befondere fpätere Fird- 
lihe Linrihtungen, die davon ihren Urfprung bas 
ben. — Faſt alle die mwunderähnlihen Wirkungen, die man ben 
Reliquien zufchrieb, trug man auch auf den Mofenkranz über, Er 
foüte 3. B. die Teufel vertreiben, ein Talisman wider Zauberei feyn 
und dergleichen mehr. Syn der Grafſchaft Hennegau lebte im 11. 
Jahrhundert eine geriffe Ada, Gemahlin Dietrihs von Avesnes, wels 
che jenen englifhen Gruß an jebem Tage fechzigmal betete. Dafür 
ſollte aber auch die Jungfrau Maria, ale Dietrich vor Gottes Gericht 
gefordert wurde, eine Zürbitte für ihm eingelegt haben, eine Erzählung, 


294 KRoſenkranz. 


die ſo vielen Eindruck machte, daß ſeit dem Anfange des 12. Jahr⸗ 
hunderts mehrere dieſe Anrede des Engels zu ihrem taͤglichen Gebete 
machten. So kam es, daß Gott und die Maria ſich in die Gebets⸗ 
formeln der Chriften theilten, und daß dieſe den größern heil erhielt, 
indem man fie mit 150 engliſchen Grüßen anredete, da nur 15 Bas 
terunfer an Gott gerichtet wurden. 

- Mit dem Roſenkranzgebrauch hingen auch eigenthuͤmliche kirchliche 
Einrichtungen zuſammen, nämtid 1) die Rofenkranzbrüderfchaft und 
2) die Feier eines befondern Feſtes. 

- 4) Mit dem Dominicanerorben wurbe beſonders die Roſenkranz⸗ 
brüderfchaft verbunden, die fich verpflichtete, täglich eine gewiſſe Anzahl 
Roſenkraͤnze abzubeten. Der vomehmfte Veförderer bderfelben war ber 
treue Gefährte ded Dominicus, Alanus de Rupe, ber fih für dem 
Liebling der Maria hielt, fo daß er von ihr das Geſchenk, ein befläns 
diges innerliches Licht bei fi zu haben, und die Gabe, auch felbft bei 
dem Anblicke des fchönften Srauenzimmers nichts zu fühlen, erhalten 
zu haben vermeinte. Man legte der erwähnten Bruͤderſchaft viele 
Munder bei. (Vergl. Muflon’s pragmat. Geſchichte ber Moͤnchsorden 
Bd. 8. p. 69 f.) Dieb war um fo mehr der Fall, als Papft Alerans - 
bee IV. 1294 berfelben einen volllommenen Ablaß ſchenkte. Dem 
Dominikanerorden war aber die Rofentranzbrüderichaft fo eigenthuͤmlich, 
daß nach der Erklärung der Congregatio rituum zu Rom im Sabre 
.1747 eine ohne Vorwiſſen des Ordensgenerals geftiftete ähnliche Ges 
felifchaft den ihr vom Papfte verlichenen Ablaß verlieren ſollte. — 
Auch hat man von einem befondern Ritterorden vom Rofenkranze gefpros 
hen; allein Helyot 1. 1. Thl. 3. p. 306 bemerkt fehe rihtig: „Da 
„die Sefchichtfchreiber bes Dominicanerordens nichts von biefem Ritters 
„orden erwähnen, was ihnen body fo nahe lag, fo zweifle ih, baß 
„dieſer Orden wirklich vorhanden geroefen ſei.“ Etwas mehr hiſtori⸗ 
fhen Grund Hat ein Drden bes himmlifchen Ordensbandes des heiligen 
Mofenkranzes, angeblih 1645 von der Königin Anna von Deſtreich, 
Ludwigs XI. Wittwe und Mutter Ludwigs XIV., geftiftet, und zwar 
für 50 andaͤchtige Iungfrauen. Allein Helyot 1. 1. p. 308 zeigt, daß 
auch diefer Orden nicht fortbeftanden babe, fo wie er dieß noch von 
einigen andern ähnlichen Stiftungen zeigt. Der Roſenkranz fland fers 
ner in fo großem Anfehen, daß ihm zu Ehren 
2) audy ein Seft gefeiert wurde, Wir entiehnen bie 
Nachricht davon aus Mayer oben angeführter Dissert. de Rosario, die 
wir nachlefen konnten. Das Rofentranzfeft (Festum Rosarii Mariae) 
am 1. October, für defjen Urheber der heilige Dominicus 1210 gehal⸗ 
ten wird, wurde durch die Bullen Gregors IX. (d. d. 1. April 1575) 
und Glemens XI. (d. d. 8. October 1716) der Geſammtkirche ohne 
Ausnahme (absque ulla restricfione) als ein wichtiges Feſt sub ritu 
duplici majori vorgefchrieben. In der Einleitung der Mapyerfchen Difs 
fertation werden 47 katholiſche Schriften über die Gefchichte und Be⸗ 
deutung des 'Rofenkranzes angeführt. Dann wird p. 44 — 48 von 
dem Feſte und ben Brüberfchaften deſſelben gehandelt. Ueber das 
Erſtere wird gefagt: Multum vero promovisse Psalterii Mariani reve- 
rentiam maximaque incremente sumsisse ex peculiaris festi 
in illius honorem dedicoatione, nemo inter Pontificios 


. Rofenktam. 295 


in dabium vecat. Inprimis vero extollit Dominicanorum ordo. . 
Iostituit illud Gregor. XIII. a. 1578 quolibet 1. Octbr. sub titulo: 
8. Mariae de victoria celebrandam , ob victoriam a. 1572 merito 
Rosarii Mariani reportatam, dum proelio Navali contra Turcas 
felieissime pugnatum esset ad Lepautum. Vide Bullam XI. Gre- 
gorli XIII. Toni. II. Bullarii Magu. fol. 372. Ista vero in hoo 
festo se invicem excitant in Breviario Ord. Praedicator. Leot. IX, 
eta p. Carthagenam. Nos fratres carissimi, stolis amieti et offeren- 
tes rosas et lilia ex convallibus Sion Diem festum agamus in 
Psalterio et cantico militiae christianae Imperatrici Mariae et trium- 
phale Rosarium illius nomini benedictum in perenne trophaeum 
dicemus et consecremus, Hoc signum B. Dominici Asseclae levate 
in nationes et in montibus ecelesiae ipsius mysteria clangite buc- 
eina, narrantes mirabilia, quae in hujusce plantationis horto inno- 
vaatur quotidie. Sumite Psalterium, quod est haereditas vestra, 
.et omnis ecclesiasticae melodiae modulantia perfectum. Hujus nam- 
que Cantoris fidibus inter insignia Deiparae Virginis praeconia, 
totius itinerarii unigeniti per vos exprimentur trophaea, simulque 
vivifica S. Spiritus enunciabuntur charismata, dum mirifica divinae 
virtutis depromentur arcana. Adeo quod in hao una sacri Rosarii 
et Psalterii celebritate totum super excelsae Trinitatis atque immen- 
sae unitatis beneplacitum ineflabili modo perficiefur. Agite ergo: 
Jubilemus exultantes 
Virginis encomiis, 
Laudem laude cumulantes 
Precibus Rosariis, 
De Dracone triumphantes 
Ejus patrociniis! 
Rosa rubo defloratur, 
Antiquae propaginis. 
Fios de rosa propagatur 
“ Radix norae originis, 
Cujus Spina vulneratur 
ulnerator germinis, 
Laus tibi, regina, quae Pios eoronas 
Triumphalis horti liliis et rosis. 
en. 
Das Lächerlichfle jedoch umd Uebertriebenfte in Beziehung auf ben 
Roſenkranz ift damit behauptet worden, daß Maria felbft den Roſen⸗ 
kranz fol abgebetet haben. Mayer in der Abhandlung de Rosario p. 
48 ff. beſchuidigt darum die Maria der Idiolatrie und deducirt daraus 
fehr witzig, daß die Maria eine Suͤnderin, wie andere Menfchenkinder 
müffe gemefen ſeyn, indem fie eben durch das Roſenkranzgebet täglich 
mehrmals funfzehnmal zu’ beten genöthigt worden fei: Und vergieb 
uns unſre Schuld! 

Uh Tadelnde Stimmen über den Roſenkranz⸗— 
aberglauben in früherer und in fpäterer Feit, und 
war meiſtentheils im Schoße der römiſchen Kirche 
Pelbf. — 66 konnte nicht fehlen, daß ſelbſt aufgeklärte Männer 
"bereitd im Mittelalter den Rofenkranzunfug lebhaft tadelten. Bir koͤnn⸗ 
ten hierher gehörige Aeußerungen mehrerer anführen. Mir führen nur 
aus Polydor. Vergiliüs, einem gelehrten und vorurtheilsfceien Geiſtli⸗ 





1 Roſenkranz. 


chen in feinem Zeitalter, de rer. invent. 1. VL. e. 19., bie Stelle an, 
wo er fagt: Hodie tantus honor ejusmodi ealculis accessit, ut non 
modo ex ligno succino, torallino, sed ex auro argentoque fiant, 
fuitque mulieribus instar instrumenti et Hypocritis prae- 
cipui fucosae bonitatis instrumenti. Dieß Urtheil iſt 
auch in der roͤmiſchen Kirche oft wiederholt worden, ob es gleich auch 
nicht an WVertheidigern des Roſenkranzes gefenlt hat. In Gavanti 
thesaur. saoror. rit. Tom. ll. p. 241 beißt es: Festum Rosarii est 
duplex majus — — tum, quia festum est Deiparae, tum quia 
festum est de praecepto universalis ecclesiae ex Bulla Gregorii etc. 

Bei der Meformation ward gegen diefe, dem Alterthum ganz fremde, 
Andacht am flärkften geeifert, wie man aus Luthers Schrift, aus der 
augsburgifhen Gonfefjion und den ſchmalkaldiſchen Artikeln erſieht. 
Spaͤterhin ift dieß feltener der Fall geweſen, weil die Sache für. bie 
Droteftanten zu wenig Wichtigkeit mehr hatte. Daher fann man wohl 
behaupten, daß der Rofenkranz in der römifchen Kirche beinahe mehr 
MWiderfacher gefunden hat, als unter den Proteftanten. " 

Unm ſo mehr muß man fich wundern, daß der neuefle Bearbeiter 
ber chriſtlich⸗kirchlichen Archäologie in der roͤmiſchen Kiche, Binterim, 
die Vertheibigung des Mofenkranzes gegen einen Theologen feiner Con: 
feffion geführt hat, die eben fo reih an perfönlichen Bitterkeiten ale 
arm an trifftigen Gründen if. Im fiebenten Bande nämlich feiner 
Denkwürbigkeiten Theil I. p. 87 polemifirt er gegen den Verfaſſer der 
kafholiſchen Kirche im 19. Jahrhundert, ©. 2. EC. Kopp, der in dies 
ſem Buche p- 241 gefchrieben hatte: „Der Roſenkranz war eine Erfins 
„bung, wo das Volk nicht lefen konnte, wo es nur fähig war, eine 
wbeilimmte Anzahl von Ave Maria abzutugeln. Kommt nun die ab⸗ 
„würdigende, unverfländige Art und Weife dazu, wie der Rofenkranz 
„vor⸗ und nachgebetet wird, fo ift ed nur zu off ein unverfländliches 
„Geſchrei von den nämlichen Worten, wodurch bie Seele keineswegs 
„zur Andacht erhoben wird, fondern das Ganze auf das Gemüth des 
„vernünftig Andaͤchtigen nothwendig einen übeln Eindrud machen muß.” 
Diefe Aeußerung nimmt aber Here Binterim feinem gelehrten Kirchens 
genoffen ſehr übel, und es fehlt nicht viel, daß er ihn der Lutherifchen 
Ketzerei befhuldigt, weil jener fih unter andern auf eine Stelle in 
Baumgarten's chriſtlichen Alterthuͤmern beruft, wo es p. 547 heißt: 
„Der Roſenkranz ift zur Zeit der Kreuzzüge zu uns gebracht worden, 
„und flammt eigentlih von den Braminen und Muhamedanern, bei 
„denen derſelbe noch jest üblich ift.” Die Vertheidigung des Roſen⸗ 
kranzes von Seiten ded Herrn Binterim ift übrigens fo unhiſtoriſch, 
feiht und von großer Befangenheit des Urtheils zeugend, daß fie füglidy 

ätte wegbleiben können. Dagegen erwähnen die meiften neuern kathos 

iſchen Schriftfleller über die Gebräuche ihrer Kirche des Roſenkranzes 
gar nicht, und Locherer, Müller u. a., die der Verfaſſer nachſchlug, 
übergehen ihn gänzlich mit Stillſchweigen. Auch wird die eier bes 

Mofenkranzfeftes in vielen katholiſchen Ländern unterlafien. In ber 
griechiſch⸗ katholiſchen Kirche Rußlands haben nur die Mönche, Archi⸗ 
mandriten und Biſchoͤfe den Mofenkranz. | Ä 








| =. 
Sabbathum magnum, 
ber große, der heilige Sabbath, 
I. Bedeutung und Alter dieſes Tages. I. Feierliche 


Gebräuche und Gewohnheiten an demfelben. II. Spu⸗ 
ten davon in der heutigen chriſtlichen Welt, 





F.iteratur. G. H. Götse de vigiliis paschalibus veterum 
ehristianorum. Lips. 1687. 4. — J. Mch. Fischer solennia veteris 
ecclesiae ante-paschalia. Lips. 1704. 4. — E. F. Wernsdorf de 
veteris ecclesiae pridie paschal, religione. Viteb. 1772. 4. — 
Hospinienus de origin. festorum ete. 1611. p. 68 seq. — Jpach, 
Hildebrendi de diebus festis libellus 1718. p. 69 seq. — Jo. Andr. 
Schmidii historig festor. et dominicar. 1726.,p. 121 seqg. — Bingh, 
L 1. Vol. IX. 1, 21. 0. 1. $. 32. — Baumgartens Erläuterung der 
chriſtl. Alterchümer. Halle 1768. p. 835 und 838. — Auguſti's 
Dentwirdigkeiten aus der chriſtl. Acchäologie 2. Bd. 1818. p. 204 ff. 
— Schöne Geſchichtsforſchungen über die kirchlichen Gebräuche. Ber 
lin 1822. 3. Thl. p. 265. Ueber die Zeierlichleiten der Nachtfeier 
insbefondere. vergl. Wernsdorf de Constantini M. religione paschali 
ad Euseb. de vita Constant. IV. 22. Viteb, 1758. 4. — Mch. 
Ehrfr. Krause de pervigilio paschatis dyaosasiuov, von der Oſter⸗ 
Naht. Lips. 1714. 4 


1) Bedeutung und Alter des großen Sabbaths. 


— Der fiebente und legte Tag in der Woche vor Oſtern erhielt den 
Namen des großen und heiligen Sabbathe, und zwar theild, weil man 
auch bier die Einrichtungen der jüdifhen Kirche nachahmte, theild weil 
man auch die Ueberzeugung hegte, daß der Tag, wo Chriftus im Grabe 
lag und. die Hoͤllenfahrt unternahm, ‚einer beſondern Auszeichnung 
werth fei. - Er ift übrigens unter allen jüdifhen Sabbathötagen ber 
einzige, den fpäter die chriftliche Kirche beibehalten und durch eine bes 
fondere Feier ausgezeihnet bat. Schon Tertullian 1. 2. ad uxorem 
hut dieſes Tages gewiffermaßen Erwähnung, indem er bier von ber 
damit verbundenen Dftervigilie ſagt: Quis ‘circa solemnia paschae 
uxorem secum pernoctantem ferat? Später kommt der Name Sab- 
bathum magnum et sanctum häufig vor, 3. B. bei Chrysostom. 
ep. 1.. ad Innocent. Constitut. apost. I. V. e. 18. und bei mehrem 





28, .  Babbathum maguum. 


Schriftſtellern des 4. Jahrhunderts. Schon im 2. Jahrhundert fing man 
an, bie Feier des fiebenten Tages, die man fonft neben ber eigentlichen 
Sonntagsfeier beibehalten hatte, allmählig abzufchaffen und bios den 
Sonntag feierlich auszuzeihnen. In diefe Zeit fcheint die allmählige 
Ausbildung bes großen Sabbaths zu fallen. Uebrigens erhielt fich in der 
orientalifdy = griechiſchen Kirche die Gewohnheit, den Sonnabend und 
Sonntag religids s feierlich zugleich zu begeben, am längften, und davon 
ſchreibt es fich ber, daß bis auf den heutigen Tag am Sonnabende nicht 
gefaftet werden darf. Daher ift es auch als eine befondere Merkwuͤrdigkeit 
anzufehen, daf dee große Sonnabend fowohl für die morgenländifche, als 
abendländifhe Kirche ein allgemeiner und firenger Faſttag geworden iſt; 
obgleich beide Kirchen gerade in Abficht auf das Fafteninftitut [ehr abwei⸗ 
ende Anſichten gehegt und langwierige Streitigkeiten darüber geführt 
haben. Daß bie Homileten an biefem Tage das Dogma von ber 
Höllenfahrt Jeſu oder die Lehre von der Taufe berührten, läßt fih aus 


- der Beflimmung des Heiligen Sabbaths an fih, fo wie aus ber Taufe‘ 


- 


erklaͤren, die an biefem Tage befonders gewöhnlich war, \ 

IH Seierlihe Gebräuhe und Gewohnheiten am 
großen Sabbathe. Dahin gehören: 

a) ein befonderes firenges Saiten. Freiwillig und 
duch Bein Kicchengefeg geboten war Anfangs, wie alle Kaften, auch 
das am großen Sabbathe. Man fühlte fi dazu aufgemuntert durch 
bie Aeußerung Zefu, Mt. 9, 15. „Es wird aber die Zeit kommen ıc. 
„alsdann werden fie. falten.” Den Denktag, wo Jeſus im Grabe 
gelegen babe, glaubte man auf eine ernfle Weile feiern zu müͤſſen. 
Aus einem Spnobalfchreiben des Irenaͤus, welches Eusebius h. e. I. 
V. p. 246 aufbewahrt bat, fieht man, daß zur Belt jenes Kicchen» 
ſchriftſtellers Webereinftiimmung weder über die Dauer, noch über bie 
Form des Faſtens an diefem Tage geherrſcht habe, welches doc nice 
hätte der Fall feyn koͤnnen, wenn damals ſchon gefegliche Vorſchriften 
Darüber wären vorhanden geweſen. — Zu Ende aber des zweiten Se⸗ 
culums ſcheint das Faften auf einen ober zwei Tage vor Oftern mehr 
aligemeine Gewohnheit geworden zu ſeyn, fo daß man fpäter, wo bie 
chriſtliche Kirche ſich immer mehr ausbildete, auch durch gefegliche Vor⸗ 
ſchriften dazu verpflichtete. Tertall. de jejun, e 2. — Was nun 
die Beſchaffenheit diefes Faſtens anbelangt, fo enthielt man ſich wähs 
vend derfelben entweder allee Nahrung vom Morgen bis zum Abende, 
vid. August. epiet. 86. ad Cosul. Ambros. orat. 1. de jejun., wels 
ches jejunium im engem Sinne genannt wurde, oder man befchräntte 
fih auf die fogenannte Zerophagie, mo man blos Brod, Salz und 
Waſſer genoß. Vid. Jo. Rudolph. Kiessling. de xerophagia apud 
Judaeos et primos Christianos usitate. Lips. 1740. Ueber die Dauer 
aber diefer legten Faftengattung ſtimmen die Altern Nachrichten nicht 
zuſammen. Die Constitut. apostol. 1. 8. c. 18. wollen fie ausgedehnt 
wifien nsque ad .nooturnum galli cantum, ungefähr bis zur Mitter⸗ 
nacht, andere bis zum Hahnengeſchrei am Morgen, noc andere nah⸗ 
men als Endpunct den Sonnenuntergang an. Bis zuc Mitternacht 
will der 88. Canon des Coneil, Trull. a. 692 dieß Faſten ausgedehnt 
wiften. Das anhaltende Faſten an diefem Rage, fo wie am vorher 
gehenden Charfreitage, nannten die Griechen UndpYesss, und bie Late 


Babbathum magaum. | 29 


nee superpositio, theils wegen ber dabei üblichen. Strenge mb Algen 


meinheit, theils auch wegen der längern Dauer, indem Manche es 
auf zwei, ja. drei Tage ausbehnten. Auch durften diejenigen, die in 
den erſten Tagen ber heiligen Woche nicht zu fafter pflegen, ſich 
wenigftens an dieſem Tage einer ſolchen Mebung wicht entziehen. Cfr. 
Wernsdorfii de veteris occlesiae jejunii pridie paschalium religiene, 
Vitebergae 1772, welche Abhandlung auch bei diefem Abfchnitte vom 
bem Berfaffer benutzt worden if. — Zu ben ausgezeichneten Feier⸗ 
lichkeiten dieſes Tages gehörte auch 

b) ein feierliher Nachtgottes dienſt, die fo bes 
zühmte Öftervigilie. Schon die aͤlteſten Schriftſteller erwähnen 
derfelben, ja, man hätte Urſache die Feier diefer Wigitie für aͤlter als 
den Sonntag und fämmtliche Sefte zu halten. Aus den Berichten des 
Ractantius und Hieronymus iſt zu erfehen, daß man in 'diefer Nacht 
die Zukunft des Herrn zum Weltgerichte erwartete, und fich daher durch 
Faſten, Beten und Singen 'umd andere geiſtliche Uebungen zum wuͤr⸗ 
digen Empfange bed Heren vorbereiten wolle. Im Zeitalter Conſtan⸗ 


tins und Theodoſius des Gtoßen wurbe ber Pomp berfeiber aufenes . 


dentliy vermehrt. Euſebius (de vita Const. M, 1. IV. c. 22. vergl. 
©. 57.) befchreibt die Pracht der Erleuchtung, wodurch Conſtantin diefe 
myſtiſche Nachtfeier heller als am Tage zu machen fuchte. Auch res 
gor von Nazianz (arat. 42. p. 676) fchildert die Öffentliche Erleuchtung 
der Stadt (die Anungopwola xal guzaywyla) als ein öffentliches 
Volksfeſt, Gregor. Nyssen. (orat. 4. p. 867), redet von einem Kadels 
fheine, welcher den Glanz der Wolfen: und Feuerfäule übertrifft, 
Daſſelbe beſtaͤtigt auch Sokrates (h. e. 1. VII. e. 5,), woraus zus 
gleich erhellt, daß auch die häretifchen Parteien hiermit uͤbereinſtimm⸗ 
ten. Ein Grund, warum man am Ende des 4. Jahrhunderts in 
GConftantinopel den Glanz dieſer DOftervigilie zu erhalten und zu ver 


mehren fuchte, liegt in einem gewiſſen Wetteifer mit ben Arianern, 


welche durch die glänzende Art, wie fie ihre näctlihen Gottesvereh⸗ 


zungen hielten, vorzuͤglich durch ihre ſchoͤnen Hymnen allgemeinen Weis 
fall einernteten (f. den Artikel Vigilie). Früh aber mäüflen fü fchon 
Mißbraͤuche dabei eingefchlichen haben, wie aus Xertullian ad uxorem 
l. II. e..4 erhellt. Schon im Anfange des 4. Jahrhunderts verbot 
das Cono. Eliberitan. can. 35. (a. 305) den Weibern bie Theilnahme 
an allen Vigillen. Vigilantius griff überhaupt die religiöfen Abends 
und Nachtfeigrlichleiten aus dem Grunde an, weil fie ber Sittlichkeit der 
Jugend und des weiblichen Geſchlechts nachtheilig wären, fand aber 
an Hieronymus (adv. Vigilantium) einen eifrigen Gegner. — ts 
zwifchen wurden ‚die Klagen Über die Mißbräuhe der Bigilien Immer 
‚ Tauter. Außer Zweifel ift daher ein Verbot derfelben auf dem Coneil. 
Antissidorense can. 3. (a. 578). Wenigftens galt die von Gals 
Vien, wo audy die Mißbraͤuche am aͤrgſten geweien zu ſeyn fcheinen, 
Ob nicht aber in Anfehung bee Pafchalvigilie, wie ſchon Vigilantins 
wollte, eine Ausnahme gemacht wurde, wäre noch die Frage. In ber 
griechiſch⸗ orientafifhen Kirche iſt diefe Oftervigilie Immer in großem 
Anfehen geblieben. Vergl. G. Henr. Götze vigiliae paschales vete- 
rum Christien. Lips. 1684. 4 — Krause diatribe de pervigilio 

paschalis draozaoluov. Lips, 1718: — Vertraugott Kiepperkein 


S 


- 


— 


300 | Sabbathum magnem, 


Siles, Ritus vigilier. sacer et profan. Viteb. 1785. 4. $. XIL — 
. Werusdorf. de Censtantini M. religione peschali ab Euseb. de vita 
Const. M. 1. IV. c. 22. hat diefe ganze Stelle abdruden laſſen und 
Diefeibe hiftorifch und philologtfch erläutert. Was nun die eigenthuͤm⸗ 
lichen liturgifchen Gebräuhe am großen Sabbath betrifft, fo gehören 
fie anfänglich wohl meiftentheils der Oſtervigilie an und nur allmählig, 
als die Vigilien aufhörten, verlegte man fie auf gewiſſe Stunden des 
Tages. Wie wollen: ihrer daher auch als einzelne Beſtandtheile ber 
Liturgie in der Altern Dftervigilie gebenten. Es gehört dahin 
a) das feierlibe Anzünden des cereus pascha- 
Jis. Man verfieht darunter eine Wachskerze von bedeutender Größe 
in Geſtalt einer- Säule, welche in der Dftervigilie öffentlich in ber 
Kirche angezündet zu werben pflegte, um Jeſu Auferfiehuhg und die 
Damit verbundene Oſterfreude anzubdeuten. Vergebens bemühen ſich 
mehrere Schriftfteller aus der römifhen Kirche diefe Sitte fhon ans 
den Tagen des beginnenden Chriſtenthums abzuleiten, 3. B. Gretser 
de festis o. 25. Weberhaupt fehlt es an Zeugniffen alter Schriftfteller 
barlıber, warn diefe Sitte zuerſt aufgefommen tft. Vielleicht ift fie 
ein Weberbleibfel von der Kerzenpracht, die Konftantin bei der Oſter⸗ 
vigilie einführte;s auch konnte das Beduͤrfniß bei nädhtlih liturgiſchen 
Vorrichtungen das Kerzenlicht nöthig machen, z. B. bei der Taufe. 
Ambrofius, Dieronymus und Auguftinus wiflen noch nichts Davon und 
ſelbſt ein Schriftſteller aus der cömifhen Kirche Grancolasius Com- 
ment. histor. in Breviar. Rom. 1. 2. c. 66. gefleht, daß vor Enno 
dius, Biſchof zu Ticinum im 6. Jahrhundert felten eine Spur davon 
angetroffen werde. Viel zur allmähligen Ausbildung dieſer Sitte konn⸗ 
"ten zwei Umftände beitragen; einmal der hetönifhe Gebrauch, nad) 
welchem im Monate März, wo fi das Jahr anfing, im Tempel der 
Göttin Veſta ein neues Feuer angezündet wurde, wie Macrobius fagt 
(Saturnal. 1. 1. e. 12. p. 242 edit. Gronov.) quasi denuo incipiente 
eura, servandi novati ignis; theil® fonnte auch das von den Griechen 
fo gepriefene Wunder, nach welhem am großen Sabbathe Licht vom 
Dimmel in das heilige Grab falle, auf den cereus paschalis einigen 
Einfluß haben. Weniaftens fehle es nicht an Schriftftellern aus ber 
roͤmiſchen Kirche, melde das Anzünden der Paſchalkerze ald eine ent⸗ 
fhädigende Seierlichkeit für das griechifche Lichtmunder am heiligen. 
Grabe betrachten. Dahin gehört Caj. Mar. Meratus in notis ad Ga- 
vanti thesaur. sacr. rit. p. 1142. Daraus läßt fi auch das mit 
ter Zeit allmählig angemachfene Gepränge bei ber Einweihung der 
Dflerkerze erklären, wie e6 zum Theil noch jegt in der roͤmiſchen Kirche 
anzetroffen wird. Won dem abergläubifchen Gebrauche des Agnus dei, 
welches man auch aus dem Wachſe der Pafchalkerze verfertigte, win) 
an einem andern Orte die Mede feyn. - Vergl. E. F. Wernsdorfüi 
oommentatio de ceree paschali. Viteb. 1777, welche Abhandlung 
auch hier benugt worden if. — Zu den liturgifhen Berrichtungen 
während der DOftervigilie gehörte auh 
b) befonders in der griechiſchen Kirche die Taufe 
der Ratehumenen. Aus einem tragifhen Vorfalle zu Antios 
dien, worüber Chrysostom. epist. 1. ad Innocent. und Palladius 
vita Jo..Chrysost. e. 9. ausführlich) berichten, ergiebt.fih, wie allges 


Sabbathum magnum. 301 


mein biefe Sitte zu Enbe bes 4. Jahrhunderts geweſen ſeyn muͤſſe. 
Denn in jener Vigilie, beren Andacht auf eine barbarifche Art geftört 
wurde, erhielten dennodh SO0OO Perfonen die Taufe. Die ift aber 
keineswegs von der Kindertaufe zu verfiehen, weil biefe in jener Pe⸗ 
eiode noch Außerfk felten war. Man pflegte vielmehr aus herrfchend 
gewordenen abergläubifchen Vorflelungen die Taufe fo lange wie mög 
lich zu verfchieben, fo daß viele, befonders in gefährlichen Krankheiten, 
bie Nothtaufe erhielten. Gregor. Nyssen. hielt für noͤthig dagegen zw 
ſchreiben. Dan vergl. deſſen tractatus in eos, qui baptisma differunt. 
Bon der in der Oftervigilie üblichen Conſecration des Taufwaſſers wird 
fhidlicher beim Artikel von ber Taufe die Rede fern — Zu den 
Liturgifchen Berrihtungen in ber Oſtervigilie gehören 

oc) die befondern vorgefhriebenen lectiones 
oder prophetiae. Schon beim Chryſoſtomus und Gregorius 
von Nyoſſa (Orat. 2. Opp. p. 832 vergl. p. 865— 66) kommen ders 
gleichen Lectionen vor, und auch der Name zgopnsia wird von ihnen 
gebraucht, obgleich nach Gregor. Nyssen. zuweilen blos die Aufsrfles 
hungegefchichte vorgelefen wird, In der römifhen Kirche heißen fie. 
prophetise s. lectiones sine titulo. Dieß erklärt Durandus I. L «. 
81. fo: Carent titulo, quia Christ. eaput nostrum nondum reddi- 
tum est nobis. Leguntur quoque sine tono, Quoniam in eis insi- 
pientes et Catechumeni simplices instrauntur. Diefe 2ection wurde 
unmittelbar vor bee Zaufe oder vor ber Confecration des Taufwaſſers 
gehajten. Die Zahl derfelben war nicht in allen Gegenden gleich; bald 
waren three 4, bald 12, bald 14, bald aber auch 24 gewoͤhnlich. 
Augufti in feinen Dentwürbigkeiten aus der chriftlichen Archaͤologie 
9, Bd. p. 211 hat 12 diefer Lectionen aus dem U. T. angeführt, und 
über die Zweckmaͤßigkeit der Auswahl und der allegorifchen Deutung 
berfelben bis p. 214 mehreres treffend bemerkt. 





26. 


Schreibetunft - 
im chriſtlich = Firchlichen Leben. 


L. Einleitende Bemerkungen. II. Geübt und auds 
gebildet wird die Schreibekunft in Angelegenheiten ber 
Kirche A) ald Tachygraphie, B) ald Kalligraphie, C) ald 
Steganographie und D) ald Epigraphik, 





Literatur. Allgemeinere Werte. Hm. Hugonis de 
prima scoribendi origine et universa rei litterariae antiquitate liber 
(Antw. 1617), eui notas, opusc. de scribis etc, adjecit Chr. H. 
Trotz. Utr. 1788. & — Bis. F. Seltzmann de scriptionis anti- 
quae varietate. Lips. 1667—70. 5 Partt. 4. — Pt. Holm. de 
scriptura s. scriptione. In Crenii Analect. philol. (Amst. 1699. 8.) 

p- 387 —483. — J. Mabillon de variis scripturarum generibus ift 
das 11. Cap. des 1. Buchs feines diplomat. Werkes, fteht au in 
D. E. Baringii Clavis diplomatica. p. 57 2eqq. — A. Calmet diss, 
sur la maticre et sur la forme des livres anciens, et sur les di- 
verses manieres d’öerire, in fein. Comment. litter. sur la Bible, 
(Paris 1724. Fol.) Tom. L P. I. p. XL aeqq. — J. N. Funceii 
comm. de scriptura veterum. Rintel. 1743. 8. Andere Schriften 
f. in Erſch Literat. der Geh. p- 62 fe Ueber griech. Paläggraphie 
Insbefondere find die wichtigften Werke bie befannten von B. de Mont- 
faucon (Paris 1708. Fol.), G. Placentini (Rom. 1735. 4.) und 
S. Havercamp (Lugd. Bat. 17386. 8.). Andere minder wichtige 
Schriften übergehen mir, 

Tachygraphie. U. F. Kopp Tachygraphia -veterum expo- 
sita et illustrata. Vol, I. Il. (a. u. d. X. Palaeogr. crit.). Mannh. 
1817. 4. — Bingh. 1. I. Vol, IL. p. 75. $. 5. bat Einiges hierher 
Gehoͤrige. Dieß ift auch der Kal in der anderwärts fchon angeführten 
dissert. de Notariis eccelesiae tum orientalis » tum: occidentalis. 
Helmst. 1715. Noch mehr in Zornii dissert. de notarior. primae 
scolesiae in consignandis martyrum actis fide spectata in Miscellan. 
Lips. Nov. Tom. VII. P. UL Allgem. Schriften von 3. Tritheim, 
Th. Schelton u a. | 





Schreibekunſt. 383 

Balligrapbie. Ueber Bücher : Hanbfcheiften überhaupt von 
Aug. Gr. Pfeiffer. Erlangen bei Palm. 1810. 8. — Berſuch einer 
Geſchichte der Schreibekunſt v. Weber. Göttingen 1807. ». 226 ff. 
Hierher gehören auch bie biblifhen inleitungsfchriften, in wie 
fern fie fih auf die Diplomatik ober Urkundenlehre des A. und 
RM. T. beziehen Dan. Eberh. Baring Clavis diplomatica. Han- 
nov. 1737. 4. und bie übrigen. diplomatifhen Werke von ats, 
terer, Mannert u. a., beren Titel bei Erſch a. a. D. p. 216 ff. 
zu finden. 

Steganograpbie. Gust. Seleni Cryptomenystices et Cry- 
ptographiae LL. IX. Lüneb. 1624. Fol. — Heidel Steganographia 
Jo. Trithemii vindicata, reserata et illustrata. -Norimb, 1721. 4. 
— Sam.’ Porta de occultis literar. notis 1598. — L. H. Hiller 
Mysterium artis stenographicae. Ulm 1682. 8. — L. Fr. Engel 
. brecht de arte decifratoria, ejus origine, fatis et cultoribus etc. 
Heimst. 1747. 4. And. Schriften von J. Tritheim, J. P. Bonnet, 
ce. Short, 3. Ep. Wagenſeil, 3. B. Sriederici, Comiers, D. A. 

onradi u. a. 


Epigrapbi®, Kine volftändige Sammlung der chriſtlichen 
Inſchriften fehle noch. Viele ftehen zerſtreut in den allgemeinen In⸗ 
ſchriftenſammlungen von J. Gruter u. a., deren Titel wir hier nicht 
verze ichn enkoͤnnen. Neuerdings hat Cajetan Marianus ſich bemuͤht, die 
chriſtlichen Inſchriften vollſtaͤndig zu ſammeln. Leider aber iſt fein Wer 
noch nicht gedruckt, jedoch hat Ang. Mai aus dem in der vatikaniſchen 
Bibliothek niedergelegten, aus vier Folianten beſtehenden Manuſcripte, 
in feiner Nova Collectio Seriptorum Veterum Tom. V. p. 1 seqg. 
uns acht Kapitel als Probe daraus mitgetheilt. Ueber andere bands 
fpriftlihe Sammlungen vergl, Mal a. a. D. in ber Vorrede. J 


I) £inleitegde Bemerkungen. — Die Schreibekunſt 
iſt zwar kein Erzeugniß des Chriſtenthums, ſondern die chriſtliche Kir⸗ 
che empfing dieſelbe bereits in großer Bervollkommnung, als ein Erbe 
aus dem gebildeten Alterthume Griechenlands und Rome. Es wuͤrde 
zu weit führen, über den Urfpsung, die allmählige Ausbildung und 
Vervolllommnung des Schreibetunt bei Griechen und Römern fi 
biee zu nerbreiten. Nur fo viel können wir als beflimmt feflfeken; 
daB früher ſchon, als die chriſtliche Kicche noch eine kaͤmpfende war, 
und auch fpäter, wo bie sera publien begannen, bie Schreibekunft 
im Römerreihe ſchon im hohen Grade ausgebildet war, man mag nun 
das Lateigifhe oder Griechiſche berudfihtigen. Das das chrifkliche 
kirchliche Leben die Schreibetunft nit nur nicht beeinträdhtigte, ſon⸗ 
bern fogar in mehr als einer Beziehung ſelbſt erweiterte, läßt ih ſchon 
daraus abnehmen, daß die chriftlihe Religion auf heilige Schrift ges 
gründet ift, und daß die Auslegung derfelben von jeher als die Daupts 
wifienfchaft betrachtet wurde, theils, daß die Ehriſten vom 3. und 4. 
Jahrhundert an die treueften Pfleger ber Wiſſenſchaft und Literatur 
waren. Aus diefem Geſichtspunete ericheinen auch die Kloͤſter als heil⸗ 
fame Inftitute der Literatur, weiche den Namen georsnosigın recht 
eigentlich verdienen, WBorzliglic haben die Kiöfter im Abendiande, we 
deu Moͤnchen das im Driente fo verderbliche Vagiren nicht geftuttet 


+ 


304 Schreibekunſt. 


war und vor allen Dingen die Inſtitute nach der Regel des heiligen 
Benediet ſich bier große Verdienſte erworben. 

Ohne uns nun hier auf das Techniſche weitlaͤuftig einzulaſſen, 
worauf, womit und wie man ſchrieb, bemerken wir nur, daß 
man in fruͤhern Zeiten ſich mehr der groͤßern oder Uncialbuchſtaben 
bediente, und die kleinern oder Curſivbuchſtaben, ſind erſt die gewoͤhn⸗ 
lichen Charactere neuerer Zeit. Allerdings mochte bei dieſer letztern 
Schrift mehr Schreibfertigkeit Statt finden koͤnnen, als bei jener. Aber 
man kann doch nicht geradezu der Curſivſchrift den Vorzug vor den 
Uncialbuchſtaben geben, und wenn auch dieſe bei ben Römern die ges 
wöhnliche ift, fo war doc) auch jene nicht ungewöhnlich , wie dieß die 
Ausgrabungen in den untergegangenen Derculanum und Pompeji bes 
weifen, wo man viele ſchriftliche Ueberrefte mit Curfiofchrift gefchrieben 
antrifft. Uebrigens biieb die Lateinifhe Schreibweife Lange vorherrſchend 
im Abendlande, fowohl in kirchlichen Angelegenheiten, als auch im 
Geſchaͤften und Öffentlichen Verhandlungen , theild. weil Deutfchlands 
Lehrer, die aus England und Irland kamen, in diefer Sprache fchries . 
ben, theild weil die deutfche Sprache noch zu coh und arm war. Erſt 
‚unter Cart dem Großen wurde fie befonders durch Ottfried gebildet; 
im 9. Sahrhundert fing man am fie zu fchreiben,” jedoch bios mit 
lateinifhen Buchflaben. Ueberhaupt wurden öffentliche Schriften, 3. B. 
Sefege, Sriedensfhlüffe und Verträge nicht nur mit lateiniſcher Schrift, 
fondern auch in lateinifcher Sprache abgefaßt, weil die Geiftlihen, bie 
allein der Lateinifhen Sprache mächtig waren, ſich durch den Gebrauch 
derfelben in dem Alleinbefig der wichtigften Staatsämter zu erhalten 
ſuchten. Die Zeit, in ber zuerſt die deutfhe Schrift gewöhnlich ges 
worden, fest man gemeiniglih ins 13. Jahrhundert unter die Regie 
rung Kalfer Friedrichs II. Andere nehmen bdiefen Zeitpunct fpäter an. 
Die Ausbildung der deutſchen Schrift wurde wohl am meiften durch die 
Buchdruckerkunſt befördert. Forſcht man nun, wie die Schreibelunft 
im chriftlich s kirchlichen Leben von ben früheflen Zeiten an bis auf die 
Erfindung der Buchbruderkunft gebraucht wurde, fo ergiebt fi, daß man 
fih ihrer bediente A) a6 Tachygraphie, B) als Ralligra- 
pbhie, C) als Steganograpbie und D) als Epigrapbik. 

A) Tahhygrapbie. Die Gefhwindfchreibetunft im chriſtlich⸗ 
kirchlichen Leben wurde am fruͤheſten mit geübt. Bingham hat darüber 
Manches Vol. Il. p. 15. $. 5. de notariis überfchrieben, zufanımen 
geſtellt. Daraus ergiebt fih, daß man fich folcher Gefchwindfchreiber 
fhon früh unter dem Namen der notariorum (vergl. d. Handb. 2. Bo. 
p. 432 f.) bediente, ' 

a) um bei den Derhören der Märtyrer und bei 
der gerihtlihen Procedur gegen diefelben ſchnell 
Alles fhriftlih aufzufaffen, was fie gefagt und 
geäußert batten,. und folde Nachrichten im Kir⸗ 
chenarchive aufzubewahren. GVergl. die Art. Märtyrer und 
Märtyrerfefte.) Daß man unter dieſen Notatien Gefchwindfchreiber 
in folcher Beziehung verftanden habe, ergiebt fi) auch aus dem Um: 
flande, daß fie identifh mit Tayuyodpos gebraucht werden. Cine 
andere Beſtimmung dieſer Zachygraphen mar 

b) Reden und wichtige Verhandlungen auf den 





Concilien, und befonders Disputationen Aber 
Bogmatifhe Begenftände zwifhen Redtgläubigen 
und „Häretifern ſchnell fhriftlih aufzufaffen, 
Euseb. h. e. I. VI. e. 19. erzählt dieß von ber Dispntation eines 
gewiſſen Malchion mit dem Paulus von Samofata auf der Antiocyes 
nifhen Synode a.270. Hier heißt ed nach der Lateinifchen Ueberſetzung: 
Hie (Maichion) adversus Paulum suseepta disputatione execipienti- 
bus cuneta notariis (quae quidem disputatio etiamnum exstat) 0c- 
oultos Homihis sensus fraudesque detegere solus omnium valuit, 


Ein ähnliches Beiſpiel führt auch Soerates Hist. eccl. 1. Il. e. XX. - | 


von dem Baſilius Ancyran. und dem Photius an. — Noch Öfterer 
endlich gefchieht det Tachygraphie im kirchlichen Leben Erwähnung 


0) bei dem Anbören der Reden und AJomilien 


berühmter Rirchenlehrer. Gefchwinbfchreiber waren «6, bie 
fie nachfchrieben, fie in mehrern Eremplaren verbreiteten und eine Art 
Gewerbe daraus machten, indem reiche Privatperfonen fie kauften; für 
biefe Gewohnheit laſſen fich viele Stellen aus der Blüthezeit der geiftlichen 
Beredtſamkeit ſowohl im Morgen: wie im Abendlande beibringen. 
Wir führen bier nur eine an zum Beweiſe, daß nämlich die Homilien 
berühmter Redner, wie des Chryfoftomus u. a., theils durch Belannts 
machung von ihrer Seite, theils durch Gefchwindfchreiber aufgefaßt und 
fo ſelbſt für die Folgezeit erhalten wurden. Es findet ſich diefe Stelle 
beim Socrat. h. e. I. VE. e, 5., wo es nad) der Lateinifchen Webers 
fegung heißt: Quales porro faerint ejus (sc. Chrysostomi) concio- 
nes, seu quae ab ipso editse, seu quaoe ex ore dicentis a notariis 
exceptae sint, quae illustres et ad auditor. animos alliciendos 
accommodatae, quiä nuno attinet dicere? Beſondere Fälle von Ans 
wendung ber Tachygraphie findet man erzählt In Euseb. hist. e. I. 
VI. 0..23., e. 86., lib. VIL 0.29. — Als noch wichtiger im 
chriſtlich⸗ kirchlichen Leben tritt hervor 

B) die Ralligrapbie. Wir Eönnen fie im weiten unb 
engern Sinne nehmen, nämlich von ber genauen, mühfamen ſchriftli⸗ 
hen Aufzeihnungstunft gewiſſer Bücher zum kirchlichen Gebrauche, 
und zwar in ber Art, wie fie im Griechen⸗ und Mömerthume fchon 
befannt und vorhanden war. Daß biefe Gattung der Schreibetunft 
‚ im Dienfle der Kirche vielfeitig gebraucht werden mußte, ergiebt fi 
fhon aus dem Umftande, daß die chriftliche Religion auf einen fchrifts 
lichen: Goder gegründet if. Wir wiſſen naͤmlich, daß fhon im erften 
Jahrhundert unter den Chriften Schriftwerke, wie bie Evangelien und 
die apoftolifhen Briefe in den einzelnen chriftlihen, wenn auch noch 
Heinen, Gemeinden circulirten, daß biefe im hohen Anfehen flanden 
und früher unter dem Namen Evayydiıov und AndoroAog gefammelt, 
fpäter in die Form gebracht wurden, bie ber N. T. Canon noch hat. 
Erwaͤgt man nım, wie diefe N. T. Bücher in bie gangbarflen Spra⸗ 
hen jener Zeit fchon frühzeitig uͤberſezt wurden, wie man bald anfing 
die Evangelien und die apoflolifchen Briefe zu Vorleſungen in den 
kirchlichen Verſammlungen zu gebrauchen, wie nach und nach Codiees 
des N. 8. für einzelne chrifttiche Kicchen, fo wie Rectionarien (f. den 
Artikel Gebrauch der heiligen Schrift im chriftlich » Eicchlichen Leben) 
‚ nothwendig wurden, wie ſchriftliche Liturgien und liturgifhe Bücher 

Siegel Handbuch IV. 20 


% 


Sqhreibekunſt. 23908 





MR Ä Schrebelunſt. 


ehräychtih wurhenz fo kans map ſchon aus dioſen und Khnlichen ws 
—5— ben haufigen nr Scheeibelunft für kirchliche 
wecke exmeſſen. Daß nun das kirchliche Schreibweſen anfangs ganz 
dem durch Griechen und Roͤmer eingefuͤhrten —7 fotgfe, iſt nicht nur 
ahrſcheinlich, fondern duch Vergeihung mit ältgen Schriftwerken aus 
er Profanliteratur erwieſen. Die aͤlteſten Ueberrefte ber chriftligpen 
Schreibekunſt findet man in Ueberfchriften, Gemmen, Vaſen, Münzen 
und bergleirhen , und wenn auch bie aͤltern Handſchriften nicht über 
da6 7. Sahrhundert hinaugehen, fo kann man dach auf ber ſpaͤtern 
chahmung auf hie "frühere Beſchaffenheit zuruͤckſchließen. Auch lies 
fert Die Profanliteratur Codites an rer Zeit, die eine Verglei⸗ 
hung zulaſſen. Im Baticon find z. B. zwei Handfchriften des Virgil 
und Terenz, welche nicht nur für die Kritik, fondern auch für bie 
Kunſtgeſchichte, has Schreibweien betreffend, fir vorzüglich wichtig ges 
halten werben. Da eine ausführlihe Abhandlung über die Beſchaffen⸗ 
beit der N. T. Handſchriften, Abbreviaturen, Majusteln und Minuss 
tin, Znitiolen und Binalen, Randverzierungen, Bafuren u. |. w. in 
bie N. T. Iſagogik gehört, fo vermeilen’wir auf diefe Schriften zus 
ruͤck, und namentliih auf Hug's Einleitung ins N. T. — Nur etwas 
mollen wie hier noch von der Schreibmalerei der Moͤnche im Mittels 
alter erinnern, die vwoir mit bem Namen Kalligraphie im engern Sinne 
bezeichneten. An die Stelle naͤmlich der früher üblichen Kalligraphen, 
die sein und fauber fchrieben, traten in ber Kolge bie Mönche, vors 
hglich in ber Regel des heiligen Benedict. Bei ihnen war das 
Schrsibimgfen fhon in ein gewiſſes Syflem gebracht; denn nach Trit⸗ 
hemiys basten fig bie Vorſchrift: Unus corrigat, quod alius scripsit, 
. alius rubro perornet, quod ille emendayit, hie notig distinguat, 
‚ajiug schamatibus conglutinet ille, aut liget codicem asseribus; tu 
aptahis asseres, igte oorium, laminas iste praeparet ad ornatum: 
scindat alius pergamentum, alius pprget, tertius linesndo scripto- 
yibps aptet, sliug encaustum, alius pennas ministret. — Außer 
ber ſchwarzen Zinte bediente man ſich auch der bunten Zinten. Am 
häufigiten kommt die rothe Tinte in Handfchriften vor. Bisweilen 
er ganze Seiten, auch oͤfters einzelne Stellen, vorzüglich aber der 
nhalt der Sectionen, am allerhäufigfien die Anfangsbuchflaben, damit 
eſchrieben. Man verfertigte fie aus Mennige (minium), oder 
Sinnober (Cinabaris), oder auch aus dem Safte ber Scharlach⸗ 
jeerg (Corsus), feltener wohl aus Pur pur. Daher iſt auch das 
afhe der Handſchriften fehr verfchieden. Bumeilen findet man bie rothe 
Schrift in einer Schönheit, melde in neuerer Zeit nicht wieder erreicht 
worden il, fo daß ihre Compofition für uns verloren gegangen zu 
fenn ſcheint. Gewoͤhnlich wird in Handſchriften uur die erfte Zeile der 
Alcher oder ber Anfangsbuchitabe, dann die Zahl der Capitel und, 
wie im Goder der Pandecten, des Decrets ober der Decretalen, oder 
bei Iſidors Etymologie u. a. bie fogenannten Rubriken roth gefchrieben. 
Die Rubriken erhielten eben daher ben Namen, fo wie rubrum ben 
Titel oder Inhalt bezeichnet. Der, welder das Rothe fchrieb, war 
won dem Abſchreiber des Xertes unterfchieden und hieß rmbricator. 
Mur bemerkte ihm melftens der Erſte ganz unmerklich den Buchftaben, 
ben er roth fchreiben oder malen follte, welches nod öfters bei den 


Schreibekunfl. 307 


erſten Druden gefunden wird. Es fcheinen bie gemachten Abfcheiften, 
ehe fie dem Rubricator übergeben wurben, dem Abte vorgelegt worden 
zu fepn, daher mande Handfchriften einen Befehl, den Coder nun zu 
eubriciren, enthalten. Uebrigens zeugt das bekannte ovidiſche Verschen: 
nee titulus minio, neo cedro charta notetar, vom Alter biefer rothen 
Tinte. Bel den tabulis oeratis bediente man fidh an bern Stelle 
bes rothen Wachſes. 

Auch mit Gold und Silber ſchrieb man, ober belegte die Wuchs 
flaben damit. Die verfchiedene Art, diefe Metalle anzuwenden, befchreibt 
Montfaucon Palaeogr. Graee, p. 4—7. (Burkh. Gotth. Beruve in 
Actis literariis. Fasc. I, p. 10 rechnet es unter bie verlorenen Kuͤnſte.) 
Entweder trug man bie Goldplätthen mit Gummi, Haufenbiafe, 
Eiweiß auf die vorher grundirten Buchſtaben auf, oder man bediente 
fih eines Pinſels zur vorher chemifh zubereiteten Goldfarbe. Das 
aufgetragene Goldplaͤttchen wurde ordentlich geglättet. Möglich, daß 
es auch mit einem heißen Eiſen überfahren wurde. Man bemerkt drei 
verfchiedene Arten in Dandfcriften und fpdter auch in Bädern. Die 
erſte und aͤlteſte Läßt nichts anderes ſchließen, al6 daß das Goldplaͤtt⸗ 
chen auf das Genauefle mit dem Pergamente vereinigt und Dann ges 
glättet worden if. Dieß ift 3. B. im Cod. membr. Nr. 4. ber Ball. 
Mur bei den geößern Initialbuchſtaben fcheint vorher Farbe gebraucht 
worden zu ſeyn. — Die zweite Art ift eine Boldtinte oder flüffige 
Goldfarbe. Dieſe wird nicht leicht geglättet, daher fie auch wicht fo 
fhön in die Angen faͤllt. — Endblich die dritte Art, eine bidhteve 
Soldfarbe, die immer etwas erhöht in die Augen fällt, aber ſehr ſchoͤn 
und glänzend, gar nicht börmicht, wie das gewöhnliche Malergold ifl. 
Vergl. Cod. Erleng. Nr. 1. in Bro. Verſchiedene Arten Goldtinten 
befonders der Alten ſ. in der Martius: Rofenthal » Wigkehfhen Magie 
Thl. 5. p. 863, Thl. 9. p. 299 und Thl. 11. p. 286. 

Durhaus mit Gold geſchriebene Handfchriften gehösen unter bie 
größten Seltenheiten. Meiſtens find es nur kirchliche Buͤcher, an wıb 
che gutmuͤthige Froͤmmelti oder Wohlhabenheit diefe Pracht verſchwen⸗ 
dete. Die kaiſerliche Bibliothek in Wien beſitzt einen galdenen latei⸗ 
niſchen Evangeliencoder mit blauer Einfaſſung und zwei griechiſche auf 
Violetpergament mit Silber. S. Lambecii Comment. de Biblioth. 
Vind. 1. 8. p. 15. Das Stift St. Emmeran in Regensburg hat das 
Evangelium Sohaunis in Bold, Der Codex argenteus des Ulphilas 
iR bekannt. In Zurich auf der Rathsbibliothek iſt ein ſilberner Pſalter 
auf violettem Pergamente. Der gallisanifche Pfalter, wahrſcheinlich aus 
dem 6. Jahrhundert, iſt filbern mit untermifchtem Selbe einzelner Worte. 

Weniger felten find Handſchriften, in welchen entieder nur einige 
Bellen, 3. B. bie Anfangszeilen oder auch befondere Worte, mit Gald 
gefchrieben find. Zu ber letztern Art gehört 3. B. der Codex Gre- - 
gorii Nazianz. in ber koͤniglichen Bibliothek zu Paris aus dem 
9. Fahrhundert, worin bie. biblifhen Sprüche mit Gold geſchrieben find, 
Aus Pfeiffers (Profeffor und Director der Univerſitaͤtsbibllothek zu Er⸗ 
langen) Beiträgen zur Kenntniß alter Bücher und Handſchriften, Hof _ 
1783 erſtes Stud p. 4, kann man fidh belehren, daß e6 auf der Er: 
langer Univerfirätsbibliogheß einen Goder der Evangelien giebt, wo bie 
erſte Zeile eines jeden Evangeliften durchaus mit Bob: Zeſchrieben iſt, 





308 - Schreibekunſt. 
“amd jeder Vers und jebe Periode ihren goldenen Anfangsbuchſtaben 
hat. Goldene Buchſtaben, ſagt Pfeiffer in der angefuͤhrten Schrift, 
ſind in den Erlanger Handſchriften nichts Seltenes. Nur habe ich ſie 
vorzuͤglich bei bibliſchen Handſchriften, bei Kirchenvaͤtern und Meßbuͤchern 
und andern liturgiſchen Schriften bemerkt. Doch fehlen ſie auch bei 
andern nicht ganz. Unſer Codex Virgilii q. 7. aus dem 18. Jahr⸗ 
hundert hat zwar nicht in den Buchſtaben, wohl aber in der vorgeſetz⸗ 
ten Figur des Virgils Gold. In unſerm Coder 297 (ein Brev. 
Saec. XL) find mehrere filberne Capitalbuchſtaben, die aber ganz blei> 
farb ausfehen. Das Alter einer Handfchrift läßt fih nicht daraus 
beurthetlen; denn wir haben anderwärts einer mit Gold auf das feinfte 
Dergament gefchriebenen Thora gedacht, welche nach Joseph. Antig. 
Judaie. I. 12. 0. 2. die Juden dem dgpptifchen Könige zum Gefchent 
brachten, und bekanntlich tadelte bereits Hieronymus bie Verſchwen⸗ 
bung, welche man dabei beging, Doch fcheint Gold im 10. und 11. 
Sahrhundert etwas feltener als im 12ten und ben darauf folgenden 
Jahrhunderten gewefen zu fern. Die Kunft mit Gold zu ſchreiben 
hieß xevooyeapla und bie ‘Schreiber xovooypagoı.. Man vergl. 
Martius:Rofenthal: Wieglebifhe Magie Thl. 11. p. 286— 88. — 
Bor Erfindung dee Buchdruderkunft findet man vielen Fleiß in kalli⸗ 
graphifcher Hinficht auf die fogenannten Miffalien verwendet, von denen 
wir Bd. 8. p. 205 ff. gehandelt Haben. Auf ihren Einband, wie 
auf die Schrift wurde viel Kunſt verwendet und namentlih in reichen 
Kirchen katholiſcher Länder, wie Italien, Spanien, Portugal, giebt es 
“einzelne Miffalien, die in der Kunftgefchichte oͤrtliche Merkwuͤrdigkeit haben, 

C) Steganograpbie — Rryptograpbie. Diefe läßt 
fi der Natur der Sache nach mehr vermuthen, als in beftimmten 
Thatſachen Hiftorifch nachweifen. Es ift mehr als wahrfcheinlih, daß 
fie befonders zur Zeit dee Arkanbisciplin uͤblich war, nur Läßt fich nicht 
befliimmen, ob das Geheimnißvolle in den Worten oder in befondern 
buchftabenähntihen Charakteren beflanden habe. Die Meinung meh⸗ 
rer der darüber angeführten Schriftfteller geht bahin, daß man fid 
einer Art Hierogipphenfchrift bedient habe, welche nur die Eingemweihten 
verflanden. — Auch mochte man fily [päterhin bei vielen Verhand⸗ 
lungen, bei Notariats⸗ umd Legationsgefchäften einer gewiſſen Geheim⸗ 
fchrift bedienen, wie fie noch jest in der Diplomatie, d. h. bei dem 
mündlichen und fchriftlichen Verkehre der Staaten unter einander, Statt 
findet. , Allein da die hierher gehörigen Zeichen willtührlih und befon- 
der& verabredet waren, fo gelangten fie wohl nur felten zur Öffentlichen 
Kenntniß. — Mehr laͤßt fih von dee Schreibefunft im chriſtlich⸗ 
fichlichen Leben fagen, wenn wir fie als geübt und gepflegt. betrach⸗ 
ten burch bie 
‚..D) Epigraphie, b. h. als Sitte, gewiſſe Gegenflände, bie 
mit dem kirchlichen Leben in Verbindung flanden, mit Snfchriften hiftos 
riſchen oder andern Inhalts zu verfehen. Don dieſer Sitte finden 
wir fhon früh Spuren. Solche Inſchriften fanden fih naͤmlich 

a) an Rirhengebäuden, an Baptifterien, an 
Wohnungen der Bifhöfe und fie waren UNachah⸗ 
mungen beidönifcher Sitte, nah welcher Sffentlidye. 
Gebäude befondere Infhriften erhielten. Auch im 











Schreibekunft, - 309 


Innern ber Kirche . waren fie angebracht und man mählte dazu befon- 
ders kurze und Präftige Bibelftellen, oder fie dienten auch dazu, bilbds 
tihe Darftellungen in den Kirchen zu erläutern. Davon legt befonders ' 
Daulinus von Nola ein deutliches Zeugniß ab, der als einer der größs 
ten Bilderfreunde die Kirchen mit Gemälden und Sinnbildern auss 
fhmüdte, denen erklaͤrende Unterfchriften beigefügt waren. Ueber ben 
Eingängen der neuen Baſilika in die ältere, waren zur Rechten und 
Linken Kreuze und Tauben mit rother Mennigfarbe gemalt, nebfl 


der Ueberſchrift: 


Ardua floriferae erux cingitur orbe coronae 
Et Domini fuso tincta cruore rubet, 
Quaeque zuper signum resident ceeleste columbae 
Simplicibus produnt regna patere Dei. ' 

Uebrigens heißt es in der Befchreibung berfelben Kirche: ,, Außer 
„den Bildern bradte Paulinus noch eine Menge 
„Inſchriften an, daß er felbft befürchtete, die Waͤn⸗ 
„de möchten davon ganz bededt werden.” 

Was nun die Sitte betrifft, biblifche Stellen an Wände, Altäre, 
Kanzeln u. f. w. zu ſchreiben, fo findet fie fih auch in vielen Altern 
lutheriſchen Kirchen, und oft find fie nad ihrem Zwecke ſehr gluͤcklich 
gewählt. So winden fih in der Domkirche zu Bremen an bem Sins 
nern der Kanzeltreppe die Worte hinauf: Domine, labia mea aperias! 
Hierher gehört auch die Sitte, 


- b) gewiffe Weihgeſchenke und Votivtsfeln in 
den KRirchen aufzubängen. Die war Nachahmung heidni⸗ 
fher Sitte. Es war nänilid eine uralte Gewohnheit, verſchiedene mehr 
oder minder koſtbare Geſchenke als Beweiſe der Dankbarkeit für geleis 
flete Hülfe oder für empfangene Wohlthaten. So hingen in dem Tem: 
pel zu Delphi eine Menge Gefchenke, welche Könige und Zürften wes 
gen erhaltener Drakelfprüche dargebracht hatten. Justin. XXIV. — 
Romulus hing die Spolien des befiegten Königs in dem Tempel be6 
Jupiters Feretrius auf dem Gapitole auf. Vitruv. VIH. 


Am häufigften wurden Zafein mit Inſchriften oder Gemälden und 
dergleichen ſinnliche Vorftelungen an die Säulen, Wände und Pfoflen 
dee Tempel nah Erreichung eines erwünfcten Zieles aufgehängt, 
‚3 3. von jungen Eheleuten, von Eltern, die Kinder erlangt hatten, 
von Feldherrn nach glüdlich beendigtem Kampfe und felbft von Kechtern, 
wenn fie fih in Ruheſtand begaben, wie beim Horaz. Epist. I. 1, 

Vejanius, armis 
Herculis ad postem fixis, latet abditus agro. 
Daffelde geſchah auch nach überflanbenen Krankheiten oder andern Ge: 
fahren, 3. B. 1 Sam. 6, & f. a., fo von Seefahrern dem Neptun. 
Me tabula sacer 
Votiva paries indicat uvida 
Suspendisse potenti 
Vestimenta maris Deo. Hor. L Od. 3. 
Diefe Sitte, Gelübde mit Infchriften aufzuhängen, ging auch zu dem 
Chriften über; denn Theodor fagt,- daß die gläubig Bittenden durch 
Weihgeſchenke drasgınpara bezeugen, es fei ihnen Heilung zu Theil 





\ 


810 Schreibekunſt. 


gewotben; denn einige haͤngen Wilder von Fuͤßen, andere von Händen 
auf, die aus Bold oder aus Silber gemacht find. Eine fehr gelchrte 
Schrift über diefen Gegenſtanb iſt die von Jac. Phil. Thomessini, 
episoopi Aemoniehsis, de Donariis ac tabulis votivis liber singular. 
sec. ed. Patavii 1654. — Üben fo war e6 unter den Chriflen Sitte 


co) den Derkorbenen Infhriften auf Sarkopha⸗ 
en und andern Irauer: DenEmälern zu widmen. 
ie Denkmäler auf den Srabflätten ber Chriften befinden ſich theils 
an einigen Sarkophagen mit Abbildungen und Spmbolen (die Wich⸗ 
tigkeit diefer Sarkophage für die chriſtliche Kunſtgeſchichte haben wie 
bereits im Artikel Malerei p. 296 ff. angedeutet), theild aus Ins 
ſchriften, wovon die meiften auf Stein, vorzüglid auf Marmor und 
Biegelftein, ober auf Platten von Eifenbein, Blei oder Erz befindlich 
find, gleich den Inſchriften der frühern Griechen und Römer, denen 
fie auch bierin nachahmten. Oft ift auch auf ber einen Seite ber 
Platte eine heidnifche und auf der andern Seite eine chriftliche In⸗ 
ſchrift. Dieß mag gefcheben feyn, weil man fih in frühen Zeiten 
noch feheute, das Chriſtenthum Öffentlich zu bekennen, und befürchtete, 
in Zelten ber Verfolgung möge das Grab zerflört werben, baher war 
bie heidnifche nach außen und bie chriftliche nad Innen gekehrt. In 
olge nahm man oft dergleichen Platten: oder Steine aus Bequem⸗ 
it,. um nicht erft andere bearbeiten zu müflen. Die Denkmaͤler 
Inſchriften find in Hinfiht der Ausführung und Rechtſchreibung 
gemeintglich fehr vernachlaͤſſigt, welches anzeigt, daß fie von ganz ges 
meinen Kimfilern mögen verfertigt worden feyn. Auch griechiſche Buch⸗ 
flaben find zuweilen unter bie lateinifchen gemiſcht, ober Inteinifche 
mit griechifchen Beiden, 4. B. 
| BA:NTINO BeNe MER:NTI IN PACC. 
fol heißen: Valentino bene mermti in pace. 


Wie ſchwer es hält, alte eingewurzelte Begriffe und Gewohnheiten 
zu verdrängen, fieht man ebenfalld aus den Inſchriften; benn ein nicht 
geringer Theil derfelben beginnt mit ben Anfangsbuchflaben D. M. 
Diis Manibus, oder ©. X. ©eots xurardorloıc, den tmterichifchen 
Goͤttern. Einige befangene Ausleger haben zwar diefe Anfangsbuchflas 
ben anders deuten wollen, um bie erften Chriſten nicht als Verehrer 
bee Manen erfheinen zu laffen; doch mehrere Infchriften, welche bie 
Wörter ganz ausgefchrieben an der Spige haben und dabei bie chriſt⸗ 
licher Zeichen führen, beweifen offenbar, daß Feine andere Deutung 
Statt finden koͤnne. Außerdem aber, daß wirklich noch viele Chriften 
bie alten Begriffe von den abgeſchiedenen Seelen hegten, wie man 
aus einem Beſchluſſe der Synode zu Elvira chen kann, welcher uns 

terfagt, Lichter auf den Grabftätten anzuzünden, damit die Geiſter 
der Frommen nicht beunruhigt würden; fo moͤgen die Bildhauer und 
andere Arbeiter, welche die Inſchriften verfertigten, aus bergebrachter 
Gewohnheit diefe Buchſtaben oft ohne ausdruͤckliches Verlañgen des 
Beſtellers gefegt haben. Eben fo findet man aus alter Gewohnheit 
auf mehren chriſtlichen Inſchriften das Todesjahr durch das Conſulat 
‚ angegeben. — Auch an laͤchertichen Darftellungen fehlt es nicht, fo 

ſteht unter dee Inſchrift 






_ 


Schreibekunſt. 311 
PORCELLA HIC DORMIT IN P. VIXIT ANN. III. 
M, D. XI L ' 
das Bild eines Schweine. Ueber der Inſchrift 
ONAGER AUI VIXIT ANNIS XXXVI VIXIT CUM 
COZUGE ANNOS III COZUX FECIT BENE MERENTL 
fieht man das Bild eines Efels. \ 
Selbſt Darftellungen von Nymphen, Genien, Gentauren, des 
Drpheus, der Pallas, des Herkules, des Apollo nebft andern heidni⸗ 
[hen Spmbolen kommen auf chriftlihen Denkmaͤlern bier und da vor. 
Uebrigens. wird auch hier der Sachverſtaͤndige es nicht tadeln, 
wenn wir und mit biefen wenigen Bemerkungen über chriſtlich⸗ kirch⸗ 
lihe Inſchtiften begnügen und fie nur in ber Abſicht anführen, um 
bie Schreibweife der frühern chriftlichen Zeit damit zu bezeichnen. Die 
Baht der aufgefundenen chriſtlichen Inſchriften iſt fo groß, daß fie bereits 
bide Bände bilden und die Gründe fi) mit ihnen zu befchäftigen, 
berühren mehr andere Disciplinen, als die dhriftlich= kirchliche Alters 
thumstunde. Dieß gilt auch von der kirchlichen Numismatik oder 
den Mimzen, die dem chriſtlichen Alterthume angehören und In⸗ 
fhriften und Bildniſſe enthalten, welche ſich auf kirchliche Gegens 
flände beziehen. Ste haben hier nur in der Hinfihe Wichtigkeit, um 
fi von ber Befchaffenheit ber ausgeprägten Schrift zu unterrichten, bie 
dann, mit andern Schriftwerken aus bemfelben Zeitalter verglichen,. über 
eigenthuͤmliche Sfeten, Chronologie und dergleichen vielfältig belehren. 


Sculptur oder Bildhauerktunf. S. das Nöthige dan 
über in dem Artitel Malerei 8. Bd. p. 282 ff. 








27. 


Simon und Judas; 
Gedaͤchtnißfeier derſelben am 28. October. 


I. Nachrichten von dieſen beiden Apoſteln nach dem 
N, T. und nach der Tradition. II. Urſachen der Zu⸗ 
fammenftellung beider Apoftel und Urfprung ihrer Gedaͤcht⸗ 
nißfeier. II. Wie diefer Tag noch jetzt gefeiert werde. . 


Literatur. Cave antiquitates apostolicae.e — Andreas 
Wilkii Fest. Apost. p. 518. — Hospinianus 1. I. p. 141. — Joach. 


Hildebrandi libellus de diebus festis p. 111. — Schmidii historia . 


festor. et dominicar. p. 180. — Stars Gefchichte des erften chrifts 
lichen Jahrhunderts. 2 Thl. Simon p. 195 ff., Judas p. 179 ff. — 
Auguſti's Denkwuͤrdigkeiten 5 Thl. p. 206 ff. 

I) Nachrichten von diefen beiden Apofteln nad 
dem VI. T. und nach der Tradition. | 
A) Simon, ber elfte unter den Apofteln bed Herrn, war ein 
- Bruder des Jacobus und Judas, ein Sohn des Alphäus und alfo 
gleihfals ein naher Anverwandter Jeſu, Mt. 10, 4 Mec. 8, 18. 
Act. 1, 15. Er führt den Beinamen Kavaniıng, welchen einige von 
feinem Geburtsorte Cana in Galilaͤa ableiten wollen. Vid. Wolf in 
Caris und Koecher in Analectis ad h. I. Dann müßte es aber im 
Griechiſchen vielmehr heifen Kavlıns und Kavyalog, vergl. Reland.. 
Palaest. p. 978. Andere leiten darum biefen Beinamen von dem 
hebraͤiſchen xıp (eifern) ab, welches Wort mit der Endung verfehen, 
dem InAwing entiprechen würde, welcher Beiname Act. 1, 18. dem . 
Simon ertheilt wird. Diefer Zufag würde fih dann auf Die vorige 
Lebensart des Simon beziehen und ungefähre daffelde fagen, was der 
Ausdrud Massaios 6 TeAwung andeutet, Matthäus, der zuvor Zoll⸗ 
beamter geweien war. Die Zeloten, zu welchen dieſemnach auch Sis 
mon gehört hatte, machten eine jüdifche Secte aus, welche ald vora 
zuͤgliche Eiferer für das mofaifhe Gefeg wollten angefehen feyn, und 
welche aus eigener Macht als Privatleute Verbrecher züchtigten, auch 
wohl tödteten. Defters gingen fie zu weit und ließen Privathaß mit 
ins Spiel kommen. Veranlaſſung zu biefer Secte gab Pinehas 4 B. 
Mof. 25, 7 f., melden ſich auch bie erften Zeloten zum Muſter nah⸗ 
men. — , Wie fparfam aud) die Nachrichten über dieſen Apoflel im 


1 


Simon und Judas. 313 
N. T. find, fo weiß deflo mehr von ihm’ die fpätere Tradition, bes 


ſonders bei Nicephor. H. E. 1. VIII. « 30. Wie unwahrſcheinlich 
aber diefe Nachrichten an ſich und wie wenig ÜübereinflimmenDd fie feien, 


wird fi) aus dem Folgenden ergeben. So fol Simon unter andern . 


auch der Bräutigam gewefen ſeyn, auf deflen Hochzeit Zefus das Wuns 
der der Verwandlung des Waſſers in Wein verrichtet... Die Kirchen: 
ferjbenten laſſen aud) diefen Apoftel weite Reifen thun. So foll er 
nach Aegypten, Cyrene, Lybien, Afrika und DMauritanien gereift feyn, 
und endlid in Britannien lange Beit auch das Evangelium gepredigt 
haben. ©. Niceph. H. E. I. 2. c. 10. Andere nehmen an, Simon 
fei nur von Gaza bis nach Aegppten gereiſt. S. Dorotheus de duodecim 


apostolis. Noch andere geben ihm den bifhöflihen Stuhl von Zerus. 


falem und laſſen ihn dafelbft ruhig Sterben. S. Hippolyt, vergl. mit 
Tillemonts Memoires eocles. I. part. 3. p. 1178, weldyes wahrfcheins 
lid daher kommt, daß man ihn mit einem andern Simon verwech⸗ 
felt, welcher der Nachfolger des Jacobus war. Das römifche Brevia⸗ 
rium, f. Breviar. Roman. p. 998 edit. Venet. 1736 vergl, mit dem 
Pſeudo⸗Abdias im Leben der Apoftel, laͤßt biefen Apoftel, nachdem 
er in Aegypten das Evangelium gepredigt hatte, nad Perfien reifen, 
wo er feinen Bruder Judas Thaddaͤus antrifft, und beide, nachdem 
fie eifrig das Bekehrungsgeſchaͤft getrieben hatten, ben Maͤrtyrertod lei⸗ 
den. — Nicht minder widerſprechend und unzuverläffig find auch die 
Nachrichten über den Tod dieſes Apoſtels. Auch er muß, um bie 
apoftolifhe Würde zu behaupten, Märtyrer feyn; aber die Erzählung 
von der Art feines Märtprertodes ift hoͤchſt verſchieden. Diejenigen, 
welche dem Simon die bifhöflide Würde in Jeruſalem zufprechen, 
wollen, daß er bei ber Zerſtoͤrung dieſer alten Hauptſtadt, mit den 
uͤbrigen Chriften nah Pella geflüchtet fei und dort auf Anftiften die 
Juden duch den römifchen Statthalter den. Kreuzedtod gelitten ‚habe 
und zwar im 116. Jahre Chriſti und im 120. Jahre feines Alters. 
Einige verlegen dieſen Kreuzestod auch nach Britannien, Andere nach 
Sunir in Perfin. ©. Fortunat, Pictav. Carn. 8, 4. — Von 
ſchriftlichen Dentmälern diefes Apoſtels weiß die Zradition nichts, was 
in der That unter. die feltenen Ausnahmen zu rechnen if. Im Allge⸗ 
meinen vergl. über diefen Apoftel Winer’s bibl. Reallex. 2. Aufl. IL, 
p- 541, womit zu vergl. 1. p. 665 f. | 

B) Judas, mit dem Zunamen AsßPßaiog (b. i. wohl "3% 
von Sb Herz, Muth, nicht von einem Städtchen Lebba Plin. 5, 19., 
denn in biefer Stelle haben die Ausgaben ohne Variante Jebba, und 
Gaddaiog (d. fi. = ın von "mn Bruſt, einer der 12 Apoftel, Mt. 
10, 35. Mre. 8, 18., vergl. Luc 6, 15. Act, 1,.13. ob. 14, 81., 
Bruder des jüngern Jacobus, mithin Sohn des Alphaͤus und ber 
Maria und Verwandter Jeſu (vergl. Euseb. H. E. 3, 19. 20.). — 
Seine fpätere Lebensgefchichte beruht ganz auf kirchlichen Sagen; nad) 
griehifhen und Lateinifhen Kirchenvätern fol er das Chriſtenthum 
in Judaͤa, Idumaͤa, Syrien und Arabien gepredigt und in Pers 
fin den Märtyrertod gelitten haben. Niceph. H. E. 2, 40. Webers 
einftimmend nennt auch die fprifche Kirche ihren Stifter 78 (»n) 
und giebt ihn für den Apoftel Thaddaͤus aus. Assemanni Biblioth. 
or, 1. 817 segg. 1. 391 seqg. und mehrmals. Damit ſteht eine 


a 


bild Simon und Judas. 


ändere Tradition in Verbindung, welche den Thadbaͤus nach Edeſſa 
teilen, dort viele wunderthaͤtige Heilungen verrichten und den König, 
Abgarus mit feinem ganzen Volke zum Chriftenthume bekehren - Lägt, 
Euseb. 1, #2., vergl. 2, 1. Hieron. ad Mt. 10, 4. Doc iſt «6 
möglich, daß unter jenem "m, fo wie in biefer Relation unter Oad- 
dacoc, ein anderer Schüler Jeſu, der diefen Namen führte, arſpruͤng⸗ 
lich gemeint war, und bie fpätere Sage ihn erſt mit bem Apoftel 
verwechſelte. S. Bertholdt's Eint. V. 2672 ff. Diefer Judas iſt num 
der Webrrfchrift zufolge der Verf. des im N. T. Canon befindlichen Heinen 
Briefe. S. Kertholbt Einl. VL 3179 ff. — Michaelis Eint. IE 
1489 ff. — Eichhorn Einl. ins N. T. — Harenberg in ben Miser 
Lips. nov. IH. 873 seqg. — Hug Eint. II. 296 ff. — Ueber ein 
angebl. Evangel. bes Thadbäus f. Kleuker Apokı, N. X. 67 fi. — 
Ucberbaupe vergl. Winer Realler. 1. 745 ff. | 
D Urfadien der Sufammenftellung beider Apo⸗ 
Kel und Urfprung ihrer Gedächtnißfeier. — De 
Grund diefer Sombination iſt entweder bie Familienverwandtſchaft; 
denn nach Me.’ 13, 55 find beide Brüder, und folglich auch Brüder 
(ddeigol, Halbbruder, nad Andern Bettern) bes Herrn; oder bie 
Gleichheit und Gleichzeitigkeit ihres Schickſals, naͤmlich bes Märtyrer 
todes. Gegen das Erſtere kann allerdings eingewendet werden, baf 
Bein ähnlicher Fall vorkomme, welches auch Wilde Fest. Apostolor. 
p- 518 ausdruͤcklich bemerkt. Indeſſen konnten doch bei Petrus, Jo⸗ 
bannes, Andreas, befondere Rüdfichten eintreten, warum man ihre 
Bedächtnißtage trennen zu mäflen glaubte. Die Geſchichte Ihres Mär 
tyrerthums haben wir bereits vorhin erwähnt. \ Allein unfere obige 
Behauptung, daß die Nachrichten davon fchon im Alterthume nicht 
Abereinftimmend mäflen geweſen feyn, beweiſt aud das griechifche 
Menologium, das für jeden diefer beiden Apoſtel einen befondern Feſt⸗ 
“rag feſtſetzt, nämlich für Simon den 27. April und für Judas den 
19. Junius. » Ein offenbarer Beweis, daß man bie Gleichzeitigkeit des 
Martyrii nicht für fo ausgemacht halten mußte. — Wann biefe Ges 
daͤchtnißfeier entitanden fei, wo fie zuerft begangen wurde, laͤßt ſich 
aus Mangel an Zeugniffen nicht nachweilen. Die meiften archäolos 
gifhen Schriftiteller , die, wenn fie ja etwas von bem Urfprunge dieſes 
Apofteltages fagen, verfegen ihn in das 12. oder 15. Jahrhundert, ' 
III) Von ber heutigen Feier deſſelben gilt, was am Gchluffe bes 
Artikels Apoftelfefle erinmert worden iſt. 


2 
Sinnbilber 
im chriſtlich⸗ kitchlichen Kunftichen, 


1. Einleitende Bemerkungen. II. Attribute, die den 
Evangeliften beigelegt werden. TIL. Sinnbilder, die von 
lebenden Weſen, Engeln, Menſchen und Thieren entlehnt 

db. IV. Sinnbilder, bie fih auf das Pflanzenreich 
V. Sinnbilder von leblofen Gegenftänden ber 
„des Bedürfniffes u. f. w. entnommen, ’ 


Literatur. Außer den im Artikel Malerei p. 297 erwähnten 
Werten gehört recht eigentlich als liber singularis hierher: Sinmbils 
der und Kunftvorfiellungen der alten Ehriſten, von Dr. Fr. Münter x, 
Altona 1825, wo das ganze erfle Heft von dem chriſti. kirchl. Sinn⸗ 
bildern handelt. — Auguſti's Denkwurdigkk. 12. Bd. p. 249 ff. — 
Schönes Geſchichtoforfchungen 8. Bd. p. 482 ff. 

1) Linleitende Bemerkungen. — Es war nothwenbig, 
in biefem Handbuche die Archäologie ber chriſtlichen Kunft zu beruͤhren. 
. Daß wir dabei der Anordnung folgen würden, welche Münter in den 
oben angeführten Sinnbildern und Kunſtleiſtungen der alten Chriſten ıc. 
vorſchlaͤgt, haben wir im Artikel Malerei und Öftener erwähnt. Muͤn⸗ 
ter läßt die chriſtlichen Kunſtwerke (naͤmlich in Beziehung auf bie 
geihnenden Künfte) in vier Dauptabichnitte zerfallen. 1) Sinnbils 
dee und Symbole; 2) Wilder Chriſti, der heiligen Jungfran, der 
Apoftel Petrus und Paulus und einiger andern Heiligen und Märtys 
rer; 8) bibliſche Geſchichten des A. und N. T.; 4) vermiſchte Vorftels 
lungen. — Die drei letztern haben wir bereits in befondern Artikeln 
abgehandelt, wie in den Artikeln Chriftusbilder, Malerei, umd es bleibt 
uns in biefem Artikel noch übrig, was man Sinmbilder oder Birchliche 

Kunſtſymbolik zu nennen pflegt. “ 

Standbild nenne man nämlid jeden finnlich vorgeſtellten ober 
abgebildeten Gegenſtand, durch welchen ein von ihm verſchiedener firins 
Stcher oder geifliger Gegenſtand vorgeftellt und bezeichnet wird. Letzteres 
WR enteoeder ein Gegenftand, welcher unabhängig von einem andern 
vorgeflelle wird, und dann iſt das Sinnbild ein felbfiftändiges nnd 
kann vorzugsweife Sinnbild genannt werden; oder war eine Eigenfchaft 





316 Sinnbilder. 


eines ſolchen, und in dieſen Faͤllen iſt das Sinnbild nur ein anhaͤn⸗ 
gendes oder adhärirendes, welches man in fofern aud Attribut nennt. 
Zu ihm gehört denn aud das Emblem als eine finnbildlihe Verzie⸗ 
rung. — Sn einem engern Sinne nennt man Sinnbild oder Sym⸗ 
bol einen finnlidy oder bildlich dargeitellten Gegenftand, durch welchen 
ein geiftiger Gegenftand vorgeftellt oder abgebildet wird, oder, wie Suls 
zer meint, etwas Allgemeines angedeutet wird, 3. B. unfchuldige Liebe 
duch) das Sinnbild der Taube. In diefem letztern Sinne nehmen 
wir das Wort Sinnbild vorzüglich bier. Unverkennbar mußte fich 
durch die biblifhe Gefchichte des A. und befonders des N. T., fo wie 
die im letztern vorgetragene Glaubens⸗ und Sittenlehre ein neuer Sheens ' 
kreis und ein neues Gemuͤthsleben bilden, fobald Jemand vom Juden⸗ 
oder Heidenthume zur chriftlihen Anbetungsweife überging (vergl. ben 
Artikel Kunft p. 153 ff), Wie man nun diefes, durch Religion 
angeregte Gemuͤthsleben bei den Juden, wie bei den Seiden durch 
Sinnbilder bemerkbar machte (man denke bei den Juden an die Ches 
wubim, an das Urim und Thummim u. a., bei ben Heiden an das 
Symbolifiren der Naturkräfte, gewiſſer Eigenfchaften, Tugenden oder 
Lafter,) fo fuchten auch, die Chriften das, was in Ihrer neuen Gottes⸗ 
Ichre das Gemuͤth als Glaude, Liebe, Troſt und Hoffnung befchäfz 
tigte, in Sinnbildern barzuftellen, weil ſie dadurch dem Vorwurfe, als 

“ näherten fie fih heidnifher Sitte, am beften zu entgehen glaubten. 
Die Symbolik diefer Art iſt darum aud im chriftlich = kirchlichen Kunfte. 
leben am früheften vorhanden, und war auch felbft bei denen in Eh⸗ 
ten, die fpäter fi der Bilderverehrung im chriſtlichen Cultus abgeneigt 
zeigten. Die chriſtlichen Sinnbilder find darum größtentheild der heili> 
gen Sefchichte des A. T., Öfterer noch des N. T. entnommen, hängen 
zuweilen genau mit dogmatiſchen Vorftellungen der Kirche zufammen und 
gründen ſich auf einzelne N. X. Stellen. Wenn man zuweilen, was jedoch 
feltener der Sau ift, finnbildlihen Vorftellungen aus dem frühern Heiden: 
thume begegnet, fo gefhah es immer wegen einer gewiſſen Aehnlichkeit, 
die davon auch in der chrifllichen Anbetungsweife vorlag, Wir werden 
dieß im gegenwärtigen Artitel mehrmals zu bemerken Gelegenheit haben. - 
Forſchen wir nun nah den Dentmälern der fruͤhern chriſtlichen 
Symbole oder nach den ditern Nachrichten, die Darüber Auskunft geben 
und nad den Kunftgegenflinden, auf melden fie abgebildet find, fo 
iſt hier ein reiches Erntefeld für die Kunft eröffnet. In diefer Bezie⸗ 
bung find wichtig einzelne Nachrichten Älterer Kirchenvaͤter, Gegenftände 
der Kunft und des Bedürfniffes, als Ringe, gefchnittene Steine, 
Münzen, Siegel, Becher, irdene Gefäße, Metaliplatten, befonders 
aber Sarkophage, worüber wir im Artikel Malerei (p. 297) ausführs 
licher geſprochen haben. \ | 
Diefe Quellennacdhrichten von ben Leiftungen bee zeihnenden Kunft, 

in wiefern fie auch ſymboliſche Darftellungen enthält, findet man in ben 
zum Theil fehr koſtbaren und theuern Werken mit angeführt, die wir oben ° 
im Artikel Malerei p. 297 erwähnt haben, und welche von berühms 
ten, wifienfchaftlich gebildeten Kunftfreunden, befonders in Stalien, her 
rühren, als von Boſio, Aringhi, Boldetti, Bottari, Ciampini, Seroux 
b’Agincouet, Lupi, Buonaroti und anderen. Da wir im Artikel Mas 
lerei die vollſtaͤndigen Titel dieſer Werke angeführt haben, fo weiſen 


Y 


% 





Sinnbilder. | 317 


wir hier daranf zuruͤck, und nennen, um ber Kürze willen, in ber fols 
genden "Abhandlung nur die Namen der Verfaſſer. 

Was nun die Anordnung des Stoffe für dieſen Artikel betrifft, 
fo glauben wir den Gegenftand am beften erfchöpfend darftellen zu koͤn⸗ 
nen, wenn mir zunddft von den Attributen fprehen, die den vier 
Evangeliften beigelegt werden, von diefen auf die chriftlihen Sinnbilder 
übergehen, die von lebenden Welen, Menfhen und Thieren, entlehnt 
find, dann diejenigen berühren, die fich auf das Pflanzenreic beziehen, 
und den Beſchluß mit denjenigen Sinnbildern machen, bie von feblos 
fen Gegenfländen, geößtentheile Geraͤthſchaften der Kunft und be6 
Bebkenifes, herrühren. 

II) Attribute, die den vier Evangeliften beige 
legt werden, — Bon den vier Evangeliften findet man ſchon 
in den diteften Zeiten zwei verfchiedene Arten von Kunftvorftellungen. 

1) In Münters Sinnbildern (Heft 1. p. 44) beißt es: Eine 
zroeite fombolifhe Vorftellung find die vier Quellen, die aus dem Hügel 
entfpringen, auf dem der Herr auf vielen Reliefs ſteht, 3. B. Aringhi I, 
181. — Bumellen fieht: man nur zwei, mie es fcheint, doppelte 
Quellen, (Aringhi I. 183 — 195). Mollte man dadurch ben Unters. 
ſchied bejeichnen, daß zwei dee Evangelien von Apofteln, die zwei ans 
bern von ihren Schülern gefchrieben find? Die vier Quellen finden 
fih auf alten: Mofaiten in der Basilica Sieiniana (Ciampini Tom. IL. 
p. 76), und in ber lateranifchen '"Basilica, nur mit dem Unterfciebe, 
daß nicht Chriftus, fondern ein Kreuz auf dem Selfen ſteht, aus dem 
fie entfpringen (Bosius de eruce triumphante l. VI. e. 12.). Eini⸗ 
gemale fteht auf diefem Hügel das Lamm; fo auf einem Glaſe bei 
Boldetti p. 200. Diefe Borftellungen find es, auf welche Panlinus 
von.Nola in der Befchreibung ber Bafilica zu Nola Rüdfiht nimmt, 
ep. 32., mo es beißt: 

Petram superstat ipse, Petra ecclesiae, 
De qua sonori quatuor fontes meant, 
“ Evangelistae, viva Christi flumina. 
So richtig aber auch dieſe Bemerkung tft, fo vermißt man doch bie 
Angabe des wahrfcheinlihen Urfprungs biefer Vorſtellung, welche im 
1 Mol. 2, 10—14., vergl. mit Sir, 24, 32—37., Ezech. 47, 1 ff., 
Offenbar. 2, 1. zu ſuchen iſt. 

2) Die zweite Vorſtellung, nach welcher die Evangeliſten beſon⸗ 
dere Attribute und Embleme haben, tft offenbar aus Ezech. 1, 5. und 
Dffenbar. 4, 6—7. entſtanden. Die teooapa Lwa (ein vierfach Les 
‚bendiges nad) Herders richtiger Ueberſetzung; denn auch der Menfch 
und Engel werben unter bie dõu gerechnet) werden erklaͤrt durch Adwr, 
uooxoc- no0swnov wg Uvdgwros, hueröα neronevog. Im GEzechiel, 
wie in der Apokalypfe find diefe vier Geftatten Embleme und Symbole 
der göttlichen Eigenfhaften: Stärke und Rraft, Schnellig 
keit, Weisheit un Schönbeit, alles in Beziehung auf die 
Offenbarung Gottes, wodurch fich diefe Eigenfchaften den Menfchen fund 
thun. Der chaldaͤiſche Paraphras fand in dieſem Symbol die Geheim⸗ 
Iehre von ber Natur Gottes und ber Engel, und nannte es das Werk 


des Wagens (Maasch marcabah). 


Doch hatten ſie noch nicht das wahre Geheimniß ergruͤndet und 











Dierenymps fagte: ımutas in hujus losi axplieatione esse Siynago- 
gas. Den vollen Aufſchluß gab das Chriſtenthum durch das Evanges 
Ikum, deſſen heilige Vierzahl durch obiges Symbol bargeflellt werden 
ſollte. So fagt ſchon Irenaens adv. haeres. I, II. oc. 11. Qualis 
igitur dispositio filii Dei, talis est animalium farma, et qualis ani- 
malium forıya, talis et eharaster evangelii. Auadriformia autem 
animalia et quadrifonme evangelium et quadriformis dispositio 
Domini, Do vwirb bier noch keine Thieruertheilung vorgenommen, 
Diefe aber findet fih fchon beim Auguftinus, und zwar wit Erwaͤh⸗ 
nung einer Meinungsverfchiedenheit. S. August. de cons. Evangel. 
L. I c. 60. Opp. Tom. Ill. P. Il. p. 6, wo «8 beißt: Unde mihi 
yidentur, qui ex Apocalypsi illa quatuor animalia ad intelligendos 
quatuor Evangelistas interpretati sunt, prebahiliter attendisse illi, 
qui hominem Matthaeo, aquilam Marce, leonem Johanni tribuerunt, 
Haocc autem animalia tria, sive leo, sive homo, sive vitulus in 
terra gradiuntur, unde isti tres Evangelistae in his maxime occu- 
pati sunt, quae Christus in earne operatus est, et quae praocepta 
mortalis vitae exercondae carnem portantibus tradidit. At vero 
Johannes super nubile infirmitatis humanae velut ayuile volat, et 
lusem ineommutabilis veritatis aoutissimis atque firmissimis ooulis 
sordis intuetur. 

Sehr früh wurden biefe Thiere auf bie Evangeliften gedeutet und 
ihnen zu Begleitern gegeben. Wir finden fie fchon bei Irenaeus adv. 
haeres. III. 11. Hieronym. in Ezech. c. 1., jsdad mit Verſchieden⸗ 
beiten. Es gaben nämlich 

Irenaͤus — dem Matthäus — ben Menſchen — dem Ma 
cus — den Adler — dem Lucas — den Ochſen — dem 

| Johannes — ben Löwen. 

Auguſtin — dem Matthaͤus — den Linn — em Mary — 
ben Menſchen — dem Lucas — den Ochſen — dem Sos 
hannes — den Abler. 

Hieronymus — dem Matthäus — ben Menſchen — dem 
Marcus den Loͤwen — dem kucas — den Dqchſen — dem 

Johannes — den Adler zu Geſellſchaftern. 

Diefe Symbole finden fi aber, wie der Cardinal Borgia lehrt, nie 
gende auf alten Glasſcheiben, Sarkophagen, Gemälden oder andern in 
‚den Katalomben: gefundenen Weberbleibfeln des chriſtlichen Alterthums, 
fondern fommen erſt auf den Mofaiten des 5. Jahrhunderte sum Vor⸗ 
fein, von denen Ciampini einige hat, Tom. I. Cap, XXI Tab, 
48. II. Cap. 9. Tab. 20. 21. 36. — Almählig vereinigte man ſich 
über die Vertheilung der Thiere unter die vier Evangeliſten. Die 
Meinung ded Hieronymus ward in dieſer Hinficht allgemein angenom⸗ 
men. Ihm folgten Ambrofius, Sedulius, Fulgentius und viele ans 
dere Wäter der lateiniſchen und ber griechiſchen Kirche, und bie ſpaͤtern 
chriſtlichen Monumente haben faft ausfchließend biefe Ordnung beibes 
halten. Die alerandrinifche Kirche fliftete ihnen zu Ehren einen eigenen 
Feſttag, der Tiuslon Tüv demudrav genannt ward 

Gene Moſaiken bes 5. Jahrhunderts und eine "Münze, von der 
Paciaudi der Meinung ift, daß fie, nach der Acheit und dem Metalle 
zu urtheilen, ‚zur Beit des Gothenkoͤnigs Baduda, mithin des Kaiſers 


Juſtinian im Anfange des fi, Iahrhumbesmk, aefdagen warden, darſten 
& älteften Kunſthenkmaie der Ken . Uhse auf diefer Münze bas 
atthaͤus ben Adler, Johanne den —* iest geflüͤgelt, alſo den 
ngel zum Geſellſchafter. Mit geflüͤgelten —— and Thier⸗ 
öpfen ſtellen fie vier wahrſcheinlich geischliche Gemälde, deren —* 
jedoch pipe peſtimmt merden fang, in der Stephangkirche zu Bolegna 
por, Wir haben Über dieſen Getonſtand zwei gute Abhandlungen. 
Jecphi Thomatii Ingignig quatpar Eraugelistar. Lipe. 1667. 4. sh 
Corylandri dissert. de Ingigaibus Erangelister. Lund, 1768. 4, 

U) Sinnbilder, entlehnt von Isbenden Wefen, 
Engeln, Menfhen, Thieren. — Im ceiftlichen Alters 
tbume kommt fehr häufig bie figgbilbliche Darftellugg der Engel nor, 
und eine Werwandtſchaft berfsiken mit den heibnifchen Genien anyus 
nehmen, dürfte um fo unbebenkficher feyn, ba die heilige Schrift ſelbſt 
in ihrer Schilderung ber Mittelweſen zwilhen Kost und den Menſchen 
dieſer Schilderung fo günftig ift, wie fhon Pfanner, Cydmerth, Ode 
und andere auch in Anfehung des Dogmas bdargethan haben, (Man 
vergl. jedoch die entgegengefeute Meinung in ber biblifchen Theologie 
von Baumgarten : Erufius. Sena 1828 p. 279.) Dan hat daher gar 
nicht erſt nöthig, bei den Angslophanieg in der chrifilichen Kunftwelt 
zur Mythologie feine Zufucht zu nehmen, und die geflügeiten Geiſter in 
Juͤnglingsgeſtalt, wie man fie in der chriſtlichen Kirche findet, für eine 
Nohbildung der geflügslten Götter und Goͤtterboten, ber Dermen, 
Ganymede, Iris, Genien, Pſychen u. f. w. (vergl. Panofta in Gerhard's 
Studien, I. [Berl. 1833. 8.) p. 253 ff.) zu balten. Die Bibel A. und 
N. 8. bietet einen reichen Kunſtſtoff für dieſen Gegenſtand dar, und es 
iſt nicht fchwer, für jedes kirchliche Engelsbild und Attribut ein biblifches _ 
Beugniß anzuführen. Auf folgende Pussee iſt befonders zu ſehen: 

1) Die Engel werden ftets in menſchlicher Be 
alt, und zwar mit feltenen Ausnahmen, in der 
GBeftalt eines Jüänglings vorgeſtellt. Bon einem weibs 
lichen Engel findet man nirgends eine Spur, fo wie auch ale Namen 
berfelben: Gabriel, Michael, Raphael, Uriel, Tubuel, Raguel u. a. 
männlich find. (In der roͤmiſchen und griechifchen Kirche haben bios 
die Namen ber drei Erzengel: Gabriel, Michael und Raphael «ine 
kanoniſch⸗liturgiſche Anerkennung gefunden und ale übrigen Engelna⸗ 
men find verboten worden.) — Es werben auch die Ausbrüde win und 
“23 Dan. 8, 15. 16, 9, 21. gebraucht, obgleich ſonſt die allgemein 
angenommene Meinung war, daß die Engel geſchlechtslos (gemeris 
neutrius) wären, was aus Mt. 22, 30. u. a. gefolgert wurde. Das 
Sefiht und die ganze Geſtalt des Engels zeige Schönheit, Anwuth 
und Heiterkeit, gepaart mit Ruhe und Würde Apoſtelg. 6, 16. 

2) Die Slügel der Engel, welche das daractes 
rififhe und permanende Attribus derfelben find, 
haben’ ihren Grund in Jeſ. 6, 2. Dan. 9, 21. Apocal. 14, 6. 19, 
17. und vielen andern biblifhen Stellen, und follen den Begriff ber. 
Schnelligkeit, und dag fie nicht, wie die Bewohner der (Erde, auf einen 
gewiſſen Raum und Schauplatz befchränk find, ausdruchen. Won 
Sechsfluͤglern findet man auch Beifpiele nach dem Muſter der Seraphim 
Jeſ. 6, & wo zwei Flügel zum liegen, zwei zur Bedeckung des 


! 


30 &innbilder, 


Angefihts und zwei zur Bedeckung ber Süße dienen, umb man fdheint 
biefe Abbildung ſchon frühzeitig auf die gizldıa, flabella, gefegt zu ha⸗ 
ben. Constit. Apost. 1. VIII. c. 12. u. a. 

9 Die Kleidung der Engel ift in der Regel, wie 
wir fie in vielen Stellen des 4. und I. T. im all- 
gemeinen &v Asvxoig (Joh. X, 12), 27 EoInrı Anunok 
(Act. 10, 30.) oder im befondern (Dan. 10, 5. 12, 6. und 
Offenbar. 1, 13.) öuorov dı@ ardeWmov Evödsdoufvor 
nodnen, xal mepgieLwouEvoy ngög Toig uacroig 
"Tovnv govo7v angegeben finden. Der Bruſtguͤrtel fehle 
faft nie und zuweilen nur dann, wenn ber Engel ſchwebend und flies 
gend bargeftellt wird. Auf Epitaphien und Gemälden findet man oft 
Engel in kleiner und nackter Figur, und bier tritt der Fall ein, wo bie 
Künftler fih mehr an die Mothologie, ald an die Bibel und kirchliche 
Tradition gehalten und Genien, Pfychen und ‘dergleichen. vor Augen 
gehabt haben. 

4) Wenn die Engel bald mit dem Schwerte in 
der hand, bald mit dem Delzweige, bald mit der 
Buͤcherrolle, bald mit einem andern Werkzeuge ab: 
gebildet werden, fo bezeichnet dieß Die verfchiedenen Gefchäfte 
und Verrichtungen bei ihrer Ausfendung als Werkzeuge der Strafe, 
bes Friedens u. f. w. . 

5) Unter allen Sculpturs Engeln bat, beſonders feit allgemeiner 
Einführung der Kindertaufe, der auch in den evangelifhen Kirchen 
zu findende Taufengel die meifte Aligemeinheit erhalten. Diefe 
Vorſtellung bezieht fi offenbar auf Joh. 5, 2 — 7., wo gefagt wird, 
bag ein Engel zu beflimmter Zeit das Waſſer bewege. Bekanntlich 
bat von dieſer Stelle auch das Zaufbeden den Namen xoAruußndon 
erhalten. | 

- Die Abbildungen ber Dämonen und insbefonder des Sürs 
flen der böfen Beifter, oder des Teufels, find erſt das 
Merk fpäterer Zeiten. Wenigſtens wußte bie alte Kirche nichts von 
jener Mannichfaltigkeit und feltfamen Gonftruction der Teufelsbilder, 
nie man fie in Klöftern und Kirchen feit dem Mittelalter findet. Man 
fcheine fi) Anfangs blos mit dem einfahen Bilde der Schlange bes 
onlgt zu haben. Wenn zumeilen das Bild bes Drachen gebraucht 
wurde, fo geſchah dieß gleichfalls nach dem Vorgange der Schrift, wel⸗ 
de dpaxwr, Ogpıs (doxatos) und dınßoAog oder Suravägs ſynonym 
braucht. Offenbar. 17, 9. 15—17. 20, 2. u. a. Nach ber Vergl. 
1 Petr. 5, 8. Eönnte es auffallen, daß der Teufel entweder gar nicht, 
ober höchft felten als Löwe (Adum wovönevog) vorgeftellt wird; allein 
dieß konnte nicht wohl gefchehen, weit bie Borflellung von Chriftus, 
als fiegreihem Löwen vom Stamme Juda, Offenbar. 5, 5. vergl. 
Hof. 11, 10. die vorherefhende geworden war. In Epiph. Physiol. 
c. I. Opp. Tom, I, wird Chriftus 5 voepös Adwr vızzaaz, &x gukiic 
Jovda genannt. Wobei Petavius bie Anmerkung macht: In eo con- 
sistit acoluthie sententiae, quod cum Leo symbolum sit Christi, 
Christus autem omnium rerum principinm, merito a leone sit inci- 
piendum. Es wird aber Überhaupt, wie auch Münter bemerkt (Hft. 1. 
p- 87) das Löwenbild fehe felten gefunden und bezieht ſich uͤberdieß 








Sinnbilder. 321 


auf ben Loͤwengrad Asorrıza in ben Mithras⸗Myſterien. Zuweilen 
wird der bloße Löwenrachen zur Bezeichnung der Hölle und des Satans 
gebraucht, was vielleicht auf Offenbar. 13, 2. (wc Adorzog) Bezie- 
ung bat. 

j ’etit dem Mittelalter wirb das Schlangms und Drachenbilb fels 
tener. Dagegen kommen nun bie Figuren von Iäcerlihen Menfchen 
und verächtlihen Thieren, fo wie feltfame und unnatüclide Zuſam⸗ 
menfegungen verfchiedener Thierarten und deren Glieder, zum Vor⸗ 
fein. Dieß beweifen ſchon die Benennungen, welche der Teufel er⸗ 
hält: Rex stultitiao, senex stultus, sophista, fur, adulter hircus, 
simia, ursus, Jupus, canis impurus, corrus niger u. a. Als einen 
Gommentae über verfchiedene Leiftungen aus diefer Zeit kann man fol 
gende Stelle aus Mid. 'Pfellus (de Daemonibus) in Joh. Wieri 
Merle de praestigiis daemonum et in cantationib. etc. Basil. 1585 
p. 66 betrachten: Daemones lioet sexu et propria lingua careant, 
corpus tamen illud aërium sibi concessum, pro arbitrio, velut nubes 
vento flente, in varias formas mutant eontrahuntque atque exten- 
dunt, quemadmodum lumbricis videtur accidere ob substantiam mol- 
liorem ductuque facillimam, neque solum magnitudine diversitas 
in eis aceidit, verum etiam figuras, coloresque variant multifor- 
mes. Corpus enim Daemonis juxta animi sui affeotus species co- 
lorum mutat, velut et hominis, sed longe melius, et quod animae 
sit obedientius. Omnia tamen oelerius dilabuntur ob eorporis mo- 
bilitatem tenuitatemque, Sio tanquam Vir apparet et mox occur- 
rit ut foemina, leonis more fremit, saltat ut pardalis, latrat 
ut canis atque ad utris vasisque formam se aliquando transfert. 
Ebendaſ. p. 69 wird aus Trithemius angeführt: Daemones nullam 
figuram magis, quam hominis sibi cooptant. Ceterum quando ad 
hano non invenerint concedentem aeris materiem , apparentem for- 
mam sibi inducunt, prouf oontrarius vel humor, vel vapor effingat 
et sie in. forms conspieiuntur plerumque leonis, lupi, suis, asini, 
hippocentauri, homipis cornuti, etiam eaprinis pedibus, quales 
variis in locis quandoque apparuere. Nach ſolchen Diabolophanien 
wurben dann Gemälde und Sculpturen entworfen. Man findet am 
gewöhntichften eine affen= und bodähnliche Figur, fo wie aud ber 
Dferdefuß und die Vogelkrallen etwas Charakteriftifches gemorden find. 
Die Satanisken, Dämonen, Kobolde u. f. w., werden auf eine aͤhn⸗ 
liche Act, gewöhnlich im verkleinerten Maßſtabe und noch mehr carri⸗ 
caturartig dargeftellt. 

Was nun die ſymboliſchen Figuren betrifft, die von bee Menfchen- 
geftalt entlehnt find, fo gehört vorzugsmeife bie Perfon Jeſu ſelbſt 
hierher. WBorzüglich reicht die fpmbolifhe Abbildung Jeſu als des gu: 
ten Hirten, der theild ein verlornes Schaf fucht, theild es wieder ge 
funden bat, weit in das chriftlihe Alterchum hinauf. Schöne in ſei⸗ 
nen Gefchichtsforfchungen 1. Thl. p. 311 macht es wahrfcheinlih, daß 
biefe ſymboliſche Darftellung von den Gnoſtikern zu den Rechtgläubigen 
übergegangen fei, und bereits, wie wie im Artikel Abendmahlsgefaͤße 
1. Bd. p. 64 gezeigt haben, erwähnt Kertullian dieſes Bild auf 

Abendmahlstelhen angebracht. Aus Buarotti’s Osservasioni hat 
Schöne 1. 1. Abbildungen vom guten Hirten entlehnt, und auf der vierten 
Siegel Yandbu IV. . 21 


322 -. Sinnbilder. 


Steindrudtafel zum erften Theile beigegeben. Zuerſt wird ber gute 
Hirte dargefteht, wie er gleichſam betrubt über das verlome Schaf, 
fih auf feinen Stab flüst, die Hand trauernd Über das Haupt ges 
ſtreckt, in der Stellung eines Nachdentenden, wie er ben Entſchluß 
faßt, die übrigen, wie eins zw feinen Küßen ruht, zu verlaffen und 
daſſelbe aufzufuchen. Zu dieſem Endzwede ift er doppelt gefchürzt, ums 
leichter gehen zu innen. — In der zweiten Darftelung hat er das 
verlorne Schaf wieder gefunden, den Stab meggelegt, damit er es 
bequemer auf ben Schultern tragen könne und bringt e8 nunmehr zus 
ch; dabei iſt er nur einmal geſchuͤrzt. Uebrigens mußte dieß ein 
Lieblingsbilb von Jeſu im chriftlihen Alterthume ſeyn; denn es findet 
ſich häufig auf Sarkophagen, Lampen und andern Gegenftänden vor, 
die man in Rom in den Katalomben und Krypten gefunden hat. 
Auch Eufebius hat Abbildungen des guten Hirten gefehen. Gruͤndet 
fih nun gleich unleugbar das Symbol auf die Johanneiſche Stelle, 
wo Jeſus fi unter dem Bilde eines guten Hirten barftellt, fo hat 
man doch über die Bedeutungen deſſelben die verfchiedenften Meinun⸗ 
en gehegt. Nicht unwahrſcheinlich ift, wie Schöne behauptet, daß 
amit die den heidniſchen und gnoftifhen Myfte 
rien eigentbümlidhe Idee von etwas Verlornem 
und Wiedergefundenem angedeutet ſei. Dieß konnte 
am fo mehr ber Tall fun, da Idee und Ausdrudsweile im N. 8. 
für das Wahre dieſes Symbols fprechen. 
“Vorzüglich lehrreich über dieſe ſymboliſche Darftelung bes Herrn 
iſt Münter 1. I. 1. Heft XV. üÜberfchrieben: „Der gute Hirte” p. 
60 — 65. Er ſchließt den dahin gehörigen Abſchnitt mit den Worten: 
„Wie gefeiert diefes Spmbol In der alten Kirche geweſen, läßt ſich 
„micht nur aus ber Menge von Abbildungen, die fidy erhalten haben, 
„fondern auch aus bem Berichte des Eufebins ſchließen, daß Conſtan⸗ 
„tin, als er feine neue Mefidenz mit Kunſtwerken ausſchmuͤckte, das 
„aus Erz gegofiene Bild des guten Hirten über dem großen Springs 
„brunnen auf dem Foro aufftellte, Es war dieſes eine neue, dem von 
„ihm erkannten Weltheilande dargebrachte Huldigung!“ Vergl. Euseb, 
de vita Constantini III. c. 49. — Bon menfhlihen Weſen entlehnt 
ft auch das Sinnbild bes 
Sifhers. Auf einem Sarkophage, der im Vatikan gefunden - 
wird, fiebe man bei: Bottart I. Taf. 42. einen Fiſcher, der .angelt, 
ein Fiſch bat angebiffen, zwei heben die Köpfe aus dem Waſſer; ein 
nadtes Kind reicht dem Kifcher die Angelruthe. Neben ihm fteht ein 
Storch, vieleiht nur um ein Thier abzubilden, das gleichfalls Fiſche 
dus dem Waſſer fängt, Prudentius fing: 
Piscis item sequitur calamum 
Raptus acumine vulnifico, 
Credula saucius ora cibo. 
Es iſt wahrſcheinlich Chriftus, ber bier ſymboliſch vorgeftellt wird. 
Der Clementinifche Hymnus nennt ihn ja Fifcher der Sterblihen, und 
Gregor von Nazianz ſagt: Jeſus ward ein Fiſcher, um den Kifch, 
d. i. ben Menfhen aus der Tiefe und in die Höhe zu ziehen, der in 
den unfichern und falfchen Wogen dieſes Lebens ſchwimmt. 
Auch die Worte Chrifli zu Petrus und Andreas: Ich will eudy 


« 


J 


&innbilber. 323 
zu Menfchenfifchern machen Dir. 1, 17. konnten zu biefer Vorſtellun 
die Veranlaſſung geben. Der Herr fifcht ſelbſt feine erften Zeugen 
Unter den chriftlihen Sinnbildern von Menfchen entiehnt, findet auch 
einen Platz der alte heidnifche 

Orpheus. Diefer alte thraciſche Sänger und Beligisnsftifter 
ward von den alten Chriften gleichfalls in den’ Cyclus Ihrer Sinnbilder 
aufgenommen. Nicht in dem Sinne, in welchem die Platoniker ihn 
ehrten und in welchem der Kalfer Severus Alerander fein Bild neben 
dem Bilde Abrahams und Chriſti als das Bild bes Stifter einer der 
Hauptreligionen der heidniſchen, der juͤdiſchen und dee chrifllichen, aufs 
ſtellte, fondern geroiffermaßen als ein Gegenſtuͤck zum guten Hirten. 
Diefer Hatte Schafe, mehr oder weniger gebildete Menfchen, bie er 
weidete. Jener jöbmee wilde Xhiere, Barbaren (Orphei Argonau- 
tica v. 71. 72. 435 segq.), denn daß auch das Chriftenthum biefen 
verfündigt ward, bezeugen bie Kirchenväter von Itenaͤus, Origenes und 
Tertullian an, an mehrern Orten, und find gleich ihre Behauptungen 
vieleicht übertrieben, fo lag doch ohme Zweifel ihnen Wahrheit zu 
Grunde. Go als Lehrer und Bezähmer der Barbaren, befchreibt auch 
Doraz den thracifchen Hierophanten de arte poẽtiea V, 891. 

Silvestres homines sacer interpresque Deorum 
Caedibus et victü foedo deterruit Orpheus, 
Dictus ob hoc lenire tigres rabidosque leones. 
Nehmen wir dazu, daß in den fogenannten —— Liedern, welche 
bie fruͤhern Chriften unbedenklich dem alten Sänger zuſchreiben und 
bie unter andern von Theoͤphilus von Antiochien ımb Clemens von 
Alerandrien oft angeführt werden, mehrere Stellen den Einen Bott 
preifen, fo läßt fie um fo mehr begreifen, wie bie alten Chiiften ihn 
in ihren Kunſtwerken als ein Symbol Chriffi, des wahren Lehrers der 
Menſchen, aufftellen Eonnten. So giebt ihn uns ein MWandgemälde 
de Coemeterii Callisti an der Via Appia bei Aringhi I. 821, wo er 
auf einer Anhöhe die phrygiſche Muͤtze auf dem Haupte, figend die 
Leter ſchlaͤgt, von verfchledenen Vögeln, zahmen und wilden Thieren 
umgeben, unter benen befonder6 zwei Löwen, melde die Harmonie ſei⸗ 
nee Töne herbeigelodt hat, ihm aufmerffam zuhoͤten. Im Mufeo 
Vettori war eine, in chriſtlichen Begraͤbniſſen gefundene, Gemme, in 
weiche Orpheus eingegraben war. Aehnllche Vorftellungen geben heid⸗ 
nifche Gemmen bei Lippert und Saffie, und dgppifhe Münzen der 
Kaiſer Antoriinus und Mare Aurel, wo Löwen und andere Raubthiere 
Raubvögel neben zahmen Hausthieten um bet auf felner Leler fpielen: 
den Orpheus verfammelt find. Ueberall wird er mit der Eicher und 
der phrygiſchen Muͤtze auf dem Haupte vorgeftellt, fo wie ihn auch die 
heidnifchen Verfaſſer befchreiben. S. Philostrati vita Apollonii I. 25. 
Die Leier harte fieben Saiten, welche bie fieben Planeten borftellten, 
daher die Griechen fie nach feinem Tode unter die Sterhe verfegten, 
eine Conftelation nach ihm benannten, und felbft bie ihn: umgebenden 
Thiere, fuͤr Wilder der himmliſchen Feuer, der Geſtirne, hielten. Ein 
zweites Bild giebt Aringhi 1. 217. Es iſt von biblifchen Vorſtellun⸗ 
gen umgeben, folglich offenbar chriſtlich und bie Wahrheit beftärigend, 
dag man Orpheus und Jeſum ale Bilder der Menſchen mit einan: 
der verglichen habe- Weber bie Vorſtellungen von ardens vergl. 





J 


324 Sinnbilder. 


auch Bottori II. p. 30 und 48. — In dieſe Rubrik ſcheint auch 


zu gehoͤren 

das Sinnbild des Todes. Warum die alten Chriſten 
das ſchoͤne Bild/ womit die Griechen und Römer den: Begriff des 
Todes ausbrüdten, ben Genius mit der umgekehrten exrlofhenen Tadel 
nicht in ihre Kunftallegorie aufgenommen haben, da fie ſich doch ſonſt 
nicht fo ſehr vor der Aehnlichkeit mit heidnifhen Vorſtellungen fuͤrch⸗ 
teten, ift allerdings nicht leicht zu erklären, zumal da Chriftus felbit 
Joh. 11, 11. zur Vergleichung des Todes mit dem Schlafe die naͤchſte 
Veranlaffung gegeben hatte und zadevdear oder xoacdaı im N. X. 
eben fowohl, als bei den Griechen vom Tode gebraucht werden. Vielleicht 
laͤßt ſich auch diefes aus der Eigenthümlicykeit der alten Kirche erklaͤ⸗ 
ven, bie den Tod erſt als den Anfangspunct des höheren, feligen Lebens 
betrachtete und ihn darum mehr unter den Bildern der Krone, ber 
Palme und des in ben fihern Hafen eilenden Schiffes darftellte. 

- Nur ein einziges Denkmal mit dem Xobtengerippe, als einem 
Bilde bed Todes im chriftlichen Alterthume, fol vorhanden feyn, und 
zwar iſt auch dieſes nicht katholiſch, fondern gnoftifh und vielleicht 
heidnifch = gnoftifh. — Auf einem Magnetſteine fehen wir naͤmlich den 
Tod als ein Gerippe. Er ficht auf einem von zwei Löwen im vollen 
Sprunge gezogenen Wagen und hält mit ber Rechten die Zügel fcharf 
an; in der Linken bat er die Peitſche. Bor ihm .fleht ein anderes 
Serippe; ein brittes Liegt unter dem Magen. Unverfiändliche Inſchrif⸗ 
ten mit meiftentheils griehifhen Buchftaben, die denen auf den Abra⸗ 
rasfteinen ähneln, find auf dieſen Steinen überall angebraht. S. Gori 
gemmae astriferae II. 248. Augenſcheinlich iſt es hier der fliegende 
Tod, dee König der Unterwelt, wie wir ihn auch im Evangelio des 
Nicodemus finden, der mit unaufhaltfamer Gewalt, über den Truͤm⸗ 
mern des Lebendigen dahineilt. 

Die von der fpätern Kunft angenommenen Bilder bed Todes als 
ein Gerippe, dem man no bazu Stundenglad und Senfe in bie 


‚Hand gab, follen aus dem Reliquiendienfte entftanden ſeyn. Vergl. 


Herders zerflveute Blätter IL. 369. Merkwürbig aber ift es, daß dieſes 
Bild des Todes fpäter mehr in der proteftantifchen als in ber roͤmiſch⸗ 


katholiſchen Kirche Anklang gefunden hat. — Moch reicher iſt die Zahl 


chriſtlicher Sinnbilder entlehnt von 

III) der Thierwelt. Vergl. im Allgemeinen die Iefenswerthe 
Abhandlung von J. Ch. W. Augufti über die Kirchenthiere in Luͤcke's 
Zeitſchrift für gebildete ChHriften Bd. 8. — Man rechnet zu dies ' 
fem Eyclus 

1) die Ameiſe. Jeboch giebt e8 ber Auckoritäten nur wenige, 
auf die man fid, hier berufen kanı. Bei Mamachi IH. 94. wird 
behauptet, daß die Ameife gemalt und in Stein geflohen zu den chriſt⸗ 
lichen Symbolen gehöre. Augenſcheinlich das Spmbol des emfigen 
Fleißes nah) Salomons Sprüchen 6, 6. 80, 28. Aringhi II. 335. 
führt aus Plinii hist. nat. XI, 30. an, baß die Ameifen unter allen 
Thieren allein ihre Zodten begraben, wobei er fi) auf Hieronymus 
beruft, der von einem Einſiedler Malchus erzählt, wie dieſer gefehen 
babe, daß die Ameifen gleihfam ‚mit Zrauergepränge ihre Todten aus: 
trugen. Einer Abbildung aber erwähnt er nicht. Die Sache bieibt 


Sinnbilber. 325 


barum zweifelhaft. In Ficoronis Gemmae antiquse literatse aliae- 
que rariores, Rom. 1757. 4. find auf der zweiten Kupfertafel bes erften 
Theile ein Paar gefchnittene Steine mit Ameifen abgebildet, bie 
vieleicht chriftlich find. Eine Abbildung davon findet man auf ben 
Lithographien zu Muͤnter's Sinnbildern erftes Heft Nr. 1. Die beiden 
Buchſtaben F. und S., welche auf der Gemme mit angebracht find, 
können die Anfangsbuchflaben von Namen ſeyn; vielleicht auch bie 
beiden Worte Felicitas und Salus, welche gewoͤhnlich die Kolgen einer 
fothen Vorſicht find. — Herner rechnet Münter zu den chriftlichen 
Thierſymbolen 

2) das Einhorn. Dieſes ſchoͤne Thier, deſſen Daſeyn in 
der Natur lange bezweifelt ward, ſpielt in den Mythen der Zoroaſteri⸗ 
ſchen Lehre eine bedeutende Rolle. Muͤnter zeigt au, daß das Sinn⸗ 
bild vom Einhorne entlehnt ſchon bei den Perſern, Aegyptern, vielleicht 
auch bei den Juden vorkomme. — Im morgenlaͤndiſchen Heidenthume 
mag Reinheit und Staͤrke buch die Vorſtellung dieſes Thieres 
ſymboliſch ausgedruͤckt worden ſeyn; im Chriftenthume erhielt es eine 
ganz andere Bedeutung, die ſich aus morgenlaͤndiſchen Sagen uͤber die 
Eigenſchaften des Hornes bei dem genannten Thiere gebildet hatten. 
Man ſchrieb naͤmlich dieſem Horne die Eigenſchaft zu, alle Gifte un⸗ 
ſchaͤdlich zu machen und Becher daraus gefertigt, benaͤhmen dem Gifte 
alle Kraft. Bei den Chriſten galt das Einhorn als Symbol des Kreuz⸗ 
pfahles, wahrſcheinlich mit Bezugnahme auf die eben erwaͤhnte Kraft, 
indem das Kreuz auch als Schutzmittel gegen phyſiſche und moraliſche 
Uebel angeſehen wurde. Das Horn des Einhorns, fagt Juſtin der 
Maͤrtyrer im Dialoge mit Tryphon, kann mit keiner andern Sache 
verglichen werden, als mit dem Zeichen, welches das Kreuz bedeutet. 
In demſelben Dialoge heißt es: Unter allen Hoͤrnern iſt das Einhorn 
allein das Bild des Kreuzes. Aehnliches erwaͤhnen auch Tertullian 
und Jienaͤus. 

Weiter ausgebildet wurde die Allegorie, als man vom Einhorne 
erzaͤhlte, es koͤnne nur eingefangen werden, wenn eine reine Jungfrau 
ihm ihren Schooß oͤffne; dann komme es, lege ſein Haupt in denſel⸗ 
ben Schooß, ſchlafe ein und werde auf dieſe Art die Beute der Jaͤger. 
Dieſe Fabel, die Gregorius verwirft, weil er ſie vom Rhinozeros 
erzählen hörte, berichtet Asidor. Hispal. Orig. XII. 2. ganz treuherzig. 
Und fo ward denn das Einhorn ein Bild Chrifi, 
die Jungfrau ward die heilige Jungfrau und das 
Bamze ein Symbol der Menfhwerdung unfers 
Herrn. — In der Folgezeit ging es In die Wappen ber adelichen 
Familien über, und ward fogar einer ber Schildhalter des fchottifchen, 
und nad der Vereinigung dieſes Reiche mit England, des großbritan: 
nifhen Wappens; denn man war mit einem religisfen Sinne des 
Bildes nicht zufrieden, zog bie dem Einhorne nachgeruͤhmte Stärke 
und Tapferkeit mit hinzu und ließ folchergeftaft das Einhorn ein Bild 
aller Eriegerifchen und fittlichen Tugenden werben. 

Das Cinhorn allein, an welches die aͤlteſten Chriften vorzüglich 
dachten, war kein Gegenftand für Kunftvorftellungen, fo einfach dieſe 
aud waren; und da unfre Kehntniß derſelben fich faſt Lediglich auf 
diejenigen befchränkt, die in Rom und im Abendlande gefunden wer: 





326 Sinnbilder. 


den, fo können wir nicht einmal beflimmen, ob die morgenländifchen 
Chriſten diefes Symbol jemals gebraucht haben, Wir finden es zuerft 
in Deutfchland kurz vor der Karolingifhen Periode, 

Daß ältefte, auf uns gelommene Denkmal tft ein Hirtenftab, 
den entweder ber heilige Bonifacius ober der von ihm als erfler Abt 
zu $ulda eingefegte heilige Sturmius befeflen bat und der noch zu 
Fulda gezeigte wird. S. Bruns Lebensgeſch. des heiligen Sturmius, 
Fulda 1779, p. 61. In ber Krümmung diefes Stabes niet das Ein: 
born vor einem Kreuze. Diefes Denkmal ift alfo aus dem 8. Jahr⸗ 
Bundert. Man erlärt e8 als ein Symbol der in einer Einſam⸗ 
keit angelegten Abtei Sulda, weil das Einhorn die 
Einſamkeit liebe — Eine andere Vorflellung giebt ein Ges 
mälde in einer alten Handſchrift, wo der britte Abt, Ratgar von 
Zulda, der im Anfange bes 9. Jahrhunderts lebte, in einem Gebäude 
mit dem Hirtenſtabe in der Hand fieht, und neben ihm ein Einhorn, 
welches in eine Heerde Schafe hineinfpringt und fie in bie Flucht jagt. 
Lin Bild der Vertreibung ausgearteter Mönde,.. 
die diefer Abt nothwendig fand. Hier if alfo das Einhorn 
ein Bild kloͤſterlicher Zucht und Keuſchheit. — In den fpätern Kunſt⸗ 
vorfielungen wird es ungezweifelt auf bie unbefledite Empfängnis Mariaͤ 
angewandt, Kinhömer finden fih auf Gemaͤlden des 15. Jahrhunderts, 
von benen einige ausführlich beichrieben find (ein folches. Gemälde bes 
findet fih in der großherzoglichen Bibliothek zu Weimar), die aber, 
da fie unferm Zeitalter zu nahe find, hier nicht umſtaͤndlich abgehan⸗ 
beit werden koͤnnen. — Wir geben über 


3) auf die Sifhe, als ein anderes chriftliches Sinnbild. 
Die Worte Jeſu zu Petrus und Andreas (Mit. 4, 19, Dec. 1, 17.): 
Ih will euh zu Menfhenfifhern madhen, und ber 
wunderbare Fifhfang Petri im See von Tiberias, Luc. 5, 2. 7., wa: 
ven die Veranlaffung diefes bei den alten Chriften fo beliebten Sym⸗ 
boj6 ,“ welches durch die Erinnerung an bie Taufe eine um fo größere 
Bedeutſamkeit erhielt. Denn wer zum Chriftenthume übertrat, ward 
ins Waſſer, das Element, in welchem Fiſche allein leben können, ges 
taucht, daher auch die Chriften den mpfliihen Namen Sifche, 
Sifhlein, (piscieuli) erhielten. So werden fie in dem alten 
Dpmnus bel Clemens von Alerandrien genannt, wo ber Herr ange: 
redet wird: | 


Biſcher dee Sterblichen, 
Der du a6 feinbiche Blu 
Die deinen Bifde fängft 

ie 
. en diſce ſans (Am Schluffe des Paͤbagogen.) 
In demfelben Sinne fagt auch Tertullian: Aber wir Sifchlein 
werden nah unferm Sifche, Jelus Chriftus, im 
Waſ fer geboren; und von der Quintilla, einer gnoſtiſchen Leh⸗ 
verin, fagt er: Daß fie es am beiten verftanden habe, 
die Sifchlein zu tödten, nämlidh die Chriften durch 
falfhe Lehren und Abfhaffung der Taufe, welche ihre 
falſche Lehre verwarf, zu verderben. 


- 


Sinnbilder. 327 


Dieſer Gedanke warb auch oft bildlich ausgebruͤckt. Wir finden 
haufig auf Grabfleinen in den Katakomben, einen ober zwei Fiſche, 
zum Zeichen, daß diejenigen, denen fie geſetzt waren, fi zum Chris 
ſtenthume befannten. Einzelne bei Aringbi I. 806. I. 12. 151. 
Boldetti p. 8360 — 366, zumeilen mit einem Anker, dem Bilde ber 
Hoffnung, oder auch mit einer Taube, dem Bilde der Unfhuld. Auch 
zwei Sifhe, um vielleicht zwei chriſtliche Ehegatten zu bezeichnen. 
Diele ſtehen gleichfalls zuweilen auf beiden Seiten eines Ankers, befons 
ders auf gefihnittenen Steinen, 3. B. bei Mamachi I. p. 81; vielleicht 
beflimme zu Brautringen chriftlicher Verlobten und Ehegatten. Auch 
auf Begräbnißlampen finden wir fie, Aringhi U. 332. mit dem Mono⸗ 
gramme Chriſti, und felbft in Blei ausgeprägt, wahrfcheinlich für arme 
Chiften, die keine Koften an einen gefchnittenen Stein wenden konn: 
ten. Kine ſolche Vorſtellung giebt d’Agincourt Livraison Il. Tab. 
VIII. 25. eine andere Fieeroni Piombi antichi Tab. XXI. 16. End: 
lih find au aus den Katalomben kryſtallene Fiſche zum Vorſchein 
gekommen, mit eingegeabenen Zahlen, die Niemand bisher erklärt hat. - 
Boldetti 516. Die Zahlen find X. XX. XXV. Wielleicht waren 
diefe Fiſche Teeserao, Einlaßzeichen zu gottesdienſtlichen Verſammlun⸗ 
gen, befonders in den Zeiten der Verfolgung. Aleiin nicht blos ſich 
ſelbſt nenmten die Chriſten Fiſche und Fiſchlein. Auch Chriftus hieß 
vorzugsweife in ihrer myſtiſch⸗ſymboliſchen Sprache der Sifh. In 
den talmudifhen Schriften finden wir ben Meſſias vorzugsiwelfe 37 
genannt. Die Juden festen ihn mit dem Himmelszeichen ber Fiſche 
in Verbindung ; denn eine Conjunction der Planeten Jupiter und Sa: 
tun in der Conflellation der Fiſche ſollte ja feinen Tod verkuͤndigen. 
In der Gemara ift die Rede von ben Zeichen, bie vor feiner Ankunft 
vorausgehen follten. Da iſt von pyan niuman, den Kriegen ber Tha⸗ 
ninim, bie Rede, und diefe nIxn erklart die Gloſſe dur DY37 Fiſche. 
Ein folder Kampf der Sternbilder, als Verkuͤndiger einer reinen Relis 
gion, die den Goͤtzendienſt vernichten fol, wird auch in den fibplinis 
ſchen Liedern angedeutet, wo ed am Ende des. 5. Buchs heißt: 

Ixsvec elsedvoyso xara Lwornea Akovsog. 

Die Zifche drangen in ben Gürtel des Löwen. 
Kein Wınder alfo, daß auch Chriften auf diefelbe dee verfielen, bes 
ſonders da fie entdedten, da& die Anfangsbuchſtaben des Namens Chriſti 
Inooüg Xpıiosög Oeoü "Yös Zwrne bad Wort IXOYC Fifch bildes 
fen. Dieſes gab dann zu Akroſtichen Gelegenheit, an denen bie ſpie⸗ 
lende Phantafie jener Zeiten großen MWohlgefallen fand. Ein folches 
akroſtichiſches Gedicht, in dem jede Zeile mit einem Anfangsbuchſtaben 
Diefer Phrafe der Reihe nach anbebt, haben wir in ben fibyllinifchen. 
Liedern bei Galläus p. 723. Und fchon Eicero bemerkt dergleichen ' 
Akroſtichen in diefen Gefängen, de dirinatione Il. e. 54. Das Wort 
IXOYZ kommt übrigens noch haufig vor auf Steinfähriften und auf 
Münzen, zumweilen_nod mit dem binzugefügten Buchſtaben N, welches 


: obme Zweifel NIKA bedeuten fol. Auch auf ihren Schildern und 


Panieren follen die alten Chriften biefen Namen eingegraben haben 


und deshalb des Fiſchdienſtes beſchuldigt worden ſeyn, welcher Vorwurf 


um ſo mehr Glauben gefunden haben mag, als das Chriſtenthum aus 
den Gegenden des Morgenlandes ſtammte, in denen eben der Dienſt 





328 &innbilder. 


ber Sifchgötter zu Haufe war. Auch in den Zaufcapellen follen zumeilen 
Fiſche neben dem Kreuze der Taube und dem Naben aufgehängt werden 
fen. — Daß feldft die Lehrer der Kirche dem Exlöfer den „Namen 
Fiſch gaben, haben wir bereits bei Tertullian geſehen, aber es wird 
auch aus Stellen bei Auguſtin und Optatus von Mileve beftätigt. 
. Erfterer fagt de eivitate Dei I. XVIII. co. 25.: IXOYZ in quo 
nomine mystice intelligitur Christus, eo quod in hujus mortalitatis 
abysso, velut in aquarum profunditate vivus, h. e. sine peccato 
esse potuerit. — Optatus aber’fagt: Hie est pisois, qui in baptis- 
mate per invocationem fontalibus undis inseritur, ut, quae aqua 
fuerat, a pisce etiam piscina voeitetur ? 

Nun ward auch der von Tobias gefangene Wunberfifh auf Chri⸗ 
flus gedeutet, und beshalb in der Hand des jungen Tobias abgebildet. 
Mir haben mehrere Gemälde bei Aringhi und Buonaroti, bie Jeſum 
auf diefe Art darſtellen. Bon ihm fagt ber Verfaffee der Schrift de 
Promissionibus divinis unter den Werken des Profper von Aquitanien: 
Hoc (bie Heilung des alten Tobias) egit piscis magnus ex passione 
sua, Christus — — qui tributum, pro se et pro Petro et caecato 
Iunıen reddidit Paulo, satians ex se ipso in litore discipulos et 
toti se offerens mundo ?y$vr. Namque latine piscem sacris literis 
majores nostri hoc interpretati sunt, ex sibyllinis versibus colli- 
gentes, quod est Jesus Christus Dei filius, Salvator, 
Piscis in sua passione deooctus, cujus ex interioribus remediis quo- 
tidie illuminamur et pascimur, Ungefähr daſſelbe fagt Augüſtinus 
Sermone IV, de S. 8. Petro et Paulo. Auch der anonyme Verfaſſer 
der unter dem Namen bed Julius Africanus vorhandenen Schrift über 
bie Begebenheiten in Perfien zur Zett der Geburt Chrifti nennt ihn 
den großen, am Jamen der Gottheit gefangenen, 
und die ganze Welt, als ob fie im Waffer wäre, 
mit feinem eigenen Sleiſch ernährenden Siſch. Mag 
übrigens die Vergleihung Chrifti mit einem Fiſche den Heiden nicht 
allein nicht anſtoͤßig, fondern fogar gefällig gewefen feyn, da: fie ſelbſt 
eine Sage von einem heiligen Fiſche, Anthlas, hatten, dem fie bie 
Eigenſchaft beifegten, daß, wo er fi im Meere befände, ein Unge⸗ 


heuer zum Borfchein käme: fo mögen fie dann vielleicht um fo lieber , 


ben Ueberwinder des Zeufels und feiner Dämonen mit biefem fiegreis 
chen Fifche verglichen haben, ber in ber verborgenen Tiefe des Meeres 
berrfchte, wie das Zeichen des Kreuzes in ber fihtbaren Natur. Vergl. 
überhaupt J. Cyprian de nomine Christi ecclesiastico acrosticho 
Ixus, piseis. Lips. 1699. 4. und Anselm Cortadoni diss. aopra 
il pesce come simbolo di Gesu Cristo. In der Raccolta d’opus- 
eoli seientif, © filolog. Tom. 41. p. 247— 337 (Vened. 1749. 8.). 
— Ein anderes. chriftliches Sinnbild, der Thierwelt entnommen, ift 
4) der Hahn. Bei den Griechen war der Hahn das Symbol 
ber Wachſamkeit, und kommt häufig, befonderd auf Gampanifchen 
Münzen vor. So muß er auch wohl auf einem Grabfteine bei Aringhi 
1. 829., und einem andern bei Mamachi IH. 98., und Boldetti 360. 
gebeutet werden, der einem SOjährigem Chriften Donatus gefegt iſt. 
Um die Wachfamkeit der Lehrer zu bezeihnen, fol 
len, dem Aringhi zufolge, die alten Chriften Hähne 


Sinnbilder. nn 329 


auf die Zinnen Ihrer Birken gefesgt haben, und. 
Aringhi deutet darauf eine Stelle Gregors des Großen 1. I. in Ezech. 
homil. 11.: Speoulator quippe semper in altitudine stat, ut, quid- 
quid futurum est, longe prospiciat, et Quisquis populi speculater 
ponitur, in alto deb et stare, ut possit procedere per providentiam. 
Daher .. wohl noch der Wetterhahn auf unfern Kicchthürmen abzu⸗ 
leiten i 

Auch kämpfende Hähne finden wir abgebildet. Einmal einen auf 
einer Glasſcheibe bei Boldetti 216. mit der Inſchrift PUEZESES. 
Die Hähne fliehen kampfbereit zwiſchen zwei geflügelten Genien, bie 
fie aufzumuntern: fheinen, und von denen der eine einen Palmzweig 
in der Hand hält. Dann auch auf einer Marmortafel bei Aringhi IM. 
829., wo ein figenber Genius einen Hahn an einem Fuße hält, dem ein 
anderer auf den Kopf tritt. Meben ihm fleht ein Genius, ber ein unbes 
kanntes Inſtrument hat. Sollten etwa diefe Bilder den Kampf des Chriften 
mit feinen Leidenfchaften oder gar mit dem Teufel vorftellen? Bei den 
Morgenländern hat ein Dämon die Geſtalt eines Hahns und heißt bei 
den Arabern und Perfern: Dik el Dschin. Allein wie follten wir in 
eömifchen Katatomben Begriffe der Art, von deren Alter wie nicht eins 
mal Kenntniß haben, fuchen ? Noch ift zu’ bemerken, daß der Hahn 
auf den Sarkophagen mit Petrus in Verbindung gefegt ift, um damit 
auf feine Berleugnung anzufpielen. — Als chriftlihes Symbol aus 
der Thierwelt kommt auch vor 

5) der Hirfd. 

ak ber Hirſch ſchmachtet nach ber Wafferquelle, u 

So ſchmachtet, Bott, mein Herz nad bir, HL. 42, 1. 
Diefe Worte des heiligen Dichters erklären das Spmbol, welches wie 
ziemlich häufig unter ben cheifllihen Alterthümern antreffen. Wir fins 
den es auf einem Wandgemälde in einer roͤmiſchen Katakombe (Aringhi 
1. 31. und Ciampini Il. Tab. 8.), wo zmei Hirſche ein Gefäß zwifchen 
fi) haben. Häufig fehen wir es auch auf chriſtlichen Grablampen. Ein 
Gemälde bei Aringhi II. 275. flellt die Taufe Jeſu im Jordan vor, 
an befien Ufer ein Hirſch ſteht. Aringhi erkennt zwar in diefem Dirfche 
Chriſtus felbft und beruft ſich auf die Worte des heiligen Ambroſius: 
Chriſtus fei in diefe Welt wie ein Hirſch gefommen (de offic. II. 1.), 
allein diefe Erklärung ift um fo gefuchter, da Chriſtus ſelbſt im Jor⸗ 
dan ſteht und der Hirfch fehr leicht auf ben Chriflen gedeutet werden 
kann, ber das Gemälde verfertigen ließ. 

Wie ſehr dieſes Symbol in der alten Kirche geachtet war, erhellt 
daraus, dag Conſtantin der Große, dee feine neue Stadt mit aus den 
Heidnifchen Tempeln genommenen Statuen [hmüdte, auch einen eher: 
nen Hirſch Öffentlich aufftellte.e Romuald von Salerno hat zwar bie 
Nachricht, daß diefer Kaifer filberne Hirſche und Laͤmmer in den Kits 
chen gufgeftellt habe, ohne jedoch die Duelle anzugeben, aus welcher 
er diefe Nachricht ſchoͤpfte. Papft Hilarius fchenkte der Johanniskirche 
in Rom ſilberne Hirſche, aus deren Munde Waſſer in den Taufſtein 
flof. (Anastas. ip vita Hilar, Ed. Vignolii romana p. 157.) Mun⸗ 
ter zeigt bei diefer Gelegenheit, daß dieſes Hirſchbild auch fpäter ein 
betiebted Symbol geblieben fej, denn er fand es ſelbſt noch in mehrern 
Dorflichen Daͤnemarks. 








330 | Sinnbilder. 


Da die Erklärung dieſes Sinnbildes aus Pf. 42. völlig binreicht, 
fo können wir andere, zum Theil ſehr gefuchte Deutungen deſſelben 
übergehen. Merkwuͤrdig ift es, daß im vorchriſtlichen Alterthume ber 
SYickh als Sinnbild der Seigheit aufgeflellt wird. Man findet 
dieg von Homers Zeiten an, wo ber Achill dem Agamemnon das Ders 
eines Hirſches beilegen laͤßt. So fpottet auch Ariftophanes in den 
Bolten V. 35%,: Darum baben fie (die Wolken) ges 
ftern Bleonymos wohl, den Schildabweifer, gefeben, 
nd find, weil fie diefen verzagteften faben, zu 
Hirſchen geworden. Und die Hirfhe auf der Krone der Rha⸗ 
nanufifhen Nemeſis deuteten wahrſcheinlich auf bie ſchimpfliche Flucht 
der Perſer in der Marathonifhen Schlacht. Diefer Deutung bedient 
ſich auch Zertullion, der in feiner Schrift: de corona militis, Die 
ex, [hon zum Montaniemus übergetieten, berausgab, Cap. 1. von den 
katholiſchen Bifchöfen behauptet: Sie wären in Srieden [ds 
wen, in der Schlacht aber Hirfche, 


Daß es aber Chriften gab, die am 1. Sanuar fih in Xhier: 
und befonbers in Hirfchfelle Pleideten, und in dieſer Vermummung als 
Bacchanten umberliefen, fo wie die Aufzüge der Helden in Ziegenfellen 
noch in den festen Zeiten bes Heidenthums beſchrieben werden, verdient 
bei dieſer Gelegenheit einer Erwaͤhnung. Wahrſcheinlich ſollten dieſe 
Vermummungen ſymboliſche Handlungen ſeyn. Unſer Berichterſtatter 
iſt Hieronymus de seriptionibus ecclesiasticis e. 109. Aus ihm ers 
fahren wir, daß Pacianus, Bilhof von Barcelona, aus ber lebten 
Hälfte bes 4. Jahrhunderts ein jetzt verlornes Buch, Cervus oder Cer- 
valus, gefchrieben habe, und aus dem Zitel läßt fich fchliegen, daß es 
befonders Hirſchfelle gewefen find, beren jene Chriften fih bei folchen 
Gelegenheiten bedient haben. — In biefe Rubrik chrifllicher Sinnbil⸗ 
ber gehört‘ ferner auch 

6) das Lamm. Siehe das Lamm Bottes, wel: 
hes der Welt Sünde trägt! Joh. 1, 29. Diefe Worte 
bes Taͤufers veranlaßten die erflen Chriften zur Wahl dieſes fchönen 
Bildes. Sie fanden es auch in ber Offenbarung Johannis 5,6. 

Und ich fhout’, in ber Mitte bes Thrones, ber Wunbergeftalten. 

Und ber Xelteften ſtand das geopferte Lamm, das batte 

Sieben Hörner und fieben Augen; bieß find bie fieben Geiſter bes Herrn, 

Die er über ben Kreis ber Erde verfenbet. 
Über fie fcheinen diefes Bild, wiewohl es das Lamm in feiner Herr 
lichkeit als Gott mitthronend (ovvIgovog, wie die Griechen fagen) vors 
ſtellt, In ihren Bildwerken nicht berüudfihtigt zu haben. Da hingegen 
bildeten fie den Widder, welchen Abraham anftatt feines Sohnes Iſaak 
auf dem Berge Moriah opferte, und ben bie alte Kirche für ein Vor⸗ 
bild Chrifti hielt, Häufig in den Reliefs, Moſaiken und Gemälden ab, 
die dieſes Opfer vorftellten und in den chriftlihen Liedern ward Chriſtus 
oft Lamm und Widder genannt. Im Epigramme des Damafus von 
den Beinamen bes Erloͤſers, heißt er Ovis, Agnus und Aries. Agnus 
bei Ennodlus und ebenfalls Agnus und Ovis bei Orientius. 


Nicht allein aber Chriftus, auch feine Apoflel wurden fo vorge: 
ſtellt. Er iſt das Lamm, fie feine Schafe; und wo ber gute Hirte 





“ Sinnbilder. 331 


abgebildet iſt, da ſind die ihn begleitenden Schafe augenſcheinlich ſeine 
Bekenner. Mit dem Namen des Erloͤſers iſt benannt ſeine Heerde, 
ſagt ein alter fprifcher Kirchengeſang. Vergl. Dahn über den ſpriſchen 
Geſang in Vaters Archiv f. KG. 1823. HL p. 102. 
Die alte Kirche fleiit das Lamm, wenn es Chriftus bezeichnen 
ſollte, gewoͤhnlich mit dem Kreuze vor. Bald trägt es dafleibe mit 
dem rechten Vorderfuß auf der Schulter, bald ſteht es mit dem Kreuze 
oder dem einfachen Monogramme Chriſti auf dem Haupte. Atinghi I. 
185. Il. 205. und auf einem Gemälde bei Bottori Il. Tab. 91. 
Es ließe fich vielleicht annehmen, daß 28, wo es neben Chriflus auf 
Sarkophagen mit dem Monogramme auf dem Haupte ſteht, jenem 
fprifhen Liede zufolge, die Heerde Chrifti, d. i. die chriſtliche Kirche, 
bedeute. Auch ward es, wie wir aus des Paulinus von Nola Bes 
fhreibung der Gemälde in der von ihm errichteten Kirche des heiligen 
Felix zu Nola fehen, vorgeftellt, wie es von Gott gekrönt wird, 
An bes Lammes Geftalt ftebt unter dem blutigen Kreuze, 
Chriflus, das Lamm, dem gewaltfamen Tod ein unfchulbiges Opfer. \ 
Welchen ber heilige Geift erfüllt mit dem Vogel ber Sanftmuth, 
Welhem aus .feuriger Wolle bie Krone reiht dem Vater. 
Das Gemälde fcheint alfo aud das Kreuz und die Taubengeſtalt, bie 
auf das Lamm herabfchwebte, vorgeftellt zu haben. Wir finden das 
Lamm oft auch auf den Marmorfarlophagen und den Mofailen, wels 
che die Dome ber alten Kirchen fhmüden. Auf den Sarkophagen 
wird es gewöhnlich von 12 Schafen begleitet, die auf beiden Seiten 
ſtehen, und in denen fich die Apoftel nicht verkennen laffen, wiewohl 
auch einige die 12 Stämme Iſraels darunter verfiehen; welches aber 
nicht wahrfcheintih iſt, da roͤmiſche Chriften, größtentheil aus den 
Heiden, wohl wenig Rüdfiht auf bie ifraelitifhen Stämme genom⸗ 
men haben, und die Apoftel ihnen weit näher waren. Zumellen ſteht - 
das Lamm auf einem Hügel, aus dem vier Ströme fließen, mit einis 
gen Laͤmmern am Fuße beffelden. Zweimal Chriſto zur Seite. Der 
Hügel ift der Berg Gottes, beim Ezechiel 41, 18. das Paradies. Die _ 
vier Ströme find die Evangelien. Vielleicht dachte man am die Stelle 
der Öffenbarung 7, 17.: . 
Denn fie weidet das Lamm auf bem Thron und fährt zu den Quell 
Sie, aus welchen bad Wafler des Lebens entfpringt. 
So befchreibt auch Paulinus von Nola ein Gemälde: 
Gr fleht auf dem Felſen, felbft der Kirche Fels! 
Aus welchem tönenol vier Quellen fließen, 
Des Heilandes Lebensftröme,, bie Eoangeliflen. 
Und Florus, Diaconus zu Lyon, hat ein ähnliches Bild vor Augen: 
Schimmernd vom Lichte des Lammes, ergießen aus Einem 
Parabiefiihen Quell vier Flüffe Jeruſalems, Leben, 
Boſius giebt uns in feinem Werte de coruce triumphente 1. VII, 
e. 12. eine Vorkelung des Lammes, das unter dem Huͤgel des Kreus 
zes flieht, und aus beffen Seite und vier Zügen fünf Quellen fließen. 
Hier find es die fünf Wunden Cheifli. Schade, daß das Zeitalter dies 
ſes Bildes nicht befiimmt werden kann. . ’ 
Lange war das Lamm in der alten Kiche das Symbol Chriſti. 





- 


3323 | Sinnbilder. 


Eine der ſpaͤtern Vorſtellungen deſſelben iſt in einem Gemaͤlde Aringhi 


II. 208. enthalten aus dem Coemeterio des Marceſlinus und Petrus 
in ber Via Labicana. Chriſtus ſitzt mit dem Nimbus ums Haupt, 
in dem A und 2 fiehen, zwiſchen zwei Heiligen, wahrſcheinlich Moſes 
und Elias. Unter ihm das mit dem Monogramm in einem Nimbus 
gekrönte Lamm auf einem Hügel, aus dem vier Quellen entfpringen, 
zu beiden Selten vier Heilige, deren Namen über ihnen gefchrieben 
find, die ihm zujauchzen und Blumen ftreuen. Die Namen der Hei: 
ligen find: Gregorius, Petrus, Marcellinus und Tiburtius. 


So ward dann Chriftus unter der Figur des, Lammes in der alten 
Kirche abgebildet, bis das Zrullanifhe Goncil (Quinisextum, wie es 
auch heißt) zu Gonftantinopel diefe Vorſtellung im Sabre 692 verbot. 
Es ſcheint, daß die Myſtik und fpieleride Phantafie des Zeitalter mit 
bem Bilde des Lammes Mißbrauch getrieben hat, und daß die Väter 
des Concils fi) daher bewogen fanden, vorzufchreiben, dag Chriftus 


. nicht anders als in vollfommener menfchlicher Geftalt vorgeftellt werden 


ſolle. Es ift der 82. Canon diefes Eoncils, in dem es heißt: „Auf 
„einigen Gemaͤlden der ehrwürdigen Bilder wird das von dem Finger 
„des Vorlaͤufers gezeigte Lamm vorgeftellt, das als ein Typus der 
„Gnade angenommen ift, und uns das wahre Lamm, durch das Ges 
„ſetz, Chriſtus, unfern Gott, vorbildet. Wir nehmen alfo die alten‘ 
„Typen und Schatten, welche der Kirche als Zeichen und Vorbilder 
„der Wahrheit übergeben find, an, fchägen die Gnade und die Wahr: 
„heit, diefe als Erfüllung bee Mahrheit empfangend. Damit nun das 
„Bolllommene auch mit Farben vor aller Augen dargeftellt werde, be: 
„fehlen wir, daß die menfchliche Geſtalt Chriſtus, unſers Gottes, der 
„die Sünden der Welt trug, audy von jegt an in den Bildern anftatt 
„des alten Lammes errichtet (ausgehauen) und ‚gemalt werde, damit 
„wir durch dieſelden bie Hoheit der Erniedrigung des göttlihen Wortes . 
„erkennen, und zur Erinnerung feines Wandeld im Fleiſche, feiner 
„Leiden und feines felig machenden Todes und der daraus entilandenen 
„Erloͤſung der Welt geleitet werden.” 


Diefer Canon hatte jedoch zunaͤchſt nur auf den Orient Ein: 
fluß. Denn die römifche Kirche verwarf, als ihren Grundfägen und 
Gebräuhen widerfprechend, fünf Canones des genannten Concils und 
unter diefen auch den zweiundachtzigſten. Erſt Hadrian I. genehmigte 
das Concilium, und bis dahin wenigftens, alfo bis zum Zeitalter Karla 
des Großen, war bie Vorftellung des Lammes nicht in der abendländi> 
fhen Kirche verboten und das ſchon erwähnte Gemälde ‚bei Aringhi 
fcheint aus jener Zeit zu feyn. 


Noch in fpätern Zeiten finden wir in der roͤmiſchen Kirche das 
Lamm neben dem Grucifif, das eine mit dem Bilde des Gekreuzigten 
aus Gold und ein Kamm aus Gold mit Edelfteinen verfertigt, und 
die Agnus Dei der katholiſchen Kirche find allgemein befannt. (©. den 
befondern Artikel.) Wie fehr jedoch die Abbildungen des Lammes zum 
Aberglauben veranlaßten, beweiſt unter andern die Aeußerung des mit 
Karl dem Großen aufgeflärten gleichzeitigen Biſchofs Claudius von 
Turin, von dem die Waldenfer ihren Urfprung herleiten. Asti (die 
Lateiner) perversorum dogmatum auctores, agnös vivos volunt 


‘ 


Sinnbilder. 333 


vorare, et in pariete piotos adorare. — Zuweilen findet man auch 
als chriſtliches Sinnbild 
7) den Löwen. | 
Weine nit, Macht und Bewalt ift worden bem Löwen von Juba, 
Davids Sproͤßling, zu Öffnen bas Bud, die Siegel zu brechen. 
' Offenbar. 5, 5. 
Chriſtus wird durch dieſes mächtige Thier ſymboliſch vorgeſtellt. 
Bereits bei den Juden ſoll das Bild des Loͤwen im Paniere des Stam⸗ 
mes Juda geweſen ſeyn. (Offenbar aus der Weiſſagung Jacobs 1 Moſ. 
49, 9., wo Juda ein junger Loͤwe genannt wird); um ſo leichter 
iſt es zu. erklären, wie dieſes Symbol auf die Chriſten übergehen 
konnte. Es wird indeſſen nur felten gefunden; denn die Löwen, neben 
dem Propheten Daniel, die man oft fieht, gehören nicht hierher. 
Einen einherfchreitenden Löwen auf einem alten Grabfteine giebt Mas 
madji Ill, p. 91. Seltener kommt als chriſtliches Sinnbild vor 


8) der Ochſe. Einen Ochſen giebt Aringhi I. 323. Zwei 
Ochſen derfelbe U. 153. Auch Bottori Taf. 68. zweimal. Ueber die 
Bedeutung beffelben ift es fchwer eine beflimmte Meinung zu faſſen; 
denn Aringhi führt eine große Menge von Erklärungen an. Er fol 
ein Symbol feyn Chrifti, der Apoftel, ber Vertheidiger des Glaubens, 
ber Gerechten, der Juden, des Evangeliften Matthaͤus u. f.w. Wenn 
wir uns des mofaifhen Geſetzes erinnern, das dem drefchenden Dchfen 
das Maul zu verbinden verbeut (5 Mof. 25, 4.) und worauf ber 
Apoftel mit Rüdfihe auf den Unterhalt der Religionslehrer 1 Cor. 
9, 9. 1 Tim. 5, 18. anfpielt; fo wäre vielleiht die Deutung, daß 
Lehrer der Religion unter diefem Bilde verftanden werden, die annehm⸗ 
lichſte. So fagt Gaffiodor in’ Pf. 65. boves intelligit praedicatores, 
qui pectora hominum feliciter exarantes eorum sensibus coelestis 
verbi semina fructuosa condunt. ben fo im Comment. in Pf. 8. 
‚Der Leichenftein bei Aringhi I. 323. wäre dann leicht zu erklären. 
Das Bruſtbild iſt die Abbildung eines vömifchen Presbyters; unter 
derfelben die Zaube und der Ochle, die Charakteriſtik eines uns 
ſchuldigen, rehtfhaffenen und arbeitfamen drift: 
Lihen Lehrers. Daneben Daniel in ber Löwengrube und Mofes, 
der das Waſſer aus dem Felfen heroorfpringen läßt. Symbole des 
Glaubens und Vertrauens auf Gott. Daß der Ochfe auch dem 
Matthäus beigefellt wird, wie Aringhi IL. 228. fagt, muß in einer 
abweichenden Vorſtellung von den Xhieren der Evangeliften feinen 
Grund haben, die wir nicht mehr kennen (f. die Evangeliften). Die 
Bedeutung des Dchfen als Lehrers findet ſich audgefprochen in einer 
Viſion, die ein ChHrift zu Serufalem, Namens Lucian, gehabt haben 
fo. Ihm träumte naͤmlich, Gamaliel fei ihm erfhienen und habe 
ihm gefagt: Er fei nebft Stephanus, dem eriten Märtyrer, Nikode⸗ 
mus, und einem, Namens Abibus, nahe bei Caphar Gamala begra: 
ben und wolle befreit werden. Dreimal erfhien er ihm. In der 
dritten Bifion träumte dem Lucian, er gehe zum Bifchof Johann von 
Jeruſalem, ber ihm fage: „Wenn Gott wirklich dir fo große Dinge 
„offenbart, fo muß ich dir auftragen, mie jenen größern Pflugochſen zu 
„übergeben und dich mit dem Pleinern Dchfen zu begnügen.” — Beim 
Erwachen verftand Lucian ſogleich, daß ber heilige Stephanus durch den 


334 Sinnbilder. 


größeren Dchfen bezeichnet ſei. Baron. Annal. ad a. 445. no. 7 seyq. 
— Nicht ganz gewiß iſt, ob das Thierbild, entlehnt vom 

9) Pelikan, dem deiftlihen Alterthume angehörte. ine von 
ben Noturforfhern unverbürgte Sage behauptet, daß die junge Brut 
des Pelikans, während fie im Nefte bei den Aeltern ift, ſelbſt ihre 
Aetzung fuhe, indem fie bie Fiſche aus dem Kropfſack berfelben mit 
ihren Schnäbeln herausziehe. Daraus fcheint eine andere Sage ents 
flanden zu ſeyn, daß dieſer Vogel ſich felbft im der Bruſt vermunde, 
um feine Jungen mit feinem Blute zu ernähren. Wir können dieſes 
Sinnbild nicht ganz mit Sicherheit zu dem chriftlichen rechnen, ob es 
gleich entfchieden ift, daß der Pelikan im Mittekälter und auch noch 
in fpätern Zeiten zum Spmbole des ſich für die Eridfung 


der Menfhen aufopfernden Heilandes geworden 


if. Vergl. Jo. Pierii Valeriani Hieroglyphica p. m. 241. 

Allein Schöne giebt uns in feinen Geſchichtsforſchungen II. p. 
210. Nachricht von Saͤulenknaͤufen in der Kirche des heiligen Caͤſa⸗ 
eins von Rom, auf denen Pelikane, die fich die Bruft öffnen, zu 


“ fehen find und zwifchen bdenfelben bie aͤgyptiſche Lotosblume und die 


Hofe, das Zeichen des Stillſchweigens. Diefelbe Kirche hat eine 
Menge von Zierrathen, Eulen ber Minerva, Sphinze und dergleichen, 
Es dürften alfo auch Bautruͤmmer von. heidnifchen Paläften und Tem: 
peln bei ihr angewendet worden und ber Pelikan mithin heidnifchen 
Urfprungs fepn. Sie iſt in der That auch fehr alt und fleht nahe bei 
dem Locale eines Palaftes, den Garacalla bei feinen Bädern erbaut 
baben fol. (S. Martiani Antig. Rom. Topographie 1. IV. c. 7.), 
daher man auch Ihren frühern Namen Aedes S, Caesarii in Palatio, 
zu erklären hat, welchen Anaflafius im Leben bes Papftes Sergius, 
der in Ihr erwählt warb, anfuͤhrt. Auch Papft Gregor der Große, 
erwähnt ihrer. Es gehört demnach ber Pelikan zu ben ungewifien 
Sinnbildern im chriftlihen Alterthume, ob er gleih im Mittelalter 
ale Sinnbild der aufopfernden Liebe des Weltheilandes deſto Öfterer 
vorkommt. 

10) Der Pfau. Der gehelligte Vogel der Juno, den wir auf 
bildlichen Vorſtellungen des Heidenthums fo oft antreffen, und den 
befonder6 die Römer auf ben Gonferrationsmünzen ihrer Kaiferinnen, 
fo wie ben Adler, auf denen ber Kalfer barftellen, war bereits in ihren 
Augen ein Symbol ber Unſterblichkeit. Sein mit vielen goldſchim⸗ 
mernden Flecken auf blauem Grunde gefhmüdter: Schweif erinnerte an 
die Sterne, und brüdte daher bildlich die Legende der Münzen: Side- 
ribus recepta aus, ©. Rasche Lexic. rei numariae s. v. Pavo IV. 
IL p. 929. Wir finden auf den Münzen den Pfau bald ſtehend mit 
nachfchleppendem ober ausgebreitetem Schweife, bald ſchwebend mit ber 
Seele der Kalfer, die er in den Himmel trägt. Zuweilen {fl er au 
als Vogel ber Juno, ein Bild der ehelihen Eintracht der Kaiferin mit 
ihrem Gemahle, mit ber Umfchrift Concordia. Vorherrſchend tft aber 
die Idee der Unfterblichkeit; und deshalb finden wir den Pfau auf 
chriſtlichen Denkmaͤlern vorgeftelle. Sein langer Schweif, zumal der 
außgebreitete, wmterfcheidet ihn fo deutlih vom Phoͤnix, daß er mit 
diefem nicht verwechfelt werden kann. Auch der Orient, befonders ber 
muhamebanifche, verbindet ja mit dem Pfau einen hoͤhern Begriff; 


Sinnbilder, 335 


benn der Himmelspfau Thane bag bekischt, tft im morgenlaͤndiſchen 
Mythus einheimifh, nnd dürfte vielleicht viel Alter feyn, als der Koran. 

Die Kirchenväter nennen zwar den Pfau nirgends ein Bild der 
Unfterbliggkeit; denn dem Hieronymus ift er das Symbol des juͤdiſchen 
Volks, fo wie des bemfelben eigenthuͤmlichen Stolzes. Indeſſen muß 
doch den alten Chriften eine Idee ‚vorgefchwebt haben, bie fie mit die⸗ 
fem Bilde verbanden; denn Auguflin de civitate Dei I. XXL ce, 4, 
bedient fich des Pfaues, deffen Fleiſch unverwestich fei, um zu bemeis 
fen, daß die Verdammten im hoͤlliſchen Feuer ausdauern koͤnnen. 
Quis enim nisi Deus creator omnium dedit carni pavonis mortui, 
me putresceret? Quod cum auditu incredibile videretur, evenit, 
ut apud Carthaginem nobis cocta apponeretur haee \avis, deſſen 
Fleiſch ſich noch nad Jahresfriſt erhalten habe. Möglich aber iſt es 
auch, daß die alten Chriften diefes Symbol, welches ja nichts Abgäts 
tifches enthielt,‘ wie fo mande andere aus dem Heidenthume ents 
lehnt haben, 

Wir finden fo den Pfau auf dem Sarkophage ber heiligen Gotts 
flantia zweimal an ben beiden Eden, tn der Mitte ein Lamm, das 
Bild der Unfchuld, die der Unfterblichdeit würdig madıt, und eines 
Senius mit einem Blumengewinde in der Hand. Alles diefes unter 
Fuͤllhoͤrnern mit Rebendlättern, zroifchen welchen. Senien fleben, welche 
mit Trauben befchäftige find, Aringhi II. 69. Eben fo ſtehen Lamm 
und Pfau neben einander auf einer Tafel bei Boldetti 36. Den ein» 
zelnen fichenden Pfau mit ausgebreitetem Schmeife aus einem roͤmi⸗ 
fhen Begräbniffe giebt Aringhi II. 328, jedoch. ohne Beweis dafuͤr, 
daß es ein chriftliches Denkmal feiz denn ber Ort, wo es gefunden 
wurde, iſt allein dafür nicht hinlaͤnglich, da auch Heiden in ben Kata 
komben beigefegt wurden. Stehend auf einem Baume fehen wir ihn 
auf einem Sarkophag, aus dem Coemeterio Vaticano bei Bardo 
p- 75, wo Ghriftus mit 9 Apofteln und Johannes und Maria zu 
feinen Füßen abgebilbet find, vielleicht aber da als bloße Verzierun 
des Dintergrumdes. So auch auf einem Dedengemälde ebendafelb 
P. 251 in einem Zimmer des Coemeterli Calisti, wo er mit ausge 
breitetem Schweife, von Laubwerk umgeben, auf einer Kugel ſtehend, 
mit Vorſtellungen bibliſcher Geſchichten fünfmal abwechſelt. Auch hat 
d' Agincourt ein Gemälde aus dem 4. Jahrhundert mit zwei Pfauen, 
in deren Mitte ein Kreuz fteht (Livraison Il. Tab. VI. 4.). Derfelbe 
Verfaſſer führt gleichfalls ein Gemälde an, aus einer in der Lauren: 
tinifchen Bibliothek zu Florenz aufbewahrten fyrifchen Handſchrift des 

T,, die in dem 6. Jahrhundert verfertigt feyn foll, im welcher zwei 
Dfauen in dem Gebäude ſtehen, in dem zwei Männer die Handfchrift 
vergleichen. Doch dürften diefe Pfauen bloße Werzierungen feyn ohne 
myſtiſchen Sinn. 

Sogar auf dem Kreuze haben wir einen Pfau. In St. Thomas 
in Indien warb ein Kreuz gefunden, wie Hieronymus Osorius de 
rebus gestis Emanuelis 1. II. und aus ihm Baronius ad an. 57. 
meldet, worauf eine Zaube abgebilbet war. Man f. bie Zeichnung in 
Kirchners China illustrata p. 55. Es ift aber keine Taube, fonbern ein 
Dfau, welcher das Wappen ber Stadt feyn fol, die davon felbft ihren 
Namen Pfauenflabt bat, wegen ber Menge von Pfauen, bie fich ehes 


336 Sinnbilder. 


dem in ben benachbarten Waldungen aufhielten. Immer aber deutet 
das Kreuz auf chriſtliche Begriffe UnfterblichPeit durch die 
Religion. Diefes Kreuz mag dann ein Denkmal ber alten indi⸗ 
[hen Kirche der Thomaschriſten, dieſer Colönie der antiocheniſchen 
Kirche, ſeyn! — Aus der heibnifchen Anbetungsweife ging als Sinns 
bild in die chriftliche über " 

11) der. Phönir. Diefer Wundervogel des Orients verliert ſich 
in die Nacht ber Vorwelt. Ob er mit dem Simurgh oder ber Anka 
bes altperſiſchen Mythus, den man unter den Bildwerken zu Perfepolis 
findet, einige Verwandtſchaft habe, wird ſchwer zu beflimmen feyn, ba 
wir ihm nichts von der jenem napbgerühmten Weisheit beigemeffen 
finden und fein Zod ber perfiihen ‚Sage fremb iſt. Wahrſcheinlich 
erhielten bie Perfer diefe Hierogipphe aus Aegypten. Woher fie in 
diefes Land früher Bildung gefommen, bat noch Niemand unterfucht. 
In Aegypten aber finden wir fie auf. den Monumenten von Thebais, 
an den Zempelmänden von Phild, Theben, Edfu und Isne. (Wie 
Münter behauptet, nie In Nieder: Aegypten.) Die ditern Schriftſteller 
erwähnen feiner von Herobot an. Beſonders merkwürdig iſt es, daß ber 
ernfte Zacitus von den gefchichtlichen Erſcheinungen deſſelben fpricht, 
unter Seſoſtris, Amafis, Ptolemäus IE, ja fogar unter dem Kaiſer 
Tiberius. Die uns aufbewahrten Sagen laffen ihn aus Indien kom⸗ 
men und in Arabien’ fterben. Sein Sohn, fo wird gedichte, bilde 
aus Myrrhen ein Ei, worein er den todten Körper lege. Diefe Bürde 
trägt er auf feinen Fittigen nad) Aegppten in ben Tempel der Sonne. 
Das dieſer Mythus aftronomifch iſt, leidet keinen Zweifel. Der todte 
Phoͤnix ift die verfloffene Zeit, der abgelaufene Jahr-Cyclus. Nur 
die Dauer berfelben wird verfchieden angegeben. Bon ben Aegyptern 
auf 1461 Fahre, von Andern 5—600, ja 1000 Jahre, nad den 
Zwiſchenzeichen der Erſcheinung des Phoͤnix. Auch fein Name beutet 
auf Beitbeflimmungen bin, benn golık iſt das aͤgyptiſche DONGZ 
von EN@z, alwv, seculum, mit dem vorfichenden Art, ® oder II. 

Den Juden war dee Phoͤnix aller Wahrſcheinlichkeit nach bekannt. 
Wenigſtens verflanden viele Rabbinen von ihm bie Etelle Hiob 29, 18. 
Ich gedachte, ih will in meinem Ylefte erfterben, 
und meiner Tage viel maden, wie der Chul. Wir 
finden die angeführte Schriftftelle im talmubdifhen Xractate Sohar und 
in andern altjüdifhen Schriften vom Phönir erklärt. Die Rabbinen 
befchreiven auch feine Geftalt, geben ihm eine Lebensdauer von 1000 
Jahren, und betrachten feine Unfterblichkeit, benn fein Tod ift in ih: 
ren Augen eine Wiedergeburt, als eine Folge der Enthaltfamkeit, da 
ee im Paradiefe nkht vom Baume der Erkenntniß aß, und der juͤdiſche 
Dichter Ezechiel befchreibe ihn, ohne Ihn zu nennen, als den König 
der Vögel, mit feinem buntfhimmernden Gefieder, der purpurmen 
Bruft, dem dunkelgelben Halfe und der melodifhen Stimme. Bon 
den Aegpptern kam die Kenntniß des Phoͤnix zu den Römern, bei de: 
nen er auch vorzüglich ein Symbol der Unfterblicykeit war, daher ihn 
ber Verfaſſer des Gedicht de Phoenice aeterna avis nennt. Wir 
fehen ihn auf Münzen, die Hadrian zum Andenken Trajan's fchlagen 
ließ, auf der Weltkugel mit der Umfchrift Saec. Aur. als Eymbol des 
unter diefem Kaifer zurücgekehrten goldenen Zeitalters. Und diefes ift 





Sinnbilber, 337 
die erſte Vorſtellung von ihm auf roͤmiſchen Muͤnzen; welche ſich leicht 
aus der Vorliebe, welche Hadrian und nach ſeinem Beiſpiele die Roͤmer, 
für aͤgyptiſche Religion und Symbole an den Tag legten, erklaͤren läßt. 


Bon den Heiden ging das Spmbol auf die Chriften über. Es 
iſt möglih, daß die Sage von der Erfcheinung des Phönir unter dem 
Kaiſer Tiberius die nächfte Beranlaffung dazu gab. Aber auch ohnehin 
konnte der fich ſelbſt aufopfernde und nad einigen Sagen aus feiner 
Afche wieder auflebende Vogel in der chriftliden Bilderſprache Leicht 
auf den gefteuzigten und auferflandenen Weltheiland gedeutet werden. 
In dieſem leptern Sinne braucht ihn bereits Clemens, Biſchof von 
Kom, in feinem erften Briefe an bie Korinther Gap. 25. und 26.: 
„Der alte Phönix,” fagt er, „bereitet fi fein Brab 
„aus Weihbraub, Myrrben und andern Gewürzen, 
„in welden er flirbt. Aus feiner Derwefung ent: 
„Mebt ein Wurm, der fih mit den Ueberbleibfeln 
„des todten Dogels ernährt, bis ihm die Sittiche 
„gewadfen find; dann bringt er das Brab mit den 
‚„‚Bebeinen aus Zeliopolis, legt es auf den Altar 
„der Sonne nieder, und fliegt darauf zuruͤck. Die 
„tes gefhiebtnah der Beobadhtung der Sonnen 
„‚priefter jedesmal, wenn 500 Jahre verfloffen 
„find. Können wir dann,’ fährt Clemens fort, „es für 
„etwas Broßes und Bewundernswürdiges halten, 
„wenn der Schöpfer aller Dinge diejenigen aufer: 
„ſtehen laͤßt, die ihm heilig und im Vertrauen eis 
„nes guten Glaubens gedient baben, da er uns 
„felor durch diefen Dogel die Herrlichkeit feiner 
„Derheißung gezeigt bat?’ Pf.3,6.26,6. Hiob 19,25. u. 26. 

Auch Drigenes erwähnt des Phoͤnix im 4. Buche gegen Celfus, 
jedoch nur qls eines Beweiſes der Allmacht Gottes, und Xertullian ſagt 
im Buche von der Auferfiehung des Fleiſches o. 18. Et ilorebit enim, 
inquit, volut Phoenix (er citirt,den 92. Pfalm, wovon ber Palme 
die Rede ift, die auf griechifch g@olssE heißt) id est, de morte, de 
funere, uti oredas, de ignibus quoque substantiam sorporis dici 
posse. Multis pnasseribus nos antestare Dominus pronuntiarit. Si 
pon et Phoenicibus, nihil magnum. Sed (befjer scilicet) homines 
seınper interibunt, avibus Arabiae de resurtectione securis. — 
Auf die Auferitehung Chrifti finden wir. den Phoͤnix angewendet von 
bem Berfaffer des dem Epipbanius von Salamis irrig beigelegten 
Phyſiologus, der diefe, nad der Wiedergeburt diefes Vogels nad) dreien 
Tagen, fo lauten nämlich einige Sagen, zu beweifen ſucht. 

Auch zur Aufklärung der wundervollen Geburt Chriſti gebraucht 
Gregor von Nazianz in feiner 37. Mede diefen Mythus. Derfelbe Bis 
ſchof vergleicht außerdem noch mit bemfelben bie unbefledte Jungfrau⸗ 
ſchaft dee Mutter unfers Herrn: | 

Wie zur neuen Jugend wenn ber ſterbende Phoͤnir 

Bluͤhet, nach vielen Ereifenden Zahren im euer geboren, 

Und aus bem alten Staub ein unfterbliher Körper hervorgeht, 

Alfo follen auch ewiglich leben bie Sterbenden , weldhe 

Rach dem Könige Ehriftus von glähender Sehnſucht entbrannt find, 
Siegel Handbuch IV, 22 


= 


338 Sinnbilber. 


Rufinus von Aquileja vergleicht in ber Erklärung des apoſtoliſchen 
Symbols die‘ Geburt des jungen Phoͤnix mit der Menſchwerdung Chrifti. 
Quid mirum, si virgo conceperit, cum Orientis avem, quem Phoe- 
nicem vocant, in tantum sine conjuge nasei vel renasei constet, ut 
semper et una sit ef semper sibi ipsi nascendo et renascendo succedat? 

Unter allen dieſen verfchiedenen Deutungen und Anfpielungen blieb 
aber immer in ber alten Kirche diejenige vorherrfchend, die den Phönir 
als ein Bild der Auferftehung betraditete. In diefem Sinne finden 
wir ihm jedoch nur felten auf chriftlichen Grabſteinen. Von der heiligen 
Gäcilia, die ums Jahr 230 gelebt haben fol, wird erzählt, fie habe auf 
den fteinernen Särgen der ermordeten Chriften Marimus, Valerianus und 
Tiburtius einen Phoͤnix als Denkmal der lebendigen Hoffnung, die 
Marimus von feiner Auferftehung hatte, einhauen laffen. Ihr ſelbſt 
zum Andenfen ließ Papft Pafchalis (umgefähr im Jahre 820) eine 
Moſaik -verfertigen, auf welcher ein Phönir fteht, fo wie diefer Vogel 
auch auf andern unter diefem Papſte gearbeiteten Mofaiten zu fehen 
iſt. Die erfigenannte Moſaik ftellt ihn auf Palmzmeigen ftehend vor. 
Der Name tft ja im Griechiſchen berfelbe und die Palme dachte man 
fih als einen unfterhlihen Baum. 

Mehr im römifhen Sinne fehen wir den Phönir auf den Münzen 
dee erften chriſtlichen Kaifer als ein Sinnbild der Wiederherftellung des 
Meiches durch Conſtantin und feine Söhne. Die Umſchrift ift gewoͤhn⸗ 


lich: Felix temporum reparatio. Der MWundervogel fteht mit um: 


ſtrahlten Haupte auf einem Felfen, als Symbol der unerfhütterlichen 
Seftigkeit des gleichſam miedergeborenen Reihe. Auf: einer andern . 
Münze Conftantins, wahrſcheinlich des Süngern, Gloria saechli vir- 
tus Caess. empfängt ber Kaifer von der fisenden Roma ben auf ber 
Weltkugel flehenden Phoͤnix. Das umftrahlte Haupt, welches das 
frühere Alterthum nicht gekannt zu haben fcheint, erwähnt auch ber 


ungewiſſe Verfaſſer des Gedichts de Phoenice, wo überhaupt bie 


- 


Geſtalt des Vogels umftändlich befchrieben wird. 
Aequator toto capfti radiata corona 
oebei referens verticis alta decos. 

So fehen wir ihn auch mit Strahlen gekrönt auf zwei chriſtlichen 
Bleimönzen bei Ficoront (Piombt antichi Tab. V. 13. und IX, 9.) _ 
Mebrigens hat das Bild des Phoͤnit in der neueften Zeit wieder poli: 
tifche Bedeutung erhalten. In den Bahnen nämlich des neuen griechi⸗ 
ſchen Königreiche prangt neben dem Kreuze auch der Phoͤnix. — Unter 
den chriſtlichen Sinnbildern befindet fich ferner auch 

12) der Rabe. In der alten Spmbolit war er bas Bild der 
Sünde, welche ausfliegt und nicht wieder aufgenommen wird. Daher 
er auch in einigen Kirchen, befonders in Malland, im Baptiſterio 
neben dem Kreuze und der Zaube abgebildet war. Die Zäuflinge 
wurden, wie Ambrosius de initiandis erzählt (vergl. Schoͤne's Ge: 
ſchichtsforſchungen II. p. 284) Ins Allerheiltgfte geführt, dort entfagten 
fie dem Teufel (Abrenuntiatio Satanae), man wendete. fie dann um, 
und ließ fie dad Taufwaſſer, die Geiftlichkeit und jene Symbole fehen. 


"Darauf legten fie das Glaubensbekenntniß ab und fliegen ins Waffer 


zur Taufe. — Etwas länger werden wir bei einem andern Sinnbilde 
vorweilen müflen, bei 


Sinmbilber, " 830 


13) der Schlange. Ste war eines ber Älteften Symbole bei 
den verſchiedenen Voͤlkern, wiewohl mit fehr von einander abweichen: 
den Bedeutungen. In der mofaifhen Schöpfungsgefchichte wird ihr 
tiefe Erkenntniß und Verſtand beigelegt, jedoch mit Liſt und Verſchmitzt⸗ 
heit vereinigt. Als das Diadem der ts auf dem Helme der Pallas, 
und um Apolls Dreifuß gefhlungen, ift fie das Bild der Weisheit, 
die das Gegenmwärtige und das Zukünftige erfennt, um ben Stab bes 
Heilgottes gewunden, die Hierogipphe umfaffender und auf die Be 
handlung der Krankheiten angemendeter Raturkenntniß, und von Hebe 
genährt, das Zeichen der Geſundheit. Dem Aegypter war fie fogar 
FR Kneph und Agathodaͤmon ein Spmbol des Weltgeifted und Welt 


pfers. 

Dieſe Ideen gingen jedoch, wenn wir bie bibliſche von Klugheit 
und Liſt ausnehmen, nicht im die Symbolik der alten Chriften über. 
Jene bibliſchen Begriffe mußten auch in den Kunſtwerken, auf denen 
der Sündenfall abgebildet war, ausgedrückt werden. Als Bild ber 
Kiugheit finder ſich die Schlange nur einmal in einem Siegelringe bei 
Aringhi H. 387., in melden das mit dem Kreuze verbundene Mono: 
gramm Chrifti eingegraben if. eben demfelben ftehen die Buchſtaben 
A und 2; unten um den Stamm des Kreuzes ift eine Schlange 
gewunden, und zu beiden Seiten fiht man ein Paar Vögel, ohne 
Zweifel Tauben. Eine Anfpielung auf die Worte Shrifli: Seid Plug 
wie die Schlangen und ohne Falſch rote die Tauben! Vorherrſchend 
biieb uber Immer der Begriff von Licht und Bosheit im Teufel perfo: 
nificitt,, den ja nady dem Beiſpiele der fpätern Juden faft die ganze 
alte Kirche, mit Ausnahme ber alerandrinifhen Schule, bie in der 
paradiefiihen Schlange die Hieroginphe der Wolluft erkannte, flr den 
Berführer unferer Stammaͤltern anfah. Und das Anfehen der Apoka⸗ 
iypſe, In welcher der böfe Geiſt öfter die alte Schlange genannt wirb (XH. 
9. XX. 2.), ober auch der Drache, der alte Drache heißt, mo ihr 
Thron. bes Pergamen Aeskulaps, als der Thron Satans bezeichnet 
wird, war für diefe Auslegung des Bildes entfcheldend. Wir finden 
diefelbe Vorſtellung auch in den Apokryphen, 3. B. in den Acten bes 
Apoſtels Thomas und bei faſt allen Kirchenvaͤtern der morgenländifchen 
und abendländifhen Kirchen. Kein Wunder alfo, daß wie fle auch 
auf den Alteften chriftlihen Münzen ausgebrüdt fehen. Bon der Art 
haben wir drei, eine Kupfermünze von Gonftantin dem Großen, wo 
das Labaram die Schlange gleihfam mit feinem Fuße durchbohrt. 
Die Inſchrift iſt: Spes publica, melde nämlih auf die Befiegung 
der alten Schlange durch den im Monogramım über dem Labarum 
enthaltenen Namen Chrifti gegrimbet if.“ Die zmeite und dritte 
Bold: Denare, legtere mit ber Umſchrift: VICTOR AUGG, ftellt 
den Kalſer vor, wie er in der Rechten einen langen in ein Kreuz aus» 
laufenden Scepter, in der Linken eine Siegesgöttin haltend, kraͤftig 
auf das Haupt einer Schlange tritt. Augenſcheinlich der Sieg des 
Chriſtenthums über da6 Heidenthum, melches die ganze alte Kirche als 
ein Merk des Teufel umd der Dämonen verabfiheute. Diefe Münzen 
erhalten außerdem eine Erklaͤrung durch den Bericht des Eufebius, daß 
Conftantin in feinem Palafte zu Conftantinopel, ein Gemälde habe 
verfertigen laſſen, anf welchem er felbft mit dem Saite auf dem 


‘ 


340 Sinnbilber. 


-Haupte und einem bucchbohrten Drachen vorgeflellt worben fe. Euseb. 
de vita Const. Ill. co. 8. 

Bon der Abbildung Johannes, ded Evangeliften, mit einem Bes 
here Weins, aus welhem eine Schlange berausfpringt, haben wir 
bereits in diefem Handbuche 2. Thl. p. 196 gefprochen. 

Daß wir in ber Kirche, und bei gottesdienftlihen Dingen das 
Schlangenſymbol nicht häufiger finden, may vielleiht in den vielen 
Mißbraͤuchen, welchen daſſelbe ausgefegt war, feinen Grund haben. 
‘Die Kirchengefhichte macht uns mit mehrern gnoflifhen Secten, bes 
fonder& den Ophiten oder Schlangenbrüdern, bekannt, weldhe von den 
Thorheiten, die fie beim Gottesdienfte, befonder® bei der Abendmahls⸗ 
feier, mit der Schlange trieben, dieſen Namen erhielten, und von 
weichen Epiphanius, Xheodoret, Zertullian, Auguflinus, Sohannes 
Damascenus u. a. fo viel Boͤſes berichten. Sie mögen urſpruͤnglich 
eine aͤcht⸗ religioͤſe Abficht gehabt und duch dieſes Symbol an den 
Fall und die Erlöfung des Menſchengeſchlechts haben erinnern wollen; 

‘ allein diefe Hieroglyphik artete bald in Unverfland und Aberglauben 
aus. In der alten anonymen Schrift: Praedestinatus, ed. Sir- 
mondi, wird ausdrüdlich gefagt, daß die Ophiten, wenigitens ein Theil 
berfelben, die heilige Schlange Ihren Chriflus genannt haben. (Colu- 
brem suum Christum appellant.) Dieß gefhahb wohl deshalb, weil 
Joh. 3, 14. die eherne Schlange als Vorbild auf Chriftus vorgeftelt 
wird. Deiſelbe Verfaſſer berichtet auch, daß die Bilhöfe von Chalces 
bon und Nikomedia die heiligen Schlangen der Ophiten todtgefchlagen 
haben. S. Mosheims Gefhichte der Schlangenbrüder, in dem Ver⸗ 
fuche einer unparteiifhen und gründlichen Ketzergeſchichte, Helmſtaͤdt 
1746. p. 110 ff. Es ift daher nit unwahrſcheinlich, daß durch fols 
che Verkehrtheiten der Häretiter das Schlangenſymbol in der fatholifchen 
Kirche in Mißcredit gekommen fei. Zu den fehr beliebten chriftlichen 
Sinnbildern, dem Thierreiche entnommen , gehört auch 

14) die Taube. Diefer weilfagende Vogel ber himmliſchen 
Goͤttin, ber den Anhängern des afcetifhen Sterndienftes fo werth mar, 
wurde auch von den. alten Chriften nicht verabfheut. Er war ihnen 
vielmehr merkwürdig als der Bote Noahs aus der Arche, lieb als ein ' 
von Chriſto aufgefleiltes Spmbol der Unfhuld und Medlichkeit (feyd 
ohne Falſch wie die Zauben!. Mt. 10, 16.), heilig als ein Bild des 
heiligen Geiftes in der Taufe Chrifli. Wir finden daher oft das Lob 
der Zaube bei ben Kirchenvätern. Sie gehörte zu ben aͤlteſten chrifts 
lichen Symbolen, da bereit8 Clemens von Alerandrien ihrer erwaͤhnt, 
zugleih auch zu den gewoͤhnlichſten, indem fie auf Steinen, Mofaiten, 
Gemälden, Lampen und bergleichen abgebildet wird. Vergl. im Allge⸗ 
meinen Wernsdorf de simulacro columbae. Viteb. 1775. 4. 

Die vornehmiten Bedeutungen der Zaube, die fih aus den auf 
uns gelommenen Werken der Kunft entnehmen. lafien, find folgende: 

a) der heilige Geiſt. Paulinus von Nola fagt in feiner 
Befchreibung ber Tempel zu Nola und Fondi in ihrer Aspis 

Ä Et per columbam spiritus sanctus fluit. 
Cyrillus von Jeruſalem fcheint auf Gemälde anzufpielen, wenn er ſei⸗ 
ne Katechumenen fo anredet: Denkt euch die bimmlifchen 
Chöre und Bott, den Herrn des Weltalls, figend, 


Sinnbilder. 341 


den eingebornen Sohn zur Rechten mitſitzend und 
den GBeift dabei. So ſchwebt er in dem Gemaͤlde bei Aringhi IL. 
275, welches die Taufe Jeſu vorftellt, in Zaubengeftalt über feinem 
Haupte, ganz wie Juvencus in der evangelifchen Geſchichte J. V. 358 fagt: 
Corpoream gerens speciem descendit ab alto 

n Spiritus, aöream simulans ex nube columbam. 

Wir finden auch die Taube über dem Monogramme Cheifti auf Grab⸗ 
lampen bei Aringhi 1. 301. oder auch die Lampen ganz in Geftalt 
einer Zaube geformt. Dergleihen Zauben pflegte man in die Gräber 
der Märtyrer zu legen. Gregor von Tours erzählt, daß ein Dieb eine 
goldene Taube, die im Grabe des heiligen Dionyſius von Paris hing, 
babe entwenden wollen. Auch legte man zuweilen die Reliquien bee 
Märtyrer in goldene Tauben; und vom 4. Jahrhundert an dienten fie 
zum Behättniffe für geweihte Hoftien. Sie waren von geringerer oder 
größerer Koftbarkeit nad dem Werthe bes Metalls oder der Arbeit. 
Eine fehr Ihöne von Erz mit verfchieden gefärbtem Email, bie in einer 
Kirche zu Ddenfe gefunden wurde, befigt die Eöniglihe Sammlung der 
Alterthiimer in Kopenhagen. 

Auch die Altartifche hatten neben dem Kreuze hohle golbene und 
filderne Zauben, die man nachher über denfelben aufhängte. Severus, 
das Haupt der monophpfitifchen Akephaler ward in einem Bittſchreiben 
der antiochenifchen Geiſtlichen und Mönche an die fünfte allgemeine 
Synode zu Conftantinopel (636) angeklagt: Er habe die Altäre und 
heiligen Gefäße nicht verfchont, und die golbenen und filbernen Zauben, 
"die über den Altären als Bilder des heiligen Geiftes aufgehangen wa⸗ 
ren, hinmweggenommen. Er mard nicht minder befchuldigt, die mit 
Zauben geſchmuͤckten Taufcapellen diefer Heiligthuͤmer beraubt zu ha⸗ 
ben. Die Päpfte befchenkten bie Kirchen mit folhen Bildern. Inno⸗ 
centius I. ( 417) verehrte der Kirche der hd. h. Gervafius und Protas 
fius eine Zaube von vergoldetem Metall, die 30 Pfund wog, und 
Hilarius (F 467) gab der Kirche des heiligen Johannes eine ähnliche 
von Gold, 2 Pfund ſchwer. Die Laube ward in den Taufcapellen 
aufgehängt und endlih auh an den Lehrfühlen der Biſchoͤfe anges 
bracht. Man hat einen marmomen Stuhl in der Katakombe ber 
b. h. Marcellus und Petrus gefunden, auf beffen Spige eine mit 
einem Diadem ummundene Taube ſteht. Man dachte wohl an ef. 
61,1. Der Geift des Herrn ift über mir, darum bat 
mich der Beift des Herrn gefalbt x. Don ben Lehrftühlen 
kam fie auf die Kanzeln, wie wir fie noch fo oft in unfern Kirchen 
feben und wie fie bereits in der Sophienkiche zu Conſtantinopel anges 
bracht war. | | 

Aus diefer Bedentung ber Taube laffen fi) aud die alten Ges 
mälde erflären, wo fie auf dem Saupte ober der rechten Schulter 
Dapft Gregor des Großen figt, augenfheinlih, um dadurch anzudeus 
ten, daß diefer Kirchenlehrer feine Werke unter ber Inſpiration des hei: 
tigen Geiftes gefchrieben habe. Das eine diefer Bilder findet fi im 
ber Krypte der Vatikanskirche. Es tft ein Marmorrelief, wo die Taube 
ihm gleichfam etwas ins Ohr raunt. Das Stu iſt aber weit jünger, 
als Gregors Zeit. — - Das zweite Bild hat der Fuͤrſtabt Gerbert aus 
einer Handſchrift der Bibliothek zu St. Gallen aus dem 10. Jahrhundert 


342 Sinnbilder. 


befannt gemacht. Späterer Gemälde erwähnen wir nicht. Diefe Dar⸗ 
ſtellung entfprang aus einer vom Biographen des Papſtes erzählten 
Fabel, dag fein Schreiber, ald er ihm feine Erklärung des legten Ges 
dichtes des Propheten Ezechiel dictirt, eine von Licht flrahlende Taube 
auf feinem Haupte gefehen, die ihren Schnabel in feinen Mund geftedt 
babe. Eine ahnliche, Sage wird von Ephraim dem Sprer erzählt, der 
eine Taube auf der Schulter Bafitius des Großen geſehen, und wer 
kennt nicht Muhameds Taube? 

Kein Wunder alſo, daß die Idee ſi & ſehr lange erhielt, und dag . 
wir auf weit fpäteren Gemälden, welche allgemeine Goncilia vorftellen, 
die ja im Heiligen Geifte verfammelt waren, die Taube an der Dede 
des Saals oder ber Kirche fehen. 

b) Die zweite Bedeutung der Zaube in ber alten Kirche war 
Chriftus felbft. Dieß fagt Tertullian adv. Valentinianos, oder 
wer fonft der Verfaffer diefer Schrift ift, ausdruͤcklich o. 2. In summo 
Christum columba demonstrare solita est, serpens vero tentare. 
lila et a ‚primordio divina pacis praeco, ille et a primordio divi- 
nae imaginis praedo. Unter den Chrifto gegebenen Beinamen finden 
- wir audd) COLUMBA. Ob aber noch Denkmale vorhanden find, die 
ihn unter dem Bilde einer Zaube vorftellen, findet man nicht anges 
deutet. Unter der Taube aber fieht er ald das Lamm Gottes in dem 
Gedichte des Paulinus, welches die Moſaiken der Kirche von Nola beſchreibt. 

Pleno coruscas Trinitas Mysterio, 


Stat Christus Agnus, vox patris coelo tonat, 
Et per columbam Spiritus Sanctus fluit. 


So auch in bemfelden Gedichte: 
Sub cruce sanguinea niveo stat Christus. in agno 
Alite, quem placida sanctus perfundit hiantem 
Spiritus ‚ et rutila genitor de nube coronat. 
c) Die Apoftel wurden ebenfalld als Zauben vorgeſtellt. In der 
angefuͤhrten Epiſtel des Paulinus heißt es: 
FR Crucem corona lucido cingit globo, 
Qui coronae suns corona Apostoli, 
Quorum figura est in Columbarum choro, 
Derſelbe Paulinus erzählt auch, dag am Eingange ber nolanifchen 
Bafilica zu beiden Seiten rothe Kreuze geftanden mit ber Aufichrift: 
Ardua floriferae crux cingitur orbe coronae 
Kt Domini fuso tincta cruore rubet. 
Quaeque super signum resident coeleste columbae, 
Sımplicibus produns regna patere Dei. 
Welches fi freilich auf fromme Chriften überhaupt beziehen kann. 
Unter den Gemälden der Kirche zu Nola war, diefen Verſen zufolge, 
ein Kreuz, um welches Tauben ſchwedten, und ein anderes, auf deſſen 
Spitzen Tauben ſtanden. Eine aͤhnliche Vorſtellung, wiewohl aus 
einer ſpaͤtern Zeit, hat ſich noch auf einer Mofait in der Aspis ber 
St. Clemenstiche zu Rom erhalten. Es iſt ein gekreuzigter Chriſtus; 
auf den Armen des Kreuzes ſtehen zwölf Tauben, die zwölf Apoftel. 
Bosius de oruce triumphante 1. Vi. c. 11. 
d) Ueberhaupt bedeuteten die Tauben auh die Bemeinde 
frommer Cbriften. Darauf zielen vielleicht die oben angeführ- 
ten Berfe bes Paulinus, und ganz gewiß zwei andere an bemfelben Orte: 


Cinnbilder, 348 


Nos quoqua perficias placitas tibi Christe columbas, 
Si vigeat puris pars tua pectoribus. 


- Die Unfhuld und Liebe follte ja der Charakter eines Chriften feyn! 
Die Laube hat Feine Gaulle, fagt Zertullian (de baptisnıo c. 8.). 
Mir haben eine Grablampe, auf der vier Tauben um eine Palme 
herumſtehen und fliegen. Aringhi II. 344. Mamachi III. 95. Viel⸗ 
leicht ein Bild chriſtlicher Familieneintracht. 

e) Chriſtliche Ehegatten. Go fehen wir oft zwei Tau⸗ 
ben mit dem Monogtamm in der Mitte, Aringhi II. 12. 119. 151. 
und auf dem gefhnittenen Steine am Fuße des Monogramms Chrifti, 
um das eine Schlange gewunden iſt, zwei Zauben mit einem Gefäß 
in der Mitte, über dem das Monogramm fleht. Die Tauben halten 
Delzweige in den Schnäbeln über dem Monogramme (Aringhi Il. 348.). 
Zwei Zauben, ein Baum in der Mitte (Aringhi 1. 325.) - Der 
Baum beutet auf Fruchtbarkeit; die Zauben find da8 Symbol der ehes 
lihen Eintraht. Wir haben Münzen der Kaiferin Domitia, auf des 
nen ein Vogel, der Taube ähnlich, fleht, mit der Inſchrift: Con- 
cordia. Man bat zwar art die Krähe gedacht, die dem Aelian. histor. 
animal. III. 9. zufolge, dus Bild der ehelichen Treue geweſen feyn 
fol. Aber der Vogel gleicht einer Taube mehr ale einer Krähe und 
die eheliche Liebe der Zurreltauben iſt fogar zum Spruͤchworte geworden. 

f) Tugend und Unſchuld einzelner Chriſten. 
Dieß zu bezeichnen iſt die Taube unzaͤhlige Male in Grabſteine einge⸗ 
hauen, beſonders unter ſolche, unter denen Knaben und Maͤdchen ru⸗ 
hen, die in fruͤher Jugend dahinſtarben. Auf den Graͤbern der Jung⸗ 
frauen iſt fie zugleih ein Symbol der Keuſchheit. Wenn der Che: 
mann fie in das Grabmal feiner Frau, die Frau in den Gedaͤchtniß⸗ 
fein ihres Mannes graben ließ, fo bedeutet fie eheliche Treue. Diefes 
Spmbol erhielt fih in Stalien bis in die Zeit der Fongobarden, die 
bei den Gräbern ihrer Todten hölzerne Stangen aufftellten. Beſonders 
merkwürdig ift ein Stein bei Boldetti p. 208, wo die Taube ben 
Delzweig, das Zeichen des Friedens, im Schnabel, zwifhen dem Anker 
und dem mit geweihtem Brode angefüllten Kelche, gefehen wird. Es 
wird dadurch vermuthlidy die gläubige Hoffnung der durch ben Genuß 
des heiligen Abendmahls den Chriffen zugeficherten Unſterblichkeit be⸗ 
zeichnet. Denn daß dieſe das Abendmahl ſelbſt als ein Mittel betrach⸗ 
teten, wodurch der Koͤrper phyſiſch zur Unſterblichkeit vorbereitet wlirde, 
iſt aus der Dogmengeſchichte bekannt. 

8) Auf den geſchnittenen Steinen kommen ſehr oft Zauben vor, 
auf einen Delzweige flehend, benfelben im Schnabel haltend, aud . 
ohne Delzweig. Auch auf Bleifiegeln von Fioroni und unter den 
anoftifhen Gemmen bei Macarius und Chiflet Tab, V. Zweierlei iſt 
hierbei I bemerken: 

a) Daß man nit uüberall Tauben von Raben unterfheiben kann. 
Die Geſtalt der Vögel ift beinahe diefelbe, und wo fein Oelzweig oder 
Delblatt gegeben wird, ift die DVerfchiedenheit kaum bemerkbar. Die 
Raben gehören aber zu den mithraifhen Mopiterien, in denen ein Grad, 
der Rabengrad, Kopuxıxd, hieß, und die Eingeweihten Raben, KODOXEG, 
genannt wurden. 

BE) Daß die Tauben, ald ber himmliſchen Göttin geweihte Viger 








\ 


344 Sinnbilder. 


auch zu den Spmbolen ihrer Religion gehörten. Clarke bat fie auf 
geſchnittenen Steinen zu Larnea in Cypern gefunden. Sie find auf 
den Münzen der Stade Eryr In Sicilien häufig; und gewiß find viele. 
von den Steinen, in welche Tauben eingegraben find, deren man eine 
fehe große Menge findet, und die man alle für chriſtliche hält, zu 
Ringen für die Verehrer der Hfmmelsgötter beſtimmt geweſen. Biel 
leicht kann nicht einmal der Delzweig oder das Delblatt für den chrift: 
lichen Urfprung derjenigen Steine bürgen, auf denen es befindlich iſt; 
benn auf jenem Steine bei Clarke ftehe die. Zaube auf etwas, das 
einem in ein Blatt auslaufenden Zmeige fehr nahe kommt, 

IV) Chriftlihe Sinnbilder, entlehnt aus dem 
Reihe der Gewaͤchſe. 0 

1) Die. Eypreffe. Cypressus Diti sacra et’ ideo funebri 
‚signo ad domos posita, fagt Plin. hist. natur. XVI. 10. — Servius 
ad Aeneid. Ill. 64. Apud Atticos funestae domus Cupressi fronde 
velantur, ideo, quia hujus generis arbor excisa non renascitur, 
sicut e mortuo jam nihil sperandum, quam ob causam in tutela 
Ditis patris esse putatur. Will man fih Stellen der Dichter auf: 
Mären, in denen von der fchmarzen und Trauercypreſſe die Mede iſt, 
fo findet man Manches gefammelt in G. A. Langguth Antiquitates 
Plantar. fenalium apud Graecos et Romanos. Lips. 1738. p. 69 seqgq. 

Die Chriften behielten den in die Nationaldentungsart uͤbergegan⸗ 
genen Begriff, und wir haben noch Denkmäler, auf denen die Cypreſſe 
gefehen wird. Als Bild des Todes finden wir Cypreſſen auf Gemälden 
“und in Stein gehauen. Bei Aringhi II. 340. und Mamadıi I. 408. 
fehen wir einen folhen Baum zwifhen zwei Häufern ſtehen. Eine 
' andere Erklaͤrung giebt Ambroſius Serm. IV. in Pa. 118. ec. 21. — 
Die immer geünende Cypreſſe, die nie ihre Blätter verliert, fei das 
Bild des Gerehten, und mit demfelben vergleicht fie auch Gregor der 
Große in Cantic. I. c. 16., weil ihr Holz der Faͤulniß widerfteht. 
Uebrigens fehen wir die Cypreſſe nur felten auf chriſtlichen Dentmälern. 

2) Die Sihte oder Tanne und die Myrthe. Picea 
feralis arbor et funebri indicio ad fores posita, fagt Plin. Hiast. 
‚nat. XVI. 38. (Langguth. 1. 1. p. 28.) Auch diefer Baum verliert 
nie feine traurigen, dunkelgruͤnen Blätter, und er ward daher als ein 
Zeichen beitändiger Trauer angefehen. Mamachi führt ihn unter den 
Bäumen an, die zuweilen auf chriſtlichen Grabmälern vortommen. — 
Daſſelbe gile von der Myrthe. Auch diefen Baum, der in Europa 
zuerft, wie Plinius wilf, bei Elpenor's Grabe zu Circeji gefehen worden 
feyn ſoll (H. N. XV. 29.), und mit dem die Griechen die Gräber der 
Todten fhmüdten, daher auch Virgil. Aeneid. VI, v. 441. diejenigen, 
die an unglüdlicher Liebe verflorben waren, in der Unterwelt in einen 
Myrthenhain verfegt — et Myrthea silva teget — nennen Aringhi II. 
339. und Mamadi II. 94. als Zodeszeihen auf Dentmälern , jedoch 
ohne Abbildungen davon zu geben, oder anzuführen. Sonſt war auch, 
wie befannt, diefer Baum der Aphrodite geweiht. 

3) Der Delbaum. Der Delbaum wird bereits in bem Ge 
dichte des Papſtes Damafus erwähnt. Da ein Delblatt im Schnabel 
der Taube der aus den Gewaͤſſern ber Sünpdfluth wieder auftsuchenden 
Erde war, und daher häufig im- den Vorſtellungen Noahs und ber 


— 


Sinnbilder. 345 


Arche vorkam, ſo war es auch natuͤrlich, daß die alten Chriſten den 
Begriff des Friedens damit verbanden. Go. ſagt bereits Tertullian de 
baptismo c. 8. Olea signum etiam apud nationes deprehenditur. 
Damit ſtimmt Ambrofius überein de Noe et Arca oc. 19. Aber auch 
Fruchtbarkeit in guten Werten, Rechtſchaffenheit und Unfhuld, ein 
files Leben und Barmberzigkeit, werden von den Kirchenvätern unter 
dem Bilde des Delbaums angedeutet. Sein ſchoͤnes, immer grünes 
Laub trug dazu bei, ihn zu einem den Chriften beliebten Symbol zu 
machen, und bie öftere Erwähnung deffelden im A. T., befonders in’ 
den Pſalmen, heiligte das Bild. Wir finden es häufig auf hriftlichen 
Srabmälem. Einem fünfjäprigen Knaben, Galpurnius, feßen bie 
Yeltern einen Stein. Auf diefem fieht man eine Urne mit dem Mono⸗ 
gramme Chrifti, und mit zwei Lauben zur Seite, von denen jebe einen 
Delzweig im Schnabel über der Urne hält, Aringhi IL. 348. Augen: 
fheintid ein Bild der Unfhuld diefes Knaben, der felig im Herrn ent: 
Ihlafen war. Ein anderes Denkmal bat Aringhi II. 826., wo auf 
jeder Seite ber Inſchrift ein Delzweig zwifhen zwei Tauben fteht, 
Auch hierdurch wird die Unſchuld eines achtiährigen Kindes bezeichnet, 
4) Die Palme. 


— Palmaque nobilis 
Terrarum' Dominos evehit ad Deos. 
Horat. ‚Od. I. 1. 


Das Stegeszeichen der Griechen und Römer unzählige Male auf ihren 


Dentmälen in Stein und Münzen ausgedrüdt. Auch den Juden 
nicht unbelannt; denn mir finden die Palme auf den Münzen der 
Könige aus dem Stamme Herodes des Großen und auf einem jüdi: 
fhen Sarkophage bei Lupi p. 177. Den Chriften war fie heilig 
buch Offenbarung Joh. 7, 9., wo die Schaar der Auserwählten, die 
vor dem Throne Gottes und des Lammes ſteht, befchrieben wird als 
angetban mit weißem Gewand und Palmzmeig in den Händen. 
Kaum iſt auf den Grabſteinen ein Symbol häufiger, als Palmzweige. 
Es iſt leicht zu erklären. Die verflorbenen Chriften haben den Tod 
und den Erbfeind des menfhlichen Geſchlechts überwunden. Was ber 
Name Vincemalas, der zuweilen gelefen wird, im Worte bezeichnet, 
daſſelbe drüdt der in den Stein gehauene Zweig aus. Mur haben 
wir nicht Überall an Märtyrer zu denten. Denn wer chriſtlich lebte, 
mar eben fowohl ein Ueberwinder des Teufels, als wer fein Blut für 
die Lehre Jeſu vergoß. Einzelne Palmzweige finden wir überaus häufig. 
Es bedarf daher Feines Anfuͤhrens. Merkwuͤrdig ift indeffen eine Grab: 
lampe, in deren Mitte eine Palme gefehen wird, mit zwei über ihr 
ſchwebenden und zmei neben ihr flehenden Zauben, den Rand mit 
MWeintrauben und Oelzweigen geſchmückt (Aringhi II. 844. Mamachi 


‚AU. 95). Solche Lampen mit zwei Palmenzmweigen kommen öfter vor. 


Auf Glasſcheiben und gefchnittenen Steinen finden ſich gleichfalls Pals 
men. Bon ihnen und allen möglihen Bedeutungen, die ihnen gege⸗ 
ben werden können, haben Aringhi und Boldetti in ihren Werfen. 
fhon umftändii gehandelt. Wie aber nicht Überall, wo ein Palmens 
zweig erfcheint, das Grab eines Märtyrerd angenommen werben barf, 
fo müffen wir auch nicht jedes ſolche Zeichen fuͤr einen Beweis bes _ 
chriſtlichen Religionsbekenntniſſes halten. Denn aud die Heiden 


d 


346 Sinnbilder. 


bedienen ſich der Palmen zu ihren Verzierungen, wie noch neuerdings 
Millin gezeigt hat (Tombeaux de Pompeji p. 82). 

5) Der Weinftod. Ih bin der wahre Weinftod 
und mein Vater ift der Weingärtner. Id bin der 
Weinſtock, ibr feyd die Reben, fügt Sefus feinen Süngern, 
Joh. 15, 1—5. Diefe Worte find hinreichend das BNd zu erklären, 
das wir oft in den Begräbnißfammern der alten Chriſten finden. — 
Bereits Damafus fpielt darauf an, da er Chriftus Vitis nennt, fo wie 
er bei Drientius Bodruo heißt; und auf einem dhriftlihen Wandge⸗ 
mälde fehen wir den jungen Chriftus in der Mitte jüdifcher Lehrer, 
umgeben von einem doppelten Halbzirkel von Weinftöden, in deren 
Blättern theild Tauben figen, theild Genien beſchaͤftigt find (Aringhi 
1. 323.). Ein Paar andere Infhriften und Bildwerke giebt Lupi p. 
121 und 182. Die erfte iſt einem dreimonatlihen Knaben gefegt und 
hat eine Zaube auf einem Delzweige, über welche eine Meintraube 
hängt. P. 182 ftehen zwei Zauben mit dem Monogramme Chriſti in 
der Mitte, bei einer Zaube und unten die Inſchrift: MARTYRI IN 
PACE. Beſonders bemerfenswerch ift eine Grablampe bei Aringhi IL, 
851., in deren Mitte der gute Hirt fleht, und deren Rand Weintraus . 
ben zieren. in ähnliches Gemälde giebt Aringhi I. 15., nur daß 
dort das Bild von Weintrauben, in denen Genien mit Weinlefen bes 
[häftige find, umgeben ifl. In diefen VBorftelungen ift das Bild 
erweitert. Der Weinſtock ift Chriftus, die Neben find feine Sünger 
und Schüler. Ein Sarkophag der heiligen Gonftantia, in dem gleich: 
falls Weintrauben mit Belternden Genien eingehauen find, ift ungewiſſer. 
Eine eingefchränktere Bedeutung der Traube giebt Hieronymus über 
Amos c. 9. Er glaubt, dab das Blut Chriſti und der Märtyrer duch 
daffelbe bezeichnet werde. Das möchte denn aud von jenem Grab: 
fleine mit der Umſchrift Martyri in pace ebenfalld gelten. Uebrigens 
geben die Kirchenväter viele Erklärungen und Deutungen des Weinftods 
und der Zrauben. Wir bedürfen aber nur folcher, welche die Denk: 
mäler erklären, und diefe find gefammelt von Xringhi IL. 370. und 
Bofio 650. | 

V) Chriftlihbe Sinnbilder, entlebntvon Teblo- 
fen Begenftänden der Ylatur, der KRunft, des Be 
Sürfniffes und dergleichen. i 

°1) Der Anker Diefer ift ein altes griechifches Symbol, das 
oft auf den Münzen der Städte vorkommt. Urfprünglich bezeichnete 
es fichere Seehäfen; dann ward der Begriff erweitert, und der Anker 
ward das Bild eines blühenden Staats. Häufig finden wir denfelben 
auf den Münzen der macedonifhen Könige von Syrien, weil die Muts 
ter des Seleucus Nicator geträumt hatte, -fie habe diefen Sohn vom 
Apollo empfangen, und habe bei ihrem Erwachen einen im Traume 
gefehenen Ring, in den ein Anker eingegraben war, im Bette gefun: 
den; wie denn aud Seleucus einen Anker auf der Hüfte ald Mutter: 
mal zur Welt brachte. Die am Parthenon zu Athen gemalten Anker 
mie Oliven follen den Schug der Athene und des Pofeidon angedeutet 
haben. Ein Symbol ber Hoffnung aber war der Anker bei den Gries 
en nie. Auch nicht bei den Römern, deren Göttin Spes daran zu 
erkennen ift, daß fie mit der linken Hand ipr Gewand eswas aufpebt. Der 


* 


— V 
Sinnbilder. | 347 


Verfaſſer des Briefes an die Hebräer hat aber dieſes Gleichnig fhon 
aufgenommen VI. 19. daher es kein Wunder ift, wenn es bei 
den Kirchenvätern gelefen wird. Go ſagt z. B. Chiyfoftomus Homil. 
XX. ad Pupul.: Wir wiffen, zu wem wir vom Anfang 
unfre Zufludht genommen. — Auch den Glauben vergleicht 
Chryſoſtomus mit dem Anker, welcher überall den ihm anhängenden 
Geift aufrecht erhält. Selig, wer feine Hoffnung auf Gott fegt; halte 
dich von allem andern getrennt, an diefem Anker fell. Chrysostom, 
hom. in Ps. 115. ine ähnliche Erklärung mit der Anfpielung auf 
1 Cor. 13, 12. und 1 Sob. 8, 2. giebt Ambrofius zur angeführten 
Stelle Hebr. 6, 19. Paulinus von Nola_ ruft feinen heiligen Selig 
fetbft mit den Worten an: 
In te compositae mihi fixa sit ancora vitae! 

gieeher gehört gewiffermaßen auch der Titel des befannten Werkes bes 

iſchosfs Epiphanius von Salamie, der Blaubensanfer — 


Uralt war diefes Symbol in der cheiftlihen Kirche. Es war eins von 


J 


denen, deren Gebrauch Clemens von Alexandrien den Chriſten erlaubte 
und anrieth, und es hat ſich uͤberaus haͤufig auf den chriſtlichen Monu⸗ 
menten erhalten, ſowohl auf Grab: als auf geſchnittenen Steinen 
(Aringhi IL. p. 337 und oͤfter. Boldetti p. 208, 849, 366, 370 
und öftererr. Lupi p. 53, 115, 136). Befonderd merkwüuͤrdig find 
aber die Semmen, auf welden ein oder zwei Fifche neben dem Anter ' 


. fliehen, bald mit, bald ohne den Namen Sefu. Auf einem ehernen 


Ringe bei Boldetti 502. Ne. 28. fehen wir den Anker neben einem 
Schiffe, augenfheintih um die Hoffnung der Kirche zu bezeichnen, 
Er war aber auh ein Spmbol der Standhaftigkeit in Leiden, welches 
aus einer Inſchrift bei Boldetti p. 339 erhellt, wo das Monogramm 
Chriſti zwifchen einer Zaube und dem Anker ſteht, nebft den Worten 
Faustinae virgini fortissimae, quae vixit ann. XXI. in Pace — 
In diefe Rubrik gehört ferner 

2) das Zap. Ein hoͤchſt fonderbares und gefhmadlofes Sym⸗ 
bol! Ein Wandgemälde im Coemeterio der heiligen ‚Agnes "(Aringhi 
11. 91.) teilt einen von zwei Ochſen oder Kühen gezogenen zweiraͤde⸗ 
rigen Karren vor, auf dem ein großes Faß liegt. Ein anderes im 
Coemeterio Priscillae, ebendaf, 145, zeigt ein großes, von acht Maͤn⸗ 
nern gezogened Faß. Vorn liegen zwei andere Eleinere Faͤſſer. Die 
Nachbarſchaft eines ganz chriftlihen Grabgemölbes, in dem ber gute 
Hirte abgebilder it, und die Tauben an den. Seitenmänden diefer 
Srablammer, machen es mwahrfheintih, daß fie für Chriften beſtimmt 
find. Ein drittes Bild giebt Mamachi II. 91. Zwei neben einander 
liegende Faͤſſer mit der Ueberfchrift: Julio filio pater dolens (Münter 
vermuthet ein Wortfpiel auf doliam anftatt dolens. Man vergleiche 
auch Muratori Thes, Inser. IV. p. 1928). — Ein viertes flelt ein 
Faß vor, zwifchen zweien Zaubern und unter bdemfelben bad Mono: 
gramm Chrifti (Bolderti 164). An ein Weinfaß, um anzuzeigen, 
dag die Märtyrer ihr Blut wie Wein vergoffen hätten, läßt fi füg: 
lid) nicht denken. Denn die Römer bewahrten ihren Wein nit in 
Fäffern, fondern in Amphoris, und die Menge der Märtyrer muß auch 
bedeutend vermindert werden. Daher au die Gläfer in Form von 
Säffern, die man zuweilen in den Katakomben findet, micht dazu 


- 


348 | Sinnbilber. 


gedient haben Lönnen, das Blut ber Märtyrer aufzubewahren. Das 
Symbol ſcheint alfo in ber Beſchaffenheit eines Faſſes gefucht “werden 
zu muͤſſen. Diefes befleht befanntlidy aus vielen kleinen Dauben, bie 
der Faßbinder vereinigt. Es läßt ſich daher als ein Bild der Eintracht, 
entweder der ehelichen oder Familieneintracht, oder auch der kirchlichen 
denken. So erklärt ſich wenigſtens jenes, zwiſchen zwei Tauben über 
dem Monogramme geftellte Faß. Hier ift es die Eintracht zweier Ehes 
gatten; und das andere Bild, das die acht mit dem Fortbewegen eine 
großen Faſſes beſchaͤftigten Männer vorftellt, wäre- vielleicht von ber 
nach dem Tode der beiden Aeltern, die einträchtig mit einander gelebt 
hatten, und durch die zwei ruhig liegenden Faͤſſer angedeutet werden, 
fortdauernden Eintracht ihrer zahlreihen Kamille zu deuten. 

3) Der Sels. Sie tranten aber von dem geifts 


lihen Sels, welder mit folgete: das war Chriftus. 


1 Cor. 10, 4. Auf diefe Worte gründeten bie alten Chriften den 
Namen Petra, Feld, den fie Chriſto beilegten. Wir finden ihn bereite 
bei Suftin d. M. im Gefprahe mit Tryphon p. 274, wo Mofes auf 
dem Feld kniend angeführt wird. Irenaͤus erwähnt feiner mehrere 


Male: Est dominus et Salvator apud Danietem II. lapis sine ma- 


nibus,. id est, absque coitu et humano natus sanguine de utero 
virginali adv. Haeres. Ill. c. 28. und c. 7. Lapis sub persona filit 
hominis introducitur et assumtio carnis humanae significatur in filio 


Dei. Und Tertull. adv. Marcion. Ill. 16. Petra enim Christus. — 


Auch Damafus nennt Zefum Petra und Fons mit Rüdfiht auf das 
Waſſer, welches Mofes mit dem Schlage feines Stabes aus dem Fel: 
fen bervorfpringen ließ. Denn von diefem Felfen und dem Wunder 
des iftaelitifchen Gefeggeberd haben mir viele Abbildungen, befonders 
Wand: und Dedengemälde. Bei Aringhi ift aber auh aus einer 
tömifchen Katatombe ein. Grabftein angeführt, auf welchem ein Fels 
angeführt ift, zu dem eine Taube hingeht, mit der Inſchrift: Auss- 
non, qui vixit menses Ill. Non. Octbr. Das Kind, das zu Sefu feine 
Zufluht nimmt, wird alſo hier durch die Taube vorgeftellt. Derglei⸗ 
chen Allegorien bat auch die weit fpätere Myftit angenommen. Sn 
ben alten Gefangbüchern der Brüdergemeinden find Kupferfliche, die 
einen Sels vorftellen, zu deffen Höhlen Voͤgel - binfliegen. Daher 
der Name Kreuzluftvögelein, den man in Altern Schriften diefer Pars 
tei findet. j 

4) Die Sußtapfen. Auf einem Steine bei Bolbettt p. 368, 
einem andern bei Buonarotti p. 165 und einem dritten bei Schöne 
Geſchichtsforſchungen IH. Tab. II. m. 37. finden wir einen Fuß abges 
bildet, vielleicht ald Symbol des Uebergangs in eine bef: 
fere Welt und ald Ausdrud des Wunfdes I. pede fansto oder 
secundo! Den Abdrud eines Fußes mit der darin eingegrabenen In⸗ 
ſchrift: In Deo giebt Bolbetti p. 419. Auch fehen wir zwei Fuß— 
tapfen bei Lupi p. 69. Es kann vielleicht dadurch der Pauliniſche 
Ausdruck 2 Cor. 5, 6. bezeichnet feyn. Wahrfcheinlicher iſt es jedoch, 
daß die iyxvıa Kororoü, Fußtapfen Chrifti, 1 Petr. 2, 21. gemeint 
find, befonders da ber Clementinifhe Hymnus ihrer erwähnt: 
' Bußtapfen Chrifti 

Dimmelöweg! u. f. w. 


x 


Sinnbilber. | 349 
‚Wie alt die chriſtlichen Steine biefer Art find, laͤßt fih nicht beſtim⸗ 
men; gewiß aber find fie nicht früher, als das conftantinifche Zeitalter, 
in dem die Wallfahrten der Chriſten anfingen. 
5) Das Haus. Die Beihnung eines Haufes kommt einige: 
male auf Grabfteinen vor, Aringhi 1. p. 506. MI. p. 340, 357. 
Unter mehrern Erklärungen dieſes Bildes ſcheint diejenige den Vorzug 
zu. verdienen, die es von. der Kirche herleitet. So Ipricht ſchon Paulus 
1 Zim. IU. 15. vom Haufe Bottes. Irenacus adv. haeres. 
fagt J. 3,. daß. die in der ganzen Welt zerftreute Rir 
be gleihfam ein Haug bewohne, und Drigenes beruft fi in 
der fiebenten Domilie über das Hohe Lied aufdie paulinifchen Worte, in 
denen die Kirhe befchrieben wird, die ein geiftli- 
hes Haus und Bottes Saus ift. Auch Eprill von Jeruſa⸗ 
lem vergleicht den Unterricht mit einem Gebäude. Chryſoſtomus nennt 
die Kirche ein von den Seelen der Menſchen errichtetes 
Gebäude, Und mit Ihnen flimmen Auguftin zu Pf. 26. und Hie⸗ 
ronymus zu ef. 65. überein. Diefe Vergleihung iſt weit natürlicher, 
als die mit Chriſtus ſelbſt, wiewohl er in dem anfängs angeführten 
Epigramme des Papſtes Damasus — Domus genannt wird, Wan 
Sönnte zivar, da das Haus als Symbol in den Katakomben gefunden 


wird, es für gleichbedeutend halten mit dem domus aeterna, . 


dem bei den Römern fo gebräuchlichen Namen des Grabes, welcher 


fhon bei den Hebraͤern vorkommt (ef. 14, 18.) und bei Aegpptern,;'” 


Perſern, Griechen und Römern in ihren Dentmälern, die oft die Form 
von Paläften und Häufern haben, ausgedrückt wird; folder Stellen, 
wie Domus exilis Piutonia Horat. Od. I. 4. nicht einmal zu erwaͤh⸗ 
nen. Auch auf chriftlichen Grabfteinen findet ſich zuweilen, obgleich 
ſehr felten, diefer Ausdrud, Man konnte auch an die Wohnungen bes 
Vaters, Joh. 14, 2., denken. Symbole find ihrer Natur nach meh⸗ 
tern Deutungen unterworfen, und feine, die fih nicht ganz als unna⸗ 
türlich ausweift, darf als falſch und unftatthaft verworfen werden. 

Zu verwundern ift es, fagt Muͤnter, dag wie unter ben Sym⸗ 
bolen der alten Chriften nirgends den Thurm antreffen (Sinnbilder 
1. Heft p. 56). Allein das Befremden ſchwindet fogleih, wenn man 
eine Stelle damit vergleicht in Auguſti's Denkwuͤrdigkeiten Thl. 11. 
p. 408, wo von ber kirchlichen Baukunſt die Mede iſt. Hier heißt e6: 
„Shlöffer und Burgen waren von ben dlteften Zeiten her mit Schirm⸗ 
„Thuͤrmen verfehen, und von biefen find fie auch aller Wahrſcheinlich⸗ 
„teit nach auf die chriſtlichen Kirchen Üübergetragen worden. Aber in mel: 

„cher Periode dieß Zuet geſchehen ſei, laͤßt ſich nicht mehr mit Sicher⸗ 

„heit ermitteln. ur ſo viel iſt gewiß, daß die chriſtlichen Kirchen 
„in ben erſten ſieben Jahrhunderten ohne Thuͤrme waren, und daß 
das ganze Altertum. von ſolchen Thuͤrmen, wie wir fie ſeit dem 
„13. Jahrhunderte im Abendlande allgemein finden, durchaus keine 
Worſtellung hatte,” 

Iſt dieß gegruͤndet, ſo kann man es mit Muͤnter nicht weiter 
befremdend finden, daß im chriſtlichen Alterthume keine Sinnbilder von 
Thuͤrmen entlehnt vorhanden waren. 

Beſonders merkwürdig iſt die Zeichnung eines Hauſes auf dem 
Grabmaie eines Chriften, Calevius, Aringhi I. 857. Mamachi MI. 18. 


x 


- 


350 | Sinnbilder. 


Sn der Mitte ſteht das Haus, über ihm hängt bie Wagſchale, zum 
Gericht über die Zodten, rechts der fiebenarmige Leuchter, und ein 
Grabmal mit’einer hohen Treppe, auf welcher eine Leiche fteht, die, 
wie Lazarus eingewidelt zu ſeyn pflegt, mmmienartig beffeidet iſt, und 
dem Monogramme Chrifti in der Luft daneben, zum Zeichen, daß der 
Zodte ein Chrift war, links ein herbeiſchwebender Fiſch, baffelbe an: 
beutend, vielleicht mit dem Mebenbegriffe der ewigen Gluͤckſeligkeit. 
So fcheint das Bild gedeutet werden zu muͤſſen. Mamachi erklaͤrt das 
Haus entweder vom Grabe oder von den bald in Staub aufzuloͤſen⸗ 
den Leichnam des Todten (mie axyrwpa 2 Petri1, 15. und olxla 
Tod oxnvoüg 2 Cor: 5, 1.) den: Sifd aber dom Fode, der den Begta⸗ 
denen unvermuthet überfiel, der Kandelaber aber foll andeuten, daß ein 
jeder wachſam feyn, und nah feinem Tode den Wink Gottes zur 
Auferflehung, auf die das Grab Lazari hindeute, erwarten muͤſſe. 
Dann werde das gerechte Gericht (durch die Wagſchale angezeigt) über 
fein Schidfal entfcheiden. 


6) Der Relch. Eine feltene Vorſtellung unter den Denkmaͤlern 
des chriſtlichen Alterthums. Boldetti giebt fie p. 208 f. auf einem Grab⸗ 
ſteine, in den eine mit dem Oelzweige im Schnabel zwiſchen einem 
Anker und dem Kelche, ſtehende Taude eingehauen iſt. Im 
Kelche liegen zwei kreuzweiſe eingeſchnittene Brode. Die Inſchrift: 
OPOVIG EA EN ILAKE zeigt ein junges Alter. Die Brode kreuz⸗ 
weis einzuſchneiden, um ſie deſto leichter brechen zu koͤnnen, war eine 
roͤmiſche Sitte, und ſowohl Hotaz ale Martial fpielen auf diefelbe an. 
Erſterer ſagt Epist. I, VL v. 49. 

Et mihbi dividuo findetur munere quadra. 
Letzterer Epigr. I, 76. 

Nec te liba juvant, nec secta quadra placentae, 
- und Epigr. IX, 92. 

Secta plurima de placenta, 
Wir fehen ſolche eingefchnittene Brode auch auf: einem Relief, welches 
ein Trielinium vorſtellt. Unſer Grabſtein iſt aber unbezweifelt ein 
chriſtlicher, und es war auch in der alten Kirche gebraͤuchlich, die 
Abendmahlsbrode auf dieſe Weiſe zu bezeichnen. 


Eine ähnliche Vorſtellung giebt Sirmond aus einer alten Zeich⸗ 
nung in einer Handfchrift des Kloſters St. Germain. Der Kelch ſteht 
auf dem Altare zwiſchen ſechs kreuzwels durchſchnittenen Broden. Dieſes 
ſcheinen die beiden einzigen, aus aͤltern Zeiten auf uns gekommenen 
Vorſtellungen des Abendmahlkelchs. 


Wie kommen aber die Brode in ben zuerſt beſchriebenen Relch? 
Sie ſcheinen auf die in der griechiſchen Kirche fpaͤterhin, ungewiß zu 
welcher Zeit, aufgekommene Gewohnheit hinzudenten, Brod und 
Mein in der Communion zugleich auszutheilen. Bingh. Orig. 
Eecles, VI. p. 441. — Christoph Sonntag de intinctione penis 
eucharistici in vinum. Akorfi 169. Es märe indeffen doch 
möglih, ja es iſt fogar wahrſcheinlich, daß dieſe Gewohnheit früher 
fhon in Aegypten Statt gefunden habe. Ein Decretale des roͤmiſchen 
Biſchofs Julius (837), wiederholt im Concil zu Braga 675, umd darum 
gewiß nicht unaͤcht, an bie ãgyptiſchen Bifchoͤfe, verdammt naͤmlich 


Sinnbilber. 351 


bas Eintauchen bes Brodes im den Kelch als mit ber evangelifhen . 


und apoſtoliſchen Lehre ftreitend. 

Gemälde und Bildfäulen einer fpätern Zeit ſtellen den Apoftel 
Johannes mit dem Kelche in der Hand vor, und diefer iſt fogar ein 
charakteriſtiſches Zeichen geworden. Das Alter dieſer Vorſtellung iſt 
nicht anzugeben; fie fcheint aber felbft jünger als die Karolingifche 
Deriode zu ſeyn. 

Die Abbildung "einer hölzernen Statue des Apoftels, die in ber 
Gropte der Kathedralkicche zu Lund fteht, findet fihb auf den Stein> 
brüden zu Münters Einnbildern Taf. I. Nr. 45. Die Abbildung, 
wo aus dem Kelche, melden Johannes in ber Hand hält, eine 
Schlange berausfpringt, iſt von uns im zweiten Bande diefes Hands 
buchs Artikel Geburtsfeſt Sefu p. 196 befprohen worden. Wie aber 
diefer Kelch zu beuten fei, darüber haben fih die Meinungen fehr vers 
fhieden geflaltet. „Es ift mir wahrſcheinlich,“ fage Münter Sinnbils 
der 1. Heft, p- 67, „daß diefer Becher bei Johannes, als dem 
„Beugen des Todes Jeſu, ber das Blut aus feiner geöffneten 
„Seite fließen ſah, in näherer DBerbindung mit dem Vermaͤcht⸗ 
„niſſe des Herrn gedacht ward, wiewohl fein Evangelium ‚der Ein: 
„ſetzung des Abendmahls nicht gedenkt. Der Kelch war den Kreuzfah⸗ 
„tern befonders heilig. Im Driente fol der Kelch mit bei Hoftie und 
„mit zwei Sadeln ein Symbol der Tempelherren gewefen feyn, die den 
„Apoftel Johannes befonders verehrten. Viele Kelhe finden fih auch 
„auf Srabfleinen der mit Ludwig dem Heiligen aus Aegypten zurüd: 
„gekommenen Kreusfahrer, befonderd der Pralaten, die noch auf der 
„Inſel Gozzo bei Malta vorhanden find. Ueberhaupt war im Mittels 
„olter bis zur Reformation der Kelch das Zeichen bes Prieſterthums, 
„daher wir ihn auf unzähligen Leichenfteinen ausgehauen, zumeilen 
„auch den verflocbenen Bilhöfen und Prieftern ins Grab mitgeges 
„Den, finden.” 

7) Das Rreuz, Bon diefem haben wir einen eigenen, weits 
Lduftigern Artikel gegeben, wo auch das Sinnbildliche des Kreuzes zu: 
gleich mit berührt worden ift. 

8) Die Krone. Es ift hier nicht der Ort, die Kronen im Hei: 
benthume, die den Siegern in ben Kampffpielen, den verdienten Krie⸗ 
gern, den Bürgern, Magiſtraten, den Kaifern und felbft den Göttern 
geſchenkt wurden, und diejenigen, welche die Stephanophoren ale Zei: 
hen ihrer prielterlihen Würde trugen, zu erörtern. Diefer Theil der 
Alterthümer iſt ohnehin fleißig erörtert worden. (S. Jo. Meursii de 
Coronis, Sorae Danos. 1643.) Außerdem war e8 auch ein allgemei> 
ner Gebrauch, Blumen: und andere Kronen bei feierlichen Gelegenheiten 
zu tragen. Daher mußten auch die Chriften frühzeitig mit diefer Sitce 
in Berührung kommen, und bei ihrem Abſcheu vor allem, was auch 
nur von fern mit dem Heibenthume in Verbindung kommen Eonnte, 
wurden ben minder Aufgeflärten audy bie Kronen aͤußerſt verhaßt. So 
3. B. warf zu Karthago ein Kriegsmann, den feine Vorgeſetzten feines 
Mohlverhaltens wegen mit einer Krone befchenkt hatten, dieſe vom ſich 
und ward deshalb von ben vorurtheilsvollen Chriflen getadelt, allein 


eifrig vertheidige_von Tertullian in einer eigenen Schrift de corona 
militie, 


4 


352 Sinnbilder. | 
Deffen ungeachtet nahmen bie alten Chriſten die Krone aus allerlei 


Laubwerk als Siegeszeichen unter ihre Symbole auf. Es gefchieht ihrer 


fa im N. T. Erwähnung! Die Krone der Gerechtigkeit 
2 Tim. 4, 9. Die Rrone der Ehre 1 Derr. 5, 4 Die 
Brone des Lebens Jac. 1, 12. Gffenb. Job. 2, 10. 
u. f. w. Wir finden daher das Monogramm. Chrifti vorn in einem 
Lorbeerkranz befeftigt bei Aringhi I. 366., bei Boldetti 808.,. auch 
zwifchen Palmenzweigen, bie aus dem Lorbeerkranz hervorſproſſen. 
Mamachi II. 70. und andermärts, oft auf Grabfleinen und an Wins 
den der Grabkammern in vielfacher Verbindung mit andern Symbolen. 
Aringhi I. 369. 870. Auf der fegtgenannten Seite des Aringhifchen 
Werkes ſteht ein betender Knabe im Kranze. 

Es ift Sieg und Siegeshoffnung, Freude und Theilnahme am 
himmlifhen Gaftmale (Mt. 8, 11.), melde durch diefe Krone bezeichs 
net werden, bei weitem nicht immer Märtyrerchum. Wie viele Mär 
tyrer müßte ed dann gegeben haben! Den Elarften Beweis finden mir 
auf jenem Steine bei Aringhi IL. 370. Da lautet die Infchrift neben 
dem Kranz, in dem ber betende Knabe flieht: RESPECTUS QUI 
VIXIT ANN. V. ET MENSES VIII. DORMIT IN PACE. Be 
einem fünfjährigen Kinde war doch an kein Maͤrtyrerthum zu denken. 

Der Kranz mag auch mohl zumeilen wie bei den. Heiden ein 
Beichen des Prieſterthums geweſen ſeyn. Paulinus von Nola fagt 
Epist. 8. ad Venerabilem socium coronae tuae Patrem nostrum 
Aurelium ita scripsimus, und Augustin ep. 141. ad Proculienum: 
Per coronam .nostram vos adjurant Vestri, per coronam vestram 
vos adjurant nostri. 

Aud auf Grablampen fehen mir oft das Monogramm Chrifti in 
einem Kranze. Gott allein kann durch Chriftus die Heiligen und From⸗ 
men kroͤnen. Zuweilen ſteht aud das fo gekroͤnte Monogramm auf 
der Spige des Kreuzes. Der Sieg des Chriftenthums durch das Kreuz. 

. 9) Die Leier. Apollos goldene Leier war den erflen Chriften 
nicht fremd. Sie priefen in ihren gotteödienfllihen Verſammlungen 
und in ihrer Hausandacht den Vater aller Dinge und den Erlöfer aller 
Menfhen mit heiligen Gefängen, und es leidet feinen Zweifel, daß fie 
thren Sefang mit Inſtrumentalmuſik begleitet haben, wie fchon aus den 
Morten ade und wulkeır Eph. 5, 19. hervorgeht. Wir finden die 
Leler unter den Sinnbildern, die Clemens von Alerandrien den Chriften 
für ihre Stegelringe empfiehlt; ein Beweis mehr, daß fie den Gebrauch 
derfelben in ihrem Gottesdienſte nicht verfäumt haben, und unter den 
Leiern, die auf gefchnittenen Steinen gefehen tmerden, mögen daher 
manche chriſtliche ſeyn, melde jedoch von den heibnifchen zu unters 
ſcheiden ſchwer werden bürfte. 

As Sinnbild erklärt fi die Leier von ſelbſt. In der Hand des 
Orpheus, den wir auch auf chriftlihen Gemälden wahrnehmen, ift fie 
das Mittel, wodurch die Leidenfhaften bezaͤhmt und rohe Menfchen 
zur Bildung vorbereitet werben. Daß fie aber, wie Aringhi 296. will, 
ein Symbol des Kreuzes Chriſti fei, iſt Höchft gezwungen und eine 
unnöthige Deutung, da bie natürlihe uns fo nahe Liege. Viel eher . 
Eönnte man fie ald ein Symbol des chriftlichen Gottesdienftes und 
befonder6 der Lobpreifungen Gottes und Chriftt betrachten, zu denen 


Sinnbilder. 33 


fie gebraucht wurde. Bottori giebt Tom. I. p. 122 den Kupferſtich 
eines großen chriftlichen Sarkophags, den er jedoch nicht erklärt, wie: 
wohl er es verdient hätte. Es ift ein chriftliher Sarkophag; denn in 
Der mittelften Abtheilung ſieht man den guten Hirten. Die beiden 
Reliefs zur Rechten und zur Linken find vortrefflich gearbeitet und koͤn⸗ 
nen, fowohl, was Zeichnung, als Compofition und Drapfrung der 
Figuren betrifft, mit fchönen griechiihen und römifchen wetteifern. 
Sie gehören fiher in die früheften Zeiten der Kirche, und es tft fein 
Grund vorhanden, der uns hindern Eönnte, fie für Werke des Zeitals 
terö der Antonine zu halten. Rechter Hand fist auf einem zierlichen 
GSeſſel, unter dem zwei nadte Kinder fpielen, ein junges Weib, das 
die Leier ſchlaͤgt. Vor ihm fteht eine weibliche Figur, die ihr Spiel 
zu verbefiern fcheint, wie aus der Bewegung der rechten Hand mit 
zwei aufgehobenen Singern abzunehmen ift. Hinter ihm fiehen zwei jugends 
liche weibliche Geftalten, von denen eine Ihre rechte Hand der Leierfpielerin 
auf die rechte Schulter legt. Auf der linken Hand figt gleichfalls auf 
einem zierlihen Seſſel ein mit der Tunica und Toga befleideter jun: 
ger Mann mit ausgerediter Rechten, ber in der linken eine Schriftrolle 
bat; der deitte fleht abgewendet. Beide Reliefs gehören augenfcheinlidy 
zu einander. Das junge Weib fpielt die Leier, der Mann fcheint zu 
ihrer Melodie zu fingen; die Schriftrollen müffen alfo wohl die Worte 
enthalten! Der gute Hirt in der Mitte buͤrgt bafür, daß es nicht 
weltliche Lieder, fondern chriſtliche Hymnen find, bie fie fingen. Es 
ſcheint ein häuslicher Gottesbienft zu fen, in der Art, von ber Ter⸗ 
tullian fpriht ad uxorem Hi. 9. Sonant inter duas (conjuges) 
Psalmi et hymni et mutuo provocant, quis melius Deo suo cantet, 
Vielleicht Nachahmung der Antiphonen, die der heilige Ignatius zuerft 
in der antiochenifchen Kirche foll eingeführt haben. Die Männer find 
Verwandte oder Freunde, vielleicht Presbyteri ber Kicche und Hausge⸗ 
noffen. Sclaven innen es nicht feyn, ba die Kleidung freie Männer 
andeutet. Die Weiber mögen Schweflern und Freundinnen vorftelfen. 
Zwei von ihnen zeigen wenigſtens eine zu große Vertraulichkeit mit ben 
Spielenden, als dag fie ihre Dienerinnen feyn Eönnten. Die beiden 
Kinder mögen die übrigen fern. So weit ift in ber Erklärung dieſer 
Reliefs alles leicht. Mur ein Umſtand made fie etwas unficher; bie 
junge Frau iſt für eine heiftin nicht züchtig genug gekleidet. Sie 
. bat die rechte Bruſt entbloͤßt. Diefes aber könnte ja ein Verſehen 
eines heidniſchen Bildhauers feyn, bei dem ein Chrift den Sarkophag 
beſtellt hatte. Außerdem finden mir je auch fonft ganz nadte Figuren 
umter den chriftlichen Bildern, männliche oft; aber auch Eva, die Mut: 
‚ter des Menfchengefchledyts. . Sollte indefien der gute Hirt erſt ſpaͤterhin 
in einen urfprünglich heidniſchen Sarkophag Hineingefügt worden feyn, 
welches nur durch eine genauere Beſichtigung deſſelben entfchieden mer: 
den ann, fo haben body die Käufer, die Chriften waren, ſich unter - 
den Vorſtellungen der beiden Meliefs einen chrifllihen Gottesdienſt 
gedacht. ft aber der gute Hirte mit den beiden Reliefs gleichzeitig, 
fo .machen die Schriftroßien in der Hand der Männer uns noch auf 
einen Umftand aufmerffam. Es find diefe nämlich ein Analogon von 
unſern Geſangbuͤchern. Cajus, Presbpter zu Rom, fagt bei Eufebius- 
88. 5.283. Wie viele Pfalmen und Oden der Br: 
Siegel Handtu IV, 23 


Tr | | Simbilder. 


der giebt es nicht, die vom Anfange an von den 
Bläubigen gefhrieben wurden und theologifis 
rend Chriftus als den Logos Gottes befingen! 
Das bdiefe Lieder gefammelt wurden, leidet wohl keinen Zweifel; denn 
die Chriften, welche fie bei ihrem Gottesdienfte brauchten, konnten fie 
unmöglihd ale auswendig lernen. Und folhe Sammlungen ‚von 
Sefängen werden aud gewiß zu ben heiligen Schriften gerechnet worden 
feyn, deren Auslieferung die Heiden in den Verfolgungen forderten, 
daher fie bis auf wenige Bruchſtuͤcke untergegangen find. 

10) Der fiebenarmige Leuchter. Die Suben hatten be⸗ 
reit8 den fiebenarmigen Leuchter ber Stiftshltte und des falomonifhen 
Tempels auf ihren Srabfteinen. So finden wir ihn auf einem jüdifhen 
Dentmale mit dem binzugefügten Hebräifhen dobrz Friede, bei Lupi 

-p. 177. Er konnte auch in ber Folge bei ihnen nicht in Vergeſſen⸗ 
heit gerathen, da er im jest noch vorhandenen Zriumphbogen des 
Titus zu Rom in Stein gehauen war. Auch die Chriften hatten ihn 
unter ihren Symbolen. Der Brief an bie Hebraͤer gedenkt feiner 9, 
10. und die Offenbarung Johannis erwähnt ber fieben goldenen Leuch⸗ 
ter, die der Seher erblidte 1, 12. Wir finden ihn aus den Katakom⸗ 
ben abgebildet bei Aringhi IE. 352. und ſehr roh, wie einen Tiſch mit 
zwei einander durchkreuzenden Füßen, auf dem fieben Lampen flchen, 
ebendafelbft 357. Auf Srablampen wird er öfter gefehen. Aringhi Il. 
353., Boldetti 526., Mamachi II. p. 39.40. Er ift auch in Edelſteine 
gegraben worden, die Ficoroni Gemmae literatae P. Il, Tab. 2. und 
Meland in der Abhandlung: de spoliis templi Hierosolymitani in 
Arcu Titiano Romae conspicuis gefammelt haben; Diefe mögen wohl 
jübifch feyn, eine bei Ficoroni ausgenommen, die außer dem Hebraͤi⸗ 
{hen Do das gnoftifhe LAQ hat, und daher wahrſcheinlich Baſi⸗ 
lianiſch iſt. — Die Worte Chrifli Joh. 8, 12. Ich bin das 
Liht der Welt! — werben meiftens zur Erklärung des Symbole 
hinreichen, daher fagt auch Clemens von Alerandrien: Aliud quoque 
habet aenigma aureum candelabrum signi Christi, non figura s0- 
lum, sed eo etiam, quod lucem immittit multifariam, multisqug 
modis in eos, qui in ipsum ceredunt. Ohne Zmeifel hat aud des⸗ 
wegen Ennodius von Pavia unter den vielen Namen Chrifli ben 
Mamen Lucifer, 

Zu einer zweiten Bedeutung gab die Stelle Offenbar. Job. 1, 20. 
bie BVeranlaffung: Und die fieben Leudhter bedeuten 
die fieben Gemeinden. Daher Cyprian ad Judaeos c. 20. 
oder wer. fonft dieſes Buch gefchrieben hat: Sterilis septem peperit, 
et quae plurimos habebat filios infirmata est. Filii autem sunt 
ecclesiae septom.. Unde et Paulus 7 ecclesiis scripsit, et Apoca- 
lypsis ecclesiag septem ponit „.. et lucerna septiformis in Taber- 
naculo. Diefe Deutung konnte aber nur auf die Leuchter mit fieben 
Armen gehen. Dan findet fie ebenfalls mit fechs und mit fünf Armen. 

11) Der ame Chrifti in Monogrammen. Wenn 
wir gleich fhon im Artikel Kreuz, die Monogramme des Namens Chrifti 
mit erwähnt haben, wenn fie ferner glei nur in einem fehr uneigents 
lihen Sinne zu den Sinnbildern der alten Kirche gezähle werben koͤn⸗ 
nen; fo haben wir doch geglaubt, ihrer wenigfiens tur; erwähnen zu 





muͤſſen, da fie auf ben alten chriſtlichen Denkmaͤlern, ben öffentlichen 
ſowehl als den privaten, häufiger als andere Zeichen und Bilder vor» 
Sommen. Sie finden fich fehr häufig auf Münzen, an Sarkophagen, 
auf Grabſteinen, auf Ringen, auf Lampen, gläfernen und irdenen 
Gefäßen, und e6 ſcheint, als wenn fein Symbol fo oft gebraucht wors 
den wäre, um ſich Jeſu, des größten menfhlichen Wohlthaͤters, zu 
erinnern und um frühere heidniſche Bildwerke zu verdrängen, als bie 
fe. Es ift auch im der chriſtlichen Kirche früh Sitte geworden, ben 
Namen Chrifti monogrammatifh auszudruͤcken. Wie früh, laͤßt ſich 
nicht genau beilimmen. Man bat geglaubt ein folches Beichen bereits 
in der Offenbarung Johannis 7, 2, erwähnt zu finden: . 
Da ſah ih vom Morgen 
Einen andern Engel empor ſich ſchwingen, ber hatte 
An der Rechten des Swiglebenden Giegel. 

Schon Zuftin der Märtyrer und Clemens von Alerandrien werden als 
Beugen für biefe Sitte angeführt. Ein folhes Monogeamm wurde 
von Gonftantin dem Großen nad feinem Siege über den Marentius 
zum Heerzeichen der roͤmiſchen Legionen gemacht; denn er wollte «6 ja 
am Dimmel gefeben haben. Das Nöthige davon iſt bereits erinnert 
worden im 3. Bde. d. Handb. Art. Kreuz p. 1% ff. Die Formen 
der Monogramme find ziemlich abwechſelnd einfacher und zufammenges 


ſetzter. Bu den erfleen gehören bie Zeichen 2 umgelehrt 4 
oder zu den letztern >. und ähnliche, 


Mit mühfamen Fleiße hat Münter in feinen Sinnbitbern erftes Heft 
To. IV. diefe Monogramme bearbeitet, ihre verſchiedene Geſtalt ſorg⸗ 
fältig abgebildet und mit Hülfe der wifenfhaftli gebildeten Kunft: 
forfcher Italiens, als Aringhi, Boldetti, Bofio, Mamachi u. a., die 
Gegenftände und Lolalitäten nachgewieſen, nach welchen fich der Name 
CHrifti in Monogrammen abgebildet findet Wen alfo biefe Gattung 
von Sinnbildern befonders interefficen folte, dem iſt der angeführte 
Abſchnitt im Muͤnter befonderd zu empfehlen. ' 

12) Das Schiff. Wir trennen das Schiff von der Arche, theils 
weit diefe zum Cycius der biblifhen Geſchichte gehört, theild auch, 
weil das Schiff in der chriftlichen Symbolik Nebenbedeutungen bat, 
die der Arche nicht zufommen. 

In fofern das Schiff die hriftliche Kirche vorſtellt, tft bie Alles 
gorie diefelbe, wie die der Arche. Indeſſen ift die Geſtalt befjelben 
von ber viereckigen Geftalt der Arche völlig verſchieden. Wir finden 
es [bon unter den Symbolen, bie Clemens von Alerandrien ben Chri⸗ 
ſten empfiehlt. Er fpeiht da don dem Schiffe, das mit einem guͤn⸗ 
ſtigen Winde ſegelt, nicht aber, mie eine florentiniſche Handſchrift des 
Tiemens von Alerandrien lieſt, himmelan ſtrebt, und nirgends ſehen 
wir das Schiff, wo es vorgeſtellt wird, aufwaͤrts gerichtet, wie Elias 
und Conſtantins Wagen, ſondern immer durch die Wogen ſegelnd. 
So iſt es in einen Jaspis eingegraben, den ber Cardinal Botgia in 
ſeiner Schrift de eruce Veliterna als Titelvignette herausgegeben hat, 

23% 


356 M Sinnbilder. 
mit dem Namen IHCCY auf dem Rüden ber Steine, und auf einer 
berühmten Gemme, auf ber das Schiff von einem großen Fiſche (wahre 
ſcheinlich von Chrifto) unterftügt wird, wo auf dem Mafte und dem 
Hintertheile zwei Tauben figen,. und Petrus auf den Waſſer wandelnd, 
von Chriftus gehalten wird, damit: er nicht nieberfinke, zugleih mit 
dem Namen IHC. und -IIEI. 

Aud hat ſich eine eherne Lampe in ber Geſtalt eines Schiffs er 
halten, auf deren Vorder: und Hintertheile zreei Figuren figen. Diefe 
beiden Figuren deutet Mamacht auf die Apoftel Petrus und Paulus; 
Münter hingegen glaubt, daß die am Steuerruder figende Figur Chris 
ftus, das Haupt und den Deren der Kirche, die vorſtehende den Apoftel 
Petrus bezeichne, der In bie Ferne hinfchaut. 

Alte: dbiefe Schiffe haben einen Maſtbaum, welcher der Arche 
überall fehle und nach der Befchreibung im 1 B. M. der Mafttaum 
fehlen muß. Auch diefer ward, fo natürlid er audy in einem Schiffe 
mar, mopftifch gedeutet. Ambrofius fagt: Arbor quaedam in navi 
est crux in ecclesia, qua inter tot totius saeculi hlanda et perni- 
ciosa naufragie, incolumis sola servatur, und in einer andern Rede: 
Sicut autem ecolesia sine cruce stare non potest, ita et sine ar- 
bore navis infirma est. Daher kommt auch die Querftange im Mafts 
baum, an welde das Segel befeftige war. Den folchergeftalt elnges 
richtefen Maſtbaum eufennt ſchon bie dltefte Kirche für ein Symbol 


des Kriegs. Und der Titel im Mectaugel Über dem Maftbaum mit 


den Inſchrift: DOMINUS LEGEM DAT. VALERIO. EUTROPI 
VIVAS, made die Aehnlichkeit mit dem Kreuze, an welches ja Pila⸗ 
tus den Zitel mit ben in drei Sprachen gefchriebenen Namen Sefu 
UL N.R. I. hatte befeftigen laffen, um fo volltommener. 

Allein diefe Deutung des Schiffe auf die Kirche war bei den alten 
ChHriften nicht die einzige. Wir finden e8 auh als ein Symbol 
des Lebens und namentlidh des Zineilens deffels 
ben zum Ziele, der Ewigkeit. Diefer Sinn iſt augenfcheine 
lich in zwei Grabfleinen, dem eriten bei DBolbetti I. 360. und Mas 
machi Ill. 95. 101. mit der Infchrift: Flavia secunda, quae vixit 
ann. XXXIII. Bitorianus bene merent. Conjugi suae fecit. Hier 
ſieht man ein Schiff, das mit vollen Segeln ins Meer hineinfleuert. 
Auf dem Maſtbaume figt mit ausgebreiteten Slügeln ein Vogel, ohne 
Zweifel eine Taube. Kine ähnliche Vorſtellung eines, von einem brens 
nenden Leuchtthurme tmegfegeinden Schiffes giebt Mamachi IN. 91. 
Boldetti 372. Wo kann es anders aus diefem Leben, in welchem bas 
Wort Gottes die Leuchte war für die Pfade des Hingefchiedenen (PT. 
119, 105) hinſegeln, als in die Ewigkeit? Leichter waͤre zwar bie 
Erklärung, wenn es zum Leuchtthurme binfegelte; allein‘ der Schiffe: 
ſchnabel ift dem offenen Meere zugewendet. Ein anderes Schiff, je 
doch ohne weitere Bedeutung, finden wir bei Boldetti 362. mit der 
Inſchrift Troximoe. So aud 365. ohne Ruder mit der Inſchrift: 
CEPHNIA IIAPOENOC ZHCACA ENIAYTON KAI MI (n) 
NAZ TEN®OAAE KEITAI EN IPHNH. Hat etwa, well das 
Kind fo früh farb, das Schiff kein Steuerruder und keine Ruder? ' 

Vielleicht ließen fi) unter den gefchnittenen Steinen noch manche 
mit dem Bilde bes Schiffs finden, bie chriftlich feyn Eönnen. Denn 





Sinnbilder. 357 


aus der Stelle des Clemens kann man wohl vermuthen, daß das Schiff 
bäufig in chriſtliche Siegelringe eingeſchnitten ward. Wenn aber fein 
Kreuz, keine Zaube, kein Monogramm, keine chriftliche Inſchrift dabei 
fieht, haben wir doch keine Sicherheit. Denn bei den Römern war 
das ſchnell ſegelnde Schiff das Sombol des öffentlichen Gluͤcks, wie 
“man «6 aus ben Münzen Hadrians mit der Legende Felicitati Aug., 
aus den Münzen des galliihen Gegenkaiſers Poſthumus mit Laetitia 
" Aug. fehen kann, und ohne Zweifel hat die Galeere auf den Münzen 
bes Kaiſers Severus von Corchra und der Julia domus von Nicopolis 
ganz biefelbe Bedeutung. Verfolgt man das Bild des Schiffs bis in 
das Mittelalter hinab, fo wird man bald bemerken,‘ daß es in bie 
Sphragiſtik dee römifch s atholifchen Kirche Üubergegangen if. Wir finden 
es mit dem fifchenden Apoftel in dem Fiſcherringe, den die Päpfte feit 
dem 12. Jahrhundert zur DBerfieglung ihrer Breven gebraucht haben. 
Auch fehen wir das Schifflein Petri auf Münzen der Paͤpſte Nico: 
Iaus V., Alerander VL und einiger ihrer Nacyfolger. 

13) Der Wagen. Boldetti fand im Coemeterio Calixti und 
Praetextati da® roh ausgehauene Bild eines zweirdderigen Wagens 
mit ruͤcklings gelegter Deichfel, zum Beichen, daß ber Magen nicht 
gebraucht wuͤrde; nebenan lag die Peitfhe; denn der Wagenführer war 
nicht mehr da, der Lebenslauf war vollendet. Wir brauchen bei diefer 
Borftelung niht an die Karren zu denken, in welchen die Leichen 
in die Katakomben geführt wurden. | 

Mirft man nun noch einen prüfenden Blick auf die zeither be: 
tsachteten Sinnbilder zurüd, die wie größtentheils dem oben angefuͤhr⸗ 
ten trefflihen Werke Muͤnters entnommen haben, fo überzeugt man 
fi) leicht, daß noch viele derfelben in den Bildwerken der roͤmiſch⸗ 
katholiſchen und der evangelifch = lutherifchen Kirche vorhanden find, und 
faft eben noch fo, wie in frühern Zeiten gebeutet werden. . 


⸗ 


29, 
Sonntag. 


L Alter und allmählige Geftaltung der Sonntagss 
feier, I. Allgemeine Namen für den Sonntag in den 
erften Sahrhunderten. IIL Art und Weife, mie der 
Sonntag feierlich auögezeihnet wurde. IV. Spätere 
-Benennungen der einzelnen Sonntage in ber römifchen 
und in der griechifchen Kirche, 


Literatur. De Sabbato et die dominico. Auctore Guil. 
Amesio. Franeckerae 1633. — Dies dominicus, #. succincta nar- 
ratio ex. 8. scripturar. et antiquitatis patrum testimoniis coneinnata 
et duobus libris distineta. Lond. 1639. 8. — Jo. Sam. Stryk de 
jure Sabbati. Halae 1702. edit. 5. 1715. — Jo. Dav. Schwerdner 
vindiciae moralitatis diei dominicae 17038. — Jo. Ge, Abicht de 
Sabbato Christian. ex histor. N, T. Viteb. 1731. 4. — J. Mo» 
bius diss. a quibusnam dies solis sit consecratus divino cultul, 
Lips. 1688. 4. — Gf. Wegner deductio et declaratio sententiae 
Aug. Confessionis de die dominico, originom ejusdem, non insti- 
tutioni divinae, sed ecclesiae christianae vindicantis. Wittenb. 
1702. & — 6. % C. Bechers Abhandi. von dem Sabbate der Ju⸗ 
den und dem Sonntage ber Chriften. Hulle 1775. — K. Chr. Lbr. 
Francke de diei dominici apud veteres christianos celebratione, 
Halle 1826. 8 — Hospinianus de origine festor. ete. p. 26. — 
Joachim Hildebrandi libellus de diebus festis eto. p. 5 seqg. — 
. Schmidii histor. festor et dominic, etc. p. 7 seqqg. — Bingh. I. I. 
Vol. IX. p. 13 seqg. — Auguſti's Denkwuͤrdigkeiten x. I. Thl. 16 
—19, IL Thl. 345 fe — Schöne Geſchichtsforſchungen über bie 
Nirchl. Gebräuhe 1. Thl. p. 835 ff. 3. Thl. p. 244 ff. — Fabriecii 
Bibliogr. antiquaria ed. 2. (Hamb. 1760. 4.) p. 452 seqgq. 

I) Alter und allmählige Geftaltung der Sonn: 
tagsfeier. — Es ift bekannt, daß die erflen Chriſten in den Ta⸗ 
gen, wo ihre Anzahl noch nicht groß war, täglich zufammen kamen. 
. Wenn baher in dem N. 2. von Berfammlungen, die am erften Wo⸗ 
hentage Statt fanden, Act. 20, 7. 2, 1. 1 Cor. 16, 1—2. die Rede 
it, fo folgt daraus noch nicht, daß damals ſchon die eigentliche Sonn: 
tagsfeier eingeführt gewefen fei._ Als aber die Anzahl der Chriften zu: 


Sonntag. | 358 


nahm, mußten bie täglichen Bufammenkünfte feltener und das Beduͤrf⸗ 
niß eines wöchentlichen religiöfen Weihetages flärker empfunden werden. 
Daß man nun dazu den erfien Wochentag wählte, darauf hatten wohl 
die Apoftel, und namentlih Paulus, Einfluß. Zwar iſt nirgends mit 
deutlihen Worten angegeben, warum bie Wahl vorzüglich auf diefen Tag 
gefallen fey; denn die Mehrzahl der Kirchenväter begnügt fi) damit, zu 
geigen, daß Jeſus durch feine Ausfprüde und Handlungen das Vor⸗ 
urtheil von der Notwendigkeit des Sabbaths widerlegt und die Frei⸗ 
heit der an keinen Ort und keine Zeit gebundenen Gottesverehrung 
geftattet habe. Seine Juͤnger und Verehrer aber hätten den erften Zag 
als den paffendften gewählt, ohne ein Geſetz daraus zu machen. Blos 
Athanafius_ fpricht von einer Verlegung des Sabbaths auf den Sonns 
tag. ©. Athanas, homil. de semente Opp. Tom. 1. p. 1060. 
Allein Wahrfheinlichkeitsgrunde Laffen ſich leicht auffinden, warum 
Paulus für diefen Tag befondets geſtimmt war. Ermägt man naͤm⸗ 
lich die Stellen, wo der Apoftel die Merkheiligkeit dere Juden auch in 
Beziehung auf die Feiertage und Sabbathe tadelt, Eoloff. 2, 16. Gal. 
4, 9 ff., erinnert man fi, welchen hohen Werth er auf die Auferftes 
bung Sefu legte, und wie er unverhoblen den Wunſch ausfpricht, die 
Chriſten möchten fich je eher je Lieber als felbftftändig und unabhängig 
von dem engherzigen Geifte des Judenthums zeigen, fo iſt es gemiß 
nicht fchwer einzufehen, warum er eine Verlegung des jüdifchen Sab⸗ 
baths auf den erften Wochentag wünfchte, und durch fein Beifpiel hin 
und mieder einführte. Aber daß eine fo alte Gewohnheit, wie bie 
Sabbathefeier, ſich nicht fogleich ausrotten ließe, mußte Paulus ebenfalle 
fühlen. Deshalb verfuhr er auch nicht mit flürmifhem Eifer, feine 
Seringfhägung des Sabbaths unter feinen ehemaligen Glaubensgenof: 
fen an den Tag zu legen, fondern er befuchte felbft auf feinen Reifen 
am Sabbathe die Synagogen, wo er fo bequeme Gelegenheit fand, 
dem verfammelten Volke das Evangelium zu verlündigen. Mit dem jetzt 
Gefagten ftimmen auch zwei Erfcheinungen in den Zeitaltern überein, die 
ſich zuvaͤchſt an das apoftolifche anfchliegen. Es find die mit Paulus 
Anſichten übereinftimmenden Zeugniffe der damals berühmten Kirchen⸗ 
lehrer über den erften Wochentag. zur öffentlichen Gottesverehrung und 
zu gleicher Zeit auch die Gewohnheit, befondere im Morgenlande neben 
bem Sonntage aud noch den Sgnnabend zu feiern. Was jene Zeugs 
niſſe betrifft, fo bemühen fih die Schriftfteller, die dem apoftolifhen 
Zeitalter noch nahe ſtanden, zu zeigen, daß es der Wille Gottes gewe⸗ 
fen fei, die frühere Sabbachseinrichtung abzufchaffen. Schon Barna- 
bas Epist. o. 15. macht darauf aufmerkfam, daß Gott im A. T., 
z. B. Jeſ. 1, 13 ff., feine Mißbilligung der jüdifhen Sabbathe und 
Feſte zu verfiehen gegeben habe, und fett alsdann hinzu: dıö xal 
ayousv vu nulgur any öybönv Elg sögooovynv, dv w xal ’Imooüc 
de vexpiv xal paregwFels avißn els Todg ovgavovs. Auf aͤhnliche 
Meife erklären fih auch Juſtin der Märtyrer Dialog. c. Tryphon. 
Jud. p. 34 (edit. Oberthür) Apolog. 1. $. 67. p. 222. Nach Igna⸗ 
tius (Epist. ad Magnes. c. 9. 10.) iſt es ganz unftatthaft, ſich einen 
Verehrer Jeſu zu nennen und dennod an jüdifhen Sagungen zu hal⸗ 
ten (lovduiler). Am ausführlichiten aber haben fi Tertallian. adv. 
Jud e. 4. 5. p. 209 seqg. edit. Rigalt. und Joh. Damasc. de fide 





—X 


660 Sonntag. 


orthodoxa 1. 4. & 24. barlber eriärt. — Nichts beflo weniger läßt 
fih daher auch die Thatſache ableugnen, daß viele Chriflengemeinben, 
befonders in der morgenländifchen Kirche, den Sabbath zugleich mit dem 
Sonntage feierten. Bis ins vierte Seculum herrſcht über die Combina⸗ 
tion diefer beiden Tage ein gewilles Schwanten. Einige Gemeinden - 
verfammelten ſich nach altjuͤdiſchem Gebrauche am Sabbathe, die meis 
fien aber am Tage bes Herm und viele an beiden zugleih. Eben fo 
wenig iſt auch das Urtheil ber Kircyenväter Über diefe Sitte übereins 
flimmend. Wenn. einige über die Sabbathefeier neben dem Sonntage 
nur oberflaͤchlich fprechen oder gänzlich ftillfchweigen, fo mißbiligen Ans 
dere dieſelbe, 4. B. Origenes contra Celsum I, 8. e. 21. und öfterer 
in feinen Homilien, und wieder Andere nahmen fie in Schug, 5 B. 
Gregor. Nyssen. Opp. Tom, IIL p. 312, wo es vom Sonntage und 
Sabbathe heit: Weißt du nicht, daß biefe Tage Brüder find? es 
boy würde man fehr irren, wenn man annehmen wollte, baß ber 
Sabbath völlig auf jüdifche Art gefeiert worden fei, und baf er ganz 
das Feierliche gehabt habe, wie ber Sonntag. Bingh. I. 1. Vol. IX. 


1%. o 8. zeigt mit vieler Genauigkeit, daß keine Spuren von Ges 


fegen vorhanden wären, bie auf das Stehen beim Gebete Beziehung 
hätten oder gerichtliche Verhandlungen und öffentlihe Luſtbarkeiten 
unterfagten u. f. w. Neuere Bearbeiter ber Kicchengefchichte, wie z. B. 
Schmidt 1. Thl. p 850 ſuchen beide Erfcheinungen, die Sonntage 
feier im apoflolifhen Geiſte und die beibehaltene jüdifhe Sabbathefeier 
daraus zu erflären, daß fie annehmen, die Chriften hätten in ber früs 
bern Zeit wichsige Urfachen gehabt, nicht mit den Juden vermechfelt zu 
werben, und darum hätten fie im 1. und zweiten Jahrhundert auch 
ſehr darüber gewacht, daß fie fich felbit durch die Sonntagsfeier von 
den Juden unterfhleden. Sobald aber diefe Gründe nicht mehr wich 
ſam geweſen wären, bätte man aus einer gewiflen Bequemung bem 
ehemaligen Juden dig Sabbathefeler nachgefehen. . 

Inzwiſchen muß aber doch gegen das 4. Jahrhundert die Marime 
immer vorberefhender geworden feyn, daß der Sabbath von ber Sonn⸗ 
tagefeler zu trennen fei. Darauf arbeitet [hon bin das Cone. Eli- 
berit. a. 305. can. 26. Coneil. Laodicen, can. 29. (a. 361). Mit 
diefen ftimmt auch zufammen Gonftantins Verordnung bei Euseb. de 


. vita Constantin. M. 1. IV, c. 18. Sozom..h. ©. 1, 1. c. 7. Jedoch 


muß die Zahl der Sabbathsfreunde auch fpät noch groß geweſen feynz 
denn nah Auguflin, Hieronymus u. a. zeigen ſich am Ende des 
Aten und In der Mitte des 5. Jahrhunderts noch Spuren davon, der 
Begerifchen Parteien nicht zu gedenken, bie da glaubten ben jüdifchen 
Sabbath beibehalten zu müffen. Später aber verliert fi) immer mehr 
die Spuc von ber Mitfeier des Sabbaths neben dem Sonntage, fo 
daß der lestere an feierlicher Auszeichnung immer mehr gewann. Vgl. 
überhaupt Gf. Wegner diss. hist. theol. de sahbato Christianorum 
judaico. Königsb. 1702. 4., fo wie die fogleih unter II. 8. anzus 
führenden Schriften von Bartels, Haltbauer und Böhmer, nebfl 
Abichts ſchon oben angeführten brauchbarem Werkchen. 

II) Allgemeine Namen für den Söonntag aus 
den eriten Jahrhunderten. — Dahin gehört vor allem 
der Rame: 


Sommtag. 201 

1) Husea xvesaxn ober Audoa zvplov, welches im 
M. T. blos 4 N 10. Ka) 100 66 no immer bie meiften 
Interpreten vom Sonntage verfichen. Diefe Benennung, lateiniſch 
dominica, fol in ihrer Emphafe Folgendes fagen: a) der von Chriſtus, 
dem Stifter des M. B. und Herm des Sabbaths gefehte Tag, wo 
man Gott eben ſowohl anbeten kann, als an dem durch tüdifchen 
Aberglauben entweihten fiebenten Zage. b) Der Zag, wo man ſich 
der an demfelben erfolgten Auferfichung Jeſu und ber Ausgiefung des 
heiligen Geiftes dankbar erinnern fol. Am ausfuͤhrlichſten eetläet fi 
über diefe Benennung und Bedeutung Auguſtin epist. 119. ad Ja- 
nuar. ©. 10 — 16. Indem die alten Chriften biefe Benennung vor 
zugsweiſe wählten, wollten fie anzeigen, baß fie nur an Chriftus, ihr 
Daupt und ihre Hoffnung, bielten, und fih vom Judenthume eben fo 
weit entferaten als vom Heidenthume. 

2) Dies solis tommt ebenfalls [yon früh vor, Justin. Mart. 
apol. II. Tertallian. apologet. e. 16. Da im Zeitalter beider Mäns 
ner bie Benennung ber Wochentage nach der Sonne und ben Planeten 
bei den Römern noch nicht im Gebrauche war (f. Handbuch der römts 
ſchen Alterthiumer v. M. Joh. Bernd. Meyer, Erlangen 1818. IL Bd, 
p. 6), fo thut man am beften, bdiefen Namen allegoriſch⸗myſtiſch zu 
ertiären von Chriftus, der Sonne der Gerechtigkeit, und vom Lichte, das 
gekommen fei die Welt zu erleuchten. Gewiffermaßen deutet darauf 
fhon hin Justinus Martyr Apolog. 1. p. 225, und noch beflimmter 
fagt «6 Ambros. Serm. 62.: Dominies nobis venerabilis est atyue 


solennis, quod in ea sSalvator velut sol oriens discussis Änferor, 


tenebris Ince resurrectionis emicuit; ao propterea ipsa dies al ho- 
minibus saeculi dies solis vocatur, quod ortus eam sol justitiae 
Christus illuminet. — Uebrigens 30g diefe Benennung den Chriſten 
die Befchuldigung des Sonnendienfles, nAsoAargelag, zu. Vergl. Ter- 
tullian. apologet. c. 16. und ad nationes o. 13. — Andere Namen, 
die noch bei den Schriftftelleen ber erften Sahrhunderte vortommen, find: 

) Dies status, 3. 3. Plin. epist, ad Trajan. 1. X, ep, 
97., wo hoͤchſt wahrſcheinlich der Sonntag zu verſtehen iſt. Oft bes 
dienten ſich auch die Chriſten dieſes Ausdrucks vorzüglich in den Faͤllen, 
wo ſie zeigen wollten, daß die Feier biefes Tages von Jeſu felbft oder 
von den Apofteln angeordnet fei. Vergl. J. A. Bartels diss. de stato 
die veterum christianor. Witteb. 1727. 4 und F. And. Hallbauer 
pristina christianae rei facies a Plinio repraesentata. Jona 1738. 4. 
Kür den Sabbath ober fiebenten Wochentag hält mit Andern ben dies 
status Juſt. Henn. Böhmer Dissertatt. jur. ecclesiast, (Lpz. 1711) 
p. 5— 535. Der Name dies panis erklärt fi) aus der Sitte an dies \ 
fem Tage das Abendmahl zu halten und das Brod zu brechen, bes 
fonders zu der Zeit, wo die Abendmahigfeier nur auf den Sonntag 
befchränkt wurde. “Hudpa avaosacınos, dies resurrectionis, kommt vor 
bei Basilius de spirit. 2. e. 27. Hieren. ep. 27. Auch findet man 
bie Benennung dies primus und dies ootavus. — Wenn endlich) 
manche frühere Schriftfieller, 3. 3. Gregor. Naz. orat. 43,, ben Sonn⸗ 
tag auch Aaollıooa zwv Nuspwv nennen ;.fo ift dieß weniger ein allge 
meiner Name, als ein epitethon ornans, woburd man bie Heiligkeit 
und Ehrwuͤrdigkeit deſſelben kexicnen wollte. 





368 | | Sonatag. 


m Seterlie Auszeihnung des Sonntags 

A) nad der Obfervanz der groroliiden und 
nah den ZLinrihtungen der fpätern Rirdhe Die 
Stellen, welche im N. T. der religiöfen Zufammenkünfte der Chriften 
"erwähnen, zeigen, baß die jhdifche Synagogen: Einrichtung großen Eins 
fluß auf die öffentliche gemeinſchaftliche Gottesverehrung der Chriſten 
gehabt habe. Hier wie dort waren Verleſen der Schrift, ein⸗ 
zelne erbauliche Vortraͤge und Geſang Beſtandtheile der öffentlichen 
Gottesverehrung, mit dem Unterſchiede, daß fruͤher auch Mahlzeiten 
(Liebesmahle), damit verbunden waren, Aet. W, 7. Auch aus 1 Cor. 
12—14. vergl. mit 9, 20. fpredyen. dafür. — Wichtige Grunde made 
ten aber eine Trennung dee Vorträge und deffen, was auf bie Er⸗ 
bauung abzwedte, von den Agapen "nothiendig (f. den Artikel Agape). 
Aus Plinius bereits angeführtem Briefe fieht man, daß zu Anfange 
des 2. Seculum — mwenigftens in Bitbynien — beide Arten von Ber - 
ſammlung getrennt waren. Nach Plinius Nachrichten nämlid kamen 
die Chriften an beftimmten Tagen vor Anbruch des Tages zufammen, 
fangen Loblieder auf Chriftum und verpflichteten fih, keinen Raub, 
Diebſtahl, Ehebruch und dergleichen zu begehen; dann gingen fie aus⸗ 
einander. Hierauf aber kamen fie vermuthlih am Abende wieder zu⸗ 
: fammen, um Speifen einzunehmen. Bei den Zufammenfünften der 
erfteen Art fand demnach keine Abendmahlsfeier Statt. Dasjenige 
aber, was von den Zufammenkünften ber legtern Art berichtet wird, 
kann ſowohl vom Genuffe bes Abendmahls, ale auch vom Genuffe 
einer Agape verfianden werden. Man fieht auch ferner aus diefen 
Nachrichten, daß bei den damaligen bithnnifchen Chriften Leine Vorträge 
und Vorleſungen gewöhnlich waren, wenn anders nicht das gegenfeitige 
Verpflichten zu einem tugendhaften Leben auf Kehrervorträge zuruͤckzu⸗ 
führen if. — Etwas. vollftändiger fchildert die Juſammenkuͤnfte der 
Chriſten Juſtin der Märtyrer (Apolog. an Antonin. Pius) in der erften 
Hälfte des 2. Seculum. „Am Sonntage,” berichtet er, „kommen bie 
„Shriften aus der Stadt und vom Lande zufammen. Hier werden bie 
„Erzaͤhlungen der Apoftel oder die Schriften der Propheten verlefen. 
„Wenn der VBorlefende fertig ift, fo hält der Vorſteher (Presbpter) eine 
„Mede, worin er zur Nahahmung jener Tugenden (von denen die vors 
„gelefene Stelle erzählt hatte) ermahnt. Dann flehen alle auf und 
„beten. Nach vollendetem Gebete giebt man ſich den Bruderkuß, und. 
„hierauf wird Brod, Wein und Wafler gebracht. Der Vorfteher fpricht 
„nun, fo wie er6 vermag, Gebete und Danffagungen, und das Volt 
„Nimmt ihm bei und fprihe Amen. Jenes "wird hierauf allen Anwe⸗ 
„enden ausgetheilt und den Abwefenden durch die Diaconen geſchickt.“ 
Da dieſe Einrihtung zu Juſtins Zeiten die gemöhnliche war, fo läßt 
fi) nicht bezweifeln, daß ihe Urfprung ſchon in frühere Zeiten falle. 
Ste blieb auch fpäter bie übliche, wie ſich in ber Kolge zeigen wird. 
as nun dieſe Sonntagsfeier in Beziehung auf die erſten Chriften- 
betrifft, fo herrſchte darüber ein fehr guter Geift, der duch feinen 
Außern Zwang angeregt werden durfte. Man verfäumte nie ohne Noth 
die fonntäglichen Verfammlungen , felbft nicht in Zeiten heftiger Vers 
folgungen , obgleich die Sonntage von den heidnifchen Chiiftenfeinden 
zu biutiger Race benugt wurden, Lact. instit. dir. 1. 5. ce. 11. 


Sonntag. 8308 


Euseb. h, o. 14.8. e. 11. Auch bie Vigillen und bie gemeinſchaftli⸗ 
hen Morgenandachten In jener Zeit koͤnnen dafür einen Beweis abges 
ben, indem fie theils in der Werfolgungszeit die Stelle der öffentlichen 
Sonntagefeler am Tage vertreten mußten, thells auch fpäter noch ges 
feiert wurden, eben aus dem Grunde, um biefe mehr auszugeichnen. 
Nur ſpaͤter erſt mußte fich diefer gute Geiſt geändert haben; denn 
Zwangsgeſetze ſowohl für Kleriker als Laien, welche ben Gottesdienſt 
am Sonntage ohne Noth verabfäumten oder fldrten und entweihten, 
finden ſich befonders in mehren Spnobalbefchlüffen des 4. Jahrhun⸗ 
derts. 3. B. Conc. Illiberit. can. 21. Conc. Sardie. can. HM. 
Cono. Carthag. IV, ean. 24. can. 88. — Uebrigens wurde bie Feier 
des Sonntags auch noch dadurch ausgezeichnet, daß man ihn immier als 
einen Zag hoher und heiliger Freude anfah, daher man an bemfelben 
weder Eniend beten noch fallen durfte, auch nicht einmal in ber fonft 
gewöhnlichen Faftenzeit, wie dieß aus Tertullian. de corona militum 
e. 3. Ambros. de Flia et jejunio erhellt. Beide Eigenthuͤmlichkeiten, 
das Nichtfaften und das Unterlafien des Kniebeugens, wurde wegen ber 
Haͤretiker, namentlich gegen die Manichder und Priscillianiften, feſtge⸗ 
halten. Ambrofius epist. 83. p. 305 fagt darum: Die Dominica 
jejunare non possumus, quia Manichaeos etiam ob istius diei jejunia 
damnamus. Noch deutlicher erklären fich hierüber Auguftin epist. 86. 
ad Casul., und befonder6 Leo Magn. epist. 98. ad Turrib. o. 4. 
Wie aber fpäter die Sonntagsfeler immer mehr von ihrer urfprünglis 
hen Einfachheit verlor, das wird ſich bequemer bei einigen andern 
Artikeln, 3. B. Liturgie u. a., nachweiſen laffen. 

B) Seierlihe Auszeihnung des Sonntags von 
Seiten der weltlihen ÖbrigFeiten. Dahin gehören 

a) Sie Verordnungen Tonftantins, daB man 
am Sonntage von gewöhnlihen Berufsarbeiten 
feiern folle, die Werke der Nothwendigkeit und 
Liebe ausgenommen, Euseb. de vita-Const. M. 1. 4. o. 18. 
und Sozom. h. e. 1. 1. c.7. Merkwürdig iſt, daß Conftantin auch . 
den Freitag zu einer Art von Feiertag beilimmte, Euſebius Kirchenges 
fhichte 2. B. p. 405—6, wovon fih die Spur aber bald wieder 
verliert. Verordnungen der fpätern Kaifer f. Cod. Theodos. I. II, tit. 
8. 1. 1. Cod. Justin. 1, IH. tie. 12. L 12. Vergl. Bingh. Orig. 
Tom. IX. p. 18 segqq. 

b) Es wurden alle geridhtlihe Verhandlungen 
und Derfabhren fuspendirt und die Schaufpiele und 
Sffentlihen Volksbeluſtigungen aufs Strengfte 
unterfagt. Codex Theodos. I. XV. tit. 5. I. 2—6. Codex 
Justin, Ill, 11. 12. u. a. Nah und nah gingen aucd) biefe kaiſerl. 
Verordnungen in die Goncilienbefchläffe über. Conc. Aurelian. HL 
(a. 638.) e. 27. Antissidor. (a. 578.) c. 16. Matise. Il. (a. 686.) 
‘e. 1. Moguntin. (a. 815.) can. 87. u. a, Uebrigens hat man bie 
Michtigkeit der Sonntagsfeier in allen folgenden Jahrhunderten gefühlt, 
welches die wiederholten‘ Kirchen und Staatöverordnungen in Bezie⸗ 
‘bung auf diefelbe in allen einzelnen Kirchen beweiſen. Wie fi) die 
Anficht unfrer Zeitgenoffen über diefe Seiler geflaltet habe, darüber iſt z 
vergl." Abtheil. V. des Art, Feſte ber Chriften, 


84 | . Sonntag. 


IV) Benennung der einzelnen Sonntage in der 
römifhen und griebifhen Rirche. 


A) Römifhe Kirche. Nachdem die chriſtliche Religion zur 


Staatsreligion erhoben worden war, und ihre Sicherheit nit mehr 
von: Außen bedroht wurde, konnte auch felbft eine feflere Obfervanz in 
Abſicht auf die Feſt- und Sonntagsfeier möglidy werden. ° An bie nad) 
und nad eingeführten Feſte fchloffen fih darum auch größtentheils die 
einzelnen Namen der Sonntage an, und im Abendlande richtete man 
fi bei der allmähligen Ausbildung des Kirchenkalenders nach folgenden 
leitenden Ideen, Manche Sonntage erhielten ihren Namen 

a) von einem vorhergehenden oder darauf folgeriden Gele; 

b) nit minder vom gewiſſen Geremonien, bie an einzelnen 
Sonntagen üblidy waren; 

6) eben ſo oft von den Anfangsworten bes biblifchen Abſchnittes, 
mit deſſen Verleſen die Liturgie begann; 

d) einzelne Sonntage führen auch mehrere Namen. 
Tach dieſen Vorerinnerungen wird leicht das Nöthige tiber die ein» 
zeinern Sonntage im Kirchenjahre bemerkt werden innen. Bekannt⸗ 
lich fängt die roͤmiſche Kirche das Kichenjahe an mit der fogenannten 

Adventszeit. Hier enthält das darauf folgende Geburtöfeft 
Jeſu den Grund bdiefes Namens, und Advent drüdt binlänglich den 
Zweck und den Gegenftand diefer Seiler aus. Habet nomen (fagt 
Hospinian. de origine fest. p. 104) ab adventu Christi in carnem. 
‚Etsi enim hoc die Christus homo factus non sit, institutum tamen 
hoc festum, ut toto hoc tempore, quod est ab "hoo die ad Nata- 
lem Domini usque, praeparentur Christisnorum animi ad sobriam 
vitam piamque meditationem Nativitatis Christi. — Auch dieſe 
“ Adventszeit haben römifche, wie proteftantifhe Schriftfteller aus dem 
apoftolifhen Zeitalter und namentlih von Petrus felbft ableiten wollen, 
indem fie fich auf Stellen ber ältern SKirchenväter, z. B. Tertullian 
‘adv. Judaeos F. 159. Cyprian. tractat. 4. de idolor. vanitate F. 
177. et libr. Il. advers. Judacos cap. 12. F. 275. beriefen. Allein in 
diefen Stellen tft, wie der Zufammenhang lehrt, von einem chriftlichen 
Dogma die Rede, nicht aber von einer feſtlichen Vorbereitungszeit auf 
die Weihnachtsfeier. Das Ältefte Zeugnig für die Adventszeit würde 
Marimus Raurinenfis aus dem 5. Bahrhunderte liefern, wenn man 
nicht die Auffchrift zweier von ihm berrühtenden Homilien de adventn 
Domini als unädt und von fpäterer Hand binzugefegt, erkannt hätte. 
Sicherer iſt ein Zeugniß aus dem Anfange des 6. Jahrhunderts. Cone. 
llerdense a. 524., vergl. Decretal. XXXIII. 9. 4., welches vom 
Advente bis zum Epiphanienfelte alle Hochzeiten verbietet. Ueber den 
* Umfang diefer Zeit hat man in ber römifhen und griechifhen Kicche 
nie gleiche Anfi ichten gehabt. Die erftere beftimmt nur drei Wochen 
außer der Woche, in welche Weihnachten fällt, zur Vorbereitung auf 
biefes Feſt. Man fchreibt diefe Einrichtung Gregor dem Großen und 
dem Abte Berno zu, welche vier Wochen als die höchfte Zeit feftgefegt 
haben. Die drei= und vierwächentliche Zeitrechnung, nach welcher der 
Advent immer zwifchen dem 26. November und dem 4. December an> 
fängt, ift nicht nur in der ganzen occidentalifhen Kirche angenommen, 
fondern auch von den Proteflanten beibehalten worden. Fruͤher zählte 


Sonntag. 385 


man bie Abventsfonntage auch umgekehrt, fo baß ber, welchen wir ben 
erften nennen, fonft quarta Adventus dominica u. f. w. genannt 


wurde. Amalar. J. 3. de officio eccles. cap. 40. Daß im Abends 


lande an einigen Orten auch ſechs Adventsfonntage uͤblich geweſen find, 
die daher quadragesima sancti Martini genannt wurden, zeigt Joh. 
Fred. Maier dissert. de dominicis Adventus, | 

Die Sonntage nad) Weihnachten und von benz neuen Sabre, fo 
wie vor Epiph. heißen auch Dominicae infra octavam nativitstis et 
eircumeisionis, weil fie vor der Octave dieſer Seite oder dem achten 
Tage nad denfelben vorhergehen. Diefer Name ift noch jegt in der 
sömifhen Kirche üblih. Dagegen nennt fie bie’ proteflantifhe Kirche 
ſchlechthin Sonntag nah) Weihnachten und Neujahr. 

Bei den Epiphanienfonntagen ift die leitende dee ein vorherges 
hendes Feſt. Dieſer Sonntage find mehrere oder wenigere. Ei koͤn⸗ 
nen ihrer ſechs eintreten, wenn das Oſterfeſt fehe ſpaͤt oder auch nur 
einer, wenn das Oſterfeſt fehr früh Fällt. 

Der erfte Sonntag, welcher auf den legten Epiphaniasfonntag folgt, 
heißt Septuagesima.. Nach Durandus I. 1. libr. 6. c. 23. fol ber 
roͤmiſche Bifhof Teleſphorus im 2. Seculo Urheber diefes Namens 
feyn. Er habe als terminum, von welchem zuruͤckgezaͤhlt werden mäüfle, 
den Sonntag quasimodogeniti feſtgeſetzt, wo die Neugetauften weiße 
Kleider trugen. Wie nun die Juden vormals nah 70 Jahren ihre 
Sreiheit wieder erlangt hätten, fo follten fi) die Neugetauften erinnern, 
daß fie aus ihrem natürlichen und fündlihen Stande, ale aud einer 
Sefangenfchaft des Satans zu der herrlichen Freiheit des Reichs Chriſti 
gelangte wären. Matürlicher aber und weniger gefucht iſt die Erklaͤ⸗ 


rung bed Beda und Alcuin, weldhe annahmen, baß um der quadra- 


gesima willen, bamit diefe Benennung nicht allein fiche, drei vorher» 
gehende Sonntage quinquagesima, sexagesina und septuagesima 
genannt worden Teien, wobei aber zu bemerken ift, daß die Zehnzahl 
nicht ganz ausgefüllt ift, fondern. nur als numerus rotundus betrach⸗ 
tet werden muß. Proteftantifche Schriftfteller haben diefen Zufag von 
drei Wochen zu ber quadragesima, aus ber Sinanzipeculation ber 
Däpfte erklärt, damit die Zeit, wo Dispenfation muͤſſe nachgeſucht wer⸗ 
den, länger währe, Die ganze Woche, die dem Sonntage Beptua- 
gesima vorherging, führte diefen Namen, und zugleid hieß fie auch 
carnis privium. Die nächften Mochentage darauf nannte man früher 
dies observabiles, die gebundene Zeit, weil man ba als vorbereitend 
zum Feſte fich aller weltlichen Luftbarkeiten enthalten und beſonders 
eingezogen leben follte. 


Dom. Sexagesima. Der Name dieſes Sonntags erklärt fih aus 


bem zeither Geſagten. Grundmayr in feinem mehrmals angeführten 
Lexikon erklärt ſich Über denfelben auf folgende Art: Vor Alters mag 
wohl fchon dieſer Sonntag in der Faſtenzeit enthalten geweſen feyn, 
wie dieß dftere Nachrichten andeuten. Doc dauerte dieß nur bis in 
ba6 7. Seculum. Zum Andenken aber der Altern Obfervanz werben bie 
priefterlichen Tagzeiten und der Gottesdienft wie in den gewöhnlichen 
Faſienſonntagen gehaltenz. obſchon von den Religiofen in den Klöftern 
allgemein bie Faſten eingeführt und beobachtet wird. Der Gottesdienft 
wird an biefens Sonntage zu Rom in ber Paulskirche gehalten, in 


- 


806 | Sonntag. 

Beziehung auf bad Evangellum vom Säemanne, mit welchem ber 
Apoftel zu vergleichen fei, indem er vorzüglid das Wort Gottes aus⸗ 
gefäet und gepredigt: habe. 

Dom. Quinquagesima. Die Urfache biefer Benennung fol fols 
gende feyn: Weil man an ben ſechs Sonntagen, bie während ber 
vierzigtägigen Faſten einftelen, nicht zu falten pflegte, gleihwohl aber 
40 Zuge voll ſeyn follten; fo nahm man die vorhergehende Woche noch 
dazu. Nun kommen zwar nicht volle 50 Tage vor Oſtern heraus; 
jedoch weil man einmal in Anfehung des vorhergehenden Sonntags den 
Namen ‚Quadragesima gewählt hatte; fo behielt man bier gleichfalls 
eine runde Zahl, und fagte Quinquagesima, gleich als ob 50 Tage 
vol wären. Weil aber. in frühern Zeiten, ehe in der römifchen Kirche 
die Afchermittwoche (f. diefen Artikel) als Anfangspunkt der Faſten eins 
geführt wurde, eine verfchiebene Obſervanz gewoͤhnlich war, fo fing 
man in einigen Gegenden bie Faſtenwochen mit bdiefem Sonntage an, 
woher fich fein Name Dominica carnis privium erflären läßt. Auch 
wurde diefer Sonntag quinquagesima poenitentiae genannt, und zwar 
zum Unterfchiede derjenigen Quinquagesimae, unter welcher man bie 
Zeit von Oftern bis Pfingften verfland, und welche Quinquagesima 
Paschatis oder laetitiae hieß. Den-Namen Esto mihi bekam dieſer 
Sonntag von dem aus dem 71. Pfalm V. 18. genommenen Eingange, 
den man an dieſem Sonntage zu fingen pflegte und der nach der Versione 
Itala alfo lautete: Esto mihi in Deum protectorem ete. — Auf 
gleiche Art erklärt fi dee Name von dem folgenden Sonntage, mit 
welchem die proteflantifche Kirche bie Faſtenwochen anfängt. Er heißt 
Invocavit von Pf. 91. V. 15. invocavit me et exaudiam eum etc. 
Auch heißt er Quadragesima, meil von da an bis auf den Charfreia 
tag inclusive gerade 40 Tage find, die man in der roͤmiſchen Kirche 
zum Faſten beitimmt hat. Ä 

Eine gleiche Bewandtniß hat es mit dee Benennung der folgen: 
den vier Saflenfonntage, Reminiscere, Oculi, Laetare, Judica, di: 
ihre Bezeichnung auf ähnlihe Art von Pf. 25. B. 6. Pf. 25. V. 15. 
Jeſ. 54,1. Pf.43,1. haben. — Bei dem Sonntage Reminiscere ift noch 
zu bemerken, daß er einer von den fogenannten goldenen Sonntagen 
ift, die ihren Namen davon haben, weil in der vorhergehenden Woche 
Quatember fällt, welches in ben alten Galendern mit goldenen Bud: 
flaben bezeichnet zu werben pflegte. Mit diefem Sonntage flellt die 
römifhe Kicche das Drgelfpielen ein, und zwar fol dief nach Durans 
dus daher kommen, daß die Kirche gleihfam in dem babplonifchen 
Gefaͤngniſſe fei, worin nah Pf. 187. V. 2. Sfrael die Harfen und 
‚ andere mufitalifhe Inflrumente aufgehängt habe. 


Der Sonntag Oculi führt auch den Namen dominica adoratio- 
nis erucis, weil in ber geiechifchen Kirche ba8 Kreuz zur Anbetung 
berumgetragen wurde. Daß der Sonntag Laetare auch dominica panis 
‚ Heißt, beruht auf dem Evangelio oh. 6. von den gefättigten 5000 
Mann. — Kin anderer Name dominica redemtionis ab idololatria 
. oder au Zodtenfonntag, wird gewöhnlich alfo erflärt. Zum Andens 
Ben des geflürzten Heidenthums feierte man. biefen Tag in Deutfchland 
und mehren angrenzenden Ländern, vorzüglic gilt dieß von Schlefien 


und Polen, wo an biefem Sotmtage Miezislaw I, im Sabre 966 
mit feinen Untertbanen fih taufen und bie Gögen jerfiören lief. Da 
nun bei den alten Deutfchen ein Goͤtze Thot geheißen Habe, fo fei 
nachher, wie einige meinen, der Sonntag Lätare, der Thotſonntag 
genannt worden, woraus endlich die Benennung Todtenſonntag ent⸗ 
ftanden ſei. Noch jest mag fih davon bie Sitte berfchreiben, daß in 
den genannten Ländern bie Knaben ben fogenannten Tod außtreiben, 
Sie mahen ndmlid ein Bild von Stroh ober einer andern Mafle, 
welches fie nachher ins Waſſer warfen und untertauchen, unb nicht 
unwahrſcheinlich deutete man Anfangs damit auf die geflürzte Abgoͤtterei 
bin. ©. Paul Christian Hilscher diatribe de dominica Laetare ritu- 
que idolum mortis illa die ejiciendi, Lips. 1690. — Jo. Caspar 
Zeumeri dissert. de dominica Laetare, Jen. 1701. — Kin anderer 
Name diefes Sonntags iſt dominica de rosa, meil an biefem Tage 
der Papſt die goldene Roſe, die er in dem Jahre verfchenten will, . 
mit vielen Geremonien in ber Peterslicche zu weihen pflegt. Diefe mit 
Diamanten befegte Rofe wird duch Weihrauch, Weihwaſſer, Balſam 
- und Bilam mohleiehend gemadt. An dem Tage der Weihung er: 
Scheint das Collegium der Gardindle in einem Ornate, ber die Farbe 
trockner Rofen hat, und nad) der Weihung wird die Roſe in öffentlis 
cher Prozeffion berumgetragen und dem Wolfe als eine Stärke und 
Erquidung in der Faſtenzeit gezeigte. Man fchreibt ben Urfprung dies 
fer Gewohnheit dem Papfte Urban V. zu, welcher 1866 eine goldene 
Mofe der ficilianifchen Königin Johanng fchidte, und verorbnete, baß 
jaͤhrlich eine ſolche Roſe geweiht werben ſollte. Wahrſcheinlich aber 
ruͤhrt dieſe Sitte aus der alten Gewohnheit her, daß man den roͤmi⸗ 
ſchen Kaiſern, wie unter andern Conſtantin dem Großen, Roſen uͤber⸗ 
reichte. — ine ſolche goldene Roſe ſchenkte Leo X. im Jahre 1518 
dem Kurfuͤrſten Friedrich von Sachſen, um ihn zur Verfolgung Luthers 
anzureizen. Da er aber ſeinen Zweck nicht erreichte, ſo ſchickte er eine 
andere goldene Roſe an den Koͤnig von England Heinrich VIII., der 
gegen Luther ein beſonderes Buch und zwar in ſehr heftigem Tone 
geſchrieben hatte. — Andere Namen dieſes Sonntags, z. B. Me- 
diana, Mittfaſten, atra erklärt 'man dadurch, daß dieſer Sonntag 
in die Mitte dee Faſtenzeit fällt, und daß um dieſe Zeit in bem 
Kirchen bie fchwarze Bekleidung der Altäre u. f. mw. gewöhnlich war. 

Der Sonntag Sudica führt feinen Namen ebenfalls daher, weil 
die alte Kirche an demfelben ihren Gottesbienft mit den Worten aus 
Pſalm AS, 1. anfing: Judiea me domine etc. Zuweilen braucht 
man auch von biefem Sonntage den Namen Mediana, meil er auf 
die Woche fällt, welche vorzugsweife mediana hieß. Du Fresne Gloss. 
Lat. Tom. IL P. I. p. 169. 

Palmſonntag (f. den eigenen Art.) 

Große Woche, desgleichen. 

Greiner Donnerflag, beögleichen. 

Charfreitag, deögleichen. 

Großer Sabbath, desgleichen. 

Oſtern, besgleichen. | 

Der nächfte Sonntag nah Oſtern führt verfchiebene Namen, 
und zwar | 


\ 


368 Sonntag. 


D von gewiffen befondern Gebraͤuchen. Dahin gehoͤrt 

a) die Benennung dominica in Albis, weil die Katechu⸗ 
menen, welche zu Oſtern getauft worden waren, an diefem Sonntage 
ihre weißen Kieider ablegten (f. den Art. Zaufe). 

b) Dies Neophytorum, weil bie neu aufgenommenen Chris 
fien an dieſem Zage als wirkliche Mitglieder der Gemeinde vorgeftellt 
wurden. S. Augustin. Sermon, de tempore Serm. 160 — 164. 
Aus diefem Grunde hat man auch häufig in ber proteftantifchen Kirche 
die Eonfirmation der Katehumenen auf diefen Tag verlegt. 

II) Die übrigen Namen diefes Sonntags erklären fih aus dem 
gottesbienftlichen Introitus oder aus andern zufälligen Urſachen, z. B. 

a) Quasimodogeniti, welches im peoteftantifhen Galender 
der angenommene Dauptname geworden ift,. obgleich er erft in den 
fpätern Zeiten aufgelommen und blos in ber lateiniſchen Kirche ges 
braucht worden iſt. Er hat feinen Namen von ber Iateinifchen Kir⸗ 
henüberfegung 1 Petr. 2, 2, quasi modo geniti infantes rationabiles 
‚ sine dolo lao concnpisecite. 

b) Quinquagesima, unſer Sonntag heißt fo, in wiefern 
von ihm als ber DOfteroctave bis zur Pfingſtoctave (Trinitatisfeſt) 60 
Tage gezähle werden. Auch kommt zuweilen Quinquagesima laetitiae 
vor, welches ſich aus dem leicht erklären läßt, was bei dem Artikel 
Pfingſtfeſt erinnert worden iſt. 

c) Aysinaoya, AntiePascha, Gegen: Oftern, Nach: Oftern. 
Man erklärt es durch Dominica Paschae opposita, der auf Oſtern 
zunaͤchſtfolgende Sonntag. " ' 

d) Pascha clausum, ber Schluß des Oſterfeſtes, iſt einerlel 
mit octava Paschae, welche auf dad Sabbatum in albis folgt. 

e) Octava Infantium, worüber Auguftinus (Serm. de 
diversis serm. XI.) folgende Erklärung giebt: Vos, qui baptizati 
estis, et hodie completis Sacramentum Octavarum vestrarum, in- 
fantes appellanini, quoniam regenerati et ad vitam aeternam 
renati estis. ⸗ 

f) Der Thomasſonntag, xvoraxn zov Ouuã ift bei ben 
Griechen gewöhnlich und erklärt fi), fo tie die Benennung bei den 
Aethiopiern dominica apostolorum, aus der evangelifchen Perikope Joh. 
20, 19 ff. ’ j 

Die übrigen Sonntage von Oſtern bis auf Pfingften, als Mise- 
rioordias Domini (Pfalm 85, 5.), Jubilate (Pfalm 66, 2.), Can- 
tate (Pſalm 98, 1.), Rogate (Cantic. 2, 14. oder Sef. 48, 20.) oder 
ad vocem jucunditatis und Exaudi (Pfalm 27, 7.) haben ſaͤmmtlich 
ihren Namen aus den ſchon oft erwähnten biblifhen Eingangeworten 
der Miffen erhalten, die hier in Parenthefen angedeutet find. Was 
von dem fogenannten Betſonntage und ber fogenannten Betwoche bier 


.” gu erinnern ſeyn dürfte, iſt in dem Artikel Saften Ne, HI. 8. bereits 


angeführt worden. Ä 
Die zunaͤchſt folgenden Feſte Himmelfahrt, Pfingften, Trinitatis⸗ 
ft find in befondern Artifeln behandelt worden. Bon Krinitatis- an 
is wieder zum Advent zähle nun bie römifche, wie die proteflantifche 
Kirche ihre Sonntage, deren, wenn Oſtern ſehr zeitig fällt, 27 ſeyn 
nnen. . 


Som 368 


Aus dem zeither Geſagten ergiebt ſich, daß, was die Benennung 
amd Ordnung ber Sonn⸗ und Feſttage betrifft, die proteſtantiſche Kirche 
von der roͤmiſchen nicht bedeutend abweicht. Anders iſt es mit ben 
epiftolifhen und evangelifchen Peritopen, wo ba6 Breviarium roma- 
num zumeilen von den proteflantifchen Agenden abweicht (f. "den Art. 
Peritopen). 2 

B) Die griehifche Rirche.. Diefe weicht, was Benen⸗ 
nung und Drbnung dee Sonntage betrifft, von ber Obfervanz bes 
Abendlandes ab. Vergl. außer den oft angeführten Schriften von 
Suiter, Heineccius u. a., beſonders Leo Allatius de nominibus et 
ratione dominicarum dierum atque hebdomadum apud Graecos per 
totum annum bei feiner Schrift de consensa ecelesiae orientalis et 
oecidentalis. Cöln 1684, 4. u. oͤ. Die mwefentlichen Divergenzpuncte: 
dürften folgende ſeyn: oo 0 

a) Die Griechen betrachteten ben Sonntag immer als ben legten 
Tag der Woche und benennen daher allemal ihre Wochen von dem 
folgenden Sonntage. 3. B. die Oſterwoche iſt in ber griechiichen Kies 
che nicht das, was wir die Dfterwoche nennen, fondern unſte Char: 
woche. "Eßdouäs zersmxooräg iſt nicht die eigentliche Pfingſtwoche, 
fondern die Woche vor Pfingiten. 0 

b) Die Griechen benennen ben größern Theil ihrer Sonntage 
nach den gewählten Lectionen aus den vier Evangeliften. In ihrer 
Kirche nämlich werden die vier Evangeliften ganz vorgelefen, und zwar 
fo, daß für eine gewiffe Anzahl Sonntage die einzelnen berfelben bes 
zechnet find. Das Evangelium fängt an vom zweiten Sonntage nach 
Kreuzerhöhung bis den fiebenten Sonntag nad Oſtern; — Marcus von- 
da an bis zu Oſtern; — von Oſtern bis Pfingften; — von Pfingften 
bis Kreuzeserhöhung Matthäus. Wenn nun ein Sonntag keine andere 
Benennung hat, fo wird er von dieſen vier Evangelien benannt; bas 
bee heißt bei ihnen ber erſte Adventsfonntag ber zehnte des Lucas, weil 
er don Kreuzeserhöhung ab ber zehnte Sonntag iſt. Der erfte Oſter⸗ 
feiertag iſt nach dieſer Ordnung der erfte des Johannes. 

c) Einige Sonntage haben ihren Namen von einem darauf fol: 
genden Feſte. 3. B. ber vierte Adventefonntag beißt bei den Griechen 
gewöhnlih Sonutag vor Epiphanias (Weihnachten), Sonntag vor dem 
Feſte des Lichte, 

d) Mehrere Sonntage nennt man audy Überhaupt nad bem 
GEvangeliften und nad dem Inhalte der daraus entlehnten Lection, 
3. B. der vierte Sonntag nach Pfingften xvosaxr roü MarYalov neigt 
z0U Exarovrapyov; — ber zwelundzwanzigſte Sonntag nad Pfingften 
xugiax Tod Aovxü nepl sov nAovolov xal Aalapov. 

Mit bee römifchen Kirche hat dagegen bie griechifche das gemein, 

1) daß fie einige Sonntage auch nad) einem vorhergehenden Feſte 
nennt, 3. B. die Epiphaniasfonntage; 

'2) daß fie vor Oſtern auch eine Anzahl fogenannter Saftenfonn» 
tage zählt, und diefe zugaxı nowsn, deviida, sol u. |. w. sur 
aylıy morsuöv nennt; Ä Ä 

3) daß fie eine Anzahl Sonntage auch nach gewiflen befondem - 
Gebraͤuchen nennt. 3. B. unfer Sonntag Sexagesimse heißt in ber 

Siegel Handtuch IV. 24 


1% 





220 Sonntag, 


griechiſchen Kirche xzupan sc Ansxpsc, bee Sonntag, we man 
aufhört Fleiſch zw efien. Der Sonntag (uinguagesima, xugua) 
Eis TUpogayou, wo man aufhört Käfe zu eſſen. Unfer Sonntag 
Quadragesima führt in der griechifhen Kiche den Namen zuguaxn 
sig ögFodoklag, weil man an bemfelben das Andenken des errunges 
nen Sieges gegen die Bilderflürmer feiert. Vergl. Heineccii Abbils 
dung der griechifhen Kirche 5 Thl. p. 182 ff. Ueber die Sonn 
tagsfeier in der heutigen chrifllichen Welt ſ. den Artikel chriftliche Feſt⸗ 
feles am Schluſſe. 


30, 


Statio. 


Verſchiedene Bedeutungen dieſes Wortes in ber 
Kirchenſprache. 


Literatur. Im, Petitus de veterum chriatianorum stations- 
bus, semijejuniis et jejuniis in fein. Ver. Leetion. (Paris 1688. 4.) 
Lib. 5. eap. 4. p. 79—97. — 3 M. Chiadenii comm. de statio- 
nibus veter. Christ. Lips. 1744. 4. — Du Fresne Glossar. ad 
seriptores med. et infim. latinit. =. v. statio. — Bingham au meh: 
tern in der Abhandl. angeführten Stellen. — Baumgarten Erlaͤute⸗ 
rung der chriftl. Alterthamer ıc. pe 440-445. — Jo. Andr. Schmidä 
Lexicon eccles, min. «. v. statio, — Augufti’8 Denkwuͤrdigkeiten 10r 
Bd. p. 7—14. — Binterims Denkwuͤrdigkeiten Über d. Urſprung und 
die Bedeutung diefes Wortes 5. Bd. 2. Thl. p. 142, 113, 121 
und Öfterer. - . 

‚Die beiden Ausdruͤcke ordors und wtatio entfprecheri einander for 
wohl bei den Profan= als Kicchenfchriftftelleen vollkommen, und haben 
alle Bedeutungen mit einander gemein, mit alleiniger Ausnahme ber 
Bedeutung von Streit, Aufruhr, Faction u. f. w., welche oraaı 
(au bei den Alerandbrinern und im N. T.) fo oft, atatio aber wohl 
niemals bat. Was den kirchlichen Sprachgebrauch insbefondere betrifft, 
fo find folgende Bedeutungen von oracıg und statio vorzugsweiſe zu 
bemerfen: . 
| I) Beide begeihnen einen beftimmten, nicht vom Zus 
falle oder von freier Wahl abbängenden, fondern 
angewiefenenund vorgefchriebenen Aufenthaltsort. 
Bei den Profanferiventen ift es, wie bie alten Grammatiker und Lexi⸗ 
kographen es nennen, bie gewöhnliche vox militeris et castrensis, und 
bezeichnet den Poften und Lagerplag, welcher bee Soldat eimehmen 
muß, oder die Station, melde den Schiffen angewieſen wird. ur iſt 
aber nichts gewöhnlicher bei den Alten, als die Bergleichung bed Ehris 
fen mit dem Streitere und Krieger, und daher finden wir aud) bie 
meiften: Militairausdrüde auf die Kirche und die Chriften übergeteagen! 
Mer fir davon Isberzeugen will, lefe mur Tertullians Buch de corons, 
wo man in der Kürze die ganze Panoplie spiritwakis findet. Hier lieſt 
mon c, 11. p. 127 (ed. Rigalt.). Jam stetiones aut aliy magis 
feciet, quam Christo? aut et domimco die quando wee Christo? 
et exeubabit pro templis, quibus renuutiavit etc. Sim dev Scheifl 
de oratione e, 14. p. 165 drüdt er ſich über bien Vyrhala⸗ noch 


373, | Statio. 


beftimmter aus: Si statio de militari exemplo nomen accipit (nam 
et militia dei sumus) utique nulla laetitia sive tristitia ebveniens 
castris stationes militum rescindit. — Nach dieſer Anficht kann bas 
ganze Erdenieben des Chriften, als die ihm von Gott angewieſene 
Station, worauf er aushalten muß, und melde er nicht eigenmädhtig 
verlaffen oder verändern darf, angefehen werden. Und wirklich kommt 
auch statio nicht felten in der Bedeutung von Lebensverhältnig 
vor, wie Xertullian de exhortatione castit. c. IX. p. 670, wo ek 
die zweite Heirat) secundam stationem nennt. Vorzugsweiſe aber 

I) wird der Ort, wo der Chrift allein, oder in 
Bemeinfhaft mit andern beten foll, statio ge 
nannt. Es ift daher fo viel als locus sacer, oratorium (rg0g- 
euyn), aber auch conventus et coetus sacer. Es iſt daher eine ganz 
richtige Bemerkung in du Cange glossar. =. v. statio n. 2. Statio 
veteribus dietus coetus, sive oonventus Fidelium in ecclesia, ma- 
xime is, qui die dominico fiebat, apud Tertullian. de corona mili- 
. tie, ita autem vocantur ejusmodi conventus, metapliora, sumta a 
militibus, qui dum praesidium certo loco collocant, stationem fa- 
cere diountur. 

Wenn es beim Tertulllan Apologet. ec. III. p. 5 heißt: Nonne 
Philosophi de auctoribus suis nuncupantur Platonici, Epieuraei, 
Pythagoriei? etiam a‘locis conventiculorum et stationum sus- 
rum, Stoieci, Academici ete. — fo bedeutet bier statio in ber eben 
angeführten Bedeutung ben beflimmten Aufenthalt und feftgefepten 
, Berfammiungsort, Auch oracıc wird nah Suidas und Heſychius für 
Hloıs, x6p05 , oövedpa u. f. w. genommen, und in der Stelle 3 Macs 
cab. 1, 23. iſt oracıs Tg denoewg locus, ubi stantes preces facie- 
bant. Nicht minder alt und gewöhnlich iſt 

III) die Bedeutung von der ſtehenden Stellung beim- 
Gebete. Diele. Bedeutung findet man gut erläutert bei Bingh. Vol. - 
V. p. 253. Vol. VI. p. 22, 80, 178, 183. Der Gegenfag iſt bie 
yovuxkıola, procumbere in gehua, prostratio, humiliatio u. f. w. 
Man fand [hen in der Viſion Apocal. VI, 9. para ravra &ildor, 
xal ldod OyAog noldgs — — — iorürsg dvwnıov Toü Jodrov, 
xal Zrumıov ou Aprlov. — bie rerhte Stellung beim Gebete angedeutet. 
Die alte Kirche hielt fireng darauf, daß das öffentliche Gebet in der 
Zeit zwiſchen Dftern und Pfingften und an jedem Sonntage (7 
xworaxn) nicht kniend, fondern ſtehend verrichtet werde, und man 
fand darin eine Beziehung auf bie Auferſtehung Chriſti und bie 
eünfeige Auferfiehung der Zodten, wobei das Wortſpiel ozauıc 
und Eyaoraoıs gute Dienfte leiſtete. Vergl. Tertullian de co- 
rona o. 8. Cyprien de orat. p. 107 (quando stamus al oratio- 
nem). Uebrigens ift damit zu vergleihen, was wir im zweiten 
Bande biefes Handbuchs in dem Artikel Gebet in ben gemeinſchaftli⸗ 
hen gottesdienftlihen Berfammlungen p. 182 IV. a. erinnert haben. 
Das Conc. Nicaen. a. 825. e. 20. fchärfte biefe Sitte, als fie in’ 
Abnahme zu kommen anfing, aufs neue ein. Aehnliche Verorbnungen 
gab bas Cone. Trull. c. 90. und Conc. Turon. ll. ec. 87. Nach 
Basil, M. de spir. «. ad Amphil, e. 27. ift zwar allen biefe Sitte, 
wicht aber der Grund bavon bekannt. Seine Worte find: "Oel ur 


State. 373 


——ã raͤc —X dv A ula zeü sußBären, sor d2 Adyov oðb 
nartes oldauer, EU Yyüp yovor vvävoragavzeg Kgıoro „' xal 
za üror Inseiv GgpelLovreg, ey : ävaosaclun —X wis —R 
uns ner xapırog, dıa Tig xard Tv ngogeuxnV oruoauę EavToug 
UneHpIYNORONEN ar rs doxss —* roõ nposdoxwulrov alwvog, 
ru elawr. 

Aber auch die in ben Constitut. Apostel. und in ber Liturgia 
Basilü et Chrysostom. fo oft vorkommende Aufforderung: "Op%ol 
- eröuw xahüg, osöner, dem)ipy u. a. bewelſt das Dafehn und 
die Allgemeinheit diefer Sitte. 

Die Buͤßenden, deren verfchiedene Elaſſen oft ordoteg, stationes, 
i e. gradus, genannt merken, waren bes Vorrechtes der Gläubigen, 
das Geber Repend zu verrichten, beraubt, unb hießen daher yorvall- 
vorssc und Unontnrovres (prostrati s. substrati).. Erft auf der letz⸗ 
ten Stufe der Kirchenbuße, nach deren Vollendung „fie wieder recipirt 
wurden, erhielten fie wieder die Benennung ovvsorwres, consistentes, 
und das Recht mit den andern Gläubigen zu Neben, ohne jedoch. noch 
mit ihnen an der Euchariſtie Theil nehmen zu duͤrfen. 

Das kirchliche Ceremoniell erforderte von ben dlteften Zeiten, daß 
während der Vorlefung der heiligen Schrift, beſonders der evangslifchen 
Lection, Pfalmodie und Dorologie, ſowohl die Geiſtlichen, als die 
Zuhörer fiehen mußten. Davon wurden bdiefe Lectionen felbft sage, 
stationes genannt, und ber Gegenſatz daven war zeflouaura, nessio- 
nes, oder foldye Abfchnitte, wobei zu figen erlaubt war. In ben litur: 
sifhen Schriften der griechiſchen Kirche kommen biefe eracsuıc und 
xadionara ſehr häufig vor. Vergl. Suiceri thesaur. eccles. Tom. II. 
e. 1000 seq. Das jest Gefagte iſt übrigens fehr gut in den Stellen 
erläutert, die wir aus Bingham angeführt haben. — Nach einer ans 
bern , bei den Alten ſehr oft vorfommenden, Bedeutung wird 

IV) statio für gleichbedeutend mit jejunium 
genommen, obgleich bie beſſern Schriftſteller bemerken, daß beide 
Ausdrüde keineswegs fynonym wären und nicht jedes Faſten ohne 
Weiteres statio genannt werden könne. Der ditefte Schriftfteller bei 
welchem man diefen Sprachgebraud) Öfter6 findet, ft auch hier wieder 
Zertullian.- Zuweilen fcheint er statio geradezu für jejunium zu fegen, 
fo 3. B. de orat. c, 14. p. 155. Similiter et stationum diebus 
non putant pleriquo sacrifieiorum orationibus interveniendum, quod 
statio solvenda sit accepto eorpore Domini — — nonne solennior 
erit statio tun, si ad aram Dei steteris? etc. — ber in anderh 
Stellen macht er einen Unterfchied zwifchen statio und jejunium. So 
de jejun. e. 1. p. 701. Arguunt nos, quod jejunia propria custo- 
diamus, quod stationes plerumque in vesperam producamus, quod 
etiam xerophagias observemus, siccantes cibum ab omni carne, et 
omnia jurulentia et vividioribus quibusque pomis etc. — Ibid. c. 
9. 10. p. 708... — Am wichtigſten iſt die Stelle de jejun. c. 13. 
p. 711. State in isto gradu, si potestis. Ecce enim cönvenio vos 
et praeter Pascha jejunantes, citra illos dies, quibus oblatus est 
sponsus et stationum semijejunia interponentes et vero 
interdam pane et aqua victitantes, ut euigue visum est, denique 
respondetis, haec ex arbitrio agendo, non ex imperio. 


j X 


374 Stativ. 


Died führt auf den Unterfchied, wie er auf Weranlaffung bes 
Streits mit den Montaniften feflgefegt wurbe. Diefe drangen auf Vers 
mebrung und größere Strenge der kirchlichen Faſten, und nach Euseb. 
h. e. 1. V. ce. 18. wollte Mentanus als Gefengeber in diefem Puacte 
(ö vnorelag vouoderneag) angefehen fern. Vergl. Bingh. Artiq. 
Tom. IX. p. 210 aeqq. Dieſer Geſetzgebung aber wollte ſich die katho⸗ 
liſche Kirche, um ihre Freiheit zu bewahren, keinen Zwang einzufüdren, . 
nicht unterwerfen. Die neuen Kaftentermine der Montaniften, fo wie 
ihre Singularitäten bierbei, wurden daher nicht angenommen. Dennoch 
‚wurde das Faften nit blos ber bifhöflihen Willkuͤhr (ex arbitrio, 
worüber Xertullian fpottet) und der Neigung Einzelner, ober dem ex 
voto überlaffen, fondern es wurben gewiſſe Faftenregeln feftgefegt, und 
biefe vorzugsweife stationes genannt. Daher findet mar in lsi- 
dori Hispalens, Orig. 1. VI. c. ult. und Rabani Mauri de institut. 
Cleric. I, II. o. 18. den Unterfchied auf folgende Art: angegeben: 
Jejanium est indifferenter cujuslibet diei abstinentia, non secun- 
dum legem, sed secundum propriam voluntatem. — 
Statio. autem est observatio statutorum dierum vel temporum, die- 
rum, ut quartae et sextao ferise jejunium ex vetere lege prae- 
ceptum, temporum autem, ut jejunium quarti, quinti, septimi et 
decimi mensis, et observatio quadragesimae, quae in universo orbe 
ex institutione spostolica observatur. 

Bei der Wahl des Ausdruds blieb man’ bei ber beliebten Betas 
pher vom Streite Chriſti ſtehen. So heißt es fchon in Ambros. serm. 
XXV. Castra nobis sunt nostra jejunia, quae nos a diabolica in- 
festatione defendunt; denique stationes vocantur, quod stantes et 
eommorantes in eis inimicos insidiantes repellamus. Und Ifidor 
ſagt mit Beziehung auf Tertullians Aeußerungen: Statio autem de 
militari exemplo nomen accepit pro eo, quod nulla laetitia obve- 
niens castris stationum militum rescindat; nam laetitia libentius, 
tristitia sollicitius administrat diseiplinam. Unde et milites, nun- 
quam iimmemores sacramenti, magis stationibus parent. 

Alte Chriſten konnten stationaril genannt werden, fn wiefern fie 
milites Christi waren , welche die Pflicht hatten ſich auf ihren Poften 
zu begeben und ſich in allem, mas den Dienft betraf, nad) den Bes 
er und Anordnungen ihres Dberhaupts und deſſen Stellvertreter 
zu tichten. 

Auf diefe either betrachteten Hauptbedeutungen laͤßt fich alles zu: 
rudführen, was in der fpätern. Zeit fiber statio und die damit vers 
wandten Ausdeuͤcke vorkommt. Am häufigften findet man das Wort 
in Verbindung mit Prozeffionen und Waufahrten, und dann pflegt 
man. darunter einen gewiffen ausgezeichneten Ort, Als 
tar, ein Rreuz, ein Bild, tabula votiva in und 
außer der Kirche zu verftehben, wobei man ftebend 
oder Eniend verweilt, um feine Andacht zu verridh 
ten, ein Lied zu fingen, ein Bebet (Pater noster‘, ave 
Maria etc.)-berzufagen oder aud nur in fliller Selbfts 
betradhtung fich dem religiöfen Gefühle zu überlaf 
fen. Borzugsweife aber find Stationen in den fogenannten Gnaden> 
oͤrtern, auf den Calvarienbergen, bei den Gnabenbildern u. f. f. bie 


⸗ 


Statio. 375 
bafelbft aufgerichteten Denk⸗ und Merkzeichen, Bilder, Inſchriften, 
Embleme u. a., welche als beſondere Andachts⸗ und Gebetswecker gelten. 
Das Wort in dieſem Sinne entſpricht dem Hebraͤiſchen 2%, wofuͤr im 
der griechifchen Ueberfegung des A. T. orauoıs gefegt wird. Auch die 
Mubamedaner haben bei ihren Prozeffionen und Wallfahrten ähnliche 
Gebets⸗ und Andachtsſtationen, wie die Chriften, welche fie an ber 
gleichen religioͤſen Geremonien noch übertreffen. 

Wenn daher, was fo häufig gefchieht, von den. Stationen in Rom _ 
die Mede ift, fo find darunter nichts anderes zu verſtehen, als bie, 
Altäre und Kichen in Rom, In welchen der roͤmiſche Biſchof an ges 
wiſſen Tagen pontificiet. Solche Kirchen werden 'ecclesine stztioneles 
oder templa stationum genannt. Die ihn begleltenden und ihm aſſiſti⸗ 
senden Geiftlihen heißen vorzugsweife statienarii — eine Benennung, 
welche an Die milites stetionarios, apparitores et ofhciales Praesidum 
zur Kalferzeit erinnert. Daraus laſſen fich auch die häufig vorkommen⸗ 
den abgeleiteten Adjective stationalis und stetionarius erklaͤren. Wergl. 
was 3. DB. über das Stationskreuz (crux stationalis) im Art. Kreuz 
p. 128 erinnert worden iſt. Calix stationeria heißt der Kelch, welcher, 
wenn Meſſe gehalten oder eine sortitio saera vorgenommen werden folk, 
von einee Station zur andern mitgenommen wird, Indulgentiae sta- 
tionariae ift der bei den Stationen befonder6 an den ecolesiis atatio- 
nalibus publicirte Ablaß. 


31. 


Statiſtiſch geographiſche Ueberſicht 


bed chriſtlich⸗ kirchlichen Laͤnderbeſtandes im Roͤmer⸗ 

reiche von der Zeit an, wo das Chriſtenthum Staats⸗ 

religion wurde bis zur Zeit des ſich ſchnell verbrei⸗ 

tenden Jolams, ein Zeitraum von ungefähr 200 

Sahren, während deſſen die kirchlichen Verfaflungd- . 

formen des Metropolitan = und Patriarchalſyſtems 
ſich ausbildeten, 


I. Einleitende Bemerkungen. II. Politiſche Ein- 
theilung des Roͤmerreichs in dem angedeuteten Zeit 
raume und ihr nachgebildete kirchliche Landereintheilung. 
IH. Große Berlufte, melche die chriftliche Kirche durch 
den mit Feuer und Schwert verbreiteten Zölam erlitt, 
und ſchwache Ueberrefte chriftlicher Bevölkerung in den 
Ländern, wo einft Sefus, jet Muhamed, verehrt wird, 


" Kiteratur, Aeltere fpecielle Werke, bie ſich auf bie Ausbreis 
tung des Chriſtenthums und der dadurch veranlaßten kirchl. Geographie 
und Statiſtik beziehen: Theatrum conversionis gentium totius orbis 
sive chronologia de vocatione omnium populor. et propagatae per uni- 
versum orbem fidei christianae relig. descriptio. Auctore F. Arnoldo 
Mermannio. Antwerpise 1573. 8.; aud in J. Gualterii Chronic. 
chronicor. eccles. Tom. I. (Fkf. 1614. 8.) p. 96 seqq. — Paroe- 
cia, sive de Paroeciar. et Paroecor. origiue neo non de missa pa- 
roecieli Auctore Jo. Filesaco theol. Paris. Parisiis ap. Barthel. 
Marcum. 1608. (Eine der beſſern Schriften Fileſaks) — Jao. 
Gaulter Tabula chronographica status ecclosiae catholicae a Chr. 
n. ad a. 1614. Lyon 1615. fol. — K. a. S. Paulo Geographia 
saera, s. notitia antiqua dioocesium omnium patriarchal. metropo- 
liticar. et episcopalium veteris ecclesiae, ex conciliis et patrib., 
hist. ecclesiast. et geographis antiquis collecta. Paris 1641. fol. — 
-; accesserunt notao et animadverz. de Holstenil et parergon noti- 





Statiflifch = gengraphifche ucherficht x. 377 


tias aliquot ecolesiast. et eivil, divers. temporib. editas complectens, 
ex mss. oodd., gr. et lat., eum 10 tabulis geogr. Amaterd. 1704. 
fol. (Ein Hauptwerl) — Em. a Schelstrate Antiquitas coclesiae, 
dissertationib., monimentis ae notis illustrata. Tom. II. continens 
opus geogr. — hierarchicum de institutione eoclesiar. per orbem 
universum a Chr. ab Apostolor. principe Petro, ejusque successori- 
bus facta. Rom. 1697. fol. (Zwar einfeitig, aber doch ſehr brauche 
bar.) — J. Alb. Fabricius Salutaris lux evangelii, toti orbi per 
divinam gratiam exoriens, s. notitia hist.-chronol., literaria et 
geogr., propagatorum per orbem totum christianor. saoror. Acced. 
— — index geogr. episcopatuum orbis christ. Hamb. 1731. 4. 
Vergl. auch feine Bibliotheca graeca. 2. Ausg. Vol. XII. p. 1 ff. — 
Fr. Jac. de Digne historiegraphio generale des provinoes eccle- 
siast. de l’eglise latine. Avign. 1716. fol. — Biachinii libr. II. 
de origine hierarchiae ecclesiasticae. Mutinae 1704. (Xeltere, fpes 
ciellere y fen ber Art werden in ber Abhandlung felbft angeführt 
werben. 

Was bie größern chriſtlich⸗kirchlichen archäologifchen Werke betrifft, 
fo wird diefer Gegenftand bier felten berührt. Auguſti, Binterim has 
ben davon gar nichts. Defto vortrefflicher iſt aber ein hierher gehöriger 
Abſchnitt bei Bingham Vol. II. p. 408 ff. mit ber Ueberfchrift: Geo- 
graphica antiquae ecclesiae deseriptio, ubi de divisione illius in 
provincias, dioeceses et parochias ct de prima huj. divisionis origine 
agitur. — Fuͤr den legtern Abſchn. diefes Art. ift immer noch brauchbar 
Staͤudlins kirchl. Geographie und Statiftil. Tübin. 1804. 2 Thle. 8.— 
R. Adam the relig. world displayed. Edinb. 1809. 8 — Heinr. 
Zſchokke Darftellung gegenmärtiger Ausbreitung des Chriſtenthums auf 
dem Erdballe, ein gefhichtl. Umriß. Aarau 1819. 4. — Andere alls 
gemeine Schriften von untergeorbnetem Werthe verzeichnet Wald Biblio- 
theca theol. Ill. p. 41 seqg. Die Schriften über die Statiſtik eins 
zeiner Länder und: Didcefen müflen wir befondern theologifchen Literas 
turwerken uͤberlaſſen. Sie find zu finden bei Walch a. a. O. p. 173 ff. 
und in Winers theolog. Literatur im dreizehnten Abfchnitte. 

H Einleitende Bemerkungen, — Vor allen Dingen 
wird es nöthig feyn, den Grund anzuführen, warum wir einen Artikel 
unter obiger Auffchrift in diefem Handbuche liefen. Wir haben naͤm⸗ 
lich in befondern Artikeln über die Licchlichen Berfaffungsformen, als 
Eicchliche Demokratie, Ariſtokratie, Oligarchie und zulegt Monokratie 
im Abendlande geſprochen. Desgleihen find von uns die kirchlichen 
Würden — der Metropoliten und Patriarchen befonders behandelt wors 
den, und darum bitten wir hier die Artikel kirchliche Verfaſſungsformen, 
Metropoliten, Patriarchen, zu vergleihen, wo unter andern gezeigt 
worden ift, daß die Eirchliche. Ländereintheilung im Drient und Dccident, 
in Patrlarchate, Didcefen, Metropolen und dergleichen, ber politifchen 
Laͤnderbeſtimmung nachgebildet worden fe. Sollen nun jene Artikel 
im noch hellern Lichte erfcheinen, fo wird es nöthig feyn, auch die 
Erdtheile und Länder nachzuweiſen, wo fi das Chriftentyum Eingang 
verfchafft hatte und wo e# fo lange blühte, bis der Islam feine zer» 
ſtoͤrende Kraft auf einen großen Theil ber chriſtlichen Kirche ausübte, 
Wir innen uns jedoch bier nur auf den Umfang des Roͤmerreichs 


318 Statiſtiſch⸗ geographiſche Ueberſicht ꝛc. 


beſchraͤnken, obgleich auch außerhalb deffelben Has Chriſtenthum in dem 
von uns beſtimmten Zeitraume ſich Eingang verſchafft hatte. Noch 
wird auch etwas zu erinnern ſeyn 

über den kirchlichen Sprachgebrauch des Wor⸗ 
tes Didces, welches öfters in dieſem Artikel vorkommen wird. 
Verwandt mit ihm iſt das Wort maporxla, woraus parochia entſtan⸗ 
den If. Der Etymologie nach bedeutet es das Wohnen als $remdling 
an einem Drte. Im frühen chriftlihen Leben konnte dee Aufenthalt 
der Chrlften in irgend einem Xheile des Roͤmerreichs allerdings fo ges 
nannt werden, theils weil fie einer neuen, fremden Anbetungswelfe 
folgten, theild weil fie in Zeiten der Berfolgungen oft flächtig werden 
und den Aufenthaltsort wechſeln mußten. Diefer Mebenbegriff verlor 
fiy jedoch, und man bezeichnete [päter damit einen Kleinen kirchlichen 
Diftriet, dem theils ein Biſchof oder noch gemöhnlicher ein Presbyter 
vorſtand. Verſetzt man fih nämlich in die Zeit vor Conftantin, wo 
das Ehriſtenthum erft anfing fih nah und nah im Roͤmerreiche aus⸗ 
zubreiten,, fo läßt es fich erklären, Daß in gewiffen Gegenden ein Bis 
ſchof einen viel kleinern Sprengel hatte, als mancher Presbpter, dem 
von feinem Stadebifhofe die Aufſicht über eine größere, benachbarte 
-Sandgemeinde anvertraut werden mußte. Der Sprengel manches Bis 
ſchofs war aber oft fehe klein. So fpriht Sozomenus VI. 34. vom 
den Bifchöfen Barfes und Euloyius, daß fie keine Stade zu ihrem 
Diödcefanfig gehabt hätten, fondern nur ein Klofter. Zu den Zeiten 
Auguftfin’s gab es in Afrika 900 Biſchoͤfe, deren Discefen folglich nicht 
fehr groß geweſen feyn können. Der Biſchof zu Heliopolis hatte nad 
ber Erzählung des Euseb. vita Const. Il. 5. gar feinen Chriften in 
der Stadt, fondern blos einige in der Umgegend. Der Bilhof zu 
Tyrus hatte eine fo Beine Diöces, dag er alle Chriften perfönlich 
kannte. Auf der Infel Greta war in der Metropolis Gonftantia nur 
eine Kirche, eben fo zu Neu⸗Caͤſarea, Epiph. haeres. LXIX. Sin 
dieſer Zeit war es leicht möglih, daß die beiden Ausbrüde Parochie 
und Didees für gleichbedeutend gebraucht wurden. Doc) firicte fich der 
Sprachgebrauch allmählig dahin, daß Parochie einen kleinern kirchlichen 
Bezirk, Didces aber eine ganze kirchliche Provinz bezeichnete. Als bie . 
Zahl der Chriſten auf dem Lande und in den von den Städten ent⸗ 
fernten kleinern Orten ſich mehrte und doch die Stadtbiſchoͤfe es nicht 
gern fahen, daß eben fo viel Landbifhöfe als Gemeinden entfländen, _ 
fo ſchickten fie Presbyter Ihrer Kirchen auf das Land, um die kirchli⸗ 
Ben Geſchaͤfte daſelbſt zu verrichten. Die Meiereien, Dörfer und Ders 
ter, welche zu einer folhen Gemeinde gehörten, oder überhaupt ale 
Kirchen, bie unter einem Stadtbifchofe flanden, nannte man maeoı- 
xicı, parochiae, die Synode zu Chalcedon nennt fie dyooixoı zapoı- 
xiaı,, ob fich glei ber Sprachgebrauch im fpätern- Latein wiederum 
ändert. Wichtiger noch für uns ift in diefem Artikel das Wort 

Didces. Nah dem Griechiſchen dsolxnorg bedeutet es zunaͤchſt 
“die Öffentliche Verwaltung eines Admintftrativbeamten, welchem deshalb 
auch der Ausdruck duosunıng zukommt. ‚Dann aber bezeichnet das 
Wort Divevesis einen Diftrict Landes, defien Verwaltung und Juris⸗ 
diction dem römifhen Prätor uͤberwieſen tft; und demnach zu deſſen 
Provinz gehört. In dieſer Wedeutung findet fi) fowohl der griechifche 


Gtotififdh» geogtaphtſche tieberſicht x. Xô 


Ausbruck Arolunsıc als ber lateiniſche Dioͤcefts mehrmals bei Cicero, 
3. B. ad.Famill. III. 8. XIII. 58. 67. ad Attie. V. 21. — Spaͤ⸗ 
terhin erweiterte ſich dieſer Begriff, fo daß in der roͤmiſch⸗byzantini⸗ 
ſchen Zeit damit ein Inbegriff mehrerer unter einem Gouverneur ſtehen⸗ 
den Provinzen bezeichnet wird, in dem Sinne, in welchem eine alte 
Sloſſe ganz richtig ſagt: dıolxnarg de dorlv 7 noAläc Inapxiag Erovoas 
Ev gavın. In diefem Sinne kommt dieſes Wort fehe oft im Cobdep 
Suftinion. und Theodoſian., ja fhon bei Ammianus Marcellinus vor, 
wo indeß auc der Ausdruck tractus ſich dafür finde. Der Gower⸗ 
neur einer folhen Dioͤces, welcher In ber Hauptſtadt oder Metropole 
derfelben feinen Ste hatte, war ein Praefectus praetorio; die einzels 
nen Provinzen oder Eparchien, aus welchen feine Didces zufammen 
gefegt war, flanden unter eben fo vielen Comites oder Vioarii. ©. J. 
Gothofred. ad leg. 13. Cod. Theodos. de Medic. und in der Topo- - 
‚ graph. Tom. VL p. 395 segg. ‘ 

As nun aber, nahdem die hriftliche Religion an bie Stelle der 
Heidnifchen zur Staatsreligion erhoben war, nad und nach das Birds 
lihe Weſen geordnet und die ganze Kirchenverwaltung ber polltiſchen 
nachgebildet, und mit ihr immer mehr in Berbindung gebracht wurde, 
wie ſolches das Intereſſe der Derriher von Byzanz erforderte, da ward 
dioecesis bald auch Benennung der kirchlichen Provinz, am deren 
Spige, gleich dem Praefectus prastorio in politiſchen Dingen ein Erz⸗ 
biſchof oder Metropolitan ſtand, der in der Hauptſtadt der dioecesis 
(Metropolis) , wo auch der mweltlihe Bouverneur refidirte, feinen Sig 
hatte und unter deſſen Aufficht die einzelnen Parochien und Diſtricte 
der einzelnen Biſchoͤfe (Biſchofsſprengel) geftellt waren. Dieß iſt die 
Bedeutung de6 Wortes Didces, welche befonders in dieſem Artikel vors 
herrſcht. Abuſive brauchte man es fpäter von dem einzelnen, unter 
einem Biſchofe flehenden Diſtricten (Biſchofsſprengeln), melde eine 
größere Provinz bildeten und eigentlich mit dem Ausbrude Parochiae 
bezeichnet wurden. Diefe Bedeutung bat fi das ganze Mittelalter 
hindurch, bis auf unfre Tage erhalten, wo mit demfelben gewöhnlich 
ein Compiler mehrerer unter einem geiftlichen Vorſteher oder Oberhaupte 
vereinigter Semeinden bezeichnet wird. So nennt man noch jebt in 
dee roͤmiſch⸗ katholiſchen Kicche den Inbegriff von Städten und Dörfern 
mit ihren Pfarreien, bie zu dem Sprengel eines Bilchofs gehören, 
feine Dioͤces; ja feldft im der evangeliſch⸗lutheriſchen Kirche wird bie 
Zahl der Parochien (Pfarreien), über welche ein Superintendent die 
Aufficht führt, Didces genannt. Vergl. Du Cange Lexic, med. et 
infim. Lat. Tem. I. p. 823. — Nod wird es nöthig fey, bag wir 

auh einen Blick auf die Ausbreitung des 

Chriftenthbums. zuruͤckthun bis auf den Zeitabs 
ſchnitt, den wir in diefem Artikel feftgefest haben. 
Dadurch wird es erklärlich werden, wie wir von einem folchen kirchli⸗ 
chen Länderbeftande [prechen können, deifen in ber naͤchſten Abtbeilung 
dieſes Artikels Erwaͤhnung geſchehen wird. 
Der Verordnung Jeſu nach wurde die erſte chtiſtliche Kirche zu 
Serufalem gebildet, und kurz nach dem merkwuͤrdigen erſten Pfingſtfeſte 
wurden mehrere 1000 Juden, die theils in Judaͤa einheimiſch waren, 
theils in andern Provinzen des roͤmiſchen Reichs ſich angefiebelt hatten, 


® 


800 Statiſtiſch⸗ geographiſche Weberfüht ıc. 


zum Glauben an Chriſtum bekehrt. Die Verfolgung, welche bald auf 
die Steinigung des erſten Blutzeugen der Wahrheit, des heiligen Ste⸗ 
phanus erfolgte, gab Gelegenheit, das Evangelium in Palaͤſtina aus⸗ 
zubreiten. Nur die Apoſtel waren muthig genug, in Jeruſalem zuruͤck⸗ 
zubleiben. Die übrigen Schüler Jeſu zerſtreuten ſich in hie verſchiede⸗ 
nen Gegenden Sudda’s, Galilaͤa's und Samariens, und wohin fie 
kamen, , verfündigten fie mit glüdlichem Erfolge bie Lehre Jeſu Chriſti. 

Waͤhrend die Apoftel und Andere emfig mit der Verbreitung des 
Evangeliums befchäftigt waren, verfolgte Saul von Zarfen die kaum 
entſtandene Kirche. Aber mitten auf feiner Merfolgerbahn ward er 
ploͤtzlich zum Giauben an Chriſtum befehrt, und befam vom Herrn 
ben Auftrag, als fein Apoftel unter den Heiden zu dienen. Um diefe 
Beit genoſſen die Gemeinden in Judaͤa, Salilda und Samarien eine 
Zwiſchenzeit der Ruhe und Erholung von den Verfolgungen der Juden, 
und wurden baducd immer ftärker und größer. Unter diefen günftigen 


Umſtaͤnden verließ der Apoftel Petrus Serufalem, wo er mit den uͤbri⸗ 


gen Apofteln bisher gewirkt hatte, reiſte in ben verfchiedenen Bezirken 
Judaͤa's umher und flärkte den Glauben der Jünger. Auf dieſer 


ı Reife kam er befonderd nach Lydda, Saron und Joppen, an welchen 


Drten eine große Anzahl Einwohner das Evangelium annahm. (Apo⸗ 
ſtelgeſch. 9, 35.) Bis auf diefe Zeit war das Chriſtenthum allein den 


Juben geprebigt worden. Aber die Stunde war jest gekommen, in 


welcher der göttliche Rathſchluß, das Licht der Welt auch der Heidens 
weis aufgehen zu laſſen, ſich herrlich offenbaren ſollte. Der Anfang 
dazu geſchah zu Cäfaren, dem MWohnfige des roͤmiſchen Landpflegers, 
etwa fieben Jahre nad der Dimmelfahrt unfess Herrn. — Die Juͤn⸗ 
ger, welche nach dem Tode des Stephanus aus Jeruſalem vertrieben 
worden waren, machten ihren Weg buch Judaͤa und Samarien, und 
kamen bis nach Phönizien, Cypern und Antiochien, in welchen Laͤn⸗ 
dern fie ſich nur zunaͤchſt auf die jüdifhen Glaubensgenoſſen mit der 
Verkündigung des Evangeliums beſchraͤnkten. Endlich wandten fi 
auch einige desfelben nach ihrer Ankunft in Antiochien an die griechie 
fhen (heidnifhen) Bewohner diefes Stadt, und eine große Anzahl ders 
felben ging zum Glauben an Chriftum über. As die Nachricht hiers 
von zur Gemeinde von Jeruſalem gelangte, fandten die Apoftel fogleich 
Bamabas ab, um die Meubelehrten daſelbſt zu ſtaͤrken. Diefes fand 
ier ein für apoftolifhe Arbeiten fo viel berſprechendes Feld, daß er feine 
Reife bis nad Zarfus fortfegte und ben befehrten Saulus mit ſich 
zuruͤckbrachte. Beide blieben ein Jahr lang zu Antiochien und bildeten 
daſelbſt die erfte Gemeinde aus den heidnifhen Bewohnern ber Stadt, in 
weldzer fie denn aud den bezeichnenden Namen Chriften erhielten, Act. 
11,26. — Paulus, audgerüftet mit einem unermüdeten Eifer für die 
Sache Jeſu Chrifti, erfüllte nun von Serufalem an, bi6 nad Illyricum 
alles ringe umher mit dem Evangelium Sefu Chrifti (Röm. 15, 19.). 
Er predigte es alfo in Syrien, Phönizien, Macebonien und Griechen» 
land. Rom felbft und aud die weſtlichen Gegenden von Stalien, 
Spanien, und vielleicht auch die brittiſchen Ufer, wurden von diefem 
großen Apoſtel befucht. Ueber feine apoftolifche Wirkſamkeit und feinen 

Tod fiehe den Artikel Petrus und Paulus. 4. Bd. p. 202 ff. 
Die Arbeiten des Apoftels Petrus waren befonders unter feinen 


— 


Statiſtiſch⸗geographiſche Ueberfüht ze. 881 


Landeleuten gefegnet. Nach feinem Aufenthalte zu Antiochlen wendete 
er fich mit der Predigt des Evangeliums wahrſcheinlich an die in Pons 
tus, Galatien, Kappabocien, dem eigentlichen Afien und Bithynien 
umher zerfireuten Juden, an welche auch fein erfter Brief gerichtet iſt. 
Auch er fol den Märtyrertod erlitten haben. Vergl. dem Artikel Pe⸗ 
trus und Paulus p. 202 ff. ’ 
Der Apoftel Johannes ſchlug nach dem Anfange bes juͤdiſche 

." Krieges (wahrſcheinlich im Jahre 66) zu Epheſus feine Wohnung auf. 
Diefe berühmte Stadt mit dem benachbarten Gebiet war bie in fein 
hohes Alter dev Schauplag feiner apoftolifhen Thaten. — Die Mifs 
fionsgebiete der übrigen Apoftel waren muthmaßlih das aſiatiſche 
Aethiopien, Aegypten, Cprene und das benachbarte Gebiet, die ganze 
nördliche Küfle von Afrita, Cypern, Greta und die Inſeln des dgäts 
fen Meeres, Pontus, Medien, Garmanien, Baktriane und bie 
benachbarten Voͤlkerſchaften, Schthen und Indier. Die Geſchichte ver: 
mag aber,nur einzelne Spuren ihrer Arbeiten und Reifen nadyzuweifen. 
So viel geht übrigens aus der Erzählung des Lukas, den Briefen der 
beiden Apoftel Petrus und Paulus und andern Zeugniſſen klar hervor, 
daß innerhalb des Feitraums von 30 Jahren nad 

der Himmelfahrt Chrifti beinahe in jedem Theile 
des großen römifhen Reihs und felbit außerhalb 
der Brenzen deffelben das Evangelium gepredigt- 
wurde. Sin den meilten dieſer Gegenden nahm die Chriftenzahl zu. 
(Got. 1, 6. 23.) 

Trotz der Chriftenverfolgungen von Seiten der Heiden, bie ſchon 
mit Nero begannen, ſich bis -zu Conftantin immer und immer im 
Roͤmerreiche wiederholten, breitete doch im 2ten und 3. Yahrhunderte 
das Evangelium fein Licht in Frankreich, Spanien, Britannien, Deutſch⸗ 
land und nad) dem Beugniffe des Eufsbius fetbit in Indien aus, wenn 
wicht vielleicht damit das gluͤckliche Arabien gemeint if. Die Mauren, 
Gaͤtuler, Sarmaten, Daker, Scythen und arabifhe Stämme nahmen 
das Evangelium an. Auch das Lriegerifche Volk der Gothen wurde 
mit dem Evangelium bekannt und zu fanftern Sitten gewöhnt. — 
Sm 4. Jahrhundert (um das Jahr 12) gerährte Conftantin der 
Große den Chriften die volle Freiheit, ihren Grundfägen gemäß zw 
leben. Bald darauf ging er felbft zur chriftlichen Religion über. In 
der Folge munterte er alle feine Unterthanen auf, das Evangelium 
anzunehmen, und am Ende feiner Regierung bot er alles auf, um bie 
Zerſtoͤrung des heibnifchen Aberglaubens zu vollenden, und das Chris 
flenchum in jedem Theile feines Reichs herrfchend zu machen. Con⸗ 
ſtantins Söhne ahmten Ihrem Vater nach und eben fo feine uͤbrigen 
Nachfolger mit Ausnahme des Apoftaten Jullian, beffen Verfuche, dem 
geſunkenen Heidenthume wieder aufzubelfen, die fiegreichen Fortſchritte 
des Chriftenthums nur auf Turze Zeit unterbrahen. Theodoſius ber 
Große vom Jahre 379 an, war fo thätig in Zerſtoͤrung des heidniſchen 
Sortesdienftes und Aberglaubens, daß das Heidenthum am Schluffe 
dieſes Jahrhunderts feiner allgemeinen Verachtung und feinem Erloͤſchen 
nahe war. Der Gothe Ulphilas (+ 859) erwarb ſich Verdienſte um 
das Chriftenehum unter feinen Volksgenoſſen und auch felbft die fpätere 
Völkerwanderung war für bie chrifttiche Kirche nicht fo verderblich als 


⸗ 





383 | Statiftifch - geographiſche Ueberfüch x. 


man bätte fürchten ſollen. Dieß glaubte ber Verfaſſer vorausſchicken 
zu muͤſſen, um ben Ausbrud: „chriſtlich⸗ kirchlicher Laͤnderbeſtand im 
dem angegebenen Zeitraume” verftändlic zu finden. 

II) Politifhe Eintheilung des Römerreichs im 
dem angedeuteten Z3eitraume und ihr nadhgebildete 
kirchliche Ländervertbeilung — Aus dr Schrift eines 
unbefannten Berfaflers, der, role man glaubt, zu den Zeiten Arcadii 

und Honorii fein, Bud ſchrieb, und aus weicher Bingham fchöpfte, 
' wurde damals das römifche Reich umter vier Praefeotos praeterio 
adminiſtrativ vertheilt, deren jeglicher feine Didcefen, und jede Didces 
wieber ihre einzelne Provinzen hatte. Unter diefen war der erfte der 

1) Praefectus praetorio per orientem. Er hatte 
fünf Didcefen unter fi, ndmlih A) die Didces Oriens im engern 
Sinne; B) die Didces Aegypten; C) die Dioͤces Aften; D) die 
Dioͤces Pontus und E) die Didced Thracien. 

A) Die Didces Oriens enthielt 15 Provinzen: 1) Pald: 
flina, 2) Phoͤnicien, 3) Syrien, 4) Cilicien, 5) Cyprus, 6) Xtra: 
bien, 7) Sfaurien, 8) Palaͤſtina salutaris, 9) Paldftina secunda, 
10) Phönicien am Libanus, 11) Phoenicia Euphratensis, 12) Syria 
salutaris, 15) Osroena, 14) Mefopotamien, 15) Cilicia secunda, 

B) Zur Didces Aegppten gehörten 6 Provinzen: 1) Ober: 
Indien, 2) Niederipbien, 3) Thebais, 4) Aegypten im engern Sinne, 
6) Arcadien, 6) Augustamnica. - 

C) Zur Didces Afien gehörten 10 Provinzen: 1) Pams 
phylien, 2) Hellespont, 8) Lydien, 4) Pifidien, 5) Lykaonien, 6) Phry- 
gia pacatians, 7) Phrygia salutaris, 8) Lycien, 9) Garien, 10) die 
eykladifchen Inſeln. 

D) Zur Didces Pontus wurden 11 Provinzen: gerechnet: 
1) Galatien, 2) Bithynien, 8) Honorias, 4) Cappadocia prima, 
5) Paphlagonien, 6) Pontus Polemoniacus, 7) Hellenopontus, 
8) Armenia prima, 9) Armenia seounda, 10) Galatia salutaris, ‘ 
. 41) Cappadocia sesunda. 

E) Zur Didces Thracien gehörten 6 Provinzen: 1) Eus 
ropa, 2) Thracien im engern Sinne, 3) Haͤmimontis, 4) Rhodope, 
6) Moesir seounda und 6) Scythien. 

Diefer politifhen Eintheilung des römifhen Reihe in denr von 
uns fellgefegten Zeitraume, was bie Provinz: „der Orient,” betrifft, _ 
‚entfprigt nun auch die Eicchlihe Eintheilung Um dieß zu beweilen 
ann man ſich zwar auf feine fo alte Nachricht berufen, indem Die 
von Leo Sapiens gewiß weit neuer if. Allein es giebt bier eine an⸗ 
dere Quelle. Dieß find die Unterfchriften in den Acten dev alten Con⸗ 
cilien. Aus dieſen lernt. man die Drte kennen, wo Patriarchen, Mes 
tropoliten, - Biſchoͤfe angeflellt waren. -. Diefe nun zu Rache ziehend 
überzeugt man ſich, daß die kirchliche Eintheilung der politifchen nach⸗ 
gebildet war. Wir wollen dieß zugleih von der politifhen Provinz 
zeigen, die wir nad ihren verfchiedenen Dioͤceſen betrachtet haben. 
Dem Praefectus praetorio oder einem andern höhern politifhen Beants 
ten, der ungefähr mit den Vicelönigen und Statthaltern der neuen Zeit 
verglichen werden kann, entiprachen in der Bezeichnung kirchlicher Würs 


jr 


Statiſtiſch⸗ geographifche Ueberfiht u. 883 
den die Ausdruͤcke Patriarch und Exarch (vergl. den Artikel Metropo⸗ 
liten p. 413). Wir machen nun die Verwandtſchaft der kirchlichen 
Eintheilung mit der politiſchen zunaͤchſt auſchaulich am dem Laͤnderbe⸗ 


ſtande, über den der Praefectus praetorio per Orientem geſetzt war. 
Dieſem entſprach der Patriarch im kirchlichen Sinne, und es war dieß 
* 


I. 
der Patriarch zu Antiochien in Syrien. 
A. 
girchliche Pro⸗ Hauptſtaͤdte ber Pro: 
vinzen. vinzen und Metvopo 


litanſitze. 

1) Palaͤſtina primaa. Caſarea. 

2) Dhdnicen - 2 2 2 0 0 0. Xorus. 

3) Syin. » 2 2 2 0 0. Antiohten (Patriarchenſitz). 

4) Cilieia prima..... Tarſus. 

5) ECypruususs.... ẽenſtantia. 

6) Arabien..... .. Boſtra. 

7) Iſaurien ee ee. Seieucia. 

8) Palaͤſtina salutars . . 2.0» Zerufalsm oder Aelia. 
9) Palaͤſtina secunda . . . 2. Scythopolis. 

10) Phönicien am Libanus . . . . Emifie. - 
1) —  Euphratensis „ .„. . Hieropolis. 

12) Syria salutaris . - 0... Apamea. 

13) Ste . . .» ee. Edeſſa. 
14) Mefopotamin - «© » +... Amirte. 

15) Cilicia secunda . . . . » Anazerbus. 

Es iſt zu bemerken, daß has. Antiochenifche Patriarchat hier in 
‚feiner fruͤhern, größten Ausdehnung gefchildert if, daß ihm aber fpäter 
durch Theo fius II. mehrere Provinzen entriffen wurden, wie wir im 
Artikel Patriarch p. 199 gezeigt haben. Die oͤkumeniſche Synode zu 
Chalcedon 450 entfhied, daß ſich aus dem Altern Patriarchate zu 
Antiochien ein neues zu Serufalem mit den Provinzen Palaͤſtina, Phoͤ⸗ 
nicien und Arabien erhob und in ber Foige das fünfte Dauptpatsiar: 
chat in der Chriftenheit bildete. _ Bingham hat darüber zwei fehm bes 
lehrende Charten gegeben mit dem Titel: Patriarehatus Antioekeni 
geographica nova descriptio. Vol. III. p. 444 und Patriarchatus 
Hierosolymitani nova deseriptio p. 434. 


B. Die Didces Aegypten. Der Patriarch zu Alerandrien. 
Provinzen. Metropolen. 


1) Oberlphien.....Polemais. 
2) ieberinbien - - 2 2 0 . 0. . Dmnion, 

bebait . . . . .. Antinoe ober Lytopolis. 
2 Aegapten im engen Sinne . % 0. Alexandrien. 
5 ien. .ODryxinchus. 


6) Auguftemnica » » - . . .Peluſium. 


x 


384 Statiſtiſch⸗ geographifche Weberfücht zc. - 
C. Die Didces Afien im engern Sinne 


Provinzen. 


1) Pamphylien. 
2) Hellespont . 0 
3) Lydien 
A) Piſidien... 
5) Lycarien ... 
Phrygia pacatiana 

7 


or » 0 


8 


Sin . 2. 
8 Carien 


10) Die ẽhcladiſchen Inſein. 
11) Das Proconſulariſche Aſien 


D. Die Didces Pontus. 


Provinzen. 
1) Galatien. 
‚2) Bithynien. 
3) Cappadocia I. 
4) Cappadocia II... 
5) Honorias. 
6) Paphlagonien . . 
7) Pontus Pelomonlacu 


® ® [7 ‘. ® 


8) Hellenospontuß . 
9) Armenia L. . 
10) Armenia IL. . 
11) Galatia salutaris 


® ® ® ® ) o 


E. Die Diöces Thracien. 


zu Conſtantinopel. 


Provinzen. 


oo er a et ee 2 8 0 0 > 


® ® ® 


Pa Er 


8 vv 0o0 0 0 0 d040 
⸗ 


@ [2 ® ® ® oo ® 4— 0 


®. ® L] ® e 


Metropolen. 
Der Drimärbifihof in biefer 
Didces hatte unter bem Ras 


Perga oder Sida. 
Cycicus. 

Sarden. 
Antiochien. 
Iconium. 
Laodicea. 


Epheſus. 


Der Exarch zu Caͤſarea. 


Metropolen. 
Ancyra. 
Nikomedien. 
Caͤſarea. 
Tyana. 
Claudiopolis. 
Gangra. 
Neucaͤſarea. 
Amesra. 
Sebaſtia. 
Melitene. 
Pelfinus ober Juſtiniano⸗ 
polis. 


Der Erxarch erſt zu Heraclea, hecnach 


1) Europa (im engern Sinne) 


I) Zhreaien . . 
3) Haͤmimontis . . 
4) Rhovope . . . » 
5) Mysia seccunda . 
6) Sıothien . . » 


— ® ® . 


0 
®. 
. 

L} 


“. 
2 
2 
“ 
®e 
® 


Metropolen. 


. Heraelea. 
.Philippopolis. 


Hadrianopolis. 

Traianopolis. 

Mercianopolis. 

Tomi. Ein Biſchof, jeboch 
von geringer Bedeutung. 


Wie dieß Exarchat geößtentgeits von dem fpäter. fo fehr beguͤnſtig⸗ 

ten Patriarchate zu Conftantinopel verfchlungen wurde, haben wir im 
Artikel „Patriarch“ p. 198 gezeigt. 
Menn man nun den Länderbeftand näher erwägt, ben fih bie 
chriſtliche Kicche in den zeither gefchilderten Patriarchaten und Exarcha⸗ 
- ten errungen hatte, fo kann man fidy "bald Überzeugen, wenn man 
damit bie neuere Geographie vergleicht, daß ex mehr ald bie ganze 








x 


Stotififch: geogtaphiſche Ueberfihtm. 385 


afiatifche und einen Thell ber europaͤiſchen Türkei umfaßt, und daß von 
Afrika zu ihm ganz Aegypten bis tief in den Süden hinein gehörte. — 
Gehen wir fort zu dem zweiten praefeotus praetorio im zömifchen 
Reiche und vergleichen wie dje ihm politifch zugetheilten Länder mit 
dem kirchlichen Laͤnderbeſtand in dieſer Abgrenzung. 


1) Der zweite Praefectus praetorio per IIIyricum 
hatte nur zwei Didcefen zu regieren, nämlih A) Macedonien und 
B) Dacien. ' 

A) Zur Didces Mäcedonien gehörten 7 Provinzen: - 
1) Achaja, 2) Macedonien, 8) Greta, 4) Theſſalien, 5) Alt» Epirus, 
6) Reu: Epirus und 7) ein Theil von Macedonia salutaris. 

B) Zur Didces Dacien gehörten 5 Provinzen: 1) Dacia 
mediterranen, 2) Dacia ripensis, 5) Moesia prima, 4) Dardania, 
5) ein Theil von Macedonia salutaris und praevalitina, | 

Die kirchliche Eintheilung und Nachbildung ber politifhen Pras- 
fectura praetorio per Illyricum geftaftete fich fo: 


A. Die Didces Macedonien. 


Provinzen. De 
. er Erarch zu Theſſalonich. 

1) Achaiiia........... Corinth. Br Theſſalonich 
2) Macedonien.. Theſſalonich. 
3) Creattt...... Cactyna. 
N Xheffalien . oo 2 2 0 0 0. Larife. 
5) Alts Eplus . > en ee. MRikopolis. 
6) Neus@pius - - - 2 0... Dyradhium. 


B. Die Didces Dacien. 


Provinzen. Metropolen. 
1) Dacia mediterr. - . . » . . Sardica. 
‚ Der Exarch erſt zu Sarbica, 
nachher zu Adeibi oder 
Justiniana 


2) Daeia ripensis . . © - + . Ungewiß. 
3) Moesia prima . . © » 0. . Ungewiß. 
4) Dardana . © ». © 2... Senpi. 

5) Praevalitana . - © .» 0. . Achridis. 

Wenn wir alfo ben Länderbefland biefer alt⸗ kirchlichen Diöcefen 
mit des Geographie unfree Tage vergleichen, fo umfaßte er einen Theil 
der heutigen europdifchen Türkei, des neu errichteten Königreichs Gries 
henland und einzelne helle von Ungarn, Siebenbürgen und der 
Wallachei. 

III) Der dritte Praefectus praetorio Italiae hatte 8 
Didcefen unter fih, nämlih A) Italien, B) Illyrien und 
C) Afrika. 

A) Zur Didces Ita lien gehörten 17 Provinzen. 1) Bes 
nedig, 2) Aemilien, 8) Ligurien, &) Slaminien und Picenum anne- 
narium, 5) Xuscien und Umbrien, 6) Picenum suburbicarium, 
7) Campanien, 8) Sicillen, 9) Apulien und Galabrien, 10). Lucas 

Siegel Hembus IV. 25 we 


\ 





386 Statiſtiſch ⸗ geographifche Ueberſicht x. 


nien und Bruttli, 11) die Gottifhen Alpen, 12) Rhaetia prims, 
7 —— secunda, 14) Samnium, 16) Balerien, 16) Sardinien, 
41 orſika 


B) Zur Didces Illyrien wurden 6 Provinzen gerechnet: 
1) Pannonia secunda, 2) Suaria, 3) Dalmatia und Pannonia prima, 
6) Nerieum mediterraneum, 6) Noricum ripense, 


C)- Zur Didces Afrika gehörten 6 Provinzen: 1) Biza⸗ 
cum, 2) Numidien, 3) Mauritania sitiphensis, 4) Mauritania Cae- 
sarcensis, 5) Tripolis, 6) Africa Proconaularia. 


Nachgebildet diefer politifchen Eintheilung dee praefectura prac- 
torie Italiae war die kirchliche auf folgende Art: Wie Lönnen in je: 
ner Zeit in Stalien zwei Primaͤrbiſchoͤfe unterfcheiden, den Exarchen zu 
Mailand und den damals nod fogenaunten Biſchof von Rom. Aber 
am Ende der von uns beflimmten Periode war Rom eind der fünf 
Hauptpatriarchate in dee Chriſtenheit. Wir ziehen es jedoch vor, den 
älteren kirchlichen Laͤnderbeſtand anzuführen, mie er im -Zeitalter des 
Honorius und Arcadius gegen das Ende des vierten Jahrhunderts bes 
gruͤndet worden ſeyn fol, um factifch zu zeigen, daß ſich der Bifchof von 
Rom vor den übrigen Provinzialbifhöfen Staliens durch nichts weiter 
auszeichnete, als durch einen größern Sprengel. 


' Provinzen. Metropolen. 
2) Damme nn non} De Rift um A 
3) Ammilin. - venna. 


4) Ligurien .. .. 
. 5) Die Cottiſchen Alpen . 00.0. 
6) Rhaetia prime . . . v2. 
7) Picenum suburbicarium „. . . . 
8) Rampanien . » 2 2 2 2 2. 
9) Zuscien und Umbiien . . . 
10)’ Apulien. und Galabtin . . 
41) Bruttii und Lucanien .. 
12) Samnium - » vv... 
13) Balerien 


h Der Exarch zu Mailand. 


Der Biſchof zu Rom. 


14) Venetien und vIſtrien .. . Der Biſchof von Faultee. 
15) Sicitin . 2 0:0 0 Syrakus. 

16) Sardinien . » 2.“ . Gilarit. 

17) Sofia . 2 2 0er. Ungewiß. 


B) Die Didces Illyrien. 


Der Exarch zu Sirmium. 


Provinzen. Metropolen. 
4) Ober⸗Pannonien.. . Laurentum. 
2) Nieder-Pannonien .Sirmium. 
3) Salria . . 2 2 0202. .  Bindemana. 
4) Dalmata . . . . Solona. 
5) Norieum mediterraneum. . Salzburg. 
6) Norioum ripense , . . Ungewif. 


% 


Statiſtiſch⸗ geographiſche Ueberfiht m. 387 


C) Die Dioces Afrika. Der Erarch zu Carthago. 


Provinzen. Hauptflädte. 
1) Afrita Proconfularis - . . . . Gartbago. 
2) Öyaaduım . - >» 2 2 200. Aörumetum im buͤrgerli⸗ 
' hen Verſtande; denn in 
der Kirche folgte allemal 
der aͤlleſte Biſchof. 
3) Numidien - -» » 2... Citrtha Julia. 
a) Tripolis . © 2 2 0 0 nee Keipoliß, 
5) Mauritania Sitiphensis . . . . Gitifis. 
— Caesareensis . . . Cäfaren. 

IV) Der vierte Praefectus praetorio Galliarum 
hatte in politifcher Beziehung 3 Diöcefen unter fih, naͤmlich Spas 
nien, Ballien und Britannien. Zur Diſces Spanien 
gehörten 7 Provinzen: 1) Viennensis, 2) Lugdunensis prima, 
8) Germania prima, 4) Germania secunda, 5) Belgioa prima, 
6) Beigica secunda, 7) Alpes maritimae, 8) Alpes Penninae und 
Grajae, 9) Maxima Sequanorum, 10) Aquitania prima, 11) Aqul- 
tania secunda, 12) Novem populi, 13) Narbonensis prima, 
14) Lugdunensis seeunda, 15) Lugdunensis tertia, 16) Lugdunen- 
sis Senonia. — Sur Didces Britannien wurden folgende 5 
Provinzen gerechnet: 1) Maxima Caesargensis, 2) Valentia, 8) Bri- 
tannia prima, 4) Britannia secunda, 5) Flavie Caesareensis, Diefer 
politifchen Eintheilung entſprach nun die kirchliche auf folgende Art: 


A) Die Didces Spanten. Der Exarch ungewiß. 


Provinzen. Hauptſtaͤdte. 
1) Baetiee.... 0 20. — | 
2) Lusitania . . “00. . Emerita Augusta. 
3 Galliia -. » © © 0 2 02 0. Bracar. 
4) Tarraoonensis. . -. . . . . . Tarraoo. 
5) Carthaginensis . . . „ . . Carthago Hispanice. 
6) Tingitana . 00 8 2 8 ee h Un wiß. 
7) Die Baleatiſchen Infeln. . . . & 

B) Die Didces Gallien. Der Eyardy ungewiß. 


Provinzen. auptſtaͤdte. 
1) Viennensis ,. . . » 0. . Arelat und Vienne, 
9) Lugdunensis . . 


. 0. . Imgdunum. 
3) Germania prima . 


. Stier, nachher Mes. 


A — secunda . 00 oe 2 ee Trier, nachher Coͤln. 
5 Bolgiea prima . 0 ® . 0 0 Trier. 
—  seounde ,„ . . . 0. MRheime,. 
7) Alpes maritimae . . . . Ebrodunum 
6) — Peminse . . . Vienne, 
9) Maxima sequanorum , . . . . Visontium. 
10) Aqujtania prima . . ». » . . Bituriges 
1). — sende „ . . . . Burdegalia. 
12) Novem populariae , . . . 


. . Augusta rm 


388 Statiftifch = geograpgifche Ueberficht ic. 


Provinzen. Haupeſtaͤdte. 
13) Narbonensis prima oe 0. Narbe. 
14) — seeunda . . . .. Aquae Sextiae,. 
15) Lugdunensis secunda „ . .. . Rothomagus. 
16) — tertia .... Turones. 
17) — Senoniae . . . . Senona« 
C). Die Didces Britannien. Der Erard zu York. 
Provinzen. HOauptſtaͤdte. 


1) Maxima Cacsareensi.. Ehoracum. 
2) Flavia Caesareensis . .. . . . Eboracum. 
3) Britannia prima . . - London. 

) — secund ... « Carleolum. 

5) Valentia jenfeit der Dauer der Picten. Eboracum. 

IT Große Derlufte, welde die chriſtliche Rirde 
Surh den mit Seuer und Schwert verbreiteten 
Islam erlitt, und ſchwache Uchberrefte hriftlidher 
Bevölkerung in den Ländern, wo einft Jefus, jetzt 
Muhamed, verehrt wird. — Wirft man nun noch einen 
Bid auf den chriſtlich-kirchlichen Laͤnderbeſtand nach der zeitherigen 
Angabe (fehr erläuternd dazu find die von Bingh. 1. I. gegebenen fünf 
geographiſchen Charten); erwägt man ferner, wie weit fih namentlid) 
die chriſtlichen Secten verbreiteten, fo hätte man wenigftens die Herr 
ſchaft der chriſtlichen Religion im Driente für fo gefichert halten follen, 
dag fie nie wieder geftürzt oder wenigftens fehr eingeengt werden Eonnte. 
Bis in den entfernteften DOften von Aſien drangen Miffionare der 
Chaldaͤiſchen Chriftenpartei. - Sie ftifteten dort blühende chriftliche Ge⸗ 
meinden und die unermüdete Thaͤtigkeit aller folcher von der großen 
Kirche getrennten Secten ſchien faft überall der Ausbreitung der dhrift: 
lihen Religion fehr nüglich zu werden. Selbft wenn auch eine er: 
obernde,, heidniſche Nation das orientalifhe Kaiſerthum zerttümmern 
folte, fo war es nach der Analogie der occkdentaliſchen Geſchichte fehr 
mahrfheintie , daß diefes Voll, wenn einmal der erfte Eturm vor: 
über feyn würde, und Aufllärung allmählig wirken tönnte, endlich 
. fetbft auch zur Annahme der hriftlihen Religion fid) entfchliegen muß: 
te. — Diefemnah war der dhriftlich = ficchliche Länderbeftand in der 
von uns bezeichneten Periode ber Wirklichkeit nad) und ſelbſt mit Be: 
zugnahme auf die Zukunft ein anfehnlicher zu nennen. Er umfajte, 
um es kurz auszudrüden, die gebildetſten Theile der alten Welt und 
nahm einen großen Theil von Afien, Europa und Afrika ein. i 

Doc alles ging anders; als ſich nach fonft gewoͤhnlichem Laufe 
der damaligen Weltbegebenheiten vermutben ließ. In Arabien, von 
woher nie noch bis dahin eine große Weltrevolution gekommen, erhob 
fih unter den fonderbarften Umftänden ein neuer Prophet, Muhamed, 
ein Dann, der unter jedem Volke und zu allen Zeiten einer der groͤß⸗ 
ten Männer geworden ſeyn würde, und deſſen Nachruhm blos durch 
die abwechſelnden hiſtoriſchen Traditionen "gelitten zu haben ſcheint, die 
leider der Gefchichte jedes Religionsſtifters fo nachtheilig zu feyn pflegen. 
Verbreitung und Behauptung der erften Grundwahrheiten der natuͤtli⸗ 
chen Religion (es ift ein Gott) war erfter Hauptzweck feiner fo genann⸗ 


LT - 


+‘ 


4 


Statiſtiſch ⸗geographiſche Ueberſicht ıc. 389 


tem neuen Religion und ber. zweite Hauptfag, ben- er predigte (Muha⸗ 
med fein Prophet), ſchien mehr um bes erfiern als ſein ſelbſtwe⸗ 
gen dazu zu. gehoͤren. Wo ein Mann von fo glühender Einbil: 
dungskraft, als er war, Selbfibetrüger "zu werben anfange, ift in 
Lebenden Beifpielen ſchwer zu entfcheiden, unmoͤglich in feinem Kalle, 
bee aus Mangel hinlängliher, kritiſch geläuterter Nachrichten, nie in 


feier rechten Individualität unterfuht werden fann. 


Kurz, fein theiſtiſcher Apofteleifer, dem er fi erſt als Dann von 
mehr ale 40 Jahren zu überlaffen anfing, brachte in großer Schnelle 
und ſelbſt duch den Miderfland nod gereizt, den er anfangs fand, 
Wirkungen hervor, die bald nad) feinem Tode in allen drei Welttheilen 
und in jedem derfelben in mehr als einem Reiche empfunden wurden. 
Kein Jahrhundert nach feinem Tode war verfloffen, fo hatten feine 


Nachfolger im politifhen und religiöfen Sinne Perfien, Sprien, einen 


Theil von Kleinafien,. Aegypten, die nordafrikaniſchen Küften und 
Spanien erorbert. Die bluͤhendſten chriſtlichen Kirchen waren wie hin: 
weggetilgt von der Erde. Kaum erhielt fih bier und da noch neben 
dem herrfchenden Islam ein ſchwacher Schatten derfelben,. und 
in allen biefen Ländern (das einzige Spanien ausgenommen) erkennt 
man bis auf. den heutigen Zap kaum noch bie Stätte, wo das Licht 
bes Evangeliums mag geleuchtet und erwärmt haben. Die ganze 
Scene der chriſtlichen Kirchengefchichte hat fich jegt verändert. Die Charte 


‚von Kleinafien, Syrien und Aegypten wird nun gleichfam binmeggelegt, 


fie nügt uns wenig mehr. Europa wird Hauptſchauplatz bes thriſtlich⸗ 
Eirchlichen Lebens, Deutfchland der Mittelpunct der wichtigſten Veraͤn⸗ 
beringen. Jetzt iſt der Biſchof zu Rom Held des Stuͤcks (vergl. den . 
Artikel Papalſyſtem) und die arme orientalifche Kirche iſt recht eigents 
lih, mit früherer Zeit verglichen, eine ecclesiola prossa geworben, die 
in einigen Weberbleibfeln des chriftiihen Namens, wie verkümmerte, 
einzeln flehende Pflanzen noch jetzt fortdauern. Wil man fi uͤbri⸗ 
gens belehren, wie, nachdem das Chriſtenthum fo empfindliche Verluſte 
im Driente erlitten hatte, es dennoch im Abendlande und im nördlichen 
Europa ſich verbreitete, fo findet man außer den größern kirchenhiſtori⸗ 
fhen Werken, in der Kürze alle beifammen in der kleinen Schrift, 
betitelt: Gefchichtliche Ueberficht der Ausbreitung des Chriſtenthums. 
Mit befonderer Rüdfiht auf das Miſſionsweſen. Nr. 1. Leipzig 18238. 8. 

Mas nun die fhmachen Ueberrefte der chrifllichen Kirche aus ber 
von uns beitimmten frühern Beitperiode betrifft, ſowohl in Ruͤckſicht 
ber katholiſchen Kirche, als auch der von ihs ausgegangenen haͤretiſchen 


Parteien, fo iſt noch übrig in 


Afien und der europäif—hen Türkei: 


1) die fogenannte Eatholifch = griehifche Kirche. 
Noch Heute beherrfcht der Sultan zu Conftantinopel eine Laͤnderſtrecke 
von mehr: als 24,000 [Meilen im abendländifchen Afien. Bon ben 
11—12 Millionen, welche dieſe Gegenden unter türkifcher Hoheit 
bewohnen, find kaum 2 Millionen Chriften, ein Umſtand, welcher 
deutlich lehrt, welche Verluſte die chriſtliche Kirche in diefen Gegenden 
erlitten hat. Die, Griechen haben im türkiſchen Reiche 4 Patriarchate: 


- 


3% Statiſtiſch⸗ geographiſche Ueberſicht u. 


Eonſtantknopel, Antlochien, Jeruſalem, Atirativeim, Doch ſind fie 
faft nur noch ein Schatten von dem, was einſt die berühmten und 
mächtigen Patriarchen dieſes Namens gemefen find. Des erfle nennt 
fiy einen Erzbiſchof von Conſtantinopel und Allgemeinen Patriarchen. 
Dadurch wird ein zweifaches Amt bezefdrtet.  Geine erzbifchöfliche 
Dioͤces dehnt ſich uͤber die europaͤiſche Tuͤrkei, die ˖Inſeln des Ardyipels, 
Natolien oder Kleinaſien aus. Won feiner wichtigen Stellung zur 
forte iſt ſchon gefprochen worden im Artikel „Patriarch““ p. 200, und 
von feinee Amtstracht Br Bd. Artikel Klerus p. 48 ff. 

Mit diefem Patriarchen können fi) Die andern kaum vergleichen. 
Der von Antiochien und Syrien hat eine Meine Didces. Gr wohnt 
gewöhnlich zu Damaskus, hat fehr geringe und ungewiſſe Einkünfte und 
fol deswegen jegt in Gonftantinopel wohnen müflen und von ber 
Onabe des dortigen Patriarchen leben, eben fo, wie der Patriarch von 
Serufalem. Diefer hat die Biſchoͤfe von Nazareth und Bethlehem und 
eine beträchtliche Anzahl von Minden unter ſich ſtehen, die heiligen 
Derter unter feinee Auffiht, laͤßt buch feine Prieſter Almoſen für die 
Unterhaltung dieſer Orte und für ſich ſammeln. — Der Pactriarch 
von Alerandrien in Aegypten reſidirt gewöhnlich zu. Kairo, hat wenige 
Kichen unter fih und gar Leinen Biſchof. Die Patriarchen werden 
zwar an ihrem Orte von Geiſtlichen und Weltlihen gewählt und von 
dee Pforte beftätige, aber e6 geht eine Vorftelung von dem Patriarchen 
zu Gonftantinopel voraus, umd biefer wirkt auch die Beſtaͤtigungsbriefe 
von ber Pforte aus. 

Die Erzbdiſchoͤfe und Metropoliten werben von der Synode zu 
Gonſtantinopel gewählt und von der Pforte beſtaͤtigt. Metropoliten 
beißen diejenigen Erzbiſchoͤfe, welche In Städten wohnen. Sie merden 
zum Theil nue um alter berühmter Namen. und Würden willen erhals 
ten. Aber felbft die Dietropolitanfige, welche Staͤudlin im feiner kirch⸗ 
lihen Geographie und Statiſtik anflhre (er fchrieb fein Bud 1804), 
3.8. Caͤſarea, Heraklea, Nilomedien, Ephefus, Nicaͤa, Chalcedon u. a., 
find nach Berichten neuerer Reiſenden als erloſchen und untergegangen 
anzufehen. Die griechifhen Chriften im Driente leben uͤbrigens zer⸗ 
ſtreut unter den Muhamedanern und In manchen Gegenden , befonders 
auf den Inſeln, bilden fie die Mehrzahl der Bevölkerung. In Con⸗ 
flantinopel find ihrer nah Einigen 100,000, nad Andern 200,000, 
und Kirchen haben fie daſelbſt einige JIwanzig. Die Vorſtadt Fanal 
wird ausfchliefend von ihnen bewohnt. Wegen ber immer noch bes 
trächtlihen Anzahl ber griechifchen Kirchengenoffen, bie den Jslam 
beftimmt verwerfen , ift die Pforte fehe aufmerkſam auf fie umd ahndet 
blutig jeden Aufſtand. Dagegen ift für die griechifhen Chriften im 
Driente Rußland, wo ihr Glaube herrſcht und ihrem Patriarchen 
Verehrung bezeugt wird, ein Gegenftand ber Aufmerkfamkeit und ange⸗ 
nehmer Doffnungen, und e6 ft unter ihnen eine alte Weiffagung im 
Umtlaufe, daß von diefee Seite Hülfe und Rettung für fie kommen 
werde, Ob mit der Gruͤndung des netten Königreihs Wriechenland . 
für die griechiſche Kirche eine beffere Zelt kommen werde, muß die Zus 
kunft lehren, Unter dem Präfldenten Kapodiſtrias wurde ein Kirchen⸗ 
tath errichtet, um: au in kirchlicher Beziehung den neuen Staat 
ſelbſtſtaͤndiger gu machen, welcher aus drei Bifchöfen beftand umd in 





9 


Statiſtiſch⸗ geographiſche Ueberſicht ıc. 201 


allen aͤußern Angelegenheiten ber Kirche ſich fe unabhaͤngig von dem 
Patriarchen zu Conſtantinopel erklärte, Dagegen in geiſtlichen Dingen 
ihn als legte Inſtanz anerfannte, welche Unabhängigkeit nach der Ans 
Zunft des Königs eine gtichifhe Synode fanctionirte. Neue Berichte 
über den Zuſtand des Koͤnigreichs Griechenland lagen jedoch fehr über 
die Miderfeglichkeit des griechifhen Klerus, ſobald es gilt buch Schu⸗ 
fen und Schriften Aufklärung zu verbreiten. Zu den Ueberreflen ber 
chriſtlichen Kiche aus der von uns beflimmten Zeitperiobe gehört 
auch noch - 

2) die armenifche Kirche. Auch fie ift theilmeile in ber 
europäifchen,, wie in der afiatifchen Tuͤrkei und in andern Theilen” bes 
weſtlichen Aſiens verbreitet. Sie führt von ihrem Wohnlande ben 
Namen, einer aflatifchen Landfchaft von 5000- Meilen, zroifhen dem 
Kur und Phafis bis zum Golf von Iſſus, größtentheild eine Hoch⸗ 
ebene, .die vormals in Groß: und Kleinarmenien zerfiel. Die Zeit, 
in welcher die armenifchen Chriften anfingen eine befondere Kirche zu 
bilden, fällt in das Ende bes Sten und den Anfang bed 6. Seculums, mo 
fie monephnfitiihe Srundfäge annahmen, und indem fie die Beſchluͤſſe 
der Chalcedonifhen Kirchenverſammlung 536 bermwarfen, fi von der 
geiehifhen Kirche trennten. Sie theilen ſich jegt in unirte und miche 
unirte- Armenier ein. Zu den erflern technet man bie, welche die geift: 
liche Oberherrſchaft des Papſtes anerkennen, in ihren Glaubensfaͤtzen 
mit den Roͤmiſch-Katholiſchen Übereinflimmen, aber ihre eigene Kir: 
chenordnung beibehalten. Dergleihen Armenier trifft man nur in 
Stalin, Polen, Galizien, in Perfien unter dem Erzbiſchof von Nas 
hitihewan, einer Stadt am Don im ruffifhen Gouvernement Jekate⸗ 
rinoslaro , deren Einwohner größtentheils Armenier find, und in Mar: 
feille. Auch haben fie einige Klöfter auf dem Berge Libanon. 

Die nicht unirten Armenier, die fi in ihrer alten Selbſtſtaͤndig⸗ 
keit erhalten Haben, leben größtentheils im türkifchen Aften und auch 
in Perfin. Ihr Lehrbegriff unterjheidet ſich befonderd dadurch von 
dem ortbodogen, daß fie in Chrifto nur eine Natur annehmen und 
den Geift blos vom Vater ausgehen laffen. Bet ihren 7 Sakramen⸗ 
ten, die fie Geheimniffe nennen, haben fie das Eigenthuͤmliche, daß 
fie bei der Taufe dreimal befprengen und dreimal eintauchen, und bie 
Sirmelung gleiy damit verbinden, beim Abendmahl unvermifchten 
Mein mit gefäuertem Brode gebrauchen, welches fie in den Wein ges 
taucht herumreihen und die legte Delung nur geiftlichen Perfonen gleich 


nach dem Zode zukommen laſſen. Sie verehren Heilige und ihre ges 


malten Bilder, glauben aber Bein Fegefeuer. Im Faſten thun fie es 
den Griechen zuvor und feiern ‚nicht fo viele Feſte als dieſe; aber mit 
größerer Andacht. Ihren Gottesdienft halten fie in der Tuͤrkei meift 
des Nachts, die Meſſe in altarmenifcher, die Predigt in neuarmenifcher 
Sprache. Ihre hierarchiſche Verfaſſung weicht wenig von der griechis 
fben ab. Der Katholitos, das Haupt der Kirche, hat feinen Sie zu 
Etſchmiazin, einem Klofter bei Erivan, Hauptitadt des ehemals perfis 
fhen , jegt ruffiihen Armeniens am XArarat. Diefe von Gregor von 
Nazianz geftiftete Kicche war die einzige, welcher die Muhamedaner 
Glocken erlaubt hatten. Das heilige Salboͤl, welches der Katholikos 
verfertigt und an: die Geiſtlichkeit verkauft, und die häufigen Wallfahrten 


392 Statiſtiſch⸗ geographiſche Ueberſicht x. 


ber Armenier nach Etſchmiazin — denn jeder Armenter muß wenig⸗ 
ſtens in ſeinem Leben einmal dahin kommen — verſchaffen ihm die 
Mittel, den Aufwand des Gottesdienſtes zu beſtreiten und treffliche Bil⸗ 
dungsanſtalten fuͤr Lehrer zu erhalten. Die Patriatchen zu Conſtanti⸗ 
nopel und Jeruſalem, die Erzbiſchoͤfe und Biſchoͤfe der Armenier wer⸗ 
den von ihm eingeſezt und alle drei Jahre in ihrem. Amte beſtaͤtigt 
ober abgerufen. Die Übrigen Beiftlihen find an Rang und Beſchaͤfti⸗ 
gung den uͤbrigen Geiftlichen der orthoboren Kirche Ähnlich; die Mönche 
folgen der Regel des heiligen Baſilius. Eine eigenthuͤmliche Gtaffe der 
Geifflichen bilden die Wartabieds, eine Art von graduirten Gelehrten, 
wie "unfere Doctorenz fie leben als Möndye den Wiflenfchaften und has 
ben allein Anfprühe auf das Vicariat der Bifhöfe. Die Weltpriefter 
müffen fi) einmal verheirathen, bürfen aber keine zweite Frau nehmen, 
Im Abderglauben und in der Anhänglichkeit an alte Kormen gleichen 
die Armenier ben Griechen, zeichnen ſich aber durch befiere Sitten vor 
ihnen aus. Unter ihnen befteht noch das alte orientalifche Samilien: _ 
leben, und fie übertreffen uͤberhaupt alle ihnen verwandte monophpfitis 
[he Parteien an Bildung. Die Achten Armenier haben außer ihrem 
Lande und ber Türkei, wo fie am zahlreichſten find und ihre Patriarch 
zu Conftantinopel in aͤhnlichem Verhaͤltniſſe mit der Pforte ſteht, wie 
der griechifche, in Perfien zu Ispahan, Schiras und Norinkale, in 
Rußland zu Perersburg, Moskau, Aſtrakan und in ben kaukaſiſchen 
Sonvernements Gemeinden, und. in London und Amfterbam Meine 
Tiederlaffungen. Man ſchaͤtzt die Geſammtzahl der Armenier auf 
1,351,000, von benen 200,000 in Conftantinopel und ber Umgegend, 
100,000 in Perfien und 40,000 in Indien leben, die kleinern Ges 
meinden in Europa, 3. B. in Ungarn, nicht gerechnet. Vergl. Ker 
Porter's Travels in Georgia, Persia, Armenia ancient, Babylon ete. 
in the years 1817—20. London 1821 und Jauberts Reife durch 
Armenien und Perfien 1805 und 6 (deutfh Wien 1822). Zu den 
Ueberreſten des chriftlichen Namens in Afien aus der von uns beſtimm⸗ 
ten Zeitperlode gehören auch 

8) die Maroniten, eine Secte der griechifchen Kirche. Der 
Urſprung berfelben laͤßt ſich nicht genau beflimmen. Sie felbft bes 
haupten, daß fie ihren Urfprung von einem geroiffen Maron führen, 
defien Leben Theodoret befchrieben hat und der im Anfange des 5. Jahr⸗ 
hunderts lebte. Andere Leiten den Namen von einer Gegend, Maronia, 
zwiſchen Antiochien und dem Berge Libanon, ber. Sie flammen un» 
fteeitig vom den alten Monotheleten her, und trennten ſich feit dem 
Anfange des 7. Jahrhunderts foͤrmlich von ber ganzen herrfchenden 
Kirche. Sie zogen fih, fo wie andere Mißvergnügte, vor den Verfol⸗ 
gungen und der Intoleranz der griechifchen Kaifer und ihrer Agenten, 
der Malchiten, nach dem Libanon, wo ihre Partei ſtets zunahm. Man 
weiß, daß damals theologifhe Streitigkeiten in jenen Gegenden immer 
zugleich politiih wurden, und dag man Widerfeglichleit gegen die Hof⸗ 
theologie als Rebellion zu betrachten und zu behandeln pflegte. Die 
Maroniten wurden um fo mehr als folche behandelt, da fie bei ben 
Streitigkeiten zwifhen Rom und, Gonftantinopel in manden Stüden 
fih auf Roms Seite hinwendeten. Johann der Maronite, welcher 
diefer Secte nicht den Ramen gab, fondern fi von einem aͤltern 


— 


Statiſtiſch⸗ geographifche Ueberfiht x. -— 393 
. Aceten, Maron, biefen Beinamen beilegte, war ein Mönch, welcher 
gegen das Ende des 7. Jahrhunderts lebte und beftimmter bie Partei 
des Papftes ergriff. Nachdem er fih fammt feinen Anhängern nad 
dem Libanon gezogen batte, ſo nannten fie fi alle Maroniten. Cr 
führte unter dielen Bergbewohnern eine bürgerliche, kirchliche und mili. 
talrifhe Ordnung ein. Nachdem er. ihnen Waffen und Anführer geges 
ben hatte, bemächtigten fie fi) bald der Gebirge bis nah Jeruſalem 
bin. Ihre furchtbaren Feinde waren Mufelmänner und Griechen, deren 
Uebermacht trotz ihrer heidenmüthigen Tapferkeit fie doch endlich weichen 
mußten, und-auf die Grenzen eingefchränkt wurden, welche fie noch 
jegt inne haben. Sie wurden zu einem jährlichen Tribute genoͤthigt, 
den fie noch heutzutage entrichten. Die Paſchas haben jedoch niemals 
ihre Garnifonen und ihre Aghas in diefe Gebirge einführen können. 
Die Unterwürfigkeit dee Maroniten beſchtaͤnkt fi auf die Bezahlung 
eines Tributs an den Paſcha von Zeipoli, zu deſſen Gebiet ihr Land 
gerechnet wird. Der Tribut wird von dem Paſcha jedes Jahr beſtimmt, 
und iſt bald größer, bald Bleiner, je nachdem das Jahr befonders im 
Ertrag der Maulbeerbäume und des Weinſtocks ergiebig iſt, und je 
nachdem man dem Pafcha mehr oder weniger Widerſtand entgegenfegen 
Tann. Die Verfaſſung der Maroniten beruht auf alten Gebräuchen 
und Gewohnheiten. Sie ift frei, wie es unter Bergvoͤlkern oft ber 
Fall if. Es herrſcht unter ihnen viel Gemeingeift und Patriotismus 
neben Kinfalt der Sitten und Frugalität. Die ganze Nation ift aders 
bauend. Man kennt daſelbſt die Räubereien und Plünderungen nicht, 
weiche fo gewöhnlich unter ben Türken find, umb man reilt unter ihnen 
Tag und Nacht mit einer Sicyerheit, welche ſonſt im türkifchen Reihe 
undekannt if. Sie find gaſtfrei, mie bie Araber. Den Grundfägen 
ihrer Religion zuwider, haben fie den arabifhen Gebrauch der Blut⸗ 
rache unter fih. Alle find beftändig bewaffnet. In Kriegszeiten muß . 
jeber marfchiren, ausgenommen die Priefter und Moͤnche. Ob fie 
gleich den Primat des Papſtes anerkennen, fo wählten ihre Geiſtlichen 
doch immer noch ein Oberhaupt, welches fie Patriarch von Antiochien 
nennen. Ihre Priefter dürfen nur Sungfrauen und nur einmal beiras 
then. Sie leſen die Meſſe in fprifcher Sprache, von melden die wes 
nigften etwas verfichen. Nur das Evangelium wird in arabifcher 
Sprache gelefen, damit das Volk es verfiche. Das Abendmahl wird 
unter zwei Geſtalten ausgetheilt. Die Hoftie ift ein kleines rundes 
ungefäuertes Brod, von welchem der Meßpriefter einen Kleinen Theil 
genießt und das Webrige in Bleinen Stüden fammt dem Weine in ben 
Kelch thut und In einem Xöffel den Communikanten reiht. Die Pries 
fler leben von den Gaben ihrer Gemeinde, von ihrer Handarbeit, von 
Sewerben, vom Aderbau. Die Latholifche Religionsuͤbung ift ‚in 
Besruan (fo heißt der Theil des Libanon, welchen die Maroniten 
bewohnen) volllommen frei und aͤffentlich. Jedes Dorf hat feine 
Kapelle, feine Priefter, und jede Kapelle ihre Glode, welches fonft in 
der Türkei unerhört iſt. Um ſich die Fortdauer dieſer Freiheiten zu 
ſichern, laſſen die Maroniten keinen Tuͤrken unter fi) wohnen. Sie 
‚ tragen auch den grünen Turban, welches einem Chriften anderswo das 
Leben koſten würde. Es giebt in Kesruan viele Biſchoͤfe. Diele leben 
ganz einfach, meiftentheils in ben Kloͤſtern, wie Moͤnche, aus denn 





394 Statiftifch ¶geographiſche Ueberſicht ıc. 


fie auch genommen find. Behr ale 200 Manns» und Monnenkloͤfter 
find auf dern kleinen Raume, welchen die Maroniten bewohnen. Sie 
folgen der Regel des heiligen Antonius mit großer Strenge. Niemals 
efien fie Fleiſch, faften und beten aufs fleißigfte, bauen die Erde, 
fprengen Zelfen, um Mauern für ihre Gärten und Weinberge zu 
bauen. Zaft immer findet man ein Frauenkloſter neben einem Mannes 
Hofter , und doc hört man wenig von Skandalen reden. Die Nonuen 
führen ein, fehr arbeitfames Leben. Noch herrfcht In diefen Gegenden 
der Glaube, daß gerniffe Menfchen vom Teufel befefien feien, befons 


ders Epileptiſche und Wahnfinnige, und es giebt Mönche, welche erors 


ciſiren. Der römifche Hof bat fich viele Mühe gegeben, die Maroniten 
ned, enger mit fi) zu verbinden und roͤmiſche Ideen unter ihnen herr⸗ 
ſchend zu machen. Aber die Geiſtlichen, welche aus dem Maronitifchen 
Collesium zu Rom kommen, ehren bald wieder zu den Mationalideen 
zuruͤck, und die Rapuzinermiffiondre zu Sazir, Tripoli und Barut, ſo 
wie einft die Jeſuiten haben noch Leine bedeutende Veränderungen in 
dee Denkart diefer Leute bervorbringen können. Uebrigens haben biefe 
Bemühungen doch das Gute gehabt, daß die Schreibekunſt unter den 
. Maroniten gewöhnlicher geworden iſt, und dag fie dadurch viele Stellen, 
wozu dieſe Kunſt erfordert wird, bei den Tuͤrken und bei den Drufen, 
ihren Nachbatn und Allirten, erhalten. Sie ‚leben Übrigens in nicht 
gar großer Zahl in Speien, vorzüglich zu Aleppo, Damaskus, Tripoli 
auf Eypern; ihr vornehmſter Wohnfig aber bleibt der Libanus. Im 
Kofler Rannabin auf diefem Berge wohnt ihr Patriarch, welcher 
immer Petrus heißt. Bedenkt man, daß die Maroniten noch jegt gern 
ihren Patriarchen nach Antiochien benennen, fo ift freilich dieß Häuflein 
Chriften ein ſchwacher Erfag für die Ghriflenmenge , über weiche. bes 
fonders In den früheften Zeiten, der Patriarch von Antiochien gefegt 
war. Noch müffen wir aus unfrer Periode einer haͤretiſchen Partei, 
‚vom Chriſtenthume ausgegangen, erwähnen, bie fih früh fchon weit 
in Afiem verbreitete, und, wenn auch in ſchwachen Ueberreften, doch bie 
auf den heutigen Zag in verfchiedenen Gegenden umd mit verfchiedenen 
- Namen vorhanden ift; es find dieß 

4) die Yleftorianer. Neitorius, geboren zu Germanica in 
Syrien, war ein. Schller des gelehrten Theodor von Mopsveftia, zuerft 
Presbyter in Antiochien, ein beim Volke beliebter, beredter Homilet, 
Befaß! viele Kenntniffe, einen friedlichen Charakter, und war durd reine 
©itten achtungswerth. Im Jahre 428 wurde er Patriarch in Gonftans 
finopel. Es fand"Anftoß,, daß er den Namen der Maria Geozöxog 
für unfſchicklich erklärte. Bott, fagte er, kann keine Mutter haben, 
fotglih nicht die Marla Heorexog (puerpera, genetrix Dei) heißen; 
das Geſchoͤpf kann nicht den Unerichaffenen , fondern nur das Werkzeug 
der Gottheit, den Menfchen, gebären. Die Streitigkeiten darüber mit 
dem Cyrillus, fo wie das Schidfal bes Neſtorius und die keineswegs 
‚nach der Verbannung und nach dem Tode defjelben beendigten Strei⸗ 
tigkelten,, die nicht Güte, nicht Gewalt, nicht kaiſerliche Befehle fchliche 
ten fonnten, fallen mehr der Dogmengefcichte anheim. Hier nur fo 
viel, daß die fogenannten Neftorianer mit ihrer bäretifchen Anſicht, 
in Alien die zahlreihiten waren. Durch Welchrungseifer unter den 
Helden erweiterten fie in diefem Weittheile die Zahl Ihrer Kirchenge⸗ 


Otatitiſch- geegraphiſhe Ueberfiät . 205 


nofien, die im Abendlande verhaßt blieben. Neſtoriſche Chriſſen durchs 
zogen Aſſen, die tatariſchen Steppen und drangen bis China. Im 
11. Jahrhundert wurde von neftorifch schriftlichen Metropoliten und 


Biſchoͤfen in der kleinen Tatarei oder Kaſchgar, in Turkiſtan, ſelbſt 


im Tibetiſchen Gebirge gehoͤrt. Man zweifelte kaum noch, daß binnen 
wenigen Jahrhunderten die geſammte aſiatiſche Menſchheit ſich im Geiſte 
Jeſu erheben und heiligen würde. Allein dieſe Hoffnung vereitelte im 
früherer und ſpaͤterer Zelt das Erſcheinen und Daſeyn des Islamus. 
Bu den Urſachen, die zur ſchnellen Verbreitung der Lehre Muhameds 
mitwirkten, gehörte das ausgeartete Chriſtenthum ſelbſt. Der Geiſt der 
‚Meligton Jeſu war im Streite um bie Beſchaffenheit feiner Perſon ver 
geflen. Der unverföhntiche Daß der Kirchenparteien erleichterte die Fort⸗ 


fritte der Sarazenen, und jauchzte mehr beim Ball der rechtgläubige 


chriſtlichen Gegner, als ee vor den Triumphen der ungläubigen Araber 
zitterte. Die Neftorlaner geriethen fogar nicht ohne Grund in Verdacht 
verrätherifcher Michülfe, daß die Khatifen Abubele, Omar und Ottmann 
fo wunderbar ſchnell Syrien, Phönizien, Palaͤſtina ſammt Serufalem, 
ganz Kleinafien und ſelbſt Perfien unteriochten und zum Glauben. ihres 
Propheten zwangen. Aber mehr als neftorianifher Haß beförderte bie 
Erbaͤrmlichkeit der griechifchen Kaiſer zu Conſtantinopel ben Untergang 
des griechifchen Reichs und des Chriſtenthums. Die unermeßliden 
Anfttengungen Europas in den Areuzzügen konnten beides nicht retten. 

Mod lange hat Inzwifchen buch das innere von Afien- die neftos 
rianiſche Kirche gebluͤht. Man kannte fie in den hohen Tatareien; man 
kannte fie In Hindoſtan, am Hofe des Moguls ſelbſt; und China zählte 


noch im 18. Jahrhundert viele chrifttiche Semeinden. So bedeutend ' 


waren oder ſchienen Neſtors Juͤnger damals, daß drei cömifche Päpfte 
Ihnen Geſandte zufchicten, um fie zu bewegen, fidy mit der abendläns 
diſchen Kirche zu vereinigen. Auch verfertigte ihnen Johann a 
Monte Larvino Pfaimen und Schriften des N. B. in tatarifcher 
Ueberſezung. Eins war damals billig zu beklagen, daß es den neſto⸗ 
rianiſchen Chtiſten während ihrer Gluͤckszeit nicht gelungen war, in 
Turkiſtan, in den Steppen von Khorafan und Bokhara ein Bolt zum 
Stauden an Chriftum zu führen, welches bald ganz Aſien mit feinen 
Schrecken und Siegen erfüllte. Bu 

Dieb waren die Türken. Sie, welche bald auch die Zerfiörer ber 
arabifhen Khalifate wurden, Perfien und Kleinafien ihrer Gewalt 
unterwarfen,, und Europa bedroßten, hatten fi zu Muhameds Lehre 
gewandt, und unduldfamer al6 die Araber felbit, die Chriften aller 
Drten zum Gegenſtand ihres Haſſes gemacht. Durch fie büßten ſelbſt 
die Neftorianer viel von ihrer Ausdehnung und ihrem Anfehen ein, 
zumal im abendländifchen Alten. Feſter ſtanden fie in den Gebieten 
dee Mongoten. Sa, als diefe im 13. Jahrhundert unter ber Anfühs 


rung ihres gewaltigen Dſchengiz⸗KRhan, und unter defin Nach⸗ 


folgern ihre Hertſchaft von den Grenzen Chinas bie Syrien und- weis 
ter ausbreiteten , ſchienen die Stege ber ſchrecklichen Barbaren, zugleich 
Siege flr das Chriſtenthum zu werden. Man fagt ſogat: Mangu, 
des Dichengiz: Khan Enkel, fei ſchon Chriſt geweien, er, der Bagdad 


eroberte und uͤber den Euphrat ſchreitend, Kieinafin und Syrien 


erſchuͤtterte. 


306 Seietiſtiſch⸗ geographiſche Ueberficht ec. 


Bald aber kam ein Gewaltigerer über ſie alle. Im Innern ber 
Tatarei, in Dzagatai, weldes die perfifhen, chinefiihen und 
indifhen Grenzen berührt, erhob fi einer der Emire, Timurlank, 
und ward ein neuer Dſchengiz⸗KRhan. Seine glüdlichen 
Maffen zerflörten eine ganze Kette von alten und neuen Thronen, 
und fein Eifer für den Koran feines arabifhen Propheten, alle Tempel 
und. Alläre der Chrilten. So furdtbar vollendete er fein Werk, dag 
man im 15. Jahrhundert kaum noch einige Spuren bes neiterianifchen 
Chriftenthums im mittlern und hohen Afien ſah. Neben dem alten 
Heidenthume der Wildniffe war die Religion Muhameds, Lamas und 
Dramas die allein fiegreiche geworden. Jedoch haben ſich ſchwache 
Melle von ihnen immer erhalten, und man berechnet ihre Sefammtzahl 
noch jest auf 400,000. Jetzt heißen fie theils chaldaͤiſche, theils Tho⸗ 
maschriſten. Den erſten Namen fuͤhren ſie, weil ihr Patriarch in 
Chaldda wohnt, und weil fie ihren Gottesdienſt in chaldaͤiſcher Sprache 
verrihten. Auch ſyriſche Chriften beißen fie von ihrem Wohnlande, 
"und weil fie fib aud bes Altſyriſchen bei ihrem Gottesdienſte bedies - 
nen. Thomaschriſten nennt ſich eine ſchismatiſche Kirchenpartei auf der 
Küfte Malabar in Oftindien, weil der Apoftel Thomas das Evanges 
lium in diefe Gegenden gebracht haben fol. Sie gehören zu der 499 
gefchloffenen Vereinigung der Chriften im mittlern und oͤſtlichen Afien 
zu einer forifhen oder cyaldäifchen Kirche. Sie find übrigens Nefto: 
tianer. Der Grundtypus Ihres Cultus iſt ber der altortentalifch = gries 
chiſchen Kirche und das davon Abweichende dürfte etwa in Folgenden 
beſtehen: „Neſtorius iſt ihre Heiliger und Märtyrer, und fie rufen ihn 
„in ihrem Gebete, an. Die Maria wollen fie nicht Gottes:, ſondern 
„Shriftusgebärerin nennen. Auch wollen fie in Jeſu nicht blos zwei 
„Naturen, fondern zwei Perfonen, Gott und Menfh, jedoch unter 
„einer fihtbaren Perfon, und mit einer Kraft und Wirkung angenoms 
„men wiflen. Sie find einfacher in Lehren und Gebraͤuchen als bie 
„Griechen. Bilder dulden und verehren fie nicht in ihren Kirchen und 
„halten nur ein einfaches Kreuz ohne Bild in der Hand. Drei Sa: 
„eramente nehmen fie blos an, Zaufe, Abendmahl und Prieſterweihe. 
„Die Zaufe geben fie den Kindern erſt am 40. Tage nad der Geburt 
„mebft der Salbung. Die Meiften haben keine Ohrenbeichte. Auch 
„ihnen ift die heilige Schrift alleinige Erkenntnißquelle der Religion 
„und als Kirhenämter halten fie für hinreichend Bifchöfe, Prieſter und 
„Diaconen. Die Thomaschriften haben noch mehr als ihre Meinungs: 
„verwandten, die übrigen Neftorianer, die Züge ihrer Abſtammung von den 
„alteften Chriftengemeinden beibehalten. Wie diefe, feiern fie noch die 
„Agapen oder Liebesmahle, flatten die Braͤute von dem Kirchenvermoͤ⸗ 
„zen aus und verforgen ihre Armen u. dergl. — Als die Portugielen 
„Oſtindien befest batten, verfuchte die katholiſche Geiftlichkeit die Tho⸗ 
„maschriſten unter den paͤpſtlichen Stuhl zu bringen. Der Erzbifchof 
„in Goa brachte fie auch auf dee Synode zu Udlampor 1599 zur 
„Untenverfung und in feinen Sprengel. Sie mußten ben neftoriani: 
„Then Anfihten entfagen, einige katholifche Gebräuche annehmen, und 
„einem Zefuiten, der ihr Biſchof ward, geherchen. Nachdem aber die 
„Portugiefen auf der Küfle Malabar von den Hollaͤndern verdrängt 
„worden waren, hörte auch diefe Union der -Thomaschriften mit ben 


 Statiflifd) » geographiſche Ueberſicht etc. 397 


„Katholiken auf, und alles kehrte zu ben alten Kormen zuruͤck. Jetzt 
„ftehen fie ohne kirchlichen Zwang unter britifcher Hohelt, und bilden 
„mach den neuelten Nachrichten für ſich, unter einem eigenen Biſchofe, 
„eine chriſtliche Republik, in der Priefter und Aelteſte die Juſtizpflege 
„verwalten und dabei die Ercommunilation als Strafmittel gebrauchen. 
„In Rüdficht ihrer bürgerlichen Verhaͤltniſſe zu den Eingebornen ge⸗ 
„hören fie in bie Claſſe der Nacri oder des Adeld vom zweiten Range, 
„dürfen auf Elephanten reiten und flatt der Dandwerke, welche bie 
„miedrigen Glaffen treiben, fi vom Handel und Aderbau nähren.” 
Was nun den Zuftand der übrigen Neftorianer unter ben aſiati⸗ 
[hen Voͤlkerſchaften betrifft, fo find ihre Oberhäupter erblidye Patriar⸗ 
hen. Der vornehmite derfelben refidirte im 5. Jahrhundert zuerjt zu 
Babylon, jetzt hält er fih zu EI Koͤſch im Ejalet Meshul in Mefopos 
tamien auf und führt den Titel Katholikos. Unter ihm flchen 
fünf Bisthuͤmer. Diefer und ein anderer neftorlanifcher Patriarch zu - 
Diarbekr in Syrien erkennen jegt den Primat des Papftes an und find 
mit ihren Gemeinden unirte Neftorlaner, weiche eben fo, wie die unicten 
Griechen, ihre alten Gebräuche beibehalten haben. Nur der Priefterche 
haben fie entfagen und den Glauben an 7 Sakramente annehmen müffen. 
Uebrigens flimmen Lehre und Gottesdienſt der Neſtorianer ganz mit 
denen ber orthodoren griechifchen Kirche überein, und nur der Duldung 
ber Bilder in ihren Kirchen, wo man allein das Kreuz fieht, haben 
. fie fi) ſtets entgegengeſetzt. — Nicht unirt iſt dagegen ber fyrifche 
Patriarch zu Giulamatk im hohen Gebirge von Akaria nebft den 
unter ihm flehenden Bifchöfen und Gemeinden. Dieß waͤren unges 
fähr die Ueberbleibſel cheiftlicher Kirchengenofien aus der frühern 
chriſtlichen Zeitperiode der erſten ſechs Jahrhunderte. Wir übergehen 
Heinere Parteien, die auch in ihrem jetzigen Kortbeflehen ein höheres 
Alter in Anfprudy nehmen, theild, weil fie mehr jüdifchen Urſprungs 
zu feyn fcheinen, wie die Zabier, theil6 weil ſich ein ſolches Gemiſch 
, von Islam und Ehriftenthum bemerkbar macht, daß man nicht weiß, 
wohin man fie fiherer rechnen fol. — Gehen wir darum Über nad) 


Afrila 


und forfchen, welche Weberrefte des chriftlihen Namens aus bem Alters 
thume der auch dort berrfchend gewordene Islam übrig gelaflen hat. — 
Es iſt nicht zu bezweifeln, daß nice fhon in dem erften chriſtlichen 
Sahrhunderte Bekenner Zefu nad Aegypten gefommen feien, auch wenn 
die von Eufebins und Hieronymus aufbewahrte Sage nicht mehr zu 
erweifen wären, daß Markus, der Evangelift, Gruͤnder der alerandeinifhen 
Gemeinde gewefen. Finden wir doc fchon in den heiligen Schriften ſelbſt 
der Jeſusbekenner Anwefenheit in Nordafrika (Cprene) auf Gppern, 
Greta und den Inſeln des aͤgaͤiſchen Meeres gedacht. Pantänus, der 
Weltweiſe, war im 2ten, Drigenes, der vielthätige Kirchenvater, im 8, 
Sahrhunderte der Ruhm des in Alerandrien aufblühenden Chriſten⸗ 
thums. Es breitete fi von bier der Glaube weit aus, bis hinauf 
in die Einfamkeiten von Thebais, der erften Pflanzftätte chriftiichen 
Moͤnchthums, und duch Nubien bis Habeſch zu einer deſſen Haupt: 
ſtaͤdten, Axum (Auxumis) geheißen, wohin der Aegyptier Frumentius 


R 


vos Statiſtiſch⸗ geographiſche Ueberficht ı. 


den neuen Glauben trug. Als Conſtantin einmal vom kaiſerlichen 
Throne herab den Befehl erlaſſen hatte, das Chriſtenthum ſolle bie 
Religion der roͤmiſchen Welt ſeyn, ward es gefaͤhrlich Heide zu bleiben. 
Zwar ſchon vor ihm war das Kreuz laͤngs des Mittelmeers bis jen⸗ 
ſeits der Saͤulen des Herkules gepflanzt worden. Schon hatte Cactthago 
der Chriſtenheit beruͤhmte Lehrer gegeben. Nun aber verließen Roͤmer 
und Afrikaner zu Tauſenden die Altaͤre der geftürzten Götter, um ſich 
zur chriftlichen Anbetungsweiſe zu wenden. 

Aber auch über die chriſtliche Kirche Afrikas mwaltete ein Ungluͤcks⸗ 
fern. Geiſerich, der ſchreckliche Vandalenkoͤnig, landete um die Mitte 
des 5. Jahrhunderts mit feinen arianifch > chrifllihen Barbaren in 
Afrika, eroberte Carthago und gründete feinen Seetaͤuberſtaat. Schon 
dadurch geriech die früher gegründete chriſtliche Kicche in große Unruhe, 
Es war für fie auch wenig Gewinn, als 100 Jahre nachher Kaifer 
Juſtinians Keldhere Beliſar das vandaliihe Rei wieder vernichtete 
und : das katholiſch⸗ chriftliche Glaubensbekenntniß abermals fiegreich 
machte. Denn daß bie afrikanifhen Küflen byzantinifh gewors 
den waren, gereichte ihnen In den Kriegen der morgenlaͤndiſchen Kaiſer 
mit ihren Erbfeinden, den Perfen, zum Verderben. Der zweite 
Koshru, des perfifche Eroberer, fiegreich über die Griechen, überfiel 
Aegypten, überwand auch Carthago, entihloffen, den uralten Dienſt 
Drmuzds und des heiligen Feuers an die Stelle der Kreugverehrung zu 
ſtellen. Dieß gefchah in derfeiben Zeit, da Muhamed in Arabien von 
Mecca geflüchtet, fein Prophetenamt übernahm, im Anfange ded 7ten 
Jahrhunderts. Und 20 Jahre fpäter, nachdem Koshru Afrika genoms 
men, flanden Muhameds Araber gewaltig über den Trümmern von 
Memphis am Nil. ‚Die Mehrheit des Agpptifhen Volks, jakobitifche 
Chriſten, voll Haſſes gegen die Latholifhen Mithriften und deren 
Kaifer zu Conſtantinopel, erleichterte dem arabifchen Feldherrn Amru 
die Sroberung. Die Chriften aber ernteten das Verderben beiderfeilts, 
welches fie fi in ihrer blinden Rachgier bereitet hatten. Es blieb 
beiden nur Wahl zwifchen Knechtſchaft und Tod oder dem Glauben an 
Muhamed. Die meiften wählten diefen mit derfelben Leichtigkeit und 
aus denfelben Gründen, mit welchen fie einft Chriſtum gemähle hatten. 
Und ehe noch das Jahrhundert verfloß, war ganz Nordafrika arabiſch 
und das Evangelium durch den Koran vertilgt. — Nur in Aegypten 
behauptete fih, gebrüdt von der öffentlihen Verachtung neben ſchwa⸗ 
hen Ueberreften ber roͤmiſchen, griechifhen und armeniſchen Kirchen⸗ 
parteien, fo wie auch jenfeits dee Wafferfälle des Nils und ber nubls 
fhen Einoͤden, in Habeſch, das jakobitiſche Chriſtenthum, während die 
Araber in Oſten und Welten Afrikas längs den Küften ihren Glauben 
und ihre Herrſchaft ausbehnten. Seit jenen Tagen blieb alles Land 
. vom Sandgebirge bes linken Nilufers bis zum Atiasgebirge den Chriften 
verfchloffen, und die Bekenner deffelben betraten die Geſtade Nordafrikas 
nur ald Gefangene, oder als uufläte Kaufleute, oder als Geſandte 
europäifcher Könige, die den Seeräuberfürften ehrerhletipen Tribut brach⸗ 
ten. Od Frankreich feine neueſten Eroberungen in Afrika behaupten 
wird, und welche Schickſale ſich daraus fuͤr die chriſtliche Kirche ent⸗ 
wickeln werden, muß die Zukunft lehren. 

Da die Erzaͤhlung neuerer Verſuche von Seiten ber chriſtlichen 


Statiſtiſch⸗ geographiſche Ueberſicht xc: 399 


Kirche, um afrikaniſche Muhamedaner und Heiden zu bekehren, noth⸗ 
wendig von dieſem Artikel ausgeſchloſſen bleiben, ſo koͤnnen uns hier 
nur zwei chriſtlich⸗kirchliche Parteien intereſſiren, die ſich, wenn auch 
buch dogmatiſche Anfichten getrennt, von ber rechtgläubigen Kirche 
abfonderten und in ſchwachen Ueberreften noch jegt in Aeghpten und 
in dem angrenzenden Abpffinien fortdauern. 

Am zahlreichſten iſt die Kirchenpartei der Jakobiten geblieben oder 
ber ®optifchen Chriften, welde mit dem Syrer Jakob aus dem bten 
Sahrhundert durchaus nur eine Natur in Chriſto, und den heiligen 
Geiſt nur von Sort dem Vater, nicht vom Sohne ausgegangen, erken⸗ 
nen. Diefe Kopten, theils Volksname, theild Bezeichnung einer befons 
deren chriftlichen Kirchenpartei, find noch der letzte allmaͤhlig ausfterbende. 
Reſt von Aegyptens Urbewohnern; gleich den alten Aeghptern von 
büfteree Gemuͤthsart, hartnädig und religioͤs, aber unwiſſend, kuechtiſch 
und abgeitumpft unter den Mißhandlungen binnen Jahrtaufenden viels 
mials über fie gewechfelter Beherrſcher. Wie ſehr aber auch ihre Zahl 
fi) vermindert habe, Bann folgender Umſtand Ichren: Als Amtu, au 
der Spige der Araber vor 1100 Jahren in Aegppten einzog, belief ſich 
die Zahl der koptiſch-jakobitiſchen Biſchoͤfe auf 70. Gegenwärtig iſt 
bie Zahl berfeiben auf 12 beſchraͤnkt. Die meiſten biefer Bischümer 
find in Oberägppten, wo fie fi, dem Dauptlager der Eroberer entferns 
ter, ungeflört bewahren konnten. Ihr Patriarch aber, welcher ſich zus 
gleich Oberhaupt von Nubien und Habeſch nennt, hat feinen Sig fort 
dauernd zu Kahira, wo 12 Eoptifche Kirchen‘ ſtehen, mit Inbegriff 
derer zu Foflat oder Mofe el Atik, d. i. Altkahita. Was aus neuern 
Meifeberichten über die Kopten bekannt geworden ift, dürfte ungefähr 
Folgendes ſeyn: Die Zahl der koptiſchen Familien mag fi ungefähr 
auf 30,000 belaufen, und obfchon durch ganz Aegypten zerfizeut, umters 
fcheiden fie fi doch von allen andern Aegyptern buch Bildung, Chas 
rakter, Gebräuche und Religion. Sie find, mie wir bereits erinnert 
haben, Chriften von der Secte ber Monophyſiten und haben ungefähe 
100 Kirchen, deren mehrere in Kairo. Unter der muhamedauniſchen 
Herrſchaft wußten fie fih bie Berechnung der Abgaben zu erhalten, 
welche fie bei ihrer genauen Landeskenntniß noch jetzt haben und fi 
dadurch ihren Herren fehr nuͤtzlich und unentbehrlih machen Die 
Soptifhe Sprache iſt im Wefentlihen die altägyptilche, ‚nie. beſonders 
"Quatremere in den Recherehes sur la langue de l’Egypte (Paris 
1808) erwielen bat. Die noch vorhandenen, ziemlich zahlreichen kopti⸗ 
fhen Buͤcher find insgeſammt aus ber Zeit nad der Bekehrung ber 


Kopten zum Chriftenshune, melde im Sten unb 4. Jahrhundert nach | 


Chriſto erfolgte; daher find in diefen Büchern audy manche griechiſche 
Ausdruͤcke, befonders kirchliche, gebraucht. Sie enthalten Ueberfegungses 
ber biblifhen Schriften, Leben der Heiligen, Domilien, Spnodalbe⸗ 
fhlüffe und Werke der Guoftiler. Ein geoßes Verzeichniß derſelben 
giebt Zoega’s Catalogus Codicum Borgianer. Rom 1810. Uebrigems 
unterfcheidet man im Koptifchen die niederägpptiiche und bie oberägpptis 
(he Mundart, Bios die Prieſter verfiehen noch das Koßntiſche als 
Kirchenſprache; Landesſprache iſt das Arabiſche. Vergl. Makrieii Kir 
staria Coptor. in Aegypto. Arabiſch mit lateiniſcher Ueberſetzung her⸗ 

ausgegeben von Wetzer, Sulzbach 1828, melde bis im die Mitte des 





400 Statiſtiſch⸗ geographiſche Ueberſicht x. 


14. Jahrhunderts reiht, und Scholtz Reiſe in die Gegenden zwiſchen 
Alerandeien und Parätonium, bie lybiſche Wüfte und Syrien 1820 Tf. 
Leipzig 1322. 

Die Eoptifhen Gemeinden wohnen weit hinauf im obern Aegypten, 
wo fie zu Achmina die prachtvollſte ihrer Kirchen im ganzen Lande 
befigen. Sie wohnen bis zu den Nilfälen an Nubiens Grenzen. 
Dort, in dere Stadt Dſchird ſche, wo aud- die Miffionarien von 
der römifchen Congregation zur Verbreitung des Glaubens ein Hoſpi⸗ 
tum haben, tft felbft noch der Sig eines koptiſchen Biſchofs. Wo 
aber das heiße Nubien beginnt, in den Reichen von Sennaar, Dars 
fur, Dongola, Dakai, verſchwindet das fegte Zeichen chriſtlichen Glau⸗ 
ben. Nur ein müftes Heidenthum paart fih da in unbelannten 
Gefilden mit Muhameds entftellter Lehre. — Die zweite chriftlichs 
kirchliche Partei, deren wir oben gedachten, find die abpffinifhen 
.Chriften, zu denen wir jegt übergeben. ' 

Es find ungefähr 60 Kagereifen von Kahira durch die Wildniſſe 
Nubiens bis Abpffinien oder Habeſch, welchem der Nilſtrom entfpringt. 
Es ift die afritanifche Schweiz, ein Labyrinth von Thaͤlern, Hügeln, 
Bergen, bewäflert von Quellen, Fluͤſſen, Seen. Die Bewohner dies 
ſes reihen und wundervollen Gebirgslandes find ohne Zweifel vor uns 
denklihen Zeiten aus dem benachbarten Arabien herüber gekommen, 
von welchem es nur durch das rothe Meer getrennt iſt. Ihre Geftalt, 
ihr Antlis, ihr langes Haar fpricht dafuͤr; aber die dunkle Dlivenfarbe 
three Haut fcheint für Vermiſchung mit einenr ditern Urflamm zu 
fprechen, wenn die Farbe nicht Wirkung ber heißen Sonne ſeit zahllos 
fen Geſchlechtsfolgen if. 

Die Abpffinier follen duch den aus Aegypten abgeorbneten Fru⸗ 
mentius und deffen Sehülfen im 4. Jahrhundert für die Annahme des 
Chriſtenthums gewonnen worden ſeyn. Aus Aegypten wenigſtens ſtamm⸗ 
ten die erſten Lehrer; deshalb erkannte auch ihr kirchliches Oberhaupt 
oder Patriarch, in der Stade Dobeſan wohnend, fie für untergeordnet unter 
den koptiſchen Patriarchen in Aegypten. Die Abpffinifchen Chriften 
waren feit dem Sten oder 6. Jahrhundert Monophufiten oder Jakobiten. 
Bis zum 16. Jahrhundert blieb Abpffinien oder. Habefh in Europa 
unbelannt. Erſt der König oder Kaifer Etana Denghel (gewöhnlich 
David genannt), ber im Jahre 16525 regierte, ließ durch einen Gefandten 
in Liffabon mit dem Könige von Portugat Allianz deshalb nachfuchen, , 
‚um fein Reich befhügt zu fehen, und bat den Peter Johann Bermu⸗ 
dez, der mit Alvarez, dem Vicekönige von Indien, fchon 1620 nach Has 
beſch gekommen war, die Stelle des Abyffinifhen Patriarchen anzunehmen. 
Jener nahm die Würde an, im welcher ihn der Papft Paul Il. (weis 
chem der Zürit durch Alvarez feinen Gehorfam bezeugen ließ) beftätigte, 
und feine Gewalt bie in das Innere dieſes kaum bekannt gewordenen 
Landes erweiterte. Diefe dauerte aber nicht lange; denn ber Bekeh⸗ 
sungseifer der portugiefifchen Soldaten, denen die frommen Gebräude 
der Abyffinier gottlos und lächerlich vorlamen, erbitterte das Volk. 
As daher der erwähnte Papft buch den Patriarchen Bermudez nach 
dem Tode des obgedachten Kaifers den Sohn und Thronfolger beffelben 
Claudius auffordern ließ, dem heiligen Petrus und feinen Nachfolgern 
Gehorfam zu ſchwoͤren; fo entgegnete der junge Fuͤrſt: „Was geht 


Statiſtiſch⸗ geographiſche Ueberficht MI 


„wich ber an? Du biſt nicht unſer, ſondern ein Patrlarch ber Frem⸗ 
„den, zamal ba dein Nachfolger des heiligen Petri ein Arlaner und 
„ein Menſch if, der vier Goͤtter anbetet.“ Bermudez ercommunicicte 
ihn zwar, aber Claudius erklärte Ihn, al& er vorher damit drohte, ſelbſt 
für ercommunicht, ließ eintn neuen Patriarchen kommen und Ber—⸗ 
mubdez verließ Dabeih. Cr war aber ber Hülfe ber Portugielen, die 
er ihnen ſchon aufgefündigt hatte, bedürftig, daher verfiand er ſich bald 
zum Gehorfam gegen den Papſt. Nach erhaltener Rettung mußte ber 
Patriarch Bermudez, ber jährlich allein aus der Provinz Nazareth 8000 
Unzen Gold bezog, wieder das Reich verlaſſen. Ignatius Loyola 
brannte vor Begierde in Habeſch eine Milfionsanflalt zu fliften, und 
1656 reiſten 12 Jeſuiten dahin. Sie vermodhten aber gar nicht bie 
Abyffinier von der Religion ihrer Vorfahren abzubringen. Jene mach⸗ 
en ſich auch durch ihren vechthaberifchen Meligionseifer bei dern Fuͤrſten 
verhaßt. 1604 war der Jeſuit Peter Pays gluͤcklicher; denn er nahm 
durch feine Gewandtheit und Kenntniſſe den Hof fie fih ein, während 
feine Gehuͤlfen das römifch = katholifche Chriſtenthum predigten, Sogar 
ließ ſich der Kaifer Geltain Seghed 1607 von den Jeſuiten fo weit 
leiten, daß er allen feinen Unterthanen bei Todesſtrafe zu behaupten 
verbot, daß in Chriſto nur eine Natur geweſen ſei. Auf Betrieb bes 
neuen von Urban VIIL ermannten Patriarchen, des Jeſuiten Alph. 
Mendes, huldigten der Kaifer und ber Hof dem Papfte, als bem rechts 
mäßigen Oberhaupte der Kirche, und bekannten fi zur römifchen Kicche. 
Jene und andere, den uralten Glauben bes Landes bedrohende Gebote 
bes Kaifers brachten den größten Theil von Habeſch zue Empörung. 
Der Kaifer, geleitet von den Sefuiten, wandte Strenge bis zur Grau 
famteit an. Darüber entſtand ein dem Throne felbfl gefährlicher Buͤr⸗ 
gerkrieg. Zwar mußte der Fuͤrſt Tauſende feiner Unterthanen binopfern; 
weil aber dieſe viele von den Jeſuiten erbaute Kirchen, bie Schloͤſſern 
mehr als Kirchen aͤhnelten, niederrifien, und ber Aufruhr überhandb 
nahm, verfiattete der Fuͤrſt in einem Edicte, daß jeder feinem Gewiſſen 
folgen dürfe, worauf viele die Roſenkraͤnze zerriſſen unb verbrannten. 
Während die Jeſuiten murrten, fangen die Altgläubigen: „Hallelujah, 
bie Schafe von Habeſch find gerettet vor den Wölfen aus dem Abende 
lande.“ — Nah dem Tode des Sultan verfuhr fein chronfolger und _ 
Sopn Alan Seghed noch fchärfer gegen bie Sefuiten, die, wie 
alle Katholilen 1634 aus Habeſch verbannt wurden. Macher, vorzuͤg⸗ 
lid 1642, wurden einige jefuitifhe Miffionare, bie gewagt hatten, 
zurüdzubleiben, fogar hingerichtet. Seitdem war alle Hoffnung zur 
Ausbreitung der roͤmiſchen Kirche in Abpffinien verſchwunden und ber 
Name der Jeſuiten blieb feitdem dem Wolke ein Graͤuel. Die Vers 
ſuche von vier Gapuzinern im Jahre 1666 waren auch fruchtlos, und 
fie fanden, mie alle [pÄtere einzelne Miffionare, einen gewaltfamen Tod. 
Alle fpätere Verſuche der Art fcheiterten, und drei Franciscaner, die fih 
zu Anfange des 18. Jahrhunderts ebenfall® dahin gewagt hatten, wur⸗ 
den 1716 hingerichtet. — James Bruce fand in neuerer Zeit in Das 
beſch keine Spuren von römifch s katholifchen Chriften, wohl aber viele 
Spuren von Aberglauben und Unwiſſenheit. Auch ber fünf Jahre in 
der Propaganda in Rom unterrichtete Abyffiniee Tobias Ghbra- 
zar, der zum Biſchofe von Adula ernannt und 1788 in fein Vater⸗ 
Siegel Handbu IV. 26 


\. 


| 402 Statiſtiſch⸗ geograppifge Weberficht xc. 


‚land gefandet wurde, Hat aller Wahrſcheinlichkeit nach nichts ausgerichtet. 
Heiden, Muhamedaner und Juden werden aber geduldet. Gegen alle 


‘Europäer, die ſich nicht in Ötaubensdinge mifchen , find bie Xbpffinier . 


gefällig. ‚Die Ueberfegung der Bibel in bie Ambara: Sprache iſt das 
Neueſte, was für die Einwohner geſchehen iſt. Here Aßdin, Geſchaͤfts⸗ 
traͤger beim franzoͤſiſchen Conſul in Aegypten, der in Kahira einen der 
aͤthiopiſchen Literatur völlig kundigen Greis (den früheren Lehrer von 
Bruce und W. Jones) fand, half ihm in dieſem trefflihen Werke, 
welches die brittifche, und ausländifche Bibelgeſellſchaft druden ließ. 
Das Oberhaupt der monophpfitifchen abpffinifchen Kirche heißt 
Abuna, und der Vorfteher der in mehreren Häufern um eine Kirche 
mohnenden Moͤnche Schtegur, — der Vorſteher der Weltgeiſtlichen 
Komofats, — jeder Kirchenlehrer heißt Abba. Die abpffinifhe Kirche - 
bat viel Juͤdiſches, z. B. die Beibehaltung der Beſchneidung am achten 
Tage. In Bruns Erdbefchreibung von Afrika 2r Thl. Nürnberg 1799 
p. 163 — 89 findet man Nachrichten über religiöfe Gebräuche, Literas . 
tm und Charakter dee Abpſſiniet. Vergl. auch Gregorii theologia 
Aethiopiea in Fabricii lux salutar. evangel. p. 716 aeqy. — Zſchok⸗ 
ke's Darſtellung der Ausbreit. des Chriſtenth. Aarau 1819 p. 69— 
72. — Staͤudlins kircliche Geographie Zr Bd. p. 660 — 57. — 
Schroͤckh's KG. ſeit der Reformation Ir Thl. p. 122. — Ueber die 
aͤthiopiſche Liturgie, vergl. Renaudot eolleet. Lit. Orient. T. I. p. 498 
segg. — Auguſti's Denkwürdigkl. aus der hriftl. Archaͤol. Ar Bd. p. 
346 f. — Erſch und. Grubers allgem. Encykl. Zr Thl. p. 116. 
Thun wir nun noch einen Ruͤckblick auf die ungeheuern Verluſte, 
welche die chriftlihe Kirche duch den Fslam erlitt, fo find bie 10—12 
Millionen Ehriften, die fih, wie man gewöhnlih annimmt, aus ber 
Beitperiode.vor Muhamed in den Ländern von Afien und Afrika, wels 
he zum Islam gezwungen wurden, erhalten haben, faft gar nicht in 
Anfchlag zu bringen. Unb wenn es auch wahr fepn follte, was neuere 
Reiſende mit ziemlicher Allgemeinheit behaupten, daß der Islam beſon⸗ 
derö in dem Innern von Aften in Verfall gerathe, fo gebt man doch 
mehr von demfelben zum SHeidenthume, wie zum Ehriftenthume über. . 
Vielleicht liegen aber in unſrer Zeit neue Befruchtungskeime für das 
Chriſtenthum in Aſien und Afrika, wenn man theils ihren politifchen 
Zuftand in Afrika, die immer hoͤher gefleigerte bürgerliche Gef ittung, - 
ben erleichterten Völkerverkehr und Anderes berüdfichtigt, was ja nach 
ber Erfahrung von’ jeher günflig für die Ausbreitung des Evangeliums 
gewirkt hat. Wie aber die Sachen felbft noch jest fliehen, kann man 
mohl fagen, daß in- den gedachten Erdtheilen durch den Islam der 
kraͤftige Stamm des Chriſtenthums gefaͤllt worden, und daß feinen 
bürftigen Wurzeln nur einzelnes und niedriges Gefträuch entfproffen iſt. 


38, 
Subdbiaconen 


I. Zeit und Urſachen ihrer Entftehung. II. Ver⸗ 
richtungen derfelben. III. Veraͤnderungen, die fi mit 
den Subdiaconen im Laufe der Zeit ereigneten. IV. Ihr 
Rame und ihre amtliche Stellung in der heutigen chrift- 
lichen Welt. . 


£iteratur. Mith. Laroquani de sacerdotibus secundi ordinis 
in deſſen Adrersaria sacra (Lugd. Bat. 1688. 8.) p. 244 2eqq. — 
J. Morin 'oommentar. de sacr. eccl. ordinationib. (Anıst, 1695. 
Fol.) P. 3. p. 152—2%03: — Thomassin antiqua et nova disci- 
plina eccles. Tom. 1. vap. 20. — J. Bona rer. liturgicar. lib. 1. 
cap. 25. $. 14 2eqq. — J. Cotelerius ad Patres apostol. Tom. 1. 
p. 238 seqq. und ad Constitut, apostol. II. 25. — Menardus ad Saera- 
mentar. Gregorii M. p. 280 seg. — Beverige ad oanon. 10. An- 
‚tiochen. — Bingham Origg. ecclesiast. 11.1.3. 2. — Schmidt KG. 
1. p. 325. — Baumgaiten Erlaͤuter. p. 110. — Schubert Reife durch 
Schweden x. (Leipz. 1823. 8.) Thl. 1. p. 53 fe — Schöne Ges 
ſchichtsforſch. Thl. 3. p. 105. — Auguſti Denkwuͤrdigkk. Thi. 11. p. 
228 ff. — Binterim Denkwuͤrdigkk. 1r Bd. 1r Thl. p. SU ff. — 
Sonſt vergl. man auch die oben in dem Artikel Diaconen ange⸗ 
führten Schriften. 

D) Zeit und Urfahen ihrer Entfiebung — Die 
Subdiaconen find in der abendländifhen Kirche erft im 3. Seculum 
gewöhnlich geworden, dieß fieht man aus mehrern Briefen Cyprians, 
3. B. im 8. 20. 29. 34. 35. und 46. Briefe. Vergl. auch Corne- 
lius ad Fabium heim Eufebius 1. 6. e. 43. In der morgenländifchen 
Kirche find fie nody fpäter eingeführt worben, und die erfte Spur findet 
man bier beim Athanas. epist. ad solitarios. Der Verf. der apoſto⸗ 
lifchen Eonftitutionen verfegt die Subdlaconen zwar fhon in bie erften 
Tage des Chriftentyums, und ſtellt die Sache fo vor, als habe ſchon 
ber Apoflel Thomas den Biſchoͤfen befohlen, fie moͤchten die Subdia⸗ 
conen, wie andere Kleriker, mit Auflegung der Hände und mit Gebeten 
ordiniren. Allein gerade das Gegentheil ergiebt fih aus dem Zeugniſſe 
eines glaubwuͤrdigern Schriftſtellers der griechifhhen Kirche, aus Basilii 
«pistola canonica 51., wie auch aus dem 4. Canon des Aten Cärtha= 
ginenfilhen Concils, wo «6 ausdrucklich . heißt: Subdinoonds : cum 


404 | Subbdiaconen. \ 


ordinatur, quia manus impositionem non aceipit, patenam de epi- 
scopi manu accipiat vacuam et calicem vacuum. De mann vero 
Archidiaconi urceolum cum aqua et mantile et manutergium. 
Diefe Stelle iſt auch darum wichtig, weil fie kurz die Seierlichkeiten 
erzählt, mit welchen der Subdiacon in fein Amt eingeweiht wurde. 
Sie waren eigentlidy Diener der Biſchoͤfe, der Presbyter und Diaconen, 
und ihr Dafeyn verdanken fie theil6 Dem Streben ber ſchon vorhandenen 
Kleriker, niedrige Kirchendienfte immer mehr von ſich abzulehnen, theils 
aber aud der Eitelkeit, duch ein zahlteiches Perfonale beim Kirchens 
bienfte zu glänzen. Sieben Diaconen reichten bald in Rom nicht 
mehr aus (f. den Artikel Diacon), darum fuchte man fie durch fieben 
Diaconen, und fpäter auch durch die dreifache fieben, duch einunds 
zwanzig dergleichen Unterdiener zu erfegen, die anmderwärtd von ben 
Kirchenvaͤtern auch Unnofras genannt werden. In andern Kirchen - 
band man fi nit an eine beitlimmte Zahl; fo zählte die Haupt⸗ 
und Stiftskicche zu Conſtantinopel einmal 70, ein andermal auch 90 
Subdiaconen. 

11) Die Verrichtungen der Subdiaconen betref- , 
fend, fo hatten fie die gottesdienftlihen Gefäße zu reinigen und dem 
Diaconen beim Kirchendienfte zuzulangen. Auch für die Wäfche ber 
Altar⸗ und Prieſterbekleidung mußten fie forgen. - jedoch durften fie 
nie in das diaconium eintreten (f. den Artikel Kirchengebräuche) ober 
die heifigen Gefäße auf den Altar fegen, und fi überhaupt feine 
Eingriffe in bie Verrichtungen ber Diaconen erlauben, daher ihnen auch 
das orarjum (f. den Artikel Klerus, geiſtliche Amtstracht) zu tragen 
verboten war. Cone, Laod. can. 21— 22. — Während ber Abends 
mahlafeier mußten einige von ihnen in verſchiedener Abfiht an den 
Thuͤren ſtehen. — Auch waren fie die Briefboten der Biſchoͤfe und 
Kleriker an auswärtige Geweinden, ſ. Cyprisn. ep. 8, und 24,, wo 
dergleichen Briefe ausdruͤcklich literae clericae genannt werhen. — 


Dieſelben Ehrenbezeugungen, welche bie Digconen deu obern Klerifern 


zu erweiſen hasten, waren die Subblaconen den Diaconen ſchulbdig. 
Conc. Laodioen. oan, 22. 
‚II, Deränderungen, die dieſe Abtheilung des 


, Blerus im Laufe der Zeit erfuhr. — Nah dem Beifpiele 


der obern Kleriker fuchten fih auch de Subdiaconen empor zu ſchwin⸗ 
gen. Im 9. Seculum nahmen ſchon die Subdigconen die Opfer von 
den Semeinben und überreichten fie den Diaconen, was früher bie 
letztern nur in Beziehung auf die Bifchöfe und Presbyter gethan hat: 
ten (f. den Artikel Diaconen), vid. Rabanyn Maurus inatit. Qeriæor. 
1.1. 0. 8. Später, im 11. Seculum, findet man fie befonders in 
Mom ausgezeichnet, Hier hießen einige Palatini, Basilici, Die recht 
elgentlich nur Kicchendiener des roͤmiſchen Biſchoſs waren, und ihm 
allein, wenn er ſelbſt den Gottesdienft veprichtete, dienend zur Seite 
flanden. Andere diefer Subdinconey hießen Stationarii, bie bei den far 


genannten Stationen (f. diefen Artikel beſonders), wenn ber römifhe 


Bifhof ſelbſt das Amt verrichtete, den Kirchendien hatten. Mod 
andere nannte man Regionarii,. bie, na ben verfchiedenen Ahtheiluns 
gen des Stadt Ram, gewifle kirchliche Verrichtungen zu leillen hatten. 
©. Du Fresae Qlossarium Intinktatig md. gevi unter Suhdirconns, 


4 f 


4 





x 


Nach und nad) fchloffen fie ſich auch mehr an ben höhern Klerus an, 
und der Papft Urban II. im 11ten, und beſonders Innocenz II. im 
42. Seculum begünftigte die Subdiaconen fo ſehr, daß fie ſelbſt, wenn 
fie befondere Fähigkeiten befaßen, zu Biſchoͤfen konnten erwählt werden. 


Darum darf es aud nicht befremden, wenn Gregor VII. fchon bie. 


BSubdiaconen zum Gölibate verpflichtete. Thomassin Tom. I. p. 675. 
IV) Stellung der Subdiaconen in der heutigen 
chriſtlichen Welt. — In ber römilhen Kirche finden wir den 


Namen und die Verrichtungen. der Subdiaconen noch Immer und zwar: 


nur mit einigen Abänderungen. Außer den fonfligen BVerrichtungen 
haben fie jegt beim Dochamte die Epiftel nach der Verordnung des 
Papſtes Gregors VII. abzufingen, welches fonft den Lectoren zukam. 
Sie gehören jegt Mit zu dem fieben obern Wehen des roͤmiſch⸗katho⸗ 
lifchen Klerus, jedoch nicht zu den fünf erften, die das eigentliche 

acerbotium ausmachen und das unblutige Opfer darbringen können. 
Merkrohedig iſt der Umftand, daß die Seremonien bei der Weihe eines 
Subdiaron faft noch diefelben find, wie zu Auguftin’s Zeiten. Der 
Biſchof nämlich übergiebt dem Subdiacon, nachdem die Pflihten des 
Coͤlibats in Erinnerung gebracht worden find, dem leeren Kelch ſammt 
dee Patena zum Zeichen, daß er dem Diacon beim Altare Kelch und 
Patena tragen und Brod und Wein zum Opfer zurichten folle. Der 
anmelende Erzdiacon übergiebt ihm dann die Kaͤnnchen zum Wein und 


Waſſer; hierauf legt der Biſchof dem Subdiacon das Humeral über . 


den Kopf, die Danipel an den linken Arm, und die Tunika oder den 
Levitenrock an, giebt ihm das Epiſtelbuch in die Hand, ſammt der 
Gewalt, beim Hochamte der Meſſe und in den öffentlichen Zuſam⸗ 
menkuͤnften der Gläubigen die apoftolifhen und prophetifhen Schriften 
nebſt andern Stellen aus dem A. T. abzulefen. 

In der griechiſchen Kiche kommen die Subblaconen unter dem 
Namen Hppodiaconen ebenfalls noch jegt vor. Auch fie werben, wis 


in der römifhen Kirche, mit Auflegung der Hände und mit gewiflen 


‚Worten zu geiftlihen Verrichtungen geweiht. Allein zur befländigen 
Eheloſigkeit find fie nicht verpflichtet. Uebrigens müſſen fie ebenfalls 
bie Geſchirre zum Meßopfer, welche aber ber Diacon zu handhaben hat, 
vorrichten , die Kirchfhüren während des Gottesdienſtes dewachen, und 
bie Katechumenen nebft andern, denen der Eintritt nicht erlaubt iſt, 
entfernen. 


Auch die proteſtantiſche Kirche, und namentlid die evangeliſch⸗ 


lutheriſche Kirche in Deutfchland, bat für gewiſſe chriſtliche Kirchenlehrer 
den Namen ber Subdiaconen beibehalten. Doc gehören fie nicht zu 
den niedern Kirthendienern , fondern es find felbft orbinitte Geiſtliche, 
die brfonders in groͤßern Städten, wo an einer Kirche mehrere Lehrer 
angeftellt find, in ber Stufenfolge dert Superintendenten oder Paſtoren 
dee Archi⸗ oder Protodinconen, der Diaconen und, Subdiaconen vor⸗ 
kommen. In ber reformirten Kirche gilt hier, was ſchon andermärts 
bemerkt worden iſt (f. dem Artikel Diacon). Die Lutherifhe Kirche in 
Schweden und Dänentart braucht den Namen der Diaconen nicht, und 
in Schweden befonders heißen die den Paſtoren beigegebenen Geiſtlichen 
Eomminiſtri, Adjuncten (Hätfeprediger). 


3 


> 


Subdiaconen. 4065 


X 


33. 
0 Spynobalverfaffung 
im chriſtlich⸗- kirchlichen Leben, 


I. Beruͤckſichtigung der Streitfrage: ob Synoden 
im fpätern kirchlichen Sinne im N. T. vorkommen. 
II. Erfte Spuren der Synoden unter den Griechen und 
almählige Ausbildung derfelben befonderd in Provinzials 
ſynoden bis zum Ablaufe des 3. Jahrhunderts. III. Syn⸗ 
oden unter dem Einfluffe der Kaiferr, IV. Synoden 


unter dem Einfluffe der Päpftee V. Synodalbeſchluͤſſe, 


ihr wichtiger Inhalt und früh fchon veranftaltete Samms 
‚ Iungen derfelben. VI. Rüdblid auf die Folgen der 
Spnoden für das Firchliche Leben. VII. In wiefern das 


Snititut der Synoden in der proteftantifhen Kirche 


Nachahmung gefunden babe VIIL Neu erwachter 
Wunſch nah Spnodals und Preöbpterialverfaffungen 
in der neueften Zeit. 


S.iteratur. Auch bdiefe Unterfuhung von der Spnobalverfafs 


fung in der chriftlihen Kirche wird von vielen chriftlich = kirchlichen Ars 
chaͤologen entweder nur kurz oder. gar nicht berührt. Augufti, Bintes - 


rim berühren fie nicht. Auch Bingham hat verhälmigmäßig wenig 
von den Spnoden: Wir führen bier nur einige allgemeinere Werke an, 
bie fpeciellere Literatur wird zweckmaͤßiger an den betreffenden Orten in 
der Abhandlung felbit eingefchaltet werden. 


Chr. W. Fr. Walchs Entwurf einer vollſtaͤndigen Hiſtorie der Klr⸗ 


chenverſammlungen, Leipz. 1759, wo p. 30 f. die vielen Schriftſteller, weiche 
bie Concilienſchlüfſe geſammelt haben, fo wie p. 47 f. die Geſchichtſchrei⸗ 
bee von den Gonchlien in neuern Zeiten genannt werden. — In G. D. 
Fuchs Bibliothek der Kirchenverfammi. des 4. und 5. Jahrh. in Ueber: 
fegungen und Auszügen aus ihren Acten 4 Thle. Leipz. 1780 finder 
man im 1. Theile eine Einleitung in d. Geſch. der Kirchenverfamm: 
lungen. — J. Z, Hilliger Pr. de synodor. origine, progressu et fine. 
Viteb, 174%. — Ueber ben Urfprung der Kirchenverfammiungen in 


Ss 


14 


— 


Synodalverſaſſung. 407 


Abele's Archiv fuͤr Kirchenrecht und Kirchengeſch. Bd. 1. St. 2. Leipz. 


1779. p. 479 f. — Zieglers Verf. einer kritiſch pragmat. Darſtellung 


des Urſprungs der Kirchenſynoden und ber Ausbildung der Synodalverf.. 


in den erſten drei Jahrh. in Henke's neuem Magaz. für Religionss 
phitof. Bd. 1. Sc. 1. p. 125. — Schroͤckh Thi. 3. p. 1435 —49. 
Thl. 5. p. 111. — Schönes Geſchichtsforſchungen Ie Bd. p. 367 — 
72. Se Bd: p. 340 — 78. — Freimüchige Gedanken Über Spnoden 
ber alten und neueften Zeit. In dee Jenaer Oppoſitionsſchr. I, 4. p. 
665 ff. — 3. Ep. Sreiling Über bie Urverfaff. der apoft. Chriſtengem. 
oder bibl, Winke für die evang. Synoden. Halberfi. 1819. 8. — 
K. H. Sack de optima ecclesiae christ. constitatione. In fein. 
Commentatt. ad hist. ecel. (Bonn 1822. 8.). — Bretfchneider und 
8. 3. Meyer, ob die Kirchenverfafl. 3. 3. der App. e. demokrat. od. 
e. ariflofrat. od. welche fonft gewefen ſei ꝛc. In Allg. Kchz. 1833. Nr. 
105 —6. 182. , vergl. Schlatter ebendaf. 1834. Nr. 47. — ©. 8. 
Schulze Darftell. der Form des Kirchenregiments im apoſtol. Beitals 
tee ıc In Allg. Kirchenzeit. 1838. Nr. 94 ff., vergl. -Nr. 148. 

I) Berädfihtigung der Streitfrage: ob Synos 
den im fpätern Firhlihen Sinne im XL. T. vorkom⸗ 
men! — Wenn von Spnoden oder Kicchenverfammlungen die Mede 
it, fo wird gewöhnlich die Zuſammenkunft der -Apoftel und Aelteften 
in der Gemeinde ızu Serufalem nad Act. 15. als die erfle ausgegeben 


‚und gleihfam an die Spitze geſtellt. Dieß iſt von Theologen der roͤmi⸗ 


fhen und der proteftantifchen Kirche gefchehen. In der erſtern yingen 


Baronius und Bellarmin fo weit, in Act, 15. einen göttlichen Befehl 


und eine apoftolifche Anordnung zu finden, aus welcher ſich fogar bie 
Mothwendigkeit der Spnoden folgern laſſe. Indeſſen bar biefe Bes 


hauptung alle Geſchichte wider fih und iſt wohl nur im Intereſſe der 


kirchlichen Hierarchie niebergefchrieben. Denn wenn die Synoden von 
einem göttlihen Befehle oder Inſtitute abzuleiten find, und daher ihre 
Nothwendigkeit entfteht, fo fragt es fich, woher es denn fomme, daß 
in den erſten Jahrhunderten noch gar keine Synoden gehalten find, und 
daß man fi) im 2. Jahrhundert noch gar nicht auf diefe Mothwendigs 
@eit berief, die man doch damals noh am erſten von den Apofteln 
ber hätte wiſſen können? Jedoch haben auch proteftantifhe Theologen 
dergleihen Behauptungen ausgefprochen. Wir führen ſtatt vieler den 
berühmten Walch an, ber in feinem Entwurfe einer volftändigen Ges 
fnichte der Kichenverfammi.. Thl. I. p 79 ff: ſechs Puncte anfübet, 
um bdje Aehnlichkeit der fpätern Synoden mit ber Apoitelverfammlung 
zu Serufalem nadyzuweifen. Er zieht daraus 

1) die Solgerung, daß Religionsitreitigkeiten 
auf Synoden entfhieden werden müßten, weil zu 
Terufalem audy davon die Rede war. Allein eine zwin⸗ 
gende Noͤthigung der Schlichtung von Religionsilreitigkeiten durch Syno⸗ 
den, ſcheint aus der Apofielverfammlung gar nicht zu folgen, fondern 
dieſer Umftand laͤßt fiy eben fo gut aus dee Natur der Sache erklären. 
Denn wenn man einmal zufammen kam, um über wichtige Angelegenbei- 
ten der Kicche zu berathichlagen und zu befchließen, wie es Tertullian von 
den frübefien Spnoden berichtet, wie wir gleich unten fehen werden, fo 
mußten natürlicher Weife auch Religionsſtreitigkeiten auf den Synoden 


8 


>. 





408 Synodalverfaſſang. 


verhandelt werben, weit man dieſe damals für das Wichtigſte hielt und 
dabei vorzuͤglich einer gemeinſchaftlichen Verabredung bedurfte. 

2, Weil ſich zu Jernſalem Apoſtel und Presby⸗ 
ter verfammelt (Act. 15, 6.), man ſpaterhin vergefs 
fen babe, daß auch die Bemeinde gegenwärtig ges 
weſen fei (®. 22. und’ 23.), fo babe man daber Bele 
genbeir genommen, auf den Synoden die Laien zu 
verdrängen. Man follte aber genau genommen glauben, daß 
dieſer Satz gerade das Gegentheil von einer Aehnlichkeit bewieſe. 
Wenn man die Lalen verdrängen wollte, fo lag gar fein Grund dazu 
in. dee Verſammlung zu Jeruſalem. Vielmehr müßte man gar feine 
Nüdfiht darauf nehmen, Indem man ben Lalen feinen Gig und feine 
Stimme auf den Synoden einrdumte, | 

3) Die Nothwendigkeit eines Dorfiges bei den . 
Spnoden und zwar in der Perfon bes Papftes, 
laffe fi aus dem Umftande erklären, daß Pe 
trus zu Jerufalem zuerfi geredet habe und daß Pe 
srus fein Nachfolger gewefen fei. Diefe Folgerung iſt 
allerdings In der fpätern Zeit gemacht worden, als man die ganze 
Bibel für den Suptemat des Biſchofs zu Rom verdrehte. Allein ein 
ſolches Berufen auf die Auctorität Petri finden wir im Alterthume gar 
nicht und kein früherer Metropolit kann deshalb angeführt werben. 
Der Geund eines Vorfiged von Selten des Metropoliten lag fehr na» 
turlich in feinem groͤßern Anfehen, das er als Bilhof der Hauptſtadt 
einer Provinz fon vor Einfuͤhrung dee Synoden hatte, weldges frei⸗ 
lich durch die Spnodalverfaffung noch mehr erhöht wurde. 

4) Weil zu Jerufalem ein Schluß gemacht und 
durch ein Schreiben überfandt wurde, ſahabe man 
es in den ältern Selten bei den Synoden für n& 
thig gehalten, den Upofteln auch hierin nachzuahmen. 
Allein auch dieß fcheine nicht fowohl eine Nahahmung der Apoſtel zu 
ſeyn, als vielmehr der natuͤrliche Wunſch, bie Beichlüffe dee Synode 
einer Provinz auch andern Provinzen befannt zu machen, mit benen 
mar tn Gemeinſchaft fland, damit fie fi) darnach richten koͤnnten. 
Wenn gleich die Synodalbeſchluͤffe einer Provinz Leine Befehle für die. 
andern waren, fo mußte doch ber Synode fehr daran gelegen feyn, fie 
"andern Provinzen, mit denen fie In Verbindung fand, mitzutheilen, 
‚weil fie hoffen konnte, daß man vielleicht mit ihr harmonisen, ober 
doch nicht leicht etwas vornehmen würde, was dieſen Beſchluͤſſen geras 
dezu entgegen fel. Für die andern Provinzen mußte «6 aber au) ſehr 
‚intereffant feyn zu wiſſen, was bier und da vorgehe, Obſervanz ſei, 
‚und was man in biefem. oder jenem Falle befchloffen habe. Außerdem 
war es bei dee Ercommmilation, bie häufig auf Synoden beichloffen 
wurde, faſt nothwendig, fle andern Provinzen befannt zu machen, 
damit der Erconmmunicirte nicht anderwaͤrts aus Unbelanntfchaft zur 
Gemeinde und den Sakramenten zugelafien würde. Diefe Bekannt⸗ 
madhung dee Excommunikation war ſchon fogar vor. alles Synoden 
Obſervanz; mithin bedurfte es keiner Rachahmung der Verſammluug 
zu Serufatem, ſondern nur einer Obſervanz, um die Synodalbeſchluͤſſe 
mitzutheilen. 


. Spmobatonieflung. 400 


5) Der Ausdruck: „es bat dem heiligen Getiſte 
und uns gefallen,’ finde ih Act. 15., und daranf fet 
der Cehrſatz von der Untsäglichkeit jedes rechts 
mäßigen Concils gebaut. Alelein abgefehen davon, daß 
Worte in apoſtoliſcher Auctscität geſprochen, fich ſpaͤtere Kitchenlehrer 
gar nicht zueignen durften, hatten gewiß bie erſten WBegränder des 
Cheiſtenthums nice bie Abſicht, ſpaͤtern Berufsgenofien Ausbrüde zu 
leiten, die in fo hohem Grade gemißbraucht werden follten. 

6) Man babe den Schluß zu Terufalem für einen 
Befehl gehalten, und daher den Synoden bie geift- 
liden Majeftässredhte beigelege. ch dieſes ſcheint nicht 
ſowohl Nachahmung der Verſammlung zu Jeruſalem zu ſeyn, als 
vielmehr die Wirkung einer anmaßlichen Hierarchie. Genau genommen 
ſcheint man darum von ber apoſtoliſchen Verſammlung nichts beidehal⸗ 
ten zu haben, als bie Formel, worauf man bie Verbindlichkeit und 
Untrüglicgkeit der Spnoden baute. Wenn man auch alles Uebrige bei 
ber Synodalverfafſung für zufällig halten wollte, fo kann man doch 
unmoͤglich hierin die gewandte Dand ber Dierarchie verfennen, 

Was aber der Walch'ſchen Anſicht am meiften entgegen ficht, iſt 
die hiſtoriſche Wahrheit, daß man die Spnedalanflalt weder von sinem 
göttlihen Befehle abgeleitet, noch die apoſtoliſche Berfammiung zu 
Jeruſalem für eine Mufterfpnode gehalten- habe, Tectullian giebt fie 
für eine menſchliche und nicht ganz undeutlich für eine willkuͤhrliche 
Einrichtung des Bifchöfe aus. Die Stelle des Tertullian ift in dieſem 
alle fehr widstig geworden, weil fie aus der früheften Kirche die eins 
ige in ihrer Art iR, auf bie man ficher bauen kann, Sie verdient 
alfo auch hier im Zuſammenhange angeführt zu werben, damit man 
fidy überzeugen könne, ob die Folgerungen, bie daraus gezogen werden 
foßten,, sichtig gezogen find ober nicht? Sie ſteht in der Schrift de 
jejusio eo. 13., welche wahrſcheinlich am Schluſſe des 2. Jahrhunderts 
gefcheieben if. — Tertulltan vertheidige in dieſer Stelle die Monta⸗ 
niften, zu denen er übergegangen war, gegen die Drthoberen. Diefe 
machten jenen den Worwurf, daß fie willkuͤhrliche Faſttage auordneten, 
auf dieſe Art ihren Anhängen willlührliche Gefege vorfchrieben und 
willkuͤhrliche Laften auflsgten, ba body Gott mus einen freiwilligen 
Dienſt von den Chriſten fordere. Darauf autwortet Tertullian, daß 
eigenetich wicht Denfchen, fondern Bott (dee Beilige Geift, Parse) 
feiche Zafttage von den Ehriſten fordere. Kerner bitten ja auch Die 
arthoderen Bilchöfe das Mecht, orthodore Faſttage anzworbue, und Is 
allgemeiner Noch außerordentliche Steuern aufzulegen. Endlich firhet 
er auch noch bie Synoden unter den afiatiichen und europaͤiſchen Gries 
chen als eine ſolche willkuͤhrliche Cinführung des Biihöfe an, nad) 
deren Schluͤſſen fich die Laien richten müßten. Agwmtur, beißt «6 in 
ertullian's Stelle, peauter ea per (irascias illa oertis in locis oon- 
eilia «x universis eooclesils, per quse et altiora quasgue in eom- 


mens trastantur et ipsa reprassentatio totins nominie ohristiani _ 


magua oslebratione veneratur. Et hose quam dignum fide auspi- 
enate eongsegeri undiquo ad Christumf Vide, quam bonum et 
jueundum habitare fratres in unum! Hoc tu psallere mon faeibe 
nosti, nis quo tempore vum oompluribus osenas Comwentus 





: 410 Synobalverfeflung. 


autem isti stationibus prius et jejunationibus operari, dolere cum 
dolentibus et ita demum oongaudere gaudentibus norunt. ' 

Aus diefer beiläufigen Erwähnung der Concilien laſſen fi ſehr 
wichtige Folgerungen ziehen, bie unfte Beachtung um fo mehr verbies 
nen, meil wie weiter feine beflimmten Nachrichten von "den Spnoden 
der früheften Zeit haben. 

- a) In der Verbindung, worin Tertullian beiläufig von den Syno⸗ 
ben ſpricht, Hält er fie fammt ihren Schlüſſen für eine willkuͤhrliche 
Einrichtung der Bifhöfe, To gut wie die willführlihe Auflegung ber 
Laften und der außerorbentlihen Steuern. Alſo leiter er fie 
von Beinem goöttlichen Befehle ab und hält fie für 
kein apoftolifhes Inſtitut. 

b) Er kannte fie noch nicht aus eigener Erfahrung , allo waren 
fie am Ende des 2. Jahrhunderte noch nicht in Afrika gewöhnlich, 
fondern vorzüglich nur per Graecias, d. i. unter den europäifchen und 
aſiatiſchen riechen. 

o) Sie wurden bort- an gewiſſen beflimmten Orten (certis in 
locis) gehalten, alfo waren fie nicht ambulatoriſch, fondern an gewiſſe 
Drte gebunden (unftreitig an die Daupeftädte der Provinzen, d. i. an 
die Sige der Metropoliten). 

d) Es waren. vorzüglich Provinzlalfpnoden , von benen aber die 
Bifchöfe und der Klerus anderer Provinzen nicht ausgefchloffen waren 
(dieß fcheint der Ausdruck ex universis ecclesiis fagen zu wollen). 
Daß er nicht von der ganzen Chriſienheit gelten kann, verſteht ſich von 
ſelbſt, weil die Lage der Dinge eine ſolche allgemeine Zuſammenkunft 
gar nicht erlaubte. Daß ferner auch nicht alle Kirchen unter den Grie⸗ 
chen zu verſtehen find, ſieht man aus dem Pluralis: coneilia certis in 
locia, woraus folgt, daß mehrere Goncilien an mehrern beflimmten Orten 
unter den Griechen gehalten worden find, wobei die Zuſammenkunft der 
Mepräfentanten aller Kirchen an einem Orte von ſelbſt ausgefchloffen wird. 
Es ſind alfo eigentlih alle Kicchen einer Provinz gemeint. Doc 
herrſchte dabei nicht die volle Regelmäßigkeit, wie fpäterhin, fonbern «6 
Tonnten auch Biſchoͤfe aus andern Provinzen erfheinen‘, wenn fie woll⸗ 
ten, und fie wurden auch wohl dazu eingeladen, wie die Provinzial 
fpnoden etwas fpätechin noch bezeugen. 

0) Es waren feierliche Bufammenkünfte, worauf nur die Repraͤ⸗ 
ſentanten ber Gemeinden erſchienen (et ipsa repraesentatio totius 
nonminis cohristiani [i. e. Christianorum] magna veneratione celebra- 
tar), alfo nur der Klerus und vorzuͤglich nur die Bifchöfe, mithin keine 
Laien. (Wie aber die Vifchöfe die Dauptrepräfentanten waren, fieht 
man auch daraus, daß bei den frühelten Spnoden immer nur bie Zahl 
der Bifchöfe angegeben wird, nicht aber der Presbpter und Diaconen) 
deren nur im Allgemeinen Erwähnung gefchieht. 

f) Man bereitete fi durch religiofe Webungen und Faſten zu ber 
Eröffnung der Synoden vor (eonventus autem illi statienibus prius 
- et jejunationibus eperari) wahrfcheinlidh, um: die Idee zu erheben, daß 
der heilige Geift durch die Väter auf den Synoden rede, und fie ins 
ſpirire, damit die Befchlüffe der Synoden befto beiliger und verbinds 
licher würden, 


8) Die angebliche Abſicht dieſer Zuſammenkunſte war, gemein⸗ 





Soynodalverfaffung. a 
ſchaftlich über die wichtigſten Angelegenheiten der Kirche zu berathſchla⸗ 


gen und zu befhliefen (per quas et altiera quaeque in commune 
traetuntur). \ 

h) Diefe Zufammentünfte hatten umter ben Griechen fon. ben 
Namen Gpnoden, wovon conventus bie lateiniſche Ueberſetzung ift. 
Concilia gebraucht Xertullian als das eigentliche-Lateinifche Wort, weil 
bie Lateiner die politifhen Convente fo nannten, welche bei den Grie⸗ 
chen ovvodos hießen, ofr. Liv. 37, 80. coneilia Achaeorum. _ 

Hiermit kann man nun glei eine andere fpätere abgerifiene 
Nachricht verbinden, bie fich bei Cyprian Ep. 75 findet. Der Metro: 
polit Sirmilian von Caͤſarea in Cappadocien fchreibt gleich nach ber 
Mitte des 3. Jahrhunderts in einem Briefe an Cyprian fo von den 
Synoden unter den Griechen in Kieinaflen, daß die Nachricht des 
Zertullian fehr dadurch beftätigt wird und an hiſtoriſcher Glaubwuͤrdig⸗ 
feit außerordentlich gewinnt: Necessario apud nos fit, fchreidt er, 
ut per singulos annos Seniores et Praepositi in pnum conveniamus 
ad disponenda ea, quae course nostrao commissa sunt, ut, si quae “ 
grariora siat, eommuni ceonsilie dirigantur. 

Erwägt man nun das zeither Gefagte, fo ergiebt fih, daß bie 
frübefte chriftliche Kirche in der Act. 15. erwähnten Berfammiung der 
Apoftet und anderer Gemeindeglicder weder eine apoftolifche Anordnung 
für Spnoden ‘überhaupt, noch eine Muſterſynode für die fpätere Zeit 
anerkannt hat. Dieß darf auch nicht befremden, wenn man nur den 
einzigen Umſtand auffaßt, daß die wahren Synoden gerade das Gegen⸗ 
theil für jene vermeinte Mufterfpnode find. Zu Serufalem berathfchlags 
ten fih die Apoftel mit der ganzen Gemeinde, auf den Synoden aber 
blos der Klerus und vorzüglich bie Biſchoͤfe als MRepräfentanten ber 
Gemeinden, das Volt nahm in den frühefien Zeiten nur felten und 
fpäter gar nicht an ſolchen Berathungen Anthei. In Jetuſalem war 
man ferner fo billig, der Verſchiedenheit der Meinungen über die Vers 
bindlichkeit des moſaiſchen Geſetzes etwas nachzugeben und eine Mittels 
ſtraße einzufchlagen,, fo daß beide Parteien berubigt ſeyn konnten; auf 
ben Synoden war dagegen hoͤchſt felten an Billigkeit zn denken, fons 
dern man waltete lieber mit dem Anathema über die Verſchiedenheit 
der Meinungen. Freilich war dieß in ber früheren, in dieſem Abfchnitte 
von uns feflgefegten Periode noch nicht fo fehr der Kal, weil die 
Kirche noch unter dem Drude fland; aber defto häufiger in ber Kolge, 
als fie im römifhen Reiche herrſchend und aus einer Berfolgten die 
Verfolgende wurde. Man fcheint fi alfo von der Verſammlung zu 
Serufalem nichts weiter zum Mufter genommen zu haben, als bie 
Formel: Placuit spiritai saneto et nobis, bie fpäterhin ſtandaloͤs 
genug wurde, als man fich nicht entbiödete, feine Gegner. auf ben 
Sonoden, wenn keine Gelinde da waren, mit der Fauſt zu Boden zu 
fhlagen, um nur fo ſchnell als möglih zum Schluß zu kommen, wie 
die Synoden von Ephefus bezeugen. Man ſieht alfo, daß der bierars 
chiſche Stolz; gar kein Behagen daran fand, etwas von der Billigkeit 
und Gleichheit der Verſammlung zu Serufalem nachzuahmen, fondern 
: daß er blos die Formel wählte, bie zu feinem Zwede dienen Eonnte. 

I) Begriff der kirchlichen Synoden, erfle Spus 
ren derfelben-unter den Griechen und ihre alimäb: 


41 Synodalverfaffig. 


lige Ausbildung und Verbreitung bis mit Ablauf 
des 3. Jahrhunderts. — Umter Kirchenſynoden verſteht man: 
 „feierlihe Zuſammenkünfte der Repräfentanten 
‚‚mebrerer von einander unabhängiger dhriftlicher 
„Gemeinden, um das Wobl der Kirche gemein 
„fbaftlih zu berathen und darüber zu beſchlie— 
„gen. Dieſe Definitton ſchließt fi genau an bie Walchiſche an, 
wenn fie gleich etwas genauer iſt. Vergl. Walch I. o. p. 3. — Feler⸗ 
liche Zufammenkünfte rüchtigee Glieder verſchiedener chriftlicher Gemein⸗ 
den, deren Abſicht ift, in Sachen, welche das Beſte der Kicchen bes - 
treffen, gemeinſchaftliche Schlüffe zu machen. Ein Hauptbegriff, naͤm⸗ 
Ich die Repräfentation fehle. Borfhen wir num nach den erſten Spus 
ren diefer Synoden, fo weiſt uns alles nach Griechenland hin. Ortes 
chiſchen Biſchoͤfen verdanken fie Ihren Urfprung und die erften fichern 
Synoden finden ſich gegen bad Ende des 2. Jahrhunderts unter den 
Griechen. Das fmd naͤmlich die Synoden, welche in der Periode von: 
160 — 173, theils, und zwar vorzüglich In Kleinaſien, theild-in dem 
benachbarten Thracien gegen bie Wontanifien gehalten worden find. 
Bergl. Euseb. V. 16. Wenn wir glei die erſte Veranlaſſung zu den 
Synoden nicht hiſtoriſch wiſſen, welches gewöhnlich ber Fall bei den 
Verfaſſungen des Alterthums iſt, fo laͤßt fi doch mit Wahrſcheinlich⸗ 
keit vermuthen, daß fie hoͤchſt zufaͤllig geweſen ſei und im irgend einem 
Zeitbeduͤrfniſſe gelegen habe. Sobald eine Verbindung mehrerer von 
einander unabhaͤngiger Gemeinden entſtand, und dieſe ſcheint zuerſt 
unter den Griechen, die an einen Gemeingeiſt und ein Foͤderalſyſten 
gewöhnt waren, Statt gefunden zu haben, fo Sonnte man auch fehr 
leicht auf die natürliche Idee kommen, bedeutende Angelegenheiten ber 
Kirche, die fonft jede Gemeinde für fih abthat, gemeinſchaftlich zu 
verhandeln, um eine größere Einfoͤrmigkeit der Obfervanz zu bewirken. 
Dieſe Idee mußte natuͤrlich dort am erften eine Ausbildung bekommen, 
wo ber Geiſt des Klerus ſelbſt die meiſte Gemeinheit und Bildung 
hatte, und dieß war wieder unter den Griehen der Fall. In fofern 
noch alle vollſtaͤndigen Glieder der Gemeinden mitfprechen durften, und 
ihre Geſellſchaftsrechte noch felbft ausäbten, Sonnten ſolche gemeinſchaft⸗ 
fihe Zuſammenkuͤnfte mehrerer von einander unabhängiger Gemeinden 
nicht anders als unter ber Form der Repeäfentation zu Stande kom⸗ 
men, dem alle Glieder mehrerer. Gemeinden auf einen Punct zu vers 
fammeln, war phyſiſch und moralifch unmoͤglich, in fofern die Kirche 
noch unter dem Drude fland, und ein ſolches Zuſammenlaufen für den 
Anfang einer Rebellion gehalten worden feyn würde. Da alfo nur Einer 
oder der Andere von jeder Gemeinde erſcheinen konnte, fo waren natuͤrlicher 
Weiſe die Biſchoͤfe und Presobyter die mächften, welche die Mepräfentas 
tton von feldft übernahmen, ohne dab man dabei eine regelmaͤßige 
Verabredung oder Bevollmaͤchtigung anzunehneen braucht; bemn bergleis 
hen Geſeuſchaftoverbindungen entfichen gewöhuti dom feldf und wers 
den erſt mit der Zelt regeimäßie Die Diaconen blieben vielleicht 
anfänglich noch zu Hauſe; denn fie beſorgten allein Beine Kirche, wohl 
aber die Biſchofe und Presbyter. Allein fie konnten auch eben fo gut, 
theil® als ehr Theil des Klerus, theils als Amanuenfes der Bifchöfe 
ſchon mit auf die Synoden gezogen ſeyn, wenn man gleich, auf den 





Cipnobalortfaßiung. 413 


fruͤheſten Synoden unter ben europälfcken und aflatiichen Griechen noch 
keine Spur davon findet, welches aber auch daher rühren tan, daß 
man es für zu unwichtig hielt, ihrer befonders zu erwähnen. 

So mochte etwa dieſe Auftalt zufällig entflanden feyn, als bie 
ſchlauen griechiſchen Biſchoͤfe einfahen, dag man fie fehr vortheilhaft 
für das hoͤhere Anfehen des Klerus benugen könne, wenn man ihre mehr 
Stetigkeit und Regelmaͤßigkeit gäbe. Jetzt wurden allo beſtimmte Zei⸗ 
ten und Drte fefigefeht, wo men in einer Provinz jährlih zum Seil 
und Degen ber Kirche zufanımen kommen weilte, und nun übernahm 
auch der Prinsärbifchof oder Metzopolit die Zufammenberufung der außer 
ordentlichen ſowohl als ber orbentlichen Synoden in feiner Refidenz 
(Metropolis) ſammt dem Vorfig und Wortrag, ber Stimmenfamms 
lung, der Formirung der Schluͤſſe und der Synodalſchreiben. 

Die Vermuthung, daß auch die politiichen Gonvente der Griechen 
einigem Ginfluß auf die Entitehung ber Kirhenfpnoden gehabt haben, 
iſt nicht gang unmehrfcheintih. Nur darf man nicht wohl bie ganze 
Eutflehung berfelben darauf befcheänten, ba dieſe eben fo gut in der 
Natur und in den Verhaͤltnifſen einer Klrchengeſellſchaft ihren Grund 
haben kann. Es ift bekannt, daß ber Eonvent (ourodog) de6 Amphiks 
tyonenſenats aus allen griechiihen Staaten zuſammen kam, jährlich 
zweimal, im Srüblinge und Herbſte, gu Delphi gehalten, und daß 
dieſe Einrichtung durch Auguft nach dem Siege von Actium wieder im 
den Bang gefeht wurde, fo daß fie moch zur Zeit des Pauſanias forte 
bauerte., Diefe Anftalt oder doch Einiges davon konnte man fehr leicht 


ia dee griechiſchen Kirche nachahmen, und, wenn wein glei nichts _ 


Hiſtoriſches davon wiſſen, fo iſt es doch wenigſtens ſehr auffallend, 
daß auf der Synode zu Nicaͤa und in den apoſtoliſchen Conſtitutionen 
gerade dieſe beiden Jahrszeiten zu den regelmaͤßigen Synoden verordnet 
wurden. (Can. Apost, 80. Conc. Nie. e. 6., wo ben Biſchoͤfen be⸗ 
fohlen wird, jährlich zweimal Synoden zu halten, vor dem Mftaͤgigen 
Saften im Srüblinge und im Derbfl.) Daran ſchließt man billig, 
Daß diefe Sitte ſchon aͤlter geweſen ſeyn müfle, in fofern die Synode 
von Nicaͤa nur gar zw gern ſchon vorhandene Bitten, die ber Hierar⸗ 
hie erſprießlich waren, beftätigte. Könnten wir auf eine andere Welſe 
berausbringen, baß man wirklich unter den Griechen jaͤhrlich zweimal, 
im Fruͤhlinge und Herbſte, vegelmäßig Synoden gehalten hätte, fo - 
würde die Vermuthung, daß dief eine Nachahmung der politifchen 
Eonvente in Griechenland fel, faſt Aber allen Zweifel erhoben. Allein 
wir haben ſchon geſehen, daß die Worte des Firmilian: per singulos 
annos — die Sache in Zweifel Lafien, und fo bleibt die Nachahmung 
auch nur in dieſem einzigen Puncte eine bloße Wahrfcheintichkeit. 

. Was nun die Varbreitung der‘ Synoden betrifft, fo mögen fie 
fih eine Zeit lang .mur auf Griechenland beſchraͤnkt haben. Jertullian, 
wie wir oben gefehen haben, kannte fie menigflens nec nicht, Gegen 
das Ende aber des 2. Jahrhunderts bat ſich Dis Gewohnheit, Eiynes 
den zu halten, fchon etwas weiter verbreitet, umd zwar bei Belegenheit 
bes Oſterſtreites zwiſchen ber orientalifhen und occidentaliſchen Kirche, 
wo ein allgemeines WBedürfniß der gemeinſchaftlichen Berathung eintrat. 
Der Oſterſireit, die ganze Chriſtenheit in Bewegung fegenb, und ein 
allgemelnes Intereſſe auregend, tileb die Repraͤſentanten ber. Ehriſtenheit 


414 Synodalverfaffung. 


auf die: Synoden, die jetzt allenthalben zum Vorſchein kamen, Aftifka 
etwa ausgenommen. Um dieſes Streits willen wurden z. B. Provin⸗ 
: zialfpnoden gehalten in Palaͤſtina, zu Caͤſarea oder Aelia, in der Pro⸗ 
vinz Rom unter dem Vorſitze des. Metropoliten, Victor von Rom, 
der auch das Synodalſchreiben ausfertigte, in der Provinz Pontas 
unter dem Vorfitze des aͤlteſten Biſchofs diefer Provinz, Palmas zu 
Amaſtris, in der Provinz Gallien unter dem Vorſitze des damaligen 
Primaͤrbiſchofs Irenaͤus von Lyon, in der Provinz Osroene in Meſo⸗ 
potamien, in ber Provinz Asia proconsularis zu Ephefus unter dem 
Vorfige des dortigen Metropoliten Polykrates, der die Biſchoͤfe feines. 
‚Sprengels zufammenberief und auch das Spnobalfchreiben abfaßte, und 
wahrſcheinlich auch anderwärts, wie 3. B. zu Corinth in der Provinz 
Achaja. Mit dem 3. Jahrhundert kamen denn auch bie Synoden in 
Afrika zum Vorſchein, und wurden hier durch die Streitigkeiten über 
die Kegertaufe und uͤber die Novatianiſchen Händel häufiger, ale irgend= 
wo, wenn fie fih glei bier noch nicht in der regelmäßigen Geftalt 
zeigen, bie fie ſchon unter den Griechen hatten. Weberhaupt trugen 
diefe Händel fehe dazu bei, die Synoden in der Mitte bes 8. Jahr⸗ 
hunderts allgemeiner zu machen und ihnen einen allgemeinen, Beifall 
in der Kirche zu verfhaffen. Sie bier alle aufzuzählen, würde ſehr 
zweckwidrig feyn, da fie einem Jeden in Walchs Gefchichte der Conci⸗ 
. .Sien vor Augen liegen, woraus man ſich überzeugen kann, baß ihre 
Zahl feit der Mitte des 3. Jahrhunderts weit größer iſt, als vor der 
Mitte deſſelben. i 
- indem wir nun weiter die allmählige Ausbildung ber Synoden 
verfolgen, drängen ſich uns folgende Fragen jur Beantwortung auf: 
Weldhes war der Umfang diefer Synoden? Wels 
he äußere Einrichtung gab man ihnen? Wie vers 
bielt es fih mir dem dabei üblihen Stimmenredte? 
Indem wir die erfte Frage zu beantworten fuhen: Welches 
war der Umfang der Synoden in der von uns be 
ſtimmten 3eitperiode? fo wollen wie damit andeuten, ob 
dergleichen Spnoben beſchickt wurden von den MRepräfentanten eine 
Diöces oder einer Provinz oder auch eines ganzen Landes. “ 
Man darf die frühern Spnoden unter den Griechen zuerft Pro: 
vinzialfpnoden nennen; denn a potiori fit denominatio, und went 
'man gleich hiermit nicht überall austommen kann, fo iſt dieß nur ein 
Beweis, daß noch Beine völlige Regelmaͤßigkeit dabei Statt fand. Die 
Spnoden in Aften gegen die Montaniften waren hoͤchſt wahrſcheinlich 
Provinzialſynoden, 3. B. die zu Hierapolis von der Provinz Phrygien, 
wo die Montaniften ihren Hauptſitz hatten, und die andere zu Anchio⸗ 
us, vielleiht von ber Provinz Thracien, wenn dieß gleich zweifelhaft 
bieibt, weil der Primdrbifhof von Thracien eigentlich zu Heraclea faß, 
wo man auch eine Provinzialfpynode erwarten follte nah der Analogie 
ber übrigen Provinzlalfpnodben, bie gewöhnlich in den Mefidenzen der 
Metropoliten gehalten wurden. Dod mag die Spnobe. zu Anchiolus 
Immerhin eine Provinzialfpnode feyn, fo macht fie eine Ausnahme, 
und die folgenden, bei Gelegenheit des Oſterſtreites, die Eufebius na⸗ 
mentlich anführt, find wieder ſaͤmmtlich Provinzialfpnoden. Daſſelbe 
iſt auch im 8. Jahrhundert der Fall mit den Spnoden in Arabien 


Eynodalverfafſung. 415 


243 und 246. Nichts anderes ſollte ferner die Spnobe zu Rom ſeyn, 

die Cornelius 251 halten ließ, wenn es gleich die damalige Trennung 
zwiſchen den Anhängern des Cotnelius und den Anhängern des Nova⸗ 
tianus nicht erlaubte, Daß fie das wirklich wurde, was fie feyn 
folte. Ferner die Synode zu Antiohien 252 ebenfalls wider den 
Tovatian, 260 zu Rom, die drei Synoden zu Antiochlen .wider ben 
Dautus von Samofata von 264 — 269. Allein man darf dabei nicht 
glauben, daß fie alle ganz regelmäßig waren, und daB Niemand aus 
dem Klerus einer andern Provinz darauf Eis und Stimme gehabt‘ 
"hätte. So eiferfüchtig mar damals der Klerus einer Provinz noch nicht, 
fondern er fah es vielmehr fehe gern, wenn auch berühmte und anges 
febene Männer aus dem Klerus einer andern Provinz darauf erſchienen, 
befonders wenn die Berhandiungen gelehrte Gegenftände betrafen, die 
man nicht recht umfaflen konnte, oder wenn der Metropolit ſchon 
Partei, ergriffen hatte, und nody einer oder der andern Stuͤtze bedurfte, 
um feine Meinung auf ber Synode durchzuſetzen. Alsdann wurden 
angefehene Männer aus andern Provinzen verfchrieben und die Eröffs 
nung ber Synode bisweilen verfhoben, bis fie angefommen waren. 
So war 3. B. Drigenes als Presbyter auf den Synoden in Arabien 
gegenmwärtig,. und fcheint dort der Einzige gewefen zu feyn, ber die 
Streitigkeiten duch feine Gelehrſamkeit wiederzufchlagen vermochte, wozu 
die arabifhen Bifchöfe nicht Sähigkeit genug hatten. ben fo angſt 
war den Bilchöfen des Sprengels von Antiochien vor der Gelehrſamkeit 
des Paul von Samofata, den fie doch gern verkegern und abfegen 
wollten. Sie verfchrieben darum faft alle damals berühmten Biſchoͤfe 
ber aflatifchen Griechen (wozu man der Sprache wegen auch Unters 
‚ägypten und Paläftina rehnen kann), um den Paul zu Boden zu 
ſchlagen. Der Metropolic von Alerandrien entfchuldigte fi zwar mit 
feinem fhwächlihen Alter (Eufeb. 7, 27.), allein es erfchienen dagegen 
wirklich aus fremden Provinzen der Metropolit Firmilian aus Cappa⸗ 
docien, bie Biſchoͤfe Gregorius ber Wunderthäter, und Athenodorus 
aus Domus, der Bifhof Helenus von Zarfus, der Biſchof Ricomas 
von Ikonien, die Primärbifhöfe Hpmendus von Jeruſalem und Theo⸗ 
teknus von Caͤſarea, wozu ſich auch noch der arabifhe Biſchof Maris 
mus von Boſtra gefellte, der vielleicht in Dinficht feiner Gelehrſamkeit 
am überflüffigften war. Nur wog ber einzige Paul die Gelehrſamkeit 
aller diefer Männer auf, und die Spnode ging demnach leer aus, ohne 
dag man dem Paul etwas abgewinnen konnte (Eufeb. 7, 28.). Auf 
ber zweiten Synode zu Antiochien gegen denfelben Paul waren gewiß 
wieder manche auswärtige Biſchoͤfe, und namentlich kann man Firmi⸗ 
lian wieder nennen (Eufeb. 7, 30.), und auf der dritten ebenfalls, 
wie man noch aus dem Spnodalfchreiben fehen kann (Eufeb. 7, 30). 
Hier trat der Sal ein, dag man die Eröffnung der Synode aufſchob, 
bis Firmilian zum dritten Male erſchien; allein er flach auf dem Wege 
- zu Tarſus. Dieſer traurige Vorfall mochte den verfammelten Vätern 
fehe unglücklich ſcheinen; indeflen war «6 kein großer Verluſt für fley 
denn wenn Firmillan den Paul ſchon bei einem doppelten Anlauf 
nicht hatte bezwingen innen, fo würde er es zum dritten Male auch 
ſchwerlich vermochte haben. Dagegen leiſtete ein einziger Prebbyter, 
Malchion, der in bee griechiſchen Gelehrſamkeit erzogen war, und den 





. 416 Synodalverfaſſung. 

die Biſchfe ſonſt ſchwerlich haͤtten zu Worte kommen lafſen, auf ein⸗ 
mal alles, was alle Metropoliten und Biſchoͤfe nun ſchon fo lange 
nicht hatten leiſten Finnen. Er bdisputicte allein vermittelft feiner 
Kunft und Gelehrſamkeit den Paul von Samoſata zu Beben, daß 
den Biſchoͤfen nichts weiter übrig blieb, als das Anathema über ihn 
auszufprechen und ihn abzufegen. Dazu bedurfte es freilich nicht 
vieler Kunft und Gelehrſamkeit. Allein follte ben Biſchoͤfen nicht 
eine Schaamröthe aufgeftiegen feyn, wenn fie nicht über dee über 
großen Freude doc endlich ihren Zweck ‚erreicht zu haben, die Schande 
Vergefien hätten? 

Andere Spneben find bagegen in dieſer Perlobe wieber Beine Pros 
vinzialſynoden, fondern theils etwas mehr, theils etwas weniger. Hier⸗ 
bee gehört 3. B. die Synode zu Ikonien in Phrygien 255 über bie 
Ketzertaufe, die etwas mehr, als eine Provinzialfgnode if. Hier vers 
ſammelten ſich ſowohl die Biſchoͤfe aus Phrygien, Galatien, Cilicien, 
als auch aus andern benachbarten Laͤndern, namentlich der’ ſchon fo 
oft genannte Metropolic Firmilian aus Cappadocien. Kunfzig Bifchöfe 
follen auf diefer Synode gegenwärtig gewefen ſeyn, und es ift auch ein 
Synodalſchreiben abgefaßt werden; allein man weiß nicht von wem, 
mithin aud nicht, wer den Worfig gehabt hat. Indeſſen bleibe es 


nicht fo ganz unmahrfcheinlich, wie Walch glaubt, daß «6 Firmilian 


geweſen ſei. Dagegen ſcheint bie Synode zu Syunada in Phrygien 
ebenfalls über die Ketzertaufe fehr unbedeutend und nicht einmal eine 
Provinzialfpnode geweſen zu ſeyn; denn Eufebius führt fie. mur ganz 
beitäufig an (7, 7.) und Firmilian berührt fie gar nicht, der doc in 
der angeführten Stelle die befle Gelegenheit dazu hatte. Sie fcheint 
ihm alfo unwichtig gegen bie Synode von Ikonien getwefen zu fern, 
daher man denn auch außer iheem Dafeyn gar nichts weiter von ihr 
weiß. Alles dieß beweiſt nun hinlaͤnglich, dag in biefee Periode noch 
Beine völlige Megelmäßigkeit bei den Synoden herrfchte, nicht einmal 
unter den Griechen, wo man fie doch am erſten hätte erwarten follen, 

Uebrigens waren die Synoden in Afrita in biefer Periode noch 
weit regellofer, ale die unter den Griechen, welches ſich [chon aus ih⸗ 
rem fpätern Auflommen erklären läßt. Ueberhaupt fcheint jept in Afrika 
die Hierarchie noch nicht bie Zeftigkeit und Ausbilbung gehabt zu ha⸗ 
ben, wie unter ben Griechen. Denn was man auch dem Cyprian zur 
Laft legen mag, fo bas er doch ale Metropolit von Carthago meit bila 
ligere Grundſaͤtze ſowohl gegen das Wolf, als gegen ben Klerus gezeigt, 
als und von irgend einem andern Metropoliten biefer Zeit belannt ift, 
Wer kennt nicht die flolge Anmaßung des Stephanus von Rom, der 
ſchon damals den Anfang zu einem Papfte des 12. Jahrhunderts zu 
machen Luft hatte, und wie befhämend mußten nicht fir ihn die billi» 
gen Grunbfäge des Cyprian über das Verhaͤltniß der Primaͤrbiſchoͤfe 
gegen die übrigen Biſchoͤfe ſeyn, welche ex ihnen bei dieſer Gelegenheit 
nach ep. 72, befannt madhte: Ad quaedam disgonenda et eonsiliä 
oommunis examinatione limanda, nesense habuimus convenientibus 
in unum pluribus secerdotibus oegere et oelehrare concilium, in 
quo multa quidem prolata atque transacte aunt. — Coterum sei-- 
mus, quosdam, quod semel imbiberint, nolle deponewe neo propesi- 
tum suum faoile mutare, „sed nalvo inter coollegas paeis ei .oon- 





Sonodaiverfaffung. Ä 497 


cerdiae vinculo“ quaedam propria, quas apud se semel sust usur- 
pata, retinere. Qua in re nec nos cuiquam vim facimus, aut legem 
damus, quando habeat in oeelesiae administrationoe vpluntatis suse 
arbritrium liberum ususquisque praepesitus, rationem aetus sni 
Domino redditurus. 

Gleich die erfte Synode, die wir mit bem Anfange bes 8. Jahr⸗ 
hunderts in Afrika erblicken, ift von der Art, daß man fie weder eine 
Provinzial⸗ noch eine Univerſalſpnode nennen kann. Es kamen nämlich 
unter dem Primas (Metropoliten) Agrippinus von Carthago 70 Bis 
fchöfe aus ber Provinz Afrika (Afriea prooonaularis), aus Numidien 
und Garthago zufammen und erklärten die Kegertaufe für ungültig. 
Diefe Synode kann man nicht wohl für eine allgemeine afrikaniſche 
halten, inſofern Afrika und Numidien zwei Provinzen ausmachen. 
Der Kaiſer Galba nämlich Hatte Afrika in drei Provinzen getheilt, in 
Africa proconsularis, worin Carthago lag, in Numidien und Mauri⸗ 
tanien (Mauritenias duas), das fonfl aus zmei Provinzen (Tingitana 
und Caesariensi) beitand. Diele Eintheilung blieb bis.auf Conftantin, 
der eine neue Kintheilung in ſechs Provinzen machte, in provineiam 
proconsularem, Numidiam, Byzacium, Tripolim, Mauritanias, i. o. 
Sitiphensem et Caesariensem. jest beftand aber noch bie Eintheis 
lung des Galba, wie man aus dem Cyprian fehen kann. Ep. 46. 
Latius fusa est nostra provinein (Africa procdnsularis), habet enim 
Numidiam et Mauritauiam aibi sohaerentes. — Man fieht alfo ben 
Grund nicht ein, warum nicht auch Biſchoͤfe aus Mauritanien er⸗ 
waͤhnt werden, Eben fo wenig kennt man das VWerdhaͤltniß genau, 
worin der Primas von Carthago damals zu den uͤbrigen Biſchoͤfen in 
Afrika ſtand. Es iſt niche unwahrſcheinlich, daß ſchon damals jede 
Provinz ihren Primas gehabt hat, und daß es in Numidien und 
Mautitanien jedesmal ber ältefte Biſchof war, in Afrika aber ſtets der 
Biſchof der Mutterfiadt Carthago. Weil fih nun aber von bier aus 
das Chriſtenthum über Afrika verbreitet hatte, fo ſcheint auch dem 
Bifchofe von Carthago ein hoͤheres Primasanfehen eingerdume zu fepn, 
fo daß er ebenfalls auch bie Biſchoͤfe aus ganz Afrika zufammen berus 
fen konnte, Wenigſtens war es wieder unter Eyprian ber Kal, bag 
er den Klerus aus allen drei Provinzen auf eine Synode nach Gars 
thago gerufen hatte, wovon bie ‚noch vorhandene Acte weiter ‚unten 
folgen fol. Hieraus konnte man vielleiht ſchon auf ein Patriarchal⸗ 
verhältnig (Subordination mehrerer Metropoliten unter einen hoͤhern 
Metropoliten) fließen, wenn sticht die eben angeführte Stelle des 
Cyprian von den großen Rechten ber Bifchöfe, und bie Einricgtung im 
den Provinzen laut dagegen ſpraͤchen. Allein ſo viel ſcheint bach we⸗ 
nigſtens daraus zu folgen, daß man ftillfchweilgend dem Primas der 
Mutterftade Carthago ein höheres Anfehen und das Recht eingeräumt 
babe, im Notbfall eine Univerfallynede von ganz Afrika zuſammenzu⸗ 
vufen. Auch feuchte dieſes Anſehen aus ven hänfigen Anfragen ber 
vor, die ſelbſt Biſchoͤſe aus andern Previnzen an Cyprian ergehen 
liegen. Kine ſolche Anfrage thaten z. B. im Jahre 256 achtzehn 
Numidifche Biſchoͤfe, die wahrſcheinlich ſchon eine Provinzialſpnode uͤber 
dieſen Punct gehalten hatten, worunter auch der Primas Sanuarias 
“von Numidien war. Cfr. Cpprian Ep. 7% 
Siegel Handbuch IV. 27 








418 Spnodalverfaffung. 


Die andern afritanifhen Synoben find größtentheils Probinzials 
ſynoden. Hierher gehört 3. B. die Synode in der Provinz Afriea 
proconaularis , die fhon vor Syprian zu Carthago.gehalten und worauf 
befhloffen war, daß Niemand aus bem Klerus durch ein Keftament 
sum Tutor oder Gurator beftellt werden ſollte. Man fegt diefe Synode 
in das Jahr 217, allein dieß fcheint zu früh. Genug, daß fie vor 
dem Sabre 247 gehalten feun muß, wo ber Vorgänger des Cyprian, 
Donarus, ſtarb. Eben fo war au die Synode, melde Cyprian fuͤr 
diefelde Angelegenheit zu Carthago wegen eines Contraventionsfalls zu 
Sumi halten ließ, eine Provinzialfynode von der Provinz Africa pro- 
oonwalerie. Man fest fie in das Jahr 249. Ferner fcheinen die 
Synoden zu Carthago 251 und 252 von Eyprian gehalten, nichts 
anderes als Provinzialfpynoden von der Provinz Africa proconsularis 
geweien zu ſeyn. Eben fo au die Synode zu Garthago 254 wegen 
der ſpaniſchen Biſchoͤfe Baſilides und Martialis und glei darauf 255 
wegen ber Kebertaufe. Dagegen beftand die fogenannte zweite Cartha⸗ 
gifhe Synode Über die Kegertaufe 256 wieder aus 71 Biſchoͤfen, nicht 
bios aus der Provinz Afrika, fondern auch aus Numidin. Die 
dritte aber in eben diefer Angelegenheit und noch in eben diefem Sabre 
gehalten, befiand aus Bilchöfen aller drei Provinzen, wie wir fchon 
. gefehen haben. | Ä 
| Hieraus ergiebt fih nun, daß bie meiften früheften Synoden tn 
Afrika Provinzialfpnoden gemefen find, einige aber auch Univerfalfpnos 
den in Rüdfiht auf Afrika, welhe am Ende des 4. Jahrhunderts 
gefegmäßig alle Jahre einmal unter dem Namen Concilia plenaris 
gehalten wurden, andere eben fo wenig Provinziala als Univerſalſyno⸗ 
den, woraus die damals noch beftehende Unvegelmäßigkeit ber Synodal⸗ 
verfaſſung von ſelbſt folgt. 

Sehen wir nun auf die andere Frage über: Weldye Sorm 
denn die regelmäßigern Provinzialfynoden hatten, 
und auf welde Art fie gehalten wurden! — Dffenbar 
zeichnete ſich der Primärbiichof einer Provinz hierbei am meiften aus 
und gewann hierdurch einen großen Zuwachs feiner Vorzuͤge (vergl. bie ' 
Artikel Biſchof, Metropolit, Patriarch), fo daß er vorzüglich hierdurch 
über feine eben fo vornehmen Collegen heroorragte, und zum wahren 
Metropoliten im höhern Sinne des Worts wurde. Natürlicherweife 
mußte Jemand da feyn,, der die Biſchoͤfe ſammt bem übrigen Klerus 
zufammentrief und die ganze Synode dirigirte. Nah der urfprünglis 
hen demokratiſchen Verfaſſung der Kiche hätte dieſes Gefchäft unter 
dem Klerus ambulatorifch feyn mäflen, fo daß keinem ein befonderer 
Borzug dabei eingeräumt worden wäre: Allein daran mar ſchon nicht 
mehr zu benten, indem bie Presbyter ſich bereits vornehmer duͤnkten, 
als die Diaconen, und bdiefen unmoͤglich folgen zu koͤnnen glaubten, 
und die Bifchöfe wieder vornehmer als die Presbyter. — Alsdann 
hätte aber doch diefes Amt wenigftens unter den Bifchöfen wechſeln 
mögen, oder man hätte auch jedesmal im Voraus einen Biſchof duch 
bie Wahl des ganzen Klerus zur Direction ber folgenden Spnode bes 
fiellen koͤnnen. — Uber auch dieß gefhab aus folgenden Gruͤnden 
nicht: Der Bifchof der Mutterflade (Metropolis) oder Hauptitadt einer 
Provinz hatte ſchon ein höheres Anfehen, als bie uͤbrigen Biſchoͤfe und 





Spnobalverfaffung. 419 


dazu war er ſehr zufälig gelommen, wenn man glei etwas hieran 
(em Stolz und Anmaßung als mitwirkenbe Urfache nicht ganz aus: 
fließen darf. Die Gemeinden einer Provinz waren gewöhnlich von 
dee Dauptfladt ausgegangen, und flanden noch immer, nachdem fie 
ſchon Bifchöfe hatten, in einer gewiſſen Abhängigkeit von dem Biſchofe 
der Hauptſtadt. Sie bedurften nod immer feines Schuge® und Bei⸗ 
flandes bei mißlichen Lagen und Berfolgungen, weil er zunaͤchſt an der 
Quelle war, in fofern auch der Gouverneur ber Provinz feinen Sig 
in- dee Hauptitadt hatte, von dem alle Befehle für und "wider die 
ChHriften ausgehen mußten. Außerdem war die Kicche der Hauptſtadt 
gewoͤhnlich veicher als die in den Provinzen. - Der Bifchof der Haupt⸗ 
ſtadt konnte alfo auch die Biſchoͤfe der Provinz mit Geld unterflügen, 
für die Armen ihree Gemeinde forgen u. f. w. — Alles bieß und noch 
andere Urfachen mehr, die bier anzuführen zu wmeitläuftig feyn twürde, 
hatten ben Biſchof der Hauptſtadt (Metropolit) gewöhnlich auch zum 
Primärbifhof der ganzen Provinz gemacht. Als die Synoden auflas 
men, hatte er fchon ein höheres Anfehen vor den Gollegen feiner Pros 
vinz. Was war‘ alfo natürlicher, als daß er fih auch den Vorzug 
ber Spnodaldirection anmaßte, und daß fih ber Übrige Klerus dieß 
gefallen ließ, weil er es fchon gar nicht anders wußte, ald daß ber 
Bifhof dee Hauptſtadt einige Vorzüge haben muͤſſe? Freilich war dies 
fer Vorzug der Spnobdaldirection der größte, den der Metropolit bisher 
hatte. Allein damit er nicht gar zu fehr den uͤbrigen Biſchoͤfen aufs 
fallen möge, hüten fi die Metropoliten bei ber Ausübung biefes 
Vorrechts in eine Übergroße Demuth und fprachen häufig von ihrer 
Kleinheit und Unbedeutſamkeit (mediocritas), welhe Sprache um fo 
viel unerträglicher ift, je mehr man weiß, daß fie den Ungehorfam ber 
Biſchoͤfe und Presbyter fehr hoch aufgenommen haben würden, und 
dap die Dbfervanz dieſes gar großen Vorzugs bald darauf zum 
Geſetz wurde. | 
Sonach hatten nun bie Biſchoͤfe dee Hauptſtadt bei den Provin⸗ 
zialfpnoden den Vorzug und mit der Zeit das Mecht, die Sipnoden zus ' 
fanımen zu berufen; ferner den Vorfig darauf fammt den Vorträgen 
der Sachen, die verhandelt werben follten; dann das Stimmenfammeln, 
bie Abfaffung der Schlüffe und die Ausfertigung der Synodalſchreiben. 
Letztere hätten zwar im Namen aller derer, die mitgellimmt hatten, 
ausgefertigt werden follen, und bisweilen wurden aud wirklich bie 
Namen der vorzüglichiten Anmwefenden mit angeführt, wie man aus 
‘dem Spnobdalfchreiben der 3. Synode zu Antiechien fehen kann, allein 
gewöhnlich gefchah es nur im Namen des Metropoliten, welches man 
an dem Spnobalfchreiben bei Gelegenheit des Oſterſtreits ſehr deutlich 
‚wahrnimmt. Auch kann die dritte Synode von Antiochien nicht ein- 
mal zum Beweiſe fürs Gegentheil gelten, in fofern der Metropolit 
Paul von Antiochien eben abgefegt war, und die uͤbrigen Biſchoͤfe 
feine Stelle vertraten, bie fi alfo natürlicherweife auch namentlich 
nannten. Man weiß nicht einmal, wer biefe Spnoden gegen Paul 
von Samofata zufammenberufen, hat. Darf man nad, der Analogie 
fließen, fo find es ber Altefte oder mehrere ber aͤlteſten Biſchoͤfe ge> 
weſen, die in folhen Sällen ben Rang hatten. So vertrat 3. B. der 
ältefte Bifhof, Palmas, in Pontus die Stelle des Mztwollten, weil 


40 | Synodalverfaffung. 


kein eigentlicher Metropolit da war. Palmas hatte alſo als der aͤlteſſe 
unter, feinen Collegen den Vorſitz, faßte das Synodalſchreiben ab 
n.f. m. — Zum Beweiſe endlich, wie eiferfüchtig die Metropoliten 
auf ihre Vorzüge waren, ‚wohin auch gehörte, daß das Synodalſchrei⸗ 
ben nur in ihrem Namen abgefaßt wurde, darf man nur an das 
Schreiben des Polykrates von Ephefus denken. Er giebt zwar zu, daß 
er auch nod die Namen der verfammelten Bifchöfe anführen Tönnte; 
allein er fieht nicht ein, wozu diefe Weitlaͤuftigkeit nöchig fei, da fie 
ſaͤmmtlich feiner Meinung waren. . 

Dieb war nämlich eine andere, fehe natürliche Folge. von dem 
BVorfige und Vortrage der Meteopoliten, daß die heilige Synode ge= 
woͤhnlich ihrer Meinung war, wodurch ihr Anfehen und ihr Stolz. 
einen neuen Zuwachs bekam. Es laͤßt ſich Leicht denken, daß, wer 
dey-Bortrag einer Sache in einem Collegio hat, Die Sache felbft auch 
fo wenden und. feine Meinung darüber mit folchen Gruͤnden unter 
flügen kann, daß die gewöhnlichen Collegen blos den einzigen Gefichtde 
punct faffen, den der Proponent gefaßt wiſſen will, und Daher eben fo urthei= 
len, wie der Proponent. Alſo ließ fi) auf den Synoden fchon voraus ſe⸗ 
ben, daß die Pluralität der Meinung des Metropoliten beitreten würde, 
Dieß geſchah auch in der Regel; denn der eine Theil hatte nicht Kraft: 
genug, die vorhandene Sache von allen Seiten zu überfchauen und 
ein anderer Theil nicht Muth genug, dem Metropoliten zu widerſpre⸗ 
hen; mithin blieben entweder gar keine übrig, die anderer Meinung 
waren, ober doch nur fehr wenige, die fehr bald überflimmt wurden. 
So fagt z. B. Firmilian beim Eyprian, bag noch einige Biſchoͤfe un: 
ter ihnen verfcbiedener Meinung in Hinſicht der Kegereien gewefen 
wären ; allein man habe deshalb eine Synode zu Ikonien veranftaltet, 
und man darf getroft im Sinne des Firmilian Hinzufegen,: worauf 
man die Meinung jener Bifchöfe fehr basd verdammte. Das Bewußt: 
feyn dieſes fichern Gelingens auf den Spnoden ließ die Metropoliten 
dann aber auch mehrere hierarchiſche Schritte thun , die fonft kein Pri: 
märbifchof gewagt haben würde. So erilirte z. DB. der Metropolit von 
Alerandrien mit feiner Synode 230 den Drigenes, weil er fi) hatte 
von den Primäcbifhöfen zu Cäfarea und Jeruſalem zum Presbyter 
weihen laffen, wodurch der Hieracchifche Stolz des Demetrius gekraͤnkt 
mar. — Gornelius magte ed fogar mit feiner Spnode zu Rom 251 
die drei Biſchoͤfe, welche den Presbyter Novatianus zum Biſchofe ge: 
weiht 'hatlen, getroft abzufegen, den einen davon, Trophilus, ber ſich 
reuig bezeugte, zwar nur zur Laiencommunion zu verdbammen, bie an= 
dern beiden aber völlig zu ercommuniciten. Ein ſolches hierarchifches 
Verfahren, wodurch den Gemeinden vielleicht ihre beliebteſten Lehrer 
entriffen und ganz fremde an ihre Stelle gelegt wurden, durfte damals 
gewiß noch fein Metropolit allein wagen, fondern er vermochte 
es nur umter dem Schuge einer Synode. In fofeen nun aber bie’ 
Synoden gewoͤhnlich nur das Organ blieben, wodurch er ſprach, fo 
ſieht man keicht, daß es doch eigentlich nur ber Metropolit war, ber 
fo hieracchifch verfuhr, und die Gemeinden mußten dazu ſchweigen. 

Ueber die dritte, von uns aufgeworfene Frage: das Stimmen: 
rebhr auf den Synoden betreffend, herrſcht Dunkel und 
Verwotrenheit. — Es fragt fi, wer denn eigentlich Sig und Stimme 





Spynobalverfaflung. | 421 


‚auf ben: früheren Synoben hatte. Daß außer ben Biſchoͤfen auch Press 
byter Sig und Stimme hatten, läßt fi gar nicht leugnen; denn Die 
Beifpiele, bie dieß beweiſen, find deutlich genug. Hierher gehört z. B. 
bie Stelle des Firmilian aus der Mitte des dritten Jahrhunderts: us 
Seniores et Praepositi in unum conveniamus, mo «8 ſcheint, baf 
man Seniores nur von Presbytern verftehen kann. Ferner darf man 
ſich nur an die fchon angeführten Spnoden in Arabien erinnern, wo 
der Presbyter Origenes die Hauptperfon, und an bie dritte von Antios 
bien, wo der Presbpter Malchion bie Sache entihied. Der Grund 
dazu liegt ebenfalls in der Natur der Sache. Es iſt ſchon bemerkt, 
daß nicht jede Kirche einen Bifhof, wohl aber einen Presbyter haste, 
Vorzüglich war die in den Städten der Fall, wo mebrere Gemeinden 
(Kirchen) waren. So war zu Rom nur ein Bifchof, aber zur Zeit 
des Gornelius 46 Presbpter, alfo auch eben fo viele Kirchen; dagegen 
nur 7 Diaconen und 7 Subdiaconen , wahrfcheinlich nach der Zahl dex 
Diaconen zu Serufalem. Nun follte doch auch wenigſtens dem 
Scheine nach jede Gemeinde repräfentirt werben, oder Deputirts auf 
die Synode ſchicken, alfo mußten die Presbyter auch mit Sig und 
Stimme auf den Spnoben erfcheinen. 


Schwieriger ift es fhon mit den Diaconen. Man hört auch von 
biefen, daß fie auf den frübern Synoͤden gewefen find, allein- man weiß 
nit, 0b mit oder ohne Stimme? Die Diaconen wurden von ben 
Biſchoͤfen fhon als Amanuenfes und ald Ministri zue Verfendung und 
Beſtellung gebraucht, baher es immer möglich wäre, daß fie die Bis 
Ihöfe als bloße Handlanger und Diener mit auf die Synoden gebracht 
hätten. Indeſſen fcheint doch ein Beiſpiel vorhanden zu ſeyn, daß 
auch die Diaconen auf ben frühern Spnoden Sig und Stimme hatten, 
wenn fie dabei zugegen waren. Indem Eufebius 7, 28. von ber erſten 
Synode zu Antiohien gegen Paul priht, und bie berühmteften Me: 
tropoliten und Bifchöfe, die auf dieſer Synode anweſend waren, nas 
mentlich aufgezählt hat, fegt er hinzu: „Man koͤnne noch fehr viele 
„andere (Bifchöfe) nebft den Prieſter und Diaconen berechnen, 
„die fih damals um eben diefer Urfache willen (dev Kegerei des Paulus) 
„in der gedachten Stadt (Antiochien) verfammelten; allein bie oben 
„genannten waren bie berühmteften darunter.” Wozu hätten fid aber 
nun Presbpter und Diaconen um biefer Urſache willen verfammeln 
koͤnnen, wenn fie nicht Sig und Stimme auf den Synoden gehabt 
hätten? Auch leuchtet aus dieſer Erzählung gar kein anderer Zweck 
ihres Daſeyns hervor, als den die Primdrbifchöfe und Bifchöfe hatten, 
nämlich den Paul von Samofata zu rihten. Man wird auch nod) 
an die Spnode des Cornelius 251 zu Rom denken, wo ebenfalld Dias 
conen und fogar Laien (Confefjoren fammt dem Volke) gegenwärtig 
waren. Allein biefe wollen wir als unregelmäßig ausſchließen, indem 
der Parteigeift des Cornelius alles Mögliche auf diefe Synode brachte, 
um feine Partei zu verſtaͤrken, alfo auch Confefforen und das Bolt 
wider alle Tonftige Regel in Rom. / 


Hier wird nun die Frage wichtig: ob denn auch Laien 
Sitz und Stimme auf den Synoden gehabt haben? 
Dieſe Trage wird von Walch p. 121 bejaht. x glaubt, daß wenig⸗ 


I) 





422 | Synobalverfaffung. 


ſtens die Laien bes Ortes, wo bie Synoden gehalten wurden, ober nad 
Anderer Meinung wenigftene Volksdeputirte aus den Provinzen, berem 
Bischöfe zu einer Synode abgeſchickt wurden, Theil nahmen. Jedoch [cheint 
man der Wahrheit am nächften zu kommen, wenn man annimmt, daß 
die Lalen niemals Sig und Stimme auf den Synoden gehabt hätten. 
Nun könnte man zwar einwenden, baß bloß einige Deputicte aus allen 
Gemeinden auf den Spnoden die Stellen ber Gemeinden vertreten 
hätten, und daß dadurch eigentlich die Mepräfentation bewirkt fel; allein 
dieß hieße etwas behaupten, wovon bie Gefchichte keine Sylbe fagt. 
Mo die Laien wirklich auf den Spnoden mitfprachen, da muß es irgend 
ein Intereſſe des Klerus verlangt haben, wenn wir es aud nicht im= 
mer kennen oder der Zufland der Spnoben muß noch in feiner Kindheit 
geroefen fen, wie 3. B. in Afrika und Spanien. Offenbar war es 
Kunftgriff dee Parteifucht, den Cornelius verfuchte, wenn er auch Cons 
fefforen und das Volk auf feine Seite zog, um feine Meinung auch 
durch den Beifall der Menge gegen Novatianus und deſſen Partei 
durchzuſetzen. Außerdem hat man fi wohl zu hüten, daß man nicht 
Die Gegenwart bed Volks mit Sig und Stimme des Volks verwechele, 
Gewoͤhnlich wurden die Synoden in den Kirchen oder Verſammlungshaͤu⸗ 
fern der Chriften gehalten. Sobald dieß der Fall war, fand ſich auch 
die Gemeinde als Zuhoͤrer ein oder wurde auch befonder® dazu einge: 
Inden. Die Synode wurde alfo In der Mitte des Dolls gehaltenz 
aber daraus folge noch nicht, daß nun aud die Laien Stimmen 
gehabt hätten. - 

Von den Griechen weiß Walch felbft kein anderes Beiſpiel anzu⸗ 
führen, als eine Synode in der Provinz Arfinoe 256 unter dem Me: 
tropoliten Dionyſius von Aleranbrien, von dem nicht blos die Press 
bpter und die übrigen Lehrer, fondern auch einige Laien, die Luft bazu 
hatten, mit zu Mathe gezogen wurben. Allein, wenn man die Erzaͤh⸗ 
lung des Eufebius genau lieſt, fo war dieß eigentlich eine Synode, 
fondern ein Religionsgeſpraͤch oder eine gelehrte Disputation. Mepos hatte 
mie feiner Schrift: Widerlegung der Allegoriften, wortn 
er aufs neue den Chiliagmus ſehr heftig gegen Drigenes und beffen 
Partei vertheidigte, einen großen Anhang gefunden. Dionyfius fuchte 
aber den Eindrud, den diefe Schrift gemacht hatte, als ein Origenia⸗ 
ner wieder zu ſchwaͤchen, und fchrieb und disputirte gegen diefelbe. 
Eine ſolche Disputation hielt er auch in der Provinz Arfinoe, wo ber 
Anhang des Mepos fehr bedeutend war, mit dem Klerus und ben 
Laien, die mit ihm zu bisputiren Luſt hatten. Er fagt felbft, daß er 


drei Tage mit ihnen disputirt habe, um die Schrift des Nepos zu 


widerlegen, und daß es ihm endlich gelungen fei, bie Brüder auf 
andere Ideen zu bringen. Dieß war alfo feine Synode, fondern ein 
Meligionsbisput, weshalb auch kein Kicchenhiftoriker vor Walch eine 
Synode daraus gemacht hat. Ä - 

Bon den Spnoden unter den Griechen ift endlich noch zu merken, 


daß auf der zweiten Synode zu Antiochien gegen Paul von Samoſata 


zuerfi Motarien gebraucht find, um ein Protokoll zu führen, welche 
. Sitte im 4. Jahrhundert allgemeiner wurde. Es waren Gefchwinds 
fchreiber da, -weilche die ganze Disputation des Presbyters Malchion 
mit dem Paul auffchrieben. Diefes Protokoll war noch zur Zeit des 





— — — — 


Spnobalverfaffung. 433 


Eufebius vorhanden. Vergl. Eufeb. 7, 29%. Ueber bie Notarien vergl. 
den Art. Kirchliche Beamte ıc. 2: Bd. p. 434. und den Art. Schreibes 
Zunft 4 Ba p. 304 ff. Werfen wir nun noch einen Rüdblid auf 
unfre zeitherige Unterfuchung, fo büsfte ſich folgendes Ergebniß heraus: 
fielen: „Die Synobden, deren Begriff wir feftgefegt 
„baben, finds niht als Nachahmung der Apoftel 
„und Bemeindbeverfammlung nach Act. 15. entflans 
„den, fondern hatten ihren Brund mehr in zufäl- 
nligen Deranlaffungen, die von der frübern Be 
„ſchaffenheit der hriftlihen Kirche bedingt. waren. 
währe Urfprung if zunädft unter den Brichen zu 
„ſuchen, und die äußere Sorm derfelben mag. wohl 
„Manches von den griedhifchen Staatseinrihtun: 
„gen angenommen baben. Don den Metropoliten 
„wurden fie zufammen berufen, diefe führten aud 
„den Dorfig auf denfelben, leiteten die Derbands: 
„lungen größtentbeils in ihrem ntereffe, und 
„mehr oder weniger deutlihh wird bemerfr, daß 
„Bifhöfe, Presbyter und Diaconen Stimmredt 
nbetten, ein Dorzug, den man den Laien nidht ges 
nitattete. Tertullian Pennt zwar in Afrika die 
„Synoden noch nidht; allein bald nach ihm werden 
„tie aud bier gewöhnlih, und verbreiten fih in 
„das übrige Abendland, Spanien, Ballien, Ita: 
„lien. Jedoch bilden fie fih hier noch nicht fo voll: 
„kommen aus, wie unter den Briedhen, von Denen 
„tie felb im Einzelnen abweiden, 3. B. in den 
„Provinzen von Numidien und Mauritanien war 
„niht der Bifhof der HAauptftadt Metropolit, 
„Tondern der jedbesmalige Bifhof von der Ordi⸗ 
„netion an gerehhnet, er mochte fo jung feyn, wie 
„er wollte; in der Provinz Afrifa aber war es 
„wiederum der jedesmalige Bifhof von Cartha⸗ 
„99 Trat nun eine Univerfalfynode ein, fo 
„batte auch der Drimas von Carthago vor ben, 
„Sbrigen Primaten den Vorſitz und dirigirte die 
„Synode. Im Morgen» wie im Abendlande wa: 
„ren die meiften Synoden Provinzialfynoden und 
„nur von wenigen galt es, daß fie etwas mehr 
„oder weniger waren, ökumenifhe Synoden konn⸗ 
„ten erft in der folgenden Periode durdy die Raifer 
„möglid werden. Wie fie (bon jest ein treffli- 
„bes Mittel find, das Anfeben des Klerus zu be: 
„ben und ein gewiffes hierarchiſches Uebergewicht 
„berbei zu führen, fo wird dieß in der Solgezeit 
„immer noh mehr bemerkbar.” 

. Damit man eine anfchautihe Idee von der Form ber Verband: 
lungen auf ben Spnoden gewinne, wollen wie zum Befchluffe noch den 
Anfang und da6 Ende des aͤlteſten Protokolls, welches uns aus der 
frühern Zeit noch aufbehalten ift, hierher ſetzen. Es iſt das Protokoll 














Pr’ Spnodaloerfoflung. 


der brietm Synode zu Garthago 256, ober lie. aur ein 
Fragment davon, eldre die Meinungen bee bier gegenwaͤrtigen 87 
Biſchdfe aus allen drei Provinzen von Afrika enthält, die. nah dem 
Wunſche des Cyprian über die Guͤltigkeit der Ketzertaufe indgefanmt übers 
einflimmen. Man fieht daraus, dag es auch fihon in Afrika Sitte 
war, die Vota auf der Synoden buch die Notarien auffchreiben zu 
laſſen. Es ficht in den Werken des Cyprian p. 329 ed. Balus. 
Sententiae episcopor. LXXXVII. 
de haereticis baptisandis. 

Cam in unum Carthagine convenissent Kalendis episcopi plarimi 
ex provincia Africa, Numidia et Mauritane, cum presbyteris et 
diaeonis praesente etiam plebis maxima parte et 
lectae essent literae Jubajani ad Cyprianum fastae, item Cyprieni 
ad Jubajanum rescriptae de haeretieis baptizandis, quidque post- 
modum Cypriano Jubajanus idem reseripserit, Cyprienus dixit: 
Audistis collegae dilectissimi, quid mihi Jubanus Ceepiscopus noster 
scripserit, consulens mediocritatem nostram de illicito et 
profano Haereticorum baptismo, et quid ego ei rescripserim, cen- 


sens scilioet, quod semel atque iterum et saepe cenguimus haereti- . 
cos ad ecelesiam venientes ecclesiae baptismo baptizari et sancti- 


ficari oportere. Item lectae sint nobis et aliae Jubajani literae, 
quibus pro sua sincera et religiosa devotione ad epistolam nostram 
rescribens non tantum consensit, sed etiam instructum se ess® 
confessus, gratias egit. Superest, ut de hac re singuli quid sch- 
tiamus, proferamus, neminem judicantes, aut a jure communionis 
aliquem, si diversum senserit, amoventes. Neque enim quisquam 
nostrum episcopum se esse constituit, aut tyrannico terrore ad 
obsequendi necessitatem collegas suos adigit, quando habeat omnis 
episcopus pro licentia libertatis et potestatis suae arbitrium pro- 
prium , tumque judicari ab alio non possit, quam nec ipse potest 
alterum judicare. Sed exspectemus universi judicium Domini Jesu 
. Christi, qui unus et solus habet potestatem et praeponendi nos in 
ecclesiae snae gubernetione et de actu. nostro judicandi. Ca’e- 
cilius a Bilta dixit: Ego unum baptisma in ecolesia zolum 
scio et extra ecclesiam nullum. Hic erit unum, ubi spes vera et 
fides vera. (Nun folgen die einzelnen Vota, die wir übergehen, und 
nur noch einzelne merkwürdige auszeichnen.) 

astus a Sicca dixit: Qui contemta veritate praesumit 
eonsuetudinem sequi, et circa fratres invidus est et malignus, 
quibus veritas revelatur, aut circa Deum ingratus, cu- 
jus inspiratione ecclesia ejus instruitur. 

Zosimus a Tarassa dixit: Revelatione facta veritatis 
cedat error ‚veritati, quia et Petrus, qui prius eircumcidebat, ces- 
sit Paulo veritatem praedicanti. 

Pudencianus a Cuceculi dixit: Novitas episcopatus effecit, 
fratres dilectissimi, ut sustinerem, quid majores judicarent, Num 
haereses nihil habere nec posse manifestum est. Atque ita, si qui 
ex eis venerint baptizari, acquissime statutum est — — — (Es 
ſcheint, als wenn diefer Biſchof nach dem Range feines Eiges früher 
hätte flimmen müflen; allein er war noch ein Teuling und wohl auch 








Spmebalverfaflung. 425 
en Schwachkopf. Denn fein Votum tft nicht fehr grünblih, auch 
nicht einmal fonderlih lateiniſch wusgebrüdt; daher ſchwieg er eine 
geraume Zeit.) 

item alius Lucius ab Avizia dixit: Secundum motum 
animi mei et Spiritus Sanoti, cum sit unus Deus, et unus Chri-' 
stus, et una Spes, et unus Spiritus, et una coeelesis, unum debet 
esse baptisma, j ' 

Victor ab Octave dixit: Quod et ipsi scitis, non olim 
sum episcopus eonstitutus et ideo exspeetabam Praceessorum con- 
silium. Hoc itaque existime, ut, quicunque ex haeresi venerint, 
baptizentur. 

Natalis ab Oëa dixit: Tam ego prassens, quum Pompe- 
- jus Sabratensis, quam etiam Dioga Leptimagnensis, qui mihi man- 
daverunt, corpore quidem absentes, spiritu praesentes, censemus, 
quod et collegae nestri, quod haerstici communicationem habere 
non possunt nisi ecolesiestico baptismo baptizati fuerint. — — — 
(Dieß iſt ein merkwürdiges Beiſpiel, daß man feine Stimme aud 
einem andern übertragen konnte, wenn man nicht felbft kam. Diefe 
Methode fcheint aber aus Bequemlichkeit fehr bald gemißbraucht wor: 
den zu ſeyn. Daher feste die Synode zu Laodicea 372 im 40. Canon 
fefl: Non oportet episoopos, qui ‚vocantur ad Synodum, negli- 
gere. — Ned abire et docere et doeeri ad eccorreetionem ecele- 
siae et religuorum. Si quis autem neglexerit, is se ipsum accu- 
sabit, praeterquam si propter intemperiem et aegritudinem non, 
venerit.) a 
Cyprianus Carthagine dixit: Meam sententiam ple- 
nissime exprimit epistola, quae ad Jubajanum, collegam nostrum 
scripta est, haereticos secundum evangelium et apostelicam con- 
testationem et adversarios Christi et antichristos appellatos, quando 
ad ecelesianm venerint, unico ecclesiae baptismo baptizandos esse, 
ut possint fieri de adversariis amici et de autichristis christiani. 
(Daß CEyprian nicht zuerſt und ganz zuletzt ſtimmt, rührt wohl daher, 
bag er im Anfange feine Meinung gewiſſermaßen ſchon gegeben batte, 
da feine Briefe vorgelefen wurden, auf big er ſich auch bier wieder 
beruft. Nachdem er alfo hatte flimmen. laffen und alle Bifchöfe feiner 
Meinung waren, recapitulirt er fein Votum blos. Es wird dieß von 
uns hauptfächlicd, nur deswegen bemerkt, damit man nicht glaube, Dies 
ſes Beiſpiel widerfpreche der Behauptung, daß der Meteopolit den Vor⸗ 
trag der zu verhandelnden Sachen hatte. Den hat er auch bier, und 
er befteht darin, daß er bie gewechfelten Briefe vorlefen läßt, bie dem 
ftreitigen Punct betreffen.) 

‘ 110 Synoden-unter dem Einfluffe der Kaiſer. — 
Sobald das Ehriſtenthum fih zur Staatsreligion im Roͤmerreiche zu 
erheben anfing, was bekanntlich mit Conftantin dem Großen geſchah, 
mußten die Kaifer auch ihre Aufmerkſamkeit auf die Kirche richten, 
und fie durften nicht verkennen, daß die bürgerliche Wohlfahrt mit dem “ 
kirchlichen Leben genau zufammenhing. Die kirchlichen Streitigkeiten 
der damaligen Zeit waren von der Art, baß fie bald auch in politifche 
Bermegungen dusarteten. Dieß wohl erkennend benugte der SKaifer 
Eonftantin bie beftehende Sitte, durch Synoden Streltfragen entfchels 





426 = Synodalverfaſſung. 


den und bellegen zu laſſen. Dem erſten Verſuch diefer Art machte ex 
zu Arles 514 in Gallien, um Zwiſtigkeiten, die in Afrika obwalteten 
und dafelbft große Spaltungen verurfacht hatten, fchlichten zu laſſen, 
ein Verſuch, wo ihm alles befier gelang, als felbft bei der Zufammens 
berufung des fpäter fo berühmt gewordenen Concils zu Nick. In 
der That benahm fi auch der Kaifer in diefer Sache ſehr Hug; denn 
die Spnode wurde von ihm nicht in. der Gegend ſelbſt veranflalter, 
wo die Streitigkeiten Statt fanden, fondern in einer entferntern. Auch 
wählte er mehrere auswärtige Biſchoͤfe, welche uͤber Die Angelegenheiten 
entſcheiden foliten. Das Schreiben, welches der Kaifer bei diefer Ge⸗ 
legenheit an den Biſchof Käcilian in Carthago erließ, und welches 
Eufebius Kischengefchichte 10,. 6. aufbewahrt hat, verdient bier im 
Auszuge mitgetheilt zu werben, da es theils zum Beweiſe dienen kann, 
weiche Gewalt die Kalfes anfangs auch in kirchlichen Angelegenheiten 
ausübten, theils, weiche Wichtigkeit bereits fchon jest die Licchlichen 
Synoden erlangs hatten. Dieß Schreiben lautet, wie folgt: 


GConflantinus Auguftus an den Biſchof Cäcklian 
| in Carthago. | 

„Da es mir gefallen hat, einigen Dienern der gefegmäßigen heis 
„ligen Religion in allen Provinzen Afrikas, Numibiens und der beis 
„den. Mauritanien die nöthigen Unkoſten barzureihen, fe habe ih am 
„den Urfus, meinen vortrefflihen Rechnungsbeamten in Afrika, dem 
„Befehl erteilt, dir 300 Beutel auszahlen zu laſſen. Wenn du ba: 
„ber die Summe empfangen Haben wirft; fo gieb bir Mühe, alle 
„Dbsnerwähnte, nach eines Anweiſung, die du von Hofius erhalten 
„wirſt, damit zu betheilen. Sollteſt bu es für nöthig finden, daß 
„noch etwas zu des Summe hinzugefügt werde, fo laß es dir unver 
„zuͤglich von dem Auffeher unfter Güter auszahlen, da du meinen 
„Eifer gegen euch kennſt. Denn ich habe ihm bei feiner Anwefenheit 
„aufgetragen, daß, wenn du Geld von ihm fordern wuͤrdeſt, er es 
- „ohne Anfland auszahle. Da ich ferner in Erfahrung gebracht babe, 
„daB fi einige unfianige Menfchen vorfinden, welche damit umgehen, 
„daß fie das Volt den heiligſten allgemeinen Kirche durch verkehrte und 
„fatfche Kehren verderben, fo wiſſe, daß ich dem Proconful Amutinus 
„und dem Stelivertreter des Statthalter Patricius, bei ihrer Anweſen⸗ 
„beit aufgetragen habe, daß fie bei ſolchen vorlommenden Füllen weder 
„duch die Singer fehen, noch fahrläffig fih benehmen follen. Sollteſt 
„du daher wahrnehmen, daß dergleihen Menſchen in ihrer Verkehrtheit 
„fortfahren, fo wende dich ohne Verzug an die erwähnten Richter, und 
„fordere fie auf, fo gegen biefelben zu verfahren, wie ich ihnen felbſt 
bei ihrer Anweſenheit gebot. — Die göttlihe Macht bes hoͤchſten 
„Gottes erhalte dich noch viele Fahre.” ' 

Die Geldbeutel haben eben fo wenig als das Schreiben ihre Wir⸗ 
fung verfehlt; denn bie zus Spnode verfammelten Biſchoͤfe ſtimmten 
gerade fo, wie der Kaiſer es angegeben hatte und wie ber Vertraute 
Conſtantins, Hoſius, welcher die Gewanbtheit eines Hofmanns und 
die Würde eines Biſchofs mit einander zu vereinigen wußte, die Ange: 
legenheiten leitete. Wir gehen nun über zu dem Benehmen des Kal: 
fers Conflantin bei der Bufammenberufung des Nicänifchen Concils 





Synobalorrfaffung. 4 27 


uud. verweilen dabei etwas Länger, theils um zu zeigen, welchen Ans 
thell die Kaiſer bald um politiſcher Zwecke willen, bald auch weil fie 
fih in diefer Stellung befonderd mohlgefielen (im Geiſte Conftantins 
handelten auch mehrere fpätere Kaifer), theild auch ben Beweis zu fühs 
gen, wie wichtig von nun an befonder® die fogenannten oͤkumeniſchen 
Concilien auf die Geſammtkirche einwirkten. 


Kaum hatte Conftantin ben Innern Kampf um bie Oberherrfchaft 
zu Ende gebracht, indem er den legten feiner Gegner Licinus übers 
wand, als in einem andern Theile des Roͤmerreichs Religionsſtreitig-⸗ 
feiten entftanden, deren Wichtigkeit er alfobald einfah. Worahnend - 
uͤberblickte er gleichfam die bedeutenden Folgen, welche biefelben bei 
toeiterer Verbreitung für Kirche und Staat haben mürden. Diefe 
Streitigkeiten waren befanntlih daraus entflanden, daß Alerander, 
Biſchof von Alerandrien, mit Arius, feinem Presbyter, Aber die 
Bleihwefenbeit des Sohnes und deffen Erzeugung 
aus dem Pater, fih heftig entzweit hatte, 


Als der Kaifee Nachricht von dem entitandenen Zwiſte erhielt, vers 
fuchte. er fogleich denfelben durch feine eigene Dazwiſchenkunft beizulegen 
und bie weitere Verbreitung und Theilnahme an demfelben zu hindern. 
In dieſer Abſicht fchrieb er feldft einen Brief an beide Männer, worin 
‘er fie zum Frieden und zur Eintracht ermahnte, und ihnen rieth, ſich 
der Unterfuchung über ſolche Streitfragen, welche doch ſchwerlich jemals 
zu ergründen wären, lieben gänzlich zu enthalten, als dadurch Unheil 
in der Kirche anzuftiften. Dabei ließ er es aber nicht bewenden, ſon⸗ 
dern ſchickte nody feinen Vertrauten, den Bilhof Hoſius, nach Alexan⸗ 
drien, um durch mündliche Unterredungen und Vorſtellungen den er: 
theilten Ermahnungen leichter Eingang zu verſchaffen; doch alle diefe 
wohlgemeinten Verſuche waren vergeblih, die erhigten Gemüther ließen 
fi nicht beruhigen. Eingedenk alfo bes Einfluffes, den er durch bie 
-gefpendeten. Summen auf die Spnobe zu Arles ausgeübt hatte, beſchloß 
er auch in diefem alle eine noch größere Verfammlung von Bifchöfen 
zu veranftalten. Ohne Zweifel war dem Kaiſer dieſes Auskunftmittel 
durch feinen Liebling Hofius vorgefchlagen worden, und wenn dieß auch 
nicht der Fall geweſen wäre, fo hätten ihn doch noch andere Beweg⸗ 
gründe zu dem Entfchluffe, eine Synode zufammen zu berufen, brins 
gen müflen. Denn es hatte feinem Scharflinne nicht unbemerkt bleiben - 
tönnen, daß in der ganzen chriftlichen Kirche getheilte Anfichten und 
daraus bervorgegangene Spannungen entilanden waren, die um fo ties 
fere Wurzeln gefchlagen hatten, als fie aus den frühern Zeiten herruͤhr⸗ 
ten, und von Geſchlecht zu Geſchlecht fortgeecht waren. Hierher ges 
hörten die Meinungen über die Feier bes Pafichfeftes, über den ehelofen 
‚Stand ber Kleriker, über den Vorrang der Biſchoͤfe in den größern Städten 
u. ſ. w. Da feine Abficht ferner darauf gerichtet war, Einheit in bem 
Roͤmerreiche berzuftellen, fo wollte er die Vorſteher der vorzüglichften 
Gemeinden, wofür er. die griechifche oder morgenländifche Kirche hielt, in 
einer Stadt, zu einer Zeit und in einem Saale verfammeln, um ihnen felbft 
dos Bild einer gemeinfamen Verbindung und der Einheit der Kirche 
verwirklicht darzuftellen, und fomit jenen Irrungen und Spaltungen 
auf einmal ein Ende zu machen. Endlich wollte er den Heiden das 





428 Synodalverfaffung. 


Chriſtenthum in ſeiner aͤußern glänzenden Geſtalt zeigen, Inden er als 
Beherrſcher des großen Roͤmerreichs ſich an die Spitze der Kleriker, als 
Stellvertreter der Kirche ſtellte, und daraus Jedermann erkennen ſollte, 
wie ſehr die neu angenommene Religion von ihm geehrt werde. 

Zum Orte, wo die Synode gehalten werden ſollte, beſtimmte er 
Nicaͤa, eine Stade in Bithynien, die ſchoͤn und regelmäßig gebaut 
war und worin fid ein großer, Paiferlicher Palaft befand. Hierauf 
lieg er Schreiben an die Biſchoͤfe des Drients ergehen, um fie einzu: 
laden nad) Nicda zu kommen; aud gab er Befehl, daß fie mit kai⸗ 
ferlihen Pferden, oder mit Laftthieren, bie zum öffentlihen Dienfte 
befliimmt waren, herbeigeführt würden, um ihnen theild die Koßen zu 
erfparen, theils um ihre Reiſe zu befchleunigen. In Nicaͤa felbft wur⸗ 
den ſaͤmmtliche Kleriker noch überdieß während ihres Aufenthalts durch 
die Freigebigkeit des Kaiſers ale Tage reichlich mit Speiſen verfehen, 

Die Anzahl der verfammelten Biſchoͤfe mag ſich übrigens ungefähr 
auf 300 belaufen haben; denn in der Angabe weichen die alten Schrift: 
fleller von einander ab. Hierunter find aber die Märtyrer, die Bes 
kenner, die Presbyter und die Diaconen nicht mit inbegriffen, von 
denen wohl noch eine größere Zahl zugegen war. ı 

As Eufebius diefe Abgeordneten aus den verfchiedenen Gegenden 
des Reihe auf den Wink des Kaiſers fo zahlreich in einer Stadt und 
in einem Saale verfammelt ſah, konnte er nicht umhin, fie mit 


. einem Kranze aus den fhönften, vietfardigften Blumen geflochten zu 


vergleichen. Abenbländifhe Blumen befanden fi jedoch nur wenige 
in diefem Kranze; denn außer dem Bifchofe Hoſius waren noch zwei 
sömifche Presbyter, Vitus und Vincentius mit Namen, zugegen. 

Ehe der Kaifer ſelbſt ankam und die Synode feierlich eröffnete, 
fcheinen einzelne Verfammlungen und Belprechungen vorhergegangen 
zu ſeyn, in welchen Arius mit feinen Sreunden auf der einen Seite, 
Athanaftus, der Wortfülser feines Biſchofs auf der andern Seite, ihre 
Meinungen weitlduftig vortrugen, erörterten und vertheidigten, auch die 
fremden Kleriker für ihre Partei zu gewinnen fuchten, wobei der Bor: 
theil auf der Seite des Athanafius zu feyn fehlen. Selbſt heidnifche 
Philoſophen mifchten fich in diefe Verhandlungen und fudhten die chrift: 
lichen Lehrer durch vorgelegte fpiefindige Sragen noch mehr in Verwir⸗ 
rung zu fegen, wurden aber zuweilen durch den feſten Glauben einfa⸗ 
her Männer zurüdgemiefen, wohl gar zum Chriftenthume fetbft bekehrt. 
Eonftantin kam zuletzt an, und fogleich begann das erbärmliche Spiel 
des Parteihaffes, indem bie Biſchoͤfe und Kleriker ſich gegenfeitig vers 
leumdeten , die bisher verborgen gebliebenen Fehler und Verbrechen auf: 
dediten und die Anklagen in geheimen, angeberifchen Schriften (libellis) 
dem Kaiſer Üübergaben. Diefer hatte jedoch fo viel Einfihe, daß er auf 
alle diefe. Einzelnheiten gar nicht achtete, deren Beurtheilung auf einen 


Tag, naͤmlich auf den großen Gerichtötag der Welt, verfchob, und fie 


fämmtlih zur Einteaht und zum gemeinfamen Zufammenmwirken er: 
mahnte. Dierauf ließ er die eingegebenen Anklagefchriften verbrennen 
und den geößern Zwed vor Augen habend, eilte er die Sache bald zu 
Stande zu bringen. An einem von ihm beflimmten Tage verfammels - 
ten fi) daher die ammefenden Kleriker nebſt vielen Laien in einem 
weiten Saale des kaiſerlichen Palafles, und nahmen bie Sitze ein, 


ı 


Synodalverfaſſung. 420 


welche zu beiden Seiten fuͤr ſie aufgeſtellt waren. Als dieſes geſche⸗ 
hen war, herrſchte tiefe Stille, indem man den Eintritt des großmuͤ⸗ 
thigen Beſchuͤtzers erwartete. Keine Trabanten und keine Soldaten 
gingen vor ihm her; ſondern blos einige Glieder der kaiſerlichen Familie, 
ſo wie einige Freunde, die ſich ebenfalls zum Chriſtenthume bekannten. 
Auf ein gegebenes Zeichen, daß der Herrſcher ſich nahe, erhoben ſich 
. alle Anweſende von ihren Sitzen und ber Kaiſer trat ein, angethan 
mit Purpur und mit Edelfieinen glänzend gefhmüdt. Er ging mitten 
burch die Reihen bis zur oberften Stelle, wo ein goldener Stuhl für 
ihn bereit ftand, auf dem er fih, nachdem die Biſchoͤfe Ihn dazu ein: 
geladen, niederließ. Nachdem er Plag genommen hatte, folgten alle 
feinem Beiſpiele und fegten fich ebenfalls. 


Nach einem kurzen Zwiſchenraume erhob ſich der Biſchof, welcher 
ihm zue Rechten ſaß. Sozomenus nennt den Bifhof von Bäfaren 
Eufebius Pamphilus; wahrſcheinlich war es aber Euſtathius. Diefer 
bielt eine Dankrede an ben Kalfer und flimmte eine Dankhymne an. 
Als er ſich wieder gefept hatte, waren aller Augen auf den Kaifer 
gerichtet und hingen fchweigend an feinem Munde. Diefer blickte 
freundlich und gnädig um fidy her, dann [prach er mit fanfter Stimme 
‚nach einiger Sammlung Folgendes: 


„Meine Sreunde! es hat mit unter meine Wuͤnſche gehört, euch 
„einmal verfammelt zu ſehen; da dieſer Wunfch jest in Erfüllung ges 
„sangen ift, fo erkenne ih mit fchuldigem Dante gegen ben König aller 
„Dinge, daß er mir unter ander auch diefed große Gluͤck hat zu Theil wer⸗ 
„den laſſen, euch alle hier fo einmüthig und einträdhtig beifammen zu ſehen. 
„Möge kein feindfeliges Ungerittee unfrer guten Sache fchaden, und 
„möge fi der Kampf der Tyrannen gegen Gott, die durd dem goͤtt⸗ 
„chen Deiland erft befiegt wurden, jegt nicht wieder erneuern, da ber 
„Boͤſes liebende Dämon das göttlihe Gefeg umzuftoßen droht. Daher 
„ſcheint mie dee innere Streit der Kirche ein größeres und fchmwereres 
„Unglück zu feyn, als irgend ein Streit oder Krieg; denn er verur⸗ 
„ſacht ein berberes Gefühl, als der Schmerz, welder von Außen 
„kommt. Da ich alfo unter ber Leitung und mit Beihuͤlfe bes Alt 
„mächtigen die Feinde befiegt habe, glaubte ih, «8 fei nichts mehr zu 
„thun übrig, als Bott zu danken und mich mit denen zu freuen, die 
„unter befien Beiltande durch mic, waren befreit worden. Leider aber 
„erfuhr ich wider alles Erwarten, daß Uneinigkeiten unter euch ausge⸗ 
„brochen wären. Sobald ich alfo Kunde davon erhielt, meinte ich, die 
„Sache dürfe nicht hintenan gefegt werden, und wünfchend durch meine 
„Sorgfalt dem Uebel abzuhelfen, habe ich euch ohne Verzug zuſam⸗ 
„men kommen lafien. Nun’ freut es mich zwar, euch bier verfammelt 
„zu ſehen; doch würde ich dann erfl glauben, meinen Wuͤnſchen ge 
„maͤß etwas ausgerichtet zu haben, wenn ic) fähe, daß eure Gemüther 
„ale in friedlicher Gefinnung fich »ereinten, da es euch uͤberdieß als 
„Gottgeweihten geziemt, dieſelbe Gefinnung Andern einzuflößen. Be: 
„ginnt daher, meine Kreunde und gute Diener unfers gemeinfchaftlichen 
„Herrn und Heilandes, damit, daß ihr die Urfachen eures Zwiſtes aus 
„dem Wege fhafft umd die Streitfragen nach den Geboten Gottes loͤſt. 
„Auf ſolche Weile werbet ihr dem allmächtigen Gotte am wohlgefaͤl⸗ 





49 ESynodalverfaſſung. 

„ligſten ſeyn, und mir, eutem Mitbdlener, eine üuͤberſchwengliche 
„Fteude bereiten.“ 

Diteſe Rebe hat uns Euſebius in dem Leben Conſtantins B. 7. 
€. 12. aufbewahrt; auch if fie beim Sozomenus B. 1. E. 18. und 
beim Theodoret B. 1. C. 7. dem Sinne nad) zu finden, dody mit buͤn⸗ 
digern Worten und einigen Verfegungen. Da aber Eufebius ſelbſt bei 
jenee Verſammlung gegenwärtig mar, fo verdient feine Ueberlieferung 
den Vorzug um fo mehr, da es nicht unwahrſcheinlich iſt, daß er an 
: der Ausarbeitung geholfen hatte. 

Nach Beendigung der Rede, melde von dem Kaiſer in Lateinifcher 
Sprache gehalten und von einem Andern ins Griechiſche verdolmetſcht 
wurde, überließ er die weitern Erörtertungen und Berhandlungen dem 
vorfigenden Biſchofe. 

Deshalb hörte er aber nicht auf, bie Leitung und Dberaufficht 
über diefe Verhandlungen der Synode zu führen; benn als die Bis 
fchöfe anfingen, einander gegenfeitig anzullagen und darüber ein 
bigiger Streit entftand, fo blieb er bei den heftigen Ergießungen ber 
feidenfchaftlih bewegten Gemüther gelaffen, redete blo8 zur Sühne, 
unterftügte bald biefe, bald jene Partei durch fein Anfehen und befänf> 
tigte fie theils duch Zureden, theild duch Gründe, 

An dem Jahrestage feiner zwanzigjährigen Regierung gab ber Kals 
fec fämmtlichen Biſchoͤfen in feinem Palaſte ein praͤchtiges Mahl, wos 
von Eufebius noch ganz entzuͤckt geweſen zu feyn fcheint, ale er die 
Beſchreibung zum immerwährenden Andenken aufzeichnete. Beſonders 
merkwürdig aber waren ihm die Zrabanten, welche an dem: Eingange 
mit gezogenen Schwertern Wade fanden und duch deren Reihen die 
heiligen Männer Gottes furchtlos hindurch gingen. B. 8. C. 14, 

Gegen das Ende des prächtigen Mahles erhielt noch uͤberdieß jeber 
Anwefende von der Freigebigkeit des Kaifers glänzende Geſchenke. Dies 
fes Mahl follte zugleich ein Freudenfeſt über bie freilich nur ſcheinbar 
beigelegten Streitigkeiten feyn, indem faft alle Bifchöfe und Kleriker das 
Spmbolum unterfchrieben hatten, welches‘ die Gleichweſenheit bes Soh⸗ 
nes, des Öuoovaorov enthielt. Nur Eufebius von Cäfaren nahm noch wegen 
des Unterzeichnens einigen Anftand. Eufebius von Nitomedien hingegen, 
Theognis von Nicaͤa, Maris von Chakcedon, Thomas von Marmarika 
und Secundus von Ptolemais weigerten ſich defien ganz. Da jebody 
der Kalfer mit der Verbannung und die Synode mit dem Anathema 
drohte, fo bequemten fich auch die vier erſtern zur Unterfchrift, obgleich, 
wie die Kolge zeigte, das Unterzeichnen nicht aus innerer Ueberzeugung 
geſchah. Die beiden legten, welche flandhaft auf ihrer Weigerung 
beharrten, wurden nebft dem Presbyter Artus und deffen Anhängern 
von ber Gemeinfchaft der Kicche ausgefchloffen. 

Hierauf erfolgten die Übrigen Verhandlungen, von benen es Schabe 
ift, daß fie Eufebius nicht aufgezeichnet hat, da er und al6 Augenzeuge 
und Theilnehmer die beften Nachrichten hätte uͤberllefern können. Die 
gefaßten Gefege wurden zu einem Meichögefege erhoben; Kein Beſchluß 
der Synode ſcheint jedoch dem Kaifer mehr am Herzen gelegen zu ha⸗ 
ben, als ber, welcher die eier des Pafjahfeftes betraf; denn biefen 
ließ er ſogleich nach Beendigung der Synode in einem befondern und ſehr 


Synodalverfaſſung. 421 


Langen Schreiben denjenigen Kicchen bekannt machen, bern Biſchẽfe 
der Verſammlung nicht beigewohnt hatten. 

Die einzelnen Umſtaͤnde, welche beirdiefer Synode vorkamen, ſind 
etwas naͤher und weitlaͤuftiger angegeben worden, weil ſie zu den wich⸗ 
tigſten Verſammlungen der Art nicht blos in dieſem Zeitraume, ſondern 
auch in der Folgezeit gehoͤrt. 

a) Denn fie war die erſte, welche über ein beſonderes Dogma 
oder philofopbifch = religiöfen Lehrfag, eine beſtimmt ausgeſprochene Ent⸗ 
ſcheidung gab, Indem fie zugteich über zwei verfchiedene Meinungen 
und Anfichten aburtheilte, die beide das Ueberfinnliche und Unbegreif⸗ 
liche betrafen, und aus der neuplatonifhen Schule in Alerandrien ihren 
Urfprung genommen hatten. Bei dieſer Entfheidung und dem Urtheile 
über den Lehrfag bedienten ſich die Kleriker auf dieſer Synode Aus⸗ 
drüde ,- welche weder in dem Evangelio noch überhaupt in ber ganzen 
heiligen Schrift vorfommen, folglich dem Chriftenthume fremd waren. 
Hierdurch befchränkten fie aber das heilige Gebiet des Glaubens, indem 
fie daſſelbe mit engern Schranken umzogen, welches zur Folge haben 
mußte, daß ber hohe und freie Auffchwung bes Geiftes zu dem Goͤtt⸗ 
lihen gelaͤhmt, und in den Kreis der Verſtandesbegriffe herabgezogen 
wurde. 

b) Sie war ferner die erſte, welche ein weltlicher Herrſcher zuſam⸗ 
menrief. Zwar könnte dieß auch von der Spnode zu Arle® gelten. 
Doch zu dieſer hatte der Kaifer blos im allgemeinen die Veranftaltung 
getroffen, gleihfam als hätte er nur damit vorläufig einen Verſuch 
machen wollen, was fich auf fol einem Wege ausrichten laffe; denn 
die Sefchäftsteitung an Ort und Stelle batte er gänzlich dem Biſchofe 
Hofius überlaffen. Zu der Nicänifchen Synode aber wurden die Bi⸗ 
ſchoͤfe dur ein ausdruͤckliches, von ihm felbft außgefertigtes Schreiben 
eingeladen. Hierbei drängt ſich jedoch unmillführlich der Wunſch auf, 
zu wiflen, ob bdiefes Eintadungsfchreiben blos an die morgenländifchen 
Biſchoͤfe ergangen fei, oder auch an die abendländifhen. Von dieſen 
letztern gefchieht -bei keinem Schriftfteller irgend eine Erwähnung. 

0) Sie mar audy die erfte, welche der Kaiſer nicht blos zufams 
menberief, fondern auf ihr perfönlih erſchien, fie feierlich eröffnete, 
ihren Berathungen beimohnte, während bes Laufs der Verhandlungen 
die Oberauffiche führte, und ſich es nicht wenig angelegen fenn ließ, 
bie verfchiedenen Anfichten der ftreitenden Parteien ruhig und befonnen 
zur Einheit zu verdinden. Bon dieſer Seite bietee die Nicaͤniſche 
Spnode das fhönfte Wechſelverhaͤltniß zwifhen Staat und Kirche dar. 
Auch war es keineswegs Schuld des Kaiſers, daß das einfache Chriſten⸗ 
thum durch Zufäge philoſophiſcher Ausdrüde erweitert wurde, denn in 
feiner Exöffnungsrebe hatte er abfichtlich und deutlich genug barauf bins 
gedeutet, daß man ſich über Gegenftände des Weberfinntichen nicht lei⸗ 
denſchaftlich flreiten, ober noch befier, daß man biefelben gar nicht 
Öffentlich berühren fole. - 

d) Nicht felten wird auch noch zu ihrer Wichtigkeit gerechnet, daß 
fie die erſte allgemeine Synode gewefen fe. Diefen Namen führt fie 
aber durchaus mit Unrecht; denn wollte man unter dem Worte oͤ ku⸗ 
menifch auch blos das Roͤmerreich verfiehen, indem man baffelbe 
im engen Sinne nimmt, fo war fie doch ſelbſt in dieſem Sinne feine 








42 Synobalverfaffung. 


ötumenffche, well blos bie Biſchoͤfe ber einen Hälfte bed Reihe, nänıs 
lich die morgenländifhen, zugegen waren. Bon den Abendländern 
wohnte ihr blos der ſpaniſche Biſchof Hofius bei, und, diefer befand 
ſich ohnedieß als Rathgeber des Kaifers in kirchlichen "Angelegenheiten 
immerwäbrend in deflen Begleitung. Bon Rom waren zwar zwei 
Presbyter Zugegen, doch kann von diefen nicht gefchichtlich ausgemittelt 
werden, ob fie von ihrem Biſchofe abſichtlich als Abgeordnete zu der 
Verſammlung gefhidt, oder nur auf einer befondern Sendung von 
Seiten deflelben an den Hof zu ‚Gonitantinopel begriffen waren, und 
der Kaifer fie von da mit fih nah Nicaͤa zur Synode nahm. 

(Ian Mosheims Kicchengefhichte Bd. 1. p. 462 findet fi in den 
Anmerkungen eine Erläuterung des vielbefprochenen Ausdrucks: „oͤkume⸗ 
nifche Synode,“ die wohl am meiften ber Wahrheit nahe kommen 
dürfte. Hier heißt es nämlih: „Es ift nie eine Kirchenverfammlung 
„gehalten worden, worauf alle Biſchoͤfe der ganzen chriftlihen Kirche 
„zugegen gewefen wären. Ein allgemeines Gonchium ‚ift nah dem 
„aͤlteſten Verſtande der Kirche eine Verſammlung, auf welchem ſich die 
„Biſchoͤfe gus mehrern Diöcefen befinden. Die Roͤmer waren gewohnt, . 
„ide ganzes Reich die Welt oder den Erdkreis, olxoypdrn, zu nennen, 
„und nad ihrem Beifpiele hieß man diejenigen Goncilien oͤkumeniſche, 
„auf welchen Bilhöfe aus allen Gegenden des roͤmiſchen Reiche waren. 
„Das algemeine Anfehen der Schlüffe und Werordnungen einer Kir 
„chenverſammlung kann nicht zum Beflimmungsgrund einer oͤkumeni⸗ 
„hen gemacht werden. Denn diefed allgemeine Anfehen war nur eine 
„Folge ihrer Allgemeinheit. Inzwiſchen ift doch diefes wahr, daß die 
„chriſtlichen Kaifer im ten und 5. Jahrhundert die Abſicht hatten, die 
„Schlüſſe ihrer kirchlichen Verſammlungen zu allgemein verbindlichen 
„zu madhen. Deswegen follten auf benfelben aus allen ihren Provins 
„zen in Afrika, Afien und Europa Biſchoͤfe ſeyn umd folglich die ganze 
„Kirche des römifhen Reichs vorftelen. Ob nun gleih niemals aus 
„allen Reihen Bilhöfe verfammelt waren, ja auf einigen die abend- 
„laͤndiſchen Prälaten faft alle fehlten, fo machte doch der darauf erfolgte, 
„entweder freiwillige oder befohlne, Beitritt, daß ihre Verfammlungen 
„im roͤmiſchen Reihe ein allgemeines Anfehen erhielten. Und dieſes 
„eiitredte fih manchmal aud auf foldhe Kirchen, welche zwar font 
„dem Kaifer nicht unterworfen waren, aber body diefe Verordnungen 
freiwillig annahmen.“) 

In ſpaͤtern Zeiten haben ſich mehrere Kirchen geſtritten, ſich an⸗ 
gemaßt und behauptet, daß ihre Biſchoͤfe und Abgeordneten den Vorſitz 
auf der Synode gefuͤhrt haͤtten. Da aber die Geſchichte hieruͤber gaͤnz⸗ 
lich ſchweigt, fo läßt ſich auf dieſem Wege nichts Näheres beſtimmen. 

Daß der Staat oder der Kaifer die Unkoften der Verſammlung 
trug und tragen mußte, iſt leicht erklaͤtlich; denn fie war ja auf feine 
Veranlaffung zufammen- berufen worden, auch hatten die meilten Bis 
fchöfe weder felhft eigenes Vermögen, noch waren ihre Kirchen damals 
fhen rei genug, um die Ausgaben ber Meife, fo wie des Längern 
Aufenthalts in einer fremden Stadt, beſtreiten zu koͤnnen. 

In Hinſicht der künftigen Haltung von Synoden beflimmte biefe 
Kirchenverfammlung im 5. Canon, daß in jeder Provinz jährlih won 
den dazu gehörigen Bilhöfen eine gehalten werben ‚folle, um über 


‘ 





Synodalverfaffung. 433 
vorfommende Faͤlle zu entſcheilden, damit ber Fehler bed Einen durch 
die Einficht der Uebrigen verbeffert werden möge. . Kolgende Schriften 
handeln von ber Nitaͤniſchen Synode befonders: Historia Synodi 
Nicaenae, epactae opera Coastantini Constentii ante annes circa 
1218 collecta et descoripts a Joachimo Camerario. Lipsias MDLII. 
ex officina Valentini Papae. — Thom. Cacoini storia del Coneilie - 
Niceno. In Lucoa MDCXXXVII. — Jo. Georg. Dorschei exer- 
eitatio ad diatyposin Concilii Nioaeni, Strasburgi MDCLXXXL — 
Tillemont histoire du concile oecumenique de Nicéo, fieht im 6ten 
Theile von defien Memoires, & Paris MDCXCIl. — Balthasar Men- 
tzer dissertatio de innocentia concilii Niceni, Reostockii MDCCX. 
— Thomas Ittig historia Coneilii Nicaeni. Lipsise MDECXIH. — 
Jo. Lami de reota petrum Nicaenorum fide, dissertatio. Venetiis 
MDCCXXX..— De sacrosanota Nicama synodo. Steht in Joh. 
Laurentä Berti dissert. Volum. Ik. Fiorentiae MDCCLVI. — Aug. 
Wilhelm Ernesti disputatio, qua Hosium ceneilio Nieaeno praese- 
disse ostenditur. Lipsiae MDCCLIX. (Sehr fiharffinnige Beweis: 
führung) — Natalis Alezandri dissertationes de Nicaeni eonoilil 
convoeatione und de praeside Nicaeni oons. Zwei Abhandlungen in 
dem 7ten Theile bes thesaur. theol. Venedig 1768. 4. 

Ob der Kaifer gleich auf der Synode zu Nicda fo viel Ehrerble⸗ 
tung gegen die Biſchoͤfe gezeigt hatte, fo war er beach keineswegs ge: 
neigt, feiner Herrſcherwuͤrde etwas zu vergeben, noch weniger zu dul⸗ 
den, daß feine Befehle undeachtet bileben. Einen Beweis bavon lies 
fert das Schreiben, welches er an bie Synode zu Tyrus erließ, weiche 
er wegen der fortbauernden arlanifchen Streitigkeiten bald darauf zus 
fammenberief. Denn darin fagt er: „Allee, was ihe mir durch euer 
„Schreiben mittheilt, ift von mir geſchehen. Ich Habe an die Wis 
„ſchoͤfe gefcrieben, von denen ihr wuͤnſcht, daß fie ankaͤmen, um an 
„euern Bemuͤhungen Theil zu nehmen. Ich babe auch den Conſular 
„Dionyfins gefandt, damit er bie Synode ermahne und ein Auficher 
„uber die vorlommenden Verhandlungen fei, auch Sorge trage, daß 
„alles nach den Sefegen ber Gerechtigkeit und Billigkeit vor fich gehe. 
„Sollte aber einer ber WBifchdfe gegen unfern Befehl Handeln, und, 
„008 ich jedoch nicht glaube, zu erfiheinen fich weigen wollen; fo 
„würde Semand von uns hingefandt werden, um ibn nach kaiſerlicher 
„Berorbnung. feines Amtes zu entfegen, weil er gewagt bat, fich den 
„Sntiheldungen des Selbſtherrſchers zu widerſetzen.“ 

Aus diefem merkwuͤrdigen Schreiben, welches ums Euſebius im 
Leben Gonftantins IV. 42. und Theodoret I 29. aufbewahrt bat, geht 
hervor, Daß der Kaiſer fih die Bifchöfe, welche nach Tyrus kommen 
follten, hatte vorſchlagen laſſen, folglich nicht alle erſcheinen durften, baß 
ferner ein Eaiferlicher Staatsbeamter als Dberauffeher zu der Verſamm⸗ 
kung gefchictt wurde, um das Ganze zu keiten, und daß bie. Wider 
fpenfligen ſogleich auf kaiſerlichen Befehl ihre Stelle verlieren follten. 

Die Abficht des Kaiſers, Ruhe umd Frieden und Eintracht unter 
ben Haͤuptern ber Kirche herzuſtelen, wurde übrigens durch die Synode 
in Xprus noch weniger erreicht, als es durch die Nicaͤniſche geſchehen 
war. Der Parteitampf zwifchen ben Anhängern bes Athanaſius und 
den Euſebianern wurde vielmehr noch heftiger angefacht und die Spaltung 

Siegel Handbuch IV . 5 28 





4A . Synobalverfaffung. 


zeigte" ſich immer offener, wovon bie Folge war, daß Athanafius vers 
urtheile und abgefegt wurde. ' 

Gonftantin, fehr unwillig, baß feine Abfiht, bie Einigkeit in ber 
Kicche wieder herzuſtellen, aufs neue fehlgeſchlagen war, erließ ein erne 
fies Schreiben an die auf der Spnobe zu Tyrus verfammelten Bifchöfe, 
und gebot ihnen ſogleich nach der Hauptſtadt Conftantinopel zu tom» 
‚men, um die Streitfache unter feinen Augen nochmals zu unterſuchen. 
Ein großer Theil der Bifchöfe folgte dem \Eaiferlihen Befehle; die 
Eufebianer überzeugten ben Kaiſer von ber Rechtmäßigkeit des Be⸗ 
ſchluſſes, wodurch Athanafius verurtheilt und abgefegt worden war, 
behielten buch ihren Einfluß. am Hofe die Oberhand, und bewirkten, 
daß er, wie bekannt, nah Trier in bie Verbannung geſchickt wurbe. 
Einen andern nicht minder glüdtichen Verſuch Conftantins, die Bifchöfe 
von Tyrus nad) Serufalem zu berufen, übergehen wir, und führen nur 
noch an, daß der Kalfer zum zweitenmale die Bifchöfe zu fich nach Con⸗ 
ftantinopel berief, wo bie Eufebianer ihren ganzen Einfluß bei Hofe auf 
die naͤchſten Verwandten des Monarchen aufboten, um die biöher bes 
bauptete Oberhand zu behaupten, welches ihnen auch biefmal nad 
Wunſche gelang. Nur ein einziger Strich gefchah durch ihre Rechnung, 
der naͤmlich, daß an bemfelben Tage, wo fie ihren Triumph zu feiern 
gedachten, Indem Arius wieber in bie Kirchengemeinfchaft der Mechts 
gläubigen aufgenommen werben follte,, derfelbe plöglich farb. 

Endlich mochte Conſtantin auch wehl nach fo vielen vergeblichen 
Bemühungen einfehen, baß. duch Verſammlungen der Biſchoͤfe und 
Kleriker die Eintracht der Kleriker keineswegs wieder hergeſtellt, bie 
Gemuͤther vielmehr noch erbitterter, und die Spannung noch groͤßer 
wuͤrde; denn wir finden nicht, daß er ferner eine Synode ausgeſchrieben 
oder veranſtaltet habe. Freilich lebte er auch nicht lange mehr, ſondern 
kehrte bald darauf in das Reich der Ruhe und des Friedens ein, wel⸗ 
ches er hienieden vergeblich mit Huͤlfe ſeiner Biſchoͤfe hatte begruͤnden 
wollen. Verdient uͤbrigens je etwas Lob in der Regierungsweiſe Con⸗ 
ſtantins, ſo iſt es ſein Beſtreben Eintracht in der Kirche zu erhalten 
und ſein beſonnenes Urtheil uͤber den Gegenſtand des Streits ſelbſt. 

Wir ſind abſichtlich etwas weitlaͤuftiger geweſen in der Darſtel⸗ 
lung des Verhaͤltniſſes Conſtantins zu den kirchlichen Synoden, um 
ben Beweis zu führen, theils daß weltliche Herrſcher an dieſem kirchli⸗ 
chen Inſtitute ernſten Antheil nahmen, theils auch, daß Conſtantins 
Benehmen mehr ober weniger von feinen Nachfolgern ſelbſt bei weſent⸗ 
lichen Veränderungen des abend» und morgenländifhen Staatenlebens 
nachgeahmt wurde. Für die frühere Zeit finden wie dieß treffend bes 
merkt in der Einleitung, welche Sokrates dem 5. Bande feiner Kir 
chengeſchichte voranfegte, wo er fagt: „er babe die Geſchichte der Kaifer 
„mit eingemwebt, weil die Kirchenangelegenheiten von deren Winke abges 
„bangen hätten. Vorzuͤglich aber hätten fie die Spnoden nad) ihrem 
‚ „Butdünten zufammenberufen.” — Die Wichtigkeit dieſes Umftandes 

bat ber fcharffinntge Spittler in feiner Gefchichte des fanonifchen Rechts 
14, mit den Worten nachgewiefen: „Durch bie Theilnahme bee _ 
„Kaiſer an den Synoden, und meil die Weligionsfachen jest immer 
„zugleich, als Staatsfahen behandelt wurden, wuchs dem Anfehen ber 
„Synoden eine außerordentlich hohe politifcye Gültigkeit zu. Was. 








Spnodalverfaffung. | : 435 


„vorher eine Provinzialſpnode beſchloß, galt nur Innerhalb biefer Pros 
„vinz, und obſchon diefe Provinzialfpnoden Ihre Schiffe auch fremden 
„Gemeinden mitthellten, fo waren doch diefe nit daran gebunden. 
 „Setoft oͤkumeniſche Synoden wären nie allgemein geworden, fo lange 
„ſie blos Kicchenfache geblieben wären. Sie konnten Niemand verbins 
„den, als diejenigen, welche barein verrollligt hatten, und felbft auch den 
„Nachfolgern der Bifchöfe wäre immer noch Sreihelt, davon abzugehen, 
„geblieben. Aber da ed jetzt oͤklumeniſche Synoden gab, vom Kaifer an 
die erften Prälaten des Reichs ausgeſchtiehen, und von dieſen Meiter 

„betannt gemacht; da ſich alfo der Kaifer der Synode als feiner Ans 
„ftalt annahm, und nicht gleichgültig feyn onnte, ob ihre Beſchluͤſſe 
„beobachtet würben oder nicht; da endlih Einmifhung in Religions⸗ 
„angelegenheiten recht eigentlich, Lieblingsbeſchaͤftigung der Kaifer zu ſeyn 
„ſchien, fo gab «6 von jegt allgemein verbindliche Kicchengefege. Der 
„weltliche Arm ſchlug den, welcher der Stimme ber geifllichen Väter 
„nicht gehorchen wollte, und hier eröffnet fich der traurige Zeitpunct, 
„daß oft unter Androhung der fehwerften Leibesftrafen, was ein Paar 
100 Biſchoͤfe befchloffen hatten, ber ganzen Chriftenheit als Gtaubens» 
„und Lebensregel aufgezroungen wurde.“ 

Aus diefem Laiferlihen Einfluffe auf das Synodalinſtitut ergiebe 
ſich auch eine neue Eintheilung der Spnoben in diefer Periode. Ste 
‚waren entweder 

a) Hoffynoden, ovvodos Exdmevalu, von ben Biſchoͤfen 
gehalten, bie fich gerade am kaiferlihen Hofe befanden. Sie follten 
theild die wichtigern Gegenftände für bie größern Synoden bvorbereitend 
berathen, theild dienten fie aber auch als Mittel, um die Abfichten der 
Kaifer ausführen zu helfen, theils brauchten fie oft die kaiſerliche Macht, 
um ihre eigenen Pläne unterftügen zu lafien. Wir werden noch «eins 
mal weiter unten darauf zurkdfommen,. Oder fie‘ waren 

b) Provinzial» und Didcefanfynoden, melde unter 
den Bilchöfen eines ganzen Sprengels, gemeiniglich unter dem Vorſitze 
des Metcopoliten, gehalten wurden. Sie ſollten in jeder Provinz der 
- Megel nad) jährlidy ein oder zweimal Statt haben. Doc mag diefes 
jährliche Zufammentommen nicht felten unterblieben feyn, wenigftens . 
mögen nicht alle Biſchoͤfe ſich eingefleilt haben, weil mehrere Spnoben, - 
befonders die Chalcebonifche, verorbnen, die Biſchoͤfe follten zweimal 
im Sabre zufammen kommen, wer ohne binreichenden Grund aus⸗ 
bleibe, ſolle beftraft werden. Sie waren übrigens bie eigentlichen Ges 
richtshoͤfe der Biſchoͤfe und der Kleriker, an welche fie fih wenden 
"mußten, um ihre Klagen anzubtingen, und wo fie fih im Falle einer 
gegen fie angebrachten Beſchuldigung zu verantworten hatten. Außer: 
dem follten diefe Synoden Über die Beobachtung ber Kirchengebräuche 
machen, Zucht und Drdnung aufrecht erhalten, und eingeriffenen Miß⸗ 
brauchen in ihrem Sprengel zu feuern ſuchen. Sie haben im Mors 
gen > und im Abendiande noch lange nad) den allgemeinen Synoden 
fortgebauert, wozu fih, wenn es nöthig rodre, bie Belege leicht wuͤr⸗ 
den geben Laflen. Selbſt als im Abendlande die meillen Provinzen 
des Roͤmerreichs umter die Herrſchaft der germaniſchen Völker gekom⸗ 
men waren, die ſich größtentheils zu der arianiſchen Lehre bekannten, 
ging hierin keine Veränderung vor. Die Setmanen tyaren duldſam 


\ 


⸗ 
- 





4368 Synodalverfaſſung. 


geiug, die katholiſchen Beiohner der unterjochten Laͤnber in ber Aus⸗ 
uͤbung ihrer Gebraͤuche nicht zu hindern, Ihnen ſogar zu geſtatten, baß 
fie die gewoͤhnlichen Provinzialfgaoden hielten und auf denſelben ihre 
kirchlichen Angelegenheiten verhamdelten. Sonderbar ift e8 aber, baß 
gar feine oder nur hoͤchſt unvollſtaͤndige Kunde von einer arianifchen 
Spnobe auf uns gefommen iſt; wahrſcheinlich haben die Drehodoren 
ale Urkunden, bie darauf Beziehung hatten, vernichtet. Weberhaupt 
urtheilt die katholiſche Kirche fehr veraͤchtlich von den Kirchenverſamm⸗ 
lungen der Haͤretiker, und nannte fie ſchismatiſch, amd in ber abend» 
tändifhen Kirche conciliabula. 

In Saltien fanden in den erſten 100 Jahren nah Beſitznahme 
der Franken noch mehrere Synoden Statt; fie wurden aber nach und 
nad), wo nicht feltener, boch unwichtiger, weit bie Biſchoͤfe von ben 
Königen zu den Wolksverfamnilungen und zu den Hofberathungen oder 
Serichtefigungen gezogen wurden, wo man zugleich die Eirchlichen Ange: 
legenheiten mit verhandelte, und wenn ja noch zumwellen auf Verlangen 
der Kleriker eine befondere Synode zu Stande kam, fo fchrieb gewoͤhnlich 
der König die Gegenflände vor, welche verhandelt werben follten, und 
die gefaßten Befchlüffe mußten demſelben ebenfalls zur Beſtaͤtigung vors 
gelegt werben. So lange die Meftgothen in Spanien noch Arlaner 
waren, fuhren bie katholiſchen Biſchoͤfe fort, ihre abgefonderten Syno⸗ 
den zu halten, doc jedesmal mit ausdrüdtlicher Erlaubnig ber Fuͤrſten. 
Es waren aber immer nur wenige Biſchoͤfe verfammelt, bis nach dem 
Uebertritte bes Königs Meccared im Jahre 886 zur katholiſchen Lehre, 
bie dortigen Synoden wieder zahlreicher und von groͤßerm Einfluſſe 
wurden. Ueberhaupt bat fi die Erfahrung berausgeftelt, daß bie Pro» 
vinzial= und Didcefanfonoden, wenn fie auch eine Zeit lang unterbros 
hen worden waren, body immer wieder für nothwendig erachtet wurden, 
was felbft dann noch ber Kal blieb, als die Synoden ausſchließend 
unter bein Einfluffe der Päpfte flanden. 

6) Die yiößern Synoden wurden ſaͤmmtlich von ben Kalfern aus⸗ 
aefchrieben, welche auch entweder ſelbſt dabei gegenwärtig waren, ober 
angefehene Staatsbeamte abſchickten, um bie Angelegenheiten zu lei 
. ten. Der Hnuptgegenftand ber Berathung diefee Synoden betraf ges 
meiniglich die Entfcheibung über einige Glaubentlehren, in deren Er: 
Märung und Deutung die Meinungen verfcyieden baren ; nebenbei wur: 
ben auch noch andere Lirchliche Angelegenheiten verhandelt. Die Erhe⸗ 
bung ihrer Beſchluͤſſe zu Staatsgeſetzen für das ganze Roͤmerreich 
machte fie zu fogenannten allgemeinen oder oͤkumeniſchen Spnoden ; 
nicht aber, daß fie von allen Provinzen des Roͤmerreichs beſchickt wor⸗ 
ben wären, was nach der Erfahrung nie der Fall war. 

Die weltlichen Herrfcher behielten noch eine lange Zeit Einfluß 
auf die kirchlichen Synoden, ein Umſtand, ben man gut etläutert 
findet in Schönes Geſchichtsforſchungen Br Theil, wo ber Antheil ers 
zählt toird, den eine lange Reihe von Nachfolgern Conſtantins bes 
Großen an dem Spnobalinflitute zu nehmen pflegen, Doch gilt- bieß 
mehr von der frühen, als der ſpaͤtern Periode ded byzantinifchen 
Reihe, wo dußere unguͤnſtige Schickſale die Aufinerkſamkeit von kirch⸗ 
lihen Angelegenheiten abwendeten. So mie bie römifchen Kaiſer, fo 
übten auch anfangs bie deutfchen Koͤnige das Rechte aus, Synoden zu 





Sonddalverfaſſung. a4—7 


verſammeln, namentlich Karl der Große, unter beſſen Reglerung die 
von ihm zuſammenberufene Geiſtlichkeit des fraͤnkiſchen Reichs 794 eine 
Kirchenverſammlung zu Frankfurt a. M. hielt, welche ſich gegen den 
unter den Griechen eingeführten Bilderdienſt erklaͤrte. Aber ſchon mit 
Ludwig dem Frommen, der anfänglid immer noch feinen Herrſcherein⸗ 
fluß auf die Synoden aͤußerte, aͤnderte ſich dieſes, fo daß mehrere Kir⸗ 
chenhiſtoriker den Einfluß der weltlichen Macht auf die Synoden bis 
in das 9. Jahrhundert datiten, andere aber denſelben bis ins Alte 
Jahrhundert fortbauern laffen. Bon jest an aber ſinkt der Einfluß 
weltlicher Derrfcher auf das Spnodalweſen merklich und wird von der 
eigenthümlichen Erſcheinung im Abendlande, von der papftlichen Hierarchie, 
ganz an ſich geriffen. Dieb berechtigte uns einen neuen Abfchnitt zu 
machen und num zu erwägen 

IV) die Synoden unter dem Zinfluffe der 
Dipfte — Wir können bier kuͤrzer feyn, ba wir in den Artikeln 
dirchliche Werfaffungsformen und Papalſyſtem die Beiterfcheinung der 
zäpftiihen Hierarchie binlänglih erläutert zu haben glauben. Wir 
wollen daher auch nicht ſowohl in hiftorifhen Thatſachen belehren, als viels 
mehr in den Ergebniſſen derfeiben. Mit den begonnenen Kämpfen ber 
weltlichen Macht mit der pänftlihen Hierarchie fland uͤberhaupt nicht 
feit, melde Rechte die weltliche Macht in Hinſicht ber Berufung von 
Kiryenverfammiungen, der Theilnahme an denfelben und der Beſtaͤti⸗ 
gung ihrer Schlüffe Habe. Ohne Zwelfel wurden ihre Rechte in dem 
Manfe geringer, als die Kicchengewalt wuchs, bis man fie allmaͤhlig 
ganz leugnete, worguf fih die Ausgeſchloſſenen, wo nicht feindlich, 
boch gleichgültig gegen die Kirchenverfammlungen zeigen. Da, um 
mancherlei Händen und Unhbequemlichkeiten zu entgehen, aus Furcht 
oder aus Laͤſſigkeit, wurden felbft die Biſchoͤfe und Erzbiſchoͤfe den Kir⸗ 
chenverſammlungen fo abgeneigt, als wohl bie Kürften den fländifchen 
Landtagen. Da aber traten bie Paͤpſte hervor, und thaten mehr für 
jene, al6 die Kaiſer für biefe. 

Ganz folgereigt behaupteten bie Päpfte auf. dem ihnen im Allge⸗ 
meinen {chen eingerdumten Standpuncte, fir hätten aljein das Mecht, 
Berfamnsiungen der ganzen chriſtlichen Kirche zu berufen, fie koͤnnten 
als allgemeine Bifchöfe in jedem Sprengelumb jeder Landſchaft die Praͤ⸗ 
katen und Geiſtlichen zu einen Verſammlungen perufen und dieſe durch 
Bevollmaͤchtigte abhalten laſſen; überhaupt alle Kirchenverfamminngen 
fönden nur Statt und befämen allein Licht und Kraft durch den roͤmi⸗ 
fhen Stuhl. (Omnia conoilia per romanae ecclesine auetprisatem 
et facta sunt et robur aceeperunt.) Harduin XII. 971. Kein anderer 
Praͤlat konnte dieſelben fo ſchicklich als ber Papſt berufen; daraus ent⸗ 
wickelte ſich allmaͤhlig die Meinung, er koͤnne es allein, und ben Wi⸗ 
derſprechenden wäre kaum sin anderer Weg geblieben, als dem Kaiſer 
aisdann jenes Recht zuzuweiſen, mornit keineswegs ben Geiſtlichen und 
noch weniger den Koͤnigen gedient war. Sn dem Befehle der Laterani⸗ 
fhen Kirhenverfammiung von 1215, jaͤhrlich Sprengellyupden zu bafs 
ten, fahen die Vernünftigen nur bie Erneuerung eines mit Unrecht 
vermachtäffigten Geſetzes. Sonderban, daß es jet kaum Jemandem 
auffiel, die großen Lateraniſchen Kirtherberſammlungen. deb 12. vnd 18. 
Bahrbundests, fein ganz anderer Natur als hie allgemeinen Kirchenver⸗ 








8 ._ Spmobalberfaffung. . 


ſammlungen des 4. und 5. Jahrhunderts. — Und doch / war dieß der 


Fall, denn: | \ 

1) Jede Theimahme der weltlichen Macht war jegt davon audges 
ſchloſſen und deren Macht einzig und allein auf den Papft übergegangen, 

2) Dem Papfte ftanden eigenthuͤmliche Mittel zu Gebote,’ Abges 
neigte auszufchließen und Freunde in größerer Zahl herbeizuziehen. 

3) Wurde dem Berufenen kein Entfcheidungs = und Stimmrecht, 
fondern nur ein Berathungsrecht zugeflanden; ja der Papft machte zus 
weiten feine Anfichten (nicht blos ohne eine Abftimmung, fondern 


aud ohne eine Berathung zuzulaffen) gleich von vorn herein ald unbe _ 


dingte Befehle befannt. 

Es galt für unflatthaft, daß irgend eine weltlihe Macht das 
Befuchen der Kirchenverfammlungen erfchmwere oder gar verbiete; und 
ein den Königen von Sicilien einft bewilligtes Vorrecht, nach, welchem 
ihnen die Auswahl der abzufendenden Bifchöfe frei fand und erlaube 
war, bie umentbehrlichen zurhcdzubehalten, ward erft beftcitten, dann 
aufgehoben. Noch weniger durfte ein Prälat die päpftlichen Ladungen 
verabfäumen. Ward doch der Erzbifchof. von Coͤln im Jahre 1149 
abgefegt, weil er auf der Berfammiung in Rheims ausgeblieben war, 
Es galt ſchon für eine Gnabe, wenn dee Papft erlaubte, daß im eins 
zelnen Fällen Stellvertreter auf feinen oder den erzbifhöflihen Ver⸗ 
fammlungen erfhienen. — Bu den Koften, welche das Reiſen nad 
den allgemeinen Kircchenverfammlungen verurfachte, mußte die niebere 
Geiſtlichkeit den Biſchoͤfen einen Beitrag zahlen, wurden biefe aber 
Vergehen halber nach Rom geladen, fo war Niemand verpflichtet ihnen 
zu Hülfe zu fommen. - | Ä 

So hatte fih alfo im Mittelalter für bie Paͤpſte ein wichtiger 
Einfluß auf die Concilien gebildet, der kaum etwas zu wünfhen übrig 
ließ, wenn fie nicht dur eigene Schuld Weranlaffung zu der Frage 
gegeben hätten, ob der: Papft über einem Concile oder unter demfelben 
ſtehe. Won biefer Frage wird bald weiter unten die Rede ſeyn. 

V) Synodalbefhlüffe, ihr wichtiger Inhalt und 
fruͤh ſchon veranftaltete Sammlungen derfelben. — 
Ehe wir dieſen Umſtand erörtern, wird «8 nöthig fern noch einmal 
einen Blick auf das Spnobdalinftitut zu richten, wie es ſich in der ſpaͤ⸗ 
tern Zeit ausgebildet hat, nachdem es dem Einfluffe weltlicher Herr⸗ 
fher und der Macht der Päpfte beinahe ausfchließend zugemwiefen war. 
Es laſſen fih alle in dee Kirchengefchidyte vortommenden Concilien oder 
Spnoben in oͤkumeniſche und nicht oͤkumeniſche eintheilen. Bu den 
legtern gehören wieder die Patriarchal⸗, Provinzials und 
Didcefanfpnoden, fo wie die fpäter entflandenen National⸗ 
concilien, Patriarhalfynoden find folche, auf welchen Biſchoͤfe 
und andere Geiflliche, welche unter einem gemeinfchaftlihen Patriarchen 
oder Exarchen einer kirchlichen Didcefe, d. h. einer Wereinigung meh⸗ 
rerer Ticchlichen Provinzen, flanden, zugegen waren. In diefe Kategorie 
gehören bie bereits oben erwähnten afritanifchen Generalfynoden. Die 
Provinzialfpmoden pflegte man auch wohl Metropolitanfpnoden zu nen⸗ 
nen, denn fie beilanden aus Bifchöfen und andern: Geifllihen einer 
kirchlichen Provinz, weiche unter einem gemeinſchaftlichen Metropoliten 

oder Archiepiſcopus ſtanden. Dioͤceſanſynoden find ſolche, weiche von 


Synodalverfaſſung. 439 


Geiſttichen, die umter dem Biſchofe einer Didcefe im Iateinifchen Sinne 
des Worte, oder nach griechifhem Sprachgebrauche unter einer Parochie, 
Kanden, gehalten wurden. Verſchieden von allen diefen find die Nas 
tionalconcilien, welche nach der Latinitde des Mittelalters gleichfalls 
Concilia generalia oder universalia hießen. Man fehe Du Fresne 
Glossar. med. et infim. latin. Vol. H. p. 915. Sie entflanden 
erft, als aus dem großen roͤmiſchen Meiche ſich befondere Königs 
reiche. in Europa gebildet hatten. — Diefen zeither genannten Syno⸗ 
den fichen nun die oͤkumeniſchen gegenüber, über deren Begriff wir 
bereits oben geiprochen haben. 

Um nun das Anfehen, welches man ben zeither genannten Cons 
cilien beilegt, richtig zu beſtimmen, muß man thril die frühere unb 
die fpätere Zeit, theils auch bie verfchiedenen Anfichten der befondern 
Kirchenſyſteme, theils endlih auch ihren Umfang. unterfceiden und 
erwägen. In der katholiſchen (Geſammtkirche des Alterchums) Kirche - 
legte man früherhin den Kirchenverſammlungen nicht ben großen Werth 
bei, den ihnen fpäterhin die roͤmiſch⸗ katholiſche Kirche ſchon wegen, der 
Idee der Infallibitität der Kicche beilegen mußte. Gregor von Nazianz 
wollte, da ihn die Erfahrung belehrt hatte, wie es auf den Kirchen⸗ 
verſammlungen hergehe, nicht viel von ihnen willen; aber auch Hie⸗ 
ronymus und Auguflinus dachten in bdiefer Beziehung proteftantifch 
genug, und fahen die Beſchluͤſſe der Eoncilien nur alsdann als vers 
bindlih an, wenn fie mit der heiligen Schrift übereinflimmten. Bes 
fonders merkwuͤrdig ift das, was Auguſtinus in der epistola contre 
Donatistas, vulgo ‘de unitate eeclesise (im Iten Theile der Benedicti⸗ 
nerausgabe) über das Anfehen der heiligen Schrift fagt: Nee catho- 
dicis episcopie, heißt e8 im 11. Gap., oonsentiendum est, sicubi forte 
falluntur, ut contra Canonicas Dei scripturas aliquid sentiant. 

Je mehr ſich aber in der Folge die bieracchifche Lehre von ber 
Kirche ausbildete, befto größer mußte auch das Anfehen werden, wel⸗ 
ces man ben oͤkumeniſchen Kischenverfammlungen beilegte. Generalia 
eoneilia fallere et falli nescia, quandequidem sunt eocolesia ipss, 
Dieb ward auf den Spnoden zu Goftnis und Baſel ausdruͤcklich ges 
kehrt. Die oͤkumeniſchen Goncilien . repräfentisen die roͤmiſch⸗katholiſche 
Kirche und haben ihre Macht zunaͤchſt von ‚Chrifto, deshalb. find fie 
in allem, was die Lehre betrifft, nicht aber in ben hiſto⸗ 
sifhen, oder wiſſenſchaftlichen Sägen, welche fie etwa zur Unterflügung 
ihres Zeugniffes beibringen, und eben fo ‚wenig in ben Disciplinarvers 
ordnungen, melche.fie erlaffen, infallibel und eben daher inappellabel und 
Irseformabel. Dies ift in wenig Worten die Anficht der roͤmiſch⸗katholiſchen 
Kirche über die Concilien, wie fie fich fpäter ausbildete, und wie fie noch 
heutzutage von den angeſehenſten Kirchenrechtslehrern vorgetsagen wird. 
Aber nur den oͤkumeniſchen Spnoden legt ‚bie katholiſche Kirche ein 
ſolches Anfehen bei. Nur die auf ihnen verfammelten Väter werben, 
ba fie die Kirche felbft find, vom heiligen. Geiſte in Ruͤckſicht der 
Glaubenslehte inſpirirt und find vor Jrerthum gefihert. Dagegen koͤn⸗ 
am die Partitulgsconcilien , fo verbindlich; ihre Anordnungen auch für 
die ihrer Sompetenz Angehörenden feyn mögen, und fo wichtig fie auch 
für die Aufrechtbaltung der Disciplin und Ausrottung ber Kegereien 
gehalten werden, auf Jufallibilitaͤt feinen Anſpruch? machen. Concilia 








“ GSonodalverlaſſae⸗ 


pertieularia, guonunue kandem ‚suffragantium numero constent, in 
fallibilem tsmen igsa per ne anstoritatem nom ohtinent, quis ecole- 
siam noivorsam nen repracsenteant, Richardi krestates de oeneiliis 
e. XI. 8. 3. Ungefähs auf ähnliche Weiſe urtheilt auch die griechi⸗ 
ſche Kirche vom dem Anfchen ber Synoden, denen fie oͤkumeniſchen 
Charakter beilegt, nur mit dem Unterſchiede, daß dieſe Syaoden größe 
tentheils dem chriſtlichen Alterthume ins engen Sinne angehören. 

Bei ben PYauptgrundfage des Proteſtantismus, daß die heilige 
Schrift die einzige Norm des Glaubens fei, konnte das verbindende 


Anfehen der Concilien von den Reformatoren nicht anerkannt werden, . 
ob fie ihnen glei, wie weiter unten gezeigt werben wird, in anderer 


Belebung Merth zugeftanden. 

Auch mas bie Zahl der fogemannten oͤtumeniſchen Concilien be⸗ 
trifft, iſt man in den verſchiedenen Kirchenſpſtemen nicht. ganz einig. 
(Die ‚utbobor- griechifche Kirche zähle deren 7, und ge 


Cone. Nioaen. eo 8 er er Jahr. 525 
— Constant. u oe ee er '8 — 38 1. 
— Ephesin. oo. 2. 0 0° — 45 1 
— Chalcedon. . 0. 40 — A451. . 
— Constan, 0 2 0 0 0. 655 umb wieder 680. 
— Nieaen. d — 0 — 787. 


(Die Grundſaͤtze uͤber dieſe ziumeniſchen Spnoden in ber orthodor⸗ 
griechiichen Kirche findet man nachgewieſen Conf. Orthod. p. 18. 122. 
153. — Desithei canf. c. *. Jerem. in Actis. Würtemberg. p. 
189— 142. — Plato Katech. p. 118. — Heinecc. Abbild. IL 86 f.) 
Die römifche Kiche kennt 18 von Paͤpſten genehmigte General 
fonoben , unter welchen die Trienter bie legte ii. Bellarmin Cone. I. 
5., wiewohl unter ben Katholiken felbft daruͤber geftritten wird. Vergl. 
Winers Comparative Darfellung 2. Aufl. p. 88. In der auf Befehl 
Sirtus V. in ber Patikaniſchen Bibliothek aufgeftelten Lifte werden 
mit einer kurzen Beſchreibung biefe 18 Concilien im chronologiſcher 
Drbnung auf folgende Art aufgezählt, 
Das ifte Nicänifhe - » » .» » 


Das 1ite Conftnsinopeitaifä 0 — 88. 
Das ifte Ephefinifche ...— 481. 
Das Chalcedoniſche.. .— 481. | 
Das te und Ste Gonflontinopolitamifce — 668. unb 680. 
Das Lie Nicänifhe . » — 737. 
Das Kte Gonfantiwopolitanifce ee 869, 
Das ifte, 2te, Ste und Ate Lateranenſiſchh — 4122. — 1189. 1179. 
. > usd 181 5. 
Das 1fle und te nm . - 0 — 1245. und 1274. 
Das Vienner . re... . 0 — 1811. 
Das Florenzer . oe, 3 8 ee rn 4040 40 — 1439, 
Das Ste Rateranenflhe -  « . . — AIR, 
Das Krimtr . - » . — 1545. 


Daraus ergiebt fich, baß die Ton, wenn ſchon mit Einſchraͤnkung, 
für oͤkumeniſch gehaltenen Gonchien zu Pila 1409, zw Gofinig 1414, 
zu Baſel 1451, in Rom nicht dafür erfannt werden; dem zu Bafel 
wird die oͤkumeniſche Eigeufchaft und Auctoritaͤt gewoͤhnlich nur bis zur 











Symebalverfüflung. ai 


Atın Sittung beigelegt. Das Gte Lateranenſiſche anfängti nur aws 
wenigen, in ber Kolge wohl aus mehrern, aber meiſtens nur italieni⸗ 
fen Biſchoͤfen zuſammengeſetzt, wird darum zwar als legitim, aber 
faſt durchgängig nicht als oͤbumeniſch angenommen. 

Von ben Proteftanten werben gewöhnlih 4, auch wohl 6, oͤkume⸗ 
niſche Concillen anerkannt, das zu Nicda 325, zu Conflantinopel 381, 
zu Ephefus 451 und zu Chalcedon 451 (von einigen auch das 2te 
und Ste Cohflantinopolitanifhe). Man glaubte nämlich, daß ber bort 
beſtimmte Lehrbegriff aͤcht biblifch fei, daher auch Manches davon in 
bie proteſtantiſche Dogmatik wirklich übergegangen ifl. | 

Aus dem zeither Geſagten ſchon wird ſich ergeben, daß man bie 
Concilienbeſchluͤſſe in früher und fpäterer Zeit als hoͤchſt wichtige kirch⸗ 
liche Exfcheinungen anfehen mußte. Abgefehen von dem Brauchharen, 
das fie für die Dogmemgefchichte, ja für die Sittengefchichte ganzer 
Beitperioden, haben, find fie auch als kirchliches Regulativ in mehr als 
einer Hinſicht und als Grundlage eines kirchlichen Geſetzbuchs fehe 
wichtig, und aus ihnen, fo wie aus einigen andern, meiſt unveinem 
Quellen, iſt das fpäter fo berühmte, ja berüchtigte canonifche Recht 
hervorgegangen. Hoͤchſt wohlthätig ift darum das Studium der Alter 
Synodalbeſchluͤſſe für die Sache des Proteflantiemus gewefen, denn 
‚ ans ihnen bat man viele bierarhifhe Anmaßungen und unmwahre Tra⸗ 
bitionen aufdecken und widerlegen koͤnnen. Dieß iſt daher auch ber 
Grund, warum bie römifche, wie die proteflantifche Kirche, wenigſtens 
in einigen Beitabfchnitten, diefem Zweige der hiſtoriſchen Theologie große 
Yufmerkfamteit gewidmet hat. Da jedoch das weiter hierüber zu Sa⸗ 
gende andere tbeologifche Disciplinen, 3. DB. bie Kirchengefchichte im 
Allgemeinen, die fpeciellere Dogmengefchichte, das Kirchencecht unb ders 
gleicyen, berührt, fo begnügen wir uns, bier nur etwas von den Samm⸗ 
kungen der Synodalbeſchluͤfſe Literarifch zu erwähnen, die man in früs 
herer und fpäterer Zeit davon veranſtaltet hat. Ueber die fruͤheſten, mei⸗ 
ſtens im Abendlande zufäklig entflandenen Sammlungen dieſer Art findet 
man gute Nachrichten in Schönes Geſchichtsforſchungen Sr Thl. p. 
872 ff. Vorzuͤglich wichtig jedoch, um fi) von dem Inhalte der 
@oneilienbeidhiäfie des 4ten und 5. Jahrhunderts zu unterrichten, wel⸗ 
che befonders in dogmatifcher Hinſicht fo große Wichtigkeit haben, iſt 
das oben angeführte Werk von Fuchs. Die Altern Sammlungen ber 
Concilienbeſchluͤſſe, befonders nah Ländern und Provinzen georbnet, 
findet man in der Kürze gut beleuchtet, in Eihhorn’s Schrift, Grunde 
füge des Kirchenrechte der katholiſchen und evangelifchen Religionspars 
tei m. Goͤtting. 1831. ir Thl. p- 86 fe — Das bekannte Decre- 
«um Gratiäni enthält im Auszuge die aͤltern Sammlungen bis ins 12, 
Jahrhundert. Meere Sammlungen beforgten Jae. Merlin in 2 Bo. 
Daris 1523 — 24. Hol — Peter Crabbe 2 Bde. Köln 1538. 2 Bbe. 
Sol. und 1551. 3 Bde. Fol. — or. Surius 4 Be. Goͤln 1567. 
5 Bde, Venedig 1585. Fol. — Sev. Bintus 4 Thle. in 5 Bänden. 
Coͤln 1606 u. d. — Die Buchdruderei des Louvre in Paris in 87 
Binden. Bol. 1544. — Die Iefuiten Labbe und Cofſart 17 Theile 
m 18 Bden. Paris 1671 — 72, hierzu Supplement von Balu⸗ 
zius. Maris 1688. Kol. — Harduin 11 Thle. in 12 Bden. Paris 
1715. Fol. — Colet 33 Wbe. Venedig 1728 ff. Bol. m Die neueſte 











un Synodalverfaſſung. 


und vollſtuͤndigſte Sammlung iſt von Manſi in 81 Bänden, Florenz 
1769 — 98, aber bios bis 1509 reichend. — Außerdem hat man Aus⸗ 
gaben einzelner Concitien und Sammlungen von Gonkilien eimzelnee 
Länder. Die alten franzöfifchen Concilien gab 3. Siemond in 3 Bäns 
den, Paris 1629, Heraus, dazu Supplemente von P. de la Lande, 
Paris 1666. Fol., die neuern 2. Odespun, Paris 1646. Fol, die deuts 
ſchen bis 1747. 3. F. Schannat, 3. Harzheim, H. Scholl und eg. 
Meiffen in 11 Bänden mit Regifter von %. A. I. Deffelmann. Goͤln 
1759 — 90, die fpanifchen Sof. Saenz de Aguirre, Rom 1693. 4 Bde, 
Fol, Genauere literarifche Notizen geben Watch Bibl. theol. IIL und 
Winer theol. Literat. IE Will man fich übrigens belehren, wie und 
wodurch die Befchtüffe Der Öfumenifchen und felbft der Provinzialfpnoden 
allgemeine, gefegliche Kraft erhielten und nach und nach die Grundlage eines 
Tirhlihen Geſetzbuchs wurden, fo findet man hinlänglicdye Auskunft dar ' 
über im 1. Bande des bereitd genannten Eichhorn'ſchen Kirchenrecht. 
vH Ruckblick auf die Solgen der Synoden für 
das kirchliche Leben. — Wie unparteifh man auch den Ein» 
fluß und die Wirkungen dee Spnoden beurtheilen mag, fo viel bleibe 
immer wahr, daß fie eine ſchwache Licht⸗ und eine defto flärfere Schats 
tenfeite darbieten. Sie haben zuweilen einige nicht unnuͤtze Beſtim⸗ 
mungen in Glaubenslehren eingeführt, — zur Abfhaffung nit wents 
ger Mißbraͤuche in der Kicche viel beigetragen, — fie haben im Atem 
und 5. Jahrhundert noch Manches aus der befiern Sittenlehre und 
Kirchenzucht ber erften Jahrhunderte beibehalten, — nicht allein in 
Abſicht auf die Biſchoͤfe, fondern aud für die Übrige Geiſtlichkeit vers 
fchiedene heilfame Vorſchriften ertheilt, und dach aud den Stolz und. 
die Herrſchbegierde einiger Vifchöfe im Zaume gehalten. Ja wie wollen 
ſelbſt nicht leugnen, daß in den fpätern Eoncilien, die nur unter 
paͤpſtlichem Einfluffe flanden, manche nügliche Verordnungen erfchienen, 
um großen Mißbraͤuchen der Zeit entgegenzutreten. Allein überhaupt 
haben fie doch Lange nicht die Früchte getzagen, welche man von ihnen 
srrwartete, und eine ſtarke Schattenfeite detſelben tritt bei genanerer Prüs 
fung unleugbar hervor, Allerdings ließ fih von einer Verſammlung 
von Männern, denen man als- Inhabern ber böchften kirchlichen Wuͤr⸗ 
den mehr als gewöhnliche Einfihten, Tugenden und Menfchentenntniß 
zutrauen durfte, weiſe Beftimmungen über chriſtlich⸗religioͤſe Wahrhei⸗ 
ten, Streben nach Eintracht fr die Kirche und kluges Beruͤckſichtigen 
ber Zeitbedürfniffe errwarten. Jedoch von allem diefen findet man leider 
nur allzu Häufig das Gegentheil. Dieß wurde auch fchon früh vom 
einfichtsvollen Kirchenlehrern erfannt und gerligt. Hören wir bier bie 
Derzensergießungen eines Mannes, der die Welt und fein Zeitalter aus 
vielfäktiger Erfahrung hinlänglich kannte, nämlich Gregors von Nazianz, 
welcher in einem Briefe Tom. I. ep. 55. ſchreibt: „Ich habe noch 
„Leine Synode der Biſchoͤfe geſehen, welche einen guten Zweck ers 
„reicht hätte. Jedes Mal wurde durch ihr Beiſammenſeyn das Uebel 
„eher verſchlimmert, als gehoben. Vorurtheile, Neid, Mißgunſt, Par 
„teilichkeit und Rechthaberei waren darin herrſchend; ihre Urtheile wur⸗ 
„den nicht von der Gerechtigkeit, ſondern von feindlichen Leidenſchaften, 
„von Haß und Groll geleitet.” — Und in feinen Gedichten, Tom. H. 
Ged. 10., fagt ert „Ich will’ niche ferner auf den Synoden mit 


Spnobalverfaffung. u ':y 


AKranichen und Gänfen zufanmenfigen, denn durch das Gezaͤnk und 
„das Geſchrei wird ber Haß aufgeregt, und das Schaͤndliche, welches 
„vorher verborgen war, kommt nunmehr zum Vorſcheine.“ In Dins 
ficht des Ausdrucks „Gaͤnſe“ fcheint Gregorius nicht blos auf das Ges 
ſchrei und den Lärm, fondern aud auf die Unwiſſenheit bingebeutet- 
zu haben, welche fpäter fo weit ging, daß anweſende Biſchoͤfe und Kle⸗ 
riker nicht einmal ſchreiben, ſondern die Spnobalbefhlüffe durch andere 
mußten unterzeichnen laſſen. So ſteht z. B. unter den Unterſchriften 
ber erſten epheſiniſchen Synode: Petricius, Presbpter vom Dorfe 
Paradiorolus — durch den Mitpresbyter Marimus — weil ich nicht 
zu ſchreiben verſtehe. 

Zweite Epheſiniſche Synode. Elias, Biſchof von Adrianopel, habe 
durch den Biſchof Romanus unterſchreiben laſſen, — weil ich nicht 
ſchreiben kann. 

Synode zu Chalcedon. Cajumas, Biſchof von Phoͤnizien, habe 
durch meinen Landbiſchof, Dionyſius, unterſchreiben laſſen, — weil ich 
nicht zu ſchreiben verſtehe. | 

: Slavius Palladius, für ben Landbiſchof Zeno, weil er nicht fchreis 
ben kann. | 

Erwägen wir num noch, daß aucd andere berühmte Kirchenlehrer, 
‚ wie Hieronymus, Auguflin u. m., eben fo urtheilten, fo witd ſchon 
dadurch das gerechtfertigt, was wir jegt weiter von der Schattenfeite: 
ber Kirchenverſammlungen zu erinnern haben. Bor allen Dingen ſtellt 
es fidy Mar heraus, 

1) daß auf den frühen und fpatern Spnoben der kirchlichen 
Ariftokratie und der päpftlihen Monokratie im Mittelalter auf Koflen 
des Laien= und felbft des niedern Klerikerſtandes ſtarker Vorſchub ges 
ſchah. Synoden waren es, auf welchen die kirchlichen Abfiufungen der 
Biſchoͤfe, Metropotiten, Patriarchen und felbft des Papftes gebildet wurs 
den, die ein fo drüdendes Subordinationsſyſtem und ein fo fchäbliches 
Mebergewicht des Klerus über die Laien herbeifuͤhrte. 

2) Daß menſchliches Anfehen in Glaubensſachen durch Tpigfindige 
Beflimmungen über unfruchtbare Gegenftände des Ueberſinnlichen, bald 
mehr galt, als das Anfehen der heiligen Schrift und der kalt prüfen« 
den Vernunft, dag man ferner über dem Streite die Perfon und bie 
Naturen Jeſu betreffend, ben Geift des wahren CEhriſtenthums fchon 
fruͤh vergaß, iſt geößtentheilß den Spnodalbeihlüffen zuzufchreiben. 

3) Daß fie Leidenfchaften und Grundfäge wahrnehmen ließen, bie 
jebem andern Stande zur Schande gereichten, aber bei hochgeſtelltan 
Lehrern der Kirche recht eigentlich verbrecherifch waren. Wer bächte hier 
nit an die niedrigen Intriguen, die befonders auf Goncilien gefpiele . 
wurden? Schandflecke in ſittlicher Hinſicht bleiben daher fir die chrifts 
liche Kirche die meiften Concilien, wenn man auc nicht gerade Die 
Raͤuberſpnode und die Coftniger MWortbrüchigkeit hervorhebt. 

4) Daß fie, ſtatt den Frieden ber. Kicche zu fördern, ben Samen 
bee Zwietracht erſt recht reichlich ausftreuten, und dadurch die gefährs 
lichſten Bewegungen für Kirche und Staat hesbeiführten. Würde z. B. 
der Jolam fich fo ſchnell und gluͤcklich haben ausbreiten können, wenn 
ihm niht:fo gluͤcklich die Zwiſtigkeiten der rechtyläubigen Kirche mit ben 
Häretitern, namentlih mit den Meftorianerm , vorgearbeitet hätten? 


\ 


a Synodalverfaffung. 


5) Daß fie ben religioͤſen Aberglauben recht eigentlich ſanctionir⸗ 
ten, ſich der groͤbſten Widerfprüche ſchuldig machten und einen Begriff 
von DVerkegerung ins Leben riefen, der felbfi bis zu blutigen Kriegen 
ausarten konnte, Daß in dem Gefagten keine Uebertreibung Statt 
finde; wird ſchon aus dem fich ergeben, was ſelbſt auf Concilien uͤber 
Marias, Heiligen⸗ und Religuienverehrung beftimmt wurde, Wie oft 
bat felbft eine Synode das wieder aufgehoben, was bie andere befhlofs 
fen hatte! Sa, wie iſt hier ein Kegerhaß gepflegt worden, der fidh nie 
aus dem Geiſte bes Chriſtenthums und der Menſchlichkeit wird redgts . 
fertigen Laffen! Was ift am Ende die abſcheuliche Inquiſition ing 
Abendlande andres, als ein giftiger Auswuchs von Grundſaͤtzen, ' bie 
auf Concilien fid) wiederholten und immer fünatifcher ausbildeten! 

Laͤßt fih nun das jest Geſagte fireng in Hiftorifchen Thatſachen 
nachweiſen, fo ift wohl die Schattenfeite der kirchlichen Spnoden ven 
mehr als einer Seite bethätigt. Vergl. übrigens Schroͤckh's KG. Thl. 
8. p. 194 und duge Fidllethe bee Kirchenverſamml. des 4. und 5. 
Jahth 1e Thl. 8. 1 

vu) In Siefien das Inftitut der Synobden in 
der proteftantifhben Kirche Beahtung gefunden 
babe. — Schon vor dem Beginnen der Reformation hatte man durch 
die Schuld der Päpfte felbft eine andere Anficht von den Concilien ges 
mwonnen und bereits auf der Kirchenwerfammlung zu Bafel (1431 — 48) 
. den Grundſatz aufgeftellt, daß ein allgemeines Gonch in Glaubensſa⸗ 
chen über bem Papſt ſtehe und beſtand darauf, daß der Papſt ſelbſt oder 
durch Deputirte vor dieſem rechtmaͤßigen Concilgericht erſcheinen ſollte 
and nahm den Kaiſer Siegismund zum Beſchützer an. Noch im 
Jahre 1522 baten auf dem Reichstage zu Märnberg und nachher oͤfter 
die deutfchen Fürften ben Kaiſer, er möchte ein freies und chriſtliches 
Concilium in Deutfchland anordnen, wodurch die Meligionsftreitigkeiten 
endlich beigelegt und die Wunden der Kicche geheilt würden. Luther 
ſchrieb ein eigenes Buch von den Goncilien im Jahre 1539, welches 
fih im Tten Theile der Jenaer Ausgabe feiner Werte befindet. Er 
giebt darin die Nothwendigkeit und Nüglichleit rechter, db. h. vom 
Papſte unabhängiger und auf die heilige Schrift ſich grünbender, Kies 
Henverfammlungen zu, beweilt aber, daß ihnen nur eine‘ menfehlicye 
-Auctorität gebühre, und daß fie zum Boweiſe der Wahrheit einer 
Lehre nicht gebraucht werden können. Bei dem SHauptgrundfage bei 
DProteflantismus, daß die heilige Scheift die einzige Norm bes Glau⸗ 
bens fei, konnte das verbindende Anſehen der Contilien von den Mes 
formatoren nicht amerfannt werden, und wenn fie einigen Werth auf 
die vier erſten oͤkumeniſchen Goncilien legten, fo geſchah ed nur, weil 
fie glaubten, daß die Beſchluͤſſe derſelben den Ausſpruͤchen der Schrift 
gemäß feien. Die Lutheraner haben daher niemals ihre Angelegenheiten 
auf Concilien verhandelt. Dagegen bat die von den Meformirten zu 
Dordreht vom 13. November 1618 bis zum 29. Mai 1619 gehaltene 
Synode wegen ber Menge der Länder, aus welchen Deputiste zugegen 
waren , ein großes Auffehen ewegt, und ift darum mit dem Namen 
einer allgemeinen Synode bezeichnet worden. Ste ift immer merkwuͤrdig, 
weit fie die ee in der proteflantifchen Kicche iſt, welche an. die alten 
oͤkumeniſchen Synoden erinnert. Sie warb gehalten zut Beilegung bee 





Spnobabeerfaffung. - 48 
Aber ben Paitiküleriemas in dir Gnabemwähl gerfiien den Amini 
nern und Gomariſten entftandenen Streitigkeiten. Die harte Lehre von 
einer abfoluten Gnadenwahl fiegte und die milder des Acminius warde 
verdammt. Seit der Reformation giebt es noch im mehren proteflans 
tifhen Ländern Spnodalverfaffungen, nur muß man das Won Synowe 
in dem Sinne nehmen, mo es mehe den Provinzial: und Dioͤceſan⸗ 
fonoben im Alterthume nahe komme. Ja man pflegt auch jetzt 
unb wieder Vereine von Beiftlichen für wiſſenſchaftliche und andere nichts 
kirchliche Zwecke Synoden zu nennen. Die anglikaniſche Kirche Harte 
fonft ein fehr wirkſames Synodalwefen, was ſich [dom ins Ihrem ober⸗ 
Ken Grundlage erildren läßt, daß bie Biſchoͤfe von ort eingeſetzt ſeien, 
und daß die Kirche unter ihnen fichen muͤſſe. Jetzt iſt 00 mir eine 
Foͤrmlichkeit. Bor Anfang der Parlammisverfammiungen balten bie 
Bifchöfe ebenfalls eine Zuſammenkunft (Genvocation), Ein mehr nus⸗ 
gebildetes Presbyterial⸗ und Synodalſyſtem findet man in der ſchotti⸗ 
ſchen Nationalkirche. Hier giebt es eine breifäche klechliche Behörde. 
Die fogenonnte Kirksession. Dirfe beſteht aus den Aelteſten einer Ber 
meinde mit dem oder den Pfarren derſelben. &ie bilden das niedrigſte 
kirchliche Collegium. Der Pfarrer ift jedesmal Borfigender und beige 
Moderator. Auf dem Lande find im Durchſchnitte 6— 7 Aeltefle für 
eine Bevoͤlkerung von 800 1500 Seelen, in goößern Städten zwi⸗ 
ſchen 8 und 12. Der zunddhft höhere geiftliche Court iſt das Pres- 
bytery, die zweite Inſtunz, auf deren Entſcheidung von der Kirksession 
grovociet werden darf. Es vertritt amd beaufſichtigt ‘die Gemeinden 
Innerhalb einee beſtimmten Didees und beſteht aus fämmtlicken Pfar⸗ 
gern derſelben umb fo viel Aelteſten, als Gemelnden find, Das Pres- 
bytery dat fich gefeglich jeden Monat zu derſammeln. Ber nächte 
geifiliche Gerichtshof, ber in beitter Inſtanz entſcheidet, iſt Die Synode, 
fie verſammelt fich jährlich ziwelmal, im April und Detober, und übr 
über die Presbyteries irmerhalb ihres Umkreiſes eine ähnliche Auctoritaͤt, 
als diefe über ihre Kirksessions, Wer ſich näher uͤber diefe Eirdjliche 
Verfaffungsform unterrichten wit, findet dazu Gelegenheit in Gembergs 
Schrift: Die ſchottiſche Nationalkirche ic. p. 198 ff. 

Außer Schottland eriftirten Spnebalverfaffungen aus den Zeiten 
ber Reformation bee in mehrem reformirten Cantonen der Schweiz, 
namentlich in Genf; ferner in Holland, in Schottland, in den weſi⸗ 

phälifchen Provinzen Juͤlich, Kleve, Berg und ber Seaffchaft Mark, und 

* nur noch in einzelnen —— reformirten Gemeinden, ih ver 
ſchiebenen deutichen Staaten, wie 3. B. in Heflen, feit dem Ende des 
417. Jahrhunderts. Doc auch viel früher finden fi bei den Walden⸗ 
fern die Elemente einer ſehr freien Gemeinbeverfaffung, und in ber 
That muß aus der Bekanntſchaft mit berfelben die Richtung erklärt 
werden, welche der Kicchenverfaffung in den vorhergenannten Ländern 
buch Galvin und andere reformirte Theologen, z. B. Wilhelm Karel, 
Martin Bucerus, Wolfgang Gapito, mehrern Schweizers Gantonen, 
Straßburg und England gegeben wurde. 

Durch die Reformation wurde das berühmte Concilium zu Teident 
von 1645 — 1668 unter manchen Unterbrechungen und jahrelangen 

Ferien gehalten. Geſchichtlich genommen ward eigentlich nur bie katho⸗ 
* ⸗ italleniſche Geiſtlichkeit zu Trident repraͤſentirt; deun zwei Drit 








m’ we + BSymobalverfaffung. 


theile ber Stimmenben beflanden aus ftalienifchen Btichöfen. Indeſſen 
wird in der Latholifchen Kirche dieß Concilium, welches vom Papfte 
: ‚Pins IV. 1664 confiemirt worden ift, als allgemein gültig, und - 
wenigftens‘ in Ruͤckſicht der Glaubensſaͤtze, welche, in wiefern fie ftreitig 
waren, auf das Genauefte beflimmt wurden, als allgemein verbindend 
betrachtet. Der Hauptzweck dieſes Concils, die Proteflanten wieder zu 
gewinnen, war freilich verfehle, und ber Gegenfag gegen fie und bie 
griechiſche Kirche mit einer Schärfe aufgeftele, die Leine Hoffnung 
jemaliger Vrrſoͤhnung erlaube. Kann fi nun au das Tribdentiniſche 
Eoncil nur abusive ein allgemeines nennen, wie dieß auch bei mehreren 
fruͤhern der Sau ift, welche in ben Zeitraum der getrennten abends 
und morgenländifchen Kirche fallen, fo tft doch feitbem keines wieder 
ſelbſt in bee römifchen Kirche von biefem Umfange gehalten worden. 
Nur ein merkwuͤrdiges Nationalconcit, wie fie fonft häufig in Deutſch⸗ 

land, Spanien, Frankreich, England. als Reichstage, auf welhen man 
auch klrchliche Gegenflände verhandelte, gehalten murden, kehrte in 
neuerer Zeit wieder; es tar das franzöfifhe Nationalconcil, das zu 
Daris im Zahre 1811 gehalten. wurde. Es beftand aus 100 Biſchoͤ⸗ 
fen, und wurde durch die gefpannten Verhaͤltniſſe Napoleons mit dem 
Dapfte bewirkt. Es follte die Aufgabe Löfen, die gallitanifche Kirche 
vom Papfte gänzlich unabhängig zu machen. Das Goncilium warb 
eröffnet am 17. Juni. Da aber Napoleon fah, daß es feinen Abfidy 
ten nicht entſprach, Löfte er es fhon am 10. Juli wieder auf. Das 
jüngfte Nationalconcil iſt das ungariihe 1822. Die Didcefanfpnoden 
ber katholiſchen Kirche, welche nach der Verordnung des XZridentiner 
Coneils jaͤhrlich ſollen gehalten werben, find in neuern Zeiten 
ziemlich in Vergeſſenheit gekommen, hier und ba wohl durch die 
Schuld der Biſchoͤfe, welche-ben übrigen Klerus gern von ber Regie⸗ 
rung entfernten. Die griechiſche Kicche hält Leine Synoben mehr. 
Der oberfte geiftliche Rath der ruſſiſchen Kirche, welcher feinen Sitz in 
Petersburg hat, eingefegt von Peter I., führt zwar den Namen heilige 
Synode, bat aber wenig Aehnlichkeit mit den frühern chriftlichen 
Spnoden, man müßte denn die auvodos Exdnmoüca:, bie wir oben 
erwähnt haben, damit vergleichen, d. b. die Synoden am bpzantinis 
(hen Hofe, die von Biſchoͤfen gehalten wurden, welche fi gerade am 
kaiſerlichen Hoflager befanden. Jedoch waren audy biefe, genau bes 
trachtet,, von ganz anderer Art. Wenn nun aber auch die Lutheramer 
fein allgemeines Goncil aufzumeiten haben und ein ſolches ſich auch bei 
ber gegenwärtigen politiſchen Verfaſſung nicht einmal in Deutfchland 
würde realificen laſſen, fo hat man doch in der neueften Zeit auch im 
ihr da6 Berlangen nad) einer Spnodalverfaffung gezeigt,. die mit den 
Didcefan= und Provinzialfpnoden und den Presbpterien der alten Kirche 
einige Achnlichkete Hat. Wir befprechen dieß noch in möglichiter Kürze 
als eine nicht unwichtige Erfcheinung im proteftantifch s kirchlichen Leben - 
Deutfchlande in der neuellen Zeit. 

- VUN Wiedererwahter Wunfh nah Synodal- 
und Presbyterial- Derfaffungen in der neueften 
Zeit, namentlih in den proteftantifhen- Staaten 
Deutſchlands. — Wie im Staatsleben, ſo hat auch in der 
Kirche, was die neueſte Zeit betrifft, ſich das Streben nach repraͤſenta⸗ 


Synodalverfaſſung. 4 


tiver Verfaſſung angekuͤnbigt. Naͤchſt den allgemeinen‘ religioͤſen und 
pofitiihen Bewegungen ber neuern Zeit, befonders in den beutfähen 
Befreiungskriegen, bat wohl das Reformationsjubildum im Jahre 1817 
ben erſten Anftoß zu kirchlichen Reformen in den proteflantifch = deute 
fhen Staaten gegeben. Außer den wenigen Staaten, wo etwas Aehn⸗ 
liches, wie wir fo eben gezeigt haben, bereits Statt fand, wurbe ber 
erfte beftimmtere Verſuch zuc Einführung der Presbpterials und Synos 
balverfafiung im proteflantifhen Deutfchland 

a) in Preußen gemadt. Schon 1816 waren bafelbft durch 
eine Eönigliche Verordnung Kreis: und Previnzialfpnoben nebft Pres: 
byterien eingeführt worden. Die Spnoben wurden aus den Predigern 
einer Diöces unter ihrem Superintendenten und aus den Superintendens 
ten unter ihrem General: Superintendenten oder Propfie gebildet, 
Auch wurde 1817 eine Generalſynode verheißen und der Entwurf vers 
ſprach ihr einen ähnlihen Einfluß auf die Gefeggebung ber Kirche, wie 
den Landfländen auf die bes Staats. Allein, obgleich dieſe Verhei⸗ 
ßung 1822 wiederholt wurde, iſt fie body nie in Erfüllung gegangen. 
Durch eigene Erſcheinungen bei diefer Gelegenheit, 3. B. buch Widers 
feglichleit gegen die Union veranlaßt, dmderte bie Regierung ihren 
Plan und es gingen auf diefe Weife die ſchwachen Anfänge einer freien 
Kicchenverfaffung völlig wieder zu Grunde. Nur in den weftphäfifchen 
Provinzen, und befonders in der Grafihaft Mark, erhielt fi bis auf 
wenige Mopifilationen, die alte freie Kirchenverfaffung und iſt hier 
durch die am 5. Mal 1835 erlaffene Kirchenordnung für bie Provinz 
Weltphalen und die Rheinprovinz in einer Weiſe feftgeftellt worden, 
weiche fie dem gebundenen Zuftande anderer deutſchen Kirchen gegens . 
über als die vollendetfte der neuern Zeit erfcheinen läßt. Ducchaus auf 
das Princip der Selbfiftändigkeit gegründet, hat fie als iIntegeirender 
Theil des kirchlichen Weſens, freigemwählte Presbyterien, beflehend aus 
den Geiftlichen, den Aelteften, Kirchenmeifleern und Diaconm, zue 
Handhabung der Kirchendisciplin, Einleitung der Predigerwaht, Bes 
fegung der niedern Kirchendienſte, Verwaltung ded Kirchen, Pfarrz, 
Schuls und Armenvermögens. Neben ihnen beſteht in jeder Gemeinde 
ein weiterer Ausihuß, welcher den Prediger wählt, über Veräußerung 
oder Erwerbung von Kirchenvermögen, über Erhöhung der Gehalte für 
Kichenbeamte und Uber Aufbringung der Parochiallaften entfcheiber. 
Mehrere Kirchengemeinden find hiernaͤchſt zu einer Kreisgemeinde ver 
- bunden, weiche in Rüdficht auf Handhabung der Disciplin, der Aufs 
ficht über die Pfarrer, Ortöpresbpterien, Candidaten u, f. w., ber Con⸗ 
trole über Verwaltung des Kichenvermögens u. ſ. w. durch eine Kreide 
fpnode vertreten wird. Als Mittelpumet endlich für bie kirchlichen Be⸗ 
siehungen jeder Provinz ſtellt fi) bie Provinzialfpnode dar, beten 
Beruf e6 if, Über die Reinheit der kirchlichen Lehre und die Erhaltung 
der kirchlichen Ordnungen zu wachen und über innere kirchliche Anges 
legenheiten felbfiftändig oder auf Antrag ber Kreisfpnoden Befchlüffe zu, 
faſſen. Doc, treten bie letztern nicht in Kraft, bevor fie nicht die 
Genehmigung bee competenten Stantsbehörde erhalten‘ hat. 

b) Baiern. Die proteftantifhe Kirche Baierns iſt zwar fchon 
ſeit einer Reihe von Jahren im Beſitze einer Synodal⸗ und zum Theil 
auch Presbpterials Verfaffung; aber ein Zuſammenfluß von mehrern 


448 Sonodalverfaffung. 


foͤrenden und hemmenbden Vethaltniſſen hat bie jegt ihre gebrihkiche 
Entwickelung immer noch zuruͤckgehaiten, fo daß fie noch wenige ober 
gar keine Früchte für die proteſtantiſche Kirche Baierns bringen konnte. 
Au diefen ungünftigen Verhaͤltniſſen gehören zunaͤchſt mehrere bedeu⸗ 
tende Gebrechen in ber kirchlichen Verfaffung ſelbſt. Unter biefen Ge⸗ 
brechen iſt das unverhaͤltnißmaͤßige Uebergewicht der Geiſtlichen über bie 
Laien; deun auf ſechs Geiſtliche kommt nur ein Laie, und dieſe Weni⸗ 
gen werden noch dazu aus dem MBeamtenflande von ber Regierung 
geſetzt, find alfo nicht unabhängige Vertreter der Kirche, ſondern nur 


Drgane der Regierung. Kerner gehört dahin die Trennung in zwei 


Senetalfpnoden zu Ansbach und zu Baireuth, wodurch bie Kirche eines 
feiten Mittelpunctes und kraͤftigen Zuſammenwirkens beraubt wird. Dazu 
fommt die unvolllommene Organifation der Presbpterien, ohne bie es ben 
Spnoden immer an Kraft und Leben fehlen muß. Das Inſtitut ber 
Presbpterien wurbe zwar der baierſchen Kirche fihon 1821 von ber 
Regierung felbft angeboten, allein die Einführung fiheiterte an dem 
Miderwillen ‘dee Geiftlihen und Gemeinden gegen bie Kirchenzucht, 
welche den Preöbpterien im fehr weitem Umfange übertragen werben 


follte. Nach einem lebhaften Kampfe, in welchem Fuchs und Lehmus 


als Vertheidiger der‘ Presbyterien, Seyffert, Betzold u. A. als Gegner 
derfelben auftraten, nachdem eine Conſiſtdrialverordnung vom Jahre 
1822 die Wahl und Einführung verordnet hatte, wogegen mehrere 
Städte, wie Ansbach, Nürnberg, Augsburg, Rothenburg, Nördlingen, 
Dinkelsbühl, Feuchtwangen u. ſ. w. Proteftation einlegten, wurde 
durch eine Löniglihe Beſtimmung das ganze Presbyterlalmefen wieder 
aufgehoben, mit Ausnahme derjenigen Gemeinden, wo bie Presbpterten 
bereitd gewählt waren, und es vertagte bie Generalfunode von Ansbach 
und Baireuth vom Jahre 1823 die Einführung berfelben bis auf bie 
naͤchſte Synode. Go blieb das ganze Inſtitut in diefem halten und 
darum unwirkſamen Zuftande, und es iſt fehr zu beklagen, daß feine 
Gegner fi zur Verwerfung des Ganzen hinreißen ließen, flatt ihren 
Miderfiand nur auf die verderblichen bieracchifchen Elemente zu richten, 
Noch immer aber iſt es unter ben jegt in Baiern obmaltenden Um⸗ 
ftänden zu verwundern, daß fi die baterifch=proteflantifche Kirche im 
dem Grade, wie es ber Fall iſt, aufrecht zu erhalten vermocht hat, 
Die feit der Einführung ber Spnobatverfoffung gehaltenen drei Syno⸗ 
den tm Jahre 1823, 27 und 32 haben faft gar keine pofitiven Res 
fultate fuͤr die Kirche hervorgebracht. Mehrere ihrer zeitgemäßen Ans 
träge, 3. B. auf eine von dem Minifterlum des Innern unabhängige 
Stellung bes proteftantifchen Oberconfiftorlume, auf eine zahlreicyere 
Theilnahme ber Laien an den Synoden, auf Vereinigung der beiden 
Synoden zu einer, wurben eben fo wenig berüdfichtigt, als die Bitte 
mehrerer proteflantifchen Mitglieder der Kirchengemeinde zu Nürnberg 
im Jahre 1832, daß der kuͤnftigen Generalfynobe eine der Zahl der 
Geiſtlichen gleihe Zahl weltlicher Mitglieder durch freie Wahl der Ges 
meinden beigeflgt werden möge. 

Zu erfreulihern Ergebnifien hat bie feit 1818 eingeführte freie Kir 
chenverfaſſung in dem baieriſchen Kheinkreiſe, jest Pfalz, gefuͤhrt, wo eine 
achtungswerthe Selbftftändigkeit ber proteſtantiſchen Kirche bezweckt wor⸗ 
den iſt. Die kirchliche Verfaſſung findet hier dadurch einen feſtern 





1 


Somobatserfäfeng 440 


Grund in han. Wolke, daß jede Marrgemeinbe ein fusigeraähltes Pres⸗ 
butertum bat. An biefe reiht ſich die Didcefanfpnobe, die aus Geiſt⸗ 
lichen und Weltlichen befteht, und eben fo die General⸗ und Provins 
zialfpnode. Die Mitglieder dee letztern werben jedoch nice alle frei 
gewaͤhlt; denn außer einem weltlichen und einen geiftlihen Mitgliede 
aus jeder Didcefanfpnode find alle Dekane von Amtswegen Mitglieder 
Derfelben. Außerdem haben die Diitglieder ber Kreis: und Provinzial⸗ 


conſiſtorien Sig -und Stimme; ein Abgeorbneter des Oberconfiltoriums 


dirigirt und ein koͤniglicher Commiffaͤr wohnt den Sitzungen bei, eroͤff⸗ 
net und ſchließt fie. Gleich die erfie GSenssalfunode zu Kaiſerslautern 
1818 brachte die ſchoͤne Frucht der Union zu Stande. Die folgende 
1821 baute anf dem gelegten Grumdg fort, indem fie der unirten Kirche 
einen Katechismus und «in Geſangbuch gab. Die dritte Synode 1825 
behauptete ſich ehrenvoll gegen das Oberconfiſtorium. Dieſes hatte Bes 
denken erregt gegen einen Paragraphen der rheinbaleriſchen Unionsurs 
kunde, der die heillge Schrift als ben einzigen Glaubensgrund und die 
einzige Lehrnorm der unirten Kicche erklaͤrte, wodurch die fpmbolifchen 
Bücher in diefer Bedeutung verworfen wurden, und gegen den neuen 
Katehiemus, weil er das Dogma von ber Erdſuͤnde nicht mit aufge 
nommen hatte. Die Synode wies mit männlichem Freimutbe beide 
Bedenken von fi und behartte bei Ihren Beflimmungen; doch erfl 
1828 erfolgte die koͤnigliche Beſtaͤtigung diefer Synodalbeſchluͤſſe. 

c) Baden. In Baden wurbe gleichzeitig mit ber Union eine 
ziemlich freifinnige Presbyterials und Oynodalverfaſſung eingeführt. 
Mit voller Anerkennung ſowohl der landeshoheitlichen als ber bifchöfli- 
chen Obergewalt des Landesheren Uber die Kicche, nimmt dieſe doch für 
ihre Innern Angelegenheiten vollftänbige Autonomie in Anſpruch. Zuerft 
finden bie einzelnen Pfarrgemeinden im ihren Presbyterien, bie aus dem 
Pfarrer und eines Anzahl freigemählter Gemeindeglieder beſtehen, bie 
Drgane zur eigenen Verwaltung ber fittligen, religtöfen und Eicchlichen 
Angelegenheiten. Aus dem Presbyterium werden duch Wahl die Did: 
cefanfpnoden gebildet, beſtehend aus den Tämmtlichen Pfarrem der 
Diöcefe und aus wirklichen Mitgliedern der Kirchengemeinderdthe, wel⸗ 
dye immer die Hälfte der geiſtlichen Mitglieder betsagen und von den 


Presbyterien gewählt werden. Die gefammte Landeskirche endlich wird 


ducch die Generatfpnode repräfentictz fie befteht aus einer Anzahl frei 
von ben Geiſtlichen gewählter Geiſtlichen, aus halb fo vielen Weltli⸗ 
hen, bie aus den Kirchenvorficheen und durch dieſe geroählt wer: 
den, aus zwei geiſttichen und ’ weltlichen Gliedern der evangelifchen 
Minifterlal: Kirchenbehösde, einem von dem Großherzoge ernannten 
Mitgliede ber theologifhen Fakultät zu Heidelberg und einem landes- 
herrlichen Gommiffie als Predfidenten der Synode. Sehr nachtheillg 
aber hat auf die Wirkſamkeit diefer Kicchenverfoffung das lange Ver⸗ 
zögern der Zufammenberufung einer Synode nach der erften im Jahre 
1821 gewirkt, denn nicht allein wurde dadurch die Ausführung meh⸗ 
rerer dringend nothwendigen Beduͤrfniſſe ber Kirche. lange aufgehalten, 
fondern der duch bie Union umd die neue Verfaſſung geweckte frifche 
Gemeingeiſt wurde auch gleih in feiner Entſtehung gelähmt. und die 


‚Entwidelung und Belebung dee neuen Kormen geſtoͤrt. Ungeachtet die 


neue Generalſynode auf das Jahr 1825 feltgefegt war, kam fie doc) 
Siegel Handbuch IV. 29 


« . 











450 Synodalverfaſſung. 

erſt 1884 zu Stande, und dieſe ganze Zeit Aber wußte bie Wielfſam⸗ 
keit der Verfaſſung fuspendirt bleiben. Die Synode von..1884 bat 
jedoch mit großem Fleiße und größer Umſicht die fo fange aufgehaͤuften 
Beduͤrfniſſe der proteſtantiſchen Kitcye zu befeitigen gefucht. - Die Ein 
führung eines Landescatechismus, einer Perikopenſammlung, einer 
Agende , eines Geſangbuchs, eins Mevifion der bisher eingeführten 
biblifchen Geſchichten von Hebel und namentlich Verbeffesungen in dem 
Kultus und der Kirchenverfaſſung find bie Früchte ihrer. angeſtrengten 
Thaͤtigkeit geweſen. Ein wefentlicher Mangel der Badifchen. Kirchens 
verfaffung befiche indrfien darin, daß die Synoden von doppelt fo. viel 
Geiſtlichen beſetzt weiber, als von Weltlihen. Daß ein Antrag auf 
Gleichſtellung der Zahl: der weltlichen, mit ber ber geiftlichen Mit⸗ 
glieder der Generals und Diöcefanfonoden feine Billigung bei ber 
Synode fand, iſt um fo mehr: zu beklagen, da überhaupt die allge 
meine Theilnahme an den kirchlichen Angelegenheiten im Badiſchen 
noch gering zu ſeyn fcheint, ſo daß alfo die Hoffnung eines aliges 
meinen kirchlichen Gemeingeiftes: im Wolle durch freie repraͤfentativ⸗ 
Ticchliche Formen bier noch wenig in Erfüllung gegangen iſt. Bon 
: einer kraͤftigen Wirkſamkeit der Presbpterien in biefem Sinne if 
baber wenig bemerklich. Indeſſen darf dieß das Vertrauen auf bie 
Erfolge kirchlicher Reformen nice niederfchlagen, da eine einmal 
feftgewurzelte Abgeftumpftheit gegen das Kirchliche fich nicht fo ſchnell 
wieder pertilgen läßt. Zugleich kann diefe Erfcheinung zum Beweiſe 
dienen, wie wenig bei ber in ber neuern Zeit erwachten Selbſtſtaͤn⸗ 
digkeit des Volksgeiſtes in der proteftantiichen Kirche von den Presbys 
terien eine Bedruͤckung des fittlichen Lebens zu fürchten fe. Denn 
ungeachtet die Badiſche Kirchenderfaſſung den Kirchengemeinraͤthen in 
einem ziemlich ausgedehnten Grade die Befugniß einer Sittenaufficht 
und Sittenzucht einräumt, ſelbſt mit .dem echte und der Pflicht die 
weltliche Behörde zu Huͤlfe zu rufen, wodurch ein gefährlicher Miß⸗ 
brauch zu zwangsmaͤßiger Einwirkung auf das freie fittliche Leben durch 
das Geſetz nicht ausgeſchloſſen wird; fo haben. fih von einem: foldyen 
Mißbrauche doch durchaus deine Spuren gezeigt, weil ber .gefunde 
Geiſt der Presbpterien. ſelbſt - einer ſolchen Bevormundung ihrer Mit 
bürger widerſtrebt. " 

d) Würtemberg befigt zwar eine Art Synodals und Press 
bpterlalverfaffung, aber fo dußerft unvolllommen, daß fie durchaus 
nit als ‚wirkliche Repraͤſentation der proteflantifchen Kirche oder als 
Organ ihrer Autonomie gelten kann. Die in Wärtemberg jährlich 
zufammentommenbden Synoden beſtehen naͤmlich aus dem Praͤſiden⸗ 
ten bes Gonfiltoriums und den fech6 Gemeralfuperintendenten oder Praͤ⸗ 
laten. Die Mitglieder des Confiftoriums und der Synoden werden 
von dem Landesheren auf Vorſchlag des Minifteriums des Kirchen: 
und Schulwelens ernannt und haben die Befehle des letztern zu befols 
gen. Weder das Confiftoriun noch die Synode können alfo als eigent⸗ 
lich kirchliche Spnoden angefehen werden, fonbern mehr als Staates 
behoͤrden: die Kirche befinder ſich alfo dem Staate gegenüber ohne alle 

Vertretung. Außerdem beftehen feit 1824 in den einzelnen Gemein⸗ 
"den fogenannte SKirchenconvente, eine Art Preöbpterien, an denen 
aber, außer einigen Gemeindegliedern und dem Ortsgeiftlihen, auch 





Spnobejserfoflung. 451: 


die Oxtcporſteher von Amtswegen Shell nehmen ,..und die ebenfalls 
Leine zeinkicchihen Behörden. find, da bie Ortéoporſteher felbft dann 
Daran. Theil nehmen follen, wenn fit katholiſch ſind. Die Kirchenvorſtaͤnde 
follen eine Kircyen :, Sitten« und Schulpolizei ausüben; ihre Wirk 
ſamkeit ift aber völlig dadurch gelähmt, : daB es der Kirche ganz an 
den höhern Organen ihrer Automemie gebricht, umb daß fie ſeibſt der 
Aufficht der. weltlihen Regierung untergeordnet find - Das Beduͤrfniß 
einer ſelbſtſtaͤndigen Organiſation ber pooteflantifchen. Kirche iſt daher 
in Wuͤrtemberg ſehr dringend. Schon 1830 ſprach es ſich durch die 
Geiſtlichen von 15 Dioͤceſanvereinen (faſt ein Drittel der ganzen würs 
tembergiſch⸗ proteftantifchen Geiſtlichkeit) aus, welche in eigenen Cine 
gaben der Regierung. bie Bitte um eine repeäfentative Werfaffung ber 
proteſtantiſchen Kicche vorlegten. Allein dieſe, wie andere Anträge And 
bis jetzt ohne Erfolg geblieben. — Noch viel entfeenter als in Würs 
temberg ſteht BE . 

e) in Heffen « Darmfadt bie proteftantifche Kirche von dem 
Ziele einer ſelbſtſtaͤndigen Organiſation. Hier finden fidh einige nur 
ſehr ſchwache Spuren einer kirchlichen Repräfentation in ben Lokalkir⸗ 
chenvorſtaͤnden, die in den einzelnen Gemeinden beflchen und nur nach 
einer hoͤchſt beſchraͤnkten freien Wahl zufanımengefegt werden, ſo daß 
fie ganz in den Händen ber Regierung und der weitiihen Lokalbehoͤr⸗ 
den. bleiben. Im Uebrigen if die Kirche ganz nach dem Princip der 
Gonfiftorialverfaffung organifirt, und die kirchliche Befeggebung gebt 


wie die politifhe, won ben Randtagen aus. Erſt 1832.ift dieſe Eins 


richtung durch ein Edict wieder beftätige worden. . 

Lebenbiger und Erdftiger hat fih das Verlangen nad felbfiftänbi: 
ger Drganifation der proteſtantiſchen Kirche durch Presbyterial⸗ und 
Spmodalverfaffungen in neuerer Zeit in mehrern beutfhen Staaten ges 
zeigt, wo feit 1830 freiere, repräfentative Staatsverfaffungen in das 
Leben getreten find. &o. haben ſich gleichzeitig mit den politiſchen 
Reformen in Sachſen, Kucheflen, Hannover und Braunfchweig zahle 
reiche Stimmen für kirchliche Reformen erhoben. Doch iſt in allen 
biefen Ländern das Verlangen noch unesfüllt geblichen. 

f) In Hannover fprach es fi nur durch mehrere Denkſchrif⸗ 
ten aus, welche bie Öffentlihe Meinung für eine Umgeflaltung der 
kirchlichen Verſaſſung in Hannover zu gewinnen ſuchten, die aber zum 
Theil den richtigen Gefichtspunct verfehlten. So gingen die Vorſchlaͤge 

oͤlth's (die Nothwendigkeit zeitgemäßer Reformen in den kirchlichen 
Verhaͤltniſſen des proteſtantiſchen Deutſchlands, Hannover 1831) haupt: 
fählih nur auf eine corporative Organifation und höhere Stellung des 
geiftlichen Standes; er verlangt Synoden, aber nur aus Geifllichen 
ufammengefegt. Ihm entgegen weift Petri (die Beduͤrfniſſe und 

ünfche der proteftantifchen Kirche: im Waterlande, Dannover 1832) 
das in diefen Vorſchlaͤgen liegende Hierarchiſche nach, er ſelbſt verfannte 
dagegen zu fehe die irchliche Autonomie, indem er den Synoden alle 
eonftitutive und executive Gewalt abfpriht und fie nur auf das Auss 
fpreyen der Wuͤnſche ber Kirche beichränten will. Vergl. außerdem 
„über Verwaltung und Verfaſſung ber lutheriſchen Kirche im Königs 
reihe Hannover.” Hannover 1832, und Schläger „was fordert das 
Kirchen s und Schulweſen im Rönigreihe Hannover?‘ spannover 1832, 


/? 
452 Spynodalverfaſſung. 


8) In Braunſchweig blieb man nicht blos bei Druckſchrif— 
ten chen , fonbeen bie meiften Geiftlichen des Lanbes, worunter auch 


. . bie Generalfuperintendenten und faft fämmtliche Superintendenten, vers 


. einigten fi im Januar 1882 zu einer Petition an den Herzog, um eine 
repraͤſentative Verfaſſung ber Landeskirche. Die Regierung antwortete zwar 
darauf nicht mißfällig, verſprach fogar die Berudfichtigung diefer Wuͤn⸗ 
ſche, ſprach jedoch zugleich aus, fie erwarte das meifte Heil der Kirche 
davon, daß bie Geiftlichen perfönlich Ihrer Würde gemäß lebten, und 


ſcheint damit andeuten zu wollen, baß eine Veränderung in den For 


men der Kicchenverfaffung nicht nöthig fepyn würde, wenn bie Geiſtli⸗ 
hen ibee digkeit thaͤten. Wenigſtens iſt feitbem nichts weiter erfolgt. 

h) Auch in Rurbeffen fcheint wenig Ausſicht zu einer zeit 
gemaͤßen Umbildung ber proteftantifhen Kirche zu feyn, und vielleicht 
liegt die Schuld zum Theil. an den Geiftlichen ſelbſt. Sie fcheinen das 
wahre Bedürfniß der Kirche nicht verflanden zu haben, indem fie es 
mit dem Intereſſe des geiftlihen Standes verwerhfelten und dadurch 
bie Öffentliche Meinung mehr gegen fi einnahmen als für die Kirche 
gewannen. In dieſem Sinne naͤmlich richteten 150 Geiftlihe im 


Jahre 1830 eine Petition an ben mit der neuen Gtaatsverfaffung 


beauftragten Landtag, worin fie vor allen um Verbeſſerung der geiftlis 
‚hen Befoldungen und um Firirung ihres Gehalts baten, dafür auf 
Einziehung einee Anzahl Pfarreien und auf den Zuſchuß einer jäheli- 
hen Summe von 30,000 Thalern aus der Staatecaffe antrugen, und 
nur gegen das Ende noch den Wunfh einer Spnodalverfaffung aus⸗ 
fprachen, ohne jedoch auch deren Bedeutung für die Autonomie ber 
Kirche beflimmt genug im Unterfchiede von dem Intereſſe des geift: 
lichen Standes hervorzuheben. Mit Recht fand diefe Petition von vie 
Ion Seiten Misbilligung, und ed war ein zeitgemäßes Wort, das 


Bickell in diefer Hinficht dagegen ausſprach. (Ueber bie Reform der - 


preoteftantifhen Kirhenverfaffung in befonderer Beziehung auf Kur 
heſſen. Marburg 1831.) In treffenden und räftigen Zügen zeigt er 
den tiefen Grund des verfallenen peoteflantifhhen Kirchenweſens in dem 
- Mangel an einer felöftftändigen Organifatidn, und drang dafuͤr nach⸗ 
druͤcklich auf freie, repräfentative Sormen der Kirche zur Belebung des 
kirchlichen Gemeingeiſtes. Die neue Verfaſſung Kurheffens giebt auch 
für die Gewährung diefer gerechten Forderung einige Hoffnung, die 
fi) aber bis jegt noch nicht verwirklicht hat. 

Am fräftigften und lebendigften iſt der Kampf für die Presbyte⸗ 
rial⸗ und Spnodalverfoffung fett ‘ber neuen vepräfentativen Staats⸗ 
berfaffung ' 

i) in Sachſen geführt worden, eine Erſcheinung, welche allen 
denen Leicht erklaͤrlich iſt, welche die in Sachſen vorzugsweiſe ausgebils 
dete, in ihren Sormen alles freie Bewegen- aufhebende Conſiſtorialver⸗ 


faffung in ihrer Entitehung und Entmwidelung fennen gelernt haben. 


Die von den Geiſtlichen der Leipziger Didces und fpäter von vielen 
andern Geiſtlichen des Landes an die Megenten gebrachte Petition, in 
welcher neben der vom flaatsrechtlichen Gefihtspuncte aus niemals zu 
begründenden Vertretung ber Kirche und ihrer Geiſtlichen auf dem 
Landtage, die Rüdgabe der Autonomie ber Kirche duch eine Press 
byterials und Synodalverfaffung gefordert tourde (vergl. die Wünfche 








Spnodalverfaffung. 453 


der evangelifchen Geiſtlichkeit Sachſens. Leipzig 1831), iſt jedoch eben 
fo wenig von Erfolg gemwefen, als eine große Anzahl hierher gehöriger 
Flugſchriften ähnlichen Inhalts. Zwar bat die Regierung im Jahre 
1832 die Einführung von Presbpterien und Ephoralfpnoden verheißen, 
und die Geiſtlichen des Landes zur Eröffnung ihrer Anfichten aufgefors 
dert. Wir fchöpfen hieraus jedoch für die Neugeſtaltung ber fächfifchen 
Kirchenverfaffung nur fehr ſchwache Hoffnungen, weil es an einem 
Gentralpuncte fehlen wird, in welchem die Beftrebungen der Ephoral: 
fonoden fidy einigen koͤnnten. Auch vermögen wir in Wahrheit nicht 
einzufehen,, welche Xheilnahme bie Kicche diefen Ephoralſynoden ſchen⸗ 
ten tönnte, diefem Snflitute, welches ifolirt und ohne Bufammenhang 
mit einer freien Vertretung ber Geſammtkirche durch eine Landesſynode, 
fire die Geifttichen Gelegenheit zw unnügem Disputat und Zeitverfäum: 
niß, für den kirchlichen Organismus aber ohne alle thatfächliche Bedeu⸗ 
tung feyn wird. Vergl. was barüber im Artikel Buße (poenitentia 
publica) 1r Bd. diefes Handbuchs Nr. VIEL p. 308 gefagt worden iſt, 
desgl. Ar Bd, Artikel Presbpter p. 228. 


| Raufe 0.5 
‚tm Kultus der Ehriſten. 
J. Einleitende Bemerkungen. MH. Perſonen, welche 
getauft wurden. HIT. Perſonen, von welchen die Taufe 
verrichtet wurde. IV. Von den. Taufzeiten. V. Ort, 
wo die Taufe verrichtet wurde. VL Bon der Materie 
der Laufe. VII. Form der Taufe. : VII. Taufceremo⸗ 
nien.- IX. Won: den gegen und Bürgen der Zaufe. 
X. Zaufnamen. XI Abweichende Anſichten der Haͤre⸗ 
tier von der orthohoren Kiche Taufe und Zaufgebräuche 
betreffend, XI. Zaufe in dem Kultus der heutigen 
chriſtlichen Well, © et 





Literatur. Monographien. Caroli M. Imp. epist. ad 
Odilbertum de ritib. baptismi, cum Odilberti responso, In Mabil- 
lonii Veter. Analect, (Paris 1723. Fol.) p. 75 seqq. — Alb. FL 
Alcuini de baptismi cacremoniis epist, ad Oduioum. In deffen 
Merken p. 1150 segg. (Paris 1617. Fol.) und epist. ad Carol. M. 
de caerem. bapt. Ebend. und in Canisii Lection. antiq. Tom. 2. p. 
542 segqg. ed. Basn. — Leidradi liber de sacram. baptismi ad 
Carol. M. Bei Mabillon a. a. D. p. 78— 89. — Theodulfi ep. 
de ritib. baptismi eorumque significatu, ad Carol. M., edita ex 
‚ cod. ms. monast. s. Emmeran. Ratisbon. In Pezii Thesaur. anec- 
dotor. noviss, (Augsb. 1721. Fol.) Tom. 2. p. 6 seyg. — Johannis 
(Hymonidae) ep. ad Senarium de variis ritib. ad baptismum per- 
tinentib. in Mabillonii Mus, Ital. Tom. 1. P. 2. (Paris 1724. 4.) 
-p:.69 segg. — Andere Schriften aus dem Mittelalter führt Fabricius 
in Bibliographia antig. ed. Schaffshausen p. 552 an. — Josephi 
Vieecomitis observationun ecclesiasticar. Vol. I., in quo de antiquis 
baptismi ritib. ac oaeremoniis agitur. Mailand 1618. 4. (aud) mehr⸗ 
mals einzeln gedruckt). — Jac. Canisii fons salutis s. primum sacra- 
mentor. omniun, baptismus etc. Cöln 1629. 8 — J. Montani 
heil. Tauff- Historia; a. d. niederländ. Sprache übers. u. verm. v. Jac. 
Mehrning. Dortm. 1646. 49. 2 Bde. 4. — F. U. Calixt. de anti- 
quis circa baptismum ritib. Helmst. 1650. 4. — J. Dalaeus de 
baptismi oacrenbniis in fein. de cultib. relig. Latinor. LL. 9. (Genf 
1672. 4.) p. 1 seqg. — A. C. Schubert (pr. J. Musaeus) de ritib. 


Laufe: 455 


ecclesiae primittvae baptiemalib. Jena 1674. 4. — J. Calassntius 
diss. de ritib. olim baptismo adhiberi solitis in fein. Notit. eccle- 
‚ siast. (Lyon 1680. Fol.) p. 28 segg. — J. Hoornbeek de baptismo 

veterum. In fein. -Miscell. sacr. (Ütr. 1689. 4.) p. 462 — 526. — 
J. Ciampini explicatio, duorum sarcophager. anerum baptismatis ritum 
indicantium. Rom 1697. 4., auth in der Galleria di Minerva Tom. 2 
P. 5. p. 77 segqq. (Venez, 1697. Fol.) — Jo. Hildebrand rituale 
baptismi veteris. Helmet. (1699. 4714.) 1736. 4. — At. v. Dale 
hist. baptismor. cum hebraicor. tum ohristianor. Nach fein. dies. supra 
Arist. (Amst. 1705. &).p..8356-—471.: 7 -Ch Gli. Schwarze diss, 
de ritib. quibusd. formulisgque a manumissione ad s. baptismum 


translatis. Altf. 1758. 4 — J. G. Walch ritus baptismales sae-- 


ohli 2. Jene 1749, 4. — J. A. Stark Geſchichte der Taufe und 
der Taufgeſinnten. Leipz. 1789. 8. — Al. Pirie diss. on baptiem 
intented to illustrate the origin, history, design, mode and 
aubject öf that sacred institut. Lond. 1760. 8..— R. Rebinson 
Bist. of baptism..öte.. Bond. 1790. 4. — Ch. F. Eiſenlohe hiſtor. 
Bemerkungen lıber die Taufe. Tuͤb. 1806. & — W. Schenk Taufduch 
für.Helftt. Religionsverwandse, oder Unterricht über alle Gegenſtaͤnde, weiche 
die Taufhandl. ſowohl In licht. ale auch dbuͤrgerl. Hinſicht betreffen :c. 
Weimar 1804. 8. — F. Brenner geſchichti. ell. der Verricht. u. 
Ansipendung dee Sakramente von CEhriſtus bis auf unſere Zeit. Thl. 1. 
Bamb. 1818.8. — Wir: kannten bier nur die vorwaltend archaͤolo⸗ 


giſchen Schriften über die Taufe verzeichnen, die degmatiſchen ſ. - 


Walch Biblioth, theol. E. 121 seq. 186. 273. 292. 295. Il. 16. 19. 
226. und die neuern bei Bretſchneider foflemat. Entwickel. Se Ausg. 
». 707 ff. und Winer theol. Literas. Se Ausg, l. p. 449 f. — Schriften, 
die fich über einzelne Gebräuche bei der Taufe verbreiten, führen wir 
wie gewöhnlicdy in ber. Abhandlung am. 


Allgemeinere arkhäolsgifhe Werke, wo von. 


der Taufe mit gehandelt wird. .Bingh. Antiquitt. cocl, }. 
X. e. 5. (das gamze vierte Buch gehört beinahe hierher). — Blade 
more's chriſti. Alterthämer Thl. 1. pe 83797. — Schöne in fein. 
Geſchichtsforſchungen Thl. 1. pr 1485 — 47. — Auguſti's Denkwuͤrdig⸗ 
keiten, beinahe ber ganze 7te Bd. auch Thl. I. R 120 — 22, und 
Th. v.p 120 — 22, — Binterim Dentwügdigfeiten Thl. 1. Bd. 
1. p- 105. DEE . 6—. 
I) Einleitende Bemerkungen. —. Die Taufe ober ber 
‚von Jeſu verordnete Weihebraud) zur Aufnahme in feine Kirche iſt für 
Dogmatik, Dogmengefchichte, kirchliche Archäologie u. T. w. eben fo 
wichtig, als die andere von Jeſu eingefegte, veligiöfe Feierlichkeit, das 
Abendmahl genannt. Es verfieht ſich von fetbft, daß wir nur bier 
bas rein kirchlich Archaͤologiſche ins Auge faflen koͤnnen, und dag wir 
Dogmatik und Dogmengefchichte gänzlich ausfchließen müflen, in wie 
fern beide Disciplinen nicht unumgänglih zur Erlduterung nothwendig 
find. Um uns jebod den Weg zu dem vein kirchlich archaͤologiſchen 
Material zu bahnen, wird es nöthig ſeyn, erſt einige einleitende 
Bemerkungen vorauszuſchicken. Sie betreffen 
a) die Eiymologie des Wortes, Taufe und bie 
reihe Onomatologie diefes religidfen Gebrauchs. 


\ 


‘ 





. 


456 daufe. 


as zufoͤrbderſt die allgemein angenommene Benennung betrifft, fo 
bezeichnen die beiden Formen, 6 Aanzıonog (baptismus, i.) und z6 . 
Pantıone (baptiema, atis), fie mögen nus fpnonym ſeyn oder nicht, 
nad) Etymologie und Sprachgebrauch, ein Untertsuchen, Eins 

tauchen u. f. w.; und Die Wahl bes Asbrudis verräth ein Zeitab 


-ter, wo die fpäter, befonbers im. Deccident üblich gewordene Beſpren⸗ 


gung (ritus adspersionis), noch nicht eingeführt war. Im A. 2. ifl 
fowohl Aanrw ale. Banzlior die Ueberfegung der hebrälfchen Zeitwoͤrter 
33% tingo, immergo 2 Dief. 12, 22. 2 König. 5, 14. 920 submer- 
gor Pi. 9, 16. 69, 3. s3% Chald, tingo, in die Farbe eintauchen, 
Dan, 4, 30. 5, 23. eo, 

Diefelbe Bedeutung findet man aub im RN. T., wo fanse 
dreimal, Bansilo aber breißigmal vorkommt. S. Schleußner, Wahl 
u, a. Am entfciedenften fpricht dafür die mietaphorifhe Bedeutung 


. vom Berfinten im Elende, welhe man Mic 10, 38. uab 39. Luc, 


12, 51. 1 &or. 15, 19. ®. a. beſtimmt findet. Auch im Spriſchen 
und Arabiſchen haben die Worte, mit welchen man bie Zaufe bes 


‚zeichnet, die Grundbedentung von untertauden. 


Die deutſche Benennung Taufe kommt zuverläffig von Tiefe 
ber und- in der Terminologie ber Bergwerkskunde findet man die Woͤr⸗ 
tee: die Teufe, teufen, aufteudhen u. a. fehe haufig. Zur 


richtigen Erklärung des Wortes dient, mas Luther (Sermon: vom 


Sakrament der Raufe, f. Walchs Ausgabe Thl. 10, p. 2593) erins 
nert: „Die Taufe heißt auf Griechiſch Baptismus,. zu Latein Mersio, 
„d. i. wenn man etwas ganz ins Waſſer taucht, das über ihm zus 


„ſammengeht. Mad wiewohl an vielen Orten der Brauch nimmer ift, 


„nie Kinder in die Zaufe gar zu flohen und zu tauchen, fondern fie 
„olein mit der Hand aus der Taufe begeußt; fo follte es doch fo ſeyn 
„und wäre recht, daß man nad Laut des Mörtleins (Taufe) das 


„Kind, oder jeglichen, der getauft wird, ganz hinein in® Waſſer ſenkte 


„und täufte und voieber herauszöge. Denn auch ohne Zweifel in deut⸗ 
„Iher Zunge das Wörtlein Taufe herkommt von dem Worte tief, 
„daß man tief ind Waſſer ſenkt, was man täuft. Das fordert auch 
„die Bedeutung ber Taufe; denn fie bedeutet, daß ber alte Menſch 
„und fündlihe Geburt von Fleifh und Blut foll ganz erfäuft werden 
„durch die Gnade Gottes, wie wir hören werden. Darum follte man 
„der Bedeutung genug thun und ein recht vollfommenes Zeichen geben." 

Die Verfchiedenheit der Korm Aanzıonds und Panzıopa haben 
wir [bon erwähnt, und zugleih, daß Viele beide als fpnonym betrachs 
ten. Es läßt fi) auch nicht leugnen, daß fie theil im N. J., theils 
von mehrern Kirchenväteen fo gebraucht werden. Won ber Taufe Jo⸗ 


hannis wisd Mt. 3, 7. u. a. Pantıoua gebraucht; daſſelbe von der 


chriſtlichen Zaufe als permanentes Snftitut, Rom. 6, £. Eph. 4, 5. 
u. a., beſonders aber. in der mehrfachen Zahl von jeder Art der Abs 
walhung, wie Mre. 7, 4. 8. u. a. Auch Hebr. 9, 10. und 6, 2. 
dürften Aanzıopol eher gewöhnliche Lotionen, als religidfe Handlungen 
feyn.- Aleia mon mürde irren, wenn man deshalb bie Regel feft: 
fegen wollte, daß Banzıauds gewöhnliche Abwafchungen und Meini: 
gungen (bei gotteßdienflihen Gebraͤuchen, heiligen Geraͤthen und der: 
gleichen), Bansıomas hingegen die religiöfe Handlung oder Kaufe bedeute. 





Zange. AR 


Denn außerdem, daß dieſer Unterſchied nicht ˖ſtets beobachtet wird, lehrt 

auch die Geſchichte, daß bielmeha ber emtgegengelegte Sprachgebrauch 
in. der Kirche geberrfcht Habe. Immer find die Abhandlungen, wo von 
der kirchlichen Taufe die Rede ifl, zepi z0U Aansıeuov, de baptisme, 
nicht aber nepl ou Bantlouaseg oder de haptismate überfchrieben, 
wenigſtens bei den Lateinern, wie man fi aus Zertullian, Ambros 


ſius, Auguftinus, Hilarius und Optatus u. a, überzeugen kann, und 


diefem alten Sprachgebrauche folgen auch die neuen Dogmatiker in 

der katholiſchen und evangelifchen Kirche, weldhe ftetd de baptismo hans 

bein. Dagegen wird Die Handlung des Untertauchene, Abwaſchens 

oder Beſptengens, ſei es nun in gewoͤhnlicher oder kirchlich religioͤſer 

Hinſicht, faſt immer : durch Bünzseue (baptisna, welches nad der 

Stpmologie zunaͤchſt id quod immersum est, bedeutet), bezeichnet. 
Außer dem Worte Banzeouos wird die Taufe and) 

b) Aovreody, lavacrum, genannt, Man will damit nicht 
an jedes Waflerbad oder an ſolche religiöfe Handlungen ber Heiden, 
dergleichen das kavacrum Palladis, die Ganges: und Indusbaͤder u. a. 
find, fondern an die heilige Haadlung der chriftlichen Kirche, wodurch 
die Reinigung und Einweihung fürs Chriftenthum gefchieht, gedacht 
wiſſen. In dieſer Beziehung wird Eph. 5, 25. von der Kirche heſagt: 
—X zo Aovsgg Toü. voarog ?v enuası 
Noch ausdrudsvoller aber heißt die Taufe Tit. 3, 5. Aovzpöv nalıy- 
yareolas, Dad der Wiedergeburt, wozu das erläuternde: avaxalvmag 
zo nvevunrog aylov (Erneuerung des heiligen Geiſtes) geſetzt wird, 
und womit Joh. 3, 5 ff. zu vergleichen iſt. 

Diele Benennung, fo wie Aovrpör zig ueravolas u. a. finden 
wit bei den Kirchenvätern ſehr häufig, und wenn fie auch bloß Aou- 
5009 allein fegen, fo fügen fie doch gewöhnlich etwas hinzu, was bie 
Bedeutung und Wirkſamkeit der, heiligen Handlung näher bezeichnet. 
Vergl. Clement. Alex, Paedag. I. I. o. 6. und Justin. Mart, Apolog 
1. c. 79. Auch Tertullian de bape. ec. 5. 7. 16. braucht blog lava- 
erum , aber in folcher Verbindung, daß man ihn nicht mißdeuten und 
etwa® anderes, als das lavscrum vitale darunter verfichen kann. 
Die Kircenväter nennen auch nicht felten die Zaufe 

c) Tö UVdweE, aqua, welche Benennung im N. 3. nicht vor 
tommt, obgleich die Alten. das Üdwg Law oder ddwe züg Lwirg in der 
Offenbarung Johannis bisweilen fo deuten. In bem angeblichen Dias 
loge Justin. M. p. 231 heißt «6: Aa soo Aovzspod zig usruvoluc 
xal TAG YYWoswg Toü 600. — — — so Barton, «0 uovov 
xaFraploaı Todg utruvonouvrex durausvov, Toüro dorı To vEwo Tig 
Long. Der Sinn ill ein negativer, wie ihn Luthers Katechismus aus: 
druͤckt. Die Zaufe ift nice ſchlecht Waſſer, fondern ein Gnadenwaſſer 
u. f. m. Ober, wie der Catechism. Romanus. P. Il. o. 11. 5. hat: 
Baptismus est sacramentum regenerationis per aquam in verbo. 
Zertullian fängt feine Abhandlung de baptismo e. 1. mit den Worten 
.an: Felix sacramentum aquae nostrae, qua abluti pristinae eaeci- 
tatis in vitam aeternam liberamus. 

d) Diefelbe Bewandtniß hat es mit dem Worte: die Quelle 
7, anyn fons, aud) wohl zö YPpdag, puteus, cisterna. Se han 
vdarog allouerov sis Lunv almrıoy nach der Deut. Apoc. 4, 7.1 


- 


ch Taufe. 


Ber) 8 mah“ bezog man die Stelle Jeſ. 42, 5. Ihr wer: 
der nen reden Waller Fhöpfen. aus. dem seils⸗ 
brunnen „irre... Bei Gaffiodor in: Cantic. .c. 7. kommt fons 
Aivdays vor, und Bingk. Orig. T. IV. p. 141: erinnert, daB die im 
der: engliſchen Sprache noch gewöhnliche Benennung the Font baher 
damme. Zuweilen fol das ex fonte oder ex fonto sacro auch blos 
->’e Materie oder Art und Weiſe der Taufe aqua fontana, pura <tc., 
rd die, in den Baptifierien gewöhnlichen. Springbrunnen, Quaoll⸗ 
waſſer SR. -m bezeichnen. En Er . u. j . 

»s 0) Die Benennung: ‚die Salbung (xolcua, unctio) 
komme zenr: zunähfl ‚nur . der. Confirmation zu, wird aber auch ber 
Taufhandlung beigelegt. - Dieß Tonne auch in der alten Kirche um fo 
‚eher. geſchehen, da Taufe und Gonfirmation nicht, wie.bei uns, zwei, 
duch). Lange Zeitmomente getrennte Acte, fondern ein zuſammenhaͤngen⸗ 
des anteeodens et oomseqnens. waren. Man hielt dieſe Salbung für 
‚eben fo bedeutend und wirffam, tie bie priefterlihe; und daher trägt 
Dieronpgmus kein Wedenken, die. Kaufe das Prieſterthum bes Laien zu 
nensen. Seine Worte find..Diel. advers, Lucifer. o., 2,: ..Saperdo- 
Ahbom Laicis ie, haptiama. . Soriptum est, enim Rognum quippe 
mas: pt mecerdsteg; Deo et patri auo fecit. „_E& iterum: Gentem 
sanctam, regale nacerdotium: u... m. 0 en 
en £y'@in: ae Decbäinip nbet. auch Statt bei bem [ oft 
verkommenden Namen: das Siegel oder die Verfiegelung 
(sppayis, sigillum, signaculum, obsignatio). Aller 
Wahrſcheinlichkeit mach geuͤndet fich derſelbe auf mehrere Stellen des 
„N. T., worin won der Salhung und Verfiegelung des heiligen Geiſtes 
die Mede if. Dahin gehören die Stellen: Eph. 1, 13. 4, 30. Joh. 
3, 88; 6,:27, Aot. 4, 27. 19, 38. 1 Cor 6, 11. u a. Ganz vor 
zuͤglich aber die Stelle 2 Cor. 1, 21. und 22,, wo es heißt: Bott 
sts aber, der uns befefigt, fammt euch in Chri: 
Rum, und uns. gefalbt und verfiegelt (ö xeloas Auäs, 
Weog, ©. xal opayıpdusvog nuäs) und in unfre Herzen das 
Pfam'd, den Geiſt gegeben bat. 

' Fragt man nad. dem Grunde diefer Benennung, fo liegt derfelbe 
Wohl zunaͤchſt darin, daß in den .meiften neuen und alten Sprachen 
das Wort Siegel als Eigenthumszeichen gebraucht wird. Das Siegel 
ddruͤckt entweder das Namen oder ein Symbol ober Attribut besjenigen 
aus, der fi) deſſelben bedient, und fol. entweder ein ſtellvertretendes 
Zeichen der -Perfan oder ein Symbol des Rechts feyn. Mur der Freie 
und Selbſtſtaͤndige hat ein ‚Siegel als Perfönlichkeitss. und Eigen⸗ 
tbumsgeichen, und man wird im ganzen Alterthume keinen Kal finden, 
wo dem Unfeeian oder. Sclaven ein Siegelrecht beigelegt wurde. Cr 
site nur als. Sacht und empfängt das Siegel al6 Beweis, daß er das 
Bigentbung eines andem fi, 

An der chriſtlichen Kicche finden wie einen andern Begriff und 
Sprachgebrauch; auch da, wo das Wort Siegel nicht von der Taufe 
porlommt. In der Stelle 2 Zim, 2, 19. wird gefagt, das. auf feftem 
Grunde ruhende Gebaͤude (azspeög Heuldıog Oeoü Eoznxer) habe ba 
Siegel. - Hier If. apgpayis fo viel als Inſchrift, Sentenz u. f. w., 
welche man auf Siegel, Stempel und dergleichen zu fegen pflegte. 





Laufe. | Sn ' 9 


© ift Hier, wie Apoc.’ 21, 14. and In antertt Dien. * 


und Beſitzſtempek. Wet damit bezeichnet iſt, ld Für - Iren Uaterthan 


Gottes gehalten und veipflichtet ſich, den Köflien feines Deren zu 'et⸗ 
füllen. Im diefem Sinne nimmt Greger.'Nax..'(orat. 40.’ Opp. T.1. 
‚p- 630 ed. Par.) die Taͤufe Bad Siegel und Zeichen der Hertſchaft. 
Aus Elemens Alerändeinns berichtet Euseb. hist. ooeles. 1. IN. 
e. 23., daß der Biſchof Johannes enem gewiſſen: Biſchofe (matt 
ſcheinlich Polykarp von Smyrna) die Sorgfait für einen gewiſſen aua⸗ 
Zuienen Juͤngling anempfohſen habe und faͤhrt dann aiſo fom: 
Der Bifhof nahm den Ihm anvertrauten Jaͤngling in fein "Haus, 
unterhielt ihn, hielt ihn in Ordnung Add: nahm Ihm Forgfälnig Aaı liche. 
Endlich gab er Ihm die Erfeuchtumg fdyirıoe). Hetauf aber lie er 
von der großen Sorgfalt und Aufſicht etwas nach, weil de dem Juͤng⸗ 
linge ein vollkommenes Verwahrungésmittel“ (reuον ' puiuselper 
anvertraut zu haben gfahbte, daß er ihm das Stehel'des ern 

(ir  opeaylda Tod xvolov) gegeben: Hier können dpadrıue kb 
nıoTmoag Tu» ompaylda z0d xupiov allerdings: piuek Berfdylebene: Aeckh, 
Taufe und Crfirmation , bezeichnen, aber es iſt nicht nokhwendi Wels 
des zu teetinen. Die Taufe heißt haͤufig porioꝛeoc and dieſelbe heitfge 
Handlung kann auch ogpnyic heißen, in tiefen der Täufiing dadurch 
für ein Eigenthum des Herrn erklaͤrt wird. at ar. 


Und fo 'vechäte «6 fi) auch” mit dem lateintfhen Sigillan und 


Signaculum. Rach Tertullian Apolog. e- 21. de speetno. a 4. 4, 
u. a. ift Signaeulum corporis, weldye® er duch Signavufum, Adel 
‚nennt, die Kaufe, wodurch wir, wie die Juden durch ihre Beſchneidung, 
dem Volke Gottes bdeigefellt werden.‘ Dieſer Sprachgebrauch kehet bes 
fonder6 Häufig in dem Katechefn des Cyrillus wieder, z. B. Cätech. 
1. $. 8. Catech. XVII. $, 85. — Eine gar gewoͤhnliche tropiſche 
Benennung der Taufe if: ' . 

8) Ywurionog, Pürsoua, zuwefln sö pay, illumi. 


natio, sacramentum äillüminationis, "illuseratie- - 


nis, lux mentis, oculorum ete.' Der Grund davoniſt 
theilß ein innerer, weil wir, wie Clemens Alex.:Paedag. L L' e. '6. 
ſich ausdruͤckt, durch diefe heilige Handlimg das heilige, - und 
beglüdende Licht, wodurch wir das Göttliche er 
ſchauen, empfangenz theils ein Außerer, weil man voraus ſetzte, 
daß jeder zur Taufe zugelaſſene Schuͤler hinlaͤnglich unterrichtet und 
über die Wahrheiten des Chriſtenthums gehörig aufgeklaͤrt fei. : Mei der 
Kindertaufe hielt man vorzugöweife die erſte Bedeutung feft, wodei der 
Taufe eine wunderbare und übernatärtlihe Kraft -und Wirkung beigelegt 
wurde. Indeß Eonnte doch auch bie zweite Bedeutung, in ſoſern die 
Zeugen und Büͤtgen (testes et spönsores) ·als hinlaͤnglich · vorbereitet 
beteachtet wurben. Daher unterwarf auch die alte Kirche dieſelben einer 
vorgängigen Prüfung, melche die Stelle des bei Ber Taufe ber Erwach⸗ 
fenen vorgefchriebenen Scratiniam vertreten ſollte. Darüber, fo wie 
über die davon abgeleiteten Benenmungen ber Kutecumenen „peurıla. 
uevor, Qwriogbszes, vergl. ben Artikel Katechumenats,. — Auf die 
Vorftelung und Adminiftration der Taufe, als Sakrament und ge: 
heimnigvolle Handlung und als Theil der Arkandisciplin "beziehen ſich 
die fo oft vorkommenden Benennungen: " 


— | 


«0 raufe. 


—— scene 0» (arcanum, saeramentum) reAelwoss ober 
Feiern, perfectio (Bollendung des vorbereitenden Unterrichts zur Auf: 
nahme) kunoıs (initiatio) tuozaywmyla (Einführung in die Myſterien) 
ouußoAov (tessera, das Realzeichen, worauf man Einlaß erhielt, Gaſt⸗ 
freundfhaftemarke, fodann die Parote, das Paßwort u. f. w.). Noch 
näher bezeichnend find die Ausdrüde: ouußokov. owingıwöeg oder 
Tijs owrmolag, und ouußoAov Tov Ayınouov (Symbolum sanctifica- 
tionis). Auch nachdem die Kindertaufe allgemein geworden, blieben 
diefe Benennungen dennoch und wurden nur mehr im metaphoriſchem 
Siane genommen. 

1) Außerdem ift der kirchliche Sprachſchatz noch fehr reih an Bes 
nennungen, welche von Zwed, Kraft und Wirkung der Taufe herges 
nommen find, Wir theilen die am häufigfien vorkommenden mit, 
behandeln fie aber nicht meitläuftig, da fie ſich theils von ſelbſt verſte⸗ 
ben, theil6 auch durch das übrige Material dieſes Artikels leicht ver: 
fländlidy werden. Es gehören hierher die Namen Indulgentia, Sacra- 
mentum indulgentiae, divina indulgentia, Absolutio oder Sacramen- 
tum absolutionis et remissionis peccatorum, ‚Mors peccatorum. 
Gratis — Jögor. Dvlaxıngıov Epödıov „oder za &pödıa viaticum, 
zelyyaveola omınpıa — neyahn neperon — Census Dei. 

Hierher fheinen auch noch die weitläuftigern und zum Theil 
pompbaften Schilderungen ber Taufe zu gehören, bie man bei ben 
Kirchenvaͤtern findet, 3. B. Clemens Alexandr. Paedag. 1. I. c. 6. 
Cyrill. Hierosel. Procatech. $. 16. Beſonders Gregor. Nas. Orat. 
40. Joh. Damasc. de fide orthodoxa 1. IV, o. 10. Optat. Milervit. 
de schism. Don, 1. V. p. 80. 

Schon das zeither Gefagte wird zureichen, um bie Reichhaltigkeit 
der Zauf> Onomatologie und eben dadurch die Wichtigkeit und Manz 
-nigfaltigkeit der Vorftellungen zu bezeichnen, die ins chriftlich = Eicchlichen 
Leben in Beziehung auf dieſen religiöfen Ritus herrſchte, und des⸗ 
halb glaubten wir diefen Punct nicht ganz übergehen zu dürfen. Will 
man, was biefe Onomatologie betrifft, ſich noch vollſtaͤndiger unter: 
. richten .und ins Einzelne eindringen, fo findet man reichen Stoff bei 
Bingh. Vol. IV. 1. XI. o. 1. überfchrieben: de diversis baptismi 
nominibus et appellationibus in ecclesia primitiva. 

2). As einleitende Bemerkungen zu dieſem Artikel fcheinen auch 
noch folgende drei Fragen zu gehören: 

a) Gab es vor den Zeiten Jeſu und noch im Zeitalter Jeſu felbft 
. eine Deofelptentaufe unter den Juden? 

b) Die Taufe Zohannis, wie läßt fie fich erklären, und wie war. 
fie von der von Chriſtus angeordneten verfchieden ? 
Was ift von der Kaufe Jeſu zu urteilen, unb welche Fra⸗ 
gepum⸗ find dabei wichtig geworden? 
a) Was den erſten Punct betrifft, ſo ſcheint das Daſeyn einer 
juͤdiſchen Proſelytentaufe vor den Zeiten Jeſu nicht geleugnet werden zu 
koͤnnen. Freilich iſt von Manchen die Proſelytentaufe ſchon aus dem 
Grunde, wenn auch nicht voͤllig bezweifelt, doch fuͤr eine ſeltene Er⸗ 
ſcheinung gehalten worden, weil gebildete Heiden im Roͤmerreiche das 
Judenthum verachteten. Indeffen lagen Motiven, zum Judenthume 
uͤberzutreten, den Heiden nahe genug, welche unter den Juden lebten 





Zaufe. | us 
und Gewerbe trieben. Manche lockte vielleicht auch die Freiheit vom 
Mititaicdienfle, Joseph. 'antig. 14, 10, 13. Zuweilen : bezwedite man 
eine Heirath, Joseph. antigg. 20, 7, 8. Uber ficher war es auch bei 
den erftarrten Formen des Ethnicismus und bei dem eine große Leere 
zurüdlafienden Skepticismus für manche ein tieferes Beblefnig, wie das 
Beiſpiel ſolcher lehrt, welche, als das Licht der chriftligen Wahrheit 
aufging, ſich der neuen Kirche anfcyloffen, Act. 6, 5. 13, 48. 16, 14 weg. 
17, 4. So viel fiehbt man fohon aus dem N. X. Mt. 23, 16., daß das 
Proſelytenmachen von Seiten ber Juden betrieben wurde. Auch kam «6 
früher fhon vor, daB Einzelne von den Heiden zu dem Judenthume 
überteaten, 3. B. nach Nehem. 10, 28. waren gleich unter der neuen 
Colonie in Patäftina Profelyten. Bel der Vorliebe ber Juden für 
Luftrationen iſt es nicht unwahrſcheinlich, daß ſich ſchon vor Chrifto die 
Profelpten, welche ald Heiden für unrein galten, einer Waſchung unters 
werfen mußten, fei es nun vor der Befchneidang oder vor dem darge⸗ 
brachten Opfer, welche legtere beide Stüde für unumgaͤnglich nöthig 
bei Heiden, melche zum Mofaismus übergetreten waren, erachtet: wur: 
den. Der Einwand, dag Philo und Joſephus nichts davon erwaͤhnen, 
laͤßt fich vielleicht dadurd) am beften befeitigen, daß ihnen dergleichen 
Erfheinungen etwas ganz Gewoͤhnliches waren, welches su erwähnen 
fie nicht der Mühe werth hielten. Kür unfern Zweck ‚bleibt nur dieſes 
wichtig, daf vor Jeſu Zeiten bie Profelytentaufe als ein eigentlicher 
Beſtandtheil der feierlichen Gebräuhe, mit welchen Heiden in ben 
Mofaismus aufgenommen wurden, Statt fand. Ueber die ſchwierige 
Unterfuhung, die Profelyten betreffend, ift ſehr beiehrend der Artikel 
Drofelyten in Winers bibliſchem Reallexikon zweite Auflage, mo bie 
wichtigſten Ergebnifje derfelben mitgetheilt find und eine reiche Literatur 
beigefügt if. Wir haben und buch das jegt Gefagte den Weg zur 
Beantwortung der zweiten Frage gebahnt, 

b) wie fi die Taufe Johannis erklären laſſe, 
und ob, und wie fievon der von Jefu veroröneten 
verfhieden war! Die Taufe Johannis fcheint das Dafeyn ber 
Drofelptentaufe allerdings vorauszufegen. Zwar ift ber- Verfaſſer ber 
Schrift: Weber die Taufe u. f. w., Leipzig 1802 p. 14. anderer Mei⸗ 
nung. Er erinnert: Die Frage der Pharifier: Warum taufft du, wenn 
du weder Chriftus, noch Elias, noch ein Prophet biſt (Joh. 1, 25.) ? 
fheint anzuzeigen, daß die Juden damals noch Feine Profelptintaufe 
. gehabt haben. Allein es iſt fihon von Eiſenlohr p. 911 richtig gezeigt 
worden , baß In der biblifhen Erzählung von Johannis Taufe ſelbſt 
eine Spur liege, baß ber Begriff der Taufe ald eines Initiations⸗ und 
Receptionsgebrauchs den Juden vor Jeſu⸗ geläufig geroefen feyn mäffe. 
Johannes (bemerkt Eifenlohe) machte mit feiner Taufe kein Auffehen, 
als wie mit einem neuen, unerhörten und beftemdenden Gebrauche. 
Nicht das Ungewöhnliche der Geremonie z0g eigentlich die Menge her: 
bei, fondern die ganze Hanblungsmeife des Johannes, Er wurde zmar 
vom Synedrium durch Abgeordnete, welche Pharifäer waren, darlıber 
gur Rede gefegt, aber nicht über den Zaufactus an fich felbft, fondern 
vielmehr deswegen, daß er, ber boch nicht der Meſſias, nicht Elias, 
nicht der erwartete Prophet (Jeremias) fei, auch nicht ſeyn wolle, dieß 
doch — alfo eigenmächtig thue. 


Ar. Kaufe. . 


Daß Johannes au Nichtjuden getauft Babe, If: umwahriheins 
lichz denn bie Stelle Luc. 8, 14., wo von Krlegeleuten die Rede iſt, 
melde die, Kaufe Johannis begehrt hätten. kann nicht als Beweis 
dafuͤr dienen, da es ‚bekannt iſt, daß auch Juden in roͤmiſchen Krieges ı 
dlenſten fanden, und die Beſatzung ſolcher Orte ausmachten, wo ihr 
Geſetz fie nicht, in Erfüllung ihrer Soldatengelhäfte hinderte. Alles 
ſpeicht daflıc, daß blos Mitglieder des Volks Gottes, nicht aber Heiden, 
am:.feiner Taufe, welche vecht bedeutungsoell Aanzıqua Trg ueravolag ' 
Acts 19, Hhi.genannd wird, welche er feinem Rufe; pezavosise, yyına 
rüp 1, Baoılıia, ram: ougerie (vergl. Me. 3, 2. 11. and bie Parals 
Teile vomoſchickte, Anteil nahmen. Statt vieler Beweiſe darf 
man mur dem Almfland hervorheben, daß -Nharifder Die. Taufe Johannis 
fwchten ; ‚jene wornehme: flolge Serte, die fo. viel auf Xbfouderung von.. 
den Gojimt hielt. . Stellen wir nun die Zaufe Johannis mit der Taufe ' 
Jeſu zuſammen, von welcher gleicy die Rede feyn wird, fo engiebt ſich 
zwar einige Aehnlichkeit, doch auch ein weſentlicher Unterſchied zwiſchen 
beiven. Gemein haben. fie das mit einander, daß fie auf goͤttuchem 
Anfehen und goͤttlicher Anordnung ‚berufen, worauf fi Johannes 
ausdruͤcklich beruft, . Joh. 1, 83., — beide. find eine. feierliche Aufnah⸗ 
me "zus: beſſern. Religionseintichtung, die. ber Meſſias machen. folte, —. 
beide endlich: fegten die Verbindlichkeit auf, nach diefer beffern Religion 
fig; einer wahren Iugend zu befleißigen, und gaben das Recht, um : 
des. Delfine willen, alles. Gute von Gott zu erwarten. Bei dieſer 
Usweinflimmung fanden. fidy aber gleichwohl ‚folgende Unterfchiebe: 

: 9) Johannes Taufe beſchraͤnkte ſich nach dem oben Geſagten blos 
auf Juden; — Jeſu- Taufe, aber war fü Juden und Heiden beſtimmt. 
2) Johannis Taufe ſollte nach einer kürzen Dauer wieder auf 
Hören (Mt. 8, 11. 12. Joh. 1,.15—27. 8, 27 ff. Act. 19, 2. 
eolt; 1, 5. u.a. St) — Die Taufe Jeſu aber war für die Zeit 
dauer feiner Religion deſtimmt. . 
3) Die Taufe Johannis nahm zu ber nun balb aufzurichtenden 
beſſern Religionsverfaflung auf, Ant. 19, 4., bie von Ghrifto verorde 
nete Taufe hingegen iſt der 'Webertritt zus :der ſchon bekannt gemachten 
Elntidtung ° B 

- 4) Johannis Taufe war nur eine allgemeine, und für jetzt noch 
unbeſtimmte Einweihung. zus Religion. bes Meffias, deifen Name und 
Lehren noch nicht bekannt waren, daher auch keine Formel dabei ges 
braucht werden konnte, die ſich auf dieſe Dinge bezog, Joh. 1, 31. — 
Die Taufe Jeſu hingegen war des Uebertritt zu der num voͤllig befanns 
gen Lehre Jeſu, Act. 2, 41., daher fie auch Im Namen des Waters, 
Sohnes und Geiſtes fg, : N 

\ : Wehen die oft aufgeworfene Srage: Warum ſich Jeſus babe tau⸗ 
fen laffen, und welche Taufe er empfangen babe? — giebt vielleicht 
Chepfoftomus (Homil. de Epiph.) die natuͤrlichſte und einfachfte Ants - 
wort: „Jeſus ‘empfing nicht die juͤdiſche Taufe, weiche bios von 
„äußerer Befleckung reinigte; auc nicht bie chriftliche, welche Berges 
„bung der Sünden ertheilt und bie Gaben des heiligen Geiftes ſchenkt; 
„fondern die Taufe Johannis, welde Beins von beiden verfchafft, befs 
„fee als die juͤdiſche, geringer als die chriſtliche. — Er übernahm fie 
„aber dennoch, theild um dadurch allgemein bekannt zu werden, theils 


t Taufe CR 
„um alte Gerechtigkeit zu erfuͤllen, db. h. einem: Propheten, deu Gott 
„zum Taufen geſandt hatte, zu gehorchen.“ Als Vermuthung üͤber 
die Taufe Jeſu durch Johannes, über welche der Sehens; ſelbſt ſtaumte/ 
muoͤchte viellebcht die Auſicht nicht ganz, verwerflich ſeyw, daß: Jeſus 
durch dieſe Dandtung, welche durch die begleitenden: Umſtaͤnde hoͤchſt 
federlich wurde, den: Menſchen Habe ‚ankündigen wollen, ſeine Äußere 
Wirkfamkeit :werde nunmehr beginnen, indem die große Menge einer 
dußern Veranlaſſung und elnes ſtaͤrkern Eindrucks bedarf, uns. ihre , 
Aufmerkſamkeit zu erregen und dieſelbe auf etwas: Weftinmtadı hin⸗ 
urichten. — Geben wie nun über zu der dritten Fraget ©: u 

o) Was if von der Beſchaffenheit der. Taufe 
Jefu zu urtheilen, und wolche Sragepuncte find. 
dabei befonders wichtig geworden?! Wir berhdfichtigem.: 
bier nicht den Streit, der fihon im Beitalter der Reformation zrolfühen 
teformirten und Lutherifchen. Theologen geführt. wurde, ob bie Taufe 
Jeſu und Johannis voͤllig: identiſch ſei. Zum Theil hat ſich diefe Frage 
ſchon darch das vorhin Gefagte erledigt, und wird ſich durch das Fel⸗ 
gende noch mehr erledigen. Allein, wenn man auch zugiebt, daß fie 
etwas. Aehnllches don der Johannistaufe, und felbft von der Profely⸗ 
tentaufe habe, fo iſt doch ihe Zweck als Aufnahmeritus unter die Be⸗. 
tenner einer Weltreligion und die Verpflichtung auf die eigenthuͤmliche 
Lehre von Vater, Sohn und Geift, fo vwie bie im R. X. Ihe zugen-ı 
fchriebene Wirkung weſentlich von jenen zwei Zaufarten verſchleben. 
Darum läßt fi) auch behaupten, was auch die Kirchenlehrer alter un. 
neuere Zeit angenommen haben, daß die in der chriſtlichen 
Birhe noch jegt allgemein gebräuhlihe, von 
Chriſtus eingefegte Taufe ein eigenes, ſelbſtſtaͤn⸗ 
diges Inftisur fei, welches weder mis den verfchles , 
denen Wafferweibungen und Luftrationen alter 
Dölbfer des Morgens und Abendlandes, no mit 
der jüdifhen Profelytentaufe, noh mit den Weis 
bungen der Effder, noh mit der Jobannistaufe 
identifh war. Auch diejenigen, welde, wie wir 
oben erinnert baben, die Taufe Jobannis und: 
Chrifti für eine halten, feben diefelbe dennoch, als 
eine eigenthbämlicdhe, in diefer Art font nirgende - 
vorFommende AUnfsltan. - oo. 23 

Es iſt Hier num zunaͤchſt die Frage aufgeworfen worbden. Ob 
Jeſus ſelbſt getauft habe?“ Hierauf kann aber kurz und beſtimmt mit-- 
Ylein geantwortet werden; denn ſollte ſelbſt bie Stelle Joh. 4, 2, 
ein fpäterer Zufag fepn, wozu aber kein hinteichender Grund vorhan⸗ 
ben iſt; fo bat fih Johannes doch gewiß nicht geirrt, wenn er ©. 8, 
26. und 4, 1. ſagt: Jeſus babe getauftz denn es ift bei aͤltern und 
neuern Schriftfiellern nichts gewöhnlicher, al6 von Semandem zu erzähs 
len, er babe eine Handlung verrichtet, die er doch durch Andere vers 
sichten ließ. Außerdem gebt hauptfächlich aus dem Weſen der Kaufe - 
feibft,, die in dem Namen und auf den Namen Jeſu verrichtet wurde, 
hervor, daß fie auf keine Weife durch ihn gefchehen konnte, fondern 
daß fie von feinen Juͤngern verrichtet werben mußte, Verſchiedenheit 
der Meinungen bat auch Statt gefunden | 


7.) Taufe. 

über die Zeit, wo Chriſtus die Taufe eingeſetzt 
habe? Auf den erſten Blick ſcheint dieß ganz entſchieden nach der 
Auferſtehung und kurz vor ſeinem Abſchiede von der Erde geſchehen zu 
ſeyn, her auh bie Evangelien Mt. 28. und Mrc. 16. am 
Schluſſe ihrer evangelifhen Geſchichte die Einfegung der Taufe berichs 
ten. Diefer Umſtand ſchien auch Chryfoftomus, Leo dem Großen, Theo: 
phylakt u. a. fo wichtig, daß ſie, aller Schwierigkeiten ungeachtet, die⸗ 
fen Termin feflgalten. Unter diefen Schwierigkeiten aber fieht oben 
an, dag Joh. 3, 22, 4, 1. 2. u. a. erzählt wird, Jeſus habe zwar 
felbft nicht getauft, aber doch durch feine Jünger taufen lafien. Desr 
halb nahmen mehrere Kiechenvater an, die Zaufe fei fhon vor dem 
Reiden Chriſti eingefegt worden. So bemerkt Auduflin: (Tractat. 5. 
in Joann. c. 18.) Quamvis ipse non baptizaret, sed discipuli ejus: 
ipse et non ipse, ipse potestate, illi ministerio, servitutem ad 
baptizandum illi admovebant, potestas baptizandi in Christo per- 
manebat. Auguftin ſelbſt glaubt, Chriftus habe die Taufe damals 
eingefegt, als er im Jordan getauft wurde. Auch Cyrill. Hierosol, 
Catech. III. nimmt an, daß durdy den heiligen Leib Jeſu das Waſſer 
fei geheiligt worden. Sa es ift felbft in das alte Zaufformular ber 
Sag übergegangen, daß durch bie Taufe Chriſti ber Sordan und alle 
Waller geheilige und zu einem wahren Taufwaſſer gemacht wären. 
Andere glauden die Einfegung der Taufe von Seiten Jeſu in die Zeit 
fegen zu müflen, als ec die Unterredbung mit Nicodemus nad) oh. 3. 
hatte. Man glaubte nämlich den Ausfpruh: Wahrlich, wahrs 
lich, idy fage bir, es fei denn, daß Jemand geboren 
werde aus dem Waffer und Geiſte, fo Bann er nicht 
in das Reih Bottes Pommen, nothwendig von der Taufe 
verftehen zu muͤſſen. Dennod find die Umftände der Erzählung der 
Einfegung eines für alle Zeiten gültigen Ritus nicht günftig. 

Daher zogen Andere die Meinung vor, daß Jeſus ſchon damals, 
als er feine Jünger ausfendete, um die erften Verſuche in ihrem Apos 
flelberufe zu machen, die Taufe eingefegt habe. Dieß ſcheint allerdings 
paſſend, nur bleibt es auffallend, daß unter ben ertheilten Aufträgen 
der Taufe keineswegs Erwähnung geſchieht. 

Der MWiderfpruh nun, daß Jeſus ſchon während ſeines oͤffentli⸗ 
hen Lebens den Seinigen zu taufen geboten und doc erft als Aufers 
flandener, nachdem fein Werk hienieden vollendet war, die Taufe feier 
lich fanetionirt habe, Läßt ſich vieleicht auf folgende Art loͤſen: Man 
kann einen allgemeinen Auftrag Jeſu an feine Schüler die Taufe bes 
treffend annehmen, und zwar einer Taufe, die mit der Sohanneifchen 
viel Aehnlichkeit het, und diefen Auftrag wieder von der feierlichen 
Sanetion unterfcheiden, mit welcher Jefus bie Raufe einfete, nach⸗ 
dem er fein irdiſches Werk vollendet und ben Univerfalismus und Kos⸗ 
mopolitismus feiner Religion ausgefprochen hatte. Bu biefer Annahme 
ſcheint nicht nur die Natur der Sache, fondern auch die Beſchaffen⸗ 
heit der Stellen zu berechtigen, in welchen von ber früher und fpäter 
gebotenen Taufe Jeſu die Rede ift. 

Fuͤr die erfte Zeit feines Lehramts Lieb Jeſus die Johannistaufe 
noch fortbeftehen ‚ und er konnte dieß um fo eher, ba er Ddiefelbe duch 
feine eigene Perſon fanctioniee hatte, und da fie ihrem Zwecke und 


ihrer Beſtiummmng nad) fehr wohl mit ber Abficht Jeſu überrinflimmte. 
Sie war Einweihung für die Aavsıcla züv evpavir, und es konnte 
Beinen wefentlichen Unterfchled machen, ob der Taͤufer auf ben Zoxö- 
heros, von welchem er felbft gegen die Juden bekannte, daß er ſchon 
in ihrer Mitte ſtehe, Joh. 1, 26., kaufte, oder ob die Juͤnger Jeſu 
zum Glauben an den, welchen Johannes feierlich für ben Ermarteten 
erklaͤrt hatte; durch die Taufe verpflichteten. Wenn man bie Stellen 
Mt. 4, 17 ff. und Luc. 7, 29. mit einander vergleicht, fo ergiebt ſich 
daraus, daß in der eriten Zeit die Lehre Jefu eine Predigt der 
Buße war In der erften Stelle heißt es: Don der Zeit an 
(db. bald nad feiner Taufe) fing Jefus an zu pre 
digen und zu fagen: Thur Buße, das Himmelreidh 
it nahe berbeigelommen. Das tik doch enter daffelbe, 
mas unmittelbar vorher von Johannes berichtet wird: Zu der Zeit 
Bam Johannes der Täufer und predigte in der Wuͤ⸗ 
fie des jüdifhen Landes und ſprach: Thur Buße, 
das Aimmelreih ift nabe hberbeigetommen! Mt. 3, 
1. 2% Aber nice blos die Uebereinfiimmung fhrer Predigt wich 
angegeben, fondern auch bie Wirkung berieben. Es heiße Im biefer 
Beziehung Luc. 7, 29. 80.: Und alles Vol, das ihn 
hörte, und au die Zöllner, gaben Gott Recht und 
ließen fi taufen mit der Taufe Tohbannis, Aber 
die Pharifier und Schriftgelebrten verachteten 
Bottes Rath wider fi felbft und ließen fi nicht 
von ibm (d. b. von feinen FJüngern) taufen. Wie die 
Taufe Johannis, fo bezog fich auch die zuerſt von Jeſu gebotene Taufe 
blos auf die Juden. Dieß erhellt ſchon daraus, daß, wie bei die 
johanneifhen, vor allen Dingen ueravora gefordert wurde, melde in 
der Art, voie fie gefordert wurde, nur von Juden geleiftet werben 
tonnte. Auch wuͤrde es bei der Genauigkeit, womit fonft die N. T. 
Schriftfteller alles, mas ſich auf dieſes Thema bezieht, berichten, gewiß 
nicht unbemerkt geblieben feyn, wenn ſchon jegt die Heiden Zutritt zu 
der Gemeinſchaft der Kinder Gottes erhalten hätten. Dieß gefchah erſt 
fpäter, nachdem bie Lehre Jeſu bereits Wurzel gefaßt, und nachdem 
Jeſus durch feine Vorherverkuͤndigung von den andern Schafen, welche 
auch herbeigeführt werden und mit den Iftaeliten zu "einer Heerde 
unter einem Hirten vereinigt werden follen (Joh. 10, 16. Eph. 2, 14.), 
hintänglich vorbereitet hatte. Erſt mach feiner Auferftehung fchlenen die 
Jünger, welche fo viel Muͤhe hatten, fi von ihrem juͤdiſchen Parti⸗ 
kularismus loozumachen, binlänglih unterrichtet und reif, um ben 
erhabenen Univerfalismus und Kosmopolitismus, melden fchon die 
Propheten des A. T. zum Theil fo deutlich geahnt hatten, zu faffen. 
Die Einfegung der hriftlihen Kaufe im engern Sinne erfolgte alfo 
allerdings erft kurz vor der Himmelfahrt bei dem feierlichen Abſchiede 
Jeſu von feinen Sängern, Nur wenn man biefen Geſichtspunct feft: 
hält, erhalten die Worte der Einfegung, tie wir fie Mit. 28, 18-20, 
als den mürdigften Schluß diefes Evangeliums, leſen, ihr volles Ges 
wicht. Es ift der vollendete Meeifter, der Stifter des N. B., welcher 
im vollen Gefühle feiner Macht und Würde die fo inhaltsreichen 
Worte ausfpriht: Mir if gegeben alle Gewalt im Zims 
Siegel Handbuch IV. 80 


466 \ Zaufe. 

mel und auf Erden, darum gebet hin in alle Welt 
und lebret alle Völker und taufet fie im Uamen 
des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geiftes 
und lehret fie halten alles, was ih euch befohlen 
babe. Und fiehbe ih bin bei euch alle Tage bis an 
der Welt Ende. Noch ſcheint als einleitende Bemerkung für 
diefen Artikel nicht unwichtig zu feyn, 

3) eine Unterfuhung Über die Taufe im apofto- 
lifben Zeitalter, im Zeitalter der Apoſtelſchüler 
und der frübern berühmten Rirdhenlebrer, weil mans 
ches fpäter zu Erwaͤhnende dadurd) ein helleres Licht erhält. — Daß 
nicht das Wort, fondern der Geift, welcher das Wort lebendig macht, 
im Chriftenthume vorwalten fole, davon Nefert die Taufe, wie fie von 
den Apofteln und Süngern Jeſu ertheilt wurde, ebenfals einen deuts 


lichen Beweis. Denn nur die Verbreitung ded Evangeliums, bie Ber 


pflihtung zur Annahme befjelben und zur Beobachtung der Lehre Jeſu 
und die dadurch zu bewirkende Sinnesänderung der gefunfenen Men: 
[chen als Hauptgegenftand vor Augen habend, ertheilten fie die Zaufe 


auf bie einfachſte Weife, ohne ſich felbft, wie es fcheint, der von Jefu 


angegebenen Formel zu bedienen. Denn jebesmal, wenn ber Kaufe 
Erwähnung gefchieht, wird nur gefagt, daß fie auf den Namen, ober 
in dem Namen Jeſu Chrifti fei ertheilt worden. Denn als Petrus 
nach der Ausgießung des heiligen Geiftes vor der verfammelten Menge 
die eindringende Rede gehalten hatte, fragte ein großer Theil derſelben 
den Petrus und bie übrigen Apoſtel: Ihr Männer, lieben 


Brüder, was follen wir thun? Und Petrus fprach zu ihe _ 


nen: Uendert eure Befinnungen und jeder unter 
euch Iaffe fih taufen auf den Ylamen Jefu Chrifti, 
damit ihr Vergebung der Sünden erlangt, Act. 2, 
88 — Eben fo taufte der Apoftel Philippus den äthiopifhen Schag> 
melfter auf die Verfiherung, daß er glaube, Jeſus Chriftus fei Got: 
tes Sohn, Act. 8, 37. 38. — Auch Paulus und Silas ermahnen 
den Kerkermeifter zu Philippi, daß er an den Herrn Jeſum Chriftum 
glauben folle, fo würde er umd feine Familie felig werden, Act. 16, 81. 


Da die Taufe von den Apofteln auf eine fo einfache Weife vollzogen. 


wurde, fo fanden fie ed auch nicht nöthig eine Beſchreibung von ber 
Art und Weife, diefelbe zu ertheilen, uns zu Binterlafien. Aus den 
bildlichen Darftellungen aber, deren fich die Apoftel Petrus und Paulus 
bedienen, indem fie von der Zaufe fprechen, läßt fih mit vieler Ge: 


— wißheit ſchließen, daß die Täuflinge unter das Waſſer 
getaucht worden ſind. Der erſte ſchreibt in ſeinem Briefe an 


die Römer, Gap. 6, 8. 4. Wiſſet ihr nicht, daß wir alle, 
die wir auf Chriftum Jefum getauft wurden, auf 
feinen Kamen getauft find! Wir find mit ibm be 
graben durch die Taufe auf feinen Tod, auf daß 
wir, fo wie Chriftus durch des Paters Macht von 
den Todten auferwedr wurde, auch ein neues. Les 
ben führen follen. Diefes Bild des Begrabens und MWiederauf: 
ſtehens konnte nur durch gänzliches Untertauchen und Wiedererheben, 


ſinnbildlich dargeſtellt und ausgebrüdt werden. Dieſes Untertauchen 


Safe 467 


ſtimmte auch gang mit den jübiichen Gebraͤuchen überein. Darauf 
fpielt Peteus ebenfalls an, 1r Br. 8, 81., indem er bie Kaufe mit ber 
großen Waſſerfluth Noah's vergleicht, wobei fih nur Wenige retten 
tonnten, duch die Taufe aber Eönnten alle gerettet werben, weil Zeus 
auferftanden fel; fie wäre aber nicht etwa eine Reinigung des Körpers, 
. fondern die Angelobung eines guten Gewiflens vor Gott. Trotz der 
Dunkelheit, mit welcher Petrus fich hier ausdruͤckt, gebt doch fo viel 
hervor, daß ihm das Miedererheben aus dem Waſſer nach dem Unter: 
tauchen vorſchwebte, als er an die Auferftehung dachte. Um den Juden 
auch den hohen und wichtigen Einfluß der Taufe begreiflih zu machen, 
erinnert er, fie, daß fie nicht meinten, es fel eine bloße Reinigung, 
wie diejenigen, am welche fie in ihrer Religion gewöhnt wären, und 
wobei, wie aus dert Gebeten der Rabbinen zu erfehen iſt, der ganze 
Körper benest werden mußte. Selbſt das. Bild der großen Waſſerfluth, 
wobei das verderbte Menfchengefchiecht umkam, läßt’nur an das Uns 
tertauichen denken. Diefes Capitel Petri ift unter andern auch um der 
Anſicht willen wichtig, welche die Apoftel von dem Scheol oder Aufents 
halte der abgefchledenen Seelen nah jübdifhen Begriffen - hatten, den 
fie ſich in der Unterwelt dachten. Aus dieſer Worftellungsweife laͤßt 
fi auch die viel beſprochene, viel beftrittene und viel erläuterte Stelle, 
1 Cor, 15, 29., einigermaßen erklären, ohne den Worten zu viel Ges 
malt. anzuthun, wie ‘gar oft gefchehen if. Die vexgol find bier die 
Abgeſchiedenen im Scheol unter der Erde. Man nimmt an, e6 hätten 
fi) viele nicht nur für fi, fondern auch für ihre abgefchledenen Freunde 
taufen lafjen, in der Meinung, daß auch biefen die erhaltene Taufe 


% 


als Bewohnern des Scheols nüslih feyn werde. Wie es fih nun . 


auch mit der Richtigkeit dieſer Erklärung verhalten möge, welches mehr 
der Eregefe anheim fällt, fo haben wir fie deshalb angeführt, um zu 
zeigen, daß nicht etwa eine befondere Taufe über oder für die Todten 
oder wegen derfelben Statt gefunden habe, fondern Daß -Paulus im 
allgemeinen, aber nad) feiner Weiſe bildlich, von Ihe rede. Gelehrte 
Unterfuhungen über diefe Stelle findet man in Frid. Spanhemii exer- 
eitat. de baptismo propter mortuos und in Sebast. Schmid dissert. 
de baptismo super mortuis. 

In den Scheiften der apoftolifhen Väter kommt über bie Zanfe 
weder in bogmatifcher, noch ritueller Hinſicht etwas Beſtimmtes 
vor. Die beiden Stellen in Hermae Pastor lib. I. Vis. 8. 0. 8. 
beweifen blos fo viel, daß die Taufe als ber einzige Eingang in bie 
Kiche (welche unter dem Bilde eines im Wafler erbauten Thurmes 
vorgeftelfe wird) und zum Heil betrachtet wird, Wir führen biefe 
Stelle deshalb an, weil fie ebenfalls ein beilimmtes BZeugniß von der 
Sitte des Untertauchene enthält, wofür auch die DBeifpiele und Meta⸗ 
pherm der Schriftfteller des N. T. fprechen. 

Zu den Kirchenfchriftitellern aus dem frühen chriftlihen Alterthume, 
bie uns Belehrungen über bie. Zaufe binterlafien haben, gehören: 


Juſtin der Märtyrer, Apol. I. e. 61 — 67. p. 210. seqq., Zertullion 


in feiner Abhandlung de baptismo, in den apoftolifhen Conftitutionen 


in mehrern Capiteln, deren Ueberfchriften auf die Zaufe hinweiſen, 


Gregor von Nazianz in feiner Taufpredigt (eis 76 äyıov Pansıaua 


Opp. ed. Basil. p. 288 - 61). — Die ausrüheihfte, Beſchreibung | 


468 Zaufe. 


aller in der alten Kirche gebräuchlichen Taufceremonien llefert Gyriit 
von Jeruſalem. Seine fämmtlihen Catecheſen beziehen fi auf die 
Zaufe und die Vorbereitung der Catechumenen auf dieſelbe. Vorzugs⸗ 
weife aber gehören die erften beiden mpftagogifchen. (oder geheimmißers 
Märenden Urnterweifungen) Catecheſen hierher. Das Ergebniß dieſer 
Stellen im. allgemeinen iſt ungefähre folgendes: Auch nah dem 
apoftolifhen Zeitalter dauert noch längere Zeit der 
einfahe Taufritus, wie ihn die Apofel und die 
Apoftelfbäler geübt hatten, fort, wie man die 
aus Juftin für Kleinafien, und befonders für Ephe⸗ 
ſus feben kann. Tertullian hingegen lehrt, wie 
n Afrika 3u der urfprünglid einfahen Taufhand⸗ 
lung eine Menge Sufäge kamen, die zum Theil 
felbft von den Häretikern entlehnt waren. Aus den 
apoſtoliſchen Lonffitutionen und aus ben Ratedes 
Im des Lyrill lernt man befonders, welden Ein⸗ 
luß die AUrkandisciplin auf den Taufritus geäus 
Bert babe. Wir werden noch einmal auf diefe Schriftfteller zuruͤck⸗ 
fommen, wo von den einzelnen Taufgebraͤuchen die Mede feyn muß. — 
Wir gehen nun zu dem erfien Dauptabfchnitte dieſes Artikels über, ber 
fih mit der Frage befchäftige, 


II) welche Derfonen getauft wurden. — Bei kei⸗ 
nem Puncte zeigt ſich der Einfluß, weichen die Stindertaufe hatte, fo 
auffallend, als bei diefem. Seit der Einführung und allgemeinen 
Aunahme berfelben iſt das ganze Verhaͤltniß der Taufcandidaten völlig 
verändert, und das, was lange Zeit ald Regel galt, kann gegenwaͤttig 
nur als eine feltene Ausnahme betrachtet werben. Ä 


Die ganze Einrichtung der alten Kirche in den erften fünf Jahr⸗ 
hunderten in Anfehung der Worbereitung zur Kaufe und alle Geſetze 
und Vorfchriften, welche fi) auf die Annahme oder Nichtannahme ber 
Täuflinge bezogen, mußten außer Kraft und Wirkung kommen, als es 
nicht nur erlaubt, fondern auch firenge Pflicht ward, jedes Chriftenkind 
alsbald nach der Geburt zu taufen. Die alte Regel, welche Vorſicht 
in der Annahme und forgfältige Worbereitung derjenigen, welche ſich 
zur Taufe meldeten, vorfchrieb, konnte feit dem 6. Jahrhundert nur 
noch von den jüdifhen, heidnifchen und muhamedanifchen SProfelpten 
gelten. Aber man fieht leicht ein, daß ſolche Zauffälle nur unter die 
feltenen gehören, und daß in der Regel nur noch die Miffiondre Gele: 
genheit haben, die alten Verordnungen, wiewohl ebenfalld unter veraͤn⸗ 
derten Umftänden, in Anwendung zu bringen. Der größte Theil des 
hierher Gehoͤrigen kommt jest in dee Pafloralpraris, nicht in ber 
Taufe, fondern bei der Gonfirmation, welche in der neuern Kirche durch 
einen langen Zwiſchenraum von ber Taufe getrennt ift, in Anwendung. 
Mir werden darum von den Taufcandidaten am belehrendften und 
beutlichflen fprechen, wenn wir unterfcheiden 

A) den Zeitraum, wo größtenthbeils Erwadjfene 
die Taufe empfingen, und 

B) den Seitraum, wo die Kindertaufe im Kul⸗ 
tu8 der Chriften vorberrfhend wurde 


Zaufe 469 
A) Zeitraum, wo größtentdeils Erwachſene bie 
Taufe empfingen. Es lag in der Natur der Sache, daß beim 
Beginnen des Chriſtenthums und bei der allmähligen erflen Verbreitung 
deſſelben vorzugsweiſe Ermachfene getauft wurden und getauft werben konn⸗ 
ten. Und indem man nun die Perfonen näher berücfichtigt,, welche zur 
Taufe zugelaffen wurden, fo ergiebt fih, daß dabei bemerkbar ift 
a) der Univerfalismus' der chriſtlichen Rirdhe nnd 
die ihr eigenthbämliche Fosmopolitifche Anſicht, nicht 
minder b) eine mebhrfeitige Sorgfalt, um Aber: 
glauben zu verbüten und 3zwedwidrigen Ylenerun- 
gen entgegen zu treten, co) ein Ausfchließen gewiß 
fer Perfonen von der Tanfe, mit denen man ſchon 
in der Heidbenwelt veraͤchtliche Nebenbegriffe ver: 
bunden hatte = 
a) Die Taufe behauptete ſogleich bei ihrem erſten Eintritte in die 
riftlihe Kirche einen Bosmopolitifhen Charakter, wodurch ſich Dies 
felbe von dem jädifchen Partikularismus eben fowohl, als von dem 
heidnifchen Eklektieismus vortheilhaft unterichied: Die Einfeung Me. . 
28, 19. 20. beflimmte dieſe heilige Handlung für alle Völker (marıa 
+0 E97), nicht 6106 Juden und Samaritaner, fondern auch Helden; 
und das Bekenntniß und die Handlungsweiſe des von feiner jüdifchen 
Engherzigkeit zu einer freien Anſicht emporgehobenen Apoſtels Petrus 
(Act. 10.) läßt Beinen Zweifel übrig, daß auch den Heiden der Zugang 
zum Reiche Chrifti, in welches man burch die Taufe eintritt, verſtattet 
ſei. Vieler anderer Zauferempel im N. T. nicht zu gedenfen. — 
Die jüdifche Profelptentaufe nahm bios Heiden in die Gemeinſchaft 
des Volks Gottes auf. Die Sohannisteufe verſtattete blos Juden die 
Theilnahme an dem Meffiadeeihe und an den Wohlthaten des neuen 
Himmelreichs. Erſtere nahm die Kinder mit ben Aeltern und Ver⸗ 
mandten beiderlei Gefchlechts zugleich oder auch die Kinder allein auf; 
letztere ſchloß die Kinder und Weiber aus, und war nur für die Ers 
wachſenen aus dem männlichen Sefchlechte beftimmt und gültig. Die 
Taufe Chriftt dagegen war für alle Völker, fchloß Bein Geſchlecht und 
Alter aus, und erlaubte die Aufnahme für jeden Stand und für alle 
BVerhältniffe des Lebens. In diefem Sinne find die Worte’ des Apo⸗ 
ſtels Paulus zu nehmen: Sie ift Bein Jude noch Grieche, 
bie ift Fein Rnedht und Sreier, bie ift Fein Mann 
noh Weib; denn ihr feyd allzumal Liner in Chrifto 
Jeſu (Sat. 8, 28.), oder, wie er fich noch deutlicher ausdruͤckt: 
Wir find durch einen Geiſt alle zu Kinem Leibe 
getauft, wir feien Juden oder Briehen, Knechte 
oder Sreie, und find alle zu einem Geifte getränßt. 
4 Cor. 12, 13. . Man hat dagegen eingewendet, daß biefer Univerfa: 
lismus ſich nicht von den eriten Zeiten des Chriſtenthums behaupten 
Kaffe, wo menigftens das Alter eine Ausnahme machte, indem jest 
nur Erwachfene, nicht aber Kinder, getauft wurden. Allein wir werben 
bald weiter unten, wo von der Kinbertaufe die Rede feyn muß, zeigen 
wie wenig Gewicht diefer Einwand habe. | 
b) Mehrfeitige Sorgfalt der Kirche bei, der 
Aufnabme der Taufcandidaten, um AUberglauben 


40 Taufe. 
zu verhüten und zweckwidrigen Einrichtungen ent= 
gegenzutreten. - Wir können dahin ſchon rechnen: 
aa) Den vorausgefhidten Unterriht in der Res 
ligion Jefu, ebe Semand zur Taufe zugelaffen 
wurde, Diefer mag anfangs nah dem Zeugniſſe des N. X. im 
apoftolifchen Zeitalter und eine Zeit lang nach demfelben hoͤchſt einfach 
geweſen ſeyn. Wer feine Bereitwilligkeit an Sefum zu glauben er 
ärte, wurde aufgenommen, und man überließ den gemeinfchaftlichen 
Andahtsübungen die weitere religiöfe Ausbildung derer, die aus Hei⸗ 
den und Suden zum Chriſtenthume übergetreten waren. Da nun aber 
in der Kolge die Zahl dee Chriften immer größer wurde, da feindliche 
Aufmerkſamkeit auf die beginnende Kirche Jeſu fi) zu regen anfing ;z 
ba ferner die Myſterienform im Chriſtenthume Eingang fand, fo erach⸗ 
‚tete man eine mweitläufige Vorbereitung für nöthig, über die wir une 
aber bier nicht zu verbreiten Urſache haben, indem das Möthige 
bereit6 erinnert‘ worden iſt im erfien Band im Artikel catechetifcher 
Unterricht ıc. p. 344 ff. und ebendafelbft im Artilel Catechumenät, die . 
Zofchnitte I. IL. und IH. Kin anderer Beweis kirchlicher Sorgfalt in 
Abſicht auf die Zaufcandidaten flellte-fih auch dadurch heraus, dag man 
bb) die Taufe nur auf menfhlidhe Individuen 
befhränkte. Dieß fcheint auch auf den erften Anblid fih fo ſehr 
von felbft zu verfiehen, daß man darüber gar nichts anderes erwarten 
follte.. Allein der fpätere Aberglaube in der Kirche, auch leblofe 
Dinge zu taufen, macht wenigftens die Bemerkung nöthig, daß 
die alte Kirche noch nichts von einer folhen Taufe weiß, Sie hat 
kein Geſetz darüber und dieß fcheint daher zu rühren, daß man fi 
bie Möglichkeit einer andern als menfchlihen Zaufe gar nicht denken 
konnte. Daß indeg fchon im 8. Sahrhundert der Aberglaube einer 
Zaufe leblofer Dinge vorhanden feyn mußte, ift aus dem Verbote 
- - Karls des Großen zu erfehen. Diefer verordnete Capitul. III. a. 769. 
ed. Baluz. T. I.; Ut glocas non baptizent. Doc auch hierüber koͤn⸗ 
nen wir uns kurz faffen, da wir bereits im Artikel Glocken auf den 
Kirchen 2 Bd. p. 243 von diefem Mißbrauche gefprochen haben. Es 
gehört aber auch die fogenannte Schiffstaufe hierher, welche nicht nur 
in Patholifhen, fondern auch proteftantifhen Ländern üblih iſt. — 
Einen guten Grund hatte man auch zu der Bellimmung, 
co) daß blos Lebende getauft werden follten. 
Sie ift von manchen Dogmatitern für fo wichtig angefehen worden, 
dag man fie felbft in die Definition der Taufe aufnahm, 3. B. Am- 
mon summa theol. christ. p. 207. Baptismius est aotio divinitus 
Instituts, qua peccatori nato et vivo, ef nomen patris et filii et 
- apirit. s. profitenti per aquam gratia divina offertur „et applicatur. 
Aus der Verordnung felbft nur Lebende zu kaufen, iſt zu folgern, daß 
es ehemals auch Sitte geweſen feyn müfle,. Zodte zu kaufen. Daß 
dieß ſchon tm 4. Jahrhundert in der afrikanifchen Kirche, gefcheben ſeyn 
müffe, erhellt aus dem Verbote des Cono. -Carthag. II. (a. 397, 
can. 6.). Cavendum, ne mortuos baptizari posse fratrum infirmitas 
. eredat, — womit das Decret Cod. eccles, Afrio. o. 18. faft wörtlich 
bereinflimme. Auch berichtet Philaſtrius (de haores. c. 2,), daß bie 
Kataphrygier oder Montaniften die Todten taufen. Wenn bieß richtig 


‘ ‘ 








“ 


J 


iſt, fo kann es nur von den Hypermontaniſten gelten; beun wenig⸗ 
ſtens Tertullian weiß nichts davon und eifert dawider. Daß aber auch 
in andern Gegenden biefer Aberglaube nicht ganz unbekannt war, ers 
fiedt man aus einer Aeußerung des Gregor von Nazianz (orat. 49. 
de baptismo p. 648. ed. Paris.), wo er fagt: 7 xul od ulvec 
vexoög Aovdnvar, xal uärkow EAsovsevog, 9 moovpevos. Von bies 
- font Aberglauben, defjen Bingham gedenkt Vol. 4, 1. IX. 0.4. 5. 3. 
mit der Weberfchrift: Baptismus non tribuendus mortuis, giebt er 
folgenden Grund an: Haeo praxis vana opinione"videtur fundata, 
quod si quis baptisma recipere in vita neglexisset, hio defectus 
quodammodo post mortem illud recipiendo eompensari possit. Hier⸗ 
ber iſt auch bie fiellvertretende Kaufe der Lebenden für die Todten 
welche fich bei mehrern haͤretiſchen Parteien, befonders bei ben Mat: 
cloniten, fand, und wogegen mehrere Kiedyenväter eifern, zu rechnen. 
Nach Zertullian adv, Marc. 1. V. c. 10. ift diefe Zaufgattung eine 
Nachahmung ber bei den heibnifchen Römern im Februar gebräuchli: 
hen Zodtenopfer und eine wichtige Handlung vane pro mortuis bapti- 
zantur. Gruͤndlich wird ebenfalls dieſer häretifche Aberglaube von 
Bingh. 1, I. §. 4. behandelt, welcher überfchrieben ift: Nee vivis pro 
. mortuis. Ubi de sensu phraseos apostolicae pro mortuis baptizari. 
Er führt eine Stelle aus Chrysost. Hom. 40. in 1 Cor. p. 688. ed. 
Franeof. an, die in der deutfhen Weberfegung alfo lautet: - „Wenn 
„bei ihnen (den Marcioniten) ein Catechumen aus der Welt geht 
n(an&hIn), fo verfteden fie einen Lebenden unter dem Bette des Ver: 
„blichenen. Dann treten fie vor ben Todten, reden ihn an und fra= 
„gen ihn, ob er die Taufe empfangen wolle? Statt bed nicht ants 
„wortenden Todten redet nun der unter bem Bette Verftedte, und 
„erklärt, daB er getauft ſeyn wolle. Und hierauf taufen fie ihn anflatt 


„des Verblichenen und treiben damit ein theatcalifches Spiel (xa9unep- 


„ent Tg ann nallovres). So viel vermag der Teufel über leichts 
„fnnige Gemüther. Klagt man fie deshalb an, fo berufen fie ſich 
„auf den Apoftel Paulus, welcher von der Taufe Über den Todten 
„(1 Cor. 15, 29.) geredet habe.” Hierauf zeigt der Verfaſſer das 
Grundlofe dieſes Vorgebens. — Auch Epiphanius erwähnt dieſes 


Taufe. - an 


\ 


Punctes und erklärt den Paulinifhen Ausſpruch von der Gewohnheit, 


ben Gatehumenen, welche dem Tode nahe find, auch öhne Vollendung 


ihrer Vorbereitung das VBad der Einweihung zu ertheiln — womit 


auch Theodoret u, a. übereinflimmen. 

Bon der Sitte, Kinder, welche noch nicht ganz geboren, Embryo⸗ 
nen und fogenannte Monstra (Mißgeburten, Unholde u. f. mw.) zu 
taufen, findet man in der alten Kirche keine Spur, Erſt feit bem 18. 
Sahrhunderte kommen kirchliche Beftimmungen über diefen Punct vor. 
Sn einer befondern Schrift von F. E. Gangiamila wird von ben 
Embryonen gehandelt. Sie führt den Titel: Sacra Embryologia, und 
handelt unter andern auch von dem SKalferfchnitte, welchen die Geiſtli⸗ 
Ken im Nothfalle vornehmen follen. Das Instructionale Bamberg. 
de Sacram. bapt. e. 2. erlaubt die Taufe im Mutterleibe vermittelft 
einer Röhre: Nemo in utero matris clausus haptizari debet, nisi 
genitalibus ad generandum reseratis, medio Siphone in extrema 
necessitate partus per obatetricem ablui posse. — Von ber Taufe 








472 | Taufe. 


des Mißgeburten verordnet das Rituale Rom. de Sacram. baptism.: 
Monstrum, quod humanem spesiem non prae so fert, baptizari 
non debet. De quo si dubium fuerit, baptisetur sub hac oondi- 
tione: Si tu es honw, ege te baptizo «to. Vergl. Brenners ges 
ſchichtl. Darflelung u. ſ. w. p. 224. sell. p. 180. 

dd) Eine Streitfrage war au ‚in der alten Kirche, ob die 
Befeffenen (dvepyowrsros, dumorLosevos, |. den Artikel Ener 
gumenen) oder Wahnfinnigen zur Taufe zugelaffen 
werden dürften Die Regel fcheint geweſen zu feyn, daß fie, 
obgleich zus Predigt und dem Öffentlichen Gebete, unter Aufficht der 
Eroreiften, zugelaffen und unter die erfie Claſſe der Catechumenen aufs 
genommen, dennoch bie Taufe nicht eher, als bis nad) erfolgter Hei⸗ 
lung empfingen. Indeſſen war doch Cyprian ep. 69. ed. Magnen. ber 
Meinung, daß die Taufe die Kraft babe, ben Teufel auszutreiben. 
Seine Worte find: Si aliquis in illo movetur, quod quidam de iis, 
qui aegri baptizantur, sciat, Diabeli nequitism pertinacem usque 
ad aquam salutarem valere, in baptismo vero omnes nequitise suae 
vires amittere, - Dennoch fcheint er bie Taufe nur auf den Ball ber 
Krankheit oder befonberer Leibesihwachheit geftattet zu haben. Die mei» 


ſten alten Verordnungen beftintmen die Zuläffigkeit beim herannahen⸗ 


ben Lebensende. So die Constitut, apost. I. VIII. c. 82. ei de Ha- 
varog xarenelyoı, ngogdexdode. Das Conc. Eliber. a. 313. ce. 57. 
Eos, qui a spiritibus immundis vexantur, si in fine mortis fuerint 
eonstituti, baptisari placet. Diefer Grundfag wiederholt ſich in meh⸗ 
zern Goncilienbefchlüffen und auch in den Schriften berkhmter Kirchen⸗ 
Lehrer. Der beſte Beweis aber, daß die Energumenen 'zumeilen bie 
Zaufe empfingen, liegt darin, daß wir auch Faͤlle, wo ihnen das 
Abendmahl gereicht wurde, erwähnt finden. Cassiat. Coltat. 1. VII. 
o. 30. erwähnt diefer Communion. Vergl. Bingh. Abtig. T. VI. p. 
420 — 2. Wenn bderfelbe Schriftftelter ebendafelbft. p. 219 über den 
Ausdruck in den apoſtoliſchen Gonftitutionen 1. VILL, e. 32. ngocde- 
xito9a sis xowvwrla — die Bemerkung hinzufügt: Sunt, qui hoc 
de reeeptione ad communionem eucharistiae intelligunt, sed pla- 
num est, quod auctor de receptiona ad communionem ecolesiae 
per baptismum loquatur, regulas enim hie dat de personis bapti- 
sandis earumque describit necessarias proprietates eto. — ſo iſt dies 
zwar ganz richtig, allein es wäre zu bemerken geweſen, daß auch bei 
diefer Erklärung der Sinn berfelbe bliebe. Denn in der alten Kirche 


. feste der Genuß des heiligen Abendmahl nicht nur, wie bei uns, 


bie Zaufe voraus, fondern die Communion folgte auch unmittelbar auf 
die Kaufe. Daher kann man unbedenklich in allen erwähnten Sällen, 
wo von der Taufe der Energumenen die Rebe iſt, auch. die Zulafjung 
berfelben zur Communfon annehmen. Vergl. den Artikel Energumenen 
im zweiten Bande biefes Handbuchs p. 85. 

ee) Auch über die Krankentaufe war in der als 
ten KRirche viel Bewegung... Auf die Frage des Magnus an 
Cpprian: Qui in infirmitate et languore Dei gratism congequuntur, 
an habendi sint legitimi christiani? erwiebert dieſer: Quantum fide 
ooncipere et sentire mobis datur, mea sententia haco est, ut 
christienus judicetur legitimus, quisquis fuerit in esclesia lege et 


+ 





Taufe. 413 
jure fidei gratiam conseeutus (Cyprian ep. 76.). Auch Auguftin de 
adult. conj. 1. I, erklärt eine folhe Nothtaufe für gültig. Nicht min⸗ 
der billigen Cyrill von Alerandrien (in Joann. XI. 26.) und Fulgentius 
(de bapt. Aeth. e. 8.) bie Krankentaufe, und es läßt fi nicht wohl 
abfehen, wie man fie neben ber Kindertaufe ſchlechthin habe verwerfen 
nnen. | 

Indeß betraf ber Streit bierkber nicht ſowohl die Zutäffigkeit die⸗ 
fee Taufe Kberhaupt, als vielmehr theils bie Frage: ob einer, welcher 
die Krankentaufe erhalten, zum geifllihen Amte und Epiftopate ges 
langen koͤnne? Die Erklärung, daß ein folder ein ohristianus legi- 
timus fei, hätte eigentli beide Fragen bejahend entfcheiden ſollen. 
Dennody finden wir daruͤber Discuffionen und Zweifel. Wenn up 
die Vergleihung mit der Kindertaufe bie Wiederholung (iterasio bap- 
tismi) ausſchloß, obgleih die Gegner fih auf die Verſchiedenheit der 
Subjerte und auf den wenigſtens in ber diteften Zeit ungewoͤhnlichen 
Modus adspersionis berufen fonnten, fo fihien doch die Confirmation 
auf jeden Kal, und ned) auf eine etwas andere Art erforderlich. Ma - 
forderte eine befondere clausula et adstipulatio und Nachleiſtung aller 
"von den Zaufcandidaten geforderten DObliegenheiten und Pflichten. 

Der Dauptpunct aber betraf die — zum geiſtlichen Amte. 
Den erſten, viel Aufſehen erregenden Vorfall mit den carthaginenſiſchen 
Presbyter Novatus beſchreibt Euseb. hist. ecoles. I. VL eo. 43., und legt 
dem roͤmfiſchen Biſchofe Cornelius folgende Worte in den Mund: 
„Dee Satan ! welcher in ihn (den Novatus) gefahren war, und lange 
„Zeit in ihm ‘gewohnt hatte, ‚hat Veranlaſſung gegeben, ‚daß er ein 
„Glaͤubiger wurde. Als er unter dem Beiflande. des Erorciften ſich 
„befand, fiel er In eine ſchwere Krankheit, und weil man ihn bem 
„Tode nahe glaubte, fo ward er auf dem Bette (dv avın vi xAlvn), 
„worauf er lag, übergoffen, wenn, man anders fagen kann, daß ein 





„holcher Menſch die Kaufe empfangen habe. Indeß empfing er nad - 


„Seiner Geneſung nicht einmal das, was nad) Vorſchrift der Kicche 

'„(sara 109 wis Iexinolag xavova) hätte empfangen follen, nämlich » 
„Die Verfiegelung (T05 opgayıadızyas, d. h. die Confirmation) durch 
„den Bifhof. Da er nun diefe nicht empfing, wie kann er dann ben 
„heiligen Geift empfangen haben? — Diefer faubere Mann alſo vers 

„laßt die Kirche Gottes, in welcher er den chriftlichen Glauben anges 

„nommen und in welcher er, aus Gefaͤlligkeit des Biſchofs unter Haͤn⸗ 

„beauflegen zus Würde eines Presbpterd erhoben wurde. Als ſich 

„nämlich die ganze Geifttichleit und viele Laien dagegen festen, in⸗ 

„dem es eigentlih nicht erlaubt war, daß einer, 

„der fo wie diefer Krankheits halber auf dem Bet⸗ 

te getauft worden, eine geiftlihe Würde beklei⸗ 

„dete, fo bat dee Biſchof, daß fie es bei diefem allein nur (als Aus⸗ 

‚mahme) geſchehen lafien möchten, daß. er zum Presbyter einges 

„weiht würde,” 

Aus demfelben Gefichtöpunete verbot aud die Synode gu Neucds. 
farea (Coneil. Neo-Caesar. a. 314. c. 12.) die priefterlihe Würde 
einem folchen Notbgetauften zu erfheilen. Als Grund wird angeführt, 
daß fein Glaube nicht aus freier Wahl, ſondern aus Nothwendigkeit 
herruͤhre. Doch wird hinzugefegt, daß entweder ein nach ber Raufe 





bewieſener vorziglicher Glaubenseifer, ober andy wohl ber Mangel an 
tauslichen Subjecten eine Ausnahme rechtfertigen könne. Späterhin 
mußten bei allgemeiner Einführung der Kindertaufe diefe Fälle immer 
feltener werden, und daher finden wir aud Beine weitern Steeitigleiten 
daruͤber. Doc wiederholen die fpätern Kirchenordnungen unter den 
acht Puncten, welhe die Bifhofswahlen hindern follen, gewoͤhnlich 
nur das alte ne quis eligeretur Clinicus s. Grabbatarius. Auch fteht 
damit die Forderung, daß kein Neophyt ‚gewählt werden fol, in Der 
Bindung. .' 

ff) Die Frage: ob Stumme getauft werden dür- 
fen, befchäftigte ebenfalls die Gafuiftit der Alten. Man entfchied fie 
in: der Megel bejahend und wendete auf diefelbe die Grundfäpe bei der ‘ 
Kranken: und Kindertaufe an. Das von ſolchen Perfonen geforderte 
Bekenntniß und Gelübde kann entipeder durch Andere, wie bei der 
Kindertanfe durch die Sponsores erfegt oder auch blos e consensu tacito 
et praesümtivo ftillfchweigend vorausgefest werden. Auch diefen Punct 
finder man gut bearbeitet bei Bingh. Vol. IV. 1. 11. 5. $. 1. 
-berfchrieben: Homines tamen muti in certis quibusdam casibus 
baptizari poterunt. Die fogenannte Zwangstaufe. übergehen wir, da 
fie dem chriſtlichen Alterthumg fremd war, wir mögen nun auf bie 
Beichaffenheit der Außern Umſtaͤnde fehen, oder auf die Grundfäge, bie 
man von Seiten ber Kirche befolgte.- Sie yehört in die fpätere Zeit, 
wo ſich namentlih mächtige chriſtliche Fürften ein Verdienſt daraus 
machten, Süden und ganze heidniſche Voͤlkerſchaften gemaltfam zum 
Chriftenehume zu bekehren. Wie wir fhon- im Artikel Gatehumenat 
1: Bd. p. 366 verſprochen haben, wollen wir bier noch auf den Um: 
ſtand Ruͤckſicht nehmen, 

ge) daß die alte Rirche gewiffe Perfonen von 
der Taufe ausſchloß. Das Meifte, hierher Gehoͤrige findet 
man ebenfalls forgfältig gefammelt bei Bingh. 1. 1. &. Vi. mit dee 
Ueberſchrift: Quinam baptismo fuerint exclusi. Certa opificia et 
vitae genera, quae homines ab eo arcuerint, recensentur, cujus- 
modi fuerant idolorum confeotores et comoedi. Es leuchtet auch 
wieder von ſelbſt ein, daß das hier zu Sagende abermals nur von ber 
Taufe der Erwachſenen gelten konnte, wiewohl man es auch auf Die 
Kinder folher Perfonen, welche nicht zur Taufe gelangen durften, aus⸗ 
gedehnt zu Haben fcheint. 0 
Menn man die verfchiedenen Beflimmungen in den Spnobalbe: 
ſchluͤſſen und Schriften der Kirchenväter zufammenfaßt, fo burften vor⸗ 
zugsweife folgende Perfonen nicht zur Taufe gelaffen und im die chriſt⸗ 
kiche Kirchengemeinſchaft aufgenommen werden: 

e) Die Bünitler und Sgandwerker, welche Bögen- 
bilder und andere GÖbjecte der Jdololatrie und 
Superftition verfertigten. Wie heißen in ben apoftulifchen 

. Conftitutionen edoAorosol (Idolorum confectores), Tertullian verhnet 
‘dahin die Bildhauer, Steinmegen und Maler, welche Goͤtzenbilder 
(Signa, Statuas) in Holz oder ‚Stein oder durch Farben darſtellen, 
Amulette verfertigen oder fonft Künfte- treiben, welche ad ormatum et 
pompam Diaboli gehören. Tertull. de idololat. o. 11. de spectao, 
% 22. adr. Hermog. 7 Te u. [N , 





⸗ 
Taufe. 475 


B) Schaufpieler, Hiftrionen, Pantomimen, Poöfs 
fenreißer und andere Leute, welche für Beld ihre 
Derfon zur Beluftigung andererpreisgeben. S. Conc, 
Eliberit. can. 62. — Cone. Lartheg. Ill. p. 35. Tertull. de spectac. 
e. 22. Gleihfam ein Gutachten darüber, das aber nicht zu Gunſten 
der genannten Perfonen ausfällt, findet man in Cpprians 61. Briefe 
an den Eucratius. — Nah Auguflin de eiritate Dei l. II. co. 14. 
muß man hierin das Beiſpiel der Römer nachahmen: IIli actores 
po&ticarum fabularum removent a societate civitatis — et ab hono- 
ribus omnibus homines scenicos, 

| y) Über auch diejeninen werben ausgefchloffen, welche ſich durch 
unmäßige Thesterfuht und Liebhaberei an Jagd, 
Dferderennen, Sauftlämpfen u. f. w. auszeichnen. Doch 
ift zu bemerken, daß man dieß blos in den apoftolifchen Conftitutionen 
und bei dem Montaniften Zertullian angegeben findet. ” 

- 0) Sehter, Sauftlämpfer, WagenlenEer (in ben 
olympiſchen und circenfifhen Spielen) und andere die perfönliche Würde 
verachtende Künftter. Constitut. ap. VIII. c. 32. Cone. Arelat. L 

- ©. 4, Hieron. vit, Hilarii c. 13. u. a. . Zu 

8) Aftrologen, Auguren, Zeihendeuter, Zaube⸗ 
ter, Befhwörer und andere Perfonen, welde 
Bötendienft und Aberglauben beförderten. Cone. 
Laodio. can. 36. — Conc. Trull. c. 61. Chrysost, Hom. XUl. in 
ep. ad Ephes. u. öfterer. . 

.) Mufitanten, Tänzer, Sdffentlihe MDirnen, 
Auppler, ABurenwirtbe u. f. w., welde ein ehrloſes Gewerbe 
trieben. 

7) Nach den apoſtoliſchen Conſtitutionen VIII. 82. und dem Conc, 
Tolet. I. e. 17. ſollen auch die im Concubinate und in 

Polygamie Lebenden ausgefhloffen ſeyn. Doc, find die Mei⸗ 

nungen hieruͤber verſchieden. Bingh. li. p. 253 segq. ’ 

9) Daß auch die Soldaten nidht receptionsfähig 
gewefen feien, bat man häufig aus Conc. Nic. can. 12, bemeis 
fen wollen. Allein Hugo Grotius, Ziegler u. a. haben gezeigt, daß 
fi dieſe Verordnung Aur auf die befondern Verhaͤltniſſe und auf die 
unter Licin's Heere dienenden Individuen, die fih des Abfalles zum 
Gögendienfte fchuldig gemacht hatten, beziehe. In den apoftolifchen 
GEonftitutionen werden au blos die Soldaten, welche vom Raub, 
Gewaltthaͤtigkeit und Unrecht nicht abftehen wollen, von der Aufnahme 
zuruͤckgewieſen. Es ift daher eine ganz richtige Bemerkung Bingh. p. 
235. Haeo constans fuit ecclesiae regula, neque ullum .exemplyn 
reperiri puto, hominem quempiam a baptismo fuisse rejectum, 
"eam solam ob causam, quod miles esset, nisi illi vita quaedam 
idololatriae vel similis oujusdam sei circumstantia vitae genus vi- 
tiosum reddidisset. Bon allen diefen Perſonen wird gefagt, baß- fie 
ausgefchloffen ſeyn follen, fo lamge fie nicht ihre bisherige Lebensart und 
die Ausübung ihrer Kunft oder des Gewerbes aufgeben. Cone. Eli 
berit. ean. 62. Conc. Carthag. Ill. 35. 

Es ift alfo Beine abfolute, fondern nur eine bedingte Ausfchließung. 
Uebrigens darf auch nicht vergeflen werden, daß bieß fchon won ber 


478 Zaufe. 

fpätern Zeit gilt, wo das Catechumenat ſich völlig ausgebildet hatte, 
und wo zunaͤchſt erft In die Aufnahme deffelben, nicht aber von ber 
Zaufe die Rede fehn konnte. 

Was den Grundſatz ſelbſt betrifft, fo verdient die Strenge, womit 
man denfeiben aufrecht zu erhalten. ftrebte, der Kirche zum größten Lobe 
- angerechnet zu werden. Es mar hierbei allerdings eine Gondefcendenz 
zu Zeit⸗ und Nationalbegriffen; aber eine ſolche, welche fich zu allen 
Zeiten rechtfertigen ließ, weil die Abfiht unverkennbar war, das Chris 
ftenthum frei von jedem Borwurfe zu erhalten. Wenn ſchon die Rö- 
mer, wie Auguftin de eivitate Dei Hl, c. 14. bemerkt, die Schaus 
fpieler, Poffenreißer u. |. m. vom Bürgerrechte und von allen Ehren 
fetten nusichloffen, fo durfte die chriftlihe Kirche nicht den Schimpf 
anf fit kommen Laffen, als wolle fie fi durch den Auswurf der 
Menſchheit bereichern. Sie mußte daher: ſolchen von den Heiden für 
ehrlos erklärten Perfonen den Eintritt entweder ganz unterfagen oder 
doch fo erſchweren, daß man ben chriſtlichen Namen nicht läftern durfte. 
Darum ift auch die Bemerkung Bingh. Antiquit. T. IV. p. 225 
treffend, wenn er fagt: -Quando itaque haco vitne ratio (es ifl zu⸗ 
nähft von Schaufpieleen die Mede) inter ipsos gentiles adeo infamis 
- fuit, mirum non est, ecelesiam nullos huie professioni addictos 
homines ad baptismum voluisse admittere, nisi priüs tam ignomi- 
niosis artibus valedixissent. (uodsi secus fecisset ecolasia ipsa 
' aese opposwisset opprobrie, et adversariis dedisset occasienem, quod 
ejusmodi perditissimi et profligatissimi homines ad ecelesiae adnit- 
teretitur privilegia, qui a ciritatis juribus et reipubliocae honoribus 


" sssent exclusi. 


Auch nad der Einführung der Kindertaufe biieb von dem alten 
Dischplinar » Rigorismus wenigftens noch darin eine Spur übrig, daß 
man folche Perfonen nicht zu Zaufzeugen erwählen durfte. 3a ſelbſt die 
neuere Zeit flelt wohl noch Beiſpiele auf, dag man Schaufpieler, Seil 
tänzer und aͤhnliche Perfonen von der Ehre der Gevatterfhaft ausfchtoß. 

B) Zeitraum, wo die Rindertanfe im dhriftlids 
kirchlichen Leben vorberrfhend wurde, Hoͤchſt ven 
ſchiedene Anfihten hat man auch über die Kindertaufe gehegt und ihren 
Gebrauch bald in eine frühere, bald in eine fpätere Beit gefegt. Allein 
diejenigen chrifflich = kirchlichen Alterthumsforſcher haben gewiß Recht, 
welche behaupten, daß die Rindertaufe in der orthodon 
gen Rirdhe zu Peiner Zeit außer Gebrauch gewefen 
fei, Man fest die Kindertaufe ſchon in das apoftolifche Zeitalter und 
rechnet befonders Diejenigen Stellen hierher, wo erzählt wird, daß eine 
ganze Familie fei getauft worden. Dahin ift zu rechnen die Stelle 
Act. 16, 15., wo von der Purpurkrämerin Lydia zu Philippi erzähle 
wird: als fie aber und ihr Saus getauft ward (oc de 
&Bontiodn, xul 6 olxos adräs). Bald darauf Act. 16, 30 —33. 
beißt e6 von dem Kerkermeilter: Er führte fie, Paulus und Silas, 
berans und fprah: Liebe Derien, was fol ich thun, bag ich felig 
werde? Sie fpraden: Glaube an den Herrn Jeſum Chriſtum, fo 
wirft du und bein Haus ſelig. Und fie fagten ihm das Wort des 
Heren und allen bie in feinem Haufe waren (nũot Toig dv ın olxia 
avsod) Und er nahm fie zu fich in derfelbigen Stunde der, Nacht, 


Taufe. a 


und wuſch ihnen die Gtriemen ab; und er ließ fi taufen 
und alle die Seinen alsbald (xal Eßansic9n adrdc, zul 
os avroü ndvysıg napayonna). Auch die Stellen Act. 2, 39. und 
18, 8. find hierher zu rechnen, wo bei der Aufnahme aud der Binder 
(soig Teavorc duiv) und des ganzen Haufes erwähnt wirb, wos 
mit auch noch die Stelle 1 Cor. 1, 16. zu vergleihen If, nah web 
her Paulus das Haus des Stephanus (roy Iripara olxor) getauft: 
hat. Man mag nun hierbei immer erinnern, daß unter Haus und 
Hausgenoffen, nicht ſowohl Kinder, als vielmehr Anverwandte und 
Geſinde zu verfichen feien, und daß auch bie erwähnten Kinder rixve 
ſchon Erwachſene, welche eines Unterrichts fählg waren, ſeyn konnten. 
Aber fo wie man diefe Moͤglichkeit zugiebt, fann man au auf der 
andern Seite baraus eben fo wenig die Möglichkeit ableugnen, daß 
auch Kinder zartern Alters ‚darunter Binnen verflanden werden. Die 
ift derſelbe Kau mit den Stellen 19, 13. Luc. 18, 15 ff., die «ben fo 
wenig einen beftimmten Befehl, als ein beſtimmtes Verbot dee Kins 
dertaufe enthalten. Dagegen iſt es defto gewiſſer, daß berühmte Kits 
chenlehrer die Kindertanfe als ein apoflolifches Inſtitut betrachten,‘ 
Drigenes Hom. Vill. m Levit. Opp. T. VI. p. 137. ed. Oberth. 
faat: Addi his etiam potest, ut requiratur quid causae git, cum 
Baptisma ecelesiae pro remissione peecatorum detur, seeundum 
ecelesiae observantiam etiam parvulis dari beptismum, aum utique 
si nihil esset in parvulis, quod ad remissionem et indulgentiam 
pertineret, gratia haptismi superflua videretur, vergl. Hom. XV. in 
Luc. und Colamentar. in Mt. I. V. Auch Auguflin lehrt: Infantes 
baptisandos esse, universa ecciesia tenet, nec conciläs institutum, 
nec semper retentum non nisi aucteoritate apostelica 
traditum credimus, Die Sicherheit der Behauptung beider Schrift: 
fieller ift eine Buͤrgſchaft für die Allgemeinheit der Ueberlieferung, daß 
die KRindertaufe fon in den Einrichtungen der apoftolifhen Kirche ih: 
ten Grund habe. 

Boillommen von dem Dafeyn der Kindertaufe Im 2. Jahrhun⸗ 
dert kann man ſich überzeugen, wenn man fi an den Eifer erinnert, 
- womit Zertullian vor dieſer Sitte warnt. Die Hauptflelte ift de 

baptismo oc. 18. Auf jeden Sal wird bier bie Kindertaufe gemißbil⸗ 
gt. Indeß bleibt es auch bier nody ungewiß, 0b die Parvuli und die 
aetas innocens gerade Chriſtenkinder find, da man gar wohl berechtigt 
wäre, auch an Juden» oder Heidendinder zu denten. Man fcheint 
aber auf den Widerſpruch Tertullians wenig geachtet und ihn für eine - 
montaniftifche Uebertreibung gehalten zu haben. Der befte Beweis 
davon liegt darin, daß felbft Tertulltans effrigfter Verehrer, ber tar 
thagifche Biſchof Eoprian, kein Bedenken trug, in dieſem Stüde von 
feinem Meiſter und Vorbilde abzumeihen. Der afrikaniſche Bifſchof 
Fidus verrarf die Kindertaufe keineswegs, fondern bielt blos, da bie 
Taufe an bie Stelle der Beſchneidung getreten fei, einen Auffchub ders 
felben bis zum achten Tage für nöthig. Hieruber berathfchlagte Eyprian 
auf einer Synode im Jahre 253 mit -66 Biſchoͤfen, wo man fi für 
Die Kindertaufe erklaͤrte und man hielt bie aetas innosens für taufbes 
‚dürftig, wenn fie auch noch nicht gefündige habe, da Suͤnde und‘ 
Schuld ja fhon durch die leibliche "Abftammung vorhanden fe. 


478 Taufe. 
&. Cyprian. Epist. LXIV. ad Fidum. p. 158. Nach Muͤnter Hand⸗ 
buch der aͤltern chriſtlichen Dogmengeichichte Ze Bd. 2. Abtheil. p. 24 
wurde von diefer Zeit an die Kindertaufe ein Geſetz in der ganzen 
afritanifchen Kirche, das man auch nachher mit hiftorifhen Gründen 
vertheidigte,, die wenigſtens Auguftin kannte, wie wir oben gefeben ha⸗ 
ben, welcher ſich geradezu auf bie apoftolifche Zradition berief. Daß 
nun die Kaufe der Kinder, bie von chriftlichen Aeltern abſtammten, 
vom Beginnen des Chriſtenthums an, wenigftens in mehrern chriftlis 
hen Ländern Statt fand, läßt fih theil6 aus bogmatifhen Ideen, bie 
ſchon früh der Taufe ein befonderes Gewicht gaben, fo wie aus hiſto⸗ 
tifhen Gründen, darthun. Fuͤr lestere iſt beſonders brauchbar Bingh. 
Vol. IV. 1. XL. C. 4. $. 5. überfchrieben Baptiamatia parvulorum 
probatio ex antiquis ecclesise monimentis, wo Beiſpiele der Kinder: 
taufe auch aus der Zeitdauer der Arkandisciplin und des völlig ausge⸗ 
bitdeten Gatechumenats vorkommen. Die Behauptung alfo, daß bie 
Kindertaufe im Sten und 4. Jahrhundert gänzlid aufgehört und nur 
die Taufe der Erwachfenen Statt gefunden babe,' hätte vielmehr fo _ 
qusgedrücdt werden follen: Die Rindertaufe ift indem ges 
nannten 3eitraume und noch etwas weiter darüber 
binaus im Derbältnig zu ber Taufe der Erwakhfes 
nen feltener, welches aus dem häufigen Andrange 
zum Chriftentbume in jener 3eitperiode erklärlid 
ift; nach dem Aufhören aber der Arkandisciplin 
und des Latecbumenats (f. beide Artikel) tritt das ums 
gekehrte Derbältniß ein, und die Rindertaufe ift 
die Kegel, die Taufe aber der Erwackhfenen die 
Ausnahme. Fragt man aber, warum in dem genannten Zeit: . 
. raume die Taufe der Erwachſenen fo häufig war? fo iſt es nicht fchwer, 
aus der Lage und Beſchaffenheit der chriſtlichen Retigionsgefellichaft die 
richtige Antwort zu geben. Die fchnelle Verbreitung des Chriftenthums 
vermehrte die Zahl der Zaufcandidaten auf eine ungemöhnliche Weife, 
Die Apologeten legen auf die raſche Ausbreitung der chriftlihen Reli⸗ 
gion viel Gewicht und finden darin die Erfüllung der Weiffagung, daß 
fih die Menge der Heiden zum Deren bekehren werde (Jeſ. 60, 8.). 
Wenn auch, nah der Behauptung einiger neuern Schriftfteller, die 
Angaden der Alten über die raſche Vermehrung ber Bekenner bes 
Chriſtenthums zuweilen etwas übertrieben ſeyn follten, ſo, kann bie 
Richtigkeit derſelben im Allgemeinen nicht beſtritten werden. Die Kla⸗ 
gen, welche Kaiſer Julian, der Sophiſt Libanius, der Senator Sym⸗ 
machus u. a. uͤber die Verehrung der Galilaͤer anſtimmen, iſt die beſte 
Rechtfertigung der chriſtlichen Apologeten und Geſchichtſchreiber. Auch 
kann bie Geſchichte des Islamismus, welcher im Laufe eines Jahr⸗ 
hunderts Fortſchritte machte, wie wir fie bi jetzt noch bei keiner Reli⸗ 
gion kennen, als brauchbare Analogie für die Ausbreitung des Chris 
ftenthums gelten. Wenn fchon zur Zeit des Druds und der Verfol⸗ 
gung die Zahl ber Bekenner des Chriftenthums fidy mit jedem Sabre 
mehrte, und der Ausſpruch Tertullians: Das Blut der Mär 
tyrer ift neue Ausſaat für die Kirche, budftäblih in 
Erfüllung ging, wie mußte nicht erſt die Zahl derfelben zunehmen, als 
Conftantin der Große das Chriſtenthum zur öffentlichen Religion des 


“ 


Taufe. 479 


x s 


Reichs erhob, und Theobofnu⸗ der Große alle. Ueberreſte bed Goͤten 
dienſtes zu vertilgen und den Paganismus (die Bauernreligion, wie 
man den Polytheismus im Gegenſatze des Hellenismus oder der Reli⸗ 
gion der Gebildeten nach Julians Lieblingsausdrucke zu nennen pflegte), 
veraͤchtlich und laͤcherlich zu machen ſuchte. Und in der That lag im 
Polytheismus weder uͤberhaupt, noch in ſeiner progreſſiv vermehrten 
Ausartung irgend ein Grund zur beſondern Anhaͤnglichkeit ſeiner Be⸗ 
kenner. Das Chriſtenthum hatte Zaufende von Maͤrtyrern, aber bie 
Geſchichte ſchweigt von Märtyreen des Polptheismus. Auf jeden Fall 
mochte die Zahl derfelben nur ſehr Fein feyn. Die Apologeten reden 
nur von Prieſtern, welche über den Verfall ihres Kultus und der dats 
aus, entfpringenden Vortheile erbittert waren, von Künfltern und Kaufs 
leuten, welche vom Objecte des hbeidnifchen Kultus lebten und daher 
für die Fortdauer deffelben eiferten. Aber Enthufiasmus, wie ihn das 
Chriftentyum bervorbrachte, finden wir nirgends. Der große Haufe 
verließ freiwillig eine Religion, für welche er ſchon laͤngſt fein Intereſſe 
mehr hatte. Die Staatsmänner, Militärs u. f. w. folgten gern dem 
Beifpiele der Regierung und bes Hofe. Die  Phitofophen , Dichter, 
Rhetoriter, Grammatiker u. a, richteten ſich entweder gleichfalls nach 
der Mode, oder fanden in der chriftlihen Meligion eine Seite, welche 
ihnen dieſelbe annehmlich und intereffant machte und ihren Idealen 
oder ihter Phantaſie einen freien Spielraum verſchaffte. 

Kurz, die chriftliche Kirche erbielt im 4. Sahrhundert einen Zus 
wachs von Zaufcandidaten, wovon man im apoftoliihen Zeitalter noch 
keine Ahnung haben konnte. Das Verhältniß derfelben zu den gebors 
nen Chriften mochte zuweilen und an manchen Drten ungefähr dems 
jenigen gleichen, weldes in fpätern Sahrhunderten zwifchen den Chris ' 
ftentindern und den Profelyten aus dem Juden und Heidenthume 


"oder dem Islamismus umgekehrt Statt fand. Es konnte nichts natürs . 


licher feyn, ale daß diefer unerwartete Zuwachs einen großen Einfluß 
auf die Korm der Aufnahme haben, und dag dabei die Minderzahl ſich 
nah der Mehrzahl richten mußte. — Hierzu fam nun noch insbefons ' 
dere ber eigenthumliche Geſchmack bes Zeitalter am Mopfteriöfen. Wie 
allgemein und tiefergreifend Ddiefer war, fann man aus Lurian von 
Samofata, Plutarch, Jamblichus, Julianus, Apulejus, Petroni 

Ammianus Marcellinus u. a. Profanfchriftiteleen, aber auch us 
Juſtinus Martyr, Zheophilus aus Antiohien, Clemens von Aleranz 
drien, Arnobius, Minutius Felix, Lactantius u. a. lernen. Indem 
die chriftlichen Lehrer und Vorſteher fi wenigſtens zum Theil nach dies 
fer Denkart des Zeitalters richteten, hofften fie, nicht nur dadurch dem 
Chriſtenthume dußerlich zu nügen und der chriftlichen Kirche neue Mit: 
glieder zuzuführen, welche wahrfcheinlih ohne diefe myſterioͤſe Form ' 
nicht zu gewinnen gewelen mären, fondern fie ſcheinen auch die Ueber⸗ 
jeugung gehabt zu haben, daß der Inhalt der chriftlichen Lehre ſelbſt 
unter diefer Korm weit beſſer eingefehen und bewahrt bleiben würde. Nach 
Juſtinus Martyr Apolog. I. $. 81. war ſchon die Religion des A. 2. 
unter dere Myſterienform mitgetheil: Die Dämonen haben bie 
fpmbolifchen‘ Handlungen, wovon Mofes und die Propheten reden, bei 
den Heiden nachgeahmt und bei denfelben Luſtrationen und Weihungen 
eingeführte. Auch das. Bad Her. Proferpina iſt von ihnen aus 


450 2 Taufe. 


ben prophetifchen Ankuͤndigungen von der Ausgießung beö heiligen Geil: 
ſtes entlehnt. Die Meihungen der Chriften find alfo keine Nachah— 
mungen ber Heiden, fondern nur eine Wiederherſtellung des Urſpruͤng⸗ 
lichen. Diefelbe Vorſtellung finden wir’ auch bet mehrern Vertheidi⸗ 
gern des Chriſtäͤnthums, welche demſelben keinen ſcemdartigen Bufag 
und feine Entlehnung aus andern Religionen beffegen faffen wollen. 

Wie fih nun aus: biefen eigenthuͤmlichen Zeiterfheinumgen die 
Geheimlehre, die Catechumenen mit «ihren MWerfchiedenen Graden und 
Abftufungen bildete, iſt von uns hinlaͤnglich in den Artikeln Disci- 
plina arcani und Catechumenat gezeigt worden, auf welche wir darum 
hier zurüdweifen können. Daß Aun in diefer Periode auch Kinder, 
abflammend von riftlichen Aeltern, getauft wurden, haben wir bereits 
bewiefen. Aber die Nachrichten, wie bie Kindertaufe vollzogen wurbe 
in den Tagen der Arkandistiplin und des ausgebildeten Catechumenats, 
darüber fr die Nachrichten theils felten, theils unbeſtimmt. Nur im 
weiteren Verlaufe diefes Artikels werden wie hin und wieder etwas hier 
ber Gehoͤriges erinnern können. | — 

Wie es vielen andern Dingen und Einrichtungen ging, fo geſchah 
es auch bei der Taufe. Es hieß: Cessante causa, cessat effectus. 
Sm 5. und 6. Sahrhundert, wo das griechifch= roͤmiſche Heidenthum 
fo gut, wie ausgeflorben mer, und wo bie barbarifchen Völker faſt alle 
das Chriftentbum angenommen hatten, wurden die außerchriſtlichen 
Catehumenen immer feltener. Ueberdieß hätte der Geift und Geſchmack 
der Völker eine ganz andere Richtung genommen. Der Hang zum 

Myſterioͤſen war vermindert, und fo mußten bie alten ideen von der 
Nothwendigkeit, übernatärlichen Kraft und Wirkſamkekt der Taufe, von 
. den Gefahren des Auffhubs u. f. w. wieder mehr Eingang finden. 
Ge mehr fih die Lehre von der Erbfünde und ber Präbeftination und 
der Gnade und den Gnadenwirkungen, vom Glauben und ben Sakra⸗ 
menten ausbildete, defto mehr Empfehlung mußte die Kindertaufe fins 
den. Schon Gregorius von Nyſſa und Nazianz hatten fie empfohlen, 
und, fo wie andere Schriftfteller, vor dem Aufſchub der Tauſe gewarnt. 
(Berg aBlsching de procrastinstione baptismi apud Veteres ejusque 
‚ oaussis.:41747.) Nod mehr aber wirkte die Lehre des Auguflinug, 
welgper wider die Pelagianer nicht nur die Nuͤtzlichkeit, fondern auch 
die Nothwendigkeit des Pädobaptismus zeigte, und mit welcher eine 
neue. Epoche in der Geſchichte der Taufe anfängt, die eine Menge 
Einrichtungen verſchwinden läßt, auf welche die alte Kirche einen fo 
hohen Werth gelegt hatte. Wir werden diefen Einfluß beinahe in 
jedem folgenden Abfchnitte biefes Artikels nachmeilen Eönnen. Seit 
Gregor dem Großen war bie Sitte, Kinder zu taufen, fehon fo allges 
mein, daß man in den Sakramentarten Gregor umd der folgenden | 
Perioden nur Kinder als das gewöhnliche Object ber Taufe angeführt | 
findet, und daß die Zaufe der Erwachſenen aus dem Juden⸗ und 
Heidenthume oder Ielamismus nur als Ausnahme zu betrachten iſt. 
Bergt: Brenners gefhichtlihe Darftellung der Verrichtung der Taufe 
p. 180. Ä | 

Da zur Zeit, ald vorzugsmelfe nur Erwachſene getauft wurden, | 
auf die Taufe der Genuß des heiligen Abendmahls zu felgen pflegte, 

ſo übertrug man bieß aud) auf die Kindertaufe und veichte den Meu: 





Fa 


Taufe. | 481 


getauften ſoſort die Gommunion. Es dauerte lange Zeit, che man von 
Diefer. Sitte abging. Im Decidente kommen no im 12. und 13. 
Jahrhunderte Spuren bauen dor und bie orientaliihe Kirche bat fie 
ſtets beibehalten. . Vergl. Petr. Zornii historia Eucharistiae infentum. 
Berol. 1787. und Chr. E. Weismaun de praepostera Eupharistiae 
infantum reductiepne. Tubing. 1744. Von ber Zeit an, wo die Con⸗ 
firmation ihre gegenwärtige Geſtalt erhielt, d. b. in einem fpdtern Jahre, 
gewoͤhnlich beim Eintritt in das Juͤnglings⸗ und Jungfeguenalter ertheilt 
wurde, warb es Regel, auf diefe die Communion folgen zu laflın — 
eine Einrichtung, welche fich auch in der evangeliichen Kirche findet. 
Bergi. E. Sa, Cyprian historia paedobaptismi. Gotha 1705. 8. — 
G. Wall history of infant-baptism, P. 1. 2. Lend. (1705.) ed. 4. 
1731. Bus ats P [} 5 kann gelten: Defence of the hist. of infant- 
baptism. against the refleotions of Mr. Gale and others. Ebendaſ. 
1720. 8; lat. vertit, ‚ nonnullis etiam observationib. et vindiciis 
auxit J. L. Schlosser , Brom, 1748. Hamb. 1758. 2 Bde. 4, — 
J. G. Walch Historia pacdobaptismi 4 priorum saequlorum,. Jena 
1789. 4 Auch in fein. Miscell. p. 487 ff. — Die dogmat. Schrif⸗ 
ten |. bei Walch, Bretfchneider und Winer a. a. O. | 

DD Perfonen, von welden die Taufe verrichtet 
wurde — Was das Zeitalter Jeſu und der Apoſtel anbetrifft, fo 
haben wir bereits oben über bie Individuen gelprochen, die in jenem 
Zeitraume zu taufen pflegten. Wir fegen alfo, um des Zufammenhans 
ges und ber leichtern Ueberficht willen, nur das Ergebniß jener Unter 
fuchung biecher. Aus dem N. T. geht fo viel hervor, 1) daß Jeſus 
dieſe heilige Handlung nicht felbft verrichtete, ſondern biefelbe durch 
feine Apoftel und Jünger verrichten ließ, 2) baß die Apoftel, wenn fie 
auch zuweilen die Taufe ſelbſt verrichteten, dieß boch nicht immer und 
als Regel thaten, fondern daß fie diefelbe auch durch Anbere verrichten 
ließen. 3) Ob auch anbere, Lehrer oder Laien, bie Taufe ohne beſon⸗ 
dern Auftrag verrichten durften, kann mit Gewißhelt weder bejaht noch 
verneint werden. Doch ſcheint ein allgemeiner Auftrag und eine Ge: 
nesalvollmacht,, gleichfam vi perpetuse commissionis, Statt gefunden 
zu baden. 4). Dee Diacon Philippus taufet in Samarla Männer und 
Weiber, den Simon Magus und den aͤcthiopiſchen Kämmerer (Act. 
8, 12. 88.), ohne daß eines befondern Auftrags erwähnte würde. Die - 
Berehhtigung dazu ſcheint alfo in ber allgemeinen Vollmacht, wovon 
Abst. 6, 8—7. bie Rebe ift, enthalten zu ſeyn. — Juſtinus Martyr 
bemerkt in feines Zaufbefchreibung nichts über die Perfon des Zäufers. 
Da er glei daranf die Adminiftention bes heiligen Abendmahls dem 
Vorfteher der Bruͤder zufchseibt, fo wie auch bie Auslegung der heili⸗ 
gen Schrift, fo möchte die Vermuthung, daß bie Kaufe nicht vom 
Vorſteher ertheilt werde, wahrſcheinlich ſeyn. 

Vom 2. Jahrhundert an finden wir beſtimmte Zeugniſſe, daß 
nur bee Biſchof als geſetzlicher Tauf⸗Adminiſtrator angeſehen wurde. 
Schon Ignatil epist. ad Smyrn. kommt bie Verordnung vor: Oix⸗ 
256» dors zwols soü Zruoxonou, ovse. Bawsllur, ouse nposplger. 


Dieß ſetzt, wenn auch nicht die Mannalpraxis, doch bis Auctoritaͤt 





des Biſchofs voraus. Auch Tertall. de baptiam. co. 17. ſagt au - 


druͤcklich: Baptiamum dandi hahet jus summus nacerdos, qui eat 
Siegel Handbuch IV. 31 


482 | Taufe. 


Esiseopus, dekäne Preabyteri et Diaooni, ven tamen Bine episcopi 
auctöritate, propter ecelesiae honorem.„.quo salvo, ealva pax ost. 
Er flge dann hinzu: Alioquin etiam · Latois juß eatz- lebe aber den 
Math, daß dieß mit Ehrfurcht ˖ und Beſcheidenheit und nur im Noth⸗ 
falle geſchehen duͤrfe. Die Conctitut. Aposat. I. Hl co. 14 ſptechen 
den geringern Kitchendieneen das Tauftecht ab, and geſtehen «6 bios 
zu: —* ĩnioxonoec, aal nosoßurloos, ZBennoetoitirehh rakc 
reõy dıandnur. DEE Fer Pr 
“ Andere Beugniffe weiſen auf eine ſtrengere Obſervanz hin und 
vindiciren das Tauftetht blos den Biſchoͤfen. Hierön. Dial, adv. 
Luoif. c. 4. ſagt: Sine episcopi jussions neque presbyter, Hioque 
diaeonus jus habet baptizandi, quod frequenter, si tamon- netessi- 
tas cogat, seimus etiani Laicis licere. Daß auch die ortentalilche 
Kirche die Verrichtung der Zaufe vom Bifchofe fordert, erhellt aus 
-Dionyflus Areopag. de hierarch. ecch, e. 2., 180 de ganze Handlung 
unter der Öberleitung des Hierarchen oder Oberprieſters, wie -eine fo: 
Inne Myſterienaufnahme beſchrieden wird. Der Rleeus von Edeſſa 
wuͤnſcht in einen Sendfchreiben an bie Biſchoͤfe Photius und Eufla- 
thius die baldige Ruͤckkehr des Edeſſeniſchen Biſchofs Ibas, weil deffen 
Annefenbeit auch vorzüglih um dererwillen nöthig fei, welche in ber 
Oftervigilie die Laufe empfangen ſollen. S. Instruot. Cleri Edess ni. 
‚ad Photium et Eustathium. Cone. Chaleed. o. 19. Hier wird alfo 
die Weberzeugung ausgeſprochen, daß bie folenne Taufe blos vom Wi- 

ſchofe vollzogen werben koͤnne. 0 i 
Die Geſchichte meldet, daß manche Btfchöfe einen -außerorbentlichen 
Taufeifer bewieſen, und daß es ihnen zu einem befondern Verdienſte 
angerechnet wurde, dern Oberhirten recht viele Serien zugeführt zu 
haben. Vom Belligen Paulus von Mailand rühmt- deffen SBtograph 
Paul. vit. Ambros. Erat in rebus divinis implendis fortissimus, ita 
tantum, ut, quod implere solitus erat circa baptiamum, quingue 
- posten Episeopi, a tempore, duo discessit, vix implerent! Der 
heilige Remigius von Rheims Hat nach Paal. Aomil. de rebus gest. 
Frane. an einem Tage gegen 3000 Perſonen;getauft. Aehnliches wird 
vom Heiligen Bonifacius erzählt. Nach Histon. B. Ottonis 1. II. 6. 
19. mag Dtto, Biſchof von Bamberg: und Apoſtil der Pommern, das 
Taufwerk elfeig getrieben haben.:- -Diefe Beiſpiele eines deſoͤndern Lifers 
feinen die Sitte, daß die Biſchöfe tauften, am laͤngſten erhakten und 
mehr empfohlen zu baden, als Kirchengefetze, welche fich feiten über 
diefen Punct ˖ erklaͤren. Wundern muß man fich- allerdings barlıber, 
daß die Biſchoͤfe, weiche ſich doch Für die Nachfotger der: Äpoſtet Hiels 
tm, ſich nicht auf die Gawohnhelt derſelben, die Taufe durch Andere 
vollziehen zu laſſen, berirfen. Es iſt aber kein altes Beiſpiel bekannt, 
daß irgend ein Biſchof den Pauliniſchen Sprach: ' Chriſtus bat 
mid nicht gefandt zu tanfen, ſondern das Evange: 
—* zu predigen (1Cor. 1, 17.), geltend zu machen ge: 

ſucht habe. | RE 
.Erſt vom 6. Jahrhunbaert an finden wir nicht nur Bälle, fonbern 
auch officielle Erklärungen, daß dieß nicht eigentlich feines 
Amtes fei. Schon in bem Seeramentarium ˖ Gregors bed Großen . - 
wird. bes Presbpter als minister baptiemi ‘genannt und ihm: biefe 





‚Kaufe. | 483 


Bunetion vorzugswelfe uͤbertragen. “Mehrere folche Öffentliche Verord⸗ 
nungen hat Augufti in’ feinen Denkwuͤrdigkeiten Ir Sb. 144 gefam: 
mel. Das Rituale roman. de ministro baptism. fagt: Legitimus 
baptismi minister est parochus, vel alius sacerdes a parocho- vei 
ab Ordiaerio looi delegatus. WVom Biſchofe iR uͤberall wicht Die 
Rede, fondern nur von den übrigen Geiftlichen, umd zwar heißt «6: 
Bi adsit saoerdos (presbyter), diacono praeferatur, Dinsonus Bub- 
diacono, Clerious Laico u. ſ. w. 


Dog man die Moͤnche nicht als Taͤufer genannt findet, ruͤhrt 
daher, daß ſie in der alten Kirche unter die Laien gerechnet und von 
prieſterlichen Verrichtungen ausgeſchloſſen wurden. Valesius ad Sorom. 
VII. ec, 17. behauptet zwar, daß ſie ſchon im 4. Jahrhundert prie⸗ 
ſterliche Functionen ausgehbt hätten, alten feine Behauptung laͤßt ſich 
nicht rechtfertigen, wie Bingh. Tom. Il. p. 88. vergl. p. 29 recht gut 
gezeigt hat. Der angeblihe Canon des Conc. Nie, a. 525, welcher 


den Mönchen die Taufe erlqubt, iſt unaͤcht. Das erſte Zeugniß kommt - 


erft am Ende des 11. Jahrhunderts vor. -Die Synode zu Nimes a. 
1096 fest feft: Videtur nobis, ut ‚his, qui sua relinguunt Bro Deo, 
dignius liceat baptizare, communionem dare, 'poenitentiem. impo- 
nere, nec non Peccata solvere u. ſ. w. Seitdem findet man aud) 
in ben Kloſterkirchen Baptifterien. 


Gewöhnlich erklaͤrt man bas Zurhdziehen bee Bifdyöfe von dem 
Taufen aus ber Bequemlichkeit und dem Vornehmthun derſelben, und 
zwar zum Theil in der vömifchen Kirche ſelbſt (f. Brenner p: 42), 
woc, mehr aber von Seiten der Proteſtanten. Allein wenn auch Dieß 
zuweilen allerdings wahr geweien feyn mag, fo iſt doch daB Aufhoͤren 
des Taufens von Seiten der Biſchoͤfe in der Weränderung der Tauf⸗ 
candidaten mit zu ſuchen. In ber altem Kirche bei ber Taufe der 
Erwachſenen und bei ben regelmaͤßig beilimmten allgemeinen Taufter⸗ 
minen diente es zur Erhöhung der Feierlichkeit, und um. die Begriffe 
von der Wuͤrde und Heiligkeit des Sakraments zu erhatten, daß der 
Biſchof daſſelbe eben fo, wie das heilige Abendmahl abmintfleicte. 
Auch war dieß nach ber Lage der Sache und den lUmfhänden, ohne 
geoße Beſchwerde und Beeinträchtigung ber übrigen Amtopflichten, aus- 
führbar. Wie bei der Communion ber Bifchof blos eonfecrirte, und 
die :Ausfpendung felbft ben übrigen Geiftlichen überließ, fo war es auch) 
bei einer folennen Taufe an Oſtern, Pfingften oder Epiphanin ſchon 
hinlaͤnglich, daß der. Biſchof die heilige Handlung durch Gebet eröff: 
nete und einige Taͤuflinge feibſt untertauchte ober befprangte, die. Abık- 
gen aber dur bie Gehülfen des Amtes adminiſtriren ließ. Als aber 
die Kindertaufe vorherefchend wurde, hörte felbft. die Moͤglichkeit auf, 
daß ein Bilhof in einem nusgebehnten Kirchenſprengel alle vor: 
kommenden Kinbertaufen ſelbſt Hätte beforgen koͤnnen. Wie, wenn 
man unfern Supesintendenten unb Geheraffuperintenbenten faͤmmtliche 
Taufoete in ihren Didcefen zue Pflicht machen wollte! : Etwas von 
ber frühern Sitte, daß die Wifchöfe vorzugsweiſe tauften, iſt in ber 
römifhen Kicche immer geblieben, nämlidy daß ber Burdof einzig ımd 
allein die Confirmation zu verrichten bat. S. d. Artikel. Das Ueber: 
tragen der Taufe. von Seiten der Biſchoͤfe an bie, Perrorrer und ſelbſt 





484 | Taufe. 


an die Disconen läßt fich darum fchon aus dem eben «Xngeführten 
eriären, fo. wie aus einigen andern Urſachen. 

Bon einer —— des Täuferb:iefen wir im N. 2. nichts; 
denn die Me. 8, 4. erzählte Lebensart Johannis dub. Zäufers gehoͤrt 
nicht hierher. Dagegen tommt ſchen Justin. Mart. Apolog. I. o. 61. 
p. 210 eine Aeuferung. vor, welche hierher begogem werben fannnz deun 
bier tft niche bloß vom: "Gebete. und Faſten des Taͤuflings, ſondern auch 
von einem Gebete und Mitfoften: berienigen die Rede, weiche zum 
Taufwafler führen. Davon zeigen ſich auch fpäter,. feiöft nad Einfüp- 
rung der Kindertaufe,. Spuren; denn mehrere paͤtere Concilienbeſchluͤſſe, 
wie 3. B. Conc. Paris. a. 829. c. 31., verordnen, daß, fo wie ber 
Dreher nüchtern Meſſe halte, er auch eben fo die Taufe verrichte. 
Doch mußten ſolche Verordnungen außer Kraft kommen, nachdem auch 
in der roͤmiſchen Kirche die Taufe in den Nachmittageſtunden vorge⸗ 
nommen wird. 

Bon einer beſondern Amtskleldung des Taͤufers findet man im 
Alterthume gar keine beſtimmte Werſchrift, aber die Vorausſetzung, 
daß die Taufe in veste candida (mie ſich Hieron. adv. Peleg. 1. I. 
ausbrüdt), gefchehe. Da früher dieXäuflinge in weißer Kleidung getauft 
zu werben unb auch noch nach ber Kaufe vor ber Verſammlung zu er⸗ 
ſcheinen pflegten (woraus die Benennung: Dominica in albis, grex 
niveus u. |. w. entſtand), fo ſchien die Forderung, daß auch ber Taͤu⸗ 
fer dieſe Farbe, welche Symbol des Lichts und bes Himmliſchen war, 
an fi) trage. : Dee Ordo Roman. I, fordert für-den Taufprieſter reine 
und weiße Kielbung. - Das Conc. Ratomag. .a. 1072 fordert als Re: 
gel bie Alba und Stola, Daß Rituale Rom. tebet von Buperpollineo 
° * Violasen, und zugleich von einer Abwechſelung mit weißen 

leidern. 

Zeither iſt nun gezeigt werben, daß rie Perſonen, von welchen 
getauft wurde, einzig und allein dem Klerus angehoͤrten. Es fragt fich 
nun, durften auch Nichtgeiſtliche (Kalen) taufen, und wenn..bisß ger 
flattet wurde, war. es audy den Weibern, und ſelbſt nidsscheiftliihen 
en erlaubt zu taufen? Anlangend den erſten Beſtandtheil 
unfrer Frage 

a) ob Caien Aberbaupt taufen durften ſo iſt bie 
durch Geſetz und Obſervanz 'der alten Kirche außer allem Zweifel, und 
bie neuers Zeit hat beides fo wenig aufgehoben, daß fie vielmehr bie 
Freiheit noch ‚vermehrt hat. Indeß darf man nicht vergeſſen, daß bie 
für erlaubt gehaltene Laientaufe zu keiner Beit eine gewöhnliche Ord⸗ 
nung und Praris, fordern fies nun eine Ausnahme von ber Megel 
oder eine fogenumte Rothtaufe warn Wir haben bafür bereits das 
Zengniß Tertulllans, umd im ganzen genommen war bieß auch bie 
Draris in dee griechifchen Kirche. Zufoͤrderſt war die Rothtaufe jedem 
techtgläußigen und unbeſcholtenen Ehriſten nachgelaffen. „So verordnet 
das Conc. Eliberit. a. 313. can. 88: -Peregre navigantes ‚aut. ei 
ecclesia in praxime non fuerit, pesse fidelem, qui lavacraın suum 
integrum habet, neo sit bigamus, baptizare in necessitate iafırmita- 
tis positum Catechumenum. Hier wird alfo erfordert aa) ein Fide- 
lis (mıosög), nicht ein Catechumen, weicher fetbft erſt die Taufe od) 
eriyartet, bb) einer, welcher ſich der Taufe niche unmwärbig gemacht 





Zaufe 485 
bat, ein Lapsus, Traditer, Posnitentiarius u. f. w. iſ. Die Worte: 
qui lavaorum auum integrum habet, ‚Binuen auf aa) und bb) bezo⸗ 
gen werden, oe) ikein Bigamus, b.. 4 nad ben Grundfaͤtzen ber Zeit 
keiner, welcher nach bem Node bes. Gutten zu. einer zweiten Che ges 
ſchritten. Hierin zeigm - fi montaniſtiſche Grundfaͤtze, welche bie 
nuptias sosumdas. nicht: nur den Geißlichen, wie noch jetzt im ber grie⸗ 
chiſchen Kicche , ſondern auch alien Chriſten verbieten. 

bD' Die Weiber anbelangend, fo war ihnen in ber fruͤ⸗ 
hern Zeit das Taufen verbeten, wie man dieß aus Tertullian und den 
apoſtoliſchen Conſtitutivnen ſehen kann. Bpih. haeres. LXXIX. be 
ruft ſich, wie: Tertullian, auf bie Maria, die Mutter Jeſu. „Nicht 
„einmal,“. ſagt er, „das Taufen ward ihr ‚übertragen, denn ſonſt 
„haͤtte ja Chriſtus won ihe any. nicht vom Johannes: getauft werben 
„müefſen. Auch wur kein Weib zur Werkimdigung des Evangeliums 
„and zum Lehramte, wie bie Apoſtel berufen. — Er zeigt dann, daß 
„ſelbſt die wäon:, 'vidune Dissonissse; bei den Sakramenten zwar 
„Dienfte leiſten, diefe aber nicht adminiſtriren dürfen.” — Die Bers 
bot dee apoſtollſchen Eumftitutionen wieberholse das Cono. Carthag. IV, 
a. 3998-99. e.'20. Mulier, quamvis docta et aancta viros in 
oenventu' dosere, vel aliquos:.baptisare: non . praemumat. — Noch 
lange nach -diefer Zeit erklaͤrte ſich die kirchliche Befepgebung problema⸗ 
tiſch über dieſen Punct, erſt Urban Al. a. 1086 epist. ad Vital. ent⸗ 
ſcheidet alfo: Super quibus nos eonsulnit dileotio tua, hoe videtur 
nobis ex sentehtia respendendum;, ut et baptismus ait, ei ingtante. 
necessitete foemina puerum in nemine Trinitatis baptisaverit, Dieſe 
Entfheidung mußte auch endlich erfolgen, wenn man bie übrigen Sons 
cefflonen der Kirche für. das Taufen erwägt, von welchen bald- die-Mebe 
ſeyn wird. Nachdem aber biefes Recht einmal eingeflihrt war, werbient 
es Biligung, daß man die Nothtaufe veszugmelfe den Weibern unb - 
inöbefondere den Hebammen übertrug.  Dieß wird gefordert in dem 
Ritual. Rom,. de miniser. Baptism. $. 2., welches den Geiftlichen zur 


Pflicht macht, diefelben darin. zu unterrichten. . Curare debet parochus, 


ut fideles praesertin sbstetrioos, rectum baptizandi ritum probe 
teneant et servent. — Diefer Grundfag iſt auch in ber enangelifchen 
Kirche angenommen. Vergl. J. H..Beehmer jus eoches.. Protest. Tom. 
1. p. 821 — 22. Schenks Taufbuch p: 282 ff., wo jedoch bie Noth⸗ 
taufe ſelbſt als ein abergläubifcher und gefaͤhrlicher Gebrauch gemißbil⸗ 
lige wird. Die fogenannte Spieltaufe des Athanaftus übergehen wir 
bier als eine Sage ohne hinlaͤngliche Hiforifche. Begründung. Athana⸗ 
fius nämlich foll als. Spiel in feiner Kindheit an einigen mitſpielenden 
Knaben die Taufe vorgenommen haben, weiche auch in ber. Kolgezeit 
als gültig fei angenommen worden Vergl. Auguſti E I p. 158 ff. 
und Schoͤne's Gefchichtsforſching Bd. 2. p. 267. — Ueber die Guͤl⸗ 
tigkeit der Ketzertaufe werben wir fdhidlicher weiter unten ſprechen. — 
Noch ift die. Frage übrig, ob man felbf fü. weis gehen Bonnie, - 
ec) daß auch Ylidhidhriften, Juden, Heiden und . 
Mubamedangr die Vothtaufe verridhten durften. 
Hatte fi) einmal die Anſicht gebildet, daß bie Taufe ohne Verluſt ber 
Seligkelt nicht koͤnne unterlafien werben, fo Läßt ſich erklären, wie man 
auch eine von Nichtchriſten vollzgagene Nothtaufe gelten laſſen konnte. Es 





486 Taufe. 

waͤhrte inzwiſchen eine geraume Zeit, ehe man ſich an dieſen, auf den 
erſten Blick allerbings ſonderbaren, Gedanken gewöhnen konnte und ehe 
man ihn beſtimmt auszuſprechen wagte. Auguſtin war noch zweifelhaft, 
ob er einem Heiden die Faͤhigkeit, eine chriſtliche Taufe zu vollbringen, 
zutrauen. bürfe oder nit, und wünfdte, daß eine Kirchenverfammiung - 
darlıber entfcheiden möchte. Wenn Gregor Ill. ep. KR ad Bonif. bie 
von Heiden oder Goͤtzenprieſtern vollzogene Taufe für ungältig erklaͤrt, 
fo geſchah dieß wahrfcheinti in der Worausfegung, daß fie nicht rite 
gefhehen fei. Er decretirt: Eosdem, quos a Paganis baptixatos esse 
asseruisti, si ita habetur, ut denuo baptizes in nomine Trinitatis, 
mandamus. ben fo: Qui a presbytero Jovi-maetante et carnes im- 
molatitias vesconte baptizati sunt, ut rebaptizentur, praecipimus. 
Aehnliche File kommen auch in ben fraͤnkiſchen Kapitularien 3. VIE. 
e. 401 — 406. vor. Man muß verniuthen, daß bie Beziehung auf 
den dreleinigen Gott oder auf Jeſus Chriſtus, melde zu allen Zeiten 
bei der Taufe für weientlich gehalten warb, vermißt, und daher. bie 
Taufe ats keine chriftliche betrachter werde. 

Wenn dagegen diefes Bekenntniß nicht fehlte, fo trug man kein 
Bedenken, die Taufe für gültig zu halten. - So beflimmte es die erſte 
Spnode zu Compiegne a. 767. o. 9.: Si quis baptizatus est a pres- 
bytero non baptizato, et Sancta Trinites in ipso baptismo invocata 
‚fuerit, baptisatus est. Mod) beutlicher in Beziehung auf eine, von 
einem Juden verrichtete Taufe, ift die Entfcheidung des. Papſtes Nico⸗ 
laus I im 9, Jahrhundert (Responses. ad Consult. Beigar.).. A quo- 
dam Judseo, multos in patria vestra baptizatos asseritis, et quid 
de his sit agendum consulitis. His profeoto, si in nomine s. Tri- 
nitatis, vel tantum in nomine Christi, sicut in Actis apostolorum 
legimus, baptizeti sunt (unum quippe idemque est ut s. exponit 
Ambrosius) constat, eos non emse denuo baptisandos, Mac) der 
Entfheidung des Cone. Lateran. IV. a, 1215 ann jeder Menfch tau⸗ 
fen. Saeramentum baptismi in quoesungue rite collatum proficere 
ad salutem. Diefen Grunbfägen gemäß ertheilt auch das Rituale 
Roman. de ministr, baptism. Jedermann obne Ausnahme bie Be⸗ 
fugniß der Nothtaufe: Quoties infans vel adultus versatur in vitze 
-periculo, potest sine solemnitate a quocunque baptizari in qualibet 
lingua, sive clerieo, sive laico etiam excommunicato, sive fideli, 
'sive infideli, sive catholico, sive haeretico sive viro, sive foemina, 
serfvata tamen forma et intentione ecclesise, 

. 7 Mach Böhmer (jus eceles. Protest. Ill. p. 820) gelten biefe 
Grundſaͤtze der katholiſchen Kirche auch bei den Proteſtanten. Er fapt 
fie aber mit folgenden Worten zufammen: Quia vero effioacia ba- 
ptismi’ dependet a fide recipientis non dantis, param refert, qua 
‚Side et pietäte id peragat minister ecclesiae, cum Spiritus Dei sub- 
ministret gratiam 'baptismi, non baptisans, et Dei manus sit, non 
ministri ecclesiae. ludo aeque efficax est baptismus, qui per ma- 
lum, quam qui’ per bonum datur. Er führt auch fernerhin den päpft: 
lichen Auſsſpruch an: Non nocet malitia episcopi neque ad bapti- 
amum infentis, neque ad ecclesine conseerationem, quia baptisma 
& Deo datur, non ab homine venit. Mit welcher Sorafalt und 
Genauigkeit die Scholaſtik und Cafuiftie bes Mittelalters diefen Gegen⸗ 


nn} 





ſtand behambaite, erficht man auch daraus, daß fogar die Frage von 
dee Selbfttaufe verhandelt wurde. — Im Sabre 1250 entſchieb 
Dapft Jnnotenz All. die. ihm vorgelegte Frage: eb ein Jude, welcher 
dem Tode nahe und nur ‚unter Juden fich ſelbſt ins Waſſer tauchte 
und dabei die Worte fprah: Ich taufe mich im Namen des Vaters — 


als recht. getauft augeleben werben koͤnne? aus Dem Grunde verneinend, 


weil zwiſchen dem Täufer und dem Getauften ein Unterſchied feyn 
muſſe. Wohrſcheinlich aus demſelben Srunde füllt da6 Cone. Nemans. 
a. 1234, oan. de beptiaw. bie Sentenz: Si quis-se ipsum baptiza- 


- verit, talem non egse haptisatum eoclasin judisabit. . | 


IV) Don den Laufzeiten. —. Auch diefen Punct, wenn 
auch nicht in eier. ſtreng logiſchen Oxrdnung, findet man gut bearbei: 
test bei Bingb. Vol. IV. 1. 11. 0. 6. mit der Ueberſchrift: De tem- 
pore at.loca, baptiswi. Wir werde bie, wichtigften Meränderurigen, 
fo weit es ſich thun laͤßt, nach der chronologiſchen Ordnung zuſam⸗ 
men ſtellen. . . 

In Beziehung auf das npoftelifhe Zeitalter laͤßt fich bemerken: 
Die Apoftel und Jünger binden ſich an Leine beſtimmte Zeit, 
zu welcher fe bie Kaufe ertheilen, fonbern fie ergreifen hlerzu immer 
den glüdlichen Augenblick, mo bie Lehre des Heils in ein gläubiges 


. Herz einkeingt, fo wie es auch bei ihrem eigentlichen Miffionsamte, 


\ 


bei ihrem Streben, das Chriſtenchum ſobald als möglich allenthalben 
zu verbreiten, und bei der noch unvollkommenen aͤußern Kirchenverfaſ⸗ 
fung nicht anders geſchehen kann. Die Zeit ber Taufe iſt baber bie 
Zeit der Bekehrung. An bemielben Tage, an welchem Petrus zu den 
verſammelten Juden bie erſte Rede bielt, werben jene getauft, bie 
feine Rede angenommen haben, Act. 2, 48, Mod andere Beiſpiele 
in. der Apoſtelgeſchichte find: 8, 88. 16, 83. Hier gefchieht alfo die . 
Zaufe ſowohl am Tage, als in der. Nacht, und zwar zu jeder Stuns 
be, die fih den erſten Verkuͤndern bes Evangeliums günftig biezu dar: 
bietet. — Auch nah den Zeiten der Apoftel benugt der Eifer für die 
Verbreitung des Chriſtenthumse jeden Zeitpunct zur Zaufe, wo Jemand 
fire dieſelbe ſich empfänglich bezeigt. Zu gleicher Maßregel ftimmt bie 
immer drohende Todesſsgefahr. Daher die Taufe an jedem Tage und 
zu jeder "Stunde des Tages, wie die von Stepbanus, Laurentius und 
andern ertheilten Taufen beweiſen. Bergl. Bingh. I, I. e. 6. 9. 11. 
überfchrieben: Baptismus ad nullum oertum locum adstriotus apo- 
stolorum temporibus. Auch nad; der Zaufbefchreibung bes Juſtinus 
Martyr fcheint altes, dafür zu fpeechen, daß der Verfaſſer einen Ter⸗ 


min beftimmt, fonbern bie Taufe als öffentlichen und feisrlichen. Act, 


bei jeder gottesbienfitichen Verſammlung, für zuläffig erklärt. - 

Allein ſchon Tertullian de. baptismo e. 19. erklaͤrt Oſtern 
und Dfingften für die zwei zwedmäßigfien Tauf: 
zeiten. Dabei heruft er ſich nicht auf eine Tradition, fondern läßt 


ſich mehr von dogmatiihen Ideen beftimmen. Seine Worte find: 


. Diem baptismi solemniorem pascha praestet, cum et Passio domini, 


in qus tingimur, adimpleta est, neo incongrusater ad figuram in- 
terpretabitur, qued eum ultimum Pascha Dominus gsset neturus, 


“ missis discipulie ad praeparandum invenietis inquit hominem 


aqua bajulantem (Marc. 14. 169 Paschae eejebrandae locım 





488 raufe. 


de signo aquae oatendit. Exinde Pontecoste ordinandis aqui⸗ 
laetiaaimum apatium est, quo et Domini resurrectia inter diseipules 
frequentata est, ot gratia apiritus s. dedioata et spes adventus Do- 
. mini subostenss, quod tuno in coelos recuperato eo Angeli ad 
Apostolos dixerunt, sio venturum, quemadmodun st in ooeles 
conscendit, utique in Penteooste. Bed etiam Hierimias, cum di- 
et: et cougregabo. illos ab extremis torrae in die 
festo (Jerem. XXXI, 8.) Paschae diem signifieat, et Pente-’ 
' cO08tes, qui est proprie dies festus. — Andere Schriftſteller berus 
fen ſich auf eine apoftolifche Tradition und uralte Kirchenordnung, um 
Oſtern als Taufzeit datzuſtellen, z. B. Leo der Große (EKpist. 4. ad Bi. 
oil. Ep.), bee deſshalb die Epiphanientaufe fuͤr eine unverſtaͤndige Neue⸗ 
rung erklaͤrt. Man Tann auch noch die Zeugniſſe von Boerat. h. e. 
L I. 0. 5. Ambrosius de myster. Paschae 5. Augustin Serm. de 
tezmpore 160 u. a.’ anführen, woraus die Allgemeinheit der Vorſtellung, 
bag Dftern die vorzuͤglichſte Taufzeit ſei, erhellt. Auch Papft Selaſius 
erklärt bie ‚Beiden Jaufzeiten Oſtern und Pfingflen- für legitim. Er 
fagt: Baptisandi sibi quisquam : passim quocunque tempore 
nullam coredat fiduciam, praeter paschale, festum et Penteooste, 
excopto duntaxat gravissimi languoris inourm. Daß als Taufjris 
ten die Wigilien in der Oſter⸗ und Pfingſtnacht befonders wichtig 
waren, baben wir anderwärts ſchon in den Artikeln Auferfiehungefeft, 
Pfingften, nächtliche Gottesdienſt, bemerkt. Weitläuftigee iſt befons 
ders von uns über-bie Oftervigilie gefprochen tworben in: dem Artikel 
Sabbatum magnum Ar Bd. d. Handb. p. 299. Für die Taufe in 
der Pfingfivigilie ſprach fchon die von und vorhin angeführte Stelle 
Tertullians de baptiem. o. 19. In den Synobatbeichläffen und 
Zeugniffen dee Kiechenwäter finden wir in der. Regel bie Oſter⸗ umb 
Pfingſtvigilie in diefer Beziehung einander völlig gleihgefegt. 

Zu biefen beiden feierlichen Taufterminen kam aber fhon frähe 
zeitig noch ein dritter Hinzu‘, nämlich das Epiphanienfeſt. Und 
es laͤßt ſich nicht in Abrede fielen, daß Gefchichte und Gegenftand bies 
fe8 Tages gut dazu geeignet waren, Auch über biefen Tauftermin has 
ben wir das Möchige bereits in bem Artikel Epiphanienfeft 2r Bd. d. 
Handb. p. 47 f. bemerkt. Jedoch ſchwankten daruͤber in ſpaͤterer Zeit 
ſehr häufig die Urthelle bee Kirche. Cone. Mogunt. a. 813. « 4. 
druͤckt fi) darüber fo ans: Duo tempora, i, e. Pascha et Pente- 
coste, ad baptisandum a Rom. Pontifice legitime praefixa sunt. 
. Daffelbe wiederholten faft wörtlich mehrere Spnodalbefchlüffe aus dem 
9. Jahrhundert. Sa, noch im 12, ermahnt der heilige Otto (Klistor. 
8. Ottonis 1. II. co. 17.) die Pommern, baß fie ihre Kinder ben 
Vrleſtern darbringen follen, opportuno tempore, 'scilicet in Sabbate 
8.-Paschae ao Pentecostes, ° 

In Frankteich und Spanien muß auch bie Taufe an Weihnachten 
und an den Gebaͤchtnißtagen der Apoſtel und Märtyrer gewöhnlich ges 
weſen ſeyn. Dieß erhellt aus ben Werboten Cone. Mutise. Il. a. 683. 
e: 3. In Anfchung: der Märtyrertage ſcheint mon in der nralten 
Sitte, an ben Gräbern ber Märtyrer das heilige Abendmahl zu feiern, 
einen Beflimmungsgrund gefimden zu haben. Auch war «8 eine 
Erimmerung an die Bluttaufe, wovon die Alten fo viel reden und von 





Tauſe. "1 


weicher Tertullian de baptism. c. 16. fagt: Hie est baptismus, 
laraerun. eb: non. asceptum repraesentat et perditum reddit, — 
Auch von der Kaufe am Sohannisfefe und am Feſte der Kirchweihe 
findet man ſchon ‚ältere Beiſpiele. ©. Sozomu h. e. 1. II. c. 26. 
Leenis M, epist. 186.u..0. Dod find die bier erwähnten Faͤlle nur 
als Ausnahme von ber Kegel zu betrachten. - - 

= Go war e6 denn vom 2. Jahrhundert an kirchliche Obſervanz 
geworden ımd einen Längern Zeitraum hindurch geblieben, gewiſſe Tauf⸗ 
termine im Laufe des Jahres baigubehalten, unter welchen Oſtern und 
Pfingſten ſtets oben an ſtanden. Defien ımgeachtet wärde man ſehr 
teren, wenn man aller ‚Lehrern die Meinung :von einer abfoluten Noth⸗ 
wendigkeit biefer Taufzeiten zufchreiben wolle. Etwas anberes iſt =6, 
eine Sache für zweckmaͤßig und nägfich, etwas anderes, fie für noths 
wendig halten. Kein Kirchenwater hat disfe Erſcheinung für ein 
Geſetz Chriſti ober der Apeſtel, ſondern blos für eine nüsliche Kirchen⸗ 
anſtalt erklaͤrt. Sehr Lidernd erklaͤrt ſich unter andern Tertullian de 
baptiem. co. 19. in dieſer Beziehung: Ceterum omnis dies Domini 
est, omnis hora, omne tempus kabile baptismo, 'si de solennitate 
interest, de gratia nihil refert. Der Verfaſſer unterfcheidet fehe gut 
zwifchen solennitas und. gratia, Das erftere. iſt die Licchliche Beier _ 
lichkeit, welche an gewiſſen Tagen am ˖zweckmaͤßigſten Statt findet; 
das letztere geht auf Die Kraft und Wirkung des Sakraments, welche, 
wie alle Gnadenmittel Gottes, an keine Beit und an feinen Ort ges 
bunden iſt. Auf aͤhnliche Weife erklären ſich auch Baſillus ber Große. 
Auguftinus u. a. 

Bei diefen Grunbfägen und Anfichten ber alten Kirche Eonnte - 
es daher für keine ſtrafbare Neuerung gelten, wenn man in ber Zeit 
vom 10 — 18. Jahrhundert immer mehr anfing, -fih bei der Taufe 
dee Kinder nicht mehr an die ehemals feflgelehten Zaufzeiten zu 
binden. Als Zeugniſſe davon. gelten Edgari a. 967. can. 15. Leges 
presbyter. Northumbrens. « 10. Conc, Lemorie. .lI. a. 1031. 
Rupert. Tnit, de div. of... IV. e. 18. — Bir finden nun die 
Erlaubniß am jedem: Tage des Jahres zu taufen und die Vorſchrift, 
dag die Kinder entweder innerhalb SO oder 40 Tagen ober im Laufe 
bes Monats ihrer Geburt, oder nach 8 Tagen, oder fobalb «6 gefors 
dert wird, getauft werden follen. Bin und wieber finden noch ſchwa⸗ 
he Beziehungen auf .die alten Zaufzeiten Statt. Als die Machtfeier 
in Mißcredit gekommen oder abgefhafft war, blieb die Stunde von 
8—6 Uhr nach ber alten Eintheilung (hora sexta usque ad nonam) 
am Oſter⸗ oder Pfingfifabbathe die beliebte Taufſtunde. Nur in fpds 
ten Sahrhunderten finden wir die Nachmittagsftunden verboten, bages 
gen bie. Wormittageftunden vorgefhrieben. Der Grund baven iſt Bein 
'erfreulicher, denn er bezieht fih auf die bamals übliche Unmaͤßigkeit 
und Böllerei bei den Zauffeften. Das Cone. Colon. Il. a. 1549. c. 
14. fagt: Prohibemus parrulos tempore pomeridiano baptizari, sed 
Quando jejuni et sobrii sunt homines et ad res tantas attenti, _ 

Brenner, in feiner gefchichtlichen Darſtellung, fagt dagegen p. 274.: 
An vielen Orten iſt indefien bie jehige Praris obigen Beſtimmungen 
ganz entgegen; denn die Kinder werden nun zu jeder Stunde des Ta⸗ 
ges, wenn es nämlich ihren Aeltern oder Buͤrgen gefällig iſt, meiſten⸗ 





IM. | | Taufe. 


theils Nachmittags getauft. Sa. wenn Erwachſene ober neuge⸗ 
borne Kinder an den Vorabenden von Dftern und Pfingſten getauft 
werden Könnten, fo geſchieht es doch nicht, Nur das Waller wird noch an 
diefen Tagen geweiht, aber es ift Niemand da, der in baffelbe eingeſenkt 
wird. So mag wenigfiens die Wafferweihe noch am die alte Sitte erinnerm.. 

In der proteftantifhen Kirche iſt nichts gefeulih über die Tauf⸗ 
flunde beflimmt. Man findet nichts darüber bei Böhmer, Schenk u. a. 
Die meiften" Provinzial » Kirhenordnungen (das Corp. jur. oecles. 
Saxoniei, Dresden und Leipzig 1734 p. 23, die hanauiſche vermehrte 
Sichen: und Schulorduung, 1659 p. 14, 15 u. a.) beflimmen, ‚daß 
die Taufe in der Regel während des Gottesdienſtes und var der vers 
ſammelten Gemeinde gefchehen fol. Daher mag ſich auch die noch an- 
manchen. Orten herrſchende Sitte ſchreiben, die Taufen fo viel wie 
möglih auf die Sonn: und Fefttage zu verfparen, und fie unmittelbar. 
nach beendigtem Gottesbienfte zu verrihten. Allerdings iſt diefes Be: 
ſtreben, die Taufe nicht zu ifoliren, fonden mit dem übrigen öffents. 
lichen‘ Bottesdienfte in Verbindung zu fegen, an ſich hoͤchſt lobens⸗ 
werth. Aber man ilt au in proteflsntifchen Ländern ſehr häufig von 
diefer Sitte abgewichen und die Zaufe wird gewöhnlich, ohme mit dem 
öffentlichen Gottesdienſte zuſammen zu hängen, in den Nachmittags: 
flunden von 3—6 Uhr vorgenommen. Hierin ift noch einige Bezie— 
bung auf die Sitte der alten Kirche wahrzunehmen. S. Jacobi Co- 
mitis Acami de paedobaptismo solemni in ecclesin latina et gracca, 
sive de perpetnitate et dogmate baptizandorum cum infantum tum 
adultorum in ‚Pervigiliis Paschae et Pentecostes. 1755. — Natalis 
Alexandr. de baptismi solemnis tempore. ©. Thesaur. theol. Ve- 
net. 1762. — De baptismate paschali etc. liber ex Onuphrii Pau- 
vini Veron. commentariis, cum oorollariis Jo. Marc. Suaresii. 
Romae 1556. 

V) Pon den Tauforten. — Auch hier wird es zweckmaͤ⸗ 
Fig ſeyn, die Unterfuchung ‚nad einer gewiſſen chronologifhen Ordnung 
zu beflimmen. Es laffen fih nämlih, wenn von dem Tauforte bie 
Rede iſt, drei Zeitabſchnitte unterfcheiden : 
a) die erfle Zeit des Chriſtenthums, wo es frei fland, nicht nur 
zu jeder Zeit, fondern auch an jedem Orte zu taufen; 

.b) die Periode, wo ducch den Einfluß der Arkandisciplin und bes 
ausgebildeten Catechumenats nicht nur eine größere Vorbereitung und 
Feierlichkeit, fondern auch auferordentlihe Zauforte außer den Kirchen 
erforderte und befondere Baptifterien nothmenbig wurden. 

0) die Zeit, wo nad allgemeiner Einflihrung der Kindertaufe und 
Aufhebung der feltgefegten Zaufzeiten, die Baptiſterien entbehrlich wurs 
ben und wo bie Kirche und ber in denfelben befindliche Zaufitein der 


gewöhnliche Drt der Taufe wurde. . . 


a) Wie im N. 3. von keiner Zaufzeit bie Rede ift, fo findet 
man aud) keinen Zaufort beſtimmt. Wie Johannes im Jordan taufte, 
wie in dieſem Fluſſe Jeſus felbft die Zaufe empfing, fo verrichteten 
auch nach Joh. 3, 22. die Jünger Jeſu ihre erſten Kaufen daſelbſt. 
Aber auch in jedem andern Fluſſe oder Wafler wurde die Zaufe ver: 
richtet, wie aus den Erzählungen der Apoftelgefchichte 7, 86. 87. 
16, 15 —16. u. a. zu erfeben if. Bon Haustaufen kommen Apoflels 


\ 


Taufe, 491 


geſchichte 9, 18. 10, 47—48. und 16, 80 — 88. 34. Weifpiele vor. 
Sa der Stelle Apoſtelgeſchichte 2, 41. iſt die Mede von einer oͤffentli⸗ 
chen und gemeinfchaftlihen Kaufe (an einem Tage bei 8000 Seelen) 
in ber Berfammiung in einem Daufe 2, 1. 2., obgleich über die Art 
und Welle nichts Näheres angegeben if. Diefe Freiheit in ber Wahl 
des Taufortes finden wir aud bei den 'Altellen Kirchenlehrern, z. B. 
Justinus Martyr. Apol. I. c. 6i. Recognit. Clement. 1: IV. & 52. 
VE e. 16., wo die Rede ift von zoraud, mm und Jalacon, 
worin nach Befinden der Umflände bie Taufe verrichtet werben koͤnne. 
In Diefee Beziehung ift beſonders eine Stelle aus Tertull. de baptismo 
oe, 4. merkwürdig, weil fie die Zaufpraris in Afrika, was ben Taufort 
ſelbſt betrifft, genau nachweiſt. Seine Worte find: Ideoque nulla 
distinetio est, mari quis, an stagno, flumine, an fonte, lacu an 
alveo dilnatur, neo quicqguam refert inter eos, quos Joannes in 
Jordane, et ques Petrus in Tiberi tinxit; nisi et ille spado, quem 
Philippus inter vias fortuite aqua tinxit, plus salutis, aut minus 
retulit.. Auch in dee Schrift de corona militum o. 8, ift das adi- 
turi aquam ganz algemein, und kann fi auf jeden Fluß, Quelle, 
Waſſerbehaͤlter u. ſ. w. beziehen. 

Die Zraditton und Legende iſt fehr reih an Erzählungen von 
Hause und Gelegenheitstaufen. Der Biſchof und Märtyrer Apollinaris 
taufte bie von ihm Bekehrten nit nur im Daufe, fondern auch auf 
dem Meere. Es heißt hierüber in Surli vitae Sanotorum d. 23. Juli. 
lis, qui jem in Christum oredebant, missas et baptismata faciebat 
in domo tribuni oum discipulis suis — — Baptizabat autem in 
mari in nomine patris , filii et spirit. =. 

Bom heiligen Laurentius wirb Sur. I. e. d. 10. Aug. erzähle, 
daß er ben Lucius im Kerker, den Hippolytus nebft feiner Familie 
im Haufe, und den Soldaten Ronus, welcher ihm einen Krug mit 
Waſſer brachte, auf dem Wege taufte. Vom Diaconus Epriacus wird 
berichtet (Sur. d. 16. Jan.), daß er eine perfiihe Prinzeffin in ihrem: 
Schlafgemache und in einer filbernen Badewanne taufte, wobei bie 
Getaufte völlig entlleidet war. ’ 

Am 4. und 5. Jahrhunderte hatte ſich ber Glaube an eine befon> 
dere Heiligkeit und Kraft des Jordans und der Wunfh, im Waſſer 
deſſelben der. Heiligen Taufe theilhaftig zu werden, verbreitet. Spuren 
davon finden fich bereits früher und in dem bereitd angeführten Bei⸗ 
fpiele Zertulliane, wodurch er die Tiber umd den‘ Jordan in gleiche 
Kategorie fest. Das bischer gehörige Beiſpiel Conftantins des Großen 
erzählt Euseb. vit. Const. M. IV. 62. Der heilige Baſilius der Große 

ward, wie fein Biograph Amphilochins meldet, im Jordan getauft. - 
Noch zur Zeit des Hieronymus wurden zu Bethabara viele getauft. 
Doffelde wird auch in dem Stinevario des Maͤrtyrers Antonius (aus 
dem 6, Sahrhuindert) berichte. Und fo giebt es noch viele Zeugniſſe 
von der befondern Heiligkeit bed Jorbans. Diefe Vorſtellung kommt 
auch noch in den fpdtern Zeiten zuweilen vor; aber das ſchon von 
Luther überfegte alte Kichenformular: Daß Chriftus den Jor⸗ 
dan und alle Waffer gebeiligt, lehrt, daB jedes Waſſer 
durch die Kraft und ‚Gnade Gottes, eben fo gut zur Taufe fei, ale 
jenes, weiches unſer Herr durch feinen Körper zur Taufe gebelligt habe. 


498: Taufe. 
Auch in ber Zeit vom 8 — 12. Jahchundbert kommen noch Tauf⸗ 


acte in Fluͤſſin, am Deere, in Faͤſſern, geheizten Stuben u. |. w. 


vor. Doc iſt zu bemerken, daß dieß nur in den außerordentlichen 


Faͤllen der Heidendekehrung, wo die Beobachtung ber kirchlichen Regel 
und Obfervanz nicht möglich war, geſchah, und daß fie folglich in bie 
Kateggrie der Nothtaufe gerechnet wurden. Für disfe nämlich war der 
Dre zu keiner Zeit feſt beſtimmt. Die Vertheibiger ber [pdtern Tauf⸗ 
art waren auch: geneigt, bie Licenzen in den eriten Jahrhunderten. wo 
Drud und, Verfolgung die Auslıbung bes chritichen Kultus erfchwers 


"ten, aus. bem Gefichtspuncte einer Nothtaufe gu betrachten, und wolls 


ten daher nicht geflatten, dag man aus biefen Faͤllen eine Argumentas 
tion gegen bie Ordnung ber freien und felbfiftändigen Kirche hernehme. 
Alein,, wie wie ſchon andermwärts gefehen haben, ging ſpaͤterhin 


darin eine Veränderung vor,.:daß man nicht mehr ohne vorhergegan⸗ 


genem Unterricht und ohne. große Schwierigkeiten die Taufe estheilte; 
b) fie wurde nun nad langer Vorbereitung mit 
rößern Seterlikeiten in befondern Taufkirchen 
Baptifterien) an feſt lichen Taufterminen ertheilt 


und wid nun völlig von der frühern Einfachheit 


und leidten Möglichkeit, fie‘ 3u erlangen, ab. 
Da nun biefe Veraͤnderung duch‘ die Arkandisciplin und. durch das 
eingeführte Catehumenat.bewirkt wurde, und die Baptüfterien zur Folge 
hatte, wovon mir in eigenen Artikeln bereits: gehandelt haben (ſ. Arkan⸗ 
disciplin, Catechumenat, Baptifterien), fo. Binnen wie une hier kurz faſſen 
und ‚auf das bereits Gefagte zuruͤckweiſen. Daß man bie Taufhand⸗ 
lung mit zur Arkamdisciplin vechnete, tft von uns im- Artikel Disci- 
plina arcani ir Theil diefes Handbuchs p. 5LO gezeigt worden. Nicht 
minder baben wir bargethan, wis das Gatehumenat' bereits im zweiten 
Jahrhundert begann, im dritten fi) immer mehr ausbilbete und bie 
zum Anfange bes 6. Jahrhunderts feinen hoͤchſten Culminationspunct 
erreichen Eonnte und mit bem 6 Jahrhundert wieder aufhört. In 


>, diefer Periode wuchen bie-Workbungen ber Gatechumenen gewöhnlich, 


die Raufgebräuche feierlicger und bie Raufzeiten fchärfer ausgefchieden. 
Es werden nun eigenthuͤmliche Drte nöthig, wo man bie Taufhand⸗ 
* verrichtet, Baptiſterlen genannt, von: denen wir auch in einem 
beſondern Artikel 1r Band dieſes Handbuchs p. 178 gehandelt haben. 


- Bon.dem Anfangspuncte, von: den Entſtehungsgruͤnden, von der Eins 


richtung und den Vorrechten dieſer Baptiſterien, fo wie von dem muth⸗ 
maßlichen Ende: derſelben, iſt dort ausführlich geſprochen worden. In 
dieſer Perlode ſind alſo Tauforte beſonders die Baptiſterien, und meh⸗ 


tere Synodalbeſchluͤſſe wollen vorzugsweiſe dieſen Ritus in denſelben 


verrichtet wiſſen. Allein alles änderte ſich, als 


o) die Rindertaufe vorherrſchend und der Bes 


fprengungsritus gewöhnlich wurde, Hier ift ber Det, 
mo fi bereits unfre obige Behauptung rechtfertigen laͤßt, daß die Kin⸗ 
bertaufe weſentliche Veränderungen in bie Zaufpraris der Altern Kirche 
brachte. Das Catehumenat wird. ein ganz anderes, als es früher ges 
weien war. Die beftimmten Taufzeiten hören auf und man tauft am 
jedem Tage. Der Biſchof iſt num ‚nicht mehr einziger Abminifirator 
dee Taufe, ſondern es wisd nunmehr ben übrigen Klerikern dieſes 


— — — — 


Taufe, 403 
Geſchaͤft uͤbertragen. Das Mutertauchen bei bee Taufe bet auf und 
der ritus adspersionis teitt am feine Stelle. Die Baptiſterien verlies 
ven num ihren Zweck und bie Merrichiuchges zur Taufe verlangen nım 
eine viel andere und beſchraͤnktere Lokalitaͤt, als in früherer Zeit, und 
Diefe Lokalitaͤt ift num mie dein Kirchen ſelbſt werbunden. In Bejie⸗ 
bung darauf fagt Brenner p. 800 - 301: „Übglei ber Zeitpuner, 
„we die Baptifterien vervielfältigt und zuletzt mit den Pfarrkirchen ver> 
‚einige ober vielmehr in dieſelben verlegt wurben, nicht ganz genau 
„angegeben werben kann, fo läßt fi doch im Allgemeinen fo viel 
„beftimmen, daß dieß von'ber Beit anı gefhah, wo bie Tauftermine 
„nicht mehr beobachtet und bie Ertheilung dieſes Sakraments jedem 
„Geiſtlichen verſtattet wurde.” — Das gaͤnzliche Aufhoͤren ber allge⸗ 
meinen Taufe und das gänzliche Eintreten der Pfarrer in die ehedem 
som Bilchefe vorgenommenen Verrichtungen bat die Taufbrunnen in 
bie Pfarrkirchen gebracht, hingegen die in ben Doms und Kathebeals 
kirchen beinahe außer Gebrauch geieht. Daher iſt es num etwas Merk: 
würdiges, daß zu Lüttich, wo’ gegen 80 Pfarrkirchen find, doch nur 
S derfelben Vaptiſterien haben; daß in ber anfehnlichen Stade Bor 
deaur nur ıdia Domr und zwei Kloſterkirchen damit ausgeſtattet, und 
daß in manchen Städten Italiens, 3. B. Florenz, Pifa, Parma und 
Paduna, noch immer gemeinſame Baptifterien an den Hauptkirchen vor: 
handen find. Die Kirchengeſetze dringen von ber Beit an, wo bie 
Gelegenheit zur. Kaufe fo häufig iſt, deſto ernſtlicher darauf, daß fie 
nur in den Zauflichen vollzogen werde. Das Tone. Viennense a, 
1311. tit. 15. de baptiem. verordnet: Praesenti prohibemus edieto, 
ne quis de caetero in aulis aut aliis privatis domibus, ned dun- . 
tazat in ecclesiis, in quibus auat ad koc fontes sperisliter - depe- 
tati, aliguos (nisi Regum aut Prinoipam, quibus valeat in-heo cası 
deferri liberi extiterint, aut talis nooessites emerserii, propter 
quam- negueat ad ecclesiam absque perioulo propter hoe acoessus 
haberi) audeat baptisare. Ami antem secus praesumserit, aut suam 
in hoc praesentiam ‚exhibuerit, taliter per episcopum suum castige- 
tar, quod alii attentere similia non piaesumant. Aehnliche Verord⸗ 
numgen kommen im 14 — 16. Jahrhundert fehr häufig vor. 

Auch in der evangelifchen Kirche iſt die Taufe in der: Kische ver: 
orbnet. Es heißt darüber in J. H. Böhmer jus eccles. Protest. Tom. 
ill p. 838: In onmibes vero ordinationibus ' ecclesiastieis injuu- 
otum est pastoribus, ut tantum in ecelestis hune actanı Deragatifi 
Enimvese oogitandum erat, id potissimum' constitatum esse, mon 
eb leci sanetimeniam quandam, sed ob congregationem Fidelium, 
quas ooolesiam :groprie sonstituere dieiter. :. Baptizandi ergo infan- 
tes essent in ooclesia, i. ©. in.ooetu Zidellem, os ita 'differendus 
beptismus ad coitiones .christienomum erdinarias — quod tamen in 
plerisqguo eevlesiis negligitur, extra cultum sacrum baptikmum pera- 
gentibus, quod emendandum seris eptarit Brunnemannus jur. eoeles. 
L. I. 0. 6. — Ueber bie Zuldffigkeit der Haustaufen vergl. W. Schenks 
Taufbuch p. 277—88. — Was den Taufott in der proteflantifchen 
Kirche in unfern Tagen betrifft, fo herzfcht in Beziehung darauf eine 
ſehe verſchiedene Obſervanz. Doch bleibt die Kirche in ber Regel ber 
Taufort, wenn auch nicht zur Zeit der verſammelten Gemeinde, aber 


4: Aaufe. 


an manchen Orten find auch bie. Haustaufen mehr gewoͤhnlich. Darum 
iR auch wiederholt der Votſchlag gethan worden, eigenthämliche Tauf⸗ 
-fefte mit zweckmaͤßiger Litargie entweder monatlich ober auch feltener zu 
fetern. Allein fobald man ſolche Worfchläge: aufführen wollte, ſtieß 
man doch auf guoße Hinderniſſe. Allerdings waͤre der Zaufhandlung 
‚in ber proteflentifchen Kirche etwas mehr Feietlichkeit: gu wuͤnſchen. 
Daß es aber in dieſer Hluficht in der. roͤmiſchen Kirche nicht beffer iſt, 
fieht man aus Brenners Klagen in ſeiner geſchichtlichen Daxftellung 
p. 305, we er fih alfe ‚Außer: „Die verfchiebenen Verordnungen 
„der die Kicchentaufe find zu unfern Zeiten fo gut, wie nicht vorban: 
‚den; denn bie meiflen Kinder werden ohme Unterſchied bes Standes, 
- „ohne Ruͤckſicht auf ihre koͤrperliche Beſchaffeuheit, auf Jahreszeit und 
‚Witterung im Daufe getauft, fo dag nun jede Stube zur Kirche nad 
„jede Scyüffel: zum Baptiſtexium geworden if. Und gefegt auch, daß 
„bie und da noch ein Kind zur Kirche gebracht wird, ſo empfängt es 
‚die Taufe nicht bei dem Baptifterium. im Angefichte der Gläubigen, 
„sondern zuruͤckgezogen in die engen Wände der Sakriſtei, .in Gegen: 
„wart dee Hebamme, des Bürgen und Kirchendieners, zu denen ſich 
„manchmal noch eim SBettelvogt, und einige muthwillige, nach eimer 
„Gabe haſchenbe Saffenjungen gefellen.” — Vergl. bie Literatur zu 
- dem Artikel Baptifierien und Bingh. antiquitt. Vol. IV. L 14. n. 4. 
de tempore et loco baptismi in den legten Paragraphen, 
VI) Don der Materie der Taufe. — Gmau genem: 
men ſtimmt die Unterfuchung über dieſen Gegenſtand erft aus dem 
ſcholaſtiſchen Zeitalter her, wo die bogmatifchen Fragen über die Ma⸗ 
terle dee Sakramente befonderd verhandelt wurden. Man nahm bei 
den Sakramenten eine materiz coelestis und terrestris an. 
Die Dogmatifer fagen nun, die unfichtbare oder himmliſche Das 
terie der Taufe fei entweder das: Wort Gottes, Oder der 
‚heilige GBeift, oder die Dreteinigkeit,. oder das 
Blut Chrifti. Nur dann erſt, wenn fidy biefe mit dem fichtbaren 
‚ Elemente oder dem Waſſer verbinde, werde es ein: wahres Sakrament. 


Dieſe Anficht, die auch Luthern eigenthuͤmlich iſt, wie wir bald weiter 


unten ſehen werden, veranlaßt nun zunaͤchſt die Frage, ob wir aͤhnliche 
Worſtellungen von ber Taufe ſchon Im fruͤhen chriſtlichen Alterthume 
finden. Und bier muͤſſen wir dieſe Frage allerdings bejahend beantwor⸗ 
-sen. Aehnliche Worſtellungen finden ſich ſchon häufig.in der alten 
Kirche. So ſagt Ambrofius (de initiat. myster. c. 4.). Hisc 
cognosce, quod aqua non mandat sine spiritu, ideoquo legisti, 
.quod tres testes in baptismate unum sint, aqua, sanguis et 
spiritus, gaia si unum horum detrahas, non stat baptismatis 
‚sacramentum, quid enim est aqua sine cruce Christi Klementam 
commune sine ullo saeramenti efleetu, nec iterum sine aqua rege- 
meratioenis mysterium est. ÜDerfelbe de aaer. :l. III. c. 11. Audi 
quomodo testis spiritus mentem renovat, aqua profivit ad lavaezum, 


sanguis apectat ad pretium. Spiritus enim :nos per sdoptionem 
filios Dei fecit, sacri fontis unda nos abluit, sangnis -Demini'nos 


‚redemit. Diefe Aeußerungen beziehen fich offenbar auf die Stelle 
1 Joh. 5, 6., und man erfieht daraus,. daß man ſchon frühzeitig 
ienes üdwp und alıa vom Sakramente der Kaufe und des Abendmahls 


‘ 


Taufe. | 495 


erklaͤtte und beide in eine enge Verbindung mit einander tt: Mn 


vergi. duch Eyprian de bapt. Christi o. 4. :Busil. Magm, in Ps. 28. 
©regor. ‚Nas. orat. 40. p. 641. Chrysostom. hom. 35. in-Jo. V. 
Augustin. ep. 23; ad Bonif, Traetat. XIi. in Jo. u. a. Mit dieſen 
Vorſtellungen ſtimmen auch bie fpätern Mrformatoren ein. Nah Eas 
thers Heinen Katehismus wird die Taufe genannt, nicht allein 
ſchlecht Walfer, fondern das Waffer in Bottes Ge 
bot gefaßt und mit Gottes Wort verbunden, Dee 
wie es edendaſelbſt heife: -Weaffer thurs freilich nicht, fon- 
dern das Wort Bottes, fo mir und bei dem Waf: 
fer äft, und. der Blaube, fo ſolches Wort Bottes im 
Waſſer trauet u. ſ. w. Und ber große Katechismus ſetzt zur 
Erklaͤrung Hinzu: Daß viel ein ander Ding iſt Tanfe, 
denn alle andere Waffer; nicht des natärlidhen 
Wefens halben, fondern daß bie etwas Edleres 
dazu Fommt, denn Bott felbfi feine Ehre hinanfegt, 
feine Kraft und Macht daran legt u. ſ. : , 

Daß Luther auch zwifchen dem Taufwaſſer und dem Blute Chuiſti 
eine mofteriöfe Verbindung annahm, und fi dabei beſanders auf.1 Joh. 
1, 8. Rom. 6, 8. u. a. flügte, ift aus mehren Stellin in feinen 
Schriften zu erfehen. In der Kichen= Poftil. Thl. 3. p. 34 fagt er: 
Das Blut EChrifti wird Eräftiglidh in die Waffer- 
taufe gemengt, daß man fienun alfo nit foll ans 
feben und halten vor ſchlecht lauter Waffer, fon: 
dern als ſchön gefärber und durchröthet mit dem 
theuern rofinfarbenen Blut des lieben Heilandes 
Chrifti, daß es nicht heiße-ein gemein Wafferbad, 
wie Mofes oder der Bader geben kann, fondern 
eine beilfame Blustaufe oder Blutbad, weldes 
en Chriftus durch feinen. eigenen Tod. zugerich⸗ 
tet bat. " 


Aus biefen und vielen andern Steffen iſt zu erſehen, ba die - 


Voͤrſtellung' bon der Praesentia Jesn Chrieti in anera cdena und von 
einer präesentia vera ct sacramehtalis spiritus 's. In baptismo nahe 
mit. einander verwandt waren. Woher es' gekommen ſei, daß dieſe Vor: 
ſtellung nicht, ſo wie jene, weiter derfolgt und ausgebildet wurde, kaͤßt 


ſich nicht angeben. Aber mehrere Schriftſteller Hatten dieſe Idee aller 


dings erfaßt. Beza führt die Aeußetung von Jakob Anbred ⸗piritus 
s. tahquam principalis et spiritualis pars baptismi (si ita loqui licet) 
in-verbo oomprekensas et inelusus est — mit Billigung an. Vergl. 
Joh. Gerhard loc. theol. IX. p. 185. Quia Yatiene spirit, s. wdsit 
in baptismio. Auch Calvin rrklaͤtte ſich auf gleiche Weiſe. 

Was nmun die materis terrestris der Taufe betrifft, fo findet man 


eine große Uebereinftimmung bei den Alten barüber, daß und - 


warum eo das Waffer ſei. Mer aͤlteſte Schriftſteller, welcher 
hierüber eine Erklaͤrung giebt, iſt der ſchon oben angeführte Tortullian 
de baptismo o. 3. und 4. Er nennt das Waſſer die antiqua sab- 
stantia (wegen der Schöpfungsgefchichte), legt derſelben eine ;befondere 


dignatio, (Wurdigung, mehr als dignitas, wie bie Außfeger behaupten) 


» bei umd bezeichnet daſſelbe ats divini spiritus sodes und digmim vecta- 








486 Taufe. 

-culum j, e. vehlonlum. Nach ihm hat alles Waſſer ben Vorzug ber 
urfprimglichen Heiligung: Omnes aquac de pristina originis prae- 
rogativa sacramentum justificationis consequantur, invocato. Super- 
venit enim statim spiritus de cooelis, et aquis superest, sanctifi- 
oans. ens de semetipso, et ita sancotificatae vim sanctifieandi com- 
bibunt. Ohne diefe Beſtimmung und SHeiligung iſt es blos gemeines 
Waſſer, daher nennt Tertullian das Luſtrationswaſſer der Heiden 
aquas viduas o. 5; 

Eine ausführliche Erörterung hierüber finden wir bei Cyrillus 
Hierosol. Catech. Il. ce. 5. „Wenn einer zu wiſſen verlangt, warum 
„die Gnade vermittelfi des Waſſers und nicht buch ein anderes Eile: 
„ment mitgetheilt werde, fo wird er dieß die goͤttliche Scheift durch: 
„biätteend finden. Denn das Wafler ift etwas Großes, das Schönfte 
„anter den vier fichtbaren Meltelementen. Der Himmel tft bie Wob: 
„nung der Engel, nun iſt aber der Himmel aus dem Waffer entilan- 
„ben x.” Damit ſtimmt 'audy Johannes Damascenus (de fid. orth. 
— o. 9.) in ſeiner ausführlichen Beſchreibung des Waſſerelementes 

erein. 

Aus dieſem Grunde erklaͤrte man auch das Waſſer als das einzige 
Element der Taufe und war der Meinung, daß nur die Waſſertaufe 
guͤltig ſei. Es findet ſich darum auch im Gebrauche bes Waſſers bei 
der Taufe in der alten und neuen Kirche eine ſeltene Uebereinſtimmung. 
Nur zuweilen gab es einzelne Secten und Sonderlinge, welche den Ge⸗ 
brauch: des Waſſers verwarfen. Einige gnoſtiſche und manichaͤiſche 
Secten, namentlich die Aſteten, Valentinianer, Quintillaner u. a. waren 
Gegner der Waſſertaufe, allein bei den Meiſten tft es ungewiß, was fie 
an die Stelle derſelben ſetzten. Men dieſer Punct intereſſirt, der findet 
ihn ſorgfaͤltig und ausfuͤhrlich bearbeitet bei Bingh. Vol, IV. 1. 11. 
o. 2. überfchrieben de materia baptismi deque haereticis, qui bapti- 
smun aquao vel rejecerunt, vel corruperunt. " 


In der ganzen alten Kirche findet man kein Surrogat des Tauf⸗ 
waſſers. Die von Johannes Moschus (Pratum spirit. c. 176.) und 
Nicephor, hist. ecel. 1. IIL ec. 87. und durch die Centuriat. Magde- 
burg, oent. Il, o. 6. verbreitete Erzählung von einem Juden, welcher 
auf der Reife in der Wuͤſte von feinen chriftlichen Begleitern bei einem 
beftigen Anfalle von Krankheit mie Sand flatt des Waſſers fel ges 
tauft worden, — iſt nicht hiſtoriſch genug begründet. Vergl. J. A. 
Schmidii dissert. de baptismo per arenam. Helmst. 1697, 4. 


Ein anderer Caſualfall betrifft die Weintaufe. Papſt Siricius 
(nad) Andern Stephan IL. ober III). verordnete: Presbyter, qui in vino 
baptizat prexima necessitate, ut aeger nen periclitetur, pro tali 
re nulla ei culpa adseribatur. Si vero aqua aderat, et neoessitas 
telis non urgebat, hie eommunione privetur, Infaus vero 
ille, siin sanota trinitate baptizatus est, in eo 
baptismo permaneat. Diefer Fali hat die Caſuiſten fehr bes 
ſchaͤftigt und fie haben behauptet, um die päpfliche Ehre zu retten, 
daß eine folche päpftliche Verordnung nicht als Gebot des Papſtes, 
ſonbern nur als Kath eines Privatgelehrten angeſehen werben mülle; 
ia Andere gingen fo weit, den Schluß biefer Verordnung für umterge: 


4 





Traemasuceszıg 


Safe. 0.407 


ſchoben zu eeflären. S. Bertieri de aneram. Vindob. 1774. p. 807 


und Harduin de baptismo in vino. | 

Sn der fcholaftifchen Periode, befonders in dem britten Zeitalter ber 
Scholaſtiker, werden ungemein viel cafuiflifche Kragen über die Materie der 
Taufe aufgeworfen. Mir theilen, theils um nicht zu weitläufig zu mer: 
den, theils weil es auch bie Sache an ſich nicht zu verbienen ſcheint, bier 
nur einige berfelben mit. So fragte man, ob man mit Erde und mit 
Luft, mit warmem Waffer, in Meth⸗ oder Honigwaffer, in Lauge 
(lixivio), in Bier» und Roſenwaſſer, in Flaiſch⸗ und Kifhbrühe und 
dergleichen Taufen duͤrfe. Viele Doctoren fragten au, ob man in 
dem Waffer taufen koͤnne, welches aus ber Seite des Zeilans 
des gefloffen ſei? Sa, oft grenzten bie hierher gehörigen Fra⸗ 
gen ſelbſt an das Obſcoͤne. Quid faciondum, si puer urinaret in 
fontem? antwortete ‚man, der Urin iſt Leine gehörige Materie der 
Taufe, weil er nicht wahres Waſſer, Tondern eine Feuchtigkeit iſt, die 
aus dem Ueberfluſſe der zweiten Verdauung emtſteht. Ueder diefe und 
aͤhnliche Fragen findet man viel geſammelt in Guil. Holderi dubieta- 


tes circa baptismum 1605, und dieſer ſchoͤpfte wieder aus der ſeltenen 


Schrift Guido de Monte Rocherri Manipul. Curator. de bapt. 
Aud Jo. ‚Gerhard Loe. theol. T. IX. p. 127 hat Stellen aus biefem 
Buche ausgehoben. 

Dergleichen feltfame Sragen verloren fih audy nach dem ſcholaſti— 
ſchen Zeitalter nicht ganz, und Luther, der im Nothfalle mit Wein, 
Milch oder Bier getauft wiſſen wollte, ſo wie Beza, der im aͤhnlichen 
Falle behauptet hatte, ego certe, quovis alio liquore non minus rite, 
quam aqua baptisarim, wurden deshalb fcharf von Sheologen ber 
sömifhen und proteftantifchen Kirche angefochten. 

Dad Cone. Trident. Bess. VII. o. 2. verbietet kategoriſch jede 
andere Taufmaterie, als das Waſſer. Diefelde Meinung gilt auch in 
ber orientalifäyen Kiche, wie man aus Renaudot, Heineccius u. a. 
feben kann. 

Eine befondere Sonferration ober Weihe des Taufwaſſers wird in 


die Einfegung ſchon alles Waſſer geheilige fei, und daß ſich zu einer 
befondern Weihe weder ein befonderer :Befeht Chriſti, noch ein Bel: 
fpiel der Apoſtel und ber dlteften Kirche finde. Das Erercifiren bes 


Waſſers Eönne Leicht in Aberglauben ausarten und bie manichäifche 


Vorſtellung, ald wenn das Waſſer feiner Natur nach boͤfe und unrein 
ſei, beguͤnſtigen. 

In der katholiſchen Kirche wird ſtreng darauf gehalten und ſchon 
Bonaventura J. IV. sent. diet. 8. lehrt: Quod non de necessitate, 
sed de congrua requiratur, ut aqua baptismatis sit prius sanetifi- 


cata a presbyteoro, und erklärt es für eine Todſuͤnde, wenn ber Prie⸗ 
fer ohne Noth mit ungeweihtem Wafler, taufe. Vergl. Catachism. 


Rom. p. 508. 


Die griechiſche Kirche weicht Hier nur in fo fern ab, daß fie nicht, | 
wie in der „Smifchen Kirche Waſſer zum Taufen nimmt, welches im 


Raufe des Jahres ein oder einigemal geweiht wird, fondern bei jeder 

einzeln wiederkehrenden Taufe das Waller aufs neue weiht. Fuͤr Dies 

fen Abſchnitt find ſehr brauchbar bie bereits angeführten Ronegraphien 
Siegel Handbuch IV. 


= 


“ der evangeliſchen Kirche nicht angenommen. Es wi gelehrt, bag duch - 





498 Zaufe. 


von Holder, Harduin, Schmidt; weniger findet man in ber bereits 
angeführten Stelle von Bingham, da er nur wenig von ber Materie 
der Zaufe berührt und ſich mehr mit ben abweichenden haͤretiſchen 
Zaufgebräuchen .befhäftig, Zur Form der Kaufe (forma baptismi) 
gehört 1) die Art und Weife, wie der Taͤufling das fichtbare Element 
ber Taufe, das Wafler, empfängt, 2) die Formel, womit bie Hands 
lung von Seiten besjenigen, weicher fie verrichtet, begleitet wird, In 
Anfehung beider Puncte gab es von: den Alteften Zeiten her Verſchie⸗ 
denheit der Meinung und des Gebrauchs und noch bis auf den heuti⸗ 
gen Tag beſteht bierin ein Unterfchied zwifchen ber morgenländifchen 
und abendländifhen Kirche, welcher aber, ba er etwas Mituelled bes 
trifft, nicht von der Erheblichkeit iſt, daß er im Weſen der Taufe etwas 
verändern koͤnnte. Es zerfällt demnach diefer Abfchnitt in die Unter 
fuhungen 1) von dem Ritus des Untertaubens (ritus 
immersionis), 2) von dem. Ritus des Begießens 
. oder Befprengens (ritys adspersionis) und 3) von 
der Taufformel, 


az . I. \ 
Bom Ritus des Untertauchens. 


Man kann es als eine. ausgemachte Sache anfehen ,. daß biefer in 
ber alten Kirche ber gewöhnliche Zaufact war. Die Beugniffe liegen 
ar vor, und wer Luft hat, fie näher zu prüfen, findet fie bei Bingham 
und auch in Brenners geſchichtlicher Darſtellung p. 1— 70 ziemlich 
volftändig gefammelt. Vergl. auch Berliner Biblioth. Thl. 4. p. 75 
bis 85, Wir machen, bieß als erwiefen vorausgefegt, nur noch fols 
gende Bemerkungen. 

a) Der ritus immersionis ift früherhin ein to⸗ 
taler, fpäter ein partinler zu nennen, d. h. anfänglich 
ein gänzliches Untertauchen und Abwaſchen des Taͤuflings (immersio 
et lotio totius hominis), [päter nur ein Untertauchen des Kopfs (wahres 
ſcheinlich bei Kindern des Hinterkopfs) und der Schultertheile bes Koͤr⸗ 
perd. Im erſtern Falle war auch die gänzliche Entkleidung und Ent 
. biößung noͤthig. Nicht nur die Natur und Beſchaffenheit diefer Hand: 
lung erforderte bieß, fondern man nahm dabei auch mit auf Ausfprüche 
ber heiligen Schrift Rüdficht. Die erhellt ſchon aus Ambros. Serm. 

.; mo es heißt: Nudi in saeculo nascimur, nudi etiam accedi- 
zaus ad lavacrum, et nodi quoque et expediti ad coeli januam pro- 
peremus. (Juum autem incongruum et absurdam est, ut, quem 
mater nudum genuit, nudum suscipit eoclesin dives intrare velit 
in coelam. Aehnliche Stellen findet man in Cyrill. Hierosol, Catech, 
mystag. II. e. 2. und in Chrysostom. hom. 6. in ep. ad Celoss, 
Die blieb auch noch lange nach Einführung der Kindertaufe, denn faſt 
alle Taufordnungen nach Bregor dem Großen erwähnen des Wieder 
anziehens ber Kleider ausdrüdiicd. | 

In Anfehung der Weiber warb keine Ausnahme gemacht, und 
auch fie wurden ganz nadend getauft. Dieß erhellt nicht nur aus dem 
voͤllig Allgemeinen des Gebots, fondern auch aus Erzählungen hierher 


Zaufe. 499 


gehoͤriger Beiſpielie. In Surit vit. Sanct. d. 16. Jan, heißt. e6: 
Catechizavit eam (nämlich eine perfifche Prinzeffin), et allata aqua 
deposuit eam nudam in ooncham argenteam. Bei ber folennen 
Taufe zu Antiodien, von welcher Chryſoſtomus (Epist. I. ad Inno- 
cent.) berichtet, daß fie durch Bewaffnete gefldrt wurde, mußten die 
bereits entkleideten Weiber fchleunigft entfliehen. Zwar wurden Mäns 
nee und Weiber abgefondert getauft, und es war ein Dauptgefchäft 
der Diaconiffinnen (ſ. d. Art.), bei ber Taufe der Weiber zu affiffiren; 
auch ‚bemerkt Brenner bei dieſer Gelegenheit: „Wenn alles dieß (näms _ 
„th das Entkleiden ber erwachſenen Taͤuflinge ohne  Unterfchieb bes 
„Geſchlechts) jest unanfländig feheint, fo nahm die eble Einfalt und 
„Unſchuld der erften ChHriften hieran keinen Anſtoß. Man hatte nur einen 
„Sinn für die Wichtigkeit und Helligkeit des Geheinmiſſes, der alles, 
„was dabei vorging, in bdemfelben Lichte der Heiligkeit ſchaute.“ 
Allein ſchon im Beitalter des Athauaſius (+ 372 oder 73) mußte dieß 
anders fepn, denn er fpricht epist. ad Orthod. Opp. T. I. p. 946 
von fcandalöfen Aufteitten, weiche in dem Taufhauſe vorfielen. 

Am Fortgange ber Zelt Hatte ſich dieß geändert, als Die partialis 
immersio eintrat, b. h. der Taufritus, wo man nicht: mehr den gan: 
zen Körper, fondern blos ben Kopf eintauchte. Jetzt war bie völlige 
Entkleidung nicht mehr nothwendig. Auch bei ber Taufe der Kinder 
ward fie auf Entbloͤßung des Kopfes und Halſes befhräntt. Cine 
Spnobe zu St. Omer (Conc. Audomar. a. 1683. c. 9.) beflimmte: 
Non sinant infentes, dum 'offeruntur baptisandi, prorsus denudari, 
praesertim verendis partibus, id quod a plerisque, studiose fieri 
intelligimus, ad ipsorummet confusionem. Das Rituale Rom, ord, 
bapt. adult. verlangt blos: Aperto capite et laxatis a collo vesti- 
bus. — Superiore parte corporis nudatum, reliqua honeste con- 
tectum. Das Ritual. Argentorat. führt außer ber Anftändigkeit und 
Schamhaftigkeit auch noch die Rüdficht auf die Sefundheit an: Non - 
toto eorpore exuatur infans, et propter modestiam servandam et, 
ne adris injuria vel contractione concipientium aliquo modo Inede- 
tur. Daß umd warum in der evangelifchen Kirche dieſelbe Praris herrſche, 
wird ſich ſogleich weiter unten ergeben. Noch iſt zu bemerken, 

b) daß es eine unridhtige Dorftellung fei, wenn 
man glaubt, das Untertauben fei nah Einfuͤh⸗ 
zung der Rindertaufe abgefchafft worden. Cs if 
Thatſache, dag letztere fchon im 6. Jahrhundert allgemein war; wähs 

send erſteres bis ins 15. und 14. Jahrhundert fortbefland, ja, genau 
genommen, niemals förmlich abgefchafft wurde. Sieht man auf bie 
Natur dee Sache, fo werden fi bei der Taufe der Ermwachfenen weit 
mebr Gruͤnde für das Begießen ober Belprengen, ale für das Unters 
tauchen, beibringen laſſen. Ein Hauptgrund würde die Unfchidlichkeit 
des Untertauchens und bie Verlegung der Schambhaftigkeit beim weib⸗ 
lichen Geſchlechte ſeyn. Kerner kam die größere Schwierigkeit in Din: 
fiche bes Lokals in Betracht. Der Scholaftiter Duns Scotus (Com- 
ment. in IV. sent. distinet. 3. qu. 4) führt einen Fall an: Exeu- 
sari potest a trina immersione ut si minister sit impotens, ot sit 
unus magnus rusticus, qui debet baptizari, quem nee potest im- 
mergere, neo clevare. Dergleichen Faͤlle mußten, ziemlich häufig 


—8 


⸗ 











500 | Taufe 


vorkommen. Alle bieft Schwidrigdiiten’ fisten dagegen bei der Kinder: 
taufe hinweg, ‚und man kann ſich daher allerdings daräber wundern, 
daß nicht in der Zeit vom 2-5. Tahrhundert die. Adfperfion allge⸗ 
meiner Gebrauch wurde. 

Uebrigens läßt fih auf vielfache Weiſe barthun, daß Untertaucken 

und Beſprengen beim Taufen lange neben einander beſtanden haben. 
Auch die Altern Schriftfteller erklären beide Naufacte für gültig und 
ſchließen die immersio Beinesiwegs aus, wie. ans. Steph. Duranti de 
ritib. eecl. cath. i I. c. 19. p. 15% zeqgg. zu erfehen iſt. 
- Gehen wir nun auf das Beitalter der Meformation herunter, fo 
finden wir eine doppelte Anfiht. Mehrere proteflantifche Theologen 
find für das Untertauchen, wohin befonbers Luther gehört, Vergl. 
defien Sermon vom Sakrament der Taufe, Walchs Ausg. v. Yuthers 
Werken Th. 10. 9. 2505; -ferner das Taufbuͤchlein, ſowohl bie erfte 
‚Ueberfegung 1523 als bie neue Mmarbeitung deflelben, giebt dem 
Geiftlichen die Anmeilung: „Da nehme er das Kind und tauche es. 
in die Taufe;“ weiches body offenbar die Immerſion anzeigt. In 
den Lutherifchen Agenden und Taufordnungen finder man feine be: 
flimmte Vorſchrift und die Theologen erklären die Sache für «in: 
adıaypopov. ©. Gerh. ‚loc. theol. Tom. IX. p. 144— 47. Dod 
gab es auch Theologen, welche bie Immerſion für nothwendig erklaͤr⸗ 
ten. Berge. Speners theol. Bedenken Thl. 1. o. 2. Art. 5. — Boeh- 
mer jus eecles. Protest. T.. III. p. 885. Derfelben Meinung tft auch 
Calvin Instit. rel, ohr. I. IV. c. 15. & 19. Was nun | 

c) das Untersauden betrifft, fo fiimm die Kirchen⸗ 
väter zwar darin ein, baß fie ein dreifaches: Untertauchen annehmen. 
(immersio trine) ; aber in dem Grunde, warum dieß fo gefchehen müffe, 
weichen fie ab. Gewoͤhnlich nehmen fie die Beziehung auf die Trini⸗ 
tät an, wie 5. 3. ‚Tertallian. adv. Prex. c. 26. fagt: Non semel, 
sed. ter, ad aingılla notmina in ‚personas tingimur, unb giebt damit 
zuglei die Beziehung diefes Ritus auf den dreieinigen Gott an. 
Auch de coren. mil. se, 8. bat er: dehino ter mergitamur. Daß es 
zwar nicht in dem M. X. verordnet, aber fhon von den Apoſteln ein: 
geführt fei, lehren :Basilius M. de spirit. =. e. 27. und andere Kir: 
chenvaͤter. 

Ein dreimaliges Untertauchen finden dagegen beruͤhmte Kirchen⸗ 
lehrer fuͤr nothwendig, und zwar in Beziehung auf den Tod, das 
Begrabniß und die Auferſtehung Jeſu. Am kuͤtzeſten 
drädt ſich Leo M. ep. IV. ad episc. Sic. c. 8. aus: Sepulturam 
triduanam imitatur trina deimersio, et ab aquis elevatio resurgentis 
ad instar est de sepulero. Hehnliche Aeußerungen findet man aud) 
bei Auguſtin u. a. | 

Inzwiſchen kommen auch Säle vor, daß das einmalige Untertau⸗ 
chen fuͤr hinlaͤnglich erklaͤr wurde. Da die Arianer in Spanien das 
dreimalige Untertauchen als Beweis ihrer Vorſtellung von einer dreifa⸗ 
chen Gradation in der Gottheit brauchten, ſo trug die katholiſche Geiſt⸗ 
lichkeit dieſes Landes Bedenken, diefe Sitte laͤnger mit den Haͤretikern 
gemein zu haben. Doc, wollte Leander, Biſchof von Sevilla, hierin 
nichts eigenmächtig befchließen und provocirte daher in feinen und ber 
übrigen fpanifchen Biſchoͤfe Namen auf ein Gutachten Gregors bes 


‘ 








Zaufe. | 501 


Großen. Dieſes fiel (Greg. M. epit. 1. I. ep. 41.) bahin aus, baf 
man fich mit einem einmaligen Untertauchen begnügen könne, weil es 
an ſich hinreiche und das Beſtreben ber Kirche andeute, fo wenig, wid 
möglih, mit den Häretitern gemein zu haben. Dennod blieben bie 
Meinungen darhber, ob man der Arlaner wegen von der alten’ Regel 
abweichen dürfe, getheil.e Das Conc. Toletan. IV. a. 683. co. 6. 
wiederholte Gregors Entſcheidung. Dieß ahmten auch beutfdge und 
franzöfifhe Synoden nad. Inzwiſchen fanden es doch Manche noch 
ganz unzuläffig und unwuͤrdig, daß man durch den Mißbrauch der 
Haͤretiker zur Abänderung eines uralten, guten Gebrauchs beſtimmt 
werden follte. , Dieß ift die Anfiht von Watafried Strabo (de offic. 
eccl. c. 26.) une ainguleris mersio, quamvis tum ita Hispanis 
complacuit, diventibus, trinam mersionem ideo vitandam, quia 
Haeretici quidam dissimiles in trinitste substanties dogmatisare 
ausi sunt, ad oonsubetantialitatem ». Trinitetis negandem : tamen 
antiquior usus praevaluit, et ratio supra diota. Bi enim omuia 
deserimus, quae haerstici in suam porversitatem traxerunt, nihil 
nobis restabit, eum illi in ipso Deo errantes, omnia, quae ad ejus 
eultum pertinere visa sunt, suis erroribus quasi propria adplicerint. 
Diefer richtige Srundfag iſt auch meiſtentheils, wenigſtens bei ber 
Adfperfion, angenommen worden, Ueber die bei der Smmerfion noͤ⸗ 
thige Entkleidung und Entblößung iſt das Möthige bereits erinnert wor: 
den. Wir gehen nun zu dem Ritus bed Beſprengens über, welcher 
der fpätern und neuen Zeit angehört, und wobei ſich abermals der Ein: 
Ruß der Kindertaufe nicht verkennen laͤßt. 


I. 
Der Ritus. des Begießens oder Beiprengend. 


In der abenblänbifchen Kicche iſt, obgleich erſt in ſpaͤtern Zeiten 
und durch kein eigentliches Kirchengeſetz, der fonft gebräuchliche Ritus 
des Untertauchens faktiſch abgeſchafft, und ber ritus adspersionis dage⸗ 
gen allgemein angenommen werden. Unb zwar ftimmen fämmttiche 
occidentalifche Kirchenparteien darin überein, daß biefer Punct nicht zum 
Mefen der Taufe gehöre, fondern ein Adiaphoren fel. Dieß Hi auch 
richtig, wenn zuvor die Frage gehörig. beantwortet ift, ob das Symbol 
ober die Korm des Symbols bie Hauptface iſt. Die Taufe maͤmlich 
tft eine ſymboliſche Handlung, wobei es nicht auf WBuchftäblichkeit, 
fondern auf Sinn, Bedeutung und Zweck ankommt. Wie in Gottes 
irdiſcher Haushaltung das Waſſer zum Reinigen beftimmt ifl, wie es 
bier recht eigentlich unentbehrlich genamnt werben muß, fo follte die 
ſchoͤne Bedeutung davon zuruͤckſtrahlen. Dee Menfh, ber duch bie 
Taufe als Chrift gemeiht werbe, den ſolle der veredeinde Geiſt feiner 
Religton von allem Niedern und Unebeln reinigen, dem folle fie ein 
beiliges Bedärfnig in dee Stunde der Freude und des Schmerzes, im 
Sid und ‚Ungläl, im Leben und Im Sterben ſeyn. Iſt nun 
das die ſchoͤne ſymboliſche Bedeutung dee. Taufe, fo wird biefe 
durch) das Beſprengen eben fo gut bezeichnet, als durch das 
Untertauchen,, ia 06 iſt bei der Kindertaufe das Beſprengen um ber 





02 Taufe, 


Geſunbheit, um klimatiſcher und anderer Werhäftniffe willen fogar vors 
Yuzieben. Darum feinen die Kirchen des Oecidents mehr Lob als 
Tadel zu verdienen, wenn fie flatt des Untertauchene das Beſprengen 
einführten. Es ift daher eine gute Bemerkung, die Paulus Gommen= 
sar Thl. 3. p. 920 zu Me. 18, 19. macht: „War nun glei dee 
„urſpruͤngliche Ritus ein Untertauhen, fo dand doch Jeſus gewiß an 
„die äußere Form ber Geremonie fo wenig die Dauptfache, daß unter 
„Umftänden,, wo das Untertauchen Unbequemlidykeit bat, er ohne Zwei⸗ 
„fel ein Eintauden, Abwafhen, Beſprengen zu fubitituiren Leicht er: 
„lauben würde, in fofern das Symboliſche dabei immer noch Statt hat.“ 

Wenn auch bei den im N. T. vorflommenden Zauffällen bie 


Abſperſion oder Adfufion nicht bewiefen werden kann, fo läßt ſich doch | 


bei einigen auch die Immerſion nicht beweiſen, ja, fie dürfte nicht ein= 
mal gang wahrfcheintich ſeyn. Schon die Apoflelgefhichte 10, 47. 48. 
16, 32. 88. erwähnten Haustaufen dürften einer immersio totalis 
nicht recht guͤnſtig ſeyn; noch weniger aber bie große Zaufbandlung im 
Serufalem , Act. 2, 41., wo in einem Tage bei 3000 Perfonen’ ges 
tauft wurden. Es legt ferner der Apoftel Paulus felbft kein, großes 
Gewicht auf bie Taufadminiſtration, ein Umftand, ber es nit uns» 
wahrſcheinlich macht, daß biefer Apoftel die Adfperfion, wenn fie von 
den Umfländen wäre gefordert worden, ale zuläffig würde erklärt. ha⸗ 
ben. Die in der dlteften Gefchichte erzählten Adfperfionsfäle waren 
allerdings Klorbtaufen, allein fie waren ziemlich häufig und dien⸗ 
ten in der fpätern Zeit dazu, biefem Ritus Gültigkeit zu verfchaffen. 
Eine ſehr Liberale Anficht über die Krankentaufe, we nur die Adfperfion 


‚  mögli war, findet man bei Cyprian Epist. 76. 3 Oberth. Vol. I. 


p- 279—80. Sie wurde in mehren Synodalbeſchluͤſſen wieberholt. 
Nicht unwichtig iſt audy der Umfland, daß auf mehren Sarkophagen 
Abbildungen der Taufhandlung vorlommen, wo der Taufende Waſſer 
auf den Kopf der Zäuflinge ausgießt. Don folhen Sarktophagen hans 
dein Jo.. Ciampini Monum. vet. P. IL und Galleria di Minerva Il, 
S. p. 77 seqq. Mabillon. Mus. Ital. T. I. Brenner a. a. D. p. 14— 
16. — Woalafr. Strabo de rebus eccl, o. 26. ſchreibt: Notandum 
non solum mergendo, verum etiam desuper fundendo, multos 
baptisatos fuisse et: adhuc pösse ita baptisari, si necessitas sit, 
sicut in passione s. Laurentii quaedam urceo allato legimus bapti- 
satum. Hoc etiam solet venire, cum proveetiorum granditas corpo- 
rum in minoribus vasis hominem tingi non patitur. 

Im 13. Jahrhundert wird die Adiperfion ſchon allgemeiner. Auch 
Schreiben fchon jegt Synodalbeſchluͤſſe die Adiperfion vor._ Dahin gehört 
das Statut. Synod. Leodiens. a. 1287. e.2. — Damit ganz überein- 
ſtimmend iſt ein Befchluß der Synobe zu Cambray Statut. Synodal. ecel. 
Camerac. a. 1800. de baptism. Die Bamberger Zaufordnung fegt feft: 
Saoerdos manu dextra ex fonte aquam desumens perfundat caput 
et corpus pueri per modum eruvis tribus vicibus atque cum sins 
gulari intentione sub hdc verborum forma haptizet: N. ego te 
baptiso in nomine +, hio perfundat in modum crucis primo, Patris, 
et Filii }, auperfundat in modum erucis secundo, et spiritus sancti 7 
superfundat in modum orneis tertio. Auf eine aͤhnliche Art drüden 
fih auch die meiſten Taufordnungen feit dem 16. Jahrhundert aus. 





Taufe. 303 


Sieht man num auf ben Grund ber Abänderung ber alten Taufe 
woeife, fo dürfte man ihn allerdings mehr einen medicinifchs polizeilichen, 
als theologifch = Dogmatifhen nennen, " s 

Man fcheint das Körperheil vorzüglich Im Auge gehabt und auf 
bajfelbe um fo mehr Rüdfiche nehmen zu müflen geglaubt zu ha⸗ 
ben, da für das Seelenheil durch beide Taufarten gleich gut geforgt 
fhien. Diefe Sorgfalt für die Gefundhelt und das phyfifhe Wohlſeyn 
der Zäuflinge mußte um fo nöthiger erfcheinen, ba die Meinung von 
"Der Mothwendigkeit und dem Nutzen ber unmittelbar nach ber Ges 
burt ertheilten Zaufe immer mehr Eingang fand. Daß hierbei klima⸗ 
tiſche Rüdfihten genommen wurden, iſt ebenfalls nicht zur leugnen. 
Es ift daher. ganz richtig, wenn Jo. Gerhard Los. theol. T. IX, 


p. 146 bemerft: Quare cum in ecclesie,- praesertim in locis. 


septentrionalibus, propter aöris frigiditetem, tenellis infentibus 
aqua lotis facile noeituram, adspersio, vel pptius adfusio aquae 
usitata sit, ideo haco baptismi ferma retinenda, nec propter ritum 
adiephorum lites eum ecelesiae soandalo movendae. — Weit ent: 
- ferne alfo, der abendländifhen Kirche einen Vorwurf zu machen, muß 
man ihre vielmehr Lob ertheilen, daß fie nicht nur auf das geiftliche, 
fondern auch auf das leibliche Wohl ihrer Mitglieder Ruͤckſicht nimmt 
und den kosmopolitiſchen Charakter des Chriſtenthums, welcher ſich in 
feinen Gebraͤuchen Über die Befchränkungen ber Zeit, bes Orts, Kli⸗ 
mas m. f. w. erhebt, auch in diefem Puncte ausdruͤckt. 

So viel bleibt gewiß, daß die abendländifche Kirche in allen bies 
fen Puncten eine Sreimüthigkeit beweift, welche man bei der auf ihren 


Nigerismus fo ſtolzen ortentalifchen Kirche vergebtich ſucht. Ste hat 


nicht nur die alte Sitte der Immerfion unverändert behalten, ſondern 
fie erklärt biefelbe auch für fo weſentlich, daß fie bie nach abenbländis 
ſcher Weiſe ertheilte Taufe für Leine gültige anerkennen und baber 
häufig den Zaufact wiederholen wid. - Die Zeugniffe barkber findet 
man in Leonis Allatii de eccles. oceident. et orient. ceons. 1. Ill. 
e. 12. $. 4. und in Metrophan. Critopuli Confess. c. VII, p. 86. — 
Man nennt bie Abendländer fpottweifle befprengte Chriften, 
und verlangt bie Wiedertaufe derſelben, wenn fie zur orthodoxen Kirche 
übertreten wollen. Vergl. Walchs Einleitung in die Rellgionsſtreitig⸗ 
keiten außer ber evangelifch-s Iutherifchen Kirche Thl. 5. p. 476—81.— 
Daß dieß aber nicht blos in frühen Zeiten die Meinung ber griechi⸗ 
fhen Dogmatiker und Liturgen war, ſondern auch jegt noch von aufs 
gellärten Vertheidigern dieſer Kirche behauptet wird, kann man unter 


8 


andern aus Alexander de Stourdza Considerations sur la dooftine et . 


: Pesprit de beglise orthodoxe, Weimar 1816. p 85 — 89 erfehen. 
Er ſtellt feine Kirche wegen des Immerfionsritus ſehr bach und ruͤhmt 
ihre Anhänglichleit an den Einrichtungen ber alten Kirche. Allein 
abgefehen davon, daß der Immerſions⸗ und Adſperſionsritus von jeher 


in ber chriſtlichen Kirche neben einander beflanden hat, abgefehen bar 


son, baß nicht die Form bes Ritus, fondern das Gombot deffelben 
in Betrachtung kommt, fo möchte es doch von Stourdza ſchwer wer⸗ 
den, mehrere Gebräuche bei der Taufe in der geiechiichen Kirche aus 
dem chriſttichen Alterchume abzuleiten. Wo komme etwas im 16. 
Jahrhundert bei der Taufe von dem Gebete am die Heilige Jungfrau, 














504 aufe. 


von dem Gehbrauche der Heiligennamen, von ber Taufformel in ber 


dritten Perſon u. ſ. w. vor? Warum geſchieht die Oelſalbung zweimal? 
Wozu dient das Umhaͤngen vom Kreuz als Amulet, das Loͤſen des 
Gürtel ſieben Tage nach der Taufe? Wie läßt ſich die Tonſur, wo⸗ 
mit die heilige Handlung befchloffen wird, als ein Gebrauch der alten 
Kirche rechtfertigen? Fuͤr das zeithee Gefagte find übrigens zu vergleis 
den. Edm. Martene de ritib. antig. eecles. 1. I. p. 123 seqq. — 
Salmasius de primatu papae p. 192 seqgg., — Jo. Vicecomitis de 
ritib. vet. eccl. eirca baptiam. 1. IV. o. 7 seqg.. — Gh. J. Voss 
de beptismo disp. 1. in Opp. Tom. 6. p. 256. — Henr. Pontani 
dissert. de ritu mersionis in sacro baptism. Trejecti 1705. 4. — 
J. Gill the ancient mode of baptising by immersion. Lond. 
4726. 8. (Bertheid. des Buchs ebendaf. 1727. 8.) — G. Ge. Zelt- 
ner de mersione in baptismo apostolica longa perfusione instau- 
randa. Altd. 17%0. 4. — Jo. Bartholini dissert. de baptismo per 
adspersionem legitime admmistrato. Mavniee 1567. 4. — Chrst. G. 
Clugii comment. de usu formulae,. qua interrogamus infantes ante 
saoram lotionem de fide. Viteb. 1734. 4. — Vergl. aud) Fabricius 


Bibliogr. autiquar. ed. 3. eur. P. Schaflshausen p. 555 zeq. 


IH. 
Bon der Taufformel, 


Da. die Unterſuchung über bie Taufformel groͤßtentheils der Exe⸗ 
geſe anheim fällt, fo werben wir bier nur daB befonderö hervorheben, 
was bie kirchliche Liturgie näher angehel. Und bier kann ‚dann vor 
dien Dingen der Sag aufgeftelle werden: " 
Daß die Taufformel im eigentlichſten Verfiande eine 

Formula solemnis iſt. 
Bon Juſtinus Martye und den apoftolifchen Conftitutionen bis auf bie 
neus preußiſche Kirchenagende, haben die liturgiſchen Bücher aller Chris 
fienpartein eine und dieſelbe Formel, welche bei Ertheilung der Taufe 
geſprochen wied. Es gab eingelne Lehrer und Secten, weiche die Auf: 
falfung derfeiben im kirchlichen Sinne mißbilligten und ihe daher eine 
andere Erklärung unterlegten; aber die Worte derfelben blieben im We⸗ 
ſentlichen unverändert. Ya felbft die ertärtefien Antitrinitarier 
behielten: fie dennoch unveraͤndert bei, und legten dadurch eine große 
— fuͤr das Alterthum, wodurch dieſelbe geheiligt iſt, an 
n ag. \ 

Es iſt bemerkonswerth, baß bie aͤlteſten und wichtigfien Kirchen: 
vaͤter in Hinſicht der Taufformel, nicht, wie ſie es doch bei andern 
zur Taufe gehörigen Stüͤcken zw thun pflegen, ſich auf die Trabdition, 
fondern auf die Vorſchrift und das Wort Chriſti berufen. Die For⸗ 
mel, welche Juſtinus Martyr anführt, beziehe fich offenbar auf bie 
Formel im Matthäus Indeß wird doch nichts von einer Vorſchrift 
erwähnt, Defto beaslicher aber druͤckt ſich hierüber Tertullian de bapt. 
& 13. aus. Hex tingendi impesita et forma praescripte: kte, in- 
quit, dooete nationes, tingentes eos in nomme P. et F. et Sp. S. 
Derfelbe adv. Praxeam o. 26. Aehnliche Stelien finden fih z. 3. 








Zaufe. 505 


bei Cyprian ep. LXXIII. ad Jubaj. Opp. T. I. ed. Oberth: p. 288, 
wo die Kaufe mit der Raufformel ale ein eigenes Gebot dargeſtellt 
"wird, Eine ganze Reihe von Zeugniffen von der Urfprünglichkeit und 
Nothwendigkeit der Raufformel findet man bei Bingh. Antiquit. Tom, 
IV. p. 164 segg., wo im 11. Buche Cap. 4. ber erfte Paragraph die 
Veberfchrift führe: Usitata baptizandi formula in nomine patris, filiä 
et spiritus sanctt. Es kann darum im allgemeinen die Wahrheit 
bes Sage zugeflanden werden, daB man in der ganzen 
alten Rirche Feinen Zweifel weder an der Aechtheit 
noch an der Ristualbeftimmung der Taufformelfinde,. 

Deffen ungeachtet hat auch bie kirchliche Zaufformel Gegner ges 
funden. Sie namentlih und mit allen ihren befondern Anfichten an⸗ 
zuführen, würde zu weitläufig. ſeyn und die Grenzen biefes Buchs über: 
fhreiten. Wir bemerken darum nur im allgemeinen, daß ſich zwei 
Glafjen diefer Gegner unterfheiden laffen, ſolche, weldye die 
kirchliche Sormel als unpaffend mipbilligen. : Diefe 
find in der alten Kirche der Zahl nach größer, als in der neuen, 
Andere mißbilligen jede beftimmte Sormel und 
verlangen bierin eine volllommene Sreiheit, nicht 
nur für jede Partißfularfirhe, fondern auch für ° 
jeden einzelnen Religionslehrer. Sie leugnen nicht 
nur, baß der Stifter eine beflimmte Formel vorgefchrieben, fondern 
auh, daß eine folhe mit dem Geiſte feiner Religion verträglich fei. 
Solche Gegner kommen in ber alten Kirche nicht vor, defto häufiger 
find fie aber in der neuen Zeit. Wenn nım aber gleich im Zeitalter 
ber Reformation fich einige fo dußerten, daß fie den Gebrauch berfelben 
zu verwerfen ſchienen, wie 3. B. Zwingli in der Schrift de vera et 
falsa .religione cap. de baptismo, wenn bie Socinianer und Armi⸗ 
nianer Übgrhaupt der Meinung find, daß die Sakramente an Beine . 
beflimmten Worte und Formeln gebunden feyen (vergl. Winers com» 
parative Darfielung des Lehrbegriffs Zte Aufl. p. 127), fo find biefe 
und aͤhnliche Behauptungen doch nur theoretifch, keineswegs practiſch; 
benn weder bei den Reformirten noch bei den So—⸗ 
cinianern wird eine andere, als die gewoͤhnliche 
Laufformel gebraudt. | 

Wenn in der fpdtern Batholifchen Kirche bie Zaufformel, z. B. von 
Bellarmin de sacram. 1. I. c. 19. und de bapt. 1. L e. 8. angefochs 
ten wird, fo gefchieht bieß offenbar, um die Tradition zu heben. Er 
findet es nämlich, zweifelhaft: Formulam baptismi in ecclesiis nostris 
usitatam — Ego te baptizo — — sancti ex solo evangelio demon- 
strari posse, sed necessario ad traditiones recurrendum. (ine 
gründliche Widerlegung diefer Behauptung Bellarmins findet man in 
Gerhard. Loc. theol. T. IX. p. 1388— 39. 

In nenern Zeiten haben mehrere proteftantifche Schriftfteller, obgleich 
ans verfchiedenen Gründen, ganz der Anficht der alten Kirche entgegen, die 
Behauptung aufgeftele, daß mit dem Taufbefehl gar kei—⸗ 
ne Sormel für die Taufhbandlung, weder für den 
Täufer, noh den Täufling, vorgeſchrieben ſei, und 
daß aud die gewöhnliche Sormel: ich taufe did im 
Vlamen des Vaters, des Sohnes und des heiligen 





06 | Zaufe. 

Geiftes in den erften Zeiten des Chriftentbums un- 
bekannt gewefen fei. Dahin gehört befonders Eiſenlohrs oben 
angeführte Schrift: Hiftorifhe Bemerkungen über die Taufe ıc. 
67. 68. Ob nun gleidy der Verfaſſer feine Meinung mit vielem 
Scarffinne, mit Getehrfamkeit und Unpartetlichleit durchgefuͤhrt hat, 
fo möchte ihr doc vieles entgegen fliehen. Dahin gehört 

a) fhon die unveränderte Meinung und Obſervanz der alten 
Kirche, den ‚Gebrauch ber Zaufformel betreffend. Iſt nun diefe auch 
fein Geſetz, fo ift fie doch eine dringende Empfehlung, welcher man 
nicht ohne dringende Noth entgegen treten follte. Es herrſcht hierüber 
große Hebereinftimmung nicht nur bei den vechtgläubigen Vätern, fondern 
auch bei den Haͤretikern. Merkwürdig ift au daß, daß fi ich die Vaͤ⸗ 
ter bei einzelnen Taufgebraͤuchen, z. B. bei der immersio trina, auf 
bie Tradition berufen, dieß aber nie beim Gebrauche der Tauffor⸗ 
met thun. " 

b) Denkt man fih, was doch bei jener Annahme nicht anders 
ſeyn kann, die Taufhandlung ohne Wort, Spruch und Formel, fo 
kann e8 doch In der That kaum etwas Bebeutungsloferes und Trivia: 
lered geben. Da im Chriftenthume alles auf das Wort gegründet ift, 
fo wäre es in der That unerklärbar, wenn gerade der feierliche Act der 
Einweihung zu demfelben der Kraft des Worte entbehren und ein ſtum⸗ 
mes Spmbol feyn. follte. 

c) Auf den Grund, daß die Apoftel gewöhnlich eig TO Ov0OLay, 
oder 2» (Zni) 7@ Övögazı xuplov oder eis Xgıorow anführen, legt 
der Derfaffer ſelbſt fein großes Gewicht, indem die Erzähler die Aus: 
drüde nur ald Abkürzung der Formel felbft gebraucht haben könnten. 

d) Das meifle Gewicht legt der Verfaſſer nah p. 82 auf bie 
Analogie der Sohannistaufe und auf die Stelle 1 Cor. 1, 12 — 15, 
Mas die erſte betrifft, fo wird duch die Behauptung, daß bie chriſt⸗ 
liche Zaufe eine Copie derſelben war, nichts gewonnen; denn fie würde 
bei diefen Ausdehnung identifh werden. Wenn nun aber, was viele 
Ausleger annehmen, ſelbſt die Johannistaufe ein beſtimmtes Foxmular 


| hatte, 3. B. eig neravoiar, xal upeoıw üuaprıov oder eis zo» 


Zoxouevov, wozu Act. 19, 4. Grund wäre, fo müßte mun ja eben 


-der Analogie wegen auch für die chriftlihe Zaufe ein folche® fordern, 


Eben fo verhält es ſich mis des Stelle 1 Cor. 1, 18., worauf ſich der 
Verfaſſer beruft. Gerade daß hier und V. 16. eig. * vorm ſteht, 
macht eine Beziehung auf eig 70 Ovous Tod naspos Mt. 18, 19. 
fehe wahrſcheinlich. Vergl. Gerh. Loc. theol, IX. p- 139 n. 

- e) Endlich darf auch die Analogie mit dem Gebete bes Herrn 
oder Vaterunſer und ber Einſetzung des Abendmahls nicht ‚überfehen 
werden. Man kann allerdings fagen umd es iſt auch oft genug gefagt 
worden, daß auch hier kein für alle Zeiten geltendes Formular vorges 
fhrieben fe. Dennoh hat man von jeher ein foldes angenommen 
und baffelde in der chriſtlichen Kische officiell: gebraucht. Es war alfo 
ganz confequent und harmonifh, daß man auch fir ben Taufritus ein 
ſolches Formular annahm. Die Einfegungsworte. waren aud; von ber 
Art, daß fie oben fo gut Zweck, Abſicht und Befehl der heiligen Hand⸗ 
hung, als .n. die Form berfelben ausdruͤcken konnten. 











Zaufe. ' 507 


Was nun die Ausbdrucksweiſe der Taufformel betrifft, fo bemerken 
wir darüber noch einiges Wenige. Die gemöhnliche Mecenfion der 
Formel ift die unveränderte Beibehaltung der biblifhen Worte: eig TO 
Sroua soü Ilureös, xel zoü "Yıov, xal Toü üylov Ilveuuarog. 
Ob das, nicht nur Act. 2, 38. 10, 48., fondern auch in kirchlichen 
Schriften ſchon frühzeitig vorfommende dv T@ övopazı das Lateinifche 
in nomine veranlaßt habe, oder ob es die urfprüngliche Ueberfegung 
von ‚eig zo ovoua fei, läßt fih niche mit Gewißheit nachweiſen. Die 
Vulgata hat: in nomine, wofür neuere Ueberfeger in nomen haben, 
Schon bei Zertullian und Cyprian kommt in nomine vor. Uebrigeng 
wird auch das Ovoua zumellen ganz weggelaflen, wie in ben Canon. 
Apost. c. 40. Außerdem kommen noch manderlei Zufäge und Wort: 
veränderungen vor, welche gar nicht gebilligt und angenommen, aber 
doch auch nicht für wichtig genug gehalten werden, um bie Zaufe für 
ungültig zu erklären. Es gehören hierher vorzüglich folgende: In no- 
mine sancti Patris, sancti F. et saneti S., mobei man ſich auf 
das Trisagion Joh. 17, 11. berief. — In nomine Patris Amen — 
Fil. Amen — und Spirit. ». Amen. Auch Zufäge, 3. B. in remis- 
sionem peccatorum, ut habeas vitam aeternam — hinzugefügt noch: 
in saecula saeculorum oder ut habeas vitam aeternam et partem 
cum sanctis. in befonderes Aufſehen machte im 8. Jahrhundert der 
Barbarismus eines Beifllichen in Baiern, welcher aus Untunde der 
lateinifhen Sprache ein Kind oder audy mehrere: In nomen Patria, 
Filia et Spiritua sancta, getauft hatte. Auch der Zufag Mariae S. 
Deiparae fommt vor, findet aber wenig Billigung. Auch mit den 
einzelnen Worten 2» zu droparı — eis To dvoua, slg Xpıordv 
taufte man, und hatte dabei, wenn aud nicht einen Befehl, doch das 
Beifpiel für fih. Dieß konnte man um fo mehr, da nad) der Erklaͤ⸗ 
rung der Klrchenvaͤter bie ganze Lehre und bie ganze chriſtliche Reli⸗ 
gionsanftalt unter dem Namen Xorarog begriffen wurde. 

Die übrigen Variationen und Abmweihungen übergehen wir und 
gedenken nur noch einer Formulars Differenz , welche, wie unbedeutend 
fie auch an ſich ift, doch bie große Wichtigkeit bemeifl, womit man 
ſelbſt ſolche Nebendinge bebanbelte. _ 

Im Abendlande tft es von jeher und bei allen kirchlichen Parteien 
gebräuchlich gemefen, daß bei Ertheilung ber Taufe, fei es nun mit 
Immerfion oder Adfperfion ber Zäufer in der erften Perfon, den Taͤuf⸗ 
ling in der zweiten Perfon antebet: Baptizo te oder auch emphatiſch 
Ego te baptizo. Dagegen wird in der orientalifchen Kirche alles blos 
in der dritten Perfon gefprochen. Dieſer oder dieſe wird getauft im 
Namen u. f. w. 

Steht man auf die Sache ſelbſt, fo ergiebt fi bald, daß weit 
mehr Recht und Befugniß auf Seiten ber Abendländer fei. Zwar 
kann man ſich nicht auf das höhere Alter der abendländifchen, Auss 
drucksweiſe berufen; denn bie Griechen würden fich felbft auf Baſilius 
und Chrofoftlomus berufen innen. Die Hauptſache aber ift die Anas 
logie bei aͤhnlichen Handlungen. Beim Abendmahle warb flets die - 
Formel gebrauht: Nehmet bin und effer oder nimm bin 
und iß u. f. w. Eben fo tft bei ber Abfolution allgemein die For⸗ 
mel angenommen: Ego te a peccatis absolvo, wie denn auch unfer . 





508 | Ä Zaufe. 


Abfolutionsformular hat: Ich, als ein verorbneter Diener, verkuͤndige 
uf. w. Nach diefer Analogie alfo bringt das: Ich taufe dich 
u. ſ. w. eine gewifle Harmonie in dieſe heiligen Handlungen, bei wel⸗ 
hen Austheilung und Empfang einer befondern göttlihen Gnade vor⸗ 
auegefegt wird, Uebrigens können über das zeither Gefagte folgende 
Schriften verglihen werben. Bingh. Antiquit. Vol. IV. I. X. das 
ganze 1ite Gapitel, überfchrieben: De diversa ratione baptizandi per 
immersionem trinam etc. — J. A. Orsi diss. de baptismo in no- 
mine J. Chr. et de haereticis, qui baptismi formulam olim adul- 
teraverunt. Rom. 1733. 4. Vindiciae dissertet. Ebendaf. 1736. 4. . 
— €, C. Polchow (pr. Zacharise) dissert. de formula baptizandi. 
Götting. 1766. 4. — Thom. Burnet de fide et ofhieiis Christian. 
denuo rec. et auxit W. A. Teller. Hal. 1786. Exeurs. II. — M. J. H. 


. Bedhaus: Ueber die Aechtheit der fogenannten Zaufformel. Offenb. 


1794. — Chr. Fr. Eifenlohrs Hiftorifche Bemerkungen über die Taufe. 
p- 62—85. und and. in Winers theol. Literat. p. 449 f. angeführten 
Schriften. 

VII TaufzLeremonien. — Streng logifh genommen, 
gehört alles, was über die Form ber Taufe zeither bemerkt worden ift, 
zu den Tauf-Ceremonien. Doc) haben die Schriftfteller über die Taufe 
von jeher angenommen, daß die zeither betrachteten Puncte zum We: 
fen der Taufe gehören, alle Übrigen aber als außermwefentlih zu be: 


“ teachten wären. Vergl. Gerhard Loc. theol. Tom, IX. p. 1387. Die 


außerwefentlihen theilt man wieder verfchieden ein, wobei fich die Eins 
theilung in Geremonien vor, bei und nach der Taufe befondere 
zu empfehlen fcheint. | 


L 


Geremonien vor der Laufe 


Wenn wir die fchnelle und einfache Annahme zur Taufe im apofto> 
lifhen Zeitalter ausnehmen, fo gehört, genau genommen, in den frühern 
chriſtlichen Kirchen zu der Vorbereitung auf die Taufe das ganze viel= 
umfaflende Catechumenat und auch der Erorcismus. Da wir aber in 
befondern Artikeln dieſes Namens im eriten und zweiten Theile unfers 
Handbuchs gehandelt haben, fo verweilen wir auf diefelben zuruͤck, 


‚weil fie alles hierher Gehörige enthalten, und gehen ſogleich über zu dem 


. LI. 
Geremonien bei der Zaufe, 
mit Ausnahme derer, die auch ſchon in ben Artikeln Gatehumenat 


und Erorcismus erwähnt worden find. Hierher gehört zuförberft 


a) das Zeichen des Rreuzes. Schon bei der Aufnahme 
in das Gatehumenat war das Kreuzeszeichen gemöhnlid. Allein davon 
iſt hier nicht die Rede, fondern von der zunächft auf den Exorcismus 


- folgenden, mit der Salbung in Verbindung ſtehenden feierlihen Kreu⸗ 


zesbezeichnung des Zäuflings unmittelbar vor. der Taufe. Es war dieß 
die eigentliche Ergebung an Chriftus, das Signaculum, und die Ob- 
signatio fidei, verbunden mit ber förmlichen Erklärung, daß: der Taͤuf⸗ 








Taufe. 54 


ling aus dem Stande ber Suͤnde In den Stand ber Gnade Übertrete. 
- Dee Täufer bediente fih der Kormei: Nimm an da8 Zeichen 
des heiligen Kreuzes beides an Stirn und Bruft. 
(Vergl. den Artikel Kreuz 5. Band p. 119.) Wenn man fih auf 
Möm. 6, 3 ff. und 1 Gor. 2, 2. berief, fo hatte man dabei nicht die 
Meinung , daß biefer Ritus von dem Apoflel geboten fei, fondern daß 
derfelbe die fruchtbare Erinnerung an den Kreuzestod Chriftt füc heilfam 
hielt. Schon Constitut. apost. I. IL. c. 17. wird darauf Ruͤckſicht 
genommen. Cyprian redet von den Taͤuflingen: Qui renati et signo 
Christi signati sunt; und fegt hinzu: Quod autem sit hoc signum 
et qua in corporis parte positum manifestat alio in loco Deus di- 
cens: Transi per mediam Hierosulem et notabis signum super 
frontes virorum. Auch findet man bei ihm ep. 50. al. 58. die Aeu⸗ 
ferung: Muniatur frons, ut signum Dej incolume servetur. Nach 
Hieronymus ep. 113. ift das Kreuzeözeihen unzertrennlih von den 
Chriften und die wahre Legitimation deſſelben. Er bedient ſich des 
Yusbruds: Ego Christianus et de parentibus christianis natus et 
vexillum crucis in mea fronge portans, Auch beim Auguflin Serm. 
‚de temp. p. 101 fommt vor: Semper cruei baptisme jungitur. 

Wir haben im Artikel Kreuz gezeigt, daß die Chrilten ſchon 
früh dem Zeichen defjelben eine magiſche Kraft zufchrieben. Es ift 
daher eine richtige Bemerkung bei Augufti Denkwürdigkeiten 71 Bd. 
p. 296, daß die Lehre von dem character indelebilis des Taufſakra⸗ 
ments fidy vorzüglich auf diefen Glauben gründe, 

Nah) Dionyſius Xreopag. de hierarch. eccles. c. 2. ſoll die 
Salbung und Kreuzbezeichnung eine dreifache feyn (Teig zoloswg dıd 
z00 0ppayiocı Teig unapkausvog u. ſ. w.) und auch die fprifche Liturgie 
hält mit großer Strenge darauf. In den alten Zaufritualien bei Ma⸗ 
billon und Muratori findet man bie einmalige Bezeihnung mit einem 
dreimaligen Anhauchen. Go in dem alten Sacramıent. Gallicano in 
Assemani cod. liturg. I. I. p. 43, wo unter ber bemerkensiwerthen 
‚Mubrit: Ad Christianum faciendum ein ziemlidy langes Einweihungs⸗ 
gebet folgt. Am Ende dieſes Gebets heißt es: Post haec in- 
sufflabis in os ejus ter et dices: accipe spiritum 
sanctum et in corde teneas. Auch die evangelifche Kirche 
bat die Kreuzbezeichnung bin und wieder beibehalten. 

b) die Salbung mit Oel. Es iſt ſchon anderwärts be⸗ 
merkt worden, daß in den apoftolifchen Conſtitutionen und andern alten. 
liturgiſchen Schriften ein Unterfchied zwiſchen EAasoy (oleum) und 
kUoov (unguentum) gemacht wird. Deshalb findet auch eine duplex 
unetio bei der Taufe, eine antecedens und eine consequens, angege: 
ben. Die legtere heißt vorzugsmeife das Xoloua (f. d. Art. Chrisma), 
folgt in der orientalifchen Kirche als ein eigener Ritus bald nach ber 
Taufe zur Vollendung derfelben, wird aber In der occidentalifchemn Kir: 
che ganz von derfelben getrennt und zur Gonfitmation gerechnet, vergl. 
den Artikel Sonficmation ir Bd. p. 417 und 18. 

Die erfte Salbung (T6 &Auıov, bie Delung) iſt eine vorbereftenbe 
und geſchieht ſtets vor ber Taufe nach der Erorcifation und Kreuzbe⸗ 
zeihnung. Auch bei diefer Handlung pflegte ein befondere® Gebet ge: 
ſprochen zu werben (Constitut. apost. L VIL co. 42—44) Bel 


= 











30 aufer 


. wehren alten Schriftfiellern findet man die Vergleichung mit der Sitte 
ber Athleten, fi vor dem Kampfe mit Del zu beftreihen. Diefe vor⸗ 
bereitende Salbung tft in ber orientaliſch⸗griechiſchen und roͤmiſch⸗ 
katholiſchen Kirche beibehalten worden, mit dem Unterſchiede, daß bei 
den Lateinern die Salbung auf Brut und Schulter gewöhnlid war, 
bei den Griechen hingegen an mehrern Körpertheilen. Die evangelifche 
Kirche hat diefen Ritus nicht beibehalten.“ Br | 


c) Bebraud des Salzes, der Milh und des 50s 
nigs bei der Taufe. Was den Salzgebrauch bei der Taufe bes 
trifft, fo darf man, um ihn zu erklären, ſich nicht auf den heidniſchen 
Kultus berufen, wo bas Salz [o häufig bei Opfern und heiligen Hand⸗ 
lungen vorkommt, weshalb auch Plato daffelbe Feogıdks nennt. In 
der Bibel felbft Tag eine nahe Beranlaffung dazu und zwar in der - 
Stelle Ezechiel 16, 4. Hier werden die Handlungen angegeben, bie 
bei der Geburt eines Kindes vorgenommen zu werden pflegen. a) Das 
Adlöfen der Nabelfchnur, b) das Baden im Waſſer zur Reinigung, 
Ne) das Reiben mit Salz. Hieronymus bemerkt: Tenera infantum 
corpora, dum adhuc uteri calorem tenent, et prinmo vagitu laborio- 
sae vitae testantur exordia, solent ab obstetrieibus sale contingi, 
ut sicciore sint ei restringantur. Als Belege für biefen Gebrauch 
findet fi) das ältefte Zeugniß in Augustin. Confess. 1. I. c. XI. 
Audieram adhuc puer de vita acterna nobis promissa — et signa- 
bar cum signo crucis et condiebar ejus sale. Ungefähr. un diefelbe 
Zeit erwähnt das Concil. Carthag. IU. a. 397. 6. 5., dieſes ritus. 
In der afrikanifhen Kirche war er alfo unbeſtritten. Seit dem 5. und 
6. Zahrhundert ift er auch beflimmt in den Ritualbuͤchern der lateinis 
{hen Kirche aufgenommen. Was nun das Spmbolifhe dieſes Ges 
brauchs anbelangt, fo ſagt Baumgarten Erläuterung ber dheiftlichen 
Alterthümer darüber p. 284 in der Note: Das Salz iſt den Cate- 
chumenis auf die Zunge gegeben worden, als ein Salz der Weisheit, 
ihnen die Veränderungen zu bezeihnen, die mit ihnen vorgeben folls 
ten. — As Symbol der Weisheit ift das Salz auch im vorchriſtli⸗ 
hen. Alterthume gewoͤhnlich. J 

Die laetis und mellis degustetio aber kann fo wenig aus dem 
heidniſchen Alterthume abgeleitet werben, daß fie vielmehr allein in 
der Bibel ihren Grund zu haben ſcheint. Den Sfraeliten war bie 
Verheißung gegeben, daß fie der Herr in ein Land führen werde, wo 
Mich und Honig fleußt, 2 Mof. 3, 8. 17. 33, 5. Was konnte alfo 
natüclicher feyn, als dag Milh und Honig als Symbol bei einer heis 
ligen Danblung erwählt wurden, melde uns in das Land ber Verhei⸗ 
fung, in das Reich Gottes einführen folte? Im N. 3. if Milch 
(yara) die erfte Nahrung fir den Menfhen, vergl. 1 Petr. 2, 2. 
Daß biefe Stelle auf die Zaufe angewendet wurde, kann fchon ber 
Sonntagsname Aussimodogeniti (fonft Dominica in albis), welcher 
ſich auf die Lection für die Neophyten (Cyrill. Hierosol. Catech. 
myrt. V) bezog, beweifen. | ' 

Mie duch Milch Nahrung für den Geift, Unterricht und Bes 
lehrung angedeutet wird, fo fol Honig (Eis) die Annehmlichkeit und 
Suͤßigkeit des göttlichen Wortes bezeichnen. Nun ift aber im N. T. 





‚nicht gewöhnlicher, als das Wort bes Herrn mit Honig und Honigſeim 
zu vergleihen. S. Pf. 19, 11. 119, 108. Apoc. 10, 9—10. 

In Anfehung des Honigs könnte man vielleiht no eine befon- 
bere Beziehung auf die lewitifchen Ritualien annehmen, bei welchen. 
Honig als Opfer nicht erlaubt war, Weil ev- leiht in Gährung und 
Faͤulniß uͤberging. Wie, wenn auch "hier der Gegenſatz vom Reinen 
und Unreinen, vom Erlaubten und Verbotenen Statt gefunden hätte? 
Das Shriltenttum ift erhaben über die. Befchränktungen des Juden⸗ 
thums und bedient fi) auch hier eines Symbols, welches bei ber juͤdi⸗ 
fhen Opferpraris in diefer Art unerlaubte war. — Wie fih aber auch 
dieß verhalten möge, genug, wir finden fhon vom 3—5. Jahrhuns. 
dert beide Taufſymbole. Dafuͤr fprechen Stellen bei Tertullian de, 
eoron. milit. e. 3. Adv. Mare. 1. I. c. 14, — Hieronym. contr. 
Lucifer, o. 4. redet ganz wie Zertullian. In der Stelle Comment. 
in Jes. 55, 1. giebt er eine nähere Erklärung: Lac significat inno- 
centiam parvulor. (Jui mos ac typus in Occidentis ecclesiis hodie 
usque servatur, ut renatis in Christo vinum lacque tribuatur. 
De quo lacte dicebat et Paulus: Lac vobis potum defi, 
non solidum cibum et Petrus: Quasi modo geniti 
nati parvuli rationale lac desiderate. S. aud daß 
Conc. Carthag. III. & 24. Auch griechifhe Kiechenväter erwähnen 
diefes Ritus, 3. B. Clemens Alex, Paedag. I. 1. 0.6. S. Chr. 
Heur. Zeibich de infantatione per concordiam lactis et mellis 
baptismali. Viteb. 1736. in 

Die evangelifche Kirche hat beide Gebräuche abgefhafft, und ba- 
durch ihre Titurgifche Freiheit geltend gemacht. Blos die böhmifch: 
mäbhrifhen Brüder haben für zweckmaͤßig erachtet, den Gebrauch des 
Salzes als Symbol der Weisheit bei der Taufe nicht abzufchaffen. 
©. A. E. Lexie. Antigquit. eccles. p. 784. 

Hd) Das Beftreihen mit Speichel, Nah bem Ritual. 
Roman. folgt diefe Handlung nah dem Exorcismus und Unmittelbar 
vor der Oelſalbung. Dieß gründet fi auf das Sacranıent. Gregor, 
‚ et Gelasianum, fo wie auf andere alte Ritualbücher bei Mabillon, 

Muratori, Affemani u. a. | " 

Wenn es die Alten, 3. B. Ambrofius u. a. auch nicht - bemerkt 
‚hätten, fo würde man doch nicht daran zweifeln koͤnnen, daß fic Dies 
fer Ritus auf bie evangelifhe Geſchichte, Mec. 7, 83. und 34., bes 
ziehe. Urfpränglich ſcheint e8 bei den Katechumenen gleih Anfangs, 
oder in der erflen Stufe des Gatechumenats angewendet, fpäterhin aber 
auf die Vorbereitung, welche der Kaufe unmittelbar voranging, übers 
tragen zu feyn. Ambros. de init. e. 1. In der ihm zugefchriebenen 
Schrift de sacramentis 1. II. c. 1. heißt es: Quid egimus Sabbato 
(se. saneto)? Nempe apertionem. Quae mysteria celebrata 'sunt?, 
Apertionis, quando tibi aures sacerdos tetigit et nares, quod signi- 
fioat in Evangel. Dominus, oum ei oblatus esset aurdus et mut 
et tetigit aures et os ejus. — Die apertio aurium war alfo eine 
fombotifhe Handlung, wodurh man bie Rauglichkeit des Catechume⸗ 
nats zur nähern Belehrung andeuten und berfelben Aufmerkſamkeit auf 
Diefelbe zur Pflicht machen wollte. Daß man biefelbe vor ber Taufe 
wiederholte, hatte feinen guten Grund und war durch analogd Faͤlle 


518 Taufe, 


gerechtfertigt. — Die orientalifche Kieche hat, wie die proteſtantiſche, 
dieſen Ritus nicht angenommen. | 


IH. Ä 
Bon den Seremonien nah der Taufe. 


Die rhmifchen Schriftfteller, welche über die Sakramente gefchries 
ben haben, als Bellarmin, Bertieri nahmen theils fünf, theils drei Ge⸗ 
bräuche nach der Taufe an, und’ rechnen dahin 1) Osculum pacis, 
2) Unctio chrismatis in vertice, 3) Cereus accensus, qui datur 
baptizato in signum fidei et gratiae acceptae, 4) vestis candida, quam 
ferre solebant a Sabbato Paschatis usque ad Dominicam in albis. 
5) Delibatio lactis et mellis seu vini. — Bertieri de sacram. Vin- 
dob. 1774. p. 687 — 88 erwähnt blos Nr. 2. 3. und 4. 


Was den Friedenskuß anbetrifft, fo haben wir in einem befondern 
Artikel überhaupt und in Beziehung auf die Zaufe fpeciell gefprochen 
Bd. d. Handb. p. 145. 

| In Anfehung der Salbung (kugov, unguentum) iſt ſchon be: 
merkt worden, daß man biefelbe nicht mit der Delfalbung (£Aasor, 
oleum), welche der Zaufe voranging, vermechfeln dürfe. In ber oriens 
talifchen Kirche ift fie der Beſchluß und die Confitmation der Taufe, 
In der abendländifchen Kirche aber wurde fie zu einer eigenen ſakra⸗ 
mentalifchen Handlung, welche fpäter erfolgte, umgeſtaltet, woruͤber 
wir auch in einem befondern Artikel, Canfitmation Ir Bd. p. 448 — 
49, das Nöthige erinnert haben. 


Anlangend nun die weiße Kleidung nad) ber Taufe, fo weiß bie 
ältefte Sefhichte nichts davon. Walch z. B. in feiner ſchaͤtzbaren Ab⸗ 
handlung von den Zaufgebräuchen des 2. Jahrhunderts erinnert nichts 
davon. Aber Schriftfteller des 4. Fahrhunderts reden ſchon häufig und 
beflimmt von dee weißen Kleidung, melde den Zäuflingen 
unmittelbar nach der Taufe angelegt wurde. Doch iff die Rede zus 
nächft nur von den Erwachfenen, „welche ſich vor ber Taufe, wegen bee 
Sitte ded Untertauchens, gänzlich entkleiden muften, und welche zum 
Zeichen, daß fie nun völlig verändert, ganz neue Menfchen geworden, 
das Kieid der Unfchuld und Gerechtigkeit anlegten. Die altteflaments 
lichen Bilder von den Kleidern der Gerechtigkeit und die Metaphern 
des N. T. vom Ausziehen bed alten Menfchen und vom Anziehen des 
neuen (Chriſtus), fo wie ähnliche Gebräuche bei den heibnifchen Myſte⸗ 
rien, mochten das Meifte zur Einführung diefes Gebrauche beitragen. 
Daß man die weiße Farbe wählte, hatte feinen Grund theils in der 
allgemeinen Borftellung von der Heiligkeit diefer Karbe (mie fchon 
Cicero de leg. 1: I. co. 45. fagt: Color .albus praeeipue decorus 
Deo est), theild in ben biblifchen Angelophanien, welche ſtets öv Aer- 
xoic befchrieben werben. Weiß ift.die Farbe des Lichtes; da. nun bie 
Zaufe Pws, Pwrıoua u. f. w. genannt war, fo konnte es für die 
Erleuchteten (gwrucderzeg). kein pafjenderes Spmbol geben, als die 
einfache, roeife Kleidung. Anſpielungen auf diefe Sitte kommen fchon 
bei Cyrill. Hieros. Catech. mystag. IV. $. 8. vor, und, in dem alten 





d 


Taufe. 514 


Gebichte de Pascha (welches balb dem Lartantins, bald dem Venantius 
Fortunatus zugeſchrieben wirb) heißt ee WB. 98— 9. 
Fulgentes animas vestis quoque candida sigmat, 
t grege de niveo gaudia pastor hahet. » 
Und Paaulin. epist. X4l. ad Sever. fagt: 
Unde parens sacro ducit de fonte sacendos 
| Infantes niveos, corpore, corde, habitu. 

Die Belege für-diefe Sitte hat abermals fergfältig gefammelt Bingh. 
l. 1. Vol. IV. L 11. co. $. 1. mit der Meberfchtift: Homines modo 
baptizati albis veatibus induti, ‘Die Neophyten trugen das weiße 
Kleid von der Stunde ihrer Taufe in der Oftervigilie acht Rage bins 
durch und wurden in demfelben an dem auf Oſtern folgenden Sonn- 
tage, welcher eben baher den Namen Dominica in albis erhielt ‚de 
Gemeinde vorgeftellt. Auf diefe Vorſtellung bezieht fi, was Auguftin 
Serm. 232. fagt: Infantes isti, quos cernitis exterius dealbatos, 
interiusque mundatos, qui tandore vestium splendorem mentiunı 
praefigurant. 

In der Regel war das Taufkleid bon weißer Leinwand (linteo 
abo) und nur ald Ausnahme lieft man zumeilen von Kleidern aus 
toftbaren. Stoffen, in melden Faͤllen dann der Ausdrud vestis can- 


dida in feiner alten Bedeutung für splendida, pretiosa, regia u. f. w. 


genommen wird. Die Zaufkleider wurden für die Taͤuflinge zumeilen 


von den Zaufpathen angeſchafft. Dieß wird unter andern von Gregor 


den Großen erzählt. Bet felerlichen Taufen waren nicht nur die Prie— 
fter, fondern audy die aradoyoı wie der Täufling gekleidet. Bei ber 
Taufe des Kaiſers Theodoſius des Juͤngern waren alle Großen des 
Hofes und Heeres in weißer Kleidung. Erant omnes candidati, ut 
existimaretur, multitudo esse nive repleta. ©. Ep. ad Aread. Imp. 
in Baronli Annal. ad a. 401. 

Auch hier machte bie fpätechin vorherrſchende Sitte ber Kinder: 
taufe eine weſentliche Veränderung und ſchaffte das frühere weiße Kauf: 
Heid ab, nur behielt man al8 Symbol dus alter Zeit das fogenannte 
Weſterhemd bei, welches jegt ein Hemd in verkleinerter Geſtalt ge: 
woͤhnlich von feinem meißen Zeuge bei der Taufe Über das Kind ge: 
breitet wird, und wie früher bei den erwachſenen Zäuflingen ein Bild 
der Reinheit und Unſchuld ſeyn fol. Man findet die Werordnung, 
biefen Gebrauch beizubehalten, auch da in den Sakramentarien, wo bie 
Kindertaufe bereits eingeführt if. &o heißt es in dem Sacrament. 
Gregorii M.: Accipe vestem. candidam et immaculatam, quam per- 
feras sine macula ante tribunal Dom. J. Chr., ut habeas vitam 
acternam, Amen! 

Ueber den Urfprung des Namens „Weſterhemd“ iſt viel geftritten 
worden. Die wahrſcheinlichſte Erklärung bleibe immer, daß es eine 
Corruption des lateiniſchen vestis (moher auch Weſte kommt) ſei. 
Wenigſtens iſt dieſe Herleitung wahrſcheinlicher, als wenn man in ber 
bald zu erwaͤhnenden Monographie von Wegner die Ableitung von 
Wefl (aura lonis et placida et metaph. laetitia) macht und das 
Wort mit Freudenhemd für gleichbedeutend erklärt, — Wir haben 
davon [dem unter dem Namen Chrismale Tir Bd. p. 401 y) gehan: 
beit. Im 7. und 8. Jahrhundert findet man, daß das Taufkleld blos 

Siegel Yandbu IV. 33 


514 7 Raufe, 


in einem Stüde weißer Leinwand beftand, in welche man ben Taͤuf⸗ 
ling widelte und welches von ben Pathen gehalten wurde. Es führte 
den Namen Sabanum. In noch ſpaͤterer Zeit pflegte man dafür eine 
weiße leinerte Kopfbedeckung zu fubftitufcen, genannt pannus mysticus, 
velamen, capitium, cappa, mitra, nicht felten auch Chrismale, wie 
ſchon erwähnt worden ifl. Der Verfafler hat nicht ermitteln können, 
wenn In neuerer Zeit die Hemdenform wieder mehr gewöhnlich gewor: 
den if. Vergl. J. A. Schmid de usu vestinm albarum. Lipa. 
1704. 4. — Godofred. Weguer de veste alba Baptizator. Germanis 
dieta Wefterhembd. Regiom. 1700. ed. 2. 1734. 4. — Heineccii 
Abbildung der griechifchen Kiche Thl. 3. p. 287. — Sal. Deyling ob- 
servat. sacr. P. Ill. — J. H. Böhmer jus eecles. Protestant. Tom. - 
It. p. 845 — 48. — Bu den Gebraͤuchen nad) der Taufe, die fruͤ⸗ 
ber üblich, fpäter außer Gebrauch kamen, gehören ferner 


die cerei baptismales. Sie haben mit den Taufkleidern 
einerlei Urfprung und Bedeutung, und follen zum Beweiſe die= 
den, daß die Zaufe das Sakrament der Erleuchtung fei und den 
Namen pwriouös recht eigentlich verdiene. Bei den folennen Tauf⸗ 
bandlungen, befonders in der Oſtervigilie, pflegte man Das ganze 
Baptiſterium, ja zuweilen die ganze Stade mit Lampen unb Fadeln 
zu erleuthten. Die glänzende Öfterbeleuchtung, wovon die 
Alten fo viel erzählen, bezog fi zunaͤchſt blos auf die Taufe. Gre⸗ 
gor von Nazianz oret. XL. p. 655— 672 redet von den bei ber Taufe 
angezunbeten Lampen und erwähnt aud des großen Aufwandes, wel- 
chen eine fo prachtvolle Erleuchtung erfordert. Da biefen nur Wenige 
beftreiten Eonnten, und da man auf bie folennen Zauftermine weniger 
Werth zu legen anfing, begnügte man ſich Damit, bag man bei der 
Taufe Wachskerzen anzüundete und diefelben dem Taͤuflinge und den 
Pathen in die Hand gab. Auch hierbei fand noch zumeilen zur Ver: 
mehrung der Feierlichkeit ein gewiſſer Lurus ſtatt. Won dee Taufe 
bes Kaiferd Theodoſius des Juͤngern heißt es in der Epist. ad Arcad. 
Imp. (Baron. Annal. ed a. 401). Praecedebant autem Patrieii 
illustres et omnis dignitas cum ordinibus militaribus, omnes por- 
tantes cereos, ut putarentur astra cerni in terra, Don einer feier: 
lichen Sudentaufe meldet Gregor. Turon. hist. Franc. 1. V. e. 11. 
Flagrabant cerei, lampades refulgebant, albicabat tota civitas grege 
candido, Bei der Kindertaufe konnten die Kerzen nur von den Zeus: 
gen und Bürgen getragen werden. Doc drüden ſich bie Titurgifchen 
Schriften noch zumeilen fo aus, als ob fie dem Täufling ſelbſt in bie 
Hände gegeben würden. Die Geſchichte diefes Ritus, der ald das fruͤ⸗ 
bere Raufceremoniel außer Gewohnheit kam, auch wegfallen mußte, 
ift von Jo. Faes de cereis baptismalib. Helmst, 1712. 4. mit claffi> 
fher Gelehrſamkeit erörtert. Zu den Gebraͤuchen nach der Zaufe rech⸗ 
nen Bellarmin und Bertieri auch noch 


- das Sußwafdhen (Pedilaviun). Da wir einen eigenen 
Artikel über- Fußwaſchen gegeben und auch von der Verbindung biefes 
Ritus mit ber Taufe, 2e Bd. d. Handb. p. 158 gefprochen haben, 
fo meifen wir auf diefen zurüd. Im. Ordo Roman. I. und Alcuin 
de dirm. off, cap. de Sabb. S. findet man 


x 


‘ 


Zaufe. 15 


audh den Gebrauch, daß der Täufer dem Täuf- 
linge nad der Salbung und Befleidung decem 
siliquas,darreichen foll. Hierüber macht Jos, Vicecomes de 
antiquis bapt. rit. 1. V. c. 19. folgende Bemerkung: Erat vero 
siliqua minimi valoris pecunia, quae oum nostro numorum genere 
comparats, vigesimam solidi partem, ad pondus autem redacta 
scrupuli sextam partem, dragmae vero decimam octavam conficie- ' 
bats ut Buddeus et reliqui vetustatis indagatores docuerunt. Cujus 
causam, si quis a me sciscitetur, respondeba, fuisse, ut delerent 
eam maculam, quam Christianorum nomen suscceperat, eos res divinas 
pretio venales habere, et ut ostenderent, se magis hominum zalutis 
causa, quam rei familiaris augendae ad Christi fidem sollicitare. 
Daß diefer Grund, welcher ſich zunaͤchſt auf Aot. 8, 18 seqgq. und die 
Simonie beziehen würde, etwas meit hergeholt fei, iſt leicht einzufehen. 
Vielleicht dürfte man eher an die munera lustrica, pecunia lustrica, 
Dathengefchenke, Eingebinde u. f. w. denfen, worüber J. H. Böhmer jus 
eccles. Protestant. Tom. Ill. p. 860 — 62 nachzuſehen iſt. Entwe⸗ 
der reicht der Prieſter die von den Pathen gegebenen Geſchenke, damit 
fie der Taͤufling gleichſam aus den Haͤnden dee Kirche empfange, oder 
er giebt fie den Kindern armer eltern als milde Gabe ber Kirche, und 
der Fall wäre dann von ber Art, wie die zumeilem erwähngn, aus 
dem Kirchenfchage zu beilreitenden Koften für bie Taufkleider, Wache: 
kerzen u. f. w. 
aß in der alten orientalifh : griebifhen 
KRirche die GBetauften, weldhe fogleihb nah der 
Taufe zur Lommunion zugelaffen werden durften, 
mir Blumenfränzen gefhmüds wurden, iſt außer Zwei⸗ 
fl. ©. Gregor. Naz. orat. XXIll. in laud. Hieron. Chrysost. 
homil. ad bapt. Never. Alexandr. Auch im Missali Gothico kom⸗ 
"men vor: Baptizsti et in Christo coronati. Jedoch nehmen auch 
Manche den Ausbrud metaphoriſch in Beziehung auf die Salbung und 
Bekleidung. Nicht felten findet man auch Spuren 
von einer feierliben Danktfagung und wom 
Abfingen gewiffer Dank- und Loblieder, Dieſe Ges 
wohnheit ift von Bingh. Vol. IV. L, XI. o. 4. $. 8, überfchrieben: 
Cum psalınodia aceepti ausführlicher beleuchtet worden. Schon Ore- 
gor. Naz. orat. 40. erwähnt der Pfalmodie, womit ber Neophyt, nach 
Bollendung der Zaufe vor den Altar geftellt, empfangen wird. Und 
dee Dichter Paulinus ep. XIL ad Sever. drüdt diefen Empfang mit 
folgenden Worten aus: 
Hinc senior sociae congaudet turba caterrae 
. Alleloja novis balat ovile choris. 
Aud die meiften Ritualbücher fchliegen mit einer Benediction. Ge: 
wifiermaßen kann man auch zu den Gebräuchen nach der Taufe rechnen 
die Tauffhmäuße (epulae oder convivia baptismalia), 
Ihr frühes Daſeyn ſcheint ſchon aus der Vorrede des Conc- Carthag. IV, 
a. 899. c. 86. gefchloffen werden zu innen, wo es heißt: Neophy- _ 
ta eliquamdiu a lautioribus epulis et speotaculis et canjugiis abs- 
tineant. Man vergl. J. H. Böhmer jus eccles, Protest. Tom. IH. 
p- 865— 64. Er vergleicht fie mit den Agapen und, beruft ſich auf 





x 


16 Zaufe. 


Gregor. Nas. orat. 40., wo von einer Bewirthung, zwr Pantıotwyv 
(d. h. des Taͤufers und der Pathen) bie Rebe if, auf Car. le 
Comte Annal. Fr. ecel. T. I. ad a. 496. p. 169, auch auf Stackii 
Antiquit. convival. I. I. c. 16. und führt neuer, den Mißbrauch 
befchräntende Verordnungen an. Diefe Schmäuße find recht eigentlich) 
in der deutfchen Kirche Obfervanz geworden und noch immer auf dem 
Lande und in Kleinen Staͤdten fehr gewöhnlihd. Vergl. außer ben 
angeführten Schriften von Hildebrand, Wald u. a. Sereri Alex. 
(S. Antioch.) de ritibus baptismi. Syriace et latine ed. a. Gui- 
done Fabricio. Antw. 1572. vergl. Biblioth. Petr. Lugd. ed. Tom. 
XIV. p. 278 segg. — Theodulphi Aurelianens. lib. de ratione 
et ordine rituum baptismi E ood. Corbej. ed. a Menardo ad Gre- 
gor. M. Sacrament. p. 129 seqg. Ed. Sirmond in Bibl. Patr. 
Lugd. T. XIV. p. 9 segg. — De baptismi ritib. variie. In Jo. 
Dallaei de cultib. relig. Latin. Genev. 1671. Lib. I. p. 1— 95. — 
Pellicia -christ. eccles. polit. Tom. 1. p. 1. — C. G. F. Walch 
observat. eccles. de tradit. Sp. S. Gostting. 1761. 4. j 


IX) Don den Zeugen und Bürgen der Taufe — 
Ehe wir felbft von dem Urfprunge unb der Ausbildung jenes Inſti⸗ 
tuts der Pathen ober Zeugen bei der Taufe ſprechen, wird es nöthig 
ſeyn, nige Bemerkungen vorauszuſchicken, die fich theild auf den 
Gefichtspunct dieſer Anſialt beziehen, thells die verſchiedene Onomato⸗ 
logie der Taufzeugen betreffen. 


Das chriſtliche Pathenamt pflegt aus einem doppelten Geſichts⸗ 
puncte betrachtet zu werden: 1) Als Zeugniß, daß die Taufe wirklich 
und nad der in der riftlichen Kirche vorgefchriebenen Ordnung fei 
ertheilt und empfangen worden. 2) Als Buͤrgſchaft für bie treue Er⸗ 
‚füllung der in dem Zaufbunde übernommenen Pflichten, und zwar in 
dee doppeften Beziehung auf die Kirche, für welche die Bürgfchaft 
übernommen und auf den Täufling, in deffen Seele die Verpflichtung 
geleiftet wird. Es giebt indeſſen noch einen hoͤhern Gefihtspunct für 
dieſes Verhaͤltniß, als den blos politifchen, rechtlichen ober moralifchen, 
und dieß iſt bie Idee der Bemeinfhaft des Glau⸗ 
bens, welche in allen Anftalten des Chriftenthums vorherrfcht, und 
wodurch ſich die chriſtliche Kirche zu einer wahren und eigentlichen 
Gemeinde der Heiligen (coetus sanctorum) erhebt. Durch dieſes 
Pathenamt tritt die Taufe in eine nähere Verbindung mit dem heiligen 
Abenbmahle und wahrſcheinlich lag dieſe Idee bei der alten Gewohn⸗ 
heit, den Getauften fofert zur Communion zujulafien, zum Grunde. 
An mehrern alten Zaufformularen, namentlich Dionys, Areopag, de 
hierarch. eccl. e. 2. wird auf diefe Gemeinfchaft de8 Glaubens aus: 
druͤcklich hingemwiefen. Aus derfelben Quelle muß man auch bie Vor⸗ 
ftellung von einer geiſtlichen Verwandtſchaft (cognatio et consanguini- 
tas spiritualis) zmifchen dem Getauften und Pathen, welche fpäter über 
bie Gebühr ausgebehnt wurde, ableiten. — Daß die Idee einer 
mpftifhen Vereinigung durch die Beſchneidung fhon im Judenthume 
vorhanden geweſen fei, deutet Augufti Thl. 7. p. 324 an. 


Nicht unzwedmäßig wird es feyn, etwas noch über bie vers 
fhiedenen Benennungen ber Kaufpathen anzuführen, da biefe ſelbſt 


Su. 517 


ein erläuterndes Licht auf das Inſtitut der Pathen zuruͤckwerfen. Die 
älteite Benennung ift: 

Sponsores, Bürgn. Sie tft um fo mehr im xömifchen 
Mechtöfprachgebrauhe zu nehmen, da fih Xertullian berfelben bedient. 
Es ift aber bemerkenswerth, daß er es blos von der Kindertaufe braucht, 
und daß es nicht blos eine Antwort (responsum, responsio) im Na: 
men beffen, der für ſich felbft nicht reden kann, fondern auch eine 
promissio et obligatio, bie Uebernahme einer Verpflichtung für den 
andern, als wäre es eine eigene, bedeutet. Die Worte Tertullians de 
baptismo e. 18. find ganz deutlih: Quid enim necesse est, si non 
tam necesse, sponsores etiam periculo ingeri, qui et ipsi per mo- 
ralitatem destituere promissiones suas possunt et proventu ınalae 
indolis falli, Er gedenkt alfo der für den Buͤrgen entftehenden Ge: 
fahr a) im Falle des Todes, b) wenn der Zäufling in der Folge fich 
der Taufe unwuͤrdig macht. — Andere Schriftftellee halten ſich vor: 
züglid) an das Respondere. Go Auguftin ep. 23. ad Bonif.: In- 
terrogamus eos, a quibus offeruntur et dieimus: credit in Denm? 
de illa aetate, quae, utrunı sit Deus, ignoret, respondent: credit; 
‚et al cactera sie respondent singula, quae quaeruntur. — — — 
Mihi sine dubitatione respondet, quod credat in Deum, et quo se 
convertat al Deum. Auch Gennad. de eccl. dogmat. c. 52. fagt: 
Si parvuli sunt vel hebetes, qui doctrinam non capiant, respondent 
pro illis, qui eos offerunt, juxta morem baptizandi. 

Der Ausdrud Fidejussores ſagt daffelbe, nur daß er fi 
noch flrenger an den römifchen Nechtsbegriff knuͤpft. Man findet ihn 
zuerſt bei Auguftin Serm. 116. de temp. Tom. X. p. 304, Fide- 
jussores pro ipsis respondent, quod abrenuntient diabolo pompis et 
operibus ejus. — Doch mollen andere bier fideidatores oder auch 
ſelbſt fideidoctores leſen. 

Das griechiſch Avadoxoı entſpricht dem lateiniſchen Offe- 
rentes und Susceptores und bezieht fi auf den vor, bei und 
nad) der Taufe geleilteten Beiſtand. Das uvadexzodaı, suscipere, 
hatte feine befondere Beziehung auf den Ritus des Untertauchens und 
die dabei zu leiftende Hülfe. Auch Xertullian de cor. milit. c. 8. 
bat den Ausdrud Suscepti —, welcher auf die Getauften geht. Die 
deutfche Redensart: In und Über der Taufe halten — aus 
der Taufe heben u. a. entfprehen dem aradfxeoduı und susci- 
pere. Doch wird auch) avddoxos in ber Bedeutung von Bürge 
(sponsor,, promissor, fidejussor) gebraucht, wie dieß aus Chrysost. 
Hom. in Ps. 14. und Basil. M. ep. 128. zu erfehen if. Auch bei 
Drofanferidenten bedeutet avodfxoruu fo viel, als ich verfpreche, ich 
verbürge etwas. S. Kenoph. Cyrop. 1.1. e. 6. Theophr. Ethic. e. 12. 

Die fpäterhin fo beliebte Benennung uagTvoeg, testes, 
Taufzeugen, findet man bei den Alten nicht; es fei nun, daß man fn 
sponsor, fidejussor, &vadoyos u. a. fhon ben Begriff eines Zeugen 
legte, oder daB diefes Wort in dem kirchlichen Sprachgebrauche (für 
Bekenner der Wahrheit, Märtyrer) feine beftimmte Bedeutung fo erhal: 
ten hatte, daß man keinen Mißverſtand veranlaffen wollte. 

Die in der neuern Kirche : vorzugsmelfe in Gebrauch gekommenen 
Benennungen: zardoes und ginreges (entweder simplieiter ober mit 





5) Fe Taufe. 


dem Zuſatze: ànd 10V aylov pweslouatog, compatres, propatres, 
commatres, promatres, putrini et matrinaæ — Gevatter und Gevat⸗ 
terinnen, Pathen, Bätten, Daten, Datten, Guͤttel, Gutten, Pfettern, - 
Pettern u. ſ. w., beziehen ſich ſaͤmmtlich auf die alte Zeit, wo die 
Aeltern ſelbſt oder in Ermangelung derſelben, die naͤchſten Verwandten, 
Vormuͤnder u. ſ. w. die Kinder aus der Taufe hoben. Die Lateiner 
ſcheinen das ſonſt ungewoͤhnliche und bei keinem Claſſiker vorkommende 
Patrinus und Matrina gewaͤhlt zu haben, um auf einer Seite keinen 
Mißverſtand ‚mit pater und mater zu veranlaſſen und auf der andern 
auch einen Ausdrud zu haben, welcher ein Band inniger Verwandt: 
[haft und gegenfeitiger Verpflichtung bezeichnete. Wo fie pater brau= 
chen, fegen fie auch apiritualis oder lustrieus hinzu, fo wie auch der 
Zäufling filius lustricus genannt zu werden pflegt. Doch braude 
Auguflin Serm. 116. blos patres und filii, jedoch in einem ſolchen 
Zuſammenhange, daß man es nicht mißverftehen kann. 

Den Urfprung diefer Sitte finden wir bald, aus dem Subdenthume, 
bald aus den römifhen Rechts: Snftituten hergeleitet, Und in ber 
That ſcheint es am rathfamften, eine Combination beider Quellen. 
vorzunehmen, weil keine allein völlige Befriedigung gemähren dürfte. 
Wie alt die Sitte der Belchneidungszeugen im Judenthume fei, 
läge fih nicht ausmitteln. Auffallend ift es allerdings ; daß fie weder 
im A. noch N. T. erwähnt wird. Jedoch kann fie deshalb immer 
beftanden haben, weil ja im Ipätern Zubenthume mehrere Gebräuche 
vorhanden find, deren weder das A. noch N. T. gedenkt. Daß man. 
- aber im 2. und 8. Jahrhundert, wo man beide Religionshandlungen 
mit einander verglih und die Beſchneidung als Vorbild der Zaufe 
betrachtete, auf dieſe jüdifche Zeugeneinrichtung feine Aufmerkfamteit 
wendete, iſt auf jeden Fall nicht unwahrſcheinlich. 

Da man fhon frühzeitig die Taufe aus dem Gefichtöpuncte eines 
Vertrags (Znepwrnua 1 Petr. 3, 21.) und Bundes zu betrachten 
pflegt, fo laͤßt fich leicht denken, daß man die Beflimmungen des 
tömifchen Rechts, welches in der Lehre von der Stipulation und vom 
Contracte fo forgfältig und genau war, einer befondern Aufmerkſamkeit 
würdigte. Weberdieß waren ja die dlteften Kirchenväter vor ihrer Bes 
kehrung Suriften, Sachwalter und Gefchäftsleute, und man begreift 
um fo eber, daß fie aus ihrer Rechtspraxis Beftimmungen berübertrus 
gen, welche ja nur dazu dienen konnten, biefer heiligen Handlung auch 
in Anfehung der dußerlichen Beziehungen die möglichfie Sicherheit und 
Guͤltigkeit zu verfchaffen. In mehren Schriften findet man angeges 
ben, daß der roͤmiſche Bifhof Hyginus (oder Iginus) gegen das Jahre 
154 die Zaufpathen zuerft eingeführt habe. Euseb. hist. eccl. 1. IV. 
ec. 11. meldet nichts davon, obgleich dafelbft von ben Irrthuͤmern 
Marcions und Cerdons und von den Myſtagogien, Luſtrationen, geift 
lichen Heirathen der Merkafier gehandelt wird. Es ift daher nicht ums 
wahrfcheinlih, bag Hyginus, um folden Unorbnungen und Thorheiten 
vorzubeugen, Zaufzeugen angeorbnet habe. In den Decret. Gratian. 
P. Ill. de consecrat. distinct. IV. ce. 100.. wird folgende Verordnung 
"von Iginus Papa angeführt: In catechismo et in baptismo et in 
eonfirmatione unus patrinus fieri potest, si necessitas oogit. Non 
est tamen consuetudo romana, sed per singulos singuli suscipiunt. 

\ . ! 


- 











Taufe. 319 


Unter.dem catechismus ift wohl bie Aufnahme in das Cetechnmenet 
zu verſtehen. Es ſcheint aber, daß die Emphafis auf unus ruhe, 
und daß im Nothfalle nur Ein Zeuge für nothwendig erklärt merden 
kann. Doc iſt die Stelle dunkel. In Polybor Vergilius de invent. 
rerum 1. IV. o. 4. wird es fo angeführt: Iginus, Romanus ponti- 
fex, statuit, ut unus, quem compatrem vocant, uti testis interesset. 

Böhmer (jus eocl. Protest. Tom. III. p. 849) will- aus den 
Worten Justin. Mart. apol. I. c. 61. Eneıra äyovras vg Humv Kr 

döwg Zorl ete., das Dafepn von Gehllfen und Beugen bei ber 
Zaufe folgen. Seine Worte find: Aderant ergo 1) qui ducebant 
candidatum ad locum, ubi aqua erat, ut testes et comites, 2) prae- 
sentabant baptizandos episcopo, vel presbyteris, quique, 8) eos 
reduccbant ad locum, ubi fratres erant congregati. Dieit, eomites 
‚ hosce eos praesentasse episoopo vel presbytero. Id colligo ex rela- 
tione Origenis I. Ill. adv. Cels. p. 142, ubi de praeparandis eate- 
chumenis agit, docetque iis praepositos fuisse nonnullos, qui in 
vitam et mores edrum, qui admittendi erant, inquirerent, ut non 
concessa facientes candidatos religionis quidem arcerent a suis oon- 
ventibus, ceterps autem horum dissimiles et animo exciperent, et 
quotidianis acoessibus meliores facerent. Sicuti hi erant testes 
vitae et morum Catecbumenorum, ita admodum credibile est, eos- 
dem postea candidatos obtulisse baptistae, eosdem ad locum, ubi 
aqua aderat, adduxisse, testimoniumque eis praebuisse, quod- digni 
essent,, qui baptizarentur. 

Wenn man auch hierin keinen Beweis finden kann, fo wird man 
body zugeben müflen, daß es eine nicht unmwahrfcheinliche Induction 
ſei. Die Zeit des Druds und der Verfolgung war ganz bazu geeignet, 
ein Inſtitut zu begründen, wodurch bie Sicherheit und Gewißhelt des 
hriftlichen Religionsbelenntniffes befeflige werben follte. Und in der 
That hatte es fih im 2. und 3. Jahrhundert fo ausgebildet, daß wir 
es im 4: und 5. Jahrhundert fhon in voller Wirkſamkeit finden. 

Was nun die verfdiedenen Glaffen der Zaufzeugen betifft, fo 
fheint Bingh. Orig. T. IV. p. 288 segg. im 8. Gapitel, überfchrieben : 
De usu sponsorum in baptismo, eine Meinung aufgeftellt zu haben, 
die fich vorzüglich empfiehlt und darum aud von ben Meiften gebilligt 
werden if. Mir werden diefem fleißig gearbeiteten Abfchnitte Binghams, 
mit einigen Abweichungen jedoch, folgen. Er unterſcheidet ‚folgende 
drei Claſſen: 

1) Zeugen für die Kinder, welche nicht ſelbſt reden und antwor⸗ 
ten konnten. 

2) Zeugen für Erwachſene, welche wegen Krankheit oder ſonſt 
einer Schwachheit, nicht vermögend waren, felbft zu antworten. ’ 

3) Zeugen für alle erwachſene Perfonen überhaupt. Denn auch 
für diefe forderte die Kirche Zeugen, ob fie gleich im Stande waren 
su antworten. 

Allerdings kam man wohl zuerſt bei ber Kindertaufe auf‘ bie Im, 
für die keiner Erklärung und Selbſtleiſtung fähigen Rinder Stellvertre⸗ 
ter und Buͤrgen zu flelien. Auch führen fie bei den aͤlteſten Schrift: 
ſtellern ben bedeutungsdollen Ramen Spensores und. Fidejwssores, 
weit fie fih für. den Taͤufling und in bie Seele defiekben verpflichteten. 








520 | Taufe. 


Dieſe Verpflichumg warn theils eine negative — abrenuntiatio, theil® 
eine pofitive, addietio ober praßeasio. 

Eine ähulihe Bewandniß hatte es mit allen Nothtaufen ber Er⸗ 
wachſenen. Es gehörten. hierher die fogenannten Clisici ober Grabba- 
torüi, welche die Zaufe in fchwerer Krankheit und Todesgefahr empfin⸗ 
gen. Ferner die Taufen der Stummen, der Energumenen und aller 
Perſonen, welche entweder uͤberhaupt oder boch in dem gegenwärtigen 
Momente nicht fähig waren, ein Bekenntniß abzulegen und eine geſetz⸗ 
liche und rechtsktaͤftige Verpflichtung einzugehen. Mit folchen koͤrperlich 
Unfähigen, um ein Bekenntniß bei der Taufe abzulegen, muß man 
auch bie buͤrgerlich, Unfähigen zufammenflellen. Dazu gehörten im 
chriſtlichen Aiterthume die Sclaven. Diefe wurden nach dem vömifchen 
Mechte nicht als Perſonen, fonden ats Sachen betrachtet, und 
tonnten daher keine ſelbſtſtaͤndige Verbindlichkeit eingehen, fondern muß⸗ 
ten, wie die Kinder u. ſ. w., repraͤſentirt werden. Schon die Conastit.- 

apost. I VIII. e. 32. fordern, daß der Sclave eines Nichtchriſten nicht 
- ohne Exlaubniß feines Herm zur Taufe zugelaſſen werde. Von den 
Sclaven chriſtlicher Herren wird gefordert: sol tar uorög. doſaoc 5. 
Iewräodw Ö ximos adreu, el ungzupei adıg, div Ö2 un, ünoßai- 
Moda Eins &v tausöv ükıor dmdelin zö deonörm‘ ei de nagruge 
aury, npogdeyrkotwn. — Wenn man annimmt, daß das Zeugniß, 
welches bier gefochert wird, ein foͤrmliches und öffentliched war, uud - 
daß der Herr in Öffentlichen Verſammlung beftagt wurde (Lewsacdu), 
fo wäre dieß ſchon eine Art von Gevatterfchaft, wobei die Vorſtellung 
von Zeugniß und Würgfchaft vereinigt wäre. Daß die chriſtlichen Ders 
ren auch außerdem bei ihren Sclaven- Pathenftelle vertraten, erhellt aus 
August. ep. XXI. ad Bonif. Videes, multos nan offerri a pa- 
rentibye, sed etiam; a quibuslibet extrameie, sient a Dominis Ser- 
vuli aliquando aofferuntur. 

Aber zur Zeit der Chriſtenverfolgungen wurde auch bei der Taufe 
der Erwachſenen, Freien und ſonſt Qualificirten ein beſonderes Zeugniß 
Beduͤrfniß.: Es galt, bie wirkliche Bollziehung dieſer heiligen Hand⸗ 

(ung und die erfolgte Aufnahme in die chriſtliche Reltgiondgefellfchaft - 
zu beweifen. Unter den lapsis und traditoribus waren viele, weldye, 
wie ſchon in dem. Berichte des Trajan gemeldet wird, behaupteten, 
daß fie niemals Chriſten gemeien ſeyen und die Taufe ableugnetem. 
Ts ſolche Faͤlle alſo wurden Taufzeugen aufgeſtellt. In fpätern Zeis 
‚ten, wo das. Belenntniß des Chriftenchums Ehre und Vortheil brachte, 
morhte zuweilen deu Fall eintreten, daß fich. mancher für einen Chriften 
ausgab, der ed doch nidht war. Dann war e6 von Nugen, wenn 
man aus bem Zrugenmangel. bie Richtigkeit. feines Vorgebens bezwei⸗ 
fein konnte. In allen biefen Faͤllen, wo es fid) nicht darum handelte, 
Kindern: eins chriftliche Erziehung durch die Taufe zu verbuͤrgen, ſcheint 
man, damit der Verdacht ber Parteilichleit vermieden werde, nicht bie 
Aeltern und Verwandten, fondeen Freunde und Unpartelifche. zu. Zeugen 
gewählt zu haben. Waheiheintich te man fich auds deshalb 
nicht mit einem, fondern forderte zwei, oder nach der alten Regel drei. 
Susgen, Fur das Letztere ſprach überdieß noch ein dogmatifcher. Sram, 

Daß, wie: Dianys, Areopag. de hiesazch, ecol. e. M. berichtet, wicht 
nur dee Name des Taͤuflings, fondem auch des dradoyos, in ein 








Zaufe, 321 
Verzeichniß (Taufregiſter) eingetragen ward, hat ſicher auch mehr einen 
politiſch⸗ 7 als dogmatifch > myſtiſchen Grund. 

Nachdem das Ehriſtenthum allgemein geworden, war zwar dieſes 
Zengenbeduͤrfniß nicht mehr vorhanden, doch behielt man es aus Ge⸗ 
wohnheit und zur Erinnerung an bie frähern Berhaͤltniſſe bei. Die 
Zeugen wurden nunmehr wieder theils Buͤrgen (bei der Kinbertaufiz), 
heil Gehüifen bei der Taufhandlung ſelbſt, wodurch fie den Ranzen 
Gyddoxos, susceptores U. a. rechtfertigten. Sieht man nun auf dien 
Zweck und bie Abficht diefer Einrichtung, fo war fie, wie aus dem 
Obigen erhellt, theils auf Bürgfchaft, theild auf Jeugniß ge 
richtet. Das Letztere war in den Zeiten der verfolgten Kirche befonders 
Mar und blieb in bürgerlicher Hinficht, ſelbſt im dee Folgezeit, bis auf 
unſre Tage, immer wichtig. Das Erſtere aber involvirte eine g 
geiſtliche Vormundſchaft, die ſich aber nicht auf die leibliche Erziehung 
und den Unterhalt der Getauften ausdehnte. 

Beides ift von Bingham gut nadhgewiefen worben. Er theitt in 
dieſer Beziehung , befonders aus Auguftin, welcher die Kindertaufe fo - 
dbeingend empfiehlt, mehrere claffiche Stellen mit, von welchen wir 
hier nur folgende herſetzen wolle, Serm. 163. de temp. wo über die 
Dflihten der Gevattern gefpsochen wird, heißt es nämlich: Hoe ad- 
moneo, üt quoties Pasehalis solemnitas venit, quicungue viri, quao- 
eunque mulieres de sacro fonte Gilios spirituales exoeperant, cogno- 
scant, se pro ipeis filejussores apud Deum exstitisse, et idee scm- 
per illis sollieitudinem verae- oaritatis impendant et admoneant, ut 
 emstodiant . oastitatem, virginsitatem usque ad nuptias servent, aA. 
maledioto vei perjurio linguam refraement, cantioa turpia vel luxu- 
riosa eX orTe. non proferant,. non superbiaut, non invideant, iracan- 
diem vel odium in corde non teneant, auguria non observent, 
phylacteria et charasteres diabolicos neo sibi, neo swis aliquando 
suspendsat, incantatoses: velub ministeos Dieboli fugiant, fidem 
catholicam temeant, ad ecelesiam frequentias eurrant, contemta 
verbositate lectiones divises attentis amribus audiant, peregrinos ' 
accipiant, et seeundum quod ipsis in baptismo dietum est, hospi- 
tum pedes lavent, pacem et ipsi teneant et discordes nd comonr- 
diam revocare eontendant, sacerdotibus ac parentibus honorem amore 
verae caritatis im 

Man wird eingeflehen möüffen, daß der Verfaſſer die moralifche 
Seite diefer kirchlichen Einrichtung gut aufzufaflen wußte, und daß 
Manches davon felbit jeke mod) als erbauliche Erinnerung an bie Taufe. 
würde Are boͤnnen. 

Daß die Verpſtichtung ber Zeugen und Bürngen fi nicht auf 
die leibliche Erziehung und den Unterhalt der Ge 
tanften ausdehne, bat Bingh. Ant. T. IV. p. 29091 6. 8. 
überichrieben: Spomsores infantes, pro quibus speponderant, non 
debebant sustentere, gründlich gezeigt, indem ev darthut, daß, wenn 
nicht eine anbermeitige Verbindlichkeit aus fruͤhern Berhältniffen Statt 
fand, die Taufe an ſich dazu nicht verpflichtete. War z. B. ein Herr 
Zaufzeuge für feinen Sclaven, fo mußte er ihn zwar ernaͤhren, aber 
nicht als Zaufpathe, ſondern weit eo dev Herr befieiben war. ©. auch 
Böhmer jus coeles. Protest. T. IH. p. 868 seqg. Die eingelnn . 











523 | Taufe. 


ſchwaͤrmeriſchen Parteien, welche dieſe⸗ Verpflichtung burch bie Taufe 


’ 


oft haben geltend machen wollen, tönnen fih darum nicht auf das 
hriftlihe Altertyum berufen. Bingham führt aus Auguftin Stellen 
an, daß 3. B. ausgefegte Kinder nicht von den erbetenen Taufzeugen, 
fonbern aus dem Kirchenärar erzogen und erhalten wurden. ' 

Ueber die Frage: Welche Perfonen als Zeugen und 
Bürgen zugelaffen werden dürfen! gab es fo viele Bes 
fliramungen und Anfichten, daß wir nur die vornehmften Regeln und 
Obſervanzen in dieſer Beziehung herausheben wollen. Zu diefen 
nun gehört: 

1) Daß ber, welcher Zaufzeuge feyn wollte, Fein Nichtchriſt, 
oder Latehumen, fondern ein in die Kirchengemeinfchaft auf: 
genommener, getaufter Chrift fei. 

2) Jeder Zaufzeuge mußte ein Erwachſener, Volljahri⸗ 


ger feyn und das geſetzliche Zeugenalter (HAıxlav, aetatem) haben. 


Kinder, auch wenn fie getauft und confirmirt "waren, wurden nicht 
zugelajien. 

3) Die Ausfhliegung ber Energumenen ſchien fi von 
feLbft zu verſtehen, deſſen ungeachtet bemerken die Kirchengefege aus⸗ 
druͤcklich, daß man, qui sana mente non sunt, entfernt halten muͤſſe. 
Blos bei den Schwach: und Blödfinnigen kommen zuweilen Fälle vor, 
welche die Gafuiften befchäftigen konnten. 

4) Die: Borausfegung war, dab jeder Faufzeuge in den 
Brundwabhrheiten des Chriftentbums unterrichtet 
fei, das Symbolum, Gebet des Herrn, den Dekalogus und andere 
Hauptſtuͤcke des Katechismus und der chriftlihen Sitteniehre kenne. 
Denn er follte ja die im Namen bes Zäuflinge befennen und dem⸗ 
felben zur Erlernung und Auskbung bebülflih feyn. In Augustin. 
Serm, 116 de temp. T. X. p. 852 heift e6: Ante omnia. symbo- 
lum et orationem Dominicam et vos ipsi tenete, et illie, quos 
suscepistis de sacro fonte, ostendite. Etwas ähnliches - mird ſchon 
früher in Dionya. Areopag. de Hierarch. eccles. e. IL gefordert, und 
auch fpätere Kiechengefege fchließen diejenigen aus, qui ignorant rudi- 
menta fidei. — Bei diefer Gelegenheit bemerkt Augufli in feinen 
Dentwürdigkeiten Thl. 7. p. 337: „Auch in der evangeliichen Kirche 
„findet man in mehrern Ländern ein Katechismus⸗Exramen der Gevats 
‚tern, befonders derjenigen, welche zum eriten Mate diefes Werk ver⸗ 
„richten, vorgefchrieben. In Sachen beſteht, fo viel ich weiß, dieſe 
„loͤbliche Einrichtung noch bis auf den heutigen Tag. Die Zaufjeugen. 


„muͤſſen vorher in der Pfarre erfcheinen, um die erforderliche Prüfung. 


„3% beftehen und nügliche Ermahnungen und Rathſchlaͤge zu empfangen.‘ 
— Referent, der mit den kirchlichen Einrichtungen in mehrern Ges: 
genden bekannt ift, hat wenigſtens m der neuern Zeit diefe Einrichtung. 
nicht gefunden, will aber darum gar nicht in Abrede feyn, daß fie frü⸗ 
her könne beftanden haben. — In wiefern die däretiker von der 
Befähigung, Taufzeugen abzugeben, andgefchloffen waren, wird fich 
fchidlicger weiter unten zeigen laffen. Noch iſt zu erwähnen, daß man 
auh wegen notorifher Laſterhaftigkeit Ercommuni- 
cirte (ob Alagitium excommunieati) und auh bie Buͤßenden 
von ber Befugniß des Gevatterſtehens ausſchloß. Die Abficht- Dabei 





v Taufe. 523 


war lobenswerth und fuͤr die Sittlichkeit und Diociplin von ben beſten 
Folgen. Man kann im Allgemeinen annehmen, daß die bei ber Zue 
laſſung zur Taufe befolgten Grundfäge, wovon fon früher gehandelt 
worden, auch für bie Taufzeugen angewendet wurden. | 
5) Dog die Mönche und Tonnen in den dltern Zeiten 
. da6 Pathenamt verrichteten, ja wegen ihrer Heiligkeit vorzüglich gern 
dazu gewählt wurden, Läßt fi duch eine Menge Zeugniſſe barthun. 
Aber ſchon das Cone. Antissidor a; 578. can. 25. verordnete: Non 
licet Abbati vel Monacho de baptismo suscipere filios et commatres 
habere , und ähnliche Verordnungen twieberholen fih ſpaͤte. Baums 
garten 1. 1. p. 488 führt dafür ald Grund an, weil Mönde 
und Ylonnen als beffändig Büßende angefeben 
wurden, Seit bem 9. Seculum finden wir auch die Aeltern aus: 
gefchloffen. So verordnet das Conc. Mogunt. a. 813. c. 55. Rul- 
lus proprium filium vel filiam de fonte baptismatis suscipiat. Aber 
. biefe Verordnung iſt nit eine allgemeine geworben, und felbft ber Ordo 
Romanus I. ftellt die Alternative: Presbyteri acceptis infantibus a 
“ parentibus vel patrinis eorum baptizent eos. Wir befchließen biefen 
Abſchnitt mit der Unterfuchung über bie 


Sahl der Taufzeugen. 


Es giebt darlıber in der alten Kirche kein Geſetz, baher fagt Boͤh⸗ 
mer 1. 1. p. 858 ganz richtig: Numerus patrinorum arbitrarius deli- 
ciente ecclesiastica.. In primitiva ecclesia, quot admissi ignotum 
est. Man fcheint einen oder mehrere Pathen gewählt zu haben, je 
nachdem es die Umflände rietben. In den Zagen des verfolgten Chris 
ſtenthums wählte man wohl in ber Mehrzahl. Dieß iſt um Jo wahr⸗ 
fheinlicher, da die fpätern Gefege, wo die Kirche von außenher in 
Ruhe war, immer nur einen Zaufjeugen vorfchreibt, der vom Ges 
ſchlechte des Taͤuflings ſeyn mußte. Nah Baumgarten 1. I. p. 488 
ift der, numerus ternarius im 13. Seculum verändert worden. Cono. 
Bajocens, e. 4. a. 1280. Conc. Wigorniens. c. 5. a. 1240. et 
Exoniens. e. 2. a. 1287., und mie er fih ausdrüdt, theild unter 
dem Vorwande, daß alle glaubwürbige Verſicherung auf mehrerer Zeus: 
gen Munde beruhen müffe, theild auch insbefondere mit Beziehung auf 
bie Dreieinigkeit. — Doc ift, fo fegt Baumgarten ebenfalls hinzu, 
im 14. Seculum an einigen Drten in Gallien nur Einer verflattet 
worden. — Noch ſpaͤter geftatten die Kirchenverordnungen drei Tauf⸗ 
zeugen. Das Cone. Trevir. a. 1227. c. 1. fteigt fogar bis auf vier. 
Ad levandum puerum de fonte tres vel quatuor admittantur. Quod 
amplius est, a malo est. Das Conc. Trident. Sess. 24. c. 2. 
ſchreibt Bategorifh blos 'einen Zeugen vor und beflimmt zugleich die 
geifttiche Verwandtſchaft in doppelter Beziehung. Die Proteftanten, 
welche die geiftliche Verwandtſchaft verwarfen, haben über bie Zeugen⸗ 
zahl keine feſte Beſtimmung. In Sachſen ift blos verordnet, Daß, 
geroiffe Fälle ausgenommen, die Zahl der Gevattern nicht über drei 
fteigen fol. Böhmer Ill, 859. Gerhard. Loc. theol. IX. p. 314. — 
. Bei unehelichen Kindern finden wir die Berfchiedenheit, dag bald nur 
zwei Gevattern erlaubt, bald ficben vorgefchrieben find. 





Yu zu 5 


Auf die Gleichheit des Geſchlechts warb in ber alten Kirche ſtren⸗ 
ger gebalten als in der neuen. Als Grund Tann bie früher ſchon 
angeführte Rüdfiht auf Decenz und Schamhaftigkeit anges 
führt werden. In fpätern Zeiten waren zwei Taufzeugen von verfchies 
denem Geſchlechte gewöhnlich. Bei breien pflegte man bei Knaben zwei 
männliche und einen weiblichen Zeugen, bei Mädchen hingegen zwei 
weibliche und: einen männtichen zu wählen. Und die ift noch jetzt 
die gemöhntiche Obfervanz, obaleich fie viele Ausnahmen erleidet. — Daß 
die Weiber von dem Gevatterftehen zu gewiffen Zeiten ausgefchloffen 
worden feien, ift eine grundfofe Behauptung, die unter andern von 
Wal. Strabo de reb. eccles. c. 26. gut wiberlegt worden iſt. Weber 
die Frage: Ob zwei Eheleute zugleich Pathenftelle vertreten koͤnnten? 
herrſchte Streit. Von Gevatterfchaften per pracurationem fehlt es auch 
nicht an Beifplelen. — Die Frage: Ob Jemand zur Gevatterfhaft 
gezwungen werden könne? wird in der alten Kirche nirgends berührt; 
defto mehr aber befhäftigt fich das neuere Stirchenrecht damit. Böhner 
jus ecceles, Protest. Tom. Ill. p. 858. Mit Anführung neuerer Kit: 
chen⸗ und Conſiſtorialverordnungen handelt ausführtich hiervon Schenk 
Zaufbuh p. 304 ff. Will man mehrere diefen ähnliche Puncte ver- 
handelt fehen, fo können dazu die gleich anzuführenden Monographien 
dienen, von welchen der Verfaſſer einige machlefen konnte. Vergl. 
J.G. Simon de patrinis. Jena 1678. 4. — A.Schuler de susceptorib. 
Wittenb. 1688. — Sm. Schelgvig de patrinis matrinisque (Gedani 
1689. 1722. 4.) Halle 1749. 4. — W. Wileke de fidejussoribus 
in ecclesia veteri. Wittenb. 1704. 4 — Gerhard v. Mastricht 


' susceptor , s. de susceptoribus infantium ex baptismo, eorum ori- 


gine, usu et abusu schediasma. Fkf. u. Lpz. 1727. 4. — Js. Lundt 
de susceptorum baptismalium origine. Strassb. 1755. 4. — GI. A. 
Jenichen de patrinis eorumque origine, numero et sexu. Giess. 


- 1757. 4. auch mit fein. Comment. de s. Pancratio. Lpz. 1758. 4. 


— 5 W. Köhler von den chriftl. Taufzeugen. Zwickau 1783. 8. — 
Ueber Zaufpathen, in ber Zettichr. Sion 1833 Febr. Nr. 24. Außer: 
dem befonder6 Menardus ad sacram. Greg. M. p. 107. — W. Sal- 
den Otia theol. (Amst. 1684. 4.) p. 530 seqg. — Mithi. Zim- 


mermann Analecta p. 158 seqq. — St. Baluze ad Capitularia Tom. ' 


2. p. 1178 und Mayer im Museum ministri ecclesiae Tom. 3. p. 
108 seggq. | 
X) Taufnamen. — Indem wir auf biefen nicht umwichtis 
gen Gegenſtand übergehen, werben wir ihn ber leichtern Weberfidyt we: 
gen vielleicht am beften behandeln, wenn wir zeigen " 
1) wie alle Culte, die fib auf Monotheismus 
gränden, etwas Bemeinfames in den Ylamen ba: 
ben. Daß aber, fobald das Chriftentbum fih in 
verfhiedene Kirhen eintbeilte, auch bier wieder 
befondere Öbfervanzen bemerkbar werden; 

2) daß das Hiftorifch = Antiquarifhe dabei fol- 
gende Puncte umfaffe: a) den Urfprung der Sir 
te, bei der Taufe den Namen zu ertbeilen, b) den 
YTamenswecdfel, oc) die Zeit, wenn der YIame pfleg: 


te ertheilt zu werden, d) wer den Taufnamen zu 





Zaufe. 535 


beflimmen batte, oe) welde Anforderung die Kirche 
an die Taufnamen madte. 

Die Namengebung (denominatio, nominis impositio) iſt -bei 
allen Völkern und Meligionen ein Punct von befonderer Michtigkeit, 
welcher nicht blos ein philofogifch: etymologifches, fondern auch ein 
biftorifches, ja ſelbſt theologifhes Interefie bat. Aus den Vornamen 
kann man die kirchlichen und nationellen Eigenthuüͤmlichkeiten erfennen ; 
und wenn gleich aus einzelnen Gallen und Zeiten, wo befondme Um: 
fände, Mode, bizarrer Geſchmack, Eigenfinn u. f. w. eine Ausnahme 
machen, kein fiherer Schluß aufs Allgemeine zu machen if, fo liegt 
doch in der Namengebung, und befonders in der Mamonsänderung, 
ungemein viel Charakteriftifches und Lehrreiches. 

Daß die Hauptreligionen: Judenthum, Chriftenthum und Jala⸗ 
mismus, die fih auf Monotheismus gründen, die meiften Vornamen 
mit einander gemein haben, ift Thatfache und nicht ſchwer zu erklären, 
Diefe drei Religionen find, wie fih Muhamed ausdruͤckt, die Familie 
des Buche (Obi al kitab), d. h. fie erkennen Offenbarungsutkunden 
als Glaubensnorm und Lebensregel an, und die Muhamedaner ins: 
befondere halten, aufer dem Koran, auch die heiligen Bücher der 
ChHriften für göttlid. In der Anertennung des A. T ſtimmen auch 
Suden, Chriften und Muhamedaner überein, und die darin enthaltenen 
Namen ausgezeichneter Perfonen find ihnen daher gefeierte und hei⸗ 
lige Namen. Die Namen Abraham, Jakob, Iſaak, Jos 
fepb, Mofes, Iofua, Samuel, David, Salome, Jo⸗ 
fias, Daniel, Hiob, Tobias, Klias, Sara, Rebecca, 
Mirjam (Maria), Hanna, Sufanna u. a. find das Ge⸗ 
meingut aller drei Meligionsgefellfchaften. Dazu kommen auch im X. 
und N. X. gemeinfhaftlihe Engelnamen: Babriel, Michael, 
Raphael; — ferner die Namen Johann, Joachim, Mat: 
thaͤus, Eliſabeth, Salome und viele andere. Es dürfte das 
her feine Webertreibung feyn, wenn man die Hälfte aller jüdifchen, 
chriſtlichen und muhamedanifhen Vornamen für biblifye und gemein: 
ſchaftliche erklärte. Etwas Eigenthuͤmliches ift es auch, daß alle bwi 
Religionen einen beflimmten Moment für die Nanengebung haben. 
Bei den Juden und Muhamedanern ift es die Befhneidung, 
und bei Chriften die Taufe und Lonfirmation. 

Dennod hat aller Harmonie ungeachtet jede diefer Religionen ihre 
eigenthümlichen und privativen Namen, wodurch fogleidy ein befonderes 
Religions⸗ und Kirchenverhältmiß bezeichnet wird. Daß die im Sus 
denthume weniger ber Fall if, rührt von dem böhern Alter und davon 
her, daß die beiden fpätern Religionen fi in die juͤdiſchen Namen 
getbeilt und nur wenige, gleihfam als nicht anfiändig und paflend, 
übrig gelafjen haben. Betrachtet man bdiefe mit einiger Aufmerkfam: 
keit, fo zeige fih bald, daß es hauptſaͤchlich die Namen folcher Perſo⸗ 
nen find, welde fih für das Judenthum im engern Sinne, für den 
Tempeldienft zu Jeruſalem, fü den Levitismus, Phariſaͤismus u. f. w. 
beſonders audgezeichnet haben. Wir rechnen bahin vorzugsmeife bie 
Namen Levi, Aaron, Lliefar, Pinehbas, Zadok, Kara, 
Ylebemias, Eftber, Mardochai, Barud, Hgillel u. a. 
Diefe wird man nie oder doch fehr felten hei Chriften oder Muhame⸗ 


b 


2 Taufe. 0 
danern finden. So fcheint ein Chrift oder Muhamebaner ben Namen 


Saul zu führen. Dagegen iſt er bei den fpätern Juden fehr häufig 


umd ſcheint gleihfam eine Art von Antithefe gegen den chriſtlichen 
Paulus zu fepn. Daß die Juden feit ihrer Zerſtreuung fo Häufig 
Namen von Thieren (Löwe, Wolf, Hirſch, Bär), oder Blumen und 
Fruͤchten oder Länder und Stäbten zc. führen, iſt zwar gewiß, jedoch bat 
der Verfaſſer einen recht gnügenden Grund davon nicht auffinden innen. 
Den Chriften charakteriſiren alle diejenigen Namen, welhe an 
das Object des chrifliihen Kultus erinnern, und daher von Juden und 
Muhamedanern möglichft vermieden werden. Bemerkenswerth ift be⸗ 
fonder® der Umftand, daß in der chrifllichen Kirche eine Menge von 
Namen vorhanden find, welche fi) auf Gott und auf die Pflichten gegen 


ihn beziehen. Man denke nur an bie Namen Gottlieb, Gotthold, 


Bottlob, Gotthardt, Gottfhalk, Bottwald, Bott 
fried, Traugott, Dankegott, Sürdhtegott, Lobegott, 
Bodeberta, Bodwine.un. a. Ferner an die griechifch > lateini- 
fhen Namen: Theodor, Theophil, Theäner, Theodos 
fius, Deocar, Deobdal, Amadeus u. f. w., oder die zuſam⸗ 
mengefegten Theobald, Theodobert, Theodemir, Theos 
dorich, Theodulph, Theodora, Theotine, Theude- 
linde und fo viele andere diefer Art. — Noch charakteriftifcher aber 
find die vielen Namen, melde ſich auf ben Stifter des Chriftenthums 


beziehen. Zwar wird man den einzelnen Namen Jeſus und Chriftus 


ober beide zufammen nicht finden, weil man ſich durch eine heilige 


Scheu vor bdiefen gepriefenen Namen, von welchen ſchon die heilige 


Schrift bezeugt, daß er der hoͤchſte und einzige fei (Philipp. 2, 9—11 
u. a. St.) vor jedem Mißbrauche und bee Profanation berfelben ab: 
hatten ließ. Den Namen Immanuel oder Emanuel brauchte 
man undbedenklich, eben fo Joſua, wovon doch Jeſus nur eine an: 
bere Sorm iſt. Aber fo wie man Sefus nte findet, fo kommen auch 
bie Bufammenfegungen hoͤchſt felten vor. Denn. die Namen Iſi— 
dor, Iſidora, Ifabella u. a. flammen nicht davon, fondern 
von Iſis ab und find heidnifchen Urſprungs. 

Deito häufiger find die Namen, welche fih auf die Verehrung 
Jeſu beziehen. Wir führen blos an Ehriftianus (welches zuerft 
Act. 11, 26. vorlommt) Chritophorus, Chriftiana, Chri: 
ſtina, Chriftophbine, Chriftlieb u. a Die Namen ber 
Apoftel und Evangeliften find ebenfalls in ber chriftlichen Kirche eins 


heimifſch, obgleich mehrere darunter .von Juden und Muhamedanern 
. gebraucht werden. Doch machen die beiden Apoftelfürften Petrus und 


Paulus eine Ausnahme. Endlich giebt das große Heer der Märtyrer 
und Heiligen der chriſtlichen Nomenclatur einen großen Zuwachs. 
Zwiſchen den verfchfedenen chriſtlichen Confeffionen findet man im 
Allgemeinen blos den Unterſchied, daß im der Latholifchen Kirche bie 
Heiligennamen, fowohl beim männlichen, als melblichen Ges 
fihlechte ein gewiſſes Webergemwicht haben. Als etwas Eigenthümtliches 


muß auch ber Name Maria für da6 männliche Gefchlecht in ber 


roͤmiſchen Kirche betrachtet werden, da ſich dafür bei den Proteflanten 
wohl nicht leicht ein Beiſpiel wird finden laffen. Der Name Sofeph 
ift in beiden Kirchen gleich Häufig im Gebrauche. Daß bei den Pro: 





‘ 


uf 37 


teſtanten fo häufig die Namen Martin, Philipp, Ulrich vor- 


kommen, ſcheint auf die Perfon der Reformatoren Beziehung zu haben. 

Höhft merkwürdig ift auch die Sitte der Tamensänderung 
(nominis mutatio), welche wir bei mehren alten Völkern, vorzugs: 
meife aber in unfern drei Hauptreligionen finden. Das aͤlteſte Bet: 
fptet Hiervon iſt 1 Mof. 17, 5. 15, wo bemerkt wird, daß In Be 
ziehung auf den mit Jehova gefhloffenen Bund Abram feinen Na: 
men mit Abraham, und fein Weib den Namen Sarat- mit 
Sarah vertaufhte. Aehnliche Fälle find Geneſ. 25, 380. 36, 1. 
32, 27 ff. 25, 10. u. a. Weberhaupt teitt im U. T. überall das Ge⸗ 
wicht hervor, welches auf Namen und Bedeutung derfelben gelegt wird. 
Sa, man fann behaupten, daß in der Gefchichte des A. T. Leine 
Begebenheit und Perfon von einiger Bedeutung vorkommt, wobei nicht 
der Name eine befondere Wichtigkeit Hätte. Es heiße überall nomen 
et omen! oder nad) dem bekannten Berfe: 


Conveniunt rebus nomina saepe suis! 


Sm N. T. kommen drei dergleichen Kälte vor, Luc. 1, 9 68. . 
Me. 16, 18. und in der Apoftelgefchichte die Namensveränderung des 


.Saulus in Paulus, bie fich jedoch auch aus der Sitte, einen Doppel: 


namen zu führen, einen hebräffhen und einen roͤmiſchen, erklären 
ließe. — Daß man auf ben Namen ein großes Gewicht legte, dafuͤr 
fpricht auch die Sitte, daß Mönche und Nonnen bei ihrer Einweihung 
in einen Orden einen fogenannten Kloflernamen annehmen müflen. 


Auch nehmen die neuerwaͤhlten Päpfte zu ihren zeitherigen Vor⸗ und 


Zunamen, als Oberhaupt der Eatholifhen Kirche, einen neuen Namen 
an, 3. B. Barnabas Chiaramonti den Namen Pius VII. und Alexan⸗ 
der Sanga den Namen Leo XII. Die Erzbiſchoͤfe, Bifchöfe und Achte 
legten, blos zum Behufe ihrer Amtsführung, den Samiliennamen ab 
und nannten fich blos nach ihrem Zaufnamen. Vergl. Jo. Fr. Krebs‘ 
Schediasma de mutatione nominum ia professione religiesor. et 
Pontific. Rom. inauguratione, Edit. 2. Lips. 1719. 4. . 


Was nun das Hiftorifch > Antiquarifche der Zaufnamen betrifft, fo. 
laͤßt fich der Urfprung der Namengebung (nominis impositio) am na⸗ 
türlichflen aus der Nahahmung der jüdifhen Beſchneidung, wobei 
zugleich ber Name gegeben wurde, erklären (Luc. 2, 21.). Jedoch fin: 
det man in dem N. 3. und bei den aͤlteſten Schriftſtellern Zuftinus 
Martyr, Tertullion, Origenes, keine Spur weiter davon. Man findet, 
wenn man diefen Gegenſtand geſchichtlich verfolgt, eine doppelte Ges 
wohnheit. Theils behalten bie Täuflinge den Namen bei, welchen fie 
vor der Taufe führten, wie dieß bei Conftantin dem Großen, Ambro: 
ſius, Auguftin, Gregorius von Nazianz und vielen andern ber Fall iſt, 
theil® aber findet man auch Beifpiele, daß den Erwachſenen bei der 
Taufe ein anderer Name beigelegt wurde. Als Kaiſer Tiheodofius der 
Zängere die Dichterin Athenais, Tochter des Sophiften Leontius, bet: 
zathen wollte, ward fie vorher vom Biſchofe Atticus getauft und empfing 
in der Taufe den Namen Eudokia, unter welchem fie in der Gefchichte 
befannt genug ifl. S. Socrat. hist. ecclen. 1. VII. e. 21. — Us. 
der heilige Petrus Balſamus vom Biſchofe -Severus wegen feines Na: 
mens befragt wurbe, gab er zur Antwort: Nomine paterno Balsamus 


“ 


Ro Zaufe 


-dieor, apirituali vero nomine, quod in baptismo Accepi, Pelrus 


dieor. Vergl. Brenner 1. 1. p. 168 —- 66. | 

So lange das Catechumenat beftand, fcheint der Name vor ber 
Taufe beftimmt worden zu feyn. Hierauf bezieht fich die oft erwähnte 
Sitte der Anmeldung und bes Kintragens in die Zaufregifte. S. Cy- 
rilf. Hieros. Catech. Ill. — Gregor. Nyss. orat. in eos, qui differ. 
bapt. — Augustin Confess. J. IX. de fid. et operib., wo das dare 
nomen vorkommt. Nach Dionys. Areopag. de hierarch. eccl. c. 2. 
fol nicht nur des Taͤuflings, fondern auch des Buͤrgens (avadoxog) 
Name in die Bücher eingetragen werden. Hier hätten wir alfo ein 
Analogon von den Zaufliften unfrer Tage aus der früheften chriſtlichen 
Zeit. — Zn vielen Källen fcheint die Gewohnheit geweſen zu feyn, 
zu bem gewöhnlichen Vornamen noch einen, oder ein Paar neue hin⸗ 
zuzufügen, fo daß daraus die fpätere Sitte der Namensvervielfältigung 
zu erklären wäre. \ 

Die Frage: Wer den Taufnamen zu wählen und 
zu beftimmen hatte? fit nad) verfchtedenen Zeiten und Verhaͤlt⸗ 
niffen verfchjieden zu beantworten. Bei der Taufe der Ermachfenen und 
Münbdigen ftand diefen das Namenrecht zu. Sie konnten alfo ihren 
bisherigen Namen beibehalten oder demfelben noch einen neuen hin⸗ 
zufügen, oder auch einen andern annehmen. Hier hatte das nomen 


dare feine eigentlihe Bedeutung. — Zur Zeit der Kindertaufe trat 


das bei den Juden und Römern genau beftimmte Recht der Aeltern, 
befonders de6 Waters, in feine volle Gültigkeit, ein. Bei den Kindern, 
welche erſt einige Fahre nad) ihrer Geburt getauft wurden und bereits 
einen Namen führten, verführen die Aeltern gerade fo, wie die Er: 
wachſenen für fich felbft thaten. — Diefes Alterlihe Rechte war um 
fo mehr auf die Taufzeugen und Bürgen übertragen, da die Aeltern 
ſehr Häufig diefes Amt verwalteten und ber Ausdrud: Pater spiri- 
tualis oder lustricus auf eine Stellvertretung hinwies. Im Rodesfalle 
der Aeitern traten fie in diefer Hinſicht ganz in ihre Stelle, baber es 
oft blos von den Pathen abhing, wie das Kinb heißen follte. Wenn 
man zwei ober drei ober noch mehr Gevattern hatte, pflegte das Kind 
von jedem einen Namen zu erhalten, woraus ſich ebenfalls Die befon- 
ders in Deutfchland übliche Vielnamigkeit erklären läßt. Daß zuweilen 
ber Käufer den Namen gegeben habe, erhellt aus mehrern Beiſpielen. 
Nur läßt ſich nicht beflimmen, ob er dieß als Taufzeuge, oder aus 
Uebertragung, oder aus einem befondeen Amtsrechte gethan habe? 
Das Legtere dürfte ſchwerlich bemiefen werden können. — Dagegen 
leidet e8 keinen Zweifel, daß dem Geiſtlichen eine gewille Concurrenz 


„and Gonteole zuſtand. Ihm mußten die Namen zuvor mitgetheilt 


werden, damit er fie prüfen und unfhidliche zurüdweilen könne. Cr 
hatte in biefer Hinficht ein Veto, mie es mehrere Kirchengefege beflim: 
imen. Auch in der proteftansifchen Kirche findet man ähnliche Verord⸗ 
nungen. Möchten fie nur bei dem allgemeinen Hange unferer Zeitges 
noſſen, auffallende, dee Romanenlectuͤre entlehnte Namen zu waͤhlen, 
beachtet twerden können. ©. Philippi's Woͤrterbuch des Churfächfifchen 
Kirchenrechts in dem Artikel Taufname. 

Hiermit hängt ein dereits erwaͤhnter Punct zuſammen, daß die 
Kirche Namen fordere, welche den Charakter des Chriſtenthums aus⸗ 





Zaufe, | E77, 


druͤckten ober am eine befondere chriſtliche Pllicht und Tugend erinnerten. 
Man hielt auf 7d naAdy Dyoua 70 Inımdindir da nnäs (Jac. 2, 7. 
eoll. 1 Petr. 4, 14— 16. u. a.) und derwiet auch in diefer Hinficht auf 
Jeſus Chriſtus und feine Heiligen. Schon Chrofoflomus Hom. XXT. 
in Genes. erinnert, daß man bei ben Namen neu aufgenommener 
Chriſten nicht auf berühmte Vorfahren, fondern auf die heiligen Pers - 
fonen, welche Mufter der Tugend und Gottſeligkeit geworden fepen, 
feben müffe. Man wählte darum die Namen der Apoſtel, Märtyrer 
und Heiligen. 9. Niceph. hist. eeoles, I. Vi. « 22. Vorzuͤglich 
waren die Namen Petrus, Paulus und Johannes gefchägt, 
Uber auch folhe Namen wurden gewählt, weiche an cheiftliche Namen . 
in abstracto erinnerten, 3. B. Eufebius, Eufebia, Pius, Fidus, Fide⸗ 
is, Charitas, Gratianus, Innocentius u. a. — Auch auf die kirche 
chen Zaufzeiten bezogen fih mande Namen, 3. B. Natalie, Epis 
phanius, Pafhafius, Paſchalis (Pascal) u. a. Die Thiernamen Leo, 
Aſellus, Pecorius, Urſula, Columba, Columbanus u. a. wurden, wie 
Brenner p. 16% bemerkt, aus chriſtlicher Demuth gewählt. 

Menn die Synode zu Bordeaur (Cono. Burdigal. a. 1538.) 0. IX. 
feftfegt: Nomina Sanetor. Patr. V. T. affeetare haereticorum est, 
fo bat dieß offenbar eine Beziehung auf. die Reformirten, welche bie 
Heiligennamen zu verdrängen und altteflamentarifche. Namen an beten 
Stelle zu fegen fuchten. Wirklich findet man auch unter den ältern Mes 
formirten faſt nug biblifhe Namen, z3. B. Moſes, Ezehiel 
Gabriel, Jofüs, Judith, David, Salomo, Eſaias, 
Seremias, Sufanna u a. Dieb if wohl auch der Grund, 
. warum der Cstechism. rom. ed zur Pflicht macht, dem Xäuflinge den 
Namen eines chriftlichen Heiligen. beizulegen. Von diefer Sitte wich man 
aun in neuerer Zeit fehr häufig ab, und welche Urfachen dieß auch haben 
mochte, fie weifen doc) alle auf. einen gewiſſen kirchlichen Indifferens 
tismus bin. Am auffallenditen zeigte fich dieß zur Zeit der franzoͤſiſchen 
Revolution, wo fih der Haß gegen Kicche und Priefterthbum unter 
andern auch in der Verbannung aller altchriftlichen Taufnamen aus: 
fprah. Es war in den erfisn Jahren ber Republik ganz gewöhnlich, 
die Vornamen: Liberte, Egalite, La Fayette, Marat, Sansculotte, 
Carmagnole u. f. w. zu finden. Selbſt in diefen Abfurditdten fprach 
fich das Bedürfniß eines bedeutungsvollen Namens aus. Wie man 
aber bald von diefen Webertreibungen. zuruͤckkehrte und bie ‚frühere oder 
doch anfländigre Sitte felbft durch Stautögefege wieder einzuführen 
fuchte, ift unter. andern in Schenks Taufbuch p. 431 gezeigt. — Aber 
auch mehrere deutfche Regierungen, 3. B. bie preußifche, haben fich 
veranlaßt gefehen, dem Unfuge mit abenteuerlichen Taufnamen, wel⸗ 
her auch im Eatholifchen und proteftantifhen Deutfchland eingeriſſen 
war, Grenzen zu fegen.: Doch war dieſer Gegenſtaͤnd zeither mehr 
Sache der bürgerlihen, als kirchlihen Polizei. Wenn ber Zweck er: 
veicht wird, kann e6. ziemlich gleichguͤltig ſeyn, ob die Verordnung vons 
Staate oder von der Kirche ausgehe. Vergl. Dr. Mart. Luthers Tauf⸗ 
büchlein, 1597. Neu edirt mit Anmerkk. von Godofr. Wegener. 
Lips. 1674. — Jo. Henr. Stuss de nominum mutatione sacra, 
Goth. 1755. — H. A. Meinders de nominib. et cognominib. Ger- 
manor. et alior. populor. septentr. vet. ©. Miscell. Lips. T. VI. 

Siegel Handbuch IV. 34 





x 


530 Zaufe. 


p..1 seqq. — Catalogus nominum pr. in Goldasti Antiq, Alemann. 
' Tom. Il. p. 92 seqq. — J. G. Eccarti hist. stadii etymol. p. 87 
seqq. — L. A. Muratorii Nov. Thesaur. T. I. — Til, D. Wiarda 
über deutihe Vornamen und Geſchlechtenamen. Berlin und Stettin 
1815. 8. — 3. Ch. Dolz die Moden in ben Zaufnamen, mit Angabe ’ 
der Wortbedeutung diefer Namen. Lelpz. 1825. 8 — Beſonders 
wichtig aber ift bier Wilh. Schenks Taufbuch. Welmar 1808. p. 
— 7. 

XI Streitigkeiten mit den Zaretikern über die 
Taufe und eigenthümliche Taufgebräude der Les 
tern. —: In Afrika und Kleinafien dachte man ſchon zu Anfange 
des 3. Jahrhunderts von ber buch Nichtlatholifche, d. i. Keger, ertheil> 
ten Taufe ſehr verächtlih. Auf der Kirchenverfammiung zu Garthago 
im Sahre 215 erklärte man fie für unwirkfam und ungültig. Alte 
son den Haͤretikern Uebertretende pflegte man daher in obbemerkten 
Ländern von neuem zu taufen. Als die Novatianer alle, bie zu ihnen 
übergingen, noch einmal tauften, wurbe man audy zu Rom, wo man 
die übertcetenden Haͤretiker buch die Bußſtufen zur Aufnahme bisher 
vorbereitete, zur. Umtaufe geneigt. Aber auch auf ber Synode zu Iko⸗ 
nium in Phrpgien erklärten ſich alle phrygifche, galatifche, ciliciſche und 
» andere Vifchöfe gegen die Gültigkeit der Kegertaufe. — Mehrere Bis 
ſchoͤfe in Europa aber erinnerten, daß man body die Abgefallenen, die 
Sögen geopfert, und fo die Keaft der Taufe in fich ausgelöfche hätten, 
nicht umtaufen, fondern bei ihrer Rüdkehr nur 
buͤßen ließe Ba 

Allein Cyprian vertheibigte dieſe Umtaufe auf einigen in den Jah⸗ 
ven 255 — 56 gehaltenen Kirhenverfammlungen zu Carthago und in 
verſchiedenen Briefen ep. 69— 75. — Als die zweite genannte Synode 
in einem Spynodalfchreiben (ep. 72. bes Cyprian) den damaligen roͤmi⸗ 
fhen Biſchof Stephanus (vom Sabre 255 — 57) von dieſen Beſchluͤſ⸗ 
fen in Kenntniß feste, gab dieſer flolz eine mißbilligende Antwort: 
Man müffe Beine Vleuerung maden und dem Härte 
tier bei feiner Buße die Hände auflegen; denn 
wer im Namen Jefu getauft worden, fei erneuert 
und gebeiligt. 

Diele heftige Briefe nun wurden zwifchen Cyprian und Stephanus 
gewechfelt (f. Cyprian ep. 74. und 75.; ber leute iſt Firmilians Brief 
an ben Cyprian). Stephanus, der voller Anmaßung fchrieb, ſchloß ſogar 
den Cyprian und alle mit ihm gleichbentende Afrikaner von ber Kirs 
chengemeinſchaft aus, und verbot mit Härte feinen Pfarrkindern zu Rom, 
Geſandte ber Afrikaner zu beherbergen. Dennoch erneuerten ‚diefe auf 
einer dritten Kicchenverfammlung zu Carthago am 1. September 256 
ſehr nahbrädli ihre Meinung. Firmilian bezeugte ihnen mit bittern 
Bemerkungen: über Stephanus bie völlige Zuflimmung der Kirchen feis 
nee Provinz, und Dionyfius, Biſchof zu Alerandeien, mißbilligte 
wenigſtens da6 Benehmen des Stephanus. — Erſt nad Stephanus 
und Cpprians Tode (256 — 57), und als die Walerianifche Verfolgung 
ausbrach, bewirkte die Politik, daß ein Theil den Sag von der Rechts ' 
mäßigleit ber Umtaufe der Keger fallen lieb; denn man ſah, daß fonft 
Häretiter vom Heruͤberkommen abgefchredt: werben würben. Es blieb 


Zaufe. 531 


nun .babei, wer von ben Baͤretikern irgend gehörig 
etauft fei, braude nidht umgetauft /u werden. 
Man folle einen ſolchen nah dem Symbol ber Taus 


fe, d. i. ober auf Dater, Sohn und heiligen Beift . 


getauft fei, fragen, und ibm, um den heiligen Geiſt 
zu empfangen, die Hände auflegen. ' Belenne er 
aber diefe Dreibeit nicht, fo folle er getaufs wers 
den (f. Conc. Arelat. c. 8.), Vergl. Euseb. hist, eceles. o. 8, 4. 
7.8 — J.W. Gutbier III dissertt. de controv. circa haeret, 
rebaptizandos olim mota. Lips. 1689. 4. — dJ. Launoy Opera 
Tom. IL. P. 2. p. 170—94 (Cöln 1731. Fol), — Natalis Alexan- 
der Hist. ecclesiast. Tom, Ill. p. 685— 91 und 696— 98 (Paris 
1714. Fol.) — EI di Amato Parere sä le brighe trä Stefano Papa, 
e Cipriano di Cartagine, intorno al rebattezare gli eretiol. In 
fein. Lettere erudite Tom. Il. p. 232 — 41 (Genua 1715. 4.) — 
Boysen Acta intra Cyprian. et Stephan. in disceptat. do haeret. 
baptiz. Lips. 1762. — Walde Hiftorie der Kegereien 2e Bd. p. 
810—84. — Gieſelers Lehrb. der RS. Ir Bd. p. 223 f. — 
Schrödh Thl. 4. p. 322— 41. 
| Schwerer iſt es von ben Taufgebrtaͤuchen ber Häretiker etwas völlig 
Deutlihes und Gnügendes mitzutheilen. Die darüber vorhandenen 


Nachrichten find zu dürftig, ald daB man baraus einen vollſtaͤndigen 


Begriff von den Einweipungen jeder einzelnen Partei bekommen koͤnn⸗ 
te; denn die Schriften dee Häretiler felbft haben die Orthodoren vers 
tilgt und erwähngn dann nur fo viel von bdenfelben, als ihnen gerade 
gut duͤnkt. Auch ermangeln fie nit von ben ihnen am meiften 
verhaßten Parteien die abfcheulichften Dinge zw erzählen. 

Mir werden vielleicht in die dürftigen. und zum Theil verworrenen 
Nachrichten von den Taufgebraͤuchen der Häretiler dadurch einiges Liche 
bringen, daß wir die Puncte näher bezeichnen, in welchen bie letztern 
‘von der rechtgläubigen Kirche entweder wirklich oder vorgeblich adwichen. 
Dahin dürften zu rechnen ſeyn die abweichenden Anfihten a) vom 
Gebrauhe oder Tlihtgebraude der Taufe, b) von 
dem Subjecte, o) von der Materie, d) von der Sorm 
der Taufe, e) von der Taufformel. 

, 2) Schon alfo über Gebrauch oder Vichtgebrauch 
der Taufe follen abweichende Anfihten zwiſchen ber rechtgläubigen 


Kirche und den Haͤretikern Statt gefunden haben, inige gnoftifche . 


Dartefen wollten nah Irenaͤus gar Beine dußern und finnlihen Sym⸗ 
bole anwenden, indem fie meinten, „das Geheimniß der unausſptech⸗ 
„lichen und unfihtbaren Kraft dürfe nicht durch vergänglide Dinge 
„vollzogen werden.” Damit ſtimmt aud bie Nachricht von Theo⸗ 
boret 1. 10. über Askodruten' überein, welde behaupteten, die 
göttlichen Mpfterien dürften nicht durch finnliche Gegenflände vollzogen 
werden, weil fie Symbole bes Unfichtbaren wären; eben fo wenig das 
Unkörperliche als etwas Sinnliches und Koͤrperliches. Deshalb taufen 
fie diejenigen nicht, welche bei ihnen eingeweiht zu werden wuͤnſchen 
und die Myfterien der Taufe werden bei ihnen gar 
nicht gefeiert; denn fie nennen die Erkenntniß des Alls die Ver 
föhnung. Mehrere Häretiker wichen aud) von der etgläubigen Kirche ab 





532 oo Taufe. 
bd) in Beziehung des Subjects der Taufe, oder 
wie wir uns in biefem Artikel Ne. IL ansgebrüde haben: ‚Weiche 
Derfonen getauft wurden? Wir haben dort gezeigt, daß alle ohne 
Unterfchiedb in der rechtglaͤubigen Kirche getauft wurden, bie nicht 
unter den Ausnahmen begriffen waren, welche die Kirche nach und 
nad) feftzufegen für gut befunden hatte. Vergl. den Abfchnitt Pr. IE. 
Dagegen follen die Marcioniten blos den Unverheiratheten, nicht 
aber den in der Ehe Lebenden die Taufe ertheilt haben. Tertull. 
adv. Mare. 1. I. c. 39. IV. ec. 2. 24. V. c. 7. Berge. Mänters 
Alterthümer der Gnoftiter p. 96— 103. Nah Beaufobres Mel: 
nung Hist, du Manich. Tom. Il. p. 123 würde dieſe Angabe bahin 
zu berichtigen feyn, dab die Marcioniten zur Zeit des Epiphanius den 
Eheleuten die Aufnahme in ben erſten Grad ihrer Einweihung geſtat⸗ 
ten, fie aber von den folgenden Stufen ausfchliegen. Es mußte alfo 
hei diefen Häretilern die Taufe jene Myſterienform haben, die fi in 
ihren verfchledenen Abftufungen tenntlih made. Daß Marcion nun 
wirklich eine dreifache Abftufung hatte, lehrt Epiphanius mit deutlichen 
Worten. 42, 3. Nah Münter p. 508 waren bie drei Zaufen Mar: 
etons drei verfchiedene Einweihungen. Die erfte war die allgemein 
chriſtliche, durch welche der Eatechumen zum Belenntniffe der Religion 
aufgenommen wurbe; bie zweite die Aufnahme ber Teislwv und bie 
dritte vieleicht eine befondere Ordination zum Lehramt. — Auch 
ſollen die Mareioniten darin, was das Subject ber Taufe betrifft, von 
der rechtgläubigen Kirche abgemwichen ſeyn, daß fie Verſtorbene tauften. 
Wir Haben diefen Fall bereits oben nach einem Berichte des Chryſoſtomus 
Mr. IL in diefem Artikel angeführt. Sedo iſt Münter p. 109— 14 
der Meinung, daß dieß nur eine befondere Art Nothtaufe geweſen fel. 
Akein wenn man nad) dem Berichte des Chryſoſtomus ben Umſtand 
wrwägt, daß fich dieſe Häretiter auf die Stelle 1 Cor. 15, 29. berufen 
haben, fo dürfte Muͤnters Comjectur nicht ausreichen. — Divergirende 
Anfihten der Haͤretiker und ber techtglaͤnbigen Kirche finden auch Stats 
in RN auf 0 
0) die Materie der Taufe. Diefe blieb, wie wir im 
VE Abſchnitte dieſes Artikels gezeigt haben, In ber vechtgläubigen Kirche 
als Regel ſtets das Waſſer. Dagegen verwerfen die Seleucianer. umb 
Dermianer die Taufe mit Waffer, meil fie glaubten, bie Seelen ber 
Menſchen beftänden aus Geiſt und Feuer und beriefen fih auf bie 
Worte des Johanneq: „Der nach mir kommt, wird euch mit Geift 
wub Feuer taufen.” Dieb beftdtige Auguftin de haeres. LIX. wenn 
er ſchreidt: Deshalb hielten fie das Waſſer flır zu gering, und glaubten, 
Johannes babe daffelbe nur vorläufig zu feiner Taufe gebraucht, fie aber 
müßten als Chriften Feuer anmenden, durch welches fie ihre Taͤuflinge 
zogen. Mehreres hierher Gehörige iſt von uns im VI. Abfchnitte bereits 
angeführt worden. — Haͤretiker und Nechtgläubige wichen auch ab 
d) in der Sorm der Taufe. Was wir darunter verfichen, 
ft bereits von uns im VII. Abfchnitte biefes Artikeld gezeigt worden. 
Daß ſich die rechtglaͤubige Kirche einer Taufform bediente, wobei das 
Schamgefuͤhl moͤglichſt ſolle geſchont werden, haben wir hin und wies 
der in dieſem Artikel demerkt. Allein dieß ſoll nicht immer bei dem 
Haͤretikern der Fall geweſen ſeyn. Daher ſagt Cyrill in der ſechsten 





d 


Zaufe. 539 
Catecheſe, „daß bie Taufe ber Haͤretiker in Gegenwart der Männer 
‚und rauen vorgenommen wurde, und baß fie fi) dabei fo grobe 


„Ausichweifungen zu Schulden kommen liefen, daß er gar nicht weiter 
„davon zu fprechen wage.” Aehnliche Befchuldigungen findet man auch 


bei andern Kicchenvätern, wie es denn bie Rechtgläubigen überhaupt lies 


en, Ausfchweifungen in ber Wolluſt den Haͤretikern vorzumerfen. — 
iv haben oben gefehen, daß bie, redytgläubige Kirche ein dreimaliges: 
Untertauchen bei der Taufe für nöthig erachtete, und —F um gewiſſer 
dogwatiſcher Anſichten willen, Auch hiervon finden wir Abweichungen bei 
ben Haͤretikern. Nah Theodoret KG. Ar Bd. nahm fhon Eunomins 
zuoit Aetius, ein arianifcher Hauptbogmatiter, deſſen Anhänger ſich auch, 
unomianer nannten) hierin Verändeeungen vor. Die Worte Theodorets 
find: „Er änderte auch den von dem Herrn and ben Apofteln überlieferten 
„Gebrauch bei der Taufe, indem er etwas Entgegengeſetztes einführte und. 
„sagte: man braudye den Taͤufling nicht dreimal unterzutauden, aud) 
„nicht die Dreiheit anzurufen, fondern es fei genug, einmal\auf dem: 
„Tod Jeſu unterzutauchen.“ Sokrates 5, 33. beftätigt diefe Nachricht, 
Epiphanius und Theodoret erzählen vereint von diefen Cunomianern ;- 
„Sie hätten die Taͤuflinge nur bie an die Bruſt eingetaucht; denn bie 


„übrigen Theile des Körpers bielten fie nicht für würdig, vom Waſſer 


„benegt zu werden. Zu bdiefem Endzwede mußten fie den Täufling 
„umkehren, daß die Füße in die Höhe und der Kopf nach unten, 
„komme. Davon wurden fie fpottweife Joornodes genannt.” Mehrere 
ſolche Abweichungen hat Bingham in den unten anzuführenden Stellen 
erwähnt. Zum öftern erlaubten fi auch die Haͤretiker Abweichungen 


0) mit der Taufformel, Wir haben oben gefehen, daß 
bie bei Matthäus erwähnte Taufformel die eigentliche Formula zo- 
lemnis in der alten und neuen Kiche war und blieb. Aber auch hier 
finden wir Abweichungen bei den Häretilern, indem fie dieſe Zauf 
formel entweder gar nicht brauchten oder ſie vielfältig verfaͤlſchten. 
Diefer Punct ift am gründlichfien von Bingham bearbeitet Antiquit. 
I. IX. ce. 3. $. 4., Überfhrieden: De mutationibas in forma baptismi 
factis. So fol Menander verlangt haben, daß auf feinen Namen 


getauft würde, indem er fich ſelbſt für den Heiland audgab, und fagte, 


daß alle, die auf ihn getauft würden, erloͤſt wären, auch im bdiefem 
Leben Macht erhielten, die Weltkraͤfte fi unterwärfig zu machen. 
&. Bingh. 1. 1. p. 172. — Bon den Montaniften heißt.es, fie hät: 
ten auf dem Vater, Sohn und Montanus oder die Priscilla ‚getauft, 
oder wohl gar auf den Montanus, die Priscilla und die Maximilla: 
Mehrere Gnoftiter dedienten ſich ‚bei ber Taufe fyriſcher und chaldaͤi⸗ 
ſcher, auch hebräffcher Medensarten, um entweder, wie bie Rechtglänbts 
gen ihnen Schuld geben, durch die fremden Auodruͤcke das Geheimniß⸗ 
volle ihrer Lehre und Gebräuche zu erhöhen, oder, was wahtſcheinli⸗ 
Her ift, jedoch von jenen nicht geſagt wird, weil die Gnoftifer haupt⸗ 
faͤchlich in Syrien ihren Urſprung genommen. hatten, folglich ihre 
Lehre und andere Vorſchriften in dieſen Sprachen aufgezeichnet waren. 


Noch iſt die verſchiedene Anfichg Über die Arlaner, mas namente 


ich ihre Taufformel und andere Gebräuche betrifft, zu bemerken. 
Manche Väter und Kirchenfchriftfteller geben ihnen das Beugniß, daß 








Ve Laufe, 


fie mit der Taufe Beine Veränderung vorgenommen ‚hätten. Theodoret 
4, 2. fagt: „In Hinſicht der Anrufung bei der göttlihen Taufe bat 
„Arius doc nicht gewagt, eine Aenderung zu machen, fondern er lehrte 
„mach dem Gebete des Deren, im Namen des Vaters, des Sohnes 
„und des heiligen Geiftes taufen,” Auch Auguftin und Sozomenus 
beftätigen die. Deshalb mochte wohl auch der Kaifer Conftantin kein 
Bedenken getragen haben, fih bei feinem herannahenden Ende von 
den Arianern taufen zu Laffen. " 

Deſſen ungeachtet verfihern Andere das Gegentheil. Epiphanius 
Haeres. 68. fagt: Die Arianer taufen im Namen des unerfhäffenen 
Gottes, im Namen des erfchaffenen Sohnes und im Namen bes heis 
ligenden Geiſtes, der von dem erfchaffenen Sohne hervorgebradht wors 
den iſt. Aehnliche Formeln werden auch von andern Kirchenlehrern 
ben Arianeın Schuld gegeben. 

Diefer ſcheinbare Widerſpruch laͤßt fich vielleicht auf eine boppelte 
Art Iöfen, wenn man entweder frühere ober fpätere Arianer unterfcheis 
det, oder daß man mit. Schöne annimmt, diefe Formeln rühren nicht 
felbft von den Arianern her, fondern feien blos willführlihe Deutun⸗ 
gen der Rechtglaͤubigen. Dieß Wenige über die abweichenden Taufge⸗ 
braͤuche der Haͤretiker wird für unfern Zweck binreihend fern, ba wir 
dadurch bemerkbar machen wollten, theils daß fich bier wirklich die 
Häretiter Ueberfpannung und Schwärmerei zu Schulden kommen lies 
Ben, theild auch um den Grund zu beflimmen, warum die rechtgläus 
Bige Kicche auch bei der Taufe gewiffe Puncte mit entfchiebener Bes 
harrlichkeit feſthielt. Außer der bibliſchen und traditionellen Auctorität 
ſchien dieß auch ihre Stellung den Haͤretikern gegenüber zu fordern. 
Dat es für Jemand Äntereffe, biefen Gegenftand tiefer aufzufaffen, fo 


wird er gute Materialien dazu finden in Jo. Orsi de baptismo in 


nomine Jes. Christi et de haereticis, qui baptismi formam olim 
adulterarunt. Mediol. 1735. — P. E. Jablonski Dissert. hist. theol. 
de baptismo Arianor, veter. in SS. Trinitatem. S. Opuscula edit, 
de Water Tom. IV. Lugd. Batav. 1813. — Muͤnters Verſuch über 
die kirchl. Alterthümer der Gnoſtiker. Anſpach 1790. p. 86 — 137. — 
. Vossii dissert. de baptismo. Dissert. Il. XVII. XVII XIX. S. Opp. 
Tom. VL — Bingh. Antiquit. eccl. Tom. IV. p. 165 seqg. (man 
vermißt die logiſche Ordnung in diefem Abfchnitte mehr ald andermärte). 
— Die Taufgebräuche der Häretiler in Auguſti's Denkwuͤrdigkk. 7r 
Bd. p. S61 ff. — Schönes Geſchichtsforſchungen Th. I. p. 173— 
79. Thl. I. p. 300— 308. 

XII) Taufe in dem Rultus der heutigen dhriftlia 
ben Welt. — Gehen wir auf die Zeit der Reformation zurüd, die 
den chriftlihen Kultus fo weſentlich umgeftaltete, fo hat fie in Abſicht auf die 
Zaufe weniger Veränderungen herbeigeführt als in der Lehre vom Abend⸗ 
mahle. Auch die Proteftanten fahen die Taufe als einen nothwendigen 
Einweihungsritus an, weil er von Sefu verordnet fei, behielten des⸗ 
bald die Zaufformel, das Glaubensbekenntniß und andere Einrichtuns 
gen bei, bie ſchon das apoftolifche Zeitalter und die darauf unmittelbar 
beginnende alte Kirche kannte, a auch felbft.den Sakramentscharakter 
der Zaufe erfannte man an und es machte fi auch bier ber Grundſatz 
ber Reformatoren geltend, alles auf die Einfachheit der R. X. Anords 








Kaufe. 338 


nung und der Praris der alten chriſtlichen Kirche zurückzufuhren. 
Dieß iſt der Grund, warum zwar die Proteſtanten im Weſentlichen, 
was die Taufe betrifft, mit dem Kirchenſyſtem der griechiſchen und roͤmiſch⸗ 
katholiſchen Ehriften übereinftimmen, aber im Rituellen vielfach abweichen. 
Die dogmatifhen Anfihten von der Taufe gehören aber mehr ber’ 
Dogmengefchichte und der kirchlichen Symbolik an. Wir verweifen 
darum in ber legtern Beziehung auf Winer's comparative Darftellung 
des Lehrbegriffse 2. Auflage, wo man p. 127, 130 und 133 niche nur 
die verfchiedenen dogmatiſchen Anfichten ber drei Hauptkirchen in ber 
chriſtlichen Welt Über die Zaufe findet, fondern auch feibft die Beſtim⸗ 
mungen barüber. bei den Bleinern Parteien, die fih zum Proteſtantis⸗ 
mus zählen. Auch über die fogenannten Kaufgefinnten oder Wieder 
täufer iſt dort das Nöthige in dieſer Beziehung angedeutet, die in 
Deutfchland, in der Schweiz und in den Miederlanden in der erſten 
Hälfte: des 16. Jahrhunderts gleich bei und nach der Meformation 
Luthers entflanden. Wir haben es bier nur mit dem PRituellen ber 
Kaufe zu thun, wie «6 fi nad glaubwürbigen Nachrichten in den drei 
Hauptkirchen der Chriftenheit geſtaltet. Machen wir den Anfang j 


a) mit der orientalifh=egriehifhen Kirche. Sie 
behauptet, auch hier das chriflliche Alterthuͤmliche am meiften ſich bes 
wahrt zu haben, obgleih, wie wir ſchon in dieſem Artikel erwähnt 
haben, ihre gebrauchten Gründe vieles zu wuͤnſchen übrig laffen. Was 
bier rituelle Obfervanz fei, dürfte fih etwa in Kolgendem bemerklich 
madhen: ‚Das Kind belommt den Namen nit bei der Taufe, fons 
„dern vorher, entweber am Tage der Geburt oder am folgenden Tage. 
„Befunde und muntere Kinder bleiben oft lange ungetauft und Die 
„Taufe verzieht fi) wohl gegen 20, 30 und 40 Tage. Ehe ein Kind 
„getauft wird, wird es erft zum Catechumen gemadht. Endlih ver: 
„richtet man die Zaufe, nicht durch Beſprengung, fondern. bucch drei: 
„maliges Untertauchen. Dieß alles gefchieht mit vielen Umſtaͤnden.“ 


„Wenn eine $rau entbunden ift, kommt der Priefler (Pope) noch 
„an dem nämlichen oder folgenden Tage in das Daus der Woͤchnerin 
„und ſpricht ein beflimmtes Geber für fie und das Kind. Hierauf 
„macht er betend das Zeichen des Kreuzes an die Stirn, an den 
„Mund und an die Bruft des Kindes, und fpricht dann: O Herr, laß 
„das Licht deines Angefichts über diefen deinen Knecht (hier giebt er 
„den Namen, indem er denjenigen Namen nennt, den ba6 Kind has 
„ben fol) gezeichnet feyn und laß das Kreuz feines eingebornen Sohnes 
„im fein Herz und feine Sinne gezeichnet ſeyn, Daß es gehorchen möge 
„deinen Geboten. Das Kind empfängt ordentlicher Welfe den Namen 
„des Heiligen, der an dDiefom Tage im Kalender fteht, doch giebt es, 
„auf Verlangen der Aeltern, wenn biefe einen $amiliennamen geben 
„wollen, öftere Ausnahmen. Das gemeine Volk glaubt, daß Diefer 
„Kalender s Heilige eine befondere Aufficht auf das Kind, während ſei⸗ 
„nes ganzen Lebens, habe. Der Megel nad) follte das Kind am achten 
„Rage zur Kicche gebracht werden und an demfelben erſt die Kaufe 
„empfangen. Dan bat aber jegt diefe zwei Handlungen bes Prieflers 
„in eine zufammen gezogen. Wenn das Kind ſchwach iſt, fo wird es 
„much bald getauft, fonft aber wird die Taufe aufgefchoben. Ungeachtet- 


— 








BE. Taufe. 


ber Lehre in der griechiſchen Kirche von ber Nothwendigkeit der Taufe, 
‚aan fie im Nothfalle dody Bein Laie verrichten; denn zur Verwaltung 
„der Sokramente gehört Aurchaus bie Ordination. Das geſchieht auf fols 
„gende Art. Das Kind wird entkleidet und der Priefler hält ed gegem 
„orten (Morgen ift nach dem Begriffe mehrerer alten "und neuer 
„Voͤlker der Drt der Sortheit, fo wie Welten die Gegend der Finfterniß 
„und des Satans). Das Ganze iſt fpmbolifhe Handlung, wie der 
gleichen in der griechtfchen Kirche mehrere vorkommen. Dann haucht 
„er dreimal in das Geſicht des Kindes, bezeichnet deſſen Stim und 
„Bruſt dreimal mit dem Kreuze, legt feine Dand auf den Kopf und 
betet. Mac einigen Gebeten folgen drei fchredliche Beſchwoͤrungen 
„des Satans. Sie find traurige Ueberrefte von jenen Zeiten, two man 
„ſich einbildete, daß jeder Menſch von einem unreinen Geifte beſeſſen 
„fi, ebe en durch die Taufe wieder geboren werde. Der Priefter wen: 
„det ſodann den -Zäufling gegen Welten und fagt: Entfageft du dem 
„Taufel und allen feinen Werken und aller feiner Pracht? Wenn es 
„ein Kind ift, antwortet der Zaufpathe, iſt es ein Erwachfener, fei 
‚es ein Muhamedaner, Jude oder Heibe, der die Sprache verſteht, fo 
„antwortet der Catechumen felbfi: Sch entſage. Diefe Frage wieder: 
hol bee Priefter zum zweiten und dritten Dale, worauf die nämliche 
„Antwort kommt. Hierauf der Priefler: Haft du entfaget dem Zeus 
„felt Dee Cotehumen oder Pathe: Ic habe entfagt. Eben dieſe 
‚Sage und Antwort dreimal. Der Priefter haucht und fpeiet ihn an. 
„Die Pathen oder der erwachſene Taͤufling ſpucken weftwärts, um ba> 
‚mit Abſcheu und Verachtung gegen den Teufel auszudrüden,. eine 
„Sitte, die der griechifchen Kirche völlig eigenthümlich feyn fol.” 

„Der Priefter wendet nun den Zäufling gegen Oſten, haͤlt deſſen 
„Hände herunter und fragt: Biſt du mit Chrifto vereinigt? Ants 
„wort: Ich bin vereinigt! Frage und Antwort drei Mal, - Der 
„Prieſter: Glaubſt du an ihn? Antwort: Ich glaube an ihn ale 

„König und Gott, Darauf fagt ber Priefter den bekannten nicänifchen 
„Glauben ber. Weber die Bereinigung mit Chrifto fragt der Priefter 
„noch einige Dale, worauf immer biefelbe Antwort erfolge. Hierauf 
„ſpricht er: Bete ihn an. Der Zaufzeuge fpricht: Ich bete an dem 
„Bater, ben Sohn und den heiligen Geift, die gleich wefentliche und - 
„ungetheilte Dreieinigkeit. Endlich betet noch der Prieſter. Hiermit 
„iſt nun der Zäufling ein Satechumen.” - 

In der ruſſiſch⸗ griechifchen Kirche wird jegt bie Kaufe felbft un: 
mittelbar aufs Catechumenmachen vorgenommen. Folgendes find die 
Vorbereitungen. Dee Zaufftein, um dem drei Lichter flehen, wird rund 
herum beraͤuchert. Die Zaufpathen bekommen angezuͤndete Kerzen, die 
fie während der ganzen Handlung, ausgenommen, wenn fie bie nad) 
ber zu erwähnende Proceffion halten, in der Hand haben. — Der 
Taufſtein iſt in den ruffifchen Kirchen nicht befländig an feiner Stelle. 
Daher diejenigen, die zu einer andern Zeit die Kirchen befuchen, ohne 
diefe Handlung felbft zu fehen, keinen darin bemerken werden. Wenn 
man ihn braucht, wird er an feinem Ort gebracht. Er ift wie ein 
tiefer Keftel oder Badewanne geflaltet, der auf einem bemeglichen Ge: 
ſtelle cut. In dem alten Zeiten befand ſich bie zum Eintauchen paf: 

-fende Vorrichtung in den Baptifterien (f. d. Art.), — Gefchieht die 











Fauft. 897 


Taufe im Haufe, fo iſt jedes Gefaͤß, wenn es nur die nöchige Tiefe 
bat, um ein Kind unterzutauchen, geſchickt dazu. Indeſſen muß «6 
doch mit drei brennenden Wachskerzen beftedt werden. Zur weiten 
Vorbereitung werben verfchiedene Gebete, sine Litamei und dergleichen - 
hergeſagt. Dann taucht ber Prieſter feine Singer in das Wafler und 
bezeichnet e4 dreimal mit dem Kreuze, haucht es an und fpricht dreimal; 
Laß eine jede feindliche Macht zu Schande werden, unter bem Beiden 
des Kreuzes. Darauf bittet er Bott, dab er doch die unſichtharen 
Luftgögen verjage, und daß ber Geiſt des Finſterniß ſich nicht in dieß 
Waſſer verfisden möge. 

Der Diaconus hält ein Gefäß mit Del, In biefes haucht ber 
Prieſter dreimal und macht eben fo vieſmal das Kreuz darüber. Dies 
fe8 Det wird gebraucht, um das Wafler zu weiben, worin die Perſon 
getauft werden fol und iſt von dem Chtisma (f. d. Art.) verfchisben. 
Von diefem Dele gießt des Priefler etwas Weniges auf das Waſſer 
und macht damit drei, Kreuze. 

Der Zäufling wird dargereiht, Der Priefler macht mit ‚zwei 
Singern, die ins Del getaucht find, bas Zeichen des Kreuzes an bie 
Stim, Bruft und zwifhen die Schulten, und fpriht: N. N. ber - 
Knecht Gottes wird gefalbt mit dem Dele der Freuden in dem Namen 
bes Vaters, des Sohnes und des heiligen Geiſtes jegt und immerdar 
in Ewigkeit. Sodann bezeichnet er ihn von neuem an ber Bruſt und 
auf dem Rüden. Bei erflerm. fagt er: Zur Heilung feiner Seele 
und feines Leibe. Er bezeichnet ihn an ben Ohren und fagt: Zur 
Anhörung des Glaubens; in die Hände: Deine Hände haben mic 
gemacht umd mic) bereitet; am bie Fuͤße: Daß er wandeln möge im 
dem Wege deiner Gebote. 

Nach diefen Vorbereitungen und Salbungen kommt 46 an die 
Taufe ſelbſt. Der Priefter Hält das Kind in die Höhe, wendet fein 
Geſicht gegen Oſten und fpriht: N. N. der Knecht Gottes wird ges 
tauft im Namen des Vaters. Amen fagt der Pathe. Hier wird das 
Kind zum erſten Dale ganz in den Taufſtein untergetaucht. Und bes 
Sohnes. Der Pathe: Amen. Zweite Untertauhung. Und des heilis 
gem Geiſtes. Pathe: Amen. Dritte Untertauhung. Jetzt und in 
Ewigkeit. Der Pathe: Amen, 

Hierauf legt der Prieſter dem getauften Kinde das Hemde an, 
das er auch erft fegnet und fpriht: N. N. der Knecht Gottes wird 
bekleidet mit dem Rode bes Gerechtigkeit in dem Namen des Vaters, 
des Sohnes und des heiligen Geiſtes. | 

Werden zwei oder mehrere Kinder getauft, fo wird bei jedem 
friſch Waſſer genommen, welches zus Taufe geweiht if. Bel diefer 
Gelegenheit gefchieht es gewöhnlich, daß der Pathe nebft dem Hemde 
ein kleines Kreuz an einem feidenen Schnuͤrchen oder Bändchen dem 
Driefter überreicht, welches er dem Kinde auf den bloßen Leib legt. 
Bon diefen Kreuzchen hat der gemeine Mann feltfame Begriffe. Er 
macht ſichs zum Gefege, ed nie wieder abzulegen, weil er es als ein 
beilbsingendes Amulet anfieht. Diefe Kreuzchen find bei Reichen von 
Gold, bei Andern von Silber oder auch felbft nur von Meifing. 
Chrifti Kreuz, ein Helliger,.ald Nikolaus, Anton, Alerander Newsky 
und dergleichen Siguren, oft auch unleſerliche Schrifiguge, find bie 


538 | Kaufe 
gewoͤhnlichſten Verzierungen darauf. In Rüdficht dee Zahl der Pathen 
iſt in der ruffifhen Kirche nichts beſtimmt. 

Diefe Nachrichten über die Taufe in der griechiſchen Kirche, ents 
nommen der Schrift Bellermanns: Kurzer Abriß der ruffifchen Kirche ꝛc., 
hat der Berfaffer mit Elßners Befchreibung der griechifchen Chriften In 
der Tuͤrkei p. 208 ff., mit Herem. J. Schmitt Darmonie der mors 
gen> und abendländifchen Kirche, mit ber neueften hierher gehörigen 
Schrift Lexidion der morgenlänbifhen Kirche von Dr. Edw. v. Muralt 
unter dem Artikel Taufe, und den dazu gehörigen Briefen p. 145 ff. 
verglichen und fie im Ganzen genommen völlig übereinftimmenb 
gefunden. ‘ 

b) Taufceremoniell in der vömifd = Farholifchen 
Kirche. Laſſen wir darüber einen neuern Schriftſteller aus der roͤmi⸗ 
fhen Kirche .fprehen, Grundmayr in feinem liturgifhen Leriton ber 
roͤmiſch⸗ tatholifchen Kirchengebraͤuche Artikel Kaufe. Hier heißt es: 


Die Laufe wird allezeit, wie alle übrigen Sakramente, mit gewiſſen, 


von der Kirche eingeführten Geremonien vorgenommen. Es merden 


naͤmlich die Täuflinge duch bie Zaufpathen oder fogenannten Göthen 


zu, der Kicchthüre gebracht, wodurch angezeigt wird, daß die Zaufe Die 
Thüre zur Kirche Gottes ſei, und daß man ohne diefelbe nicht in bas 
Himmelreich eingehen koͤnne. Diefe Zaufpathen waren ſchon zu ben 
Beiten dee Apoftel üblich und werden auch Gevattern genannt, weil fie 
gleihfam Mitvater von ben Zäuflingen und zur geiftlihen Wiederges 
burt behäflflih find. Es wird dem Zäuflinge fogleih der Name eines 
Heiligen gegeben, befien Beiſpiele und Zugenden er nachfolgen fol. 


Dee Prieſter fragt das Kind: Was begebift du von der Kirche Got⸗ 
te6? weil Chriftus Niemand heilt ober beiliget, ber es nicht felbft be⸗ 


gehrts hernach wird ber Zäufling bei feinem Namen genannt. Die 
Namen ber Zäuflinge und der Pathen wurden, wie der Verfaſſer 
inter dem Namen der Schrift bes heiligen Dionyfins behauptet, ſchon 
zu den Apoftelzeiten in den Catalog der Wahrgläubigen, als in bas 
Buch der Lebendigen eingefchrieben. Dermalen heißt man biefe Bücher 
pfarrliche Zaufbücher. Der Zäufling entfagt alsdann durdy feine Pathen 
dem Fleifche der Welt und dem Satan, und bekennt ſich durch dreimalige 
Bekraͤftigung zu dem chriftlihen Glauben. Auf dieſes wirb ber böfe 


Geiſt, welcher die Ratur nach feiner Willkuͤhr befigen teil, von dem 


Prieſter durch ein dreimaliges ſichtbarliches Anhauchen beſchworen und aus⸗ 
getrieben, gleich wie Gott der Herr nach der Behauptung des heiligen 
Chryſoſtomus durch das Anblaſen dem Adam das natuͤrliche Leben gege⸗ 
ben hat, alfo wird auch durch die heilige Taufe der Seele des Taͤuflings 
das geiſtliche Leben und die Gnade des- heiligen Geiſtes mitgetheilt. 
Hierauf macht der Prieſter mit dem Daumen das ganze Kreuz auf die 
Stirn und Bruſt des Taͤuflings, zum Zeichen, wie der heitige Augu⸗ 
fiinus glaubt, daß fich der getaufte Menfch nicht ſcheuen fol, Schmach 
und XTrübfal aus Liebe zu dem gefreuzigten Jeſus zu leiden. — Die 
Auflegung der Hände von dem Prieftee über dem Zäufling fammt dem 
Gebete, bedeutet die Anrufung des heiligen Geiftes, und zugleich, daß 
ber Zäufling mit der Kirche vereinigt ſei. Dann giebt der Priefler ein 
Wenig geweihtes Salz in den Mund des Täuflings, damit felbiger mit 
der himmliſchen Weisheit von oben erfült, und wie dus Sal; alle 





Taufe, J 539 


Faͤulung verhindert, durch bie Gnade Gottes von allen Sünden und 
anftedenden innerlichen Uebeln befreit werben möchte. Es wird noch⸗ 
mals das Kreuz über den Täufling gemacht und die Hand aufgelegt 
ur Vertreibung aller teufliihen Nachſtellungen. Hierauf legt der Prie⸗ 
Kr den Außerften Theil feiner Stola über den Zäufling, um felbigen 
befonder6 von der hoͤlliſchen Macht zu befreien und führt den Taͤuf⸗ 
ng in die Kirche hinein. Alsdann betet der Priefter mit den Anwe⸗ 
fenden zur Bezeugung ihres Glaubens bie apoftolifhe Blaubensformel 
und das Baterunfer um Erlangung der nöthigen Gnade. Der Priefler 
beſchwoͤrt nochmals, zur Erinnerung, daß wir einen ſchweren Streit 
wider den Satan zu führen haben. Dann werden bem Taͤuflinge nach 
Ehriſtus Beiſpiel die Ohren und die Naſe mit dem Speichel berührt, 
damit bierdurd des Taͤuflings Ohren zu der Stimme Gottes in Beobs 
achtung der göttlihen Gebote fich jederzeit eröffnen follen und er ſelbſt 
ben füßen Geruch derfelben fühlen möchte. Hierauf wird der Taͤufling 
nah den apoflolifhen Satzungen noch einmal gefragt, ob «er bem 
Satan und allen feinen Werken und aller feiner Doffart entfage, und 
dann von dem Priefter mit / dem heiligen Dele auf der Bruft und zwi⸗ 
fhen den Schultern angeftrihen, welches die Innere Salbung des hei⸗ 
ligen Geiſtes bedeuten fol; denn wie das Del feiner Natur näch den 
Körper des Menfhen zu ftärken pflegt, eben fo ftärkt auch bie Gnade 
bes heiligen Geiſtes die Seele bes Taͤuflings. Nachdem nun der Taͤuf⸗ 
ling in Beziehung auf das, was der Priefter von ihm in Betreff der 
apoftolifchen Glaubensartikel verlangt, dreimal fagt: ich glaube, und 
auf dreimaliges Fragen des Priefters durch feinen Pathen ausdruͤcklich 
bittet, getauft zu werden, wird felbiger von den Pathen auf den Armen 
gehalten und von dem Priefler mit dem geweihten Waffer in Form 
eines dreifachen Kreuzes unter den Worten getauft: ich taufe dich Tin 
Namen des Vaters ıc., wird hernach felber zum Zeichen, daß ein jeder 
fromme Chrift mittelft dee Taufe eine priefterliche und koͤnigliche Würde 
nad) der Lehre des Apoftele Petrus erhalte, oben auf dem Kopfe mit 
dem heiligen Chrifam gefalbt und dadurch zu einem gefalbten Chriften 
gemadt, damit der Chrift nun auch Chrift, nun auch gefalbt fei und 
alfegeit für die Ehre Gottes und feines eigenen Seelenheils fireiten fol. 
Endlich) wird zur Bezeugung der Unfchuld dem Getauften ein weißes Kleid, 
welches Kleid fonft vor Zeiten fieben Tage getragen und am achten abgelegt 
wurde, angelegt. Zur Verehrung des heiligen Chrifams war fonfl das 
Haupt des Zäuflings mit einem Schleier verbunden, welder damals 
Chrifamhemd genannt murde. Allein dieſer Gebrauh hat ſchon im 
Jahre 1090 aufgehoͤrt. Nach Verordnung muß dermalen der Chrifam 
mit einer Baummolle von der Stirn des Getauften abgetrodnet wer⸗ 
den. Zuletzt giebt der Priefter dem Getauften eine brennende Kerze in 
bie Hand, um anzuzeigen, daß von der Kirche Gottes das wahre Licht 
komme, und wänfht am Ende ftatt des gewöhnlichen Kuſſes dem Ges 
tauften den lieben Srieden unter den Worten: Ziehe bin in Srieben ! 

c) Gehen wir zur proteftantifhen Kirche Äber, fo geitaltet ſich hier 
der Taufritus viel einfacher, dee N. X. Einfegung gemäßer 
und analog der frühern chriftlichen Kicche, ehe ihr Kultus noch «ein 
druͤckendes Geremoniengepränge geworden war. Wir haben bereit6 bie 
Berdienfte Luthers um den Zaufritus nachgewieſen im Artikel Exortis⸗ 


T-— 1 U on 
X 


Sonntags, anderwaͤrts aber an jedem beliebigen 


30 Taufe. 


mus 2%: Bd. p. 61 ff. In ber deutſch⸗lutheriſchen Kirche geſtaltet ſich 
die Tauffeierlichkeit ungefaͤhr ſo. Die Taufformel gilt als weſentlich 
nothwendig. Auf aͤhnliche Art urtheilen auch Manche über das apofto= 
liſche Glaubensbekenntniß. Es wird theils nach beſondern Formularen, 
die ſich in den lutheriſchen Kirchenagenden befinden, oder auch mit 
beſonderen freien Taufreden getauft. Ueber Drt, Zeit, Zahl der Tauf⸗ 
zeugen und dergleichen findet feine allgemeine Beſtimmung Statt. 
As das Gewoͤhnliche aber ftellt ſich heraus, daß die Taufe in der Kirs 
che, an manchen Drten, wo die Gemeinden weniger zahlreich find, nur 

age gehalten werden. 
Die Zahl der Pathen ift gewöhnlich die Dreizahl, welche jedoch in 
dem Baterlande und in der Wohnſtadt des Verfaſſers häufig. übers 
fritten wird. Als Tagszeit ift für dad Zaufen mehr der Nach— 
mittag gewöhnlich, die, Nothtaufen natürlich ausgenommen. Bon den 
Taufgebraͤuchen früherer Zeis find einige einfache Gebräuche beibehalten 
worden, wie z. B. das Händeauflegen, das Weſterhemd u. a. Bei 
der Taufe von Erwachſenen, wenn fie vorkommt, z. B. bei Juden: 
taufen, geftaften ſich die Ceremonien etwas andere. Der Erorcismus 
iſt theils gänzlich abgefchafft, theils dem- Willen der Aeltern anheim⸗ 
geftellt. Der Kirchgang ber MWöchnerinnen iſt in vielen kleinen Städten 
Deurfhlands und auf dem Lande noch häufig gewoͤhnlich, und er folte 
als eine wirklich erbaulihe Sitte möglichft zu erhalten gefucht werden, 
Mit diefer Zaufobfervanz in der Lutherifchs deutfchen Kirche flimmt fo 
ziemlich überein die ſchwediſche Kirche, wie man fich leicht aus Schu: 
berts Schrift, Schwedens Kirchenverfaſſung ıc., belehren kann und 
zwar im 1. Thle. p. 121 ff. Es wird Miemarden gereuen, biefen 
Abſchnitt nachgelefen zu haben, da manche intereffante Einzelnheit 
vorkommt. 

d) Gehen wir über auf die bifhöflihe Kirche in Eng⸗ 
Iand, fo fagt von der Zaufceremonie in bderfelben Claufniger in feis 
nem Scrifthen: Gottesbienft, Kirchenverfaffung und Geiftlichkeit der 
biſchoͤflich⸗ engliſchen Kirche, Folgendes: Mas die Taufe. anlangt, fo 
ift dieſe der unfern (in der Iutherifchen Kirche) ſehr aͤhnlich. Der 
Geiſtliche fragt indefien allezeit, che er biefe Handlung verrichtet, ob 
das Kind ſchon getauft: fei, und auf Verneinung diefer Stage, beginnt 
er exit diefe Handlung. Es werben dann ben Taufzeugen mehrere 
Fragen zur Beantwortung vorgelegt, das Kind durch Gebete eingefegnet 
und’ für die Kirchengemeinde geweiht. Aber die Kinder werden allezeit 
dabei ins Wafler eingetaucht, menn fie gefund find. Indeſſen eilt 


wman auch mit der Zaufe eben nicht, fondern fchiebt fie Wochen, Mos 


nate, bisweilen wohl ein Jahr auf. Alle Zaufen aber gefchehen nur 
in der Kirche, und zwar nur des Sonntags nach dem Früh: und 
Nachmittagsgattesdienite. Eine Bezahlung wird nie dafür angenom⸗ 
men, weil fie ein Sakrament iſt und diefe in ber englifchen Kirche 
frei adminiſtrirt werden. | 

Etwas abweichender und auffallender geflaltet ſich ber Taufritus 
in der fchottifhen Nationalkirche. Gemberg in feiner bekannten Schrift 
über dieſe Kirche p- 120 ff. berichtet Folgendes: Weber den Taufact 
beftimmt das Directory, er folle nicht unnoͤthiger Weiſe aufgefchoben 
werben, und fei unter allen Umfländen durch einen Steward of the 











Taufe., 54 


‚Mysteries of God, alfo durch einen. Geiftlichen, zu verrichten und zwar 
Angefihts der Gemeinde an der Stätte ihrer Öffentlichen Andacht, To, 
daß fie alles möglichft vollſtaͤndig mit anfehen und hören koͤnne. Dem⸗ 
‚ gemäß gefchieht er nicht am Schluffe des Gottesdienſtes, fondern nad) 
beendigter Predigt, auf der Kanzel. Zur Seite bdeffelben tft zu dem 
Behufe ein einfaches Geſtell befeftige, in welchem ein Becken mit 
Waſſer flieht. Nah der Predigt tritt der Vater fin der englifchen 
Kirche darf kein Vater Pathenſtelle bei feinem Kinbe vertreten) — iſt 
er abwefend oder dringend abgehalten — des Vaters Water, Brudet 
oder ein Anverwandter.mit dem Zäuflinge bie Kanzelitufen bie zum 
Beten hinauf. Der Geiſtliche wendet ſich feitwärts nad ihm hin und 
fteite ihm kurz vor: Das Saframent fei vom Herrn eingefegt ale ein 
Unterpfand feines Gnadendundes, das Belprengen ftelle die geiftige 
Reinigung durch das Blut Chrifti und die Verneuerung aus dem Tode 
der Sünden zum Leben dar, durch die Kraft feines Todes und feiner 
Auferftehung ; ſolche Verheißung fei den Släubigen und ihrem Samen 
gegeben, der Gottesfohn habe felbft die Kindlein gehrgt, gefegnet und 
dergleihen. Darauf wendet. er fi zur Gemeinde und ermahnt fie, 
auf ihren eigenen Taufbund zu fehen und auf die Art, mie fie ihn 
gehalten, ihn umter berzlicher Buße immer wieder zu erneuem, und 
‚getreu zu feun bis in den Tod, um einft zu empfangen das Erbe 
unter den Heiligen. Noch einmal redet er den Vater an, er möge der 
Gnade Gottes eingebent bleiben, die jegt ihm und dem Rinde mieders 
fahren, daffelbe auferziehen in ber Zucht und Vermahnung zum Herrn, 
und ihm fm Kalle feiner Webertretungen vorhalten deh Ernſt des ewis 
gen Gerichte. Der Water giebt kein Verfpredyen für des Kind, ſon⸗ 
dern für fich ſelber. Nun erfolgt die feierliche Ausfonderung des Wafs 
ſers unter Gebet und den Worten der Cinfegung: Der Here möchte , 
feine Einfegung an dem Kinblein fegnen, mit der ausmendigen verbins 
den bie inwendige Kaufe feines Geiftes und das Wafferbad ihm zu 
einem Siegel der Beſeligung machen, daß er wachſe in ber Aehnlich⸗ 
Eeit des Todes und der Anferftehung ſeines Erloͤſers. Er fragt laut 
nad) dem Namen des Kindes und nennt ihn mit ben Worten: John, 
Mary oder wie das Kind heißen mag, ich taufe dich im Namen bes 
Vaters, des Sohnes und des heiligen Geiſtes; unterdeffen befprenge er 
mit den angefeuchteten Fingern gewöhnlich breimal das Haupt des 
Taͤuflings. — Nachdem ber Bater fi fill mir dem Kinde entfernt, 
fchließt er mit einem Gebete: Alle hätten dankbar zu erkennen, tie 
treu. und wahrhaftig der Here fei, Bund und Gnade zu halten, er 
zähle fie nicht nur unter feine Heiligen; fondern trage die Merkzeichen 
und Pfänder felner Liebe auch auf die Ihrigen Uber. Seiner Vater: 
forge wollen fie auch dieſen Zäufling einmüthig befehlen ıc. 





Diefe Anreden und Gebete wiederholen ſich der Hauptfahe nach 


An diefee Ordnung bei jedem Taufacte und merden frei aus dem Herzen 
geſprochen. Auch die Mutter pflegt dabei zugegen zu feyn, bie Ges 
meinde gleich einer erweiterten Familie vertritt gewiſſermaßen die Stelle 
der Taufzeugen, ihrer Sorge fällt der verwaifete Zäufling anheim, ihre 
Froͤmmigkeit und Sitte ift auch des Unverwaiften geiftliche Fuͤhrerin 
und Vormünderin auf feinem Heilswege. Pathen kennt man nidt. 
Erſt in neuerer Zeit haben Einzelne angefangen, Zeugen (Witnesses) 


4 


842 Taufe. 


dazu einzuladen. Dan mißbraucht die heilige Einfehung ‚nice zum 


wucheriſchen Ermwerbe, noch zur Iuftigen Schmauferei. Dem Kinde wird 


nur ein Dorname gegeben, und zwar dem älteften vorzugsweife der eines 


der Sroßältern. Sind befondere Namen zu beflimmen, fo wählt man 
nicht frembdElingende und abenteuerliche, fondern bekannte chriftliche 
amen. 
Die Kaufe wird noch gewöhnlich mit bem zweiten Gottesdienfte 
verbunden, und die Gemeinde nad) berfelben mit dem Segenswunſche 
entlaffen. Doch halten die Geiftlihen nicht mehr mit ber alten 


"Strenge darauf. Sie taufen auch auf befonderes Anſuchen in Pri⸗ 


varhäufern, fhügt man drztlihe Gründe, den Zuftand der Mutter, 
den Wunfch der Freunde des Haufes und bdergleihen vor. Uebrigens 
empfangen und nehmen fie feine Plingende Remuneration, hoͤchſtens 
ein Ehrengefchent, das ihnen wohlhabende Aeltern zufenden. 

Thun wir nun nod einen Blick auf die Taufpraxis unferer Tage, 


| fo möchte ſich folgendes Ergebniß herausſtellen: 


1) Die Taufe, und zwar jegt vorzugsweiſe die Kindertaufe, wenn 
man kleinere, ſchwaͤrmeriſche Parteien, wie Wiedertäufer, Quaͤker u. a. 
abrechnet, iſt ein Ritus geblieben, den noch alle kitchliche Parteien ale 
von Jeſu berrührende Einfegung achten und üben, und fid dabei ber 
von ihm verordneten Zaufformel bedienen. Der Belprengungsritus ift 
vorherrfchend im Abendlande geblichen. 

2) Die geiehifhe Kiche hat dem erften Anfcheine nach das’ meifle 
Alterthuͤmliche bei der Taufe beibehalten; bei näherer Betrachtung er 
giebt fih aber, daß fie zwar alterthuͤmliche Formen beibehalten bat, 
die jedoch ſelbſt ſchon in der früher chriftlichen Zeit wieder untergins 
gen, wie 3. B. das Catehhumenat. Der Sitte bes Untertauchens, die 
fie noch jegt feſthaͤlt, kann entgegengefegt werden, baß der Beſpren⸗ 
gungsritus dem Symbole ber chriftlihen Zaufe nicht entgegen iſt und 
früh Thon ebenfalls im chriftlihen Kultus vorhanden war. Die uͤbri⸗ 
gen Gebräuche aber bei der Zaufe in der griechiſchen Kirche ſtammen 
aus einer fpätern Zeit ab, wo Aberglaube [yon und Schwärmerei dem 
chriſtlichen Kultus verunftalteten. 

3) Am einfachſten, ber N.T. Anordnung am gemaͤßeſten und 
am aͤhnlichſten der früheften chriftlichen Praxis geftattet ſich der Tauf⸗ 


ritus in ber proteflantifhen Kirche. Hier bat man alle abergläubifche, ' 


fhwärmerifche Gebräuche, ekelhafte Manipulationen und myſtiſch ſuͤß⸗ 
lihe Deutungen aufgegeben, wie fie noch jegt in der griechiſche und 
roͤmiſch⸗katholiſchen Kirche beſtehen. 
4) Was aber das Erbauliche der heutigen Taufliturgie betrifft, ſo 
duͤrfte den Presbyterianern in Schottland der Preis zuerkannt werden 
müffen. Es find darum in der proteſtantiſchen Kirche allerdings die 


Stimmen in neuerer Zeit zu beachten, welche eine etwas veränderte 


und mehr feierliche Taufliturgie wünfchen. 





“ 


35, 
Shbomas, 
Gedaͤchtnißtag deflelben den 21. December, 


I. ebensumftände des Thomas nad dem N. T. 
und nach der Tradition. II. Alter und Monatstag feis. 
ner Gedächtnißfeier, " Ä 


Zn 


 Riteratur. Andreas Wilkii “Eoproyoaplac pars posterior 
oontinens festa XJI Apostolor. Edit. Ge. Hesso. Jenae 1676. — 
Hospin. 1. 1. p. 158. — Hildebraudi de dieb. festis eto. p. 17 noq. 
— Schmidii historia festor. et dominioer. p. 44. — Caroli Guyeti 


_ Heortologis sive de festis propriis locor. et ecelesiar. Venetiis 1729 


L. 2. 0. 23. — Start Geſchichte des erflen chriſtl. Jahrh. 2 Thl. p. 
145 ff. — Auguflis Dentwürdigkeiten 3 Thl. p- 219 fi. — Acta. 
Thomae Apostoli ed. 3. C. Thilo. Lipsiae 1823. p. 97 seqq. — 
Ueber die bibl. Nachrichten und kirchl. Ueberlieferungen über das Reben 
des Thomas vergl. L. Surii Vitae Sanetor. Decomb. p. 301 segg. — 
Cave Antiquitatt. apostol, p. 238. — Winer Reallex. ud. N. — 
Faust. G. Rhö Intorno & viaggi ed alla predicazione di s, Tomase,. 
opusc. istor, geogr. crit. Padua 1834. 8. — J. Fac. Raulin Hist., 
eccl, Malsbar. (Rom, 1745. 4.) p. 335 —78. — v. Egloffftein Eleine 
Romane, Geſch. und Erzähl. (Caffel 1825. 8.) p. 161 ff. vergl. Aug. 
Kirchenz. 1854. p. 1302 ff. — Ueber die Thomaschtriſten vergl. befons 
dere K. Swanten mem. of the primit. church of Malayala, or of - 


. the ayr. christians of the Apostle Thomas, from its first rise to 


the present time. Im Journal of the roy. asiat. society. 1834. 


Norvemb. 
I) £ebensumftände des Thomas nad dem V. T. 
und nad) der Tradition. — Thomas, ein Apoſtel Jeſu, 


Apoftelgefch. 1, 13. Die drei erften Evangelien führen bios den Nas 
men Thomas an, im Johannes aber, Joh. 11, 16. 20, 24. 21, 2, 
wird hinzugefügt: Omwpäc 6 Asyouevog Aldupog. Dieß iſt die Uebers 
fegung des hebräifhsaramdifchen okn, denben. Den Namen Sidugoc 
foll er daher haben, weil er Zmillingelind war. Seine Schwefler wird 
£yfia genannt. S. Cotelerii Patr. apost. I. p. 272. ine andere 
Erklärung aber giebt Theophylact Comment, super Joh, 20, 14., nadı 


= 








544 Thomas. 


welcher Aldvuoc Unentſchloſſenheit und Wankelmuth (deoraxrıxög zı5), 
fo wie ber Name neroog auf feſtes, unerſchuͤtterliches Vertrauen hin⸗ 
weiſt. Noch andere Erläuterungen dieſes Namens ſ. Auguſti's Denk: 
wuͤrdigkeiten 8 Thl. p. 221. Nah der evangeliſchen Geſchichte zeigt 
Thomas etwas Raſches und Uebereiltes, Joh. 11, 16. 14, 5— W. 
24 ff., wiewohl fein ins Spruͤchwort Übergegangener Unglaube die 
harte Beurtheilung nicht ‚verdient, welche befonder6 mehrere ältere Ho⸗ 
mileten ausſprechen. Befremdend' bleibt e8 immer, baß die evangelifche 
Gecſchichte über das Schickſal diefes Apoftels nad der Himmelfahrt 
Jeſu gänzlich fchmeigt, ob er gleih nah dem Evangefium Johannis 
als eine intereffante Perfon erſcheint. S. Niemeyers Charakteriftit der 
Bibel 1. Thl. p. 104 ff. Abkunft, Vaterland und frühere Befchäftis 
gung dieſes Apoftels find völig unbekannt. Wahrſcheinlich aber war 
ee gleichfalls wie die übrigen Apoftel aus Galilda. Eben. fo wenig 
weiß man au von ber Zeit und Veranlaſſung feiner Berufung zum 
Apoſtelamte. 

Dieſe Luͤcken der evangeliſchen Geſchichte ſucht nun auch hier die 
Tradition zu ergaͤnzen. Nach Euſebius KG. 1, 8. Cap. 1. ſoll bei der 
Zerſtreuung der Apoſtel dem Thomas Parthien zugefallen ſeyn. Dort 
und in den angrenzenden Laͤndern predigte er das Evangelium, und 
Chryſoſtomus hom. in XII apost. fügt noch hinzu, daß er auf dieſen 
Reiſen die heiligen drei Könige angetroffen, biefelben getauft und ſich 
three zugleich als Gehülfen zur Ausbreitung des Evangeliums in jenen 

"Ländern bedient babe. So foll ee auch nach den Küften von. Indien 
gereiſt ſeyn, und zu Socatora, Granganoe und im Königreiche Coro⸗ 
mandel das Chriftenthum mit fehr gluͤcklichem Erfolge gelehrt Haben. 
Als aber die Braminen die großen Nachtheile erfuhren, die ihnen 
durch bie häufigen Bekehrungen zu der neuen Religion duch den 
Apoſtel zugefügt wurden, follen fie ihn nahe bei Malipar, der Haupt⸗ 
ſtadt im Königreiche Coromandel, mit Pfellen tobt gefchoffen haben. 
Even dafelbit fol er auch begraben und von da auf Befehl des Königs 
Sohannes von den Portugiefen nad; Goa gebracht worden feyn. Nach 
Andern ift er gekreuzige worden und zu Edeſſa in Syrien begraben. 
Die vorhin genannte Homilie des Chryfoftomus läßt den Thomas auch 
in Aethiopien und. Abyffinten das Chriftenthum verfündigen und fchreibe 
ihm figüͤrlich das Aethiopem lavare zu, d. 5. das ſchwere Geſchaͤft, 
Aethiopien zum Chriſtenthume zu befehren. Wären alle diefe Nach⸗ 
richten gegründet, fo hätte Thomas eine noch größere Kändermaffe bes 
veift, ats felbft der thätigfte allee Apoftel, Paulus. Indefien haben 
befonders neuere Gelehrte, wie Beauſobre in feiner histoire des Ma- 
. nich. Tom, I. p. 60 segq., und befonders Stark ausführliche Ge⸗ 
fchichte des erften Jahrhunderts p. 146 —48 die Wahrheit jener Tras 
bition, daß Thomas befonders der Apoftel der Indier gewefen ſei, 
beftritten. Ihre Gründe laufen auf Folgendes hinaus: „Es fei an 
„ſich unwahrſcheinlich, daß das Chriſtenthum bereit im erften Jahr⸗ 
„hundert in dem entferntern und weniger bekannten Indien follte vers 
breitet worden feyn. Vielleicht Habe man nur das füdliche Arabien 
„zu verftehen, welches von den Alten zumeilen auch Indien genannt 
„werde. — Die Zeugniffe eines Ambrofius, Hieronymus, Gregorkus 
„von Razianz u. a. feien zu neu, und nad andern Nachrichten wäre 





Thomas. Ä 54 


ſchon Bartholomäus (f. diefen Artikel) als Apoftel der Inbier angefehen 
„werden. — Das VBorgeben der fogenannten Thomaschriſten, die 
„noch jegt in biefen Gegenden lebten, und ihren Urfprung von unferm 
„Apoftel ableiten, fei unficher, nicht nur weil jede einigermaßen bedeu: 
„tende chriſtliche Kirche ihren Urfprung von einem Apoftel ableite, ſon⸗ 
„dern weil bier beſonders der portugiefifche Erzbifhof von Goa, Me: 
„nezes, im Sahre 1599 alle Bücher der Thomaschriſten verbrannt 
„babe, aus weichen vielleicht etwas uͤber das Alter dieſer Kirche Habe 
„erforſcht werden können. — Uebrigens fei e8 weit wahrfcheinlicher, 
‚den Urfprung der Thomaschriſten von einem gewiſſen ſyriſchen Neſto⸗ 
„rianer, Mar Thomas oder Thomas Gunnandus, abzuleiten, welcher 
‚Am 5. oder 6. Sahrhundert bei der Verfolgung ber Neftorianer fich 
‚mach Indien rettete, und an den Küften von Malabar eine chriftliche 
„Kirche nach ſyriſchem Ritus einrichtete.: Dafür ſpreche auch der Um: 
„stand, daß die Thomaschriften felbft jegt noch Syrer heißen und fi 
„dee ſytiſchen Sprache bedienen. Beaufobre in feiner angeführten Ge⸗ 
„f&hichte, de Manichee, findet e8 darum (Tom. I. p. 78) auffallend, 
„dab die Katholiken in Dftindien bie Gebeine eines Erzketzers verehrten.” 
| Gegen diefe Gründe num führt Augufti in feinen Denkwuͤrdigkei⸗ 
ten 3. Thl. p. 225 an, baß dennoch mehrere Entdeddungen der neue: 
ſten Zeit jenen ditern Traditionen ungemein günftig fein. Er beruft 
fit) unter andern auf Buchanans Journey from Madras trough coun- 
tries of Mysore, Canara and Malabar. Edit. 2. London 1812. III. 
Voll. 4., aud ind Deutfche überfegt und im Auszuge in der Minerva 
im Auguftft. 1813. p. 262 f. Auch leite die forifche Kirche von 
Mayala fih vom Biſchofe Johannes Indicus ab, welcher im Jahre 325 
dem nicänifhen Concil beimohnte, und von welhem man noch ein 
altes Manufeript der Bibeluͤberſetzung in eflvangelo = fprifher Schrift 
befigt, welches wahrſcheinlich das Ältefte in der Welt iſt, und ber 
zömifch = portugieſiſchen Inquiſition unter Menezes im Jahre 1599 
gluͤcklich entging. Auch die bei diefen fprifchen Chriften noch vorban: 
denen Inſchriften auf ſechs Metalltafeln dürften die aͤlteſten Documente 
bes Chriſtenthums in ber Welt ſeyn. — Hierzu komme noch eine 
andere Nachricht aus englifhen Zeitfchriften im SIntelligenzblatte der 
Leipziger Literaturzeitung 1818 Mr. 280. folgenden "Inhalts: ‚Auf 
„dem St. Zhomasberge unweit Madras, wo viele Gräber aus den 
„erſten Zeiten des ChHriftenchums find, hat im Mai 1818 ein Soldat 
„in einem Grabe drei Manuferipte auf Palmblaͤttern gefunden,. die 
„im Jahre 51 nach Chriſti Geburt von einem Simon Ealeb gefchrie- 
„ben worden und nun nach London gebracht worden.” 

Allein, einmal fragt es fih, ob dieſe Entdedungen bie kritiſche 
Probe aushalten, und dam wuͤrde auch nicht daraus folgen, daß ge: 
ade Thomas um biefe Zeit das Chriftentyum nach Indien gebracht 
babe, fondern nur fo viel, daß es weit früher, als ſich bie kirchliche 
Partei ber Neftorianer bildete, dort geblüht habe. Inzwiſchen ift es 
noch jegt felter Glaube der dortigen Thomaschriſten, daß fie unmittel: 
bar von dem Apoftel Thomas abflammen, denn Zſchokke in feiner Dar: 
flellung gegenmärtiger Ausbreitung des Chriſtenthums auf dem Erd⸗ 
balle. Aarau 1819. p. 50 bemerkt dieß ausdruͤcklich. — Aechte 
Schriften find von dieſem Apoflet nicht vorhanden. Den Mangel der: 

Siegel Handbuch IV, \ 35 


) 








>46 Thomas. 


felben bat man durch einige erbichtete zu erfegen gefucht. Bon einem 
sdayyliuor. zoo Owuü redet ſchon Origenes. Ein ſolches fpäteres von 
den Manichdern verfälfchtes Evangelium kannte auch Timotheus Sicul. 
Histor. Manich, p. 30, vor dent er als vor sinem undchten Producte warnt. 
Auch; das Itinerarium und die Apocalypsis Thomae wird als eine 
grobe Dichtung verworfen, &. Fabricii Codex apoer. N. T. p. 108. 
Stark 1. 1.2. Thl. p. 149. 

’ ID) Alter und Monatstag der Gedaͤchtnißfeier 
des Thomas, — Auch bier ſchweigen faft alle Schriftfteler, bie 
von den &rifttichen Selten handeln, fobald es gilt, den Zeitraum genau 
zu beflimmen,, wenn ein befonderer Denktag für den Apoftel Thomas 
üblich zu werben anfing. Der Verfaffer kann fi) darum auch bier nur 
auf die Notiz aus Guyeti Heortologia berufen, die bereits in dem 
Artikel Bartholomäustag Nr. IL. angeführt worden iſt. Diefer zufolge 
würde auch der Thomastag ins 11. Jahrhundert oder noch fpäter zu 
fegen feyn. — Die Behauptung, daß man dieſem Apoſtel ſeines be⸗ 
delepen Unglaubens wegen die legte Stelle im Jahre, nämlich ben 

December, angewieſen habe, beruht offenbar auf einer Verwechſe⸗ 
lung bes bürgerlichen und kirchlichen Jahres, und wird durch die Sitte 
ber ‚orientalifch » griechifchen Kirche, welche ben erſten Sonntag nadı 
Dftern als Thomastag feiert, am beutlichften widerlegt. Was die 
Feier dieſes Tages in ber heutigen chriftlichen Welt betrifft, darüber 
Bir a was am Schluffe des Artikels Apofleifefie geſagt 
worden i 


36, | 
zonfur, 


gehörig zur Amtötracht dev Kleriker. 
Begriff Name, Anfangsbunct und kirchliche Deus 
tung: * 


nſur. II. Verſchiedene Arten der Tonſur. 
II. Mit welchen — * — Gebraͤuchen man ſie ſchon 


feib a jetzt ertheilt, und wie fie fich zur Ordina⸗ 
n ver 


s 


Literatur. Tb. Hurtad digressio de tonsuris et coronis 
gentilitatis, synagogae et christianismi. In fein. Resolution. de 
vero catholice martyrio (Cöln 16565. Fol.) p. 3S70— 87. — Gaston 
Chamillard de corona, tonsurs et habitu clericor., loeuples cum veterum, 
tum recentior. ceanonum, pontificiarumque constitutionum colleotio. 
Paris 1659. Fol. — J. Morin exere. de tonsura olericor. secundum 
Latinos et Graeoas. In fein. Commentar. de 2. ecel. ordinib. Tom. 3. 
p- 205— 18 (Amst. 1695. Fol.) — J. Mabillon observ. de tonaura 
leicor. , clericor. et monachor. In fein. Praefat. ad Acta SS, Ord, 
Bened. See. 3. P. 1. p. 3 seqg. (Paris 1672. Fol.) — Pomp. Sar- 
nelli Lettera della eanonica tonsura, ô ryasura della barba cleri- 


eale. In fein. Lettere eoclesiast. (Neapel 1686. 4.) p. 75—87, 


— Ed. Martene de antiquis eccles. ritib. Lib. I. P. II. p. 294 
seq. — Thomassin de nov. et vet. eocl. diseipl. P. I. 1. IL. e. 37. 
— Buddei Parerga hist. p. 7% aeq. — Welch antiquitt. ehristien. 
p- 669 seq. — Baumgartens Erläuterung ber chriftl, 1 tertpümer p. 
632 — 38, — Bingh. Antiqq. Vol. Il. p. 50. Vol. II. p. 416. — 


Etwas Weniges in Auguſti's Denkwürbigkeiten 7r 53 * 397 ff. - 


Eben ſo Schoͤne's Geſchichtsforſchungen Thl. 8. p. — Unpar⸗ 
teiiſch und heachtenswerth iſt, was Binterim — Thl. 1: 
p. 262 ff. darüber gegeben hat. — Sonſt vergl. man noch Eohrleti 
Bibliogr. antiqu, ed. Sehafishausen p, 847 zeqgg. und die Bd. 3 


P- 42 angeführten allgemeinen Schriften über die Kleidung ber Kieris | 


ker, befonbens ben 1. 3b. der Panoplia von de Sauffay 

D) Begriff, Klame, Anfangspunct fe, kirchliche 
Deutung der Tonfur. — Unter Zonfur verfleht man eine 
befondere Art, die Haare der Kleriker zu ſcheeren, um uch dadurch 


- 


[4 


545 Zonfur. 


ben geiftlihen Stand von Laien zu unterfcheiden. Der Name erklärt 
ſich aus dem Lateinifhen tondeo. Daß ein folches bedeutungsvolles 
und auffallend diflinguirendes Daarabfchneiden in der frühern chriftlis 
chen Zeit, oder, wie Einige wollen, ſchon im apoftolifhen Zeitalter, 
Statt gefunden habe, laͤßt ſich gefchichtlich nicht nachmweifen und war 
auch bei dem frühen Schickſale der chriftlichen Kirche fhon an ſich 
unwahrſcheinlich. In den Zeiten der Verfolgung nämli war es ge: 
wiß nicht dienlih, daß die Chriften, und namentlich die chriftlichen 
Kleriker, die man mit nenn Sorgfalt auffuchte, in ihren Haaren 
ſich auszeihneten. Sie fügten ſich daher in die roͤmiſche Sitte, die 
Haare abgekürzt zu tragen. Auch vermied man das wohl ſchon aus 
dem Grunde, daß man nit das Anfehen haben wollte, die Heiden 
nachzuahmen, deren Priefler glatt gefchorene Köpfe trugen, wie 3. B. 
die Priefter der Sfis und Serapis. Vergl. Hieron. Conıment. in 
Cap. 42. Ezech. a «8 fehlt nicht an deutlichen Stellen, daß In dem 
Beitraume der erſten chriftlihen Sahrhunderte das Haarabſcheeren in 
der rechtgläubigen Kirche für etwas Unanftandiges beim Klerikerſtande 
angefehben wurde. Optatus Mil. 1. 2. contra Parmen. wirft den 
Donatiften vor, daß fie wider allen Gebrauch die Häupter ber katho⸗ 
liſchen Biſchoͤfe und Prieſter, die unglüdliher Weife in ihre Hände 
gefallen wären, abgefchoren hätten. Er fragt: Dicite, ubi vobis man- 
‘datum sit, radere capita sacerdotibus, cum e contrario tot sint 
exempla prompta, fieri non debere. Einige hierher gehörige Stellen 
hat auh Schöne in feinen Gefhichtsforfhungen Ir Theil p. 76 und 
77 angeführt. 

Trugen nun aber auch damals die Kleriker noch nicht einen Haar 
ſchnitt, welcher der fpätern Zonfur aͤhnlich war, fo waren doch ſchon 
abgefürzte Haare bei ihnen gewoͤhnlich. Prudentius im 12. Hymnus 
vom heiligen Cyprian beſchreibt die Haarform alfo: 

Deflua caesaries compescitur ad breves capillos. 

Der Spötter Lucian in feinem Dialog Philopater verfpottet einen 
Ghriften mit den Worten: xexaguevoy Tv xöumv, attonsa coma. 
Die älteren Abbildungen, die das Gegentheil zu beweiſen fcheinen, ges 
hören Märtyrern an, beren Aeußeres in den Gefängniffen gleichſam 
verwildert war, ober fie flammen aus einer fpätern Zeit, und haben 
barum in unferm Falle Beine Beweiskraft. Trugen alfo auch die Kle⸗ 
tier in den erften Sahrhunderten eine Tonſur, fo war doch abgekürzs 
tes Haar bereits gewöhnlich, vieleicht ſchon als anftändige Laienttacht, 
als Segenfag zu dem Haarprunke, der in der Heidenwelt Statt fand 
und von Paulus fhon geruͤgt worden war. Kine ähnliche Anficht für 
- die fpätere Zeit ſpricht Walter in feinem Kirchentechte p. 146 mit ben 
Morten aus: Im Ganzen war bie Zonfur ein taugliches Mittel, um 
dem großen Lurus zu feuern, der im Mittelalter mit den Haarfriſuren 
getrieben wurde. 

So gewiß e8 nun aber aud fl, dag weder im N. T. noch in 
den erften Zahrhunderten eine Spur von ber Tonſur aufzufinden ift 
(die Meinung des Iſidor von Hispalis, daß fie von den Naſiraͤern bei 
den Juden abzuleiten fei, beruht auf zu feichten Gründen), und daß 
noch im 4. und 5. Jahrhundert viele Zeugniffe von Mißbilligung und 
Verwerfung der Tonſur vorkommen, fo gewiß ifl es Doch ‘auch, daß 


[4 





Zonfur. 549 


feit Ende des 5ten und zu Anfange bes 6. Kahrhunberts die Zonfur 
als etwas dem geiftlihen Stande Eigenthuͤmliches faſt allgemeine Sitte 
zu werden anfing. Die meiſten Schriftftellee aus ber römifchen Kirche 
erkennen ben f[pätern Urfprung der Sitte an, ohne jedoch deshalb bie 
Vertheidigung der Sache aufzugeben. Dahin gehört auch Binterim in 
der oben angeführten Stelle. Was nun den [pätern Urfprung biefer 
Sitte betrifft, fo möchte fie dee Verfaſſer zunächft von der kirchlichen 
Bußanftalt, von den Afceten und Mönchen ableiten. Wir haben oben 
im Artikel Buße (Poenitentia publica) 11 Bd. p. 295 gezeigt, daß 
die Büßenden zu einer befondern Bußkleidung verpflichtee waren, wozu 
auch das Abfcheeren des Haupthaars gehörte. Dadurch wurde zunaͤchſt 
das abgefchorne Haar ein Zeichen und Spmbol der Buße oder der Ver: 
leugnung der Melt und ihrer Freuden, der koͤrperlichen Abtödtung. 
Da fih nun die Afceten und etwas fpäter die Mönche in dieſer Idee 
beſonders oefielen, und als lebenslänglihe Buͤßende wollten angefehen 
ſeyn, fo iſt es feicht einzufehen, warum fie auch das Außere Zeichen 
diefer Vorſtellung beibehielten. Bei der hohen Verehrung, die dus 
Moͤnchsleben genoß, läßt fih auch erklären, wie Weltgeiſtliche dieſe 
Sitte gem nahahmten und nun das in einer gemiffen Form abge: 
fhorne Haupt bei dem Klerus überhaupt üblih wurde. Mit diefer 
Anfiht ftimmt ganz zufammen, mas Thomassin vet. et nov. eccles. 
discipl. P. 1. I. Il. c. 37. ed. Mogunt. Tom. II, p. 265 fagt: Si 
tribus saeculis ‚modestissimo tantum capillo fuere Clerici, nulla 
causa fuit, cur Saec. IV. res ea ullo modo immutaretur. (uam 
ob rem nee innovationis factae ullum in conciliis aut in SS. PP. 
exstitit vestiglum. Ineunte vero Saec. VI. certe Saec. V. exeunte, 
non ante, jam indueta aperte videtur in ecclesiam tonsura clerica- 
lis. Coepit ergo Saec. V. tonsura illa clericalis, qualis nune in 
usu ecclesiad est. Cui rei nulla res alia videtur illo tempore ini- 
tium praebuisse et causam, nisi ea, qua tum flagrabant Episcopi 
vehementissima voluntas imitandae ejus vitac, quam sanctissimam 
‘Monachi et omni virtutum genere absolutam et profiterentur, et 
orbe applaudente implerent. Nam adsciscebatur e monasteriis ma- 
xima pats Episcoporum, qui deinde ei rei studuere plurimum, ut 
et monachorum retinerent habitum et mores in Clerum transfer- 
rent. Nihil ergo dixeris probabilius, quam id eo tempore accidisse, 
quo Clerici S. S. hominum duriorem et humiliorem vitam imitari 
magna cum laude cuperent et inanem vestimenltorum pompam dc 
saecularem cultum adspernari. Es werden hierauf p. 266 — 302 die 
verfchledenen Zonfurveränderungen, ſowohl in der lateinifchen als grie: 
chiſchen Kirche ausführlich befchrieben und beurtheilt, womit die gelehr: 
ten Bemerkungen von Danfi (Animadversiones ad Thomassini P. I, 
1. II. oc. 39.) zu vergleichen find. Die Abhandlung de tonsura cle- 
ricali in Martene de antiq. ritib. P. IH. p. 294— 302 ſucht ein 
höheres Alter zu vindichren, wagt jedoch feine Entfcheidung zu geben. 
Forſcht man nun nach ber myſtiſchen Bedeutung der Tonſur, fo muß 
man auch hier die frühere und Tpätere Zeit unterfcheiden. Bei den 
Mönchen früherer Zeit follte die Zonfur nicht nur Symbol ber lebens⸗ 
länglihen Buße, fondern auch der Hörigkeit und Abhängigkeit, fo wie - 
der Dienftharkeit ſeyn, zu welcher fie ſich gegen Gott durch ihr Klofter: 


x 


843 Taufe. 


dazu einzuladen. Man mißbraucht bie heilige Einfegung nicht zum 


wucherifchen Ermwerbe, noch zur Iuftigen Schmauferei. Dem Kinde wird 


nur ein Vorname gegeben, und zwar dem diteften vorzugsweiſe der eines 
der Großaͤltern. Sind befondere Namen zu beftimmen, fo wählt man . 


nie fremdllingende und abenteuerliche, fondern bekannte chriſtliche 
amen. Ä 

Die Zaufe wird noch gewöhnlich mit dem zweiten Gottesdienſte 
verbunden, und die Gemeinde nad) derfelben mit dem Segenswunſche 
entlaſſen. Doch halten die Geiftlihen nicht mehr mit der alten 


"Strenge darauf. Sie taufen auch auf befonderes Anfuchen in Pri⸗ 


vathäufern, ſchützt man Arztlihe Gründe, den. Zuftand der Mutter, 
den Wunfch der Freunde des Hauſes und dergleichen vor. Uebrigens 
empfangen und nehmen fie feine Elingende Remuneration, hoͤchſtens 
ein Ehrengefchent, das ihnen wohlhabende Aeltern zufenden. 

Thun wir nun noch einen Blick auf die Zaufpraris unferer Tage, 
fo möchte ſich folgendes Ergebniß herausftellen: 

1) Die Taufe, und zwar jegt vorzugsweife die Kinbertaufe, wenn 
man Kleinere, ſchwaͤtmeriſche Parteien, wie Wiebertäufer, Quaͤker u. a. 
abrechnet, ift ein Ritus geblieben, den noch alle kirchliche Parteien als 
von Jeſu herrührende Einfegung achten und üben, und fid dabei der 
von ihm verordneten Zaufformel bedienen. Der Belprengungsritus ift 
vorherefchend im Abendlande geblieben. 

2) Die griehifhe Kirche hat dem erften Anfcheine nach, das meifte 
Aterthümliche bei der Zaufe beibehalten; bei näherer Betrachtung ers 
giebt fi) aber, daß fie zwar alterthämliche Formen beibehalten hat, 
die jedoch ſelbſt ſchon in der frühern chriftlichen Zeit wieder untergins 
gen, wie 3. B. das Catechumenat. Der Sitte des Untertauchens, die 
fie noch jegt feſthaͤlt, kann 'entgegengefegt werben, daß her Befprens 
gungsritus dem Symbole der chriſtlichen Zaufe nicht entgegen iſt und 
fruͤh ſchon ebenfalls im chriftlichen Kultus vorhanden war. Die übris 
gen Gebräuche aber bei der Zaufe in ber griechiſchen Kirche flammen 


- aus einer fpätern Zeit ab, wo Aberglaube fon und Schwärmerei den 


chriſtlichen Kultus verunftalteten, 
3) Am einfachflen, der N: %. Anordnung am gemäßeften und 
am ähnlichften der fruͤheſten chriftlichen Praxis geftaltet ſich der Tauf⸗ 


ritus in ber proteflantifhen Kirche. Hier hat man alle abergläubifche, 


ſchwaͤrmeriſche Gebräuche, ekelhafte Manipulationen und myſtiſch füßs 
liche Deutungen aufgegeben, wie fie noch jegt in der griehifhe und 
tömifch = katholifchen Kirche beftehen. x } 

4) Was aber das Erbauliche der heutigen Zaufliturgie betrifft, fo 
bürfte ben Presbpterianern in Schottland der Preis zuerfannt werden 
müffen. Es find darum in der proteftantifchen Kirche allerdings bie 
Stimmen in neuerer Zeit zu beachten, welche eine etwas veränderte 
und mehr feierliche Taufliturgie wuͤnſchen. 


— 





Tonſur. 561 


roͤmiſche Form war, koͤnnen wir ſchließen aus ben Worten bes Dia 
cons Johannes in Vita S. Gregor. M. 1. 4. e. 83., wo er die Krone 
des Papſtes Gregor I. fo beſchreibt: Corona rotunda et spatiosa 
oapillo subnigro et decenter intorto. Die fpanifhe Spnode zu 
Toledo vom Jahre 638 gebot fo ernft diefe Zonfurform ben Klerikern, 
Daß fie fogar jede Abweihung als eine Verachtung bes Patholifchen 
Staubens anſah. — Diefe Form iſt in der römifhen Kirche immer 
geblieben, nur daß man fie theild vergrößert, theils verkleinert, theils 
aud) an verfchiedenen Theilen des Kopfes angebracht hat, um dadurch 
die bohe oder niedere Stellung der Kleriker oder der Otdens⸗ und 
Weltgeiſtlichen damit zu bezeichnen. Bei den niebern Weihen ift der 
Umfang ber Tonſur ungefähr der eines halben Kopfſtuͤcks, die ber 
Priefter im Umfange einer Hoſtie, die der Biſchoͤfe am größten, fo daß 
bei dem Papfte fall das ganze Vorderhaupt kahl iſt, und nur ein 
ſchmaler Kreis von Haaren über der Stirne fichen bleibt. Was bie 
Tonſur der jegigen deutſchen Geiſtlichkeit betrifft, fo bemerkt Binterim 
p. 274 darüber, daß fie zwar ber Zonfurform gewiſſer fpanifher Haͤre⸗ 
tiker ähnlich, jedoch keineswegs eine Mutter der Härefis, fondern bes - 
klimatiſchen Bedkrfniffes fei. Die große Krone, die das ganze Haupt 
entblößte, war Manchem fehr empfindlih, und verurfachte ſowohl in 
falten Wintern ale im warmen Sommer nicht felten Kopfſchmerzen 
und andere Leiden, Man fing daher an, fie enger zu formen und auf 
der Spike des Hauptes nur eine kleine Krone zu fcheeren. Vergl. 
Respons. Ratramni ad objecta Graecor. 1. IV. 0. 6. Der altıömis 
fhen Tonſut ftand in einer gewiſſen Hinſicht 

b) die Tonfur der Scotten und Sadhfen entge 
gen. Man fhrieb diefe Art dem Apoftel Johannes zu. Sie bildete 
von der vordern Spige der Stine bis zu den Ohren einen halben 
Girkel in der Geſtalt, wie die Natur uns die Kahlkoͤpfe zeig. Auf 
dem Hintercheile blieben die Haare ftehen und herabhangen. Der Sohn 
des Königs Loigair, mit Namen Subulcus, fol zuerft diefe Form in 
Hibernien eingefegt haben. Ueber Form und Urheber diefer Tonſur 
heißt es daher in den Capitulis selectis canonum hibernens., mweldye 
d'Achery in dem Iten Bande feines Spicilegium p. 45 anführt, alſo: 
Querum tonsura aure ad aurem tantum contingebat, pro excellen- 
tia ipsa Magorun tonsura, qua sola frons anterior tegi solebat, 
priorum, — Nicht weit davon heißt es: Auetorem hujus tonsurae 
in Hibefnia Subulcum, Regis Loigairi filium, illis exstitisse, Patrieii 
testatur sermo, ex quo Hibernenses pene omnes hano tonsuram 
sumserunt. Trotz alles Miderftrebens einiger Bifchöfe erhielt ſich doch 
diefe Tonfurform unter Scotten und Sachſen, und gab zu Eube des 
Tten und zu Anfange des 8. Jahrhunderts Gelegenheit zu Bleinlichen 
Streitigkeiten, die man erzählt finder bei Schrödh KG. Thl. 20. 
mp 155 ff. 

Die Griechen unterfheiden fih in ber Tonſur von ber abendlaͤn⸗ 
difhen Kirche. Sie fcheeren die Haare des ganzen Hauptes ganz kurz 
ab, und leiten diefe Form von dem Apoftel Jacobus oder Paulus ab. 
Auch fie legen auf die Tonſur einen großen Werth. Tonsura capitie 
sacerdotis, fagt der Patriarch Germanus (Theor. mystic.) et rotunda 
ejus pilorum sectiv, vice coronae spinae est, quam Christus gestarit. 








544 Thomas. 


welcher Aldvuog Unentfchlofienheit und Wankelmuth (dıozaxtızög zıc), 
fo wie der Name neroog auf feftes, unerfhhütterliches Vertrauen hin: 
weiſt. Noch andere Erläuterungen dieſes Namens f. Auguſti's Denk: 
würdigkeiten 8 Thl. p. 221. Nach der evangelifhen Gefchichte zeigt 
Thomas etwas Raſches und Webereiltes, Joh. 11, 16. 14, 5— W. 
24 ff., wiewohl fein Ins Sprüchwort üÜbergegangener Unglaube bie 
harte Beurtheilung nicht ‚verdient, welche befonders mehrere ältere De: 
mileten ausſprechen. Befremdend' bleibt e8 immer, daß die evangeliſche 
Gecſchichte über das Schidfal diefes Apoſtels nad der Himmelfahrt 
Jeſu gänzlich ſchweigt, ob er gleih nah dem Evangeium Johannis 
als eine intereffante Perfon erſcheint. S. Niemeyers Charakteriſtik der 
Bibel 1. Thl. p. 104 ff. Abkunft, Vaterland und frühere Beſchaͤfti⸗ 
gung dieſes Apoftels find völlig unbekannt. Wahrſcheinlich ader war 
ee gleichfalls wie bie uͤbrigen Apoftel aus Galilda. Eben. fo wenig 
weiß man aud von der Zeit und Veranlaſſung feiner Berufung zum 
Apoſtelamte. — 
Dieſe Luͤcken der evangeliſchen Geſchichte ſucht nun auch hier die 
Tradition zu ergaͤnzen. Nach Euſebius KG. 1, 8. Cap. 1. ſoll bei der 
Zerſtreuung der Apoſtel dem Thomas Parthien zugefallen ſeyn. Dort 
und in den angrenzenden Laͤndern predigte er das Evangelium, und 
Chryſoſtomus hom. in XII apost. fügt noch hinzu, daß er auf dieſen 
Reifen die heiligen drei Könige angetroffen, biefelben getauft und fich 
threr zugleich als Gehälfen zuc Ausbreitung des Evangeliums in jenen 
Ländern bediente habe. So fol er auch nach den Küften von. Indien 
gereift fenn, und zu Socatora, Granganor und im Königreihe Coro⸗ 
mandel das Chriftenthum mit fehr gluͤcklichem Erfolge gelehrt haben. 
Ale aber die Braminen die großen Nachtheile erfuhren, die ihnen 
durch die häufigen Belehrungen zu ber neuen Religion durch den 
Apoftel zugefügt wurden, follen fie ihn nahe bei Malipar, der Daupts 
Rede im Königreiche Coromandel, mit Pfellen todt gefchoffen haben. 
Eben bafelbit fol er auch begraben und von da auf Befehl des Königs 
Johannes von den Portugiefen nach Goa gebracht worden feyn. Nach 
Anderen ift er gefreuzige worden amd zw Edeſſa in Syrien begraben. 
Die vorhin genannte Homilie des Chryfoftomus läßt den Thomas auch 
in Aethiopien und: Abyffinten das Chriftentbum verkündigen und fchreibt 
ihm figurlich das Aethiopem lavare zu, d. 5. das ſchwere Geſchaͤft, 
Aethiopien zum Ehriſtenthume zu bekehren. Waͤren alle dieſe Nach⸗ 
richten gegruͤndet, ſo haͤtte Thomas eine noch gtoͤßere Laͤndermaſſe be⸗ 
reiſt, als ſelbſt der thaͤtigſte aller Apoſtel, Paulus. Indeſſen baden 
befonders neuere Gelehrte, wie Beauſobre in ſeiner histoire des Ma- 
nich. Tom. I. p. 60 42eqq., und beſonders Stark ausfuͤhrliche Ge⸗ 
ſchichte des erſten Jahrhunderts p. 146—48 die Wahrheit jener Tra⸗ 
dition, daB Thomas befonderd der Apoftel der Indier geweſen fel, 
beftritten. Ihre Gründe laufen auf Folgendes hinaus: „Es fei an 
„ch unwahrſcheinlich, daß das Chriftenthum bereits im erften Jahr⸗ 
„hundert in dem entferntern und weniger befannten Indien follte ver 
„breitet worden feyn. Vielleicht Babe man nur das füdliche Arabien 
„zu verſtehen, welches von den Alten zumeilen auch Indien genannt 
„werde. — Die Zeugnifie eines Ambrofius, Hieronymus, Gregorius 
„von Nazianz u. a. feien zu neu, und nach andern Nachrichten wäre 





Thomas, 0. 545 


ſchon Bartholomäus (f. dieſen Artikel) als Apoftel der Indier angefehen 
„werden. — Das Vorgeben ber fogenannten Zhomaschriften,, die 
„noch jest in diefen Gegenden lebten, und ihren Urfprung von unferm 
„Apoſtel ableiten, fei unſicher, nicht nur weil jede einigermaßen bedeu: 
‚‚tende chriſtliche Kirche ihren Urfprung von einem Apoftel ableite, fon: 
„been weil bier befonder& ber portugiefifche Erzbifchof von Goa, Mes 
„nezes, im Sabre 1599 alle Bücher der Zhomaschriften verbrannt 
„habe, aus welchen vielleicht etroa8 Über das Alter dieſer Kirche habe 
„exforfcht werden koͤnnen. — Uebrigens fei es weit wahrfcheinlicher, 
„den Urfprung der Xhomaschriften von einem gewiſſen forifchen Neſto⸗ 
‚ioner, Mar Thomas oder Thomas Cunnandus, abzuleiten, welcher 
‚im 5. ober 6. Jahrhundert bei der Verfolgung der Neſtorianer ſich 
‚mach Indien rettete, und an ben Küften von Malabar eine chriftliche 
„Kirche nad) ſyriſchem Ritus einrichtete.: Dafür fpreche auch der Um: 
‚sand, daß die Thomaschriften ſelbſt jegt noch Syrer heißen und fich 
„der forifchen Sprache bedienen. . Beaufobre in feiner angeführten Ge: 
„[&ichte, de Manichee, findet ed darum (Tom. I. p. 78) auffallend, 
„daß die Katholiken in Oftindien die Gebeine eines Erzketzers verehrten.” 
Gegen diefe Gründe nun führt Augufti in feinen Denkwürdigkei⸗ 
ten 3. Thl. p. 225 an, daß dennoch mehrere Entdeckungen der neue: 
fien Zeit jenen Altern Traditionen ungemein günftig feien. Er beruft 
fi) unter andern auf Buchanans Journey from Madras trough coun- 
tries of Mysore, Canara and Malabar. Edit. 2, London 1812. III. 
Voll, 4, aud ind Deutfche Überfegt und im Auszuge in dee Minerva 
im Auguftft. 1813. p. 262 f. Auch leite die forifche Kirche von 
Mayala fih vom Blfchofe Johannes Indicus ab, welder im Jahre 325 
dem nicänifchen Concil beimohnte, und von welchem man noch ein 
altes Manufeript der Bibelüberfegung in eflrangelo = fprifcher Schrift 
beſitzt, welches wahrfcheinlih das dltefte in der Melt iſt, und der 
roͤmiſch⸗ portugiefifhen Inquifition unter Menezes im Jahre 1599 
glüdlich entging. Auch die bei diefen fyrifchen Chriften noch vorhan⸗ 
denen Inſchriften auf ſechs Metalltafeln dürften die älteften Documente 
des Chriſtenthums in der Welt ſeyn. — Hierzu komme noch eine 
andere Nachricht aus englifhen Zeitfchriften im Intelligenzblatte der 
Leipziger Literaturzeitung 1818 Mr. 280. folgenden Inhalts: „Auf 
„dem St. Thomasberge unmeit Madras, wo viele Gräber aus den 
„erſten Zeiten bes Chriſtenthums find, bat im Mai 1818 ein Soldat 
„in einem Grabe drei Manufcripte auf Palmblättern gefunden, bie 
„im Jahre 51 nach Chrifli Geburt von einem Simon Caleb gefchrie- 
„ben worden und nun nad) London gebracht worden.” 

Allein, einmal fragt es fih, ob biefe Entdeckungen die Ecitifche 
Probe aushalten, und dam wuͤrde auch nicht daraus folgen, daß ge⸗ 
ade Thomas um bdiefe Zeit das Chriftentbum nah Indien gebracht 
babe, fondern nur fo viel, daß es weit früher, als ſich die kirchliche 
Partei der Neflorianer bildete, dort geblüht habe. Inzwiſchen ift es 
noch jegt feftee Staube der dortigen Thomaschriſten, daß fie unmittel: 
bar von dem Apoftel Thomas abflammen, denn Zſchokke in feiner Dar: 
flelung gegenmwärtigee Ausbreitung des Chriftentyums auf dem Erd: 
balle. Aarau 1819. p. 50 bemerkt dieß ausdruͤcklich. — Aechte 
Schriften find von diefem Apoftel nicht vorhanden. Den Mangel der: 

Siegel Handbuch IV. 35 
| 











554 " Zonfur. | 


„Drbinanden Enten um ben Altar vor dem Biſchofe in einem Halb» 
„kreiſe herum, worauf der Arhibiacon folgende Anrede an ſie halt: 
„BReverendissimus et Illustrissimus in Christo pater etc. Hierauf 
„Spricht derfelbe: Accedant, qui ordinandi sunt, ad primam tonsu- 
„ram ete, Der Notar ruft nun alle, welche die erfte Tonſur erhals 
„ten follen, mit Namen herbei und jeder antwortet: Adsum. Ein 
jeder derfelben bilt feinen Chorrod über den linken Arm und 'die 
„Kerze in der Hand. Nachdem fie alle vor dem Altare niedergekniet 
„sind, ſteht der Biſchof mit der Infel auf und fpriht: Sit nomen 
„Domini benedietum etc. Oremus fratres carissimi eto. Hierauf, 
„während der Biſchof auf feinem Seſſel figt, beginnt und vollendet dee 
„Chor die Antippon: Tu es domine etc. mit dem 15. Pfalm Con- 
„serva me Domine etc. Während der Chor diefen Pfalm betet, 
„ſchneidet der Bifhof jedem Kandidaten die Außerften Haartheile an 
„der Stime, am Hinterhaupte und bei den beiden Ohren, dann auh * 
„auf der Mitte des Sceitel® einige Haare ab und legt ſolche auf einen 
„Salat. Jeder Kandidat fpricht während des Haarbeſchneidens: Domi- 
„nus pars haereditatis meae et calicis mei, tu es, qui restitues 
„haereditatem meam mihi ete. Nah diefem Läßt fih der Biſchof 
„bie Snfel vom Haupte nehmen, fleht auf und ſpricht gegen die Ton⸗ 
„furitten gewendet: Praesta quaesumus omnipotens Deus. Hernach 
„betet der Chor die Antiphon: Hi accipient ete., bei deren Anfang 
„ſich der Biſchof mit der Infel niederfegt; dann folgt der 23. Pſalm. 
„Domini est terra ete. mit wiederholter Antiphon. Hierauf fleht der 
„Biſchof ohne Infel auf und ſpricht zum Altare gewendet: Oremus, 
„flectamus gonua eto. Gleich barauf wendet fich berfelbe zu den 
„Tonſurirten und betet: Adesto etc. Darnach fest ſich derfelbe mit 
„der Infel nieder und legt einem. jeden den Chorod an, wobei er 
„jedesmal fpricht: Anduat te Dominus etc. Iſt dieß gefehehen, fo 
„fteht der Biſchef ohne Infel auf und betet die Dration: Omnipo- 
„tens, sempiterne Deus, propitiare peccatis nastris ete. Dann feßt 
„er ſich wieder nieder und fpriht: Filii carissimi eto.“ 

Ueber die empfangene Tonſur, mie über jede erhaltene Weihe 
wird dem Weihekandidaten ein Zeugniß vom Biſchof ausgeſtellt, wel⸗ 
ches bei kuͤnftigen Anſtaͤnden uͤber die empfangene Weihe, wie bei 
andern Gelegenheiten als Beweismittel dient. Eben ſo wird der Em⸗ 
pfang der Tonſur, wie jeder andern Weihe in das Ordinationsbuch 
eingetragen. — Dieſe Tonſur, deren kirchliche Feierlichkeit nach der 
oben gegebenen Beſchreibung eben nicht ſinnreich und erbaulich genannt 
werden kann, iſt uͤbrigens keine geiſtliche Weihe, ſondern nur eine 
Vorbereitung derſelben. Sie kann allen gegeben werden, welche den 
ernſten Willen haben, im Klerikalſtande Gott treu zu dienen, die leſen 
und ſchreiben koͤnnen, in den Anfangsgruͤnden des Glaubens unter⸗ 
richtet ſind und das Sakrament der Firmung empfangen haben. 

Bei den Proteflanten wurde eben fo wenig auf die Tonsura Pauli 
et Jacobi, al& auf die Tonsura Petri ein befondered Gewicht gelegt; 
dagegen wurde bie Kopfbededung ber Geiſtlichen auch bier oft ein niche 
unwichtiger Contwverspunct. J 





EN 


37. | 
Srinitatisfeft 


I. Späte Einführung dieſ es Feſtes. I. Vermu⸗ 
thung uͤber den Urſprung deſſelben. 


Literatur. Hospinianus de origine festor. Christian. p. 
87. — Bingh. 1. 1. Vol. I. p. 160 etc. — Joach. Hildebrandi de 
diebus festis libellus p. 92. — Jo. Andreas Schmidii historia festor. 
et dominic. p. 118. — Auguſti's Dentwürbigkeiten aus der chriſtl. 
Archäologie 2. Bd. p. 404. 

)) Späte Linführung des Trinitatisfeftes. — 
Schon aus dem, was über die drei Feſteyclen erinnert worden iſt, ers 
giebt fich, daß das chriftfiche Altertum ein KXrinitatisfeft gar nicht 
tennt, und daß die griechiſch- orientalifche Kirche daffelbe zu Beiner Zeit 
angenommen bat. Dan muß daher die fpätere Zeit befragen, wo 
allerdings der für die Gebräuche der roͤmiſchen Kirche fo wichtige Du⸗ 
tandus Gemährsemann ſeyn könnte, wenn er nicht gerade bier eine 
verwortene und offenbar unrichtige Seftgefchichte geliefert hätte. Diefem 
Feſte ein höheres Alter zuzufchreiben, dazu trug befonders bei die Ver⸗ 
wechfelung des Dogma’s mit der kirchlichen Feſtfeie. Wenn jenee 
fhon den früheren Jahrhunderten angehört, wenn da ſchon viele Hymnen, 
Dorologten, Refponforien und vergleihen, worin das Lob ber Dreieis 
nigfeit gepriefen wurde, bei dem öffentlichen Gottesdienſte vorkommen; 
fo folgt daraus noch nicht, daß für die Zrinität ſelbſt ſchon ein eigenes 
Feſt vorhanden geweſen fei. Vielmehr erinnert man fi des Dogma’s 
von der Deeieinigkeit an jedem einzelnen Sonntage. Dieß bemeiit 
unter andern die Praefatio im Missale, die. von vielen dem Papſte 
Pelagius 1. im 6. Jahrhundert zugefchrieben wird, weshalb auch man 
che da bereits ein Trinitatisfeſt annehmen... Allein ſchon in Mierologi 
observat. eccles. ec. 60. wird richtig das Keinitatiöfeft betreffend bes 
merft: Olim non fuit, propria hujus festi solemnitas, sed singalis 
diebus dominieis usitata. Zu den Beweiſen, daß in fpäterer Zeit erft 
ein Trinitatisfeſt gefeiert wurde, gehört Folgendes: 

1) Der Umftand, daß ſich in Alcuins Homiliariam feine Spur 
von diefem Felle finder; j 

2) eine Aeußerung bes Abtes Potho zu Prümm in ber Zrierfchen 
Didces in feiner Schrift de statu domus dei 8. ecolesiae (ums Jahr 
1152), wo er fagt:: Miramur, quod nostro 'tempore nomaulli in . 


556 Trinitatisfeſt. 
monasteriis novas oelebritates inducant. (uare? an patribus sumus 
doctiores? Quae igitur ratio celebrandi festum Trinitatis et Trans- 
figurationis. Christi? Wie hätte Potho bas Trinitatisfeſt unter die 
novas celebritates rechnen und die Feier beffelben für fo unſchicklich 
erklären koͤnnen, wenn fie durch kirchliche Geſetze, nder au. nur Ob⸗ 
ſervanz waͤre eingeführt geweſen? 

3) Auch der heilige Bernhard von Elairveaur hat noch keine Ho⸗ 
milie auf dieſes Feſt. 

4) Aus Durandus 1. 1. lib. VL e. 107 — 114. ergieht ſich, daß 
zwar ſchon Spuren von der Feier eines ſolchen Feſtes in ſeinem Zeit⸗ 
alter vorhanden waren, aber daß noch keine Uebereinſtimmung in An⸗ 
. fehung deſſelben herrſchte. 

5) Selbſt der gelehrte Prosper Lambertini, nachher Papſt Bene⸗ 
dit XIV. (+ 1758), wagt in feiner Sceift: de festis dömini 
nostri etc. 1. 1. oc. 12. 9. 16. nicht mehr zu behaupten, als daß 
man die allgemeine Feier des Trinitatisfeſtes nicht früher als ins Jahr 
1334, wo Papft Johann XXI. diefelbe verordnet habe, fegen Eönne. 

Aus allem dieſen ergiebt fich, daß die allgemeine Feier des Trini⸗ 

tatisfeſtes erſt dem 14. Jahrhunderte "angehört. 

1Il) Dermutbung über den Urſprung diefes Se 
ftes. — Es ift merkwürdig, daß man nirgends einen Aufſchluß über 
die erſte Idee eines folchen Heftes finder und aus Mangel an billori> 
ſchen Nachrichten muß man bier mehr zur Vermuthung feine Zuflucht 
nehmen. Wir theilen hier eine ber neuern Hypotheſen mit, die ſich 
in Auguſti's Dentwürdigkeiten 2. Thl. p. 430 ff. befindet. Hier er: 
klärt fih Herr Dr. Augufti auf folgende Art: „Sollte hier (über die 
„Entftehung des Zrinitatisfeftes) eine Vermuthung erlaubt feyn, fo 
„wuͤrde ich das in der griechifhen Kirche gebräuchliche Feſt der Ortho⸗ 
„doxie für die nächte Veranlaffung des oecidentalifhen Zrinitatisfeftes 
„halten. Obglelch jenes Feſt in der griechifchen Kirche auf den Sonn⸗ 
tag Invocavit fällt, fo gedentt doch auch Leo Allatius der Meinung 
derer, qui eam in dominicam vel proximam Pentecostes in vicesimam 
primam Maji rejiciunt; das Letztere würde genau mit der occidentalifchen 
Zeit zutreffen. Derfelbe Leo Allatius bat ein langes Kirchenlied von 
Michael Syncellus in griehifher Sprache auf das Feſt der Drthodorie 
mitgetheilt, welches feinem Sauptinhalte nad) . ein bloßer Lobgefang 
auf den dreieinigen Bott ift. 

Da nun der Bilderdienft fehr genau mit dem Dogma der Trini⸗ 
tät zufammenhängt (weshalb auch die Dogmatiker und Polemiler den 
Punct de imaginibus et cultu sanetorum immer im Verbindung mit 
dem Artilel de Deo trinuno abhandeln), fo därfte die Annahme nicht 
unmahrfcheintich fen, daß man im Abendlande, wo der Bilderdienft 
feit der Frankfurter Reichsſpnode im Jahre 794 foͤrmlich verworfen 
mar, und befonders feit dem großen durch Photius veranlaßten Schisma, 
auf den Gedanken gefommen fei, um den Griechen an Froͤmmigkeit 
nicht nachzuflehen, ein wahres aͤcht chriſtliches Feſt dee Orthodoxie, 
nicht zu Ehren der Heiligen, ihrer Reliquien und Bilder, fondern zur 
Verherrlichung bes reinen Glaubens an den dreieinigen Gott zu feiern. 
Alsdann würde fi) auch leichter erklären ln warum gerade von 
Rom aus biefes Feſt anfangs fo wenig begänltige wurde. Denn man 





Trinitatisfeſt. 557 


weiß ja, in welche Berlegenheit bee Bilderflreit Rom verfegte, und wie 
fehr man jede äffentlihe Erklärung, wodurch der Widerſpruch zwifchen 
den frühen und fpätern Grundfägen hierüber neu angeregt werden 
konnte, zu vermeiden fuchte. Bei diefer Annahme hat man wenigftens 
den Vortheil, den Urfprung des Zrinitatisfeftes, welcher außerdem ganz 
im Dunfeln liege, biftorifch = genetifh, d. b. aus Begebenheiten, Ver⸗ 
bältniffen und Bedürfniffen des Zeitalters erklären zu Eönnen. 

In ber proteftantifhen Kirche wurde das Trinitatisfeſt ungeachtet 
eines ſpaͤtern Urſprungs dennoch allgemein eingeführt oder vielmehr 
beibehalten. Bon diefem Feſte benannte man die fämmtlichen Sonns 
tage des übrigen Kirchenjahres bis zum Advent. Es leidet wohl kei⸗ 
nen Zweifel, daß die biefem Feſte beigelegte Wichtigkeit hauptſaͤchlich 
in der Erfcheinung ber Antitrinitarler, wodurch ſich die zweite Hälfte 
des 16. Jahrhunderts auszeichnete, ihren Grund hatte. Schon die 
Säge, welche in der Concordienformel (art. XII.) wider die errores 
novorum Arrianorum et novorum Antitrinitar. aufgeftellt werden, 
tonnten als ein Motiv dazu gelten. 





38, " 
Unterrichtöanftalten 
im chriſtlich-kirchlichen Leben, 
betreffend 


A. . 
den populären Volköreligionsunterriht für Er: 
| wachſene und für die Jugend. 


. DB ' 
Den höhern wiſſenſchaftlichen KReligionsunter- 
riht für kuͤnftige Religionslehrer. 


I. Einleitende Bemerkungen, II. Schidfale und Ver: 
änderungen dieſes Unterrichtd nach gewiſſen Zeitperioden, 


\ A. - 
Unterrihtsanftalten im hriftlich = Firhlihen Leben, 
betreffend ben populären Volksreligionsunterricht 
für Erwahfene und die Jugend, 


Literatur. Erziehungsiehre von F. Hr. Chr. Schwarz. 2te 
Ausg. Leipz. 1829. 8. ir Bd. Geſchichte der Erziehung. 2te Abs 
theilung chriſtl. Welt. — Geſchichte ber Erziehung und des Unterrichts 
im Alterthume von Dr. Fr. Cramer. Elberfeld 1832. 2 Thle. 8. — 
Georg Gottofredus Keufel historia originis et progressus sneholar. 
inter Christian. Helmstadii 1743. 8 — Gecſchichte des. Schuls 
und Erziehungsmwefens in Deutfchland von ber Einführung des Chris 
ſtenthums bis auf die neueften Beiten. Entworfen von Fr. E. Ruh: 
Copf. Bremen 1794. Ä 

Größere arhäologifhe Werke, die beiläufig 
von den Schulen mit. bandeln. Bingham etwas Weniges 
Vol, III. p. 273. — Augufti’6 Dentwürbigkt. Thl. 11. einige Seiten 
von den Schulen und Kirchen. — Schöne Geſchichtsforſchungen Ir Thl. 
p. 872. Sr Thl. pr 378 ff. Es gehören biecher auch einige von ben 





“  Unterrichtöanflalten. 398 


Schriften, bie oben im Artikel Catechetiſcher Unterricht angeführt 
worden find. , 

)) £inleitende Bemerlungen. — : Das Chriftenthum 
gewann feine erſten Verehrer keineswegs aus einer vollig rohen unges 
bildeten Volksmaſſe. Der bürgerlich und wiffenfchaftlich gebildete Heide, 
wie der mit böhern religiöfen Kinfichten ausgezeichnete Heide treten 
vereint in die Hallen der chriſtlichen Kirche. Aber ein Unterrichtszweig 
in der veränderten Anbetungsweife mußte gewiflermaßen völlig new 
genannt werden, der Unterricht in ber Religion, welcher ben Verſtand 
über die wichtigften menfchlihen Angelegenheiten aufklären und das 
Herz für edle Gefinnungen und Handlungen bilden follte. Diefer Uns 
terricht galt auch nicht einzelnen Hochgeftellten in ber chrifllichen Kirche, 
fondern allen Mitgliedern berfelben. In diefer Korm hatte weder das 
Judenthum noch das Heidenthbum ben religiöfen Unterricht aufgefaßt, 
Beide kannten nur den Priefter, der feinen Beruf’ in Opfern und in 
der Ausübung gewöhnlich gewordener Geremonten fand, nicht aber 
Volkslehrer in Beziehung auf das Heilige war. Der in den cheifltis 
chen Ideen enthaltene Univerfalismus und Gosmopolitiömus wurde früs 
ber nicht einmal geahnet. Als Religion des Geiſtes und der Liebe, 
die ſich früher auf das lebendig Iehrende Wort Jeſu und feiner Apoftel, 
auch fpäter noch immer barauf, nur unterflügt von einer fchriftlichen 
Meligionsurtunde, gründete, machte Lehrer und Lernende gleich anfangs 
nöthig, und ein befonberer Lehrftand hat fih mit dem Beginnen des 
Chriſtenthums gebildet und in der chriſtlichen Welt ſtets erhalten, wenn 
man kleinere ſchwaͤrmeriſche Parteien ausnimmt. Mit der bes Unter: 
richts bedürftigen Maſſe flellte ſich auch zugleih das Beduͤrfniß befaͤ⸗ 
higter Lehrer heraus. Dieß und bie Eigenthuͤmlichkeit des Chriſten⸗ 
thums, daß es faßlich in feinen Grundwahrheiten, doch auch unwill⸗ 
kuͤhrlich zu einer gewiſſen Tiefe des Forſchens führt, machte ſchon fruͤh⸗ 
zeitig das bemerkbar, was wir jetzt populaͤren Volksunterricht im allge⸗ 
meinen oder Religionswiſſenſchaft (Theologie) zu nennen pfiegen. Um 
den erſtern in ſich aufzunehmen, bedurfte es nur eines geſunden Verſtan⸗ 
des und eines unverdorbenen Willens. Um denſelben aber zu ertheilen, 
konnten auch Wiſſenſchaften nuͤtlich werden, auf welche man zeither 
fhon. im Juden = und Heidenthume einen Werth gelegt hatte. Es zerfiel 
alfo gleih anfangs der Meligionsunterricht in einen populaͤren für die 
Mafie bes Volks und in einen hoͤhern für bielenigen, welche Volks⸗ 





lehrer der Religion werden wollten. In -folcher Abfonderung wollen - 


wir auch in dieſem Artikel den chrifllichen veligiöfen Unterricht in der 
Beitbauer des Chriftenthums betrachten, hoffend, daß wir fo am Blarften 
den aufgenommenen Gegenfland, in der Kürze, ben dieſes Handbuch 
fordert, werden abhandeln können. Webrigens erinnern wir, um jedem 
Migverfiändniffe vorzubeugen, daß wir es nur bier mit dem Religions⸗ 
unterrichte, Beinesweges aber mit dem Unterrichte über andere Gegen⸗ 
flände_ zu thun haben, da biefer einer allgemeinen Erziehungsgeſchichte 
anheimfällt. 

Anlangend das Material, was als populärer Religioneunterricht, 
und die Art und Weiſe, wie berfelbe pflegte ertheilt zu werben, haben 
wir das Nöthige in dem Artikel Gatechetifcher Unterricht Ir Bd. p. 
842 ff. bereits erwähnt, fo daß wir hier darauf zuruͤckverweiſen können. 








560° Unterrichtäanftalten. 


Mir haben es darum in dieſem Artilel mehe mit den Orten und Per: 
fonen zu thun, wo und burdy welche biefer populäre Religionsunter⸗ 
eicht ertheilt zu werben pflegte. Dabei muͤſſen wir aber im voraus 
bekennen, daß die Unterfuhung über den populären Volksreligionsun⸗ 
terricht ſchwieriger iſt, als wenn es gilt die Gefchichte der Bildungs 
anftalten für Kleriker und vornehme Laien zu verfolgen. Vieles beruht 
bier nur auf Wahrfceinlichleitsgrunden und kann mehr durch Schluß» 
folgen als durch deutlich beiehrende Tchatfachen aufgehellt werben. 


Da die Schidfale der chriftlichen Kirche wechſeln, eigenthümliche 
Zeltmeinungen den Geift der Kirche eine Zeit lang beherrihen, da fer⸗ 
ner hier der Kampf des Lichts und der Finfterniß ſich mehr als anders 
- wärtd bemerkbar macht; fo moͤchte es auch am gerathenften feyn, die 

Geſchichte des populären Volksreligionsunterrichts nach gewiſſen Perio⸗ 
den abzuhandeln. Wir fangen darum an: . 


a) mit der Seitdauer vom Beginnen des Chri- 
tentbums bis zur Zeit des ſich ausbildenden Ca— 
tehumenats. Das Chriftenthbum war anfangs fo einfach, daß es 
keines großen und mweitläuftigen Meligionsunterrichtes bedurfte. Die 
Gatehumenen und bie fi zur Aufnahme gemeldet hatten, wohnten 
den Verfammlungen ber Brüder, den Vorlefungen ber heiligen Schrift, 
fo wie den Erklärungen” darlıher bei, und wurden dadurch vorläufig in 
der Lehre des Evangeliums unterwiefen. Die Kinder ber Chriften bes 
ſuchten wahrfcheinlich diefetben VBerfammlungen und hörten die Lehrer 
mit an, oder ihre Aeltern brachten ihnen zu Haufe die nöthigen Kennt: 
nifje davon bei.‘ Die Übrigen Gegenftände des Wiſſens, welche die 
Jugend damals zu erlernen pflegte, wurden vielleiht nach Der herge⸗ 
brachten Sitte jedes Landes mitgetheilt, ober was wohl noch häufiger 
gefhah, die Aeltern trugen nicht viel Sorge,- daß ihre Kinder in den 
weltlichen Wiflenfchaften unterwiefen wurden. Für diefe Vermuthung 
fprechen mehrere Umftände. Einmal feinen die erften Bekenner des 
Chriſtenthums der Mehrzahl nad) doc, befonder8 den niedern und drs 
mern Klaffen angehört zu haben, für deren Bildung auch damals noch 
der Staat nur wenig Sorge trug. Waren e8 Judenchriſten, fo brachs 
ten fie ohnehin die Gewohnheit mit. in das Chriftenthum, daß die 
religiöfe Erziehung mehr eine häusliche, als eine oͤffentliche war. Auch 
verdient ber Umftand Beachtung, daB berühmte Kirchenväter und Kir 
chenlehrer, die dem von uns beflimmten Zeitraume angehören, nicht 
von chriſtlichen Aeltern erzogen, fonbern erſt fpäter zum Chriſtenthume 
übergegangen waren, nachdem fie ihre Jugendbildung ald Juden oder 
Heiden erhalten hatten. Es fcheinen darum in bdiefer Zeitperiode die 
gottesdienftlichen DVerfammlungen und die häusliche fromme Erziehung 
einzig und allein den populären, religioͤſen Volksunterricht bewirkt zu 
haben. Dieß konnte auch in einer Zeit gefchehen., wo bie Chriſtenzahl 
noch Elein war, und wo ein eigenthümlicher Eifer für die neue Heils⸗ 
lehre befonders begeifterte. Doc die Umftände änderten fih. Die Zahl 
- der Chriften nahm zu, traurige Erfahrungen hatten gelehrt, daß man 
nicht alle ohne Ausnahme und Prüfung in die Kirche aufnehmen, die 
Mofterienform, weiche jegt im kirchlichen Leben beliebt wurde, führte 
eine eigenthümliche Erfcheinung, das Catechumenat, herbei. Wir können 


[4 











Unterrichtsanſtalten. 561 
darum hier wieder eine beſondere Zeitperisbe bilden und den populaͤren 
religioſen Volksunterricht betrachten 

b) in der Zeitbauer des TCatehumenats. Auch bier 
koͤnnen wir ung kurz fallen, da wir einen eigenen Artikel, Catechu⸗ 
menat, geliefert "haben. Dort find die Urfachen gezeigt worden, warum 
man es allmählig mit ber Aufnahme derer, welche Mitglieder der chriſt⸗ 
lichen Beligionsgefellichaften werden wollten, genauer nahm, warum 
man,fie Catechumenen nannte und als foldye in verſchiedene Klaſſen 
eintheikte,, fie längere oder kuͤrzere Zeit duch dazu beflimmte Kieriker 
unterrichten ließ, weiche hin unb wieder ſehr ausgezeichnete Maͤnner 
waren und dann erſt zur Taufe ſchritt, wodurch fie in die Zahl. dee 
eigentlichen Activchriften übergingen. Diele Periode, die ungefähr mit 
bem 2. Jahrhundert begann und im 5. Jahrhundert den Culmina⸗ 
tionspunct erreichte, iſt wohl eine ber glänzendflen für ben ueligides ' 
populären Volksunterricht in ber chrifllihen Zeitdauer, indem nice 
nur Erwachſene, fpondern auch ſelbſt die jugendlichen Geſchlechter, Die 
während derfelben heranwuchſen, mit- gleicher Sorgfalt . behandelt wur⸗ 
den, wie das von uns im Artikel Gatehumenat, Ir Bd. p. 378, ge: 
zeigt worden if. Auch bürfte fih vom Catechumenate, fo wie meh» 
reres Löbliche, der religidfe Jugendunterricht bis zur erſten Abendmahls⸗ 
feier herſchreiben, der auch ſelbſt in den Tagen der tiefſten Unwiſſenheit, 
die in die Kirche eingedrungen war, nicht ganz vernachlaͤſſigt worden 
fl. Wenn nun in diefer Periode der populäre Unterricht im Chriften: 
thume fowohl für Erwachſene als für die Jugend fih mit großer Klar: 
heit geſchichtlich anſchaulich machen Täßt, wie wie Die im Artikel 
Catechumenat glauben geleiftet zu haben, fo hört diefe Beguͤnſtigung 
für die biftorifhe Darſtellung in den folgenden Zeitperioden mehr oder 
weniger auf. Dies gilt bereite ſchon von der nächiten, die wir be: 
ſtimmen wollen 

ec) vom Aufbören des Latehumenats bis mit 
Einfhluß .des Zeitalters von Larl dem Großen. 
Der Anfang diefer Periode beginnt ungefähr mit der erften Hälfte bes 
6. Jahrhunderts und Erfcheinungen von befonderen Einfluß auf ben, 
populären Volßsreligionsunterricht, jedoch jegt mehr für die aufblühende - 
chriſtliche Jugend, ale für Erwachſene, da der Paganismus ziemlich 
verdrängt war, dürften folgende feypn: u 

aa) Die haͤus liche Erziehung. Sie gehört recht eigent⸗ 
ih zum Welen des Chriſtenthums. Diele Religion nämlich macht 
ſolche Erziehung nihe nur zur Pflihe (Mt. 18, 5. 10. 19, 18—15. 
Vergl. Juſtin d. Maͤrt. Apol. 2, 4. und gegen die DVermachläffigung 
der Kinder unter den Heiden und die Ausfegung Lact. Inst. 6, 20.), 
fondern auch dadurch, daß die Aeltern das Kind als ein Kind Gottes 
anſehen müflen, und daß ihre Liebe zu Ihm durch die Gottesliebe zur 
hoͤchſten gelaͤutert wird, ift fie fo vecht Ins Leben eingetreten. Der 
Geift der Liebe wurde der Geift der Erziehung, und er allein bildet im 
wahren Sinne. So wie er nun den Vater regierte, fo wurde bie 
Strenge der jüdifchen Zucht und ber römifchen. Vatergewalt gemildert, 
jedoch nicht. in dem Grade, daß Ernſt und Selbfiverleugnung aus ber. 
Erziehung wäre" verbannt worden. Hiermit wurde der. Seelaugwang ber 
alten Welt in.die freiefte and liedenallſte Selbſtbeherrſchung verwandelt. 

Siegel Dandeuh IV. . 36 





&o wie jeder chriſtliche Dawdwater zum echten Prieſter des Hauſes ger 
weiht ift, fo ift die Hausmutter, weiche das chriſtliche Beben im Her⸗ 
zen trägt, eine Regentin der Hausgenoſſen und Bildnerin der Kinder 
in einem hoͤhern Sinne. Die heilige Familie, Maria mit dem Jefas-⸗ 
Binde, das höchfle Ideal der Mütterlichkeit, wie auch ber Jungfraͤu⸗ 
lichkeit, mußte, wenn glei die falfche Michtung, die man ihm gab, 
zu beklagen ift, jeder meiblihen Seele, in welche. e6 ſich niederließ, 
eben die Würde und Schönheit einflößen,, durch weiche das weibliche 
Geſchlecht das eigentlich bildende ‚wird. So fügte einft ein heidniſcher 
Lehrer mit Bewunderung: Welche Weiber haben doch bie Ehriſten t 
Man kann den Beweis für bie bildende weibliche Froͤmmigkeie, aus 
gegangen von Müttern, durch Beiſpiele aus ber lekten Haͤlfte der vorb⸗ 
gen ad zum Theil auch unſeror Periode führen, wenn man auf 
die flille Größe einer Mutter des Drigenes, ber des Cheyfoſtomus, des 
Sregorius von Nazianz, des Gregorius von Ryfſa, ‚des Theodoretus, 
des Auguſtinus u. a. Rüdficht nimmt. Ambufa, die Mutter des 
Chryſoſtomus, bewles zugleich ihre eigene Bildung baduch, daß fie 
iheen Sohn eben ſowohl fir die Froͤmmigkeit, als fin die freie Wahl 
feinee Studien erzog. Nonna, die Mutter des Gregorius von Nazlarız 
und Monica, bie Mutter des. Auguſtin, find ebenfalls buch ihre 
Söhne berühmte Namen. Auch die Briefe des Pelagius und Auguftis 
nus, die fie mit Frauen mechfelten, beweiſen, wie das. Shriftenthum 
die wahre Bildung des Weides duch, das in ihm erwedte höhere 
Leben wirkt, und Chryſoſtomus Dom. 18. Eph. fagt.barum ben Maͤn⸗ 
nern, daß fie fi von den Weibern in dem inneren Kampfe und in 
bee Geiſteserhebung übertreffen ließen. „Sonſt ftanden fie den Männern 
„nach; jett iſt es das Gegentheil, ſeht, was Cheifli Beiſpiet gewirkt 
„hat. Die Weiber übertreffen uns an edeln Sitten, an chriſtlicher 
„Waͤrme und Froͤmmigkeit, an Liebe zu Chriſtus, der den Fluch von 
„dem weiblichen Geſchlechte hinweggenommen hat.” — Und anderswo 
Hom. 62. Evgl. Joh. fage ee: „Der Mann, der fi auf dem Martte 
„and In ben Gerichten herumtreibt, wird von den Wellen des aͤußern 
„unruhigen Lebens hin und ber getrieben. Die Fran aber, welche zu 
„Haufe, wie in einer Schule der Weisheit figt, kann fi immer im 
ihrem Gemüthe fammeln, mit Gedet und Lefen der heiligen -Schrift 
„ſich beſchaͤftigen. Sie kann den fo vielfach beunruhigten Mann bei 
„fh aufnehmen, um ihn zu bilden, die wilden Ausmwüchle feiner Seele _ 
„befchneiden und ihm fo wieden in die Melt binausfenden, gereinigt. 
‚von dem Schlechten, das er von dem Forum mitgebracht, und mit 
„Mh nehmend das Gute, welches er im Schooße der Familie gelernt; 
„denn nichts vermag mehr den Mann zu bilden und feine Seele nach 
„Belieben zu regeln, als eine fromme und verfländige Srau. Ich kaun 
„euch ‚viele hatte und wilde Männer nennen, bie fo befänftigt-worden.” 
(Nah Neanders Ucberfegung in feinem Ehryſoſtomus.) 
De wirbte auch die fromme Stile, in welcher die Hansgmoffen 
zuſammenlebten umd ihre Geſchaͤfte ernſtlich und anfpruchstos betrieben, 
auf die Kinder. hoͤchſt guͤnſtig. Da fangen fie zufammen bie Pfatmen 
Davids. und die chriftlihen Hymnen, worin. fle ‘den Ewigen und 
den. Weltheiland prefen: Dazu ermahnt insbeſondere der eben fo 
große, als wahre Diener Chryfoſtomus: „Lehre eure Kinder und Grauen 





Unterrichtsanflalten. 503 
ſolche Bieber, unb die moͤgen fls nicht nur beim. Weberſtuhle umb bei 
andern Acheiten, fontern auch bei Tiſche fingen; denn da ber böfe 
Geiſt bei Gaſtwaͤhlern die Ausgelafſenheit benust :c, fo bedarf «6 
auch beſonders vor und nach Tiiche der Palmen, ale eines Verwah⸗ 
rungsmittels und auf bie Pſalmen folge Gebet, bamit unfre Seele⸗ 
und unfer Haus geheiligt ‚werde; bie, welche ben Davib mit feiner 
Harfe einführen, rufen damit Chriftum ins Haus. — lache, bein 
Haus zur Kirche. Wo bei Geſang und Gebet gottliebende Serien find, 
da mag man e& wohl fo nennen. Das fell ein jedes aus Mann umd 
Weib beftchende Haus ſeyn, und wenn auch.nur biefe beiden da find, 
fo if ja nach Mt. 18, 29., wo Chriftus mitten unter iſt, auch eine 
große Gemeinde; die Engel find mit ihm ba.” 

Wir haben diefen Gegenſtand darum etwas weitläuftigee behan⸗ 
beit, weis es fich fo ergiebt, daß der Mangel bildender Anſtalten für 
den religiöfen Volks⸗ und Jugendunterricht in gewiffen Beitperioden . 
buch die Frömmigkeit des‘ Haufes erfegt wurde, und daß diefe Eigen _ 
thuͤmlichkeit im chriftlichen Leben von Zeit zu Zeit als beſonders wohlthaͤtig 
hervortritt. Wir werden dieß im Verfolg diefer Unterfuchung noch mehr: 
mals gu bemerken Gelegenheit haben. — Eine andere nicht unwichtige 
Erſcheinung für den chriftlidys religiöfen Volks⸗ und Jugendunterricht iſt 

bb) das Bemühen der kirchlichen Befengebung, 
Schulen in Bleinern Städten und Dörfern einzu: 
führen. Als Beweis für diefe Behauptung kann angeführt werden 
Can. 5. des Cono. Constant. VI. a. 680., mo e6 heißt: Presbyteri 
per villas et vicos scholas habeant. Et si quis Fidelium suos par- 
vulos ad discendas literas eis commendare vult, 608 non renun- 
tient auscipere. Nihbil autom sb eis pretil exigant, neo aliquid ab 
eis aceipiant, quod eis parentes eorum caritatis studio sua volun- 
tate obtulerint. — Aus biefer und ähnlichen Stellen dee kirchlichen 
Sefeggebung in biefee Periöde, fo wie aus gelegentlichen Aeußerungen 
berühmter Kirchenlehrer Läßt fich Folgendes Ichließen: Die Sitte, Schu 
len für den Sugenbumtereicht zu haben, mußte fchon in groͤßern Staͤd⸗ 
ten gewöhnlich feyn, weil. dieſer Canon ausdrücklich die villas unb vioos 
nennt. Nicht minder bethätigt fich auch bier die oft gemachte Erfah: 
rung, daß etwas, welches als Ge» oder Verbot in die kirchliche Ber 
ſetzgebung uͤberging, fchon eine Zeit Sang vorher in prasi vorhanden, 
geweien mar und ſich bier theils als ſchaͤdlich, theils als nuͤtzlich ber 
währt hatte. — Es ift darum ſehr wahrſcheinlich, daß bereits vor 
dem erwaͤhnten kirchlichen Geſetze chriſtliche Kinderſchulen in kleinern 
Städten und: auf dem Laube als Parochialſchulen vorhanden waren. — 
Wichtiger aber noch tft eine. andere Erſcheinung für unfern Gegenfland 
in diefee Periode; es find . Ä 
.. 00) die durh das Bloferleben. und. befonbers 
durch den Benedictinerouden gewmöhnlidy geworde 
nen Bloferfhulen. Berg. im Allgem. N. F. Stöhr. exere. hist. 
de seholis monastieis. Gaalfetd 1737. 4. Wir bitten, auch bier zu ver: 
gleichen, was über dieſen Orden von ums im Artikel Moͤnchchum geſagt 
worden iſt. Bebanntlich war dieſer Orden bald nach ſeinem Beginnen meh⸗ 
rere Jahchunderte hindurch fuͤr die europkifche Wenſchheit ſehr wohlthaͤtig 
und auch von der Seite, die uns bie beſonders fnteeeffien muß, von 








564 Unterricytöanftalten. - 


Geiten ber Jugendbildung. Moritz Döring in feiner. Geſchichte ber 
vornehmfien Moͤnchsorden fagt daher auch p. 86 von_bem WBenebictis 
nerorden: „Die Benedictinerlöfter wurden bald die einzigen Zufluchts⸗ 
„orte und die wahren Werkftärten der Gelehrſamkeit. Dazu fam, dab 
„man für diejenigen Kinder, welche im zarten Alter dem Kofler dar⸗ 
„geboten wurden, eine Art Unterrichtsanftalten errichten mußte, welche 
“ „almäplig ‚in förmiiche Kloſterſchulen übergingen, an beren Bildung 
„auch folche Theil nahmen, welche fi) nicht zum Klofterleben beſtimmt 
„hatten. — Mochte e8 nun auch ſeyn, daß ein Theil bderfelben fich 
ſpaͤter mehr mit der Gelchrtenbildtung nah bem Bebürfniffe und ber 
Anſicht der Zeit befchäftigte, fo blieb doch wohl die größere Zahl im 
der Unterrichtefphäre, wie fie den Beduͤrfniſſen der groͤßern Volksmafſe 
andemeflen war. Die muß man unter andern auch bdarans ſchließen, 
daß in der Zeit der Bluͤthe diefes Ordens die Nachrichten von den fruͤ⸗ 
ber erwähnten Parochialſchulen ſchweigen. Erwägt man nun, daß fich 
dieſer Orden in allen Ländern bald fchnell verbreitete, und Frankreich 
wie Deutfchland und Spanien und Portugal wie Stalien fein Vater⸗ 
land nennen durfte, fo iſt es aud von biefer Seite erflärlih, wie 
Volksunterricht Überhaupt und Religionsunterricht insbeſondere in dieſer 
Zeitperiode möglich und wirklich war, An diefe beffere Periode der 
Benedictiner ſchloß fi nun im Frankenreiche noch das Zeitalter Karls 
des Großen an. Diefer wahrhaft große Fuͤrſt fchägte alles, was auf 
Bildung und Unterricht ſich bezieht, umd ſei es auch, daß die Ge⸗ 
ſchichte ſich mehr mit den Gelehrtenſchulen nach dem Begriffe feiner Zeit, 
von welchen gleich weiter unten die Rede feyn wird, befchäftigt, fo 
‚war der Volksunterricht Ihm doch gewiß niche minder wichtig. Die 
Verdienſte Karls des Großen in biefer, fo wie einiger feiner gelehrten - 
Freunde und Zeitgenoffen, findet man kurz und treffend gefchildert in 
der oben angeführten Schrift von Ruhkopf p. 9 ff. Schon dadurch 
wirkte. Karl dir Große mwohlthätig auf den Religionsunterricht des Volks 
ein, daß er die bereit vernadhläffigte Predigt in den gottesdienftlichen 
Verfammlungen wieder in ihre vorige Wuͤrde einfehte und es auch 
unmiffenden Klerikern möglih machte, wenigſtens etwas Erbauliches 
zum Wolle zu fprechen. Vergl. den Artikel Homilie 2r Bd. p. 331. 
Uebrigens darf e6 nicht befremden, dag die Unterrichtsgegenflände, die 
‚man zum populdren Untereichte cechnet, felten wörtlich angeführt wer: 
ben, weil fie als appendix bes Triviums angefehen wurden. Allein 
man kann fi) von den hiecher gehörigen Forderungen und Leiftungen 
doch leicht belehren, wenn man audy nur das berüdfichtige," was man 
in dieſer Zeitperiode von Jemandem forderte, ber als befähigt zum 
Taufpathen angefehen werden konnte. Man kommt dann auf das 
zuruͤck, was wie bereits im Artikel catechetifcher Unterricht angeführt 
haben. Den Decalogus, bie fogenannten Symbole, das Waterunfer, ' 
das Singen und Auswenbigiernen einiger Hymnen und Pfalmen muß 
man wohl als die wichtigften Beſtandtheile diefes Unterrichts anfeben, 
Man würde darum fich fehe irren, wenn man am Schluſſe diefer Periode 
noch eben den gründlichen zufammenhängenden Meligionsunterricht erwars 
ten wollte, wie er ſich in dee vorigen Periode unter dem Namen bes 
Aöyog narnymsinög gebülbet hatte. Schon jet waren Lehrer und Lernende 
viek unwiſſender. Allein dieß nimme noch mehr gu in dem Zeitraume 


\ 


Untercichtöanftalten. 565 


: 0) von Rarl dem Broßen bis zum Zeitalter der 
Reformation. Im Ganzgen genommen hatte biefer Fuͤrſt einen 
guten Geiſt in Abſicht auf den Volksunterricht überhaupt und auf ben 
Religionsunterricht insbefondere auf feine Nachkommen vererbt. Das 
Volk mußte die Parochial⸗ umd Klofterfchulen achten und buch Kies 
chenſtrafen wurden faumfelige Aeltern angehalten, Ihre Kinder dieſen 
Unterrichtsanftalten nicht zu entziehen. Karls Einrichtungen blieben 
auch in ben Reihen nody, die ſich fpäter felbitftändig in Europa. bilde: 
ten, wenn man in biefer Beziehung eine gewiffe Einfoͤrmigkeit unter 
ben Völkern Europa’s findet, fo ift fie zunaͤchſt aus dieſem Umſtande 
zu erklaͤren. Berühren wir zuförderft einige guͤnſtige Erfcheinungen fu 
dieſer Periode für den Volksunterricht und den Religionsunterricht ine: 
befondere, e8 it das Ritterwefen und der erwadhte Be 
werbfleiß. Können wir hier auch nicht tief eindringen in den 
Geift der Chevalerie des Mittelalters, fo ift für unfern Zweck doch 
ſchon hinreichend, zu bemerken, daß er ein eigenes häufliches Leben 
ſchuf, in welchem die Sattin und Mutter eine wichtige Rolle fpielte. 
Die deutfhen Frauen, deren Gemuͤth immer der Religion fo fromm 
sugewandt war, gehörten als Battinnen der Ritter damals ganz ber 
einfamen und geficherten Burg an, wo fie walteten als in ihrem Reiche, 
und als wahrhaft chriſtliche Mütter ihre gefunden und frommen Kins 
der, fo lange fie noch bei ihnen waren,. erzogen und "dann für die 
Söhne und den Gemahl beteten, wenn fie in den Kampf auszogen. 
Das Kind wurde von der treuen Mutter liebreich gepflegt und ernfl, 
. ja ſelbſt fireng erzogen. Der Hausgeiftliche ertheilte dann gewoͤhnlich, 
wenn die Zeit eintrat, den Unterricht im Leſen und in ber Meligion, 
d. h. im Paternoſter⸗ und Pfalmenberfagen und dergleichen, alfo bürfs 
tig genug, War irgend eine gemüthvolle Mutter dazu fählg, fo unter: 
wichtete fie wohl auch felbft ihr Kind, den Anaben, wie das Mägdiein 
im Leſen, tie in frommen Gedanken. Erwägt man nun, daß ber 
Mitterfland in jenen Tagen des Mittelalters dem edeliten Theil ber 
Nation bildete, fo wird auch hier unfre oben ausgeſprochene Behauptung 
bethätigt, daß häusliche Frömmigkeit auf religisfe Volks⸗ und Jugend; 
bildung nie ganz ohne Einfluß geblieben iſt. 

Eine andere wohlthätige Erfheinung war bie Entfichung eines 
dritten Standes, des Bürgerſtandes. Deutſche Kalfer 
* brachten Geſchaͤfte, die zeither mehr als Sklavendienft angefehen wurs 
den, zu Ehren, indem fie flädtifche Freiheiten und Froͤhlichkeiten ſtif⸗ 
teten. Ein neues Gewerbsleben bildete fi und fhuf das, was man 
Städte nannte, in großer Zahl. Unter den Ottonen erwuchs diefer 
heue Geiſt immer gedeihlicher. Die Städte erhielten eine Verfaſſung, 
welche nad) dem Typus des alten Roms eingerichtet war mit Bürgers 
meiftern, Mathöherren und Wolkstribunen, wodurch bürgerliche Ordnung 
und Wohlfahrt gefördert wurde, Der fleigende Wohiſtand, die bik: 
henden Gewerbe ſelbſt erleichterten und. befoͤrderten den Drang nad 
einem beffern und umfaffenderen Wiffen, und riefen eine neue Gat⸗ 
tung von Schulen ins Leben, die Stadtfchulen,. wo nebft andern 
Unterrichtögegenländen nach Maßgabe ber Zeit andy der religisfe Wolke: 
und Jugendunterricht Pflege fand. Denkt man fi nun bie Menge 
neu entflandener Städte und das Bemühen der fläbtifhen Behörden, 


| 766 Unterrichtdanſtalten. 


folche Schulen uͤberall einzufuͤhren, fo kann man leicht ermeſſen, wie 
wichtig dieſe Erſchrinung ſelbſt für bie Volkserziehung werden mußte. 
Dagegen iſt es eine gute Bemerkung, die Schwarz in feiner oben 
angeführten Erziehungslehre in diefer Beziehung macht. Nachdem er 
von den geither erwähnten Stadtſchulen gefprochen hatte, fährt er alle 
fort: „Indeſſen tommen die gemeinen Lanbbewohner doch Hier noch 
„wenig in Betracht. Ste waren nur die rohe Maffe, die noch im 
„halben Sklavenzuftande meiſt nur von dem Adel bewegt wurde, Oib⸗ 
„tea fteebten die Bauern nach der Eultur der Scädter und die Schu⸗ 
‚Am auf dem Lande oder vielmehr der Kiöfter oder Parohyien konnten 
„ven Stadtſchulen nicht gleich kommen.’ 
- Allein wie müffen nun auch ungünftige Erfcheinungen für dem 

Volksunterricht anführen, und dahin gehoͤrt zufoͤrderſt 

an) die vernahläffigte Jugendbildung In den 
Klöftern des Benedictinerordend. Diefer Orden hatte 
tee unſrer Periode den Culminationspunet feines wehlthätigen Einfluffes 
auf die Jugend- und Volksbildung erreicht und ſchritt almählig zu⸗ 
re. In Gegenden, in welche erft feit dem 12. Jahrhundert das 
CEhriſtenthum oder auch das Moͤnchsweſen eingeführt wurde, gab es 
gar Beine Klofterfchuten mehr. Wir finden darum, auch in den Stif⸗ 
tungsurkunden ber Klöfter und Stifter im 12. und 18. Jahrhundert, 
weihe in Sachſen, Brandenburg, Medienburg u. f. w. entitandem, 
nicht die mindefte Spur einer foldyen Beftimmung. Die Urfadhen und 
die fchädlichen Wirkungen der verfallenen und verſchwundenen Kiofters 
ſchulen findet man gut bargeftellt in Ruhkopfs Gefchichte des Schul⸗ 
und Erziehungsmwefens x. p. 48 ff. Vergl. au J. H. a Seelen de 
eorroptis scholis monsstieis. Lüheek 1730. 4. — Als ungünflig 
für das Volkserziehungsweſen müflen wir auch 

bb) das Erſcheinen der Bettelmönche, der Srans 
eistfaner und der Dominikaner anfeben. Wir wollen 
zwar das Gute nicht verfennen, das auch dieſe Orden im Anfange 
hatten. Schon das ſpricht für ihren Nutzen, dag fie bei dem Zuruͤck⸗ 
finten der Benebictiner fi erhoben. Sie brachten wieder Religion 
unter das Volk, voiderfegten fi) dem Sittenverderben, ertheilten Unter⸗ 
eicht und betrieben mit Eifer, anfangs auch zuweilen mit Gelchrfams 
Seit ihre Geſchaͤfte. In den Kloͤſtern legten fie Kebranftalten an, zogen 
die Kimber vom Lande an fih, in fpdtem Zeiten 5. B. durch Wilders 
chen der Heiligen (wie einft Mani in Perfien) und lehrten fie lefen, 
Gebete herſagen, gingen in den Hätten umber und. theilten gute Lehren 
aus. Da fland denn oft bie ganze Kamilie andädıtig um den ehr⸗ 
mwärdigen Pater ber, der Knabe fagte ibm fein A B CE auf und betete 
ihm fein Paternofter und die Aeltern freueten fi mit dankbarer Hand 
des geiſtlichen Segens, den ihnen der heilige Mann gebracht hatte. 
An vielen Orten bätte es ohne fie ganz au Schulen gefehlt und fr 
die Stadtſchulen war eine Zeit lang ihr Wirken nicht ganz unwichtig. 
Allein erwaͤgt man ihre Geſchmaëẽloſigkeit, ihr gemeines pöbelhaftes 
Benehmen, ihr Beſtreben, nicht Chriſtenthum, fondern Papſtthum zu 
lehten, ihren fanatifchen Eifer gegen Keger und zulegt ihre recht eigent: 
kich zum ©pott :getoorbewe Unwiſſenheit, fo kann man leicht beurtheis 
'm, wie wenig die Bettelmoͤnche in ihrer fpätern Periode fähig waren, 





Unkerrichts auſtalten. 567 

Wade populäre Religienslehrer für bie Erwachſenen und für bie Jugend 
anter dem Wolke zu ſeyn. Dieß bedenkend, muß. man fich immer noch 
der im dieſer Periobe entſtandenen Stadtfchulen freuen, mo doch bin 
und wieder ein ausgezeichneter Dann wirkte. Cine nicht minder ver⸗ 
derbliche Erfheinung fuͤr den von uns behandelten Unterrichtägweig ifl 
ce) das gleihfam zunftmäßig geworben Schuls 
Halten. Bisher harten: die Geiſtlichen den Schulunterricht beforgt 
md zuletzt beſonders, wie wir oben gejehben Haben, die Francis⸗ 
kaner⸗ und Dominikanermoͤnche. Allein auch hierin änderte ſich vieles, 
Der Klerus üͤberhaupt, fo. wie die Bettelorden, waren zu eines um 
glaublichen Unwiſſenheit herabgeſuken, die man Präftig geſchildert finder 
An Fluͤgge's Gefdjichte des deutſchen Kirchen⸗ und Predigtweſens Thl. 1. 
». 181 ff. Es fing darum fo an Lehrern zu mangeln an, daß ſich die 
Städte nach einer Art: von Surrogat umfehen mußten. Es gab naͤm⸗ 
Sich manche Abenteurer, welche auch im geiſtlichen Stande. herumzogen, 
und da fie mit keinem Handwerke iht Brod verdienen fonnten, von 
Stadt zu Stade ihre Schute aufſchlugen. Der Meifter begab ſich mit 
feinen Geſellen in die Workſtatt, die man ihm anwies. Das wack 
Denn irgend eine fonft umbrauchbare Stube, wo ‚fie nun Hunger und 
Ftoſt leiden mußten, wem nicht Die, Leute in der ‚Stadt Aefonders get 
waren, Die Knaben mußten täglich: zudem neuen Schulmeifter ‚bin: 
wandern und das war eine neue Noch fuͤr ihn; denn da kannten wohl 
manche keinen Buchſtaben und waren groß und bengelhaft dazu. Dar 
Schulmeiſter ‚hatte dm auch Leine Methodik fiudiet, und trieb fein 
Geſchaͤft mit: Zaun und Aerger, fo daß der. Stock fo.lange: beifen. mußte 
wie moͤglich. Selten gelang «6 ihm, einen Schuͤler zu etwas zu bringen, 
and nor feltener an feiner Schule ſich fo viel Gunſt oder auch eigene 
Steude zu verfhaffen, daß. er viele Monate blieb. Da zig er weiter 
‚mit feinen Geſellen, die ihm mußten fechten helfen und hie er nur 
hierzu Im weiten Bande als Gehälfen vrauchte, bis .einer ober ber: an: 
‚dere etwa fo wiel von ihm abgefehen hatte, daß er. auch [etw "gutes 
Stud als Schulmeiſter derſuchte. Das waren; und murden nun bie 
Schulen dei ihter Trennung von ber. Kirche, Mergl. Mech. Hoynorii 
‚pr. de faeie 'scholar. ia papatu .oirca tempara Lutheri., .Könfgeh. 
:1708: 4 —— Ch, Schöttgen diatr. hist.- liter. de statu schalar. ante 
veformationem. Frkf. a. d, ©. 1717. 4  . . Sun 
Es läßt fih darum von guten Schulen vom 14ten bis zum 16. 
FJahrhundert gar nicht mehr reden, ‚Außer da, wo irgend ein Kefflicer 
Schulmann als eine Seltenheit ber Zeiten buch feine Perfon eine 
Seadt⸗, Stiftes, Parochial⸗ oder Kloſterſchule in einigen Flor brachte, 
weiches aber immer von Burzer Dauer ‚war. Nur wenig Anflalten 
"behaupteten das Andenken ihrer frühen Galebritaͤt, vergl. J. H. a See- 
!en de oelebriorib. quibend. scholis ‘Imtheranis ante Imtherum. 
Lübeok 1780. 4. Es gab freilich auch waͤhrend jener Jahrhunderte 
manchen Welſen, der im Kloſter oder fonft bei naͤchtlicher Lampe 
ettoas Treffliches erſenn ober erfand, aber "für die Bildung ber 
Jugend wurde niches gebeſſert. Der Lehrer, die etwas wußten, 
fanden ſich immer wenigere, fafl gar feine, die Methode verſtan⸗ 
den, und an eine vernünftige Erziehung wurde in den Schulen gar 
nicht gedacht. Das Touverdne Mittel, die Schutzugend in Ordnung und 








17 Unterrichtäanftalten. . 


und: im Lernen zu erhalten, waren Schläge, womit benn oft bie Lehrer 


nicht im. Stande. waren, fi in Reſpect zu ſetzen. Bo fie noch eini- 
germaßen mit ihrer Strenge etwas ausrichteten, erhielt die Schule eine 
Art von-Rutm. Es finden fih auch Spuren, daß ediere Triebfeberm 
benugt worden, 3. B. Aemutlation. Die Bilbung, welche ein Mann 
gewann, war meift da6 Werk eines -eifernen Fleißes und. Verzichtlei⸗ 
ftung auf Lebensfreuben, und fo trauerte auch die Schuljugend im 
Schulzwange hin, und mußte fi Fahre lang abmähben, bie fie es nme. 
einigermaßen zu. etwas brachte, da die Lehrmethode ſchlecht war und «6 
nur wenige und oftfpielige Hütfsmittel gab. Schon Papier, Schreib⸗ 
rohr (calamus) und Zinte waren unbequemer als jetzt. Die Bücher 
fehlten fehe und die Schüler mußten fi das Meifte dictiren laſſen 
oder abfchreiben. Der Preis der Bücher war übergeoß, ein Livius 
3. B. kam auf 1%0 Golbkronen, d. i. umgefähr fo hoch, wie ein mits 
-telmäßiges Landgut, und man konnte kaum ohne Pfand ein Buch 
leihen. S. Braufe Geſchichte der widhtigfien Bege 
beuybeiten des heutigen Europa Ar Bd. 4 Abtbel- 
lung p. 346; Der Gebrauch, bie Bücher an Ketten zu legen, mochte 
wohl daher kommen, dag man fie nicht Jedermann zum Lefen geben 
wollte. Sm Sabre 1426 Loflete ein Buch Leinenpapier noch gegen 
3 Thaler, d. i. gegen 3 Thaler jest gerechnet. - ©. Ruhkopf Geſchichte 


p- 147 ff. Das Dictiren war aljo zum Lehren nothwendig, folglidy 


fehlte «6 an dem freien Vortrage. Eben fo nothwendig war bie Ges 


daͤchtnißͤbung. Erwaͤgt man dagegen die Art zu ſtudiren feit dem 
MVorhandenfepn der gedrudten Bücher, die Gewoͤhnung mehr mit den 


Augen als mit den Ohren zu lernen,. mehr zu leſen, als zu denken 
u. ſ. w., fo ſieht man die große. Verfchiedenheit des jegigen Unter: 
eichts in Schulen. "Bei diefer Befchaffenheit des oͤffentlichen Jugend⸗ 
unterrichts Überhaupt Läße fi) num auch auf dem Unterricht in ber 
Meligton fliegen. Er ‚mußte nah Form und Materie fo dürftig ſeyn, 
wie wir ihn oben im Artikel catechetifcher Unterricht gefchildert haben. 
Wir fleigen herab zu emem günftigern. Zeitalter 


d) zum 3eitalter der Reformation und der dars 


- auf fölgenden Zeit. Die Reformation brachte auch dem Volke 
verbeſſerten Schulunterricht. Vergl. Ad. Facius de Luthero schola- 
sum fautore or. Jen. 1834. 8. — 4. Hm. Niemeyer Ph. Melanch⸗ 
thon al& Praeceptor Germanise. Halle 1817. 8. — J. O. Kraft 
de J. Bugenbagii in res scholasticas emendatas meritis. Hamb. 
1829. 4. u. and. aͤhnl. Schriften. Die auf den Rath und nach dem Plane 
ber Reformatoren feit 1527 In Churfachfen angeflellten Schulvifitationen 
zeigten die Größe der Gebrechen und die Mittel der Abhuͤlfe. Aus 
ihnen entfland die fpäter 1580 unter Shurflrft Auguft eingeführte 
Schulordnung, die gleich wohlthätig für das gelehrte wie flr das Volks: 
fhulwefen werben mußte. Es traten mit dem Proteſtantiomus «ine 
. Menge günftige Ideen und Anftalten für den populären und willen: 
ſchaftlichen Religionsuntereicht ins Leben. Den erftern anlangend bil: 
bete fich der Grundfap, daß die Kirche eine religioͤſe Schule für Er: 
wachſene fei, weshalb auch das lebendig lehrende Wort im Kultus ber 
Proteftanten die Hauptftelle einnahm. Ihr ſollte die Schule in -der 
Jugend vorarbeiten, und diefe, wie das Haus für das kirchliche Leben 


Untereihtsanflalten. #69 


bifden und erziehen. Diefe Idten, mit ‘einer befandern Begeiſterung 
aufgenommen, haben mit. mehr oder weniger Erfolg in bei proteſtan⸗ 
tifhen Kirche fortgelebt, und wie ſehr man ſich auch zumeilen in ber. 
Methode vergriff, ‚duch Kirche und Schule religißg = bildend auf dag 
Volt und die Jugend einzuwirken; mie. aud allgemeine Calumitäten 
in Deutfhland, 3. DB. der dreisigiährige Krieg, auf einige Zeit diefen 
Aufſchwung niederhielten, immer lehrte dieſe Idee mit verflärkter Macht 
zuruͤck und trug reiche und mannigfaltige Früchte. Dan kann baber 
annehmen, daß in keinen Kultus für das Volk und für. die Jugend 
in Beziehung auf religidfe Verſtandes- und Herzensbildung ſo viel 
geſchehen iſt, ald im Kultus der Proteflanten. Wir bitten die legten 
Adfchnitte der Artikel Homilie und catechetiſcher Unterricht mit dem jetzt 
Geſagten zu vergleihen, wo die Veränderungen und Kortfchritte der 
geifttichen Beredſamkeit, fo wie ber Erziehungslehre auch im Fache des 
jugendlidyen Religionsunterrihts anſchaulich gemacht worden find, . Man 
wird daraus dad Ergebniß gewinnen, daß in Abficht auf beflere Me: 
thodik und allgemeine Anwendung berfelben unfer Zeitalter” viel. höher 
ſteht, als mehrere feiner frühern Brüder Schade, daß damit” der 
fromme, das fittliche Leben regelnde Glaube, fo wie bie häusliche 
Pietaͤt nicht gleichen Schritt gehalten haben, daß unſre Zeitgenofien 
bei ihrer vorherrfhenden Dinneigung zu materiellen Intereſſen an beis 
ben drmer geworden find! 


B. | 
Unterrihtsanftalten für den höhern wiſſenſchaft— 
| lihen Religiondunterridt. 


I. Die Zeitdauer der fogenannten Catechetenfchulen. 
N. Dürftige Fortfeßung terfelben in den Epifcopal-, 
Klofter= und Stiftöfchulen und in den von Karl dem 
Großen errichteten Unterrichtsanitalten. IH. Aufkommen 
der Univerfitäten, verbunden mit dem Einwirken der 
Reformation auf die chriftlihe Theologie. 


Literatur. Was die Satechetenichulen beteifft, fo haben wir 
die nötbige Literatur im Actikel catechetifher Unterriht ir Thl. p. 
346 ff. gegeben. — Ueber die Schulen des Mittelalters vergl. J. Lau- 
noi liber de scholis eelebriorib. seu a Carolo Magno seu post eun- 
dem instauratis. Paris 1672: 8. Auch an J. Mabillon Iter German, 
Hamb, 1717. 8. und in Launoi's Werken T. 4. P. 1. p. 1. zeqqg. — 
Weber die Epifcopalfchuien findet man etwas in der Monographie J. G. 
Schulzii Programmate. 2 de scholis oathedralibus. Naumb. 1741. 4. 
und in Schönes Geſchichtsforſchungen Sr Thl. p. 881 ff. — Ueber 
die Kloſterſchulen vergl, die p. 563 augeführte Schrift von Stöhr, auch 
J. H. Stusa de scholis. liboralium artium in coenobiis, ut institu- 


“ N 


3668 unterrichtaanſtatten 


und: im Lernen zu erhalten, waren Schlaͤge, womit benn oft die Lehrer 
nicht im. Stande. waren, fih in Reſpect zu fegen. Wo fie neh eini- 
germaßen mit ihrer Strenge etwas auszichteten, erhielt die Schule eine 
Art von-Ruhm. Es’ finden fih auch Spuren, daß edlere Triebfedern 
benugt worden, 3. B. Aemulation. Die- Bildung, weiche sin Mann 
gewann, war meift da6 Werk eines eiſernen Fleißes und Verxzichtlei⸗ 
ftung auf Lebensfreuden, und fo trauerte auch die Schuljugend im 
Schulzwange bin, und mußte fi Jahre lang abmähen, bis fie eö mar 
einigermaßen zu. etwas brachte, da die Lehrmethode ſchlecht war unb es 
nur wenige und Boftfpielige Hüifsmittel gab. Schon Papier, Schreib⸗ 
rohr (calamus) und Zinte waren unbequemer als jetzt. Die MWüdye 
fehlten fehr und die Schüler mußten: fi das Meiſte dictiren laſſen 
oder abfchreiben. Der Preis der Bücher war übergeoß, ein Livius 
3. 3. kam auf 1%0 Goldkronen, b. i. ungefähr fo hoch, wie ein mit 
-telmäßiges Landgut, umd man konnte faum ohne Pfand ein Bud 
leihen. S. Krauſe Geſchichte der widhtigften Bege 
benheiten des heutigen Europa M4Ar Bd. A. Abrtbei- 
lung p- 346, Der Gebrauch, die Büdyer an Ketten zu legen, mochte 
wohl daher fommen, dag man fie nicht Jedermann zum Leien geben 
wollte. Im Sabre 1426 Loflete ein Buch Leinenpapier noch gegen 
3 Xhaler, d. i. gegen 3 Thaler jetzt gerechnet. - S. Ruhkopf Geſchichte 
p. 147 ff. Das Dictiren war alfo zum. Lehren nothwendig, folglid 
fehlte es an dem freien Vortrage. Eben fo nothiwendig war die Ge 
daͤchtnißuͤbung. Erwägt man dagegen die Art zu ftudiren feit dem 
Vorhandenfepn der gedrudten Bücher, die Gewoͤhnung mehr mit den 
Augen als mit den Ohren zu lernen, mehr zu leſen, als zu denken 
u. f. wi, fo fieht man die große. Berfchiedenheit des jegigen Unter: 
eichts in Schulen. "Bei diefer Befchaffenheit des dffentlihen Jugend⸗ 
unterrichts Überhaupt Läße fih nun auch auf den Unterricht im der 
ligion ſchließen. Er ‚mußte nad) Form und Materie. fo dürftig feyn, 
wie wir ihn oben im Artikel caterhetifcher Unterricht gefchiidert haben. 
Wir fleigen herab zu einem günftigern. Zeitalter | 
ö d) zum 3eitalter der Reformation und der bar 
auf fölgenden Zeit. Die Reformation brachte auch dem Volke 
verbefferten. Schulunterricht. Vergl. Ad. Facius de Luthero schola- 
sum fautore or. Jen. 1834. 8. — %. Hm. Niemeyer Ph. Melanch⸗ 
tbon als Praeoeptor Germaniae, Halle 1817. 8. — J. O. Kraft 
de J. Bugenhagii in res. scholasticas emendatas meritis. Ham. 
1829. 4. u. and. aͤhnl. Schriften. Die auf den Rath und nach dem Plane 
Ber Reformatoren feit 1527 in Churſachſen angefteilten Schulvifitationen 
zeigten die Größe ber Gebrechen und die Mittel der Abhülfe. Aus 
ihnen entfland bie fpäter 1580 unter Churflcft Auguft eingeführte 
Schulotdnung, die gleich wohlthaͤtig für das gelehrte wie für das Volks: 
ſchulweſen werden mußte. Es traten mit dem SProteftantiemus eine 
Menge günftige Ideen und Anflalten für den populäcen und wiſſen⸗ 
ſchaftlichen Religionsunterricht ins Leben. Den erfiern anlangend bil: 
bete fich der Grundſatz, daß die Kirche eine religiöfe Schule für Er: 
wachſene fei, weshalb auch das lebendig Lehrende Wort im Kultus ber 
Proteftanten die Daupefielle einnahm. Ihr ſollte die Schule in der 
Jugend vorarbeiten, und diefe, wie das Haus für das kirchliche Leben 











uaterrichtsauſtalten. 5 


ben. Wer ſich über fie belehren koill, finder dazu Gelegenheit in 
Schwarz Erziehungslehre, wo erfter Band zweite Abtheilung ein befons 
derer Abſchnitt von den Kaiſerſchulen und Univerſitaͤten handelt. Ge⸗ 
gen die erfle Haͤlfte des 6. Jahrhunderts verloren fie ſich mit dem 
Falle des roͤmiſchen Reichs und mit dem Einwandern der germaniſchen 
Voͤlker. Noch hatten’ Valens -umb Grakianus gegen 870 — 80 in 
Gallien Befehle etlaſſen, den Lehrern die Beſoldungen auszugkhlen, 
vdermuchlich Die letzten; denn die Städte, welchen dieſes oblag, entzo⸗ 
gen ſfich der Zahlung gern, zum Theil wegen der bedrängten Umſtaͤnde 
ihrer Aeratrien, und die eindringenden Fremden hatten zu wenig geiſti⸗ 
ges Intereſſe an ſolchen Bildungsanftatten. "Die meiſten derfelben 
ſcheinen mit geiſtlichen Schulen zuſammengeſchmoͤlzen zu ſeſn, ober 
indem ſie eingingen, dieſen Platz gemacht zu baden. Wir finden 
wenigſtens ſpaͤterhin Anſtalten dieſer Art in mehrern Staͤdten, wo frei 
ber Kaiſerſchulen -Hlähten. | Ä 

In diefer Periode muß nun aber glefh im voraus bemerkt wer 
ben, daß man an das, was jeßt als Theologie gaft, einen weit gerins 
gen Mapftab anlegen muß, als dieß in den frühern Catechetenſchulen 
und in den Privarunterweilungen einzelner berlihmter Kirchentehter der 


1) 


Fau gewefen war. Das Geraͤuſch der Waffen, welches im-Aberidlande 


jetzt alienthalben ertönte, der Widerwille gegen die alten clafſiſchen 
Sprachen, und die altelaffifche Gelehrſamkeit überhaupt, wie fie noch 
für chriſtliche Zwecke in den Catechetenſchulen gepflegt worden waren, 
und die nun von der Kirche aus felbft veraͤchtlich behandelt wurden, 
Die damit zulammenhängende Bernachläffigung der ‚bibläifchen Exegeſe, 
der Kioftergeifi und vieles Andere wirkte darauf hin, daB fon ein 
großer Berfall der Wiffenfchaften überhaupt und ber Theologie insbes 
fondere im 6. Jahrhundert bemerkbar if. Seit der Voͤlkerwanderung 
kam der öffentliche Unterricht immer mehr in Verfall. Die claffifchen 
Schriftſteller wurden vernadläffigt, an Ihre Stelle traten Auszüge, 
Gompendien und Encpllopddien. Man lehrte die fogenannten fieben 
freien Künfte, nämlid Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Muſik, Arith⸗ 
metit, Geometrie und Aftronomie , von denen bie drei erften bad Tri- 
viam, die letztern vier dad Quadririum genannt wurden in eine 
Dluftigkeit, wie fie die Unterrichtsbücher des Marcianus Capella im 
6. Jahrhundert und des Eaffioderus im 6. Jahrhundert beweifen. 
Das was hier gelehrt wurde, machte ungefähr da6 Material der -ges 
kehrten Unterweifung aus, wozu bei den Geiftlihen noch Unterweilung 
zum Kirchendienfle und zu den kam, mas fie Andere als Religion’ zu 
ichten hatten. Diefe Ueberbieidfel früherer Gelehrſamkeit aus den Kats 
fer» und Catechetenſchulen, fo wie aus den Privatunterweifungen eins 
zelner berühmter Kirchenlehrer fanden nım eine dürftige Kortfegung 

1) in den Togenannten KEpifcopals, Klofters, 
Stifts. und in den von Kaifer Kari dem Großen 
errihteten Schulen. — Cs finden fi deutliche Spur, baf 
mit größern bifchöflihen Kischem au zugleich Schulen - verbunden wa⸗ 
ren, in melchen das höhere Wiſſen nad; den Begriffen dr damaligen 
Belt gepflegt und ein befonderer Unterricht fuͤr künftige Kteriker ertheilt 
wurde. So wurde 5. B. der nachmalige Kakfer Julian in feiner Im 
gend zu, Conſtantinopel in einem Töniglihen Gebaͤude, Bafitika, mtr 


me Unterrichtsanſtalten 


richtet, worin ſich, wie es ſcheint, eine Schule für bie Söhne ber 
kaiſerlichen Hofbeamten unter der Leitung eines hoͤhern Kirchenbeamten 
befand. Mardonius, ein Eunuch, war fein Lehrer. Die Regeln 
ber Grammatik lernte er vom Niokles, einem Spartaner, die Rhetorik 


von Ekebollus, der damals ein Chrift war. In den MWiffenfchaften 


machte er ſolche ſchnelle Fortſchritte, daß ihn, das Volt fhon In der 
Jugend für: geſchickt hielt, einft das Ruder des Staats zu führen und 
feine Hoffnungen auf ihn fügte. Da ber Kaifer hiervon Kunde ers 
hielt, ſchidte er ihn von Gonflantinopel weg nad, Nikomedien, unter 
fagte ihm. aber die Schule des Syrers Libanius daſelbſt zu befuchen. 
Diefer Libanius war von Conſtantinopel durch den Neid anderer’ Lehrer 
verdraͤngt worden und ertheilte nunmehr in Nikomedien Unterricht. 
Ob ihn Julian gleich nicht hören durfte, fo las ee doc deſſen Schrif- 
tem- mit großer, Begierde. Zuletzt lehrte ihn Maximus die Philoſophie. 
Mehrere berühmte Kirchenlehrer als Zeitgenoflen Juliane erhielten ihre 
Sugendbildung theils in dem Öffentlichen Lehranftalten, theild auch durch 
Privatunterweiſungen. So erzähle Sozomenus III. 5. von Eufebius, 


dem Emeſener, der aus einer angefehenen Familie in Edeſſa abflammte, - 


daß er nach vaterländifher Sitte von Sugend auf in der heiligen 
Schaft fei unterwiefen worden, dann hätten ihm die vorzüglichften 
Lehrer Untereicht in den griehifhen Wiflenfchaften ertheilt. Hierauf 
marhte er fi) an eine tiefere Erforſchung der heiligen Schrift, indem 
Eufebius Pamppili und Patrophilus, Vorſteher zu Scythopolis ihm 
bei der Erklärung und Auslegung behülflih waren. Später begab en 
fi nadı Alexandrien/ um die Schulen ber Philofophen zu befuchen. 
Diefes ift die kurze Bildungsgefhichte eines Biſchofs, der in dem 
arianifchen Streitigkeiten feine unbedeutende-Rolle fpielte. Aehnliches 
wird vom Gregor, dem Nazianzener, Bafiliud dem Großen u. a. bes 
richtet. Aus diefen Nachrichten Läßt fih für das 4. Jahrhundert fo 
viel ſchließen, Daß die roͤmiſche und griechifche Unterrichtsweife mit ber 
Stufenfolge in ben Wiffenfchaften, wovon die Philoſophie als die 
wichtigſte den Schluß madıte, von ben Chriften angenommen und 
ihre Schulen, namentlih die Epifcopalfhulen, darnach eingerichtet 


wurden. Wir finden diefe Schulen (vielleicht aber fehr verändert, wie 
wir gleich fehen werden) auch [päter nody erwähnt, 3. ®B. Conc. Constant. 


VI. e. 4., wo ausdruͤcklich von Schulen in eeclesiis Sanctor. die Rede ift, 
ofs. die oben angefuͤhrte Dissertat. von Schulz über die Cathedralſchulen. 

Allein bereits in dieſer Periode und in fpäterer Zeit machte fich die 
falſche Askeſe geltend, die dem Lefen und Studiren griechiſcher und 
-Iateinifchee Schrififteller entgegen wirkte, fo daß es die chriftliche Ju⸗ 
gend nun größtentheils unterließ, -fih an den großen Muſtern der Griea 
den und Römer heranzubilden. Hierzu kam noch ber Drud der Zei⸗ 
ten,. welchen die meilten Provinzen des Römerreih6 hart genug fuͤh⸗ 
Ion mußten, und wodurch bie freie Entwicklung der Wiſſenſchaften gar 
ſehr gehindert wurde. Die Kaiferfchulen gingen an vielen Orten aus 


Mengel an Unterfiigung gänzlich ein, und man mußte diefen Verluſt 


einigermaßen zu erfegen fuchen.. 
Dieß gefhah von Seiten der Bicchlichen Gefeggebung dadurch, daß 
fie Bifhöfe und amdere erfahrene Mönche und Kleriker aufforderte, 


jungen Leuten Unterricht zu ertheiten und fie für den Kierikerftand zu 


s 
| 





Unterrichtöanftalten, 873 


erzlehen. So erzählt Sulpitius unter andern von dem Biſchofe Mar: 
tin in Tours, in defien Leben Cap. 7., daß er nad) feiner Erwählung 
zur biſchoͤflichen MWürde eine Zeit lang in einer Celle nahe bei der 
Kirche gewohnt habe. Da ihn der Zubrang des Volks zu fehr flörte, 
fo errichtete er zwei Meilen außerhalb der Stadt ein Kloſter. Diefer 
Drt war fo abgelegen und einfam, daß er Beine größere Abgeſchieden⸗ 
heit Hätte wünfchen können. Daſelbſt hatte er eine Celle von Holz und 
viele andere Afketen wählten fih Wohnorte in den Felfenhöhlen ringe 
umher. Ihn felbft umgaben 80 Schüler, die nach dem Beifpiele des 
Meifters unterwiefen wurden. Niemand durfte ein Eigenthum befigen, 
fondern alles war gemeinfhaftlid. Keine Kunft als das Abfchreiben 
wurde getrieben, und hierzu waren nur bie Süngern beſtimmt, bie 
Aeltern warteten des Gebets und felten verließ fonft einer Die Gele, 
als in diefer Abſicht. Die Speife genoffen alle gemeinfchaftlih, Wein 
trank feiner, als wenn ihn Krankheit dazu noͤthigte. Viele kleideten 
fih in Kamelhaare, denn eine weichere Kleidung wurde für ein Ders 
brechen gehalten. Die meiften unter ihnen wurden in der Folge Bi⸗ 
ſchoͤfe; denn welche Kirche oder weldhe Stade würde nicht gewuͤnſcht 
haben, Priefter aus dem Kofler Martins zu befigen ? 

Aus diefer Erzählung laͤßt fih fo ziemlich die Art und Weiſe 
erkennen, wie in der legten Hälfte des 4. Jahrhunderts junge Geiſt⸗ 
tiche in Gallien erzogen wurden. Unterriht im Lefen, Screis 
ben, Pfalmfingen und bauptfählih Gewsſshnung 
zum afcetifhen Leben mar wohl alles, was hier geleiſtet 
wurde. Viel mehr mochte auch in den fortdauernden Epiſcopalſchulen 
nicht geleiſtet werden. u .n 

Eine andere Geſtalt befamen bie Klofterfchulen ber Benedictiner, 
bie ſich in Unteritalien fü bilden anfingen; denn die jüngern Zoͤglinge 
wurden ſowohl zu Eörperlichen Arbeiten, als auch befonders zum Lefen 
votfienfchaftliher Werke angehalten. Vergl. was wir im Artikel Moͤnchs⸗ 
orden dr Bd. p. 15 erwähnt ‚haben. Schon das war nad Maßgabe 
der Bedürfniffe jener Beit fehr wichtig, daß diefe Schulen mit der 
[hnellen und voriten Verbreitung des Benedictinerordens bald in den 
vorzuͤglichſten Theilen Europa’s gewöhnlich wurden und künftigen Geiſt⸗ 
lichen, fo role den höhern Ständen, eine gewiſſe wiſſenſchaftliche Bil⸗ 
dung ertheilten, die fh ungefähr auf das befchränkte, was wir oben 
"mit dem Namen der fieben freien Künfte bezeichnet haben. Doc, gilt 
auch dieß nicht von allen Benebictiner: Klofterfchulen, indem manche 
fih nur in der gewöhnlihen Sphäre des Triviums hielten und nur - 
einige als berühmte Kehranftalten ſich bemerkbar machten, wohin vor: 
züglich zu rechnen feyn dürften Armagh, Canterbury, Orford, York, 
Cambridge, Tours, Rheims, Clermont, Paris, zu St. Emmeran in 
Regensburg, Hersfeld, Worms, Gorvei, Kulda, Hirſchau, Salzburg, 
St. Blaſien auf dem Schmarzwalde, St. Gallen uno. — Am 
Eräftigften und nach den Bedurfniſſen feiner Beit am zweckmaͤßigſten forgte 
für den Schulunterricht Karl der Große durch die Begründung feiner 
Hofſchule (Schola palatii) als einer DMufteranftalt und bush Errtich⸗ 
tung der Bifhofss und Diftrictsfchulen im Sahre 789, wobei ihm 
der Lombarde Warnefrieb oder Paulus Diaconus und der Engländer 
Alcuin die trefflichflen Dienfle leifteten. Unter Karl dem Großen und 


I) 


974 Untersichtöanftalten. ’ 


feinen Nachfoigern entſtanden die Schulen zu Lyon, Mes; Osnabruͤch 
Paderborn, Lorfh, Prüm, Trier, Mainz, Reichenau, Lüttich, Utrecht, 
Hildesheim und Bremen, die theils Seminarien für ben. geifklichen 
Stand waren (Kathedral = , Doms oder Stiftsfchulen genannt), theils 
Trivialfchulen, in denen junge Geiſtliche und ihre Zöglinge fi im 
Unterrichte übten, Seitdem das Rei Karls des Großen durch bie 
Streitigkeiten feiner Enkel (unter denen auch jene Hofſchule ‚einging 
und feine Verordnungen nicht mehr aufrecht erhaltan wurden) im In⸗ 
nern zerruͤttet und in mehrere Staaten zerfallen war, die durch Kriege 
mit auswärtigen Feinden und den Kampf der Könige mit den maͤchti⸗ 
gen Großen oder der Reichegewalt mit der Kirche beſchaͤftigt wurden, 
fanten in dem mittlern Europa die Kloſter⸗ und. Stiftsſchulen durch 
die Traͤgheit und Ueppigkeit der Geilllihen immer tiefer... Der willen: 
ſchaftliche Unterricht, der ſich auf eine mangelhafte Erkenntniß bee 
lateinifhen Sprache gründete, wendete fich einfeitig den. Örgenfländen 
»des Kirchenweſens und ‚geiftlihen Streitigkeiten zu. Die Bettelmoͤnche, 
die fich jege des Unterrichts überhaupt bemächtigt hatten, ob fie gleich 
anfangs gelehrte Männer nach den Begriffen der Zeit zu den ihrigen 
zählten, arteten doch auch eben fo, wie ihre fruhern Brüder bie zus 
entichiedenften Lehrunfähigkeit aus. Zeitraubendes und geiftlofes Dictis 
ven aus fogenannten Mufterfchriften, Ueberladung des Gedaͤchtniſſes mit 
unnügem Wuſte unfruhtbarer Gelehrſamkeit, Abfchreiben der von der 
tichlihen Gewalt eingeführten. Lehrbücher, befchäftigte "die, welche ſich 
höher erhoben; in den niedern’ Schulen verboten die Mönche ſelbſt das 
Schreibenternen, das der Geiſtlichkeit als eine Ars olericalis vorbehal⸗ 
ten, nur duch Verträge mit der Obrigkeit verflattet wımde. Wenn 
ſchon Karl des Großen Forderungen an die Kleriker feiner Zeit von 
ber Armfeligkeit der legtern zeugen, fo war biefe Unwiſſenheit bis zum 
18ten und 14. Jahrhundert hin: immer noch mehr gewacfen. Auf 
einer Synode zu Coͤln im Jahre 1260 erklärten die verfammelten Bis . 
ſchoͤfe: Scientiam eminentem non requirimus, sed quod sciant 
Clerici legere et cantare ad divini officii ministeriem competenter, 
its praecipimus quod qui per se mon possunt faeere in choro can- 
tandi debitum ot iegendi faciunt per aliam personam idomesms 
So ſchlecht fiand es im dieſer Hinſicht nicht blos in Deutfchland, fons 
dern auch in andern Staaten. Kine Spnobe zu Exeter machte es tm 
Sabre 1287 den Acchidiaconen zur Pflicht bei den Prebigern nachzu⸗ 
fragen, ob fie die zehn Gebote wuͤßten und verſtaͤnden, und ob fie die 
fieben kirchlichen Sakramente zu verwalten wüßten. Daß «6 beſſer wet⸗ 
den ſollte, dazu war bis zu dem Ende des 14. Jahrhunderts noch 
keine Ausſicht vorhanden. 

Allein von da an traten mehrere Erſcheinungen ein, die allmaͤhlig 
mehr Licht und Sehnſucht nach einem hoͤhern Wiſſen in der europaͤi⸗ 
fhen Menſchheit überhaupt und bei den Deutſchen befonders förderten 
und jveranlaßten und ihren wohlthätigen Einfluß auf die chrifliche 
Theologie nicht verleugneten,. Es gehören genau genommen zum Schell 
ſchon dahin 

1) die ſogenaunten Vorläufer ber. Reformation, Wiclef, Huf, 
Diesonpuns von Prag, Savonarola und freifinnige Theologen, wie 

Gecſon, Ri. Glemangie, Joh. Weſſel u. a. 





Unterrichtöanflalsen- 325 


2) Die RNucht gelehrter Griechen nach dem Abenblande, nachbemn 
Muhamed IL. 1451 Conflantinopel erobert hatte, welche die Studien des 
claſſiſchen Alterthums weckten und den Blick der Gelehrten ermeitertem, 

3) Die Erfindung ber Buchdruckerkunſt ums Jahr 1440, wo⸗ 
- durch der Literarifche Verkehr erleichtert und eine Menge Schriften ges 
liefert wurden, woducch fich der Geſichtekreis der Gelehrten und der 
Laien unendlich erweiterte. RE 

4) Der gluͤckliche Kampf claſſiſch gebildeter Dinner mit ben Zins 
Rerlingen ihrer Tage beinahe in allen europdijhen Ländern und in 
Deutſchland befondess durch Reuchlin, geboren 1455, Crasmus von, 
Ratterdam, geboren 1467, und durch das wieder aufgenommene Stus 
dium der Grundfprachen des A. und N. T., wovon Nikolaus Lyranus 
und Laurentius Valla nach ben Hülfsmitteln ihrer Zeit ſchon achtungs⸗ 
werthe Proben gezeigt hatten. 

. 5) Das Auflemmen ber Univerficäten überhaupt und ihr Ges 
möhnlichwerden in Deutichland insbeſondere. Dod an diefe letztere 
Erſcheinung, fo wie an die Kirchenverbefferung läßt ſich am beiten, 
was für cheifllihe Theologie in dem legten Jahrhunderten geſchah, 
anknüpfen. Wir bilden barum auch eine neue Periode 

MI) Das Auffommen der Univerfitäten, vers 
bunden mit dem Einwirken der Reformation auf 
die hriflihde Theologie — Während, wie wir bereits 
erwähnt haben, die ſaͤmmtlichen hoͤhern Bildunysanflalten, im Gegen⸗ 
ſatze zu den Volksſchulen nach dem Zeitalter Karls des Großen immer 
mebe verfallen und in ihrer Wirkſamkeit hoͤchſt unbedeutend find, ent 
fiehen feit dem 12. Jahrhundert Lehranflalten unter den Namen der 
Univerſitaͤten. Es iſt aber dabei zu bemerken, daß ihr Name anfangs 
keineswegs Lehranftalten bezeichnete, wo man Gelegenheit fand, in dens 
Sefammtgebiete der Wiſſenſchaften fi zu unterrichten. Die aͤlteſten 
hohen Schulen wurden bald scholae, bald studia und im Anfange des 
18. Jahrhunderts studia universalia genannt. Universitates hiefen fie 
nicht Deswegen, weil auf benfelben alle Wiſſenſchaften gelehrt wurben, 
fondern- weil fie peivilegiete Gilden oder Gemeinheiten von Lehrern un» 
Lernenden waren. Universitates doctor. et scholarium. Der Begriff 
der Univerfitäten, wie ihn unfere Zeit aufgefaßt bat, daß fie Hochſchu⸗ 
len find, auf welchen alle wichtigen Haupt⸗ und Huͤlfswiſſenſchaften 
gelehrt werden, und die zugleich das Recht haben, in allen Haupt⸗ 
wiſſenſchaften die hoͤchſten Würden gu ertheilen, konnte fi nur ſpaͤt 
erft bilden, nachdem auch diefe Anftalten verfchiedene Modifikationen 
erfahren hatten. Wie diefe Lebeanflalten, abweichend von der Kork, 
weiche die zeitherigen Stifts⸗, Kiofters und Stadtſchulen gehabt hatten, 
entſtanden find, iſt mehr vermuthet, als biftorifch- ſcharf nachgewieſen 
worden. Es giebt mancherlei eigenthuͤmliche Merkmale dieſer hohen 
Schulen. Auf keiner hoͤhern Bildungsanflalt vom 6ten bis zu Anfange 
bes 12. Jahrhunderts wurden bie Arznellunde und Mechtsgelehrfamteir, 
auf eine folge Art vorgetragen, wie in Salerno und Bologna im 12.. 
Jahrhundert. Die Lehrer dieſer Wiffenfchaften waren feine Meiftlichen, wie 
die Lehrer ſeit ſechs Jahrhunderten anschließend geweſen waren, fon» 
dern die Aerzte und Doctoren des roͤmiſchen Rechts waren der bei 
weitem groͤßern Zahl nach Laien. oder Perſenen vom weltlichen Stande. 


5768 Unterrichtsanſtalten. 


Seit ſechs Jahrhunderten hatte eine Kloſter⸗ oder Stiftsſchule To viele 
Lehrer und eine fo große Menge von Lernenden gehabt, als ſich ins 
12. Jahrhundert zu Salerno, Paris und Bologna einfanden, und 
Diefe bis dahin unechörte Menge von Lehrer und Lernenden, ‚gehörte 
- allerdings mit zu den Umfländen, melde das Erftaunen der Zeitgenoſ⸗ 
. fen erregten. Das wahre Wefen der hohen Schulen liegt ganz allein 
darin, daß die Lehrer ſowohl als die Lernenden von 
Päpften, Raifern, Rönigen oder Städten Priviles 
gien oder geſetzliche Vorrechte erhielten, wodurd 
fie über andere Lehrende und Lernende fowohl der 
damaligen, als der vergangenen Zeiten erhoben 
und in eine für ſich beftebende oder befonders priz 
vilegirte Bemeinbeit oder Befellfchaft verwandelt 
wurden. Je mehr die privilegirten Schulen emporftiegen, befto 
mehr fanten die unprivflegieten, und alle Bemühungen Alexanders III. 
und SInnocenz EL. auf den lateranenfifchen Goncilien 1179 und 1215, 
den Stifis- und Kloſterſchulen wieder aufzuhelfen, waren fruchtlos. 
Es war allerdings eine von den Begebenheiten, weldye man nad dee . 
gewoͤhnlichen Art zu reden,. dem Zufalle zuzuſchreiben pflegt, daß bie 
erften hohen Schulen in Salerno, Bologna und’ Paris geftiftet wur⸗ 
den. Daß aber die Lehrer des 12. Jahrhunderts mit einem ſolchen 
Eifer lehrten, und daß fie mit einem folhen Eifer von vielen taufen= 
ders lernbegierigen jungen Männern befucht und gehört wurden, das 
war gewiß die Wirkung bes mächtig fortgefchrittenen Geiſtes, der durch 
eigenthuͤmliche Urſachen, wovon wir einige angeführt haben, angeregt 
wurde. Bologna und Salerno wurden die Mufter für alle Hbrigen 
Univerſitaͤten, die im _12ten, 18ten und den folgenden Sahrhunderten 
in großer Menge in Stalien, und Paris das Ideal für alle diejenigen, 
welche in England, Deutſchland und in andern nordifchen Reichen ges 
fliftet wurden. Es iſt in der That zu vermundern, daß Deutſchland, 
welches in Anfehung des Handels und der Gewerbe, des Reichthums, 
der Bevoͤlkerung und dee inmern Macht keinem andern Lande etwas 
nachgab, faſt zwei Jahrhunderte Tpäter, als Frankreich, Stalien und 
“ England privilegirte hohe Schuten erhatten hat, welche Erſcheinung ſich 
blos aus den langwierigen Streitigkeiten bee deutfchen Kalfer mit‘ dem 
sömifchen Stuhle und aus der Eiferfucht ber großen beuffchen Fuͤrſten 
erflären läßt. Deutfehland hatte beim Beginnen der Reformation fols 
gende Univerfitäsen: Prag, geftiftet 1848. Wien, 1865. Deidelberg, 
1386. Leipzig, 1409. Moftod, 1419. Greifswald, 1456. reis 
burg, 1456. Xübingen, 1477. Wittenberg, 1502. | 

Da es hier nicht unfre Aufgabe feyn kann, eine Geſchichte der 
Univerfitäten: ia extenso zu geben, eben fo wenig eine Schilderung von 
den verichledenen Kormen und Verfaſſungen, welche die Umiverfitaͤten 
im Laufe der Zeit erfahren; fo haben wir hier zu zeigen, welchen 
Linfluß fie auf das theologifhe Studium vor der 
Reformation und nad derfelben äußerten? ' 

Beruͤckſichtigen wir zumuchſt die erfle Frage, fo war der Gewinn 
durch bie Univerſitaͤten für die chriſtliche Theologie nicht hoch anzuſchla⸗ 
gm. In der ganzem von ums bezeichneten Periode beherrſchte bie 


ſcholaſtiſche Philoſophie die theologiſchen und philoſophiſchen Lehrſtuͤhle. 


uoterrichtsantalten. 577 
Weit davon entferne zu behaupten, daß bie theologiſchen Fakultaͤten auf 
ben Univerfitäten nicht auch einen erweiterten Ideenkreis herbeigeführt haͤt⸗ 
ten, daß namentlich auch die ſcholaſtiſche Philoſophie ihre Verdienſte Hatte, 


fo druͤckten doch große Unvollkommenheiten diefe philoſophiſche Methode, 
Sie befchäftigte fih wenig oder gar nicht mit dem Studium der heilis 


gen Schrift, die claffiihen Sprachen des Alterthums fanden an den 


Scholaſtikern keine Freunde, fie dienten mit knechtiſchem Sinne dem 
durch paͤpſtliche Machtſpruͤche fixirten Kichenglauben, jo daß man in 
einem gewiſſen Zeitalter der Scholaſtik eine theologiſche Wahrheit unter⸗ 
ſchied, die auf der Auctoritaͤt der Kirche beruhe, und eine philoſophiſche, 
die unabhängig vom Kirchenglauben durch eigenes Nachdenken begrüns 
det werde. Dabei gab man zu, dab Manches theologifdh wahr und 
doch philofophifch falfh fe. Nimmt man dabei an, daß den Scho⸗ 
laſtikern das Talent des populdren Vortrags. und bie Ruͤckſicht auf 
gemeinnüsiges Wiſſen völlig abging, ſo kann man ſchon a priori behaups 
ten, baß der Gewinn diefer philoſophiſchen Lehrmethobe für chriſtliche 
Theologie nicht groß feyn konnte. Dieß lehren aber auch eigenthünmliche 
gefchichtliche Erſcheinungen, wohin wir rechnen den anfänglichen Wider⸗ 
willen des Klerus gegen den ſcholaſtiſchen Vortrag auf Univerfitäten 
und dann die geringen Leiftungen derer, bie buch biefe Pbilofophie 
gebildet wurden. Wir geben aus Meiners nur eine. Bleine, hierher 
- gehörige Probe. Er fagt: „In der Theologie z. B. wurde man ale 
„Magister artium erſt Baccalaureus biblicus (in Paris Cursor), 
„bann Sententiarius, endlich Formatus und darauf Doctor thoologiae, 
„Als Bacoalaureus biblieus follte man ben biblifchen Curſus vollendet 
„haben, allein man begnügte ſich mit Unterfuchungen biblifcher Gegen⸗ 
„fände, Aufgaben und Fragen, die gewöhnlich eben fo ſpitzfindig als 
„ſeltſam waren, als in den übrigen Theilen ber Philoſophie, und vers 
„gaß die Biber fo fehr, daß viele Prälaten und Doctoren ber Theo⸗ 
„togie fehr oft darüber hinſtarben, ohne je in ber Bibel gelefen zw 
„haben, oder ohne fie gehörig zu kennen. So fagte von Sullhauſen, 
„ber alte Biſchof zu Meißen, ein Beitgenoffe Luthers: Es wäre ein 
„Buch, das hieße die Bibel, wenn er darin läfe, fo ließe er fich be 
„duͤnken, «6 ginge in der chrifltichen Kirche nicht recht u — Dre 
- „Sententiarius war berjenige, welcher bie Erlaubniß hatte, Aber bie er _ 
sten zwei Bücher bes Petrus Lombarbus zu lefen, und wer bie letztern 
' „zroei erklaͤren durfte, hieß Formatus. Ariſtoteles, Thomas von Aquino, 
„Dune Scotus, Robert Holkoth, Petrus Lombardus, befchäftigten fie viel 
miw fehr, als daß fie zur Quelle hätten zuruckkehren koͤnnen. An griechie 
„ſche und Hebräifhe Sprache wurde von den Theologen bis auf Luthers 
„zeit in ber Megel gar nicht gedacht. Karlſtadt geſtand ſelbſt, daß er erſt 
„acht Jahre nach feiner Ernennung zum Doctor zum erften Male die Schrift 
„gelefen Habe. Er galt dennoch für einen fehr gelehrten Theologen.” . 

Schon aus diefem zulegt Geſagten wird fidh ergeben, warum die 
Meformatoren überhaupt und Luther befonders feine Kreunde ber: Unis 
verfitäten waren. Der tüdifche Heide Ariſtoteles, wie er von Luthern 
öfters genannt wird, iſt ihm ein Dom im Auge und er tan es ihm 
nie verzeihen, daß er die Kirche fo ſehr vermäftst habe. 

Allein eben das tiefe Gefühl von dem angerichteten großen Scha⸗ 
ben durch die fcholaflifhe Philoſophis und Theologle führten ihn. und 

Siegel Handtnh IV. 87 | 





328 UUntervichtsanſtalten. 


ſeine refontigentben Grhlilfen auf dad zurkick, was noth thak und immer 
He Weite der Theologie auf proteſtantiſchen Uhriverfitäten geblieben iſt, 
‚aäntli die Erforſchung dee heiligen Schrift durch inniges Vertrautwer⸗ 
den mit den Grundfprachen, im welchen fie verfaßt iſt, durch eim mehr 
kritiſches Stubium der Kirchengeſcheichte überhaupt und des chriſtlichen 
Alterthums insbefondere, durch Begimſtigung der claſſiſchen Literatur 
des Alterthums und Benutzung einer gefunden Philoſophie. In diefer 
Hinſicht zeichneten fi gleich anfangs die vorhandenen proteſtantiſch 
gerordenen Univerſitaͤten, fo wie auch die fpäter entſtandenen fehr vor: 
cheilhaft aus, obgleich nicht auf einmak, fondern nad) und mac und 
-bin: und wieder nah viren gethanen Rückſchritten. As ein hohes 
.Berdienſt Luthers iſt ed anzufdlagen, daß er beſonders für gute Gelehr⸗ 
tenfchuden forgte, die für den hoͤhern Unterricht auf Univerfitaͤten vorbe: 
reiteken. Wis haben bereitd oben gefehen, daß die 1580 unter Kur: 
fürft Auguſt eingefuͤhrke Schalordnung füre den populären Untereicht im 
Volke hoͤchſt wohlchaͤtig wurde; dieß war aber auch der Fall für die 
Gelchrtenfnien. Die in Sacſen aus Kloͤſtern in Landesſchulen ver: 
wanbelten Auſtalten (Fuͤrſtenſchulen) wurden Muſter des wifjenfchaftlie 
«en Unterrichts. = meiftere Stadkraͤthe gruͤndeten Gymnaſten und 
Boten mit feſt angeſtellten Lehrern. Das eingezogene Kirchengut würde 
in der Regel zum Beſten dieſer Lehranſtalten verwendet. ch kann 
man es flir ih gaͤnſtiges Ereignißf anfehen, daß unmittelbar vor, wäh 
ad ab nach dem Begintien der Reſormatoren eine uſcht undedeu⸗ 
eende Baht vor Maͤnmern ſich dereits ais geletzrte Schulleute auszeich⸗ 
nen. Schulmaͤnner, wie Johamm Starm, geboren 1507, geftorben arg 
Mector za Straßburg 1589, Balentin Friediand, gewoͤhnlich nach fel- 
nem Geburtsort Trotzendorf genannt, gedorer 1490, geſtorben am 
Rector in Gotdderg 1556, Michael Neander, geboren 1525, geſtor⸗ 
ben: als Reckor in Ilefelb 1698, Loren; Rhodomann, geboren 15468, 
nachmala Nector in Stralſund, geſtorben ats Profeſſor ze Send 16806. 
Joachim Cametarius, der Fremd Melauchthons u. a. etwarben ſich 
als Methodiler um den Schulunterricht und Bie Disciplin weit tole⸗ 
kende Verdienſte. Die durch die Buchdruckerkunſt vervielfattigten und 
von geimdliche Gelehrten, tote Erasm. Schmidt, Br Taubmanm, 
Keim. Gesner, Juß. Eaͤſar und Joſ. Scaliget, Ric. and Bar. Heime 
Ans, Sland. Salmaftus, Juftus Lips, Sf. Cafoubonug, Hugb 
Grorius m a, bearbeiteten Ausgaben der älten Schriftfteitee kamen in 
bie Haͤnde der Schiler. Das Hertiiawandern berfelben hoͤrte auf, und 
jenes wilde Zeitatter, bas man miſt Unrecht das tomantiſche oder poe⸗ 
tiſche nannte, wich dem SGeiſte ber in khren Quellen: erforſchten und 
in allen ihren Zweigen behambeflen ab angewendeten Wiſſfenſchaft. 
Se es nun auch, daß die peoteſtantiſchen Aniverfirdren in Bezle⸗ 
hung auf Thevlogie tote alle Bildungsnnſtalten eine Bett latig Ihre 
 Impemn und dußern Feinde hatten und noch Haberr (wer dichte nicht 
hier unwillbaͤhrlich an bie Zeit, wo Be proteflurtifche Theologle für 
feifches, jugendliches ben verfor und Ar fchofaftifchen Streit mie bet 
dußeen Gegnern und in ſteiſen Dogmatismus im Innern verſank; wer 
dürfte die traurigen Einwwirküngen Bes dreibigjährinden Kriege derken? 
nen); Ri eB ati, daß fie manthe zeitgemaͤße Veraͤnderungen delitten 
und zuweilen, ſalbſt im ber neueſten Zeit Bart angektagt wurden; fe 








Untereichtöanflalten. 579 


bat man doch nie leugnen können, daß bie Deutfchen Ihre höhere wiſ⸗ 
fenfchaftlihe Bildung ihren Univerfitäten zu verdanken haben, und daß 
in den Annalen berfelben Namen glänzen, die der Wiſſenſchaft unver: 
gehlich bleiben. Kehren wir zur Theologie insbefonbere zurück, fo wird 
fid) Leicht darthun laſſen, daß fie andern Wiſſenſchaften niche nachſteht, 
wir mögen fie nun nach ihrem ertenfiven Umfange ober nach ihrem 
intenfiven Wirken beurtheilen. Dan vergleiche das Gebiet ber theolo⸗ 
giſchen Haupts und Neberwiſſenſchaften mit ihrer Tendenz auf das 
Semeinnhgige und vergleiche das Gebiet der Theologie, wie es etwa 
nur vor hundert Fahren. angebaut. mar, fo wind fich die proteftantifche 
Kirche, beſonders die dentfihe, ihres wiſſenfchaftlichen Strebens in der 
neuern und neueſten Zeit nicht zu ſchaͤmen Urſache haben. Sie ſteht 
unſtreitig jetzt, verglichen mit ihren Schweſtern in andem Laͤndern, am 
hoͤchſten. Moͤge fie das Schwert bes Geiſtes und der Wiſſenſchaft immer 
fiharf erhalten, bamit wich fie am glüdlichften ihre äußern und Innern 
Seide zw bekämpfen im Stande fern. Die vielen nady ber Meforma: 
tion entfiandenen peoteflantifchen Umiwerfitäten Tönnen zum Beweiſe bie: 
nm, weihen Werth man auf fie, feldft bie auf dia newefle Dit hewab, 
legte. Wens einige derſelben eingingen, fo wurden fie theil& anders 
wohin verlsgt, theils durch ganz zieu errichtete ergänzt: Sie beguͤnſti⸗ 
gen in diefem Augenblide noch mehr oder weniger ein tieferes Studium 
der Wiffenſchaften, and will man ſich überzeugen, wie ſelbſt das Aus⸗ 
land, und mamentlicdh Freankreich, darüber uncheile, fo wier dazu recht 
nuͤhlich ſeyn die Schrift des berühmten Kranzofen Couſin: Bericht 
über den Zuftand bes Öffentlichen Unterrichts in einigen Ländern Deutfchs 
lands. Deutſch von Krüger 2 Bde. Altona 1883. 8. Ueber den Eins 
fiuß der Univerfitäe Deimeftäbt auf hie Ideologie des ſechzehnten Jahr⸗ 
bumderts iſt E. 2. Th. Dente Georg Caliptus und feine Zeit. 1. Abtheil. 
Halle 1883. 8. laſenswerth, und über bie Univerſitaͤt Halle in derfel⸗ 
ben Beziehung ſpricht A. H. Niemeyer in: die Untverfitds Halle nad 
ihtem Gtafluffe auf gelehtte und prabtiſche Theelogia in ihrem erſten 
Jahrhundert, feit der Kirchenverbeſſerung dem Dritten. Delle 1817. 8. 


37* 


518 ntewichts anſtaiten. 


ſeine reformnicenden Gehälfen auf dad zurkick, as noth that und immer 
de Wafie der Theologie auf proteſtantifchen Umiverfitäten geblieben ift, 
aämli die Erforſchung dee heiligen Schrift durch inniges Vertrautwer 
den mit den Grundfprachen, in weichen fie verfaßt At, durch ein mehr 
kritiſches Stubium der Kirchengeſchichte überhaupt und des chriſtlichen 
Alterthums insbefonbere, burdy Begimſtigung der claffiichen Literatin 
des Alterthums und Benugung einer gefunden Philoſophie. In diefer 
Hinſicht zeichneten fich "gleich anfangs die vorhandenen proteflantif 
gewordenen Univerſitaͤten, fo wie auch die ſpaͤter entſtandenen ſehr dor: 
cheilhaft aus, obgleich nicht auf einmak, ſondern nach und nach und 
din und wieder nach vielen gethanen Rückſchritten. As ein hohes 
Berdienfb Luthers iſt es anzuſchlagen, daß er beſonders für gute Gelehr⸗ 
tenſchulen ſotgte, die für den hoͤhern Unterricht auf Univerfitaͤten vorbe: 
reiteſen. Wis haben bereits oben geſehen, duß die 1580 unter Kur: 
fürft Auguſt eingefuͤhrte Schulordnung fire den populären Unterricht im 
Volke hoͤchſt iwohlthaͤtig wurde; dieß wur aber auch der Fall für Die 
Gelehrtenſchulen. Die in Sacſen aus Kloͤſtern in Laudesſchulen ver: 
wandelten Anſtalten (Fuͤrſtenſchulen) wurden Muſter des wiſſenſchaftli⸗ 
en Unterrichts. Die meiſteir Stabtraͤthe gruͤndeten GOymnaſten und 


Eoeeen mit feſt angeſtellten Lehrern. Das eingezogene Kirchengut wurde 


in der Regel zum Beſten dieſet Lehranſtalten verwendet. ch kann 
man es flir ein gänkiged Ereigniß anſehen, daß unmittelbar vor, waͤh⸗ 
and and nach dem Wegintien Bee Reſormatoren eine uſcht unbedeu⸗ 
tende Zahl von Maͤnnern ſich bereits dis gelehhrte Schulleute auszeich⸗ 
men. Schulmänder, wie Johann Starm, geboren 1507, geſtorden als 
Mector u Straßburg 1589, Balentin Krlebland, gewöhnlich nach fe 
num Geburtsort Trotzendorf genannt, geboren 1490, geflorben al 
Rector in Golddbeeg 1556, Michael Neander, geboren 1525, geſtor⸗ 
ben als Rector in Ilefeld 1698, Loren; Rhodomann, geboren 1546, 
nachmals Pectoe in Stralſund, geſtorben als Profeſſor zu Send 1686. 
Joachtm Camrtarius, dee Freunb Melauchthons u. a., etwarben ſich 
als Methodiker um den Schulunterricht und Ste Disciplin weit wie 
kende Verdienſte. Die duch Dr Buchdruckerkunſt telfättigten und 
von grämdiicheik Gelehrten, wie Einem. Schmidt, Zauditiank, 
Kore. Gesner, Juß. Chfar nnd Joſ. caltger, Ric. and Da. Heim 
Mas, GElaadı; Salmaſtus, Juftus Lipſtus, Iſ. Cafgudonus, Hugo 
Grotius m a. bearbeiteten Ausgaben Ber alten Schriftſteller kamen ii 
bie Hände dev Schuͤler. Das Herumwanbern berfelben hoͤrte auf, und 
jenes wilde Zeitatter, das man mit Unrecht das romantiſche oder por 
tiſche nannte, ig dem Geiſte Ber in ihren Quellen erforſchten nnd 
in allen ihren: Zweigen behamdekfen ab anugewendeten Wiſſenſchaft. 
Se ee nınt auch, daß die. pesteſtantiſchen Unlvetſitaͤren in Bezle⸗ 
Bung. auf Thevlogir, wie alle Bildungsunſtalten eine Zeit laug ihre 
Innern und dußern Feinde hatten und noch haben (wer dachte niche 
hier wmwiläigrtiä, am bie Zeit, wo Me proteſtantkſchr Theologle ine 
feifhes, jugendliches ben vertor und fr fchofaftifchen Streit mie den 
dufeen Gegnern und in ſteiſen Dogmatientus im Intern derſank; wer 
dürfte die traurigen Einwirkungen des dreißigjaͤhrigen Kriegs derken⸗ 
nen); Mi et at, daß fie manthe zeitgemaͤße VBeraͤnderungen erlitten 
und juweilen, ſelbſt im dee neueſten Bett hart angektagt Wurden; fo 


Vaterunſer. 21 


deſſelben beruͤckſtcheigen. Dieſen betreffend ergiedt Mb, daß wir 
tm apoſtoliſchen Zeitalter gar keine Spur davon antreffen, ja genau 
genommen, auch nicht einmal in den Schriften ber apoftolifchen Va— 
tee. Stellen, welche dafüe zeugen follen aus Juſtin's Apolog. 1. p. 
212 und p. 220 edit. Oberth. find wenigſtens ihrem Inhalte nad 
nicht fo zwingend, daß man fie nothwendig vom Vaterunſer ver⸗ 
ſtehen müßte. Die Annahme aber, daß in allen Fällen in der Apoſtel⸗ 
gefhichte, wo von dem gemeinfdaftlichen "Gebete der Jünger Sefu und 
der erften Chriften die Rede ift, der Gebrauch bes Vaterunſers vor 
ausgefegt werden muͤſſe, if doch zu willkuͤhrlich, obgleich Altere und 
neuere Schriftfteller aus ber römifchen wie aus der proteftantifchen Kirs 
che bieß behauptet haben. Gregor. M. Epist. 1. IX. op. 12. — Hie- 
ron. adv. Pelag. 1. III. c. 8. — Gavanti thesaur. saer. rit, Tom. I. 
p. 258. Selbſt aus Irenaͤus, adv. haeres. I. V. o. 17., ergiebt fich, 
daß ihm die Kenntniß des Vaterunſers zwar nicht abzufprechen fei, daß 
er aber nichts über den kirchlichen Gebrauch beffelben anfuͤhrt. Eben 
fo verhält es fich auch mit Clemens Alexandrinus Pädag. 1. I. Dem 
zufolge, was äber die apoftolifchen Eonftitutionen an feinem Orte ges 

fügt worden ift, koͤnnen biefe hier Feine Entfheibung geben. Dies 
allerdings auffallende Stilfchweigen über das Vaterunfer im apoſtoli⸗ 
ſchen Zeitalter würde fi) am beften, wenn fie anders haltbar iſt, aus 
einer neuen eregetifchen Sppothefe, welche Möller: Neue Anfichten 
ſchwieriger Stellen aus den vier Evangeliften, Gotha 1819 p 84, 
aufgeftellt Hat, erklären laſſen. Er nimmt an, daß im Vaterunſer nur 
Interimsgebete vorgefchlagen worden felen, beren fich die Jünger einſt⸗ 
weiten bedienen follten, bis fie im Stande wären, mit eigenen Wor⸗ 


ten zu beten. Dieſe Anficht wuͤrde, mie manches andere Schwierige 


beim Vaterunſer, den Umſtand aufklaͤren, daß wir weiter keine Spur 
davon im N. %, und in den Anordnungen ber erflen Kirche finden. 
Man fehe jedoch, was gegen dieſe Hypotheſe erinnert worden iſt, in 
Küuͤhnoͤls Comment. in Mt. 7} 6, 9 seqg. i , 

Dagegen ſetzen die Zeugniffe des Tertullian, Gyprian und Ori⸗ 
genes den kirchlichen Gebrauch bes Vaterunſers im 2. und 8. Jahr⸗ 
hundert außer allen Zweifel. Tertullian ſchrieb din eigenes Buch de 
oratione dommiea, welches eigentlich nur eine Erklärung bed Water 
unfers mit einigen beigefügten Bemerkungen über bie beim Gebete ans 
genommenen Gebräude. Died that auch Eyprian de oratione domi- 
nica (Opp. edit. Oberth. Tom. I. p. 869). Auch Drigenes in feine 
Schrift zepl zuyäjs, findet im Vaterunſer eine zum Geoͤrauche für alle 
Chriſten von Jeſu vorgefchriebene und barum befonders wichtige unb 
heilige Gebetöformel. Außer biefen drei Altern Schriſtſtellern ſindet 
man auch bei den aungezeichnetflen Kicchenvätern de6 4. und 6. Jahr⸗ 
bunderts, 3. B. bei Auguftin, Chryfoſtomus, Cyriſlus won Serufalem, 
viele Zeugnifle über die Beflimmung bes Vaterunſers zu einem aßge» 
meinen Chriftengebete. | | 

Wann und wie bag Daterunfer gebeter wwes 
de und wem die frühere Rirhe den Gebrauch defe 
felben nicht zugeſtand. Daß eine frühere Verordnung Abe 
den Gebrauch des Vaterunſers vermißt wird, laͤße fih aus dem Um⸗ 
ſtande erklären, daß dieſes Gebet einen Theil ber Geheimlehre ande‘ 





v 


‘; 


AA Dateruuſer. 


-rachke,, und dahrt bios den nuukifonmmwenkhn Cheiften erlaubt wer. TBB 


finden fi dahernur ser im 6. amd 7. Zahrhedert einige Bymodube 


. Mlpikfle "über den Sedrauch des Baterunfers, von welchen welter une 


wen bei tmer. andern Veranlaffung die Mede ſeyn wirt. Hiſtorlſch aber 
rbäßt fi nachweifen, daß man daß Vaterunſer brauchte 


») bei der Taufe, Dieß ſieht man allge nur aus Con- 
atitut. Apost. L VAL. co. 44. p. 385, fondern duch aus Ohrysostom. 
ow. VA. in ap. ad Coloss, p. 201, denn Bier helit 8: Sobald 
ber Lhufig aus dem Waſſer ftelgt, fol er die Worte fptehen: Va⸗ 
terunfer Te. (vergl, damit den Artikel Taufe), — Nachdem die Kin 
bertaufe uͤblich gewörden war, mußten bie Sponsores alles das leiſten, 
was von’ den etwachſenen Täuflingen ‘gefordert wurde. "Sim Mittelalter 
fing Yhah An bavdn zu Bispenfiren und das Vaterunfer und Syaibolum 
wurde bei jedem Taufaetus vom Geiſtlichen Hergefagt. "Eben fo brauchte 
“ran Au. das Batetunſer 


b) beim ‚Ubendmahte. Gregots des Grafen Behauptung 


„gebt-gwar dahin (Epist, 1. IX. ap. 12), daß [hen die Apeitel bei:der 


‚Bonfecration ſich des Vaterunſers bedient Hätten. Ja nad) klieron. 
dial. contz. . „IH, . -3. bat :Chriftus ſelbſt dieſe Anweiſung 
waebm. Allein man vergleiche dagegen, was bereits in ·dieſem Artikei 
Re I. erinnert worden iſt. Selbſt die Stelle des Juſtinus Martyr 
‚Apolog. 1.:p. 125, die man oft vom Vaterunſer hat vorſte hen wollen, 
‚bleibt zweifechaft. Mit klaren Worten aber beſtaͤtigon dem Gebrauch 
des Vaterunſers beim Abendmahle Eyrillus von Joruſalem, satech. 
‚myutag. 1. .% 8 Auguftin :gpist. a -Paallin, :69. P. 808. Auffal⸗ 
lend iſt G, daß Die Conotitut. apest. bei der Confecration des Abend⸗ 
mahls das Vaterunſer nicht erwaͤhnen. (Vergl. don Acruikel Gebet in 
‚ben Sffentlichen kirchlichen Vorſammlenngen der CEhriſten Nr. U.) Ver 
Gregor dem Großen -war es nad) ‚und nach üblich geworden, das Bu: 
terunſer beim Abendmahl entweder ganz wetzulaſſen oder as urals 
‚einen appondix ‚zu behandeln. Dieß aͤnderte er in feinem Canuon Missae 
And berief ſich auf das Beiſpiel der alten Kicche und ber · Griechen. 
eklipiut. 1. IX. ‘ep. 12.) Doch bemerkt or :al6 einen Differey punet 
Ausdruͤclich: Das. Waterunfer -wird bei ‚ben Griechen vom ganzen Molke 
hergoſagt, bei uns hingegen nur -von Dean Prieſtor. Dieß blieb auch 
„in ber galtilaniichen, hiſpaniſchen (oder mozarabiſchen) und mailaͤndi⸗ 
Achen (oder-ambrofianifchen) Liturgie, welher daher fo voft ein griechi⸗ 
Icher Charakter deigelegt wird, — Mas: Vaterunſer ‚finden wir ach 
werotduet 
0) wei Bem fogmannten offruio maıitutänn ww verpen 
sthre’o‘, von! welchen tägtidren Andachtsubungen dus. Mörhige: in vem Wet. 
Gebet tz DS. P.181' 0) vrinuert worden If. Hier erſcheint das Ba: 
etpimfor 8 Kin defetziich voracfihriubenee Sedet. Allein die Helden hire⸗ 
ber gehoͤrigen Synodalbeſchluͤſſe fallen erft in das :6. md 7. Suhehum: 
ut. Ushe.' Gerund. !a. 817. cc. 30. Jumb Coue. Tolet. IV. a. 633. 
.e. 9. >Deripaßedt genannte Eanen keutet atfo: Quicquis sergo Wasor- 
tim 'vel2subifhcuumdiun Seborigurtm Hetie Wotäinsen ustidie ant Yin 
Ivo, am du pölNato 'uffislo ıpradrenterit, orklinis wwui onvee 
er. .. . .? rn 0, 


N 


Voatecvuſe· 32 


d) Auch Im Privatisben ſollten Ach Chriſten ditſes Gekets bedie⸗ 
nen,.bieß erhellt aus (hrysoatom. je Ps. 112. et hom. X, in Calass. 
An den Constitut. apust. 7, 24. wird gefordert, dies Gebet -täglich 
dreimal zu ſprechen, daher es auch das tägliche Gebet genannt wurde. 
Auch bei andern heiligen Dandlungen, mie bei der Gonfirmation, 
Ordination, Gopulation, Vorbereitung bee Sterbenden, Funeralien und 

sfequien hielt man nach und nad dieß Gebet für unentbehrlich, toenn 
ich gleich der Urfprung nicht immer beilimmt' aus dem Alterthume 
nachweiſen läßt. Ueber die in der occidentaliſchen Kirche gebräuchliche 
Sitte, das Vaterunfer bei jedem Gotteödienfte dreimal herzuſagen (im 
prineipio, medio et fine), und zwar bald mit lauter, bald mit ge 
dämpfter, bald mit mechfelnder Stimme, giebt Cardinal Bona de 
divina Paalmodia p. 429 eine etwas fonderbare Erklaͤtung. Doch bes 
weiſt Meratus ad Gavanti thesaur. Tom. Il. p. 103 aeq., daß erft 
im 13. Jahrhundert die Kiftercienfers Mönche Urheber dieſer Einrich⸗ 
tung waren. Seit diefer Zeit ging jene Sitte aus den Kiöftern In bie 
andern Kirchen über. 2 
Was nun die Glieder der chriftlichen Kirche betrifft, fo fand auch 

bei ihnen in Beziehung auf den Gebraud des Vatsrunfers eine Ver⸗ 
fchiedenheit Statt. Im 8., 4. und 5. Geculum wurde es bios auf 
die Fideles befchränft und den Gotechumenen nicht verſtattet. Die 
wichtigften Stellen darüber find Chrysostom. hom. Xl. in 2 Cor. p. 
140. ham. 62. p. 924. August. aerm. 42., wobei er bemerkt, def man 
den Catechumenen erſt an dem Tage, wo fie zur Laufe vorbereitet 
wurden (baher dies eompetentium genannt), da6 Waterunfer bekannt 

machte. Allein man ficht weder die Möglichkeit nach auch die Zweck⸗ 
maͤßigkeit dieſer Anordnung ein, wenn man fie nicht mit einer gewiſſen 
Beſchraͤnkung verfieht. Die Letztere deutet aud Wal in feiner Abs 
handlung de usu oratianis domin. $. XVI. p. 75 an, welche wir 
hin umd ticher in dieſem Art. benugt habef. Das Gebet des Herrn 
war ja ein integrivender Theil des Evangeliums, dieß aber Lonnte 
wenigſtens in ber legten von uns bemerkten Zeitperiode in den Haͤndes 
mancher Catechumenen fepn, fo wie es ja felbfi Profane befaßen. 
Man muß alfo einmal ſchon hier von dem Privatgebrauche des Mater 
unfers abſtrahiten und mehr an den öffentlichen gottesbienftlichen 
Gebrauch deſſelben denken. Die Hypothefe Auguftis in feinen Denk 
wuͤrdigkeiten .5. hl. p. 107 fcheint daher vifl Licht über biefen Um: 
fand zu verbreiten. Er nimmt an, daß nicht fowohl die einfache For⸗ 
mel des DBaterunfers, als vielmehr die dogmatiſch⸗myſtiſche ‚Erklärung 
deffelben gemeint fei,. welche man ben Gatechumenen fo lange vorgnthielt, 
bis fie erſt gehörig vorbereitet und eingeweiht waren. Es iſt nämlich un; 
verkennbar, daß die Altern Eregeten bald einzelne Puncte im Vaterunſer 
mit einer beſondern Vorliebe und Ausführlichkeit behandeln, bald aber 
auch Einzelnes daraus myitifh deuten. Das Erſtere gilt. befonders 
von ber fagenaunten DVaterfchaft van Selten Gottes und von der Kind: 
[haft von. Seiten der Menſchen. Hier zeigen fie, das Bindliche Vers 
hältniß der Menſchen zu Gott fei ein ıginer Vorzug des Chriſtenthums 
und weder im Juden⸗ noch im Heidenthume anzutreffen; eine ſolche 
Lehre verdiene daher auch mit befonderer Achtung ‚behandelt und bem 
noch rohern Catechumenen vorenthalten zu werben, Man ſehe 'Fer- 


534 | Baterunfer. 


tull. de orat. e. 8. Cyprian, de oratione dominies p. S71. Ori- 
gencs de orat. p. 498— 505. Gregor. Nyssen. hom. X. in ep. 
ad Coloss, Wie man nun biefe Lehre als eine befondere Wohlthat 
bes Chriftenehums anfah, fo machte man babei auch auf die Kreihelt 
und Gleichheit dee Menſchen aufmerffam, fo baß diejenigen, welde 
nach menſchlich bürgerlichen Werhättnifien Knechte und Sclaven find, 
Im Reiche Gottes das Kindesrecht erlangt hätten. Es gehe alfo die 
von den Apoſteln erwähnte vouog ZAsvdeplas buhftäblidy in Erfüllung. 
Doch Mehreres und befonders bie vierte Bitte im Vaterunſer wurbe 
von den Kirchenvaͤtern im myſtiſchen Sinne aufgefaßt und geradezu vom 
Abendmahle erklärt. ©. Irenaeus adv. haereses 1. IV. c. 18. Ter- 
tall. de orat. c. 6. Cyprian. de oratione dominic. p. 376. Cyril- 
ins Hierosol. catech. mystag. 5. ©. 15. Beſonders aber iſt hier 
vor allen Origenes zu nennen, von befien myſtiſcher Interpretation 
der vierten Bitte Im Vaterunſer an einem andern Orte fchidlicher die 
Rede feyn wird. — Diefe dogmatifch: myſtiſche Anfihe vom Kater: 
unfer glaubt alfo Augufti fei es geweien, die man den Catechumenen 
bie nach erlangter Zaufe vorenthielt. Vielleicht wären dieß alfo bie 
Sacramenta orationis domin., wovon Cyprian und andere Kirchenväter 
reden. Auf biefe Weiſe dürfte fih auch die von Walch amgebeutete, 
aber nicht befeitigte Schwierigkeit am beiten loͤſen lafſen. 


HT) Die dem Paterunfer angebängte Dorolos 
gie it fpätern Urfprungs. — Spraͤche auch nichts Anderer 


für die Wahrheit diefer Behauptung, fo würde ſchon der Umftand ent: 


fcheidend feyn, daß Tertullian, Cyprian, Origenes und Cyrillus von 
Jerufalem diefe Dorologte nicht kennen, bie ihnen doch, waͤre fie vor: 
handen geweſen, von großer Wichtigkeit fir damalige dogmatifche Ans 
fihten hätte feyn müflen. Aber auch die Kritik erklärt ſich entfchieden 
dagegen. Schon Grotius in f. Comment. Mt. 6, 13. hat recht gut 
gezeigt, ‚wie diefe Titurgifche Formel zuerft in einige alte Ueberfegungen, 
namentlich in die forifhen und aus diefen In einige Dandfchriften und 
Kirchenväter uͤberging. Desgleichen haben aud Mil, Wetftein, Ben⸗ 
gel und Griesbach dargethan, daß gerade bie älteften und geſchaͤtzteſten 
Handſchriften nichte davon wiffen. Die Vertheidiger der Aechtheit dies 
fer Doxologie, wie 5. B. Abraham Galov gegen Grotius Biblia illustr. 
N. T. Tom. I. p. 236 und befonders Baumgarten Authentia doxo- 
logise Mt. 6, 13. a recentissimis oppugnatoribus vindicata. Hal. 
1753, führen theils an fich zu wenig Gewichtvolles an, theils gefteht 
Repterer auch den apoflolifchen Eonftitutionen mehr Auctorität zu, als 
Die Kritik erlauben ann. Uebrigens iſt es auffallend, daß, da bie 
älseften Liturgien diefe Dorologie, wiewohl mit abwechfelnden Formeln, 
baden, doch die neuern Euchologien und Breviarien ber griechiichen und 


“ römifchen Kirche fie ganz meglafien und blos das Schlußamen deibe⸗ 


halten. In der roͤmiſchen Kirche wurde es Sitte nach den Worten: 
. Bed libera nos a malo, die Formel beizufügen: Per Jes. Christ, 
dominum nestrum, Amen. Daß dieß aber nur zum Privatgebrauche 
geſchehen follte, erficht man aus Hieron. Savonarolae Expos. orat. 
Dom. Lagd. Batav. 1634. p. 21. In ber Iutherifchen Kirche wird 
Gier abgewechfelt; denn bald finge die Gemeinde nach ben Morten: 





Batermiſer. us 


. Und erlöfe uns von dem Uebel Ya bloße Amen, oder auch de ginge 
Dorologie mit dem Amen. 
IV) Linige allgemeine Bemerkungen des Daten 
unfers betreffend. — Dier mag vor allen Dingen beruͤhrt werben 
a) bie allgemeine Derbreitung diefes Gebets. 
Die Befchichte deffelden macht eimen fehe wichtigen Thell ber Literatu 
gefchichte aus. Wie es beinahe in ale befammte Sprachen der Welt 
überfegt worden iſt, fo haben demfelben oft Kalligraphen und Typo⸗ 
geaphen einen ungemein mühfamen Fleiß gewidmet. Der Verfjaſſee 
erinnert fih noch aus feiner Jugend, daß im fächfifchen 
mande Familie das Vaterunſer eutweder ausgezeichnet ſchoͤn gefchriebem 
oder kunſtreich gebrudt unter Glas und Rahmen in ihren Stuben hab 
te, und auf einen ſolchen Beſitz großen Werth legte. Auch "bie 
Künfte haben ſich recht eigentlich einander überboten, um biefes Gebet 
in Gemälden, Gemmen, Sculptuen, Münzen u. f. w. gu verbreiten. 
Iſt auch dabei oft ein gewiſſer ——e— nicht zu verkennen, fo 
druͤckt fih doch durch alles Ddiefes bie Hochachtung aus, welche: be 
chriſtliche Welt von jeher diefem Gebete, als von dem Stifter des 
Chriſtenthums herruͤhrend, bezeigt "hat. — Nicht minder iſt zu beachten 
b) das Bemühen, dieß Geber zu erklären und 
die nüglihde Anwendung deffelben Sur Lommens 
tare und Parapbhrafen zu fördern. Die Streben ziehe 
fih vom 2. und 3. Jahrhundert durch alle folgende Zeiten: hindurch, 
und wollte man audy nur die vorzuͤglichſten Hierher gehörigen Scheifs 
ten fammeln, fo würde man eine anſehnliche Waterunfer Bibliochtk 
aufſtellen innen. Merkwuͤrdig iſt aus. fruͤhern Zeiten der Unmfianb, 
daß, obgleich Die Erklaͤrung ber Alten als Paraphraſe anzufehens.ifb, 
mon fich diefer doch auf Koften der eigentlichen Formel beim öffentäie 
‘hen Gebete nur felten bediente. Indeſſen kann Cyrilies Hierossl. 
Cateches. mystag. V. $. 11 — 18. als Beifpiel davon gelten. Ach 
Lucher (f. defien Werke Tom. HI. p. 282 edit. den.) gab den Math, 
dag man zuweilen duch zweckmaͤßige Umſchreibungen für eine richtigere 
Würdigung und Erklätung des Vaterunſers forgen folte., Von einem 
ähntihen Bemühen in der neueflen Zeit wird gleich unten: bie Rede 
ſeyn. Selbſt für eine Art Einleitung und vorläufige Erklaͤrung des 
Vaterunſers, befonderd bei der Abendmahlsfeier, finder man feyon früh 
geforgt. Der orde Romanus ſchreibt eine ſolche Präfation von Ob 
fie fhon vor Gelaſius und Gregor dem Großen üblid war, tft unges 
wis. Luther hat fie gleichfalls beibehalten: &. Corpus juris ‘Saxon. 
edit. 1735., und fie fteht auch noch in der alten ſaͤchſiſchen Klrchen⸗ 
agende, wo aber nur die einleitenden Worte vorgedruckt find, nicht 
aber die Erklärung ſelbſt. — Berner ift zu bemerken, 
c) daß man das Daterunfer zuweilen gering 
fhätte, bald aber auch Überfhägte. Nah Auguſtin ep. 
92, ad. Innoc. ep. 89. ad Hilar. und Optatus Mileritanus de schis- 
mste Donat. et 1. H. c. 20. wollten die Pelagianer und Donatiſten 
von der fünften Bitte et remitte nobis debite nostra oto. feinen 
Gebrauch machen (wegen ihrer eigenthuͤmlichen Worſtellung von ber 
Erbſimde und von der Vergebung der Sünde); aber dennoch wagtın 
fle nicht, das Gebet des Herru ſeirſt wegzulaſſen. Die De 


3 , Y Vatarunſer. 

Helen :bloh. die Moe weg: Siegel map ‚zemiktimus debiterikue. 
neatris, weshalb fie Optatus tabelt. Auch ach mehrere kleinere Kir⸗ 
«duzari werben His und mieder gemant, die had. Basernufer für 
ne einzige Matihafte ad darum, beiembers wirkſame Gebet hielten, 
EB. vie Maffelloner iin 4, Soculum. Ws Sch zur Beit der Refor⸗ 
sintiom nad die enghilde Kirche nau geflaltske, war «in Hauptſtreit⸗ 
yunıt zwiſchen den Kpikopnien und Dissbpterjauemn das Baterunfer. 
Walch iu feiner mehemals angeführten Monographie de ugu.orationis 
: Aominimae sets. ns IR giebt die Hauptſtreiter von ‚beiden Parteien an. 
Solche Anſichtan ſinden wär auch -bei den Quaͤkern und andern ihnen 
'ialichen Secten, Die dem Öffentlichen Gottesdienſt verachten. Jedoch 
auß::hher wahl hemerkt marben, daß fie nicht ſowohl dieß Gebet feines 
Vnhaeles wegen geriagſchaͤtzten, fanden vielmehr den Gebrauch beffelben 
a0 Kehendes Formular todeln. Noch im Jahre 1739 hat ein gewiſſer 
Ban Hemden iin seiner brſondern Schrift darthun wollen, daß es 
einndthig fei, ietzt nach aas Pataruuſer zu beten. S. Leipz. gelehrte 
Bit. 17. p. 606. Jehboch bat es auch nicht an ſolchen gefehlt, die 
Ditſes Gebet iaberſchͤzten und die Meinung hegtan, es fei wit Ausſchluß 
lien andern Gehete allein nur zu brauchan. Cardinal Bona berichtet in 
Geirmem "Barde de dirine Pesimalia 2. 16. p. 430— 31, haf ein 
gewiffer "Bafilins, das Haupt der Bogomilen, siner Eegerifchen Partei 
Ara 12. Serulum, auch darum mit nam Kaiſer Alexius Comnenus zum 
Scheinerhaufen veranthailt worden fei, weil er außer dem Vaterunſer 
ned andere Geber für leenes Geſchwaͤtz gehalten habe. S. Joh. Chriſt. 
elf metoria Bogomilor. und andere Monographien uͤber dieſe 
Cat. Die allgemeine Kirche aber bat dieſe Meinung nie getheilt. 
Bier ıyat das Vaterunſer in Hohen Ehsen gehalten, darüber aber nie 
aber Gabessarten verboten. Deſto mahr muß 26 befremden, daß noch 
da 16. Jahrhundert (1.767) sin Kreis s Steusreinnehmer zu Berlin, 
nit Namen Philippi, im einem befondern Buche zu beweiſen fuchte, 
daß Ehriſten nichts anderes, als das Paterunſer beten follten. 

4) Wißbrauh des Vaterunſers. Cs fehlt nicht an 
—Minken in der Kirchengeſchichte, die das mechaniſche und allzuhäufige 
Beten des MWaterunfers tadeln. Ja bie erwähnten Paraphrafen können 
dafuͤr ats Beweis dienen. Als aber in der Achriſtlichen Kirche die Meis 
mung von der Verdienſtlichkeit des gperis operati und von der gleich: 
dem magiſchen Kraft dos Gebets immer vorberefhender wurde, fing 
man an auch vom Vaterunſer daffelbe zu behaupten und biefer Glaube 
ſtotgerte :fich bie zur Ueberzeugung, nachdem die Erfindung des Roſen⸗ 
franges augemeinen Eingang in ber roͤmiſchen Kirche gefunden hatte. 
Man verfieht darunter eine zufammmengefügte Schnur, theild von klei⸗ 
nern, theild auch von etwas grüßen Kugeln, welche aus verfchiedenen 
Mtoffen bercitet ſind, und woran unten sin Kreuz, das Bild eines 
Heiligen oder etwas dem Aehnlichen hängt. ine jede Heine, Kugel 
dedeutet cm Aue Maria, umd eine geoßs ein Vaterunſer. Gewoͤhnlich 
ft noch in Anhangfel dabei, welches den Glauben bedeutet, Es giebt 
sbweistlei Arten, die ſich durch das Mehr .oder Weniger der großen und 
Heinen Steine unterſcheiden. Man nennt fie auch Coronas, oder Co- 
möllae Marine „cher auf) Paternester. Ueber den Namen Rofenltanz 
ben voͤmiſche Schriftiteller ſehr gezigzte Erklaͤrungen, z. DB. weil Die 


Bateruuen. 588 
Yuterıtoftet urmb Ber Marias enter ainambir geauiſcht reinen dä Mikes 
such des Gebets wadten., ſo wie ofen 'in sine Keanz gebamden 
wuenkilis Wohlgerike worbreititen. Dus mechaniſche umb :dftere Mei 
wach dieſer Methode ſoll igroße Wirkungen Haben ; 106 "fell veitragea que 
Mextreibung der Teufel, ic Mekechrug Der eier, zur Weflerang des 
Lebens 'in alleriei Lebecs⸗ mnd Seetennoch amd zur Witterung der 
Steafen im Fegrfeuer. Ob Peter von Amtes ı(ber Kimflstten), sie 
MPaulus der 'Eremit, ober idar heilige Deminitus Erfinder mieſer Ge⸗ 
Vbetkunſt fei., iſt ſtreſtig. Deſto gerechter aber find die Klagen dıber ıdie 
 Berabwürdigemmn dieſes Gebets durch ven Roſenkrauz zur Zeit dor Mies 
formation und ſelbſt um Schooße Dermänsiien Kirche. YO. la i 
adversarior. saer. 1. Ill. Lugd. Bat. 1688. 1. 2. o. 24. Maieri die 
sert. .de rosario seu Paternoster 1720. — Wil man fid überzens . 
gen, mie wenig zeitgemäß auch jegt noch Schriftftellee aus der römis 
fhen Kirche über ſolche offenbar abergläubifhe Gebräuche fich erklären, 
fo darf man nur den Artikel Roſenkranz nadlefen in Grundmanr's 
liturgiſchem Leriton der vömifch = Batholifhen Kirchengebraͤuche. Augs⸗ 
burg 1822. Bergl. den Urt. Rofenkranz -oben p. 290 ff. 

V) Bebraudh des Vaterunfers in der heutigen 
hriftlihen Welt. — Wie aus den Liturgien der dltern chriſt⸗ 
lihen Kicche fo manches in dem Kultus der neuern chriſtlichen Kirchen 
geblieben ift, fo gilt die auch vom Vaterunſer. Man wird nicht leicht 
eine allgemeine Liturgie in der roͤmiſch⸗ griechiſchen oder eine Agende 
in ber proteftantifhen Kirche finden, wo nicht das Vaterunſer bier 
oder dort eingefügt wäre. Ja aud Schriften, den religiös: yriftlicyen 
Sugendunterricht betreffend, fo wie Erbauungsbücer berüdfichtigen 
biefes Gebet noch immer. Nur eine Sitte, befonbers in der Iutheris 
fhen Kirche, das Vaterunſer jn jeder Predigt’ zweimal zu beten, kann 
ihren Urſprung im chriftlichen Alterthume nicht nachweifen. Bei den 
älteften Homileten kann man das Vaterunſer ſchon deshalb nicht erwarten, . 
weil daffelbe ein Stud der Geheimichre ausmachte. Und hierin Liegt 
wohl aud ein Hauptgrund des Nichtgebrauchs in ber fpätern Zeit, wo 
diefe Ruͤckſicht nicht mehr Statt fand. Da man felbfl in Luthers 
beutfcher Meſſe oder Drbnung des Gottesdienſtes (1526), fo wie in 
den fpätern liturgischen Schriften Lutherifcher Xheologen Feine Spur 
davon findet, fo ift man wohl dazu berechtigt, dieſe Einrichtung für 
eine bomiletifche Convenienz zu halten. ©. Fluͤgge Gefchichte des deuts 
fhen Kirchen- und Predigtweſens Zhl. 2. p. 19091. Sedo 
hielt man im Anfange des 18. Jahrhunderts noch fireng über diefe 
Sitte, wie dieß felbft ein polemifher Schriftwechfel über biefen Gegen» 
ſtand im Jahre 1707 beweiſt, f. Auguſti's Denkwürdigkeiten de Thl. 
p. 130 — 831. — In der zweiten Haͤlfte des vorigen Jahrhunderts 
trat dagegen, wie wir ſchon geſehen haben, die, von aͤltern Homileten 
beobachtete und ſelbſt von Luthern gebilligte Gewohnheit beſonders 
hervor, den nuͤtzlichen Gebrauch des Vaterunſers durch Umſchreibun⸗ 
gen in gebundener und ungebundener Rede zu foͤrdern. Daß man 
ſich dabei wohl oft Uebertreibung zu Schulden kommen ließ, ja, daß 
es eine Zeit gab, wo man bie Aufklärung eines Prediger nad den 
Vaterunſer⸗Paraphraſen beurtheilte, ift wohl nicht zu leugnen. In⸗ 
zwiſchen darf man aud) das Gute nicht verfemnen, das dadurch mit 





588 | Baterunfer. " 


erreicht worden if. Man hat daburch dem mechaniſchen gebantenlofen 
GSebrauche des Vaterunſers entgegen gearbeitet und die Liturgie. im 
befondern Faͤllen erwecklicher und erbaulicher gemacht. Beſonders bat 
ſich das Dichtertalent in neuerer Zeit fo oft und zuweilen fo glücklich 


verſucht, daß im Jahre 1837 bie fliebente Auflage einee Schrift unter 


dem Titel: Das Baterunfer, ein Erbauungsbuch für jeden Chriften, 
mit einer Abhandlung über den Inhalt und Gebrauch des Vatersuns 
ferd, von dem Wicepräfibenten und Oberhofprediger Dr. Chriſtoph 
Friedrich von Ammon, erfchienen iſt. Es enthäte nicht weniger ale 
190 groͤßtentheils bichterifche Umfchreibungen des Vaterunſers, wovon 
mehrere eine claſfiſche Beruͤhmtheit erhalten haben. 





4. 
Verklaͤrungsfeſt. 
Featum Transfigurationis Christi am 6, Auguſt. 


I. Bedeutung, Name und frühere Seier dieſes Fe⸗ 
ſtes in der griechifchen, wie in ber Iateinilchen Kiche, 
H. Eigentbümlihe Gebraͤuche an dieſem em 
Beier beffelben in ber beutigen hriftlichen We 


$.iteratur. Hospinianns de origine Fester. christianor. p. 
26. — Dresser de diebus festis p. 156. — Janin Geſchichte 
— p. 23843. — Auguſti's Denkwuͤrdigkkt. Ir Bd. 

2 ff. — Binterims Denkwuͤrdigkeiten Sc Bd. 1r Thl. p. 414. — 
Fe über den Gottesbienft der morgenländ. Kicche von Dr. E. W. 
v. Muralt. Leipz. 1838, Brief 24. und im Lexidion Artikel Verklärung, 

)) Bedeutung, Ylame und frühere Seier diefes 
Seftes in der griechiſchen wie in ber lateiniſchen 
Birdhe. — Hatte man fih einmal daran gewöhnt, befonders merk: 
wöürdige Erfcheinungen und Scenen aus dem Leben Sefu buch Feſte 
zu verherrlichen,, fo barf e6 uns nicht beftemden, dab wir auch ein 
Feſt zum Andenken der auf einem Berge gefchehenen Verklärung Ehriſti 
im Kultus der Ehriften finden. Es führt in ber griechiſchen Kirche die 
Namen sd Gapwgiov oder auch Ayla perauoppwors, und in. der 
lateinifhen Kirhe: Festum Transßgurationis oder Pateficationis Jesu 
Christi in Thabor. 

Was nun das Alter bed Feſtes ‚betrifft, fo muß «8 ſchon um das 
Jahr 700 in der griechifchen Kirche im Gebrauche geweſen ſeyn, denn 
es wird von Johannes Damascenus, + 760, und von Cosmas (erft 
Mönch zu Serufalem und aulste | Bifhof zu Majuma um das Jahr 
700) befungen. Bei letzterem (Cosmae Hieros, hymni S. Gallandi 

Biblioth. Patr. Tom. XIII. p. 249) fommm folgende Strophen vor: 

AvdHav iv pe Oußwe | 
Merapogpwdls Kgıork, 
Kal sv Arne na0av duavpWoag 
Dix da —R 
Si Gebòr inlyvom 
Oi Evdokos dnooroao⸗ 

Br Gaßwp Xguosd d dunlayirıes 


Id ovr Ixhuvav. 


- p m —— — 


580 Verklaͤrungsfeſt. 


Wenn von dieſem Feſte das Wort Merassopaong gebraucht wird, fo 
iſt dabei nicht blos von einer dogmatiſchen Beziehung, wie bei Cyrillus 
und Bafilius, die Rebe, fondern von einer wirklichen und vorzüglich 
hochgeachteten Kicchenfeier. Dieß erhellt aus Andreae Cretensis (man 
fegt defien Leben am mahrfcheinlichiten zwiſchen die Jahre 685 und 
680) Adyog Elg TV NETaHOEPWEE TOD xupiov Aumv Xgıorov in 
Gallandi Bibl. Patr. T. XIH. p. 114 —24 In Diefer langen und 
ſchwuͤlſtigen Homilke wird gleih im Eingange bie ÄAbſicht mit folgen: 


‚ den Worten angegeben: zuusa Tolmvs Eogralouev ONUEE0Y, 779 Tg 


güoews Bew, ıav eig. To xgeiszov üllolwaw, nv Emil Ta Unig 
pic t Mara Hvar inaronmın me dsılecın. Der. Vasfaffte eu 
läutert die evangeliihe Geſchichte Mt. 17, 1—13. Mec. 9, 2—18. 
Lu 9, 28 — 86. Doch nimmt er noch, Mt. 16, 22. binzy, Er 
bept‘ efn beſonderes Gewicht auf das „mach ſechs Tagen,“ unds findet 
darin ein großes Geheimmiß der evfien um zweiten Scharfumg, : Das 
Nuturen im Chriſto m. f. w. Er fagt umer andern: Zör diapndude 
gacıy ol 'negl Tausa ol, 'wörov Tv ivrög denadog TÄlrem 
var, F n tx roν eikeimv avnuotdpevov Te xal ovuningödum 
vor x. T. 1. 
Was nun bie römifche Kicche betrifft, fo berichtet über ben Ur⸗ 
fyrung biefes Feſtes in derfelben Drtefſer de drebus festis p. 158 ol: 
gended: Cafixres II. Pontif, Bann eoolleeavir hr koo die festum 
Patefactioris Ehristi in monto Thabor a. 1487 propter duas eausss: 
1) ut Kisteri® de insign; et eommemorabili patefachione in isto 
monte quutamris repeteretur, 2) wt gmtie amimie renuovaretur me- 
mori& victorfae, quam exereitue christian., repulsis Turcis ab obs 
Sione Belgradi, comsecntm ent a, Chrissi 1456 Dieß ift gan 
richtig, aber daraus folgt noch niche, mie bie Meiſten annehmen, 34 
Ealixt PH. Stifter dieſes Feſtes ſet. Das bemerken aber and) die befs 
fern: katholiſchen Schriftftelern ſelbſt. In Geranti The. T. I p. 
455 heißt es: Auctor Festi et officdH apud emnes fuit Eslix. 
tas IH. a. 1456 ex Platima os Nauclero, sed vere non fuit feeti, 
quod notat Baron. in 2. net. lat. Martyreli ex Wandelberte. ı Es 
wird alfo nur behauptet, dag mit Calixeus das Felt ein allgemeines 
geworden fel, und auch bieß if! bios auf der Decident einzuſchraͤnken. 
iee war ed zwar nicht unbelannt, aber nicht belichtet, und es verbiete 
ch damit, ‚mie mit dem Trinitatisfeſte. Erwaͤhnt wird daſſelbe fchon 
in Wanderberts Martyrologium (aus dem Anfange bei 9. Jahrhim: 
derts) und auch Durandud kennt daſſelde und bemerkt babei, daß die 
erftärung Chriſti nicht am dieſem Tage geſchehen fei, fondern weil 
Die Apoftel mach dee Himmekfahrt zuetſt am dieſem Tage von jenem 


Geheimnmiſſe, welches fie früher nicht bekannt machen fellten, geſprochen 


hätten. Mehrere Schriftfteller aber erfiären fih) Dagegen. Dieß erhellt am 
beften aus den fchon im Artikel Trinitatidfeſt angeführten Worten bes 
Potho von Prümm im 12. Jahrhundert, wo er fagt: Miramur, quod 
nostro tempore nonnulli in Monasteriis naves celebritates inducant. 
Quare? An patribus sumus doctiores? Quae igitur ratio celebrandi 
festum Trinitatis et Transfigurationie Christi? Diefem Schriftfteller 
war alfo bie allgemeine Feter dies Feſtes in der ariechifchen Kirche 
und zwar am 6. Auguft unbelannt. ' nn 








Verllaͤrungofeſt Sof 
Sagen RE) airline, "Mirulih- eiir- TORNAO Wit, Dei IB 
Griechen haufig Fotze inter DIE hohen StR vechnen, in der iatkiniſchen 
Mrche fo wenig Beifall gefunben Hader MEoAlr nie ſagen, es Liege 
eben darin ein Bewels von Der; ÜBerttiehenen Hecgiolakeie, for daß; 
ſchon Rabanus Maurus beſorgte, die Diener hoͤher geachket wärben, 
als der Herr — fo wuͤrde dennoch dieſer Vorwurf der (dieiniſchew 
Kirche gemacht, keinen Vorzug der griechifchen bewieben Ahmet, dar 
diefe In der Heitigenverehrung word: are mehr übertrieben Bar, ar 
fme. — Die ebargeiifje Gefchtchte von der Vrrkläring Ehriſtt neo 
konnte nicht unbedeutenb ſcheinen, ba fie ja bekaunttich aks dee Haupt⸗ 
fchluͤſſet der ganzem Myſteriofophſe, und ale bie eigentliche Balls Bey 
Tradition, worauf doch die roͤmiſche Kirche fo viel Getdicht legte, ber 
trachtet wurde. Kür den 6. Epiphanias s Sonntag iſt feit alten Zeiten 
diefe Gefchichte Mt. 17, 1 —9. als Perikope gemähle und aud von 
ben Proteftanten beibehalten worden. Da nun aber diefer Sonntag 
des Ofterfeftes wegen aͤußerſt ſelten gefetert werden kann, fo kann audy 
dieſer intereffante Theil der evangelifhen Geſchichte nicht, wie andere 
jährlich wiederfehrende behandelt werben, Vielleicht hat dieſe Betrach⸗ 
tung bei Galipt II. mitgewirkt. Aber eine eigene Erfcheinung bleibe 
die frühere Vernachlaͤſſigung eines ſolchen Feſtes auf’ jeden Sal. 


11) Eigenthümliche Gebräudhe an diefem Seft 
tage und die Seiler deffelben in der heutigen dhrift- 
lihden Welt. — Zu den eigenthümlihen Gebraͤuchen an dieſem 
Feſte gehört es in der lateinifhen Kirche, daß man bei der Meſſe neuen 
Mein, oder doch etwas von dem Safte, den man aus einer friſchen 
MWeintraube gepreßt hatte, confecrirte. Schulting läßt fih darum über 
bie Wahl des Zaged und mas an demfelben bei der Meſſe pflege, vor 
genommen zu werden, alfo vernehmen: Transfiguratio domini facta 
est tempore verno, eamque Apostoli ad hunc usque diem, id est, 
sextum Augusti, celebraverunt. Quoniam igitur Domini transfigu- 
ratid ad illum novum statum pertinet, quem Dominus habuit in 
resurrectione et quem Fideles in generali resurrectione habituri 
sunt, ideo hac die dominieus sanguis de novo vino, si inyeniri 
potest, confieitur. Quodsi inveniri non possit, saltem diaconus, 
quando offert calicem sacerdoti, eo vidente tres guttas de uva 
exprimat in caliceni. (Juidam reponunt racemos in ’altari a princi- 
pio Missae usque ad finem, sicut reponuntur agni paschales Romae 
et benedicuntur in loco, ubi consecratur oleum infirmorum, post 
illum loeum in eanone, ubi dieitur: Veniae quaesumus largitor 
admitte, et eoncluditur ibi, per quem haec omnia. Alii "benedi-‘ 
cunt uvas post missam, sicut poma benedicuntur et adspersas aqua 
benedicta distribuunt adstantibus. 

Bei den Griechen hat die Ayıa Merauopgworws außer ben Feier⸗ 
lichkeiten eined hoben Feſtes, auch die Auszeichnung, daß fie an diefem - 
Tage Fiſche eſſen, ob er gleich in die 15 Tage vor ber Himmelfahrt 
Mariaͤ fällt, während welcher in bdiefer Kirche ein ſtrenges Faſten 
verordnet iſt. 

Die Maroniten haben die Gewohnheit, daß fie an dieſem Sefl- 
tage auf den Berg Libanon fleigen, daſelbſt ihres Gottesdienſtes pfle⸗ 


a‘ 





Verklaͤrungofeſt. 


gen und mac) Eabigung befſelben ihee Mahlzeit Halten. - ©. 
dus 1. VIL . 22. Schmid a ln 96. . 94. 
Uebrigens wird biefes Feſt noch jetzt befonders in ber geichifhen | 
Rice ausgezeichnet, und will man eine eben nicht geſchmackvolle, fons | 
dern gezierte myſtiſche Deutung deſſelben leſen, ſo iſt ſie enthalten in 
dem oben angeführten Zöften Briefe von Muralt über ben Gottesdienſt | 
der morgenländifchen Kirche. — Weniger tritt bieß Feſt in ber toͤmi⸗ | 
ſchen Kirche hervor. In ber proteflantifhen Kiche hat ed gar keinen 
Eingang gefunden, ob. «6 gleich in die Kategorie der fogenannten Ders 
renfeſte gehören würde. Es geſchah deshalb, weil eine fchon feft bes 
ſtimmte evangelifihe Perikope an diefe merkwürdige Scene aus dem 
Leben Jeſu erinnert. 











41. 
VBerfiorbene; 


wie man fich gegen fie, befonders im chriſtlichen Alter⸗ 
thume, und auch in der ſpaͤtern chriſtlichen Zeit zu 
| verhalten pflegte. Bu 


I. Anfiht vom Tode im chriftlihen Alterthume. 

II. Fromme Sorgfalt und Achtung, welche ſchon die frü» 
heſten Chriften gegen die irdifchen Ueberrefte ihrer Ver⸗ 
ftorbenen hegten, IL Orte, wohin man die Todten bes 
grub und frühe Auszeichnung derfelben. TV. Ergebniß 
aus dem zeither Gefagten und fpätered Ausarten des 
Verhaltens in Beziehung auf Verſtorbene. V. Veraͤn⸗ 
- derungen, welche die Reformation auch in diefem Theile 
des hriftlichen Kultus herbeiführte. VI. Begräbnißfiturgie 
und Begräbnißgebräuche in der heutigen chriſtlichen Welt, 


-  Kiteratur. Allgemeinere hriftlid - arhäologis 
ſche Werke, in welden de re funerea christianorum 
mit gebandelt Wird. Bingh. Antiquit. Vol. X. p. 23 seqq. — 
Anton Bladmore criftl. Alterth. Ze Thl. ib. XX. tot. — Baum: 
gartend Erläuterungen der chrijll. Alterthumer p. 386 f. und p. 489. — 
Schönes Geſchichtsforſchungen 1r Bd. p. 394. 8r Bd. p..451. — 
Rheinwald's kirchl. Archäologie p. 380 fi. — Auguflt’s Denkwuͤrdig⸗ 
keiten Thl. 9. 

Monographien. On. Panvini de ritu sepeliendi mortuos 
apud veteres ohristianos et eorund. coemeteriis liber, (Löwen 1572. 
8. Rom 1581. 8., audy old Anhang z. Platinae vit. pontiff.); o. 
praes. J. G. Jochii Frkf. u. Lpz. 1717. 4.; franz. Paris 1613. 8. 
— Jac. Gretser de funere christianor. libri 3. Ingoht. 1611. 4.; 
aud in fein. Opp. (Ratisb, 1735. Fol.) Tom. 5. p. 79 — 160. — 
J. And. Quenstedt sepultura veterum, s. le antigais ritibus sepul- 
eralibus Graecor., Romanor., Judaeor., Christienor, Wittenb. 1660. 
4. — J. H. Heidegger de sepultura mortuorun. Heidelb. 1670. ° 
4. — Lili Gregorii Gyraldi de sepultura ae vario sepeliendi ritu 

Siegel Handbuch IV, 88 








594 | Verſtorbene. 


libollus, quem variis suis animadversionib. illustratum edidit, Jo. 
Faes. Helmstadi 1676. 4. — Mith. Larroquan de caeremoniis usur- 
‚ patis a priorib. christianis, dum terrae mandabantur mortuor. cor- 
pore, In fein. Adv. naor. (Lugd. 1688. 8.) p. 187— 210. — 
Kr. Sm. Schurzfleisch Qualis christianor. funerum ritus fuerit? In 
fein. Controverss, XXXIV. —J.E F. V. L. (J. E. Franzen) An- 
tiquitatum circa funera et ritus vet. Christianor. quovis tempore in 
ecclesia observat. libri 6. cum praefatione Jo. Fabricii et J. Andr. 
Schmidii. Lips. 1713. 8. (Unvollftänd. unt. and. Titel f[hon. Helmſt. 
1709. 8.) — Joach. Hildebrand De veteris eccelesiae Martyrum 
inprimis et S. S. Patrum, ars bene moriendi, sive praxis circa 
moribundos et de morientium virtutibus. Melmst. ed. 2. 1719. 4. 
— Je. Nicolai de luctu Christianor., sen de ritibus ad sepulturam 
pertinentibus, editus ex bibliotheca Sigb. Haveroamp. Lugd. Bat. 
1759. 8 — Andere Schriften, bie verglichen werben können, f. in 
Fabricii Bibliogr. Antiquaria ed. Schaffshbausen p. 1020 seqg. Mos 
nographien über einzelne Begräbnißfeierlichkeiten f. in der Abhandt. ſelbſt. 
. DD Anſicht vom Lode im hriftliden Alterthume. 
Mir übergehen Hier die dogmatiſchen WVorftelungen vom Tode, weil 
fie größtentheild dem engern Geiſtesverkehre der eigentlich fogenannten 
Theologen und auch ſelbſt einer ſpaͤtern Zeit angehören, und bleiben nur . 
bei dem ftehen, was ſich in der algemeinen dhriftlichen Volksſitte und 
im Öffentlichen Kultus als Anfihe vom Tode offenbarte. — Bel ben 
meiften gebildeten Voͤlkern fprach man vom ode vermittelft eines 
gewiffen Euphemismus und die dafür gewählten Bilder waren gewoͤhn⸗ 
lich freundlicher Art. Dieß beftdtigen auch die Bilder bes X. und 
NM. T., In welchen letztern das alte homerifhe Bild vom Schlafe fehr 
oft wiederkehrt. Jeſus bedient fich feiner Joh. 11, 11. und Öfterer, und 
Mt. 77, 52. kommt dieß Bild ale allgemeiner Sprachgebrauch vor. 
Nicht minder wiederholt es ſich Apoftelgefhichte 7, 59. und 13, 26. 
1 Eor. 15, 20. Auch ift bekannt, daß Jeſus feinen Tod nad dem 
Evangel. Johannes einen Hingang zum Vater nennt, und daß er übers 
baupt fi) einer milden Ausdrucsweife bedient, fobalb von dieſer Ver⸗ 
änderung bie Rebe il. Auch nach den einfachen Lehrfägen des Evan⸗ 
geliums muß ber Tod in einer mildern Geftalt erfcheinen, nämlich 
- als eine zweite Beburtsftunde zum böhern Leben. 
Befremden darf ed uns darum nicht, wenn im früheften chriſtlichen 
Kultus eine freundlihe Anfiht vom Tode vorherfhend war. Wir 
wollen baflız nur einige allgemeine Beweiſe anführen. Dahin gehört 
1) daß in den früheften Schriften der dhriftlichen Afceten und 
. Homileten der Glaube ausgeſprochen ober vielmehr wiederholt wird, das 
irdiſche Leben fei nicht umfer Biel, fondern nur Voruͤbung und Bor: 
bereitung, nur dee Weg zum höhern himmliſchen Vaterlande. Noch 
deutlicher ſpricht 
2) bafür der Sprachgebrauh, daß dies natalis in den fchriftli= 
hen Dokumenten bes frühern Alterthums nicht ſowohl den Geburtstag 
für das irbifhe Dafenn, fondern den Tag des Todes bedeute. Mehr 
über diefen Sprachgebrauch iſt in«den Artikeln Märtyrer und Märtyrer 
feſte erinnert worden, wo fich ergiebt, daß die natales martyrum im: 
mer die Zage waren, an welchen dieſe chriſtlichen Glaubenshelden die 








Berftorbene. 395 


Wahrheit mit bem Tode befiegelten. Diefer Sprachgebrauch bezeichnet 
ganz die Ueberzeugung ber früheren Chriften, daß mit dem Tode erſt 
das wahre Leben beginne (Rom. 7, 24.). Dierzu komme noch Ä 

3) das Wohlgefallen mehrerer Kirchenväter daruͤber, daß auch 
heidnifche Philoſophen in ber freundlichen Todesanſicht mit den Chri⸗ 
ften übereinflimmten. Bu biefen Kirchenvaͤtern gehört beſonders Lactan- 
tius institut. divin. I. I. o. 12. 1. IH. e. 17., wo jedoh auch das 
gerligt wird, was in ber Behandlung der Todten von Seiten ber Hei: 
den dem chriftlichen Geiſte zu widerſprechen ſcheint. — Als Beweis 
für die freundliche Anſicht bes Todes im chriſtlichen Alterthume können 

4) audy mehrere Gebräuche dienen, bie bei Beerdigungen Statt 
fanden, von welchen weiter unten bie Rede ſeyn wird, 

Aus diefen und mehren andern Gruͤnden, die wir, wenn «8 
nöthig wäre, anführen könnten, ergiebt ih, Haß die alte hrift« 
lihe Rirche eine freundlidhe Anfiht vom Tode aufs 
gefaßt hatte. 

Dabei laͤßt ſich jedoch nicht laͤugnen, daß man fpdter bavon abz 
wich und daß nach und nad das Todesſymbol die abfchredende Geſtalt 
eines Knochengerippes wurde. Man kann fi das überhaupt aus dem 
überhand nehmenden Aberglauben und der bamit verbundenen Geſchmack⸗ 
loſigkeit erflären, die bald nach Conſtantins Zeitalter in allen Theilen 
des chriſtlichen Kultus fichtbar wurden. Diefes allerdings undfihetifche 
Bild des Todes, wofuͤr es zwei berühmte Männer der neuen Zeit 
erlärten, Leffing und Herder (dev erftere in einer Abhandlung: Wie 
bie Alten den Tod gebildet. S. Leſſings fämmtlihe Werke Thl. 4, 
und der zweite in einem Nachttage zu Leſſings Abhandlung deſſelben 
Titels und Inhalts, in deffen zerfireuten Blättern 2. Samml. 2. Ausg. 
1796) bat allerdings einen fpätern Urfprung, und wie es in den chriſi⸗ 
chen Kultus übergehen konnte, läßt fich vieleicht aus folgenden Bes 
merkungen beurtheilen: 

41) Man wid, allmählig von ber feinen Symbolik ab, deren ſich 
das N. X. in Beziehung auf die Lehre von der Wiederbelebung ſelbſt 
unſers Körpers bediente (f. 1 Cor. 15, 86 f.) und huldigte mehr grob> 
finnlihen Vorftellungen in dieſer Beziehung. — Man.mwollte mit ber 
nämlihen Haut umgeben feyn und in diefem feinem Leibe Gott fchauen. 

2) Durch die Verehrung von Meliquien der Märtyrer, wenn auch 
nicht gleich anfangs, gemöhnte man fidy, menſchliche Gebeine als etwas 
Heilige und der Verehrung Würbiges anzufehen. 

3) Die Verwandlung dee einfachen Kreuzesform In die des Grus 
cifire® konnte ebenfalls mitwirken. Man feierte den Gekreuzigten ats 
Befieger des Todes; daher auch immer ein Todtenſchaͤdel und Todten⸗ 
gebeine am Fuße des Kreuzes fich befanden. Daher ift au von Man: 
hen die Behauptung aufgeftellt worden, daß das Crucifix und das 
Bild des Todes ale Skelet oder Knochengerippe ziemlich gleichzeitig ſeien. 

4) Nach Herder (p. 888 1. 3. ff.) dürfte auch hier im allgemei⸗ 
nen ber Geſchmack der Norddeutſchen in Betracht kommen, bie bee 
fhönen Naturbiider entbehrenb das Schauderhaft⸗ Graͤßliche dem Wohle 
geordneten vorzogen. Daflir koͤnnte auf den erfien Anblick die fo ber 
rühmte Abbildung des Todtentanzes fprechen, in welchem fich beſonders 
deutſche Kuͤnſtler fo wohl gefielen. Alten fie fand uud außer Deutfche 


596 Verſtorbene. | 


fand Eingang, und Muͤnters Bemerkung , daß das Tobesſymbol unter 
dem Bilde eines. Gerippes mehr in der proteflantifchen als römifch: 
katholiſchen Kirche vorkomme, möchte in fofern nicht ganz richtig ſeyn, 
indem das berühmte Gemälde vom ˖ Todtentanze fchon lange -vor der 
Meformation nicht nur in Deutfchland, fondern auch in andern Län: 
dern dem. Zeitgeſchmack zufagte. . 
Segen die Mitte des 18. Jahrhunderts fingen aber Kuͤnſtler, 
Dichter und Homileten an, gegen biefes, wie fie behaupteten, ab: 
ſchreckende Bild des Zodes zu polemifiren. Man berief ſich ſiegreich 
auf die N. T. Religlonsurfunden, auf das chriftlihe Alterthum und 
auf die Anfiht vom Tode, Die ſelbſt den Meformatoren eigenthuͤmlich 
war. ©. Salzmanns Singularia Lutheri. Jen. 1664. p. 633 — 96. 
Aehnliches ift auch von Melandiehon, Zwingli und Calvin bekannt. 
Deſſen ungeachtet bat doch auch das ernſte Symbol des Todes, 
das Knochengerippe,, feine VBertheidiger gefunden, wohin ſelbſt Augufli 
in feinen Denktwürbigkeiten Thl. 9. p. 521 gehört,“ indem er zeigt, 
daß in. der. proteflantifhen Kicche das Aeſthetiſche dem Didactiſchen 
untergeorbnet fei, daß Schrift und Vernunft, daß bie Aſcetik dlterer 
und neuerer Zeit zu Todesbetrachtungen aufforderten, und zwar zu 
ſolchen, die uns nicht zue Demuth und Beſcheidenheit führten, fondern 
uns auch den Tod verachten Iehrten, der ja in dem Triumphe des 
Lebens untergebe, welches uns Jeſus verheißen habe. Allerdings mag 
bieß als Lehrtropus wahr feyn. Aber in wiefern wir den Menfchen als 
vernünftig = finnliches Wefen betrachten und die Möglichkett nicht ab: 
leugnen können, daß auch ein an ſich freundliches Bild ernft zu mah⸗ 
nen vermöge, bürften doch wohl unfre Zeitgenoffen nicht getadelt wer: 
den, wenn fie auch aus diefem Theile des Kultus das Düflre entfer: 
nen ober wenigfiens zu mildern fuhen. Mit einem fchönen Beifpiele 
ift bier die Bruͤdergemeinde vorangegangen, wie ſich weiter unten 
zeigen wird. “ | 
: 3) Seomme Sorgfalt und Achtung, welche fhon 
die frübeften Chriften gegen die irdifhen Webers 
reite ihrer VDerftorbenen zeigten. — Wenn irgendwo, 
fo zeigte fi) auch bier das Chriſtenthum als Pflegerin einer edein 
Humanität, fo daß die frühern Bekenner deſſelben um dieſer Eigen: . 
thuͤmlichkeit willen fogar von ihren Feinden geruͤhmt wurden. Kann 
man auch ſchon gebildeten heibnifchen Völkern eine gewiſſe achtungs: 
volle Behandlung der Todten nicht abfprechen, fo konnte ſich doch auch 
ein Julian nit enthalten, unter den chrifllichen Sitten und Einrich⸗ 
tungen, bie er auch Heiden zur Nahahmung empfahl, die rEoundsa 
E01 Tag sapds Tür vexpWv zu nennen. ©. Jul Imper. ep. XLIX. 
Man findet die Ruͤckwirkung wuͤrdiger und erhebender Anfichten vom 
Menfhen, vom Zode und Unſterblichkeit fehr Elar und deutlich gleich 
anfangs in der Art und Weife wieder, wie fi bie Chriften gleich in 
den erſten Jahrhunderten gegen Berftorbene benahmen. Dieß kann 
unter andern bie Monographie aus der alten Kirche beweifen, die herz 
vührend von Auguflinus mit der Auffchrift de cura pro mortuis ge- 
renda ad Paulinum fih in beifen Werken edit. Benedict. Venet. 
1731. Tom. VI. p. 616 —82 befindet. Um nun das Wahre biefer 
Behauptung nachzumeifen, wollen wir, was fich in chriſtlicher Sitte 


Werftorbene. 07 


und Obſervanz ruͤckſichtlich ber Verſtorbenen na und wach gebildet 
bat, fo betrachten, daß wir, ohne das bios Klimatiſche, Volksthͤm⸗ 
lihe und Temporelle zu. berühren, nur das in Erwägung. ziehen, was _ 
ziemlich lange und allgemein, befonders in liturgiſcher Hinſicht fortges 
dauert hat, ob es gleich nicht immer Geſetzkraft für fi hatte. Dar 
aus wird fich ergeben, daß bie frühern Chriften theils das Zweckmaͤßige 
ber bereits fange Statt gefundenen Botksfitte beibehielten, theils auch 
Manches neu und eigenthuͤmlich geflalteten. Vielleicht laͤßt fih das _ 
hierher gehörige Material nach folgenden, allgemeinen Puncten behan⸗ 
dein: A) Weihe Beweiſe von Liebe und. Sorgfalt gab man gegen 
Verſtorbene, noch ehe fie aus dem Kreife ber Lebendigen entfernt wur⸗ 
den. B) Auf weiche Art, befondess mit welchen liturgiſchen Gebräus 
hen gefhah dieß? und C) fand eine Art Nach⸗ ober fpätere Todten⸗ 
feiee Statt und worin beftaud biefe 2 
Ad A, gehört vor allen Dingen 
a) das Waſchen. Die Sitte auf diefe Art bie Leichname 
ber. Berftocbenen zu reinigen, fand ſchon bei Griechen und Roͤmern 
und felbft bei den alten Hebräern Statt. ©. Buxtorf Synagog. jud. 
c. 35. Apoftelg. 9, 37. Andere Zeugniſſe für dieſe Gewohnheit finden 
fi Tertull. Apolox. e. 42. Euseb. 7, 22. Greger. M. hom. 89. etc. 
b) Das Zudrüden der Augen und des Mundes. 
Bingham 1. 1. fagt davon, daß dieß ein decens ritus ab omnibus 
observatus frei, Was nun das Schickliche dieſes Gebrauchs beteifft, 
fo ift nicht zu leugnen, daß das offen fiehende flarte Auge eines Ders 
ftorbenen etwas Grauſen Exrregendes bat. Daher fagt auch Blackmoore 
Thl. 2. p. 900: „So lange ein Menſch Iebt, find die geöffneten 
„Augen ein Stu feiner Schönheit und gleichfam ber Thron feiner 
„Seele. Aber es giebt kaum einen fo fuͤrchterlichen Anblick, als einen 
. „Reihnam mit offenem flarren Auge.“ Kür ben Belag: Ab omni- 
bus nationibus observatus hat jedoch Bingham ben Beweis nicht ges 
fiefert, ob er ſich gleich auf Gen. 46, 4. 50, 1. hätte berufen koͤnnen. 
Nur bemerkt er, daß einzig die Roͤmer eine Ausnahme davon mady- 
ten, Indem diefe, wenn fie den Leichnam zum Verbrennen auf dem 
Scheiterhaufen brachten, demfelben die Augen öffneten, unf ben Hin 
mel nody einmal anzubliden. Plin. hist, natural. I. 11. c. 37. — 
Fuͤr das Zudruͤcken dee Augen führen jedoch andere chriflliche auchäologifche 
Schriftfteller den Grund an, daß man damit an da6 Lehrbild Jeſu babe 
erinnern wollen, nah welchem. er den Tod mit dem Schlafe verglich. 
co) Das Ankleiden, Salben, Einbalfemiren und Aue 
fhmüden der Todten, wofür fih die Beweife außer mehren Steum 
in Euseb. Vit. Const. 4. 66. Tertull. apolog. o. 40. Clem. Alexarlr. _ 
paedag. 4; 8, finden, laſſen fich nicht nur aus ben allgemeinen Jerr⸗ | 
fchenden volksthumlichen Sitten, fondern aud in näherer Bezibung | 
auf die Vegräbnißgefchichte Iefu im N. T. erklaͤren. Jedoch me Man | 
bier oft auch einen tadelnswerthen Aufwand und einen überriebenen | 
Luxus gezeigt haben, wie bieß mehrere Stellen aus den Kirctnvatern 
ichten. Beſonders erklärt ſich hieruͤber Hieronymus mit vie Bitter: 
feit in-vita Paulin., wenn ee ausruft: Pareito quaeso vol#, par- 
eite saltem. divitiis, quas amatis. Cur ot mortuos vest?® auratis \ 
obvolvitis vestibus? Cur ambitio inter luetus laorir@#Que. non. 








0 Verklaͤrungofeſt. 


Wenn von dieſem Feſte das Wort Meraudogpmaoıc gebraucht wirb, fo _ 
iſt dabei nicht blos von einer dogmatiſchen Beziehung, wie bei Cyrillus 
und Bafilius, die Rede, fondern von einer wirklichen und vorzüglich 
hochgeachteten Kirchenfeier. Dieß erhellt aus Andreae Cretensis (man 
fegt deſſen Leben am wahrſcheinlichſten zwiſchen die Jahre 685 und 
680) Adyos eis Tyv_ueranögpuam Too xvglov Auav Xpiorov in 
Gallandi Bibl. Patr. T. XIH. p. 114 — 24. Sn diefer langen und 
ſchwuͤlſtigen Homilse wied gleih im Eingange die Abſicht mit folgen⸗ 
den Worten angegeben: rο rolvv⸗ tocgrocour onuegov, Ev ricç 
puoxoc Fear, rij eig. 10 ngeirzor ülholwow, 2 nl Ta Uneg 

Tv ara yvar neramın m dscflacın. Bier. Vasfafde era 
läutert die evangeliihe Geſchichte Mt. 17, 1—13. Mec. 9, 2—18. 
Zum 9, 28 — 86. Doch nimmt er noch, Mt. 16, 22. hinzu. Er 
beat‘ ein: beſonderes Gewicht auf bas „nach ſechs Tagen,” und- findet 
daviw ein großes Geheimuiß der. etſten und zweiten Schägfung, de 
Naturen im Eheiſto m.f. w. Er fagt umer andem: Für diupndude 
Qacıy ol 'n ? savsa dog) > novou 265 ivrög demadac siluem 
elvas, re 7 dx av eikelam avniotdpevöv Te xal ouuningöüue- 
vor x. T. 1. 

Was nun die vömifche Kirche bereit, fo berichtet über den Ure 
kung Biefes: Feſtes in derfelben Dteffte de diebus festis p. 158 Fol: 
gende®: Cafixtas HI. Pontf Beun eolleeavir in keo die festums 
Patefactionis Christi in monte Thubor a. 1457 propter duas eausası 
1) ut Kisteris de insign; et commemorabili patefectione in isto 
monte quufamrmis repeterefur, 2) wt gmatie animis renovarefur me- 
moria victorine, quam exeroitas chrisfien.,, repulsis Turcis ab obs» 
dione Belgradi, consecatw est a, Christi 1456. Dieß ift ga 
richtig, aber daraus folgt nody mie, wie die Meiſten annehmen, 34 
Ealixt PH. Stifter dieſes Feſtes fe. Das bemerken aber and, bie befs 
fern. kathotiſchen Säriftfieliern felbſt. In Geranti Thes. T. IH, p. 
255 heißt e6: Auctor Ferti et offich apud emnes fuit Calix, 
tas IH. a. 1456 ex Platina et Nauclere, sed’ vere non fuit fenti, 
quod notat Baron. in 2, net. lat. Martyrell ex Wandelberw. : &6 
wird alfo mur behauptet, dag mit Gallus das Felt ein allgemeines 
geworden fel, und aud bieß if! bio6 auf der re einzuſchraͤnken. 


bie ne be der mmelfahrt zueeft an diefem Tage von jenem 
Geheinmiſſe, welches fie fruͤher nicht bekannt machen follten, gefprochen 
hätten. Mehrere Schriftflelter aber erftären ſich dagegen. Dieß erhellt am 
beften aus den fehon im Artikel Trinitatiſfeſt angeführten Worten des 
Potho von Prümm im 12. Jahrhundert, wo er fagt: Miramur, quod 
:nostro tempore nonnulli in Monasteriis naves celebritates inducant. 
Quare? An patribus sumus doetiores ꝰ Quee igitur ratio celebrandi 
festum Trinitatis et Transfigurationis Chriei? Diefem Schriftiteller 
war alfo bie allgemeine Feier dieſes Feſtes in der griechlſchen Kirche 
und zwar am 6. Auguſt unbekannt. 





Bertiarungofeſt so 
| gen TÜRE alten, "Wirui: eiie- TORNAE TEE, weltgan WIR 
Griechen haͤufig fotzeec inmter DIE hohen Fefte verhnen, in der kackiniſchee 
Kirche ſo wenig Beifalt gefunden: Huber WERE: nie ſagen, e li 
eben darin ein Bewers von der übeetrkebetren Heegiolakeie for Daß} 
ſchon Rabanus Maurus beſorgte, die Diener höher gemchtet wärben, 
als der Herr — fo wirrde drunoch dieſer Vorwurf Der lakeiniſchen 
Kirche gemacht, keinen Vorzug der griechifchen bewirben Ahmed, da ı 
diefe in der Heiligenberehrung word weſt mehr uͤbertrieben Bar, Eu 
jene. — Die edangeiffdje Gefchichte vom der Verklaͤrtuig Ehriſk ſetbſſ 
konnte nicht unbebeutenb ſcheinen, ba ſie ja bekanmttich aks be Haupt ⸗/ 
ſchlaͤſſet der ganzer Mofteriofophlie, und ale bie efnrwtfihe Bafis dev 
Tradition, worauf doch die römifche Kirche fo viel Geteicht Hegte, be⸗ 
trachtet wurde. Fuͤr den 6. Epiphantas :s Sonntag ift feit alten Zeiten 
diefe Sefchichte Mt. 17, 1 —9. als Perilope gewählt und audy von 
den Proteftanten beibehalten worden. Da nun aber diefer Sonntag 
des DOfterfeftes wegen aͤußerſt felten gefeiert werden kann, fo kann auch 
diefer intereffante Theil der evangelifchen Geſchichte nicht, mie andere 
jährlich wiederkehrende behandelt werden. Vielleicht hat biefe Betrach⸗ 
tung bei Calixt III. mitgewirkt. Aber eine eigene Erſcheinung bleibe 
die frühere Vernachläffigung eines foichen Feſtes auf’ jeden Fall. 


11) Eigenthümliche Gebräude an diefem Sefs . 

tage und die Seier deffelben in der heutigen dyrift- 

lihen Welt. — Zu ben eigenthümlihen Gebräuhen an dieſem 

Sefte gehört es in der lateinifchen Kirche, daß man bei der Meſſe neuen 

Mein, oder doch etwas von dem Safte, den man aus einer frifhen 

Meintraube gepreßt hatte, conſecrirte. Schulting läßt fih darum über 

die Wahl des Tages und was an demfelben bei der Mefje pflege. vor: ‘ 

genommen zu merden, alfo vernehmen: Transfiguratio domini facta " 

est tempore verno, eamque Apostoli ad hunc usque diem, id est, 

sextum Augusti, celebraverunt, Quoniam igitur Domini transfigu- 

ratid ad illum novum statum pertinet, quem Dominus habuit in 

resurreetione et quem Fideles in generali resurrectione habituri | | 

sunt, ideo hac die dominicus sanguis de novo vino, si inyeniri | 

potest, conficitur. Quodsi inveniri non possit, saltem diaconus, | 

quando offert calicem sacerdoti, eo vidente tres guttas de uva 

exprimat in calicem. Quidam reponunt racemos in altari a princi- 

pio Missae usque ad finem, sicut reponuntur agni paschales Romae 

et benedicuntur in loco, ubi consecratur oleum infirmorum, post 

illum locum in eanone, ubi dieitur: Venise quaesumus largitor 

admitte, et eoncluditur ibi, per quem haec omnia. Alii ‘benedi-- 

cunt uvas post missam, sicut poma benedicuntur et adspersas aqua | 

benedicta distribuunt adstantibus, | 
| 


Bei den Griechen hat die Ayıa Meranoppworwg außer ben Feier 
lichkeiten eines hoben Feſtes, aucd die Auszeichnung, daß fie an diefem - 
Tage Bilde efien, ob er gleich in die 15 Tage vor ber Himmelfahrt 
Mariaͤ fällt, während welcher in biefer Kirche ein ſtrenges Faſten 
verordnet if. 

Die Maroniten haben bie Gewohnheit, daß fie an biefem Feſt⸗ 
tage auf den Berg Libanon fleigen, daſelbſt ihres Gottesdienſtes pfle 


\ | 





00% Berflorbene 


fymbolifhe Bedeutung bed Siegen über ben Tod 
und die Vereinigung mitChriftus andbeutenfollten. 

'b) Die Leihen wurden arifangs nur von Anver⸗ 
wandten getragen, wobei fein Rang und Stand eine Aus: 
nahme machte, fo daß ſelbſt Biſchoͤfe mit Leichenträger waren, wie 
3. B. Ambrofius Bei der Beerdigung feines Bruders Gregor von Nyſſa 
und bei ber Beerdigung feiner Schweſter. Leichen ber Bifhöfe wur⸗ 
ben von Geiftlichen getragen. Zwar iſt nicht zu leugnen, daß man in 
Zeiten der Verfolgung auch Leichen fuhr, allein dieß war immer nur 
Ausnahme von ber Regel, indem man das Fragen für. anfländiger 
und wircdevoller hielt, S. Ambrosius de excessu fratris sui Satyri 
1. 1. not. 36. Gregor. Nyssen. de vita Macrin, ce. 24. — Auch 
von Nichtverwandten fahe man das Fragen zum Grabe ald Freund⸗ 
ſchafts- und Liebesdienft an. Euseb. 7, 16. Wenn beffen ungeachtet 
Thon um diefe Zeit von Parabolanen, Capiaten und dergleichen als 
einer befondern Menfcyenclaffe, deren man ſich bei Begräbniffen bes 
diente, die Rede iſt; fo muß man hier wohl. mehr an bereits fehr 
zahlreiche Gemeinden in den Hauptflädten oder an Zeiten peflurtiger 
Krankheiten denken. Auch konnte bier die Obſervanz an verfchiedenen 
Orten auch eine verfchiedene feyn. Wie dem aud) fei, fo Icheinen body 
aus dem in. den früheften Zeiten für fo ehrenvoll geachteten Tragen der 
Leihen durch Anverwandte fich zwei fpätere- Erfcheinungen erklären zu 
faffen, einmal, baß hin und wieder kaiſerliche Gefege nicht nur geachs 
tete Individuen zu biefem Geſchaͤfte beflimmten, fondern auch dieſen 
gewiſſe Sreiheiten und felbft Beſoldungen zugeflanden. S. Novellar, 
Justin. 59. de impensis funerum, und dann, daß in fpäterer Zeit, 
wo man bie Perfonen, welche bei Leichen gewiſſe Dienſte thaten (f. den 
Art. Parabolanen) auch aus niedern Ständen wählte, dennoch dieſe zu 
den Klerus gerechnet wurden, und daß mithin ihre Verrichtungen nicht 
zu den muneribus sordidis gehörten. 


c) Die Pfalhodie und Hymnodie, War diefer Ges 

brauch auch vielleicht der heidnifhen Sitte entnommen, Nänien, Tod⸗ 
tenliedee mit muſikaliſcher Begleitung abzufingen, fo war die chriftliche 
Sitte in fo fern verſchieden, daß diefe Pſalmodie und Hymmodie nicht 
Frauer und Schmerz, fondern Dank, Freude und Hoffnung ausbrüden 
follten. Bingham bat zum Beweife dafür aus den Constitut. Apost. 
die gewählten Pſalmſtellen angeführt... Befonders ift diefer Gegenftand 
von Chrpfoflomus herausgehoben, und zwar in hom. IV. in Hebr. 
and in hom. XIX. de dormientib. Wie großen Werth man auf 
Defen Gefang gelegt haben muß, fieht man aus einer Stelle, welche 
Bingham aus Victor. Uticens. lib. de persecutione Vandal. anges 
führt hat, welche das vom Vandalenkoͤnige gebotene ſtille Begraͤbniß 
in fugenden Worten beilagt: Quis sustinet atque possit sine lacry- 
mis xecordari, dum praeciperet, nostrorum .corpora defunctorum 
side wlemnitate hymnorum cum silentio ad sepulturam dedueci. 
Dergleipen Gefänge kommen übrigens bei der Beifegung im Haufe 
und in ter Kirche, wie auch bei den Leichenbegleitungen und am Grabe 
vor. Einiges auf.diefen Gegenftand Beziglihe findet man aud in . 
dem Artitf Dpmnologie" bemerkt. J 








WVerſtorbene. . WW 


q) · Auweilen wurden bei der Beerdigung auch‘ Leichenreden gehal⸗ 


ten. Dieß geſchah aber. nur bei ſolchen Perſonen, ‚deren Leben vi 
Merkwuͤrdiges in fich faßte and die fih um die Welt verdient gemacht 
hatten. Dergleihen Reden aber finden wir In den Schriften der Vaͤ⸗ 
ter, 3. B. Eufebius Rede auf den Kaifer Gonflantin, Reben des 
Ambroſius auf. die Kaifer Theodofius und Walentinianus, Gregor von 
NMyſſa Rede auf den Meletins, Biſchof zu Antiochien u. ſ. w. Man 
brauchte von ihnen bei den griechiſchen und lateiniſchen Kirchenſcriben⸗ 
ten die Namen Adyoı Znıxydsıo: (epicedia) epitaphia, orationes fune- 
bres. Zu den eigenthuͤmlichen chriſtlich⸗kirchlichen Meligionsgebräus 
hen gehörte auch 


e) die Seier der Euchariſtie an den Gräbern der -. 


Derfiorbenen, wenn die Beerdigung Pormittags 
sefhah nad) der alten Regel Conc. Carthag. IiE 
ean. 19. (a. 397): Sacramenta altaris non nisi a 
jejunis celebrentur. Das fol gefchehen fen, um bie Fort⸗ 
dauer einer kirchlichen Gemeinſchaft zwifchen Lebenden und Todten zu 
beweifen und um die Nechtgläubigkeit und Kirchlichkeit der Verſtorbe⸗ 
nen auch noch im Tode zu ehren. Geſchah jedoch das Begraͤbniß in 
den Nachmittageftunden, fo ſcheint das Neligids = Feierliche dabei, wenn 
man die feltenen Fälle der Leichenreden ausnimmt, in Gebet, Pſalmo⸗ 
die und Hymnodie befanden zu haben. Diefe Gebete mögen bald 
Rehende Formulare geworden ſeyn, welche, meil darin befonders die 
Seele der Berftorbenen der göttlihen Barmherzigkeit empfohlen wur⸗ 
den,-naoas£asıc, commendationes, heißen. In den Constitut. apost, 
1. VHL c. 41. finden ſich noch einige folche Gebetsformeln. Sie find 
meiftentheild aus biblifhen Stellen zufammengefegt und der Feierlich⸗ 
keit angemefien. Uebrigens war audy bier, wie bei andern kirchlichen 
Felerlichkeiten das Vaterunſer und der Segen zum Schluffe gewoͤhnlich. 

f) Als zu einer Sitte, die ſchon dem 4. Jahrhumbert bei Begräbniffen 
angebörte, rechnet man auch das Vortragen von Palmz und Dlivens 
zweigen, welche Sinnbilber des Friedens ſeyn follten, fo wie das Vor⸗ 
teagen von dampfenden Mauchfäflern,, welche Wohlgeruͤche verbreiteten. 


Kür diefe Sitte fol nach Augufii Baron. Annal. ad a, 310. n. 10. 


den Beweis geführt haben. Jedoch hat der Verfaſſer im den: archaͤo⸗ 
logiſchen Werken, die ihm zugänglid waren, nichts davon gefunden. 
Sie ſoll übrigens an den Einzug Chriſti in Serufalem und an daß 
himmliſche Hofianna erinnern. Als eines unfdhuldigen, wenn: aud) 
nicht nothtwendigen Gebrauchs, thun noc bie Kirchenvdter Erwähnung 

g) des Blumenftreuens aufndie Gräber der Ders 
ftoebenen. Ambrofius in oratione de obitu Valentiniani habita 
fagt: Non ego floribus tumulum ejus adapergam,. Deito auffallens 
der iſt es dagegen, ˖ daß die alteften chriſtlichen Schriftfteller. fo ſehr 
gegen das Bekraͤnzen der Zodten und der Saͤrge eifern. Cfr. Clonions 
Alexandr. Paedag. 1. il. 8. Tertull. de corona militari oc. 10. Am 
natuͤrlichſten laͤßt fich bieß wohl aus der Abneigung erklären, bie man 
in ben erften Jahrhunderten gegen: alle heidniſche Gebraͤuche zeigte. 
Das Beltänzen aber fand, wie bei viesen andern Kelerlichleiten des 
heidnifhen Kultus, fo befonderd auch bei Beichenbegängnifien Statt. 
Doc ſah ſich fhon die alte Kirche genäthige, einige Mißbraͤuche abzu⸗ 








6083 | Verſtorbene. | 


ſchaffen, bie: füch bei ben WBegräbnißfeierlichleiten eingefhlichen Hatten. 
Dahin gehören. .° . 

aa) der Sriedenstuß vor der Beerdigung. Es ge 
ſchieht deſſelben in Dionys. hierarch. ecoles. e. 7. auf eine beifällige 
Art Erwähnung; allein ſchon wahrſcheinlich aus Rudfiht auf die 
Geſundheit erklärte ſich das Conc. Antissidor. a. 578. can. 12. alſo 
dagegen: Non licet asculam mortuis tradi. 
bb) Die Ertheilung des Abendmahls an Verſtor⸗ 
bene. Bor Auguftin, wie Bingham bemerkt, hatte ſich diefer Miß⸗ 
braud) bereits in Afrika eingefhlichen und um das Jahr -578 auch im 
Gallien. Aber ſchon das Conc. Carthag. III. (a. 397.) can. 6 
mißbilligte diefe Sitte. Piacuit, heißt es hier, ut corporibus defuncto- 
zum eucharistia non detur, Dictum enim est a Domino: Acci- 
pite et edite, .cadavera autem nec &Accipere nec edere possunt. 
Auch in der griechiſchen Kirche erklärte ſich Chryſoſtomus dagegen (hom; ' 
IX. in 1 Cor.) und das ſpaͤtere Goncil Trullan. wiederholt das miß⸗ 
billigende Uetheil. Don diefem Mißbrauche ift auch Einiges erwähnt 
m Artikel Abendmahl N. V. n. 5. nt 

cc) Die Trauermahle und Leicheneffen. Sie laf 
fen ſich aus der alten Gewohnheit, dad Abendmahl hauptfächlich an den 
Gräbern der Märtyrer unter der Form der Agapen zu feiern, erklaͤren, 
obgleih auch hier eine Nachahmung der heidnifhen epular. funer. 
Statt finden konnte. Oft wurden ſolche Mabhtzeiten auch teſtamenta⸗ 
eifh, von wohlhabenden Perfonen verordnet und dann Anverwandte, 
Wittwen und Waiſen dazu eingeladen. Diefe Sitte aber, die beilaͤufig 
erwähnt in unfern Tagen unter den faͤchſiſchen Landleuten und auch) 
wohl anderwärts noch fortbauert, muß ſchon früh ausgenrtet feyn, unb 
zwar bereitd im 4. Jahrhundert, da ſich die Mechtgläubigen von den 
Donatiften wegen biefer Mahlzeit bittee Vorwürfe mußten machen Iafs 
fen. Auguftin mißbilligt daher auch diefen Mißbrauch in feiner Schrift 
de munib. ecciesiae e. 34. Uber auf) er und. mehrere Synobaibes 
fhlüffe nehmen diefe Mahlzeiten als Werke der Liebe in Schug unb 
sadeln nur den: Mißbrauch derſelben. — Wir gehen auf die Beant⸗ 
wortung einer dritten Frage Über, nämlich: | 

C) In wiefern eine Yladh= ober eine fpätere 
Todtenfeier Statt gefunden babe und worin fie 
beftand! Als ein Zeichen davon und zwar mehr im - 
allgemeinen kann man annehmen 

a) die Trauer um die Todten. Bei der eigenthümlis 
hen Anfiht vom Tode im chriſtlichen Alterthume, daß er als Geburts⸗ 
Stunde zum böhern Leben mehr als ein freudiged Ereigniß erfcheine, 
darf e6 uns nicht wundern, wenn amgefehene Kischenväter, wie Ter⸗ 
tullian de patient. c. 7., Eyprian de mortalä p. 115, Chryſoſtomus 
in mehrern Homtlien (3. B. ham. 82. in Matth. p. 371) jede Art 
von Trauer tadeln, woraus ſich auch die allgemeine Mißbilligung der 
bei Juden und Deiden gewöhnlichen Kiageweiber erflären iaͤßt. Diefe 
Anficht hat auch lange fortgewaͤhrt. — Jedoch zeigen fich dieſe Maͤn⸗ 
ner auch als Kenner des meuſchlichen Herzens, indem fie bei dem Ver⸗ 
Iufte geliebter Perſonen keine unnatüriihe Fuͤhlloſigkeit verlangen. 
Dahin gehören Ambros. oratio de obitu. fratris. August. de eivitate 





Berflochene. | ws 


Dei 1. XIX. o. 8. Selbſt Chryfoftonius, wie ſcharf er auch bie heib⸗ 
niſche und juͤdiſche Xrauerfitte tadelt, erfennt doch auch bie Rechte bey 
Natur in dieſer Beziehung an. S. Hom. XXIX; de dormientib. 
Die öffentlich eingeführten Zeichen der Trauer, bei ben Juden God 
und Aſche, zerriffene Kleider; bei den Römern vestes pullas ot atras, 
mißbilligten die alten Chriften, wie man fich außer mehrern Stellen 
aus Auguflind Sermo 2, de eonsolat. mort. überzeugen kann, wo ee 
‚ von der ſchwarzen Kleidung fagt: Aliena sunt ista fratres, extranes 
sunt, non :lieent, et si licerent, non decent- Dennoch wurde fpdter 
Die fchwarze Farbe als Trauerfarbe zunaͤchſt in der . griechifchen 
Kirche gewoͤhnlich, aus Gründen, die in dem Art. Klerus angeführt 
find. Was nun die doch fpdter üblich gewordene Trauerkleidung bes 
trifft, wenn man die Zeugniffe der Alten dariber vergleicht; fo möchte 
die Aeußeruug Binghams im Allgemeinen wahr feyn (f. . XXIII. 
© 8 $. 21.) wo er von der gestatio vestis lugubris fagt: Non 
damnabant eam (sc. veteres Christiani) neo tamen magnopere 
approbabant, sed omnium libertati relinquebant tanquam rem in- 
differentem ,„ eos potius laudantes, qui illam vel prorsus omitterent, 
vel post breve tempus deponerent, ut, dui fortitudini et philoso- 
phiae hominis christiani eonvenientius agerent. Damit nun ſtimmt 
and zufammen, was Augufli in feinen Denkwuͤrdigkeiten Thl. 9. 
p- 673 fagt: „Ueber die Dauer der Trauerzeit, über die Grade und 
„Modificationen der Privattrauer hat bie Kiche niemals etwas feflges 
„ſetzt.“ In einem gewiffen Sinne kann man aud als Nachfeier zum 
Andenken der Verſtorbenen betrachten 

b) 898 Spenden von Almofen an Arme Nicht 
nur bei DBegräbniffen gefchieht deſſelben Erwähnung, wo .beionders 
Ehryſoſtomus fehr eifrig dazu ermahnt, indem er in der 61. Homilie 
in Joh. ausruft: Vis mortuum honorere, fao eicamosynas! 
(mehrere hierher gehörige Stellen hat Bingham gefammelt), fondern 
auch an den Jahrestagen der Verftorbenen wurde dieß Almofenertheilen 
wiederholt. Ja es finden fich bie Spuren davon, dag man an Dielen 
Tagen für die Aermern, für den Klerus, für die Verwandten der Vers 
florbenen befondere Mahlzeiten anftellte, deren fpätere Ausartung ſchon 
in diefem Artikel, und befonders im Artikel Agapen bemerkt worden ift. 
ber auch vermittelft Lirdylich = zeligiöfer Gebräuche fand im engem 
Sinne des Worts = | u 

ec) eine Nakhtodtenfeier Statt. Spuren des fogenanns 
ten Zodtenamts finden ſich ſchon vom 4. Jahrhundert an. Bingham 
iR der Meinung, daß biefe Sitte von reichen Heidenchriſten ausge 
gangen fei, indem einige auch ſelbſt noch das befannte Novemdiale 
ans der heibnifchen Anbetungsweife beibehalten hätten. Dieß befland 
nämlich in einem Opfer, welches am neunten Tage nach bem Tode 
von Jemandem pflegte gebracht zu werden. Auguftin (Duaestion. in 
Genes. quaest. 172. erklärt ſich mißbilligend daruͤber; aber das Wie: 
derholen der religiös s kirchlichen Gebräuche bei Beerdigungen, mithin 
die ſpaͤter fogenannte Todtenfeier documentiren fchon die Comstitut, 
Apost. I. VIII. o. 42., wo ‚auch der Grund angeführt ifl, warum man 
dazu bald den dritten, bald den neunten, bald den vierzigiten Tag 
wählte, und wie nach und nach ber Jahrstag, wo Jemand geflorben 








602 Berftorbene, j 
war, zu Ahnlichen Feilerlichkeiten benugt wurde. Wir erwaͤhnen biefer 


Nachfeier deshalb, weil aus ihr theils die fpäter fo Häufig getadelten 


Seelenmeſſen hervorgegangen find, fo mie au bie an fidy lobenswers 
shen jährlichen Todtenfeſte in der morgen s und abendländifhen Kirche. 
11) Orte, wohin man die Todten begrub und 
frühe Auszeihnung dberfelben. — In den früheſten Zeiz 
ten, wo fi das Chriſtenthum noch fehr unter dem Drude befand, 
konnten die Chriftenvereine natürlich feine befonbern Orte: auszeichnen, 
wohin fie ihre Zodten begruben. Damals war ihnen der Drt völlig 
gleichgültig und fie lebten bes Glaubens, die Erde fei allenthalben des 
Herrn, wo man gleich gut verwefen und auferftehen inne. ©. Euseb. 
B ecol, 1. Vil. o. 22%. Die Chriften mußten es uͤbrigens als eine 
Degünfligung anfehen, wenn man ihnen geftattete, ihre Todten dahin 
zu begraben, wo Heiden und Juden die Shrigen zu begraben pflegten. 
Die meiften abgefonderten Begräbniffe der. Chriften fcheinen nicht frei> 
willige, jondern erzwungene Abfonderungen geweſen zu ſeyn. .Uebris 
gend waren befonderd in manchen großen Stäbten außerhalb derfeiben, 
unterirdifche,, in Kalk und Zuffflein gehauene, bald regelmäßige, bald 
krumme Gallerien und Gaͤnge (cryptae catacombae) angelegt, wo am 
den Wänden zu beiden Seiten die Begräbnißnifchen angebracht wur⸗ 
den, in welchen die Sarkophage, Urnen und Grablampen fich befan: 
den. Es gab dergleichen in Rom, Neapel, Syrakus (an legtern Orten 
mitt Stodwerken). Literarifche Nachweiſungen darüber aus der Altern 
und neuern Zeit findet man in Auguſti's Denkwuͤrdigkeiten Thl. 9. 
und befonders Rheinwalds kirchliche‘ Archäologie p. 331 in den Ans 
merfungen. Darum iſt es mehr als wahrfcheinlih, daß, wenn auch 
die Chriſten etwas unfern Kirchen Aehnliches in den Jahren der Ruhe, 
zwiſchen den Verfolgungsftärmen follten gehabt haben, doch die Umges 
bungen berfelben nicht der Begräbnißort feyn konnten, indem foldye 
Kirchen fich größtenthells in ben Stäpten befanden, außerhalb welcher 
nach jübifhen und römifchen Gefegen bie Xobten mußten begraben 
werden. Me. 27, 60. Luc. 7, 12. Joh. 11, 30. 38. Cic. de legi- 
bus I. II. o. 22. Cod. Theodor. lib. IX. tit. 17. 1. 6. Aus dieſem 
Grunde finden wir auch in römifchen Klaſſikern häufig Nachweiſung 
davon, daß die Begräbnißpläge der Mämer fich außer der Stadt, befons 
ders an Landſtraßen, befanden, wodurch die Vorübergehenden ſich ebens 
falls ihrer Sterblichkeit erinnern follten. . Cfr: Varro de lingua lat. 
1. V. Corn. Nep. Vita .Attie. im legten Capitel. Hieron. de vir. 
ilustr. c. 1. und 5. verſichert daffelbe von den Begraͤbnißplaͤtzen ber 
beiden Apoftel Petrus und Paulus — Petrus sepultus est juxta viam 
triumphalen — Paulus in via Ostiensi. Man kann alfo im Alge 


meinen behaupten, daß bie Chriften in ben erften drei Jahrhunderten 


ihre Todten weder in ben Städten, nod in ber Nähe bee Kirchen bes 
geaben haben, weil dieß obrigkeitliche Verordnungen nicht geftatteten. 
Wenn man bdeffen ungeachtet von Märtyrern aus dieſem Zeitraume 
tieft, daß fie in den Kirchen ihre Ruheſtaͤtte gefunden hätten; fo muß 
man dieß entweder nur .von ihren Reliquien verflehen oder auch von 
den Umftande, daß Städte fpäter erweitert und auf dem Platze, wo 
vielleicht ein Märtyrer geftorben war, eine Kirche fei erbaut worden. 
Später änderte ſich dieß, und wie man leicht erachten kaun, wurde es 





| ® 
Berftorbene. 6.3 


nad) und nach und buch elgenthlomliche Beranisffung tet, bie Todten 
ſowohl in den Kirchen, als auch in Nebengebaͤuden derſelben und auf 
den freien Plaͤtzen um bie Kirchen herum zu begraben. Die erſte Ber: 
anlaffung dazu gab die im vierten Seculum immer gewöhnlicher were 
dende hohe Verehrung gegen bie irdiſchen Weberreite ber. verflorbenen 
Märtyrer. Ihre Aſche oder ihre Gebeine hob man in den Kitchen 
auf. War die Verfolgung vorüber, fo erbauete man oft da, wo 
Jemand den Maͤrtyrertod erlitten hatte, Kichen, und die früher geret⸗ 
teten Reliquien ſolcher Blutzeugen bewahrte man im benfelben auf. 
Daß dieß oft geſchah, fieht man unter andern auch aus dem Sprach— 
gebrauche von Martyrium, welches haufig gleichbedeutend mit eeclesia 
it. — Sm ber Periode vom 4: bis 6. Jahrhundert, wiemohl auch 
jegt noch mehr als: Ausnahme, wie als Megel wählte man ben die 
Kirche zunaͤchſt umgebenden freien Platz zur Begraͤbnißſtaͤtte. Er 
hieß area, area sepulturaram, und war Anfangs wur flr Regenten, 
Biſchoͤfe, Kleriker und fpdter auch für andere rechtglaͤubige Chriften 
beftimmt, . Diefe Einrichtung gründete ſich wohl zunaͤchſt auf die ſich 
immer welter ausbildende Idee der zoıvwria zw üylov und auf bie 
BVorftellung, daß, wie die Kicche der Verſammlungẽort aller Gläubigen 


. im Leben, der Gottesader der Sammelplag aller im Glauben Ent 


ſchlafenen feyn follte. In dem Atrio seu porticu und in ben Mebens 
gebäuden der Zempel wurden Iegt Regenten begraben, und Chryfoftos 
mus erwaͤhnt die mit: der Bimerkung, daß Könige im Tode fich 
geachtet fühlten, wenn fie gleihfam als Leichennachbarn die Thuͤrhuͤter 
von Fifchern (d. i. Apoſteln) wären, daher heißt es in feiner Schrift: 

Quod Christus sit Deus o. VIE. Tom. V. p. 752 ed. Frf. Com 
stantinopoli reges nostri magnam . gratiam putant, non si prope 
Apostolos, sed si vel extra eorum vestibula corpora sua sepeliantur 
fiantque piscatorum ostiarii reges. — Auf diefe Art wurde Conſtan⸗ 
tin Euseb. vita Const. 1. IV. c. 71. begraben, nad ihm Theodoſius 
ber Aeltere, Arcadius und Theodofius ber Jüngere. — Noch fpäter 
vom 9: Jahrhundert an begrub man Fürften, Biſchoͤfe und Kieriker, 
ja auch reiche Privatperfonen, befonders, wern fie wohlthätig gegen 
ben Klerus gewefen waren, ober Kirchen geftiftet und. Dei hatten, 
auf gleihe Art. Bingh. Antiquit. I. XVIII. o. 1. $. 7. bat biefen 
Umftand gut beleuchtet. Sept wurde es immer üblicher, dag ber Kle⸗ 
zus beffimmen durfte, wen von den Later in’den Kirchen ein Be 
graͤbniß follte geftatteet werden. rbbegräbnifle waren im 9. Seculum 
noch nicht üblih und wurden erft mit den päpftlichen Decretalen. ein⸗ 
geführt. Daß diefe Kirchenbegräbniffe aus fehr tadelnswerthen Gruͤn⸗ 
den geſtattet wurden, die in Eitelkeit, Gewinnſucht und ſchaͤblichem 
Aberglauben ihren Grund hatten, iſt oft bemerkt worden, daher ſie 
auch, wie weiter unten gezeigt werden wird, die neue Zeit meiſtens 
wiederum abgeſchafft hat. Bei dem zeither Gefagten folgte der Ver⸗ 
faſſer groͤßtentheils einer Monographie, die er nachzuleſen Gelegenheit 
hatte, naͤmlich Ch. Aug. Winkleri dissem. de jure sepulturae in. 
templis. Lips. 1784. — Da nun verhältnißmäßig „doch Immer. nur 
Wenige ein kirchliches Weogräbnig haben konnten, fo blieb der. Play 
um die Kicche herum der gewoͤhnlichſte und föranafe DM, um. da: 
ſelbſt die Todten zu begraben. 


> . 








» 


BB. . Berftochene. 


Man beisies ſchon fruͤh, wie ed ja aud unter Juden unb Hei⸗ 
den ber Fall gemefen war, eine befondere Hochachtung gegen biefe Piäge 
und der Boden, wo die Todten ruhten, wurde für einen befonders 
heiligen Boden gehalten. Für diefe Behauptung ſpricht Folgendes: 
a) Schon die Ylamen, die man dafür wählte. 
Die Griechen nannten die Begräbnißpläge ſehr paflend xosunznora, 
Schlaf: und Ruheſtaͤtten. Iſt dieß auch vox agrapha, ſo iſt doch 
dabei die Analogie des N. T. dabei nicht zu verkennen, z. B. Mt. 27, 
52. u. a. Auch die Lateiner brauchen dormitorium oder fie formiren 
das griechifche xorumrioeov in das lateinifche coemeterium, zuweilen 
auch cimeterium geſchrieben. Daß die Idee eines flärkenden Schlafs, 
weichem eine freundliche Auferitehung folgen werde, dadurch follte ver 
finnlicht werden, haben die chriſtlichen Homileten hin und wieder recht 
'rebnerifcy angedeutet. Arva Dei nannte man wohl die Begräbnifpläge 
mit Beziehung anf A. und N. T. Stellen, 3. B. ef. 26, 19. Ezech. 
87, 1. Joh. 12, 24. 1 Cor. 15, 36 — 42. Andere Namen, wie 
Areae, arenariae, tumbae, catatumbae feinen mehr in zufälligen 
Umftänden und willtährlihen Gewohnheiten ihren Grund zu haben. 
Daß man aber die Ruhepläge der Todten als einen heiligen Boden 
betrachtete, dafür zeugt auch 

b) der Umftand, daß die Begräbnißpläge eben. 
fo angefeben wurden, wie die Rirchen felbfl. Wir 
wollen bier nicht einmal auf den Ümftand Gewicht legen, welchen 
Baumgarten Erläuterung der chriſtlichen Alterthümer p. 408 für bie 
Benennung Bottesäder anführt, daß man fie wegen der üblich 
gewordenen Steuerfreiheit fo genannt habe, fondern es fprechen dafuͤr 
noch weit näher liegende Gründe, ale 

aa) ſchon die Analogie mitder heidnifchen Sitte 
Bei den Heiden bereits galten die Orte, wo bie irdiſchen Ueberrefte der 
Werftorbenen ruhten, als befonder& heilig; um wie viel mehr mußte 
dieß bei Ehriften der Sau ſeyn, die vom Tode, von ber Auferflehung 
und Unfterblickeit fo erhabene Anfichten hatten. Mit einer gewiſſen 
heiligen Ehrerbietung betrachtete man daher lange fchon die Ruheplaͤtze 
‚der Todten, ehe die Kirche noch eine befondere Einweihung bderfelben 
füe nöthig fand. Nah Bingham erwähnt erft Gregor, Turon. im 6. 
Sahrhundere in feinem Buche de officio Confessor. e. 1. 6. dieſes 
Ritus. — Bon der hoben Achtung gegen die Begräbnißpiäge zeugte auch 

bb) die harte Beftrafung von Seiten der Obrig⸗ 
Reit gegen diejenigen, weldhe Gräber beraubten, 
Schon vor dem Besinne des Chriftenchums firafte die römifche Geſetz⸗ 
gebung alle diejenigen ernſtlich, weiche Gräber beraubten ober bie 
Ueberrefte der Verſtorbenen unanftändig behandelten. Aber auch unter 
chriſtlichen Kaiſern dauerte ber ſtrafende Ernſt in biefer Beziehung fort. 
S. Bingh. L 1.1. XXIII. o. 4. 8. 1—2%. Im chriſtlichen Zeitalter 
mußte bieß Verbrechen weit häufiger Statt gefunden haben, weshalb 
auch Bingham außer venbrecherifcher Raubgier noch andere Urfachen 
anführt, z. B. die berrfchend gewordene Sitte, alles Heidniſche aus 
bern chrifllichen Kultus uͤberhaupt und von den Begraͤbnißorten insbes 
fondere zu entfernen, vorzüglich, in wiefern es fich durch die bildende 
Kun offenbarte. Auch die Sucht, Reliquien aufzufinden, um bemit 








n 


Berflorbene. J eor 


einen einträglichen Handel zu treiben, rechnete Bingham hierher. — 
Mehr intereſſirt und aber die Art der Beftrafung eines folchen Frevels, 
weil darin eigentlih die Beweiskraft für unfre Behauptung liegt. 
Gewoͤhnlich fland die Todesſtrafe auf. einem folchen Frevel, und wem 
vermittelft der fogenannten indulgentia paschalis auch grobe Werbrecher 
Begnadigung erhielten, fo machten doch immer die Grabräuber davon 
eine Ausnahme. a felbft einer Ehefrau ftand es frri, auf Eheſchei⸗ 
duny zu dringen, wenn fih ihr Mann diefes Fehlers ſchuldig gemacht 
hatte. S. Bingham in der oben angeführten Stelle $. 2. Kür die 
hohe Achtung gegen die Gräber ſpricht auch . 

co) die Sitte, daß man in der Chriftenbeit ge 
wiffen Perfonen überhaupt ein feierlidjes Begräb- 


niß und ein Grab auf dem gemeinfhaftlihen Beer - 


dBigungsplate verfagte. Es ift bekannt, wie fall das ganze 
gebildete Alterthum das Unbegrabenbleiben für etwas ſehr Betruͤbendes 
und Kntehrendes anfah. Defien ungeachtet konnte es auch in bes 
heidniſchen Welt nicht an befondern Ereigniffen fehlen, wo taufende 
von Leichnamen menigftend eine Zeit lang unbegraben bleiben mußten, 


3. B. nach biutigen Schlachten, Empörungen und bergleihen. Hier . 


hatten fhon Philofophen teöftende Marimen ausgeiprochen und Dichter 
hatten daraus das fpätere Spruͤchwort gebildet: Coelo tegitur, qui 
non habet urnam. Auguftin de ecivitate Dei ]. 1. o. 12. urgirt 
dieg, um Chriften in ähnlichen Fällen zu tröften. Uebrigens, wenn 


Zeit und Umflände es geflatteten, galt ein feierliches Begraͤbniß und 
‚eine Ruheſtaͤtte in ber Mitte der Entſchlafenen als eine heilige Reli⸗ 


gionspfliht. Dieß beweiſt unter andern der Umfland, daß die Kirche 
in befondern Fällen folhe Ehre und Auszeichnung vermeigerte, wovon 
hier einige Beilpiele fliehen mögen. Es gefhah dieß a) gegen biejenis 
gen der Gatechumenen, die in dem hartnädigen Auffhube der Taufe 


geftorben waren, ob fie gleich oft dazu ermuntert worden waren, 


&. Cone. Brac. (a, 462.) c. 1. Chrysostonm. hom. Ill. in Philipp. 
p. 1224. Bei andern GCatechumenen aber, die ſchnell hinmeageftorben 
waren, jedoch nicht des vorfäglichen Auffhubs ber Taufe konnten ans 
geklagt werben, wurde das gewöhnliche Begräbniß verftattet. b) Die 
Selbſtmoͤrder, wohin man auch fchmere Verbrecher deshalb rechnete, 
weis bei dem Bekanntwerden ihree Vergehungen der Tod nothwendig 
erfolgen mußte. Daher beißt es auch in dem Cone. Antiisidorens. 
(a. 5878.) can. 17.  Quicunque se propria voluntate in aquam 
jactaverit, aut collum ligaverit, aut ferro percusserit etc. — isto- 
rum oblatio non reeipiatur. Auch diejenigen, bie während verbredhes 
vifchee Handlungen getödtet wurden, vechnete man hierher, wovon 
Bingham Beifpiele von den Circumcellionen in Afrika anfuͤhrt. e) Die 
eigentlich fogenannten Keger, die Schismatiker, und bie Ercommuniciw 
ten. Ad solos Fideles bemerkt Hei dieſer Selegenheit Bingh. 1. XXIII. 
ec. 8. p. 83 pertinebat offie. funebre, sive communicantes, h. e. 


eos, qui vel in plena communione discesserunt, vel si excommuni«- 


eati fuissent, parati tamen fuerant, eommunieare, dum regulas poe- 
nitentiae ac disciplinae in eeclesia receperunt iisque sese submiserunt. 

IV) Ergebnig aus dem zeither Befagten und 
Ausarten des frähbern hriftliden Verhaltens in 











“ws Vreꝛſtorbene. 


Abſicht auf Verſtorbene. — Blicken wir noch einmal auf 
das jetzt Verhandelte zurück, fo laͤßt ſich folgendes Ergebniß gewinnen: 

a) Alles zeither Erwaͤhnte beſchraͤnkt ſich, wenn man Weniges 
ausnimmt, auf den Zeitraum der erſten 5 bis 6 Jahrhunderte. 

b) Die chriftliche Kicche ahmte zwar auch Hier Manches aus bem 
jüdifchen und heidnifchen Kultus nach, aber hielt boch greößtentheils das 
ſchon durch frühere Gefege Gebotene, und an ſich Vernuͤnftige feſt. 

o) Die dabei uͤblichen Gebraͤuche waren ein freundlicher Wieder⸗ 
fhein von ben einfachen, aber erhebenden Lehren des Chriftenchums, 
Tod, Auferfiehung und Unſterblichkeit betreffend. 

J q) Wie eine freundliche Todesanſicht, fo offenbarte ſich auch in 
dem Theile des Kultus, der ſich auf Verſtorbene bezog, die edelſte 
Humanitaͤt in Abſicht auf die Dahingeſchirdenen. 

e) Im Schooße der chriſtlichen Kirche ſelbſt wurden bereits im 
dem Zeitraume ber erſten ſechs Jahrhunderte eingeriffene Mifbräuche 
abgeſchafft, wenn man nur an den oben erwaͤhnten Friedenskuß denkt, 
der auch Verſtorbenen ertheilt wurde und an die Euchariſtie, in wie⸗ 
fern auch Todte noch als derſelben genußfaͤhig gedacht wurden. 

Deſſen ungeachtet laͤßt ſich nicht leugnen, daß ſchon in dem von 
uns bezeichneten Zeitraume manche uͤberſpannte Aeußerung beruͤhmter 
Kirchenlehrer, manche aberglaͤubiſche Obſervanz, mancher anfangs gut 
gemeinte Ritus vorkommt, der wenigſtens in ber ſpaͤtern katholiſchen 
Kirche des Morgen⸗ und Abendlandes und namentlich beim Wachſen 
ber roͤmiſchen Hierarchie hoͤchſt verderblich ausartete. Wir wollen das 
Weſentliche davon in ber Kürze anführen, um in dem folgenden Ads 
fhnitte bie Verdienfte der Reformatfon um den cheifllihen Kultus auch 
in dieſer Beziehung recht Bar und deutlich nachmweifen zu können. 
Dahin gehört im ‚Allgemeinen | M 

die fih immer mehr ausbildende PVorftellung, 
daB Jandlungen der Lebenden auch Einfluß noch 
auf Todte haben Eönnten und umgekehrt. Zu leugnen 
ift zwar nicht, daß im 4. und 5. Jahrhundert dee Glaube audy unter. 
Chriſten herrſchte, daß die abgefchiedenen Geiſter noch in einiger Vers 
bindung mit dem Körper fländen, bei ihren Gräbern verweilten und 
bucch Fürbitten, Zodtenopfer und dergleichen erfreut werden koͤnnten, 
wie dieß bei den Artikeln Maͤrtyrerfeſte, Abendmahl u. a. bereits bemerkt 
worden if. Auch maren bie Aeußerungen einzelner Kirchenlehrer in 
diefer Beziehung nicht ganz frei von Schwärmerel und Uebertreibung. 
Jedoch zeigten die Klagen, 3. B. eines Chrpfoflomus und Auguftinus 
(obgleich auch fie ‚nicht. frei von unvorfichtigen Aeußerungen waren), 
daß fie ſolche Vorſtellungen als das erlannten, was fie wirklich waren, 
naͤmlich abergläubifche Ueberſpannung. Viele gefunde Anfichten ber Art 
“ findet man unter andern-in der bereits oben angeführten Monographie 
von Auguſtin de eura gerenda pro mortuis in Paulinum. Aber deſ⸗ 
fen ungeachtet bildeten fih nad und nach durch Urfachen, deren .‚Ents 
widefung mehr der Dogmengefhichte anheim ‚fällt, und die auch in 
einzelnen Artifeln von une. haben berührt werben müffen, die Vorſtel⸗ 
fung aus, daß die Lebenden den Zodten nüßen koͤnnten, und dag auch 
die Verflorbenen in Verhaͤltniſſen ſich befinden, wo fie auf Lebende in 
einer ſehr wichtigen Beziehung zuruͤckwirken könnten. Waren einmal 








Verſtorbene. - 609 


dieſe Worſtellungen ind Leben gerufen, dann kounten ſich jene Eigen⸗ 
thuͤmlichkeiten leicht bilden, wie 3. B. bie beſondere Verehrung der Mär: 
tyrer (f. d. Artikel), die daraus entſtaudene fpätere Seiligenverehrung 
(fe d. Artikel), Die Verehrung bee Reliqulen (f. d. Artikel). Auf diefe 
Grundlage laſſen ſich auch die Lehre vom Fegefeuer, die fpätern fo 
aͤrgerlichen Seelenmeſſen, der fo furchtbate Todtenbann, die abergläus 
diſchen Warftellungen von ben Begraͤbniſſen in geweihter Erde u. ſ. w. 
zuehführen. Da wie von ben erſtern in eigenen Artikeln gehambelt 
haben, fo wollen wir nmur bie zuieht genannten Mißbräuche in Lehre 
und Kultus, in wieweit es für unſern Zweck nöthig iſt, kurz beruͤh⸗ 
un. Wir haben daher zu handeln ' 

1) vom Segefeuer. Man bachte fig darunter einen Det, 
zunaͤchſt au der Hölle, die man in den Tiefen ber Erbe fuchte, in 
weichen bie von peccatis venialibus noch nicht gereinigten, unb hier 
wegen ihrer Suͤnden noch nicht ganz beftraften Gläubigen durch phy⸗ 
fiſches Feuer von. der Stunde und ihrer Schuld gänzlich gereinigt wuͤr⸗ 
den und ſodann erft zum Himmel auffliegen. Die erſten Anfänge 
biefer Lehre finden wir fchon in der neuplatonifhen Philoſophie und 
fu den Anfichten einzelner Kirchenlehrer. Schon Drigenes nahm am, 
die Seren würden am Ende ber Welt alle durch Feuer von Sünden 
gereinigt werben, eine Meinung, duch die ex feine Lehre von ber 
Wiederbtingung aller Dinge modificirte, und die von bee fpätern Mei⸗ 
nung von einem Meinigumgefeuer, in das die Seelen nach dem Tode, 
mb che fie in den Himmel gelangen koͤnnten, kommen würben, noch 
ſehr verfchieden If. Auch dachte Auguflin, wenn er von eines Reini⸗ 
gung bee Seelen nach dem Tode duch Feuer ſprach, wohl mehr an 
ein Fouer des Pröfungen, als an eigentlihe Flammen. Auch Plato 
haste ſchon gemeint, die Seelen würden nach dem Tode gereinigt, ehe 
fie zu einer vollkommenen Stücfeligkelt gelangen koͤnnten. Der Ueber - 
gang zu der MWorflelung von einem eigentlichen Feuer der Reinigung 
war leicht, da nicht nur bie Bilder der Schrift, vom Feuer der Ge 
Senna, ſondern auch Zoroaſters Lehre von einer reinigenden Kraft bes 
Feuers den Uebergang beghnftigtn. Auch lag bei der Borausfegung, 
daß Strafen beſſern follen, der Gedanke fehr nahe, baß das Feuer, 
welches die Boͤſen erwartete, eine beſſernde, reinigende Kraft haben 
werde. Die beflimmte Meinung aber von einem nad dem Tode zu 
erwartenden Straf⸗ und Weinigungsfeuer für nicht gänzlich verbüßte 
Sünden wurde bauptfächlich durch Gregor den Großen (6. Jahrhun⸗ 
dert) gemeine Lehre, von den Scholaftitern weiter ausgebildet und durch 
die Synoben zu Florenz 1459 und gu Trient zum Glaubensartikel 
erhoben, und mit ber Lehre von ben Fuͤrbitten für Verſtorbene, von 
der Meffe und dem Ablaffe in die genaueſte Verbindung geſett, von 
bei griechiſchen Kirche aber nicht angenommen. Auch bat fie keinen 
Srund in der Schrift. Denn 2 Mate. 12, 48. if nicht blos kein 
canoniſches Buch, fondern bie Opfer für die Todten werben auch felbfl ' 
nur darauf bezogen, ihnen Antheil an der Auferſtehung zu verfchaffen. 
1 Cor. 8, 18, aber iſt nicht von Seelen, fondern von der chriftlichen Lehre 
bie Rede, die Paulus mit einem Gebäude vergleicht, deffen Unzerſtoͤrbar⸗ 
keit durch das Jeuer der Truͤbſal bewaͤhrt werden foße, und die Worte 
us dia nudds, heißen ſprichwoͤrtlich: mit genauer Noth, wie eis 

Siegel Handbuch IV. 89 





. 


610 Verſiorbene. oo. 


Brand aus dem eur. S. Bad. 8, 2. Amos 4, 11. Bir. 51, 4. 
1 Petr. 4, 12. Fragen wir nun, was biefe Lehre im roͤmiſch⸗ katho⸗ 
liſchen Kirchenſyſteme fo ſehr begünſtigte, fo ift es bie daſelbſt forgfäls 
tig gepflegte, von uns ſchon erwaͤhnte Vorſtellung, Lebende koͤnnten 
den Todten nuͤtzen und Verſtorbene auf Erdenbewohner einwirken. Sei 
es nun auch, daß dieſe Idee in religioͤs⸗ſittlicher Hinſicht in einem 
eigenthuͤmlichen Sinne etwas Wahres enthalte, ſo wurde doch davon 
die roͤmiſche Kirche nicht. geleitet, ſaudern hier artete fie in den groͤhſten 
Aberglauben aus. Zunaͤchſt bildeten fi daraus bie außerhalb der 
römifchen Kirche fo hart getabelten - 

2) Seelenmeffen oder Todtenmeffen. Sie haben 
allein ihren Grund in dem Mißdrauche, der mit der Lehre vom Fege⸗ 
feuer getrieben wurde. . War einmal erft dem Volke bie Sucht vor der 
ſchmerzlichen Käuterung im Fegefeuer beigebracht, fo fand auch bald das 
Mittel Eingang, fih und bie verfiocbenen Angehörigen bald daraus zu 
befreien, nämlich die fogenannten Seelenmeflen (cfr. Apologie A. C. 
art. 3, 272... Nach dem Zridentinifchen Goncil sess. 22. co. 1. und 
can. 3. und sess. 25. de purgat. iſt es Kirchenlehre, daß die Tadten⸗ 
meſſen zur Erleichterung der Seelen im Fegefeuer und zur fchnelleen 
Befreiung daraus dienen, weshalb fie. fo allgemein geworden find, daß 


nicht leicht bei einem Zobeefalle ‚mehrere derſelben oder wenigftens eine 


. zu beftellen unterlaffen wird, wen es die Vermoͤgensumſtaͤnde nur 
: einigermaßen zulaſſen. Man beſtellt fie fogar fchom bei Lebzeiten, wo 
dann freilich diejenigen, welche aus Mangel an Geld Heine bezahlen 
" Eönnen, eine längere und härtere Pein im Segefeuer ausguftchen Haben. 
Will man den fall unglaublichen Aberglauben und dem fittlichen Miß⸗ 
braud) deffelben beurtheilen lernen, fo darf man nur das merkwürdige 
Buh: Die katholiſche Kirche Schlefiens nachlefen, wo p. 103 — 281 
und öfter von derfelben die Mede if. Selbfi Kardinal Bona L 1. L 
1. c. 15. geht mit wenigen Worten über dieſen der katholiſchen Kirche 
fo überaus wichtigen und der Geiſtlichkeit noch immer einträglichen 
Theil des Meßdienſtes hinweg, ‚ohne fih auf eine Widerlegung ber 
Proteftanten, welche er gemeiniglih. mit dem Namen der meßſcheuen 
Keger (haeretici misoliturgi) belegt, weiter einzulaſſen, ba ec wohl 
fuͤhlen mochte, auf wie Schwachen Fuͤßen diefe Art von Meſſen ſtehe. 
Die Zeugniffe dee Kirchenväter, welche er dafhr anführt, find nur auf 
die Gebete für die Abgefchiedenen. zu beziehen, die aber in Zweck und 
Form himmelweit von den ſpaͤtern Seelenmelfen verfchieden find. 

3) Mit der Zee, daß die Binde: und Löfegemalt des Papſtes 
ſelbſt auch noch auf Verftorbene Einfluß babe, bildete fi ber furcht⸗ 
bare, vom roͤmiſchen Stuhle ſchrecklich benugte. Wahn, ‚daß. ein als 
Ercommuniceteer im Bann und Interdict Verſtorbener der emigen 
Seligkeit. verluftig fei. Finden wir au ſchon früh die Spuren biefes 
Borurtheils, indem ber Kaifer Thepdofins in feiner Trauer darüber, 
daß er vom mailändifchen Biſchofe Ambrofius excommunicirt fei, ber 
Worte ſich bedient: Niemand, als er felhſt (her Kaiſer) koͤnne fein 
Unglüd ſchmerzlicher fühlen, denn fpgar,Reibeigenen und Bettlern fiche 
die Kirche offen, und ihm fei ber Gingang in biefelbe und in den 
Himmel felbit verfchloffen, weil alles auf Erden Gebundene im Hinz 


mel auch gebunden ſei.“ , So bat doch die fpätere Hierckchie erſt diefe 


2 
v 


Verſtorbene. | 0 


Anficht vecht fruchtbar zu benutzen verſtanden. Vergl. den Xrtikel 
öffentliche Buße, . 
4) Nicht minder gehört auch dem ſpaͤter ausgeblldeten hierarchi⸗ 
ſchen Geiſte die aberglaͤubiſche und unduldſam ausſchließende Anſicht 
von dem geweihten, geheiligten Boden der Kirchhoͤfe. Auch im Tode 


noch macht: die roͤmiſche Kirche ihren Grundſatz geltend: Nulla aalus 


extra ecclesiam, indem fie Verſtorbenen, die nicht zur römifchen Kin 


chengemeinfchaft gehören, auf dem geweihten Kirchhofe felbft bis auf die 


neueſten Zeiten herab, einen Begräbnißplag verweigert. Iſt nun auch nicht 
zu leugnen, daß, wie wir oben geliehen haben, bie frühe Kirche eine 
befondere Ehrfurcht gegen VBegräbnifpläge mit Heiden und Juden theilte, 


und diefelben auch, wie alles zum chriſtlichen Kultus Gehoͤrige, weihte 


‚und gewifien Menfchen ein ehrenvolles Begraͤbniß verfagte, ſo, iſt doch 
die Idee fpäter hinzugelommen, daß es ſchon an fich von hbefonberer 
Wirkung fei, in gemweihtee Erde begraben zu liegen. Davon ſagt au 
Walter in feinem Lehrbuche des Kirchenrechts: „Das chriftliche Be⸗ 
Agraͤbniß oder die Beerdigung in geweihter Erde unter gewiſſen Gebes 
„ten, iſt wicht blos eing aͤußere Geremonie, fondern eine wirkliche 
„Religionshandlung, wodurch die Kirche die Gemeinſchaft mit den Ver 
„ſtorbenen fortfegt, die während ihres Lebens ſich zu ihre bekannt has 
„ben.“ — Schon um biefer und anderer abergläubifchen Anfichten 
willen läßt «8 fich erflären, warum die römifche Kirche bis auf den heutigem 
Tag mit vielen fonderbaren Gebräuchen bie Kicchhöfe zu weihen pflegt. 
‚Eine ſolche Weihe findet man befchrieben in Grundmayr's Lexikon der 
roͤmiſch⸗katholiſchen Kirchengebräucye in dem Artikel Gemeterium. : 

V) Deränderungen,. welde die Reformation 
auch in diefem Theile des chriſtlichen Aultus her⸗ 
beiführte. — Im Ganzen genommen läßt fih das Werdienft der 
Reformation in, Beziehung auf Verſtorbene dahin beſtimmen, daß fie 
alles wieder auf die Einfachheit der fruͤhern chriftlichen Kirche zuruͤck⸗ 
‚führte, vieles des Beſſern von der frühern Obfervanz beibehielt, jeboch 


‚ben oben adgeführten Ausartungen muthig entgegentrat. Die Prote⸗ 


ftanten machten bier. ihren erſten Brundfag geltend, daß fie nichts in 
‚die Begräbnißliturgie aufnahmen, was ſich nicht auf die Schrift, auf 
‚die Sitte des chriftlichen Alterthums und auf. die gefunde "Vernunft 
gründete. Der Schriftbeweis gegen bie roͤmiſchen Mißbraͤuche mußte 
ihnen gelingen‘, und man würde bieß au von dem Beweiſe aus dem 
chriſtlichen Alterthume sühmen bürfen, wenn Tie Immer unpyarteiiſch 
genug zugeflanden hätten, daß der erfle Impuls zu manchen ſchaͤdli⸗ 


chen Aberglauben der Att doch in gewiflen Zeitideen und in einzelnen” 


übderfpannten Anfichten der Kirchenväter zu finden ſei. Die” hier To 
‚ ungemein wichtige Frage, wie wir in dem vorigen Abfchnitte hefehen 
haben, ob tirhlihe Handlungen der Lebenden noch für Berftorbene 
nützlich feyn koͤnnen (am prosit.mortuis), vermeinten bie Proteftanten 
durchaus, unb leugneten, bag 5 B. Seelenmeflen, Opfer, "Fürbitten 
u. ſ. m. einen Einfluß auf die Abgefchiebenen Haben koͤnnten. Deſſen 
ungeachtet hielten fie eine kirchliche Todtenfeled für hoͤchſt anfländig und 
fogar nothwendig, doch nicht um der Werfiochenen, jondern um -der 


Lebenden — Man überzeugt ſich aber. leicht, wie. durch dieſe ver 
nfihten der einflußteichſte Theil des sorgen Kultus eine. 


änderten. 


= 

















61e Verſtorbene. 


gewaltige Erſchuͤtterung erleiden mußte, indem num alle die aberglaͤubi⸗ 
ſchen Obſervanzen, die ber. roͤmiſchen Herrſche und Gewinnſucht fo 
erſprießlich waren, ſich in ihr Nichts aufloͤſten. Die Stellen find 
‚ amzählbar in den Schriften der Reformatoren, in welchen fie ihre beſſe 

‚ Grundfäge der Art ausſprachen. Will man fehen, wie vernünftig un 

befonnen fich Luther über dieſen Gegenſtand ausſprach, fo darf man 
nur die Vorrede zu ben chriſtlichen Begraͤbnißgeſaͤngen leſen, welche der 
Sammlung von Luthers geiftlichen Liedern vorgefegt ift, die zuerſt 
1685 und fpäter oft aufgelegt wurde. Hier ift im Allgemeinen ſchon 
Die Anſicht der Proteflanten ausgedruͤckt, wir wollen jedoch, wenn auch 
wur einige Beweisftellen für das mißbilligende Urtheil der Reformatoren 
in Beziehung auf bie im vorigen Abfchnitte amgedeuteten Mißbraͤuche 
anführen. Außer was ſchon im den ſymboliſchen Buͤchern Aug. Conf. 
Art. XVI. de ouku sanctor. und im der Apologie Art. IX. de invo- 
estione sänotor. über Märtyrer, Heilige und Reliquien geſagt worden 
ift, findet man auch in diefer Hinficht gute Bemerkungen in Chem- 
zitii examen Conc. Trident. und in Heideggeri anatom. cone, Tri- 
dent. p. 1106 seqgg. — Die Seelenmeffen betreffend, tritt Luthers 
MWiderfpruch gegen: diefelben in dem Sermone von der Meffe befonders 
ſtark hervor (ſ. Walchs "Ausgabe von Luthers Schriften Thl. 19. p. 
1266). — Wider das Fegefeuner iſt in unſerer Kirche viet geſchrieben 
worden, indem faſt jede umfaſſendere polemiſche Schrift wider das 
Papſtthum dieſen Gegenſtand mit deruͤhrt. Wir wollen daher auch 


nur einige Belege anführen‘, z. B. Art. Sehmaleald. P. II. art. 2. 


p. 601. — Luthers, Melanchthons und Brenz fürnehme Schriften 
wider die alte grobe Lügen der Papiſten vom Fegefener. Frankfurt 
16570. 4. — G. Calixti de igne’purgatorio. 1650. — Hoepfner de 
origine dogmat, Ram. Pontif. de Purgatorio. 1792. — Mit befon: 
derer Sorgfalt iſt dieſe Lehre auch behandelt in Martini Chemnitii 
Examen Conc. Trident. Vol. HI. p. 8. Eine noch reichere, hierher 
gehörige Literatur findet man verzeichnet in Muͤnſchers Dogmengefch. 
2 Thl. $. 306 —6. de Thl. 5. 149. — Mit dem von ben Pro: 


teftanten beftrittenen Grundſatze, daß kirchliche Handlungen den Ver⸗ 


ſtorbenen noch nuͤtzlich oder fchädtich werden könnten, mußte auch ber 
furchtbare Einfluß der Excommunication in Abficht auf Verſtorbene, 
fo wie auch die abergläubifche Meinung ſchwinden, daß es den Todten 
befibringend ſei, in geweihter Erde zu ruhen. 

Sehen wie nun, was bie Proteflanten aus ihrer frühern Kir⸗ 
chengemeinſchaft in Abſicht auf Verſtorbene beibehielten, fo moͤchte es 
ungefaͤhr Folgendes ſeyn: | 

1) Schon die allgemeine Vorſtellung, man fel den irdiſchen Leber 
reſten ber Verſtorbenen Achtung und * ndige Behandlung ſchuldig. 

2) Eine Begräbnigliturgie, die abftrahirend von dem Wahnglau⸗ 
ben, als koͤnnten religioͤſe Geremonien noch Einfluß auf bie Verſtorbe⸗ 
nen haben, ur auf Erbauung ber Lebenden berechnet iſt. 

3) Eine Art von Todtenbann, nah welhem man Perfonen, bie 
fi gewiffer Besbrechen ſchuldig gemacht Hatten, ein mit chriſtlich⸗ religiöfen 
Gebraͤuchen verbundenes und gemeinſchaftliches Begkaͤbniß ‘auf dem 
Kirchhofe verſagte⸗ Weber dieſen Gebrauch, auf weichen ˖fruüher ſehr 





De —— — 





Resflorbene. 613 
ſtreng gehalten wurde, bes aber jet: beinahe ganz aufgehoben iſt, vergt. 


‚den Artikel öffentliche Buße Nr. VII. 


4) Das Beibehalten gemeinſchaftlicher Begraͤbnißplaͤtze, für weiche 
mon auch die oben angedeuteten Namen Todtenaͤcker, Kirchhöfe, Frieb⸗ 


böfe u. a. beibshielt. Zwar ertheilen die Proteſtanten biefen Orten 


nicht eine kirchtiche Weihe, ums ber abergläubiichen Meinung entgogen⸗ 
zutreten, als trage es zur Seligkeit der Verftochenen bei, wenn bie irdi⸗ 
fen Ueberrefie in geweihter Erde ruhen. Allein deſſen ungeachtet ſte⸗ 


ben doch auch bei ihnen biefe Drte unter obrigkeitlicher Aufliht und . 


werden in einem gewiſſen Sinne als unverleglic und heilig betrachtet. 
©. Se Paſtoraltheologie Cap. 9. von ben Begräbniffen der Tod⸗ 
in er . EL .. 
VD Begräbnißliturgie in der heutigen. hrißs 
lien Welt. — Da ne die Begraͤbnißgebraͤuche nach Ort, 
Obſewanz und polizeilichen Einrichtungen auch jegt noch unendlich tee 
ſchieden geflalten, fo verfteht es ſich von felbft, daß auf alle dieſe Ver⸗ 
änderungen hier nicht Nüdficyt genommen werben kann. Es ſoll daher 
blos das Liturgifche in biefer Beziehung berudfichtigt werden, und von 
dieſem auch nur das, was ſich am allgemeinflen und am Längfien im 
Gebrauche erhalten hat und noch erhält. Nach diefem Maßſtabe wollen 
wir die verfchiedenen Kirchenſyſteme jegt weiter betrachten. 
a) Griechiſch⸗katholiſche Kirche. Wenn Jemand 
ßirbt, wird ihm ſogleich Auge und Mund zugedruͤckt, er wird gewaſchen 
und gekleidet. Man läßt einen Popen kommen., ber den Todten mit 
Weihrauch raͤuchert und betet. Meihe und vornehmere Perfonen laſſen 
mehrere kommen, welche wechfelfeitig, bis ber ode. begraben wird, 
leſen und beten. Im Sarge liegt bee Verflorbene mit Preuzweis auf 
die Bruſt gelegten Armen. Den britten Tag, bisweilen früher ober 
fpäter, fo wie es die Jahrszeit und bie Beſchaffenheit ber Leiche zulaſ⸗ 
fen, wird fie begraben. Ueber den Sarg hält man ein Leichentuch, 


lima, 


welches beim Zuge die Freunde des Verſtorbenen halten. — Alle ° 


Begraͤbniſſe geſchehen des Morgens. Der Sarg wird bei ben Vorne 
morn in die Kirche, bei den Aermern auf dem Kirchhof getragen, wos 
bei folgender Zug beobachtet wird: Vorn an geht.der Pope, welcher das 
Bild des Schutzpatrons, den der Verſtorbene in der Zaufe erhielt,. trägt, 
Ihm folgen vier weinende Scauensperfonen, bie, wenn fie keine Ver; 
wandten find, für Gelb dazu gemiethet werden, Meben dem Sarge 
gehen Diaconen, Leſer und Sänger, welche raͤuchern und fingen, 
Hierauf kommen die übrigen Vegleiter, deren jeder gemeiniglich ane 
Wachskerze in der Hand trägt. Nach mehrern Bebeten und Gejängen 
nähert fih ber Pope dem geöffneten Sarge und giebt dem Verftorbenen 
ben legten Abfchiebluß. Daſſelbe thum hierauf die Anverwanden und 
Freunde des Verfiorbenen, oder die ihn get liebten. Doc) ift «8 häufig 
Sitte, daß man entweder den Sarg Et, ober bloße Miene- macht, 
denfeiben kuͤſſen zu wollen. Noch ein Gebrauch hierbei iſt dieſer: Der 
Verftorbene bekommt einen Zettel, darauf eine Art von Beichte obet 
Gebet nach einens beſtimmten Formular flieht, mit ind Grab. Dieſes 
Gebet, welches die Hoffnung und .das Bekenntniß gengnat wird, ifl 


in ſlavoniſcher Sprache verfaßt, wird lqut abgelefen und dem Verſtor⸗ | 


denen in die. Hand gegeben, worauf der Prieſter die Ahfolution. zu: 


% 


614 Verflorbene. 


fiyert. Indem die Träger bie Leiche zum Grabe tragen, geben bie 
Driefter voraus und das Volk folge fingend nah. Wenn die Reiche 
in das Grab gelegt‘ wird und zwar fo, daß das Gefiht nad; Morgen 
zu fieht, nimmt der Pope die erfte Schaufel Erde, wirft fie kreuzweis 
auf den Sarg und fagt: „Die Erde tft des Herrn und die Kühe ders 
felden die runde Welt und‘ die barinmen wohnen.” Dann gieft er 
etwas Del aus einer Lampe darauf oder ftreut Weihrauch aus dem 
Raudfaffe. Nach einem Schlußgebete gehen fie aus einander und das 
Grab wirb zugemacht. — Defters wird bei folchen Gelegenheiten 
Geld, Brod oder andere Lebensmittel an die Arnien ausgetheilt, und 
die Verwandten oder Kreunde nehmen eine Trauermahlzeit zu fi. 
Die Trauer dauert gemeiniglich ſechs Wochen, während welcher ein 
Dope, wenn er bezahlt wird, bed Morgens und Abends auf dem 
Grabe betet, um dadurch der armen Seele eine Rinderung zu verfchafs 
fen. Borzuͤglich wichtig find unter dieſen Tagen der dritte, neunte und 
zwanzigfte vom Begräbniffe an gerechnet, an weichen die Hinterlaffenen 
nach ihren Umfländen Almofen geben, beten und beten faflen. Außer: 
dem feiern. fie noch mehrere Jahre nachher das Andenken ihres Freuns 
bes, indem fie an dieſem Tage zum Grabe geben, beten: und raͤuchern 
laſſen. Man überzeugt fi) leicht, daB bei diefem Geremoniel vieles 
aus der. früheften chriftlichen Zeit beibehalten worden iſt, wenn man es 
mit dem vergleicht, was oben erinnert worden iſt. Die Begraͤbnißli⸗ 
turgle der Griechen hingegen hat den gemeinfchaftlichen Fehler der grie⸗ 
ehffchen Liturgie überhaupt, daß fie zu lang ifl. Herrmann Sof. Schmitt 
in der neueften Schrift über die morgenländifch = griechifch s ruſſiſche 
Kiche (Mainz 1826) hat diefe Liturgie im Auszuge mitgerheilt und 
doch reicht fie von p. 256— 275. Aus biefer Schrift, fo wie aus 
Bellermanns kurzem Abriſſe der ruffifchen Kirche nad) ihrer Gefchichte, 
Glaubenslehre und Kirchengebraͤuchen, Erfurt 1788, find vorfichende 
Nachrichten entlehnt. | 
b) Rsmiſch-katholiſche Kirche. Hier werden bie kirch⸗ 
lich⸗ religioͤſen Gebraͤuche bei Beerdigung der Todten mit einem gemein: 
ſchaftlichen Namen Eprequien genannt, welches Wort man bald von 
sequendo, bald von exsequendo, was öfters für funerare gebraucht 
worden fepn foll, bald von obsequio hergeleitet wird. Auch nennt man 
ed Zodtenamt (das Wort Amt, officium, für Meffe gebraucht), Seelen⸗ 
mefſſen. In wiefern diefe von den gewoͤhnlichen Meſſen abweichen, fins 
det man recht gut gezeigt in Ad. Hr. Graͤßers Entftehung der roͤmiſch⸗ 
katholiſchen Piturgte p. 106 fe Ueber das allgemein Webliche bei 
Beguäbniffen wenigſtens im Larholifchen Deutfchland dürfte ſich mit 
Bezugnahme auf Grundmayr's Leriton ıc. in ben Art. Begräbniß und 
“ Erequien Folgendes fagen laflen: „Der Pfarrer verfanmelt die Schuls 
„jugend in der Kirche, alsdann geht er entweder allein ober mit meh⸗ 
„rern Griſtlichen in das Sterbehaus. Ein Kreuz, oder, wo es her 
„koͤmmlich iſt, mehrere Fahnen, werden vorgetragen, der Leichnam wird 
„Im Sarge nach vorhergegangenem Gebete aus den Pſalmen fuͤr die 
„Ruhe der Seele mit Weihwafſer beſprengt und mit Raͤucherwerk bes 
„raͤuchert unter den Gebetsformehr: - „Der Herr befprenge‘ did, mit 
„dem Thaue bed himmliſchen Segens, im Namen des Vaters ꝛc., 
„bee Herr gebe deiner Seele den himmlifhen Geruch ꝛc.““ Sodann 


6 


Verſtorbene. 615 


„wird der geſchloſſene Sarg mit einem ſchwarzen Tuche behangen und 
„auf den Kirchhof ſogleich oder erſt wieder in die Kirche getragen, wo 
„wieder aͤhnliche Ceremonien vorkommen. Vor der Einſenkung des 
„Sarges in die Gruft beſprengt der Prieſter dieſelbe wiederum mit 
„Weihwaſſer, betet den Pſfalm de profundis nebſt einigen kurzen Ge⸗ 
„beten; ſodann wird die Leiche eingeſenkt, der Prieſter wirft dreimat 
„Erde auf dieſelbe mit den Worten: „„Du haſt mich von der Erde 
„geſtaltet, du haft mich mit Fleiſch "überzogen, Erloͤſer, erwecke mic) 
„zur Auferſtehung!““ Wird das Begraͤbniß Vormittags gehalten, fo 
„wird dee Sarg an vielen Orten in die Kirche geflellt, und vor ber 
„„&infentung die Meſſe für die Verſtorbenen, auch wohl die Todten⸗ 
„tagezeiten oder Vigillien abgefungen. Näch diefem: wird die Leiche, 
„vote oben, beerdigt und abermal für den Verſtotbenen von allen An: 
„weſenden entweder Laut oder in bee Stille gebetet. Wo es gebräuch: 
„lich tft; haͤlt aucd der Pfarrer eine Leichenrede.“ a 
Oo) Proteſtantiſche Rirche. Da über die Art, Begräbniffe 
zu veranflalten in dee Schrift nicht® geboten: ift, ſohat Man auch die. 
darauf fich- beziehenden Gebräuche als ein Adiaphoron arigefehen, und 
deshalb nicht allgemein geltende Grundfäge aufgefteflt. Mur darin war 
man einig, daß die Begräbnißceremonien keinen Einfluß auf Vetſtor⸗ 
bene dußern, fondern nur auf Erbauung der Lebendigen berechnet 
ſeyn koͤnnten. Diefer Grundfag iſt darum auch: ein’ fcharfer Divers 
genzpunct der geſammten proteftantiichen Kirche‘ ""gegen® die roͤmiſch⸗ 
katholiſche Anfiht. Die Art und Weife der Wegräbniffe in ber pro: 
teſtantiſchen Kirche unterfcheibee ſich fhon einmal durch das fogenannte 
ſtille und oͤſſentliche Begraͤbniß. Jenes findet im firengen Sinne 
Statt, wenn nidjt mit Gloden geläutet wird, wenn Bein Leichenconduct, 
Seine Geſaͤnge, Leine Leichenpredigt oder auch Parentatton Statt finden, 
und wenn das Begraͤbniß vor Tage oder ſelbſt be Nachts vorgenomz 
men wird. Jedoch nennt man auch flilled Begräbnig zuweilen, wobel 
zwar im Rrauerhaufe und am Grabe gefungn wird, wo auch eine 
Art Leichenbegleitung gewoͤhnlich iſt, das Lauten aber, Leichenprebigten, 
Parentation und bergleichen wegfallen. Jedoch muß man zugeftchen, 
daß es nach der firengen Theorie nur Ausnahme von der Regel’ fei, dafl 
fie nur in groͤßern, volkreichern Städten, zur Zeit allgeimeln herrſchen⸗ 
ber Epidemien und unter andern befondern 'Merhilcniffen geftatter mer: 
den. Es muß daher auch häufig in kleinern Städten und- auf Der: 
fern um Dispenfation für das file Begraͤbniß nachgefucht werden, 
Auch haben fi) häufig in unfern Tagen tadelnde Stimmen über das 
Anerbauliche in der flilen Begraͤbnißfeier felbft, in größern Städten 
erhoben, und man hat diefem Uebelfiand dadurch einigermaßen zu be: 
gegnen gefucht, daB eine jährliche Todtenfeier ‘am testen Tage des 
Kirchen⸗ oder des bürgerfichen Jahres in Vorſchlag gebracht wurde, die 
auch :bereits in vielen deutfch> proteftantifchen Ländern geſetzlich einge: 
füyer ift, wie z. DB. in der preußiſchen Monarchie, in den hetzogl. 
fächfifchen Landen und vor einigen- Ichren auch im Koͤnigreiche? Sachfen. 
Das Öffentliche Begraͤbniß noch immer’ -Ablich in Beinen Städten und 
auf Dörfern macht fi bemerkbar durch wiederhottes Gtockengelaͤute, 
durch den Antheit, welchen Kicchen = "und Schuldiener daran nehmen, 
durch feirtliche Leichenbegleitung ud dergleechen. Sefang, Gebet und 











616 Verſtorbene. 


geiſtliche Rede vereinigen ſich hier gewöhnlich, um das Ganze feierlich 
und erbaulich zu machen. Um die verſchiedenen Abſtufungen dieſer 
oͤffentlichen Beerdigungsfeierlichkeit nachzuweiſen, darf man nur bie 
dabei üblichen Verrichtungen des Predigers als Maßſtab annehmen. 
Daher giebt es hier Beerdigungen mit Collecte und Gegen, wie z. B. 
bei Leichen von Kindern, die im zarten Alter flerben;z Begräbnifle | 
mit, Abdankungen var. dem Altave oder am Grabe (Parentationes), n 
wobei Name, Stand und Alter bes Verſtorbenen genannt und ges 
wöhnlih den Leichenbegleitern im Namen der Hinterlaſſenen gedankt 
wird; ſodann in ſolche mit Leichenpredige und Abdankung, wobei eine 
ordentliche Predigt. Über einen fchicktichen, oft von Verſtorbenen oder dei: 
fen Hinterlaſſenen angegebenen Text, und dann die Abdankung gehalten 
wird. Das Uebrige bei den Leichenbegängnifjen modificirt ſich auch bei 
den Lutheranern hoͤchſt verfchiedenartig, fo daB faft jedes kleine Dorf 
feine Eigenthümlichleiten behaupte. Mehrere Beſtrebungen unferer 
Zeitgenofien in diefer Beziehung verdienen alles Lob. Dahin „gehört 
das Bemühen, die Begräbnißorte freundlicher und finnvoller zu geſtal⸗ 
ten, und fie für die Erbauung wichtig zu mahen. Auch verfchtwindet 
der auf Abergiauben und Hochmuth gegründete Gebrauch, in Kirchen 
ſich begraben zu laſſen, immer mehr, indem ſelbſt von der Mits und 
Nachwelt gefeierte Souveraine es vorziehen, nach ihrem Tode auf bem 
gemeinſamen Gottesader in der Nähe des Verfiorbenen zu ruhen, bie 
fie regierten. Das neueſte Beiſpiel der Art ‚hat ber 1828 verſtorbene 
Großherzog, Karl Auguſt von Sachſen⸗Weimar⸗Eiſenach, gegeben. 
Bute Nachrichten über die Begräbnißgebräuche ber lutheriſchen Kirche 
in Schweden, ber Presbpterialliche in Schottland finden fih in 
Schuberts Kirhenverfaffung Schwedens (Greifswalde 1821) Zr Bo, 
p- 143 ff.,. und in Gembergs fchottifcher Nationalliche (Hamburg 
1828) p. 144 ff. Doch bat der Verfaffer die Anſicht Herrn Gembergẽ 
von dem Zweckmaͤßigen bes ſchottiſchen Begräbuigfeier nicht thellen koͤn⸗ 
nen, wie fie in feiner Schrift von p. 144 an befchrieden wird. Sie 
ift zu nüchtern ‚und zu wenig religioͤs, als daß fie erbaulich einwirken 
koͤnnte. Aehnliches läßt fich von dem Formularzwange ber Heben 
bifhöflihen Kirche bei bes Beerdigungsliturgie behaupten. Einige 
eine Parteien der proteflantifhen Kirche machen jedoch, was das 
Zweckmaͤbige ber Begräbniffeisclichkeit betrifft, eine ruͤhmliche Aus⸗ 
nahme. —** gehört befonders die Bruͤdergemeinde, wovon wir nur 
bie ſchoͤne Idee ausheben, die das chriſtliche Alterthum pflegte: Der 
Tod fei als Uebergang zum hoͤhern Leben mehr als ein freudiges 
Ereigniß anzuſehen, weshalb auch die Leichen mit erhebenden Geſan⸗ 
gen und mit Muſit begleitet werden. Eine fogenanate Trauer ‚findet 
hie Start. Liturgie und Ceremoniel ift bei Armen und Reichen | 
gleih, um fombolifh- die Gleichheit im Tode abzubilden. - Ale ſoge⸗ 
nannten Stolgebühren find dabei abgeſchafft. Reicht das Vermoͤgen 
‚eines Verflochenen zum einfachen und. anftäudigen Begraͤbniſſe wicht 
zu, fo beſtreitet die Armencaffe den nöthigen Aufwand. Dem Leichen: 
reden vor dem Begräbniffe werben bie Perfonalien bes Entſchlafenen 
‚beigefügt, bie: befonders erbaulich im Geiſte diefee Gemeinde find, in- 
bem fie vorzüglid bie. Erweckung, Geelenführung, Beſtehen und Bart 
gang in ber Gnade bes Vollendeten bemerklich machen. Die. Begraͤb⸗ 





- Verſtorbene. 617 


nißprte werben in ben Bruͤdergemeinden fehe veinlich und orbentlich 
gehalten. . Sie find wie Gärten eingerichtet und dienen zu angenehmen 
Spaztergängen. Die Gräber find in gerader Linie einander gleich, wie 
Gartenbeete gemacht und mit Gteinen von gleicher Größe belegt, wor⸗ 
-auf dee Name bes Verſtorbenen, fein Geburts und Sterbetag vers 
zeichnet iſt. Vergl. Schulze von ber Entfiehung und Einrichtung ber 
evangeliichen Wrüdergemeinde (Gotha 1822) p. 161 ff. Ueberhaupt 
wenn man unfre Zeit mie bem chriftlidhen Alterthume vergleicht, wird 
man geſtehen müflen, daß fich theils noch ſehr viel aus der aͤlteſten 
Begräbniffitte unter uns erhalten hat, theild daß auch bier ein Fort⸗ 
fhreiten zum Beſſern, namentlich In der proteſtantiſchen Kirche, nicht 
zu verkennen iſt. 








4. 
Wallfahrten. 
Sacrae peregrinationes. 


- 1. Einleitende Bemerkungen. II. Bon Wallfahrten, 
die in der Schrift vorkommen. I. Die Wallfabrten 
. vor und außer der chriſtlichen Kichh IV. Begriff, 
Urſprung und Rortgang der chriftlichen Wallfahrten. 
V. Urtheile der berühmteiten Kirchenlehrer des 4. und 5, 
Sahrhunderts über dieſelben. VI Geſchichte der Wall⸗ 
fahrten vom 6—11. Jahrhundert. VIL Die Wallfahr- 
ten feit den Kreuzzuͤgen. VIII. Verzeichniß der verfchie= 
‚denen Wallfahrtöorte bis zum Zeitalter der Reformation. 
IX. Wie die Neformatoren von den Wallfahrten urtheil- 
ten, und welches Schiefal diefelben in der .neuern Zeit 
gehabt haben, 


Literatur. Römifch = Batholifche Rirche. Jonae 

Aurelianens. de’usu imaginum et peregrinationum contra Claudiunm 
Taurin. lib. III. In Bibliothec. petrum edit. Colon. Tom. IX, — 
Bellarmin de cultu sanctor. Tom. Ill. oper. — J. Gretseri de sa- 
cris et religiosis peregrinationibus libr. 4. Sin fein. Oper. Tom. 4. 
P. 2%. p. 1— 180 (Regensb. 1734. Fol). — N, Serarii saeri pe- 
ripatetici s. libri 2. de saoris eccles. cathol. processionibus. Töln 
1607. 8. — N. Sanderi auctarjolum ad Serarium Gretserumque de 
ritu oathol, precessionum. Cöln 1640. & — Jo. Stalenü Peregri- 
nus ad loca sancte orthodoxus et pius demonstratus, sive vindiciae 
sacrar. peregrinationum. Colon. ‘1649. — Th. Mariae Mamachi 
Antiquitt, christian. Tom. H. Do peregrinatione veterum Christia- 
nor. in Palaostinem p. 27 eto. — Pet, Lazeri disq. de sacra vete- 
zum christianor. Romana peregrinatione., Romae 1774. 

Droteftantifhe Rirche. Pt. Molinei tract. de peregri- 

wationibus superstitiosis. An feiner Ausg. v. Gregorii Nyss. epist, 
de euntib. Jerosel, (Hannov. 1607. 8.) p- 85—61. — J. H. Hei- 
degger Dissertat, de peregrinatt. relig. in speoie Hierosolymitana, 


Wallfahrten. | 615 


Romana Coömpostellensi, Laurentana et Eremitena Helreticor. 
Tiguri 1670. 8. — Gib. Voetii diss. de peregrinationib. eompostel- 
lanis, hab. a. 1656. In fein. Disputatt. select. theol, P. 8. p. 
987 seqq. (Ut. 1659. 4.) — Meh. Förtsch exerc. hist.-theol. de 
peregrinat. religiosis judaico -ethnico pontificiis. Jenae 1705. — 
Theophilandri Nachricht von dem Mariendienft und Wallfahrten zu den 
Marienbildern, wie auch von ber Marienmilh in der röm. Kirche v. 
3.1724. 4. — H. Benzelii exerc. de peregrinationib. religiosis, 
scripta a. 1724. In fein. Syntagma dissertatt. P. 1. p. 51—83. 
(Frkf. und Leipz. 1745. 4) — Ueber den erſten Urfprung der Feſte, 
Kaften und Bittgänge in der kathol. Kiche. München 1804. 8. — 

Sonſt vergl. auch Fabrieii Bibliographia antiqnaria ed. Schaffshausen 
p. 680 segg. ’ 

I) EZinleitende Bemertungen, — a) betreffend 
den Umftand, daß im Ganzen genommen die Beat: 
beiter der chriftlich - Firhliden ArchaͤOologie die 
Wallfahrten wenig berüdfihtigt haben. ngham 
3. B. in feinem fonfl fo veichhattigen Werke erwähnt ihrer nur kurz 
und vorübergehend Tom. IX. p. 162. Desgleichen Schöne in feinen Ge⸗ 
ſchichtsforſchungen und Rheinwald im feiner kirchlichen Archaͤologie m. a. 
Nur Augufti und Binterim behandeln in ihren bekannten Werken bie 
Wallfahrten mit größerer Ausflhrlichkeie Und dieß gewiß auch mie 
altem Rechte. Denn fieht man dabei auf das Alter, fo wird baffelde 
Niemand beftreiten innen, und man wird einräumen miüffen, daß ber 
Urfprung der chriſtlichen Wallfahrten in ein frühes Zeitalter falle, da 
einige fo berühmte Kirchenlehrer des 4. und 5. Jahrhunderts, wie 
Gregorius von Nyſſa, Hieronymus und Chryſoſtomus waren, fich vers 
anlage fahen, als Gegner der damit verbundenen Mißbraͤuche öffentlich 
aufzutreten. Wozu noch der Umſtand kommt, baß das felt dem 6ten 
Sahrhundert beſtehende Walfahrtögefeg der Muhamedaner, wenn auch 
nicht aus dem Chriftenthume berüber genommen, doch ein mit der 
heiftlichen Wallfahrtsſitte verwandte Inſtitut iſt, und daß befonders 
im 11. und 12. Jahrhundert zwifchen beiden ein befonderer, ben ganzen 
Drient und Oecident in Bewegung fegender und erfhätternder Gonfitet 
entftand. Schon die Verbindungen. alfe, worin die chriftlichen Walls 
fahrten mie den Kreuzzügen fliehen; muß ald die urfprhngliche Urſache 
und Veranlaffung der letztern den erſtern eine beſondere Wichtigkeit 
geben und ihnen eine nicht unbedeutende Stelle in ber chriſtlichen 
Archäologe verfhaffen. — Uber auch abgefehen vom: Altes und den 
fo eben bemerften Folgen und dem nähern Bufannnenhange- diefer welt⸗ 
hiſtoriſchen Begebenheit Haben die in der chriſtlichen Kirche gebraͤuchll⸗ 
hen Wallfahrten noch ein befonderes Intereffe ale eine Anſtalt, wor⸗ 
aus man den Geiſt und die Denkart ber frühern Jehrhunderte näher 
kennen und beurtheilen lernt. Auch blos als Zeugniſſe des Abrrglau⸗ 
bens’ find "fie, dee Aufmetkſamkeit nicht umwerth, und als inte 
unmichtiger Beitrag zur menfchlichen Kulturgefchichte zu betrachten. — 
Eine andere einleitende Bemerkung mögen " at 

b) die Schriften und befondern Monographien 
‚bilden, bie ‚über diefen Gegenſtand in des roͤmiſchen und in ber 
proteftantifchen Kirche vorhanden find, und bie wie oben amgefahtt 





28 Wallfahrten. 


haben. Wenn es itgend wo wahr iſt: Pegeatur intra et. extra, fo 
in es gewiß bier. Gretſer nach ſeiner bekannten übertreibenden Manier, 
ſobald es des Ehre feiner Kirche gilt, ſieht in den MWallfohuten bie 
wahre chriſtliche Vollkammenheit; denn ihre Kreunde achteten ſelbſt 
Mühfeligkeiten und Gefahren nicht, um der Heiligkeit und Seligkeit 
gottgeweihter Dexter theilhaftig zu werden. Andere ähnliche Schriften 

dee zömifchen Kirche nehmen offenbare Bemeile von Aberglauben und 
Vorurtheil in Schutz und vertheibigen das unverfennbarlie Opus ope- 
retam. Bon protellantifher Seite fiebt man oft nur Mißbraͤuche und 
Zerrbilder, und die Offenbarung eines religiöfen Sinnes wird liebloß vera 
kannt. Man wird ſich von der Wahrheit des Geſagten bald uͤberzeugen 
innen, wenn man Gretſer mit Heidegger J. 1. p. 2—5 vergleicht. 

Noch weniger darf man hier bei den Dogmatitern und Polemi— 
Kern beider Kirchen Unparteilichkeit ſuchen. Nah Beallarmin de cultu 
Sanctor. l. 1IL c. 8, find die Wallfahrten aus einem dreifachen Ge⸗ 
Baespu cte zu erapfehlen. Primo oedunt in honorem Dei et Sancto- 
zum non meldioerem.. East enii; manifestum siguum, Deum et 
Sanctos a sobis magni heri, cum laborem et pericula itinerum sponte 
auseigimus et Sanctorum reliquias invisimum. Sequndo est opus poe- 
nitontiag et satisfactionis, quia Jaboriosum et poenale. Tertio auget 
derosionem. Nam praesentia gapoti loci vix diei potest, quantums 
incutiat horrorem, quantum exeitet reverentiam, et lioet ubique sint 
aliqua loca seancta, kamen naepe alieubi sunt loca sanotiora, ad 
guae utile est ‚Deregringei; vel si non aunt sangtiora, sunt tamen 
alia ab his, quae in nostea patzis inveniuntur, «et ipea novitas 
jnvat ad excitandam devotionem. 

Dagegen nun beißt es bei Jo. Gerhard. Loo. theol. Tom. XV, 
Pu: 156, . Pentificias. pexegrinatjungs opinions singularis cultus 
ankisfaptionig et. meriti ad sepulera et loot Sanatorum susceptas toto 
portone sopudismng Die weiter entwidelten Verwerfungsgruͤnde findet 
mon p. 18748. , Es werden. verſchiedene Zeugniſſe von den. Miß⸗ 
bränen der Wallfahrten ans dem 12ten, 140en umd 15. Jahrhundert 
geführt ,; worunter Da6 aus Eraami Colloq. (unter der Rubrik Pere- 
grinetio religionis argo p. 27,) unſtraitig das ſtaͤrkſte und beißendſte ift. 
Dieß Gefpräch zwiſchen Arnoldus und Gorselius lautet fo: Arneldus: 
Ubi: gemdin peregrinstus es? Cornelius: Ab Hieroselymis adsum 
tibi. A. Estne: illio, quod; tu puteg apectatu dignum? C. Ut in- 
geons, fateos tibi, mibil. Ostenduntur quasdam monumenta ve- 
tsta-quorum : mahi · nihil non videhatur commentitium ot exongt- 
tetum ‚ad. allinienden- simpliars et credulos, ‚imo nee hee arbitrer 
' iHien ‚neire, quo looo site ‚fuerit .olim Narren A. Quid igitur 
vidistit. GC. Magsam. uhique. barhariem,.. A, Nihilo.sanetior redis? 
6. : Ime: mnltäs partbns. detesior, A. Nummatipr ergo? C. Ime 
nudier Kebeeide. A,,Asnon ‚pomitit igitue ka Janginduae..pere- 
animetisnis: frustre gunseptan?- ( Neo pudet,: quia Jam’ multos ha- 
beo ainititiae mıcan. sndaies, gain frustre jam sit ‚poenitere. Mau 
ſieht alfo, daß beiberle Quellen vorſichtig gu benugen find, und nur 
done; wenn das. Alirchlich⸗ Archaͤelogiſche bei den Wallfahrten gehörig 
ren iR, wird ſich ein gerechte Urtheil daruͤber ausſprechen laſſen 

Mir machen den Anfang damit, wenn: wir betrachten 





KVallfahrten. | Bo} 


ID Die in der heiligen Schrift vorkommenden 
Wallfahrten. — Man kann die Behauptung. zugeben über 
leugnen, daß in ber Heiligen Schrift Wallfahrken erwähnt werden, fe 
nachdem man das Wort im Allgemeinen oder kirchlich⸗katholiſchen 
&inne nimmt, wie wir e® bald weiter unten beſtimmen werden. Ver⸗ 
ſteht man unter Wallfahrten Reifen, die, um religioſe Erbauang zu 
federn, nach gewifſen geſetzllchen Vorſchttften und am beſtimmten 
Feſten unternommen wurden, ſo giebt es allerdings nach dem Zeug 
des A. und N. T. Waulfahrten. Es gehoͤren dann dahin die im 
mofatfchen Gefege 2 B. Mof. 23, 14—17. 84, 35. 6 B. Bol. 
16, 16. vorgefchriebenen und allen Iſraeliten maͤnnlichen Geſchleches 
zur Pflicht gemadten Tempelrelſen. Auch kann das Pfalm42, 5. mb 
Jeſ. 38, 15. gebrauchte hebraͤiſche Zeitwwort rrry «den ſowohl von dem 
feierlichen Aufzuge einer giäubigen Menge ale von deinem eingelnen 
zum Heiligthume pilgernden Ifraellten gebracht werben. " 

Man kan zugeben (vergl..de Wette ad h. 1.), daß ber Dichter 
am feitrliche, mit Geſang verbundene Watlfahrten gedücht: habe, und 
dennoch findet keine Aehnlichkeit detſelben mit den Wallfühtten ber 
roͤmiſch⸗katholiſchen Kirche Statt. Denn 1) ift nicht von efnent-außeee 
ordentlichen Gottesdienſte, fondern von dem regelmäßigen Beſuche des 
einzigen, für die ganze Nation beſtimmten Heiligthums, wobei Teine 
Auswahl des Orts und der Zeit Statt finden kann, die Rebe. Es i 
der ordentliche Gottesdienft für diejenigen Iſraeliten, welche nicht fo 
gluͤcklich ſind an dem. Orte des Nationalheiligthums zu wohnen, 
2) Die Pilgerreifen gefchahen nicht ex’ vote, fondern ex präetepte, 
Man könnte alſo nur die ehemals gebräuchlichen, als Büße auferleg> 
ten Wallfahrten damit vergleichen, was body aus dem Grunde niit 
thunlich iſt, weil diefe Pilgerreifen ſtets als ettdas MWohlihätiges und 
Erfreuliches, ats ein Vorrecht der feommen Sfraeliten, hie aber ‚ats 
eine Buͤßung oder Strafe angefeben werden. Auch fcheint die Bemer⸗ 
kung aus Walchs Einleitung in die Religiensftreitigkeiten ıd Ar TH. 
p- 264 f. hierher zu gehören, wo er fagt, „An ſolchen yäpflifchen 
„Wahbfahrten iſt gar viel aussufegen, ja man muß das ganze Werk 
„als etwas abergläubifches ‚und abgöttifhes verwerfen. Sieht man’ die 
„Sache feibft an, ohne Rüdficht auf die Umftände an fih, die bei ben 
„roͤmiſchen Wallfahrten anzutreffen find, fo werben bie WBallfahrten In 
„Heiliger Schrift weder gelobt noch befohlen, Und obwoht an dem, ba 
„de Juden jaͤhrlich dreimal nach Serufalem gehen mußten, fo hat es 
„doch mit dens Sottesdienfte im A. T. eine gang andere Bewandnij, 
„als im N. Denn dorten konnte man nirgends anders ald im Tempil 
„zu Jeruſalem opfern; bier aber ift man an feinen Ort gebunden, und 
„die wahren Anbeter im N. T. follen ſich weder an Serufalem noch 
„an den Berg Garizin kehren. Joh. 4, 21.7 Bu 

Wenn im R. 8. von Chriſtus und ben Apoſteln gemeldet mir, 
daß fie zu den drei juͤdiſchen Feſten nach Jeruſalem geteift wären, ober 
doch den Vorſatz dazu gehabt hätten, ſo iſt dieß weiter nichts dis bie 
‚Erfüllung aller GerehrigPeit (Dt. 3, 15. növan dexas- 
svrny nimpüsaı, b. 5. allen Forderungen des Geſetzes Genuͤge leiſten). 
&s tank aber daraus feine b vudere Anſtalt für dat Chriſtenthum 
‚hergeleitet werden. Dieß giit Aid von der Reife des Apoſtels Paulus 


- 











[:- WBalfahrten. 


Act, 0, 16., die man oft als ein Vorbild ber Wallſahrten im N. T. 
‘hat anfehen wollen. Allein fchon frühere Kicchenväter haben diefe Bes 
bauptung zuruͤckgewieſen. — Wie wenig man auch aus ben Stellen 
‚des U. und N. T., wo von dem Beſuche ber Gräber frommer Per 
fonen die Rebe. if, ein Vorbild für Wallfahrten ex voto ableiten könne, 
ziſt gut gezeigt von Augufli 1. & p. 66-68, und es wird ſich auch 
‚weiter unten aus dem Begriffe ergeben, welchen bie römifche Kirche mit 
ben Wallfahrten verbindet. ' \ 

Erwägt man nun das jetzt Sefagte noch einmal, fo wird man 

das -Ergebniß gewinnen, daß fih im A. und R. X. kein Analogon 
‚von Walffahrten findet, wie fie in der vömifchen Kirche üblich gewors 
‚ben und in ihe beſonders gepriefen worden find. 
-  - UD.Die Wallfabrten vor und außer der dhrift: 
Jiben Rirche. — Die Gefchichte ehrt, daß die meiflen alten 
Völker und Religionen peregrinationes saeras haben. Man barf ſich 
daher nicht fo fehe über das Daſeyn derfelben unter ben Chriften wun> 
dern,. da: man einen Consensus gentilium dafür anführen kann. Zu 
‚geichweigen,, daß Griechen, Römer und noch ditere Völker ungeachtet 
des, In. der Natur des Polptheismus liegenden Particulariemus den⸗ 
noch eine Art von Univerfalismus in dem Glauben an bie vorzügliche 
Heiligkeit gewiſſer Drte und an bie nähere, an Lolalbedingungen ge- 
Enüpfte Gegenwart und Hülfe der Götter hatten, kommen bier befon= 
ders die Orakelgeſtalten des, heidnifchen Alterthums in Betrachtung. 
Sie haben die meiſte Aehnlichkeit mit den MWallfahrten und ihr reli⸗ 
‚giöfer und politifcher Einflug mar nicht geringer, als die Pilgerreifen 
- der Chriften nach Jeruſalem, Rom, Loretto u. f. w., oder bie Walls 
‚fahrten der Muhamedaner nad) Mecca und Medina, 

Wir heben für unfern Zweck nur. etwas über diefe rellgisfen In⸗ 
ftitute des vorchtiſtlichen Alterthums aus und. verweilen auf folgende 
zum Theil ſehr intereffante Schriften darüber: A. van Dale de ora- 
‚oulis gentilium. J. Ch. Landgraf de orao. Gentilium Exere. I. 1. 
.1688. — Peter Eckermann de principio et fonte oraculor, Upsala 
4174. — Anacharſis bes Tüngern Reife nach Geiechenfand, von Bar: 
thelemy. Ueberfegt. von Bieſter Thl. 2, p. 360 ff. — Fr. Creuzers 
Symbolik und Mythologie im Auszuge von Mofer. 1822, p. 61 ff. — 
Beſonders eine neuere Schrift von Ciuvist: Memoires sur les oraclen 
des ansiens. Paris 1819. 

Orakel nenne man ſowohl bie Götterfprüche, weiche ben Anfra⸗ 
‚genden angeblih durch begeifterte Perfonen, wie auch die Dxte,. an 
welchen diefe Ausfprüche unter befondern Vorbereitungen und Gebräus 
‚en ertheilt wurden. Die Entflehung und Befchaffenheit ber Orakel 
zu beſtimmen, fehlt es ganz an. unpartheiifchen Nachrichten des Alters 
thums, Die aͤgyptiſchen Orakel entflanden in folchen Beiten, bis zu 
‚welchen nicht. einmal Meberlieferungen, viel weniger hiſtoriſche Denk⸗ 
maͤler hinaufreichen. Das ältefle war zu Merse, dem. ber Zeit nad) 
bad zu Theben und Ammonium folgten, an welchen Deten ber Dienft 
des Jupiter Ammon herrſchend war. Die Beſchaffenheit diefer Orakel 
koͤnnten wir aus einem Abkoͤmmlinge des legten, dem Drake ‚zu 
Dobona, dem aͤlteſten in Griechenland; vielleicht mis größerer. Sicher⸗ 
‚beit fließen, wenn dieſes Drafet. nis ein. Gemiich. ans Pelasgiſchem 





Wallfahrten. 623 


und Aegyptiſchem geworben wäre, . Won demſelben After war vielleicht 
208 Drakel in Boͤotien, welches zuerſt der Gaͤa, dann ber Themis 
angehört hatte, und nachher an ben Apollo. kam. — Gpäter bilbete 
fih das Orakel zu Delphi aus, weiches theils wegen feiner guͤnſtigen 
Lage, theils wegen feiner Verbindung mit dem Amphyctionengerichte 
zu Pylaͤ das widtigfte von allen wurde. Außerdem hatte: Zeus zu 
Elis, zu Pifa und auf Kreta, ‚Apollo aber zu Delos, Milet, Klaros 
unweit Kolophon und an andern Orten Orakel. Naͤchſt dieſem fanden 
in Griechenland in großem Anfehen das Drakel des Trophonius zu 
Lebadiag in Boͤotien und dad des Amphiaraus zu Ürtopuß. auf, Der 
Grenze zwifchen Attila und Boͤotien. Here hatte eins im korinthiſchen 
Gebiete u. f. :w. u 
Die Römer. hatten, wenn. man bie Albunen, die cumenifche 
Sibyllg, die ſibylliniſchen Bücher, daB Orakel des Faunus und ber 
Kortuna zu Praͤneſte abrechnet, welche fämmtlich. in bie aͤlteſte Zeit 
gehören und nachher verſhollen, Leine einheimifchen Dralel, ſondern 
nahmen ihre Zuflucht zu denen in Griechenland und Aegypten. Bes 
gen Gründung von Städten und Colonien, Cinführung neuer Wer 
faſſungen, wichtiger Unternehmungen im Kriege und Frieden, befonders 
aber in allen großen Noͤthen, wendete man ſich, mit Geſchenken reich⸗ 
li verfeben, an die Orakel, derem Vorſteher eben fo vieler Klugheit 
als Behutſamkeit bedurften, um fich nicht bioßzuflellen. Dunkelheit 
und Zweideutigleit war ein gewoͤhnliches Auskunftsmittel. Dennoch 
famen zuweilen Widerfprüche vor. Trotz bderfelben aber und der bekannt 
gewordenen Beſtechungen behaupteten fi die Orakel lange in ihrem 
Anfehen und ſanken erſt nach dem Verluſte der Freiheit und Unabhänsı 
gigkeit Griechenlands, Unter ber Negierung bes Theodofius wurden die 
Tewpel des weiſſagenden Gätter zerſtoͤrt oder verſchloſſen. Dale und 
Andere glauben das ganze Dralelmefen duch einen auf Volkswahn 
gegründeten Priefterbetrug erklären zu können; allein biefer reicht ‚nicht 
bin, um zu zeigen, wie die weiſeſten Männer eines gebildeten Voliks 
Sahrhunderte lang Orakel annehmen und heilig halten konnten. Kin 
meuerer Gelehrter, Paffavent, in feiner Schrift Uber den Magnetismus, 
will das Orakelweſen aus den Erfheinungen des Schlafwachens und 
Hellſehens buch mancherlei Einfluffe erklären. Er unterfcheidet auch 
die frühern ächten und die Ipdtern doppelſinnigen verfälfchten Orakel. 
Dahin neigt fih. auch Eluvier in feiner Schrift. Allein: fobald die 
Wirkungen des Magnetismus und des Zuflandes, Hellfehen genanng, 
wiche mehr aufgeflärt iſt, dürfte doch diefe Hypotheſe noch nicht bin: 
reichend fepn. . ' De 
Arber Griechenland und Rom finden mir befonders in Perfſien 
and Indien eine Menge heiliger Berge, Haine, Quellen, Gräber, 
Pagoden, Tempel u. |. w., wohin man pilgert und wo man mit 
wehr Erhörung beten zu koͤnnen glaubt. Der Urberg Alborbi in Per 
fin, und der heilige Berg Meru in Indien waren als die vorzäglide 
ſten Helligchämer berühmt. - Vergl. Tadernier's Meifebefchreibung nad 
Derfien und Indien. Deutſche Leberfegung Thl. 1. p. 27. Thl. 2. 
>. 76ff. — Guthrie's und Grey's allgem. Weltgeſchichte. ‚Ueberfeg. 
bi. 22. p. 550: ff, Thl. 24. p. 854 ff. — Auch in dan neurflen 
Reiſebeſchreibungen van dieſen Landen findet man Beſchreibungen ſolcher 





621 Woalffahrten. 


Pilgerimgen, und zwar werden bier Orte etwuͤhnt, bie man in aͤltern 
Werken nirgends genannt findet. Dieſe Sitte findet man auch im 
China und Japan, und bei den Chineſen wird es fudern Rechtglaͤubb⸗ 
gen zur Religionspflicht gemacht, wenigfiens einmal in feinem: Reben 
ben heiligen Wallfahrtsort Hinto entweder in Perfon oder dur Stelle 
verttetee zu befuchen. ' 

Unter allen Völkern des Alterthums aber haben die Araber das 
volkommenfte Wallfahrtsinſtitut. Man tert, wenn man den Muhamed 
für den Urheber deſſelben bil. Schon lauge var Muhamed gab es 
in Arabien heilige Drte, an. welchen fi bie Andaͤchtigen ans ben ent⸗ 
feenteften Gegenden verfammelten. Das der - Obhut ber Koraffchiten 
anvertraute heilige Haus, ober die Kaaba zu Mecca, ber ſchwarze umd 
weiße Sxein, der Brunnen Zemzem, die Berge Sofa, Merva und 
Arafat, das Thal Dina, die Gräber Ibrahime, Iſmaels u. a. heilige 
Drte waren Jahrhunderte vor Muhamed Natiorial s Heiltgthlumer, und 
ed waren ſchon von ben Alteften Zeiten gewiſſe Tage um Donate, fo 
wie gereiffe Regeln und Ceremonin, Kleidung, Ballen, Waſchen, 
Opfer u. ſ. w. für die Pilger feſtgeſezſt. | 

Was. num die von Muhamed new organiſirten und gu einem 
wichtigen Theil der Religionsaͤbung erhobenen Watfahrten betrifft, fo 
wirde eine ausführliche Befchteibung diefes Ritus zu weit führen. . 
Mir verweiſen daher diejenigen, welche nähere Auskunft daruͤber wuͤn⸗ 
ſchen, auf einige allgemeinere und’ fpocheflere Schriften. Außer was bie 
arabifchen, Interpreten des Koran darüber berichten, findet man autheite 
tifche Nachrichten in Andr. Relaud. de relig. Muhamed, libri duo. 


Bait. 2, Traj. 1717. p. 118 segge — Sim, Ockley histoire de 


Sarasins. Trad. de l’Anglais par Jault. Par. 1748. (deutfh v. Th. 
Arnold.) — Boulainvilliere vie de Mahomed .eto. p. 84 sogg,. — 
J. Gagnier la vie de Muhamed traduite et eompilce.de PAleoran, 
des traditions authentiques de la Sonne et des meilleurs auteurs 
Arabes. Par. 2. Vol. p. 258 (deutſch von Better. Göthen 1802). 
-— Chardin voyage de Perse Tom. II. p. 440 seqyu. — Muradgea 
D’Ohfen’s Schilderung des ottomanifhen Reiche. Ueberſ. von Beck 
Thl. 2, p- 32 ff. — Speeiellere Schriften finb de peregrinatione 
Meccana und Galland: Recueil des rits et des eörcmenies de Pele- 
zinages de la Meeque, Amsterd. 1754. (Auch ins Deutfche uͤber⸗ 
fegt.) Das neuefte Schickſal Mecca’s und Mebina’s betteffenb vergl. 
Burkhurde’s Travels in Arabia oto. London 1829. 

IV) Begriff, Urfprung und Sortgang der ri 
Tihen Wallfahrten. — Wallfahrten unterfcheiden fi) dadurch 
von Proceifionen (f. d. Art), Haß fie Wanderungen, Reis 
fen nad einem entfernten heiligen Orte find, wo 
fi wunbdertbätige Marten = oder Heiligenbilder, 
oder auch wunderthaͤtige Reliquien befinden follen, 
in der Abſicht unternommen, um von Bott durch 
die Särbitten diefer Heiligen und durch die Dereb- 
zung folder Reliquien befondere Gnaden und 
MWohlthaten zu empfangen. Schon aus diefer Beſtimmung 
evgiebt ſich, wie wenig die Walfahrtn im Sinne der roͤmiſch⸗ katho⸗ 
liſchen Kitche mit den Im A. und N. T. emwähntn Feſtreiſen zu 


- 








— — — kn 


Baltfaheten. 635 


vergleichen find. Die richtigſte Ableitung bes deutſchen Wortes Wall: 
fahrten ift von wallen, wandeln, procedere, daher das Wort 
Waldruder, Waller, d. i. Pilger. Baronius, Bellarmin, Gretſer 
nehmen an, daß die Wallfahrten ſchon ſeit dem Anfange der chriſtli⸗ 
chen Kirche gewoͤhnlich waren. Allein an ſichern Geſchichtszeugniſſen von 
einer nach Palaͤſtina unternommenen Wallfahrt in den beiden erſten 
Jahrhunderten der chriſtlichen Zeitrechnung fehlt es ganz. Und fuͤr 
dieſe Unterlaſſung ſind wir berechtigt als Grund anzunehmen, theils 
die Verfolgungen, theils die vom juͤdiſchen Partikularismus befreite, 
kosmopolitiſche Denkart ber CEhriſten. Indeß wenn auch nicht 
unverwerfliche hiſtoriſche Zeugniſſe hier angeführt werben koͤnnen, fo iſt 
dieß doch an ſich nicht unwahrſcheinlich. Erwaͤgt man nur ben einzigen 
Umftand, daß man bereits in diefer Zeitperiode das Märtyrerthum ehrte 
und oft gefliffentlich fuchte, follte da Niemand auf den Gedanken ge: 
fommen En. ducch eine gefahrvolle, beſchwerliche Reiſe ſich ähnliche 
Verdienfte, wie die Märtyrer zu erwerben? Damit würde eine Stelle 
des Hieronym. Ep. XVII. ad Marcellam übereinflimmen, wo es heißt: 
„daß von der Himmelfahrt Chrifti an bis auf den 
„beutigen Tag fo viele fromme Biſchoͤfe, Märtyrer und gelchrte 
„and berühmte Männer nad Jeruſalem gelommen wären, in der 
„Ueberzeugung, daß ihre Gottesfurcht und Zugend erfl dann vollendet 
„würde, wenn fie Chriſtum an den Orten angebetet hätten, wo zuerſt 
„das Evangelium von dem verachteten Kreuze berabglänzte.”” — Gef 
es nun auch, daß dieſe Stelle, befonders in ihrer mweitern Sortfegung, 
zu rhetoriſch und declamatoriſch if und daß Hieronymus fehr oft auf 
Snconfequenzen und Widerfprüchen betroffen wird, und zwar ſelbſt in’ 
Beziehung auf bie Wallfahıten, bie er bald lobt, bald tabeltz fo vers. 
dient er: doch gewoͤhnlich im Geſchichtlichen Glauben und ſeine Worte 
ab adscensu Domini usque ad praesentem diem koͤnnten ſich doch 
wohl auf gefchichtlihe Thatſachen gründen. | 

Aber auch über das erſte, gefchichtlich bocumentirte Wallfahrtsbei⸗ 
fpiel find die Meinungen verfchleden. Die dahin gehörige, Erzählung, 
des Eufebius hist. ecoles. 1. VI. e. XI. giebt von der Sache folgens 
den Bericht: „Da Indeffen der Biſchof Narciffus von Serufalem fels 
„nes hohen Alters wegen nidht mehr im Stande war, fein Amt zu 
„verwalten, fo berief die göttliche WVorfehung den Alerander, der bef 
„einer andern Gemeinde Biſchof war, durch eine Offenbarung, die ee 
„des Nachts in einem Geſichte hatte, das Bisthum gemeinſchaftlich 
„mit dem Narciſſus zu verwalten. Diefee Offenbarung als eimt 
„göttlichen zufolge, trat er von Kappadocien, wo er vorher Biſchof mar, 
„eine Reife nach Jeruſalem an, theils um fein Geber da zu verrichten, 
„theils um die Heiligen Orte kennen zu lernen, und die dortigen Brüs 
„der nahmen ihn auf das Freundfchaftlichſte auf und erlaubten ihm 
„ebenfalls nach einer göttlichen Offenbarung nicht wieder Nach Hauſe 
„zu teiſen.“ — Gegen dieſe Erzählung bat man nun elngewendet, 
daß fie nicht als eine Wallfahrt koͤnne betrachtet wetden, Indem fie 
nicht aus freiem Antriebe, ſondern nach einer goͤttlichen Offendarung 
und auch nicht in Folge eines Geluͤbdes geſchehen ſei. | 
Weniger Ausftellungen diefer Art laſſen ſich gegen das zweite be: 
ruͤhmte und gewoͤhnlich allein angeführte Beiſpiel, die Wallfahrt der 








626 Wallfahrten. 


Helena, Mutter Kaiſer Conſtantins des Großen, machen. Aber auch 
hierbei iſt zu erinnern, man duͤrfe beshalb' nicht annehmen, daß in ber 
Zwiſchenzeit keine Wallfahrten Statt gefunden haͤtten. Die Alten ha⸗ 
ben ſich damit begnuͤgt, blos die merkwuͤrdigen Faͤlle und die Beiſpiele 
beruͤhmter Perſonen anzufuͤhren. Dieß iſt gut gezeigt von Binterim 
Ar Bd. ir Thl. p. 628 ff. Da nun auch Conſtantin der Große die 
Neigung ſeiner Mutter zu Wallfahrten und. Reliquien thaͤtig unters 
ftügte, fo ward das Beiſpiel beider eine aroße Aufforderung zur Nach⸗ 
ahmung für ihre Zeitgenoffen und Nachkommen und die Meinung von 
der Erbaulichkeit und Verdienſtlichkeit ſolcher Andachtsuͤbungen erhielt 
immer mehr Beifall. Bon der Zeit an, wo die Verfolgungen aufge: 
hört hatten, und die Wege nach dem gelobten Lande geöffnet waren, 
und wo vom chriftlichen Throne herab ein fo glänzendes Beiſpiel der 
Andacht gegeben wurde, fehen wir felbft aus den entfernteflen Provin= 
zen bes Reichs ganze Schaaren begeifterter Pilger nach dem erften 
Schauplage der Thaten, Wunder und Leiden unfers Herrn und feiner 
Sünger wandern. Die Sehnſucht dahin muß fchon laͤngſt In den 
Gemuͤthern gelegen und nur auf den, günftigen Augenblick gewartet 
haben, wo fie ohne Gefahr der perfönlichen Sicherheit und des Lebens 
ungebindert befriedigt werden Eonnte. Ä 

Unter den zahlreihen Wallfahrten des 4. Jahrhunderts verdient 
die Pilgerreife der vornehmen, reichen und frommen Römerin Paula 
aus dem Grunde eine befondere Erwähnung, weil ihe Biograph und 
Lobrebner Hieronymus, der fonft fo ſtark wider diefe Sitte declamirte, 
- eben bei ihr eine Ausnahme macht, und ihr Unternehmen als ein gott= 
ſeliges preift, ein Lob, was fie bei Hieronymus wahrfcheinlidh deshalb 
verdiente, weil fie, wie er felbft die Einſamkeit von Bethlehem fuchte, 
und ſich duch, flrenge Enthaltſamkeit und Bußuͤbungen, fo wie durch 
Stiftungen von Afcetens unb Eremitenwohnungen, verdient “machte. 
Hauptſaͤchlich aber ift dieß Beiſpiel für uns deshalb von Wichtigkeit, 
weil Disconymus (Epist. 86. ad Eustach. virginem Epitaphium 
Paulae matris p. 669 ed. Bened.) die einzelnen heiligen Drte, weiche 
fie befuchte, näher befchreibt und alfo eine Art von Xopographie ber 
Pilgerſtationen Liefert. Zugleich lernt man auch aus biefer Erzählung, 
daß damals bereits die Gräber der Propheten und bie Ueberrefte Io: 
hannis des Zäufers ein Gegenftand der Andacht und Verehrung waren. 

V) Urtheile der berühmteften Kirchenlehrer des 
4. und 5. Jahrhunderts Über die Wallfahrten. — 
Wie allgemein und flark dee Hang zu Wallfahrten bereits in ber von 
uns gefegten Periode ſeyn mußte, und zwar ſowohl unter den morgens 
laͤndiſchen als abendländifchen Chriften, erhellt am beutlichflen aus dem 
Eifer, womit gerade die berühmteften Väter diefen Hang beftreiten und 
als hoͤchſt verberblich ſchildern. oo 

Indem wir nun wenigftend einige diefer tabeinden &Nimmen etwas 
mehr in extenso mittheilen, können wir uns dabei einiger Worbemer: 

tungen nicht enthalten. Dahin gehört zuförderft, 

| a) daß biefe Urtheife nichtd weniger als confequent find, daß es 
felbft nicht an offenbaren MWiderfprüchen fehle, und zwar in dem Gras 
be, daß biefelbe Hand reichlich das wieder gab, “was fie kurz zuvor 
beinahe gewaltfam genommen hatte. Diefe ſchwache Seite der Kirchens 





Wallfahrten. 627 


vaͤter findet man Übrigens eben fo treffend ale billig beurtheilt von dem 
ruhigen und unbefangenen Geſchichtsforſcher Schroͤckh in feiner Kirchen⸗ 
geſchichte Thl..9. p. 232. 

b) Daß es auf jeden Fall eine erfreuliche Erſcheinung bleibt, wenn 
bereits die ausgezeichnetfien Kirchenvaͤter die Ausartung chriftlichee Froͤm⸗ 
migkeit in Aberglauben erkannten und vor Mifbräuchen warnten, wel⸗ 
che fhon damals und noch mehr in fpätern Zeiten die reine Religioſitaͤt 
und Sittlichkeit zu gefährden drohten. Es war fchon viel gewonnen, 
wenn fie die üppigen Auswuͤchſe und Früchte des Aberglaubene veraͤn⸗ 
derten, ob fie gleich nicht wagten, die Wurzeln befjelben auszureißen. 

©) Daß in dem fchwanfenden Urtheile der Kicchenväter ber Grund 
war, warum fatholifche Theologen, welche die Wallfahrten anpriefen 
und proteftantifche Theologen, welche fie verwarfen, zumellen auf eine 
und diefelbe Stelle fi beriefen, und alles aufboten, daburch ihre Mei⸗ 
nung geltend. zu machen. 

Mir wollen nur eine dahin gehörige Stelle etwas weitlaͤuftiger 
mittheiten, weil fie das oben Befagte bethätigen wird, die übrigen aber 
nur kurz anführen und fie denjenigen Leſern sum Nachichlagen empfeh⸗ 
len, welchen diefee Gegenſtand intereffant feyn dürfte. — Wir heben 

r dieſen Zwe aus: Gregorii Nysseni: np) sd anıdyswm sic 
Jepooöivun. Epistola de euntib. Hierosol. Opp. Tom. Il. ed. 
Par, 1635. p. 661. Eine befondere Ausgabe mie Anmerkungen und 
Abhandlungen von den Wallfahrten, Altaͤren und Opfern der Ehriſten 
von Peter Moltnäus ed. Hannov. 1607., auch abgebrudt in ber oben 
angeführten Monographie von Heidegger. 

Auf die in deinem Sendſchreiben, geliebter Kreund, mir vorge⸗ 
J— Basen, wi ich dir jegt der Reihe nad) (xadeijc) zu antwor⸗ 
ten ſuchen. 

Ich bin ber Meinung, daß diejenigen, welche fi einmal zu 
einem echabenern Leben beſtimmt haben, drazedexötag aurodg Tj 
dıynaz noluselg, ganz recht baran thun, wenn fie ſich ets nad, ber 
Stimme des. Evangeliums richten. So wie diejenigen, welche irgend 
einen Gegenſtand nach dem Richtſtabe (15 xardrı) abmefjen wollen, 
alles Ungleiche mit der Hand nach der geraden Linie des Michtflabes 
einrichten: fo, glaube id, müfje es auch einen geraden und unverän> 
derlichen Richtſtab, nämlich die evangelifche Regel, für unfer pflichte 
mäßiges Verhalten gegen Gott geben. Da nun einige unter denjenigen, 
welche ein einſames und abgefondertes Leben erwählt haben, es fär 
einen Theil ihrer Rellgionspflicht halten, die Drte in Je rufa⸗ 
lem zu beſuchen, wo man noch Spuren des Erden- 
lebens unfers Herrn erblidtz; fo ſcheint es am richtigften 
zu ſeyn, auf diefen Richtſtab zu fehen, und wenn biefer die Befolgung 
ber Vorfchrift verlangt, die Sache ale ein Gebet des Herrn in Auss 
übung zu bringen. Sollte fie aber nicht in einem Gebete des Herrn 
begeiffen ſeyn, fo weiß ich nicht, wie man dazu kommt, etwas als 
ein Gebet des Herrn thum zu wollen, wofür man ſich doch nach eiges 
nem Gutduͤnken das Geſetz felbft gemacht hat. - 

Wenn nun aber ber Here die Gefegneten zum Erbthell bes Him⸗ 
melrrichs einlabet, fo rechnet er die Reife nah Jeruſalem nice mit 
umter bie Vollkommenhelten. Werm ex die Segfpeeäung ausſpridt, 


⸗ 


028 Wallfahrten. 
3 

ſo begreift er diefen Eifer nicht mit. barunter. Wozu aber. follte man 
(dieß mag ber Vernünftige Überlegen) einen: ſolchen Eifer für das bes 
weiſen, was weder felig macht, noch zum Himmelreiche führt? Wäre 
‚ein folches Unternehmen. felbft nuͤtzlich, fo würde es darum doch noch 
‚nicht ein Löbliches Streben für die Volllommenen feyn. Da es nun 
aber bei einer forgfältigen Betrachtung, ſich als ein wahres Seelenver: 
. berben für diejenigen, welche fi) durch ein flrenges Leben in der Gott: 
feligteit überwallen, darſtellt; fo bat jeder darauf zu fehen, daß für- 
‚ihn kein Nachtheil daraus entſpringt. (Nun zeigt er, welchen Gefah- 
ren beſonders das weibliche Geflecht bei folchen Pilgerreifen ausgefegt 
‚ fei, und daß manche der Frauen fchlechter wieber gekommen, als fie 
‚bei ihres Abreife geweſen fei.) Um das Unftatthafte der Wallfahrten 
‚zu zeigen, geht. er zu einem andern Beweiſe über, und läßt ſich alfo 
. vernehmen: 

- Wenn ferner an den heiligen Orten zu Serufalem mehr Gnabe 
"wäre, fo würbe wohl bei den dort lebenden Menſchen die Sünde nicht 
-einheimifch feyn. Nun aber giebt es nicht leicht eine Art von Ummürs 
„digkeit (axaIapalus eldos), welche nicht am benfelben veruͤbt würbe: 
Boshaftigkeit, Ehebruch, Diebſtahl, Goͤtzendienſt, Giftmifcherei, Neid 
und Mord. Und zwar find dieſe Uebel dort fo einheimiſch, daß man 
3: B. nirgends: eine ſolche Mordluſt finden wird, als hier, wo bie 
Menſchen, gleich wilden Thieten, nad dem Blute ihrer Mitmenſchen 
:um ſchnoͤden Gemwinnftes willen dürften. Wie mag man alle da, 
swo folche Dinge gefchehen, ben Beweis führen wollen, daß an ſolchen 

Drten eine größere Gnade zu finden fei? 
Mrun geht er über auf den Umftand, daß man ihn mit feinem 
: eigenen Belſpiele widerlegen könne. Und bier dußert ex ſich fo: 


. . Ich meiß wohl, was viele meiner Behauptung entgegenfegen wer⸗ 
den, Sie werden fagen, wenn dieß fo ift, warum haft du bir ſelbſt 
„nicht dieſes Geſetz vorgefchrieben? Denn, wenn es bem, ber um Gots 
tes willen dahin pilgert, Beinen Vortheil bringt, warum haft bu benn 
fo ganz umfonfl eine fo große Meife dahin gemaht? Man höre aber 
auch meine Rechtfertigung. Mir wurde duch die Nothwenbigkeit und - 
‚durch den, von. welchem die Leitung unſers Lebens abhängt, die Pflicht 
‚Auferfegt, mich zu der heiligen Verfammlung, welche die Angelegens 
beiten ber Kirche in Arabien ordnen follte, und alfo in diefe Gegenden 
"zu begeben. Da nun Arabien an die Gegend von Jeruſalem angrenzt, 
fo begab ich mich dahin des gegebenen Verfprechend wegen und um 
‚mich mit den Vorftehern der heiligen Kirche darüber zu berathen, wie 
‚die verworrenen Angelegenheiten biefer Kirche geordnet und vermittelt 
"werden koͤnnten. Da uns Überdieß ber gottfelige Kaifee die Etleichte⸗ 
sung ber öffentlihen Poſt (ryy edxoAla» rc Ödou dia dnuoalov 
Öxnuorog) gewährte, fo waren wir von ‚der Nothwendigkeit frei, all 
das Uebel zu erleiden, das wir an Andern bemerkten. Denn der Poſt⸗ 
wagen vertrat für uns alle Die Stelle der Kicche und des Klofters, indem 
die ganze Reife hindurch alle zus Ehre ded Deren fangen und fafteten. 
Unſer Beifpiel darf alfo Niemandem zur Aergerniß gereichen; vielmehr 
‚muß unfet Rath nur deflo mehe Glauben verdienen, da wir ihn nur 
Hierüber ertheilen, was wir mit sigenen Augen geſehen haben. 


- 


Walfahrten, 089 


Mir Hatten die Wahrheit, daß Chriflus als wahrer Gott erfchies 
nen, ſchon lange zuvor, ehe wir an biefen Ort gelangten, bekannt; 
und unfer Glaube wurde dadurch weder vermindert noch vermehrt, Wir 
mußten von dem Geheimniffe der Menſchwerdung durch die Jungfrau, ' 
ebe wir nach Bethlehem kamen. Wir glaubten an bie Auferfiehung 
bes Deren, ehe wir das heilige Grab befuchten. Und wir hatten bie. 

. Wahrbeit der Himmelfahrt lange zuvor, und ohne den Delberg gefehen 
zu haben, befannt. 

Blos den Nusen hatten wir von biefer Reiſe, daß wir durch die: 
Bergleihung einfehen lernten, daß unfre Gegenden viel Heiliger find 
als die fremden u. f. w. x 

Man kann leicht erachten, wie willkommen dieß Urtheil des Gre⸗ 
gors von Nyſſa über bie Wallfahrten nach Jeruſalem den. Proteſtanten, 
und wie laͤſtig es den Katholiken ſeyn mußte. Man findet den Aus⸗ 
druck davon auch ſehr deutlich in ben beiden oben angeführten Monogra⸗ 
phien von Heidegger und Gretſer. Ja man ging in der roͤmiſchen Kirche: 
fo weit, den ganzen Brief für undcht und untergefhoben auszugeben. 

. Diefen Verdacht weckte zuerft Bellarmin de cultu Sanctor. 1. Ill. o, 8. 
Aber diefe Conjertue wurde befonders von Molindus, Rivetus, Zehner. 
u. a. widerlegt, daß weder Baronius noch Jakob Gretfer die Aechtheit 

weiter anzufechten mwagten. Ä 

Aehnliche Aeußerungen über bie Wallfahrten finbet man auch bei. 
Chryſoſtomus (t 407), 3. B. Hom. I. in ep. ad Philem. Tom, VI, 
p. 676 ed. Francof. — Hom. III. ad popul. Antioch. p. 41. — 

- Hom. IV. ad popul. Antioch. p. 60. 61. — Hom. VIII. in epist. ad 
Ephesios e. IV. p. 921. In dieſen Stellen dußert ſich Chryſoſtomus 

“ungefähr in demfelden Geifte, wie Gregor von Nyffa; aber befonders 

. in der. legten Stelle über Eph. IV. druͤckt er ſich doch wenigſtens fehr 
redneriſch über die Kette, womit Paulus. in Rom gebunden geweſen 
fenn fol, aus, und feine Aeußerungen mußten wenigftens einem Wal: 
fahrten nach Rom fehr zuträglich werben. 

Hieronymus. Die deutlichfte und flärkfte Stelle, woraus man 
feine große Abneigung gegen bie Wallfahrten wahrnehmen kann, befins 
bet ſich ep. 49. ad Paulin. Opp. Tom. IV. P. II. p. 263 seqq. ed. 

- Bened. Augustinus. — Serm. 1. .de verb. Apostolor. Serm. de 
Sanctis. Serm. Ill, de Mart. ep. 127. Wiewohl auch Auguflin in 
diefen Stellen feine Mißbilligung gegen das Pilgern nach fremden 
Drten an den Tag legt, fo erzählt er bach anderwärts eine Meng 

‚ WReliquienmwunder, und legt den Orten eine befondere Wichtigkeit bei, wo 
Ueberrefte der Heillgen. anzutreffen wären. Ihn trifft alfo die oMR. . 
angeführte Inconſequenz befonders, und es birfte einem Schuififtder 
aus dee römifhen. Kirche nicht fchwer werden, den Auguflin als ten 
Freund der Wallfahrten barzuftellen. 

VD Geſchichte der Wallfahrten vom 6—9. Tubes 
Hundert, — Wollte man annehmen, daß dieſe achtbaren Stim⸗ 
men einiger Kirchenväter gegen die Wallfahrten einen bebeutenen Eins 
fluß gehabt hätten, fo würde man ſich doch fehr irren. Da te Tadel 
berühmter Kiecheniehrer nur den Mibbrauc der Wallfahtten trifft, To 
tar die Entſchuldigung leicht gefunden, daB man den Mißrkauch ver: 
meiden umd nur die heilfamen Abfichten derſelben erreichen sole. Es 





sw > .  Ballfahrten. 


hätte auch im ber That eine gänzliche Veränderung in bes Denkart des 
Beitalter® vorgehen müflen, wenn man ben Glauben an die Gottgefäl- 
ligkeit und Verdienſilichkeit ſolcher Uebungen der Froͤmmigkeit hätte 
aufgeben follen. Wie ſollte man dieß aber im einer Periode erwarten, 
wo ſich alles vereinigte, um ber Lehre von der Werkheiligkeit und dem 
Glauben an das Opus operatum immer mehr Eingang und Beifall 
zu verfhaffen® Wollen wir num das in einigen kurzen Andeutungen 
überbliden,, was in dieſer Periode theils den Hang zu ben Wallfahrs 
ten naͤhrte, theild aber auch demfelben eine Richtung gab, ıbie fie zuvor 
nie gehabt hatten, fo dürfte Folgendes zu bemerken ſeyn. Der Dans 
zum Wallfahrten fand Nahrung 
a) (don von Selten bes Islamismus. Ob nun 
gleich Muhamed bei feinem Wallfahrtsgebote mehr der alten arabifchen 
Sitte, als dem Beifpiele bee Chriften folgte, fo verfhmäht er doch auch 
bier den Grundſatz nicht: Fas est ab hoste doceri. Unftveitig diente 
diefes nen organifirte, in ber Nachbarfchaft des heiligen Landes einges 
richtete Wallfahrtsinſtitut den ChHriften zur Aufmunterung und Nach⸗ 
abmung. Ja es laͤßt fich die im Abenblande feit dem 7. Jahrhundert 
eingeführte Wallfahrt, befonders die nad Rom und Loretto, als eine 
Nachahmung der Muhamedanifhen nach Mecca und Medina barftellen. 


Bald nah) Muhameds Tode fiel ganz Paldflina und Syrien in 
die Hände der Araber oder Sarazenen (d. h. der Dorgenländer im 
Gegenſatze der Abendlaͤnder, wie fie unter der Herrfchaft der Chalifen 
allgemein genannt wurden), So fhmerzlih nun aber auch der Ge: 
danke für die. Chriften feyn mußte, das heilige Grab und deſſen Zubes 
hör in den Händen ber Ungläubigen zu wifien, fo wirkte doch dieſe 
traurige Erfahrung nit auf Erkaltung, fondern auf Vermehrung der 
Sehnfucht nah dem verlornen Gute. Rechnet man hierzu noch den 
Umftand, daß theils bie Toleranz, theils die Politik der Chalifen das 
Befuchen der heiligen Drte in Paldflina In ber Regel nicht erfchwerten, 
fo laͤßt es ſich erklären, wie auch jest noch das gelobte Land der Erde 
‚blieb, wohin bie Chriften immer noch häufig wallfahrteten. ine ans 
dere wichtige Einwirkung batte hier 


b) die römifhe Politik, Wie fie die Eroberung bee 
Sarazenen nicht ungern fah, weil dadurch das griechifche Kaiferthum, 
and namentlih ber Patriarch von Conftantinopel gefährdet wurde, fo 
ſuchte fie dem Hange zum Wallfahrten nur ein anderes Biel zu geben. 
Man war bemüht Rom und Italien zu dem gelobten Lande zu erhe⸗ 
bu, und dem Befuche der dortigen Deiligthümer, oder, wie man es 
nernte, der Peregrinatio ad limina Apostolorum, diefelben wohlthätiz 
gen Wirkungen, welche dem Beſuche des heiligen Grades zugefchrieben 
wuren, beizufegen. Kurz man. war bemüht, Rom und Loretto als die 
Steßertreter von Jeruſalem und Bethlehem darzuftellen. Vergl. Raus 
mers Serchichte ber Hohenſtaufen Thl. 6. p. 258. So wenig man nun 
auch DE Beſtreben Roms in andern europälfchen Ländern in Krank. 
reich, ugland und Deutichland billige, fo hatten doch biefe Wider 
ſpruͤche ir Ganzen genommen einen geringen Erfolg. Als neuem güns 


Us 
— * daß das Wallfahrteweſen wenigfiens. nicht noch mehr 


Ballfahrten. 631 


0) die Befhränfung der Monche blos auf Pros 
zeſſionen und ihre Ausfhließung von Wallfahrs 
ten. Wir haben bereits im Artikel Moͤnchthum gezeigt, wie fchädlich 
und veraͤchtlich fih die herumziehenden Moͤnche vor Benedict machten. 
Vergl. Art. Moͤnchth. dr Bd. p. 10. Es war baber ein nicht gerins 
ges Verdienſt, wenn bie Regula S. Benedicti, Paris 1769. p. 8 fi 
in ſtarken Ausbrüden gegen die monachos Gyrovagos, qui tota vita 
sua, per diversas provincias, per diversorum eellas hospitantur, 
semper vagi et nunquam stabiles, et propriis voluptatibus et gulae 
illecebris servientes eto, erflärte, und p. 180 ff. jeden Minh auf 
fein Kloſter befchränkte. Inzwiſchen findet man in-biefer Periode mans 
he einzelne Ausnahme. So reilte z. B. im Jahre 870 ein fränkifcher 
Minh, Bernhard, mit noch) einem fpanifhen und italienifhen Mönche 
zum ‘heiligen Grabe nach Serufalem. Auch. findet man bei größern 
Garavanen Mönche als Begleiter von Edelleuten, Fürften u. f. m. 


Aber e8 wird der Erlaubnig dazu vom Abte, Biſchofe oder Papſte 


entweber ausdrüdlic erwähnt, oder es wirb vorausgefegt und als Megel 
angenommen, daß ein Moͤnch ohne Dispenfation nicht pilgern dürfe. 
Dagegen wurde unter ben Lalen, befonders aus den hoͤhern Ständen, 
die Sucht zu mallfahren immer allgemeiner, und zwar theil nad 
Rom (gegen welhen Ort aber ſich Immer große Widerfprüche erhoben), 
theild und vorzugsmeife nad) Palaͤſtina. Es wurde für eine Art von 
Heldenthat, und befonders Religionseifer gehalten, wenn man felbft 
die größten Anftrengungen, Muͤhſeligkeiten und Gefahren dabei nicht 
fheuete. Treffliche Schilderungen der Charakteriſtik diefes Zeitalters, 
befonders in Beziehung auf die Walfahrten, findet man bei Schrödh 
KG. Thl. 25. p. 205. (Ueberhaups Ift diefer Gegenſtand von Schrödh 
auch In anderer Rüdfiht gut behandel. Dan vergl. das Regiſter 
unter dem Worte Wallfahrt.) Schrödh hebt unter anbein den Ums 
ftand hervor, daß für weiſe gehaltene Männer in jener Zeit den Drang 
der Abendländer zu Pilgerungen nach dem Morgenlande auf die Ans 
kunft des Antichrifts gedeutet haben, der kurz vor dem Ende ber Welt 


mit Ablauf des 1000. chriſtlichen Jahres erfolgen Tolle. "Noch recht. 


eigentlich wurde der Hang zu den MWallfahrten duch die Gewohnheit 
unterftügt, 

d) diefelben als ein Bußwerk anzufeben, . Die 
erften Spuren findet man in ben Pönitenzbüchern von Beda Venera- 
bilis und Theodorus Cantuariensis. Am Ende bes Sten und im Iten 
Jahrhundert war die peregrinatio ſchon eine gewöhnliche Strafe für 
ſchwere Verbrechen. ©. Jo. Morini commentar. de sacram. poeni- 
tentiae 1. VII. ec. 15. — Im Zeitalter Karla bes Großen fuchte man 
wenigſtens die bisher den Verbrechern geflattete Kreiheit, nach Belieben 
zu wallfahrten, wohin fie wollten, zu befchränten. Capitular. Caroli M. 
. 1, e: 79. und Cone. Mogunt. a. 813. o. 10. — Gleichzeicig mit 
diefer neuen Bußanftalt kamen auch noch jene Earricaturen in das 
MWallfahrtöwefen, wovon man früher nichts gewußt hatte. Es war 
nit genug, daß man eine eigene Pilgertracht, größtentheils dad Bes 
wand und die Farbe ber Büßer, den Gebrauch ber Geißel, das Ablegen 
der Schuhe und Fußbedeckung und dergleichen einführte, fondern man 
verfiel auch theils ex voto, theils ex prascopto auf eine Menge von 


‘ 


= 


x 


632 . Ballfahrten. 


Spielereien und feltfamen Megeln, 3. B. drei Schritte vorwärts amd 


wieder einen ruͤckwaͤrts zu thun unb ſich damit auf einer Reife von 
einigen hundert Meilen abzuqudien. Kurz die chriftlichen Pilger fingen 


‚an, ben muhamedanifchen an Uebertreibungen und Thorheiten nicht nady: 


zuftehen. Zur Ehre fonft eifriger Apologeten der Waltfahrten in der 


'römifchen Kirche aus ber neueren Zeit muß man befennen, daß fie 


biefelben als Bußwerke nicht billigen. Dahin gehört unter andern Bin⸗ 
terim 1. 1. Ar Bd. Ir Thl. p. 627. S1. 

VN) Die Wallfahrten felt den Kreuzzügen. — 
Mie haben zwar oben erwähnt, daß die unter dem Namen der Sara⸗ 
zenen bekannten Araber den abendländifhen Wallfahrern theils aus 
Toleranz, theils aus Politik allen Vorſchub thaten, und bieß dauerte 
auch einen längern Zeitraum hindurch. Allein dieß dnderte fi von 
da an, wo das Chalifat zu Bagdad, nah dem Rode Harun ‘al 
Radſchid's, des großen Zeitgenoffen Karls des Großen und Beſchützers 
der Chriſten, eine Reihe von Unfällen erlitt, welche endlich die völlige 
Auflöfung diefes mächtigen Reichs herbeiführten. Die aus ben Stätts 
balterfchaften neu entflandenen Reiche, befonders das aͤgyptiſch⸗ſyriſche 
(fett 969), befolgten in Anfehung der Chriften andere Grundfäge und 
von diefer Zeit an hörte man in Europa nur Klagen über die Miß⸗ 
handlung der hriftfihen Pilger. Diefe wurden noch vermehrt, ſeitdem 
die ferdfchukifchen oder tuͤrkiſchen Sultane (feit 1055) fih in Klein⸗ 


aſlen feftfegten, und auch, wenn gleih anfangs nur kürzere Zeit, 


Palaͤſtina in Beſitz nahmen. Die chriftlihen ‚Pilger, wie die im 
Palaͤſtina lebenden Chriſten hatten Bedruͤckungen und Grauſamkeiten 
aller Art zu erdulden, und im ganzen Abendlande, beſonders in Ita⸗ 
lien, Frankreich und den Niederlanden, ertoͤnte der laute Ruf zur 
Ergreifung der Waffen, um das heilige Land den Unglaͤubigen und 
Barbaren zu entreißen. Es bildeten ſich nun die ſogenannten Kreuz⸗ 


züge, die man genau genommen Wallfahrten mit bewaffneter Hand 


nennen kann. Es fand alfo in der That eine Wechſelwirkung zwifchen 
den Kreuzzuͤgen und den Wallfahrten Statt. Dieb haben auch bie 
neuern Schriftfteller über Kreuzzuͤge anerlannt, 3. B. Herren Verſuch 
einer Entwidiung ber Folgen der Kreuzzuͤge für Europa. Göttingen 
1808 , befonders Poͤlitz Weltgefchichte für gebildete Leſer. Leipz. 1825. 
5te Ausg. p. 225. Schroͤckh in feiner Kirchengeſchichte Thl. 25. p- 36. 
fagt geradezu: Jene andaͤchtigen Meifen zu ben heiligen Orten von 
Palaͤſtina, die bereits im 4. Sahrhundert angefangen hatten, aber im: 
mer zahlreicher und gefährlicher wurden, waren die eigentliche Veran⸗ 
laſſung diefer Züge. S. auch Raumers Geſchichte der Hohenftaufen 
Thl. 6. p. 248. 

Der erſte Kreuzzug, welcher im eigentlichen Sinne ein Religions: 
frieg genannt werden kann, weil er aus ber Ueberzeugung, daB «8 
Gottis Wille fel, herunrging, gab dem, noch in der heutigen Diplomatik 
erifticenden, Königreiche fein Daſeyn, und den chriftlichen Pilgern das feit 
Jahrhunderten erfehnte Ziel ihrer Wuͤnſche. Der heidenmüthige Gotts 
fried von Bouillon zog den Titel eines Beſchuͤtzers des heiligen Grabes 
dern Königstitel vor, und verweigerte aus Acht chriftiiher Demuth die 
ihm dargebotene Krone an dem Drte auf das Haupt zu feßen, wo ber 
König der Könige die Dormenkrone getragen. Ueberhaupt zeigte fih in 


\ 


Wallfahrten. 633 


Diefee Perlobe bie europäifche Tapferkeit und Frömmigkeit Im ſchoͤnſten 
Glanze, und vielleicht feierte der chriftliche Glaube, ungeachtet aller 
Beimifhung von Vorurtheil und Aberglauben, nie einen fchönern 
Triumph, als in diefer Zeit des Eriegerifhen und religiäfen Heroismus. 
Indeß blieb das im Jahre 1099 durh Ströme von Blut erruns 
ene Jeruſalem noch kein volles Jahrhundert in den Händen der Chris 
en, indem es ſchon im Jahre 1187 der Tapferkeit des in der Ges 
fchichte der Romantik fo berühmten Sultans Saladin unterlag, und 
feitdem, ungeachtet aller Anftrengungen ber fpätern Kreusfahrer, worun⸗ 
ser Richard Loͤwenherz, Kriedrih von Hohenſtaufen und Ludwig ber 
Heilige die berühmteften Namen find, in den Händen bee Muhames 
Daner blieb. Daß zu der Zeit, wo dieſe auch den Muhamedanern 
Heilige Stadt im Befige der Chriften war, Tauſende von Pilgern aus 
allen Gegenden Europa’s dorthin firdmten, um ihre Andacht daſelbſt zu 
- verrichten und Ablaß zu erlangen, Läßt. ſich leicht denken, und man 
würde dieß vorausfegen miüflen, ſelbſt wenn es die Chronitenfchreiber - 
nicht ausdruͤcklich meldeten. 
Aber auch nach der traurigen Kataftrophe dieſes ephemeren König: 
reichs und nah dem unglüdlihen Ausgange fämmtlicher im Jahre 
2291 gänzlich beendigter Kreuzzüge, blieb bei den abendländifchen 
Chriften noch immer die alte Liebe zu dem heilfgen Grabe, und e8 ' 
fanden fih noch immer eine Menge von Pilgen, welche allen Bes 
ſchwerden und Gefahren trogten und ihr Unternehmen für deſto ver⸗ 
dienſtlicher hielten, jemehr dabei Gelegenheit gegeben wurde, die Geſin⸗ 
nungen eines Märtyrer an ben Tag zu legen. i 
Daß nun um: diefe Zeit die Reliquienverehrung ſich bis zur hef⸗ 
tigen Leldenfchaft fteigerte, und daß man theils aus Palaͤſtina, theils 
aus Gonftantinopel, welches vom Jahre 1204 — 1261 in der Gewalt 
der Lateiner war, eine ähnliche Reliquienplünderung erlitt, wie Rom 
im- Sabre 663 durch den griechifchen Kaifer Gonttans den Juͤngern 
feiner Kunftfchäge beraubt wurde, haben wir bereits im Artikel Neil: 
"quienverehrung Ar Bd. p. 263 n. 2. und 4. gezeigt. \ 
VI) Derzeihntß der vorzäglidhften Wallfahrts. 
orte bis zum Zeitalter der Reformation. — Dahin 
müffen wir vor. allen Dingen vechnen: 


I. 
| Palaͤſtina mit feinen heiligen Orten. 


Pie Palaͤſtina als der Schauplag bed Lebens, Leidens und 
der’ Verherrlihung unſers Herrn das erfte Biel chriſtlicher Pilger 
gewefen war, fo blieb es daſſelbe aucd duch alle Jahrhunderte hins 

durch. Ja, es iſt es noch, bis auf den heutigen Zag, wenn gleich 
feltener und mehr aus wifienfchaftlihen als veligiöfen Zweden. Man 
Tann mit Mecht behaupten, daß die Liebe und Anhaͤnglichkeit der Chris 
ſten an biefen claffifhen Boden des Chriſtenthums unvertifgbar ſeyn 
müßte, da fi bie Frommen fo vieler Jahrhunderte durch keine Gefahr 
und Beſchwerde dahin bringen ließen, von Jerufalem zu weichen. Ja, 
die zahlreichen Surrogate ber beitigen Orte, welche man faſt in allen 





634 Wallfahtten. 


Gegenden Europa's findet, geben den Beweis von einem W ka 
ben, wie man in ber Gefchichte kein’ ähnliches Beifpiel findet. 

haben im Artikel Reliquien hinlaͤngliche Gelegenheit gehabt zu bemerken, 
daß Serufalem und Palaͤſtina die reichte Ausbeute an Reliquien lieferten, 
und wen e8 intereffiren follte , der findet ein mit Sorgfalt angefertigtes 
Verzeichniß und gleihfam ein Inventarium der merkwuͤrdigſten, von 
Jeruſalem abſtammenden Kleinodien in der oben angefuͤhrten Mono⸗ 
graphie von Heidegger p. 164. 

Aber die Wallfahrt nach Jeruſalem befteht auch jest noch in der 
Wirklichkeit, und nach einer feſten, man moͤchte faſt ſagen, ſyſtemati⸗ 
ſchen Sinrihtung und Ordnung. Nicht nur die orientalifhen, ſondern 
auch. die lateinifchen Chriften haben Concordate mit der, Pforte und den 
ſyriſchen Statthaltern gefchloffen, nach welchen ihnen gegen Entrichtung 
eines jährlichen Tribus (Kharadſch) und befondere Abgaben und Ges 
ſchenke nicht nur der Beſuch, fondern aud die Benugung ber heiligen 
Drte, befonders des heiligen Grabes, verſtattet iſt. 

Bis zum Sabre 1819 waren bie gateiner, Griechen, Armenier 
und Kopten im alleinigen Befige des heiligen Grabes, nachdem lange 
zuvor bie Spree, Abeſſynier, Maroniten u. a. aus dem Mitbefuche 
verdrängt waren. Aber fchon feit dem. Sabre 1673 herrſchten zwiſchen 
biefen vier Hauptparteien, befonders den Lateinern und Griechen, forts 
während die heftigften Streitigkeiten und Zaͤnkereien, welche oft zum 
großen Scandal dienten und nicht felten duch bie Kürten entſchieden 
wurden. Im Sabre 1819 wurden nach öffentlichen Nachrichten die 
Stiechen duch die Lateiner ganz aus dem Beſitze des heiligen Stabes 
"verdrängt, ohne daß man bis jegt Über ben eigentlichen Grund und 
Zufammenhang dieſes Ereigniffes näher unterrichtet if. Ueber ben Zus 
fand und die Lage. der heiligen Orte, fo wie über die Art und Weife, 
wie jegt die Waufahrten dahin verrichtet werden, findet man faſt in 
allen dltern und neuern orientalifhen Weifebefchreibungen ausführliche 
Nachrichten und Beichreibungn. Wir führen hier nur bie Auszüge 
aus Maundril’s, Belon's, Korte’s, Schulze's u. A. Reiſen in der 
Sammlung der merewurdigften Reiſen in den Orient von H. E. G. 
Paulus Thl. 1. p. 86 ff. Thl. 2. p. 259 ff. Thl. 4. p. 98 ff. Thl. 


G6. p. 801—324 u. a. an. Als die merkwuͤrdigſten Puncte zeichnen 


wir aus 

1) da8 heilige Sewer, von welchem feit undenktichen Zei⸗ 
ten der allgemeine Glaube iſt, daß es fih in bee Grabeskirche alle 
Sabre am heiligen Sabbathe (Oſterabend) durch ein Wunder von ſelbſt 
entzünde. Es ift fchon bei anderer Gelegenheit davon in diefem Hand⸗ 
buche die Rede gewefen. Die verfchiedenen Sagen darüber find geſam⸗ 
melt und beurtheilt von Mosheim Comment. de lumine S. 'sepulori 
S. Dissert. ad. hist. ecel. pertin. Tom, li. p. 214 — 306. In 
Paulus Sammt. der merkw. Reifen Thl. 1. p. 120—23. Thl. 6. 
p- 3807 heißt es: „Dieſes heilige Keuer wird fo body gehalten, daß 
„viele Pilger ihre Wallfahrt mehr um deswillen, als wegen ber foges 

— bei en Dester anftellen.’ 
6 Terufalems ⸗Zeichen. Die meiften Pilger pfles 
gen 4. ei Figuren, z. B. das heilige Brab — den Namen 
efus Chriftus sn. a. nad gewiſſen Formen mit Pulver oder 





| 


Ballfepeten. 635 


Koplen, auf Arme, Bruft w ſ. w. aufjubräden, und ſobann mit einer 
Tadel in bie Haut einzurigen, fo daß diefe Kiguren nicht wieder ver» 
fhwinden. Paulus Samml. Thl. 1. p. 95, vergl. p. 323. Es ift 
dieß die, außer Amerika, auch in Aegypten fo gewöhnliche und "von 
ben Franzoſen 1799 und 1800 nachgeahmte Sitte des Tettowirens. 


IE 
Die römifhe Wallfahrt 


. &o viel iſt gewiß, daß man ſchon frühzeitig nah Rom pilgerte, 
und daß fihon Paulin. Nolan. (ep. XIII. XVL.) es für ein großes 
Gluͤck hielt, die Stätte zu beſuchen, wo bie großen Apoftel Pau» 
(us und Petrus das Evangelium gepredigt und ber Name bed Herrn 
duch Wunder verberrlicht worden ſei. In .Petri Lazari disquisit. de 
sacra vet. christianor, peregrinatione 1774 find viele Zeugniffe ges 
ſammelt und Namen roͤmiſcher Pilger verzeichnet. Schon in der zwels 
ten Hälfte des 9. Jahrhunderts fchrieb Nicolaus I. (Nicol. ep. V. ad 
Michaelem Imperatorem bei Harduin T. V.) an den griechifchen Rats 
fer Michael: Tanta millia hominum processioni et intercessioni 
beatorum apostolorum principis ex omnibus finibus terrae prope- 
rantium sese quotidie conferunt. Schon früh war die Benennung 
ad limina apostolorum aufgefommen, und zwar in der Bedeutung, 


in welcher Limen fchon bei Martial, Statius u. A. vorkommt, nam: 


lih für templum,. Zu der Zeit als Paläftina im Befige ber Saraces 
nen war, fuchte die roͤmiſche Politil die Pilger nah Rom zu ziehen 
und hier einen neuen claffifhen Boden des Chriſtenthums zu gründen, 
Und dieß gelang auch häufig, indem die Vorfiellung bei vielen Glaͤu⸗ 
bigen Eingang fand, bag «6 ber Wille Gottes ſelbſt fei, weil Gott 
fonft nicht zugelaffen haben würde, daß bie Ungläubigen in den Beſitz 
des heiligen Landes kämen — ein Argument, was nach dem unglüd: 
lihen Ausgange der Kreuzzüge eine neue Stärke erhielt, wo die Pas 
role der Synode zu Glermont: Deus vule! nun leicht fürs Gegentheil 
angewendet werden konnte. Da es indeß nicht möglih war, die Liebe 
für Palaͤſtina ganz zu unterdrüden, fo fuchte man von Rom aus 
wenigſtens dahin zu wirken, daß die Pilger den Weg nad) Patäflina 


. über Rom nehmen mußten. Den Klerikern und Mönchen warb «6 zur 


Pflicht gemacht, die päpftlihe Erlaubniß perſoͤnlich nachzuſuchen. Kür 


die Laien aber ward es für fehr heilfam erklärt, wenn fie ſich vor Ans» 


tritt ihrer gefahrvollen und befchwerlichen Reife buch das BGebet und 
bie Fuͤrbitte des heiligen Petrus empfehlen ließen. Zu biefen religiöfen 
Gründen kamen auch nod andere geogtaphifcy = politifhe, welche bie 
Meife über Rom, über Civita Vechia, Ancona, Venedig u. a. als bie 
leichteſte und ficherfte empfahl. Kurz es gehörte mehrere Jahrhunderte 
hindurch zur Regel, und gleihfam zum guten Ton, die Reife nad 
Palaͤſtina Über Rom zu machen und ſich gleichfam duch die Apoftel: 
fürften zum DBefuche beim Herrn und Meiſter felbft vorbereiten und 
einführen zu laffen. Auf diefe Art alfo, und da die Zahl ber vömls 
ſchen Alterthuͤmer mit jedem Jahrzehend ſich vermehrte, warb die roͤmi⸗ 
ſche Waufahrt fo fehr zur allgemeinen, daß bie Ausbrude Romipeta 


f) 


636 - Balfaheten. 


und Romens nicht blos von. Pilgem nah Rom, fondern von allen 
Pilgern überhaupt gebräuchlich wurden. Nec tantum, bemerkt Du 
Cange Glossar. s. v. Romeus, qui Romam peregrinationes insti- 
tuunt, sed quivis peregrini Romei et Romipetae appellati, Auch 
wurbe deshalb ber Name Romeus und Romeo häufig ale Taufname 
gebraucht. | 

Schon im 12. Jahrhundert hatten die Päpfte für die Wallfahrten 
einen befondern Ablaß verheigen. So. Galirtus Im Jahre 1223. Im 


Jahre 1226 bemilligte Alerander IV. den Dominitanermöndyen, welche 


an ben heiligen Drten predigten und zu Bußübungen ermahnten, den 
Ablaß der Kreuzfahrer. S. Schrödh Thl. 28. p. 161—62. Aber Boni: 
factus VIII. erhob im Jahre 1300 durch die Stiftung des großen Ablaß⸗ 
und Subeljahres die‘ römifche Wallfahrt zu einem permanenten, noch 
jest fortdauernden Inſtitute. Die römifhen Geſchichtſchreiber erzählen 
eine Menge: von Wundern, wodurch diefes erfte cömifche Jubeljahr vers 


herrlicht wurde, und berechnen die Zahl der Pilger auf 200,000, fo 


wie die Gaben, melde die Altäre der beiden Apoftel blos von den armen 
Pilgern (ohne die Geſchenke der Reichen) erhielten, betrugen mehr als 
50,000 Goldguͤlden. Vergl. ben Artikel Jubeljahr 2 Bd. p. 355 ff., 
wo auch gezeigt worden iſt, wie die Päpfte den Zeitraum eines Jubel⸗ 
jahre endlih bis auf 25 Jahre zurkdführten. Eine ſtarke und miß⸗ 
billigende Aeußerung über die Wallfahrten findet man in der oft er⸗ 
wähnten Schrift: Die katholiſche Kirche Schlefiens p. 346. 


M II. | 
Das heilige Haus zu Laretto, 


Das heilige Haus zu Loretto (Domus sancta Lauretana), ober, 
wie es die Staltener gerodhnlich nennen, la santa casa, hat ſeit dene 
16. Sahrhundert eine Menge gelehrte Streitigkeiten veranlaßt. Petrus 
Paulus Bergerius, dieſer berühmte italienifche Biſchof und päpftliche 
Sefandte in Deutfchland, der aber endlich zur evangelifchen Kirche über: 
ging, griff fie in einem Meinen Buche: Della Camera e Status delle 
Madonna, chiamata di Loretto, welches fein Better Ludovic. Berges 


. tius’ unter der Auffchrift: De Idolo Lauretano, überfegt herausgab, 


mit vielen Gruͤnden an. Ihn fuchte dee Jeſuit Petrus Tacrianus in 
feinee Schrift: Responsio apologetica ad capita argumentor. P.’P. 
Vergerii haeretici, ex libello ejus inscripto: de Idolo Lauretano. 
Ingolftadt 1584 zu widerlegen, jedoch mit wenig Gluͤck. Außerdem 
haben noch zwei andere Jeſuiten, Petrus Canifius und Horatius Turs 
fellinus zur Beſtaͤtigung dieſer Hausverfegung die Feder ergriffen, unter 


: welchen der legtere am ausführlichften von aflen gefchrieben hat. Lau- 
retana historie. Mogunt. 15699. und Venet. 1727. Noch mehrere 


folder Apologien ber Fabel von Loretto von Schriftflelleen aus ber 
roͤmiſchen Kirche findet man bei Schroͤckh Thl. 28. p. 259 und 60 
verzeichnet. Die heftigite, aber audy bie gruͤndlichſte Schrift wider biefe 
Apologien {ft die von Matth. Bernegger Hypobolimaea divae Mariee 
Deiparae Camera, s. Idolam Lauretanum. Argentor. 1619. — Die 
Geſchichtserzaͤhlung hat Schroͤckh, hr. KG. Th. 28. p- 260 ff. nach 











ben verfchiebenen Relationen mit: eur ‚beflen zuſammengeſetzt; woraus 
wir Folgendes entlehnen. Es war bie Stube in dem Haufe ber 
:Sungfrau Maria, in welcher fie geboren und ergogen- worden war, und 
wo fie Jefum bis im fein zwoͤlftes Jahr erzog. Sie. wohnte daſlelbſt 
bis zu feinee Himmelfahrt. . Diefe Stube war es, welche die Apoſtel 
wegen vieler geheimnißvollen Handlungen, bie barin vorgefallen waren, 
in eine Kirche zu verwandeln und diefe der Jungfrau Maria zu weihen 
beſchloſſen. Nachdem dieß gefchehen war, verfertigte ber Evangelift. Lucas 
ihre hölzerne Bildfäule mis ihrem Kinde in dem Arme, welche in die 
Kirche hinein gefegt rourde. Lange Zeit hindurch verrichtete man darin 
Gottesdienſt, bis nach und nach alles in diefen Gegenden muhameda⸗ 
nifh geworden war. Darauf trugen die Engel biefe Kirche 1291 nad 
Zerfato in Dalmatien. Well man aber diefes Haus dort nicht fo ven 
ehrte, wie es die Maria wünfchte, fo wurde es von den Engeln, über 
das Meer in das gegemüberliegende Stalien, nahe bei Recanati in 
einen Wald, der einem vornehmen Krauenzimmer, Lauretta, -zugehörte, 
fortgeteagen, und bavon hat die Kirche den Namen der heiligen Marla 
von Loretto befommen. Allein der launigen Maria gefiel es auch 
dort nicht, und nad) mehrmaligen Drtöveränderungen brachten die himm⸗ 
lifchen Boten das Haus im Jahre 1295 auf die Stelle, wo es noch 

. jene iſt. Diefes heilige Haus, welches mitten in der von Paul I. . 
begonnenen und von Siptus V. vollendeten prächtigen Kirche ſteht, und 
aud an andern Drten, z. Bin Prag, nachgebildet wurde, iſt von 
Außen mit Marmor überzogen, und aus Ebenholz. und Backſteinen 
gebaut, 30 Fuß lang, 15 Fuß breit und 18 Fuß hoch, und von innen 
"und aufen mit vielen Koftbarkeiten geziert. Es hat eine Thuͤre und 
ein Bitter von Silber, binter welchem Marla mit dem SZefustinde 
abgebildet if. Sonft befand ſich hier ein ungeheuer Schag, der nad 
und nah duch die Pilgrime entflanden war. Die Einkünfte diefes 
Haufes wurden ohne die jährlich hinzulommenden Geſchenke auf 30,000 
Scudi berechnet, und bie Zahl der ehemals jaͤhrlich herbeiſtroͤmenden 
Dilgrime auf 100,000 berechnet. Unter andern Seltenheiten zeigte 
man in diefem Haufe das Fenſter, durdy welches der Cngel 'Gabeiel 

zu Maria hereintrat, als er ihr die Geburt bed Heilandes verkuͤndigte. 
Merkwuͤrdiger iſt das Bild Rafaels, die Heilige Jungfrau darſteilend, 
die einen Schleier uͤber das Jeſuskind legt. — 

Eine vollſtaͤndige Beſchreibung des in eine prachtvolle Kirche ge⸗ 

festen und mit koſtbaren Geſchenken aller Art bereicherten Hauſes in 
feinem neuen Zuſtande, bis ins 18. Jahrhundert wird in $. Gr. - 
Kepßlers Fortfegung feiner neueften Reifen .. Hannover 1741. p. 414 — 
428 ff. gegeben. In den neuern Zeiten aber iſt die ‚Andacht zum hei⸗ 
ligen Haufe fehe in Verfall gelommen, Die Schäge deffelben haben 
fih vermindert und find in den Jahren 1797, 1799 und 1809 groͤß⸗ 
‚tentheils .in bie Hände der Scanzofen gefallen, 


IV.. 
| 8. Jacobus de Compostella, 


Weber dieſen Wallfahrtsort if ebenfalls zu vergleichen bie oben 
erwaͤhnte Schrift von Heidegger p. 18if., und das, was Im jwelten 


63 | u Ballfahrten. 


Bande biefes Hanbbuchs im Attfler Jakobus ber Aeltere p. 837 ges 
fagt worden iſt. Aus Jakobus Apoftolus ſoll der Name ber fpanifchen 
Stadt Eompoftella in Gakicien entflanden feyn, fo daß San Jago di 
Compostella nur eme Tautologie wire. Die Wallfahrt nach biefem 
Orte ift eine der Alteflen und berühmteften, und bie Rivalität, welche 
zwifchen Compoftela und andern Wallfahrtsorten, felbft Rom nicht 
ausgenommen, entftand, tft ein Beweis von der hohen Wichtigkeit, 
welche man ihr beilegte. Nur muß man fih wundern, baß bie Le: 
gende bei Beleth rational. div. offic. c. 140. — Petr. de Natalib, 
1. VII. e. 185. — Jac. de Varagine Leg. XLIV. — Cami dissert. 
de Antiquitatib. Eecl. Hispan, Dissert. I. oc. 2. u. a., mach welcher 
der’ Körper des in Paläftina enthaupteten Apoftels Jakobus des Aeltern, 
von feinen Schülern nad) Spanien (mo er ſchon früher das Evange⸗ 
llum yepredigt hatte, vergl. Hippol. de XII. Apost.), und in einer 
von der Königin Lupa erbauten Kirche beigefegt worden, audy von 
fonft eifrigen Katholiken angefochten wurde. Männer, wie Roderich 
Ximenes, ſpaniſcher Gefchichtfchreiber und Erzbifhof von Toledo, Ba: 
ronius, Natal. Alerander und Tillemont haben geradezu geleugnet, 
daß der Apoſtel Jakobus je in Spanien gewefen und dort begraben fei. 
Daß die Kritik diefer und anderer gelehrter Männer auf den 
Volksglauben einen Einfluß gehabt habe, läßt fich Leicht denken, und 
es tft daher ganz richtig, wenn «6 in Starks Kirchengeſchichte bed er: 
ften . Jahrhunderts Thl. 2. p. 63 heißt: „Es möchte wohl noch heut 
„zu Rage nicht leicht ein gläubiger Spanier feyn, der nicht von gun» 
‚,zem Herzen daran glauben follte, daß der Körper diefes Apoftels fich 
„wirklich in Compoftella befinde.” Vergl. überhaupt die oben ange⸗ 
führte Schrift von Gilb. Voetus. BE 


V. 
Das Kloſter Einſiedeln. 
(Eremus divae Virginis in Helvetia.) 


Dieſes reiche Benedictinerkloſter im Canton Schwyz, deffen Fuͤrfi⸗ 
abt fonft ein deutfcher Reichsſtand, In Spiritualibus aber dem römis 
fhen Stuhle unmittelbar unterworfen war, gehörte unter bie dlteften 
und berühmten Wallfahrtsorte, und ſtand befonders im fathofifchen 
Deutfhlande, auch no in den neueften Zeiten, in dem Rufe einer 
großen Heiligkeit, | Ä " 

‚Nah den helvetiſchen Chroniken erbauete der heilige Menrad 
(Megnardus oder Megnihardus) auf Anrathen der frommen Hildegars 
dis und auf Eingebung der Engel (moher der Name Engelmeihe ent» 
ftand) im Finflerwalde eine Gapelle, worin er im Jahre 863, eben 
als er Meſſe lad, von Räubern ermordet wurde. Zwiſchen den Jahren 
925 — 940 wählte der als Biſchof von Meg durch Srevier feiner Augen 
beraubte Benno feinen Aufenthalt an biefem Drte, wo deſſen Vers 
wandter, Graf Eberhard, im Jahre 944 ein großes Klofter und Capelle, 
welches der Sottesgebärerin Marta geweiht und im Jahre 964 feier 
lichſt conferrirt wurde, erbauete. Der Name Einfiedeln Eremus ent⸗ 
‚fand daher, weil die Stiftung an dem Orte war, mo bie beiden als 











— 


Balfahrten. 839 


Märtyrer Ihres frommen Eifers zu betrachtenden Eremiten Menrad und 
Benno lebten und ſtarben. 
Schon fruͤhzeitig erlangte dieſer Ort den Ruf einer beſondern Hel⸗ 
ligkeit, und ſchon Zr. Farner, Weihbiſchof von Bamberg, ſagte: Eins 
ſiedeln ſei das deutſche Loretto. In Aug. Redings Schrift de Sacello 
Einsidl. dissert. 8. 10. wird geſagt: „Der heilige Menrad babe mit 
„feinem englifhen Wandel und mit feiner heiligen Marter, vom Hims 
„mel verdient, daß Einfiedeln für alle Betruͤbte und Dürftige eine Zu: 
„fluchtsſtatt, ein Troſtbaum, eine allgemeine Schatzkammer allerhand 
„geiftlicher und leiblicher Gnaden geworden. Am Eingange der Gas 
pelle, welche Engelweihe genannt wird, flehen die Worte: Hic est 
plena remissio omnium peccator. et a culpa et a poena. Vergl. 
J. 3. Hottingers helvet. KG. Thl. 1. Bürih 1698. p. 449 — 50. 
IX) Wie die Reformatoren von ben Wallfahrs 
ten urtbeilten, und weldhes Schidfal diefelben in 
der neuern Zeit gehabt haben. — Nah ben Grundſaͤtzen, 
die einmal bie Reformatoren ald bie ihrigen geltend gemacht hatten, 
konnten fie fi nur ungünftig über die Waufahrten ausfprehen. Sie 
werden gewöhnlich in Geſellſchaft der Prozeffionen genannt. : Was bie 
Reformatoren an Wallfahrten zu tadeln haben, findet man kurz und 
bündig in Walchs Einleitung in die Religionsſtreitigkeiten außer der 
lutheriſchen Kicche Zr. Thl. p. 663 ff. — Die Verwerfungsgründe der 
Wallfahrten in der roͤmiſchen Kirche findet man auch bei Jo. Gerard 
Luc. theol. T. XVII. p. 126, wo «6 heißt: Pontificias peregrina- 
tiones opinione aingularis cultus satisfactionis et meriti ad sepulcra 
et loca sanctorum susceptas toto pectore repudiamus, und als 
Gruͤnde für diefe® Urtheil führt er folgende an: 1) Peregrinationes 
sunt superstitiosae, 2) sunt supervacuae et otiosae, 3) sunt mul- 
tis modis perniciosae, a) in re familiari, b) in re existimationis et 
famae, c) in re valetudinis, d) in re vitae corporalis, e) in re 
salutis, 4) in Christi meritum contumeliosae, 5) Verbo Dei et na- 
turae N, T. eontrariae, 6) Ethnicorum et Turcarum superstitiont 
adfines, 7) Destituuntur primitivad ecclesiae suffragio, 8) a Ponti- 
ficiis aanioribus non admodum probantur. 
Ungefaͤhr um berfelben Gründe willen, bie Gerard zufammenge: 
fee hat, nahm ber Wallfahrtseifer nad dem Zeitalter der Meformas - 
tion immer mehr ab. Ja ſelbſt katholiſche Schriftfteller des 18. und 
419. Jahrhunderts haben ſich darüber auf aͤhnliche Art ausgefprochen. 
In diefem Zeitraume erfuhr das ganze Wallfahrtsinftitut nicht nur in 
Frankreich, fondern auch in Deutſchland, theils durch die Staatsgewalt, 
theils durch die Kirchenpolizei fo viele Veraͤnderungen und Beſchraͤnkun⸗ 
gen, daß es nicht mehr mit dem ehemaligen verglichen werden kann. 
Die im Mittelalter ſo haͤufigen Poͤnitenzwallfahrten haben ganz aufge⸗ 
hoͤrt, oder die etwa noch vorkommenden Faͤlle duͤrften doch nur unter die 
ſeltenen gerechnet werden. Die zu ſo viel Klagen und Beſchwerden Ver⸗ 
anlaſſung gebenden Wallfahrtsproceſſionen ſind durch landesherrliche und 
biſchoͤfliche Verordnungen vermindert und beſchraͤnkt. Selbſt die ſonſt ſo 
glänzende Wallfahrt nach Rom war bei dem legten Jubeljahre kaum noch 
ein Schatten von ber frühen: Jubelfeier. Die neueſten politifchen Ver⸗ 
haͤltniſſe des Orients und der vor kurzem heftiger als je ausgebrochene 


6a | Ballfapetm, 


Zwiſt zmifchen Griechen und Lateinern in Serufalem wegen bet. Befiges 
des heiligen Grabes, fo wie andere Umflände, haben gleichfalls dazu 
beigetragen, die Zahl der Pilger nach dem heifigen und gelobten Lande 
zu vermindern. 

Uebrizens find in ber neueften Zeit wieder eifrigere Lobredner ber 
Wallfahrten aufgetreten, als man ſie lange Zeit zu finden gewohnt war. 
Unter dieſe gehoͤrt vorzuͤglich der Vicomte de Chateaubriand, welcher in 
dem erſten Decennio dieſes Jahrhunderts ſelbſt eine gelehrte Pilgerreiſe 
ins gelobte Land unternahm, und in einer intereſſanten Reiſebeſchrei⸗ 
bung ſchilderte. Aber auch in feiner Schrift: Genie du Christianisme 
Par. 1802, T. IV. ch. 1. & u. a. kommt zum Lobe der katholifchen 
Wallfahrtsanſtalt viel vor. — Aber auch der neuefte beutfche Schrift: 
fteler über Diefen Gegenfland, Binterim in feinen Denkwuͤrdigkeiten 
4: Bd. ir Thl. p. 606656, hat feiner gefhichtlihen Darftelung 
eine fortgefegte Apologie der Wallfahrten eingefchaltet, zur Warnung 
(mie er fih p. 638 ausdruͤckt) fire alle Nafeweife unfrer Tage, die fo gern 
gegen die in der Eatholifhen Kicche uͤblichen Walfahrten ihre Stimme 
erbeben, und alle Gelehrte und alle Biſchoͤfe und Priefter, alle Ftomme 
" der Vorzeit ungefcheut eines finſtern Aberglaubens befchuldigen. Wie 

würden aus. diefer Vertheidigung etwas ausheben, wenn es theil6 nicht 
zu viel Raum Eoftete, theild auch die Gruͤnde trifftiger wären, bie dee 
Verfaſſer vorgebracht hat. — Dagegen können wir uns nicht enthals 
ten, eine kurze Schilderung ber Wallfahrten in der römifchen Kirche 
- bierher zu fegen, die zu widerlegen Herrn Binterim doch fehr ſchwer 
werden müde. Sie iſt entlehnt aus dee Schrift: Die Latholifche 
Kirche Schlefiene, dargeftellt von einem katholifhen Geiſtlichen. Alten⸗ 
burg 1826. p. 339— 48, wo es heißt: „Die nachtheiligen Folgen 
„des Wallfahrtens find ſchon oft genug gerügt worden. Schon das iſt 
„[hlmm genug, daß Geld und Zeit verfchwendet, die Hauswirthſchaft 
„vernachläffige, der Hang zum Müßiggange und zur Liederlichleit ges 
„mährt wird. Dan muß bei dieſen Wallfahrten mit gewefen feyn, um 
„zu voilfen, was für Ausbrühen ber Zügellofigkeit, Unſittlichkeit und 
„Unzuche fi oft auf den Nachtherbergen dieſes Gefindel überläßt; die 
„Koffnung auf Ablaß liegt ja fo nahe! Noch ſchlimmer aber iſt es, 
‚daß die Verehrung Gottes im Geifte und in der Wahrheit gefährbet, 
„ber Aberglaube, als fei Gott geneigter an einem Orte Gebete zu 
„erhoͤren, als an einem andern, erzeugt, die Verehrung der Heiligen 
„und Mariens auf das Ueberfpanntefte ausgedehnt, der falfche Wunder 
„glaube genährt, der Pfarrgottesdienft vernachläffigt, und bie heilſame 
„Wirkſamkeit des Bußgeſchaͤfts vernichtet wird. In der That überfteige 
die Abgötterei, weiche das Volt mit den Gnadenbildern treibt, allem 

„Glauben.“ ur 








3 
Weihwaſſer 


als liturgiſcher Gebrauch im Kultus der roͤmiſch⸗ 
katholiſchen Kirche. 


IL. Das Weihwaſſer in Beiden Kirchenfhftemen hat - 
Analogien für fih im jüdifchen und im heidnifchen Alter- 
thume. II. Wahrſcheinliche Vermuthung, wie es in die. 

riftliche Kirche gelommen, und um welche Zeit unge : 
fähr es allgemeine Sitte geworden fei. II. Wirkungen, 
welche die roͤmiſche Kitche dem Weihwaſſer zufchreibt, 
und verfchiedenartiger Gebrauch, den fie davon in ihrer 
Liturgie noch jest macht. ie preoteftantifche Kirche, 
ſpricht ein mißbilligended Urtheil über dad Weihwaſ⸗ 
fer aus, 


S.iteratur. J. W. Baier diss. hist.-theol. de aqua lustrali 
pontificiorum. Jena 1692. 4. — U. G. Siber de aquae benedictae 
potu brutis non denegando, e probatissimis hist, eocl. monumentis 
tractatio. Lpz. 1712. 4. — In den allgemeinen Werken über chriſtl. 
ticchliche Archäologie wird felten ausführlih, fondern mehr tur; und 
im Borbeigehen von dem Weihwaſſer gehandelt. Kurz berührt Bingh. 
Vol. III. p. 181 diefen Ritus, desgl. Auguftt in ſ. Denkwuͤrdigkk. 
Thl. 2. p. 208. — Schönes Gefhichtsforfhungen Ir Thl. p. 209. 
2r Thl. p. 374 ff. — Binterim Ar Bd. Ir Thl. p. 47. — Eine 
ſehr drauchbare Abhandlung über das Weihwaſſer findet fi), bei Hospi- 
nian de templis I. IV. e. 8. Bergl. auch Polyd. Vergilii de rerum 
inventor. IV. c. 8. p. 544. — Flügge’6 Befchichte des deutfchen Kir⸗ 
chen⸗ und Predigtwefens 1r Thl. p. 110. j 

I) Das Weihwaffer in beiden Rirdhenfpftemen 
bat Analogien des jüdifhen und heidniſchen Alters 
thums für fi. — Die römifche Kirche nennt Weihwaffer 
das in den am Eingange und an ſchicklichen Orten. 
im Schiffe der Kirche befeftigten Weihkefſeln oder 
Becken enthaltene geweihte Waffer, mit dem bie 
Eins und Austretenden fi zu befprengen pflegen. 

Siegel Yandbuh IV. ' 41 








642 Weihwaſſer. 


Religioͤſe Reinigungen vor dem Anfange gottesdienſtlicher Handlungen 
waren und find bei Juden und Heiden gebtaͤuchlich. Ja wir finden 
ſelbſt in beiden Anbetungsweifen das Beſprengen mit Wafler ald Sym⸗ 
bol des Reinigens und des Entfündigene Was das Analoge im 
Sudenthume mit der Sitte des Weihwaflers betrifft, fo trifft man alles 
biechee Gehörige in der Kürze beifammen in Winers biblifhem Real 
leriton zweite Auflage in ben Artikeln Baden, Reinigkeit, 
 Sprengwaffer, wo zugleich eine reiche Literatur beigegeben iſt, 
bie felbft das Specielle berührt. In wiefern nun diefe Reinigungen 
nicht bloß -einen diaͤtetiſchen, fondern audy einen veligidfen Zweck hats 
ten, findet man auch gute Nachrichten in Rhode: Die heilige Sage 
des Zendvolks. Frankf. am Main 1820, p. 426 ff., au in der 
Monographie de lotione in obaundis sacris Gentilium Judaeor. et 
Christianer. Auct. M. Jo. Behm. Regiomont,. 1727. — Ziemlich 
analog dem Weihwaſſer findet man 2 B. Mof. 30, 18 f. ausdruͤck⸗ 
lich verordnet, es fol ein ehernes Waſſergefaͤß zwiſchen dem großen 
Btandopferaltare fliehen, in welchem SPriefter ihre Hände und Füße 
waſchen follten, ehe fie in das Heilisthum gingen ober ein Opfer auf 
dem Altare darbrachten. S. Jo. Speneexi dissert. de lustratinaib, 
et purifieationibus Hebraeor, — Jo. Henr. Maji dissert. de lustra- 
tionih. et purifieat. Hebr. — Ejusd. dissert. ‘de purifieatione mira- 
bili singulari et singulariter mirabili, (Diefe drei Abhandlungen finden 
fih in des Ugolmi thesaur. antiquitatum saorar. Tom. XXI.) 
Spencer beweift Iharffinnig und gelehrt, daß bie juͤdiſchen Reinigun⸗ 
gen von andern Voͤlkern entlehnt find. 


Bei Griechen und Mömern herrſchte diefe Sitte ebenfalls. Sie 
babeten ſich vor dem Eintritte in die Söttertempel und wuſchen ' ober 
befprengten ſich wenigſtens mit Waffe. Juſtin bee Märtyrer iſt ber 
Meinung, die Dämonen, welde fi unter dem Namen ber Götter 
verehren ließen, hätten dieſes Wafchen und Beſprengen aus ben Pros 
pheten gelernt, 2. Apol. — Das Walhen und Reinigen geſchah 
befonders bei der eleufinifchen Myſterienfeier, vor dem Eintcitte in das 
Heiligthum 

ı Eıgyadey eig To Üevelnior, Exepvhyaro E5 iepüg xeorıoc, 
eingehend in Eleufis, wuſch ex fih aus dem heiligen Becken, 
fagt Lyfias in feiner Rede an den Antulides. 


Außerdem wufchen fi die Opfernden, hauptfächlich bie Priefter, 
jedesmal, wenn fie ben obern Böttern ein Opfer darbringen wollten; 
galt e8 hingegen den unten Göttern, fo bedurfte es einer befondern 

eiprengung. Heſiodus hatte ſchon das Waſchen der Hände vor ber 

täglichen Morgentibation zur Pflicht gemacht. . 
Mnd£ no? 2& goüg At Isla aldona olvoy yegolv avınroi- 
ow, und alloıs ddtavaroicıy. Nie bringe des Morgens dem 
Zeus, noch andern unfterblihen Göttern mit ungewafchenen Haͤn⸗ 
den den glühenden Mein dar, 

Audy dei den Römern findet man Spuren eines Weihwaſſerkeſſels und 

MWeihwedels fchon früh. Ovidius fagt, Metamorph. lid, 5 


äpargit et ipse, zuos lauro rotante capilloa, 
Incipit et solite fundere voce ne 





Weihwaſſer. 643 


So auch Virgliies Aeneid. I, 4. 
Annam cara mihi notrix hue siste sororem 
Dio corpus properet fluviali spargese Iympha, 
und lib. 6. : Ä 
ldom ter socios para ciscumtulit unde. 
Spargens rore levi et ramo felials elivas. 


Man bat mehrere Münzen ber Kalfer Julius Gdfar, Tiberiuß, Meriva 


und M. Aurel, worauf ein Weihwaſſerkeſſel mit einem Baumzweige 


oder Weihwedel geprägt iſt. Sciplo Afrikanus befchreibt den Ges 
brauch der Heidnifhen Prieſter, die Eingehenden in die Kirche mit 
Waſſer gu befpeengen, Liv. 37. o. 8. Gozomenus fagt von Julian: 
Cum limen templi trassiturus osset, virontes quesdam ramos madi- 
dos tenens sacerdos more Giraoperum, intrantes adspersit. Antonli 
Marsilii etc. hydrogiologia sive de aqua lustrali et benedieta. Ro- 
mas 1586. (In diefem Bude kommen manche gelehrte Nachweiſun⸗ 
gen über die heiligen Weafchungen der Juden und Selden vor.) — 
De lustrandi purgsndique voterum gentilium Titibus eoirca aquam 
observatio. Auctore M. der. kHofimanne. Viteb. 1660. 4. — Jo. 
Ulrious Haffnerus do aqua lustrali veter. gentilium. Jenae 1687. 
“4 — Lomeier de veterum gentilium lustrationibus. Ultrajecti 
681. 4 und Zütph. 1700. & — Anderes [. bei Fabrieius Bibl. 
antiqgu. ed. Schaflshausen p. 449. ' 
Bet diefer reintgenden, heiligenden und ſelbſt verföhnenden Kraft, 
bie das. vorchriſtliche Alterthum bei Juden und Heiden dem Waſſer beis 
legte, darf man fich nicht wundern, daß man [chen früh auch bei ben 
- Chriften ähnliche Anfichten von biefem Elemente finde. Aus Tertul⸗ 
lion namentlich und Ambeofius könnte mon, wenn es möthig waͤre, 
viele Stellen als Beweis anfuͤhren. Hieraus ließe fi nun im Altges 
meinen beweifen, daß bie Chriſten ungefähr auf dieſelbe Weile vom 
Wafler urtheilten, wie Juden und Heiden. Allein wir baben den 
Beweis noch fpecieller zu führen. Darum geben wir Aut zum zweiten 
Abfchnitte über. \ 
1h Wahrfheinlide Permutbung, wie das 
Weihwaſſer in die hriftlide Birche gekommen und 
zu welder Zeit es ungefähr allgemeine Sitte ge 
worden fei. — Manche Schriftfieller aus der roͤmiſchen Kirche 
leiten das Weihwaſſer vom Papfte Aterander J. Im zweiten Jahrhun⸗ 
derte ber und behaupten, die Verordnung dazu komme tm Jura Canon. 
decret. part. III. de conscerat. distinct. 3. e. 10. p. 467 vor. Ans 
dere, wie 3. B. Bellarmin de verbo Dei 1. IV. e. IL wollen nicht 
einmal diefen Papſt zum Urheber des Weihwaſſers machen, fondern 
gehen noch weiter, indem fie bereit6 zu Zeiten der Apoſtel das Weib: 
waſſer gewöhnlich feyn laſſen. Allein, indem gezeigt werden iſt, daß 
erwaͤhntes Decret fällchlih dem Papſte Alesander beigelegt werben fei, 
und das vom Weihwaſſer weder im N. X. nach in den Schriften ber 
apoklolifchen Wäter und der Alteflen Kirchenichrer etwas vorkomme, er 
giebt ſich das Unwahre dieſes Vorgebens von felbft. | 
Eine ambere, wenigſtens tigere, Vermuthung aͤußern roͤmi⸗ 
ſche Schriftſteler, die ſich ungefaͤhr wie Binterim in feinen Denkwuͤr⸗ 
digkeiten 4r Bd. 1r Thl. p. 46 erklaͤren. Hier beige ei: In der 


‘ 


64 Wäeelhwaſſer. | 


„Mitte des Freien Plage vor den Kiechen, ‚ober auch˖ zuwellen an bee 
„BSüdfeite, war ein Brunnen, Elſterne oder Waſchbecken, der dazu 
„diente, die Hände und: das Angeficht der im die Kicche Eingehenden 
zu reinigen. Die Griechen nannten ihn geaArv oder zepmßölsozor, 
„bie Zateiner Cantharum oder Nymphaeum. Bon diefem alten Ge: 
„brauche leiten die Eatholifchen Archäologen ben in unfern Kirchen noch 
„üblihen Gebrauch der bei den Eingängen in bie Kirchen anfgeftellten - 
„Weihwaſſerkeſſel Her.’ Allein dagegen läßt fich noch erinnern, daß diefe 
Brunnen nicht in, fondern vor den Kirchen waren, und daß man dem 
Waſſer in denfelben keine fühnende und magifhe Kraft zuſchrieb, fons 
‚dern das Ganze mehr als eine Sitte.der aͤußern Wohlanftändigkeit oder 
hoͤchſtens als ein Symbol der Erinnerung _betrachtete, daß Feinigkeit 
-ded Herzens denen geziame, die Bott in den kirchlichen Verſammlungen 
verehrten wollten. 

In dieſem Geiſte hat die griechiſche Kicche jene Brunnen ſtets 
betrachtet. Daher Heißt es bei Elsner neuefte Wefchreibung der griechi> 
fchen Chriſten in der Türkei x. I, p. 296—97.: „Vor den Kirchen 
„pflegt gemeiniglich ein Iediger, doch ummauerter Pag fammt einem 
„Brunnen, Ciſterne oder Waſſerkunſt zu ſeyn, woraus man ſich dor 
„dern. Eingange in die Kirche waͤſcht ober befprenge. Abfonderlicye 
„Gefaͤßhe mit geweihtem Wafler hat man hier bei den Kirchen nicht, 
„sie bei den Lateinern. Die letztern haben diefe von den Heiden ges 
‚ „borgt, welche dergleichen vor ihren Tempeln hatten, und bie Einge⸗ 
„henden beiprengten. Den Unterfchied..ber Griechen bierin von den 
„Lateinern gefteht auch Gear ad Euchologium p. 25 ein.” Vergl. 
Jo. Guitlelm,. Baier in der oben angef. Schrift. 

Allerdings mögen die zeither erwähnten Brunnen vor den Kirchen 
dieſe Sitte des Weihwaſſers mit eingeleitet haben, aber fie bildete fidh 
erft fpäter aus, nachdem dergleichen Brunnen vielleiht Jahrhunderte 
lang vor ben Kirchen erbaut worden waren olme nur entfernt bie 
Beſtimmung des Weihwaſſers in der fpätern römifchen zu haben. - Wir 
werden den Beweis dafür fogleich weiter unten führen Binnen. 

. Die Sitte-ded Weihwaſſers an den Kichen gehört in eine fpätere 
Zeit, we man ſchon aufgehört Hatte, Anſtoß an jübifcher und heidni⸗ 
(her Nachahmung im Kultus der Chriften zu finden, um eben dadurch 
der einfligen Juden und Heiden das Chriftenthum deſto angelegentlicher 
zu empfehlen. Es läßt ſich ein längerer Beitraum nachweilen, wo die 
Ehriften das Beſprengen vor den Tempeln als heibnifchen Aberglauben 
verabfcheuten. Theodoret. hist. ecel.-t. IE. o. 16. ‚erzählt von dem 
nachmaligen Kaiſer Valentinian (F im ber zmeiten Hälfte des 4. Fahr: 
Hunderts), als er einft noch als Kriegsoberſter den Kaifer Julian nach 
dem Tempel ber Sortuna begleitet habe, fei er von den Tempeldienern 
mit heidniſchem Weihwaffer befprengt worden. Dieß babe er aber fo 
übel vernommen, baß er dem befprengenden Tempeldiener einen Kauft: 
ſchlag verfegt habe, mit den Worten: Als Chrift fei er durch das 
heidniſche Weihwaſſer nicht gereinigt, fondern. befiedt worden. Beachte 
man den Umſtand, daß römifche Mitualfchriftfteler, 3. B. Durandus 
Ratiomal. 1. IV. ©. 4. ausdrüdiih fagen: Aquam lustralem in me- 
moriam baptismi omni die dominica benedici, fo ift eine Aeußerung 
Auguſtin's von :dem kirchlichen Rituale ſeiner Zeit merkwuͤrdig, naͤm⸗ 


Weihwaſſer. 645 


lich diefe: Daß es Beinen dem Taufritus ahnlichen 
Gebrauch gebe. Waͤre nun damals das Weihwaſſer ſchon ge⸗ 
woͤhnlich geweſen, von dem die roͤmiſche Kirche behauptet, daß es außer 
andern Zwecken eine beſtaͤndige Erinnerung an die Taufe ſeyn ſolle, ſo 
wuͤrde Auguſtin's Behauptung (4 430) gar keinen Sinn haben. Man 
kann es darum nicht unwahrſcheinlich finden, wenn Manche den 
Urſprung des Weihwaſſers im Sinne der roͤmiſchen Kirche in eine ſpaͤ⸗ 
tere Zeit, vielleicht gegen das Zeitalter Gregors des. Großen, ſetzen. Nur 
unter diefer Vorausſezung mag es wahr ſeyn, was Augufti I. l. dr 
Br. p. 397 fagt: „Die Worte des Apoftels Paulus 1 Timoth. 2, 3. 
„So willih nun, daß die Männer beten an allen 
„Drten, und aufbeben heilige Hände ohne Zorn 
„und Zweifel — mögen nun als eine neue Verordnung, ober als 
„Empfehlung einer aus bem Judenthume abflammenden Sitte genoms 
„men werden, fo Tod auf jeden Fall duch den Ausdrud: Heilige 
„gände, bie Meintgkeit des Herzens und Unſchuld des Wandels 
„angedeutet werben. Hierauf bezieht fih auch die alte Gewohnheit, 
„tn den Vorhöfen und in den Eingängen ber Kirchen Gefäße mit Wafler, 
„fontes oder lubra genannt, hinzuftellen, damit tem Bläubiger ihetis 
„wanibus herbeitomme. Hier iſt nicht nur eine unverfennbare Ver⸗ 
„wandtſchaft mit den Myſterien dee Therapeuten und anderer Myſte⸗ 
„rienformen, fondern auch der Urfprung be6 in ber Latholifchen Kirche 
„noch jegt üblihen Weihwaſſers.“ 

Archaͤologiſche Schriftftellee fowohl aus ber römifchen als prote⸗ 

ftantifhen Kirche, welche mit Kritik bei ihren Unterfuchungen verfah: 
ten, nehmen das 9. Jahrhundert an, wo die Sitte des Weihwaſſers 
völlig allgemein Im Abendlande geworden fei. 
N, Wirkungen, welde die römifche Kirche dem 
Weibwaffer zufhreibt, und verfhiedenartiger Bes 
braud, den fie davon in ihrer Liturgie und bei an- 
derer Deranlaffung nodh jest macht. — Der Aberglaube, 
welcher fih nach und nad) in der römifchen Kirche mit dem Weihmaf: 
fer verſchwiſtert hat, übertrifft noch dasjenige, was Duden und Heiden 
von ihren Luftrationen erwarteten. Dan bildete dabon die Vorftellung, - 
daß es die böfen Geiſter vertreiben und Krankheiten verhüten inne. 
Späterhin legte man noch mehrere wunderbare Kräfte, fogar die Mel: 
nigung von Sünden, die Segnung der Erdfrüchte, die Vertreibung 
bes Gewitters, die Beförderung einer gluͤcklichen Miederkunft, die Er 
leichterung des Segefeuers, dem Weihwaſſer bei. Wer diefe Wirkungen 
genauer kennen lernen will, der leſe mit gläubigem Herzen ben Tracta- 
tus de6 Jo. de Torquemada de aquae benedictae effiencia, ohne 
Angabe des Orts und Jahres, ein alter Drud in Kolio und noch Reuer 
lich Ignaz Steur’s Unterricht von dem Weihmwafler, Cöln 1818. 4 Bo: 
gen. Selbſt Lächerlichleiten der Art bat Dospinian J. J. in feiner Ab: 
handlung vom Weihwaſſer am Ende als Appendix mit der Ueberfchrift 
erzählt. Miracula falsa pro confirmanda aqua lustrali. 

- Indem nun die rörmifche Kirche ſolche Anfichten heat, darf Zweier: 
lei nicht befremden, daß fie diefes Weihwaſſer immer vor dem Anfange 
ber Meſſe zu meihen gebietet und dazu gewiffe Formeln vorfchreibt, 
und daß fie von diefem Ritus vielfältigen Gebrauch fowohl bei der 


646  Welhioaffer. 


Liturgie, als auch bei amberer Weranlaffung macht. Das Taufwaſſer 
wird im Jahre nur zweimal geweiht, in ber Oſter⸗ und Pfingfivigilie, 
das Weihwaſſer hingegen gewoͤhnlich vor der Meſſe an den Sonntagen, 
mit Ausnahme des Oſter⸗ und Pfingfifonntags , weil Tags zuvor das 
Taufwaſſer geweiht wird. Die Wethformeln und Gebete findet man 

in den Mifjalien und Ritualbuͤchern, und einige im Auszuge giebt auch 
Hospinian I. J. 

Uebrigens bedient ſich bie roͤmiſche Kieche bes Welhmaflers nicht 
blos als eines kirchlich⸗ liturgiſchen Gebrauchs, z. B. für die Kirchen⸗ 
beſuchenden, bei Begraͤbniſſen, bei Einweihungen von Kirchen, Kirch⸗ 
hoͤfen und dergleichen, ſondern auch außer der Kirche beſprengt man 
mit Weihwaſſer Perſonen, Thiere, lebloſe Gegenſtaͤnde, Fruͤchte, wor⸗ 
über die libri benedietionales hinlaͤngliche Auskunft geben. Von der 
Yferdeweihe, die jährlich In Rom angeftellt wird, erzählt Elsner mans 
ches Auffallende in ber Kortfegung der neuſten Beſchreibung ber gries 
chiſchen Chriſten in der Turrkei p. 215-—16. — Auch iſt manches 
hierher Gehoͤrige von uns erinnert worden im Artikel Fluch und Gegen. 

ie mißbilligend man im Zeitalter ber Reformation und nad) 
bemfelben von Eeiten der Proteflanten über das Weihwaſſer geurtheilt 
babe, ergiebt fich aus Walch Auszug von Luthers Werken Thl. 19. 
p. 1244, Vergl. auch d. Concordanz aus Luthers Werken u. d. W. 
unb Gerhard Confessio eathol, 1. Il. part. II. art. 10. o. 7. p. 1269, 
fo wie die oben angeführte, Monographie von Baier. 





Berzeihniß 


ber in dem ganzen Werke abgehandelten ammelnen Artikel. 


. (De sönifge Ball bedeutet ion Band, ‚be deutſche die Selteniahl) 


— | 6E Gier Band. 
P-; ‘ . x a. 
1 Abendmabiäfeier der Sheifen, 
21Abenpmahlselemente . » 
Alkbsnhmahtsgerigt 
enbmahlsgeridt. 
8 Tebte 0 


Slyitäre 2... 
Y9/Agaus Dei. . 
10/Amulete . .- 

N 


. 909 0 98 2. 90 0 0 
. « + 
.—0 8 09 90 BB 0% oo 0% 0 
. v J 
.»e..0% .o.o .o».6..—. 


“2 0 2 
.9% 0 0 . oe eo 0 + 
. .a.oe., 
.+%0 0 . oo, 0 eo 


11|Anbreastag. 

12lAnnunciatio 
13 Antipbonie. 

1 apocrisiarius . 
15: Xp oftek —00 
16 Apofleifefte io 
17\Xpofteitheilung. 

18 afhermittewoge 
197 Arhibiaconen , 
WlAſylrecht der Kirdens 
211Auferfiehungsfelt Jeſu. 


. 


ariau F 


Br to. € 


. . ’ 
. ꝰ oo & I» 00 ee . 


..e®t ee 0 0 + 
Ze SE GE 


u. „se . 
—.e. nr nette 
2 
oe Be 1 21 0 0 ee er ee. oe 
® 


w...:c 060 oo. 2.2 ® 
.»0 0 %0 0 0 0 0 
.o“r a. 98 0 0 0 eo 


.». eo vg 00 0. 0 
. } 
.». 0 0 08 0 2 2 90 8 2 08 9 0 L 9 8 2 1 9 ı oe 0 © 


ptifterien. ..%0 
enobae. . oo. . 
rthbolomäustag. 
ichte. ee ee... 
fhneidungsfefl- 
ilder in den Kitchen der Shrifen. 
ifhöfe in ber Hriſtlichen Kirde . . 
iſchofsweihe. Pe Ge vr Ver vr vr 
reviarium. « .. 
Briefwecfel im. "Srtfttig: tirchlichen Leben der erſte 

Jehrhunderte. „ee ee retn + 
Bullen. .. 
23 Buße, zffeutiche. "Poenitentia pablica. 


uBtape 2 2 0 2000er. 


.©. 


BGSanon, weſchiedenartiger Syrahoebraucqh dieſes Worte. 
36 —— 40 0 — — 4—400 


.e»e es © & .. 1. 80 2 8 © 
‘ 


mr. 92 
60ö Sur 0 
8 0 4 0 
.;. |... - 
.:0 oo © 
sv" oo.» oe 
.".r+ 0o © 


oo. . 0 0000. 
. 080 00 +90 0 
.”.0: v2 eo od oe 


S_ BERENRENER 


es ee + 
oe . + 


% 
4 
6 


87iCapella und Capollani. Pr 


.e.:.a6—e0. 0 0 0 0 2 00 0 9 5 ro oe 
‘ 


320-323, 
324 - 326. 





648 


alBertindte en 
3916 atecheten. ..64 
40 —8 Untereiät in der chriſtli 

ce 23 ® ® [ ] ‘ 
411Satehumenat in der "Srifligen 
r Sharfreitag - 


Eharwode., + 
4 Chorepiscopi. 


Chrisma. 
46 6Ghriſten . 
47 Shrikusblider 
«8jGollecten. - « . . 
HiGonfirmation. - oo.» 
5S0|Copiatae. ee. 6... >» ⁊ 


Verzeichniß der einzelnen Artikel. 


—FJ 
+ 
“ 
+ 
® 


.. gr 
vo. 
S. 
* 





. + 


.o..0.60 
.% eos.o 

“2 9% se» 0 
.0 >. 0. 


® 


S1/Eultug ber Chriſten. 
52 Custodesn «x . 44 


.o 

80o 0 6 ”.,» 

. ..0r 0 .,.rt0. 

PER Zur Zr Ye SL Zu Zu Zur Er zu 
2 4 9 39,99 80 08 0 
Pa er Er 42 0 00 


.ee dd 0 90 


63 Decanus. . eo 0 00.0 
5A1Diaconiffinnen .. .,., 
55 Diaconul. 2 or .0.0.. 
‚56/Disciplina arcani. . 
87 Dorolsgie 


[ Zur Zr 0o 0 
.s.—. ® 
. oo»... + 
Pa 


> 0 0 0 


60 0 60 + 
” ° 
oe 00 + 
v ® * 
. 0 ve. 0 


8weiter 


* 


+ « 
“ 0 
? ⁊ 


3916Energumenen in ber 
60 Spiphanienfef. 
1 Evangeliſten. 


58 Eheliqche Berbisbäng, 
® 
6ꝛEror een. : ? 


Baften, Bofltage ae Kur Sur Er 
Befte der Chrifte eo.‘ 
Inch und’ * egen m Eichlicen eeben der Chriſten. 
riedenskuß. . ee. re 0e + 
—— 
ußwaſch 


9209 
chen. 


63 
64 
65 
68 
67 
68 


6 Gaſtfreundſchaft im Eeben der frühern 


B,,. 
* 


. EP Er Ta Er GE Er En Dr" 


..r.o 


a 90 oo + 


70 Gebet, gemeinichaftlihes, in ben —S— 


Verſammlung Me oo. Per vr vr 0 
Sebuntsfer Jefu ober Weihnadten., ... 
7218efang, in ben gottesdienfllihen Verſammlungen. 
7318toden auf ben Ihürmen ver... «x 
7a Gregoriusfeft. -..... 0. 0,08 2 0 0» 
731 Sräner Donnerflag ee. « 


SH. 


. —. 11. 12 00 — — —4 —2*2 
au Ser ver Ser Ye ur Ye er ar 0— 0 


761Bagiolatrie 
ganleipee 


. 
J 
0 
e 


. * . 
. 9 9%. * 


Deka af ui ni aka DE mi 


i | Regiſter. 


Adsoemforis Chrkstä- Be 
stum,. Dimmelfahrtöfeft, ein beſond. 
Art, 1. 307 ff. ae 


Adspersionis ritus, gmöhn: 
. —X der Kindertaufe. IV. 492, 


Adventus, kirchliche Benennung ber 
erften Wochen bes Kirhenjahrs. 11. 

"93. Gehört zu den beweglichen Feſten 
und der erfle Advent fallt immer 
zwifhen den 25. November und 2, 
December. II. 93. — Ausführlichere 

Ragricht darüber. IV. 364. 


Advoeata Evae, wird Maria 


genannt. Grläuterung biefes Nas - 


mens. 111. 318. 


Advocati ecclesiae, ihr Ur: 
fprung und ihre Verrichtung als nies 


bete Kirchenbeamten. Hi. 428 und 29. 


— Advocati ecclesiar. als Vertre⸗ 
ter der Kirchen von hoͤherem Range. 
11. 430. — Zuweilen waren es felbft 
Monarchen Ibid. 


Advocataus diaboli, wer bei 
Der Deiligfprehung fo genannt wird, 

Aetas eanunica. Was man bars 
unter verftand. 111. 272, 


Aetas prima ordinationis, 
beftimmte in Afrika die "Metropolis 
tanmwürbe. 15. 469. 


Ayanac s ging auch in Lie latelni- 
Kirhenfprache über, ein eigener 
Art., ſ. das griehifhe ayarın, wo 

der Spracgebraudy näher erdrtert iſt. 


Nach verfhiedenen Gefihtäpuncten Die 


Agapen betradtet. 1. 84 - 89. Grs 
hielten die Beinamen eucharisticae, 

dominicae, natalitiae, funerales 
‘ u. a. J. 89 - 91. 


Agapetae ‚ lat. Subfntroductae. 
1. 15. 11 j 


, 3564, 
Agenda, se un ende, 


orum, wird fhon im 8. Jahrhun⸗ 
dert fononym mit oflicium, liturgia 
m fe w. gebraucht. ' Die Proteftan: 
ten zogen es vor, bad Buch, welches 
diie ſchriftliche Anweiſung zum Rituel- 
len bei ihrem Gottesdienſte enthaͤlt, 
. mit dieſem Namen zu bezeichnen. 
III. 257. [nn 


regatio in Olerum, 
— dieſes Ausdrucks. A 563. 


Arlosidirum, f. das griechiſche 
eyıoaldngor. Bu 


Wei, ein. eigenen Art, ver⸗ 
chiedene Bebeutungen biefes Worts. 
‚se 103 — 106, ‘ 


Akoluthe , Ableitung und Mebeu: 
tung dieſes Namens. 1. 80., werben 
auch Juvenes, Minores und Junio- . 
res genannt, 1. 81. 


Akumetae. IV. 10, 


Alapa, ein leiter Badenftreih, Ges 
brauch bei der Gonfirmation. in bee 
roͤmiſchen Kirche, I. 455. Berſchies 
dene Erklaͤrungen biefer Bitte ibid. 


ba, ein Kleidungsflüd ber Kleri⸗ 
328 IH. 46. — Alba sc. tunica, ein 
Beſtandtheil der Kleidung des Meffe 
baltenden Prieſters, führt aud die, 
Namen lintea Alba, Dalmatica, tu- 
nica interior, canisia und canisium. 
111. 61., — ift von verfchiebenen 
Stoffen bei Prieftern und Biſchoͤfen, 
und. wird myſtiſch gedeutet ibid. — 
Die weiße Kleidung für Kleriker wird 
feit dem Aten Jahrhundert gewoͤhn⸗ 
lich ibid. 


Alba vestis, SKleibung ber Neus 
getauften. IV. 51% — Linteum 
album, das Taufkleid. IV. 513. .— 

- Davon fol fid) das fogenannte Weſter⸗ 

hemd herſchreiben. IV. 619, Aug 


Albati; Cändidi,_ werben ‚im 
Koran die Apoflel genannt, III. 43, 


Albus, Dominica in Albis, 
Benennung für den naͤchſten Sonntag 
nah Oſtern. IV. 368. Aud dies 
Neophytor.gmanntibid. — Quasi- 
modogeniti, Bauptname für dieſen 
Gonntag in der proteftantifhen Kirs 
de ibid. — Quinquasexima, wars 
um biefee Gonntag’ fo genannt wer: 
de ibid. — Anti- Pascha, Pascha 
clausum,, Octava Infantium, Bes 
nennunger für ben Sonntag, nad 
Oſtern und Urſachen derſelben. IV. 368. 


Alcuin , was von. der ihm zugefchries 
‚benen Schrift: Liber de officiis 
divinis zu halten ſei. IL. 2721, 


Altexza eminentissims, Zi 
tet bed Großmeiſters im Malthefess 
ritterorben. IV. on 


Amalarl Schriftftellee bes Iten 
Saprhunderts” über ur Kirchenger 
brauche. U. 221. 


Ambitus, hieß ber freie Play zwi⸗ 
ſchen dem —— der Ge 
and. den fie umgebenden Mauern. 18. 














654 
78, & wird and Imperium, 
‚-arca genannt, - 0 


Ambo, erhöhter Platz zum Borlefen 

der Wibellestionen in den Kirchen. 
I 837. In weichen Theile ber Kir⸗ 
de das ambo fih befand ibid., 
wird auch Suggestus, pulpitum ges 
nannt. Verſchieden von den Kirchen 
neuerer Beit. HI. 192,, wieder er⸗ 
wähnt. Mil. 192. 


Ambrosianus ecantus, Bemer⸗ 
tungen barüber. II. 216, 


Ambrosius, Bifhof zu Mallanp, 
Liederdichter in ber Iateinifchen Kirche, 

II. 222. — Ambrosius, ald Yomilet 
in der abendlaͤndiſchen Kirche, H. 821, 


über dieß Schlußwort als . 


Amen, 
liturgiſche Formel. III. 230. 
Amſotus, eine Art Kragen. II. 
46. — Em Kleidungsſtuͤck des Meſſe 
battenden Priefters. IH. 60, 
Ampulls, uͤblichſten in bee Kir⸗ 
Senprade de Wein., Wafler: und 
Iböfflafche. 1. 66. 
Amnletum, (ein eign. Art.) Ableis 
. tung, Begrifl, weit verbreiteter abers 
bi Gebrauch dieſes Worte, I. 
107, — tommt oft bei Plinius vor I. 
108, — Amuleta, auf welden die 
Worte Abraxes, Abracadabra zu le⸗ 
fen waren. 1. 109, u 


Anachoretne > und Järemitae, 
we n beiden ges 
mat wird, IV. ” 
Ansthema, fo hieß vorzugsweiſe 
der große an! 1. Bee pe Wels 
hen Grund der Kicchendiftoriter So⸗ 
rates non biefer Benennung anführt. 
II. 133. — Anathema, in ber Kir 
. de bie folenne Formel, womit man 
etwas als ketzeriſchen Gebraud und 
Lehre bezeichnete. II. 133. — Ana- 
thema, bezogen auf die Gntziehung 
bürgerlicher Wohlthaten und ber ewis 
gen Beligteit, H. 136. 
Andreas, ber Apoftel, fe Denktag, 
ein befond. Art. I. 111. Ableitung 
dieſes Namens. I. 114. 
Angellt,: alö Symbole in der chriſt⸗ 
üden Kunfgefäiäte, AV. 319 fi 
Angeli ecelesiae, Rame tr 


Bithöfe in der alten Kirche. I. 237. 
— Angelor. Custodum fest. Feſt 


der ugengel, unbewegliches 
im —— 93. ER 


‚ Angelus baptismalis.IV.320, 


eRegiſler. 


sacötioh, Ude tspteh Die 
Reuplatoniler Jeſu Sei, 1. 431, - 
Annulus pronubus, Berlos 
bungering, 1. 20, 
Annuneiationis Mariae fe 
stum, Get der Rerkündigung 
Marid, ein befond. Art. wann biefe 
Benennung zuerft vorfonmt, 1. 118. 
ch zuweilen Festum conceptionis 
ariae genannt. 1. 118., als bes 
weglihes Bet im Mai. 1, 92, 
Antiocehenae cathedrae fe- 


dem Petrus zu Ehren. iv. 


Antiphonla, recipirt in bie Kirchen⸗ 
fpradje des Abendlandes, ein bef. Art. 
Ableitung und Bedeutung biefes Wars 
ses in ber kirchlichen Liturgie, E. 120. 
— Antiphonatim fingen, was e& 
—* L —— 
Worts An nie in der heutigen 
Biturgie. 1. 123,, | 


Antonius, ein eifriger Vefoͤrderer 
des Kiofterlebens. IV. 5, ß 


Apostoll, Apoftel, ein befond, Xrt., 
bei den (pdtern Ainhenfgrkißet 
un 
lern. l. 128 — RX. ’ 


Apostolorum omnium fe 

 stum, Gpur eines ſolchen Feſtes. 
1. 133. Apostoli, werben bei den 
ältern Kirchenvaͤtern zuweilen die Bis 
fööfe nt. 1. 23%. — Aposte- 
or. divis. festum, ein unbeweglis 
ches Feſt im Julius. II. 92, 


Apotheosis, anoslaoıs, Apo⸗ 
theofe ber Römer, daraus will mar 
bie Deiligfpredung in der chriſtlichen 
Kirche ableiten. 11. 279, 


Aqua, Benennung für Taufe. IV. 
— Aqua baptismalis, pflegt 
von ben Proteftanten nicht befonders 
geweiht zu werben, wohl geſchleht 
bieß aber in der roͤmiſch⸗ und in der 
geehiie s tatholiſchen Kirche, IV. 
. — Abweichung bei ber Zaufs 
woflerweihe in beiden legtern Kiis 
chen ibid. 


Aquae frigläse et fervi. 
Judie uUmR , Drdalle, Got⸗ 
teögeriht. IV. 134, f. auch jadi- 


cia Dei. 

Aqua Iustralis, Weihwa 
Han bedient fih Deigben bei X* lis 
chen Proceffiouen. IV. 46, — Wei 

wafler, ein beſ. Art, AV. 641 f, 





id⸗ 


Regiſter. 


Auum ı paschalie, Oſterwaſfer. 
Ara, altare (Atäre em eine: 
&rt.), was diefe Worte zunaͤch 

den Lateinern bebeuten. — Arae 
“- eespititiae, graminene. 1. M. — 


Altaria Aixa, was barunter zu ver⸗ 


ftehen fei und warum fie oft arca 
genannt werden. 1. — Altaria 
portatilia, gestatoria, viatica, 
was darunter au verftehen fi 1. 97. 
— Arae apotheoseos. I. 97 


"Arbores, zufammengefepte Leuchter 
auf dem Boden ſtehend. ins 


Arcanum,, Benennung für Tauſfe. 


Archidiacent, ein befond. Art. I. 
142., — ihr Urfprung. I. 143. — 
Archidiaconalia banna , was bars 

‚ unter zu verftehen fei. I. 144, 


Areula , Gottetlaften. Il. 452, 
Area ‚f Ambitus. 


Arene, Bearäbn e au Ih der 
Staͤdte ro IL unue ri feier 
Dias um die Kirchenz man wählte 
ibn vom 4, verzgandert zum Bes 
gräbnißplag. IV 

Aristoeratie, "rate, HI. 456. 


Armarlum, Benennung für Mons 


franz. 1. 
Arundines, Name für bie ſpaͤ⸗ 
tern Röhren an den dınablötels 


“den. 1. 53 und 63. 


| Ascetae, was man anfangs unter 
- ihnen verftand,. IV. 4, 
Asinarll, in Schimpfname der 
Shriften. 1 
Asini Tentumı Ejelsfeſt. IV. 117. 
Assumtionis, ſpäter Asoen- 


sionis Marliae festum, Wo: 
ria Dimmelfahrt, ein befond, Axt. 
un 335, j 


095 
tarot, "Astarte, Aster, 
Aune von den Deutſchen vecedrte St: 


tin, d bos deut 
—ä 160. in He 


Asteriscus, une. ba grichtige. 


aorepluxos, darne 
Asylum, ju yı eceles, 
ein befond. Art. I. or Sr bie Abs 
leitung biefes orte db. d. griech. 


‚ &0vl0te 


Athanaslun, als SBomilet ber 
griech. Kirche geſchildert. Il. 317, 


Athanastus, Biſchof zu Alerans 
drien , befördert das Moͤncheleben im 
Decidente. IV. 8., ihm eifern Ams 
om und Sleronymus nad, IV. 9, 


ttribute, Attribute ben vier Evan⸗ 
—* beigelegt. AV. 317 - 19. 


Audientes, ſ. bus geiechtſche 
AXDOWLLEVOL» 

Audientia episcopor., das 
biſchofliche Schledsrichteramt 3 ſchwleri⸗ 
ger Begenftand der Altertbumstunde 
und Rechtögefchiäte. IH. 31. 


Augustinus, A Bidaf 
zu Dippo in Afrika, geſchüdert als: 


ilet ber wandi en Ki 
3 1und ud irche 


—— — Cie 
n, Liederdichter in der lateinis 
ſchen —— 11. 223, \ 


Aurora, ſ. Tertia. 


Aurum tironleum, was barall: 
ter verflanden wurde, ML. 29, . 


Ave Maria, engliiger Gruß, Bes 
De ‚um Roſenkranze gehörig. iv. 


Asymus, sc panis, de pa- 
ne azymo et fermentate 
in coena domini entflanden 
Gtreitigleiten. 1. 46. 


B. 


Bacuii , als Infignien höherer Kin: 

chenwuͤrden, er baculus patriar- 

chalis u. f. w. Il. 452. — Baculi 
cantor, et orgecentor. ihid. 


s pastoralis, Hirten: u. 


Baculu 
flab, Biſchofsſtab, Krummftab. 1. 
54. Was man Finnbibtig damit 
anzeige. III. 35. 


Baphomet, eh Sol, das ° bie 
Kempeiberven ſollen verehrt haben. 


. ® 


aptizmales 
* bei und nach der Oder Zanfe, I 


ning, 


Baptimmalls eeniesin, warum 

















Regiſter 
über die lateiniſchen Worte, die In dieſem Handbuche erwaͤhnt und 
erläutert worden find. Beruͤckfichtigt wurden zugleich bie griechifchen 
Worte, welde In die Kirchenſpeache des Abendlandes uͤbergingen, fo 
wie. einige Kunflausdrüde aus neuern, mit dem Lateinifchen verwandten, 
Sprachen. Die tömifhe Zahl bezeichnet den Band, die deutſche 
. die Seitenzahl. 


Abbas und Abatissa, Ableitung. 
und Bedeutung biefes Wortes. I. 74. 


dere Namen füc Kiofterobere. I. 75. . cmentine, zufälige Einnahmen 


— Mande Möndsorben wählen en: 


— Abbates exemti, was barunter 
zu verſtehen fei. I. 76. — Abbates 
laici, Laienaͤbte. I. 77 und 78. — 
Abbates milites, seculares. I. 78, 
— Abbas, Abbatum, wer ſich fo 


‘ nannte, 1,79. "— Abbates laici, 
- ihr Urfprung. — Abbates commen-- 
datarii. — Abba comites. IV. 19. 


Abrenuntiatio, wollen Mande 
von Exorcismus unterfcheiden.' I. 58, 
— Abrenuntiatio, ſ. Sponsores. 
IV. 5%, j " ” 


Absolutio declarativa, bei 
ber Beichte in der reformirten Kirche 
gewöhnlih. I. 33, — Absolutio, 
verfhiedene Bedeutungen biefes Worte 
im Laufe der Beit. 1. 200. — Ab- 

“ solutionis formula, ihre Wichtig 
feit, um zu lernen, wie füch die Ans 
fihten von ber Beichte und Sünden: 
vergebung allmählig anders geftaltes 
ten. 1. 200 und 201. — Verſchiedene 
Ausbrudsweife dieſer Formel in ber 
zömifhen und proteftantifchen Kirche, 
1. 202, — Absolutionisdies, Char- 

eitag. I. 376. — Absolutio, abso- 
ufionis Sacramentum et remis- 
sionis peccator. Rame für die Tau⸗ 
fe. IV. 460, 


Abyssinii, abyffinifhe Chriſten, ihr 
noch jegiges Beftehen in Aegypten aus 
einer ern chriſtlichen Zeit, ihre 


Shhickſale und klitchlichen Einrichtun⸗ 
‚gen. IV. 401. 402. .— 


der Geiſtlichen. Ill. 99. 


Acclamatio, das Beifallszurufen 


bei den Vorträgen berühmter Homl⸗ 


leten im Alterthume. 1. 230., auch 


applausus genannt, — Acclamatio, 
Biſchofswahien per acclamationem 
und nit per propesitionem et 


-praedicationem, wie 3. B. bei Am⸗ 


brofius-und Ghryfoftomus. IM. 10, , 


Acerra eföß. zum. Weihrauche. 
Ir 24 Gefäß. 5 ihrauch 


Acta martyrum, was man bar: 


unter verftandz wurden an ben Denl: 
tagen ber Märtyrer an ihren Gräbern 
verliefen, III. 281., vergl. Passiones 
Martyrum. 


Addictio, f. Sponsores. 
Adiaphoren, Beurtheilung ° einer 


Sache, wo fie uns als gleichgültig 
erfcheint, fo bag wir fie ohne Ver: 
legung des @ewiffens annehmen ober 
verwerfen koͤnnen. Aus biefem Ge⸗ 
fihtepuncte betrachtet die lutheriſche 

{ den Kerzengebraudy) beim 
Abendmahle. I. 30. — Den Gottes: 
dienft überhaupt. I. 31. — Die Feier 


„ber Feſttage. IL. 96, — Die geiftlicye 


Amtstracht. III. 69. — XS Adia- , 
phoron betrachten bie oceibentalifcyen 
Kirchen bad Untertauhen oder Bes 
fprengen bei ber Taufe. IV. 501. 





Begier. 


Adsoemstonie 


Chrlsti - De 
stum,. Öimmelfobrtöfeft, ein befond. 
Art. I. 307 ff, . | 


Adspersionis ritus, gewoͤhn⸗ 
. ud sei der Kindertaufe iv. 492, 


Adventus, kirchliche Benennung der 
erften Wochen bes Kirchenjahrs. 11. 

"93. Gehört zu den beweglichen Keften 
und der erſte Advent fällt immer 
zwifchen ben 26. November und 2, 
December. I. 93. — Ausführlichere 

Ragricht darüber. IV. 364. 


Advocata' Evae, wird Marla 
genannt. Grläuterung biefes Ras 
mens. 111. 318, 


Advocati ecclesise, ihr Ur: 
fprung und ihre Verrihtung als nies 
dere Kirchenbeamten. Il. und 29, 
— Advocati ecclesiar. als Bertres 
tee ber Kirchen von höherem ange. 
11. 430, — Zuweilen waren es felbft 
Monarden ibid. 


Advocatus diaboli „ wer bei 
ber Beiligfpregung fo genannt wird. 


Aetas canonlca. Was man dar⸗ 
unter verfland. III. 22, : 


Aetas prima ordinationis, 
beflimmte in Aftika die "Metropolis 
tanmwürbe. 35. 469. 


apae, Hing auch in bie lateini⸗ 
he Kicheniprache über, ein eigener 
Art., -f. dab griehifhe ayarın, mo 
der Sprahgebraud näher erörtert iſt. 
Rach verfhiedenen Geſichtspuneten die 
Agapen betradtet. 1. 84 —- 89. Er⸗ 
hielten die Beinamen eucharisticae, 
dominicae, natalitiae, funerales 
‘ u % L 89 -91. 


Agapetae , lat. Subfntroductae, 
1. 15. 1L 364, 


Agenda, ae un Agenda, 
orum, wird fhon im 8. Jahrhun⸗ 
dert fononpm mit oflicium, liturgia 

- m fe w. gebraucht. ° Die Proteflan: 
ten zogen es vor, dad Bud, welches 

‚ bie ſchriftliche Anweiſung zum Rituel⸗ 
len bei idrem Bottesdienfte enthält, 

,„ mit diefem Ramen zu bezeichnen. 
111. 257, ‘ [en 


atio Cle Ä Be⸗ 
AgereE biefes ae IV. 553, 


Aglosidirum, f. das griechiſche 
«yıoaldngor. 


. nennunger für ben Gonnta 


Bei, ein. eigenen Art. vew 
chiedene Bedeutungen biefes Worts. 
0 103 — 106, 


Akoluthe, Ableitung und Mebeus 
tung biefes Namens, 1. 80., werben 
auch Juvenes, Minores und Junio- . 
res genannt, 1. 81. 


Akumetse. IV. 10, 


Alapa, ein leichter Ba ih, Ges 
brauch bei der Confirmation in bee 
roͤmiſchen Kirche, 1. 455. Berſchie⸗ 
bene Erklaͤrungen dieſer Sitte ibid. 


Albe, ein Kleibungsflüd der Kleri⸗ 

fer. III. 46. — Alba sc. tunica, ein 
Beftandtheil ber Kleidung bes Meffe 
baltenden Prieflers, führt aud die, 
Namen lintea Alba, Dalmatica, tu- 
nica interior, canisia und canisium. 
11. 61., — ift von verfchiedenen 
Stoffen bei Prieflern und Bifchöfen, 
und. wirb myſtiſch gedeutet ibid. — 
Die weiße Kleidung für Kleriker wird 
fit dem äten Jahrhundert gewoͤhn⸗ 
ich ibi 


Alba vestis, Klebung ber Neus 
getauften. IV. 51%, — Linteum 
album, das Zauffleid, IV. 513. — 
Davon foH fid) das fogenannte Wefters 
bemb herſchreiben. IV. 519, Auch 


Albati; Candidi, werben .im 


Koran die Apoffel genannt, III. 43, 


Albus, Deminica in Albis, 
Benennung für den naͤchſten Sonntag 
nah Oſtern. IV Auch dies 
Neophytor. genannt ibid. — Quasi- 
modogeniti, Dauptname für biefen 
Gonntag in der proteftantiichen Kirs 
de ibid. — Quinquasexima, wars 
um biefer Gonntag’fo genannt wer: 
de ibid. — Anti- Pascha, Pascha 
clausum, Octava Infantium, on 

na 

Oſtern und Urſachen berfelben. IV. 368. 


Alcuin , was von ber ihm zugefchries 
‚benen Schrift: Liber de ofliciis 
divinis zu halten fei. III. 221. 


Altezza eminentissima, Zi 
tel bes Großmeifters im Maltheſer⸗ 
ritterorden. IV. 8 ° .. 


Amalarius , Schriftſteller des Iten 
Jahrhunderts über die Kirchenges 
bräuce, UI. 221, 


Ambitusn, hieß der freie Plat zwi⸗ 
ſchen dem sähe ve Ge 
. and. den fie. umgebenden Mauern. 1. 


646 Welhwaſſer. 


Liturgie, als auch bei amberer Veranlaſſung macht. Das Taufwaſſer 
wird im Jahre nur zweimal geweiht, in der Oſter⸗ und Pfingſtvigilie, 
das Weihwaſſer hingegen gewoͤhnlich vor der Meſſe an den Sonntagen, 
mit Ausnahme des Oſter⸗ und Pfingſtſonntags, weil Tags zuvor das 


| Baufaller gerweiht wird. Die Welhformeln und Gebete findet man 


in den Mifjalien und Ritnalbüͤchern, und einige im Ausguge giebt auch 
Hospinian I. L ' 

Uebrigend bedient ſich bie roͤmiſche Kicche bes Welhwafiers nicht 
bloß als eines kirchliche liturgiſchen Gebrauchs, 5. B. für die Kirchens 
befuchenden,, bei Begräbntfien, bei Einweihungen von Kirchen, Kirche 
böfen und dergleichen, fondern auch aufer der Kirche befprengt man 
mit Weihwaſſer Perfonen, Thiere, lebloſe Gegenftände, Srüchte, wor- 
über bie libri benedietionales binlänglige Auskunft geben. Kon ber 
Dferbeweihe, die jaͤhrlich in Rom angeftellt wirb, erzähle Elsner mans 
ches Auffallende in der Fortſetzung der neuften Beſchreibung ber gries 
chiſchen Chriften in der Türkei p. 215—16. — Auch iſt manches 
hierher Gehoͤrige von uns erinnert worden im Artilel Fluch und Segen. 

- Wie mißbilligend man im Zeitalter ber Reformation und nad) 
bemfelben von Seiten der Proteftanten über das Weihwaſſer geurtheilt 
babe, ergiebt fich aus Walchs Auszug von Luthers Merken Thl. 19. 
p. 1244. Vergl. auch d. Concordanz aus Luthers Werken u. d. W. 
und Gerhard Confessio eathol. 1. Il. part. II. art. 10. oe. 7. p» 1269, 
fo wie die oben angeführte Monographie von Baier. 





fophie in unfern Tagen auf Unlverß⸗ 
täten v vergleichen. I. is und 47 
auch IV. 570 und 71. 


Catechismus für populäres geh: 
budy in der chriſtlichen Religion, wird 
erſt mit der Reformation eine allge: 
meine Benennung. l. — Cate- 
chismus roman., eine Radapınung 
der Iutherifchen Gatechismen. I. 358, 


Catechumeni, bie &ateiner behal⸗ 
ten diefes dem griechifchen nachgebil⸗ 
dete Wort bei, 
auch Novitii und Novitioli brauden. 

1.364, — Begriff, welchen bie alte 

Kiche mit diefem Worte verband. 1. 

365. — Gie werben als unfähig zum 

Klerikerſtande angefehen. MI. 16. 


Cathedra, Biſchofeſtuhl, gewöhn> 
licher Ort, wo bie Bifchöfe in frühe: 
rer Beit predigten Al. 327. 

Cathedra Petri romana, 
Petri römifche Stuhlfeier. 11. 91: — 
cathedr. Petr. Antiochena, unbe⸗ 
wegliche. Fefte im Januar und Fe⸗ 
bruar. 11. 91 und 92, 


Cathedrae Petri festımm, . 


mabeldeinlicer Urfprung deſſelben. 

V. 206. — Dafür kommt aud In 
—* der Name Natale Petri de 
cathedra, auch fest. epular. Petri 
vor. Erläuterung bes legten Namens, 
IV. 07. 


Catholicae, warum manim Mor: 
genlande einige Kirchen fo nannte, Il. 


-Catholiet, feibente Bedeutung bie: 
jes Wortes. 1. 409 und 10, 


Caudatarlius , welder Geiſtlicher 
in der römifchen Kirche diefen Namen 
führt. 111. 

Causae leviores, konnten aud) 
vor geiftlichen Serichten entſchieden 
werben. 111. 31. 


Cauterium, f. Cestrum. 


Cavalieri di ustizia und 
di grazia, Diftinction der Mals 
teferritter. 1V. 283. 


Cella, Cellula, bie einzelne 


Moͤnchswohnung in einem gemeins 
ſchaftlichen Kloſtergeb. IV. 52. 


Cellularius und Cellularia, in 
Minds: und Ronnenltöftern- IV. 54, 


Censor morum;, als jolcher wur⸗ 
de der Biſchof in ſeinem Gpsengel 
angeſehen. 111. 28, 


ob fie gleich dafür Cere 


659 

Census possessionum , Bee 
mögensfteuer,, in wiefern bie Gelau⸗ 
chen nicht davon befreit wurden. III. 
29. — In wiefern dieß auch von dem 
Census capitum galt. Ill. 29, 

Cerei baptismales. 1V. 514, 

Cereorum eonsecratlo, Ker⸗ 
zenweihe. III. 


Cereosala;,: Beucter für größere 
Bacheterzen. Il. 445, 


Wortes von du "Gange. 11. 446, 
Cereus paschalis. IV. 300. 
Öestrum, cauterlum, veri«- 


eulum, das Inſtrument, en’ 


man fih zum Ginbrennen und Ein⸗ 
ügen bediente, III. 288, 


Character indelebilis, fol 
hen Toll die Bifchofäweihe bewirken, 
I. 268. — Die römifche Kirche be⸗ 
bauptet, baß biefer char. indeleb, 
überhaupt durch die Ordination er: 
theilt werbe. IV. 155. 


Chartophylax, was man in ber 
grieciihen Kirche darunter verſtand. 

Chapeau-bas, wie dieſe Battung 
kleiner Galanteriehuͤte entſtand, und 
wer fie beſonders trug. IN. 77. 


Chirotheeae, bifhöflihe Hand: 


ſchuhe. Ill. 51. 
Choresae, Hochzeitstaͤnze. IL 23. 
Chorepisco > ein —** Art. 
1. 386 und # und Abs 


leitung biefes Worte, l. und 88, 
— &0 werden zuweilen auch die Gans 
toren in größern Städten nach einer 
fatfhen Etymologie genannt. I. 393. 


Chrisma (zolowc), ein bef. Art., iſt 
im lateinifhen Kirchenſtyle vecipirt, im 
Lateiniſchen durch unckio,unguentum, 
oleum, uͤberſetzt. 1. 3A, — Kirch⸗ 
icher Sprachgebrauch dieſes Wortes. 

— Feierllche Weihe deſſelben 
wer den 1 Bifchof.. 1.396, — Materie 
bes Chrisma, VBerfchiedenheit befiel: 
ben in ber abend: und morgenlänbi- 
ſchen Kirche, 1. 396—98. — Chrisma 
bat außer der Bedeutung bes heiligen 
Salböls auch noch mehrere andere 
Bedeutungen. I. 400 und 401, 


Chrismale, verfhiedene Bedeutung 
dieſes Wortes. I. 401, — Chrisma- 
les denarii ibid. 


Ohrismare, ſynonym mit con- 
Secrar®. 49 * 


ostatae, Erlaͤuterung dieſes 





660 


Regiſter. 


. Chrismarium und Chrisma- Clierus, aus ber griechiſchen in bie” 


larium , verfchiebene Bedeutungen 
dieſes Wortes. 3. 403. 

Chrismarlus, ein befonberer Kle⸗ 
ritex. 1. 402. 

Christiani , Entſtehung, kurze Ge⸗ 
ſchichte und Zweckmaͤßigkeit dieſes Na⸗ 
mens. 1. 

Chrysargyrum, f. Tributum 
lustrale. 

Chrysologus (Petrus) alö 90: 
milet ber Gbendländifgen Kirche ge: 
ſchildert. II. 332. 

Chrysestomus ald Homilet ber 
griechiſchen Kirche gefchildert. 11. 319 

und 20. 

Ciborlum, Benennung für Mon: 
ftranz. 1. 68. 

‚Cieindelae, Heinere kirchliche Leucht⸗ 
geräthe. u. 448, 


Cieindillae, [. Cieindelae. ' 


Cidaris, minder gewöhnliher Name 
für Biſchofsmuͤtze. 111. 53. 
Cimeliarchae, Kleriker, welche 
bie Auffiht über bie Kirchenfchäge führs 

ten 11. 431, 


Cinabaris, {. Minium. 


Circuli, ¶ nere kirchliche Leuchtge⸗ 


raͤthe. 11. 


Circumeisionis festum, Be 


fhneibungs =, fpäter Reujahrsfeft, ein 
befond. Art. 1. 207. — Unbewegiiches 
Feſt im Monat Januar, I. 91. 


Cisterna, f. Cantharus. 


Cisterna, Benennung für Taufe. 
IV. 58. 

Claustrum, für Moͤnchs⸗ und 
Ronnenwohnungen, 
Dccidepte gebräudli. IV. 55. 


Olavorum et Ianceae Chri- 
ati Testum, ein unbeweglides 
Feſt im Monat April. 1. 92, — Feſt 
der Lanze und Nägel Chriſti, ein bes 
ſond. Art. 111, 168, ' 

‚ Cliementina und Benedieti- 
ma, zwei päpftlihe Bullen aus dem 
14. Jahrhundert, aus weidhen man 
ben tiefen Berfall bes Benebictinerors 
dens erfennt, IV. 1% 

Clierici, welche Abflufangen ber 
Geiſtlichen im 2. und 3, Jahrhundert 
fo genannt wurden. 111. 3, 

Cieriei eonjugati, was man 
darunter verftand, AV. 552, 


‘ 


befonderd im . 


lateiniſche Kirchenſprache übergegans 
gen. Man unterſchied fruͤhzeitig einen 
Clerus major und minor. Ill. 3. 


Ciimiei, Begriff derſelben und ihre Aus⸗ 
fhließung vom Klerikerſtande. III. 21. 


Oliniel und Grabbatarii, bie: 
jenigen, welche die Kaufe in ſchweren 
Krankheiten und Todesgefahr empfin= 
gen. IV. 520, 


Clocca, Cloqua, Clogga und 
neutr. Ciocum, daraus das 
deutfhe Glocke, ein befond. Art. ILL. 
239. — Glodenräthfel. 240, — Ety⸗ 

" mologie des Wortes ibid. — Inſchrift, 
- bie ziemlich umfaffend den Glockenge⸗ 
brand, ſchildert. III. 212, 

Coccus, f. Minium. 

Codex, eigenthümliher Tirdlider 
Sprahgebrauh dieſes Wortes. IIE. 
248, — Codices inaurati, argen- 
tei, purpurei, woher diefer Name. 
‚21. 250 

Codex evangeliorum wurde 
Ki Den Proceſſionen vorgetragen. 


—X 


Coelibat eloſigkeit bee Geiſtli⸗ 
chen. II. 1ä * na Ai 


Coemeteria, Begräbnißpläge außer: 
halb der Städte, unter ber Erbe ans 
gelegt in bald regelmäßigen, bald mins 
ber regelmäßigen Bängen. Ill. 294, 


Coena pura, Benennung für Char: 
freitag. I. 376, 


Coena sacra, eoena domi- 
mi, Ramen für die Abendmabhlefeier, 
erklaͤren fih aus dem R. T. 1. 6. 


Coensae dominicae dies, vel 
feria quinta in coena do- 
mimiea, Name für grüner Dons 
nerftag. IA. 256. 

Coenobium, Hödhft wahrſcheinlich 
aus xoswös Plos entflanden. Unter 
ſchied zwifchen Coenobium und Lau- 
ra. IV. 6. — Was das Coenobium, 
wahrſcheinlich beim Gntfleben des - 
Möndlebens war. IV. 51, 

Coenoblum, Unterfcied deſſelb. von 
Monasterium nad Caſſian. IV. 55, 

Coenobitae , Slofterbewohnerin: 
nen, rund diefer Benennung IV. 6. 


Cognatio spiritualis, was dars 


unter zu veriteben fei. 11. 14., — 
unter melden Perſonen fie Statt finde, 
u. * — Wird von Luther beſtritten. 


Regiſter. 


consangulnitas 
„piritunlin, geiflihe Berwandt⸗ 
(daft zifden Setauften und Pathen, 


Collaria, was man in der protes 
antifien Kirche darunter verftand, 


Collatio superindicta et 
extraordinaria, außerorbent: 
Iihe Sommunalabgaben und Umlagen, 
davon waren bie Kleriker frei. III. 30. 


Collecetae, ein befond, Art. — 
Collecta, eine gewiffe Gebetsgat⸗ 
tung in der kirchlichen Liturgie und 
verfchiedener Sprachgebrauch biefes 
Wortes, 1. 442 . — Davon abge: 
leitete Worte: Collectaneum, arium, 
arius, collectio, collectores, col- 
lectus infans und collectionis 
epistola. 1. 445. 


Collegia Fabror. s. 


' 


opin- 
eum, SBaugefellfchaften im Mittel: - 


alter. Il. 424, 


. Collegiatae ecclesise, Be 
griff derfelben. 11. 389. 


- Comes, in ber Bedeutung eines 
Handbuchs für Eiturgen. 111. 249, 


“ Commaitres, compatres, Ge: 
vattern, Pathen. AV. 518. 


 Commemoratio, fo viel wie 


Memoria, Celebritas, Gedenktag, 
Gedaͤchtnißfeier. IV. 205 und oͤfterer. 


Iſt übrigens weniger als festum. 


Commendatae und eommen- 

. datoriae ecclesiae, ber Ras 
me beziebt fih auf Verhaͤltniſſe gegen 
andere Kirdyen. Il. 389, 

Communio , Rame für bie Abends 
mabhlsfeier, hat feinen Grund im 


«8, 1. 7. 


Communio lalica, was man bat: 
unter verftand. 1. 21, — weitläuftis 
ger ift von ihr die Rebe. Ill. 83. 


Communio peregrina, %e: 
griff derfelben. Ai. ger ’ 

Communio servorum, wurde 
an manden Orten, befondere am 
grünen Donnerftage, gehalten. 11.256. 


Communio sub una, Begriff 
und Urfachen ihrer allmähligen Auss 
bildung. I. 53. — Sie wird von den 
Proteftanten und Griechen verworfen.- 

‚ 1. 410, | 

Communio sub utraque, über 
diefe Art das Abendmahl durch Aus⸗ 
theilung von Brob und Wein zu feiren, 


6 


müßte bie Iutberifche und reformirte 
Kirde einig ſeyn. 1. 58. 
Compassionis Marine fe 
stuma , ibentifh mit Festum Ma- 
riae de septem doloribus. HI, 322, 


Competentes ober eleeti, eine 
befondere Battung von Catechumenen. 
1. 368. — Competentium dies, 

Grund biefes Namens. IV. 583. 


Competentium deminica, 
warum ber PYalmfonntag fo genannt 
wird, IV. 171, 

Completorium, welde Gattung 
beö täglihen Gebets barunter verſtan⸗ 
den werbe. I. 270. 

Compiletorlium, die legte foges 
nannte canonifhe Stunde. Urſache 
diefee Benennung. IV. 65 und 66. ° 


Complicatio vel conjunctio 
manuum et digitorum, ei: 
genthuͤmlicher Gebrauch beim Gebete. 
1. 184. 

Compostella, fol das corrum: 
pirte ad Jacubum Apostolum fen. 
1l. 337. 

Conceptione de, ein Nonnen 
orben, geftiftet tm 3. 1729. 118. 346, 

Conceptionis immaculatae 
b. v. Marliae festum, Feſt 
der unbefledten Empfaͤngniß Mariä, 
ein befond. Art. 111. 342 fl 


Concha, eonchuls bematis, 
Namen für das Bema in dem Kir- 
chengebrauche, entlehnt von ber Form 
deſſelben. Il. 374. 

Toncilin, fo überſeten bie Lateiner 
oft das griechiſche auwodos. IV. 411. 

Conelamatum est, Sinn biefer 
Formel in Beziehung auf Verſtor⸗ 
bene. IV. . 

Confessio auricularis, Ohren: 
beihte, dagegen erklären ſich alle 
Proteftanten. 1. 200, 

Confessio Belgica, wos fie 
von den verſchiedenen Abftufungen der 
Geiftlihen lehre. III. 35. 

Confessio sacramentalis, 
gehört zu den Worbereitungen bed 
Meffe haltenden Priefters. I1—2. 375. 

Confessores, aus ihnen wählte 
man zuweilen’ bie kirchlichen Lectoren. 
In. 171. 

Confrmation, ein befond. Art. 
1. 46 fi. — Confirmatio, @e: 
ſchichte der Ausbildung biefes kirchli⸗ 

hen Begriffe. I 247 und 48, 


682. 


Congregatio, Bedeutung dieſes 
Wortes in der Gefchichte dee Mönche: 
Bongregationen im Benedictinerorben, 
Congregationes Cardina- 

um beißen gewiffe Ausſchuͤſſe aus 

den Garbindien vom. Papfte gebildet. 
Es giebt ihrer mehrere. 1. 337. 


Conseeratio, weitere und engere 
Bedeutung biefes Wortes. 1. 9. 


Consecrationis formula if 
anfangs ein freier Erguß des Bi: 
ſchofs, wird aber fpäter ftehende, un: 
abänderliche Formel. I. 10. 

Consistentia, f. das griechiſche 

, OUVOTORGIS. | ‘ 

Consistorium , was dieß Wort im 
roͤmiſchen Geſchaͤftsſtyle bedeute. I. 332, 


Constitutliozfes apostol., eine 
frühere liturgifche Echrift, was von 
ihr zu halten fei. III. 207, \ 


Conventus, Bmennung für Abend: 
mablöfeier, tonnte nur zur Beit ber 
Arkandisciplin Stats finden, läßt ſich 
vielleiht aus dem N. 3. erklären. 


. LU) * 


Conventus, Benennung für Klo: 
fer. IV. 56. 


Conventus, fo uͤberſetzen oft bie 
Fateiner dad griechiſche auwodos. 


Conventus celleglati, 
man darunter verftand, 111. 13. 


Conversi, f. Laici fratres. 
Conversionis Pauli festum. 
IV. 208. 


was 


Convivia baptismalia, aud) 
epulae baptismales. IV. 


Convivia nuptialla, auch 
€epulae nuptiales,. 11. 23, 
Copistae, ein befond. Art., Ab: 
Kuna und Begriff biefes Wortes. I. 


Cornu evangelii et episto- 
ine, was darumter zu verfteben fei. 
Il. 301. S. aud) Evangeliarium. 


Orrons, kirchlicher Kronleuchter. 


Corona beatae Virginis, 


‚Benennung für Rofentranz. IV. 291. 
Corona Presbyteror., was 
man darunter verftand, IV. 226, 


Regiſter. 


Oorporale se. velam, was 
daranter zu verfteben fe 6, 


Corporis Christi festum, 
Fronleichnamsefeſt, ein befond. Art. 
il. 149. — Fron - Leichnam ; nad 
altdeutſchem Sprachgebrauche iſt völlig 
ſynonym mit Festum corporis Do- 
mini, j. e. Jesu Christi. I. 150, 


Correctorium, fo nannte Fran⸗ 
eiscus de Paula die für feinen Orden 
aufgefegte Regel. AV. 27. 


Crama (griech. xo@ua) bie Vermi⸗ 


fhung des Weines mit Waffer im 
Abendmahle. 1. 51. 

Credo, Gebet zum Rofenkranz ge⸗ 
börig. AV. 290, | 

Crueiferl, eine Art Mönde. IM. 
133, — So werben aud) zuweilen 
die im Mittelalter berüchtigten Geiß⸗ 
ler genannt. Auch hießen fie Cruci- 
fratres, cruciflagellatores ibid. — 
Cruciferi hießen auch die, welche bei 
Proceffionen das Kreuz trugen. IV. 
243. — Synonym mit aigaifer, 
vexillifer und Draconarius, - 

Crucifixus, Grucfir, Begriff. 
Schwierigkeit, bad Alter deffelben zu 
beftimmen. Ill. 137. 

Crucis apparitio, ein Feſt bei 
ben toptifhen Ehriften: II. 148. - 

Crucis s. Exaltationis fe- 
stumm, Kreuz: Erböhungsfeft, un: 
bewegliches Seh im September. II. 


Crucis s. inventionis ſe— 
stum, Kreuz: Strfindung, ein be= 
fond. Art. Hi. 144, 

Crueis Judiciam, eine Art Or: 
dalie, Kreuzurtbeil, AV. 137. 


Crueis signum, Gebrauh bei. 
der Ordination. IV. 155, und bei vies 
lem andern liturgifchen Verrichtungen. 


Crux, Kreuz, ein eigener Art. III. 
114. — Us Marterwerlgeug kennt 
ed das vorcriftlihe Alterthum. I. 
115, — Crucis religiesos nennt 
Zertullian die Heiden ibid. — Das 
lateinifhe Crux iſt feiner @tymologie , 
nad ſchwer auszumitteln. I. 116. — 
Signum crucis fommt häufig im 
Privatleben ber fruͤhern Ghriften, wie 
in der Liturgie vor. III. 118. 19, — 
Crux composita beftehbt aus drei 
Arten: Crux decussata, crux com- 
missa, crux immissa. Schilde⸗ 
rung diefer Kreuzarten, DI. 10 — 
22, — Crux, warum es fpäter ſyn⸗ 


Regiſer. | 


ongm mit Labarum unb Vexillam 
gebraucht wird, III. 125, — Crux 
stationalis, was man Darunter vers 
ftand. 111. 12830, —— Crux gesta- 
koriaı wo. darunter Derftanden wur⸗ 
de. IM. Bi crucis, 
als —— 7— I 


. Crux —— Entſtehung 
des Namens, eigenthuͤmliche Kreu⸗ 
zesform. Das Andreattreug im Ans 
dreasorbden hat biefe Geſtalt. I. 114. 

Cryptae, Rame für Griftlihe Kir: 
Aengehäue, 11. 371 

Cucullus ee Kopfbcbedung ber 
Moͤnche. iv. 8 

—— iiturang Beben: 
tung biefes Wortes, 11. 

Culpa levis, media et gra- 
viy, flufenzeife Strafdisciplia im 
Sarmeliterorden. IV. 86. 


Cultus ber Chriften, ein befond, Art. 
1. 463, 


Curatores, Name für Stellvertre: 
ter ber Stadtbifchöfe auf dem Lande, 


Curatus, was biefes Wort in ber 
Zufammenfesung mit ecclesia be: 
deute, 11. 388. 

Cuarinae tradi, eine Beſtrafungs⸗ 
art der Kleriler. 111. 83, 

Curialen, fie zu orbiniren verboten 
die kirchlichen Synoden. III. 19, — 
Sie find oft identifch mit Aulici und 


e& werben auch höhere Btaatäbeamte 
fo genannt ibid. 

Gusteden, Au eigenes Art., Cu- 
stodes ecciesiae, was man darun⸗ 
ter in feäbeser Beit. berftand. 1. 482, 
Im ern Sinne. I. 483. — Custos, 

ittelalter. I. 483, Custos 
in den Klofterregeln und In ber vita 
canonica. 1. 483 und 84. — Custos 
in ber neurömifcgen Zeit. SBebeutung 
in ber roͤmiſch⸗ Batholifchen und in ber 
proteſtantiſchen Kirche. 1. ABA, 


Cy eli fester., Feſtcyelen als lei: 
Tende Ideen für bie Feſtordnung im 
. Kirdenjahre, finnreih ausgedacht von 
Kugufti in feinen Denkwuͤrdigkeiten. 
1: 98. — Cyolus Fest. Natir.. 
Christi, Weihnachtöchdlus. Das 
Eigenthuͤmliche der zu ihm gehoͤren⸗ 
den Kefte. 11. 93, 84 und 9. 
: Cyelus Paschalis, Oſtercyclus. 
Eigenthuͤmlichkeit deſſelben. II. 95.— 
Cyclus Pentecost., Pfingſteyclus. 
Der Stoff dieſes geftes ift biftorifä 
bogmatifh. Aufanga und Schluß dies 
fes Feſtcyclus. 11. 95. 
Oymballa, kleine Gloͤkchen, beren 
man ſich im Gultus ber roͤmiſchen 
Kirche zu verfchiedenen Zwecken be: 
dient. 11. 451 und 452. — Cym- 
ballum tinniens, auch Sacculus tin- 
niens, sonans, ber Klingelbeutel ibid. 


Cyrillus von SSerufalem, als Do: 


let d 
mil * fFieciſchen Kirche geſchil⸗ 


D. 


Baemonen, böfe Geiſter, ihr Dbens. 


baupt Diabulus. Die Abbildun 
berfelben in der chriftlichen Ku * 
ſchichte kommen erſt in ſpaͤterer Zeit 
vor. IV. 320. 

Balmaties, !. Tunlca. Dal- 
matica, eigenthuͤmliche Kleidung der 
Diaconen, lil. 65. — Geſchichte bie: 
ſes Kleidungsflüds. ll. 66, 


Damascus, Johannes von Das 
mascuß, als kirchlicher Liederdichter. 


Bamiani (Petrus) ein fir 
Liederdichter. IL 228, ) alicher 


DBDebitores pubiiei „ wurden zur 
Dfterzeit freigelaffen, I. 171, 


Mecalogus, vorzügliher Veſtand⸗ 
theil im catechetifcken Unterrichte, 1. 


348 — 49, wieber erwähnt im Artikel 
Unterrichtsanſtalten ze. IV. 561. 


Decanica, decanets, ſynonym 
mit carceres ecclesiae. Il. 379, 


Becanicum, Sefängniß für Geiſt⸗ 
lie. III. 84. 

Becanus, einbefond, Art. , verfchle: 
dener Sprachgebrauch biefes Wortes 
und einiger davon abgeleiteten Woͤr⸗ 
ter. L 485 - 90. 

Decimae, Zehnten-Einkuͤnfte für 
ben Klerus, 111. 96. 

Dedicatio, eigenthämlich : firchli 
Sprachgebraud, wenn ein beibnif: er 
Tempel in eine chriſtliche Kirche ums 
gewandelt wurde, Il. 407. 

BDefunetorum (pie) om- 
alum commemoratio, Feſt 





664 


allee Seelen, unbewegliches im 
November. II. 93, Get 
Dellcta carnalia, daß fi bars 
auf mehr ber fogenannte Heine Bann 
in ber lutheriſchen Kirche bezog. I. 306, 


Belphini, Kirchenleuchter. II. 447, 
Bemocratismus kirchlicher. 1. 


Benarla sacramentor., iden⸗ 
tiſch mit Hoſtien. I 48, 
Denominatio, nominis im- 
ositio, Namengebung bei der 
ufe, AV. 525, 


Bepositio, welche geifttihe Strafe 
“ in ber roͤmiſchen Kirche darunter vers 
- flanden werbe, III. 87, 


Designatio divin., |. Suf- 
fragium, 

Besponsationis Mariae Te- 
stum, das Feſt der Verlobung 

Maria's mit dem Joſeph. III. 322. 


Diabolus, ſ. Daemones, wie 
F Ifel gewöhnlich gemalt wird, 


 Bisconficum, zweifelhaft, ob es für 
Chor der Kirche gebraucht worben fet. 
11. 373. — Diaconicum bematis, 
was man barunter verſtand. Il. 374. 
— Diaconicum magnum, fo ges 
nannt, um es von dem Beinen Dia- 
conicum im Chor ber Kirche zu uns 
terfheiden, was man darunter vers 
ftand, 11. 378, — Man nannte es 
aud) : Receptorium und Salutato- 
I Sprad= und Befuchzimmer, 
® fl ( ] 


Biaconissae (Diaconiffinnen), ein 

- befond. Art. 1. 491. — Kirchlicher 
Begriff ber Diaconiffinnen. 1. 491. — 
Warum fie viduae hießen ibid. 


Diaconus, ein bef. Art. I. 498 ff. 
Ihr wachſendes und abnebmendes An: 
ſehen in der Kirche. 1. 497 — 
Ihre Amtegefchäfte. 1. 500-502. — 
Ihre Stellung in den verfchiedenen 
Kirchenfuftemen der heutigen chriftliz 
hen Kirche. EL - 502 Einige 
davon. abgeleitete Worte. I. 504-5, 


Dies cinerum, Aſchermittewoche, 
ein eigener Art., welben Tag man 
damit bezeichne und warum er fo ges 
nannt wurbe, I, 140. 


Dies festi, sacri, fceriati, 


Feſttage (Feſte der Chriſten, ein de: 
* Ge U. 81, ven Ihre Gins 





Regiſter. 


theilung in hebdomadarii, anniver- 
sarii, majores, minores, mobiles, 
immobiles, integri, intercisi 1m 
Hört. 11. 90 und 91. 


Dien solis, ſ. Sonntag, ein b 
derer Art. IV. 358. een 


Bioeces, kirchlicher Spracgebrar 
diefes Wortes. IV. rar — 


Bioecesanese sc. ecelesiae 
oder Bioeceses, Hauptkirde 
eines biichöflichen Sprengels. BL. 358 


Diptycha eccleslastien, ode 
auch ſchlechthin diptycha, Bene 
nung für kirchliche Ramensverzeic- 
niffe, fononym mit tabulae sacree, 
matriculae ecclesiae. Ill. 259, 
fe das gried,. dintuyor.. 


Biseiplina, Disipln hieß vo 
zugsmeife bie Strafe des Beißelns in 
den Kiöftern. AV. 89. — disciplina 
sursum, auch secundum supra, 
deorsum, secundum sub, was 
man im Möndslatein darunter ven 


ftand ibid. 

Bisciplina arcani (Gebew 
lehre),, ein befond. Art. 1. 506 |. — 
Diefer Name gehört nicht dem chrift⸗ 
lihen Altertbume an, fondern ift eine 
Erfindung fpäterer römifcher Schrift⸗ 
fteller. 1. 507. — Was biefelbe vers 
bereitete unb veranlaßte,. I. 5078, 
— Ihre Achnlichkeit mit ben Gleufn. 
Geheimnifien. 1. 509. — Ausırkde 
. bei griehifhen Kichenvätern, bie fit 
auf ie Krtandiseiplin 38 und 

ebnlichleit mit ber eimfpracde 
ber Müfterien haben. 1. 51% 


Distributionis formula, Di 
tributiongformel bei Austheilung der 
Abenbmahlselemente, iſt anfangs kur, 
erweitert fi aber allmählig und it 
abhängig von bogmatifhen KBorftirk 
lungen. I. 13, 

Divisio mensurna, was ma 
darunter verftand. 1. 


Divisionis s. Dispersionis 
Apostolorum festum, cs 
been. Art. — — * 
der e, au 
gründen fol ibid. — Wie fpäter die 
tömifde Kirche dieß Bet verſtanden 
wiffen will. 2. 139, 


Bivortium , Ghefdeibung. 11. 17 
—— —— 
n einem ifchen e ou 
brüdt. 11. 18, 











Regiſter. 665 
Beogmatiel, cin frägerer Gpeiften: Weominf mins . 
name. |, 410, ii mann —— nn 
"olores L N —— — septem Ordens. IV. 27, ' 
ariae doloribus. III. Deminus vobiscum, itugijde 
ZBominica dies, ber beiichtele Formel. III. 240, ’ de 
Abepdmahletag qchon in der fräheften Domus Bei, ece 


lesine, di- 

Sriflien Kirche, daher au o 

dies panis genannt. 1. oft —eS — für Kirchenge⸗ 

DoOmInea dies Sonntag, ein 
befond. Art. IV. 38 |, — > an. Bormitionis Kestam, ſ. Au 


leitet biefe Benennung von Apoc. 1, „ arlae Se- 
10. ab und fie fol mpbatifc Meh⸗ um, Mariä Himmeifapet, 111, 


zered anbeuten, IV. 361, — Dies 

solis, status, ebenfalld Ramen fir Doxelogia, ein eigen. Art. 1. 514. 

Sonntag ibid. — Wehrere Sonn — Bedeutung nach ber Stymologie 

tage haben ihren Ramen von der ibid. — Kleinere und größere Doros 

Gewohnheit der alten Kirche, den logie. I. 315 — 16: — Die dem Bas 

Sottesbienft mit gewiffen Palmen terunfer angepängte Dorologie ift 

ober „afatmenverfen anufangen, die ſpaͤtern Urfprungs, IV. 584, 

aus ersio Itala entiehnt waren, 

Dahin gehören bie Baftenfonntage Braconarius, ſ. Crucifer, 

Kstomihi, Inrocarit, Remini- BDuellum, Sottesurtheil durch Zwei⸗ 

Oman Deuli, Laetare, Judica, fampf. IV. 138, 

nasimodogeniti, Misericordias Fan 

Domini, Jubilate, Cantate, Ro- "rip Eneiniehm,, ein fo 

gute, Exaudi. IV. 364, chengebraͤuche im 13, Sahrhundert, 
@ominioale, eine Kopfbebeckung daß fein Bud: Rationale div. offic., 
dee Frauenzimmer. Ungewißheit, wie ein beinahe canonifches Anfehen erhals 
„„Daffelbe beſchaffen war. I. 23, ten hat. III. 222 und 23, . 


- Pominicum, mominica sc. Purantl, ei, Criffelte über 
nennun E Kirchen⸗ iche u . 
& 1. 383, . 9 fur Kirch dert. III, 22h. debrhun⸗ 


E. 


Ececlesia armenlica, ihr Ur⸗ Electie, electiones per divina- 
Kan Fi 5. und 6, Jahrdundert. tionem, Begriff derſelben. III. 14, 
re Welieden noch jest in der euro- j 
päifhen und aa Tuͤrkei, fo Eleetores, Churfuͤrſten des roͤmiſch⸗ 
wie in einigen andern Ländern Aſften⸗ beutfchen Reihe, bamit vergleicht man 
und (uropa’s, Ir Einritungen die Gardinaͤle am richtigſten. 1. 338, 
1— 


und Sdichale. IV Elements sacrae eoenae 
Keclesia graces catholica, (Abendmahlselemente) , was darunter 
Die griechifch = Patholifche Kirche, wie au verfleben fei. 3. 18. — Sie wurs 
ſehr ihr Länderbeftand: buch die Grs den durch die Diaconen und Afoluthen 
oberungen der Anhänger Muhamebs Abrpefenden Überfendet, nicht minder 
verrinigert worden fei. IV. 389, und pen Märtprern, Kranken und Bis’ 
in welchen gebrädten Berhältniffen Benden, 1. 19. — An welchem Orte 
fie jegt unter mubamedanifcher Herr⸗ in der Kirche bie Laien die geweibeten 


haft if. IV. 389 — 91. Elemente en: 1. aan Ele- 
ZEceel wi menta, eine mißlungene-Ue erfegung 
Tun je age oopalen, wie von dem griechiſchen ororyeia, Ele- 


‚ ext d inter 8 man 
Ecelesiastiei, ein all emein ges Darunter vrrfund, Dan wa 
—— —— 410. — x tio h. daraus ent 
weilen Name techenbeamte, evatio hostiae, dara 5 
111, 3. fand’ die Anbetung der Doflie, und 





, TT 
"IR genau mit ber Betwanblungtichee, Hquitum ordines, Bitterorben, 
Transsubstantio, verwandt, I. 30. geiflihe, ein bef; Axt, IV. 270 fi, 


Enenenia, jüdifhes Feſt, von dem 


equites grdinis Teutonici, 
Rtter, ihre Gefhihte. IV. 273 f- 


einige, ABetnagten ableiten wollen, Bann ennonieus, Begriff def 


Encaustum, encausta ars, 
pietura, *Kunft mit Wade oder 
mit Del zu malen. MI. 287 und 88. 

Einchiridion, |. Manuale. 

Eneratiten, eine Ga:tung vo 
‚päretitern, die ben Weingebrau 
auch felbft im Abendmahle für fünds 
Tich hielten. 1. 52. — Spottweife von 
den Reötgläubige aquarii genannt. 
1. ibid. 


Einergumeni, man ließ fie aus 
nahmeweife an der Abenbmahlöfeier 
ZTpeil nehmen, wenn fie ihre lucida 
intervalla Hatten. I. 35. 


ne eni, übergegangen in die 
Tateinifhpe Kischenfprache, ein befond. 
Art. 11. 29, erklärt buch agitatl 


aspiritu malo vel erratico. Il. 3. 


Einsalmos, was die Gpanier dar⸗ 
unter verftanoen. III. 9. 

Epigraphie, kirchliche. IV. 308 
und 309. . 

Epiphaniae Fertum , ein be 
Eis. %rr. I. 44, aud, digs lumi- 
num und festum candelarum ges 
nannt. 11. 45, nicht minder festum 
trium regum. 11. 48, auch Festum 
Magorum. ibid. — 16 ein Feſttag 
im Monat Ianuar. 1. 91. 


Episcopi un Presbyteri wer: 
den nie zufammen genannt. 1. 229, 


Episcopus, f. das griedifhe Int 
Gxorrog, ging auch in die Kirchenſpra⸗ 
che bes Abendlandes über, unb wurde 

Name einer Eirgligen Würde L 
230. — Berfhiedene Erklärung dieſes 
Wortes, eine folhe in ber neueften 
Zeit, 1.231. — Episcopi in parti- 
bus infidelium. 1. 243. — Zhnen 
Zam in fruͤherer Zeit vorzugsweile dad 
Gefchäft des Predigens zu. IL 326, 
Episcopi sedis apostolicae, pri- 
mae sedis, cathedrae, f. Metro- 
polit. 11. 413, 


Epistola Christi ad Abgar. 
ja Faseine eunar. auch ” 
Zestum, 


Ep damen Petri 
h festum, 


Cathedra Petri 
V. 206-7. 


n. All, 29, 


Essnei ober Esseni, ihr Ur: 


fprung und ihre EigentpümlichFeiten. 
IV. 3 und ® ee 


Eucharistia, für Abenbmablsfeier, 


ift aug in der lateinifhen Kirche vecz 
pirt. 1. 7. — Eucharistia oder dies 
natalis eucharist;, Benennung für 
den grünen Donnerftag. IL 257. 


Eucharistiae locus erdi- 
narlus, als folher wurbe darch 
Kiccpengefege der gemeinfhaftliche Ber: 
forumtunggort der Shrilten beftimmt. 

. 14. Die Kirche locus solennis 
für Abendmahlöfeier. 


Euchelaeon, Gektöl, ein Sa⸗ 
trament der Grieden, das mit ber 
unctio extrema der 2ateiner Achn- 
tigkeit hat, IV. 122. 


Eulogia, Name für Abendmahis. 
feier, it oud, in der Kirchenfprade 
des Abenblandes reeipirt. 1. 8. 

Eunuchl, können niht ordiniet wer: 
den, I11. 20, 


Evangeliarium und Episto- 
larlum, Bud für die evangelifcen 
und epiftohfchen Peritopen. II. 249. 
Auf jebem ‚Hauptaltare liegen biefe 
Bücher, daher die Gintpeiluhg dei 
Xltard in cornu evangeli et 
epistolae. Il. 249, 

Evangelistae, Evangeliſten 
Befond. Art. I. 52. — Beben 


eia 

€ tung 
— ee im Br ne bibhs 

en Sfogogit und. in fpätern 

chriſtlichen Yet. 11.52— 54. 

Examen corperis et san- 
suinis Domini, eine Art On 
dalie. 1. 72, 

Examen ferri candentis, 
f- Judieia Dei. 


Exaudi, Name eines Sonntags zii: 


Dftern und 2 
fen ſt u Pfingften, f. Dies 
Excommunlcatio, eb ie 


tium, fonnten nicht Pathen| 


vertseten. IV. 
major und 
daräber in 


unicatie 


minor, Aeußerungen 








ide im dentihen Beitterochen IT. 


Rosarii, fätafen fh Beionbers @ Fratres servientes, ck 


die Dominikaner an. IV. 
Fratres Gleriel hiesen die Geift- 


fondere —A im deu x 
terorden. AV. 277, re 


G. 


Galilsel, ein allgemeiner Spottname 
für Gpeiften. 1. 412, 

Gamma, eine erleichterte Singme⸗ 
thode. 11. 216, 

Gaudia, Festum 3 ‚septem gau- 
diis Mariae. Ill. 

— — magn. seu 

us, was man 

—8 —X — 


Generalis ordinis, DOrbensge: 
neral, eine hohe Beamtenftelle in dem 
ausgebilbetern Möngsleben. IV. 60, 


&enufßlexie un genuflecten- 
tes, f. das gieatce yoruzkıala, 
Yovuxklvoyres. 1. 368, 

Germanus EI., Gcriftfteller über 
bie firclihen Gebräuche in der grie⸗ 
Gifhen Kirche. II. 223. 


@lorla In excelsis Deo, liturs 
gifhe Formel, englifher Lobgeſang 
genannt. IM. 238, wird vorzuge: 
weife in der roͤmiſchen Kirche am 
gruͤnen Donnerflage gefungen. 1. 258, 


Gmostiet, ein früherer Ghriftennas 
me. 1. 


——* — Stufenfolge, welche bei 
ber Dpdinalion vorgefchrieben war, 


Graduale, was. man als liturgi- 
fches Buch in ber roͤmiſchen Kirche 
darunter verfteht. IH. 256. — Ber 
nenmung eines Beftandtheils der rdmi: 
fen Mepliturgie, III. 382, 


Gradus admenitionum, o 
‚gewendet bei der Beftrafung proicher 
ſcher Geiftlien. III. 89. 

Gradus prohibiti, verboter 
Grade, N Lehre von demfelben. II. 
12. — Eateinifder ers, worin 1 
ierder aber Böue aufgesäht fak 


en ect, ein allgemeiner Gpottuum 
für Gprifen. ı — 


Gratin, Benennung für die Zarfı 
Gratia septifermis spirit. 


sanct., baraus wıll man bie fibm 
“Ordinen des Klerus ableiten. ILL. 6. 


Gregorianus cantus, Bar 
Hungen darüber. 11. 216, 


Gregorlus, ‚Batronus sche 
larum, 


es im —X tie Fi ®- 6a 
befond. Art. 11. 246 ff. 


Sregerius L, als Kidlihe % 

derdidter, II. 225. 

Gregerl: Razianz und Kof 
ale "Somiten der griejifchen Kishe 
geldildert. 1. 318, 


Sregorlustent, ein beſond. I 


Grex niveus Benennung für 


Reugetauften. Bi. 


@ Gattung heus: 
Tameifen er "rue: IV. 10, 0 
Sarabaitse genannt.“ 


H. 


Haeretici, viretter, ein beſond. 
tt. 11. 278 ff, — Haeretici miso- 
hiturgi, fo nennt Cardinal Bone bie 
Proteftanten. IV. 610, 


ig 
EEE RENTE SE 


Ki 
Rem, em befand, Art 1 200 1 


berbichter Koemas von Zerufelm- 
1. 220, 
Malieluja, Utusgide Sem un 


Magiopelite, Beiname dei &i: Hautreliefs. 1. Basreliel" 


Begiften, 


e, Mora matatinz tertin, nad 


Michllomas magna, Ghbarwoch 
ein befond. Art. 3. 383, auch nigra, 
crucis, sancta inofficiosa, muta, 

J pr indulgentiae genannt. 

chwierig zu er ren iſt der Rame 
authentica. 1. 384, 


Mebrom, fol der Geburtsort Jo: 
bannes des Zäufers feyn, nach an: 
dern Jutta. II. 348. 


Mephata , Gebrauch dieſes Wortes 
bei den Satechumenen. I. 370, 


Merbarum Tfestum, warum 
‚man das Kell Mariä Himmelfahrt fo 
genannt habe. 11. 337. 


Mermeneutae be alten Kirche, 
ein befond, Art. 15. 305, werben in 
kirchliche und außerkirchliche eingetheilt. 
11. 305 und 6. — @ine Art firdlide 
‚Dermeneuten waren im 10. Jahrhun⸗ 
dert unter bem Name der Tolken in 
Dftpreußen gewöhnlich. IA. 306, 


Miemanten, Conjectur über dieß 
fkeeitige Bort. 1. 29%. 


MHierarchia demeocratica, 
demotratiſche Hierarchie. IV. 176. — 
Aristocratica, oligarchica, mono- 
cratica. IV. 177, 


MHierarchia 'ordinis und ju- 
risdictionis, was darunter p 
verſtehen fei. 111. 7. — Hierarchia 
ecclesiastica vetus, es giebt nicht 
leiht einen Titel berſelben, welchen 
man nicht bei den Proteftanten, be: 
fonders Autheranern, nachweiſen koͤnn⸗ 
te. 111. 35 unb 36. 


Milarlius, von Pictavium, Bieber: 
dichter in der lateiniſchen Kirche, 11.222, 


Lausinca bes Pallas 
dius, was man darunter zu verfichen 
babe. Ill. 134, 

Momilia, Homilie, ein befond. Art. 
111. 313. — Ableitung dieſes Wotts 
von dem griehifhen ousleiv, was 
den Nebenbegriff ber Popularität und 
Vertraulichkeit involvirt. I. 315. — 
Kirchliche Vorträge erhalten biefen Na⸗ 
men ibid. — Homilise extempo- 
rales, aus bem Gtegreife gehaltene 
Vorträge. II. 328, 


HMomiliarium, ließ Karl der Broße 
veranftalten, Il. 331. 


Monorfus Augustodunen- 
sin , myſtiſcher Schrififteller über die 
‚Kigengebräuge im 12, Jahrhundert. 


unferer Beitrechnung bie neunte Bor: 
mittagsftunde, war ſchon felt dem 5. 
Sahrhunbert eine beliebte Stunde zum 
Bormittagsgottesbienft und zus Abends 
mablöfeier. 1. 17 und 18, 


Morae canonicae, Urſprung 
und Begriff bderfelben. I. 270— 71, 
werden in Benebicts Regel zum Geſet 
erboben und eigenthümlidh benannt 
ibid. — Gie gehörten zu ben vorges 
fchriebenen, nicht aber freiwilligen 
Fa ber M — 

— Myſti eutungen el⸗ 
ben. IV. 66. 


MHorae lucernales, ſ. ben 


Art. naͤchtlicher Bottesdienft (Wigilie). 
IV. 113. 


Hosianna, liturgiſche Jormel. III. 


Hospitil jus, war ben Römern 
befonders heilig, hospitium public., 
was man darunter verftand. 11. 467. 
— Hospitalitatis contesseratio, was 
darunter verftanden wurbe, 11. 171. 


Mostia, nad der gewöhnlichen Aus⸗ 
ſprache ostia, davon wollen einige 
die Benennung Oftern ableiten. 1. 159, 


Mumiliatio, f das griechiſche 


UNOTLWGILS. 


Mumiprostratieo, eigentbämlicher 
Gebraud beim Gebete, II. 183, 


Muss (Johannes), kirchlicher kie⸗ 
derdichter, 11. 231, j 


M Epithalamia, 

.&. © nnptialia, 

damit feiern auch nach heibnifcher Sitte 
Ehriſten ihre Hodzeiten, II. 23. 


Mymnarium ode liber hy- 
mnorusm, Beſchreibung diefes es 
fangbuc in der vömifhen Kirche, 


enaeH 


Mymnologlie, eine Gattung bes 
Tmmolosie — —— 
eines beſondern Art kels. IE. 209 ff, — 
Hymnolog. haeretic. 11. 217 fi. — 
Hymnool. ecel. Syriac. 3. 218, — 
Hymnol. ber griechiſchen Kirche. II. 
220 f. Hymnol. ber lateinifchen . 
Kirche. 11. 221. — Hymnol. ber 
proteftantifchen Kirche. I. 232 fi. — 
Hymool. ber chriſtlichen Welt in uns 
fern Tagen, il, 236 ft. 





"ins 18, verfhisbene Definition don 
Worte. M. 211. — Hymal . 
ristiani eilt, Inhalt ui 
—— Wichtigkeit. N. ie 
— Gefangweife biefer Hymnen in den. 


" 


Wurrr in ee 


Hypodiaconus, ſ. Subdix 
conus. 


L ‘ 


Jacobiten, au& Toptifhe Ghriften 
genannt, Ueberreſte von zeguptene 
Geiftligen Ucbewohnern. IV. 399. 

Jacobus mnjor, deſſen Denktag, 
ein unbeweglides Zeft im Juli. 11. 
92. — Jacobus ber Ye ein bes 
fond, Art, 1. 335. 

Jacobus minor, Sollectiofeier 
mit Philippus, ein unbeweglices Feſt 
im Mai. 11. 92. — Ein beſond. Art. 
Philippus und Jakobus, IV. 219, — 

KTüurʒe Sebmegerlite Jakobus bes 
Züngern. IV. 220, 

Jacoponus (aud Jakobus), de 

Benedictin, ein kirchůcher Liederdich⸗ 

ter, 11. 230, 

fo 


Jdolorum confectores, 


wie eine Menge andere Beſchaͤftigun⸗ 


gm made sur Eaufe unfähig. IV. 
Lob , welches deshalb 
die Zi verdient ibid. 
Je; unlum, Zertullian in feiner 
ihrift: de jejunio, klagt über 
das geringe Intereffe der srthabosen 
Kirche an der Faftenanftalt. 1 
— Jejunium vernum, — 
uf. w. 11.77. — Jejun. litanlar. 
und rogationum. 11. 78. — Jeju- 
nior. superpositiones, Grund bie 
ſes Ramene. 1. 78. — _ Jejunia 


ikonodulen und Ikenokls-: 
sten Bedeutung beider Auskehtı, 


lamtnatto, Wluminmationk. 
Sacramentum, Benennung ft 
Zaufe. IV. 459. 
Ullustratorlam, Benemun fr 
Taufe, IV. 459, 
ei Fin, * ocean 
ni werben im 
lichen Aertyume im weitefen Cu 
genommen, und umfaffen alles Il, 
was die Sateiner statuar, simulacr, 
signa, imagines, nennen, I. 21% 
Immersionis‘ ritus, bi ® 
Taufe früher geraten ‚oite pe part 


Arion id [Er nacheeabig un AS 
uch erachtet. IV. 500. 
Iınmunltas ecclesiae, = 
‚man darunter verfand. Il. 3% 
—— Pastori fr 


enda, find in einen Iatenifie 
emfoers gebradt. IH. 2 
Impesitioe manus J 
— mit —— aa 
Impositio manuum, m®& 


brauch bej vielen kirchlicher Sermmd 





Regifler, 


—— fir” di 
11. 103. 


Emdulgentia, Indultam, kirch⸗ 

“ Iicher Spracdgebraudy diefer orte im 
fruͤhern chriftlichen Alterthume umb in 
der fpätern Beit. 11. 339— 342, ein 
befond. Art. — Wie fi) der frühere 
kirchliche Begriff von Indulgentia 
befonders in ber fpätern roͤmiſchen 
Dierarhie mit bem Namen des Abs 
laſſes änberte. II. 341 und 42, 


Andulgentia Paschalla, was 
darunter zu verliehen fei..1.1168. — 
Indulgentia, fo viel als Ablaß. 1. 
197. — Was darunter in Beziehung 
auf bie Buͤßenden zu verfteben fei. 


. “ 


Indulgentiae et indulgen- 
tiarum de ca, rund 
biefer Benennung für Palmfonntag. 

V. 171, 

Anßrmarlius un infirmaria 

De Moͤnchs⸗ und Ronnenkloͤſtern. 


Anfulse, Baͤnder an ben Biſchofs⸗ 
mügen. 131. 52, find heidniſchen Ur: 


fprungs, III. 52. — Infula, minder’ 


gprmößnlicher Rame für Bifhofsmüge, 
‚se. Abbas, welche 


Enfulatus 
Aebte man darunter verſtand. HL. 52. 


Ingenui,, baß bie Geifllihen als 
ſolche angefehen wurden. und barum 
befondere Begünftigungen vor Bericht 
genoffen. III. 30, 


als Schri ſteller IE: 
—2 im 13. Jahrhundert. 


Innocentom Testum, Feſt ber 
unſchuldigen Kinder, ſ. Nativ. Jes. 
Chr. fest. II. 197, 


Inseriptiones in Sarcopha- 
alililsque monumentis. 
V. 310, 
‚ . Intercesseres, eine Art Unterbi: 
fhöfe in Afrika. I. 245. 


Interdietum, furhtbare Steige⸗ 
mung des Banned, II. 138 f. — 

Snterbict ausgeübt von den Päpften. 
Interstitia, Zwiſchenraͤume, welche 

bei der Ordination vorgeſchrieben wa⸗ 
. zen, All. 25. 


6 


Inthronäsatie, ter nannt 
Opfergang der —ã—mS 
ber roͤmiſchen Kirche. III. 350, 


Intreitus, Eingang der Meſſe, was 
darunter nach ber Belehrung römifcher 
Eiturgen zu verftehen fe. Mi. 378, 


Inventarlium, kirchliches, ein be- 


fond, Art. I. 440, — Begriff beffel 
ben ibid. . seit deſfel— 


Inventionis s. crucis fest, 
ein unbemwegliches Feft im Monat Mat. 
11. 92, ein befond. Art. 111.144 ff. 


Investiturs, Inveftitur, ein bes 

“ fond, Art. 11. 343, welde kirchlich⸗ 
ſymboliſche Handlung darunter vers 
ftanden werde. III, ibid. — Inveſti⸗ 
tur aus ber Lehnsverfaſſirng abzuleis 

ten. 11. 344. — Inveftitar, was dars 
unter bei ben Proteflanten verflanden 
werde. MH. 346, 


Invocavit, Sonntag, f. den Art. 
Sonntag. IV. 366, 81 


Johannes ber Evangeliſt, f. Denk: 


tag, ſ. Nativ. Jes. Christ. fest. 
11. 195, 


Johannes ante portam Ln- 
am, ein bew es i 

Mai. 1. ’9. ee def 
Johannis Baptist. Watal 

Geburtsfefl 3. 8. &,, unbeiveglices 

Be im Juni, Fest, de collat. Joh. 

nr ein unbewegliches Feſt im Aus 

gufl. 11.92, Ein bef. Art. II, 347 ff. 


Isidorus Mispalensis, 
Shriftftellee über 
brauche, 111. 221, 


Islam, Yslamismus, bie von 
Muhamed ausgegangene Religion vers 
—3 — he Länberbeftand, 
wo ſonſt das Ehriſtenthum nebiäht 
hatte. AV. 389. ⸗ 8 b 

Ita Ia, Name einer alten N. T. Ueber: 
fegung. 11. 289, 


Judas, f. Simon und Judas. 


Jubllacus annus, Subeljahr, 
ein befond. Art. 11. 353—59, — Abs 
‚ leitımg aus dem Hebräifhen, 11. 354, 
Jubilate, Benennung eines Sonn: 
tags zwiſchen Oſtern und Pfingften, f. 
Sonntag, 
Judica, Rame eines Baftenfonntags, 
Grund diefes Namens, vgl. Dominica 


die lirchlichen Ge⸗ 


dies, heißt auch zumellen Mediaus. 
IV. 367. 
Judiela Dei, Gotteöustheile, Or⸗ 





als . 


672 


bale, 
Jadicia aquae fervidae et’ frigi- 
dae, ignis, ignitum, igneum, pro- 
hatio per ignem, examen ferri 
candentis, Judicia feretri. IV. 139, 


Judiclum sacerae coenae m 
charis 


eu tise, “Abenbmahlöges 
= 

Malligraphie, ihr Gebrauh im 

chriſtlich⸗ * ihen Leben. * 305 f. 


Kryptographie. 1V. 308, 


L. 


Lacerna, f. Birrus und Pliu- 
viale. 


. den. IV. 189 fi. 


Regiſter. 
verſchlebene Arten derſelben: 


richt, ein eigener Art. 1. 72. — | 
dalie, Bottesgeriht: IV. 134. 


ursa primigenia und secu 
darla 


a werden dem Papfte zugck 
— Jura psj 


lia accidentalia et heonoris. | 
190 — 91. 


Kyrie eleison, 


mel, auch in die Abe Ken 
fpradje übergegangen. BIL. 237. 


a a aan 


Laetare, Benennung eines Baftens Lecti, lecticae, ſ. Feretra 
fonntags, vergl. den Art. Dom. dies, CctiIonalia und Lectlon- 


warum er auch dominica panis heis 
fe. 1V. 366. — Wird auch zumellen 
Tobtenfonntag genannt, weitiäufti: 
gene Grörterung biefes Namens. IV. 
Laick, Laien, kommt bei Zertullian, 
Drigenes, Souprian vor, und wird oft 
durch seculares ertlaͤrt. I. 406-7. 


Laici fratres, Laienbruͤder, von 
einflufreichee Erſcheinung im Monchs⸗ 
leben, auch conversi genannt. IV. 
20 und 21, 


Laminn, golbens Periemband ‚wel 
es ſchon o agen haben 
ſollen. III. —* getragen ha 
Lampadarili. ]l. 448, 
Lampas perpetua, bie ewige 
Lampe. 11. 450, . 
Lancese‘ et claverum fe 
stum, 
Sheifti, ein befond. Art. III. 168, 
Lapieides magistri, Gtein 
megen im Mittelalter. I. AM, 
Lanpsmi, dieß Wort in feiner en 
u item Bebautung. I. Pe 
Ihr unterſchied von Apoftaten, 1. 291, 


Laterculun, Name einer Dfterbes . 


rechnung von Theophilus, Biſchof zu 
Alerandrien. ]. 1 Zu 


Lavacrum, Benennung für Taufe 
IV. 457, sr “ 


Laura, Begriff und Unterfhieb von 
Coenobium. IV. 56, 


Laurentius, bes Heiligen, Sedaͤcht⸗ 





rin, Bde 
leſen beflimmten biblifchen 


® 
eft ber Lanze und Nägel : gendae, Legenden, ein bie) 
5 he 17, —AãAn — 


Lentulus, ber vie 


eibt nicht SM 
Leo Allatius Ks 2 ee 


Leo ber Große, gefchiibert a PR 
let ber abenbkänbifchen Kunde, 11 5° 


‚ weldye bie im Be: 
fe 

enthalten. III. 248, 
: ge 


KLeetores, in den kirchlichen 


fammiungen der Shriften, ein bifa* 
Art, 11. 170. — Lectorum scht- 
lae fanden an mehren Orten dr 
abenbländifyen Kirche Gtatt. F 
Oberlehrer hieß Primigerive Hl 
171. — Lectorks;, warum fe WR 
ſcheinlich zu den ordigibas.inf end» 
erechnet wutden. III: 172, _ 
chiedene Art, die Rertoren gu bedient, 
in ber griechifchen und lateiniſcen Kr 
che ibid., wurden zumellen im de 
ter Eyprian's doctores audieati® 
genannt. Ill. 249. 


Legati a latere und lege! 


mati, was barunter verſtanden ® 
de. 1. 180, . | 


feübern Bedeutung haben ned MF 
den Nebenbegriff des Yabd: » 
Maͤhrchenhaften. I. 177. — 
endae aureae, gr 
ammlung fo genannt wurde. IIl. ⸗ 


mehrfach unterfudte Brief beſſelch 


die Ritualbuͤcher 
bern handelt auch von 
semoniel. III. 224. 





- 


664 


alfee Seelen unbewegliches- im 
November, II. 9, Gef 
Delicta earnalia, daß fi bars 

auf mehr ber fogenannte Heine Bann 
in ber Iutherifchen Kirche bezog. 1. 306, 
Delphini, Kirchenleuchter. II. 447, 


Democratismus, kirchlicher. IL. 


Benaria sacramen 
tiſch mit Hoftien, 1, 48, 
Denominatio ‚„ nominis im- 

positio, Ramengebung bei der 
ufe, IV. 5235, 
BDepositio welche geifttihe Strafe 
" ne römifchen Kicke art ders 
“ flanden werde, MI. 87, 


D Ä 9 ’ = 
asnatio divin., ſ. Suf: 


Desponsatienis Marine fe- 
n » das Feſt der Verlobung 
- Maria’s mit dem Joſeph. Il. 322. 


Diabolus, f. Daemones s wie 
ve Seufel gewöhnlich gemalt wirb, 
1. 


tor. „ den: 


Diaconicum, zweifelhaft, ob es für 
Chor der Kirche gebraucht worben fei, 
11. 373 Diaconicum bematia, 
was man barunter verftand, 11. 374, 
— Diaconicum magnum, fo ge⸗ 

 Rannt, um es von dem Beinen D a- 
conicum im Ghor ber Kirche zu uns 
teriheiden, was man darunter vers 
ftand, I. 378, — Man nannte es 
auch Receptorium und Salutato- 
u Sprad = und Befuchzimmer, 


Diaconissae 


o GR 


(Diaconiffinnen), ein 
beſond. Art. I. 491 Kirchlicher 
Begriff der Diaconiffinnen. 1. 491, — 
Barum fie viduae hießen ibid. 


Diaconus, ein bef. Art. I. 498 ff, 

RZ, Begriff derfelben, I. 495. — 
Ihr wachfendes und abnehmendes Ans 
ſehen in der Kirche, 1. 497 — 9, — 
Ihre Amtögefchäfte, 


1. — 


1. 500-502, — 
3 de ung I + ne 

nfpflemen eutigen is 
den Kirche. 1.:502— Einige 
davon. abgeleitete Worte. 1. 504—5, 


Dies cinerum, Aſchermittewoche, 
ein eigener Art. welchen Zag man 
damit bezeichne und warum er fo ges 
nannt wurbe, I, 140. 

Dies festi, nacri, feriati, 
Befttage (Feſte der Ghriften, ein bes 
fond. Art), IL 81, — Ihre Eins 


[1 kun 


Regiſter. 


theilung In hebdomadar anuiver- 

, Onajoren —— mobiles, 
immobiles, integri, intercisi ers 
Hört, 11. 90 und 91. 


Dies solin, f. Som ein beſon⸗ 
derer Art. IV. 358, "28, A 


BDioeees, kirclicher Gpracgebraud 


Bioecesanese se. eccliesiae 
oder Dioecesen, Hauptkirchen 
eines diſchoͤflichen Gprengels. 11. 388, 


Diptycha ecclesiastien, oder 
auch ſchlechthin dip cha, Benen⸗ 
nung für kirchliche amensverzeich= 
niffe, fpnonym mit tabulae sacrae, 
matriculae ecclesiae. 111. 259,, 
1. "das gried,. dinruyor.. 


Biseiplina, Disciplin hieß vor⸗ 
zugsweiſe die Strafe des Geißeins in 
den Kiöftern. IV. 89, —. disciplina 
Sursum, aud secundum zupra, 
deorsum, secundam sub, was 
man im Monchelatein darunter ver⸗ 

ı ® ' 


fland ib 

Bisciplina arcani 
lehre), ein befond. Art. I. 
Diefer Name gehört nicht dem chriſt⸗ 
lichen Alterthume an, ſondern iſt eine 
Erfindung ſpaͤterer roͤmiſcher Schrift⸗ 
fteller. I. 507. — Mas diefelbe vor⸗ 
bereitete und veranlagte, 1. 507 —8, 
— Ihre Aehnlichkeit mit den Eleuſin. 
Geheimniffen. 1. 509, — Ausdrüde 
bei griehifhen Kirchenvaͤtern, die ſich 
auf die Arkandiseipfin beziehen und 
Aehnlichkeit mit der Geheimſprache 
ber Myſterien haben, J. 512, 


Bistributionis formula, Dis 
tributiondformel bei Austheilung der 
Abenbmahlselemente, ift anfangs kurz, 
erweitert fi aber allmählig und ift- 
abbängig von bogmatifchen Borftels 
lungen. I. 13, 


Divisio mensurna, was mon 
darunter verftand, 11. 463, | 


Divisionis s, Dispersionis 
Apostolorum festum, ein 
befond. Art. 1. 137, — Unficherheit 

‚der Sage, auf melde fi dieß Feſt 
Hate fon ibid. 76 —* die 
roͤmiſche Kirche dieß anden 
wiſſen will. 1. 139, 


Eheim 
Aa heim: 








un” am 


Regiſter. 


tel, ein fehherer Chriſten⸗ 

name. I. 410. 

Boloren, Festum de septem 
Mariae doloribus. II. 322, 


Bominica dien, der beliebtefle 
Abenbmabistag ſchon in ber frübeften 
chriftlihen Kirche, baber auch oft 
dies panis genannt. I. 1 

Dominica dies , Sonntag, ein 
befond. Art. IV. 358 ff. — Ma 
leitet diefe Benennung von Apoc. 1, 
10. ab und fie foll emphatiſch Meb: 
reres anbeuten. IV. 361. — Dies 
solis, status, ebenfalls Namen für 
Sonntag ibid. — Mehrere Sonn: 
tage baben ihren Namen von ber 
Gewohnheit ber alten Kirche, ben 
Sottesdienft mit gewiſſen Pfalmen 
oder Pfalmenverfen anzufangen, die 
aus ber Versio Itala entiehnt waren. 
Dahin gehören bie Kaftenfonntage: 
Estomihi, iInvocavit, Remini- 
scere, Oculi, Laetare, Judica, 
Quasimodogeniti, Misericordias 
Domini, Jubilate, Cantate, Ro- 
gate, Exandi. IV. 364 ff. 


.Dominicale, eine Kopfbedeckung 
“der Frauenzimmer. Ungewißheit, wie 
daſſelbe beſchaffen war, 1. 23. 


x Pominicum ‚ dominica sc. D 
o 


⸗ 


Benennung für Kirchen⸗ 
Pr nn fir Air 


Hcelesia armeniea, ihr Ur 
fprung im 5. und 6. Jahrhundert. 
Ihr Beftehen noch jegt in ber euro: 
yäifhen und aflatifhen Tuͤrkei, fo 

‚ wie in einigen andern Ländern Aſiens 
und Europa's, ihre Einrichtungen 
und Schidfale. IV. 391 — 92. 


Ecclesia graeca catholica, 
Die griechifch : fatholifhe Kirche, wie 
ſehr ihr Laͤnderbeſtand buch die Gr: 
oberungen der. Anhänger Mubamebe 
verrinigert worden fei. IV. 389, und 
in welchen gebrädten Berhältnifien 
fie jegt unter mubamebanifcher Herr⸗ 
ſchaft iſt. IV. 389 — 91. 


Heclesine episcopales, wie 
an fie eintheike. Me 387. 


Hcelesiastiel, ein algemein ge 
wordener Ghriftenname. 1. 410, — 
Beisweilen Name für Kicchenbeamte. 

‘0 | 


665 


BDominieus, Domingo Gux- “ 
mann, Gtiftes bes Dominikaner⸗ 
Ordens. IV. 27, 

Dominus vobiscum , liturgi 
Formel. III. 240. tawgiſce 


Bomus mei, ,„ di- 
vinsa nennungen c AKir 
> erde ng 


Bormitionis festum, |. Asr 
Marise 


sumtionis fe-' 
tum, Maris Himmelfahrt. 11), 


. 


Doxologia, ein eigen. Art. 1. 514, 
— Bedeutung nad der Gtymaologie 
ibid. — Kleinere und größere Doro= 
logie. 1. 315 — 16: — Die dem Va⸗ 
terunfee angehängte Dorologie iſt 
fpätern Urſprungs. IV. 584. 


BDraconarius , f. Ctucifer. 


BDuellum, Sottesurtheil durch 
fampf. IV. 138. arqh awei— 


Burandus, Guilielm,, ein fo 
berühmter Schriftſteller über bie Kir: 
chengebraͤuche im 13, Jahrhundert, 
daß fein Bud: Ratiunale div. oflic., 
ein beinahe canonifhes Anſehen erhals 
ten bat. III. 222 und 23, . 


uranti, en Schriftſteller über 
kirchliche Gebräuche im 16. Jahrhun⸗ 
dert. 111. 223. 


E. 


Blectio, electiones per divina- 
tionem, Begriff derfelben. Ill. 14, 


Klectores, Ghurfürften des roͤmiſch⸗ 
deutfchen Reichs, damit vergleiht man 
die Cardinaͤle am richtigften. I. 338, 


Elementa sacrae COENRAE 
(Abendmahlselemente) , was darunter 
zu verftehen fei. 1. 18. — Sie wurs 
den durch die Diaconen und Akoluthen 
Abweſenden uͤberſendet, nit minder 
den Maͤrtyrern, Kranken und Buͤ⸗ 
Senden. 1. 19. — An welchem Drte 
in der Kirche die Laien bie geweiheten 
Giemente empfingen. 1. 21. — Ele- 
menta, eine mißlungene-Weberfehung 
von dem griehifchen ororyeia, Ele- 
menta extera und intern. was man 
darunter verftand. 1. 


Eilevatio hostine, daraus ent 
ftand die Anbetung ber Hoſtie, und 


iſt genau mit der Vetwandlungtlehre 
Trenssubstantio, verwanbt, k 30, 


' Einesaenia, juͤdiſches Feft, von dem 
ee ehnagıten ableiten wollen, 
11. 1 ‘ " 


Enesaustum, encausta ars, 
picture, Kunft mit Wachs oder 
mit Del zu malen. Mi. 287 umd 88. 


Enchiridion , f. Manuale. 


Eneratiten, eine Gattung F 
Hoaͤretikern, die den Weingebrau 
duch ſelbſt im Abendmahle für ſuͤnd 
lich hielten. 1. 52. — Spottweife von 
den Reatgläubigen aquarii genannt, 
1. ibi e ' 


Einergumeni, man lieg fie aus: 


nahmsweiſe an ber Abenbmahlsfeier 
Theil nehmen, wenn fie ihre lucida 
intervalla hatten. 1. 35. 


Eine eni, übergegangen in die 

fateinifihe Kirchenfprace, ein beſond. 
Art. II. 29, erklärt durch agitatl 
a spiritu malo vel ersatico. Il, 30, 


Ensalmos, was die Spanier dars 
unter verflanden, Ill. 9. 


Epigraphie, kirchliche. IV. 308 
und 309, 


Epiphanise Fentum , ein be: 
Fond, Art. 11. 44, aud dies lumi- 
num und festum candelarum ge: 
nannt. Il. 45, nicht minder festum 
trium regum. 11. 48, auch Festum 
Magorum. ibid. — Als ein Feſttag 
im Monat Januar, 11, 91, 


Episcopi und Presbyteri wer: 
den nie zufammen genannt, I. 229, 


Episcopus, f. das griehifhe Znt- 
0xorros, ging auch in die Kirchenfpra= 
he des Abendlandes Über, und wurde 

. Rame einer kirchlichen Würde 1 
230. — Berfhiedene Erklärung diefes 
Wortes, eine folhe in der neueften 
ZSeit. 1. 231. — Episcopi in parti- 
bus infidelium. I. 243. — Shnen 
kam in früherer Zeit vorzugsweife bag 
Geihäft des Predigens zu, IL 326. 
Episcopi sedis apostolicae, pri- 
mas sedis, cathedrae, f. Metro- 
polit. III. 413, 


Epistola Christi ad Abgar., 
P F cunar. e 


Epularum Petri festum, 
| Catheära Petri festum, 


. 


Regiſter. 


Equlitum ordines, Riterorben, 
geiſtiiche, ein bef: Art. IV. 270 ff, 
equites ordinis Teutonici, deutſche 
Ritter, ihre Geſchichte. IV. 273 ff. 


Ensnei ober Esseni, ihr Ur: 
iprung und ihre Eigenthuͤmlichkeiten. 
IV. 3 und 4. 


ZEucharistia, für Abenbmabläfeier, 
iſt auch in ber lateinifhen Kirche recis 
pirt. 1.7. — Eucharistia oder dies 
natalis eucharist;, Benennung für 
den grünen Donnerftag, IL. 257. 


ZKucharistiae locus ordi- 
narius, als folder wurbe durch 
Kirchengefege der gemeinfchaftliche Ber: 
fammlungsort der Chriften beftimmt. 
1. 14, Die Kirche locus solennis 
für Abendmahisfeier. 


Euchelaeen, Gebetoͤl, ein Ga⸗ 
krament der Griechen, bas mit der 
unctio extrema der Lateiner Aehn⸗ 
lichkeit hat. IV, 122. 


Kulogia, Rame für Abendmahls⸗ 
feier, iſt auch in ber Kirchenſptache 
des Abendlandes recipirt. L. 8, 


Bunucht, fönnen nicht ordinirt wers 
den, 111. 20, 


Evangeliarium und Episto- 
larium, Bud, für die evangelifchen 
und epiftolifyen Peritopen. III. 249, 
Auf jedem Dauptaltare liegen biefe 
Bücher, daher die Eintheiluhg des 
Alters in cornu evangelii e& 
epistolae, IH. 249, 


Kvangelistae Gvangeliften, ein 
befond. Art. I. $ Bedeutung 

diefed Wortes im N. T., in der biblis 
then Ifogogit und in der fpätern 
chriſtlichen Zeit. 1. 52— 54, 

Examen corporis et san- 


suinis Domini, eine Art Ors 
dalie, 1. 72, 


Examen ferri candentis, 
. Judicia Dei. 

Zixaudi, Rame eines Sonntags zwis 
fen Öfteren und Pfingften, f, Dies 
dominic. 

Excommunicatio, ob - 
Uum, tonnten nicht Pathenftelle 
vertzeten. IV. 522, ' ‘ 


Eixcommunicatio major und 
minor, Aeußerungen darüber in 





u Wegiſter. | 


ben ſymboliſchen Bädern bee Tutheris 
von beiden zur Beit der roͤmiſchen Hier⸗ 
archie. 11. 120— 31. — Gtrafe der 


Kiexiker. 111. 84. 


Exemtiones, Kloſterexemtionen, 
‚wa$ Barunter verftanden werde. IV. 19, 


Exequiae, mit diefem Namen bes 
zeichnet man in der römifhen Kirche 
die Firchlid) = religiöfen Gebräuche bei 
Beerdigung der Tobten. Verſchiedene 
Ableitung diefed Wortes. IV. 614. 


Exorcismus , ein befond. Art. II. 

55 ür den Exoreismus ale 
Zaufritus ift bereits Tertullian Ge⸗ 
mwährsmann. 11. 58. — Allmaͤhlige 
Ausbildung deſſelben ibid. — Der 
Eroreismus wird auch bei ber Kin⸗ 


‘ 
667 
r 


vertaufe gewöhnlich. 13. 39— 60, — 
Exoreism, libeili, was barunter 
verflanden wurde. IL. 62. Ä 


Exoreistae , kirchlicher Begriff der: 
felden. 11. 67, bilbeten ‚nicht einen 
befonderen Klerikerorden, fondern Bis 
ſchoͤfe und Presbyter verrichteten das 
Srorciten mit. 11. 68. — Gpäterhin 
ftanden fie auf niedern Stufen bes 
Klerus, Exorcistae ex ordine, 
exorcistae gratia, was man dar⸗ 
unter verftand. 11. 69. 


Exoreisterium eccelesiasti- 
cum, was man darunter zu ders 
ftehen habe. Il. 37. 


Expeditiones crueintae, 
Kreuzzüge, fie uͤberſcwwemmen Gus' 
ropa mit Reliquienmaffen. IV. 263. 


F. 


Fabrieae magistri, Vorſteher 
bet Baugefellfhaften im Mittelalter, 

Fagones, Name für bie weißen 
Zücher, in welge bas Abendmahls⸗ 
brod eingefhlagen wurde. 1. 25. 


Faldistoris, eine Art Seffel, auf 
welhem bei feierlihen Gelegenheiten 
der Biſchof zu figen pflegte. II. 453. 


Fanones, im 11. und 12 Jahr: 
hundert identifch mit vexilla eccle- 


, siastica. IV. 244. 


Wasciae cunarum sacräe, 
die Windeln bes Heilandes und epi- 
‚stola Christi ad Abgarum werden 
als werthvolle Reliquien bei einer Pros 
ceffion in Sonftantinopel vorgetragen. 


. ’ 


Fatuorum festum, Narrenfeſt, 
damit vergleicht Muretus das Fron⸗ 
leichnamsfeſt. II. 153. — Ein eigener 
Artikel. IV. 115. 


Feretra, Bahren. 11. 453. — Fe- 
retrale, Bahr: und Weinhaus ibid. 
— Feretrum, kommt wieder vor, 
IV. 598, 


Feretri judielum. Bahrenge 
richt, ſ. Judicia Dei. 


F'erula combuta, ſ. Bacu- 
lus pastoxal. 


Fidejusseres , |. Sponsoren. 


Fidelen, eigentiih Activchriſten in 
einer gewiffen Zeitdauer, ihre Ehren: 
namen und Vorrechte. 1. 41517. 


Fides, pro fide war bie Umſcrift 
an den Maithefertreuzen. IV. 285. 
Filla, Benennung für Kirche. 11. 388, 
Fistulae eucharistieae, Na 
me für die Trinkroͤhren an den Abends 
mahlskelchen. 1. 53 und 63, 

'Flabellum, ein SInfleument, um 
bamit die Fliegen von den Opferga⸗ 
ben abzuwehren, I. 28. — Cine auds 
führlichere Befchreibung davon. 1. 69, 
f. auch das griechifche dınldıov. 


Flentes, eine Glaffenabtheilung der 
Buͤßenden. 1. 293. 


Fons, Benennung für Taufe. IV. 457. 
Formula baptismi, ſ. Ba- 
ptismus. 


Formulae Hturgicae, - ei 
eigener Art. III. 228 ff. 


Formulae solennes, gebraͤuch⸗ 
lich bei der Abendmahlsfeier. J. 25. 


Fortunatus, mit dem Vornamen 
Venantius etc., ein lateinifcher Lies 
derdichter. IL. 225. “ 


Eraneiscus von. Aſſiſi, Stifter der 
Bettelorben, eine wichtige Erſcheinung 
im Mönchäleben, 1V. 21 und 22. 


Fraternitates, Vereine, bie mit 





x 


den Moͤnchtorben in Serbinbung fans 
den. IV. 242, Fraternitates 
Rosarii, fdlofien ſich befonbers an 
die Dominikaner an. IV. 294, 


Fratres Clerici hießen bie Geiſt⸗ 


Regifter. 


Iihen im beutfchen Stitterorben. IV. 


Fraires servienten, eine bes 


fondere Abftufung im beu Kit: 
terorden. IV. 277. iſcen 


G. 


Galilael, ein allgemeiner Spottname 
für GShriften. I. 412. 


Gamma, eine erleichterte Singme⸗ 
thode. 11. 216, 


Gaudia, Festum de septem gau- 
diis Mariae. Ill. 322, 


Gazophylakium magn. seu 
BDiaconie. us, was man 
Darunter verfland. Il. 374. 


Generalis ordinis, Drbensge: 
neral, eine hohe Beamtenftelle in dem 
ausgebildetern Möndjsieben. IV. 60, 


Genußexio und genuflecten- 
tes, f. das griehifhe yorvxlıcla, 
yorvxilyoyres. 1. 368. 


Germanus IE. , Gchriftfteler über 
bie kirchlichen Gebraͤuche in ber grie- 
chiſchen Kirche. IH. 223. 


Gloria in excelsis Deo, liturs 
giſche Formel, englifher Lobgeſang 
genannt, Ill. 238, wird vorzuge: 
meife in: der römifchen Kirche am 
grünen Donnerflage gefungen. 11. 258, 


Guostiei, ein früherer Ehriſtenna⸗ 
me. 1. 410, 

Gradatio, Stufenfolge, weiche bei 
vr Spoination vorgefchrieben war, 


Graduale, was. man als liturgi⸗ 
ſches Buch in ber römifchen Kirche 
darunter verfteht. III. 256. — Be: 
nennung eines Beſtandtheils ber roͤmi⸗ 
ſchen Megliturgie, III. 382, 


D 

Gradus admonitionum, ans 

gewendet bei der Beftrafung proteſtan⸗ 
tiſcher Geiftlidhen, III. 89. 


Gradus prohibiti, verbotene 
Grade, die Lehre von benfelben. 1. 
12, — Lateinifher Vers, worin 13 
hierher gehörige Faͤlle aufgezählt find, 


Graeci, ein allgemeiner 
für Ghriften. 1. 412, 


Gratia, Benennun die Tau 
IV. 460. s fir I 


Spottname 


Gratia septiformis spirit. 
sanct., baraus wil man bie fieben 
“ Ordines des Klerus ableiten, I1l. 6. 


Gregorlanus cantus, Bemer: 
Zungen darüber. 11. 216, 


Gregorius, Patronus scho- 
larum, beffen Bet ein unbeweglis 
des im Monat Maͤrz. I. 92. — Ein 
befond. Art. 11. 246 ff. 

Gregorius L., als kirchlicher Lie⸗ 
—* ter. 11. 225, as 


Gregorius von Razlanz und Ryſſa 
als Domileten der griechifchen Kirche 
geſchildert. 11. 318. 


Gregorlusfest „ ein befond, Art. 
11. 246 ff. 


Grex niveus » Benennung für bie 
Reugetauften. Il, 44, 

Gyrovagi, eine Gattung herum⸗ 
fcheifender Mönche. IV. 10, auch 

Sarabaitae genanut.- 


H. 


Haeretici, vaͤretiler, ein beſond. 


Art. 11. 278 ff. — Haeretici miso- 
liturgi, fo nennt Gardinal Bone bie 
Proteftanten. IV. 610, 
Magiolatria, Heiligendienſt, Hei: 
lgenverehrung im Gultus der Chris 
ften, ein beſond. Art. 1.260 ff, 


Magiopelita, Beiname bes Lies 


“ 


berbichterd Kosmas von Jeruſalem. 
11. 220, 
Halleluja, liturgifche Formel, III. 


Hannagun j Gefäß zum BVeihrau⸗ 


Mautreliefs, ſ. Baurelicfs. 








— || 


’ 


Megiſter. 


—— ‚iM tatna 
ein befond. Art. I. 383, *2 on. mo a tertia, ned 


lichdomas , 


crucis, sancta inofficiosa, muts, 

[ poenosa, indulgentiae genannt. 
—** zu erklaͤren iſt der Name 
authentica. 1. 384. 


Mebron, fol der Geburtsort Io: 
banned des Zäufers ſeyn, nad an: 
dern Jutta, 11. 348, 


Mephata , Gebraud biefes Wortes 
bei den Satechumenen. I. 370. 


Merbarum festum, warum 
‚man das Belt Maris Himmelfahrt fo 
genannt babe. 11. 337, 


Mermeneutae be altın Kirde, 
ein befond, Art. JE. 305, werben in 
kirchliche und außerlicchliche eingethbeilt. 
11. 305 und 6. — Eine Art kirchliche 
Dermeneuten waren im 10. Jahrhun⸗ 
dert unter bem Namen ber Tolken in 
Dftpreußen gewöhnlich, Il. 306, 


Miemantes, Conjectur über dieß 
ſftrreitige Wort. I. 294. 


Mierarchia demeocratica, 
demokratiſche Hierarchie. IV. 176. — 
Aristocratica, oligarchica, mono- 


Mierarchia 'ordinis und jun- 


risdietionis, was barunter p 
verſtehen ſei. III. T. — Hierarchia 


ecclesiastica vetus, es giebt nicht 


leicht einen Zitel derfelben, welchen 
man nicht bei den Proteftanten, be: 
fonders Eutheranern, nachweiſen koͤnn⸗ 
te. 11. 35 und 36. 


Milarius, von Piotavium, Leder: 
dichter in der lateiniſchen Kirche, 11. 222, 


Historia Lausiaca bei Pallı 
dius, was man darunter zu verſtehen 
babe. 111. 134, 


Momilia „ Homilie, ein befonb. Art. 


111. 313. — Ableitung biefes Wotts 
von bem griechiſchen ousdeiv, was 
den Mebenbegriff der Popularität und 
Bertraulichleit involvirt. BI. 315. — 
Kirchliche Borträge erhalten dieſen Ras 
men ibid. — —— extempo- 
rales, aus tegreife gehaltene 
Worträge, II. 328. 
Homiliarium , ließ Karl der Große 
veranſtalten. Il. 331, 


Monorius Augustodunen- 
- sin, myſtiſcher Schriftſteller über die 
FEinhengebräude im 12, Jahrhundert. 


unferre Beitrechnung bie neunte Vor⸗ 
mittagsftunde, war ſchon feit dem 5. . 
Jahrhundert eine beliebte Stunde zum 
Bormittagögottesbienft und zur Abends 
mabiöfeier. 1. 17 und 18, 


Morae canonicae, Urfprung 
und Begriff derfelden. 4. 270— 71, 
werden in Benedicts Regel zum Geſet 
erboben und eigentbümlih benannt 
ibid. — Gie gehörten zu ben vorges 
fhriebenen, nicht aber freiwilligen 
Frag ber Drönde, IV. 

. — Myſtiſche Deutungen els 
ben. 1V. 66. gen berf 


Morae iucernales, ſ. ben 
Aut. näßtliger Gottesdienſt (Wigilie). 


Mosianna, liturgiſche Jormel. II. 


MHospitii jus, war ben Römern 
befonders heilig, hospitium public., 
was man darunter verftand. Il. 167. 
— Hospitalitatis contesseratio, was 
daruınter verflanden wurde. 11. 171. 


Mostia, nad der gewöhnligen Auss 
ſprache ostia, davon wollen einige 
die Benennung Oftern ableiten. I. 159, 


Mumiliatio, f das griechiſche 


UNONIWOLS. 


Mumiprostratio, eigentbämlicher 
Gebrauch beim Gebete, 11. 183, 


Muss (Johannesn), klr Ries 
—* 11. 231. I, krrchücher © 


Mymenaes Epithalamia, 

. ©. ca a nuptialis, 

damit feiern auch nad heidnifcher Sitte 
Sheiften ihre Hodzeiten, II. 23, 


Mymnarlium ode liber hy- 
ımnorum, Beſchreibung biefes Ge⸗ 
fangbung in ber römifhen Kirche, 


Mymnologie, eine Gattung bes 
Zumoissie zweite Ybrbeilung 
eines befondern Art kels. IE. 29 ff. — 
Hymnolog. haeretic. Il. 217 ff. — 
Hymnol. ecel. Syriac. 11. 218, — 
Hyımnol. ber griechiſchen Kirche. II. 
220 f. — Hymnaol. ber lateiniſchen 
Kirche. HM. 221. — Hymnol. der 
proteftantifhen Kirche. 11. 232 ff. — 
Hymaol. der chriſtlichen Welt in uns 
fern Tagen, Al. 236 ff. 





Mymmun, verihiebene ition von 
Diefem Worte. Hi. 211. — Hymni 
christiani, ihr Geift, Inhalt und 
dogmatifche Wichtigkeit. 11. 213 — 14. 


— Gefangreife biefer Hymnen in den 


I. 


Jacobiten, auch Toptifche Chriſten 
genannt, Ueberreſte vom Aegyptens 
chriſtlichen Urbewohnern. IV. 399, 


Jacobus major, befien Denktag, 
ein unbeweglihes Zeft im Juli. 11. 
92, — Jacobus der Aeltere, ein be: 
fond. Art. 11. 335. 


Jacobus minor, Gollectivfeier 
mit Philippus, ein unbewegliches Keft 
im Mai. 11. 92. — Gin befond. Art. 
Philippus und Jakobus. IV. 219, — 

* Kurze Lebensgeſchichte Jakobus des 
Züngern. IV. 220, 


Jacoponus (auf Jakobus), de 
Benedictis, ein kirchlicher Liederdich⸗ 
ter. 31. 230. 

fo 


TIdolorum confectores, 


wie eine Menge andere Beſchaͤftigun- 


en machte zur Taufe unfähig. IV. 
74 — 75. — Lob, welches deshalb 
die Kirche verdient ibid. 


Jejuniam, Tertullian in feiner 
Särift: de jejunio, klagt über 
das geringe Intereffe der orthodoren 
Kirche an der Faftenanflalt. 11. 74. 
— Jejunium vernum, aestivum 
u. ſ. W. II. 77. — Jejun. litaniar. 
und rogationum. 11. 78, — Jeju- 
nior, superpositiones, Grund die: 
ſes Namens. IL. 78. — Jejunia 
quatuor ordination. 11. 78. — Je- 
junium generale, consuetudina- 

. rum, votivum, poenitentiale, 
voluntarium, erklärt. Il. 80, 


. Jennaei, ein älterer Name für Chris 
en. 1. 407, 


‚Jesus Christus rex regnan- 

—— Gear aa 

en ſich biefe Au t befand. 1. 
435 — 3%. 

Ignatius de Loyola, fein 2e 
ben und kurze Geſchichte feines Or⸗ 
dene, IV. 40 ff. 

;s igneum, itum 
udicium, probatieo per 
gnem, ſ. Judicis Dei. 

Jgnis Johanneus, 
feuer, eigeuthümlicher Gebrauch am 
Feſte Sohannis bes Zäufers. 11. 351, 


Regie. 


Johannis⸗ 


gotteadienſilichen Verſammluugen ber 
Edhrifien. IL 214— 16. 


Hypodiaconus, ſ. Subdia- 
cOonuß. 


⸗ 


Ikonodulen und Ikonokla- 
sten 2 Bedeutung beider Ausbräde, 
.21 


Ylluminatio, illuminationis 
Sacramentum, Benennung für 
Zaufe IV. 459. 


Hilustratoriam, Benennung für 
Taufe. AV. 459, j 


es in ecclesin, Kir 
chendilder, werden im früheften dhrifls 
lihen Altertbume im weiteften Sinne 
genommen, und umfaflen alles das, 
was bie Lateiner statuar, simulacra, 
signa, imagines, nennen. 1. 212. 
Immersionis‘ ritus, be ber 
Taufe früher totalis, fpäter partia- 
lis. IV. eh immersio 
trina wird für nothwendig und ſchick⸗ 
Hd erachtet. AV. 500. | 
Immunitas ecclesinae, was 
-man darunter verftand. Il. 398, 


"nlenda, in Pastori fu- 


enda, find in einen lateinifchen 
entvers gebracht. III. 22. 
Impositio manus, warum es 
fonongm mit poenitentia publica 
ſei. I. 297. 
Impositio manuum, ein Ge⸗ 
brauch bei vielen kirchlichen Ceremonien, 
fo auch bei der Eonfirmation. I. 454, 
Impositio nominis, |. dene- 
minatio, 


Impluvium, f. Ambitus, 

Incensum, für Weihrauch. II. 441, 
— Incensarium, Gefäß, tn welchem 

* man ben Weihrauch zum Tirdhli 
Gebrauch aufbewahrte, II. 444. . 


Incineratio, Aſchenweihe. I. 141, 
wenn fie allgemein eingeführt wurbe 
und wie fie noch jest in ber römifchen 
Kirche gewoͤhnlich iſt. 1. 141. 

Incipientes, Name für Catechn⸗ 
menen. i. 364. 

Inclinatio corporis, eine eigens 

thuͤmliche Stellung beim Gebete. 11.183, 

Indictio festor. mob 
geſchah am Epiphanienfefte. Il. 47. 





. Regiller. 


Indifferentismun, religiöfer, eis 
ne ungünflige @efcheinung für bie 
criſtliche Feſtfeier. 11. 103. 


YIndulgentia, Indultaem, kirch⸗ 
"licher Sprachgebrauch diefer Worte im 
fruͤhern chriftlichen Altertbume und in 
der fpätern Zeit. 11. 339— 342, ein 
befond. Art. — Wie ſich ber frühere 
kirchliche Begriff von Indulgentia 
befonders in der fpätern römifchen 
Hierarchie mit dem Namen bes Ab: 
laffes änderte. 11. 341 und 42, 


Indulgentia paschalis, was 
darunter zu verftehen fei..1.1168. — 
Indulgentia, fo viel als Ablaß. 1. 
197, — Was darunter in Beziehung 
auf bie Büßenden zu verſtehen fei. 


® + 


Indulgentiae et indulgen- 
tiarum d 


o ca, rund 
biefee Benennung für PYalmfonntag- 
IV. 171, 


arius und infirmaria 


Infirm 
in ben Moͤnchs⸗ und Nonnentiöftern. 


® % 


Unfulae, Bänder an den Biſchofe⸗ 
mögen. 111. 52, find beibnifhen Urs 


fprungs. II. 52. — Infula, minder 


I 
groöönliger Rame für Birdoftmüge 
tus, nc Abbas, melde 


Iufula 
Aebte man bavunter verſtand. III. 52. 


Ingenul,, daß bie Geiſtlichen als 
foldhe angefeben wurden und darum 
befonbere Begänftigungen vor Gericht 
genoflen. III. 30, 

Innocentius IE. , römifcer 

Papſt, als Scheiftfieller Aber die Kir: 
hengebräuche tm 13 Jabrhundert. 


Innocentam festum, Feft ber 
unfchuldigen Kinder, f. Nativ. Jen. 
‚Chr. fest. Il. 197. 


Inscriptiones in Sarcopha- 
pi» alilsque monumentis. 


Intercensores, eine Art Unterbl: 


ſchoͤfe in Afrika. I. 245. 
Interdietum, furchtbare Steige⸗ 


zung bes Bannes. II. 138 f. — 

Anterbitt ausgehbt von ben Päpften. 
Enterstitia, 3wifhenräume, welche 

bei der Ordination vorgefchrieben wa⸗ 
. Ten ul. 25. 


671 


EInthronisatio, ber enannt 
Opfergang der —S | 
der roͤmiſchen Kirche. 111. 330, 


Introitus, Eingang der Meſſe, was 
darunter nach ber Belehrung römifcher 
Liturgen zu verftehen ſei. Mi. 378. 


Inventarium, kirchliches, 'ein be: 
Iond. Art. il. 440, — Begriff beffels 
en ibid. . 


Inventionis s. crucis fest, 
ein unbewegliches Feft im Monat Mat. 
1. 92, ein befond. Art. 111.144 ff. 


Investitura, Inveftitur, ein bes 

ſond. Art. 11. 343, weldye kirchlich⸗ 
fombolifhe Handlung darunter vers 
fanden werbe. IM, ibid. — SInveftis 
tur aus ber Lehneverfaffing abzulei⸗ 

“ten. 11. 344. — Inveſtitur, was bars 
unter bei den Proteftanten verftanden 
werbe. N. 346, " 


Invocavit, Sonntag, f. ben Art. 
Sonntag. iv. 366. 


Johannes der Evangeliſt, ſ. Denk: 
tag, ſ. Nativ. Jes. Christ. fest. 
11. 195. 

Johannes ante portam Ln- 
tinam, ein beweglices Feſt im 
Mai. I. 92, 

Johannis Baptist. Natal 
Seurtsfeft 3. d. T., unbemeglihes 
Be im uni, Fest, de collat. Joh. 

—F ein unbewegliches Feſt im Au⸗ 
guſt. 11.92, Ein beſ. Art. II. 347 ff, 

Isidorus Mispalensis, als 
Säriftftellee über die kirchlichen Bes - 
bräuche. IN. 221. | 

Islam, Islamismus, bie von 
Muhamed ausgegangene Religion vers 
ee ee 3 Laͤnderbeſtand, 
wo ſonſt das Ehriſtenthum gebiäht 
hatte. IV. 389. tom Br ’ 

Itala, Rame einer alten. T. Ueber: 

- fegung. 33. 289. 


Judas, f. Simon und Judas. 

Jubilaeus annus, Jubeljahr, 
ein befond. Art. 11. 353—59, — Abs 
‚leitung aus dem Hebräifchen,. 11. 354, 


Jubilate, Benennung eines Sonn⸗ 
tags zwiſchen Oftern und Pfingften, f. 
Sonntag. 

Judica, Rame eines Faftenfonntags, 
Grund diefes Namens, vgl. Dominica 
dies, beißt audy zuweilen Mediana. 


Judieis Dei, Gottetustheile, Or- 

















6. 
bale , verfählebene Arten berfelben:, 
Jadicia aquae fervidae et frigi- 


dae, ignis, ignitum, igneum, pro. 
hatio per ignem, examen ferri 
candentis, Judicia Teretri. IV. 139. 


Judielum sacrae coenae m. 
euchariatise, Abendmahlsge⸗ 


Jura 


Regifter. 


ball er Gottesgericht. IV ° 13. 
rimigenla md secum- 
rin werben dem Papfte zugeflans 
*5. 180 ff. — Jura papa- 
8 accidentalia et honoris. IV. 


K. 


Kalligrap Gebrauch im 
heifttic » er Fe IV. 305 f, 


Kryptographie. 1V. 308, 


Kyri 


yrie eleison, liturgiſche For: 
mel, us in die lateinifhe Kirchen⸗ 
ſprache übergegangen. Ill. 237. 


L. 


Lacerna, f. Birrus und Piu- 
viale. 


IUnetare, Benennung eines Kaften: 
fonntags, vergl. den Art. Dom. dies, 
warum er auch dominica panis heis 
fe. IV. 366. — Wird auch zuweilen 
Zodtenfonntag genannt, wei 
gene Grörterung biefes Namens. 

Laie, Laien, kommt bei Tertullian, 
Hrigenes, Cyprian vor, und wird oft 
durch seculares erflärt. I. 406-7, 


Laici fratres, Laienbruͤder, von 
einflußreichee Erſcheinung im Mönche: 
leben, auch conversi genannt. IV. 
20 unb 21, 


Lamina, golbenes Stirnband, wel: 


ches Thon a poßel getragen "haben 
follen. 111. 
— —8 II. 448, 
Lampas perpetua die ewige 
er ns u 
Lancese‘ et elaverum fe 


Sheifi, Atem. Art. Ill. 168, 


Lapicides magisiri, Gteins 
wegen im Mittelalter. 11.43, 


La dieß Wort in feiner engern 
ap! — Bedeutung I. Pr ya 
Ihr ünterfchied von Xpoflaten, 1. 291, 


Laterculus, Rame einer Oſterbe⸗ 


rechnung von Theophilus, Biſchof zu 
Alerandrien. I. 166, 


Lavacrum, Benennung für Tau 
IV. 457, or fe 


Laura, Begeift und unb Unterſchied von 


Coenobium. ] 


Laurentius, bes Heiligen, Gebächt: 


) 


eft ber Lanze und Nägel Le 


nißtag, Inbewegliches Feſt im Menat 
Lecti, lectiene ; ſ. 'Fereiza. 
Lecetionalia und Lectiena- 
leſen "beftimmten biblifhen Abfchnitte 
enthalten. ML. 248, “ ſa 
ſammlungen ber Ghriften, ein defonb. 
Het, III. 170, — Lectorum scho- 
abentlänbiften Kirche Statt. 
Eibeniehrer hieß Primigerius, 
171. — Lectores,, warum fie: 
erechnet wutden. 111: 172, — a 
chiedene Art, die Lertoren zu d 
che ibid., wurden zuweilen im Zeital⸗ 
ter Goprian’s doctores audieatium 
Legati a lIatere und legatl 
nati, was barunter verflanden wer⸗ 
Art X 175, — Legenden in 
ben Rebenbeorift des Kabel: umb 
Moaͤhrchenhaften. IE. 177, — Le 
ammlung fo genannt wurde, All. 186, 
Lentulus, der viel befprochene und 
Leo Allatius befreit nicht wur 
bie Bitualbücer ber Griechen, —* 
remoniel. III. 224. 
ber Große, 


Augufl. 
rin, Bäder, welde die yam Bors 
" Leectores, it den kirchlichen Vers 
fanden an mehrern Orten ber 
fcheinlich zu den ordinibas. inf: 
in ber — 5 und —8 
genannt. Ill. 249, 
de. 1. *. 
„ Legenden, ein Defenb. 
‚Ihrer 
frühern Bedeutung haben ned nicht 
Aae aurene, welche Legendens 
mebefach unterſuchte Brief deffelben. 
bern handelt auch von dem Kir 
let ber abenblänbi en Eiche 1 il. 322, 


— 


Bu 


- 





Regiſter. 


Libellatich, welche Gattung von 
Gefallenen man barunter verftand. 


. 291, 


Libelll paecis, auch literae 
im, von ben Maͤrtyrern ausges 
It, 111. 275. 


Libeläus pacin, was man bars 
unter verſtand. 1. 29, 


Liber liturgleus, weiterer und 
- engeree Begriff diefes Worte, 111. 247, 
im engern Sinne auch liber ritualis 
enannt ibid. — In weldem Sinne 
7 ber ganze Bibelcanon liber litur- 
gicus nennen laffe. III. 247 und 48, 
— Libri liturgici ‘der griechiſchen 
Kirche mit feltfamen, ſchwer zu erklaͤ⸗ 
senden Namen findet man verzeichnet. 
11, 2350—53, 


Lipdertan ‚eeciesiae, f. Im- 
munltas ecciesiae. 


Lipderti, #reigelaffene, welche noch 
Berbinbtichleiten gegen ihren alten 
Deren hatten, Eonnten nicht Klerifer 
werben, Ill. 18, 


Libri ecclesiastici, weiterer ya 


und engerer Begriff biefes Worte. III. 
245, in der römifchen Kirche Tynonym 
mit liber liturgic. ritualis, III. 247, 


Lintea alba et Dailmatica, 
ſ. Alba. \ 
teum wurbe verbum solemne 
für Todtenbetleidung. IV. 598, 


Lipanotheese, Name für Bells 
quienfammlungen. IV. 264, 


Litania, Eitanei, ein befond. Art. 
111.196, ſ. bas gr. Aızavelar. III. 196. 
— Litania major und minor, was 
es in der liturgifchen Sprache der 
romiſchen Kirche bedeute, 111. 199. — 
Litania Septiformis, wober fie 
nah Gregors Erklärung ben Namen 
bat. 111. 19, — Weitere Erwähs 
nung biefer litaniae septifurmis. 
IV. 242. — Litania nigra, Grund 
dieſes Namens. IV. 43. 


Litaniae, preces , welche theils 


gefungen, theils gefproden wurden: 


bet Proceffionen. IV. 246 und. 47, 
wo noch Mehreres über diefed Wort 
bemerkt if. 


Literae (f. d. Art. Briefwechſel im 
qriſtlich⸗ kirchlichen Leben ber erften 
Jahrhunderte. 1. 275.) formatae, 
commendatoriae, communicato- 
riae, dimissoriae, enthronistione, 
Siegel Handbuch IV. h 





673 


'paschales, circulares, synodicae 
tractatoriae, was barunter verſtan⸗ 
den wurde, I. 277= 79. — Die 
literas ſormatas zu prüfen gehoͤrte 

zu den Amtspflihten der Metropolis 


Liter ads, ſ. 
a a0 p » . KLibellt 


Liturgia, Siturgien, ein befond, 
Art, 11. 202 ff., vergl. das griechi⸗ 
fhe Asızoveyia und Assrovpyeiv. III. 
204. — Rachrichten von den verfchies 
benen ältern Liturgien, als von ber 
Liturgia Gallicana. Il, 209 f,-— 
Liturg. Mozarab. III. 210 f. — 
Liturg. vetus Anglica. III. 212 f, 
— L. Allemanica. II. 213, — 
I. Mediolan. III. 214 f. — L. 
Roman. III. 215 f. — L. Graeca. 
11. 20 f. — Liturgien, Veraͤnde⸗ 
zungen berfelben durch die Reforma⸗ 
tion. 111. 224, — In der proteftan= 
tifhen Kirche braudt man wieder bas 
Wort Liturgie von dem Gefammt: 
gotteödienfte, micht aber vom Meßri⸗ 
tual allein, III. 258, 


turgia Miss. . i 
Mesliturgie) ſ. Missa, Comiſqhe 


Locus intra cancellos, Be 
nennung für Chor ber Kirche. 11, 374, 


Lucas, Gebädtnißtag deſſelben, uns 
bevenliched —* um RT 1. 98, 
— Lucas re van ei . 
ET RK Aueh def 


} 
Lucis dies, Benennung für grüner 
Donnerftag. 1. 257. 8 j 9 . 


Ludi juvenales ber-NRömer, da⸗ 
von wollen Ginige bie Spiele am . 
Weihnachtsfeſte ableiten. 11. 199, 


Ludimagistri, ſ. Paedagogl. 


Lumen perpetuum, f. Lam- 
pas perpetua. 

Lustratores, Name für Stellvers 

| iretet ur Stadtbiſchoͤfe auf dem Lan⸗ 


Lustricus, Bedeutung biefes Worte 
in der Zufammenfegung mit pater, 
mater, fillus. IV. 518, 


Lux mentis oculor., Benen⸗ 
nung für Saufe: IV. 459, 


Lychini chni, Lychn 
Rame für one fichliche —E 
the. II. 448. — Lychnus perennis, 

das ewige Licht, ewige gaapt. 11. 450, 








674 


Reglfier. 


M. 


Maccabacorum festum, «in Marcus, fein Gedenkta 


unbeweg! im Kuguft. I. 92 
ein —— a ' 


Hagi, en al ee Spottname 
für Cheiften. 1. — 
ster, ältere Benemung für 
das Oberhaupt bes Maltheſer⸗ Hitters 
orbens, IV. 280, . 
sterium Saneti Pala- 
„ Beariff Davon. IV. 30. 
etismus, baß er hoͤchſt wahr: 
a ſchon im Aterthume bei den 
esgumenen angewendet worden ſei. 


Hagn Monasterium, daß 
Berhbmte Kiofter Marmontier fliftet 
Martin, Bifhof von Tours. IV. 9, 


Major generalis, nannte fih 








ber Drbensgeneral von ben barmher⸗ 


igen Brüdern, und Major ſchlechthin 
de Gaperior eines jeben Hospitals. 


Majumse, heidniſches Feſt im Mai, Marl 


davon leiten Mandye bie noch jept 
üblichen Malentänze zu Pfingften ber, 


Mailluvium, f. Cantharus, 


Mandra, zunächſt Viehſtall, warum 
bie frübern Klöfter fo genannt wur: 
den, IV. 57. 

Manipulus, mappuls, su- 
darlum N fest nur ein zmediofer 
Schmuck der Geiſtlichen. UI. 62, 

Manusionarii, eine Gattung Kir⸗ 

. endiener, verſchiedene Anfichten über 
diefelben. II. 432, 

Mantile, {. Manipulus. 

Manuale ober enchiridion, 
: weiches Titurgifche Buch man in der 
römifchen Kirche darunter verſtehe. 


Manumissio 8ervorum, er: 
folgte am Dfterfefte. 1.171. — In 


wiefern eine Nachahmung berfelben 
bel de chriſtlichen Zaufe Statt fand. 


—— ponitio 5. | ai ‚als 
entlich nothwendig be rdina⸗ 
tion. IV. 154. g ' 
Mappula, {. Manipulur. 


Marcosil panes, was barunter 
zu verfteben Jei. III. 317. 


. 8 «ls unbe: 
Feſt im April. IE. 92. — 
Barum er den Kamen Marcus an: 
nahm, 9a er eigentlih Johannes hieß. 


Marine ad Nives dedicatie 
s. festam, Mariä Gchneefeier, 
amberoegliches Feſt im Auguſt. II. 92. 
Mar. Dormitionis s. Assumtionis 
Fest., wmbewegliches Feſt im Auguft. 
1.2 — ra Mer: Fest., Ma: 

riaͤ Geburtöfeft, unbewegliches Feſt 
im Beptember . 1 92. — Praesen- 
tationis Mar. Fest., unbewegliches 
Sch im Rovember. IT. 93, — Fest. 
concept. immacul. b. Virgin. Ma- 
riae, Maris Gmpfängnig, : 
liches Feſt im December. 1. 93, 





Marlalatria, Marinverehrung, ei 
vor dem Gnde bes 4, Jahrhunderts 
nit gewoͤhnlich. II. 319, 


Iaria dalena, ein unbe 
weglihes Feſt im’ uni. I. 92. — 
Zur Sedaͤchtnißtag, ein befond. Art. 
HMI. 347. 


Maronitae, Daroniten, eine Secte 
ber griehifhen Kirche, noch jegt in 
ber Zürlei uͤbrig; ihr Urfprung, ihre 

ickſale, ihre Abhängigkeit von der 
Pforte und ihre kirchlichen Einrichtun⸗ 
-gen. IV. 392 — Ihre Se 
wohnpeit, am Verklärungsfefte Chriſti 
den Libanon zu befleigen. IV. 591, 


Martinus von Tours und bes Yapfles 
Martinus @ebädtnißtage,, unbeweg⸗ 
liche Feſte im Rovember. II. 93. — 
Martinus der ‚Heilige, ein befond, Art. 
III. 349. — Mustum Martini, As- 
ser Martinus, und andere Bollsbe: 
lufligungen, II. 31—54. 


Martyres, in der chriſtlichen Kirche, 
abgel. vom gr. uagrus und uaprvp, 
wer in der frähern, tämpfenden ri: 
lihen Kirche fo genannt wurde, IH. 
272. — Man unterfcheidet marty- 
res absolut. sic dicti, designati, 
confessores, Profugi, Extorres. 
Eine andere Eintheilung ber Maͤ 
findet ſich bei Walefius, III. 273. 


Martyrol im engen und 
eioenzlichen ve 2 Be: 
nennung für kirchlich⸗ liturgiſches Busch, 
veranlaſſen den Begriff von Kirchen⸗ 





vw. m — ma sc vw. 5 07011 gr 


Regifter. 


kalenbern ibid. — Martyrologium 
universale, roman., martyrologia 
privata, wie e8 fi damit verhalte, 
if. 283, — Unterfchleb ber ältern 
und neuern Martyrologien ibid. 


Mater dolorosa, nicht unwid: 
tige Darftellung im chriftlid) = kirchli⸗ 
hen Kunftieben. III. 154. 

Materia baptismi. IV, 49%, — 
Dabei unterſchied man materia coe- 
lestis und terrestris Ibid. — War: 
um die letztere das Waffer fel. IV. 
495 und 96. 

Materia remota etproxims 
bei der legten Delung, IV. 125. 


Mathaeus, Gedaͤchtnißtag beffelben, 
unbewegliched gen II. 93, ein beſond. 
Art. 1. 355 | “ 


Mathias, Gebächtnigtag deſſelben, 
ein beſond. Art. III. 358 ff. 


Matres und matrices sc. 
ecelesiae, was man darunter 
verſtand. II. 387. 

Matrienlae ecclesiae, ſ. 
Biptycha, 

Matrinae. IV. 518. 

Matutina, eine fogenannte canoni⸗ 
ſche Stunde (Mette), welde bald nad 
Mitternadyt gehalten wurde, IV. 65. 





Melitensium ordo milita- 


vis, Maltheſer⸗Ritterorden, ſ. früs 
bern Ramen. IV. 279. 

Mellis et lactis degustatio, 
Zaufceremonie. IV. 510, ift einzig 
aus dem X. T. abzuleiten ibid. 

Memorise, Name für chriſtliche 
Zunähft nannte man die uͤber den Sraͤ⸗ 
been ber Märtyrer erbauten Kicchen 
memoriaa und martyria. III. 275. 


Memoriae Martyrum „ Denk 
tage der Märtyrer. 111. 277. — In 

‚ biefer Bedeutung leicht zu erklaͤren. 
III. 200. 

Menologin, Ritualbücher ber grie⸗ 

chiſchen Kirde entſprechen größtens 


theils den lateiniſchen Martyrologien 
und Galendarien. IIL 251. 


Menm, foaonym mit ara, warum ? 


Metatorium, f. Vestiarlum. 
Metatum, welche Abgabe darunter 
verftanden wurde, III. 30. - 
Metropolitae, Detropoliten, ein 

befond, Art. III. 412 ſſ. Im 2, und 


3, Jahrhundert Kommt biefer Name 
noch nicht vor, Tondern bie Biſchoͤfe 
der Yrovinzialhauptfiäbte werben epi- 
scopi apostolicae sedis, ober auch 
primae sedis und cathedrae ge: 
nannt, — Metropoliten oder Metro: 
politane fononym mit Guperintenbens 
ten in Shurheflen. IM. 418. 


Michaelis festum , zwei unbe⸗ 
wegliche Feſte, im Mai das Feſt ber 
Erſcheinung des Erzengels Michael, 
im Geptember das Fest. omnium 
angelor. 11. 92 und 93. — Gin bef. 
Art. III. 419 fj._ Gruͤndet fi mehr 
auf Sagen, ale auf bibl, Dogmen. 


Minium, baraus war bas Roth 


verfertigt, mit welchem man bie rothen 


‚ Anfangsbuchftaben ‘in ben codicib. 
ſchrieb. Auch qus Zinnober (Cinaba- 
re) und aus dem Bafte ber Share 
lachbeere verfertigte man biefes Ro 
IV. 306. an dieſes Both, 

Ministerium, 
tium. 


1 . 
Micro —5 Schriftſteller uͤber 


ſ. Sacerdo- 


kirchliche e im 12. Ja fs 

dert. 111. 3 brhu 

Militen, fie zu ordiniren war ein 
Synodalverbot. II. 18, 


Militen, hießen im Deutfdhen its 
en die eigentlichen Nitter, 


Miserere nobis, mit diefen Wor⸗ 
ten folle man nur Gott, nicht einen 
Deiligen anrufen. II. 276, 


Misericord. Domini, SBenens 
nung für ben zweiten Sonntag nad 
Oſtern, f. Dies dominic., wird au 
in der griechiſchen Kirche Thomas⸗ 
fonntag genannt. IV. 368, i 


Missa, Benennung für ben Gottes 
bienft im Allgemeinen. PR 478, — 
Missa catechum. et Fidel. ibid. 


Misna, Mefle, ein beſond. Art. III. 
361. — Ertymologiſche Unterſuchun⸗ 
gen über biefed Wort, die zum Theil 
fehr fonderbar find. I1l. 364. — Die 

wahrſcheinlichſte Ableitung von der al: 

ten kirchlichen Entlafjungsformel ite, 
missa est. Ill. 365. — Gpradiges 
brauch des Wortes missa, wo es 
audy für officiüum diviaum, lectio, 


festum, solennitas ſteht. III. 366. - 


— Gigentliher dogmatiſcher riff 
der Meſſe. III. 368. — ans 
Bedeutung folgender Meßgattungen 
zmaissae publicae 4 solemnes, 20 


65 


- 





676 Regiſter. 


litariae, privatae, de t ore, Momo ammaia, ber Ram 
de sanctis" missae votivae, mis- Ghrifti in denfeiben, ausführlicher er⸗ 
sae pro defunctis, Ill. 370— 75, wähnt. IV. 354 ff, 


Mieen aesanetifieator., Monomachia, Ram für Gottes 
was darunter zu verftehen fet, auch urtheil durch Siweilampf, IV. 133, 
Missa sioca, L 56, auch judicium pugnae, campi et 


| sanguinis genannt ibid. 
NMiissae rom. liturgia roͤmiſche 
Meßliturgie), was fie fei hei ent: Monte Cassino berühmte Bene⸗ 
balte, ill. 375, — Ihr einzelner dictinerabtei. IV. 14. 
Beſtandtheil ibid. — Xektere und Mors peceator., Rame für bie 
neuere Berfuche fie muflif zallegos Taufe. IV. 460, 
zii zu beuten. 111. 4068, Mozarabes, Grläuterung dieſes 


Unterfchied der Mehliturgie in ter Wortes aus dem Xrabifcen, IIL. 210. 
— pad ne — Mulieres, fie wurden als nit bes 


cator. ift an mandıen Orten wähs {epiot sum Klerikerſtande angefehen. 


b 
rend bet Quabdragefimalfaften üblich . 
IV. 2334, Munera a davon ind bie 
s eriser befreit. III. 9, — a6 
 womhes Diebe benfelben gerechnet wurde ibid. * 
über, Eintheilung deſſeiben. II. 366 ff. ne ram Suialis, Fri 
. . even e eyn I 3 
Mitra 9 Biſchofsmuͤte. III. 52, (den und hebniigen — 5 — IV. 
nace , ; 108. — Gie entwidelt fi im 
ar ns Drönd, I. das gries lich⸗ kirchlichen Leben nur in ne 
oo und gehört ihrer höhern Ausbildung 
Monasterlum, wie biefes Wort naoch ber ältern. Beit an. IV. 108, 
für Moͤnchswohnungen gebraucht wer: ” 
den Eonnte, obgleich darın xovöc Blos ne Yun Opus ⸗ p eneinmaleref, 
gewöhnlich war, Als bie Canonici 288, Heißt auch vermj cufat. opus, 
nen gemößnlich wurden und fie man bradte es oft auf Fußböden ber 
—ã— den ht tes Kirchen an. III. 394, 
un a wohn o Te 
nannte man biefe Kirchen au Mo- Mutatorium, f. Vestiariam. 


nasteria, woraus baß deutſche Muͤn⸗ Mutilati, Berflämmelte, koͤnnen nicht 





ſter entftanden feyn fo. IV. 55, orbinirt werden. KIT. 20 


Monocratia ecclesiae, kirch⸗ M sterior.s. Secretor. dies 
lie Monokratie, II. 472, | I enennung für grüner Donnerftag, 


Monocratia eccleslast,, Erd « 257 
liche Monokratie im Abendlande in Mysterium, Name für die Abends 
bem „zgonbern Artikel Papalfpftem, zrosisfeier und Grund diefeg Namens, 


Narthex, bie Rateiner behalten es niſches Feſt, davon wollen Einige 
zu dem Eiecifcen, bei. Meibnachten besleiten. J1. 189, 
elchen heil der Kirchengebräuce 

man darunter verfiche, II. 376, s Nativitatis b. Mariae fest., 
Mari& Geb,, ein bef. Art. II. 309 fl. 

Natales, natalitia marty- 
. Fum, warum man ben Sterbetag Wativitatis Christi fest., 
‚ bee Wärtprer fo nannte, II. 280. —— N ein —— 
1 . f nm t sen 3 

—— r ng für tungöfeften unter ben unbeweglichen 


aͤhnt. I. 93.) — Fer. II. 
Natalis Christi, Geburätag Se: Zn 1% Stephanatan. lt. 194, 


Tu, iſt fhwer zu beftimmen. 11. 192, pen 1lI., Johannes ber Goangel. 
Natalie invicti a. solis, hit: 1.195, — Innocent. fest, 1. 196, 


⸗ 








Navicula thuris, Gefäß sum 
Beihraude. 11. 444, ° u J 
Navis ecelesiae, Schiff ber Kir⸗ 
che. 11. 374. — Welchen Platz in dem 
Kirchengebaͤude man darunter ver⸗ 
ſtand, myſtiſch⸗ allegoriſche Deutung 
dieſes Namens ibid. 

NWazareni, ein allgemeiner Spott⸗ 
‚name für Chriften. I. 411, 


Weopliytae, aus bem Griechiſchen 
in bie Iateinife Kischenfpracdye übers 
‚gegangen. Sie Tonnten nicht Kieris 

er werben. Il. 17, 


"Meophytor. dies, ſ. Domi- 
nice Albis. 


Nestoriani, Reflorianer, wie fie 
ih in ihren Anflchten von der katho⸗ 
fhen Kirche unterfcieden, verbreiten 

fih befondere nah Afien Hin, ihre 
Schickſale und ihre noch jetziges Be⸗ 
ſtehen. IV. — 97, 


Nicolaus, Denktag biefes Biſchofs. 
Unbervegticieb Feſt im December. 


Nimbus, was in der Kunſtgeſchichte 
darunter verftanden wird, it 


Nimbus, mit ihm wirb gewöhnlid 
die Römer ben nimbus auf ihren 
Kunftwerten brauchten. III, 311. — 

Bon ben heidnifhen Kuuftiwerfen ging 
dee Nimbus, in bie qriſtliche ‚über, 
Wer bier befonders mit bem Nimbus 
gemalt wird, 111. 312. — Intereſſante 
Tonjectur don Münter über bas Ent: 
fteben bes Heiligenſcheins. Il. 312 

” und 13. 

Nivis, Festum Marlae Ni- 
vis; eft unſter Frau von Schnee. 


“ 


677 


Nolae, warum man fo bie Kirchen⸗ 
gloden nannte, II. 240. 


Nominis mutatio, NRamensver: 
änderung, Wichtigkeit dieſer Gitte 
IV. 527, ' 

Nona sc. hora, eine fogenannte 
canonifdie . Stunde, gehalten beim 
Mittagseffen. IV. 65. 

NWonnae, für Klofterfrauen, ber 
Name fol aus Aeghpten abflammen 
und Meine, ‚Heilige bezeichnen. IV 6, 


Notaräl, eine befonbere Sattung von 
Kirchenbeamten. 11. 433 und 3 
werben als Geſchwindſchreiber auf den 
Kirchenverſammlungen gebraudt. IV. 
30%, wenn bieß zum erftenmale ges 
fcheben feyn fol. IV. 422, 


Notker, kirchlicher Liederdichter. II. 


‘ 


Novelli, ein allgemeiner Spottname 
ae en, besgleihen Novissimi. 


NWovitiatus, Probejahr für bie, 
weldye Mönche werben wollen, Bes 
nediets Werorbnung darüber artet 
ſehr aus. IV. 61. 


Novitii, Novizen, ihr Begriff, wer⸗ 
den durch Benedicts Regel gewoͤhn⸗ 
lich. IV. 13, nt 

Nuperrimi, ein allgemeiher Spoft; 
name für Chriften, I. 413, 

Nuptiae secundae, ti 


lihe Anſichten davon im 
Alterthume. 11. 5 ff 


riftlihen 


thuͤm⸗ 


Nuptialls benediectlo, con- 


‘ weeratio. 1i. 12, 

Nymphaeon, Rame für bie Waſ⸗ 
ſerbecken, die am kame Fi der Kite 
hen ſtanden. IV. 644, 


0. 


Oblatae, Benennung für das Brob 
im Abendmahle, wie fich dieß Wort 
von hustia unterſcheidet. I. 47, — 
Wie fie fi in ber roͤmiſchen und 
Iutherifhen Kirche erhalten konnte, 


obgleih das Brodbrechen ben Gin: _ 


fegungsworten mehr angemefjen if. 
Obiatl, fo hießen Küchen , welche 

pieg, —2— bem —A— 

gewidmet wurden. IV. 68. 


Oblatlo, Name für Koendmaplö- 


feier, 1.8, — Verſchiedene Bebeus 
tungen biefes Wortes nach bem kirch⸗ 
lihen Sprachgebrauche. I. 24 und 23 
— Die gewähnlihfte Bedeutung Ge 
förnke an Lebensmitteln, früber zu 
en Abapen, fpäter zur Ahendmahls⸗ 
feler. Solche barzubringen galt nicht 
nur als Pflicht, ſondern aud als 
. ebrenvolle Auszeichnung. I. 44, — 

Verſchiedene Benennungen biefee Ob⸗ 
. Iationen: und ihre Gintheilung. Mk, 
83. — Bei ber Geier der Märtye 
rertage brachte. man Oblationen an 





678 Regiſter. | 


ben Gräbern berfelben, doppelte Ane daher bie Gitte bes Palmefels im 
fit daruͤber. Eh 281. Mittelalter abgeleitet werben. IV. 172, 


Oblongum, eine beliebte Yorm für Oraculs, boppelte Bebeutung dies 
Kirchengebäude, U, 381. dorm f ſes Wortes, 1V. 622, 0 


‚ Orarium ober Sudorium, ein 
Onsi auatio, ‚Benennung fir Spufe . Sud, weldes Soldaten und Kierifer 
über die Schulter trugen. TIL. 46, 


@ratio demimica (Baterunfer) 
wurde befonders beim Unterriate ber 
Kotehumenen gebraudt. I. 35. — 


@ecursus festum, |. Purifi- 
cationis Marlae fostum. 
Getava, Bedeutung biefes Wortes 

in ber kirchlichen Feſtledre, jädifcher 


Urfprung berfelben. I. 208, — Bis 
ins 7. Jahrhundert war ber erfte 
Sanuar weiter nichts, als die Octar. 
natalis Dom. I. 209, 


Ein eigener Ärtikel. IV. 580 ff, 
kommt vor bei der Xaufe, beim 
Abendmahl und im oflicio matutino 
und vespertino. IV. 582. 





Oratio matutina un ve 
pertine , Morgen: und Abenbge- 
bet, ſ. eüyn dadıyy und Eozspıroc. 


Orationes praparatoriae, 


Octava Infantium, f. Do- 
minica in Albis. 


©@ctochora, Achtecke; auch diefe 


Form hatten mehrere berühmte Kirchen 
im chriſtlichen Alterthume. II. 382, 


gehört mit zu den Vorbereitungen deẽ 
Meife Hastenden Priefters. Ill. 375, 


QOctogons, ſ. Octochora. 
Octaedra, il. 382, 


,‚@cull, Name eines Faflenfonntags, 
Srund befielben, vergl. Dominica 


Oratorium, fo wirb gewoͤhnlich ber 
Altar genannt, 1. 183. — Oratoria, 
nannten bie früheren Shriften gern ibre 
kirchlicen Verſammlungorte. 11. 368, 


dies, wird auch zuweilen dominica Oratorium populi, fo wird Zus 
adorationis crucis genannt. IV. 366, heilen das Schiff der Kirche genannt, 


Oeeonemi, weldes kirchliche Amt 1. 375. — Oratoria, Nebenlicchen. 
wit biefem Ramen bezeichnet wurbe. " 
il. 434 und 35. 
@ffse judielum, bie Reisprobe, 
ein ine IV. 130, — Of 
fae judic., die Probe des geweihten 
Biffens. IV. 139, 


©fferentes, |. Sponsoren. 


Orbtculus pontißicalis, was 
darunter verflanden wurde, I. 282, 


Ordalien, ein befond. Act. IV. 
128, — Ordela, ae und Orde- 
lium, i, erhielt erft in fpäterer 
Zeit das lateinifche Buͤrgerrecht, wird 





Offerterium, Beftandtheil ber roͤ⸗ 
miſch⸗katholiſchen Megliturgie, ILL. 385, 


‚ ®fückum, beißt in ber Sprache ber 


römifhen Kirche jebe Liturgie, bie 
nicht bei der Abendmahlsfeier gebraucht 
wird. 1.270 f. — Das Officinm 
zum Fronleichnamsfeſte foll von Tho⸗ 
mas Aquinas abflammen. Sl. 15% — 
Officia matutina und vespertins, 
f. Bigilien. IV. 113. In der ange: 
gebenen Bebeutung kommt das Wort 
. ofüc. ſehr oft vor. 


Oleum, am grünen Donnerflage hat 
der Biſchof ein dreifaches Del zu wei: 
ben: 41) oleum pro infirmis, 
2) oleum ad chrisma, 3) oleum 
ad Catechumenos. IV. 125, 


Oligarchia eeciesise, kirch⸗ 
liche Oligarchie. 31. 471, - 


Ordinari, ne quis v 
din 


mehr in neuerer Beit gebraucht z bie 
fruͤhern Gefhichtsfchreiben brauchen 


-bafür lieber judicium Dei. IV. 129, 


— Dan findet in den alten Gloffas 
rien und antiquarifchen Werken felten 
das Wort Ordalium, wohl aber 
außer jud. Dei Examen pedale 
ignis, examinatio, purgatio, fer- 
rum, aqua frigida und fervida, 
Duellum, Campiones, 


vage or 
aretur, was mit biefer Kor 
mel angebeutet wurbe, III. 25, 


Ordinatio, Ordination, Kirchliche, 


ein befond. Art. IV. 147 ff,, Begriff 
derfelben. 148, — Denkvers, worin , 
diejenigen bezeichnet find, bie nicht 
ordinationdfähig waren. IV. 152, 


Ordinatio episcopi,, Biſchofs⸗ 


weihe, ein eigener "Art. 1. 256, 
Ordiustio localis. III. 25, 


®nolatria, den Vorwurf einer fol: ' 
‚. gen Werehrung madıten die\Deiden Ordinen, Weihen ober Abſtufungen 
ben fruͤhern Chriſten, vielleicht* dann der Kirchenbeamten. Dan zaͤhlt ge⸗ 


% 


Kestfker. 


wöhnti drei größere und Wer !ld« 
tiere und nennt fie sacros. FH. 6. 
— Die Kenoniften nehmen nem Or- 
dines an ibid. — Gewöhnliger iſt 
das Schema in der römifchen Kirche, 
tres majores und quatuor minores 
anzunehmen. 11. 7. — Wann man 
ordines majores und minores zu 
unterſcheiden anfing. 111. 277. — Or- 
dines minores bat bie‘ bifäfliche 
Kirche in England nicht. IH. 34. 


Ordo eardui, Diſtelorben, bem 
Apoftel Andreas zu Chren 
1. 113. — Zum Theil iſt diefem 

Apoſtel auch ber ordo equitum aurd 
veiluris gewidmet. 3. 113. 


Orde und Plebs, mit diefen beiden 
Worten bezeichnet Tertullian, wiewohl 
nicht ganz ſchicklich, die Geiſtlichen and 
Laien: 1. 406, . 


‘ 


Brdo, im singul., firhlicer Sprache 


eftiftet. . 


673 


deutung biefes Wortes. IV. 161, — 
organa hydraulica ibid. 
Origenes, als Homilet ber gets 
chiſchen Kirche geſchildert. II. 31 
Orpheus, in ben Sydus Hriſtticher 
Ginnhider aufgenommen. IV. 323, 
®sauna ctrr Mosianna BDe- 
minic., Benennung füs Palm⸗ 
fonntag. iv. 170, 
Oseulum' (Friedenskuß), 
Urſprung und Gebrauch dieſer Sitte, 
namentlich beim Abendmahl. J. 26. — 
Osculatorlum, Kußinſtrument, als 


ber Friedenskuß aufgehört hatte Tbid., - 


auch tabella und instrumentum 
pacis genannt. I. 26, 11. 146. 


Osculum pacis, Friedenskuß, ein 

befond, Art, 11, 144 ff. — Grumd, 

.warum er Signaculum orationis 

genannt wird, MH. 145, — Wielſeiti⸗ 

ner liturgifcher Gebrauch diefer Sitte, 
. 145 48, - " 


gebrauch delt Bee ten x 

fononym mit Agenda lissale, Ostiarii, Dftiarien, ein eigener Ar⸗ 

Breviar. 111. 255. — "Ordo mis- 17 IV. Di * — derſel⸗ 
3 ben ibid. 


sae , was darunter verſtanden werde. 
III. 369. 

Oremus et sursum eorda! 
liturgiſche Formel. IM. Al. 


Organen, weitere und engere Bes 


Ostium, aus diefem Worte will man 
die Benennung Oſtern erklaͤren. I. 169 
on paschalla, Oſtereier. 1.172, 


nn . BD 


Pachomfius, biltet das Moͤnchs⸗ 
weien in Thebais aus. IV. 5. 


Paeängeogi s. Indimagistti, 


werden in der englifchen Kirche 
» Seruärgerechnet. 118. 34... . 
Paedobaptismus, war fitte in 

der-chrifttichen Kirche uͤbllch. IV. 476, 
—— Banertiseligieh, wur: 
.. um das Heidenthum fo genunnt wur: 
de, IV. 479. o un 
Palis, Begriff und Beſchreibung deſ⸗ 


felben. 1. 66, 1. 99. 


PFaltium, balb Moöͤnchttracht, balb 
Inſignie höherer Kirchenwuͤrden. IH. 
48. — Iſt nur den Patriarchen und 
Erzbiſchoͤfen eigen, Zubereiten deſſel⸗ 
ben. Daſſelbe zu ertheilen iſt Vor⸗ 
recht der Päpfte und eine Hauptquelle 
ihrer Eintünfte. III. 56. — Pal- 
Uum und Stola follen einerlei Urs 
‚fpeang haben. Mi. 57, in ber grie⸗ 
— — 

e e € u 
deſſelben. 1.37 und SE 8 


zum 


mo 


Palllum philosophleum, 
ae einige chriftliche ehrer nach. 


Palmer nen r Palm: 
onnt almfefl, ein eigener Art, 
\v 168. — Beftimmung deffelben 
jibid., heißt au Dom, in ramis 
imar. olivarım, arborum, ge- 
stationis ramorum. IV. 170, 


Paneas in Yaläftina, Über eine anz 
gebliche Statue. Jeſn bafelbft. I. 426, 
Pane esse orationen, 8b: 
reden über den Gräbern ber Maͤrty⸗ 
" rer. 111. Bi: " 9 
Pan lingun gloriosi, be⸗ 
I Geſan 9 ber Feier bes 
Fronleihnamöfeieg. IL. 152. 
Panis fermentatus und azy- 
mos, im Abensmahle, galt anfangs 
ald Adiophorer in ber römifchen und 
griechiſchen Kirche. Das Gigenthüns 
lie und genau genommen Nuglofe 
diefes Streits. 1. 46. Panes 
-eucharistici . sacramentales, pa- 


U) 


nes orbieulares s. rotundi, tesse- 

culati, reticulati, numularü, in lie 

Eurgifchen Sgriften flatt Hoſtien ges 
nannt. 


spuma panis. Panis benedictus 


und consecratus , wie es verfchieben > 


Ye, I. 114. — Panis dies, Benens 
nung für grüner Donnerflag. IL. 257. 


Pannus mysticus, Teinene, wei: 
. Be upfaevedung, IV. 514. — Man 
nannte fie velarhen, capitium, va 

pa, mitra. IV, 514, . r 


Pa I. 238, gemein cher Ras 
m el alle Starr — 6ten 


dauch nebula und . 


' Rıegifke. 


Basteophorkum 
. Was man am wahrf 


smöhnt, 1.36. — 
deinlihfien für 
einen Theil ber Kirchengebaͤude bars 
unter verftanben habe, U. 379. 
atenae, Abendbmahlätellee , Ablei⸗ 
tung biefes Wortes, L 65, fpäter 
. patellae und opercula calicis ges 
vannt. 
Paternester, Benennung für Ro⸗ 
ſenkramz. IV. 291. 


Patibulum brauchen Rufin. und 


Ambroſ. von dem Kreuze des Herrn 
"und der beiden Schaͤcher. III. 122. 


Jahrhundert. Seit dem Fahre 660 Patres, ⸗ 
| d nifchen Biſchofe patres ecclesiae vei ele- 
fen Eher ie Fr aan - * ricor., Rame für Biſchöfe. 1. 238, 


ſen 
175, — Auch ertheilte man ihm ben 
. &itel Pontifex Maximus, Sum- 
mus, Pater patrum Pater, beatis- 

simus ibid. V. 156. ' 
paͤpſtliche 


Papalis ornatus, 

Kleidung. IV. 176, 
Parabolani impfname ber 
. &hriften, 1. 415, Ss Parabol., ein 

befand. Art. IV. 193, 
Pareanymphi, Brautführer, Ur: 
_Jprung piefer Sitte. 11. gr She 
—* ngen ibid, — re 

lichkeit mit den Taufpathen, ihr en 

hältniß zu den Neuverehelichten bes 
wirkt mit bie cognationem spiri- 

tualem. Il. 20, 


Par . & 
a nung für Char⸗ 

Parochia, kirchlicher rachge⸗ 
brauch dieſe⸗ —e 7 ” 


Parochlales ecelesise, Be 
griff derfelben. 11. 388, 


Pascha, für Oſterfeſt and in ber 
lat. Kirche recipirt; mꝛende lat. Na⸗ 
men deſſelben. I. 100, 


Pascha, Anti- Pascha, Pa- 
scha clausum, ſ. Dom. in 
Albis. Ba 

Pascha floridum, Dominica 
Horum, Benennung für Palm⸗ 

. fonntag. IV. 170. 


Passionale, ziemlich fononym mit 

. Martyrologium, Begriff und Bes 
ftimmung diefes Ritualbuchs in ber 

roͤmiſchen Kirche. 111. 257. 


Passiones Ma 
lungen von ben üb 
der Märtyrer, II. 183. 


aͤh⸗ 


m 
andenen Ei 


Patriarcha, urſpruͤnglich ſpnonym 
mit Episcopus, ſpaͤter Benennung 
Metropoliten und Grybifhöfe, 
Noch fpäter eine der hoͤchſten kirch⸗ 
&. Zrt, Patriarch. IV. 195. 
Patrini. IV. 518. 


Patronatus eccleslae, fird- 
liches Patronat, durch daſſelbe geſchah 
zuweilen bie Wahl ber Kleriker für 

n Kirchendienſt. III. 15 — Mei: 
‚teve Bemerkungen darüber unb ver⸗ 

" Tlebene Perioden deſſelden Ibid. 15 

unb 16, - 


Patrenus ecelesiae, was bazu 
“ befähige, die alte Regel in einen 
latein. Denkvers eingelleidet, ILL. 16, 


Paulas, Xbleitimg biefes Namens. 
i 9 203, feine kurze Lebentgeſchice⸗ 
\ % . 


Paulus Diaconus, au Min ' 
fie oder Warnefried genannt, als 
. Schliger Liederdichter. II. 226, 


Paulus Thebanus gilt als erſter 
Begruͤnder des Moͤnchſsweſens. IV. 5. 


Pauper rusticug, ein von Wis 
fel pertaßter Catechiſsmus fo genannt. 


Pavimentum tessellatum, 
Fußboden mit —— bereitö von 


Bitruv erwähnt. Ik. 


Begrabenwerden in pace, eine 
—— Kloſterſtrafe. IV. 91. 
Pax Dei, eigenthuͤmliche Cinrich⸗ 
tung im 11. Jahrhundert, um: das 
Fauſtrecht zu befchränten. IV. 140 ff. 

tecum tebenswunfd bei 
Gonfrrmatten. es “ 


“or 





Megiſter. ss1 
Pax veobis, pax ve vehiseum, Phasus, Leuchter 
— aolsne 1a be beim Anfonge einer das a Kirche * 
» tur⸗ 


* Bormel überhaupt. III. 240. 


Pedilavium, Fußwalden, ein eb 
gener Art. 11. 156 ff. — Es flan 
mit der Abenbmahlsfeier und mit * 
Taufe in Verbindung. II. 157 und 

Dauert als kirchlicher Kitus 

in ber griehifchen und vömifch : katho⸗ 

u Kirche, und auch als Doffitte 

noch jegt fört. 1. 189— 62. — Iſt 

in ber yeoteftantifchen Kirde ce Hröb: 


Feiun » ", Bacul. pasteral. 
l, 
Pentecoste , nad dem Seiten 
gebildet, barand entſteht das 
ſche Pfingſten. IV. 212, — —* 
cCoates c elus 


———— was 
er fuͤr identoamugh ten vor 
übrigen 8 cpelen habe. IV, 216 


pero ationes 
Wallfahrten ‚ein beſond. Art. IV. 
. 618 fi. — Peregrinatio ad Limina 
 Apostolor.. IV. 630. 
Perfectio, Bmmnum ‚für Zeufe, 
IV. 260, 


Pericopae, Etymologie, Begriff 
des Worts, und wie ed gekommen 


ſei, dag fh diefe Perilopen In ars - 
ſchieden. 


—* und Epiſteln 11. 298, 

Perikopen ftammen aus ber juͤdi⸗ 

föen —— 11. 299. 

Per ——— en 
OPEN, 

wählt babe. 11 . 238. “ 


Petrus und Paulus, Gollectiv⸗ 
‚ feier beider Apoftel, unbewegliches 
Feſt im Juni. 11. 92. — Die Com- 
memoratie ‚apost. Pauli allein 
. Bid. — ki * Vinonla 


— 


Petrus u Paulus, Gollectiv⸗ 
frier beider oh. u. 201. — Pe- 
33 Ableitung dieſet Wortes ibid. 


eschite, Name einer alten ſyri⸗ 
Ber Deberfegung ER. T. 11. 289. 
Phagiphanta, GSuläsung dieſes 
Roms für Gpissaniadfef, in. 6, F 


——ã 


—** pus und Jacobus ie 
Gerähriftg „bewegliches F 
Falle us F Jacobus, Ge⸗ 
daͤchtn Pr tee berfelden am 1. Dal, 
en befond. | Art. Ann V. Fre , * 
us endge te 
hr 3 re ichte befi 


Ph Rame bes Rotfängers 
——ã— H. 207, 


Phry minder gew 

—xãxx Bitqofomẽe. nl 

en Pipae s Name für die Teinteöhern 
an ben Abendmahlskelchen. I. 53 u. 63 


Reken 1. 410. ein früherer Rame für 

Piscis und Plselculi „ mpftifche | 
Benennung für Ghriflus und Chris 
ſten, auch gr chriſtlichen Kunſtſymbo⸗ 
len angebeutet. IV. 326 f. 


Plaga occidentalis, bie Stel⸗ 
. fung ber — —* a peak 
melögegend, einli 
ſche Sitte. JI. 184. 

Planeta, Beſtandtheil ber prieſter⸗ 

lihen Meßkleidung, —— das 

Meßgewand fo genannt. Il. 

Schwierige Ableit ung und Gehärung 

biefes Wortes, III. Weitere. 

Geſchichte dieſes — — 

den nach und nach efe 

cationenz All. 64 und 


Plautinse rosapine hemi- 
nes es Bi elften. cüne 


. Benennung der wir 
Fiebs » we —8 


5 br auch ein großer Bantel, 


e und 
——X II. ed Beni 


er, und von welter Farbe er —* 
wird ibid. Be Bmennu 


neuern t —* 
keit mit der lacerua der alten 
mer, auch laterna pluviälin ge⸗ 


nannt, Wenn bie vornehmen Roͤner 


fie trugen, unb sie fie fi von ber 
Ten belle u Tip 
Deutung bes. Piuvlals, alles III. 
—R bei But ms —* 
tragen. IV. 243. 


Poculam benediett 
‚me für Adendmahlskelch. 1, 61. 


Poculum 8. Johannis, Io: 
banniötrant, 11. 351, 


Poderis, f. Tuniea. 


Poenitentia private, Beiqte, 
ein befond. Art. I. 193 ff. 

Poenitentia publica, Buße, 
oder öffentliche kirchliche Disciplinar: 
anftalt. 1. 287 ff. — Wie fie ſich 
909 der poenitentia privata unters 
ſchied. Il. 88. — Vexgehungen, um 
welder willen man die poen. publ. 
- für nöthig erachtete. HI. 290--93, — 
Gintheilung der Poenitentium und 
nähere Beihreibung dieſer Diskiplie 
natanſtalt. il. 29% > 
Poenitentia publica. im Morgen: 
londe nie das werben konnte, was 
fie im Abendlande war. 11. 304 u. 5, 


Poenitentiale, liber poe- 
nitentialis, Begriff dieſes Ri⸗ 
tualbuchs in der zömifchen Kirche, 
III. 257. j “ 

Polytheilsinus, er hat nicht bie 
Märtyrer aufznveifen, wie bas Chris 

ſtenthum. IV. 479. 

Pompae solemnes, fynonym 
‚mit processiones plenariae. IV. 233. 


Pontißcale, Bud, worin bie bi- 
ſchoͤflichen Functionen angegeben find, 
B1l. 255, — auch ordo Pontificius, 
Episcopalis genannt. III, 255, 


Pontifices maximi, zu welder 
Beit in. ver drifttiihen Kirche die Wis 
."fepbfe fa genannt wurden. I. 238, 
Portae viror. sacerdoet. et 
virgin., Zelte des-Narthex in 
ben Kirchen. II. 376, - 
Porticus, XAußenfeite bes kirchlichen 
, Narthex. ul. 377. i 
Posicommunio, ber Schluß in 
ber roͤmiſch⸗katholiſchen Mepliturgie, 
111. 375 und 401. 77. 
FostiIIae, Etymologie und Begriff 
diefes Wortes. I. 332, - 
Praedicantes, Pradikanten; fo 
„ nennt, die römifhe Kirche profeftantis 
ſche Geiftliche. III. 33. 
Praedicatio, aus biefem Iateini: 
fhen Worte ift Höchft wahrſcheinlich 
das deutſche Predigt entſtanden. IL. 
326. — Geringfägige Anſicht baron 
‚in der roͤmiſchen Kirche ihid. 
Praefecti praetorio, ihrer 


ff. — Warum die: 


Kegiſter. 


Ba, Na⸗ 


gad es nach einer gewiſſen politiſchen 
Sirtheilung des Romerreicht ‘in den 
erften chrifſtl. Jahrhundeeten. Prae- 
feotus Praetörio 1) per Orientem, 
2).per Aegyptum, 3) per Asiam, 

) per Pontum, 5) per Thraciam. 
1V. 383, — Ihnen wurden bie kirch⸗ 
lichen Metropoliten und Provinzen 
nachgebildet. IV. 386, 


Praepositus, daraus das deutiche 
Propit. Welche Verrichtungen dem 
Peopfe in Ronnentlöftern zulamen. 


Praesanctificatio, missa 
Praesanetificator., auch 
s» siccea, Bebrutung berfels 


ben. 1. 378. 

Preces ad gradus altaria, 
‚Staffelgebete; mit ihnen beginnt bie 
Meffe. Ill. 376, 

Preces per silentium, ſ. &dyn 


zura, dıa aumnäs, 


Preoer per coronam ve 
s „ wenn biefe Bormel Statt 
fand und wie fie gewöhnlid erklärt 


wird. I. 240 
Prresbyter localis Begriff def: 
feiben, IL. 25, u f 
Presbyter poenitentiarkis, 
wer barunter verflanden wurbe, 1. 
194. — Poenitentiales. L 391, 


Presbyterne, zuweilen vi 
* 1 ses.» deln für 


Presbyteri, Presbyter, ein befonb, 
Art. IV. 222. — Sprachgebrauch 
dieſes Wortes im Alderthume, ſynonym 
mit Endoxonos. — Bon ben ältern 
Presbytern ſchreibt ſich die eigen⸗ 
thuͤmtich ausgebildete Sriefteribee im 
der roͤmiſchen? Kicche ber, dort das 
Sacerdatium genannt, IV. 228. 


Presbyterium, Benennung für 
Sbor in den Kirgengebäuden. IT. 37%, 


Presbyterium, ein Gollegium ber 
Presdpnter, auch Senatus ecclesiae, 
Synedrium Presbyteror. genannt, 
Unter dem Worfigd des Bilchofs mis 
ſchied biefes Collegium über Üirchliche 
Angelegenheiten. AV. 226..— Die 
Hresbytetien in ber proteflantifchen 
Kirche find noch Reſte biefer ‚alten 
Gitte. IV. 227, 


Prima sc. hora, ene fogehannte 
canonifhe Stunde kurz vor Sonnens 
aufgang» IV. 65, 


Primates, ſynonym mit Metropolit, 





SI ERS m 


" fien. IV. 230 fi. — 


Kegiſter. 


befonbers In Afrika in dieſer Beden⸗ 
tung gewoͤhnlich. 1. 240, — Prima- 
tes potestatis, aevo Al. 


Primat, in ber Bedeutung, wo es 
die hoͤchſten geiſtlichen Würden ans 
zeigt. Welche derſelben zum Primate 
gerechnet wurden, II. 7. 


Primatas Petri, beſtritten. IV. 


Primus inter pares, ift der 
Erzbiſchof zu Upfala, im wiefern er 
nur — Rang uͤber die Abrigen 
Bilhöfe hat, nicht aber Gerichtsbar⸗ 

keit über biefeiben. III. 34, 


Prineipes eeclesine, Kräen 
Fürften ‚ Benennung für Biſchoͤfe. 


Prior, kiöſterliche Beamte zunaͤchſt 

Privatio communionlis, eine 
Beftrafungsart der Kleriker. II. 82. 
— Sie zerfällt in bie oommunio 
prregriaa und laica, f. biefe beiden 
Worte. 


Probatio divina, |. Suf- 
fr Me 


Processiones, Prozeffionen , im 
frähern und ſpaͤtern Gultus der Chris 

Begriff und 
Abletung dieſes Wortes von proce- 
dere, »Diefes. und bad dapon abge⸗ 
leitete processio bat im kirchlichen 
Sprachgebrauch verſchiedene Bedeu: 
tungen. IV. 131 - 33. — Proces- 
sio clericalis, Bedeutung derſelben. 
IV. 241, 

Profeswi, Bezeichnung für biejenis 
BE tl abgelegt aber Wrofeh ge 

‘ ierlich abgelegt ober Profeß ge: 
than batten. ıv. 62, 


Profemsio, ſ. Sponsoten. 


Prophetae, Propheten, Mitglie: 
der bed chriftlihen Lehrſtandes im 
apoftotifhen Zeitalter, ein befonderer 
Artikel. IV. 250 und St. . 


Prostratio , f. das griechiſche 
VNORTWOOIS. " 

Provincialid, was man im 
Kioflertegimente darunter . verfland. 


Psalmi zuatutini und vesper- 

. tini, Art. naͤchtlicher Gottesdienſt. 
1V. 113. 

Psatniodin, eine Gatti 

° fanges "ir den gottesdien 


ed Se⸗ 
ch Ber: 


fammlungen ber Shriften, erßeriien 
ag einee —E l. aan 
mobie im ich e Üturgiidggn 
Pralmus, 1. 109, fogenamter 
Fluchpſalm, Mißbrauch deſſelben. 
1. 137. — . Psalmi abecedark, 
baptismales, graduales, poeni- 
tentiales, responsorii, was man 
darunter verftand. II. .207 f. . 
Psafmi idiotich, follen beim @otfrbe 
dienfte nicht gefungen werden. II. 
213, — Psalmus_ ad introitum, 
was darımter zu’verftehen fei, und 
wie fich biefe Sitte bildete. II. 297. 
= Psalmi graduales, find aud) bei 


efentlißen ‚M eeffionen sein. 


Paalteriusm , das Ganze ber Pfals 
men wird befondere für kirchliche 
Lectionen benugt. Il. 296. 


Puerl s Name für Catechumenen. 1. 


“ + 


Pugilen, ſ. Oampioner. 


Pulpitum, ein von dem Redner⸗ 
ſtuhle verfchiebener Ort, an welchem 
die biblifchen Lectionen verliefen wurs 
den. II. 301. — Definition davon 
bei Bingham ibid., f. aud 11. 327. 


Pulpitum, ad pulpitum ve- 
nire,; heißt nach ambroſianiſchem 
Sprachgebrauche fo viel ale zum 
Sector erwählt werden. Ki. 172%, — 
Pulpituns, vergl, III. 192 und das 
ort Anıbo. _ 

Pulpitum, bei Coprian Tpnongkt 
für Ambo. i. 866. 


Purificationis Marlae Te 
stum , Mariü Reinigung, ein bef. 
rt. Il. 328. — Wahrſcheinliche 
bleitung diefes Feſtes von heidnis 
fhen Feften, bie auf den "Meuat 
Februar fielen. ibid. 


Purificatorium, Beer und Bes 
fhreibung beffelben. I. 66, - 


Pulvint, pulvinaria, &iffen, 
Polſter. II. 453, 


Puteus Benennung für Zaufe 
air A | 


Preis bedeutet zuweilen Gottedka⸗ 

en. i. 452. - on 

Pyals, Hoſtievſchachtel. 111. 399. - 

Pyzis Drurin s Gefaͤß zum Weids 
a ü 4 " ’ 


Kegiſter. 


Q. 


Qusaäragesinin, fol ber Sonn, 
| Fr — & wo in — 
than hen 1.208, — 


adr imma warum 


 Quadrages der 
-* &onntag Invocavit biefen Ramen 


mit erhalten habe, IV. * 


* defond. dev. 252 kg _ * 


"rend Ihrer Dauer wurde in ben gots 


nefis vorgelefen. 11. 


tesdieaſtlichen Verſammlungen bie Ge⸗ 
294. — Urfprung 
und ——e— derſelben. IV. 233 — 54, 


populi, fo wird . 
Kirchen 


ein das rohe in Dem 


‚genannf. 1. 375. 


@uadrivium, was man im Schul: 

Almen darunter verſtand. IV. 68, 
uagesima, Benennung eis 
7 tens, Urſache dieſer 
— * ne m van 
au er Sonntag ern 
heiße, * Dom. in Abi 2 






Sinne bie Zeit 3 


im 


unb 
Pfingſten; fie Boliden Diem mh 


weitern 


7 zeichnet und erhält ben auf Pa- 
übern 


schalis, um es von einem fr 
Baftenfonnfage diefes Namens zu 
unterſcheiden. IV. 212, 
Diefes Zeitraums wurbe bie Apoftels 
gefhihte vorgelefen. 11.293, — Diefe 
50 Zage ſollten Zage ber Freude ſeyn 
unb die Kirche aeiänete fie auf diel⸗ 
fache Weife aus. IV. 212—13, — 
Quinquagesima im engern Sinne 
wird auf den Schluß der 50 Tage 
unb zum Andenken ber 
bes heiligen Geiftes ober 


de gefeiert, Pfingſtfeſt. IV 
— Sipenthämtichteiten des Pfingſt⸗ 
cyclus. IV. 216 ff. 


quatrus, roͤmiſche Zeltfcier, 
davon keiten einige vn Suprung des 
Greg orlucfeſtes ab. Il. 


R. 


Babanus Maurus „ Schriftfi: Megulares ecclesine, fr com- 


ler des 9. Jahrhunderts über die  mendatae eccel 
Arcqlichen Gebraͤuche. III. 221, Mellquine, ar. Kr 'or. (Res 
Beceptacala, bei. ber Abend quienverehrung befond. Art. 


"mal ie * pas darunter zu verſte⸗ 


hen ſei. 
Motoren abricae, ſ. FVa⸗ 
bricae magistri, 


Befeecteri 
den Klöftern. IL. 54. 


— f.Begistratorium. 


nym re Archivum, b. h. Ort, wo 

ndenfammlung gen aufbewa) fbewahrt wers 
den oder dieſe Sammlung ſelbſt. 
Bäufiger —* es die Aufbewah⸗ 
rung von chen und currenten 
amtlichen en und bafür findet 
man aud häufig Regesta. III. 246, 


Begnum papisticum, eine ſa⸗ 

tyrifche ae, von Kicchmeier ne 
dem angenommenen Ramen Nao- 
georgus, 

Wegulares Oanoniet, regu⸗ 

lirte Ghorherren, wad man darunter 
verſtand. V. 20, . cu € Canonlei. 


IV. 157 fi), aan biefes 
Wortes: bei Profans und Kirchen⸗ 
ſchriftſtellern, Begriff der Reliquien tm 
kirchlichen Sinne, IV. 158; — Dos 
bes Alter der Beliguienverehrung unb 
große nA minhet berfelben, IV. 
— Reliquiae insigues 
und minus insignes. IV. 268, 


vere, Sonntag, ſ. Do- 

minica dies, warum biefer Sonntag 
aus gelene: Sonntag genannt wers 
be, IV. 366, — Mit diefem Sonn⸗ 
tage hörte das Dr sgelfpiel | in der roͤ⸗ 
mifchen Kirche auf Ibi 

Bisus paschalis, Dftergelähter, 
was man darunter verfland, I. 172, 


Mitus immersionis. IV. 498 
Bobertus, König von nkreich 
| mil 11. —*— * Dun Bet 


tte, 


BRoce ch roman eani- 
"ala Benannt, v fun 


war doͤd Kleibungsftüd, 


-»- m —— v- KT BE A 07 TE —⏑ By 


Regiſter. 


welches Biſchoͤfe, gie nit einem 
Moͤnchsorden angehörten, ſtatt bes 
Superpellioeum trugen. III. 68. 


Bogate, Benennung eined Som⸗ 


tags zwiſchen Ofteen und Pfingften, 


f. Dominica dies. Auch ad vocem 
ncunditatis genannt, Betſonntag, 
etwochez vergl. den Art, Baften 

Nr. 111. 3, 2 ®b. p. 78, 


Bogationen, fononym mit Bup- 
plicatioaes (Bußtage) follen nach 
einer Synode zu Orleans im Anfange 
des 6. Jahrhunderts jährlih begans 
gen werben. I. 311. — Werben ims 
mer gewöhnliher im morgens wie 


im abenbländifhen Kirchenſyſteme Mu 


ibid. — Wie fie den Namen Buß: 
und Bettage erhalten Tonnten ibid. 
— Gehen auch in bie proteftantifche 
Kirche über und find hier noch ges 
wöhnlich. I. 312 und 13, 


Rosa auren, ihre Weihung durch 
den Papſt. 1. 122, 


Bosarli Marliae festum. 111. 


321 f, IV. 294, | 
Bosarium, Roſenkranz, ein beſond. 


Art. IV: 20 — und 
Urfprung bes Roſenkranzes. 1V.. 290 
—93, — Iſt auch wieber. im 
Bater unfer erwähnt, AV. 586 und ' 
Bosarlium, Roſenkranzfeſt, "ein 
unbewegliches deſt im Detober. 


—— — . „geunbgebäube, auch 
e Form liebte man zu Kirchenge⸗ 
bäuben. 11. 381 und 3 en 


BRubricae, was man Darunter im 
Mi), rom. zu verſtehen habe, 


ıbricateren, fo benannte mau - 
die Abſchreider, welche nicht ben Next 
der Codices, fondern nur bie zotben 
Buchſtaben fehrieben, die man zu Ans 
fange und bei gewiſſen Abfheilungen 
anbrachte. IV. 306 und 7. 


Budes, Rame fü 
mdes, am für Gatedumenen, 


. I 


Bupertus Buitiens., Schriſt⸗ 

—F a —* ——— 
ahrhunder eutet da 

mofif, Il 2 dentet daſſelbe 


S. 


Sabanum, Tauftuch. IV. 514, im 
7. und 8. Jahrhundert flatt des lei⸗ 
‚ nenen Taufkleides. IV. 514, 


Sabbatum niagnum, ein bef. 
Art. IV. 297 ff, And 


Sabbatum Mariae. Ill. 323, 


Sabii, auch Zabil, Gabier, 3as 
bier, bie neuern Johannischriſten. 


Saccularii, f. Cimellarchae, 


Sacculus sonans, SKlingelbeutel, 


Uefpeung und Bortdauer diefer Sitte, 


Snccus, Moͤnchekleib. IV. 81. 


Sacerdos, Priefter, fo wollen ſchon 
Kleriker nicht 
genannt wiſſen; eine Anſicht, die in 
ber proteftontifhen Kirche wieder⸗ 


die Kirchenvaͤter bie 


kehrt. III. 32. 
Sacerdotes summi, zu 


welcher 
Zeit in der chriſtlichen Kirche die Bi⸗ 


ſchoͤſe ſo genannt wurden. 1.:238, 


Sacerdotiuum, was man zu dans 
ſelben rechnete. III. 3, — Welche Abe 


flufungen ber Kirchenbeamten man 
früher und in fpäterer Zeit dazu rech⸗ 
nete ibid. — Welch ein Unterſchied 
zwiſchen Sacerdotium und ministe- 
rium ſei. AH. 6, 


Sacerdotium, Prieſterthum, eis 
genthuͤmliche Anfichten davon in der 
romiſchen Kirche, AV. 228. 

Sacra publies et solemnia, 
tommen mit Gonftantin in das Chris 


ſtenthum unb verbrängen bie frühere 
Einfachheit deſſelben. I. 474, " 

Saceramentarlium, ein roͤmiſches 
Ritualbuh, was es bei feiner Ents 
ſtehung im. 7. Jahrhundert enthielt 
und wie es ſich fpäter erweitert at, 

Sacramentum, zeigt zuweilen alle 
Theile des oͤffentuchen ichen Cul⸗ 
tus an. 1. 479, 


Saeramentum, Benennung fi 
Zaufe. IV. 460, ’ ung fir 


Saeramentum altaris, Be 
nennung für Abendmahl. MRit Auss 
nahme bes Reformirten in allen Kies 








‚686‘ 
foftemen gern gebeau 2 on⸗ 
—E in dem —e— ef 


Aacrsmentum e—— 
nmor., Conjecturen Über dieſen —* 
keln Ausdruck Auguſtins. 1. 370- 71. 


Saeramentum privatum und 
domesticum ,' alö ſolches bat 
man immer die legte Delung in ber 
griechiſchen Kirche angefehen. IV. 124, 


Saerificati, vwelde Sattung von 
Befotıaum man barunter verſtand. 


— Rame für die Abend⸗ 
mahlsfeier. 1. 8. 


Saerifieium, Venennung fär chriſt⸗ 
lichen Sotteidienft, L 478. 


Sacrificium prop pitiate- 
rium , oder eigentiih äımpeira- 
terium,. als foldes wird das 
Abendmahl in ber römifhen Kirche 
betrachtet. 111. 363. 


‚ Salis des: astatio » Taufceremo: 
nie. IV. 


8 —— erleichterte Sing⸗ 
methode. 11. 34. 


Salutatorſum, dieß auch das 
Diaconicum —— wahrſcheinli⸗ 
cher Grund dieſer Benennung. II. 379. 


Sanctimonialer, Rame für Ron: 
nen, welches lestere (Nonae) aus 
Aegypten herflammen foll, IV. 6. 


Benctitan ir gdeligkeit, paͤpſtlicher 
Aitel. l 

—— omnium fe 
stum (Alterbeitigenfeft), unbewegli⸗ 
eb Beft, im November. 11. 93. — 
-Bancti, ayını, Deilige, RN. x. 
und fichlier Cprathgebraudh biefes 
Wortes. li. 261 — 62. — Sanctor, 
commemorstio es invocatio, wird 
ia ber roͤmiſchen Kirche am hoben 
ae unterlaffen. Il. 260, — Darait 

nd im 6. und 7. Jahrhundert die 
formulae publicae precantium an: 
gefünt. — Sanctor. Fest. omnium, 

in heſond. Art. 13. 282. 

Sanctum officium, b. i. bie 
‚Snquifition, von ben Dominitanern 
ins Leben gerufen. IV. 31. 

Sanctum sancterum, BABRC- 
tuarium, Name für. GHor in den 
Kirchen. It. 373. ' 
Sandalia, Fußbekleidung ber Bir 
fhöfe. 111. 51. 

, Santa Casa (Domus: nancta 


Regiler. 


"Lauretang) , Rame für den bes 
raͤhmten Wau ahutsort Loretto. IV. 


Sarabaltae, eine Art herumzie⸗ 
ender Mönche, fhädlihe Abenteurer 
n vor Benebdict von Nurſia. IV. 10, 


Sarcoph „ Urfprung und Mes 
griff diefes grteb, 11. 208, 


Sarmenticii, ober (titdil), ein 
feltener vortommender Gimp 
der Shriften. 1. 414, 


Seabella, Scamella, Scam- 
ni, Scamina, ẽð effei dei gewifz 
fen ichligen Beierlichteiten. 1. 453. 

Scapulare, ein Moͤnchskleid ohne 
Aermel, abgeleitet von Scapuln, aut auch 
armiclausa genannt. IV. 

Wichtige Rode, die das Ccapulier 
im Garmeliterorden gefpielt hat: ibid. 
und ff. 

Sceuophylax, rhlißer Beamte 
in der griechiſchen Kirche. 1. 431. 


Schammaiba, iebilder, was man 
darunter verftand. II. 135 


Schedulae eonfirmationis, 
was man darunter verſtand. 1. 451, 


Scholae, waren ſchon früh an den 
Kirchen angelegt. II. 380, 


Scholae interliores et ex- 
teriores, ihr Unterſchieb. IV. 68, 


Scholae menasticne, Kloflers 
Benedictinerocben ift ihre Zahl. fehe 
groß. IV. 573. 

Schelae palatil, » > vofſchele Carl 
des Großen. IV. 5 

Seribendi u Shreidetunft 
im chriftlich⸗ Kirlihen Leben, ein bes 
fond. Art. IV. 302 ff. 

Seriptura snera, heilige Schrift, 
ihr Gebraud) zum Borlefen in ben 
gottesbienftlichen Berfammlungen ber 
Shriften, ein befond. Art. 1. 287 fſ. 


Seulpturs, oder Bildhauerel, III. 


Serutinium , was man beim Gons 
firmandenunterridhte darunter vers 
fand. 

Secretum, Secretorium, be 
ſonderes Eofal in den Kirchengebaͤu⸗ 
den, verſchiedene Anfichten dieſer Be⸗ 
nenaung: U. 379 

Sedes vavans und Seden ple 
n2, Bedeutung diefee Worte im 


Negiſter. 


Geiälttet eiaen Rice 


Sedulius (mit den Vornamen Cos- 
Mus), ein Lieberdichter in ber latei⸗ 
nifhen Kirche. 31. 224 


Senatus ecelesiane, |. Pres- 
byterium. 

Seniores civiies, was man In 
ber Behdergemeinde basunter verſteht. 


Septungesimn, nödfter Gonutag 
nad den Spipbaniasfonntagen , war: 
um er biefen Namen führe, IV. 365. 


Sequentia, eine eigenthumliche Gat⸗ 
tung des Kirchengeſanges in der roͤ⸗ 
miſchen Kirche, Il. 256, 


Sermo, Benennung für Predigt im 
Abendlande, daber Sermones de 
tempore, Predigten an Feſttagen, 
Sermones hiemales, vernales, ae- 
stivales und auctumnales etc, 1l. 
325. — Sermones repentini, aus 
bem z tesreife gehaltene Vortraͤge. 


Sermo inthronisticus . was 
man darunter verftand, 1. 263. - 


Servi, Sklaven, konnten nit Kle⸗ 


riker werben, III. 18. 


Servienti d’armi, eine befonz 
dere Slaffe im Maltheſerorden. IV. 
282 und 83, 

Sexagesima, Crläuterung dieſes 
Gonntagsnamene. IV. 365 und 66, 


Sihyllistae, ein Bieblingsausbrud 


des Celſus für Shriften, I. 414, 


Sicera, Wein, Surrogat im Abend: 
mahle, wird gemißbilligt. 1. 52, 


Siderium, was Hieronymus, indem 
er die Gefihtshildung Jefu fchilbert, 
darunter verftanden habe, 1. 423, 


Sielllum, Benennung für Taufe. 


Sigillum econfessionis, was 
darunter verſtanden werde, 1. 203. 


ar ET Benennung für Tau⸗ 


Bignaculum eo oris et 
dei, unterſchied. IV. 459, 
Signifer, f. Crucifer. 


. Siliquae deeem, das Darrei: 


chen derfelben von dem Taͤ 
den Taͤufling. IV. 515 “|. 


Simeonis et Hannae Test, 
zuweilen aud bloß Simeunis Kestum, 
f. Purificationis festum, ein befond. 
Art. 111. 827, 


Simeonis et Hannae fest. 
auch Fest. pracesentat. Do- 
mini, eandelarum genannt, 
ein ‚uanbewegliches Feſt im Februar. 

. 92, 


Simen ud Judas, Eollectivfeler 
beider Apoftel, ein unbewegliches Feſt 
iss October. 14. 93, ein befond. Axt, 
IV. 312 ff. — Simon, kurze Le⸗ 
bensgefgichte deffelben, AV. 312 und 
13. — Judas, mit dem Zunamen 
Lebbaeus, kurze Lebensgeſchichte defs 
fetben. IV. 312 f. 


Simoniaecl, was man darunter vers 
fand, und daß man fie vom Klerus 
ausſchloß. 111. 21 und 22, | 


Sipkonesn, Name für Trinkroͤhren 
an den Abendmahlötelchen, 1. 53 u. 63, 


Solea, welhen Pla man in ber Kir, 
che darunter verfland, I. 376, 


Sortitio sacra, eine Sattung vo 
Drdalien, Sotteögeriht. IV. 131 r. 


Spasmus, Festum de apas- 
mo Mariae., lll. 322, r 

Species, in einer ganz fyeciellen 
Bedeutung für Brob und Wein ım 
Abendmahle. 3. 44, 


Sponsores, Bürgen, Zaufpathen, 
dafür auch Fidejussores, Offeren- 
tes, SBusceptures, testes. AV. 
517. — Die erflen beiden Ramen 

. beswegen , weil fie fih-für ben Taͤuf⸗ 
ling und in bie Seele des Zäuflings 
verpflichteten. IV. 519. — Diele 
Verpflichtung negativ hieß abrenun- 
tiatio, poſitiv addictio und pro- 
fessio. 

Sportae, sportellae, #spor- 
tulne, was man darunter verſtand. 


Statio, bedeutet die ſtehende Stel⸗ 
lung beim Gebete. 11. 18%. — Sta- 
tio, ein eigener Art., die verfchiedes 
nen Bedeutungen dieſes Wortes imı 
kirchlichen Siprachgebrauche umfaſſend. 
IV. 371 - 75. 

Statio, ſ. das griechiſche avareoıs, 
Stationes, warum bie kirchlichen 

Faſttage fo biegen. Il. 78 und 79, 

Statusae, signa, Bildfäulen, wars 
um ſich die Kunft im frübern chriſt⸗ 
lichen Leben weniger daran verfucht 
‚babe, Al, 288. — Die Griechen 








688 
dulden dergleichen noch nicht in 
Kirchen. II. 290. — * der Kir 


ſchen Kirche hat man fpäter andere 
Grundfäge befolgt ibid. ‚ 

Stenographie. IV. 308. 

Stephanus, ber Märtyrer, f. ſei⸗ 


nen Denttag, Nativ. J. Christi 
Fest. fer. ll. 93. und IL. 19%, 


Stolm, eine abgelärzte, bequeme 
Yoga. 111. 46, 
Stola, was man jetzt in ber römis 


fen Kirche darunter verfteht. III. 
6%, — Insi der Diaconen, 111. 


63, — Näbere Beſchreibung unb 
myftifhe Deutung berfelben ibid. 


Stratoria, |. Pulvinaria. 

Studitae. IV. 10. 

Stylitae. IV. 10. 

Subdiaceoni, ein beſond. Artikel 
IV. 403 ff, 


Sublatio manuum, eigentpüms 
liher Gebrauch beim Gebete. IV. 183, 


Subsidia charltativa, was 
man darunter verftand. 11. 418, 


Successores Apostolor., wer⸗ 
den zumeilen bie Bilhöfe der alten 
Kirche genannt. 1. 237. 

Sudarium, fynonym wit Vero- 
nica. l. 379. * 


Sudarium sanctae Veroni- 
ene , die ſich barauf, beziehende Les 


gende. I. 
8 anti, ober Weibbiſchoͤfe, 


uffrag 
Urfprung und Begriff derfelben. I. 244, 


Suffragium, Act. 1, 15—26. 
fand kein Suflragium, fondern ein 
Sortilegium Statt. Suffragia di- 
vina und humana, ihr Begriff. Dan 
nannte fie auch zuweilen designatio- 
nem et. probationem divin., oder 
nucturnae visiones, ihr Begriff. 

ul. 14, 


Suggestus, [. Ambo. 


Supererogationes, was bie 
sdmifhe Kirche darunter verſtand. 


11. 274. 
ſ. eellatio 


Superindictio, 
superindicta. 
Superintendentes, als Erläu: 
terung des griedhifchen Zrsoxomzourres 
kommt ſchon bei Hieronymus vor, 1. 
. — Warum ſtatt episcopus 
bieß Wort für infpleirende Geiftliche 


Regiſter. 


von pen Bteformatosen gewählt wur: 

6, 8° — 4. 

8Superpelliceum, aud Birre- 
tum, ein Kleibungsftid chriſtticher 
Laienz ſolches trugen auch Kleriker 
außer dem Kirchendienſte. III. 51. — 
Wird aber amtliche Kleidung für bei⸗ 
nahe alle Arten von Geiſtlichen. 211. 
68. — Der barbariſche Rame kommt 
vor dem 11ten Jahrhundert ‚nicht 
vor ibid. 


Superpositto, befonbers firenges. 
usb Onbaltenbes Faften, IV. — 


Suppedaneum lignum, ein 
Bußbret am Kreuze Chriſti. Ill. 138. 


Supplicationes , Bebeutung bies 
ſes Wortes bei römifchen Profanferis 
benten. Warum bie Römer bie Su 

Plicationes theils ald Danffefte, theils 
als Gebetötage um Linderung ober 
Abwendung gewiffer Salamitäten braus 
hen Eonnten. 3. 310, — Woraus fich 
Tage der legtern Art in jedem Gub 
tus leicht erklaͤren Laffen, I. 311. — 
Sie gingen wahrſcheinlich in den Beis 

‚ ten der Verfolgungen fon in bas 
GhriftenthHum über, im 4. Jahrhun⸗ 
dert zeigt ſich bie Rachahmung heid- 
nifher Supplicationen in der chriftii: 
den Ainbetungsweife fhon beutlider. 
I. 311. — Supplicationes, f. das 
gr. Aurayelar. III. 197, 


Supplicium Pauli, wern es 
beitanden habe. IV. 206, 


Sursum corda, ſ. Oremus. 
Suscepteres, f. Sponseres, . 


Suspensio, eine kirchliche Strafe, 
theilt fi ein in Suspensio a bene- 
fivio und ab oflciv. ul. 8, wies 
ber erwähnt. 111. 87, 


Symandrum, ſ. das griechiſche 
Gvuaydpoy. 


Syınbols, Symbole, Sinnbilber, 
chriſtliche Kunftvorftellungen und ein 
befond. Art. IV. 315 ff. — Begriff 
der Sinndilder. IV. 316 f. 


Symboli redditio vel tra- 
ditio, was darunter verflanden 
wurde. 4. 370. — Kommt befonders - 
am grünen Donnerflage vor. Il. 256. 

ymbola publica, wurden als 

zegulae fidei in ben Öffentlichen gots 
teödienfllihen Verſammlungen mit 

vorgelefen. II. 292, 


Symbolum, was man beim cates 
Hetifchen Unterrichte barunter vers 








Mertia sc. hora, eine —* 


Reollier. 


fand: IJ. 350. —⸗ &s gab — 
ſolche Symbola ober confessiones 
Adei, unter welchen einige beſondert 
bekannt und beruͤhmt geworben find. 
I. 351, » 3. Symbol. apostol, 
Syncelli, Urforung Anb Begriff 
rfeiben. II. 436. — Beraͤnderte 
Geſtalt ihrer Stellung in ſpaͤterer 
Zeit in der abend: und morgenländis 
fen Kirche. 11. 437 und 39. 
Synedärium Presbyteror., 
. Presbyterium. 
Synodi, Synoden, Kirchenverſamm 


Ina, Spnobdaloerf, , ein bef. Art. - 


406 ff. — Begriff der kirchl. Syno⸗ 
ben. IV. 407, und All ff. — Synodi 
provinciales, find am älteften unb 


gamnun Q 

14 f. — Synodi scu Concilia sub 
imperatoribus. IV. 425. — Syno- 
dus oecumenica, seu concilium 

_ oecumenicum. IV. 432. — Syno- 
di dioecesium. IV. 435, — Bidee⸗ 
fanfonoden, Synodi Haereticor. 
werben von den Rechtglaͤubigen ver⸗ 
ähtlid nur conciliabula genannt, 
IV. 436, — Synodi sub Pontific. 
Roman. 3V. 437. — Decreta Con- 
cilior. seu Synodor., ihr wichtiger 
Inhalt und ſchon früh veranflaltete 
Sammlungen davon, IV. 238 ff. — 
Concilia oecumenica, über bie Zahl 
—— — in ven verfchiebes 
nen Klirchenſyſtemen auch verſchieden⸗ 
Anſichten. IV. 440—41, 1 | 


T.. - 


Tabellse ececlesiasticnae, 
 Diptycha ecelesiastica., 


Tabernaculum , Sakraments⸗ 
häuschen,, Benennung für BRonftrang 

- and Grund diefee Benennung. I. 
und 111. 399, 


Tachygraphia, Begriff, Anwen: 
bung er im chriſtlich⸗ fichligen 
Leben, IV. 304 ff, 


Templia vet. Ohristianor., 
Kicengebäube, ein befond. Art. 1. 


. — Dielen Ramen braukten . 


anfangs bie Chriften von ihren relis 
gidſen Berfammlungsorten nicht. M. 
68. — Jedoch geſchieht es fpäter. 
11. 386.:— Ueber das 3. Jahrhun⸗ 
bert hinaus findet man nichts Be⸗ 
benfichen mehr in biefer Benennung, 


L — 


Templarii, Tempelherren, Templer. 
IV. 285, ihre Zunge Gedichte. 286 ff. 


Tempus clausum. ll. 97, — 
Beginnt mit dem erften Advent. II. 

. 9, — In Anfehung deffelben herrfcht 
in der proteftantifhen Kirche eine 
larese Dbfervanz. 11. 97. — Endigt 
fi häufig in der proteflantifchen Kir⸗ 
‚Ge mit dem Dalmfonnt. IV. 173, 


Tempus clausum, baß bie Pros 
'teftanten es aud für bie Faſtenzeit 
beisehielten, follte ihre Auszeichumg 

ber „esibentgelt Chriſti andeuten. 


canoniſche Stunde kurz na 
Siegel Hundiuh IV. 


- 


bee Sonne gefeiert, auch aurora und 
hora sacra genannt. IV, 65, 


Testes, |. Sponsoren. 
Theea , bebeutet zuweilen Gottess 
kaſten. 11. 452, 


Theoderus Studites, als tie 
besbihter in ber griechifhen Kirche, 


Theodulphus, Bthliher Lieder 
dichter, 1. 227. ’ 

Theophanes;, Liederdichter in ber 
griechiſchen Kirche. II. 221, 

Th . —— plemun; eine 
ungän ſcheinung für die chriſtl. 
Geftfeier. 11. 103, ⸗ Bei 

Thesaurarli, f. Cimeliar- 
chae. 


Thomas, Denktag biefes Apoftels 
—* Feſt im December, 


Thomas, Gebäätnißtag beffelben, 
IV. 583 fi. Atniptag deſſelben 


Thomas von Aquino und Ce- 
lamo, beide kirchüche Liederbichter, 


Thronus; Blſchofsſtuhl, gewoͤhnli⸗ 
cher Ort, wo in fruͤherer Zeit bie Bi⸗ 
ſchoͤfe ihre Predigten hielten. II. 327, 


Thronus apestolicus s N& 
des spostollen, was man 
darunter verfland. I. 240, - 


Thuribulum un "Thymia- 
materium, wen Unterſchied 


689 
u8 Griechenland ab. IV. 





690) 


die griechiſche Kirche zwiſchen heiten 
Worten zu machen pflegt, II. 443, 


Thuricremium , was bie griechi⸗ 
Ihe Kirche darunter verſtehe. II. 444. 


Thurificati, welche Gattung von 
Defallenen man darunter verftand, 


Thurificatio elementer., was 
darunter zu verfichen fei. IL. 442, 


Tiara, minber gewoͤhnlicher Name 
für Bifhofsmüge. II. 53. | 


E Tintinabulum der Römer, kein 
Analsgon von Kirchengloden. BI. 240, 


“Tirones , Name für Gatechnmenen. 
1. 364 


Tituli, Rome für Kirchengebaͤude. 
il. 385. 


Tonsurs, Zonfur, ein befond. Art. 

. 547 ff. — Tonsura Petri. 

IV. 550. — Tonsura Pauli, Pe- 

tri, Jacobi, beachten bie Proteftans 
ten nicht. IV. 554, . 


Tortura flagellorum, Geißel: 
tortur, eine furchtbare Strafe in den 
Kiöftern. 1V. 90, > 


Tractatus, beißen bei ben Latei⸗ 
nern zuweilen bie SPrebigten und 
tractatores bie Prebiger. Il. 326, 


Traditores, toelhe Gattuna von 
Gefallenen man darunter verſtand. 


1. 29. 


Transfigurationis Christi 
Lest, Verklaͤrungsfeſt Chrifti, ein 
unbewegliched Feſt im Monat Auguft, 


Transfigurationis — — 
Festuan erklaͤrungsfe ifti 
ein beiond. Art. IV. 589. Cyriu, 


Transsubstantiatio, fie giebt 


Regiſter. 


Veranlaſſung zu vielen kirchlichen 
Strafen. III. 80. — Auf biefe kehre 
iſt ber ganze Meßritus bafirt. LE. 
362 und 63, 


Trena, 
Treuga, 
Treva, 
Treve, 
Trevia, |- 


Tributum lustrale,-eine Ab⸗ 
gabe, welche verfhicdene Gewerbsar⸗ 
ten traf, wovon die Ordines infe- 
riores frei waren, ll. 30, 


Trinitatis Testum , ein befond, 
Art. IV. 555. 


. Pax Dei. IV. 130, 


'Trisagium „ feierlicher Kirchenge⸗ 


fang. 1. 517. — Kurze Geſchichte 
deſſelben ibid. 


Triviam, was man im Schulun⸗ 
terrihte darunter verftand,. IV. 68, 


Tropnen, Rame für Rirhenaebäu- 
rt 385. r rchengedan⸗ 


Troparium, welches liturgiſche 
Bud in ber roͤmiſchen Kirche mit- 
diefem Ausdrucke bezeichnet wird. III. 
256. — Troparii (sc. libri) Tro- 

anarii, Treperii, welde Firchliche 
uͤcher man in Dinficht des offertor. in 
der Meſſe darunter verftand, III. 379, 


Truncus, Kirchenſtock, was man 
darunter verftand. II. 452, 


Tunica, Tunicellna, biſchoöfli⸗ 
ches Kieidangsftäd. ul. 52, FR 


Tunica interior, f. Albe, 
Tunica, ift die eigenthümliche Kieis 
dung des Subdiaconats, 111. 67, 


Tunicella, . Tunica. 


U. Ä 


Unectio, Salbung, Sebrauc bei ber 


- Ordination, findet erft im 9. Sahıs _ 


hundert Statt. IV. 164. — Unctio, 
Benennung für Zaufe, IV. 458. — 
Unctio chrismatis, Zaufceremonie, 
IV. 509, 


| Unctio extrem, lette Delung, 
ein eigener Art, IV. 119, - 


Unto, davon Union, Bezeichnung 
des Bufammertretens der Luthera⸗ 


- 


ner zund Reformirten in eine Kirche. 


Unitae ecclesine, f. eedie- 
sie commendatae. 


Universitates, fie haben bei ih⸗ 
sem Urfprunge eine andere Bedeu⸗ 

. tung, als in ber neuern Zeit. IV, 
575. — Dan findet für fie auch früs 
ber die Namen scholae, zur Z£o- 
zhv, auch Stadia, Studia unirer- 
salla. IV. 575, 








Megiier. 


V. 
Vage, ne quis orfinaretur, 
f Ordin 


Videntns, fie Diaconifienetur. 
arii, wos mit bier MU. 368. ‚ 
formula solemais angebeutst wers ug 
den fol. IV. 150, 
Vasa sacra, Abenbmahlögefäße, 


ein eigenex Art. I. 61, bienen zur 
Ausfhmüdung ber Altäre. 1. 100.. 


Vaticana etVeliterns crıax, 


ae, Vigllien und Dctaven als 
vr⸗ und Rachfefte, wurben in ber 
proteſtantiſchen Kirche größtentheils 
abgeſchafft. A. 97. 
Vigiliae, Beariff derfelben im fruͤ⸗ 
bern priftlich = Kirchlichen Leben und _ x 


davon giebt Borgia Abbifdungen. 11. 
138, 


Velgamen 'sacerdotale und 


nuptiale. 11. 22, — Barum ba 


Velamen aud Flammeum genannt 
mwurbe ibid. — Velamen sacmım, 


Definitien von Du Sange, IV. 110, 
— Grlöuterungen dieſes Wortes von 
©eiten ber Kirdenväter. IV. 111. — 
Biligende und mißbilligende Stimmen 
über die Vigitin. IV. 11%. — Wi: 


gilien der Arianerz ihr Einfluß auf 
die kathoige Kicihe. IV. 112- 18. 
— Matutina und vespertina erffäs 
ren fih aus den frühern Bigilien, 
besgleihen horae lucernales, Psal- 
mi matutini et vespertini. IV. 113, 


Vincula, Festum Petri ad 
vincula, feltener Festum cate- 


ein Betietbungeftäck der kirchlichen 
Jungfrauen. ıl. 363. 


Velare virginem, 
diefer. Redensart. 1. 363. 


Velatio sponsae. II. 22, 


Veen, offertorli,. davon Der: narum Petri. IV. 207. 


Velum serl „ ba8 feibene Vianm rubrum, im Abendmahle. 
Kelchtuch. 3. 67. vi ' de vite, feben bie &i 
Ve eulata erux, ein aus num de „ ieyen die Litur⸗ 

rmi gen ber römifhen Kirche ald wefent: 
Diefait zuſammengeſetztes Sereuz. II. lich beim Abendmahl an, nicht Ient: 
. die Farbe, das Vaterland und der 
Geſchmack des Weins, 1. 506. — Vi- 
num benedictum et conseeratum, 
wie beides von einander unterfchieden 
fei. 1. 114. - 


Virgsa pasteralis, ſ. Bacu- 
lus pastoral. . 
a 
ag, ein befond. Art. II. — 
Vestes literatae, ihr Urſprung Fercfchiebene Vermuthungen über bi 
und Begriff. 11. 302. ——æe— — II. gen Then dieſe 


Vestiarium, Ankleidezimmer für astics 
bie Kleriker bei ben Kirchengebäuben. Vin une j een —— 
il. 379, aud Metatorium, Muta- en, ein befond. Axt. II. 360 ff. 


torium genannt. 1 
Vestibulum, Xußentheil des Fir: V —— octurnae, ſ. suf- 


lihen Narthex. Wer bier zu ver: 
weilen pflegte. 11. 377. Visitatlonis Mariae fest., 
. Verllln : Im Guttus der” römifchen ek — 9. andemegi⸗ 
Vexillum, ſynonym mit erux, er⸗ na in Kae er 
jebt fidy unter andern aus bem alten III, 331. ’ u 


ymnus Vexilla regis prodeunsetc. Visitatoren, Name für Stellver⸗ 
Vexillifer, f. Crucifer. treter ber Stadtbiſchẽ e auf dem 


Vicarli apostolor., werben zu: eande. I, 39 
weilen bie Bifchöfe der alten Kirche Veolte sante, ein Chriſtusbild, bem 
genannt, I. 237. Evangeliſten kuka aagefdrieben „in 


Bebeutung 


ermiculum, f. Cestrum. 


Veronica, wie bie meiften Gelehrs 
ten bie Wort erflären. 1. 425. 


Vespertina sc. hora, eine fos 
genannte canoniſche Stunde (Veſper) 
x gehalten um 3 Uhr Naqmittags. 


* 





692 | Begifler. 


Itallen unter dieſem Namen bekannt. Gemeinben bin und wieber in Ber 
L 429. — Vultus Lucanus ibid. peoteftantifchen Kirche bei Der Sei 
Vi en antenne hu 
it fingen a omileten ge⸗ 1 
wäßnlidh Ipre Prebigten an, II. 824, 3 Kematen abggt, * 
Votam negativum, haben bie und Sonnengelübbe, IV. 


W. 
Walsfried Strahe, gine: dee dem Gebräuche im 9. Sahrhunbert. 
befiern Schriftſteller über bie kirchli⸗ HA. 221. 
Z. 


Zone, Biſchof su Verona als Homilet der abendl. Kirche geſchildert. U. 320 f. 








NMegiſter 


über die griechiſchen Worte, die in dieſem Handbuche erwaͤhnt und 
erlaͤutert worden ſind. Die roͤmiſche Zahl bezeichnet den Band, die 


deutſche die 


aßarov, ſ. adurov. 


ayaluara, Gtatuen. III. 289. — 
Die hriftliche Kunft befhäftigt füch we⸗ 
niger mit der Bildhauerkunft ald Male 
rei ibid. — ayeluoare und anueın, 
signa et statuae in heibnifdyen Tem⸗ 
peln. IL. 


oyanas, Liebesmahle, find ald Nach⸗ 
ahmung der legten Mahlzeit Jeſu mit 
den Geinigen zu betrachten. 1. 2 und 
8 — Agapen, ein eigener Art., feis 
ne urfprüngliche Bebeutung vertaufchte 
es mit einer fpeciellern. Dafür brau⸗ 
hen die Griechen auch ovunooıa, 
danva xowe u. a. Profanſcriben⸗ 
ten vor der chriſtlichen Beit kennen 
dieß Wort nit. 1. 81. Vergl. übri: 
gend Agapae im lat, Regiſter. 


ayannroı. Il. 36%, f. das lateinifche 
Agapetae. 


ayysloı Tn6 exxÄndıug, Begriff ber 
en 1. 497, ’ seit 

ayın xul ueyaln Tevrag, nennt 
Chrofoftomus den grünen Donner: 


ftag. II. 255. — ayın zors ayıoıs, 
liturg. Formel. Il. 180, 


ayınouog, 6 HEyac, hie große Waſ⸗ 
ferweihe am Gpipbanienfefte in der 
griech. Kirche. Il. 50, 


ayt0oYoapa , yoapsa, man fcheint 
vor dem 4. Jahrhundert bieje Aus: 


drücke nicht hefannt zu haben. 11. 290, 


oyıoy, MYI0Y QAyIıWY, GYIGOUG, 
Benennung für Chor in ben Kirchen, 


eyıoı, Begriff bavon im N. T. und 
allgemeine Benennung ber Chriften, 


Seitenzahl. | 


Kicchenheilige in ber frühern unb in 
ber fpätern Beit, Heilige im engen 
Sinne 11. 261—262, f. das lat. 
Sanctus. — eyıos, Benennung ber 
Ehriften im R. &. 1. 407. 


ayyn, 017, Tıpua, Benennungen 
für Diaconiffinnen, bie fih auf ihren 
unbefcholtenen Ruf beziehen, 1. 


aypvavıaı, TavvUX0s, fo werben 
von Ghrofoftomus die Vigilien ge: 
nannt. IV. 112, | 

adeApoLı, allgemeiner Name für Chri⸗ 

fin. I. 407, — odelpos Incov, 
nah .Sinigen Halbbruͤder, nach Ans 

bern Better Jeſu. IV. 314, 


advrov, afaroy, tirchl. Sprachge⸗ 
brauch diefee Worte. 11. 373. 

alvuog, ſ. azymus panis. 

adE0t, wurden zumwellen bie Chriſten 
von ben ‚Heiden genannt. I. 413. 


axosumTos, eine Gattung von Moͤn⸗ 
dhen. il. 391. 


ax0000ı5, Abftufung ber Buͤßenden. 
0 294. 2 ſtufung ßen 


axpowmsEVoL, f, audientes, welche 
Dat Aumenen fo genannt wurben, - 


axpoazıyın, eigenthämlihe Geſang⸗ 
weife. Al. 207. 


dlorpieg, ö, wer bamit im Gebet 
für bie rergumenen angedeutet wer⸗ 
e. Il. 


aloysvoasevos, Bernunft Beraubte, 
bieß Wort braucht das Conc. Ancyr. 
von ben Energumenen. 11. 30. . 





694 


außav. 1. 327, f. das lat, Ambo. 
außwy von avaßaıveıy. 111. 192 — 
193 öÖfterer erwähnt, ſ. das lateinis 
de Ambo, u 

avaßoAaıoy, Umwurf, Schulterman- 


tel der Mönche, myſtiſche Bedeutun 
beffelben. IV. 81. Dre ö 


avaßoAayıoy und avaßoAadıov, ſ. 
das lat. Amictus. . 


avayAurtıxn, Anaglyphik, was man 
darunter verftand, wisd zuweilen 
durd) caelatura Überfegt. Die Pro⸗ 
ducte dieſer Kunſt find WBasreliefs 

und Hautreliefs, ſ. dieſe Namen im 
lat. Regiſter. III. 288, 


 avayvwonara, exhodoyin, Bucher, 
welche bie zu kirchlichen Vorlefungen 
beflimmten biblifchen Abfdhnitte ente 
hielten. 111.248, — @in folhes Bud 
nammte man auch avayvoorızoy, 
avayvorcızs. III. 250, f. das Latein. 
Lectionalis und Lectionaria. 


aradoyor, entipriht dem lat Offe- 
rentes, Susceptores. IV. 517, 

avadsua, im Zuſammenhange bes 
trachtet, kann Eeinen Grand für bie 
Verwuͤnſchungetheorie in ber rom. und 
griech. Kirche abgeben, H. 128, 


avEdnuara, Meihgeſchenke. IV. 309 
und 310, — aradnucıe, 1. 404, 


AvaxToßoV. I. 373, 


avahryınov, fo nennt bie griech. 
Kirche die Himmelfahrtswoche. II. 311. 


wvaAmypıg, Benennung für Himmels 
fahrtofeft, ll. 308, ee 


ardpıavres, Bithfäufen. IN. 289, 


OYTIXOUROEAYITOL, wen man darun⸗ 


tee verftand, III. 319, 


#VEn00Xa, ber auf Oſtern zunaͤchſt 
V. 368, . 


. folgende Sonntag. IV. 


TIUAVOLG, Altardecken, eine genaue 
Definition davon. I. 99. 


FVELPOVa , was ed dem Wortſime 

° nad) bebeute,, vergl. im lat. Regifter 
das Wort Antiphonia. I. 120, _ 
Davon vuroı wwrıgwro.. I. 123, 


Wwroxepaior, fo nannten ſich bie 


Bitchöfe von Eypern, weil fie be 
baupteten, ber Apoftel Barnabas fei 


» { . . 
ber erfte Bifcef dort geweſen. I. 187 


Ad. — auroxssakos heißen 
fpäter diejenigen Metropetiten, —*— 


Regiſter. 


die Oberherrſchaft der Patriarchen 
nit anerkannten. IV. 199, + 


urw Tag xapdınz, f. bie Liturgie 
Formel Oremus, sursum corda. 
11. 241 ff. — Was man zur Zeit 
“ ‚ber Reformation für die Abendmaple- 
Iehre daraus argumentiren wollte. 


® 2 


afog md avakıog, Beflätigungs- 
oder Mißbilligungsformeln bei ben 
Wahlen. IIL. 11. 


Grt0TOL , infideles, barunter wurden 
Suben und Heiden verflanden. I. 19, 


anoygvH0s, libri bes R, T. wurden 
“zuweilen neben canonifhen Buͤchern 
"des A. T. zu Vorlefungen in ben 

Shriftenverfammlungen gebraudt. 11. 


anoxakulıc, zar' anoxalvuyıy dız 
Tov nYevuarog, electiones per 
dirinationem, Wahlen, weiche Apo: 
ftel ſelbft anftellten. HI. 14, 


UNO0TOTOL TnS Evosßeag, wer in 
bem Gebete für bie Energumenen 
darunter verſtanden werbe, IT. 


MROCTOAOS von UNOOTEAAEY, ver 
ſchiedene Bedeutungen dieſes Wortes 
im Art, Apoftel, 8. 128, 29 u, 30, 


anosoun (7) zwv Anooroluv 
eroov xaı Tlaviov, fo ift im 
griech. Feſtcanon ber 29, Zunius als 
Denktag bed Maͤrtyrertodes Petri 
und Pauli verzeichnet. 


oꝝ qxtos, Rame der Eharwoche. J. 
1. 


apern Ts Wuxns, Züctigkeit, Rede 
lihteit der @efinnungen fei bei der 
Wahl eines Klerikers befonders zu 
beruͤckſichtigen. III. 11. 


0p7E0V ober Yoauparopviaxeoyv 
% das latein. Archivum. Ill. 245 
und . . 


00/7, principium, Eufehius behaups 
tet, jeder Sonntag habe rosıs aan 
ale Symbol der Dreieinigkeit. 11. 85. 


GpXWYEEG TWwv zurÄmoıwy, Rame 
für Bifchöfe, I. 239, 


oxnoic, anfänglid nur pietatis exer- 
citium einzelner Menſchen und Fa⸗ 
milien, ohne daß man ganz die menſch⸗ 
liche Geſellſchaft floh. IV. 5 
aoxncıs, als fpäteres Mönch s und 
Anachoretenleben ibid. — @ie wer 





Repiſter. 


mit eine Veranlaſſung, daß ſich bald 
eine gemeine und böbere Zugend bil: 
dete. IV. 9, —  naxıwıs ayyelwv, 
Goloff. 2, 18. Paulus warnt vor 
ſolchen, bie diefe waxznoıs ſchon als 
Engel erreihen wollten, 111. 420, 


a0xnTui, Spradgebraud), dieſes Wor⸗ 
teö bei den alten, Griechen, bei den 
Juden und feit dem 2. Zahrbundert in 
der chriftlihen Kirche, 360 u. 361, 


00xnTn0109, locus exercitationis 
et contemplationis, lat, Acete- 
rium. IV. 56, 


aoxnrınar dıatases, Mönceregeln. 
IV. 52, 


00x0doovraı, Askodruten, eine Bat: 
tung Härctifer, ihre eigenthümliche 


Behauptung in Abjiht auf die Tau⸗ 


fe. ıV. 531. 


VONEOUOS, Feſtname für Mariä Vers 
fündigung. II. 92, aud) zuweilen 
evayyelicuos Ibid. 


GORROUOV nLEOR, Benennung für 
bad Feft Mariaͤ Verfündigung. I. 117. 


O0TEOLOXOG ,- 00TNO, ſternfoͤrmige 
Bedeckung des dıazos in ber gried. 
Kirche. 1. 70. 


uovAor, Ableitung und Begriff biefes 
Wortes. 3. 149 im Art, Aſpylrecht 
der Kirchen. 

nrıuog asdng au ESovIErntevN 
nagovo, fo nennt Juſtin der 
Märtyrer die erfte Ankunft Jeſu. 
Deshalb bildete ſich früh ſchon eine 
Partei, die Jeſu Körperfchönbeit ab: 
fpredyen. und bem gemäße Chriſtus⸗ 
bilder haben wollten, 1. 422, 


apsoıg, f. has lat. Absolutio. 


popLou0S, exicommunicatio Mi- 
nor, «y:ooıouos HarTeing, EXCOM- 
munic. major. 11. 130 und 131, 


ovıs, concha, mit Beziehung auf 


bie Form des Chors in ben Kirchen. 
1. 374, 


Buıa (Tu) Buıpopog eoprn, 00y0- 
00:0, Benennungen bes Pfalmı: 
fonntage. 111. 170, 


Paıpogıa, bei ben Juden, dabei er: 
innert man fih am Palmfeſte. IV. 
169, — Welche gr. Auöbrüde Joſe⸗ 
phus davon braucht. IV. 169, 


Bantngıoı, ſ. das lat, Baculi. 
® 


695 


Bantıouos, undbie Zeitwoͤrter Berrzu, 
Barssıkıw deufen alle auf ben Begriff 
bed Untertaudyens hin, AV. 456, 
In wiefern Banuouos und Bazrtıaua 
gl idnehenten ober verfihieden feien 


Puntiornoiov, f. Baptisterium. 
Beßuwwoıg ng onokoyıag, ſ. uvooV. 


BnIu Ins exxinoiag, Name für Vor: 
hänge, die fih beim Chor der Kir: 
hen zuweilen befanden. Sie heißen 

. no zuweilen zasensraoueare uudu- 
xc. Il. 37%, 


Anuu, 1. das lat. Bema. I. 373, — 
Bnue, Te Ig0v05 vipılus. 


Bıßkıa uxavorıoTa und unoYorge, 
was man dgrunter verftand. 111.248. 


Pıwrıxoı (Seculares), Begriff berfel: 
ben. I. 406. 


Poziog, entipridt dem lat. ara, alta- 
re, f. das lat. Regiſter. Wird fpäs 
ter möglichft vermieden, weil es zu 
heidniſch Hang und lieber dafür Zu- 
Gucoıngıow gebraudt. 1. 93 u, 93. 


vabogviaxıoy, |. oxevogvioxıov. 


yalıkamn , fo wurbe vorzugsweiſe mit 
Bezugname auf Mt. 28, 7—8, ber 
dritte Ofterfeiertag genannt. IV. 239, 


yevedita, Benennungen für Märty: 
rerfeſte. IH. 280, 


yeveoıov (TO) Tn< vnegayıng Oeo- 
T0x0v, fo wird bie Feier von Marid 


&eburt in den grich. Feſtkalendern 
verzeichnet. III. 341. 


yovuxkıvoyteg, |. EVXOLLEYOL. 


yovuxkıvoytes, eine Abflufung von 
Catechumenen, die bei einigen Gebe: 
ten gegenwärtig feyn durften, und 
. mit Auflegung dee Hände, wobei fie 
knieten, entläffen wurden. Die Abs 
ftufung felbft bieß zoruxAıore. I. 368, 


ypounura sıderar, Ruückſichtsnahme 
auf wiffenfhaftlihde Tuͤchtigkeit ber 
Kleriker. 11. 13. goaumere 
aeenyvoza, 0. Eopraosıza, Oſter⸗ 
briefe. 1. 278. . 


youlpua, |. ayıoyoapo. 
ygugn, al ygapaı, 100 yon 
Ta >, darunter wirb im N. 3. 


ftetö der Canon des U. T. verflan: 
den. 1.:468, 








damovav, xarxodaovar, wich‘ 
bäufig Ibentife für insanire gebraucht. 


dedoxıumouevo: za NEUAPTVET- 
‚ uzvor arvöges , wer davunter zu 
verſtehen fei. III. 10, 

Öendwuev, f. bas lat. Oremus. 


deınva yayıza, convivia nuptia- 
lia. 11. 23, 

5 dunwovev, dıaxovia, dıaxovoc, 

Sprachgebrauch biefes Wortes im 


diaxovog, 7, f. den Art. Diaconiſſin⸗ 
nen. ]. FR " 


dıadoxo: TWV'ano0Tolwr, succes- 
sores vicarii Apostolor,, fo wurden 
fräher zuweilen die Bifchöfe genannt. 


2 ‘ 


dintokug anoarolızaı, f. das lat. 
Constitutiones apostolicae. 


dixaorngıa dnuoare, Kirchenfachen, 
welche nicht vor benfelben verhandelt 
werben burften, Ill. 31. 


dıxnoıov, f. Tgıxngior. 
dioızyors, fu das lat. Dioecesis. 


dintuya, Etymologie bes. Wortes, 
kirchliche Ramensverzeichniſſe. Meh⸗ 
rere griech. und lat. Namen dafuͤr. 
III. 258 und 59. — Es kommen vor 
dınruya enıaxonwv, [uyıwy, VE- 
zowy. 111. 262 und 63. 


dıoxass ihm analog ift das Jat. pa- 
tena. I. 65, " 


dıpFega, eigenthämlihe Bedeutung 
biefed Wortes in der Rubrik Kirchens 
büder, 111. 248, 


dogodoyın, f. den Art. Dorslogie. 


dovxevapıog, ein ſolcher war Pau: 
lus von Samoſata. MI. 26. 


doviua, vregdoviea und Aa- 


Tosa, welchen Unterſchieb bie rd: 
mifch s Patholifche Kirche zwifchen die: 
fen drei Worten made. Il. 276, 
wieder erwähnt 111. 324, | 


Övvauug ayıns, höhere Geiſter, wie 
fie ihre —* Gehen. — 


douas ueyaln, 1. Hebdomas 
P DO l. 383, " “ 


magna 
sAdonus nevsexoaıng, nennt die 


Regiſter. 


ariech. Kirche nicht bie eigentliche 
ngſtwoche, ſondern bie Woche nach 
amıa und zızlog, in Beziehun 
Taf Kistyengebäube. 1. 407, esiehun 


v070%, Encaustum, die Kunſt 
mi Wachs und Del zu malen. "Bl. 


&yxoAnıoy, |. epLauua. 


&yxgarızaı un) vopWnap aozaTa: 
waren Häretiler und Schismat iker 
Die flatt des Weines im Abenbmagi 
Waſſer gebrauchten. I. 5%, 


adoAonoıoı, Idolorum confectores, 
mwurben von der Taufe ausgefhlofien. 
r 
udwAoY, wird zuweilen von Profane 
feribenten im guten Sinne gebraucht 
und mit ouomwua, &xwy, Onueror, 
zeguxıngıoy fononym gebraucht. 
.21 . 


&onvn, Segenswunſch ber Apoflel in 


ihren Senbdfchreiben sıpnvn ger. vuor- 
11. 110, . 
exxncın und EXxÄndsaczndLoy, 


Namen für Kirchengebäube. 11. 382. 
— £xxinoıe Ins TOU VOTNEOE Ar 
araosucs zu Sonftantinopel, ausführ- 
lihe Befchreibung berfelben von Eufe: 
bius, 11. 405. — exrinsn zur 
0ıxov, was man barunter verfland, 


% ® 


EXAEXTor, allgemeiner Name rie 
ſten. I. om fir 6b 


exloymdıor, ein Goder von Beinern 
Lefeſtuͤcken für ven kirchlichen Gebraud), 
in Beziehung auf bie Goangelien 
evayyelıcıapıor , in Beziehung auf 
die andern Bücher zoafarootorog 
genannt. 11. 296, 


exsevws, inbrönftig, fo follten bie 
riftlichen Verfammlungen für bie 
Energumenen beten. 11. 34, 


A109 (To), Unterichieb von upon, 
und Taufgebrauch. IV. 509, au) 

EVAYFEWNTNOLS, EV00OXWOIG, Menid- 
werbung, bie heifllihe Kunſt machte 
fie zur hoͤchſten Aufgabe, da die beibe 
niſche kein höheres Biel ald die Apo⸗ 
tbeofe hatte, All. 159. 


EvEoysy, vox media, von bee Antes 
© 








} 


Regifter. 


game duch gute und böfe Geiſter. 
avon abgeleitet sens. sinistr. eveo- 

youusvoı, daB lat. Knergumeni, 
‚ein befond. Art. II. 30. 


eöaopyoı, Exarchi, find in der Regel 
im Oriente, was bie Primates im 
Decidente find, I. 242, 


sEonoAoynaig, frühere Bebeutung bies 


ſes Wortes, dem römifhen Beichtin⸗ 


ſtitute nicht guͤnſtig. 1. 191. 


Fooxicttv, Bebeutung dieſes Wortes 
bei Profanſcribenten und im R. 2. 
eigentbümliche kirchliche Bedeutung. 


stopxsouog und e5ooxwoıg, kommen 
aber einnfal Act. 19, 12 — 16. bat 
Wort sFopxıgıng Al. 57. 


sopras Öeonosıxzas , eine Feſteinthei⸗ 
lung in ber gr. Kirche. 11. 96. — 
Heoumsspixzcı, und zwy ayıny ibid. 


enepWinua, Name für die Taufe, 
bindeutend auf ben Umſtand, daß 


man fie aus dem Gefichtöpuncte eis” 


nes Vertrags betrachtete. IV. 518. 
eniygapn, f. ba lat. Epigraphia. 


enıdEoıg und ERaGOIS TWv ZE0WY, 
Ritus bei ben $ genannten Benes 
dictionen, ing aus dem Zubenthus 
me zum Ghriftentpume über, 1. 123. 
— nıdElIS 109 7EıgWy, manuum 
impositio, ein oft wiederholter litur⸗ 
| —F Gebrauch, beſonders auch bei 
ee Confirmation. 3. 454. 


EIXÄNOIG TOV TIVEUUUTOG QYLOV, 


invocatio =. s., mit ihre und mit 


den Einfegungsworten wurde früher 
die Suchariftie geweiht. 1. 10. 


8710x0n08 und nnEEOÄVTEGOL, wahrs 
——— Vermuthung, warum beide 
orte früher fynonym gebraucht 
wurden. I. und 230. — £&7Il- 
0x0r70s oyoAuloyıes, was man bar: 
unter verftand, 1. 23. —  £NICKO- 
nos, daß fih auch Conftantin ber 
Große einen folchen nennt. III. 27. 


errı070A0ı eyxuxlıxas literae circu- 
lares. I. 278, 


errıowLonen, Benennung für Kim: 
melfohrtöfeft,, verfhiebene Erklaͤrun⸗ 
gen davon, 11. 310, 


enızoaymA0Y, ein the der feierlis 
chen Begleitung bes Patriarchen zu 


6 


Gonftantinopel, III. 49. — Auch Erzs 
bifgöfe tragen es ibid. — enırga- 
xnlıov, die Stola um ben ‚Hals bei 
den SPrieftern der griechiſchen Kirche. 
III. 50. Ä 
euuparın und Jeogarın, Namen 
für das Grfcheinungsfeft mehr in ber 
gries- Kirche. Grund diefer Namen. 
I. 45. — Auch braucht man bavon 
die Namen: za ayıa enuparın ober 
Yeoyayıa tov Gwingos 69 Iogdarn. 


U ® 


gonmor, einfame Gegenden; in ihnen 
murben befonders Klöfter angelegt. 


EOWTEROY, das Innere ber Baptiſte⸗ 
rien, wo bie Taufe eigentlich verrich⸗ 
tet wurde, I. 182, 


erepodo&os, darunter verſtand man 
Haͤretiker, Irrlehrer, Geparatiften. 


U} 19 


evauyyelılerr, im engern Ginne von 
dem Unterrichte der Evangeliſten in 

- der apoftolifchen Kirche gebraudt. Il. 
325, f. auch den Art, Evangeliſt. 


evayyEitolıos, Benennung für Mariä 
Verkündigung, V. 117, evayyslı- 
auos ıns IIap8erov, Benennung bie: 
fes Feſtes in, der heutigen griechiſchen 
Kirche. I. 119, — evayyelıanos, 
f. aonaouos. 


svayyslıoy und ANO0TOA0og, eine 
dem A. 3. analoge Eintheilung des 
N. T. 1. 290. — In Beziehung 
auf «rrooroAos, vergl. auch 1. 130, c. 


gvayyeltoral, NR. X. Bebeutung bies 
fed Wortes, unterfcieben fi von 
den Apofteln, waren ihnen aber doch 
in andern Dingen aͤhnlich, daher 

. Guvanooroloı, WERTOCTOA0s Ges 
nannt. 11. 52, 


wwoyyekotapıov, |. exh0ywdıor. 


EUXTNOIG, NOOGEVXTNOLG und 04X08 
EUxTNpL0L Ramen für Kicchenges 
bäube. 11. 384. 

wvAoyıa,. ktirchl. Benennung für Abenbs 
mahl, war bei den ältern Kirchen⸗ 
fcribenten völlig fynonym mit euya- 
oıoua. 1. & 


evvovyoL, durften nit orbinirt wers 
ben. IV. 152. 


vXa0L0TIO, kirchliche Benennung der 
AÜbenbmahisfeier, ging auch in die 








688 


Kirchenſprache des AdenManbes Über. 
- 1.7, fe Eucharistia. — evyapıctıa 

re0L TOv uvorrzov uvoov, Weihe: 
- formel des Chrisma. I. 396. 


zuyeloıov, ein Sakrament in- ber 


griech. Kirche, das der extrema 
unctio in ber römifhen aͤhnlich iſt. 
IV. 122, 


suxn din arwang, ober zara dıa- 


90109, preces per silentium. II. 
178. — tuxn meospwrnoews, Grund 
‚diefes Namens ibid. 


zuyoloyıov „ eines ber wichtigften Ri⸗ 
gualblicher in der griechiſchen Kirche. 


tvuxoutvot, orantes, auch zuweilen 
vovuxlavovres, genuſlectentes, eine 
befondere Gattung von Catechume⸗ 

“nen. 1. 367 und 68. — eyouev moos 

ror xuproy, Antwort bes Volkes auf 
die priefterlie Kormel ayo ras xap- 
dıas. 111. 242, 


Gevg Eeviog, Beiname des Jupiters, 
Beweis, wie wichtig den Griechen die 
Gaſtfreundſchaft war. II. 167. 


Lova TEe0oaga, vierfach Lebendiges, 
Name der Embleme und Sinnbil: 
der, bie man ben Evangeliſten bei: 
legt, als Aswv, 10@yos, TIOOSWITOY 
6 AUFOWITOS, 
IV. 318, 


vyouuevoç, ſynonym mit aßßcs, für 
Klofterobere. IV. 7. — myoruerer, 
eigentliche Abtewohnung, dann aud) 

. ein Klofter, welchem ein Abt vor: 
ftegt, “ zumeilen auch das Fremden: 
zimmer im Klofter, IV. 57. 


ruepa xXvoaxn, oder XUOLOv, 
f, das lar. Dies dominica. — nue- 
ER Toy acwu«ıwv, was bie aleran: 
drinifte Kirche darunter verftand. 
IV. 318, — Quee Twv georwr, 
ayıa yara Twv Enupavıor, Benen: 
nung für Erfcheinungefeft und Grund 
diefer Benennung. Muß nidhr mit 

Lichtmeß verwechfelt werben. Il. 45. 


7,0vy00Tn7Q10%, locus, in quo de- 
gunt novzaoreı, die niht nur zur 
vita otiosa im eigenthümlichen Sin: 
ne, fondern aud zum Stillſchweigen 
verbunden waren. IV. 56. 


Heodwgag, fo wird das aus dem hebr. 
Ä fanmense Matttias überfegt, 111. 


\. 
» 


UETOS TIETOUEVOS- j 


Regiſter. 


—XXXX vuvos, was man uns 
ter denfelben verftand. II. 219. 


&3070x05 , biefer Name von der Ma⸗ 
ria gebraudt, unterflügt befonders 
dig Maria : Verehrung. 1. 319. 


Joyoxsin Twv ayyelwv, Anſichten 
der ältern proteftantifhen Theologen 
darüber, III. 423, “ 


Noovoc, f. das lat. Thronus If. 
374. — 9oovos vımlos, erböbter 
Sig des Biſchofs, auch zuweilen Ana 
genannt. 1. 240. . 


Hvuaoua, incensum. JI. 441. 
Hvpweor, grieh. Name für DOfliarien, 
IV. 167, 


vo, sacrificium, 
mahle gebraudt. I. & 


Iouoc °ö Asyopevog Audvuos, 
Ueberfegung hebr.⸗ aramäifcher Wor⸗ 
te. IV. 543, — Bon einem euey- 
yelıoy rov Iwpıc vebet ſchon Dris 
genes. IV. 546. 


wsoovoyın, Benennung für Abenb- 
mahl. 1. 9. — ıepoveyia, verſchie⸗ 
bener Spraqgebrauch diefes Wortes, 


vom Abend⸗ 


IXOVES OXEIVOONOINTOL, was man dar: 
unter verftand, follen an bie uyal- 
533 diontan ber Heiden erinnern, 


2 


zaIsdou, f. das lat, Cathedra. 11. 
374. 


xagevdcıv, oder xoıuaodFuı, wird im 
N. 8. mie bei PYrofanferibenten vom 
Tode gebraucht. IV. 324, 


xaJı0UOTa, sessiones, größere Ab: 
theilungen der Pſalmen. 11. 297, 


xaJ0A:x0L, f. Catholici. 


«cn dıadmxn, bei der frühern An: 
ordnung des N. T. mit Beziehung 
auf die nalaın dıadnzn. II. 288. 


xalsır, davon wollen Mandye Glocken 
ableiten, II. 244. 


xarov (10) ovoua enixindev ep 
vuoc, Jac. 2, 7., 1 Petr. 4, 14 
bis 16%, welchen Einfluß dieſe apo⸗ 
ftolifhe Formel auf die chriſtliche Ra: 
mengebung gehabt habe, IV. 529. 


xallıygapıa, |. bas latein. Kalli- 
graphia. 














Regiſter. 


xzaua, xctutotov, f. bas lat, Alba. 
211.. 61. : 


xuvyuvasınc5 verſchiedene Ableitung bies 
fes Wertes. IV. 312, 


xuVOVEc MN00T0ALX0L,  Canones 


spostolici, f. das lat, Canones 


Apustolor. 


x0y009 , wechſelnde Bedeutungen bie: 
fes Wortes in Beziehung auf bie 
Bücher des N, T. 11. 290. — xu- 
vo, ürfprängliche Bedeutung diefes 
Wortes bei Profanicribenten im R. 
T. und in der biblifhen Iſagogik. 
I. 314 — 15. If aud in die Kir: 
chenſprache des Abendlanbes uͤberge⸗ 
gangen. Canon, ſ. den beſond. Art., 
wo der kirchliche Sprachgebrauch bes 

ſonders erörtert iſt. 1. 315 — 19. 


KaTanettauua UVOTıxoV, |. ſinu. 


KOTAOR , KETa xarapas, mit Wer: 
fluhungen Jemanden aus ber Kirche 
verfloßen, war ein feltener Fall. 


‘ “ 


Kurnxovusva, hießen zumeilen and 
die Baptifteria, Grund dieſer Be: 
nennung. 1. 182, i 

xaTn/0vuEVOl, f. Catechumeni, ihre‘ 
Eintheilung in SKlaffen 3. 19. — 


xernyovusyor, ſ. das lat. Cate- 
chumeni. 


xuumÄtapytıov, fononym mit yalo- 
. Yvlazıoy und Oxtvopulaxıoy. 


xepalam, Kleinere Abtheilungen ber 
bibliſchen Leetionen. 11. 295, 


xtunAıapyaı, Cimeliarchae, wel: 
dr Kleriker fo genannt wurden. 11. 


'xn009P000:1, Ceroferarii, ein kirch⸗ 
liches Amt. 1.408. s 


xnovoosy, eigenthuͤmlich enger Sprach⸗ 
gebrauch dieſes Wortes. 11. 325, 


xıyxdıdag, |. das lat. Cancelli. 


Aal, ober x#Amlim, davon wollen 
landıe bad Wort Glocke ableiten, 


0 


x.ad0IG TOV aνοDu, Benennung’ für 
Abendmahl aus dem N. 2, 1. 
Auch proteftantifhe Theologen ber 
neuern Beit erflären. fie für wefents 
li bei der Abenbmahlsfeier. I. 60. 


xAnQ0S, Bezeichnung für den &eifkfis 


hen Lehrers und Kirchendienerſtand, 
wirb beffee vom ‚Bebräifhen als vom, 
Sprachgebrauche der Profanſtriben⸗ 
ten abgeleitet. III. 2. — zinpor, 
dieß Wort eigneten fi im engern 
Sinne bie Lehrer und Kirhlihen Beam: 
ten in ber frühern Kirche zu. I. 406, 
— Bon fi. unterfhieden fie Acoc, 
davon Laici, Benennung für Nichts 
geiftlihe ibid. 
xounord, von dem Tode der Maria 
mit Anfpleiung des Eigenthuͤmlichen 
ihres irbifhen Hinganges gebraudt. 
111. und, 337, - 


2005 ocç, daraus iſt bas im Latei⸗ 
niſchen oft vorfommende coenobium, 
coenobita, entflanden, IV. 6, ſ. das 
lat. coenobium. 


x0wwWyıa, Benennung für Abendmahl 
aus dem NR. T. 1. 7, f. Cofmmunio, 


xoAaxtvovysa, mehr ben Schmeichler 
als ben enındsıor, in ber Prüfung 
Beftandenen, beruͤckſichtigte man bei 

‚ ber Wahl der Kleriker; barüber Hagt 
fhon GShryfoftomus, III. 11. 


xoAAvgıdıavos, ſchwaärmeriſche Weibs⸗ 
perſonen, welche Epiphanius wegen 
uͤbertriebener Mariaverehrung in ſein 
Ketzerverzeichniß fegte. III. 319. 


xoAoßı09%, Tunica ber Alten ohne 
Aermel, 111, 67, f. das lat. Lunica. 


xoAvußn?oa, Rame für Baptiste- 
zuußns (80 und an! P 


xovtuxtov, würde bem Breviarium 
von zovıos, parvus, entfprechen, 
wirb aber nur auf eine Sammlung 
furzer Antiphonien und Hymnen für 
bie Feſte beſchraͤnkt. 111. 253, 


xovxovÄov, eine Kopfbebeckung der 
Moͤnche. IV. 81. 


xorıavy, xorıa, davon leiten manche 
die niederen lirhlihen Beamten, Oo- 
piatae genannt, ab, unwahrſcheinli⸗ 
Ser ift die Ableitung won xorzerog. 


“ 


xpaua, bie Vermifhung bed, Weittes 
mit Waffer im Abendmahle. I. 51. - 

xupiaxn TV ayımy , Bet aller Geis 
ligen. 11. 284. — zupıaxov; 
Kirchengebäude, davon wirb am na⸗ 
tuͤrlichſten das deutiche Kirche abge⸗ 
leitet. Il. 383. 


xvose &18009, dieſe Formel kommt 








700 Regiſter. 


ſchon bei Profanſcribenten vor. Sehr 
oft auch im A. J., auch in den 
apoſtoliſchen Gonſtitutionen. Das 
Miserere domini erhält durch Gre⸗ 
gor ben Großen befondere Werände: 
zungen. 111. 237 — 38. 


Aaßıs, Aaßıdıov, eine Art Löffel, 
beffen fih bie Griehen beim Abenb: 
mahle bedienen. 1. 69. 


Auumadovxov, ein brennenbder Gan- 
belaber, welder den griedhifhen Bi: 
fchöfen vorgetragen wurde, HI. 132. 


Anunpopwmpiu, Ptutuywyıa, Name 


für die prächtige Erleuchtung, welche: 


Gonftantin in den Oftervigilin verans 
ftalten ließ. AV. 299, 


Auoc Tov FEov, allgemeiner Name 
für Gpriften. 1. 407. 


Autos, f. dovkcıa. 
Yavoa, ober Aufoa, alte Benennun- 


‚nen ber Anadjoretenwohnungen. IV. 
56, f. das lat. Laura. 


Arßßasog, Ableitung biefes Namens 


aus dem Gebr. AV. 313. 


Atırovpyio, Benennung für Abend: 

‚ mahl. 1. 9. — Asırovpyıa ,„ zuroeilen 
auch nicht im kirchlichen Sinne, fons 
deen von den beſchwerlichen Munici: 
palitätsämteen gebraucht. III. 29. — 
Asırovoyra, Sprachgebrauch dieſes 
Mortes bei Profanferibenten, im N. 
T. und im kirchlichen Leben. 1. 476 
und 477, und 11}. 204. 


Aeuxog, €9 Atvxoıg, geſchehen He: 
woͤhnlich die bibtifhen Angelopbanien, 
ift aud Name für den Sonntag nad) 
Oftern. IV. 512, 


Artor, Artaveıaı, waren ſchon in der 
heibnifchen Eultusſprache und bedeu⸗ 
teten preces supplices, supplica- 
tiones. Verſchiedene Bedeutungen 
diefes Wortes. 111. 196—199, T. das 

lat, Litania. . “ 


Aszovoyıa und Astovpysıy, Tommen 
bei Profanfcribenten vor, im R. 2. 
bei ben Kirchenvätern von dem gez 
fammten Gottesbienfte, oder auch yon 
einzelnen Beſtandtheilen deſſelben. 
UI. .— Im engern Sinne ſte⸗ 
bende ſchriftliche Formulare für bie 
Abenbmahlsfeier. Ill. 204 und 5. 


Aoyog KaTNynTINng 6 HEYAG, eine 


Schrift zum Ga’ecumenenunterricht 
non regor von Nyſſa. 1. 345. 


Aovspov, lavacrum, Aovrooy uera- 
voraus, Namen für die Taufe, IV. 457. 


Aoyyn oyıa, lancea sacra, eine 
Art Meffer, womit bie Griechen bas 
Abendmahlsbrod zertheilen, 1. 69. 


Avaıs TWv OTepavywv, Hocheitsfeier⸗ 
lichkeit in der gr. Kirche. 1. 13. 


KadıTaı, allgemeiner Name für Shris 
ſten. 1.207 ſur 


uovdoa, ſ. das lat. Mandra. 


kapay ada, Grläuterung biefer For⸗ 
mel, 11. 128, 


apzvoıa, Name für Kirchengeboͤube. 
Fi. 386, 8 
nkaprvs und HaupTvo, Opracdges 


brauch dieſes Wortes im N. X. unb 
im tirdlihen Sinne. 111. 272 unk 


273. — Die verfhiedene Eintheilung 


bee Märtyrer, ſ. das lat. Martyrea. 


HLUTOOYIXOY und napdFerıXoy, auf 
den Emporlirchen. 1. 376, 


ueht, Vergleihung bes göttlichen Wors 


tes mit Honig im A. und N. &.- 


IV. 511. 


keuvntevor, Initiati, Ehrenname ber 
Ehriſten. 1, 416, 


HEOUNEVTEXOTTN, mittlere Woche zwi: 
fhen Oſtern und Pfingſten. IV. 212, 
HETUUOEPWOLG We » griech. Benen⸗ 
nung für Verklaͤrungsfeſt Chrifi, 


keravoıa, tirchlicher S ebrau 
dieſes Worte. 1. 288, meqhs s 


wınyaıa, lat. Menaea, ein liturgiſches 


Buch der griech. Kirche von gro 
Umfange. III. 251. — groben 


untgonolsig, Bauptfläbte bee Pro⸗ 
vinzen; fo viele es ihrer gab, fo viel 
gab ed auch gewöhnlich vornehmere 
Biſchoͤfe, Metropoliten genannt. II. 
468. — untogmolıs, urſpruͤngliche 
Bedeutung, giebt Beranlaffung eine 
befondere kirchliche Würde fo zu nen- 
nen. 111. 413, 


kUxQG und KEyala, was man bare 
unter bei den Gleufinifchen Myſterien 
verftand. I. 511, 


kovaozrgıov dınlovv, monaste- 
rium duplex, f. bas lat. mona- 
sterium, uoycornotoy, allein, kommt 
wieder vor, IV. 55, 

















Regiſter. . 


movayos und kovaloyzes, weiterer 


und engerer Begriff dieſes Wortes, 
IV. 6 und 7, 


kunoıs, von biefem Worte will man, 
wiewohl unmwahrfheiniih, das lat. 
Missa ableiten. Ill. 364. 


uvoov, ibdentiih‘ mit zoroua, auf 
zuweilen Beßuuwaıs ıns omolopıng 
und oppayız av ovvdnlur. 1. 3%. 


BvoTayoyıa, von Profanferibenten und 
griechiſchen Kirchenvaͤtern verſchieden 
gebraucht. I. 477. 


Kvornpı0or,, Benennung für Abend» 
mahl, erfiärt fih aus ‚ber Arkandit- 
eiplin, 1.8 


AUvorns, in parvis initiatus, was 
darunter in den Gleufinifhen Myſte⸗ 
rien verflanhen wurde. 1. 511. 


—— ſ. das lat. Narthex, zuwei⸗ 
len durch ferula uberſett. II. 376, 


Yavoroloyoı, Name ber Kateeten, 
Grund diefes Namens, In Bezie⸗ 
Hung auf das Bild vom Schiffe ent: 
lehnt hieß ber Biſchof roweevus, bie 
Presbyter 0: vavıas, die Diaconen, 
© Toompyoı, und bie Gatedheten 
os vyavorokoyou 1. Mo. 


vexpos, 1 Sor. 15, 29. Erklaͤrung 
diefes in der angeführten Stelle ſchwie⸗ 


yenpvsoı und vewregos, f. bas lat. 
Catechumeni, weldes mit Novitii 
und Novitioli fynonym gebraucht wird. 


vouog xas TigompnTas, canonifce 
Bücher des A. T. zu kirchlichen Bor: 
Iefungen beftimmt. IV. 290, — ne 

Moc, NgOpyTaL zaı aysoygapa. IH. 
ba8. em U, T. vouos za 7300- 

pas, evayyelıoy ekanootolos o 

io orsöuzokızoy ibid. 


Eevın , Bedeutung biefes Wortes im 
Austaufche dee Gaſtfreundſchaft. U. 
107, 


Ewodlarus, „Beam der Bacebäme: 
nier wegen neigung gegen bie 
Citte der Gaftfrrundfäaft. Bi. 167. 


Eepopayın, was barunter in ber gr. 
Rinde verfanben wird. I. 79. 


£uAoy OWrng0V, : hieß man bas . 


Kreuz, an welhem ber Erloͤſer ges 
litten haben ſoll. ILL. 122, 


oxoc, auch FONDS Veou, ROGEUXNG, 


701 


Ramen für Kirchengebaͤude. H. 384. 
— Im NR, J. wird es theild von 
Tempel zu Serufalem, theils von 
kleinern Bethäufern der Juden ges 
braucht ibid. 


oxrurnyoç, eine Art Choralbuch in 


der griech. Kirche. III. 232, 


ouiAeıo, opilıa, Name für Vortraͤge 
in den kirchl. Verſammlungen feit Ori⸗ 
genes mit bem Nebenbegriff ber Unter⸗ 
rebung und Bertraulichkeit. II. 325. 
— Aoyos wird auch zumellen in. dies 
fem Sinne gebraudt ibid. 


ouoAoyıa ins ayıag Toımdog, follte 
nah ber Arkandiögiplin nit zur 
Kenntniß ber Gatechumenen unb Pro⸗ 
fanen kommen, 1. 114. 


ouoAoynoıs, Tirdl. Sprachgebrau 
iefet KBortes, I 289, " aoebrara 


ouoAoyovueva, ayrıleyopera und 
vws@, welche Bücher man nad) ans 
geftellten Unterfuhungen über ben 
Ganon ded N. 2. verftand, 11. 290, 


ovoAuzpe&a, ben Ghriften vorgewors 
fen. 3. 414. — Schwierige Erklaͤrung 
biefee Sache. LA, © 


opyavoy, bieß vielbeutige Wort tomms , 
bei den Alten überhaupt für muſika⸗ 
liſche Inſtrumente vor; bann wird 
es im engern Sinne fär ein muſikq⸗ 
lifches Inſtrument gebraucht, das wir 
Orgel nennen. ©. das lat. Organon. 


navayıoYy, confecrivtes Brod, das bei 
der Meſſe einem Theile nad ber 
Maria geopfert wird. 111. 325, 


naynyvoıxoc, ift in ber griech. Kir: 
de ein Predigtbuch, das ungefähre 
dem Homiliarium, von Karl dem 
Großen veranftaltet, ähnlich if. 
111. 232, | 


noyyuxıa, pervigilium. III. 147. 


wanna ober nunnag, dab gr. Wort, 
wovon das lat. Papa, das beutfche 
Papſt, entflanden ifl. IV. 175, 


rapadovvas TWw OVaTaya, wahres 
Sinn diefer Formel. II. 128. 


#apaxinTıx0Vy, «in Lectionar. in 
ber griech. Kirche, das man Com- 
mune nennt unb weldes feinen Zitel 
von ben angehängten Gebeten unb 
Troſtſpruͤchen erhalten bat. All. 252, 


z0gauoyagıoı, Mansionarli, 11.493, 











70% 


nagavuAYoL, Brautführer, die Sitte 
derfelben, II. 19 
ROQOKXEOR, lat. parochia, zuweilen 


au im XAbenblande für Ticchl. Pro: 
vinz« II. 388, |. das lat. Parochia. 


ROOAOXEUN, Benennung für Charfrei⸗ 
tag. I. 377, urfprünglih ſpnonpm 
mit roo0afßaroy ibid. 


R00X%, anfängli im engern Sinne 
gebraudt von bem Andenken an bie 
legte Mahlzeit, welche Jeſus mit ſei⸗ 
nen Iüngern genofien batte, fpäter 
im viel weitern Sinne. I. 159, 
Ratürliche und unwahrſcheinliche Ab: 
leitung biefes Wortes ihid. — —XC 
OTRvewOıLov und avaatadınoy, Uns 
terſchied von beiden. 1. 161. — wasye 
als Oſterfeſt betrachtet, wirb genannt 
To ayıoy naOy® xu NEOBonTor, 
n Paoılıoon Twy NUEowv nueon, 
TEOXE Oravoooıu. und araozacın. 
wieder. erwähnt. 1. 375, 


TATOLROXOG Tg o1xovuerng, Über 
diefen Zitel wurde Streit zwifchen 
Mom, und Gonſtantinopel geführt. 


NEVTEXOOTN, Stiftungsfeft ber chriftli⸗ 
hen Kirche, warum es biefen Namen 
führt, lat. Pentecostes, daraus 
das deutſche Pfingften, wurbe im en: 
‚gern und weitern Sinne genomnien, 


TTEVENKOOTAQLOV, if ein Zitel bes 
Sal in ber griech, See har 
almfonntage bi8 zum rſabbath. 
III. 252, “ j j 


WEOLToUN, Lukas wird nicht zu ben 
Sehülfen Pauli ex zegıroung gezählt, 
weshalb man fliegt, daß er von 
Geburt ein Beide gemwefen fei. IIL, 267. 


FEpLasUn, biſchoöfl. Ehrenkreuz in der 
griech. Kirche, gupellen auch eyaol- 
ıov genꝑnnt. All. 132, 


nE01PonTov, |. zuoxe, 


zegıBoActoY, der griech. Mantel, be: 
Tonders üblich unter ben orientalifdyen 


Kleritern. Hl. 46 


megıßoAog, der freie Platz 
der Kirche und ber aͤußerſten egren⸗ 
—— nei ji Euſebius aud 
or genannt, auch zuweilen wuln. 

1I. 878, J. das lat. Ambitus. ° j 


MEQIKONGL, was bie älteften gr, Kir: 
damit bezeichneten, IH. 248, 


wifchen 


‚napodevza:, Stellvertretet ber Stabt 
biſchoͤfe. 1.392, 


Jleroos, Bebeutuug und Grund die⸗ 
fes Ramend. IV. 1, — zar” eo 
KANP AN00TOoAos .TNS NENTILNS ge 
nannt, IV. 201. u arms 8 


nn ) aud Fosap, Kay di 
RN, IV. ds 0 Mame fur bie 


TLOTEUVOVTES , RIQTOL, 
Name für Ghriften. I. 407, Später 

Name für die eigentlihen Xchinchri: 

ften, lat. Fideles genannt, I. 415, 


011, | ayvn. | 

RVEVUOTIXOL, burch bfefes Beiwort 
und durch zivsuymazızov Yppev, tun⸗ 
terfchieden bie griech. Kichennäter 
Bilhöfe son höhern weltlichen Baam- 
ten. . , — 


ROUNN und TaPANAUNNs brauchten 
bie alten Griechen von feierlihen Auf: 
zügen. 1V. 232, 


NOTNpLoN, heißt im N. T. dad Trink: 
geſchirr bei ber legten Mahlzeit. Zefu 
mit..den Geinigen. 1. 61. — Geine 
Beichaffenheit if: ungewig ibid. — 
Die davon berrährenden Abendmahls⸗ 
kelche werben nad) verfciedenen Be: 
ziehungen betradjtet, 1. 62 —.65, 


nousunooToAsg, ſ. erioywuduon 


zge0fvregdi,, Bedeutung diefes More 
tes nach der Etymologie, in ber jü- 
bifhen Gerichte⸗ und Synagogalver⸗ 
‚faffung. IV. 223. — Sumeilen ‚wird 
dafür zzgoe0Tos gebraucht. IV. 2728, 
— XAnfänglid) ſynonym mit Biſchoͤfen 
gebraucht, kommen fte im nachapoſto⸗ 
lifhen Zeitalter in ein untergeorbnetes 
Verhaͤltniß und bilden eine zweite Stufe 
des chriftl. Lehrerſtandes. TV. 275, 
Wie es kam, daß man in fpäterer Seit 
die Prieſteridee mit diefer Abfkkufen 
des Kierus in Berbinbung bradıte. AV. 
227. — Der bamit verbunden ſeyn ſol⸗ 
lende character indelebilis, IV. 228, 


npsoßuredes, Antename, mesoßv- 
. tegee und moesßureosdes, Ehefrauen 
ber Presbyter. I. 492. 
NOOEOTOTEG, NDOLTALEVOL, Rome 
für Bischöfe, aus ber lat. üeherlepung 
‚Praepositus d, beutfhe Bropft,4.287, 


700x800@ und 7008:90a, von Pros 
ceſſtonen bruuchen die Byzantiner hi 








Regiſter. 


politiſchen und im kirchlichen Sinne. 
IV. 232. | 


rpoxlavvig, fletus, luctus, eine 
Abftufung der Büßenden. 1. 293, 


TE0GEXWLEY, verbum solemne, für 
ben Diaconus. II. 301, 


700690004, der griech. Name für 
OÄhlationeh, f. Oblatio. 1. 3, wird 
in der frühern Kirche auch vom Abend: 
mahle gebraudt. 1. 8. | 


æooOcpcovnoic, in ber Bebeutung von 
Gebet, 3. B. roospmrnors vrreg 
Twy xarnyovuevwy. Il. 176, 


NO0PnTeL, f. volLos. — oopnren, 
im eigenthümlihen engeren Sinne im 
N. T. als Mitglieder bes chrifttichen 
seheitanbes im apoftolifchen Zeitalter, 


roonvio, ſ. das lat. Porticus. IL 
276 unb 77. 


nOWgEUS, |. YavoroAoyor. 


REWTOxÄNTOG, fo wird Andreas der 
. Apoftel genannt. 1. 111. ' 


ROWTOL, TIOOTEVOYTES EIOKONWY, 
lat. Primates, wie es fich in Afrika 
mit diefem Bifchofstitel verhielt. I. 241. 


avAn und Fvoa, Sprachgebrauch dies 
fer Worte für verſchiedene Kirchthuͤ⸗ 
ven, il. 39. ⁊ 


nvAnwgaa sc. Bavılıım, Thor im 
Weſten, dem Altaregegenüber. 11. 376, 


avAmpos, griech, Name für Oſtiarien. 
IV. 167. 


goßdouavrıa, MWeiffagung aus Gtäs 
ben ober Authen. Hl. 9, 


oaßdog P) . bas lat. Baculi. 


gınıdıoy, lat. flabellum, Beſchrei⸗ 
bung und Beflimmung beflelben in der 
alten Kirche. 1. 28. — Dauert auf 
in der oceibentalifhen Kirche lange 
fort und erhält ſich in der ‚griech. 
Fire, 1. 29, — Wieder erwähnt 


caxxos, ein Beftandtheil bifhöflicher 
Kleibung in der griech. Kirche. III. 49. 


osuväa, LLOVuoTnoLa, in folden 
hielten fi) bie Xherapeuten auf, bes 
zen fhon Philo und Joſephus Er⸗ 

- wähnung thun. IV. 3. — goauyuor, 
wieber erwähnt, IV. 56. 


01x80, au MEIVOHG genannt, vers 


703 


botenes Surrogai flat! des Weines 
im Abendmahle. 1.5. 


OXEAETOAUTQLG, Reliquienverehrun 
ſchaffen die Proteſtanten unbeding 
ab. IV. 260. ' 


oxevopvlaxıov und YaLopulmmıor, 
weiche Behättniffe im und neben dem 
Shore man darunter verfland, 11. 
374. 


0x0L0W%, stipes, palus, oft fononym 
mit aravoos. MM, 117, 


onoyyoc, bes Schwamm, befien be: 
bienen fi bie Griechen zum Abwi⸗ 
fen des Kelchs und des Diskos. 


oruvootiòön, OTaVEWTa, Kirchen: 
gebäude in Streuzesfotm. 41. 382, 
oTavpoAaronı, werben fpottweife bie 
Ghriften von den Heiden genannt. 
oTaRv00G, wahrſcheinliche Etymologie 
"diefes Wortes nad) Euflathius und 
Defydius. Hl. 117, 


0TEvoyoagıa, ſ. das lat. 
graphia. 


OTEDavywra, Bochzeitöfeierlic;keiten in 
ber griech. Kirche, IV. 12, 


ormAcı, Bildfäulen, ILL 291, 
orixousrtote, 0Tı47009 yoaryal xu- 


Ta OTIXovS, eine Erfindung des 
Kretpelus für bie bibliſchen Lectionen. 


Krypto- 
I 


0T01LAQ20V, langer Rod bee Diacos 
nen beim Kirchendienfte mit «yıos, 
ayıos, ayıos, bezeichnet, HI. 50, — 
ororzapıor, der lange Leibrock des 
Patriarchen zu Conftantinopel. BL, 
49, fo wird auch der fange Rod der 
Erzbifchöfe genannt Ykd. i 


oTro1rL&a, |, Elementa. 
eToAn, f. das lat. Stola. 


00QLa unb KLonvn, eine Kirche in Sons 
ftantinopel fo dJenannt. 11.405, — 00- 
yıa, Sophienkirche, läßt Juſtinian ganz 
‚neu wieder aufrichten. In der Schil⸗ 
derung berfelben werben folgende zum 
Theil Schon angeführte griech. Worte 
erwähnt, ‚avAm Acovyragıor, 700- 

 nuloy, noonvlmor, vaosmd, Yaosy - 
Yolos, rgouAlos, vaegare awrlslor, 








— 


704 KGieegiſter. 


—— Sunesmpen, saftig, ordings, coetus. 
reansla, Yeoua, xıßBop0y , 
Koyım , oudgoro m Forurgapı,. fı das latein, Tachy- 
ovußola, Rare für Abenbmahlseles . 

— 1. 44, — —— Selm, veheor, Gheenname der Gpriften. I. 
woran man, bie gegenfeitige Bafls 16. 

freundſchaft erfannte. II. 167. — zeisıorepoı, perfectiores, electi 
avußoior, emphatifh gebraugt in und areAsıoreoo, imperfectiores, 
ber Bebeutung eines harakteriflifhen Tudas, melde Doppelgattung von 
Slaubensmerkmales. I. 350 f., ſ. das Fatechumenen darunter verfkanden 
lat. Symbolum. werden. 1. 366. 


ovrakapız, Kichenbüger im griech. Teoaapaxovrn; gaſtenwochen, Srund 

Sultus, weiche Sebenebefüuet nungen biefes Kamen. IV.258. 

bee Helligen enthalten, II. 189, TE000PEOxu1ıdexaTeTrat, Quartodeci- 
ovvasıs, Benennung für Abendmahl. maner, Rame für die, weiche im 

1. 8. und 9, — aurassıs, nannten Dſterſtreite von der Anficht bes nicde 
"die Chriften früber idee en nifhen Concils abweichen. 

lungsorte, um das heibnifhe tem- _, Wror zhnliche Mönche _ 
‚ plam, unb das fAbifhe synagoge ?erEayWwyor, gewöhnlige Moͤnchſtrach⸗ 

h vermeiden. 11. as — Gie wa: ten. ill. 48. 

zen söhk wahrſcheinlich ſehr einfach. zuua, f. ayrı. 

nn TITA0s, Name für größere Sectionen 

OVVEIOAXTOL ober AYyaneTas 1. 15, in den Eirchlihen Lefeftäden, II. 295. 


f. das lat. Agapetae. 
ToaneLa, xupiou, Name für Abend» 
ovvavdoxnors, mehr als ein hloßes "mahl, 1. 6, ihm entgegen geſetzt 
votum negativum. Toanel« damorıwmv, Zifhe, auf 


ovyxehloı von Ovy und xeAlıoy, era —S niit den Beinas 


welche Geiſtliche und fpäter, melde 
fichlihe Beamten biefen Namen führ: tif *73 are og iden⸗ 


ten. 11. 437, ſ. das lat. Syncellus. 
auvodog, f. das lat. Fer auyo- TOLEPXAL, ſ. vavozoloyor. 
dos exdnuovoun, Dofiynoden, was Fgux70109, Leuchter mit hrei und dın- 
man barunter verfland. IV. 485, von Seuchter mit zwei Kiätern, bar 
. mit fegnet ein iſchof 8 
ovozacıg, ein befonderer Bußgrab ber Kirche, um a und bie 


Buͤßenden. Gr befteht in dem Bor: h 
u0e bei Stehens beim Webete, im IDel Zeturen in Chriſto anzudeuten. 


egenſatze des Kniens. I. 294. MR ib Rh 
TgıWw0L0V, liber ecclesiast. ber griech. 
re Pr — fe de  iche 4 defien man fich befonbers im 
die Zaufe, Srund biefer Benennung. ber Baftengeit bedient. 11. 252, 
IV. 458, — operyıs zw ourdn- TooVAAWTaı, Kirchengebaͤude in Oval 
Auy, |. Kugor. form gebaut. 11. 383, 


oxsdınadecaı, fo hießen mehr aus TEWnauay f. das lat. Tropaen, 


dem Gtegreife als forgfältig ausgear⸗ .T., 
beitete Catecheſen des Cyrill on runtxov, ein liturgifches Buch der 


Zerufalem. I. 345, auch oyedınad. griechiſchen Kirche, worin bie Orbe 
oulıcı homiliae extemporales, Nung bes Bottesbienftes für das ganze 
sermones repentini, II. 328. Jahr angegeben iſt. 111. 251, 


ocoAcuον, 05,5 auch owAea, f. das vr. Name für Abenbmahlselemente, 
lat. Bolea, verſchiedene Meinungen 1. | 
über dieſe irchuche Eolaltät, 1. 376, yyauoy, semplam fortonas zu Kıe 


owinpia, Rame Gharfreitag. J. tiodien, verwandelte Theodofius der 
37 ’ för Gpasfreitag. I Jüngere in eine chriſtl. Kirche, 11, 407. 


» 








Regiſter. 705 


vögwnrapanraruı, |. eyrparızar. 
vdwe (10), Name für die Kaufe 
IV. 457. ‘ " 


wıoc napaxinaswag, Weberfegumg bed 
Kamens Barnabor, 1. ee 


wsvapıoy und vpvoloysov, IR mit 
Oxtwnyos ober zgorzapsoy fynenym, 
wird aber vorzugeweife vom Chorge⸗ 
braude verftanden. 111, 253. 


wsevog, bei Meofanferibenuten oft wit 
dem Beifage Jeros. Chriſtliche Schrift: 
fiellee bedienen fi feinse anfangs 
nicht. 3. 209— 10, — Definition das 
von von KHufinus mb von 
Noſſa. IL 218, 


VRanavıny, ſ. Moriösfteinigemg. FIT. 
327. Die Griechen felern biefes Keft 
unter bem Namen nuepa ınc vra- 
7wayıns 1ov Ägpımıov yETa 18000- 
eRxovTa nuEpaSs. \ 


vn:g90ig, lat, Superpositio, Bas 
anbältenbe Sie am Charfreitage 
und am großen Sabbathe. IV. 


unepdovitin, |. dovicın, 


unegw0, Gmpostichen, il. 375. 


vrnoperal, eine Gattung von Unfter⸗ 


ter 
beamten in der juͤdiſchen Synagoge 
denen die Diaconen In der Briten 


Kirche entfprechen, 1. 496, 


vntꝛxovter uͤmli 
— der Den 3 a 


UNOYOoVaTı0Y , Beſtandtheil ber kirch⸗ 


lichen Kleidung bes Patriarchen zu 
Sonftantinopel, II. 


unodıaxoyos, |. Bubdiaconi. 


vnouynuovevuara Anoozolwr, 
was Suftin ber Märtyrer damit bes 
geihnet. II. 315, 


vnon etname für Mariaͤ Kei⸗ 
nigung. I. 
VRONTWOIG, bie Abſtufung ber Buͤ⸗ 
Senden, wo es ihnen erlaubt war, 
denm Gottesdienſte beizinvohnen. 1. 294. 


vuWwors Tov Tımov as Lworroov 
Eulov Tov oravpov, WBenennung 
für er Feſt der Kreugeserfindung. 


Yalpog. von wardeıy, Sprachge⸗ 
Siegel Handbuch IV. 


bdrauj deſed Wertes. IR. 208, — 
Unterfäieb poilden. Yaluor and 
vuvos. II. 208 — 


> den oft Ansos und 
alzngıov werben o onym 
—* 11. 296, ” 


ro Nam, enwäßnt 2 Zim. 
FR, arte —*—* davon die 
eiſtliche Amtetracht aus dem apoſto⸗ 
ifchen Zeitalter abzuleiten. III. 48. 


Peeov, ein Mantel, welchen bie 
griechiſchen Erzbiſchoe tragen, wegen 
der vielen eingewirkten Kreuze auch 
zolugsaupıor genannt, Hl. 50, - 
Xud ein Kleidungefläd ber Prieſter 


aan, R Wa 
— eſerdebaner vor 
us 0Y109 ayanng, ber 

auch Beisbenskuß, Kodiiden Br . 
fa don —— ——— 


ulm ayıoy und aorracueg, Dtu- 


ertu und Umarmung fallen am 
Sharfreitage weg. I. 378, Vergl. 
Oseulam patte. 


Aokeroı, Bei ber Athenien 
Feen ihrer —Aã—S 167, 


ovuEvos 707 J20Y, wen im N: 
Y darunter verfüanben werde, Hl 


guyadun, gugadtusnguur moheg 
nnd noltig KaTapuyng, nemien 
bie UXX. die fedhs Sreiffitten, bie 
fon von Mofes verorduet worin. 


gpulaxrnoıov, kommt im N. T. vor; 
fogenannte Denkzettel bei den Juden 
werben fpäter ald Amulette angefeben, 
f. im lat. Regiſter Amuletum. 


Wwrouog, Ywrıley, gehört 

Fk vw den Anwönfhungen ber Apo: 
et in ihren Senbfchreiben. II. 1 

— (06, PWTLIOLOS, (POTLOum, Be⸗ 
Hungen für bie Kaufe, IV. 459, 


Bennungen für bie 

auch IV. 512%, 

guwreyayın, |. Anungopwpıa. 

gYwrıkouevos, Ghrenname ber Chri⸗ 
ften. 1. 416, 


To FErTeg, Name für Reu taufte, 
a für Raupe 
YWrTioua und N42Pa TWV PWTOP, 


Grund dieſer Benennung für Tauf⸗ 
tag. I. 511, 





706 


Regiſter. 


10770109, Wame für Vaptiſte- Zenouodız, Sortilegium. III. 9. 


ywrıorn 
rium, und Grund biefer Benennung. 
1. 180, . 
xepIc, Benennung für Gharfreitag. 
"1.377, — yapıs und elcos, gehört 
mit gu ben Gegensanmwänfchungen ber ' 
Apoftelin ihren Senbfchreiben. 1. 110. 
zeıualovteg, (yeıualopevor, von 
den Büßenden gebraudt, ſchwierige 
Erklärung biefes Wortes. I. 293 und 
254, — Nicht unwahrfceinliche Er: 
Märung biefes Wortes. Il. 36, 
x&u0000:G, f. bas lat. Bublatio ma- 
nuum. 11. 183, 
xE10008T05 oder XE0LdWTOG KIrWv. 
111. 66, ſ. das lat. Dalmatica. 
EIOOTOVEIV nonym für orbiniren 
* * —— III. 10, wieder er⸗ 
waͤhnt. III. 12, — zemororıa und 
zeıg09cdıa, vorzugsweile gebraucht 
von ber Drdination ber Diaconiffin: 
nen, I. 492, 
zeovıßolsoroy, Name für Waſſerbe⸗ 
hälter vor ben Kirchen, IV. 644, 
zıunouos, griedh. Benennung für das 
lat. crux decussata. ]. 114, 
xoeoriavxoi, biefen Ramen erhielten 
nah Act. 11, 26. bie Bekenner Jeſu 


pioroę wveorN 


‘ * 


10u0 
re? 
Bedeutung biefes Wortes bei 


ıWalrneıoy, 


x , oAndwcg aveorn, 
freudebezeugender Buruf der Chriſten 
n der griech. Kiche am Oſterfeſte. 


Benennung fuͤr die Taufe. 
8..— yoıoua, orefchiebene 

XX. im N. 2, in der iturgie. 1. 
395, f. da6 lat. Chrisma. - 


XwoEn1oxono:;, erläutert von Dionye 


ſius Exiguus, episcopus vilanus, 
ruralis, vicarius, 1. 387, ſ. Chor- 


episcopi. 


walpoı, vuvar x Win: JEVEU-— 


Herızar, werben fon im N. 2. 
unterfchieden. I. 468, 


N was biefes liturgifche 
Buch außer ben 150 Pfalmen moch 
enthalten habe, Ih 250. — Bar in 
20 xodıcauara (Sessiones) einges 
— 19 für die Pſalmen, 1 für 
die übrigen Hymnen. Ill: 250. 


Woxonounog,, angewendet auf es 


fum. 111. 154, 


wöLy und avalksıy, gebraucht von 
Geſange mit Muſikbegleitung. IV. 202. 


WUOPOREOY, eine mit golbenen Kreu⸗ 


0 bee Ya Binde ı weihe —3 
ers der Patriarch zu Conſtan 
trägt, III. 49, a2 r ve 


wooAoyıoy, ein Buch in ber griech. 


Kirche, worin bie gewöhnlichen Ges 
betsftunben und andere kirchliche No⸗ 
tigen verzeichnet finds; es entſpricht 
bem‘ Diurnum ‚und Diurnale bee 


Lateiner. IL. 








Die 
chriſtlich⸗ kirchliche 
Alterthumswiſſenſchaft 


Zuſammenhange und In gedraͤngter Darſtellung mit ſtetem Zuruͤck⸗ 

weiſen auf die alphabetiſch geordneten Artikel bes Siegelſchen 

Hendbuqe, in welchen das bier kurz Angedeutete weitläufiger 
" erörtert worben iſt. 


45* 





” 


. 
- 
.-. 
- 


[24 





Einteitende Bemerkungen. 


6. 1. 
Gultus des Ehriſten. J 

Als die Religion von Jeſu und feinen Apoſteln verkuͤndigt, ins 
Leben getreten war, mußten ſich aus dem Geiſte berfelben ‚be 
wefentlid vom Juden⸗ unb Heidenthume verſchieden war“) beſon⸗ 
dere Aeußerungen bed frommen Sinnes nad) außenhin bemerkbar 
machen. Was man Öffentliche göttliche Verehrung bei Juden und 
geben zeither genannt hatte, mußte eine veränderte Geſtalt bem 
eifte und zum heil auch ber Korm nach erhalten. Der Inbes 
griff deſſen, was man zur öffentlichen Gotteßberehrung im chriſtli⸗ 
hen Sinne und chriftliher Bedeutung rechnete, wurde in der ältern 
und neuern Zeit mit verfchiebenen Namen. bezeichnet, wovon in der 


Gegenwart — Öffentliche, kirchliche Gottesverehrung, Cultus, Ans 


betungsweife die belichteften geblieben find ®). 

a) Die Divergenzpunkte ber jübifchen und heidniſchen Anbetungs⸗ 
weife von ber chriſtlichen und der Begriff der letztern find nachges 
wiefen im Art. Cultus 17 B. p. 472—474. 

b) Die verfchiedenen Altern unb neuen Namen der chriſtlich⸗kirchli⸗ 
hen Gotteöverehrung f. in demfelben Artikel Ir B. p. 476479. 

Du % 
Berwandtfchaft bes chriſtlichen Gultus feiner aͤußern Form nad mit ber jübifchen 
Synagogen⸗Einrichtung. 

Iede geſchichtliche Erſcheinung trägt das Gepraͤge der Zeit, 
in welcher fe ſich zuerft bemerkbar macht; mithin mußten fich auch 
Analogien im chrifllichen Cultus von der zeityer gewohnten öffent 
. lichen göttlichen Verehrung finden. Da die erfien Verehrer Jeſu 
aus dem Judenthume hervorgingen, fo liegt ed in ber Natur ber 
Sache bier zunähft an die jüdifche Anbetungsweiſe zu denken. 
Nun aber gab ed im Zeitalter Jeſu eine doppelte Form der öffent 
lihen Sehovahverehrung, ben fogenannten Xempeldienft und bie 
Synagogen » Einrichtung. Es fragt fih nun, weiche Form auf bem. 
chriſtlichen Urtultus den wichtigften Einfluß geäußert habe? *) 

8) Diefe Frage findet man beantwortet im Artikel Eultus in den 
Abſchn. L und I. überfchrieben: Verhalten Jeſu und feiner Apos - 
ſtel in Abſicht auf die Anbetungsmweife ihrer Volksgenoſſen und — 
Form, Geiſt und Wirkung der gottssbienfliichen Verfaſſung ber 
fruͤhern Chriſten 17 B. p. 464 - 67. | 





TIO Die Heiſtlich⸗ kucchuche Alterthumbwiffenſchaſt e. 


6. 3. 
Begriff der chriſtuich⸗ kirchüchen Alterthumewiſſenſchaft oder Archäologke. 


Die Darſtellung nun des chriſtlich⸗kirchlichen Lebens, De 
äußern chriftlihen Cultus nach deffen Entwidelungsgang und deffen 
Ergebniffen ‚- bezeichnet man mit dem Namen der chriſtlich⸗kirchli⸗ 


. hen Archaͤologie (Antiquitates eeclesiastigae). Diefes Zweig Der 


hiftorifchen Theologie bekommt feinen‘ wifjenfchaftlihen Charafter 
durch die fofternatifihe Behandlung. Man Bann fie auch wiſſen⸗ 


ſchaftlich aufgefaßte Geſchichte ber Gebräuche und äußerlihen Eins 


richtungen in den frühern Jahrhunderten der chriftlichen Kirche ober 


‚mit Auguftin die Anleitung zu einer treuen und —V vollſtaͤn⸗ 


digen Statiſtik der alten Kirche nennen. Sie läßt ſich wieder von 
chriſtlicher Archäologie überhaupt unterfcheiden und verhält fih zur 
allgemeinen Kivchengefejichte wie bad SBelondere zum Allgemeinerz, 
wie dad mehr Bleibende zu dem im unaufhoͤrlichen Wechſel ſich 
Verändernden. Dad Anziehbende und Nothwendige der chriſtlich⸗ 
Firchlichen Alterthumswiſſenſchaft für den Theologen überhaupt und 
für den. praßtifchen Geiftlichen und Liturgen befonders in unſern 
Lagen, ergiebt fih von felbft und if von mehrern neuern Bearbeis- 
tern derſelben gut nachgemiefen ®). 0 
a) Vergl. Auguftt die Vorrede im 1. Bde. ſ. kircht. Denkwürbigkei- 
‚ten p. VI ff. — Rheinwald in der Vorrede zu f. kirchl. Archaͤolo⸗ 
gie. — Auch Böhmer (Prof. der Theologie in Breslau) in dem 
Vorworte zu ſeinen chriſtlich⸗kirchlichen Alterthumswiſſenſchaften. 


EN “ 


Breslau 1886, 


$. 4. 


Quellen, aus welchen das Material biefer Miffenfhaft zu entichnen iſt. 
. Erfte Elaffe y 


Sorihen wir nah ben Quellen, welchen dad Material ber 


Ss . 


chriſtlich⸗ kirchlichen Alterthumswiſſenſchaft zu entnehmen ift, fo laf- 


fen fie fih in drei Glafjen einteilen: 1) Privatſchriften. 
Unser biefen find zunachft zu erwähnen die Kirchenhiftoriter, beſon⸗ 
ders die griechiſchen Euſebius, Sokrates, Sozomenus, Theodoret, 
Evagrius u. a.); bie Sebenöbefchreibungen „ einzelner berühmter 
Kirchenlehrerb), merkwürdig geworbener Ghriften), die übrigen 
Schriften der Kirchenväter I), und die fogenannten Scriptores 
ecolesiasticj bed 7ten und ber folgenden Jahrhunderte ). Für 
bie Kenntniß der Alterthuͤmer der orientalifhen Kirche find die uns 
ter dem Namen ber Constitutiiones Apostolicae  (dıavafsıug 
oder Hıasayai zwv amoosalay) und der Canon. Apostolor, 
(xavöveg Tür arsoozöAuy) hefannten, dem Clemens Romanus 
ald Sammler untergefhobenen Schriften von befonderer Michtig: 
keit 9. Auch einzelne Stellen in Schriften von Nichtchriſten e) in 
Beziehung auf die frühere Kirche find zuweilen von Wichtigkeit. 


a) Das Anführen ber griechifchen Kivchenhiftoriter, fo wie has Aus 
sichen von Beweisftellen ‚aus. benfelben und, hin und wieder bie 


Die chriſtlich⸗ kirchliche Alterthumswiſſenſchaft ꝛc. 711 
kritiſche Würdigung derſelben, wird man in dieſem Hanbdbuche nicht 
vernachlaͤſſiget finden. 

b) Hierher gehören bie von uns hin und wieder angeführten Biogra⸗ 
phien aͤlterer berühmter Kirchenlehrer, z. B. des Antonius (in Bes 
ziehung auf das Moͤnchsweſen) von Athanaflus, des Gregor aus 

Nazianz vom Presbyter Gregor, des Ambrofius von feinem Freun⸗ 
de und Zeitgenoſſen Paulinus, des Ehryſoſtomus von Neander u. a. 

e) Märtyrer und Heilige, -f. die "Artikel Märtyrer und Märtyrerfefte 
in der chriſtlichen Kirche Acta Martyrum 3r Bd. p. 272 ff. und 
befonders p. 274. Hagiolatrie 2r B. p. 260 ff. Legenden Sr ©. 
p- 145 ff., def. Acta Sanctor. p. 187. _ - | 

d) Die befondern Schriften, als einzelne Monographien berfelben und 
größere ergegetifhe und homiletifhe Werke, die von ihnen berrühs 
ven, Don dem Gebrauche der Patrum giebt faſt jeder einzelne 
Art. Zeusni. 

e) Die wichtigften findet man angeführt und beurtheilt Im Art. liturg. 
‚Schriften St B. p. 245 ff, bei. p..250—260 f. 

7) Sie find erwähnt, befchrieben und gewürdigt im Art. Liturgien 
83 3. p. 206 f. | J 

) Man erinnere ſich Hier an den Brief des Plinius an Trajan, an 
Julians Briefe, an gelegentliche Aeußerungen griechifcher und roͤmi⸗ 
fcher Profanferibenten, deren mehrere am betreffenden Orte in bies 
ſem Handbuche angeführt find. - \ 


, $. 5 
Sweite GStaffe 
Zu den bierher gehörigen Quellen zweiter Glaffe find zu rech⸗ 
“nen: A) Die rein kirchlichen Urkunden, wie bie Acten 
und Verordnungen der allgemeinen (öfumenifhen) und, ber Provin- 
ialfgnoden ®), die epistolae canonicae der ovientalifhen Kirchen: 
—* b), bie Lehrſchreiben (Epp. Decretales) der roͤmiſchen Bis 
ſchoͤfee) und die Liturgien der alten Kirchen‘), B) Weltlidye 
Urkunden, in foferh fie die Kirche betreffen, wie bie roͤmiſch⸗ 
Faiferlihen Verordnungen e). Hierzu Tommen nod bie Kirchen 
und Staatögefege zufammenftellenden und vergleihenden Samm⸗ 
Iungen, nebit den Gommentatoreg und Epimgtoren des 11—14. 
Jahrhunderts. 
a) ©, ben Art. Spnobalverf. in der chriſtl. Kirche Ar B., befonders 
. P. 4 1 ff. ' 
. b).©. den Art. Briefwechſel im chriſtl. kirchl. Leben der erſten Jahr⸗ 
hunderte, bef. p 279. . | 
©) Zuerſt gefammelt von Dionyfius. Eriguus (nach dem Anfange bes 
6, Jahrh.) im zweiten Theile f. Sammlung ber Kirchengefege, Ed. 
G. Voelli et Justelfi Biblioth, jur. canon. veter, Par. 1661. 
Fol. Tom. I. p. 101 .seggq. 4 .’ 
8) ©. den Art. Liturgien und. bie dort verzeichnete Literatur Über die 
Liturgien der verfchiedenen Kirchenſyſteme 5x B. p. 202 ffı 


TIB Die qeiſtich - dahäh/ Alueetpumnbsifenfiaft r. 


e) Dec Codax Theodosjanus (} 458) cum eomm. J. Gethafred. 
ed. 3. D. Ritter. Lips. 1736. 6 Tom. Fol. 

£) Der Nomscanon des Patriarchen Photius (um 880) in Tit. XIV. 
mit den Comsmentaren des Zoneras und Balsamon in der Bibl. 
juris can. Tom. IL ' 

8) Die hierher. gehoͤrige Literatıse theils bei Winer, theils in Kthein 
waelds Acchäojogie p- 10. Rr, 8. is ben Noten. 


%. 6. 
Dritte Elaffe " 


Was nun die‘ Qüellen der dritten Claſſe betrifft, fo kann man 

zu ihnen rechnen bie Firchlichen Gebäude“), fodann die Grabma⸗ 

b), die Inſchriften e), Münzen) und andere Werke der Plaſtik e), 
fofern fie für Kirchliche Zwecke beflimmt waren. 


&) Bergl. den Art. Kirchengebaͤude 2r B. p. 866 ff. und die dort 
verzeichnete Literatur. 

- b) Mehreres über die Coͤmeterien und Sarkophagen, in wiefern fie 

von früherer Sitte und Kunft zeugen, ift im Act. Sinnbilber Lt 

Bd. bemerkt worben, besgleihen auch im Art. Verſtorbene IV. 

p- 604 f., und befonders im Art. Malerei Br Bb., wo p. 291 f. 

von ben Cömeterien handelt. 

e) S. im Art. Schreibetunft den Abſchn. Epigraphik, und auch ba, 
wo bie Kirchengebäude nach ihrer innern Verzierung gefchildert werden. 

d) In wiefern die Muͤnzpraͤgekunſt für frühere Sitte und Kunft Zeug: 
niß ablege, davon iſt in dieſem Handbuche oft die Rede geweſen, 
z. B. im Art. Kreuz Sr B. p. 181. Art. Kunſt 8r B. Art. 
Sinnbitder im chriſtlich⸗ kirchlichen Kunſtleben. 

e) Dan vergl., was wir unter andern im Art, Malerei über Moſalk, 
Anaglyptik, Bas» und Hautteliefs erinnert haben. 


& T. 
Kuͤrzerer ober längerer Zeitraum, auf welchen man bie Bauer bes chriſtlichen 
Atertbums beſchraͤnkt. 

Der Zeitraum, auf den man die Dauer bed chrifilichen Alters 
thums beſchraͤnkt, iſt Höchft verfchieden beflimmt worden. Der 
Anfangspunkt der kirchlichen Arqurlog iſt der Natur der Sache 
nach dahin zu ſetzen, wo die erſten Spuren einer eigenthuͤmlichen 
Entwidelung des Firhlihen Lebens ber Ghriften yum Worfchein 
kommen. ie Beſtimmungen ber Archaͤologen in Beziehung auf 
‘den Endpunkt (terminus ad quem) weichen in der Art von einan⸗ 
der ab, daß. Die einen die Grenze in den Anfang bed 4. Jahrhun⸗ 
derts (Zeiten Gonftantind) fegen, andere fie in bie fpätern Zeiten 
des Mittelalterd (Gregor VII. ober bis zum 12. Jahrhundert), ans 

dere fogar ind 15. Jahrhundert herabrüden. | 
Wir find in diefem Handbuche denjenigen Archaͤslogen gefolgt, welche 
auch noch das Mitelalter zu dem Hılflichen. een, 


Die chriſtilich⸗ Pliedjliche Alterthumswiſſenſchaft ꝛc. 713 
theils weil, wenn man ſich auf einen fruͤhern engern Balttaum 
beſchraͤnkt, geroifie wichtige kirchliche Erfcheinungen gar nicht berührt 
werden koͤnnen, theils well wie, fo weit es moͤglich war, den neuen 
chriſtlichen Cultus mit den kirchlichen Einrichtungen früherer Jahr⸗ 
hunderte vergleichen, und befonders den mohlthätigen Einfluß ber 
Reformation. nachweifen wollten. 


| ER | | 
Geſchlchte ber Bearbeitung ber klrchlichen Archaͤelogie. 


Ein die ſelten beſtritten worden iſt, war immer die, 


e Anficht, 
‚bag die Geſchichte ber alten Kirche die befte Lehrmeifterin für die 


neue Kirche fei, und daß man in Lehren und Gebräuchen Beine 
beffern Mufter finde, als in ben erſten fünf oder ſechs Jahrhunder⸗ 
ien dee hriftlichen Zeitrechnung. Hierin flimmen Kathoitten und 
Proteftanten überein, und weichen nur in Beantwortung ber Frage 
ab: ob bie Ausſpruͤche unb Einrich ber alten Kirche als Ges 
ſetz oder nur ald Beiſpeil und Empfehlung zu betrachten find. Wie 
verſchieden nun auch beide Kicchenparteien biefe Frage beantwortes 
ten, fo hatte dieß doch auf die wiflenfchaftlihe Bearbeitung des 


Sriftlichen Alterthums Beinen Einfluß. Die kirchliche. Archäologie 


murde beſonders feit der Mitte bed I6ten und im 17. Sahrhundert 
ſowohl als abgefonderte Disciplin in umfaffenderen Werken, ald auch 
in einzelnen Monographien vielfeitig bearbeitet, wobei freilich ber 
Mangel an kritiſcher Sichtung und bad MWerwechfeln früherer und 
fpäterer Zeitalter mit einander zu bedauern if. Dieß geſchah zu. 
erft von proteftantifchen Schriftftelern, dann auch von katholiſchen e). 
a) Die hierher gehörige Literatur ſowohl für die proteſtantiſche als 
roͤmiſche Kirche in Winers Handbuche der Literatur S. 606 fg., im 
Auguſti's Lehrbuche und in Rheinwalds Archäologie. 


8§. 9. 
Bernachlaͤfſtgung dieſes Stubiums während einer laͤngern Belt, 

Bu bedauern iſt es, daß, Indem bie dlaffifche Archäologie im 
Laufe der neuern Zeit in Deutichland HRiefenfortichritte machte, die 
firchlichen Antiquitäten faft ganz in Verfall geriethen. Seit Bingham 
(die Tateinifche Ueberfegung feines Werks erfchien in der Mitte des 
vorigen Jahrhunderts) ift Bein einziged Wert von Bedeutung in 
biefem Fache erfehienen, und bie neuere Literaturgefchichte liefert im 
Anfehung dieſes Artilelö, wenn man etwa einige Monograpbien 
abrechnet,, ein befländige® Vacat. Nicht einmal ein neued Compens 
dium zu akademiſchen Vorlefungen ift feit mehrern Decennien ers 
fhienen, und dieſe felbft fehlten feit längerer Zeit in den Lectionds 
catalogen und Hoͤrſaͤlen faft aller deutſchen Univerfitäten. Deſty 
ruͤhmlicher iß der Eifer in der neueſten Zeit für dieſen Zweig ber 
biftorifchen Theologie, und Männer, wie Schöne, Augufli, Rheins 
wald und in der xömifchen Kirche Binterim verdienen für ihre ums 
faſſendern Werke alle Achtung. Auch ift unfre Zeit nicht arm an 
einzelnen gründlichen, hierher gehörigen Monographien. Zur nähern 





714 Die chriſtlich⸗ kicchliche Aertfumsiwiffenfähaft 1: 
Kenntnig dieſer Werke und Meinem Esciften führen ff ale im 


biefem Handbuche enthaltenen Art 


-& 10 
* Anordnung und Wertheilung bes Gtoffes, 

Als fchwierig bat man immer bie Anordnung ded Stoffes für 
die chriftlichs firchliche Religionswiſſenſchaft angelehen, und verſchie⸗ 
den find faft von jedem neuern Bearbeiter der kirchlichen Archaͤolo⸗ 

ie die leitenden Ideen beftimmt worden, nach welchen fih das 
Lanze zwedmäßig und logifch vertheilen läßt"). Allein theils hat 
der Verfaſſer Feine dieſer vorgefchlagenen Ideen fo fireng Iogifch 
gefunden, daß man bei allen einzelnen Gegenfländen gar feine Be: 
denklichkeit haben dürfte, wohin fie zu verweifen feien, theild glaubt 
er auch, daß das Einzelne bei jeder leitenden bee, wenn fie nur 
nicht ganz unglüdlich gewaͤhlt fei, gründlich doͤnne bearbeitet werde. 


e) &, Schönes Gefhichtsforfhung. 1e.-B. p. 9—11. Rheinwalds 
kirchliche Archäologie, Einleitung $. 5. Böhmer cheiftlich ⸗ kitchliche 
Alterthumswiſſenſchaft 17 3. p. 8 ff. 


% 1k 
Urfaden, warum bie alte Gintheilung in heilige Derfonen, Drte u. ſ. w. in 
dieſer Darſtellung beibehalten worden iſt. 


Er hat ſich daher fuͤt die aͤltere Eintheilung, wie ſie Baum⸗ 
"garten in feinem Handbuche wählte, und Auguſti. nachahmte und 
verheſſerte, entfchieden. Sie ſcheint theils an ſich manches Empfeh⸗ 
lenswerthe zu haben, theils ſtimmt fie auch mit dem kirchlichen 

Sprachgebrauche übereig, wo alles, was ſich auf öffentliche hriftliche 
‚ Sotteöverehrung bezieht, mit dem Namen heilig bezeichnet wird. 
Mir theilen darum das Ganze in ſechs Hauptabſchnitte, überfchrie= 
ben: I. Heilige Perfonen, El. Heilige Orte, III. heilige Zeiten, 
IV. Heilige Handlungen, v. heilige Sachen. Nach dieſer Einthei⸗ 
fung ſcheinen wenigſtens die Kragen: Wer — wo — wann — 
wie — wodurch? angewendet auf das Material der kirchlichen Alter⸗ 
thumswiſſenſchaft in einer genauern Verbindung z eben. Der 
Vite Abſchnitt, der. hriftlich s Eircplichen Kunft s Archäologie gewidmet; - 
bildet dann einey für fich beſtehenden Theil. 








Die Geil) kicchüche Aertfumwiflerihaftx. 738 


Erſter Abſchnitt. 


Von den heiligen Perſonen, 
oder von den Mitgliedern ber chriſtlich kirchlichen 
Religfonsgefellfhaft nach ihren verſchiedenen Verbält: 
niffen, bedingt durch eigenthümliche kirchliche Einriche 
sungen, buch befondere Zeitmeinungen, Schickſale der 
Kirche, VBerfaffungsformen und MWohnländer, 


Gap, J. 


Bon ben urgemeinden bes Chriſtenthume, von ben verſchie 


denen bebeutungsvollen Namen ihrer Mitglieder im Alter 
thume und von ber fon früäben Ausfheibung ber fogenannten 
Laienchriſten. 


§. 1. 
"@ine eigentliche Gemeinde hatte Jeſus noch nicht geſammelt, dieß geſchah erft 
nach ſeiner Auferſtehung. 
Indem Jeſus in ſeinem Vaterlande als Begruͤnder einer neuen 
und veredelten Religionsverfaſſung auftrat und wirkte, war, genau 
genommen, die Zahl ſeiner Anhaͤnger gering, und was man eine 
Gemeinde nennt, fand bei feinen Lebzeiten noch nicht Statte). 
Nach feiner Auferfiehung erft bildete ſich eine ſolche. Bei einer 
Zuſammenkunft, veranlagt durch die Wahl eined neuen Apofteld an 
die Stelle bed Judas Iſchariot, ergab fi), daß ber Stamm biefer 
‚Gemeinde fiy ungefähr auf 120 belief, eine Zahl, die ſich aber 
fhon am erften chriftlihen Pfingfifefte um Zaufende vermehrte und 
von da an immer mehr zunahm, da dieſe erften Freunde Jeſu durch 
ihre reinen Sitten, wie durch ihre Theilnahme an dem Schidfale 
ber Armen großen Anhang im Volke fanden b), —— 


a) S. ben Art. Chriſten ir B. p. 404. 
b) Ibid. p. 405. - 


\ 


% 2 
Das GChriſtenthum fiheibet fi felbftftändig vom Judenthume aus. 


Wäre diefe in Serufalem gefammelte Gemeinde nicht beunrus 
bigt und felbft blutig verfolgt worden, fo hätte bie Apoftellehre 
vielleicht nur ein verbefierted und veredelted Judenthum bewirkt, 
und ‚wäre im Kreiſe diefed Volks geblieben”). Allein diefe Verfol⸗ 
gung ſchreckte die Apoftel auf, fo daß mehrere außer Zerufalem an 
entferntern Orten ihren Wirkungskreis fuchtent). Hierzu kam dad 
unerwartete Wirken eined Paulus für die Sache bed Chriſtenthums, 
ber die cosmopolitifche. Tendenz bed Chriftenthumd wohl bes 


griff und hei feinem begeifterten Miffiondeifer in der Zudens und. 


Heidenwelt halb geltend machte, wodurch fi ber Univerfalis 


[ 





716 . Die eifliä) «kirchliche Alterthumswiſſenſchaft ꝛ. > 


mus bed Chriſtenthums, verglichen mit dem Partilularismus 
der mofaifchen Religionsoerfaſſung, bald gluͤcklich herauöftellte =). 
a) ©. den Art. Chriften 11 B. p. 404. 
b). Ibid. p. 406. — 
c) Ibid. pe 405 und 6. Noch ausfuͤhrlicher und mit Hinweilung 
auf die dazu gehörige Literatur 46 B. p. 205 und 4. 


. 3. 
Urgemeinden ber Bekenner Jeſu. 


Die von ben Apofteln gefammelten chriftlihen Vereine find 
ald die Urgemeinden der Belenner Yefu anzufehen. Anfangs war 
‚ unter ihnen bie Idee einer edeln menſchlichen Verbrüderung vor⸗ 
berrfchend- und fie betrachteten ſich ald Gliedet eined Körperd, von 
welchen Jeſus dad Haupt wäre und an deſſen Erlöfung fie alle 
gleichen Antheil hätten“). ‚Ihre Lehrer und Worfteher genoſſen zwar 
hohe Achtung, wurden aber noch nicht ald ein befonderer Stand 
angefehen und Angelegenheiten der Gemeinde wurden gemeinſchaft⸗ 
lich verhandelt). Demokratie in der Kirche.) ' 


a) S. den Are. Chriſten 17 B. p. 406. 2 B. p. 456 und 57. 
- - 8r B. p 2 und 8. 


g§. 4. 
’ 
Die Namen derer, bie zu ben früheren Gemeinden gehörten, 


Nicht ganz mit Stillſchweigen find bie Namen zu übergeben, 
welche bie frühern Mitglieder der chriftlichen Religiondgefellichaft 
erhielten und zwar im R. 2.) oder ald Bezeichnung chriftlicher 
Bildung und Tirdjlicher Eitteb), oder auch ald Spott: und Ehren⸗ 
namen‘). Denn aus ihnen kann man zum Theil den edeln fittlis 
Gen Geift abnehmen, ber biefen Berein belebte, zum Theil auch 

die Einrichtungen und Bildungsſtufen bei den fruhern Belennern 
Jeſu, fo wie den -gehäffigen oder günftigen Ruf, in welchem fie bei 
ihren Zeitgenoffen ander ‚Keiner aber von biefen Namen ift ide 
tiger geworden und hat bis auf unfre Zage feine weltgeichichtliche 
Bedeutung behauptet, ald der Name Xgsozsavoı, Chriften‘). 


a) ©. den Art. Chriſten 17 B. p. 407. 
b) Ibid. p. 40911. 0) Ibid. p. 411—15. d) Ibid. p. 408-9, 


8. 3. 
Es bildet ſich allmaͤhlig ein Lehrer⸗ und Kirchendienerſtand, bem bie übrige 
Maſſe ber Belenner Jeſu unter dem Namen ber Laien entgegengefegt wird. 


Allein das brüberliche Verhaͤltniß der Chriften zu einander, in 
dem mar fi) nach dem Maßſtabe einer fittlichıreligiöfen Gleichheit bes 
trachtete, dauerte nur fo lange, als die Gemeinden noch Klein was. 
ren. Als aber die Chriftenmenge überhaupt wucht und die Ges 
meindeverfaffung eine beftimmte und fefte Geflalt gewann, wuchs 


Die chriſtlch⸗ Eirchliche Alcerchimowiſſiſchaft x. 717 


anch bad Anfehen der Sxhrer und Worſteher, umb fie fingen an, . 
ſich als ausgezeichnete Perfonen zu beirachten *). Tertullian if une 
tee den Kirchenſchriftſtellern der erſte, weder einen Unterſchied 
zwilchen dem Gtande ber Behrer und ber übrigen Gemeinbeglieber 
macht; denn er nennt jene Orde, diefe Plebs (Audg), höchſt mans 
effen waren diefe Ausdruͤcke. Sie dradgten die beiden Brände 

in Gegenſatz mit dnander und zeigten den Lehrern gleichfam den 
‚ wie fie nach Herrſchaft ſtreben follten®). Auch das Erbtheil 
xiAnoos, woran zur Apoſtelzeit alle Mitgliedes ein Mecht halten, 
igneten id di Echter und Vorſteher zu, denn fie hannten 
Aid Glerici, iker, und ſchloſſen die übrigen Glieder, weiche 
“on im 1. und 2. 


8) S. den Art. Chriſten p. 406. 
b) Ibid, p. 406, 
e) ©. den Art. Klerns 5: B. p. 2 mb 8. 


$. 6, 


Diefer unterſchieb Wider ſich Immer ſchaͤrfer aus, ſelbſt als Bas Tatechumenat und 
andere aͤhnliche Erſcheinungen im chriſtlich⸗kirchlichen Leben bemerkbar werben. 

Die große Scheidewand in ber chriftlichen Kirche zwiſchen 
Blerus und Laien bildete ſich unvermerkt auch da fort, als 
eigenthümliche Erfcheinungen auf dem Gebiete des chriftlich » fircylis 
chen Lebens noch andere Unterſchiede besbeiführten, veranlaßt z. B. 
durch dad Catechumenate), die Märtyrerb) und die Poenitentes°). 
Fa man kann behaupten, daß zum Theil mit durch diele Erſchei⸗ 
nungen ber Einfluß des Klerus wuchs. Eine mwefentliche Werändes 
sung in dem Perfonale der hriftlichen Religionsgeſellſchaft ping (dom 
mit dem Beginnen des Catechumenats bor. Wie leicht ed au im 
apoftolifhen Zeitalter und in der Zeit unmittelbar darauf wit, als 
Chriſten aufgenommen zu werben d), fo trafen doch mit dem Lten 
Jahrhundert befondere Gründe ein und es bilbeten ſich Einrichtun⸗ 
gen, z. B. die Disciplina Arcani, bie eine längere Vorbe⸗ 
reitung,, ehe man zur Zaufe gelaffer wurde, nothwendig machte *). 


a) S. den Art. Catehumenat Ir B. p. 504 ff. 

b) ©. den Art. Märtyrer Sr B. p. 272 ff. 

e) ©. ben Art. öffentl. Buße (Poenitentia publica) 1r B. p. 287 ff, 

4) ©. den Art. catechetifcher Unterricht 18 B. p. 344. | 

e) Ibid, p. 544 und 45, wo die Urſachen bes ſich bildenden Gates 
chumenats aufgezählt find, 








_TIB: Die hriftiäh-Bicchliche Altertfumibtofffenfähaft c. - 

kirchlichen Botteßverehrung ‚wichtige Weränberungen bevor. Wenn 
zeither nur eim Name, ber Name Chriften, alle Mitglieber ber 
Kirche Jeſu bezeichnet hatte, ſo unterfchieb man nun Christiani 
"Fideles*) und Christiani Catechumenib), Jene, die eigentlichen 
Actiochriften, genoſſen geile Vorrechte, Ehrennamen und befonbere 
Auszeichnungen durch bie Missa Fidelium°); dieſe mußten fid) 
einer kuͤrzern ober laͤngern Vorbereitung bis zur Kaufe unterwerfen, 
und. traten nur erfi nach gewillen Meceptionsgebräuchen, unb wenn 
fe eigenthümliche Stufen durchlaufen hatten, in dad Serfonal ber 


ivchriſten ein und während der Dauer diefer Vorbereitung war 


auch die Außere Form des Öffentlichen Gotteödienfles für fie beſon⸗ 
ber& berechnet (Missa Catechumenor.) 9). 
8) S. den Art. Chriften Ir B. p. 415. Ne. IV. überfchrieben: Die 
j ſes mannten Fideles ober Activchriſten In einer beſondern Zeitdauer 
p- 415 — 17. 
b) Ueber die Namen, bie Meceptionsgebräuche, bie Abflufungen Der 
Catechumenen, Über ihre Beſtrafung und Theilnahme an der kirch⸗ 
a rsuenbrung, ‚vergl. ben Art. -Catehumenat Ir B. p 


.c) ©. ben Art. Cultus ber Chriften Ir B. p. 478, 


d) ©. den Art. Gebet 2: B. p. 176 fi, Form des öffentlichen ges 


meinfchaftlihen Gebete, A) in ber Missa Catechumenorum und 
B) in der Miasa Fidelium. 


g. 8. | . . ‚ 
Aufhoͤren beffelben. 

Eigenthuͤmliche Urfachen wirkten darauf ein, daß daB Catechn⸗ 
menat gegen dad Ende des Sten und zu Anfange bes 6. Jahrhun⸗ 
derts aufhoͤrte ). Deſſen ungeachtet hatte ed doch während feiner 
Zeitdauer einen wichtigen Einfluß geäußert und eine Anzahl gewiß 
lödlicher Gebräuche fchreiben fi von biefer kirchlichen Einrichtung 
her b). Am wenigften wurde dadurch die Scheivemand zwifchen 
Klerus und Laien aufgehoben, ja fie hatte ſich felbft jetzt noch bes 
merkbarer heraudgeftellt °). | | 

e). ©. den Art, Catechumenat Ir B. p. 372. Pr. V., überfährlebent 

Urfahen, warum, und ungefaͤhrer Beitpunct, wann dad Catechu⸗ 
menat aufhörte, 

b) Ibid. P. 372 — 74. 

e) S. den Art, Chriſten Ir B. p. 406. 


. 9. 
Miärtyren - 


Das chriftliche Geſellſchaftsperſonale des Glerus, wie ber Laien, 
erhält in ber Zeit der verfolgten chriftlichen Kirche eine Chriftenzahl, 


bie befonbere Aufmerkſamkeit erregten, nämlih die Märtyrer | 


Indem fie für ‚die neue Anbetungöweile Ehre, -Eigentbum, ja feibft 


> f 





.Die chriſtuch: kirchliche Alterthumswiſſenſchaft ac. 719 
Das Leben aufopfern, betrachtet man fie mit: doher Ehrfurcht. Ihr 
Mame, ihre Eintbeilung, ihre Verehrung if für den chriftlichen 
Cultus in mehr ald einer Hinſicht wichtig, aber auch vielfach nachs 
theilig geworben ®). 


a) ©. die Art. Märtyrer und Maͤrtyrerfeſte im Cultus ber frühen. 
Chriften 3r B. p. 277285, und die Beziehungen auf fie in meh⸗ 
ven andern Artikeln, 3. B. Hagiolatrie, Rellquien,. Kirchenges 
bäude u. ſ. w. | | 


g. 10. | . 


Buͤßende, Poenitentes, 


Ehen dieſe DVerfolgungen riefen auch eine andere Gattung 
von Chriften ind Dafeyn, gnaleich mit einer gewiffen Disciplinar⸗ 
anftalt; ed waren dieß die Poaenitentes (Buͤßenden). In der Vers 
folgungszeit nämlih waren Manche wegen der ihnen brohenden 
Gefahren vom Chriftentbume abgefallen. ie erhielten im üllges 
meinen den Namen Lapsi, oder auch fpeeiellere Bezeichnungen, 
je nachdem fie Ähre frühere Stellung ald Chriften entweiht haften. 
Penn dieſe nun nach vorübergegangenen Verfolgungen, wieder als 
Chriften aufgenommen zu werben wuͤnſchten, fo mußten fie fi) ge⸗ 
willen Buüßungen unterwerfen, wovon fie, fo lange Diefelben bawers 
ten, den Namen Poenitentes gidten 2). Die Faͤlle waren genau 
beftimmt, weshalb man foldhe kirchliche Strafen verhängen zu muͤſ⸗ 
fen glaubte). Es fanden Kiaffereintheilungen der Buͤßenden 
‚ Statt). Sie wurden unter eigenthümlihen Gebräuchen wieder 
aufgenommen), und biefe Poenitentia publica nahm nach Aufs 
hören der Verfolgungen eine Seftalt an, die ich befonderd in ber 
Hierarchie ded Abendlanded während des Mittelalters eigenthuͤmlich 
ausbildete*) und noch einmal weiter unten berührt werden wird, 


a) 5 rs Art. Buße (öffentliche), Poenitentia publioa ir B. p. 


b) Ibid. p 290. , ce) Ihid, p. 298. 4) Ibid. p. 296, ve) Ibik 
p» 300 ff. 


” F. 11. 
Energumenen. 

Noch eine Gattung bes khrchlichen Geſellſchaftsperſonals nennt 
das chriſtliche Alterthum, der es in der Zeitdauer des 2ten bis mit 
Ablauf des 5. Jahrhunderts Aufmerkfamkeit widmete; es waren bie 
jogenannten Energumenen‘). Man verband damit einen eigens 
thuͤmlichen Begriff), . behandelte fie kirchlich und koͤrperlich auf 
befondere Weife“), und bie Fragen Aber dad Aufhören der Energus 
menen, fo wie über die Machrichten von benfelden im cheiftlichen 
Alterthume gehören mit zus ben ſchwierigſten, aber auch intereffans 
teften d). Denn nun auch bie zeither genannten Märtyrer, Poͤni⸗ 
tenten und Energumenen einzeln auch zu bem Clexus gehören konn⸗ 


® 


720. Die chriſtlich⸗ kirchliche Alterthumswiſſenſchaft x. 


ten und wirklich gehörten; To konnte doch der Natur der Soche 
nach ihre Zahl aus dem Cerus ‚weit geringer ſeyn, als aus dem 
Laienchriſten, weshalb wir fie unter der Rubrik der letztern gleich 
mit erwähnt haben. 

&) ©. den Art. Energumenen 2: B. p- 29 ff. | 

b) Ibid, p. 80. ec) Ibid. p. 32—39, d) Ibid. p. 8344 - 89. 


Gap. IL 
Bon bem Glerus im Allgemeinen unb von ber Abflufung beiz 
ſelben in einen böhern und niedern Slerus, fo wie von eint 
gen Yuncten, bie in Beziehung aufbenfelben für beſonders 
wichtig erachtet wurben, 


8. 1. 
Elerus im Allgemeinen, u 
Wie fih ein chriftlicher Lehes und Kirchenbienerfland bilben 
konnte, von dem man glaubte, daß er Gott beſonders angenehm 
fei und hohe Werehrung verdiene, bavon laſſen fi die Urfachen 
leicht auffinden ). Daß der Name diefed Standes, LClerus, von 
xAnoog abftamme, ifl unleugbar; nur muß man dabei mehr dem 
bibliihen, wie dem Profan prachgebrauch folgen?) In wiefern 
eſus duch die Wahl und Bildung einer Zahl von Schuͤlern gleichs 
m ben Grund zu einem: hriftlich « firchlichen Lehrſtande legte, dar⸗ 
über ift in dem Artikel Apoftel Dad Noͤthige erinnert worden <). 
Nur haben wir bier zu bemerken, daß das kirchliche Lehrers und 
Kirchendienerperfonal in ber chrifllichen Urgemeinde viel Aehnliches 
mit bem Perjonale in der jübifchen Synagoge hatte, und daß wir 
bier Beamten finden, die mehr eine bleibende Stelle bei ben Ge⸗ 
meinden hatten, ald Biſchof, Preöbyter, Diatonus und Diaconifs 
nnen, von benen einzeln fogleih Die Rede feyn wird. Andere 
N. J. genannte Männer können mehr ald außerordentliche Leh⸗ 
rer im apoffolifegen Zeitalter mit ambulatorifhem Beruf angefeben 
, werden, wohin die Apoſtel im engem Sinned), die Propheten ®), 
die Evangeliften?) gehören. | 
8) ©. den Art. Klerus EB. p. 1 ff, Sf. 
b) Ibid. p..2. | PF' 
0) So den Art. Apoftekh I. 
d) S. den Gefammtart. Apoſtel. I. p. 123. 
e) S. den Art. Propheten 4t B. p. 260 - 51. 
) ©. den Art Evangelifien Ze B. > 51 wab 62. 


$ 2. 
Qetus major unb minor, 

m o italter di 
nn en Bi ae 19 Sek, 
sechnete man nur zu bemfelden Biſchoͤſe, Presbyter, Dlaconın; 

3. und 4, Jahrhundert aber behnte man dieß Wort auch anf eb 





- Die Gifte Bohlihe Alergumäuifnaft. Tai 


rere Kirchendiener aus, und ed bilbete ſich bald ein Olerns major 
und minarb). Das vermehrte Gepränge mit aͤußern Geremonien, 
eigenthuͤmliche Schidfale der Kirche und befonderd Zeitmeinungen 
bewirkten biefen Unterfchied mit. Die Abflufungen bed Klerus 
nannte man ordines und unterjchieb bald majores und minores 
ordines, welche mit einiger Abweichung bie beiden großen Kirchen⸗ 
ſyſteme im Abend» und Morgenlande beibehalten haben. Im Pros 
teftantismus, die hohe bifchöfliche Kirche außgenommen, Tennt man 
ſolche Abftufungen der Geiſtlichen nicht), und ed ift nicht uninters . 
effant, in diefer Beziehung vergleichende Rüdblide aud unfern Ta⸗ 
gen auf die des chriſtlichen Alterthums zu thund). | 

a) ©. den Art. Klerus St B. p 5. | 
b) Ibid. p. 3. und die verfchiedenen ordines zum Clerus major und _ 
minor gehörig im Abend» und Morgenlande ibid. p. 6 und 7. 


5. 3 
Clerus major und befien Abflufungen, 

Was nun den Clerus major betraf, fo fland an ber Spitze 
befielben anfangs der Biſchof, der bald den Worzang vor dem faſt 
gletchgeftellten Yresbyter erhielt“). Vieles vereinigte fi, was feine 
Stellung fo wichtig machte), und ihm kamen vom 2ien bid Aten 
Jahrhundert die wichtigften Amtöverrichtungen zu‘). In jener De- 
siode flufte fih aber auch dad Epiflopat, welches zeither die hoͤchſte 
kirchliche Würde geweſen war, wieder verichieben ab, und ed entitags 
ben nun, vom Epiflopate ausgegangen, bie amtlihen S en, 
Metropolitend), Patriardhen®), und endlih im Abend: 

+ lande bie kitchliche Monokratie des Papſtes). Won diefen handeln 
bie unten angeführten befondern Artikel und geben zugleich an, in 
wiefern diefe kirchlichen Aemter noch in unfern Tagen fortdauerne). 
In dem Papalſyſteme bildet ſich wieder eine neue Gattung hochge⸗ 
ſtellter Kirchenbeamte unter dem Namen der Rarbindleb). 

a) ©. den Artikel Bifchöfe In der chriftlichen Kirche Ir B. p. 229, 

b) Ibid. p. 245 ff. Ne. VL, überfchrieben: Urfachen des fleigenden 
Anſehens der Biſchoͤfe. 

e) Ibid. p. 282. (Ueberhaupt belehrt dieſer Artikel noch uͤber man⸗ 
ches Andere, was die Biſchoͤfe betrifft.) 

d) S. den Art. Metropoliten Sr B. p. 410. 

e) ©. den Art. Patriarchen 4r B. p. 195 ff. - 

f) &. den Art. Papalfpftem. 

8) ©. den Schluß der angeführten Artikel. . 

h) S. den Art, Cardinaͤle ir B. p. 329 ff. 


§. 4 
Chorepiscopi. 


Dog es in der alten Kirche ein eigened Amt von Chorepi- 
 s00pis oder Landbifchöfen gegeben habe, ift ald eine audgemathte - 
Siegel Sandbuch IV. 46 


728 Die chrifitich = kirchliche Aterthumswiſſenſchaft x. 


Sache anzunehmen, obgleich mehrere archaͤologiſche Schriftſteller fie 
fuͤr eins mit den Presbyteris halten. Auch waren fie, obgleich 
den Bifchöfen untergeorbnet, doch mehr ald bloße Vicarien umd 
Sommiffarien derfeiben. Allein wir finden bald im Morgens wie 
im Abendlande ein gefliffentliches Beſtreben von Seiten der Bifchöfe, 
diefelben zu unterdrüden. Im Oriente waren fie gewöhnlicher, al 
{m Decidente, wo fie auch ſchon mit dem 9. Jahrhundert aufbörten 
und in Periodeutas oder Visitatores übergingn. Man 
hat fie nicht unpaflend mit den jegigen Tatholifhen Debanten und 

zprieftern und den proteftantifchen Specials Superintendenten und 
Kircheninfpectoren verglichen). 


a) S. den Art. Chorepiscopi ir B. p. 887 ff. 


$. 5 
Presbyter.. 

Die Presbyter, anfangs in gleichem Range mit ben Wis 
Thöfen, nahmen bald eine untergeordnete Stelle ein, wobei fie aber 
immer noch angelehene Kirchenbeamte blieben, welche viele Sefchäfte 
ber Biſchoͤfe ald deren Stellvertreter verrichteten®). Nom dritten 
Serulum an liebte man ed immer mehr, den chriftlichen Glerus mit 
ber jüdiichen Priefterichaft zu vergleichen, und dadurch wurde es 
gewöhnlich ‚ den Biſchof aͤhnlich mit dem Hohenpriefter, den Pres⸗ 

pter mit den Prieftern, und die untern Kleriker mit den Leviten 
ähnlich zu findend), Man bildete daraus fpater die Prieſteridee im 
ber morgen» und abendbländiihen Kirche, ſah bie Weihe dazu als 
‚ein Sakrament an, verband Damit nach dem römifchen Kirchenrechte 
einen befondern Bear, und nahm an, daß die Priefterweihe einen 
characterem indelebilem ertheile, welder ben Gölibat nöthig 
snache; eine Anficht, die noch Statt findet), aber im Proteſtan⸗ 
tismus verworfen wird). 


| a) ©. ben Art. Presbpter dr, DB. p. 225. 
by Ibid, ps 227. c) Ibid. p. 228. d) Ibid. p. 228 und 29. 
‚6 
Diaconem 
Die Diaconen, — der Etymologie nach Diener, gingen 
aus der jüdifchen Synagoge in bie chriftliche Kirche über, und was 
ren anfangs bier, wie dort, Männer, die gewille äußere Dienfte 
leifteten,. und denen die ‚Armen und Krankenpflege anvertraut 
wars), Ihr Anfehben wuchs jedoch aus Urfachen, die in gewiffen 
Ficchlichen Einrichtungen und Zeitideen zu ſuchen find, und man 
vechnete fie nun zu dem hoͤhern Klerus b). Jetzt waren ihre Firchlis 
hen, wie ihre außerfirchlihen Verrichtungen nicht unwichtig‘). 
In fpäterer Zeit fan aber dieß Anfehen wieder, und die Diaconen 
in ber roͤmiſchen Kirche find jegt nur Miniftranten bei der Mefle 
und haben in der griechifhen Kirche nur halbe Weihe. Einen ans 
dern Begriff verbindet man mit den Diaconen in der proteflantis 
| ſchen Kirche >) Gr Ä . 








L 
v y 


Die qhriſlich »Brchlihe Alteethamdmifterſchaft c. 728 


a) ©, den Art. Disconus Ir B. p. 496. | 
b) !bid. p. 498 f. c) Ibid. pe 500--%- d) Ibid. p. 608 ff. 


7 
Archldiaednen. 
Die Archidiaconen, wurden anfangs nur aus ben Dia- 
conis gewählt und als Primi inter pares dieſes Standes betrach⸗ 
tet“). Späterhin pflegte man fie aus den Preöbptern zu nehmen 
und ihnen kirchliche und außerkicchliche Geichäfte anzuvertrauen, Die 
fonft mehr den Biſchoͤfen oblagend). In dieſer Zeitperiode erlangen 
fie großes Anfehen, fo daß fie felbfi den Biſchoͤfen gefährlich wer⸗ 
den“). Sie verloren aber ſpaͤter ihr Anſehen durch Die biſchoͤflichen 
Dfficialen und um anderer Urfachen willen‘), Sept ift das Archis 
Diaconat in der griechifchen Kirche ganz erlojchen, in ber römifchen 
mehr dem Namen nad vorhanden, und bat bei den Proteftanten, 
wenn man bie bifchöflihe Kirche in England audnimmt, eine völlig 
veränderte Bedeutung *). 0 


a) ©. den Art. Archidlaconen 1r B. p. 142. 
b) Ibid. p. 143— 44, e) Ibid. p. 444—45. d) Ibid. p. 145 
—46. .e) Bid. p. 16—47. | 
8 
Bubbiaconen, 


‚Die Subdisconen find erſt im dritten Geculum gewöhns 
lich geworden“). ie waren genau genommen wieber Diener ber 
Diaconen und leifteten beim Gotteödienfte die ‚geringern Dienfte, 
welche diefe fonft verrichtet hatten). Jedoch fuchten auch fie nach 
und nad eine höhere Stellung, einzunehmen, wedhalb fie fchon 

“Gregor VII. zum Coͤlibate verpflichtete‘). In ber römilchen Kirche 
gehören fie noch jebt zu dem fieben obern Weihen, jedoch nicht zu 
den fünf erften, die Das eigentlihe Sacerdotium ausmachen d). 
In der griechifchen Kirche kommen fie unter dem Namen ber Hypo⸗ 
diaconen vor, find aber nicht zum Gölibate verpflichtet. In der 

roteftantifchen Kirche gehören fie nicht zu der niedern Geiftlichkeit, 
Tondern find ordinirte Seiftlihe, die nur darum fo genannt werben, 
wenn am größern flädtifchen Kirchen mehrere Diaconen angeftelit 
find, um damit ihre Reihefolge zu bezeichnen). 

a) ©. den Art, Subblaconen p. 408. 

b) Ibid. p.404. c)Ibid. p. 405. d) Ibid, p. 405. e) Ibid.p.408. 


6. 9. 
Clerus minor. 


-Der niebere Clerus fing an ſich zu bilden, ald man, wie be 
zeitd erwähnt worden iſt, ed immer mehr liebte, den chriftlichen 
Lehrers und Kirdyendienerftand ‚mit der jüdifchen Priefterichaft zu 
vergleichen und. als ſich die äußern Gexemonien beim Sotteödientte 
immer mehr häuften. Mehrere diefer niebern Kirenbeamten baben 





724 Die chriſtüch⸗kirchliche Alterthumswiſſenſchaft ꝛe. 
fi von ihrem Urſprunge an im chriſtlichen Cultus bis auf unſre 
Tage erhalten. Andere haben nur in größern Städten bei außer: 
ordentlichen Weranlaffungen Statt gefunden und nur eine Zeit lang 
gebauert. Noch andere find zwar früher allgemein gewöhnlich ge 
weien, aber in fpätern Zeiten wieder eingegangen. Die dahin ein- 
fhlagenden Artifel werden diefen Umſtand jedeömal genau bemerken. 
Wir zählen fie hier in alphabetifcher Ordnung auf: Afolutben *), 
Cantoren (Ptaltiften) B), Katecheten®) L Copiaten‘), Custodes ©), 
Decani?), Erorciftene), Hereneuten®), Lectoren‘), Oftiarien*), 
Darabolanen. 

e) S. I. p. 89—82. b) I. p. 320—23. 0) I. p. 3440 — 42, 
0) d) L. pP. 340 — 42. e) l. P- 460 — 62. f) I. P- 482 — 84. 
g) 1. p: 485—90. h) Il, p. 67. i) IV. p. 16668. k) IV. 

P 195— 94. . 

$. 10. 
Weiblihe Inbividuen zum Kirchendienfte, 

In der frühen chriftlichen Kirche gab ‚ed auch weibliche Indi⸗ 
viduen, die ald Kirchendienerinnen angeflelt waren, und ald Jung⸗ 
frauen und Wittwen im befordern Verhaͤltniſſe zur Kirche fanden. 
Dahin gehörten die Disconiffinnen. Gie kommen [don im 
N, T. vor. Ihre Verrihtungen waren ungefähr dieſelben, wie bie 
der Diaconen männlihen Geſchlechts, nur daß fie in fehr ſeltenen 

Faͤllen dad Lehrgefhäft übten. Sie verſchwinden in der abenbläns 
difhen Kirche ſchon im 3. und 6. Jahrhundert, dauern aber im 
Morgenlande bis ind zwölfte. Seculum. Noch einige Spuren von 
ihrem Namen und ihren Verrichtungen finden ſich in unfern Ta⸗ 
gen“). ine eigene Bewandtniß hat ed mit ben fogenannten kirch⸗ 
lichen Iungfrauen und Wittwen. Die Nachrichten find darüber im 

driſtlichen Alterthume ſparſam und Mandyed in Beziehung auf bies 
felben bleibt dunkel. Sie find. jedoch nicht mit den fpäter übelbes 
ruͤchtigten Agapeten zu verweceln®). 
a) &, ben Art. Diaconiffinnen 17 B. p. 491. Ä 
b) ©. den Art. Jungfrauen und Wittwen im Verhältniffe zur Kir 
che in dem früheflen chriſtlichen Alterthume 2: B. p. 860 ff. 


$. 11. y 

Beſondere Gattung von kirchlichen Beamten, 
- Endlich gab es auch noch eine Gattung kirchlicher Beamten, 
die nicht blos liturgiſche Geſchaͤfte verrichteten, und auch nicht ims 
mer Kleriler waren. Eine Gattung derfelben (dt fi) unter dem Nas 
men Advocati, Defensores ecolesiae umfaflen, die man wieder 
in Beamte niedern und höhern Ranges eintheilen Tann‘). Ferner 
bie Apocrisiarii oder Responsales®), die Uimeliarchae°). Im 
gewiſſen Sinne audy die bereitd erwähnten Custodes 4), bie Man- 
_ sionarii®), die Notariif), Oeconomis), Syncellih). . 
a) S. den Art, kirchliche Beamte, bie nicht blos liturgiſche Gefchäfte 
verrichteten und auch nicht immer Kleriker waren Ze B. p- 428 ff. 


be DE BES, SE , Sn SE zu & Dr I Ben 


Die Gift kichlche Aitertfuumbnifinfihaft x. 725 


b) ©. den Art. Apoerisiarius Ir B. p. 125. 
-e) ©. ben Art. kirchliche Beamte ıc. IL p. 431. _ . 
d) ir B. p. 482. e) 2r B. p. 482. 5) Ibid. p. 43254 
g) Ibid. p. 434, h) Ibid. p. 486. Ä 


. $. 12. 1 X 
Einige wichtige Punkte in Beziehung auf den Klerus. 


Hatte ſich einmal der Klerus im Perſonale ber chriſtlichen 
Neligiondgefelfchaft fo wichtig und einflußreich zu machen gemußt, fo 
darf ed und auch nicht wundern, baß manches fjc darauf Beziehende, 
theild von ihm felbft, theild auch von den Kaienchriften mit Wich— 
tigkeit behandelt wurde, Dahin gehörte die Mahl der Kleriker, die 
theild eine gewöhnliche und nach gewilfen Gewohnheiten und Obfers 
vanzen bewirkte, theild aber auch eine außerordentliche war, wobei 
man negativen und pofitiven Beſtimmungen -folgter). Ferner ges 
hören dahin der Rang, die Vorrechte und Immunität bed Klerus b), 
Nicht minder die liturgifche Kleidung) und Beſtrafung deffelben, 
wenn von ihm kirchliche Gelege und Worfchriften waren übertreten 
wordenk). Einen nicht unwidtigen Punkt machen auch bie Ouels 
len feiner Einkünfte auß*). Ueber alles dieſes findet man weitläuf: 
tigere Belehrungen in den unten angezogenen Stellen, zugleich aud) 
Ausfunft darüber, was die Reformation auf die angeführten Punkte 
für einen Einfluß geäußert habe und wie es fi) Damit in ber neuen 
Zeit verhalte. 

a) ©. den Art. Klerus oder Kirchenfehrers und Kirchendiener im Cul⸗ 
tus der Chriften 1. Abthl. SB. p. 8—26. 

b) Ibid. p. 26— 82. (Bergleihende Rüdbtide auf dieſe Punkte mit 
der Sitte und Gewohnheit unſrer Tage ibid.. p. 88 — 41.) 

e) S. den Art. Klerus zweite Abtheil. Liturg. Kleidung, Amtötracht 
deffelben 3 B. p. 42— 78. (Auch hier iſt am Schluffe das Eins 
wirken der Neformation und die neuere Sitte nachgewiefen.) | 

d) ©. den Art. Klerus dritte Abtheilung: Klerus, Beſtrafung ber 
Mitglieder deffelben bei UWebertretung der kirchlichen ‚Sefege und 
Vorſchriften Se B. p. 79 — 90. 

e) ©. den Art. Klerus, vierte Abtheilung, Quellen feiner Einkünfte 
von dem Smftepen bes Chriſtenthums bis auf unfee Tage Ir B. 
P.- — 1 J 


Cap. II. 
Bon ber Kloſtergeiſtlichkeit. 


§. 1. | 
Mönätgum nad feinem Urſprunge ‚und feiner geſchichtlichen Ausbildung. 
Die Sitte, ſich in der Einfamfeit geiftlichen Uebungen und dem 
beſchaulichen Leben zu widmen, bat ein hohes Alterthum für ſich 
und reicht weit uͤber Die Tage des Chriftentbumd hinaus“), Aus 
Apr ging in deu chriſtlichen Kirche früh ſchon bie adcetifche Lebens⸗ 





726 Die chriſtlich⸗ kirchliche Alterthumswiſſenſchaft ıc. 


„vweife hervor und aus dieſer wieder die Moͤnchs⸗ und Nonneninfti⸗ 


tute. Die gedraͤngte Geſchichte derſelben von Paulus von Theben 


bis auf Benedict von Nurſiab). Won dieſem bis auf die Stiftung 
ber Bettelorden‘). Won da an bis auf die Reformation, die eigens 
thuͤmlich auf das Mönchsinftitut einwirfen und einen neuen bergsch- 
tigten Orden, ben Sefuitenorben ‚ind Leben ruft ?), belehren die 


" angezogenen Stellen. Eingeſtreute hiſtoriſch⸗pragmatiſche Bemer⸗ 


ungen über die Zeiterfdheinung, die in der Sittengefhichte, wie in 
der Geſchichte menfchlicher Thorheiten und Berirrungen eine wich⸗ 
tige Rolle gefpielt hat, findet man hin und wicder in dieſer hiſtori⸗ 
(den Darſtellung, befonderd zu Ende ded Art, Moͤnchthums A. ©). 


a) S. den Art. Moͤnchthum Sr B. p. 5—5. 
b) Ibid. p. 7— 12. ec) Ibid. p. 12— 21. d) Ibid. p. 21— 37. 
e) Ibid. p. 40 ff. £) Ibid. p. 45 bis zu Ende, 


2. 
Inneres Mofterleben. 


Nichtet man einen Blick auf dad innere Kiofterleben, fo zeigt 
fi) auch hier, obgleich das abgelegte Gelübde eine völlige Gleich⸗ 
heit erwarten läßt, doch auch ein gewifles Subordinationdverhältnig, 
aus welchem mwenigftend einige Klojterbeamte hervorgehen. So hatte 
jedes Klofter feinen Abt oder feine Hebriffin®); dieſem folgte 
ein Prior, in fruͤhern Zeiten fehlte ed auch nidht ar Decanen, 
welche aber die Mönche bald als laͤſtig zu betrachten anfingen®), 
Dem Prior folgte dee Dechant, Kellermeifter, Dein 
nom, Rämmerer, Schatmeifter, Rüfter oder Safris 
ftan°). Analoge Beamten finden wir in den Nonnentlöftern, wo 


beſonders der Propft (Praepositus) eine wichtige Rolle fpielte‘). 


da er diejenigen Gefchäfte zu beforgen hatte, welche Frauen nicht 
übernehmen konnten. — Dies Subordinationdfgftem erweiterte ſich 
"bald nach unten bin durch die fogenannten Laienbrüder°); nad) 
obenhin aber, als da8 Mönchdleben fi) immer mehr ausbifdete und 
Kiöfter eined und defielben Ordens in mehrern Provinzen errichtet 
‚ wurden. Jetzt hatte jeder größere Orden feinen Provinzialen, 
d. h. Vorgefegte, die alle Kloͤſter in einem gewilfen Landesbezirk 
beauffichtigten‘). Dergleichen zählte ein Drden fo viele, als in wie 
viele Provinzen er vertheilt war. An der Gpite ded Ordens fland 
der höchfte Beamte, der fogenannte Brdensgeneral, ber in 
der Zeit des blühenden Kloſterlebens eine fehr wichtige Stelle 


x 


einnahm e). 


a) S. den Art. Acbte Ir B. p. 7% f. 
b) ©. den Art. Decanus Ir B. p. 487. ' 
e) ©. den Art. Moͤnchthum B. dr B. p. 58. . 


4) Ibid. p. 58. e) Ibid. p. 59. 5) Ibid. p. 60. g) Ibid, p. 60, 
$. 3. N “ 


Einige wichtige Punkte in Beziehung auf das Kiofterieben, 
Wenn nun analog dem ſchon früher ſich ausgebildeten Klerus 





Die chriſtlich · kirchliche Altertbumswifſenſchaft se. 787 


auch die Kloſterleute eine große Corporation bildeten, ob ſie ſich gleich 
durch ihre Verpflichtungen und Leiſtungen von der uͤbrigen Welt⸗ 
geiftipteit unterfchieden und fpäter erfi zum Klerus gerechnet wur⸗ 

en, fo find doch auch bei ihnen nicht unwichtige Puncte, betreffend 
ihre Suftentationsmittel ®), ihre Rleidung b), ihre 
Strafdiscipline), und ihr Derbältniß zu der Äbris 
gen Welt). | 

a) S. den Art. Moͤnchthum B. dr B. p. 73 ff. 

b) Ibid. p. 80 ff. e) Ibid. p. 85 f. d) Ibid. p. 98 ff. 


§. 4 
Die Vita canonica und bie geiftlihen Mikterorden. ' 


Zwei Inſtitute. im cheiftlich = firchlichen Leben ber ſpaͤtern Zeit 
im Abendlande ftehen mit dem Moͤnchthume in einiger Verbindung. 
Dahin gehört die fogenannte Vita canonica, veranlaßt dur 
Chrodegang, Biſchof zu Metz, in der zweiten Hälfte des 8. Jahr⸗ 
bundertö*)., Nicht minder muß man auch die noch fpäter entflans 
denen geiftlihen Xitterorden hierher rechnen, der deut« 
fhen Aitterb), der Jobhanniterritter‘), der Tem 
pelberrn, | 
.a) ©. den Art. Moͤnchthum A, p. 19 f. Ä 
b) ©. den Art. geiftlihe Ritterorden, beutfhe Ritter Ar B. p. 278, 
Ibid. Sohanniter Ritter p 279. 
©) der Tempelherrn p. 285. 


2 


8. 8. | 
Verſchiedenes Ginwirken des Klerus auf bie Saienchriften, 


- Nachdem wir das chriftl. Gefelifchaftöperfonale nach feinen beis 
ben Hauptabflufungen, die Laienchriften und den Klerud (dad Wort 
in der weiteften Bedeutung genommen), betrachtet haben, fo ergiebt 
fih, daß fie einen wechfelleitigen Einfluß auf einander üben, doch 
jo, bag ſich in den meiſten Zällen die Kaienchriften nur leidend 
verhalten, vom Klerud aber ein mehrfeitiges Einwirken bemerkbar 
wird, dad wir bald ein lebrendes und unterrichtendes®), 
bald ein gefepgebendes b), bald ein firafdiscipli 
narifches ©), bald aber auch ein regierendes A) nennen 
koͤnnen, wovon theils in befonderen Artt., theils, beiläufig erwähnt, 
in dieſem Handbuche gehandelt wird. 

8) ©. ben Art. catechetifcher Unterricht in der chriftlichen Kirche Ir 
3. p. 345. Der Art. Unterrichtsanftalten im chriftlich = ficchlichen 
Leben 4: B. p. 558 ff. 

b) ©. den Art, Spnodalverfaffung Ar 3. p. 406. 
0) ©. ben Art. Buße, Poenitentia publica ir B. p. 287 ff. — 
. ©. ben Art, Fluch und Segen p. 129 ff. Ä 
d) S. den Art, Kirchliche Verfaſſungsformen Le Thl. p. 45% ff. 








. 788 . Die Geific«Bichlihe Allertheraowifteuſchaft x. 


ER 6. 6. 
Unterriätanftalten im chriſtlich⸗ kirchlichen Geſellſchaftsperſonale. 


Das Chriſtenthum, als eine geiſtige Religion, gegründet auf 
eine fchriftliche Urkunde, feste Unterricht über die m ihm enthalte- 
nen Wahrheiten und heiligen Forderungen voraus, Allein diefer 
Unterricht muß ein mehrfacher feyn, ein Unterricht, der ſel Biſt 
wieder Lehrer für die größere Laienmaffe bilder *), 

. ein religidfer Unterricht für die Jugend b), einefort 
lehrende Schule für die erwachſenen Chriften®). 


a) ©. den Art. catechetifcher Unterricht 1r B. p. 346. Den Art. 
Unterrichtsanftalten für den höhern wiffenfchaftlihen Religions 
terriht Ar B. p. 569. ' 

b) &. den Art. catechetiſcher Unterricht, wo ber chriſtlich⸗ religtäfe 
Jugendunterricht beſonders beruͤckſichtigt iſt p. 847 ff. 

ce) S. den Art. Homilie ober Predigt als früherer Beſtandtheil des 
‚Öffentlich > chriſtlichen Cultus 2e B. p. 818. 


_ 6. 7 
Kirchliche Befepgebung, ausgehend von ben Synoden. 


Jeder gefelige Verein bebarf gewifier Anorbnungen und Ges 
feße, nach welchen fich bad aͤußere und innere Leben beijelben regelt. 
Mehrere folche Anordnungen und Obſervanzen nahmen die fruͤheſten 
Ghriften mit aus der jüdiichen Synagoge *), und Erfahrung, eigen= 

thuͤmliche Schidfgle, fo wie das Anfehen berühmter Kirchenlehrer 

. vermehrten fie von Zeit zu Zeit. Doc fchon im 2ten Jahrh. bil 
bete fi) ein Inftitut, dad recht eigentlich als gefeggebend auf bie 

Geſammtheit der chriftlichen Religiondgefelfchaft zurüchwirkte; es 
war. bie die ih nad) und nach ausbildende Synodalverfaſſung 5). 

‚ Man fann fie gleichſam als eine vorzügliche geleugebende Behörde 
im Tirchlichen Leben anſehen. 


a) ©. den Art. Eultus- der Chriſten 1r B. p. 466 ff. 
b) ©. den Art. Spnobalverfaffung im chrifttich > icchlichen Leben Ar 
8. p. 407 fi. | 


’ 





_ 6, 8. 
Kirchliche Strafdisciplin in Beziehung auf bie Laien. - | 
Wie neben jeder gefehgebenden Gewalt auch eime executive ſeyn 
muß, um Uebertretungen der kirchlichen Anordnungen zu ahnden, 
o finden wir auch dieſe im dhriftlich=firchlichen Beben und. zwar in 
eziehung ſchon auf die Laien ®), nicht minder in Ruͤckſicht auf 
ben Klerus ini Allgemeinen (Weltgeiſtliche b) und auch betreffend 
. bie Kloftergeiftlichfeit. — Die Poenitentia publica kirchlicher Ds 
, —e— —— en ern | —— votuͤbergehende 
einung ſeyn, nachdem die blutigen Chriſten ngen auge⸗ 
hoͤrt hatten. Wllein die Keime jener Gorrections⸗ —A— 











Die Geiffic)  Hcchlche Alterthumswiſſen chaft x. 720 


. woburd in ber Kolge, befonders .in der abendländifchen Kirche, der 


Klerus fo mächtig auf die Laien einmirbte,. wie die Beichte, bet 
Ablaß, die Ercommunication, der große und Peine Bann — daB 


Interdict, die Inquiſition bildete fich fchon in diefer frühern Diss 


eiplinaranftalt ). Se mehr ih aber. der Kleruß ald einen abge . 
fchlofienen Stand zu betrachten anfing, defto weriger darf ed ‚uns 
wundern, daß aucd bei ihm eine befondere Strafdisciplin geübt 
wurde b), Daffelbe gi auch von der Kloftergeiftlichkeit; nachbem 
fie in der Zeit ihrer Bläthe, wie an Zahl, fo auch an Anfehen den 
übrigen Klerus übertraf ©). . 
a) ©. den Art. Buße, (öffentlihe) (Poenitentia publiea) ir B. p. 
300 ff. Kerner den Art. Fluch im Cultus ber Chriſten  ®, 
p- 127 — 40, wo ber Kirchenbann, das Interdict und Aehnliches 
ausführlich behandelt worden ifl. - 
b) ©, den Art. Klerus Sr B. p. 79 ff 


c) ©. den Art. Moͤnchthum in der chriſti. Kirche B. Ar B. p. 85 ff. 
" 5 9 W 
Verſchiedene kirchliche Verfaſſungsformen im Laufe der Zeit. 
Nach der Analogie des Staatenlebens, geregelt durch buͤrger⸗ 
liche Geſetze, hat auch das Birchliche, ald das Leben einer für relis 
isfe Zwecke vereinten Gefelifchaft, feine verfchiedenen Verfaſſungs⸗ 
ormen bemerkbar gemacht, die wir nad dem Zeugniffe der Ges 
fhichte bald Demokratie, bald Artftofratie, bald Dligarchie ) und 
zuletzt Monokratie nennen Fönnen db). 
a) S. den Art. kirchliche Verfaffungsformen 2 B. p. 454 ff. 
b) ©. den Art. Papalſyſtem Ar B. p. 174 ff. | 


$ 10. 


War der Punct fo Hein, von wo aus die hriſtlich— kirchliche 
Religionsgeſellſchaft ſich zuerft bildete; verbreitete fie fich deffen uns 


% 


“geachtet fo fchnell gerade in den fehönften Theilen der alten Welt; 
| r ift es auch nicht unintereffant, ben Laͤnderbeſtand ber frühen 


chriſtlichen Kirche zu überfchauen. Da dad Chriftenthum erſt im 
Römerreiche fich audgebreitet hatte, fo ging die Haupteintheilung 
befielben, bed Drientes und des Occidentes, auch auf die chriftliche 
Kiche über, und man unterfcheidet eine morgens und abendländifche 
Kirche mit gewiffen Kirchenprovinzen, ald Nachahmung ber politis 
ſchen Eintheilung: im Roͤmerreiche. Diefen chriftlichen Eänderbeftand 
ber frühern Zeit zu uͤberblicken ift befonderd auch darum nöthig, um 
ben großen Verluſt zu wuͤrdigen, den das Chriſtenthum durch den 
Slam erlitt; ein Werluft, der fo groß ift, daß der fpätere Laͤnder⸗ 
raum, in welchem fich das Chriſtenthum nach andern Richtungen 
hin Kae, kaum als eine Entſchaͤdigung dafür angelehen wers 
en kann ®). 


0) S. den Art. ſtatiſtiſch⸗geographiſche Usberficht des chriſtlich⸗ kirch⸗ 
lichen Landerbeſtan | 


bes x. Ae B. p. 576 ff. 


, 





730 Die chriſtlich »Bechliche Alterthums wiſſeiſchaft sc. 


Zweiter Abſchnitt. 


Bon den gottesdienſtlichen Verſammlungsorten ber 
früheren Chriften, gewöhnlich heilige Orte genannt. 


' Gap L 


- Bon ben gottesbienflliden Berfammlungsorten ber Chriſten 

überhaupt, von ihrem Urfprunge und ihrer Befhaffenheit 

bei ben früheften Chriſten, fo wie von ben Grundfägen, nad 

welhen man beim Bauen ber eigentlihen Kirhengebäube 
verfuhr. 


$. 1. 
Urfprung ber gottesbienfllihen Verſammlungen ber Ghriften. 


Daß von Jeſu Peine befonderen Beflimmungen über Die Orte 
audgingen, wo er feine Zeitgenofjen zu unterrichten pflegte, lehret 
die evangelifhe Geſchichte. Er benuste dazu bald die freie Natur, 
bald die Synagoge, bald den Tempel. Verordnungen in Hinſicht 
des Tempels oder eined beftimmten Ortes, wo die Gottedverehrung 
zu balten fei, hat er feinen Bekennern nicht binterlaffen *). Wir 
müffen und darum bier mehr an bie apoflofifche Praxis halten, wie 
fie im N. T. erzählt wird, woraus ſich ergiebt, Daß die Apoftel 
und bie erften Chriften, welche ehemals Juden gewelen waren ; noch 
dem Gotteödienfte im Zempel und in den Synagogen beimohnten. 
‚ Sie ‚hatten zwar auch nebenher ihre Verfammlungen in den einzel 
nen Haufen, wo fie täglih zum Gebete:und zum Brobbreden 

fammentamen (Act. 11. 46.), aber ihr Hauptverfammlungsort 
—* doch immer noch der Tempel und zwar die Halle Salomo⸗ 
nid geweſen zu ſeyn ). — 


a) ©. den Art. Kirchengebaͤude 2r B. p. 867. 
b) Ibid. p. 367 f. 


y §. 2. 
| Bortfegung. 

Dieg konnte aber nur fo. lange dauern, bi8 außer Tuben auch 
Profelyten oder wirkliche Heiden zum Chriftenthume übergingen 5 
benn ber tief eingewurzelte Haß ber Juden duldete wohl heidniſche 
Individuen in biefer Beziehung nicht. — Won fest an,fehen fich 
die Apoftel genöthiget, für ihre Anhänger befondere Lokale in Pris 
vathaufern audzumitteln, wo fie fich verlammeln konnten. — Gpus 
‚ven davon in ber Apoftelg. *%). Noch deutlicher aber tritt dieß hers 
vor, als Paulus feine apoftolifche Wirkſamkeit begann. Er hörte 
auf feine Lehrvortraͤge im jüdifchen Synagogen zu halten und fing 
‚an feine Anhänger an befonderen Orten zu verfammeln ») — Dieſe 
Verfammlungdorte, die anfangs hoͤchſt wahrfcheinlich auch noch zu 








Die chriſtlich⸗ kirchliche Alterthumswifſenſchaft ꝛc. 731 


anderen Zwecken benutzt wurden, nannten die Chriſten weder templa 
noch Synagogen, ſondern owaseıs, oratoria °). Ihre Beſchaffen⸗ 
heit laͤßt ſich mehr vermuthen, als durch hiſtoriſche Nachrichten er⸗ 
laͤutern 4) | 

a) ©. den Art. Kirchengebäude p. 867 und 68. 

b) Ibid. p. 868. co) Ibid. p. 868. . d) Ibid. p. 368 und 69. 


z. 3. 
Allmaͤhliger tebergang zu befonderen Verſammlungsorten der Chriſten und bes 
fonders zu eigentlichen fogenannten Kirchengebäuden, 


Aus dem zeither Gefagten ergieht ſich, bag fchon im apoſtoli⸗ 
fchen Zeitalter die Chriften befondere Berfammiungdorte hatten, daß 
ſie aber diefelben in den nadapoftolifchen Zeiten, beſonders wo fie 
Verfolgungen audgelegt waren, vor ben Augen ihrer Feinde vers 
bergen mußten und fich daher an entlegenen, verborgenen Orten, in- 
Höhlen und Wäldern verfammelten. Jedoch fcheint die Wahl fols 
cher Orte nicht blos aus Furcht vor ben Verfolgungen, fondern auch 
mit aus der Weberzeugung hervorgegangen zu feyn, daß eine gewiffe 
mofleriöfe Verborgenheit und Entfernung vor, dem Profanen, zum 
- Charakter des Chriſtenthums gehöre *). — Nur fpäter erft, ald bie 
Chriftenzahl ſich mehrte, und wenigitend eine Zeit lang Ruhe von 
außen in den verfchiedenen. Provinzen des Roͤmerreiches herrſchte, 
entftanden Gebäude, Die wir jegt Kirchen nennen, d. h. öffentliche, 
felbftftändige, zum gotteödienftlihen Gebrauch allein eingerichtete 
und von allen ptofanen Zweden ausgeſchloſſene Gebäude b). Die 
zu einer gewiflen Zeit eifrig erörterte Etreitfrage: ob ed vor Con⸗ 
flantin ſchon ſolche Gebäude gegeben babe, fcheint, alle Gründe für 
und wider veiflich erwogen, doch bejahend beantwortet werden zu 
muͤſſen e)y. | 
a) S. den Art. nächtlicher Gottesdienſt 4: B. p. 111. 

b) S. den Art. Kirchengebäude p. 370. 
c) Ibid, p. 369 ff. 


. 4 
Grunbfäge und Gewohnheiten, nad welchen man Kirchen erbaute, 


Wurden nun einmal Kirchengebäude üblih, fo ſtellten fich 
auch gemiffe Grundfäge und, Gewohnheiten heraus, nach welchen 
man beim Bauen’ derfelben zu verfahren. pflegte, und zwar in Bes 
iehung auf dad Lokal und die befondere Richtung nad) einer bes 
immten Gimmelögegend ), in Beziehung auf die Yauptbeftands 
theife der Stirchengebäude, als Bema oder Chor — ald Schiff der 
‚Kirche — ald Kirchenhalle ®) oder in Beziehung auf bie Außere 
Form berfelben, die theild einem Oblongum, theils einer vollloms 
menen Runbgeftalt, Rotonda, theild einem Achtecke, theild einens 
Kreuze glich ©). 

&) ©. den Art. Kirchengebäude p. 871. 

b). Ibid. p. 872— 78, e) Ibid. p. 881 -wmıd 82. 


TER Die chriſtuch⸗ kirchliche Alterthums wiſſenſchaft ec. 
Umgebungen und — ber Kirchen. 


Nicht unwichtig ſind auch die Umgebungen und Nebengebaͤude 
der Kirchen. Es umgab dieſelben gewoͤhnlich ein freier Platz, ber 
durch Mauern und auf andere Art begrenzt war; verſchiedene grie⸗ 
chiſche und lateiniſche Namen erhielt und deſſen Beſtimmung im 
Laufe der Zeit wechlelte *). Man vechnete dazu in den frubern 
Zeiten die Baptifterien d) und andere Lokale, ald diaconicum 
magnum, welches auch von feiner mehrfeitigen Beftimmung fpeciek 
lere Namen erhielt “), decanica, i. e. carceres ecclesiae 4), das 
Pastophorium ®), Lokale für Bibliotheken und Schulen ?). 


a) ©. den Art. Kirchengebäude p. 378. 
b) Ibid. p. 878. ce) Ibid. p. 878 und 79. d) Ibid. p.379 und 80. 
e) Ibid. p. 880. £) Abid. p. 380. 


5 Cap H 
Bon ben einzelnen Beſtanbtheilen ber Kirdengebäube, die an 
fig nothwendig waren ober durch fpätere Sitten gewoͤhnlich 
wurben, oder auch ſelbſt zur Ausſchmückung dienten und ges 
wöhnlich nit unpaffend Ornamente und Utenfilien ber Kir 
hen genaunt werden. 


1. 


Aeußere Ornamente und Utenfilien ber Kirchen. 


. Bu ben ‚äußeren Ornamenten und Utenfilien der Kirchen rech⸗ 
net man die Kirchthuͤrme und die Bloden. Jene find eine 
fpätere Erfindung und eine Eigenthuͤmlichkeit des arabifch = gothifchen 
Geſchmacks in der Baukunft, und ihre vollendete Form gehört einer 
‚Zeit an, wo bie kirchliche Baukunſt ihren. Culminationdpunct ers 
reichte °). Diele, die Gioden, find ebenfalld ſpaͤtern Urfprungs 
und ihre Erfindung iſt ungewiß. In den 3 erften Sahrhunderten 
Tennet man fie gar nicht und man pflegte auf andere Weife Die 
Gläubigen zum Gotteödienfte zu verfammeln. " 


a) S. d. Art. kirchliche Baukunſt 2r B. p. 418 ff. 
») ©. b. Att. Glocken 2: Bd. p. 238 ff. 


2. 
Atenfilien der Kirche. 


u u den Innern Drnanienten der Kirche Taffen fich rechnen bie 

Altäre 2). Die frühern Chriften kannten fie nicht, verabicheueten 
fie fogar in dem Sinne, wie fie bei- Heiden und Juden gewoͤhnlich 
‚waren. Deſſen ungeachtet kamen fie fpäter in bie chriftlichen Kirchen» 
gebaude und wurden bier mit einer gewiſſen Wichtigkeit behans 
beit ), Taufſteine, auch fie erlitten im Kaufe der Zeit Werändes 
tungen und: haben ihre befondere Gefchihte e). -Safriftei. Der 
Rame iſt ſpaͤtern Urſprunges. Sie gehörte. gewoͤhnlich zu den 


Innere Ornamente und 








wr ur wa vn 


Die chriftlich⸗ Fiechliche Alterthumswiſſenſchaft ꝛc. 133 
Seitengebäuben ber Kirche 4). Ihr anfangs Peiner Umfang mußte 
fi) erweitern, als der Gottesdienſt immer mehr Außern Apparat an 
Kleidern, Gefäßen und dergl. erforderte). Banzel. So wie fie 
jest in ben Kirchen üblich ift, kannte fie das chriſtliche Alterthum 
nicht; darum gehört fie auch mehr einer fpätern Zeit und befonders 
ben eoteflantifchen Kirchen an 9. | 

a) ©. den Art. Altäre in ben Kicchengebäuben Ir B. p. 98. 

b) Ibid. p. 95. u 

c) ©. den Art. Baptifterien Ir 3, p. 182, und den Art. Taufe 
4 B. Nu V. p. 490 ff. 

d) ©. den Art. Kirchengebäude p. 898. 0) Ibid. ead. pag. 

) S. den Art. Lehrſtuhl in chriftt. Kicchengebäuden Sc B. p. 190 f. 


6. 3% 
Sortfegung. 


In bie zeither aufgeftellte Rubrik gehören auch bie KRirchen⸗ 


ftühle im untern Raume bed Schiffs und auf den Emporkirchen. 
Während ber Zeit bed Catechumenats und der Arkandisciplin neh⸗ 
men foihe Site nur die Fideles ein, indem die Gatechumenen 
oder Büßenden ftehend oder Eniend Der öffentlich » kirchlichen Got⸗ 
teöverehrung beimohnten®). Die Orgeln. Auch fie gehören einer 
fpätern Zeit an. Der Anfangspunft des kirchlichen Orgelgebrauchs 
‚ ungewiß, und was die Zuläffigkeit derſelben beim öffentlichen 
Gottesdienſte betrifft, fo find die Urtheile bis auf den heutigen Tag 
verfhiedenb). Der Beichtſtuhl. Auch Diefe Vorrichtung in dem 
hriftlichen Kirchengebäuden kennt dad Altertum nicht. Der Beichts 
ſtuhl wurde erſt nach eigenthümlichen Weränderungen im Cultus der 
Chriften nöthig und bat bis auf unfre Tage ſich behauptet). 
Bilder in den Rirhen und Infchriften. Die erftern gas 
ben befanntlih mit Beranlaffung zu bem aͤrgerlichen Bilderſtreite 
and eine eigenthümliche- Obfervanz in Beziehung auf dieſelben bat 
ſich in den verfchiedenen Kirchenſyſtemen gebildet). Die letztern 
find nicht unwichtig als Producte der kirchlichen Kaligraphie*). 
Die Sußbdden. Wie man in ber vordriftlichen Zeit bei heid⸗ 
nifchen und jüdifchen Prachtgebäuden nach dem Zeugniffe roͤmiſcher 
Klaſſiker auf die Verzierung der Fußböden Rüdficht nahm, fo ging 
diefe Sitte auch auf die größern chriftlichen Kirchengebäude über 


und dad opus musivum, wovon noch einmal bie Rede ſeyn wird, 


wurde auf bemfelben befonderd angebracht ?). 

a) ©. ben Art. Kirchengebäude p. 898. 

b) ©, ben befondern Art. Orgeln 4r B..p. 160 — 65, 
'») ©, ben Art. Kirchengebäude p. 393 umd 9. 


‘d) ©. den Art. Bilder in den Kirchen der Chriften 178. p. 211 ff. 


e) ©. den Art, Schreibetunft 4r B. p. 802 ff. D) Epigrappik. 
f) ©. den Art. Kirchengebäude p. 394, 


738 Die heifttich kirchliche Alterthumdwiſſenſchaft x. 

. D $. 4. . 
Ornamente ımb uUtenfllien, die ber Außenfeite wie dem Innern ber Kirchenge⸗ 
u bände angehören. - 

Zu den Ornamenten und Utenfilien, die der Außenfeite umb 
dem Innern der chriftlichen Kirchengebäude angehören, müffen die 
Kirchenthüren und die Kirchenfenſter gerechnet werben. 
Die erftern erhielten ſchon früh, wo fich der öffentliche Gottesdienſt 
in die Missa Fidelium und Catechumenorum fchied, eine gewifle 
Wichtigkeit. Sie find in mehr als einer Hinſicht bedeutende Theile 
ber hriftliden Kirchengebäude), Die Senfter, Auch fie fpielen 
in der kirchlichen Baukunſt eine wichtige Rolle und bie babei anges 
brachte Glasmalerei ift in der chriftlichen Kunftgefchichte nicht ohne 

a) ©. den Art. Kirchengebäude p. 894. 6) Ibid, p. 895 neq. 


$ 5. oo 
Verſchiedene Benennungen der Kirchen. Unterſchied und Rang derſelben. 


Nicht minder charakteriſtiſch ſind auch die mannigfaltigen Be⸗ 
nennungen ber.. Kirchengebäude, welche bereits im Alterthume vor⸗ 
kommen, ald &xxAnola, xugıaxöv, Domus Dei, olxog oder zo- 
qog noogevyng, Basilicae, Tituli, Tropaea, Martyria, Tem- 
plum°). Als das Ghriftenthum fich weiter auöbreitete und die 
Hierarchie mehr audgebildet wurde, mußte ſich auch ein Unterfchied 
‚zwifchen den Kirchengebäuden bilden, der fich theild auf ihre beſon⸗ 

ern Zwede und Vorrechte, theild auf die Darin zu verrichtenden 
gotteödienftlichen Handlungen, theild auf bie dem Kirchendienfte 
vorftehenden Perlonen bezog. Es Iaffen ſich darum befonders in 
Beziehung auf eine fpätere Zeit mit Baumgarten bie Kirchen eins 
cin „M) in bifhöflihe, B) Pfarrkirchen, C) Nebenkirchen, 

) Stifts⸗ und Kloſterkirchen, welche Abtheilungen fich wieder 
verſchieden abftufen. lafjen d). | 


4) ©. den Art, Kirchengebäude p. 882—87. 5) Ibid, p. 887 —X 


| §. 6. 
Vervielfältigung bee Kirchengebäude, befonbers feit Conſtantin. 


Aus diefer Eintheilung bereitd ergiebt fi, daß ſich im Forts 
nge der Zeit die Zahl der chriftlichen Kirchen mehrte, und daß 
ch wirfende Urfachen, um diefe Vermehrung zu erklären, beinahe 

in allen Zeitaltern herausſtellten. Wir führen bier nur die Vorzüge 
lichſten an. 1) Das wirklihe Beduͤrfniß, nachdem das Chrifiene 
thum ſich bi8 zur Staatsreligion durchgetaͤmpft hatte, 2) das Bei⸗ 
ſpiel mehrerer chriſtlichen Kaiſer und Regenten, die zur Erbauung 
neuer Kirchen mehrſeitig beitrugen. 3) Das hohe Anſehen der 
Maͤrtyrer, 4) das immer mehr uͤberhand nehmende Kloſterleben, 
5) ber ausſchweifende Aberglaube im Allgemeinen, wie in einzelnen 
Beziehungen, 6) der höhere Eulturgrad des fpätern Europa's ). 


a) S. den Art. Kirchengebäude p 389 — 91. 





Die chriftfich» Kirchliche Alterthumswiſſenſchaft &. 738 
| &. 7. 
Vorrechte und Ehrenbezengungen ber kirchlichen Gebaͤude. 

Es kann nicht befremden nach dem, was zeither bemerkt wor- 
den iſt, dag man den kirchlichen Gebäuden nach und nach große 
Vorrechte, 3. B. dad Afylrecht =), zugefland, daß man ihnen befons 
dere Ehrenbezeugungen eswiedb), ja, daß man auch eine feierliche, 
mit vielen Geremonien verbundene Eimveihung berfelben einführtee), 
Mehrere jedoch in diefee Beziehung, fo wie in Beziehung -auf bie 
Sirengebäude überhaupt änderte ſchon ber Einfluß der Reforma⸗ 
tion und eine Vergleihung unferer Zage mit ber Vorzeit ift auch 
hier nicht ohne Intereſſe ). 

a) ©. den Art. Aſpylrecht 17 B. p. 188, 
b) S. ben "Art. Kirchengebäude p. 397—99. c) Ibid. p. 896 aeg. 
.d) Ibid. p. 899—400. - 


Dritter Abſchnitt. 


Bon ben kirchlichen Verſammlungszeiten, gewoͤhnlich | 
heilige, gottesdienfllihe Zeiten genannt. 


Gay L 
Allgemeine einleitendbe Bemerkungen in Beziehung auf bie 
‚Heiftlige Feſtfeier. 


§. 1. 

Bemerkungen über die Feier religiöfer Feſte uͤberhaupt. 
Sefte, oder feierliche Auszeichnungen einzelner Tage, finden bei 
allen gebildeten Voͤlkern des Alterthums Statt. Sie hatten ihren 
Grund entweder in den wechlelnden Iahreözeiten und in dem dar⸗ 
aus bervorgehenden Einfluffe auf die Geſchafte des Lebens, oder fie 
gingen aus dem jährlich wiederkehrenden Andenken an befonbers 
wichtige Begebenheiten und Zeitereignifle hervor; ober fie entfpringen 
aus dem Bedürfniffe des menſchlichen Herzens, fi zu. dem Höhern 
und Göttlichen aufzufhwingen, welches bie Juden im Monotheide 
mus glaubten, bie Heiden im Polytheismus irrig ahneten, um 
durch gewiſſe Verhaltungsarten Jehova oder die Gottheiten in der 
Mehrzahl zu verehren. Hier find fih Juden und Heiden ähnlich, 
denn beide feierten Feſte, die ihren legten Grund in ben angeführ 

ten Urfachen hatten). 


a) ©. den Art. Feſte der Chriften Zr B. p. 82 und 88, 
& 2 
Eigenthuͤmliches der jübifchen Kefifeier, 
Nur dad war ein unterfcheidendes Merkmal, daß die Yuben 


das einzige Volk der ‚alten Belt find, welches außer diefen befons 


y 


736 Die chriſtlich⸗ kirchliche Witertfunnsrofffenfhaft ee. 


bern feftlichen Zeiten noch andete, in Türzen Zwiſchenraͤumen wie 
berfehrende Feſte feierte, diefelben ausfchliegend der Verehrung Jeho⸗ 
. vend widmete, und ſich dabei aller Beichäftigungen enthielt. Diefe 
Tage waren die Sabbathe. Eine nähere Darftellung der jüdifchen 
Seftfeier gehört in die hebräifch » jüdifche Archäologie, und das Noͤ⸗ 
thige muß dann aus Ihr entlehnt werden, wenn baburd die Ges 
ſchichte eined hriftlichen Feſtes helleres Eicht erhalten foR =). 


a) ©. den Art. Feſte der Chriſten Ar B, p. 83. 


§. 3. 

Verhalten Jeſu in Abſicht auf die’ Feſtfeler feiner Volkegenoſſen. 
Nicht unwichtig kann hier die Trage ſeyn, wie fi Jeſus in 
zoiat auf die Zeftfeier- feiner Volksgenoſſen verhielt. Da er im 
einem Stüde die Gelege Mofid verlegte, fo fcheint er auch, fo 
viel und die Evangeliften berichten, die Feſttage, der bergebrachten 
Gewohnheit nach, beobachtet zu haben. Die Synagogen befuchte 
er an den Sabbathen, theild um feine Theilnahme an einer fo 
lobenswerthen Einrichtung zu zeigen, theils um diefe Gelegenheit zu 
benugen, zu dem verfammelten Volle zu ſprechen. In Dinficht ber 
größern Feſte vichtete ſich Jeſus nach den Gewohnheiten feines 
Volks und begab fid) wenigftend des Jahres einmal zum Paflabfefte 
nach Serufalem, wo er in der Kegel eine große Volkszahl antraf, 
welcher er feine Lehre mittheilen konnte. In dem legten Jahre feis 
ned Lebens ging er. auch zum Laubhüttenfefle und zur Tempelweihe 
nach Serufalem. Merktwürdig müßte ed für uns feyn, wenn die 
Evangeliften aufgezeichnet hätten, wie Jeſus den Verföhnungstag 
feierte, und welchen Entfagungen er fich babei zu unterwerfen pflegte”). 


a) S. den Art, Feſte der Chriften 2: B. p. 83. 


6. 4 
Verhalten ber Apoftel in Beziehung auf eben biefelbe. 

Was die Apoftel betrifft, fo if bekannt, daß fie nach Dem 
—— Jeſu mit andern Verehrern deſſelben, beſonders nach der 
genannten Ausgießung des heiligen Geiſtes, eine Gemeinde, oder 
vielmehr eine engere Brüderfchaft zu Jeruſalem ausmachten, jedoch 
fo, daß fie in Hinficht der bürgerlichen und gottesbienftlichen Cine 
richtungen mit der juͤdiſchen Verfaſſung zufammenhingen. Sie gin⸗ 
gen daher, ‚fo lange fie e8 vor dem Sanhedrin thun Fonnten, zu 
den beflimmten Stunden in den Tempel, beſonders geſchah bieß an 

oͤßern Feſten, und fomit wurde bie jüdifche Beitabtheilung in bad 

briftenthbum bei feinem Beginnen aufgenommen. Dieß wurbe noch 
iefere Wurzeln geichlagen haben, wenn nicht auch bier Paulus der 
jüdifchen Engherzigkeit entgegengetreten wäre. Der apoftolifche oder 
vielmehr pauliniiche Einfluß auf die chrifiliche Feftfeier, da wir nur 
fehr dürftige Nachrichten von der Milfionsthätigkeit der übrigen 
Bertrauten Jeſu befigen, mag folgender feyn: „Paulus entfernte von 
„dem Chriſtenthume jeden unnügen läftigen Zwang, der die jübilche 
„Feſtfeier druͤckte, er machte.die beibehaltenen feftlichen Lage mehr 








Die chriſich⸗ kicchliche Alterthanuswiſſenſchaft in 73% 
dienſtbar der religiöfen Sittlichkeit (1 Gor. 5, 6 ff), trug d 
ee ht des leuten Boßentags der RA — —* 


ich begangen wurde (Act. 22, 1. 1 Cor. 16, 2.), und billigte es, 
„yoenn er es auch nicht ausdrüdlich gebot, daß von ben apoſtoli⸗ 


„chen Chriften das Paflahfeft durch eine feierlihe Mahlzeit nah . 


„dem Beifpiele Zefu und durch das Genießen des ungefäuerten 
„Brodes gefeiert wurde)”. ' 


a) ©. den Art. Hefte der Chriſten p. 88 und 84. 


G. 68. 
Schhoͤne Grundidee der chriſtlichen Feſte. 


So im Chriſtenthume die Feiet religioͤſer Weihetage aufgefaßt 
laffen ſich mehrere Eigenthümlichkeiten und geſchichtliche Srfcheinuns 
en in Beziehung auf biefelbe erklären: 1) bag man bei dem Urs 
— runge der vorzuͤglichern chriſtlichen Feſttage an die Analogie der 
juͤdiſchen Religionsverfaſſung zu denken babe, und daß darum ihre 
Zahl anfangs nicht bedeutend feyn konnte, bis befonbere Urfachen 
auf die Wermehrung derfelben einwirkten *), 2) daß fih die fchöne 
Grundidee der chriftlicher Fefte bildese, fte ſollten das Andenken an 
Die -Perfon des Heilandes und an bie Hauptwohlthaten bed Chris 
ſtenthums lebendig erhalten, ‚zum Dante gegen die göttliche Vorſe⸗ 
bung auffordern und zus Auslibung chriftlicher Tugend erniuntern. 


a) S. den Art. Feſte der Chriften p 83 und 84. b) Ibid. p. 85, 
M | 
Wirkungen dieſer Srunbibee, 


Diefe Grundidee der chriftlichen Feſtfeier mußte fich nun theilt 
in gewiflen moralifchen Wirkungen für alle, die an berfelben Theil 
nahmen, zeigen,. theil$ aber aud) in dem Ginfluffe auf freumbliche 
Anftandsfitte bei der Feier derfelben. Zu den erftern gehörte, 1) daß 
war alle feſtliche Tage Zerien waren, daß man aber Noths und 

iebeswerke an denjelben nicht nur für erlaubt, fondern auch als 
“ geboten anfah, 2) die Theilnahme an dem öffentlichen Gotteädienfte 

wurde jedem Chriften zur beſondem Pflicht gemacht, 3) nicht nur 
die auf Unterflügung der Dürftigen berechneten Agapın wurden a 


ben chriftlich »feftlichen Zagen gehalten, fondern auch nad) Abfchafe 


fung berfelben verpflichtete man die Reichern an ben ſogenannten 
heiligen Tagen zur Wohlthätigkeit gegen Aermere. — Bar freund⸗ 
lichen Anftandäfitte an chriftlich: religiöfen Weihetagen bereits in deu; 
erſten Jahrhunderten dürfte gehören: 1) Daß an benfelben nicht um. 
bie kirchlichen Werfammlungboste gereinigt. und. geihmädt. wurben,: 
fondern auch die Privatwohnungen der, Chriften. 2) Die Chri 
wurden zu einer anfländigen und feierlichen, Kleidung ermahnt. 
3) Dan enthielt ch alles Saftene. A) Das, öfrntlihe Gehes mande 
nicht Iniend, fondein ſtehend versichtef ®\, : : — 
a) ©. den Art⸗ Jeſte dr Ehriſtan DI BU amd SE" 


,» 738 Die deiflih-Tiechlihe Aietientäwißenfiheft ıc. 
: . S. 7. * —16 
Auffallender Sontraft ber chriſtlichen Feſtſeler mit der juͤbiſchen und heibnifdhen. 
Es tritt darum eine ſchoͤne Seite der chriftlihen Feſtfeier in 
den erften Sahrhunderten hervor, ihr auffallender Gontraft mit ben 
Seften, dig man im Judens und Heidenthume beging, ein Lieb⸗ 
Tingsthema der chriftlichen Apologeten. Hier befonder& trat das 
Chriſtenthum vermittelnd zwifchen den heidniſchen Indifferentismus 
‚und zwifchen die: fuperflitiöfe Mifrologie und Buchſtaͤblichkeit Der 
Juden ein. Die chgiftliche Feftfeier erborgte von dem Judenthume 
erbabene Anficht und zreligiöfen Ernft, und von dem heidnifdyen 
Gultus, ohne deſſen Aberglauben zu theilen, Heiterkeit und einen 
freundlichen äußern Anſtrich, welches in Verbindung mit der eigens 
| en. Würde, Erbabenbeit und Weltbürgerlichleit des Evan⸗ 
geliums nothwendig auch dem riftfichsreligiöfen Weihetagen eine 
veredelte Geſtalt geben mußte. 
| .8 
Almählige Beränberungen mit ber chriſtlichen Feſtfeler. 
- Dieſe ſchoͤne Einfachheit und würbevolle Geflaltung ber chrifte 
lichen "Feflfeier dauerte nur fo lange, ald man juͤdiſche Ideen und 
. bad Abergläubifche der beidnifchen Sitte von berfelben entfernt hielt. 
Als aber beided im 4, Jahrhundert eintrat, haͤuften fib nicht nur 
die Sefte immer mehr, fondern nahmen auch manche dem Chriftens 
thume wiberftrebende Beziehungen an, fo daß bie fpätere Zeit ber 
Praxis früherer Jahrhunderte ſehr unähnlih wurde‘), Es traten 
nun im Laufe der Zeit eine Menge  Urfachen hervor, die zur Ver⸗ 
mehrung, der chriftlichen Feſte ſelpſt bis zum Reformationszeitalter 
erab beitrugen®), ob fich glei von Zeit zu Zeit Stimmen erhos 
en, die zur Ruͤckkehr früherer Einfachheit und liberaler Anſicht ber 
&riftlichen Feſte ermumterten‘). - | 
a) ©. den Art. Feſte ber Chriflen p. 88. b) Ihid, p. 88 und 89. 
0)Ibid. p 87 und 8. DO 


§. 9. 

: Bexſchiedene Eintheilungen ber chriſtlichen Zeſte. 
Gab es nun ber Feſte fo viele, fo darf es auch nicht befrem⸗ 
ben, daß man mehr als einen Eintheilungdgrund berfelben ges 
brauchte. Man theilte fie ein nach ihrer ein: oder mebrmaligen 
Ruͤckkehr im Laufe bed Jahres (woͤchentliche und jährliche Feſte), 
wach dem Umftande, ob fie auf einen beflimmten Monatstag fallen 
oder nicht fire, unbewegliche und bewegliche Feſte), nad der dabei 
üblichen groͤßern oder geringern feterlichen Auszeichnung (bobe, mitte 
lere, kleinere Feſte), nach der Dauer bderfelben für einzelne Tage 
(ganze, halbe Feſte), nad ihrer Beziehung auf kirchliche oder buͤr⸗ 

liche Einrichtungen (kirchliche und bürgerliche Kefte), nach ihrem 

bern oder fpätern Urſprunge (alte und neue Befle), nad ber 
Beier derfelben in ber ganzen Ghriftenheit oder am einzelnen Orten 

" . D \ » 


. yo ” 





Die qhrlllich »Bnchlihe Aleerthetnowiſſenſchet x. 738 


emeine und befondere Feſte) ). Mehrere Schemad nach einem 
——— Eintheilungsgruͤnde find mitgetheiltb). 


a4) ©, den At. Feſte der Chriften p. 90. b) Ibid, p. 90—94. 


Cap. ID. 


Bon ben Zelten einer mehr: ober einmaligen Rüdtehe im 
Laufe bes Jahres, befonders von ben brei hohen ober Haupt: 
feften mit ihren Begleitungsftfien 


| , J $. 1. . 
Ein wochentlich wieberlehrenber Feſttag (Sonntag) wurbe aud in bee chrift⸗ 
lichen, Kirche gewoͤhnlich. 


Die oben ſchon bemerkte Eigenthümlichkeit im mofaifchen Cul. 


tus, daß er in Turzen Zeiträumen wiederkehrende ober Wochenfeſte 
hatte, ging auch in die chriffliche Kirche über, denn wie die Juden jeden 
fiebenten Wochentag religiös feierten, fo geſchah Dieß bier mit dem 
erfien Tage in der Woche, welcher den Namen Sonntag erhielt). 


/ 


war findet man nirgendd einen "Grund angegeben, warum bie - 


Mahl vorzüglich auf dieſen Tag gefallen fe. Allein Wahrfchein- 
lichleitögründe laffen ſich leicht auffinden, warum, wie wir bereits 
eſehen haben, Paulus für diefen Tag befonderd geflimmt war. 
efjen ungeachtet läßt fich auch die Thatſache nicht ableugnen, daß 
viele Ghriftengemeinden, befonderd in der morgenländifhen Kirche, 
ben Sabbath zugleih mit dem Sonntage feierten. Ueber die Coms 


bination diefer beiden Tage, fo wie in dem Urtheile der Kirchen, 


väter darüber, herricht bis ind 4. Zahrhundert ein Schwanken. 

Inzwiſchen muß aber doch gegen das 4. Jahrhundert die Marime 

immer vorherrichender geworden feyn, den Sabbath von der Sonn» 

tagöfeier zu trennen“), Ä 

a).&. den Art. Sonntag Ar B. p. 861. db) Ibid. p. 859 zeqg. 
c) Ibid, p. 360. 00 


4 


ur 5 2% 
Namen unb Auszeichnungen bes. Sonntags, 

Nicht ummichtig in ‚ihrer Bedeutung find einige allgemeine 
Namen für den Sonntag aud den erfien Jahrhunderten“), fo wie 
bie feierliche Auszeichnung deſſelben nach des Dbfervanz der apoftes 
liſchen und nad den Einrichtungen: der fpätern Kicheb), fo wie 
von Seiten der weltlichen Dbrigfeiten“). Ueber die Namen der 


Sonntage im Laufe eined Jahres in den brei verſchiedenen Sufte 


men ber griechifch» und roͤmiſch⸗-katholiſchen, fo wie ber proteſtan⸗ 

tiſchen Kirche findet man.thelld Einiges bemerkt bei ben einzelnen 

Begleitungsfeften von Weihnachten, Oſtern, Dfingften, theils iſt 

auch das Noͤthige daruͤber angeführt in dem Art. Sonntag 9). 

a) ©. den Art. Sonntag de B. p: 360 f. b) Ibid, p. 865 neq. 
©) ibid, ead. Pag. d) Ibid. 2* 864 .gg. 47* 


U 


740 Die qꝛiſtlchektchũche Alterthentswiſſeſhaft e. 
§. 3. 


Die jährlich wiederkehrenden drei hohen Feſte als Feſtcyclen betrachtet. 


Was nun die jaͤhrlich wiederkehrenden, beſonders die ſogenann⸗ 
ten hohen Feſte) betrifft, fo hat Augufli (f. ae Denkwuͤrdigkeiten 
der chriſtlichen Archäologie Ir Thl. p. 139 ff.), eine neuere finn⸗ 
reich ausgedachte Eintpeilung derfelben nach brei Feſtcyclen aufge 

ſtellt. Er geht von dem Sage aud, daß nad Einführung des 
MWeihnachtöfefted erft eine Art von Syſtem in die kirchlichen Feſte 
gekommen fei, wobei man nicht ſowohl das Alter derfelben, als 
vielmehr ihren Gegenſtand und ihre Bedeutung berüdfichtige. Das 
Leben ded Heilandes laſſe fih durch die drei fogenannten hohen 
Feſte in einem gewiſſen chronologifchen Zufammenhange auffaffen 
. and durch die Hauptmomente beffeiben verberrlichen. Todes dieſer 
auptfeſte biete eine leitende Idee dar und ſtehe in Verbindung mit 
einer Vor⸗ und Nachfeier, fo wie mit einzelnen Begleitungsf enb). 


&) S. den Art. Feſte der Chriften 2: B. p. 94. 

b) ©. Geburtsfeſt Jeſu Zr B. p. 193. 

6. 4. 
Welhnachtscyelus. 
Demnach verfinnlicht das Weihnachtsfeſt die Vorſtellung von 
‚ber Menſchwerdung Jeſu. Als Vorfeier gilt bier die Adventszeit *), 
Das Esiphanienfeit fol den heiligen Cyclus ſchließen und ben vom 
Weibe gebornen und in die Welt eingeführten Heiland, der nicht 
blos zur Erlöfung Sfraeld, fondern auch zur Berufung der Heiden 
efommen fei, verherrlihen. Vom 5—8. Jahrhundert erhielt die 

eihnachtöfeier mehrere Begleitungsfeſte, die an fich auffallen müßs 
ten, wenn es nicht befannt wäre, dag man im chriftlichen Alters 
thume nicht ſowohl den Tag der Geburt zum trdifchen Dafeyn, als 
vielmehr den Tag der Verklärung zum höhern Leben oder den 

—— feierlich aubzeichnete. Zu dieſen Begleitungäfeflen nun 


ehoͤren: 
9 Der Gedaͤchtnißtag des Stephanus). 
2) Dad Andenken des Evangeliſten Vergl. bie Geſchichte dies 
3) zee anſchuldigen Kinder), —— ne 
4) Das gef ber Belebung und des bung auf Weibna ex * 
amend Jeſu °). Pa : 
‚ 5) Das Erfcheinungdfeft?). nachgewieſen worden iſt. 
6) Das Reinigungefeft der Marias). , . 
2) S. ben Art. Feſte ber Chriſten 2 B. p. 93 und 94. Den Art. 
Sonntag Ar B. p 364 fe - | 
b) ©. den Art. Geburtsfeſt Jeſu r B. p. 14 — 95. 0) Ibid. p. 
195 seqg. qh lbid. p. 196. | 
e) ©. den Art. Beſchneidungsfeſt Ir B. p 207 ff. 
H ©. ben Art. Epiphanienfefl 2: B. p. 44 ff. ' 
g) S. den Art, Marid Reinigung St B. p. 326 ff. 

















U u u 


9 ED" WE. GE Wu was 
a 


- QAuferftehung Jeſu, und das Ofterfe 


Die chriſtüch⸗ kiechliche uterthumewiſſeiſchaft w 741 


§. 5 
Atter und Ableitung bes Welhnachtsfeſtes. 
- Die beften Schriftfteller Uber chrifttiche Archäologie flimmen 
darin überein, daß dieſes Zeit in ben erften brei Jahrhunderten gar 
nicht gewöhnlich war, und daß man bie einzelne Zeier deſſelben ins 


4. Jahrhundert fegen muͤſſer). Die Nomenclatur biefed Feſtes iſt 


fehr reichhaltigb). Die Ableitung deſſelben hat man verfucht theild 
aus dem Heidenthume, theild aus dem Judenthume, theild aus 
ber norbifhen Mythologie). Am gluͤcklichſten feheint «Augufti den 
Urfprung dieſes Feſtes aud dem Gegenſatze zu häretifchen Vorſtel⸗ 
lungen und Einrichtungen zu erflärend). Die Unterfuchungen über 
ben Geburtömonat und Geburtötag Jeſu find fchwierig®). Außer 
der bereitd erwähnten Vorfeier und den Begleitungdfeiten zeichnete 
man dad Weihnachtöfeft_ theild nach der Analogie anderer hoben 
Hefte aus, theild auch durch befondere eigenthümliche Gebräuche), 
und eine audgezeichnete Feier des Weihnachtöfefles findet auch in 
unfern Zagen noch Statte), 


a) S. den Art. Geburtsfeft Jeſu 2r B. p. 188. bb) Ibid.-p, I88. 


e) Ibid. p. 189. d) Ibid. p. 190—91. e) Ibid. p. 191 — 
195. ) Ibid. p. 195—200. g) Ibid. p. 200— 201. 


8§. 6. 


Oſtereyclus. 
Die alte Sitte am Epiphanienfeſte den Termin der Oſterfeier 
anzufündigen, macht einen natürlichen Uebergang zum Oſtercyclus. 
Diefer umfaßt die heiligen Tage zur Feier ded Todes und ber 
d bietet eine größere Einheit des 
Gegenſtandes und der Perfon Jeſu dar, als das Weihnachtsfeſt. 
Hier tritt überall die Perfönlichkeit hervor. Chriſtus wird gefeiert, 


“ der Sieger über Tod und Hölle. Auch hier zeigt fich eine Vorfeier, 


nämlich ein großes vorbereitended Faſten, dad Icon im 6. Jahr⸗ 
hundert auf 36, und fpäter auf AO Tage vermehrt wurde.). Der 
ies cinerum eröffnet die Zeit bed carnis privii (in der fpätern 
Zeit caro vale)b). Der Sonnabend vor Oſtern oder das Sabba- 
tum magnum war dad Ende derſelbene). Dad Ungewöhnliche 
und Eigenthuͤmliche bei diefen Worbereitungsfaften auf Oftern befteht 
darin, daß fie in den Feſteyclus felbft hineingehen, daß eine Gras 
bation derfelben Statt findet, und daß namentlich der Charfreitag 
anz wider die Regel ein Zafls und Zefttag zugleich iſt ). Der 
almfonntag®) beginnt bie große Woche), worin jeder Tag einem 
efttage gleich geachtet wird, doch beionderd gilt dieß von: dem 
ten, 6ten, 7ten, grünen Donnerftage), Charfreitagt) und Sab- 
batum magnum'). Mit dem Ende der Nacht diefes heiligen Sab⸗ 
baths beginnt die eigentliche Oſterfreude und für die Dctave ober 
Nachfeier diefes Sage war ber fogenanmmte weiße Sonntag (Do- 
minica in Albis) beftimmtk*). . 

a) ©. den Art. Faſten, Bafltage 2 B. p. 75 ff. Quadrageſimal⸗ 

foften 4 B. p. 22 $. N | 


— 


742 Die chriſtlich⸗ aechiche Alterthumswiſſenſchaft x. - 


b) ©. den Art. Aſchermittwoche 1:3. p. 140, 
0) 8. den Art. Babbathum magnum dr B. p. 297 ff. . 
d) ©. den Act. Charfreitag 1r B. p. 875 ff. 

e) S. den Art. Palmfonntag Ar B. p. 169 ff. 

f) S. den Art. Charwoche, hebdomas magna Ir B. p. 383. 

8) S. den Art. grüner Donnerſtag Zr B. p. 254. 

h) ©. ir B. p. 876 ff. 

i) ©, den Art. Sabbachum magnem dr B. p. 297 f. 

k) ©, den Art. Sonntag p. 868. 


8. 7. 
Üter, Namen und andere Beziehungen bes Oſterfeſtes. 


Das Ofters oder Auferſtehungsfeſt Jeſu reicht feinem Urfprunge 
nach fon in das apoftolifche Zeitalter hinauf. Eigenthuͤmlich das 
für iſt die griechifche Benennung naoye*) und verfciedene Ablei: 
tungen bed deutichen Oſtern find verfucht worden b). Streitigkeiten 
über bie Zeit der Oflerfeier entftanden ſchon früh), und es ift nicht 
ohne Schwierigkeiten, den richtigen Zeitpunkt der Dfterfeier zu bes 
flimmen 2), In allen Jahrhunderten hat dieß Feſt habe Auszeich. 
nung gefunden, und auch jest gilt ed noch als der Chriften erba 
benfted und freundlichfied Hefte), 


a) S. den Art. Auferfichungsfeft ie B. p. 185. b) Ibid. p. 159. 
e).Ibid. p. 161 aeqgg. d) Ibid.p. 165seqg. e) Ibid. p. 167 seggq. 


§. 8 
Pfingſteyclus. 

Wir gehen über auf den Pfingſtcyclus. Die beiden erſten hei⸗ 
ligen Zeiten befchliegen dad ganze Erdenleben Jeſu von dem Tage 
feiner Geburt bis zu dem Augenblide, wo ſich Jeſus feinen Juͤn⸗ 

ern und Freunden ald Auferjiandenen zeigt. Die dritte ftelt ven 
n den Himmel erhobenen und zur Rechten Gotted verfegten Hei⸗ 
land dar, wie er feine Verheißung bed Paraklets erfüllt, und bie 
Gemeinde der Heiligen als unjichtbared, aber durch Wunderkraft 
auch auf Erden noch fortwirkended Oberhaupt regiert. Der Stoff 
dieſes Feſtes ift eenta ein biftorifch = bogmatifcher, d. h. er flügt 
fi) eben fo gut auf Thatfachen und Begebenheiten, deren Wahrheit von 
ber Gewißheit hiſtoriſcher Zeugniffe abhängt. Dennoch muß dabei die 
dogmatiſche, oder, was hier daſſelbe beißt, Die ideale Anficht ald die 
vorherrſchende angefeben werben“). Diele heilige Zeit nimmt mit dem 
Himmelsfahrtsfeſte ihren Anfang ®) und ſchließt ſich mit det Octave 
des Pfingſtfeſtes oder mit dem Trinitatisfeſte, einem ſpaͤten, nach 
ſeinem Urſprunge dunkeln Feſte, dad jedoch für die Reihefolge der 
Sonntage nach Pfingſten in der roͤmiſch⸗katholiſchen, wie in ber 
proteftantifchen Kirche nicht unwichtig gemorden iſt <). 

a) ©, ben Art. Fefte ber Chriften 2.8. p. 98. 

b) ©, den Art. Himmelfahrtefeſt Jeſu 2r B. p. 267 ff. 
ec) S. den Art, Trinitatisfeft Ar B. p. 585 ff. 


⸗ 


Die qhriſtlich · kirchliche Alterthumsweiſſeſchaft x. 743 

5. % | 

Die zeither penannten Feſte Laffen ſich Shriftuss oder Herrenfeſte nennen, außer 
welchen fi in ber chriſtlichen Kirche auch noch andere Feſtreihen bildeten, 

‚Ueberblidt man die zu biefen brei heiligen Zeiteyclen gehörigen 

Hefte, fo ergiebt ſich leicht, daß fie fammtlich ‚eigentliche Chriftußs 

fefte oder nad) dem Kirchenſtyle Herrenfefte. find. Die Patholifche 

Kirche erkennt bieß au dadurch an, daß fie die Feſte eintheilt 

1) in Festa Jesu Ohristi, 2) Matrie Christi und 3) Sancto- 

zum et Martyrum. . In der griehiichen Kirche ift dieſelbe Einthei⸗ 

lung gebräuchlih: 1) "Bopzal Ösonorixal, Hertenfefte, 2) 9so- 
umsspixal, Fefte zu Ehren der Mutter Gottes 3) Tor Eyiwy, 

Heiligen « oder Maͤrtyrerfeſte ). Noch einige kleine Fefte, die ſich 

auf die Perſon Jeſu beziehen, die aber nicht in der ganzen Chris 

ſtenheit gefeiert werden, laffen ſich hier zugleich mit berü fichtigen, 

Sie beziehen ſich theild auf gewiſſe Wrabitionen, wie das Keft der 

Lanze und Nägel Chriflib), zwei Felle zu Ehren bed Kreuzes, 

Kreuzederfindung und Kreuzederhöhung), theild auf dogmatiſche 

Vorſtellungen, wie die Verklaͤrung Chrifti 4) und dad Fronleichnams⸗ 

fefte). Diefe geither genannten Gefammtfefte bilden das fogenannte- 
riſtliche Kirchenjahr und die Feſtverzeichniſſe in ben lateinifchen 
alendarien und griehifhen Monologien oder Menden find mit vies 

ler Sorgfalt gemacht. Mit gewillen Ausnahmen folgt hier bie 
proteftantifche Kirche der roͤmiſchen Obfervanz. | 
a) S. den Act. Zefte der Chrilten 2 B. p. 96. 

b) ©. ben Art. Lanze -ıc. 4: B. p. 168 f. 
0) S. kirchliche Feſte in Beziehung auf das Kreeuz Br B. p. 144 ff, 
d) &. den Art. Verklaͤrungsfeſt 4 B. p. 589 f. 
e) ©, Fronleichnamsfeſt 2: B. 149 ff. 


Gay. II. 
‚ Bon ben Märtyrer: und Heiligenfeften, 


8. 1. 
Ableitung bee Märtgrerfefte und ihre frühes Vorhandenſeyn. 

Es bleibt wohl immer bie ficherfte Conjectur, daß bie Märtys 
rerfefte eine Nachahmung der Todtenfeier Jeſu waren, welche man 
ſchon früh in der Abficht beging, um den Heldenmuth Zefu zu 
bewundern und nachzuabmen, mit welchem ex für bie große Sache 
der Wahrheit und Tugend das Leben geopfert hatte: Tyatſaͤchlich 
ſcheint dieſe Nachahmung zum erften Male eingetreten zu fepn, ald 
— — Biſchof von Smyrna (in der zweiten Hälfte des zweiten 

ahrhunderts) den Märtyrertod erlitten hatte. So viel iſt gewiß, 
daß ihm zu Ehren lange zuvor fchon eine kirchliche Feier veranſtaltet 
wurde, ehe man daran dachte, den Protomartyr Stephanus auf, 
gleihe Weife audzuzeichnen. Man kann barum ba& zweite Jahr⸗ 
hundert als dem Xnfangspunft dee Mörtyrerfefte annehmen *). 


a) ©. den Kt. Mästyuerfefle 56 B. p 277 mad 78. 


FR 


Ta Die chriſitich⸗ lirchliche Alterchamswiſſenfſchaft ac. 
8 2 " j 
80 die Märtgrerfefte gefeiert wurben. 

Sammelt man die Nachrichten über bie Denktage bee Maͤrtyrer 
ins chriftlichen Altertbume, fo erfährt man, baß fie zunaͤchſt über ih⸗ 
sen Gräbern und an den Orten, wo fie gelitten hatten, gefeiert wur 
den, baber anfangs nur Lolalfefte waren. Als aber abwärts vom 

iten Sahrhundert die Zahl der Märtyrer immer mehr wuchs, 
-  faßte marı dad Andenken mehrerer Märtyrer zuſammen und’ fo ents 
landen Provinzialmärtyrerfefte, biß auch biete ‚in ber griedifchen 
Kicche bis zu einem einzigen Fefle, Festum omniam martyrom, 
ſich vereinfachten. Da man fon die Märtyrer Heilige nannte, 
diefe aber allmählig aufbörten und an ihre Stelle ſolche traten, bie 
wegen einer gewiſſen abenteuerlichen Froͤmmigkeit faft noch höher 
in der Meinung ded Volks fanden, und xas’ dboxgrm, Heilige ges 
nannt wurben®), fo entſtand fpäter ein Zeit aller Heiligen im 
Abendlande, welches ald ein Analogon des Feſtes aller Märtyrer in 
der griechiichen Kirche konnte angeſehen werden, obgleich, was das 
Alter und den Iahredtag biefer. Feier betrifft, in beiden Kirchen 
Verſchiedenheit herrfchtb). | . 
a) ©. Überhaupt den Art. Hagiolatrie 2er B. p. 260 ff. und ben 
Art, Zeft aller Heiligen 2 B. p. 284. db) Ibid. m 284 — 86. 


6. 3. 
| Wie fie gefelert wurden. 


Aber auch über bie Art und Weiſe, wie die Märtyrerfefte ges 
feiert wurden, Fehlt ed im chriftlichen Alterthume nicht an Rad 
richten“). Es iſt nicht unintereffant nachzuweilen, in wiefern von 
ber Art und Weife folhe Feſte zu feiern, die fogenannten Martys 
rologien koͤnnen abgeleitet werdenb). Uebrigend haben die Märtys 
rerfeſte auf den fpätern Cultus der Chriften einen mehr nachtheiligen 
Einfluß geäußert‘). Noch jegt dauert die Märtyrerverehrung in den 
Fatholifchen Kirchen :de8 Morgen: und Abendlandes fort; in ber 
proteflantifchen Kirdje hingegen find die Mömoriae Martyrum et 

anctorum gänzlich unterblieben. 
a) S. den Art. Märtprerfefte, Se B. p. 280 f. b) lbid. p. 282 
seq. c) Ibid, pP 283 —85. . 


. 4. 
uebergang von. ben Maͤrtyrerfeſten zu ben Apoflelfeften. - 
Hatte man im chriſtlichen Alterthume eine fo hohe Meinung 
von dem Berdienſtlichen des Maͤrtyrerthums aufgefagt, ja hatten 
nad unverwerflichen Nachrichten ſelbſt einige Apoflel den Märtyrer: 
tod erlitten; fo darf man ſich nicht wundern, daß man biefe Meis 
nung auf diefelben übertrug , ja felbft ein apoſtoliſches Maͤrtyrerthum 
Kdichtete. Es fehlt darum nicht an wechfelnden Spuren eines 
Feſtes ommum apostolorum im chriſtlichen Alterthume, d. h. an 
Spuren, die fich bald In einzelnen Zeitaltern und an vinzelnen 
‚Orten bemerkbar machen, aber - auch wieder verſchwinden, fie 


\ 


Die deifiiih ichläche Autstiennscifiinieitn. AB 
„ungefähr vom 9. Jahrhundert un in der abendlaͤndiſchen Mische und 
zeitiger noch in. der griechifchen Kirche heart in bad Hell aller Heilis 
gen am 1. November, hier in den Gedaͤchtnißtag aller Maͤrtyrer 
und Heiligen am Sonntage nah Pfingften übergingen®). 


‚a) ©. den Art. Apofteifefte. 1 8. p. 129 ff. 


& 5. 
Einzelne Oenktage ber Apoftel; " e 


Kam es num aud) nicht zu einer allgemeinen Collectivfeier aller 
Apoftel in der chriflichen Kirche, fo. traten doch bie einzelnen Denk⸗ 
tage berfelben, ja felbft zweier Evangeliften, deſto deutlicher herygr. 
Wir haben darum auch in diefem Handbuche die Denktage folgens 
Der hierher geböriger Perfonen behandelt: Den Andreadtag"), Die 
Denktage bed Barnabas b), ded Bartholomäud‘), des ältern Jako⸗ 
bus , des Lukas e), des Markus), des Matthäude), des Mats 
thias *), die Collectivfeier der Apoſtel Petrus und Paulust), pußt 
dus und Sakobusk), Simon und Yudas!), Thomas ꝛ). 


a) ©. den Art. I. ß 111 - 115. b)Lp 185 - 188. 0 L. p. 
4189—191. d) I. p. 385—838. e) III. p. 265—268. III. 
p. 316 - 817. g) Ill p. 365 —- 857. h) III. p. 3868 — 860. 
i) IV. p. 201 -So. k)IV. p. 218-221. DIV. 312-814. 
m) IV, p. 645 — 546, - Ba 


Kuss oo. BE Sr VE 3 
Sefte, die folhen Märtprern gewidmet werben, die im A. und N. I, genannt 
\ Wworden find, 0 


\ In diefe Kategorie müflen wir auch noch Diejenigen Feſte rech⸗ 
nen, welche Perſonen betreffen, die im A. und N. T. als Märtyrer 
betrachtet’ werben und die wir theild in beſondern Artikeln, theils 

‚ Mm ber Rubrik Begleitungsfeſte zu ‚Weihnachten behandelt Yabek: 
Es gehören dahin Hewiffermaßen ber Denktag Johannis des Taͤu⸗ 
fer&*), dad Maccabäerfefth), ber Stephandtag ober Fer. H. Ne 
tiv. Ohr.°), Denktag der unfchulnigen Kinder‘). ‚Noch iſt be 

- biefer Gelegenheit eines Apoftelfefted unter dem Namen ber Apoflels 
Heilung, Festum divisionis seu dispensionis Apostolorum, das 
auf unfichern Sagem beruht und von. ber römifchen Kirche immer 
mit einer gewiſſen Gleichguͤltigkeit behandelt wurde *). 

a) ©, den rt, Johannes ber Täufer 2: B. p. 347. 

b) S, ben Art. Maccabaͤerfeſte 2 B. p. 289 — 291. 

0). S, ben Art. Gebuctefeſt Jeſu 2 B. p. 1%. d) Ibid, pr 196. 
%) S. den Art. Apofleltgeitung 11.8. p. 187, 


| $ 7. 
Maria⸗ Verehrung und bie daxaus hervorgehenden Feſte 


Die erſt nach dem 4, Jahrhundert üblich gewordene Marias 
Berhrung*), beglinſtigt und: ind Leben geruſen durch gewiſſe Eigen 


— 


% 


“ 


ME Dhe · criſilich⸗Nchuchsa Alterthuraswiſſenſchaft ıc. 
unntqkaten des Beitallers®) vbringt wieder eine Menge Feſte im 
den chriſtlichen Eallus !fo daß man fie ii größere und Üeisere 
Marienfeſte einteilen kaun. Die erſtern wurben, wie die übrigem 
feftlihen Xage: in. deu Woche ausgezeichnet, und mitı ziemlicher 
Allgemeinheit gefeiert. - Ste find in eigenen Artikeln behandelt wors 
ben°). Sie entftehen alle vom äten bis zum’ 14. Sahrhundert 
herab. Kleinere Marienfefte nennt 'man diejenigen, die nie eine 
gewiffe Allgemeinheit erlangten und größtentheild nach der Refor⸗ 
mation erft entftanden . "Auch wurde ein Gedaͤchtnißtag der Ma⸗ 
ria Magdalena gewoͤhnlich ®), — — 2.— 
:#) ©. den Art. Maria⸗Verehtung Ir B. p. 318 f. 
) Ibid p. 819 - 21. | 
„e) S. ben Art. Antmunelationis Marise Fertum It 8. p. 116 f. 
., SB. p. 326 — 3468, wo mehrere größere Marienfeſte behandelt 
R find, ale Marl Reinigung, Deimfuhung, Himmelfahrt u. a, 
‚d) Kleinere Marienfefte find berührt 82.8, p. 821 — 24, 3. B. das 
Roſenkranzfeſt, das Feſt ber Verlöbung Maria’, Maria’6 Ohn⸗ 
, machtsfeiler u. Es a 
)E dei Art. gieicheti Namens I: B. p. 34748. 


Anhang “ 

von einigen Zeften, bie fih in keine ber geither genannten 
Rubriken bringen laffen und mehr ober weniger gewöhnlid 

re ‚.gewefen find und nod find, . 


u I. > . 8. 1. 
RE rn Verſchledenartige Belle 
 : Bu foldhen. Feſten dürften gehören die Kirchweihfeſte, Festa 
Baczenior. *), die Biſchofsweihen, Natales Episcopor.®), Feſte, die 
wiehe auf Sagen, ald auf Dogmen ſich bei ihrem Urfprunge grüns 
ven, wie dad Midmelisfeft:), Feſte, die fih auf Wollö= und 
Zugendbeluſtigung beziehen, Martindfeit, Gregoriuöfefld), oder von 
einer gewiſſen Geſchmackloſigkeit des Zeitalterd ausgingen, Narren⸗ 
feſte, Eſelsfeſtee). Ein eigenthuͤmliches Feſt ſpaͤterer Zeit iſt auch 
das roͤmiſche Jubeljahr?),. Feſte wegen Abwendung drohender Ges, 
fahren und Entfernung allgemeiner Calamitaͤten, Buß *, DBets und, 
Fafltages), Feſttage ald Dank» und. Greubenfefte für befondere 
Wohlthaten Gotted in der Natur, Aerntefefte; im Staatenleber, 
z. B. für, erkaͤmpfte Siege (Die unlängft in Deutfchland und 
andern eufopäifdhen- Ländern angeordnete Fixchliche Zeier zum Ans 
denfen der Schlacht von: ginn bes Einnahme upn Paris, der 
Schlacht von Belle Alliance Haben auch Analogien im Alterthume 
für fihb).) Hierher Fönnte on auch rechnen dad nur in einzelnen 
proteflantifchen Ländern gemöhrliche Reformationsfeſti). Noch ſpe⸗ 
cieller und minder allgemein find kirchliche Feſttage, die ſich auf 
| 5 and. Negenten beziehen, und z. B. ihren Sehuri« und 
amendtag. zum. Segenftand ‚paben,:wie in Beiern. Weniger Un⸗ 








mu wu. 8 [2 u — - — 


. Kirchenſyſtemen gewoͤhnlich geworben!) 


Die chriſtlich⸗ kirchtiche Alierthumnswiſſenſchaft c WER 


nen bier ‚Zelte, die indrtlichen Obſervanzen ganzer Laͤndes wu 

Staͤdie ihren Urſprung baden, beruͤckſichtigt en, wie z. Be 

ber katholiſchen Chriſtenheit Feſte zum Andenken der S 

ganzer Bänder, einzelner Staͤdte und Corporationen. Ein kirchll⸗ 

ches Feſt untrr dem Namen Tobtenftier iſt jetzt beinahe in allen 

4) ©, den Act. Kirchengebraͤuche A B. p. 86. -:- ... 6 

b) S. den Art. Bifhofsweihe Ir B. p. 263. 

e) S. ben Art. Michaelisfeſt Se 3. p. 419 ff. 5 u 

d) S, de get Martins⸗ und Giegorlusfeſt Sr B. p. 349, KW; 

e) ©. die Artt. Närcenfefte 4 B. 9.115 ff. Ibid. p. 172, 

f) ©. den Art. Jubeijahr Ir B. p- 852. 

) ©. den Art. Bußtage Ir B. a. 310 ff. Fu 

"h) ©. den Art. Feſte der Chriſten 2r 3. p. 108. S) Ibid. p. 102. 

k) S. den Art. Hagiolatrie p. 269. W 

1) —A Art. Feſte der Chriſten p. 104. Art. Verſtorbene 4At B. 
P- oo. > " u 


Cap. IV. 


Einige wiqtige Schlußbemerkungen, bie qriſtliche Feſt 
feeier betreffend — 


6. 1. 
Einwirkung ber Reformation auf bie kirchliche Feſtfeier. 


Wie die Reformation uͤberhaupt auf dad zeither üblich gewe⸗ 
jene kirchliche Leben einmwirkte, fo konnte dieß auch nicht in Abficht 
auf die kirchliche Feſtfeier ſehlen. Eigenthuͤmliche Srundfäge ftellten 
auch hier die Reformatoren auf, die bei Lutheranern und Reformirs 
ten ziemlich ähnlich, nur bei den legtern noch Durchgreifender waren, 
Daraus bildeten fich gewifle Divergenzpunkte zwiſchen der römifchen 


‚und proteftantifchen Kirche, wovon Die wichtigſten folgende feyn 


dürften: 1) Die römifch s fatholifhe Kirche erflärt die Feier heiliger 
Tage für einen wefentlichen und nothwendigen Theil des Cultus, wähs 
rend die Proteftanten fie nur für ein Adiaphoron halten. 2) Im 
der proteftantifchen Kirche find die Wigilien und Detaven ald Vor- 
und Nachfeier der Feſte größtentheild abgefchafft. 3) Bei den Pros 


teſtanten find die Faſten Fein gefetliches Inflitut, wie in der roͤmi⸗ 


hen Kirche, und auch in Abfiht auf dad Teeinpus elausum hecrſcht 
bei den erſtern eine larere Obſervanz °). ' 


&) ©, den Art. Feſte der Chriften 2t B. p. 96 und 97. 
| 2 
Berminberung ber kirchlichen Feſtfeier im 18, Jahrhundert, 
Aus dem biöher Bemerkten ergiebt A ‚, dab die Menge der 
Beßtage im chriftlich»Ricchlichen Beben bis zum rlichen 


BES Die cheifkiich- Mechliche Alterchans wiſſenſchaft sc. 

dat Uebertriebenen häufen müßte. - (Man vergl, bie von und 2r 3. 
. 91 f. gegebene Ueberficht der unbeweglichen und beweglichen Fefte 

. im Laufe eines Kirchenjahrd.) Schen lange vor der Neformation war 
Klage darüber erhoben worben, jedoch ſtets vergeblich; dem 18ten 

Jahrhundert war dad Reduciren ber Feſttage, mie in ber. römifchs 

katholiſchen, fo auch in der proteftantifchen Kirche vorbehalten *). 
a) S. den Art. Feſte der Chriften 2: B. p. 98 - 100, 


§. 3 
Ginige mei ungänftige Erſcheinungen der neuern Zeit in Abſicht auf die chriſt⸗ 
2 liche Feſtfeier. j 
Richten wir einen Blick auf die chriftlich-Firchliche Feſtfeier im 
der neuern Zeit, fo ſtellen fidy mehrere meifl unguͤnſtige Erfcheinuns 
en in Beziebung auf diefelbe heraus, Dahin iſt zu rechnen bie 
 anzöfifce Staatsumwälzsung*),, der Angriff 
auf kirchliche Dogmen, auf welde ſich die Seftfeier 
gründete, ausgegangen von Theologen der pros 
teftantifhen Kircheb), der Theophilantbropismus 
In dem legten Decennium des 18. Jahrbundertse), 
der religiöfe Indifferentismugs und die bamit vers 
bundene Zirhenfheun‘) Eine Vergleihung unferer Tage 
mit der Vergangenheit giebs darum auch bier Stoff zu wichtigen 
Betrachtungen °), - 
a) ©. den Art. Feſte bee Chriſten 2: 3. p. 101. b) Ibid. p. 102. 
o) Ibid. p. 105. d) Ibid. p. 108. 0) Ibid. p. 104 und 105. 


Vierter Abſchnitt. 


Von ben fogenannten heiligen Handlungen oder don 
dem Sultus im engern Sinne, ’ 


Gay. IL 


Einleitenbe Bemerkungen 


$. 1. 

Eintheilung ber heiligen Handlungen in bee aͤlteſten Kirchenverfaffung, 
Nach der älteften Kirchenverfaffung muß man bie heiligen oder 
gottesdienſtlichen Handlungen in zwei Hauptclaſſen, nämlih in 
sacra publioa und in sacra privata, seoreta eintheilen, welche 
letztere auch Mysteria oder Sacramenta genannt werben. Diele 
Eintheilung ‚und Gewohnheit rührt aus dem 2, Jahrhundert ber 
und hatte thren Grund theild in den Verfolgungen, welche das 
Shriftenthum zu erbulben hatte, theild in dem Beſtreben durch 
Nahahmung der alten Myſterien den chriftlihen Inftituten nicht 
nur mehr Sicherheit, fondern auch mehr Intereſſe und Reiz zu vers 
Maffen. Man pflegt alles hierher Gehoͤrige unfer dem Namen ber 
disciplina aroani zuſammen zu faſſen ), und biefem gemäß alle 


Die chrſtiſch· Aechſlicht Alcerchanswafſenſchaft ʒc. WER- 
ottesdienſtliche Handlungen in Missa . Cntechumeneram. und 
idelium einzutheilen b). . 

a) S. den Art. disciplina ar cayi ir B. P. 506 ff. ” , 
‚b) ©. den Art. Catechumenat ir B. 573 und ben Art. Chriſten 
12. p. 406 ff. 0. 
$, 2 
Ordentliche unb außerorbentlidie eligionthandlungen. 

Diefe Unterfcheidbung des Deffentlichen und Geheimen bezog 
fi) aber mehr auf die Form, d. h. auf bie Gebräuche, als auf die 
Lehre. Denn auch felbft dann, ald die diseiplina ‚arcani feit dem 
5. Zahrhundert immer mehr an Anfehen und Einfluß verlor ®), 
blieben die fogenannten heiligen Handlungen dieſelben und es bildes 
ten fich im Laufe der Zeiten einige neue, welche zu dem Unterfchiebe. 
berechtigen, ordentlihe und außerordentlihe Reli— 
gionshbandlungen anzunehmen?). Die Drbnung nun, nach 
welcher diefe Religionshandlungen begangen wurden, und befonders: 
bie fchriftlichen Anweifungen dazu, nannte man Liturgien. Es 
ift zu bedauern, daß die Altern Schriftwerke biefer Art, befonders 
wie fie ſich bei den Häretilern geftaltet hatten, verloren gegangen 
find, weil man daraus Manches, was die Form des frühern Got⸗ 
teöbtenfted betrifft, würde haben lernen Tönnen 6). 


a) ©, ben Art. disciplina arcani p. 512. 
b) ©. z. 8. die Artt. Proceffionen und Wallfahrten. 
0) S. den Art. Liturgien, wo Über die Bedeutung dieſes Wortes und 


über mehrere Andere, was fi darauf bezieht, das Möthige bea 
merkt worden iſt. 


Cap. M. 
Bon ben ordentlichen Religionthandlungen. 


1. 
DOrbentlihe Religionehandlungen. 
Die Religionshandlungen, welche diefen Namen führen, find 
ſchon frühe Beftandtheile des chriftlichen Gotteödienfted, mehrere 
berfelben gingen aud der jüdifchen Synagoge in das Chriftenthum 
über und find von allen Gonfefjionen beibehalten worden“). Dahin 
—8 ver Befangb), bad Gebete), bad Vorleſen der 
eiligen Schrift‘), die Predigt®), die Adminiftration 
der Sacramente, befonderd der Taufe und des Abends 
mabis’), fo wie die Übrigen Ritus, welche zuweilen ebenfalls Gas 
kramente genannt werden, ald die Abfolutions), Lonfirmas 
tion der Latehumenen"), Priefterweihei), Ehex) 
und legte Delung)), die Suneralien und Erequien=). 
Die Wichtigkeit diefer Gegenftände hängt allerbingd von ben vers 
ſchiedenen dogmatiſchen Geſichtspunkten und Firchlichen Intereſſen 
ab; allein der Hiſtoriker hat fie aus dem freiern, uͤber kirchlichen 
Partilulariemus erhabenen Gefichtöpunkte gleich andern merkwuͤrdi⸗ 
gen Erſcheinungen zu betrachten, re 4 


» 


TO Die qaiſttich, Tiahküche Alierthiawiſſciſcha ſt =. 


9): &; In. Art. Cultus der Ehuſten: 1er Bi.p 467 fi 
b) S. den Art, Sefang 2 B. p. 208 ff. - 
0) ©. den Art. Gebet: 2 B. p. 174. : - 
8) Die heil. Schrift, ihr Gebrauch zum Vorleſen in ben gottesbienfls 
lihen Berfammlungen 2r B. p. 287. 
e) S. den Art. Domille 2: B. p. 315 ff. 
9) ee Aut. Taufe Ar B. p. 454 ff., den Art. Abenhmahl 1: B. 
. A u . . 


g) ©. den Art. Beichte p. 200 fe 
:&) S. den Art, Confirmation Ir B. p. 447 ff. 

4) S. den Art. Presbyter de B. p. 228, 
‚k) ©. den Art. ehelihe Verbindung 2 B. p. 1 ff. 
3) ©&. den Art, legte Delung dc B. p. 119 ff. 

) ©. den Art, Verftorbene 4: B. p. 598 ff. 

j F. 2. 

J Ge fan 9. 
Den Geſang findet man in den aͤlteſten Dokumenten als 
dad erfie Stüd des chriſtlichen Gottesdienſtes angegeben. 
biefe Art der Gottesverehrung und Erbauung aus dem Judenthume 
abſtamme, beweift ſchon die Eintheilung in Dorologier), Pfal 
modteb) und Hymmologie‘), fo wie Die materielle und for 
melle Berwandtfchaft felbft, welche man hierbei zwiſchen dem Juͤdi⸗ 
ſchen und Chriſtlichen bemerkt. Ya, ed war eine Zeit lang eine 
nicht unwichtige Streitfrage: Ob ed erlaubt fei, fi beim Gots 
teßdienfte neuer, die eigenthümlichen Glaubenslehren barftellender 
Hymnen zu bedienen‘), Wahrſcheinlich ift ed auch Daher zu erklaͤ⸗ 
ten, daß die Altefte Hymnologie fo dürftig iſt, und bag wir erſt 
mit dem 4. und 5. Jahrhundert in einigen berühmten Kitchen des 
Alterthums Dichter religiöfer Gelänge finden). Auch in diefer 
Beziehung ift der Einfluß der Reformation ein günfliger zu nennen 
und dig Iutherifche Kirche ſcheint in dieſem Augenblide in Abficht 
auf den Kirchengefang am höchften zu fliehen). 

a) ©, den Art. Doxologie ir B. p. 514 ff. 

b) S. die Abth. Pfalmobie im Art. Gefang 2: B. p. 208 ff. 

e) ©. die Abth. Hymnologie im Art. Gefang 2e B. p. 209 ff. 


d) S. die Abth. Hymnologie p. 211 — 23. 

e) Dahin gehört die Hymnologie der fyrifhen ibid. p. 118, des 
griechifchen p. 220, der Inteinifhen Kirche bi6 ins 15. Jahrhun⸗ 
dert herab p. 221 ff. \ 

8) Hpunologie ber proteftantifchen Kirche ibid. p. 232. Ibid. p. 287. 


& 3. 
Gebet . _ 
&o wie zwifchen G b Gebet überhaupt Bei 
Unterfehieh ie ſo macen inkbefondere einige Arten De * 


Die Hit: Bnchliche Kite fifa. VAR 

es ben Wehergang zum Sischengebeit oder gehdcen wichmehe 
—* gemeinſchaftlich an, wie z. B. die Dorologiene), dia 
Antiphonen und Reſponſorienb), die Lollecten‘), 
liturgiſche Sormeln verfhiedenerXrtd), Lirameien‘) 
und bergleihen, welche bald gelungen, bald recitirend gebetet wur⸗ 
Den. Unter den eigentlichen Stirchengebeten aber: find beſonders au 
bemerken, 1) das Gebet des Heren oder Daterunferf), 
fräher erft geheim gehalten, Ipäter aben allgemein gebraucht. -2) Die 
allgemeinen Gebete nach der Predigt ober zum Anfang und Schuß 
der Verfammlung an Sonns und. Zefitagen ober in den ſogenann⸗ 


‚ten Betſtunden. 3) Die allgemeinen und befondern Zürbitten und 


Danffagungene). 4) Die befondern Gebete’bei der Taufe und dem 

Abendmahle, bei der Gonfecration der Satechumenen, Priefter u. f.w.b), 

wozu auch die Erorcismen!) und Extonimunikationsformeln zu veche 

nen ſind *). — * 

a) ©, den Art. Doxologie 1r B. am Schluſſe. 

b) S. den Art. Antiphonie Ir 3. p. 120 ff. 

0) S. den Art. Eollecten ir B. p. 442 ff. . 

‚d) S. den Art. liturgiſche Formeln Sr B. p. 228. 

e) ©. den Art. Litanei Sr B. p. 196 ff. nn u 

H S. den Art. Vaterunfer 4r B. p. 580 ff. 2 oo. 

8) S. den Art. Gebet Nr. III. verſchiedene ‚Arten bes Öffentlichen 
Gebets 2 B. p. 180 ff. ' 

h) S. die dahin einſchlagenden Artikel. 


16. den Art. Exorcismus 2 3. p. 61 ff. 
k) ©. ben Art. Fluch und Segen Ir B. p. 131 fl 


& 4 
Gebräuche beim Gebete: 
Obgleich die chriftliche Kirche auch darin ihren liberalen (has 
rafter behauptet, daß fie Fein fo firenges und peinliched Gebets⸗ 
Geremoniell, wie das Judenthum und der Mubamebismus vors 


ſchreibt, fo finden wir doch auch im chriſtlichen Alterthume gewiſſe 
außere Gebräuche, die zum. heil nach befiehen, zum Theil aber 


wieder verfhwunden find . — _ 
a) S. den Art. Gebet 2: B. p. 182 ff. 


W | 5 
Vorlefungen and bee heiligen Schrift in ben kirchlichen Verſammlungen 
‚bes Ghriften, . 

Au bei dem Voerleſen ber ‚Heiligen Schrift, wofuͤr eigene 
Lectoren beftellt waren“), hat.bie juͤdiſche Kirche um fo — 
Vorbilde gedient, als die aͤlteſten Chriſten die heiligen Schriften bes 
L F. nicht nur mit den Juden gemein hatten, fonbern- auch ans 
fangs als einzige Dffenbarungsurkunde beim NReligiandunterrichte ımb 
Goliesdienſte betrachteten. Seit dem Abfchlufte des N X. Ganond,. 


. ‘€ 


TER Die RE - Tnürie Tisclkimihrelffcnfinft x. 


winde dad X. ©. fortwährend meben dan N. Z. geraucht, und es 
iſt eine begründele Thatfache, daß auch zum heil. die Apokryphen 
Öffentlich vorgelefen wurden. Auch entfprechen die Lertionen und 
Perikopen völlig den jüdifchen Synagegaleinrichtungen der Parafchen 
und Haphtharen. Indeß kann bie Behauptung, daß unfre jegigen 

rikopen, wenn nicht aud dem apoflolifchen Zeitalter, doc aus dem 

Iteften Seiten dev Kirche herrühren, nicht -feflgebatten werben, da 

dad jüngere Alter derfelben aus mehren Außen und innern Gruͤn⸗ 

a) ©, den Ark. Lectoren Se B. p. 170. 

b) ©. den Att. heilige Schrift; ihe Gebrauch zum Vorlefen in ben 
gottesbienftlihen Verfammlungen der Chriften, wo die im Paras 
graph angedeuteten und noch mehrere hierher gehörige Punkte eröc: 
tert find 2 B. p- 287 ff. | u 


j j “ 6. 
Lehrvortraͤge Jeſu und feiner Apoftel, 

Drurch dab lebendige Wort hatte Jeſus feine Religion gegrüns 
bet und durch daſſelbe wurde fie von den Apofteln fortgepflanzt und 
verbreitet. Das lebendige Wort Tann fich in verfchiedenen Formen 
mittbeiten, worin ja felbft der Beweis in der Lehrart Jeſu umd 
feiner. Apoftel vorliegt. Es fragt fih nun, ob fi darunter auch 
der zufammenhängende, länger anhaltende Lehroortrag befand? Sm 
allgemeinen betrachtet kann die wohl bejaht werben. Denn find 
die Reden Jeſu und der Apoitel im N. T. auch nicht ſolche Homis 

lien, wie die des Chryſoſtomus, fo find fie doch auch eben fo wenig 
Gatechefen, wie fie Cyrillus von Serufalem, Gregoriud von Nyffa’ 
ober fpätere Sernieten lieferten. Man hat daher auch Fein Bedens 
Ten getragen, Jeſu und feinen Apofteln gewifle, zufammenhängende 
Lehrvorträge zuzufchreiben °). 

a) ©. ben Art. Homilie 2 B. p. 214. 


9. 7. 
Homilie ober Predigt: in nachapeſtoliſchen ‚Zeiten. 

In ben Wagen, welche unmittelbar dem apoftolifchen Zeitalter 
folgten, hatte ſich der chriftliche Cultus nach der jüdifchen Synago⸗ 
alverfaffung bereitd ausgebildet. In den Nachrichten, die wit 
uftin dem. Märtyrer über die Beſchaffenheit des chriftlichen Got⸗ 
teödienfted verdanken, wird auf ſolche Lehrvortraͤge ebenfalld hinge⸗ 
wieſen, und man kann darum annehmen, daß dad, was wir Pres 
digt nermen, Thon im erſten und zweiten Jahrhundert einen Theil 
des chriftlichen Gottesdienſtes ausmachte. Mit dem 3. Jahrhundert 
beginnt bie Reihe der wichtigſten Homileten im dhrifilichen Alters 
thume, namentlich mit Drigened,. der ald bee ‚Water zuſammen⸗ 
enber Lehrvortzäge Über Abfchnitte ber Bibel: angeiehen werben. 
ann. Da’ feine Worträge eigentlich nichts anderes Kub, als popu⸗ 

läre Sariftestlärungen, bie in: herzliche Ermahnungen, ale 
und Troͤſtungen übergehen, ſo ſcheint baflıc der Name öpsckles . 











« 


Die erh krchuch Auterthamewaſſenſchaft 059 


nicht unglüdtid gewählt gu ſeyn, weil bad Wort duudsiv ben 
Nebenbegriff der Popularität und Bertraulichkeit ausbrudt). 


a) S. den Art. Homille Zr 3. p. 816. 


u F. 8. 
Berühmte Homileten ber morgens und abendlaͤndiſchen Kirche bis zum fünften 
Jahrhundert, 


Es traten nun in ben Sahrhunderten, Die wir im engem 
Sinne das chriſtliche Alterthum nennen, eine Reihe nicht unbedens 
tender Homileten auf und zwar im Morgens wie im Abendlande, 
A) In der griechifhen Kirche: Drigenes, Athanaſius, 
Bafilius der Broße, Bregor von raslanz, Öregor 
von Yyffa, Cyrillus von Jerufalem, Johannes 
Chryfoftomus. B) In der abendländifhen Kirche: Zeno, 
Ambrofius, Aurelius Auguftinus, ‚Petrus Chrys 
fologus, Leo der Broße*) Vergleicht man Die Redner beis 
ber Kirchen nach ihren Leiflungen mit einander, fo ftehen die grie⸗ 
chiſchen Homileten höher, ald die im Abendlande. Hingegen iſt im 
. Abendlande in fpäterer Zeit dad Schidfal der Firchlichen Beredſam- 
keit ein weit günftigereö, ald im Morgenlandeb). 


®) ©, den Art. Homilie p. 315— 323, wo die Leiſtungen genanns 
tee Homileten kurz gewürbigt find. b) Ibid. p. 825. ’ 


§. 9. h 
Fragen, bie Homilie jener Zeit betreffend. | 

Mehrere Fragen, die Homilie in diefem Zeitraume. betreffend, 
drängen fich auf. Sie betreffen die formelle Einrichtung 
der Predigt in der alten Rirche, die Zintbeilung, 
wie die Namen derfelben, wem das Gefhäft des 
Predigens vorzugsweife zukam, 'wo, wann und 
wie oft gepredigt wurde, wie ihre Ausarbeitung 
befhaffen war, welde Zeitdauer fie hatten, und 
wie fi die Zuhörer dabei verhielten?®). 


a) ©. den Art. Homilie p. 823 — 881. 


, 6. 10. 
Verfall des Predigtweſens im Mittelalter, . 


Im Mittelalter war bie Prebigtfitte fo in Verfall gerathen, 
daB Synoden und Fuͤrſten den Predigtunterricht, den man, blos 
auf die Difchöfe zu befchränken angefangen hatte, der Geiftlichkeit 
anbefehlen mußten. Auch war ein folcher Mangel an homileti⸗ 
ſcher Geſchicklichkeit, daß die Vorſteher der Geiftlichen die Homi⸗ 
lien der Kirchenvaͤter zum gottesdienſtlichen Gebrauche verordnen 
mußten. Die aͤlteſte Sammlung dieſer Art iſt dad auf Bes 
fehl Karls des Großen gefertigte Hömiliarium, welches ähnlichen 
Werken von Rabanud Maurus, Haymo u. a, welche indeß auch 

Siegel Handbuch IV. 48 


% 





754 Die chriftlich⸗ kirchliche Alterthumswiſſenſchaft ıc. 


eigene Arbeiten Tieferten, zum Vorbild diente. Schade, daß da⸗ 
durch die lateiniſche Sprache ein entſchiedenes Uebergewicht erhielt 
Die Barbarei des 10. und 11. Jahrhunderts war zu groß, als 
daß fie richt auch verderblich auf das Predigtweſen hätte einwirken 
follen. Dagegen erwarte mit dem Anfange ded 12. Sahrhunderts 
ein neued Predigtleben bis ind’ 15. Sahrhundert °). 


) ©. den Art. Homilie 331 ff. 


8. 11. 
Gänfiger Einfluß dee Reformation anf bie Predigt im chriſtüichen Bottesbienfte. 


Defto günfliger war der Einfluß, der. Reformation auf das 
Predigtwefen, indem nun die Predigt ihre frühere Geltung wieder 
erhielt, indem fie in der Lanbeöfprache gehalten wurde, und num 
In der Kirche mehr ein Lehr⸗ ald ein Priefterftand gepflegt wurde. 
‚ Dierzu kam, daß die Reformatoren nicht nur fehr fleißige, ſondern 

auch fehr mufterhafte Prediger waren, wie die Geſchichte ihrer Zeit 
lehrt. Eben weil man in der neu begonnenen evangelifhen Kirche 
die Predigt fo hoch ſtellte, laͤßt ed fich auch erklären, dag man 
jest mehr Fleiß auf die Theorie der Kanzelberedſamkeit wenbete, 
Selbft unſte Zeit, verglichen mit der Vergangenheit, lehrt, daß jetzt 
in ber proteftantifchen Kirche Die geiftliche Beredſamkeit, nach Theorie 
und Praxis betrachtet, höher fteht, als in allen fruͤhern chrifllichen 
Seitaltern °). 0 

a) ©. den Art. Homilie p. 832 — 34, 


$. 12. 
Gatechetiſcher Unterricht, 


Der catechetifche Unterricht ift nicht nur älter, fondern aud 
früher ausgebildet, ald-der homiletiſche. Daß aber die älteften 
Gatechefen mehr die Form theologifcher Abhandlungen und die cate: 
hetifhen Schulen .die Einrichtung gelehrter Unterrihtsanftalten ha⸗ 
ben (mithin dem catechetifhen Jugendunterrichte in ber Keligion in 
fpäteren Zeiten völlig unähnlich find), tft aus dem VBerhältniffe der 
Zeit und der Belchaffenheit der zum Chriſtenthume tıbertretenden 
Individuen zu erklären“). Bei veränderten Umftänden und der 
allgemein eingeführten Kindertaufe erhielt die ‚Domilie das Veberge- 
wicht über die Gatechefe und der catechetifche Unterricht wurde nun 
ein populärer Neligiondunterricht, der fi auf den jogenannten 
Decalogus, die fogenannten Syimbola und dad Bater unfer bes 
peräntte b) und in dieſer Geftalt felbft von Luther in feinen beiden 
atechismen aufgefaßt wurde e). Die Catechetif aber als Wiſſen⸗ 
ſchaft betrachtet, ift neuern Urſprungs und auch fie ſteht gegen vers 
floffene Zeitalter jegt bedeutend höher, man mag nun Theorie ober 
Drarid berudfichtigen 4). 0 
2) ©. den Art, catechetifcher Unterricht in der chrifllichen Kirche Ir B. 
p. 315 fe b) Ibid. p. 348—53. c) Ibid. p. 357 eg. 
d) Ibid. p. 8o8. Be 





Die chtiſtich⸗ kicchtcche Altertfuumbiohfenfheftn. FSB 
' 8. 13... on . 
Taufe. 

Mit befonderer Wichtigkeit wurden im chriſtlichen Cultus die 
beiden von Jeſu eingefepter feierlichen‘ Religlonshanblungen angeſe⸗ 
ben, daher bier beſonders der chriftlich > Eirchlihe Archaͤolog einen 
reichen Stoff zu verarbeiten findet. Dieß ſtellt fich ſchon bei ber 
Taufe, nod mehr beim Abendmahle heraud. Wir werden ihn viels 
leicht am bequemften fo verarbeiten, daß wir einige einleitenbe 
Bemerkungen vorausſchicken, bie fi) auf die Erymologie bes 
Wortes Taufe und die reihe Bnomasologie dieſes 
veligiöfen Gebrauchs beziehen“), fo -wie auf das Werhältnig der 
Taufe Johannis zu Tefu Taufe). Kigehthämliched hat 
auch die Taufe Jefu°), und nicht unwichtig als eifleitende Be⸗ 
merkung ſcheint auch die Taufe im apoſtoliſchen Zeitalter, im Zeit⸗ 

alter der Apoſtelſchuͤler und der fruͤhern berühmten Kirchenlehrer 
zu ſeyn )J. | U 
a) S. den Art. Taufe im Cultus ber Chriften 40 B. p. 455 — 60. 
b) Ibid. p. 461—63. 0) Ibid. p. 463 - 66. q) .Ihid. p. 466 - 68. 


8. 44. 
Berfäjletene Ftagepunete, Me Taufe beitln. . . 
Wenn man num die Prarid bei dem Ritud der Taufe hiſtoriſch 
verfolgt, fo ftellen fich wieder befondere wichtige Ftagepunkte ber: 
aus, bei deren Eroͤrterung man wieder einen reichhaftigen Stoff sum 
Verarbeiten findet: Es "gehören dahin die Kragen: Von den 
Derfonen, weldye getauft wurden®) und welche die 
Taufe verridtetend), Don den Taufzeiten‘. Don 
dem Ört, wo die Taufe verrichter wurded), Von 
der Materie der Taufe"). Von der Sorm der Taufe, 
wobei befonders der ritus immersionisundadsper 
Bionis, fo wie die Taufformel in Betradhtung kom— 
menf),. Don den Taufceremoniens). Von den Zeu: 
gen nud Bürgen der Laufe). Don den. Taufna⸗ 
men!) Don den abweihenden Anfidhten der Häres , 
tiber von ber orthödoren Rirche, Taufe und Tanf: 
gebräuche betreffensk). Don der Taufe in dem Luls 
tus der heutigen hriftliden Welt!) 
a) &. den Art. Zaufe Ar B. p. 468 f. b) Ibid. p. 481 negg. 
) Mid. 'p. 487 segg. d) Ibid. p. 490 segg. e) Ibid. p. 494 
segg. f) Ibid. p. 498. g) Ibid. p. 508 segg. h) Ibid. p. 516. 
meqg. A)elbid. p. 624. X) Ibid. p. 530 aegg. ° 4) Ibid. p. 
534 seqq. ” 
u 8. 15. . j 
\ Abendmahl 
.,..Wa8 wir fo eben von der Taufe bemerkt haben, gilt in no 
höhern Grade von dem Abenbmahle, fo daß man alles, was fi 
darauf bezog, oft mit ferupuldfer Wichtigkeit behandelte. Auch bier 
wird fich der reiche Stoff vieleiht fo am beiten berarbeiten laſſen, 


756 Die Srifich kuchlche Auerthumswiſſeiſchaft x. 


daß wir einige einleitende Bemerkungen vorausſchicken, bie 
fih auf den Urfprung, auf die Beftimmung des Abends 
mahls als eines mnemonifchen Mahles für alle Zeiten, auf ben 
Unftand beziehen, daß man fon früh dad Abendmahl mit 
einem Dpfer verglid, und eine Menge Uamen bavon 
brauchte, die man theild neuteftamentlidhe, theild Firchliche 
Namen nennen kann). Auch fcheint bier der Ort zu feyn, das 
Noͤthige von dem in der älteften Kirche gebräuchlichen und mit Dem 
Abendmahle in Verbindung fiehenden Agapend) und Zulogien 
zu erinnern, Wie nah und. nad) die frühere Abendmählöfeier 
in die Meſſe audartete und eine eigenthümliche Liturgie erhielt, 
Iehrt der Artilel Meile). Br _ 

a) ©, den Art. Abendmahlsfeier der Chriflen 1r B. p 2—9, 

b) ©. den Art. Agapen 1: B. p. 85 ff. 


e) S. ben Art. Meffe St B. p. 361 ff. 


F. 16. . 
Berſchledene Fragepunkte, das Abendmahl beizeffend, 


Außer den bereit genannten machen fich bei ber Abendmahls⸗ 
„feier noch folgende Fragen und Unterfuchungen bemerkbar: 1) Die 
Adminiftration des Abendmabls*), 2) Ort, wo die 
Lbendmahlsfeier pflegte begangen zu werdenb), 
3) Zeit, wann das Abendmahl gefeiert wurde9. 
4) Elemente des Abendmahls‘) 5) Don den Perfo- 
nen, welche an der Abendmahlsfeier Theil nehmen 
durften. 6) Abenbömablögefäße N, 7) Befandere 
Gebräuche beim Abendmahlec). 8) Deränderungen 
der Abendsmahlsfeier durch die Reformation und 
slimählige Ausbildung der Gebräuche dabei, wie 
ſie noch ſetzt beſtehen)Y. 9) Belebrender, nochma⸗ 
liger Ueberblick des Ganzen‘), 

a) ©. ben Art. Abenbmahläfeler ie B.p.9 ff. h) Mid. p 13 
seqq. ce) Ibid p. 15 seqg. 

d) Abendmahlselemente, ein bef. Art. 18 B. p. 48— 60, 

e) ©. ben Art. Abendmahlöfeier p. 18 ff. 

H Abendmahlsgefaͤße, ein bef. Art. 18 B. p. 61 — 72. 

g) S. den Art. Abendmahlsfeier p. 23 ff. 5) Ibid. p. SL zeqq. 

i) Ibid. p, 8942. 


$. 17. 
Einige Heilige Handlungen, bie in ber roͤmiſchen, nicht aber in ber proteftantis 
fhen Kirche ale Sakramente gelten. 

Unter den übrigen gotteddienftlihen Handlungen, welche von 
den Proteflanten zwar nicht, wie in der katholiſchen Kirche, als 
Saframente angenommen, aber doch für heilige Gebräuche von hoher 
Wichtigkeit gehalten werben, find folgende die bemerkenswertheſten: 
Dielonfirmationder Latehumenen‘) Das Inftitut 


Die qheiſſith· chliche Aktertfumisräiffenfgaftse, 757 
der Beichte und Abſolutlonte). Wie Ordination sum 
Predigtamtey. Die Linfegnung der Ehe als gots ' 


tesdienſtliche Handlung). 


a) ©. den Art. Confirmation Ir B. p. 446 ff. 
‚b) ©. den Art, Beihte Ic B. p. 192. | 
e) ©. den Art, Ordination 4: B. p. 147 ff. 
4) ©, ben Art. eheliche Berbindung 2r B. pı 1 ff. 
8§. 18 
Ledtte Delung und Verhalten gegen Verſtorbene. 

Die unter bem Namen ber legten Oelung befannte Hand⸗ 
lung rL welche bei den Katholiten ald Sakrament gilt, von ben 
Proteſtanten aber verworfen, durch die Kranken⸗Commumion jeboch 
gewiſſermaßen erfegt wird, macht ben natürlichen Uebergang zu ber 
chriſtlichen Todtens und Begräbnißfeier, wo fi wieder 
folgende Punkte als wichtig und intereffant herandftelen: Anſicht 
vom Tode im chriſtlichen Altertbume. Sromme 
Gorgfalt und Achtung, welche fhon die früheften 
Chriften gegen die irdifhen Ueberreſte ihrer Ders 
Rorbenen hegten. Orte, wobin man die Todten 
begrub und frühe Auszeihnung derfelben. Ergeb⸗ 
niß aus dem zeither Defagten und fpäteres Ausar⸗ 
ten des Derbaltene in Abfiht auf PVerftorbene 
Deränderungen, welde die Reformation auch in 
diefem Theile des Cultus berbeiführte Begräb« 
nißliturgie und Begräbnißgebräuce in der beus 
tigen chriſtlichen Welto). | 
:a) ‘©. den Art. legte Delung Ar B. p. 119 ff. 
b) S. ben Art. Verſtorbene 4r B. p. 694 ff. 


W PER: | Cap. II. ’ 
. Außerosdentlide heilige Handlungen und Gebräuch 


& 1. 
, Proceſſionen. 
Außer den gewöhnlichen zeither betrachteten gottesdienſtlichen 
Verrichtungen giebt es noch eine nicht unbedeutende Anzahl von 
außerordenllichen heiligen Handlungen, welche theils nur zu gewiſſen 
eiten, theils nur unter beſonderen Verhaͤltniſſen ausgeuͤbt werden. 
Zwar nimmt des Klerus auch am denſelben Theil, fie gehen zunaͤchſt 
aber doch nur dad Volt an und find auf deſſen Sitten, Bebürfs 
niffe, Vorurtheile u. f. w. berechnet. Von den Proteftanten werben 
fie in der Regel unter bie Rubrik ber abergläubifchen Gebraͤuche 
gerechnet und daher von ber Kirchenordnung ausgeſchloſſen. Es 
ehören hierher beſonders die Procefflonen*) (Bittgänge, Bet⸗ 
ahrten) in ber römifchen Kirche, Haben fie auch nicht bad hohe 
Alter, das ihnen roͤmiſche Sch ee gem vinbiciren möchten, 


* 


758 Die dhriſtlich⸗ kirchliche Alterthumswiſſenſchaft et. 
fo gehören fie doch unſtreitig einer fruͤhern Zeit and). Man kann 
fie eintheilen in processiones firae umd in außerorbentliche durch 
befondere Ereigniffe geborene. Jene nun, welche an hoben Feſten 
in Vigiliise), am Palmfonntage d), Fronieihnamöfefle‘), an einis 
gen Heiligentagen in Stationibusf) u. f. m. Statt fanden, Tönmen 
als ein permanentes Inſtitut in der katholiſchen Kirche angefehen 
werden. Die außerorbentlichen Proceffionen zur Zeit öffentlicher Uns 
gluͤcksfaͤlle, Landplaken u, f. w. haben.nie eine befiimmte Regel gehabt. 
a) S. ben Art. Proceffionen in dem frühen ober fpätern Cultus bee 
Chriften Ar B. p. 230 ff. b) Ibid. p. 235 und 86. 

c) S. den Art. nächtliher Sottesdienft 4r B. p. 110 ff. 

q) ©. den Art. Palmfonntag dr B. p. 171 f. 

e) S. ben Art. Fronleichnamsfeſt Ze B. p. 149. 

$) ©. den Art, Statio de B. p. 871. 


$. 2. 
. Ballfahrtem ’ 
Wallfahrten (sacrae peregrinationes) °). Sie find ver 
haͤltnißmaͤßig von chriſtlich⸗kirchlichen Archäologen weniger forgfäls 
tig bearbeitet worden und bie darüber in der römifchen und pros 
teftantifchen Kirche vorhandenen Schriften haben den gemeinfchaftlis 
chen Fehler, daß ihnen, die nöthige Unparteilichleit fehltd). - Man 
Tann Wallfahrten in der heiligen Schrift finden oder nicht, je nach⸗ 
dem man biefen oder jenen Begriff damit verbindet‘). Sie fanden 
vor und finden noch außer der chriftlichen Kirche Statt!) Gie 
nehmen einen eigenthämlichen, von Proceffionen verfchiedenen Begriff 
an, bilden ſich eigenthümlih im chriſtlichen Gultus aus und. erfahs 
ren meift ungünflige Urtheile von Seiten berühmter Kirchenlehrer 
im 4. und 5. Zahrhundert®). Ihre Geſchichte vom 6— 9. Jahr⸗ 
hundert. Die Wallfahrten feit den Kreuzzuͤgen). Berühmte Walls 
fahrtöorte bid zum Zeitalter ber Reformations). Wie die Refor⸗ 
mation davon urtheilte und welches Schidfal Diefelben in der neuern 
Beit.gehabt haben). 

a) ©. ben Act. Wallfahrten 4: B. p. 618 ff. b) Ibid. p. 619— 
20. 0) Ibid. p. 621—22. d) Ibid. p. 622—24. 0) Ibid. 
p. 624—29. 5 Ibid. p. 62982. g) Ibid. p. 688 39. 

b) Ibid, p. 639 - 40. 

ß. 3. 
Ordalien. 


Die im Mittelalter beſonders vorkommenden Ördalien ®) 
(Gottedurtheile) im öffentlichen Leben der Chriften, find keineswegs, 
“wie man mohl behauptet hat, ein von der Hierarchie auögegangenes 
Inftitut, vielmehr fann man von ihr rühmen, daß fie Diefelben zu 
mildern, ja zu eerdrängen ſuchte, obgleich dabei keineswegs geleugnet 
werden ſoll, daß ber Klerus haufig auch in biefen Gewohnbeiten 
ein Mittel zur Befeſtigung feined Anfehens gefunden habeb). Unter 
ben verfchiebenen Arten dee Drdalien ober Gettedurtheile (judicie 


⸗ 


Die chriſtlich⸗ kirchliche Alerthemomifſenſchaft ee. 759 


Dei), find folgende als die wichtigfen zu betrachten: Bortitio 
sacra, die Ubendmablsprobe, die Wafferproben, 


‚die Seuerproben, das Breuzurtheil, Bottesurtbgile. 


Surh Zweikampf, das Behrgericht, die Probe des 
eweibten Biffens, der Bottesfriedee:). Einige Schlußs 
emerfungen, bie Grundidee der Ordalien betreffend, fo wie den 

Umftand, wie man bie Erzählungen bavon, ba fie. phyſiſchen Ges 

fegen zu wiberfprechen fcheinen, zu beurtheilen habe. Ihr allmaͤh⸗ 


liged Aufhören in der chriftlichen Welt, aber Fortbeſtehen derſelben 


bei nichtchriſtlichen Voͤlkern 4). 


a) ©, ben Art. DOrbalim de B. p. 128 ff. b) Ibid, p. 140 —41. 


- 8. 4. 
Mehr aberglaͤubiſche Religionshandlungen. 
Endlich ſind noch alle Handlungen hierher zu rechnen, welche 
entweder ſchon in ihrem Urſprunge, oder doch in ihrer Ausartung 
gu den mannigfaltigen Formen des Aberglaubens und der Mißs 
raͤuche zu rechnen find. Sie alle anzuführen, würbe zu weitläuftig 
feygn. Wir heben darum nur einige der befannteften und gewöhns 


. lihften aud: Die Linfegnungen und Derwänfhuns 


gen) Der Mißbrauch des Kreuzes (Signum crucis) >), 
ie Erorcifationen. Die Teufels. und Zerenbes 
ſchwörungene). Die vielen Mißbräuhe bei den 
Saframenten, befonders bei der Taufe, Abends 


mahl, legter Delung u. ſ. w.°). | 

a) Fluch und Segen im kirchl. Leben ber Chriften 2r Bd. p. 106 ff. 
.b) &. den Art. Kreuz Sr B. p. 140 — 48. " 

e) 8. den Art. Exorcismus 2 B. p. 71. 


&) In jedem ber „genannten Artikel iſt auf abergläubifche Mißbrauche 
mehr als einmal hingewieſen. | 


Fünfter Abfchnitt. 
Bon ben beiligen Sachen. 


Gop L. 


Ginleitende Bemerkungen. 


&. 1. 
ü Uneinigleit über ben Begriffs Seilige Sachen. 
Ueber ben Begriff: „Heilige Sachen,” find die Bear 
beiter der chriftfichen Archäologie nie recht einig geweſen. Wan 
sechnete im Allgemeinen alle die Gegenflände dahin, bie fi) im: 


⸗ 


— 


760 Die chriſtuch⸗ kirchiche Alterthumswiffenſchaft x. 


gInnern der Kirchen hefunden, fie mochten nun beweglich ober unbe 
weglich fenn, Allein auch diefe leitende Idee hielt man nicht fell, 
indem man manched. hierher Gehörige bald unter diefer, bald unter 
jener Rubrik abhandelte, z. B. Altäre, Orgeln, Kanzel, Kleivung 

der Kleriker und Aehnliches. Dieß ifi auch von uns geicheben, 
indem mehrere vieler Gegenſtaͤnde in eigenen Artikeln ı Benrbei 
tung erhielten, und felb in diefem Comspectus an paflendere Orte, 
wie ed- und duͤnkte, geießt worden find *). 


+0) &, der Act. kicchliches Inventatium Zr B. p. 640 f. 
| $, 2. 
Engerrr Begriff von heiligen Sachen. 
Wir waͤhlen darum einen engern Begriff von, heiligen 
Sachen, und rechnen dahin alle bewegliche Gegenftände zum 
Gebrauche im Innern der Kirche. Ob man gleich auch bei diefer 
leitenden Idee bin und wieder in Zweifel bleibt, wohin dieß oder 
jenes zu fegen fei, fo läßt fich doch der bekannte Grundſatz hier im 
Anwendung bringen: De potiori fit denominatio. Wir rechnen 
barum hierher) die heiligen-Beräthe, Vasa sacra, 
mit den zu ihnen gehörigen Altarutenfilien und 
Sakramental: Infktrumentend), Die zum Taufen 
erforderlihen Beräthe, Utenfilien und Species‘). 
Alle Begenftände, denen man nah gewiflfen 
Seitmeinungen durch die priefterlihe Einſegnung 
‚sine. befondere Kraft und Wirkung zuſchrieb 4) 
Die Reliquien‘). Die manderlei Geraͤthſchaften 
in der Camera Pavamenti zum Räudern, zur 
Beleuchtung und zum Rirdhendtenfte überhaupt ?). 
Die Rirhenbüher im weitern und engern Sinnes). 
Die Epistolae oder Litorae ecolesiasticae, 
8) &. den Art. Abendimahlögefäße und einige dazu gehoͤrige Utenſilben 
1: 8. p. 61 ff. 
b) ©. den Art. Zaufe in den Abfchnitten VI, VII., VII. 4 B. 
p. 494 ff. 
c) ©. ben Art. Fluch und Segen 2 B. p. 122 und oͤfter, d. Art. 
Agnus Dei, Amulete, Rofentranz u. ° 
d) ©. den Art. Reliquienverehrung im Cultus bee Chriften 4t B. 
p. 1: 1 sn En Eee 0. . | 
e) ©. den Art. kirchliches Inventarium 2 B. p. 440 ff. 
$) ©. den Art. liturgiſche Schriften Se B. p. 244... 
g) 8 pen Art. Briefwechſel im chriſtlich⸗ kirchlichen Leben ir 3. 
P- . , 





“ 


Die chriftlich⸗ lirchliche Alterthamnswiffenſchaft ec 201 


Gap ID. 


Bon ben heiligen Beräthen, Vasa saora genannt, mit den 


bazu gehörigen Altarutenfilien und Sakramental⸗ 
' Infzumenten 


| 5 1. 
. Vasz suera als Hauptbeſtandtheile bes Kirchenſchatzes. 

Die heiligen Geräthe (Vasa sacra) machten einen Haupttheil 
bes Kirchenſchatzes aus und wurden in einer befondern Abtheilun 
der Kirche, welche yalopvlaxsoy und axevopvidxıov hieß, aufs 
bewahrt *). Die Aufficht Darüber lag im Allgemeinen den Pres⸗ 


bytern und Diaconen obb). Bei den größern Gemeinden aber ° 


(4 


waren befonbere oxsvopöluxes angeftelt. In Gönftantinoyel war 
ber Magnus Vasor. Saoror. Scartapbylax eine fehr angefebene 
Würde. Da die heiligen Gefäße, nicht nur zur Zeit der Arkandis 
feiplin,, fondern auch fpäterhin, ald ,., sacra publioa galten, al 
Peligchümer und Aroana angegeben wurden, fo entwarf die Kixs 


enordnung für die Aufbewahrung, Berbergung., Aufftelung und . 


Reinigung bderfelben befondere Regeln, und die Caſuiſtik war hierin 
beſonders ſtreng ). 


a) ©. den Art. Kirchengebaͤude 2r B. p. 379. b) Ibid. p. 879. 


gehörigen Rubriken 8: B. p. 220 ff 


0) Vergl. die Schriftſteller über kirchliche Gebraͤuche in dem hierher 


.2 
Abendmahlskelche, Abenbmahlsteller, 

Unter die wichtigften Vasa sacra rechnet man zuförberft bie 
Abendmahlälelhe, Calices*). Als befonders bemerkenswerth fiellt 
fib bei ihnen heraus der Stoffb), die Sorme), die Arten‘), 
die Derzierung®) derlelben. Ihnen analog. find, wenn auch 
nick zn derfelben Wichtigkeit, bie Patenen ober Abendmahls⸗ 
eller 2). 

a) &, den Art. Abendmahlägefäße Ir B. p. 61. 6b) Mbid.’p. 62. 
ec) Ibid. p. 63. d) Ibid. p. 63 und 64. e) Ibid. p. 64. 
f) Ibid. p. 65. | 


he * 
Gefäße, gehörig zu den Abendwmahlakelchen und Kannen. 


Mit Kelch und Kannen ſtehen folgende Utenfilien in Verbin: 
bung, und zwar A) in der roͤmiſchen Kirche: Weinkangen, 
amae, amulae ohlatoriae, amula offertoria, ur- 
ceoli, canthari, am gewoͤhnilchſten aber ampullas ge 
nanht*). Das Corporalo sc. velum auch corporali« 
palla genannt ). Pallac), Purificatorium d), Velum 
serioum*®), Velum. off 


— 


* 


ortorii), Monſtramzen). 





— ö— — — — — —— — — — ——— —— u — 





76° Die GchliheBichlihe Altertheunswiſſenſcheſt x. 


B) Griechiſche Kirche: äyla Aöyyn (lancea sacra)*), der 
Schwamm (spongia, nos)" Aaßis, iaßldıor, 
cochlear®), ınidıa abellae‘),  dorsplaxog, 
dosno:). C) An der proteflantifchen Kirche mußte dieſes 
alles Abe vereinfachen °). 

a) ©. den Art. Abendmahlsgefaͤße Ir B. p. 66. db) Ibid. p. 66. 
6) Ibid. p. 66. d)-Ibid. p. 66. e) Ibid. p. 67. f) Ibid. p. 
67. g) Ibid. p. 67 und 68. Ä 

2) ©. den Art. Abendmahlögefäße p. 69. b) Bid. p. 69. ce) Ibid. 
p- 69. d) Ibid. p. 69. e) Ibid. p. 60. 

a) ©. den Art. Abendmahlsgefaͤße p. 70 und 71. 


$. 4, | 
Bur Zaufe Erforderliches. 

Die zur Taufe erforderlichen Geräthe, Utenfilien und Species 
warn: Die xoAvußndoa, -piscina, TLaufbeden*), 
das Chrismab), erorcifirtes Salz‘), Waffer, wel 
ches für den Gebrauch des ganzen Jahres in ber Oftervigilie (zus 
weilen auch am Epiphanienfefte) confecrirt wurde). Hiermit flieht 
‚in Verbindung, ber Gebraud) des Weihwafferse). 


&) 8* gen Art. Baptifterien Ir B. p. 180 und ben Art. Taufe 
r. V. — 


b) S. ben beſondern Art. Chrisma Ir B. p. 394 ff. 

0) ©. ben Art. Eroreismus Ar B. p. 61. 

4) ©. den Art, Sabbatum maguum Oſtervigilie Ar B. und den Art. 
Taufe 4 B. p. 497. 

e) S. ben Art Weihwaſſer 4r B. zu Ende, 


> G. 5. 
Geweihte Gegenſtaͤnde. | 

Ferner find bierher zu rechnen alle Objecte der Andacht, wel⸗ 
hen, nach der Vorſtellung gewifler Zeiten und Perſonen, bie pries 
fterliche Weihe eine befondere Kraft und Wirkung verleiht, welche 
dagegen häufig von Anbern ald Beweiſe des Aberglaubend betrachtet 
werben. Es gehören dahin vor andern die geweibten Pal 
men und Zweige), die goldenen Rofend), die Kos 
fenEränze und Paternofter‘), die Agnus Dei und 
Cerei paschales und baptismales?), die Amnlete*), 
Talismane, Propbylafterien, 
a) ©. den Art. Palmfonntag 4: B. p. 172. 
b) ©, den Art. Fluch und Segen 2 B. p. 122. 
c) ©. den Art. Rofenkranz Ar B. p. 290 ff. 
d) ©. den ct. Agnus Dei ir 3. p. 103. Sabbatum magnum 4r 

3. p. 300. Taufe 4: B. p. 514. 

e) S, ben Art, Amulete 1: B. p. 107. ff. 


⸗ x 


Die criſtuch⸗ kirchliche Wuerthummswiſſenſchaft c. 763 


6. 5. 

Die Reliquien. 
Ferner gehört hierher auch die Reliquienverehrung*), bei wels 
cher ſich als wichtige Punkte berauöftellen die Etymologie, 
der Begriff und das höhe Alter derfelbenb), ihre 
Allgemeinbeit in der Estbolifhen Rirhe und bei 
den Häretikern:), Die Urfahen ihrer Vetmehrung 
felbft bis auf die fpätern Jahrhunderte herab"), 
Der größtentheils nachtheilige Einfluß der Reli, 
quienverehrung auf das Volks⸗- und Firhlidhe Les 
ben®), Die Reliquienverebrung in der heutigen 

Melt?) i _ 
0) ©. den Art. Reliquienverehrung Im Cultus ber Chriſten 4: B. 
p. 258: b) Ibid. p. 258—260. ce) Ibid. p. 260268. d) Ibid, 
p. 263 — 6% e) Ibid. p. 264— 67. 5) Ibid. p. 267 — 69.. 


§. 6. 


Camera paramenti, 


Wie im Tempel zu Serufalem und in den heidnifchen Tem⸗ 
peln ein befondered Promtuarium, Armamentar. Fabrica u. f. w. 
war, fo erforderten auch bie heiligen Handlungen ber Chriſten 
gewiffe Species und Materialienvorräthe, befonderd aber eine An: 
zahl Geräthihaften, bie das kirchliche Geremoniell unentbehrlich 
machte. Die fogenannte Camera paramenti enthielt alles hierher 
Gehoͤrige. Jene Vorräthe laffen ſich leicht vermuthen und beziehen 
ſich theils auf die Abendmahls-Klemente, theild auf das. 
Salböt, theils auf die Materialien zur Beleuchtung, 
theild auh auf den Kleidervorratb, deſſen die Kleriker zu 
liturgifhen Verrichtungen bedurften. Alles dieß ift mehr ober we 
niger in befondern Artiteln von und angedeutet worden, wie z. B. 
im Artifel Klerus Rr. 2. liturgifhe Kleidung, Amtstracht bee 
ben*). Daraus läßt fih auch erklären, daß ed, wie wir I 3. 
p. 279 gefehen haben, an ben Seitengebäuben ber Kirchen ein 
befondered Behältniß für die Kirchengarberobe gab, dad den Namen 
Vestiarimn, Metatorium,, Mutatorium führteb). _ - 

a) ©. ben Art. Inventarium der Kirchen 2 B. p. 440 ff 
b) ©. den Art. Kiryengebäude 2r B. p. 379 


$. 7. 11 
Gefäße, erforderlich zum Eirchlihen GSeremoniell: 

Beſonders aber enthielt Die Camera paramenti, die mannig: 
faltigen Gefäße, die dad Firchliche Ceremoniell nothwendig machte 
und bie fi) etwa auf folgende brei Arten zuruͤckfuͤhren laffen: 
A) Verfchiedene Geräthichaften zum Raͤuchern, ald Thymiate- 
rium und Thymiamaterium, Thuribulam (Unterfchieb 
von beiden), Gefäße go Aufbewahren des Weihrauchs, Accorra, 
pyxis thuris, Hannapus, Incensarium, navionla 

Siegel Handbuch IV. 49 


—764 Die chriſllich⸗ kirchliche Alterthumswiſſenſchaft x. 
indens ĩ). B) Noͤthige Getaͤthſchaften zur Beleuchtung: Ce- 


reostatae, Candelabrum, Corona, Pharus, Can- 
tharus, Delphini. Kleinere Leuchtgeräthe, befonderd Lampen: 
Lychni, Lychini, Lychnici, Cicindelae, Cicin- 
dilli, Circuli, vörzugsweife die ewigen oder beiligen 
Kampenb). CO) VBerfchiedene andere zum Kirchendienfte gehörige 
Geraͤthſchaften: Vexilla, Cymbala, Arca, Arcula, 
Truncus, Baculi, Faldistoria, Pulvini, Pulvina- 
ria, Scamella. Auf Verftorbene fih beziehend: Feretra, 
Leocti, Leoticae, Coronae Sepulcrales, CGrucifixa 
und andere ©). | 

. 8) ©. den Art. Inventarium der Kirchen 2r B. p. 441. 5) Ibid. 


§. 8 
Kirchenbächer im weiten Einne, 

Zu dem von und beftimmten Begriff des Kirchen : Inventariums 
ehören auch die fogenannten SKirchenbücher, libri ecclesiastici, 
liturgiei. Auch bei diefer Benennung muß man eine weitere, eine 
engere und engſte Bedeutung unterfcheiden, fo daß in erfter Bezie⸗ 
bung alle zu einer Kirchenbibliothek gehörige Bücher, alt im Kir- 
chenarchive aufbewahrte Schriften angedeutet werben. In diefem 
allgemeinern Sinne rechnet man zu den Kirchenbüchern®): I) fämmt: 
liche canonifche und apokryphiſche Bücher der heiligen Schrift, und 
- zwar lestere in einer doppelten Beziehung, ſowohl als Schriften, 
welche vom öffentlichen Gebrauche ausgeſchloſſen blo8 im Kirchen: 
archive bleiben follten, al3 auch in wiefern fie wenigften® zum Theil 
libri praelegendi feyn folten, wovon eined fogar vorzugsweiſe den 
Namen Zxxinola aorınös erhalten zu haben fcheint (Jesus 
Sirach.)b). Al) Diejenigen Bücher außer dem Conon, weldhe zu 
gewiſſen Zeiten Öffentlich vorgelefen wurden, wie 3. B. bie Mär: 
tyreracten, aus welchen Die Legenden entſtanden e). HT) Alle zur 
Kirchenbibliothek gehörigen Schriften theild für bie Schrifterflärung, 
Apologetit, Dogmatik, Kirchengefchichte u. ſ. w., theild für bie 

Ascetik und auch das fogenannte Kirchenarchiv A). | 

a) S. den Art. Liturgifche Schriften Sr B. p. 244 ff. 
b) ©. den Art. heilige Schrift, ihr Gebrauch zu Borlefungen in den 
chriſtlichen Verfammlungen, beinahe den ganzen Artikel. 
0) S. den Art. Legende Sr B. p. 175 ff. 
d) S. den Art. liturgifhe Schriften p. 246 ff. 


$. 9 
| Im engern Sinne, 

Zu den Kirchenbüchern im engern Sinne gehören alle diejeni⸗ 
gen, weldhe überhaupt Vorfchriften und Anweifungen zum öffentlis 
"hen Eultus enthalten, und bald Liturgien im befondern Sinne, 

. B. Mepliturgie oder officia divina, d. h. Liturgien für gottes⸗ 
tenftliche Handlungen außer der Mefje, genannt werden“). Mit 





vn — — — — — — — ww u. 


Die chriſillch kirchliche Alterthumoöwiſſenſchaft x. 765 


dieſen haͤngen zuſammen die Calendaria und Horologia, welche 

die heiligen Zeiten und deren ofhicia beſtimmen, ſo wie auch bie 

Hieratica oder Pontificaliab), Nicht minder dürften auch hierher 

zu rechnen ſeyn die Schriften, welche die allgemeinen Kirchengeſetze 

in Betreff des Cultus, der Rechte und Pflichten der Geiſtlichen, der 

heiligen Zeiten, Sachen u. dergl. enthalten. Sie fuͤhren gewoͤhnlich 

den Namen Canones, Nomocanon, Synodicon u. f. w., und 

wurben in den größern Kirchen und Kloͤſtern aufbewahrt. 

a) S. den Art. Liturgien Sr B. p. 204. : 

b) ©, die Bemerkungen darüber bei ben einzelnen litutgiſchen Buͤ⸗ 
dern der griechifchen und roͤmiſchen Kirche. 

ec) S. den Art. Canon 1r 3. p. 814. 


$. 10. 
Im engften Sinne. | 

Zu ben liturgifhen Schriften im engflen Sinne gehören alle 
Sammlungen von Lectionen, Gebeten und Formularen für die got: 
tesdienftlichen Handlungen entweder für dad ganze Kirchenjahr oder 
für gewifle Zeiten und Termine. Die Zahl derfelben ift. fo groß 
und ed wurde bdenfelben eine ſolche Wichtigkeit beigelegt, daß in der 
Kenntniß derfelben häufig die ganze Kenntniß des Prieſters gefucht 
wurbe®). Bei den Proteflanten find die Agenden weit einfacher, 
als im der griechifchen und lateinifchen Kirche, melche, obgleich in 
manchen Stüden conform, dennoch hierin: gar fehr von einander 
abweichen. Indeß ift die nähere Kenntniß defjelben nicht ohne 
biftorifched und kirchliches Intereſſe ®). 
a) ©. den Art. Lityrgien St B. p. 220. Ibid. p. 257 und 58, 


| $. 11. 
Kirchenbuͤcher im engften Sinne, A, in ber römifchen. Kirche. 


Zu den einzelnen bemerfenöngerthen Itturgifchen Büchern biefer 
Gattung in der römifchen Kirche gehören folgende: Missale, Bre- 
viarium, Ordo, Sacramentarium, Pontificale, Antiphonalie 
liber, Graduale, Sequentia, Troparium, Manuale oder Enchi- 
ridion, Poenitentiale, Passionale oder liber passionarius, 
Hymnarium oder liber hymnorum *).‘ 


3) S. den Art. liturgiſche Schriften Ic B. p. 255 — 87. | 


&. 12. 
In der griechiſchen Kirche. 

Zu den liturgiſchen Büchern ber griechiſchen Kirche im engſten 
Sinne gehören: Tunıxöv, EvgoAoyıov ‚ Mnvoia, Menologia, 
Avydoloyıov, Ilevnrvgixög, Zunakapıe, Hoapaxzimzımov, 2po- 
Löyıov, Ileviyeoozapıov, Toıwdıor, ’Oxswigog, “Yavapıor, 
Kovsaxıor"). Auch gingen bie fogenannten Diptychen von ber 
griechifchen Kirche aus’). Ä 


78) &.d. Art. liturg. Schriften Se B.p. 25-58. 6) Mid p. 26268. 





766 Die chriftic)» kiechliche Alterthumswiſſenſchaft x. 
— & 18. 
Kirchenmatrikeln und Kirchenrehiſter. 


„. Die Matrioulae (Canones, catalogi ecclesiastici) et Re- 
stra®) entiprechen noch am meiften den biftorifch » archivalifchen 
achrichten, welche bei den Proteflanten vorzugsweiſe Kicchenbücher, 
Zaufs und Traubuͤcher, Seelenregifter und dergleichen genannt wer: 
ben. In ber alten Kirche ‚hatten nicht nur die Martyrologia einen 
eigenthbümlichen Werth b), fondern es waren auch bie Tauf⸗ und 
Seelenregiſter in den Zeiten bed Drudes und ber Verfolgungen ein 
Gegenſtand befonderer Wichtigkeit ımd Geheimhaltung. Die Tra- 
ditores luden ben Zlucd der Kirche auf fich, weil fie nicht num Die 
heiligen Urkunden des Chriftenthumd, ſondern auch dieſe Kirchen: 
bücher, wovon bie heibnifchen Obrigkeiten einen fo verderblichen 
Gebrauch machten, audlieferten °). ' 
8) S. den Art. Canon 17 B. p. 816. 
b) ©. den Art. Maͤrtyrerfeſte zZr B. p. 28283, 
e) ©, den Art. Buße 18 B. p. 292 f. 


% 


$. 14. 
Kirchliche Briefe. 

Unter den Epistolis e. literis eoolesiasticis finb die vorzüg- 
lichſten: I. Epistolae encyelicae 's. Circulares. II. Synodi- 
cae 8, Synodales. 111. Formatae. IV. Communicatoriae. 
V. Commendatitiae.e VL. Tractoriae, VII. Dimissoriae. 
VII. Pacificae s. literae pacia (melde den bei den Proteftanten 
üblichen Beicht⸗ und Gommuniondverzeichniffen entfprechen). Diefe 
und aͤhnliche fchriftliche Verhandlungen und Außfertigungen haben 
nicht nur im Kirchentechte, fondern auch in den Paftorals Verhält: 
‚ niffen ber Geiftlichen ihre befonderen Beziehungen *). 

a) ©. den Art. Briefwechfel im chriftlich »Ficchlichen Leben ber erften 
Sahrhunderte 1r B. p- 275 ff. on 


- 


| Sechſter Abſchnitt. 
Grundzuͤge zu einer Archäologie ber hriſtlichen Kunfl. 


on F. 1.. 
Augemeine Bemerkungen Über Kunſt im chriſulich- kirchlichen Leben. 


Aus leicht erklaͤrbaren Urſachen konnte die Kunſt in den Ta⸗ 

gen bes beginnenden Chriftentbumd wenig Beachtung finden *). 
r mit dem zweiten Jahrhundert zeigen fi) einige ſchwache 
Spuren davont), und im Allgemeinen kann man fagen, daß ber 
Kunffinn im Eultus der Ehriſten fich von ber Zeit an mehr zeigte, 


. — vn — — — — — — — — -- 


— — — — — .— — — 
* 


Die chtiſtlch⸗ kicchliche Alterthumoͤwiſſenſchaft c. 67 


wo der groͤßte Theil der Goͤtzewerehrer im Roͤmerreiche zum Chri⸗ 
ſtenthume uͤberging, alſo die Zeitperiode mit und unmittelbar nach 
Conſtantine). Uebrigens iſt es ein ungerechter Vorwurf, den man 
dem Chriſtenthume gemacht hat, daß es an dem Untergange der 


helleniſchen Kunſt Schuld, und dag überhaupt biefelbe hier auf 


einen Heinern Cyclus zuruͤckgebracht worden feit). 


a) ©. den Art. Kunft, ihre Beruͤckſichtigung und Pflege im Cultus 
der Chriſten 8r B. p. 149. b) Ibid. p. 155, ce) Ibid. p. 155 
und 56. d) Ibid. p. 153 seqg. j 


oo; 86. 2. 
Einzelne Epochen in ber chriſtlichen Kunſtgeſchichte. 


Es laſſen ſich einzelne Epochen in der chriftlich kirchlichen 
Kunftgefchichte unterfcheiden;- fie haben jede an ſich betrachtet etwas 
Eigenthuͤmliches. Sie laffen fih ungefähr in folgende Zeitabſchnitte 
abtheilen: I. Vom Urfprunge der rifllichen Kirche bis ind Zeit⸗ 
alter Conſtantins des Großen (vom 1— 4. Sahrhundert). II. Won 
Gonftantin dem Großen bis zum Untergange des abendländifchen 
Kaiſerthums (ungefähr vom Jahre 324476). III. Vom Unter 
gange des abendländifchen Kaiſerthums bis zum Bilderkriege (von 
476—726). IV. Vom Bilderfriege bis zum Untergange des oriens 


. talifhen Kaiferthbums und der Wiederherſtellung der Wiflenfchaften 
und Künfte in Europa. Ungefähr von 730— 1453, ein Zeitraum - 


von 723 Jahren. V. Die fünfte Periode beginnt mit der Wieder⸗ 
berftellung der Wiſſenſchaft oder der Eroberung Conſtantinopels 
durch die Türken (1453), und fchließt -gleichfam bie alte Kunfiges 
fchichte. VA, Einfluß der Reformation auf dad Leben der Kunft 
im chriſtlichen Cultus und Beleuchtung ded Vorwurfs, ald habe bie 
Kunft im Proteftantiömus ihr Grab gefunden“), | 


a) ©, ben Art. Kunſt St B. p 157 — 66. 


| 6. 3. 
Beide Kuͤnſte fanden im chriſtlichen Alterihume beſonders Pflege? 
Fragt man nun, welche Kuͤnſte im chriſtlichen Cultus beſon⸗ 


dere Pflege gefunden haben, fo kann man mehr oder weniger bes 


fimmen, wenn man zue Kunft im weiten Sinne auch die Wirs 


kung ded Mortes vechnet, in wiefern es unter ber —5 gelaͤu⸗ 


terter Einſichten vermittelſt des Gefuͤhls und der Einbildungskraft 
religiöfe Bildung, frommen Sinn und fromme Begeiſterung anregt. 


Wir wuͤrden demnach religioͤſe Sing⸗ und Dichtkunſt und geiſtliche 


Beredſamkeit hierher ziehen koͤnnen. Allein gewoͤhnlich weiſt man 

dieſen Fertigkeiten ihren Platz in dem Gebiete der Wiſſenſchaft an 

und rechnet mehr Folgendes in den Umfang der kirchlichen Kunſt. 

J. Kirchliche Baukunſt. 11. Bildhauerei und Skulptur. III. Ma; 

lerei. IV. Muſik. V. Schreibekunſt). —. 
a) S. den Art. 








768 Die chriſtlich⸗kirchliche Alterthumswiſſenſchaft x. 
8. 4. 


Verſchiebene Epochen ber Geifig- kirchüchen Varkunſe. 


Wie fo oft bei den Kuͤnſten, fo kann man auch bei der kirch⸗ 
lichen Baukunft die Erfahrung machen, daß fie nach und nad 
ihren Gulminationspunft erreichte, von dieſem aber allmählig zuruͤck⸗ 
fan? und ihn trog aller Bemühungen nicht wieder erreihte Um 
dieſe Fehrzeit beftätigt zu finden, darf man nur im gedraͤngter 
hiſtoriſcher Ueberficht den -wichtigften Weränderungen ber Tirchlichen 
Baukunſt nachfpüren und das Ganze ungefähr in folgende Zeit: 
räume vertheilen: J. Erſte Periode vom apoftolifhen Zeitalter 
bis Gonftantin den Großen sein Zeitraum gegen 300 Sabre). 
11. Zweite Periode von Gonftantin dem Großen, + 337, bid Juſti⸗ 
nien, + 565 (ein Beitraum über 200 Jahre). INT. Dritte Periode 
won Juſtintan bis zum 10. Jahrhundert (ein Zeitraum über 400 
Sabre). IV. Wierte Periode 11. und 12. Jahrhundert. (Miebers 
aufleben .und Vervollkommnung der hriftlichen Kunſt.) V. Fünfte 
Periode. Das breizehnte Jahrhundert ald ber Gulminationdpunkt 
der hriftlihen Baukunſt. VI. Sechſte Periode, Sechzehntes Jahr⸗ 
bunbert bid auf die neuelte Zeit. (Die deutſche Kunjt verliert ihr 
‚ Anfehen und wird van ber antifen verdrängt, ‚bie, aus ihrem Grabe 
beroorfteigt.) Jede dieſer angebeuteten Perioden hat ihre eigene 
Kunftphpfiognomier). 

u) ©. den Arts kirchliche Baukunſt Zr B. p. 401 ff. 


5 
Bilbhauerei, Seulptur im chriſtlichen Kunſtleben weniger beachtet. 

In eben dem Grade, in welchem Bildſaͤulen, Statuae, signa, 
Gyaluara, orykas, bei den Griechen beliebt und allgemein waren 
und die Bildhauerkunft die hoͤchſte Stufe der Vollkommenheit er: 
reicht hatte, ward biefe Kunft in der chrifllichen Kirche: gering 

efchätt und vernachlaͤſſigt ). Der Grund bavon lag in der Vers 
Aihrung um Gößendienfte. Bildſaͤulen in den Kirchen vermwarfen 
auch felbit eifrige Bilderfreunde in dem darüber entftandenen merfs 
würdigen Streit. Es ift bekannt, daß man lange Zeit aud bie: 
fen Grunde felbft dad Grucifig nicht aufzuftellen wagte, woran ſich 
die Figur Chrifli in Bo Stein oder Metall befandb). Auch find 
bie Griechen dem Geilte ded Alterthums treu geblieben, und dulden 
noch bis auf den heutigen Tag feine Bildfäulen, fondern nur 

emalte Bilder in ihren Kirchen. Die Lateiner hingegen find in 
päterer Zeit von der Gewohnheit und Borfihrift der alten Kirche 
abgegangen °), Die Apologien deshalb in der römifchen Kirche find 
nicht gelungen zu nennen. Wil man nicht dad Opus Musivum 
aus Seulptur rechnen, fo läßt fi im Allgemeinen behaupten, daß 

iefelbe im Kunftleben der Chriſten weniger gepflegt worden ſei. 

a) ©. den Art. Malerei Sr B. p. 289... 

b) ©. den Art. Kreuz 8: B. p. 137. - 

0) ©. den Art. Malerei Sr B. p. 290. ff. 





Die Hrifktich » Eirchliche Alterthumswiſſenſchaft x. 769 
g. 6. 


Malerei. 


Wenn die Vorfragen über den Begriff der Malerei, über bie 
nähere Beſtimmung des Zeitalter8, welchem fie angehörte, über bie 
Quellen, aus welden man in diefem Zeitraume Nachricht erhalten 
kann, über die Stoffe, auf welche man bie Flächen malte, über 
die Arten, von Malerei, die felten. das chriftlihe Alterthum Tannte, 
werben beantwortet feyn*); dann laffen fih nach Münter die hier 
ber gehörigen Kunftleiftungen in Sinnbilder und Symboleb), in 
Bilder Chriſti (Chriſtusbilder) c), Bilder der heiligen Jungfrau, 
einzelner Apoftel, Evangeliſten, Beiligen. und Märtyrer), in bibli- 
ſche Geſchichten des A. und N. &.*), in vermifchte Vorftellungen, 
Taufe, Agape, Bildniffe, Leiden von Märtyrern und auch einzelne 
Gegenftände, die auf die Religion Einfluß haben, eintheilen. 

a) ©. ben Art. Malerei Sr B. p. 287 — 98. 

b) S. den Art. Sinnbilder im chrifttich = ficchlichen Kunſtleben 4 8, 
p. 315 ff. - 

e) ©. den Art. ChHriftusbilder 1r B. p. 419. 

d) ©. den Artı Malerei p. 299. e) Ibid. ead. pag. 


8. 7. 
. Muſik. 

Muſik, und zwar Inſtrumentalmuſik (weil von der Vokalmuſik 
im Cultus der Chriſten bereits im Artikel Geſang die Rede gewe⸗ 
fen iſt), fand bei gottesdienſtlichen Feierlichkeiten im heidniſchen und 
juͤdiſchen Alterthume Statt*). Dieſer Analogien ungeachtet findet 
man doch im chriſtlichen Alterthume mehr den Geſang, als die 
Inſtrumentalmuſik ausgebildet ). Nur nad) und nad) gewinnt dieſe 
Gattung der Tonkunſt im chriſtlich⸗kirchlichen Leben Eingang und 
ihre höhere Ausbildung gehört mehr der neuern und neueſten Zeit an“). 


a) ©. den Art. Mufit 4 3. p. 106 f. b) Ibid. p. 107 zeq. 
c) Ibid. p.,108 zeq. 
$. 8. 
“ | Schreibekunſt. 

Die Schreibekunſt iſt zwar kein Erzeugniß des Chriſtenthumd, 
ſondern die chriſtliche Kirche empfing Diefeibe bereit8 in großer Ver⸗ 
volfommnung ald ein Erbe aud dem gebildeten Altertbume Roms 
und Griechenlands ®), Geuͤbt und audgebildet wird aber die Schrei: 
befunft aud in Angelegenheiten der Kirche im chriftlichen Altertyume 
ald Zachngraphieb), Kalligraphie), Stenographie‘) und als 
Epigraphif ®). . 

a) ©. den Art. Schreibetunft im chriftlich « Pirchlichen Leben. Ar B. 
p. 808 f. b) Ibid. p 304. ce) Ibid. p. 305. d) Abid. p. 308. 





— ——— ne —— 


Drud von C. P. Melzer in Leipzig. 


— — 








— — —