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Full text of "Handbuch der kirchlichen kunst-archäologie des deutschen mittelalters"

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HANDBUCH 


DER  KIRCHLICHEN 


KÜNST-AßCHÄOLOGIE 


DES 


DEUTSCHEN  MITTELALTERS 


VON 


D.  HEINRICH  OTTE. 


Fünrte  ^ufla.g'e« 


In  Verbindung   mit   dem   Verfasser  bearbeitet 

von 


Oberpfarrer  zu  Loburg. 


Erster  Band. 


Mit  dem  Bildnisse  von  I>.  Heinricli  Otte, 

sioboii  Kunstboilagon  und  299  Abbildungon  im  Texte. 


» 


LEIPZIG, 

T.     0.     \V  E  I  G  E  L 
1883. 


Zu  gefälliger  Beachtung. 


Der  zweite  (Schlufs-)  Band  des  Werkes  wird  im  Frühjahr  1884  zu 
drucken  begonnen  werden  und  im  Herbste  vollständig  sein. 

Der  vorliegende  erste  Band  ist  auch  geschmackvoll  und  fest  (in  Halb- 
Maroquin)  gebunden  für  19  Mark  zu  haben. 


HANDBUCH 


DER  KIRCHLICHEN 


KUNST-ARCHÄOLOGIE. 


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HANDBUCH 


DER  KIRCHLICHEN 


KIMST-AECHÄOLOGIE 


DES 


DEUTSCHEN  MITTELALTERS 


VON 


D.  HEINRICH  OTTE. 


Fünfte  Auflage. 

In  Verbindung  mit  dem  Verfasser  bearbeitet 


▼on 


Ernst  Wernicke 

Oberpfarrer  za  Lobnrg. 


Erster  Band. 


LEIPZIG, 

T.     0.     W  E  I  G  E  L. 

1883. 


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Vorwort. 


Das  alte  aus  Holz,  Stroh  und  Letten  erbaute  Pfarrhaus  zu  Pröh- 
den  war  am  28.  Dezember  1877  ein  Raub  der  Flammen  geworden.  In 
einer  Stunde  hatte  ich  meine  ganze  Bibliothek,  alle  meine  Sammlungen 
und  Skripturen  unwiederbringlich  verioren,  darunter  auch  die  lang- 
jährigen Vorarbeiten  für  die  beabsichtigte  neue  Auflage  dieses  Buches, 
mit  deren  Redaktion  für  den  Druck  ich  nach  dem  nahen  Neujahr  zu 
beginnen  gedachte.  Noch  einmal  von  vom  anzufangen,  dazu  fehlte  mir 
in  meinem  hohen  Alter  der  Mut  und  auch  die  Kraft;  es  wurde  mir 
^war  nicht  leicht,  aber  ich  gab  die  ganze  Sache  in  Gottes  Namen  auf. 
—  Als  ich  nach  einiger  Zeit  nicht  ohne  harten  Kampf  innerlich  und 
durch  Niederlegung  meiner  44  jährigen  amtlichen  Thätigkeit  auch  äufser- 
lich  wieder  zur  Ruhe  gekommen  war,  regte  der  Yerleger,  dem  dieses 
ihm  lieb  gewordene  Buch  bis  an  sein  Ende  am  Herzen  gelegen  hat, 
den  Gedanken  an  fremde  Beihilfe  in  mir  an.  Dadurch  wurde  mir  die 
Aufgabe  gestellt,  für  mein  heimatlos  gewordenes  Werk  ein  neues  Unter- 
kommen aufsuchen  zu  sollen.  Wie  das  Buch  in  einem  evangelischen 
Pfarrhause  entstanden  und  in  dreifsig  Jahren  zu  seinem  stattlichen  Um- 
fange herangewachsen  war,  so  stand  es  mir  fest,  dafs  ich  versuchen 
müsse  es  wieder  in  einem  evangelischen  Pfarrhause  unterzubringen. 
Die  Auswahl  war  nicht  grofs;  ich  hatte  aber  das  Glück  in  dem  gegen- 
wärtigen Bearbeiter  einen  gleichgesinnten  Amtsbruder  zu  gewinnen, 
bei  welchem  die  Neigung  zu  kunstarchäologischen  Studien  in  treuer 
Liebe  zu  unserer  teueren  evangelischen  Kirche  und  nicht  etwa  in 
romantischen  Phantasien  wurzelt,  und  der  mit  der  erforderlichen  ein- 
gehenden Sachkenntnis  auch  die  grofse  Selbstverläugnung  verbindet, 
einem  Adoptivkinde  mehrere  Jahre  hindurch  die  ganze  Mufse  zu  opfern, 
die  ihm  sein  Amt  läfst 

Schon  bei  dem  Umfange  der  vierten  Auflage  hatte  sich  aus  rein 
äufserlichen  Gründen  eine  Teilung  in  zwei  Bände  ergeben,  und  da  jetzt 
ein  abermaliges  Wachsen  des  Werkes  vorauszusehen  war,  so  schien  es 
zweckmäfsig  nunmehr  eine  organische  Teilung  des  ganzen  Werkes  in 
zwei  selbständige  Hälften  dadurch  herbeizuführen,  dafs  dem  ersten  Bande 
das  eigentlich  Archäologische  einschliefslich  der  archäologischen  Hilfe- 
wissenschaften zugewiesen,  und  der  kunstgeschichtliche  und  kunststa- 
tistische Teil  für  den  zweiten  Band  bestimmt  wurde.    Im  übrigen  ist 


VI  Vorredo. 

unser  Sti^eben  dahin  gegangen,  manche  alte  Irrtümer  zu  berichtigen  und 
Fehlendes  nach  den  Ergebnissen  der  neuesten  Forschungen  zu  ergänzen, 
auch  das  Illustrationsmaterial  zu  sichten  und,  hierin  von  der  Verlags- 
handlung auf  das  bereitwilligste  imterstützt,  angemessen  zu  vermehren. 

Durch  die  grundlose  Barmherzigkeit  unseres  Gottes  war  ich  im 
Stande  das  Ganze  für  diese  neue  Auflage  sorgsam  zu  revidieren  und 
koimte  die  eigentliche  Arbeit  auf  treue  jüngere  Schultern  legen;  wenn 
ich  nun  im  bald  vollendeten  75sten  Lebensjahre  so  glücklich  bin,  wenig- 
stens den  Anfang  dieser  neuen  Auflage  eines  Werkes,  in  dem  ein  gutes 
Teil  meines  Lebens  steckt,  noch  selbst  dem  ferneren  Wohlwollen  und 
der  bisherigen  Nachsicht  der  Freunde  christlicher  Kunst  empfehlen  zu 
dürfen,  so  habe  ich  dies  nächst  Gott  meinem  lieben  Bundesgenossen, 
Herrn  Oberpfarrer  E.  Wernicke  in  Loburg  zu  verdanken.  Seines 
Einverständnisses  gewifs  schliefse  ich  mit  den  letzten  Worten  der  Vor- 
rede zur  vorigen  Auflage: 

Mit  meiner  Liebe  zur  Sache  ist  auch  mein  theoretischer  Standpunkt 
derselbe  geblieben  und  hat  sich  im  Laufe  der  Jahre  noch  mehr  befestigt: 
in  den  ersten  Sätzen  der  Einleitung  habe  ich  mich  näher  darüber  aus- 
gesprochen. Die  Freunde  meines  Buches  aus  der  katholischen  Kirche, 
deren  es  zu  meiner  grofsen  Freude  gar  manche  und  wackere  gefunden 
hat,  können  von  einem  evangelischen  Tlieologen  nichts  anderes,  in  ihrem 
Sinne  Besseres,  erwarten.  Zu  konfessioneller  Polemik  habe  ich  bei  aller 
Entschiedenheit  meiner  protestantischen  Gesinnung  auf  diesem  Gebiete 
weder  Beruf  noch  Neigung,  mufs  aber  einer  gewissen  modernen  Strö- 
mung in  der  evangelischen  Kirche  gegenüber  nachdrücklichst  betonen, 
dafs  ich  durch  meine  Bestrebungen  romanistischen  Tendenzen  irgend  Vor- 
schub zu  leisten  durchaus  nicht  gewiUt  bin.  Möge  das  Verständnis  von 
den  grofsaiügen  und  geistvollen  Schöpfungen  der  christlichen  Kunst 
vergangener  Jahrhunderte  uns  Alle  erwecken,  dafs  wir  dem  Herrn  sein 
Haus  würdig  erbauen  und  seine  schönen  Gottesdienste  den  sinnvollen 
kirchlichen  Überlieferungen  geniäfs  in  evangelischem  Geiste  schmücken. 
Daraus  wird  nicht  blofs  der  Kirche,  sondern  auch  der  Kunst  Segen  er- 
wachsen.   Das  helfe  Gott 

Merseburg,  Donuei^stag  vor  Pahnarum  1883. 

Heinrich  Otte, 

Ehron- Doktor  der  Theologio,  Mitglied  dei  Gelehrten -Aaeehaeaei  dei  germanijchen  Maienini 

und  der  Hiatorlschen  Kommission  für  die  Provinz  Sachsen,  Elirenmitglied  des  Magdebarger 

Geachtchtsvereins  und  des  Vereine  von  Altertamsfroanden  im  Rbeinlande  m  Bonn. 


ERSTER  BAND. 


Inhalt 


Einleitung. 

Seite 

1 — 8.  Theoretischer  Stand^uüct i 

9.  Begriff  der  kirchlichen  A^nnstarchäologie  des  Mittelaltei's 5 

10—11.  Umfang e 

Anmerk.  1.    ChriftUohe  Maseen 7 

An  merk.  2.    KanaUrchKologlacbe  Zeitschriften  ete 8 

L  Denkmäler  der  Kunst. 
A.    Das  Kirchengebäude. 

a)  Im  Allgemeinen. 

12.  Banlinie,  liturgisch ii 

13.  Banlinie,  technisch 12 

Anmerk.  1.    SteUnng  dee  Altäre IS 

Anmerk.  2.    Gmndsteinlegnng        15 

Anmerk.  8.    Lage  der  Kirchen.    Befeetigte  Eirchen  und  Kirchhöfe 16 

14.  Grundform 19 

Anmerk.    Symbolik  der  Krenzform 20 

15.  Kapellen.  (Taufkapellen.  Grabkapellen.  Doppelkapellen.) 21 

Anmerk.    Übersicht  der  kirchl.  Rand-  und  Polygonbaaten 88 

16.  Baumaterial.  (Holz.  Bruchstein.  Ziegel) 81 

Anmerk.  1.    Verwendung  antiker  Beate 85 

Anmerk.  2.    Binflnüi  des  Materials  auf  den  Banstil 85 

Anmerk.  8.    Mittelalterl.  Baurisse  nnd  Baubfloher    .     .           36 

Anmerk.  4.    Mittelalterl.  Baubeschreibungen 87 

Anmerk.  5.    UnregelmXftigkeiten  an  mittelalterl.  Bauten 38 

Anmerk.  6.    Mittelalterl.  Bantechnik 40 

b)  In  seinen  einzelnen  Teilen. 

17.  Übersicht  der  einzelnen  Teüe  des  Kirchengebäudes 45 

Anmerk.    Abweichungen  ron  dem  normalen  Omndplsne 46 

18.  Altamische 47 

Anmerk.    Chorschluik 48 

19.  Altarhaus  und  Chor 48 

Anmerk.  1.    Lettner 60 

Anmerk.  2.    Krjrpta 58 

Anmerk.  S.    DoppelchOre 56 

2D.  Querhaus 58 

Anmerk.    Nebentribunen 61 

21.  Langhaus 62 

Anmerk.    HaUenkirohen 68 


VTTT  Inhalt. 

Seit« 

22.  Türme 68 

a.  Entstehung  und  Zweck 68 

b.  Stellung 69 

c.  Einzahl 7i 

d.  Mehrzahl  und  Höhe 78 

Aomerk.    Modifikationen  der  Nonnal«tellangen 75 

e.  Grundform 77 

f.  Aufbau 78 

An  merk.  1.    KapeUen  in  den  Türmen.    Einlagen  in  die  Tarmknöpfe.    Wetterhahn. 

Brfloken 79 

Anmerk.  8.    Namen  der  Tflrme 80 

Anmerk.  3.    Dachreiter 81 

23.  Zwißchenhaus,  (Vorhidle.  Paradies.) 82 

24.  Thüren 84 

Anmerk.    Prachtportale.    ThürflOgel as 

25.  Fenster 87 

26.  Dächer 90 

27.  Fulsboden w 

Anmerk.    Labyrinthe 94 

28.  Emporen.  (Nonnenchöre.  OrgelchÖre.  Mannchöro.) 95 

Anmerk.    Triforien.   Mönchagänge.    Altane 99 

29.  Kreuzgang.  Gottesacker loo 

Anmerk.  1.    Bmnnenhana 108 

Anmerk.  8.    KApiteUftal.   Refektorium 103 

30.  Sakristeien io4 

Anmerk.  1.    Flächeninhalt  und  Maliiverhältniaie  der  Kirchen 105 

Anmerk.  8.    Symbolik  der  Banformen      ... 106 

Anhang  über  die  baulichen  Einrichtungen  der  Klöster  bei  den  verschiedenen 

Hauütoraen iii 

Schlufsbemerkung  über  Polychromie  und  Restauration  der  mittelalterl. 

Kirchen     .    .    .    , 122 

B.  Innere  Einrichtung  und  Ausschmückung  der  Kirchen. 

a)  Altäre  und  Altarschmuck. 

31.  Stelle  dos  Altars.  Zahl  der  Altäre 128 

(Hochaltar.  Mefsaltäre.  Laienaltar.  Triumphkreuz.) 

32.  Altartisch 131 

Anmerk.  1.    Reliqulenbehälter  der  Altäre 134 

Anmerk.  8.    Alt&rbekleidang 131 

33.  Altarciborium 1S8 

34.  Altaraufsatz.  (Bilderaltäre.  Reliquienaltäre.) 141 

Anmerk.  1.    Tragaltäre 147 

Anmerk.  8.    Bildschmuck  der  Altäre 150 

35.  Altarkreuze 151 

Anmerk.    Ornamentale  and  hiitoriache  Krenze 155 

36.  Leuchter.  (Kronleuchter.  Standleuohter.) i56 

Anmerk.  1.    Ewige  Lampen 170 

Anmerk.  8.    Wandlenchter 170 

37.  Evangelien-  und  Melsbücher  (Prachteinb&ide) 171 

Anmerk.    Anastattong  der  Codloea 180 

38.  Reliquienbehälter i8s 

Anmerk.    BchatsTerzelohnlMe ,  HelUgtnmabttcher.   KlaMlflclemng  der  Reliqaiarien  186 

b)  Heilige  Gefäfse. 

39.  Vasa  sacra 214 

40.  Kelche 214 

Anmerk.    Minlaterialkelche  nnd  SangrOhrchen 817 

41.  Altchristliche  und  frühromanische  Kelche 820 

42.  Romanische  Kelche 882 

43.  Gotische  Kelche 286 

44.  Patenen 231 

Anmerk.  1.    Zangen.    Oblateneiaen 234 

Anmerk.  8.    Kelchttlcher.    Korporaltaachen 835 


Inhalt  IX 

Solt« 

45.  SpeisegefÜfse  und  Monstranzen ise 

Anmerk.    Sakramenthäascben 148 

46.  Die  übrigen  Mefsgeräie.  (Hostienbüchsen.   Mefskännchen.    Siebe.  Giefsgefälse. 
MefsscheUen.   Bauchfösser.   ölgefälse.  Weihwassergefafee.) asi 

Anmerk.    Kredenstlach.   Piscina.  HftndtUcher.   Depotitorien MS 

c)  Mefsgewänder. 

Litteratnr  und  Sammlnnsen 8G4 

47.  Kasel.    Dalmatik.    Tunicella.    Humerale.    Alba.   Gingolum.    Stola.    Manipel. 
Pluviale 265 

Anmerk.  1.    Litnrgiache  Farben 878 

Anmerk.  S.    Känatlerischer  Schmnok  der  Mebgewllnder  878 

48.  Pontifikaltracht  des  Bischoüs  (Strümpfe.   Schuhe.   Hitra.   Handschuhe.   Ring. 
Krummstab)  . 876 

Anmerk.  1.    Pectorale.   Rationale 880 

Anmerk.  8.    Palliiim 888 

Anmerk.  3.    Schrilnke  und  Truhen  zur  Aufbewahrung  der  MeCigewänder    ....     888 

d)  Die  Ausstattung  der  Kirchen  mit  Gestühlen,  Kanzel,  Tauf- 
stein, Orgel,  Grabdenkmälern  und  Glocken. 

49.  Chorstühle 883 

Anmerk.    BIschofstfihle.   Levitenaltze.   Betatühle.   Belchtsttthle.   LaiengestOhl       .     .     891 

50.  Ambo.  Kanzel 893 

Anmerk.  1.    HeillgtumaUlhle.   Feldkanzeln 301 

Anmerk.  8.    Adlerpnlte.   Leaepulte 301 

51.  Taufstein 808 

Anmerk.    TanfschHMeln 881 

52.  Orgel 388 

Anmerk.  1.    Tonschrift 389 

Anmerk.  8.    Andere  Muilklnstrnmente 881 

53.  Grabdenkmäler 884 

(T^iegende  Grabd.  336.  —  Tumben.  339.  —  Stehende  Grabd.   344.) 

Anmerk.  1.  Stelnaärge 846 

Anmerk.  8.  Orabeinlagen 349 

Anmerk.  8.  Separatbeatattnng  der  Eingeweide 850 

Anmerk.  4.  Gebräuche  bei  Bestattong  der  Toten 851 

54.  Glocken 862 

Anmerk.  1.  Namen  der  Glocken 854 

Anmerk.  2.  Älteste  datierte  und  undatierte  Glocken 866 

Anmerk.  8.  Mnalkalische  Eigenschaften  der  Glocken 857 

Anmerk.  4.  Berechnung  des  Glockengewichtes — 

Anmerk.  6.  Bildnerischer  Schmuck  der  Glocken — 

55.  Verschiedene  Gegenstände  in  alphabetischer  Eeihenfolge 359 

1.  Agnus  dei.  359.  —  2.  Betsäulen.  360.  —  3.  Brunnen.  362.  —  4.  Cal- 
varienberge.  363.  —  5.  Christusstatuen.  363.  —  6.  Goldene  Rosen.  363.  — 
7.  Gotteskasten.  364.  —  8.  Götzenbilder.  364.  —  9.  Heilige  Gräber.  365.  — 
10.  Heilige  Stiegen.  367.  —  11.  Holzklappem.  367.  —  12.  Kämme.  367.  —  ' 
13.  Kreuze.  368.  —  14.  Krippen.  368.  —  15.  lichtputzen.  368.  —  16.  Öl- 
berge.  369.  —  17.  Opferstöcke.  370.  —  18.  Passionssäulen.  370.  —  19.  Pro- 
zessionsgeräte. 371.  —  20.  Raritäten.  373.  —  21.  Schlosserarbeiten.  373.  — 
22.  Siegelstöcke.  376.  —  23.  Stationen.  381.  —  24.  Steinkreuze.  382.  — 
25.  Sündenwagen.  383.  —  26.  Tafeln.  383.  —  27.  Teppiche.  383.  — 
28.  Totenleuchten.  387.  —  29.  Uhren.  390.  —  30.  Votivgeschenke.  392. 
—  31.  Wahrzeichen.  392.  —  32.  Wärraäpfel.  393.  —  33.  Weihwasser- 
becken. 393. 

C.   Epigraphik. 

a)  Äufsere  Epigraphik. 

56.  Sprache  der  Inschriften 395 

57.  Orthographie 896 

58.  Abkürzungen 897 

59.  Abbreviaturen -Theorie 398 


X  Inlialt. 

Seite 

60.  Siglen  und  Notarica «99 

61.  Monogramme  des  Namens  Jesus  Christus 4oi 

62.  Interpunktion 408 

63.  Entwickelung  der  Formen  der  Künstlei-schrift 402 

64.  Zahlen i«» 

An  merk.    Dae  Teohnltche  der  Intchrlften.    Abdrücke  am  Papier,  Sunlol  etc.  410 

b)  Innere  Epigraphik. 

65.  Einteilung  der  Inschriften 411 

An  merk.    Bezlehnog  der  Inaehrlften  auf  die  kOnatlerliobe  Technik — 

66.  Poetische  Inschriften 4i8 

67.  Historische  Inschriften    .    .    .^ .  414 

68.  Zeitbestimmungen 415 

Anmerk.    Jabreisahlen  in  Versen 418 

69.  Bibelsprüche  und  Gebetsformeln 419 

70.  Beispiele  von  Inschriften 420 

a.  An  Kirchengebäuden.  420.  —  b.  Auf  Altarplatten ,  Antependien  und  Trag- 
altären. 426.  —  c.  An  Kronleuchtern.  428.  —  d.  In  Evangelien-  und  Mefs- 
büchem.  428.  —  e.  An  Beliquiahon.  429.  —  f.  An  Kelchen  und  Patenen. 
429.  —  g.  An  Sakramenthäuschen,  Monstranzen  und  Ciborion.  430.  —  h.  An 

GrefUfeen  für  die  h.  öle.  431.  —  i.  An  "Weihkesseln.  431.  —  k.  An  Bischofs- 
und anderen  Stäben.  431.  —  1.  An  Chorstühlen  und  Kanzeln.  432.  — 
m.  Auf  Taufsteinen.  433.  —  n.  Auf  Taufschüsseln.  434.  —  0.  Grabschriften. 
435.  1)  in  Prosa.  436.  —  2)  in  Versen.  437.  —  8)  Kollektiv-Grabschriften. 

440.  (Anmerkung.  Skurrile  Grabachriften.  441).  —  p.  Glockeninschriften.  442. 
(Anmerkung.    Unleaerliche  Glockeninachriftan.   44G).    —    q.  Auf  Siegeln.    447.    — 

r.  Auf  kirchlichen  Gerätschaften.  448.  —  s.  Inschnften  bildlicher  Darstel- 
lungen.  448. 

D.  Heraldik. 

71.  Alter  der  Wappen  in  den  Kirchen 450 

72.  73.  Beziehimg  der  Wappen 4.w 

74.  Wappen  auf  Denkmälern  von  Geistlichen 4.5i 

75.  Wappen-Schild  und  Helm 452 

76.  Heroldsfiguren 454 

Anmerk.    Rechta  und  llnka  In  beraldlaobem  Sinne 4.^'> 

77.  Wappenbilder 455 

78.  Geistliche  Insignien  als  Wappenbildor 456 

79.  Helmschmuck 457 

80.  Heraldische  Farben 457 

81.  Heraldische  Kunstsprache.    litteratur 458 

E.  Ikonographie. 

82.  Einteilung  der  Bilder 458 

Anmerk.    AnitSCtige  Bilder       . 459 

83.  Bildnisse 459 

(Verstorbene.  459.  —  Stifter.  461.  —  Künstler.  462.) 

Anmerk.    Portritkbnllcbkelt  der  BUdnIaae 463 

84.  Trachten  der  Bildnisfiguren 4cs 

85.  Geschichte  der  Trachten 46S 

(Geistliche  Trachten.  464.  —  Weltliche  Trachten,  Männer.  468;  Frauen. 
473;  Ordensdekorationen.  474;  Abzeichen  einzelner  Stände.  475.) 

86.  Religiöse  Bilder.  Einteilung.  Liti»iatar 476 

87.  Mystische  Figuren 479 

88.  Symbole 48i 

Anmerk.  1.    Tierbilder 491 

Anmerk.  2.    PflansenvjrmboUk 496 

Anmerk.  8.    Bilder  »na  heidaiaoben  Diobtem  nnd  mlUelAlterlioben  Romanen    .     .     .  498 


Inhalt.  XI 

Seite 

89.  Alli^rien  und  zwar  klassische  oder  frei  erfundene 499 

(Äysisch- mythologische  Personifikationen.  499.   —  Ethische  Personifika- 
tionen. 500.) 

Anmerk.  1.    Zeltkrelte  und  Olflokfräder 502 

Anmerk.  S.    Tod  and  Totentilnxe 5a3 

Anmerk.  3.    Ziuuiinmenetellaogen  klaMtecher  Figuren ßOG 

90.  Biblische  Bilder iwe 

a.  Typische  Bilder ö06 

Anmerk.    Vleldeatigkeit  derselben 510 

b.  Allegorische  Bilder 5ii 

(1.  Visionen.  2.  Gleichnisse.  3.  Dogmen.) 

Anmerk.    Stammbäume .516 

c.  Historische  Bilder 5i7 

Anmerk.  1.    OrandxUge  der  gewöhnlichsten  biblischen  Darsteliiingen  und  Personen    .     517 

(Gott  Vater.  518.  —  Engel.  519.  —  Teufel.  520.  —  Alttestameniliche 
Darstellungen.  521.  —  Christus.  524.  —  Maria.  525.  —  Apostel.  526.  — 
Scenen  aus  der  neutestamentlichen  Geschichte.  526.  — ) 

Anmerk.  8.    Bllderrelhen  ans  rersehledenen  Jahrhanderten 544 

(1.  Altchristliche  Kunst.  544.  —  2.  Codex  Rossanensis.  545.  —  3.  £}van- 
gelienhandschnffcen  um  1000.  545.  —  4.  Bemwardssäule.  546.  —  5.  Evan- 
geliar  zu  Aschaffenburg.  547.  —  6.  Zittauer  Hungertuch.  547.  —  7.  Em- 
poren der  Annenkirche  zu  Annaberg.  548.) 

Anmerk.  S.    Didaktische  Bilderreihen  snm  Apostollcom  and  xnm  Dekalog  ....     549 

91.  Heiligenbilder 550 

92.  Nimbus 550 

93.  Attribute  und  Symbole 558 

Anmerk.    Sancti.    Besti.    Mar^yre«.    Confessores 558 

Alphabetisches  Verzeichnis  der  auf  dem  deutschen  Denkmäler- 

febiete  hauptsächlich  vorkommenden  Heiligen,  nebst  Angabe  ihrer 
ttribute,  Festtage,  Patronate  und  wichtiger  auf  sie  bezüglichen  Denkmäler     553 

Clavis 603 

Chronologische  Zugabe 605 


Verzeiclinis  der  Eunstbeilagen. 

I.  Büdnis  von  D.  Heinrich  Otte  (Stahlstich)  Titelbüd.  Nach  Seite 

n.  Grundrifs  der  Cistercienser- Abtei  Maulbronn  (Stahlstich) ii4 

HL  Das  Frauenkloster  EUngenthal  in  Basel  aus  der  Vogelschau  (Holzschnitt)    .  ii6 

rv.  Der  Hochaltar  von  Blaubeuem  (Stahlstich) i46 

V,  Deckel  des  Evangeliencodex  aus  Echtemach  in  Gotha  (Stahlstich)  ...    .    .  i74 

VL  Diptychon  des  Tutilo  in  St.  Gallen  (Stahlstich) ...........  5i4 

Vn.  Holzschnitt  aus  der  xylograph.  Ars  moriendi  in  der  T.  0.  Weigelschen 

^^         Sammlung  (Faksimile) .^ sie 

Vni.  Die  Himmeläönigin,  Kupferstich  des  Meisters  P  von  1451  aus  der  T.  0. 

Weigelschen  Smimlung  (Faksimile)     ..............  586 


Die  Sach-,  Künstler-  und  Orts -Register  über  das  ganze  Werk  werden  dem 
zweiten  Bande  beigegeben  wer&n. 


Verzeichnis 

der 

Abkflrznngen  in  den  Litteratnrnachweisnngen. 


Adler,  Backst.    .    .    .*«  Adler,    mittelalt.   Backstein -Bauwerke   des   PreuTsischen 

Staats. 
Allg.  Bauz.   .....«:=  Allgemeine  Bauzeitong. 

Anz.  6.  M. a=  Anzeiger  des  Germanischen  National -Museums. 

Becker -V.  Hofner     .    .  i=  Becker  und  von  Hefiier- Alteneck ,  Kunstwerke  und  Gerät- 
schaften des  M.-A.  u.  d.  Renaissance. 
Bock,  Lit-6ew.    .    .    .  «  Bock,  Geschichte  der  liturgischen  Gewänder. 
Bock,  Mon.  Rheinl.    .    .  >=  Bock,  das  monumentale  Rheinland. 
Bock,  PfUzkap.    .    .    .  «  Bock,  Karls  d.  Gr.  Pfalzkapelle  und  ihre  Kimstschätze. 

Bacher «^  Bucher,  Geschichte  der  tecnnischen  Künste. 

Chr.  K.-Bi es  Christliches  Kunstblatt  für  Kirche,  Schule  und  Haus. 

Deuteche  Banz.     .    .    .  «»  Deutsche  Bauzeitung. 

Eeeenweln,  Backet  .    .  ^  Essenwein,  Norddeutschlands  Backsteinbau. 

Förster «=  Förster,  E.,  Denkmäler  deutscher  Baukunst,  Bildnerei  und 

Malerei. 

Grueber »  Grueber,  die  Kunst  des  Mittelalters  in  Böhmen. 

Heideloir,  Schwaben.     .  =  Heideloff,  die  Kunst  des  M.-A.  in  Schwaben. 

Jahrb.  C.-K «»  Jahrbuch  der  K.  K.  Central -Kommission  zur  Erforschung 

und  Erhaltung  der  Baudenkmäler. 

Jakob ^=  Jakob,  die  Kunst  im  Dienste  der  Kirche. 

Korr.-Bl.  6ee.-V.  .    .    .  =»  Korrespondenzblatt  des  Gesamtvereins  der  deutsch.  Gesch. 

und  Altertumsvereine. 

Krane <=  Kraus,  Kunst  und  Altertum  in  ElsaGs- Lothringen. 

Kngler,  Kl.  Sehr. .    .    .  «>  Kugler,  kleine  Schriften  und  Studien  zur  Kunstgeschichte. 

Liibke,  Wetf.     .    .    .    .  ^  Lübke,  die  mittelalt.  Kunst  in  Westfalen. 

von  LOtzow,  Zeltechr.    .  ^  Zeitschrift  für  bildende  Kunst,  herausgegeben  von  Karl 

von  Lützow. 

Meckl.  Jahrfa «»  Jahrbücher  des  Vereins  für  mecklenburgische  Geschichte  etc. 

MühofT «=  Mithoff,  Kunstdenkmäler  im  Hannoverschen. 

Mithoir,  Arch «»  Mithoff,  Archiv  für  Niedersachsens  Kunstgeschichte. 

Mltt.  Band.  Niedere.  .    .  =  Die  mittelalterlichen  Baudenkmäler  Niedersachsens. 

Mitt  C.-K. *«  Mitteilungen  der  K.  K.  C- Kommission  etc. 

Mitt  C.-K.  N.  F.  .    .    .  «  dieselbrNeue  Folge. 

H.  Mltt.  Th.-8.  V.     .    .  =  Neue  Mitteilungen  des  Thüringisch-Sächsischen  Vereins  etc. 

Orn.  f.  Chr.  K «*  Organ  für  christliche  Kunst. 

öeir.  Atl ^  Atbis   kirchlicher    Denkmäler  des   M.-A.   im  Österreich. 

Kaiserstaate  von  v.  Helfert  und  K.  lind. 

Otte,  Bank. «»  Otte,  Geschichte  der  romanischen  Baukunst. 

Piper,  Myth =  Piper,  Mythologie  und  Symbolik  der  christl.  Kunst. 

Puttricli *=  Puttrich,  Denkmäler  der  Baukunst  des  M.-A.  in  Sachsen. 

Schnaaee »»  Schnaase,  Geschichte  der  bildenden  Künste.    11.  AuA. 

Seemann =  Seemann,  Kunsthistorische  Bilderbo^n. 

Sigliart ^  Sighart,  Gesch.  der  bildenden  Künste  im  Königreich  Bayern. 

Statz  nnd  Ungewltter    .  «»  Statz  und  IJngewitter,  Gotisches  Musterbuch. 
Ungewitter,  Lehrb.    .    .  -«  Ungewitter,  Lehrbuch  der  gotischen  Konstruktionen. 
Zeitecii.  f.  Banw.  ...»  Zeitschrift  für  Bauwesen. 
Zeltechr.  f.  eh.  A.  n.  K.  =»  Zeitschr.  für  christliche  Archäologie  und  Kunst. 


»*^*« 


Berichtigniigeii  und  Zusätze. 


S.   9  Z.   2  y.  uni  ist  »Bischof«  zu  streichen. 

„  12  „  20  „  „  Auch  die  ehemalige  Klosterkirche  zu  Leber  au  (Er.  Bappoltsweiler) 
war  von  S.  nach  N.  orientieix. 

„  18  „  18  y.  unt.  Nach  gütiger  Mitteilung  des  Herrn  Diak.  Klemm  zu  Geislingen 
sind  die  KeinencUen  und  Gaden  im  Wüi'ttembergischen  nicht  Wehrgänge  oder 
sonstige  geschützte  Bäume  oben  an  den  Kirchen,  sondern  kellerartige  gewölbte 
Bäume  innen  an  den  befestigten  Kirchhofsmauem. 

„  28.  Dem  Verzeichnis  von  Bund-  und  Polygonbauten  sind  als  romanische  Bei- 
spiele zu  V  die  "Wallfahrtskapelle  zu  Alt-Ötting  (8 eckig  mit  Nischen  im  In- 
neren) und  zuVU  die  Buine  von  St.  Peter  bei  Nassenfufs  in  Krain  (rund 
mit  Apsis),  als  gotische,  wenn  auch  nicht  völlig  selbstständige  Anbauten 
zu  m  die  Liebfrauenkapelle  an  der  Pfarrkirche  zu  Franken berg  (unregel- 
mälsiges  Siebeneck,  XlVt  Jahrh.)  und  die  Annakapelle  an  St.  Martini  zu  Braun - 
schweig  (1434)  hinzuzufügen. 

„    „   „    3  V.  unt  ist  Krukenburg  u.  s.  w.  zu  streichen. 

„  29  „  12  „  ob.  st.  Krukenberg  1.  Krukenburg. 

„  „  „  2  „  unt:  Wo Ipertssch wende  gehört  nach  neuerer  Mitteilung  erst  dem 
XVn.  Jahrhl  an. 

„    „  „12  y.  unt.  ist  »Moosburg,  Michaelskirche  XTTf.  Jahrh.«  zu  streichen. 

„  30  „  2  „  ob.:  Dies  Lauffen  ist  nicht  im  Salzkammergute,  sondern  mit  dem 
S.  29  Z.  13  V.  unt.  identisch. 

„  35  „  13  v.  unt.  st.  antiken  Marmorsäulen  1.  antike  Marmorsäule. 

„  47  „  12  „     „     „   Kreuzer  1.  Kreuser. 

„  52  „  17  „  „  ist  hinzuzufügen:  Strafsbur^  in  Jung  St.  Peter  (mit  spätgotischer 
Brüstung).  Auch  der  Lettner  der  Franziskanerkirche  zu  Efslingen  (Z.  4  v. 
unt.)  ist  frühgotisch. 

„  53  „  3  v.  ob.  sind  die  Lettner  in  Alt  St.  Peter  zu  Strafsburg  und  in  der  Fran- 
ziskanerkircho  zu  Kolmar  hinzuzufügen. 

„  66.  Des^  zu  dem  Verzeichnis  der  unreffelmä&ig  zweischifflgen  Kirchen  die  ehe- 
maligen Franziskanerkirchen  zu  Ulm  und  Wittenberg,  St.  Johann  zu 
Weiisenburg  und  die  Kollegiatkirche  zu  Zabern. 

„  68  Z.   3  y.  ob.  st  Klein,  Mariazeil  1.  Klein -Mariazell. 

„  71  „  14  „  „  Die  Westtürme  zu  Hirschau  standen  nicht  isoliert,  sondern  waren 
mit  der  Paradiesvorhalle  eng  verbunden  j  ebenso  der  Turm  von  Mittelzeil  auf 
Beichenau  nicht  auf  der  Nordseite  isoliert,  sondern  mit  dem  westlichen 
Querschiffe  verbunden,  in  seinem  untersten  Geschosse  dessen  Apsis  enthaltend. 

„  72  „  15  V.  ob.  Um  Müsverständnis  vorzubeugen,  ist  zu  bemerken,  dafs  in  Ulm 
der  Westturm  nicht  wie  in  Freiburg  vor  die  Fa9ade  gelegt  ist,  sondern  nur 
die  gewaltigen  Strebepfeiler  und  die  zwischen  ihnen  angebrachte  Vorhalle  aus 
derselben  heraustreten. 

„    76  „    5  y.  unt.  st.  Walderichskapelle  1.  Walderichskirche. 


Xiv  Berichtigungen  und  Zusätze. 

S.  78  Z.  11  y.  ob.  Runde  Frontaltürme  finden  sich  auch  an  der  Klosterkirche  zu  Lore h 
in  Schwaben,  den  Fa^aden  der  Querschiffe  vorgelegte  Rundtürme  zu  Laach 
und  an  St.  Michael  zu  Hildesheim. 

.,    80  „  17  Y.  unt.  Efslingen:  die  eine  der  beiden  Brücken  ist  nicht  mehr  vorhanden. 

83  „    2  „     „  st  Taf.  L,  4  1.  Taf.  I,  4. 

96  „  21  „  ob.    „   Lünen  1.  Lüne. 

„  „    7  ,,  unt:  Yessera  ist  nicht  Benediktiner- ,  sondern  Prämonstratenserkloster. 

107  ,,12  „     „  st  Bartholomsdik.  1.  Barbarak. 

109  „  17  „  ob.  „  wohltemperierten  1.  wohltemperierten. 

120  „    8  „  unt  „   firmarifie  1.  infirmaficLe, 


11 

11 

^1 

11 


„  169  „  16  „  ob.  „    151  1.  157. 


11 


209  „  18  „   „  ist  vor  »Allerlei«  die  Ziffer  9  hinzuzufügen. 


,,  217  „    4  „  unt  st  1550  1.  1555. 
„  220  „    8   „     „      „    1682  1.  1862. 


11 
11 


267  bei  Fig.  104  „  Xm.  1.  XTV.  Jahrh. 

287  Z.  6  y.  unt  ist  hinzuzufügen:  Lautenbach  (Kr.  Gebweiler)  in  der  Pfarr-,  ehem. 
KoUegiatkirche  (von  ca.  1462  mit  prachtvollen  Skulpturen  aus  der  Tierfabel  an 
den  Miserikordien). 

„  287  „  20  V.  unt  st.  1588  1.  1488. 

„  288  „  17  „     „    hinzuzufügen:  Heiligkreuzthal  im  Frauenchor  der  Klosterkirche 
(von  Martin  Zey,  Schreiner  zu  Riedlingen,  1533). 

„  288  „    3  V.  unt.  st  1495  1.  1493.  —  Die  rechte  Seite  dieses  Grestühls  ist  von  Hans 


11 


11 


11 
11 


»1 


11 


11 


Ernst  von  Böblingen,  1490. 


„  304  „    6  V.  unt  st  Hinterbeinen  1.  ünterbeinen. 


305  „  13  „  „  Der  Taufstein  zu  Limburg  a.  L.  steht  seit  der  letzten  Restau- 
ration im  südwestlichen  Turme. 

313  „  12  V.  unt.  sind  hinzuzufügen  die  gotischen  Taufsteine  in  der  Schloiskapelle  zu 
Meiningen  (Abb.  Heideloff,  Omam.  Heft  8,  Taf.  5),  zu  Oberlind  (ebd. 
Heft  14,  Taf.  4),  zu  Heldberg  und  in  der  Schlofskirche  zu  Kallenberg  bei 
Koburg  1537. 

319  „    8  V.  unt.  st  Müden  a.  Aller  1.  Müden  a.  örze. 

331  Note  1.  ZuAltthann  stiftete  die  Bruderschaft  der  Pfeifer  schon  1399  einen 
Altar,  und  ein  bei  demselben  befindliches  Wandgemälde  stellt  die  h.  Jungfrau 
als  Mater  misericordiae  für  lauter  Spielleute  dar;  vergl.  Kraus,  H,  11. 

390  Z.  23  V.  ob.  Die  Nachricht  über  das  von  Gerbert  verfertigte  Oroloeium  ist  ge- 
wifs  nur  auf  eine  Sonnenuhr  zu  beziehen,  da  ausdrückfich  gesa^  wird,  dals 
er  zuvor  den  Leitstern  der  Schiffer  per  fistulam  beobachtet  habe;  vergL  Thiet- 
mari  chron.  VI,  61  in  M.  G.  m,  835. 

392  „  18  V.  unt.  Auch  in  der  Kirche  zu  Ebersdorf  bei  Chemnitz  hängt  ein  angeb- 
lich von  einem  Jerusalempilger  gestiftetes  Schiff. 

408  „  16  V.  unt  st  Stra&burg  L  (Tcbweiler  (Abb.  Kraus  11,  115). 

„416  „11  „     „     „   am  1.  am  10. 

,,416  „  19  „     „     „   Jon.  1.  Ivn. 

„  475.     Den  Ordensdekorationen  ist  hinzuzufügen  die  Gesellschaft  von  der  Sichel, 

festift;et  von  Otto  dem  Quaden  von  Braunschweig-Göttingen.  Abzeichen:  ge- 
rönter  Rehbock  mit  einer  geschmiedeten  Sichel  zwischen  den  Hörnern;  auch 
eine  Sichel  allein,  z.  B.  am  dem  Grabmale  des  Stifters  von  1894  zu  Wie- 
brechtshausen. 

„  480  „  26  y.  ob.  st  Jachim  1.  Jachin. 


Einleitung. 


1.  Die  Kunst  ist  die  gesetzmäfsige  Darstellung  einer  Idee  in  sinn- 
licher Form :  die  christliche  Idee  in  sinnlicher  Form  erschöpfend  darzu- 
stellen, ist  schlechthin  unerreichbar;  daher  der  sinnbildliche  Grundzug 
aller  christlichen  Kunst,  und  der  Glaube  als  Bedingung  ihres  wahren 
Verständnisses. 

Durch  die  obige  Definition  soll  gesagt  sein,  dafs  die  Kunst,  deren  Auf- 
gabe es  ist,  Geistiges  und  Sinnliches  in  vollkommener  Durchdringung,  d.  h. 
das  Schöne,  darzustellen,  mit  ihrer  Thätigkeit  an  gewisse  ästhetische  Ge- 
setze gebunden  ist,  deren  Aufstellung  jedoch  nicht  dieses  Orts  sein  kann. — 
Das  Idealische  in  der  Kunst  ist  die  Seite,  wo  das  derselben  eigentttmliche 
Gebiet  mit  dem  Gebiete  der  Religion  grenzt,  und  je  mehr  eine  bestimmte 
Religion  mit  dem  Sinnlichen  und  Natürlichen  behaftet  ist,  eine  um  so  aus- 
gedehntere und  selbständigere  Wirksamkeit  wird  sie  der  Kunst  einräumen. 
Der  rein  geistige  Charakter  des  Christentums  gestattet  der  Kunst  nur  die 
Darstellung  der  Naturseite,  d.  h.  der  Erscheinung  des  Göttlichen  im  Mensch- 
lichen. Insofern  aber  der  menschlichen  Kunst  die  Darstellung  des  Göttlichen 
schlechthin  unerreichbar  bleibt,  ist  sie  genötigt,  ihre  unzureichenden  Mittel 
durch  Sinnbildliches  zu  ergänzen,  welches  indessen  seinem  Wesen  nach  nicht 
durch  unmittelbare  Anschauung,  sondern  erst  durch  Reflexion,  also  unkttnst- 
lerisch,  zu  wirken  imstande  ist.  —  Für  das  göttliche  Mysterium  des  Sinn- 
bildlichen ist  allein  der  Glaube  empfänglich,  während  der  Unglaube,  auf 
die  dürre  Verstandes- Operation  beschränkt,  in  dem  Sinnbildlichen  nur  das 
Unkünstlerische  erblickt,  und  der  Aberglaube  nicht  vermag  die  göttliche 
Sache  und  das  sie  darzustellen  bestimmte  Zeichen  gehörig  auseinander  zu 
halten. 

2.  Jedes  Kunstwerk  als  solches  hat  lediglich  sich  selbst  zum  Zweck; 
«las  christliche  Kunstwerk  indessen  erstrebt  Ziele,  die  aufserhalb  des- 
selben liegen  und  zwar  über  dasselbe  hinaus. 

Die  Kunst  an  sich  will  nichts  anderes  als  darstellen  und  genügt  sich 
darin  vollkommen,  die  christliche  Kunst  will  das  Leben  des  christlichen 
Geistes  zur  Darstellung  bringen,  und  ihre  Werke  werden  ein  lebendiger  Ab- 
glanz des  heiligen  Geistes  sein,  der  sie  erfüllt.  Damit  ist  der  Mafsstab  ge- 

Otte,  Knnftt- Archäologie.    6.  Aafl.  1 


2  Einleitung. 

geben  fttr  den  Wert  eines  christlichen  Kunstwerkes,  der  nicht  nach  den  viel- 
leicht mangelhaften  Knnstformen  bestimmt  werden  kann,  sondern  allein 
nach  dem  daraus  sprechenden  Geiste.  Hieraus  erklärt  sich  die  schöne  Wir- 
kung der  altchristlichen  Wandmalereien  in  den  Katakomben,  obschon  die- 
selben in  den  verdorbenen  spätrömischen  Formen  ausgeführt  sind ,  und  die 
oft  gänzliche  Wirkungslosigkeit  mancher  neuen,  in  akademischen  Formen 
glänzenden  Darstellungen. 

3.  Der  Zweck  der  christlichen  Kunst  ist  Belehrung  und  Erinne- 
rung einerseits,  Erweckung  und  Erbauung  andrerseits;  sie  nimmt  dalier 
Verstand  und  Gemüt  gleichzeitig  in  Anspruch. 

^Quod  legentibus  scriptura,  hoc  idioUs  praesiai  pictura  cemenühus.^ 
Gregorii  M.  Epist.  lib.  IX.  ind.  FV.  ep.  9  (Opp.  T.  FV.  p.  349  ed.  Ant^'e^p.).  — 
T^Dum  nobis  ipsa  pictura  quasi  scriptura  ad  tnemoriam  filii  dei  reducit,  ani- 
mum  nosirum  aut  de  resurreciiane  laeüficatj  out  de  passione  demulcets 
Ibid.  lib.  vn.  ind.  11.  ep.  54  (p.  271).  —T>Franffi  vero  non  debuit,  quod  non  ad 
adorandum  in  ecclesiiSj  sed  ad  instruendas  solummodo  tnentes  faxt  nescien- 
tium  coUocatumA  L.  c.  p.  349.  —  Mit  diesen  Grundsätzen  Gregors  des  Grofsen 
(gest.  604)  über  den  didaktischen  und  asketischen  Wert  der  bildenden 
Künste  im  Dienste  der  Kirche  wird  die  reine  Mitte  eingehalten  zwischen  der 
Bilderverehrung  einerseits  und  der  Bilderstürmerei  andrerseits.  ^Der  Mifs- 
brauch  hat  die  Bilder  böse  gemacht;  noch  haben  wir  sie  nicht  zu  verwerfen. 
Denn  wenn  wir  wollten  alles  verwerfen,  defs  man  mifsbrauchel,  was  würden  wir 
vor  ein  Spiel  zurichten?^  Luther  in  der  4.  Pred.  wider  die  SchwamigeLster 
(WalchXX,  35).  —  ^Wollte  Gotty  ich  könnte  die  Herren  und  Reichen  dahin 
bereden  y  daß  sie  die  ganze  Bibel  inwendig  und  auswendig  an  den  Hitusern 
vor  jedermanns  Augen  malen  ließen.  Das  wäre  ein  christliches  Werk,^ 
Derselbe  bei  Walch  ebd.  212.  —  Bei  Zwingli  und  Calvin  war  die  Besorgnis 
vor  dem  Bilderdienste  zwar  gröfser,  doch  finden  sich  auch  in  ihren  Schriften 
Stellen,  wo  sie  geschichtlichen  Bildern  einen  gewissen  didaktischen  und 
asketischen  Wert  zugestehen.  ^Daß  sie  (die  Stürmer)  aber  um  aller  Bilder 
willen  also  kämpfen^  ist  ein  Irrsal.  Warum?  Darum  daß  sie  auf  den 
Buchstaben  und  nicht  auf  den  Sinn  des  Gesetzes  sehen.^  Zwingiis  Werke, 
herausgegeb.  von  Schuler  und  Schulthess  ü,  1,  46.  ^Neque  tarnen  ea  super- 
stitione  teneorj  ui  nullas  prorsus  imagines  ferendas  censeam.  Sed  quia  sculp- 
iura  et  pictura  Dei  dona  suntj  purum  et  legitimum  utriusque  usum  requiro: 
ne  quae  Dominus  in  suam  gloriam  et  bonum  nostrum  nobis  contuHt,  ea 
non  tantum  polluantur  praepostero  abusu,  sed  in  nostram  quoque  pemi- 

dem  convertantur. Restat  igitur  ut  ea  sola  pingantur  ac  sculpantur, 

quorum  sint  capaces  oculi ....  historiae  ac  res  gestae  ....  usum  in  do- 
cendo  vel  admonendo  aliquem  habenis  Calvini  Inst.  rel.  ehr.  LI,  c.  XI,  s.  12, 
ed.  Tholuck  I,  81.  —  Im  Gegensatze  gegen  die  ikonolatrische  Praxis  des  ka- 
tholischen Volkes,  die  sie  bekämpften,  sprechen  sich  die  Reformatoren  und 
die  protestantischen  Symbole  allerdings  bilderfeindlich  aus.  ^ 


'  Vergl.  vom  katholischen  Standpunkte  Cl.  Lüdtke,  die  Bilder\'erehrung  und  die 
bildliche  Darstellung  in  den  ersten  christlichen  Jahrhunderten,  1874,  und  dazu  Chr.  K. 
Bl.  1876,  171  ff. 


Einleitung.  3 

4.  Das  christUche  Kunstwerk  geht  aus  dem  christlichen  Geiste  her- 
vor und  ist  eine  von  den  unentbehrlichen  Formen,  in  welchen  er  sich 
darstellt:  die  Einbildungskraft  eines  ungläubigen  Künstlers  kann  also 
ein  christliches  Kunstwerk  niemals  erzeugen. 

Die  Gaben  und  Kr&fte  sind  verschieden ,  und  da  es  in  der  christlichen 
Gemeinde  solche  Glieder  giebt,  welche  das  Charisma  empfangen  haben,  das 
Heilige  in  sich  künstlerisch  zu  gestalten,  so  treibt  sie  der  Geist,  der  sich 
nicht  dämpfen  läfst,  dieses  Innerliche  auch  äufserlich  künstlerisch  darzu- 
stellen. Dadurch  entsteht  das  christliche  Kunstwerk,  als  eine  den  also  Be- 
gabten naturgemäfse  und  notwendige  Form  des  Zeugnisses,  dessen  die  Kirche 
nur  zu  ihrem  grofsen  Nachteile  dürfte  entbehren  wollen.*  Das  Zeugnis 
aber  kommt  aus  dem  Glauben,  und,  wo  dieser  fehlt,  wird  auch  jenes  aus- 
bleiben. Wenn  also  ein  ungläubiger  Künstler  sich  unterfinge  das  Heilige 
darzustellen,  so  würde  das  Produkt  nur  äufsere  Form  sein  ohne  wahren, 
geistigen  Inhalt,  also  kein  Kunstwerk,  sondern  eitel  falsches  Zeugnis. 

5.  Wenn  irgend  ein  Kunstwerk  sich  für  eine  erschöpfende  Darstel- 
lung der  schlechthin  unerschöpfbaren  christlichen  Idee  giebt  oder  aber- 
gläubisch damit  identificiert  wird:  so  ist  es  Idol. 

Es  ist  nicht  gemeint,  als  ob  jemand  sollte  unter  den  Christen  so  thöricht 
sein,  sich  seinen  Gott  selbst  machen  zu  wollen,  sondern  es  soll  nur  die  War- 
nung davor  ausgesprochen  werden,  als  ob  es  Bilder  geben  könnte,  die,  auch 
abgesehen  von  ihrem  innerlichen  Werte  als  Erzeugnisse  christlicher  Kunst, 
vor  anderen  besondere  Heilskräfte  besäfsen.  ^IFenn  ein  Bild  aufgerichtet 
mirdy  dafür  man  sich  fürchtet  und  einen  Glauben  darauf  setzet^  das  reiße 
man  hinweg;  so  es  aber  nicht  ein  Götze  ist  oder  Altar,  da/s  man  die  Kniee 
davor  beuget,  auch  nicht  einen  Gottesdienst  daraus  macht,  so  ist  es  nicht  ein 
Götze,  sondern  ein  Bild,  das  du  behaltest  und  ist  recht  und  gut.  Das  ist  der 
Unterschied  zwischen  Bildern  und  Götzens  Luther  bei  Walch  in,'2626.  — 
Nur  ästhetisch  gebildete  Götzenanbeter  dienen  schönen  Idolen,  die  Götzen 
der  Ungebildeten  sind  häfslich  und  widerlich  herausgeputzt. 

6.  Die  christliche  Kunst  ist  eben  so  frei  und  unbegrenzt  wie  die 
christliche  Idee,  die  kirchliche  Kunst  dagegen  hat  ihre  Grenze  an  dem 
kirchlichen  Typus. 

Die  freie  Bewegung  der  .christlichen  Kunst,  wie  der  christlichen  Idee, 
bezieht  sich  selbstverständlich  zunächst  nur  auf  das  specifisch  christliche, 
also  auf  das  religiöse  Gebiet ;  da  aber  das  christliche  Element  die  provi- 
dentielle  Bestimmung  hat  für  alle  Verhältnisse  und  Richtungen  des  Lebens 
das  Salz  und  der  Sauerteig  zu  sein,  so  schliefst  das  Gebiet  der  christlichen 


*  '»A'wsh  hin  ich  nicht  der  Meinung,  da/s  durchs  Evangelium  sollten  aUe  Künste 
zu  Boden  geschlagen  werden  und  vergehen,  wie  etliche  AbergeistUchen  fürgeben: 
sondern  ich  woUte  aüe  Künste,  sonderlich  die  Musica,  gern  sehen,  im  Dienste  des,  der 
9ie  gegeben  und  geschaffen  hat.€    Luther  in  derYorreae  zu  den  geistl.  liedem  1527. 

1* 


4  Einleitung. 

Kunst  auch  alle  irdischen  Lebensverhältnisse  in  sich,  und  der  christliche 
Künstler  hat  bei  der  Wahl  seines  Stoffes  und  bei  der  Ausführung  seines 
Werkes  keine  andere  Schranke ,  als  die  ihm  gesetzt  wird  von  der  christlichen 
Ethik y  was  man  auch  in  dem  paradox  klingenden  Satze  aussprechen  kann: 
Zwischen  der  heiligen  und  der  so  genannten  profanen  Kunst  ist  kein  specifi- 
scher  Unterschied.  *  Von  dieser  christlichen  Kunst  im  weitereu  und  weite- 
sten Sinne  unterscheidet  sich  die  kirchliche  Kunst,  die  ausschliefslich  das 
Heilige  für  die  Zwecke  des  Gottesdienstes  und  der  Andacht  darzustellen  hat 
und  sieb  dabei  an  den  weniger  durch  kirchliche  Vorschriften,  als  durch  die 
Überlieferung  sanktionierten  kirchlichen  Typus  zu  binden  gehalten  ist.  Will- 
kürliche Abweichungen  von  dem  hergebrachten,  ebenso  tendentiöse  Repri- 
stinationen  eines  im  Verlaufe  der  kirchlichen  Entwickelung  überlebten  Typus 
behindern  den  Zweck  des  kirchlichen  Kunstwerkes:  denn  das  Fremdartige, 
statt  die  Gemeinde  zu  erbauen,  bleibt  derselben  unverständlich  und  gereicht 
ihr  zum  Ärgernis. 

7.  Der  selbst  in  geschichtlicher  Entwickelung  begriffene  kirchliche 
Typus  gestattet  der  Individualität  des  schaffenden  Künstlers  den  erfor- 
derlichen und  förderlichen  freien  Spielraum  und  eine  die  heiligen  Zwecke 
des  christlichen  Kunstwerks  nicht  beeinträchtigende  und  weiterer  Ent- 
wickelung fähige  Bewegung.  Wenn  aber  der  Tj^pus  erstarrt,  wird  die 
Kunst  zum  Handwerk. 

Der  feste  Typus  ist  den  didaktischen  Zwecken  der  kirchlichen  Kunst- 
werke geradezu  förderlich  und  gestattet,  was  die  erbauliche  Seite  anbetrifft, 
dem  Künstler  eine  schöpferische  Thätigkeit,  da  eben  nur  die  äufsere  Dispo- 
sition vorgeschrieben  werden  kann,  keineswegs  aber  der  geistige  Inhalt. 
Aufserdem  ist  der  Typus,  ebenso  wie  das  Dogma,  der  geschichtlichen  Aus- 
bildung und  Entwickelung  unterworfen,  modificiert  und  ändert  sich  daher 
im  Laufe  der  Zeit,  gewöhnlich  aber  nur  allmählich  und  deshalb  erst  nach 
geraumer  Zeit  merklich.  Wo,  wie  in  der  griechischen  Kirche,  die  Lehr- 
entwickelung für  immer  abgeschlossen  ist,  mufste  auch  der  Typus  erstarren, 
und  die  Kunst  ist  zum  Handwerke  geworden,  da  immer  nur  die  traditionelle 
Schablone  befolgt  und  nachgeahmt  wird.  —  Zu  bemerken  bleibt,  dafs  sich 
in  der  kirchlichen  Kunst  nur  für  gewisse  wichtige  und  darum  häufig  wieder- 
kehrende Darstellungen  ein  bestimmter  Typus  bilden  konnte,  während  sel- 
tenere Stoffe  den  Künstlern  freie  Bewegung  des  Schaffens  gestatteten. 

8.  Vorstehende  Sätze  bestimmen  den  Standpunkt  füi-  die  nach- 
folgende Behandlung  der  kirchlichen  Kunst  -  Archäologie  des  christ- 
lichen Mittelalters. 

Erörterungen  über  das  Verhältnis  zwischen  Religion  und  Kunst  finden 
sich  nicht  nur  in  fast  allen  philosophischen  Bearbeitungen  der  Ästhetik,  son- 
dern auch  in  neueren  theologischen  Werken  über  die  christliche  Moral  (z.  B.  in 
Luthardt,  Apologet.  Vorträge  Tl.  3).    In  besonderen  Schriften  haben  die 

» Vergl.  Christliches  Kunstblatt  1859,  4. 


Einleitung.  5 

wechselseitigen  Beziehaügen  zwischen  der  christlichen  Religion  und  disr 

Kunst  behandelt 

vom  Standpunkte  der  evangelischen  Kirche: 

Meyer,  C,  über  daß  Verhältnis  der  Kunst  zum  Kultus.  Zürich  1837.  — 
Alt,  H.,  die  Heiligenbilder  oder  die  bildende  Kunst  und  die  theol.  Wissenschaft 
in^  ihrem  gegenseingen  Verhältnis  historisch  darcestellt.  Berlin  1845.  —  de 
Wette,  W.  M.  L.,  Gedanken  über  Malerei  und  öaukunst  bes.  in  kirchlicher 
Beziehung.  Berlin  1846.  —  Schnaase,  C,  über  das  Verhältnis  der  Kunst 
zum  Chnstentume  und  bes.  zur  evangel.  Airche.  Berlin  1852.  —  Bänke,  W., 
die  Verirnmgen  der  christl.  Kunst.  '1,  Aufl.  Breslau  1855.  —  Nitzsch,  C.  Im., 
über  religiöse  Kunst,  im  Deutschen  Kunstbl.  1856,  Nr.  41.  —  Kottmeier,  Dav., 
die  Darstellung  des  Heiligen  durch  die  Kunst,  vomehml.  in  ihrer  Anwendung 
auf  den  evangel.  Kultus.  Bremen  1857.  —  Der  protestant.  Gottesdienst  und  die 
Kunst  in  ihrem  gegenseitigen  Verhältnis.  St.  Gallen  1840.  —  (Quast,  Feid.  v.,) 
Die  Kunst  im  Dienste  der  Kirche,  in  der  Evangel.  Kirchenztg.  1852,  Nr.  47  — 
57.  —  Fischer,  R,  über  Protestantismus  und  Katholicismus  in  der  Kunst. 
1853.  —  Luthardt,  Chr.  E.,  über  kirchl.  Kunst;  ein  Vortrag.  3.  Aufl.  1878. 
—  Kahnis,  C.  F.  Aug.,  über  Kunst  und  Kirche,  in  Desselben,  drei  Vorträge  etc., 
Nr.  8.  18K5.  —  Über  das  Verhältnis  des  Christentums  zu  den  bild.  Künsten, 
im  Chr.  K.-B1.  1866,  24  ff.  —  Vöeelin,  S.,  über  das  Verh.  der  Christen 
zui-  bild.  K.  während  der  ersten  4  Jahrhunderte.  1873.  —  v.  Bethmann- 
Hollweg,  Christentum  und  bild.  K.  1875.  —  Fromm el,  W.,  Chr.  und  bild. 
K.  1880.  —  Wächtler,  A.,  die  bild.  K.  als  Auslegerin  der  H.-Schr.  1880.  — 
und  in  einem  ausführlichen  Hauptwerke:  Fort  ig,  G.,  Religion  und  Kunst  in 
ihrem  gegenseitigen  Verhältnis.   2.  Tle.  1880. 

Für  den  Standpunkt  der  katholischen  Kirche  können  verglichen  werden: 

Dursch,  G.  M.,  Ästhetik  der  ehr.  bild.  K.  des  M.-A.  in  Deutschi.  1854, 
I  —35,  76—86.  —  Amberger,  Jos.,  Pastoraltheologie.  3.  Aufl.  1868  II,  869— 
876.  —  Wisemann,  Nie,  Berührungspunkte  zwischen  Wissensch.  und  Kunst, 
übers.  F.  H.  Reuscher  1863.  —  Jungmann,  Jos.,  die  Schönheit  und  die  schöne 
Kunst  1866,  177—199.  —  Jakob,  G.,  die  Kunst  im  Dienste  der  Kirche. 
3.  Aufl.  1880,  1 — 4.  —  Diepolder,  J.  Nep.,  Theologie  u.  K.  im  Urchristen- 
tum. 1882. 

9.  Die  kirchliche  Kunst- Archäologie  des  Mittelalters  ist  ein  Teil 
der  aUgemeinen  Altertumskunde,  welcher  den  Gegenständen  der  Unter- 
suchung nach  auf  solche  Denkmäler  der  Kunst  beschränkt  ist,  die  in 
näherer  oder  entfernterer  Beziehung  auf  den  christlichen  Kultus  stehen ; 
der  Zeit  nach:  auf  das  christliche  Mittelalter. 

Von  einem  umfassenderen  Gesichtspunkte  ans  behandelt  F.  Piper 
(Einleitung  in  die  monumentale  Theologie  1867)  die  christliche  Kunst- Archäo- 
logie, indem  er  nicht  nur  die  eigentlich  kirchlichen  Denkmäler ,  sondern 
auch  die  staatlichen  Denkmäler  mit  christlichen  Zeichen,  die  Privatdenk- 
mäler und  die  Denkmäler  der  freischaffenden  Kunst  in  den  Kreis  der  Betracli- 
tnng  zieht  und  so  das  System  einer  monumentalen  Theologie  aufbaut,  für 
welche  nicht  litterarische  Erzeugnisse,  sondern  die  Denkmäler  nnd  ihre  In- 
schriften die  Quellen  sind,  aus  denen  sie  die  Geschichte  der  Exegese,  der 
Dogmen,  der  Moral  und  des  christlichen  Lebens,  insonderheit  der  christlichen 
Kunst  als  einer  notwendigen  Bethätigung  des  christlichen  Lebens  zur  Dar- 
stellung bringt. 

Die  hier  beabsichtigte  Untersuchung  beschränkt  sich  auf  das  engere 

Gebiet  der  kirchlichen  Kunst-Archäologie.  Ihren  Gegenstand  bilden  also: 

1)  Die  Kirchengebäude,  falls  es  nicht  blofse  Bedfir&iisbanten  sind, 


g  Einleitung. 

wie  z.  B.  in  ftnneren  Gegenden  die  meisten  Landkirchen;  doch  halten  selbst 
diese  im  Mittelalter  den  kirchlichen  Typus  fest  (in  der  Richtung  von  Westen 
nach  Osten,  in  der  Einteilung  der  Räumlichkeit,  in  der  Turmanlage  etc.)»  so 
dafs  auch  dergleichen  Gebäude  in  das  Oebiet  wenigstens  der  archäologischen 
Betrachtung  fallen. 

2)  Die  ganze  innere  Ausstattung  der  Kirch engebäude  mit  den 
verschiedenen  zum  Kultus  erforderlichen  feststehenden  und  beweglichen  Uten- 
silien, welche,  wenn  nicht  Erzeugnisse  der  Kunst,  doch  des  Kunsthandwerkea 
sind;  femer  der  Kirchenschmuck  an  Bildwerk  und  Gemälden,  die  verschiedenen 
Denkmäler  etc. 

3)  Die  zum  sachlichen  und  geschichtlichen  Verständnisse  oder  zum  Schmuck 
der  verschiedenen  Denkmäler  bestimmten,  an  denselben  vorkommenden  In- 
schriften, Wappen  und  Bilder,  weshalb  Epigraphik,  Heraldik  und  Ikono- 
graphie als  Hilfswissenschaften  in  Betracht  kommen. 

10.  Wie  die  Kunst  überall  und  zu  allen  Zeiten,  so  hat  sich  auch 
die  kirchliche  Kunst  des  Mittelalters  nationell  und  selbst  provinziell 
eigentümlich  gestaltet;  die  Archäologie  der  Kunst  ist  daher  entweder 
eine  allgemeine,  die  alle  jene  Gestaltungen  zusammenfalst,  oder  eine 
besondere,  welche  nur  die  Untersuchung  irgend  einer  nationeilen  oder 
provinziellen  Gestaltung  der  Kunst  zu  ihrer  Aufgabe  macht 

Obgleich  die  Grundgesetze  der  kirchlichen  Kunst,  im  Anschlufs  an  die 
gemeinsamen  Bedürfhisse  des  Kultus  nicht  blofs,  sondern  selbst  an  die  Ent- 
wickelung  des  Dogmas,  in  der  ganzen  Abendländischen  Christenheit  von 
Rom  ausgehend  im  Mittelalter  die  nämlichen  waren,  so  erfuhren  dieselben 
doch  bei  den  verschiedenen  Völkerschaften,  abgesehen  von  ihrem  allgemeinen 
Entwickelungsgange,  verschiedene  Anwendung.  Alles,  was  den  verschie- 
denen Nationalcharakter  zu  machen  pflegt:  der  verschiedene  Volksstamm,  die 
nach  Boden  und  Klima  verschiedenen  Wohnplätze,  endlich  und  besonder» 
der  verschiedene  der  äufseren  und  inneren  Volkswohlfahrt  mehr  oder  we- 
niger günstige  geschichtliche  Entwickelungsgang,  ist  vom  wichtigsten  Ein- 
flüsse auch  auf  die  verschiedene  Gestaltung  der  Kunst:  im  höheren  Grade^ 
wenn  es  sich  um  ganze  Nationen  handelt,  im  beschränkteren  freilich,  aber 
oft  doch  sehr  entschieden,  in  Beziehung  auf  bestimmte  einzelne  Provinzia- 
lismen. 

Die  systematische  Darstellung  des  Ganges,  welchen  die  kirchliche  Kunst 
bei  den  verschiedenen  Völkern  unter  den  gegebenen  besonderen  Verhält- 
nissen genommen  hat,  und  die  Schilderung  ihrer  Leistungen  in  den  einzelnen 
Epochen  ist  femer  Gegenstand  der  kirchlichen  Kunst -Archäologie,  welche 
sich  dadurch  von  der  christlichen  Kunstgeschichte  unterscheidet,  dafs  sie 
die  Denkmäler  nicht  zunächst  von  dem  Gesichtspunkte  der  ästhetischen  und 
technischen  Vollendung,  sondern  vielmehr  als  Ausdruck  des  kirchlichen 
Lebens  und  der  kirchlichen  Sitte  ins  Auge  fafst. 

11.  Gegenwärtiges  Handbuch  beschränkt  sich  auf  die  nationell 
deutsche  Gestaltung  der  kirchlichen  Kunst  des  Mittelalters,  wie  sich 
dieselbe  vom  IX.  und  X.  bis  zur  Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts   ent- 


Einleitang.  7 

wickelt  hat,  wird  jedoch  der  hauptsächlichsten  provinziellen  Eigentüm- 
lichkeiten besonders  gedenken. 

Bis  auf  Karl  denGrofsen  stand  die  gesamte  abendländische  Kunst  noch 
völlig  auf  dem  Boden  des  antik -römischen  und  griechischen  Lebens,  und 
erst  von  dem  Zeitpunkte  an,  wo  nach  dem  Zerfallen  des  Reiches  Karls  des 
Grofsen  Deutschland  ein  selbständiger  Staat  wurde,  war  daselbst  der  An- 
fang einer  nationalen  Gestaltung  der  Kunst  möglich.  —  Den  Endpunkt  der 
Geschichte  der  mittelalterlichen  Kunst  in  Deutschland  bildet  das  Zeitalter 
der  Reformation:  denn  obgleich  bereits  mit  dem  beginnenden  XV.  Jahr- 
hundert der  mittelalterliche  Idealismus  dem  modernen  Realismus  zu  weichen 
anfängt,  so  bediente  sich  doch,  besonders  in  der  kirchlichen  Baukunst, 
der  neue  Geist  noch  fast  anderthalb  hundert  Jahre  hindurch  der  alt  her- 
gebrachten, wenn  auch  modificierten  Formen,  und  die  Wiederaufnahme  der 
Antike,  welcher  zuerst  in  Italien  Filippo  Brunelleschi  (1375—  1444)  sich 
hingegeben  hatte,  wurde  in  Deutschland,  wie  überhaupt  aufserhalb  Italiens, 
erst  gegen  die  Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts  gemein. 

Anmerkung  1.  Die  beweglichen  kirchlichen  Denkmäler  des  M.-A.  sind 
in  neuerer  Zeit  aus  verschiedenen  Anlässen  aus  den  Kirchen  und  deren  Neben- 
räumen vielfach  in  öffentliche  und  private  Kunst- Sammlungen  übergegangen. 
Unter  diesen  sind,  abgesehen  von  den  grofsen  allgemeinen  Museen,  den  in 
neuerer  Zeit  überall  entstandenen  Kunstgewerbe-  und  Provinzial- Museen  und 
den  zahlreichen  Sammlungen  der  geschichtlichen  und  Altertums- Vereine  wegen 
ihrer  kirchlichen  Tendenz  besonders  diejenigen  Museen  hervorzuheben,  die, 
meist  mit  den  katholischen  Bischofsitzen  verbunden,  denNamen  christlicher 
Museen  ftlhren.  Wir  nennen  das  erzbischöfliche  Museum  in  Köln  (zeitweise 
bereichert  durch  anderswoher  entliehene  Kunstwerke),  die  bischöflichen  Mu- 
seen in  Münster  und  Paderborn,  die  Diöcesan- Museen  in  Kloster  Metten  (fQr 
den  Sprengel  von  Regensburg),  Passau  und  Freising.  Diese  Sammlungen  haben 
sämtlich  einen  mehr  lokalen  Charakter  und  den  praktischen  Zweck  einer 
Wiederbelebung  der  mittelalterlichen  Kunst,  während  das  1849  gegründete 
christliche  Museum  der  Universität  zu  Berlin  die  Aufgabe  hat,  nicht  Original- 
werke der  Kunst  zusammenzubringen,  sondern  durch  Nachbildung  und  Abbil- 
dung von  Denkmälern  in  planmäfsiger  Auswahl  von  der  gesamten  Kunstent- 
wickelung seit  der  urchristlichen  Zeit  bis  ins  XVI.  Jahrb.  eine  auf  Kenntnis 
des  Einzelnen  gegründete  Übersicht  zu  gewähren,  nicht  sowohl  um  der  Kunst 
als  um  des  christlichen  Inhalts  willen ,  und  als  ein  dem  theologischen  Unter- 
richte dienstbares  Institut  der  Universität.  Ähnliche  Institute  sind  in  neuerer 
Zeit  auch  bei  den  Universitäten  Strafsburg,  Freiburg  und  Leipzig  eingerichtet 

worden. 

VergL:  Das  neue  erzbischöfl.  Diöcesan -Museum  auf  dem  Domhofe  in  Köln, 
im  Organ  für  christl.  Kunst.  1860,  Nr.  1—9  und  11.  —  Piper,  Ferd.,  das 
chnsti.  Museum  der  Universität  zu  Berlin  und  die  Errichtung  christl.  Volks- 
museen. Berlin  1856.  (Besonderer  Abdruck  aus  dem  Evansä.  Kalender  für 
1857.)  Ders.,  zur  Gesch.  des  Museums  seit  1849.  1874  und:  über  den  Zuwachs 
des  Museums  1876—78  im  Preufs.  Staats -Anzeiger  1878,  Nr.  166  f.  —  Über 
»Museen  und  Vereine*  s.  Reichensperger,  A.,  Fingerzeige,  106  if.  —  Eine 
ausführliche  Darlegung  aller  Verhältnisse  und  Bestrebungen  aer  342  Kunst-  und 
kunstgewerblichen  Sammlungen  und  Kirchenschätze,  sowie  der  150  Geschichts- 
und Altertumsvereino  giebt:  Springer,  Bud.,  Kunsthandbuch  für  Deutschland, 


g  Einleitung. 

östeiTeich  und  die  Schweiz.  3.  Aufl.  1882.  —  Eine  »Zeitschrift  für  Museologie^ 
Antiquitütenkunde,  sowie  für  verwandte  Wissenschaften«,  von  J.  G.  Th.  Graesse, 
erscheint  in  Brasden  seit  1878. 

Anmerkung  2.  Über  das  Gesamtgebiet  der  mittelalterlichen  Kunst- 
Archäologie  verbreiten  sich  folgende  deutsche  Zeitschriften  und  perio- 
dische Publikationen, 

mit  rein  wissenschaftlicher  Tendenz : 

Zeitschrift  für  christl.  Archäologie  und  Kunst.  Herausgog.  von  Ferd.  v.  Quast 
und  H.  Otte.    Leipzig  1856  u.  1858.    (Nicht  mehr  als  zwei  Bände  erschien(jn.) 

Vorzugsweise  zwar  auf  die  Osterreichischen  Kronlftnder  bescliränkt, 
aber  von  gediegenem  Inhalt: 

Jahrbuch  der  k.  k.  Central -Kommission  zur  Erforschung  und  Erhaltung  der 
Baudenkmäler.  Wien  1856  ff.  —  Mitteilungen  der  k.  k.  Central -Kommission 
zur  Erforschung  und  Erhaltung  der  Baudenkmäler.  Unter  der  Leitung  des  Froi- 
herm  v.  C zornig.  Red.  C.  Weiss.  Wien  1856 — 1874.  Neue  Folge  unt.  Leit. 
von  V.  Helfert.   Red.  K.  Lind,  seit  1875. 

Wegen  ihrer  vielfältigen  Beziehungen  auf  das  deutsche  Denkmälergebiet  sind 
von  grofser  Wichtigkeit  auch  die  Annales  arcfUologiques ,  herausgegeben  von 
Bidron  und  das  Bulletin  monumental,  herausgegeben  von  deCaumont,  beide 
im  Jahre  1872,  die  ersteren  mit  dem  27.,  das  letztere  mit  dem  3S.  Bande  zu 
Ende  gegangen. 

Für  einzelne  bischöfliche  Diöcesen: 

Mitteilungen  aus  dem  Gebiete  der  kirchl.  Archäologie  und  Geschichte  der 
Diöceso  Trier  von  dem  historisch -archäol.  Verein^  Trier  1856  ff.  —  FW»iburger 
Diöcesan- Archiv.  Organ  des  kirchl.  bist.  Vereins  der  Erzd.  Freib.  etc.  Frei- 
burg 1856  ff. 

Mit  überwiegend  konfessioneller  Tendenz, 

katholischerseits : 

Oipm  für  christl.  Kunst,  herausgeg.  und  redigiert  von  F.  Baudri,  später 
von  Endert.  Organ  des  christl.  Kunstvereins  für  Deutschland.  Köln  1851  — 
1873.  —  Kirchenschmuck.  Ein  Archiv  für  kirchl.  Kunstschöpfungen  und  christl. 
Altertumskunde.  Heraus^e^eb.  unter  der  Leitung  des  christl.  Kunstvereins  der 
Diöcese  Rottenburg.  Redigiert  von  Pfr.  Laib  und  Dekan  Dr.  Schwarz.  Stutt- 
gart 1857 — 1870.  —  Vereinsgabe,  eine  Zeitschr.  für  Verehrer  heiliger  Kunst  etc., 
herausgeg.  von  dem  Meraner  Leseverein  etc.  Bozen  1859  ff^  —  Der  Kirchen- 
freund, Zeitschr.  für  Pflege  der  christl.  Kunst;  herausgeg.  von  dem  ehr.  Kunst- 
Verein  in  Bozen  und  Brixen  186«  ff.  —  Kirchenschmuck.  Blätter  des  clir. 
K. -Vereins  der  Diöcese  Sekkau.    Graz  1870  ff. 

Evangelischerseits : 

Christliches  Kunstblatt  für  Kirche ,  Schule  und  Haus.  Herausgog.  unter  Lei- 
tung von  C.  Grüneisen,  C.  Schnaase  und  J.  Schnorr  von  Carolsfeld 
durch  G.  Bunz;  gegenwärtig  von  H.  Merz  und  C.  Pfannschmidt,  (zugleich 
Organ  der  evangelischen  Vereine  für  religiöse  Kunst  zu  Berlin,  Stuttgart  und 
Hamburg)  Stuttgart  1858  ff. 

Latitudinarisch  erweist  sich : 
Archiv  für  christl.  Kunst,  herausgeg.  von  Th.  Prüfer.    Berlin  1876  ff. 

Unter  den  Zeitschriften  der  historischen  und  neuerdings  anch  der  Kunst- 
gewerbe-Vereine sind  als  besonders  reich  an  kunstarchäologischen  Beiträgen 
zu  nennen  der  »Anzeiger  ßr  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  Organ  des  Ger- 
manischen Musettms^  in  Nürnberg,  die  »Jahrbücher  des  Vereins  von  Aller- 


Einleitimg.  9 

thumsfreunden  im  Rheinlands  CBQnner  Jahrb.)  und  daB  ^Correspondenzblati 
des  Gesammtvereines  der  deutschen  Geschichts-undAiterthumsvereine^.  Ferner 
enthält  der  T^Evangelische  Kalender^  von  Ferd.  Piper  1850— 1870  und  das  sonst 
ausschliefslich  den  Interessen  des  Dombaues  in  Köln  gewidmet  gewesene 
^Kölner  Domblam  1842 — 71  kunstarchäologische  Aufsätze  und  Notizen,  welchem 
letzteren  in  neuester  Zeit  sich  zur  Seite  gestellt  haben  im  Interesse  der  betref- 
fenden Dombauten:  Das  alte  Konstanz  etc.  Organ  des  Münsterbau -Vereins 
1881  f.  —  Dombau 'Vereinsblatl.  Wien  1881  f.  —  und  von  evangelischer 
Seite:  Münster -Blätter;  im  Auftrage  des  Münster -Eomit^s  herausgegeben  von 
Fr.  Pressel.  Ulm  1878,  2.  Heft  1880.  —  Gegenwärtig  bringen  auch  fast  alle 
gröfseren  politischen,  illustrierten  etc.  Zeitblätter  gelegentlich  Aufsätze  aus 
unsrem  Gebiete,  zum  Teil  von  wissenschaftlichem  Werte,  die  aber  sämtlich  zu 
verfolgen  aufser  dem  Bereiche  der  Möglichkeit  liegt. 

Von  nicht-periodischen  Veröffentlichungen  gehören  hierher 

in  lexikalischer  Form: 

MüUor,  Herrn.  Alex.,  und  Mothes,  Ose. ,  Illustriertes  archäol.  Wörterbuch 
der  Kunst  ....  des  M.-A.  und  der  Renaissance.  2  Bde.  Leipzig  1877.  — 
Kraus,  F.  X.,  Real-Encyklopädie  der  ehr.  Altertümer  etc.  1880  ff.  (bezieht 
sich  auf  die  ersten  6  ehr.  Jahrhunderte).  —  Götzinger,  Real-Encyklopädie 
der  deutschen  Altertümer.  Leipzig  1881/82.  Für  eingehendere  Studien  unent- 
behrlich ist  die  Vergleichung  der  beiden  Hauptwerke  von  VioUet-le-Duc, 
dictionnaire  raisonno  de  l'architecture  fran^aise  du  XI — XVI  siecle.  10  Bde. 
1854 — 1868  und:  dict.  raisonne  du  mobilier  fran9ais  etc.    6  Bde.  1854 — 1875. 

Als  elementare  Anleitungen : 

Sendschreiben  des  K.  Sachs.  Altertumsvereins  an  die  Freunde  kirchlicher 
Altertümer  im  Königi-eiche  Sachsen.  Dresden  1840.  —  Otte,  H.,  Archäoloj^i- 
scher  Katechismus.  2.  Aufl.  mit  90  Holzschn.  Leipzig  1873.  —  Schultz,  Alw., 
Anleitung  zur  Herstellung^  des  von  der  Kön.  Regierung  beabsichtigten  Verzeich- 
nisses der  schlesischen  Kunstdenkm.  Mit  9  Bildtafeln  (Schlesiens  Vorzeit  in 
Bild  und  Schrift  11,  8.  1873).  —  Jakob,  G.,  siehe  oben  S.  4.  —  Lübke,  ^V., 
Vorschule  zum  Studium  der  kirchlichen  Kunst  des  deutschen  M.-A.  Mit  22(3 
Holzschn.  6.  Aufl.  Leipzig  1875.  —  Meurer,  Mor.,  der  ELirchenbau  vom 
Standpunkte  und  nach  dem  Brauche  der  luther.  Kirche.    Leipzig  1877. 

Vermischten  Inhalts: 

Reichensperger,  A,  Fingerzeige  auf  dem  Gebiete  der  kirchl.  Kunst.  Leip- 
zig 1854  (und  in  einer  »Besonderen  Ausgabe*^  ebd.  1855).  —  Desselben 
Vermischte  Schriften  über  christl.  Kunst.    Leipzig  1856. 

Fflr  die  Kenntnis  der  mittelalterlichen  liturgischen  Vorschriften  über 

Kirchen -Gebäude  und  Geräte  sind  besonders  wichtig  die  Schriftsteller  der 

Hliüina  o/ficia^,  unter  ihnen  namentlich 

Rupert  von  Deutz  (Abt  1120—1135)  de  divinis  officiis  libri  XII(\\\\), 
in  dessen  opp.  Mainz  1H31  vol.  U,  auch  in  Migne,  Patrologia  tom.  CLXX.  — 
Johannes  Beleth  (Schüler  des  Gilbertus  Forretanus)  aivinorum  officio- 
rum  ac  eortMdem  rcUionum  brevis  explictxHo  (auch  rationale  div,  officiorum 
genannt,  vor  1165  geschrieben)  ed.  Com.  Laurimanus.  Antwerp.  1559.  —  Vor 
allen  aber  Guilelmus  Durandus  (Bischof  von  Mende  1286 — 1296)  rationale 
divinorum  officiorum  in  8  Büchern  1286  verfalst.  Die  editio  princeps  Mainz 
1459  fol.  gehört  zu  den  allerersten  datierten  Inkunabeln  der  Fust-Schöfferschen 
Officin.  Die  Ausgabe  Venedig  1568.  4®,  ist  mit  Beleth  zusammen  gedruckt.  — 
Daneben  ist  auch  des  Honorius  (Bischof  von  Autun  1106  — 1125)  gemma 
animae  (4  Bücher,  in  der  Max.  bibl.  Patr.  tom.  XX,   1040 — 1128)  und  des 


]0  Einleitung. 

Sicardus  (Bischof  von  Cremona  11S5 — 1215)  murale  cd.  Migne,  Patrologia 
tom.  CCXin,  9—436  zu  beachten. 

Als  Httlfsmittel  bei  der  Lektüre  kunstarchäologischer  Werke  in  deutscher,, 
lateinischer,  französischer  und  englischer  Sprache  dient: 

Otte,  H.,  Archäologisches  Wörterbuch  zur  Erklärung  der  in  den  Schriften 
über  christl.  Kunstaltertümer  vorkommenden  Eunstaus^iicke.  Leipzig  (1857). 
2.  erweit.  Auflage  1877;  auch  Müller-Mothes,  ill.  arch.  Wörterbucn  (s.  oben); 
und  ein  kürzeres  im  Anhange  zu  Mithoff,  H.,  Kunstdenkmäler  und  Altertümer 
im  Hannoverschen.    Band  I,  1871. 


I. 


Denkmäler  der  Knnst. 


A.   Kirchengebäude. 

Binterim,  Ant.  Jos.,  die  vorzüglichsten  Denkwürdigkeiten  der  Christ -kathol. 
Kirche.  1826.  IV.  I,  1  —  162.  —  Augusti,  J.  Chr.  W.  die  gottesdienstlichen 
Personen  und  örter  der  christlichen  Kirche  (Bd.  XI.  der  Denkwürdigkeiten). 
1830,  315—49«.  —  Desselb.  Handbuch  der  christl.  Archäol.  3  Bde.  1836/37. 
—  Desselb.  Beiträge  zur  christlichen  Kunstgesch.  und  liturgik.  1841.  — 
Bunsen,  Chr.  C.  Josias,  die  Basiliken  des  christl.  Roms  (1842).  —  Kreuser,  J., 
Kölner  Dombriefe.  1844,  2—62.  —  Desselb.,  der  christl.  Kirchenbau.  2.  Aufl. 
1860.    1,  3  —  270. 

a.   Im  Allgemeinen. 

12.  Die  gottesdienstUchen  Gebäude  der  Christen  sind  von  Westen 
nach  Osten  gerichtet  (orientiert).  Diese  heilige  Banlinie*  beruht  auf  der 
altchristlichen  Sitte,  sich  beim  Beten  gen  Osten  zu  wenden  und  den 
Blick  nach  dem  Aufgang  aus  der  Höhe  zu  lenken. 

Eine  genaue  Orientierung  ist  vor  der  Erfindung  des  Kompasses  über- 
hanpt  nicht,  und  von  der  unbefangenen  mittelalterlichen  Praxis  am  we- 
nigsten zu  erwarten;  doch  findet  sich  im  XII.  Jahrh.  (Beleth,  c.  2.)  die  aus- 
drttckliche  Vorschrift  t>ÜI  aediftcetur  versus  Orientem^  hoc  est  verstts  solis 
ortum  aequinoctialem^  und  die  Verwerfung  derjenigen,  die  sich  aus  nicht 
angefahrten  Gründen  nach  dem  Aufgangspunkte  der  Sonne  am  längsten  Tage 
richten  wollten  und  richteten  (mec  vero  contra  aestivaie  solstitium^  ut  non- 


'  Alberdingk  Thijm,  Jos.  Alb.,  de  Heilige  Linie.  Pi-oeve  over  de  oostwardsche 
richting  van  kerk  en  autaar  als  hoofdbeginsel  der  kerkelijke  bouwkunst.  Amsterd.  1 858. 
VergL  Desselb.  »De  Torientation  des  ^qlises*  in  *Diet€che  Warande*  (Partie  fran- 
paise).  1857,  37  und  *La  ligne  sctcrSe*.  Ebd.,  51.  —  Über  die  Richtung  der  Kirchen, 
in  Moneundv.  Aufsefs,  ^zeiger  für  Kunde  des  deutschen  M.-A.  .3,  201.  —  Orien- 
tierung der  Kirchen,  in  der  Zeitschr.  f.  ehr.  A.  u.  K.  I,  32.  —  Gedanken  über  die 
Orient,  d.  Kirch,  in  Kirchenschmuck  XXV  (1869),  19  ff. 


12  Baulinie. 

nulii  et  volunl  el  faciunH),  also  eine  nordöstliche  Baulinie  beliebten.  Letz- 
tere Richtung  findet  sich,  —  ob  absichtlich,  oder  nur  zufällig,  oder  nur 
wegen  gewisser  örtlichen  Verhältnisse  beobachtet  —  z.  B.  bei  der  Sophien- 
kirche  in  Konstantinopel,  die  nicht  ihre  Seiten  sondern  ihre  Ecken  den  vier 
Weltgegenden  zuwendet,^  bei  den  Domen  von  Basel  und  Meifsen,  welche 
sich  von  WSW  nach  ONO  erstrecken;  auch  die  Martinikirche  zu  Braun- 
schweig und  die  Kirche  von  Arnual  haben  nordöstliche  Lage,  wogegen  der 
Dom  und  die  Liebfrauenkirche  in  Trier  mit  dem  Altarende  um  etwa  20^ 
nach  Süden  abweichen.  Andere  zahlreiche  Beispiele  von  beiderlei  Abwei- 
chungen lassen  sich  auf  dem  Plane  jeder  beliebigen  alten  und  gröfseren 
Stadt  mit  leichter  Mühe  auffinden ,  und  da  die  Richtungslinie  der  Kirchen, 
wie  in  Deutschland  so  auch  in  Frankreich  und  England,  den  ganzen  Bogen 
auszufüllen  scheint,  den  die  Sonne  vom  kürzesten  bis  zum  längsten  Tage  am 
Horizonte  beschreibt ,  so  liegt  die  Vermutung  nahe ,  dafs  man  sich  bei  Be- 
stimmung der  Baulinie  oft  lediglich  nach  dem  Aufgangspunkte  der  Sonne 
'  am  Tage  der  Grundsteinlegung  gerichtet  haben  mag.  Nach  einer  englischen 
Konsekrationsvorschrift  sollte  der  Sonnenaufgang  am  Tage  des  Hauptheiligen 
der  Kirche  mafsgebend  sein.  ^  Im  Spätmittelalter  bediente  man  sich  aller- 
dings des  Kompasses , '  bequemte  sich  indessen ,  was  namentlich  innerhalb 
der  Städte  unumgänglich  nötig  war,  dabei  der  Lokalität  an,  jedoch  nur  in 
äufserst  seltenen  Fällen  (Gistercienserkirche  Baumgartenberg  in  Osterreich 
o/E.  von  1142,  Allerheiligenkapelle  neben  St.  Theodor  in  Basel  von  1514, 
Antonierkapelle  in  Bern  vom  Ende  des  XV.  Jahrh.,  fast  genau  auch  die 
Kirche  zu  Allenstein  imErmland;  häufiger  bei  erst, später  in  gottesdienst- 
lichen Gebrauch  genommenen  Baulichkeiten  z.  B.  Refektorien,  wie  bei  der 
sogenannten  älteren  Kirche  in  Kloster  Eberbach)  in  dem  Mafse,  dafs  die 
Längenaxe  der  Kirche  geradezu  von  Norden  nach  Süden  fiel.  —  Bei  der 
aus  dem  XIU.  Jahrh.  stammenden  Schlofskapelle  in  Vianden  erscheint  die 
südliche  Richtung  durch  die  Terrainverhältnisse  unbedingt  geboten. 

13.  Der  Bau  begann  mit  der  Grundsteinlegung  durch  den  Bischof 
am  Altarende  in  Osten  und  schritt  von  hier  nach  Westen  weiter  vor; 
in  dieser  technischen  Beziehung  wird  daher  die  Baulinie  als  von  Osten 
nach  Westen  gehend  zu  bezeichnen  sein. 

In  dem  Baurisse  für  das  Kloster  St.  Gallen^  vom  J.  820  wird  die 
Längenrichtung  der  Kirche  ausdrücklich  bezeichnet  ^ab  Oriente  in  occiden- 
iem^f  aber  das  Mifsverständliche  dieses  Ausdrucks  föllt  dadurch  hinweg, 


*  von  Moltke,  Helm.,  Briefe  über  Zustände  und  Begebenheiten  in  der  Türkei. 
2.  Aufl.,   174. 

«  V.  Quast  im  Korr.-Bl.  Ges.-V.  1872,  20. 

^  L.  Lacher  in  seiner  Unterweisung  von  1516  (Reichensperger,  Verm.  Sehr., 
139)  sagt:  »«o  du  wüdt  ein  Khor  an  aas  Hochwerkh  anUg  wo  er  stehn  sol,  der 
abmerdtung,  der  eonen  auf  gang,  so  nimb  einSJiumbast,  setz  denaufeinmncktl- 
mcuiss ,  vnd  lass  den  magnad  auf  die  mitda^linie  stehn*  u.  s.  w. 

*  Keller  (Baurüs  des  El.  St  Gallen)  drückt  sich  S.  15  des  Textes  müsverständ- 
lich  und  S.  20  unrichtig  hierüber  aus,  während  der  Baurifs  selbst  keinen  Zweifei  auf- 
kommen lälst. 


Baolinie.  ]^g 

dafs  der  Hauptaltar  wie  gewöhnlich  in  Osten  und  die  Türme  in  Westen  an- 
gebracht sind.     Vergl.  unten  Anmerkung  1. 

Auf  Herstellung  des  Altarhauses  mufste  man  für  den  Zweck  des  Gottes- 
dienstes am  ersten  bedacht  sein,  das  Entbehrlichere  durfte  hinausgeschoben, 
und  die  kostspieligen  Türme  brauchten  erst  zuletzt  vollendet  zu  werden.  — 
Selbstverständlich  ist  der  obige  Satz  13.  nur  für  ausgedehntere  Rirchenbauten 
von  Erheblichkeit.  Das  sachkundige  Auge  erkennt  z.  B.  am  Dome  zu  Magde- 
burg, dessen  Ostteil  im  Jahre  1208  begonnen  wui*de,  an  den  Merkmalen  des 
Baustils  mit  Bestimmtheit,  dafs  der  Bau  allmählich  nach  Westen  hin  weiter 
fortschritt,  wo  er  mit  dem  Oberbau  des  Westgiebels  und  der  Türme  erst  in 
den  ersten  Jahrzehnten  des  XVI.  Jahrhunderts  seinen  Abschlufs  fand.  — 
Vom  Dome  zu  Köln  wurde  bekanntlich  nur  der  östliche  Teil  ganz  fertig.  — 
Wo,  wie  z.  B.  am  Münster  zu  Freiburg  i.  B.,  der  östliche  Teil  entschieden 
jünger  ist,  als  das  übrige  Gebäude,  gehört  der  erstere  einem  späteren  Neu- 
bau an.  Ebenso  ist  auch  die  Westfront  vom  St.  Stephan  zu  Wien  der  Über- 
rest eines  älteren  Baues.  —  Am  Dome  zu  Halberstadt  baute  man ,  wie  überein- 
stimmend mit  den  geschichtlichen  Nachrichten  der  Augenschein  lehrt,  von 
Westen  aus  in  östlicher  Richtung  weiter,  allein  dies  war  ein  Umbau,  welcher 
zum  Teil  die  Stelle  einer  älteren  Kirche  einnehmen  sollte ,  die  man ,  um  den 
Gottesdienst  fortsetzen  zu  können,  während  des  Baues  konservieren  mufste. 
Dasselbe  gilt  vom  Dome  zu  Limburg  a.  d.Lahn  in  seiner  gegenwärtigen  Ge- 
stalt. —  Am  Dome  zu  Köln  schritt  man  nach  Vollendung  des  Chores  zunächst 
zum  Baue  des  Langhauses  und  der  Türme,  und  liefs  selbst  die  Fundamente 
der  südlichen  Kreuzvorlage,  die  erst  bei  der  neuesten  Wiederaufnahme  des 
Baues  gelegt  werden  mufsten ,  wenigstens  teilweise  fehlen. 

Anmerkung  1.  Die  west- östliche  Baulinie  stand  zwar  schon  im  christ- 
lichen Altertume  fest,*  doch  wurde  der  Altar,  statt  wie  später  regelmäfsig  in 
Osten,  auch  häufig  am  Westende  der  Kirchen  angelegt,  wie  mehrere  alte 
Kirchen  in  Rom  ^  noch  heute  beweisen.  Der  amtierende  Priester  schaute  in 
diesen  Kirchen  nach  Osten,  stand  also  nicht  vor,  sondern  hinter  dem  Altar- 
tische und  brauchte  sich  deshalb  bei  der  Salutation  des  Volkes  (Dominus  vo- 
hmum)  nicht  umzudrehen.'    Auch  aufserhalb  Rom  gab  es  in  altchristlicher  Zeit 


'  Const.  apostol.  2 ,  57 :  *0  olxoq  boxw  —  xat'  dvazoXaq  xfXQafiutvoq.  —  Vergl. 
Sidon.  Appoll.  ejjist.  2.  10  mit  den  Anmerknngeii  von  Sirmond  (Zeitschi-.  für  die 
(iesch.  des  Oberrheins.    VJLil.,  4,  424). 

*  Es  sind  S.  Peter  im  Vatikan,  S.  Maria  Maggiore,  S.  Johann  im  Ijateran,  S.  Se- 
bastian aufserhalb  der  Mauern,  S.  Crisogono,  S.  Balbina,  S.  Martino  ai  Monti,  S.  S. 
Nereo  ed  Achilleo,  S.  Maria  in  Domnica,  S.  Clemente,  S.  Nicolo  in  carcere  und  S. 
Maria  in  Trastevere.  Auch  S.  Lorenzo  aufserhalb  der  Mauern  hatte  ursprünglich  den 
Hochaltar  am  Westende,  aber  beim  Bau  des  jetzigen  Schiffes  zu  Anfang  des  Xm. 
Jahrh.  liefs  Papst  Honorius  IV.  die  alte  Thür  an  der  Ostseite  vermauern  und  verlegte 
den  Hochaltar  dahin.  Vergl.  Alberdingk  Thijm,  Dietsche  Warande  (Partie  fran- 
vaise).    1857,  44. 

^  Durandus  1.  V.  c.  U.  n.  57:    In  eccUsiis  ostium  ab  occidente  hdbentibus, 

missam  cekbrans,  in  stüutatione  ad  populum  se  vertu et  deinde  araturus 

f€  ad  orientem  convertit.  In  eeclesiis  vero  ostia  ah  Oriente  habentibiM,  ut  Bomae, 
HuUa  est  in  aalutatione  neceasaria  cow>er8io:  sacerdos  in  iUia  ceiebrans  semper 
ad  poptUum  etat  conversus.  —  Jjeo  der  Grofse  (um  443)  nahm  Anlafs  (Serm.  7  de 
nativ.)  das  Volk  zu  strafen,  weil  dieses,  teils  aus  Unwissenheit,  teils  aus  heidnischem 
Aberglauben,  auf  den  Stufen  am  östlichen  Hauptportale  von  S.  Peter,  vor  dem  Ein- 


14  Baulinie. 

Kirchen  in  umgekehrter  Richtung^  und  zwar,  wenn  einem  Zeugnisse  aus  dem 
IX.  Jahrh.  zu  trauen  ist,  weil  man  damals  auf  die  Orientierung  der  Kirchen 
kein  besonderes  Gewicht  gelegt  habe.'  Sicher  ist,  dafs  man  aus  Zweckmäfsig- 
keits' Gründen  von  der  typisch  gewordenen  Orientierung  abzuweichen  keinen 
Anstand  nahm :  denn  Paulinus  von  Nola  baute  bei  der  älteren  gröfseren  des 
h.  Felix,  welche  richtig  orientiert  war,  eine  kleinere  Kirche  mit  dem  Eingange 
auf  der  Ostseite,  weil  sie  nur  als  zu  ersterer  gehörig  betrachtet  werden  sollte.' 
Auch  die  kleine  Krankenhauskirche  auf  dem  Baurisse  von  St.  Gallen,  welche 
mit  der  ebenso  grofsen  richtig  orientierten  Novizenkirche  in  gleicher  Axe  liegt, 
hat,  offenbar  nur  der  Symmetrie  halber,  die  Altamische  in  Westen,  und  dieses 
Schwanken  zwischen  beiden  Welsen  scheint  noch  bis  ins  XL  Jahrh.  fortgedauert 
zu  haben:  denn  die  zuerst  im  J.  983  erbaute  (später  erneuerte  und  1836  abge- 
tragene) Kirche  des  Klosters  Petershausen  bei  Konstanz  hatte,  und  zwar  in  ab- 
sichtlicher Nachahmung  der  Peterskirche  in  Rom,  den  Haupteingang  östlich 
und  den  Altar  westlich,  und  wie  im  Dome  zu  Bamberg  (gegr.  1004)^  scheint 
auch  ursprünglich  im  Dome  zu  Augsburg,  in  St.  Emmeram,  im  Obermünster 
und  in  St.  Jakob  zu  Regensburg ,  sowie  in  St.  Michael  zu  Hildesheim  der  Hoch- 
altar seine  Stelle  im  Westen  gehabt  zu  haben.  Die  Dome  zu  Mainz  und  Fulda 
dagegen,  in  denen  der  Hochaltar  jetzt  zwar  ebenfalls  am  Westende  steht,  aber 
ursprünglich  östlich  stand ,  gehören  aus  diesem  Grunde  nicht  hierher.  —  Ein 
ganz  spät  mittelalterliches  Beispiel  der  Anlage  des  Turmes  im  0.  und  des 
Chors  im  W.  bietet  die  Kirche  zu  Radkersburg  in  Steiermark. 


tritt  in  die  Kirche,  sich  nach  Osten  gegen  die  aufgjehende  Sonne  umwandte  um  zu 
beten,  drang  indessen  damit  nicht  durch,  da  die  Gläubijgen  diese  Sitte  beibehielten,  wes- 
halb auf  Veranlassung  eines  Kardinals  im  J.  1300  em  musivisches  Bild  Cliristi  und 
der  Apostel  vor  der  Kirchthür  errichtet  wurde,  damit  die  sich  nach  Osten  umwenden- 
den Betenden  dieses  verehren  sollten,  und  der  Aberclaube  eines  Sonnenkultus  ver- 
mieden würde.  Vergl.  Ca  salin  8,  de  Christ,  ritibus.  Rtmcof.  et  Hanno  v.  lüSl,  30.  — 
Unter  den  Westchören  in  Deutschland  bietet  derjenige  des  Naumburger  Domes  das  ein- 
zige Beispiel  dieser  Einrichtung  des  Altars. 

*  Die  Kirche  zu  Tyrus  (Eusebius,  bist.  eccl.  10,  4  n.  16)  lag  mit  ihrem  Vor- 
platze gegen  die  Strahlen  der  aufgehenden  Sonne  ausgebreitet;  dasselbe  war  (de  vita 
Constantini  3,  37)  mit  den  Thüren  der  Kirche  des  fiiösers  zu  Jerusalem  der  Fall. 
Sokrates  (H.  e.  5,  22)  sagt  von  der  gro&en  Kirche  zu  Antiochia:  7/  ixxXtjala  dv- 
rlazQOifiov  srsi  r^v  S-iaoiv  '  ov  y^Q  7w6g  dvaroXag  r6  d-vaiaatiJQiov ,  «AAa  ngoq 
Svaiv  dgä.  Taulinus  von  Nola  giebt  (ep.  12  ad  Severum)  als  die  gebräuchlichere 
Sitte  an, 'dafs  der  ^prospectus^^  der  Kirche  nach  Osten  schaue. 

*  Walafried  Strabo  (de  exord.  et  incr.  rer.  c.  4)  bemerkt:  ^Nan  magnapere 
curdbant  ülius  tempöris  jutti,  quam  in  partem  orationis  loca  canverterent  Sed 
tarnen  usus  frequentiar  et  ratumi  vicinior  habet  in  Orientem  orantes  converti,  et 
plur  alitat  em  maximam  eedesiarum  eo  tenore  constitui.^    Im  Gndtempel  des 

iüngeren  Titurel,  dessen  72  Chöre  sich  radial  um  den  Centralbau  legen,  sind  aber  sämt- 
iche  Altäre  so  gerichtet,  (Ausg.  von  Zarncke,  Str.  52.) 

*d(M  der  priester  reht  gen  Oriente  dar  che  sin  antlütse  muste  keren 
swenne  er  der  kristen  saelde  und  Christes  lop  ter  messe  wolde  meren.* 

'  Paulini  ep.  12  ad  Severum. 

*  Pertz,  M.  G.,  XVII,  635;  vergl.  Giesebrecht,  Gesch.  der  deutschen  Kaisor- 
zeit.    4.  Aufl.,  II,  62  u.  599. 


Grundsteinlegung.  ]^5 

Anmerkung  2.  Dem  Kirchenbau  mufste  die  biBchöfliche  Erlaubnis ,  die 
Aussetzung  einer  bestimmten  Dotation^  und  die  Erwerbung  eines  geeigneten 
Bauplatzes  vorausgehen.  Letzterer  wurde  durch  die  Errichtung  eines  Kreuzes 
als  nunmehriges  Eigentum  der  Kirche  bezeichnet  und  nach  einem  alten  Rechts- 
brauche  zuweilen  mit  Seidenfäden  umspannt',  um  ihn  von  den  profanen  Um- 
gebungen abzusondern.  Wenn  die  Fundatoren  hochgestellte  Personen  waren, 
80  pflegte  die  Grundsteinlegung'  im  Beisein  vieler  geistlichen  und  welt- 
licher Gäste  unter  grofsen  Feierlichkeiten  zu  geschehen.  Nach  Besprengung 
der  Baugrube  mit  Weihwasser  legte  der  Bischof  den  Grundstein  {primarium 
iapidem)^  welcher  mit  einem  Kreuze  bezeichnet  sein  mufste.*  Doch  war  es  im 
früheren  Mittelalter  anscheinend  Sitte,  nicht  blofs  einen,  sondern,  wahrschein- 
lich zur  gröfseren  Verherrlichung  der  Feier,  mehrere  Grundsteine  (pritnos  la- 
pides)  zu  legen,  und  zwar  an  den  sämtlichen  Ecken  des  Gebäudes.  So  brachte 
983  bei  Gründung  der  Kirche  des  Klosters  Petershausen  Bischof  Gebhard  von 
Konstanz  vier  Goldstücke  dar,  welche  unter  die  vier  Eckmauern  (vermutlich 
in  Aushöhlungen  der  Grundsteine)  gelegt  wurden.*  —  Bischof  Thietmar  von 
Merseburg  legte  1015  zu  seiner  neuen  dortigen  Kathedrale  die  vier  ersten 
Steine  nach  der  Figur  {in  modutn)  des  h.  Kreuzes:*  also  wohl  an  den  vier 
Endpunkten  des  zu  errichtenden  Gebäudes.  —  Das  Fundament  zur  Kirche  des 
1091  gestifteten  Klosters  Pegau  wurde  an  zwölf  Ecken  gelegt  (demnach  wahr- 
scheinlich an  den  acht  Ecken  und  den  vier  einspringenden  Winkeln  des  kreuz- 
förmigen Grundrisses),  und  der  Stifter,  Graf  Wieprecht  von  Groitzsch,  trug 
dazu  ebensoviele  Körbe  mit  Steinen  auf  seinen  Achseln  zur  Baustelle.^  — 
Anderwärts  und  später  begnügte  man  sich  wohl  mit  einem  Grundsteine  auf  der 
Stelle  des  künftigen  Hochaltars  der  Kirche. 


*  Über  die  Bau-  und  Reparatorpflicht  an  den  Pfan*kirchen  gab  es  im  M.-A.  so 
wenig  wie  heute  ein  eleichmä&iges  Kirchenrecht  Die  Aneabe  in  der  Zeitschr.  f. 
Bauw.  1880,  Sp.  533,  dals  nach  feststehender  Regel  das  Langhaus  der  Zehntherr,  den 
Chor  der  Pfarrer  und  den  Turm  die  Oemcinde  zu  unterhalten  gehabt  habe,  trifft  z.  B. 
auf  die  Badischen  Gebenden  zu  fvergl.  die  zahlreichen  Visitationsberichte  von  dort  im 
Freiburger  Diöc.-Arcniv,  Bd.  XI  ff.),  jedoch  herrschte  darin  die  äulserste  Mannich- 
faltigkeit. 

*  Die  Seidenfdden,  welche  in  den  Marienkirchen  zu  Laeken  und  Lebbeke  (bei 
Dendermonde)  in  Belgien  aufbewahrt  worden,  sollen  einst  zu  obigem  Zwecke  benutzt 
worden  sein.  —  Wolf,  Beitr.  zur  deutschen  Mythologie.    I,  175. 

*  Vergl.  Lenoir,  Alb.,  Architecture  monastique.  Paris  1852.  I,  40:  ^Premiere 
pierre*,  woselbst  auch  Abbild,  von  Grundsteinen  aus  dem  XIY.  Jahrb.,  mit  einem 
Kreuze  und  mit  histor.  Angaben  über  die  Grundsteinlegung  versehen.  Aushöhlungen 
haben  diese  Steine  nicht. 

*  Durandus  1.  I,  cp.  1.:  .  .  .  primarium  lapidem^  cui  impresaa  8it  crux,  in 
fufidamento  ponere. 

^  Chron.  Petershus.  I,  16.  —  Auch  zu  Belleville  in  Beaujolais  legte  der  Abt  116S 
ein  schönes  Goldstück  in  den  Grundstein,  und  bei  der  Gründung  von  St.  Denis  stiegen 
nach  dem  Könige,  welcher  den  ersten  Stein  legte,  die  übrigen  Gäste  in  die  Baugrube 
und  legten  jeder  ihren  Stein,  einige  auch  Edel^ine  (gemmas).  Vergl.  Lenoir,  a.  a.  0. 
Es  dr&igt  sich  übrigens  doch  wohl  die  Vermutung  auf,  aafs  diese  Goldstücke  und 
Edelsteine  Opfergaben  zum  Baufond  waren,  also  nicht  mit  vermauert,  sondern  für  den 
Kirchenbau  verwertet  wurden. 

«  N.  Mitt.  d.  Th.-S.  V.   VI,  4,  72. 

'  Monachi  Pegav.  de  vita  et  rebus  gest.  Comitis  Viperti  Groicens.  ad  a.  1091.  — 
Ganz  dasselbe  erziUüt  der  Chronist  Cosmas  von  dem  Kömge  Vratislav  11.  bei  der  Grund- 
steinlegung der  Peter -Paulskirche  auf  dem  Vyssehrad  zu  Prag  zwischen  1070 — 1080. 


16  Lage  der  Kirchen. 

Bei  einer  im  J.  1823  vorgenommenen  Reparatur  am  Grundbau  des  Spitals 
zum  lieil.  Geist  in  Nürnberg  fand  man  den  Grundstein  auf:  ein  Werkstück^ 
]/25  lang,  0,<i5  breit  und  0,40  dick.  Auf  der  oberen  Fläche  des  Steines  war 
ein  Kreuz  mit  verbreiterten  Enden  (Tatzenkreuz)  eingegraben,  und  zwischen 
dessen  Armen  der  Titulus  des  Kreuzes  Christi.  Über  und  unter  dem  Kreuze 
stand  zweimal  die  Jahreszahl  1489,  und  in  der  Mitte  desselben  befand  sich  eine 
runde,  etwa  0,i8  tiefe  Öffnung  von  etwa  0,i5  Durchmesser,  welche  mit  einer 
Zinntafel  verschlossen  war,  auf  deren  unterer  Seite  die  Namen  der  damaligen 
Oberst -Hauptleute  von  Nürnberg  und  des  Baumeisters  standen.  In  der  Höhluug 
lagen:  ein  hölzernes  Bttchschen  mit  9  kleinen  nürnb.  Silbermünzeu ,  eine  Glas- 
flasche mit  vertrocknetem  Inhalt,  eine  kleine  gegossene  Zinnplatte  mit  einem 
Christuskopfe,  Sonne  und  Mond,  einer  Taube  und  den  Buchstaben  I.  N.  R.  I. 
(ganz  in  der  Weise  der  bekannten  russischen  Heiligenbilder)  und  endlich  der 
Zinnabgufs  einer  antiken  Gemme :  ^  beide  letztere  Gegenstände  wahrscheinlich 
als  Talismane.  Aus  abergläubischen  Motiven  ging  es  wohl  auch  hervor,  wenn 
in  die  Fundamente  Thongefäfse,  mit  Asche,  Knochenresten  etc.  angefüllt,  oder 
auch  leere  Särge  eingemauert  wurden.* 

Anmerkung  3.  Obgleich  die  hohe  Lage  der  meisten  Kathedralen  und 
sonstigen  Benediktiner -Kirchen  allerdings  an  die  urchristliehe  Vorliebe  für  er- 
habene Baustätten  der  Gotteshäuser'  erinnert,  so  würde  man  dennoch  irren, 
wenn  man  annehmen  wollte,  dieselbe  ausschliefslich  oder  auch  nur  vorzugs- 
weise hierauf  zurückführen  zu  können.^  Die  ersten  Heidenbekehrer  in  Deutsch- 
land hatten  hauptsächlich  Rücksicht  zu  nehmen  auf  die  möglichste  Sicherheit 
ihrer  Ansiedelungen  gegen  feindliche  Überfälle,  und  dieses  praktische  Moment 
traf  oft  auf  das  glücklichste  zusammen  mit  jener  sinnigen  Vorliebe  des  christ- 
lichen Altertums  und  dem  Vorbilde  des  im  J.  529  gestifteten  Mutterklosters 
Monte  Casino.  So  wählte  z.  B.  Bonifatius  723  den  steilen  Basaltkegel  an  der  Ohm 
(Amöneburg)  zu  einer  Zelle  für  Mönche,  weil  diese  Lage  gegen  jeden  Angriff 
Schutz  versprach,  und  ähnliche  Fürsorge  scheint  bei  Anlage  von  Bureburg 
(bei  Fritzlar)  741  entscheidend  gewesen  zu  sein.*  Ferner  kommt  in  Betracht, 
dafs  viele  Kirchen  und  Klöster  aus  Burgen  entstanden,  deren  urspüngliche 
Besitzer  ihre  Erbgüter  zu  diesem  frommen  Zwecke  übereigneten:  so  z.  B.  im 
VII.  Jahrh.  Herzog  Ethico  die  Hohenburg  (Odilienberg)  bei  Strafsburg,  im  X. 
Jahrh.  Otto  der  Grofse  Merseburg,  im  XI.  Jahrh.  Heinrich  IL  Bamberg  und 

«  Der  Sammler  f.  Kunst  und  Altert  in  Nürnberg  1824.   I,  6«. 

*  Vergl.  Reimers  im  Anz.  G.  M.  1879.  Nr.  10.  —  In  der  Kirche  zu  Zabehlic  in 
Böhmen  fand  man  an  der  Orcelbühne  in  einer  Nische  wohlvermauert  das  Gerippe  einer 
Kröte  und  ein  Hühnerei.  Ähnliches  in  Böhmen  öfters  —  vergl.  Mitt.  C.-K.  N.  F. 
\T,  148. 

'  So  lag  schon  die  Kirche  zu  Nikodemien  unter  Diocletian  »m  alto^  (Lact an t 
de  mortibus  persec.  c.  12)  und  Tertullian  (adv.  Valentinianum  c.  3)  sagt:  Nostrae 
enlumbae  damus  simplex  in  editis  semper  et  aperHs  et  ad  lucem.  —  Vergl. 
Matth.  5,  14. 

*  Nur  ein  Beispiel  wüüsten  wir  anzuführen:  Bischof  Heribert  von  Eichstädt  (1021 — 
1042)  liefs  den  dortigen  Dom  abtragen,  weil  er  die  Kirche  »in  editiari  urlns  loco^ 
haben  wollte.    Pertz,  M.  G.   VII,  262. 

*  Rettberg,  Kirchengesch.  Deutschlands.  I,  339  u.  597.  —  Die  in  der  Nähe  der 
Kathedralen  belegenen  biscnöflichen  Palatien  waren  regelmäCsig  befestigt.  Der  (nicht 
auf  einem  Berge  gelegene)  Dom  zu  Mainz  hatte  noch  im  Xfi.  Jtdirh.  »wunitianeso^; 
cf.  Urstisius,  Chr.,  Gcrman.  historicor.  illustr.   I,  572  lin.  48. 


Lage  der  Klöster.  X7 

Konrad  U.  Limburg  a.  d.  H.,  und  fast  unzählige  andere  im  Laufe  der  Zeiten. 
Endlich  kommt  noch  hinzu ,  dafs  man  in  nenbekehrten  Ländern ,  um  auch  hier- 
durch den  Sieg  des  Christentums  anzudeuten ,  vielleicht  aber  auch  um  die  alt- 
gewohnte Anhänglichkeit  der  Neubekehrten  an  den  Ort  zu  benutzen,  die  christ- 
lichen Kirchen  vorzugsweise  gern  an  solchen  Orten  erbaute,  wo  früher  heid- 
nische Sacra  waren  gefeiert  worden,^  was  wiederum  häufig  auf  Bergen  der  Fall 
war  und  namentlich  bei  vielen  dem  Erzengel  Michael  und  dem  Apostel  Petrus 
gewidmeten  Bergkirchen  und  Klöstern  zutrifft.^ 

Während  die  Klöster  der  Benediktiner,  in  Abgeschiedenheit  von  der  Welt, 
aber  mit  freier  Aussicht  auf  die  Herrlichkeit  derselben,  gern  auf  einsamer  Höhe, 
wie  ein  Licht  auf  dem  Leuchter  standen,  so  verbargen  die  Cistercienser,^ 
nach  dem  Muster  ihrer  gemeinsamen  Mutter  Citeaux  (gegr.  1098)  ihre  Nieder- 
lassungen, dem  Verkehre  der  Menschen  entrückt,  in  versteckt  gelegene,  oft 
sumpfige  Waldthäler,*  die  sie  durch  ihren  Fleifs  bald  in  fruchtbare  Gefilde 
verwandelten,  so  dafs  diese  Klöster  häufig  einer  lieblichen  Oase  inmitten 
der  Wüste  gleichen.^  Eine  Ausnahme  macht  das  Kloster  Hohenfurth  (in  der 
südlichsten  Spitze  von  Böhmen),  welches  auf  einem  Hügel  an  der  Moldau  liegt, 
femer  Wörschweiler  in  der  Pfalz  und  Dissibodenberg,  welches  aber  den  Platz 
einer  schon  seit  dem  VL  Jahrhundert  bestehenden  Benediktinerstiftung  ein- 
genommen hat.  Innerhalb  einer  Stadt  liegt  nur  die  Cist.- Abtei  zu  Wiener- 
Neustadt,  welche  aber  ursprünglich  eine  Dominikaner-Niederlassung  gewesen  ist. 


*  Dies  wird  häufig  durch  Ausübungen  bestätigt.  So  fand  mau  in  den  Funda- 
menten der  Kirche  des  alten  Benediktinerklosters  St.  Martin  bei  Trier  im  J.  1802  einen 
heidnisch -römischen  Opferaltar,  beim  Abtragen  der  Kirche  zu  Gersthofen  in  der  Diö- 
(^os  Augsburg  im  J.  1 854  Reste  von  zwei  Meäurstatuen ,  bei  Abtragung  des  Domberges 
zu  Bamberg  im  J.  1771  metallene  Opferinstrumente,  sowie  bei  der  letzten  Restauration 
des  Domes  selbst  in  der  Krypta  des  Georgschores  Fragmente  von  Urnen,  Kohlen  und 
Eberzähne,  1882  bei  Restauration  der  Ursulakirche  in  Köln  eine  Statue  der  Isis  in- 
victa  u.  8.  w.  —  In  der  Vita  Mathildis  reginae  (bei  Leibnitz,  I,  194)  wird  von 
dem  Sachsen  Widekind  erzählt,  derselbe  habe  nach  seiner  Taufe  an  solchen  Orten,  wo 
er  firüher  Götzenbilder  aufgestellt  hatte,  Bethäuser  der  Heiligen  errichtet.  Vergl.  Lan- 
dau, die  Territorien,  373  i.  —  In  Brandenburg  zerstörte  der  zum  Christentum  bekehrte 
"Wendenfürst  Pribislav  1136  das  Heiligtum  des  Triglav  auf  dem  Harlunger  Berge  und 
verwandelte  es  in  eine  Marienkirche,  in  welcher  das  alte  Holzbild  des  Götzen  noch 
bis  1526  aufbewahrt  wurde. 

*  Vergl.  das  Verzeichnis  alter  Michaelskirchen  in  Wolfs  Beitr.  zur  deutschen 
MythoL,  33  und  alter  Petrikirchen  ebd.,  81  ff.  Petersberge  kommen  vor  bei  Koblenz, 
Maiiiz,  Saalfeld,  Hersfeld,  Flintsbach  und  Dachau  in  Oberbayem,  Friesach  in  Kämthen, 
Halle,  Erfurt,  Eisenach,  Fulda,  Roremund;  Michelsberge  bei  Fulda,  Mainz,  Münster- 
eifel,  Stromberg,  Bamberg,  Brackenheim,  Ulm,Wimpfen  und  bei  dem  Dorfe  Michels- 
berg im  Sachsenlande  von  Siebenbürgen. 

'  Vergl.  Feil,  Jos.,  in  den  Mittelalterl.  Kunstdenkm.  von  Heider  und  v.  Eitel- 
berger.   1,  1  ff. 

'  Nach  der  finsteren  Askese  des  Ordens  sollen  die  Mönche,  in  der  ungesunden 
Luft  öfter  erkrankend,  stets  den  Tod  vor  Augen  haben,  um  nie  sorgenlos  zu  leben. 
Vergl.  a.  a.  0.,  6.  —  Dohme,  die  Kirchen  des  Ci8t.-0.  in  Deutschi.,  20  f.,  weist  je- 
doch nach,  dafs  man  es  mit  diesem  Grundsatze  in  Deutschland  so  streng  nicht  nahm. 

*  Brusselii  tract.  de  monast.  Germ.  (Augusti,  Denkwürdigkeiten.   XI,  382): 

Vaües  sylvestribus  undique  cincttM 

Arhortbus  diviM  Sernhardus  amoenaque  pr(Ua; 
Celles  et  mantes  Benedictus  amavit  et  arces 
Coelo  surgentes,  ex  quarum  vertice  UUe 
Prospectus  petitur^  secessum  plebis  uterque, 

Otte,  Konst- Archäologie.   5.  Anfl.  2 


18  Befestigte  Kirchen. 

Im  Gegensatze  gegen  die  Feldklöster  der  beiden  genannten  Hauptorden 
suchten  die  Bettelmönche  ausschliefslich  die  Städte  auf  und  waren  hier  mit 
einer  abgelegenen  Baustelle  in  der  Nähe  der  Stadtmauer  um  so  mehr  zufrieden, 
als  sie  daselbst  von  dem  lärmenden  Treiben  des  städtischen  Verkehrs  nicht 
gestört  wurden.  Die  Franciskanerkirche  in  Ulm  ruhte  mit  ihrer  Westseite 
direkt  auf  einem  Stücke  der  ältesten  Stadtmauer.  An  der  Dominikaner-  (später 
Oisterc.-)  Kirche  zu  Wiener -Neustadt  reicht  dagegen  der  Chor  soweit  über  die 
Stadtmauer  hinaus,  dafs  diese  in  Gestalt  einesWehrgangs  auf  Stichbögen  zwischen 
und  durch  die  Strebepfeiler  hindurch  um  das  Chorpolygon  herumgeführt  ist. 

Die  Pfarrkirchen  der  Städte  liegen  gewöhnlich  in  der  Nähe  des 
Marktplatzes  als  dem  ältesten  Kerne  des  ihnen  untergebenen  Sprengeis.  In 
manchen  Fällen  (z.  B.  Brandenburg  St.  Gotthard,  Beizig,  Görzke,  Loburg, 
Möckem,  Treuenbrietzen,  Geislingen,  Tübingen  Stiftskirche  etc.)  sind  sie 
aber  auch  ganz  dicht  an  die  Stadtmauer  gerückt,  besonders  an  Stellen,  wo 
deren  Flucht  einen  rechten  Winkel  bildet.  Es  scheinen  dies  Stellen  gewesen 
zu  sein,  welche  durch  die  Terrain  Verhältnisse  als  von  Natur  vor  feindlichen 
Überfällen  besonders  gesichert  erschienen.  Anderwärts  finden  sich  auch 
Kirchen  direkt  an  Stadtmauertürme  angebaut,  so  die  Liebfrauenkirche  zu 
Frankfurt  am  Main. 

Die  Landkirchen  stehen  seltener  frei  in  der  Mitte  des  Dorfes,  sondern 
öfter  innerhalb  einer  Häuserreihe  der  Dorfstrafse.  In  den  befestigten  Dorf- 
anlagen vertrat  der  auf  der  Höhe  oder  inmitten  sumpfiger  Umgebung  gelegene, 
mit  Wall  und  Graben  und  betürmter,  mit  Wehrgang  oder  wenigstens  Schiefs- 
scharten  versehener  Mauer  umschlossene  Kirchhof  mit  der  gleichfalls  be- 
festigten Kirche  so  zu  sagen  die  Burg.  Dergleichen  befestigte  Anlagen  bilden 
in  Süd-  und  Mitteldeutschland  fast  die  RegeH  und  sind  in  mehr  oder  weniger 
beschädigtem  Zustande  noch  zahlreich  erhalten.  Wir  nennen  aus  der  grofsen 
Zahl  von  Beispielen  als  die  bemerkenswertesten:  in  der  Schweiz  Muttenz  in 
Canton  Baselland,  1880  restauriert  —  im  Elsafs  Dangolsheim,  Hartmanns- 
weiler (Grundrifs  bei  Kraus  H,  147,  Fig.  29  —  siehe  danach  Fig.  1)  und  Huua- 
weier  (Gnrndr.  u.  Ansicht  das.  174.  175),  in  Schwaben,  wo  die  Wehrgänge 
Kemenaten  oder  Gaden  genannt  werden :  Grofs-Sachsenheim,  Heiningen  bei  Göp- 
pingen, Schwieberdingen,  Waiblingen,  Welzheim,  Baum-Erlenbach  0.  A.  Öhrin- 
gen, Fluom  0.  A.  Oberndorf  (ehemals),  Heubach  0.  A.  Gmünd,  Iptingen  und 
Weissach  0.  A.Vaihingen,  Lienzingen  O.A.  Maulbronn,  Magstatt  1511,  Unter- 
zeil 0.  A.  Leutkirch,  Finsterlohr,  Schmerbach,  ehemals  auch  Vorbachzimmem  und 
Wermuthausen  O.A.  Mergentheim  —  in  Österreich:  Maiersdorf  bei  Wiener- 
Neustadt  (vrgl.  von  Sacken  in  Mitt.  C.-K.  N.  F.  HI,  33  ft.  m.  3  Holzschn.),  ünter- 
Waltersdorf  (Abb.  in  Ber.  u.  Mitt.  des  Wiener  Alt.-V.  XIV,  103,  Fig  21.  22)  und 
S.  Pancratius  bei  Klein  Mariazell  (Abb.  das.  XV,  118  f.,  Fig.  l  u.  3),  sämtlich  in 
Nieder -Österreich ;  Hohenfeistritz  und  Diex  in  Kärnthen ;  die  St.  Oswalds- 
kirche  zu  Eisenerz  in  Steiermark  von  1532* —  in  Franken  und  Hessen: 

*  Vergl.  von  Cohausen,  bef.  Dörfer  zwischen  Rhein  und  Nahe,  in  "Westermanns 
ill.  Monatsheften.  VI  (1859),  389  ff.  —  Wörner  und  Heckmann,  über  mittelalter- 
liche Ortsbefestigungen  im  Korr.-Bl.  Ges.-V.  1880,  speziell  über  befest.  Kirchhöfe,  37  ff. 

*  In  den  Österreich.  Ländern  wurden  die  l)efestigten  Kirchen-  und  Kirchhofsanlacen 
am  Ausgange  des  M.-A.  hauntsächlich  durch  die  Türkenkriege  von  neuem  zur  Not- 
wendigkeit. Vergl.  über  diese  Bauten  bes.  in  Steiermark  und  Siebenbürgen:  Mitt.  C.-K.  I, 
248  u.  n,  211  ff. 


Befestigte  Kirchen. 


1» 


Kraftshof  bei  Nflrnbei^,  Nenmorechen ,  Niederzv ehren,  Ober-  und  Nieder- 
Elienbach  im  Reg.-  Bez.  Kaeeel ,  die  Harienkapetle  bei  Hombnr^  v.  d,  Höhe  — 
in  Thüringen:  Ober-Lind  bei  äonnebei^  von  1524  —  in  Norddentech 
Und:  anffaer  den  Ordengltirchen  in  PreufHen  Harienh&ve  in  O.-Friealand, 
Ankum  O.A.  BerBenbrfick ,  Giersdorf  im  Kr.  Brieg.  —  Wo  nicht  die  volle  be- 
festigte EirchhofBBnlftge  vorhanden  ist,  finden  sich  wenigstens  befestigte 
TUrme,  aufser  an  Seh iefsBC harten,  Zinnenkranz  mit  Pechnasen  nud  Pfefferbüch- 
sen auf  den  Ecken  in  der  Regel  daran  erkennbar,  dal^  der  Eingang  zu  ihnen  wie 
an  den  Bergfrieden  sich  erst  in  bedeutender  Hohe  über  dem  Erdboden  befinde) 
nnd  nur  mittelst  Leitern  zugänglich  ist ;  oder  das  Kirchenschiff  selbst  ist  be- 


HHtmumtwdltr ,  bafm,  Klrehbor  (ucli  Kniu). 


festigt,  indem  sich  über  demaelben  Wehrgänge  oder  auch  ein  oder  mehrere 
von  aufsen  nur  mittelst  Leitern  zugängliche  Stockwerke  (bo  in  Bnienaen  bei 
Naenaen  im  BrannschweigiBchen,  in  Nienhagen  und  Oldenrode  bei  Horingen 
im  Farstentam  Göttingen  —  %Tgl.  Hase,  Ittitt.  Baud.  Niedere.,  Taf.  124)  mit  Sclüefs- 
löchern  befinden. 

14.  Die  überwiegende  Mehrzahl  aller  mittelalterliclieii  Kirchen  hat 
die  Grundform  des  länglichen  Vierecks  mit  oder  ohne  Kreuzvorlagen, 
im  Osten  durch  einen  Kreis-  oder  Polygonabschnitt,  auch  rechtwinkelig 
geschlossen. 

Die   längliche,   an   einer   schmalen  Seite  abgerundete,   dem  Schiffe 
ähnliche  Grundform   der  Kirche  galt  schon  in  den  ersten  Jahrhunderten 


20  Gnmdform  der  Kirchen. 

für  gesetzlich  (ConsL  apostol,  2,  57:  *0  oi*o;  lorca  inifiiixtjg  —  o<nig  ioikb 
.  yiii),  als  Symbol  der  rettenden  Arche  Noahs  und  des  Schiff leins  Petrl. 
—  Die  ältesten  Kirchen  des  Abendlandes,  bis  etwa  um  das  J.  1230, 
sind  in  Osten  rund  geschlossen;  vieleckig  geschlossene  Kirchen  gehören 
späteren  Jahrhunderten  an;  ein  Schwanken  zwischen  beiden  Weisen 
(innerlich  i-und,  äufserlich  polygonisch)  bildet  den  Übergang  (Kloster- 
kirche zu  Zinna,  Kirche  zu  Ramersdorf  bei  Bonn,  Kapellenkranz  des  Doms 
von  Magdeburg).  Am  Strafsburger  Münster  und  am  Dome  zu  Worms,  welche 
rechtwinkelig  schliefsen,  ist  die  halbrunde  Altarnische  innerlich  in  die 
gerade  Schlufswand  eingetieft.  Auch  der  Dom  zu  Bremen  schliefst  recht- 
eckig, zeigt  aber  im  Innern  an  der  Ostwand  drei  kleine  Rundnischen  neben 
einander.  Dieser  rechteckige  östliche  Schlufs  (der  sich  allerdings  schon 
am  ursprünglichen  Altarhause  des  karolingischen  Münsters  in  Aachen  vor- 
fand) kommt  besonders  in  Westfalen  (Dom  zu  Paderborn  etc.),  auch  am 
Oberrhein  (Klosterkirche  zu  Limburg  a.  d.  H.,  Dom  zu  Konstanz,  Mittel- 
und  Oberzeil  auf  der  Insel  Reichenau,  Petri- Paulikirche  zu  Hirschau,  Pfarr- 
kirche zu  Perschen  in  der  Oberpfalz)  und  bei  den  Cisterciensern  (zu  Loccum, 
Riddagshausen,  Kampen,  Maulbronn,  Bebenhausen,  Kappel  in  der  Schweiz 
etc.)  etwa  bis  zur  Mitte  des  XUI.  Jahrh.  vor,  später  besonders  im  Norden 
und  vorzugsweise  in  Preufsen. 

Ganz  vereinzelt  ist  das  Beispiel  der  einschiffigen  Kapelle  zu  Tetin  in 
Böhmen,  bei  welcher  sowohl  Schiff  als  Chor  trapezförmige  Gestalt,  mit  den 
schmaleren  Seiten  nach  0.,  haben  (Grdrifs  bei  Grueber  I,  46). 

Kirchen  in  der  Grundform  des  gleicharmigen,  s.  g.  griechischen  Kreu- 
zes (-[-)  finden  sich  im  Abendlande  nur  bei  unbedeutenden  Gebäuden  und 
sehr  vereinzelt  vor  (Dorfkirchen  zu  Wlnoves  und  Bochnitz  und  die  neuer- 
dings abgetragene  Johanniskirche  zu  Weifskirchen  bei  Melnik  in  Böhmen, 
Schlofskirche  zu  Querfurt,  Nikolaikirche  zu  Pasewalk,  Dorfkirche  zu 
Wiesenburg  bei  Beizig) ;  dagegen  haben  alle  gröfseren  Kirchen  in  Deutsch- 
land bis  etwa  nach  der  Mitte  des  XUI.  Jahrhunderts,  zumal  Stifts-  und 
Klosterkirchen ,  die  Grundform  des  s.  g.  lateinischen  Kreuzes  (t) ,  die  älteren 
halbrund,  jüngere  aus  dem  Vieleck  geschlossen.  In  späterer  Zeit  kommt 
die  Kreuzform  ungleich  seltener  vor,  vorzugsweise  selten  bei  Pfarrkirchen, 
welche  in  dieser  Zeit  neugebaut  wurden  (Dom  zu  Stendal,  Marienkirchen  zu 
Rostock  und  Stralsund  aus  dem  XV.  Jahrb.),  und  wie  es  scheint,  haupt- 
sächlich nur  da,  wo  auf  der  Stelle  des  Neubaues  früher  schon  eine  Kreuz- 
kirche gestanden  hatte. 

Anmerkung.  Dafs  die  Kreuzform  des  Kirchengrundrisses  bereits 
ursprünglich  symbolisch  gemeint  gewesen  sei,  läfst  sich  zwar  aus  der  früh- 
zeitigen sinnbildlichen  Auffassung  ^  derselben  allein  nicht  beweisen,  ist  jedoch 
wahrscheinlich:  nicht  blofs  wegen  der  altchristlichen  Vorliebe  gerade  fUr  dieses 
Symbol,  sondern  auch  wegen  der  anscheinend  keineswegs  im  strengen Bedürf- 


'  Schon  Gregor  von  Nazianz  im  IV.  Jahrh.  (Somnium  de  Anastasiae  ecel.  11,  16, 
60)  und  Procop  im  VI.  Jahrh.  (de  aedificiis  Justiniani.  I,  4)  sehen  in  der  von  Kon- 
stantin dem  GroCsen  zu  Konstantinopel  erbauten  Apostelkirche  die  Gestalt  des  Kreuzes. 
Vergl.  Zöckier,  0.,  das  Kreuz  Christi,  198. 


Namen  der  Kirchen.    Kapellen.  21 

nisse  begründeten  Anordnung  deB  Querschiffes  ^  und  wegen  der  ursprünglich 
eigentlich  doch  nur  im  Grundrisse  oder  in  der  Vogelperspektive  wahrnehm- 
baren Kreuzgestalt  der  Kirchen  ohne  eigentliche  Kreuzvorlagen. 

15.  Gottesdienstliche  Gebäude,  welche  blofs  zum  Gebete  oder  Pri- 
vatgebrauche bestimmt  sind,  heifsen  Kapellen  oder  Oratorien.*  Sie 
sind  gewöhnlich  nur  klein,  haben  verschiedene  Grundformen  und  kom- 
men häufig  als  An-  oder  Einbauten  der  Barchen  vor. 

Unter  den  kirchlichen  Nebengebäuden  war  in  altchristlicher  Zeit  das 
hauptsächlichste  die  Tanfkapelle  (bapHsterhwOy  welche  aus  einem  Vor- 
gemache und  dem  Hauptraume  mit  dem  Wasserbecken  (piscinä)  bestand 
und  in  der  Nähe  der  Hauptkirchen  errichtet  war.  Gewöhnlich  war  der 
Hauptraum  von  runder  oder  achteckiger  Grundform, ^  und  die  innere  Ein- 

'  Kinkel  (Gesch.  der  bild.  Künste.  I,  60)  erklärt  es  zwar  für  anscheinend  sicher, 
daTs  man  den  Kirchen  aus  symboHschen  Gründen  das  Quorschiff  hinzugefügt  habe, 
meint  jedoch,  dafs  auch  architektonische  Gründe  mitgewirkt  haben  möchten,  worüber 
er  Vermutungen  ausspricht;  Schnaase  (IV,  87  u.  209  f.),  dagegen  hält  die  symboUsche 
Beziehung  sehi*  für  >iebensache. 

'  Über  die  deutschen  Namen  gröfserer  Kirchen  ist  folgendes  zu  bemerken.  Dom 
stammt  weder  von  D.  0.  M.  (deo  optimo  maximo)  noch  von  Tum  («»  Bistumskirche), 
sondern  wie  das  italienische  duomo  von  domtia  sc.  dei,  oder  vielmehr  des  Heiligen, 
dem  die  Kirche  geweiht  ist,  und  wird  nie  von  Klosterkirchen,  sondern  nur  von  bischöf- 
üchen  Stiftskirchen,  im  N.O.  Deutschlands  jedoch  auch  von  gewöhnlichen  Kollegiatstif- 
tem  (Berlin,  Braunschweig,  Halle,  Stendal,  "Walbock  etc.)  gebraucht.  AVo  von  letzte- 
ren mehrere  an  einem  Ortis  waren,  erhielt  nur  das  bedeutendste  den  Namen  Dom 
(z.  B.  Erfurt),  keins  jedoch,  wenn  am  gleichen  Orte  sich  ein  Hochstift  befand  (Magde- 
burg, Halberstadt).  Vergl.  v.  Mülverstedt,  über  Bedeutung  und  Begiff  d.  Wortes 
Dom  etc.  in  Zeitschr.  d.  flarzvereins.  H,  4,  l  ff.,  auch  im  Korr.-Bl.  d.  G.-V.  1869,  13.  — 
Münster  stammt  von  monasterium,  ist  also  eigentlich  eine  Klostorkirche,  und  ist  so 
auch  in  Gebrauch  besonders  bei  einigen  hochadeligen  Fräuleinstiftem  wie  Essen,  Her- 
ford, Quedünburg,  Ober-  und  Niedermünster  bei  Kegensburg,  auch  für  die  Benedik- 
tinerk.  zu  Gladbach  und  die  KoUegiatkirchen  zu  Bonn,  Einbeck  und  Hameln.  In 
Süddeutschland  \sird  es  geradezu  für  Kathedrale  gebraucht,  so  in  Stralsburg,  Basel, 
Konstanz;  aber  auch  von  blofsen  Pfarrkirchen,  die  entweder  nie  mit  einem  Stift, ver- 
bunden waren  wie  in  Ulm,  oder  es  erst  später  wurden  wie  in  Freiburg,  Bern,  Über- 
lingen. Im  Nibelungenliede  ist  Münster  schlechthin  «e  Kirche.  —  Der  Name  Kathedrale 
kommt  in  Deutschland  nicht  vor,  auch  lateinisch  werden  die  bischöflichen  Kirchen  in 
der  Regel  eccl,  major  und  nur  selten  eccl.  caihedrdlis  genannt,  und  der  Dom  zu  Köln 
heilst  oft  schlechthin  Summum,  während  clanstrum  nicht  sowohl  eine  Klosterstiftung, 
sondern  den  Komplex  der  durch  eine  Mauer  a  vita  seculari  abgeschlossenen  geist- 
üchen  Gebäude  bezeichnet.  —  Saal  (aula)  ist  eine  nur  in  einzelnen  Fällen  (Nürnoerg, 
Königssaal  in  Böhmen,  Sallapulka  «■  Saal  ob  Pulkau  und  Mariasaal  in  Osterreich)  vor- 
kommende Bezeichnung,  welche  für  Marienkirchen  eigentümlich  zu  sein  scheint. 

'  Verri.  Unger,  F.,  über  d.  ehr.  Rund-  und  Oktogonbauten,  Bonner  Jahrbb.  XLI, 
25 — 42.  —  Die  Idrchliche  Bautradition  hinsichtlich  der  Centralbauten,  im  Kirchenschmuck. 
Sekkau  1882,  No.  4  fif.  —  Die  achteckige  Grundform  wird  in  folgender,  von  einem  Bap- 
tisterium  bei  der  Kirche  der  h.  Thekla  in  Mailand  herrührenden  Inschrift  hervorgehoben: 

OctochortMn  8anct08  templum  surrexU  in  usus, 
Octoganua  fans  est  munere  diffnus  eo. 

Hoc  numero  decuU  scxri  baptismatis  aulam 
Surgere,  quo  fi(Maüli8  vera  stUua  redüt 

Luce  resurgenhs  Öhrigti,  ^ui  cHaustra  resölvit 
Mortis  et  e  tumuUs  suscUcit  exanimes. 

Confessosque  reos  maculoao  crimine  solvena 
Fontis  puriftui  düuit  inriguo  etc. 
cf.  Thes.  inscr.  ap.  Gruterum  p.  1166  n.  8.    Die  Verse  erinnern  an  Römer  6,  3.  4. 


12  TauftapelleD. 

richtnng  des  regelmäfBig  dem  TAufer  Johannes  gewidmeten  Gebändee  erin- 
nerte eben  so  ku  die  gleichnamigen  Schwimmteiche  in  den  antiken  Bädern, 
wie  die  Ornndfonn  an  gewisBe  Säle  derselben.    Dergleichen  T&afhBnser  be- 
fanden sich  auch  in  Deutschland  bei  den  noch  zu  römischer  Zeit  nnd  aaf 
dem  Boden  des  ehemaligen  römischen  Reiches  entstandenen  bischoflichen 
Kathedralen,  da  das  Taufrecht  damals  allein  den  Bischöfen  zustand,  wurden 
aber  später  auch  znweilen  bei  anderen  Kirchen  errichtet ,  welche  die  Berech- 
tigung zur  Erteilung  der  Taufe  empfangen  hatten.  Obgleich  yon  jenen  alten 
bischöflichen  Taufhänsern,  die  mit  den  Kirchen  ge- 
wöhnlich durch  einen  Säulengang  verbunden  waren, 
keines  auf  unsere  Tage  gekommen  ist,  so  ist  wenig- 
stens deren  ehemaliges  Vorhandensein,  obschon  in 
spätererUmgestaltnng,  doch  durch  den TitelJohan- 
nes  Baptista  sicher  erkennbar  nachgewiesen  neben 
den  Domen  von  Mainz  (die  jetzige  evangelische, 
frühere  Stiftskirche  St.  Johannis),  Worms  (noch  in 
alter  lOeckiger  Form  aus  dem  XIII.  Jahrhundert, 
im  J.  1607  oder  1808  als  Überflüssig  abgetragen),' 
Speier  (die  Johanniskapelle  neben  dem  afldlichen 
Krenzarme  des  Domes),  Strarsburg(die  Johannis- 
kapelle  neben  der  Nordseite  des  Chores),  Augs- 
burg (auf  der  Stldaeite  des  Domes  die  1808  abge- 
rissene Johanniskirche) ,  Regensburg  (die  schon 
im  XIV.  Jahrhundert  bei  der  westlichen  Erweite- 
Fifr  ».  T»»f»»«n»  in  BriMa   rung  des  Domes  zn  Grunde  gegangene  Stiftskirche 
«B     ti.    .-  .)        gj^  Johannis,  jetzt  in  modemer  Erneuerung  nörd- 
lich von  der  Kathedrale),  Trient  (im  Unterbau  der  Beneflciaten-Sakristei 
uoch  in  Spuren  kenntlich),   Maestricht  (die  Johanniskirche  neben   der 
ehemaligen  Kathedrale  St.  Serratii),  Trier  (die  ehemals  Johannes d.T.  ge- 
weihte, jetzige  Liebfrauenkirche)  nnd  wahrscheinlich  auch  neben  dem  Dome 
zu  Köln.    Als  ein  mCglicherweise  stiftungamäfsig  bis  in  die  römische  Zeit 
hinanfreichendes  ursprUngliches  Baptisterium  charakterisiert  eich  auch  durch 
das  flher  dem  Eingange  befindliche,  die  Taufe  Christi  darstellende  Relief 
die  Rundkapelle  in  dem  Marktflecken  Petronell  (östlich  von  Wien,  an  der 
Donau)  auf  dem  Boden  der  ehemaligen  bedeutenden  Römerstadt  Carnnntnm, 
ein  Bauwerk  ans  dem  XIII.  Jahrhundert.*  —  Anfserdem  sind  Baptisterien 
als  besondere  Bauwerke  nachgewiesen  bei  der  Abteikirche  zn  Fulda'  und 
in  späten  Umbauten  noch  vorhanden  bei  den  MUnstem  zu  Aachen  undEssen, 
an  ersterem  Orte  Ostlich,  an  beiden  letzteren  Orten  westlich  von  der  Kirche 
belegen  nnd  durch  einen  Säulenvorhof  (Paradies  genanntj  s.  unten  g.  23) 
mit  derselben  verbunden.  —  Als  ebenfalls  noch  erhalten  sind  anzuführen  dag 


'  Vergl.  .2  dreigewölbige  Bauten  in  ■Worms-,  Organ  t.  ehr.  K.  1873,  No.  10. 

'  Quast,  Feni.  v.,  Baptisterien  in  Doutschland,  in  der  Zeitschr.  f.  ehr.  A.  nnd 
K.  I,  31  ü.  181.  —  In  ihrer  gegenwürtieen  Einrichtung  mit  einem  unteren  Baume 
•all  oisa  reponenda'  gehört  tUese  EapeUe  zu  der  Klasse  der  Camarien;  s.  8.  24. 

■  Das  dem  Täufer  Johannes  eewidmete,  am  970  erbaute  'SaceUam  regalt'.  Vergl. 
Der  Dom  zu  Fulda.   2.  Aufl.  F>3da  1855,  II. 


Grabkapellen.  23 

Baptisterium  inBrixen  (südlich  am  Krenzgange  des  Domes,  zwar  von  recht- 
eckiger Omndform,  aber  mit  einer  achteckigen  Kuppel  über  dem  Presbyte- 
rium,  vielleicht  noch  ans  dem  X.  Jahrhnndert)  ^^  die  Tauf  kapelle  bei  St.  Ge- 
reon in  Köln  (südlich  von  dem  polygonischen  Schiffe  der  Kirche  und  wesent- 
lich von  achteckiger  Grundform,  aus  dem  Anfange  des  XIII.  Jahrhunderts) ^ 
und  die  Reste  eines  achteckigen  Baptisteriums  von  1290,  östlich  von  der 
ehemaligen  Stifts-,  jetzigen  Pfarrkirche  St.  Georg  in  Augsburg,'  sowie  zu 
Taufkirchen  bei  Yelden  (Ob.-Bayern),  jetzt  Chor  der  Pfarrkirche,  und 
Möckenlohe  bei  Eichstädt  (romanisch  —  Totenkapelle?).  —  Neben  diesen 
Baptisterien  verfolgten  auch  die  Brunnenhäuser  in  den  Klosteranlagen  regel- 
mäfsig  diesen  polygonen  Typus  und  ebenso  die  Kapellen  bei  Brunnenhäusern 
und  Quellen,  so  die  Oswaldskapelle  am  Fufse  des  Lusenberges  in  Bayern, 
die  Güntherskapelle  bei  Gutwasser  und  die  Marienkapelle  bei  Grofs-Zdikau 
in  Böhmen. 

Dem  Typus  der  Baptisterien  verwandt  erscheinen  die  häufig  dem  Erz- 
engel Michael  gewidmeten  runden  oder  vieleckigen  Grabkapellen  auf 
Kirchhöfen,  als  Nachbildungen  der  Rotunde  über  dem  heiligen  Grabe  zu 
Jerusalem.^  Das  älteste,  unter  den  An-  und  Umbauten  des XI.  Jahrhunderts 
noch  erhaltene  Beispiel  ist  die  Michaeliskirche  in  Fulda:  ein  runder  Central- 
bau ,  der  im  J.  820  nach  dem  Plane  des  in  Jerusalem  gewesenen  Rhabanus 
Maurus  zum  Schutze  des  Begräbnisplatzes  der  Mönche^  errichtet  wurde,  und 
in  dessen  Mitte  eine  zu*  Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts  zerstörte  Nach- 
bildung des  heil.  Grabes  stand.  —  Die  von  dem  heil.  Konrad  (935 — 971) 
zur  Erinnerung  an  seine  Pilgerreise  nach  Jerusalem  am  Dome  zu  Konstanz 
errichtete,  dem  heil.  Moritz  gewidmete  heil.  Grabkapelle  existiert  zwar  noch, 
aber  nur  in  einßm  frühgotischen  Neubau  als  Rotunde,  mit  dem  vieleckigen 
heil.  Grabe  in  deren  Mitte.®  —  Die  durch  BischofMeinwerk  von  Paderborn 
daselbst  1033  gegründete  heil.  Grabkirche  ist  als  solche  nicht  mehr  nach- 


«  Mitt.  C.-K.  1861.   VI,  130.    Vergl.  den  Holzschnitt  Fig.  2. 

*  Org.  f.  ehr.  K.  1860,  No.  18.  19. 

»  Beilage  zur  Aucsb.  Postzeitung.   1856,  No.  276  u.  283. 

*  Nach  der  Besenreibung  des  fiusebius  (de  vita  Constantini.  DI,  30 — 39)  liefs 
Constantinus  über  der  GrabhÖhle  Christi  einen  von  zwölf  Säulen  getragenen  Kuppel- 
bau {n^atpoUgiov)  errichten  als  Haupt  einer  mit  demselben  verbundenen  Basilika.  Eine 
angeblich  aus  dem  YQ.  Jahrh.  stammende  Grundrifszeichnung  (bei  Lenoir,  Architec- 
ture  monastique.  I,  253)  zeigt  einen  runden,  dreifach  koncentnschen  Centralbau,  und 
die  zahlreichen  späteren  Aboildungen  aus  der  Zeit  vor  dem  Brande  der  heil.  Grab- 
kirche im  J.  1807  lassen  eine  Umwandlung  in  den  Formen  älterer  französischer  Gotik 
erkennen.  Eine  direkte  Nachahmung  der  Constantinischen  Grabkapelle  hat  Mefsmer 
(Mitt.  C.-K.  YH,  85 — 90)  auf  dem  aus  Bamberg  stammenden  Elfenbeinrelief  im  bayr. 
Nat.-Museum  (Abb.  bei  Förster,  Bildn.VH,  1),  welches  er  und  Se][)p  spätestens  dem  V. 
Jahrh.  zuschreiben,  andre  jedoch  erst  dem  X.  oder  XI.,  nachzuweisen  gesucht,  Rossi 
bezeichnet  aber  die  Darstefiung  als  Phantasie.  Die  einzige  wirklich  getreue  Kopie  der 
h.  GrabkapeUe  in  Jerusalem  nach  ihrem  damaligen  Zustande,  die  sicn  in  Deutschland 
findet,  ist  die  von  Georg  Emmerich  nach  zweimaliger  Wallfahrt  ins  heilige  Land  1465 
und  1476  in  Görlitz  errichtete,  während  die  übrigen  sämtlich  mehr  oder  weniger  frei 
sind,  oder  die  über  der  eigentlichen  GrabkapeUe  befindliche  groise  Kuppel  der  h. 
Grabeskirche  nachahmen. 

'  *Cuju8  (sc.  Domini)  hie  sepiUchrum  nostra  aepulchra  juvaU  heilst  es  in  der 
Dedikationsinschrift.    Vergl.  Lange,  die  St.  Michaeliskirche  in  Fulda.  1855,  4. 
°  Vergl.  V.  Hefner- Alteneck,  lachten  des  christl.  M.-A.  I,  6. 


24  Kamer. 

weisbar;  eben  so  wenig  die  von  Herzog  Leopold  dem  Glorwürdigen 
(t  1230)  nach  seiner  Rückkehr  aus  dem  heiligen  Lande  zu  Klostemeubiirg 
nach  dem  Muster  des  heil.  Grabes  errichtete  ^capella  speciosa<^  —  Den  cen- 
tralen Typns  der  Grabkirchen  zeigen  die  zwölfeckige  Kapelle  zu  Drüggelte 
bei  Soest  aus  dem  XII.  Jahrhundert ,  die  etwa  gleichzeitige  Kapelle  St.  Mar- 
tin zu  Bonn  (1812  abgetragen)^  und  die  achteckige  heil.  Grabkapelle  zu 
Weil  bürg  a.  d.  Lahn  von  1505.  Die  nicht  sowohl  mit  dem  heil.  Grabe,  als 
vielmehr  mit  ihrer  Ansiedelung  neben  dem  Justinian-Omarischen  Felsendome 
auf  Moriah  zusammenhängende  Vorliebe  der  Tempelherren  für  Rundbauten, 
die  sich  in  Frankreich  und  England  kundgiebt,  läfst  sich,  die  achteckige 
Templerkirche  in  Metz  etwa  ausgenommen,  auf  deutschem  Boden  nicht  nach- 
weisen. ^  Als  Regel  darf  aber  gelten ,  dafs  überhaupt  alle  mit  dem  Grab-  und 
Reliquienkultus  zusammenhängende  Kapellen  das  ganze  Mittelalter  hindurch 
typisch  die  turmartige  Rund-  oder  Polygonform  befolgen.^  Dahin  gehört  die 
in  den  österreichischen  Kronländern  zahlreich  vertretene  Klasse  kleiner  Rund- 
kapellen ^  auf  den  Kirchhöfen,  in  geringer  Entfernung,  meist  südlich  neben 
den  Kirchen.  Diese  Karner  (camaria)  bestehen  aus  einer  5,50 — 9,50  im 
Durchmesser  haltenden  Rotunde  mit  dem  Ausbau  einer  meist  mehr  als  halbrun- 
den, häufig  erkerartig  ausgekragten  Altamische  auf  der  Ostseite,  haben  einen 
kellerartigen,  gewölbten,  gewöhnlich  von  einer  Mittelsäule  gestützten  Unter- 
raum zur  Ansammlung  der  Totengebeine,  sind  kuppelartig  überwölbt  und  kegel- 
ft^rmig  abgedeckt.  Der  Eingang  liegt  gewöhnlich  nicht  der  Apsis  gegenüber, 
sondern  an  der  Seite.  Zuweilen,  wie  zu  St.  Veit,  Marein,  Pols  in  Steiermark 
und  Lorch  in  Oberösterreich,  liegt  der  untere  Raum  (vielleicht  aus  Rück- 
sicht auf  den  Baugrund)  völlig  über  der  Erde,  und  die  obere  Kapelle  ist 
durch  eine  äufserlich  angebrachte  Treppe  zugänglich,  so  dafs  die  Erschei- 
nung dieser  kleinen  Bauwerke  an  den  Typus  des  Grabmals  erinnert,  welches 
sich  der  Ostgoten -König  Theodorich,  in  offenbarer  Nachahmung  der  heid- 
nisch-römischen Mausoleen,  unweit  Ravenna,  errichten  liefs.^  In  Böhmen, 
wo  'diese  Rundbauten  sehr  häufig  sind  (in  Prag  allein  sind  drei  nachge- 


*  Der  templerische  Ursprung  der  polygonen  Kapellen  auf  der  Oberen  Burg  zu  Ko- 
bem  a.  d.  Mosel  und  zu  Vianden  im  Luxemburgischen  ist  nicht  sicher.  Vergl.  von 
Ledebur,  Leop.,  Allgem.  Archiv.  XVI,  107  u.  108. 

*  Ausnahmen  von  dieser  Regel  in  einfach  oblonger  Form  mit  und  ohne  Apsis  sind 
freilich  zahlreich,  z.  B.  unter  den  österreichischen  Kamem:  Anzbach,  Dürrenstein, 
S.  Michael  i.  d.  Wachau,  Gr.  Pechlam,  Randegg  ^  Winzendorf,  Schladming,  Eisenerz, 
Mariagail  und  Schwaz,  sonst  in  Deutschland  Michaels -GrabkapeUen  zu  Kaysersberg 
und  Zabem  im  Elsafs,  Dietkirchen,  Eaedrich  mit  Erkerapsis,  Limburg  a/Lahn  uud 
Rauenthal  im  Regb.  Wiesbaden,  Moosburg,  Ochsenfurt  und  Volkach  in  Bayern  etc. 

'  Ve^l.  Hei  der,  Gust.,  über  die  Bestimmung  der  roman.  Rundbauten,  in  den 
Mitt.  C.-K.  I,  53.  —  Sacken,  Ed.  v.,  die  RundkapeUe  zu  Mödling,  ebd.  EI,  263.  — 
Ders.,  Rundkapellen  in  Steiermark,  ebd.  IV,  47;  vergl.  V,  337.  —  K.  Lind,  über 
Rundbauten  m.  besond.  Berücksichtigung  der  Dreikönigslap.  m  Tulln,  ebd.  XTT,  146  ff. 
mit  45  Holzschn.  —  J.  G(raus),  kurcm.  Centralbauten  aus  d.  M.-A.,  im  Kirchen- 
schmuck Sekkau.  I,  No.  6 — 8  mit  2  Taf.  —  Atz,  die  alten  Rundkapellen  in  Tirol, 
Mitt.  C.-K.  N.  F.  IV,  75  f. 

*  Dieses  Mausoleum  (jetzt  S.  Maria  della  Rotonda  genannt)  ist  ein  zweigeschossiger 
Kuppelbau  von  zehneckiger  Grundform:  der  untere,  umerlich  als  gleichschenkeliges 
Kreuz  gestaltete  Raum  war  ohne  Zweifel  zur  Aufmüime  des  Sarkophags  bestimmt;  zu 


Borgkai-ellen.  25 

viesen),  befinden  eich  dieselben  indessen  nicht  immerneben  ^fseren  Eirclten, 
sondern  stehen  für  sich  allein  nnd  haben  anTser  in  BrzenioT  anch  keinen 
Totenkeller,  gehören  daher  nicht  za  den  Karnern  und  scheinen  besonder» 
auf  dem  Lande  rielmehr  als  interimiatisch  errichtete  Pfarrkirchen  angesehen 
werden  zu  mOsscn;  der  zn  Randnitz  ist  eine  Wailfabrtskapelle.    Den  böh- 
mischen ist  auch  vielfach  ein  Tnrm  angebaut,  in  velehem  sich  eine  Empore 
befindet,  und  in  der  Mitte  Ober  dem  Kup- 
pelgewölbe  eine   mit   Doppelfenstern   ge- 
schmOckte  Laterne.  Von  dem  1160  gegrOn- 
deten  ansehnlichen  Rnndban  zn  Scheihling- 
kirchen  bei  Wiener -Neustadt  ist  die  nr- 
sprttngliche    Bestimmung   als    Pfarrkirche 
nrknndlich  erwiesen,   ebenso  in  Holubitz 
und  Libann  in  Böhmen.  —  Den  böhmischen, 
ganz  einfach  und  achmncklos  ansgefUhrten 
Rundkapellen  wird  zwar  gern  ein  sehr  hohes 
Alter  zugeschrieben,  doch  ohne  eigentlichen 
Beweis;'     die    stilisierten    und    zum    Teil 
schmuckvollen  Rundbauten  in  den  übrigen 
Ö8l«rTcichischen  Ländern  reichen  indesnicht 
Über  die  Mitte  des  XII.  Jahrhunderts  hinauf 
und  die  dem  XIIL — XV.  Jahrhundert  an- 
gehörigen  haben  die  Polygon  form. 

Eine  besondere  Gattung  der  Oratorien 
(capeltae  casteltanae,  palalinae),^  insofern 
dem  XU.  Jahrhundert  ausgebildeten  Bauart 
BtetB  im  zweiten  Stocke  belegenen  herrschaftl 
bindung  stehend,  gewöhnlich  nicht  zn  ebene 
Obergeschofs  angelegt  wurden.'  In  den  zur  I: 
Bulben  zu  Gelnhausen,  MUnzenberg  (in  dei 
(Rheinpfalz) ,  Boynebnrg  (Reg.-Bez.  Rassel),  1 
Bez.  Wiesbaden),  Henstadt  a.  d.  Haardt  (Rn 
mit  Empore)  liegen  oder  lagen  die  Kapellen 
Aber  der  Thorhalle.    Solche  finden  sich  anch  { 


dem  oberen  Stockwerke  führen  zwei  gebrochene  Freitr 
die  altchristl.  Bauwerke  von  Bavenna,  24.  —  In  Östi 
die  Karaer  als  Heidmtempel. 

'  Die  völlig  den  einfachen  böhmischen  Tvpus  zeigenden  Rundkapellen  zu  Groitzsch 
bei  Pe^u  und  auf  dorn  Fetersberge  bei  Halle  eehören  ins  XI.  Jahm.  und  sind  wahr- 
scheinlich auf  Verbindungen  mit  Böhmen  zurückzuführen.    Vergl.  Otte,  Bauk.,   189. 

'  von  tjuagt,  Ferd.,  über  Schlorekapellen  ab  Aosdruck  des  Einflusses  der  weit. 
Macht  aaf  die  geistliche.  1852.  —  Schultz,  Alw.,  d.  höfische  Leben  zur  Zeit  der 
HiunesiDger.  I,  81  ff. 

'  In  nlterea  Bur^anlagen  belindet  sich  die  Kapelle  nicht  selten,  wohl  zu  ihrer 
besseren  Sicherung,  itn  EnigeHchoHSe  dos  Hauptwehrturms.  Auch  in  Nürnberg  steht 
über  dem  Chor  der  Burgkapelle  der  Rogenamite  Heidenturm.  In  der  Ruine  Stahrem- 
berg  in  Niederösterreich  befindet  sich  die  alte  Kapelle  ebenso  nnt»igebracht,  wahrend 
im  späteren  gotischen  Wohnhause  eine  zweite  Kapelle  im  2,  Stockwerke  liegt. 


>g  Doppelkapellen. 

Bui^-  und  Stadtthoren,  z.  B.  dem  inneren  Tlior  zn  Brannsbei^,  dem  Grau- 
denzer  Thor  zu  Kulm,  dem  änraern  Marienthor  der  Marienbnrg.  Ander- 
weitig scheint  dann  die  Absicht  der  Stifter,  die  Bargkapellen  zugleich  als 
ihre  Orabst&tte  benutzen  zu  können,  znr  Anlage  von  Doppelkapellen 
(oraloria  duplicia)^  geführt  zu  haben,  die  aus  zwei  Überwölbten  Stockwerken 
bestehen.  Das  Obergeachofs  ist  stets  der  höhere  nnd  reicher  verzierte,  oft 
mit  Säulen  aus  edlem  Gestein  ausgestattete  Hauptraum,  withrend  das  zur 
Grabstatte  nnd  zum  Totendienete  bestimmte  Erdgeschofs  niedriger  und  ein- 


zig. «.    Doppalklptll*  in  Ludlbciv  (oicb  FBntar). 

facher  gehalten  ist;  eine  vei^itterte  oder  mit  einer  BrUstungsraau er  ver- 
sehene, im  Fufsbodcn  der  Oberkapelle  befindliche  Öffnung  gestattet  den 
Einblick  auf  die  Gruft  (vergl.  unten  §.19  Anmerk.  2).  Das  älteste  Beispiel 
dieser  nur  in  Deutsehland  vorkommenden  Gattung  sctieint  das  dem  hell.  Got- 
hard  gewidmete  Oratorium  zu  sein,  welches  Erzbischof  Adalbert  I.  1135 

'  Über  Doppelkapellen  vergl.  StiPRÜti,  C.  L,,  Beitr.  zur  GeRch.  d.  Ausl.ild.  d. 
Bank.  D,  77  ff.  —  Ussing,  J.  L.,  I>?dÖjelarke  paa  ^aelland  og  de  t;-ske  Dohbel- 
kapeller.  ^öbenJiavn.  187a.  —  Nach  Stieglitz  nahm  man  früher  die  Bestimmung  beider 
Itüumo,  des  oberen  für  die  Herrschaft,  des  unteren  für  das  Gesinde,  als  für  (iiiiutliche 
Doppelkapellen  giltig  an.  Dagegen  erklärteTV.Weingfirtner  (System  des  ehr.  Tunn- 
l>aus,  1  —  24)  den  unteren  Raum  als  Gruftkapelle,  was  in  vielen  FsLen  nachweislich 
liohtig  ist,  ohne  dafs  Jedoch  dadurch  der  gleichzeitige  Gebrauch  für  das  Gesinde  gänz- 
lich ausgeschlossen  wäre  (vergl.  Schnaase.  TV,  I9ö).  —  "Übrigens  war  Weingürtnen* 
Ansicht  nicht  neu,  indem  schon  J.  Scheiger  (über  Burgen  und  Schlösser  ini  Lande 
Österreichs  u.  d.  E.Wien  1837,  44)  ausgesprochen  hatte,  dals  die  untere  Kapelle  zum 
Totenkirchendienst  gehörte.  Eine  hierauf  feziigliche  Notiz  aus  einem  alttranzös.  Dich- 
ter (Lanceloet  ed.  Jonkbloet  Haag  1846.  IT,  98)  hat  Alw.  Schultz,  (Mitt.  C.-K. 
V,  331)  gegeben  und  (Hof.  Leben,  8b  f )  noch  zwei  Stellen  ans  den  Gestis  Abb.  Geni- 
blac.  cp.ji6  adann.  1022  und  dem  Chronicon  SL  HubertiAndann.  cp.  33  adann.  1076  mit 
bestimmten  Kachweisimgen  von  I«ichenüberführnngen  in  die  unteren  Kapellen  hin- 
zugefügt. 


Doppelkapellen.  27 

neben  dem  Dome  zu  Mainz  in  Verbindung  mit  dem  erzbischöflichen  Paläste 
als  seine  Hof  kapeile  (capella  curtis)  errichtete,  die  im  Erdgeschosse  das 
Grab  des  Stifters  enthält;  das  ehemalige  Vorhandensein  einer  Öffnung  im 
Fufsboden  der  Oberkapelle  wird  einerseits  versichert,  andrerseits  bestritten.^ 
Auf  der  Grünburg  inKärnthen,  der  Ruine  Gösting  bei  Graz,  auf  Hochep- 
pan  und  in  der  Schlofskapelle  zu  Ro  thenbu  rg  o.  Tauber  waren  resp.  sind  die 
Stockwerke  nur  durch  eine  Balkendecke  getrennt.  Ebenso  verhält  es  sich  zu 
Reichenberg  bei  St.  Goarshausen,  wo  freilich  die  Bestimmung  als  Kapelle 
zweifelhaft  ist,  aber  sogar  drei  Räume  übereinand erliegen,  der  unterste  im 
zweiten  Geschosse  des  Gebäudes  tiberwölbt,  ohne  Öffnung  in  der  Decke,  und 
zwischen  den  beiden  oberen  fehlt  jetzt  die  Balkendecke.  Dagegen  sind  sämt- 
liche Geschosse  ttberwölbt  in  der  dreigeschossigen  romanischen  Kapelle  in 
der  Ruine  der  Kleinfeste  bei  Stein  in  Krain.^  Von  der  Doppelkapelle  in 
Wiener-Neustadt  von  1478  sind  nur  noch  Reste  ttbrig,  undinderzu  War- 
burg  in  Westfalen,  deren  Oberstock  durch  eine  doppelte  Freitreppe  zugäng- 
lich ist,  soll  eine  Öffnung  niemals  vorhanden  gewesen  sein.  Diese  fehlt  auch 
auf  der  Wilhelm 8 bürg  in  N.-Österreich  und  bei  der  nur  noch  im  Unter- 
geschosse vorhandenen  Othmarskapelle  der  Burg  Reiffenberg  (Reg.-Bez. 
Wiesbaden).  Dagegen  ist  eine  solche  nachgewiesen  in  den  Doppel kapellen 
zuEger,Freiburga.  d.  Unstrut,  Landsberg  bei  Halle  a.  d.  S.,  Lohrabei 
Nordhausen,  Nürnberg  und  Steinfurt  im  Münsterlande.  Die  Kapelle  im 
Saalhofe  zu  Frankfurt  a.M.  zeigt  sogar  zwei  Öffnungen,  eine  gröfsere  und 
eine  kleinere.  Während  die  genannten  Doppelkapellen  rechteckige  Grund- 
form haben,  zeigt  die  Kirche  zu  Schwarz-Rheindorf  (Bonn  gegenüber)  in 
ihrem  ursprünglichen,  1151  als  Grabkapelle  ihres  Stifters  von  Erzbischof 
Arnold  von  Köln  erbauten,  ein  gleichschenkeliges  Kreuz  bildenden,  mit 
einer  Kuppel  gedeckten  Kerne  und  die  Schlofskapelle  zu  Vianden  in  ihrem 
polygonischen  Grundrisse  die  sonst  für  Grab- und  Reliquienkapellen  typische 
Form,  mit  der  Fufsbodenöffnung  im  Centrum;  ebenso  die  Ulrichskapelle  der 
Kaiserpfalz  in  Goslar,  deren  Unterraum  innerlich  ein  gleichschenkeliges 
Kreuz  bildet,  der  Oberraum  ein  Achteck.  In  der  rechteckigen  Schlofskapelle 
auf  der  Trau snitz  bei  Landshut  und  auf  Schlofs  Tirol  besteht  das  Ober- 
stockwerk nur  aus  einer  sich  an  drei  Seiten  herumziehenden ,  die  vierte  Seite 
freilassenden  Empore,  welche  letztere  offenbar  für  die  Herrschaft  bestimmt 
war,  während  der  untere  Raum  der  übrigen  Burggemeinde  diente.  Gleiche 
Bestimmung  hatten  die  in  österreichischen  Burgkapellen  häufig  vorkom- 
menden Emporen,  die  zu  demselben  Zwecke  auch  durch  ein  in  die  anlie- 
genden Gemächer  des  oberen  Stockwerkes  führendes  Fenster  mit  einem 
offenen  Erker  ersetzt  werden.  Beides  zusammen ,  Empore  und  Erker  findet 
sich  im  Schlosse  Wallsee  in  N.- Ostreich.  —  Aufser  den  vorstehend  ge- 
nannten werden  die  Kapellen  zu  Abb  ach  in  Bayern,  Rineck  in  Unterfranken, 


^  Versichert  von  V.  Quast  (über  Schlofskapellen,  17;  die  roman.  Dome  des  Mittel- 
rheins, 16),  bestritten  von  Reichenspercer,  Verm.  Sehr.,  195. 

*  I)reigeschos.sig  ist  auch  der  Kapellen deu  am  Rathause  zu  Goslar.  Ebenfalls  die 
8.  VeitskapeUe  auf  dem  Friedhofe  zu  Schwaz  von  1506,  ein  Karner,  dessen  oberstes 
Geschofs  von  aufsen  durch  eine  sehr  kunstvolle  Treppe  zugänglich  ist,  dagegen  die 
aus  dem  XV.  Jahrh.  datierende  Marien -KapeUe  zu  Donnersmarck  in  der  Zips  (Un- 
garn, gleichfalls  ein  Kamer?)  nur  zweigeschossig  (vergl.  Österr.  Atlas,  TafF.  75.  81). 


28  Rund-  und  Polygonbauten. 

Homburg  bei  Gössenheim  a.  d.  Werra,*  zu  Greifenstein  bei  Weilburg  und 
zu  Feltz  (Larochette)  im  Luxemburgischen'  ohne  nähere  Beschreibung  als 
Doppelkapellen  angeftthrt;  diejenigen  zu  Neuweiler  an  S.  Petri-Pauli  und 
die  Nikolaikapelle  auf  dem  Odilienbergim  Elsafs,  beide  aus  dem  XL  Jahrh., 
sind  eigentlich  Chor  mit  Krypta  von  einer  älteren  Kirche.  Im  Münster  zu 
Strafsburg  ist  die  Johanniskapelle  aus  dem  XIL  Jahrh.  zweigeschossig,  im 
Kreuzgang  von  St.  Ludgeri  in  Helmstedt  befindet  sich  eine  solche  aus  dem 
XL  Jahrb.,  und  auch  im Collegium  Josephinum  zu  Hildesheim  soll  sich  eine 
runde  Doppelkapelle  befinden.  Vor  allem  ist  zu  bemerken,  dafs  dasMttnster 
zu  Aachen  nach  seiner  urspünglichen  Anlage  auch  nichts  anderes  ist  als  die 
zweigeschossige  Burgkapelle  der  kaiserlichen  Pfalz,  wie  denn  auch  die 
meisten  demselben  angebauten  Kapellen  zweigeschossig  sind.  Die  Kirche  zu 
Kon  radsburg  im  Harz  gehört  nicht  unter  die  Doppelkapellen  (^Tgl.Kuglor, 
kl.  Sehr.  I,  619). 

Übersicht  der  kirchlichen  Kund-  und  Polygonbauten  des  M.-A. 

in  Deutschland. 

L  Im  Rheinlande:  Aachen,  das  Münster,  Ißeckiger  Centralbau  79G 
bis  804,  und  die  aus  dem  XL  und  XIL  Jahrh.  stammenden  Nachbildungen  des- 
selben zu  Ottmarsheim  im  Elsafs  und  auf  dem  Valkhofe  zu  Nymwegeu. 
Früher  sollen  sich  dergleichen  auch  zu  Diedenhofen  (schon  im  X.  Jahrli. 
zerstört),  Groningen  (St.  Walburg,  abgetragen  1627)  und  zu  Lüttich  (St. 
Joh.  Ev. ,  im  vorigen  Jahrhundert  durch  einen  ähnlichen  Bau  ersetzt)  befunden 
haben.  Auch  der  ^alie  Turm<^  zu  Mettlach  a.  d.  Saar  ist  ursprünglich  nacli 
dem  Centralsystem  erbaut  gewesen.  —  Avioth  im  westlichen  Lothringen, 
6 eckige  gotische  Kirchhofskapelle.  —  Avolsheimim  Elsafs,  Centralbau  mit 

ursprünglich  vier  ^j^  Kreis -Apsiden  vom  Ende  des  X. 
Jahrh.  —  Bonn,  St.  Martin,  runder  Centralbau  aus  dem 
XH.  Jahrh.,  abgetragen  1812.  —  Kobern  a.  d.  Mosel, 
die  Matthiaskapelle  auf  der  Oberen  Burg,  Geckiger  Cen- 
tralbau aus  dem  XIU.  Jahrh.  —  Köln,  das  10 eckige 
Flg.  6.  Rnndkap«iie       SchiflF  vou  St.  Gcrcou  aus  dem  XIII.  Jahrh.,  aber  auf  ur- 
st.*  Martin  in  Bonn        alter  Grundlage,  mit  der  daneben  belegenen  8  eckigen  Tauf- 
kapelle.—  Lahn  eck,  Burgkapelle,  gotisch,  im  8  eck  ge- 
schlossenes Oblong  mit  zweiseitigen  (in  Form  halber,  übereck  stehender  Qua- 
drate) Ausbauten  an  den  Langseiten.  —  Lonnig,  3  St.  von  Koblenz,  Reste  eiues 
runden  Centralbaues.  —  Metz,  Kapelle  in  der  Citadelle,  Seckig,  XIII.  Jahrh. 

—  Sulzbad  im  Elsafs,  Amanduskapelle,  XIV.  Jahrh.  —  Trier,  die  Lieb- 
frauenkirche, komplicierter  vieleckiger  Centralbau  aus  dem  XIII.  Jahrh.  — 
Vi  an  den  im  Luxemburgischen,  Schlofskapelle,  10  eckig,  XIII.  Jahrh.  — 
Weilburg  a.  d.  Lahn,  heil.  Grabkapelle,  8 eckiger  Centralbau,  XVI.  Jahrh. 

—  Worms,  Baptisterium,  8 eckig,  abgetragen  (s.  o.). 

IL  In  Westfalen:  Drüggelte  bei  Soest,  12eckiger  Centralbau  aus 
dem  XII.  Jahrh.  —  Hardehausen  bei  Paderborn,  zweistöckige  8 eckige 
Totenkapelle  aus  dem  XIIL  Jahrh.  —  Krukenburg  bei  Karlshafen  a.  d. 


«  Korr. -El.  d.  O.-V.   1860,  133. 

*  Neyen,  A.,  histoire  de  la  ville  de  Vianden.    Luxemb.  1651,  40. 


Rund-  und  Polygonbauten.  29 

Weser,  Reste  einer  Burgkapelle  von  der  Grundform  einer  Rotunde,  an  die  sich 
kreuzartig  vier  kurze  Schenkel  legen,  XIIL  Jahrb. 

III.  In  Sachsen,  Thüringen  und  Hessen:  Butzbach,  Michaels- 
kapelle  bei  der  Marcusstiftskirche.  —  Dieburg,  Prov.  Starkenburg,  Rund- 
kapelle von  1232.  —  Fulda,  Michaeliskirche,  runder  Centralbau  um  820,  im 
XI.  Jahrh.  verändert.  —  Goslar,  die  Ulrichskapelle  auf  der  Pfalz,  zweistöckig, 
unten  ein  gleichschenkeliges  Kreuz,  oben  ein  Achteck  bildend,  XIII.  Jahrh. 
Die  ehemalige  Georgenberger  Kirche,  8  eckig  mit  je  zwei  Türmen  an  zwei 
gegenüberliegenden  Seiten. —  GroitzschbeiPegau,  Schlofskapelle,  Rundbau 
nach  böhmischem  Typus,  XL  Jahrh.  —  Heiligenstadt,  Annakapelle,  8 eckig, 
gotisch.  —  Hildes  he  im,  runde  zweigeschossige  Kapelle  im  Collegium  Joseph. 

—  Krukenberg,  Reg.- Bez. Kassel,  Burgkapelle,  Rundbau  von  12,S7  lichtem 
Durchmesser  mit  vier  rechteckigen,  kreuzförmig  an  den  Cylinder  gelehnten 
Anbauten,  1126.  —  Magdeburg  hatte  eine  »ecclesia  rotunda<^j  welche  zu 
Anfang  des  XI.  Jahrh.  abbrannte ,  damals  wieder  gebaut  und  1307  abgebrochen 
wurde.  —  Marburg,  Schlofskapelle,  kompliciert  polygonisch,  1288.  — 
Meifsen,  Johanniskapelle  am  Dom  1290,  ein  zweistöckiges  Achteck.  — 
Mühlhausen,  sechseckige  Kapelle  neben  der  Georgskirche,  gotisch.  — 
Petersberg  bei  Halle  a.  S.,  Reste  der  alten,  im  XIII.  Jahrh.  veränderten 
Kapelle,  nach  böhmischem  Typus.  —  Untersuhl  in  Sachsen -Weimar,  Rund- 
kapelle wie  in  Groitzsch,  mit  zopfigem  Fachwerksaufsatz. 

IV.  In  Franken:  Altenfurt  bei  Nürnberg,  Rundkapelle  nach  böhm. 
Typus,  XII.  Jahrh. — Grünsfeldhausen  bei  Grünsfeld,  zwei  durch  einen  da- 
zwischen liegenden  Turmbau  verbundene  8 eckige  romanische  Kapellen.  — 
Nürnberg,  Holzschuherische  Begräbniskapelle  auf  dem  Johanniskirchhofe, 
Rundbau,  1516.  —  Ober-Wittighausen,  Seckiger  Centralbau,  XIU.  Jahrh. 

—  Standorf  bei  Kreglingen,  8 eckige  Kapelle  mit  Chor  und  Apsis  und  Turm 
neben  dem  Chor,  XIII.  Jahrh.  —  Würzburg,  Kapelle  auf  dem  Marienberge, 
Rundbau,  zweistöckig  abgesetzt;  der  untere,  3,t4  dicke  Teil  der  Umfangs- 
mauer  möglicherweise  aus  dem  VUI.  Jahrh. ,  der  obere  nur  0,63  dicke  Teil  aus 
dem  XII.  Jahrh. ;  im  Innern  acht  Nischen. 

V.  InBayern  und  Schwaben:  Ettal,  Wallfahrtskirche,  12eckiger Cen- 
tralbau mit  rundem  Mittelpfeiler  und  zweistöckigem  Umgange  mit  Emporen, 
verzopft.  —  Frauenchiemsee,  Seckige  Kapelle.  —  Komburg,  6eckige 
Kapelle  auf  der  Nordseite  der  Stiftskirche.  —  Konstanz,  Moritzkapelle  beim 
Dom,  Rundbau,  XIII.  Jahrh.  —  Lauffen,  Ober-Bayern,  romanisch.  — 
Mo  OS  bürg,  Michaelskirche,  XUL  Jahrh.  —  Mühldorf,  am  linken  Ufer  des 
Inn,  Totenkapelle,  8 eckig,  XII.  Jahrh.  —  Obertauf kirchen  in  Oberbayern, 
romanischer  Rundbau  als  Chor  der  jetzigen  Kirche.  —  Perschen  bei  Nabburg 
in  der  Oberpfalz,  Rundkapelle,  aus  zwei  aneinander  gelehnten  Centralbauten 
mit  Kuppeln  bestehend,  XII.  Jahrh.  ~-  Regensburg,  Allerheiligenkapelle 
beim  Dom,  kleeblattförmig,  XII.  Jahrh.  —  Rothenbuch  in  Bayern,  Rotunde 
(verzopft).  —  Schönberg  bei  Neumarkt,  Ober-Bayern.  —  Stadtamhof, 
Katharinenkapelle,  6eckig,  1270.  —  Steingaden  im  Ammergau,  Rund- 
kapelle, Xni.  Jahrh.  —  Yilshofen  a.  d.  Donau,  Rundkapelle  nach  böhm. 
Typus.  —  Wasserburg,  Michaeliskapelle,  XVI.  Jahrh.  —  Wolperts- 
schwendi  im  Oberamt  Ravensburg,  Gangolfskapelle,  Geckig. 

VI.  In  derSchweiz,  Tirol  und  Salzburg:  InAltdorf  und  an  anderen 


30  Rund-  und  Polygonbauten. 

Orten  deB  Kantons  Uri  neben  den  Hauptkirchen  belegene ,  als  Beinhäuser  be- 
zeichnete Randkapellen.  —  Laufen  im  Salzkammergute ,  Mariahilfskapelle 
neben  der  Stiftskirche,  zweistöckig,  unten  4-,  oben  9 eckig.  —  Meran,  Bar- 
barakapelle,  8 eckig  mit  Krypta,  XV.  Jahrh.  —  Ferner  Rundkapellen  in  Tirol: 
Berschach  bei  Toblach  im  Pusterthale,  im  Felde  bei  Gl  es  auf  dem  Nons- 
berge,  Gries  bei  Bozen,  Klausen  St.  Sebastianskapelle,  St.  Michaelskapelle 
vor  Kloster  Neustift  bei  Brixen  (gotisch),  Schöna  bei  Meran  Georgskapelle 
mit  rundem  Mittelpfeiler,  Unterplanitzing  bei  Kaltem.  Die  frflhgotische 
Bartholomäuskapelle  bei  der  Abteikirche  Wüten  ist  8 eckig. 

VII.  In  den  österreichischen  Ländern^  ist  eine  grofse  Menge  kleiner 
und  gröfserer,  runder  und  polygoner  Kamer  mit  und  ohne  Gruftraum  vor- 
handen, deren  Zahl  auf  mehr  als  100  angegeben  wird:  in  Unterösterreich  sind 
30,  in  Steiermark  etwa  15  nachgewiesen,  und  in  Kärnthen  finden  sie  sich  fast 
neben  allen  Landkirchen.   Wir  nennen  in  Unterösterreich:  romanische  zu: 
Altenburg,  Friedersbach,  Gars,  Göffritz,  Grafensulz  (später  in  ein 
Seitenschiff  der  Pfarrkirche  hineingezogen),  Hadersdorf f,  Hainburg,  Har- 
degg,  Kuenring  (mit  Erkerapsis),  Markersdorf,  Mistelbach,  Mödling, 
Petronell,Pirstendorf(zur  Sakristei  umgewandelt).  Pulkau,  Scheibling- 
kirchen, Stahremberg,  Zwettl  neben  der  Propsteikirche ;  im  Übergangs- 
stile  (polygone):  Friedersbach  bei  Zwettl,  Globanitz,  Margarethen  am 
Moos  (viereckig),  Wiener-Neustadt,  Pottenstein,  Tuln(ll  eckig),  Zellern- 
dorf;    spätgotische:   Berchtoldsdorf,   Burgschleinitz,   Kirchschlag, 
Loosdorf,  Unter-Aspang,  Wirflach.  —  In  Oberösterreich  findet  sich 
ein  Rundbau  zu  Lorch  bei  Enns,  im  Obergeschofs  8 eckig.    In  Kloster  Neu- 
burgist die  Agneskapelle  am  Kreuzgang  9  eckig.  —  In  Kärnthen:  romanische 
zu  Altenmarkt,  mit  Erkerapsis,  zu  Berg,  Maria  Wörth,  Reichenfels  im 
Lavantthale,  Pisweg  beiGurk,  ohne  Apsis  zu  St.  Leonhard  und  Maria  Saal, 
letzterer  im  XV.  Jahrh.  mit  einem  zweigeschossigen,  unregelmäfsig  neuneckigen, 
offenen  Pfeilerbaue  umbaut;  zu  Rechberg  mit  halbrunder,  zu  Wasser  ho  fen 
mit  grade  geschlossener ,  zu  Völkermarkt  mit  im  XIV.  Jahrh.  angebauter  Poly- 
gonaspis;  gotische,  8  eckige  zuMetnitz,  St.  Georgen  amSandhof  und  Walt - 
seh  ach.    Die  nicht  zu  den  Karnern  gehörige  Filialkirche  zuAufsen-Frag- 
gant  ist  6eckig  mit  kleinem  quadratischen  Vorbau.  —  In   Steiermark: 
Aflenz  8 eckig,  Brück  a.  Mur  rund,  daselbst  die  ehemalige  H.  Geistkapelle 
jetzt  Allerheiligen  von  1497  dreieckig  mit  abgestumpften  Ecken,  Frohnleiten 
sechseckig,  Geistthal  bei  Renn  rund  mit  Erkerapsis,  St.  Georgen  beiMurau, 
Graz  Schlofskapelle  St.  Thomas  (rund,  abgerissen),  Hartberg  mnd,  ebenso 
Jahring  bei  Marburg,  Köflach  und  St.  Lambrecht,  Lied  bei  Knittelfeld, 
St.  Marein  bei  Neumarkt  und  Mariazell  (Seckig),  St.  Oswald  bei  Zeyring 
(demoliert),  Pols,  St.  Ruprecht  beiBmck,  Seiz  (gotische Priorengruftkirche 
in  der  Karthause),  St.  Veit  nächst  Neumarkt,  Weissenkirchen  bei  Jnden- 
burg  (demoliert).  —  In  Böhmen:  romanische  Rundkapellen  zu  Holubitz  bei 
Tursko  (Kr.  Prag),  Lew  in  zwischen  Leitmeritz  und  Böhm.  Leipa,  Libaun 
beiLauniowitz,  Pilsenetz  (Kr.  Pilsen),  zu  Prag  S.Longinus  bei  der  Stephans- 
kirche, St.  Martin  am  Wyschehrad  und  zum  h.  Kreuz  in  der  Postgasse,  St. 
Georg  auf  dem  Berge  Rzip  bei  Raudnitz,  1126  geweiht,  und  Schelkowitz 


«  Vergl  im  ÖsteiT.  Atlas  die  Taff.  1.  37.  71. 


BaomatenaL  3J 

bei  Trebnitz.  —  Kowary  ist  elliptisch  mit  reckteckigem  gotischen  Chore  und 
quadratischem  Turme.  —  Die  Karlshofer  Kirche  in  Prag  ist  ein  imposantes 
gotisches  Achteck  aus  dem  XIV.  Jahrh.,  die  1791  abgebrochene  Frohnleichnams- 
kapeile  auf  dem  Karlsplatze  daselbst,  aus  der  zweiten  Hälfte  des  XVI.  Jahrh. 
hatte  die  Gestalt  eines  sechseckigen  Sterns.  Sechseckig  ist  auch  die  kleine  Holz- 
kapelle zuPschoblik.  —  In  Mähren  eineRundk.  auf  der  Markgrafenbnrg  zu 
Znaim  und  die  modernisierte  Schlofskapelle  zuTeschen  aus  dem XIV.  Jahrh. 
VIU.  Im  Gebiete  des  norddeutschen  Ziegelbaues  kommen  nur  go- 
tische, meist  achteckige  Rundbauten  vor:  Zu  Herzberg  a.  d.  £.  an  der 
Stadkirche,  zweistöckig,  in  der  Altmark:  S.  Spiritus  zu  Salzwedel  und 
St.  Johannis  neben  St.  Marien  zu  Stendal,  beide  abgetragen;  in  der  Mark: 
die  heil.  Geistkapelle  zu  Treuenbrietzen  (rund,  ohne  Dach);  in  Mecklen- 
burg: die  heil.  Blutkapelle  zu  Doberan,  die  Kirche  zu  Ludorf  (8 eckiger 
Centralbau  mit  halbrunder  Apsis,  4  eckigem  Westturm  und  halbachteckigen 
Anbauten  an  den  Seiten);  in  Pommern:  die  Earchhofskapelle  in  Köslin, 
die  Gertrudenkapelle  bei  Rttgenwalde  (12eckiger  Centralbau),  die  Kapelle 
des  Georgenhospitals  in  Stolp,  die  Apollonienkapelle  neben  der  Marien- 
kirche zu  Stralsund,  die  Gertrudenkirche  bei  Wolgast  (12eckig).  —  In 
der  Stadt  Schleswig  ist  in  der  vielfach  umgebauten  Michaelskapelle  noch  ein 
Rest  eines  aus  dem  Ende  des  XL  Jahrh.  herrührenden  runden  Centralbaus  mit 
Emporenumgaug  um  den  mit  Oberlichtern  versehenen  überhöhten  Mittelraum 
erhalten.  —  In  Schlesien  zeigt  die  moderne  Kapelle  auf  der  Schneekoppe 
den  Typus  der  kleinen  böhmischen  Rundbauten.  In  der  Ratiborer  Vorstadt  von 
Troppau  ein  grofserOktogonbau;  die  Nepomukkapelle  bei  Lubom(Kr.  Rati- 
bor),  8 eckiger  Holzbau;  die  heil.  Geistkirche  zuBeuthen,  8 eckig;  die  acht- 
eckige gotische  Martinikapelle  bei  St.  Elisabeth  zu  Breslau  ist  1848  abgetragen. 

16.  Die  meisten  der  ältesten  Kirchen  in  Deutschland  (im  Vn.  bis 
IX-  Jahrhundert)  waren  aus  Holz ;  im  X.  Jahrhundert  wurde  der  Stein- 
bau zwar  schon  allgemeiner,  doch  galt  zu  Anfang  des  XI.  Jahrhunderts 
in  manchen  Gegenden  ein  steinerner  Turm  noch  für  eine  Seltenheit. 
Man  wählte  zum  Bau  diejenige  Steinart,*  welche  unter  den  obwalten- 
den Lokalverhältnissen  als  die  zweckmäfsigste  erschien,  oder  gerade  am 
leichtesten  zu  beschaffen  war;  es  läfst  sich  daher  aus  der  zu  einer  Kirche 
verwendeten  Steinart  nur  selten  ein  Schlufs  auf  die  Erbauungszeit  der- 
selben machen. 

Obgleich  bei  den  Römern  der  Kaiserzeit  der  Steinbau  Regel  war  und 
nur  etwa  bei  Wirtschaftsgebäuden  Fachwerk  zur  Anwendung  kam,^  so 
kommt  doch  schon  zu  römischer  Zeit  und  auf  römisch -deutschem  Gebiete, 
zu  Künzen  {Castra  Quintana)  am  Flttfschen  Businka  eine  hölzerne  Kirche 
vor,  welche  der  heil.  Severinus  (gest.  481)  gegen  die  Überschwemmungen 
der  Donau  schützte. '  Nach  dem  Aufhören  der  Römerherrschaft  waren  es 
rohe  Bedürfnisbauten,  welche  die  missionierenden  irischen  Mönche  {^magistri 
e  Scotia^)  nach  heimischer  Sitte  (^more  Scotorum^)  ganz  aus  Holz  {^de  ro- 

*  Über  Wahl  der  Steine  für  den  Kirchenbau,  vgl.  Mone,  Anzeiger  etc.  IV,  113. 
»  Otte,  Bauk.,  6  u.  28. 
»  Ebd.,  5t. 


12  HoLdcirchen. 

bore  seclo")  erricbteten,  wie  dergleichen  Kirchen  im  Vll.Jahrh.  n&mentlich 
in  Bayern  mehrfach  erwähnt  werden.  Das  Kloster  Fulda  wurde  gleich  an- 
fangs (742)  wenigatene  znm  Teil  ans  Steinen  erbant,  da  man  nach  Ausrot- 
tung des  Waldes  mit  der  Errichtung  von  Kalköfen  den  Anfang  machte;' 
sonst  war  es  bis  in  spätere  Jahrhunderte  Sitte,  bei  der  OrUndung  nener 
Klöster  sich  mit  interimistischen  Holzgebäuden  zu  behelfen,  so  dafs  die 
gleichzeitigen  Chronisten  die  ausnahmsweise  Errichtung  von  Steingebäuden 
stets  besonders  hervorheben.  Zu  Anfang  des  XI.  Jahrhunderts,  wo  bei  der 
glanzvollen  Machtentwickelung  des  Reiches  und  dem  Reichtum  der  Prälaten 
sich  neu  erwachte  Baulust  regte,  wurden  viele  ältere  Holzkirchen  durch  stei- 
nerne ersetzt:  in  Österreich  z.B.  durch  Bf.  Altmann  in  Passau  (t  1091);^ 
dagegen  galt  ein  von  Bf.  Bernhard  von  Verden  (f  um  1014)  neben  dem  dor- 
tigen Dome  erbauter  steinerner  Turm  in  jener  Gegend  noch  fUr  eine  Selten- 
heit.'  überhaupt  hielt  sich  der  Holzbau,  der  sich  in  Skandinavien  selbst 
kllnatleriBch  auebildete,*  im  Norden  von  Deutschland  am  längsten,  so  dafs 


Fl(.  fl.  Kirche  n  Badoubmn  (nacb  Donl). 

noch  im  J.  1 163  unter  Heinrich  dem  Löwen  die  neu  erbaute  hölzerne  Marien- 
kirche zu  Ltibeck  geweiht  wurde.*  Als  interessante  Beispiele  des  urtfimlichen 
Holzbaues  haben  sich  im  slavischen  Osten  von  der  Bukowina,  Ungarn  (an 

'  Otts,  Baut,,  51. 

'  Ebd. ,  337. 

'  Thiefmar,  Chron.,  rec.Wagner,  219:  .  .  .  5111  in  Itac  terra  paneihabetUur. 
Der  t03l  geweihte  alte  Holzbau  der  Schottentirche  S.  ThomaB  zu  Strafsburg  wurde 
noch  1144  nach  einem  Brande  wieder  durch  einen  Holzbau  ersetzt,  au  dessen  Stelle 
erst  1273  ein  Steinbau  trat. 

*  Tergl.  Dahl,  Denkmäler  einer  Rchr  ausgebildeten  Holzbaoknnst  in  den  inneren 
lÄndschaften  Norwegens.  1837.  —  Eine  der  ältesten  der  dortigeo  Holztirchen,  die 
Kii-cheWang  bei  Drontheim,  wurde  im  J.  1842  (von  Priedrich  "ft  ilhelm  H'.  angekauft), 
zum  Teil  im  ursprünglichen  Stil  erneuert,  zu  Brüekenberg  in  Schlesien  aufgestellt.  — 
Vergl.  auch  Lehfeldt.  P.,  die  HolzbaukunKt.  1880.  106— IIS. 

'  Chron.  Montis  sereni  ad  a.  1163,  roc.  Eckstein,  31.  —  Noch  1312  versprach 
in  einem  FriedensschluHso  der  Bat  von  Rostock:  •in  optdo  Wemetninden  reedificart 
debema»  pvlcram  eccleeiam  ligneant'  (Mecklenb.  Urk.-B.,  V,  No.  3!iT7).  Ja  sogar 
noch  um  1354  wurde,  allerdings  unter  besonderen  Umstünden,  eine  Kathedrale  von 


Holzkirchen.  33 

derTheifs);  Oalizien,  Mähren ,  Böhmen  und  Schlesien  bis  nachPrenfsen  und 
Hinterpommern*  hinauf ,  viele  eigentümliche,  aus  starken  Eichen-  oder 
Lärchenstämmen,  auch  aus  kiefernem  Kernholz  (provinziell  Gehrsafs  ge* 
nannt)  im  Blockverbande  znsammengeschrotene  Landkirchen  erhalten,  mit 
weit  vorspringenden  Dächern  und  mit  einem  bedeckten  Laufgange  (lop  ge- 
nannt) umbaut;  die  Olockentflrme  stehen  oft  seitwärts  isoliert  und  sind  zu- 
weilen mit  Schnitzomamenten  und  ansprechenden  Profilierungen  der  Bretter- 
bekleidung versehen  y  wobei  in  den  nördlicheren  Gegenden  in  einzelnen  For- 
men zuweilen  der  spätromanische,  zuweilen  der  gotische  Stil  ersichtlich 
wird,  während  die  griechischen  Kirchen  Galiziens  und  der  Bukowina  in  ihrer 
ganzen  Anlage  byzantinischen  Typus  zeigen.*  Mehrere  dieser  Holzkirchlein 
sind  sicher  von  verhältnismäfsig  hohem  Alter,  die  ältesten  (wie  die  zu  Lubom 
und  Syrin)  wahrscheinlich  aus  dem  Anfange  des  XIV.  Jahrhunderts,  die 
meisten  aber,  obwohl  sie  im  allgemeinen  den  althergebrachten  Typus  und 
die  alte  Technik  festhalten,  dürften  erst  aus  dem  XVU.  und  XVUL  Jahr- 
hundert datieren,  wie  ja  in  Polen  und  Rufsland  auf  dem  Lande  noch  gegen- 
wärtig Holzkirchen  gebaut  werden. — In  den  westlicheren  Gegenden  Deutsch- 
lands hat  sich  von  alten  Holzkirchen,  nachdem  auch  die  hölzerne,  mit 
Malereien  geschmückte  sogenannte  Jodocuskapelle  zn  Mühlhausen  in  Thü- 
ringen, welche  ans  dem  XIV.  Jahrhundert  stammte,  im  J.  1846  abgerissen 
worden,  wohl  nichts  mehr  erhalten.  —  Über  die  Holzkapellen  in  Rohrmoos 
und  auf  dem  Tronsberg  zu  Geratsried  und  deren  Einrichtung  vergl.  Augsb. 
Postztg.  1861.  No.  63. 66. 67. 


'  Holzkirchen  werden  erwähnt  im  östlichen  Teile  von  Böhmen:  Kodi  bei  Chru- 
dim  (1397),  ein  grofsartiger  isoli^ier  Glockenturm  in  der  Stadt  Pardubitz,  ein  der- 
gleichen nach  romanischem  Muster  neben  der  Georsskirche  in  Praslawic  bei  Tumau 
und  neben  der  GaUuakirche  zu  Reichenau,  die  Wsluahrtskirche  Maria  unter  den  lin- 
den bei  Braunau.  die  utrac^uistische  Kirche  zu  Slavoniow  von  1553,  die  Brunnen- 
kapelle zu  Grols-Zdikau,  die  Friedhofskap.  zuLhotice,  die  6  eckige  Kapelle  zu  Pscho- 
blik,  kleinere! zu  Erlitz,  Podol,  Behberg  und  Roketnitz;  im  nordöstl.  Mähren:  Hozen- 
dorf ,  Nesselsdorf  und  Seitendorf  (1488)  bei  Neutitschein,  Tychau  bei  Frankstadt  (XVI. 
Jahrh^  Wietfkowice  a.  d.  Lubina;  in  Österreich-Schlesien:  Stauding,  Taschen- 
dorf, Wagstadt  und  Zattig;  in  Oberschlesien;  im  Kr.  Beuthen:  die  Margaretenkirche 
bei  Beuthen,  Dorfkirchen  in  Bielschowitz  (z.  T.  1796),  Biskupitz  (abgebrochen),  Bogut- 
schütz,  Mikultschütz,  Gr.  Paniow  (1757)  und  Zabrze;  im  Kr.  Leobschütz:  Bauerwitz 
imd  Rackau;  im  Kr.  Plefe:  Dziedkowitz,  Omontowitz  und  Warschowitz ;  im  Kr.  Rati- 
bor:  Bosatz,  Brzezie,  Lubom  (1305  u.  1516),  die  achteckige  Nepomukkapelle  bei  Lu- 
bom (XIV.  Jahrb.),  Markowitz,  Ostrog  (1865  abgebrochen)  und  Syrin  (1304);  im  Kr. 
Rybnik:  Belk,  Jedlownik,  Nieder -Mschana,  Radoschau  und  Ruptau;  im  Kr.  Falken- 
berg: Rogau;  im  Kr.  Kosel:  Leuschütz;  im  Kr.  Namslau:  Belmsdorf,  Lorzendorf, 
Proschau;  im  Kr.  Neustadt:  Dobrau;  im  Kr.  Gr.  Strehlitz:  Kaltwasser.  (Auch  die 
Kapelle  des  ehemaligen  Kapuzinerklosters  in  Breslau  ist  ein  Holzbau,  von  1669.)  In 
Preufsen:  im  Kr.  Neidenburg:  Bialutten,  Gr.  Lensk,  Malga,  Schamau  imd  Skottau; 
im  Kr.  Osterode:  Leip  und  Peterswalde.  In  Hinter-Pommern:  Barenbusch  bei  Neu- 
Stettin,  Vellin  bei  Varzin.  Auch  mehrere  Kirchen  in  Schleswig.  Yergl.  über  die 
Holzkirchen  der  Slaven  Lehfeldt,  a.  a.  0.,  213—226. 

'  Abbildxmgen  solcher  Holzkirchen  in  Leonh.  Dorst  (v.  Schatzberg)  Reiseskiz- 
zen. I,  Bl.  3,  m  der  Zeitschr.  für  Bauwesen,  1852,  BL  44  (mit  Text  von  Cuno  Sp. 
212)  und  in  den  Mitt  C.-K.  I,  247;  m,  85  ff.;  X,  22;  XV,  51  u.  65;  XVI,  4; 
XVII,  39,  N.F.  VI,  26  ff.;  Jahrb.  C.-K.  m,  164;  Österr.  Atlas,  Taf.  47;  vergl.  Luchs, 
über  die  oberschl.  Holzkirchen  und  Verwandtes,  im  49.  Jahresbericht  der  schles.  Ge- 
sellsch.  f.  vaterl.  Kultur.  1S72. 

Otte,  Konat-ArchMologle.   5.  Aufl.  3 


34  Bruchstein  und  Haustein. 

In  der  südlichen  Hälfte  von  Deutschland,  etwa  bis  zur  Elbe,  sind  die 
Kirchenbauten  gröfstenteils  aus  Bruchsteinen  verschiedener  Art  ausgeführt, 
z.  B.  am  Oberrhein  aus  rotem  Sandstein  (Münster  zu  Basel,  Strafsburg 
und  Freibnrg,  die  Dome  zu  Mainz,  Speier,  Worms  etc.);  am  Niederrhein  ^ 
aus  Tuff,  Trafs  (provinziell  Duckstein),  Basalt,  Trachyt  (Dom  zu  Köln), 
Grauwacke,  Granit  und  Kalksinter  (letztere  zu  Säulen  etc.).  Den  Trafs  von 
Andernach  in  kleinem,  backstein-ähnlichem  Format  findet  man  an  den 
mittelalterlichen  Gebäuden  längs  des  Rheins  bis  ganz  hinein  in  Holland, 
in  Utrecht  in  Verbindung  mit  Backsteinen,  ziemlich  allgemein  auch  in 
Schleswig  (Michaelis-  und  Johanniskirche)  und  Jütland  (Dom  zu  Ripen), 
doch  meist  nur  in  der  Nähe  der  grofsen  Handelsplätze.^  Nach  Ost- 
friesland wurde  Sandstein  von  der  Porta  und  vom  Deister  in  Westfalen 
auf  der  Weser  und  auf  vielen  Kanälen  herangeschifft,  und  Tuff  soll  aus 
Schottland  bezogen  worden  sein.  In  Schwaben  und  Bayern:  Sandstein, 
Kalkstein,  im  Egerlande  Granit,  in  Franken  gelber  Sandstein,  in  und  um 
Nürnberg  ein  weiches  Quarzkonglomerat,  dessen  Quadern  keine  Kanten 
halten  und  erst  an  Ort  und  Stelle  gehauen  und  nach  dem  Versetzen  fertig 
gestellt  wurden;  zuweilen  Backstein  (Dome  zu  Augsburg  und  Ulm,  zum 
Körper  des  Gebäudes;  Frauenkirche  zu  München);  in  Tirol  und  Kärnthen 
zuweilen  Marmor  (Dome  zuTrient  undGurk);  in  Steiermark  Muschelkalk- 
stein (Pfarrkirche  und  Kamer  zu  Hartberg),  in  Sachsen:  Sandstein  (Dome 
zu  Merseburg  und  Magdeburg),  Kalktuff  (Mühlhausen  und  Langensalza), 
Muschelkalkstein  (Dome  zu  Naumburg  und  Halberstadt),  Porphyr  (bei 
Halle),  Eisenstein  (an  der  schwarzen  Elster);  in  Westfalen:  Mergelsand- 
stein (am  Nordrande  des  Haardtrückens) ,  Kalkstein  (Dom  zu  Münster),  hin 
und  wieder  Backstein,  aber  dann  meist  nur  zum  Körper  des  Gebäudes 
(Klosterkirche  zu  Marienfeld).  —  In  den  Rheinlanden  finden  sich,  an  dio 
römische  Technik  erinnernd,  an  den  ältesten  Bruchsteingebäuden  bis  ins 
XI.  Jahrhundert  (z.  B.  am  westlichen  Vorbau  von  St.  Pantaleon  und  an  St. 
Maria  auf  dem  Kapitol  in  Köln,  an  der  Stiftskirche  zu  Pfalzel,  an  den  älte- 
sten Teilen  des  Doms  von  Trier  und  des  Münsters  zu  Bonn  etc.)  zuweilen 
einzelne  Schichten  von  Ziegeln  (selbst  allerlei  Figuren  bildend)  verwendet, 
wodurch  ebenso  eine  polychrome  Wirkung  erzielt  wurde,  wie  durch  die 
Anwendung  verschiedenfarbiger  Hausteine  (roter  und  weifser)  im  regel- 
mäfsigen  Wechsel  (an  der  Durchgangshalle  zu  Lorsch  aus  dem  IX.  und  an 
den  Säulen  und  Bogenstimen  aus  dem  XI.  Jahrhundert  in  der  Michaelis- 
kirche zu  Hildesheim).  Verputzung  fand  beim  Bruchsteinbau  gewöhnlich 
statt,  sogar  beim  Hausteinbau  (abgesehen  von  dem  Fugenputz  selbst  an  so 
Borg^ltig  gearbeitetem  Quaderwerk  wie  am  Kölner  Dom)  vielfach,  beson- 
ders an  hessischen  Bauten,  z.B.  an  der  Elisabethkirche  und  Schlofskapelle 
zu  Marburg,  wo  auf  dem  Putz  dann  eine  Fugung  imitiert  ist. 

Im  nördlichen  Deutschland  und  dessen  Nachbarländern,   von  der 
Nordspitze  Dänemarks  bis  nach  Krakau  und  von  den  Westgrenzen  der  Alt- 


*  Vergl.  Nöggerath,  die  Bausteine  der  Münsterk.  in  Bonn,  in  Lersch,  Jahrb. 
1843,  209. 

*  Verri.  IX.  Her.  d.  Schlesw.- Holst. -Lauenb.  Ges.  f.  Samml.  vaterl.  Altertümer,  9. 
—  Otte,  Bauk.,  öl3  u.  731. 


Backstein.  35 

mark  bis  über  die  Nordostgrenze  von  Prenfsen  hinaus,  ist  das  in  anderen 
Teilen  Deutschlands  (z.  B.  in  Niedersachsen,  westlich  von  der  Elbe)  nur 
sporadisch  und  später  vorkommende  Material  der  Ziegel,  in  früherer  Zeit 
neben  dem  behauenen  Granit  der  erratischen  Blöcke  (Feldstein,  Kiesling»* 
Geschiebe),  später  ausschliefslich  vorherrschend,  doch  findet  sich  zu  den 
Sockelmauern  der  Ziegelgebäude  der  Granit,  aber  gewöhnlich  nicht  als  Hau- 
stein, sondern  roh  und  unverputzt,  zu  allen  Zeiten  häufig  verwendet,  und 
zwar  zuweilen  in  kolossalen  Stücken,  z.  B.  an  den  Turmseitenhallen  der 
Marienkirche  zu  Barth  in  Blöcken  von  3,ßo  Länge  und  0,S5Höhe.  Die  archi- 
tektonisf:;hen  Details  und  Zieraten  sind  bei  Ziegelgebäuden  oft,  z.  B.  am 
Niederrhein,  in  Schlesien  etc.,  aus  Kalkstein  oder  Sandstein  gefertigt.  Aus 
Formziegeln  gebildete  Details  finden  sich  oft  an  weit  von  einander  entfern- 
ten Bauwerken  in  genauer  Übereinstimmung,  z.B.  bei  den Cisterciensern  zu 
Lehnin  in  der  Mark  und  zu  Kolbatz  in  Pommern,  bei  den  Dominikanern  in 
Breslau  und  Krakau,  in  den  Deutschordensbauten  zu  Marienburg  und  Loch- 
atädt  in  Preufsen,  was  sich  aus  der  Verbindung  erklären  läfst,  in  der  die 
einzelnen  Niederlassungen  dieser  Ordensgemeinschaften  untereinander  stan- 
den; ihre  Ziegeleien  werden  sich  Formen  und  Schablonen  übermittelt  haben.  ^ 
Verputzung  findet  sich  auf  dem  Gebiete  des  Ziegelbaues  aufser  auf  den 
Grundflächen  der  Blenden  und  Nischen  vielfach  auch  auf  horizontalen  Strei- 
fen unter  Gesimsen,  hier  wohl  eigentlich  ursprünglich  überall  auf  Bemalung 
berechnet.  Auch  die  nicht  profilierten  Bogenlaibungen  an  Fenstern  und 
Thüren  wurden  verputzt,  um  die  durch  das  erforderliche  starke  Verhauen 
der  Steine  entstehende  Unregelmäfsigkeit  der  Fugen  zu  verdecken. 

Anmerkung  1.  Bei  der  grofsen  Hochachtung  des  Mittelalters  vor  dem 
Altertnm,  zum  Teil  auch  im  Bewufstsein  der  eignen  unvollkommenen  Leistun- 
gen wurden  besonders  im  Frühmittelalter  zuweilen  Reste  antiker  Bauwerke  aus 
edlem  Gestein  aus  der  Ferne  herbeigeschafft  und  als  Prachtstücke  verwendet, 
%.  B.  die  Säulen,  welche  Leo  lU.  Karl  dem  Grofsen  für  sein  Aachener  Münster 
schenkte,  und  andere  römische  Säulen,  welche  zu  diesem  Zwecke  aus  Trier 
geholt  wurden,  die  Marmor-  und  Porphyr- Säulen  und  Kapitale,  die  Otto  der 
Grofse  für  seinen  Dombau  in  Magdeburg  nur  aus  Italien  bezogen  haben  konnte, 
und  die  noch  1  beim  Neubau  des  XIII.  Jahrhunderts  wieder  zur  Verwendung 
kamen,  die  antiken  Marmorsäulen  der  Burgkapelle  zu  Landsberg  bei  Halle  a/S., 
welche  der  Wettiner  Dietrich  III.  (t  1185)  vom  Papst  Alexander  lU.  zum  Ge- 
schenk erhalten  haben  soll. 

Anmerkung2.  DasMaterial,  je  nach  der  Art  seiner  Zusammensetzung 
und  je  nach  seiner  Schwere,  Härte  und  Widerstandsfähigkeit,  ist  nicht  ohne 
wesentlichen  Einflufs  auf  Form,  Struktur  und  Ausschmückung  der  Gebäude,*  wie 
dies  besonders  ersichtlich  wird  bei  Vergleichung  der  Ziegelbauten  des  nördlichen 
Deutschlands  mit  den  Bruchsteingebäuden  des  Südens,  oder  der  niederrheiui- 
schen  Tuffsteingebäude  mit  den  oberrheinischen  aus  Buntsandstein;  beide  Sy- 
steme treffen  hier  in  Ingelheim  zusammen,  wo  die  nördliche  Kirche  aus  Tuff, 


*  Veigl.  V.  Quast,  in  den  Verh.  des  Internat.  Kongr.  zu  Bomi.  1868,  84. 

*  Essenwein,  die  £atwickel..der  mittelalterl.  Baukunst  mit  Rücksicht  auf  den 
Einflufs  der  verschiedenen  Baumaterialien,  in  den  Mitt.  C.-E.  III,  5  ff. 

3* 


36  Originalbaurisse. 

die  Bfldliche  aus  SandBtein  gebaut  ist.  —  Ein  Baumaterial;  welches  aus  einem 
für  plastische  Details  untauglichen  Steine  besteht,  bedingt  stets  Einfachheit 
und  Schlichtheit  der  Gebäude.  So  mag  es  der  grobkörnige  spröde  Sandstein 
verschulden,  dafs  die  Kirchen  im  bayerischen  AUgäu  (Kempten  etc.)  jeder 
edleren  und  feineren  Detailbildung  entbehren,  ebenso  wie  die  Schmucklosig- 
keit der  älteren  westfälischen  Bauten  von  der  Verwendung  des  porösen  Mergel- 
sandsteins bedingt  ist. 

Anmerkung  3.  Alte  Originalbaurisse,  wie  deren,  auch  im  Facsi- 
mile  veröffentlicht,*  mehrfach  auf  unsere  Zeit  gekommen,  sind  auf  Pergament 
gezeichnet  (das  bei  gröfseren  Zeichnungen  durch  Riemen  kflnstlich  zusammen- 
geflochten ist)  und  mit  unsern  modernen  Bauzeichnungen  durchaus  nicht  zu 
vergleichen.  Man  zeichnete  gewissermafsen,  wie  man  arbeitete.  Jede  Pro- 
jektion auf  einer  irgend  geneigten  Ebene  wurde  vermieden,  und  z.  B.  die  Archi- 
tektur auf  die  schräg  stehende  Achteckseite  eben  so  gezeichnet,  wie  auf  die 
gerade  stehende,  so  dafs  sie  dann  wegen  mangelnder  Breite  der  ersteren  sich 
so  zu  sagen  abgeschnitten  darstellte.  Nur  zuweilen  half  man  sich  durch  eine 
völlig  konventionelle  Perspektive.*  Schattenlinien  kommen  nie  vor,  wohl  aber 
sind  die  Profile  oft  in  den  Grundrifs  eingezeichnet  und  schwarz  ausschattiert. 
—  Der  älteste  und  in  archäologischer  Hinsicht  wichtigste  unter  diesen  Plänen 
ist  der  (vielleicht  zu  Fulda)  entworfene  Baurifs,  eigentlich  nicht  viel  mehr  als 
ein  Situationsplan  für  das  Kloster  St.  Gallen  vom  J.  820,  als  Musterplan  für 
ein  grofses  Benediktinerkloster  der  damaligen  Zeit  von  grofsem  Werte.  Der- 
selbe, 1,10X0,78  grofs,  besteht  aus  vier  zusammengenähten  Häuten  und  stellt 
in  rotgezeichneten  Linien  den  Grundrifs  sämtlicher  zum  Kloster  gehörigen  ein- 
zelnen Gebäude  und  Anlagen  dar,  wobei  hin  und  wieder  die  Aufrisse  in  hori- 
zontaler Projektion  mit  angegeben  sind.  Die  Bedeutung  der  Zeichnung  ge- 
winnt wesentlich  dadurch,  dafs  Erklärungen  alles  Einzelnen,  meist  in  latei- 
nischen Hexametern  abgefafst,  (mit  schwarzer  Farbe)  eingeschrieben  sind;  die 
Mafse  sind  jedoch  nur  bei  der  Kirche  hinzugefügt.  —  Die  sonst  noch  bekannt 
gewordenen  Bauzeichnungen  (Visierungen)  sind  aus  späteren  Jahrhunderten, 
zum  Teil  erst  vom  Ende  des  Mittelalters;  die  wichtigsten  unter  denselben  sind 
die  sechs  Risse  des  Doms  von  Köln,  namentlich  die  Zeichnungen  der  West- 
front,' welche  jedoch  nicht  dem  ursprünglichen  Plane,  sondern  der  letzten 


I  zu  Köln  zurück. 

I 


*  M oller,  G.,  Facsimile  der  Originalzeichnung  des  Doms  zu  Köln.  2.  Aufl.  1837. 
—  Keller,  Ferd.,  BauriTs  des  Klosters  St.  Gallen  (in  *k  örö&e  des  Oririnals).  1844 j 
in  verkleinerter  Form  in  Otte,  Bank.,  92.  —  Facsimile  einer  in  der  Bauhütte  bei 
St.  Stephan  in  Wien  beflndlichen  Handzeichnung  von  1517  zu  dem  unvollendeten  Turm. 
1847.  —  Schmidt,  Chr.  "W.,  Facsimiles  der  (higinal{)läne  deutscher  Dome  (Köln, 
Regensburg,  Ulm,  Frankfurt  a.  M.,  Strafsburg;  zum  Teil  1.88 — 2,ao  pofe}.  1850.  — 
Die  Strafsburger  auch  bei  Kraus.  I,  498—502,  die  RegensWger  bei  Adler  in  der 
Deutsch.  Bauz.  1875,  BeiL  zu  No.  41. 

*  üngewitter.  Lehrbuch,  23. 

*  Eine  sehr  groise  Kopie  des  alten  Planes  der  Köhier  Dom-Turm£Bcade  von  Schin- 
kel  befindet  sich  im  Schinkel- Museum  der  Königl.  Baua^demie  zu  Berlin.    Der  Ori- 

Snalrifs  selbst,  unten  0,m  breit,  4,71  hoch,  wurde  von  dem  Maler  Seekatz  auf  dem 
achboden  des  Gasthauses  zur  Traube  in  Dannstadt  im  J.  1814,  zemssen  und  be- 
schmutzt, unter  altem  Geräte  gefunden,  von  diesem  dem  dortigen  Oberbaurat  Moller 
überlassen  und  von  letzterem  im  J.  1817  dem  Köni^  von  Preufsen  verehrt.  Bei  der 
späteren  Wiederaufnahme  des  Dombaues  kam  die  Zeichnung  wieder  in  das  Domarchiv 


Baubeschreibungen.  37 

und  zugleich  bedeutendsten  Um-  und  Ausbildung  desselben  (etwa  dem  zweiten 
Viertel  des XIV.  Jahrhunderts)  angehören;  aufserdem  sind  zu  nennen  die  Risse 
der  Domtflrme  von  Regensburg  und  von  Ulm,  drei  des  Domes  von  Frank- 
furt a.  M.,  drei  vom  Münster  zu  Strafsburg,  eine  ziemlich  ungeschickte  Zeich- 
nung des  (unvollendeten)  Wiener  Stephansturmes  etc.  Die  Wiener  Akademie 
der  bildenden  Künste  besitzt  nahezu  ein  halbes  Tausend  alter  Bauzeichnungen 
auf  Pergament  aus  der  ehemaligen  Bauhütte  von  St.  Stephan,  meist  aus  dem 
Ende  des  XV.  und  Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts,  zum  Teil  Schüler-  und  Lehr- 
lingsarbeiten oder  von  wandernden  Gesellen.  Mit  Namen  bezeichnet  ist  darunter 
eine  Zeichnung  der  Spitalkirche  zu  Efslingen  von  Hans  Böblinger  dem  Jünge- 
ren 1501.^  Zwei  von  dem  altern  Hans  Böblinger  1435  zu  Konstanz  gemachte 
Gesellenzeichnungen  befinden  sich  im  Nat.-Mus.  zu  München  und  in  der  Stadt- 
bibliothek zu  Ulm.  —  Aufser  dergleichen  Bauzeichnungen  sind  auch  noch  einige 
deutsche,  spätmittelalterliche  Schriften  über  Architektur  und  Geometrie^ 
auf  uns  gekommen,  im  ganzen  weniger  bedeutend,  dochistMathesRoriczers, 
Dommeisters  zu  Regensburg  t>  Büchlein  von  der  Fialen  Gerechtigkeit^  aus  dem 
J.  i486'  von  Interesse;  ebenso  besonders  wegen  der  technischen  Ausdrücke 
ein  etwa  gleichzeitiges  Druckschriftchen  von  Hans  Schmuttermayer  aus 
Nürnberg,*  und  auch  Lorenz  Lachers  (»der  Pfalz  Baumeister  vnd  Pixen- 
meister<0  Unterweisung  für  seinen  Sohn  Moritz  von  1516^  enthält  manches  Be* 
achtenswerte. 

Anmerkung  4.  Geringeren  Wert  als  die  mittelalterlichen  Bauzeich- 
nungen haben  die  Baubeschreibungen,  deren  sich,  wie  bereits  erwähnt,  aus 
altchristlicher  Zeit,  besonders  aus  dem  früheren  Mittelalter  viele  erhalten  haben. 
Abgesehen  auch  von  der  durch  das  mittelalterliche  Latein  für  uns  noch  ver- 
mehrten Schwierigkeit  des  Verständnisses  ihrer  Ausdrucksweise,  kam  es  dabei 
den  Verfassern  höchst  selten  auf  eine  anschauliche  Darstellung  an,^  da  sie  ge- 
wöhnlich nur  panegyrische  oder  symbolische  Zwecke  verfolgten,  sich  in  der 
Regel  der  dichterischen  Form  bedienten,  und  in  offenbare  Übertreibungen  ver- 
fielen. Als  einzige  deutsche,  zugleich  auch  sehr  ausführliche  und  die  ganze 
innere  Ausstattung  der  Kirche  berücksichtigende  dichterische  Schilderung  ist 
jedoch  sehr  zu  beachten  die  Beschreibung  des  Gralstempels  in  dem  sogenannten 
jüngeren  Titurel  des  Albrecht  (von  Scharffenberg?  um  1270),  die  zwar  auch 
viel  Unmögliches  enthält,  aber  ersichtlich  aus  lauter  Elementen  wirklicher 
Anschauung  phantastisch  aufgebaut  ist.  Inwiefern  der  Dichter  dabei  bestimmte 
rheinische  Centralbauten  der  Frühgotik  (Liebfrauenkirche  in  Trier,  St.  Gereon 


*  Vergl.  Fr.  Schmidt,  die  Pergamentzeichnungen  der  alten  Bauhütte  zu  Wien. 
Mitt.  C-K.  Xn,  1  ff. 

-  Ein  Verzeichnis  solcher  Schriften  bei  Hoffstadt,  Got.  ABC.  165  ff. 

'  Nach  einem  von  M.  Boritzer  selbst  gedruckten  alten  Drucke  wiedergesehen  von 
C.  Heideloff,  die  Bauhütte  des  M.-A.,  101  — 116,  und  in  moderne  Mundart  über- 
tragen, herau£^geb.  und  mit  einer  Einleitung  versehen  von  A.  Reichensperger. 
1845.    Vergl.  aeaaen  Yerm.  Schriften,  54  ff. 

*  Abgedr.  Anz.  G.  M.  1881.  Sp.  73—78;  vergl.  ebd.  1882.  Sp.  43  f. 

^  Abgedruckt  aus  einer  späteren  Handschr.  in  Reichensperger,  Yenn.  Schriften, 
133—  155. 

*  Der  Versuch  einer  nüchternen  imd  detaUliei-ten  Beschreibung  von  dem  damaligen 
Stande  des  Magdeburger  Bombaues  findet  sich  in  der  darum  höchst  merkwürdigen 
Bauurkimde  des  Erzb.  Conrad  vom  J.  1274  (abgedr.  in  v.  Ledeburs  Archiv.  V,  168). 


38  Unregelmäfsigkeiten. 

in  Köln)  vor  Angen  gehabt  habe,  mnfs  dahingestellt  bleiben.  Die  phantasti-" 
sehen  Übertreibungen  dieser  werden  noch  überboten  dnreh  die  Beschreibung 
eines  Marientempels  (von  Zarncke  [s.  nnten]  125  ff.  unter  der  Überschrift 
^Marien  Lob<  mit  abgedruckt),  die  aber  von  vornherein  nur  eine  mystisch'* 
symbolische  Deutung  zum  Zwecke  hatte.  ^ 

Anmerkung  5.  Bei  der  UnvoUkommenheit  der  alten  Messinstrumente, 
bei  der  Unbefangenheit  und  oft  nicht  zu  leugnenden  Nachlässigkeit  der  blofs 
praktisch  gebildeten  alten  Baumeister  kann  es  nicht  wunder  nehmen,  wenn  sich 
beim  genauen  Vermessen  mittelalterlicher  Bauwerke,  selbst  an  den  bedeuten- 
deren, überallUnregelmäfsigkei  tenund  grofse  Ungleichheiten  vorfinden ;  die 
Abseiten  und  Pfeilerabstände  differieren  fast  immer  um  mehrere  Centimeter 
(im  Dome  zu  Köln  z.  B.  von  3  —  28 ,  im  Dome  zu  Magdeburg  sogar  31  —  62  ; 
die  Anlagen  stehen  nicht  genau  im  Winkel,  und  Sockel  und  Kapitale  selten 
unter  sich  in  der  Setzwage.^  In  der  Klosterkirche  von  Konradsdorf  im  Nidder- 
thal  verschmälert  sich  das  Schiff  von  Osten  nach  Westen  nach  und  nach.  Das- 
selbe findet  in  der  Johanniskirche  zu  Schwab.  Gmfind  bei  sämtlichen  Schiffen 
statt,  im  Mittelschiff  von  31:29,  im  nördlichen  Seitenschiff  13:12,  im  süd- 
lichen 16 :  14.  Dagegen  hat  die  Kapelle  zu  Tetin  in  Böhmen  (siehe  oben  S.  20) 
in  umgekehrter  Richtung  die  Trapezform  und  wohl  absichtlich ;  auch  in  Eber- 
bach und  Brauweiler  und  am  Langhause  des  Doms  zu  Mflnster  bemerkt  man 
die  Abnahme  der  Breite  der  Schiffe  nach  Osten  zu.  Auch  beim  Umbau  der  ro- 
manischen Basilica  St.  Blasii  in  Mühlhausen  i.  Th.  in  eine  gotische  Hallen- 
kirche verbreiterte  der  Meister  aus  technischen  Gründen  absichtlich  die  Seiten^ 
schiffe  allmählich  von  Osten  nach  Westen.  Absicht  war  es  auch ,  dafs  in  der 
Lambertikirche  zu  Münster,  etwa  der  perspektivischen  Wirkung  halber,  die 
Joche  der  Arkaden  sich  von  Westen  nach  Osten  mehr  und  mehr  verkürzen. 
Offenbare,  freilich  ökonomische  Nachlässigkeit  war  es  dagegen,  wenn  man  sich 
keineswegs  immer  bemühte,  die  Abweichungen  des  Terrains  von  der  Hori- 
zontalebene auszugleichen,  sondern  ohne  weiteres  zuweilen  in  naivster  Weise 
das  natürliche  Niveau  benutzte.  So  senkt  sich  z.  B.  in  der  heil.  Kreuzkirche 
zu  Rottweil  und  in  der  Pfarrkirche  St.  Ulrich  zu  Donauwörth  der  Fufsboden 
allmählich  von  Westen  nach  Osten  so  sehr,  dafs  die  Hinterstehenden  über  die 
Köpfe  der  Vorderen  hinwegsehen  können.  Der  umgekehrte  Fall  findet  dagegen 
in  der  Michaeliskirche  zu  Hall  statt,  wo  der  nur  eine  Fortsetzung  des  Lang- 
hauses bildende  Chor  viel  höher  liegt,  und  die  Kirche  überdies  mehrmals  durch 
Treppen  unterbrochen  ist.  Merkwürdig  tief  liegt  der  Fufsboden  der  Kirche  zu 
Brenken  bei  Paderborn,  da  man  vom  südlichen  Portale  10  Stufen  hinunter  zu 


*  Vergl.  Boisseree,  Sulp.,  über  die  Beschreibung  des  Tempels  des  h.  Grales  im 
Heldengedicht  Titurel.  ep.  Hl,  m.  3  Taff.  1834  in  den  Abh.  d.  philos.-philol.  Kl.  d. 
Bayr.  Akad.  d.  Wiss.  Bd.  I.  —  Weber,  Gust.,  d.  Dom  des  h.  Gral.  2.  Aufl.  Quedlin- 
burg 1869.  —  Droysen,  E.,  d.  Tempel  des  h.  Gral  etc.  Bromberg  1872,  m.  l  Taf.  -— 
Neuerdings  ist  der  Text  kritisch  herausgegeben  und  sachlich  erläutert  von  F.  Zarncke^ 
d.  Graltempel.  Vorstudie  zu  einer  Ausgabe  des  jung.  Tit.  Leipzig  1876  (auch  in  den 
Abh.  der  philo!. -hist.  Klasse  der  K.  Sachs.  Ges.  der  Wiss.  Bd.  VlI,  1879).  —  Dafe 
spätere  mittelalterliche  Bauausführungen  von  diesem  poetischen  Bilde  inspiriert  worden 
seien,  kann  nur  in  sehr  entferntem  Sinne  etwa  von  der  Wallfahrtskirche  zu  Ettal.  von 
der  Karlshofer  Kirche  zu  Prag  und  von  der  auf  dem  Karlstein  gesagt  werden. 

*  V.  Lassaulx,  in  Kleina  Rheinreise.    2.  Aufl.,  467. 


Unregelmäbigkeiten.  39 

Bteigenhat,  wae  sich  Dicht  ans  der  etwa  Dach  und  oach  erfolgten  Auf  hOhaDg  des 
infseren  TerrainB  erklären  laret.  —  ÄIb  eine  »ehr  hftulig  vorkommende  Usregel- 
mftfsigkeit  stellt  sich  heraus,  dafs  der  Chor  der  Kirche  Dicht  gODan  in  der  Axe 
dea  LanghauBCB  liegt,  Bondem  bald  nördlich,  bald  sDdlich  von  deraelben  ab- 
weicht, znm&l  wenn  beide  Hauptteile  der  Kirche  verschiedenen  Bauzeiten  an- 
gehören, oder  auch  wenn  bei  einem  Nenban  der  ganzen  Kirche  Altere  Funda- 
mente etc.  benutzt  wurden.  Beispiele  am  Rhein:  Kaiserslautern,  Offenbach; 
in  Schwaben:  HichaeliBkirche  zu  Hall,  Liebfranenkirche  zn  Horb,  bischöfl. 
Kirche  za  Rottenburg,  Stiftekirche  ku  Stuttgart  und  Wimpfen  im  Thal;  in 
Tirol:  Stiftskirche  zu  Inichen,  Dom  zu  Trient  und  augeblich  nach  demMnster 
dee  letzteren  an  spateren  Bauten  absichtlich  wiederholt,  in  dieser  Gegend  tra- 
ditionell and  typisch  geworden;*  in  Österreich:  Maria  Stiegen  zu  Wien  und 
Marienkirche  zu  Wiener-Neustadt;  in  Frauken:  Stiftskirche  zn  Achaffen- 
burg,  Sebaldskirche  zu  Nflrnberg,  hier  nachweislich  wegen  örtlicher  Hinder- 


Flg.  T.    OnioArlCi  d«r  Stbildiilrcht  In  NllnibaiK  (oub  HcldelaO). 

nisse;  in  Thüringen  und  Sachsen:  Ägidienkirche  zu  Brannschwe^,  Dom 
zn  Erfurt,  Petri-Paulikirche  zu  OSrlitz,  Klosterkirche  zu  Heinii^en,  Stadt- 
kirche zn  Wittenberg;  inPreufsen:  Dome  zn  Frauenburg  und  Königsberg ; 
Katharinenkirche  zu  Brandenburg.  —  Vielleicht  das  ÄofBerste  von  Unregel- 
märsigkeit  im  trapezförmigen  Onindrifs  der,  man  kann  nicht  recht  sagen  zwei- 
oder  dreischißigen  Anlage  dea  Schiffs  und  des  im  Winkel  daran  stofsenden 
Chors  leistet  die  Spitalkirche  zu  Oberwelz  in  Steiermark,  wohl  durch  die  Lage 
an  und  auf  der  Stadtmauer  herbeigefQlirt.  Noch  aeltsamer  war  die  Anlage  der 
1876  abgebrannten  Kirche  zn  Attenberg  im  sSchs.  Erzgebirge ,  welche  obgleich 
aof  freiem  Platze  stehend  und  ohne  jegliche  Terrainnötigung  geflissentlich  jede 
Gleichmäfsigkeit  nnd  jeden  rechten  Winkel  vermied."  —  Viel  verhandelt  ist 
in  uenerer  Zeit  Über  die  UnregelmftfBigkciten  und  Schwellungen  an  der  ober- 
sten Spitze  dea  Turms  des  Freibürger  Münsters. "  Dafs  sie  nicht  durch  Wetter- 

'  MitL  C.-K.  m,  m. 

'  Vergl.  Ältendorff   in  d.  Deutsch.  Baiu.   1878,  38. 

•  Vergl.  die  Verhandlungen  in  der  Kimstchronik  XI,  Sp.  784  f.  u.  813  f.,  der 
Deutsch,  Bauz.  1876,  429  ff-,  461  ff.,  480  ff.,  S27  fl.,  und  v.  Lützow,  Zeitschr.  XII, 
221  ff. 


40  Gnindbau. 

Verwüstungen  entstanden  sind,  ist  durch  genaue  Untersuchungen  festgestellt, 
streitig  aber,  ob  sie  aus  leichtfertiger  Bautechnik  oder  aus  bewufster  ästheti- 
scher Berechnung  hervorgegangen  sind,  wie  dies  von  ähnlichen  Erscheinungen 
an  den  Hahnentürmen  desselben  Münsters,  am  Dome  zu  Meifsen  und  aus 
romanischer  Periode  am  Dome  zu  Speier  und  an  S.  Fides  zu  Schlettstadt  wahr- 
scheinlich ist. 

Anmerkung  6.  Einen  kleinen  Einblick  in  die  Art  und  Weise  des  mittel- 
alterlichen Baubetriebes  gewähren  Abbildungen  von  Bauplätzen  mit  arbei- 
tenden Bauleuten,  wie  sie  in  älteren  Miniaturen  seltener  und  mehr  andeutungs- 
weise, in  späteren  Zeichnungen  und  Gemälden  häufiger  und  sehr  anschaulich  ' 
vorkommen.^  — Die  mittelalterliche  Bautechnik  wird  häufig  auf  Kosten  der 
modernen  gepriesen,  verdienter  oder  unverdienter  Weise,  weil  man  damals  wie 
auch  heute  verschieden  baute,  gut  und  schlecht,  und  namentlich  fehlt  es  ans 
älterer  Zeit  keineswegs  an  Beispielen  vom  Wiedereinstürzen  neuer  kaum  fer- 
tiger ,  oder  noch  im  Bau  begriffener  Gebäude.  ^  —  Im  Gru  ndbau  verfuhr  man  zu- 
weilen zwar  äufserst  sorgfältig  (die  Chorpfeiler  des  Kölner  Domes  [seit  1248] 
z.  B.  sind  gegen  15^70  tief  auf  einer  Kiesbettung  fundamentiert,  und  die  Funda- 
mente der  Elisabethkirche  zu  Marburg  [seit  1235]  liegen  12,15  tief),  in  andern 
Fällen  dagegen ,  besonders  wo  man  an  Holzbau  gewohnt  war,  höchst  sorglos.  So 
bestanden  die  Fundamente  der  Godehardskirche  zu  Hildesheim  (seit  1133)  aus 
kleinen  Bruchsteinen  in  Lehm, '  und  zu  Mühlhausen  i.  Th.  sind  die  zahlreichen 
Kirchtürme  alle  mehr  oder  weniger  aus  dem  Lote  gewichen.  Ebenso  die  der 
Jakobskirche  zu  Kuttenberg  und  zu  Terlan  bei  Meran;  letzterer  hängt  bei 
66,36  Höhe  und  7,90  Quadratseite  der  Grundfläche  mehr  als  2,i2  nach  Süden 
und  mehr  als  2,53  nach  Westen  über.  Bei  den  Granitbauten  in  der  baltischen 
Ebene,  wo  man  selbst  bei  Gebäuden  von  geringerem  Umfange  durch  das  massen- 
hafte Material  zu  verhältnismäfsig  sehr  dicken  Mauern  genötigt  war,  glaubte 
man  die  Fundamentierung  im  Sandboden  sparen  zu  können,  indessen  sind  infolge 
davon  die  Mauern  häufig  gespalten  und  haben  später  durch  massige  Streben 
zusammengehalten  werden  müssen.  Die  äufsere  Ringmauer  des  Schlosses  Eisen- 
hart in  Beizig  bei  Wittenberg  stand  auf  blofsem  Flugsand,  den  der  Wind  zu- 
weilen stellenweise  darunter  hinweg  wehte,  so  dafs  die  Mauer  selbst  schwebte. 
—  Der  schwierige  Grundbau  im  Sumpfboden  galt  zu  Ende  des  XI.  Jahrh.  in 
Utrecht  für  ein  T>arcanum  magisterhumj  mit  welchem  Bischof  Konrad  nicht  be- 
kannt war.^  Ein  bemerkenswertes  Beispiel  in  dieser  Beziehung  bietet  die 
Frauenkirche  zu  Ehingen  (am  linken  Ufer  des  Lech,  nördl.  von  Augsburg), 
die,  rings  von  Anhöhen  umgeben,  mitten  im  Sumpfe  auf  einem  Pfahlroste  steht, 
über  welchem,  der  Längenflucht  von  ca.  32,oo  entsprechend,  drei  Gewölbe- 
bögen errichtet  sind,  auf  denen  das  Podium  der  Kirche  ruht;  unter  ihnen  steht 


*  Essenwein,  A.,  Bauleute  und  Bauführungen  im  M.-A.,  im  Anz.  6.  M.  1S82. 
8p.  189—194,  nebst  3  Abbild. 

'  Bas  Sanctoarium  des  t021  geweihten  Domes  zu  Merseburg  stürzte  in  den  näch- 
sten 20  Jahren  zweimal  zusammen  (Otte,  Bank.,  187  imd  278),  und  der  Dombau  zu 
Hildesheim  unter  B.  Azehn  (f  1054)  kam  darum  nicht  vorwärts,  weil  die  Säulen  oft 
aus  dem  Lote  wichen,  imd  bald  hier  bald  da  eine  Mauer  wieder  einfiel.  (Ebd.,  164 
u.  276.) 

'  Zeitschr.  für  Bauwesen.   1852.  Sp.  333. 

*  Otte,  a.  a.  0.,  272  u.  285. 


Mörtel.  41 

das  ganze  Jahr  Wasser.^ —  Die  Vorrichtungen  zur  Ableitung  des  Wassers 
von  den  Gebäuden  waren  häufig  äufserst  mangelhaft:  wie  wenn  z.  B.  mitten 
durch  die  Strebepfeiler  des  Kölner  Doms  Rinnen  von  0,io,  und  zwar  ohne 
Metallfutter,  geführt  wurden,  und  ähnliche  Mängel  auch  am  Dome  zu  Magde- 
burg vorkamen.  ^  —  Der  alte  Mörtel,  der  zwar  nachDurandus  (I  c.  1  n.  10) 
nur  aus  Kalk,  Sand  und  Wasser  bestand,  in  der  Praxis  aber  oft  auch  mit  Gips 
gemischt  wurde,  zeichnet  sich  vor  dem  neueren  —  und  zwar  wohl  nicht  blofs 
wegen  seines  Alters  —  häufig  durch  grölsere  Festigkeit  aus.  Als  Resultat  einer 
chemischen  Analyse  des  harten  mittelalterlichen  Mörtels  ergab  sich :  70  Teile 
reiner,  grober  Quarzsand,  25  Teile  Kalk  und  5  Teile  Gips;  welche  Mischung 
aber  unmittelbar  vor  dem  Gebrauche  geschehen  ist.  ^  Zuweilen  löste  man  den 
Kalk  mit  Wein  (der  Sage  nach  auch  mit  Buttermilch)  ab,  indem  man  wahr- 
scheinlich glaubte,  den  Mörtel  dadurch  haltbarer  zu  machen.^  Ein  Zusatz  von 
Eiweifs  und  Wein  unter  den  Mörtel  wird  bei  Erbauung  der  Prager  Brücke  im 
XIV.  Jahrh.  behauptet,  weil  damals  die  Eier  spottwohlfeil  gewesen.^  —  Der 
römische  Mörtel  unterscheidet  sich  von  dem  mittelalterlichen  durch  Beimischung 
von  zerstampften  Ziegelstücken  oder  Topfscherben.  —  Der  Vorzttglichkeit  des 
Mörtels  ist  die  eiserne  Festigkeit  des  guten  mittelalterlichen  Mauerwerkes  zu 
verdanken  und  die  Haltbarkeit  mancher  fahrlässig  konstruierten  Gewölbe :  so 
erregte  es  bei  der  Restauration  des  Magdeburger  Domes  die  Verwunderung  der 
Architekten,  wie  das  Hauptgewölbe  des  Chores,  ein  0,20  starkes  Tonnen- 
gewölbe aus  Bruchsteinen  von  11,00  Spannung,  sich  hatte  halten  können,  da 
alle  Gurtbögen  sich  mehr  oder  weniger  gesetzt  hatten  und  zwischen  den  Dia- 
gonalrippen und  dem  Gewölbe,  mit  welchem  sie  nicht  bündig  sind,  sondern 
dem  letzteren  nur  das  Ansehen  eines  Kreuzgewölbes  geben  sollten,  sich  ein 
leerer  Zwischenraum  von  mehreren  Centimetern  gebildet  hatte.  ^ 

Von  den  verschiedenen  Arten  des  specifisch  römischen  Mauerver- 
bandes^  ist  es  anscheinend  allein  das  »optcs  mixtum<i^  von  welchem  sich  an 
den  geringen  Überresten  des  frühmittelalterlichen  Kirchenbaues,  im  Rhein- 
lande (in  Trier,  Pfalzel,  Köln  und  Bonn)  bis  ins  XI.  Jahrh.  noch  Spuren  nach- 
weisen lassen:  ein  mit  dünnen  Bindern  aus  Ziegeln  durchsetztes  Bruchstein- 


*  Beilage  zur  Augsb.  Postzeitung.   1857,  No.  119. 

'  Zeitecnr.  für  Bauwesen.  1854.  Sp.  83.  —  Rosenthal,  Dom  zuMagdeb.  lief.  U. 
zu  Taf.  VI.  Mff.  16. 

^  IL  JahresDericht  des  altmärk.  Vereins  für  vaterländische  Geschichte  und  Industrio, 
25  ff.  —  Vergl.  über  Mörtelbereitung  der  Alten,  im  Augsb.  Tageblatt.  1859,  No.  174 
u.  176.  —  Kalkmörtel,  wenn  derseloe  aus  t  Volumen  ICalkbrei  und  3  Volumen  Sand 
eemischt  wird,  enthält  9,2—9,5  Prozent  Calciumoxyd.  Bei  altem  Mörtel  ist  dieser  Qe- 
nalt  oft  viel  höher,  so  an  der  Klosterkirche  zu  Soldin  I8,s7^  an  der  K.  zu  Rochlitz 
16,50,  zu  NiedeiTödersdorf  15,78,  am  Dom  zu  Walbeck  18,80,  zu  Paderborn  17,77  Pro- 
zent; vergl.  Ziurek,  Zeitschr.  f.  Bauw.  XXII,  114  f. 

*  Kugler,  Museum.  1834,  No.  7.  —  Bei  der  nach  dem  Erdbeben  des  J.  557  er- 
neuerten £uppel  der  Sophienkirche  in  Konstantinopel  wurde  der  Mörtel  mit  Gips,  zer- 
stolsenen  Muscheln  und  Ulmenrinde  vermischt,  mit  einem  Gerstenabsud  aus  grofsen 
Kesseln  angerührt  imd  lauwarm  verwendet.  Zum  äulsem  Bewürfe  wurde  Kalk  mit  Öl 
gemischt    Allg.  Pr.  Zeit.   1843,  No.  62,  40t  ff. 

*  Redel,  Sehenswürdiges  Prag,  310. 

'  Rosenthal,  a.  a.  0.,  zu  T£f.  I.   Mg.  D. 
'  Otte,  Bauk.,  4  ff. 


42  Mauerverband. 

gemäuer  mit  sehr  breiten  MOrtelfugen.  Am  karolingischen  Münster  zu  Aachen 
zeigt  der  wenig  sorgfllltige  Verband  platte ,  schieferartige  Bruchsteine  mit 
wagerecht  und  lotrecht  eingelegten  Bindern  schlecht  behauener  Quadern,  die 
von  älteren  Bauwerken  herrflhren.^  —  Das  y>opus  spicaiuun<f^^  im  Burgenbau 
seit  dem  XII.  Jahrh.  häufig,  kommt  im  Kirchenbau  nur  auf  dem  Gebiete  des 
Backsteinbaues  vereinzelt  vor,  z.B.  an  der  Marienkirche  zu  Bergen,  der  Nikolai- 
kirche zu  Treuenbrietzen  und  an  den  Domen  zu  Ratzeburg  und  Kammin.  —  Im 
XI.  Jahrh.  herrscht  allgemein  das  ^pus  incertum^ ,  Mauerwerk  aus  Bruchsteinen, 
an  den  Ecken  (und  zuweilen  im  Grundbau)  durch  Quaderschichten  zusammen- 
gehalten. Bei  den  Tuffsteinbauten  am  Niederrhein,  bei  denen  das  Material  in 
grofsen,  länglichen  Stücken  zur  Verwendung  kam,  ist  wenigstens  die  Horizon- 
talität  der  Lager,  die  gewissermafsen  wellige  Linien  bilden,  möglichst  und 
dabei  eine  ängstliche  Sauberkeit  in  den  Fugen  streng  beobachtet,  während  seit 
dem  XII.  Jahrh.  der  Tuff  in  kleinem  Format,  backsteinähnlich  zugehauen,  im 
regelrechten  Verbände  vorkommt.^  In  anderen  Bruchsteinbauten  zeigt  sich  in 
der  Frühzeit  (in  der  Krypta  von  St.  Michael  zu  Fulda  aus  dem  IX.  Jahrh.) 
ebenfalls  das  Streben  nach  Horizontalität  der  Lager  mit  wechselnden  Stofsfugen. 
Am  Dome  zu  Speier  und  an  der  Klosterkirche  zu  Limburg  a.  d.  H.  aus  dem 
XI.  Jahrh.  erscheint  Rauhmauerwerk  aus  rotem  Sandstein,  in  unregelmäfsigen 
Bruchstücken ;  doch  sind  die  Steine  ziemlich  lagerhaft  und  möglichst  in  wage- 
rechte Schichten  gebracht,  zwischen  starken  Mörtellagen  zur  Ausgleichung  der 
Unebenheiten.  Eine  Anwendung  des  Hammers  ist  nirgends  bemerklich,  und 
die  Steine  liegen  in  der  Mauer,  wie  sie  aus  dem  Steinbruche  kamen.^  An  dem 
Bruchsteinmauerwerk  von  St.  Michael  zu  Fulda  aus  dem  XI.  Jahrh.  findet  sich 
durch  Fugenlinien,  welche  in  die  starken  Mörtellagen  eingekratzt  sind,  eine 
scheinbare  Quadrierung  hergestellt,*  An  der  Westfront  des  Domes  zu  Trier 
besteht  das  Mauerwerk  des  XI.  Jahrh.  zum  grofsen  Teil  aus  Werkstücken  von 
Sandstein  und  Muschelkalk  von  zuweilen  bedeutender  Masse,  die  indessen  aus 
römischen  Trümmern  entnommen  wurden.*  —  Sonst  ist  vollständiger  Quader- 
bau in  jener  Frühzeit  nicht  nachgewiesen :  derselbe  beginnt  erst  im  XII.  Jahrh.,^ 
breitet  sich  allmählich  aus  und  bleibt  endlich  vorherrschend,  obgleich  selbst- 
verständlich im  Innern  der  Quadermauem  und  bei  minder  kostspieligen  Bauten 
das  Bruchsteinmauerwerk  stets  gebräuchlich  blieb. 

Bei  den,  nicht  über  die  Mitte  des  XII.  Jahrh.  hinaufreichenden,  älteren 
Granitbauten,  wie  an  der  Klosterkirche  zu  Zinna  bei  Jüterbog  und  an  vielen 
Landkirchen  des  Flämings,  erscheinen  die  Steine  sauber  würfelförmig  bearbeitet 
und  in  gleichmäfsigen  Schichten,  während  anderwärts  in  den  Marken  der 
Quaderbau  häufig  nur  ein  scheinbarer  ist,  indem  die  Steine  zwar  äufserlich 
quadratisch  zugehauen  und  in  regelmäfsigen  Schichten  aufgesetzt,  an  der  vor- 


^  Otte,  Baut.,  84  u.  143. 

*  Ebd.,   155  ff.  u.  275;  vergl.  v.  Quast,  in  den  Bonner  Jahrbüchern.  X,  191  ff. 

*  Geier,  in  Remling,  der  Speyerer  Dom,  132. 

*  Otte,  a.  a.  0.,  91  u.  143.  I)ieselbe  Technik  stand  bis  um  die  Mitte  des  XU. 
Jahrh.  auch  in  Magdeburg  in  Übung,  wo  das  ältere  Mauei'werk  der  Sebastianskirche 
selbst  an  den  inneren  Mächen  der  Seitenschiffwände  diese  Behandlung  zeigte;  vergl. 
F.  0.  Müller,  in  den  Magdeb.  Gesch..Bl.   i879,  440. 

*  Otte,  a.  a.  0.,  215  u.  41. 

*  V.  Quast,  in  der  Zeitschr.  f.  ehr.  A.  u.  K.  I,  272. 


Granit-  und  Ziegelbau. 


43 


deren  Fläche  aber  nicht  geebnet  sind,  and  Qnaderfngen  in  den  aufgetragenen, 
den  mittleren,  rundlich  erhabenen  Teil  der  Steine  nicht  deckenden  Putz  in 
Doppellinien  eingeritzt  wurden,  was  indessen  durch  Verwitterung  meist  undeut- 
lich geworden  ist.^  Später,  seit  dem  XIV.  Jahrh.  verwandte  man  die  Granit- 
geschiebe selten  in  rechteckigen  Quadern,  sondern  meist  in  roher  Zerklüftung, 
und  in  dieser  Form  finden  sie  sich  überall  im  Grundbau  der  Ziegelbauten. 
Eine  Mischung  beiderlei  Materials,  die  in  Ostfriesland  häufig  ist,  findet  in  äl- 
tester Zeit  in  der  Mark  selten  statt  und  ist  auch  später  nicht  häufig. 

Gleich  beim  ersten  Auftreten  des  Ziegelbaues^  in  der  Altmark  Branden- 
burg nm  Mitte  des  XII.  Jahrh.  zeugt  die  vollkommene  Tadellosigkeit  und  später 
kaum  wieder  erreichte  vollendete  Schönheit  des  Materials  von  alter  Geübtheit 
In  der  Anfertigung  der  Backsteine,  die  am  ersten  bei  den  niederländischen 
Kolonisten  vorausgesetzt  werden  kann,  welche  damals  jene  wendischen  Land- 
striche einnahmen,  und  um  so  wahrscheinlicher,  als  die  kleinen  Backstein- 
formate der  romanischen  Bauwerke  in  Holland  und  am  Niederrhein  mit  denen 
an  den  märkischen  Kirchen  genau  korrespondieren.  Von  den  langen  und  oft 
nur  0,013  dicken  römischen  Ziegeln  unterscheiden  sich  die  mittelalterlichen 
durch  ihre  Kürze  und  Dicke :  die  älteren  aus  dem  XII.  Jahrh  sind  die  kleinsten 
(0,265  — 0,282  lang,  0,111  —  0,137  breit,  0,078 — 0,084  dick),  die  späteren  seit 
dem  XIII.  Jahrh.  sind  gröfser  (0,288  —  0,301  lang,  0,131 —  0,137  breit,  0,08l 
bis  0,101  dick).  —  Formsteine  verstand  man  in  der  bedeutenden  Gröfse  von 
mehreren  Fufsen  zu  verfertigen  und  sehr  glatt  und  fest  zu  brennen ,  z,  B.  am 
Portale  der  Klosterkirche  zu  Berlin.  Bei  der  Restauration  des  Brandenburger 
Domes  wurde  die  wahrscheinlich  aus  dem  Anfange  des  XIV.  Jahrh.  stammende, 
ans  einem  Stücke  bestehende,  zierlich  gebildete  ehemalige  Verdachung  einer 
Fiale  in  der  Erde  gefunden,  deren  Masse  fast  0,12  Kubikmeter  betrug.  In  dem 
achteckigen  Treppenturme  desselben  Domes  aus  der  Zeit  um  1426  befindet  sich 


Fig.  8.    Ziegelttempel  (nach  v.  Minutoli). 


eine  Wendeltreppe,  deren  vortrefflich  gebrannte  Stufen  bei  0,47  Höhe  und  0,50 
Breite  einschliefslich  des  Spindelansatzes  aus  einem  Stücke  bestehen.  —  Der 
Mauerverband  des  mittelalterlichen  Ziegelbaues  ist  gewöhnlich  der  soge- 
nannte wendische,  in  welchem  Läufer  und  Strecker  in  derselben  Schicht  regel- 
mäfsig  mit  einander  abwechseln,  oder  der  sogenannte  gotische,  wo  auf  zwei 

Läufer  immer  ein  Strecker  ( )  folgt,  und  zwar  erscheinen  oft 

beide  Weisen  zu  gleicher  Zeit  und  in  derselben  Gegend.  —  Die  römische  Sitte, 

'  V.  Quast,  im  K.-Bl.  d.  Ges.-V.  1859,  26. 
'  •  Über  das  Technische  des  Ziegelbaues :  von  Minutoli,  Alex.,  Denkmäler  mittel- 
alterl.  Kunst  in  den  Brandenb.  Marken  I,  Uff. — vonQuast,  Ferd^  im  Deutschen  Kunstbl. 
1850,  229  und  Beitr.  zur  Gesch.  der  Baukunst  in  Preufsen.  Ul,  21.  —  Essenwein, 
A.,  Backst.  —  Adler,  F.,  Backst.,  woselbst  auf  die  Baubeschreibimg  der  einzelnen 
Gebäude  jedesmal  ein  das  Technische  eingehend  schildernder  Abschnitt  folgt.  —  Über 
den  Ziegelbau  desM.-A.  in  Schwaben:  Tnrän,  G.  C. F.,  im  Korr.- Bl.  d.  Ges.-V.  1858, 
29  u.  67. 


44  Gufsmaaem.    Längsrillea  und  Rundmarken. 

die  einzelnen  Ziegel  mitFabrikstempeln  zu  versehen ,  findet  siclian  den  älteren 
mittelalterliehen  Backsteinbanten  nicht  befolgt ,  und  erst  an  späteren  goti- 
schen Gebäuden  kommen  an  manchen  Orten  (in  Brandenbarg,  Stendal ,  Tanger- 
münde etc.)  Ziegel  mit  Stempeln  vor,  deren  Zweck  und  Bedeutung  indessen  nicht 
bekannt  ist.^ 

Gnfsmauerwerk  (von  Vitrnv  2,8  Emplecton^  und  in  den  longobardi- 
schen  Baugesetzen  des  8.  Jahrhunderts  JUassa  genannt)^  kommt,  wie  bei  den 
Römern,  auch  im  ganzen  Mittelalter  sehr  häufig  vor:  die  beiden  Aufsenflächen 
wurden  aus  Stein  oder  Ziegeln  schichtweise  aufgemauert,  der  innere  hohle 
Raum  ward  mit  kleinen  Steinen  und  vielem  Mörtel  ohne  regelmäfsige  Schich- 
tung ausgefüllt  und  das  Ganze  dann  gewöhnlich  von  innen  und  aufsen  dick 
mit  Mörtel  übergangen. 

Aus  Stuck  geformte  architektonische  Ornamente  kommen  in  der  romani- 
schen Zeit  besonders  in  den  Harzgegenden  (z.  B.  in  der  unterirdischen  Apsis 
der  Krypta  in  der  Schlofskirche  zu  Quedlinburg,  in  der  Klosterkirche  zu  Drü- 
beck,  im  Dom,  St.  Michael  und  St.  Godehard  zu  Hildesheim)  vor,  aber  auch 
die  früher  für  Backstein  gehaltenen  Konsolen  in  der  Klosterkirche  zu  Zinna 
bestehen  aus  Stuckummantelungen  der  Kragsteine. 

Zur  Ausführung  der  Gewölbe  verwendete  man  zwar  gern  natürliche  oder 
gebrannte  Steine  von  geringer  Schwere,^  zuweilen  Töpfe,  indessen  kam  auch  hier 

*  Abbild,  von  mittolalterl.  Ziegelstempeln  bei  v.  Minutoli,  a.  a.  0.,  14  und  viel- 
fältig bei  Adler,  a.  a.  0.,  14. 59 ff.  —  Völlig  unaufgeklärt  ist  bis  jetzt  die  Bedeutung  der 
sogenannten  Längsrillen  und  Rundmarken,  erstere  von  0,052  imd  0,o78  bis  0,95 
liäge  und  von  0,oo8  bis  0,o68  Tiefe  wechselnde  unregelmäisigo  über  Steine  und  Möitel 
weggehende  £inritzungen,  letztere  runde  Yeitiefungen  von  0,oao  bis  0,ofi9  Durchmesser 
und  0,018  bis  0,o8e  Tiefe,  welche  sich  hauptsächlich  auf  dem  Gebiete  des  norddeutschen 
Ziegelbaues  häufig  (aber  auch  in  Braunschweig,  Goslar  und  an  einigen  Orten  in 
Thüringen,  am  Dome  zu  Mainz,  an  der  Stiftskirche  zu  Fritzlar,  zu  Gudensberg 
und  Fronhausen,  an  der  hessischen  Bergstrafse  und  im  Elsafs)  an  den  Kirchen  in 
der  Nähe  der  Thüren  namentlich  auf  der  Süd-  und  ^""estseite  in  der  Höhe  bis  zu 
2,00  über  dem  Erdboden  oft  sehr  zahlreich  finden.  In  Braimschweig  und  Goslar  er- 
klärt sie  der  Yolksmund  als  Erallenspuren  des  Löwen  Heinrichs  des  L.  Man  hat  sie 
als  zufällige  Produkte  der  während  aes  Gottesdienstes  au&en  an  die  Kirchenmauem 
angelehnten  Waffen  der  Kirchgäneer,  oder  als  Spuren  absichtlicher  Schleifung  von 
Waffen  und  sonstigen  Geräten  an  aer  Kirchenwand  um  sie  dadurch  zu  feien  oder  zau- 
berkräftig zu  machen,  wiederum  auch  als  blofse  Kinderspielereien  und  neuerdings  als 
Reisezeicnen  wandernder  Steinmetzen  erklären  wollen,  alles  nicht  recht  zureichend.  VergL 
von  Haselberg,  in  Prüfers  Archiv.  I,  40;  Friedel,  das.  E,  66;  Winkler,  dis. 
n,  74;  von  Bülow,  das.  DI,  4  ff.  u.  20  ff.,  femer  Korr.-Bl.  d.  G.-V.  1880,  79, 
1881,  No.  8  und  1882,  No.  U;  Krüger  m  den  Mecklenb.  Jahrbb.  XLVI,  311  ff. 

'  *Si  masaaa  fundederit*;  vergl.  von  Reumont,  A.,  im  Kunstbl.   1847,  118. 

3  Beim  Bau  der  Kuppel  der  Sophienkirche  zu  Konstantinopel  imter  Kaiser  Justiz 
nian  (532 — 537)  durch  Aiithemius  von  Tralles  (in  Lydien)  und  Isidoras  von  Miletus 
(in  Jonien)  beschaffte  man  von  der  Insel  Rhodus  aus  einer  weilsen  Erde  gebrannte 
Steine  von  gleichem  Grewicht  imd  gleicher  Grölse,  die  mindestens  fünfmal  leichter 
waren  als  die  gewöhnlichen  Mauersteme  imd  auf  dem  Wasser  schwammen.  Jeder  Stein 
wurde  mit  folgender  Inschrift  gestempelt:  *Gott  ist  mitten  in  ihr^  und  ne  wird  nicht 
erschüttert  werden,  Gott  wird  sie  sMrmen  van  einem  Morgen  zum  andern*^  Das- 
selbe Verfahren  wurde  bei  der  Erneuerung  der  Kuppel  beobachtet:  .nach  jeder  zwölf- 
ten Schicht  sprach  man  öffentliche  Gebete  für  die  Festigkeit  der  Kirche  (während  der 
Mörtel  abtrocknete);  in  je  einen  Stein  jeder  zwölften  Scnicht  schlois  man  in  ein  aus- 
gehöhltes Loch  Reliquien  verschiedener  Heiligen  ein.  (Yergl.  AUg.  Pr.  Zeit.  1843, 
No.  62,  401.)  —  Reliquien  lieis  auch  Otto  der  Gro&e  in  die  Säulenkapitäle  des  1207 
abgebrannten  Magdeburger  Domes  einlegen  (Otte,  BauL,  118),  und  die  gegenwärtig 


Wölbsteine.    SchallgefaHse. 


45 


Aber  kleineren  Räumen  hin  und  wieder  das  schwerste  Material  in  Anwen- 
dung: das  untere  Tnrmgeschofs  des  Ha  velberger  Domes  z.B.  zeigt  ein  Gewölbe 
aus  behanenem  Granit^  und  im  Turm  der  Dorfkirche  zu  Gnmtow  besteht  das 
0,16  dicke  Tonnengewölbe  aus  lauter  abgerundeten  Geschieben,  wie  man  die- 
selben eben  auf  den  Feldern  vorgefunden  hatte,  ebenso  das  Gewölbe  imUnter- 
geschofs  der  Westfront  von  St  Godehard  in  Brandenburg.  —  Auch  war  im 
Mittelalter  ein  in  neuerer  Zeit  wieder  entdecktes  Verfahren  bekannt,  die  Kreuz- 
kappen lediglich  mit  Unterrüstung  der  Gratbögen  fast  ganz  aus  freier  Hand 
einzuwölben.^ 

Nicht  sicher  gestellt  ist  die  Bestimmung  der  sogenannten  Schal  lg  efäfse, 
topf-  oder  krugartiger  Gefäfse  von  länglicher  Form,  manchmal  mit  engerem 
Halse,  die  sich  mit  der  Öffnung  nach  vom  im  Chor  und  an  anderen  Stellen 
mehrerer  Kirchen  dicht  unter  der  Decke  eingemauert  finden.  Nachgewiesen 
sind  solche  bis  jetzt  in  der  Burgkapelle  zu  Altbaumburg,  in  den  Kirchen  zu 
Oberkirch,  Oberwinterthur,  ödenbach,  Pleterjaeh  und 
der  profanierten  Johanniterkirche  zu  Rheinfelden,  als 
ehedem  vorhanden  auch  in  den  Klosterkirchen  zuPiötzke, 
Egeln,  Zerbst  und  Kyritz  und  in  der  Dominikanerkirche 
zu  Strafsbnrg  i.  E.  Die  schon  im  vorigen  Jahrhundert  von 
ThorBchmidt(antiquitate8PlocenBesl725)ausgespro- 
chene Vermutung,  dafs  sie  ähnlich  wie  die  nach  Vitru  v 
(V,  5 ;  vergl.  1, 1)  in  den  griechischen  Theatern  hierzu  an- 
gebrachten Gefäfse  zur  Verstärkung  des  Schalles  hätten 
dienen  sollen,  dürfte  sich  thatsächlich  kaum  erweisen 
lassen.  Beim  Hineinsingen  in  eines  der  aus  der  Mauer 
gebrochenen  Kyritzer  Gefäfse  ergab  nur  ein  bestimm- 
ter Ton  eine  schwache  Resonanz.  Auffallend  bleibt 
es  jedoch,  dafs  in  Krain  diese  auch  in  dortigen  Kir- 
chen vorkommenden  Krüge  in  der  verdorbenen  Mund- 
art des  Landvolkes  Sümance^  d.  i.  Stimmtöpfe,  genannt 
werden.  Am  Äufsem  von  Profangebäuden  (z.  B.  Eschen- 
heimer Thorturm  zu  Frankfurt  a.  M.)  findet  man  ähn- 
liche Gefäfse  zur  Ausfüllung  der  Rüstlöcher  und  zugleich  für  den  Nestbau  von 
Höhlenbrütern  angebracht.^ 

b.  Das  Kirohengebande  in  seinen  einielnon  Teilen. 

17.  Das  BjTchengebäude  besteht  in  seinem  vollständigen  normalen 
Grundplane  aus  drei  Hauptteilen,  dem  Langhause,  dem  Querhause  und 


Flg.  9.     SehallffafHr«  aoa 
Kyrits  (nftoh  0.  Fitoher). 


leeren  öffiiungen  über  den  Säulen  in  der  Mauer  des  hohen  Chores  des  jetzigen  Domes 
scheinen  gleichen  Zweck  gehabt  zu  haben.  Die  fromme  Absicht  sing  wohl  dahin, 
durch  diese  Heiligtümer  das  Gebäude  vor  Schaden  und  Gefahr  zu  schützen. 

*  V.  Lassaulx,  in  Grelles  Journal  f.  d.  Baukunst  I,  4,  317  ff. 

*  VergL  Korr.-BL  d.  G.-V.  1866,  19.  -—  TJnger,  in  den  Bonner  Jahrbüchern 
XXXYL35  f.,  XXXVm,  168  f.  —  von  Cohausen,  ebenda.  XLm,  208.  —  G.  Fischer, 
ebda.  LX,  161.  —  A.  Straub,  poteries  acoustiques  de  Fancienne  eglise  des  Domini- 
cains  de  StraTsbourg  im  Bullet,  de  la  soc.  pour  la  conserv.  des  monum.  hist.  de  TAlsace 
n.  Serie,  9.  vol.  1.  partie  1876. 


46 


Haupttoile  der  Kirche. 


dem  Altarhause.  Das  Langhaus  (B  A  B)  bildet  den  Stamm,  das  Quer- 
haus (von  C  nach  C)  die  Arme,  und  das  Altarhaus  (E)  das  Haupt  des 
Kreuzes. 


Flg.  10.    Der  Dom  xn  Mertebnrg  (oaeh  nraprOngUcber  Anlage). 

Das  Langhaus,  welches  aus  dem  Hauptschiffe^  und  den  beiden, 
gewöhnlich  halb  so  breiten  Seitenschiffen  ^^  besteht,  wird  von  diesen 
durch  zwei  von  Säulen  oder  Pfeilern  /*/"...  getragene  Arkaden  getrennt.  — 
Das  Querhaus  besteht  aus  der  an  allen  vier  Seiten  von  hohen  Schwibbogen 
begrenzten  mittleren  Vierung,  dem  Kreuzmittel  g  und  den  beiden  Kreuz- 
armen, Cund  (7,  welche  westlich  durch  Bogenöffhungen  mit  den  Seiten- 
schiffen in  Verbindung  stehen,  und  östlich  häufig  mit  zwei  kleinen  Altar- 
nischen,  z  und  z,  versehen  sind.  —  Das  Altarhans  wird  östlich  von  der 
Altarnische  /  geschlossen,  die  sich  in  einem  Bogen  gegen  dasselbe  öffnet. 
—  In  der  Axe  der  Seitenschiffe  erheben  sich  westlich  die  beiden  Glocken- 
türme, D  und  Dj  welche  das  Zwischenhaus  F  mit  dem  Hauptportale  m 
einschliefsen.  —  0  und  0  sind  zwei  östliche,  das  Altarhaus  flankierende 
Rundtttrme,  und  H  eine  äufsere  Vorhalle.  —  Die  Fenster  des  Lang- 
hauses QQ  •  •  •  sind  den  Zwischenweiten  der  Arkadenträger  ff .  .  >  ent- 
sprechend angebracht,  und  die  Anordnung  der  Fenster  im  Querhause  ist  im 
nördlichen  Kreuzarme  des  Grundrisses  angegeben,  wo  die  Durchschnitts- 
ebene durch  das  Obergeschofs  der  Kirche  angenommen  ist.  —  In  Kloster- 
und  Stiftskirchen  schliefst  sich  an  eine  Langseite  der  Kirche  der  Kreuz- 
gang, welcher  durch  Nebenportale  bei  V  mit  dem  Kreuzarme  und  bei  S 
mit  dem  Seitenschiffe  in  Verbindung  steht. 

Anmerkung.  Die  Abweichungen  von  dem  normalen  Grundplane  der 
Kirche  sind  in  der  Wirklichkeit  häufiger  als  die  Regel  und  bestehen  teils  aus 
Erweiterungen,  teils  aus  Beschränkungen  desselben,  die  weiter  unten  im  Ein- 
zelnen zu  berflcksichtigen  sind.  Der  Dom  von  Merseburg,  obwohl  derselbe 
umfassende  spätere  Veränderungen  erfahren  hat,  läfst  dennoch  die  ursprüng- 
liche regelrechte  Entfaltung  des  Grundrisses  noch  deutlich  durchblicken  und 
enthält  überdies  sämtliche  in  Betracht  kommende  Haupt-  und  Nebenteile  des 


Altamische.  47 

mittelalterlichen  Kirchengebäudes ;  nur  das  Hauptportal  fehlt  und  liegt  hier  in 
der  Westfront  der  äufseren  Vorhalle. 

18.  Die  Altarnische  hat  verschiedene  Namen:*  sie  heifst  apsis 
oder  concha  von  ihrem  überwölbten  Halbrund;  tribunal  (daher  auch 
Altartribüne) ,  weil  sie  in  der  alten  Kirche  vor  den  rings  an  der  Wand 
befindlichen  Bänken  für  die  Geistlichkeit  den  erhöhten  Stuhl  des  Bischofs 
enthielt;  sanctuanuni  oder  sancta  sanctorum,  weil  der  Hochaltar  darin 
steht;  auf  dem  Plane  des  Klosters  St  QuUen  (s.  oben  S.  36)  wird  sie 
als  exedra  bezeichnet. 

Das  Wort  apsis,  absiSy  absida  ist  =  a^fiQ,  von  ixnia,  daher  auch  a^h 
=  der  Halbkreisbogen  y  das  Gewölbe ,  und  kommt  seit  dem  V.  Jahrhundert 
für  diesen  Teil  der  Kirche  vor,*  ebenso  das  Wort  concha  in6]rxv)y  die  Mu- 
schel, und  übertragen  schon  bei  den  römischen  Klassikern  auf  muschel- 
förmige  Gefäfse.  —  Tribunal  bezeichnet  bei  den  Römern  zunächst  eine  in 
Gestalt  eines  Halbkreises  umlaufende  Erhöhung,  zu  welcher  Stufen  führten 
und  auf  welcher  die  Richter  safsen.  —  Die  Bezeichnung  sanctuarium,  das 
Heiligtum,  und  sancta  sancforum^  das  Allerheiligste,  wird  erst  von  mittel- 
alterlichen Schriftstellern  gebraucht,  nachdem  die  Sitze  der  Geistlichkeit 
und  der  Bischofsthron  aus  der  Apsis  verlegt  waren,  und  diese  statt  derselben 
den  Hochaltar  in  sich  aufgenommen  hatte  und  einen  Teil  des  hohen  Chores 
der  Kirche  bildete,  über  dessen  Fufsboden  das  Allerheiligste  um  eine  bis  drei 
Stufen  erhöht  liegt.  —  Das  Wort  exedra  (iU^o)  bezeichnete  in  den  antiken 
Gymnasien  eine  halbrunde  Erweiterung  der  Säulengänge  mit  Sitzen  für  Kon- 
versierende,  kommt  schon  bei  Augustinus  (de  civitate  dei  22,8)  für  die 
Apsis  der  Kirche  vor  und  wird  vonDurandus  (1, 1.  n.  19)  für  gleichbedeu- 
tend mit  absida  sive  voUa^  (=  Gewölbe)  erklärt,  obgleich  er  darunter,  nach 
der  schon  im  christlichen  Altertum  gewöhnlichen  Bedeutung  dieses  Wortes, 
ein  kirchliches  Nebengebäude  versteht. 

Beispiele  solcher  Kirchen,  denen  die  Apsis  fehlt,  deren  Altarhaus  also 
rechteckig  abschliefst,  sind  bereits  oben  S.  20  angeführt:  innerlich  findet 
sich  dann  oft,  namentlich  im  XUI.  Jahi'hundert,  die  Nische  für  den  Altar  in 
der  Dicke  der  geraden  Schlufswand  ausgespart.  Im  Dome  zu  Speier  sind 
sieben,  in  der  Klosterkirche  zu  Heisterbach  neun  kleine  Rundnischen  rings 
in  der  Apsismauer  angeordnet;  im  Dome  zu  Limburg  a.  d.  L.  nimmt  eine 


*  Über  diese  Namen  unter  Beibringung  zahlreicher  Citate:  Kreuzer^  Eirchenbaa. 
I,  129  ff.  und  Weingärtner,  W.,  Ursprang  und  Entwickelung  des  chnstL  Kirchen- 
gebäudes, Ut  ff. 

*  Wenn  Isidorus  Hisp.  (f  636)  in  den  Oiigin.  etym.  XV,  8  erklärt:  ^Absida 
graeco  sermone  IcUine  interpretatur  Ittcida,  eo  quod  lumine  accepto  per  arcum 
resplendeat^ ,  so  hat  er  dabei  nicht  an  die  Apsis  der  Kirche,  sondern  an  das  leuch- 
tende Himmelsj^wölbe  gedacht,  von  welchem  z.  B.  Hieronymus  (£p.  ad  Ephes.  II, 
614  ed.  Vallwrsii)  das  "Wort  »apsis*  gebraucht,  und  Vincent  ins  Bellov.  (Speculum  ü. 
in  Vocabular.  37),  der  diese  Erklänmff  gegen  Ende  des  XTTT.  Jahrh.  wörtlich  ab- 
geschiieben,  nat  die  Beziehung  auf  die  Altamische  der  Kirche  nur  durch  Mifsverständ- 
nis  darin  gefunden.  —  Übrigens  ist  ^ucida*  als  Substantivum  im  mittelalterl.  Lateia 
nicht  nachgewiesen,  also  bei  Isidorus  nur  adjektivisch  zu  nehmen. 


48  Erkei-apsiden. 

solche  Nische  die  Mitte  des  Halbringes  der  Apsis  ein.  In  der  Abteikirche 
von  Alpirsbach  auf  dem  Schwarzwalde  ist  in  die  grofse  massiv  ansgemanerte 
Apsis  eine  kleine  rechteckige^  wiederum  mit  einer  Apsis  versehene  Kapelle 
hineingebaut  und  zu  beiden  Seiten  derselben  rundet  sich  in  der  Ausmaue- 
rung je  eine  kleine  Altamische  aus.  —  Im  XIU.  Jahrhundert  gestaltet  sich 
die  Apsis  häufig  in  fünf  Seiten  des  Achtecks,  im  Innern  jedoch  zuweilen  mit 
Beibehaltung  der  Halbkreisform.  —  Äufserst  selten  fehlt  der  Apsis  die  Halb- 
kuppelwOlbung  und  das  Halbkegeldach;  in  dem  Kloster  Petersberg  bei 
Dachau  (in  Oberbayern)  hat  die  Altamische  eine  flache  Holzdecke  wie  die 
ganze  Kirche.  —  Als  vorgekragter,  von  einer  Konsole  oder  Stfltzsäule  ge- 
tragener Erker  erscheint  die  Apsis  häufig  an  Kapellen  und  Oratorien ,  die  in 
einem  obem  Stockwerke  lagen.  So  bei  mehreren  der  oben  S.  23  ff.  u.  28  ff.  auf- 
gefOhrten  Karner  und  Michaelskapellen,  an  einer  Kapelle  im  Kreuzgange 
des  Petersklosters  zu  Salzburg  und  zu  Heilsbronn,  an  der  Karlskapelle  am 
Aachener  Münster  und  der  Schwanenordenskapelle  zu  Ansbach,  besonders 
häufig  bei  Burgkapellen  (z.  B.  der  Reichsfeste  Trifels  in  der  Rheinpfalz,  Lands- 
perg  im  Elsafs,  Hocheppan  in  Tirol)^  und  den  Kapellen  städtischer  Rathäuser 
und  Paläste.  Unter  den  ersteren  zeichnen  sich  aus  die  Johanniskapelle  am  Rat- 
hause zu  Breslau  (jetzt  „Fürstensaal'Oy  ^^^  zu  Kaden  in  Böhmen  vom  Ende  des 
XIV.  Jahrhunderts  (Abb.  Grueber,  m,  Fig.  119)  und  die  am  Altstädter  Rat- 
hause zu  Prag  von  1381  (Abb.  das.  Fig.  163);  von  letzteren  sind  als  romani- 
sche Beispiele  zu  nennen:  die  Kapellen  im  ehemaligen  Propsteigebäude  zu 
Aachen  (Abb.  Bock,  Rh.  Band  II,  t2,  Fig.  1),  im  ehemaligen  Kamperhof  (jetzt 
Schiachthaus)  zu  Köln  (Abb.  das.  1,6),  im  Saalhofe  zu  Frankfurt  a.M.  (Abb. 
Krieg  von  Hochfelden,  Milit-Architektur,  199  u.  265)  und  an  einer  Domherm- 
Kurie  zu  Naumburg  a, S.  (Abb.  Puttrich,  Ser.  Naumburg,  Taf.  27);  als  gotische: 
die  Kapelle  im  CoUegium  Jagellonicum  (Universität)  zu  Krakau  (Abb.  Essen- 
wo  in,  Krakau,  Taf.  65  u.  66),  zu  Kuttenberg  in  Böhmen  die  Wenzelskapelle 
im  sogenannten  Wälschen  Hofe  (Abb.  Grueber,  ü,  Fig.  247— 249),  die  ehe- 
malige Schlofskapelle  der  sogenannten  Alten  Burg  (Abb.  das.  lY.  Fig.  30)  und 
am  Bischofshause  von  1506  (Abb.  das.,  88  u.  89)  und  in  Prag  die  Kapelle  St. 
Cosmae  et  Damiani  am  Carolinum  (Universität,  Abb.  Grueber,  HI,  Fig.  164) 
und  im  Hofe  eines  am  Altstädter  Ringe  liegenden  Privathauses.  Auch  von 
den  charakteristischen  „Chörlein''  in  Nürnberg^  erweist  sich  ein  Teil  aljs 
Apsiden  von  Hauskapellen. 

Anmerkung.  Im  gotischen  Baustil  (seit  dem  XUI.  Jahrhundert)  hört 
die  Apsis  auf,  ein  organisch  gesondertes  Glied,  eine  selbständige  Vorlage  des 
Altarhauses  zu  sein,  und  der  aus  dem  polygonischen  Schlnfs  der  Seitenwände 
des  letzteren  sich  bildende  Altarraum  ist  lediglich  ein  integrierender  Bestand- 
teil des  hohen  Chores,  das  Allerheiligste  desselben. 

19.  Das  Altarhaus  enthält  in  dem  regehnäfsig  quadratischen  Räume 
an  beiden  Seiten  seiner  Langwände  die  Sitze  für  den  Chor  der  Geist- 


*  An  der  Schlofskapelle  zu  Hohbarr  im  ElsaCs  ist,  obgleich  ebenerdig,  doch  aus 
der  Chorapsis  noch  eine  kleine  dreiseitige  Altamische  über  den  Felsabhang  hinaus- 
gekragt (Abb.  bei  Kraus,  I,  lOl.  102). 

'  F.  Mayer,  die  interessantesten  Chörlein  in  Nürnbergs  mittelalterlichen  Gebäu- 
den.  (M.  24  Taff.)  Nürnberg  o.  J. 


Altarhaus.  49 

liehen  und  wird  deshalb^  durch  Übertragung  Chor  (chonut)^  wegen  seiner 
erhöhten  Lage  auch  hoher  Chor,  oder  presbyterwm  (d.  i.  Priesterraum), 
auch  sanctuanum  (d.  L  Heiligtum)  genannt  Der  Chor,  welcher  sich  zu- 
weilen über  das  Altarhaus  hinaus  weiter  westlich  auf  die  Yierung  aus- 
dehnt, ist  von  der  übrigen  tiefer  gelegenen  Kirche  durch  Schranken 
{cancelH)  oder  eine  niedrige  Wand  getrennt,  an  der  Westseite  häufig 
durch  einen  förmlichen  Querbau  mit  einem  Lesepulte,  welcher  Lettner 
{iectorium)  genannt  wird. 

Die  moderne )  von  Ferd.  v.  Quast  in  die  archäologische  Kunstsprache 
zuerst  elugefnhrte  Benennung  i^Al(arhaus<  beabsichtigt  lediglich  die  präcise 
Bezeichnung  des  betreffenden  Gebäudeteiles  und  ist  in  liturgischer  Hinsicht 
keineswegs  immer  mit  '»Chor<^  identisch,  da  letzterer  sich  häufig  nicht  auf 
den  Raum  des  Altarhauses  beschränkt.  Im  Dome  zu  Merseburg  (s.  den 
Grundrifs  S.  46)  und  in  vielen  anderen  Kirchen  mit  einer  zahlreichen  Geistlich- 
keit ist  die  Vierung  mit  zum  hohen  Chore  gezogen  und  von  den  tiefer  liegenden 
Kreuzarmen  durch  eine  Brüstungsmauer  getrennt;  in  der  Stiftskirche  zu 
Quedlinburg  und  im  Dome  zu  Speier  erstreckt  sich  der  erhöhte  Raum  der 
Oberkirche  selbst  über  das  ganze  Querschiff,  in  Speier,  als  Königschor  mit 
den  Kaisergräbem,  sogar  bis  weit  in  das  Mittelschiff  des  Langhauses.  In 
der  Klosterkirche  zu  Hecklingen  ist  gegen  alle  Symmetrie  aufser  der  Vie- 
rung nur  der  südliche  Kreuzarm  in  den  erhöhten  Chorraum  mit  aufgenommen, 
während  der  nördliche  Kreuzarm  mit  dem  Langhause  gleiches  Niveau  hat. 
Stets  aber  hat  der  im  Altarhause  selbst  belegeiie  Teil  des  Chores  eine  höhere 
Würde  als  eigentliches  Sanctuarium;  er  bildet  den  Oberchor,  dessen  Fufs- 
boden  um  eine  Stufe  höher  liegt,  als  der  die  Vierung  einnehmende  Unter- 
chor fttr  die  niederen  Kleriker.  Im  Merseburger  Dome  war  der  Oberchor 
{chorus  primus)  im  Altarhause  für  die  Stiftsherren  bestimmt,  der  Unterchor 
in  der  Vierung  fOr  die  Mönche  des  vorstädtischen  Peter sklosters,  welche  ge- 
halten waren,  an  gewissen  Festtagen  bei  dem  Gottesdienste  in  der  Kathe- 
drale mitzuwirken.' 

Während  in  älterer  Zeit  mit  seltenen  Ausnahmen'  das  Altarhaus  stets 
streng  quadratisch  entworfen  wurde,  band  man  sich  seit  dem  XUI.  Jahr- 
hundert an  diese  Regel  nicht  mehr  und  erlaubte  sich  häufig  Abweichungen, 
sowohl  durch  Verkürzung  (Dome  zu  Münster  und  Limburg  a.  d.L.,  Kloster- 
kirche zu  Zinna  etc.),  als  namentlich  durch  Verlängerung  des  Quadrates, 
welche  letztere  in  der  Zeit  des  gotischen  Stils  normal  wurde,  obgleich  in 
städtischen  Pfarrkirchen  (z.B.  zu  Magdeburg),, wo  oft  ein  sehr  kurzer  Chor- 
raum dem  Bedürfnisse  genügte,  auch  Beispiele  von  Verkürzung  vorkommen. 


'  Ä  coetu  canentium  clericorum.  Augusti,  Denkwürdigk.  XI,  386.  —  Daö 
Wort  chorus  (xoqoq)  bedeutet  ursprünglich  Rundttoiz,  Reigen,  dann  meton.  die  tan- 
zende ucd  singende  Schar,  der  Chor.  Im  Deutschen  kommt  für  das  Presbyterium  der 
Kirche  beides  vor:  der  Chor  und  das  Chor,  doch  ersteres  häufiger  und  schon  seit  dem 
XTTT.  Jahrb.,  letzteres  seltener  und  anscheinend  nicht  vor  dem  XYI.  Jahrhundert. 

2  N.  Mitt.  d.  Th.-8.  V.  VH,  3.  10. 

'  Die  Klosterkirche  zu  Hersfeld  (s.  8.  59)  aus  dem  XI.  Jahrh.  hat  ein  weit  über 
das  Quadrat  hinaus  verlängertes  Altarhaus. 

Otte,  Knntt-ArchKologle.    5.  Anfl.  4 


10  Chor. 

Bei  Eirchea  in  der  Grundform  des  Erenzea  gehört  im  Mittelalter  ein  gänz- 
liches Fehlen  des  Altarhauses,  bo  i^ta  die  Apsie  an  der  Viening  deg  Quer- 
lianses  liegt  and  die  Kirche  ein  T  bildet,  vie  diea  beim  Münster  zu  Strafs- 
burg,  bei  der  ehemaligen  Palsat-  (jetzt  evangel.)  Kirche  zu  Ingelheim  und 
bei  den  Kirchen  m  Twiste  (im  Waldeckischen)  und  zn  Idenaen  (zwischen 
Minden  nnd  Hannover)  der  Fall  ist,  wohl  zn  den  seltenen  Ansnahmen.  — 


FIi,  11.    Klreb*  n  Twlita  (swib  der  ZdtMhr.  Rlr  SiBwtHo). 

Die  ErbShung  des  Chorranmes  Ober  den  Fnrsboden  der  Dbrigen  Kirche  be- 
trägt zwar  oft,  und  namentlich  später,  nnr  eine  oder  zwei  Stufen,  ist  jedoch 
znweilen  sehr  bedeutend,  z.B.  in  St.  Gereon  znKölu  13,  in  der  Stiftskirche 
zn  Quedlinburg  16,  im  Dome  zn  Brandenburg  22  Stufen.  Bei  einer  beträcht- 
lichen Erhöhung  des  Chores  läfst  sich  stets  auf  Vorhandensein  einer  Krypta 
(s.  Anmerli.  2)  unter  demselbea  schliefsen.  —  Der  Schwibbogen,  welcher 
das  Altarhaiu  von  der  Vierung  scheidet  nnd  den  Eingang  in  da«  Sanctua- 
rinm  bildet,  wird  Fronbogen  oder  Triumphbogen  (arcut  ttiumphiiHi)  ge- 
nannt, weil  er  mit  einer  Darstellnng  des  triumphierenden  ErlSsers  geschmückt 
sn  sein  pflegte. 


t\g.  11.    L«ttD«r  Im  Deoi  n  Balbantadl  (luefa  Lneuu). 

Anmerkung  1.  Statt  der  einfachen  Schranken  errichtete  man  in  Stifts- 
nnd  Klosterkirchen  zwischen  Ohor  nnd  Schiff,  anscheinend  jedoch  nicht  vor 
dem  XIII.  Jahrhundert,  quer  durch  die  Kirche  oft  eine  ftlnnliche  Emporkirche 
ans  Stein  oder  Holz,  welche  mehr  oder  weniger  geräumig,  durch  eine  oder  zwei 
CNanmbui^,  Westchor)  enge  Wendel  stiegen  vom  Chore  aus  zugänglich  nnd  von 
offenen  Bögen  getragen  oder  mit  zwei  Durchgängen  versehen,  gewöhnlich  zur 
Vorlesung  des  Evangeliums  bestlnunt  war  nnd  deshalb  Lettner  (=  leclonum, 


Lettner.  51 

4.  i.  LeBepalt)  genannt  wurde.  ^  Wo  dergleichen  Querbflhnen  unter  dem  Namen 
OdeumoderDoxal  (nach  rheinischer  Mundart  T  o  x  a  I)^  wie  ehemals  in  St.  Maria 
auf  dem  Kapitol  zu  Köln,  oder  Singechor,  wie  im  Dome  und  in  der  Marien- 
kirche  zu  Lübeck,  vorkommen,  dienten  sie  auch  zur  Aufstellung  von  Sänger« 
Chören,  welche  mit  Begleitung  einer  kleinen  Orgel  liturgische  Gesänge  (Doxo- 
logieen,  d.  i.  Lobpreisungen,  woher  der  Name  Doxal)  ausführten.  —  Als  bild- 
nerischer Schmuck  finden  sich  an  den  Lettnern  die  Gestalten  des  Salvator  mit 
den  12  Aposteln  (z.  B.  Naumburg  Dom  Ostchor,  Münster  Dom,  daher  hier 
auch  der  Name„ApoBtelgang'')y  &n  clem  zu  Gelnhausen  Reliefs  mitScenen  des 
Weltgerichts,  an  dem  vor  dem  Westchor  zu  Naumburg  Christus  als  Weltrichter, 
und  zu  beiden  Seiten  Reliefs  der  Leidensgeschichte,  darunter  zwischen  und 
zur  Seite  der  zwei  Thüren  der  Crucifixus  mit  Maria  und  Johannes,  während  in 
der  Regel  das  Triumphkreuz  über  dem  Lettner  angebracht,  wohl  auch  wie  in 
Haina  und  Marburg  mit  der  Architektur  des  Lettners  unmittelbar  in  Verbin- 
dung gesetzt  ist.  An  ddn  spätgotischen  entfaltet  sich  ein  überaus  reicher  bild- 
nerischer Schmuck,  sowohl  an  Ornamenten  als  an  Heiligenfiguren  und  Reliefs 
aller  Art.  —  Ein  grofser  Teil  der  Lettner  wurde  bereits  zu  Ende  des  XVII.  und 
im  Laufe  des  XVIII.  Jahrhunderts,  um  den  Blick  in  den  Chor  freizumachen, 
teils  gänzlich  zerstört,  so  die  in  den  Domen  zu  Köln,  Mainz,  Strafsburg  (von 
letzterem  ist  wenigstens  Abbildung  erhalten,  s.  Kraus,  1,444)  und  in  der  Nikolai- 
kirche zu  Kaikar  erst  1818,  teils  bei  Seite  gesetzt,  letzteres  noch  in  neuester 
Zeit  die  zu  Basel,  Münster  und  Seligenstadt.  Erhalten  haben  sie  sich,  aus 
spätromanischer  Zeit:  zu  Maulbronn  (mitten  im  Langschiff  sehr  einfach, 
setzt  sich  in  niedrigen  Steinschranken  über  die  Seitenschiffe  fort  —  Paulus, 
Maulbronn,  Taf.  2  u.  Fig.  25) ,  in  der  kleinen  Wallfahrtskirche  Michaelsberg, 


<  Die  Entstehung  der  Lettner  wird  nicht  sowohl  aus  einer  arohitektonischen  Ver- 
bindung der  Ambonen,  sondern  eher  von  den  Brüstungswänden  abzuleiten  sein,  welche 
bedeutend  über  den  Fnlsboden  erhöhte  Krypten  gegen  das  Schiff  abschlössen  und  mit 
zwei  Bogenöffiiungen^  zwischen  denen  ein  Altar  st^d,  den  Eingang  in  die  Krypta  oder 
den  Aufj^g  zum  Chore  verstatteten,  wie  eine  solche  z.  B.  im  Kloster  Jerichow  noch  vor- 
handen ist  imd  im  Dome  zu  Brandenburg  jedenfalls  vorhanden  war.  Im  Lettner  des 
Ostchors  zu  Naumburg  liegt  dieser  Ursprung  deuÜioh  vor  Au^n,  auch  in  Wechsel- 
barg und  Bürgelin  scheint  es  ganz  ebenso  eewesen  zu  sein.  Die  charakteristische  Er- 
scheinung des  gotischen  Lettners  beschreibt  der  jüngere  Titurel  sehr  anschaulich  so 
(Text  nach  Zarncke): 

8t.  70:  Zwo  tür  viel  kostebare  in  ie  den  kor  da  aienaen; 

da  gwiscJien  ein  alt<ere  —  uzerhaJIb  darueber  kanset  Mengen 

geweitet  j  uf  swo  sjnnnelsiiü  gestoUet, 

ie  sfannelanc  gereifet ,  da  ttoischen  ie  mit  etmäerepaeh  ervoUet, 
St.  92:  Öeeimpzet  unagespinneli  di  kanzeln  warn  alumbe, 

vü  scnone  daruf  gezinnelt;  man  sach  in  cd  der  liewen  bogen  krumbe 

gwelf boten,  bihter,  meide,  pairiarke, 

martiree,  propheten:  ir  brtefe  eeiten  da  materje  starke. 

—  Über  den  Lettnerbau  des  Domes  zu  Königsberg  wurde  wesentlich  übereinstimmend 
im  J.  1333  urkundlich  fes^esetzt  (Qebser  u.  Hagen,  der  Dom  zu  Königsb.  I,  t08  ff.), 
dafo  zwischen  Chor  und  lürche  die  Zwischenmauer  nur  eine  Kute  hoch  und  vier  Ziegel 
dick  werden  solle;  da&  zwei  Thüren  durch  dieselbe  hindurch  von  der  Kirche  in  oen 
Chor  hineinführen  und  zwischen  ihnen  ein  Altar  zu  errichten  sei,  über  welchem  ein 
Gewölbe,  von  Säulen  eetragen,  eine  obere  Tribüne  bilden  solle  zur  Yerlesimg  des  Evan- 
geliums und  zur  Au&tellimg  der  Orgel  und  des  Predigtstuhles.  Vergl.  v.  Quast, 
Seitr.  zur  Gesch.  der  Baukunst  in  Preulsen.  m,  78. 


52  Lettner. 

O.-A.  Brackenlieim  in  Wflrttembei^,  nnd  im  Ostchor  des  Doms  in  N&um- 
bnrf  a.8.  (Puttrich,  Serie  Naumbni^,  Tsf.lOu.ll;  Förster,  Bauk,,  IV,8),  — 
frahgotiBche  eu  Friedberg  in  HeBSen  (Statz  und  Ungewitter,  Tof.  13&> 
Oelnhansen  (ungewitter,  Lehrbucli,  Taf.4S;  flg.  S9&,  896  —  Rnhl,  OeMude  des 
M.-A.  zu  O.,  Taf.  10,13,  M),  Eftina  (Stati  n.  ungewitter,  Taf.  116  n.  IIT,  Fig. 
I— B),  Lflbeck  im  Dome,  nrapiUnglich  hOchst  einfach  in  Ziegel mauerwerk  anf 
vier  Granitsänlen,  gp&ter  mit  einem  an fserord entlich  reich  geschnittten  h&l- 
zernen  Täfelwerk  oberkleidet  (Btatz  u.  Ungewitter,  Taf.  ?l3n,  SU,  Fig.  Su.9; 
besser:  Milde  in  PrüferB  Archiv,  H,  Taf.9),  Kanmbnrg  a.  S.,  im  Westchor  de» 
Doma  (Puttrich  a.a.O.,  Taf.  18a.  b.  c.  und  16  —  Förster,  s.o.  —  Altendorff 
im  Chr.  K.-Bt.  1871, 136) nnd  Seligenstadt  (Reste  jtIngBt  in  das  Tnnngewölbe  ver- 


Rl.  11.    LMUtr  Im  Don*  m  RuTilberf  (uMh  Adln), 

setzt),  —  ans  dem  XIV.  Jahrhnndert  zaBasel  in  derBar^fser  nnd  in  der  Pre- 
digerkirche, der  imHünster  (Förster,  Bauk.,  1,1),  jetzt  als  Unterbau  der  Orgel 
benutzt,  znOebveiler  in  der  ehemaligen  Dominikanerkirche,  mit  bedeutenden 
Wandmalereien  (Kraus,  II,  11t,  113),  zuHavelberg,  mit  reichem Skulptnren- 
Bchmnck  (Adler,  Baclcsteinb.,  I.,  Taf.  62,  Fig.4).  zn  Marburg  in  der  Klisabeth- 
kirche,  der  Statnenschmnck  meist  modern  (Abb.  auf  dem  Titalbilde  zu  Eolbe, 
EUsabethkirche),  znMeifsen  im  Dome  (Puttrich.  Serie  Moiben,  Taf.  9  u.  10),  ZQ 
Oberweael  in  der  Liebfrauenkirche  (Bock,  monument.  Rheinl.,  Ijef.3,  Taf.  b, 
Details  auf  Taf.  6,  auch  Bock,  Eheinl.  Baud.,  I,  J,  Fig.  ■!),  zu  Rothenburg  o.T. 
in  der  Franziskanerkirche  und  zn  Wetzlar  in  der  Stiftekirche  (Statz  und  Un- 
gewitter, Taf.  116  u.  12T,  Fig.  1—6),  — spitgotische:  zn  Altbreisach  im 
Münster,  BOnnigheim  bei  Besigheim,  ca.  1440,  Breitenan  in  der  Benedik- 
tinerkirche, Reste,  Kein  in  St.  Maria  auf  dem  Kapitel  (von  1524,  jetzt  ala 
Orgelbflhne  verwandt),  Efslingen  in  der  Rnine  der  Franziskanerkirche,  in 
Gestalt  einer  Kapellenreihe  (Heideioff,  Schwaben,  69  u.  Suppl.  I,  Taf.  6.  Rg.  4), 
and  in  der  Dionysiuekirche,  1486  von  Lorenz  Lechler  von  Heidelberg  (das. 
Taf.  VI,  Kg.  2), Haiherstadt  im  Dome  (B-O-Onrndrifs),  Kidrieb  (1864  gröfsten- 


Krypta.  53 

teils  erneaert),  Magdeburg  im  Dome  (Rosenthal,  lief,  m,  Taf.6),  Münster 
im  Dome,  1870  an  die  Seite  gesetzt  (ungenügende  Abb.  bei  Schimmel),  Stendal 
im  Dome  (Adler  a.  a.  0.,  Taf.  XXXIV),  Strafsburg  in  St.  Wilhelm  von  1485 
und  Tübingen  in  der  Stiftskirehe  um  1495.  Der  im  Dome  zu  Hildesheim 
stammt  erst  von  1546  xmd  bewegt  sich  bereits  ganz  in  Renaissanceformen ,  der 
im  Münster  zu  Freiburg  i.Br.  wurde  sogar  erst  um  1600  errichtet,  aber  1789 
in  zwei  Teile  geteilt  an  die  Nord-  und  Südwand  des  Qnerschiffs  yersetzt. 

Anmerkung  2.  Wie  man  in  Rom  seit  der  Zeit  Konstantins  über  den 
Märtyrergräbem  in  den  Katakomben  Kirchen  erbaute,  aus  denen  bis  ins  IX. 
Jahrb.  die  Pilger  in  die  geheiligten  unterirdischen  Höhlen  hinabstiegen,  so  legte 
man  im  Frühmittelalter  in  den  Ländern  diesseits  der  Alpen  unter  den  Kirchen 
höhlenartige  kleine  Kammern  an,  die  unter  sich  durch  schmale  Qänge  ver- 
bunden und  mit  Tonnenwölbungen  überdeckt  waren.  Die  Ähnlichkeit  dieser 
dunklen  und  völlig  schmucklosen  unterirdischen  Räume ,  wie  sie  sich  unter  der 
Klosterkirche  zu  Echtemach,  der  Petersberger  Kirche  zu  Fulda,  der  Kirche 
zu  Steinbach  (Michelstadt)  im  Odenwalde  und  der  Abteikirche  zu  Werden, 
sämtlich  von  höchstem  Alter,  erhalten  haben,  mit  den  Katakomben  erscheint 
unverkennbar.^  Andrerseits  legte  man  nach  altchristlicher  Sitte,  um  das  heil«- 
Abendmahl  über  den  Gräbern  der  Märtyrer  zu  feiern,  unter  dem  Hauptaltar, 
worauf  schon  die  Stelle  Apokal.  6,  9  hindeuten  könnte,  in  der  Regel  ein  kleines 
unterirdisches  Gewölbe  an  mit  dem  Grabe  eines  Märtyrers  (oft  des  Titelheiligen 
der  Kirche),  auf  welches  man  von  oben  herabschauen  konnte.  Aus  dieser  alt- 
christlichen  confessio  (tesHmormm^  memoria)  in  Verbindung  mit  jenen  kata- 
kombenartigen Anlagen  ist  die  mittelalterliche  Krypta^  (mundartlich  am 
Niederrhein:  Kruft,  in  Niedersachsen:  Kluft)  hervorgegangen,  die  sich  da- 
durch von  einer  gewöhnlichen  Totengruft  unterscheidet,  dafs  sie  einen  oder 
mehrere  Altäre  enthält.  In  der  alten,  im  Jahre  820  abgebrochenen  Kloster- 
kirche von  St.  Gallen  war  eine  Krypta  unter  dem  Chore,  und  in  dessen 
Fufsboden  eine  Öffnung  (fenesira)j  durch  welche  eine  auf  dem  Altare  bren- 
nende Lampe  ihr  Licht  auf  den  Altar  der  Krypta  warf,  die  jedoch  das  Grab 
des  heil.  Gallus  nicht  enthielt,  da  dessen  Steinsarg  in  der  Apsis  der  Oberkirche 
stand.^  Zwei  Fufsbodenöffhungen  von  achteckiger  Form,  durch  welche  Licht 
in  die  Krypta  fällt,  sind  auch  in  den  Seitenteilen  des  Chores  der  Münsterkirche 
zu  Essen  (von  1051)  angebracht  und  scheinen  ihr  Analogen  zu  finden  in  den 
Fnfsbodenöffiiungen  der  oben  (S.  26)  besprochenen  Doppelkapellen.  Beispiele 
von  Beerdigungen  in  den  Krypten  lassen  sich  aus  der  Frühzeit  mehrfach  nach- 
weisen, ebenso  Stiftungen  von  Seelenmessen  an  den  Altären  derselben,  und 
der  bei  den  Altären  in  den  beiden  Krypten  des  ersten  Domes  zu  Brixen  ange- 


*  Auf  diese  hat  zuerst  F.  Schneider  (Nassauer  Annalen.  1874,  127— 130)  auf- 
merksam gemacht  und  auch  andere  Beispiele  solcher  Anlagen  in  Ungarn,  Belgien, 
England  und  Frankreich  angeführt  Hinzuzufügen  ist  der  ganz  ähnliche  Torraum  vor 
der  Ervpta  der  Moritzberffer  Kirche  bei  Hildesheim,  welche  schon  1028  urkundlich 
erwähnt  wird.  Die  römiscnen  Katakomben,  die  zuletzt  im  IX.  Jahrh.  als  Andachts- 
stätten  gedient  hatten,  waren  damals  bereits  völliger  Vergessenheit  überlassen.  Vergl. 
Kraus.  Fz.  X.    Roma  sotterranea,  112. 

*  Über  Zweck  und  Bestimmung  der  Krypten:  C.  Haas,  in  Mittelalt.  K.-Denkm. 
des  Ost.  Kaiserstaats.  11,  lAl  f. 

>  Vergl.  Keller,  Baurils  des  Kl.  St.  Oallen,  9. 


64  KiyptÄ. 

stellte  Priester  vlrd  im  XI.  Jabrh.  kIs  »cusIos  septüchri«  eines  ventorbeneD 
BischofB  bezeichnet:'  man  ist  daher  zn  der  Annahme  berechtigt,  dafs  die 
Krypten  dem  Dienste  der  Toten  aosschlierslich  gewidmet  waren,  wobei  nnr 
die  spatere  allgemeine  Vemachlässigong  dieser  unterirdischen  Kapellen  anf- 
fallen  tnnTs,  wofttr  man  bis  jetzt  keine  andere Erkllmng  hat,  alsdafs  die  meist 
dnnkelen  Räume  derselben  seit  dem  XIII.  Jabrh.  dem  christlichen  Zeitgeiste 
nicht  mehr  entsprachen.*  Die  Cistercienser ,  in  ihrer  Abneignng  gegen  alles 
Entbehrliche,  scheinen  zuerst  dieErbannng  von  Krypten  aufgegeben  zn  haben. 


Fit-  M.    KmU  nnur  dtm  Dornt  FIr  IS.    Kr^pU  in  Jfrlclww  (nich  t.  MinntoU). 

VcTfl.  dra  Gmadria  dir  ob«-«  KIrcka  8.  U. 

Die  Krypta  liegt  unter  dem  erhöhten  Chorraum,*  je  nach  Örtlichen  Ver- 
hältniasen  mehr  oder  weniger  tief  in  der  Erde ;  die  ganz  oder  fast  ebenerdige 
Lage  in  der  Stiftskirche  zu  Quedlinburg,  zu  Naambni^  (Dom),  zu  Branden- 
burg (Dom),  Jerichow,  Lflbeck  (Katharinenkirche)  etc.  hatte  die  bedeutende 
Erhöhung  des  Chores  (s.  oben  S.  50)  zur  notwendigen  Folge.  Die  Beleuchtung 
der  tief  gelegenen  Krypten,  die  oft  nnr  ein  kleines  Fenster  in  der  Apsis  haben, 
ist  spärlich ;  jedoch  empfing  die  Krypta  unter  der  Klosterkirche  zu  Hersfeld 
durch  25  kleine  Fenster  reichliches  Licht,  und  auch  die  sich  zugleich  unter 
dem  Querhaose  erstreckende  weiträumige  Krypta  des  Domes  zu  Speier  hatte 
ursprünglich  18  Fenster.  Diejenige  der  Klosterkirche  zu  Jerichow  erhält  aufser 
durch  3  Fenster  in  der  Apsis  durch  je  zwei  weite  Bogenöffnungen  gegen  das 
Langschiff  und  die  beiden  Querschifffltlgel  sehr  reichliches  Licht,  und  dieselbe 
Einrichtung  hatte  ursprttngtich  die  des  Doms  zu  Brandenburg  mit  5  Fenstern 


'  Vergl.  Mitt.  C.-K.  1861,  72. 

)  Man  pll«gt  dafür  die  Worte  des  jungem  Titurel  anzuführen  (Zarncke,  St.  S2): 
"i  tie  da  hatten  grüfu?  Nein,  herre  gc 
it  ufider  erien  »lüfte  reine  diet  sieh  ii 
.  s  etwenne  in  grüften  teirt  geaammet. 
Man  toi  an  liehter  wite  Jcritten  gloubtn  kündtn  und  Krittes  ammet. 
'  Die  Anlage  einer  Krypta  an  anderer  Stelle  der  Kirche,  k.  B.  in  St  Caecilia  zu 
Köln  und  im  Domo  zu  KräliBU  am  Westende.  ist  seltene  Ausuahne,  und  die  Anord- 
nnne  zweier  Erjriten  findet  sich  häufig  in  den  doppelchörieen  Kirchen;  ver^.  An- 
jnerlnuiB  3.  —  la  der  Abteikirche  zu  Werden  erstreckt  sich  die  Krypta  unter  dorn 
Chore  der  Oberkirche  weiter  nach  Osten  als  dieser  und  liegt  hier  unter  eigener  nie- 
driger Bedachung;  ebenso  verhält  es  sich  mit  der  fiinfschiffigen  Krypta  der  AUtei-  (jetzt 
rfarr-)Kijclie  zu  Süstcm  in  Holland.  Limbui^. 


Krypta.  55 

in  der  Aspis.  —  D«r  Zagang  snr  Krypta  pflegt  in  der  Mitte  der  auf  den  Chor 
Alhrenden  beiden  Treppen,  oder  wenn  nnr  eine  Treppe  qner  Aber  die  ganze 
Breite  der  Kirche  anf  den  Chor  fahrt,  in  den  Erenzannen  oder  Seitenschiffen 
angebracht  zu  sein.  Die  Decke  ist  stets  gewJJlbt,  und  die  WOlbnng  wird  von 
zwei  Reihen  S&ulen  oder  Pfeiler  getragen,  die  das  Innere  in  drei  Schiffe  von 
gleicher  Breite  teilen ;  die  Krypten  unter  der  Klosterkirche  zu  Jerichow,  dem 
Dome  zu  Brandenburg  und  der  Stiftakirche  zn  Einbeck  indes  haben  nnr  eine 
mittlere  Sftnlenreihe  nnd  sind  daher  zweischifßg.  Füni^chifSg  dagegen  ist  die 
Krypta  nnter  dem  Westchore  von  St.  Emmeram  zu  Segensbnrg,  und  die  nach 
einem  Brande  1475  spätgotisch  umgebaute  der  Nonuberger  Kirche  zu  Salzburg 
hat  sogar  sieben  Schiffe,  von  denen  das  mittelste  und  die  ebenso  breiten  äufser- 
sten  breiter  sind  als  die  unter  sich  gleich  breiten  ttbrigen  vier.  Als  häufig 
wiederkehrende  Einrichtung  kann  die  Anordnung  einer  rings  an  den  Wänden 
umlaufenden,  stnfenartigen  Steinbank  angefllhrt  werden. 

Seit  dem  Ende  des  XIII,  Jahrb.  wnrden  Krypten  nur  noch  ausnahmsweise 
angelegt,'  kommen  aber  bis  dabin  unter  den  meisten  grOfseren  Kirchen  vor ; 
die  älteste  von  allen  ist  wohl  der  sogenannte 
Altarkeller  im  ehemaligen  Wipertikloster  zu 
Quedlinburg,  die  kleinste  die  zu  St.Pantaleon 
bei  Enns  in  Österreich  (einschl.  der  Apsis 
4,42  lang,  3,46  breit,  2,34  hoch,  Flächenge- 
halt etwa  15  qm),  die  gröfste  die  des  Doms 
zu  Speier  (ca.  827qm)Qnddiemerkwardigste 
die  hnndertsänlige  zu  Ourk. 

Anmerkung  3.     Besondere  Aufmerk- 
samkeit verdienen  die  sogenannten  d  o  p  p  e  1  ■     "«■  "■  ^"t**  "  °"^  (""''  '■  "1^'>- 
chdrigen  Kirchen,*  die  in  Dentschland,  wo  sie  aufser  wenigen  Beispielen 
in  Frankreich  (Nevers,  Verdnn,  Besanfon  und  Nivelles)  nnd  England  allein 
vorkommen,  vom  IX.  bis  zum  XIL  Jahrh.  so  beliebt  waren,  dafs  man  diese 


'  Als  solche  Ausnahmen  sind  zu  nennen  die  bedeutendea  Eryplenanliigen  im 
Michaelskloster  zu  Lüneboi^  von  1379  und  in  der  Nikolaikirche  das.  von  1409,  in  der 
Piaristenkirche  zu  Krems  von  1477,  zu  Heiligenblut  in  Kämthen  von  I4S3  und  zu 
Ober-Velloch  von  1509.    In  Hildesheim  erbauten  die  Brüder  des  gemeiDsamen  Lebens 


uuter  ihrer  Kirche  auf  dem  Lichtenhof  1472  eine  Krypta  der  h.  Maria  Die  meisten 
kryptenartigen  Anlagen  der  späteren  Zeit  sind  von  vomnorein  Totengrüftc,  so  die  in  der 
Manenburgvon  1335,  zu  Manenwerder  von  1343,  zu  Erfurt  im  Dome  von  1349  und  in  der 
Frauenkircne  zu  München  von  146t! ;  ebenso  die  zahlreich  vorkommenden  unterden  Apsiden 
s|iät  gotischer  österreichischer  Kirchen,  die  geradezu  die  Stelle  der  früheren  Katner  ver- 
treten, als  solche  schun  daran  erkennl;ar,  dafs  sie  nur  von  aulsen  zugänglich  sind.  Auch 
andere  unterirdische  Kapellen  aus  syiät»r  Zeit,  z.  B.  unter  der  Petri-Paulikirche  zu  Gör- 
litz aus  dem  XV.  Jahrh.,  Itönnen  nicht  ais  eigentliche  Krypten  zählen,  wie  es  unent- 
schieden bleibt,  ob  in  den  im  allgemeinen  sehr  selten  vorkommenden  zwciatöckigen 
Kirchen  (z.  B.  Kloster  Oöllingen  in  Thüringen,  heil.  Kreuzkirche  zu  Breslau)  das  Erd- 

Seschols  die  Bestimmimg  als  Krypta  gehabt  haben  mag.  Besonders  merkwürdig  ist 
ie  Salvatorltircho  in  Passau,  welche  aus  drei  über  einander  liegenden  Räumen  betneht, 
und  die  in  ihrer  gegenwärtigen  Gestalt  allerdings  erst  dem  XvH.  Jahrb.  ai  '  "  ' 
aber  eine  uralte  AnWo  darstellende,  zneigesehossig  znm  grölaten  Teile  in 
gehauene  Salvatorkirche  zu  Schwäbisch -Gmünd. 


56  Doppelohöre. 

Anlage  für  jene  Zeit  bei  gröfseren  Kirchen  geradezu  als  Norm  bezeichnen 
darf.  Sie  sind  stets  zwei  besonderen  Titelheiligen  gewidmet  und  stellen  sich 
als  zwei  Kirchen  mit  einem  gemeinschaftlichen  Langhause  dar,  von  denen  die 
eine  das  Sanctoarium  (mit  oder  ohne  Apsis,  und  mit  oder  ohne  Krypta)  am 
östlichen  Ende  hat,  die  andere  am  westlichen,  so  dafs  ihre  Einrichtung  ge- 
wissermafsen  als  Vermittelung  erscheint  zwischen  dem  oben  (S.  14)  erwähnten 
alten  Schwanken  in  der  Aufstellung  des  Hochaltars,  ob  in  Osten  oder  in  Westen. 
Gewöhnlich,  aber  nicht  immer,  ist  der  östliche  Chor  der  Hauptchor,  welcher 
als  solcher  schon  durch  die  Anordnung  des  Querschiffes  vor  demselben  (im 
Dome  zu  Bamberg  z.  B.  aber  vor  dem  Westchor  St.  Petri,  als  ursprünglichem 
Hauptchor  ^)  bezeichnet  wird,  wenn  nicht,  wie  in  St.  Michael  zu  Hildesheim, 
zwei  Querschiffe  beliebt  sind. 

Den  Ursprung  der  Westchöre  '  hat  man  in  der  fränkischen  Benediktiner- 
abtei Centula  (St.  Riquier)  bei  Abbeville  in  der  Diöcese  Amiens  zu  suchen, 
wo  Abt  Angilbert  798  eine  neue  Kirche  baute,  deren  östliche  Apsis  mit  dem 
Grabe  des  Klosterstifters  S.  Richarius  diesem  geweiht  war,  während  dem  ur- 
sprünglichen Titelheiligen  S.  Salvator  der  Westchor  zugeteilt  wurde.  Von  hier 
fand  vermutlich  die  Übertragung  nach  den  deutschen  Benediktinerklöstem,  und 
zwar  zunächst  nach  Fulda  ^  statt,  wo  die  erste  von  Bonifatius  dem  Salvator 
geweihte  Kirche  bereits  von  dem  ersten  Abt  Sturm  mittelst  Ersetzung  der  Wände 
durch  Säulen  erweitert  worden  war.  Diesen  Bau  erweiterte  der  zweite  Abt  Bau- 
gulf  durch  Errichtung  eines  Tempels  an  der  Ostseite  mit  Hilfe  des  baukundigen 
Ratger,  und  letzterer,  selbst  Abt  seit  803,  fägte  einen  ähnlichen  grofsartigen 
Bau  an  der  Westseite  hinzu,  so  dafs  das  Ganze  eine  Kirche  bildete ;  der  fol- 
gende Abt  Eigil  legte  darin  zwei  Krypten  an,  die  eine  im  westlichen,  die  an- 
dere im  östlichen  Bau,  und  bei  der  neuen  Weihe  des  Ganzen  819  wurden  die 
Gebeine  des  Bonifatius  in  den  westlichen  Bau  übertragen.  Bei  der  hohen  Ver- 
ehrung, deren  dieses  Grab  genofs,  erlangte  der  Westchor  den  höheren  Rang 
und  wurde  bei  dem  letzten  Neubau  des  Domes  zu  Anfang  des  XVHI.  Jahrh. 
allein  erneuert.  Das  nächste  Beispiel  liefert  der  Bauplan  des  Klosters  St.  Gallen 
vom  Jahre  820  (s.  Fig.  17),  wo  die  Kirche  bereits  mit  zwei  Chören  entwor- 
fen ist.  Der  östliche  Chor  T^sancta  sanctorum^  stufenerhöht,  mit  einer  Krypta 
unter  dem  Querschiff  vor  demselben,  enthält  in  der  Mitte  über  dem  Grabe  des 


*  Gie  sehr  echt,  W.,  Gesch.  d.  deutsch.  Eaiserz.  4.  Aufl.  ü,  62  u.  599.  Auch 
in  den  doppelchörigen  Kirchen  St.  Emmeram  und  Obermünster  zu  Regensburg  liegt 
das  QuerBcniff  im  Westen.  —  Rothlauf,  Welcher  Altar  im  Dom  zu  Bamberg  galt 
ursprünglich  als  der  Hauptaltar,  und  welcher  der  beiden  Chöre  als  der  Hauptchor?  im 
35.  Ber.  des  hist  V.  für  Obeifranken  zu  Bamberg  1873. 

'  Die  Beispiele  aus  der  alten  nordafrik an i sehen  Kirche,  die  Basilika  zu  Ennent 
(Hermonthis)  in  Ägypten  mit  zwei,  dem  mdlinig  geschlossenen  Ost-  und  'Westende  ein- 
cebauten  Conchen,  und  die  Basilika  des  Keparatus  zu  Orleansville  in  Algier,  wo  das 
Grab  eines  Bischofs  im  V.  Jahrh.  die  Veranlassung  zum  Einbau  einer  zweiten  west- 
lichen Concha  gab,  sind  selbstverständlich  ohne  EinfluTs  auf  die  Entwickelung  in 
Deutschland.  Der  etwaige  Zusammenhang  mit  älteren  Yorbildem  in  Encland,  wo  die 
um  675  erbaute  Kirche  zu  Abbendon,  am  West-  und  Ostende  rund,  wonl  beiderseits 
mit  einer  Concha  versehen  war,  muTs  dahingestellt  bleiben.  Yergl.  Otte,  Bauk., 
33,  143—273. 

3  Yerg;l.  über  die  Baugeschichte  von  Fulda:  Gegenbauer,  Jac.,  das  Grab  König 
Konrad  I.  in  der  Bas.  zu  F.  (Gymnas.-Progr.  Fulda  1881). 


Doppelchöre.  57 

hräl.  Oftllns  einen  diesem  und  der  Jnng^fran  Maria  ^widmeten  Altar  nnd  in 
der  Exedra  (Apais)  einen  Altar  des  Ap.  PanlOB,  welctier  der  Titelheilige 
der  bis  dahin  bestandenen  Kloaterkirche  geiresen  war;  der  westliche  Chor 
»Chorus*  erscheint  nntergeordnet,  ohne  Krypta  nad  deshalb  nicht  erhobt,  und 
in  der  Exedra  ateht  ein  Altar  des  heil.  Petrus,  dem  jene  Kapelle  gewidmet  ge- 
wesen war,  ringB  um  welche  der  heil.  Oallos  die  ersten  Zellen  zweihundert 
Jahr  froher  errichtet  hatte.'  So  veremigte  die  nenprojektierte  Kirche  die  beiden 
fraheren  Eeiligtllmer  des  Klosters  anter  einem  Dache  nsd  reprAsentierte  die- 
selben in  den  beiden  ChOren.  Gleichzeitig  wurde  za  KCln  ein  nener  Dom,  und 
nicht  auf  der  Stelle  des  frflheren,  mit  zweiCbSren  erbant,  von  denen  der  Ost- 
liche dem  heil.  Petnu  (vielleicht  als  Patron  der  bisherigen  bischöflichen  Kirche), 


Fl(.  IT.    KlntH  TOB  St.  Olli«  (oHta  lUra  Biiulb  Tom  t.  SK). 

der  westliche  der  heil.  Maria  geweiht  war.'  —  ImX.Jahrh.wnrde  der  Bischofs- 
sitz in  Sähen,  dessen  Patron  der  heil.  Ingenuin  war,  nachBrixen  verlegt,  nnd 
der  daselbst  nen  errichtete  doppelchörige  Dom  dem  genannten  Heiligen  nnd  dem 
orspranglichen  Briiener  Patrone  Petms  dediciert,^  nnd  dieselbe  Veranlassung 
zur  Errichtnng  eines  Westchores  mag  sich  Öfter  gefunden  haben,  wo  Bischofs- 
sitze verlegt  wurden  (wie  der  von  Zeitz  nach  Naumburg  im  XI.  Jahrb.),  oder 
wo  n€ne  Stiftungen  hei  bereits  vorhandenen  fttteren  Kirchen  stattfanden  und 
dies  Anlafs  zu  einem  Neubaue  gab.  So  erklärt  es  sich  ancfa,  dab  in  vielen 
Fallen  der  Ostchor  dem  Stifte,  der  Westchor  der  Pfarrgemeinde  überwiesen 
wurde,  das  Gebäude  alau  zwei  Kirchen  in  sich  vereinte.  Wo  in  den  Kirchen 
von  Nonnenklöstern  (Essen)  oder  Dop pelkl Ostern  (Huysebnrg)  die  Westapsis 
eine  Empore  enthielt  oder  mit  ihr  in  Verbindung  stand  (GemTode,  S.  Michael 
zu  Hildesheim),*  ist  die  Beatimmung  fhr  den  Chordienst  der  Schweaterschaft 

'  Otte,  Banh.,  94  f. 

»  Ebd.,  92. 

»  Mitt.  C.-E.   1861,  VI,  71. 

'  Hier  wurde  im  XV.  Jahrh.  nach  langst  erfolgter  Aufhebung  des  Nanueakonvents 
der  Westchor  zu  den  Abendandacht«!!  der  MöDche  benutzt,  woraus  J.  M.  Xraatz 
(Wozu  dienten  die  Doppelchore  in  den  alten  Eathedral-  etc.  Kirchen?  Eildesheim  1BT7) 
gefolgert  hat,  dab  letzteres  allgemein  die  m^prüngliche  BoBtimmong  der  Weetohöre 
geweseD  sei.  Jedoch  ist  der  Beweis  hierfür  nicht  erbracht.  Die  wahrscheinhch  an 
Stelle  einer  ehemaligen  WestapsiB  (verrf^  R-  Lepaius,  Einl.  zu  Gallyknight.  Ent- 
wickelang der  Architektur,  33)  im  XVI.  Jahrb.  umEebaute  Vorhalle  des  Merseburger 
Doms  wmxle  vielmehr  zur  Abaingung  iei'hyntni  anteUicanit  bOHtimmt.  Holtzinger, 
a  a  D.,  29  sagt  mit  Becht:  >Auf  einen  einheitlichen  Zweck  lüM  sich  die  An- 
lage der  Doppdchöre  bei  den  verschiedenen  UoDomenten  nicht  Eurückfühien.i 


58  Doppelchörige  Eircbeu. 

keinem  Zweifel  unterworfen  und  ferner  erklAriich,  daTe,  nachdem  das  anfwln- 
dige  doppelchSrige  Schema  erat  einmal  aufgekommen  war,  die  grofae  BaiüuBt 
der  Prälaten  des  XI.  Jahrb.  sich  in  der  Nachahmung  desaelben  gefiel,  nnd  die 
Anlage  eines  westlichen  Chores,  als  besonders  ausgezeichneter  Kapelle  zu 
Ehren  irgend  eines  beliebten  Heiligen,  willkommen  erschien. 


Doppelchörige  Kirchen  in  alphabetischer  Reihenfolge: 

Arnsteia  a.  Lahn  Klosterkirche,  Dome  zn  Augsbnrg,  Bamberg, 
Basel  ehemals,  Bonn  Münster,  Dome  zu  Bremen,  Brixen  ehem.,  Drfl- 
beck  Klosterkirche,  Eichstädt  Dom,  Essen  Htlnsterkirche ,  Fnlda  Kloster- 
kirche ehemals,  St.  Gallen  Plan,  Gernrode  Kloaterkirche,  Goslar  Dom 
ehemals,  Hersfeld  Abteikirche,  Hildesheim  St.  Godehard  und  St.  Michael, 
HuysebDrg  Klosterkirche,  Dom  zu  Köln  ehem.,  Abteikirchen  zu  Knecht- 
stedeu  und  Laach,  Lüttich  S.  Cnicis  und  St.  Jakob,  Mainz  Dom  und 
St.  Stephan,  Merseburg  Dom  (ehemals?),  Mltneter  Dom,  Nah  bürg  Kirche, 
Nanmburg  Dom,  Nttrnberg  St.  Sebald,  Regensburg  St.  Emmeram  nnd 
ObermUnster,  Reichenan  Mittel-,  Ober-  ehm.  auch  Unterzell,  Rothenburg 
ob  d,  T.  St.  Jakob,  Dome  zu  Speier,  Trier,  Verdun  und  Worms.  —  Die 
späteste  Anlage  dieser  Art  ist  der  im  XV.  Jahrh.  errichtete  westliche  Stiftschor 
der  Katharinenkircbe  zu  Oppenheim,  deren  älterer  Bau  einen  solchen  nicht 
gehabt  zu  haben  scheint.  Westliche  Polygonschlflase  späte  stgo  tisch  er  Kirchen 
(z.  B.  Artern  St.  Marienkirche,  Embsen  und  ehemalige  Klosterkirche  zu  Me- 
dingen  im  Lflneburgischen,  St.  Wenzelskirche  zu  Nanmburg  a.'S.,  Pfarr- 
kirche zn  RSmhild)  sind  keine  WestchOre  im  kirchlichen  Sinne,  sondern  nnr 
eine  ban meisterliche  Laone. 

20.  Das  Querbaus  ist  derjenige  Teil  des  Kircbengebäiides,  welcher 
demselben  die  Ereuzgestalt  rerleiht,  und  wird  deshalb  auch  das  Kreuz 
genannt:  es  besteht  aus  dem  Kreuzmittel  (meditullium)  und  den  bei- 
den Kreuzarmen  [plaga  septentriimaHs  und  pttiga  australts)  und  bildet, 
■wenn  der  hohe  Chor  auf  das  Altarhaus  beschränkt  ist,  innerlich  einen 
freien  Raum,  das  Querschiff  (ft-aiumna);  andernfalls,  wenn  das  Kreuz- 


Querhaus. 


59 


mittel  zum  hohen  Chore  gezogen  und  von  Scheidewänden  abgeschlossen 
ist  (wie  im  Dome  zu  Merseburg,  s.  den  Grundrifs  S.  46),  erscheinen  die 
Kreuzarme  (transepta)  als  abgesonderte  Seitenkapellen. 

In  der  alten  Earche,  welche  nur  dieApsis,  nicht  aber  das  spätere  Altar- 
haus kannte,  lag  das  von  Schranken  umzogeneAllerheiligste,  mit  dem  Altar 
in  der  Mitte,  am  Ende  des  Langhauses,  und  die  beiden  rechts  und  links 
Yon  den  Schranken  befindlichen  Räume  (transepta)  waren  für  besonders 
geehrte  Gemeindeglieder  bestimmt:  der  sttdliche  (jsenatorium)  ftlr  die  obrig- 
keitlichen Personen,  der  nördliche  {maironaeum)  ffir  die  Matronen.  Aus 
dieser  Anordnung  ging  dann  anscheinend  nicht  ohne  Einfluss  der  Symbolik 
(s.  0.  S.  20)  das  Querhaus  der  Kirche  hervor,  welches  indessen  anfangs  nur 
über  die  Breite  des  Langhauses  reichte  und  der  späteren  über  dieselbe  hin- 
austretenden Vorlagen  entbehrte ,  doch  fehlen  letztere  auch  im  Mittelalter 


Fig.  19.    GrandriCi  der  Klosterkirche  xu  Herafeld  (nach  y.  Qaait). 

zuweilen,  z.  B.  an  der  Stiftskirche  zu  Gernrode,  wo  das  Querhaus  nur  um  eine 
Manerdicke  über  das  Langhaus  vortritt,  oder  an  den  Domen  zu  Gurk  und 
Regensburg,  wo  es  mit  den  Seitenwänden  des  Langhauses  in  derselben 
Flucht  liegt.  Normal  besteht  das  Querschiff  aus  drei  Quadraten,  welche 
durch  hohe  Gurtbögen  von  einander  geschieden  werden,  und  das  Vortreten 
der  Kreuzflügel  über  das  Langhaus  beträgt  Ve  der  ganzen  Länge  des  Quer- 
hauses; es  vermindert  sich,  wenn  die  Seitenschiffe  des  Langhauses  breiter, 
und  vergrössert  sich,  wenn  sie  schmaler  angenommen  sind,  als  die  Regel 
mit  sich  bringt.  Das  Maximum  in  der  räumlichen  Abmessung  zeigt  das 
Querhaus  der  Klosterkirche  zu  Hersfeld  und  zwar  innerlieh  um  so  wirkungs- 
voller, als  hier  die  bei  einer  Kirche  mit  flacher  Holzdecke  nicht  konstruktiv 
notwendigen  trennenden  Gurtbögen  weggelassen  sind  (was  öfter  vorkommt 
z.  B.  in  den  Stiftskirchen  zu  Gemrode  und  Quedlinburg,  in  der  Kloster- 
kirche zu  Frose  und  in  der  Neumarktskirche  zu  Merseburg  etc.),  das 
Ganze  also  ein  völlig  freies  Schiff  bildet.  —  Die  Anordnung  zweier  Seiten- 
schiffe an  der  östlichen  und  westlichen  Seite  des  Querhauses  im  Dome  zu 
Köln  und  in  der  Marienkirche  zu  Danzig  (wo  jedoch  dem  nördlichen  Flflgel 
das  östliche  Seitenschiff  fehlt)  verstärkt  die  Wirkung  dieser  grofsartigen 
Gebäude.   Häufiger  kommt  nur  ein  Seitenschiff,  und  zwar  an  der  Ostseite 


JO  Drei  -  Conchen  -  Anlage. 

der  Ereazanue  vor,  s.  B.  ua  Dome  sn  Stendal  und  besondeiB  bei  den  Cister- 
cienserD,  wetchea  jedoch  gevShiilich  dnrch  eine  Scheidewand  innerlich  in 
zwei  Kapellen  geteilt  ist.  —  Die  apsidenfSmiige  Bildung  der  beiden  Fronten 
des  Qnerhaosee  im  Halbmad  oder  Halbpolygon,  die  s.  g.  Drei-Conchen- 
Anlago,  iat  nach  dem  Hneter  der  Kirche  Maria  anf  dem  Kapitel  in  K91n  in 
dieser  Stadt  nnd  am  ganzen  Kiederrhein  bis  ins  Xlll.  Jahrh,  beliebt  nnd 


Ptf.  so.    B(.  >Uri>  IBt  dem  Elpltsl  In  Ktln  (Diiiiti  BoluerA). 

findet  sich  anabhltngig  von  diesem  Lokale  auch  an  der  Stiftskirche  zu  Bücken 
mit  mndem  und  an  der  Äugustinerkirche  zu  Brfinn,  der  h.  Ereuzkirche  zu 
Breslau,  der  Elisabethkirche  zu  Marburg  und  der  von  dieser  beeinflufsten 
Pfarrkirche  zn  Frankenberg,  der  Äpollinariakirche  zu  Sadzka  in  Böhmen 
und  unvollständig  an  der  Marienkirche  zu  Rostock  in  Polygonschl Oasen. 

Dns  Querhaus  iat  kein  unentbehrlicher  Teil  der  Kirche,  weshalb  es  bei 
den  (einschiffigen)  Landkirchen  wegbleiben  durfte  nnd  hier  nur  ausnahms- 
weise vorkommt,  z.  B.  zu  Grofsen -Linden  bei  Qiefsen,  zu  Wiesenburg  bei 
Beizig,  Hohenlohe  bei  Merseburg,  S.  Veit  in  Artem,  mehrfach  in  Böhmen 
(Hostivar,  Tiamitz,  St.  Jakob  bei  Kuttenberg)  und  in  westfälischen  Nonnen- 
klöstern (Vreden,  Asbeck,  Ösede,  Fröndenbei^);  in  Sfiddeutschland  indessen 
sind  Kreuzkirchen  die  Ausnahme,  und  das  Fehlen  des  Querhauses  bildet 
schon  in  Siterer  Zeit  auch  bei  grCfeeren  Kirchen  die  Regel :  Dome  zu  Sekkau 
und  zu  Gurk  (nach  ursprünglichem  Plane),  Mich&eliskirche  zu  Altenstadt 
bei  Schongau,  Stiftskirche  zu  IlmmOnster  a.  d.  Um,  Klosterkirche  zuThier- 
haupten  etc.  Wie  bereits  oben  S.  20  bemerkt,  fand  die  Krenzform  der  Kir- 
chen seit  etwa  der  zweiten  Hälfte  des  Xlll.  Jahrh.  bei  neuen  Anlagen  Über- 
haupt nur  noch  seltene  Anwendung. 

Die  znweilen  vorkommende  Anlage  iweier  Qaerhinser,  eines  vor  dem 


Sstlicheo,  du  andere  vor  dem  westlichen  AlUrhanse  (HichaeliBkirche  in 
Uildesfaeim,  Abteikirche  za  Luch,  Dom  en  Mflnster)  erkUrt  sich  ana  der 
doppelcharigen  Anlage  der  betreffenden  Kirchen  (a.  oben  S.  55  Anmerk.  3), 


Flf .  II.    KreuUnti»  in  BtmIwi. 


sowie  die  Anordnung  nar  eines  Qaerhanses,  abervordem  Westchore  (B.oben 
ebd.)  daraus,  dafa  dieser  uraprttnglich  der  Hanptchor  gewesen  sein  wird. 


Flf.  n.   Don  in  BaUun  (lucb  dtn  OiMn.  AUu). 

Anmerkung.  An  der  Ostaeite  des  Qnerschiffa  finden  sich  in  manchen 
Gegenden  Deutschlands  fast  regelmärsig  (etwa  bis  sur  Hitte  des  XIII.  Jahrh.) 
als  paaeeoder  Abachlnls  der  Seitenschiffe  des  Lai^hanses  zwei  kleine  Neben- 
tribnnen  (conchulae,  apsidtolae;  vergt.  den  Ornndrifs  des  Domes  zn  Merse- 


Q2  Nebentribünen.    Langhaus. 

bürg  S.  46  unter  z),  welche  zwar  eigentlich  im  Oriente  heimisch  sind,  aber 
doch  auch  schon  an  der  Kirche  des  Panlinns  von  Nola  imV.Jahrh.  vorkommen.^ 
Sie  dienen  in  den  mittelalterlichen  Kirchen  Deutschlands  zur  Aufstellung  von 
Altären,  werden  auch  in  verdoppelter  Zahl  (in  den  Benediktinerbauten  des 
XII.  Jahrh.  zu  Bosau,  Breitenau,  Dissibodenberg,  Ellwangen,  Königslutter, 
Paulinzelle,  Wimmelburg  und  in  St.  Ulrich  zu  Sangerhausen)  und  mit  Vor- 
legung von  viereckigen  Räumen  (häufig  bei  den  Cisterciensern,  paarweise  und 
seitenschiffartig  die  ganze  Breite  der  Kreuzvorlage  einnehmend:  Zinna,  Loc- 


Flg.  SS.    KlMtorklrohe  sa  Paalinselle  (nach  Pattrieh). 

cum  etc.)  als  vier  abgesonderte  Kapellen  angebracht.  —  In  den  Domen  zu 
Magdeburg  und  Speier  finden  sich  die  Nebenapsiden  als  Eintiefungen  in  der 
geraden  östlichen  Schlufswand  der  Kreuzvorlagen.  —  In  gotischen  Kirchen 
erscheinen  die  früheren  Conchuiae  (z.  B.  am  Dom  zu  Regensburg  etc.)  als 
polygonisch  geschlossene  Nebenchöre,  die  zuweilen  dem  Hauptchore  nicht 
parallel,  sondern  schräg  nach  aufsen  tretend  angeordnet  sind  (Stadtkirche  zu 
Ahrweiler;  am  Dome  zu  Xanten  den  verdoppelten  Seitenschiffen  entsprechend 
zu  zweien  auf  jeder  Seite). 

21.  Das  Langhaus  (exterior  domus)^  d.  h.  das  Schiff  {navis  — 
also  benannt  von  der  länglichen  Oestalt)  mit  seinen  Seitenschiffen 
(Abseiten,  poriicus,  latera)  ist  als  der  weiteste  Raum  der  Kirche  für 
die  Gemeinde  bestimmt,  wobei  nach  alter  Sitte  eine  Trennung  der  Oe- 
schlechter  statt  fand,  so  dafs  entweder  die  Männer  die  Südseite,  die 
Frauen  die  Nordseite  eiimahmen,  oder  die  Männer  vom,  die  Frauen 
hinten  standen.* 


*  Paul  in.  ep.  32  ad  Severam  n.  13:  cum  duabus  dextra  laevaque  conchülü  .  . . 
apsis  . . .  Itucetur;  una  earum  immolanti  hosHas  jiibüatumis  antiitUi  patet,  aUera 
po8t  sacrificiumf  capaci  sinu  recefiat  arantea.  —  Die  conchula  a  dextra  apsidis 
(die  orientalische  nQo^^ci^  beschreibt  er  (Poem.  27  y.  180  sqq.)  also: 

Eic  locus  est  veneranda  penue,  ^ua  condüur^  et  qua 
Promüur  alma  nacri  pampa  mtnisterii. 

Die  conchula  a  sinistra  apeidie  (das  diaxovaeov)  mit  der  Überschrift: 

St  quem  sancta  tenet  medüandi  in  lege  voluntas, 
Hie  poterit  residena  sanctis  intendere  libris, 

Vergl.  Rhein wald,  Archäologie,  137. 

*  Durandus.  I.  1  n.  46:  Masculi  in  australi,  foeminae  auiem  in  horeali parte 
manent,  —  n.  47:  Secundum  aUos  vero  viri  in  parte  anteriori,  mulieres  in  poste* 
riori  parte  manent,   —  Da  die  Cistercienserkirchen  von  keiner  Frau  betreten  werden 


Hauptschiff  und  Seitenschiffe.  g3 

Die  Bezeichnung  des  Langhauses  als  ^exierior  domus^  findet  sich  bei 
Sidonius  ApoUinans{^  482),  cp.  4,  18.^  —  Dafs  der  Name  Schiff  {vavg, 
navis)j  auf  das  Kirchengebäude  angewandt,  sich  zunächst  auf  die  längliche 
Fonn  bezieht,  geht  aus  Const.  apostol.  2,  57  (s.  oben  S.  20  zu  §.  14)  deut- 
lich hervor:  die  symbolische  Beziehung  wird  erst  an  die  Schiffsgestalt  ange- 
knüpft. 

Das  Schiff  hat  normal  die  dreifache  Länge  des  Altarhauses,  welches  am 
Dome  zu  Merseburg  (s.  den  Orundrifs  S.  46)  innegehaltene  Verhältnis  im 
allgemeinen  bis  ins  Xin.  Jahrhundert  als  Regel  galt.  Verkürzungen  gegen 
dieses  Normalmafs  kommen  nur  bei  kleineren  Kirchen  vor,  Verlängerungen 
sind  dagegen  häufiger;  die  langgestrecktesten  Mafse  finden  sich  in  einigen 
Kirchen  der  Cistercienser,  z.  B.  zu  Pforta  und  Chorin,  wo  das  Schiff  die  über- 
mäfsige  Länge  von  fünf  bis  sechs  Einheiten  hat.  Bei  allen  diesen  Mafs* 
Verhältnissen  ist  jedoch  die  mittelalterliche  Sorglosigkeit  in  solchen  Dingen 
(S.  38  Anmerk.  4)  stets  in  Anschlag  zu  bringen.  —  Die  Seitenschiffe  haben 
zwar  gewöhnlich  die  halbe  Breite  des  Hauptschiffes  (Plan  von  St.  Gallen, 
Dome  zu  Mainz,  Halberstadt,  Merseburg,  Meifsen,  Verden),  indessen  sind 
sie,  namentlich  in  Klosterkirchen,  zuweilen  auch  schmäler  als  die  Hälfte, 
häufiger  jedoch  breiter;  in  einzelnen  Fällen  sind  die  drei  Schiffe  nicht  blofs 
von  gleicher  Breite  unter  einander,  sondern  die  Nebenschiffe  übertreffen 
selbst  die  Breite  des  Hauptschiffes. 

Verhältnis  der  Breite  des  Hauptschiffes  zu  den  Seiten- 
schiffen (die  eingeklammerten  Zahlen  bezeichnen  das  südl.  Seitenschiff) : 

Dom                      in  Bamberg 47 :  26  (27). 

Basel 43 :  18. 

Brandenburg 45 :  14. 

Erfurt 11:  13. 

Freiburg 114:  92(93). 

Lübeck 180 :  98  (87). 

Magdeburg 4:       3. 

Minden 12,23:       7,t3. 

Paderborn 82 :  50  (55). 

Prag 2:        1. 

Regensburg 486:  349. 

Soest 34 :  13. 

Speier 44:  25. 

Strafsburg 7:       4. 

Trier 68 :  33. 

Wien  (ungefilhr)  ....  1 :       1. 

Worms 11,50 :        5,59. 

Klosterkirche        in  Berlin 58 :  39. 

Brauweiler 27:  20. 

Minoriten  in  Kdln 64 :  29. 


durften,  so  wurde  häufig  in  einiger  Entfernung  von  denselben  eine  besondere  Kapelle 
für  das  weibliche  Geschlecht  angelegt.  Vergl.  Elöden,  C.  F.,  zur  Gesch.  derMarien- 
Terehrung  in  der  Mark  Brandenourg,  36. 

*  YeigL  Mone,  in  der  Zeitschr.  für  die  Gesch.  des  Oberrheins.  YOI,  4,  424. 


64 


Hauptschiff  und  Seitenschiffe. 


Klosterkirche 


Marienkirche 


Stiftskirche 


Ägidienkirche 
Andreaskirche 


in 


Katharinenkirche  in 
Martinikirche 
Reinoldikirche 
Kirche 


in  Echtemach 131 

Otterberg 34 

St.  Michael  in  Hildesheim .         6 

in  Hnysebnrg 50 

Jerichow 32 

Limburg  a.  d.  H 77 

Memleben 2817 

Petersberg  b.  Halle  .  .       25 

Pforta 177 

Unterzell  anf  Reichenan      16 

Riddagshansen 68 

Zinna 79 

in  Andernach 813 

Arnstadt 28 

Danzig 68 

Dortmund  (etwa) ....         3 

LHbeck 99 

in  Gemrode 7 

St  Georg  in  Prag 22 

in  Quedlinburg 33 

in  Braunschweig 72 

45 

1 

239 

3 

16 

3 


m 


79 
77 


(ungefilhr) 


57  (62). 
12  (15). 

5. 
17. 

15  (14). 
40. 
1517  (1458). 
17  (16). 
83  (99). 
10/11. 
21. 
30. 
544  (426). 
13. 
57. 

2. 
64. 

4. 

9(7). 
16. 

42  (45). 
49. 

1. 
249  (240). 

2. 

5. 

1. 
13. 

7. 


in  Dortmund  (etwa)  .... 

in  Adorf 

Brenken  

Merzig 23 

Salzkotten 20 

Die  vorstehenden  Beispiele  zeigen,  dafs  in  mehreren  Fällen  die  Seiten- 
schiffte  auch  unter  sich  von  ungleicher  Breite  sind,  was  entweder ,  wie  z.B. 
in  Pforta,  auf  lokalen  Umständen  (Umbau  einer  vorhandenen  älteren  Kirche) 
oder  lediglich  auf  der  mittelalterlichen  Oleichgiltigkeit  gegen  dergleichen 
Unregelmäfsigkeiten  beruht.  Am  stärksten  ist  jedoch  wegen  der  Unregel- 
mäfsigkeit  des  dem  Kloster  geschenkten  Bauplatzes  an  einer  Strafsenkreuzung 
gegen  alles  Ebenmafs  gesündigt  in  der  Katharinenkirche  zu  Lübeck,  wo  das 
nördliche  Seitenschiff,  in  Westen  spitz  zulaufend,  die  Grundform  eines  Drei- 
ecks hat.  —  Das  Minimum  für  die  Breite  des  Seitenschiffs  beträgt  etwa  Va 
der  Breite  des  Mittelschiffs  und  kommt  auber  in  St.  Georg  zu  Prag  und  zu 
Riddagshansen  bei  Braunschweig  namentlich  in  Westfalen  (Brenken  bei 
Paderborn  und  Salzkotten),  und  im  Waldeckischen  in  den  kleinen  Kirchen 
zu  Adorf,  Flechtdorf  und  Twiste  vor. 

Die  Seitenschiffe  haben  die  Länge  des  Hauptschiffes  und  laufen  durch 
einen  offenen  Bogen  in  das  Querschiff  aus;  in  Kirchen  ohne  Querhaus  schnei- 
den sie  entweder  mit  geradliniger  Ostwand  ab  (Franziskanerkirchen  zu  Soest, 
Berlin,  Jüterbog  etc.),  so  dafs  sich  jenseits  der  Chor  einschiffig  fortsetzt, 
oder  das  ganze  Gebäude  bildet  drei  Schiffe  von  gleicher  Länge  (wobei  sich 
in  Kreuzkirchen  die  Abseiten  jenseits  des  Querhauses  neben  dem  Chore  fort- 


Chnrumgang.  g5 

setsen:  Ulrichakirclie  zu  Sangerh&useii,  Klosterkirche  zu  Lippoldeberg), 
welche  entweder  mit  drei  Äpeideu  (Dom  zu  Qurk  und  f&st  regelmfileig  in  den 
nur  auB  drei  Langechiffen  beBtebenden  romaDischen  Kirchen  in  Bayern  nnd 
Schwaben;  Ktosterkirche  zu  Pantinzelle,  Ulrichskirche  zu  Sangerbansen), 
oder  in  drei  Polygonabschnitten  (9t.  Stephan  zu  Wien,  Wiesenkirche  in  Soest, 
Kirche  zn  Herzberg  a.  d.  Elster),  oder  endlich  dreiseitig  schliefsen,  so  dafs 
das  Ostende  (wie  an  der  Kirche  zn  Bamth)  als  Viereck  mit  abgeschnittenen 
Ecken  erscheint.  Sehr  häufig  setzen  sich  die  Seitenschifi'e  nicht  blol^  im 
Chore  fort,  sondern  bilden,  ohne  Zweifel  zur  bessern  Entfaltung  der  Pro- 
zessionen, einen  Umgang  rings  um  denselben  (St.  Maria  auf  dem  Kapitol 
zn  Köln,  Dome  zu  Halberstadt  und  Münster,  Nikolükirchen  zu  Berlin  nnd 
JOterbt^  etc.) ,  an  welchen  sich  seit  der  Mitte  des  XU.  Jahrhunderts  znweilen 
eine  Reihe  von  kleinen  Kapellen  anschliefst,  die,  wie  an  den  rechteckig  ge- 
schlossenen Cistercienserkirchen  zn  Riddagshausen  nnd  Bbrach,  entweder 
ftufserlich  wie  ein  sweiter  niedrigerer  Umgang  erscheinen,  oder,  nach  dem 
Muster  des  französischen  Kathedralenstyls,  ans  dem  Chommgange  radien- 
artig hervortretend  und  wie  letzterer  halbkreisförmig  (St,  Godehard  zn  Hildes- 
heim, Cistercienserkirche  zuMsrienstadt  im  Nassanischen)  oder  polygonisch 
gestaltet,  einen  Kranz  nm  dasChorhanpt  der  Kirche  bilden:  Dome  zu  Magde- 
burg nnd  Köln,  Cistercienserklosterkirchen  zu  Altenberg  bei  Köln  und  Do- 
heran,  Dome  zu  Schwerin  und  Prag,  Kirche  zu  Knttenberg,  Münster  zn 
Freibai^  i.  Br.  —  Wenn  die  Seitenschiffe  einen  Umgang  am  den  Chor  bilden, 
so  ist  dieser  durch  eine  steinerne  Brflstungswand  von  dem  Umgänge  abge- 
schlossen, die,  wenn  sich  der  Chor  auch  Aber  die  Vierung  erstreckt,  auch 
ohnedies  ihn  gegen  die  Querflflgel  abschließt,  wie  in  St.  Marien  zn  Halber- 
stadt, in  Hamersleben  nnd  im  Dome  zn  Limbni^  a.  d.  L. 


FlE,  H.    Dom  ID  KdlB  (Bub  BolHr^e). 

Seit  der  Mitte  des  XIII.  Jahrbunderts  kommen  auch  (gewissermalben 
eine  Reminiscenz  an  die  fttnfschiffigen  Basiliken  des  christlichen  Altertums) 
Kirchen  mit  vier  Seitenschiffen  vor,  teils  nach  nrsprQnglicher  Anlage  (Dom 
zu  KSln,  Stiftskirche  in  Xanten,  Marienkirche  in  Mflblhaasen,  Severikirche 
in  Erfurt  etc.),  teils  infolge  spätem  Anbaues  oder  Umbaues  (Dome  zn  Basel, 

Otl>,  KraM-AreUolotla.    S.  Aafl.  ü 


Qg  Fünfschiffige  and  zweischiffige  Kirchen. 

Ulm  und  Brannschweig;  Marienkirchen  za  Frankfurt  a.  0.  und  Eolberg;  die 
Petri- Paulikirchen  zu  Görlitz  und  auf  dem  Wy8ehrad  in  Prag;  Petrikirche 
zu  Lttbeck  etc.)^  znm  Teil  mit  niedrigeren  Seitenschiffen,  zum  Teil  mit  fünf 
gleich  hohen  Schiffen.  —  In  reichster  und  grofsartigster  Entfaltung  erscheint 
der  Grundplan  des  Domes  von  Köln:  das  Langhaus  ist  fünfschiflfig,  das  Quer- 
haus dreischif&gy  die  Seitenschiffe  setzen  sich  neben  dem  Langchore  fort, 
das  innere  Seitenschiff  bildet  einen  Umgang  um  den  polygonen  Chorschlufs, 
rings  um  welchen  sich  das  äufsere  Seitenschiff  in  einen  Kranz  von  sieben 
radianten  Kapellen  (apsidiolae)  auflöst. 

Im  Gegensatz  gegen  die  reiche  Anlage  der  Kathedralen  finden  sich  seit 
dem  XIII.  Jahrh.  einfachere  Kirchen  mit  nur  einem  Seitenschiffe ,  welches 
bald  nördlich,  bald  südlich  vom  Hauptschiffe  liegt  und  bald  niedriger  ist, 
bald  gleiche  Höhe  mit  demselben  hat.  Dergleichen  sind  zu  erwähnen  in 
Ahlen,  Albing,  Allendorf  a/Werra,  Alsfeld,  Altenbnrg,  Altenbnrg  in  O.- 
Österreich, Andernach,  Aussee,  Bitburg,  Boppard,  Brandenburg,  Brunn, 
Calderen,  Cleve,  Datteln,  Deckbergen,  Dorchheim,  Dortmund,  Dresden, 
Elbing,  Frankflirt  a/M.,  Fritzlar,  Görlitz,  Gottesbttren,  Halle  a/S.,  Hamm, 
Hannover,  Hattendorf,  Hildesheim ,  Höxter,  Iserlohn,  Kaiserslautem,  Kassel, 
Könnern,  Lasberg,  Lichtenau,  Liesbom,  Lippstadt,  Lorch,  Mailberg, 
Marburg,  Marienfeld,  Meckenheim,  Meifsen,  Metelen,  Neuhaus  (Böhmen), 
Neustadt  (Hessen),  Oberursel,  Oberwinter,  Opherdicke,  Passau,  Rauschen- 
berg, Roda,  Rotenburg  a/Fulda,  Rfldesheim,  Salzwedel,  Sontra,  Spangen- 
berg, Tragwein,  Treysa,  Utsch  bei  Brück  a'Mur,  Wenigsen.  Viele  davon 
sind  Kirchen  der  Bettelorden,  die  vielfach  ausSparsamkeitsrttcksichten,  nur 
um  Raum  für  die  Predigtgemeinde  zu  schaffen,  der  Kanzel  gegenüber  das 
eine  Seitenschiff  angelegt  haben,  doch  darf  man  diese  Einrichtung  nicht  ge- 
radezu als  eine  besondere  Eigentflmlichkeit  dieser  Orden  ansehen,  da  sie 
sich  auch  bei  anderen  auf  sparsame  Zweckmäfsigkeit  bedachten  Orden  (Cis- 
terciensern,  Karmelitern,  Augustinern  und  Serviten)  findet,  ein  bedeu- 
tender Teil  aber  einfache  städtische  und  ländliche  Pfarr-  und  Spitalkirchen 
sind.  Ebensowenig  darf  man  aber  diese  Erscheinung  als  einen  charakteri- 
schen Provinzialismus  von  Westfalen  und  Hessen^  bezeichnen,  da  sie  sich 
durch  ganz  Deutschland  und  Österreich  findet,  und  wahrscheinlich  noch  viel 
zahlreicher  als  indem  vorstehenden  Verzeichnisse,  welches  das  von  Fischer 
gegebene  um  zwanzig  Beispiele  vermehrt.  Wo  die  Anlage  nicht  aus  späterem 
Abbruche  eines  frflher  vorhandenen  zweiten  Seitenschiffs,  wie  in  Opher- 
dicke, oder  aus  späterer  Erweiterung  einer  ursprünglich  einschiffigen  An- 
lage, wie  bei  der  Franciskanerkirche  in  Brandenbui^  entstanden  ist,  wird 
man  wohl  in  den  meisten  Fällen  annehmen  dürfen,  dafs  nur  eine  wegen 
Terrainschwierigkeiten  oder  Geldmangel  unvollständig  gebliebene  Ausfüh- 
rung einer  regelmäfsigen  dreischiffigen  Anlage  vorliegt. 

Völlig  verschieden  von  diesen  unsymmetrischen  Bauten  sind  diejenigen 
zweischiff  igen  Kirchen,  welche  aus  zwei,  durch  eine  mittlere  Säulen- 
reihe getrennten  Schiffen  von  gleicher  Breite  und  Höhe  bestehen:  in  nicht 
wenigen  Fällen  (z.  B.  Pechüle  bei  Treuenbrietzen,  Petrikirche  in  Branden- 
burg, Hotten  bei  Kckernförde  etc.)  zwar  nur  infolge  der  späteren  Einziehung 


«  Wie  0.  Fischer,  im  Chr.  K.-Bl.  1882,  43. 


symmetrisch  zweiacliifflge  Kirchen.  ^7 

von  ateiottberwClbnngen  etatt  der  frttheren  Balkendecke,  meist  jedoch  Bchon 
nach  arsprflnglicber  Anlage,  und  zDweilen  selbet  östlich  in  zwei  besondere 
ChOre  ansUnf^od  (zo  GirkLauBeu  an  derSfldgrenze  von  Westfalen,  HtlUtadt 
und  Lqqz  im  Erzherzogtum  Österreich),  so  dafs  gleichsam  zwei  gleiche  ein- 
schiffige Kirchen  neben  einander  gebaut  erscheinen.  Das  älteste  Beispiel  dieser 
Anlage  ist  die  Nikolaikapelle  zu  Soest  (etwa  gleichzeitig  mit  der  ebenfalls 
zwebchiffigen  Erypta  anter  der  Klosterkirche 
zn  Jerichow;  s.  Fig.  15  S.  54)  ans  derHitte 
des  XII.  Jahrh.;  das  merkwürdigste  Beispiel 
ist  die  Pfarrkirche  za  Schwaz  in  Tirol :  sie 
ist  vierschiffig,  mit  zwei  breiteren  Schiffen 
in  derHitte,  deren  jedes  einen  Chor  fdrsich 
hat,  nnd  zwei  schmaleren  Seitenschiffen.  — 
übrigens  besteht  das  Langhaus  dieserKirchen 
grofsenteÜB  nnr  aus  einem  kleinen  quadrati- 
schen Räume  mit  einem  Mitte Ipfeil er  (be- 
sonders balltig  in  der  Hoselgegend).' 

Zweiachifhge  Kirchen  von  symmetrischer  ^ig.  is.  Kirsb»  m  airkhMum 
Anlage  werden  angeführt:  In  der  Mosel- 
und  benachbarten  Rheingegend:  Cues  (Ho- 
spitalkapelle), Driesch,  Oraach,  Hatzenport,  Reilerkirch,  Rokeskyll,  Traben, 
Zelten  (aamtlich  mit  nnr  einem  Mittelpfeiler),  Bornhofen,  Clotten,  Ediger, 
Kempenich,  Hannebach  (mit  zwei  oder  drei  Pfeilern),  Namedy  (vier  Pfeiler) ;  in 
Westfalen:  AlBwede,Apelem,  Qirkhansen,  Soest  (Nikolaikapelle),  Wewels- 
bnTg(alle  mit  mehreren  Pfeilern) ;  in  Hessen:  Niederaaphe, Niederweidbach 
(mit  zwei  Pfeilern) ;  in  Mecklenburg:  Ankerahagen,  Onoien  (zwei  Pfeiler), 
Kittendorf,  Mestlin,  Reknitz,  Schlagsdorf,  Seh  winken  dorf,  Tamow;  in  der 
Provinz  Brandenburg:  Blumenthal  nnd  einige  andere  Dorfkirchen  in  der 
Gegend  von  Bernau,  Brandenburg  (S.  Petri  drei  Pfeiler),  Luckenwalde 
(St-Johannis),  HflnchebergHarienkirche (zwei Pfeiler),  Plane  a. /Havel  (drei 
Pfeiler),  Pechflle;  im  übrigen  norddeutschen  Tief  lande:  WalsrodeOm 
LQueburgischen,  vier  Pfeiler,  1847  abgebrochen),  Grofs-Hartmannsdorf  in 
Schlesien  (zwei  Pfeiler),  Prohn  (ein  Pfeiler)  und  Lfldershagen  (zwei  Pfeiler)  im 
Kreise  Pranzburg-Pommem,  Hütten  in  Schleswig  mit  drei  Pfeilern ;  in  B  ay  e  r  n : 
Augsburg  (Dominikanerkirche),  Nürnberg  (Euchariuskapeile),  Walleratein 
(Pfarrkirche)  j  in  Böhmen:  Eger  (Bartholomäus  kapeile),  Kuttenberg  (Wen - 
zelskapelle,  Pilsen  (Barbarakapelle),  Prag  ( Maria  Verkflndtgnng),  sämtlich  mit 
einem  Pfeiler,  Qojan  und  Sobieslan  (Dekanal-  und  Spitalkirche)  mit  zwei  Pfei< 
lern,  Bechin  (Dekanal  nnd  Hinoritenkircbe),  Blatna,  Kaplitz  undVodnian  mit 
drei  Pfeilern,  Witttngau  mit  vier  Pfeilern;  im  Erzherzogtum  Österreich 
mit  fünf  Pfeilern :  Lnnz ;  mit  vier  Pfeilern :  HSrsching  (hat  noch  zwei 
Seitenschiffe  angebaut)  nnd  Weifsenbach ;  mit  drei  Pfeilern :  Enns  (daneben 
noch  eine  zweischiffige  Johanniskapelle  mit  zwei  Pfeilern),  Qrttnbach,  Im- 
bach,  Köaigswiesen,  Kreuzen,  Mauthhausen  und  Ried  (in  den  letzteren  drei 


'  Vergl.  Lotz,  W.,  über  die  zweischiffigen  Kirchen,  im  Korr. -ßl.  d.  Ges.-V.  1850, 
37.  —  »Über  die  Bedeutung  zweiach.  K.  in  Tirol*,  im  Kirchenschmuck.  1870,  XXVn, 
21  ff.  >ZweischifGge  Kirchen  in  Stciermart«,  im  Kirchenachmuck.  Sekkau  ISSU,  No. 
»  n.  I».— Orondrisseu.  s.  w.  zweischiffiger  Kirchen,  im  österr.  Äthis.  Taf.  10.  58.S2- 


gg  Hallenkirchen.    Türme. 

das  westlichste  Joch  dreischifißg) ;  mit  einem  und  zwei  Pfeilern:  £dlitz, 
Hallstadt  y  St.  Johann  bei  Ternitz,  Kirchberg  am  Wechsel ,  Klamm ,  Loiben, 
St.  Pankratius  bei  Klein,  Mariazell,  St.  Pantaleon,  Payerbach,  Peggstall, 
Petzenkirchen,  Raach,  Rems,  Salingstadt,  Schwerdberg,  Schleistheim, 
Schrembs,  Thaya,  Waidhofen  a./Ibs  (Spitalkirche),  Weitersfelden,  Wiesel- 
barg, Wirflach;  in  Steiermark:  mit  vier  Pfeilern:  Kammer,  Zeyring 
(St.  Oswald),  mit  drei  Pfeilern:  Brück  a./Mur  (St.  Ruprecht),  Friedberg, 
Knittelfeld  (St.  Marien),  mit  zwei  Pfeilern:  Judenburg  (St.  Magdalena), 
Irschen  (St.  Dionys;  die  Pfeiler  in  seltam  schiefer  Axe  aufgestellt),  Ko- 
benz  bei  Knittelfeld,  St.  Katharinen  in  Offeneck  bei  Weix,  Niederhofen 
bei  Pttrgg,  Oberwölz  (Spitalkirche),  mit  zwei  Chören:  Kathrein  bei  Brück 
(St.  Alexius),  St.  Lorenzen  bei  Knittelfeld  (Benediktinerkirchlein),  mit  drei- 
schiffigem  Chor:  Pöllauberg  (St.  Marien),  aufserdem  noch  ohne  nähere 
Angaben:  Breitenau  (St.  Erhard),  Lichtenwald,  Schöder,  Windischgrätz ; 
in  Tirol  mit  zwei  Chören:  Schwaz  (Pfarrkirche),  Rattenberg  (Pfarrkirche), 
Markt-Schönna  (Martinskapelle),  Chor  dreischiffig :  Feldkirch  in  Vorarlberg 
(mit  fünf  Pfeilern) ,  aufserdem:  Soll,  St.  Jacob  bei  Tramin,  Unterfenberg ; 
in  Krakau:  St.  Crucis  (mit  einem  Pfeiler  und  rechteckigem  Chor),  ehemals 
auch  St.  Barbara,  wo  wie  inOber-Hautzenthal  in  Nieder -Österreich  die  ur- 
sprünglich zweischiffige  Halle  durch  spätere  Entfernung  der  Pfeiler  und  Ge- 
wölbe einschiffig  geworden  ist. 

Anmerkung.  Neben  der  basilikalen  Anlage,  bei  weicher  die  Seiten- 
schiffe wie  die  halbe  Breite,  so  auch  ungefähr  die  halbe  Höhe  des  Mittelschiffs 
—  bei  vorhandenen  Emporen  natürlich  bedeutend  mehr  —  haben  und  unter 
besonderen  Dächern  liegen,  giebt  es  auch  Kirchen,  in  denen  die  Seitenschiffe 
mit  dem  Hauptschiffe  (ziemlich  oder  genau)  von  gleicher  Höhe  sind  und  gewöhn- 
lich mit  demselben  eine  gemeinschaftliche  Bedachung  haben.  Diese  hat  man 
neuerdings,  nach  Lübkes  Vorgange  (s.  dessen  Kunst  in  Westfalen  S.  33)  und 
mit  allseitigem  Beifall  passend  Hallenkirchen  genannt:  sie  gehören  Deutsch- 
land fast  ausschliefslich  an,  und  in  Westfalen  scheinen  (doch  wohl  kaum  vor 
dem  XUI.  Jahrhundert)  die  ersten  noch  romanischen  Versuche  damit  gemacht 
worden  zu  sein  (Kirche  zu  Deme,  Servatiuskirche  zu  Münster,  Marienkirche 
und  Nikolaikirche  zu  Lippstadt,  Dom  zu  Paderborn  etc.  etc.),  denen  sich  die 
Elisabethkirche  zu  Marburg  (seit  1235)  als  erstes  gotisches  Beispiel  dieser  Gat- 
tung anschliefst,  welche  in  der  Spätzeit  zur  entschieden  vorherrschenden  wird. 

22.  Die  Türme.« 

a.  Ursprünglich  hatten  die  Kirchen  keine  Türme,  und  da  diese 
etwa  gleichzeitig  mit  den  Glocken  au%ekommen  sind,  welche,  imi  weit 
hörbar  zu  sein,  in  der  Höhe  aufgehängt  werden  mufsten,  auch  bis  auf 
die  Gegenwart  die  Aufnahme  der  Glocken  als  Hauptbestimmung  der 
Kirchtürme  erscheint,  so  könnte  letzteres  die  Veranlassung  zu  ihrer 
Entstehung  gewesen  sein,  wenn  nicht  gerade  die  ältesten  bekannten 
Türme  der  Kirchen  erweislich  zunächst  anderen  Zwecken  gedient  hätten. 

»Weiiigärtiier,W.,  System  des  christl. Turmbaues.  1860.  —  Unger,  F.  W.,  zur 
Gesch.  der  Kirchtürme,  in  den  Bonner  Jahrb.  XXIX.  und  XXX,  21—64.  —  Vergl. 
Klein,  J.  Val.,  die  Kirche  zu  Grofsen- Linden  bei  Giefsen.  1857,  30  ff. 


Troppentünne.  g9 

Die  ältesten  Glocken  waren  klein  und  leicht  nnd  fanden  ihre  Stelle, 
wenn  sie  nicht  neben  der  Kirche  auf  einem  Gerüst^  aufgehängt  wurden,  in 
einem  Dachtürmchen  (turriculd).  Besondere  aufwändige  Bauten,  wie  es  die 
Kirchtürme  sind,  waren  dazu  nicht  erforderlich.  Dagegen  war  es  natürlich, 
die  Glocken  auf  den  Türmen  aufzuhängen,  wenn  letztere  bei  den  Kirchen 
bereits  zu  anderen  Zwecken  vorhanden  waren. 

b.  Die  Türme  sind  entweder  mit  dem  Kirchengebäude  verbunden 
und  erheben  sich  bei  gröfseren  Kirchen  der  Regel  nach  paarweise  auf 
den  Flanken  der  Westfront,  oder  sie  stehen  isoliert  und  einzeln  neben 
den  Kirchen:  jene  waren  ursprünglich  Treppengehäuse  (cöcÄ/eana),  diese 
Warttürme. 

In  den  morgenländischen  Basiliken,  welche  im  Langhause  Emporen 
hatten ,  ergab  sich  von  selbst  die  Notwendigkeit,  die  Treppen  zu  den  Em- 
poren auf  beiden  Seiten  des  Eingangs  anzulegen.  Deshalb  finden  sich  z.  B. 
an  der  Frontwand  der  spätestens  dem  VII.  Jahrh.  angehörigen  Kirchenruinen 
zu  Turmanin  und  Qualb-Luzeh  in  Syrien^  zu  den  Seiten  des  weiten  Thor- 
bogens  zwei  quadratische  Treppenhäuser,  die  ihrer  Bestimmung  gemäfs  zwar 
nur  bis  zur  Höhe  des  basilikalen  Mittelschiffs  hinaufgeführt  sind ,  denen  aber 
nur  die  Helme  fehlen ,  um  ihnen  völlig  das  Ansehen  von  Frontaltürmen  zu 
geben,  wie  dieselben  im  Mittelalter  bei  den  gröfseren  Kirchen  diesseits  der 
Alpen  die  Regel  wurden.  Beim  Dome  zu  Trier,  welcher  in  seinem  noch  nach- 
weislichen ursprünglichen  Kerne  von  allen  deutschen  Kirchengebäuden  die 
ältesten,  aus  der  Römerzeit  herstammenden  Überreste  enthält,  haben  umfas- 
sende Lokaluntersuchungen  ergeben,  dafs  die  Fa^ade  des  ursprünglichen 
Baues,  den  Schiffen  des  Innern  entsprechend,  sich  in  drei  weiten  Bögen  gen 
Westen  öffnete,  und  dafs  zwischen  diesen  Eingangsbögen  Verstärkungspfeiler 
hervortraten,  und  zwei  viereckige,  im  Grundbau  nachgewiesen  Treppentürme 
auf  den  Ecken  standen.  Die  in  den  Türmen  befindlich  gewesenen  Treppen, 
deren  unterste  Stufen  noch  aufgefunden  wurden,  führten  zu  dem  Oberstock- 
werk und  unter  das  Dach  des  Gebäudes.  —  Das  von  Karl  dem  Grofsen  er- 
baute, noch  erhaltene  achteckige  Münster  zu  Aachen  zeigt  auf  den  Flanken 
seines  westlichen  Vorbaues  zwei  runde  Treppentürme,  in  denen  man  die  Em- 
pore der  Kirche  und  ein  drittes,  nicht  mehr  ursprüngliches  Stockwerk  der  Vor- 
halle ersteigt,  das  zur  Aufnahme  der  Glocken  bestimmt  war  (s.  Fig.  26).  —  Der 
westliche  Nonnenchor  des  Münsters  zu  Essen  aus  dem  X.  Jahrh.  steht  ebenfalls 
zwischen  zwei  kleinen  Rundtürmen  mit  Wendelstiegen,  die  auf  die  Empore 
und  in  die  oberen  Stockwerke  des  Chores  führen,  dessen  achteckiger  Hoch- 


*  Von  Petershausen  (gegründet  983)  berichtet  das  Chron.  Peterhus.  V,  8  ausdrück- 
lich, dafs  die  Glocken  pendebant  in  quatiwr  cölumnis  juxta  ecciesiam,  und  dals  ei-st 
Abt  Conrad  (1126 — 1164)  fecü  domum  campanarwn  super  ecclesiam  (was  in  diesem 
Falle  nicht  einen  Dachreiter,  sondern  den  isoliert  neben  der  Kirche  stehenden  Glocken- 
turm bedeutet),  weil  damals  3  neue  Glocken,  darunter  eine  sehr  ansehnliche,  gegossen 
waren. 

2  de  Vogüe,  Melch.,  Syrie  centrale  etc.  Paris  1865  (Kupfer  ohne  Text).  Taf. 
124.  132.  135.     Vergl.  Schnaase.  HI,  134  f. 


\Q  Treppen-  und  Warttürme, 

baa  die  TOrme  flberragt.  Dies  sind  die  aich  dsrbietenden  ftltesteo  Beiepiele,' 
denen  sich  ttberdies  andere  ans  dem  XI.  Jahrbnodert  anreiben,  nnd  die  bin- 
Unglicb  beweisen ,  dafs  die  ältesten  in  Verbindung  mit  Kirch engebSuden 
vorkommenden  Tflrme  ganz  mit  Treppen  angefüllte,  nnd  znr  Aufnahme  von 
Glocken  nicht  geeignete  Stiegenhanser  von  geringem  Dnrchmeaser  (in  Essen 
2,82  im  Lichten)  waren,  welche,  nrsprftnglich  das  OebSnde  nicht  Überragend, 
zuweilen  spftter  durch  Anfsetznng  eines  mit  ScliallCfiiinngen  versehenen 
Stockwerkes  erhSht  nnd  als  Olockentflnne  eingerichtet  wurden.    Die  paar- 


Fli.  M.    lllliiKtr  in  Ancbtn  (web  Hiniiu). 

webe  Anordnung  erklftrt  sich  aus  Rücksichten  auf  die  Symmetrie  hinläng- 
lich; bei  der  Enge  dieser  Schneckenatiegen  kOnnte  der  eine  Tann  den 
Hinau&teigeuden ,  der  andere  den  Hinabsteigenden  gedient  haben. 

Anderweitig  begegnen  wir  in  den  klCsterlichen  Niederlassungen  der 
SchottenmOnche,  welche  seit  dem  VII.  Jahrb.  Deutschland  miBsionierend 
durchwanderten,  in  dem  mit  ihren  Wohnhfltten  erfOllten  umschlossenen 
Baume  neben  der  Kirche  festen  Rundtflrmen,  die  zwar  wohl  mit  einer  kleinen 
Blechglocke  versehen,  doch  zunftchat  als  Warten  und  in  Zeiten  der  Not  ala 
Znflnchtsorte  dienten.^  Den  tbatsAchlichen  Beweis  liefert  der  Plan  des 
Klosters  von  St.  Gallen  vom  J.  820:  wir  finden  hier  westlich  von  der 
Kirche  (s.  Fig.  17  S.  57),  in  einiger  Entfemnng  von  dem  halbkreisför- 
migen Sftulenvorhofe  derselben,  zu  beiden  Seiten  des  von  anfsen  in  das 
Kloster  fUirenden  Wegea  zwei  symmetrisch  gestellte ,  mit  Wendeltreppen  ge- 
fällte RundtOrme  angegeben,  den  nördlichen  mit  der  ihn  deutlich  als  Warte 
bezeichnenden  Einschrift  Hacensusper  cocleam  aäumverm  superimpicietufa* 
und  den  südlichen  {»alter  dmilist)  zu  gleichem  Zweck,  nnd  wegen  der  Stel- 
lung auf  beiden  Seiten  dea  Zuganges  zum  Kloster  ersichtlich  auch  zur  Ver- 
teidigung desselben  gegen  feindliche  Angriffe. 

<  Den  von  Klein,  a.  a  0.,  8.  40  ans  Yenantiua  Fortunatus  m,  7  v.  t9  fF. 
hergeleiteten  nnd  von  Weingärtner,  a.  a.  0.,  S.  67  zu  vorechnell  anfg^ommenen 
Beweis ,  dab  die  Kirchen  Bchon  im  VI.  Jahrb.  mit  zwei  wirklichen  Frontutünnen  ver- 
sehen gewesen  seien,  hat  Uneer,  a.  a  0.,  S.  15  fF.  widerleg 

»  Wattenhach,  in  der  Zeitsclir.  (.  ehr.  A.  u.  K.  I,  23;  vergl.  Sehnaase,  IV, 
600.  über  die  wehrhafte  Bedeutung  von  Kirchtürmen  in  befestigten  Dortanlagen  und 
auch  vielen  städtiachen,  a.  ob.  S.  tS  f.  Entschieden  ein  Fefitungatnrm  ist  auch  der 
zu  Uünstermaifeld  mit  eezinnter  und  mit  anagekragton  Zlnnenerkem  besetzter  Plattform, 
auch  der  Turm  von  St  Georg  zu  Köln  widerspricht  in  seinem  Aussehen  nicht  der 
Tradition,  daTs  er  ein  Festnngsturm  des  Erzbischofa  Anno  sei. 


Isolierte  Türme.  71 

Die  isolierte  Stellung  der  Glockentürme,  gewöhnlich  neben  einer 
Langseite  der  Kirche  y  die  in  Italien  znr  stehenden  Sitte  geworden  ist,  kommt 
in  Deutschland,  abgesehen  von  vereinzelten  und  zubilligen  Beispielen  (der 
rote  Turm  auf  dem  Markte  in  Halle  a.  d.  S.,  die  Türme  bei  der  Bartholomfti- 
kirche  zu  Zerbst,  der  Johanneskirche  zu  Luckenwalde,  bei  der  vormaligen 
Klosterkirche  in  Amdsee,  beim  Dome  zu  Frauenburg,  zu  Hochstadt  und 
Heisa  im  Reg.-Bez.  Kassel ,  zu  Hirschberg  im  Reg.-Bez.  Wiesbaden ,  östlich 
neben  dem  nördlichen  Kreuzarme  der  Stiftskirche  zu  Hersfeld,  romanisch 
neben  der  Klosterkirche  zu  Moosburg  in  Bayern,  spätgotisch  zu  Regensburg 
neben  St.  Emmeram  und  Obermünster,  zu  Pettau  in  Steiermark,  angeblich 
schon  aus  dem  X.  Jahrh.  herrührend,  zu  Terlan  bei  Meran,  zu  Ebemdorf  in 
Kftmthen  vor  der  Südseite,  zuVillach  in  Kärnthen  vor  der  Westseite,  ebenso  ein 
prächtiger  von  1466  zu  Tramin  bei  Botzen)  nur  provinziell  verbreitet  vor :  in 
Schwaben  (bei  der  Petri-Paulikirche  zu  Hirschau  vor  der  Westfront,  bei  der 
abgetragenen  Klosterkirche  zu  Petershausen,  beim  Münster  zu  Mittelzeil  auf 
Reichenau,  bei  St.  Johannis  in  Schwäbisch-Omünd  an  der  Nordseite,  bei  St. 
Martin  in  Sindelfingen  südlich  neben  dem  Chor)  und  in  B  ö  h  m  e  n ,  in  dessen  öst- 
licher Hälfte  sich  hölzerne  Glockenhäuser  vom  einfachsten,  oben  gabelmäfsig 
geteilten  und  mit  einem  Dächlein  gekrönten  Balken  in  allerlei  Abweichungen 
bis  zum  grofsen  Glockenturme  (z.  B.  neben  der  Georgskirche  in  Pfasiawic  bei 
Tumau,  von  etwa  25,ooHöhe  auf  achteckigem  Unterbau)  aller  Orten,  selbst 
in  Dörfern  ohne  Kirchen  vorfinden,  (ein  isolierter  Steinturm  auch  neben  der 
Bartholomäikirche  zu  Kolin  und  neben  der  Kirche  zu  Kaurzim).  Hölzerne 
isolierte  Glockentürme  kommen  überhaupt  in  den  ursprünglich  slavischen 
Gegenden  zahlreich  vor,  so  in  Oberschlesien  neben  den  S.  33  erwähnten 
Holzkirchen  (doch  auch  bei  Steinkirchen,  wahrscheinlich  als  Reste  ehemaliger 
Holzbauten  z.  B.  in  Wieschowa,  Kr.  Beuthen,  ein  steinerner  auch  nordwestlich 
neben  St.  Jakobi  in  Neisse)  sehr  schön  ausgebildet  auch  in  M  äh  r  en ,  in  manchen 
Gegenden  der  ehemaligen  und  auch  gegenwärtigen  sächsischen  Länder  (z.  B. 
Mügeln  bei  Seyda  in  der  Provinz  Sachsen),  in  Preufsen,  wo  die  Ordens- 
ritter vielfach  den  Städten  den  Bau  fester  Türme  nicht  verstatteten,  damit 
dieselben  nicht  als  feste  Punkte  gegen  den  Orden  benutzt  werden  könnten 
(z.B.  Krockow,  Lockau,  Schulen);  in  Ostfriesland  stehen  alle  Kirch- 
türme isoliert  mit  alleiniger  Ausnahme  des  alten  verfallenen  von  Marienhave 
und  eines  ganz  neuen  zu  Leer;  in  Rastede,  Westerstede  und  Zwischenhahn 
in  Oldenburg  findet  sich  sogar  ein  zweiter  isolierter  Glockenturm  aus  Back- 
stein noch  neben  den  getürmten  Kirchen. 

c.  Bei  kleineren,  besonders  bei  einschifSgen  Kirchen  genügte  als 
(llockenhaus  ein  Turm,  normal  als  Vorlage  vor  der  Mitte  der  Westfront; 
doch  wurde  in  manchen  Gegenden  und  namentlich  in  Niederdeutschland 
auch  bei  gröfseren  mehrschüBSgen  Kirchen  und  Kathedralen  häufig  nur 
ein  Turm  angeordnet,  d.  h.  man  liefs  die  Treppentürme  auf  den  Seiten 
weg  und  bildete  die  Vorhalle  zum  Glockenturme  aus. 

Beispiel  einer  Landkirche  mit  zwei  westlichen  (Rund-)  Türmen  ist 
aufser  der  kleinen,  nur  etwa  22,5  langen  einschiffigen  Kreuzkirche  zu 
Grofsen -Linden  bei  Giefsen  (vermutlich  aus  dem  XXL  Jahrhundert),  welche 


72  Zahl  der  Tünne. 

überdies  noch  einen  dritten  Turm  über  dem  Kreuze  hat,  die  gleichaltrige 
und  ganz  ähnliche  Kirche  znKondrac  in  Böhmen,  auf  welcher  zwischen  den 
beiden  Rund  türmen  noch  ein  höherer,  turmartiger  Zwischenbau  von  Holz 
steht.  Zwei  Türme  neben  dem  Chor  hat  die  Dorfkirche  zu  Porsitz  an  der 
Sazawa.  Sogenannte  Zwillingstürme,  d.  h.  ein  breiter  Westturm,  über  dem 
sich  zwei  Spitzen  dicht  nebeneinander  entwickeln,  finden  sich  an  Land- 
kirchen des  XII.  und  XIII.  Jahrh.  öfter,  z.  B.  Altenbruch  im  Lande  Hadeln, 
Broacker  bei  Flensburg,  Ihlo  beiDahme,  Lugau  beiDobrilug.  —  Als  älteste 
Beispiele  von  der  Anordnung  nur  eines  Turmes  bei  bischöflichen  Kathedralen 
sind  die  Dome  zu  Minden  und  Paderborn  aus  dem  XI.  Jahrh.  zu  nennen :  in 
Minden  legt  sich  dem  westlichen  Ende  der  Kirche  in  ganzer  Breite  eine  Bau- 
masse vor,  die  erst  in  beträchtlicher  Höhe  ein  quadratisches  Stockwerk  aus 
ihrer  Mitte  aufsteigen  läfst ;  in  Paderborn  hat  der  viereckige  Turm  nur  die 
Breite  des  Mittelschiffes  und  wird  von  zwei  halb  so  hohen  runden  Treppen- 
türmen flankiert.^  —  Die  grofsartigen  Münster  zu  Freiburg  i.  B.  und  zu  Ulm 
(aus  dem  XUI.  und  XIV.  Jahrh.)  haben  ebenfalls  nur  einen  vor  der  West- 
front aufsteigenden  Turm :  beide  gehören  zu  den  prachtvollsten  Turmbauten 
Deutschlands.  —  Nicht  immer  bildet  der  Turm  eine  Vorlage  an  der  West- 
seite der  Kirche,  sondern  erhebt  sich  auch  oft  aus  der  Mitte  der  Front,  z.B. 
an  der  Frauenkirche  zu  Efslingen,  deren  Turm  (aus  dem  XV.  Jahrh.)  der  Stadt 
zur  schönsten  Zierde  gereicht.  —  An  der  Marienkirche  zu  Stolberg  a.  Harz 
steht  der  rechteckige  Westturm  im  schiefen  Winkel  gegen  die  Axe  der  Kirche 
und  schneidet  mit  seiner  nordöstlichen  Ecke  tief  in  das  Mittelschiff  ein,  aber 
diese  Unregelmäfsigkeit  erklärt  sich  aus  lokalen  Gründen.  Völlig  vereinzelt 
aber  ist  der  Fall,  dafs  der  Westturm  absichtlich  nicht  parallel  mit  den 
Mauern  der  Kirche,  sondern  übereck  in  die  Westfront  hineingesetzt  ist,  so 
dafs  er  mit  einem  rechten  Winkel  sowohl  nach  aufsen,  als  nach  innen  in  das 
Schiff  der  Kirche  hineinragt,  an  der  spätgotischen  ehemaligen  Prämonstra- 
tensernonnenkirche  zu  Pernegg  in  Nieder- Österreich. 

d.  In  der  Zeit  vom  XI.  bis  XUI.  Jahrhundert  machte  sich  das 
Streben  geltend,  ausgezeichnetere  Kirchen  durch  Vermehrung  der  An- 
zahl der  Tünne  noch  besonders  zu  verherrlichen,  indem  man  aufser 
den  beiden  westlichen  Türmen  noch  zwei  andere  zu  den  Seiten  des 
Altarhauses  anordnete  und  aufserdem,  vorzüglich  am  Rhein,  noch  einen 
Mittelturm  über  der  Durchschneidung  des  Lang-  und  Querhauses  er- 
richtete. Später  wurde  die  Anzahl  der  Türme  wieder  beschränkt,  und 
man  suchte  den  Ruhm  nicht  mehr  in  der  Vielheit,  sondern  in  der  Höhe 

der  Türme. 

Die  Entstehung  eines  zweiten  Turmpaares  in  Osten  auf  den  Flanken 
des  Altarhauses  wird  aus  der  doppelchörigen  Anlage  (s.  oben  S.  55)  völlig 
erklärlich,  wenn  man  diese  Gebäude  ansieht  als  zwei  entgegengesetzt  orien- 
tierte Kirchen  mit  gemeinschaftlichem  Langhause,  von  denen  die  östlich 
orientierte  ihre  Türme  in  Westen,  die  westlich  orientierte  dieselben  im 
Osten  erhielt,  und  diese  Auffassung  bestätigt  sich  ferner  als  richtig  durch 

*  Ähnliche  Turmkomposition  in  Münstereifel,  Münsterinaifeld,   Maastricht  (lieb- 
frauenkirche),  Koblenz  (St.  Castor)  und  zu  Brenz  in  Württemberg. 


Zahl  der  Türme.  73 

die  Wahrnehmung,  daTs  bei  doppelchdrigen  Kirchen  mit  zwei  Qnerachiffen 
(Abteikirche  zn  L&ach,  St.  Hichael  zn  HÜdeBbeim),  auch  zwei  Hittelttlrme, 
der  eine  Ober  dem  Östlichen,  der  andere  fiber  dem  weatlichen  Kreuze  ange- 
ordnet «nirden;  oder,  wenn  unr  ein  Qnerscliiff  vorbanden  war,  wie  an  den 
Domen  zu  Mainz  nud  Worms,  ein  zweiter  Mittelturm  Aber  dem  zweiten  Altar- 
banse.  —  Die  Entstehung  und  Verbreitung  der  im  Rbeinlande  h&nfigen, 
anch  in  Westfalen  (Dom  zu  Osnabrück,  MOnster  zn  Hameln,  Ludgerikirche 
zu  Münster)  vorkommenden  achteckigen,  ein  hohes  kuppelartiges  (soge- 
nanntes Kloster-)  Gewölbe  umschliersenden,  bis  oben  offenen  Mitteltflrme 


Flg.  n.    KlMUrklrcba  St.  HIehMl  In  Hlldithaln  (aacb  Hu«). 

wird  aus  dem  Einflüsse  des  karolingi sehen  Ceutralbaus  in  Aachen  erklärlich, 
wie  denn  z.  B.  beim  alten  Münster  von  Strafsburg  und  bei  8t.  Quirin  in  Neufs 
die  Erweiterung  einer  urspünglich  centralen  Anlage  durch  einen  basUikalen 
Anbau  nachweislich  ist.  In  anderen  Gegenden  sind  die  Mitteltürme  selten 
(St.  Michael  und  St.  Godehard  zu  Hildesbeim,  St.  Cosmae  und  Damiani  zu 
Stade,  Stiftskirche  zu  Königslutter,  Kirche  zu  Kloster-Groningen,  St.  Ulrich 
zu  Sangerhansen,  Altstädter  Kirche  zu  Artern,  St.  Urban  zu  Baiernaumburg, 
Stadtkirche  zu  Freibnrg  a.  d.  U-,  Nikolaikirchc  zu  Treuenbrietzen),  um- 
schliefsen  nicht  wie  am  Rheine  und  in  Westfalen  eine  Kuppel  (nur  die  kleine 
Schlofakirche  zu  Querfurt  zeigt  eine  solche)  und  kommen  nach  dem  XUI. 
Jahrb.  in  Deutschland  überhaupt  nicht  mehr  vor:  die  Katharinenkirche  zu 
Oppenheim  und  die  Thomaskirche  zu  Strafsburg  stellen  die  einzigen  Bei- 
spiele rein  gotischer  Mitteltttrme  dar. 

Obgleich  die  Kirchtürme  den  ersten  sechs  bis  sieben  Jahrbnnderten 
fremd  waren,  and  ihre  Entstehung  zunächst  nur  änfseren  Umständen  zn  ver- 
danken ist,  so  hat  sich  das  christliche  Volk  aller  Schichten  an  diese  »Finger, 
die  unser  Herrgott  axis  der  Erde  steckt*  doch  bald  mit  gröfster  Liebe  ge- 
wöhnt, so  dafs  sich  auch  die  ärmste  Dorfkirche  diesen  Schmuck  nicht  leicht 
versagte.  Es  hat  daher  nichts  Befremdliches,  dafs  reiche  Stißnngen  bei  ihren 
Kirchen  die  Zahl  derTUrme  steigerten:  die  Dome  zu  Mainz,  Speler  und 
Worms,  die  Klosterkirchen  zu  Laacb  und  St.  Michael  zu  Hildesheim  haben 


74  Höhe  der  Türme. 

sechs  Türme ,  das  Münster  zu  Bonn  ftlnf ,  die  Kirche  zu  Limburg  a.  d.  L. 
sieben  y  St.  Gereon  und  Aposteln  zu  Köln  und  viele  andere  aus  dem  Xu.  — 
Xlll.Jahrh.  am  Rhein  drei  Türme;  die  gotische  Marienkirche  in  Danzig  hat 
aufser  dem  grofsen  Glockenturme  noch  zehn  andere  Türmchen,  die  sich  zum 
Teil  mehr  als  25,oo  über  das  hohe  Kirchdach  mit  schlanker  Spitze  erheben; 
selbst  kleinere  Stadtgemeinden  (wie  Freiburg  a.  d.  IT.,  Wittenberg,  Jüter- 
bog etc.)  schmückten  ihre  Pfarrkirchen  mit  zwei  stattlichen  Westtürmen, 
und  nicht  blofs  die  Stadtkirche  zu  Freiburg  a.  d.  U.,  sondern  sogar  die  Fi- 
lialkirche des  Dorfes  Grofsen -Linden  bei  Giefsen  hat  aufser  diesen  noch 
einen  Mittelturm.  Die  hier  und  da  keck  hingestellte  Behauptung,  dafs  eine 
Pfarrkirche  nur  einen  Turm,  eine  bischöfliche  zwei  und  eine  erzbischöfliche 
drei  Türme  habe,  widerlegt  sich  daher  selbst. 

Für  die  Höhe  der  Türme  gab  es  kein  Mafs:  die  älteren  Türme  sind 
nur  niedrig,  aber  in  der  Blütezeit  der  mittelalterlichen  Baukunst  baute  man 
sie  gern  so  hoch  als  möglich,  und  obgleich  die  Türme  der  gröfseren  Kirchen 
gewöhnlich  schon  mit  dem  Altarhause  zugleich  in  Angriff  genommen  wurden, 
so  waren  sie  doch  regelmäfsig  derjenige  Teil  des  Gebäudes,  an  dessen  Voll- 
endung man  zuletzt  ging,  und  sind  deshalb  gewöhnlich  unvollendet  geblieben 
(Dome  zu  Köln,  Regensburg,  Ulm  etc.),  oder  es  wurde  doch  nur  einer  der 
projektierten  beiden  Prachttürme  fertig  (Münster  zu  Strafsburg,  nach  ver- 
ändertem Plane ;  St.  Stephan  zu  Wien  etc.).  —  An  den  Domen  zu  Magdeburg 
und  Köln  ergiebt  sich  die  Länge  der  Kirche  ungefähr  als  Mafs  fOr  die  Höhe 
der  Türme. 

Als  die  höchsten  Türme  in  deutschen  Landen  werden  genannt: 

Köln,  Dom  (gröfstenteils  Neubau) 157,iio 

(Nikolaikirche  Hamburg  modern  144,20) 

Strafsburg,  Münster 142,to 

Wien,  St.  Stephan 136,70 

Braunschweig,  St.  Andreas,  bis  1551      ....     133,70 

(jetzt  nur  noch  101) 

Landshut,  St.  Martin 132,50 

Breslau,  St.  Elisabeth  (seit  1592  nur  noch  90,70,  nach     130,56 

anderer  Angabe  108,03) 
Hamburg,  St.  Petri  (abgebrannt  1842)    ....     127,42 

Rostock,  St.  Petri 126,00 

Lübeck ,  St  Marien 123,68 

Mainz,  Dom,  Haupttui*m 122,40 

Lübeck,  Dom 120,00 

Metz,  Kathedrale  (nach  anderer  Angabe  112)  .     .     118,00 

Freiburg  i.  Br. ,  Münster 117,20 

Stralsund,  St.  Marien 104,47 

Magdeburg,  Dom 103,25 

Stralsund,  St.  Nikolai 102,50 

Augsburg,  Dom 102,oo 

Bremen,  St.  Ansgari 101,68 

Schweidnitz,  Pfarrkirche 100,43 

München ,  Frauenkirche 99,00 

(nach  anderer  Angabe  109) 


Abnonne  Tarmstellungen.  75 

Zwickau,  St.  Marien 98,55 

Regensbnrgy  Dom  (davon  62,27  Neubau)     .     .     .  96,S3 

Marburg,  St.  Elisabeth 95,00 

Halle,  roter  Turm 84,00 

Frankfurt  a.  M. ,  Dom 82,00 

Ulm,  Münster  (projektiert  auf  151) 80,00 

Meifsen,Dom 78,00. 

Die  vorstehenden  Angaben  sind  zwar  den  besten  Quellen  entnommen, 
können  jedoch  keineswegs  sämtlich  als  vollkommen  zuverlässig  gegeben 
werden,  da  die  Resultate  der  Messungen  oft  sehr  schwankend  sind.  Bei 
dem  Turme  des  Freiburger  Münsters  z.  B.  ergab  von  zwei  trigonometrischen 
Messungen  die  eine  111,92,  die  andere  113,io,  von  zwei  Stangenmessungen 
die  eine  115,65,  die  andere  115,S4.  Nach  Mollers  Zeichnung  beträgt  die 
Höhe  117,20,  und  nach  Kugler  385  F.  rh. -=  120,83.  (^ergl.  Adler  in  der 
Deutsch.  Bauz.  1 S8 1 ,  529.) 

Anmerkung.  Es  bedarf  kaum  der  Bemerkung,  dafs  sich  die  mannig- 
fachsten Modifikationen  der  (vorstehend  b.  c.  d.  angegebenen)  verschie- 
denen Normalstellungen  der  Kirchtürme^  nachweisen  lassen.  Die 
beiden  Westtürme  haben  zwar  regelmäfsig  die  Frontstellung  in  der  Flucht 
der  Seitenschiffe,  derFa9ade  eingebaut  (nur  ausnahmsweise ,  wie  in  Friedberg, 
wo  sie  unten  eine  Durchfahrt  bilden,  derselben  vorgebaut),  sind  aber  nicht 
immer  von  Grund  aus  jeder  für  sich  als  selbständiges  Bauwerk  aufgeführt:  in 
Niedersachsen  (Aken,  Braunschweig  etc.,  in  einzelnen  Beispielen  auch  in  Ober- 
sachsen) steigen  sie  vielmehr  erst  über  den  Flanken  eines  die  ganze  Breite  der 
Kirche  einnehmenden  rechteckigen  Baukörpers  auf,  der  in  den  unteren  Stock- 
werken die  von  den  Wendelstiegen  eingeschlossene  Vorhalle,  im  Obergeschofs 
die  Glockenstube  enthält.  —  Am  Dome  zu  Trier  sind  über  dem  Westende  der 
Seitenschiffe  zwei  viereckige  Glockentürme  angeordnet,  es  treten  aber  auf  den 
äufseren  Ecken  derselben  noch  zwei  niedrigere ,  fast  ganz  frei  stehende  runde 
Treppentürme  hinzu:  eine  Anordnung,  welche  sich  an  der  gleichzeitig  dem 
XI.  Jahrhundert  angehörenden  Klosterkirche  zu  Limburg  a.  d.  H.  wiederholt. 
—  Die  Chortürme  stehen  zu  den  Seiten  des  Altarhauses  dem  östlichen  Ende 
bald  mehr,  bald  weniger  nahe:  am  Ostchore  des  Domes  zu  Mainz  erheben  sich 
die  beiden  Rundtürme  auf  den  äufseren  Ecken  der  das  Altarhaus  begleitenden 
seitenschiffartigen  Räume,  von  unten  auf  nur  zur  Hälfte  freistehend;  an  den 
beiden  Chören  des  Domes  zu  Worms  stehen  die  vier  Rundtürme  in  der  Flucht 
der  Seitenschiffaxen  und  schneiden,  wie  die  Chortürme  des  Merseburger  Domes 
(s.  den  Grundrifs  S.  46),  tief  in  die  Seitenwände  des  Altarhauses  ein.  —  Die 
Dome  zu  Speier,  Bamberg,  Magdeburg  und  Naumburg,  auch  die  Abteikirchen 
zu  Laach  und  Knechtsteden  haben  quadratische  Chortürme,  die  in  dem  durch 
die  Mauern  des  Altar-  und  Querhauses  gebildeten  Winkel  aufsteigen.  Ander- 
weitig finden  sich  zwei  Osttürme  über  den  Kreuzarmen  oder  statt  derselben 
angebracht:  Georgskirche  in  Prag,  Pfarrkirchen  zu  Kaurzim,  Königgrätz, 
Nachod,  Priethal,  Dorfkirche  St.  Wenzel  zu  Sejtschin  bei  Jung-Bunzlau,  Marien- 


*  Über  die  verschiedene  Stellung  der  Türme  vercl.  üngewitter,  Lehrbuch  der 
got  Eonstniktionen ,  353  und  Redtenbacher,  Rua.,  Leitfaden  zum  Studium  der 
jnittelalt.  Bauk.,  193. 


76  Abnorme  Turmstellungen. 

kirche  in  Reutlingen;  heil.  Kreuzkirche  in  Gmünd,  St.  Stephan  in  Wien;  bei 
der  Klosterkirche  in  Hamersleben  und  der  heil.  Kreuzkirche  in  Breslau  steheu 
die  Türme  in  dem  Winkel  auf  der  Westseite  des  Querhauses.  —  Der  Dom  in 
Erfurt  (ursprünglich)  und  die  nahe  gelegene  Severikirche  daselbst  habeu  an 
der  Ostseite  (zwischen  Chor  und  Schiff)  einen  breiten,  in  drei  Spitzen  aus- 
laufenden Turmbau,  ebenso,  aber  nur  mit  zwei  Spitzen  über  den  Flanken  die 
jetzigen  Dorf-,  ursprünglich  Klosterkirchen  zu  Gangloffsömmern  und  Otten- 
hausen  im  Kreise  Weifsensee  des  Reg.-Bez.  Erfurt,  und  die  beiden  quadratischen 
Türme  der  aus  drei  gleich  langen  Schiffen  bestehenden  Kirche  zu  Altenstadt 
bei  Schongau  bilden  den  östlichen  Abschlufs  der  Seitenschiffe.  —  Die  doppel- 
chörige  Kirche  des  Michaelisklosters  zu  Hildesheim  (s.  die  Abbild.  S.  73)  hatte 
weder  West-  noch  Osttürme,  dagegen  aufser  den  beiden  Mitteltürmen  über  dem 
östlichen  und  westlichen  Kreuze,  ganz  aufserge wohnlich  vor  der  Mitte  der  vier 
Kreuzflügelfronten  runde  Treppentürme  als  Aufgänge  zu  den  im  Innern  befind- 
lichen Emporen. 

Bei  Kirchen  mit  nur  einem  Turme,  der  dem  Mittelschiffe  ganz  oder  teil- 
weise vorgebaut  oder  auch  ganz  in  dasselbe  eingebaut  sein  kann ,  kommen  ge- 
wisse Abweichungen  von  der  westlichen  Normalstellung  (s.  oben  c)  in  manchen 
Gegenden  so  häufig  vor,  dafs  sie  für  diese  geradezu  die  Regel  bilden.  So  pflegt 
z.B.  in  Schwaben  (Stephanskirche  zu  Konstanz,  heil.  Kreuz  zu  Rottweil ,  Stifts- 
kirche zu  Hechingen,  Frauenkirche,  Martinskirche  und  Spitalkirche  zu  Mem- 
mingen etc.)  der  Turm  an  einer  Langseite  der  Kirche  zu  stehen ,  häufig  aus 
älterer  Zeit  stammend ,  als  der  Kirchenbau  selbst ;  ja  es  werden  Beispiele  an- 
geführt, wo  die  Kirchen  in  dieser  oder  anderer  Weise  an  alte  römische  Kriegs- 
türme angebaut  sein  sollen.^  Jedenfalls  erinnert  diese  auch  im  bayerischen  Ge- 
birgslande,  in  Tirol  (Pfarrkirche  zu  Botzen  etc.)  und  in  Schlesien  vorkommende 
Stellung  des  Turmes  an  den  in  jenen  Landstrichen  auch  jetzt  noch  nicht  sel- 
tenen isolierten  Standort  des  Glockenturmes  neben  der  Kirche  (s.  oben  S.  71) 
und  könnte  daraus  hervorgegangen  sein.  In  Mühlhauseu  i.  Th.  haben  die  Pfarr- 
kirchen der  inneren  Stadt  zwei  Frontaltürme,  bei  den  meisten  Kloster  -  und  Vor- 
stadtskirchen daselbst  aber  steht  der  Turm  an  einer  Langseite.  —  Eine  andere 
Anomalie  bei  kleineren  Kirchen  seit  dem  XU.  Jahrh. ,  dafs  der  Turm  östlich  über 
dem  rechteckigen  oder  quadratischen  Altarhause  steht,  aus  dem  etwa  nur  eine 
Halbkreisapsis  herausspringt,  oder  dem  später  ein  polygoner  gotischer  Chor 
angebaut  ist,  wird,  soweit  sie  nicht  aus  Sparsamkeitsgründen  hervorgegangen 
ist,  hauptsächlich  auf  fortifikatorische  Absichten  zurückzuführen  sein.  Sie  ist 
in  Süd-  und  Mitteldeutschland  überaus  verbreitet.  Im  Elsafs  sind  bis  jetzt  von 
Kraus  17  Beispiele  aus  der  romanischen  und  Übergangszeit  und  6  gotische 
angeführt ,  im  Reg.-Bez.  Wiesbaden  12  romanische  und  7  gotische ,  im  Reg.-Bez. 
Kassel  11  romanische  und  38  gotische.  In  Württemberg  ist  es  bei  den  romani- 
schen Landkirchen  die  Regel,  sie  bilden  etwa  ein  Viertel  sämtlicher  Kirchen  des 
Landes ;  aber  auch  gotische  kommen  vor  an  der  Walderichskapelle  bei  Murr- 
hardt  von  1489  und  besonders  gewaltig  an  der  Kirche  zu  Balingen  von  1500. 


*  In  Theilenhofen,  Ascholting  bei  Tölz,  Beigen  bei  Nouburg  a.  d.  Donau  etc.  Vergl. 
Krieg  V.  Hochfelden,  Gesch.  oer  Militär -Arcnitektur,  106.  Einbauungen  von  Krie^- 
tüi'men  in  Kirchen  sollen  überhaupt  öfter  vorkommen,  und  als  unsicheres  Beispiel  wird 
die  Marienkirche  zu  Salzwedel  erwähnt.  Vergl.  Korr.  -  Bl.  d.  Ges.- V.  1860,  No.  13 — 15. 


Grondfonn  der  Türme.  77 

Ebenso  sind  sie  ib  Österreich  sehr  zahlreich ;  allem  im  Kreise  ob  dem  Mann- 
hartsbei^e  siod  14  romanische  nnd  7  gotische  Beispiele  Damhaft  gemacht,  in 
Böhmen  dagegen  als  einziges  Beispiel  die  WcnzeUkirche  zn  Prosek  bei  Prag. 
Sehr  zahlreich  sind  sie  anch  in  Thüringen  nnd  in  der  Altmark,  wahrend  im 
Hannoverschen  der  Moritzberg  bei  Hildesheim  und  In  Ostlriesland  Eitsum  (über 
dem  Chore)  nnd  Pilsnm  (aber  derVierung)  die  einzigen  Beispiele  sind.  —An  den 
Spital liirchen  zn  Neuhaus  und  Sobieslaw  in  Böhmen  erheben  sich  schlanke 
achteckige  Türmchen  über  dem  Triumphbogen  des  niedrigeren  Chors  an  der 
Oetseite  der  Schiffsgiebelwand. 


Plf.  M.    TBrms  ii  Mtnabnrt,  P(l«nb*n  nnil  KObnitnuii  <B>rh  Faltrlch). 

e.  Die  Grundform  der  Türme  ist  gewöhnlich  das  Quadrat,  dessen 
Seite  insgemein  etwa  der  Breite  der  Seitenschiffe  entspricht  In  älterer 
Zeit  bis  zum  XTTT.  Jahrhundert  waren  auch  RundtUrme  beliebt:  stets 
paarweise,  teils  anderen  viereckigen  Türmen  als  Treppenhäuser  vorgelegt, 
teils  namentlich  auch  als  Chortürme,  wo  ihre  Exeisform  mit  den  halb- 
runden Apsiden  harmoniert,  selten  dag^en  in  eigentlicher  Frontalstel- 
lung neben  dem  westlichen  Hauptportal.  —  Die  Kuppeltürme  über  der 
Kreuzung  oder  dem  Altarhause  sind  regelmäTsig  achteckig,  andere  Mit- 
teltüime  gewöhnlich  quadratisch. 

Am  Dome  zn  Magdeburg  decken  sich  die  Grundrisse  der  beiden  west- 
lichen Türme  nnd  der  Krenzarme.  —  Bei  Kirchen  des  XII.  nnd  XIII.  Jahrh. 
mit  nur  einem  Tarme  hat  dieser  in  manchen  Gegenden  nicht  quadratischen, 
sondern  rechteckigen  Grandrifs  nnd  nimmt  die  ganze  Breite  der  Westseite 


78  Aufbau  der  Türme. 

ein :  häafig  in  der  Gegend  von  Halle  a.  d.  S.,  am  Harz,  sporadisch  auf  dem 
Fläming  (Werder  bei  Jüterbog),  darchgehend  bei  den  Feldsteinbauten  in  der 
Altmark,  Priegnitz  und  Uckermark,  mit  denen  das  Land  bedeckt  ist. 

Runde  Treppentürme  sind  den  viereckigen  Türmen  an  den  Domen  zu 
Trier  und  Paderborn  (XL  Jahrh.)  vorgelegt  (s.  S.  72).  —  Runde  Chortürme 
neben  beiden  Chören  der  Dome  zu  Mainz  und  Worms,  neben  dem  Westchore 
der  Klosterkirchen  zu  Essen  und  Gemrode,  neben  dem  Ostchore  des  Domes  zu 
Merseburg  und  der  Pfarrkirche  zu  Gelnhausen ; '  runde  Frontaltflrme  an  den 
Dorfkirchen  zu  Grofsen-Linden  und  Kondrac  (s.  oben  S.  71  f.),  an  den  Kloster- 
kirchen zu  Möllenbeck  in  Westfalen  und  Oldenstadt  (Olzen),  an  der  Marien- 
kirche zu  Magdeburg ;  sie  erinnern  in  ihrer  Erscheinung  an  die  gleiche  Turm- 
stellung neben  Stadtthoren.*  —  Einzelne  Rundtürme  an  der  Westfront  finden 
sich  an  zahlreichen  kleinen  alten  Kirchen  im  Fürstentum  Lüneburg '  und 
sind  offenbar  zum  grofsen  Teil  ehemalige  Warttürme.  —  An  Grofs  -  St.  -Martin 
in  Köln  erheben  sieh  neben  dem  hohen  viereckigen  Mittelturme  achteckige 
Ecktürmchen.  Achteckig  sind  auch  die  Glockhäuser,  welche  am  Graltempel 
des  Titurel  (Zarncke  Str.  57 — 60)  zwischen  je  zwei  der  Chöre  in  6  Stock- 
werken, auf  jeder  Seite  mit  zu  3  gruppierten  Fenstern  aufsteigen.  —  Runde 
Treppentürmchen,  in  untergeordneter  Weise  den  Ecken  der  Kirchen  vor- 
gelegt, mit  den  Aufgängen  zu  den  Dachräumen  kommen  in  späteren  Jahr- 
hunderten sehr  häufig  vor  und  nehmen  zuletzt  eckige  Form  an :  Marienkirche 
in  Zwickau  etc.  —  Die  Kirche  Mariastiegen  in  Wien  hat  an  ihrer  Südseite 
einen  siebeneckigen  Turm ,  die  zu  Steyer  in  Österreich  einen  sechsseitigen. 

f.  Die  Tünne*  älterer  Zeit  behalten  bis  zur  Bedachung  ihre]  vier- 
eckige oder  runde  Grundform  bei  und  haben  nur  im  Oberstockwerke 
FensteröfBaungen,  während  die  unteren  Stockwerke  blofs  von  kleinen 
LichtöfBaungen  zur  notwendigsten  Beleuchtung  der  Treppen  durchbrochen 
und  nur  vom  Innern  der  Kirche  aus  zugänglich  sind;  seit  dem  Xu. 
Jahrhundert  jedoch  setzt  das  Viereck  in  den  oberen  Geschossen  gewöhn- 
lich ins  Achteck  imi  und  endet  in  einen  hohen,  insgemein  achteckigen 
Helm,  und  seit  dem  XIIL  Jahrhundert  stehen  die  zuweilen  von  aufseu 
zugänglichen  Türme  oft  mit  dem  Innern  der  Kirche  in  Verbindung  und 
sind  häufig  bis  ziun  Erdgeschosse  herab  mit  mehr  oder  weniger  grofsen 
Fenstern  versehen. 

An  massigen  und  roheren  Bauten  auch  des  späteren  Mittelalters  bleiben 
die  Türme  bis  oben  hinauf  viereckig ;  die  vier  Wände  laufen,  alle  vier  oder 
nur  zwei,  in  Giebel  aus  und  schliefsen  oft  ohne  Hinzufügung  eines  Helmes 

*  Diese  cylindrischen  Türme,  bei  geringem  lichten  Räume  durch  die  in  ihnen  be- 
findlichen steinernen  Wendeltreppen  überaus  fest  in  sich  zusanunen^halten,  sind  oft 
(wie  an  den  Domen  zu  Mainz,  Worms  und  Merseburg  etc.)  die  einzigen  Überreste 
von  älteren  Bauwerken,  besonders  des  XI.  J^irh.,  wenn  auch  mit  erneuten  Oberstock- 
werken. 

*  Sehr  weitläufig  verbreitet  sich  hierüber  Klein,  Kirche  zu  Grofeen- Linden,  31  ff. 
»  Vergl.  Abb.  bei  Mithoff.  H.  Taf.  3.  IV.  Taf.  1  u.  2.  V.  Taf.  l  u.  «. 

«  Abb.  von  Tümien,  bei  Redtenbacher,  Beiträge  Taf.  30—36;  Essenwein, 
Backst.,  15  f.  und  Taf.  X;  Ungewitter,  Lehi-b.  Taf.  42—45. 


Turmhelme.  Turmkapellen.  79 

«ntweder  mit  einem  Kreuzdache  oder  mit  einem  gemeinen  Satteldache, 
dessen  Giebel  bei  quadratischen  Türmen  gewöhnlich  gen  West  und  Ost,  bei 
rechteckigen  dagegen  regelmäfsig  nach  Nord  und  Süd  schauen.  —  In  Nieder 
Sachsen  (z.  B.  in  Braunschweig  und  Göttingen)  sind  die  Turmpaare  der 
Kirchen  schon  von  da  an,  wo  sie  aus  ihrem,  etwa  nur  ein  Drittel  der  Ge- 
samthöhe betragenden  gemeinsamen  Unterbau  (s.  oben  die  Anmerkung  S.  75) 
aufsteigefi,  achteckig,  was  keinen  vorteilhaften  Eindruck  macht.  —  Sehr 
ungewöhnlich  ist,  dafs  der  viereckige  Turm  der  Franciskanerkirche  zu 
Prefsburg  in  den  beiden  überaus  zierlichen  obersten  Geschossen  und  im 
Helme  in  das  Sechseck  umsetzt,  und  der  eben  falls  sehr  zierliche  der  Cla- 
rissinnenkirche  daselbst  aus  dem  Fünfeck  construiert  ist. 

Wie  schon  die  äufsere  einheitliche  Verbindung  der  Turmbauten  mit  der 
Kirche  im  Vergleich  mit  der  Separatstellung  der  ersteren  als  glücklichere 
Lösung  der  Aufgabe  betrachtet  werden  mufs,  so  war  die  innere  Kommuni- 
kation des  unteren  Raumes  mit  dem  Langhause  der  Kirche  noch  ein  weiterer 
wesentlicher  Fortschritt :  an  den  Domen  von  Strafsburg  und  Köln  bilden  die 
Türme  (nach  dem  Muster  des  französischen  Kathedralstils)  den  Zugang  zu 
den  Seitenschiffen,  eine  nachahmenswerte,  doch  selten  beobachtete  Einrich- 
tung. Die  Münster  von  Freiburg  i.  B.  und  Ulm  haben  nur  einen  Turm  vor 
der  Mitte  der  Westfront,  derselbe  bildet  jedoch  zugleich  den  Haupteingang 
und  die  Vorhalle  der  Kirche.  An  vielen  Barchen  mit  zwei  Westtürmen  (be- 
sonders in  Pommern,  aber  auch  anderwärts  z.  B.  im  Dome  zu  Regensburg, 
in  der  Stiftskirche  zu  Xanten,  Nikolaikirche  zu  Jüterbog  etc.)  ruhen  die 
Türme  einwärts  auf  starken  Pfeilern  und  öffnen  sich  in  hohen  Bögen,  östlich 
in  die  Seitenschiffe,  nördlich,  resp.  südlich  in  den  Zwischenbau. 

Die  rheinländischen  und  oberdeutschen  Prachttürme  (Dome  in  Köln  und 
Regensburg  [nach  dem  Entwürfe],  Münster  zu  Strafsburg,  Freiburg i.  B.  und 
Ulm ,  St.  Stephan  zu  Wien)  sind  mit  zum  Teil  modernen  luftig  durchbroche- 
nen Steinpyramiden  gekrönt,  die  in  Norddeutschland  sehr  selten  und  nur 
in  kleinem  Mafsstabe  (der  s.  g.  höckerige  Turm  am  Dome  zu  Meifsen)  vor- 
kommen und  am  Dome  zu  Frankfurt  a.  M.  und  an  Mariastiegen  in  Wien  eine 
kuppelft^rmige  Gestalt  annehmen.  —  Die  meisten  Turmdächer  bestehen  aus 
mit  Schiefer,  Metall  oder  Ziegeln  gedeckten  Holzkonstruktionen  von  zum 
.    Teil  überaus  schlanker  Form  und  Höhe,  wie  an  den  Lübecker  Kirchen.   An 
der  Teynkirche  zu  Prag  sind  sie  mit  vier  kleineren  ausgekragten  Türmchen 
{ichaugettes y   Schilderhäuschen  nennt  sie  Viollet-le-Duc)  besetzt,  der 
Turmhelm  der  Marienkirche  zu  Krakau  sogar  mit  deren  acht.    Dieser  Helm 
ist  auch  in  '/a  seiner  Höhe  mit  einer  Krone  (selbstverständlich  der  Himmels- 
königin) umgeben,  wie  solche  in  Gestalt  von  Frauenschuhen  auch  die  pro- 
jektierte Spitze  des  Ulmer  Münsterturms  umgeben  sollten.  Die  grofse  Mehr- 
zahl dieser  Helme  ist  leider  seit  dem  Ende  des  XVI.  Jahrhunderts  durch  ge- 
schmacklose Bedachungen  in  Form  von  Zwiebeln  und  welschen  Hauben  oft 
in  drei  bis  vier  Etagen  übereinander  ersetzt  worden. 
Anmerkung  1.   Das  Innere  der  Türme  wurde  oft  zu  Kapellen  be- 
nutzt, und  zwar  nicht  blofs  im  Erdgeschosse  (wie  in  den  Osttürmen  der  Pfarr- 
kirche zu  Gelnhausen);  in  den  westlichen  Domtürmen  zu  Wien,  Naumburg 
und  Meifsen  finden  sich  z.  B.  zwei  Kapellen  über  einander  angebracht,  und 
eine  ähnliche  Einrichtung  erscheint  im  Turme  der  Kirche  zu  Idensen  in  West- 


80  Schmuck  der  Turmspitzen. 

falen.  —  Auf  dem  Baurisse  von  St.  Gallen  sind  oben  auf  der  Höhe  {in  summitafe) 
der  beiden  Rundtttrme  Altäre  der  Erzengel  (nördlich  Gabriel ,  südlich  Michael) 
angegeben,  Michaelskapellen  finden  sich  auch  in  den  Türmen  des  Freiburger 
Münsters,  zu  Fulda,  Lorsch. und  Reichenau.^  —  Von  GlockenstUhlen  ist  der 
18,00  hohe,  jetzt  13  Glocken  tragende  des  Freiburger  Münsters  (von  dem 
Adler  aus  technischen  Details  nachweist,  dafs  derselbe  vor  Errichtung  der 
Turmwände  ca.  1273  aufgestellt  sein  mufs),  noch  heute  tadellos  erhalten.^  — 
In  die  Turmknöpfe  pflegte  man  Reliquien  und  Urkunden  einzulegen;  letztere 
enthielten  teils  Nachrichten  über  den  Bau,  teils  Gebete.  Dergleichen  Doku- 
mente aus  dem  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  findet  man  abgedruckt  z.  B.  in  den 
N.  Mitt.  Th.  8.-V.  III,  4,  125  ff.  und  in  v.  Dreyhaupts  Beschreib,  des 
Saalkreises  I,  1015  f.  —  Der  Hahn  auf  dem  Glockenturme  {campanarium) 
kommt  schon  im  X.  Jahrhundert  zu  St.  Gallen  vor :  ^  dieser  ^praeco  dien  be- 
zeichnet erinnernd  die  Wachsamkeit  in  Beobachtung  der  kanonischen  Stunden ; 
vor  Erfindung  der  Uhren  richtete  man  sich  mit  dem  Anfange  des  Frühgottes- 
dienstes nach  dem  Hahnenschrei.*  —  Statt  des  Hahns  kommen  auf  den  Turm- 
spitzen auch  die  Abbildungen  der  Patrone  vor :  auf  den  östlichen  Türmen  des 
Doms  zu  Merseburg  z.B.  sind  St.  Laurentius  und  8t.  Johannes  der  Täufer  unter 
den  Windfahnen  angebracht.  Auf  der  Spitze  des  Strafsburger  Münsterturms 
stand  ehedem  die  Statue  der  heil.  Jungfrau.  Dieselbe  war  auch  ftlr  den  Ulmer 
Münsterturm  beabsichtigt.  Andrerseits  laufen  die  Helme  (abgesehen  von  den 
grofsen  gotischen  Kreuzblumen)  ebenso  wie  die  Giebelspitzen  häufig  in  stili- 
sierte Steinkreuze  aus.  Beispiele  von  solchen  bei  Redtenbacher  Beiträge 
Taf.  28.  29.  Andrer  figürlicher  bildnerischer  Schmuck  ist  an  den  Tnrmhelmen 
selten.  Um  den  zu  Strafsengel  in  Steiermark  stehen  statt  der  Fialen  acht  Engel 
mit  Blasinstrumenten.  —  Die  bei  städtischen  Pfarrkirchen  besonders  in  den  säch- 
sischen Gegenden  (z.  B.  in  Freiburg  a.d.  U.,  Grofs-Salza,  Halberstadt,  Halle, 
Jüterbog,  Stendal,  Wittenberg;  aber  auch  in  Wiener -Neustadt,  Efslingen, 
(Dionysiuskirche),  Markgröningen  etc.)  nicht  selten  vorkommende  Verbindung 
der  beiden  Frontaltürme  durch  eine  Brücke  hat  den  Zweck,  dem  oben  wohnen- 
den Türmer  die  Umschau  von  beidenTürmen  zu  ermöglichen.  Bei  der  Diony- 
siuskirche zu  Efslingen  findet,  jedenfalls  zur  Erleichterung  der  Kommuni- 
kation, sogar  eine  zweifache  Überbrückung  zwischen  den  beidenTürmen  statt. 
Anmerkung  2.  Bei  Kirchen  mit  mehreren  Türmen  werden  die  ein- 
zelnen, um  sie  von  einander  zu  unterscheiden,  gewöhnlich  mit  besonderen 
Namen  benannt.  Die  beiden  westlichen  Türme  des  Doms  von  Wien  heifsen 
Heidentürme,^  die  östlichen  Türme  des  Freiburger  Münsters  haben  den  Namen 


*  Ober  Türme  als  Kultusstätten  vergl.  Wein gärtner,  System  des  ehr.  Turmbaues,  27. 
»  Vergl.  Adler,  in  d.  Deutsch.  Bauz.   1881,  505.   Fig.  14— 17. 

*  Pertz,  M.  G.  Scriptores.  11,  105. 

^  CJonsuetudines  monasterii  S.  Yitoni  Virdunensis  (angeblich  aus  dem  X.  Jahrh.  — 
Martene,  de  ritibus.  lY,  853):  Cum  lucem  ales  nwnciaverü ^  däbuntur  omnia  Signa. 
Ahnlich  schon  Augustinus  vom  Frühgebet.  Vergl.  Kreuser,  Eirchenbau.  I,  232.  Vergl. 
Heinrich,  G.,  der  Hahn  auf  den  Kirchtürmen,  im  Siebenbürg.  Korrespondenzblatt. 
IV.  (1881),  No.  2.  —  Giefers,  der  »Hahn  und  der  Hase«,  im  Org.  f.  ehr.  K.  1872, 
No.  21.  —  Abb.  einiger  hessischen  Turmhähne  bei  Statz  und  üngewitter.  Taf.  11, 
Fig.  9.  Taf.  12,  Fig.  8. 

*  Sehr  wahrscheinlich  als  Erinnerung  an  die  ehemalige,  bei  der  Kirche  vorbei- 
führende ^sirata  nemoris  paganarunn^.    Vergl.  Otte,  BauE.,  252. 


Dachreiter.  Q\ 

Hahnentürmchen ;  in  Basel  am  Dom  werden  die  westlichen,  and  am  Merse- 
burgerDomdie  östlichen  Tttnne  nach  den  beiden  Hauptpatronen  dieser  Kirchen 
benannt;  die  vier  Naumburger  Domtürme  werden  als  ^bewohnte^  und  ^un- 
bewohnte«^  von  einander  unterschieden ;  an  der  Marktkirche  in  Halle  heifsen 
die  östlichen  die  Hansmanns  ^-,  die  westlichen  die  blauen  Türme ;  zu  Danzig 
wird  der  sich  über  der  Vierung  der  Marienkirche  erhebende  Turm  Epistelturm 
genannt.  Von  den  beiden  Türmen  der  Frauenkirche  zu  Ingolstadt  heifst  der 
niedrigere  derölturm  (d.i.  Ölbergturm),  und  am  Dome  zu  Würzburg  der  nord- 
östliche der  rote  Turm.  Der  linke  Chorturm  des  Domes  zu  Worms  und  der 
rechte  zu  Speier  heifsen  Eselstürme ,  weil  Esel  auf  den  romanischen  Treppen 
derselben  die  Baustoffe  hinauf  getragen  haben  sollen ,  und  auch  der  Dom  zu 
Kegensburg  hat  seinen  Eselsturm  mit  derselben  Sage,  aber  mit  einer  ftlr  Esel 
völlig  ungangbaren  Treppe.^ 

Anmerkung  3.  Die  Wirtlichkeit  der  Cistercienser  liefs  ihnen  die  kost- 
spielige Errichtung  von  Kirchtürmen  als  überflüssig  erscheinen,  und  ihre 
Kirchen  begnügten  sich  deshalb  mit  einem  über  dem  Kreuzfelde  sich  er- 
hebenden Dachreiter  (turrictUa  super  ecclesiam)^  welcher  auch  für  ihre  we- 
nigen und  kleinen  Glocken  hinlänglich  war  und  überhaupt  als  älteste  Form  der 
Glockengehäuse  anzusehen  ist.  Die  Bettelorden ,  die  sich  seit  dem  XUI.  Jahrh. 
innerhalb  der  Städte  ansiedelten,  mufsten  sich  des  allein  den  Pfarreien  zu- 
stehenden öffentlichen  Glockengeläutes  enthalten  und  durften  nur  eine  kleine 
Privatglocke  haben,  für  welche  ein  unbedeutendes  Dachtürmchen  ausreichend 
war.  Die  Dominikaner  in  Elbing  z.  B.  erhielten  1246  zwar  die  Freiheit  da- 
selbst ein  steinernes  Kloster  und  eine  Kirche  zu  bauen,  jedoch  ohne  Turm.^ 
Dagegen  hat  die  Dominikanerkirche  in  Erfurt  zwei  schöne  achteckige  Türm- 
chen, die  Bettelordenskirchen  in  Brandenburg  haben  beide  ein  schlankes,  oben 
ins  Achteck  umsetzendes  Glockentürmchen .  südlich  neben  dem  Chor,  und  die 
Franciskanerkirche  zu  Mühlhausen  i.  Th.  hat  an  derselben  Stelle  einen  hohen 
viereckigen  Turm,  —  Dachtürme  für  die  Signalglocken  finden  sich  dem  gottes- 
dienstlichen Bedürfoisse  entsprechend  auch  über  dem  Kreuze  oder  Altarhause 
der  meisten  gröfseren  Kirchen  und  kommen  aufser  dem  westlichen  Glocken- 
turme selbst  bei  Landkirchen  vor :  in  Preufsen  über  dem  östlichen ,  im  Magde- 
burgischen östlich  der  Elbe  statt  eines  eigentlichen  Turmes  über  dem  west- 
lichen Giebel,  und  zwar  hier  in  der  Form  einer  Erhöhung  des  Mittelstücks  der 
Giebelwand  über  die  Dachschräge  hinaus,  welche  mit  einer  oder  zwei  Rund- 
später Spitzbogenöfihiungen  durchbrochen  ist,  in  der  oder  in  denen  die  Glocken 
frei  hängen,  und  an  welche  später  meistens  zur  besseren  Unterbringung  der 
letzteren  ein  Fachwerkturm  angelehnt  ist. 

Die  auf  den  Kehlbalken  ruhenden,  aus  dem  Firste  aufsteigenden  Dach- 
reiter sind  gröfstenteils  Holzkonstruktionen,  die  man  der  Dauerhaftigkeit  wegen 
gern  mit  Metallblechen  bekleidete :  am  Niederrhein  z.  B.  mit  stilisierten  Blei- 
verzierungen, anderwärts,  wie  das  goldene  Türmchen  über  dem  Chore  des 
Domes  zu  Hildesheim,  mit  vergoldetem  Kupferblech.  Unter  den  selten  vorkom- 
menden steinernen  Türmchen  dieser  Art  zeichnen  sich  einige,  wie  die  zu  Heils- 

*  Hausmann  ist  der  Turmwächter,  oft  zugleich  Stadtpfeifer. 

*  Vergl.  Denzinger,  Fr.  J.,  über  den  sogen.  Eselstorm  am  Dome  zu  Eegenab., 
in  Verh.  d.  bist.  Ver.  von  Oberpfelz  u.  Regensb.  XXVIII.  (1872),  212  ff.,  m.  2  Taff. 

»  Vergl.  Dreger,  Cod.  dipL  Pom.  No.  67,  254. 

Otte,  Kniut-AxchXologie.    5.  Aafl.  6 


g2  Torhalle.    Paradies. 

broDB  in  FrankeD  und  zu  BebeDhansen,  dorcb  Bcbluike  Formen  vorteilhaft  aua. 
Letzteres  rivalieiert  fast  mit  den  eigentlichen  HitteltOrmen. 

23,  Der  Baum  zwischen  den  beiden  westlichen  Tünnen  {inira  tur- 
rem  —  Fdes  Grundrisses  8.  46),  mit  diesen  aus  demKarthex  der  alten 
Eiiche  hervoig^angen,  bildet  oft  ein  besonderes,  entweder  (wie  in  Kie- 
dersachsen  gewöhnlich)  mit  seinen  Giebeln  g^n  die  Türme,  oder  nach 
Westen  und  Osten  gewendetes  Zwischenhaus,  welches  im  Erdgeschofs 
die  Vorhalle,  im  zweiten  Stockwerke,  wenn  ein  solches  angeordnet  ist, 
eine  Empore  {s.  unten  §.  28)  und  im  dritten  die  Glockenstube  enthäli 
Häu%  ist  aber  auTser  der  inneren  Torhalle  noch  eine  äuTsere  geschlos- 
sene Torhalle  oder  offene  Torlaube  •  (am  Dome  zu  Merseburg  —  /f  des 
Grundrisses  —  und  an  der  Stadtkirche  zu  Freiburg  a.  d.  U.  westlich, 
an  den  Domen  zu  Goslar  und  Magdeburg,  sowie  an  der  Benediktiner- 
kirche zu  Trebitsch,  an  St  Emmeram  zu  Begensburg  und  an  der  Klo- 
sterkirche zu  Wechselburg  nördlich,  zu  Brenz,  Calw  und  Geislingen  in 
Württemberg  südlich)  angebaut,  welche  oft  den  Namen  Paradies  fuhrt 
und  zuweilen  zu  einer  besonderen  Gedächtnisfeier  des  Sündenialles  be- 
stimmt war. 


Aiaparadüus  wird  das  altchriatliche  mit  Säuleagängen,  Waaeerbeckeo 
nDdpricbtigemHoaaikpflaBter(Eusebius,  vitk  Cbnst.  m,  35)  versebene  atrium 
der  Basiliken,  welches  Eusebina  (bist.  eccL  X,  i)  als  einen  sehr  angenehmen 
Aufenthalt  schildert,  im  VIII.  Jahrb.  von  italienischen  Schriftstellem  (tib. 
pODtif.  Anast  Bibl.  c.  79,  1;  Faul  Warnefr.  bist  Longob.  5,  31)  ncgeachtet  des 
auch  von  ihnen  erwähnten  Harmorpflasters  bezeichnet.  Gartenanlagen  in 
demselben  scheinen  zuerst  bei  der  von  Paulinas  von  Nola  ca.  400  erbauten 

'  'Zwo  vorlovben  riche  Herten  vsoi  vor  andern  tuwi'n  die  portet  (nämlich 
nachW.  und  N.,  eine  dritte  Thür  nach  8.  der  Kirche  führte  in  den  Kreuzgmg)  helfet 
ea  vom  Graltempel,  im  Titurel,  Str.  100  (Zarnke,  Str.  95).  —  Vergl.  »Ober  Vorhallen 
iu  den  Eircheu  Tirols«,  Kirchensohmuck.  XXVU.  (1670),  34  ff. 


Paradies.  g3 

Kirche  des  h.  Felix  vorzukommen ,  wo  die  aus  der  Kirche  in  dies  pomarium 
führende  Thür  die  Inschrift  »eortfu^  in  j9ara^»tim«  trägt  (Paulini  Nol.  poem. 
XXIV.  V.  49t  u.  ep.  XXXTT.  ad  Sever.  n.  12).  Nach  den  Bollandisten  (A.  8.  S. 
y.  Migi  p.  425)  sollen  aber  die  Griechen  znerst  das  Atrium  mit  Bäumen  be- 
pflanzt haben  j  und  danach  könnte  man  mit  Bestimmtheit  auf  die  Bedeutung 
von  ner^a^iao^  »  Baumgarten  zurückgehen.  ^  Auf  dem  Plane  von  St.  Oallen 
<8.  S.  57  Fig.  17)  zieht  sich  koncentrisch  um  beide  Apsiden  östlich  eine 
Mauer y  westlich  ein  Säulengang ,  beide  einen  offenen,  etwa  4  m  breiten 
Baum  einschliefsendy  der  als  T^paraäisiacus  campus^  paradisi  planm  be- 
zeichnet ist,  und  auf  Reichenau  wird  der  kleine  rings  mit  Arkaden  umgebene 
Garten  y  welchen  Abt  Witigowo  991  zur  Zierde  des  Gotteshauses  vor  dem 
Marienmünster  anlegte,  von  Purchard  (Pertz,  M.  G.  S.  S.  IV,  630)  dichterisch 
als  ein  irdisches  Paradies  gepriesen.  Zwischen  dem  Westchor  der  Münster- 
kirche zu  Essen  und  der  zu  derselben  gehörigen  Taufkapelle  hat  sich  noch 
«in  rechteckiger  Säulenvorhof  aus  dem  XI.  Jahrh.  erhalten,  der  ebenfalls 
Tinter  dem  Namen  T>Paradies^  bekannt  ist.  —  Als  einzig  in  ihrer  Art  in 
Deutschland  ist  die  einen  kleinen  offenen  Hof  begrenzende  gewölbte  Halle 
aus  dem  XH.  Jahrh.  hervorzuheben,  welche  sich  an  der  Westseite  der  Kloster- 
kirche zu  Laach  befindet.^  Später,  seit  dem  XII.  Jahrh.  erscheinen  die  Para- 
diese als  mehr  oder  weniger  geschlossene  Vorhallen  vor  den  Kirchenportalen 
(St.  Emmeram  in  Regensburg,  Dom  zu  Goslar,  Klosterkirchen  zu  Trebitzsch 
und  Maulbronn  etc.)  und  bilden  seit  dem  XIU.  Jahrh.  zuweilen  eigentliche 
Vorlauben,  die  sich  nach  den  freien  Seiten  in  Bogenstellungen  öffnen  (Stadt- 
kirche zu  Freiburg  a.  d.  U.,  Dom  zu  Magdeburg).  —  Die  Vorhalle  (atrium 
ecclesiae)  war  wie  in  der  alten  Kirche,  so  noch  in  der  karolingischen  Zeit 
und  später  der  Aufenthalt  der  Büfser  und  mit  dem  Asylrechte  begabt.  An 
diese  Sitte  scheint  sich  das  s.  g.  Adam-Austreiben  in  Halberstadt,  wo  früher 
dem  Westportale  des  Domes  ein  Paradies  vorgebaut  war,  als  eigentümliche, 
schon  1391  bestehende,  volksmäfsige  Feier  der  Vertreibung  der  ersten 
Menschen  aus  dem  Garten  Eden  angeschlossen  zu  haben.'  Anderweitig 
wurden  die  Vorhallen  der  Kirchen  regelmäfsig  zur  Verteilung  von  Almosen 
und  zur  Entrichtung  von  Abgaben  und  Gefällen  an  die  Kirche,  zuweilen  auch 
zu  Gerichtsverhandlungen  benutzt.  In  Freiburg  i.  B.  diente  die  untere  offene 
Halle  des  Münsterturms  gradezu  als  Gerichtslaube,  ist  daher  mit  hohen 
ringsnmlaufenden  Steinbänken  versehen,  und  an  den  Strebepfeilern  unter 
Baldachinen  sind  die  sitzenden  Figuren  des  Vogtes,  des  Schultheifsen  und 
zweier  Schoppen  angebracht.  In  dem  Reste  der  ehemaligen  Vorhalle  der  sehr 
alten  Kirche  zu  Dottendorf  bei  Bonn  befinden  sich  zwei  durch  eine  eiserne  Kette 
verbundene,  ziemlich  schwere  flaschenförmige  Steine,  welche  der  Ortsüber- 
lieferung zufolge  den  Büfsenden  über  denNacken  gehängt  worden  sein  sollen.^ 


*  Vergl.  de  Roisin,  la  cathedrale  de  Treves,  51.  —  Bonner  Jahrb.  L.  u.  U^  270. 

*  Eine  ganz  gleiche  Anlage  befand  sich  ehedem  auch  bei  dem  unter  Einfluls  von 
Laach  entstuidenen  Kloster  Lorch  in  Württemberg,  wo  1874  die  Fandamente  derselben 
aufgegraben  worden  sind. 

'  Vergl.  Schmidt,  Diss.  de  Adamo  Halberstad.  in  die  cinerom  ex  eccl.  ejecto. 
Heimst.  1702.  —  Haber,  Nachricht  von  der  Bomk.  zu  Halberstadt  1793,  31  f.  — 
V.  Raumer,  Hist.  Taschenb.  X.  (1839),  465. 

*  Vergl.  Bonner  Jahrb.  LVH,  213  und  Taf.  L,  4.  —  Gengier,  G.,  Stadtrechts- 
altertümer.  1882,  135  u.  178. 

6* 


g4  Thüren. 

VorhÖfe  und  Vorhallen  unter  dem  Namen  Paradies ,  in  Westfalen 
(wohl  aus  dem  französischen  i^parvis^  korrumpiert)  Perwisch  genannt, 
werden  erwähnt  in  Aachen,  Alpirsbach,  Brenz ,  Calw^  Corvey,  Denkendorf, 
Erfurt,  Essen,  Fritzlar,  Geislingen,  Halberstadt,  Hildesheim,  Hirsau,  Laach, 
Magdeburg,  Mainz,  Maulbronn  (schon  im  XIII.  Jahrh.  urkundlich  unter  diesem 
Namen),  Mflnster,  Nördlingen,  Paderborn,  Regensburg,  Rothenburg  o.  d.  T. 
St.  Jakob,  Speyer,  Strafsburg,  Trier  etc.  Auch  ohne  den  Namen  finden  sich 
vielfältig  Vorhallen  sowohl  vor  den  Hauptportalen  als  auch  vor  Seitenpor- 
talen ,  teilweise  in  dreieckiger  Form  vorspringend ,  so  an  den  Domen  zu  Er- 
furt, Regensburg,  Wien,  an  der  Dekanalkirche  zu  Pilsen  etc.,  viereckig  in 
besonders  reich  ausgebildeter  Erscheinung  an  der  Frauenkirche  zu  Nürnberg. 

24.  Der  Haupteingang  (veUva,  die  Flügelthür)  der  Kirche  liegt 
in  der  Mitte  der  Westseite  (Grundrifs  S.  46  m);  Nebenthüren  finden  sich 
an  Krenzkirchen  insgemein  auch  in  der  Front  der  Kreuzvorlagen. 

Die  alte  Kirche  hatte  an  der  Westfront  drei  Eingänge  — janua  Irina 

—  (auch  fünf  bis  sieben,  wenn  fünf  Schiffe,  wie  zu  St.  Peter  und  St.  Paul 
in  Rom),  eine  Thttr  für  das  Mittelschiff  (Priesierihür) j  die  anderen  für  die 
Seitenschiffe  {Männerthür  und  Frauenihür)^  welche  Einrichtung  nach  dem 
Muster  der  französischen  Kathedralen  an  den  Domen  von  Köln  (hier  auch 
an  den  Fronten  des  dreischiffigen  Querhauses)  und  Strafsburg  beibehalten 
ist.  —  Dome  mit  Doppelchören  müssen  des  mittleren  Hauptportals  ent- 
behren, dessen  Stelle  dann  aber  (wie  zu  Bamberg)  zuweilen  ein  Portal  an 
einer  Langseite  der  Kirche  vertritt,  während  auf  beiden  Seiten  der  Apsiden 
Nebeneingänge  angeordnet  sind,  auf  dem  Plane  von  St.  Gallen  und  am  Dom 
zu  Trier  neben  der  westlichen,  an  den  Domen  zu  Mainz  und  Bamberg  neben 
der  östlichen  Apsis.  An  vielen  älteren,  grofsen  und  kleinen  Kirchen  mit 
breitem  Westturm  in  Westfalen  (Dom  zu  Paderborn  etc.)  und  in  Nieder- 
sachsen bis  nach  Thüringen  und  in  die  Mark  hinein  (Hecklingen,  Königs- 
lutter, Petersberg  bei  Halle  a.  d.  S.,  Wechselburg,  Pechüle  bei  Treuen- 
brietzen  etc.)  ist  ein  Westportal  überhaupt  nicht  angeordnet,  sondern  die 
Hauptthür  liegt  hier  an  einer  Langseite  des  Schiffes,  welches  gewöhnlich 
innerlich  mit  der  sich  östlich  öffnenden  unteren  Thurmhalle  in  Verbindung 
steht.  —  Die  Anordnung  von  Thüren  an  der  Ostseite  der  Kreuzarme  in  der 
Klosterkirche  von  Hersfeld  (s.  den  Grundrifs  S.  59)  ist  eben  so  anomal  wie 
die  übermäfsige  Ausladung  der  letzteren,  kommt  aber  auch  in  Hecklingen  vor. 

—  Im  Graltempel  sind  der  später  gewöhnlichen  Einrichtung  gemäfs  drei 
Thüren  angebracht  je  nach  West,  Nord  und  Süd,  welche  symbolisch  als 
Glaube,  Liebe  und  Hoffnung  gedeutet  werden.  —  An  Landkirchen  findet 
sich  häufig  an  der  nach  dem  Pfarrhofe  zu  belegenen  Seite  des  Chorraumes 
eine  Nebenthür  für  den  Geistlichen.  —  Seit  Einführung  des  gotischen 
Bausystems  pflegt  an  den  Hauptportalen  die  eigentliche  Thüröffnung  durch 
einen  Steinpfosten  in  zwei  Abteilungen  geteilt  zu  sein.  —  Mit  der  Be- 
hauptung, dafs  dieKirchthür  niedrig  und  enge  sei  (Matth.  7,  13.  14.),  ist  es 
nicht  allznstr^nge  zu  nehmen ;  die  Breite  und  Höhe  der  Thür  steht  insgemein 
in  richtigem  stilgemäfsen  Verhältnisse  zu  dem  Gebäude;  sie  hat  bei  gröfseren 
älteren  Kirchen  allerdings  nur  2 — 3  Vi  m,  bei  den  Domen  des  XIII.  Jahrh. 


Thümamen.   Prachtportale.  g5. 

aber  4  Vs — ^  m  lichte  Breite  der  eigentlichen,  vertieft  liegenden  ThüröflFhung, 
während  sich  die  die  letztere  umBchliefsende  Bogenhalle  nach  aufsen  in  grofs- 
artigster  Weise  noch  sehr  beträchtlich  erweitert.  —  Bei  Kirchen  mit  meh- 
reren ThUren  sind  dieselben  zuweilen  durch  besondere  Namen  unterschieden, 
unter  denen  der  Name  Brautihür  und  Eheikwr  (z.  B.  an  der  Martinikirche  in 
Braunschweig,  Sebaldskirche  und  Lorenzkirche  zu  Nürnberg,  Jakobikirche 
zu  Rothenburg  o.  d.  T.)  besonders  häufig  wiederkehrt  ftlr  die  meist  an  der 
Nordseite  gelegene,  oft  mit  den  Steinbildern  der  des  himmlischen  Bräutigams 
harrenden  klugen  und  thörichten  Jungfrauen  geschmflckte  Thttr,  durch 
welche  die  Einleitung  (der  Kirchgang)  der  Bräute  und  jungen  Ehepaare  vor 
sich  ging.  Der  Dom  zu  Halberstadt  hat  eine  Totenthür,  die  Sebaldskirche 
zu  Nflmberg  eine  SchauthQr^  eine  Schulthür  und  eine  AnschreibthuTy  das 
Münster  zu  Freiburg  eine  SegenihüTj  und  das  Hauptportal  von  St.  Stephan 
zu  Wien  heifst  das  Riesenthor,  Die  rote  Thür  des  Doms  zu  Frankftirt  a.  M. 
führt  diesen  Namen,  weil  vor  derselben  Gericht  gehalten  wurde ;^  auch  zu 
Magdeburg  kommt  im  Jahre  1463  eine  rote  Thor  als  erzbischöfliche  Gerichts- 
stätte vor.^ 

Anmerkung.  In  der  älteren  Zeit  war  die  architektonische  Ausstattung 
der  Kirchtüren' von  der  gröfsten  Einfachheit,  und  erst  nachdem  im  XII.  Jahrh. 
die  Skulptur  glänzende  Fortschritte  gemacht  hatte,  entfaltete  sich  seit  dem 
folgenden  Jahrhundert  an  den  Portalen  und  namentlich  am  Hauptportale  be- 
sondere Pracht  durch  reichen  Steinbilderschmuck  in  Hoch-  und  Flachwerk  an 
den  schräg  eingehenden,  sich  abstufenden  Wandungen,  an  den  diesen  ent- 
sprechenden Deckbögen  und  in  dem  Bogenfelde  über  dem  wagerechten  Thür- 
sturze.  Solche  Prachtportale  sind  die  goldene  Pforte  des  Domes  zu  Frei- 
berg, die  Fürstenthür  des  Domes  zu  Bamberg,  die  St.  Gallenpforte  des  Münsters 
zu  Basel,  das  Portal  der  Schottenkirche  zu  Regensburg,  das  Riesenthor  von 
St.  Stephan  zu  Wien,  das  südliche  Hauptportal  des  Domes  zu  Worms,  das  der 
Augustinerkirche  zu  Frankenthal  bei  Worms  und  der  Kirche  zu  Enkenbach  in 
der  Rheinpfalz,  der  Kirche  des  Cistercienser- Nonnenklosters  Tisnowitz  und 
der  Benediktinerkirche  zu  Trebitzschin  Mähren,  sämtlich  aus  dem  XIH.  Jahrb., 
das  letztere  zwar  ohne  Statuenschmuck,  aber  ausgezeichnet  durch  die  reiche 
Fülle  des  Ornamentes;  aus  späterer  (gothischer)  Zeit  die  Portale  der  Münster 
zu  Freiburg  i.  B.  und  Strafsburg,  der  Lorenzkirche  in  Nürnberg,  der  Dome  zu 
Augsburg,  zu  Frankfurt  a.  Main  und  zu  Magdeburg,  der  Lambertikirche  zu 
Münster,  der  Teynklrche  zu  Prag  etc.  Der  bildnerische  Schmuck  der  Portale 
beschränkt  sich  in  der  ältesten  Zeit  auf  ein  Kreuz  oder  eine  segnende  Hand 
an  dem  dreieckigen  Thürsturz  oder  halbrunden  Tympanum,  später  treten  Löwen, 
teils  als  Wächter  des  Heiligtums,  teils,  mit  Drachen  gesellt,  als  Bilder  der 
vom  Heiligtume  ausgeschlossenen  Sünde  hinzu,  woraus  sich  nicht  selten  ganze 


^  Archiv  für  Frankf.  Gesch.  u.  Kunst  I.  3,  115. 

*  V.  Dreyhaupt,  Beschreibung  des  Saalkreisee.  I,  t53. 

•  Vergl.  iiber  den  Portalbao,  Ungewitter,  Lehrb.,  521  ff.  —  Essenwein,  Backst., 
9  f.  —  Instruktive  Beispiele  von  Portalbildungen  bei  Redtenbacher,  Beiträge,  Taf. 
7—13,  Statz  und  Ungewitter,  Taf.  143  —  155,  179.  180,  im  österr.  Atlas.,  Taf. 
2.  9.  22.  28.  50.  69.  80.  94.  —Über  die  bildliche  Ausschmückung  der  Portale:  Un- 
gewitter, Lehrb.,  549  f. 


gg  Bildnerischer  Schmuck  der  Portale. 

Cyklen  von  phantastischen  Bestien  und  Halbmenschen  entwickeln ,  deren 
Rätsel  (wie  am  Portal  zu  Remagen ,  der  Schlorskapelle  zu  Tirol,  der  St. 
Jakobskirche  zu  Regensburg)  trotz  aller  Dentungsversuche  noch  immer  in 
Dunkel  gehüllt  sind.  Später  zeigen  einfachere  Portale  im  Tympanum  den 
Salvator  umgeben  von  den  Evangelistensymbolen  oder  auch  das  Agnus  del 
und  die  heil.  Jungfrau ,  oft  mit  den  knienden  Figuren  der  Kirchenstifter ,  geist- 
lichen und  weltlichen  Standes,  vielfach  (z.  B.  Enkenbach,  St.  Elisabeth  zu 
Marburg)  auf  einem  wunderbar  reichen,  fast  frei  gearbeiteten  Hintergrund  von 
Wein-  und  Rosenranken.  Die  reicher  ausgestatteten  bringen  in  den  Statuen^ 
welche  an  den  Seitenwänden  stehen ,  in  den  Reliefs  am  Sturz  und  im  Tympa- 
num nnd  an  den  Seitensockeln  und  in  den  kleinen  Figuren,  welche  die  Schich- 
tungen der  Bögen  ausfallen,  in  der  Regel  einen  einheitlichen  Gedankenkreis 
zur  Anschauung,  dessen  Grundidee  durch  die  in  der  Mitte  desTympanums  oder 
vor  dem  Mittelpfeiler  stehende  Hauptfigur  ausgedrückt  wird.  Man  kann  danach 
hauptsächlich  Portale,  die  Christo,  die  der  Maria,  und  die  allerhand  Heiligen 
gewidmet  sind ,  unterscheiden.  Erstere  bringen  in  der  Regel  die  Herrlichkeit 
des  Herrn  und  das  Weltgericht  zur  Anschauung,  wobei  denn  unter  den  Statuen 
an  den  Seitenwänden  sehr  oft  die  klugen  und  thörichten  Jungfrauen,  auch 
Adam  und  Eva  und  die  allegorischen  Figuren  der  Kirche  und  der  Synagoge 
erscheinen,  Auferstehung,  Gericht,  Himmel  und  Hölle  aber  namentlich  in  den 
Reliefs  des  Tympanums  sehr  ausführlich  dargestellt  werden.  Die  Marien- 
portale preisen  die  h.  Jungfrau  meist  als  die  Himmelskönigin  nach  den  ver- 
schiedenen Gesichtspunkten  der  lauretanischen  Litanei.  In  den  Schichten  der 
Portalbögen  des  gotischen  Stils  erscheinen  in  der  Regel  auf  Konsolen  sitzend 
die  verschiedenen  himmlischen  Chöre  der  Engel,  Propheten,  Apostel,  Kirchen- 
väter, Heiligen.  Wo  wie  an  der  Westfront  des  Strafsburger  Münsters  mehrere 
Portale  nebeneinander  sind,  gestaltet  sich  ihr  Schmuck  zu  einer  vollständigen 
bildnerischen  Encyklopädie  der  christlichen  Welt-  und  Lebensanschauung,  die 
Hauptstücke  der  biblischen  Geschichte  und  Lehre  von  der  Weltschöpfung  und 
den  Paradiesesströmen  bis  zum  Weltgericht,  aber  auch  das  irdische  Weltbild 
des  Zeitalters,  den  Tierkreis,  die  12  Monatsbeschäftigungen,  die  4  Elemente 
und  Jahreszeiten,  die  freien  Künste  u.  s.  w.  umfassend.  In  späterer  Zeit  wird 
vielfach  (Dome  zu  Antwerpen,  Erfurt,  Halberstadt,  Metz,  Regensburg,  Toul^ 
Klosterkirche  zu  Schulpforte,  Liebfrauenkirche  zu  Trier)  über  dem  Portal,  oft 
bis  zu  bedeutender  Höhe  hinaufragend ,  ein  grofses  Kruzifix  angebracht. 

Der  V  erschlufs  der  Thü  ren^  bestand  in  der  Zeit  vom  IX.  bis  XIL  Jahrh. 
zuweilen  aus  kostbaren  in  Erz  gegossenen  Thürflügeln  nach  altchristlichen* 
und  späteren  byzantinischen  Vorbildern,  wie  sich  dergleichen,  meist  mit  figür- 
lichen Relief-Kompositionen  geschmückt,  erhalten  haben  im  Münster  zu  Aachen 
und  am  Dome  zu  Mainz  (aus  glatten  Tafeln  bestehend),  an  den  Domen  zu 
Hildesheim,  Augsburg  und  Gnesen  nnd  an  der  Sophienkirche  zu  Nowgorod  (mit 
Reliefs).    Aus  den  in  Holzschnitzwerk  ausgeführten,  sehr  alten  Thüren  von 


*  Über  die  Entwickelung  der  Thürverschlüsse  im  M.-A.  vergl.  Bock,  F.,  Mitt 
Eunstdenkm.  des  öst.  Eaiserst,  heraosg.  v.  G.  Heider.  I,  141  ff.;  vergl.  »Die  Eir- 
chenthüren«,  im  Org.  f.  ehr.  K.  1868,  No.  22.  23.  u.  H.  Riewel,  in  Mitt.  C.-K. 
XV,  42  ff. 

*  Eusebius  (Bist.  eccl.  10,  4  n.  17)  sagt  von  den  Thüren  der  Kirche  in  Tyms: 
TtaQanijyfjiaal  xe  /ccAptov  aiÖTjQoditoiq  xal  noaelXfutaiv  dvaylvq>oig  .  .  .  ipaiS^vraq, 


Thürverschlüsse.    Fenster.  g7 

St.  Maria  im  Kapit.  zu  Köln  läfst  sich  folgern  ^  dafs  anch  dergleichen  Arbeiten 
vorkamen ,  die  sich  des  vergänglichen  Stoffes  wegen  indessen  aus  älterer  Zeit 
nicht  erhalten  haben  y  und  auch  im  späteren  Mittelalter  wohl  nicht  häufig  waren ; 
doch  sind  die  geschnitzten  Thürflügel  des  Domes  zu  Ronstanz ,  an  St.  Gereon 
in  Köln,  bei  den  Kapuzinern  zu  Salzburg  und  an  der  Gk)tthardskirche  zu  Schlau 
in  Böhmen  aus  dem  XV.  Jahrh.  und  an  St.  Marien  zu  Bozen  von  1520  zu 
nennen.  Die  Hauptzierde  der  Kirchthttren  bestand  seit  dem  XIII.  Jahrh.  in 
dem  oft  die  ganze  Fläche  deckenden  und  allerlei  stilgemäfse  Muster  bildenden, 
zuweilen  aufserordentlich  kunstvollen  Eisenbeschlag.  Auch  werden  am  Nieder- 
rhein (St.  Victor  zu  Xanten,  Kirche|  zu  Kaikar  etc.)  Thflren  erwähnt,  welche 
ohne  allen  Eisenbeschlag  blofs  aus  mehrfach  übereinander  gelegten  Eichen- 
brettem  bestehen,  die  durch  quadratische  und  rosettenartige  Unterlegungen 
verziert  sind.  —  In  der  Klosterkirche  zu  Alpirsbach  ist  die  Thflr  mit  einer 
Rhinoceroshaut  (der  Ortssage  nach  derjenigen  eines  riesigen  Ochsen,  welcher 
die  Säulenschäfte  der  Basilika  herbeizog  und  beim  letzten  Steine  tot  nieder- 
fiel) überzogen.  Auch  die  Hauptportale  zu  Maulbronn  und  von  St.  Elisabeth 
zu  Marburg  haben  solche  Lederüberzflge,  die  wahrscheinlich  (wie  an  der  mit 
Pergament  überzogenen  Thür  eines  Wandschrankes  im  Dome  zu  Magdeburg) 
das  Reifsen  des  Holzes  verhindern  sollten. 

Seit  alter  Zeit  (Münster  zu  Aachen)  war  es  üblich,  an  den  Thürflügeln 
einen  metallenen  Löwenkopf  anzubringen,  welcher  im  geschlossenen  Rachen 
den  beweglichen  Handring  hält,  der  sowohl  zum  bequemen  Heranziehen  der 
schweren  Thürflügel  diente,  als  auch  von  Einlafsbegehrenden  als  Klopfer  be- 
nutzt werden  konnte.  Wenn  ein  Flüchtling,  das  Asyl  der  Kirche  suchend, 
den  Arm  durch  den  Thürring  gesteckt  hatte,  durfte  er  von  seinen  Verfolgern 
bei  Strafe  des  Bannes  nicht  ergriffen  werden.  Mit  Beziehung  auf  dieses  Asyl- 
recht soll  über  der  Thür  einer  Kirche  in  Köln  die  Inschrift  gestanden  haben : 
T^Hic  stetit  m(ignus  reus.*^  Die  Löwenköpfe  sollten  ohne  Zweifel  Unwürdige 
und  Böswillige  vom  Eintritt  in  das  Heiligtum  abschrecken.  An  der  Marien- 
kirche zu  Neu-Brandenburg  befindet  sich  statt  dessen  ein  Eberkopf,  der  mit 
naiver  Umschrift  bittet,  es  mit  dem  Schrecken  nicht  zu  ernst  zu  nehmen : 

T>Ick  heyte  herman  ramt 

ick  byn  tarn  (zahm)  zam  (wie)  ein  lam,    amen,^ 

25.  Die  Fenster  der  Kirchen  waren  bis  ins  XUL  Jahrhundert 
klein,  oft  sehr  klein,  namentlich  schmal;  im  späteren  Mittelalter  sind 
sie  sehr  grofs,  durch  Steinpfosten  in  mehrere  Abteilungen  geteilt  und 
häufig  mit  Glasgemälden  geschmückt 

Die  Kirchen  mit  niedrigen  Seitenschiffen  haben  im  Langhause  zwei 
Fensterreihen,  eine  ftlr  die  Abseiten  im  Untergeschofs,  die  andere  für  das 
Hauptschiff  im  Obergeschofs,  welche  letztere  Reihe  (die  Oberlichter) 
sich  an  den  Kreuzarmen  und  an  den  Chorwänden  fortsetzt.  Die  Zahl  der 
Fenster  des  Langhauses  korrespondiert  regelmäfsig  mit  der  Zahl  der  die 
Schiffe  scheidenden  Bogenstellungen,  und  zwar  nicht  blofs  in  den  Gewölbe- 
bauten, wo  dazu   das  System  schlechthin  nötigte,  sondern  auch  in  den 


*  Lenoir,  Architecture  monastique.  U,  80. 


gg  Zahl  und  Form  der  Fenster. 

Kirchen  mit  Balkendecke ,  aus  richtigem  Gefühl  fttr  das  Ebenmafs;  doch 
brachte  man,  um  dem  Inneren  mehr  Licht  zu  geben ,  zuweilen  letzteres  zum 
Opfer  und  vermehrte  die  Zahl  der  Oberlichter :  die  Klosterkirche  zu  Oem- 
rode  z.  B.  hat  bei  4  Arkaden  7  (kleine  und  sehr  hoch  stehende)  Oberlichter, 
die  Klosterkirche  zu  Breitenau  in  Hessen  7  Arkaden  und  g  Fenster,  die 
Dominikanerkirche  zu  Eisenach  über  den  5  westlichen  Arkaden  7  Fenster, 
St.  Michael  in  Hildesheim  9  Arkaden  und  10  Fenster,  die  Klosterkirche  zu 
Jerichow  5  Bogenstellungen  und  6  Fenster.^  Kirchen  mit  runden  Apsiden 
haben  in  diesen  ein  bis  drei  Fenster  (selten  in  zwei  Reihen  übereinander), 
ebenso  die  platt  schliefsenden  in  ihrer  geraden  Ostwand;  beim  polygonischen 
Schlufs  entspricht  die  Zahl  der  Fenster  den  Seiten  des  Polygonabschnittes. 
—  Hallenkirchen  haben  regeknäfsig  nur  eine  Fensterreihe;  Ausnahmen  sind 
aus  der  Frühzeit  höchst  selten  (Elisabethkirche  in  Marburg),  aus  dem  spätesten 
Mittelalter  häufiger  (Schlofskirche  zu  Wittenberg  etc.):  hier  aber  gehören 
die  oberen  Fenster  zu  den  Emporen,  deren  zum  Teil  mehrere  übereinander 
angebracht  sind.  —  Mit  Ausnahme  der  oft  rechteckigen  Fensteröfibungen  in 
den  Holzbauten  (s.  oben  S.  31)  sind  die  Kirchenfenster  stets  überwölbt,  bis 
ins  XIII.  Jahrh.  halbkreisf()rmig,  später  spitzbogig.  An  den  Oiebelfronten 
findet  sich  schon  frühzeitig  häufig  ein  Rundfenster  angeordnet,  und  im 
Xni.  Jahrh.  kommen  in  der  Rheingegend  oft  seltsame  phantastische  Fenster- 
bildungen (fllcherartig ,  mit  kleeblattförmigem  Sturz  etc.)  und  weiter  ver- 
breitet  auch  Rundfenster  an  den  Langseiten  der  Kirchen  vor.  Die  Rundfenster 
nehmen  mit  Ende  des  XII.  Jahrh.  gröfsere  Dimensionen  an  und  werden  zu 
charakteristischen  Schmuckstücken  der  Kirchenbauten.  Anfänglich  nur  mit 
dünner,  durchbrochener  Steinwand  ausgefüllt,  werden  später  ihre  mit  immer 
reicherer  Profilgliederung  umrahmten  Öffnungen  durch  radial  gestellte,  nach 
aufsen  durch  Bögen  verbundene,  nach  innen  sich  gegen  eine  Nabe  stemmende 
Stützen  ausgefallt  (Radfenster),  zwischen  welchen  der  gotische  Stil  reiche 
Mafswerksgliederungen  anbringt  (Fensterrosen).  Bisweilen,  wie  an  der 
Tübinger  Stiftskirche,  kommen  auch  durchbrochene  figürliche  Darstellungen 
in  Flachrelief  als  Füllung  vor.* 

Die  Kleinheit  der  früh-mittelalterlichen  Kirchenfenster,'  welche  etwa 
von  1150 — 1250  besonders  in  Norddeutschland  das  äufserste  Mafs  schmaler 
Schlitze  erreicht,  scheint  mit  der  damaligen  Seltenheit  und  Kostspieligkeit 
des  Tafelglases  mehr  oder  weniger  zusammengehangen  zu  haben.  Praktische 
(nicht  symbolische)  Rücksichten  trugen  auch  wohl  dazu  bei,  dafs  man  zu- 
weilen (wie  in  der  spätgot.  Mönchenkirche  zu  Jüterbog)  besondere  bei  Land- 
kirchen (z.  B.  im  Samlande,  aber  auch  südlich:   zu  Unterknöringen  bei 


>  Ye^.  Schnaase,  in  d.  Zeitschr.  f.  Bauw.  1862.  Sp.  132.  Umgekehrt  finden 
sich  im  Lan^hiff  des  Brandenbur^r  Doms  über  6  Arkaaen  nur  4  Fenster.  —  Die 
Grappiening  m  der  Breizahl  war,  wie  die  Legende  der  h.  Barbara  ausweist,  wegen 
der  JSeziehung  auf  die  Breieinigkeit  behebt. 

'  Beispiele  bei  Redtenbacher,  Beiträge.  Taf.  1—6,  andre  von  Fenstermais- 
werken,  das.,  Taf.  18— 24:  Ungewitter,  Lenrb..  Taf.  3—6. 

'  In  Bautphe,  Regb.  Wiesbaden ,  befindet  sicn  noch  jetzt  eins  der  nur  0,09  hohen 
und  0,17  breiten  Fenster  der  romanischen  Kirche  im  ursprünglichen  Zustande  ohne 
Yerglasung.  Ein  romanisches  Fenster  in  Kloster  Benkendorf  hat  bei  l,4is  Höhe  nur 
0,ss5  Breite. 


Yeiglaeung  der  Fenater.  gg 

BorgaD  in  der  Diöces  Äugsbui^,  zn  Stollhofen  in  Eärntben,  im  Chor  der 
IHariBtenkirche  zn  EremO  kd  der  HitternachtBseite  der  Kirchen  gur  keine 
Fenster  anbrachte  und  den  Dom  zn  Franenbnrg  nördlich  mit  scbm&leren 
Fenstern  ausstattete,  als  an  der  Stldseite.  Die  alte,  allerdings  nur  17,50 
lange  Peterskirebe  zn  Lindan  soll  nFaprflnglich  nur  ein  Fenster,  in  der  Apsia 
gehabt  haben. 

Zwar  sprechen  scbon  Lactantios  (de  Opificio  Dei  8:  tfenestrae  vitro 
obduclae')  nnd  Hieronymnz  (zu  Ezech.  41,  16:  »fenestrae,  non  speculari 
Ic^ide  nee  vitro,  sed  lignis  interrasilibus  cleatsaeo)  im  IV.  Jahrb.  von  Glaa- 
fenstern,'  aber  dieselben  blieben  von  da  ab  das  nächstfolgende  halbe 
Jahrtansend  hindurch  eine  grofse  Seltenheit,  indem  die  Feuster  der  alten 
italienischen  Kirchen  entweder  mit  dflnnen,  von  Symmetrischen  Öffnungen 
durchbrochenen  Harmorplatteu  ausgesetzt  oder  mit  durchscheine nden  Tafeln 
ans  Spat  geschlossen  wurden:  tfenestrae  gypseae*,  nnd  selbst  noch  der  (als 
Victor  in.  1087  gestorbene)  Abt  Desiderlus  von  Monte  casino  liefs  in  den 
beiden  von  ihm  neu  erbauten  Kirchen  nor  die  Hauptfenster  mit  in  Blei  ge- 
fafsten  Qlastafeln  versehen,  die  Fenster  der  Seitenschiffe  dagegen  noch  mit 
Spat.'  Es  war  daher  in  Deutschland  die  Klosterkirche  vonTegemaee  gegen 
das  Jahr  1000  sicherlich  nicht  die  einzige,  deren  Fensteröffnungen  bis  dahin 
mit  TOchern  {»veleribus  pannisi)  verhängt  waren  nnd  damals  zuerst,  und 
zwar  bnntfarbig  (.»per  discoloria  picturarum  vitrat)  verglast  wurden.*  Zu 
Anfang  des  XI.  Jahrb.  jedoch  war  die  Tegemseer  Olashtttte  bereits  kaum 
noch  imstande,  den  sich  drängenden  Bestellungen  zu  gentigen.* 


Ü 


Flg.  SO.    FtutHnrblaliuigBniiltec  I 


Auch  wenn  die  Fenster  des  Schmuckes  der  Glasmalereien  entbehrten, 
suchte  man  ihre  Flächen  durch  geschmackvolle  Uuatentngen  derVerbleiung 


'  Vei^  Waokernagel,  W.,  die  deutsche  OUamalerei,  17  ff.  —  Doonments 
historiqnee  snr  le  verre,  in  den  Memoiree  de  rAoad.  de  Metz.  1849—50,  203 — JÖ4.  — 
Bacher,  Gesch.  d.  techn.  Künste.  I,  fiT  B. 

<  Leo  OetienslB.  m,  39  u.  34. 

»  Pez,  Bemh-,  Thee.  aneod.  VI,  1,  12S;  vergl.  Oberbayr.  Archiv.  I,  30. 

'  Wackarnagel,  a  a.  0.,  33  u.  135. 


90  Bächer. 

zn  beleben  y  begnügte  sich  indessen  nötigenfalls  mit  kleinen  runden  Butzen- 
scheiben,  die  in  Reichenau  schon  unter  Abt  Liuthar  (934  —  949)  erwähnt 
werden.^  —  Im  Graltempel  des  Titurel  sind  die  Fenster  nicht  von  -Htschen- 
glas€  d.  h.  gemeinem,  aus  Pottasche,  Kieselerde  u.  s.  w.  gefertigtem  Olase, 
sondern  aus  lauter  ^Beryllen  und  KrystcUlen<^^  deren  Glanz  zu  mildem  Male- 
reien nicht  in  Farben,  sondern  durch  eingesetzte  kostbare  Steine  aufgetragen 
sind.  So,  aus  Beryllen  und  Krystallen,  in  vergoldetes  Blei  gefafst,  zusammen- 
gesetzt fand  Boisser^e  noch  1811  die  Fenster  der  Kreuzkapelle  auf  dem 
Karlstein. 

26.  Das  Dach  der  Kirche  war  im  frühem  Mittelalter  meist  mit 
Holzschindeln,  später  mit  Metall  oder  Stein  gedeckt  Yon  der  anschei- 
nend altchristlichen  Sitte,  das  Sparrwerk  des  Daches  (mit  Hinweg&ll 
des  Bodenraumes)  nach  innen  frei  und  sichtbar  zu  lassen,  findet  sich 
im  deutschen  Mittelalter  keine  Spur:  bis  ins  XTTT.  Jahrhundert  haben 
die  meisten  Kirchen  getäfelte  Holzdecken  (laquearia)^  und  später  wird 
die  Steinwölbung  (opus  ogivaJe)  ebenso  zur  Regel,  wie  sie  früher  Aus- 
nahme war.  —  Die  Konstruktion  des  Dachstuhls  namentlich  an  den  ge- 
waltigen Satteldächern  gröfserer  spät-mittelalterlicher  Hallenkirchen  ver- 
dient wegen  ihrer  Kühnheit  und  Solidität  volle  Anerkennung. 

Die  Bedachung  des  Langhauses  ist  das  Satteldach,  dessen  schräge 
Flächen  in  die  Nord-  und  Südfa^ade  fallen;  es  wird  von  dem  gleich  hohen 
Dache  des  Querhauses,  das  mit  seinen  Giebeln  Front  macht,  so  dafs  also 
die  schrägen  Dachflächen  desselben  gen  Ost  und  West  fallen,  über  der  Vie- 
rung durchkreuzt.  Die  Seitenschiffe  haben  entweder  lange  Pultdächer,  deren 
schräge  Flächen  sich  an  die  Seitenwände  des  Hochschiffes  unterhalb  der  Fen- 
ster desselben  anlehnen  (Dome  zu  Naumburg,  Halberstadt,  Freiburg  i.  B., 
Ulm  etc.),  oder  die  einförmige  lange  Linie  ist  dadurch  vermieden,  dafs  die 
Aufsenwände  der  Abseiten  je  nach  der  Anzahl  der  Hauptgewölbeabteilungen 
des  Innern  (Traveen ,  Joche)  in  einzelne  Giebelwände  zerlegt  sind ,  die  jede 
ihr  besonderes  Dach  haben,  dessen  schräge  Flächen  nun  nicht  in  dieFa^ade, 
sondern  seitwärts  fallen  (Dom  zu  Magdeburg  etc.).  An  den  Domen  zu  Mainz 
und  Köln  sind  die  über  den  einzelnen  Gewölbejochen  der  Seitenschiffe  er- 
richteten Dächer  an  der  Giebelseite  abgewalmt.  Die  Apsiden  oder  polygonen 
Chorschlflsse  sind  mit  kegelförmigen  oder  Walmdächern  versehen;  ebenso 
die  kleinen  Conchen  am  Querhause  und  am  Schlüsse  der  Seitenschiffe,  wie 
die  sich  um  den  Chorschlufs  reihenden  polygonen  Kapellen  (Dom  zu  Köln) ; 
doch  nicht  immer,  da  auch  eine  Pultdachbedeckung  derselben  vorkommt 
(Dom  zu  Schwerin  etc.).  —  Der  Zwischenbau  endlich  wird  verschieden  be- 


*  So,  und  nicht  etwa  von  runden  FensteröfBiungen  sind  wohl  die  Verse  zum  Preise 
jenes  Abtes  in  der  Beichenauer  Hs.  126  zu  Karlsruhe  (v.  Aufsefs,  Anzeiger  etc.  1833. 
bp.  254)  zu  verstehen: 

^Hcisce  fenesteUcLS  jussit  fortnare  rotundas 

Äbhas  praeclaruSf  nomine  Liutharius; 
AnUa  nam  tenebris  domtia  haec  fuscata  mandnit^ 

Nee  dederai  domino  lumina  diara  mm>.« 


Bächer.  91 

handelt:  wenn  die  Giebelwände  desselben  gegen  die  Turmmauer  lehnen 
(Kirche  zu  Gernrode ,  Klosterkirche  zu  Jerichow  etc.);  schliefsen  Vorder- 
und  Rückwand  in  wagerechter  Linie  ab^  und  das  Dach  erscheint  als  Sattel- 
dach oder  (wie  am  Strafsburger  Münster)  als  Plattform;  wenn  dagegen  die 
Stirnwände  y  dem  Aufstreben  der  flankierenden  Tflrme  entsprechend ,  in 
Giebeldreiecken  endigen,  fallen  die  schrägen  Dachflächen  nach  den  Turm- 
seiten (Dome  zu  Merseburg,  Halberstadt,  Magdeburg  etc.).  —  Kirchen  mit 
gleich  hohen  Schiffen  sind  entweder  mit  einem  kolossalen  Satteldache  gedeckt, 
zu  dessen  Dachstuhl  das  Holz  ganzer  Wälder  verbraucht  wurde, ^  oder  es 
finden  sich  drei  Paralleldächer,  den  drei  Schiffen  entsprechend  (Essen),  oder 
die  Seitenschiffe  haben  auch  hier,  der  Zahl  der  Joche  entsprechend,  einzelne 
Giebeldächer,  welche  in  das  Dach  des  Mittelschiffes  einschneiden  (Dome  zu 
Paderborn,  Wien,  Merseburg  etc.);  die  Liebfrauenkirche  zu  Bremen  hat 
über  ihrem  dreischiffigen  Langhause  durchgehende  parallele  Querdächer, 
die  zu  Danzig  auch  über  ihrem  dreischiffigen  Querschiffe.  —  In  höchst  selt- 
samer Weise  besteht  das  Dach  der  Nikolaikirche  zu  Laun  in  Böhmen  von 
1528  aus  drei  der  Quere  nach  über  das  ganze  Gebäude  gestellten  Spitz- 
hauben, deren  mittelste  in  einen  57,oo  hohen  Dachreiter  ausläuft.  Das  ganz 
ähnliche  Dach  der  Barbarakirche  zu  Kuttenberg  ist  später  entfernt.  Ähnliche 
aber  einfachere  Konstruktionen  finden  sich  noch  auf  der  Kreuzkirche  zu 
Leipa  und  der-Pfarrkirche  zu  Leitmeritz. 

Die  Anwendung  hölzerner  Dachschindeln  {iegulae  ftssae)  erklärt  die 
vielen  Kirchenbrände  des  Mittelalters:  es  giebt  kaum  einen  Dom,  der  nicht 
mehrmals  ein  Raub  der  Flammen  geworden  wäre.  —  Bleibedachungen  kom- 
men schon  frühzeitig  vor,  aber  nur  bei  ausgezeichneteren  Gebäuden  (wie 
beim  Münster  zu  Aachen  um  800);  das  teure  Kupfer  blieb  selten  und  wurde 
wohl  nur  zu  Turmdächern  benutzt.  Abgesehen  von  Schieferdächern  ist  auch 
die  Verwendung  anderer  Steinplatten  (z.  B.  auf  dem  Chorumgange  des 
Domes  in  Magdeburg)  nicht  häufig;  der  Dom  zu  Prag  wurde  1276  tegulis 
lapideis  gedeckt.^  Die  aus  Ziegeln  erbauten  Kirchen  wurden  auch  mit  Zie- 
geln gedeckt:  Hohlziegel,  volksmäfsig  Mönch  und  Nonne  genannt;  auch 
o^fbrmige,  s.  g.  Fittigziegel ;  die  jetzigen  Breitziegel  (Bieberschwänze)  er- 
scheinen als  neuere  Erfindung,  jedoch  haben  sich  Reste  ähnlicher,  die  unten 
im  Dreieck  scharf  zugespitzt  und  mit  sehr  sorgfältig  gearbeiteter  Nase  ver- 
sehen sind,  in  den  Ruinen  der  Klosterkirchen  Bosau  und  Paulinzelle  ge- 
funden. Die  ersten  Dachziegel  {laieres  ad  tegulam)  in  Sachsen  hat  Bischof 
Bemward  von  Hildesheim  um  das  J.  1000,  und  zwar  nach  eigener  Erfindung 
i^nullo  monstrante<)  verfertigt.'  Mit  glasierten  Ziegeln  wurden  auch  auf  den 
Dachflächen  mannigfache  Musterungen  hergestellt,  und  die  Ziegel  der  Firste 
und  Grate  wurden  wohl  auch  mit  freistehendem  Blattwerk  krabbenartig  ver- 
ziert und  glasiert.^   Geringe  Landkirchen  waren  oft  nur  mit  Rohr  oder  Stroh 


*  Der  ungeheure^  über  23^  hohe  Dachstuhl  über  der  97,78  langen  und  37^  brei- 
ten Münchener  Frauenkirche  von  1488  erforderte  das  Holz  von  140  Mö^n,  das  Mols 
zu  15 — 16  Bftumen  gerechnet.  —  Vergl.  Nieuwenhuis,  H.  J.,  über  die  Bach- 
bedeckung  der  Seitenscmffe  und  Chorkapellen  etc.,  in  der  Deutsch.  Bauz.  1882,  No.  10. 

*  Fiorillo,  Gesch.  der  zeichn.  Künste  in  Deutschland.  I,  115. 

*  Fiorillo,  a.  a.  0.,  79. 

^  Beispiele  von  Turmdächem  zu  Villingen  im  Schwarzwald  und  Schwäbisch-Gmünd, 
im  German.  Nat.-Museum;  —  vergl.  Anz.  G.  M.  1874,  No.  11.  Fig.  1 — 3. 


92  Fufeböden. 

gedeckt,  und  es  finden  sich  selbst  heate  noch  (in  Mecklenburg,  Preufsen  etc.) 
einzelne  Beispiele  davon. 

27.  Der  Fufsboden  der  meisten  mittelalterlichen  Kirchen  ist  jetzt 
mit  Grabsteinen  belegt,  wo  nicht  neue  Bedeckungen  mit  Fliesen  statt- 
gefunden haben,  ursprünglich  war  die  römische  Sitte  der  Musivfufs- 
böden  auch  in  die  christliche  Basilika  übergegangen,  und  noch  das 
frühere  Mittelalter  pflegte  dergleichen  Buntpflaster,  das  nicht  blofs  in 
Teppichmustem,  sondern  selbst  in  eigentlich  malerischen  Darstellungen^ 
bestand,  häufig  anzuwenden.  Später,  etwa  seit  dem  Ende  des  XIL  Jahr- 
hunderts, fanden  Ziegelplatten  mit  eingelegten  Mustern  weit  verbreitete 
Anwendung.  In  einfachen  Gebäuden  und  in  Landkirchen  genügte  ge- 
wöhnlicher Estrich.* 

Der  gegenwärtige  Fu&boden  in  vielen  alten  Kirchen  liegt  höher  als  der 
ursprüngliche,  woher  es  kommt,  dafs  die  Fufsgesimse  der  Pfeiler  und  Säulen 
oft  verdeckt  sind,  wie  in  der  Klosterkirche  zuDrttbeck  etc.  Nachgrabungen 
in  dem  uralten  Kerne  des  Domes  zu  Trier  haben  ergeben,  dafs  der  älteste 
römische  Fufsboden  1,90,  ein  späterer  aus  dem  VI.  Jahrb.  1,27  und  ein  drit- 
ter aus  dem  XI.  Jahrh.  0,47  tief  unter  dem  im  XVII.  Jahrh..  gelegten  moder- 
nen Pflaster  liegt.'  —  In  der  Martinskapelle  zu  Freising  entdeckte  man  den 
ursprünglichen  Fufsboden  unter  einer  Aufschüttung  von  fast  2,20. 

Bruchstücke  eines  ehemals  im  Chore  des  Domes  zu  Hildesheim  befind- 
lich gewesenen  Mosaikfufsbodens  mit  biblischen  und  allegorischen  Darstel- 
lungen werden  in  der  Laurentiuskapelle  des  Domes  aufbewahrt;^  andere 
Oberreste  finden  sich  im  Dome  zu  Chnr,  auch  in  St.  Gereon  zu  Köln,^  im 
Kloster  Amstein  a/Lahn  und  zu  Werden  a/Ruhr,  und  in  den  Kirchen  zu 
Laach  und  Sponheim  ein  Buntpflaster  ans  verschieden  gefärbten  kleinen 
Ziegelplatten.  —  Der  Cistercienser  Bernhard  von  Clairveaux^  im  XII.  und 


'  Biese  beschränken  sich  meist  auf  typisch  feststehende  Darstellungen  der  kreatür- 
hohen  Welt  (»fische  tiere  und  mertDunder*  wie  es  beim  öraltempel  —  Zarncke, 
Str.  109 — in  —  heilst),  jedoch  kommen  auch  z.  B.  in  St.  Gereon  zu  Köln  neben  den 
Bildeni  des  Tierkreises  alttestamenthche  Geschichten  vor.    Siehe  auch  Note  4  u.  6. 

2  Über  die  verschiedenen  Pflaster -Mosaiken  des  M.-A.  verd.  Decorde,  Pavi^ 
des  eglises  dans  le  pays  de  Bray.  Paris  1858.  Vergl.  auch  Keichensperger,  A., 
I^gerzeige,  49. 

'  de  Koisin,  la  Cathedrale  de  Treves,  35  et  t05. 

*  Verd.  Piper.  Ferd»  Myth.  der  ehr.  K.  II,  700.  Ein  Medaillon  dieses  Musiv- 
bodens  sbSlt  sogar  die  h.  Dreieinigkeit  (aHa  ein  dreifaches  Gesicht)  dar;  der  h.  Bern- 
hard hatte  also  Grund  zu  seiner  Polemik. 

*  1869  restauriert  und  ergänzt;  vergL  aus'm  Weerth,  £..  der  Mosaikboden  in 
St  Gereon  zu  Köln  1873.  M.  2  Farbentt.  tO  Lith.  u.  16  Holzscnn.  und  Bonner  Jahrb. 
LV  u.  LVI,  253—263.  —  Der  Amsteiner  abgeb.  bei  Bock,  Rh.  Band,  m,  2.  Fig.  6. 

*  £p.  ad  Wilhelmum  Abb.  (Opp.  I,  544):  At  quid  scätern  sanctcrum  itnoßtnes 
non  venerenturf  qutbus  uHque  hoc  ipium,  auod  pmtbus  eonculccUur,  nitet  pavirn^n- 
tum;  saepe  spuUur  in  os  angeli,  sciepe  atieujus  sandorum  fades  ecdcibut  tundi- 
tur  transeuntium.  Et  si  non  sacris  inuiffinibus,  cur  vel  non  parcitur  pukhris 
ccioribus?  Cur  decoras,  quod  mox  foedandum  esi?  Cur  depingis,  quoa  necesse 
est  concukari? 


die  Ada  Meäiolanensia^  im  XVI.  Jadrb.  erklärten  Bich  gegen  Musivbilder 
beiliger  Gegenstände  im  Pflaster,  wo  sie  mit  Fttreen  getreten  würden.  Statt 
solcher  figQrlichen  Daratellangen,  deren  Technik  (Opus  vermiatlalum)  dies- 
Beitfl  der  Alpen  seit  dem  XII.  Jahrb.  Überhaupt  ganzlich  anfser  Übnng  ge- 
kommen zu  Bein  sclieint,  wurden  spftter  Pflasteningen  sehr  beliebt,  welche 
ans  ägnrierten,  meist  glasierten  Backsteinplatten  von  0,lo — 0,t6  im  Quadrat 


Fls.  31.    FnbtiHleiiplali 


bestanden,  auch  rautenförmig  oder  mnd  vorkommen,  und  (dem  Opus  Alexan- 
drimtm  ähnlich)  Teppichmuster  bildeten.*  Dergleichen  Fnbb0den,  die  aich 
nar  in  Bruchstücken  erhalten  haben,  finden  sich  in  England,  Frankreich, 
Skandinavien  und  im  Gebiete  des  nord-  und  des  süddeutschen  Ziegelbaues 


'  Instruci  &bricae  eccles.,  469:  In  pavirnento  neque  ptcfura  neqw  sculptura 
crvx  expriMatur,  itee  vero  praeterea  alia  äaera  imago  etc.  —  Ereuser,  Eirchen- 
bau.  I,  219. 

*  AbbUd.  von  Hosaikziegebi:  Lisch,  Q.  C.  F.,  Blätter  zur  Gesch.  der  Kirchen 
zu  Dobemn  und  Althof  (Beparat- Abdruclc  aus  Jahrg.  XIX.  der  Mecld.  Jahrb.),  11— 2a, 
und  V.  Quast,  in  der  Zeitschr.  t.  ehr.  A.  u.  K.  U,  28  ff.  u.  74.  —  Milde,  C.  J., 
Denim.  büd.  Kunst  in  Lübeck  1848,  Heft  2.  —  Verh.  d.  V.  für  K.  n.  Altert,  in  Ulm 
u.  Obetschwaben,  2.  Bericht  1844,  IT:  9.  u.  10.  Bericht,  54;  H.  Bericht  ftlatsler, 
sehw.  Fliesen  1862)  mit  21  Tafehi  in  Buntdruck.  —  Korr.-Bl.  G.-V.  ete.  VI.  Jahrg. 
1858,  29  IL  67.  —  MittL  Kunstdenkm.  d.  öst  Kaiseret.  her.  von  Dr.  0.  Heider  etc. 
H,  170.  —  Ernst,  L.,  n.  Oescher,  L.,  Baudenkm.  d.  M.-A.  in  Österreich,  Heft  3, 
Taf.  1.  —  Essenwein,  A.,  Backsteinb.  Taf.  XXTV.  12.  —  Derselbe,  in  den  Mitt. 
C.-K.  TU,  48  ff.  —  Chr.  K.-Bl.  1862,  138  ff.  —  Essenwein,  A.,  Muitipli- 
kationsoTnamente  in  den  Fubbodenfliesen  des  H.-A.,  m.  M  Holzscbn.  n.  t  Taf.,  im 
Anz.  0.  M.  1868,  Sp.  81  ff.  —  Über  die  in  St.  Emmeram  zu  Begensburg  gefun- 
denen, meist  in  das  Germ.  Nat.-M.  üliergeganKen :  C.  Ziegler,  in  Terb.  des  bist.  V. 
Eegensburg  1868  und  Mitt.  C.-K.  1870,  41;  Easenwoin,  A.,  in  Mitt.  C.-K.  1872, 
21  f.;  Qrf  v.  Walderdorf,  in  Verh.  des  bist  V.  Begensbutg  187»,  246  ff.,  mit 
A  Tsff.  —  Herdtle,  Ed.,  FI&chenTerzierongen  d%  M.-A.  und  der  Ben.  IBTO  ff.  Lief. 
L  u.  n.  —  Anz.  G.  M.  1S74,  No.  11.  Fig.  4—12;  1875,  No.  1,  mit  1  Taf.  —  Kunst-  u. 
kultDTgesch.  Denkm.  des  G.  M.  Taf.  29.  3a.  36.  43.  TS.  84.  —  Kraus,  II,  26.  —  Mitt. 
C.-K.  N.  F.  T.,  76  f.,  m.  2  Taff.  —  Mitt.  des  Altert.-T.  zu  Leianig,  Heft  5,  Taf.  zu  S.  7. 
—  Ein  derartiger  Fußboden  ist  vollstiindig  erhaltun  (restauriert)  in  der  SchloMapelle 
ZD  Marburg  von  ca.  1300. 


94  Mosaikzi^l.    Labyrinthe. 

vor.  Die  Platten  sind  rot  oder  porpbynirtig  dnokelfarbig;  die  Muster  wur- 
den vor  dem  Brennen  mit  geschnitzten  Formen  eingedrSckt  nnd  d&nn  mit 
einer  hellfarbigen ,  gewöhnlich  gelben  Thonerde  oder  Harsmaase  ausgefallt 
(oder  anch  nmgekebrt:  die  Ziegel  hell  und  das  Huater  dnnkel);  sie  kommen 
in  den  verschiedenen  Ländern  zuweilen  in  völliger  Obere instimmnng  vor, 
waa  auf  gemeinschaftlichen  Ursprung  (vielleicht  ans  England)  hindeutet 
Besonders  sind  es  Tiergestalten ,  die  sich  wie  in  Frankreich  nnd  England, 
so  auch  in  Norwegen  (Klosterkirche  zn  Hovedöe)  nnd  Mecklenburg  (Kapelle 
zu  Älthof,  Klosterkirche  zu  Doheran)  ganz  in  derselben  Weise  vorfinden.  — 
Bei  frei  erfundenen  Arabeskendessins  wird  das  vollständige  Master  immer 
aus  je  vier  znaammengehOrigen  einzelnen  Platten  gebildet,  die,  wenn  die 
Zeichnung  darnach  eingerichtet  war,  in  höchst  praktischer  Weise  beliebig 
aneinander  gelegt  werden  konnten  (Maltiplikationsomamente).  Zu  den  älte- 
sten nnd  schönsten  dieser  Gattung  gehören  die  Platten,  welche  sich  in  der 
südlichen  Nebenapais  der  Klosterkirche  zn  Ämmenaleben  im  Magdeburgi- 
schen erhalten  haben.  —  Der  Raum  hinter  dem  Altare  der  Kirche  zu  Pechüle 
bei  Trenenbrietzen  ist  mit  kleinen  krenzflinnigen  Ziegelsteinen  belegt. 

Bei  den  im  Laufe  der  Zeit  in  den  Kirchen  immer  häutiger  gewordenen 
Begräbnissen  wurden  die  alten  Buntpflaster  nach  nnd  nach  zerstört,  und 
Leichensteine  traten  an  deren  Stelle. 

Anmerkung.    Die  bereits  in  heidnisch -antiken  Mosaikfufsböden  (z.  B. 
in  den  Salzburger  Mosaiken  des  Mnseums  zn  Wien)  vorkommenden  Laby- 
rinthe' gingen  schon  frühzeitig  in  die  christlichen  Kirchen  (z.B.  in  der  Basi- 
lika des  Reparatus  zu  Orleansville  in  Algerien ,  V.  Jahr- 
hundert) über,  blieben  auch  im  Mittelalter  beliebt  nnd 
haben  sich  in  Frankreich  mehrfach,  in  Deutschland  an- 
scheinend nirgends  mehr  erhalten,  da  das  Labyrinth 
^  in  St.  Severin  zu  Köln  in  neuerer  Zeit  zn  Grunde  ge- 

gangen ist.    Diese,  gewöhnlich  im  Hanptschiffe,  zu- 
weilen   beim    Eintritt    ins    Querhaus    angebrachte, 
eigentümliche  Fufsboden Verzierung  kommt  in  quadra- 
tischer, runder  oder  achteckiger  Form  vor,  und  die 
VSnki  hiV^sV"  oSnlT  ^'•'"'ß°*™chen  Irrgänge  derselben  sind  durch  Stein- 
(Qub  cnuniM)!»         chen  von  zwei  verschiedeneu  Farben  als  »pavitneri' 
tum   sectile*  dargestellt.     Der  Name   Chemins   de 
Jerusalem  (Jerusalems weg e)  scheint  erst  von  den  französischen  Archäologen 
dafür  erfunden  zu  sein,  well  das  chriatliche  Volk  seit  den  Krenzztlgen  (wie 
nachweislich  zu  Rheims  um  1240)  das  Dnrchwandeln  dieser  Irrgänge  unter 
gewissen  Gebeten  als  Ersatz  für  eine  Pilgerreise  nach  Jemsalem  zu  betrachten 
pflegte,  wozu  die  an  das  heilige  Grab  erinnernde  Centralform  der  Labyrinthe 
die  Veranlassung  gewesen  aein  mag.    Im  Dome  von  Charles  wurde  das  Laby- 
rinth gemeiniglich  tLieue"  genannt,  weil  man  auf  den  Knieen  rutschend  eine 
Stunde  Zeit  gebrauchte,  um  bis  In  die  Mitte  zu  gelangen:  die  Schlangenwin- 


'  Über  die  labyrinthe  oder  Jerusalemswege  vergl.  Didron,  Annales  srcheoL  XTV, 
268  u.  n,  124  sqq.;  de  Caumont,  Abecedaire  1  (4.  ed.),  445  wjc.;  Öailhaband,  die 
Baukunst  etc.  Bd.  V,  Taf.  13  u.  14;  Krauser,  der  christl.  Kirctenbau.  I,  219. 

■  Die  schwarzen  Xinien  bezeichnen  den  Gang.  A  den  Anfimg  desselbm. 


Emporen.  95 

dnngen  desselben  waren  209,65  lang.  —  Dafs  übrigens  nicht  blols  die  Dar- 
stellung selbst,  sondern  auch  der  Name  Labyrinth  sich  aus  der  heidnischen 
Kunst  ins  Mittelalter  fortgepflanzt  hatte ,  ist  erwiesen  J  Ob  die  in  Italien  als 
mnsivische  Fufsbodenverziernng  nachgewiesene  uralte,  auch  in  Deutschland 
als  Unheil,  namentlich  Fenersgefahr  abwendend  bekannte  anagrammatische 
Zauberformel  S   A  T  0  R 

A  R  E  P  0 
TENET 
OPERA 
R  0  T  A  8 

auch  anderwärts  in  Kirchen  vorkommt,  mufs  dahingestellt  bleiben.' 

28.  Emporen  (provinziell  Emporkirchen,  Porkirchen,  auch  Priechen 
oder  Chöre  genannt),  in  der  morgenländischen  Kirche  für  das  weibliche 
Geschlecht  seit  den  ältesten  Zeiten  allgemein  üblich,  kommen  im  Abend- 
land, abgesehen  von  einigen  den  byzantinischen  Typus  befolgenden  Cen- 
tralbauten,  zunächst  nur  in  den  Kirchen  von  Frauenklöstem  vor,  wo 
sie,  dem  vorhandenen  Bedür&isse  eines  völlig  abgesonderten  Baumes 
für  die  Schwestern  entsprechend,  seltener  über  den  Seitenschiffen,  ge- 
wöhnlich als  Nonnenchöre  am  Westende  des  Mittelschiffes  über  der 
YorhaUe,  als  ein  sich  über  einer  Brüstung  in  Bogenstellungen  öfBaen- 
des  Obergeschofs  angeordnet  sind.  In  anderen  Fällen  ist  der  Zweck 
dieser  vom  XI.  bis  XTTT.  Jahrh.  sehr  häufigen  Emporen  nicht  mit  Be- 
stimmtheit nachgewiesen;  doch  darf  man,  wo  sie  in  den  Eirchen  von 
Mönchsklöstern  vorkommen,  mit  Wahrscheinlichkeit  annehmen,  dafs  sie 
für  weibliche  Kirchenbesucher  dienten,  oder,  wenn  mit  dem  Mönchs- 
kloster ein  besonderer  Nonnenkonvent  verbunden  war,  den  Schwestern 
als  abgeschlossenes  Oratorium  (Betchor)  überwiesen  waren.  —  Der 
Einbau  vorspringender  Bühnen  zur  Aufetellung  der  Orgel  (Orgel- 
chöre) wurde  erst  später  gebräuchlich,  und  die  Einrichtung  durchgehen- 
der Emporen  (Mannchöre)  in  manchen  Hallenkirchen  des  XVI.  Jahrh- 
hunderts  scheint  vorzüglich  auf  die  Zwecke  des  Predigtgottesdienstes 
berechnet  zu  sein. 


*  Nach  Bidron  findet  sich  in  Lucca  auf  einen  Stein  graviert  die  Zeichnung  eines 
Labyrinths  von  0,47  m  D.  mit  der  M^uskel- Inschrift: 

Hie  quem  Creticus  edü  Dedalus  est  laherintu>s, 
De  auo  ntMua  vadere  quimt,  qui  fuit  itUtM, 
Ni  i%e8eu8  gratis  Ädrtane  stamine  jutus. 

Auf  das  Hans  des  Dädalos  bezieht  sich  auch  (vergl.  Bnll.  mon.  1872,  Heft  3)  eine 
Inschrift  in  picardischer  Sprache  ans  dem  XHI.  Jahrh.  auf  dem  Labyrinth  zu  Amiens. 
Übrigens  stellt  Mefsmer,  Mitt.  C.-E.  XIK,  159  die  Benutzung  dieser  Labyrinthe  zu 
Andaohtsübungen  als  bis  Jetzt  ganz  und  gar  nicht  nachgewiesen,  gänzhch  in  Abrede. 

*  aus'm  Weerth,  £.,  der  Mosaikboden  in  St.  Gereon  etc.   Taf.  7  und  Bonner 
Jahrb.  LV  u.  LVI,  260. 


96  Nonnenchöre. 

In  dem  nach  byzantinisch -ravennatiBchem  Muster  errichteten  karo- 
lingischen  Centralbau  des  Aachener  Münsters  war  die  ringsumlanfende  Em- 
pore (Solanum) ,  auf  welcher  dem  Altare  gegenfiber  der  Stuhl  des  Kaisers 
steht,  fflr  die  Hofgemeinde  bestimmt :  eine  Einrichtung ,  die  auch  in  späteren 
Schlofskapellen  ,(b.  o.  S.  25)  wiederkehrt,  und  vermutlich  die  Veranlassung 
dazu  war^  dafs  Kugler,  der  das  Verdienst  hat,  auf  die  in  der  romanischen 
Periode  so  häufig  vorkommende  Anordnung  einer  westlichen  Empore  ttber 
der  Vorhalle  zuerst  hingewiesen  zu  haben,  dieselben  (Kunstgesch.  2.  Aufl. 
S.  472)  als  unzweifelhaft  zum  Aufenthalte  vorzüglich  angesehener  Besucher 
(namentlich  etwa  der  kaiserlichen  Familie)  bestimmte  Logen  bezeichnete,^ 
während  es  doch,  wie  spätere  Ergebnisse  darthaten,  gröfstenteils  Nonnen- 
chöre sind:  so  in  den  Kirchen  der  Frauenklöster  zu  Essen,  Maria  auf  dem 
Kapitol  zu  Köln,  zu  Ottmarsheim,  Gernrode,  Quedlinburg,  Drübeck,  6an- 
dersheim,  St.  Moritz  in  Hildesheim,  Fröndenberg  a.  d.  Ruhr,  Ösede  bei 
Osnabrück,  Asbeck  im  Mttnsterlande,  Dom  zu  Gurk  etc.  Besonders  bei  den 
Cistercienser-  und  Prämonstratensernonnen  dehnen  sich  diese  Emporen  zu- 
weilen sehr  weit  nach  Osten  aus  und  teilen  selbst  das  ganze  Kirchenschiff 
in  zwei  Etagen,  deren  obere  für  die  Schwestern,  die  untere  für  das  Volk 
bestimmt  war:  St.  Thomas  a.  d.  Kyll,  Altenberg  a.  d.  Lahn,  Neuendorf  in 
der  Altmark,  Wienhausen  a.  d.  Aller  (hier  mit  noch  erhaltener  liturgischen  in- 
neren Einrichtung),  Lünen  bei  Lüneburg,  Marienwerder  im  Fürstentume 
Kaienberg,  Mühlberg,  Langenhorst  in  Westfalen,  Onadenthal  bei  Schwäbisch- 
Hall  etc.  —  Von  der  Bestimmung  der  Emporen  in  Mönchsklöstern  für  weib- 
liche Kirchenbesucher  finden  sich  schon  aus  der  Zeit  der  byzantinischen 
Oberherrschaft  in  Rom  zwei  Beispiele:  S.  Lorenzo  vom  Ende  des  VL,  und 
S.  Agnese  vom  Anfange  des  VII.  Jahrhunderts,  beide  aufserhalb  der  Mauern 
bei  den  Katakomben  belegen  und  mit  einer  Langseite  gegen  einen  Hügel 
gelehnt,  von  welchem  aus  die  Frauen  ihren  besonderen  Eingang  zu  den  Em- 
poren hatten,  in  strenger  Geschiedenheit  von  den  Mönchen  des  Klosters.^ 
Nach  Analogie  dieser  Einrichtung  liegt  die  Vermutung  nahe,  dafs  die  in 
deutschen  Mannsklöstem  zuweilen  vorkommenden  Emporen  denselben  Zweck 
hatten ;  wie  z.  B.  in  St.  Michael  zu  Hildesheim,  wo  die  in  den  Kreuzvorlagen 
angeordneten  Emporen  wohl  sicherlich  für  die  Frauen  bestimmt  waren, 
deren  zwar  nach  den  alten  Statuten  nur  sieben  bejahrte  als  Nonnen  sollten 
aufgenommen  werden  dürfen,  jedoch  gegen  das  Jahr  1247  eine  solche 
T>multitudomomalium€  vorhanden  war,  dafs  die  Einkünfte  des  Klosters  nicht 
mehr  ausreichen  wollten,  welches  überdies  durch  das  Zusammen  wohnen 
beider  Geschlechter  seinen  Ruf  gefährdet  hatte.  ^  Gleiches  gilt  von  dem  west- 
lichen Emporenbau  in  dem  Augustinerstifte  Fredelsloh  beiEimbeck,  wo  nach 
einer  Urkunde  von  1155  mit  dem  Konvente  der  Brüder  ein  T^magnum  et  re- 
ligiosum  sororum  coUegium^  vereinigt  war.^  Auch  mit  den  thüringischen 
Benediktinerklöstern  Paulinzelle,  Bürgelin,  Vessera  und  mit  Huyseburg  bei 
Halberstadt  waren  Nonnenkonvente  verbunden,  und  in  allen  diesen  Kirchen 


*  Auch  in  der  Abteikirche  zu  Sehgenstadt  hat  sich  Einhart  nach  diesem  Muster 
die  Westempore  mit  Altar  als  sein  Frivat-Oratorium  angelegt. 
'  Lenoir,  Architecture  monastique.  I,  108  u.  169. 
^  Chron.  Monast.  St.  Michaelis  in  Meibom,  Ber.  Germ,  n,  520. 
^  Grotefend,  C.  L.,  in:  Mittl.  Baud.  Nieders.  U,  48. 


Nonneachöre.  97 

BiDd  westliche  Emporen  nachgewiesen;  ebenso  könnten  die  in  der  Kirche 
anf  dem  Petersberge  bei  Halle  a.  d.  S.  im  Altarhanae  angeordneten  Emporen 
fOr  die  in  dieses  Angusünerstift  aufgenommenen  Schwestern  bestimmt  ge- 
wesen sein.'  Emporen,  welche  sich  Ober  den  ganzen  Raum  der  Seitenschiffe 


Fit.  a.    WeitUctatr  »onnnitlwr  In  Mtliulei  in  EHen  (nicb  t.  Qa—t). 

erstrecken,  scheinen  nnr  in  Frauenklöstem  des  X.  bis  XII.  Jahrhunderts 
vorgekommen  zu  sein:  Essen  (ehemals),  St.  Urania  in  Köln,  Oemrode, 
St.  Georg  in  Prag;  zn  Anfang  des  XIII.  Jahrb.  findet  sich  diese  Anordnung 
in  vielen  OewSlbebanten  des  Rheinlandea  (Pfarrkirche  zn  Andernach,  Haria 


'  Lepsius,  C.  F.,  Hiator.  Nacliriülit  vom  Augustiner -Kl.  Sf.  Moritz  zu  Naum- 
burg, 114.  —  Es  ist  jedoch  xa  Iremerken,  iaia  in  fielen  Mlen  eich  empfehlen  wird, 
diese  ziemlich  abgescmoBsenen  und  leichter  erwärmliaren  Emporen  als  winterchor  für 
die  Chorherm  auzufiehen,  wie  eine  solche  Benutzung  in  Bezug  auf  das  PrSmoostia- 
tenserkl.  Dbenstadt  bei  Friedbew  in  Hessen  von  F.  Schneider,  Korr.-Bl.  Gea.-V. 
18T4,  92  ff.  DBch^wiesen  ist  Besonders  ausgebildet  enicheinen  sie  an  den  Kirchen 
der  unter  dem  Emflusee  von  Clugnv  gestandenen  Benedi ktinerkloster,  wie  Ellwongen, 
Herefeld  etc.,  wo  sie  gradezu  als  aogetürzto  Weetchöre  bezeichnet  werden  müssen. 

Ott*,  KuwI-AnUslofli.    G.  Aufl.  T 


98  Emporen. 

in  Lyskirchen  zu  Köln,  Kirchen  zu  Bacharach,  Sinzig,  Heimersheim,  Linz, 
Erpel,  Dom  zu  Limburg  a.  d.  L.  etc.);  auch  im  hohen  Chore  des  Domes  von 
Magdeburg  (der  sogen.  Bischofsgang),  anscheinend  aus  konstruktiven  Rück- 
sichten, und  ohne  dafs  über  die  gottesdienstliche  Bestimmung  dieser  Emporen 
etwas  nachgewiesen  wäre.  Letztere  ist  ebenfalls  unbekannt  in  Beziehung  auf 
die  z.  B.  im  sogen,  alten  Dome  zu  Regensburg  und  mehrfach  in  Westfalen  sich 
findenden  Westemporen  mit  Altären.  Anders  jedoch  verhält  es  sich  in  Böhmen. 
Hier  ist  von  ältester  Zeit  her  und  wenigstens  von  der  gotischen  Zeit  an  auch 
in  den  sämtlichen  österreichischen  Ländern  das  Vorhandensein  einer  West- 
empore  bei  allen  Kirchen  die  Regel,  von  der  sich  nur  seltene  Ausnahmen 
finden.  Und  zwar  giebt  es  ihrer  zwei  Arten.  Die  einen  sind  mit  einem  Al- 
tare versehen  und  erweisen  sich  dadurch  als  Betchöre  für  die  Familien  der 
Stifter  oder  sonst  bevorrechteter  Personen,  wohin  auch  die  für  die  Hospita- 
Uten  reservierten  Westemporen  in  den  Spitalkirchen  zu  Klostemeuburg, 
Oberwölz  in  Steiermark  und  Salzburg  gehören.  Bemerkenswert  ist  dabei, 
dafs  diese  Altäre  der  Emporen  zuweilen,  von  dem  sonstigen  Brauche  ganz 
abweichend  (z.  B.  in  Oberwölz,  in  der  Pfarrkirche  zu  Pürgg  im  Ennsthale, 
in  der  Leonhardskirche  zu  Tamsweg  etc.)  auf  der  in  das  Kirchenschiff  hin- 
einschauenden Ostseite  reich  dekoriert,  auf  der  Westseite  aber  ganz 
schlicht  gehalten  sind.  Die  andere,  gewöhnlichere  Art  sind  von  vornherein 
Sängerchöre,  wohl  aus  den  gröfseren  musikalischen  Anlagen  und  Bedürf- 
nissen der  Bevölkerungen  dieser  Gegenden  erklärlich,  und  haben  durch- 
gehends  in  der  Mitte  der  meist  reich  durchbrochen  behandelten  Brüstungen 
ein  erkerartig  vorspringendes  Dirigentenpult.  —  Endlich  wird  nicht  zu 
übersehen  sein,  dafs  bei  manchen  Wallfahrtskirchen  (z.  B.  der  nicht  mehr 
vorhandenen  Marienkirche  auf  dem  Harlunger  Berge  bei  Brandenburg  und 
aus  später  Zeit  bei  der  Valentinskirche  zu  Kiedrich)  die  umfangreiche  Em- 
porenanlage sich  auf  das  Bedürfnis  der  Unterbringung  gröfserer  Pilgerscharen 
zurückführt,  wie  auch  in  der  Nikolaikapelle  am  Aachener  Münster  die  Em- 
pore nach  Bock  zur  Unterbringung  einer  gröfseren  Menge  vornehmer  Zu- 
schauer bei  dem  Kaiserkrönungszuge  angelegt  worden  sein  dürfte. 

Bemerkenswerte  Emporenanlagen:  der  westliche  Nonnenchor  des 
Münsters  zu  Essen  aus  dem  X.  Jahrh.  (Fig.  33),  ein  Halbpolygon  mit  zwei 
Emporen  über  einander  und  zwei  nischenförmigen  Kämmerchen  neben  der 
oberen;  die  Emporen  in  den  Kreuzvorlagen  der  beiden  Querschiffe  von  St. 
Michael  in  Hildesheim  aus  dem  XI.  Jahrh.;  der  westliche  Nonnenchor  und 
der  von  Säulen  getragene  Emporumgang  im  Kreuzbau  von  St.  Maria  auf  dem 
Kapitol  zu  Köln  aus  dem  XI.  und  XII.  Jahrh. ;  die  den  westlichen  Teil  des 
Mittelschiffes  und  das  ganze  südliche  Seitenschiff  einnehmende  Empore  in 
der  Kirche  des  Nonnenklosters  Hecklingen,  ein  dem  XUI.  Jahrh.  entstam- 
mender malerischer  Einbau  in  der  im  XII.  Jahrh.  erbauten  Kirche ;  die  das 
Rechteck  der  sogen,  alten  Pfarr  zu  Regensburg  an  allen  vier  Seiten  um- 
gebenden Emporen  aus  dem  XIU.  Jahrh.;  in  der  Johannis- und  der  ehemaligen 
Lambertikirche  zu  Lüneburg  die  zu  beiden  Seiten  des  Hauptchores  die  Neben- 
schiffe über  gewölbten  Kapellen  ausfüllenden  Emporen  (hier  Lectoren  ge- 
nannt), für  die  Sitze  der  Ratsherren  bestimmt,  aus  dem  XIV.  Jahrh.,  spät- 
gotisch mit  Eichenholzbrüstungen  versehen. 

Unter  den  Orgelbühnen  sind  zu  nennen  die  im  Münster  zu  Strafsburg, 


Orgclbühnen.    Maunchdre.    Trifariea.  99 

in  St.  Stephan  (zwei)  nnä  UariastiegeD  (Fig  34)  zu  Wien,  in  der  Piaristen- 
kirche  zo  Krems,  in  der  Georgakirche  zu  Dinkelsbflhl  (hier  auch  die  an  der 
Nordseite  in  das  Innere  voi^ekragte,  durch  eine  Wendeltreppe  in  derManer- 


FJg.  U.    OigdbUlui«  lu  Uuli>ti<g«  Hl  WIcD  (uch  d«m  öiUn.  AtlM). 

dicke,  zu  der  man  auf  einer  zierlich  durchbrochenen  Freitreppe  im  Innern 
der  Kirche  emporsteigt,   zugängliche  sogenannte  Schwedenoi^l),  in  der 
Marienkirche  zu  Dortmund  von  1535;  eine  hölzerne  OrgelbUhne  von  Cnrt 
Hart.  Torf  ans  dem  Jahre  1466  befindet  sich  in  der  Dominikanerkircbe  zu 
Treysa.  —  Als  Mannchöre  sind  zu  erwähnen  die  Emporen  in  der  Anna- 
kirche zu  Annaberg  (reich  mit  Skulpturen  geschmückt),  in  der  Marienkirche 
zu  Halle  a.  d.  S.,  in  der  Schlofskirche  zu  Wittenberg,  Leonhardskirche  zu 
Frankfurt  a,  M.,  Barbarakirche  zu  Kuttenberg,  Declianteikirche  zu  Brttx, 
sämtlich  bereits  aus  dem   XVI.  Jahrb.     Spätgotiaclie  hölzerne  Emporen- 
anlagen  sind   verzeichnet   zu  Dautphe   bei  Biedenkopf  (1543),   Marburg 
(Siechenhauskapelle) ,   Montabaur  und  Oelnhaueen  (Pfarrkirche),   ehemals 
auch  in  der  Pfarrkirche  zu  Frankenberg  a.  Eder  (1529  vor  Philipp  Soldan). 
Anmerkung.     Von  den  alteren   eigent- 
lichen Emporen   Aber  den   Seitenscliiffen   der 
Kirchen,   die  zur  Aufnahme  eines  Teiles  ( 
Gemeinde  geeignet  waren ,  sind  zu  unterschei- 
den die  seit  dem  XIII.  Jahrh.  in  reicher  aus- 
gestatteten Kirchen  (MQnster  zu   Basel,    St. 
Sebald  zu  Nürnberg,  Dom  zu  Limburg  an  der 
L.,  Dome  zu  Köln,  Strafsburg,  Regensbnrg, 
Prag,  Barbarakirche  zu  Kuttenberg,  Marien- 
kirche zu  Stargard  etc.)  über  den  Arkadenbögen  und  unterhalb  der  Ober- 
lichter in  der  Mauerstärke  angebrachten,  ein  Mittelgescbofs  bildenden  Gale- 
rien (Laufgänge),   die  einerseite   zur  Belebung   der  Wandfläche    dienen. 


100  Triforien.    Kreuzgang. 

andererseits  zu  einer  leichteren  Kommunikation  nach  allen  Teilen  des  Ge- 
bäudes nutzbar  sind.  Nach  dem  Vorgange  der  englischen  Archäologen  werden 
diese  Galerien  gewöhnlich  Triforium  (d.  i.  Dreiöffnung)  genannt,  weil  sie 
sich  in  mindestens  drei,  gewöhnlich  aber  mehreren ,  in  Gruppen  zusammen- 
geordneten kleinen  Bogenstellungen  nach  dem  Innern  der  Kirche  öffnen; 
äufserlich  sind  sie  zuweilen  (Dom  zu  Köln)  mit  Fenstern  versehen ,  wenn  die 
Dachkonstruktion  der  Seitenschiffe  solches  gestattet.^  Seltener  sind  altanartig 
vortretende  Galerien  am  Fufse  der  Fenster  (Chor  von  St.  Lorenz  in  Nürnberg), 
sehr  häufig  aber  schmale  Gänge  auf  Mauerabsätzen  (Mönchsgänge)  zu  dem 
Zwecke,  um,  besonders  bei  Reparaturen,  mit  Leichtigkeit  zu  allen  Teilen  des 
Gebäudes  gelangen  zu  können  (Liebfrauenkirche  zu  Trier,  Dom  zu  Naumburg 
in  den  Chören,  später  namentlich  in  solchen  Kirchen,  wo  die  Strebepfeiler 
nach  innen  gezogen  sind,  tlber  den  zwischen  diesen  angelegten  Kapellen). 
Ähnliche  Bewandtnis  hat  es  meistenteils  mit  den  äufserlich  angeordneten 
Galerien;^  doch  haben  diese,  namentlich  wenn  sie  als  Altane  über  Portalen 
angebracht  sind  (Frauenkirche  in  Nürnberg,  Marienkirche  zu  Mühlhausen  in 
Th.,  St.  Leonhard  zu  Frankfurt  am  Main)  auch  gottesdienstliche  Zwecke :  Vor- 
zeigung von  Reliquien  etc. 

29.  In.  Höstem  und  Stiftskirchen  schliefst  sich  an  eine  Langseite 
der  Kjrche  (von  F  nach  5  des  Grundrisses  S.  46),  mit  derselben  in  Ver- 
bindung stehend,  der  Kreuzgang  (ambiius)^:  ein  gewöhnlich  aus  vier* 
Bogenhallen  bestehender  Umgang,  welcher  einen  freien  viereckigen  Raum, 
den  Klosterhof  oder  Gottesacker  {coemeterium  contiguum\  umschliefst, 
und  sowohl  zu  Grabstätten  benutzt  wurde,  als  für  Prozessionen  und  zum 
Lustwandeln  der  Mönche  diente.  Der  Bj-euzgang,  der  in  einem  obem 
Stockwerke  die  Mönchswohnimgen  enthält,  vermittelt  die  Konmiunikation 

mit  den  anstofsenden  Klostergebäuden. 

Der  Name  ^Kreuzgang^  wird  von  einigen  zwar  von  der  fast  stets  an- 
gewendeten Überdeckung  mit  Kreuzgewölben  abgeleitet,  von  anderen  da- 
gegen wohl  allein  richtig  auf  die  Bestimmung  für  Prozessionen  (Kreuz- 
gänge, weil  ein  Kreuz  vorausgetragen  wird)  bezogen. 

Die  Lage  des  Kreuzganges  ist  seltener  nördlich,  gewöhnlich  südlich 
von  der  Kirche  ^  (gegen  Norden  von  dieser  geschützt  und  mit  sonniger  Lage 

»  Schnaase,  IV,  t64;  Kusler,  Bauk.  m,  9. 

*  An  der  BenediktinerinnenJorche  zu  Göfs  in  Steiermark  läuft  in  Drittelhöhe  des 
Gebäudes  vom  Chor  aus  längs  der  Süd-  und  Westseite  auTsen  ein  vorgekragter,  die 
Strebepfeiler  durchbrechender,  geschlossener  und  überwölbter  Gang  zur  Verbindung  der 
Klausur  mit  der  Nonnenempore,  dem  Chore  und  der  unter  diesem  befindlichen  K^T)ta. 
In  der  Cistercienserkirche  zu  Lehnin  befindet  sich  innen  an  der  Westseite  ein  Lauf- 
gang, welcher  dem  Abt  verstattete,  aus  seiner  nördlich  der  Kirche  gelegenen  Abts- 
wolmung  durch  die  Kirche  in  die  südlich  gelegene  Klausur  zu  gehen. 

'  E^i  den  Karthäusem  heilst  der  Kreuzgang  Gcdilaea;  s.  unten  den  Anhang  zu 
diesem  Abschnitte  über  die  baulichen  Einrichtimgen  der  Klöster. 

*  öfters  fiel  auch  die  vierte  Halle  an  der  Lamgseite  der  Kirche  fort,  z.  B.  am  Dome 
zu  Brandenburg. 

'  >/r  palas  und  ir  dortnter  stund  gen  MeridjanCf 
ein  hriuzganc  wol  geformter  da  ztmscJien  lac,  des  waren  si  niht  ane, 
als  ez  ze  hruderschefte  wol  geharte.* 
Der  jüngere  Titurel  ed.  Zarncke,  Str.  100,  S.  95. 


Kreuzgang.  101 

des  rings  umschlossenen  Rasenplatzes,  gensoDt:  Grashof,  oder  auch  karz: 
Gras),  wie  er  bereits  auf  dem  Plane  von  St.  Gallen  (S.  57)  sich  angegeben 
findet  als  ein  bedeckter  Gang  (porlicus)  mit  hohen  RnndbCgen  (arcus)  und 
vier  Thilren,  welche  sich  nach  dem  freien  Platze,  der  hier  nicht  der  Fried- 
hof ist,'  Offnen.  In  der  Hitte  dieses  freien  Ranmes,  zn  welcher  von  den 
Thttren  vier  einander  sich  im  rechten  Winkel  darchkreozende  Pfade  (»qua- 
tuorsemitaeclaustriperiransversum'')  führen,  steht  auf  einem  quadratischen, 
von  Fnfgwegen  umgebenen  Rasenplfttzchen  ein  Sadebaum  (savina).  —  Die  An- 
lage des  Ereuzganges  Satlich  von  der  Kirche  wie  an  den  Domen  zn  Hildesheim 
nnd  R^ensbur^,  oder  westlich  von  derselben,  wie  bei  3t.  Gereon  und  Uaria 


Flg.  K.    Knufug  iD  Halllgiakmu  tMl  W1*d  (aiob  BtUtr). 

auf  dem  Eapitol,  ehemals  anch  St.  Andreas  zu  KOln,  St.  Marien  zn  Halber- 
stadt,  am  Dome  zu  Paderborn  nnd  der  Johann Iterkirche  zu  Strakonitz  in 
Böhmen,  ist  eine  lediglich  in  lokalen  Verhältnissen  begrttndete  Ausnahme. 


sich  der  Gottesacker  auberhiJb  der  klausur  be&nd,  zuweilen  soweit  entfernt,  d 
Leichen  auf  einem  Wagen  daliin  gebracht  werden  mulsten,  und  nicht  selt«n  auf  der 
Spitze  eines  Bergee  im  friaclien  'Waldesdunkel.  Im  XI.  Jahrh.  war  zur  Anlage  eines 
Begilibnisplatzes  neben  der  Klosterkirche  noch  bischöfliche  Eriaabnis  erforderlich-  TetvL 
Martene,  de  antiguia  eccl.  rit.  IV,  767;  Heider,  G.,  MitL  C.-K.  I,  57.  Dieser  wuMe 
dann  im  Unterschied  von  dem  mr  Klausur  gehörigen  Orashofo  Fnedhof  (oder  FrtU- 
hof)  genannt 


[02  Kreuzgang.    Bmnnenliaus. 

Die  einzelnen  Bögen  der  Kreuzhänge  sind  entweder  als  ganz  offene  Schwib- 
bogen behandelt  nnd  nur  durch  eine  Brüatangswand  vom  Gottesacker  ge- 
trennt (Dom  za  Mersebnrg  etc.)  oder  als  Fensteröffnungen,  zwar  mit  Stab- 
nnd  Uafswerk  gefüllt  (Dome  za  Trier  and  Magdeburg,  Minoriten  in  Köln  etc.), 
aber  gewöhnlich  ohne  Verglasung;  (mit  GlaBfenatem  geeclilossen  z.  B.  im 
Stifte  zu  Heil  ige  nkrenz).    Der  älteete  Krenzgang  (etwa  vom  Ende  des  XL 
Jahrh.)hat  sich  in  dem  Nonne nstift  aufdemNonnberge  in  Salzburg  erhalten; 
zu  den  gröfaten  und  prachtvollsten  Kreuzgftngen  aus  älterer  Zeit  gehören 
die  im  Liebfrauen  kl  OBter  zu  Magdeburg,  beim  Dome  zu  Trier,  beim  Grofs- 
münster  zu  Zürich,  neben  der  Stiftskirche  zu  Äschaffenburg,  bei  St.  Emmeram 
zu  Begensburg,  in  Klosterneuburg  etc.    Die  Kreuzgänge  zn  Königslutter, 
Pforta  etc.,  sind  zweischiffig.    Der  noch  in  einem  Bruchstücke  erhaltene 
Kreuzgang  neben  der  ehemaligen  Stiftskirche  zu  Asbeck  im  Afünsterlande 
erscheint  insofern  als  einzig  in  seiner  Art,  als  er  sich  in  zwei  fast  gleich 
hohen  nnd  gleichmäfsig  weiten  Bogen- 
stellungon   über   einander  erstreckte, 
während  sonst  das  Oberstockwerk  nur 
von  Fenstern  durchbrochen  wird ;  auch 
der  Krenzgang  am  Dome  zu  Hildes- 
heim  hat  zwei  Stockwerke,  die  Arka- 
den des  äachgedeckten  oberen  haben 
abwechselnd  Pfeiler  und  Sänlen. 
Anmerkung  1.    Häufig  steht  mit 
einer  Seite  des  Kreuzgangea,  wie  in  den 
Cistercienserklöstern  zu  Maulbronn,  Hei- 
ligenkreuz,Lilienfeld,Neuberg,Zwetletc.,' 
ein  Brunnenhausin  Verbindung,  welches 
kapellenartig  angelegt,  rund  oder  poljr- 
goniBch  nach  dem  Friedhofe  heraustritt, 
in  Uaulhronn  in  nächster  Nähe  des  Som- 
mer Befektoriuma.  Das  älteste  bekannte 
Bauwerk  dieser  Art(aus  dem  XII.  Jahrh.) 
befindet  sich  im  Prämonstratenscrkl oster 
U  L  Frau  in  Magdeburg  an  der  Östlichen 
Seite  des  Kreuzganges,  und  der  Name 
To  n  SU  r(d.  h.  Seh  erbrannen) ,  der  sicbhler 
durchTraditiondafDr erhalten  hat undauch 
in  anderen  deutschen  Klöstern  üblich  ist, 
deutet  darauf  hin ,  dafs  in  diesen  Brunnen- 
häusern den  Mönchen  Bart  und  Haupt- 
haar geschoren  zn  werden  pflegte,  was 
nach  den  Consueiudities  der  Kluuiacenaer 
(DAcher^,    Spicileginm,    Paris   1723. 


'  Das  za  Menfeld  sechBectig  durch  den  Brand  1810  zeretort,  sehr  uneeBchiclrt 
neugebaut  Das  Maulbronner  bei  Paulus  S7  Fig.  35.  —  Im  Benediktinerkl.  Lüne 
steht  der  Brunnen  im  Klosterge  blinde  selbst  an  der  SUdwestecke  des  Ereuzgangs  in 
einer  ^lsche  der  sogenannten  Klosferdiele 


Eapitelsaal.    Refektoriiun. 


103 


I,  695)  alle  drei  Wochen  und  unter  Psalmodien  zu  geschehen  hatte,  und 
sicher  in  ähnlicher  Weise  auch  bei  den  Cisterciensem  und  Prämonstratensem 
Sitte  war.  Vergl.  Feil,  Jos.,  in  den  Mittl.  Kunstdenkm.  d.  Ost.  Eaiserst.,  I,  38; 
auch  y.  Quast  in  der  Zeitschr.  f.  ehr.  A.  u.  K.  I,  545.  In  Maulbronn  ist  noch 
ein  zweiter  Brunnen  neben  dem  Abthanse,  welcher  hier  Scherbrunnen  genannt 
wird.  Der  Teil  des  Kreuzganges  beim  Brunnenhause  diente  insonderheit  auch 
zu  den  Fufswaschungen  am  Gründonnerstage  und  wurde  deshalb  auch  man- 
datum  {wegen  der  Antiphone  Joh.  13,  34)  genannt.  Dslb  Lavatorium,  das  neben 
dem  Brunnenhause  vorkommt,  war  der  Trog  zum  Waschen  der  Toten. 

Anmerkung  2.  Unter  den  an  den  Kreuzgang  stofsenden  Baulichkeiten 
sind  besonders  hervorzuheben  der  Kapitels  aal  und  das  Refektorium, 
welche  Prachträume  des  Klosters  architektonisch  im  wesentlichen  gleichmäfsig 


Fig.  88.   LUngendarcbsohnltt  des  KapitoUaaU  in  Kloster  Walkenried  (nach  Lots). 


(rechteckig;  gewöhnlich  zweischiffig,  seltener  dreischiffig)  behandelt  sind, 
und  zuweilen,  wo  die  Tradition  darüber  schweigt,  deshalb  nur  nach  ihrer  Lage 
unterschieden  werden  können.  Der  Kapitelsaal  {conventuSy  capiMum)  pflegt 
nämlich  in  der  Nähe  der  Kirche  an  der  östlichen  Seite  des  Kreuzganges  zu 
liegen,  von  dem  er  häufig  nicht  durch  eine  geschlossene  Thür,  sondern  nur 
durch  offene  Bogenstellungen  getrennt  ist.  Im  Innern  ist  rings  herum  eine 
Steinbank  oft  in  mehreren  Reihen  übereinander  angebracht  für  die  Brüder,  die 
sich  hier  täglich  nach  dem  Morgengottesdienste  unter  dem  Vorsitze  des  Abtes 
oder  Stiftspropstes  versammelten  zum  Vortrage  eines  Kapitels  aus  der  Ordens- 
regel, zu  richterlichen  Verhandlungen  und  Beratungen  etc.  Auch  diente  dieser 
zuweilen  mit  einer  Kapelle  verbundene  Saal  zu  Begräbnissen  der  Kapitularen. 
—  Das  Refektorium  (verdeutscht  Remter^  Rebenter^  Rebenthai  etc.)  ist  der  ge- 
meinschaftliche Speisesaal  und  liegt  wegen  des  Duftes  der  Speisen  entfernt 
von  der  Kirche  an  der  gegenüberliegenden  Seite,  gern  in  der  Nähe  des  Brunnen- 
hauses (s.  die  vorstehende  Anmerk.  1)  und  bei  der  Küche.  Zu  seiner  monu- 
mentalen Ausstattung  gehört  eine  emporenartige  Steinkanzel,  von  welcher  wäh- 
rend der  Mahlzeit  aus  dem  Leben  der  Heiligen  vorgelesen  wurde,  und  ein 
Steinbecken  (JavabOj  concavarmm)^  in  welchem  sich  die  Tischgenossen  nach 
dem  Essen  die  Hände  (im  Winter  mit  warmem  Wasser)  wuschen.  In  vielen 
Klöstern  waren  zwei  Refektorien,  das  eine  fUr  den  Sommer  {re/eciorium  aesti- 
vaie),  das  andere,  heizbar,  für  den  Winter  (re/ectorium  hibemvm).    Vergl. 


Lenoir,  Architecture  Donastique  II,  320  sqq.  and  veiter  unten  Anhang  ku 
diesem  Abschnitte  Aber  die  banliche  Einrichtung  der  Klöster. 


Flg.  39.    Laiibo  [n  KloKK  Wilkeniltd  [niwb  Lote). 

30.  SakriBteien  {secrelaria,  sacratoria,  sacraria),^  hie  und  da  aiioli 
Almereien  (armaria),  Garvehäuser  {paratoriä),  Gerkammem  (vestiaria)  oder 
TreBkammem  igazophyladd)  genannt,  sind  gewöhnlich  spatere  Ein-  oder  An- 
bauten, oft  an  der  Nordseite  der  Kirche  und  regelmäTsig  in  der  Nähe  des 
Hochaltares  belegen.  Ihre  Bestimmung  als  Aufenthaltsort  (meäitalorium, 
sabitatorium)  der  Geistlichen,  ais  Schatz-,  Bücher-  und  Eleiderkammer  ist 
bekannt,  und  die  seit  dem  "yiTT.  Jahrh.  vorkommende  Errichtung  von 
Altaren  in  denselben  läTst  sie  zugleich  als  Oratorien  erkennen.  —  Auch 
ist  hier  der  absgesonderten  festen  Gemächer  zu  gedenken,  die  (zu  Magde- 
buj^,  Halberstadt  und  Quedlinburg)  den  dunkeln  Namen  Zither  führen 
und  zur  Aufbewahrung  der  Eirchenschätze  (Keliquien,  Urkunden,  Klei- 
der) dienen. 


'  Über  Bakriateien:  Kreuser,  Kirchenbau.  I,  212—217;  yergl.  Dr.  Scli(äter)  ii 
E01T.-BL  Qe8.-V.  1854,  121. 


Sakristeien.  105 

Dem  Namen  A 1  m  e  r  e  i ,  abgeleitet  von  A 1  m  e  r ,  almaria ,  franz.  aumaire, 
liegt  das  latein.  armarhun  zu  Grunde  =  Kasten,  Schrank.  —  Garvehaus, 
Gerwehus,  Gerbekammer  (in  Niedersachsen ,  Pommern  u.  s.  w.  gebräuch- 
lich), etwa  von  gar,  gerven  d.  i.  zurechtmachen,  dem  Zubereiten  des 
Priesters.  —  Gerkammer,  Gherhus,  Gherekammer  (am  Niederrhein 
und  in  Westfalen)  von  g6ro,  g^re  =  Rockzipfel,  Rockschofs  (Luther, 
Haggai  2  v.  13),  synekdochisch  =  Rock,  Kleid;  vrgl.  Diez,  Wörterb.  d. 
roman.  Sprachen,  4.  Aufl.,  S.  161.  —  Treskammer,  korrumpiert  Trost- 
kammer (in  Preufsen  und  Schlesien),  wie  Tre  fsler  (ihesaurarius)  von  irese, 
tresor  =  Schatzkammer;  vergl.  Diez,  a.  a.  0.,  S.  696.  —  Zither,  auch 
Zyther  und  Cyther  geschrieben,  ist  Verunstaltung  des  urkundlich  vorkom- 
menden syier  oder  siter^  dessen  Bedeutung  dunkel  ist,^  vielleicht  hängt  es 
mit  dem  von  Schäfer  a.  a.  0.  angeführten  8lav.ci7ani^= Archiv  zusammen. 
Der  über  denselben  gesetzte,  dem  Küster  der  Gegenwart  entsprechende 
Beamte  der  Stiftskirchen  an  den  oben  genannten  Orten,  der  verheiratet  sein 
konnte,  hiefs:  Syiermann^  sein  Amt:  Syterie. 

Auf  dem  Plane  von  St.  Gallen  (S.  57)  sind  in  den  von  dem  Altarhause 
und  Querhause  der  Kirche  gebildeten  Winkeln  zwei  zweistöckige  Gebäude 
angegeben,  von  welchen  das  nördliche  unten  die  Stube  der  Abschreiber 
{infra  sedes  scribentium)  j  oben  die  Bücherei  {supra  bibliotheca),  das  süd- 
liche unten  die  heizbare^  Sakristei  (subtus sacratorium)  mit  einem  Tisch  zur 
Aufstellung  der  heiligen  Gefäfse  {mensa  sanctorum  vasorum\  oben  die  Para- 
mentenkammer  (supra  vestium  ecclesiae  repositio)  enthält.  Hinter  der  Sa- 
kristei befindet  sich  noch  ein  besonderes  Gebäude,  worin  das  Weihbrot  ge- 
backen und  das  heilige  Öl  geprefst  wurde  [domus  ad  parandum  panem 
sanctum  et  oleum  exprimendum) ,  was  anderweitig  in  der  Sakristei  selbst  zu 
geschehen  pflegte.  —  Gröfsere  Kirchen  haben  oft  zwei  Sakristeien  mit  ver- 
schiedener, verwandter  Bestimmung  (der  Dom  zu  Köln  hatte  eine  grofse 
und  eine  kl  eine  Gerkammer,  der  zu  Magdeburg  einen  geheimen  und  einen 
grofsen  Zither);  kleinen  Kirchen  fehlt  die  Sakristei  häufig  ganz.  —  Das 
Beispiel  von  St.  Gallen  lehrt,  dafs  die  Sakristei  schon  damals  nicht  stets 
in  Norden  lag,  obwohl  dies  meistenteils  der  Fall  ist;  in  Süden  befindet  sie 
sich  z.  B.  an  den  Domen  zu  Bamberg  und  Magdeburg,  an  St.  Viktor  zu 
Xanten,  an  St.  Lorenz  zu  Nürnberg,  an  der  Marienkirche  zu  Berlin,  der 
Gotthardskirche  und  Katharinenkirche  zu  Brandenburg  etc.  An  der  Nikolai- 
kirche zu  Jüterbog  liegt  die  alte  Sakristei  südlich,  die  neue  vom  Ende  des 
XV.  Jahrb.  nördlich,  und  ebenso  liegen  an  St.  Sebald  zu  Nürnberg  die  beiden 
Sakristeien  einander  gegenüber:  die  grofse  südlich,  die  kleine  nördlich. 

Anmerkung  1.  In  den  Zusätzen  zur  zweiten  Auf  läge  vonKleins  Rhein- 
reise von  V.  Lassaulx,  S.  501  ff.  findet  sich  eine  «Übersicht  des  Flächen - 


*  VergL  Stock,  Versuch  über  das  Amt  der  claviger  und  die  Cyther  bei  deu 
Hochstiftem  Magdeb.  Halbeist.  Quedlinb.  und  Gandersheim ;  in  v.  Ledebur,  Allg. 
Archiv  etc.  X,  175  ff.  —  Das  Wort  wird  in  allen  drei  Geschlechtem  gebraucht. 

'  Kachelöfen  in  Sakristeien  kommen  seit  dem  XV.  Jahrh.  vor.  Figurierte 
Xacheln  eines  ehemaligen  solchen  aus  der  Sakristei  von  St.  Stephan  in  Wien  befinden 
sich  im  Genn.  Nat.-Mus.  —  vergl.  Anz.  G.  M.  1875,  No.  2.  Fig.  13 — 17.  Abb.  eines 
aus  dem  Hoforatorium  der  Dom£rche  zu  Grätz  in  Steiermark,  2,97  hoch,  Mitt.  C.-E. 
XI,  37. 


106 


Flächenraum. 


ranmes  der  bedeutendsten  (namentlich  rheinländischen)  Kirchengebäude,  die 
wir,  aus  verschiedenen  Quellen  vervollständigt,  mitteilen  und  dabei  bemerken, 
dafs  das  Mafs  im  Lichten ,  nach  Abzug  aller  Pfeiler  und  sämtlicher  nicht  zum 
allgemeinen  Gottesdienst  bestimmten  Anbauten,  nach  rheinländischem  Fufs 
berechnet,  und  die  Umrechnung  in  das  Metermafs,  da  eine  volle  Zuverlässig- 
keit des  zum  Grunde  gelegten  Materials  nicht  in  Anspruch  genommen  werden 
kann ,  unterlassen  ist : 


Dom  in  Köhi 62918  Q 

»     »    Ulm 51831 

>  »    Speior 45615 

*      »    Strafsburg 41702 

»     »    Metz 38163 

»      »    Mainz 37506 

Marienkirche  in  Danzig  .    .    .  37060 

Dom  in  Lübeck 34491 

Marienkirche  daselbst ....  33469 

Dom  in  Wien  (Steph.)    .    .    .  32400 

>  »    Magdeburg     .    .     .    .  31006 
»      »    Freiburg 30101 

Frauenkirche  in  München    .    .  29806 

Dom  in  Trier 29774 

»     »    Paderborn 26833 

>  »    Verden 26335 

>  »  Regensburg  ....  24315 
Abteikirche  in  Hersfeld  .  .  .  23755 
Dom  in  Bamberg 23499 

»      »    Worms 22978 

Lorenzkirche  in  Nürnberg  .    .  21730 

Dom  in  Xanten 20659 

»     »    Basel 20382 

Klosterk.  in  Limburg  a.  d.  H.  19208 

Maria  auf  dem  Kapitel  in  Köln  19129 

Klosterkirche  in  Altenberg  .    .  18432 

Dom  in  Halberstadt    ....  18393 

Sebaldskirche  in  Nürnberg  .    .  17361 

Dom  in  Soest 16711 

»      »    Erfurt 15636 

Apostelkirche  in  Köln     .     .    .  15087 

Dom  in  Naumburg     ....  13990 

Kunibertkirche  in  Köln  .    .    .  13761 

Marienk.  zu  Mühlhausen  i.  Th.  13137 


Dom  in  Merseburg      ....  12496  [[J 

ElisalK»tlikirche  in  Marburg  .    .  12322 

Stiftskirche  in  Oberwesol     .     .  12205 

Stephan  in  Mainz 12175 

Kirche  in  Schulpforte      .    .     .  12165 

Stiftskirche  in  Kleve  ....  12083 

Klosterkirche  in  Laach   .    .    .  11841 

Dom  in  Meifsen 11442 

Liebfrauenkirche  in  Trier    .     .  11367 

Klosterkirche  in  Jerichow    .    .  10357 

Grofs-Martin  in  Köln  ....  10045 

Dom  in  limburg  a.  d.  Lahn   .  9835 

U.  1.  F.  in  Arnstadt    ....  9753 

Klosterk.  in  Chorin  (als  Ruine)  9748 
Dom  in  Aachen  (vor  seiner  Ver- 
gröfserung  durch  den  Anbau 

eines  neuen  Chors  nur  7 536  □')  9704 

Kirclie  in  Memleben   ....  9384 

Schlofskirche  in  Quedlinburg  .  9370 

Martin  in  Münstermaifeld    .    .  9284 

Klosterkirche  in  Zinna    .    .    .  9068 

Castor  in  Koblenz 8899 

K.  auf  dem  Petei-sberg  bei  Halle  871 1 

Pfarrkirche  in  Ahrweiler     .     .  8332 

Gereon  in  Köln 8084 

Florin  in  Koblenz 7496 

Liebfrauenkirche  daselbst     .    .  6741 

PfaiTkii'che  in  Andeniach    .     .  6700 

Franziskanerkirche  daselbst     .  5937 

Pfan'kirche  in  Sinzig  ....  5402 

»            »   Mayen.    .    .     .  5033 

»           »   Bonpard   .    .     .  4812 

Nikolaik.  zu  Mühihausen  i.  Th.  4785 

Stiftskirche  in  St.  Goar  .    .    .  4336 


Die  vorstehende  Zusammenstellung  ergiebt,  dafs  die  Dome  zu  Köln  (gegr. 
1248)  und  Ulm  (als  Pfarrkirche  gegr.  1377)  die  beiden  gröfsten  Kirchen  in 
Deutschland  sind,  denen  sich  der  schon  um  1030  gegründete  Dom  in  Speier 
als  die  dritte  anschliefst.  In  Speier  und  Köln  finden  wir  dieselbe  lichte  Breite 
des  Mittelschiffes  von  13,80,  und  wenn  es  hauptsächlich  die  Mafsverhältnisse 
des  Mittelschiffes  sind,  wodurch  eine  Kirche  im  Innern  grofsartig  erscheint, 
und  namentlich  die  Breite  desselben  für  die  übrigen  Teile  des  Grundrisses 
mafsgebend  ist,  so  folgt,  dafs  in  Beziehung  auf  die  Weiträumigkeit  der  Kirchen 
die  frühere  Zeit  von  der  späteren  kaum  übertroffen  worden  ist:  ja,  die  gröfste 
vorkommende  Mittelschiffbreite  von  15,70  hat  der  Dom  zu  Mainz,  dessen  ur- 
sprünglicher Grundplan  vom  Ende  des  X.  Jahrh.  stammt.  Anders  verhält  es 
sich  mit  der  Höhe  der  Kirchen,  worin  es  die  frühere  der  späteren  Zeit  nicht 
gleichgethan  hat.     Das  nachstehende,   chronologisch  geordnete,    nach  Be- 


Höhenverhältnisse. 


107 


schaffenheit  der  Qaellen  ebenfalls  nicht  strenge  Genauigkeit  beanspruchende 
und  daher  gleichfalls  nicht  in  das  Metermafs  umgerechnete  Verzeichnis  weist 
an  vielen  Beispielen  nach,  wie  sich  das  Verhältnis  der  Breite  des  Mittelschiffes 
zur  Höhe  desselben  im  Laufe  des  Mittelalters  und  in  verschiedenen  Gegenden 
Deutschlands  gestaltet  hat :  im  XI.  Jahrh.  bleibt  es  noch  etwas  unter  1 :  2y 
hebt  sich  im  XII.  bis  XQI.  Jahrh.  auf  1 : 2  (bei  dem  Gewölbebau  des  Speierer 
Domes  schon  auf  1 : 2'/s)  und  steigert  sich  nachher  in  der  Gotik  auf  1 : 2  Va 
bis  3,  vereinzelt  selbst  noch  darüber  hinaus. 


Dm  HitteUohlff 
lat  im  Liebten 


breit 
F.  rh. 


boch 
F.  rh. 


Entateh- 

ongszelt 

d.  Ornod- 

planes. 


Dm  Mittelschiff 
ist  im  Lichten 


breit 
F.  rh. 


hoch 
P.  rh. 


Entsteb- 

nngssett 

d.  Gmnd- 

planes. 


Trier,  Dom 

Mainz,    » 

Münster,  Dom 

Worms,      » 

Bamberg,    » 

Echtemach,  Klo- 
sterkirche 

Limburg  a.  d.  H., 
Klosterkirche 

Speier,  Dom 

Uersfeld,  Abteik. 

Bremen,  Dom 

Paderborn,  Dom 

Minden,  » 

Paulinzelle,  Klo- 
sterkirche 

Laach,  Klosterk. 

Huysburg,    Klo- 
sterkirche 

Hamersleben,  Klo- 
sterkirche 

Breitenau,     Klo- 
storkirche 

Petersberg,  Klo- 
sterkirche 

Hildesheim,    St. 
Godehard 

Halberstadt,  lieb- 
frauenk. 

Jerichow,     Klo- 
sterkirche 

Quedlinburg,  St. 
Wiperti 

Brandenburg,  Dom 

Roichenau,  Mit- 
telzeil 

Braunschweig, 
Dom 

Magdeburg,  Dom 


50 
50 
44 
35 
34 

80 

(c.  100)» 

(74) 

(77) 

(78) 

IV.  Jahrb. 

979 

seit  990 

seit  996 

1006 

32V4 

58 

1017 

38V» 

44 

40 

35 

33 

34 

75 

(110) 

75 

(66) 

(60) 

(69) 

nm  1030 
nm  1030 
1037 
1044 
1058 
1062 

25 
28 

50 
55 

1106 
1110 

25 

42 

nmlllO 

27 

55 

1112 

29 

47 

1119 

22 

42 

nmll30 

29 

59V4 

1133 

30 

54 

1140 

25Vs 

49 

1149 

22 
30 

32 

(64) 

nm  1150 
nminO 

32 

40V, 

1172 

283/4 
35 

56V, 
102 

1172 
1208 

Limburg  a.  d.  L., 
Dom 

Marburg,  Elisabeth- 
kirche 

Köln  Dom 

Halberstadt,  Dom 

Breslau,  Elisabethk. 

Altenberg,  Klosterk. 

Freiburg  i.  B.,  Mün- 
ster 

Strafsburg,  Münster 

Xanten,  Stiftsk. 

Berlin,  Klosterk. 

Chorin ,        » 

Regensburg,  Domi- 
näanerk. 

Eegensbure,  Dom 

Lübeck,  Marienk. 

Ebrach,  Klosterk. 

Verden,  Dom 

Heiligenkreuz,  Klo- 
sterkirche 

Doberan,  Klosterk. 

Soest,  Wiesenk. 

Kleve,  Kapitelsk. 

Danzig,  M!arienk. 

Wien,  Stephansk. 

Kolin,  Bartnolomäik. 

Schwerin,  Dom 

Ulm,  Dom 

Kuttenborg,  Bartho- 
lomäikircne 

Brandenburg,  Ka- 
tharinenkirche 

Efslingcn,  Frauenk. 

Prag,  Teynkirche 

Wilsnack ,  Wall- 
fahrtskirche 

Görlitz ,  Petrikirche 


25 

34 
44 
31 

31V, 
30V4 

32 
42 
35 
29 
29 


30 

29»/4 

25 

37 

37«/8 
38 


68 

68 

140 

86 

95V, 
82 

85 

96 

75 

50V4 
57 


36 

90 

46 

106  V, 

44 

134 

40 

90 

41% 

65 

23 

62 

36 

90V, 

35 

76 

32 

61 

29 

90 

34 

89 

28 

80 

39 

100 

47  V, 

133V, 

100 

51 
53 
96 

83 

86 


nml220 

1235 
1248 
nm  1250 
1253 
1255 

oml260 

desgl. 

1263 

1271 

1273 

1274 
1275 
1276 
nm  1280 
1290 

1290 
1291 
1331 
1334 
1343 
1359 
1360 
nm  1370 
1377 

1380 

1401 

nml406 

1407 

nm  1410 
1417 


*  Die  Einklammenmg  des  Höhenmaises  bezeichnet,  dals  der  Aufbau  und  die  Be- 
deckung des  Mittelschiffes  ^mz  oder  teilweise  aus  späterer  Zeit  herrührt,  als  der 
ursprüngliche,  im  Breitenmcase  beibehaltene  Grandplan. 


]^03  Mafsstäbe.    Grundzahlen. 

Eingehende  Rflcksicht  auf  die  Mafsverhältnisse  der  Kirchen  im  allge- 
meinen hat  y.  Wiebeking  (Bürgerl.  Bankunde,  Bd.  IV.)  genommen,  nnd 
in  Beziehung  anf  die  Kirchengebäude  der  Stadt  Danzig  schon  Ranisch 
(Grund-Risse  und  Auff-Zflge  etc.  1695)  und  nach  ihm  J.  C.  Schultz  (Danzig 
und  seine  Bauwerke  etc.  1846.  Lief.  I.  Bl.  6).  Erwünschte  Erleichterung  sol- 
cher Zusammenstellungen  und  der  daraus  zu  ziehenden  mannigfaltigen  Folge- 
rungen^ bieten  Hübsch  (Die  altchristl.  Kirchen  etc.),  Adler  (Mittelalterl. 
Backstein -Bauwerke)  und  die  von  den  Studierenden  der  Berliner  Bauakademie 
herausgegebenen  Denkmäler  der  Baukunst ,  weil  in  diesen  Werken  sämtliche 
Zeichnungen  nach  einem  und  demselben  Mafsstäbe  entworfen  sind ,  bei  A  d  1  e  r 
z.  B.  alle  Grundrisse  in  V340;  ^^^  Aufrisse  in  Vjsoy  clie  Details  in  V30  ^^i*  ^^- 
türlichen  Gröfse;  auch  bei  Leins,  vaterl.  Earchenbauten,  sind  die  Württem- 
bergischen Kirchen  sämtlich  in  dem  gleichen  Mafsstab  ^/soo  aufgenommen. 
Die  Zusammenstellungen,  die  Puttrich  (Systemat.  Darstellung  etc.)  über  die 
sächsischen  Kirchen  gegeben  hat,  beruhen  zum  Teil  nur  auf  oberflächlichen 
Messungen.  —  Ausgedehntere  Betrachtungen  dieser  Art  leiden  durch  den 
Übelstand  noch  immer  an  Unsicherheit,  dafs  früher  in  den  deutschen  Archi- 
tekturzeichnungen die  verschiedensten  Werkmafse*  in  Anwendung  gebracht 
worden  sind,  nicht  selten  sogar  ohne  die  notwendige  HinzufÜgung,  welches 
Landesmafs  gemeint  ist,  so  dafs,  wenn  auch  seit  1871  das  französische  Meter- 
mafs  im  ganzen  deutschen  Reiche  gesetzlich  eingeführt  ist,  eine  sichere  Um- 
rechnung in  dasselbe  nicht  überall  möglich  ist. 

Neuerdings  hat  besonders  I^ulus  (»Die  Mafsverhältnisse  in  der  Baukunst 
mit  bes.  Berücksichtigung  der  mittelalterl.  Baudenkmäler  Württembergs«  in 
Württemb.  Vierteyahrshefte  etc.  I  [1878],  S.  184  ff.  und  anderwärts)  darauf 
hingewiesen,  wie  gerade  bei  den  künstlerisch  vollendetsten  Bauwerken  des 
Mittelalters  der  wundervolle  Einklang  der  Verhältnisse  sich  auf  überraschend 
einfache  Zahlen  zurückführen  läfst,  welche  die  ganze  Anlage  beherrschend 
überall  wiederkehren,  und  die  man  bei  den  romanischen  Bauten  an  den 
äufseren  Mafsen,  mit  Eintritt  des  Gewölbebaues  aber,  besonders  bei  den  goti- 
schen Bauten,  im  Innern,  von  Pfeilerkern  zu  Pfeilerkern  u.  drgl.  suchen  mufs. 
Am  aufflllligsten  tritt  dies  zur  Anschauung  beim  Kölner  Dome,  wenn  man,  wie 
schon  Boisser6e  bemerkt  hat,  seine  Mafse  in  römischen  Fufsen  angiebt : 

*  Vergl.  Schnaase,  in  der  Zeitschr.  f.  ehr.  A.  u.  K.  n,  187  zu  VioIIet-le- 
Duc,  Dici  nüs.  de  Tarchit.  I,  146. 

'  Z.  B.  der  grolsh.  Hessische  Fuls  =  0,s50  m. 

»    Leipziger  »  «»  0,s8S  » 

»    Braunschweiger  »  «=  0,886  » 

»    Württemberger  »  =  0,286  » 

»    Eurhessische  »  >b  0,887 
»    Bremer 


»  Lübecker                 1}   ^  ^'^ 

»  Bayerische               »     =»  0,8»i 

>  Hannoverische 
»  Römische 

>  Badische 
»  Schweizer 
»  Rheinische               »     »»  0,siS9 


3  -0^ 


"Wiener  »     =  0,8ie 

Pariser  »     «—  0,884 


VergL  Lotz,  W.,  Kunsttopographie.  I,  28. 


Symbolik  der  Bauformen.  109 

Gesamtlänge  des  Innern 450 

Gesamtbreite 150 

Mittelschiffbreite  zwischen  den  Pfeileraxen .  50 

Abstand  der  Pfeiler  nnd  Seitenschiffe     .     .  25 

Gesamtlänge  des  Querbanes 250 

Gesamtbreite   »          »             100 

Höhe  des  Mittelschiffs 150 

»     der  Seitenschiffe 65 

Es  ist  jedoch  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dafs  diese  einfachen  Zahlen- 
Verhältnisse  sich  meistens  nur  mit  kleinen  Willkürlichkeiten  der  Berechnung 
nachweisen  lassen  und  überall  kleine  oder  gröfsere  Abweichungen  davon  vor- 
liegen.^ Indessen  wird  gerade  auf  diesen  kleinen,  dem  Auge  kaum  wahrnehm- 
baren und  wohl  kaum  im  voraus  reflektierten,  sondern  aus  dem  künstlerischen 
Instinkte  der  Meister  hervorgegangenen  Abweichungen  von  dem  starren  Gesetz 
der  strengen  mathematischen  Proportion  erst  recht  die  lebendige  wohlthuende 
Harmonie  der  Verhältnisse  beruhen,  gerade  wie  bei  der  Stimmung  der  Saiten 
des  »wohltemperierten«  Klaviers. 

Anmerkung  2.  Die  Symbolik  des  Kirchenbaues^  findet  sich  be- 
reits im  christlichen  Altertume  von  Eusebius  in  der  bei  Einweihung  der  Kirche 
zu  Tyrus  (Hist.  eccl.  X,  4  n.  24 — 26)  vor  der  versammelten  Geistlichkeit  ge- 
haltenen Rede  in  schöner,  erbaulicher  Weise  fruchtbar  gemacht,  und  zwar  mit 
dem  vollen,  bei  den  Zuhörern  vorausgesetzten  Bewufstsein  der  freien  Hinein- 
tragung des  Symbolischen  in  die  an  und  für  sich  davon  ganz  unabhängigen 
Bauteile ;  die  Absicht  des  Baumeisters  setzt  Eusebius  dagegen  mit  Bestimmt- 
heit voraus,  wenn  er  in  der  Beschreibung  der  Kirche  des  heil.  Grabes  zu  Je- 
rusalem (de  vita  Constantini  III,  38),  wo  er,  da  kein  erbaulicher  Zweck  vor- 
liegt, sich  sonst  alles  Symbolisierens  enthält,  die  Zwölfzahl  der  die  Kuppel 
tragenden  Säulen  auf  die  Apostel  bezieht :  dvantodöexa  xioveg  rolg  tov  acnfigog  ano- 
aioXoig  iaagi^fioi,  —  Bei  den  mittelalterlichen  Schriftstellern  des  VIU.  bis 
XIV.  Jahrhunderts  wird  die  mystisch -allegorische  Deutung  des  Kirchen- 
gebäudes —  vom  Grundsteine  bis  zum  Wetterhahn  auf  der  Turmspitze  —  bis 
ins  Einzelnste  ausgebildet :  anfangs  mit  einer,  aus  dem  sich  regenden  Bewufst- 
sein des  Hineintragens  erklärlichen,  gewissen  Schüchternheit, ^  später,  nach- 


^  Zu  ähnlichen  Besultaten  ist  E.  Förster  (Vorschule)  bei  Anwendung  der  Regel 
des  »goldenen  Schnittes«  auf  dieFa^ade  der  EUsabethldrche  zu  Marburg  gelangt;  vergl. 
TVittstein,  der  goldene  Schnitt  und  die  Anwendung  desselben  auf  die  Kunst  1874. 

—  Über  den  geistreich  klingenden  Ausdruck  von  Viollet-le-Duc  (Dict.  de  l'arch. 
5  unter  icheUe):  »der  Mensch  selbst  ist  der  Mafestab«  verel.  Sehn  aase,  IV,  230. 

*  Vergl.  Schnaase,  IV.  205  ff.:  Sjrmbolik  der  mittelalterl.  Architektur.  —  Kreu- 
ser,  J.,  der  ehr.  Eirchenbau.  I,  619  ff;  Symbolik  der  Bauformen.  —  Kallenbach, 
G.  G.,  Dogmatisch-liturgisch-syinbolische  Auffassung  der  kirchl.  Baukunst.  Halle  1857. 

—  Die  Symbolik  des  germ.  Baustyls,  nachgewiesen  an  der  Nümb.  Lorenzkirche,  im 
Nürnberger  Anzeiger  1861.  No.  4.  —  Mefsmer,  J.  A.,  die  Symbolik  in  ihr.  Verh. 
zur  ehr.  Archit  in  Mitt.  C.-K.  XVI,  50  ff.  —  Clarissa,  J.,  der  Dom,  der  Eirchen- 
bau und  die  Geisteskirche.  1880.  —  Weber,  G.,  die  Sprache  der  Steine,  ein  Beitr. 
zur  Symbolik  der  kirchl.  Bauk.   1880. 

3  Der  gleichzeitige  Fuldaer  Mönch  Candidus  z.  B.  beschreibt  die  auf  dem  dor- 
tigen Klosterfriedhofe  von  dem  Abte  Aegü  durch  den  Mönch  Racholf  um  820  erbaute 
kleine  Rundkirche  (s.  oben  S.  23)  und  fügt  hinzu:  »Hoc  siquidem  aedificium  pater 


HO  SyinlMÜk  der  Baufonnen. 

dem  die  nacLfolgeudeD  Litnrgiker  die  GedankeD  ihrer  Vorgänger  nnabläaeig 
wiederholt  und  zum  Teil  wörtlich  auB  geschrieben  hatten,  mit  bo  grofser  Zuver- 
Bichtlichkeit,  &1b  ob  nicht  das  gottea dienstliche  Bedürfnis  das  Ursprüngliche 
wäre,  sondern  vielmehr  das  Symbolische,  und  die  bau  meisterlichen  Gedanken 
Bchlechthin  davon  abhängig.  Letzteres  war  in  Beziehung  auf  manche  Bau- 
gebräuche  (die  Orientierung  nach  dem  Aufgang  aus  der  ÜÖhe,  die  ehrwürdige 
Grundform  des  Kreuzes,  die  zwillf  Grundsteine  oder  zwölf  Säulen  der  Kirche 
mit  Beziehung  auf  die  Apostel)  und  bei  manchen  einzelnen  kirchlichen  Bau- 
werken auch  unleugbar  der  Fall,  wie,  nachdem  die  Deutung  einmal  gegeben 
war,  bei  dem  aymboUsehen  Grundzuge  der  christlichen  Kunst  leicht  er- 
klärlich ist. 

Ein  bemerkenswertes  Beispiel  in  dieser  Hinsicht  bietet  die  zu  der  Gat- 
tung der  heil.  Grabklrcheu  gehörige  kleine  Kapelle  zu  Drüggelte  bei  Soest;* 


FIf.  K.    EtpaU«  >a  Drtcs«!!«  (aub  Lfibka). 

ein  zwölfeckigea  Gebäude,  dessen  Inneres  von  nur  10,35  im  Gesamtdnrch- 
messer  zwei  koncentrische  Säulenkreise  enthält:  den  inneren  von  2,35  D. 
mit  vier  eine  Kuppel  tragenden  kurzen,  den  änfseren  gröfseren  mit  zwölf 
schlanken  Säulen.    Ohne  Zweifel  bezeichnen  die  letzteren,  wie  schon  in  der 


igte  reneraftdua  ac  supra  commemoratws  magieter  cum  soeüs  neieio  quid  magnt 
fingente»  divino  magisterio  docH,  quod  tarnen  ipge  »alva  fide  Chrigti  et  eccleaiae 
puto  praegignaft  posae  figuram.'  Nun  folgt  die  Deutung  der  acht  den  Mittel- 
bau (ragendeii  'SUulen  auf  die  acht  Seligkeiten  und  der  Rucdform  der  Kirche  aof  das 
Reich  der  ewigen  Herrlichkeit  in  den  bescheidenen  Ausdrücken:  •Oeto  columnM  .... 
mereantur  heuert;  circulag  ....  non  ineongnte  »igiUficare  videtur.'  —  Brower, 
Sidera  illust  et.  sauet  virorum  Gcrmaniae  (Mogont.  1618),  30;  veigl.  Dronke  u.  r, 
Lassaulx,  die  Matthias' Enpelle  zu  Kohem,  60. 

'  Vorgl.  Zeitschr.  f.  Bauw.  (1854)  IV,  400.    In  omfacherer  Gestalt  bietet  dasselbe 
die  jetzige  SebasÜanskapello  zu  Klausen  in  Tirol. 


Klosteranlagen.  111 

oben  erwähnten  Eonstantinischen  Kirche  des  heil.  Grabes ,  die  zwölf  Apostel, 
die  vier  inneren  Säulen  dagegen,  von  denen  zwei  nur  infolge  einer  Reparatur 
stärker  gebildet  sind ,  die  vier  Evangelisten. 

Eine  reiche,  das  gesamte  Material  gewissermafsen  abschliefsende  Zu- 
sammenstellung solcher  Deutungen  giebt  Durandus.  Vieles  darunter  ist  sinn- 
reich und  von  bleibendem  erbaulichen  Werte,  ganz  anders  als  die  spielende 
moderne,  vorgeblich  uralte  Mystik,  nach  welcher  das  Kirchengebäude  den 
gekreuzigten,  gen  Westen  schauenden  Christus  darstellt  und  der  zuweilen  von 
der  Längenaxe  der  Kirche  nördlich  abweichende  Chor  (s.  o.  S.  39  Fig.  7)  das 
nach  rechts  geneigte  Haupt  des  Heilandes  (aber  die  Kirchen  in  Offenbach  am 
61an ,  Mariastiegen  in  Wien,  Petri-Pauli  in  Görlitz,  Katharinen  in  Brandenburg, 
Klosterkirche  zu  Heiningen  u.  a.  neigen  ihr  Chorhaupt  südlich!).  Die  beiden 
Westtürme  sollen  die  Nägel  (sie!)  sein,  mit  denen  die  Füfse  des  Herrn  an 
das  Kreuz  geheftet  waren,  und  wo  sich  noch  zwei  Türme  über  den  Kreuz- 
armen erheben,  sollen  dadurch  die  Nägel  in  den  Händen  Jesu  bezeichnet  werden ; 
die  dem  Reiche  der  Finsternis  zugewendete  Nordseite  des  Kirchengebäudes 
soll  deshalb  weniger  reich  geschmückt  sein,  als  die  Südseite  (aber  wie  an  den 
Domen  zu  Osnabrück  und  Trient  findet  auch  am  Dome  zu  Magdeburg  der  um- 
gekehrte Fall  statt,  obgleich  der  in  dieser  Sinnbildnerei  befangene  Kreuser, 
a.  a.  0.,  S.  175 ,  selbst  in  der  zweiten  Auflage  noch  immer  das  Gegenteil  sieht),^ 
und  dergleichen  sich  selbst  Widerlegendes  mehr. 


Anhang 

über  die  baulichen  Einrichtungen   der  Klöster  bei  den  ver- 
schiedenen Hauptorden. 

(Yergl.  oben  Anmerkung  3  zu  §  13  S.  16  ff.) 

Lenoir,  Alb.,  Architecture  monastique.  I.  Partie  (Vol.  l),  ü.  et  m.  Partie 
(Vol.  2).  Paris  1846.  —  de  Caumont,  Abecedaire  ou  Rudiment  d'Archeologie 
(Architectures  civile  et  militaire)  2.  Ed.  Paris  1858,  4 — 202.  —  Vergl.  oben 
§  29  u.  Anmerk.  1  u.  2. 

Der  Typus  der  klösterlichen  Anlagen  ist  dem  Grundplane  nach  seit  der 
ältesten  bis  in  die  neuere  Zeit  wesentlich  gleichgeblieben,  und  charakteristisch 
erscheint  für  dieselben  ein  freier  rechteckiger  Hofranm  in  der  Mitte,  welchen 
die  verschiedenen,  die  eigentliche  Klausur  bildenden  Baulichkeiten  umgeben. 
Die  eine,  gewöhnlich  die  nördliche,  seltener  die  südliche  Seite  wird  von  der 
Klosterkirche  begrenzt,  und  der  rings  um  gehende  Kreuzgang  (s.  oben  S.  100  ff.) 
vermittelt  die  Kommunikation.  Mit  Ausnahme  des  neuen  Bestandteiles  der 
Kirche  ist  dies  ganz  der  Grundtypus  der  antik-römischen  villa  urbana,  während 
die  neben  der  Klausur  belegenen  Wirtschaftsgebäude  der  mit  dem  herrschaft- 
lichen Wohnhofe  grenzenden  viüa  rusHca  entsprechen ;  man  ist  daher  zu  der 


'  Wenn  die  eine  Seite  reicher  und  kostspieliger  verziert  ist  als  die  andere,  so 
ist  das  immer  die  von  den  meisten  gesehene  Scnauseito,  am  Dome  zu  Köln  z.  B. 
die  südliche,  am  Dome  zu  Magdeburg  aie  nördliche:  beide  nach  freien  Plätzen  belegen; 
ebenso  ist  in  Brilon  die  dem  gröfeeren  Teile  der  Stadt  zugekehrte  Nordseite  der  Kirche 
als  Hauptseite  behandelt. 


112  Benediktiner. 

Annahme  berechtigt ,  dafs  die  bauliche  Anlage  der  grofsen  römischen  Villen 
den  ersten  klöstem  als  Vorbild  gedient  hat. 

Von  den  baulichen  Einrichtungen  einer  grofsen  Benediktin  er -Abtei 
der  karolingischen  Zeit  ist  uns  durch  den  bereits  oben  S.  36  erwähnten ,  für 
das  Kloster  St.  Gallen  entworfenen  Plan  eine  genaue  Kenntnis  überliefert. 
Die  ganze  Anlage  bildet  ein  Viereck  von  129  X  90  m  Fläche.  Die  verschiedenen, 
meist  viereckigen  und  einstöckigen  Häuser  sind,  ein  förmliches  Städtchen  von 
etwa  40  Firsten  bildend,  durch  Gassen  von  einander  getrennt  und  umschliefsen 
in  ihrem  Innern  fast  alle  einen  Hof.  In  der  Mitte  des  Ganzen  steht  die  Kirche 
mit  der  südlich  anstofsenden ,  aus  drei  zweistöckigen  Flügeln  bestehenden 
Klausur,  teilweise  durch  eine  Hecke  von  den  übrigen  Gebäuden  abgeschlossen. 
Der  östliche  Flügel  ist  das  eigentliche  Wohnhaus  der  Mönche  mit  der  Wärm- 
stube (cale/actoria  domus)  unten  und  dem  Schlafsaale  (dormiiorium)  oben. 
Der  südliche  Flügel  enthält  den  mit  der  Kleiderkammer  {ves(iarhim)  übersetzten 
Speisesaal  [refectorium)j  und  der  westliche  im  Erdgeschosse  die  Kellerei  und 
oben  verschiedene  Vorratskammern.  Der  vierte,  an  dem  südlichen  Seiten- 
schiffe der  Kirche  hinlaufende  Flügel  des  Kreuzganges  diente  für  die  Bera- 
tungen des  Konvents  und  vertritt  den  späteren,  seit  dem  X.  Jahrh.  vorkommen- 
den Kapitelsaal.  Nördlich  von  der  Klausur  befinden  sich  das  Gasthaus,  die 
äufsere  Schule,  das  einer  Basilika  mit  offenen  Seitenschiffen  gleichende  Abthaus 
und  die  Wohnung  der  Ärzte;  östlich  sind  das  Krankenhaus  und  die  Novizen- 
schule mit  ihren  gegeneinanderstofsenden  Kirchen,  der  einem  Garten  gleichende 
Begräbnisplatz  und  zwei  Gärten;  südlich  die  Werkstätten  der  Künstler,  Hand- 
werker und  Knechte ;  auf  der  Westseite  endlich  befinden  sich  die  Ställe.  — 
Ganz  dieselbe  Anlage  wie  die  der  Benediktiner  hatten  auch  die  Klausuren  der 
mit  den  Bischofsitzen  verbundenen  Domkapitel  {monasteria  clericorum)  und 
der  im  X.  Jahrh.  entstandenen  Kollegiatstifter,  deren  Kapitularen  die  nach 
dem  heil.  Augustinus  benannte  Regeln  befolgten.  Wie  in  den  Klöstern  fQr  den 
Abt  eine  besondere  Wohnung  aufserhalb  der  Klausur  und  oft  auf  der  gegen- 
überliegenden Seite  der  Kirche  errichtet  war,  so  auch  bei  den  Kathedralen 
die  bischöfliche  Pfalz  (palatium),  die  oft  befestigt  war  (arx  episcopalis),  und 
nachdem  die  Kapitularen  seit  dem  XII.  und  XIII.  Jahrh.  das  gemeinschaftliche 
Leben  allgemein  aufgegeben  und  die  Klausur  den  Vikarien  überlassen  hatten, 
wohnten  auch  sie  auf  besonderen  Höfen  (curiae  canonicaies)^  die  innerhalb  des 
bischöflichen  Jurisdiktions-Bezirkes  (auf  der  Domfreiheit)  belegen  waren. 
Eine  Domherrn-Kurie  aus  der  ersten  Hälfte  des  XHI.  Jahrh.  ist  die  Curia  St. 
Aegidii  am  Domplatze  zu  Naumburg  a.d.S.,  ein  zwei  Stock  hohes  quadratisches 
Gebäude,  im  Obergeschofs ,  welches  als  Oratorium  gedient  haben  wird,  mit 
einer  erkerartig  vorgekragten  Apsis  (s.  oben  S.  48).  —  Ausgedehnte ,  zum 
Teil  noch  aus  dem  XI.,  gröfstenteils  aus  dem  XUI.  Jahrh.  herrührende 
Stiftsbaulichkeiten  finden  sich  auf  der  Südseite  des  Domes  zu  Trier:  am  nörd- 
lichen Flügel  des  Kreuzganges  der  langgestreckte  zweischiffige  Kapitelsaal  und 
am  östlichen  Flügel  zwei  ähnliche,  aber  breitere  Räume  von  unbekannter  Be- 
stimmung. Am  südlichen  Flügel  lag  das  1806  abgetragene  geräumige  Refek- 
torium ;  alle  diese  Gebäude  waren  ursprünglich  zweistöckig,  und  das  Dormi- 
torium  soll  im  Obergeschofs  des  ehemaligen  Westflügels  befindlich  gewesen  sein.^ 


Schmidt,  Chr.  "W.,  Baudenkm.  in  Trier.    lief.  n. 


FrämonstratenBer.    Cistercienser.  113 

Von  BaulichkeiteD  der  Pr&monBtratenBer  bietet  das  Li ebfranenk lostet 
zn  Magdeburg,  welches  von  dem  Stifter  dieses  Ordens,  dem  heil.  Norbert  selbst 
1129  gegrßDdet  wnrde,  die  ftltesteo  Überreste  noch  aus  der  Stiftungazeit  in 
einem  vor  der  Nordseite  des  Krenzganges  lagernden  machtigen  Bau.  Derselbe 
besteht  ans  drei  langen,  7,53  breiten  Tonnengewölben  Über  einander,  von  denen 
dag  oberste  zn  ebener  Erde,  mit  dem  Krenzgange  fast  von  gleicher  HBhe,  das 
Refektorinm  gewesen  zu  sein  scheint,  wfthrend  die  beiden  unteren,  tief  in  der 
Erde  liegenden  Gewölbe  zwei  Vorratskeller  übereinander  bilden.  Der  nicht 
viel  jüngere  Erenegang  selbst  erweitert  seinen  westlichen  Fl Qgel  in  eine  grofae, 
znm  Teil  von  Marmorsäulen  getragene  Doppelhalle:  der  Überlieferang  zufolge 
die  ehemalige  Gerichtset&tte  des  Stiflspropstes.'  —  Über  die  Tonsur  s.  Fig.  37 
8.  102. 

Bei  den  Bauten  derCistercienser,'  welche  sieb  ebenfalls  im  XII.  Jahrb. 
von  Frankreich  ans  schnell  über  Deutschland  verbreiteten,  ist  zunächst  die 
eigentflmliche  Orundrifsbildung  des  Östlichen  Teiles  der  im  XII.  bis  XIII.  Jahr- 
hundert errichteten  Kirchen  die- 
ses Ordens  hervorzuheben,  die 
auf  zwei  von  einander  verschie- 
dene,  aber  unter  sich  verwandte 
französische  Muster,  die  (nicht 
mehr  existierende)  Mntterklrche 
zu  Citeaux  selbst  und  die  Kirche 
des  Klosters  Fontenay,  zurückzQ- 
fUhren  ist.  Beide  haben  den  recht- 
eckigen SchlufB  des  Altarhauses 
(ohne  Apsiden  Vorlage)  mit  einan- 
der gemein;  bei  ersterer  Kirche 
jedoch  bilden  die  Seitenschiffe 
einen  niederen  Umgang  um  den 
Chor,  an  den  sich  ein  zweiter,  aas 
kleinen  noch  niedrigeren  Kapel-  p, 

len  bestehender  Umgang  schlierst;  Nub' 

bei  letzterer  Kirche    laufen    die 

Seitenschiffe  des  Langhauses  zwar  wie  gewöhnlich  in  die  Kreuzflflgel  aus,  an 
derenOatseite  sich  indessen  seitenschiffartigje  zwei  niedrige  Kapellen  Bchliefseu. 
Das  Vorbild  vonCiteanx  findet  sich  in  Deutschland  befolgt  an  den  Kirchen  der 
Klöster  zu  lUddagshausen  bei  Braunachweig  und  zu  Ebrach  bei  Bamberg,  ver- 
einfJBcht  auch  zn  Amsbnrg  in  der  Wetterau  und  zu  Marienfeld  bei  Oüterstoh. 
Hftafiger  eracheint  die  Kachbildnng  des  Masters  von  Fontenay :  zu  Loccum  in 
Niedersachsen,  zu  Bebenhansen  bei  Tübingen,  WOrschweiler  in  der  Pfalz  nnd 

'  V.  Quast,  in  der  Zeitschr.  t.  ehr.  A,  u.  K.  I,  213.  Über  die  Klöster  der  Präm. 
vergL  Winter,  Frz.,  die  Präm.  des  XIT.  Jahrh.  u.  ihre  Bedeutung  t.  d.  n.-ö.  Deutschl. 
166». 

»  Bchnaase.T,  3I2ff.  —  Otte,  Bank.,  2(13  ff. —  Feil,  Jos.,  in  den  Mitt.Kunstd.d. 
Osten*.  Eaiserst  1,  1  ff.  —  Dobme,  R.,  die  Kirchen  des  Cist.-O.  in  DeutacU.  wShrend 
des  M.-A.  186».  —  K.  Lind,  Mitt.  C.-K.  XIV,  11  ff.  —  Über  die  Klöster  der  Cisterc. 
vergl,  "Winter,  Frz.,  die  Cist  des  n.-ö.  DeutschlandB  etc.  3  Bde.  1B6B  nnd  Janau- 
Bchek,  originum  CisWciensium  Tom.  I,  1811. 

Oll«,  Kliul-AntaIoIo(lt.    b.  Aofl.  8 


114 


Cistercienser. 


Fig.  42.   CborBohluffl  zn  Loocnm  (nach  Liibke). 


ZU  Kappel  in  der  Schweiz;  auch  zu  Maulbronn  bei  Bretten  und  zu  Eberbach  im 
Rheingau,  wo  jedoch  die  Zahl  der  kleinen  Kapellen  auf  je  drei  an  jedem  Kreuz- 

flttgel  gesteigert  ist.  An  anderen  Orten, 
wie  zu  Lehnin  bei  Brandenburg,  liegt  zwar 
das  nämliche  Schema  zu  Grunde,  es  er- 
scheint aber  dem  Altarhause  hier  eine  Ap- 
sis  vorgelegt,  und  zu  Zinna  bei  Jüterbog 
finden  wir  nicht  allein  diese,  sondern  neben 
derselben  auch  Apsidiolen  an  den  vier  Ka- 
pellchen. —  Die  Hinweglassung  der  Ap- 
siden, der  Mangel  eines  eigentlichen  Turm- 
baues (s.  oben  S.  81),  sowie  der  einfache 
Aufbau  und  die  bescheidene  Ausstattung 
der  Kirchen  sind  Besonderheiten,  die  sich 
hinlänglich  aus  dem  Nützlichkeitsprincipe 
des  Cistercienser-Ordens  erklären.^  Die  zu- 
weilen vorkommenden  übermäfsig  gestreck- 
ten Verhältnisse  des  Langhauses  (s.  oben  S.  63)  erklären  sich  daraus,  dafs  der 
westliche  Teil  des  Schiffes  für  die  im  landwirtschaftlichen  Interesse  oft  sehr 
zahlreichen  Laienbrüder  bestimmt  war,  während  die  Vorliebe  fQr  die  Anlage 
vieler  kleiner  Kapellen  mit  den  Vorschriften  für  die  Privatexercitien  der 
Mönche  zusammenhängt.  Das  französische  Kathedralensystem  mit  halbkreis- 
förmig oder  im  Polygon  strahlenförmig  um  den  Chorumgang  gestelltem  Kapellen- 
kranz hat  zuerst  Heisterbach  (um  1230  vollendet),  während  der  romanischen 
Zeit  das  einzige  Beispiel;  nachher  in  gotischer  Zeit  Sedletz,  Zwetl  etc.  Die 
gotischen  in  Osterreich  sind  als  Hallenkirchen  behandelt,  auch  wo  die  Chor- 
form einfacher  ist,  wie  in  Hohenfurt.  —  Gewissermafsen  in  Widerspruch  mit 
der  Einfachheit  der  Kirchen,  die  in  den  Ordensstatuten  lediglich  als  Oratorien 
bezeichnet  werden,  steht  die  Grofsartigkeit  und  Mächtigkeit  der  übrigen 
Klostergebäude,  wovon  die  mit  Mauern,  Höfen  und  Wirtschaftsanstalten  im 
wesentlichen  erhaltenen  Baulichkeiten  der  Abtei  Maulbronn^  aus  dem  XII.  bis 
XVI.  Jahrh.  ein  sprechendes  Zeugnis  geben;  s.  den  nebenstehenden,  aus  E. 
Förster's  Denkmalen  der  Baukunst  etc.  Bd.  VU.  zu  S.  23ff.  entlehnten 
Grundrifs,  auf  welchem  die  verschiedenen  Bauperioden  durch  verschiedene 
Schraffierungen  ausgedrückt  sind.  Die  Klausur  liegt  hier,  wie  dies  auch  sonst 
oft  vorkommt,  an  der  nördlichen  Seite  der  Kirche  j4;  der  Kreuzgang  aber, 
den  etwa  28  m  im  Quadrat  grofsen  Hof  F  umschliefsend ,  reicht  nicht  so  weit 
nach  Westen  wie  das  gestreckte  Langhaus  der  letzteren,  welchem  sich  noch 
das  Paradies  B  (S.  82)  vorlegt.  Aus  diesem  führt  nördlich  der  offene  Bogen 
b  in  einen  äufseren  Gang  C,  ans  dem  man  auf  der  Treppe  c  in  den  Keller  D 
hinabsteigt  und  durch  den  Gang  E  östlich  in  den  Kreuzgang  dy  nördlich  in 


*  Das  Äulserste  von  Einfachheit  stellt  die  Cist. -Kirche  zu  Neuberg  in  Kärnthen 
dar,  eine  oblonge  dreischiffige  Pfeilerhalle  mit  lauter  ^aden  Wänden,  in  der  ein  Quer- 
schiff  lediglich  durch  etwas  weitere  Stellung  und  reichere  Bildung  der  Pfeiler  ange- 
deutet ist.    Auch  in  HeiligenliTeuz  sind  Querschiff  und  Chor  ebenso  einfach  gebildet. 

*  Vergl.  Klunzinger,  C,  artist  Beschr.  der  vermal.  Cist.-Abt.  M.  3.  Aufl.  1866.  — 
Paulus,  die  Cist.-Abt.  M.  2.  Aufl.  1882.  —  Auch  die  sehr  bedeutenden  Klostergebäude 
zu  Bebenhausen  und  zu  Bronnbach  (bei  TV^ertheim)  nehmen  gleiches  Interesse  in  Anspruch- 


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Maulbroim.  115 

den  (restaurierten)  zweiBchiffigen  Saal  (von  36,04  Länge  und  10,&|  Breite  im 
Innern)  G  gelangt,  das  Laien-Refektorium,  Ober  welchem  sich  die  Wohnung 
der  Laienbrader  befindet.  Am  nitrdlichen  Ende  des  Ganges  C  leitet  eine  Stein- 
treppe in  ein  sp&ter  angefügtes  Wirtschaftsgebände  G'.  Über  DE  und  einem 
Teile  von  G  liegt  das  sogenannte  Winter- Refektorium.  An  der  Nordseite  des 
Krenzgangea  führt  dem  (hier,  wie  zu  Heiligenkreuz,  nennseitigen)  Brunnenhause 
e  gegenüber  die  Thflr  ß  in  das  hier  Rebenthal  genannte  Refektorium  H.  Letz- 
teres ist  ein  zweischiffiger  PrachtBaal  von  27,22  X  11,52  mit  einer  Lesekanzel 
o  an  seiner  östlichen  Wand  und  den  Mauerresten  der  Küche  f  an  seiner  West- 


FJg.  41.    Beraktarlam  Im  Kloittr  MnlbionD  (ini  LtlbnlU,  OcKUlaatlDO  der  Oevttlb«}- 

eeite.  An  die  Ostseite  des  Rebenthals  reihen  sich  die  beiden  Gemächer  / 
und  h,  die  Feuerungsstätte  für  das  darüber  gelegene  Calefactorhim,  nnd 
aus  der  nordOetUchen  Ecke  des  Kreuzganges  fUhii  der  Gang  L  in  den  grofsen 
zweischiffigen  Säulen -Keller  M,  neben  welchem  südlich  ein  Ranm  N  be- 
findlich ist,  der,  ursprünglich  wahrscheinlich  die  fraleria,  d.  h.  der  zum 
Tagesaufenthalt  der  Mönche  in  den  dienstfreien  Stunden  bestimmte  Raum, 
später  in  zwei  geteilt  ist,  welche  nach  den  darin  befindlichen  Wandgemälde- 
resten  wahrscheinlich  die  Ab  achreibe  ratube  nnd  die  Geifselkammer  [flagel- 
latorium)  enthielten.  Daran  stöfst  weiter  nach  Süden  der  Durchgang  0,  durch 
welchen  man  in  eine  etwa  6,25  breite  und  27,60  lange  Halle  Q  tritt,  die  mit 
dem  Namen  Parlatorium  (d.  i.  Sprechsaal,  darüber  ein  Oratorium)  bezeichnet 
wird  und  za  dem  Herrenhanse  führt.  Das  ehemalige,  1751  abgebrochene  Abt- 
hans lag  zwischen  Dorment  und  Herrenhans,  nordwestlich  an  letzteres  Btofsend. 
Der  mittlere  Teil  des  östlichen  KreuzgangsÄUgels  endlich  erweitert  sich  in  den 
mit  reichen  Sterngewölben  gedeckten  zweischiffigen  Kapitelaaal  P,  an  den  sich 
die  kleine  Johann! B-Kapelle  A  schliefst,  und  der  von  dem  nördlichen  Krenzarme 
der  Kirche  noch  durch  die  Kammer  Ä,  die  Sakristei  getrennt  wird.  Im  Ober- 
etockwerk  Ober  den  Räumen  MNOPR  befand  sich,  durch  Steintreppen  nord- 
wärts mit  dem  Kreuzgange  and  der  Brudcrhalle,  südwärts  (wie  auch  in  anderen 
Klöstern,  z.  B.  Altenberg  bei  Köln)  auch  direkt  mit  der  Kirche  verbunden, 
das  Dorment  (der  Schlafsaal,  oder  später  die  Schlafzellen)  der  Mönche  und 
im  Dachstnhie  noch  ein  grofaer  Saal.  Aufserdem  werden  das  Krankenhaus, 
das  Haus  des  Verwalters  und  ein  Oesindehaus  erwähnt,  die  sich  nebst  den 
Wirtschaftsgebäuden,  als  Ställe,  Schmiede,  Wagnerei,  Klostermühte  und 
Kdfereien  anfserhalb  der  Klausur  auf  dem  Klosterterritorium  befinden,  welches 
mit  einer  durch  Türme  befestigten  Ringmauer  umgeben  und  durch  einDoppel- 
thor  nebst  Zugbrücke  zngäaglich  war.  Neben  diesem  befand  sich  (1813  abge- 
brochen) die  bei  allen   Cistercienserklöstem  vorkommende  Kapelle  für  den 


116  BettelMöster. 

weiblichen  KirchenbeBUch  (hier  S.  Trinitatis).   Aufserhalb  der  Ringmauer  lagen 
noch  verschiedentliche  Gebäude,  darunter  eine  Herberge  für  die  Gäste. 

In  Vergleich  mit  den  weitläufigeren  Anlagen  der  Benediktiner  und  Cister- 
cienser  erscheinen  die  Klöster  der  sich  seit  dem  XIII.  Jahrh.  ausbreitenden 
Bettelorden  der  Dominikaner  und  Franziskaner*  weniger  bedeutend.  Auf 
die  Ansiedelung  in  den  Städten  durch  ihre  Zwecke  angewiesen  (s.  oben  S.  18) 
und  anfangs  ohne  Vermögen  beschränkten  sie  sich  auf  einen  bescheideneren 
Raum  und  befleifsigten  sich  einer  minder  kostspieligen  reducierten  Bauweise. 
Ihre  auf  die  Predigt  berechneten  Kirchen  ersparen  aufser  dem  Glockenturm 
(s.  oben  S.  81)  das  Querhaus  (ein  solches  findet  sich  in  Deutschland  ausnahms- 
weise nur  in  der  Dominikanerkirche  zu  Breslau  und  der  Franziskanerkirche 
zu  Lübeck  y  die  zugleich  wegen  ihrer  wohl  auf  Reminiscenzen  an  Assisi  be- 
ruhenden zweigeschossigen  Choranlage  bemerkenswert  ist),  im  Langhause 
sogar  wider  alles  Ebenmafs  oft  ein  Seitenschiff  (s.  oben  S.  66) ,  und  das  Altar- 
haus von  der  Breite  des  Mittelschiffes  legt  sich  einspringend  und  unter  beson- 
derer Bedachung  dem  Langhause  vor.  Bei  aller  Sparsamkeit  und  Einfachheit 
zeigen  übrigens  die  Bauten  beider  Orden  meistenteils  neben  grofser  Solidität 
und  Accuratesse  der  Technik  einen  hohen  Sinn  für  edle  und  schöne  Verhält- 
nisse und  ein  grofses  Geschick  mit  den  geringsten  Mitteln  einen  würdigen 
Eindruck  hervorzubringen;  man  vergleiche  z.  B.  die  Dominikanerkirche  zu 
Regensburg  und  die  Franziskanerkirche  zu  Berlin.  Den  Männerklöstern 
glichen  darin  auch  die  Nonnenklöster  dieser  Orden,  wie  dies  z.  B.  die  dem  1615 
durch  Merian  verfertigten  Stadtplane  von  Basel  entnommene  Ansicht  des  ehe- 
maligen Frauenklosters  Klingenthal,  Dominikaner-Ordens,  veranschaulicht,^ 
wenn  auch  die  Baulichkeiten  desselben  bis  auf  die  jetzt  fast  nur  noch  allein 
vorhandene  Kirche  und  den  Kreuzgang  gröfstenteils  schon  damals  modernen 
Charakter  hatten,  weshalb  sich  die  ehemalige  Bestimmung  der  einzelnen  Ge- 
bäude auch  nur  mit  mehr  oder  weniger  Wahrscheinlichkeit  angeben  läfst.  Das 
Kloster  lag  auf  der  nördlichen  Grenze  von  Klein-Basel  am  Ufer  des  Rheins 
und  war  an  den  drei  äufseren  Seiten  mit  dem  Graben  r  und  hinter  demselben 
mit  einer  gezinnten  Ringmauer  umgeben,  die  auf  der  Nordseite  durch  zwei 
hohe  Ecktürme  und  einen  niedrigeren  Mittelturm  verstärkt  war.  Der  öst- 
liche Flügel  der  Mauer  steigt  am  südlichen  Ende  bis  zur  Höhe  des  anstofsenden 
Gebäudes  an,  um  eine  hier  befindliche,  in  das  Oberstockwerk  des  letzteren 
führende  Treppe  zu  maskieren.  Der  Eingang  /  zum  Erlöster  befand  sich  auf 
der  (südlichen)  Stadtseite  und  führte  zunächst  in  einen  schmalen,  zwischen 
zwei  Mauern  belegenen  Raum  und  aus  diesem  neben  dem  Hause  der  Pförtnerin 
vorbei  durch  eine  zweite,  nicht  in  der  Axe  des  äufseren  Thores  befindliche 
Thür  in  den  äufseren  Klosterhof,  der  durch  eine  niedrige  Mauer  von  der 

*  Vergl.  Franquinet,  G.  D.,  histoire  des  couvents  de  Tordre  de  St.  Dominique. 
Maastricht  1854  (Aimales  de  la  soc.  hist.  deM.).  —  Schneider,  F.,  Mittelalt.  Ordens- 
bauten in  Mainz  (die  Kirchen  der  Dominik,  u.  Karmeliter)  1879.  —  Fischer,  0.,  die 
Kirchen  der  Bettelorden  in  Deutschi,  im  Chr.  K.-Bl.  1882.  No.  1 — 3.  —  Die  Baugeschichte 
der  Kirchen  der  Bettelorden  liegt  meist  sehr  im  Dunkeln,  da  dieselben  bei  ihrer  vor- 
wiegend praktisch -seelsorgerischen  Tendenz  auf  die  Aufzeichnung  schriftlicher  Nach- 
richten üoer  ihre  Niederlassungen  von  Anfang  an  wenig  Wert  getefft  haben. 

*  Wir  entlehnen  den  nebenstehenden  Holzschnitt  den  Mitt.  der  Ges.  für  vaterl. 
Altert,  in  Basel.  Vm.  (1860):  Die  Klosterk.  Klingenthal  in  Basel  von  Dr.  C.  Burck- 
hardt  u.  C.  Riggenoach. 


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Bettelklöster.    KarthÄUsen.  117 

Klausur  geschieden  war.  Der  Eingang  zur  letzteren  und  in  den  inneren  Hof 
und  Begräbnisplatz  der  Nonnen  d  führte  durch  das  an  der  Nordseite  des 
Kreuzganges  c  belegene  Gebäude  o,  welches  zu  ebener  Erde  das  Refektorium 
mit  der  Küche  und  dem  Sprechzimmer  und  oben  den  Konventsaal  und  das 
gemeinschaftliche  Winter-Dormitorium  enthielt ,  während  im  Sommer  die 
Nonnen  in  ihren  Zellen  über  dem  östlichen  und  westlichen  Flügel  des  Kreuz- 
ganges  schliefen.  Die  Südseite  der  Klausur  wird  von  der  Kirche  begrenzt. 
Dieselbe  besteht  aus  zwei  Hauptteilen,  der  dreischiffigen  Laienkirche  b  mit 
besonderem  südlichem  Eingang  und  der  einschiffigen  Nonnenkirche  (dem  hohen 
Chore)  a,  welche  innen  durch  einen  Lettner  von  einander  getrennt  sind; 
über  dem  Firste  der  Nonnenkirche  erhob  sich  ehemals  ein  schlanker  Dachreiter 
zur  Aufnahme  der  nur  gestatteten  kleinen  Glocke.  Südlich  von  dem  Kirchen- 
gebäude breitete  sich  der  Laienkirchhof  e  aus  mit  besonderer  Pforte  nach  der 
Stadt,  dem  Beinhause  /*und  der  Totenleuchte  (s.  unten  §  56)  ff.  Von  der 
Laienkirche  führte  ein  Verbindungsgang  t  nach  dem  Hospitium  hj  dem  sich 
südlich  noch  andere  Ökonomiegebäude  anschlössen,  mit  dem  Wasserabflüsse 
s  in  den  Rhein.  In  dem  westlichen  Teile  des  äufseren  Klosterhofes  befand 
sich  das  durch  den  Gang  n  mit  dem  Konventsaale  verbundene  Haus  der  Priorin 
m  und  aufserdem  mehrere  an  die  Ringmauer  gelehnte  Wohnhäuser  k  für  den 
Klosterknecht,  den  Gärtner  etc.  nebst  zwei  Gärten,  einem  kleineren  k  und  einem 
gröfseren/?  auf  der  Sonnenseite.  Das  achteckige  Häuschen  /überdeckte  den  Brun- 
nen, und  neben  dem  nordwestlichen  Eckturme  fahrte  ein  Steg  q  über  den  Graben. 
Gleiche  Einfachheit  wie  die  Bauten  der  Bettelorden  zeigen  auch  die  Klöster 
der  seit  Ende  des  XU.  Jahrh.^  in  Deutschland  vorkommenden  Karthäuser; 
doch  mufsten  diese  nach  ihrer  das  gemeinschaftliche  Klosterleben  mit  dem 
einsiedlerischen  der  Eremiten  verbindenden  Regel  ein  verhältnismäfsig  grö- 
fseres  Territorium  in  Anspruch  nehmen,  da  zur  Anlage  einer  Karthause  nicht 
blofs  eine  Kirche  mit  der  gewöhnlichen  Klausur,  an  deren  Kreuzgang  sich  in- 
defs  nur  ein  Konventsgebäude  lehnte,  erforderlich  war,  sondern  noch  ein 
weiterer,  gewöhnlich  östlich  von  der  Kirche  belegener  rechteckiger  Raum  mit 
dem  Gottesacker  in  der  Mitte  und  den  einzelnen  durch  kleine  Gärten  von  ein- 
ander getrennten  Zellen  der  Mönche  auf  den  Seiten.  In  der  (jetzt  von  dem 
Germ.  Museum  benutzten)  Karthause  zu  Nürnberg  ist  der  hinter  der  Kirche 
belegene  freie  Platz  rings  mit  einem  aus  72  Jochen  bestehenden  Kreuzgange 
umzogen,  der  mit  dem  vorderen  kleineren,  nur  29  Joche  zählenden  Kreuz- 
gange an  der  Südseite  der  Kirche  in  Verbindung  steht  und  sich  letzterer  gegen- 
über auf  der  Nordseite  fortsetzt.^  Überhaupt  erscheint  als  Eigentümlichkeit 
der  Karthausen  die  Anlage  zweier,  unter  einander  und  mit  der  Kirche  ver- 
bundenen Kreuzgänge,  eines  kleineren  und  eines  gröfseren;  dieser  in  den  Kar- 
thausen zu  Köln  und  Basel  GaHlaea  major ^  Grofs-Galilaea,  jener  Galilaea 
minor y  Klein-Galilaea'  genannt.    An  die  Galilaea  major  lehnten  sich  die 

*  Die  älteste  Karthause  in  Deutschland  ist  die  1165  gestiftete  und  mit  Mönchen 
aus  Grenoble  besetzte  zu  Seiz  in  Steiermark;  vergl.  Eirchenschmuck  Sekkau.  m,  No. 
3  u.  4. 

*  Siehe  den  GrundriTs  im  Organismus  des  Gterman.  Nai-Mus.  in  Nümb.  1855  u. 
im  Wegweiser  durch  die  Sammlungen  1882,  sowie  die  Ansicht  der  E[arthause  Ostheim 
im  Arcniv  des  histor.  Vereins  für  Unterfranken  u.  AschafFenburg.    IX,  1 

"  Vergl.  Kreuser,  der  christl.  Eirchenbau.  I,  239  u.  (Rose,  F.,)  Ein  Tag  in  Basel. 
Basel  1840,  92.  —  Über  den  schwer  zu  enträtselnden  Namen  Galilaea  hat  Jos.  Ant. 


11g  Karthaosen.    Ordensschlösser. 

einzelnen  in  den  Garten  hinaus  gebauten  Zellen  mit  der  vorderen  Giebelseite^ 
worin  sich  die  Thür  befand  j  aus  welcher  sich  die  Mönche  durch  den  Kreuzgang 
täglich  nach  der  Kirche  begaben.  Die  GalUaea  minor  betraten  sie  nur  am 
Sonnabend  Abend,  um  im  Kapitelsaale  vor  dem  Prior  zu  beichten  und  ihre 
Angelegenheiten  zu  beraten,  und  an  Sonn-  und  Festtagen,  wo  sie  gemein- 
schaftlich im  Refektorium  afsen  und  sich  abends  in  dem  kleinen  Kreuzgange 
unter  Gesprächen  ergehen  durften.  Die  Basler  Karthause  zählte  mit  der  des 
Priors  16  Zellen,  und  die  Zellen  der  Mönche  waren  über  den  Thüren  durch 
Bibelsprüche  sinnig  bezeichnet ,  deren  Anfangsworte  in  alphabetischer  Reihe 
aufeinander  folgten :  Ambulate  etc.  (Joh.  12, 36).  —  Bonum  est  etc.  (Matth.  17,4)» 

—  Caro  etc.  (1.  Kor.  15,  50).  —  Diligite  etc.  (Matth.  5,  44).  —  Existimo  etc* 
(Rom.  8,  18).  —  Facite  etc.  (Luc.  3,  8.  9).  —  Gaudium  etc.  (Luc.  15,  7).  — 
Humiliamini  etc.  (1.  Petr.  5,  6).  —  In  omnibus  etc.  (Sir.  7,  40).  —  Karitas  etc» 
(1.  Tim.  1,  5).  —  Labora  etc.  (2.  Tim.  2,  3).  —  Mandatum  etc.  (Joh.  13,  34). 

—  Nolite  etc.  (Rom.  12,  2).  Dies  war  die  Zelle  des  Sakristans,  aus  der  auch 
eine  Thür  nach  der  Kirche  führte,  über  welcher  ebenfalls  eine  mit  N  anfangende 
Sentenz  stand.  —  Omnes  etc.  (2.  Cor.  5,  10)  an  der  Zelle  des  Schaffners.  — 
Fatientes  etc.  (Jac.  5,  7)  an  der  Zelle  des  Subpriors ,  mit  einer  zweiten  Thür 
ins  Refektorium,  über  welcher  stand:  Fraeparate  (1.  Sam.  7,  3).  Die  Ein* 
gangsthür  zur  Zelle  des  Priors  war  mit  einem  t  bezeichnet ;  darunter  stand  der 
Spruch  Luk.  14,  27,  und  an  der  Thür  ins  Refektorium  der  verwandte  Spruch 
Matth.  16,  24.^  —  In  der  berühmten  Karthause  Mariaparadeis  bei  Danzig  ge- 
hört aufser  der  unbedeutenden  Kirche  die  charakteristische  Anlage  der  in  iso- 
liei*ter  Folge  belegenen  Zellen  erst  der  jüngsten  Zeit  an. 

Wie  die  Karthäuser  das  Anachoreten- Leben  mit  dem  klösterlichen  zu 
vereinigen  suchten,  so  verwirklichten  die  geistlichen  Ritterorden  die  Ver- 
einigung des  kriegerischen  mit  dem  Mönchsleben,  und  in  baulicher  Beziehung 
sind  besonders  die  Schlösser  des  deutschen  Ritterordens  in  Preufsen  ^  bemer- 
kenswert. Der  Typus  des  preufsischen  Ordensschlosses,  wie  sich  derselbe  seit 
der  Mitte  des  XIV.  Jahrh.  festgestellt  hatte,  erscheint  als  ein  von  Gräben  um- 
zogener  quadratischer  Bau  mit  Ecktürmen  und  einem  bis  zur  Zinnenkrönung^ 
des  Gebäudes  aufsteigenden  Hauptportal,  durch  welches  man  in  den,  die  Mitte 
einnehmenden  gleichfalls  quadratischen  Hof  tritt.  Den  letzteren  umgiebt,  wie 
in  den  Klöstern,  ein  sich  gegen  den  Hof  öffnender  Kreuzgang,  der  aber,  da 
die  Haupträume  des  Schlosses  niemals  zu  ebener  Erde  liegen,  notwendig  zwei 
Geschosse  über  einander  erhalten  mufste.  Zu  diesen  Haupträumen  gehörte  zu- 
nächst die  stets  orientierte  und  mit  dem  östlichen  Ende  nach  aufsen  liegende 
Schlofskapelle,  der  Konvents -Remter  genannte  Kapitelsaal  und  das  Refekto- 
rium, welches  Speise -Remter  hiefs.  Das  Erdgeschofs,  unter  dem  sich  in  meh- 
reren Etagen  über  einander  mächtige  Keller  erstreckten ,  enthielt  lediglich  die 


Mefsmer  in  den  Mitt.  C.-K.  VI,  104  gute  Erläuterungen  gegeben:  man  nannte 
im  Xn.  Jsübrh.  mit  willkürlicher  Anwendung  von  Matth.  28,  16  den  Weg  von  der 
Zionskirche  zu  Jerusalem  bis  auf  den  ölberg  Oalilaea,  und  vermöge  Übertragung 
konnten  auch  die  den  Prozessionen  als  Nacnoildung  jenes  Weges  dienenden  Säulen- 
gänge  bei  den  Kirchen  mit  diesem  Namen  bezeichnet  werden. 

»  Vergl.  XVI.  Neujahrs-Blatt  für  Basels  Jugend.    1838.  Beilage,  2  ff. 

*  Vergl.  V.  Quast,  Denkm.  der  Baukunst  in  Preufsen.  I,  8  u.  Bl.  H — V. 


Fli.  U.    Qnindrib  dar  Huhnbarc  (ucb  L 


120      •  Ordensechlösser.    HospiUler. 

zur  Ökonomie  erforderlichen  Ranmlichkeiten.  VitUig  t 
anch  die  SchlÖBser  der  Landes -Bischöfe  und  Domkapitel  eingerichtet.  Unter 
den  Ordensschlössem ,  mit  denen  das  ganze  Land  bedeckt  war,  zeichnet  sich 
vorzugsweise  ans  das  ehemalige  Hanpthaus  zn  Harieabnrg,  das  sich  als  Sitz 
des  Hochmeisters  durch  grOfsere  Ansdehnnng  nad  Pracht  von  den  übrigen 
unterscheidet;  siehe  den  Orondrifs  Fig.  44,  welcher  aufser  dem  Eochschlosse 
mit  der  Ordenskirche  auch  das  nördlich  davon  gelegene  völlig  Belbstindige 
Mittelschlofs  mit  der  Wohnung  des  Hochmeiaters  und  den  Prachtremtem  ver- 
anschaulicht. 

Mit  den  Ordenshäuaern  der  Deutschherren  nnd  Johanniter,  welche  Ritter- 
orden ja  ursprünglich  ans  einfachen  Hospitalern  in  Jerusalem  hervoi^egangen 


Fig.  U,    Fifidi  dn  h.  Otlil-HiHplUli  lu  LObcot. 

waren,  so  wie  von  Anfang  an  mit  allen  KISstem  und  mit  allen  geistlichen  Ver- 
brüderungen, die  nach  Art  der  Mönche  ein  gemeinsames  Leben  in  einem  und 
demselben  Gebäude  führten,  war  stets  eine  besondere  Abteilung  verbunden 
znr  Aufnahme  erkrankter  Brüder  und  Angehörigen,  so  wie  vor  der  Pforte  eine 
Herberge  fllr  fremde  Pilger.  Seit  etwa  der  Mitte  des  XII.  Jahrh.  scheinen  indessen 
diese  klöaterlichen  Pflegeanstalten  [hospilaiia,  firmariae)  bei  Zunahme  der  Be- 
dürfnisse und  bei  der  sich  infolge  der  Kreuzzüge  notwendig  machenden  strengeren 
Qesundheitspolizei  nicht  mehr  ausgereicht  und  zur  Gründung  von  besonderen 
KrankeohSusem  geführt  zu  haben,  die  sich  namentlich  seit  dem  Anfange  des 
XUI,  Jahrh.  durch  die  1198  von  Papst  Innocenz  lU.  bestätigten  Brüder  vom  hei- 
ligen Geiste  nnd  nnter  Beteiligung  der  Magistrate  schnell  Aber  die  Städte 
Dentschlands  verbreiteten.'  In  archäologisch-baulicher  Beziehnng  ist  über  diese 
Hospitäler  des  heil.  Geistes  als  gemeinsame  Eigentümlichkeit  derselben 


'  Vergl.  Böhmer,  F.,  im  Archiv  für  Frankfurts  Gesch.  u.  Kunst  m,  15  ff. 


HospitSler. 


121 


Flg.  46.    GmndriOi  das  HotpltalB  sa 
Caes  (nach  Verdler  n.  Cattola). 


ZU  bemerken  die  Anlage  am  Eingange  der  Stadt  und  am  fliefsenden  Wasser, 
sowie  die  enge  Verbindung  des  Krankensaales  selbst  mit  einer  Kapelle :  er- 
steres  aus  Gesundheitsrücksichten ,  letzteres  zur  besseren  geistlichen  Pflege 
der  Kranken.  So  wurde  schon  die  vielleicht  älteste  Anstalt  dieser  Art  in 
Deutschland,  das  Hospital  Joh.  des  £v.  in  Hildesheim  (gegr.  1155)  ^  auf  einem 
freien,  rings  vom  Wasser  der  Innerste  umspülten  Platze  angelegt,  und  ebenso 
die  Heil.  Geist -Hospitäler  zu  Rom  (als  Mutterhaus)  an  der  Tiber,  zu  Mainz 
am  Rhein,  zu  Ulm  an  der  Donau,  zu  Wetzlar  an  der  Lahn,  zu  Frankfurt  am 
Main,  zu  Berlin  an  der  Spree,  zu  Nürnberg  sogar  über  einem  mit  grofsen 
Bögen  überwölbten  Arm  der  Pegnitz.  Die  un- 
mittelbare Verbindung  der  Krankenhalle  mit 
der  vor  derselben  belegenen  Kapelle  ist  bei 
den  Hospitälern  zu  Frankfurt  und  Lübeck 
nachgewiesen.  —  Das  grofsartige  Nikolaus- 
Hospital  dagegen,  welches  der  Kardinal  Niko- 
laus von  Gusa  1450  zu  Gues  an  der  Mosel  für 
33  Arme  (nach  der  Zahl  der  Lebensjahre 
Christi)  mit  einem  Aufwände  von  mehr  als 
10  000  Goldgulden  gründete,  folgt  dem  Typus 
der  klösterlichen  Klausuren:  den  offenen  Hof 
in  der  Mitte  umzieht  ein  Kreuzgang,  an  den  die  Wohnräume  der  Hospita- 
nten und  drei  Pfeilersäle  grenzen,  und  die  Kirche  liegt  südöstlich  am  öst- 
lichen Flügel.  In  dem  Stiftungsbriefe  ist  die  Bezeichnung  der  einzelnen 
Zellen  mit  den  Buchstaben  des  Alphabets  vorgeschrieben.^  —  Eine  beson- 
dere Gattung  der  Hospitäler  sind  die  schon  vor  den  Kreuzzügen  in  Verbindung  mit 
den  Klöstern  (z.  B.  in  St.  Gallen  wohl  bereits  um  750)  ^  vorkommenden  Häuser 
für  Aussätzige.  Bei  Wasserburg  hat  sich  das  Leprosenhaus  St.  Achaz  samt 
der  dazu  gehörigen  Kirche  erhalten,  und  auf  einer  Tafel  an  der  Aufsenseite 
stehen  die  Gesetze  des  Hauses.^  —  Auch  mit  Brücken  wurden  zuweilen  Hospize 
verbunden.  Denn  der  Brückenbau^  galt  im  Mittelalter  als  ein  verdienstliches 
Frömmigkeitswerk,  für  welches  reiche  Ablässe  erteilt  wurden,  wenn  es  nicht 
von  den  Bischöfen  selbst  in  die  Hand  genommen  wurde,  wie  sich  denn  in 
Frankreich  eigens  daftir  die  ca.  1177  durch  den  Hirten  Benezet  aus  Hautvilar 
gestiftete  und  von  Papst  Clemens  HI.  1189  bestätigte  geistliche  Brüderschaft 
der  frairespontifices  bildete.  Teils  um  diese  wichtigen  Bauten  unter  den  Schutz 
der  Heiligen  gegen  die  bösen  Wassergeister  zu  stellen,  teils  um  den  Reisenden 
Gelegenheit  zu  Gebeten  und  zu  Dankopfern  für  ihre  glückliche  Benutzung  zu 
geben,  wurden  Kapellen,  zum  grofsen  Teile  dem  Patrone  der  Schiffer  St. 
Nikolaus  geweiht,  entweder  an  einem  Ende  der  Brücke  (meist  am  jensei- 
tigen Ufer),  oder  auf  einem  verstärkten  Pfeiler  inmitten  der  Brücke  errichtet. 


*  Kratz.  J.  Mich.^er  Dom  zu  Hildesheim.  11,  150  f. 

*  Schmidt,  Chr.  W.,  Baudenkm.  in  Trier.  lief.  m. 

*  Keller,  Ford.,  Bauriis  des  Klosters  St.  Gallen,  8. 

*  Anz.  G.  M.  (1860).  VH,  231. 

*  YergL  Becker,  J.,  die  religiöse  Bedeutung  des  Brückenbaus  im  Mittelalter  mit 
besond.  Beziehung  auf  die  Frankfurter  Mainbrücke  (NeT:gahr8bhitt  des  Vereins  für  Gesch. 
u.  Altert  zu  Frkf.  a.  M.)  1881  —  wo  31  solcher  mitteMterl.  Bruckenkapellen  in 
Deutschland  und  der  Schweiz  nachgewiesen  sind. 


122  Brückeniapellen. 

Dei^leichea  haben  sich  aus  der  Übei^angszeit  zu  S&alfeld,  ans  gotischer  Zeit 
zu  Calw  (ca.  1400),  Efalingen  (siehe  Fig.  47)  und  Kahla  (148G)>  erhalten. 
Neaerdin^B  ist  auch  an  der  dem  Erz- 
bischof  Willigia  (f  1011)  zugeschriebenen 
Nahebrtlckeza  Bingen*  eine  Kapelle,  und 
zwar  innerhalb  des  Landpfeilers  unter  dem 
HochwasBerspiegel  nacbgewieaen  worden, 
und  eine  Ähnliche  in  der  schon  1227  er- 
wähnten Edderbrücke  zn  Fritzlar  in  dem 
trockenen  Bogen  an  der  Stadtseite.*  Viel- 
fach wurden  dann  die  Brücken  auch  mit 
Spitälern  verbunden.  So  gründete  an  der 
ältesten  (1135)  deutschen  Brflcke  zu  Re- 
gensbnrg  1226  der  Bischof  Konrad  III. 
ein  solches;  in  Calw,  Efslingen,  Jena  und 
Kahla  sind  die  damit  verbundenen  Niko- 
lausspitäler noch  vorbanden. 


Schlnfsbemerkang 

über  Polychromie  und  Restau- 
ration der  mittelalterlichen 
£irchen. 

Auf  eine  farbige  Wirkung  verzichtete 
die  mittelalterliche  Kirchenbaukuust  auch 
unter  dem  trüberen  nordischen  Himmel 
selbst  im  Äufseren  nicht  vollständig.    Im 
Flg.  47.   nrtc^k.n^.|p.»^  Ef.u~»«  frühereu   Mittelalter  war  besonders   die 

an  byzantinische  Vorbilder  erinnernde 
Sitte  beliebt,  durch  Verwendung  verschiedenfarbiger  Steine  in  wecliselnder 
Folge  eine  polychrome  Wirknng  hervorzubringen.  So  ist  z.  B.  die  Fa^ade 
der  ans  karolingi scher  Zeit  stammendeu  Durchgangsballe  im  Kloster  Lorsch 
ganz  mit  einem  Scbachhrettmnster  aus  roten  und  weifsen  Sandsteintafelu 
moaaikartig  bekleidet.  Auch  die  dem  XL  Jahrh.  angehörenden  Teile  des 
Domes  in  Trier  und  der  Michaeliskirche  in  Uildesheim  zeigen  in  den  Bogen- 
etirnen  einen  regelmäfsigen  Weclisel  roter  und  weifser  Sandsteine,  der  sich 
in  letzterer  Kirche  selbst  bis  auf  die  Säulen  (mit  weifsen  Basen  und  Kapitalen, 
mit  roten  Schäften  und  Kämpfern)  erstreckt.  An  den  rheinischen  Tnffbauten 
findet  sich  oft  unter  den  Dacbgalerien  mit  schwarzen  Zwergsäulen  ein  Tafel- 
fries aus  dunklen  Schieferplatten.  Anderwärts,  z.  B.  an  der  Dekanalkirche  zu 


'  Vergl.  E.  Lobe,  die  Saalbrücke  bei  Kahla,  in  den  Mitt.  desVer.  für  Gesch.  u.  s.  w. 
zu  Kahla  u.  Koda.  I  (1876),  247  ff. 

•  Vergl.  Schneider,  F.,  die  Kap.  unter  der  Nahebrücke  bei  BJngea  —  im  Korr.-BL 
Ge9.-Y.  1877,  35  ff.  m.  Abb. 

»  Vergl.  V.  Dehn-Bothfelser  k  Loti,  Rgb.  Kassel,  64,  und  Falk,  im  Koit.-B1. 
GCS.-V.  1877. 


Polychromie  der  Architektur.  123 

Flanian  in  Böhmen  ein  Wechsel  von  hellgelbem  und  rotbraunem  Sandstein  und 
am  Portal  zu  Altenzelle  bei  Nossen  von  roten  Ziegeln  und  weifsem  Pimaer 
Sandstein.  —  Später,  in  der  gotischen  Periode  tritt  diese  Richtung  allerdings  im 
allgemeinen  zurück,  macht  sich  aber  gerade  auf  dem  Gebiete  des  norddeutschen 
Ziegelbaus  im  späteren  Mittelalter  mit  grofser  Entschiedenheit  geltend.  Nicht 
nur  durch  die  Verputzung  der  Wandflächen  der  Blendnischen  ^  und  der  Hinter- 
gründe durchbrochener  Friese,  sondern  auch  durch  Schichtenwechsel  roter 
und  schwarz  oder  grün  glasierter  Ziegel  und  Überspinnung  der  roten  gefugten 
oder  weifsgeputzten  Wandflächen  mit  einem  Ornamentnetz  aus  dunkel  gla- 
siertem Backstein  wurde  eine  farbige  Wirkung  erzielt,  die  sich  in  einzelnen 
Fällen,  wie  an  der  Eatharinenkirche  zu  Brandenburg  (1401)  und  besonders 
an  ihren  Kapellengiebeln  ^  zur  glänzendsten  Pracht  steigert.  —  Aber  auch  auf 
dem  Gebiete  des  Hausteinbaus  wurden  wenigstens  einzelne  Teile  durch  far- 
bigen Schmuck  ausgezeichnet,  so  namentlich  Portale.  Das  prächtigste  Beispiel 
ist  das  Hauptportal  der  Elisabethkirche  zu  Marburg.  Hier  ist  alles  Laubwerk 
auf  kräftig  blauem,  grünem  oder  rotem  Grunde  vergoldet,  die  Gliederungen 
des  Portalbogens  sind  in  den  Stäben  weifs,  in  den  Hohlkehlen  blau  und  rot- 
braun gefärbt,  die  Portalsäulen  in  den  Schäften  weifs  auf  dem  roten  Quader- 
grund der  Gewände.  Dazu  die  Statuen  mit  goldgemusterten  Gewändern  in 
leuchtenden  Farben  und  die  Thürflttgel  in  farbigem  Pergamentüberzug,  von 
dem  sich  die  reichen  Beschläge  in  Vergoldung  abhoben.  Aber  auch  das  Portal 
einer  einfachen  Dorf  kirche  hat  sich  zu  Queutsch  im  Kreise  Schweidnitz  in  seiner 
alten  farbigen  Bemalnng  erhalten.  Vereinzelt  dagegen  ist  die  Erscheinung, 
dafs  ein  so  sorgfältiger  Quaderbau  wie  die  Elisabethkirche  zu  Marburg  im 
ganzen  Äufseren  nach  glattem  Verstrich  der  Fugen  mit  einem  dünnen  Putz  über- 
zogen, dieser  rot  gefärbt  und  auf  ihn  wieder  Fugen  (u.  zw.  keineswegs  immer 
über  den'wirklichen  Steinfugen)  in  weiTser  Farbe  aufgemalt  worden  sind.  —  Bei 
besonderen  festlichen  Gelegenheiten  strich  man  aber  auch  ganze  Gebäude  mit 
grellen  Farben  bunt  an;  so  besitzt  das  Germanische  Museum  eine  im  XVU.  Jahr- 
hundert gefertigte  Kopie  einer  von  1274  stanmienden  Zeichnung  einer  Hälfte 
des  unteren  Teils  der  Fagade  des  Strafsburger  Münsters,  welche  wohl  im  In- 
teresse solch  einer  Festdekoration  ganz  mit  den  gebräuchlichen  Farben  Blau, 
Rot  und  Gold  bemalt  ist.^  Eigentliche  Wandgemälde  zum  Schmucke  des  Äufseren 
der  Kirche  finden  sich  in  den  südlicheren,  namentlich  österreichischen  Ge- 
genden nicht  selten,  in  Norddeutschland  doch  nur  ausnahmsweise,  so  z.  B.  am 
Chore  des  Domes  zu  Breslau,  an  der  südlichen  Vorhalle  der  Petrikirche  zu 
Magdeburg  etc.  —  Gern  aber  gab  man  auch  den  Dächern  farbigen  Schmuck; 
das  Chordach  des  Domes  von  Köln,  mit  einem  durchbrochenen  Kamme  auf 
dem  Firste  gekrönt,  hatte  eine  Decke  aus  Blei,  die  vermittelst  flacher  Zinn- 
lötungen  mit  vielfachen  vergoldeten  Zieraten  und  grofsen  Buchstaben ,  welche 
Verse  auf  die  heil,  drei  Könige  bildeten ,  damasciert  war.  —  In  Süddeutsch- 


*  Vielfach  wurde  auf  dieselben  ein  imitiertes  Mafswerksomament  gemalt;  das  be- 
deutendste Beispiel  davon  bietet  der  gewaltige,  jetzt  im  Kirchendache  steckende  Ostf 
giebel  des  Schiffs  der  Katharinenkircne  zu  Brandenburg.  Aber  auch  Musterung  der- 
selben mit  Sternen  fmdet  sich  an  derselben  Kirche. 

'  Ansicht  in  Farbendruck  bei  Adler,  Backsteinb.  I.  Taf.  14. 

•  Vergl.  Essenwein,  Polychromie  der  mittelalterl.  Bauwerke,  im  Anz.  G.  M. 
1870.  Sp.  395  f. 


124  Polychromie  der  Architektur. 

land  kamen  sehr  häufig  bunt  glasierte  Dachziegel  in  Anwendung,  z.  B.  an  einem 
Teile  von  St.  Stephan  in  Wien,  in  Botzen,  Eolmar  und  Basel,  auf  dessen 
Münster  die  Ziegel  ein  Bautenmuster  bilden,  das  in  Grün,  Gelb,  Rotbraun 
und  Weifs  abwechselt. 

Im  Innern  war  die  nüchtern  einfarbige  Tünche,  mit  welcher  eine  ver* 
ständnislose  Zeit  bereits  seit  der  zweiten  Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts  bei 
ihren  von  Zeit  zu  Zeit  wiederholten  Renovationen  Schicht  auf  Schicht  die  mei- 
sten alten  Earchen  dicht  überschmiert  hat,  ganz  und  gar  nicht  etwa  Geschmack 
des  Mittelalters.  Zunächst  behielt  überall  beim  Werksteinbau  der  Stein  seine 
natürliche  Farbe,  und  besonders  in  älterer  Zeit  suchte  man  die  prächtigeren 
Bauten  durch  Einfügung  von  Säulen  aus  bunten  Marmorarten,  die  als  kostbare 
Geschenke  von  Kaisern,  Päpsten  und  vornehmen  Rompilgern  über  die  Alpen 
kamen,  später  am  Rhein  durch  solche  aus  dem  rheinischen  Schiefer  Farben- 
wechsel hervorzubringen.  Ebenso  behielten  in  den  Backsteinbauten  die  Zie- 
gel ihre  natürliche  Farbe  (z.  B.  noch  jetzt  im  Dome  und  in  der  Marien- 
kirche zu  Stendal,  in  der  Wallfahrtskirche  zu  Wilsnack,  restauriert  in  den 
Klosterkirchen  zu  Doberan,  Jerichow  und  Lehnin),  zuweilen  auch  hier  im 
Wechsel  mit  glasierten  Ziegeln,  die  si0h  hie  und  da  in  Spirallinien  um  die 
Rundpfeiler  herumziehen,  während  die  Gewölbekappen  und  die  Leibungen  der 
Arkadenbögen  geputzt  sind.  Hiermit  war  aber  dem  Farbensinne  des  Mittelalters 
keineswegs  genügt.  In  der  romanischen  Periode  boten  die  grofsen  ungeglie- 
derten Wandflächen,  wo  man  sie  nicht  mit  bunten  Teppichen  behängte,  reich- 
lich Platz  für  eigentliche  Wandmalereien,  und  man  kann  für  diese  Zeit  die 
völlige  Ausmalung  der  Kirchen  mit  mehr  oder  weniger  umfangreichen  Gemälde- 
cyklen  als  die  Regel  bezeichnen,  da  selbst  die  kleinsten  Dorfkirchen  auf  diesen 
Schmuck,  wenn  auch  nur  in  handwerksmäfsiger  Ausführung,  nur  im  Falle 
äufserster  Dürftigkeit  verzichteten.  Aber  auch  die  farbige  Bemalung  der  ge- 
samten architektonischen  Gliederungen  ist  als  eigentliche  Regel  anzunehmen, 
teils  in  einheitlicher  Färbung  des  Gesteins,  bei  der  man  den  Marmor  in  einer 
eigentümlich  schematisch  gewellten  Weise  zu  imitieren  suchte,  teils  in  mannig- 
faltiger rhythmischer,  omamentaler  Dekoration  der  verschiedenen  Glieder.  Solche 
durchgängige  Bemalungen,  die  oft  weniger  einen  feinen  Farbensinn,  als  eine 
urwüchsige  Freude  an  glänzender  Farbe  und  auch  an  Spendung  kostbaren 
Farbenmaterials  für  das  Heiligtum  ^  beweisen,  sind  im  ganzen  wohlerhalten  und 
geschickt  erneuert  z.  B.  in  der  Dorfkirche  zu  Methler  in  Westfalen^  und  zu 
Ramersdorf  bei  Bonn'  vorhanden,  in  sehr  verkommenem  Zustande  in  der  sog. 
bunten  Kapelle  des  Doms  zu  Brandenburg.^  —  Anders  gestaltet  sich  die  Sache 


*  Chanikteristisch  ist.  was  das  Chion.  Petershus.  I,  22  über  die  Ausmalung  der 
Petershausener  Elosterkircne  durch  den  h.  Qebhard  erzählt:  Muri  quoque  hastliaie 
erant  ex  omni  parte  pukherrime  depicU;  ex  ainistra  parte  habentes  materiam  de 
veteri,  a  dextro  awtem  de  novo  testamento.  Et  ubictmqtte  imago  domini  ftterat, 
aureum  circa  captU  circtäum  habebat  Venetiorum  namqfie  episcopus  modium  jpZe- 
num  8ibi  de  graico  cohre,  qui  voeatur  lazur,  gratis  pro  caritate  dederat,  qui  ettam 
color  abwndantissime  f  sUswt  ipsi  vidimus,  muris  wnaique  iUitus  erat. 

»  Photol.  Abb.  in  den  K.  u.  Gesch.- Denk,  der  Prov.  Westf.  I.  Taff.  zu  S.  39  u.  40. 

*  Grolse  Totalansicht  in  Farbendruck  bei  aus'm  Weerth,  Wandm.  Taf.  XLH. 

*  Einzelne  Proben  daraus  bei  von  Minutoli,  Benkm.  Taf.  I  u.  XI,  Fig.  2. 


Polychromie  der  Architektur.  125 

in  der  gotischen  Periode.  Hier  übernahmen  die  Glasgemälde  in  den  die 
Wände  bis  auf  die  konstruktiv  unerläfslichen  Reste  ersetzenden  Fenstern  die 
Farbenwirknng ,  und  der  natürliche  Instinkt  liefs  es  yermeiden  mit  ihrem  trans- 
parenten y  den  Raum  erfüllenden  und  aufwänden  und  Säulen  spielenden  Farben- 
schimmer die  stumpfen,  kalten  Tünchfarben  in  Konkurrenz  zu  bringen  —  wo 
man  dies  nicht  vermieden  hat,  wurden  sehr  barbarische  Resultate  erzielt. 
Man  beschränkte  sich  daher  auf  eine  schlichte  Musterung,  meist  Quaderung 
der  Wände,  soweit  dieselben  einer  Tünche  bedurft,  oder  dieselbe  (wie  in  den 
Marburger  und  vielen  anderen  hessischen,  auch  mecklenburgischen  Kirchen) 
auch  ohnedies  erhalten  hatten,  und  Hervorhebung  einzelner  Dienste  und  na- 
mentlich der  Kapitale,  an  denen  das  Blattwerk  meist  auf  farbigem  Grunde  ver- 
goldet wurde;  gröfserer  Farbenreichtum  aber  wurde  nur  da  entfaltet,  wo  der 
Farbenreflex  der  gemalten  Fenster  nicht  unmittelbar  hindringen  konnte,  an 
den  Gewölben.  Jedoch  auch  hier  zunächst  in  bescheidener  Weise,  indem  die 
Schlufssteine  durch  Bemalung  und  Vergoldung  ihres  Reliefschmucks  und  die 
Rippen  durch  einfache  oder  ornamentierte  Färbung  von  den  entweder  im  Werk- 
stein oder  Ziegeln  sorgfältig  gefugten  und  regelmäfsig  gemusterten  oder  ge- 
putzten Gewölbekappen  abgehoben,  wohl  auch  mit  leichten  Omamentlinien  in 
Form  von  Laubbossen  oder  Kämmen  begleitet  wurden.  Der  blaue  Himmel  mit 
goldenen  Sternen,  der  vielfach  an  dieser  Stelle  für  besonders  gotisch  gehalten 
wird,  kommt  zwar  in  Italien  häufig  und  auch  an  einigen  berühmten  französi- 
schen Beispielen  vor,  wie  denn  auch  im  Graltempel  des  Titurel  sämtliche  Ge- 
wölbe (ed.  Zarncke,  Str.  46)  von  blauem  Saphir  mit  Sternen  von  Karfunkel 
gemacht  sind,  was  in  der  Auslegung  (Strophe  47,  S.  166)  ausdrücklich  auf  den 
Himmel  gedeutet  wird,^  in  Deutschland  ist  er  aber  nur  in  ganz  wenigen  ver- 
einzelten und  geringfügigen  Beispielen  (z.  B.  Sakristei  der  Elisabethkirche  zu 
Marbu]^,  ehemals  auch  Bischofskapelle  des  Domes  zu  Merseburg)  nachgewiesen. 
Dagegen  wurde  es  in  späterer  Zeit  Sitte,  die  geweifsten  Kappenflächen  mit 
aufgemaltem  Pflanzen-,  Ranken-  und  Laubwerk  völlig  zu  überziehen,  oft  mit 
eingemischtem  Figurenwerk  von  Heiligen,  den  Evangelistenzeichen,  den 
Aposteln  mit  dem  Credo  u.  dergl.  Solche  Gewölbemalereien  meist  spätgotischer 
Zeit  haben  sich  erhalten  in  der  Elisabethkirche  und  Schlofskapelle  zu  Marburg, 
in  derEarche  zu  Wetter,  in  der  Klosterkirche  zu  Breitenau,  in  der  Dominikaner- 
kirche zu  Basel  und  Kapelle  zu  Königsfelden,  im  Freiburger  Münster^  in  der 
Liebfrauenkirche  zu  Trier,  der  Kirche  zu  Partenheim,  im  Dome  zu  Güstrow, 
in  einem  Saale  neben  der  Katharinenkirche  zu  Lübeck,  in  der  Sakristei  der 
Nikolaikirche  zu  Jüterbog,  den  Marien -Kirchen  zu  Herzberg,  Kolberg,  Straufs- 
berg  und  auf  dunkel  blutrotem  Grunde  in  der  Marienkapelle  am  Dome  zu 
Schwerin  und  in  der  Red ekinschen  Kapelle  am  Kreuzgange  des  Doms  zu  Magde- 
burg. —  Über  Polychromie  der  Fufsböden  s.  oben  S.  92  ff. 

Vergl.  über  die  mittelalterliche  Polychromie,  besonders  der  gotischen  Zeit: 
Ungewitter,  Lehrbuch,  613 — 642  u.  Taf.  46.  —  Stockbauer,  J.,  die  antike 
Innendekoration  und  die  Ausschmückung  christlicher  Kirchen,  im  Or^.  fr.  ehr. 
K.  1873,  No.  12—14.  —  Schneider,  f.,  im  Korr.-BL  G.-V.  1875,  No.  11.  — 


'  In  der  dem  Graltempel  einigermalsen  nachgebildeten  Earlshofer  £arche  zu  Prag 
befolgt  die  wohlerhaltene  Polychromie  des  Deckengewölbes  ein  ganz  anderes  System  — 
fliehe  die  farbige  Abb.  in  den  Mitt.  C.-K.  XII,  Ta2.  VI  zu  S.  167  ff. 


J26  Mittelalterliche  Kestaurationen  und  Umbauten. 

Schäfer,  C,  Gotische  Wandmalereien  in  Marburg  u.  s.  w..  in  der  Deutsch. 
Bauz.  1876,  324  S.  u.  1879,  33  f.  —  Altendorff,  mittelalterl.  Wandm.  im 
Königr.  Sachsen,  ebd.  1879,  76. 

Wenn  im  Mittelalter  Erweiterungen  und  Umgestaltungen  älterer  Gebäude 
vorgenommen  wurden,  behielt  man  gern  bo  viel  als  möglich  das  alte  Mauerwerk 
bei.  So  ist  z.  B.  das  gotische  Schiff  der  Klosterkirche  zu  Schulpforta  eine 
Umgestaltung  einer  älteren  Kirche  romanischen  Stils,  in  der  Klosterkirche  zu 
Doberan  enthält  das  südliche  Seitenschiff  noch  Reste  einer  alten  Rundbogen- 
kirche, und  in  der  Leonhardskirche  zu  Frankfurt  a.  M.  erscheint  das  kleine 
ursprüngliche  Gebäude  in  das  spätere  gröfsere  wie  in  eine  Schachtel  einge- 
schoben. Als  Beispiele  geschickter  mittelalterlichen  Restauration  sind  zu 
nennen :  die  Abteikirche  zu  Deutz,  St.  Severin  und  St.  Andreas  zu  Köln.  Eine 
der  am  häufigsten  vorgenommenen  Umänderungen  ist  die  Yertauschung  der 
ursprünglichen  flachen  Holzdecken  mit  Steinüberwölbungen,  z.  B.  im  Schiff 
von  St.  Maria  auf  dem  Kapitol  zu  Köln,  in  der  Liebfrauenkirche  zu  Halberstadt 
(jetzt  wieder  mit  Holzdecke)  etc.  Auch  die  Vergröfserung  der  ursprünglichen 
Fensteröffnungen ,  ohne  Rücksicht  auf  den  ursprünglichen  Baustil ,  findet  sich 
nicht  selten,  z.  B.  in  der  Klosterkirche  zu  Echtemach  Oberlichter  aus  dem 
XIII.  in  Wänden  aus  dem  XI.  Jahrb.;  minder  häufig  scheint  man  mit  Thüren 
Um  Wandelungen  vorgenommen  zu  haben,  z.B.  ein  Portal  aus  dem  XVI.  in  der 
Giebelwand  des  nördl.  Kreuzarmes  aus  dem  XIH.  Jahrb.  am  Dome  zu  Merse- 
burg. Als  einzig  in  seiner  Art  ist  der  Umbau  der  Klosterkirche  zu  Drübeck 
zu  bezeichnen ,  wo  die  vorhandenen  Steinkapitäle  der  Arkadensäulen  in  ver- 
ändertem Geschmack  zwar ,  aber  ebenfalls  noch  in  romanischem  Stil  mit  Stuck- 
blattwerk überzogen  wurden.  —  Bei  teilweisen  Neubauten  verfuhr  man  in  der 
Regel  mit  unbefangenster  Rücksichtslosigkeit,  indem  man  den  Stil  des  Vor- 
handenen nicht  weiter  beachtete,  sondern  die  neuen  Anbauten  etc.  nach  dem 
jeweiligen  veränderten  Zeitgeschmack  ausführte.  Zuweilen  liefs  man  selbst 
unfertige  Details  verschiedener  Stilweisen  unbekümmert  auf  einander  stofsen, 
wie  sich  deutliche  Merkmale  davon  zeigen  z.  B.  im  Westchor  des  Domes  zu 
Naumburg  a.  d.  S. ,  oder  an  den  Pfeilern  der  Vierung  in  der  Klosterkirche  zu 
Nienburg  a.  d.  S.  —  Von  einer  archäologischen  Vorliebe  für  Konservierung  des 
Alten  finden  sich  nur  selten  einzelne  Spuren,  z.  B.  die  Nachbildung  der  ur- 
sprünglichen Säulenkapitäle  des  abgebrannten  Ottonischen  Domes  zn  Magde- 
burg bei  dem  Neubau  des  Chores  im  XIII.  Jahrb.,  oder  die  Wiederverwendung 
des  romanischen  Bogenfrieses  an  dem  spätgotischen  Langhause  der  Stadt- 
kirche zu  Freiburg  a.  d.  U. ;  auch  imitierte  man  in  einzelnen  Fällen  beim  Weiter- 
bau ältere  Formen ,  z.  B.  am  Wormser  Dom  in  der  Zeit  der  Spätgotik  Würfel- 
kapitale,  am  Mainzer  Dom  im  Fenstermafswerk  spätgotischer  Seitenschiffkapellen 
ältere  Pfostenprofile  mit  dem  Rundstab  u.  s.  w.  Am  wenigsten  Wert  scheint 
man  bereits  im  Mittelalter  auf  vorhandene  ältere  Wandmalereien  gelegt  zu 
haben ,  man  übermalte  sie  bei  Restaurationen  mit  neuen  —  besseren  oder  auch 
schlechteren.  Am  häufigsten  wurden  noch  einzelne ,  mit  merkwtlrdigen  Bild- 
werken, Wahrzeichen  etc.  versehene  Steine  konserviert.  So  findet  sich  z.  B. 
an  einer  Ecke  der  Georgskirche  zu  Tübingen  ein  Stein  mit  einem  Löwen  und 
einem  Greif,  und  darüber  die  Inschrift:  »der.  stain,  Ui,  an,  di.  drd.  kirche.  uf, 
diser.  hofsiats^  an  der  spätgotischen  Kirche  zu  Eltville  ein  von  Erzbischof 
Willigis  herrührender  Stein  mit  einer  Inschrift  über  damalige  Dotierung  der 


Stüverschiedenheiten  an  Bauten  des  Mittelalters.  127 

Kirche  y  und  im  Treppenhause  der  Vorhalle  an  der  Stadtkirche  zu  Freiburg  a. 
d.  U.  wie  an  der  Waldenchskirche  zu  Murrhardt  eine  alte  mit  Reliefs  geschmückte 
Thflrlünette  etc.  —  Es  ist  daher  erklärlich,  dafs  die  gröfseren  Kirchen  aus- 
nahmslos und  selbst  die  gröfsere  Mehrzahl  der  kleineren  infolge  von  Ei*weite- 
rungen  und  teilweisen  Neubauten  verschiedene  Baustile  in  ihren  aus  verschie- 
denen Zeiten  herrührenden  Teilen  zeigen,  wovon  die  Chorwände  des  Münsters 
zu  Bonn,  an  denen  man  auf  geringer  Fläche  die  Reste  aus  mindestens  drei 
verschiedenen  Bauperioden  neben  und  durcheinander  erblickt,  eines  der 
sprechendsten  Beispiele  darbieten  (vgl.  die  Abbild,  bei  Otte,  Bank.  S.  157), 
und  da  überdies  die  Erbauung  grofser  Kirchen  oft  Jahrhunderte  hindurch 
danei*te  (am  Dome  zu  Regensburg  z.  B.  wurde  über  450  Jahre  gebaut)  ,^  während 
welcher  Zeit  sich  der  Geschmack  vielfach  änderte ,  so  wurde  der  Fortbau  selten 
nach  dem  ursprünglichen  Plane,  oder  doch  wenigstens  im  Geiste  desselben 
weiter  geführt,  was  jedoch  bei  einigen  der  bedeutendsten  Werke  (Dome  von 
Köln,  Magdeburg  etc.)  glücklicherweise  der  Fall  war.  —  Wenn  nun  ihrer 
streng  genommen  heterogenen  Bestandteile  ungeachtet  die  mittelalterlichen 
Kirchengebäude  dennoch  meist  einen  einheitlichen  und  harmonischen  Eindruck 
hervorbringen,  so  ist  dies  darin  begründet,  dafs  die  verschiedenen  Baustile 
des  Mittelalters  aus  einer  genetischen  Weiterentwickelung  derselben  architek- 
tonischen Principien  hervorgegangen  sind  und  im  wesentlichen  von  demselben 
kirchlichen  Geiste  durchdrungen  waren,  während  die  späteren  zopfigen^  Zu- 
sätze und  Veränderungen,  welche  auf  völlig  anderen,  aus  der  antiken  Kunst 
entlehnten  architektonischen  Grundsätzen  beruhen  und  einen  gründlich  ver- 
änderten kirchlichen  Geist  widerspiegeln,  als  fremdartige  Bestandteile  empfunden 
werden.  —  Noch  mehr  als  in  baulicher  Beziehung  sind  die  alten  Kirchen  durch 
ihre  innere  Ausstattung  mit  Denkmälern  etc.  ein  Spiegel  aller  der  seit  ihrer 
ersten  Vollendung  an  ihnen  vorüber  gegangenen  Perioden,  was  bei  den  häu- 
figen Restaurationen  der  Gegenwart  stets  sorgfältig  beachtet  werden  sollte, 
damit  nicht  die  ehrwürdigen  Denkmale  unserer  Voreltern  im  vermeintlichen 
Interesse  einer  herzustellenden  Stil-Einheit  und  Reinheit  ihres  geschichtlichen 
Charakters  völlig  entkleidet,  und  die  Fäden  zerrissen  werden,  die  uns  durch 
sie   geschichtlich  und   gemütlich  mit  der  Vorzeit  in  organische  Verbindung 

setzen. 

Über  die  bei  Restaurationen  zu  befolgenden  Grundsätze:  Vitet,  L.,  in  der 
Allgem.  Bauzeit.  1852,  Heft  11  u.  12.  —  v.  Quast,  in  der  Zeitschr.  f.  ehr.  A. 
u.  K.  die  Rubrik  ^Erhaltung  und  Zerstörung  der  Denkmäler«^  und  im  Koit.-BI. 
Ges.-V.  Vn,  29  ff.  —  Jam"b.  C.-K.  etc.  in  den  verschiedenen  Jahrgängen  die 
^Abteilung  I.^  —  Reichensperger,  Fingerzeige,  29  ff.  —  Giefers,  W.  Engelb., 
Prakt.  Erfahrungen  die  Erhaltung,  Ausschmückung,  Ausstattung  der  Kirchen 
betr.  (1858)  3.  Auflage  1869.  —  Die  Restauration  spätgot.  Kirchen  mit  Renais- 
sance-Einrichtungen etc.,  im  Org.  f.  ehr.  K.  1872,  Wo.  20.  —  ütis,  der  falsche 


*  Um  den  gottesdienstlichen  Bedürfnissen  zu  genügen,  wurden  die  Kirchen  vor 
ihrer  gänzlichen  Vollendimg  gewöhnlich  schon  teilweise  geweiht  und  in  Gebrauch  ge- 
nommen, und  man  führte  zu  diesem  Zwecke  Notdächer  auf,  über  denen  man  den 
Oberbau  fortsetzte  (Dom  zu  Halberstadt),  oder  schlofs  vollendete  Teile  durch  einst- 
weilige Scheidewände  von  den  noch  im  Bau  begriffenen  ab  (Dom  zu  Köln). 

*  Die  Ausdrücke  »zopfig«  und  »verzopft«  werden  hier  una  weiterhin  der  Kürze  und 
Bequemlichkeit  halber  beibehalten,  da  es  aufserhalb  der  Zwecke  dieses  Buches  lie^, 
die  Stufen  der  weiteren  Entwickelung  der  nachmittelalterlichen  Kirnst  durch  Renais- 
sance, Barock,  Rokoko  und  Zopf  genauer  zu  berücksichtigen. 


128  Innere  Einrichtung  der  Kirchen. 

Baurat.  Eine  Novelle.  1877,  59—87.  —  Denkschrift  üb.  d.  Pflege  der  Kunst 
an  d.  öffentl.  Bauwerken.  (München  1877.)  —  Redtenbacher,  R.,  üb.  d. 
Restauration  v.  Baudenkmälern,  in  d.  Deutsch.  Bauz.  1878,  No.  58.  60.  62  u. 
die  weiteren  Verhandlungen  mit  R.  Bergau  das.,  No.  64.  70.  90. 


B.   Innere  Einrichtung  und  Ausschmückung 

der  Kirchen, 

Augusti,  J.  Chr.  W.,  die  gottesdienstl.  Sachen  der  alten  Christen  (Bd.  Xll. 
der  Denkwünligkeiten)  1831. 

Abbildungen  von  kirchlichen  Mobilien  aller  Art  in:  Schmidt,  Chi-.  "SV., 
Kirchenmeubles  und  Utensilien  aus  dem  M.-A.  und  der  Renaissance  in  den  Diö- 
cösen  Köln,  Trier  und  Münster.  t851  etc.  —  Höfling  u.  Merkel,  die  Kunst« 
des  M.-A.  2  Bde.  Berlin.  Ed.  Reymann  1857—1861.  —  Vergl.  auch  Becker, 
C,  u.  von  Hefn er- Alteneck,  J.,  Kunstwerke  u.  Gerätschaften  des  M.-A.  u.  der 
Renaissance.  3  Bde.  (1847  fF.)  Neue  Ausgabe  1859.  —  aus'm  Weerth,  E., 
Kunstdenkmäler  dos  christl.  M.-A.  in  den  Imeinlanden.  I.  Abteilung:  Bildnei-ei. 
3  Bde.  1857—68.  —  Bock,  Fz.,  das  heilige  Köhi  1858.  —  Ramee,  Daniel, 
meubles  religieux  et  civiles  du  moyen-age  etc.  2  Bde.  Paris  o.  J.  —  Katalog 
der  im  Germ.  Mus.  befindl.  kirchl.  EirSichtungsgegenstände  u.  Gerätschaften 
1871.  M.  26  Taff.  —  Atlas  kirchlicher  Denkmäler  des  M.-A.  im  Österreich.  Kai- 
serstaate etc.,  herausg.  von  der  k.  k.  Central -Kommission  etc.  Wien  1872.  — 
Zahlreiche  in  den  photolith.  Publikationen  über  die  historischen  Ausstellungen 
kunstgewerblicher  Erzeugnisse  zu  Dresden  (187 5  Photogr.  von  G.  Gilbers),  zu 
Frankfurt  a.  Main  (1875  Ph.  von  Alex.  Liebener)  und  München  (;i876  Phot 
von  Obernetter)  sowie  über  die  Sammlung  von  Eugen  Felix  in  Leipzig  (herausg. 
V.  von  Eye,  A.,  und  Börner,  P.  E.,  Leipzig  1880). 

a.  Altäre  and  Altarschmack. 

Thierö,  J.-B.,  les  principaux  autels  des  eglises.  Paris  1688.  —  Voigt, 
Gthld.j  Thysiasteriologia,  sive  de  altaribus  veterum  Christianorum.  Hamb.  1709. 
—  Heideloff ,  C,  der  christliche  Altar,  archäolog.  und  artist.  dargestellt.  1838.  — 
Laib,  Fr.,  und  Schwarz,  Fr.  Jos.,  Studien  über  die  Gesch.  des  christl.  Altars. 
1857.  —  Kunsthistorisches  üb.  Altarbau,  Landshuter  Ztg.  1859.  No.  236.  — 
Kreuser,  J.,  Skizze  üb.  den  Altar  u.  seine  Gesch.,  im  Org.  f.  ehr.  K.  1861. 
No.  16  ff.  —  Vergl.  von  Sacken,  Ed.,  der  Flügelaltar  zu  St.  Wolfgang  in  Ober- 
Österreich  (die  Einleitung  über  die  Geschichte  des  christl.  Altars)  in:  Mitt.  Kunst- 
denkm.  d.  öst.  Kaiserst.,  herauseegeb.  von  Dr.  G.  Heider  etc.  I?  125 — 129.  — 
Schmid,  Andr.,  der  christl.  Aßar  und  sein  Schmuck.  1871.  —  Die  Mensa  des 
ehr.  Altars,  im  Kirchenschmuck.  Sekkau  1872.  No.  4 — 7.  —  Die  in  Didron, 
Annales  archeologiques.  IV,  238.  285  und  VIII  j  181  enthaltenen  Abhandlungen 
über  den  Altar  von  Didron  und  Texier  und  m  Bd.  XI.  lief.  1  von  Ramee; 
auch  VioUet-le-Duc  dict.  r.  de  l'arch.  II,  15 — 56. 

31.  Der  Altar  (cUtare)^  welcher  in  der  alten  Kirche  frei  vor  der  Apsis 
stand,  trat  im  Mittelalter  in  die  Chornische  zurück  und  erhielt  zur 
Unterscheidung  von  den  schon  im  V.  Jahrhundert  erwähnten,  im  Laufe 
der  Zeiten  mit  der  allgemeinen  Einführung  der  Privatmessen  immer  häu- 
figer werdenden  Seitenaltären  (Votiv-  oder  Mefsaltären,  altaria  minor a)^ 
die  besonderen  Heiligen  von  einzelnen  Personen,  Familien  imd  ganzen 
Korporationen  gewidmet  wurden,  den  Namen  Hochaltar,  Fronaltar  {aKare 
mqius^  summiim  aliare^  altare  principale). 


Altäre.  129 

Der  Name  Altar  {ara^  ^vaMüij^^iov)  bezeichnet  die  Opferstätte,  wo  das 
Opfer  des  neuen  Testamentes  und  die  Gebete  dargebracht  werden.  Easebius 
(de  vita  Const.  4, 45)  erwähnt,  dafs  die  zar  Einweihung  der  Kirche  des  heiL 
Grabes  nach  Jerusalem  entbotenen  Bischöfe  teils  gepredigt  und  die  Schrift 
ausgelegt,  teils  aber  die  Gottheit  mit  unblutigen  Opfern  und  mit  Gebeten 

versöhnt  hätten  {pvaians  apaifto^g  xal  fiwnixalg  Ugovif^iaig  to  -^Bioy  ila(TXorxo)y 

und  PaulinuB  von  Nola  (ep.  11.  ad  Se verum)  nennt  diese  Kirche  reich  an 
goldenen  Altären.  Schon  die  karolingischen  Kapitularien  (capit.  Carol.  M. 
anno  805  c.  6,  bei  Hartzheim,  Conc.  Germ.  1,  388)  untersagten  zwar  die 
übergrofse  Anzahl,  und  das  Mainzer  Pro vinzial -Konzil  von  1261  (ibid.  3, 
599)  verordnete  sogar  die  Hinwegnahme  der  überflüssigen  Altäre  aus  den 
Pfarrkirchen,  für  welche  höchstens  drei  zu  gestatten  seien,'  allein  der- 
gleichen Verbote  drangen  nicht  durch :  auf  dem  Baurisse  von  St.  Gallen  (s. 
oben  S.  57)  sind  in  der  Klosterkirche  17  Altäre  angegeben,  und  zu  Ende 
des  Mittelalters  hatten  der  Dom  zu  Magdeburg  48,  die  Marienkirchen  zu 
Danzig  46,  zu  Stralsund  44,  zu  Frankfurt  a.  d.  0.  36,  die  Cistercienser- 
kirche  in  Ebersbach  35,  der  Dom  zu  Meifsen  32,  die  Frauenkirche  zu 
München  und  die  Nikolaikirche  zu  Jüterbog  30,  St.  Viktor  zu  Xanten  24, 
die  Stiftskirche  zu  Quedlinburg  22  Altäre;  die  städtischen  Pfarrkirchen 
wetteiferten  also  in  dieser  Beziehung  mit  den  Kathedralen  und  Stiftskirchen. 
—  Der  Hochaltar  steht  regelmäfsig  frei  in  derApsis  (oder,  wenn  die  Kirche 
rechteckig  schliefst,  am  östlichen  Ende  des  hohen  Chores),  die  an  den  Wänden 
und  Pfeilern  der  Kirche  errichteten  Seitenaltäre  dagegen  sind  gewöhnlich  an 
einer  Seite  mit  dem  Mauerwerke  verbunden.  Auf  dem  Plane  von  St.  Gallen 
sind  die  Nebenaltäre  von  Schranken  umzogen  und  lehnen  sich  mit  der  Rück- 
seite gegen  die  östliche  Schranke.  —  Die  Front  der  Altäre  (aspectus)  ist 
möglichst  nach  Westen  gewendet,^  mit  Ausnahme  der  nach  Osten  schauenden 
in  den  Westchören  (s.  oben  S.  55  f.),  wobei  es  jedoch  zweifelhaft  bleibt,  welche 
Stellung  hier  der  Liturg  einnahm  (s.  oben  S.  13  f.).  Diejenige  Seite  des  Altars, 
welche  rechts  von  dem  auf  dem  Altare  stehenden  Kruzifixe  ist  (also  gewöhn- 
lich die  nördliche),  heifst  die  Evangelien-,  die  linke  (südliche)  die  Epi- 
stelseite {comu  evangeliij  cornu  episioiae),  weil  nördlich  das  Evangelium, 
südlich  die  Epistel  verlesen  wird.  Die  Evangelienseite  heifst  auch  die 
Brotseite  und  die  Epistelseite  die  Kelchseite,  weil  links  vom  Priester  das 
Brot,  rechts  der  Kelch  aufgestellt  wurde.' —  Der  Hochaltar  steht  um  mehrere 
Stufen  erhöht;  bei  den  Seitenaltären  genügt  schon  eine  Stufe.  —  Jeder 
Altar  ist  einem  oder  mehreren  Heiligen  gewidmet,  der  Hochaltar  stets  dem 
Titelheiligen  der  Kirche,  und  nach  Festsetzung  eines  Trierschen  Provinzial- 
Konzils  von  1310  (Hartzheim  a.  a.  0.,  4,  142)  soll  in  jeder  Kirche  vor 
oder  hinter  oder  über  dem  Altare  durch  ein  Bild  oder  eine  Inschrift  deutlich 


*  VergL  Jakob,  130. 

*  Vergl.  Treiber,  J.  F.,  de  situ  altariuin  versus  Orientem.  Jen.  1668.  —  Bei  den 
Altären  auf  West-Emporen  österreichischer  Kirchen  kann  die  Stellung  des  Priesters  west- 
lich vom  Altare  nicht  zweifelhaft  sein,  da  sie  mit  ihrer  dekorierten  Ostseite  unmittelbar 
in  die  Emporenbrüstung  eingelassen  sind. 

'  Thietmari  Chronicon.  Vin,  5  (rec.  Wagner,  251).    Die  Gründe  für  diese  alte 

Otte,  Knntt-ArohXoIogia.    5.  Aufl.  9 


130  Kreuzaltar.  Triviinphkreuz. 

bezeichnet  sein,  zu  Ehren  welches  Heiligen  der  Altar  errichtet  ist;  *  es  finden 
sich  daher  aaf  den  Altären  in  der  Regel  die  Bilder  derjenigen  Heiligen ,  denen 
der  betreffende  Altar  gewidmet  ist. 

Einen  ausgezeichneten  Bang  unter  den  Nebenaltären  nimmt  der  in  den 
meisten  gröfseren  Kirchen  unter  dem  Scheidbogeu  zwischen  Chor  und  Schifif 
errichtete  Altar  ein,  welcher  regelmäfsig  dem  heil.  Kreuze  gewidmet  und 
in  Stifts-  und  Klosterkirchen  für  die  Laiengemeinde  bestimmt  ist  {altare  s. 

.  crucis,  altare  laicorum).  Auf  dem  Baurisse  von  St.  Gallen  ist  ein  Altar 
»^.  salvaioris  ad  crucem^  und  darüber  ein  grofses  Kreuz  ^crux  pia^  viia, 

,  saltis  miserique  redemptio  mundi<t^  mitten  im  Schiffe  angegeben.  In  der  (zu- 
erst 1033  geweihten)  Kirche  des  Michaelsklosters  zu  Hiidesheim  stand  ur- 
sprünglich hinter  dem  Ej'euzaltare  (retro  altare  s,  crucis)  die  —  1810  im 
Domhofe  aufgestellte  —  vom  h.  Bern  ward  verfertigte,  in  Erz  gegossene,  bis 
zum  Kapital  4,23  hohe,  mit  28  Darstellungen  aus  dem  öffentlichen  Leben 
Jesu  geschmückte,  sogenannte  Bernwardssäule,  als  Träger  eines  Kruzifixes. 
Später  wurde  es  Sitte,  über  dem  Kreuzaltare,  auf  einem  durch  die  Kirche 
gezogenen  Querbalken,  oder  frei  aufgerichtet,  auch  in  Ketten  hangend  (in 
den  Klosterkirchen  zu  Wechselburg  —  XHI.  Jahrh.  —  Ilefeld,  Loccum  [in 
diesen  beiden  mit  dem  corpus  des  Gekreuzigten  auf  beiden  Seiten  des 
Kreuzes],  Bücken,  Maulbronn,  Berlin,  im  Dome  zu  Halberstadt,  Magdeburg, 
Ratzeburg,  in  der  Elisabethkirche  zu  Marburg,  Johanniskirche  zu  Danzig 
u.  s.  w.)  ein  kolossales,  aus  Holz  geschnitztes  Kruzifix,  das  Triumphkreuz, 
cruxtrhimphalis  (weil  unter  dem  Triumphbogen  aufgestellt;  vgl.  oben  S.  50) 
mit  den  Statuen  der  Maria  und  des  Johannes  zu  den  Seiten,  im  XVI.  Jahr- 
hundert zuweilen  eine  freistehende  und  deshalb  auf  beiden  Seiten  bemalte, 
die  Kreuzigung  und  die  darauf  folgenden  Scenen  darstellende  Tafel  (im 
Dome  zu  Merseburg  früher,  jetzt  an  der  südlichen  Wand  des  Chores)  anzu- 
bringen. In  manchen  Gegenden  hat  man  in  neuerer  Zeit,  auch  in  katholischen 
Kirchen  fast  überall  die  Triumphkreuze  mit  besonderem  Eifer  beseitigt,  doch 
finden  sich  noch  viele,  zuweilen  sehr  alte,  sicher  bis  ins  XU.  u.  XUI.  Jahrh. 
hinaufreichende  in  den  Vorhallen  oder  sonstigen  Nebenräumen  umherstehend: 
z.  B.  in  den  Domen  zu  Brandenburg  und  Braunschweig,  eine  ganze  Sammlung 
in  einer  dunklen  Kammer  im  Turme  der  Marienkirche  zu  Berlin.' 


Bitte  bei  Gobelinus  Persona,  259.    Nähere  Auskonffc  geben  auch  die  Verse  Hilde« 
berts  von  Tours  (f  1143): 

lUa  soLcramenta  modo  vario  ponMntu/r  in  ara, 

ObUUi  panis  dextra  tenet  ecdicem, 
In  cruce  pendentis  qitoniam  Uxtus  omnipotentis 

Dextrum  sangumeam  vtdnere  fudit  aquam. 

Non  reprehendendum  si  panis  in  anteriori 

Parte  locatur,  Habens  posterius  calicem. 
lüius  ordo  prior  tenet  intuüum  rationis, 
Posteriorque  favet  usibus  ecclesiae, 
Vergl.  Hinter  im,  Denkwürdigkeiten  etc.  IV,  3,  388. 
«  Jakob.  133. 

*  Photolith.  Abb.  eines,  wenn  auch  nicht  aus  dem  XI.,  so  doch  mindestens  aus 
dem  XTTT.  Jahrh.  stammenden  Triumphkreuzes  in  der  Stiftskirche  zu  Innichen  in  Tirol, 
in  den  Mitt.  C.-K.  N.  F.  V,  79;  das  zu  Bücken  aus  dem  XII.  Jahrh.  bei  Hase,  M.-A. 
Band.  Nied.-Sachs.  Taf.  89. 


Form  der  Altäre.  131 

32.  Die  ein&chste,  seit  dem  YL  Jahrhundert  gesetzlich  gewordene 
Gestalt  des  Altars  ist  die  eines  sarkophagformigen  steinernen  Tisches 
(mensa)^^  der  mit  einer  gewöhnlich  aus  Einem  Steine  gehauenen  Platte 
bedeckt  ist  In  der  Altarplatte,  oder  vom  imter  derselben  befindet  sich 
eine  länglich  viereckige,  mit  einem  Steine  (sigilhm)^  gewöhnlich  einer 
Marmortafel,  verschlossene  Vertiefung  (Eeliquiengruft,  sepulchrum)  zur 
Aufnahme  eines  bleiernen  Kästchens  (capsa)  mit  der  Weihungsurkunde 
und  den  Reliquien,  die,  wenn  auch  noch  so  klein,  nicht  fehlen  durften, 
da  jeder  Altar,  im  Anschlüsse  an  die  altchristliche  Abendmahlsfeier  über 
den  Gräbern  der  Märtyrer,  das  Grab  eines  Heiligen  vorstellt  In  der 
griechischen  Kirche  ist  der  Altar  ein  auf  Säulen  ruhender  Tisch,  welche 
Form  im  Abendlande  nur  selten  vorkommt 

Ein  sehr  alter  Altar  befindet  sich  in  der  Stephanskapelle  (dem  sog. 
alten  Dom)  des  Domkreuzganges  zu  Regensbnrg:^  ein  ans  einem  Blocke 
gehauenes  vierseitiges  Prisma  von  2,09  Länge,  1,35  Breite  und  1,06  Höhe, 
innerlich  ausgehöhlt  und  an  den  Seiten  mit  einer  Reihe  fensterähnlicher 
Öfifnungen  versehen;  man  konnte  also  in  dergleichen  Altäre  hinein  und  die 
darin  befindlichen  Reliquien  sehen.  Auch  in  der  ehemaligen  Klosterkirche 
von  Petersbausen  war  der  alte  Altar  hohl  und  aus  fünf  Steinplatten  zusanmien- 
gesetzt:^  sonst  pflegen  die  mittelalterlichen  Altäre  massiv  aufgemauert,  und 
zuweilen  am  unteren  Teile,  hinten  oder  auf  einer  Seite,  nur  mit  einem 
Schranke  für  Utensilien  etc.  versehen  zu  sein.  Die  meisten  Altäre  sind  zwar 
ganz  schmucklos  und  höchstens  oben  mit  gegliedertem  Simswerke  versehen, 
doch  finden  sich  auch  solche,  deren  Vorderseite  (oft  in  der  Weise  antiker 
Sarkophage)  mit  Bogenstellungen  und  Skulpturen  verziert  ist,  z.  B.  der 
äufserst  geschmackvoll  mit  Säulen,  Blattgesimsen  und  Vierpafs- ähnlichen 
Füllungen  geschmückte  spät -romanische  Altar  in  der  Michaeliskapelle  (im 
Turm)  der  katholischen  Kirche  zu  Heilbronn.  ^  Gleicher  Zeit  etwa  scheint 
der  Altar  in  der  Westkrypta  des  Neumünsters  zu  Würzburg^  anzugehören ; 
er  ist  ebenfalls  mit  Säulen  umstellt,  zwischen  denen  die  Felder  mit  Malereien 


*  Der  Abendmahlstiscli  der  alten  Christen  war  aus  Holz.  Solche  werden  zu  Rom 
noch  in  der  Schatzkammer  von  San  Giovanni  in  Laterano  (der  angebliche  des  Herrn, 
mit  Silberplatten  belegt)  und  in  der  lateranensischen  Basilika  (der  angebliche  des  Petras, 
mit  durchbrochenem  Marmorgeländer  umgeben)  aufbewahrt  —  DieI)onatisten  zerstör- 
ten die  Altäre  und  verbrannten  sie  (Optat.  Milev.  de  schismai  Donat.  1.  6).  Ein 
steinerner  Altar  (ro  ^aiaaxriQiov  ....  U^oq  iarl)  wird  von  Gregor  von  Nyssa 
erwähnt  (Opp.  3,  369)  und  vom  Conc.  Epaon.  anno  5t7  c.  26  {AUaria  nisi  ehris- 
fnatia  lapiaea  unctione  non  sacrentu/r)  geboten.  —  Yergl.  Rheinwald,  Arohäol., 
136  f. 

«  Schuegraf,  Dom  zu  Regensburg.  TL  l,  Taf.  1;  vergL  Otte,  Bank.,  235.  Mitt. 
C.-K.  XVI,  59.  Fig.  6. 

^  Chron.  Fetershus.  in  Mone,  Quellensamml.  der  bad.  lündesgeech.  I,  161  a; 
vergl.  Wackernagel,  W.,  ia  den  MitteiL  der  Gesellsch.  für  vaterländ.  Altertümer  in 
Basel  Vn,  3. 

*  Manch,  Einladungsschr.  der  polytechn.  Schule  in  Stuttgart  1849,  18.  Taf.  2; 
auch  bei  Laib  und  Schwarz,  Studien  etc.  Taf.  JH  8. 

»  Abb.  bei  Becker-  v.  Hefner  lU,  Taf.  24. 

9* 


,32  Alfartisch. 

^Bchmtlckt  Biod,  und  durch  Gitter  kaon  maa  id  das  hohle  Innere  sehen,  wo 
ein  Sarg  die  Reliquien  des  heil.  Eilian  einBchÜefst,  In  gleicher  Weise  durch- 
brochen für  den  Einblick  in  das  Innere  ist  der  Altar  zu  Branweiler'  und 
wenigstens  auf  der  Hinterseite  auch  die  Hochaltäre  zu  Unterzell  und  Oberzeil 
auf  Reichenau,^  spätgotisch  ganz  durchbrochen  dae  sogenannte  Markusgrab 
zuMittelzetl  daselbst  und  ein  Altar  zu  Pllrgg  in  Steiermark.'  Un  durchbrochene 
mit  Sänlenetcllungen  in  Hpätromantschem  und  übergangsstil  kommen  oft 
z.  6.  zu  Oemünden  und  zu  Marienstatt*  im  Regb.  Wiesbaden,  in  der  Schlofs- 
kapeile  zu  Vianden^  und  in  der  Klosterkirche  zu  Pforta.^  Ein  sehr  eigen- 
tümliches Werk  ist  der  im  Museum  des  grofsen  Gartens  zu  Dresden  befind 
liehe,  aUB  der  dortigen  B arthol oraäikirc he  herrührende  gotische  Altar  m" 
einer  statuarischen  Darstellung  des  heiligen  Grabes  in  dem  vorn  ganz  offenei 
hinten  und  auf  den  Seiten  fensterartig  durchbrochenen  Innern/  und  in  St. 
Wendel  besteht  der  Altar  aus  dem  ehemaligen  steinernen  Reliqnienaarg  dei 
h.  Wendelin  aus  dem  Ende  des  XIV.  Jatirh.,  über  welchem  später  ein  neuei 
Sarkophag  mit  den  Reliquien  ans  dem  Ende  des  XV.  Jahrh.  aufgestellt  ist, 


Flg.  («.    Utn»  In  dti  AlltitadllEaiAipella  in  BegcnDiurg  (ucli  Ltlbke). 

Auf  Säulen  rnhende  Ältartische  in  der  Weise  der  morgenländischen 
Kirche  gebOren,  wo  sie  in  Deutschland  vorkommen,  dem  XL  und  XII.  Jahrh. 
an,  nnd  haben  sich  erhalten  in  den  Krypten  zu  Limburg  a.  d.  H.  (nur  in 
Brach Btttcken),  von  St.  Gereon  zu  K&ln  und  zu  Gurk  (woselbst  zwei  der- 


Abb.  bei  aus'ra  Weerth.  Taf.  51.  Fig.  6. 

Der  letztere  abg.  bei  Adlor,  in  d,  Zeitschr.  f.  Bauw.  1869.  Taf.  69.  Fig.  H. 

Abb.  Xirchenschmuck  Sekkau  18Ti,   Beil.  zu  No.  4.  Fig.  3. 

.      bei  Luthmer,  HarienHtatt,  in  d.  Zeitschr.  t.  Bauw.  1&67,  Taf.  23. 

>      in  der  AJlg.  Bauz.  XXXm  u.  XXXIV.  Taf.  42.  Fig.  1  —  4. 

•      bei  Corssen,  Schulptorta,  251. 
Bösigk,  Fi.  L.,  Führer  durch  das  Museum  im  Palais  des  grofsen  Gartens.   1856, 
if.  zu  8.  44.  —  Auch  zu  Bleidenstatt  (Nassau)  ist  der  Sockd  eines  h.  Grabes  als 


Altarplatte.  133 

gleichen),  aufserdem  in  der  Kirche  zn  Sindelfingen  bei  Stuttgart,  in  der 
Allerheiligenkapelle  zu  Regensbnrg,  sowie  im  Dome  zu  Braunschweig.  Letz- 
terer, von  Heinrich  dem  Löwen  der  heil.  Maria  gewidmet  und  ursprünglich 
in  der  Mitte  des  hohen  Chores  aufgestellt,  ist  unter  den  Mensen  dieser  Gat- 
tung der  ausgezeichnetste:  die  Platte  (1,50  lang,  0,75  breit  und  0,io  dick) 
aus  dunkelem  Muschelmarmor  ruht  auf  fünf  hohlen,  ehemals  mit  Reliquien 
gefüllten  Bronzesäulen,  deren  Kapitale  mit  schön  stilisierten  Adlern  ge- 
schmückt sind.  In  dem  Kapitale  der  Mittelsäule  befindet  sich  in  einem 
bleiernen  GefiUse  die  Dedikationsurkunde  des  Bischofs  Adelog  von  Hildesheim 
vom  J.  1188.*  —  Der  sog.  Krodo- Altar  in  der  Vorhalle  des  ehemaligen  Doms 
zu  Goslar,  ein  Gufswerk  aus  Bronze,  welches  aus  einem  von  vier  knieenden 
Figuren  getragenen,  in  einem  Stücke  gegossenen  rechteckigen  Kasten  (0,99 
lang,  0,73  breit,  0,77  hoch;  mit  den  Trägem  1,19  hoch)  besteht,  hatte  ver- 
mutlich ursprünglich  eine  andere  Bestimmung  (vielleicht  als  Behälter  für 
ein  TaufgefUfs),  ist  jedoch,  wie  die  mit  den  fünf  Weihekreuzen  versehene, 
den  Deckel  bildende  Platte  aus  weifsem  Marmor  und  die  unter  derselben 
befestigte  Capsa  beweist,  als  Altar  im  kirchlichen  Gebrauche  gewesen.^ 

In  jede  Altärplatte  sind  fünf  kleine  Kreuze  (X)  eingehauen,  vier 
auf  den  Ecken  und  eines  in  der  Mitte,  in  denen,  nachdem  sie  zuvor  mit 
Weihwasser  und  Salböl  bezeichnet  sind,  der  Bischof  bei  der  Weihe  des 
Altars  mittelst  kreuzweis  hineingelegter  Wachskerzen- 
filden  5  Weihrauchkörner  (]•[)  verbrennt.  Die  Weihe- 
kreuze in  den  Ecken  sind  in  der  Regel  mit  den  Seiten 
der  Platte  parallel,  zuweilen  aber  auch  diagonal  gestellt. 
Ihre  Form  ist  meist  ganz  schlicht,  hin  und  wieder  doch 
auch  stilisiert,  z.  B.  auf  dem  Altare  der  ehemaligen  Domini- 
kanerkirche zu  Brandenburg  in  nebenstehender  Form.  — 

Die  Altarplatten  bestehen  aus  Sandstein,  Kalkstein,  Marmor,  

Porphyr  etc.,  auch  aus  Glimmerschiefer  (in  der  Krypta  des  Fig.49.  wethekreaz  am 
Doms  zu  Naumburg),  dem  man  eine  wunderthätige  Kraft  Aitare  in  st.  Paaii  zu 
beimafs.  —  Prachtvoll  und  höchst  kostbar  ist  die  Platte        Brandenburg. 
auf  dem  Hochaltar  des  Doms  zu  Magdeburg  von  jaspis- 
artigem rötlichem  Marmor,  4,39  lang,  1,96  breit  und  0,31  dick,  ein  Geschenk 
des  Erzbischofs  Dietrich  (t  1367).   Das  Gewicht  derselben  wird  auf  mehr  als 
118  Centner  geschätzt,  und  der  Wert  in  älteren  Schriften  auf  zwei  Tonnen 


*  Schiller,  die  mittelalterl.  Architektur  Braunschweigs,  22;  vergL  Görres,  F., 
Beschreib,  vom  St.  BlasiusBom  zu  Braunschw.  3.  Aufl.,  30.  —  Bei  Jac.  Goar,  £wo- 
Xoytov  s.  rituale  Graecorum,  614  (in  d.  deutschen  Ausg.  v.  Mich.  Rajewsky.  men 
1861.  in.  179')  findet  sich  die  Vorschrift,  dafe  die  Reliquien  und  die  Errichtungs- 
urkunde  aes  Altars  ia  die  hohlen  Säulen  gelegt  werden  sollen,  welche  die  Platte  tragen 
(vercl.  Laib  und  Schwarz,  Studien  etc.,  t7).  —  Heinrich  der  Löwe  erbaute  den  Dom 
zu  Braunschweig  nach  seiner  Rückkehr  von  dem  heil.  Grabe,  woher  er  viele  Kostbar- 
keiten und  Reliquien  miteebracht  hatte ;  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dafs  dem  Marien- 
altar ein  orientalisches  Vorbild  zu  Grunde  lag. 

«  Yergl.  Mithoff,  Archiv,  m,  1,  S.  9  u.  Taf.  Vn.  —  Vor  dem  Pfarrhause  zu 
Tabor  in  ^hmen  steht  noch  der.  einzig  übrig  gebliebene  der  roh  aus  Granit  ffemeifsel- 
ten  Eommuniontische,  deren  Zilka  gegen  300  für  die  Abendmahlsfeier  der  Taboriten 
unter  beider  Gestalt  soll  haben  aufrichten  lassen.    Abb.  bei  Grueber  IV,  99. 


134  Keliquienbehälter  der  Altäre. 

Goldes  angegeben.^  —  Nicht  selten  wurden  ehemalige  Grabsteine  (auch  mit 
eingravierten  Porträtfignren)  als  Altarplatten  verwandt ,  so  zu  Elbenau^ 
Erakauy  Welsleben,  Ziesar  im  Magdeburgischen,  zu  Kavelsdorf  bei  Rostock, 
zu  Jedenspeigen  in  Nied.-Österreich  sogar  die  Grabplatte  eines  Pfarrers 
Wolfger  von  1360.'  —  Die  Deckplatte  des  Sepnlchrums  wird  gleichfalls  mit 
einem  Kreuze  bezeichnet  und  soll  aus  natflrlichem  Steine  bestehen,  auf  einem 
Seitenaltare  in  der  Pfarrkirche  zu  Boppard  ist  es  jedoch  ein  römischer 
Ziegelstein  der  18.  Legion.  — 

Die  Gröfse  der  Altäre  ist  sehr  verschieden  und  richtet  sich  nach  dem 
zu  Gebote  stehenden  Räume.  Das  Trierer  Konzil  von  1227  (Hartzheim, 
Conc.  Germ.  3,  529)  weist  die  Priester  an,  nicht  so  kleine  Altäre  zuzulassen, 
an  denen  sie  nur  mit  Furcht  celebrieren  könnten.'  Der  oben  beschriebene 
Hochaltar  des  Magdeburger  Doms  gehört  zu  den  gröisesten,  die  überhaupt 
vorkommen;  die  ebenfalls  bedeutende  Platte  zu  Maulbronn  hat  doch  nur 
3,90  Länge  bei  1,38  Breite.^ 

Anmerkung  1.  Die  Behälter  für  die  Reliquien  bestanden  im  Mittel- 
alter fast  allgemein  aus  Blei  und  konnten ,  da  sie  nach  ihrer  Niederlegung  im 
Sepulchrum  dem  Auge  für  immer  entzogen  blieben,  ganz  schlicht  und  einfach 
sein  (z.  B.  im  Zither  des  Doms  zu  Halberstadt  No.  76).  Um  so  merkwürdiger 
ist  das  in  einem  Altare  des  Doms  zu  Limburg  a.  L.  gefundene,  jetzt  im  dortigen 
Domschatze  aufbewahrte  0,t9  lange,  0,i4  breite  und  0,19  hohe  gegossene  Blei- 
kästcfaen,  welches  die  Form  einer  auf  Löwenfüfsen  stehenden  romanischen 
Kirche  mit  Apsis  an  der  einen  Schmalseite  und  latemenartig  durchbrochenem 
Mittelturm  über  dem  Satteldache,  vielleicht  mit  bewufster  Hindeutung  auf  die 
bauliche  Gestalt  des  Domes  selbst,  aufweist.^  In  andrer  Weise  geschmückt  ist 
ein  in  einem  Altare  zu  Kiederich  aufgefundenes,  nur  0,065  langes  und  ein- 
schliefslich  des  gehobenen  Deckels  nur  0,044  hohes,  farbig  lackiertes  und  orna- 
mentiertes zinnernes  Kästchen^  Dagegen  in  der  Marienkirche  zu  Aken  und 
mehrfach  in  mecklenburgischen  Kirchen  haben  sich  als  Reliquienbehälter  kleine 
gläserne  Urnen,  aber  auch  Holzbüchsen,  in  der  zu  Brudersdorf ^  sogar  ein 
umenartiges  Gefäfs  von  Wachs  aus  dem  J.  1309  in  Altären  gefunden. 

Anmerkung  2.  Die  völlige  Schmucklosigkeit  der  meisten  Altäre  deutet 
auf  die  uralte  Sitte,  dieselben  an  ihren  Seiten  wänden  und  besonders  an  der 
Vorderseite  zu  bekleiden  (vesHre\  und  man  bediente  sich  dazu  der  mit  bild- 
lichen Darstellungen  geschmückten Vo  rs  e  t  z  t  af  e  1  n  (antependia,  auch  anUpendiay 


*  Koch,  der  Dom  zu  Magdeburg,  92. 

»  Abb.  in  den  Ber.  des  Altert.- V.  Wien.  XX,  8.  Fig.  3. 

3  Das  Miss.  Rom.  schreibt  auch  für  Tragaltjire  vor:  *tam  ampla  sit,  ut  hostiam 
et  majorem  partem  cdlicis  capiaU  vergl.  Jakob,  129.     ^^ 

*  Nach  der  Schilderung  in  Mon.  Genn.  bist.  S.  S.  XViil,  236  (de  rebus  Alsati- 
cis  ineuntis  saec.  XTfl,  cp.  20):  *dltaria  parva  fuerurU,  sed  ut  in  primitiva  ecclesia 
circa  afostolarum  tempora,  tres  pedes  ndbebant  in  aUitiAdine  et  trea  in  latitudine 
et  tres  %n  longitudine  continehant,  Mensa  vero  altaris  corpus  di^tis  quatuor  exce- 
debat*  hatten  die  Altäre  der  älteren  Zeit  kubische  Gestalt  mit  ziemlich  weit  über- 
stehender Deckplatte  und  nur  geringe  Mafee. 

*  Yergl.  Aidenkirohen,  m  den  Bonner  Jahrb.  UX,  106—113  u.  Taf.  8. 

*  Abb.  Korr.-Bl.  Ges.-V.  1874.  Taf.  zu  No.  10. 
'  Vergl.  Meckl.  Jahrb.  XLTT,  188. 


AltarbeUeidong.  136 

frontaUa)  ans  edlen  Metalleo,  ans  SteiD  oder  aus  Holz,  am  häufigsten  jedoch 
gmtiekter,  anch  bemalter  Teppiche,  die  indesBen  wohl  nicht  immer  auf  Bahnen 
anegespannt  wurden,  sondern  wahrecheinlich  meist  in  freier  Faltnng  herab- 
hingen. —  Ooldene  und  silberne  Antependien  sind  grOfotenteils  unter  den 


Stflrmes  der  Zeit  zn  Gmnde  gegangen.  Im  Schatze  des  Münsters  zu  Aachen 
Itefinden  sich  angeheftet  an  den  Gewflnden  des  Schatzschrankea  siebzehn  ge- 
triebene Goldplatten,  welche  spAteatens  ans  der  Zeit  der  Ottonen  herrtlhren 
nnd  ehemals  ein  Antepeudinm  des  Hochaltars  bildeten.'  Die  goldene  und 
silberne  Vorsetztafel  aus  dem  X.  Jahrb.,  womit  die  Vorder-  und  die  Hinteraeite 
des  Hochaltars  im  Kloster  Petershausen  geschmflckt  war,  hat  wiederholtes 
GeldbedOrfnis  des  Klosters  nicht  einmal  das  XII.  Jahrb.  Ilberdaaem  lassen.^ 


'  aus'mWeerth.  Taf.  XXXIV,  1.  —  Bock,  PfalztapeUe.  I,  1.  Fig.  25.  — Dars 
Kleinodien  etc.  Anhang,  37. 

»  Chron.  Petershiw.,  in  Mone,  a  a.  0.  I,  ISSa  156b.  167. 


138  Antependien. 

Der  mit  Edelsteinen  besetzte  goldene  Altar,  den  K.  Heinrich  II.  dem  Dome  zu 
Merseburg  geschenkt  hatte,  wurde  im  J.  1547  eine  Beute  des  Kriegsvolks.^ 
Dagegen  hat  sich  das  goldene  Antependium  erhalten,  das  derselbe  Kaiser  in 
das  Münster  zu  Basel  gestiftet  hatte,  das  jedoch  in  neuer  Zeit  unter  den  Ham- 
mer kam  und  sich  jetzt  im  Hotel -Cluny  zu  Paris  befindet,  während  in  Basel 
(im  Besitze  der  Gesellsch.  für  vaterländ.  Altertümer)  nur  ein  Gypsabgufs 
zurückgeblieben  ist.  Es  besteht  aus  einer  etwa  0,08  starken  Tafel  aus  Cedem- 
holz  von  1,65  X  1>18,  die  mit  Goldblech  (von  mehr  als  400  Lot  an  Gewicht)  in 
getriebener  Arbeit  überzogen  ist,  und  diente  blofs  an  sieben  jährlichen  Festen 
zum  Schmucke  des  Altars,  indem  es  (wie  auch  das  silberne  Antependium  zu 
Petershausen)^  für  gewöhnlich  wahrscheinlich  verhüllt  gehalten  wurde.^  An 
Ort  und  Stelle  erhalten  ist  die  mit  Figuren  und  Emailstreifen  verzierte,  aus 
dem  XII.  oder  XHI.  Jahrh.  stammende  goldene  Altartafel  der  Klosterkirche 
zu  Comburg  in  Schwaben.^  Ein  etwa  gleich  altes,  aber  später  verändertes 
Antependium  aus  vergoldetem  und  emailliertem  Kupfer  ist  an  die  ehemalige 
Rathauskapelle  zu  Köln  aus  St.  Ursula  daselbst  übergegangen,^  und  neuerdings 
ist  eine  derselben  Zeit  angehörige,  in  ihrem  bildlichen  Schmucke  der  Gom- 
burger  ähnliche,  2,00  breite  und  l,oo  hohe  Tafel  von  vergoldetem  Kupferblech 
aus  der  Kirche  zu  Queren  in  Angeln  in  das  Hamburger  Museum  gekommen.^ 
—  Eine  Yorsetztafel  aus  rotem  Sandstein  mit  sechs  Apostelfiguren,  für  eine 
Nebenseite  eines  Altars  bestimmt  gewesen  und  aus  dem  XI.  Jahrh.  herrührend, 
befindet  sich  in  der  mittelalterlichen  Sammlung  zu  Basel,''  zwei  marmorne  mit 
Reliefs  von  Donatoren,  die  vor  dem  heil.  Adalbert  und  der  heil.  Katharina  knieen, 
aus  dem  Ende  des  XIV.  Jahrh.  im  Dome  zu  Prag.  —  Ein  auf  Holz  gemaltes 
Antependium  aus  dem  Walpurgiskloster  zu  Soest  ist  jetzt  im  Provinzial- 
Museum  zu  Münster,^  ein  anderes  hat  sich  am  Altar  der  Kirche  zu  Lüne  bei 
Lüneburg  erhalten,^  beide  aus  dem  XIII.  Jahrhundert,  eins  auf  Goldgrund  aus 
dem  XV.  Jahrh.  in  der  Kirche  zu  Kavelsdorf  bei  Rostock.  —  Die  Antependien 
aus  gewebten  Stoffen^^  wurden  auf  Rahmen  gespannt  vor  der  Mensa  aufgestellt 
oder  durch  Haken  an  der  Altarplatte  befestigt,  zuweilen  auch  mit  dem  die 
Platte  bedeckenden  Leinentuche  gleich  zusammengenäht  (Beispiele  letzterer 
Art  im  Dome  zu  Halberstadt,  in  St.  Marien  zu  Danzig  und  St.  Gotthard  zu 
Brandenburg)  und  in  der  Regel  der  Ansatz  durch  einen  herabhängenden,  ge- 
stickten Besatz  des  Leinentuches  verdeckt.   Gestickte  Altarbehänge  auf  Seide, 


*  Thietmari  Chronicon.  VUI,  8,  rec.  "Wagneij  255. 

^  Chron.  Petei-shiis. ,  a.  a.  0.,  156  h.  »nonnisi  in  mcixitnis  fegtivitatibtis  ape- 
fiebatur^. 

^  "Wackernagel,  W.,  die  goldene  Altartafel  von  Basel.  (Mitt.  der  Ges.  förvaterl. 
Altert,  in  Basel.  VlI.)  1857  mit  Abb.;  vergl.  Zeitschr.  f.  ehr.  A.  u.  K.  H,  83. 

*  Boisseree,  Denkmäler.  Taf.  27.  —  Photogr.  Münchener  Ausstellung.  Bl.  97. 

*  Bock,  Fz.,  das  heilige  Köln.  Taf.  XVDI.  69.  —  Über  andere  Frontalien  dieser 
Gattung,  die  später  zu  Superfrontalien  umgearbeitet  worden  sind,  s.  unten  S.  142 
Nota  2. 

*  Photogr.  bei  G.  Koppmann.  Hamburg  1880. 
'  Förster,  Bildnerei.  11.  Taf.  zu  S.  25. 

*  Didron,  Annales.  XVII,  Taf.  zu  S.  180;  deCaumont,  Abecedaire.  I,  244;  Heere- 
mann von  Zuydwyck,  d.  älteste  Tafelmalerei  in  Westfalen  1882.  Taf.  1.  2. 

»  D.  Kunstbl.  1850,  148. 

»  Vergl.  Bock,  lit-Gew.  DI,  60—78, 


Antependien.  \yj 

Samt  oder  Leinen  haben  sich  in  Kirchen  nnd  Sammlungen  noch  zahlreich  er- 
halten,  so  zu  Eg er  im  städt.  Museum  zwei  spätromanische;^  im  Nonnenkloster 
Qöfs  in  Steiermark  aus  dem  XIII.  Jahrh.;^  zu  Salzburg  im  Domschatze  aus 
dem  XIV.  Jahrh.;^  zu  Wien  in  der  k.  k.  Schatzkammer  zu  den  burgundischen 
Ornaten  gehörig  aus  dem  XV.  Jahrh.  und  bei  Rothschild  spätgotisch;*  zu 
Bern  im  Museum  aus  der  2.  Hälfte  des  XIII.  Jahrh. ;^  etwa  gleichzeitige  im 
Kloster  Marienberg  bei  Helmstedt^  und  im  Kunstgewerbe -Museum  zu  Ber* 
lin  (Raum  XVI,  Wand  102)  aus  Göttingen  stammend;  aus  der  Kirche  zu 
Marienwerder  im  Weifen- Museum ,  woselbst  aus  gleicher  Quelle  auch  2  aus 
dem  XIV.  Jahrh.  und  5  aus  verschiedenen  Zeiten  aus  der  Stiftskirche  zu  Eim- 
beck;  femer  in  St.  Nikolai  zu  Lüneburg  aus  dem  XV.  Jahrh.  und  mehrere  zu 
Lüne  und  Isenhagen  im  Ltineburgischen;  zu  Dresden  im  Museum  des  Gr. 
Gartens  zwei  aus  dem  XIV.  Jahrh. ,  das  eine  aus  Pirna ;^  zuLttbeckin  der  Alter- 
tümersanmilung  der  Katharinenkirche  zwei  ebenfalls  aus  dem  XIV.  Jahrh.,  das 
eine  aus  dem  dortigen  Dome  stammend;^  ein  diesem  sehr  ähnliches  im  Kloster 
Rib  nitz  in  Mecklenburg,®  wo  noch  ein  zweites,  aus  4  verschiedenen  Kelchtüchern 
des  XIV.  und  XV.  Jahrh.  zusammengenähtes  sich  befindet ;^^  zu  Kamp  bei 
Geldern  ein  grttnsamtenes  aus  der  Mitte  des  XIV.  Jahrh.  ;^^  zu  Braunschweig 
im  herzogl.  Museum  (No.  54) und  ein  fast  identisches  im  städtischen  Museum,^* 
beide  um  1500;  zu  Gans  tat  t  im  Privatbesitz  ein  besonders  schönes  von  1520 
vom  Odilienberge  stammend ;^^  noch  andre  werden  genannt  zu  Köln  im  erz- 
bischöfl.  Museum,  zu  Aachen  im  Münster,  zuDanzig  in  der  Marienkirche ,  zu 
Halberstadt  im  Dome  (No.  94. 158),  zu  MünsterinStLamberti  und  St.  Mau- 
ritz, zu  Soest  in  der  Wiesenkirche  u.  s.  w.  Neben  den  gestickten  finden  sich 
auch  gewirkte  mit  bildlichen  Darstellungen,  so  im  Museum  zu  Bern  3  aus  der 
burgundischen  Beute,  in  der  mittelalterl.  Sammlung  zu  Basel  eins  mit  5  weib- 
lichen Heiligen,  darunter  die  heU.  Verena,  in  St.  Gotthard  zu  Brandenburg  eins 
mit  der  Einhomjagd  aus  dem  15.  Jahrhundert.  Gegen  Ende  des  Mittelalters 
wurden  sie  häufig  mit  den  goldgestickten  Kreuzen  und  Stäben  von  Kasein  und 
Pluvialien  benäht.  —  Ein  in  Leimfarben  auf  Leinwand  gemaltes  Antependium 
befindet  sich  im  Herzogl.  Museum  zu  Braunschweig  No.  100,  ein  auf  Leinwand 
gedrucktes  aus  Niedersteinach  XV.  Jahrh.  im  Museum  des  Gr.  Gartens  zu 
Dresden  No.  422.^^  — Von  solchen  Behängen  sind  zu  unterscheiden  die  litur- 


'  Abb.  von  Details,  Grueber.  I.  Fig.  267—269. 

*  Mitt.  C.-K.  m,  92. 
3  Ebda.  VIL  29. 

*  Ebda.  XVI,  25. 

»  Teüe  davon  Prüfer,  Archiv.  I.  Taf.  32. 

*  Abb.  bei  v.  Münchhausen,  Teppiche  des  Jungfr.-Stifts  Marienberg  etc.  Wer- 
nigerode 1874.  Taf.  t. 

7  Abgeb.  bei  Bösigk,  Führer  durch  d.  Museum  etc.  Taf.  zu  8.  42  und  Steche, 
Amtshptm.  Pima,  68;  das  andre  in  den  Mitt.  Sachs.  Alt.-V.  XVI.  Taf.  2. 
"  Abb.  in  der  Zeitschr.  d.  Ver.  f.  Lübeck.  Qesch.  u.  s.  w.  I,  122. 
»  Abb.  Mecklenb.  Jahrb.  XXVm,  308. 
»0  Vergl.  Lisch,  ebda.  XXXV,  213. 
»«  Bock,  Lit.-Gew.  m.  Taf.  IX,  1. 
**  Photogr.  Münchener  Ausstellung.  Taf.  18. 
13  Photogr.  ebda.  Taf.  52  und  Frankfurter  Ausstellung.  Bl.  41. 
"  Abb.  Mitt.  Sachs.  Alt.-V.  XVEEI.  Taf.  2. 


138  Altarciborinm. 

gisch  gebotenen  feinen  weifsen  Leinentttcher  (paüae,  mappae,  tobaieae  aiians)^ 
mit  denen  die  Altarplatte  bedeckt  wird:  ancb  kommen  gröfsere  gestickte 
Teppiche  {stragiUa,  paUudamenta  aliaris,  Vespertflcher)  vor,  welche  znr 
besseren  Konservierung  des  Weifszenges  nach  dem  Morgengottesdienste  beson- 
ders an  Festtagen  über  die  Mensa  gebreitet  wurden.^  Eine  Altardecke  in 
Weilszeng-Stickerei  aas  dem  XIII.  Jahrh.  besitzt  das  Kloster  zu  Zehdenik,  eine 
gleichzeitige  der  Dom  zu  Brandenburg,^  eine  aus  dem  XV.  Jahrh.  der  Dom 
zu  Regensburg,  zwei  aus  dem  XVI.  Jahrh.  sind  in  St.  Jakob  und  in  der 
Spitalkirche  zu  Straubing  und  Reste  einer  aus  dem  XIV.  Jahrh.  in  der 
Kirche  zu  Mttnchen-Gladbach.' 

33.  Üter  den  Altären  wurde  schon  finihzeitig  auf  vier  Säulen 
ruhend  ein  Baldachin  {ciborium^^  tabemaculumy  umbracuium)  angebracht, 
von  dem  in  der  Mitte  das  Gefafs  mit  dem  Weihbrote,  oft  in  Gestalt 
einer  Taube,  herabhing,  und  Vorhänge  (teiravela)  an  den  Seiten  ge- 
statteten dem  Ministranten  sich  und  das  heilige  Mysterium  profanen 
Augen  zu  entziehen.  Dergleichen  Ciborien  kommen,  vielleicht  des 
Andenkens  an  die  alte  Sitte  halber,  auch  im  Mittelalter  hin  und  wieder 
als  kapeUenartige  Überbaue  über  Seitenaltären  vor;  sonst  war  es  üblich 
den  Altartisch  gegen  herabfallenden  Staub  durch  einen  über  demselben 
ausgespannten  Teppich  zu  schützen. 

Die  mit  Ciborien  überdeckten  Altäre  aus  dem  Mittelalter,  die  bis  jetzt 
in  deutschen  Kirchen  nachgewiesen  sind ,  lassen  sich  zwar  in  der  Form  auf 
die  altchristlichen  in  Italien  (S.  demente  und  Giorgio  in  Velabro  in  Rom; 
8.  bei  Laib  u.  Schwarz,  Studien  etc.  Tafel  III.  1.  u.  XI.  4.)  zurückfuhren; 
es  bleibt  jedoch  sehr  zweifelhaft,  ob  dieselben  mit  jenen  charakteristischen 
Vorhängen  und  mit  dem  über  dem  Altartische  schwebenden  Weihbrotgefüfse 
jemals  ausgestattet  gewesen  sind:  sie  haben  vielmehr  wesentlich  das  Ge- 
präge von  selbständigen  Kapelleneinbauten  und  scheinen  auch  als  solche  ge- 
golten zu  haben.   So  wird  der  älteste  bekannte,^  der  Frühzeit  des  XIII.  Jahrh, 

»  Vergl.  Bock,  lit-Gew.  m,  2—19.  46—50. 

*  Vergl.  Chr.  K.-Bl.  1875,  34  ff.  Eine  spätgotische  ans  Bebenhausen  stammend 
ist  abgebildet  in  der  Gewerbehalle.  XVlil.  Tai.  84. 

3  Abb.  Bock,  a.  a.  0.,  Taf.  m. 

*  Das  griech.  xiß<oQiov  bezeichnet  die  Saamenkapsel  einer  ägyptischen  "Wasser- 
pflanze: das  offenbar  verwandt«  xißwriov  ist  *=  arca,  und  dieses  «=  tahernaculum, 
Vergl.  Durandus  1.  I.  c.  2.  n.  10.  —  Durch  Übertragung  wurde  das  von  dem  Bal- 
dachin herabhängende  Speisegefäfs  selbst  später  ebenfalls  ciborium  genannt.  —  Vergl. 
J.  G.,  der  Giboriums- Altar,  im  Kirchenschmuck.  1875.  No.  8 — 12,  m.  2  Taff. 

'  Vielleicht  etwas  älter  ist  der  in  der  Klosterldrche  zu  Kastei  bei  Amberg,  ver0- 
Kirchenschmuck.  1864.  Heft  2,  46,  Abb.  bei  Schmid,  191.  —  Das  ca.  1230  entstan- 
dene an  der  Ostwand  der  Turmkapelle  des  Prämonstratenserklosters  Spielskappel  be- 
steht aus  einem  durch  ein  weit  vorspringendes  Gesims  wagrecht  abgesdilossenen  Ton- 
nengewölbe, dessen  Vorderseite  auf  zwei  reich  geschmückten  romanischen  Säulen 
ruht.  —  Im  Chron.  Petershus.  I,  18-20  wird  der  vom  heil.  Gebhard  (983—092)  er- 
richtete Hauptaltar  St.  Gregoni  als  ein  Ciborienaltar  unter  4  hölzernen,  mit  Silber  be- 
kleideten Säulen  beschrieben,  jedoch  ist  weder  von  Vorhängen  noch  von  einer  suspensio 
die  Bede,  wohl  aber  von  einem  Frontale  und  von  veiscniedenen  Rehquienbehältem, 
die  »super  aUare  dependenU, 


Ciborienaltäre. 


139 


entstammende  ciborienartige  Altarflberbau  in  der  Sfldostecke  des  südlichen 
Ereuzarmes  in  der  Kirche  des  Angnstiner-Chorherrenkiosters  Hamersleben 


®nnrTYYYwi 


Fig.  51.    Altarclborinm  in  der  Klosterkirche  sa  Homerileben  (nach  y.  Qnast). 

als  ^Fünf' Wunden- KapeUe«<  bezeichnet   Dessenungeachtet  ist  durch  eine 
Stelle  des  sog.  jüngeren  TitareP  und  durch  Abbildungen  französischer  Altäre 


'  ^ Aller  Zierde  wunder  trugen  die  aUtere, 
uf  iealichem  heaunder  kefse,  taveln,  hüde  kostebare 
stunden  und  dazu  ein  rieh  etborie 
gesitnzet  über  houbet  vÜ  manigem  himeUcind  ee  richer  glorie, 

Samit,  der  grüne  gebete,  gesnitten  über  ringen 
Ob  je  dem  alter  swebete,  für  den  stäup,  Und  swenne  der  priester  singen 
wolt,  so  wart  ein  borte  alda  gezücket 
ein  tube  ein  engel  brahte,  der  kom  uz  dem  gewdbe  herab  geflücket. 

Ein  roit  in  wider  fürte  enmitten  an  der  snüre 
mit  fluge  gen  im  ritrte  di  tube  und  nam  den  enget,  sam  si  füre 
uz  paradise,  gelich  dem  heren  Geiste, 

der  mess  zu  ?Mhem  werde,  daran  der  kristen  satde  lit  diu  meiste.* 
(Zarncke,  Str.  23—25,  70.  —  Die  Phantasie  des  Dichters  sieht  aulser  dem  Ciborium 


1^  CiborienalUire. 

.  (bei  Laib  und  Schwarz  a.  a.  0.  Taf.  \X  4.  VU.  6.  11.  X.  3)  erwieaeii, 
dab  sowohl  das  Ciborinm  mit  dem  Ober  dem  Ältartische  schwebend  aufge- 
hängten Weihbrotgeßirae  iD  Tanhenform, 
als  dieAltarvorhauge  (letztere  allerdings 
nur  zwei  auf  den  Seiten  und  auch  ohne 
Ciboriendb  erb  au  zwischen  frei  stehenden 
Säulen,'  also  nicht  der  mystischen  Ver- 
hflllung  halber  angebracht)  noch  bis 
in  spätere  Zeit  des  Mittelalters  üblich 
waren.  —  Gotische  Ciborienaltäre  sind 
nachgewiesen  in  der  Elisabetbkirclie  zu 
Marburg,  5  imDome  und 3 im Nieder- 
mQnater  zuRegensburg,  3  in  St.  Ste- 
phan zu  Wien  (von  1400  und  1466),  in 
der  Teynlcirche  zu  Prag  der  sog.  Lukas- 
bruderschaftsaltar  gegen  1490  von  Mat- 
thias Rayseck,  in  der  St.  Annenkapelle 
zu  Murau  i.  Steiermark  von  1378,*  in 
der  Wallfahrtskirche  zu  Maria-Zeil  ein 
durch  Gufsmauerwerk  zwischen  den  Pfei- 
lern spater  entstellter  von  trapezförmi- 
gem Grundrifa,  2  zu  Mautbronn  (der 
eine  von  1501)  und  zuMUhlhausenam 
Neckar,  zu  St.  Michael  bei  Gundels- 
heim  amNeckar,zuErdmannhaUBen 
im  O.A.  Marbach,  zuDinkelabUhlein 
Marienaltar,  zu  Bochold  und  zu  Werl 
in  Westfalen;  zuErfurtim  Dome  (Anto- 
niusaltar von  1483)  und  za  Stendal  im 
Dome  (südl.  Querschiff).  Ein  epStgoti- 
F\g.  u.  Aiuniborinn  Im  Dom  in  bi«iuIiiit|  scher  findet  sich  im  Freien  an  der  west- 
Cn»i.  <i.m  Ko»»..Ux.  t.  bud.  K.)-  jj^^^^  Sakristelwand  der  WallfiihrtBkir- 

cheMaria-KenstiftheiPettan in  Steier- 
mark.« Nach  Kreo8er(0rg.  f.  ehr.  K.  1801  8.210)soll  der  81  teste  Hochaltar 
im  Kölner  Dom  ancheinCihorienaltargewesensein.  Der  von  demselben  als 

nicht  nur  die  vorechiodenen  Arten  von  Reliquieobelifiltem  (Kasten,  Tafeln  und  Bilder), 
sODdont  auch  den  zur  Abhaltung  dee  Bt&ubes  über  dorn  Altar  ausgespannten  Teppich 
(aus  grünem  Saramet),  was  sich  in  der  That  weohaolseitig  ausschlicfepn  dürfte  und  nur 
beweist,  dals  der  Dichter  beidos  kannte,  Ciborieo-  und  Budeidtäre.  Die  Ausspannung 
eiaes  ipanntM  lifteiu  albwM  zum  Schutze  des  AltaiB  gegen  herabfaUende  TJnreinig- 
keiten  schreibt  die  dem  Gedichte  deichzeitige  Synode  zu  Münster  von  1279  (Hartz- 
heim, Conc.  Germ,  m,  646)  vor.  VergL  Jakob,  132;  Laib  n.  Schwarz.  Studien  ete., 
58.  —  Über  die  -Taube«  s.  weiter  uiit«n  8  46. 

'  Von  solchen  hölzemen  Säulen,  aui  denen  Engel  als  Kerzentrüger  standen,  und 
die  dojoh  Stangen  mit  einander  verbunden  wurden,  an  welchen  die  reich  mit  bild- 
lichen Darstellungen  geschmückten  Vorhänge  hincen,  befinden  sich  zwei  aus  der  6t. 
Ounipertitirche  zu  Atapach,  im  Germ.  Museum  K.-G.  No.  11.  12.  Ober  diese  vela 
lateralia  vergl.  Bock,  Lit.-Gew.  El.  82—95  und  die  Taff.  Vm,  XIV  u.  XV. 

'  Abb.  ffirchenschmuck.  1875.  Beii.  zu  No.  11.  Fig.  3. 

»  Abb.  Mitt  C.-K.  XV,  109. 


Altaraiifsätze.  ]^4J 

letzter  Ciborienaltar  bezeichnete  Altar  in  der  Stephanskircbe  zu  Mainz  mit 
seinen  vier  MeBsingBäulen  von  1509  soll  erst  in  der  Zopfzeit  ans  vier  ursprOng- 
lichen  Kandelabern  zusammengesetzt  worden  sein  (ebd.  S.  240).  —  Auch  die 
an  der  Westseite  der  Lettner  errichteten  Altäre  (s.  oben  S.  50  Anmerkung  1) 
gehören,  sowohl  wenn  dieselbe  aus  einem  Säulen-  und  Bogen -Vorbau  be- 
steht,  als  wenn  sie  nur  unter  dem  vortretenden  Lesepulte  (wie  ehedem 
zu  Fredelsloh  bei  Eimbeck)  stehen ,  gewissermafsen  zu  den  Ciborienaltären. 
—  Wenn  nach  unserer  Abbildung  am  Evangelienseiten- Altar  im  Dome  zu 
Regensburg,  sowie  an  den  beiden  Ciborienaltären  zu  Mtthlhausen  (bei  Laib 
und  Schwarz  Taf.  XII.  3.  4)  Eisenstangen  zwischen  den  Bögen  angebracht 
sind,  hat  man  darin  wohl  lediglich  Verankerungen  zu  erkennen,  nicht  aber 
Vorrichtungen  für  ehemalige  Vorhänge.* 

34.  Zur  YoUendung  der  liturgischen  Zurüstung  des  Altartisches 
gehört  die  Aufstellung  eines  Kruzifixes,  einiger  Leuchter  und  des  Mefs- 
buches.  Aufserdem  sollten  nur  noch  Reliquienbehälter  auf  dem  Tische 
Platz  finden.*  Jedoch  führte  grade  die  Aufstellung  dieser  dazu,'  dafs 
man  um  für  sie  Raum  zu  schaffen,  statt  des  Ciboriums  über  der  Mensa, 
hinter  derselben  eine  etwas  höhere  Stein  wand  (retabuhim)  aufführte,  als 
erhöhten  Standort  oder  als  Gehäuse  und  Schirmdach  für  die  Reliqui- 
arien  und  Bilder.  Unter  dem  Einflüsse  der  gotischen  Kunst  entwickel- 
ten sich  hieraus  allmählich  die  grofsen  in  Schnitzwerk  ausgeführten  Auf- 
sätze, welche  besonders  in  Deutechland  die  oft  überreiche  imd  sich  bis 
zur  Decke  der  Kirche  emporwipfelnde  Umrahmung  bilden  für  die  Bilder- 
und Reliquienschreine:  Bilderaltäre,  Reliquienaltäre. 

Der  Zusammenhang  der  Altarrückwand  mit  der  Aufstellung  von  Reli- 
quarienund  Bildern  scheint  unleugbar,'  doch  kommt  dabei  auch  inBetracht, 


*  Das  letztere  behauptet  allerdings  entschieden  Bock,  die  Behänge  der  Ciborien- 
altäre,  im  Org.  f.  ehr.  IC.  1868.  No.  10. 

*  Das  Konzil  zu  Reims  867  bestimmte:  »super  aUare  nihil  panatur,  nifd  capsae 
et  reliquiae,  aut  forte  quatuor  evangelia  et  btixida  cum  Corpore  domini  ad  inßrmos 
—  vergl.  Jakob,  141.  —  Noch  am  Ende  des  Xm.  Jahrh.  verwarf  man  in  Magdeburg 
für  den  Hochaltar  die  Aufstellung  aller  Bilder  aufser  dem  der  Passion.  Nach  Mit- 
teilung des  verstorbenen  Direktors  Wiggert  daselbst  heilst  es  in  dem  »Liber  ritucdis 
eccleste  Magd.^n  vom  Ende  des  XHI.  Jahrh.  (Pergament-Hs.  vom  Anfange  des  XV. 
Jahrh.  in  der  Bibliothek  des  Domgymnasiums),  65 :  »Sciendum  quod  in  Magdeburgern 
eoclesia  super  majus  altare  nuuae  imagines  ]nctae  vel  sculptae  poni  consueverunt 
praeter  sotam  passionem  saJvaioris;  sed  libn  evangeliorum  et  sacramentarium  or- 
naii  et  reliquiae  sanctorum  poni  sol^tt:  imctaines  enim  sunt  res  umbratües  et  vm- 
tcUem  rei  quam  repraesentant  in  se  non  haoentes,  sed  evangelia  doctrinam  vitae 
et  veritatem  continent,  non  umbram  et  signam  rei,  Bes  enim  significata  digniar 
est  honore,  quam  res  signans.  Passio  vero  Jesu  Christi  nobis  necessaria  est  ad 
salutem  et  ntUla  (ndversa  suferare  possumus  absque  adjutorio  passionis;  ideo  sem- 
per  ipsam  ante  oculos  mentts  et  corporis  habere  aebemus  et  praecipue  in  celebraiio- 
nibus  missarum,  quod  missa  nihü  aliud  est,  quam  commemoratio  dominicae  pas- 
sionis, et  nuüus  sapiens  crucem  depictam  va  sctUptam  sed  Christum  crucifixum 
adorat,  crucem  tantum  venerando  salutat* 

^  Vergl.  namentlich  die  Abbildungen  französischer  Altare  bei  Laib  u.  Schwarz, 
Studien  etc.  Taf.  VI.  2,  4,  10. 


142  Super£rontal6. 

dafg  die  Errichtung  eines  Retabnlnrns  nur  in  dem  Falle  möglich  war,  wenn 
der  Litnrg  vor  dem  Altare  stand  mit  dem  Gesicht  gegen  Osten ,  nnd  nicht 
mehr,  wie  es  die  ältere,  in  den  bischöflichen  Kirchen  wahrscheinlich  am 
längsten  bestehende  Sitte  war,  hinter  dem  Altare,  das  Antlitz  der  Gemeinde 
zugekehrt:  eine,  zum  Teil  mit  der  Orientierung  der  Kirchen  (s.  oben  S.  13 
Anm.  1)  zusammenhängende,  noch  nicht  hinlänglich  aufgehellte  Frage.  — 
Die  Rückwand  des  Altars  wurde  in  ähnlicher  Weise,  wie  die  Vorderseite 
der  Mensa  mit  dem  Frontale  (s.  oben  S.  134  Anmerk.  2),  mit  einem  beweg- 
lichen Superfrontale  geschmttckt,  welches  ebenfalls  aus  einer  Metalltafel 
oder  einem  Teppiche^  bestand.  Das  älteste  bekannte  Superfrontale  ist  die 
berühmte  PcUa  d*oro  in  S.  Marco  zu  Venedig,  eine  mit  getriebenen  Dar- 
stellungen, Emails  und  Edelsteinen  geschmückte  Tafel  aus  vergoldetem 
Silber  und  feinem  Golde  von  etwa  3,i4  Länge  und  2,35  Höhe,  welche  im 
Jahre  976  in  Byzanz  verfertigt,  1105  erneuert  und  1209  und  1345  herge- 
stellt wurde.  Ein  ebenso  kostbares  und  vielleicht  ebenso  altes  Werk  dieser 
Art  besafs  in  Deutschland  die  Michaeliskirche  zu  Lüneburg  in  der  goldenen 
Tafel,  welche  anstatt  des  Bilderwerkes  auf  dem  Altar  stand  und  1698  ge- 
stohlen wurde.^  Ein  Retabulum,  aus  sehr  dünnem,  vergoldetem  und  emaillier- 
tem Kupfer  getrieben  und  auf  eine  Holztafel  gelegt,  wurde  unter  Louis  XIV. 
in  Koblenz  von  den  Franzosen  geraubt  und  befindet  sich  jetzt  in  St  Denis: 
es  ist  etwa  2,83  lang  und  ohne  das  in  der  Mitte  angebrachte  höher  hinauf- 
reichende Brustbild  Christi  0,63  hoch.'  —  Den  Mafsen  von  1,97  Länge  nnd  0,7 1 
Höhe  zufolge  dürfte  auch  die  über  dem  Epistelseiten -Altare  der  Wiesen- 
kirche zu  Soest  hinter  einem  dem  XIV.  Jahrh.  angehörigen  Altarschreine  ent- 
deckte, jetzt  im  königl.  Museum  (Gem.  -  Galerie  No.  1216  A.)  zu  Berlin 
befindliche,  ganz  mit  vergoldetem  Pergamente  überzogene,  bemalte  Holztafel 
aus  dem  XUI.  Jahrh.  ursprünglich  die  Bestimmung  eines  Superfrontale  ge- 
habt haben:  der  obere  Rand  derselben  erhebt  sich  in  der  Mitte  in  einem 
Flachbogen  und  auf  beiden  Seiten  symmetrisch  in  je  zwei  Spitzen.^  — 


*  Das  einzig  erhaltene  Beispiel  eines  gewebten  Retabulums  dürfte  das  im  Regens- 
burger  DiÖcesan- Museum  befindliche,  von  einem  opiscopus  Heinricus  (wohl  von  Kot- 
teneck  1277 — 96)gestiftete  sein  —  vorgl.  Jakob,  337.  —  Sehr  merkwürdig  ist,  dafs 
in  der  vom  Abt  nitigow  992  gestifteten  goldenen  Tafel  auf  dem  Altare  in  der  Mitte 
der  Stiftslrirohe  zu  Unterzell  am  Reichenau  sich  ein  blauer  (oder  grüner)  Sjpiegel  be- 
fand, in  dem  jeder  in  die  Kirche  Eintretende  sein  Bild  sah.  Purcnardus  im  carmen 
de  gest.  Witigowonis  abb.  V,  442  sagt  davon: 

Per  cuAus  (sc.  tdb%dae)  medium  apeculum  patet  ecce  serenum 
Qtiod  pariter  viridis  vitrei  manet  atqtte  coloris, 

Vergl.  König,  im  Freibureer  Diöc.- Archiv.  VI,  275. 

*  Calvör,  Saxonia  inferior,  436.  —  Müller,  F.  H.,  Altdeutsche  Sohnitzwerke. 
1874,  56 — 62.  —  Mithoff.  IV,  161  ff.,  wo  auch  eine  skizzenhafte  Abb.  nach  einer 
Zeichnung  aus  der  1.  Hälfte  des  XV.  Jahrh.  Die  Ma£9e  (2^  m  Länge,  1,i7  m  Hohe) 
könnten  darauf  deuten,  dafe  die  Tafel  ursprünglich  ein  F^rontale  gewesen  und  erst 
nachträglich  als  Supeifrontale  verwendet  worden  sei.  —  Gleiche  Vermutung  hat  man 
in  Beziehung  auf  den  sogen.  Verduner  Email- Altaraufsatz  in  Klosterneuburg  ausge- 
sprochen, welcher  1181  verfertigt  wurde,  aber  erst  1320  seine  jetzige  Verwendung  Cimd. 
Vergl.  Mitt.  Kunstdenkm.  d.  öS..  Kaiserst.  herausg.  von  G.  Heider  etc.  11 ,  117. 

^  Viollet-le-Duc,  Dicäonnaire  du  mobilier,  233;  vergL  Laib  u.  Schwarz, 
Studien  etc.,  53. 

*  Vergl.  Zeitschr.  f.  ehr.  A.  u.  K.  II,  283  u.  Taf.  15  u.  16.  —  Heeremann  von 
Zuydwyck,  a.  a.  0.,  Taf.  HI. 


Betabulum. 


143 


Wahrscheinlich  ist  auch  in  einer  etwa  gleichzeitigen,  ans  der  Gegend  von 
Rosenhain  in  das  National-Museum  zu  München  gekommenen  bemalten  Tafel 
ein  Snperfrontale  zu  erkennen:  dieselbe  ist  ungefähr  1,26  lang  und  1,57  hoch 
und  ladet  am  oberen  Rande  in  ihrer  Mitte  ebenfalls  in  einem  Halbrund  ans.^ 
—  Das  älteste  bekannte,  dem  XII.  Jahrh.  entstammende,  unbewegliche  Super- 
frontale befindet  sich  an  dem  die  Mensa  überragenden  Teile  der  steinernen 
Rückwand  des  der  Maria  gewidmeten  Altars  in  der  Kirche  St.  Servatius  zu 
Maestricht  (s.  Fig.  53):  auch  hier  ist,  wie  in  St.  Denis,  der  mittlere,  allein 
mit  Bildwerk  geschmückte  Teil  höher  gehalten;  die  Seitenfelder  enthielten 
wahrscheinlich  Gemälde  oder  wurden  mit  Teppichen  behängt.^  —  Einen 


Flg.  63.    Alter  In  St.  SenratlaB  xa  Maeatricht  (nach  Balohenapcrger). 

Fortschritt  in  der  Entwickelung  der  Form  des  Retabulums  bezeichnet  der 
älteste  bekannte,  in  Schnitzwerk  aufgeführte  AltaraufsatzinLoccum.'  Der- 
selbe hat  die  Form  eines  hausartigen  Reliquienschreins  im  gotisierenden  Über- 
gangsstil  des  XIII.  Jahrhunderts.  Aus  der  zweigeschossigen,  mit  Kleeblatt- 
bogenstellungen  geschmückten  Vorderseite  mit  einem  Pultdache  treten  auf 
den  Ecken  und  in  der  Mitte  Risalite  hervor,  die  zwischen  ausgekragten 
Fialen  in  Giebelfrontons  endigen.  Das  mittelste  Risalit  hat  eine  durch- 
gehende Nische,  vielleicht  für  eine  Heiligenfigur  oder  ein  Reliquiar  bestimmt. 


»  Mitt  C.-K.  VI,  114. 

>  Reichenspereer,  A.,  Fingerzeige  auf  dem  Gebiete  der  kirchL  Kunst,  136  u. 
Taf.  VI  nach  einer  Abhandlung  von  A.  Schaepkens.  —  Der  etwa  gleichzeitiffe  hohe 
Altarbau  in  der  Kirche  zu  Wechselburg  war  ursprünglich  ein  Lettner  und  oefindet 
sich  nicht  mehr  an  seiner  urspningUohen  Stelle.  —  Ebenfalls  gleichzeitig  (1145 — 50), 
aber  von  i»d««r  Form  (hochowonge  Platte  mit  der  Anbetung  der  thranenaai  Hinmiels- 
königin ,  zu  beiden  Seiten  Kreissegmente  mit  knieenden  Donatorenfigoren)  ist  der  stei- 
nerne Altaraufsatz  in  der  St.  Georgskirche  zu  Prag,  Abb.  bei  Grueber.  I,  79.  Fig.  222. 

3  Abb.  bei  Mithoff.  I.  Taf.  V. 


144  Altaraufsiitzo. 

DaB  Gänse  zeigt  vielfach  Sporen  von  Bemalung  and  Vergoldung,  die  Rllck- 


Fl(.  M.    AlUr  In  du  EUubcIhklrctae  m  Hufanr«  (nub  BdekaiuptrKr). 

Seite  aber  ist  ganz  schmacklOB.  —  Im  wesentlichen  dasselbe  Uotiv,  aber  ia 


Flügelaltäre.  145 

der  durch  den  gotischen  Stil  bedingten  Weiterbildung,  zeigt  der  in  Bezug 
auf  die  uroprttngliche  Bestimmung  und  Bedeutung  dieser  Rflckwände  besonders 
lehrreiche ,  künstlerisch  ausgezeichnete  Steinbau  von  1290,  der  sich  hinter 
dem  Hochaltare  der  St.  Elisabethkirche  zu  Marburg  erhebt.  Auch  er  erin- 
nert an  die  Formen  gotischer  Reliquienbehälter:  wie  denn  auch  die  Reliquien 
in  einem  Sarge  befindlich  sind,  welcher  nach  dem  Chorschlusse  hin  aus  dem 
Altare  hervorspringt  und  brückenartig  auf  diesem  einerseits  und  einem  frei- 
stehenden Pfeiler  andererseits  ruht.  Die  Nischen  des  Retabulums  sollten 
Statuetten  oder  Reliquiarien  aufnehmen,  und  das  Ganze  war  auf  gemustertem, 
rotem  und  blauem  Grunde  reich  vergoldet.^  —  Dieser  steinerne  Altarbau 
deutet  schon  auf  die  in  dem  Wesen  des  gotischen  Stils  begründete  Taber- 
nakelbildung der  späteren,  selten  in  Stein, ^  gewöhnlich  in  polychromem 
Schnitzwerk  ausgeführten  Altaraufsätze,'  deren  mittlerer  Hauptbestand- 
teil ein  Schrein  ist,  welcher  mit  zwei  Thürflügeln  (Lider,  ostiä)  ge- 
schlossen werden  kann  und  nur  an  Festtagen  geöffnet  wurde.  Das  Innere 
des  Schrankes  ist  mit  figürlichem  Schnitzwerk  gefüllt,  und  die  Flügel  er- 
scheinen auf  beiden  Seiten  mit  Gemälden,  oder  auf  der  inneren  gleich- 
falls mit  Schnitzereien  geschmückt,  insgemein  mit  den  Abbildungen  der 
Patrone  des  Altars  oder  der  ELirche;  die  Stelle  des  eigentlichen  Schrankes 
vertritt  indes  häufig  eine  gemalte  Tafel.  Über  Ursprung  und  Alter  dieser 
Flügelschreine,  deren  älteste  nachgewiesene  Beispiele  höchstens  bis  ins 
Xn.  Jahrh.  hinaufreichen,^  ist  man  auf  Vermutungen  angewiesen:  über 
die  Bemalung  der  Altarflügel,  die  in  vielen  Fällen,  zumal  bei  geringeren 
Altären  nur  aus  einem  blofsen  Anstriche  bestanden  haben  mag,  vgl. 
Theophilus  Presb.  l.  1.  c.  17.^     Nicht  unwahrscheinlich  aber  war  es  die 


*  Reichensperger,  a.  a.  0.,  137  u.  Taf.  Vn  n.  Vlil.  Details  bei  Statz  u.  Un- 
eewitter,  Taf.  t29  u.  130.  —  In  Aufbau  und  Stil  überaus  ähnlich,  aber  dicht  an 
oie  Wand  genickt  und  mit  einer  von  drei  (verstümmelten)  menschlichen  Figuren  ge- 
tragenen, aulserordentiich  schmalen  Altarplatte  versehen  ist  der  Altar  in  der  Frauen- 
kapelle zu  Frankenberff  a/Eder,  Abb.  bei  Statz  u.  Ungewitter,  Taf.  127.  128  und 
bei  v,  Dehn-Rothfelser,  Frankenberg.  Taf.  EK.  u.  X.  —  Laib  und  Schwarz, 
Studien  etc.  geben  Taf.  X,  1  a.  u.  b.  (üe  Abbild,  eines  romanisierend-frühgotischen 
Altars  ans  der  Firminuskap.  in  St.  Denis,  an  dessen  wagerecht  abschlie&ende  steinerne 
Bückwand  sich  hinten  ein  vergittertes  Gehäuse  lehnt,  in  welchem  man  den  Beliquien- 
sarg  und  eine  darüber  hängende  Lampe  sieht.  —  Am  Marburger  konnten  mittelst  einer 
Hebevorrichtung  T^eln  zur  Verdeckung  der  Figuren  in  den  Nischen  des  Aufsatzes  aus 
einem  Raum  hinter  dem  Altartische,  in  dem  die  Rollen  und  Nuten  zur  Bewegung  der 
Schieber  noch  sichtbar  sind,  emporgehoben  und  wieder  in  denselben  versenkt  werden 
(yerel.  Korr.-Bl.  Ges.-V.  1879,  9).  Dies  bezeichnet  ein  Übergangstadium  zwischen  dem 
Ketabulum  und  den  Flügelaltären. 

*  Steinerne,  in  3  Giebel  endende  finden  sich  in  der  Stiftskirche  S,  Maria  auf  dem 
Berge  bei  Herford,  in  der "Wiesenkirche  zu  Soest  (XTV.  Jahrh.  Abb.  bei  Statz  u.  Un- 
gewitter,  Taf.  129  u.  130),  2  einfache  in  der  Wallfahrtskirche  zu  Maria-Neustift 
in  Steiermark,  in  der  Martinskirche  zu  Landshut  von  1424  mit  dem  Sakramentshaus 
verbunden,  2  spätestgotische  in  der  Kirche  zu  Wehrshausen  bei  Marburg.  Von  Stein 
ist  auch  der  nachher  zu  erwähnende  Reliquienaltar  im  Dome  zu  Paderborn.  Vereinzelt 
ist  der  in  Erz  gegossene  dreiteilige  von  1431  im  Westchor  des  Doms  zu  Augsburg. 

^  Vergl.  auf  der  Stahlstichbeuage  einen  der  künstlerisch  vollendetsten,  den  aus  der 
Klosterk.  zu  Blaubeuren  von  Jörg  Sürlin  d.  Jung. 

*  In  der  Nikolai  (Tauf-)Kapelle  am  Dome  zu  Worms  befinden  sich  zwei  mit  Hei- 
Hgengestalten  bemalte  Altarflügel,  die  dem  Ende  des  XII.  Jahrh.  angehören  sollen 
(Kugler,  Kl.  Schriften.  H,  736). 

^  Kugler,  Gesch.  der  Malerei.  2.  Aufl.  I,  168. 

Otte,  Knnvt-Arehftologie.    5.  Aafl.  10 


X46  Bilder-  und  Reliquienaltäre. 

Sitte  y  den  vollen  Prachtschmnck  der  Altäre  nnr  an  Festtagen  zu  enthüllen, 
welche  znr  Erfindung  der  dazu  besonderB  praktischen  verschliefsbaren  FlUgel- 
schreine  führte ,  die  anfangs  vermutlich  weniger  Bildwerke  als  Reliquien 
enthielten*  Auch  kam  es  vor,  dafs  man  jene  kostbaren,  mit  Gold  und  Edel- 
steinen geschmtlckten  Superfrontalien  zu  ihrem  Schutze  mit  Holzthttren  ver* 
sah,  wie  dies  noch  1418  mit  der  goldenen  Tafel  in  St.  Michael  zu  Lüneburg 
geschah,  woraus  sich  dann  später  die  Flügelbilder  entwickelten.  Einer 
anderen ,  wohl  minder  annehmbaren  Vermutung  zufolge  wären  die  Flügel- 
altäre aus  den  alten  bischöflichen  Diptychen  entstanden,  da  dergleichen 
Kirchenbücher  und  Kalender  mit  geschnitzten  Elfenbeindecken,  die  auf  den 
Altären  aufgestellt  wurden,  die  mannigfachsten  Verwandlungen  erlebt  haben 
und  endlich  zu  den  Altarbildern  erwachsen  sein  sollen,  wie  sie  noch  heute 
sind.^  Richtig  ist  es,  dafs  geschnitzte,  zum  Zusammenklappen  eingerichtete 
Elfenbeintafeln  im  Privatgebrauche  vielfach  zum  Schmucke  der  Hausaltäre 
verwendet  wurden;  vgl.  nachher  Anm.  1  über  die  Reisealtäre.  —  Das  Stre- 
ben, den  Altar  bei  verschiedenen  Veranlassungen  auch  in  verschiedenem 
Schmucke  erscheinen  zu  lassen,  führte  seit  dem  XIV.  Jahrh.  dazu,  den  Mittel- 
schrein mit  mehr  als  zwei  Thüren  zu  versehen,  die  beliebig  auf  beide  Seiten 
gewendet  werden  können  und  mannigfache  Verwandlungen  zulassen;  man 
hat  daher  diese  Schreine  Wandel altäre  genannt,  und  finden  sich  solche 
z.  B.  in  der  Moritz-,  Ulrichs-  und  Lorenzkirche  zu  Halle  a.  d.  S.  Von  neueren 
Kunstschriftstellem  sind  die  Flügelaltäre  je  nach  der  Anzahl  der  Teile,  aus 
welchen  sie  bestehen:  zweiteilige  Diptycha,  dreiteilige  Triptycha,  vier- 
teilige Tetraptycha,  fünfteilige  Pentaptycha  genannt  worden.  —  Ver- 
mutlich wurden  die  Flügelschränke  ursprünglich  nicht  unmittelbar  auf  die 
Mensa  selbst  gesetzt,  sondern  auf  das  Retabulum,  welches  ihnen  als  Sockel 
diente,  und  woraus  dann  die  Altarstaffel  (predelld)  hervorging.  Letztere 
bildet  entweder  ebenfalls  einen  offenen  oder  verschliefsbaren  Kasten  zur 
Aufnahme  von  Reliquiarien ,  oder  besteht  lediglich  aus  einer  schmalen ,  mit 
Malereien  geschmückten  Quertafel.  Die  unter  letzterer  angebrachten  Stufen 
(gradini)  zur  Aufstellung  des  Kruzifixes  und  der  Leuchter  scheinen  erst  der 
Renaissance  anzugehören.  Über  dem  Mittelschreine  bauen  sich  zuweilen 
noch  mehrere  Stockwerke  auf,  und  in  der  Krönung  des  Ganzen  ist  oft  noch 
ein  Gemälde  oder  Schnitzwerk  angebracht.  Auch  die  vom  Volke  abgewendete 
Kehrseite  frei  stehender  Altaraufsätze  enthält  oft  noch  Malereien. 

Aufser  den,  die  grofse  Mehrzahl  der  spätmittelalterlichen  Schnitzaltäre 
ausmachenden,  Bilderaltären  finden  sich  auch  andere  Aufsätze,  bei  denen  der 
Bilderschmuck  entweder  ganz  fehlt  oder  doch  sehr  zurücktritt,  und  deren 
eigentlicher  Zweck  die  Aufstellung  von  Reliquiarien  war.^  Solche  Reliquien- 
altäre haben  sich  nur  selten  erhalten,  z.B.  im  Dome  zu  Paderborn,  wo  der 
steinerne  Aufsatz  des  ehemaligen  Hochaltars  (bei  Laib  und  Schwarz  a.  a. 
0.  Taf.  XVL  7)  unter  einer  turmartigen  Krönung  fünf  vergitterte  Schreine 
nebeneinander  enthält;  im  Dome  zu  Münster,  wo  der  gegenwärtige  Aufsatz 
des  Hochaltars  einen  Schrein  mit  vielen  mittelalterlichen  Reliquiarien  ver- 


*  Förster,  Gesch.  der  deutsch.  Kunst.  I,  32  u.  141. 

*  So  der  grofse  Aufsatz,  in  welchen  die  goldene  Tafel  zu  Lüneburg  eingelassen 
war.  —  In  der  Altartafel  der  Marienkirche  zu  Lübeck  standen  1530  nicht  weniger  als 
70  silberne  inuigines. 


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Tragaliäre.  147 

deckt;'  in  der  Johanniakirche  zu  Ebbbd  ein  gtohar  vorzüglich  gch9ner 
Schrank,  von  vergoldeten  gotischen  Ei aengittern  verachlosBen;  in  der  Kirche 
EU  Doberan  zeigt  der  Schrein  dea  Hochaltars  6  tiefe  Fächer,  nach  hinten 
mit  ThOren  versehen.  Auch  der  Choraltar  von  St.  Ursula  zn  K91n  läfst  auf 
der  Rückseite  noch  einen  von  vier  Situlen  getragenen  hölzernen  Schrein  er- 
kennen mit  drei  aus  dem  Xll.  Jahrb.  stammenden  (verdorbenen)  Pracht- 
Bälden.  —  BilderaltSre ,  deren  Predellen  znr  Aufnahme  von  Reliquien  be- 
Btimmt  waren,  finden  sich  z.  B.  in  der  Stiftskirche  zuMoosbnrg,  in  Blau- 
beuern,  in  der  Lorenzkirche  zn  Nürnberg,  in  der  Oberkirche  zu  Frank- 
furt &.  0. 

Entweder  vollständig  oder  doch  in  einzelnen,  an  den  daran  befindlichen 
Haspen  leicht  kenntlichen  Teilen  finden  sich  Schrank-  nnd  Flügelaltäre  in 
Deutschland  überall  noch  zahlreich,  besonders  in  den  evangelischen  Kirchen 
Nord-Deutschlands  sehr  hSufig  und  zwar  oft  noch  auf  ihrer  ursprünglichen 
Stelle,  wenn  aoch  zuweilen  durch  modernen  Ölfarbenanstrich  entstellt.*  Die 
Zahl  ist  eine  so  grofse,  dafg  eine  Aufzahlung  auch  nur  der  künatlerisch  be- 
sonders hervorragenden  an  dieser  Stelle  unmöglich  ist.   Sie  werden  ihre  ein- 
gehendereBesprechung  im  zweiten,  geschichtlichenTeile  dieses  Werkes  finden. 
Anmerkung  1.     Tragaltäre   (ßltaria  viatica,   itineraria,  portatilia, 
motoria,   gestatoria),'  deren   sicli   infolge   päpstlicher  Privile^en  seit   dem 
VII.  Jahrh.  nur  Könige  nnd  Fürsten,  hohe  Geistliche,  Missionare  nnd  die  Äbte 


Tig.  U.    Tri«ilUr  lu  Stift  Melk  (nieh  dam  Oitiir.  AUu). 

einiger  Mönchsorden  auf  Reisen  etc.  bedienen  durften,  beatehen  aus  einem 
kleinen,  in  Holz  oder  Metall  gefafsten  Steine,  auf  welchem  nur  Raum  für  die 
Hostie  und  einen  kleinen  Reisekelch  ist.  Der  Stein  (.lapis,  tabula)  ist  gewöhn- 
lich ein  edler  (litium  honestissimwii):  Onyx,  Achat,  Verde  antico,  Amethyst, 
Serpentin,  Porphyr  etc.,  oft  in  Gold  oder  doch  in  vergoldetes  Kupfer  gefafst, 
welches  emailliert  oder  sonst  reich  vorziert  und  auf  einer  ebenfalls  omamen- 


erri.  Didron,  Annales.  XVm,  M4  sqq. 
n  Jahre  1860  waren   im  damaligen  Eöniir 


*  Im  Jahre  1860  waren  im  damaligen  Königreiche  Hannover  bereits  gegen  30D 
Flügelall&re  nachgewiesen,  die  meisten  im  Löneburgischen,  in  Ostfrieeland  kaum  mehr 
als  ein  halbes  Dutzend.  Vergl.  F.  H.  Müller,  a.  a.  0.,  49.  —  In  Schlesien  sind  eben- 
tallB  weit  über  100  noch  voUständig  erhaltene  nachgewiesen. 

*  Kaiser,  J.  B.,  disa.  hist.-ecclcs.  de  altaribus  [wrtatilibQs.  Jeu.  1695.  —  Bar- 
cel,  *lfr  ,  leg  auteb  porfatifa,  inAnnalea  archeol.  Didron,  XYI,  71 — S9;  vergl.  ebd. 
IV,  289;  auch  Laib  u.  Schwarz,  Studien  etc.,  44  ff.  u.  aua'm  Weerth,  n,  51. 


148  Tragaltäre. 

tierten  hölzernen  Unterlage  befestigt  ist.  Die  Reliquien ,  deren  Vorhandensein 
wesentlich  ist,  sind  entweder  nnter  der  Steinplatte  oder  in  den  vier  Ecken 
der  Umrahmung  geborgen ,  und  bei  gröfseren  Reliquien  nimmt  das  Altärchen 
die  Form  eines  sarkophagartigen,  zuweilen  auf  Metallfttfsen  (Tierklauen)  ruhen- 
den hölzernen  Kärtchens  an,  welches  mit  Elfenbeinskulpturen,  getriebenen 
Silber-  und  Goldplättchen,  Emails  etc.  belegt  ist.  Die  meisten  Tragaltäre  sind 
zwar  rechteckig,  doch  kommen  auch  runde  vor.  Obgleich  in  alten  Schatz- 
verzeichnissen  vielfach  erwähnt,  sind  doch  die  Reisealtärchen  verhältnismäfsig 
selten  auf  unsere  Zeit  gekommen.  Der  älteste  dürfte  der  laut  Inschrift  von 
König  Arnulf  (f  899)  geschenkte,  aus  St.  Emmeram  in  Regensburg  in  die 
Reiche  Kapelle  zu  München  gekommene  sein,^  schon  in  einem  Berichte  von 
1161  als  ^iurrita  aedicuia<^  bezeichnet,  der  sich  von  allen  anderen  dadurch 
unterscheidet,  dafs  er  über  der  Platte  einen  Ciborienaufbau  von  goldenen  Säu- 
len trägt,  über  dem  sich  noch  ein  zweites  niedrigeres  Geschofs,  ein  auf  vier 
kürzeren  Säulen  ruhendes  Giebeldach  erhebt,  so  dafs  das  Ganze  die  Höhe  von 
0,63  erreicht.  —  Angeblich  dem  X.  Jahrh.  gehört  ein  im  Museum  zuDarmstadt^ 
befindlicher  an  —  dem  XL  Jahrh.  einer  in  München  (aus  Bamberg  stammend),' 
einer  im  Dome  zu  Paderborn,  laut  Inschrift  und  Urkunden  zum  Andenken 
Bischof  Meinwerks  von  seinem  Nachfolger  Heinrich  von  Werl  durch  den  Mönch 
Rogkerus  von  Helmwardeshusen,  den  man  jetzt  für  identisch  mit  dem  Theo- 
philus  presbyter  hält,  kurz  vor  1100  angefertigt,*  zwei  aus  der  Mitte  des  Jahr- 
hunderts in  der  Pfan'kirche  zu  Siegburg, ^  einer  im  Archiv  des  Domkapitels  zu 
Merseburg,  von  dessen  rohem  Schmuck  nur  noch  einige  getriebene  Messing- 
reliefs übrig  sind,  und  einer  mit  Elfenbeinreliefs  an  den  Seiten  im  Stift  Melk 
zwischen  1056  und  1075  entstanden^  —  dem  XH.  Jahrh.  ebendaselbst  ein 
zweiter  mit  Elfenbeinreliefs,  andere  in  Köln  im  Privatbesitz,^  aus  St.  Maria  im 
Kapitol^  und  im  erzbischöflichen  Museum,  aus  der  Abteikirche  zu  Gladbach,^ 
einer  in  Paderborn  aus  Kloster  Abdinghof,  angeblich  von  1118,^^  zwei  im  Dom- 
schätze  zu  Bamberg,  der  eine  angeblich  der  Heinrichs  U.,^^  zwei  im  Dom- 

*  Farbige  Abb.  in  Zettler,  Enzle'r  &  Stockbauer,  ausgew.  Kunstwerke  aus 
dem  Schatze  der  Reich.  Kap.  zu  M.  1876.  Taf.  17.  —  Vergl.  Bericht  von  den  heil. 
Leibern  u.  Reliquien,  welche  in  ...  S.  Emmeram  aufbehalten  werden.  Regensburg 
1761,  82  «F.;  bei  Laib  u.  Schwarz,  a.  a.  0.,  60. 

»  No.  690;  Abb.  bei  Müller,  Hub.,  Beiträge  etc.  H,  1.  Taf.  3.  6.  Daselbst  be- 
finden sich  noch  drei  mit  Elfenbeinreliefs  geschmückte,  darunter  der  bedeutendste,  der 
aufser  den  Figuren  Christi,  der  Maria,  der  12  Apostel,  des  Joh.  Bapt.  auch  die  der  h.  h. 
Laurentius  und  Caecüia  enthält  —  nach  Schäfer,  G.,  Denkm.  der  Elfenb.-Plastik  des 
Grh.  Mus.  zu  Darmst.  S.  64  aus  dem  Ende  des  XH.  Jahrh. 

^  Abb.  bei  Labarte,  peinture  en  email  pl,  5.  —  Becker-  v.  Hefner.  HI,  Taf. 
30.  Yerd.  Sighart.  I,  127. 

^  Abb.  Org.  f.  ehr.  K.  1861.  No.  7,  artist.  Beil.;  Bucher,  Gesch.  techn.  K.  Ry 
210.  Fig.  84. 

*  Abb.  bei  aus'mWeerth.  Taf.  XLYH,  1—1  b.  (Altar  des  h.  Mauritius)  und  Taf. 
XLVm,  1— 1  b.  (Alt.  des  h.  Gregorius.) 

»  Vergl.  K.  Lind,  in  den  mü.  C.-K.  XV,  30  ff.,  mit  2  Taff.  u.  Holzschn.;  Ost. 
Atlas.  LXXXVI,  8.  10. 

'  Abb.  Heideloff,  Ornamentik.  Lief.  8.  Bl.  3, 

«  Abb.  Bock,  d.  heil.  Köhi.  Taf.  29.  Fig.  94.  94  a, 

»  Abb.  aus'm  Weerth.  Taf.  XXXI,  9— 9  c.;  Bock,  Kheinl.  Baud.  I,  1.  Fig. 
12.   13. 

»  Abb.  Orc.  f.  ehr.  K.  1866.  No.  1,  artisi  Beil. 

**  Abb.  Labarte,  bist,  des  arts  indust.  Taf.  108. 


fieisealtäre.  149 

schätze  zu  Osnabrück,^  mehrere  im  Weifen-Schatze  ebemalB  zu  Hannover,* 
einer  in  Sigmaringen,'  in  der  Stiftskirche  zu  Fritzlar  (mit  Elfenbein- 
statuetten der  Apostel)  und  im  Kunstgewerbe -Museum  zu  Berlin  —  dem  XIII. 
Jahrh.  aus  Kloster  Sayn  bei  Koblenz  im  Privatbesitz*  —  dem  XIV.  Jahrh.  im 
Stift  zu  Admont  von  1375.*  Der  Reisealtar  des  heil.  Willibrord  in  der  Lieb- 
frauenkirche zu  Trier  ist  ein  Kästchen,  welches  mit  Elfenbein-  und  Metall- 
plättchen  von  roh  byzantischer  und  streng  romanischer  Arbeit  bekleidet  ist, 
untermischt  mit  gotischer  des  XIV.  Jahrhunderts.^  Auf  den  Tragaltar  des  heil. 
Andreas  zu  Trier  ist  statt  der  Mittelplatte  der  Fnfs  des  Apostels  in  Relief  ge- 
setzt —  ist  also  dermalen  vielmehr  ein  Reliquiar.^  Im  Dome  zu  Xanten  be- 
findet sich  ein  Reliquienkästchen  aus  dem  XII.  Jahrh.,  welches  ursprünglich 
ein  Tragaltar  war,  dessen  geweihten  Stein  man  später  entfernt  und  durch  eine 
Silberplatte  ersetzt  hat.^  Auch  besitzt  das  German.  Museum  zu  Nttrnberg 
einen  Tragaltar  von  1479,  der  aus  einem  mit  bunten  Hölzern  eingefafsten  po- 
lierten Solenhofer  Kalksteine  besteht.^  Auch  an  dem  zu  Diebolsheim  bei 
Schlettstadt  von  1501  ist  der  Stein  in  italienische  Marqueteriearbeit  gefafst. 

Zum  ferneren  Schmucke  der  beweglichen  Altäre  nicht  nur  für  die  Privat- 
andacht reicher  Leute,  sondern  auch  wenn  Kranken  und  Sterbenden  das  Viati- 
cum  zu  reichen  war,  gehörten  die  kleinen  Aufsätze  in  Form  der  Flügel-  oder 
Klappaltäre,  aus  Elfenbein,  edlem  Metall,  bemalten  Tafeln  u.  s.  w.,  welche 
unter  dem  Namen  der  Reisealtäre  in  den  Museen  und  Sammlungen  häufig 
vorkommen.  Wir  nennen  unter  bemerkenswerteren  Elfenbein-  oder  Walrofs- 
zahnarbeiten:  ein  Triptychon  im  Privatbesitz  zu  Frankfurt  a.  M.  aus  dem 
XI.  Jahrh., *<*  dann  aus  dem  XIV.  Jahrh.  ein  Triptychon  des  Grafen  Eltz  zu 
Eltville,**  ein  Pentaptychon  aus  der  Liebfrauenkirche  zu  Halberstadt  im 
Zither  des  dortigen  Domes  No.  15,**  ein  sehr  ähnliches  Diptychon  zu  Klos- 
terneuburg,** ein  Triptychon  im  Privatbesitz  zu  Krakau,**  zwei  Dip- 
tychen bei  den  welschen  Nonnen  zu  Trier**  und  eins  zu  Würzburg*®  — 
von  emaillierten  Kupferarbeiten  aus  dem  XII.  Jahrh.  ein  Triptychon  im  Erz- 
bischöfl.  Museum  zu  Köln  (No.  261  des  Katalogs  von  1855)  und  das  Flügel- 
altärchen  des  heil.  Andreas  im  Dome  zu  Trier,  unvollständig  und  teilweise 
modernisiert*^  —  von  vergoldeten  Silberarbeiten  das  Diptychon  des  Haus- 

*  Abb.  Mitt.  des  bist  Vereins  zu  Osaabr.  XI.  Taf.  4  u.  5. 

*  »  Vogell,  C.  A.,  Kunstarbeiten  aus  Niedersachsens  Vorzeit.  Heft  3.  BL  16 — 
18.  Der  eine  mit  der  Inscbrift  Eübertua  Coloniensis  me  fecit  auch  bei  Bucher,  a,  a. 
0.  I,  3.  Aufser  diesen  im  "Weifenschatze  noch  14  andere  Tragaltäre,  mehrere  nicht 
publizierte  auch,  in  Hildesheim. 

3  Abb.  bei  v.  Hefner,  die  Eunstkammer  u.  s.  w.  Sigmaringen.  1866.  Taf.  49. 

*  »      »    Laib  u.  Schwarz,  a.  a.  0.  Taf.  X,  6. 

«  »  in  den  Mitt.  C.-K.  V,  21  und  XVin,1163  nebst  Taf.  11. 

«  »  bei  aus'm  Weerth.  Taf.  LX,  3— 3e. 

'  >  ebda.  Taf.  LV. 

*  »  »Taf.  XVn,  4  vergl.  Bd.  n,  4. 

*  Anz.  G.  M.  1856,  236. 

w  Photogr.  Frankfurter  Ausstellung.  Bl.  18.  No.  2.      »  Ebd^.  No.  1. 

"  Abb.  bei  Bock,  in  den  Mitt.  C.-K.  XEI,  78. 

»  Ebda.  N.  F.  V,  67. 

"  Abb.  bei  Becker-  v.  Hefner.  HI.  Taf.  57. 

«     »      »    aus'm  Weerth.  Taf.  LVIII,  5  u.  7. 

«     »      »    Becker-  v.  Hefner.  I.  Taf.  36  u.  37. 

"     »      »    aus'm  Weerth.  Taf.  LVn,  7. 


150  Eeisealtäre.    Bildschmuck  der  Altäre. 

komturs  Thile  Dagister  von  Lorich  zu  Elbing  von  1388,  welches  in  der 
Schlacht  bei  Tannenberg  1410  von  den  Polen  erbeutet  und  dem  Dome  zu 
Gnesen  geschenkt  wurde,  jetzt  aber  sich  auf  der  Marienburg  befindet,^  das 
Tetraptychon  im  Dome  zu  Salzburg  aus  dem  XV.  Jahrb.,  dessen  vier  Aufisätze 
die  Buchstaben  M.  A.  RI.  A.  tragen.'  Das  gröiste  wird  der  reich  mit  Reliquien- 
behältern besetzte,  0,95  hohe  ELlappaltar  zuMariapfarr  imLungauvon  1443' 
sein,  zu  den  kleinsten  gehört  das  noch  nicht  0,03  hohe  Altärchen  in  Gestalt 
einer  viereckigen  Laterne,  im  Innern  mit  der  Anbetung  der  heil.  3  Könige  im 
Kunstgewerbe-Museum  zu  Berlin,  Raum XXXV  Schrank  378.  Das  künstlerisch 
hervorragendste  ist  das  Reisealtärchen  der  Maria  Stuart  in  der  Reichen  Kapelle 
zu  München,^  geschlossen  nurO,04t  breit  und 0,052  hoch,  die  miniaturartigen 
Relief  bilder  der  Vorder-  und  Rückseiten  mit  6mail  translucide  überzogen,  wahr- 
scheinlich eine  kölnische  Arbeit  aus  der  Mitte  des  XIV.  Jahrh.  Ungewöhnlich 
in  der  Form  ist  das  0,75  hohe,  ganz  wie  eine  Monstranz  1494  auf  Befehl  des 
Abts  Rupert  gearbeitete  Hausaltärchen  in  der  Schatzkammer  des  Petersstifts 
zu  Salzburg.^  Ingeniös  ist  die  Einrichtung  zum  Zusammenklappen  und  Tragen 
an  einem  hölzernen  aus  dem  Ende  des  XV.  Jahrh.  in  der  Schatzkammer  der 
Marienkirche  zu  Danzig  (Phot.  bei  Hinz  Taf.  XIX).  —  In  der  Earche  zu  Kirch- 
linde bei  Dortmund  befindet  sich  ein  in  Holz  geschnitztes  Flügel  werk  aus  dem 
XIV.  Jahrh.,  das  aus  einer  Menge  kleiner  quadratischer  Felder  besteht,  deren 
jedes  eine  durch  eine  Glasscheibe  geschützte  Reliquie  enthält.®  —  Sehr  häufig 
kommen  in  den  Sammlungen  (z.  B.  im  Kunstgewerbe -Mus.  zu  Berlin,  im  Mus. 
zu  Breslau  und  dem  des  Gr.  Gartens  zu  Dresden)  kleine,  0,078 — 0,1 05  hohe  in 
Bronze  gegossene  byzantinisch -russische  Klappaltärchen,  sämtlich  von  ganz 
gleichem  Typus,  vor. 

Anmerkung  2.  Bei  aller  Mannigfaltigkeit  des  Bildschmuckes  der 
Altäre  kehren  doch  gewisse  ikonographische  Grundzüge  regelmäfsig  wieder. 
Auf  den  romanischen  Antependien  erscheinen  unter  Bogenstellungen  einzelne 
Figuren:  der  verherrlichte  Christus,  meist  mit  den  Evangelistenzeichen,  nimmt 
stets  den  mittleren  Ehrenplatz  ein,  auf  beiden  Seiten  umgeben  von  den  Erz- 
engeln Gabriel  und  Michael  und  einzelnen  Heiligen,  oder  von  den  in  einer 
Doppelreihe  angebrachten  Aposteln.  Die  älteren  gestickten  folgen  meist  die- 
sem Typus,  z.  B.  das  Marienberger,  während  das  Berner  die  Maria  als  Thron 
Salomos  zum  Hauptbilde  hat.  Jedoch  besteht  schon  der  Schmuck  desjenigen 
aus  Marienwerder  aus  lauter  Medaillons  mit  Sirenen  und  anderen  Ungetümen, 
die  späteren  aus  dem  Lübecker  Dom  und  Kl.  Ribnitz  enthalten  sogar  die  Fuchs- 
fabel ausführlich,  und  die  Braunschweiger  sind  neben  dem  Symbol  des  Pelikans 
hauptsächlich  durch  Reiterfiguren  mit  Wappenschilden  und  der  Devise  ^amo^ 
ausgefüllt.  Gewöhnlich  enthalten  jedoch  auch  die  späteren  ein  grofses  Haupt- 
bild derMajestas  domini  oder  der  Kreuzigungsgruppe,  andere  sind  mit  Marien- 
darstellungen geschmückt,  so  kommt  z.  B.  die  Einhornsjagd  zu  Brandenburg 
(in  St.  Gotthard),  Canstatt  und  Isenhagen  vor.  Wo  gröfsere  Cyklen  von  Scenen 

^  lichtdrack  bei  Ad.  M.  Hildebrandt,  herald.  Meisterwerke  von  der  Ausstellung 
für  Heraldik  zu  Berlin  1882.  Taf.  12. 

2  Abb.  in  den  Mitt.  C.-K.  XVm,  160.  Fig.  18. 

3  »     ebda.,  206. 

*  »     bei  Zettler  u.  s.  w.,  a.  a.  0.  BL  20;  Becker-  v.  Hefner.  ÜI,  10. 
»     »     Mitt.  C.-K.  Xm,  51  und  XVHI,  Tafel  zu  315. 

•  Lübke,  W.,  Kunst  in  Westfalen,  391. 


Bildschmuck  der  Altäre.    Altarkreuz.  151 

ans  dem  Leben  Jesu  oder  der  heil.  Jongfran  vorkommen,  sind  sie  oft  (z.  B. 
Brandenburg  Dom)  als  Rundbilder  zwischen  Omamentmotiven  behandelt.  — 
Die  Flügelschreine  zeigen  die  gröiseste  Mannigfaltigkeit,  doch  nimmt  der 
Mittelschrein  stets  die  Hauptdarstellung  auf,  die  aus  der  nentestamentlichen 
Geschichte,  zuweilen  mit  Gegenüberstellung  der  alttestamentlichen  Typen, 
oder  aus  der  Legende  des  Heiligen,  dem  der  Altar  gewidmet  ist,  gewählt  ist; 
auf  den  Flügeln  erscheinen  häufig  einzelne  Heilige,  deren  Reliquien  in  dem 
Altare  enthalten  waren,  oder  die  von  den  Donatoren  (die  ebenfalls  oft  in 
betender  Stellung  dargestellt  werden)  besonders  verehrt  wurden,  vorzugsweise 
häufig  die  Patrone  der  betreffenden  Earche,  Stadt,  des  Landes  oder  Stiftes. 
Auf  der  Predella  kehrt  namentlich  das  Schweifstuch  der  Veronika,  auch 
das  heilige  Abendmahl  oft  wieder,  und  auf  der  Rückseite  des  Altars,  hinter 
dem  man  Beichte  zu  sitzen  pflegte,  eine  Darstellung  des  jüngsten  Gerichts, 
häufig  auch,  besonders  in  Süd-Deutschland  abermals  das  Schweifstuch,  und 
zwar  meist  in  sehr  abgegriffenem  Zustande,  weil  die  bei  Opfergängen  um  den 
Altar  Herumgehenden  dies  Bild  entweder  küfsten  oder  mit  der  rechten  Hand 
berührten  und  sich  dann  bekreuzigten.  —  Auf  Tragaltären  umgeben  den  mitt- 
leren Stein  einzelne  Figürchen  von  Heiligen  oder  Engeln  auf  der  Umrahmung 
und  die  Evangelistenzeichen  oder  die  Paradiesesflüsse  auf  den  vier  Ecken ; 
die  Rückseite  zeigt  häufig  eine  Ornamentation  in  sich  wiederholendem  Muster 
(ä  diapri).  Bei  den  Altärchen  in  Kastenform  sind  die  Bilder  der  Seitenflächen 
gewöhnlich  ganz  nach  dem  Vorbilde  der  Antependien  disponiert,  meist  die 
Apostel  oder  Propheten,  aber  auch,  wie  in  Melk,  Scenen  aus  der  evange- 
lischen Geschichte.  —  Die  Reisealtärchen  sind  der  überwiegenden  Mehr- 
heit nach  Marienaltäre. 

35.  Ein  Kreuz,  dazu  bestimmt,  dafs  Priester  und  Volk  den  Opfer- 
tod Christi  stets  vor  Augen  haben  sollen,  gehörte  seit  den  ältesten  Zei- 
ten zur  liturgischen  Zurüstung  der  Altäre.  Wie  das  Ciborium  selbst  oft 
aus  edlem  Metalle  verfertigt,  stand  es  anfangs,  den  architektonischen 
Abschlufs  des  ersteren  bildend,  oben  auf  demselben  oder  hing  über  dem 
Altare  schwebend  von  dem  Ciborium  herab,  wurde  später  auf  dem  Reta- 
bulum  und  endlich  auf  der  Mensa  selbst  zwischen  den  Leuchtern  als 
Altarkruzifix  au%estellt,  welchen  Platz  es  bis  heute  behauptet 

Nachrichten  mittelalterlicher  Schriftsteller,  besonders  aus  dem  Ponti- 
fikalbuche  des  Bibliothekars  Anastasius,  über  das  Kreuz  auf  dem  Ciborium 
in  römischen  Basiliken,  s.  bei  Laib  und  Schwarz,  Studien  etc.  S.  24  u. 
31  ff.,  und  damit  übereinstimmend  die  Abbildungen  der  Ciborienaltäre  in 
SS.  Nereo  ed  Achilleo,  S.  Maria  in  Toscanella  und  S.  Giorgio  in  Velabro 
(Taf.  UI.  5,  XI.  2.  4).  Das  Kreuz,  welches  hier  lediglich  als  passender 
omamentaler  Abschlufs  des  Ciboriums  erscheint,  konnte  indes  auch  fehlen, 
wie  die  Betspiele  von  S.  demente  und  S.  Agnese  aufserhalb  der  Stadt,  auch 
S.  Ambrogio  in  Mailand  (Taf.  III.  1.  13.  7)  beweisen.  —  Belegstellen  über 
Kreuze,  die  zuweilen  in  Verbindung  mit  Kronleuchtern  über  dem  Altare 
hingen,  ebd.  S.  32.  Nach  dem  Visitations- Protokolle  vom  J.  812  (Monu- 
mentaBoica?,  83)  hing  in  der  Michaeliskirche  zuStafiTelsee  über  dem  Altare 
eine  Krone  von  vergoldetem  Silber,  2  Pfund  schwer,  in  deren  Mitte  auf 


152  Altarkreuze. 

einer  Krystallkugel  ein  Krenz  ans  vergoldetem  Kupfer  glänzte,  und  fünf- 
unddreifsig  bunte  Perlschnüre  umgaben  die  Krone  im  Kreise.  —  Von  der 
Aufstellung  eines  Kreuzes  auf  dem  wagerechten  Retabulum  sind  bei  Laib 
und  Schwarz  a.  a.  0.  Taf.  UI.  9,  VI.  4,  IX.  7  Beispiele  aus  Frankreich 
gegeben.  Die  Aufstellung  eines  Kruzifixes  auf  dem  Altartische  selbst  er- 
scheint schon  in  dem  Bilde  des  vor  dem  Altare  knieenden  Bischofs  Mein- 
werk auf  dem  Paderborner  Tragaitärchen  aus  dem  Ende  des  XI.  Jahrh. 
(s.  oben  S.  148)  und  beweist  durch  Vergleichung  mit  den  oben  angeführ- 
ten, zum  Teil  gleichzeitigen  und  späteren  Beispielen  von  Kreuzen  auf  dem 
Ciborium  und  auf  dem  Retabulum,  dafs  eine  chronologische  Sonderung  dieser 
verschiedenen  Aufstellungsarten  nicht  streng  durchgeführt  werden  kann; 
doch  wird  man  annehmen  dürfen,  dafs  mindestens  seit  dem  XIII.  Jahrh.  das 
Kruzifix  allgemein  seine  Stelle  auf  der  Mensa  erhielt.^  —  Die  älteren  Kreuze 
haben  meistens  an  den  Enden  der  Arme  quadratisch  erweiterte  Ansätze,  in 
der  ältesten  Zeit  nur  mit  Edelsteinen  oder  Glasflüssen,  später  mit  den 
Evangelistenzeichen,  Prophetenfiguren  oder  biblischen  und  physiologischen 
Typen  von  Christi  Tod  und  Auferstehung  in  Email,  Relief  oder  Gravierung 
geschmückt;  in  gotischer  Zeit  verwandelt  sich  das  Quadrat  in  das  Kleeblatt 
oder  den  Vierpafs.  —  Von  den  Altarkreuzen  sind  zwar  die  Reliquien-  und 
Vortragekreuze  zu  unterscheiden,  fallen  jedoch  mit  diesen  oft  in  sofern  in 
dieselbe  Klasse,  als  man  Reliquien-  und  Vortragekreuze  auch  als  Altarkreuze 
zu  gebrauchen  pflegte,  indem  man  letztere  von  der  Stange  herabnahm  und 
mit  der  unten  daran  befindlichen  Spitze  in  ein  Postament  steckte,  oder  um- 
gekehrt Altarkreuze  auf  Prozessionsstangen.'  So  ruht  das  wohl  vom  Anfange 
des  XI.  Jahrh.  stammende  Lotharkreuz  im  Schatze  des  Münsters  zu  Aachen' 
zwar  jetzt  auf  einem  spätgotischen  Fufse,  war  aber  ursprünglich  wohl  ein 
Prozessionskreuz,  und  ebenso  verhält  es  sich  mit  einem  Prachtkreuze  in 
St.  Mauritz  zu  Münster  vom  Ende  des  XI.  Jahrh.,  welches  jetzt  auf  einem 
gotischen  Untersatze  befestigt  ist.^  Beide  Kreuze  sind,  wie  dies  in  der 
romanischen  Epoche  gebräuchlich  war,  und  wie  vier  Prachtkreuze  aus  dem 
X.  u.  XI.  Jahrh.  im  Stiftsschatze  zu  Essen  (s.  S.  154  Fig.  56)  auf  uns  ge- 
kommen sind,  aus  Holz,  mit  Goldblech  in  getriebener  Arbeit  bekleidet,  mit 
Edelsteinen  und  Emails  geschmückt.    Anderweitig  begnügte  man  sich  mit 


*  Durandus  1.  1  c.  3  n.  31 :  hinter  duo  candelabra  cmx  in  altari  media  cöllo- 
catur.*  —  Als  bei  der  Krönung  K.  Rudolfs  I.  1273  kein  Scepter  bei  der  Hand  war, 
ergriff  er  anstatt  dessen  das  auf  dorn  AItai*e  stehende  Kreuz.  Vergl.  aus'm  Weerth 
n.,  132.  —  Dessenungeachtet  fehlt  das  Kruzifix  auf  vielen  Abbild,  geschmückter 
Altäre  aus  dem  späteren  M.-A.;  z.  B.  bei  Laib  und  Schwarz  a.  a,  0.  Taf.  TUT.  1. 
2.  3.  5.  7.  8.  Auch  auf  den  Altären  im  Gndtempel  des  jüngeren  Titurel  wird  es  nicht 
erwähnt. 

»  Vergl.  Jakob,  169. 

'  Abb.  bei  Bock,  Pfalzkapelle  I,  1.  Fig.  15.  16,  der  Fuls  das.  im  Anhang  Bl.  5, 
Fig.  1.  2;   aus'm  Weerth,  Taf.  XXXIX,  l  u.  XXXYH,  3. 

*  Abb.  bei  Seemann,  CXXXXVIIL,  4.  üm^kehrt  finden  sich  auch  jüngere 
Kreuze  auf  älteren  Füfsen,  z.  B.  ein  Fufe  aus  dem  aH.  Jahrh.  aus  dem  Schatze  von 
6t.  Michael  zu  Lüneburg  in  der  Goldkammer  zu  HannoTer  (abgebildet  bei  Yogell, 
C.  A.,  Kunstarbeiten  aus  Niedersachsens  Vorzeit,  Heft  1)  und  ein  anderer  aus  dem 
XTT.  Jahrh.  in  der  Kathol.  Kirche  zu  Basel  (abgebildet  in  den  Mitteil,  der  Gesellsch. 
für  Vaterland.  Altert,  in  Basel  IX,  8.  9),  beide  mit  den  Figuren  der  vier  Evangeüsten 
geschmückt. 


Altarkreuze.  I53 

vergoldeten  Platten  unedlen  Metalls,  und  besonders  kommen  in  Westfalen 
Kruzifixe  aus  Kupfer  vor,  die  einen  sehr  altertümlichen  Charakter  haben :  im 
bischöflichen  Museum  zu  Münster  (mehrere),  in  der  Kirche  zu  Brilon  etc. 
Silberne  Kruzifixe  romanischer  Zeit  in  der  evangel.  Stiftskirche  zu  Herford, 
ein  messingenes  in  der  Kirche  zu  Attendorn.  Alle  diese  Kreuze  sind  auf 
der  Rückseite  mit  gravierten  Darstellungen  verziert.  —  Höchst  merkwürdig 
ist  ein  grofses  (restauriertes)  Kruzifix  aus  Elfenbein  (19  ^/^  Pfd.  schwer)  im 
Dome  zu  Bamberg,  der  mehrhundertjährigen  Tradition  zufolge  ein  Geschenk 
K.  Heinrichs  II.  —  Das  Kunstgewerbe-Museum  zu  Berlin  besitzt  eine  ganze 
Sammlung  älterer  Kruzifixe  von  0,31 — 0,62  Höhe,  meist  aus  vergoldeter 
Bronze,  teils  mit  Reliefs,  Medaillons  und  Emails,  teils  mit  Steinen  verziert; 
die  Mehrzahl  waren  Vortragekreuze,  einzelne  von  Altären.  Auch  im  National- 
Museum  zu  München  finden  sich  mehrere  Kruzifixe  dieser  Art.  —  Aus  goti- 
scher Zeit  haben  sich  sehr  viele  Kreuze  erhalten,  welche  zuverlässig  bereits 
ursprünglich  zu  Altarkruzifixen  bestimmt  waren ,  obgleich  ein  grofser  Teil 
derselben  zugleich  auch  in  die  Kategorie  der  Reliquienkreuze  fällt:  sie  sind 
aus  edlem  oder  gemeinem  Metall,  aus  Elfenbein,  am  häufigsten  aber  aus  be- 
maltem Holz  verfertigt.  Als  eines  der  mustergiltigsten  und  schönsten  früh- 
gotischen Beispiele  kann  das  von  K.  Ottokar  von  Böhmen  (f  1278)  her- 
stammende, als  Altarkreuz  behandelte  Reliquienkreuz  im  Domschatze  zu 
Regensburg  angeführt  werden.*  Der  bewegliche  Oberteil  desselben  (das 
eigentliche  Kreuz)  soll  von  gediegenem  Golde  sein  und  ist  auf  der  Vorder- 
seite mit  vielen  böhmischen  Steinen ,  auf  der  Rückseite  mit  der  Kreuzigung 
iuNiello  verziert;  das  Fufsgestell  ist  von  vergoldetem  Silber  und  war  ehedem 
mit  Emails  geschmückt.  Nicht  viel  jünger  dürfte  das  aus  Bergkrystallstücken 
zusammengesetzte  und  in  vergoldetes  Silber  gefafste,  0,79  hohe  Altar-  (und 
Prozessions-)  Kreuz  sein,  welches  aus  der  gröfseren  Sammlung  des  Fürsten 
von  HohenzoUern- Sigmaringen  im  erzbischöfl.  Museum  zu  Köln  befindlich 
war  (Katalog  von  1855  No.  269).  Ein  Kruzifix,  von  2  Engeln,  die  Reliquien- 
kapseln tragen,  begleitet,  italienische  Arbeit  des  XV.  Jahrh.  in  6mail  trans- 
lucide,  ist  aus  dem  Baseler  Domschatze  in  das  Kunstgewerbe -Museum  zu 
Berlin  (Schrank  378)  übergegangen. 

Aufser  den  zum  Schmucke  des  Altars  selbst  verwendeten  Kreuzen  kam 
es  im  früheren  Mittelalter  auch  vor,  dafs  man  vor  dem  Altare  ein  gröfseres 
monumentales  Prachtkreuz  frei  aufstellte.  So  stiftete  Leo  IH.  (795 — 816) 
in  St.  Peter  zu  Rom  ein  Kruzifix  vom  reinsten  Silber,  72  Pfund  schwer, 
welches  mitten  in  der  Kirche  stand,  und  einen  anderen  Orucifixus  von  be- 
wundernswerter Gröfse,  ebenfalls  von  Silber  und  52  Pfund  schwer,  liefs  er 
vor  dem  Hochaltare  aufstellen.^  Von  dieser  Art  dürfte  das  Kreuz  gewesen 
sein,  welches  der  Dom  zu  Mainz  besafs,  und  welches  Benna^  genannt 


*  Vgl.  Bock,  Fz.,  u.  Jakob,  G.,  die  mittelalterl.  Kunst  in  ihrer  Anwendung  zu 
liturg.  decken.  Regensb.  (1857),  14.  No.  57,  und  die  Abbild,  bei  Jakob,  die  Ejonst 
etc.,  Taf.  Xm,  11. 

^  Nach  dem  lib.  pontif.  des  Anastasius  bei  Laib  u.  Schwarz,  a.  a.  0.,  33. 

^  Der  Name  Ben  na,  mlat.  «.  vas  (vrgl.  Diez,  Wörterb.  d.  roman.  Spr.  4.  Ausg., 
48),  bezieht  sich  darauf,  daCs  an  diesem  Kreuze  der  Körper  des  Gekrouzicten  als 
Reliquiarium  diente.  Davon,  daüs  Kreuze  und  andere  Prachtgeräte  der  Kironen  mit 
ISgennamen  belegt  wurden,  finden  sich  mehrere  wenn  auch  spätere  Beispiele.  Im 
Inventarium  der  GeorgskapeUe  zu  Windsor  kommt  vor  eine  »crux  nfMis,  vocata 


wurde.    Es  war  ans  Holz  und  gsaz  mit  Goldblech  Aberzogen.    Das  daran 
befestigte  Christnabild  von  ttbermengchlicher  OrOfse  war  auB  dem  reinsten 


Oolde  gearbeitet  und  konnte  gliedweise  anaeinander  genommen  werden ;  der 
Leib  war  hohl  und  mit  Edelsteinen  und  Reliquien  gefüllt;  in  den  Äugen- 


ffoMcA«  (vgl.  Pugin,  Glosaary  p.  84;  Laib  u.  Schwärs,  a.  a.  0.,  61),  und  das 
"Würzturger  Heiligtumebucli  von  1483  führt  an  das  Kreuz  Meybronn  und  das  gat 
reich  gezackte  Kreuz  Qamaher,  aufsterdeni  Ecliquienmonstranzen  unter  den  Namen 
Bybelrieth,  Montater  und  Infuli,  während  andere  nur  mit  Nummern  oder  nach 
Su&eren  Merkmalen  oder  mit  dem  Beisätze  des  Donators  bezeichnet  sind.  (VgL 
Niedermayer,  And.,  KunatgeBch.  der  Btadt  Wirzburg,  240  f.)  Ea  ist  wohl  un- 
zweifelhaft, dab  das  Bedürfnis,  die  veirichiedenen  Exemplare,  die  von  derselben  Gattung 
in  einem  Ejichenschatze  vorhanden  waren,  mit  Leichtigkeit  von  einander  unterscheiden 
zn  können,  zu  dergleichen  Namengebungen  geführt  hat.  die  wohl  am  hiinfig§ten  von 
dem  Namen  des  Donators,  Terfortigera  oder  Urapnmgsortes  (wie  Meybronn  und  Bybel- 
rieth), oder  (wie  der  Name  Oamaher:  aamahia  —  Kamee;  vergl.  Otte,  "Wörterljuch 
etc.,  287)  von  bestimmten  aufSUigen  Merkmalen  hergenommen  wurden. 


Omamentale  und  historische  Kreuze.  ]^55 

höhlen  glänzten  zwei  Karfunkel  von  Eidottergröfse.  Dieses  Kreuz  wurde 
nur  selten,  bei  besonders  feierlichen  Veranlassungen  aufgestellt,  und  zwar 
in  der  Höhe  auf  einem  Balken,  wohin  kein  Fremder  gelangen  konnte;  fOr 
gewöhnlich  lag  der  Orucifixus  auseinandergenommen  in  einem  dazu  be- 
stimmten besonderen  Kasten  (arcä).  Erzbischof  Rudolf  nahm  1160  einen 
Arm  davon  zur  Bestreitung  der  Reisekosten  mit  nach  Rom  und  starb  unter- 
wegs. Das  Gewicht  des  Ganzen  wurde  in  einer  Inschrift  auf  nicht  weniger 
als  600  Pfund  reinen  Goldes  angegeben.^ 

Anmerkung.  Die  zum  Schmucke  des  Altars  (wie  die  zum  Vortragen 
bei  Prozessionen  und  zu  Reliquienbehältern)  bestimmten  Kreuze  sind  regel- 
mäfsig  von  der  sogen,  lateinischen  Form  (f)  und  entweder  ornamentale  oder 
historische,  d.  h.  sie  zerfallen  in  Beziehung  auf  die  Art  der  Behandlung  in 
zwei  wesentlich  von  einander  verschiedene  Klassen,  je  nachdem  sie  entweder 
im  Anschlüsse  an  die  altchristliche  Sitte  nur  als  Darstellung  des  Kreuzes- 
zeichens erscheinen,  oder  den  geschichtlichen  Akt  der  Kreuzigung  selbst  zur 
Anschauung  bringen.  Erstere,  die  in  älterer  Zeit  die  häufigsten  waren,  haben 
einen  lediglich  omamentalen  Charakter,  und  das  Bild  des  Gekreuzigten  fehlt 
entweder  ganz  oder  nimmt,  wenn  es  ja  vorkommt,  eine  durchaus  unter- 
geordnete Stellung  ein,  z.  B.  als  kleine  Emaillierung  auf  dem  Kreuzfelde,  oder 
(wie  auf  dem  Lothariuskreuze  zu  Aachen  und  auf  dem  Regensburger  Ottokar- 
kreuze) nur  auf  der  Rückseite,  wo  jedoch  sonst  das  Symbol  des  Gotteslammes 
die  regelmäfsig  das  Mittelfeld  einnehmende  Andeutung  des  Kreuzestodes 
Christi  zu  sein  pflegt.  Die  zweite  Klasse  ist  die  der  eigentlichen  Kruzifixe, 
an  denen  die  Figur  des  Gekreuzigten  als  die  Hauptsache  erscheint,  und  deren 
Vorkommen  bis  jetzt  erst  seit  der  Zeit  Karls  des  Grofsen  nachgewiesen  ist. 
Vergl.  Laib  und  Schwarz,  Studien  etc.  S.  33.  Das  Kreuz  behält  indes  auch 
hier  in  der  Verzierung  der  Enden  der  Arme  (s.  obenS.  152)  gern  den  ornamen- 
talen Charakter  bei.  Die  Christuskörper  der  ältesten  Zeit,  namentlich  die  in 
Bronze  gegossenen,  sind  von  aufserordentlicher  Roheit,  so  roh,  dafs  sie  selbst 
der  Merkmale  ermangeln,  aus  denen  ihre  Zeit  genauer  festgestellt  werden 
könnte.  Obwohl  Rundbilder,  sind  sie  nur  in  einseitigen  Formen  gegossen, 
hinten  hohl.  Die  Formen  geben  notdürftig  die  Figur  eines  Menschen  mit  aus- 
gebreiteteten  Armen  und  zusammengelegten  Füfsen.  Ähnlich  roh  und  starr 
sind  die  ältesten  in  Holz  geschnitzten.  —  Das  Nähere  über  die  Art  und  Weise, 
wie  sich  die  Bildung  des  Kreuzes  und  des  Gekreuzigten  im  Laufe  der  Zeiten 
verschiedentlich  gestaltet  hat,  wird  später  in  der  Ikonographie  zur  Darstellung 
kommen. 

Ein  anziehendes  Beispiel  von  der  Umgestaltung  eines  omamentalen  in 
ein  historisches  Kreuz'  bietet  ein  der  Kirche  St.  Maria -Lyskirchen  zu  Köln 
gehöriges,  im  erzbischöfl.  Museum  daselbst  (Katalog  von  1855  No.  21)  befind- 
liches Kruzifix  dar:  die  aus  Silber  getriebene  Christusfigur  nach  dem  älteren 
Typus  ist  hier  ohne  Rücksicht  auf  die  dadurch  zum  Teil  verdeckten  Gravie- 
rungen des  aus  Kupferblech  gearbeiteten,  dem  XII.  Jahrh.  angehörigen  Kreuzes 
auf  letzterem  befestigt. 


*  Christiaiu  (U.  ep.  Mog.  1249 — 1251)  Chronicon  Moguntinum,  bei  Jaffe,  Mon. 
Mog.  p.  681.  sq.  691. 

*  Abb.  bei  Bock,  d.  heil.  Köln.  Taf.  XXXYI,  104. 


156  Altarleuchter. 

36.  Das  Alter  der  Sitte,  auf  den  Altären  neben  dem  Kreuze  zwei 
Leuchter  aufzustellen,  läfst  sich  zwar  nicht  näher  bestimmen,  doch  kom- 
men die  Altarleuchter  mindestens  seit  dem  XIL  Jahrhundert  sicher  vor 
und  erscheinen  im  XTTT.  Jahrhundert  allgemein  eingeführt,  neben  den 
in  früherer  Zeit  anscheinend  allein  üblichen,  vor  dem  Altare  aufgehäng- 
ten Lichterkronen  und  grofsen  Standleuditem,  die  wenigstens  in  einzelnen 
Kirchen  beibehalten  wurden.* 

Nachweislich  pflegte  man  bereits  zu  Anfang  des  IV.  Jahrh.  bei  der 
Abendmahlsfeier  nnd  bei  den  Gräbern  der  Märtyrer  anch  am  Tage  Lichter 
(hcminariä)  anzuzünden,  T^non  utique  ad  fkiganäas  tenebras,  sed  ad  Signum 
laetitiae  demons(randum<a,^  und  das  Verbot  der  Synode  zu  Elvira  im  J.  305 
(c.  37)  konnte  dagegen  ebenso  wenig  ausrichten,  als  die  Einwürfe  des  Lac- 
tantius^  und  des  spanischen  Priesters  Vigilantius/  welche  die  Anzündung 
von  Lichtem  und  die  Masse  von  Kerzen  am  hellen  Tage  für  sinnlos  und 
heidnisch  erklärten,  so  dafs  es  bald  allgemeiner  Gebrauch  wurde,  nie  ohne 
Licht  das  heil.  Abendmahl  zu  feiern:  zum  Bilde  jenes  Lichtes,  dessen 
Sakrament  die  Kirche  spendete.  Im  V.  Jahrh.  schildert  Paulinus  von  Nola 
die  glänzende  Erleuchtung  der  Altäre  durch  Leuchter,  die  von  der  Decke 
herabhingen  und  mit  bemalten  Kerzen  besteckt  waren. ^  Im  VI.  Jahrh.  wird 
Bischof  Agericus  von  Verdun  als  Erfinder  einer  künstlichen  Erleuchtung 
gerühmt,^  und  der  Bibliothekar  Anastasius  führt  unzählige  Male  unter  den 
Geschenken  der  Päpste,  seit  Sylvester  (313  —  334),  phari,  pharicanihari 
und  coronae^  eherne  und  silberne  Hängeleuchter  an,  auf  denen  teils 
Lampen,  teils  Kerzen  gebrannt  wurden.  Der  bedeutendste  Pharus  wurde 
von  Hadrian  I.  (772 — 795)  in  die  Peterskirche  gestiftet:  er  hatte  Kreuz- 
form  und  hing  mit  seinen  1370  Kerzen  (candelae)  vor  dem  Presbyterium. 
Eine  kleine  Krone  {regnum)  liefs  der  folgende  Papst  Leo  III.  über  dem 
Altar  einer  Kapelle  in  der  Basilika  St.  Andreas  aufhängen:  sie  war  von 
Gk)ld,  mit  Edelsteinen  besetzt  und  wog  2  Pfund  und  3  Unzen.  Minder  häufig 
kommen  Standleuchter  (candelabra,  cereostad,  Lichtstöcke,  Lichtstöck- 
lein) vor;  doch  schenkte  schon  Sylvester  mit  Silber  eingelegte  eherne  Kande- 
laber, die  3,t4  hoch  waren,  30  Pfund  wogen  und  vor  den  Altären  standen, 
und  Hormisdas  (t  523)  opferte  dem  heil.  Petrus  zwei  70  Pfund  schwere 
silberne  Leuchter.^  Unter  den  Lichtträgem  dieser  Art  sind  besonders 
hervorzuheben  die  siebenarmigen  Leuchter,  nach  dem  Muster  des  im 


*  Über  Leuchter:  Martin  et  Cahier  in  den  Melanges  d'archeol.  m,  1 ;  Springer, 
Ani,  in  den  Mitt.  €.-£.  V,  309;  Cahier,  Nouveaux  melanges  d'arch.  (Decorations 
d'eglisos),  m,  188—225. 

*  Hieronymus,  adv.  "Vigil.  c.  7. 

'  Lactantius  de  vero  culta  1.  6  o.  2. 

*  Hieronymus,  1.  c.  c,  2. 

^  9  Clara  caronantur  densis  cUtaria  lychfUs,*  Paulin.  Nol.  poem.  14  v.  99; 
cf.  22  v.  124;   26  v.  389. 

*  Venant.  Fortun.,  carm.  Ol,  30;  vgl.  Rettberg,  Kirchengesch.  Deutsch- 
lands. I,  527. 

^  Vgl.  die  Belegstellen  aus  Anastasius  bei  Laib  und  Schwarz,  Studien  etc. 
40  ff.  IL  63. 


Leuchter.  157 

Tempel  zu  Jerusalem  befindlich  gewesenen,  den  Römern  als  Beate  zuge- 
fallenen Kandelabers,  wie  solcher  am  Triumphbogen  des  Titus  erscheint 
und  schon  auf  Glasgefäfsen  aus  den  römischen  Katakomben  nachgeahmt 
vorkommt.^  Andere  vielarmige  Leuchter  (arbores)  sind  baumartig  gestaltet, 
indem  die  zwar  sämtlich  parallelen  Lichtarme  nach  der  Mitte  zu  einander 
übersteigen,  also  nicht  wie  an  dem  Jerusalemischen  Muster  oben  in  wage- 
rechter Linie  abschliefsen.  Die  Stelle  dieser  Armleuchter  war  vor  dem 
Altare,  und  die  sieben  Arme  wurden  auf  die  sieben  Gaben  des  heil.  Geistes 
bezogen.'  Ein  ausgezeichneter  Lichtträger  war  auch  die  am  Ambo  (s.  unten 
§  52)  stehende  Säule,  welche  die  Osterkerze  trug,^  wie  solche  in  italie- 
nischen Basiliken  noch  in  grofser  Menge  und  Schönheit  vorkommen.  Aufser 
diesen  sich  an  antike  Vorbilder  schliefsenden  Kandelabern  werden  noch 
andere  Vorrichtungen  erwähnt,  die  vor  den  Altären  eine  ganze  Reihe  von 
Kerzen  trugen,  und  aus  deren  verschiedenen  Namen  (im  VIII.  u.  IX.  Jahrh. 
bei  Anastasius /'er^/oß  =  Spaliere,  1198  in  Paris  herciae  =  Eggen,  im 
XIV.  Jahrh.  in  Frankreich  ra^te/^a  =  Rechen)*  man  sich  ungefähr  eine  Vor- 
stellung von  ihrer  Form  machen  kann.  Zu  dieser  Gattung  gehört  auch  die 
hercia  ad  tenebraSy  der  dreieckige  Teneberleuchter^  mit  seinen  dreizehn 
oder  fünfzehn  Kerzen,  welche,  die  um  den  Gekreuzigten  gescharten  Apostel 
und  Maria  resp.  die  3  Marien  darstellend,  in  der  Charwoche  bei  dem  Tene- 
brae  je  am  Schlüsse  eines  Psalms  eine  nach  der  anderen  ausgelöscht  werden, 
bis  nur  die  oberste  weifse  brennen  bleibt  —  in  Ulm  genannt:  „der  Kerzstal 
zu  den  finstern  Metten,  da  die  12  Boten  auf  stehen'',  wie  denn  im  XV.  Jahrh. 
in  Deutschland  der  Name  T>KerzstcUl<fi  Uberhaupt  für  grofse,  viele  Kerzen 
tragende  Standleuchter  vorkommt.  —  Das  älteste  bekannte  Beispiel  der 
später  gewöhnlichen  und  vorschriftsmäfsigen,  auf  der  Mensa  stehenden  Altar- 
leuchter giebt  die  Abbildung  eines  mit  zwei  Leuchtern  besetzten  Altars  auf 
dem  Reliquienkasten  des  heil.  Calminius  zu  Mauzac  in  der  Auvergne  aus 
dem  letzten  Drittel  des  XII.  Jahrhunderts.^    Bemerkenswert  ist,  dafs  auf 


*  Springer,  a.  a.  0.,  315.  —  Vgl.  Munter,  Sinnbilder  und  Kunstvorstellungen 
etc.  L  No.  21. 

*  Nach  der  auf  dem  ehemals  zu  Quny  befindlichen  siebenarmigen  Leuchter  an- 
gebrachten Inschrift: 

»D«  quo  septenae  sacro  spiramine  plenae 
Virtutea  manant,  et  in  omnibus  omnia  donant.* 

Vgl.  Texier,  Dictionnaire  d'orfevrerie  (Paris  1857)  p.  328. 

^  Durandus,  L  6  c.  80  n.  4:   »Cereus  super  columnam  iUumincUus.* 

*  Vergl.  Laib  und  Schwarz,  a.  a.  0.,  63  und  de  Laborde,  Notice  des  emaux  etc. 
du  musee  du  Louvre  (Paris  1853).  n,  340. 

*  Otte,  "Wörterbuch,  244;  vergl.  die  Abbild,  des  eisernen  Teneberleuchters  mit 
15  Lichtem  (XV.  Jahrh.)  im  OBnabrücker  Dom  bei  Gailhabaud,  die  Baukunst. 
Bd.  m,  Taf.  24. 

"  Kaiser  Sigismund  kaufte  in  Konstanz  von  einem  Meister  aus  Nürnberg  einen 
»KerzstcUl*  aus  Messing  für  1100  Goldgolden  und  schenkte  ihn  an  den  König  von 
England.  Der  Meister  hatte  für  die  treffliche  Arbeit  2000  Gulden  gefordert.  VergL 
Ulrich  von  Eeichenthaler,  Konstanzer  Konzil.  Fol.  28b. 

'  Texier,  a.  a.  0.,  977;  vergL  auch  bei  de  Caumont,  Abecedaire  4.  ed.  I,  246, 
die  Abbild,  eines  Altars  von  einem  anderen  gleichzeit^n  Beliquiarium  desselben  Hei- 
hgen  in  Biom,  wo  mitten  auf  der  Mensa  der  Kelch,  auf  der  Evangelienseite  das 
Kreuz  und  auf  der  Epistelseite  ein  Leuchter  steht. 


den  zahlreichen  Abbildungen  von  Altären  ans  dem  Spatmitte] alter  stets  nie 
mehr  als  zwei  Leuchter  vorkommen,  wie  dies  anch  mit  der  Angabe  dea 
DnranduB  (b.  oben  S.  152  Note  1)  völlig  Übereinstimmt.  —  Wie  die  Altar- 
leuchter kommen  auch  die  sogen.  Akoluthenlenchter  atetg  paarweise  vor, 
welche  dem  Mefspriester  von  Ministranten  vorgetragen  und  nach  der  Ankunft 
am  Altare  auf  den  Fnfsboden  gestellt  zu  werden  pflegen.' 

Aus  der  romanischen  Periode  haben  sich  nur  wenige  Lichtträger 
erhalten,  waa  in  sofem  auflSUt,  als  die  Leuchter  der  dentachen  Kirchen 
imraerst  selten  aus  edlen  Metallen  angefertigt  wurden  und  deshalb  die 
Habsucht  nicht  eben  reizen  konnten;  es  kann  daher  nur  veränderte  Oe- 
BchmacksrichtUDg  zur  Verwerfung  und  Einschmelzung  der  als  unbrauch- 
bar beseitigten  älteren  Inventarienstllcke  dieser  Gattung  gefuhrt  haben, 
wenn  man  nicht  annehmen  will,  dafs  etwa  aufser  Bronze,  Messing  und 
Eisen  schon  frühzeitig  das  verg&ngliche  Holz  zu  Lichtgestellen  verwendet 
worden  sei.  Romanische  Krön-  oder  Radleuchter  (coronae,  rotae)  sind 
in  Deutschland  bis  jetzt  vier  nachgewiesen:  zwei  im  Dome  zu  Hilde 8 heim. 


Flg.  fi7,    KronloDditAr  Im  Dom  ta  HUduhelm. 

ein  gr^faerer  von  6,69  im  Durchmesser  und  19, 03  im  Umfange,  zn  72  Kerzen^ 
und  ein  um  die  Hälflie  kleinerer,^  zu  36  Kerzen,  beide  aus  der  Zeit  Bischof 
Acelina  (1044  — 1054)  nnd  mehrfach  restauriert;  der  (infolge  eines  im  J. 
1848  erlittenen  Unfalls  schön  hergestellte)  Leuchter  in  der  Klosterkirche 
zn  Combnrg  *  aus  der  Mitte  des  XU.  Jahrh.  von  ö,02  Durchmesser  und  15,~7 

■  Durandus,  1.  4  c.  6  n.  7. 

ä  Abb.  bei  Kratz,  J.  Mich.,  der  Dom  zu  Hildesheim.  Tl.  n.  TaT.S;  Bocli  (siehe 
Note  6),  43. 

>  Abb.  bei  Kratz,  a,  a.  0.,  Taf.  8.  Fig.  2,  wonach  der  obige  Holzschnitt 

'  Vergl.  Merz,  H,,  in  d.  Zeitschrift  doa  hist.  Ter.  für  das  würtemb.  Franken.  V,  109  ff. 
Bock,  a.  a.  0.,  48  in.  Abb.,  diese  auch  in  von  Liitzows  Zeitschr,  XI.  338.  See- 
mann.  CiL,  2. 


Muttergottesleuchter.  159 

Umfang,  und  der  im  Münster  zn  Aachen,^  von  Meister  Wibertus,  ein  Ge- 
schenk K.  Friedrichs  Barbarossa,  von  4,i6  Durchmesser  und  13,06  Umfang, 
zu  48  Lichten.  Diese  Kronen  (wie  die  nicht  mehr  vorhandenen  im  Dome  zu 
Speier  vom  J.  1038  und  in  St.  Pantaleon  zu  Köln  vom  Anfang  des  XII.  Jahrh.) 
sind  alle  aus  Eisen,  vergoldetem  Kupferblech  und  Silber  nach  wesentlich 
gleichem  Typus  gearbeitet  und  versinnbildlichen  nach  den  auf  ihnen  befind- 
lichen ausführlichen  hexametrischen  Inschriften  das  himmlische  Jerusalem, 
das  droben  ist  (Gal.  4,  26),  auf  Grund  der  in  der  Apokalypse  (21, 10 — 25) 
davon  gegebenen  Beschreibung.'  Der  in  Hildesheim  und  Comburg  einfach 
runde,  in  Aachen  mit  Rücksicht  auf  das  Oktogon  des  Münsters  aus  acht 
gleich  grofsen  Kreisabschnitten  gebildete  Reifen  {canthus)  mit  den  Licht- 
tellem  auf  dem  Kamme  bezeichnet  die  Mauer  der  Gottesstadt  mit  ihren  12, 
als  offene  latemenartige  Türmchen  dargestellten  Thoren,  zu  denen  in  Aachen, 
die  vier  Ecken  der  Stadt  bezeichnend,  noch  vier  gröfsere  und  in  Hildes- 
heim noch  12  kleinere  hinzukommen,  in  welchen  silberne  Statuetten  der 
Apostel  und  Propheten,  in  Hildesheim  auch  von  24  christlichen  Tugenden 
standen.  Dafs  die  durchbrochen  gearbeiteten  Türme  ebenfalls  zur  Erleuch- 
tung durch  hineingestellte  Lampen  bestimmt  gewesen  wären,  ist  unwahr- 
scheinlich. Die  schönen  gravierten  Details  und  die  Inschriften  an  den  Kro- 
nen zu  Aachen  und  Comburg  können  zwar  von  unten  nicht  erkannt  werden, 
aber  wenigstens  die  Aachener  sind  durch  Faksimile-Abbildungen  (s.  Note  1) 
genügend  bekannt  gemacht.  —  Im  wesentlichen  diesem  romanischen  Typus 
folgen  von  gotischen  Radleuchtem  der  zu  Reepsholt  in  Ostfriesland,  ein 
Blechreifen  mit  12  als  Lichthalter  dienenden  Rundtürmchen  und  einem  im 
Innern  des  Reifens  angebrachten  Hirschgeweih,  und  der  1420  vom  Kanonikus 
Degenhardt  Ree  gestiftete  in  der  Stiftskirche  zu  Eimbeck,  ein  3,50  im  Durch- 
messer haltender  polychromierter  Reifen  mit  24  Lichthaltem,  hinter  denen 
unter  Heiligenhäuschen  Propheten  und  Apostel  stehen.  —  Hieran  schliefst 
sich  der  ausgezeichnete  Radlenchter  in  der  Pfarrkirche  zu  Vreden'  mit  der 
Inschrift  ^Geri  Bulsink  1489<^y  1859  restauriert,  ein  aus  Eisen  geschmiedeter 
sechsseitiger  Doppelreifen  von  2,67  Durchmesser  und  4,39  Höhe  mit  12 
Baldachinnischen,  in  denen  Christus  und  11  Apostel  stehen,  und  vor  denen 
je  ein  Leuchterteller  angebracht  ist.  Durch  das  aus  Holz  geschnitzte  Marien- 
bild unter  einem  Baldachin  in  der  Mitte  charakterisiert  er  sich  aber  als  ein 
sogenannter  Muttergottesleuchter,  deren  noch  mehrere  aus  dem  XV.  und 
XVI.  Jahrhundert  vorkommen  (so  in  Kaikar,  von  Heinrich  Berndts  —  nach 
seinem  Tode  um  1510  von  Kerstken  von  Ringenberch  vollendet,^  in  Erkelenz 


*  Bock,  Fz.,  der  Kronleuchter  des  Kaisers  Friedrich  Barb.  im  Münster  zu  A.  und 
die  formverwanden  Lichterkronen  zu  Hildesh.  und  Comb.  1864;  vergl.  ders.,  Pfalz- 
kapelie  I.  1,  115;  aus'm  Weerth,  11,  98  ff.  u.  Taf.  XXXV,  auch  Schnaase,  V, 
610—615. 

'  Der  jüngere  Titurel  weife  übrigens  bei  den  Leuchterkronen  im  Graltempel  so 
wenig  von  dem  himmlischen  Jerusalem,  als  von  der  Maria,  sondern  läfet  sie  je  von 
einem  Engel  getragen  sein,  so  dals  es  aussieht  (St.  86  bei  Zarncke): 

>er  wolt  die  kröne  gen  den  lüften  füren; 

nteman  künde  erkiesen,  daz  si  da  habte  golt  mit  riehen  snüren.^ 

^  Abb.  bei  v.  Hefner-AIteneck,  Eisenwerke  oder  Ornamentik  der  Schmiede- 
kunst. Taf.  34 36. 

^' Abb,  aus'm'  Weerth.  Taf.  XVI,  I;  Photogr  in  Wolff,  Nikolaik.  zu  K.  Bl.  44. 


[gO  Mnttergottesleuchter. 

von  1517,'  Kempen,'  Ratzebarg'nnd  Wetzlar  Dom),  die  einander  darin 
gieichen,  dafe  sich  von  einem  hölzernen,  insgemein  sechBeckigen  MittelstUck 
ringe  hernm  die  ans  Eisen  geeclimiedeten,  mit  Blattwerk  besetzten  Lichtarme 


Re.  08.  MBtHiiattHluetaUr  1b  dar  KIi«ta*  id  KimpcD  (lucb  au'iii  naartli). 

berabachwingen,  und  dafs  eine  geschnitzte  and  bemalte  Statue  der  Maria 
sich  über  dem  Lichterkranze  erhebt.  Die  Krone  in  Kempen  ist  3,45  hoch  and 
hat  2,20  im  Durchmesser.  Das  reizende  Hotiv  der  die  Leachter  haltenden 
geschnitzten  Engelsstatnetten  wiederholt  sich  auch   bei  gotischen  Stand- 


'  Vergl.  Org.  f.  ehr.  K.  1861.  227. 
»  Abb.  ausV  Weerth.  Taf.  XXn 


Kronleuchter.  161 

leuchtern.  In  der  St.  Michaelskapelle  zuEiederich  befindet  sich  ein  lärmi- 
ger, in  derKatharinenkirche  zn  Braunschweig  ein  Barmiger,  der  kleine  zu 
Oberkirchen  in  Hessen  hat  nur  2  Lichter.^  An  dem  sechsteiligen  aus  Ri e - 
stedt  (Amt  Olvenstädt)  im  Weifenmuseum  befindet  sich  neben  der  Maria  das 
Geweih  eines  starken  Zwölfenders,  und  in  Lochtum  (Amt  Wöltingerode) 
bilden  Hirschgeweihe,  welche  die  Maria  umgeben,  die  Krone.  —  Wieder 
ein  etwas  anderes  Motiv  befolgt  der  Kronleuchter  im  Dome  zu  Merseburg 
von  ca.  1500,  eine  ganz  mit  geschmiedetem  und  vergoldetem  Laubwerk  be- 
deckte Kuppel  mit  40  Lichtern  in  3  Reihen  übereinander  und  den  bemalten 
Schnitzbildem  der  beiden  Stiftspatrone  als  Krönung,  unten  rings  mit  den 
Wappenschilden  der  damaligen  Kapitularen  umgeben.  Einfacher  ist  der 
im  Chore  des  Domes  zu  Halberstadt  befindliche,  welcher  aus  einem  ftlnf- 
seitigen  architektonischen  Mittelstücke  besteht,  an  welchem  nach  unterwärts 
vier  sich  erweiternde  Reifen  zu  5,  10,  15  und  20  Lichtem  mit  ziemlich  ein- 
fachen Lichtertüllen  hängen.  Ganz  im  Charakter  der  Hildesheimer  u.  s.  w. 
Kronen  ist  dagegen  der  von  dem  1516  verstorbenen  Propste  Balthasar 
von  Neuenstadt  gestiftete  ebendaselbst  gehalten,  ein  breiter  reich  ver- 
zierter schmiedeeiserner  Reifen  mit  12  vorgesetzten  Heiligenhäuschen  und 
60  aufgesetzten  Lichtertüllen.  Wieder  einfacher  als  dieser*  ist  der  ähn- 
liche von  1539  im  Dome  zu  Brandenburg,  ein  breiter  Reifen  von  durch- 
brochenem vergoldeten  Laubwerk  schon  in  Renaissanceformen  mit  15 
Wappenschilden  der  Kapitularen  und  30  Lichterarmen,  über  dem  sich  10 
einfache  Bügel  kronenartig  zusammenschliefsen.  Auch  im  Dome  zu  Magde- 
burg in  der  Kapelle  zwischen  den  Türmen  befinden  sich  spätgotische 
schmiedeeiserne  Kronen,  und  in  der  Marienkirche  zu  Halberstadt  soll  sich 
nach  einer  Mitteilung  vonQuasts  ebenfalls  ein  Radleuchter  befinden.  Da- 
gegen besteht  die  dem  Andenken  des  Seefahrers  Martin  Behaim  gestiftete 
Lichterkrone  aus  der  Katharinenkirche  zu  Nürnberg,  jetzt  im  German. 
Museum,'  aus  zwei  durch  eine  Stange  verbundenen,  sechseckigen,  bemalten 
hölzernen  Scheiben,  an  denen  Lichtträger  befestigt  sind.  —  Aufser  solchen 
aus  Holz  und  Eisen  gebildeten  kommen  auch  aus  Bronze  oder  Messing 
gegossene  gotische  Kronleuchter  vor  ohne  figürlichen  Schmuck  aus  einer 
Vereinigung  von  stilgemäfsen  architektonischen  und  vegetabilischen  Elemen- 
ten zusammengesetzt  und  mit  einer  Doppelreihe  von  Lichthaltem  versehen. 
Ein  ausgezeichnetes  Werk  dieser  Art  ist  der  dem  XIV.  oder  XV.  Jahrh. 
entstammende,  aus  69  einzelnen  Stücken  bestehende  Bronzeleuchter  in  der 
Klosterkirche  zuSekkau;'  der  sechseckige  Kern  endet  nach  unten  konsolen- 
artig (en  cul'de-lampe)  und  steigt  oben  in  einen  mit  Strebepfeilern  und  Fialen 
besetzten  und  mit  einer  Kreuzblume  gekrönten  Turm  auf;  die  Mitte  bildet 
ein  durchbrochener  Kranz,  dessen  gezinnter  Kamm  noch  an  das  alte  Motiv 
der  Stadtmauer  erinnert.  Besonders  anmutig  ist  die  Schwingung  der  mit 
Eichenlaub  besetzten  Lichtarme,  aus  deren  oberen  Blattknospen  und  Frucht- 
kelchen die  Kerzenhalter  hervorstehen.  Ein  ganz  ähnlicher,  der  in  der 
offenen,  sechseckigen  Laterne  noch  die  Statuette  der  heil.  Jungfrau  enthält, 
befindet  sich  in  der  Kirche  Maria  Swetina  in  Untersteiermark  und  ein  ein- 


*  Abb.  Ewerbeck,  Beiseskizzeii.  Taf.  26;  Seemann.  CIL,  9. 

»  K.-G.  No.  246.  Abb.  im  Katalog.  Taf.  24. 

3  Abb,  von  Heisse,  in  der  Mitt.  C.-K.  IV,  139. 

Ott«,  Kunst- ArebKoIogi«.    5.  Aufl.  11 


.62  Kronleuchter. 

facherer  in  der  Stadtpfatrkirclie  zu  MuranJ  Verwandt  sind  die  Messing- 
kronleuchter  in  der  kathol.  Kirche  zu  Dortmund,*  im  Dome  zu  Münster 
uud  in  der  Kirche  zu  Fröndenberg,  wo  jedoch  demMafswerk-  undBlltter- 
aclimuck  kleine  gegossene  Figflrchen  hinzutreten,  und  der  angeblich  von  den 
Gesellen  der  Rotschmiedezunft  za  Nürnberg  in  die  Nikolaikirche  zn  Eger 
1404  gestiftete,  seit  1825  im  Schlosse  Laxenburg  befindliche,  an  dem  die 
Flgllrcben  der  12  Apostel  das  MittelstQck  (zugleich  Lampe  für  das  ewige 


Fl(.  BS.    KronlanabUi  In  dar  KlIwMrUreh«  in  BeUM  (nuh  HiUu). 

Licht)  umgeben.  —  Im  Dome  zu  Lübeck  befindet  sich  ein  aus  Kupfer  ge- 
schmiedeter, bemalter  Kronleuchter.' 

Grorse  Standleucbter  für  die  Osterkerze  ans  Stein  erscheinen  als 
besondere  Seltenheit,  Sie  zeigen  den  Typus  der  antiken  Kandelaber: 
säulenartig  mit  einem  mittleren  Knauf  am  Schafte  und  mit  einem  den  Stachel 
zur  Aufnahme  einer  grofsen  Kerze  tragenden  Tasenartigen  Kapital.    Das 


'  Abb.  von  Heisse,  in  der  Mitt.  C.-K.  XVI,  94. 

'     ■     Seemann.  CIL,  S. 

'  •  l)oi  Statz  und  Ungewitter.  Taf.  60,  besser  von  Milde  in  Prüfer, 
Arcliivetc.  n.  Taf.  1.  Über  die  1515  von  Hans  von  Köln  gegossene  Messingkrone 
in  St.  Johanais  zu  Lüneburg  felilen  nähere  Angaben. 


Standleuchtet  von  Stein.  163 

älteste  bekannte  romsniache  Beiapiel  ist  die  sogen.  Innensäule  vor  dem 
Ereuzaltare  des  Doms  zu  Eildesheim:'  auf  einem  gegliederten  Stein  sock  el 
raht  eine  attische  Basis  aus  Metall,  welche  den  aus  zwei  durch  einen  eben- 
falls metallenen  Knaof  verbundenen  Stücken  bestehenden  Schaft  von  brann- 
rütUchem  Ealksinter  trflgt,  der  oben  mit  einem  metallenen  Kelche  über 
einem  ebensolchen  Schaftringe  gekrOnt  ist.    Statt  des  ehemaligen  Eeraen- 
stachels  befindet  sich  seit  dem  vorigen  Jahrh.  ein  silberues,  von  11  Lichter- 
armen umgebenes  Uarienbild  als  Huttergottesleuchter  oben  auf  der  (ohne 
den  Sockel  etwa  2,&u  hohen)  SAuIe,  deren  ursprüngliche  Beatitnraung  ftla 
Lichtträger  durch  eine  aus  drei  Heiametem  bestehende 
Lischrüt  erwiesen  wird.  —  Diesem  frühromanischen 
schliefst  sich  ein  spätromanischer  Sandstein -Kandelaber 
an,  welcher  sich  in  einem  Nebenraumc  der  Stiftskirche 
zu  Königslutter  erhalten  hat.^  DereigentlicheKerzen- 
stock  zeigt  ganz  dasselbe  Muster,  nnr  dafs  Schaft  und 
Knäufe  gewunden  und  teilweise  mit  Perlen  belegt  sind; 
höchst  originell  dagegen  ist  der  auf  einer  runden  Grund- 
platte ruhende  Sockel  behandelt,  welcher  ein  kreuzför- 
miges Häuschen  darstellt,  das  sich  auf  den  vier  Giebel- 
fronten in  Kleeblattnischen  Sfi^et  und  oben  dachziegel- 
artig at^edeckt  erscheint.  Die  UOhe  der  ganzen  Licht- 
Häule  betitgt  etwa  l,5(j,  nnd  der  fast  0,30  hohe  Stachel 
iäfat  auf  die  Or&lse  der  Kerze  Bchliefsen,  welche  zu 
tragen  dieser  Xienchter  bestimmt  war.  —  Dafa  eine 
in  der  Vorhalle  des  Doms  zu  Merseburg  aufgestellte 
romanische  (bei  Puttrich,  IL  Serie  Merseb.  BL  6. 
8.    abgebildete)    Sänle    zu    einem    Osterleuchte r    ge- 
hört habe,  ist  lediglich  eine  Vermutung  des  Heraus- 
gebers. —  Ootische  Steinleuchter  aus  der  Zeit  um  1400 
finden  sich  drei'  an  der  zum  Sauctuarium  des  Doms 
zu  Havelberg  hinaufführenden  Stufe  aufgestellt,  zwi- 
schen denen,  ersichtlichen  Spuren  zufolge,  sich  ehemals        ™KBniI™?[it«m"" 
eine  Steinbrflstung  hinzog,  weiche  den  Ältarraum  von  (bwihum). 

dem  Übrigen  Chore  absonderte.  Der  mittlere  Leuchter 
ist  1,90  hoch,  von  der  Gestalt  eines  gotischen  Türmchens,  aus  dessen  im 
Sechseck  aufgestellten  Strebepfeilergrnppen ,  mit  letzteren  durch  Bogen- 
streben  verbunden,  der  cy  linder  förmige  Lichtträger  aufsteigt  nnd  sich  oben 
kelchartig  ausbreitet.  An  den  vier  Ecken  der  Grundplatte  treten  Löwen- 
kapfe  hervor,  als  Reminiscenz  an  die  sogleich  zu  erwähnenden  Bestien- 
bildungen  am  Fnfse  romanischer  Bronze leuchter.  Die  beiden  seitwärts  stehen- 
den Leuchter  sind  etwa  einen  Fufs  niedriger  und  bestehen  ganz  einfach  ans 
-  einer  Säule  mit  lang  gestrecktem  gotischen  Blätterkapitäl ,  gehalten  von 
zwei  jugendlichen  männlichen  Figuren,  die  in  sprechender  Qebärdung  dar- 
gestellt sind.  —  Einen  ähnlichen,  etwas  jüngeren,  2,30  hohen  Steinleuchter 

'  Abb.  bei  Kratz,  a  a.  0.  Taf.  1.  Fig.  2. 

»     .     in  Mitt.  Baud.  Nieders.  (Hase).  Heft  3.  BL  13.  Eg.  2  u.  3.     Ein  seht 
öhnlichor  in  der  Stiftskirche  zu  Loccum. 

•  Abbild,  von  v.  Quast  in  der  Zeitsch.  f.  ehr.  A.  o.  K.  H,  296.  Tat  18.  Fig.  1^-3. 


164  Standleuchter  aus  Bronze. 

bewahrt  die  Wallfahrtskirche  zu  WilBna<;k.^  Der  cylindrische  Körper  ist 
mit  vier  Fialen  umstellt,  das  Blätterkapitäl  achteckig  gebildet,  und  die  ver- 
stümmelte Basis  mit  vier  hervorspringenden  Löwen  besetzt.  Dieser  isoliert 
stehende  Lenchter  trug  eine  c.  5,ou  lange  achteckige  Kerze  von  Holz,  welche, 
nach  oben  sich  verjüngend,  ganz  mit  kleinen  hölzernen  Pflöckchen  bespickt 
ist,  aufweiche  die  von  den  Pilgerscharen  geopferten  Kerzen  aufgesteckt  wor- 
den sein  sollen.  —  Andere  Steinkandelaber  aus  dem  XV.  Jahrh.  in  der  Mar- 
tinskirche zu  Wesel, ^  in  der  Johanniskirche  zu  Billerbeck,  in  der  Wiesen- 
kirche zu  Soest'  und  zu  Asbeck.  —  In  Steinfüfse  eingelassene,  über  2,80 
hohe,  spätgotische  Lichthalter  aus  Schmiedeeisen  befinden  sich  in  St.  Co- 
lumba  zu  Köln.*  Der  steinerne  Fufs  eines  solchen  in  der  Stiftskirche  zu 
Iburg  (Hannover),  andere  schmiedeeiserne  in  St  Oeorg  zu  Hagenau  (von 
Guerber  und  Lotz  ins  XIH.,  von  Kraus  ins  XV.  Jahrh.  gesetzt)  und  aus 
St.  Marein  in  Steiermark  im  Germ.  Museum.^  Ein  hölzerner  Osterleuchter 
endlich  in  Bissendorf  bei  Osnabrück. 

Häufiger  als  steinerne  kommen  bronzene  Leuchter,^  seltener  grofse  als 
kleine,  in  Kirchen  und  Sammlungen  vor,  unter  welchen  besonders  die  der 
romanischen  Zeit  angehörigen  von  archäologischem  und  Kunst- Interesse 
sind.^  Der  Leuchterfufs  besteht  aus  einem  drei-,  seltener  vierfüfsigen  Stän- 
der, dessen  Ausgestaltung  der  animalischen  Natur  entlehnt  ist:  geflügelte 
Drachen,  Löwen  und  andere  lichtscheue  Bestien  sind  im  Kampfe  miteinander 
oder  mit  nackten  Menschengestalten  dai'gestellt.  Auf  dem  Fufse  ruht  die, 
sich  nach  oben  verjüngende,  mit  Knäufen  besetzte,  ornamentierte  Röhre, 
welche  oben  in  die  Lichtvase  mit  dem  Kerzenstachel  ausmündet.  Bei  den 
kleinsten,  oft  nur  eine  Spanne  hohen  Exemplaren  fehlt  die  Röhre  ganz,  und 
nur  ein  Knauf  verbindet  den  Fufs  mit  dem  Kelche,  an  welchem  zuweilen 
eidechsenähnliche  Tiere  emporzüngeln,  also  wohl  die  feuerliebenden  Sala- 
mander, an  deren  Stelle  anderwärts  Engel  treten.  Bei  den  vielarmigen 
Leuchtern  sind  die  Arme  übereinstimmend  mit  dem  Schaft  behandelt  und 
wie  dieser  durch  Knäufe  gegliedert  —  Die  gotischen  Leuchter  sind  dagegen 
meist  ganz  einfache  handwerkliche  Gelbgiefserarbeiten:  der  Fufs  ist  rund 
und  profiliert,  die  Röhre  in  ebenmäfsigen  Abständen  mit  Ringen  besetzt, 
von  denen  der  mittelste  am  kräftigsten  hervortritt,  die  Schüssel  zum  Auf- 
nehmen des  Wachses  ist  breit  und  gegliedert  Das  einzige  Ornament  pflegt 
in  der  Durchbrechung  des  Fnfses  mit  Vierpäfschen  zu  bestehen  und  etwa  in 
der  Zinnenkrönung  des  Schüsselchens,  die  noch  an  die  Mauer  des  himmlischen 
Jerusalems  erinnern  könnte  (s.  oben  S.  159).  Gröfsere  Leuchter  unterschei- 
den sich  dadurch  von  den  kleineren,  dafs  der  Fufs  zuweilen  mit  Löwen  ver- 
ziert, und  der  Schaft  mit  einer  gröfseren  Anzahl  von  Ringen  versehen  ist. 

Siebenarmige  Bronzeleuchter  (S.  156)  romanischen  Stils  sind 


>  Abbild,  von  v.  Quast  in  der  Zeitsck  £.  ehr.  A  u.  K.  ü,  286.  Taf.  18.  Fig.  4. 

»       »       bei  Statz  u,  TJngewitter.  Taf.  139,  I.  2. 

'       »       ebd.  Taf.  114. 

*       »     .  bei  Bock,  Fz.,  das  heilige  Köhu  Taf.  XXT,  79. 

^  Abb.  Ost.  Atl.  IC,  2.  Nicht  zum  Stehen,  sondern  zum  Hängen  eingerichtet  ist 
das.  Fig.  5.  der  Osterleuchter  aus  St.  Wolf  gang. 

"  Auch  ein  bronzener  Osterleuchter  in  der  Magdalenenldrche  zu  Hildesheim. 

^  Vergl.  »Der  sinnreiche  Bau  der  Leuchter  im  früheren  Mittelalter«  im  Org.  t 
ehr.  E.  1869.  No.  5. 


Siebeoannige  Leuchter. 


165 


nachgewiesen:  im  Münster  zu  Essen  (inschriftlich  gestiftet  von  der  Äbtissin 
Mathilde y  gest.  um  1003;  ohne  den  Marmorsockel  2,33  hoch:  auf  den  vier 
Ecken  des  Fnfses  die  verstünmielten  Statuetten  der  vier  Winde), ^  im  Dome 


Flg.  61.    SUbenumlger  Ltnobter  %a  Eiten  (naoh  aiu*ni  Waertb). 

ZU  Brannschweig  (urkundlich  als  vorhanden  erwähnt  1223,  traditionell  Ge- 
schenk Heinrichs  des  Löwen,  gest.  1195;  4,45  hoch,  7  Centner  schwer  und 
aus  71  einzelnen  Stücken  bestehend;  der  reich  mit  Drachen  verzierte  Fufs 


»  Abb.  au8*m  Weerth.  Taf.  XXVIU.   Seemann.  CIL,  5. 


166  Armleuchter. 

anf  vier  liegenden  Löwen  ruhend,  das  tthrige  einfach;  die  Arme  nach  der 
Mitte  zn  kaum  merklich  anwachsend),^  in  St.  Gangolf  zu  Bamberg  (dem 
Essener  Leuchter  angeblich  verwandt),^  in  der  Bastorfkirche  zu  Paderborn 
(Messinggufs,  angeblich  aus  dem  XU.  Jahrh.;  am  Fufse  EUrsche  und  andere 
Tierfiguren;  rohe  Ornamente),^  zu  Klosterneuburg  (gegen  4,23  hoch;  das 
Fufsgestell  fehlt;  die  Arme  deutlich  baumartig  angeordnet;  reich  verziert)^ 
und  im  Dome  zu  Prag  der  ungemein  reich  mit  kämpfenden  Bestien  und 
römisch  kostümierten  männlichen  Figuren  geschmückte  Fufs  eines  nicht 
mehr  vorhandenen  Kandelabers.^  —  Siebenarmige  Leuchter  aus  gotischer 
Zeit  und  meist  weniger  bedeutend  finden  sich  vor  in  der  Marienkirche  zu 
Kolberg  (gegossen  von  Johannes  Apenghetere  1327;  3,77  hoch;  Sockel 
aus  drei  Löwen  bestehend,  darüber  drei  Hundsköpfe;  am  Schaft  die  Apostel; 
von  den  Armen  zwei  aus  Holz  hergestellt),^  in  der  Marienkirche  zu  Frank- 
furt a.  d.  0.  (angeblich  von  1376;  4,08  hoch;  der  Fufs  besteht  aus  vier 
Adlern  mit  ausgebreiteten  Flügeln,  darüber  Weinlaubgewinde;  die  Knäufe 
des  mit  biblischen  Scenen  unter  Spitzbögen  verzierten  Schaftes  sind  aus 
Weinblättem  gebildet;  an  den  Armen  heraldische  Adler  und  Helme;  restau- 
riert),^ in  der  Augustinerkirche  zu  Brunn  (3,56  hoch  und  ganz  einfach;  am 
runden  Fufse  drei  Löwenköpfe,  sonst  am  Schafte  und  an  den  in  wagerechter 
Linie  schliefsenden,  unter  sich  mafswerkartig  verbundenen  Armen  nur  pro- 
filierte Knäufe),^  in  der  Nikolaikirche  zu  Mölln  bei  Ratzeburg  1,70  hoch  von 
1436,®  im  Dome  zu  Magdeburg  (von  1494;  2,93  hoch  und  ganz  einfach  nur 
mit  Knäufen  verziert;  die  Arme  übersteigen  einander  und  sind  paarweise 
mit  etwas  schräg  ansteigenden  Bändern  verbunden;  der  profilierte  runde 
Fufs  steht  auf  einem  0,79  hohen  antiken  Säulenfiragmente  aus  Marmor)  und 
ein  ebenfalls  sehr  einfacher  mit  3  sehr  rohen  Löwen  am  Fufse  von  1538  im 
Dome  zu  Fürsten  walde.  —  Ein  fünfarmiger  Messingleuchter  aus  dem  An- 
fange des  XV.  Jahrh.  (am  Fufse  3  Knappenfiguren,  am  Ständer  6  Heilige 
unter  Spitzenbogenbaldachinen  und  darüber  nochmals  4  Heiligenfiguren)  be- 
findet sich  in  der  Stiftskirche  zuOandersheim;^®  ein  anderer  ebenfalls  aus 
dem  XV.  Jahrh.,  1,57  hoch,  in  Form  eines  Baumes  mit  abgestutzten  Ästen 
und  mit  der  Figur  des  Gekreuzigten  (also  wohl  auf  die  fünf  Wunden  bezüg- 
lich) in  St.Kunibert  zu  Köln  ;^^  in  St.  Jakobi  zu  Perleberg  ein  über  2,80  hoher 
von  1475  und  in  St.  Johannis  zu  Werben  von  1487.*'  —  Dreiarmige  im  Dome 


*  Abb.  bei  Görs  es,  Beschreibung  vom  Si  Blasius-Dom  zu  Braunschw.  Taf.  3 
und  bei  Eallenbacn,  Album  etc.  ü,  6. 

«  Vergl.  Weifs,  C.,  in  den  Mitt.  C.-K.  (1861).  VI,  33t. 

»  Vergl.  Lübke,  Westfalen.  421 ;  Abb.  bei  Statz  und  TJngewitter.  Taf.  194, 1—6. 

^  Weifs,  a.  a.  0.  332  ff. 

*  Abb.  bei  C.  Weifs,  in  den  mitt.  Kunstd.  d.  Ost.  Kaiserst  I,  Taf.  XXXV  zu 
S.  197.  Derselbe  wurde  laut  Inschrift  1158  in  Mailand  erbeutet  und  hieis  schon  1395 
der  »salomonische«  Leuchter. 

«  Vergl.  Kugler,  Kl.  Sehr.  I,  784. 

'  Ver^.  Spieker,  Chr.  W.,  Beschreib,  u.  Gesch.  der  Manenk.  zu  F.  59  ff. 

•  Abb.  Mitt  C.-K.Vn.  20;  Ost.  Ati.  IC,  13. 

•  »     Jährbb.  f.  Landesk.  v.  Schleswig  etc.  I,  Fig.  2  a  u.  b. 
»     »     Mitt.  Band.  Nieders.  m,  8p.  56. 

"     »     Bock,  d.  heü.  Köhi.  Taf.  XIV,  54. 
^^     »     Seemann.  CIL,  7,  nach  Adler. 


Altarlencliter.  Jg7 

zn  Xanten'  (etwa  2,so  hoch,  ans  dem  XVI.  Jahrh.))  m  Halberstadt  im 
Dome  (3)  und  in  der  Lieb^anenkirche  (von  1475),  in  der  Stadtkirche  zn 
Hameln  (1490)  nnd  auf  Steinsockel  in  der  Eloeterkirche  zn  Ebatorf,  ein 
zinnerner  snf  Steineoekel,  2,34  hoch,  in  der  Süftskircfae  znBoerstet  (Han- 
nover). 

Romanische  Altarlench- 
t  e  r  (oft,  wie  die  Akolnthenlench- 
ter,  noch  paarweise;  S.  156) 
haben  sich  verhältnigmaraii;  eehr 
zahlreich  erhalten.*  Daninter 
sind  vielleicht  die  beiden  grSfB- 
ten,  von  0,79  Höhe  im  biachSfl. 
Mneemn  zn  Münster,"  der 
kleinste  (eine  rohe  Tiergestalt, 
die  den  Lichtteller  anf  ihrem 
Rucken  trägt)  mit  mehreren  an- 
deren im  National -Mnsenm  zn 
Mttnchen.*  —  Die  Ältesten 
Exemplare  würden  die  bei- 
den sogen.  Thassilolenchter  in 
Kremsmttnster^  sein,  wenn 
deren  Alter  (Vin.  Jahrh.)  nicht 
bezweifelt  wörde.  —  Anlserdem 
nennen  wir  nach  vorliegenden 
Abbildungen  die  Leuchter  bu 
C  h  ur  (mit  den  Evangelisten  und 
den  Paradiese  Bströmen  am  Fufa ; 

Kunsthandwerk  H.   Taf.   44),        "«■  "■  """""^^'^  i^'""' '"  '"°""" 
Kombnrg  (Bock,  Eronlench- 

ter  S.  55.  Chr.  K.-Bl.  1869  S.  150),  zwei  1852  auf  der  mittelalt.  Aosstellnng  zn 
KrefeldgeweseDe(Org.  f.  chr.K.  18Ö3  No.  7,  artist.  Beil.),  zn  Darmstadt  im 
Museum  (Beck  er- v.Hefnerl.  Taf.  12),  zn  Frankfurt  a.M.  im  Privatbesitz 
(ein  gegossener  nnd  ein  emaillierter;  Phot.  Frankf.  Ansät.  Taf.  36.  F.  4  n.  5), 
za  Fritzlar  in  der  Stiftskirche  (Statz  undUngewitter,  Taf.  203,  1—5; 
ein  anderer Mitt.C.-K.V,  314.  Fig.  6.),  zu  Hildesheim  in  der  Magdalenen- 
kirche  (anf  Bischof  Bemwards  (t  1022)  OebeiTs  von  einem  seiner  Schiller 
verfertigt;  Kratz,  a.  a.  0.,  Taf.  4,  Fig.  2;  Seemann  146,  2),  ztt  Kehrig 
imHayenfeld  zwei  (ans'm  Weerth,  Taf.  LH,  14),  znKlagenfnrt  imLan- 
deamuseum  zwei  (Mitt.  C.-K.  XI,  70  a.  XVIH,  164;  Ost.  AtL  99,  7), 
zn  Klosteran  am  Inn  (Sighart,  J.,  die  mittelalterl.  K.  in  d.  Erzd.  Hfln- 

'  Abb.  auB'm  Weertk  Taf.  XTDI,  6. 

ä  Vergl.  Lübke,  Westfalen.  «I. 

=  Ver^.  Mitt.  C.-K.  VI,  113;   Abh.  bei  Cahier,  Nonv.  melanges.  a.  a  0. 

*  Die  auffallende  Kleinheit  vieler  nnd  die  eigentämliche  Komposition  nicht  weni- 

EBF  labt  Übrigens  annehmen ,  deSe  diese  Lenchter  (ähnlich  wie  die  bekannten  Mesaing- 
ecken)  keinoBwegs  ausschliefslich  für  tirchlichen  Gehrauch  bestimmt  wann,  sondern 
auch  pro&non  häuslichen  Zwecken  dienten, 

»  Abb.  JÜtt.  C.-K.  IV,  44;  XVIH,  173;   Ost  AÜ.  IC,  1;   verri.  Springer  in 
den  Mitt.  C.-K.  V,  310. 


168 


Altarleuchter.    Sanctusleuchter. 


chen  Taf.  VII^  vergl.  S.  209  über  einen  andern  daselbst  befindlichen  Leuch- 
ter), zn  Leipzig  im  histor.  Verein  (Becker-  v.  Hefner  ü,  70)  und  in  der 
Sammlung  Felix  zwei  (No.  515  u.  516  Photogr.  Katal.  Taf.  DC,  1  u.  3),  zu 
München  im  Privatbesitz  verschiedentliche  (Becker-  v.  Hefner,  II.  Taff. 
31.  49.  66),  zu  Nürnberg  imGerman.  Museum  (K.-G.  226  im  Katal.  Taf.  22, 
ebenda  No.  227  ein  von  einem  Elefanten  getragenes  Türmchen,  dessen  Zin- 
nendach als  Lichtteller  dient,  ferner  einer  in  Form  eines  Centauren ;  Essen- 
wein,  Kunst-  und  Kulturgesch.  Denkm.  ans  dem  6.  Mus.  Taf.  V,  1),  aus 
Pürgg  im  christlichen  Kunstverein  zu  Graz  (Kirchenschmuck  1880,  116),  zu 
Regensburg  in  St.  Emmeram (Jakob,  Taf.  XIII,  7),  zu  Sigmaringen  in 
der  fürstlichen  Kunstkanmier  (eine  auf  einem  Löwen  reitende  Figur;  von 
Hefner-Alteneck,  Taf.  27,  Fig.  D.  E.),  zu  Stendal  in  der  Jakobikirche 
(Adler,  Backst.  I,  64),  zu  Trier  im  Dom  (zwei  kupferne  emaillierte; 
aus^mWeerth,  Taf.  LVUI,  8,  und  zwei  silberne,  ebenda  Fig.  9,  auch  bei 
Schmidt,  Kirchenmöbel  Taf.  29).  ImHerzogl.  Museum  zu  Braunschweig 
(No.  91 — 96)  befinden  sich  ihrer  6  von  verschiedener  Gröfse  und  Ausstattung, 
eine  ganze  Anzahl  auch  im  Kunstgewerbe-Museum  zu  Berlin  und  in  anderen 
Sammlungen.  Angefahrt  werden  aufserdem  noch  romanische  Leuchter  von 
Jakob  (S.  183)  zu  St.  Johann  in  Regensburg,  von  Sighart(I,  193)  in  der 
Kapelle  des  Klosters  Scheyern,  im  Museum  zu  Freising,  in  St.  Moritz  zu 
Augsburg;  von  Laib  und  Schwarz  (Studien  etc.  S.  63)  im  Münster  zu 

Überlingen;  von  Giefers  (Prakt.  Erfahrungen  S.  67) 
drei  kleine,  kaum  0,io  hohe  im  Dome  zu  Minden;  von 
Springer  (a.  a.  0.  S.  314)  in  der  Gangolfskirche  zu 
Bamberg  und  ein  Leuchterfufs  in  Göttweih;  im  Kata- 
log des  erzbischöfl.  Museums  zu  Köln  unter  No.  59  u. 
270.  Für  die  schönsten  und  grofsartigsten  Lichtträger 
in  Deutschland  erklärt  Bock  (das  heil.  Köln.  St.  Columba 
S.  15)  zwei  grofse  spätroman.  Standleuchter  im  Dome  zu 
Bamberg.  —  Gotische  Altarlenchter  gewöhnlicher  Art 
sind  fast  überall  häufig,  wir  beschränken  uns  daher  auf 
Erwähnung  der  grofsen  Chor-  oder  Sanctusleuchter,  wie 
dergleichen  paarweise  vor  dem  Altar  aufgestellt  zn  wer- 
den pflegten  und  sich  z.  B.  in  St  Columba  zu  Köln^ 
(2,20  hoch),  und  (nach  Bock,  a.  a.  0.  S.  15)  auch  in 
den  Domen  von  Xanten,  Mflnst  er  und  Braunschweig, 
ein  Paar  Mhgotische  auch  in  der  Magdalenenkirche  zu 
Hildesheim  und  ein  Paar  spätgotische  in  der  Katha- 
rinenkirche  zu  Brandenburg  erhalten  haben.  Zinnerne 
gotische  aus  dem XIH.  Jahrb.,  2,50  hoch,  kommen  in  der 
Elisabethkirche  zu  Marburg  vor  und  zwei  ganz  ähnliche 
auf  schwarzen  Marmorsockeln  in  der  Pfarrkirche  zu  G  e  1  n  - 
hausen;  zwei  schmiedeeiserne,  schon  aus  dem  XVII. 
Jahrh.,  aber  nach  alter  Form  im  German.  Museum  zuNürn- 
berg;^  endlich  vier  hohe  aus  Holz  geschnitzte  und  zierlich  bemalte  in  Wien- 


Fig.  68.    Ootlflcber  Altar- 

l«ncht«r  ao«  Regensbnrg 

(naoh  Jakob). 


»  Abb.  bei  Bock,  d.  heü.  Köhi.  Taf.  XXI,  81. 
2  K.-a.  254  u.  255.  Abb.  Katalog.  Taf.  25. 


Engelleuchter.    lichtrechen.  Xg9 

bansen.  Als  abweichend  von  der  gewöbnlicben  Art  ist  ein  achteckiger,  in 
den  einfachen  Formen  des  gotischen  Steinbanes  gehaltener  Leuchter  in  St. 
Afra  zn  Seligenstadt^  zn  nennen,  dem  sich  zwei  silberne  vergoldete  Altar- 
lenchter  vom  Ende  des  XIV.  Jahrb.  im  Münster  zu  Aachen  insofern  an- 
scbliefsen,  als  hier  der  untere  Teil  des  Schaftes  ebenfalls  ein  architektoni- 
sches Motiv  befolgt,  während  die  sonstige  Form  sich  der  gewöhnlichen  an- 
reiht.^ Endlich  ist  auf  solche  Leuchter  zu  verweisen,  die  von  Engeln  ge- 
halten werden  ^  und  z.B.  im  Dome  zu  Brandenburg  (2  bronzene  von  1441), 
zu  Köln  im  Domschatze  (in  Silber  getrieben)^  und  in  St.  Martin  (aus  Holz 
geschnitzt  und  vergoldet),^  zu  Fröndenberg  (zwei  in  Holz  geschnitzte  von 
ca.  1400),  zu  Nürnberg  in  St.  Sobald  und  im  German.  Museum  (zwei  höl- 
zerne bemalt  und  vergoldet),®  zuRÖmhild  in  der  Stadtkirche  (zwei  bronzene 
nur  von  Engelsköpfen  getragen),  zu  Rottweil  in  der  Pfarrkirche  (aus  Holz 
geschnitzt)  und  zu  Würz  bürg  in  der  Nikolaikapelle  (ein  höbsemer  demTile- 
mann  Riemenschneider  zugeschriebener)^  vorkommen. 

Als  einzig  in  ihrer  Art  ist  die  prachtvolle  4,70  hohe  Pergnla(s.  oben  S. 
151)  zu  erwähnen,  welche  vor  dem  Altare  des  Doms  zuXantenüber  die9,42 
betragende  Breite  des  ganzen  Chors  geht,  und  aus  drei  Arkaden  besteht,  von 
denen  die  mittlere  12,  jede  Seitenarkade  6  Leuchter  trägt;  es  ist  ein  Mes- 
singgufs  aus  Maestricht  vom  Jahre  1501.®  Dem  Ende  des  XV.  Jahrh.  ge- 
hören die  Lichtrechen  im  Chor  der  Marienkapelle  zu  Nürnberg  an:  rechts 
und  links  vom  Hochaltare  zieht  sich  längs  der  Wand  ein  Balken  hin,  auf 
dem  knieende  Engel  die  Leuchter  tragen.^  Ein  Eerzstall  aus  Eisen  befindet 
sich  in  der  Kirche  zuKiederich;^^  derselbe  ist  sechseckig  und  ruht  auf  vier 
Füfsen;  ein  ähnlicher  in Rauenthal  ist  dreifUfsig.  DerzuFrauwüllesheim 
bei  Düren  1,88  hoch,  ist  zu  14  grofsen  und  28  kleinen  Lichtern  eingerich- 
tet;^^ einfacher  ist  der  zu  Bayenburg  bei  Barmen  aus  dem  XV.  Jahrh.  mit 
angehängtem  Weihkessel.*^  Ein  spätgotischer  eiserner  Rechen  für  7  grofse 
und  15  kleine  Lichter  befindet  sich  auch  zu  Laas  in  Kärnthen.^' 


»  Abb.  bei  Jakob.  Taf.  Xm.  10. 

*  ^  bei  Bock,  Pfalzkapelle.  I,  2.  Rg.  29 — 32.  Abb.  von  gotischen  Leuchtern 
in  holsteinischon  Kirchen  beiStatz  und  Ungewitter.  Taf.  203  u.  204;  ein  eiserner 
von  ca.  1460 — 80  aus  Würzburg  im  Bayr.  Nat. -Museum  zu  München  bei  von  Hefner, 
Eisenwerke.  Taf.  3. 

3  Auch  der  jüngere  Titurel  kennt  solche  Engelleuchter  (Str.  85) : 

*uf  Kanzel  (Lettner)  imd  uf  mure 
hie  gewunden,  dort  die  gestabtens 
Provinziell  werden  sie  »Dt^mann«  (Tüllemann)   genannt;    vergl.  Grimm,  Wörterb. 
n,  1150. 

*  Abb.  bei  Book,  d.  heü.  Köhi.  Taf.  X,  43. 

»  »  ebd.  Taf.  XVI,  60.  —  Bei  Laib  und  Schwarz,  Studien  etc.  Taf.  XVI,  1, 
findet  sich  die  Abbild,  eines  grofeen  Lichtträgers  des  XVI.  Jahrh.  aus  der  Kirche  zu 
Schwerte  bei  Dortmund,  ohne  An^be  des  Stoffes;  es  ist  eine  gewundene  Säule,  auf 
deren  polygonem  Kapital  ein  Engel  steht,  welcher  den  Leuchter  in  den  Händen  trägt. 

ö  K.-G.  237  u.  238.  Abb.  Katalog.  Taf.  24. 

'  Abb.  in  Wartburg.  I  (1873).  Taf.  8  zu  S.  123. 

•  »     bei  aus'm  Weerth,  a.  a.  0.  Tat  XVm,  5. 

•  Vergl.  Laib  und  Schwarz,  a.  a.  0.  76. 

>o  Abb.  bei  Statz  und  Ungewitter.  193,  3—7. 
«»     »     Org.  f.  eh.  K.  1869.  No.  7. 
«     »     aus^m  Weerth.  Taf.  XU.  Fig.  10.  11. 
«     >     Östr.  Atl.  IC,  11. 


170  Ewige  Lampen.    Judenlampen.  Wandleuchter. 

Anmericnng  1.  Obgleich  im  Mittelalter  anfser  den  Kerzen  auch  Öllampen 
im  kirchlichen  Gebrauche  waren ,  und  die  Unterhaltung  einer  ewigen  Lampe 
vor  der  geweihten  Hostie  jetzt  in  der  katholischen  Kirche  allgemeine  Sitte  ist/ 
so  fällt  es  doch  auf,  dafs  Lampen  aus  dem  Mittelalter  nur  selten  nachgewiesen 
sind.  Aufser  der  oben  (S.  161)  erwähnten  Nürnberger  aus  Eger  ist  im  Germ. 
Museum  zu  Nürnberg  (K.-G.  229)  eine  Lampe  von  Messing  mit  durchbrochenem 
runden  Gehäuse  und  orientalischer  und  lateinischer  Inschrift  aus  dem  XIV. 
Jahrh.  zu  nennen ,  und  ein  hölzernes  mit  Figürchen  ausgestattetes  Gehfiuse  in 
Wienhausen,  und  Jakob  (S.  184)  erwähnt  eine  Lampe  whne  besondre  Schön- 
heit zuUsterling  a.  Isar,  Bergmann  (Mitt.C.-K.  II,  307)  die  ewigen  Lichte 
in  St.  Lorenz,  zu  Lorch  bei  Ens  und  in  der  Kirche  zu  Freistadt  in  Ober- 
österreich. Steinerne  Gehäuse  zum  ewigen  Licht  in  Verbindung  mit  dem 
Wandtabemakel  kommen  vor  zu  Straubing  in  St.  Jakob  und  in  der  Pfarr- 
kirche zu  Gelnhausen.^  Auch  die  gotischen  Chorlampen  im  Dome  zu  Lü- 
beck' und  zuHaarbrück(Kr.  Höxter)  werden  hierhergehören.  Eine  aus  Mes- 
singgufs  von  Hans  Meifsner  zu  Braunschweig  1563  befindet  sich  im  Zither 
des  Domes  zu  Halberstadt.  —  Der  Dom  zu  Erfurt  besitzt  ein  romanisches 
lampadarium  pensile  aus  Bronze  mit  12  Schneuzen,  dessen  aufsteigeiMes,  zum 
Aufhängen  bestimmtes  Mittelstück  in  3  Reihen  übereinander  unten  mit  alt-, 
oben  mit  neu -testamentlichen  Reliefs  geschmückt  ist.  Anderweitig  sind  von 
solchen  sternförmigen  sogenannten  Judenlampen  nur  noch  2  Exemplare  be- 
kannt, das  eine  aus  einer  von  Didron  in  den  Annal.  arch^ol.  gegebenen 
Abbildung,^  das  andre  und  schönste  im  erzbisch.  Museum  zu  Utrecht 

Anmerkung  2.  Aufser  den  in  näherem  oder  entfernterem  Zusammen- 
hange mit  dem  Apparat  und  Schmuck  der  Altäre  stehenden  Hänge-  und  Stand- 
leuchtern bedurfte  man  bei  nächtlichen  Gottesdiensten,  bei  Exequien,  infolge 
von  Stiftungen  vor  Votivbildem  oder  besonders  gefeierten  Reliquien  u.  s.  w. 
noch  anderweitiger  Beleuchtung  und  bediente  sich  dazu  namentlich  auch  der 
Wandleuchter  in  Form  beweglicher  Arme,  die,  insofern  am  Tage  der  Kirch- 
weihe vor  den  zwölf  Weihekreuzen  der  Kirche  Wandleuchter  aufgehängt  zu 
werden  pflegten,^  auch  Apostelleuchter  genannt  werden.  Romanische  Bei- 
spiele von  solchen  sind  äufserst  selten.  Sighart,  die  mittelalterl.  Kunst  in  der 
Erzdiöcese  München-Freising  S.  211,  erwähnt  im  Chore  der  Kirche  zu  Fürsten- 
feld  bei  München  zwei  romanische  (Wand-)Armleuchter  ^mit zierlicher  Darstel- 
hing  des  Kampfes  mit  dem  Drachen^.  Auch  gotische  aus  Metall  gegossene 
Wandleuchter  sind  nicht  häufig ;  veröffentlicht  sind  solche  aus  St.  Kunibert  in 
Köln  (Bock,  d.  heil.  Köln,  Taf.XIU,  52)  und  aus  den  Dortmunder  Kirchen  in 


^  Im  Graltempel  des  jung.  Titurel  (Zarncke,  Str.  83  S.)  hängen  in  jedem  Chor  3 
und  über  jeder  Thür  I  Paar  krystallene  ^Balsamvaze*  an  Goldsträgen  von  schweben- 
den Engeln  gehalten,  und  zwar  brennen  diese  nach  Str.  87  zu  allen  Zeiten,  wahrend 
die  Wachskerzen  auf  den  Altären  nur  während  des  Amtes  der  M^se  brennen.  Die 
Öllampen  beruhen  auf  Analogie  von  Exod.  27,  21. 

2  Abb.  Statz  u.  Ungewitter.  Tal  121,  3—5. 

3  Ebd.  Taf.  59,  40. 

*  Danach  bei  Semper,  der  Stil.  U,  53  und  Müller  u.  Mothes,  Archäol. 
Wörterb.  11,  612. 

*  Pellicia,  Alex.  Aur.,  de  Christ,  eccl.  poHtia,  ed.  Bitter.  I,  129- 


Wandleuchter.    Laternen.  171 

der  Fürstl.  KnnBtkammer  zu  Sigmaringen  (v.  Hefner- Alteneck ,  Taf.  58, 
vergL  Seemann,  CIL,  10)  sowie  zwei  in  der  Kirche  zu  Waldfeucht  (aus 
belgischen  Gufsstätten;  v.  Fisenne,  Kunstdenkm.  IL  Lief.  4.  Taf.  27.  28). 
Spätgotische,  aus  Eisen  künstlich  geschmiedete  und  polychromierte  im  Rat- 
hausturme zu  Köln  aus  dem  XV.  Jahrh.  (Org.  f.  ehr.  K.  1861,  No.  19,  artist.  Beil. 
und  V.  Hefner,  Eisenwerke,  Taf.  69),  zu  Augsburg  im  Privatbesitz,  ebenfalls 
XV.  Jahrh.)  V.  Hefner,  a.  a.  0.  Taf.  10)  und  zwei  aus  Till  und  Wankun  aus 
dem  XVI.  Jahrh.  (aus'm  Weerth,  Taf.  VI,  10  u.  Taf.  XXI,  12).  —  In  der 
vor  dem  Zither  des  Doms  zu  Halb  er  Stadt  belegenen  Kapelle  bemerkte  man 
vor  der  letzten  Überweifsung  an  den  auf  die  Wand  gemalten  Weihekreuzen 
noch  die  zum  Anhängen  der  Leuchter  bestimmt  gewesenen  Haken.  —  Von 
Standleuchtern  zu  Exequien  haben  sich  eine  Reihe  in  Holz  geschnitzter,  be- 
malter und  vergoldeter,  die  zum  Teil  noch  die  Zeichen  der  Bruderschaften, 
denen  sie  gehörten,  tragen,  in  der  Oertrudenkapelle  der  Marienkirche  zu  Dan- 
zig  erhalten;  4  davon  sind  von  Schulcz-Ferencz  in  der  »Wiener  Bauhütte« 
Bl.  94  veröffentlicht.  Schmiedeeiserne  zu  gleichem  Zwecke,  zum  Teil  noch  in 
die  Ausgangszeit  des  romanischen  Stils  zurückreichend  finden  sich  in  einigen 
österreichischen  Kirchen,  so  zu  Heiligenkreuz  (Abb.  Mitt.  C.-K.XVin,  334), 
gotische  zu  St.  Lambrecht  (das.  XIX,  216),  zu  Eisenerz  in  der  Pfarrkirche 
(das.)  und  in  der  Franziskanerkirche  zu  Salzburg(das.  S.  217).  — Laternen 
brauchte  man  teils  bei  Prozessionen  (z.  B.  am  Fronleichnamstage),  teils  bei  der 
Tragung  des  Viaticums  zu  Sterbenden,  im  ersteren  Falle  hohe  Stocklatemen, 
im  letzteren  Handlaternen  (Versehlaternen).  Abb.  einer  solchen  in  romani- 
schem Stil  nach  Didron,  im  Org.  f.  ehr.  K.  1868,  Beil.  1  a.  und  ebenda  einer 
gotischen  nach  einem  Bilde  aus  dem  XV.  Jahrh.  im  Museum  zu  Köln.  Eine 
hölzerne  aus  dem  XV.  Jahrh.  befindet  sich  im  German.  Museum  (K.-G.  244, 
Abb.  Katalog,  Taf.  24). 

37.  Die  Verehrung  für  den  heiligen  Inhalt  der  zum  gottesdienst- 
lichen Gebrauche  bestinunten  Bücher  führte  bereits  im  christlichen  Alter- 
tume  zur  prachtvollen  äufseren  Ausstattung  derselben  durch  die  Kunst, 
und  als  Gegenstand  öffentlicher  Verehrung  gehörte  schon  fiühzeitig  ein 
kostbar  eingebundener  Evangeliencodex  zum  ständigen  Schmucke  der 
Altäre.*  Gleicher  Ehre  genofs  zunächst  das  Missale.*  Die  gegenwärtig 
für  jeden  Mefsaltar  erforderlichen  Kanontafeln  (mit  dem  Sanctus,  Credo 


*  Pellicia,  a.  a.  0.  I,  143:  *Evangeliorum  codex  super  ipsum  altareperpetuo 
erat.€  Cf.  p.  157.  —  Das  Chronikon  Christiaiii  (bei  Joffe  p.  681)  sagt  in  Beziehung 
auf  den  Dom  zu  Mainz :  ^Erant  Itbri,  qui  pro  omaJtu  super  cUtare  ponehantur,  ut 
evangeliorum,  epistolarum  etc.,  aliqui  vesMi  ebore  scuipto,  cUit  argento,  cdii  auro 
et  gemmis.*  —  Vergl*  oben  S.  141. 

2  Über  den  Einband  der  Ritualbücher:  Texier,  Dictionnaire  d'orfevrerie,  Art 
*Couvertures  et  reliures  de  livres^  (nach  Dom  Gueranger,  Institutions  Hturgiques 
und  Guenebault,  Dictionnaire  iconoßraphique)  529—549,  VergL  auch  d'Agincourt, 
Histoire  de  l'art  etc.  VI,  107;  Jakoo,  214  ff.;  Steche.  R.,  zur  Gesch.  des  Buch- 
einbandes mit  Berücksichtigung  seiner  Imtwickelung  in  Sacnsen.  1877;  Friedrich,  C, 
zur  Gesch.  des  Bucheinbandes  in  d.  Zeitschr.  des  Kunstgew.- V.  zu  München.  1882. 
Heft  l.  2;  Nordhoff,  J.  B.,  Buchbinderkunst  u.  Handwerk  in  Westfalen,  in:  Zeitschr. 
fr.  Gesch.  u.  Altertumsk.  "Westfalens  XXXIX,  153  ff.;  besonders  auch:  Wattenbach, 


172  Büchereinbände. 

und  den  Konsekrationsworten)  kommen  im  Mittelalter  noch  nicht  vor, 
sondern  werden  erst  ausgangs  des  XVL  Jahrh.  erwähnt 

Den  mit  prächtigen  Pergament- Codices  und  kostbaren  Einbänden  der 
Bücher  getriebenen  Aufwand,  den  man  mehr  liebe,  als  das  fleifsige  und  an- 
dächtige Lesen  des  göttlichen  Wortes,  rügen  bereits  Chrysostomus  und 
Hieronymus.^  Die  Geistlichen  selbst  verstanden  sich  auf  die  Buchbinder- 
kunst;  jedes  Kloster  besafs  in  seiner  Schreibstube  neben  den  Abschreibern 
und  Illuminatoren  auch  seine  Buchbinder,  die  in  späterer  Zeit  Laienbrüder 
waren.  Als  Buchbinder  wird  z.  B.  der  irische  Mönch  Dagaeus  t  ^87  beson- 
ders gertlhmt,  und  in  einem  Kölner  Codex  des  VII.  Jahrh.  findet  sich  bereits 
der  Ausdruck  T^Sigebertus  bindit  Ubelhm^.  Bischof  Otto  von  Bamberg  ver- 
sah als  Hofkaplan  bei  Kaiser  Heinrich  IV.  das  kaiserliche  Gebetbuch  an 
Stelle  des  alten,  abgenutzten  Einbandes  novam  pellem  mercatusdecenter  mit 
einem  neuen.^  Karl  der  Grofse  schenkte  774  an  das  Kloster  St.  Denis  einen 
ganzen  Wald  mit  der  Jagd  auf  Rehe  und  Hirsche  eigens  zu  dem  Zwecke, 
damit  aus  deren  Häuten  Einbände  gemacht  werden  könnten,  und  solche 
Schenkungen  kommen  öfters  vor.  Am  Ende  des  Mittelalters  trieben  die  Brü- 
der des  gemeinsamen  Lebens  wie  das  Abschreiben  und  nachher  Drucken  der 
Bücher,  so  auch  das  Buchbindergewerbe  völlig  geschäftsmäfsig. 

Man  darf  annehmen,  dafs  im  Gegensatze  zu  den  antiken  Schriftrollen 
die  zwischen  Tafeln  gebundenen  Bücher  ihren  Ursprung  gehabt  haben  in 
den  spätrömischen  Elfenbeinschreib  tafeln,  mit  Reliefs  auf  der  äuTseren  Seite 
(diptycha  consularia,  von  Magistraten  beim  Antritte  des  Amtes  verschenkt 
und  mitKonsularbildem  etc.  geschmückt,  und  diptycha  ecclesiastica,  kirch- 
liche Namenverzeichnisse  und  mit  biblischen  Gegenständen  geschmückt),' 
zwischen  welche  man  beschriebene  Pergamentblätter  legte,  da  beide  Gat- 
tungen der  Diptycha  nur  als  Deckel  kirchlicher  Handschriften  auf  uns  ge- 
kommen sind,  und  bis  ins  XHI.  Jahrh.  vorzugsweise  Elfenbeintafeln  zu 
Prachtbuchdeckeln  verwendet  wurden.  Die  Buchdeckel  selbst  bestehen  aus 
Holz,  worauf  man  die  Elfenbeintafeln  festnietete.  Gewöhnlich  jedoch  bilden 
letztere  nur  den  mittleren  Teil  der  Deckel,  und  die  Ränder,  als  Umrahmung 
des  meist  etwa  0,t8  hohen  und  0,13  breiten  Elfenbeinreliefs,  sind  mit  Gold- 
oder Silberblech  überzogen,  in  welches  Edelsteine  und  Perlen  gefafst,  und 
das  mit  getriebenen,  emaillierten  und  gravierten  Darstellungen  verziert 
wurde;  vielfach  werden  auch  Reliquien  unter  Krystallen  mit  eingefügt. 
Anderweitig  sind  die  Deckel  auch  ganz  mit  Metallblechen  überzogen. 
Beide  Deckel  eines  Buches  haben  übrigens  niemals  denselben  Schmuck: 
der  vordere  Deckel  (latus  frontale)  ist  gewöhnlich  am  reichsten  aus- 
gestattet,  der  hintere  oft  ganz  schmucklos,   wie  der  Rücken   und   die 


das  Schriftwesen  im  M.-A.  2.  Aufi.  324 — 341.  Abbildungen  von  Mustereinbänden  aus 
der  Blütezeit  der  Buchbinderkonst.  40  Tafif.  in  Lichtdruck  mit  Text  von  J.  Stockbauer. 
Leipzig.  0.  J.  —  Die  Namen  der  verschiedenen  Bitualbücher  sind  erklärt  in  Otte, 
Wörterbuch.  197  f. 

*  Neander,  A.,  Joh. Chrysostomus.  I,  190;  Augusti,  Denkwürdigkeiten.  Xn,  289. 

«  Ebonis  vita  Ott  Bab.  I,  6.  Jaffe,  Bibl.  V,  594. 

'  Über  die  Diptycha:  Müller,  C.  0.,  Handb.  der  Archäologie.  S  312  n.  3.  — 
Yerel.  Augusti,  a.  a.  0.  302  ff.;  Schäfer,  G.,  Denkmäler  der  Elfenbeinplastik  des 
Orolsherz.  lius.  zu  Darmstadt  1872,  19—26. 


Büchereinbände.  173 

Innenseite  des  Vorderdeckels  mit  Seidenzeng  ttberzogen  (auf  welchem  sich 
Zuweilen  schon  im  XIII.  Jahrh.  Stickereien  finden)^  und  höchstens  zur  Ver- 
meidung der  Abscheuerung  an  den  Ecken  beschlagen  oder  mit  stark  hervor- 
ragenden Krystallen  besetzt.  Aufserdem  legte  man  beim  Gebrauche  der 
Bücher  Polster  (cussini)  unter  oder  schlug  sie  in  saubere  Tücher  {panrd 
Hneij  camisiae)  ein.  Auch  hatte  man  kostbar  geschmückte  Kästen  (capsae) 
in  Buchform,  in  welchen  die  Codices  aufbewahrt  und  auf  den  Altären  aus- 
gestellt wurden.  Zuweilen  begnügte  man  sich  indes  mit  der  Ausstellung  der 
leeren  capsae.  Ein  Evangeliarium  von  1325  in  Wiener-Neustadt  ist  oben 
mit  2  Ringen  versehen,  um  das  Buch  aufhängen  zu  können,  und  hat  zugleich 
unten  an  beiden  Deckeln  Füfschen,  mit  deren  Hilfe  es  als  Schaustück  auf- 
gestellt werden  kann.^  Ledereinbände  kommen  schon  sehr  früh  vor^  seit 
Anfang  des  XV.  Jahrh.  ziemlich  häufig,*  als  aber  nach  Erfindung  der  Buch- 
druckerkunst und  durch  die  Verwendung  des  Papiers  statt  des  Pergaments 
die  Bücher  häufiger  und  wohlfeiler  wurden,  überzog  man  allgemein  die  Holz- 
deckel der  Prachtbände  mit  gewebten  und  gestickten  Seidenstoffen  oder  mit 
Leder  (welches  teils  die  Naturfarbe  behielt,  teils  braun  oder  schwarz  ge- 
färbt und  entweder  zu  reicherer  Flachreliefdekoration  gerissen,  geschnitten, 
gepunzt  und  ciseliert  wurde,  oder  eine  Pressung  mit  rautenförmigen  Mustern 
in  der  Weise  der  spätgotischen  Thürbeschläge  erhielt)  und  beschlug  die 
Ecken  mit  Metallstücken,  auch  die  Mitte  oft  mit  Metallmedaillons  meist  mit 
stark  hervorragenden  Buckeln,  auch  wurden  starke  metallene  Klausuren 
hinzugefügt. 

Unter  den  in  deutschen  Bibliotheken  noch  ziemlich  häufig  vorkommen- 
den Evangelien-  und  Mefsbüchem  in  mittelalterlichen  Prachtbänden  finden 
sich  manche,  deren  Einband  ganz  oder  teilweise  (besonders  in  der  Metall- 
nmrahmung  des  mittleren  Elfenbeins)  jünger  ist  als  der  Codex  selbst,  sel- 
tener andere,  deren  Elfenbeindeckel  älter  sind  als  das  Buch,  zu  dem  sie 
gegenwärtig  gehören. 

Von  ornamentierten  Einbänden  machen  wir  namhaft:  Diptycha  consula- 
ria  als  Deckel  von  Evangeliarien  zu  Lüttich  in  St.  Martin  und  im  Dom,^  des- 
gleichen an  einem  Antiphonale  aus  dem  XIV.  Jahrh.  im  Zither  des  Doms  zu 
Halberstadt  (No.  45).^  Der  Form,  Gröfse  und  Arbeit  dieser  antiken  Diptychen 


^  Z.  B.  am  WyBsehrader  Codex  in  der  Univ.-BibL  zu  Prag  ein  Salvator  in  "Wein- 
blattarabesken.    Details  davon  abg.  bei  Grneber.  I.  Fig.  270. 

*  Abb.  Mitt.  C.-K.  XVm,  169.  Fig.  17. 

3  Im  Kunstgewerbe -Museum  zu  Berlin,  Raum  XVn,  Glaskasten  117,  befindet  sich 
z.  B.  der  lederne  Deckel  eines  Psalteriums  aus  dem  XIV.  Jahrh.  mit  gerissenem,  noch 
völlig  romanischem  Bestienomament.  Im  Hildesheimer  Schatzverzeichnis  von  1409 
wird  unter  mehreren  gleichen  z.  B.  ein  ^psalterium  ligatum  in  corio  aJbo  cum  ferra" 
mentis  anguJaribus  et  lonais  datisuris*  aufgeführt;  vergl.  Anz.  G.  M.  1878.  Sp.  212  f. 
Schon  14U7  finden  sich  Scnriftstempel  zur  Pressung  verwendet. 

^  Abbild,  bei  S  al  i  ^ ,  de  diptychis  veterum  (Halae)  1731,  Titelkupfer.  Das  aus  St.  Mar- 
tin befindet  sich  jetzt  in  Darmstadt  vergl.  Schäfer,  a.  a.  0.,  22.  Es  stammt  von  Fla- 
vius  Astyrius  449;  ist  aber  nur  eine  Tafel,  der  übrige  Einband  gehört  der  Zeit  ca.  1300  an. 

^  Aobild.  bei  Augustin,  Chr.  F.  Biemh.,  das  Diptychon  consulare  in  der  Domk. 
zu  Halberstadt,  in  den  N.  Mitt.  Th.-S.  V.  VÜ.  2,  60.  Die  mit  Konsularbildem  ee- 
schmtickten  Tafeln  sind  oben  und  unten  verkürzt,  um  sie  dem  kleineren  Format  des 
Buches  anzupassen;  die  Höhe  beträgt  jetzt  ü,28,  die  Breite  0,i4.  —  Vergl.  Eugler, 
Kl.  Sehr.  I,  135;  Bock,  aus  dem  Domschatze  zu  Halberstadt,  in  den  Mitt.  C.-E.  XV, 
22.  —  Im  Domschatze  zu  Frag  befindet  sich  ein  Evangeliarium  aus  dem  IX.  Jahrh. 


174  Pi-achtbuchdeckel  EX.  und  X.  Jahi-h. 

schliefsen  sich  an  die  vier  Elfenbeindeckel  der  beiden  Gebetbücher  K.  Hein- 
richs II.  und  seiner  Gemahlin  Kunignnde  in  der  k.  Bibliothek  zu  Bamberg 
(No.  1049);  sie  sind  0,30  hoch  und  0,ii  breit,  enthalten  vier  einzelne  Figu- 
ren (der  thronende  Christus  und  Maria,  Paulus  und  Petrus)  und  sollen  nicht 
jünger  sein  als  das  VI.  Jahrhundert.  —  Der  Zeit  um  800  gehört  das  Evan- 
gelienbuch  des  heil.  Liudger  an,  welches  sich  im  Besitze  des  Oberregierungs- 
rates Er  ttger  in  Minden  befand  und  1852  nach  England  verkauft  ist:  die  Mitte 
des  mit  gravierten  Darstellungen  geschmückten  vergoldeten  Deckels  nimmt  ein 
Kruzifix  aus  Elfenbein  ein.  Ins  IX.  Jahrh.  fallen  femer  ein  aus  Bamberg  stam- 
mendes Evangeliarium  in  der  Hofbibliothek  zu  München(Cim.  56)  mit  Beinen 
von  Goldblech  umrahmten  Elfenbeinbildern,  vorn  die  Taufe  Christi,  hinten  die 
Verkündigung  und  die  Geburt  Christi  darstellend,^  und  der  Evangeliencodex 
No.  65  der  Universitätsbibliothek  zu  Wttrzbnrg,  dessen  Elfenbeindeckel  (von 
0,022  X  0,015)  in  37  Figuren  die  Hochzeit  zu  Kana,  die  Austreibung  aus  dem 
Tempel  und  die  Heilung  des  Blindgeborenen  enthält.  Der  eines  andern  gleich- 
zeitigen daselbst  mit  der  stehenden  h.  Jungfrau,  welche  der  h.  Nikolaus  verehrt, 
wird  als  griechische  Arbeit  angesehen^  —  auf  der  Rückseite  ist  eine  Silber- 
platte mit  Gravierung  der  Majestas  domini'  angebracht.  Aus  der  Zeit  um  900 
rühren  die  Elfenbeindeckel  des  dem  Tutilo  zugeschriebenen  Evangeliariums 
in  der  Bibliothek  zu  St.  Gallen  (No.  53)  von  0,275  X  0,170  her,  vom  den 
thronenden  Christus,^  auf  der  Rückseite  die  Himmelfahrt  Maria  und  die  Le- 
gende des  heil.  Gallus  darstellend. 

Dem  X.  Jahrh.  werden  zugeschrieben  die  Schauseite  des  Missale 
No.  911  in  der  K.  Bibliothek  zu  Bamberg  (Umrahmung  von  gravier- 
tem Silber  mit  eingelegten  Runden  ans  Gold  in  den  Ecken,  auf  dem 
Elfenbein  in  der  Mitte  die  Halbfigur  der  Madonna),  eines  Evangeliariums 
im  Münster  zu  Aachen  (Umrahmung  Goldblech  mit  getriebenen  Dar- 
stellungen und  eingelegten  Edelsteinen ;  Mittelstück  die  Madonna  in  Elfen- 
bein ;  auf  dem  hinteren  Deckel  ist  nur  das  Elfenbein  mit  den  vier  Heiligen- 
figuren gleich  alt,  die  in  Silber  getriebene  Umrahmung  später)^  und  eines 
Evangelienbuches  in  der  Stadtbibliothek  zu  Leipzig  ebenfalls  mit  dem 
Elfenbeinbilde  der  Madonna,  die  Deckel  der  Evangelienbücher  des  heil. 
Rilian  in  der  Universitätsbibliothek  zu  Würzburg  (das  Elfenbein  zeigt  das 
Martyrium  des  Heiligen  und  seiner  Gefährten;  Umrahmung  und  Einband 
aus  dem  XV.  Jahrh.) ^  und  des  heil.  Ulrich  in  der  Hofbibliothek  zu  Mün- 


mit  einem  Elfenbeindeckel,  welcher  den  sitzenden  Petrus  in  einer  von  allen  sonstigen 
DarstoUun^n  desselben  so  abweichenden  Art  aufweist,  dals  die  Wahrscheinlichkeit 
vorliegt,  dafs  es  ein  durch  Hinzufügung  des  Nimbus  und  Verwandlung  des  Scepters 
in  den  Schlüssel  aptiertes  antikes  Belief  sei;  vergl.  Bock,  in  den  Mitt.  C.-K.  AVI, 
97,  m.  Taf.  in  Farbendruck. 

'  Abbild,  der  beiden  Elfenbeine  bei  Förster,  BildnereL  I,  23  u.  U,  5. 

*  Abb.  Becker-  v.  Hefner.  I.  Taf.  l. 
3     »     ebd.  Taf.  30. 

*  »  bei  Förster  a.  a.  0.  I,  7,  und  verkleinert  auch  in  desselben  Gesch.  der 
deutschen  Kunst.  1,  34;  die  Rückseite  bei  Dohme,  Kunst  u.  Künstler  etc.  I,  l.  2,  29. 

*  Abb.  beider  beckel,  aus'm  Weerth.  Taf.  XXXIV,  2  u.  2  a.  —  Ebendaselbst 
enthält  ein  Antiphonar  aus  dem  XIV.  Jahrh.  als  Deckel  ein  Diptychon,  auf  jeder  Seite 
mit  drei  Scenen  aus  dem  Leben  des  Herrn  nach  der  Aufei-stehung  untereinander,  wel- 
ches Bock  noch  vor  das  X.  Jahrh.  setzt.    Abb.  Bock,  Pfalzkapelle.  I,  1.  Fig.  14. 

«  Abb.  Bocker-  v.  Hefner.  I.  Taf.  16. 


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1 


Prachtbuchdeckel.  X.  Jahi'h.  175 

chen  (Gim.  53)  mit  Elfenbeinbildern  auf  beiden  Deckeln  (Kreuzigung,  Auf- 
erstehung und  Himmelfahrt),  femer  die  Evangeliarien  in  der  k.  Bibliothek 
zu  Berlin  (Cod.  lat.  fol.  No.  3)  mit  der  Kreuzigung  auf  dem  Elfenbein,  in 
der  k.  Bibliothek  zu  Dresden  (A.  63)  mit  Darstellungen  der  Kreuzigung, 
Grablegung,  Auferstehung  und  Höllenfahrt,^  im  Museum  zu  Darmstadt 
(No.  681)  mit  der  Verherrlichung  Christi  auf  dem  vorderen,  und  dem  Pro- 
pheten Jesaias  auf  dem  hinteren  Deckel,  in  der  Stadtbibliothek  zu  Frank* 
fürt  a.  M.  mit  einer  Darstellung  der  Messe  ;^  endlich  ein  Deckel  mit  ge- 
triebenen vei^oldeten  Figuren  auf  buntem  Emailgrund  (No.  216)  in  der 
Bibliothek  zu  St.  Gallen  und  der  mit  Silberplatten  belegte  Deckel  des  Co- 
dex No.  44  in  der  k.  Bibliothek  zu  Bamberg.  In  die  früheren  Jahrhunderte 
des  Mittelalters  gehört  auch  der  Deckel  eines  Evangeliariums  im  Dom-Zither 
zu  Halberstadt  (No.  44)  mit  dem  Elfenbein  des  unter  Knppelarchitekturen 
sitzenden  und  sein  Evangelium  einem  Schreiber  diktierenden  Evangelisten 
Johannes. '  —  Wenn  die  Zeitbestimmung  sämtlicher  vorgenannten  Deckel 
grofse  Schwierigkeiten  hat,  so  zeichnet  sich  dagegen  durch  sichere  Datie- 
rung aus  der  Einband  des  Evangeliariums  aus  Echternach  in  der  Bibliothek 
zu  Gotha,  dessen  mittleres  die  Kreuzigung  darstellendes  Elfenbein  mit  einer 
reichen  Umrahmung  aus  Goldblech,  Emails,  Edelsteinen  und  Perlleisten 
versehen  ist,  auf  welcher  sich  die  getriebenen  Figuren  der  Geschenkgeber, 
der  Kaiserin  Theophanu  und  ihres  Sohnes,  Königs  Otto  HI.  befinden,  deren 
gemeinschaftliche  Regierung  in  die  Zeit  von  985  bis  991  fällt.  ^  Ebenfalls 
dem  Schlüsse  des  Jahrhunderts  dürfte  der  kostbare  Golddeckel  mit  dem  seg- 
nenden Christus  in  der  Mitte,  den  vier  Evangelisten  auf  den  Rändern  und 
vier  Darstellungen  aus  dem  Leben  Jesu  auf  den  Ecken  angehören,  mit  wel- 
chem der  870  auf  Befehl  Karls  des  Kahlen  von  Beringarius  und  Liuthardus 
geschriebene,  aus  S.  Denis  nach  S.  Emmeram  in  Regensburg  und  von  da  in 
die  Hofbibl.  zu  München  (Cim.  55)  gekommene  Codex  aureus  der  Evan- 
gelien wahrscheinlich  975  von  Aripo  und  Adalbertus  geschmückt  ist.^  Dem 
X«  oder  XI«  Jahrh.  gehört  der  Deckel  eines  Evangeliars  der  Universitäts- 


*  Photogr.  Dresdener  Ausstellung.  TaH  20. 

<  »  Frankfurter  Ausstellung.  Taf.  33.  89.  Mit  diesem  zusammen  den  Ein* 
band  eines  liturgischen  Buches  bildend  jzehört  hierzu  offenbar  ein  Belief  der  Samm- 
lung Spitzer  in  Paris  —  ebenfalls  auf  Taf  89  abgebildet.  Das  Frankfurter  stellt  den 
Priester  bei  der  Konsekration  hinter  dem  Altare  stehend,  das  Pariser  denselben  beim 
Anfang  der  Messe  das  Ad  te  levavi  singend,  zur  Seite  des  Altars  stehend  dar.  In 
beiden  Fällen  stehen  hinter  dem  Priester  5  Leviten  mit  Büchern  in  den  Händen,  vom 
aber  5,  resp.  7  Priester,  welche  die  Messe  mit  singen;  es  ist  also  die  Darstellimg  einer 
sogenannten  Pontifikalmesse.  Vergl.  auch  Arch.  für  Frankf.  Gesch.  u.  K.  I,  1.  Taf.  4. 
Die  Miniaturen  des  Evang.  stammen  wahrscheinlich  von  1376,  die  Rückseite  des 
Deckels  zeigt  den  gravierten  Salvator. 

^  Groise  farbige  Abb.  bei  Bock,  a.  a.  0.,  131.  Der  Tradition  nach  ca.  840  dem 
Bisch.  Haimo  geschenkt,  wurde  das  Elfenbein  1263  durch  den  Thesaurarius  Albert  von 
Aldenburg  in  zierliche  Goldschmiedearbeit  gefalst  —  Neuerdings  ist  daselbst  auch  ein 
byzantinisches  aus  dem  VI.  Jahrh. ,  welches  zersägt  war  und  auf  beiden  Tafeln  Kreuze 
enthält,  wieder  imter  No.  59  a.  b.  zusammen^setzt. 

*  Abb.  des  Deckels  (etwa  in  ^/a  der  Origmalgröfse)  in  der  Zeitschr.  f.  eh.  A.  u.  K, 
11.  Taf.  17,  woher  wir  den  nebenstehenden  Stahlstich  entlehnen. 

*  Abb.  bei  Sanftl,  Colom.,  Diss.  in  aureum  ac  pervetustum  SS.  evangeliorum 
codicem  ms.  monasterii  S.  Emmorami  (Regensb.  1786);  Labarte,  hist.  des  arts  in- 
dustr.  Taf.  34.  35.  —  Förster,  Bildnerei.  XTL.  Taf.  zu  S.  13. 


176  Prachtbuchdeckel.   XI.  Jahrh. 

bibliothek  zu  Wttrzbnrg  an,  mit  dem  Lamm  Gottes,  Löwen,  Vögeln  und 
Schweinen  auf  zwei  unter  sich  verschiedenen  Elfenbeintafeln,  die  ursprüng- 
lich eine  andere  Bestimmung  (etwa  für  ein  Reliquiar)  gehabt  haben.  ^ 

Unter  den  aus  dem  XL  Jahrh.  erhaltenen  Prachtdeckeln  zeichnen  sich  zu- 
nächst mehrere  aus  der  Zeit  K.  Keinrichs  IL  (f  1024)  stammende  und  von  Bam- 
berg in  die  Hofbibliothek  nach  München  gekommene  Codices  aus:  ein  um 
1014  geschriebenes  Evangelistarium  (Cim.  57)  mit  den  Darstellungen  der 
Kreuzigung  und  Auferstehung  auf  dem  mittleren  Elfenbein,*  welches  in  der 
Einfassung  die  emaillierten  Evangelistenzeichen  auf  den  Ecken  und  die  musi- 
vischen  Bilder  der  Apostel  auf  den  Seiten  enthält ;  ein  Evangeliarium  (Cim. 
58),  dessen  oberer  mit  Gold,  Edelsteinen  und  Perlen  belegter  Deckel  eine 
Elfenbeintafel  mit  dem  Tode  der  Maria  umschliefst ;'  und  ein  Missale  (Cim. 
60)  mit  dem  Elfenbeinbilde  der  Kreuzigung  und  Auferstehung  Christi.*  Der 
zweiten  Hälfte  des  Jahrh.  gehört  ein  Evangeliarium  (Cim.  59)  an,  dessen 
oberer  mit  Gold,  Edelsteinen  und  Perlen  belegter  Deckel  in  der  Mitte  einen 
grofsen  Onyx  enthält.  Diesen  Bamberger  Codices  schliefst  sich  der  Zeit 
nach  an  das  Evangelienbuch  des  Bischofs  Heinrich  von  Wttrzburg(t  1018) 
in  der  dortigen  Universitätsbibliothek  (No.  66)^  mit  der  Darstellung  Christi, 
der  Maria  und  Johannes  des  Täufers  unter  einem  durchbrochenen  Schirm- 
dache auf  der  Elfenbeinplatte,  deren  ehemalige  Umrahmung  fehlt,  und  das 
Missale  des  heil.  Burkard  ebendaselbst  (No.  68)  mit  dem  die  Maria  verehren- 
den heil.  Nikolaus  unter  ähnlichem  Schirmdache  auf  dem  oberen  und  einer 
durchbrochenen  Silberplatte  mit  der  Majestas  auf  dem  unteren  Deckel. 
Gleichzeitig  fällt  auch  der  Einband  eines  Evangeliariums  in  der  Dombiblio- 
thek zu  Hildes  heim,  ein  Werk  des  dortigen  Bischofs  Bernward  (t  1022), 
dessen  Einfassung  aus  vergoldetem  Silberblech  vorn  ein  Elfenbein  mit  dem 
lehrenden  Christus  zwischen  Maria  und  Johannes  (?),  hinten  eine  Silbertafel 
mit  der  Gottesmutter  umrahmt.  Aus  der  Mitte  des  Jahrhunderts  stammen 
der  Evangeliencodex  der  Äbtissin  Theophanu  (1039 — 1054)  im  Münster  zu 
Essen  (auf  der  in  Goldblech  getriebenen,  mit  Edelsteinen  reich  verzierten 
Umrahmung  der  mittleren  die  figurenreichen  Darstellungen  der  Geburt, 
Kreuzigung  und  Himmelfahrt  Christi  zeigenden  Elfenbeintafel  unter  anderen 
das  Bild  der  Donatrix)^  und  zwei  Evangelienbttcher  des  Bischofs  Ellenhard 
vonFreisingvomJ.  1051in  der  Hof  bibliothek  zu  München,  deren  Deckel  in 
gravierter  Messingumrahmung  auf  dem  mittleren  Elfenbein,  das  eine  Scenen 
aus  der  Passion,^  das  andere  Scenen  aus  der  Kindheit  Jesu  und  die  Aufer- 
stehung enthält.  —  Dem  XI.  Jahrh.  gehören  femer  an  der  Deckelschmuck 
eines  aus  Paderborn  stammenden  Evangeliariums  in  der  Dombibliothek  zu 
Trier  aus  vergoldetem  Kupfer  mit  den  Evangelistenzeichen ^  und  einer  aus 
Edelsteinen,  Perlmutter  und  Emails  bestehenden  Einfassung;  ein  griechi- 


»  Abb.  bei  Becker-  v.  Hefner.  I.  Taf.  9. 

*  »     Förster,  Bildnerei.  I.  Taf.  zu  S.  9. 
3     »     Labarte,  a.  a,  0.  Taf.  40. 

*  »     Förster,  a.  a.  0.  H.  Taf.  zu  S.  1. 

*  »  des  Deckels  aus'm  Weerth.  Taf.  XXVÜ,  l;  Seemann,  dl,  l;  auch 
im  Daheim  1882.  No.  34.  Eine  verkleinerte  Kopie  des  Elfonbeinreliefs  befand  sich  in 
der  Essinghschen  Sammlung  zu  Köln,  s.  deren  Katalog  1865.  Taf.  IV  zu  S.  85. 

*  Abb.  des  Elfenbeins,  Förster.  VI.  Taf.  zu  S.  t. 
'     »     aus'm  Weerth.  Taf.  LVD,  3. 


Prachtbuchdeckel  XU.  Jahrh.  177 

BcheB  Lectionarium  in  der  Schatzkammer  des  dortigen  Doms ,  dessen  Deckel 
ein  Elfenbeinplättchen  mit  der  Darstellung  und  Taufe  Christi  enthält ;  ^  der 
Deckel  eines  Evangeliarinms  (No.  682)  im  Museum  zu  Darmstadt  mit 
einem  die  Kreuzigung  vorstellenden  Elfenbein;^  ein  Evahgeliencodex  in 
Maria  Lyskirchen  zu  Köln  mit  der  Kreuzigung  auf  dem  mittleren ,  aus  drei 
länglichen  Elfenbeinstückchen  zusammengesetzten  Teile  des  oberen  DeckelS; 
dessen  kupfer- vergoldete  Einfassung  spätgotische  Gravierungen  zeigt;'  ein 
Evangeliarium  aus  Kloster  Abdinghof  in  Paderborn  in  der  Bibliothek  zu 
Kassel,  dessen  Messingdeckel  mit  Steinen  in  der  Mitte  die  in  Elfenbein  ge- 
schnitzten Relief-Brustbilder  von  Engeln  und  vier  Heiligen  enthält;  ein  Evan- 
gelienbnch  im  Dom  zu  Minden  mit  dem  Elfenbein -Relief  der  Himmelfahrt 
und  silberner  Randeinfassung  aus  gotischer  Zeit ;  ein  Codex  in  der  königl. 
Bibliothek  zu  Bamberg  (No.  1049)  mit  einem  Elfenbeindeckel ,  der  auf 
jeder  Seite  eine  Figur  in  lang  gefaltetem  Gewände  zeigt. 

Im  Vergleich  mit  der  grofsen  Anzahl  und  kostbaren  Ausstattung  der  aus 
dem  XI.  Jahrh.  auf  uns  gekommenen  Prachtbände ,  ungerechnet  die  häufig  in 
Kunstsammlungen  vorkommenden  Elfenbeine  ans  jener  Zeit,  die  von  zerstör- 
ten Buchdeckeln  herrühren ,  erscheint  schon  das  XII.  Jahrh.  minder  bedeu- 
tend ;  wegen  des  massenhaften  Verbrauchs  war  das  Elfenbein  bereits  selten 
geworden,  und  wurde  an  seiner  Stelle,  wenigstens  im  Norden  Deutschlands 
vielfach  Walrofszahn  zur  Aushilfe  genommen.  Wir  nennen  die  ornamen- 
tierten Deckel  eines  Evangelienbuches  im  Städtischen  Museum  zu  Köln 
(in  der  Mitte  das  getriebene  Relief  des  thronenden  Erlösers,  auf  den  Rän- 
dern buntfarbig  emaillierte  Bilder  der  vier  Weltgegenden  auf  den  Ecken 
und  der  Apostel  auf  den  Seiten,  in  vergoldetem  Kupfer),*  zweier  aus  Pader- 
born stammenden  Evangeliarien  in  der  Dombibliothek  zu  Trier  (das  eine 
mit  der  in  einer  späteren  versilberten  Umrahmung  auf  zwei  Elfenbeinplat- 
ten dargestellten  Verkündigung;^  das  andere  mit  den  einem  vergoldeten 
Kupferblech  aufgelegten  Elfenbeinfiguren  des  Crucifixus  zwischen  Maria 
und  Johannes  in  emaillierter  und  gravierter  Umrahmung),^  eines  Evangelien- 
buches in  der  Stiftskirche  St.  Johann  zu  Herford  (in  Gold  und  Silber  Chris- 
tus auf  dem  Regenbogen  und  auf  dem  unteren  Deckel  Arabesken  in  Silber), 
eines  Evangelienbuches  in  der  Kirche  zu  Höxter,^  eines  aus  Freckenhorst 
im  Staats-Archiv  (Msc.  VII,  1315;  Elfenbein  mit  der  Majestas  domini)  und 
eines  in  der  Sammlung  des  Herrn  zur  Mühlen  in  Münster  (ein  Elfen- 
bein-Relief mit  der  Abnahme  vom  Kreuz),  zweier  Evangeliarien  im  Zither 
der  Schlofskirche  zu  Quedlinburg  (das  eine,  No.  65,  mit  einer  vergolde- 
ten Silberplatte,  in  deren  vertiefter  Mitte  die  Madonna  dargestellt  ist,  in 
der  Umrahmung  Edelsteine,  Perlen  und  kleine  Emails ;  das  andere  mit  einem 
Christi  Geburt,  Taufe,  Kreuzigung  und  Abnahme  vom  Kreuze  darstellenden 
Elfenbeinrelief  in  einer  breiten  mit  Edelsteinen  geschmückten  Umfassung 


*  Abb.  auB'm  Weerth.  Taf.  LVU,  4. 

^     »     Becker-  v.  Hefner.  I.  Taf.  47. 

3     »     des  Deckels,  Bock,  d.  heü.  Köhi.  Taf.  XXXV,  103. 

*  »     das.  Taf.  XLVn,  125. 

»     »     aus'm  Weerth.  Taf.  LVm,  4. 

*  »     ebd.  Fiff.  5. 

"^  Thronende   Madonna   zwischen  den   Evangelistenzeichen   in  verg.   Kupfer  m« 
Emaillen  und  Erystälen  gefaist.    Abb.  Becker-  v.  Hefner.  ü.  Taf.  55. 

Otte,  Kamt -Archäologie.    5.  Aafl.  12 


178  Prachtbuchdeckel  XIU.  Jahrh. 

au8  vergoldetem  Silberblech), ^  eines  EvaDgelienbuches  in  der  Stadtbibliothek 
zu  Hamburg  (mit  dem  merkwürdigen  Elfenbeinrelief  der  einen  wendischen 
Krieger  tötenden  Viktoria  in  einer  mit  Glasflüssen  verzierten  Einfassung  aus 
Messing),^  eines  Epistolars  in  der  Stadtbibliothek  zu  Frankfurt  a.  M.  mit 
Darstellungen  aus  dem  Leben  der  Maria,  in  der  Mitte  die  Versuchung  Christi 
viel  älter,  auf  der  Rückseite  der  Salvator  ebenfalls  in  Elfenbein  und  eines 
Evangeliariums  aus  Riddagshausen  im  HerzogL  Museum  zu  Braun  schweig 
(No.  55,  Tafel  aus  Walrofszahn,  in  der  Mitte  der  Salvator  mit  Petrus  und  Pau- 
lus, darüber  die  3  Marien  am  Grabe,  darunter  die  h.  3  Könige;  ausgezeichnete 
sächsische  Arbeit  in  reichster  Goldfassung  mit  Filigran,  Steinen  und  Perlen).^ 
Im  Laufe  des  XIII.  Jahrh.  scheinen  Buchdeckel  mit  gröfseren  Elfen- 
beinreliefs kaum  noch  vorzukommen.  Der  im  Städtischen  Museum  zu  Köln 
befindliche  Deckel  mit  dem  die  thebäischen  Märtyrer  segnenden  Christus^ 
gehört  wohl  spätestens  in  den  Anfang  dieses  Jahrhunderts.  Doch  scheint 
das  Elfenbein  der  Kreuzigung  auf  dem  Deckel  eines  Evangelistariums  in  der 
Sammlung  Felix  zu  Leipzig  erst  dem  XIV.  Jahrh.  anzugehören.^  Dagegen 
finden  sich  mehrere  Beispiele  einer  neuen,  minder  kostbaren  Ausschmückung 
durch  auf  Pergament  gemalte  Miniaturbilderchen,  die  mit  dünnen  durch- 
sichtigen Homblättchen  zu  ihrem  Schutze  belegt  sind.  So  ein  Evangelien- 
codex in  der  Dombibliothek  zu  Hildesheim  (aus  St.  Michael  daselbst), 
bei  dem  die  vergoldete  Kupfereinrahmung  eines  älteren,  die  Kreuzigung 
darstellenden  Elfenbeina  zwischen  10  verschiedenfbrmigen  Ejrystallen  eben- 
so viele  Miniaturen  (an  Stelle  der  sonst  üblichen  Emails)  enthält,  und  ein 
Psalterium  (No.  232)  in  der  k.  Bibliothek  zu  Bamberg  mit  dem  Mittel- 
bilde des  thronenden  Christus,  umgeben  von  mehreren  kleinen  Bildern;  der 
Rand  ist  mit  Silberblech  belegt,  und  die  Homblättchen  sind  durch  Silber- 
streifen getrennt  und  befestigt ;  der  untere  Deckel  ist  in  gleicher  Weise 
geschmückt.  Diesem  ähnlich  ist  ein  Evangelistarium  aus  Korvei  mit  der 
Miniatur  des  Salvator  im  Besitze  bei  Herrn  von  Frankenberg  zu  Mün- 
ster. Anderweitig  kommen  auch  mit  Metall  bekleidete  Deckel  vor  mit 
kleinen  Elfenbeinplättchen  in  der  Umrahmung;  z.  B.  ein  aus  Hildesheim 
stammendes  Evangeliarium  in  der  Dombibliothek  zu  Trier,  wo  auf  der 
Mitte  des  Deckels  die  Kreuzigung  und  Auferstehung  Christi  in  Gravierung 
und  in  der  Einfassung  zwischen  Edelsteinen  acht  ElfenbeinrelieCs  erschei- 
nen.^ Ein  anderes  Evangelienbuch  ebendaselbst,  welches  als  Deckelschmuck 
in  Kupferblech  roh  getriebene  Darstellungen  Christi  zwischen  den  beiden 
grofsen  Aposteln  zeigte,  ist  verschwunden.  Ein  Evangelistarium  aus  St. 
Trou  im  Luxemburgischen,  jetzt  im  Landesarchiv  zu  Düsseldorf,  mit  der 
Darstellung  des  jüngsten  Gerichts,  umgeben  von  emaillierten  Apostelbildern, 
in  getriebenem  Kupferblech.^  Ein  Evangelistarium  in  der  Kirche  zu  St. 
Wolfgang  in  Oberösterreich,  wo  die  Mitte  des  mit  ornamentiertem  Silber- 


*  Abb.   Steuerwaldt,  W.,   und  Virgin,   C,    die   mittelalt.   Eunstschätze   im 
Zithergew.  der  Schlk.  zu  Qu.  Taf.  2  u.  4. 

*  Abb.  des  Elfenbeins  Zeitschr.  f.  ehr.  A.  u.  K,  11.  Taf.  4. 
'  Photog.  Münchener  Ausstellung.  Taf.  74. 

*  Abb.  ßock,  d.  heü.  Köhi.  Taf.  XLVI,  124. 

'  Photogr.  im  Katalog  der  Sammlung.  Taf.  23. 
«  Abb.  aus'm  Weerth.  Taf.  LVII,  5. 
'     »     ebda.  Taf.  XXXI,  4. 


Prachtbuchdeckel  XIV.— XVI.  Jahrh.  I79 

blech  ttberkleideten  Vorderdeckels  ein  ovaler  Krystall  einnimmt  ^  den  die 
aus  Elfenbein  geschnitzten  Evangelisten  umgeben;  der  hintere  Deckel 
zeigt  ein  graviertes  Bild  des  heil.  Michael.  Ein  Evangelistarium  von  1250 
aus  dem  Dome  zu  Braunschweig  im  dortigen  Herzogl.  Museum  (No.  56) 
mit  der  Majestas  domini  in  getriebenem  vergoldeten  Silberblech,  reich  von 
Filigran  und  Edelsteinen  umgeben,  ein  desgl.  noch  früher  im  Archiv  des 
Domkapitels  zu  Brandenburg  mit  dem  Relief  der  Kreuzigungsgmppe  und 
Emailmedaillons  auf  dem  Rande,  ein  Epistolarium  in  der  Domsakristei  da- 
selbst, spätestens  von  1250,  mit  der  Majestas  domini  in  der  Mitte  und  Resten 
von  Heiligenfiguren  zwischen  Olasflttssen  auf  dem  Rande.  —  Ein  Evange- 
liarium  aus  Kloster  Zwiefalten  in  der  öffentlichen  Bibliothek  zu  Stuttgart 
(Bibl.  fol.  n.  71)  hat  einen  Deckel  von  Leinwand,  auf  dem  die  Spuren  einer 
Stickerei  (Christus  und  Heilige  darstellend)  zu  erkennen  sind. 

Die  Einbände  aus  den  späteren  Jahrhunderten  des  Mittelalters  bieten  in 
jeder  Hinsicht  ein  geringeres  Interesse  dar;  wir  beschränken  uns  daher  auf 
die  Anführung  einiger,  die  sich  durch  geschmack-  und  kunstvolle  Ausstattung 
auszeichnen:  Ein  Fest-Lectionarium  der  Petrikirche  zu  Hamburg,  mit  dem 
Salvator  in  der  Mitte  und  Edelsteinen  auf  dem  Rande,*  aus  dem XIV.  Jahrb.; 
ein  silbervergoldetes  Evangeliarium  und  Epistolarium  im  Dome  zu  Lim- 
burg a.  L.,  1380  vom  Kantor  Kuno  gestiftet;*  ein  Lectionarium  von  1480 
in  der  Marienkirche  zu  Dan  zig  hat  auf  dem  silbervergoldeten  Deckel  zwi- 
schen vielen  Steinen  Engel,  die  einen  viereckigen  Reliquienbehälter  unter 
Glas  tragen  (Phot.  bei  Hinz  Taf.  XX);  das  Evangeliarium  der  Ada  in 
der  Stadtbibliothek  zu  Trier,'  dessen  Deckel  von  1499  mit  teilweise 
vergoldeter  Silbereinfassung  acht  Figuren  im  Hochrelief  und  in  der  Mitte 
eine  grofse  antike  Kamee  enthält;  das  zu  den  Reichsinsignien  gehörende 
Evangelienbuch  in  der  Schatzkammer  zu  Wien  mit  seinem  etwa  gleich- 
zeitigen Prachtdeckel,  welcher  den  thronenden  Christus  und  die  Ver- 
kündigung Maria  unter  Laubbaldachinen  im  Hochrelief  zeigt  ;^  ein  latei- 
nisches Gebetbuch  (Cim.  42)  in  der  Hofbibliothek  zu  München  vom  J.  1485, 
dessen  Deckel  aus  vergoldetem  Silber  mit  Bildern  und  Ornamenten  in  Email 
geschmückt  ist;^  ein  Evangeliarium  (No.  67)  im  Zither  der  Schlofskirche 
zu  Quedlinburg  von  1513,  dessen  mit  Silberblech  überzogener  vorderer 
Deckel  das  im  Hochrelief  getriebene  Christusbild  in  der  Mitte  und  ein 
mehrere  kleine  Flachbilder  umschliefsendes  geschmackvolles  Randgeflecht 
als  Einfassung  trägt  ;^  endlich  als  Beispiele  der  überall  noch  häufig  vor- 
kommenden spätgotischen  Deckel  mit  metallenen  Eckbeschlägen  und  Mittel- 
vignette seien  die  Einbände  einer  Bibel  von  1473 — 75  im  Germanischen 
Museum  zu  Nürnberg  (das  Leder  mit  dem  Granatapfelmuster  geprefst)"^ 


*  Abb.  in  d.  Zeitschr.  d.  V.  f.  hamb.  Gesch.  I,  3  u.  4. 
»  Photogr.  Frankfurter  Ausstellung.  Taf.  61. 

3  Abb.  aus'm  Weerth.  Taf.  LXI,  9. 

*  »     Bock,  Pfalzkapelle.  I,  1.  Fig.  63.    B.  nimmt  an,  dalls  dieser  Einband  für 
die  Krönung  Karls  V.  angefertigt  sei. 

*  Abb.  bei  von  Aretin,  Altertümer  etc.  lief.  8. 

^     9       >    Steuerwaldt  u.  Virgin,  a.  a.  0.  Taf.  3. 

"^     *     Becker-  v.  Hefner.  IH.  Taf.  46;  Essenwein,  Kunst-  u.kulturg.  Denkm. 
u.  8.  w.  Taf.  50;  Seemann.  ClilTT,  4. 

12* 


^80  Ausstattung  der  Codices. 

eines  Cantionale  zu  Leitmeritz  ans  dem  Anfange  des  XVI.  Jahrh.  ^  nnd 
eines  Antiplionariums  in  St.  Martin  zu  Köln'  angefahrt. 

Ornamentierte  Kästen  zur  Aufnahme  der  Evangeliencodiees  finden  sich 
z.  B.  in  der  k.  Bibliothek  zu  Bamberg  (für  das  Evangelistarium  Nr.  280 
K.  Heinrichs  U.,  welches,  mit  einem  dünnen  ledernen,  mit  roter  Seide  über* 
zogenen  Umschlage  versehen,  in  einem  Kasten  aufbewahrt  wird,  dessen  Über- 
zug aus  grüner  Seide  mit  violetten  Verzierungen  besteht) ,  in  der  Hof  biblio- 
thek  zu  München  (für  das  Evangelistarium  der  Äbtissin  Uota  von  Nieder- 
münster in  Regensburg  aus  dem  XI.  Jahrb.,  ein  Kasten  in  Buchform,  der  auf 
seinem  Überzuge  von  Goldblech  den  segnenden  Christus  in  getriebener  Arbeit 
vorstellt),  in  der  Dombibliothek  zu  Hildesheim  (für  ein  Evangelienbuch  Bi- 
schof Hezilos  (t  1079)  in  einfachen  Pergamentdeckeln,  dessen  im  XVIII. 
Jahrh.  erneuerte  Kapsel  mit  vergoldetem  Kupfer  verziert  ist)  und  im  Kunst- 
gewerbe -  Museum  zu  B  e  r  1  i  n  (Saal  XVII)  ein  hölzerner  mit  Messingbeschlägen 
ganz  in  Form  eines  Buches  aus  dem  Ende  des  XV.  Jahrh.  —  Pulte  zum 
Auflegen  finden  sich  z.  B.  aus  der  2.  Hälfte  des  XV.  Jahrh.  im  Bayr.  National- 
Museum  zu  München,'  mit  sehr  hübscher  Mafswerkdekoration  in  der  Kirche 
zu  Zimmern,  Kr.  Langensalza^  und  ein  hochaltertümliches  mit  Bestienoma- 
ment,  vielleicht  noch  aus  dem  XII.  Jahrh.,  in  St.  Marien  zu  Salzwedel. 

Anmerkung.  Dem  Inhalte  nach  zerfallen  die  Evangelienbücher 
{texius)  des  Mittelalters  in  zwei  Klassen:  solche,  welche  den  vollständigen 
Text  der  vier  Evangelien,  und  andere,  die  nur  die  sonn-  und  festtäglichen  Peri- 
kopen  {evangelia  de  tempore  et  de  Sanctis  per  circulum  anni)  enthalten.  Jene 
hat  man  Evangeliaria^  diese  Evangelistaria  genannt,  ohne  dafs  sich  die  Unter- 
scheidung beider  Benennungen  bei  mittelalterlichen  Schriftstellern  mit  Sicher- 
heit nachweisen  liefse.  Auf  den  ersten  Blättern  sind  regelmäfsig  mit  Bögen 
verbundene  Säulen  dargestellt,  zwischen  denen  ein  Kalendarium  oder  die  Har- 
monie der  vier  Evangelien  tabellarisch  verzeichnet  steht.  Der  evangelische 
Text  ist  in  der  Übersetzung  der  Vulgata  wiedergegeben,  dem  in  den  früheren 
Jahrhunderten  ein  Prolog  des  heil.  Hieronymus  vorausgeschickt  zu  sein  pflegt. 
Auch  die  mittelalterlichen  Miss  allen  beginnen  meist  mit  dem  Kalendarium 
und  enthalten  dann  vier  Hauptteile:  1)  das  Proprium  missarum  de  tempore 
nach  dem  Verlauf  des  Kirchenjahrs  geordnet,  gewöhnlich  mit  dem  evangelium 
in  dedicatione  ecclesiaej  oder  auch  dem  in  dedicatione  altnris  schliefsend, 
woran  sich  dann  der  ordo  missae  (die  verschiedenen  Gebete  vor  der  Kon- 
sekration) und  der  Kanon  (die  Gebete  und  Kommemorationen  bei  der  Konse- 
kration, beginnend  mit  dem  Gebete  «Je  igiiur  elementissime»)  schliefsen ;  2)  das 
Commune  sanctorum  für  solche  Heiligen,  welche  keine  eigenen  Messen  haben; 
3)  das  Proprium  missarum  de  sanctis  nach  dem  Kirchenjahre,  also  mit  der 
Messe  in  vigilia  S.  Andreae  (29.  November)  beginnend.  4)  die  Missae  votivae^ 
wozu  auch  die  missae  pro  de/unctis  gezählt  wurden.  Den  Schlufs  macht  in 
der  Regel  eine  Anzahl  Sequenzen.     Auch  enthalten  die  Missalien  die  soge- 

»  Abb.  Grueber.  IV,  192. 

«     »     Bock,  d.  heil.  Köln.  Taf.  XVU,  67. 

'     »     Becker-  v.  Hofner.  11.  Taf.  54. 

*  »  Beschreibung  der  Bau-  u.  Kunstdenk,  des  Kr.  L.,  85.  Fig.  64.  Statt  der 
Pulte  dienten  früher  und  auch  neben  ihnen  reich  verzierte  Kissen,  meist  in  doppelter 
Zahl  für  beide  Seiten  des  Altars;  vergl.  Bock,  Lit.-Gew.  III,  34  ff.  " 


Illustrierte  Codices.  181 

nannten  Rubriken,  d.  h.  die  rot  geschriebenen  Anweisungen  ftlr  den  Priester 
in  Bezug  auf  die  Verwaltung  des  Messopfers.  —  Die  Ausstattung  namentlich 
der  älteren  Manuskripte  ist  zuweilen  höchst  prachtvoll:  das  Pergament  er* 
scheint  mit  dem  Safte  der  Purpurschnecke  violett  rötlich  gefärbt  und  die  Schrift 
in  goldenen  Buchstaben.    Dergleichen  Codices  membranacei  purpurei  aurei^ 
sind  z.  B.  das  oben  S.  175  genannte  Evangeliarium  Karls  des  Kahlen  in  der 
Münchener  Hof  bibliothek,  sowie  das  Evangelienbuch  der  Ada  zu  Trier  und  das 
zu  den  Reichskleinodien  gehörige  in  der  Schatzkammer  zu  Wien,  beide  aus  der 
Zeit  Karls  des  Grofsen  (s.  S.  179).   In  anderen  Handschriften  sind  nur  einzelne 
Blätter  gefärbt',  z.  B.  in  dem  Evangeliencodex  Bischofs  Heinrich  zu  Würzburg 
(s.  S.  176),  wo  das  (auch  anderwärts  wiederkehrende)  Anathema  gegen  etwaige 
Entwender  des  Buches  mit  goldenen  und  silbernen  Buchstaben  auf  ein  mit  dun-* 
kelem  Purpur  getränktes  Pergament  geschrieben  ist,  oder  in  dem  Echtemacher 
Evangeliarium  zu  Gotha  (s.  S.  175),  wo  der  Text  der  vier  Evangelien  durch  Vor- 
satzblätter geschieden  ist,  die  in  Art  und  Weise  gewebter  Seidenstoffe  auf  dem 
Purpurgrunde  des  Pergaments  gemustert  sind.  Wenn  aber  auch,  wie  es  gewöhn- 
lich der  Fall  zu  sein  pflegt,  das  Pergament  weifs  und  die  Schrift  schwarz  ist,  so 
sind  doch  die  Initialen  von  Gold  oder  Silber,  oder  wechseln  mindestens  in  Rot 
und  Blau  ab:  eine  Sitte,  die  durch  das  ganze  Mittelalter  geht.    Ein  weiterer 
Schmuck  vieler  mittelalterlichen  Codices  war  die  HinzufQgung  von  Illustra- 
tionen durch  Miniaturen,  die  teils  in  bildlichen  Darstellungen,  teils  in  Titel- 
und  Rand  Verzierungen  bestehen.   Die  Abbildung  der  vier  Evangelisten  (sitzend 
und  ihre  Bücher  schreibend)  fehlt  den  älteren  Evangelienbüchem  selten,  oft 
aber  sind  auch  neu -testamentliche  Geschichten  und  Gleichnisse  an  den  be- 
treffenden Textestellen  eingefügt.     Die  drei  bilderreichsten  Evangelienhand- 
schriften sind  der  Codex  Erzbischofs  Egbert  von  Trier  (978 — 993)  in  der 
dortigen  Stadtbibliothek  (Grofsquart)  mit  57  Bildern,  das  diesem  gleichzeitige 
Echternacher  Evangeliarium  Königs  Otto  HI.  in  Gotha  (Folio)  und  das  in  der 
Stadtbibliothek  zu  Bremen  befindliche,  im  Kloster  Echtemach  für  K.  Hein- 
rich UI.  geschriebene  Evangelistarium  (Quartformat),  beide  letztere  mit  circa 
50  Bildern.     Die  für  vorzüglich  reich  illustriert  geltende  Mainzer  Evangelien- 
handschrift in  der  Hofbibliothek  zu  Aschaffenburg  vom  Ende  des  XH.  Jahrh. 
hat  nur  39  Bilder.     Von  ganz  besonderem  archäologischen  Interesse  sind  die 
in  mehreren   älteren   Evangelien  -  CSodices  vorkommenden  Dedikationsbilder^ 
welche  durch  erläuternde  Inschriften  Licht  über  die  Zeit  und  die  Umstände 
verbreiten,  unter  denen  die  betreffende  Handschrift  entstand.     So  findet  sich 
in  dem  erwähnten  Codex  aureus  aus  St.  Emmeram  zu  Regensburg  in  der  Mün- 
chener  Hofbibliothek  (Cim.  55)  ein  Bild  Karls  des  Kahlen,  in  den  Bamberger 
Codices  (Cim.  57  und  60)  derselben  Bibliothek  die  Krönung  des  Donatoren- 
paares Heinrichs  U.  und  Kunigundens  dargestellt,  in  dem  erwähnten  Bremer 
Evangelistarium  der  Besuch  der  Kaiserin  Gisela  und  ihres  Sohnes  Heinrichs  UI. 
in  Echtemach,  die  Schreibstube  dieses  Klosters  mit  zwei  schreibenden  Mön- 
chen und  Kaiser  Heinrich  in  seinem  Palaste  thronend  und  von  dem  Abte  des 


*  Die  traditionelle  Bezeichnung  codex  aureus  (wie  auch  blancus,  niaer,  crinitus  etc.). 
bezieht  sich  übrigens  nach  Rahn,  d.  Psalterium  aureum  von  St.  Qallen  S.  25,  in  der 
Regel  auf  Stoff  oder  Farbe  des  Einbandes,  in  eini^n  Fällen  auch  auf  die  zur  kalli- 
graphischen Ausstattung  benutzten  Materialien;  ver^.  Watten baoh,  d.  Schriftwesen 
aes  M.-A.  2.  Aufi.,  109. 


182  Gedruckte  Bibeln  tmd  Missalien. 

RioBtera  zwei  Votivtafeln  entgegennehmend.  ^  —  Wenn  solche  Darstellnngen 
und  Einschriften  fehlen,  so  kann  das  Alter  des  Ck)dex  nnr  ans  der  Technik  und 
dem  Stile  der  Miniaturen  und  aus  dem  Charakter  der  Schrift  bestimmt  werden. 
Die  neuerfundene  Buch  druckerkunst'  warf  sich  auch  sofort  auf  die  Her- 
stellung der  für  den  Altardienst  erforderlichen  Bücher.  Als  die  ältesten  grö- 
fseren  Druckwerke  gelten  die  sogenannte  36  zeilige  Bibel  in  3  Bänden  Folio 
von  Gutenberg  (nach  andrer  Annahme  wahrscheinlicher  von  Albrecht  Pfister  in 
Bamberg)  und  die  42  zeilige  Bibel  in  2  Bänden  Folio  aus  der  Gutenberg-Fust- 
Schöflferschen  Oflficin.  Das  erste  Buch,  welches  den  Drucker,  Druckort  und  Jahr 
angiebt,  ist  das  Psalterium  von  Fust  und  Schöffer  von  1457,  dessen  vollendete 
typographische  Schönheit  nur  durch  die  lateinische  Bibel  derselben  Drucker 
von  1462  in  2  Bänden  Grofsfolio  übertroffen  wird.  Länger  jedoch  dauerte  es, 
bis  auch  die  Mefsbücher  durch  die  Druckerpresse  hergestellt  wurden.  Das 
älteste  ist  das  von  den  Lübecker  Druckern  Bartholomaeus  Gothanus  und  Lucas 
Brandis  für  die  Magdeburger  Diöcese  1480  gedruckte,  dem  1481  das  Barn- 
berger  von  Johann  Sensenschmidt  folgte,  ein  dem  Psalter  von  1457  gleichwer- 
tiges Prachtstück  der  jungen  Kunst.  Von  da  an  aber  wetteifern  die  Eirchen- 
fürsten  in  Herstellung  von  immer  stattlicheren  Missalien  nach  den  Rubriken 
ihrer  Diöcesen,  deren  Anschaffung  und  Befolgung  den  Diöcesanen  befohlen,  wohl 
auch  gleich  der  Preis  festgesetzt  wurde,  so  von  dem  Freisinger  Bischof  Sixtus 
vonTaanberg  für  das  1487  durch  Johann  Sensenschmidt  in  Bamberg  gedruckte 
auf  5  Gulden  fOr  ein  Papier-  und  14  Gulden  für  ein  Pergamentexemplar.  An 
einer  vollständigen  wissenschaftlichen  Erforschung  und  Beschreibung  dieser  zahl- 
reichen gedruckten  Missalien  bis  etwa  gegen  1520  fehlt  es  noch  gänzlich.  —  Die 
Einrichtung  und  Ausstattung  der  gedruckten  Bibeln  und  Missalien  richtete  sich  zu- 
nächst ganz  nach  derjenigen  der  handschriftlichen  des  Mittelalters.  Die  Drucker- 
kunst versuchte  sofort  auch,  wie  die  Leistungen  der  Schreiber,  so  die  der  Illu- 
minatoren zu  übernehmen.  So  hat  der  Psalter  von  1457  prächtige,  in  2  Far- 
ben gedruckte  Initialbuchstaben.  Indessen  muTste  dies  bald  wieder  aufgegeben 
werden,  da  die  Gilden  der  Illuministen,  Rubricisten  und  Miniatoren  diesen 
Eingriff  in  ihre  Rechte  verhinderten,  daher  wurden  (so  bereits  in  der  Bibel 
von  1462)  die  Stellen  der  Initialen  von  den  Druckern  leer  gelassen,  oder  höch- 
stens, um  Mifsverständnisse  zu  vermeiden,  mit  einer  kleinen  Minuskel  ange- 
deutet, und  dann  von  den  Illuministen  ausgefüllt.  Allein  dies  verlor  sich  all- 
mählich von  selbst,  und  mit  dem  XVI.  Jahrhundert  übernahm  der  Holzschnitt 
völlig  die  künstlerische  Ausstattung  auch  der  liturgischen  Bücher,  insonderheit 
pflegte  fast  ausnahmslos  dem  eigentlichen  Mefskanon  ein  grofser  Holzschnitt 


*  Vergl.  Müller,  H.  A.,  das  Evangdistarium  K.  Heinrichs  IIL  in  der  Stadtbibl. 
zu  Bremen,  in  den  Mitt.  C.-K.  (1862).  VH,  67  ff. 

*  Vergl. Falckenstein,  Gesch. der  BuchdrackerkunBi  1844;  K.  Faulmann,  Illustr. 
Gesoh.  der  Buchdrackerkunst.  1882.  Panzer,  Annales  tsrpofi^phici  ab  artis  inventae 
origine  ad  annum  1536.  Nürnberg  1793—1803,  in  11  Bänden;  Hain,  repertorium  biblio- 
graphicum,  in  quo  libri  omnes  ab  arte  typogr.  inventa  nsque  ad  annum  1500  enumeran- 
tuT  etc.  2  YoU.  Stuttgart  1831—38.  Hain  zSüt  vol.  H,  423—433  die  Missalien  bis  1500 
auf,  aber  sehr  unvoDständig.  Weiteres  findet  sich  bei  Brunet,  manuel  du  libraire 
1862  vol.  m,  1758—1775;  sehr  schätzbare  Beiträge  in  Götze,  L..  älteste  Geschichte 
der  Buchdruckerkunst  in  Magdeburg  1872.  Falk,  Frz.,  die  Druckkunst  im  Dienste 
der  Kirche  zxmächst  in  Deutschland  bis  zum  Jahre  1520,  Köln  1879  handelt  von  den 
Bibeln  und  Missalien  überhaupt  nicht. 


Reliquienbehälter.  183 

der  Kreazigung  Yorgedrnckt  zu  werden,  und  den  lUuminiBten  blieb  nur  die 
Ausmalung  dieser  Holzschnitte;  die  allmählich  immer  roher  wurde  und  zur 
blofsen  Farbenkleckserei  herabsank. 

38.  Aufser  den  zur  Konsekration  der  Altäre  erforderlichen  Reli- 
quien, die  innerhalb  derselben  beigesetzt  wurden  (s.  oben  S.  134),  pflegte 
man  bei  festlichen  Gelegenheiten  zur  Erbauung  der  Gläubigen  und  zur 
Befriedigung  ihrer  Schaulust  auch  andere  heilige  Überreste  auf  den 
Altären  auszustellen  oder  vor  denselben  an  einer  Stange  (pertica)  auf- 
zuhängen, und  der  Heiligkeit  des  Orts  und  der  den  Reliquien  gewid- 
meten Verehrung  gemäfs  bediente  man  sich  dazu  pracht-  und  kunst- 
voller Behälter  {pascvlay  thecae)  der  mannigfaltigsten  Art  und  Formen, 
welche  aufserdem  in  den  kirchlichen  Schatzkammern  oder  in  den  Schrei- 
nen besonderer  Reliquienaltäre  (s.  oben  S.  146)  aufbewahrt  wurden.* 

Die  Verehrung  der  Märtyrerleichen  und  Gräber  datiert  aus  der  Zeit  der 
Verfolgungen  der  Christen  in  den  ersten  Jahrhunderten:  man  besuchte  die 
Gräber  und  opferte  an  denselben ,  ohne  ihren  Inhalt  zu  stören.  Seit  Con- 
stantinus  wurde  es^  und  zwar  zuerst  im  Orient  Sitte ,  die  Leiber  der  Heili- 
gen von  dem  ursprünglichen  Begräbnisorte  zu  transferieren  und  Gotteshäuser 
über  denselben  zu  erbauen.  Bald  fing  man  auch  an  die  Überreste  zu  teilen 
und  einzelne  Partikeln  der  Gebeine  nicht  nur^  sondern  überhaupt  aller  der 
Gegenstände,  die  mit  dem  Leibe  des  Heiligen  im  Leben  und  im  Tode,  oder 
mit  seinem  Grabe  in  Berührung  gekommen  waren,  namentlich  nach  solchen 
Orten  als  Heiligtümer  zu  versenden,  wo  es  an  Reliquien  fehlte,  deren  man 
zur  Konsekration  der  Altäre  nach  der  Weise  der  römischen  Kirche  bedurfte.' 
Dem  mit  diesen  Translokationen  frühzeitig  verbundenen  Unfug  der  unrecht- 
mäfsigen  Zueignung  und  Versendung  von  Reliquien  für  Geld  mufste  schon  ein 
Gesetz  K.  Theodosins  des  Grofsen  vom  J.  386  entgegentreten,'  und  ob- 
gleich man  noch  Jahrhunderte  hindurch  sich  darauf  beschränkte,  die  Reli- 
quien in  den  Altären  und  Kirchenmauern  (s.  oben  S.  44,  N.  3)  beizusetzen,  so 
nahm  doch  die  Zerteilung  und  Versendung  der  Gebeine  mit  der  Ausbreitung 
des  Christentums  in  solchen  Gegenden,  wo  es  an  Märtyrergräbern  fehlte, 
einen  immer  gröfseren  Umfang  an,  zumal  als  es  üblich  wurde,  eine  capsa 
mit  den  Reliquien  auch  sichtbarlich  auf  den  Altar  zu  stellen:  eine  Sitte,  die 
Papst  Leo  IV.  (847 — 855)  und  das  Konzil  zu  Reims  vom  J.  867  ausdrück- 
lich genehmigten.  *    Durch  die  Römerzüge  der  Deutschen  kamen  unzählige 

»  Vergl.  Augusti,  Denkwürdigkeiten.  Xu,  262—282.  —  Texier,  Dictionnaire 
d'orfevrerie,  Art.  Reliquiaires,  1316 — 1321.  —  Weife,  C,  über  Rehqxdenschreine,  in 
den  Mitt.  C.-K.  (1856).  I.  77 — 80.  —  Mefsmer,  Jos.  Ant.,  zur  Gesch.  der  Formen 
und  Bezeichnungen  der  Rehquienbebälter  ebd.  (1862).  VII,  78—80.  —  Zur  Form  der 
ReUauiare.  M.  16  Holzschn.  u.  1  Taf.  ebd.  Xm,  115  fif.  —  Essenwein,  d.  Reliquien- 
behidter  in  d.  Samml.  kirchl.  Altert,  im  Oerm.  Mus.,  im  Anz.  G.  M.  1868.  No.  10  u.  11. 

'  Ambrosii  ad  MarceUinam  sororem  ep.  22  et  54;  vergl.  Laib  u.  Schwarz, 
Stadien  etc.,  8  u.  16. 

'  Cod.  Theodos.  1.  Vn.  tit.  de  sepulcr.  violat.;  vergl.  Augusti,  a.  a.  0.,  276. 

^  Leo  rv.,  homü.  de  cura  iiast.:  vergl.  über  das  Beimser  Konzil  oben  S.  141^ 
Note  2.  —  In  Kirchen  mit  Ciborienaltären  wurden  die  Beliquiarien  vor  dem  Altare 
aufgehängt,  was  durch  die  Weiheformel  des  Ciboriums  (tegumen  venerandi  ättaris} 


184  Beliquienbehälten 

Heiltümer  aus  Italien  nach  Deutschland,  durch  die  Pilgerreisen  nach  dem 
heiligen  Lande  und  besonders  durch  die  Kreuzzflge  aus  Konstantinopel  und 
Jerusalem  nach  allen  europäischen  Ländern.  An  gewinnsüchtigen  bewuTsten 
und  an  frommen  unbewuTsten  Täuschungen  fehlte  es  schon  in  den  frühesten 
Jahrhunderten  nicht ;  dennoch  bleiben  noch  immer  die  röm.  Katakomben  die 
unerschöpfliche  Fundgrube  neuer  Reliquien  unter  päpstlicher  Autorität,  und 
der  Handel  damit  hat  in  Rom  auch  jetzt  noch  nicht  aufgehört.  Schon  die  Un- 
gewifsheit  über  die  Echtheit  der  meisten  Reliquien,  die  offenbare  Unechtheit 
vieler  und  die  Skurrilität  mancher  hätte  die  Reformatoren  zur  Abschaffung 
der  Reliquienverehrung  nötigen  müssen,  wenn  sie  es  nicht  wegen  der  damit 
verbundenen  abergläubischen  Mifsbräuche  von  Gewissens  wegen  gethan  hät- 
ten: unanständige  und  schimpfliche  Behandlung  der  vorhandenen  Reliquien 
erklärten  sie  für  unerlaubt;^  leider  aber  reizten  die  kostbaren  Behälter 
derselben  vieler  Orten  zu  gewinnsüchtigem  Vandalismus,  und  noch  mehr 
gingen  in  Kriegsnöten  (auch  schon  im  Mittelalter)  durch  Feind  und  Freund 
zu  Grunde. 

Die  erste  Erwähnung  eines  Reliquiariums  findet  sich  schon  im  lY.  Jahrh. 
bei  dem  häretischen  Priester  Vigilantios ' :  ein  geringes  kleines  Behältnis, 
in  welchem  die  Reliquie  lag,  gehüllt  in  köstliche  Leinwand.  —  Das  vielfache 
Vorkommen  einander  typisch  ähnlicher  Elfenbeinkästchen,  entweder  mit 
heidnisch  agonistischen  oder  mit  christlich  antiken  Reliefs  verziert,  und  in 
gleicherweise  geschmückten  runden  Elfenbeinbüchsen,  die  in  Italien  und 
Konstantinopel  verfertigt  worden  sind,  scheint  zu  erweisen,  dafs  man  im 
früheren  Mittelalter  die  Reliquien  meist  in  dergleichen  Elfenbeinladen  und  Büch- 
sen aus  Italien  und  dem  Oriente  versandte.  Aus  der  Zeit  der  Kreuzzüge  kommen 
ähnliche  ornamentierte  Kapseln  und  Kästchen  vor,  die  aus  Knochen  oder 
Elfenbein  verfertigt  und  mit  arabischen  Inschriften  versehen  sind  und  wie 
die  gleichzeitigen  Kästchen  aus  feinem  Holze  (bemalt  oder  mit  Seidenzeug 
überzogen)  zum  Transporte  von  Partikeln  gedient  haben  werden,  wozu 
anderweit  auch  Beutel,  und  zur  Fortschaffung  ganzer  Leiber  selbstverständ- 
lich gröfsere  Kisten  benutzt  wurden.  Nachdem  die  öffentliche  Zeigung 
iostensio)  und  Ausstellung  der  Reliquien  aufgekommen  war,  vermehrte  sich 
bis  zum  Zeitalter  der  Reformation  die  Anzahl  derselben  bis  ins  Fabelhafte, ' 


in  einem  angelsächsischen  Pontificale  ausdrücklich  bezeugt  wird,  worin  erwähnt  wer- 
den: »Omnia  arnamenta  ad  ipsum  umbraculum  pertinentia,  vel  cU)  ülo  dependentia 
aut  eidem  subposita*  (Texier,  Dictionnaire  d'orfevrerie,  383),  und  das  Chronicon 
Christiani  giebt  in  Beziehung  auf  diese  im  Dome  zu  Mainz  noch  in  der  Mitte  des 
Xin.  Jahrh.  übliche  Sitte  folgendes  Zeugnis:  »Erat  pertica  argentea  concava  deau- 
rata,  quae  tarUum  praecipuis  festis  ante  altare  dependebat,  in  qua  vascula  Bits- 
pendebantur,  quaedam  eburnea,  quaedam  argentea,  formarutn  diversarum,  omnia 
reliquiis  plena.^  (Jaffe,  Mon.  Mog.,  680.)  So  erJdären  sich  die  an  vielen  Elfenbein- 
und  anderen  Kapseln  oben  befindlichen  Löcher  und  Ösen;  sie  dienten  zur  Befestigung 
von  Schnüren  oder  Ketten  beim  Aufhängen  an  der  Pertica.  Vergl.  auch  die  Beschrei- 
bung des  Altars  zu  Petershausen  oben  S.  138,  Note  5. 

*  Augusti,  a.  a.  0.,  279. 

'  T^Pulvisculutn  nescio  quod  in  modico  vasculo  pretioao  linteamine  circumdatum 
osculantes  adorant,^  Hieronymus  adv.  Vigil.  c.  7.  —  Vergl.  Augusti,  a.  a,  0.,  278. 

^  Der  Dom  zu  Halle  a.  d.  S.  besafe  nach  dem  Heüigtumsbuche  von  1520  6133 
Partikel  (darunter  in  einem  Sarge  1243  Partikel)  und  42  ganze  Körper  (in  mehr  als 
200  Behältnissen),  deren  Zeigung  jährlich  am  Sonntage  nach  Maria  Geburt  stattfand, 


Beliquienbehälter»  lg5 

und  da  die  Reliquien  nach  synodalen  Vorschriften  des  XIII.  Jahrh.  ungefafst 
(extra  capsam)  nicht  gezeigt  werden  durften  ^^  so  schufen  die  Kunst  und 
das  Kunsthandwerk  eine  unzählige  Menge  von  Reliquienbehältnissen  in  un- 
erschöpflicher Mannigfaltigkeit  der  Formen  aus  den  kostbarsten  Stoffen  (Gold, 
Silber,  Elfenbein,  edlen  Steinen,  Krystall,  feinen  Holzarten  etc.,  am  häu- 
figsten aus  vergoldetem  Kupfer  und  Messing).  Aufbewahrt  wurden  dieselben, 
wenn  nicht  in  den  Altaraufsätzen  (siehe  oben  S.  146),  so  in  den  Schränken 
der  Sakristeien,  oder  in  besonderen  Wandschränken  in  der  Nähe  der  Altäre, 
die  stark  vergittert  und  mit  Vorhängen  ausgestattet  sein  mufsten  (lipsano- 
thecae).^  Dem  Inhalte  nach  lassen  sich  die  Reliquiarien  in  zwei  Klassen 
teilen:  in  solche,  die  nur  die  Überreste  eines  Heiligen  umschliefsen ,  und 
andere,  welche,  was  gewöhnlich  der  Fall  war,  die  Partikel  von  mehreren 
Heiligen  aufnahmen.  Die  zusammengehörigen  Fragmente  hüllte  man  besonders 
in  seidene  und  leinene  Stoffe  und  befestigte  an  den  einzelnen  Päckchen 
Etikets  (gewöhnlich  Pergamentstreifen,  seltener  Bleitäfelchen)  mit  den  Namen 
der  betreffenden  Heiligen. '  Auch  war  es  ttblich,  den  Reliquien  einige  Weih- 
rauchkörner oder  andere  balsamische  Stoffe  beizuschliefsen.  * 

Was  die  in  deutschen  Kirchen  noch  gegenwärtig  vorhandenen  Schätze 
an  Reliquiarien  und  deren  antiquarischen  und  Kunstwert  anbetrifft,  so  geht 
das  Münster  zu  Aachen  ^  allen  übrigen  voran.  Nach  ihm  nehmen  die  ersten 
Plätze  ein  die  Goldkammer  des  Münsters  zu  Essen  ^,  die  Zither  der  Schlofs- 


woran  ein  Ablafs  von  39,245,120  Jahren  und  220  Tagen  nebst  6,540,000  Quadragen 
gefaiüpft  war.  Vergl.  von  Dreyhaupt,  Joh.  Christph.,  Beschreib,  des  Saal-Creyses. 
I,  866  11.  855  (Czum  neimden).  —  Die  Zeigung  der  Reliquien  geschah  in  einzelnen 
Abteilungen  (Gängen),  entweder  vor  einem  Altare  in  der  Kirche,  während  die  Gläu- 
bigen vorübergingen,  oder  von  Altanen  oder  Galerien  (Heiligtumsstühlen;  s.  oben 
S.  1 00)  herab  an  das  im  Freien  versammelte  Volk.  Sehr  interessant  ist  die  Darstellung 
des  1483  erbauten,  1700  zum  Teil  und  1792  ganz  abgetragenen ^  quer  über  die  Stralse 
gehenden  ^heyltumhstuels^  bei  St.  Steph^  in  Wien  auf  emem  Holzschnitte  des 
Wiener  Heiligbimsbuchs  von  1502  (Sign.  aiij.  f.  v.):  man  sieht  das  rechteckige,  stadt- 
thorartige  Gebäude,  unten  mit  einer  offenen,  überwölbten  Durchfahrt,  oben  unter  dem 
Dache  mit  einer  Keihe  von  Spitzbogenfenstem,  aus  welchen  Teppiche  herabhängen; 
an  jedem  Fenster  stehen  zwei  Kleriker,  die  mit  der  Vorzeigung  von  Beliquien  be- 
schäftigt sind.  Unten  auf  der  Gasse,  und  zwar,  wie  man  durch  die  offene  Thorhalle 
sieht,  auf  beiden  Seiten  des  Gebäudes,  sitzt  das  Volk.  Männer  und  Weiber  durch- 
einander, dichtgedrängt  auf  Bänken,  und  noch  mehr  stehen  im  Kreise  umher.  Durch 
verschiedene  Hundegruppen  gewinnt  das  Bild  noch  an  Lebenswahrheit;  neben  diesen 
liegen  auf  dem  Boden  ^ine  und  Knochen  verstreut.  —  Vergl.  auch  A.  Ruland,  über 
das  Vorzeigen  und  Ausrufen  der  Reliquien  oder  über  die  »Heutumsfahrten«  der  Vorzeit, 
im  Chilianeum.  Würzburg  1863,  231.  285.  336. 

*  Vergl.  Jakob,  202  j  Frz.  Ritter,  in  d.  Einl.  zum  Faks.  des  Wiener  Heil^msb.,  5. 

2  Abb.  einer  dreiteihgen  an  d.  Nordwand  des  Chors  zu  Fröndenberg  bei  Nord- 
hoff,  Kreis  Hamm,  139.  Fig.  117. 

3  Nicht  selten  freilich  mulste  man  gewissenhafter  Weise  darauf  schreiben:  *De 
8.  reliquOs  quortim  nomen  novit  Deus.^  Vergl.  Texier,  a.  a.  0.  Sp.  829  u.  871. 

*  Durandus  1.  1  c.  7  n.  25:  »Beconduntur  reliquiae  sanctorum  cum  tribus 
granis  thuris  in  Capsula.*  Vergl.  Bock,  das  heil.  Köln.   St.  Andreas,  19. 

*  aus^m  Weerth.  H,  55—139  u.  Taf.  XXXH— XXXDC;  vergl.  Flofs,  Ge- 
schichÜiche  Nachrichten  der  Aachener  Heiligtümer.  1855.  —  Bock,  Fz.,  der  Reliquien- 
schatz zu  Aachen.  1860.  —  ders.,  Karls  d.  Gr.  Pfalzkapelle  u.  ihre  Kunstschätze.  I, 
\  u.  2.  1865  (mit  139  Holzschn.).  —  Kunstschätze  derMünsterk.  zu  A.  28  Bl.  lichtdr. 
m.  Text  V.  Scheins.  1876. 

8  aus'm  Weerth,  a.  a,  0.,  19—37  u.  Taf.  XXTV— XXIX. 


Igg  Schatzverzeichnisse. 

kirche  zu  Quedlinburg^  und  des  Doms  zu  Halberstadt,'  die  Schätze  Yon 
Lüneburg  und  Braunschweig  in  der  Schlofskapelle  zu  Hannover, '  der  Dom 
zu  Hildesheim, ^  der  aus  Trier  stammende  Schatz  des  Doms  in  der  Franzis- 
kanerkirche zu  Limburg  a.  d.  Lahn.^  Die  Kölner  Schätze  sind  zerstreut: 
manches  Wichtige  davon  ist  in  das  Museum  zu  Darmstadt  übergegangeui 
anderes  findet  sich  noch  in  den  Kirchen  von  Köln.^  Ausgezeichnet  ist  auch 
die  aus  der  Stiftskirche  zu  Siegburg  in  die  dortige  Pfarrkirche  gekommene 
Sammlung,^  nennenswert  ebenfalls  der  Schatz  in  Klosterneuburg^  und  für 
die  spätere  Zeit  der  Domschatz  in  Prag*  u.  s.  wJ® 

Anmerkung.  Für  die  Kenntnis  der  mittelalterlichen  Reliquiarien  sind 
von  grofser  Wichtigkeit  die  Schatzverzeichnisse  und  die  Heiligtumsbücher  des 
XV.  und  XVI.  Jahrh. 

Von  Schatzverzeichnissen  hat  Bock  im  i^heiUgen  Köln«^  mehrere  ver- 
öffentlicht und  erläutert.  Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  das  reichhaltige,  von 
demselben  Gelehrten  in  den  Mitt.  C.-K.  IV,  238  ff.  mit  Anmerkungen  ver- 
öffentlichte Irwentarium  ecclesiae  Pragensis  von  1387,  weil  in  demselben  die 
Reliquienbehälter  nach  ihren  Formen  in  verschiedene  Rubriken  geteilt  und 
mindestens  alle  Hauptklassen  vertreten  sind.  Von  anderen  durch  den  Druck 
bekannt  gemachten  nennen  wir:  imAnz.  G.  M.  1868,  Sp.  14  ff.  das  Irwentarium 
cusiodiae  Frisinffensis  von  1456,  1873  No.  12  den  ^anc/^^Aeim^  Kirchenschatz 
aus  dem  12.  Jahrh.  (von  Wattenbach),  1878  No.  7  das  Schatzverzeichnis 
des  Doms  zn  Hildesheim  von  1409  (von  Doebner);  in  Riedel  cod.  dipL  Bran- 
denburgensis  A.  lU,  128  f.  das  Inventar  des  Doms  zu  Hctt)elherg  von  1527, 
A.  XXIU,  419  ff.  das  der  Marienkirche  zu  Frankfurt  a.  Oder  von  1516;  in 


'  Steuerwald,  W.,  u.  Virgin,  C,  die  mittelalterl.  Eunstschätze  im  Zitterge- 
wölbe  der  Schlofsk.  zu  Quedlinb.  Ebd.  1855.  Vergl.  Wall  mann,  J.  Andr.,  von  don 
Altertümern  der  Stiftsk.  zu  Quedlinb.  1776.  —  El  ecke,  J.  F.,  Altertümer  und  Sehens- 
würdigkeiten des  Stifts  Quedlinb.  1852.  —  Kugler,  KL  Sehr.  I,  623-^39.  —  Bock, 
Fz.,  Xunstschätze  des  M.-A.  in  der  Schlofsk.  zu  Quedlinb.,  in  der  Wiener  Ztg.  1860. 
No.  96  f.  —  Y.  Mülverstedt,  üb.  d.  Kirchenschatz  des  Stifts  Qu.  u.  s.  w.  in  der 
Zeitschr.  des  Harzvereins.  1874. 

*  Augustin,  Chr.  F.  Bemh.,  in  den  N.  Mitt.  Th.-S.  V.  Vn,  2,  65  u.  81.  —  Kug- 
ler, Kl.  Sehr.  I,  134.  —  Lucanus,  F.,  Dom  zu  Halberstadt,  9. 

^  Vogell,  Kunstarbeiten  aus  Niedersachsens  Vorzeit  1845  etc.  Vergl.  Molanus, 
Gerh.,  lipsanographia,  sive  thesaurus  reliquiarum  Elect  Bruns.  Luneb.,  als  Anhang 
zu  Jun^,  Disquisit.  antiq.  de  reliquüs  ed.  4.  1783.  —  Die  Beliquienkammer  im  Be- 
sidenzscnlosse  zu  Hannover,  in  der  Augsb.  Postztg.  1859.  No.  22.  —  Der  ehemaL 
Braunschw.-Lüneb.  Elektoralschatz,  jetzt  in  Hannover,  in  der  Wiener  Ztg.  1859.  No.  21. 

*  Kratz,  J.  Mich.,  der  Dom  zu  Hildesheim.  1840. 

*  Krebs,  J.  Ph.,  Ldpsanotheca  Weüburgensis.  (Wiesbad.)  1820. 

«  Bock,  Fz.,  das  heil.  Köhi.  1858.  Vergl.  Kugler,  a.  a.  0.  H,  334.  —  Bock, 
d.  Kunst-  u.  Rel.-Schatz  d.  K.  Doms.  1870. 

'  Org.  f.  ehr.  K.  1853.  No.  19—23.   Vergl.  Kucler,  a.  a.  0.  11,  329. 

*  Weif 8,  C,  der  Schatz  des  regulierten  Chornerrenstiftes  zu  Klostemeuburg  in 
Niederösterreich,  in  den  Mitt.  C.-K.  VI,  233  ff. 

»  Bock,  Fz.,  der  Schatz  von  St.  Veit  zu  Prag,  in  den  Mitt  C.-K.  XIV,  9  ff.  und 
XV,  13  ff.,  m.  27  Holzschn.;  verd.  auch  Grueber.  HI,  131  ff.  u.  IV,  181  ff. 

*®  Burkhardt,  C,  der  Kirchenschatz  des  Münsi  zu  Basel  in  den  Mitt  der  Ges. 
f.  vaterl.  Altert  zu  Basel.  1867.  —  Über  die  aus  der  Elisabethkirche  zu  Breslau  stam- 
menden Beliqu.  im  dort  Museum:  Luchs,  in  Schlesiens  Vorzeit  in  Bild  u.  Schrift 
n,  l.  S.  3  ff. 


Heiligtumsbücher.  187 

von  Ledebur,  AUgem.  Archiv XVUI^  68  ff.  die Inventarien  der  Domkirche  zu 
Köhi  a.  Spree  aas  dem  XVI.  Jahrh.(yon  G.  W.  tod  Räumer);  in  der  Zeitschr. 
d.  V.  fttr  Lübeckische  Qesch.  n.  s.  w.  II  ^  133  ff.  das  Verzeichnis  der  Gegen- 
stände,  welche  1530  ans  den  Kirchen  Uibecks  weggenommen  und  an  dieTrese 
abgeliefert  worden  sind  (von  Wehrmann);  im  Danziger  Kathol.  Kirchenblatt 
1867,  316  das  Schatzverzeichnis  der  Marienkirche  zu  Danzig]  in  den  Mitt. 
des  Ermländischen  Kunstvereins  lU,  54  ff.,  das  der  Schlofskirche  zu  Königs- 
herg  von  1518;  in  den  Mitt.  der  Ges.  für  vaterl.  Altert,  in  Basel  IX,  20  ff.  das 
des  Kirchenschatzes  von  Basel  von  1511;  in  den  Mitt.  G.-K.  XIV,  99  das  der 
St.  Morandikapelle  in  St.  Stephan  zu  Wien  von  1426;  in  den  Abhandl.  der 
Schles.  Ges.  für  vaterl.  Kultur  1867  einige  von  Breslauer  Kirchen  (von  Alw. 
Schultz);  in  der  Zeitschr.  des  Harz -Vereins  n  die  Kirchengeräte  und  Para- 
mente  im  Stift  St.  Sylvestri  zu  Wernigerode  (von  Jakobs).  Andere  Schatz- 
verzeichnisse  sind  in  chronologischer  Reihenfolge  namhaft  gemacht  von  Mefs- 
mer  in  den  Sitzungsberichten  des  Münchener  Altertnmsvereins  L  Heft  (1869) 
18  und  19. 

Von  gedruckten  Heiligtumsbüchern  {oäieT  ^Heiltumsbüchem<^  sind  fol- 
gende bekannt^  in  alphabetischer  Reihenfolge: 

Alt-Ötting(nur  die  Legende  des  Wallfahrtsortes,  1497  Nürnberg,  Hoch- 
feder, 4<^;  1519  Ingolstadt,  A.  Lutz,  4<>  mit  Titelholzschnitt,  verfafst  von 
Aventinus).  —  Andechs  (o.  0.  u.  J.  von  J.  Bämler,  Augsburg,  fol.;  1493 
von  demselben  fol.-  mit  Titelholzschnitt;  o.  0.  (ca.  1500)  Augsburg,  Schön- 
spei^er,  4®;  1505  Wessobrunn,  L.  Zeisenmayer  u.  öfter).  —  Augsburg,  St. 
Ulrich  und  Afra  (grofser  Holzschnitt  0,77  lang  und  0,28  hoch,  aus  2  Stücken 
bestehend,  mit  Abb.  von  60  ReliquienbehäHem,  zwischen  1480 — 1490,  faksi- 
miliert in  den  »Holzschnitten  des  Germanischen  Museums«,  Taf.  CXVI — CXIX; 
später  1630  mit  59  Kupfertafeln  nach  Zeichnungen  von  Matth.  Kaper,  gest.  von 
W.  Kilian).  —  Bamberg  (1493  Bamberg,  Hanns  Puchdrucker  mit  117 ;  1509  das. 
J. Pfeil  mit  130 Holzschnitten).  —  Einsiedeln  (1494  Ulm,  4«,  nur  Chronik).  — 
Halle  (infolge  der  Reformation  nach  Mainz  übergeführt;  Pergamenthand- 
schrift grofsfolio  von  1520  mit  344  Bildern,  jetzt  in  der  Schlofsbibliothek  zu 
Aschaffenburg  —  daraus  16  Bl.  in  Farbendruck  von  Jos.  Merkel,  der  Mainzer 
Domschatz  u.  s.  w.,  1848  veröffentlicht  —  hiemach  die  gedruckte  Ausgabe 
Halle  1520,  4^,  auf  der  Rückseite  des  I.Blattes  das  Porträt  Kardinal  Albrechts 
von  Dürer,  auf  der  I.Seite  des  2.  Blattes  die  Dedikation  der  neuen  Stiftskirche 
durch  die  Erzbischöfe  Ernst  und  Albrecht,  dann  231  Holzschnitte  nach  Zeich- 
nungen von  Matth.  Grünewald  (?)  —  neugedruckt  Wittenberg,  P.  Helwig, 
1617,  4<^;  abgedruckt  auch  in  Dreyhaupt,  Gesch.  des  Saalkreyses,  853  ff. 
und  in  Naumanns  Archiv  I).  —  St.  Georgenberg  (in  Tyrol  bei  Innsbruck, 
1480  Augsburg,  A.Sorg).  —  Köln  (1492 Köln,  Koelhoff;  dann  1505,  1509  und 
öfter).  —  Magdeburg  (o.  J.  J.  Ravenstein-Westfal,  Magdeburg,  4<>).  —  Nürn- 
berg (1487  Nürnberg,  P.  Vischer,  4 <>  mit  Holzschnitten;  1493  Nürnberg,  Hans 
Mayr,  4 <^  mit  6  Holzschnitten;  ein  Teil  bald  nach  1424  auf  einem  grofsen 
Holzschnitt  abgebildet,  von  dem  sich  nur  ein  Bruchstück  erhalten  hat,  faksi- 
miliert in  den  »Holzschnitten  des German.  Museums«,  Taf. XIV  u. XV).  —  Regens- 
burg (nur  uneigentlich:  1519  Folioblatt  mit  Abb.  der  Kirche  und  des  Gnaden- 


*  Vergl.  Falk,  Frz.,  die  Druckkunst  im  Dienste  der  Kirche  u.  s.  w.,  69 — 79. 


188  Beliquiensärge. 

bildes  der  :»schönen  Maria«;  1610  ein  ^ofser  Holzschnitt  desgl.  von  Altdorfer; 
1520  die  Wnnderzeichen  der  seh.  M.,  Regensburg,  P.  Kohl,  4<>  mit  Titelholz- 
schnitt). —  Roten  bürg  o.  Tauber  (1520  o.O.,40).— Trier  (zahlreiche  Schrif- 
ten über  das  h.  Rock-Heiligtum,  besonders  1512  Augsburg,  Hanns  Froschawer, 
40 mit  32  Holzschnitten,  neugedruckt  Regensburg  1845).  —  Wien  (1502  Wien, 
J.  Winterburg,  4«;  1514  Wien  4<>;  beide  mit  der  Abb.  des  Heiligtumsstuhles; 
in  Faksimile  neu  herausgegeben  vom  k.  k.  Museum  für  Kunst  und  Industrie 
(Frz.  Ritter)  Wien  1882).  —  Wittenberg  (enthielt  117  Kunstwerke  in  8 
»Gängen«;  1509  Wittenberg,  4<>  mit  119  Holzschnitten;  später  mit  dem  Hal- 
lischen zusammen  abgedruckt).  —  Würzburg,  St.  Kilian  (1483  Nürnberg, 
Hans  Mayr,  4«;  1485  Nürnberg,  4«»). 

Unter  ZuhÜlfenahme  dieser  Schatzverzeichnisse  und  Heiligtumsbücher 
lassen  sich  die  Reliquienbehälter  der  Form  nach  auf  etwa  folgende  Klassen 
zurückführen : 

1.  Hierotheken  in  der  Grundform  eines  viereckigen  Kastens:  Särge, 
Kästchen,  Pulte,  Bücher,  —  Schachteln. 

a)  Behältnisse,  welche  für  einen  oder  für  einige  ganze  Körper  bestimmt 
sind;  sie  kommen  vor  unter  der  allgemeinen  Bezeichnung  Kasten  (capsa,  im 
mittelalterlichen  Deutsch  vom  VUI.  bis  XV.  Jahrh.  chafsa,  kafs^  caps,  chei/sa, 
che/sOj  chephsay  kafse^  kefs-,  franz.  chässe\  Kiste  {cisia\  Lade  (coffrä),  Schrein 
(scrinium^  arcä)  Sarg  (iumbay  /eretrum,  franz.  fierte),  von  etwa  1,25—1,90 
Länge,  0,50—0,63  Breite,  0,46—1,25  Höhe,  länglich  viereckig,  nach  Art  der 
antiken  Sarkophage  mit  dachartigem  Oberteil,  also  in  der  Form  eines  Hauses 
oder  einer  Kirche,  selbst  in  der  Grundform  des  lateinischen  Kreuzes  oder  gar 
mit  niedrigeren  Seitenschiffen  unter  Pultdächern  und  analog  dem  Baustile  der 
betreffenden  Zeit:  in  der  späteren  gotischen  Periode  mit  Strebepfeilern  und 
Mafswerkfenstem  (Blenden).  Der  Kasten  selbst  ist  aus  Holz  ^,  mit  vergoldetem 
Metallblech  (Silber  oder  Kupfer)  überkleidet ,  welches  mit  getriebenen  Reliefs 
(auf  den  Langseiten  gewöhnlich  mit  den  sitzenden  Figuren  der  Apostel  etc., 
auf  den  Giebelseiten  mit  dem  segnenden  Christus  und  der  Gottesmutter,  auch 
des  betr.  Heiligen,  auf  den  Dachschrägen  mit  Kompositionen  aus  der  biblischen 
Geschichte  oder  aus  der  Legende  des  betreffenden  Heiligen),  mit  Email  cham- 
plev6  und  edelen  Steinen  (oft  antiken  Gemmen  und  Kameen)  oder  Glasflüssen 
geschmückt  ist.  Auf  dem  First  und  an  den  Giebelschenkeln  zieht  sich  ein 
durchbrochener  Dachkamm  hin,  der  auf  den  Ecken  und  in  ebenmäfsigen  Ab- 
ständen Kugeln  oder  Knäufe  (häufig  aus  Krystall  verfertigt)  trägt.  Von  solchen 
glänzenden  Meisterwerken  der  beschriebenen  Art,  die  in  anderen  Gegenden 
sich  nur  selten  erhalten  haben,  ist  in  den  Rheinlanden  noch  eine  reiche  Anzahl 
aus  der  Zeit  von  etwa  1150  bis  1250  vorhanden:  im  Münster  zu  Aachen  der 


*  Steinerne  sind  sehr  selten,  ein  frühgotisoher  des  h.  Wilibald  im  Dome  zu  Eich- 
st ätt;  ein  hocheleganter,  auf  4  Säulen  an  die  "Wand  gelehnter  der  h.  Richardis  in  der 
Stiftskirche  zu  Andlau  (Abb.  bei  Kraus.  I,  14)  ca.  1400:  zwei  des  h.  Wendelin,  der 
ältere  aus  dem  XTV.,  der  jüngere  aus  dem  XV.  Jahrh.  in  St.  Wendel  und  ein  neuer- 
düigs  in  Marsal  in  Lothrmgen  aufj^fundener  aus  dem  Anfang  des  XIV.  Jahrh.,  der 
Bilähauerschule  von  Reims  angehöng  (vergl.  Kunstchronik  1875,  No.  1),  dürften  die 
einzigen  sein;  einen  steinernen,  der  Soer  auisen  mit  silbernen  Reliefplatten  und  Edel- 
steinen bedeckt  ist,  liefs  Abt  Rupert  von  Ottenbeuem  1134  anfertigen  (vergl.  Kirchen- 
schmuck.  XXIV,  17  f.). 


Kasten  mit  den  Oebeiuea  Karls  deB  Grofaen  (der  grOfete  von  allen,  2,00  lang, 
0,S9  breit  und  0,93  hoch)  uro  1166—1215,1  der  Kasten  *adtaudem  b.  Virginis* 
mit  den  vier  grofsen  Reliquien  {in  LXnge  nnd  Breite  etwas  geringer,  aber  mit 


F1(.  U.    Kutan  KuU  dM  OroCMii  m  Aacbtn  (nach  niu'iii  WaiRb). 

Qnerechiff)  nach  1220^  und  noch  ein  kleinerer  (0,^0  lang,  0,185  hoch)  der  h.  h. 
Felix,  Marlana  und  Christina  mit  flachem  Deckel,  reich  mit  griechischen  Emaillen 
bedeckt,  aoa  dem  XI.  Jahrh.;'  mehrere  in  Köln,  vor  allen  der  Kasten  der 
heil,  drei  Könige  im  Dom  (mit  Seitenschiffen  versehen,  1,T26  lang  und  l,3i3 
hoch,  der  höchste  von  allen)  1167 — 91,  aber  öfter  nnd  zuletzt  nach  einem 
Diebstahl  der  glücklich  wieder  aufgefundenen  Metallbekleidnng  im  J.  1827 
reatauriert^;  femer  in  St.  Urania  der  Kasten  der  Titetheiligen  (nur  1,18  luig, 
mit  müder  Bedachung  und  entsprechenden  QiebellOnetten)  aus  dem  XII.  Jahrb. ^ 
und  noch  zwei  andere  in  dem  alten  Altaraufbau  (s.  oben  S.  147),  beide  be- 
Bcli&digt  nnd  der  eine  schon  gotisch;  in  St.  Maria  in  der  Schnargasse  der 
Kasten  des  heil.  Albinus  vom  J.  1166^  und  der  des  heil.  Maurinns  um  1200;^ 
endlich  in  St.  Severin  der  beschädigte  Schrein  dieses  Heiligen.'  In  der 
Kirche  zu  Dentz  der  Kasten  des  heil.  Heribert,  XII.  Jahrb.,'  nach  aus'm 
Weerth  der  älteste  aller  rheinischen  Schreine;  in  der  Pfarrkirche  zn  Sieg- 
burg der  Kasten  des  heil.  Anno,  1183  vollendet,  nach  aus'm  Weerth 
der  Bchänate  unter  den  rfaeinischeB,  aber  die  Nischen  der  Statuen  nnd  die 

'  Zuerst  vEröffentlicht  von  aus'm  TVeertk  Taf.  XXXVII,  1  — I  e,  dann  Bock, 
Kleinodien  Anlig.  39  und  Pfalzkap.  I,  1.  Fig.  43  — 45:  die  Vordersoito  bei  Labarte, 
bist,  des  art.  ind.  Taf.  47.  Vergl.  KKntzoler,  P.  St.,  der  die  Gebeine  Karls  des 
Grorsen  enthaltende  Behälter.  1859. 

'  Abbild,  bei  Üahier,  Melangea  d'Ärchcol.  Vol.  I.  Taf.  1—3  u.  bei  aus'm  "Weerth. 
Taf.  XXX\1,  1-7;  Bock,  Pfalzkap.  I,  1.  Ti%.  56  und  Kleinodien  Anhg.  40. 

'  Abb.  Bock,  Pfalzkap.  I,  I.  Fig.  37-39. 

'  Bock,  das  heil.Köb.  Taf.  XI.  44  u,  Taf.  Xn,  44  a.  —  Ramöe,  meublosetc.  Taf. 
138.  Seemann.  CUO,  1.  Vergl.  J.  P.  N,  M.  V(ogol).  Samml.  der  prächtigen  Edel- 
steine, womit  der  Kasten  der  h.  S  weisen  Konige  etc.  (Bonn  1781). 

»  Abb.  Bock,  d.  heü.  Köln.  Taf.  VE,  28. 

•  Ebd.  Taf.  XXXVn.  107. 
'  Ebd.  Taf.  XXXvm,  108. 

•  Abb.  eines  Emails  ebd.  Taf.  XLI,  114. 

•  Ebd.  Taf.  XXIV,  86. 


190  Keliquiensärge. 

Dachschrägen  der  Emaillen  beraubt^;  femer  des  heil.  Benignus,'  der  h.  h. 
Mauritius  und  Innocentius,'  des  heil.  Honoratus,^  alle  aus  dem  XII.  Jahrh., 
der  letzte  der  älteste  darunter,  und  des  heil.  Apollinaris,  gotisch  von  1446, 
aber  in  der  Form  den  romanischen  ganz  ähnlich,  ebenfalls  der  Figuren  beraubt, 
auf  den  Dachschrägen  mit  rautenförmiger  Musterung  in  der  Art  der  damaligen 
Thttrbeschläge ;  in  der  Kirche  zu  Kaiserswerth  der  Kasten  des  heil.  Suidbert 
und  seines  Gefährten  Willeikus,  um  1264  und  noch  romanisch;^  im  Hochaltar 
des  Doms  zu  Xanten  der  Kasten  des  heil.  Viktor  aus  dem  XII.  Jahrh.  (mit 
älteren  Bestandteilen);^  in  der  Stadtbibliothek  zu  Trier  ein  emaillierter  Kasten 
ans  dem  XII.  Jahrb.;  in  Sayn  der  Schrein  des  heil.  Symeon  von  1204,  ohne 
Emaillen  und  Reliefs,  sämtliche  Nischen  durchbrochen  und  mit  Glas  aus- 
gesetzt, so  dafs  man  das  Heiligtum  sehen  kann.^  —  Aus  spätgotischer  Zeit 
(ca.  1507)  ist  der  Aber  1,25  lange  Makkabäerkasten  in  St  Andreas  zu  Köln,  ganz 
mit  figurenreichen  Reliefs  aus  der  Geschichte  dieser  alttestamentlichen  Märtyrer 
bedeckt,^  zu  nennen,  sowie  der  Schrein  des  Titelheiligen,  früher  des  heil.  Dio- 
nysius,  1,88  lang,  0,89  hoch,  in  StEmmeram  zu  Regensburg  (vom  J.  1423). 
—  Am  Oberrhein  inAltbreisach  der  Schrein  der  h.  h.  Gervasius  und  Protasius, 
1496  durch  Peter  Berlyn  in  Wimpfen  gefertigt;  in  Radolfszell  der  gotische 
Kasten  der  h.  h.  Theopont  und  Senesius,  der  schon  1412  geöffnet  ist  und 
1540  bedeutende  Veränderungen  erfahren  hat;  auf  der  Insel  Reichenau  die 
verschiedenen  Jahrhunderten  angehörigen  Kästen  der  heil.Fortunata,  des  heil. 
Genesius,  der  h.  h.  Januarius,  Procnlus,  Festus  etc.,  der  Märtyrer  Johannes 
und  Paulus  und  des  heil.  Marcus.^  —  Dem  Reichtum  der  niederrheinischen 
Gegend  schiefst  sich  Westfalen  an,  doch  sind  die  vorhandenen  Kästen  meist 
in  den  Mafsen  bedeutend  geringer  und  rflhren  erst  aus  spätromanischer  und 
gotischer  Zeit  her:  im  Dom  zu  Minden  ein  kleiner,  aber  prächtig  ornamen- 
tierter roman.  Kasten,  1072  von  Bischof  Rudolf  von  Schleswig  geschenkt;  ** 
in  der  Johanneskirche  zu  Herford  ein  ähnlicher  und  in  der  Kirche  zu  Bochum 
ein  gröfserer  spätrom.  Kasten  der  h.  h.  Fabian  und  Sebastian,^^  fünf  Kästen  im 
Dom  zu  Osnabrück,  unter  denen  derjenige  der  heil.  Orispinus  und  Orispinianus 
und  ein  zweiter  ähnlicher  romanisch,  ein  etwa  1,56  langer  (der  heil.  Regina)  früh- 
gotisch, ein  kleiner  im  ausgebildet  gotischen  Stil,  mit  Strebepfeilern  undMafs- 
werkfenstem,  und  der  ähnliche  Gordulakasten  aus  dem  XV.  Jahrb.;  eben- 
daselbst in  der  St.  Johanniskirche  zwei  weitere  gotische,  einer  von  1499; 
der  Patrokluskasten  (ca.  1,60  lang  und  mit  Querschiff;  von  Rigefrid,  meister- 
haft in  der  Architektur,  weniger  in  den  vielen  Figuren)  vom  J.  1313  aus  dem 
Dome  zu  Soest  im  K.Museum  zu  Berlin;  endlich  ein  kleiner  Kasten  der  heil. 


»  Abb.  aus'm  Weerth.  Taf.  XLV  u.  XUV,  2—4. 

«     »     ebd.  Taf.  XLVI,  1—1  h. 

3  Ebd.  Taf.  XLVI,  2—2  g  u.  XUV,  6—5  d. 

*  Abb.  ebd.  Taf.  L.  1— l  e. 

*  »       »     Taf.  XXX. 
«  Ebd.  Taf.  XVm,  1. 

'  Abb.  ebd.  Taf.  L,  7. 

*  »     Bock.  a.  a.  0.  Taf.  V,  23. 

"  Dürftige  Abb.  bei  Marmor,  Kurze  Gesch.  der  kirch.  Bauten  etc.  auf  der  Insel 
Reichenau  1874.  Taf.  1.  3.  5—7. 

*®  Abb.  bei  Kaiser,  aus  der  Schatzkammer  des  Doms  zu  Minden  1868. 
"  Photogr.  Münchener  Ausstellung.  Bl.  1. 


Reliquiensärg6.  191 

Regina,  besonders  dadurch  interessant,  dafs  noch  die  ursprüngliche  Tragbahre 
dazu  (deren  Seiten  von  Vierpässen  durchbrochen,  die  Ecken  mit  vergoldeten 
Metallplatten  und  die  Tragstangen  mit  Leder  überzogen  sind)  erhalten  ist,  in 
der  Kirche  zu  Rhy n  er n '  von  1457.  —  Den  älteren  Prachtsärgen  reihen  sich  zwei 
niedersächsische  Beispiele  im  Dome  zu  Hildesheim  an:  der  Epiphanius-  und 
der  Godehardskasten  (letzterer  besonders  prachtvoll,  aus  der  Zeit  um  1150).' 
—  Ausgezeichnet  durch  Material,  Gröfse  (1,88  lang,  l,to  hoch)  und  Kunst- 
arbeit ist  der  Kasten  der  heil.  Elisabeth  in  der  ihr  geweihten  Kirche  zu  Mar- 
burg, aus  der  Zeit  um  1300.'  —  Der  aus  Bremen  stammende  Kasten  der  h.  h. 
Gosmas  und  Damian  in  der  Michaeliskirche  zu  München  hat  die  Form  eines 
gotischen  Domes.  ^  —  Der  Sarg  des  heil.  Sebaldus  von  1394  in  der  gleich- 
namigen Kirche  zu  Nürnberg  ist  mit  Rauten  aus  Silberblech  beschlagen,  mit 
über  die  Fugen  gelegten  Goldstreifen,  in  einfacher  Hausform  ohne  architek- 
tonischen und  bildnerischen  Schmuck.  Ähnlich  ornamentiert  ist  der  Kasten  des 
heil.  Arsacius  in  der  Frauenkirche  zu  München  und  der  Kasten,  in  dem  seit 
1424  die  deutschen  Reichsreliquien  in  der  Spitalkapelle  zu  Nürnberg  (vor 
Diebstahl  gesichert  unter  der  Decke  schwebend)  bis  zur  Auflösung  des  Reiches 
aufbewahrt  wurden,  jetzt  im  Germanischen  Museum  (K.  G.  187),  1,78  lang, 
0,50  breit  und  0,98  hoch.  ^  Ebendaselbst  (Saal  XXIX)  der  Sebastiansschrein 
aus  der  Sebastianskapelle  aus  dem  XVI.  Jahrb.,  mit  vergoldeten  Kupferplatten 
belegt,  an  den  4  Ecken  mit  Nischen,  in  denen  jedesmal  der  heil.  Sebastian 
steht.  * 

In  spätgotischer  Zeit  wurden  auch  ganz  in  der  Weise  der  mit  Metall  be- 
kleideten Prachtsärge  dergleichen  in  vergoldetem  und  polychromiertem  Schnitz- 
werke ausgeführt;  wir  nennen:  den  Antoniaschrein  in  St.  Johann  zuKöln,^  den 
Kasten  des  heil.  Castor  in  der  Stiftskirche  zu  Karden,  einen  kleineren  zu 
Brühl  bei  Bonn  und  drei  gröfsere  im  Zither  der  Schlofskirche  zu  Quedl  inburg.  ^ 
Berühmt  ist  der  Ursulakasten  im  Johannes -Hospital  zu  Brügge  wegen  der 
Malereien  von  Hans  Memling  in  den  Füllstttcken;  erwähnenswert  auch  ein 
ähnlicher  Kasten  in  der  Pfarrkirche  zuSträlen  (im  Klevischen)  wegen  der 
kostbaren  Miniaturen  aus  dem  Leben  Christi  an  den  vier  Seiten,  ein  mit  auf 
die  Gründung  der  Stiftskirche  bezüglichen  Malereien  auf  Leinewandüberzug 
bedeckter  aus  dem  XV.  Jahrh.  im  Dome  zu  Fritzlar;  2  kleinere  aus  der 
Pfarrkirche  zu  Friedeberg  in  der  Sammlung  Felix  zu  Leipzig  (No.  1184  u. 
1185),  und  besonders  der  jetzt  in  zwei  Teile  zersägt  aufgestellte  im  Chor  der 
Cistercienserkirche  zu  Wiener-Neustadt,  der  auf  der  unteren  Seite  des 
Bodenstücks  mit  28  Bildnissen  von  Heiligen  bemalt  war,  weil  er  auf  so  hohen 
Fttfsen  aufgestellt  war,  dafs  man  unter  ihm  hindurch  gehen,  die  Bilder  also 
hier  am  besten  sehen  konnte.^  Nicht  eigentlich  zu  den  Reliquienschreinen 

>  Abb.  bei  Nordhoff,  Kreis  Hamm.  Fig.  76  u.  77. 

2  Ungenügende  Abb.  bei  Kratz,  a.  a.  0.  Taf.  EI,  3  u.  Taf.  IX,  1. 

3  Abb.  bei  Justi,  C.  W.,  Elisabeth  die  Heilige.    1835,  240;   Kolbe,  Elisabeth- 
kirche, 79;  Ramee,  meubles.  Taf.  144. 

^  Abb.  bei  den  Bollandisten  (27.  Septbr.).  VE,  428. 

*  »     im  Katalog.  Taf.  18. 

*  »     bei  Becker-  v.  Hefner.  H.  Taf.  44. 
'     »       »    Bock,  a.  a.  0.  Taf.  XXXTT,  98. 

»  Vergl.  Ku gier.  Kl.  Sehr.  I,  638. 
»      »       Mitt.  C.-K.  XIV,  65. 


192  Reliqnienküötchen. 

gehört  das  ganz  durchbrochen  gearbeitete  Gehäuse  in  der  Spitalkirche  zu 
Salzburg,^  vielleicht  ein  ehemaliger  Altaraufsatz  zur  Ausstellung  von  Re- 
liquien;  jetzt  als  heil.  Grab  dienend,  und  das  ähnliche ,  aber  noch  viel  wunder- 
barere Gehäuse  aus  der  Pfarrkirche  zu  Möchling  im  Jaunthale  in  Kärnten, 
jetzt  in  der  Ambraser  Sammlung  zu  Wien,  eine  völlig  filigranartig  durch- 
brochene Schnitzarbeit  in  Lindenholz,  in  Gestalt  einer  gotischen  Kathedrale 
mit  Strebepfeilern  und  hohem  Dache,  2,37  hoch,  1,99  lang,  0,S7  breit,  mit 
einem  ausspringenden  Chore  von  1,66  Höhe,  0,73  Länge  und  0,47  Breite  und 
in  einer  aller  Beschreibung  spottenden  Mannigfaltigkeit  des  spätgotischen  Mafs- 
werks  mit  133  Türmchen  und  Fialen,  158  Kreuzblumen  und  Rosen,  3429 
Krabben  und  242  verschiedenen  Mafswerksmustem ,  der  Sage  nach  die  10 jäh- 
rige Arbeit  eines  Benediktinermönches  aus  St.  Paul.^ 

Der  Gebrauch,  die  Reliquiensärge  auf  Bahren  in  den  Prozessionen  herum- 
zutragen, veranlafste  auch  die  Kunst,  dergleichen  Schreine  anzufertigen,  die, 
auf  den  Schultern  von  Klerikerfiguren  ruhend ,  von  diesen  scheinbar  getragen 
werden.  Dahin  gehört  das  kostbare,  1,25  hohe,  aus  vergoldetem  Silber  ge- 
arbeitete, 90  Pfd.  schwere  »fVre/rM/w«  aus  dem  XIV.  Jahrh.  im  Münster  zu 
Aachen:  es  ruht  auf  acht  Säulen,  neben  denen  Engel,  Lanzenträger-  und 
Bischofsfiguren  stehen.'  Auch  in  St.  Kunibert  zu  Köln  ist  ein  aus  vergoldetem 
Kupfer  verfertigter  Reliquienschrein  aus  dem  XV.  Jahrh.,  den  vier  Akoluthen- 
Statuen  bahrenartig  auf  den  Schultern  tragen  ,^  und  ein  ähnlicher  frühgotischer 
der  heil.  Anna  im  Dome  zu  Trier.^ 

b)  Kleinere  Kästen  zur  Aufnahme  von  Partikeln :  Kästchen,  Särgchen, 
(capsiilae,  arculae,  cistulae,  ladulae,  scriniola)  von  länglich  viereckiger  Form, 
mit  Schieb-  oder  Klappdeckel  und  Schlofs,  auch  mit  nach  allen  vier  Seiten 
walmartig  gehobenem  Deckel,  oder  als  Diminutiva  der  grofsen  Kästen  in  Haus- 
und Kapellenform;  aus  Holz  verfertigt  und  mit  Elfenbein,  mit  emailliertem 
Metallblech,  mit  Zeug  überzogen  oder  auch  bemalt.  Dergleichen  Kästchen  sind 
noch  in  grofser  Zahl  vorhanden ;  wir  beschränken  uns  auf  einige  Beispiele  von 
den  verschiedenen  Varietäten. 

Mit  Elfenbeinplatten  überzogene  Kästchen  aus  feinem  Holze,  mit  Schieb- 
deckel und  Schloss,  etwa  0,42  lang,  0,t6  breit  und  0,1 1  hoch,  wie  sich  dergleichen 
z.  B.  in  der  Kirche  zu  Kraneuburg  bei  Kleve  und  im  Dome  zuXanten^vor- 
finden,  scheinen  in  Italien  (wo  sich  ein  ganz  übereinstimmendes  Kästchen  im 
Museum  zu  Arezzo  befindet,  ein  ähnliches  auch  im  Kapitular -Archive  zu  Civi- 
dale)^  allgemein  gewesen,  und  als  Behältnisse  zum  Reliquientransport  nach 
Deutschland  gekommen  zu  sein.  Die  Reliefdarstellungen  antiker  Kämpfe,  mit 
denen  sie  versehen  sind ,  könnten  auf  hohes  Alter  deuten ;  die  aus  Sternchen 


'  Vergl.  Bock,  in  den  Mittelalt.  K.-Denkm.  d.  österr.  Kaiserst.  herausg.  v.  G. 
Beider  etc.  I,  136  ff.  und  Taf.  XX. 

*  Vergl.  von  Gallenstein,  in  den  Mitt.  C.-K.  XVU,  37  ff.  mit  Photographie. 

3  Abbdd.  bei  aus'm  T\^eerth.  Taf.  XXVIQ,  1  u.  in  den  Mitt.  C.-K.  IV.  Taf. 
Vni;  Bock,  HalzkapeUe.  I,  2.  Fig.  14. 

^  Abbüd.  bei  Bock,  a.  a.  0.  Taf.  XV,  56. 

*  »       aus'm  Weerth.  Taf.  LVI,  2. 

*  »        ebd.  Taf.  VI,  8— S  c  u.  Taf.  XVn,  2—2  b. 
'       »        in  den  Mitt.  C.-K.  Taf.  zu  IV,  325. 


ß«liqmentiistchen.  X93 

iD  Rnaden  bestehende  Veraiemng  bietet  zu  ntLherer  Bestimmung  der  Ent- 
BtehuDgszeit  keinen  Anhalt.  Glei- 
chem Zwecke  dürfte  ein  ähnliches 
inSt.GereonznKölnbefindlicheB, 
mit  einer  beinsrtigen  Masse  be- 
kleide tesEftstchen*  gedient  haben, 
Bowie  ein  anderes  in  St.  AndreaB 
daselbst,'  beide  mit  eingravier- 
ten Ornamenten  verwandter  Art, 
erste  res  überdies  mit  einer  ara- 
bischen Inschrift,  also  sicherorien- 
taliachen  Ureprnnga  nnd  wohl  ans 
der  Zeit  der  Kreuzzüge.     Hier- 
her gehört  auch  ein  Kflstcheu  ron  bemaltem  Elfenbein  im  Dome  zn  Würz- 
bürg,  welches   anfser  allerhand  Bestien  einen  indischen  Snltan  mit  Franen 
seines  Harems  darstellt, '  und  wohl  auch  ein  anderes  daselbst  mit  antikisierendem 
Ornament  nnd  Beatienreliefs,*  ferner  ein  ziemlich  grofser  Elfenbeinkasten, 
(0,36  lang),  angeblich  ans  dem  Dome  zu  Speier  stammend,  im  Kunatgewcrbe- 
Museam  zu  Berlin  (Raum  XVII,  Glaskasten  llö),  nach  Ausweis  des  Ornaments 
persische  Arbeit  ans  dem  VHI. — X.  Jahrh.    Byzantinische  Arbeit  ist  ein  Kas- 
ten im  Grolbh.  Mus.  zu  Darmstadt,  angeblich  aus  St.  Maximin  bei  Trier 
stammend,  der  mit  Flachreliefs  ans  dem  Leben  des  ersten  Älternpaares  ge- 
schmtickt  ist,  darunter  z.  B.  Adam  nnd  Eva  bei  der  Schmiedearbeit  vor  einer 
thronenden  Figur  mit  der  Beiscbrift  ö  nioüio;,  von  Schäfer,  a.  a.  0.,  S.  33 
der  Zeit  der  Theophann  zugeschriebeo.    Einfacher  Art  sind  zwei  Kästehen  im 
Dome  zu  Merseburg,  von  denen  das  eine  mit  Tiergestalten  und  romanischen 
Ornamenten  bemalt  (ersichtlich  aber  aus  einem  älteren  ähnliehen  Kästchen 
umgearbeitet),^  das  andere  (zerfallen)  mit  einem  gewebten  Stoffe  überzogen 
ist.   Sehr  wahrscheinlich  wurden  dergleichen  Kästchen  in  Byzanz  und  Italien 
zn  beliebigem  Gebrauche  verfertigt  und  an  den  Harkt  gebracht,  wo  sie  zur 
Verpackung  von  Reliquien  verkauft  wurden.   Wir  nennen  unter  diesen  noch 
das  KästchcD  des  heil.  Bischofs  Speua  zu  Aachen,*  zwei  ana  dem  XUI.  Jahrh. 
mit  abgewalmtem  Deckel,  das  eine  mit  graviertem  Bestienomament  im  Schatze 
des  Wiener  Doms,'  das  andere  durchbrochen  geschnitzt  in  St. Feter  zn  Salz- 
burg^ und  zwei  mit  abgewalmtem  Deckel  und  Metalleinfassungen  in  St.  Mathias 
zu  Trier»  und  in  der  fürstlichen Knnstkammer zu  Sigmaringen.'*   Auch  ans 
späterer  Zeit  kommen  in  den  Kirchen  Kästchen  vor,  die  ursprünglich  für  profane 
Zwecke  bestimmt  waren,  z.  B.  In  St.  Ursula  zu  KOIn  ein  Paar  sehr  zierliche, 
I  Abbild,  bei  Bopt,  a.  a  0.,  Taf.  I,  5.  Nach  Inhalt  der  Inschrift  wahrscheinlich 
I  Salbgefiifs  von  775,  vergl.  üildemeister,  in  den  Bonner  Jahrb. 


iTKiiriinglioh 
tlJX,  115. 


'  AbbUd.  ebd.  Taf.  IV,  21;  s,  Fig.  (15. 
'  Abb.  Becker-  v.  Ilefner.  I.  Tat.  52. 

ebd.  Taf.  71. 

der  Vorderseite  in  von  Lüfzow,  Zeitschr.  XVII,  283. 

Bock.  Halzkop.  I,  I,  Fig.  57. 

Mitt.  C.-K.  XlII,  CXIX.  Fig.  6. 

ebd.  XVm,  169.  Fig.  31. 

aus'm  Weerth.  lel  LXIl,  2. 

V.  Hefner-Ältenect.  Taf.  31. 

Cnut-Arcbiologl*.    t.  Aafl. 


194  Reliqnienkästchen. 

mit  Liebesscenen  geBchmflckte  Elfenbein -Toiletten  aus  dem  XIV.  Jahrb.,  Reli- 
quien der  Titelheiligen  enthaltend.  ^  Von  einigen  anderen,  älteren,  mit  Stickerei 
überzogenen  Kästchen  (mit  abgewalmtem  Deckel)  daselbst'  ist  die  ursprüngliche 
Bestimmung  zweifelhaft;  dagegen  erscheinen  zwei  im  Zither  zu  Quedlinburg 
befindliche,  mit  figürlichen  Reliefs  geschmückte  Elfenbeinkästen  (No.  6  mit 
Benutzung  älterer  Reliefs  wahrscheinlich  im  XI.  Jahrb.,  das  andere  No.  7 
inschriftlich  gegen  das  J.  1200  verfertigt)  bereits  ursprünglich  als  Reliquiarien 
gearbeitet.^  Ebenso  das  aus  Gandersheim  stammende  Kästchen  aus  Walrofs 
im  Herzogl.  Museum  zu  Braunschweig  (No.  58),  eine  altirische  Arbeit,  laut 
nordenglischer  Runenschrift  auf  der  Kupfereinrahmung  im  VII.  Jahrh.  zu  Nethi 
für  den  heil.  Eligius  in  Montpellier  gearbeitet ,  das  Kästchen  aus  dem  X.  Jahrh. 
ebendaselbst  (No.  59)  mit  den  Reliefs  der  Verkündigung,  Geburt,  Taufe  und 
Kreuzigung  und  das  Kästchen  im  Museum  zu  Stuttgart  (griechische  Arbeit  des 
XI.  Jahrh.) ,  an  dem  nur  noch  3  der  Elfenbeinplatten  mit  der  Himmelfalirt, 
Höllenfahrt  und  Propheten  erhalten  sind.^  Etwas  späterer  Zeit  gehört  ein 
Kästchen  im  Dome  zu  Erfurt  mit  hohem  dachartigen  Deckel  und  hohen  Füfsen 
an,  das  ringsum  durch  geriefelte  Säulen  in  Felder  mit  ausgeschnittenen  Rosetten 
auf  Goldgrund  geteilt  ist. 

Unter  den  mit  Metallblech  bekleideten  Kästen  (mit  gehobenem  Deckel) 
haben  sich  einige  sehr  alte  Exemplare  erhalten,  so  der  nur  mit  Edelsteinen 
dicht  besetzte,  mit  dem  Blute  des  h.  Stephanns  getränkte  Erde  enthaltende  aus 
dem  IX.  Jahrhundert  in  der  Schatzkammer  zuWien,^  welcher  zu  den  karolin- 
gischen  Reichsinsignien  gehört ;  der  Schrein  des  heil.  Willibrord  im  Münster 
zu  Emmerich  (mit  Mansardendach  ähnlichem  Oberteil),  dessen  Abstammung 
aus  dem  VIII.  Jahrh.  gegründetem  Zweifel  unterliegt,  der  aber  (abgesehen  von 
späteren  Veränderungen)  spätestens  ins  XI.  Jahrhundert  zu  setzen  sein  wird);^ 
ein  aus  Erz  gegossener  hausförmiger  Kasten  mit  figürlichen  Reliefs  auf  den 
Seiten-  und  Dachflächen  in  den  Vereinigten  Samml.  zu  München;^  ein  dem 
Emmericher  in  der  Form  sehr  ähnlicher  der  h.  h.  Helena  und  Mathias  im 
Dome  zu  Trier ;^  im  Zither  des  Domes  zu  Halberstadt  (No.  24)  das 
Kästchen  des  h.  Demetrins  byzantinische  Arbeit  in  vergoldetem  Silber;  im 
Dome  zu  Minden®  ein  Kasten  mit  dem  Martyrium  und  Begräbnis  der  heil. 
Dympna  an  der  Langseite  in  Email,  die  Köpfe  aber  in  Relief,  und  zu  Mols- 
heim im  Elsafs  ein  Kasten  von  vergoldetem  Kupfer  mit  Reliefs  aus  dem 
Anfange  des  XII.  Jahrh.  ^^  Aus  dem  XII.  und  XUI.  Jahrh.  haben  sich  email- 
lierte ELästchen  in  Kapellenform  verhaltnismäfsig  häufig  erhalten  und  scheinen 
förmlich  fabrikmäfsig  am  Rhein  und  in  Limoges  verfertigt  worden  zu  sein, 
daher  sie  auch  in  ihrem  bildlichen  Schmuck  ohne  besondere  Beziehungen  eii^- 


»  Abb.  Bock,  heil.  Köhi.  Taf.  VI,  27. 
«     »      ebd.,  26. 

3     »     Steuorwaldt  und  Virgin,  a.  a.  0.,  Taf.  25 — 31,  v.  Lützow,  Zeitschr. 
XVn,  174.  Vergl.  Kuglor,  Kl.  Sehr.  I,  627. 

*  Abb.  Heideloff,  Schwaben.  Taf.  IX.  u.  S.  33,  Fig.  21. 

»     »     Bock,  Pfalzkai).  I,  I.  Fig.  64.   Ost.  Atlas,  LXXXV,  9. 

«     »      aus'm  AVeerth.  Taf.  ü,  9  u.  m,  1.  2. 

^     »     Becker-  v.  Hefner.  m.  Taf.  12. 

«      *      aus'm  Weorth.  Taf.  LYI,  l  u.  l  a. 

»     »      Mitt.  Band.  Niedere,  m,  76. 

»ö     >     Kraus,  I,  154. 


Roliquien- Pulte  und  Schachteln.  195 

ander  sehr  ähnlich  sind,  meist  mit  der  Krenzignngsgmppe  und  etlichen  Heili- 
gen. Wir  nennen  aus  der  grofsen  Masse,  die  sich  in  öffentlichen  und  Privat- 
Sammlungen  finden,  nach  den  vorliegenden  Abbildungen:  ein  Kästchen  im 
Domschatze  zu  Prag,^  drei  andere  in  Klosterneubnrg,^  eins  in  Krems- 
mflnster,' andere  zuGerresheim,^  Siegburg, ^  Zell  an  derMosel^und  im 
Germanischen  Museum;*^  zu  Sigmaringen^  und  Schlofs  Tüfsling;®  einige 
gotische  im  Museum  zu  Basel. ^^ 

Minder  kostbar  als  diese  waren  vergoldete  und  polychromierte,  in  Schnitz- 
werk ausgeführte  Holzkästchen,  wie  sich  einige,  in  gotischen  Architekturfor- 
men gebildet,  mit  Zinnenkrönung  und  abgewalmtem  Oberteil,  im  Germanischen 
Museum,*^  zu  Sigmar  in  gen  ^^  und  im  Museum  zu  Klosterneuburg  befinden.*' 
Prächtiger  ausgestattet  ist  eine  schwarze  Holzkiste  im  Münster  zu  Aachen,*^ 
welche  mit  Emailmedaillons  und  Wappenschilden  geschmückt  erscheint  und 
zur  Auf bewahrung  der  Krönungsgewänder,  nach  aus*m  Weerth  Wilhelms  von 
Holland,  nach  Bock  Richards  von  OornwalUs,  bestimmt  war.  Zierlich  bemalte 
finden  sich  in  der  Kapelle  am  Rittersaale  zu  Erbach  im  Odenwald*^  und  im 
Privatbesitz  zu  Geisenheim,*^  beide  aus  dem  XV.  Jahrh. 

c)  Den  Reliquienkästchen  reihen  sich  an  die  Behälter  in  Form  eines 
Setzpultes  (pulpitum),  wie  dergleichen  auf  Altären  zum  Auflegen  des  Mefs- 
buches  gebräuchlich  waren.  —  Das  mlhem  Puipii<ü  im  Hallischen  Heiligtums- 
buche (Gang  VI.  13)  war  auf  der  schrägen  Fläche  mit  einem  Fenster  versehen, 
durch  welches  man  die  Reliquien  sah.  Auch  die  Schlofskirche  zu  Wittenberg 
besafs  nach  dem  dortigen  Heiligtumsbuche  ein  solches  Reliquienpult.  —  Häu- 
figer als  diese,  wohl  erst  der  Spätzeit  angehörig  waren  die  Behälter  in  Form 
eines  Buches  in  Prachtband  (s.  oben  S.  180),  an  denen  der  Hallische  Dom 
vorzugsweise  reich  war.  »Ein  silbern  vhergult  Pl€narium<^  kommt  Gang  I.  5. 
6.  7,  Gang  H.  17.  19  und  Gang  V.  17  vor.  Zuweilen  mochten  es  wirkliche  Mefs- 
bücher  sein,  in  deren  Deckeln  kleine  Reliquien  geborgen  waren ;  vergl.  S.  173. 
179.  —  Das  Stift  Brewnow  in  Böhmen  besitzt  eine  solche  Theka  von  1406. 

Als  Nebengattung  der  viereckigen  Kästchen  sind  die  minder  häufig  vor- 
kommenden ovalen  Schachteln  zu  nennen,  deren  sich  einige  im  Zither  zu  Q  u  e  d  - 
linburg  befinden.  Im  Chore  des  Domes  zu  Kamm  in  wird  ein  ovaler  Kasten 
(0,55  lang,  0,34  breit,  0,29  hoch)  aufbewahrt,  dessen  Elfenbeinbekleidung  mit 


*  Abb.  Mittel.  K.-Denkm.  d.  österr,  Kaisorst.  U.  Taf.  Xu. 
«     »     Östr.  Atl.  LXXXV,  1. 

»     »     aus'm  Veerth.  Taf.  XXXI,  8. 

»     »     ebd.  XUX,  1—2. 

«     »       »Taf.  LTV,  7. 

'  K.-G.  160.  167.    Abb.  im  Katalog.  Taf.  13.  14.  15. 

•  Abb.  von  Hefner-Alteneck.  Taf.  1.  41.  42. 
»     »     Becker-  v.  Hefner.  HI.  Taf.  26. 

*"     »     in  den  Mitt.  d.  Ges.  f.  vaterl.  Altert,  in  Basel.  IX,  18  f. 
>'  K.-G.  170.   Abb.  im  Katalog.  Taf.  17. 
"  Abb.  von  Hefner-Alteneck.  Taf.  35. 
»  Östr.  Atl.  LXXXV,  5.  LXXXVI,  11. 

"  Abb.  aus'm  Weerth.   Taf.  XXXVII,  4;    Bock,   Pfalzkap.  I,  1.    Rg.  1.  2; 
Bucher.  H,  220.  Fig.  89. 

»  u.  ««  Abb.  Becker-  v.  Hefner.  I.  Taf.  46. 

13* 


196  Boliquicn- Buchsen 

Bestiarien  nod  Rankengewindeii  verziert  ist.'  Der  Schatz  des  Domes  zu  Xan- 
ten bewahrt  eine  ans  Eichenholz  gefertigte,  mit  Silberblech  Überzogene  Reli- 
qnienschachtel  ans  dem  XII.  Jahrb.;  die  vergoldete  Wandnng  zeigt  getriebene 
Heil igenbmstbil der,  der  gew61bte  Deekei  bibÜBche  Darstellungen  in  Niello.^ 

2.  Cylindrische  Behältnisse:  BOchae  (pijxU,  Capsula,  Turm  Uurtis), 
Tabernakel  (tabemacuhim).  —  Diese  drei  Arten  von  Hierotheken,  welche 
als  Gefkfae  nnd  OehäuBe  zur  Aufbewahrung  der  Eucharistie  (s.  unten  $  4ti)  mit 
einander  verwandt  sind,  stellen  wir  anch  als  Reliqnienbehälter  zusammen,  weil 
durch  Übertragung  der  architektooiachen  Formen,  wie  aus  dem  viereckigen 
Kasten  die  Capeila,  so  ans  der  runden  Büchse  mit  zeltßlrmigem  Deckel  der 
Turm,  nnd  ans  letzterem  in  der  Gotik  das  Tabernakel  hervorgegangen  ist. 

a.  Unter  den  ans  allen  Jahrhunderten  zahlreich  erhaltenen  runden  Büch- 
sen, Kapseln  und  Dosen  aus  Bein,  Metall,  Stein  und  Holz,  die  zu  dem  ver- 
schiedensten kirchlichen  Gebrauche,  als  Ciborien,  Hostieuschachteln  und  Salb- 
bUchsen  gedient  haben  mögen  und  gelegentlich  anch  als  ReÜquiarien  benutzt 
worden  sind,  erregen  besonderes  Interesse  gewisse  cylindrische  Elfenbein- 
bUchsen,  aus  dem  unteren  Teile  eines  Elefantenzahnes  ausgehöhlt  nnd  daher 
von  etwa  0,i2  — 0,I7  Durchmesser,  bei  0,us  — 0,ii  Höhe;  sie  sind  mit  Reliefs 
verziert,  die  in  sehr  alterttlmÜcber,  bisweilen 
anch  roher  Weise  entweder  ans  dem    antik 
heidnischcn(BUchsG  im  Dom  zu  Xanten)^  oder 
aus  dem  altchristlichen  Bilderkreise  (Büchse 
im  K.  Hngenm  zn  Berlin,*  5  dei^leichen  im 
Besitze  des  Herrn  F.  Hahn  in  Hannover)* 
entnommen  sind,  nnd  haben  alle  wesentlich 
gleichen  Typus.   Die  flachen,  mit  Schlofa  ver- 
sehenen Klappdeckel  derselben  gehören  regel- 
mäfaig  einer  etwas  späteren  Periode  an,  nnd 
daran  vorkommende  Spuren  lassen  erkennen, 
dafs  diese  Büchsen  zum  Aufhängen  (an  der 
Pertica  vor  dem  Altare ;  s.  oben  S.  183)  be- 
stimmt waren,  in  sofern  also  als  Reliquieube- 
hälter  gelten  können.  —  Im  Heiligtnmsbuche 
'    des  Doms  zu  Halle  kommt  (Gang  IX.  7)  eine 

achteckige,  mit  hohem,  abgewalmtem  Deckel 

Flg.  BB,  Eit^ibciniittchH  In  St.  oittdii    versehene  *helffenbem   Buchse  mit  viel  alt 
"*     "   ■  gegrabenen  Bilden'  (ohne   Zweifel  mit  höl- 

zernem Kerne)  vor,  welche  nach  ihrer  Omamentation  und  den  eingefügten 
Relieftäfelchen  in  die  Kategorie  der  oben  angeführten  Elfenbeinkäatchen  zu 


'  Fhoto^.  Münchener  Anxstelluii);,  Bl.  11,  ganz  ähnlich  ixt  die  Schachtel  der  h. 
Kimigundo  im  Bavr.  Nst.-Uus.  zu  Münchea. 

'  Abb.  aus'm  Weerth,  Taf.  XXX^ni,  4  u.  4  a.  —  Eine  derattigo  Schachtel  aus 
Krystall  befiodet  sich  im  Dome  zu  Prag.   Abh.  Mitt.  C.-K.  XIV,  22. 

'  Abb.  aus'm  Weerth.  Taf.  XVII,  1.  —  Eine  im  Museum  zu  Wiesbaden  hat 
nur  den  ä^rptischen  Kult  bezügliche  BamteUungen ;  eine  im  Münz-  u.  Antik cnlLabioct 
zu  Wien  den  Baccbus  u.  die  Übera,  Abb.  Mitt.  C.-K.  N.  F.  H,  43  u.  Taf.  U. 

"  Abb.  Kraus,  Anfinge  der  ehr.  K,,  122.  Fig.  30,  Seemann,  XIJl,  1.  Vcigl. 
Kugler.  Kl.  Sehr.  II.  327. 

ä  Hahn,  Fr..  Fünf  ElfenbeingefSfee  des  frühsten  M.-A.  1862.,  m.  Abb. 


und  Türme.  jg7 

Xanten,  Kranenbnrg  etc.  zn  gehören  scheint.     Das  sogen.  Ciborium  des  heil. 
Wolfgang  in  St.  Emmeram  zu  Kegensbnrg'  ist  eine  achteckige  mit  Elfenbein 
belegte  HolzbOchae  mit  pyramidalem  Deckel  und  mit  Apostelfiguren  in  byzan* 
tinisc  her  Weise  geschmückt.  —  Im  Schatze  von  St.  Gereon  zn  Köln  befindet  sich 
eine  rande  Elfen beinbtlchse  mit  zeltartig  gehobenem  Deckel,^  deren  eingraviertes 
Ornament  und  arabische  Inschrift  ihren  orientalischen  Ursprung  aus  dem  VIII. 
Jahrhundert  erweist;  auch  diese  war  znm  Aufhängen  eingerichtet.     Ebenfalls 
dem  VIII.  Jahrh.  wird  eine  Bflehse  mit  der  Gebart  Christi  und  der  Anbetung 
der  Könige  im  Munzkabinet  zu  Wien  zugeschrieben.^    Mehrere  aus  dem  XII. 
und XIII.  Jahrh.  befinden  sich  imZitherdesDomszuHalberstadt,*  inDarm- 
stadt  eine  mit  der  Heilung  des  Kranken 
von  Bethesda  und  der  Auferweckung  des 
Lazarus.^  Von  spfttmittelalterlicben  nen- 
nen wir  nur  die  beiden  aufs  erordentlich 
prachtrollen  Kapseln  für  den  Kopf  des 
beil.  Stani8lan8(dieeine  Silber- vergoldete 
12eckig  vor  1461),  die  andere  goldene 
8eckigvonl604)imDomezuKrakau.* 
b.  Die  ÄUBgestaltung  der  cylind- 
rischen  Büchse  zu  einem  runden  oder 
polygonischen  Kuppelturme   scheint 
sich  durch  Übertragung  der  Formen  des 
byzantinischen  Centralbaues  vermittelt 
zn  haben  und  ans  der  morgen ländischen 
Kirche  zu  stammen.   Das  Reliqniarium 
mit  dem   Kopfe  des  heil.   Anastasius 
im  Schatze  des  Aachener  Münsters^ 
zeigt  einen  quadratischen,  mit  Apsis  und 
kiel  bogigen  FlUgelthUrchen  versehenen 
Unterbau,  aus  dessen   Mitte  sich   ein 
runder,  mit  einem  (erneuerten)  Kreuze 
gekrCnter    Knppeltnrm    erhebt.      Der 
orientalische  Ursprung  dieses  0,3g  hohen 
und   halb  so   breiten    silbernen,   teil- 
weise vergoldeten  und  mit  schwarzem 
und  weifsem  Email  geschmückten  Behäl- 
ters ist  durch  die  auf  demselben  be-  I 
findlichen  griechischen  Inschriften  völlig 

sicher,  nicht  ganz  so  die  ans  dem  Inhalte  ^^-  "    "''Jä'MaMtil'M'AiiSrm  *°"'"'"" 
der  letzteren   gefolgerte   Entstebungs- 
zeit  im  VU.  Jahrb.;  v.  Quast  und  Bock  setzen  ihn  erst  in  das  XII.  Jahrb. 

'  Abb.  Becker-  v.  Hefner.  m.  Taf.  51. 
'     .     bei  Bock,  d.  heil.  Köln.  Taf.  I,  2. 
=     .     Mitt.  C.-K.  N.  F.  n,  ii.  Taf,  I. 
'  Tergl.  Bock,  in  den  Mitt.  C.-K.  XV,  23. 
'^     >        Schäfer,  Denkm.  der  Elfenbeinplastik  in  Darmst.,  37. 
'  Abb.  Essenwein,  Krakau,  173.  Fig.  94  u.  Taf.  LXXV. 
'     .     aus'm  Weerth.  Taf.  XXXTV,  5;   Bock,  Pfalzkap.  I,  1.  Fig.  42.     Der 
EolzBcbnitt  im  Text  ist  ans  Zeitaohr.  f.  ehr.  A.  u.  K.  n,  130  entlehnt. 


198  Reliquien -Türme  und  Taschen. 

Im  Grofsherzogl.  Mnseum  zu  Darmstadt  befindet  sich  eine  elfenbeinerne  Turris 
aas  dem  XII.  Jahrh.^  ein  in  fünf  mit  Reliefs  geschmückten  Stockwerken  aufsteigen- 
der Centralbau;  ebendaselbst  noch  eine  kleinere  von  Elfenbein  und  eine  in  Email 
aus  demselben  Jahrh  J  Rheinische  Arbeit  des  XII.  Jahrh.  sind  dagegen  die  fast  voll- 
ständig gleichen  Behälter  in  Gestalt  einer  byzantinischen,  ein  griechisches  Kreuz 
bildenden  0,50  hohen  Kuppelkirche,  ganz  mit  Emaillen  bedeckt  und  mit  Elfenbein- 
figuren in  den  Nischen,  wovon  sich  das  eine  Exemplar  im  Weifenschatze,  das  an- 
dere aus  der  Sammlung Soltykoff  im South-Kensington-Museum  zu  London  be- 
findet.^ —  Ein  unter  der  Bezeichnung  T^turris^i^  im  Domschatze  zu  H  i  l  d  e  s  h  e  i  m  be- 
findlicher, mit  vergoldetem  Silberblech  überzogener  Schrein  mit  den  Reliquien  der 
Stiftspatrone'  besteht  aus  einem  sechseckigen  Unterbau,  aus  dem  in  zwei  sich 
verjüngenden  Geschossen  die  mit  dem  griechischen  Kreuze  gekrönte  Kuppel 
bis  zur  Gesamthöhe  von  etwa  0,79  aufsteigt.  Die  baulichen  Formen  des 
Turmes  zeigen  den  Übergangsstil,  der  Sockel  gotisches  Mafswerk  aus  der  in- 
schriftlich gesicherten  Entstehungszeit  im  XIV.  Jahrhundert.  —  Das  Münster 
zu  Emmerich  endlich  besitzt  eine  polygonische,  vielgeschossige ,  einfach  go- 
tische Turris  mit  einem  von  zwei  Fialen  flankierten  Helmdache  von  0,50  Höhe.^ 

—  In  dem  Wiener  Heiligtumsbuche  (Bl.  b)  kommt  ein  Turm  in  den  reichen 
Formen  des  ausgebildet  gotischen  Stils  vor. 

c.  Unter  Tabernakel  verstand  man  ein  in  der  Weise  der  gotischen 
Prachtkirchtürme  aus  einem  Walde  von  Strebepfeilern  komponiertes,  vielfach 
durchbrochenes  Reliquiarium.  Diese  Anschauung  gewährt  wenigstens  der  im 
Hallischen  Heiligtumsbuche  (Gang  II.  7)  abgebildete,  spätgotische  »silbern 
vbergulier  Tdbemakeh,   Die  Reliquien  mögen  sich  im  Sockel  befunden  haben. 

—  In  die  Klasse  der  Tabernakel  könnte  unter  anderen  auch  das  angeblich 
vom  Könige  Philipp  H.  von  Spanien  geschenkte,  prachtvolle  silber- vergoldete, 
drei  offene  gotische  Türme  bildende ,  fast  0,94  hohe  Reliquiarium  im  Münster 
zu  Aachen^  gerechnet  werden.  —  Als  romanisches  Prototyp  solcher  gotischen 
Tabernakel  erscheint  die  T^geweichte  capelle<  von  der  Form  eines  Ciborien- 
altares  im  Bamberger  Heiligtumsbuche  (Gang  VI). 

3.  Taschen  (sacculij  biirsae,  alioveriay  scarcellae),  wie  man  sie  im  Oriente 
am  Gürtel  trug,  wurden  durch  Pilger  und  f^reuzfahrer  auch  im  Abendlande 
verbreitet,  und  es  gab  im  XIII.  Jahrh.  in  Paris  eine  eigene  Zunft  von  Stickerin- 
nen, die  sich  mit  der  Anfertigung  von  »aumosnieres  sarrazinoises^  beschäftig- 
ten.^ Da  nun  die  Pilger  in  ihren  Taschen  auch  Reliquien  aus  dem  Morgen- 
lande mitbrachten,  gingen  die  Reliquientaschen  in  die  Kirchenschätze  über. 
Man  findet  dergleichen  z.  B.  im  Zither  zu  Quedlinburg  und  im  Dome  zu 
Brandenburg,  eine  gestickte  Reliquientasche  in  Form  eines  Säckchens  von 
0,14  Länge  und  0,16  Breite  auch  im  Schatze  von  St.  Gereon  zu  Köln,^  an- 
dere in  St.  Stephan  zu  Mainz  und  im  Weifenschatze. 

»  Vergl.  Schäfer,  a.  a.  0.,  60—63. 

»  Abb.  Bucher.  U,  216.  Fig.  87. 

'  Kratz,  a.  a.  0.,  Taf.  XI,  4. 

^  aus'm  Weerth.  Taf.  11 ,  7. 

»  Ebd.  Taf.  XXX Vm,  2.   Bock,  Pfalzkap.  I,  2.  Fig.  16. 

^  Yergl.  de  Laborde,  Notice  des  emaux  etc.  exposes  au  Musee  du  Louvre.  II, 
144.  Art.  Aumosniere. 

'  Abb.  Bock,  d.  h.  Köhi.  Taf.  U,  9;  vergl.  Bock,  lii-Gew.  DI,  160  ff.  und  Taf. 
XIX,  2  u.  XX  Abb.  von  französischen  und  niederländischen  ehemaligen  aumönieres. 


Brustbilder.  199 

4.  Behaltnisse  für  bestimmte  Körperteile  in  Ponn  der  letzteren,  bislebens- 
grofs  und  darüber,  aus  Metall  oder  ans  Hols  geschnitzt  und  naturgemafb  be- 
malt. Das  gewöhnliclie  Metall  ist  Silber  vergoldet,  doch  liefs  man  die  Fleisch- 
teile weifs  oder  überzog  dieselben  mit  fleischfarben em  Email.  Die  znm  Kostüm 
gehörigen  Teile  wnrden  mit  Edelsteinen  besetzt. 

a.  Brustbilder  (capila,  peclorales,  hermae)  znr  Aufnahme  des  Schädels 
des  dargestellten  Heiligen  in  dem  Kopfe  der  Büste,  oder  anch  einzelner  Ge- 
beine vom  Schalterblatt  oder  0berk6rper  in  dem  Thorax,   Solche  Capita  waren 
sehr  häufig:  der  Dom  zu  Prag  zählte  im  J.  1387  acht,  die  Schlofskirche  zu 
Wittenberg  1509  vier,  der  Baseler  Kirchen  schätz  1511  ebenfalls  vier  nnd  der 
Dom  zu  Halle  1520  acht.  —  Das  älteste  bekannte  Brustbild  ist  das  des  heil. 
Candidus  in  der  Schweiz,  welches  spätestens  aus  dem  X.  Jahrhundert  stammen 
soll;'  die  anderweitig  in  Frankreich*  und  Deutschland  erhaltenen  scheinen 
nicht  Ober  das  XIH.  Jahrh.  hinaufzureichen,  wenn  aach  ein  männliches  ans 
St.  Lambert!  in  Münster,  jetzt  in  der  Fürstl.  Knnstkammer  zu  Sigmaringen* 
aus  vei^ldetem  Kupfer  und  eins  des  heil.  Cyriacus  aus  Holz  mit  Metallüberzng 
der  Gewandnng  zn  Altdorf  in  Unter-Elsafs  dem  XI.  Jahrh.  zugeschrieben  wer- 
den, nnd  ein  Caput  des  Täufers  Johannes  aus  Knpfergnl^  mit  eingesetzten 
Glasaugen  zu  Fiscbbeck  beiRinteln  ab  frflhromanisch  bezeichnet  wird.   Wir 
nennen  nach  vorhandenen  Abbildnngen  das  Haupt  des 
heil.  Oswald  (welches  gewiseermafsen   die  Krönung 
einer  achteckigen  Kapelle  bildet),  die  Büsten  des  heil. 
Bemward,  der  beil.  Caecilia,  des  heil.  Cantiua  und  des 
heil.  Jacobns  von  Nisibis  im  Dome  zu  Hildes  heim;*  das 
Brustbild  Karls  des  Grofsen  (das  interessanteste  von 
allen)  im  Münster  zu  Aachen,^  des  heil.  Gregorins  von 
Spoleto  nnd  des  Einsiedlers  Antonius  in  St.  Kunibert  zu 
KSln  (letzteres  nur  aus  vergoldetem  Kupfer),'  des  heil. 
Papstes  Cornelins  ans  dem  Ende  des  XIV.  Jahrh.  zu 
Eornelimünster,^  der  heil.  Ludmilla  und  des  heil. 
Veit,  beide  aus  dem  XIV.  Jahrh.,  das   letztere  auf 
einem  Engelpoatament  ans  dem  XV.  Jahrh.  im  Dome  zn 
Prag^undetnweiblichesgekrSntes,  sehr  roh,  zu  Melk.* 
Das  gröfseste  von  allen  dtlrfte  daa  über  1,5U  hohe  des 

heil.LambertinderKathedraleznLUttichausdemXVI.        Ftg,  ss.  Kopt  kitIi  d«a 
Jahrh.  sein,  welches  indes  seines  ursprünglichen  kost-       ''"'tS»^  wm^)?""" 
baren  Schmuckes  fast  gänzlich  entkleidet  ist.'"  —  Aus 
Holz  geschnitzte  bemalte  nod  vei^oldete,  manchmal  auch  mit  dünnem  Silberblech 

'  Vbi^  aua'm  Weerth-  II,  133,  Anm.  247. 
"  Toxier,  IKctiomiaire  d'orfevrerie,  292. 
'  Abb.  von  Hotnor-AUeneek.  Tftf.  38. 
'     .     Kratz,  a.  a.  0,,  Taf.  XI.  2.  4.  5.  XH,  t. 

>  .  auB'mWeerth.  Xaf.XXXIX,3.  Bock,PMzkap.  1,1.  Fig.  26.  Die  Krone  ist 
beweglich,  nach  Bock  (ib.  ^g.  7)  die  bei  der  Krönung  Eichtu^s  v.  Comwallis  gebrauchte. 

•  Abb.  Bock,  d.  b.  Köln.  Taf.  X,  42.  XIH,  51. 
'     .     aus'm  Weortb.  Taf.  LI,  1. 

*  .     Grueber.  m.  Fig.  140.  141.  Öatr.  Atl.  LXXXVm,  2.  3. 
"     .     Östr.  Aü,  LXXXVm,  1. 

1"  TergL  Texier,  a.  a.  0.,  Sp.  1121  ff. 


200  Amie  und  Fingor. 

Überzogene  bIdiI  ana  Privatbesitz  zu  Frankfurt  a.  M.,'  ans  der  Harieukirehe 
zu  Danzig,^  und  aoa  der  Sammlung  Felix  zn  Leipzig^  verSffentlicbt,  und 
kommen  z.B.  in  den  Sakristeien  der  Kirchen  zuXöln,  in  St. Martin  znOber- 
weeel,  im  Dome  zuBrandenbnrg,  im  FIQgelaltar  auB  Marien Btattim  Museum 
zu  Wiesbaden,  im  Germanischen  Museum,  im  Herzogl.  Museum  zu  Braun- 
Bchweig  und  sonst  noch  häufig  vor. 

Anfser  den  beschriebenen  Büsten  Gnden  sich  auch  in  äilher  gefafste  »cra- 
nia  tiuda*  (z.  B.  das  des  Jacobns  minor  im  Zither  zu  Halberstadt  No.  19), 
die  man  auf  Schusseln  anaznstcllen  pflegte.  Im  Wittenberger  Heiligtnmsbuche 
(S.  18  u.  49)  sind  auf  Schüsseln  iiegende  Totenköpfe  abgebildet. 

b.  Arme  (brachia,  brachialia,  manus),  die  Röhrknochen  des  Armes  ent- 
haltend, nnd  dnrch  die  Hand  entweder  als  rechter,  oder  als  linker  Arm  gekenn- 
zeichnet. Da  hier  durch  das  Kostüm  (den  Ärmel)  eine  Individualisierung  des 
betreffenden  Heiligen  nicht  möglich  war,  so  half  man  sich  znweilen  damit,  dafs 
man  das  Attribut  des  Heiligen  von  der  (sonst  stets  gerade  ausgestreckt  oder 
segnend  gebildeten)  Hand  halten  liefs.  So  hält  im 
Hallischen  Heiligtumsbnche  (Gang  V.  G)  der  silberne 
Arm  ädorinne  ist  ein  trefftich  stuck  vom  Arme  sancti 
Thomet  ein  Winkelholz,  ein  anderer  (ebd.  12)  mit 
einer  Ärmröhre  des  Apostels  Jacobus  Major  eine 
Muschel,  noch  ein  anderer  (ebd.  VIII.  10)  mit  zwei 
Röhren  der  heil.  Ursula  einen  PfeÜ  u.  s.  w.  — ■  Auch 
diese  Art  von  Reliquiarien  war  sehr  häufig ;  wir  nen- 
nen zwei  Arme  in  St.  Gereon,  zwei  andere  in  St. 
Kunibert  zu  Köln,*  den  Ann  Karls  des  Grofsen  im 
Münster  zu  Aachen,*  zwei  Arme  im  ehemaligen  Klo- 
ster zu  Mettlach  (XV,  Jahrh.),  einen  Arm  aus  dem 
XVI.  Jahrh.  im  Domschatze  zu  Regensbnrg,  einen  in 
St.  Mauritz  zuMUnater,  vier  mit  Silber  überzogene, 
darunter  der  Arm  des  h.  Stepbanns  reich  mit  Edelstei- 
nen besetzt  aus  dem  XIII.  Jahrh.  No.  22  im  Zither  zu 
Haiherstadt,  den  Arm  des  heil.  Georg  (Mitte  des 
XIV.  Jahrh.)  im  Dome  zn  Prag,'  einen  silbernen  mit 
Emaillen  von  1514  zn  Eichstätt,  St.  Walburg.  Der 
Arm  des  heil.  Blasins  ans  dem  Dom,  jetzt  im  Herzogl. 
'  MnsenmzuBrannBchweig(Nr.60),  gestiftet  von  der 

Herzogin  Gertrud  (t  1143)  oder  einer  noch  ältereo 
^'i?'K^^uota*Bock).  (t  1077)  desselben  Namens,  ist  mit  mehreren  antiken 
Gemmen  und  Kameen  besetzt;  an  den  Fingern  stecken 
17Kinge,  Votivgeschenke,  zum  Teil  ehemalige  Trauringe,  wie  ihre  Inschriften, 
z.  B.  "en-eg*,  'tniden  tut  mir  Sdem  beweisen.  Daselbst  unter  Nr.  62  ein  ein- 
facherer hölzerner  polychromierter  Arm  von  ca.  1500,  deren  auch  sonst,  z.  B. 


'  Abb.  Becker-  v.  Eefner.  lU.  Taf.  2 

*  Phöt.  Hinz.  Taf.  XV,  2. 

'  No.  6U  Photogr.  Taf.  XX  Fig.  3. 

*  Abb.  Bock,  d.  heil.  Köbi.  Taf.  II,  7.  I 
»     .     Bock.  Ffalzkap.  I,  2.  Fig.  44. 

«     .     östr.  Atl.  LXXXVm,  9. 


Reliqiden- Bilder.  201 

in  mehreren  Kirchen  zu  Köln,  zu  Halberstadt  im  Dome,  zu  Danzig  in  St. 
Marien  (Abb.  Hinz  Taf.  XV,  1.  3)  noch  oft  vorkommen. 

e.  Finger:  Ein  silberner  vergoldeter  Finger,  mit  einem  Finger  des  heil. 
VincentiuB,  auf  einem  Ständer  befestigt,  im  Hallischen  Heiligtnme,  Gang  VI.  38. 
Erhalten  ist  ein  aus  Filigran  gearbeiteter,  mit  Edelsteinen  und  einem  Email, 
wonach  er  für  einen  Finger  des  heil.  Matthaeus  bestimmt  war,  besetzter,  grie- 
chische Arbeit  vor  Schlnfs  des  XII.  Jahrh.  im  Dome  zu  Eichstätt.^ 

d.  Füfse  (pedes)  scheinen  nur  selten  vorgekommen  zu  sein.  Im  Basler 
Münster  befand  sich  im  J.  1511  ein  ^Pes  InnocenHum  argenteusy  omatuspluri- 
buspreciosis  floribusy  stans  in  una  cisttda  lignea  deargentata^,^  Der  des  heil. 
Andreas  auf  dem  ehemal.  Tragaltärchen  im  Dome  zu  Trier  ist  bereits  oben 
S.  149  erwähnt. 

e.  Einzelne  gröfsere  Gebeine  in  Metall  gefafst,  mit  einem  Fufse  zum 
Aufstellen  versehen;  z.  B.  eine  Rippe  des  heil.  Sebald,  quer  auf  einem  durch 
Laubwerk  gebildeten  hohen  Fufse  befestigt,  im  Wittenberger  Heiligtumsbuche 
(S.  23),  eine  Rippe  der  heil.  Ottilie,  ähnlich  gefafst,  im  Hallischen  Heiligtume 
(Gang  VIIL  35),  eine  Armröhre  der  heil.  Wilhilde,  auf  zwei  niedrigen  Füfsen 
ruhend  (ebd.  26)  u.  a.  m.  —  Ein  in  dieser  Weise  spätgotisch  gefafster  Wirbel- 
knochen befindet  sich  im  Besitz  des  Stifts  Strahov  in  Prag.  ^ 

5.  Bilder  (imagines),  d.  h.  Statuetten  derjenigen  Heiligen,  deren  Reli- 
quien darin  enthalten  waren,  aus  Metall  getrieben  oder  hohl  gegossen,  auch 
aus  Holz  geschnitzt  und  von  verschiedener  Gröfse.  Gewöhnlich  war  hinten  ein 
Thttrchen  angebracht  zum  Hineinlegen  der  Reliquien,  oder  man  gab  letztere, 
besonders  wenn  sie  zu  den  Marterwerkzeugen  des  betreffenden  Heiligen  gehört 
hatten,  der  Figur  in  die  Hand  oder  verschlofs  dieselben  in  einem  kleineren, 
zierlich  gearbeiteten  Behältnisse,  welches  die  Statuette  in  der  Hand  hielt. 
Auch  wurden  Reliquien  in  dem  Postament  der  Statuen  geborgen  oder  unter 
einem  runden  Krystallbehälter  (Brille,  von  herylhis)  zur  Anschauung  gebracht. 
Solche  Bilder,  die  ehemals  sehr  häufig  waren  (die  Schlofskirche  zu  Wittenberg 
besafs  Aber  30,  der  Dom  zu  Halle  über  40)  sind  wegen  ihres  bedeutenden 
Metallwertes  selten  geworden.  Das  älteste  und  kostbarste  unter  den  erhalte- 
nen ist  die  sitzende  Madonna  mit  dem  Kinde  (0,73  hoch,  aus  Goldblech  über 
einem  hölzernen  Kerne)  aus  der  Zeit  K.  Ottos  U.  im  Schatze  des  Münsters  zu 
Essen. ^  Eine  aus  Silber  getriebene  frühromanische  sitzende  Statuette  des  heil. 
Petrus  in  der  Johanniskirche  zu  Osnabrück;  im  Dome  daselbst  drei  der  hh. 
Maria,  Petrus  und  Paulus.  Ein  prächtiger  heil.  Moritz,  0,44  hoch,  von  1506 
befindet  sich  im  Kloster  Medingen.  In  Elbing  ein  heil.  Georg,  seit  1410  im 
Besitze  der  Georgsbrüderschaft  daselbst;  eine  freie  Kopie  davon  aus  dem 
XV.  Jahrh.  im  Kunstgewerbe-Museum  zu  Berlin  (Schrank  375).^  Im  Prager 
Dom  eine  Elfenbeinstatuette  der  Himmelskönigin  mit  dem  Reliquienbehälter 
im  silbernen  Untersatze.^  In  der  Ambraser  Sammlung  zu  Wien  eine  Statuette 
des  heil.  Augustinus  mit  dem  Knaben  auf  monstranzartigem  Ständer  aus  dem 


«  Vergl.  F.  Schneider,  im  Anz.  G.  M.  1876.  Sp.  364  f. 

*  Mitt.  d.  Ges.  f.  vaterl.  Gesch.  in  Basel.  IX,  21. 
3  Abb.  Mitt.  C.-K.  XVm,  216.  Fig.  95. 

*  »     aus'm  Weerth.  Taf.  XXlV,  5. 

*  Beide  Photogr.  Münchener  Ausst.  Bl.  62. 

*  Abb.  Mitt.  C.-K.  XV,  15. 


202  ßeliquienfcreuze. 

XV.  Jahrb.  ^  Eine  ausgezeichnete  Arbeit  des  XV.  Jahrb.  ist  die  mit  dem  Unter- 
satz 0,63  hohe  aas  Silber  getriebene  und  vergoldete  Statuette  des  Apostels 
Petrus  (mit  einem  Stück  seiner  Kette  in  der  rechten  Hand)  im  Münster  zu 
Aachen,^  zu  erwähnen  auch  die  vergoldete  aus  Kupfer  getriebene  Figur  der 
Madonna  in  St.  Maria  in  der  Schnurgasse  zu  Köln  (XV.  Jahrh.),'  sowie  das 
Bild  des  heil.  Sebastian  (aus  gleichem  Stoffe)  vom  Beginn  des  XVI.  Jahrb.  im 
Domschatze  zu  Regensburg^  u.  a.  m.  —  Der  Dom  zu  Bamberg  (Heiligtums- 
buch,  Gang  VIII)  besafs  die  silbernen  Bilder  mehrerer  nackten  Kinder ,  von 
einem  Schwerte  quer  durchstochen ,  mit  Reliquien  der  unschuldigen  Kinder. 

Den  ^Bildern*  sind  beizuzählen  die  zuweilen  vorkommenden  plastisch 
ausgeführten  Gruppen,  z.  B.  der  Ölberg  im  Wittenberger  Heiligtumsbuche 
S.  75 ;  die  Gruppe  der  Darstellung  im  Tempel  mit  der  Reliquie  des  h.  Symeon 
im  Aachen  er  Domschatze.**^  Vielleicht  das  prachtvollste  Beispiel  dieser  Art  ist 
das  sogen,  »goldene  Rössel«  in  Alt-Ötting,  welches,  1414  von  Ludwig  dem 
Gebarteten  aus  Holland  mitgebracht  und  zu  Anfang  des  XVI.  Jahrb.  an  die 
Wallfahrtskirche  gekommen,  die  thronende  Gottesmutter  von  König  Karl  VI. 
von  Frankreich,  einem  Ritter  und  mehreren  Heiligen  verehrt,  wobei  ein  Page 
ein  weifses  Rofs  führt,  darstellt,  eine  Goldarbeit  mit  zahllosen  Edelsteinen,  an 
der  Gesichter,  Hände  und  Kleidung  durch  Emailüberzug  hergestellt  sind.^ 

6.  Behältnisse,  welche  durch  ihre  Form  auf  die  in  denselben  enthaltenen 
Reliquien  oder  auf  die  Legende  des  betreffenden  Heiligen  deuten. 

a.  Kreuze  und  Kruzifixe  als  Behältnisse  von  Partikeln  des  wahren 
Kreuzes,  von  den  kolossalen  Triumphkreuzen  bis  zu  den  als  Amuletts  getrage- 
nen Schmuckkreuzen:  in  so  unzähliger  Menge,  dafs  ziemlich  die  meisten 
Kirchen  der  Christenheit  nach  und  nach  in  den  Besitz  solcher  Partikelkrenze 
gelangten.  —  Schon  gleich  nach  der  Erfindung  des  wahren  Kreuzes  geriet  die 
Kaiserin  Helena  auf  den  Gedanken  dasselbe  zu  zerteilen ,  um  daraus  teils  eine 
Reliquie  für  die  Kirche  des  heil.  Grabes  in  Jerusalem,  sowie  für  die  des  heil. 
Kreuzes  in  Konstantinopel,  teils  ein  Phylakterion  (Amulett)  für  ihren  Sohn 
Constantinus  zu  machen.  Damit  war  die  Losung  zur  weiteren  Teilung  gegeben, 
und  schon  dreifsig  Jahre  später  bezeugte  Cyrillus  von  Jerusalem,  dafs  die  ganze 
Welt  mit  Partikeln  des  Kreuzholzes  erfüllt  sei.''  Je  mehr  aber  die  Sehnsucht 
nach  dem  Besitze  solcher  Kleinodien  zunahm,  desto  kleiner  wurden  die  Par- 
tikeln, so  dafs  zuletzt  nur  noch  Splitter  übrigblieben,  und  zwar  in  so  unend- 
licher Menge  verbreitet,  dafs  die  Authenticität  derselben  einmal  vorausgesetzt, 
diese  Vervielfältigung  nur  auf  wunderbare  Weise  geschehen  sein  könnte.^  — 
Die  Sitte  aber,  die  Partikeln  in  ein  Behältnis  von  Krenzform  zu  legen,  läfst 


*  Abb.  Östr.  Atl.  XCVUI,  6. 

«     »     aus'm  Weerth.  Taf.  XXXVIU,  11,  vollständiger,  Bock,  Pfalzkap.  I,  2. 
Fig.  43;  daselbst  auch  2  silberne  Madonnen,  Bock,  ebd.  fig.  2U.  22. 
3  Abb.  Bock,  d.  heü.  Köhi.  Taf.  XL,  112. 

*  »     Becker-  v.  Hefner.  HI.  Taf.  63. 

*  >     Bock,  Pfalzkap.  I,  2.  Fig.  15. 

*  »  in  (v.  Ar  et  in),  Altertümer  u.  Kunstdenkmäler  des  bayr.  Herrscherhauses, 
lief.  6.  Vergl.  H.  Weininger,  das  Pendant  zum  g.  E.  in  A.  ö.  Mitt.  C.-K.  XV, 
108  ff.,  m.  Abb. 

'  Vergl.  die  Beweisstellen  bei  Augusti,  Denkwürdigkeiten.  XU,  100  u.  105. 
'  »Fragmenta  ligni  crucis  tarn  müUa,  ut,  si  in  acervum  redigantur,  vix  una 
navis  oneraria  vehat.*   Cf.  Erasmi  Roterodam.  annot  ad  evang.  Matth.  23,  25. 


Reliquienkreuze.  203 

sich  schon  im  VI.  Jahrh.  nachweisen^  und  herrschte  das  ganze  Mittelalter 
hindurch,  obgleich  man  auch  andere  Reliquien  mit  hineinlegte.  —  Dafs  die 
Reliquienkreuze  in  vielen  Fällen  mit  den  Altar-  und  Vortragekreuzen  zusam- 
menfallen,  ist  bereits  oben  S.  88  bemerkt,  und  viele  von  den  dort  beispiels- 
weise angeführten  Kreuzen  enthalten  zugleich  Reliquien.  —  Das  älteste  vor- 
handene Exemplar  dürfte  das  kleine  Pektoralkreuz  von  0,60  Höhe  im  Münster 
zu  Aachen  sein,  mit  der  in  Goldblech,  Perlen  und  Steinen  gefafsten,  offen 
liegenden  Partikel,  wenn  dasselbe  wirklich  aus  dem  Grabe  Karls  des  Grofsen 
herrührt;  die  jetzige  Umhüllung  desselben  aus  vergoldetem  Silber  erscheint 
jünger.^  Sehr  bedeutend  durch  materiellen  und  künstlerischen  Wert  ist  das 
Bernwardskreuz  in  der  Magdalenenkirche  zu  Hildesheim,  vom  Schlüsse  des 
X.  Jahrhunderts.  Es  ist  auf  der  Schauseite  mit  einer  starken  Goldplatte  belegt, 
in  welcher  viele  Edelsteine  gefafst  sind.  Dieses  Kreuz  wurde  nur  an  seltenen 
Festen  ausgestellt  und  ist  zu  dem  Ende  unten  mit  einem  eisernen  Stachel  ver- 
sehen. ^  Dem  X.  Jahrh.  gehört  ebenfalls  das  aus  St.  Blasien  im  Schwarzwald 
stammende,  jetzt  zu  St.  Paul  in  Kärnten  befindliche,  ^/^EWen  hohe,  mit  Edel- 
steinen, Gemmen  und  Skarabäen  reichbesetzte  Kreuz  an,  ein  Geschenk  der 
Königin  Adelheid.^  Von  bemerkenswerteren  nennen  wir  aufserdem  nach  vor- 
handenen Abbildungen  aus  dem  XII.  Jahrh. :  ein  kupfervergoldetes  mit  Gra- 
vierungen auf  der  Rückseite  im  Besitze  der  Fürsten  Lobkowitz  zu  Bilin,^  ein 
emailliertes  (das  Corpus  auf  graviertem  Grunde)  im  Diöcesan-Museum  zu  Fr  ei- 
sin g,^  ein  später  umgearbeitetes  mit  den  Apostelbrustbildem  in  ^mail  cloisonn6 
griechischer  Arbeit  auf  der  Rückseite  im  Stifte  Hohen  fürt''  und  ein  0,33  hohes 
Patriarchenkreuz  (mit  gotischem  Fufse  aus  dem  XV.  Jahrh.)  im  Domschatze  zu 
Salzburg;^  aus  dem  XIV.  Jahrh.  ein  besonders  prachtvolles  von  1363  (mit 
Fufs  aus  dem  XV.  Jahrh.)  in  Melk,®  ein  von  Papst  Urban  V.  an  Kaiser  Karl  IV. 
geschenktes  mit  gravierten  Bildern  italienischer  Arbeit  auf  den  Flügeln  im 
Domschatze  zu  Prag,*^  ein  prächtiges  0,32  hohes,  zwischen  1347  und  1374 
entstanden,  in  der  Liebfrauenkirche  zu  Frankfurt  a.  M.  und  ein  schönes  gol- 
denes von  ca.  1400  in  der  Frauenkirche  zu  Ingolstadt, ^^  von  spätgotischen 

^  Gregor  der  Gro&e  schickte  dem  Könige  Adalowald  »füateria,  id  est  crucem  cum 
Ugno  sanctae  crucis^.  Vergl.  Du  Gange,  Gloss.  VIT,  109  (ed.  Didot)  bei  Texier, 
Dict.  d'orfev.  Sp.  883.  Das  Wort  filateria  (givkaxrvQiov)^  welches  bei  den  Griechen 
ausschlieislich  Amulets  in  Kreuzform  bezeichnet  zu  haben  scheint,  die  man  um  den 
Hals  gehängt  trug,  und  in  diesem  Sinne  auch  bei  Gregor  dem  GroiGsen  zu  nehmen  ist, 
war  später  ganz  allgemeine  Bezeichnung  eines  kleineren  Reliquienbehälters,  vielleicht 
eben  deshalb,  weü  man  solche  ebenfalls  (an  der  Pertica,  s.  oben  S.  183)  aufzuhängen 
pflegte.  Durandus  1.  1  c.  3  n.  26:  Phylatteria  vero  est  vasculum  de  araento,  vel 
auro,  vel  crystaUo,  vel  ebore  et  hujustnodi,  in  quo  sanctorum  cineres  vel  reliquiae 
reconduntu/r.  

«  Abb.  aus'm  Weerth.  Taf.  XXXVm,  2.   Bock,  Pfalzkap.  I,  1.  Fig.  68.  59. 

3     »     Kratz,  a.  a.  0.,  Taf.  IV,  1.    Seemann,  GXLVUI,  l. 

*  Vergl.  Mitt.  C.-K.  XVII,  219. 

*  Abb.  das.,  161. 

•  »     Becker-  v.  Hefner.  m.  Taf.  61.  62. 
T     »     Mitt.  C.-K.  XVni,  202  u.  203. 

«     »     Östr.  Atl.  LXXXTV,  10. 

•  »  ebd.  LXXXIX,  3.  7.  Ein  sehr  ähnliches  im  Dome  zu  Krakau.  Zu  Melk 
noch  zwei  schöne  aus  dem  XV.  Jahrh.  Abb.  ebd.  Fig.  6  u.  8. 

'«  Abb.  ebd.  Fig.  l. 

«»     »     Becker-  v.  Hefner.  U.  Taf.  68. 


204  Reliquienkreuze  und  Attribute. 

endlich  zwei  im  Königl.  Besitze  zu  Dresden ^^  ein  pomphaftes  silbernes  1^25 
hohes,  dessen  Fufs  auf  drei  Löwen  ruht,  in  der  katbol.  Pfarrkirche  zu  Kreuz- 
nach, ein  silber-ver^oldetes  zu  Massenhausen  bei  Freising,  an  dem  die  Statu- 
ette des  heil.  Georg  den  Körper  des  Gekreuzigten  vertritt^  und  eins  zu  St.  Pol- 
ten auf  achtblättrigem  Fufse,  mit  Maria  und  Johannes  als  freistehenden  Neben- 
figuren.^ —  Als  ein  zum  Vortragen  bestimmtes,  inschriftlich  aufser  der  Par- 
tikel des  ELreuzholzes  noch  viele  andere  Reliquien  bergendes  Prachtkreuz 
nennen  wir  noch  das  Doppelkreuz,  vorn  mit  Gold-,  hinten  mit  Silberblech 
belegt,  in  der  Abteikirche  zu  Burtscheidt  aus  dem  XUI.  Jahrh.^  Hinzuzu- 
fügen ist  gleich  hier  ein  nag  eiförmiger  Behälter  für  einen  angeblichen  Kreu- 
zesnagel im  Dome  zu  Trier. ^ 

Auch  Partikeln  von  dem  Kreuze,  an  welchem  der  Apostel  Andreas  ge- 
storben, legte  man  in  kreuzförmige  Umfassungen:  ein  solches  Kreuz  aus  guter 
gotischer  Zeit  (zum Teil  erneuert)  befindet  sich  im  Domschatze  zu  Regensburg. 
Bemerkenswert  ist  auch  das  Kreuz  des  heil.  Ulrich  zu  Augsburg,  welches  dem- 
selben der  Legende  nach  in  der  Schlacht  auf  dem  Lechfelde  am  10.  August 
955  durch  einen  Engel  vom  Himmel  gebracht  wurde,  um  damit  den  Sieg  über 
die  Ungarn  zu  bewirken.  Dasselbe  ist  ca.  1300  in  eine  ganz  einfache  gravierte 
goldene  Umhüllung  in  Form  eines  griechischen  Kreuzes  gelegt;  um  diese  aber 
ist  1494  durch  den  Goldschmied  Nikolaus  Seid  eine  prachtvolle,  vom  dicht  mit 
Edelsteinen  besetzte,  auf  der  Rückseite  mit  der  Darstellung  des  Wunders  in 
der  Schlacht  gravierte  Hülle  in  Form  eines  griechischen  Kreuzes  mit  Kleeblatt- 
enden der  Arme  gefügt.^ 

Als  komplicierte  Reliquienbehälter  sind  die  sogen.  Heiligen  Gräber  zu 
bezeichnen,  wo  der  Fufs  des  Kruzifixes  die  Gestalt  eines  in  den  üblichen 
Architekturformen  gebildeten  kleinen  Sarges  hat.  Ein  teilweise  aus  gediegenem 
Golde  gearbeitetes  Exemplar  dieser  Art  aus  dem  XV.  Jahrh.  besitzt  das  Museum 
zu  Basel, ^  ein  bronzenes  mit  der  Darstellung  der  Grablegung  in  dem  offenen 
rundbogigen  Unterbau  und  der  Kreuzabnahme  auf  dem  Dache  desselben,  in 
manchen  Stücken  an  die Hildesheimer Bronzen  erinnernd,  aus  Maestricht  stam- 
mend und  dem  XL  Jahrh.  angehörig,  das  Germanische  Museum.^ 

b)  Die  verschiedensten  Behältnisse  in  Form  der  Attribute  oder  Sym- 
bole der  betreffenden  Heiligen,  oder  in  solchen  Formen,  die  an  deren  Legenden 
erinnern.  Es  ist  jedoch  hierbei  zu  bemerken,  dafs,  wenn  ein  solches  Modell 
erst  einmal  für  die  Reliquien  eines  bestimmten  HeUigen  erfunden  war,  es  oft 
auch  nachgeahmt  und  als  Reliquiarium  ohne  die  ursprüngliche  Beziehung  be- 
nutzt wurde.  —  Wir  nennen  aus  dieser  Klasse: 

Ein  silber-vergoldeter  züngelnder  Drache,  als  Attribut  der  heil. Margarete, 
mit  einer  Reliquie  vom  Fufse  dieser  Heiligen,  im  Würzburger  Heiligtumsbuche 
(vergl.  Niedermayer,  Kunstgesch.  der  Stadt  Wirzburg,  239). 

Eine  Fahne,  mit  Perlen  durchstickt,  -»doryn  sein  II  stück  von  S,  Moritz 

*  Abb.  Photogr.  Dresdener  Ausstellung.  Taf.  19. 

*  »     Becker-  v.  Hefner.  IE.  Taf.  27. 

3  Vergl.  Mitt.  C.-K.  N.  F.  H,  96,  m.  2  Abb. 

*  Abb.  aus'm  Weerth.  Taf.  XXXIX,  7.  8. 

*  »     ebd.  Taf.  LV,  2. 

«     >     Becker-  v.  Hefner.  HI.  Taf.  35.  36. 

■^  Photogr.  in  den  Mitt.  der  Ges.  f.  vaterl.  Altei-t.  in  Basel.  IX,  18. 

*  K.-G.  159.   Abb.  Katalog.  Taf.  12. 


Attribute.  205 

fane,  II  stück  von  S.  Georgen  /ane«^  im  Hallischen  Heüigtamsbnche,  Gang  VI. 
40.  —  Aufserdem  ein  anderes  ^Banir^y  dessen  Tuch  von  dem  Panier  des  heil. 
Moritz  herstammte,  mit  Reliquien  dieses  Heiligen  und  anderer  Ritter  der  the* 
bischen  Legion  in  dem  silbernen  Fahnenstocke  (edb.  2). 

Ein  Hahn  kommt  im  Wittenberger  Heiligtumsbuche  (Gang  H.  7)  und  im 
Wiener  (Gang  VI)  vor:  es  mag  dahingestellt  bleiben,  ob  die  Reliquiarien  in 
der  Gestalt  dieses  Tieres  etwa  auf  den  heil.  Vitus  zurückzuführen  sind,  dessen 
Attribut  der  Hahn  ist. 

Eine  thöneme  Lampe  der  heil.  Elisabeth,  in  einer  dieselbe  Form  genau 
nachbildenden  silbernen  Kapsel,  befindet  sich  im  Stifte  Tepl  in  Böhmen. 

Ein  geflügelter  Löwe,  als  Symbol  des  Evangelisten  Marcus,  mit  Reliquien 
desselben,  im  Wittenberger  Heiligtumsbuche  S.  56. 

Eine  aus  Krystallwänden  zusammengesetzte  Mitra  von  1378,  als  Um- 
schliefsung  der  Inful  des  heil.  Eligius,  im  Besitz  der  Goldschmiedezunft  in  Prag. ' 

Ein  silberner  Pelikan,  der  seine  Jungen  mit  dem  eigenen  Blute  nährt, 
als  Symbol  der  sich  selbst  opfernden  Liebe,  mit  11  Partikeln  von  heiligen 
Bischöfen,  im  Hallischen  Heiligtume,  Gang  VU.  3. 

Ein  silberner  Phönix  auf  dem  Scheiterhaufen,  als  Symbol  der  Unsterb- 
lichkeit, mit  16  Partikeln  von  heiligen  Jungfrauen,  ebd.  VÜI.  36. 

Ein  silbern  übergoldet  Schiff  (betakelt)  mit  Beziehung  auf  die  Legende 
der  heil.  Ursula,  mit  Reliquien  derselben  und  ihrer  Gefährten,  auch  vom  Mast- 
baum ihres  Schiffes ;  Hallisches  Heiligtum  VÜI.  11.  —  Reliquiarien  in  Form  eines 
Schiffes  waren  auch  sonst  beliebt,  sowohl  im  Anschlufs  an  die  Weihrauch- 
Bchiffchen,  als  auch  an  einen  seit  dem  XIV.  Jahrh.  häufig  vorkommenden  Tafelauf- 
satz für  Salz  und  Gewürze  in  der  Form  eines  mit  Masten  versehenen  Schiffchens. 

Ein  Schwert  als  Marterwerkzeug  vieler  Heiligen,  z.  B.  das  Schwert  in 
einer  prachtvollen  Scheide  aus  Goldblech  über  einem  Holzkörper  (XII.  Jahrh.), 
mit  dessen  Klinge  die  h.  h.  Cosmas  und  Damian  enthauptet  worden  sein  sollen,  ^ 
im  Münsterschatze  zu  Essen.  —  Der  Schatz  des  Doms  in  Prag  besitzt  das 
Schwert  des  heil.  Wenzel  (nach  Bock  unzweifelhaft  echt)  mit  Griff  von  Eisen 
und  spätgotischer  Scheide^  und  dessen  eisernen  Helm,  einen  Topfhelm,  welcher 
auf  dem  Rande  und  dem  herabgehenden  Nasenschutze  ein  aufgeschweifstes 
Silberblech  mit  einer  an  irische  Miniaturen  erinnernden  Gravierung  des  Ge- 
kreuzigten hat;*  ebendaselbst  befindet  sich  das  Schwert  des  heil.  Stephan  von 
Ungarn  mit  Elfenbeingriff  und  Knopf  aus  dem  XI.  Jahrh.  ohne  Scheide.^  Das 
Schwert  Karls  des  Grofsen  befindet  sich  unter  den  deutschen  Reichskleinodien 
in  Wien;®  auch  hat  die  Kirche  St.  Georg  in  Köln  ein  Schwert,  welches  ihr 
Titelheiliger  geführt  haben  soll,  in  Fassung  aus  dem  XIV.  Jahrh. ^  Überhaupt 
waren  Schwerter  unter  den  mittelalterlichen  Heiligtümern  nicht  selten:  der 

»  Abb.  Östr.  Atl.  LXXXVI,  1.  Hierher  gehören  auch  die  nicht  seltenen,  meist 
höchst  einfachen  Stäbe  heilig  gesprochener  alter  Bischöfe  in  ihren  zum  Teil  sehr  reichen 
späteren  Fassungen. 

2  Abb.  aus^m  Weerth.  Taf.  XXVn,  2. 

3  XL  ^  Abb.  Mitt.  C.-K.  XIV,  34  u.  33. 
*  Abb.  ebd.  XV,  14. 

^  »  Bock,  Pfalzkap.  I,  1.  Pig.  61.  62;  Kleinodien  etc.,  Anhang,  53.  —  Eben- 
daselbst das  angebliche  Schwert  des  n.  Mauritius  in  mit  Goldblech  überzogener  Scheide 
aus  dem  Ende  des  XH.  Jahrh.  Abb.  Bock,  Kleinodien  etc.  Taf.  XXITI.  Fig.  32  u.  S.  132. 

'  Abb.  Bock,  d.  heü.  Köhi.  Taf.  XLVHI,  128. 


206  R^liquientafeln. 

Dom  in  Halle  besafs  ein  Schwert,  welches  LeoX.  dem  Kaiser  Maximilian,  und 
dieser  an  Albreclit  von  Mainz  bei  Übernahme  des  Kardinalats  verehrt  hatte 
(Gang  I.  2).  Ans  dem  XVI.  Jahrh.  stammt  auch  ein  ähnliches  Ceremonial- 
schwert  im  Domschatze  znKöln,  das  den  dortigen  Erzbischöfen  als  Kurfürsten 
vorgetragen  wurde.  ^ 

Eine  silberne  Wiege  mit  Heiligtum  von  den  Unschuldigen  Kindlein,  im 
Schatze  des  Hallischen  Domes  (Gang  VI.  25).  —  Auch  im  Prager  Schatz- 
verzeichnisse von  1387  kommt  ein  »parvum  cunahulum  aureum  totum  sigillatum<^ 
vor,  und  im  Stadt.  Museum  zu  Köln  befindet  sich  eine  kleine  vergoldete  Wiege 
(XIV.  Jahrh.).« 

7.  Reliquientafeln  (tabulae).  Unter  der  Bezeichnung  ^Tafeh  fassen 
die  Schatzverzeichnisse  alle  mit  Flachmalereien  oder  Reliefs  geschmückte  Ta- 
bleaux  zusammen,  in  denen  Reliquien  enthalten  waren,  und  die  verschiedenen 
Arten  von  gröfseren  oder  kleineren  Flügelschreinen,  die  als  Reliquiarien  in 
der  griechischen  Kirche  vorzugsweise  beliebt  sind,  werden  zu  dieser  Rubrik 
gezählt.  Bei  den  gemalten  Bildern  umschliefst  gewöhnlich  ein  Prachtrahmen 
die  Reliquien.  Das  Hallische  Heiligtumsbuch  enthält  (anscheinend  spätgotische) 
Tafeln  in  grofser  Menge:  Goldschmiedearbeiten,  Schnitzwerke  in  Elfenbein 
und  Perlmutter  und  Malereien,  meistens  in  der  Form  von  Flügelaltärchen. 
Mehrere  der  letzteren  waren  auf  der  Aufsenseite  der  Flügel  blofs  mit  Farben 
gemustei-t,  wie  die  schon  oben  (S.  150)  in  anderem  Zusammenhange  erwähnte 
Reliquientafel  zu  Kirchlinde,  andere  auch  mit  Sammet  überzogen  etc.  —  Der 
griechischen  Kunst  angehörig  ist  die  Tafel  des  ^Theodolfus  Abba^  von  0,45  X  0,39, 
reich  mit  Gold  verziert  und  über  den  13 ,  Reliquien  Christi  und  der  Apostel 
enthaltenden  Feldern  mit  Krystallplatten  bedeckt,  angeblich  aus  dem  XI.  Jahrh. 
im  Zither  des  Doms  zu  Halberstadt  No.  46.  Ebenfalls  griechische  Arbeit  ist 
das  bedeutendste  dieser  Werke,  die  zwischen  963 — 976  angefertigte  Lade  für 
das  zwischen  948  und  959  entstandene  Siegeskreuz  des  byzantinischen  Kaisers 
Gonstantin  VII.  Porphyrogenitus  und  seines  Sohnes  Romanus  IL,  welche  von 
einem  Kreuzfahrer  bei  der  Eroberung  Konstantinopels  erbeutet  und  dem  Kloster 
Stuben  übergeben,  1788  in  den  Dom  zu  Trier  gelangte  und  sich  jetzt  in  der 
Franziskanerkirche  zu  Limburg  a.  d.Lahn  befindet.^  Deutsche  Nachahmun- 
gen dieser  Tafel  sind  die  Reliquientafel  von  1207  in  St.  Matthias  zu  Trier,*  ein 
Schrein  von  ca.  1220  zu  Mettlach^  (beide  mit  Emaillen  und  Perlen  u.  s.  w.,  um 
die  auf  der  Vorderseite  das  Mittelkreuz  mit  zwei  Querbalken  umgebenden 
kastenförmigen  Reliquienbehälterchen  bedeckt,  auf  der  Rückseite  mit  Gra- 
vierangen  des  Salvators  zwischen  den  Evangelistensymbolen  und  einem  Doppel- 
streifen mit  Heiligen  und  Donatoren  auf  vergoldetem  Kupferblech ;  der  letztere, 
0,38  hoch,  0,29  breit  und  O,09  tief,  auf  der  oberen  Fläche  mit  bügeiförmigem 
Handgriffe  versehen  und  wohl  zweifellos  zum  Aufstellen  auf  einem  Altare  be- 
stimmt) und  die  1266  von  einem  frater  Thomas  zu  Ehren  des  heil.  Martin 


«  Abb.  Bock,  d.  heil.  Köhi.  Taf.  XII,  46. 

2  Vergl.  Mitt.  C.-K.  IV,  274. 

^  »  Ibach,  Reliquiaire  byzant.  de  Limbourg-sur-Lalm.  Paris  1858.  S.A.  aus 
den  Annales  archeol.  XVU,  337  u.  XVm,  42.  125.  aus'm  Weerth,  das  Siegoski-euz 
der  byzant.  Kaiser  u.  s.  w.   M.  4  TafF.  u.  vielen  Holzschn.  1866. 

^  Abb.  aus'm  Weerth.  Taf.  LXII,  1  —  1  e;  Schmidt,  Kirchenmöbel.  Taf.  1. 

*     »  >  *         Taf.  LXm,  1.  Vorgl.  Zeitschrift  f.  ehr.  A.  u.  K.  I,  230  ff. 


Ku&täfelchen.  207 

gestiftete,  aiie  St.  Haximio  zu  Trier  herrührende  Tafel  im  Dome  zu  Prag,  von 
0,73  Länge  und  0,bb  Breite ,  zum  Teil  mit  antiken  Gemmen  und  Kameen  besetzt.  * 
Griechisclie  Arbeit  wiederum  iat  die  1030  von  einem  Graten  Mangolt  ans  dem 
Orient  mitgebrachte  Tafel  zu  DonanwOrth  mit  einer  Kreuzpartikel ,  umgeben 
von  Em  all  med  ai  Ilona  der  heil.  Jungfrau,   Michael  und  Gabriel,   Petrus  und 
Paulus,  Job.  Bapt.  und  Evang.,  wohl  auch  das  hierher  zn  rechnende,  jetzt  in 
Buchform  erscheinende   Kreuzreliquiar  Kaiser  Heiurichs  II.  (t  1024)  in  der 
Reichen  Kapelle  zu  M  Un  ch  e  n ,  *  auf  der  Vorderseite  mit  gravierten  Evangelisten- 
figuren um  die  Kreuzniache ,  auf  der  Rüctueite  mit  Gravierungen  des  Agnus  dei, 
der  Ecciesia  mit  der  Blutschale,  des  Melchisedek  und  Aaron  nud  der  Opferung 
leaaks.   Von  ab endlündi sehen  Kanstlern  rühren  dagegen  her  die  mit  Emaillen 
überaus  reich  bedeckte  sil her- vergoldete  Relieftafel  zu  St.  Paul  inLavant,  aus 
St.  Blasien  im  Schwarzwalde  stammend,  angeblich  ans  der  2,  Hälfte  des  VIII. 
Jahrb.,  vielleicht  ehemals  ein  Buchdeckel,^  ferner  3  Reliquientafeln  im  Stift 
Strahov  zu  Prag,  drei  aus  demXIV.Jahrh. 
im  Münster  zu  Aachen  etc.  —  Anfaer  den 
viereckigen  kamen  auch  runde  Reliquien- 
tafeln {rotulae)  vor,  und  zwar,  wie  viele 
kleinere  unter  ersteren,  von  einem  lench- 
terähnlichen  Fafse  getragen:  eine  romani- 
sche InKremsmünster,*  eine  gotische  aus 
dem  XlV.Jahrh.  im  Münster  zn  Aachen.^ 
Zn    den   Reliquientafeln    sind    auch 
die  KufstUfelchen  oder  Pacems (ofcu/a 
pacis,  osculaloria,  pacificaliä)  zu  zählen, 
welche,  seitdem  der  eigentliche  Friedens- 
kufs  nicht  mehr  üblich  war,  den  Gläubigen, 
besonders  den  Geistlichen  vor  der  Kommu- 

monwährenddesAguusDeizQmKüsaendar-  _  j^  aMohnitim  KotnifeKAm  mit 
gereicht  wurden  und  gewöhnlich  Reliquien  siUi!.riinir«hiiiaBs  tn  bi.  ouun  »  «.hh 
enthielten.   Sie  kommen  aoa  Elfenhein  und  '"" 

Marmor,  meist  jedoch  aus  edlem  Metalle  vor:  von  viereckiger  und  gewöhnlich 
etwas  gewölbter  Form,  oben  bogenförmig  oder  mit  einem  Oiebeldreiecke 
gekrönt,  mit  Reliefs  aoa  der  heiligen  Geschichte,  oft  mit  dem  Gotteslamme 
geschmückt  nud  an  der  Rttckseite  mit  einer  Handhabe  versehen.  —  In  dem 
Hallischen  Heiligtume  (Gang  I.  17.  19.  30)  fanden  sich  auch  runde  Paceme: 
zumeist  sind  aie  mit  ineinander  rankenden  Pflanzen  umfafst,  deren  Stiele 
unten  die  Handhabe  bilden.  —  Kufstäfelchen  ans  romanischer  Zeit  sind  selten  j" 
spätere  gotische  kommen  noch  vielfach  vor,  z.  B.  im  Dom,  in  St.  Gereon,  St. 
Ursula,  St.  Martin  und  St.  Jakob  zn  Köln,^  auch  anf  Ständern  ganz  wie  Mon- 

'  Vergl.  Bock,  in  den  Mitt.  C.-K.  XV.  16  ff.,  mit  2  Abb. 
'  Abb.  Zettler  u.  s.  w.,  reiche  KapeUe.  Bl.  10;  vergl.  Stockbaner,  im  Org.  f. 
ehr.  K.  1873.  No.  11. 

"  Abb.  Mitt.  C-K.  XVIII.  Taf.  zu  S.  162. 

'     .     Mitt.  C.-K.  m,  36  u,  XVin.  Taf.  zu  S.  180. 

>     >     Bock,  Pfalzkap.  I,  3.  Fig.  17. 

*     •     eines  frübroraaniBchen  aus  Elfenbein  \m  v.  Hefner-Alteneck,  Trach- 

'  Abb.  Book,  d.  iieU.  KÖb.  Taf.  I,  3.  Vm,  31.  XVD,  66.  XXV,  89- 


208  SchaugoriTso. 

Btranzen  gestaltete,  so  die  prachtvolle,  von  Papst  Pias  II.  der  Stadt  Basel  zum 
Andeaken  an  das  Konzil  1460  gestiftete,  jetzt  im  Knnstge werbe -Hnseiuo  zn 
Berlin  (Schrank  375).< 

8.  Monstranzen  (matislrantlae),  Schaugefäfee  (o.Tföfwon'a)  sind  die  zwar 
nächst  den  Kästen  und  Büchsen  mit  am  häufigsten  vorkom- 
menden, aber  verhältniamäraig  jüngsten  Reliquienbobfiltnissc 
und  so  eingerichtet,  dafa  das  Heiligtum  sich  in  einem  cylin- 
drtschen  Gefdfae  aus  Krystall  oder  Glas  befindet,  und  also 
gesehen  werden  kann,  wie  sich  demseiben  Zwecke  dienende 
Vorrichtungen  auch  an  vielen  anderen  Arten  von  Reliquiarien 
angebracht  finden :  an  Särgen  und  an  den  Fufsgestelien  der 
Bilder  In  Form  von  vergitterten  Öffnungen  ifeneslrellae),  oder 
an  Kreuzen  unter  einem  der  Mitte  eingeftlgten  Krystall  (wie 
an  dem  oben  S.  203  angeführten  Bemwards kreuze  zu  Hildes- 
heim),  weshalb  anscheinend  in  dem  Prager  Seh  atz  verzeich' 
nisse  von  1387  die  Kreuze  in  der  Rubrik  »rfe  monstranliisf 
aufgeführt  werden.  In  diesem  Sinne  würde  man  also  auch 
die  früh  romanischen  Krystall  flacons  (in  Metall  gefafst  und 
zum  Anhängen  eingerichtet),  wie  sich  deren  drei  ans  der 
Zeit  Ottos  111.,  Reliquien  enthaltend,  im  Zither  zaQnedlin- 
bnrg*  befinden,  sowie  die  mit  Reliquien  gefüllten  Krystall- 
'  kreuze,  wie  der  Schatz  von  St.  Gereon  in  Köln  ein  solches 
Flg.  Ji,  8ehmg«ni(i  (in  noch  romanisierender  Form  auf  späterem  Fufs) '  besitzt, 
"  '{nu"BD'k).  "  in  die  Klasse  der  Sehaugeftfae  zu  setzen  haben.  Indessen  man 
versteht  unter  ReÜqnienmonstranzen  seit  dem  XIV.  Jahrh. 
diejenigen  Hierotheken ,  wo  ein  senkrecht  gestellter  Krystallcy linder  von  einem, 
dem  gotischen  Eelchfufse  gleichenden  metal- 
lenen Ständer  getragen  und  oben  mit  einem 
Tabernakel  in  den  mannigfaltigen  Formen  der 
gotischen  Architektur  gekrönt  wird.  Anfser 
diesen  Tabernakel-Monstranzen  kommen  (im 
Hallischen  Heiligtumsbuche  VI.  23  nnd  VH. 
1^  '  ■  »1  18)  auch  solche  vor,  wo  der  wagerecht  lie- 

I  l  gende  Schaucylinder  mit  Ranken  nnd  Blättern 

I J  der  Erdbeere  umschlungen  ist:  ^Monstranzen 

r"  if— —     mit  Erdbeeren'.  Andere  BeiBpiclevondersowst 

l  L—     selteneren  wagerechten  Fassung  des  Cylinders 

"*  "    KBiiT^ BoA').°"°" "      finden8ichim8chatzevonSt.UrBulaznKöIn,« 

mit  reichem  Tabernakel  au  faatz  im  Dome  zu 


'  Abb.  Kine,  T.  H,,  orfevrorie  et  ouvrapes  en  metal  du  moyen  ace  Bd.  I.  1852, 
ein  Werk,  das  überaus  reich  ist  an  originalgrofseD  Abbildmigen  von  MetaUarbeiten  deut- 
schen Ursprungs,  leider  durchaus  olme  jede  Angabe  der  Ursprungs-  oder  Aufent- 


»  AbbUd.  bei  Kugler,  KL  Seh.  I,  633  f.  —  In  den  Act.  S.  Quirin.  (bei  Du  CanRe) 
wird  erwähnt  eine  »quadrangulari»  argentea,  ut  vocant,  moetralia,  in  qua  eub  vitro 
cryslattitw  eruor  .  .  .  inclusu»  continrtuT'.   Torgl.  Texier,  a.  a.  O.,  Sp.  1199. 

ä  AbbUd.  bei  Bock,  d.  heil.  Köhi.  Tat.  I,  l. 

'       >       ebd.  Taf.  VI,  25.  Vm,  29. 


Reliquien -Monstranzen  und  QlSser.  209 

Prag,*  im  Privatbesitze  zuMainz^  und  besonders  prächtig  das  1444  von  Hans 
Lauffer  zn  Lüneburg  gearbeitete  Bflrgereidskrystall  ans  dem  Lttneburger  Silber- 
schatze, jetzt  im Knnstgewerbe-Musenm  zu  Berlin  (Schrank  377,  No.  2).  Statt 
des  senkrecht  stehenden  Cylinders  kommt  auch  zuweilen  eine  auf  den  Rand  ge- 
stellte kreisrunde  Krystallkapsel  vor,  so  im  Dome  zu  Prag  oben  mit  Kruzifix,' 
in  der  Schatzkammer  der  Wiener  Burg  auch  über  reich  gegliedertem  Ständer 
und  Knauf  eine  viereckige  Krystallkapsel ,  von  einem  grofsen,  unten  breiteren 
Krystallringe  umgeben,  auf  dem  eine  kufische  Inschrift  eingeschnitten  und  oben 
ein  Kruzifix  befestigt  ist.  ^  Auch  Monstranzen  mit  2  oder  3  Krystallen  nebeneinan- 
der kommen  vor,  sie  werden  im  Würzburger  Heiligtumsbuche  ^zwie/altige^  und 
^dreifaüige^  genannt.  Wir  verweisen  aufserdem  unten  auf  Abbildungen  von 
gewöhnlichen  einfachen  Monstranzen  in  mancherlei  Formen  zu  Kö In, ^  im  Dom- 
schatze zu  Aachen^  und  zu  Prag,^  zu  Vallendar^  u.  s.  w.  und  von  reiche- 
ren mit  mannigfachen  Tabernakelkrönungen  und  Statuetten  zu  Köln,*  zu  El t- 
ville,**  zuFrankfurt  a.  Main  im  Dome**  und  der  prachtvollen,  1513 — 1515 
von  Lukas  von  Antwerpen  in  Donauwörth  angefertigten,  mit  dem  Stammbaum 
Jesses  am  Fufse,  im  Besitze  des  Fürsten  von  Öttingen  zu  Wallerstein.** 

Allerlei  mehr  oder  minder  wertvolle  Gefäfse,  Geräte  und  Geschirre  aus 
Stein,  Glas,  Metall  etc.,  welche  im  kirchlichen  und  häuslichen  Gebrauche  sonst 
zur  Aufnahme  von  Flüssigkeiten  dienen,  als  Schalen  und  Becken  (so  die 
sogenannte  Trinkschale  des  heil.  Ulrich  im  Stifte  zu  Melk,*'  eine  Kürbisschale 
in  Silberstreifen  gefafst,  innen  mit  Silber  ausgeschlagen,  die  sehr  ähnliche  des 
heil.  Heribert  zu  Deutz*^  von  Holz  in  einen  spätgotischen  Ständer  gesteckt 
und  als  Giborium  verwandt,  die  des  heil.  Lutwin  von  Kokosnufs  auf  3  sil- 
bemen  Adlermngen  in  der  Pfarrkirche  zu  Mettlach,  eine  1350  von  Kaiser 
Karl  IV.  geschenkte  Onyxschale  im  Dome  zu  Prag  *^  und  der  angebliche  Kelch 
des  heil.  Procop  aus  rotbraunem  Achat  im  Kloster  Sazava  in  Böhmen),  Glä- 
ser (so  ein  orientalisches  ehemals  für  Erde  aus  dem  heil.  Lande  im  German. 
Museum,*'  die  sogenannte  Lampe  der  heil.  Kunigunde  im  Dome  zu  Bam- 
berg,*^ ein  Glaspokal  mit  dem  Brustbilde  Karls  d.  Gr.  als  Deckelknopf  aus 
dem  Xni.  (?)  Jahrh.  im  Zither  des  Domes  zu  Halberstadt  No.  68,  ein  Krystall 
aus  dem  XIV.  Jahrh.  im  Dome  zu  Prag,*'  eine  Krystallschale  mit  einem  Dom 
von  der  Domenkrone  in  der  Burgkapelle  zu  Würzburg  von  1519,*'  ein  Glas  in 


«  Abb.  östr.  Ati.  LXXXTX,  3. 

2  »     Becker-  v.  Hefner.  m.  Taf.  21. 

3  »     Östr.  Atl.  LXXXVn,  9.  LXXXVm,  10. 

*  »     ebd.  LXXXVn,  7. 

*  »     Bock,  d.  heil.  töhi.  Taf.  IV,  20.  Vm,  33.  X,  41.  XTV,  55. 

•  »  »       Pfalzkap.  L2.  Fig.  23—25.  27.  36—38.  49.  63. 
'     »     östr.  Atl.  LXXXVm,  5.  18. 

•  au8*m  Weerth.  Taf.  L,  8.  9. 

»  Bock,  d.  heü.  Kök.  Taf.  XV,  57.  XVI,  61.  62.  XX,  76.  78.  XXI,  80. 

»  Photogr.  Frankfurter  Ausstellung.  Taf.  49. 

'»  Ebd.  Taf.  50. 

*'  Photogr.  Münchener  Ausstellung.  Taf.  75. 

"  Mitt  C.-K.  XVn,  CLXXI,  m.  2  Abb. 

"  aus'm  Weerth.  Taf.  XTJT,  7  u.  7  a. 

»  Östr.  Ati.  LXXXrV,  4. 

"  K.-G.  169.  Abb.  Katalog.  Taf.  16.  "  Becker-  v.  Hefner.  m.  Taf.  37. 

»  Östr.  Ati.  LXXXVI,  2.  «  Becker-  v.  Hefner.  I.  Taf.  3. 

Otte,  Kanat- Archäologie.    6.  Aofl.  14 


210  Beliquiea-Ooschiire  und  Homer, 

der  Franziekanerkirche  zu  Wien*),  Becher  (so  der  sogenannte  Pokal  Hein- 
richs II.,  zu  einer  Art  von  Henkelkelch  aptiert,  in  der  Reichen  Kapelle  zn  U  (In- 
chen*  and  der  schSne  Apollo niabecber  im  Stift  Herzogenbnrg  in  Österreich, 
schon  inRenaisBanceformeu^),  Flaschen  (so  eine  bauchige  von  grünem  Glase 
mit  der  Statuette  der  heil.  Katharina  fUr  das  aus  einem  Knochen  derselben 
fliefBcnde  wnnderthätige öl  iuGr&frath*},  Kannen  (z.  B.  dieO,ig  hohe  Kry- 
stallkanne  mit  einem  Fragment  vom  Abend  mahl  stischtuch  im  Dome  zu  Prag' 
und  die  silberne  Kanne  der  heil.  Elisabeth  von  1237  im  fürBtlicben  Besitze  zu 
Braunfels*)  n.  s.w.  Dergleichen  kostbare  Profangeräte  waren  sehr  wahr- 
scheinlich häufig  Geschenke  an  die  Kirchen^,  und  da  man  sie  hier  nicht  be- 
nutzen konnte,  wandte  man  dieselben  als  RcHquiarien  an  nnd  richtete  sie 
erforderlichen  Falls  zu  diesem  Zwecke  ein,  indem  man  offene  Gläser  und 
Becber  mit  Deckeln  versah,  gläserne  auch  zum  Schutze  mit  ornamentierten 
Metallreifen  umlegte.  Prachtkelche,  die  man  aus  dem  vorhandenen  Vorrate 
zu  Reiiquiengeßtrsen  erwählte,  verdeckte  man  mit  der  dazu  gehörigen  Patene, 
und  brachte  zuweilen  mehrere  Scheidewände  nnd  Fächer  im  Innern  derselben 
anetc.  Die  HeiligtumsbUcher  enthalten  viele  Beispiele.  —  Auch  andere  ur- 
sprünglich zu  liturgischem  Gebrauche  bestimmte  Gefäfse  kommen  als  Reli- 
qniarien  vor,  z.  B.  Tauben. * 

Die  in  Kirch enschätzen  vorfindlichen  BlashOroer*  sind  wohl  ebenfalls 
gröf^tenteils  profanen,  die  älteren 
sicher  orientalischen  Ursprungs 
und  wurden  von  ritterlichen 
Pilgern  und  Kreuzfahrern  als 
Kriegs-  nnd  Jagdbömer  mit  in 
die  Heimat  gebracht  und  nach 
deren  Tode  in  den  Kirchen  nie- 
dergelegt. Die  durch  Stoff  und 
Schnitzereien  wertvolUten  sind 
die  grorsenElfenbeinbOmer,  die 
ans  dem  vorderen  Teile  eines 
Elephantenzahns  bestehen,  z.  B. 
das  Jagdhorn  Karls  des  Grofsen 
PI,.  TS.  R.ü,.d«,hon.in8t.s.«rin«KBir(«ti.Bo.k).  1™  Münster  ZU  Aachen  (angeb- 
lich Geschenk  des  Hamn-al-Ra- 
schid),  zwei  andere  im  Domschatze  zu  Prag,  sowie  in  der  Ambraser -Samm- 
lung zuWien,  drei  im Kuns%ewerbe-Musenm  zu  Berlin(wahrscheinlich  auch 

'  öatr.  Atl.  XCVm,  8 

>  Beokor-  v.  Hefner.  m.  Taf.  9.    Zottler  etc.  Reiche  KapeUe.  Taf.  17. 

'  Abb.  V.  Sackaii,  Arnhäol.  Wegweiser  durch  Nied.-Öeterreioh.  n,  50, 

•  ans'm  Weortli.  Taf.  XLI.  Fig.  8. 
'  Abb.  Mitt.  C.-K.  Xrv,  32. 

•  aus'm  Woerth.  Taf.  UH,  9.    Becker-  v.  Hefner.  m.  Taf.  11. 

'  Im  Würzbm^r  Heiligtume  z.  B.  befand  sich  ein  Becher,  den  die  »IVuWn  von 
Bolkenbarg'  geschickt  hatte.  VeigL  Niedermayer,  a.  a.  0.,  241. 

•  Vergl.  Augusti,  Denkwürdigkeiten  eto.  XÜ,  355. 

•  Verel.  Bock,  Fz-,  über  den  Gebrauch  der  Homer  im  Altert,  und  das  Vorkom- 
men gescnmtzteT  EUenbeinhomor  im  Hittelalter,  in  den  Mittel.  Kmistdenkm.  d.  öst. 
Kaiserst,  her.  von  Heider  etc.  H,  127—143  u.  Taf.  XXV. 


Reliquien -Homer  und  Kleinodien.  211 

ans  Eirchenschätzen,  z.  B.  dem  Dome  zu  Speier  herstammend,  das  gröfste 
polygen  mit  arabischer  Inschrift,  die  beiden  etwas  kleineren  ganz  mit  roma- 
nischem Bestienornament  überzogen),  ebenfalls  drei  orientalische  im  Herzogt. 
Musenm  zu  Braunschweig,  No.  107 — 109,  darunter  No.  107  mit  dem  Aachener 
fast  genau  übereinstimmend,  und  im  Dom  daselbst  eins,  das  alsHom  des  heil. 
Blasius  bezeichnet  wird,  und  das  sogenannte  Jagdhorn  Heinrichs  des  Löwen. 
Öfters  verwandelte  man  kleinere  Hörner  dieser  Art  durch  Anbringung  von 
Füfsen,  eines  Deckels  etc.  in  Reliquiarien:  im  Dom  zu  Hildesheim  das  Hörn 
eines  Auerochsen,*  in  St.  Severin  zu  Köln  ein  Kuh-  oder  BüfTelhom,^  zu 
Kornelimünster  ebenfalls  ein  BttfTelhom.'  Das  Bamberger  Heiligtumsbuch 
(Gang  VI)  zeigt  mehrere  solche  -»gezierte  Hörnern, 

Ein  sehr  merkwürdiges  Beispiel  solcher  ursprünglich  zu  ganz  weltlichem, 
manchmal  vielleicht  sogar  recht  unheiligem  Gebrauche  bestimmten  und  viel- 
leicht nur  zur  Sühne  der  Kirche  gestifteten  Geräte,  die  als  Reliquienbehälter 
ihrer  Kostbarkeit  halber  Verwendung  fanden,  ist  das  wahrscheinlich  orienta- 
lische Brettspiel,  dessen  Felder  aus  Jaspis  und  Bergkrystall  zwischen  Silber- 
streifen bestehen,  und  das  1852  in  der  Mensa  des  Valentinsaltars  in  der  Stifts- 
kirche zu  Aschaffenburg  als  Reliquienbehälter  gefunden  wurde.^  Hier  dürfte 
auch  die  ehemals  in  Enger,  nachher  in  der  Johanniskirche  zu  Herford,  jetzt 
im  Kunstgewerbe-Museum  zu  Berlin  befindliche  sogenannte  Trinkschale  Witte- 
kinds zu  erwähnen  sein,  eine  Schale  von  grünem  Marmor  in  Fassung  von  ver- 
goldetem Kupfer  mit  kurzem  Griffe,  auf  dem  eine  Silberplatte  mit  maurischem 
Nielloomament  und  mit  der  Umschrift  ^munere  tarn  claro  ditai  nos  Äfrica 
rttro€j  das  Ganze  in  einem  Holz^tui  mit  kufischer  Inschrift  und  auf  dem  Deckel 
T^de  Africa^. 

10.  Kleinodien.  —  Im  Hallischen  Heiligtumsbuche  kehrt  die  allge- 
meine Bezeichnung  T^cleinoH  für  solche  Reliquiarien  aus  edelem  Metall  öfter 
wieder,  die  sich  sonst  nicht  bestimmter  benennen  liefsen,  z.  B.  Gang  I.  19: 
-^Ein  silbern  cleinot  und  vberguU  gestalt  wie  ein  ApfeU\  oder  Gang  IX.  6 :  ȣm 
silbern  vbergult  cleynodj  vnd  oben  eingefassie  Perleinmuttem  von  einem  blatt- 
losen Baum,  der  zwischen  seinen  dürren  Ästen  ein  unförmlich  gerundetes 
Nest  (?)  trägt,  aus  dem  ein  Tier  hervorsieht.  —  Besonders  sind  es  viele  klei- 
nere Reliquiarien,  welche  man  unter  diese  unbestimmte  Rubrik  zu  setzen  ge- 
nötigt ist,  z.  B.  die  T^Hpsanotheca  mariana^^j  in  Form  einer  Halbkugel  von  Sil- 
ber, welche  (ohne  den  späteren  Fufs)  für  das  älteste  Heiligtum  des  Doms  zu 
Hildesheim  gilt  und  von  Ludwig  dem  Frommen  herrühren  soU;^  oder  das 
sogen.  A  Karls  desGrofsen  im  Schatze  der  Kirche  zu  Conques,  ein  Reliquiar, 
welches  ursprünglich  die  Form  dieses  Buchstabens  hatte,  in  späterer  Zeit  aber 
viele  Zusätze  erhalten  hat.  ^  —  Vorzüglich  gehören  hierher  die  mit  Reliquien 


*  Abb.  Kratz,  a.  a.  0.,  Taf.  m,  2. 

»     *     Bock,  d.  heU.  Köhi.  Taf.  XU,  115. 
3     »     aus'm  Weerth.  Taf.  U,  2. 

*  »     Becker-  v.  Hefner.  IL  Taf.  62—65. 
»     »     Kratz,  a.  a.  0..  Taf.  IE,  1. 

*  Vergl.  Texier,  a.  a.  Ö.,  Sp.  24.  —  Dieses  A  kann  als  Repräsentant  einer  gan- 
zen Gattung  gelten,  denn  auch  im  Prager  Inventarium  von  1387  wird  eine  »lamt'na 
argentea  deaurata  od  tnodum  lüerae*  angeführt,  und  in  Frankreich  kommt  au&er 
einem  doppelten  F  ein  M  im  Museum  des  Louvre  vor;  vergL  Didron,  Annales  archeol. 

14* 


212  Agraifen, 

auBgeBUtteten  Agraffen  (.motäU,  morsut,  fibula,  pectorale),  die  teils  aU 
SchmQck  den  oben  (S.  199)  erwähnten  Brastbildem  nmgehtliigt,  teils  bei 
Prozeeeionen  als  Hantetachliefsen  der  Plnvialien  vor  der  Brust  getragen  wur- 
den nnd  zum  Teil  die  höchste  Pracht  entfalteten,  z.  B.  im  Aachener  Dom- 
schätze  eine  in  Gestalt  eines  Vierpasses  ans  dem  XIV.  Jahrhandert  (Fig.  74}  * 


Pl^.  ».    Agnffa  ID  Auhm  (DUb  lu'm  WMrtti). 

—  eine  viereckige  ans  dem  XV.  Jahrhundert*  nnd  ebe  in  Form  eines  Drei- 
passes;'  im  Kunstgewerbe -Mnse um  zn  Berlin  die  1484  fdr  den  Dom  sn  Min- 
den vom  Goldschmied  Reineke  yam  Dressche  gefertigte;*  im  Grofsherzogl. 
Mnsenm  zu  Darmstadt  eine  grofse  knpfer  vergoldete  mit  der  hell.  Agatha;*  in 
Frankfurt  a.  H.  Im  Dom  eine  prflchtlge  silberne  mit  den  in  Silber  getriebe- 
nen Statuetten  des  heil.  Bartholomäus,  Joh.Bapt.  nndMargareta;*  zu  Lelpsig 

XVI,  234  n.  139.  Jedenfalls  hfingt  die  Entatehung  dieser  Beliquisrien  mit  der  Sage 
zusammen,  dals  Xail  der  Orofse  so  viele  Kirchen  gebaut,  wie  Buchstaben  im  Alpha- 
bet sind,  und  joder  einen  goldenen  Buchstaben  geschenkt  habe;  vergl,  Königs- 
hoven,  Chronit,  herauagegeb.  von  Schilter,  103. 

'  Abb.  aus'mWeerth.  Taf.  XXXVm.  Fig.  10;  Bock,  PWzkap.  I,  2.  Fig.  28. 

»  u.  '  Abb.  bei  Boot,  a.  a.  0-,  Fig.  39.  53. 

'  Becker-  v.  Hefner.  H.  Taf.  1. 

'  Ebd.  I.  Taf.  12. 

•  Fhotogr.  Fnmkfurler  Ausstellung.  Taf.  39. 


Raritäten.  213 

in  der  Sammlung  Felix  zwei,  daranter  eine  silberne  mit  Niellen  noch  in  roma- 
nischem Stil,^  und  in  der  fllrstl.  Eunstkammer  zu  Sigmaringen  zwei  aus 
der  zweiten  Hälfte  des  XV.  Jahrb.,  die  eine  mit  doppeltem,  edelsteinbesetzten 
Laubrande  von  Silber,  die  andere  von  vergoldetem  emailliertem  Kupfer.' 

11.  Kuriosa  und  Raritäten,  besonders  naturgeschichtliche,  die  aus 
fernen  Ländern  von  Pilgern  mitgebracht  und  zur  Heranziehung  des  Volkes  in 
den  Kirchen  aufbewahrt,  auch  nach  Umständen  als  Reliquienbehälter  nutzbar 
gemacht  wurden. 

Besonders  beliebt  waren  Straufseneier  und  zwar  schon  seit  dem  IX. 
Jahrh. '  Im  ehemaligen  Dome  zu  Goslar  hing  ein  solches  Ei  an  einer  Kette, 
und  den  Berichten  der  Reisebeschreiber  zufolge  hängt  in  den  Kirchen  der 
afrikanischen  Natronklöster  die  ganze  Decke  voll  Straufteneier.  Im  Mittelalter 
bediente  man  sich  derselben  häufig  als  Reliquiengefäfse  in  Pokalform,  durch 
HinzufQgung  eines  silbernen  Fufses  und  Deckels.  Wittenberg  und  Halle  be- 
safsen  viele  dergleichen,  und  im  Zither  zuHalberstadtfinden  sich  noch  jetzt 
zwei.  —  Auch  Kokosnüsse  kommen  in  gleicher  Verwendung  vor  (z.  B.  im  Dom- 
schatze zu  Kammin  und  in  der  heil.  Kreuzkirche  zu  Hildesheim  von  1500). 
—  Der  Dom  zu  Mainz  besafs  (zu  Anfang  des  XIII.  Jahrh.)  ein  Gefäfs  aus 
Smaragd  in  Form  einer  halben  Melone:  man  füllte  es  mit  Wasser,  setzte 
«tliche  kleine  Fischlein  hinein,  verschlofs  es  mit  einem  Deckel  und  hängte  es 
mit  zwei  goldenen  Ketten  an  der  Pertika  mitten  unter  den  Reliquien  auf,  und 
wenn  es  sich  nun  (durch  die  Fische)  bewegte,  behaupteten  »^'mp//ce^e/t;eA«/a^«, 
der  Stein  sei  lebendig.^  Auch  die  fabelhaften  Greifenklauen  durften  in  den 
Kirchenschätzen  selten  fehlen:  es  waren  wohl  meist  die  oben  (S.  211)  er- 
wähnten Homer,  die  man  mit  Tierfülsen  versah  und  mit  Reliquien  füllte;^ 
das  Wittenberger  Heiligtumsbuch  zeigt  mehrere.  Die  im  Braunschweiger 
Dome  aufbewahrte  sogen.  Greifenklaue  scheint  das  Hom  einer  Antilope  zu 
sein.  —  Vorsintflutliche  Knochen  finden  sich  in  derKilianskirchezuHeil- 
bronn,  in  der  Klosterkirche  zu  Alpirsbach  und  in  den  Domen  zu  Halber- 
stadt und  Braunschweig;  eine  Wallfischrippe ^  in  der  Nikolaikirche  zu 


«  Photogr.  Katalog.  Taf.  XUI  u.  XIV. 

«  Abb.  v.  Hefner-Alteneck.  Taf.  XIX  u.  XLVm  A. 

3  Schon  Papst  Leo  IV.  schenkt  einer  römischen  Kirche  *duo  ova  struthuheame- 
2orum<^  (Anast.  Biblioth.  vitae  Rom.  pontif.  Leo  IV.  a.  Chr.  847).  Vergl.  Bock,  in 
den  Mittelalter!.  Kunstdenkm.  etc.,  a.  a.  0.,  142.  —  Daran dus  1.  1  c.  3  n.  42:  *In 
nonnuUis  eccleaiis  dao  ova  struHonum  et  hujusmodi,  qwie  tidtnirationem  inducunt 
et  quae  raro  vtäentur,  cotumeverant  auapendi,  ut  per  hoc  popvlus  ad  ecclesiam 
trcAatur  et  magis  afficicUur.* 

*  Ohronicon  Christiani  ep.  bei  Jaffe  Mon.  Mo^.  p.  680. 

^  Von  dem  S.  211  erwähnten  auf  8  Oreifenfülsen  stehenden  Home  zu  Komeli- 
münster  sagt  die  Legende,  es  sei  die  Klaue  eines  Greifen,  der  dieselbe  aus  Dank  fiir 
die  Heilung  von  der  fallenden  Sucht  zu  den  Fülsen  des  h.  Cornelius  habe  niederfallen 
lassen.   Auch  Homer  des  fabelhaften  Einhoms  wurden  mehrfach  gezeigt,  so  zu  Stralsburg. 

•  In  der  Schlofekirche  zu  Wittenberg  waren  noch  tun  die  Mitte  des  vorigen  Jahrh. 
zwei  Wallfischrippen  in  Ketten  hangend  vorhanden,  und  F  ab  er  (die  SchloCäk.  zu  Wit- 
tenberg, 230)  bemerkt  dazu:  Als  im  J.  1831  im  Lande  Usedom  bei  Damerow  ein 
froüser  Wallfisch  gefangen  wurde ,  schickten  die  Herzoge  von  Pommern  Wunders  halber 
oie  Rippen  nach  Wittenberg,  Brandenburg,  Stralsuna  und  anders  wohin.  In  St.  Jo- 
hiumis  zu  Lüneburg  hing  bis  1814  (seitdem  im  Stadt.  Museum  das.)  das  Schulterblatt 
eines  Seetiers,  welches  mr  daqenige  des  Riesen  Ooliath  ausgegeben  wurde. 


214  Heilige  Qefälse. 

Jüterbog;  eine  grofse  Schildkrötenschale  in  den  Domen  zu  Merseburg 
und  Brandenburg;  ein  70  Pfd.  Bchweres  Stück  von  einem  im  J.  1492  ge- 
fallenen  Meteorstein  (260  Pfd.  an  Gewicht)  liefs  König  Maximilian  im  Chor 
der  Pfarrkirche  zuEnsisheim  im  Elsafs  aufhängen;  ein  Alraun  (die  Wurzel 
der  Bryonia  alba)  in  der  Sakristei  der  Blasiuskirche  in  Nordhausen  u.  s.  w. 

b.    Heilige  OefiUae. 

39.  Unter  heiligen  Oefafsen  {vasa  sacra)  im  weiteren  Sinne  werden 
alle  diejenigen  Oefäfse  und  Geräte  verstanden,  welche  bei  der  Liturgie 
gebraucht  werden,  als  Kelche  (mit  ihrem  Zubehör),  Patenen,  Hostien- 
büchsen, Gefafse  zur  Aufbewahrung  der  Eucharistie  (Ciborien  und  Mon- 
stranzen), Mefskännchen  und  Giefsgefafse,  Weihrauchbecken  und  Schiff- 
chen, Gefafse  für  die  heiligen  öle,  Mefsglöckchen  und  Weihwasserkessel: 
sämtlich  Erzeugnisse  der  Kunst  oder  doch  des  Kimsthandwerks,  nament- 
lich aber  Arbeiten  des  Goldschmieds. 

Vasa  Sacra  im  engeren  Sinne  sind  nur  diejenigen,  die  durch  ihren  Ge- 
brauch in  unmittelbare  Bertthrung  kommen  mit  den  konsekrierten  Species  im 
heiligen  Abendmahl:  die  Kelche  und  Patenen  mit  ihrem  Zubehör  und  die 
Gefafse  von  verschiedenen  Formen,  welche  zur  Aufbewahrung  der  Eucharistie 
dienen  (vasa  et  insirumenia  eucharistica).  Allein  der  Bischof  hat  das  Rechte 
dieselben  nach  bestimmten  Vorschriften  zu  weihen^  weshalb  sie  im  späteren 
Mittelalter  mit  einem  eingravierten  Weihekreuze  (jsignacutum)  bezeichnet 
wurden,  wie  dasselbe,  insgemein  in  einen  Kreis  gezeichnet,  und  dem  heral- 
dischen Tatzenkreuze  entsprechend,  an  dem  Fufse  der  eigentlichen  Mefs- 
kelche  und  auf  dem  Rande  der  Patenen  regelmäfsig  erscheint.  Zuweilen 
nimmt  an  den  Kelchfüfsen  ein  Crucifixus  die  Stelle  des  Signaculums  ein.  ^ 

Mittelalterliche  Altarge&fse  haben  sich  noch  vielfach  erhalten,  obgleich 
die  aus  edlen  Metallen  verfertigten  durch  die  Stürme  der  Zeiten  oft  zu 
Grunde  gegangen  sind.  Auch  in  sehr  vielen  alten,  jetzt  protestantischen 
Kirchen  findet  man  noch  mittelalterliche  Abendmahlsgefäfse  im  geschätzten 
Gebrauch,  während  leicht  erklärlich  die  übrigen,  für  den  evangelischen 
Kultus  entbehrlichen  Geräte  gröfstenteils  nicht  mehr  vorhanden  sind. 

40.  Das  ehrwürdigste  imd  in  jeder  Beziehung  bedeutendste  unter 
den  heiligen  Gefafsen  ist  der  zur  Konsekration  und  Ausspendimg  des 
Weins  im  heiligen  Abendmahle  dienende  Kelch  (ca/te),*  welcher  schon 


*  Das  Signacolum  bezeichnet  am  Kelche  die  Seite,  wo  der  Me&priester  den  Mund 
ansetzt  und  nach  der  Kommunion  die  Ablutio  yomimmt,  an  der  Patene  die  Stelle^ 
wo  sie  angefa&t  wiid.   Vergl.  Bock,  Fz.,  das  heü.  Köln.  St.  Gereon,  21. 

'  Dougthaeus,  J.,  de  calicibus  eucharisticis  vet.  Ghristianoram ,  ed.  Faesius. 
(Bremae)  1694.  —  Giefers,  W.  Eng.,  über  den  Altar-Kelch.  (Paderb.)  1856.  — 
TVeifB,  C,  Übersicht  der  Entwickelung  des  Kelches  im  Mittelalter  (als  Einleitung  der 
Beschreib,  des  roman.  Speisekelches  des  Stiftes  Wüten  in  Tirol),  im  Jahrb.  C.-X.  lY, 
3 — 24.  —  Vergl.  auch  Didron,  Annales  archeol.  XIX,  143 — 151.  —  M(eurer),  Mittel- 
alterliche Büderkeldie,  im  Chr.  K.-Bl.  1S75.  No.  4  u.  5. 


Kelch.  216 

Tor  der  konstantmischen  Zeit  oft,  und  seit  dem  IX.  Jahrhundert,  mit 
seltenen  Ausnahmen,  stets  vorschriftsmäfsig  aus  edlem  Metall  verfertigt 
und  bereits  in  alter  Zeit  künstlerisch  ausgeschmückt  wurde.  Derselbe 
besteht  aus  drei  Hauptteilen:  Pufs  (pes),  Knauf  {nodusy  pomellum)  und 
Becher  (cuppa)  und  ist  in  verschiedenen  Perioden  in  den  Einzelformen 
und  Ornamenten  verschieden  gebildet  worden. 

In  der  alten  Kirche  legte  man  kein  besonderes  Gewicht  auf  das  Ma- 
terial, aus  welchem  die  Abendmahlskelche  gefertigt  waren ;  neben  hölzernen 
und  gläsernen  kommen  aber  schon  im  in.  Jahrh.  Kelche  aus  edlen  Metallen 
vor:  denn  nach  Augustinus  c.  Crescent.  1.  3  c.  29  wurden  unter  Diokle- 
tians Regierung  zwei  goldene  und  sechs  silberne  Kelche  aus  der  Kirche  zu 
Cirta  in  Afrika  weggenommen  und  konfisciert.  Erst  seit  dem  VIII.  Jahrh. 
finden  sich  kirchliche  Verbote  gegen  den  Gebrauch  von  Kelchen  aus  ge- 
wissen Stoffen.  So  verbot  das  Konzil  zu  Nicaea  787  Kelche  und  Patenen 
T>de  comu  bovis ,  guod  de  sangiäne  sunH^^  und  das  Konzil  zu  Rheims  813 
erteilte  c.  6  die  bestimmte  Vorschrift:  ^Calix  domini  cumpaiena,  si  non  ex 
auro  ex  argenio  fiat^^  liefs  aber  den  Armen  zinnerne  Kelche  nach  und  ver- 
bot (aufser  hölzernen  und  gläsernen)  die  von  Kupfer  und  Messing  verfer- 
tigten Kelche  aus  Gesundheitsrllcksichten ,  wenn  sie  nicht  von  innen  und 
aufsen  stark  vergoldet  würden.*  Piatina  (de  vitis  pontif.  Colon.  Ubior. 
1600  p.  25)  erzählt  schon  von  dem  um  200  lebenden  P.  Zephirinus:  -»Siatuit, 
ut  consecratio  divini  sanguinis  in  viireo  vase,  non  auiem  in  Hgneoy  ui  antea^ 
fiereH]  fügt  aber  unter  Bezugnahme  auf  die  Konzile  von  Tibur  (811)  und 
das  erwähnte  von  Rheims  erläuternd  hinzu,  dafs  in  der  Folgezeit  Kelche  aus 
Holz  (propier  raritaiem)j  aus  Glas  (propter  fragilitatem)  und  aus  gemeinem 
Metall  {oh  tetrum  sqporem)  verboten  worden  seien.  Gläserne  Kelche  und 
Patenen  haben  sich  natürlich  aufserordentlich  selten  erhalten.  Reste  von 
solchen  mit  eingeschmolzenem  Bildwerk  aus  der  sog.  Krypta  der  Kapelle 
Mariä-Läng  in  Regensburg  befinden  sich  im  Bayr.  Nat.-Mus.  zu  München.' 
Ob  die  einander  sehr  ähnlichen  aus  geschliffenem  grünlichen  Glase  mit  ein- 
geschliffenen Löwen  und  Adlern  in  sehr  rohen  Formen  verzierten  sogenannten 
Hedwigsbecher  aus  dem  XIU.  Jahrh.  in  Breslau,  Krakau  und  Nürnberg 
als  Kelche  anzusehen  sind  oder  wirklich  aus  dem  Besitze  der  heil.  Hedwig 
stammend,  später  zu  Reliquienbehältem  und  Ciborien  umgewandelt  worden 
sind,  mufs  dahingestellt  bleiben.^ 

Dem  kostbaren  Material  entsprechend  war  der  Schmuck  der  Kelche 
mit  Edelsteinen,  und  schon  Ghry  sostomus  (Homil.  51.  in  Matth.)  erwähnt  ein 
noT^Qiof  xQwovyxal  hOox6lXf]Tov,  einen  goldenen  mit  Edelsteinen  besetzten  Kelch ; 
bedeutungsvoller  war  der  beiTertullian(de  pudicitia  c.  10)  vorkommende 
Schmuck  eines  (vermutlich  gläsernen)  Kelches  mit  dem  Bilde  des  guten 


>  Godard^  Cours  d'archeologie  sacree.  n,  242;  vergL  Weifs,  a.  a.  0.,  6. 

*  Augusti,  Denkwürdigkeiten.  XII,  28,  nach  Canisii,  Monum.  eccL  IH,  899. 
3  Vergl.  C.  Friedrich,  Glaskelche  und  Glaspatenen,  in  Wartburg.  YI,  147  ff. 

*  Die  im  Museum  zu  Breslau  abgeb.  bei  Lucns,  Stilproben  Fi^.  16^  die  Krakauer 
bei  Essenwein,  Krakau,  160.  161,  die  Nürnberger  von  Essenwein,  im  Anz.  G.  M. 
1877.  No.  8,  mit  4  Abb. 


216  Bilderschmuck  der  Kelche. 

Hirten.  Im  Mittelalter  bis  ins  XIIL  und  XIV.  Jahrh.  waren  bcBonders  am 
Becher  und  Fufse  der  Kelche  bildliche,  emaillierte  oder  niellierte,  meist 
gravierte,  aber  auch  Relief- Darstellungen  aus  dem  alten  und  neuen  Testa- 
mente mit  Beziehung  auf  den  Opfertod  Christi  und  dessen  Vorbilder  beliebt, 
insonderheit  sind  es  am  Fufse  die  Scenen  der  Verkündigung,  Geburt,  Kreu- 
zigung und  Auferstehung  Christi,  zwischen  welche  statt  der  alttestament- 
lichen  Typen  häufig  die  vier  Evangelisten  oder  ihre  Zeichen  gruppiert  sind 
—  am  Knauf  und  dessen  Zapfen  die  Evangelistenzeichen  mit  dem  Agnus  dei 
und  wohl  auch  dem  Pelikan,  am  Becher  aber  gern  die  12  Apostel.  Doch 
ist  die  Auswahl  auch  oft  eine  andere.  An  einem  Kelche  zu  Kolditz  fin- 
den sich  am  Fuise  die  Geifselung,  Kreuztragung  und  Kreuzigung  und 
daneben  die  Auferstehung,  Himmelfahrt  und  mc^festas  domrUj  an  einem  in 
der  Paulikirche  zu  Brandenburg  die  sechs  Werke  der  Barmherzigkeit, 
an  dem  zu  St.  Peter  in  Salzburg  das  himmlische  Jerusalem  mit  den  12 
Aposteln  über  den  Thoren  und  am  Becher  12  Repräsentanten  der  alttesta- 
mentlichen Erwartung,  um  den  Knauf  aber  die  Schlange  geschlungen,  deren 
Schaden  zu  heilen  nach  der  Inschrift  des  Kelches  das  heil.  Blut  bestimmt 
ist.  6  Propheten  befinden  sich  auch  am  Becher  des  Kelches  zu  Werdau 
in  Sachsen,  und  am  Knauf  eines  zu  St.  Zeno  bei  Reichenhall  die  8  Selig- 
preisungen. Später  finden  sich  auch  allerhand  Heilige  ein,  so  schon  am 
Becher  des  Lambach  er  Kelches  aus  dem  Anfange  des  XIIL  Jahrh.  der  heil. 
Kilian,  nachher  immer  zahlreicher,  und  gegen  Ausgang  des  Mittelalters  macht 
sich  die  Marienverehrung  auch  an  den  Kelchen,  wie  in  den  Inschriften,  so 
auch  im  Bildschmuck  geltend ,  nicht  nur  in  so  bescheidener  Form  wie  die 
Marienstatuette  als  Signaculum  auf  dem  Kelche  zu  Mjlau  im  sächs.  Vogt- 
lande, sondern  an  dem  Prachtkelche  im  Herzogl.  Museum  zuBraunschweig 
aus  dem  XV.  Jahrh.  erscheint  die  Geschichte  der  Maria  in  6  Medaillons  von 
der  Verkündigung  bis  zu  ihrer  Krönung  und  an  dem  zu  Mariasaal  in 
Kämthen  von  1466  ist  sie  an  der  Cuppa  in  der  Glorie  mit  Heiligen  graviert, 
an  dem  Kelche  zu  Mut  sehen  in  Sachsen  von  1513  erscheint  sogar  der 
Richtung  der  Zeit  gemäfs  die  heil.  Anna  selbdritt.  Den  einzelnen,  oft  von 
erklärenden  Inschriften  begleiteten  Bildern  dieser  coUices  imaginati  gab 
man  gewöhnlich  die  Form  von  Medaillons,  die  man  in  der  Regel  so  ordnete, 
dafs  der  obere  Rand  des  Bechers  oder  doch  die  Stelle  des  Randes,  an  die  der 
Trinkende  den  Mund  zu  legen  hatte,  von  jeglicher  Verzierung  frei  blieb. 
Später  beschränkte  man  sich  mehr  auf  blofses  Ornament,  das,  wie  auch  schon 
filiher,  vorzüglich  den  Knauf  bedeckte.  Eine  unverhältnismäfsige  Gröfsen- 
entwickelung  und  Schmückung  erhielt  den  Knauf  insonderheit  bei  den  Re- 
liquienkelchen, indem  Reliquien,  die  zu  mehrerer  Erhöhung  der  Würde 
sogar  dem  Kelche  beigegeben  wurden,  zumeist  in  dem  Knaufe  untergebracht 
wurden,  und  um  sie  sichtbar  zu  machen,  den  Knauf  allmählich  zu  einer 
kleinen  durchbrochenen  oder  mit  Krjstallscheibchen  geschlossenen  Kapelle 
mit  Strebebogen,  Fialen,  Heiligenstatuetten  u.  s.  w.  entwickelten.  Schon 
im  Vin.  Jahrh.  kommen  am  Rande  des  Fufses  auch  ringsum  laufende  In- 
schriften vor,  die  über  die  Donatoren  Auskunft  geben;  anderwärts  findet 
man  sie  auch  im  Innern  des  Fufses  angebracht;  solche  Kelche  hat  man 
cälices  liieraii  genannt.  —  Unter  Pontifikalkelchen  versteht  man  be- 
sonders wertvolle  und  schmuckreiche  Prachtkelche,  welche,  im  Gegensatze 


Speisekelche.  217 

zu  den  einfachen  caiices  /Males y  nur  bei  festlichen  Veranlassungen,  bei 
bischöflichen  Messen  etc.  gebraucht  werden.  —  Grabkelche  sind  die- 
jenigen, welche  man  den  Bischöfen  mit  in  das  Grab  legte:  sie  waren  mit 
seltenen  Ausnahmen  nur  klein,  dünn  und  ziemlich  wertlos,  selbst  von  Zinn.  ^ 
—  Reisekelche  sind  (mit  Rücksicht  auf  die  Tragaltäre)  sehr  klein  und 
wurden  auch  des  bequemeren  Transportes  wegen  zum  Auseinandernehmen 
eingerichtet.'  —  Spülkelche  sind  solche,  aus  denen  der  Priester  nach  der 
Kommunion  die  Ablutio  zu  nehmen  hatte. '  —  Als  einzig  in  seiner  Art  er- 
scheint der  St.  Johanniskelch  in  der  Dominikanerkirche  zuRegensburg 
(eine  Kokosnufsschale  auf  kupfer-vergoldetem  Ständer  aus  dem  Anfange  des 
XIV.  Jahrb.),  der  sich  als  zu  dem  am  27.  December  gefeierten  Trinken  der 
St.  Johannisminne  bestimmt  durch  seine  Inschrift:  Trinckd  Sent  Jhans  min 
dazju  bol  geling  ausweist.^ 

Anmerkung.  Vor  der  EinfUhrung  der  Kelchentziehung,  und  so  lange 
auch  den  Laien  die  heil.  Kommunion  unter  beiderlei  Gestalt  gespendet  wurde, 
was  an  manchen  Orten  noch  sehr  spät  und  in  einzelnen  französischen  Klöstern 
selbst  bis  ins  XVIU.  Jahrb., ^  im  allgemeinen  indefs  nach  dem  XIII.  Jahrb. 
nicht  mehr  geschah,  waren  zwei  Arten  von  Kelchen  gebräuchlich:  die  gewöhn- 
lichen kleineren  Altarkelche,  in  denen  der  Priester  den  Wein  konsekrierte, 
und  gröfsere,  zur  Austeilung  bestimmte  Speisekelche  (caiices  ministeriales), 
welche  mit  Wein  gefüllt  wurden,  dem  der  Diakonus  nach  der  Konsekration 
und  Kommunion  des  Priesters  das  Blut  des  Herrn  aus  dem  Mefskelche  hinzu- 
mischte. Diese  Speisekelche  waren  so  grofs,  dafs  man  dieselben  zum  beque- 
meren Tragen  mit  zwei  Henkeln  versah,  weshalb  sie  auch  Henkelkelche 
(caiices  ansati)  genannt  wurden.  So  besafs  noch  zu  Anfange  des  XIH.  Jahrb. 
der  Dom  in  Mainz  zwei  goldene,  mit  Edelsteinen  geschmückte  Kelche  von  der 
Gröfse,  dafs  sie  zum  Konsekrieren  nicht  brauchbar  waren:  der  kleinere  wog 
mit  der  Patene  18  Pfund,  und  der  gröfsere  hatte  zwei  Henkel,  welche,  ähn- 
lich wie  bei  den  Mörsern  zum  Stofsen  von  Pfeffer  und  Salz,  die  Hände  des 
Hebenden  ausfüllten.  Dieser  Kelch  fafste  einen  halben  Sestarius  Wein,  war 
eine  Elle  hoch,  und  nicht  jedermann  vermochte  ihn  bequem  von  der  Erde  zu 
erheben.^  Solche  Kelche  waren  indefs  sicherlich  nur  im  Besitz  der  reichsten 
Metropolen,  dienten  auch  lediglich  als  Schaustücke  zur  Ausstellung  auf  den 
Altären  und  gehören  mithin  zu  der  Gattung  der  bereits  oben  (S.  210)  erwähn- 


*  Der  Grabkelch  des  Erzbischofs  Poppe  von  Trier  (f  1047)  ist  zwar  nur  0,o5  hoch, 
aber  von  Gold.  Der  schöne  in  Silber  getriebene  des  dortigen  Erzb.  H.  von  Finstingen 
(t  12S6)  ist  dagegen  Ooir  hoch,  und  der  Durchmesser  der  Cuppa  beträgt  am  ausge- 
bogenen Rande  0,io5.  Vergl.  die  Abb.  von  6  Grabkelchen  des  XI. — XTv.  Jahrh.  aus 
dem  Dome  zu  Trier  in  natürlicher  Gröföe  bei  vonWilmowsky,  Grabstätten.  Tai  IH. 

^  Abb.  eines  äulserst  kompendiösen  aus  dem  XIY.  Jahrh.  zu  Elostemeuburg,  im 
Östr.  Atl.  XVm,  4. 

»  Als  einen  solchen  sieht  Bock  (Mitt.  C.-K.  XTV,  21)  die  von  Karl  IV.  gestiftete 
Onyxschale  im  Dome  zu  Prag  an  (s.  oben  S.  209). 

*  Verffl.  Jakob,  190. 

*  Goaard,  a.  a.  0.,  Ü,  243;  vergl.  "Weifs,  a.  a.  0.,  4.  Von  deutschen  Klöstern 
berichtet  der  Merseburger  evang.  Bischof  Georg  von  Anhalt  1534  (opp.  1550  fol. 
350),  dals  es  noch  zu  seiner  Zeit  im  Kloster  Kolbigk  in  Anhalt  so  gehalten  worden 
sei,  und  dals  er  Gleiches  auch  in  Lehnin  und  Walkenried  gesehen  habe. 

^  Chiron.  Christiani  ep.  bei  Jaffe,  a.  a.  0.,  683. 


218  Speisekelche. 

ten  zu  Reliquienbehältern  nmgew&ndelten  Kelche.  ■  —  HeDkelkelche  sind  nnr 
noch  sehr  selten  erhslteo:  im  Schatze  des  Stiftes  St.  Peter  za  Salzburg  eiu 
Speisekelch  aus  dem  XIII.  Jahrb.,  durch  FormenBcbönbeit  und  bedeutsamen 
Schmuck  (b.  S.  216)anBgezeichnet,*itnd  im  Stifte  Wilteo  iuTyrol  ein  solcher 


Fl(.  7E.    HlBlaUrialtalall  n  Wllt«  <nuta  WtUt). 

(auB  vei^oldetem  Silber,  am  oberen  Rande  von  0,14  Durchmesser  und  mit  der 
Patene  7  Pfd.  3  Lt.  schwer),  der  ganz  mit  gravierten  und  niellierten  Darstel- 
lungen bedeckt  ist  nnd  inscbriftlich  ans  dem  9.  Decenninm  des  XII.  Jahrb. 
stammt.*  In  der  Form  Obere  instimmend  ist  ein  mit  Edelsteinen  und  Perlen 
geschmflckter  Speisekelch  aus  vergoldetem  Silber  von  0,20  Hdhe  bei  0,1T 
Durchmesser  im  Fufs  nnd  in  der  Cnppa  im  C istercien sc r  ■  Nonnenkloster 
Marienstern  bei  Kamenz,  der  an  der  Cnppa  6  Reliefmedaillona  aus  der  Ge- 
schichte Christi  von  der  Verkttudignug  bis  zur  Himmelfahrt,  an  den  Henkeln 
und  am  Knaufe  Pflanzen-  nnd  Bestien-Ornament  in  durchbrochener  Arbeit 
zeigt,  am  Fufbe  aber  unter  dem  Salvator  mit  den  Evangelistenzeicben,  der 
Maria,  einem  Engel  nnd  einer  Heiligen  mit  Palme,  die  Familie  der  ihre  eigenen 
oder  die  Seelen  ihrer  Ter8torl>enen  Kinder  in  den  emporgehobenen  Armen 
darbringenden  Stifter  in  2  Gruppen,  zwischen  denen  Christus  mit  den  Aposteln 


Anhalt,  a.  a.  0.,  von  dem  gro^D  Henkelkolche,  den 
_  1  Merseburg  geschenkt  hatte. 
•  Phot  Münchener  Anaat  Taf.  105.  Fig.  2.    Östr.  Ätl.  IUI,  3.  —  VergL  K.  W. 
in  Mitt.  C.-K.  TTD,  34  ft. 

"  Phot.  a.  a.  0.,  Bg.  5:  östr.  Atl.  Iffl,  1—5;  u.  m.  allen  Details  im  Jahrb.  O.-K. 
IV  auf  4  Taff. 


Saugröhrchen. 


219 


und  8  Heiligen  steht,  im  ganzen  26  Relief- Figürchen  trägt  ^  In  der  Pariser 
Trocadero-Ansstellongvon  1878  befand  sich  ebenfalls  ein  silberner,  gröfseren- 
teils  vergoldeter,  mit  Edelsteinen  besetzter  und  mit  den  Bildern  der  12  Apostel 
geschmückter  Speisekelch  deutschen  Ursprungs  von  ungemeiner  Ähnlichkeit 
mit  dem  Marienstemer  in  Form,  Gröfse  und  Arbeit.'  Als  ein  Speisekelch  ist 
endlich  auch  der  sogenannte  Pokal  Heinrichs  U.  in  München  (s.  obenS.  210) 
eingerichtet. 

Zur  ^sumiio  sanguinis^  bei  der  Ausspendung  des  Weins  an  die  Laien  ge- 
brauchte man,  um  die  Gefahr  der  Verschüttung  zu  vermeiden,  etwa  seit  dem 
IX.  Jahrh.,  ein  Saugröhrchen  (fistulOy 
calamus,  canna^  arundo^  pipcOj  in  der 
Form  eines  langen,  dünnen,  ausgehöhlten 
Stäbchens  aus  Gold,  Silber  oder  Elfenbein, 
zuweilen  auch  aus  Glas,  welches  mit  einem 
oder  mehreren  kleinen  HandgrifTen  für  den 
dasselbe  haltenden  Diakonus  versehen,  zu- 
weilen auch  gleich  an  den  Kelch  befestigt 
war,  und  mit  dem  die  Kommunikanten 
den  Wein  aus  dem  Speisekelche  einsaug- 
ten.' So  schenkte  K.  Heinrich  II.  dem 
Dome  zu  Merseburg  einen  goldenen 
Kelch  »cum  patina  ei  fistuia<^  und  einen 
grofsen  silbernen  Kelch  mit  demselben 
Zubehör.^  Der  Mainzer  Dom  besafs  um 
das  J.  1200  T^fistulae  V.  ad  communican-       ng. 

dum  argenieae  deauratae^,^  der  Havel-  ^"^~  ^*)  "•  *•  8»°»»i«»«  BMiiewÄi  (c). 
berger  1527  »2  sulueren  roere  dar  men  mit  communicireU^  und  nach  Georg 
von  Anhalt  a.  a.  0.  befanden  sie  sich  zu  seiner  Zeit  noch  überall  zahlreich  in 
den  Kirchen.  In  der  Kirche  der  Reformation  wurden  sie  vielfach  wieder  in 
Gebrauch  genommen,  und  dieser  z.  B.  in  den  Kurfürstl.  Brandenburgischen 
Ländern  erst  1696  wieder  untersagt,  weil  dabei  eine  Kontrolle,  ob  die  Kom- 
munikanten auch  wirklich  den  Wein  empfangen  hätten,  nicht  möglich  wäre,^ 
in  Marienhafe  befindet  sich  sogar  eine  zinnerne  sechseckige  noch  mit  der  Zahl 
1781  —  in  der  päpstlichen  Messe  sind  sie  aber  noch  gegenwärtig  in  Gebrauch. 
Mittelalterliche  haben  sich  erhalten  an  dem  Speisekelche  zuWilten,  2  von 
Silber,  0,20  lang,  am  einen  Ende  dünner  mit  herzförmigem  Griffe  (siehe  Fig. 
766),  ebenfalls  2  bei  dem  Kelche  der  Sammlung  Basilewski  mit  ^förmiger, 


Flg.  76.    KelchrShrohen  aot  GSttwolg  (a), 


*  Phot.  Dresdener  Ausst.  Taf.  1.  Abb.  auch  bei  Müller  u.  Mothes,  Arch.  Wörterb. 
I,  518.  Der  klösterlichen  Überlieferung  zufolge  soll  sich  der  Stifter  des  1248  gegr. 
Klosters,  Bisch.  Bernhard  von  MelGsen  (r  1296)  dieses  Kelches  bei  der  Messe  bedient 
haben.    Yergl.  Carpzow,  Ehrentempel  aer  Oberlausitz  1719,  888. 

*  Vergl.  Ph.  Breban,  livret-guide  de  Texpos.  bist,  du  Troc.,  31  (coli.  Basilewski): 
-^ün  calice  des  douee  apötrea,  ar  tcdlemand*,  i^ach  gütiger  Mitteilung  des  Herrn  Prof. 
R  Steche  zu  Dresden. 

*  Veijgl.  Vogt,  J.,  Historia  fistulae  eucharisticae.   Brem.  1772. 

*  Thietmari,  Chronicon.  VI,  61.  rec.  Wagner,  198. 

*  Chron.  Christiani  ep.  1.  c,  682. 

'  Riedel,  cod.  diplora.  Brandenb.  A.  m,  128. 

^  Siehe  das  Edikt  bei  Mylius,  Corp.  Const.  March.  I.  2,  121.  No.  LX. 


230  Kelche  bis  zum  Xl.  Jahrb. 

BcbmackTotl  durchbrochener  Handhabe  (eiehe  Fig.  76c)  and  im  Stifte  G5tt- 
weig  eine  silberne,  die  ale  Griff  eine  kleine  Scheibe  hat  mit  einem  Loche, 
dnrch  welches  ein  Faden  gezogen  nnd  an  den  Henkel  des  Kelches  gebunden 
wnrde,  nm  das  Hinsbfallen  des  ROhrchenB  zo  verhindern,  anfserdem  aber  unter 
dem  MnndstOcke  ein  kleines  Sch&lchen,  um  jedem  Wegtropfen  des  Weines 
Torünbengen  (siehe  Fig.  76a).  Auch  an  dem  Salzburger  Kelche  befindet 
sich  die  Fistnla,  ferner  eine  im  Domschatze  zu  Erfurt  nnd  2  ans  vergoldetem 
Uessing  zu  spätgotischen  Kelchen  (von  149B)  in  der  ebemal.  Lambertikirche 
zu  Lüneburg, 

41.  Die  ältesten  Kelche  bis  ins  XI.  Jahrhundert,  soweit  deren  be- 
kannt sind,  erinnern  an  den  Typus  gewisser  antiker  Trinkgefäfge  {poaila), 
welche  bei  den  Gastmählern  der  Homer  in  der  Kaiserzeit  vielJach  zu 
den  Libationen  in  Gebrauch  waren  und  zwei  durch  einen  breiten  mitt- 
leren Knauf  verbundene  Trinkschalen  von  gleicher  Gröfso  bildeten,  so 
dafs  beliebig  aus  beiden  getrunken  werden,  und  beim  Niedersetzen  jede 
von  beiden  als  Fufe  dienen  konnte.'    Denn  obgleich  bei  den  Kelchen 
der  angegebenen  Periode  die  Cuppa  und  der  FuTs  stets  von  imgleicher 
Gröfse  und  auch  verschieden  gebildet  sind,  so  sind  doch  beide  ebenfalls 
durch  einen  Knauf  miteinander  ver- 
bunden, und  derFufs,  der  immer  die 
Form  eines  Trifliters  hat,  könnte  eben- 
falls zum  Trinken  gebraucht  werden, 
wenn  der  Kelch  umgekehrt  wird. 

Der  Älteste  bekannte  Kelch  befin- 
det sich  unter  dem  Namen  des  *Sti/'- 
terbechersti  in  KremamOnster  und 
rOfart,  der  rings  um  den  Fufs  laafen- 
deu  Inschrift  zufolge,  vonHerzogTas- 
sito  und  seiner  Gemahlin  Lintpirc  her, 
welche  das  Kloster  im  J.  777  gegrün- 
det haben.  Er  ist  0,263  hoch,  und  der 
Durchmesser  der  Cuppa  betrugt  0,15S, 
letztere  fafst  5  üsterreich.  Seidel,  und 
der  Fufs  mit  dem  hohlen  Knauf  l'/i 
Seidel.  Die  Hasse  Ist  in  zwei  Teilen 
aus  Kupfer  gegossen,  und  die  ganze 

Oberfläche  derartig  gesclimUckt,  dafa 

Fig.7i.  TM>iioke]ctiiiiEniiuBitiiuui(iiubBi>eü),      Auf  den   knpfemen  Gmnd,   von  Sil- 

berbäudem  umrahmt,  Silberblättchen 

mit  niellierten  Zeichnungen  genietet,   und  die  ornamentierten  Zwiachen- 


'  Em  Becher  aus  ve^ldeter  Bronze,  in  oberer  und  unterer  Mündung  gleich  an- 
wendbar, ist  1G$2  als  einziger  Oegenstaud  in  einein  aus  grelsoD  behauenen  Steinen  aus- 
geführteo,  vielleicht  römiachen  Grabe  in  der  Nähe  von  Slalmedv  aufgefunden  worden. 
Vergl.  Kreuzzlg.  1B62.  Beil.  zu  No.  269. 


Kelche.  XI.  Jahrb. 


221 


räume  vergoldet  Bind.   Der  beim  AnfasBen  beinahe  die  ganze  Hand  fallende 
Knanf  iBt  auf  den  Kreuzungapunkten  der  ihn  netzartig  umspannenden  Silber- 
bttnder  mit  kleinen  Edelsteinen  besetzt  nnd  wird  durch  einen  verschieb  baren, 
platte  Edgelcben  bildenden  Ring  von  der  Cappa  getrennt    Die  bildlichen 
Darstellnngen  bestehen  ans  Brnstbildem  Christi  und  einiger  Heiligen,  sowie 
ans  den  sitzenden  Figuren  der  vier  Evangelisten  mit  ihren  Symbolen  in  rob- 
barharisch er  Weise.  *  —  Die  flbrigen  anf  uns  gekommenen  Kelche  ans  dieser 
Periode  sind  klein  und  schmncktos.   In  dem  zn  Anfange  des  IX.  Jahrh.  von 
dem  heil.  Lindger  gegrOndeten  Kloster 
Werden  an  der  Ruhr  wird  ein  goldener   ' 
Kelch  aufbewahrt,   welcher  der  über- 
liefernng  zufolge  von  dem  Stifter  dieses 
Kloatere  gebraucht  worden  sein  soll  und 
wohl  BpXtestensaasdemX.oderXI.  Jahrb. 
herrflhren  möchte ;  derselbe  ist  nicht  ganz 
0,12  hoch;  der  Becher  von  0,07  oberem 
Darchmesser  verengt  sich  nach  unten 
und  der  0,oä  im  Durchmeaser  haltende 
Fufa  ist  von  eingebogener  Trichterfonn. 
Die  rings  um  Cuppa  und  Fufs  laufenden 
beiden   InBchriften    bezeichnen    diesen 
Becher  aDsdrOcklich  als  Mefskelch  (calix 

sanguinis  domird  nostri  Jesu  Cbrisü),*  „  • 

Der  goldene  Qrabkelch  des  Erzbischofe         '        („eh  lum  wunb). 
Poppo  von  Trier  (t  1047)'  ist  nur  0,05 

hoch  und  die  halb  so  hohe,  im  oberen  Durchmesser  0,ass  haltende,  fast 
cylindrieche,  nuten  abgerundete  Cnppa  ist  durch  eiue  Perlenschnur  mit  dem 
kugeligen  Knaufe  verbunden;  der  FnTs  hat  0,036  Durchmesser  und  ze^  im 
Pro&l  eine  Viertelkehle.  OrOfser  ist  der  0,065  hohe  Silberkelch  ans  dem 
Grabe  des  Erzbischofa  Udo  von  Trier  (t  1078),  sonst  aber  dem  vorigen 
ähnlich,  nur  etwas  schlanker.*  Ähnlich  ist  der  Kelch  von  vergoldetem 
Silber  (mit  der  Patene  nur  3'/^  Lot  schwer),  welcher  im  J.  1667  im  Grabe 
des  Bischofs  Uezilo  (t  1079)  in  der  Kirche  auf  dem  Moritzberge  zu  Hildes - 
heim  gefunden  wurde  und  seitdem  im  dortigen  Dome  verwahrt  wird:  der 
Fufs  desselben  ist  trichterförmig,  und  ein  Perletab  verbindet  auch  hier  den 
Knauf  mit  der  Cnppa,  deren  unterer  halbkugeliger  Teil  den  einen  Kegel- 
schnitt bildenden  Oberteil  nmfafst,  wie  ein  EichelnSpfchen  die  Eichet.^  — 
Ein  anderer  Sepnlchralkelch,  aus  Erz,  gefunden  im  Grabe  des  Bischofs 
Friedrich  von  Monster  (t  1084)  und  in  der  St.  Mauritzkirche  daselbst  auf- 


'  Abb.  Östr.  Aü.  Taf.  6;  Seemann.  CL,  1.  Vergl.  Book,  in  den  Mitt  a-K. 
IV,  6  ff.  Nach  ebd.,  169  ff.  soll  dieser  Becher  übrigens  gu  kern  litui^sohee  OefUs, 
BODdem  ein  kanonisches  Hab  der  in  derBegel  des  h.  Benedikt  vorgeschnebenen  Wein- 
pOTtioD  sein. 

>  aus'm  Weerth.   Taf.  XXTU,  4. 

'  das.  Taf.  LXI,  2  a  u.  3. 

'  Abb.  von  Wilmowaky,  Grabstätten  etc.  Taf.  IH. 

•  Kratz,  a.  a.  0.,  Taf.  VIU,  3. 


m 


222  Kelche.   Xu.  Jahrh. 

bewahrt  y  ist  ebeDfalls  ganz  schmucklos ,  es  erscheint  jedoch  zwischen  dem 
glockenförmigen  Fufse  nnd  dem  Knaufe  einerseits,  und  zwischen  diesem  und 
der  Cuppa  andererseits  ein  überleitendes  Zwischenglied.^  Aufserdem  er- 
wähnen wir  noch  die  Darstellung  des  Kelches  auf  einem  Elfenbeindeckel 
mit  dem  Relief  eines  celebrierenden  Priesters  (IX.  oder  X.  Jahrh. 
in  der  Stadtbibliothek  zu  Frankfurt  a.  M.:  derOberteil  erscheint 
hier  einer  doppelt-gehenkelten  antiken  Vase  ähnlich  und  hat  über 
dem  Knaufe  eine  muschelartige  Verzierung;  der  Fufs  zeigt  die 
Trichterform.  ^  Nach  der  Beschreibung ,  welche  Adam- 
nan  im  VU.  Jahrh.  nach  eigener  Anschauung  von  dem 
Kelche  giebt,  der  in  Jerusalem  als  der  bei  der  Ein- 
Fig.  79.  Setzung  des  heil.  Abendmahles  von  Christo  selbst  ge- 

brauchte gezeigt  wurde,  war  auch  dieser  gehenkelt, ^ 
und  schon  bei  Plinius  (Hist  nat.  1.  36  c.  29)  kommen  *caHces  pieroti<^j 
Kelche  mit  Flügeln  oder  Henkeln  vor.  —  Vgl.  oben  8.  217. 

42.  Bei  den  Kelchen  des  Xu.  und  XIII.  Jahrhunderts  hat  die 
Trinkschale  mehr  oder  weniger  die  Form  einer  Halbkugel,  der  grofse 
runde  Pufs  ist  flach  und  gestaltet  sich  in  der  Mitte  in  geschwungener 
Linie  zu  einem  kurzen  cylindrischen  Schafte,  der  zuweilen  auch  sich 
oberhalb  des  kugeligen  Knaufes  als  Träger  der  Cuppa  noch  fortsetzt 
In  den  schönsten  und  anmutigsten  Verhältnissen  sind  besonders  mehrere 
Kelche  gebildet,  welche  aus  der  Übergangszeit  des  XTTT.  Jahrh.  stammen 
und  im  ganzen  zwar  dem  älteren,  romanischen  Typus  getreu,  dennoch 
schon  in  dem  eckig  gestalteten  Knauf  und  in  einzelnen  Ornamenten, 
sowie  in  der  schmucklos  und  schlicht  gehaltenen  Cuppa  auf  die  folgende 
gotische  Periode  hindeuten. 

Kelche  aus  dem  XU.  Jahrh.  sind  sehr  selten  und  aus  der  ersten  Hälfte 
desselben  kaum  nachgewiesen.^  —  Im  Stifte  St.  Peter  in  Salzburg  zeigt 
der  völlig  schmucklose  Vitaliskelch  die  Schale  bereits  in  Halbkugelform; 
der  Fufs  aber  ist  noch  trichterförmig  und  zwischen  Knauf  und  Cuppa  noch 
ein  Perlstab.^  —  Die  Kirche  zu  Trzemeszno  (Tremessen)  in  der  Provinz 


»  Abb.  Lübke,  W.,  Vorschule',  137.  Fie.  144. 

*  Vergl.  die  oben  S.  175,  Note  2  angefimrten  Abbildungen.  —  Fast  buchstäblich 
stimmt  dieser  Mefskelch  überein  mit  einer  kleinen  goldenen  Vase,  welche  neben  Mün- 
zen aus  demVL  Jahrh.  zu  Gouidon  bei  Chalons-sur-Saone,  in  neuerer  Zeit  gefunden 
worden  ist;  vergL  die  Abbild,  in  de  Caumont,  Abecedaire  (4.  ed.)  I,  66. 

3  Mabillon,  Act.  SS.  Ord.  8.  Bened.  S.  lU.  I,  506  (Pariser  Ausgabe),  angeführt 
von  aus'm  Weerth,  a.  a.  0.,  93. 

*  Im  Dome  zu  Hildesheim  befindet  sich  ein  nur  gegen  0,o78  hoher  Grabkelch  aus 
dem  Steinsame  des  Bischofs  Udo  (f  1116),  dessen  Form  uns  nicht  bekannt  ist.  Vergl. 
Kratz,  im  Korrespondenzblatt  etc.  1857.  Beilage  zu  No.  4.  8.  3,  No.  27.  —  Der  zin- 
nerne Kelch  aus  dem  Grabe  des  1152  gest.  Erzo.  Albero  von  Trier  (v.  Wilmowsky, 
a.  a.  0.,  Taf.  DI)  hat  den  flachrunden  Knauf  fast  dicht  unter  der  halbkugeligen  am 
Rande  ausgebogenen  Cuppa  von  0,o8ft  Durchm.  imd  ist  0,o88  hoch,  mit  sehr  schlankem, 
bis  an  den  King  unter  dem  Knaufe  0,os5  hohen  Fulse. 

»  Abb.  Östr.  Ati.  LDI,  2. 


Kelche.   Xm.  Jahrh.  223 

Posen  besitzt  zwei  Prachtkelche  ans  der  Blütezeit  der  romsniBchen  Kunst: 
der  eine  hat  noch  einen  fast  trichterfSrmigen  Fnb,  so  dafs  ein  besonderer 
Schaft  nicht  ersichtlich  ist;  derFufs  des  anderen  ist  flach  mit  kurzem  Schaft. 
Bei  beiden  Kelchen  bildet  der  Knauf  ein  quer  gestelltes  Oval,  worauf,  nur 
durch  einen  Perlstab  getrennt,  die  halbkugelige,  am  Rande  etwas  auage- 
bogene  Cuppa  ruht.    Beide  Kelche  sind  aus  vergoldetem  Silber  und  reich 
gescbmtlckt:  bei  ersterem  mit  figOrlichen  Darstellungen  in  Niello  und  blau 
emaillierten  Zwischenräumen,  bei  dem  anderen  in  getriebenen  Reliefs.*  — 
Das  prachtvollste,  nur  von  dem  oben  S.  218  beschriebenen  f'a/ixmjnf^/ma/jf 
zu  Wllten  übertroffene  Exemplar  eines  bischoflichen  Pontifikalkelches  be- 
wahrt die  1146  gegründete  Oodehardskirche  zu  Hildesheim  als  Geschenk 
ihres  Stifters,  des  Bischofs  Bernhard  (t  1153):  er  ist  ans  vergoldetem  Silber, 
gegen  0,19  hoch  und  zeigt  auf  dem  Fufse  vier  alttestamentliche  Scenen  in 
getriebener  Arbeit,   an  der  Cnppa  eben  so  viele  Parallelbilder  aus  dem 
neuen  Testamente  und  in  den  Zwischenräumen  und  am  Knaufe  ein  mit  Edel- 
stein besetztes  Filigrangeflecht.'  —  Ausgezeichnet  ist  auch  ein  dem  be- 
ginnenden XIII.  Jahrb.   zugeschriebener 
Prachtkelch  aus  vergoldetem  Silber  von 
fastO,209  Höhe  bei 0,144  Durchmesser  am 
oberen  Rande  und  0,14S  Durchmesser  des 
Fufses,  in  St.  Aposteln  zu  Köln:  auf  dem 
letzteren  liegen  vier  Medaillons  mit  neu- 
testameutlichen  Reliefs  und  die  Zwischen- 
räume zeigen  die  gravierten  Evangelisten- 
zeichen; der  Knauf  hält  in  den  Durch- 
brechungen eines   Filigrannetze s   zartes 
Laubwerk  mit  erdbeerfthnlichen  Frflchten, 
and  um  die  Cuppa  ISuft  eine  Arkaden- 
reihe mit  den  zwölf  Aposteln  in  gravierter 
Arbeii*  —  Mit  dem  eben  beschriebenen 
sind  nahe  verwandt  ein  etwas  kleinerer 
Kelch  in  der  Moritzbergerkirche  zu  Hil- 
desheim* und  ein  etwas  gröfberer,  aber 
minder  eleganter  Kelch  im  Museum   zu 
Basel  (mit  einem  rings  am  die   Cnppa 
gravierten,    ornamentierten   Rundbogen- 
fries und  mit  den  erhabenen  Evangelisten-     "«■  >"■  k«1i*  '■  st.  AMwtoio  n  kkih 
zeichen  in  vier  Medaillons  auf  dem  Fufse).*  *°* 

Beide  Kelche  wurden  in  gotischer  Zeit  mit  hohen  Deckeln  versehen,  der 
Hildesheimer  zum  Gebrauche  als  Ciborium,  der  Basler  zur  Aufnahme  von 
Reliquien.  Letzterer  ist  dadurch  noch  besonders  wichtig,  dafs  nach  der  den 
Donator  nennenden  Inschrift  am  Fufse  die  Entstehungszeit  als  zwischen 


ezdziecki,  Alex.,  et  Bastawiecki,  Ed.,  Honuments  du  Moyen-äge  dans 
Pologne  (Varsovie  et  Paris).   8er.  1;  vergL  Weifs,  a.  a.  0-,  16. 

Vergl.  Kratz,  a.  a.  0.,  No.  2». 

Abbild,  bei  Bock,  das  heil  Köhi.  Taf.  XXVHI,  92. 
>         >    DidroD,  Annalea  archeol.  XIX,  140. 

Photogr.  Mitt.  d.  Ges.  f.  vaterl.  Altert  in  Basel  IX,  11. 


»24  Kelche.   XHI.  Jahrfi. 

1243  und  1269  fallend  bestimmt  ist.   Verwandt  sind  diesem  ferner  die  gn- 
vierte  Cappa  eines  Pontiflkalkelchee  im  Stifte  Lambach  aus  dem  Anfange 
dea  XIII.  Jahrb. '  und  der  mit  einem  Rena issancebe eher  versehene  Fnfs  in 
der  Dresdener  Hofkirche, ^  sowie   der  Kelch  der  Wallfahrtskirche   zn 
Fraaenberg  bei  Zülpich,*  der  aber  am  Fufse  und  am  unteren  Teile  der 
Cuppa  getriebenes  romanisches  Ornament  und  glatten  Knuaf  hat,  von  aos'm 
Weerth  der  2.  HSifte  des  XU.  Jahrh.  zugeschrieben.  —  Ein  Kelch  in  der 
Marienkirche  zu  Bergen  auf  RUgen*  mit  mndem  Fufa  und  Knauf,  völlig 
mit  romaniachem  Rankeuwerk  in  Filigran,  Perlen  und  OlasflflBsen  bedeckt, 
wird  gleichfalls  noch  dem  XII.  Jahrh.  zugeach rieben.    Dagegen  zeigt  ein 
Kelch  im  Dome  za  Flock,   inschiiftlich  bezeugt  als  Geschenk  des  Her- 
zogs Konrad  von  Hasovien  (1191 — 1247)  in  dem  achteckigen  Nodua  und 
in  dem  gravierten  Vierblatt- Ornamente  schon  Anklinge  an  die  Ootik;  die 
Oravieningen  des  Fufses  zeigen  den  Cmcifixns  (als  Signaculnm)  mit  Jo- 
hannes und  ninf  Propheten,  die  der  Cappa  vier  Uedaillons  mit  neutesta- 
mentlichen  Scenen  in  unbeholfener  Zeichnung.^    Künstlerisch  in  jeder  Be- 
ziehung, und  durch  die  edelste  Einfachheit  ausgezeichnet  war  dagegen  der 
in  Form  und  Technik  einigermafsen  ahnliche,  ebenfalls  schon  einige  gotische 
Anklänge  verratende  Kelch  in  der  Johann iterkirche  zu  Werben,  welcher, 
neuerdings  durch  diebische  H&nde  zerbrochen,  nur  noch  in  Bruchstücken 
vorhanden  ist.    Et  war  0,16  hoch,  in  der  regelmfifsig  halbkugel  förmigen 
Schale  und  im  Fufse  0,i&  breit.   Erstere  war  mehr  am  Grunde  mit  vier  gra- 
vierten alttestamentlichen  Rund- 
bildern geachmnckt,  die  durch 
flach  -  erhabene    Omamentatrei- 
fen  verbunden  waren ;  letzterer 
zeigte  ebenfalla  vier  gravierte 
Rundbilder,  zwei  aus  dem  alten 
Testament   und  zwei  ans  dem 
neuen  (die  Verkündigung  und  zu- 
gleich als  Signacnlnm  die  Kreu- 
zigung).    Der  Knauf  hatte  die 
Form  zweier  aich  durchschnei- 
dender Tönnchen  und  war  an  den 
Tier  Seiten  mit  den  Medaillons 
der  Evangelistenzeichen  in  Re- 
lief geschmflckt.*  —  Bei  Befol- 
gung des  romanischen  Grundty- 
pus zeigt  ein  Kelch  im  Kloster 
Zehdenik(0,]8  hoch,  oben  0,14. 
F.,.  81.   K-oh  «  2.hd«ik  (.«b  T.  q™o.  „„jg^  o,l6)  breit)  clue  schlichte 

halbkugelige  Cuppa,  einen  weit  vortretenden,  nach  oben  nnd  unten  durch 

'  ÖBtr.  AU.  LIH,  7—16. 

*  Phot.  Dresdener  Ausstellung.  Taf.  6. 

»  aus'm  Weerth.  Tftf.  Ul,  1. 

■*  Abb.  in  Orig.-GrÖ!!se :  Gewerbohalle  1680.  Taf.  5;  Prüfer,  Archiv.  H.  Tat.  17. 

'  Abbild,  bei Tnezdzieoki  und  Rastawiecki,  a  a.  0.,  Ser.  2  Livr.  25. 

«  Abb.  Zeitschr.  f.  oh.  A.  u.  K.  I.  El.  4. 


Kelche.  Xm.Jahrli.  225 

achteckig-prismatische  Anläufe  mit  dem  Schafte  verbundenen  Knauf  mit  acht 
kleinen  y  die  Evangelistenzeichen  und  einen  viermal  wiederholten  Christus- 
kopf darstellenden  Relief-Medaillons,  und  auf  dem  Fufse  vier  erhabene  Me- 
daillons mit  neutestamentlichen  Bildern  und  dazwischen  angeordneten  Engeln 
mit  Spruchbändern;  das  der  Natur  nachgebildete  Pflanzenornament  (Wein- 
laub und  Eichenblätter)  am  Ständer  und  Knauf  deutet  dagegen  auf  die  der 
Gotik  eigentümliche  Schmuckweise.  ^  —  Dem  Zehdenicker  sehr  nahe  ver- 
wandt ist  ein  im  Dome  zu  Regensburg  befindlicher ,  der  aber  statt  der 
Eichenblätter  Fleurdelys  hat,  in  den  Reliefs  am  Fufse  Petrus,  Paulus,  Salomo, 
David ,  Elias  und  Henoch  und  in  den  Emaillen  des  Knaufs  2  Engel  und 
4  Heilige  zeigt^,  und  ein  anderer  im  Domschatze  zu  Limburg  a.  Lahn  mit 
4  Emailmedaillons  am  Knaufe  und  6  Niellen  am  Fufse.'  —  Eine  etwas 
niedrigere  Cuppa  mit  etwas  umgebogenem  Rande  hat  der  ebenfalls  ähnliche, 
aus  dem  Kloster  Mariensee  bei  Hannover  stammende,  im  German.  Museum 
zu  Nürnberg,  dessen  Niello- Medaillons  am  Fufse  die  Kreuzigung  mit  den 
3  alttestamentlichen  Typen,  und  die  am  Knauf  zwischen  Filigranomament 
den  Christuskopf,  das  Agnus  und  die  Evangelistenzeichen  enthalten,  wäh- 
rend die  dazu  gehörige  Patene  in  den  Zwickeln  der  Vertiefung  Engelbrust- 
bilder hat.^  —  Endlich  eine  parabolische  Cuppa  hat  der  ebenfalls  ähnliche 
in  der  Fttrstl.  Kunstkammer  zuSigmaringen^  mit  6  Emaillen  der  Geburts- 
und Passionsgeschichte  zwischen  Engelreliefs  am  Fufse  und  6  Apostelbrust- 
bildem  in  Email  auf  den  Knöpfen  des  Nodus,  die  dazu  gehörige  Patene  hat 
im  Fond  den  Salvator  in  Email.  —  Dem  Zehdenicker  aufserordentlich  ähnlich 
ist  femer  ein  Kelch  in  der  Marienkirche  zu  Stendal,  nurdafs  er  am  Knaufe 
statt  der  Reliefs  Emaillen  mit  den  Evangelistenzeichen,  dem  Agnus  dei  und 
dem  Pelikan  und  am  Fufse  6  Medaillons  mit  der  Geschichte  Christi  (von 
denen  sich  Abgüsse  auf  einer  Glocke  der  Katharinenkirche  zu  Brandenburg 
von  1345  finden)  und  in  den  Zwickeln  zwischen  ihnen  wieder  Emaillen  hat.  — 
Ganz  übersponnen  mit  Rankenwerk  aus  Weinlaub,  an  geeigneten  Stellen  von 
Edelsteinen  unterbrochen,  erscheint  als  Kunstwerk  ersten  Ranges  und  wohl 
ohne  gleichen  ein  Kelch  der  Nikolaikirche  zu  Berlin,  der  aufserdem  an  der 
niedrigen  breiten  Cuppa,  am  Nodus  und  am  Fufse  mit  (steif  gezeichneten) 
figürlichen  Darstellungen  in  Flachrelief  belegt  ist:  an  der  Cuppa  die  Ma- 
donna inmitten  der  Apostel,  am  Fufse  der  Crucifixus,  zu  dessen  Seiten  das 
Donatorenpaar,  Markgraf  Otto  UI.  von  Brandenburg  (1220 — 1267)  mit 
seiner  Gemahlin  kniet.  ^  —  Sämtliche  vorgenannten  Kelche  sind  aus  vergol- 
detem Silber. 


»  Abb.  Zeitsohr.  f.  eh.  A.  u.  K.  ü.  Bl.  7. 

>  Becker-  v.  Hefner.  HI.  Taf.  43. 

3  Photogr.  Frankfurter  Ausst.  Taf.  93. 

-*  Vergl.  Anzeiger  G.  M.  1873.  No.  6,  mit  Abb. 

*  V.  Hefner-Alteneck.  Taf.  13—15. 

•  Vergl.  Pischon,  über  einen  alten  Kelch  und  eine  Patena  in  der  St.  Nikolaik. 
in  Berlin,  im  N.  Jahrb.  der  Berlin.  Gesellsch.  fiir  deutsche  Spr.  u.  Altertumskunde. 
V,  255  —  260.  —  T.  Quast,  im  Korrespondenzblatt  etc.  1858.  (Vn.)  No.  3.  S.  33.  — 
Auf  der  Patene  ist  der  Bruder  u.  Mitregent  Ottos  Markgr.  Johann  I.  (1220 — 1266)  mit 
seiner  Gemahlin  dargestellt,  wobei  jedoch  zu  bemerken  bleibt ,  dafe  auch  des  letzteren 
älteste  Söhne,  Johann  ü.  (f  1282)  u.  Otto  IV.  (f  1308)  als  Donatoren  gemeint  sein 
könnten. 

Ott«,  Kanst-Archi&ologie.    5.  Aufl.  15 


226  Gotische  Kelche. 

Kelche  romanischen  Stils  werden  sonst  noch  aufbewahrt  im  Schatze  von 
St.  Ulrich  zu  Augsburg,^  in  der  Kirche  zu  Ottenbeuern,^  ein  schlichter 
im  Domschatze  zu  Salzburg,'  ein  mit  Edelsteinen  besetzter  in  der  Stifts- 
kirche zu  Tübingen*  und  ein  einfacherer  mit  5  Medaillons  am  Fufse  in  der 
Kirche  zu  Ostdorf  in  Württemberg,*  ein  sehr  zierlicher  mit  den  Relief- 
figuren der  an  Pulten  schreibenden  Evangelisten  am  Fufse  in  der  Stadt- 
kirche zu  Dippoldiswalde  und  ein  anderer  ähnlicher  in  der  Kirche  zu 
Frankenberg  bei  Chemnitz  mit  fast  halbkugliger  Cuppa,  sechsfach  geteiltem 
Knaufe  und  4  Medaillons  auf  dem  flachen  Fufse, *  ein  bis  auf  den  Rand  der 
Cuppa  ganz  mit  Laubwerk  bedeckter,  dessen  Signaculum  aus  5  ins  Kreuz  ge- 
stellten Glasflüssen  besteht,  in  der  Katharinenkirche  zu  Osnabrück, "^  ein 
silberner  mit  4  Reliefs  am  Fufse  mit  dazu  gehöriger  Patene,  in  deren  Vertie- 
fung die  thronende  Jungfrau  mit  dem  Kinde  graviert  ist,  zu  Gronau  im  Für- 
stentum Hildesheim,  ein  schlichterer  mit  4  Reliefs  am  Fufse  zu  Wittingen 
im  Amte  Isenhagen,  andere  zu  Braunschweig  und  Halberstadt, ^  endlich 
einer  zu  Siegburg.® 

43.  Wenn  bei  den  Kelchen  der  romanischen  Periode  in  allen  Details 
die  Kreislinie  vorherrscht,  so  tritt,  den  Prinzipien  des  sich  auch  der 
omamentistischen  Künste  bemächtigenden  gotischen  Baustiles  gemäfs,  im 
XIV.  bis  XYI.  Jahrhundert  das  Polygon  und  der  Spitzbogen  allmählich 
an  deren  Stelle,  wovon  eine  gröfsere  Schlankheit  in  der  äufseren  Er- 
scheinung der  durchschnittlich  0,16  bis  0,21  hohen,  regelmäfsig  aus  ver- 
goldetem SUber  verfertigten  Kelche  die  notwendige  Folge  war.  Die 
Cuppa  verläfst  die  Halbkugelform,  wird  eiförmig,  kegelförmig,  zuletzt 
geschweift  oder  kuppelartig  gerundet  Der  in  der  frühromanischen  Zeit 
ganz  fehlende,  später  sich  einschiebende  Ständer  wird  zu  einem  selb- 
ständigen Hauptteile  und  nimmt  statt  der  bisherigen  kreisrunden,  bald 
die  vieleckige  Gestalt  an.  Der  Knauf  bleibt  zwar  anfangs  noch  eine 
plattgedrückte  Kugel,  jedoch  mit  vielen  Einkerbungen,  so  daß  der  Quer- 
schnitt desselben  einen  Stern  mit  abwechselnd  abgerundeten  und  spitzen 
Strahlen  bildet;  häufiger  indes  treten  aus  dem  flachrunden  Nodus  sechs 
runde  oder  übereckgestellt  viereckige  Zapfen  (rotuli)  hervor.    Der   Pufs, 

«  Abbüd.  bei  Sighart,  J.,  125. 

«       »         »    Postelmayr,  derSt.  ülrichskelch  in  der  Klosterk.  zu  Ottenbeuem, 
im  Jahresber.  d.  bist.  V.  v.  Schwaben  u.  Neubui^.  XVn  u.  XVm  zu  S.  12  fif. 
3  VergL  Mitt  C.-K.  VI,  45. 

•  »       Bunz,  Stiftsk.  Tüb.,  69. 

•  Abb.  Chr.  K--B1.  1876,  62. 

•  Vergl.  Maurer,  Mittelalter!.  Kelche  in  Sachsen,  in  den  Mitt.  des  Freiberger 
Altert.-V.  1864,  274—276,  und  am  ob.  ang.  0. 

^  Abb.  Mitt.  d.  bist.  V.  zu  Osnabr.  Xl.  Taf.  1. 

•  VergL  Bock,  Fz.,  die  Goldschmiedekunst  des  Mittelalters,  20. 

•  Abb.  in  Orig.-Grö&e  bei  Cahier,  Ch,  Nouv.  moL  d'arch.  (Decoration  d'eglises) 
1875.  EU,  248.  —  Die  Abb.  eines  nicht  mehr  vorhandenen,  sehr  mteressanten  Kelches 
aus  dem  XHI.  Jahrh.  (aus  Gerbert,  Vetus  üturgia  Alemann.)  bei  Didron,  Annales. 
m,  206. 


Gotische  Kelche.  227 

anfangs  noch  kreisrund,  zerlegt  sich  in  die  Form  der  sechsblätterigen 
Eose  und  steigt  steil  zum  Ständer  empor.  ^  —  Dem  Ornamente  ist  in 
der  gotischen  Periode  bei  den  Mefskelchen,  anscheinend  aus  liturgischen 
Eücksichten,  ein  engeres  Feld  angewiesen:  es  beschränkt  sich  meist  auf 
Ständer,  Enauf  imd  Fufs  und  besteht  in  der  Eegel  aus  architektonischem 
Mafswerk,  seltener  aus  der  Natur  nachgebildeten  Blättern.  Die  Schilder 
der  sechs  Rotuli  sind  häufig  emailliert  oder  nielliert  und  mit  den  Buch- 
staben des  Namens  Jesu  tl|e$ti0,  auch  f  marta  bezeichnet  Auf  dem 
Fufse,  dessen  Band  oft  von  Vierblättchen  durchbrochen  erscheint,  ist 
fast  regelmäfsig  der  kirchlichen  Vorschrift  zufolge  das  Signaculum  an- 
gebracht, auch  nach  alter  Sitte  oft  eine  ringsum  laufende  Inschrift  mit 
den  Namen  der  Donatoren. 

Die  anscheinend  ältesten  Kelche  der  gotischen  Periode  mit  rundem 
Fufs  und  Ständer,  eingekerbtem  Pomellum  und  niedriger  breiter 
Schale y  sonst  ganz  einfach,  sind  schon  seltener;  wir  nennen  nach  den  vor- 
liegenden Abbildungen :  einen  Kelch  zu  Emmerich^  und  einen  (nicht  näher 
'  bestimmten)  Grabkelch  im  Dom  zu  Magdeburg,^  beide  noch  mit  halb- 
kugeliger, aber  am  Rande  scharf  ausgebogener  Cuppa ;  ferner  einen  Kelch 
mit  gotischer  Cuppa  in  dem  Dorfe  Haffen  bei  Rees,  auf  dem  Fufse  mit  vier 
ciselierten  Medaillons  mit  dazwischen  gravierten  Engeln  verziert,  ^  den  Mein- 
werkskelch  im  Dom  zu  Paderborn  mit  flacher  breiter  Cuppa, ^  endlich  die 
drei  Magdeburger  Sepulchralkelche  mit  geschweiften  Cuppen.  Runden 
Fufs  und  Ständer  und  den  Knauf  ohne  Einkerbungen  hat  der,  abgesehen 
von  der  eiförmigen  Cuppa,  ganz  dem  in  St.  Aposteln  zu  Köln  gleichende 
Kelch  im  Stifte  zu  Admont,  der  von  1350  datiert  ist.^  —  Zwar  runden 


*  Ungewöhnlich  ist  an  einem  frühgotischen  Kelche  in  St.  Zeno  bei  Reichen- 
hall von  ca.  1300  der  Fufs  achtteilig  aus  4  gröfseren  und  4  kleineren  Kreissegmenten 
zusammengesetzt;  noch  ungewöhnlicher  die  Gestaltung  des  FuTses  aus  dem  Fünfeck 
an  dem  spätgotischen  Kelche  in  St.  Jakobi  zu  Greifs wald,  s.  Abb.  in  Prüfer, 
Archiv,  n,  55.  56.  Eine  sichere  Chronologe  nach  der  Entwicklung  der  Formen  ist 
übiigens  so  weni^  bei  den  gotischen  als  bei  den  romanischen  Kelchen  durchzuführen, 
soweit  sie  nicht  mschnftlicn  feststeht,  denn  der  einzelne  Goldschmied  befolgte  nicht 
immer  die  neuesten,  sondern  oft  ältere  Vorbilder,  oder  gab  sich  eigenen  Neigungen 
hin.  So  hat  der  im  Grabe  des  Erzb.  Burchard  von  Mf^eburg  (f  1325)  gefundene 
Kelch  bereits  eine  häMich  geschweifte  Cuppa,  während  die  Grabkelche  der  Erz- 
bischöfe Otto  (t  1861)  und  Jonann  (f  1475)  eine  angenehmere  Schweifung  zeigen;  bei 
«rsterem  ist  der  Durchschnitt  des  ein  gekerbtes  Pomellum  bildenden  Knaufes  em  zehn> 
strahliger,  bei  letzterem  ein  achtstrahfiger  Stern;  Fuis  imd  Ständer  sind  rund;  man 
wird  daher  z.  B.  das  Eselsrückenprofil  oer  Cuppa  nicht  immer  als  einen  Beweis  später 
Entstehungszeit  annehmen  dürfen.  —  Die  Abbüd.  der  genannten  Grabkelche  bei  Bösen - 
thal,  Dom  zu  Magdeburg.  lief.  V.  Taf.  I,  2  u.  3. 

*  Abbild,  bei  aus'm  Weerth.  Taf.  11,  6.  Der  Fuis  dieses  Kelches  ist  als  modern 
verdächtig. 

^  Abbild,  bei  Rosenthal,  a.  a.  0.,  Fig.  1. 

*  ^        aus'm  Weerth.  Taf.  XXI,  6. 

*  »        bei  Gie fers,  über  den  Altarkelch.  Fig.  1. 

*  Vergl.  Findeys,  im  Kirchenschmuck.  Sekkau  1873,  No.  7  mit  Abb.  in  natür- 
licher Grölte,  kleinere  Seemann.  CL,  6. 

15* 


228  Gotische 

Fnfs  und  Ständer,  aber  abweichende  Nodusbildung  zeigen  ein  Kelch 
im  Domschatze  zu  Mainz  mit  6  runden  Zapfen  an  dem  runden  Knaufe;^ 
ein  ähnlicher  im  Dome  zu  Eichstädt  mit  den  Reliefmedaillons  Christi  und 
der  Evangelistenzeichen  am  Fufse  und  am  Knaufe  deren  des  Crucifixus  und 
der  h.h.  Wilibald,  Wunibald  und  Walburgis,*  einer  zu  Wewer  bei  Paderborn 
mit  sechs  viereckigen  Zapfen  an  dem  eckigen  Knaufe;'  ein  Kelch  zuElten- 
berg  mit  eiförmiger  Cuppa,  sphäroldischem  Knauf  und  den  Evangelisten- 
zeichen in  vier  Medaillons  auf  dem  Fufse;  Ständer  und  Nodus  mit  stilisier- 
tem  Blattwerk  geschmückt;^  der  fast  0,24  hohe,  goldene  Bemwardskelch  im 
Dome  zu  Hildesheim,  ein  seltenes  Prachtexemplar,  und  nach  der  Mitte 
des  XIV.  Jahrh.  wahrscheinlich  aus  dem  ursprünglichen  Bemwardskelche 
umgearbeitet:  auf  dem  Fufse  erscheinen  zwischen  7  gravierten  Rundbildern 
aus  dem  N.  T.  14  Edelsteine,  zum  Teil  antike  Gemmen  und  Kameen;  den 
kurzen  Ständer  umsäumt  oben  und  unten  ein  Palmettenband,  der  Knauf  be- 
steht aus  einem  12  eckigen  Topas  von  fast  0,08  im  Durchmesser  bei  0,05 
Höhe,  die  eiförmige  Cnppa  endlich  schmückt  unter  umlaufenden  Zacken- 
bögen die  gravierte  Darstellung  des  heil.  Abendmahles;^  die  Grabkelche  der 
Erzb.  Günther  (t  1445)  und  Friedrich  (t  1464)  von  Magdeburg:  ersterer 
mit  einem  gotisch  gegliederten  Ringe  anstatt  des  Nodus,  letzterer  mit  run- 
den Zapfen  an  dem  mit  Mafswerk  geschmückten  Knaufe;*  ein  0,17  hoher 
mit  4  Emaillen  (Christus,  Maria,  Nikolaus  und  Katharina)  am  Fufse  und 
sechs  aus  dem  Knaufe  heraustretenden  im  Vierpafs  geformten  Cylindem  mit 
dem  Christuskopf  und  den  Evangelistensymbolen  auf  den  Stirnflächen  im 
Germanischen  Museum  zu  Nürnberg;^  ein  silberner  mit  den  Medaillon» 
der  Evangelistensymbole  und  der  Stigmatisation  des  h.  Franziscus  am  Fufse 
von  ca.  1395  zu  Ohrenbach  bei  Rothenburg  ob  d.  Tauber;^  ein  vielleicht 
älterer  mit  6  Reliefmedaillons  der  Werke  der  Barmherzigkeit  auf  dem  Fufse 
und  einer  Reliquie  des  Apostels  Paulus  im  durchbrochen  gearbeiteten  vier- 
teiligen Knaufe  in  der  St. Paulikirche  zu  Brandenburg.^  —  Mit  eckigem 
Ständer,  runden  Zapfen  an  dem  Nodus  und  Mafswerkverzierung  er- 
scheinen die  Kelche  zuRüthen  (um  1318)  und  zuDörenhagen  bei  Pader- 
born (um  1370).^®  Ein  sehr  reich  geschmückter  0,24  hoher,  der  auf  dem 
Fufse  6  Emaillen  mit  Passionsscenen ,  am  6  teiligen  Knaufe  in  Email  die 
Evangelistensymbole  und  Pelikan  und  Phönix  zwischen  musicierenden  Engeln^ 
und  oberhalb  und  unterhalb  derselben  in  3  Reihen  unter  Bogenreihen  die 
12  Apostel  und  6  sitzende  Propheten  in  zierlichen  Figürchen  trägt,  im  Dome 
zu  Osnabrück  —  der  Stifter  Gerhard  Kelemann  hat  um  1330  gelebt. 


^  Beschrieben  Yon  Bock,  Fz.,  die  Goldschmiedekanst  des  Mittelalters,  13. 

*  Abb.  in  Originalgröfse  bei  Cahier,  Gh.,  Nouv.  mel.  d'arch.  (decoration  d'egL) 
III,  217  f. 

3  Giefers,  a.  a.  0.,  Fig.  2. 
^  aus'm  Weerth.  Taf.  11,  1. 

*  Kratz,  Dom  zu  Hüdesheim.  Taf.  V,  1. 

*  Rosenthal  a.  a.  0.,  Fig.  4  u.  5. 
'  Anz.  G.  M.  1868.  Sp.  3.  Fig.  2. 

8  Vergl.  Chr.  K.-Bl.  1874,  88,  mit  Abb. 
•       »  Abb.  Chr.  K.-Bl.  1875,  131. 

»  Giefers,  a.  a.  0.,  Fig.  4  u.  3;  Becker-  v.  Hefner.  II.  Taf.  27. 


Auch  ein  Kelch  in  der  Hofbnrgkapelle  zn  Wien  vom  J.  1438  gehört  noch  zu 
dieser  Gattung.  ■ 


Die  grofse  Mehrzahl  der  gotiachen  Kelche,  deren  noch  viele  erhalten 
sind,  hat  einen  sechablätterigea  Fnrs,  aechseckigen  Ständer  und  Zapfeaknauf, 
meist  mit  Marewerkverzierang,  seltener  mit  Laubwerk.  Zwei  reiche  Pracbt- 
kelche  befinden  eich  zu  Kloaterneuburg;^  der  eine  von  0,iaHöhe  (Inder 
Schatzkammer)  ans  dem  J,  1337  mit  glatter  kegelförmiger  Cnppa,  ist  bis 
zum  Ornnde  derselben  mit  erhaben  aufgelegten  Ornamenten  ganz  bedeckt; 
auf  dem  Fufse  drei  neu  testamentliche  Rundbilder  in  Email.  Der  andere  (in 
der  Prälaturkapelle)  ist  nicht  blofs  an  den  unteren  Teilen,  sondern  aneh 
rings  nm  den  Omod  des  kuppelfSrmigen  Bechers  mit  emaillierten  Figuren- 
Ornamenten  und  einem  erhabenen  Traubenkranze  geschmückt.  Kelche,  die 
diesen  sehr  ähnlich  sind  und  einer  Schnle  angehören,  die  wahrscheinlich  in 
Wien  ihren  Mittelpunkt  hatte  und  sich  von  der  rheinischen  und  nord- 
dentschen  leicht  unterscheiden  läfst,  aber  in  der  Zeit  von  1429—1550  sich 
in  Technik  und  Form  so  völlig  gleich  blieb,  dafa  nähere  Zeitbestimmungen 
sich  nnr  durch  Inschriften  ermitteln  lassen,  finden  sich  in  Österreich,  Schle- 
sien, Steiermark,  Kämthen,  Kroatien  und  Ungarn  zahlreich, '  kommen  jedoch 
anch  z.  B.  im  Aachener  Domschatze  vor,*  dagegen  stammt  der  ebenfalls 


'  Tergl.  EssenweiD,  Krakau,  161  ff., 
Exemplue  dieHer  Familie  abgebildet  sind. 
'  Bock,  Ptalztap.  I,  2.  Fig.  50—52. 


230  Spätgotische  Kelche. 

ähnliche,  nur  viel  reicher  im  Relief  ornamentierte  im  Stifte  St.  Paul  in  La* 
vant  aus  St.  Blasien  im  Schwarzwalde.  ^  Einfacher  ist  ein  Kelch  aus  ver- 
goldetem Kupfer  von  1466  mit  Gravierungen  der  Maria  und  mehrerer  Hei- 
ligen an  der  Cuppa  zu  Maria  Saal  in  Kämthen.'  —  Die  katholische 
Hauptpfarrkirche  zu  Wesel  bewahrt  einen  0,22  hohen,  oben  0,11,  unten  0,ia 
breiten  Kelch  vom  Ende  des  XV.  Jahrh. ,  mit  den  Wappen  der  Herzoge  von 
Kleve  und  der  Grafen  v.  d.  Mark  an  dem  mit  6  Darstellungen  aus  der  Pas- 
sionsgeschichte in  ciselierten  Figuren  geschmtlckten  Fufs,  mit  Mafswerkver- 
zierungen  am  Ständer,  mit  runden  Zapfen  am  Knaufe  und  einem  Blattorna- 
ment unten  am  Becher.'  —  Einfacher  sind  zwei  0,21  hohe  Kelche  in  der 
Pfarrkirche  zu  Kempen,^  der  eine  mit  reichen  Gravierungen  am  Fufse, 
mit  Mafswerk  an  Ständer  und  Nodus  und  Blättern  am  Grunde  der  Cuppa ; 
der  andere  mit  achtteiligem,  an  der  Basis  durchbrochenem  Fufs ,  mit  den 
erhaben  gearbeiteten  Passionswerkzeugen  am  Sockel  des  Ständers,  mit 
Apostelstatuettchen  vor  den  acht  Zapfen  des  Knaufes  und  eiförmiger  Cuppa. 
—  Andere  spätgotische  Prachtkelche  finden  sich  zu  Frankfurt  a.  M.  im 
Dome  mit  der  Crucifixusgruppe  und  5  gravierten  Heiligen  am  Fufse^  und  in 
St.  Leonhard  von  1480  mit  einem  in  seltsamer  spätgotischer  Architektur- 
weise durch  abgeschnittene  und  durcheinander  gesteckte  Rundstäbe  gebil- 
deten Knaufe;*  zu  Soest  in  der  Petrikirche;^  zu  Osnabrück  im  Dome 
mehrere,  darunter  ein  0,32  hoher,  unten  0,27,  oben  0,24  im  Durchmesser  hal- 
tender von  1468,*  der  ganz  mit  getriebenen  Verzierungen  bedeckt  ist,  an 
der  Cuppa  bis  auf  das  glatte  Mundstück  mit  Laubomament,  am  sechsteiligen 
Fufse  mit  neutestamentlichen  Reliefs  und  am  Nodus  mit  6  Heiligenstatnetten 
in  einer  Tabernakelarchitektur,  ferner  zwei  goldene  in  der  Johanniskirche 
und  ein  0,18  hoher  mit  Gravierungen  bedeckter  in  der  Katharinenkirche  ;^ 
zwei  zu  Minden  im  Dome  ;^^  zu  Hildesheim  im  Domschatze  ein  goldener 
aus  dem  ehemal.  Karthäuserkloster  mit  einem  Topas  als  Knauf  und  einer 
mit  emailliertem  Fufse,  sowie  einer  von  1500  in  der  Magdalenenkirche  ;^^ 
zu  Brannschweig  im  Herzogl.  Museum  ein  ganz  mit  Ranken  werk  über- 
sponnener,  mit  Passionsscenen  und  alttestamentlichen  Parallelen  dazwischen 
und  am  Fufse  den  beiden  Johannes,  Laurentius,  Stephanus,  Augustinus  und 
Georg  und  6  Medaillons  mit  der  Geschichte  der  Maria  und  ein  ebenfalls 
ganz  mit  Reliefrankenornament  bedeckter,  bei  dem  der  Ständer  als  roher 
Baumstamm  behandelt  ist,  und  am  Rande  der  Cuppa  sich  ein  grofser  halb- 
kreisförmiger  Ausschnitt  befindet,  in  der  Brüderkirche  St.  Ulrici ;  ^^  in  Sachsen 
schöne  zu  Werdau  mit  gravierten  Propheten  an  der  Cuppa,"  zu  Anna- 


«  östr.  Ati.  XVm,  6;  Seemann.  CL,  7. 

«     »        »     LXXXIV,  8. 

»  aus'm  Weerth.  Taf.  XXI,  8. 

•  das.  Taf.  XXH.  8  a.  10. 

»  Becker-  v.  Hefner.  I.  Taf.  55.    Photogr.  Frankfurter  Ausst.  Taf.  42. 

•  Photogr.  das.  Taf.  53. 

'  Aldenkirchen,  die  mittelalt.  Kunst  in  Soest.  Taf.  6. 

•  Bonner  Jahrb.  LXXI.  Taf.  4  zu  S.  133—186. 
»  Mitt.  des  hist.  Ver.  zu  Osnabr.  XI.  Taf.  2. 

»  Lübke,  Westfalen,  S.  424. 

"  Vergl.  Kratz,  im  Korr.-Bl.  Ges.-V.  1857.   Beil.  zu  No.  4.  No.  50.  56.  65. 

«  Photogr.  Münchener  Ausst.  Taf.  63. 

«         »        Dresdener  Ausst.  Taf.  39. 


Spätgotische  Kelche.  231 

berg  in  der  Annenkirche ^  und  zu  Zwickau  in  der  Marienkirche;'  zwei 
zu  Zeitz  in  der  Stephanskirche, ^  zwei  zu  Merseburg  im  Dome;  die  reichen 
Kelche  im  Schlosse  zuMarienburg^  und  in  der  Marienkirche  zuDanzig"^ 
haben  sämtlich  eine  Kapellenarchitektur  am  Knaufe.  —  Einfachere  spät- 
gotische Mefskelche  werden  angeführt  im  Niedermünster  und  St.  Emmeran 
zu  Regensburg,  zu  Aunkofen,  Eggenfelden,  Marklkofen,  Neukirchen, 
Wackendorf  und  in  St.  Jakob  zu  Straubing,  alle  im  Sprengel  von  Regens- 
burg;* inderDiöceseMünchen-Freising:  in  der  Pfarrkirche  zu  Wasser- 
burg (ein  Kelch  von  etwa  0,29  Höhe),  zu  Jasberg,  Trostberg  (vom  J.  1500), 
Loiblfing,  Törwang,  Steinkirchen,  Greimering,  Schlehring  in  der  Streichen- 
kapelle, Marzling  und  Altenhausen  (1535);^  in  der  Provinz  Brandenburg 
zu  Beeskow,  zu  Herzberg  beiBeeskow,  zu  Brandenburg  im  Dom  und  in  der 
Katharinenkirche ;  in  Pommern  drei  aus  dem  XIV.  Jahrh.  im 
Dome  zu  Kammin  ^  und  einer  in  Kemnitz  bei  Greifswald  ;^  zu 
Köln  mehrere  in  den  Kirchen  St.  Gereon,  Maria  Himmelfahrt, 
St.  Andreas,  im  Dom  und  in  St.  Martin. ^^  Alle  diese  Mefskelche 
sind  sehr  einfach  mit  glatten  Cuppen,  und  ihre  Schönheit  be- 
ruht lediglich  in  dem  gegenseitigen  Verhältnis  ihrer  einzelnen 
Teile.  —  An  Reliquienkelchen  war  auch  die  spätere  Gotik 
mit  Verzierungen  nicht  sparsam ;  das  Heiligtum  des  Domes  zu 
Halle  (Gang  IL  33)  bewahrte  einen  mit  Reliquien  vom  heil.  '' 

Kreuze  gefüllten  Kelch  (Fig.  84)  mit  geschweifter  Cuppa,  dessen  ganze  Ober- 
flache reich  ornamentiert  war. 

44.  Eben  solange  wie  für  den  Wein  die  Kelche,  sind  für  das  Brot 
im  heiligen  Abendmahle  seit  den  ältesten  Zeiten  diePatenen  im  kirch- 
lichen Gebrauche  (vergl.  oben  S.  215),  und  zu  jedem  Kelche  gehört  eine 
gleichzeitig  mit  demselben  geweihte  Patena,  von  dem  nämlichen  Stoffe 
und  in  verhältnismäfsiger  Gröfse  als  Decke  darauf  passend.  In  alter 
Zeit,  vor  der  gewöhnlich  in  das  XII.  Jahrhundert  gesetzten  allgemeinen 
Einführung  der  noch  jetzt  gebräuchlichen  Oblaten  in  Form  einer  Münze** 
hatte  man  auch  im  Abendlande,  wie  noch  gegenwärtig  bei  den  Griechen^ 
gröfsere  Schüsseln  für  das  Weihbrot,  und  neben  den  grofsen  Speise- 
kelchen gab  es  auch  gro&e  Patenae  mmisieriales.  Der  Form  nach  sind 
die  Patenen  rund  mit  flachem  Rande,  und  in  der  Mitte  entweder  in 
einem  kleineren,  zu  der  Cuppa  des  Kelches  passenden  Kreise,  oder  im 

»  Photogr.  das.  Taf.  6. 

>  Andreae,  Monom,  des  Mittelalters  im  Erzgebirge.  Taf.  44. 
'  Beschr.  Darstell,  etc.  Kr.  Zeitz,  LV,  56. 

*  Hildebrandt,  Ad.  M.,  herald.  Musterwerke  v.  d.  Ausstell,  fr.  Heraldik  zu  Ber- 
lin 1882.  Taf.  13. 

^  Hinz,  Schatzkammer  der  Mar.-£.  etc.  Taf.  XII,  1.  3.  9 — 11. 

«  Verd.  Jakob,  190. 

^  Signart,  J.,  die  mittelalt  Kunst  in  der  Erzdiöcese  München -Freising,  204. 

«  Kugler,  £1.  Sehr.  I,  783. 

®  Prüfer   Archiv,  n.  Taf.  22. 

^  Bock,  d.  heü.  Kohl.  Taf.  H,  10.  m,  14.  15.  IV,  19.  EX,  38.  XVI,  64. 

»  Vergl.  Gräser,  Ad.  H.,  die  röm.-kathol.  Liturgie  (Halle  1829),  157  ff. 


232  Patenen. 

Yier-,  Sechs-  oder  Vielblatt  etwas  eingetieft,  und  zwar  in  früherer  Zeit 
meist  tiefer,  als  in  späterer.  —  Die  zu  Prachtkelchen  gehörigen  Patenen, 
besonders  aus  romanischer  Zeit,  waren  gewöhnlich  ebenfalls,  und  zwar 
oft  auf  beiden  Seiten,  mit  Gravierungen  oder  in  Email  geschmückt, 
seltener  mit  erhabenen  Yerzierungen  auf  dem  Rande.  Die  auf  Patenen 
am  häufigsten  wiederkehrenden,  in  der  Regel  von  erläuternden  Inschrif- 
ten begleiteten  bildlichen  Darstellungen  sind  das  Gotteslamm,  der  lei- 
dende oder  der  thronende  Erlöser.  Die  meisten  gotischen  Patenen  sind 
übrigens  ganz  glatt  und  schmucklos,  nur  mit  dem  Signaculum  (s.  oben 
S.  214)  auf  dem  Rande. 

Vielleiclit  die  älteste  unter  den  auf  ans  gekommenen,  wenngleich  nicht 
ans  dem  IX.  Jahrhundert  herrührend,  ist  die  Patene,  welche  zu  dem  Kelche 
des  heil.  Liudger  zu  Werden  gehört  (s.  Fig.  78,  8.  221).  Sie  ist  von  Silber, 
0,20  im  Durchmesser,  0,05  hoch  und  etwas  gröfser  als  der  Kelch,  der  in  der 
Cuppa  nur  0,07  Breite  hat;  laut  der  auf  vergoldetem  Bande  stehenden  In- 
schrift enthält  dieser  »cipus*  (d.  i.  wahrscheinlich  =  scyphvs^  Schale)  unge- 
wöhnlicherweise im  Fufse :  vom  Blute  des  h.  Liudger  und  andere  Reliquien.  ^ 
—  Beachtenswert  ist  auch  die  Darstellung  der  Patene  mit  wulstigem  Rande 
auf  dem  Elfenbeindeckel  zu  Frankfurt  a.  M.,  sowie  die  dreieckige  Form 
der  darauf  liegenden  Hostien,  welche  an  die  kanonische  Vorschrift  erinnert : 
's>Triforme  est  corpus  dominu^^  —  Ausgezeichnet  durch  Gröfse  (mehr  als 
0,24  im  Durchmesser)  und  den  beide  Seiten  bedeckenden  bildlichen  Schmuck 
ist  die  zu  dem  Speisekelche  in  Wilten  (s.  oben  S.  218)  gehörige  Patene: 
auf  der  vertieften  Mitte  (von  0,14  Durchmesser)  der  oberen  Seite  sind  der 
Auferstehungsengel  und  die  drei  Marien  am  leeren  Grabe  dargestellt ;  der 
Rand  zeigt  in  vier  durch  Architekturen  gesonderten  Abteilungen  die  Offen- 
barungen des  Auferstandenen  und  die  Himmelfahrt;  das  Mittelfeld  der 
unteren  Fläche  enthält  in  erhabener  Arbeit  die  Kreuzigung,  der  Rand  in 
drei  verschiedenen  Scenen  die  Höllenfahrt  in  niellierter  Gravierung.'  — 
Ganz  eigentümlich  ist  die  Ausstattung  der  zu  dem  Salzburger  Henkelkelche 
(s.  oben  S.  216)  gehörigen  Patene,  die  in  der  Mitte  eine  dreizehnblätterige 
Rose  mit  der  Darstellung  des  Abendmahles  enthält ;  das  Centrum  zeigt  das 
Lamm  Gottes.  Einfacher  ist  eine  Patene  in  St.  Peter  zu  Salzburg,  welche 
nur  das  Agnus  dei  mit  Schriftrolle  und  darüber  die  segnende  Hand  Gottes  in 
Gravierung  trägt.*  —  Die  im  XV.  Jahrh.  in  ein  Ostensorium  eingefügte, 
laut  spätei'er  Inschrift  vom  h.  Bemward  gestiftete  Patene  im  Weifenschatze, 

*  Vergl.  aus'm  Weerth.  n,  89. 

*  Dist.  2  de  consecr.  c.  17;  vergl.  Gräser,  a.  a.  0.  u.  oben  S.  229.  Fig.  78.  Nach 
Honorius  Augustod.,  Gemma  animae  I,  64  bezieht  sich  übrigens  der  genannte 
kanonische  Spruch  darauf,  dafs  die  Oblate  in  drei  Teile  geteilt,  der  eine  vom  Priester 
sumiert,  der  andere  in  den  Kelch  und  der  dritte  in  die  Pyxis  zur  Krankenkommunion 
gelegt  wurde.  Dagegen  sagt  er  I,  35  de  forma  panis,  dafs  die  Hostie  die  Gestalt 
oines  denarius  habe,  was  er  denn  auf  die  30  Silberlinge  des  Verrates  und  den  Denar 
der  Arbeiter  im  Weinberge  deutet ;  zu  setner  Zeit  mufs  also  die  münzenförmige  Gestalt 
bereits  allgemein  feststehend  gewesen  sein. 

3  Jahrb.  C.-K.  Taf.  V  u.  \1  zu  S.  34  ff.,  Mitt.  C.-K.  XITH,  Taf .  V  u.  VI  zu  S.  173. 

*  Östr.  Atl.  Lm,  14. 


Patenen.  233 

zeigt  in  einer  aclitbljltterigen  Roee  den  S&lvxtor,  umgeben  von  den  Erange- 
listenzeichen  und  den  Brustbildern  der  philosophischen  Tugenden,  *  —  Auf 
dem  Rande  der  za  dem  gpeiaekelche  aus  der  Sammlung  Baailewski  (s.  o. 
S.  219>  gehörigen  Patene  sind  in  vier  Runden  Christus  mit  Brot  und  Kelcb, 
Melchlaedek,   Abel   mit   dem   Lamme  und  St.  Trutpertue  dargeetellt.  — 


Schmnckvoll  sind  auch  die  Pateuen  zu  den  oben  S.  222  G.  erwähnten  romani- 
schen Kelchen  inTrzemesno,  Plock,  Oronau,  Marienaee,  Werben  und  Berlin. 
Während  indes  alle  diese  nur  gravierte  Darstellungen  enthalten,  ist  die  zu 
dem  Prachtkelche  der  Godehardskirche  in  Hildesheim  gehörige  Patene 
auf  dem  Rande  mit  Perlen  und  Edelsteinen  in  Filigran  geschmflckt,  und  nnr 
an  der  Stelle  findet  sieb  ein  runder  Ausschnitt  des  Filigranrandes,  an 
welcher  die  vorgeschriebene  Ablution  vorzunehmen  ist.*  —  Als  Beispiel 
einer  mit  Gravierungen,  aber  nur  auf  der  Rückseite  verzierten  gotischen 
Patene,  ist  die  des  Bernwardskelches  in  Hildesheim  (s.  oben  ä.  228)  zu 
erwähnen:  sie  ist  aus  Gold,  hat  gegen  0,18  im  Durchmesser  and  zeigt  das 
von  Weihranch bccken  schwingenden  Engeln  und  den  Evangelistenzeichen 


•  Bücher,  Gesch.  d.  techn.  Künste.  II,  209.  Fig.  82. 
'  So  helfet  es  in  dem  Präger  Schatzverzeichnisse  von  [3ST ;  >una  pecia  m 
ptr  quam  debet  Bvmi  ablutio.'  —  Vergl.  Mitt.  C.-K.  IV,  303. 


234  Patenen.    Zangen.    Oblateneisen. 

umgebene  Gotteslamm.  ^  —  Die  zu  dem  Grabkelche  des  Erzb.  Johann  von 
Magdeburg  (f  1475)  gehörige  schmucklose  Patene  ist  in  der  Mitte  im  Viel- 
blatte vertieft,  doch  in  einer  geschweiften  Fläche,  so  dafs  das  Centrum 
der  Rose  gehoben  erscheint.*  —  Eine  silberne  in  der  Stiftskirche  zu  Fritz- 
lar enthält  in  Gravierung  den  Salvator  mit  den  Evangelistenzeichen  und 
12  Engelbrustbildern.  —  Eine  in  Klosterneuburg  befindliche  aus  der 
Zeit  zwischen  1317 — 1335  ist  eigentlich  aus  zwei  gravierten  Tellern  zusam- 
mengelötet, von  denen  der  untere  im  Mittelstück  die  Krönung  Maria  zeigt.  ^ 
Im  Zither  des  Doms  zu  Halberstadt  befindet  sich  eine  griechische 
Abendmahlsbrotschttssel  von  0,41  Durchmesser  und  0,03  Tiefe,  welche 
der  Bischof  Konrad  1205  aus  Konstantinopel  mitgebracht  hat.  Den  acht- 
pafsförmigen  Boden  derselben  nimmt  fast  ganz  eine  in  sehr  erhabenem  Relief 
ausgeführte  Passionsgruppe  zwischen  Michael  und  Gabriel  ein,  umgeben  von 
Ranken-  und  Blattwerk.  Auf  der  schrägansteigenden  Wandung  und  auf  dem 
wagerechten  Rande  der  Schüssel  sind  je  acht  Reliefbrustbilder  von  Heiligen 
der  griechischen  Kirche  angebracht.  Später  hat  man  auf  dieser  Schüssel 
die  Steinigung  des  Stephanus  in  einer  Gruppe  von  silbernen  Statuetten  be- 
festigt. —  Auch  der  Dom  zu  Hildesheim  besitzt  eine  über  0,31  im  Durch- 
messer haltende  silberne  Oblatenschüssel  für  die  Laien  -  Kommunion  ans 
später  Zeit,  auf  dem  Rande  mit  Gravierungen,  in  der  Mitte  mit  Email  ver- 
ziert. —  Eine  von  Holz  mit  auf  Goldgrund  gemaltem  Agnus  im  Fond  befindet 
sich  im  Zither  zu  Halberstadt,  No.  326. 

Anmerkung  1.  In  dem  Prager  Domschatz  - Inventarium  vom  J.  1387 
werden  als  damals  anscheinend  nicht  mehr  in  Gebrauch  befindlich  zwei  sil- 
berne Zangen  erwähnt,  mit  welchen  den  Leuten  der  Leib  des  Herrn  dar- 
gereicht wurde.*  —  Da  anderweitig  von  einem  solchen  T^instrumentum  sacrum^ 
nichts  verlautet,  und  der  Zweck  desselben  nicht  liturgisch  begründet  werden 
zu  können  scheint,  so  liegt  zwar  die  Vermutung  nahe,  dafs  die  Zangen  ge- 
braucht worden  sein  möchten,  um  Aussätzigen  und  Pestkranken  die  Hostie  zu 
reichen,  indes  der  Ausdruck  des  Inventars  ^hominibtts^  begünstigt  andrerseits 
diese  Annahme  nicht,  die  vielmehr  nötigen  würde  an  ein  ausgefallenes  Wort 
hinter  T^homimhus<f^j  z.  B.  leprosiSy  zu  denken. 

Es  mag  hier  auch  beiläufig  das  ^/errum  characteratumy  ferrum  oblafarumy 
moUe  ferreum<^y  das  Oblateneisen  erwähnt  werden  zum  Formen  und  Backen 
der  Hostien,  mit  deren  Bereitung  in  manchen  Kirchen  nur  die  Diakonen  oder 
Snbdiakonen,  und  zwar  in  einem  dazu  besonders  bestimmten  Lokal,  betraut 
waren.  So  ist  auf  dem  Bauplane  des  Klosters  St.  Gallen  vom  J.  820  in  der 
Nähe  der  Sakristei  ein  eigenes  Gebäude  angegeben  zum  Backen  des  heiligen 
Brotes  und  zum  Auspressen  des  heiligen  Öles.^  Diese  Eisen  waren  dazu  ein- 
gerichtet, um  den  Oblaten  die  bestimmte  Form  und  Bezeichnung  zu  geben, 
und  schon  vor  Einführung  der  letzteren  war  den  Abendmahlsbroten  die  Figur 
des  Kreuzes  aufgedrückt.    Wie  auf  dem  Denar  des  Kaisers  Bild  und  Über- 

*  Abbild,  bei  Kratz,  Dom  zu  Hildesheim.  Taf.  V,  1  a. 

»       »         »    Rosenthal,  Dom  zu  Magdeb.  lief.  V.  Taf.  1.  20. 
3  Abb.  Mitt.  C.-K.  VI,  271  und  N.  F.  lÖ,  S.  LXXXÜT. 

^  T>Diio  fardpes  argentei,  cum  quibus  porrigehatur  hofntnü}U8  corptM  dominu 
cum.*    Vergl.  Mitt.  C.-K.  lY,  329. 

*  Yergl.  Otte,  Bauk.  Beil.  zu  S.  92  unter  D. 


Velum  calicis.    Bursa.  235 

Schrift;  80  war  im  XII.  Jahrh.  auf  dem  heil.  Brote  das  Bild  des  Herrn  mit  Buch- 
staben {imago  domirä  cum  litteris)^  ausgedrückt ,  und  seit  dem  XIII.  Jahrh. 
kommt  gewöhnlich  das  Kruzifix  mit  dem  Titulus  INRI  darauf  vor.*  —  Mittel- 
alterliche Oblateneisen  sind  sehr  selten ,  da  die  Bereitung  der  Hostien  bald  in 
die  Hände  weltlicher  Bäcker  übergegangen  zu  sein  scheint.  Das  Mus6e  de 
Cluny  in  Paris  besitzt  ein  grofses  Exemplar  aus  dem  XIII.  Jahrh.  mit  den  Bil- 
dern Christi  und  der  Apostel.  *  —  Gleiche  Technik  wie  die  Eisenformen  zu  den 
kirchlichen  Oblaten  zeigen  die  Osterkucheneisen  zum  häuslichen  Gebrauch 
(Abbild,  eines  solchen  aus  Köln,  etwa  aus  dem  XV.  Jahrh.,  im  Org.  f.  ehr.  K.  1862. 
Artist.  Beil.  zu  No.  17). 

Anmerkung  2.  Kelch  und  Patene  waren,  während  sie  der  Mefspriester 
zum  Altare  trug,  in  das  velum  calicis^  eingehüllt,  das  beim  Offertorium  abge- 
nommen und  nach  der  Ablutio  wieder  umgelegt  wurde,  ursprünglich  ein  Leinen- 
tuch, später  von  Seide  in  der  Farbe  des  Mefsgewandes.  Auf  die  Altartücher 
wird  als  Unterlage  für  das  Mefsopfer  vom  Diakon  das  Corporale  {pälla  cor- 
poralis  oder  sindon)  gebreitet,  ein  rein  leinenes  Tuch,  ursprünglich  von  grö- 
fserem  Format,  da  es  auch  zur  Bedeckung  der  Oblationen  der  Laien  diente, 
später  kleiner.  Dergleichen  haben  sich  natürlich  sehr  selten  erhalten.  Bock 
erwähnt  ein  bereits  aus  dem  XH.  Jahrh.  stammendes  in  der  Pfarrkirche  zu 
Deutz.^  Zahlreiche  gestickte  sind  in  der  Marienkirche  zu  Danz  ig  (Abbild,  bei 
Hinz  Taf.  vn,  IX,  X,  LI.— LVUI,  LXXI,  LXXII.).  Im  Brandenburger  Dome 
eins  mit  aufschabloniertem  Granatapfelmuster.  Zur  Bedeckung  des  Kelches 
wurde  später  ein  kleineres,  doppelt  zusammengefaltetes  Leinentuch,  diepalla 
calicis  gebraucht,  welches  unter  einen  mit  dem  Stoffe  des  Mefsgewandes  über- 
zogenen und  mit  einem  ornamentierten  Kreuze  oder  dergl.  bestickten  steifen 
Deckel  befestigt  wurde.  ^  Zum  und  vom  Altare  trägt  der  Diakon  die  Cor- 
poralien  in  der  Korporaltasche  (auch  Korporals- Hui/s  genannt,  bursa),  die 
zu  jedem  Mefskelche  vorhanden  sein  mufste,  entweder  einer  Tasche  mit  einem 
Überschlage  an  der  offenen  Seite,  oder  einem  Kästchen  {pera  oder  capsä),  mit 
einem  dem  Mefsgewande  entsprechenden  Stoffe  überzogen  und  auf  der  oberen 
Seite  mit  einer  Stickerei,  meist  der  Kreuzigungsgruppe,  des  Agnus  dei  oder 
dergl.  ^  Zum  Schutze  der  Kelche  in  der  Sakristei  dienten  kleine  Säckchen 
(sacculi)  von  Seide  oder  Leinenstoff,  oder  Lederkapseln. 


*  Cf.  Honorius  August.  Gemma  animae.  1,  35. 

*  Vergl.  Augusti,  I)eiikwürdigkeiten  etc.  VIII,  280;  de  Laborde,  Notice  des 
Emaux  au  Musee  du  Louvre.  n,  395.  420.  426. 

'  Texier,  Dictiomiaire  d'orfevrerie,  1263.  —  Eins  von  1520  im  Altertums- Verein 
zu  Ulm. 

*  Vergl.  Book,  lit-Gew.  11,  258  ff. 

^  »  das.  8.  266  und  Abo.  eines  der  Königin  Theodelinde  zugeschriebenen  zu 
Monza  auf  Taf.  36. 

*  Abb.  das.  Taf.  XXXV,  1. 

^  »  einer  Stickerei  mit  der  Kreuzigungsgruppe  das.  I.  2.  Taf.  XVII,  eines 
Kästchens  mit  der  Kreuztragung  das.  11,  Tm.  aXXV,  2.  —  Ganze  Reihen  von  Kor- 
poraltaschen aus  verschiedenen  Jahrhunderten  in  verschiedenen  Formen,  bis  zu  der 
eines  hölzernen  Bucheinbandes  in  den  Domen  zu  Brandenburg  und  Halberstadt. 
—  Eine  prachtvolle  von  rotem  Samt  mit  Reliefstickerei  des  Salvators  und  von  Engeln 
mit  den  Passionswerkzeugen  in  Lüne.     Abb.  von  Danziger  Bursen  bei  Hinz.  Taf. 

XVI,  1.  2.  Lxxxm,  2. 


236  Ciborien. 

45.  Zu  der  auf  urchristlicher  Sitte  beruhenden  Aufbewahrung  der 
Eucharistie  für  die  Gläubigen  und  für  die  Kranken  bediente  man  sich 
im  Laufe  der  Zeiten  verschiedener  geweihter  Gefäfse,*  die  unter  den 
Namen  Büchse  (pyxis)j  Taube  (cohmibay  peristerium)  j  Türmchen  (iurriSj 
iurriciUd)j  Kapsel  (caps(i)j  Speisegefafs  (cihorium)  u.  s.  w.,  vorkommen. 
Jüngeren  Ursprungs  sind  die  zur  Ausstellung  der  geweihten  Hostie 
dienenden  Monstranzen  (monstrantiae) ,  welche  erst  seit  Einführung  des 
Fronleichnamsfestes  üblich  geworden  sind. 

In  den  ersten  Jahrhunderten  wurde  die  Eucharistie  nicht  in  den  Kirchen 
aufbewahrt,  indem  es  Sitte  war,  dafs  Priester  und  Laien  dieselbe  mit  in 
ihre  Hänser  nahmen,  um  für  den  Notfall  bei  ausbrechenden  Verfolgungen 
kommunizieren  zu  können.  Im  Zeitalter  des  Constantinus  fielen  die  Gründe 
für  diese  mit  vielen  abergläubischen  Milsbränchen  verbundene  Sitte  weg,  es 
wurde  aber  die  fortwährende  Aufbewahrung  der  Eucharistie  in  den  Kirchen 
angeordnet.  Das  zur  allgemeinsten  und  dauernden  Geltung  gekommene 
GeHlfs  zu  diesem  Zwecke  war  eine  runde  cylindrische  Büchse,  Pyxis  ge- 
nannt, in  älterer  Zeit  aus  Holz,  Bein,  Stein  oder  edlem  Metall,  später  fast 
immer  aus  letzterem  verfertigt.  Die  bereits  oben  S.  196  unter  den  Reli- 
quiarien  erwähnten,  wohl  sicher  sehr  früher  Zeit  angehörenden  Elfenbein- 
büchsen ^  dürften  ursprünglich  diese  Bestimmung  gehabt  haben,  insofern 
das  unter  dem  Schlosse  derselben  angebrachte  Signaculum  (ein  von  einem 
Lorbeerkranz  umgebenes  gleicharmiges  Kreuz,  in  dessen  Winkeln  die  vier 
Nägel  des  Kreuzes  Christi,  mit  ihren  Spitzen  einander  gegenüber,  mit  den 
Köpfen  nach  aufsen  gestellt,  ein  zweites  Schrägkreuz  bilden)  doch  sehr 
deutlich  darauf  weist,  und  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dafs  unter  dem 
in  den  Apostel.  Konstitutionen  erwähnten  naaro^ogiov,  in  welches  die  Dia- 
konen nach  beendigter  Kommunion  beider  Geschlechter  die  übrig  gebliebe- 
nen Brosamen  zu  legen  hatten,'  eben  nichts  anderes  zu  verstehen  ist,  als 
eine  solche  oder  ähnliche  Pyxis.  Eine  noch  gröfsere  Wahrscheinlichkeit 
findet  statt  in  Beziehung  auf  die  ^capsa  ad  officium  quidem  sacerdotale  ex 
ossibus  /abricata«^,  welche  der  Erzb.  Lull  von  Mainz  im  VIH.  Jahrh.  aus 
England  zum  Geschenke  erhielt;^  auch  besafs  der  Domschatz  zu  Trier  nach 
einem  Verzeichnisse  von  1238  zwei  Elfenbeinbüchsen,  deren  eine  jedoch 
zur  Aufbewahrung  von  Manna  diente.^  Eine  derartige  runde  elfenbeinerne 
Pyxis  mit  Reliefs,  wahrscheinlich  aus  dem  XI.  Jahrh.,  auf  einem  spät- 
gotischen metallenen  Fufse  befestigt,   befindet  sich  noch  im  Münster  zu 


*  Yergl.  Pelliccia,  de  Christ,  eccl.  politia  (ed.  Braun).  IT,  1 — 67  (Diss.  de 
eucharistia  infirmorum).  —  Bintorim,  Denkwürdigkeiten  etc.  11 ,  2,  134 — 194.  — 
Augusti,  Denkwürdigkeiten  etc.  Xu,  88  —  44.  —  Laib  u.  Schwarz,  Studien  etc., 
27  ff.  59  ff.  72  ff.  —  Corblet,  J.,  Essai  historique  et  liturgiquo  sui  les  Ciboires  et  la 
resene  de  rEucharistie.   Paris  1858. 

•-»  Vergl.  Hahn,  F.,  Fünf  Elfenbein -Gefäfse  des  frühesten  Mittelalters.  1862,  1  ff. 
—  Gori,  Thesaurus  diptychorum.  Florenz  1759.  IV,  69.  Tab.  28.  24. 

3  Const.  Ap.  1.  2  c.  61  u.  1.  8  c.  18;  vergl.  Laib  n.  Schwarz,  a.  a.  0.,  30. 

*  Epist.  S.  Bonifacii,  ed.  TVürdtwein,  313  ep.  130;  vergl.  Eettberg,  Kirchen- 
geschichte Deutschlands.  I,  405. 

s  Mitteil.  etc.  heransgegeb.  von  dem  hist.-arcliäol.  Verein  zu  Tiier.  11,  125. 


Ciborien.  237 

Reichenan,'  Von  metalteDen  PyxideD  sind  zu  erwähnen  2  ganz  einfache 
kupferne  mit  Emaillen  ans  romaniBcher  Zeit,  im  Privatbesitz  zo  Prankfurt 
a.  M.,*  eine  ebenfalls  knpfern-vergoldete,  mit  Edelsteinen  nnd  8  Qemmen 
besetzte,  auf  dem  Deckel  mit  einer  gekrönten  weiblichen  BOate  von  vergol- 
detem Silber  in  derFtlrstl.  Eunstkammer  zu  Sigmar ingen,'  eine  runde  mit 
verBchliefsbarem  Deckel,  an  der  senkrechten  Fl&che  mit  Oravienutg  von  10 
sitzenden  Figcren  unter  Spitzbogennischen  aus  dem  XIV.  Jahrb.  im  Gennan. 
Museum  zu  Kflrnberg*  und  ebendaselbst  (K.  0.  154)  eine  Ähnliche  mit 
BÜbemem  Agnus  anf  dem  Deckel  ca.  1500.  —  Anderweitig  kommt  seit  dem 
VI.  Jahrh.  fQr  die  Gefäfse  zur  Aufbewabmng 
der  Encharietie  der  Name  Turris,  Turri- 
cnlum^  vor,  worunter  wahrscheinlich  nur  eine 
Pyxis  mit  zeltfQrmigem  Deckel  (s.  oben  S.  196) 
zu  verstehen  ist,  die  indes,  wie  schon  bei  den 
Beliqaiarien  dieser  Art  bemerkt,  zuweilen  auch 
in  gröfserer  Form  und  in  der  Weise  eines  Tur- 
mes architektonisch  ausgestaltet  worden  sein 
wird,  weshalb  aie  mit  dem  turmfOrmigen  Grabe 
Christi  verglichen  werden  konnte.*    Hierher 
gehört  der  jetzt  in  ein  ReliquienkUstchen  ver- 
wandelte   rechteckige   Kasten   von   Messing 
und  Silberblech  mit  hohem  Pyramidaldach  und 
Emaillen  zn  Siegburg,'  —  Gleichzeitig  mit 
den  GeiHßien  in  Tannform  werden  auch  goldene 
und  gilbemeTauben  erwähnt,*  und  zwar  zu- 
erst in  der  griechischen  Kirche,  mit  der  auB- 
drticklichen  symboliachen  Beziehung  anf  den 
heiligen  Geist.  Diese  Tauben  standen  anfeiner 
Schtlssel,  die  mit  den  daran  befindlichen  Kett- 
chen an  einer  Schnur  von  dem  Ciborinm  Ober 
dem  Altartische  schwebend  herabhing  nnd  wäh- 
rend der  Messe  hemntergelassen  wurde,  eine 
Einrichtung,  von  welcher  der  jOngereTitureKs. 

oben  8.  139)  eine  nicht  ganz  anschauliche  Be-     '"■  **    ^'"Säim}'""  ^'' ""' 
Schreibung  giebt,  und  die  besonders  in  Frank- 
reich auch  nach  Abschaffung  der  Ciborienaltäre  sich  in  einzelnen  ElOatem 

'  Marmor,  Eeichenau.  Taf.  2. 

»  Photogr.  Franlrfurter  AosHtellung.  Taf,  14.   Fig.  4.  6. 

'  V.  Hefner-Alteneclt.  Taf.  48. 

'  K.-G.  142.   Abb.  im  Katalog.  Taf.  4. 

"  Vergl.  Texier,  Dictionnaire  d'orfevrerie,  1410.  Art.  Tour. 

°  •Corptu  Vera  domitti  ideo  defertur  in  turribtu,  qaia  monumetUtim  dotiUni 
(das  heibgo  Orab  mit  seinem  Kuppelban)  in  tirnüitwUnem  twvis  fortt  scmmu»  m 
petra.'  ^positio  t>re\is  lituig.  Oälicuiae  (ans  dem  TL  Jahrb.)  bei  Marlene,  Iheeaar. 
aneedot  V,  95. 

'  ans'ra'Weerth.  Taf.  XLTH,  2— 2  b,  u,  XLTV,  4.    Die  Inschrift  besagt: 
Hostia  vitaiig,  qtialis  fuit  in  cruee,  talig 
lub  fidei  tilalo  claret  tu  hoc  IochIo. 

*  Die  antiocheniscfae  Oeintlichkeit  beschuldigte  auf  dem  Konzil  zn  Eonatantinopel 
im  J.  5!I6  (Act,  V.)  ihren  Bischof,  dals  er  sich  »t(i(  tl^  riitov  rov  &yiov  ■avtV[icnoe 


238  Ciborien. 

selbst  bis  in  die  Revolutionszeit  erhalten  hatte,  indem  eine  Art  von  Erahn  zu 
diesem  Zwecke  am  Altarbau  angebracht  war.^  Es  haben  sich  in  Frankreich 
auch  noch  einige  solcher  Tauben  aus  emailliertem  Kupfer  erhalten:  auf  dem 
Rücken  zwischen  den  Flügeln  befindet  sich  unter  einem  (mit  dem  Signacu- 
lum  bezeichneten)  Deckel  eine  Öffnung  zur  Aufnahme  einer  kleinen  runden 
Pyxis.^  In  Deutschland  sind  bis  jetzt  nur  vier  liturgische  Geföfse  in  Tau- 
benform nachgewiesen:  im  Domschatze  zu  Salzburg  (aus  vergoldetem 
Kupfer  mit  emaillierten  Flügeln ,  die  Augen  aus  blauen  Glasflüssen:  ein 
Ölgefäfs  aus  dem  XII.  Jahrh.)y^  im  Kloster  Göttweih  aus  Messing,* 
im  Domschatze  zu  Erfurt  (ausdrücklich  als  ^coltwiba  eticharisüca<i  be- 
zeichnet^) und  in  der  Fürstl.  Kunstkammer  zu  Sigmaringen.*  —  Da  alle 
diese  eucharistischen  Gefäfse  (Büchsen,  Türmchen  und  Tauben)  über  dem 
Altare  aufgehängt  zu  werden  pflegten  (s.  oben  S.  140  u.  196),  so  hatte  sich 
für  dieselben,  ohne  Rücksicht  auf  ihre  Form,  auch  die  allgemeine  Bezeich- 
nung Suspensio  gebildet,  wie  ebenso  anderweitig  der  Name  des  Altar- 
baldachins, Ciborium,  von  dem  sie  herabhingen ,  auf  die  Speisegefilfse  selbst 
übertragen  wurde,  und  derselbe  im  kirchlichen  Sprachgebrauche  sich  in 
dieser  Bedeutung  fortgepflanzt  hat,  für  die  noch  jetzt  übliche  Art  von  Sakra- 
mentarien, die  nach  dem  Wegfall  der  Altarbaldachine  nicht  mehr  zum  Auf- 
hängen, sondern  zum  Aufstellen  bestimmt,  in  gotischer  Zeit  die  Form  eines 
Deckelkelchs  mit  polygonischer  Cuppa  annahmen  und  Ciboria  genannt 
werden.  Sie  dienen  nicht  blofs  zum  Aufbewahren,  sondern  bei  gröfserer 
Anzahl  der  Kommunikanten  auch  zum  Austeilen  des  Weihbrotes  und  ver- 
treten somit  zugleich  die  Stelle  der  früheren  Brotschüsseln  und  Ministerial- 
Patenen.  Für  den  Gebrauch  in  der  Kirche  sind  die  Ciborien  gröfser,  als  die 
zur  Provision  der  Kranken  bestimmten  Gefäfse  dieser  Art,  welche  überhaupt 
in  zwei  Klassen  zerfallen:  in  schalenartige  und  turmförmige,  je  nachdem 


XQvadq  te  xal  dgyvQäq  nsoioxsQaq  xQSßiafihaq  inegdvio  tatv  &6l<ov  xoXvfJL^if^wv 
xal  9vaiaaxriQi(ov*^  widerrechtUcn  zugeeignet  habe.  Yergl.  Augusti,  a.a.O.,  All,  41. 
—  In  dem  Pontifikalbuche  des  Anastasios  kommen  die  *columhae*  sogar  schon  unter 
den  Geschenken  Konstantins  des  Gr.  an  die  Peterskirche  in  Born  vor.  Yergl.  Laib 
und  Schwarz,  a.  a.  0.,  28. 

^  Auf  einer  Abbildung  des  alten  Hochaltares  der  Kathedrale  zu  Arras  aus  dem 
XTTT.  Jahrh.  (bei  Laib  und  Schwarz,  a.  a.  0.,  Taf.  X,  3)  hängt  die  Pyxis  in  den 
Händen  eines  herabschwebenden  Engels,  was  nach  de  Moleon,  Yoyages  liturgiques 
(Paris  1718),  244  u.  276  auch  in  N.  I).  von  Paris  und  von  Ronen  derFaUwar  —  im 
Titurel  scheint  dagegen  die  Taube  den  Engel  zu  tragen,  als  kUme  sie  aus  dem  Para- 
diese gleich  dem  heil.  Geiste. 

•  Yergl.  die  Abbild,  bei  Laib  und  Schwarz,  a.  a.  0.,  Taf.  II,  4.  6.  11.  —  Dafs 
die  Euchanstie  nicht  unmittelbar  in  die  Taube,  sondern  in  eme  darin  angebrachte  Pyxis 

feiest  wurde,  beweisen  die  Consuetudines  duniacenses  aus  dem  XI.  Jimrh.  (1.  2  c.  30 
ei  jD acher,  Spicileg.  I,  679),  wo  es  heilst:  T^Auream  pyxidem  de  columba  juffUer 
pendente  super  altare  diaconus  ....  ad«^ra^if.< 

»  Östr.  Atl.  XLTT,  8.    Photogr.  Münchener  Ausst.  Taf.  105,  4. 

*  Photogr.  das.  Fig.  5. 

*  Yergl.  Falckenstein,  Analecta  Thuringo-Nordgav.  n,  361.  —  Fiorillo,  J.  D., 
Gesch.  der  zeichn.  Künste  in  Deutschland.  I,  486.  —  Sie  fers,  W.  Engelb.,  Praktische 
Erfahrungen  etc.,  24. 

•  V.  Hefner-Alteneck.  Taf.  23. 


Ciborien.  239 

ihnen  der  Typus  der  Pyxis  oder  des  Turriculums  zu  Grunde  liegt.  Der  Fufs 
ist  gewöhnlich  sechsblätterig  oder  bildet  einen  Stern  mit  abwechselnd  ge- 
rundeten und  gespitzten  Strahlen;  Ständer,  Knauf,  Gefäfs  und  Deckel  sind 
entsprechend  polygonisch,  bei  den  turmförmigen  mit  hohem  Spitzhelme. 
Die  Höhe  der  Ciborien  schwankt  zwischen  0,21  — 0,62,  der  Stoff  ist  vergol- 
detes Silber  oder  nur  Messing;  der  Schmuck  besteht  meist  in  architekto- 
nischem Mafswerk,  in  gravierten  und  emaillierten  Bildern.  Das  ausgezeich- 
netste Exemplar  in  achtseitiger  Schalenform  mit  ziemlich  niedrigem  Deckel 
von  geschweiftem  Profil,  mit  Blattwerk  und  biblischen  Darstellungen  in 
Email  reich  geschmückt,  bei  etwa  0,34  Höhe  in  den  anmutigsten  Verhält- 
nissen (XIV.  Jahrh.)  befindet  sich  im  Schatze  des  Stifts  Klosterneuburg,  ^ 
ein  einfaches  12seitiges  mit  graviertem  Laubornament  auf  den  Seitenflächen 
aus  dem  Ende  des  XV.  Jahrh.  in  der  Salvatorkirche  zu  Hall  in  Tyrol,^  ein 
dosenfbrmiges  (von  Engeln  getragen,  auf  dem  Deckel  Christus  am  Ölberge) 
aus  dem  XV.  Jahrh.  in  Melnlk,'  zwei  einfache  im  Stift  St.  Florian,*  ein 
kugelförmiges  auf  Ständer  aus  Messing,  noch  dem  XVI.  Jahrh.  angehörig, 
im  Franzensmuseum  zu  Brttnn,^  ein  sehr  eigentümliches  in  Form  der  spät- 
gotischen Buckelbecher  mit  dm*chbrochenem  Spitzbogenbaldachin  auf  dem 
gebuckelten  Deckel  in  St.  Oswald  bei  Freiland  ob  Landsberg  in  Steier- 
mark.® —  In  den  Rheinlanden  nennen  wir  das  turmförmige,  0,62  hoch 
(aus  Rees  stammend)  in  der  Dorfkirche  zu  Ober-Millingen  am  Nieder- 
rhein, ^  andere  in  El  tenberg,  Kempen  und  im  Münsterschatze  zu  Aachen  ,^ 
in  St.  Martin  und  in  St.  Johann  zu  Köln,*  in  der  Kirche  zu  Deutz 
(den  Kern  bildet  die  romanisch  gefafste  hölzerne  Trinkschale  des  heil. 
Heribert;  Fufs  und  Deckel  aus  dem  XV.  Jahrh.) ;  *®,  eins  von  vergoldetem 
Silber  in  Cues  a.  d.  Mosel; '^  ein  Krankenciborium,  welches  im  unteren 
Teile  zugleich  für  das  oleum  infirmorum  dient,  aus  vergoldetem  Kupfer  zu 
Neuerburg  im  Kreise  Bitburg ^^  und  ein  romanisches,  emailliertes  im  Mu- 
seum zu  Darmstadt.'^  —  In  Westfalen:  in  der  Kirche  zu  Körbecke 
bei  Soest  (die  Cuppa  ans  einem  zwölfseitigen  Bergkrystall  bestehend;  jetzt 
als  Monstranz  in  Gebrauch),  in  der  Kirche  zu  Eislohe,  in  der  kathol.  Kirche 
zu  Dortmund;**  in  den  Kirchen  zu  Dülmen  und  zu  Buldern.**  —  In 
Bayern:  InEcksbergbeiMühldorf,  inHögertshausen,Geisenhausen, 
Pframmern  bei  Aibling,  in  der  Martinskirche  zu  Landshut  (sämtlich  un- 


»  östr.  Atl.  LXXXIV,  1. 
»  das.  Fig.  9. 
'     »       »2. 

*  Mitt.  C.-K.'  XVin,  184.  Fig.  57.  58. 

*  das.  S.  2.  11.  Fig.  89. 

*  Eirchenschmuck.  Sekkau  1877.  Beil.  zu  No.  6. 

'  au8*m  Weerth.  Taf .  V,  2.   Seemann.CL,  11. 

•     »         »        »  n,  2.  xxn,  6.  xxxvm,  5. 

*  Bock,  d.  heiL  Köhi.  Taf.  XVI,  63.  XXXIV,  102. 

w  das.  Taf.  XXm,  84  und  aus'm  Weerth.  Taf.  XLTT,  7  u.  7  a  —  s.  ob.  S.  209, 

"  aus'm  Weerth.  Taf.  UV,  9. 

«  das.  Fig.  12. 

»»  Beker-  v.  Hefner.  I.  Taf.  12. 

"  Vergl.  Giefers,  a.  a.  0.,  59. 

«      »      Lübke,  Westfalen,  425. 


240  Monstranzen. 

bedeutend,  zam  Teil  defekt),^  ein  prachtvolleB  mit  herrlichen  Emaillen,  ans 
Fufsen  etammend,  in  Maihingen,  drei  einfache  im  Oerman.  Mneeum  zn 
Nürnberg.^  —  In  Sachsen;  im  Mnsenm  des  Gr. 
Gartens  zn  Dresden  ein  aus  der  Kirche  zn  Briefg- 
nitz  atammendes  ana  vergoldetem  Kupfer^  und  ein 
anderes  aus  Oschatz.  —  In  der  Provinz  Branden- 
burg: in  der Gotthardskirche  zu  Brandenburg,  im 
PrOTinsislmusenm  eu  Berlin,*  in  der MOnchenkirclie 
zu  Jüterbog  und  in  der  Klosterkirche  zu  Zinna 
(sAmtlich  in  Mesaing  mit  gravierten  Fignren). 

Dem  Fronleichnamafeate ,  deesen  allgemeine 
Einftthrung  erst  dem  Papste  Johann  XXII.  im  J.  1316 
gelungen  zu  sein  scheint,  verdanken  die  Monstran- 
zen^ ihren  Ursprung.  Da  sich  dieses  Fest,  welches 
zuerst  seit  1346  in  der  DiSces  LUttich  war  gefeiert 
worden,  indes  auch  später  nur  allmählich  nnd  strich- 
weise weiter  verbreitete,  und  da  es  überdies  zweifel- 
haft ist,  ob  die  Prozessionen  und  die  Änssteilnng  des 
Venerabiie  nicht  überhaupt  erst  später  hinzugekom- 
men sind,'  so  kann  es  nicht  befremden,  dafs  die  meis- 
ten Monstranzen  erst  ans  dem  XV.  und  XVI.  Jahrh. 
herrOhren  und  deshalb  in  archäologischer  Beziehung 
nur  von  geringerem  Interesse  sind.  Offenbar  haben 
denselben  die  bereits  trtlher  vorhandenen  gotischen 
Reliqnien-Monstranzen  (s.  oben  S.  208)  zum  Vorbilde 
gedient,  wahrscheinlich  weil  man  sich  Anfangs  der 
_  Scfaaugefääe  dieser  Art  auch  für  das  Sauctisaimum 

id  St.  Johuin  in  Rtiin        bedient  haben  mag:   es  sind  tragbare  labemakel, 
(DMb  Bock).  fljg^  g^^f  einem  dem  gotischen  Kelchfufse  gleichen- 

den Untersatze  ruhend,  den  gröfsten  Reichtum  in 
der  Entwickelung  der  dem  gotischen  Turmbau  entlehnten  konstruktiven 
nnd  dekorativen  Formen  im  entschiedensten  Hochstreben  zeigen,  indem  der 
Aufsatz  bei  den  am  glänzendsten  ausgestatteten  Exemplaren  in  der  Breite 

'  Yergl.  Sighart,  J.,  die  mitt«IalterL  Kunst  in  der  Erzdiöcese  Uünchen -Frei- 
sing, 202. 

>  Abb.  Anz.  G.  M.  1869.  No.  5. 

*  Mitt.  des  Sachs.  Altert-Vereins.  XVm,  Taf.  1. 

*  Abb.  Prüfer,  Archiv.  H,  23. 

»  Über  Gebrauch  nnd  Form  der  MonstranMn :  CWeita,  in  den  Mitt  C.-K.  I,  206, 
als  Einleit  zur  Beschreib,  der  got.  Monstmnz  im  Dorne  zu  Prefsbur^.  —  Sie  bei&en 
auch  oitenaorium  oder  cttetodia  —  letzteres  'quateruts  sacramtntmH  vneludü,  vt  videri 
qttidem  potent,  non  item  tangi.' 

'  Vergl,  Gavanti,  Thesaur.  sacr.  rit.  I,  499—516.  —  In  dem  Prager  Domschatz- 
verzoichniase  vom  J.  13ST  sind  z.  B.  Doch  keine  andere,  als  Beliquien- Monstranzen 
angeführt.  —  In  den  Syuodalstatuten  von  Basel  vom  J.  1506  (Hartzheim,  Cono. 
germ.  TT,  8)  wird  den  Pfarrern  aufgegeben,  Monstranzen  anzuschaffen,  ivbi  natt  haben- 
(urc  und  Georg  von  Anhalt,  s.  a  0.,  165  f.  bemerkt,  dafs  im  Erzatift  Magdeburg 
•für  die  (erst  m  neteigkeü  auffgerichte)  proctssion  Corporis  Christi  his  -auf  dtn 
heiaigen  Tag  kein  eigen  Monatrantz  oder  heutkin  datu  bereitet  lei.'  Tergl.  Mitt. 
C-S.  VI,  108. 


MonstraDzen.  24] 

eioe  dreifache  Pyramide  bildet,  von  denen  die  mittlere  auf  dem  Ständer 
i-uht  und  die  beiden  Beitlichen  Übersteigt,  welche  unten  koosolenartig  endend 
eich  frei  tragen.  Anderweitig  entwickelt  sich 
der  Oberbau  mehr  in  die  Breite  und  zwar  ana 
Motiven,  die  dem  Pflanzenreiche  entnommen 
aind.  In  der  Mitte  des  Tabernakels  befindet 
sich  gewöhnlich  in  viereckiger,  seltener  und 
später  in  runder  Umrahmung  das  durchsichtige 
cylindrische  oder  eckige  Krystallglas  zur  Auf- 
nahme der  Hostie,  die  von  einer  halbmond- 
förmigen Zwinge  (htnula,  auch  mit  Beziehung 
auf  I  Mose  14,  18  Melchisedek  genannt)  ge- 
halten wird.'  Die  Sonnenform  (vgl.  Pb.  19,  5) 
der  Monstranzen  gehört  der  Renaisaance  an. 
—  Der  zur  Ansftlbmng  dieser  Oefäfse  gewählte 
Stoff  ist  aehr  verschieden,  je  nacb  den  zu  Ge- 
bote stehenden  Mitteln.  Die  Kathedralen  haben 
Monstranzen  von  Gold  und  Silber;  die  meisten 
Kirchen  begnflgtensich  mit  vergoldetem  Kapfer 
oderUeasing,  aber  auch  reich  geschnitzte  höl- 
zerne Monstranzen  kommen  zuweilen  vor,  die 
ihres  leichteren  Gewichtes  halber  besonders 
bei  den  Prozeaeionen  gebraucht  wurden.  Die 
GrOfse  steigt  von  0,31  — 1,66  und  mit  der 
GrSfse  auch  daa  Gewicht,  so  dafs  die  grOfsten 
entweder  gar  nicht  zum  Tragen  bestimmt, 
oder  wie  die  zu  Ratibor,  Vallendar  etc.  mit     ^'a-  »».  Mnwi»tii>=k  n«  Hümu.™ 

.  „       .,     ,  ™»  .  .-  »0  Delling  (a«ch  Blgh»it). 

zwei  Handhaben  zum  Tragen  an  einem  nm  die 

Schulter  gelegten  Riemen  versehen  waren.  Wohl  die  gröfste  bekannt  ge- 
wordene war  die  im  siebenjährigen  Kriege  eingeschmolzene  der  Barbara- 
kirche zu  Enttenberg  von  1496—98,  welche  ober  1,90  hoch  war  und 
110  Pfd.  wog.  —  Beispiele  von  gotischen  Monstranzen  sind  —  meist  nach 
vorliegenden  Abbil dangen  —  zu  nennen,  im  Rheinlande:  zu  Eltenberg 
(aus'm  Weerth,  TaT.  I,  1.),  aus  der  abgebrochenen  Kolleglatkirc he  zuRees, 
(das.  Taf.  IV,  7),  zu  Vineu  (dos.  Taf.  X,  11),  in  der  Nikolaikirchc  zu  Kaikar 
eine  all ber- vergoldete  aus  der  Mitte  des  XV.  Jahrh.  {das,  Taf.  XVI,  3;  Fhotogr. 
bei  Wolff,  Nik. -Kirche  zu  K.,  Taf.  73,  74)  und  eine  1,00  hohe  massiv  silberne, 
die  wahrscheinlich  1543  f(lr  die  Nikolaikirche  zu  Amsterdam  gefertigt  iat 
(Photogr.  TV'oIff,  Taf.  75),  zu  Xanten  (aus'm  Weerth,  Taf.  XVni,  4),  zu 
Kempen  (das.  Taf.  XXn,  7;  in  Originalgröfse  bei  Schmidt.  Kirchenmöhel  I,  4, 
Taf.  18),  im  Münsterschatze  zu  Rsaen  (aus'm  Weerth,  Taf.  XXIX,  1;  auch  in 
der  Johanniskirche  daselbst),  zu  Ratingen  (vou  1994,  aus'm  Woerth,  Taf. 
XXIX,  9),  eine  au age zeichnete  im  Domschatze  zn  Köln  (angeblich  aus  dem 
XIV.  Jahrh.  mit  mnder  Kapsel  gegen  1,00  hoch)  und  zwei  zu  St.  Kolumba 


'  Wii-  Kelen  das  Mittelatüct  der  prachtvollen,  1,m  hojion  aus  Hola  gescluiitzteii 
Monstranz  aus  Doms  zu  Freising  von  14S0  zur  Veranschaulich une  der  Lunula  im 
Holzschnitt,  nach  der  Abbild,  bei  Sighart,  .Toach.,  der  Dom  zu  Freising.  Taf,  VI. 
Phnti^raphie  Münchener  Ausstellung.  Taf.  10. 

Ott«,  KnnM-Arsblolixl*.    5.  Ana.  IG 


242  Monstranzen. 

daselbst,  von  denen  die  gröfsere  von  0,94  Höhe  den  Vorzug  verdient  (Bock, 
d.  heil.  Köln.  Taf.  X,  39.  XX,  7b.  XXI,  80),  sechs  verschiedene  aus  dem 
XIV— XVI.  Jahrh.  zu  Gräfrath  (aus'm  Weerth,  Taf.  XU,  2—7),  eine  0,785 
hohe  zu  Branweiler  (das.  U,  11),  eine  kreuzförmige  von  1427  zu  Löf  a. 
d.  Mosel  (das.  UV,  6),  eine  ebenfalls  kreuzförmige  0,94  hohe  zu  St.  Wendel 
(das.  LXin,  4),  andre  zu  Orsbach  bei  Aachen  von  1517,  in  Moselweifs 
bei  Koblenz  und  in  der  Lambertikirche  zu  Düsseldorf.  —  In  Westfalen: 
zu  Bochold:  (die  schönste  im  ganzen  Münsterlande),  in  der  Stiftskirche  zu 
Vreden  (mit  rundem  Gehäuse),  zuAnholt  (Abb.  in  Originalgröfse  bei  Schmidt 
a.  a.  0.,  Taf.  19—23),  auch  zu  Ostenfelde  (mit  Glöckchen  behängt).  —  In 
Franken  und  Hessen:  zu  Grofsostheim  bei  AschafTenburg,  silber-ver- 
goldet  mit  zierlichst  durchbrochenem  Turme  0,756  hoch,  1523  zu  Worms 
durch  Kaspar  Naygar  gefertigt  (Becker- von  Hefner,  in,  Taf.  6S),  in  der 
Stadtpfarrkirche  zu  Mergentheim  0,94  hoch  von  1509.  —  In  Bayern: 
zu  Andechs  von  1460,  zu  Augsburg  in  der  St.  Moritzkirche  (silbern  1470 
von  Johannes  Müller  gefertigt,  Photogr.  Münchener  Ausstellung,  Taf.  S3)  und  eine 
andre  grofse  in  der  Kreuzkirche,  zu  Bamberg  in  der  Marienkirche  von 
1474  mit  Emaillen,  zu  Tegernsee  (von  1448,  ans  Weifskupfer  mit  Hei- 
ligenfigürchen  von  Silber,  1,1 7  hoch  und  28  Pfd.  schwer),  kleinere  zu  E reut, 
Steinhöring  und  Salmanskirchen  in  der  Diöcese  München -Freising, 
die  sogenannte  Tilly- Monstranz  von  1507  zu  Breitenbrunn  im  Sprengel 
von  Eichstätt  und  in  der  Diöcese  Regensburg  zu  Ruhstorf  (ca.  1460,  Jakob, 
Taf.  XIV,  2),  eine  etwas  reichere  zu  Burglengfeld,  eine  kleinere  silberne 
zu  Steinbach,  in  St.  Peter  zu  Straubing  mit  dem  Stammbaume  Christi 
am  Fufse,  auch  zu  Roggenstein,  Nabburg,  Staudach  bei  Eggenfelden, 
Neustadt  a.  Donau  etc.  —  In  Schwaben  und  Baden:  eine  besonders 
reiche  zu  Tiefenbronn  bei  Pforzheim  (Ende  des  XV.  Jahrh.  silbern  1,05;  am 
Fufsö  vier  Gravierungen  mit  den  alttest.  Tj'pon  dos  Abendmahles,  am  Untersatz 
des  Cylinders  die  vier  Evangelisten  in  Relief,  über  dem  Cylinder  die  Einsetzung 
des  heil.  Abendmahles  in  frei  um  einen  runden  Tisch  sitzenden  Rundfiguren,  im 
dui'chbrochenen  Aufsätze  dann  noch  übereinander  eine  Pieta  und  Christus  als 
Schmerzensmann  in  Rundfiguron,  auTserdcm  24  Heiligenstatuetten;  Photogr.  Frank- 
furter Ausstellung,  Taf.  6),  zu  Schwäbisch- Gmünd  in  der  heil. Kreuzkirche 
eine  1,25  hohe,  sehr  schöne  spätgotische  von  Silber  mit  dem  Zeichen  M.  0. 
und  zwei  kleinere  ältere  in  sehr  edlem  Stile,  eine  prächtige  auch  zu  Weil- 
derstadt.—  In  Tyrol:  zu  Bozen  (Anfang  des  XVI.  Jahrh.,  l,45hoch,  19— 20  Pfd. 
schwer,  Abb.  im  Album  mittelalt.  Kunst w.  aus  TjtoI,  IS60,  I,  1,  2),  zu  Hall 
(sehr  reich,  1,41  hoch,  über  25  Pfd.  schwer,  Fufs  neu),  im  Domschatze  zu 
Brixen  eine  0,63  hohe  um  1400  (Abb.  Mitt.  C.-K.,  M,  132,  Taf.  III),  und 
eine  andere  etwas  gröfsere  und  reichere;  inKärnthen  zu  St.  Paul  aus  der 
zweiten  Hälfte  des  XV.  Jahrh.  (ösü-.  Atl.  IJCXXVn,  4);  in  Steiermark  zu  St. 
LeonhardimPongau  mit  besonders  schöner  Ausführung  der  Architektur  und 
der  Figur  des  heil.  Leonhard  im  Ständer  (das.  I^XXXVn,  10),  ferner  zu  Cilli, 
Marburg  und  Jägerberg;  in  Österreich:  zu  Wien  in  der  Ambraser  Samm- 
lung aus  dem  XV.  Jahrh.  (das.  LXXXVTT,  1 1 )  und  eine  aufsorordentlich  schlanke 
1,27  hohe  silberne  bei  Rothschild  (das.  LXLVin,  9),  zu  Grofs-Rufsbach 
(XV.  Jahrh.,  das.  Taf.  24),  zu  Klosterneuburg  eine  aus  der  2.  Hälfte  des 
XIV.  Jahrb.  (das.  Taf.  24;  Seemann  CLII,  5)  und  eine  aus  der  2.  Hälfte  des  XV. 


Monstranzen.  243 

Jahrh.  (das.  Taf.  24J,  zu  Ip  s  (0,80  hoch  von  vergoldetem  Silber,  Anfang  des  XYI.  Jahrb., 
Fois  modern;  das.  Taf.  24),  za  Matzen  (ebd.),  Prie^litz  (von  1515,  das.  Taf.  12), 
Rabenstöin  (von  1482,  ebd.),  Seitenstetten  (ebd.,  bereits  aus  der  2.  Hälfte 
des  XVI.  Jahrh.  und  mit  Renaissancemotiven),  Waidhofen  a.  Ipß  (ebd.  2.  Hälfte 
des  XV.  Jahrh.)  und  Wenzersdorf  (ebd.  1.  Hälfte  des  XVI.  Jahrh.);  in  Böh- 
men: auf  dem  Schlosse  zu  Sedletz  (ausgezeichnet,  0,94  hoch,  9  Pfd.  schwer, 
vor  1421 ;  Abb.  Mittel.  Kunstdenkm.  d.  österr.  Kaiserst.  I,  Taf.  VH.;  Seemann,  CLJI,  2), 
in  der  Nikolaikirche  zu  Eger  (1,05  hoch,  Abb.  Grueber,  IV,  179),  zu  Sobotka 
(0,82  hoch,  16  Pfd.  schwer)  und  zu  Melnik,  geringere  kupferne  und  mes- 
singene zu  Schlackenwerth,  Friedland  und  Deutsch-Brod.  —  In 
Schlesien:  zu  Ratibor  eine  1,28  hohe  aus  vergoldetem  Silber  von  1495 
(Photographie  bei  A.  Leisner  in  Waidenburg),  andere  zu  Grünberg  und  in 
einer  Landkirche  bei  Reichenbach  (Abb.  Org.  f.  ehr.  K.  1862,  artist  Beil. 
zu  No.  17).  —  In  Sachsen  eine  prachtvolle,  0,63  hohe  in  St.  Godehard  zu 
Hildesheim,  andre  zu  Recklinghausen,  zu  Gotha  (Heideloff,  Orna- 
mentik IV,  19,  Taf.  4),  spätgotisch  zu  Ost  ritz  (Photogr.  Dresdener  Ausstellung, 
Taf.  39).  —  In  Preufsen  eine  sechseckige,  0,70  hohe,  reich  dekorierte  zu 
Stuhm  im  Ermlande,  andre  zu  Plastwich,  Mehlsack,  Arusdorf,  Alt- 
Wartenburg,  Grofs-Lichtenau  bei  Marienburg,  Kulmsee,  Kirchen- 
Jahn,  Zuckau,  Putzig,  Ozarnowitz.  Eine  0,90  hohe  silberne  des  XV. 
Jahrh.  mit  der  Figur  Heinrich  IL  oben  auf  dem  Spitzdache ,  aus  dem  Dom- 
schatze von  Basel  stammend,  befindet  sich  im  Kunstgewerbe-Museum  zu  Ber- 
lin (Schrank  375).  —  Zahlreich  verbreitet  sind  in  Landkirchen  des  Meifsener 
Sprengeis  und  anderwärts  in  Nord-Deutschland  Monstranzen,  die  nach  einem 
und  demselben,  mit  der Ruhstorfer  (s.S.  242)  fast  völlig  übereinstimmenden 
Modelle  fabrikmäfsig  in  Gelbgufs  hergestellt  sind  (Abb.  eines  aus  Kraftshof 
stammenden  Exemplars  im  German.  Museum,  K.-Q.  150  im  Katalog  Taf.  4,  eines  andel'en 
aus  Liebschütz  im  Museum  des  Grofeen  Gartens  zu  Dresden,  No.  618  in  den  Mitt. 
d.  Sachs.  Altert.-V.,  XTV,  Taf.  2).  —  Ein  Futteral  für  eine  Monstranz  aus  ge- 
prefstem  Leder  mit  den  Figuren  Christi  und  Mariae  in  schönem  Lauborna- 
ment vom  Anfange  des  XV.  Jahrh.,  au^  der  Jakobikirche  zu  Chemnitz  stam- 
mend, befindet  sich  ebd.  zu  Dresden  No.  1204  (Abb.  ebd.  Taf.  3). 

Anmerkung.  Nachdem  die  Aufbewahrung  der  Eucharistie  in  der  Sus- 
pensio  (s.  S.  238)  aufser  Gebrauch  gekommen  war ,  bedurfte  es  eines  anderen 
sicheren  und  würdigen  Ortes  zur  Aufnahme  des  Ciboriums  oder  der  Monstranz, 
und  dieses  Bedürfnis  führte  zur  Errichtung  besonderer  Sakramenthäuschen 
(auch  Tabernakel,  Herrgottshäuschen,  Gotteshüttchen,  Fronwalme  genannt), 
und  zwar  regelmäfsig  nördlich  im  hohen  Chore  auf  der  Brotseite  des  Altars.* 
Es  lassen  sich  aber  drei  verschiedene  Arten  derselben  nachweisen:  1.  Wand- 
schränke, etwa  in  Brusthöhe  über  der  Erde  und  bereits  seit  dem XIIL  Jahrh. 
vorkommend.  Als  romanisches  Beispiel  dieser  Gattung  kann  der  sich  im  Vier- 
blatt öffnende,  sonst  ganz  einfache  Schrank  in  der  zierlichen  Dorfkirche  von 
Steinbach  bei  Bibra  in  Thüringen  angeführt  werden.  Die  Gotik  fügte  der 
Wand  angeblendete  Zierden  hinzu,  indem  sie  den  Schrank  mit  Fialen  flan- 
kierte, mit  einer  Wimperge  übersetzte  und  die  Öffnung  desselben  mit  profilier- 


*  Vergl.  Laib  u.  Schwarz,  Studien  etc.,  72  ff.   —   Fronner,  d.  Sakr.  in  den 
gotischen  Kireheu,  in  den  Mitt.  C.-K.  XV,  CXLTTT  ff.,  m.  9  Abb. 

16* 


244  SalcranieDthäuschcn. 

tem  Simawerk  omgab.  FrOh-  und  edelgotieche  BeiBpiele  sind  selten,  wir  nen- 
Den  die  Schreine  zu  Volkmarsen'  und  zn  Zinna;*  spfttgotUche  hftulig,  z.  B. 
der  in  Fig.  89  abgebildete  in  Maria 
Stiegen  zu  Wien.  DenVerschlursdes 
Schrankes  bildet  anfangs  Stier  eine 
feste  Thür  (wie  in  Zinna),  gewöhnlicli 
aber,  nnd  später  immer,  eine  eiserne 
GittertliDr,  oftmals  noch  mit  einer 
zweiten,  hOlzemen  mit  Eisenbeschlag 
nach  aufsen  gesichert.  In  St.  Blasien 
zu  Münden  findet  sich  eine  bronzene 
Thtlr  mit  den  Reliefs  des  Agnus  dei, 
nmgeben  von  der  Kreuzigung,  Anf- 
erstehung,  Hüllenfahrt  und  Weltge- 
richt, auch  den  Evangelistenzeichen 
nnd  den  Symbolen  des  Pelikans  und 
des  LSwen  mit  ihren  Jungen,  hoch 
0,s4,  breit  0,ö3.'  Ein  mit  reichem 
Mafswerk  dekorierter  apätgotiecher 
dreiteiliger  Schrank  mit  vorspringen- 
dem MittelstUck,  auf  dessen  Thtlr  die 
von  Engeln  angebetete  Monstranz  ge- 
malt ist,  ateht  im  Chore  des  Doms 
zu  Halberstadt  frei.  —  2.  Frei- 
stehende^ Tabornaket  in  Form 
einesTnrmes,  gewissermalsen  mo- 
namentale  Monstranzen  in  grofsem 
MafBatabe  nnd  wie  diese  wohl  ans 
dem  seit  Einführung  des  Fronleich- 
namsfestes sichtbaren  Streben  nach 
««_._  .._.„_.=.  ™      immereröfsererVerherrlichungdesin 

(nuh  dam  üitr.  AU.).  der  Hostte  enthaltenen  heiligen  Lei- 

bes hervorgegangen  und  erst  seit  dem 
letzten  Vierte]  des  XIV.,  hauptsächlich  aber  im  XV.  und  XVI.  Jshrh.  vorkommend : 
auf  einem  hohen,  dreieckigen ,  viereckigen,  polygonen  oder  moden  Sockel  ruht 
der  rings  von  durch  sich  tigern  Gitterwerke  (wie  die  Kapsel  der  Monstranz  von  Kry- 
stallglas)  umschloBseue  Schrein,'^  über  welchem  sich  in  den  reichen,  oftwÜIkOr- 
lichen  Formen  der  Spätgotik  eine  Pyramide  erhebt,  die  sich  zuweilen  bis  zum 
Gewölb«  der  Kirche  emporgipfelt,  wo  sie,  wie  im  Wachstum  verhindert,  ihre 

■  Statz  u.  UiigewittiT.  Taf.  119- 

»  Puttrith.  11,  Serie  .Tiitorbog.  Bl.  11. 

>  Abb.  Mithoff.  n.  Taf.  5. 

*  D.  h.  sie  Hind  völlig  tielbxtäiidig  koDs-tmiert;  ihr  Platz  ist  freilieh  nft  diclit  an 
der  AVand  oder  an  einem  Pfeiler. 

"  Nach  Laib  und  Schwarz,  a.  a.  0.,  73  waron  die  nitter  innerhalb  mit  Leder 
oder  ScidenHtoffen  iibcrzogcn,  also  in  diespin  Falle  eigentlich  zwecklos;  Jakob  Müller 
im  •Kirchengeichmnek.  München  1591,17'  (a.  a.  U.,  74|  sTiricht  aber  vonVorhüngen, 
die  also  erforderliphon  Falls  ziiriickgeschlngi'n  werden  und  da-s  npflfs  mit  dem  \  ene- 
mhile  sii^htliar  nin<'lir>D  konnlcn. 


Sakramenthäuschen. 


245 


obere  Bltitenspitze  pflanzenartig  umbiegt.  Die  glän- 
zendsten Beispiele  dieser  Gattung  finden  sieh  in  Schwa- 
ben (im  Münster  zu  Ulm ^  28,25  hoch,  angeblich  von 
einem  Meister  aus  Weingarten  1461  begonnen,  vollen« 
det  wahrscheinlich  1472,  angeblich  durch  Jörg  Stir- 
lin  d.  Alt.)  1  und  in  Franken  (in  der  Lorenzkirche  ^u 
Nürnberg,*  20,oo  hoch,  von  Adam  Krafft,  1496— 
1500,  weit  berühmt  wegen  des  phantastischen  Reich- 
tums der  bildnerischen  Konstruktion  und  der  künst- 
lichen Technik).  Das  älteste  datierte  Beispiel  ist  das 
Sakramenthäuschen  in  St.  Severin  zu  Köln  vom  J. 
1378.  —  3.  Die  dritte  Art  besteht  aus  einer  Mittel- 
gattung: es  sind  Türme,  die  an  einer  Seite  ganz 
mit  der  Wand  verbunden  sind,  meist  aus  dem 
XV.  und  XVI.  Jahrh. ,  z.  B.  das  Fig.  90  abgebildete 
zu  Unna  in  Westfalen.  Noch  aus  der  Zeit  des  Über- 
gangsstiles rührt  indessen  dasjenige  im  Münster  zu 
Hameln  her,  ein  auf  drei  Zwergsäulen  und  einem 
Pfeilerstticke  des  Chors  ruhender  rechteckiger  Schrein 
mit  zwei  hölzernen  Thüren  übereinander  an  der  Vor- 
derseite, über  dem  sich  eine  vierseitige  von  Giebeln 
umgebene  Pyramide  erhebt. '  Obgleich  die  meisten 
Sakramenthäuschen  der  beiden  letzten  Arten  aus 
Steinmetzenwerk  bestehen,  so  kommen  doch  auch, 
besonders  im  Gebiete  des  Ziegelbaus ,  hölzerne  vor : 
ein  roh  gezimmertes  von  4,io  Höhe  zu  Langen - 
Hanshagen  im  Kreise  Franzburg ^  und  ein  ähn- 
liches, etwa  halb  so  hohes  zuFlemendorf  (ebd.); 
in  Schnitz  werk  in  der  Klosterkirche  zu  Doberan 
(11,60  hoch),  in  der  Marienkirche  zu  Wittstock  von 
1516  aus  einem  einzigen  Eichenstamme,  inPipping 
bei  München  von  1480,  zu  Weifsenbach  in  Tyrol 
(über  einem  Marmorsockel);  oder  metallene:  ein 
bronzenes  in  der  Marienkirche  zu  Lübeck  von  1479,^ 
ein  eisernes,  etwa  10,00  hohes,  von  1509  zu  Feld- 


Fig.  90.    Sakramenthaaa  xu 
Unna  (nach  Mordhoff)« 


*  Vergl.  Pressel,  Ulm  und  sein  Münster,  72.  Abb. 
bei  Ramee,  meubles.  Taf.  42. 

^  Abb.  bei  Wanderer,  Adam  Krafft.  Taf.  9  —  15  u. 
Grundrifs  auf  S.  15;  vielfach  auch  in  Einzelstichen  von 
Poppel,  Geifsler  u.  a. 

3  Abb.  Mithoff.  I.  Taf.  5. 

*  v.  Haselberg,  E.,  Baudenkm.  im  Reg. -Bez.  Stml^ 
sund.  I,  32.  Fig.  7. 

*  Abbild,  bei  Statz  undUngewitter.  Taf.  205—211"; 
auch  bei  Schlösser  imd  Tischoein,  Denkm.  in  Lübeck. 
Heft  2 ,  Bl.  VI  u.  Vn.  Auch  eine  grofse  Anzahl  hölzerner 
Modelle  zu  den  Guüsformen  desseloen  befinden  sich  noch 
daselbst.  Bronzene  befanden  sich  früher  auch  in  der  Ägi- 
dien-  (1478),  Petri-  (14S7)  und  Domkirche  zu  Lübeck 
(letzteres  1684  entfernt). 


246  SakramonthäuRchen  am  Rhein 

kirch  in  Tyrol,  jetzt  zu  einer  Kanzel  umgeformt,'  ein  ganz  durchbrochen  aus 
Metall  geschnittenes,  1,40  hoch,  zu  Fröndenberg  in  Westfalen.*  Die  Kirche 
St.  Ruprecht  bei  Strassenfufs  in  Krain  besitzt  ein  einfaches  Tabernakel  der 
dritten  Gattung  aus  Elfenbein ,  über  einem  Untersatze  von  Stein. '  —  Der  oft 
überreiche,  zuweilen  jedoch  auch  ganz  fehlende  bildliche  Schmuck  der  Taber- 
nakel besteht  namentlich  aus  Heiligenfiguren,  welche  in  den  Fialenniscben 
und  unter  Baldachinen  angebracht  sind ,  und  in  häufig  wiederkehrender  Sym- 
bolik aus  dem  Pelikanneste  oder  dem  Gotteslamme. 

Dafs  die  Sakramenthäuschen  in  den  Gegenden  des  Ziegelbaus  seltener 
vorkommen,  erklärt  sich  teilweise  aus  dem  Materiale,  aber  während  sie  in 
ibanchen  Gegenden  (wie  in  Schwaben,  am  Niederrhein  und  besonders  in  West- 
falen)^ aufserordentlich  häufig  vorkommen,  sind  z.  B.  auch  in  Thüringen  nur 
zwei  freistehende  Exemplare  nachgewiesen.  Ihr  Gebrauch  überdauerte  die 
spätgotische  Zeit  nicht,  indem  die  folgende  Zeit  das  Tabernakel  nach  römischer 
Sitte  in  den  Altaraufsatz  verlegte  und  deshalb  auch  manche  nun  zwecklos  ge- 
wordene (wie  das  im  Kölner  Dome  im  J.  1766)  beseitigte.  Indessen  finden 
sich  auch  schon  früher  Verbindungen  des  Sakramenthauses  mit  dem  Altar- 
aufsatze, so  in  Stein  sehr  reich  geschmückt  an  der  Hinterwand  des  Hochaltars 
der  Martinskirche  zu  Landshut  in  Bayern,  in  Holz  am  Altare  der  h.  Walpur- 
gis  im  Dome  zu  Eichstätt  (andre  Beispiele  bei  Jakob,  S.  159);  auch  das 
zierlich  durchbrochene,  vergoldete,  sechseckige  Holztürmchen  von  4,40  Höhe 
im  Dome  zu  Brandenburg''  und  das  2,lo  hohe,  unten  vier-,  oben  achteckige 
aus  vergoldetem  Schmiedeeisen  in  der  Wenzelskapelle  des  Doms  zu  Prag,*  beide 
aus  dem  Ende  des  XIV.  Jahrb.,  scheinen  auf  dem  Altare  selbst  gestanden  zu  haben. 

Mit  Übergehung  der  bereits  vorstehend  angeführten  Sakramentschreine 
nennen  wir,  z.  T.  nach  Abbildungen,  noch  folgende: 

Am  Niederrhein:  zu  Altenberg  bei  Köln  (über  ll,oo  hoch,  zwischen 
1467—90;  aus'm  Weerth  T.  XLIl,  1),  zu  Bleidenstatt  und  Breithart  bei  Lan- 
genschwalbach  (Wandschränke,  letztere  von  1490),  zu  Kaikar  (aus'm 
AVeerth  XVI,  4;  Photogr.  hei  Wolff,  Kaikar.  Bl.  67),  in  der  Lambertikirche  zu 
Düsseldorf,  12,56  hoch,  um  1475-  79  (aus'm  Weerth  XXXI,  1),  zu  Elt- 
ville  (Wandschrank,  zweite  Hälfte  des  XIV.  Jahrb.),  zuGerresheim,  11,00 
hoch  (aus'm  Weerth  XXXI,  5),  zu  Goch  (das.  X,  12),  Griethausen  (das.  VI,  5) 
und  Kempen  (das. XXII,  4;  Statz  u.  Ungewitter,  T.  137),  zu  Kidrich  und 
Kirberg  Schränke  (letztere  von  1475),  im  Dome  zu  Limburg  (Statz  u.  Un- 
witter,  Taf.  124),  zu  Linz,  Lorch  (ca.  1400)  und  Mayen,  in  der  Pfarrkirche 

»  Abb.  Mitt.  C.-K.  m,  162.  Taf.  V  und  Details  ebd.  XV,  59. 
"  Abb.  Nordhoff,  Kr.  Hamm,  139.  Fig.  116. 
3  Abb.  Mitt,  C.-K.  ATI,  189. 

*  In  Westfalen  waren  die  Sakramenthäuschen  so  beliebt,  dafs  sich  in  manchen 
Kirchen  drei  (z.  B.  in  der  WiescnMrche  zu  Soest  und  in  der  Kirche  zu  Freckenhorst), 
oder  doch  zwei  (z.  B.  in  der  Paulskirche  zu  Soest,  in  der  Reinoldikirche  zu  Dortmund 
und  im  Dome  zu  Münster)  vorfinden,  von  denen  noch  dazu  einige  mehrere  Schränke 
enthalten,  ersichtlich  also,  da  sich  der  pro\'inzielIe  Oeschniack  emmal  für  diese  Form 
der  Depositorien  entschieden  Iiatte,  auch  zur  Aufbewahrung  der  Gefafse  mit  den  heil, 
ölen  und  von  Reli<iuiarien  dienten.  Es  sind  in  den  westfälischen  Kirchen  mindestens  gegen 
60  Tabernakel  aller  drei  Gattungen  nachgewiesen.   Vergl.  Lübke,  AVestf.,  302. 

*  Abb.  Prüfer,  Archiv,  n,  65. 

••      »      Org.  f.  ehr.  K.  1857,  Xo.  19  artist.  Beil.  und  Mitt.  C.-K.  XV,  23. 


in  AVestfalon  und  Niedersachsen.  247 

ZU  Münstereiffel  (1480  von  Friedlich  Roir;  Statz  u.  Ungewitter,  Taf.  138), 
zu  Münstermaifeld  (das.  Taf.  136),  zu  Niederweidbach  ein  zierliches  goti- 
sches Schränkchen,  zu  Obermillingen  (aus'm  AVoerth  V,  1),  zu  Oberwesel 
in  St.  Martin  (Statz  u.  Ungewitter,  Taf.  139)  und  in  der  Stiftskirche  (letzteres 
aus  der  Zeit  Kaiser  Karls  IV.),  zu  Qualbnrg  (aus'm  Weerth  X,  4),  in  der 
katholischen  Kirche  zu  Remagen,  zu  Till  (aus'm  Weerth  YL  9)  und  im 
Kreuzgange  des  Domes  zu  Trier;  aufserdem  zu  Köln  in  der  Sakristei  des 
Doms,  in  der  Minoritenkirche  (Beste  Yon  1475;  restaurierte  Abbild,  im  Organ  f. 
ehr.  K.  1862  Nr.  13,  artist.  Beil.)  und  in  St.  Kunibert  (ebd.  1856  No.  6), 

Im  Elsafs:  Türme  in  der  St.  Qeorgskirche  zu  Hagenau,  9^40  hoch, 
von  1523  und  zu  Walburg,  Kreis  Weifsenburg,  von  Clemens  von  ßaden- 
weiler  1484,  gegen  11,50  hoch  (Abbild.  Kraus,  I,  588);  Wandschränke  zu 
Bergheim  (Kreis  Rappoltsweiler),  spätgotisch,  dreiteilig,  mit  Templerwappen, 
Bu  rnekirch(beilllfurt)  von  1455,  Dietweiler(Kr.Mühlhausen),Eckrich(Kr. 
Rappoltsweiler),  Franken  und  Jettingen  (Kr.  Altkirch),  letzterer  von  1478, 
Kaysersberg  und  Knöringen  (Kr.  Mühlhausen),  halbzerstört  zu  Aspach 
(Kr.  Altkirch),  sehr  reiche  Arbeit  des  XV.  Jahrh.  und  durch  gutes  Eisengitter 
verschlossen  zu  Drei-Ähren  (Kr.  Kolmar);  auf  dem  rechten  Rheinufer  in  der 
Stadtkirche  zu  Gernsbach,  von  1440,  und  zu  Oberzell  auf  Reichenau. 

In  Westfalen  und  Niedersachsen  gilt  das  (horizontal  gekrönte)  Wand- 
tabemakel zu  Kappenberg  für  das  älteste,  vom  Anfange  des  XIV.  Jahrh. 
und  unter  den  Werken  des  XV.  Jahrh.  nehmen  die  Schreine  in  der  Wiesen-  und 
in  der  Paulskirche  zu  Soest  (Abbild,  bei  Statz  und  Ungewitter,  Taf.  102.  103, 
bei  Laib  und  Schwarz  a.  a.  0.  Taf.  XIV,  2)  neben  dem  in  die  dritte  Klasse  ge- 
hörigen Sakramenthause  in  der  kath.  Kirche  zu  Dortmund  die  ersten  Stellen 
ein  (Abbild,  eines  aus  zwei  Schreinen  neben  einander  bestehenden  aus  der  Beinoldi- 
kirche  daselbst  bei  Statz  und  Ungewitter  Taf.  140,  141);  aufserdem  zeichnen 
sich  aus  die  Tabernakel  zu  Nieheim  (7,85  hoch)  und  Steinheim  durch  Fein- 
heit der  Ausführung,  in  der  Nikolaikirche  zu  Lemgo  und  in  der  Stiftskirche 
daselbst  durch  schlichte,  kräftige  Formen,  zu  Schildesche  (etwa  9,40  hoch) 
und  Marienfeld  durch  Glanz  und  Reichtum,  in  der  Johanniskirche  zu  Osna- 
brück neben  edler  Einfachheit  durch  künstlerischen  Wert  der  Bildwerke,  in 
der  Qrossen  Marienkirche  zu  Lippstadt,  in  den  Kirchen  zu  Lüdinghausen, 
Recklinghausen  und  im  Dome  zu  Münster  (von  1536)  durch  die  üppigste 
Entfaltung  der  schon  entarteten  spätgotischen  Formen.  Ferner  sind  zu  nennen 
die  der  dritten  Klasse  angehörigen  zu  Rhynern  (Nordhoff,  Kr.  Hamm,  S.  87, 
Fig.  75)  und  zwei  zu  Unna  aus  dem  XV.  Jahrh.  (das.  S.  107  u.  108,  Fig.  95  u.  96) 
und  die  Wandschränke  zu  Kemnade,  zu  Berge  (das.  S.  83,  Fig.  66),  Bausen- 
hagen  (das.  8. 123,  Fig.  107),  Mark  (das.  S.  79,  Fig.  65)  und  Methler  (Photogr, 
das.  zu  S.  40).  Im  Hannoverschen  Gebiete  femer  die  Türme  zu  Ankum  (Amt 
Bersenbrück,  klein),  Arie  (Amt  Berum,  auseinander  genommen),  Barnstorf 
(Amt  Diepholz,  nur  2,92  hoch),  Bramsche  (AmtLingen,  klein),  Bücken  (bei 
Hoya,  gegen  9^65  hoch),  Dorum  (von  1524,  5,85  hoch),  Hilter  und  Laer 
(Amt  Iburg,  Reste),  Li  eben  au  (Amt  Nienburg,  von  1511,  bis  zum  Gewölbe 
der  Kirche  hinaufreichend),  Loccum,  von  1458  (Abbild,  bei  Mithoff  I,  126), 
Lohe  (Amt  Nienburg,  von  1521,  die  obere  Pyramide  restauriert),  Messingen 
(Amt  Froren),  Neuenkirchen  (Amt  Fürstenau) ,  Norden  (sechseckig,  8,75 
hoch),  Northeim  (Stadtkirche),  Quakenbrück  (spät,  aber  zierlich),  Riems- 


248  Sakramenthäuschen  in  Schwaben,  Bayern 

loh  (Amt  Grönenberg),  Roggen ste de  (Amt  Esens,  angeblich  aus  Backstein ?), 
in  der  Klosterkirche  zu  Wunstorf  (dem  zuLoccum  ähnlich)  —  und  die  Wand- 
schränke zu  Lath  en  (Amt  AsehendorO  und  in  St.  Blasien  zu  Mttnden  (s.  S.  244). 
Sehr  bedeutend  ist  der  wie  ein  Altaraufsatz  erscheinende,  etwa  7,50  hohe, 
4,10  breite  und  0,45  tiefe  dreiteilige  Wandschrank  in  der  Stiftskirche  zu  Wil- 
deshausen im  Oldenburgischen  in  spätgotischen  Formen  (Abbild.  Mitt.  Baod. 
Niedere,  m,  Bl.  116;  Seemann  CXV,  2). 

In  Schwaben  von  der  ersten  Klasse:  zu  Botenheim  (O.-A.  Bracken* 
heim),  Brack  en  heim  (St.  Johanniskirche),  Ditzenbach  (O.-A.  Geislingen, 
von  1499),  Hausen  a.  Zaber  (O.-A.  Brackenheim),  Heiligenkreuzthal, 
Illingen  (O.-A.  Maulbronn,  um  1488),  Kleinglattbach  (O.-A.  Vaihingen), 
XV.  Jahrb.,  Oberstenfeld  (Stiftskirche  von  1214),  Rothenburg  (O.-A. 
Oberndorf),  Rottweil  (in  der  h.  Kreuz-  und  Pelagiusklrche) ,  Steifslingen 
im  Hegau  (1503),  Unterzeil  (Abbild.  Laib  u.  Schwarz,  Studien,  Taf.  XIV,  3), 
Westerheim  (O.-A.  Geislingen,  von  1405)  und  Weilen  a.  Rinnen  (O.-A. 
Speichingen);  von  der  zweiten  Klasse  zu  Bopfingen  (1508 — 1510,  von  Hans 
Böblinger  d.  J.,  bis  zum  Gewölbe  aufsteigend),  Donauwörth  (1503),  zn 
Efslingen  in  der  St.  Dionysiuskirche  (11,50  hoch,  von  Lorenz  Lechler  aus 
Heidelberg,  1486),  zu  Eybach  (O.-A.  Geislingen,  1468),  Göfslingen  (O.-A. 
Rottweil),  Anfang  des  XVL  Jahrb.,  7,15  hoch,  Heilbronn,  in  der  Kilians- 
kirche  (ca.  1500),  Jebenhausen  (Abbild.  Laibu.  Schwarz,  Taf. XIV,  1),  Nörd- 
lingen,  in  der  St.  Georgskirche,  1515 — 1525,  von  Stephan  Weyrer  und  Ulrich 
Creytz,  ca.  17,20  hoch  (Abbild,  in  Eberhard,  National- Archiv),  Schw.  Hall  (in 
der  St.  Michaelskirche,  nach  1495),  Schwaigern  (O.-A.  Brackenheim,  1520, 
von  Bernhard  Sporer,  12,90  hoch),  Stockheim  (O.-A.  Brackenheim,  von 
Stefan  Waid,  1487—1509),  Wann  weil  (O.-A.  Reutlingen,  1488,  von  Hans 
Angstaindreyer  von  Wiesenstaig)  und  Z  ab  er  fei  d  (O.-A.  Brackenheim,  1476, 
von  Hans Spryfs  von Zaberfeld,  4,30  hoch);  von  der  dritten  Klasse:  zu  Up fin- 
gen (O.-A.  Urach,  XV.  Jahrb.),  Wangen  (O.-A.  Kannstatt,  Reste),  Wimpfen 
a.  Berg,  in  der  Pfarrkirche,  1451,  von  Hans  Steinmetz  (Abbild,  bei  Lorent, 
Wimpfen,  Bl.  11).  Andere  nicht  näher  bezeichnete  werden  erwähnt  zu  Back- 
nang (Stiftskirche),  Berneck  (O.-A.  Nagold),  Deichelried,  Entingen 
O.-A.  Horb,  1494),  Königseggwald,  Lau  ff  e  n  a.  Neckar,  Lindach  (bei 
Schw.  Gmünd),  Michelbach  (1486),  Reichenbach  (beiHirschau),  Thanau 
(bei  Gmünd)  und  Reste  zu  Wellendingen  (O.-A.  Rottweil)  und  Wildberg 
(O.-A.  Nagold). 

In  Bayern  Türme:  zu  Regensburg  im  Dome,  18,50  hoch,  1493  nach 
Entwurf  von  Matthäus  Roritzer  begonnen,  das  Oberteil  1510 — 1514  von  Wolf- 
gang Roritzer  vollendet  (Abbild,  bei  Schuegraf,  Dom  zu  Regensburg,  T.  I,  auch 
bei  Neumann,  Roritzer,  S.  24)  und  in  St.  Rupert,  zu  St.  Jakob  bei  Plattling 
(Abbild.  Jakob,  Taf.  XIV,  1),  in  der  Jakobskirche  bei  Straubing,  zu  Aun- 
kofen  bei  Abensberg,  zu  Bluten  bürg  und  in  der  protestantischen  Kirche  zu 
Redwitz;  Wandtabemakel  in  der  Ägidien-  und  in  der  Leonhardskirche  zu 
Regensburg;  zu  Kirchberg  bei Eggenfelden  und  in  der  ehemal. Pfarrkirche 
Höhenberg,  jetzt  Filiale  zu  Langenerling  in  der  Diöcese  Regensburg;  ein  zier- 
liches an  die  Wand  gelehntes  Türmchen  in  derSchlofskapelle  auf  der  Trau  snitz. 

In  den  österreichischen  Ländern:  in  Niederösterreich  von  der 
ersten  Klasse :  in  den  Pfarrkirchen  zuArt8tetten,zuHardegg  (Österr.  Atl. 


und  den  österreichischen  Ländern.  249 

LXI,9),  Kirchberg a.  Wechsel,  Külb,  Lichten wörth  (Abb.  Mitt.  C.-K.  XVH, 
S.  CXLVI,  Fig.  10),  Muthmannsdorf  und  Perchtolsdorf,  in  der  Annen- 
kapelle zu  Pöckstall,  der  Schlofskapelle  zu  Pottendorf,  von  1453  (Abbild, 
in  Ber.  u.  Mitt.  d.  Alt. -V.  zu  Wien  XV,  96),  zu  Schwallenbach,  Totzenberg 
und  in  Maria-Stiegen  zu  Wien  (s.  Fig.  89);  von  der  zweiten  Klasse  zu  Drosen- 
dorf  in  der  Altstädter  Kirche  (Östr.  Atl.  XU,  4),  in  der  Pfarrkirche  zu  Eggen- 
bnrg  (das.  CXCTVl,  8),  in  derselben  auch  ein  Wandschrank,  zu  Heiligenblut, 
8,85  hoch  (Ost.  Atl.  dLI,  3)  und  zu  Mauer,  8,50  hoch,  überaus  schlank  (Jahrb. 
C.-E.  n,  161);  von  der  dritten  Klasse  ein  kleiner  zu  Krems  in  der  Spitalkirche 
(Östr.  AtL  LXXXm,  5),  gröfsere  zu  St.  Lorenzen  bei  Markersdorf  (ebd. XLI,  11), 
in  der  Pfarrkirche  zuMödling,  am  Chorpfeiler  (ebd.  LXXXQl,  8)und  in  derSchlofs- 
kapelle  zu  Purgstall,  mit  Zinnenarchitektur  (ebd.XLI, 7).  —  In  Oberöster- 
reich: ein  Turm  in  der  Lorenzkirche  zu  Lorch  bei  Enns,  7,60  hoch,  von 
1480,  daselbst  ein  gleichzeitiges  kleineres  der  dritten  Klasse  (beide  im  östr.  Atl. 
LXXXm,  4u.  7)  und  von  der  dritten  Klasse  zu  Gampern  bei  Vöcklabruck 
(das.  96, 7)  und  in  der  Stadtpfarrkirche  zu  Steyer  (das.  LXI,  2  u.  6).  —  In  Tirol: 
zu  Damüls,  von  1487,  eingemauert,  zu  Taufers,  aus  der  Mariä-Himmel- 
fahrtskirche  auf  dem  Kirchhofe  (Mitt.  G.-E.  I,  203),  in  der  Marienkirche  in  der 
Vill,  von  1412  (Östr.  Atl. LXXXm,  1)  und  zu  Weifsenbach  (Mitt.  C.-K.  I,  205). 
—  In  Steiermark:  Wandschränke  zu  Gratz,  von  1499  (Östr.  Atl.  LXI,  8),  zu 
Grofslobming  (Kirchenschmuck  1878,  No.  2,  Beilage)  und  in  der  Magdalenen- 
kirche  zu  Judenbnrg,  von  der  dritten  Klasse  zu  Anssee  (Östr.  Atl.  XOYI,  11) 
und  zu  Polstrau.  —  In  Kärnthen  und  Krain:  Wandschrank  zu  Grafen- 
dorf (das.  LXXXm,  2),  freistehende  zu  Heiligenblut  (sehr  schlank  und  ausge- 
zeichnet) und  zu  Waitschach  (spätgotisch  in  vier  Stockwerken) ;  von  der  dritten 
Klasse  zu  St.  Ruprecht  bei  Strafsenfufs  (das. LXI,  5)  und  ein  Fragment  zu 
Laas  (Anfang  des  XVI.  Jahrb.).  —  In  Böhmen  und  Mähren  von  der  ersten 
Klasse  in  der  Nikolaikirche  zu  Eger,  reich,  Mitte  des  XV.  Jahrb.  (Abbild. 
Grueber  VI,  120),  in  der  Dekanalkirche  zu  Friedland  (sehr  zierlich,  dem 
Nachoder  ähnlich),  auf  dem  Karlstein  (östr. Atl.  XCVI,  10)  und  zu  Nachod 
(das.  Fig.  9),  einfache  zu  Rakonitz  und  Tschetschowitz  und  ein  sehrgrofser 
ofenartiger  Schrank  in  der  St.  Gotthardskirche  zu  Schlau;  von  der  zweiten 
Klasse:  zu  Gang,  7,oo  hoch  (östr.  Atl.  XU,  1),  im  Dome  zu  Königgrätz,  von 
1492,  über  10,00  hoch  und  in  der  Barbarakirche  zu  Kuttenberg  (nur  der 
Untersatz  noch  vorhanden),  sämtlich  von  Matthaeus  Rayseck,  ein  einfacheres 
in  der  Dreifaltigkeitskirche  zu  Kuttenberg,  7,00  hoch  (Abbild,  in Kunstdenkm. 
d.  österr.  Kaiserst.  L  Taf.  XXXIV;  Grueber  IV,  126),  zu  Krumau,  8,50  hoch, 
vor  1480  (Abb.  Grueber  IV,  122),  zwei  fast  identische  zu  Kaurzim  und 
Böhmisch-Brod  (äufserst  plump),  5,oo  hoch,  aus  der  Mitte  des  XVI.  Jahrb. 
(Abb.  Grueber  IV,  125)  und  zu  Prachatitz  nur  noch  das  Fufsgestell,  angeb- 
lich von  1510  (das.  123,  Fig.  167);  von  der  dritten  Klasse  zu  Bfeskovic 
(Mitt.  C.-K.  XV,  S.  CXXXI)und  zu  Katharein  beiBrtinn  (ebd.  XIV,  S.  XXXÜI). 
In  Franken  und  Hessen  sind  zunächst  aus  der  Nähe  von  Nürnberg  die 
unter  dem  Einflüsse  des  Krafftschen  in  der  Lorenzkirehe  (s.  S.  245)  entstan- 
denen Türme  zu  Fürth  (Wanderer  a.  a.  0.  Taf.  30  u.  S.  29  u.  Heideloff,  Orna- 
mentik II,  8),  7,50  hoch,  Heilsbronn  (Wanderer  Taf.  24  u.  S.  25),  Kalch- 
reuth,  9,40  hoch  (das.  Taf.  27  u.  8.  27,  28),  Katzwang,  6,60  hoch  (das.  Taf.  28 
u.  8.  29),  Schwabach,  von  1505,  14,40  hoch  (das.  Taf.  25  u.  26  u.  8.  26)  und 


250  Sali ramenthäuKc heu  in  Franken.  H™H*n  etf. 

Ottensoos  (das.  Taf.  31  u.  S.  30)  zu  nennen.  Ferner  Wandschränke  im  Reg.- 
Bez.  Kassel:  zu  Frankenberg,  Mitte  des  XIV.  Jahrh.  (v.Dohn-Kothrelxer, 
Frankenberg.  S.  10),  Gelnhausen,  zweite  Hälfte  (ies  XIV.  Jahrh.  (Statr  u. 
Ungewitter  Taf.  121,  I.  2.),  Grebenstein  (das.  Taf.  2T.  6.  7.  32,  3.),  H&ina 
(das.  Taf.  120),  Haindorf,  Hatzbach  (spätgotisch),  ImmenhaOBeo  (das. 
Tat.  118),  Marburg  (ein  Icleiner,  mit  Malereien 
umgeben,  in  derEÜBabethliirche,  ein  gröfserer, 
2,80  hoch,  ca.l360,  mit  eisernem  Gitter  davor  von 
1503,  in  derlutherischenKirche),  Neukirr  hen 
(Kr.  Hilnfeld),  sehr  zierlich,  von  1^60,  Nieder- 
Walgern(vonl479),  Ottrau(ca.  1305),  Ro- 
senthal, spätgotisch,  verBtfimmelt(tS  tat  zu.Un - 
(fcwittorTaf.  90,  8),  Untcrrosp  he  (Anfang  des 
XlV.Jahrh.)  und  zwei  zuVolk  mar  sen.einerans 
dem  XIII. ,  der  andere  vom  Ende  des  XIV.  Jahrh. 
(beide  Statz  u.  Ungewitter  Taf.  I1&),  sodann  in 
der  Herrgottskirchc  nnd  in  St.  Petri  zn  Kreg- 
lingen  undzuFrauenthal,  Rinderfeld  nnd 
R  a  f  f  e  I  h  age  n  (sämtlich  im  O.A.  Mergentheim). 
Freistehende  Türme  zuKrailsheim  (1408  von 
Rndris  Erobhardt,  8,90  hoch),  im  Dome  zu  Fritz- 
lar einer  aus  dem  XIV,  Jahrb.  im  Chor  nnd  ein 
spätgotischer,  11,30  hoch,  im  Schiff  (Abb.  Statz 
u.  Ungpwitter  Taf.  122.  123),  Inder  Kugelkirche 
zu  Marburg  (ca.  1485,  0,90  hoch),  zn  Goll- 
hofen,  Amtsger.  UlTenheim  (rerpl.  J.  Hörnes 
im  40.  Jahrpsber.  d.  histor.  Ver.  f.  Mittelfranken, 
18S0,  m.  Abbild,).  Von  der  dritten  Klasse :  Inder 
GeorgskirchezuDinkelsbUhl  (von  1480,  acht- 
eckig, an  einem  Pfeiler,  9,oo  hoch,  der  obere 
Teil  durch  einen  hölzernen  Aufsatz  von  einem 
Altare  ersetzt),  zwei  im  Dome  zu  Frankfurt 
a.  Main  (Kallenbath,  Mbum,  No.  94),  in  der 
Pfarrkirche  zu  Neustadt  bei  Kirchhain  (reich, 
aber  roh) späte stgoti ach  nnd  zu  Niederasphe 
(1491).  Andere  werden  erwähnt  in  der  oberen 
Pfarrkirche  St.  Marien  zu  Bambergvon  1392, 
zu  Ueidingsfeld,  Kitzingen,  Kreufson, 
Ochsenfurt  nnd  in  St.  Jakobi  zn  Rothen- 
burg 0.  d.  Tauber  von  1479. 

Im  nordöstlichen  Deutschland  finden 
sich  in  den  sächsisch  -  thüringischen  Gegenden 
aufser  den  auch  in  den  Dorfkirehen  häufigen 
Wandschreineu  freistehende  TQrme  zu  Gang- 
'''  "  jB«J™"',S.°V«tfichr'''°'    lofsömmern  (Kr.  Weifsensee),  in  der  St.  Niko- 
laikirche zu  Jüterbog  (9,s7  hoch  von  Meister  Michel, 
Abb.  Puttrieb,  H.  Serie  Jüterbog.  Bl.  II)  und  zn  Welfsensee  in  St,  Nikolai  (ca. 
1500,  ca.  9,00  hoch,  stilgerecht,  in  grofsen  Formen),  Reste  von  1500  auch  in  der 


Hostienbüchsen.    Kannen.  251 

Stadtkirche  zuRömhild,  und  ein  6,00  hoher  aus  Weinböhlä  im  Museum  d.  Gr. 
Gartens  zu  Dresden,  No.  124  (Abb.  Mitt.  Sachs.  Altert.-V.  XIX, Taf.  1 );  Wandtaber- 
nakel im  Dome  zu  Meifsefi  und  im  Dome  zu  Merseburg  von  1588.  In  der 
Mark  Brandenburg  ein  ausgezeichneter  Turm  von  1514  mit  dem  Meisterzeichen 
F.  H.  M.  im  Dome  zu  Fflrstenwalde  (Abb.Kallenbach,  Atlas,  Taf.  80)  und  ein 
an  die  Wand  gelehnter  in  der  Marienkirche  zu  Frankfurt  a.  Oder.  In  Schlesien 
ein  15,70  hoher  Turm  von  lodokus  Tauchen  von  1455  in  der  Elisabethkirche  zu 
Breslau,  während  der  des  Meisters  Wolfgang  von  Wien  von  1439  in  der 
dortigen  Sandkirche  nicht  mehr  existiert,  femer  Türme  in  Bunzelwitz 
(4,08  hoch  von  1515),  Giersdorf  (1519)  Hirschfei dau  (1492)  und  Lud- 
wigsdorf (1503)  und  Wandschränke  zu  Hohen-Poseritz,  Puschkau  und 
Zirlan  im  Kr.  Schweidnitz,  sämtlich  ans  dem  XIV.  Jahrh. ,  der  letzte  von  1352, 
femer  zu  Polsnitz  bei  Freibnrg  von  1302,  zu  Metschkau  (Kr.  Striegan)  aus 
dem  XV.  Jahrb.,  andre  zu  Jannowitz  (Kr.  Schönau)  und  Oltaschin  (Kr. 
Breslau).  In  der  Marienkirche  zu  Dan  zig  befindet  sich  ein  5,96  hoher  Turm 
von  1478 — 82,  und  ein  hölzemes  Wandtabernakel  mit  3,75  hohem  Turme  über 
dem  Schranke  aus  der  Kirche  zu  Granzin  im  Museum  zu  Schwerin;  Reste 
eines  hölzemen  auch  in  der  Nikolaikirche  zu  Stralsund. 

46.  Von  minderer  Wichtigkeit  als  die  eigentlichen  Vasa  eucharistica 
sind  die  übrigen  Mefsgeräte,  die  zum  Auftragen  des  Brotes  und  Weines 
dienenden  Gefafse:  die  Hostienbtichse  oder  Schachtel  {pyxis,  capsa)  und 
die  Wein-  und  Wasserkannen  {amulae,  ampullae);  die  Löffel  (cochiearia) 
und  Siebe  (coiatoria);  sowie  die  Giefsgefäfse  (manilia^  aquaemanilia)  zürn 
Waschen  der  Hände  für  den  Celebranten,  die  Mefsglöckchen  (tintinnabulay 
ciinsae),  die  Bauchfasser  (ihuribula),  auch  die  Gefafse  für  die  heiligen 
öle  {chrismaioria)  und  die  Weihkessel  (vasa  lusiralia). 

Hostienbüchsen  kommen  vorzugsweise  in  ran  der  und  ovaler  Form, 
mit  einem  Deckel  versehen  vor,  und  zwar  aus  den  verschiedensten  Stoffen: 
Holz,  Elfenbein,  Silber,  vergoldetem  Kupfer  und  Messing,  schlicht  oder 
omamentiert,  und  es  ist  schwer,  sie  von  den  ähnlich  geformten  Reliquiarien 
zu  unterscheiden,  weshalb  wir  auf  das  S.  196  und  236  über  letztere  Ge- 
sagte verweisen.  —  In  dem  Basler  Inventarium  vom  J.  1511  wird  unter 
No.  99  y>ein  silberin  ostien  büchs«^  angeführt.  * 

Die  Kannen  (Mefspollen  —  wohl  aus  ampullae  entstanden;  in 
den  spätmittelalterlichen  Schatzverzeichnissen  heifsen  sie  in  der  Regel: 
apollen)^  scheinen  erst  in  spätgotischer  Zeit  einen  bestimmten  Typus 
angenommen  zu  haben:  sie  kommen  stets  paarweise,  auf  einer  Schüssel 
stehend  vor,  das  eine  Kännchen  für  den  Wein,  das  andere  für  das  (zur 
Ausspülung  des  Kelches  etc.  erforderliche)  Wasser,  und  die  Höhe  der- 
selben beträgt  durchschnittlich  0,18.  Der  polygone  bauchige  Körper 
ist  gewöhnlich  ans  Glas;  FuTs,  Henkel,  Klappdeckel  und  zur  Sicherang 

*  Mitt.  der  Ges.  f.  vaterl.  Alt.  in  Basel.  IX,  22.  £ine  silberne  runde  von  drei 
knieenden  musicierenden  En^ln  getragene,  auf  deren  Deckel  die  Gethsemanescene  in 
freien  Figürchen  dargestellt  ist,  Defindet  sich  in  der  DekanaDdrche  zu  Melnik.    Abb. 

Mitt  c  -K  XIV  s  cxvm. 

>  Vergl.  Bock^  Fz.,  über  die  christl.  Me&kännchen,  in  den  Mitt.  C.-K.  IX,  1—39. 


252  Kannen  und  Knige. 

des  Glases  Streifen   längs   desselben   aas  Metall   (Silber);   such  gänzlich 
ans  Metall,  zuweilen  emailliert,  and  zar  Vermeidung  von  Verwechslang  iet 
das  eine  Kannchen  mit  einem  V{inum),  das  andere  mit 
einem  ii(gua)   bezeichnet.      Die   Lambertikirche   zn 
Düsseldorf  besitzt  zwei  Hefskännchen  aus  vieleekig 
geschliffenem  Kry stall  mit  ailber- vergoldetem  Beschlag 
vom  Anfange  des  XVI.  Jahrh.*  Ein  intereBsantes  Exem- 
plar besitzt  der  Schatz  des  Aachener  Hüneters:  es 
sind  zwei  in  Silber  getriebene  hohle  EngelGgnren  mit 
beweglichen  bunt  emaillierten  Flügeln;   der  Ansgnfs 
fand  dnrch  eine  kleine  Röhre  auf  der  Brust  statt,  das 
Einfüllen  dnrch  einen  Schieber  im  Kopfe.'  —  In  der 
alten  Kirche,  wo  Brot  und  Wein  von  den  Gläubigen 
als  Opfer  dargebracht  wurden,  bedurfte  man  grflfserer 
Gefäfae  zur  Aufnahme  desOpferweins,  und  es  ist  mög- 
lich, dafs  die  anscheinend  in  der  Zeit  der  Ottonen  aus 
dem  Morgenlande  in  mehrere  Kirchen  Deutschlands 
Fj|.  M.  MthUnneh«  du  gekommenen,   sog.   steinernen  Waaserkrlige  von   der 
i^'J^S^iTn  w»™)"    Hoehzeit  zn  Kana  ursprünglich  diesem  Zwecke  gedient 
haben:  sie  wurden  alljährlich  am  3.  Sonntage  nach 
Epiph.  mit  Wein  gefüllt  auf  den  Altären  ansgestellt.    Ein  solches  Gefäfs  ans 
Travertin  befindet  sich  noch  im  Zither  zuQuedlinbnrg;  es  ist  eine  Vase  von 
schöner,  stark  gerundeter  Form,  leicht  geschwungenem  Sockel,  etwas  ver- 
engtem Hals,  mit  zwei  schlangenartigen  Doppelhenkeln  (von  denen  der  eine 
abgebrochen  Ist),  in  der  Höhe  0,43,  an  der  Mttndung  0,21  messend  und  an- 
geblich etwa  22  Berliner  Hafs  fassend.'   Sehr  ähnlich  ist  die  nnter  gleichem 
Namen  in  Mittelzeil  auf  Reichenau  vorhandene  antike  Urne.*  Im  Dome  zn 
Hildesheim  wird  nurnoch  einStflek  von  einem  ähnlichen,  im  XVH.Jahrh. 
Eerbrochenen  Gefäfse  aus  Porphyr  aufbewahrt.  —  Ähnlich  waren  auch,  den 
Abbildungen  im  Bamberger  Heiligtnmsbuche  von  1509  (Gang  IX.}  zufolge, 
die  beiden  Krüge  "Von  der  hocbzeit  zu  Chana',  welche  der  dortige  Dom 
besafs.  —  Von  ganz  anderer  Art  ist  die  0,345  hohe,  in  der  grOfaten  Breite 
des  Bauches  0,139  messende  Kanne  von  Achat  (such  Henkel  und  Deckel  be- 
stehen daraus)  mit  Fufs  und  Fassung  ans  vergoldetem  Silber,  welche  jetzt 
als  Abendmahl  skanne  dient,  zu  Reinkenhagen  in  Pommern.^ 

Der  dargebrachte  Opferwein  erforderte  Vorsichts  halber  eine  Durch- 
seihang durch  ein  Sieb,  und  dies  ist  der  Ursprung  der  Colatoria,*  die 

'  Abb.  auB'm  Weerth.  Taf.  XXXI,  2  3  und  im  Ofk.  f.  ohr.  K.  1853,  No.  11 
Sit  Beil.,  woselbst  noch  eine  andre  MefepoUe  aus  einer  niederrheinischen  Kirche  abge- 
bildet ist,  eineein&chereaufiSf.Pholianin  Aachen  bei  Becker- V.  Hefner.  lU.  Taf.  56. 

•  Abb.  aus'm  Weerth.  Tsf.  IXXTOI,  13;  Bock,  Pfalrkap.  I,  2.  Fig.  18.  19, 
Kleinodien,  Anhang  S.  47. 

'  Abb.  bei  ■Wallmann,  J.  Andr.,  Abb.  v.  d.  Altert,  der  Stiftsk.  z.  Qupdl.  (17T6). 
Taf.  zn  S.  39. 

'  Abb.  bei  Marmor,  iEteithenau.  Taf.  2. 

•  Abb.  Prüfer,  Archiv.  H.  Taf.  IS. 

•  Auch  auf  dem  Vortragekreuze  zn  Planig  (Abb.  Bonner  Jahrb.  XLIV  u.  XLV, 
Taf.  IX  u.  XI)  steht  der  Gencuzigte  auf  einem  Colatotium,  aus  dem  drei  Blutgtrahlen 
in  den  darunter  Rtehenden  Eplch  abÜieben. 


Siebe.   Löffel.   Giefsgefälse.  253 

später  nur  für  den  Fall  des  besonderen  Bedflrfnisses,  oder  an  einzelnen 
Orten  zur  Aufrechthaltung  der  alten  Sitte,  beim  Eingiefsen  des  Weines  in 
den  Kelch  gebraueht  wurden.  Der  Dom  zu  Mainz  besafs  um-tlas  J.  1200 
^colae  argenieae  IX, y  per  quas  vinum  poterat  colariy  si  necesse  fuisseU,^ 
Das  Colum  war  ein  Metallgefilfs  mit  fein  durchlöchertem  Boden ,  kommt 
aber  auch  in  der  Form  eines  Löffels  vor.  Anderer  Löffelchen  bediente 
man  sich  (was  noch  heute  z.  B.  im  Sprengel  von  Münster  geschieht)  ,*  um 
beim  Offertorium  der  Messe  dem  Weine  im  Kelche  einige  Tropfen  Wasser 
beizumischen,  wozu  sonst  das  Mefskännchen  gebraucht  wird.  Dergleichen 
Löffel  enden  am  Stiel  häufig  mit  einem  Figürchen  der  heil.  Jungfrau  oder 
eines  Apostels:  zu  St.  Maria  in  der  Kupfergasse  zu  Köln  z.  B.  ist  ein  Löffel 
mit  der  Madonna,  ^  in  der  Kirche  zu  St.  Lorenz  (Kr.  Fischhausen  in  Preufsen) 
und  auf  dem  Schlofse  zu  Schwerin  ein  Löffel  mit  dem  Bilde  des  Apostels 
Jakobus, ^  einige  andere  in  der  MittelalterL  Sammlung  zu  Basel. 

Die  Giefsgefäfse,'^  deren  sich  der  Priester  nach  uralter  Sitte  zum 
Waschen  der  Hände  vor,  während  und  nach  der  Messe  bediente,  und  die 
auch  besonders  bei  der  Fufswaschung  am  grünen  Donnerstage  gebraucht 
wurden,  hatten  bis  ins  XIIL  Jahrh.  und  später  die  Form  irgend  eines  der 
Natur  nachgebildeten  oder  phantastischen  Tieres,  aus  Metall  gegossen  und 
zuweilen  emailliert,  wie  dergleichen  auch  zu  profanem  Gebrauche*  dienten 
und  sich  in  Kirchen  und  Sammlungen  noch  vielfach  vorfinden.^  So  heifst 
es  in  der  Beschreibung  der  Mainzer  Domschätze  ans  der  Mitte  des  XIIL  Jahr- 
hunderts: i^ürcei  wgentei  diversarum  formaram^  quos  manUia  vocanty  eo 
quodaqua  sacerdotummanibtis  fUnderetur  ex  eis,  quaedam  habentes  formam 
Jeonum,  quaedam  draconuniy  avium  vel  gryphonumy  vel  aliorum  animcdium 
quorumcunque,«^^  Die  bei  weitem  gewöhnlichste  Form  ist  die  eines  Löwen. 
In  einer  Stiftungsurkunde  über  Widmung  von  Waschgeräten  für  das  St.  Pauli- 
Stift  zu  Halberstadt  vom  5,  März  1524  (vergl.  Schmidt,  Urkundenbuch,  528) 
wird  dies  Gefäfs  ohne  weiteres  als  »ein  Löwe  aus  Messing«  bezeichet. ^ 


*  Chron.  Christiani  ep.,  Jaffe,  a.  a.  0.,  683. 

*  Vergl.  Gräser,  d.  röm.-kath.  Lit.,  127. 

»  Abb.  bei  Bock,  d.  heU.  Köbi.  Taf.  XXV,  88. 

^  Zu  einem  vollständigen  Besteck  solcher  * AposteUöffeU  gehörten  13  Stück;  der 
dreizehnte  mit  einem  Manenbilde,  vielleicht  in  Beziehung  auf  die  gewöhnliche  Dar- 
stellung des  Pfingstwunders.  Vergl.  Otte,  Wörterbuch,  10.  —  Löffel,  deren  Stiel  ein 
Kreuz  oildet,  dsäier  *KreuzlöffeU  genannt,  dienten  in  der  griechischen  Kirche  zur 
Reichung  des  in  den  Wein  getauchten  heil.  Brotes.  Auch  in  der  abendl.  Kirche  war 
dies  im  XI.  Jahrh.  fast  allgemein  Brauch  geworden,  aber  1095  auf  dem  Konzil  zu 
Clermont  erklärten  sich  die  französischen  Bischöfe  ^gen  diese  Neuerung. 

*  VereL  Hönisch,  die  Fomien  des  Aquamanile,  in  denMitt.  O.-K.  Xfl,  S.  XXIX  ff., 
mit  8  HoTzschn. ;  »Das  Lavabo  und  seine  Kunstiormen«,  im  Kirchenschmuck  1882, 
No.  2  u.  3,  ra.  Holzschn. 

®  Z.  B.  im  Lüneburger  Rats-Silberschatze  im  Kunstgew.-Mus.  zu  Berlin  (Schrank 
877,  No.  21.  22)  befinden  sich  zwei  aus  verg.  Silber  von  1540  u.  1541. 

"^  Vergl.  Labarte,  Jul.,  Hist.  des  arts  md.  I,  353.  —  Br.  Hahn  in  Hannover 
besafe  eine  Sammlung  von  30 — 40  Exemplaren;  eine  reiche  des  Herrn  Kaufmann  in 
Frankfurt  a.  M.  war  1868  zu  Bonn  bei  Gelegenheit  des  intemat.  Kongresses  für  Alter- 
tumskunde aus^stellt. 

■  Chron.  Christiani  ep.,  a,  a.  0.,  680. 

®  Solche  Löwen  finden  sich  noch  z.  B.  im  Dome  zu  Halberstadt  und  Minden,  in 
St.  Patrocli  zu  Soest  und  in  der  Kirche  zu  Berghausen  in  Westfalen.    Abb.  eines  zu 


Andre  in  Fonn  eines  Pferdes  befinden  sich  m  Kirehsahr  bei  Münetereifel 
(Abb.  aua'm  Weerth,  Taf.  Hl,  3),  im  Germaniachen  Unienm  za  Kflrnberg 
(E.-0.  263.    Abb.  im  EatAlog,  Taf.  26,  siebe  Fig.  9S)    und  in  der  FOretlicben 


Fig.  M.    aicbcitlüa  lu  BioBii  (nub  din  HltUU,  in  k.  k,  CMttal- KsnaUaloii). 

Sammlnng  zn  Sigmaringen  (Abb.  von  Hefuer-Alteueck.  Taf.  IS,  £);  in 
Gestalt  einer  Taub«:  im  Erzbischftfl.  Moseam  za  Köln;  eines  Uausbahns, 
laut  Inschriit  von  1150,  bei  Herrn  Floh  iu  Krefeld;'  einer  Henne:  bei 
Herrn  Dietz  in  Koblenz;  eines  fabelhaften  Vogels  (Baisilisken) :  iuderJo- 
hanniekircbe  zu  Herford  (Abb.  Seemaan,  CL,  H);  eines  Greifen:  im  Knnst- 
gewerbe-Hosenm  zu  Berlin  (ächrank354),*  imHttnz-  nnd  Antiken-Kabinet 
En  Wien  (Östr.  Atl.  XLU,  6),  im  Bayr.  National  -  Musenm  zu  München 
(Becker-  v.  Hefoer  in,Taf.  T);  eines  Hnndes:  bei  Prof.  Seyffor  in  Stuttgart 
nnd  in  der  FOrstl.  Sammlnng  zn  Sigmaringen  (von  Hefner-Alteneck, 
Taf.  18,  H.).  —  Im  Münster  zu  Fr  ei  sing  ein  romanisches  Waachgeßirs,  dessen 
Gieferohr  nnd  Henkel  von  zierlich  gestalteten  Drachen  gebildet  werden.  — 
Besonders  hervorzuheben  ist  noch  einMauile  im  MUnsterschatze  znAachen: 
eine  b&rtlge  bekränzte  männliche  BOste  im  römischen  Kostflm,  ana  vergol- 


Krucliu  in  dur  Provinz  Posen  Befundenen  ini  Ostr.  Atl.  XI.TI,  "  —  siehe  Kg.  »3  — 
von  dreien  im  Privatbesitz  zu  Wien  da».  XLII.  «.  lü  und  LXXXIY,  6.  von  zweien 
in  der  Kanstkamiiier  zu  München  l>ei  Honisch.  a.  a,  Ü.,  Fig.  1.  2,  von  zweien  in 
der  füretl.  Sammlung  zu  Sigmarinaen  bei  von  Hefner-Alteneuk.  Taf.  IS,  G.  u. 
F.,  eines  im  Germanischen  Museum  (K.-G.  26t)  im  Katalog.  Taf,  26. 

'  Katalog  der  Düsselderfer  Aiisslell.  kuimt^w.  Gogenst.  von  l&SO,  19«,  No.  T5S  a. 

'  Dieses  QefSIs  wurde  in  der  Gegend  von  Glüekstadt  an  der  ätühr  beim  Uercel- 
grabcii  l.tE  tief  in  der  Erde  gefunden,  und  älinlicbe  GielakaDDen  sind  in  slavischen 
Lindem  in  Ht'idcngTül>eni  wiMerholt  gefunden  worden,  woraus  folgt,  dals  diese  Oe- 
tM-ie,  obgleich  walmicheinlich  alle  chnstUcheii  Ursprungs,  dennoch  auch,  beim  heid- 
nischen Kultus  iienutzt  worden  sind  und  eiuer  Zeit  angehoron,  die  in  den  Slavenlän- 
dem.  WD  die  meisten  gefunden  werden,  noch  Heidentum  hatte.  Die  nähere  Bestimmung 
der  Entstebungszeit  für  die  roheren  Uanilieu  iu  Tiergestalt  dürfte  besondere  Schwierig- 
keiten haben.  Vergl.  die  Bemerkung  Leop.  v.  Ledebur's  in  den  N.  Mitt.  Th.-S.  V. 
VI,  4,  171. 


Waschbecken.  255 

detem  Kupfer,  von  0,1S3  Höhe,  mit  Klappdeckel  oben  auf  dem  Kopfe  und 
Giefsrohr  an  der  Stirn.  ^  Ein  sehr  ähnliches  mit  gravierten  Verzierungen 
aus  dem  Schlüsse  des  XII.  Jahrh.  befindet  sich  in  der  Stiftskirche  zu  Ober- 
wesel,  ein  weiteres  in  der  Fürstl.  Sammlung  zu  Sigmaringen  und  eine 
weibliche  Büste /auf  deren  Kopfe  eine  von  den  vier  philosophischen  Tu- 
genden umgebene  weibliche  Figur  thront,  ans  dem  XII.  Jahrh.  im  National- 
Museum  zu  Pest h.^  —  Dagegen  eine  einfach-schöne  Kanne  mit  Becken  aus 
dem  XIV.  Jahrh.  im  Dome  zu  Augsburg  (Abb.  Becker-  v.  Hefner,  I.  Taf.,  59). 
—  Die  spätere  Gotik  setzte  an  die  Stelle  der  alten  Manilien  zur  Hand- 
waschung häufig  einfache  Kesselchen  mit  zwei  Wasserabläufen,  wie  ein 
solches  von  0,13  Höhe  im  Erzbischöflichen  Museum  zu  Köln  befindlich  ist, 
und  ähnliche  in  ziemlich  roher  Form  noch  in  vielen  rheinischen  Dorf  kirchen 
vorkommen;  ein  stattlicheres,  0,51  hohes  turmartiges  Gefäfs  mit  zwei  Hen- 
keln zum  Aufhängen  und  unten  zwei  Tierköpfen  als  Ausgüssen ,  mit  Gra- 
vierungen verziert,  im  Germanischen  Museum  (E.-G.  263,  Abb.  im  Katadog,  Taf.  26) 
und  ein  ähnliches  in  St.  Johannis  zu  Osnabrück.  —  Aufser  der Giefskanne 
waren  auch  Waschbecken  (peives,  pelviculaCy  ciphi,  bachini,  va$a  aqua- 
mamlia)^  erforderlich,  und  viele  von  den  in  Kirchen  und  Sammlungen  vor- 
kommenden einfachen  und  geschmückten  Metallbecken  hatten  diese  Bestim- 
mung. Im  Prager  Schatzinventarium  von  1387  wird  angeführt:  T>Una  peivis 
cupreüj  in  qua  lavai  suffraganeus  mamis^}  Ein  emailliertes  Kupferbecken 
aus  dem  XII.  Jahrh.  befindet  sich  im  Schatze  des  Klosters  Tepl  in  Böhmen.'^ 
Oft  kommen  diese  Becken  paarweise  voTCbicaria,  gemelliones):  das  eine,  ist 
als  GiefsgeiUfs  mit  einer  Tülle  versehen,  das  andere  als  Waschbecken  mit 
Löchern  im  Rande  zum  Ausschütten  des  Wassers.  So  z.  B.  im  Zither  des 
Domes  zu  Halberstadt  No.  37  —  38  zwei  emaillierte  Kupferachalen  und 
zwei  runde  von  0,24  Durchmesser  mit  weltlichen  Kriegsdarstellungen  aus 
dem  Michaelskloster  zu  Lüneburg  in  der  Reliquienkammer  der  Schlofs- 
kirche  zu  Hannover  (Abb.  bei  Vogell,  Kunstarbeiten  aus  Niedersachsens  Vor- 
zeit, Taf.  1  u.  2;  vergl.  Mithoff  IV.  164). 

Die  Schelle  oder  Klingel,  mit  welcher  der  Ministrant  bei  gewissen 
feierlichen  Momenten  in  der  Messe  dem  Volke  ein  Zeichen  giebt,  ist  meist 
von  gewöhnlicher  Art ;  ein  Exemplar  aus  Bronze  in  durchbrochener  Arbeit 
mit  den  Evangelistenzeichen  und  romanischem  Laubwerk  geschmückt,  be- 
findet sich  im  Erzbischöfl.  Seminar  zu  Rheims  und  ein  Messingabgufs 
davon  auch  im  Erzbischöfi.  Museum  zu  Köln;®  ein  ganz  mit  Doppeladlern 


'  Abbüd.  bei  aus'm  Weerth.  Taf.  XXXVHI,  12;  Bock,  Pfalzkap.  I,  1.  Fig.  40; 
Kleinodien,  Anhang  S.  47. 

2  Abb.  Östr.  Atl.  XLH,  11  und  Bock,  Ffalzkap.  I,  1.  Fig.  41. 
^  Vergl.  Augusti,  Denkwürdigkeiten.  XII,  56. 
^  Mitt.  C.-K.  IV,  329. 

•  Abb.  bei  Stillfried,  R.  a'..  Altert,  u.  Kunstdenkm.  d.  Haus.  HohenzoUeni, 
Heft  3.  Andre  im  Domo  zu  Osnabrück  von  0,23  Durchmesser,  im  Schlosse  Main- 
berg  bei  Schweinfurt  (Abb.  Becker-  v.  Hefner.  I.  Taf.  20,  Photogr.  Frankfurter 
Ausstcll.  Taf.  38,  1),  im  Herzogl.  Museum  zu  Braunschweig  (No.  90,  Ausguls  in 
Fonn  einos  Tierkopfes)  und  in  der  Altert. -Sammlung  zu  Wiesbaden  (mit  siebartigem 
Ausgufs;  Photogr.  Frankfurter  Ausstell.  Taf.  3S,  2). 

*  Abb.  Didron,  Annales.    Becker-  v.  Hefner.  I.  Taf.  56. 


•56  ScheUeD.    ßäachergefaCt«. 

und  Panthern  in  Relief  aberzogenes  Exemplar  ans  dem  XV.  Jahrh.,  deasen 
Griff  abgebrochen  ist,  zu  Graz  (Abb.  Kirchenschmuct  1872,  Beil.  zu  No.  12). 
Spätere  ans  Bronze  mitReliefs  im  Renaisdancestil,  meist  niederl&nd,  Urapmngs 
aus  dem  XVI.  Jahrh.,  sind  in  deutschen  Sammlungen  nicht  selten,  so  von  1538 
im  Knnstgew. - Hnseum  zu  Berlin  (Schrank  3dT)  etc.  In  Jenkofen  und 
HilbertshofeuCDiöceseManchen-Freising)  werden  Mefsklingeln  von  Eisen 
aus  gotischer  Zeit  erwähnt ;  dagegen  nennt  du  Prager  Schatzinventar  vom 
J.  1387  mehrere  »nolae  argenleae*.  —  Änch  Garnitnren  von  mehreren 
im  Dreiklang  abgestimmten  Mefsglöckchen,  die  mittelst  eines  drehbaren 
Rades  bei  der  Wandlang  in  Bewegung  gesetzt  wurden  (Glockenr&der), 
kamen  in  Kathedral-  und  Abteikirchen  im  Chore  vor,  nach  der  Vermutung 
von  Hefsmer^  standen  sie  ursprOnglich  mit  der  im  Chor  befindlichen  klei- 
neren Orgel  in  Verbindung.  Esemplare  h&ben  sich  besondera  in  Spanien 
erhalten,*  ein  grofses  ans  vergoldetem  Schmiedeeisen  in  Sternform  von  1415 
befindet  sich  im  Dome  zu  Fulda  (Abb.  Uailhaband,  Livr.  62),  ein  anderes 
ans  dem  Augsbnrger  Dome  im  Bayrischen  National-Husenm  zn  Mtlnchen,* 
ein  späteres  von  1611  in  der  Pfarrkirche  zu  Landsberg  a.  Lech.* 

Der  Apparat  zn  den  liturgischen  Räucherungen  besteht  aus  dem  Weih- 
ranchgeffifs  iacerra,  incensorium,  pyxis  thuris)  ntbat  LOffelchen  zum 
Herausnehmen  des  Rauchwerkes  und  dem  Ranchbecken  (thuribuium). 
Die  titeren  Acerrae  waren  oft  aus  edlem  Gestein  und  hatten  anscheinend 
zuweilen  die  Form  von  ungeheuerlichen  Bestien:  wenigstens  kommt  zn 
Anfang  des  XUl.  Jahrb.  unter  den  Mainzer  Do meclifttzen  vor:  »Acerra  de 
lapide  inUgro  onycMno  concavo,  kabens  simUiludinem  vermis  horribUit,  i.  e. 


ut  bufonis*.    Die  Uffnung  auf  dem  Rücken  des  Tieres  war  mit  einem  silber- 
nen Ringe  eingefafst,  auf  dem  griecliiache  Bnchstaben  standen;  an  der  Stirn 

■  Anz.  (i.-M.   1375,  8p.  213  f. 

'  Z.  B.  in  Oercma  (Abb.  Lübke,  Torachule,  H7.  Tig.  157;  Seemann.  CU,  i), 
Toledo,  Barcelona. 

'  Vergl.  Mitt.  C.-K.  IX,  S.  IV,  m.  Abb.;  auch  bei  Schmid,  d.  chrisÜ.  Altar,  MS 
u.  Otte.  Wörterbuch,  212. 

*  Vergl.  Mitt.  C.-K.  XIV,  S.  XOV. 


Rauchfässer.  257 

trug  das  Reptil  einen  Topas  und  hatte  statt  der  Augen  zwei  Karfunkel.  ^ 
Diesem  sehr  ähnlich  ist  ein  bronzenes  in  Gestalt  eines  liegenden  Löwen,  dem 
Augen  aus  Granaten  eingesetzt  sind  (auf  dem  Rücken  eine  Öffnung  mit 
Deckel  und  hinter  derselben  ein  Schlitz  für  ein  Löffelchen),  aus  dem  XI. 
Jahrh.  im  Germanischen  Museum  (Abb.  Essenwein,  Kunst-  u.  kulturg.  Denkm. 
d.  G.  M.  Taf.  y,  2).  Häufiger  jedoch  hatte  die  Weihrauchschale  die  Form 
eines  Schiffchens  (navicula  incensi ;  vgl.  oben  S.  205),  welches  durch  einen 
in  der  Mitte  geteilten  (metallenen)  Klappdeckel  verschliefsbar  und  entweder 
aus  edlem  Stein  oder  Metall  verfertigt  war.  In  dem  mehr  erwähnten  Prager 
Inventarium  von  1387  kommen  vor:  -»Navicula  hyspidina  (aus  Jaspis)  dr- 
cumdata  auro  puro  pro  portando  (hure.  Item  alia  navicula  amatistina^  non- 
dum  omata  argento^]  es  sind  jedoch  solche  Weihrauchschiffchen  nur  sehr 
selten  erhalten,^  und  nicht  viel  anders  verhält  es  sich  auch  mit  den  Rauch- 
becken selbst,  da  diese  Gefäfse  durch  das  Feuer  und  den  Gebrauch  in  den 
Händen  der  Ministranten  schadhaft  geworden,  häufigen  Erneuerungen  unter- 
worfen waren.  In  seiner  einfachsten  Gestalt  besteht  das  Thuribulum  (auch 
ihymiamateritm,  ilmricremium,  fkimigatorium  genannt)  aus  zwei  aufeinander 
gelegten  halbkugeligen  Schalen,  deren  untere  zum  Behuf  des  Schwingens  an 
Ketten  befestigt  ist.  Ein  solches  einfachstes  von  Eisen  aus  dem  XII.  Jahrh. 
befindet  sich  im  Bayr.  National -Museum  zu  München.'  Später  bildet  sich 
die  Form  mehr  aus,  indem  das  Becken  nicht  nur  zum  Schwingen,  sondern 
auch  zum  Hmstellen  eingerichtet  wurde.  Auf  einem  einfachen  aus  der  Hohl- 
kehle gebildeten  runden  Fufse  ruht  das  sich  ausbauchende  Kohlenbecken, 
welches  mit  seinem  durchbrochenen  Deckel  die  Architekturformen  des  Cen- 
tralbaues  nachahmt.  An  drei  oder  vier  Punkten  der  Peripherie  sind  Ketten 
von  etwa  0,30  Länge  befestigt,  die  zugleich  durch  Ösen  an  den  entsprechen- 
den Stellen  des  Deckels  gehen  und  sich  in  eine  Handhabe  mit  einer  vom 
Centrum  des  Deckels  ausgehenden  kürzeren  Kette  vereinigen.  Der  bild- 
nerische Schmuck  der  reicheren  besteht,  wie  bei  den  Leuchtern,  aus  vielfältig 
verschlungenen  Drachen  und  Bestien.  Die  Architektur  des  Deckels  ist 
häufig  als  das  himmlische  Jerusalem  gedacht.  Als  solches  mit  den  12  Thoren, 
12  Aposteln  und  12  Propheten  beschreibt  Theophilus  presbyter  ausdrücklich 
eins,  ein  anderes  als  geschmückt  mit  den  Bildern  der  vier  grofsen  Pro- 
pheten, Evangelisten  und  Paradiesesfiüsse.  Vielfach  erscheinen  auch  die 
drei  Jünglinge  im  feurigen  Ofen,  so  an  einem  zu  Trebnitz  (von  1203, 
wahrscheinlich  aus  Bamberg  stammend).^     Das  vielleicht  am  reichsten  ge- 


*  Chron.  Christiani  ep.  1.  c,  680. 

'  Vergl.  (Bock,  Fz.,)  Schiffchen  zum  Darreichen  des  Weihrauchs  (XIV.  Jahrh.), 
nebst  Abbild.,  im  Org.  f.  ehr.  K.  1862,  No.  15;  die  Abbild,  einer  Navicula  mit  Löffel 
auch  bei  Didron.  Annales  archeol.  XIV,  263.  Andre  in  der  Kirche  zu  Neuen- 
becken  bei  Paderborn  (Abb.  mit  Löffel  Mitt.  C.-K.  XU,  S.  XLVm),  in  der  Fürstl. 
Sammlung  zu  Sigmaringen  (Abb.  Becker-  v.  Hefner.  m.  Taf.  24),  im  Privat- 
besitze zu  Frankfurt  a.  Main  (Fhotogr.  Frankfurter  Ausst.  Taf.  14.  Fig.  5)  und 
zwei  im  Kunstgewerbe-Museum  zu  Berlin,  alle  fast  identisch  aus  emailliertem  Kupfer 
und  wohl  aus  gleicher  Quelle  (Limoges)  stammend.  Ein  kupfernes  auf  sechseckigem 
Fufso  aus  dem  XV.  Jahrh.  im  German.  Mus.  (K.-G.  266). 

'  Abb.  Mitt.  C.-K.  XIV,  S.  LXXI. 

^  Vergl.  Kirchenschmuck  1870.  (Bd.  XXVII),  8.  28. 

Otte,  Knnst-ArotaKologle.    6.  Aofl.  17 


echiDQckte  aus  vergoldetem  Kupfer  im  Dome  zu  Trier  (Abb.  aus'm  Weerth, 
Taf.  LVIl,  9)  bat  «m  unteren  Teile:  Mobcb,  Aaron,  Jeeaiu  nnd  Jeremiu, 
am  Deckel:  Abel,  Melchise- 
dek,  Opfernng  iBaaks,  leaak 
segnet  Jakob,  auf  deeeen 
Spitze :  Salomo  auf  dem  LS- 
wentbrone  und  am  Knopfe,  iu 
den  die  Ketten  zusammenlau- 
fen, vier  MedailloDB  mit  Apos- 
telbruBtbildem.  Die  meisten 
älteren  RaucbfSsser  sind  aus 
Erz,  geringere  sogar  aus 
Eiaen,  erst  spfiter  wnrden  bü- 
beme  häufiger.  Die  Mafse  be- 
tragen durcbscbnlttlichO,!!) — 
0, 14  im  UurcbmeBser  bei  0,]  3— 
0,i6H<lbe.  DerDomznTrier 
besitzt  ausser  dem  eben  ge- 
nannten noch  ein  einfacheres 
BilberneB  (Abb.  auB'mWeerth, 
Taf.  LVU,  7;  danacb  Fig.  95); 
beide  in  der  Grundform  eines 
an  den  Enden  in  Halbkreise 
Übergehenden  griechischen 
ErenzeB.  Einfachere  kupferne 
zu  Ruppichteroth  im  Sieg- 
kreise (Abb.  das.  Taf.L,  3)  und 
zu  Frankfurt  a.  H.  ^ot 
Frankf.  Äasst.,  Tsf.  SS,  4).  Zwei 
(einander  ganz  gleiche)  Bpfi- 
^    „.    Ol...        «     i.^,. ,    n  ,...„  test-romaniache  Rauchfässer 

Fi«.  M.    aUl»ni«i  RnüOhftift  Im  Dom«  »n  TiLm  .     »    ,  .      ,       „/     ,, 

(naeii  mu'b  WMrth).  befinden  sich  in  der  Pfarrkir- 

che zuHohenwepel  bei  War- 
barg  und  in  der  zu  letzterer  gehörigen  Kapelle  zu  Menne,  in  ähnlicher  Gmnd- 
anlage  wie  die  Trierer  und  ausgezeichnet  durch  die  Fülle  des  aus  Bestiengeatal- 
ten  bestehenden  Ornaments,  das  sich  nicht  nur  auf  die  8  apsidenf^rmigen 
Ausmndungen  und  die  72  Dreiecke  des  Beckens  und  Deckels  selbst,  sondern 
bis  auf  die  Handhabe  erstreckt,  in  welcher  die  fünf  Ketten,  von  llerunhol- 
den  gehalten,  sich  vereinigen  (Abbüd.  Becker-v.  Hefner,  m,  Taf.  4T;  vergl. 
Oiefers,  Prakt.  Erfahningeii  etc.  S.  66).  Andere  Rauchfässer  romanischen  Stils 
in  den  Kirchen  zu  Hellefeld  bei  Arnsberg,  zu  FOratenan  und  zu  Lich- 
tenau (Diöces  Paderborn).  Ein  sehr  einfaches  romanischea  Thnribulum  in 
HeBBinggufa,  an  welchem  die  Architekturformen  rein  und  klar  hervortreten, 
besitzt  das  Erzbischdfl.  Musenm  zu  Köln  (Katalog  von  1855  B.  S,  No.  17;  Abb. 
Org.  f.  ehr.  E.  1S54,  B«il.  zu  Ko.  12).  Noch  nnscheinbarer  ist  ein  romanisches 
Thnribulum  in  der  Kirche  zu  Heggen  bei  Attendorn.  Dagegen  zeigt  ein 
RauchfasB  im  Museum  zu  Freising  (Abb.  Becker-v.  Hefoer,  m,  laf.  30; 
Jakob,  Taf.  SHI,  i)  reiche  und  geschmackvolle  Architekturformen;  ein  klei- 


neres  befindet  aicti  zuJeDkofen  bei  Landahut  und  eia  ganz  einfaches  im  Pri- 
vatbesitz zn  AngB- 
borg  (Abb.  Becker- 
■V.  Hefner,  m,  Tttf. 
66  A);  ein  bronzenes 
des  XIII.  Jahrb.  aus 
der  Kirche  zu  Rü- 
digadorf  im  UuBenm 
des  Gr.  Gartena  zn 
Dresden  {Nr.  235; 
Abb.  Mitt.  des  SSchs. 
Altert. -Vereins,  XVII, 
Taf.  3)  und  eins  aus 
vergoldete m  Enpfer 
mit  Email  aas  Rik- 
kersdorf  (Kr.  Lnk- 
kan)  im  Provinzial- 
Museam  zn  Berlin 
(Abb.  Prüfer,  Archiv, 
m,  Tat.  14).  —  Die 
frnhgotiBclien  behal- 
ten znm  Teil  die 
Grundformen  der  ro- 
manischen bei,  so  das 
in  der  St.  Hanritins- 
kirche  zn  HUnster 
(Abbüd.  Lübke,  Vor- 
schule, 145,  Fig.  154). 
Sp&ter  bildet  die  Go- 
tik den  Fnleteil  ge- 
wöhnlich in  derForm 
des  Vielecks  oder 
einer  sechsbUtteri- 
gen  Rose  nnd  wendet 
durchgebend  die  stil- 
gemäfsen  Strebepfei- 
ler- nnd  Mafswerk- 
bildungen  an,  die 
Mitte  des  Deckels 
mit  einem  polygonen 
Spitztnrm  krönend, 
wodurch  das  Höhen- 
mafs  bis  auf  0,26 — 
0,31  anwuchst.  FrQh- 
gotische Beispiele  fin- 
den sich  2  kupferne 
aus  dem  XIV.  Jahrh. 

zu        Sigmaringen   fli.H.    OotiHhN  Wtthniulurib  id  Btllennalt«  (mtb  dtm  Onr.  au.). 


260  Rauchfässer.    Ölgofäfse. 

(Abb.  von  Hefner-Alteneck,  Taf.  52),  ein  bronzenes  im  Museum  zu  Wei- 
mar (Abb.  Becker-  v.  Hefner,  H,  Taf.  13),  ein  messingenes  ähnlich  denen 
zu  Hellefeld  und  Hegp:en  in  der  kathol.  Kirche  zu  Bausenhagen  (vergl. 
Nordhoff,  Kr.  Hamm  S.  124).  Andere  Beispiele  zu  Boppard  in  der  Pfarr- 
kirche aus  dem  XV.  Jahrh.  (Abb.  Bock,  Rh.  Band.  H,  10,  Fig.  5),  zu 
Eltenberg  (aus'm  Wcerth,  Taf.  I,  2),  Gräfrath  (das.  Taf.  LXI,  9),  Orsoy 
(das.  Taf.  XXI,  11),  St.  Alban  in  Köln  (Abb.  Bock,  d.  heil.  K.  Taf.  XIK, 
73);  zu  Paderborn  im  Dome  und  in  der  Bustorfkirche;  zu  Mflnster  im 
Bischöfl.  Museum  und  in  der  Moritzkirche  noch  ein  elegant  spätgotisches; 
zu  Würzburg  in  der  Augustinerkirche  (Abb.  Becker- v.  Hefner,  I,  Taf.  70); 
zu  Schwainbach  bei  Landshut,  zu  Haindling  bei  Geiselhöring  (Abbild. 
Kirchenschmuck  1859,  Heft  I,  Beil.  1)  und  zu  Reisbach  (Jakob,  Taf.  XV,  4), 
sämtlich  in  der  Diöcese  Regensburg;  in  St.  Ruprecht  zu  Völkermarkt 
(Österr.  Atl.  36,  7),  zu  Montan  in  Tirol  (Abb.  Album  mittelalterl.  Kunstw.  a.  T. 
1865,  I,  3).  Eins  der  zierlichsten  aus  der  zweiten  Hälfte  des  XV.  Jahrb., 
0,40  hoch,  befindet  sich  im  Stifte  zu  Seitenstetten  (Österr.  Atl.  36,  4.  5., 
s.  Fig.  96);  auch  unter  den  Stichen  des  Martin  Schongauer  befindet  sich  der 
Entwurf  eines  sehr  zierlichen  (Bartsch,  107).  —  Aufser  diesen  kleinen  zum 
Schwingen  eingerichteten  Rauchfässern  gab  es  in  älterer  Zeit  auch  gröfsere 
Thymiamateria,  die  neben  den  Altären  aufgehängt  oder  hingestellt  wurden, 
und  das  Mainzer  Schatzverzeichnis  aus  der  ersten  Hälfte  des  XIII.  Jahrh. 
(s.  oben  S.  253)  erwähnt  als  solche  zwei  hohle  silberne  Kraniche  von  natür- 
lieber  Gröfse,  die,  auf  dem  Rücken  offen  und  mit  Kohlen  und  Rauchwerk 
gefüllt,  durch  den  Schnabel  den  Rauch  ausströmen  liefsen  und  zu  beiden 
Seiten  des  Altars  aufgestellt  wurden. 

Die  Gefäfse  für  die  heiligen  Öle  (oleum  catechtunenomm,  oleum 
infirmorum  und  chrisma,  Heilöl,  Krankenöl  und  Salböl)  sind  und  waren 
verschliefsbare  Büchsen  (capsae^  pyxides)  und  Flaschen  (ampuUae)  aus  ver- 
schiedenen Stoffen  verfertigt,  einfach  oder  geschmückt;  nur  gläserne  »om- 
pullae  chrismatis<^  wurden  von  dem  Provinzial-Konzil  zu  Trier  vom  J.  1227 
verboten.^  Auch  Homer  finden  sich  zu  diesem  Zwecke  schon  frühzeitig 
benutzt,^  und  die  Kathedrale  zu  Gran  in  Ungarn  besitzt  drei  gröfsere 
Hörner  mit  silbervergoldeten  Ständern  und  Deckverschlüssen  aus  dem  XV. 
Jahrb.,  die  indes  erst  später  als  vasa  olei  (wozu  sie  noch  heute  dienen)  in 
kirchlichen  Gebrauch  gekommen  sind.'  —  Auch  die  im  Domschatze  zu  Salz- 
burg aufbewahrte  emaillierte  Taube  aus  dem  XII.  Jahrh.  (s.  oben  S.  238) 
gilt  als  Olgefäfs.  Interessant  sind  solche  Gefäfse,  welche  die  drei  Büchsen 
für  die  verschiedenen  Öle  vereinigt  enthalten,  wie  sich  dergleichen  z.  B.  im 


*  Hartzheim,  Conc.  Germ.  III,  529;  vergl.  Jakob,  219.  Ein  Fläschchen  aus 
emailliertem  Kupfer  von  ca.  1200  im  Kunstgewerbe-Museum  zu  Berlin  ist  abgebildet 
bei  Becker-  v.  Hefner.  H.  Taf.  4,  eine  im  Domschatze  zu  Prag  befindliche  Kanne 
aus  dem  XIV.  Jahrh.  Östr.  Atl.  LXXXrV,  7.  —  Drei  silberne  bauchige  Fläschchen 
mit  engem  Halse,  C.  S.,  0.  S.  und  0.  J.  bezeichnet  zwischen  1277 — 96  geschenkt,  be- 
finden sich  im  Dome  zu  Eegensburg. 

'  Ein  Ölhom  wurde  bei  der  Salbung  Ottos  des  Gro&en  gebraucht.  Vergl.  Giese- 
brecht,  Gesch.  d.  deutsch.  Kaiserz.  (4.  Aufl.)  I,  245. 

3  Abb.  Östr.  Ati.  XXXVI,  1—3.  6.  8.  9. 


Domachatze  zu  Regensbnrg  ans  St.  Jakob  zu  Str&abiDg,'  und  aus  dem 
J.  1489  in  der  AltBtädter  Kirche  zu  Warburg  (.Ditlc es  Paderborn)  befinden: 
anf  einem  sechsblatterigen  KelchfnfBe  ruht  das 
Aber  dem  GmndrirB  des  DreipasaeB  aua  drei  Türm- 
chen  mit  Zinnen  und  Schiefascharten  znsammen- 
gesetzteGeßirB:  denen  in  Warburg  noch  drei  ähn- 
liche kleinere,  die  sich  nicht  öffnen  lassen,  in  den 
Ecken  hinzugefügt  sind,  in  der  Mitte  des  gemein- 
samen Deckels  erhebtsich  ein  mit  dem  Kreuze  ge- 
krönter pyramidaler  Helm.*  Von  gleicher  Kon- 
struktion, Jedoch  ohne  die  mittlere  pyramidale 
Spitze,  auf  der  Innenseite  des  fOr  alle  drei  Ab- 
teilungen gemeinsamen  Deckela  mit  den  Buch- 
staben I  (.infirmorum),  0  {oleum  catecftumenorum) 
und  C(cAn'»na)  bezeichnet  ist  das  dem  Stift  Neu- 
kloster  zu  Wiener-Neustadt  1446  vom  Kaiser 
Friedrich  lU.  gratiftete  Geflfs.'  Ein  im  Dome  zu 
Osnabrück  befindliches  von  ca.  1445  hat  die 
Gestalt  einer  auf  vier  Löven  ruhenden,  an  den 
vier  Ecken  von  kantigen  Stlulen  eingefafaten, 
zinnengekritnten  Borg,  welche  auf  einer  heraus- 
zuziehenden Platte  die  dreiTflrmchen  trägt  Die 
Wahl  dieser  festungsartigen  Form  für  diese  Ge- 
fSfse  acheint  sich  auf  das  bei  der  letzten  Ölung 
vorkommende  Gebet:  »Esto  ei,  domine,  turris 
forlifudinis  a  facie  inimici  etc.<  (vergl.  Pa.  61, 4)  zu 

beziehen.  —  In  der  mittelalterlichen  Sammlung  pig.  si.  oirtb  fur  tu«  h,  Oi*  in 
zn  Basel  befinden  sich  in  Gestalt  eines  zwei-  w«6Brg(n»i.d.org.f.chi.K.). 
henkeligen  bflchseu förmigen  und  dreier  einhenke- 
ligen kannenfjtrmi^en  die  biachöflichen  ölgefäfse,  in  denen  das  vom 
Bischöfe  geweihte  Ol  bis  zur  Abgabe  an  die  einzelnen  Pfarren  aufbewahrt 
wurde,  und  in  den  Akten  des  ülmer  IfOnsterbaues  wird  des  Fäfsleins  Er- 
wähnung gethan,  nn  welchem  man  das  Chrisam  holt  von  Konstanz'!. 

Tragbare  Weihwassergefäfae  (vasa  bistraliä)  aus  romanischer  Zeit 
haben  die  Form  eines  kleinen  Eimerchens  (durchschnittlich  etwa  0,is  hoch, 
nnten  0,13  und  oben  0,16  breit)  mit  Tragbtlgel  von  Metall,  sind,  insgemein 
unter  Säulenarkaden  und  oft  in  zwei  Reihen  übereinander,  mit  biblischen 
Reliefs  geschmttckt,  und  kommen  aus  Elfenbein  geschnitzt  oder  in  Erz  ge- 
gossen vor.  Die  ElfenbeingefXfse ,  so  viel  deren  bis  jetzt  bekannt  sind  (im 
Domschatze  zu  Mailand,*  im  Kunstfaandel  zu  Aachen  nach  England  ver- 


'  Jakob.  Taf.  SJ\',  6.  7. 

>  Abb.  Becker-  v.  Hefner.  n.  Taf.  34  und  Org.  f.  ehr.  K.  1856,  artist  BeiL  zu 
No.  e,  vergl.  Giefers  da.solbst  in  No.  5  u.  6  und  Prakt.  Erfahrungen  u.  s.  w.,  M. 

•  Abb.  Östr.  Atl.  XC\'ni,  3. 

'  .  Mitt.  C.-K.  V,  147.  Taf.  IV;  Bock,  Pfalzkap.  I,  I.  Fig.  31;  ders.  KJeino- 
dien,  Anhang,  36. 


262  WeihwBBsergeMac. 

kauft,*  in  der  Kirche  zu  Kranenbarg  bei  Kleve*  und  im  MüBsterscliatse 
zu  Aachen*  —  die  drei  ereten  aae  der  Zeit 
der  Ottonen,  letzteres  angeblich  aus  dem  XII. 
Jahrh.)  dienten,  wie  auf  deQ  beiden  Ältesten 
inschriftlich  bezeugt  ist,  dazu,  dem  Kaiser  bei 
seinem  Eintritte  in  die  Kirche  das  Weihwasser 
darzureichen.    Die  Erzgefäfse  (e.  B.  im  Uom  zu 
Speier,  im  Dom  und  St.  Stephan  zu  Mainz;* 
in  der  Stiftskirche   zu  Berchtesgaden;   im 
National -Muse  am  zn  HQnchen,  aus  Bamberg 
stammend ;  in  der  Sammlung  des  Fflrsten  von 
HoheDZollem  zu  Sigmaringen,  ansReichenan 
stammend,  angeblich  Stiftung  des  Abtes  Her- 
mannae  Contractus;'  und  in   St.  Stephan  zn 
Wllrzburg)  befolgen  denselben  Typus.     Aus 
der  gotischen  Periode  sind  bis  jetzt  nur  Weih- 
kessel  der  Sptttzeit  nachgewiesen,  einfache  Ar- 
beiten in  Rot-  oder  QelbgufB,  aber  von  gefälliger 
■B  KnoHiinrc  (BMh  wu-nWMiUi).     Form:  das  Eimerchen  von  0,2! — 0,26  Höhe  hat 
ein  becherartiges  Profil  und  ist  mit  geglieder- 
ten Reifen  umgeben;  der  Schlangenhenkel  wird  von  menschlichen  Figdrchen 
oder  von  Köpfen  gehalten,  die  hSnfig  ttber  Wappen- 
schilden emporstehen.    Beispiele:  in  den  Kirchen 
zu  Eltenberg  und  Straelen,'  in  der  Kirche  zu 
Deutz  und  in  St.  Kunibert  zu  Köln;  ein  Weih- 
kesHel  aus  dem  XVI.  Jahrh.  in  dieser  Kirche  hat 
schon  ausgebauchte,  kmgartige  Fonn.^  —  Im  Prager 
Seh  atz  Inventar  von  1387  kommt  vor  ein  *urceus 
argenteus  ad  aspersionem  cum  imagmibus'.  —  Ein 
spätgotischer  im  Dome  zu  Osnabrück  hat  einen 
Drachenkopf  als  Äusgnfs  und  am  Henkel  behelmte 
Brustbilder.  —  Die  Adspersio  geschah  in  alter  Zeit 
mit  einem  Baumzweige,  einem  Ysop-  oder  Stroh- 
büBchel,  wenn  nicht  etwa  auch  mit  den  Finger- 
Fig.  39.  wtoikweL         spitzen;  auch  benutzte  man,  wie  das  deutsche  Wort 
In  d«  kirehe  in  EiieniHirg      Weihwedol  (fUper^V/uflt)  audoutet,  den  Schwanz 
»oim    «etih).        ^.^^^  Tieres,  und  zwar,  wie  das  französische  Wort 
für  Weihwedel  >^oi<;>i/fon'  (vom  altfranz.  goupH=  Fuchs)  beweist,  einen 

<  Tergl.  Käntzeler,  Pet.  Stoph.,  eine  Eunst-ReUqnie  des  X.  Jahrb.  Aachen  (1856). 

'       .       aus'm  Weerth,  in  deii  Bonner  Jahrbb.  LYTH,  ITO— 174  u.  Taf.  tX. 

'  Abb.  aus'm  "Weerth.  Taf.  XY^nf,  10;  Bock,  Pfftizkap.  I,  1.  Fig.  29.  SO; 
Kleinodion,  Anhang,  48.  Vergl.  Diilron,  Ann.  arch.  XVII,  141,  wo  dies  Gefafe  in 
dio  Earolingische  Zeit  gesetzt  wird.    Nach  Bock  ist  Otto  HI.  inschriftlich  daran  bezeugt. 

'  Abb.  Becker-  t.  Hefner.  HI.  Taf.  23. 

'  •  in  Originalgro&o  bei  t.  Hefner-Altonect.  Taf.  64,  geringe  bei  Marmor, 
Rf ichenau.  Taf.  3. 

•  Abb.  aus'm  Weerth.  Taf.  I,  4.    XXU,  2. 

"<  >  Bock.  d.  heil.  Köln.  Taf.  XHI,  48  u.  47.  Andre  einfache  abeeb.  bei 
Becker- V.  Hcfncr.  IH.  Taf.  31,  aus  dem  MOmter  zn  Aachen  bei  Bock,  Ffalzkap. 


Eredenztische.     Piscinen. 


263 


FnchsBchwanz. '    Gewöhnlich  jedoch  war  daa  Asper^l  ein  Stab  ans  Uettll 
oder  Holz,   oben  in   eiuem  rnnden,    mit  Borsten  besetzten  Kopf  endend, 
oder  dieser  Kopf  hat  die  Gestalt  eines  Frnch^eh&uses  (Artischocke,  Tan- 
nenzapfen), ist  mit  feinen  Litchern  durchbohrt  nad  birgt  einen  Badeschwamm 
in  sich.* 
Anmerkung.   Zum  AufBtellen  der  ftlr  den  Mefadienst  erforderlichen  Ge- 
{&he  und  Geräte  dient  ein  insgemein  beweglicher  hölzerner  Tisch,  Eredenz- 
tisch  (credentiä),  welcher  an  der  Kelchseite  neben  demAItare  aufgestellt  und 
mit  einem  weirsen  Tuche  bedeckt  wird:  im  Dome  zu  MUnster  ist  zu  diesem 
Zwecke  ein  zweiteiliger  Tisch  bestimmt,  der  aufgeklappt  ein  Schachbrett  zum 
Vorschein  kommen  läfst  und  dem  WiedertftuferkQnig  Johann  von  Leyden  ge- 
hört haben  soll.  Im  Dome  zu  Magde- 
burg ist  neben  dem  Hochaltäre,  aber 
auf  dessea  nordöstlicher  Ecke,  eine 
der  Altarplatte  (s.  oben  S.  133)  voll- 
kommen ähnliche ,  nnr  etwas  kleinere 
und  niedrigere  Marmortafel  befind- 
lich, die  zwar  für  das  Grab  Erzb. 
Dietrichs  (f  1367)   gehalten   wird, 
vielleicht  aber    als    Credentia   ge- 
dient hat.^ 

Ebenfalls  auf  der  Kelchaeite 
nächst  dem  Altare  befindet  sich  in 
der  Mauer  zuweilen  eine  fensterartige 
Nische,  Piscina  (auch  wohl  Fene- 
stellä)  genannt,  und  innerhalb  der- 
selben eine  oder  auch  zwei  halb- 
kugelige kesselartige ,  oder  flach  tel- 
lerartige Vertiefungen  mit  kleinem 
Abzugskanal,  die  zum  Waschen  der 
Hände  für  den  Priester  und  zum 
Reinigen  der  heiligen  Gefäfse  be- 
stimmt waren,*  z.  B.  im  Dome  zu 
Naumburg,  in  der  Klosterkirche 
ZU  Zinna,  in  der  Katharinenkirche 
zu  Braunsberg,  in  dem  Dorfe  Alt- 
Christburg  (Kr.  Mohrungen):  hier 
der  Abflufs  ans  einem  Granitsteine  bestehend,  der  sich  frei  durch  die  Maner 


I,  2.  Kg.  57,  aus  Waldfeucht  bei  von  Fisenne.  a.  a  0  H  Lief  8  4  Taf  40 
Auch  der  bei  von  Minutoli,  Denkmliler  8.  T  allgebildete  m  einem  Wendengrabe  zu 
Gnewikow  bei  Neu-Ruppin  als  Aschenume  vorgefundene  Brixizekessel  ist  mit  dieser 
Art  von  'Weihkesseln  völEg  identisch. 

'  Vetgl.  Gareieo,  J.,  l'Archeologue  chretien.   Nimes  ISaJ,  234 

*  Der  Eriegaknecht,  welcher  auf  dem  EHenbeindeckel  des  Ekihtemacher  Evan- 


264  Piscinen.    Depositorien. 

öffnet.^  In  der  Abteikirche  za  Altenberg  bei  Köln  wurden  die  7  Piscinen 
der  Chorapsiden  durch  eine  Wasserleitung  von  einem  benachbarten  Berg- 
quell gespült.  Ehe  die  Nischenform  üblich  wurde,  hatten  übrigens  die  Pis- 
cinen ganz  die  Form  eines  Weihwasserbeckens  oder  Taufsteins,  so  z.  B.  eine 
schöne  aus  der  zweiten  Hälfte  des  XIII.  Jahrh.  im  Chore  der  Elisabethkirche 
zu  Marburg.  Seit  der  Priester  allgemein  dem  römischen  Missale  entsprechend 
die  Ablutio  gleich  am  Altare  sumiert,  sind  die  Piscinen  neben  dem  letzteren 
überflüssig  geworden  und  entweder  aufser  Gebrauch  gesetzt  und  vermauert, 
oder  anderweitig  als  Schränkchen  verwandt.  —  Auch  in  der  Sakristei  mufs 
ein  Lavacrum  für  die  Handwaschung  des  Priesters  vor  der  Messe  und  sonst 
vorhanden  sein;  ein  schönes  romanisches  in  Gestalt  einer  Säule  mit  reich 
skulptiertem  hohlen  Kapitell  befindet  sich  in  der  Sakristei  der  Klosterkirche 
zu  Leubus, ^  das  in  der  Sakristei  von  St.  Elisabeth  zu  Marburg  ist  eingrofses 
rundes  Becken  zwischen  zwei  Kragsteinen  unter  einem  mit  Nasen  besetzten 
Spitzbogen  und  mit  einem  Ausgüsse  in  Gestalt  eines  Vogels. 

über  die  zu  den  an  der  Piscina  vorzunehmenden  Waschungen  erforder- 
lichen Handtücher  {manuUergium^  manäle,  tobalea^  iuella)  vergl.  Bock,  Lit. 
Gew.  m,  23—33  u.  Taf.  11.  Ein  geschnitzter  Handtuchhalter  aus  dem  XVI.  Jahrb., 
verziert  mit  einer  Sirene,  die  Kamm  und  Spiegel  hält,  befindet  sich  in  der 
Sakristei  der  Stiftskirche  zu  Xanten  (Abb.  aus'm  Weerth,  XYIII,  2). 

Der  Depositorien  für  die  heil.  Ole  ist  bereits  oben  S.  246  No.  2  gedacht 
worden:  es  sind  Wandschränke  auf  der  Epistelseite,  z.  B.  im  Dome  zu  Magde- 
burg neben  dem  im  J.  1331  geweihten  Altare  des  Täufers  Johannes  am  öst- 
lichen Ende  des  Schiffes,  auch  in  der  südlichen  Chorwand  im  Münster  zu  Ulm; 
namentlich  aber  kommen  dreiteilige  Schreine  vor  für  die  drei  verschiedenen 
öle,  architektonisch  ganz  ähnlich  ausgestattet  wie  die  Wandtabernakel  (§  45 
Anmerk.  unter  1 ,  S.  243) ,  und  von  diesen  nur  durch  die  Stellung  an  der  Süd- 
seite zu  unterscheiden,  z.  B.  in  der  Reinoldikirche  zu  Dortmund.  Selbst 
freistehende  turmartige  Schreine  dienten  diesem  Zwecke,  wie  der  kleinere  süd- 
liche im  Dome  zu  Münster,  dem  gröfseren,  auf  der  Nordseite  befindlichen 
Sakramenthäuschen  gegenüber. 

0.    Die  Heftgewänder. 

Das  wichtigste  Werk  über  diesen  Gegenstand  ist:  Bock,  Fz.,  Geschichte 
der  liturgischen. Gewänder  des  Mittelalters  etc.,  durch  zahlreiche  Abbildnn&;en 
erläutert,  3  Thle.  1S59 — 71.  Daneben  Weif s,  Herrn.,  Kostümkunde,  Geschichte 
der  Tracht  und  des  Gerätes  im  Mittelalter  vom  IV.  bis  zum  XTV.  Jahrhundert 
1864  (insonderheit  die  Abschnitte  S.  41  fF.,  119—137,  660—723,  wo  auch  zu- 
gleich erschöpfende  Naohweisungen  über  die  gesamte  einschlägige  litteratur) 
und  Ders.,  Kostümkunde,  Geschichte  der  Tracht  und  des  Gerätes  vom  XIV. 
Jahrhundert  bis  auf  die  Gegenwart.    I.  Abt.    Das  Kostüm  vom  XTV.  bis  zum 


*  Abbild,  von  architektonisch  geschmückten  einfachen  und  doppelten  Piscinen, 
welche  letztere  zugleich  als  Credentia  benutzt  werden  konnten,  aus  französischen 
Kirchen  bei  Didron,  Annalcs  archeol.  IV,  87 — 93.  Eine  schöne  Doppelnische  oben 
mit  dem  Relief  eines  Handtuch  haltenden  Engels  in  St.  Peter-Paul  zuWeifsenburg 
i.  Elsafe  bei  Kraus.  I,  606  —  verd.  Fig.  100;  eine  andre  Doppelnische  aus  der 
Dominikanerkirche  zu  Friesach  in  Kämthen  in  den  Mitt.  C.-K.  jCVni  auf  S.  111; 
einfache  gotische  aus  Strafsengel  und  aus  Viktring,  im  Kirchenschmuck  1S92, 
21  u.  22. 

*  Abb.  in  Schlesiens  Vorzeit  in  Büd  und  Schrift,  ü,  8.  Taf.  1 ,  No.  2. 


Meisgewänder.  265 

XYI.  Jahrhundert  1872.  Yon  späterer  litterator  ist  noch  besonders  zu  yer- 
gleichon  Marriot,  Whart.  B.,  vestiarium  Christianum.  London  1868.  —  Über 
oie  mittelalterlichen  liturgischen  Vorschriften  betreffs  der  priesterlichen  Gewän- 
der: Durandus,  Lib.  ifl.  —  Engelhardt,  Herrad  von  Landsperg,  82  ff.  — 
Gräser,  A.  H.,  die  röra.-kathol.  Liturgie,  191  bis  235  u.  424  f.  —  C.  P.  Lep- 
sius,  in  den  N.  Mitt.  d.  Th..S.  V.  VI.  8,  89  ff.  —  Viktor  Gay,  Vetements 
sacerdotaux  in   den  Annales  archeoL   I,  61.    II,  37.  151.    IV,  354.    VI,  158. 

vn,  143.  vni,  64.  xvn,  227. 348.  — 

Alte  Schatzverzeichnisse  über  die  Gewandkaramem  der  Hochstifte  und  reichen 
Elöster  sind  nicht  selten  und  besonders  von  Bock,  a.  a.  0.,  vielfach  benutzt; 
eins  des  Doms  zu  Brandenburg  aus  dem  Ende  des  XVI.  Jahrh.  ist  abgedruckt 
im  Anz.  G.  M.  1880,  No.  11  u.  12.  Seltener  sind  diejenigen  einfacher  Pfarr- 
kirchen, vergl.  dasjenige  der  Pfarrkirche  St.  Quintin  zu  Mainz  aus  dem  XV.  Jahrh. 
im  Kirchenschmuck  1870.  XXVH,  30;  das  der  Pfarrkirche  zu  Schweidnitz  im 
Anz.  G.  M.  1874,  No.  6  u.  7;  das  des  Schwarzen  Klosters  zu  Greifswald  in  den 
Pommerschen  Geschichtsdenkmälem.  Bd.  2.  — 

Gröfsere  Sammlungen*  mitteMterlicher  Meisgewänder  haben  sich  besonders 
erhalten  im  Dome  zu  Halberstadt  und  in  der  Marienkirche  zu  Danzig  (vergl. 
Hinz,  A.,  die  Schatzkammer  der  Marienkirche  zu  Danzig,  2  Bde.  1870,  mit 
200  Photographien);  sodann  im  Dome  zu  Brandenburg  (vergl.  darüber  im 
>Bär<  1877,  86  ff.);  eine  kleine  aber  interessante  Sammlung  im  Herzogl.  Museum 
zu  Braunschweig  (vergl.  [Riegel,  H.]  Herzogl.  Mus.  Die  Sammlung  mittel- 
alterlicher und  verwandter  Gegenstände.  Braunschw.  1879,  1  —  20);  einzelne 
Stücke  in  gröfeerer  oder  geringerer  Zahl  vielfaltig  in  den  Sakristeien  der  Stifts- 
kirchen, in  Museen  und  rrivatsammlungen.  Zu  den  berühmtesten,  kostbarsten 
und  künstlerisch  vollendetsten  gehören  die  aus  der  Beute  Karls  des  Kühnen 
heirührenden  sogenannten  burgundischen  Mefsgewänder  (des  Goldenen  Vliefs- 
ordens)  in  der  Kais.  Schatzkammer  zu  Wien  mit  den  Seitenstücken  dazu  im 
Museum  zu  Bern.  —  Abbildungen  von  Mefsgewändem  u.  s.  w.  finden  sich 
in  reichster  Zahl  in  den  angeführten  Schriften  von  Bock^  Weüs,  Marriot  und 
Binz^  sodann  besonders  in  von  Hefn  er- Alten  eck,  Jos.,  Trachten,  Kunstwerke 
und  Gerätschaften  vom  frühen  Mittelalter  bis  Ende  des  XVIH.  Jahrh.  nach 
gleichzeitigen  Originalen  (HI.  Abt.  1840—54).  2.  Aufl.  1880  ff.  Aufserdem  mufs 
verglichen  werden  das  Prachtwerk  im  grö&ten  Folio  von  Bock,  Fz.,  die  Klei- 
nodien des  h.  römischen  ßeiches  deutscher  Nation  u.  s.  w.  1860  mit  46  Taff. 
in  Farbendruck  und  zahlr.  Holzschn.;  und  von  Älterem :  Lonicerus,  Trachten- 
buch der  katholischen  Geistlichkeit  1585,  mit  101  Holzschnitten  von  Jost 
Ammann. 

47.  Zur  vollständigen  Ausstattung  eines  Altars  —  einer  capella^  — 
gehören  aufser  den  im  Vorstehenden  behandelten  Einrichtungsgegen- 
ständen auch  die  liturgischen  Gewänder  für  die  beim  Altardienste  fun- 


*  Die  Halberstädter  enthält  nach  gütigst  zur  Verfügung  gestellten  Aufzeichnungen 
des  Herrn  Superint.  u.  Oberdompr.  Nebe  daselbst  u.  a.  28  Toniken  und  Dalmatiken, 
47  Kasein,  28  Pluvialien,  8  Mitren  und  besonders  auch  eine  grofee  Zahl  der  selteneren 
und  kleineren  Gewandstücke;  die  Danzi^er  20  Dalmatiken,  92  Kasein,  26  Pluvialien 
und  ebenfalls  eine  grofse  Anzahl  der  klemeren  Stücke;  die  Brandenburger  22  Dalma- 
tiken, 14  Kasein  und  16  Pluvialien,  aber  von  den  kleineren  Sachen  nur  wenig. 

2  Der  Name  capeUa  stammt  eigentlich  von  der  kleinen  cap^a  des  h.  Martinus, 
welche  fds  das  gröfete  Nationalheiligtum  im  Palaste  der  merovingischen  Könige  in 
einem  besonderen  Oratorium  aufbewahrt  und  im  Kriege  vorangetragen  wurde.  Zur 
Hütung  des  Heiligtums  waren  besondere  Geistliche  angestellt,  wefohe  capeUani  genaamt 
wurden.  Von  dfuier  wurde  Kapelle  der  Name  zunächst  für  fürstliche  Privatkirchen, 
nachher  überhaupt  für  private  und  kleinere  gottesdienstliche  Bäume  und  Gebäude; 
vergl.  Herzog-Plitt,  Realencyklop.  VH,  498.  —  Übrigens  werden  die  Mefsgewänder 
imd  die  durch  Weberei  und  Stickerei  geschmückten  Stoffbekleidungen  des  Altars,  der 
Vasa  Sacra  etc.  unter  dem  Namen  Paramente  zusammengefaCst. 


266  Meßgewänder. 

gierenden  kirchlichen  Personen.  Das  eigentliche  Mersgewand  des  Pries- 
ters ist  die  Kasel  (casula,  paenula  planeia),  das  des  Diakonus  die  Dal- 
matica  (tunica)  und  das  des  Subdiakonus  die  Tunicella  {subtile,  tumca 
mnor).  Gemeinschdtlich  tragen  alle  drei  folgende  Stücke  in  der  Reihen- 
folge der  Anlegung:  das  Humerale  {amictm,  si^erhumerale  etc.),  die 
Alba  {camisia,  poderis,  hmica  lalaris),  das  Qingulum  {baltheus,  zona), 
die  Stola  (orarium)  und  den  Manipulus  (mappula,  fancn).  Bei  Pro- 
zessionen legt  der  Priester  das  Pluviale  [cappa  choralis,  Chorkappe, 
Bauchmantel,  Vespermantel)  an. 


Eine  besondere  geistliche  Amtetracht  des  Klerns  im  Unterschiede  von 
der  Laientracht  hat  erst  im  Laufe  des  VI.  Jahrh.  angefangen  sich  in  der  hyzan- 
tiniechen  Kirche  auszabilden,  ihre  Eigentümlichkeit  bestand  aber  zunächst 
wesentlich  darin,  dafs  sie  im  Unterschiede  von  der  wechselnden  Mode  die 
althei^ebrachten  Formen  der  römischen  Senatorentracht  beibehielt.    Allge- 


KaaeL  267 

meioe  and  bindende  Vorschriften  gab  es  darüber  nicht,  und  wenn  anch  die 
römischen  Blschüfe  dergleichen  für  ihren  Machtbereich  frühzeitig  versuchten, 
BO  erreichten  sie  damit  doch  über  diesen  hinaiiB  keine  Geltung.  Papst  Zacha- 
rias  erliefs  zuerst  gegen  745  allgemeinere  Bestimmungen  über  eine  prächtigere 
Gewandung  der  Bischöfe  nnd  Priester,  jedoch  herrschte  dem  gegenüber  noch 
grofse  Selbständigkeit  der  DiOcesen.  Boni&tins  verbot  754  seinem  Elems 
ausdrücklich  das  Tragen  kostbarer  Gewänder  und  erlaubte  nur  itunicam 
ianeam  et  Hneam,  caligas  et  peripsemata  (? perizomaia),  orarium  et  coculam 
et  ffunnam  brevem  nostro  more  consutamt.  <  Die  Kirchenspaltung  zwischen 
der  morgenländifichen  und  abendländischen  Kirche  beeinflufste  zunächst  die 
weitere  Entwickelnng  der  kirchlichen  Gewänder  nicht  in  verschiedener 
Weise,  allmählich  jedoch  ging  jede  der  beiden  Kirchen  ihren  eigenen  Weg, 
nnd  in  der  abendländischen  Kirche  vollzog  sich  unter  dem  wachsenden  Ein- 
flüsse Roms  eine  eigentttmliche  Gestaltung,  die  am  Ende  des  IX.  Jahrh.  im 
Wesentlichen  abgeschlossen  war  in  Bezug  auf  Zahl  und  Charakter  der  Be- 
kleidungsstücke nnd  nur  in  Bezug  auf  Schnitt  und  Verzierung  derselben  und 
Hinznft^ng  einzelner  untergeordneter  nener  Stücke  später  eine  weitere 
Entwickelnng  aufweist.  Das  Kennzeichnende  ist,  dafs  der  allgemeinen  Rück- 
bildung des  christlichen  Priestertums  in  das  alttestamentliche  Schattenbild 
entsprechend  auch  für  die  pri^terlicbe  Gewandung  die  Cerimonialvorschrif- 
ten  des  Mosaischen  Gesetzes  vorbildlich  und  mafsgebend  wurden.* 

Die  Kasel  (mhd. 
metsachel,  s.  Fig.  101  c), 
aus  dem  alten  römischen 
Mantel  (daher  paenulä) 
entstanden,  ist  ursprüng- 
lich ein  weiter  ärmelloser 
Mantel,  der  nur  eine  Öff- 
nung filr  den  Kopf  hatte, 
über  den  er  scblanchartig 
gezogen  wurde  und  dann 
glockenförmig  (oder  wie 
eine  Hütte,  daher  castda) 
den  ganzen  KOrper  umgab. 
Er  bedeckte  also  die  Arme 
vollständig,  und  beim  Mini- 
strieren  rnnfste  die  ganze 
seitliche  Stoffmasse  mit  den 
erhobenen  Armen  mit  auf- 
gehoben werden  (m/er  6r«c- 
cMaplicare),  wodurch  eine 

reiche  Faltenbildung  ent-     »leboribiMet'Mu'deDi  xii.  o.  xin.  jahrh.  ^niohLeFiim). 
stand     (daher    planeta).  * 


'  VOTgl.  Vict.  Gay,  in  don  Ann.  aroh.  I,  68. 

•      »      hierüber  besondere  Bock,  a.  a.  0.,  Eajiitel  HI  in  Bd.  I,  323  ff. 

'  Nach  dem  Breviarium  der  Brandenburger  Diöcese  von  1488  wurde  die  Kasel 
dependtn»,  mit  nicht  aufgehobenen  Falten,  als  Zeichen  der  Trauer  und  der  BuJse  ge- 
tragen I.  B.  am  Cbar&eitag. 


268  Kasel. 

Diese  älteste  Form  der  Kasel  zeigt  Fig.  103  (das  Siegelbild  des  Bischofs  Uto  von 
Naumburg,  1126 — 1150).  Um  die  Last  dieser  an  sich  schweren  Stoffmasse,  die 
oft  durch  reiche  Stickereien  und  Edelsteinbesatz  bedeutend  gesteigert  wurde, 
zu  erleichtem  sah  man  sich  bald  genötigt  an  den  beiden  Armseiten  Zugschnüre 
zum  Yorhangartigen  Aufziehen  des  Mantels  anzubringen,  so  dafs  er  nun  vom 
und  hinten  in  einem  viele  Falten  schlagenden  Bogen  herabhing;  so  an  der 
noch  vorhandenen  Kasel  des  Erzbischofs  Willigis  in  St.  Stephan  zu  Mainz. 
Später  machte  man  an  den  Seiten  Ausschnitte,  damit  nicht  soviel  Falten 
aufzunehmen  waren  (so  in  Fig.  104,  dem  Bilde  des  Erzbischofs  Otto  von 
Magdeburg,  1325 — 1361),  die  allmählich  immer  gröfser  wurden,  während 
die  Länge  des  ganzen  Gewandes  bedeutend  verkürzt  und  die  Rückenseite 
unten  abgerundet  wurde,  so  dafs  schliefslich  im  XVL  Jahrh.  nur  noch  ein 
langes,  in  der  Mitte  mit  einer  Öffnung  für  den  Kopf  versehenes  Stück  Zeug 
übrig  blieb,  dessen  eine  Hälfte  vom,  die  andere  etwas  längere  über  den 
Rücken  ganz  faltenlos  herabfiel.  —  Geschmückt  war  die  Kasel  ursprünglich 
nur  mit  einer  schmalen  Borte  um  den  oberen  Halsausschnitt,  von  dem  vom 
und  hinten  in  der  Mitte  ein  schmaler  Stab  abwärts  lief.  So  zeigt  es  die 
angeblich  aus  dem  Jahre  1143  herrührende  sogenannte  Kasel  des  h.  Bern- 
hard zuBrauweiler  (Abb.  Bock,  a.  a.  0.  n,  Taf.  XXXII).  Später  wurde  hieraus 
auf  beiden  Seiten  ein  gabelförmiges  Kreuz  in  der  Y-Form,  deren  Arme  sich 
auf  den  Schultern  vereinigten,  zuweilen  reichte  auch  der  Längsbalken  des 
Kreuzes  durch  die  Gabelung  hindurch  bis  zum  Halsauschnitte  hinauf.  So 
an  der  Kasel  aus  dem  Xü.  Jahrh.  im  Dome  zu  Halberstadt  und  an  der 
sogenannten  Kasel  des  Albertus  Magnus  von  1280  in  der  St.  Andreaskirehe 
zu  Köln  (Abb.  Bock,  a.  a,  0.  Taf.  vm  u.  XXXIV).  Diese  Form  der  Verzie- 
mng  blieb  in  Deutschland  bis  zur  Mitte  des  XV.  Jahrh.  die  mafsgebende  und 
erhielt  sich  vereinzelt  namentlich  bei  bischöflichen  Kasein  noch  bis  in  den 
Anfang  des  XVI.  Jahrh.;  für  gewöhnlich  aber  wurde  seit  jener  Zeit  die 
Rückenseite  mit  einem  grofsen,  meist  prachtvoll  gestickten  Kreuze  lateini- 
scher Form  verziert,  und  die  Brastseite  erhielt  nur  einen  schmalen  Längs- 
streifen in  der  Mitte  oder  blieb  auch  ganz  schlicht.  ^ 

Die  Mefsgewänder  des  Diakonus  (Fig.  102,  8)  und  Subdiakonus 
(Fig.  101,  b),  auch  Levitenröcke  oder  Lesegervänder  (weil  mit  ihnen  ange- 
than  die  Perikopen  bei  der  Messe  zu  lesen  waren),  unterscheiden  sich  unter- 
einander wenig.  Beide  sind  aus  demselben  Stoffe  wie  das  Mefsgewand  des 
Priesters  gefertigt,  die  Tuniceila  in  ihrer  Verzierung  einfacher  gehalten  und 
später  gewöhnlich  enger  und  kürzer  als  die  Dalmatica.  Letztere  soll  zuerst 
Papst  Sylvester  314  an  Stelle  des  früher  getragenen  colohiumj  welches 
ärmellos  und  durch  die  nackten  Arme  der  Ministranten  anstöfsig  geworden 


*  Abbildungen  spätmittelalterlicher  Kasein  finden  sich,  aufeer  in  den  oben  ^nannten 
Werken,  aus  Kölnischen  Kirchen  bei  Bock,  d.  heil.  Köln.  Taf.  XXII,  82.  XXVII,  91. 
XXXI,  97.  XXXin,  99;  aus  dem  Frankfurter  Dom  (mit  2  graden  Stäben  statt  des 
Kreuzes)  Photogr.  Frankf.  Ausst.  Taf.  91.  92;  aus  Privatbesitz  daselbst  (aus  Dortmund 
stammend,  mit  eigentümlicher  Form  des  Rückenkreuzes)  ebd.  Taf.  86.  96;  aus  St. 
Stephan  in  Mainz  (nebst  zugehöriffer  Dalmatik)  ebd.  Taf.  66  u.  67,  resp.  36.  u.  37.  — 
Ursprünglich  Kasein  sind  die  drei  Kaisermäntel  Heinrichs  11.  im  Domscnatze  zu  Bam- 
berg (Abb.  Bock,  Kleinodien.  Taf.  XTJ— YT.TTT), 


war,  angeordnet  haben.     Es  entsprach  der  schon  den  Römern  bekannten, 
aber  als  weichlich  verachteten  langen  und  langSnueligen 
tunica  dabnalica,  daher  der  Name,  nnd  war  ursprünglich 
ein  langes,  von  der  darunter  getragenen  Alba  nur  wenig 
sichtbar  lassendes  Gewand   mit   langen   engen   Ärmeln. 
Spater  wurde  es  etwas  verktirzt,  so  dafs  es  nur  eben  unter 
die  Kuie  herabreichte,  und  erhielt  einen  bogigen  ÄQsschuitt 
unten  an  den  Seiten,  der  jedoch  nicht  über  die  Hüften 
heranfreichen  durfte  (aiebe  Fig.   105;   ohne   diesen   die 
prächtige  von  rotem  Seidenbrokat  mit  runden  LOwenachil- 
den  im  Dome  zu  Halberstadt,  Nr.  117  [Abbild.  Bock,  n, 
Taf.  Y,  1]   und  diejenige  Kaiser  Heinrichs  II.  im  Bayr. 
Nat.-Mn8etim  zn  München  [A^bb.  Bock,  Kleinodien,  Taf .  XL 
u.  S.  IS»,  1!W]);    am  nnteren  Rande  befanden  sich  nach    p,    „jg    Diiionm 
Durandns  mit  Beziebang  auf  die  Psalmen  15  einzelne     m  der  Trübt  du 
Quasten.    Im  spateren  Mittelalter  wurde  hieraus  eine  zu-      (nub  v 'nefner). 
sammenhttngende   Franze  in   mehreren  sich  regelmJLfsig 
wiederholenden  Farben,  die  sich  auch  um  den  an  die  Stelle  der  seitlichen  Aus- 
boguDgen  getretenen,  bis  an  die  Ärmel  heraufreichenden  Aasschnitt  faei-um- 
ziehen.   Ancfa  die  Ärmel  warden  verkürzt  und  erweitert  (in  nacbmittelalterl. 
Zeit  aaeh  aufgeschnitten),  nnd 
anf  dem  Rücken  wurden  zwei 
lange  Seiden-  oder  Goldquasten 
mit  einem  metallenen  Knopfe 
angebracht,  die  entweder  vom 
HaleansBcbnitt  (siehe  Fig.  106) 
oder  zwischen  den  SchulterblSt- 
tem  von  metallenen  Schildchen 
mitIjöwenkOpfeD,Shnlichdenen 
andenKirchenthUren,herabhin- 
gen.  —  Die  Verzierung  derDal- 
matik  bestand  hauptsächlich  in 
zwei  Borten  oder  Stäben,  welche 
sich  über  die  Schulter  weg  auf 
der  Brust  und  Rflckenseite  her- 
abzogen   (Fig.    102,    9),    auch         fi»,  im.    SpIlmllieUilMrUchs  Dila.tik  {n«b  Beck). 

die  Ärmelsftnme  waren  ähnlich 

besetzt.  Anfserdem  worden  auf  Brust  und  RUcken  die  Stäbe  durch  ein 
viereckiges  Zengstück  (das.  No.  10,  plaguia,  Block  genannt)  verbunden, 
das  in  älterer  Zeit  aus  einem  koatbaren  seltenen  Stoffe  bestand,  später  mit 
Stickerei  geziert  wnrde.  Auch  über  dem  nnteren  Rande  war  bei  den  alteren 
Dalmatiken  oft  ein  rundum  gehender  Saum  aus  solchem  kostbaren  Stoffe 
angebracht,  der  später  gänzlich  verschwand  oder  ebenfalls  durch  zwei  pla- 
gulae  vom  und  hinten  zwischen  den  unteren  Enden  der  Stäbe  ersetzt  wurde. 
Nicht  selten  fielen  auch  die  Längsstäbe  gänzlich  weg  nnd  blieben  nur  die 
vier  oder  zwei  plaffulae  übrig.  • 


■  Zu  den  berühmtesten  nnd  pUchtigsten  Dalmatiken  gehären  die  Eaiserdalmatiken 


270  Humerale.    Alba.    Cingulum.    Stola. 

Die  übrigen  Gewandstttcke  waren,  wie  bemerkt,  dem  Priester  nnd  den 
Ministranten  gemeinsam  und  wurden  nur  zum  Teil  in  etwas  verschiedener 
Weise  von  ihnen  angelegt.  Das  Humerale  (mhd.  umbekrj  Fig.  102,  1) 
wurde  erst  im  VIII.  Jahrh.  eingeführt,  während  früher  der  Hals  unbedeckt 
blieb.  Es  ist  ein  länglich  viereckiges  Tuch,  welches  um  den  Kragen  des 
unter  der  Mefskleidung  getragenen  Talars  geschlagen  und  mit  Bändern  vor 
der  Brust  zugebunden  wird.  Beim  Ankleiden  wird  es  zuerst  auf  den  Kopf 
gelegt  und  dann  auf  die  Schultern  herabgezogen  (s.  Abb.  bei  Bock,  a.  a.  0. 
n,Taf.  n),  kommt  deswegen  auch  zuweilen  kapuzenartig  auf  dem  Kopfe 
liegend  vor,  oder  ist  als  Fallkragen  über  dem  Mefsgewande  sichtbar.  Seine 
Verzierung  besteht  aus  einer  auf  der  Nackenseite  angebrachten  plagüla  aus 
dem  Stoffe  der  Kasel  (Fig.  102,  2). 

Die  Alba  (Fig.  102,  3)  ist  eigentlich  das  älteste  von  der  gesamten 
Geistlichkeit  getragene  Gewand ,  ein  langes,  bis  auf  die  Füfse  herabreichen- 
des weites  Hemd  aus  weifser  Leinwand,  mit  langen,  gegen  die  Hand  spitz 
zulaufenden  Ärmeln,  welches  über  den  Talar  gezogen  wird.  In  den  bischöf- 
lichen Ornaten  besteht  sie  häufig  aus  weifser  Seide  mit  allerhand  kostbaren 
Stickereien  an  den  Säumen.  Sonst  besteht  die  Verzierung  der  Alba  der 
Regel  nach  aus  vier  länglichen  Besatzstücken  von  dem  Stoffe  der  Kasel 
(Fig.  102,  4),  welche  vorn  und  hinten  in  der  Mitte  über  dem  unteren 
Saum  und  auf  den  beiden  Ärmelrändem  befestigt  werden  (während  des 
Waschens  der  Alba  werden  sie  abgetrennt)  und  die  Wunden  Christi  (daher: 
plagae  oder  plagulae)  symbolisieren,  weshalb  sich  häufig  auch  noch  ein 
fünftes  vom  auf  der  Brust  findet,  oder  dasjenige  am  Humerale  für  die  fünfte 
Wunde  gerechnet  wird.  —  Alben  sind  im  Ganzen  selten  erhalten,  die  Marien- 
kirche in  Danzig  besitzt  mehrere,  der  Dom  zu  Brandenburg  nur  noch 
eine,  der  Halberstädter  keine.  (Abb.  Hinz,  Taf.I.  Bock,n,  Taf.in.  Die  deutsche 
Eaiseralba  in  Dess.  Kleinodien  Taf.  Vn.)  —  Da  die  Alba  durch  ihre  Länge 
und  Weite  beim  Gehen  hinderlich  sein  würde,  wird  sie  über  den  Hüften 
durch  das  Cingulum  aufgegürtet,  einen  Knotenstrick  oder  schmalen  weifsen 
Zeugstreifen  (Fig.  102,  5,  in  der  Regel  reichen  die  Enden  nur  bis  zu  den 
Knien  herab  und  sind  unter  der  Kasel  oder  Dalmatik  nicht  sichtbar),  die 
sich  freilich  auch  reich  mit  kostbaren  Stickereien  geschmückt  vorfinden. 
(Abbild.  Hinz,  Taf.  XI;  Bock,  ü,  Taf.  V,  2 — 4;  das  des  deutschen  Kaisers  in 
Dess.  Kleinodien  Taf.  Xm.)  —  Die  Stola  (Fig.  102,  6)  war  ursprünglich  ein 
den  ganzen  Körper  bedeckendes  weifses  Wollen-  oder  Leinengewand,  wel- 
ches mit  zwei  über  die  Schultern  bis  zu  den  Füfsen  parallel  herablaufenden 
kostbaren  Borten  benäht  war.  Später  fiel  das  eigentliche  Gewand  fort  nnd 
blieben  nur  die  beiden  Borten  übrig,  so  dafs  sie  nur  aus  einem  langen 
schmalen  Streifen  besteht,  der  über  die  Schultern  gelegt  wird  und  mit  seinen 
Enden  vorn  auf  der  Alba  bis  zu  den  Knien  herabhängt.  Auf  dem  Elfenbein- 
deckel zu  Frankfurt  a.  M.  (s.  oben  S.  175)  trägt  der  das  Mefsopfer  feiernde 
Priester  die  Stola  über  dem  Mefsgewande  um  den  Hals  und  zwar  in  der  Mitte 
auf  der  Brust  befestigt  und  mit  beiden  Enden  über  die  Schultern  nach  hinten 


in  Si  Peter  zu  Rom  und  in  der  Kaiserl.  Schatzkammer  zu  Wien,  in  welchen  der 
römische  Kaiser  bei  seiner  Krönung  in  seiner  Eigenschaft  als  Diakonus  in  der  Krönungs- 
messe zu  fungieren  hatte.  Abbildungen  derselben  in  Bock,  Eleinodien  des  deutschen 
Beichs. 


UanipeL    Plnvialo.  271 

herabhängend.  Wenn  die  Stola  sehr  lang  war,  wurde  sie  ziemlich  tief  unter 
der  BruKt  gekreuzt  and  mit  dem  Cingnlam  Hbergflrtet.  Der  Diakonns  da- 
gegen hat  die  Stola  über  die  linke  Schalter  zu  legen  und  an  der  rechten 
Hüfte  übereinander  zu  schlingen  {slola  transversa).  Dem  Sabdiakonus  kommt 
aie  gar  nicht  zu.  Den  Schmuck  derselben  bildeten  eeit  frühester  Zeit  ein- 
gestickte (lateinische)  Kreuze  und  an  den  (später  sehr  verbreiterten)  Enden 
Franzen,  Troddeln,  zuweilen  auch  Schellen  (bis  zn  20  Stflck).  TgL  H.  Mosis 
28,  33.  34.  Abb.  Hinz,  Taf.  XI;  Bock,  H,  Taf.  Vm,  2.  3.  XVIII;  die  das  deutsch. 
Kaisers  in  Dess.  Kleinodien  Taf.  Xm.  —  Eng  mit  der  Stola  zusammengehörig 
ist  der  auch  dem  Subdiakonus  zukommende  Manipel  (Fig.  102,  7),  eigent- 
lich ein  znerst  von  Gregor  d.  Gr.  erwähntes  Sacktuch  (*qua  pituitam  oculo- 
rum  et  narium  äetergimus*  sagt  Alcnin,  de  div,  off.,  Tgl.  Bock,  a.  a.  0. 
I,  441),  aber  bereits  im  X.  Jahrh.  ein  blofser  Schmuck,  aus  einem  der  Stola 
ganz  gleichen  nnd  entsprechend  verzierten  Streifen  bestehend,  der  Über  den 
linken'  Vorderarm  gehängt  wird  (mbd.  handvan).  Der  alte  Manipulus  war 
taug,  der  neaere  (s.  Fig.  101)  ist  kürzer  und  unterhalb  zusammengenäht. 

Das  Pluviale  war  eigentlich  ein  von  dem  niederen  Klerns  getragenes 
KleidnngflstUck,  daa  indessen  seit  dem  X.  Jahrh.  anch  bei  dem  höheren 
Elems  beliebt  wurde.  Insonderheit  wohnten  die 
Stiftsherren  dem  Gottesdienste  in  diesem  Gewände 
bei  (daher  cappa  choralts),  das  von  dem  Träger 
bei  seiner  Installierung  angeschafft  wurde  und  ihm 
eigentOmlich  gehörte,  nach  seinem  Tode  aber  dem 
Schatze  der  Kirche  als  Erbstück  zufiel.  Indessen 
anch  znr  Ausstattung  jedes  Altars  gehörte  später 
das  Pluviale  regelmäfsig  und  wurde  von  dem  Pries- 
ter zu  den  Funktionen,  bei  welchen  das  RauchfaTs 
gebraucht  wird  (Rauchmantel),  zu  den  Vespergottes- 
diensten  (Vespermantel)  und  besondere  bei  den  Pro- 
zessionen zum  Schutze  gegen  die  Witterang  (daher 
p/uvia/e)  getragen.  Insonderheitaherwurdeesaach 
Sitte,  dafs  die  Bischöfe  (siehe  Fig.  107)  dasselbe 
als  eigentliches  Prankgewand  trogen  und  dafflrdie 
Anlegung  der  Easel  onterliefsen.  Das  Pluviale  hat 
eigentlich  die  Gestalt  einer  vorn  aufgeschnittenen 
Kasel  der  ältesten  Form,  hinten  mit  einer  Kapuze 
versehen  zur  Bedeckung  des  Kopfes  bei  den  Pro- 
zessionen.   Später,  seit  dem  XIII.  Jahrh.,  fiel  aus 

Reinlichkeitagründen,  und  weil  zur  Bedeckung  der  ^'«'  '"■  xvLJ^  "' ''"' 
Tonsur  das  Barett  aufgekommen  war,  die  Eapnze 

weg,  und  es  blieb  nur  in  Erinnerung  an  sie  ein  herabhängendes  kleines  ZeugstUck 
(clipeus)  von  dreieckiger  oder  nach  unten  spitzbogig  abgerundeter  Form  übrig, 
das  aber  allmählich  immergröfserwardeundhalbkreisruade  Gestalt  erhielt.  Vom 
Ende  desselben  hing  eine  Seidenqnaste  mit  Metallknopf,  wie  an  den  Dalmati- 
ken  über  den  Rücken  herab.  Unten  hat  das  Pluviale  reiche  Sänme  von  Franzen 
wie  die  spatere  Dalmatik,  oft  auch  gestickt  und  loweilen  mit  Schellen  besetzt, 
r  Umdrehung  der  gmzen  Ge- 


272  Liturgische  Farben. 

z.  B.  an  der  prachtvollen,  wohl  zu  dem  Krönnngsomate  König  Richards  von 
Cornwallis  gehörigen,  sogenannten  cappa  Leonis  im  Münsterschatze  zu 
Aachen  (Abb.  Bock,  a.  a.  0.  II,  Taf.  XU—XLEQ,  auch  in  Dess.  Pfalzkap.,  I,  2, 
Fig.  S~10);  bei  den  bischöflichen  Pluvialien  entwickeln  sich  im  XVI.  Jahrh. 
lange  Schleppen.  Die  angeführte  Bestimmang  der  Pluvialien  erklärt  es,  dafs 
gerade  bei  ihnen  eine  besondere  Pracht,  ja  Luxus  entfaltet  wurde,  nicht  nur 
in  der  Kostbarkeit  des  Gewandstoffes,  sondern  auch  in  der  Verzierung  mit 
Stickereien  und  kostbaren  Steinen,  die  auf  dem  Clipeus  und  namentlich  auf 
der  Borte  (auri/risia)  y  die  vom  Nacken  her  zu  beiden  Seiten  des  offenen 
Gewandes  in  Handbreite,  oft  noch  bedeutend  breiter,  bis  zu  0,26  und  0,2S, 
herablief,  angebracht  wurden.  In  das  vorn  auf  der  Brust  den  Mantel  zu- 
sammenhaltende Zeugstück  von  demselben  Stoffe  aber  wurden  gewöhnlich 
die  kostbaren  silbernen  und  goldenen  Agraffen  (s.  oben  S.  212}  eingesteckt. 

Anmerkung  1.  Die  Farbe  der  liturgischen  Gewänder  war  ursprünglich 
nach  dem  Vorbilde  sowohl  der  alttestamentlich-priesterlichen,  als  der  römisch- 
senatorischen  Tracht  und  in  naheliegender  Symbolik  durchaus  weifs ,  höchstens 
mit  bunten  Verzierungsstreifen.  Seit  dem  XI.  Jahrh.  kamen  buntfarbige  Stoffe 
in  Gebrauch,  über  deren  Farbe  es  keine  Vorschriften  gab,  sondern  man  nahm 
bei  der  Seltenheit  und  Kostbarkeit  der  nur  aus  dem  Orient  zu  beziehenden 
Stoffe,  was  als  Geschenk  gestiftet  wurde  oder  sich  käuflich  erwerben  liefs. 
Erst  nach  Einführung  der  Seidenfabrikation  in  das  Abendland  bildeten  sich  im 
Laufe  des  XII.  Jahrh.  bestimmte  Vorschriften  ans,  nach  denen  wie  die  Mefs- 
gewänder  des  Priesters  und  der  Diakonen,  so  auch  die  gesamte  Bekleidung  des 
Altars  für  verschiedene  Zeiten  des  Kirchenjahres  und  für  verschiedene  Feier- 
lichkeiten in  verschiedenen  Grundfarben,  den  sogenannten  liturgischen  Far- 
ben^ herzustellen  war,  nämlich  weifs  (an  allen  Christusfesten,  an  Festen  der 
Bekenner  und  Jungfrauen,  die  nicht  Märtyrer  sind,  bei  Bischofsweihen  etc., 
sonst  nur  von  der  Weihnachtsvigilie  bis  zur  Epiphanias -Oktave),  rot  (zu 
Pfingsten  und  an  den  Festen  der  Apostel  und  Märtyrer,  sonst  nur  in  der  Oktave 
der  Pfingstvigilie),  grün  (von  der  Epiphanias -Oktave  bis  Septuagesimae  und 
in  der  ganzen  Trinitatiszeit) ,  veilchenblau,  violaceus  (Anfangs  nur  zweimal 
im  Jahre,  am  Fest  der  unschuldigen  Kindlein  und  am  Sonntage  Lätare,  später 
in  der  Advents-  und  in  der  Fastenzeit  von  Septuagesimae  an  etc.),  schwarz 
am  Charfreitage  und  bei  allen  Totenmessen  für  Erwachsene  —  ftir  Kinder 
weifs),  gelb  (nur  ausnahmsweise  bei  einzelnen  Riten,  am  Fest  des  heil.  Jo- 
seph und  bei  der  zweiten  Weihnachtsmesse).  Selbstverständlich  waren  diese 
in  mystischen  und  symbolischen  Grtlnden  beruhenden  Vorschriften  nur  bei  sehr 
reichen  Kirchen  völlig  durchführbar.  Übrigens  aber  waren  diese  Bestimmungen 
der  römischen  Kirche  weder  in  Bezug  anf  die  Zahl  der  Farben ,  noch  auf  ihre  Be- 
stimmung für  die  einzelnen  Festzeiten  allgemein  bindend.  Hervorragende 
Kirchen,  deren  Geschichte  bis  tief  in  das  Mittelalter  oder  die  Anfänge  der 

*  Engelhardt,  Herrad  von  Landsperg  a.  a.  0.  —  Innocentius  IH.  (de  sacrif. 
miss.  1.  I.  0.  65)  XL  Daran  das  (Bationale  1.  IH.  c.  18)  fähren  nur  vier  htorgisehe 
Farben  an  (weils,  rot,  schwarz  u.  CTün);  letzterer  aber  bezeichnet '  den  Gebrauch  der 
blauen  Farbe  in  gewisser  Abwechslung  mit  der  schwarzen  als  eine  nicht  anpassende 
Sitte  der  römischen  Kirche.  —  Verel.  Wackernagel,  W.,  die  Farben-  und  Blumen- 
sprache  des  Mittelalters,  in  dessen  kleineren  Schriften.  Bd.  1.  1872;  »die  Kirchenfarben«, 
im  Chr.  K.-Bl.  1873,  No.  12. 


liitargische  Farben.    Stoffinuster.  273 

Cbristianisiernng  Deutschlands  zurOckreicht,  bewahrten  wie  in  Bezug  auf  den 
Ritus  überhaupt  9  so  auch  betreffs  der  Kirchenfarben  mannigfache  Besonder- 
heiten,  z.  B.  El  Iwan  gen  hatte  ihrer  sieben ,  nämlich  aufser  den  genannten 
noch  für  den  Aschermittwoch  aschgrau  und  trug  schwarz  im  Advent  und  in  der 
Fastenzeit,  gelb  zu  Neujahr  und  Epiphanien.^  Auch  sonst  war  man  nicht  nur 
Geschenken  gegenüber  ohne  alle  Skrupel,  sondern  übte  bis  an  den  Schlufs  des 
Mittelalters  grofse  Freiheit.  Nach^  den  kirchlichen  Vorschriften  ist  z.  B.  gelb 
und  blau  ausgeschlossen,  die  Vereinigung  verschiedenfarbiger  Stoffe  in  einem 
Gewände  untersagt  und  solche  Farbenmischung,  bei  der  man  keine  Grundfarbe 
erkennen  kann,  verboten  (vergl.  Jakob,  S.  314).  Dennoch  findet  sich  die  viel- 
leicht schönste  Form  des  Granatapfelmusters,  welche  bei  Bock,  a.  a.  0.  I, 
Lief.  1,  Taf.  XIX  abgebildet  ist,  auf  einem  seidenen  Damastgewebe  in  hellblau 
und  orangegelb,  das  unter  den  Gewändern  des  Brau  den  bürg  er  Doms  in  einer 
vollständigen,  von  dem  Bischöfe  Joachim  von  Bredow  (t  1507)  gestifteten 
Kapelle  vertreten  ist;  Mefsgewänder,  die  auf  der  Vorder-  und  der  Rückseite 
aus  verschiedenfarbigen  Stoffen  (z.  B.  im  Herz.  Museum  zu  Braunschweig  die 
Kasel  No.  31)  oder  gar  nach  der  Weise  des  weltlichen  Afiparä  zusammen- 
gesetztsind, finden  sich  mehrfach,  und  vielfältig  gestreifte  und  geblümte  Stoffe, 
bei  denen  es  schwer  halten  würde,  eine  bestimmte  Grundfarbe  zu  bezeichnen, 
kommen  zahlreich  vor,  z.B.  unter  den  Pluvialien  des  Brandenburger  Domes. 
—  Wie  die  liturgischen  Farben,  so  waren  übrigens  die  gesamten  Stücke  der 
Mefsgewandung  Gegenstand  einer  detaillierten  symbolischen  Deutung,  welche 
in  den  bei  ihrer  Anlegung  zu  sprechenden  Gebeten  zum  deutlichen  Ausdruck 
kommt  und  besonders  von  Durandus  (L  m  c.  1—17)  ausgeführt  ist,  aber  auch 
in  homiletischen  und  ascetischen  Schriften  des  Mittelalters  (z.  B.  in  den  Pre- 
digten des  Bruder  Berthold)  vielfach  zu  erbaulichen  Zwecken  verwandt  wird. 

Anmerkung  2.  Der  künstlerische  Schmuck  der  Mefsgewänder 
kommt  teils  im  Gewebe  ihrer  Stoffe,  teils  in  den  zu  ihrer  Verzierung  ange- 
brachten Stickereien  zur  Erscheinung.  Die  kostbaren  Seiden-  und  Samt- 
Stoffe,^  welche  zu  den  Mefsgewändern  beliebt  waren,  wufste  die  Webekunst 
frühzeitig  mit  omamentaler  oder  figuraler  Musterung  auszustatten,  teils  im  ein- 
fachen ein-  oder  mehrfarbigen  Damastgewebe,  teils  im  Brokatgewebe  mit 
Silber-  oder  Goldfäden;  aus  dem  Samt  wurden  erst  in  späterer  Zeit  die  Muster 
hauptsächlich  ausgeschoren,  sofern  sie  nicht  durch  die  Broschierung  hergestellt 


«  VergL  Kirchenschmuck  1869.   Bd.  XXV,  28  ff. 

*  Über  die  Entwickelung  der  Weberei  ist  besonders  zu  vergleichen  Bock,  a.  a.  0., 
I,  1 — 121;  über  die,  oft  sehr  dunklen,  Namen  der  mittelalterlichen  Gewandstoffe: 
Alwin  Schultz,  d.  höfische  Leben  des  Mittelalters.  I,  249  ff.  Zu  bemerken  ist  z.  B., 
dafe  samit  im  Mittelalter  nicht  das  ist,  was  wir  Samt  (veloura,  velvet)  nennen,  son- 
dern «-5  i^d/urog,  ein  sehr  starkes  Seidengewebe  mit  sechsdräthiger  Kette.  JPiirpur 
dagegen  ^zeichnet  nicht  eine  Farbe,  sondern  ein  Seidengewebe  m  allen  möglicnen 
Farben;  weilser,  brauner,  roter,  gelber,  grüner,  blauer,  schwarzer  Purpur  werden  aus- 
drücklich genannt.  —  Abbildungen  mittelalterlicher  Stof&nuster  finden  sich  auiser  bei 
BockJ.  a.  a.  0.,  besonders  in  Dess.,  der  Musterzeichner  des  Mittelalters  1859;  Herdtle, 
Ed.,  Ffächenverzierungen  des  Mittelalters  u.  d.  Renaiss.  lief.  lILu.  lY;  Fischbach,  Fr., 
Ornamentik  der  Gewebe,  Hanau,  4  lieff.  in  Farbendruck  fol.;  Dupont-  d'Auber- 
ville  Tomement  des  tissus.  Paris  1877.  — Vergl.  auch  Essen  wein,  A.,  die  Sammlung 
von  Geweben  im  Germ.  Mus.,  Anz.  G.  M.  1869,  No,  1.  —  Katalog  der  ehemaligen  Bock- 
schen  Sammlung  von  Webereien  und  Stickereien  des  Mittelalters.   Wien  1865. 

Ott«,  Knnat-ArehXolofle.    5.  Aafl.  18 


^74  Stoffmuster  und  Stickereien. 

wurden. '  Die  älteren  byzantiuiBoheu  Gewebe  bedienen  sich  anfser  griecbißchen 
Kreuzen  hauptsächlich  stiÜBierter  Tiere,  Löwen,  Greifen,  Elephanten,  Adler, 
Pfauen  etc.  in  kreisrunden  oder  schildförmigen  Medaillons,  zum  Teil  gewifs 
von  symbolischer  Bedeutung;  so  stellt  das  in  Cahier  et  Martin,  Mölanges 
d'arch.  II,  livr.  VIII  abgebildete  Gewebe  aus  St.  Walpurgis  in  Eichstädt 
(X.  Jahrb.)  Daniel  in  der  Löwengrube,  das  bei  Bock  a.  a.  0.  I.,  Taf.  II  ab- 
gebildete ältere  aus  dem  Dome  zu  Chur  Simson  mit  dem  Löwen  dar.  Die  sa- 
razenischen Gewebe,  die  später  in  dem  königlichen  hötel  de  tiraz  zu  Palermo 
den  Hauptsitz  ihrer  Fabrikation  hatten,  sind  an  dem  maurischen  Stil  ihrer 
aufserordentlich  mannigfaltigen  und  hocheleganten  Tier-  und  Pflanzen -Orna- 
mentik erkennbar,  sowie  an  den  eingestreuten  ornamentalen  arabischen  In- 
schriften.^ Charakteristisch  ist  bei  ihnen  besonders  ein  sehr  häufig  wieder- 
kehrendes Ornament,  das  aus  Halbmonden,  in  deren  innerer  Krümmung  eine 
kleine  runde  Scheibe  schwebt,  zusammengesetzt  ist  und  als  ein  Zauberzeichen 
gegen  den  bösen  Blick  oder  auch  gegen  den  Mottenfrafs  gedeutet  wird.  Als 
auch  im  christlichen  Abendlande  Seidenmanufakturen  in  Italien,  Sttdfrankreicb 
u.  s.  w.  entstanden,  begnügte  man  sich  zunächst  mit  Nachahmungen  der  sara- 
zenischen Muster,  die  sich  durch  stilistische  Unsicherheit  in  der  Zeichnung 
des  Ornaments  und  namentlich  durch  verständnifslose  Formen  der  Inschriften 
verraten.  Später  sind  namentlich  die  italienischen  an  einem  steifen  baum- 
artigen Ornament  und  sehr  grofsen  steifen  gezackten  und  gewundenen  Blättern 
erkennbar.  Bereits  im  XIV.  Jahrh.  aber  tritt  das  mannigfaltiger  symbolischer 
Deutung'  unterliegende ,  aus  einem  maurischen  Motive  hervorgegangene  Granat- 
apfelmuster hervor,  das  im  XV.  Jahrh.  in  einer  fast  unglaublichen  und  bis  jetzt 
noch  nicht  übersehbaren  Fülle  von  Variationen  das  allgemein  herrschende  wird 
und  im  Anfange  des  XVI.  Jahrh.  zu  schwerfälligen,  breitspurigen  Formen  aus- 
artet, bis  es  unter  den  ausgebildeten  Renaissancemotiven  verschwindet.  —  Die 
Gewebemusterung  auf  den  Stolen,  Manipeln,  den  Stäben  und  Borten  der  Ge- 
wänder beschränkt  sich  auf  Kreuze  und  allerhand  lineare  Ornamente,  jedoch 
kommen  auch  hie  und  da  pflanzliche,  die  auf  den  arbor  vitae  gedeutet  werden 
mögen,  und  die  Namen  Jhesus,  Maria  oder  ganze  Sprüche  und  Devisen  vor.  — 
Die  Stickerei,^  sofern  sie  nicht  lediglich  ornamentale,  sondern  figurale  Dar- 
stellungen brachte,  bedeckte  in  älterer  Zeit  die  ganzen  Gewänder  mit  grofsen 
cyklischen  Kompositionen,  so  besonders  an  dem  1031  gestifteten  ungarischen 
Krönungsmantel  in  der  Schatzkammer  zu  Ofen  (Abb.  Bocka.a.0.  I,  2,  Taf.  IH) 
und  den  von  Kaiser  Heinrich  II.  gestifteten  Gewändern  im  Dome  zu  Bamberg 
(Abb.  das.  Taf.  lY).  Später  konzentrierte  sie  sich  auf  bestimmte  Stellen,  nämlich 
bei  den  Dalmatiken  auf  die  Plagulae,  auf  denen  nicht  selten  ganze  biblische 
oder  legendarische  Scenen  zur  Darstellung  kamen;  bei  den  Kasein  auf  die 
Kreuze,  die  in  der  gabelförmigen  Gestalt  meist  mit  einzelnen  Heiligenfiguren 


*  Ein  Beispiel  der  äiiTscrston  Mannigfaltigkeit  der  Samttochnik  ist  die  Kasel  des 
Schwanonordens  im  Dome  zu  Brandenburg.  Phot.  bei  v.  Stillfried  \\.  Haenle, 
d.  Buch  vom  Schwanenoi*den  ISSl.  Taf.  3. 

^  Vergl.  Karabacek,  J.,  die  liturg.  (lew.  m.  arab.  Inseliriften  aus  der  Marien- 
kirche in  Danzig.    Wien  1S70  und  Anz.  G.  M.  1S70,  8p.  49  ff. 

^  Vergl.  z.  B.  von  Blomberg,  Rose  luid  Oranatapiel,  im  Chr.  K.-Bl.  1869,  117  ff. 

*  ^       über  deren  Entwickolung  besondere  Boct,  a.  a.  0.,  T,  123 — 322. 


Stickereien.    Pontifikal-Strümpfe  und  Schuhe.  275 

untereinander y  in  der  lateinischen  Form  des  Rückenkreuzes  aber  in  der  Regel 
mit  einem  grofsen  Crucifixus  —  in  der  späteren  Zeit  an  einem  natürlich  ge- 
formten  Baumstamme  —  am  unteren  Ende  des  Längsbalkens  mit  Heiligen  in 
ganzer  Figur,  am  oberen  Ende  desselben  mit  dem  Brustbilde  Gottvaters  und 
an  den  Enden  des  Querbalkens  mit  Brustbildern  von  Heiligen  oder  auch  Engeln, 
welche  das  Blut  der  Handwunden  auffangen,  geschmückt  sind;  bei  den  Plu- 
vialien  endlich  auf  die  breite  Prätexta  an  den  Vorderseiten,  welche  meist  wie 
die  Gabelkreuze  mit  einzelnen  Heiligenßguren  untereinander  —  oft  die  auf 
beiden  Seiten  neben  einander  stehenden  mit  einander  korrespondierend  und 
eine  Gruppe  (wie  die  Verkündigung  oder  die  Darstellung  im  Tempel)  bildend  — 
besetzt  sind,  und  auf  den  Clipeus,  auf  dem  meist  der  Titelheilige  der  Kirche 
oder  des  Altars,  oder  der  Schutzheilige  des  Donators,  oder  besonders  gern  die 
Krönung  Mariae  zur  Darstellung  kommt,  nicht  selten  auch  das  Wappen  des 
Donators.  Wie  denn  überhaupt  in  späterer  Zeit  an  den  liturgischen  Gewändern 
das  eingestickte  (bei  den  Dalmatiken  wohl  auch  in  Form  metallener  Schildchen 
in  die  Quasten  der  Rttckenseite  eingeknüpfte)  Wappen  des  oder  der  Stifter 
selten  fehlt,  zuweilen  auch  ganz  an  die  Stelle  anderen  Schmuckes  tritt.  So  hat 
die  eben  erwähnte  Kasel  des  Schwanenordens  im  Dome  zu  Brandenburg 
statt  des  Rückenkreuzes  die  vier  ins  Kreuz  gestellten  Wappenschilde  des 
Stifters,  Kurfürst  Friedrich  IL  von  Hohenzollern,  umgeben  von  der  Kette  des 
lächwanenordens  in  Reliefstickerei.  ^ 

48.  Die  Pontifikaltracht  des  Bischofs  besteht  aus  sämtlichen  zu- 
vor beschriebenen  Stücken  (Amictus,  Alba,  Cingulum,  Stola,  Tunica, 
Dalmatica,  Planeta  und  Manipulus,  welche  sich  von  den  priesterlichen 
nur  durch  gröfsere  Pracht  und  Kostbarkeit  der  Stoffe  und  ihrer  Ver- 
zierungen unterscheiden),  vor  denen  er  die  bischöflichen  Strümpfe  und 
Schuhe  anzulegen  hat,  und  aus  den  besonderen  Abzeichen  der  bischöf- 
lichen Würde,  nämlich  der  Mitra,  den  Handschuhen,  dem  Ringe  und 
dem  Krummstabe. 

DiePontifikal-Strümpfe(ca/{^ae,/i&2a/ia)  wurden  erst  imXI.  Jahrh. 
Gegenstand  bestimmter  liturgischer  Vorschrift.  Ursprünglich  von  einfacher 
weifser  Leinwand ,  wurden  sie  später  von  Seide  hergestellt  und  mannigfach 
geschmückt,  und  zwar  sollten  sie  nach  Vorschrift  des  Durandus  (lib.  m  c, 
S  n.  4)  von  violetter  Farbe  sein,  bis  zu  den  Knien  reichen  und  hier  ange- 
bunden werden.  Reste  solcher  Strümpfe  aus  gotischer  Zeit  befinden  sich  im 
Dome  zu  Halberstadt,  No.  310;  unter  den  deutschen  Reichsinsignien  in 
der  Schatzkammer  zu  Wien  ein  Paar  aus  hochrotem,  schwerem  Purpur- 
cendal  mit  maurischen  ornamentalen  Goldstickereien  (Abb.  Bock,  Kleinodien, 
Taf.  Xn  u.  Anhang,  5.) 

Die  Schuhe  (sandaiia^  calceamenia,  soccuHy  Fig.  101  a.)  entstanden 
aus  den  altrömischen  Bindesandalen,  bildeten  sich  aber  zu  einem  geschlos- 


'  Das  Kreuz  einer  Kasel  aus  Marien  st  ern  ist  mit  lauter  heraldischen  Adlern  in 
Perlenstickerei  bedeckt.    Photogr.  Dresdener  Ausstellung.  Taf.  102. 

18* 


i76  Mitr*. 

Beneu  Halbschab  ans,  indem  von  der  Sohle  jederseita  bis  zum  Spanne  hinauf 
mehrere  Laschen  &ng;ebracht  and  tfinga  der  Flftche  des  Spannes  mittelst 
eines  Riemchens  verbanden  wurden.'  In  der  Re^el  hatten  sie  die  Karmin- 
parparforbe  und  worden  später  mit  Goldstickereien,  Edelsteinen  und  Perlen 
reich  besetzt. 

Die  Kopfbedeckung; 
der  Bischöfe  bestand  seit 
dem  VII.  Jahrh. ,  wenn  sie 
nicht  barhaupt  gingen, 
ans  einer  breiten  steifen 
Binde  nm  den  Kopf  oder 
einer  Rund  kappe  anf  dem- 
selben. Im  X.  und  XI.  Jahrb. 
kamdieMitra(ir^u/a,Fig. 
101  f.)'  anf:  orsprOngUch 
eine  der  Kopfbedecknng 
des  Hohenpriesters  sich  an- 
nähernde, fast  halbmond- 
förmige Htttze  von  kost- 
barem Seidenstoff,  die 
mit  einem  Stimreifen  nnd 
einem  qner  Ober  den  Kopf 
versehen  war,  nnd  von  wel- 
cher hinten  zwei  Bänder 
(.in/\üae,fanoneSfpen  diäa, 
stolae,  Fig.  101  g)  herun- 
terhängen. Schon  im  XI. 
Jahrh.  nahm  indessen  die 
Mitra  die  bekannte  Bchifiä- 
Bchn  ab  el  förmige  Gestalt 
mit  den  zwei  cornua,  wel- 
che die  beiden  Testamente 
versinnbildlichen,  an,  nnr 
dafs  man  sie  anfangs  nie- 
wig.  IM.  Mim  11*  AdnoDi  (nub  <i«ni  öiir.  AU,}.  driger  nnd  stumpfer  trug, 


'  Abb.  einea  Schuhs  von  (einem  ro^beizten  Leder  mit  lAubgowiadestickerei  aus 
dem  Grabe  des  Erabisohofe  Arnold  von  Trier  (f  1183)  bei  Bock,  Lit.  Gew.  II.  Taf.  I 
und  von  Wilmowsky,  Orabstfitten  etc.,  Tnf.  V  u.  XI;  eines  a,aa  dem  Grabe  des  Eiz- 
bischofe  Burchard  HI.  von  Maedeburg  (f  1325)  bei  Rosenthal,  a.  a.  0.,  Uet.  V. 
Taf,  1.  Fig.  19;  derjenigen  des  deutsclien  Kaisera  bei  Bock,  £leiuodien,   Taf,  IV. 

'  Verel.  auTsor  Bock,  a.  a.  0.,  II,  US  ff.  und  Taf.  XV,  XXIÜ  — XXVI:  Ders., 
die  biachöfl.  Inful  doB  Stifts  Admont,  in  den  Mitt  C.-K.  V,  336  ff,;  Ders,,  drei  biachÖll. 
Mitren  des  XII.  u.  Xin.  Jahrb.,  das,  XII,  8.  XLVff.;  K.  Lind,  die  Mitra,  da».  XiÖ, 
69  ff.;  L  Findeya,  üb.  d,  Mitra  der  Bisehöfe  und  Äbte,  im  Kirchensohmuck  1873, 
No,  2—4.  ^  Abbildungen  von  Mitren  auter  in  allen  diesen  Schir.:  im  öfitr.  Atl,  Taf.  54, 
1—3  (zwei  im  Dome  zu  Salzburg  aus  dem  XU.  resp.  XHI.  Jahrh.)  4  (zu  Briien,  die 
des  Füratb.  Bruno  1248  —  88)  fi  (in  St  Peter  zu  Salzbure  XB,  Jahrh.)  Taf,  100,  1.  6. 
(ans  Admont  Ende  des  XIV.  Jidirh,  siebe  Fig.  10S);  bei  Essenwein,  Xrakau,  Taf.  79 


(angeblich  die  des  h.  Stanislaus  cn.  121)0)  und  S.  181,  Fig.  99  (die  des  Bisch.  Thomas 

StTzempinski  (1155—60)  schon  ganz  in  Renaissanceformen  bestickt). 


Mitra.    Handschuhe.  277 

als  im  späteren  Mittelalteri  wo  sie  immer  höher  und  spitzer  wurde  und 
zugleich  durch  ihren  Schmuck  nicht  nur  mit  Stickereien,  Perlen  und 
Edelsteinen,  sondern  auch  mit  Ooldschmiedearbeiten  (namentlich  wurden 
im  XV.  Jahrh.  die  schräg  ansteigenden  Ränder  der  cornua  mit  frei  ge- 
arbeitetem Laubornament  nach  Art  der  Krabben  an  den  Giebeln  der  Oe- 
bände  besetzt)  immer  schwerer  —  eine  Mitra  in  St.  Peter  zu  Salzburg  aus 
diesem  Jahrh.  ist  über  5  Pfd.  schwer  (Abb.  Mitt.  C.-K.  Xym,  311,  Fig.  12). 
Noch  auf  Denkmälern  des  XII.  und  XIII.  Jahrh.  erscheinen  die  Bischöfe  oft 
barhaupt  oder  mit  einem  flachen  runden  Käppchen  bedeckt,  indem  damals  der 
Schmuck  derzuerst  vom  Papste  getragenen  Mitra  denBischöfen  nur  als  eine  be- 
sondere Auszeichnung  von  den  Päpsten  erst  verliehen  werden  mufste,  wie  dies 
später,  als  diese  Kopfbedeckung  den  Bischöfen  bereits  gemein  war,  bei  den 
Äbten  und  Pröpsten  einzelner  Klöster  zu  geschehen  pflegte.  ^  In  dem  Cere- 
moniale  Gregors  X.  im  XIII.  Jahrh.  werden  zwei  Arten  von  Mitren  unter- 
schieden: die  gewöhnliche  einfache  weifse  (simplex)  und  die  mit  Gold  und 
Perlstickereien,  auch  mit  Edelsteinen  geschmückte,  am  Stirn-  oder  senk- 
rechten Mittelstreifen  oder  an  beiden  mit  Goldborten  besetzte  (in  circulo  ei 
in  iitulo  aurophrygiata).  Wenn  ein  Bischof  vor  seiner  Konsekration  als 
blofser  Electus  dargestellt  wird,  erscheint  er  ohne  Mitra,  oder  trägt  dieselbe 
im  Arme,  z.  B.  Joannes  electus  episcopus  rivaliensis  (t  1320)  auf  einem 
Wandgemälde  in  der  Katharinenkirche  zu  Lübeck,*  auch  der  Merseburger 
Bischof  Burchard  von  Querfurt  (t  1384),  welcher  die  päpstliche  Konfir- 
mation nicht  erhielt,  erscheint  in  der  Reihe  der  Bischofsbilder  in  der 
Bischofskapelle  des  Domes  zu  Merseburg  allein  ohne  Mitra  und  Stab.' 

Die  Handschuhe  (chiroihecaej  manicae^  Fig.  101  e),  welche  der 
Bischof  unmittelbar  nach  der  Dalmatika  anlegt  und  nach  dem  Offertorium 
wieder  ablegt  und  bei  Exequien,  Trauerfeierlichkeiten  und  am  Charfreitag 
überhaupt  nicht  trägt,  kommen  seit  dem  XI.  Jahrh.  in  liturgischem  Ge- 
brauche vor,  bestehen  aus  Seidenstoff  in  weifser  oder  roter,  später  auch  in 
allen  liturgischen  Farben  (aufser  schwarz),  sollen  nach  späteren  Bestim- 
mungen nicht  zusammengenäht,  sondern  gewirkt  sein  und  wurden  aufser 
Stickereien  am  Rande,  auf  der  äufseren  Handfläche  mit  einem  c/rct^/e^f  at<r^u^, 
der  oft  ein  Kreuz  oder  einen  Edelstein  enthält,  in  Stickerei  oder  Gold- 
schmiedearbeit geschmückt.  In  späterer  Zeit  wurden  sie  wie  auf  unserer 
Abbildung  stulpenartig  verlängert,  unten  aufgeschnitten  und  die  Spitzen  der 
Stulpen  mit  kleinen  Quasten  verziert.^  —  Über  dem  Handschuh  am  vierten 


'  Nur  denen  exempter  Abteien  wurde  von  Clemens  IV.  (1265 — 68)  die  M.  auro- 
phrygiata gestattet,  für  die  übrigen  nur  die  simplex;  vergl.  Bock,  lit.  Gew.  II ,  166. 

^Mitt  aus  d.  livländ.  Gesch.  lU,  1,  55. 

'  Vergl.  Lud  ewig,  Beliquiae  manusciiptorum  etc.  IV,  420.  430.  Ebenso  der 
eleotos  Otto  von  Gurk  (f  1241)  auf  seinem  Leichenstein  (Abb.  bei  Lind,  a.  a..O.,  72. 
F.  1)  und  der  electus  Enedrich  vonPaasau  (t  1487  zu  Braunau.  Abb.  das.,  76.  F.  8). 
Bei  dem  Bilde  des  electus  Otto  in  den  Wandgemälden  zu  Gurk  sind  Stab  und  Mitra 
neben  ihm  angebracht.  —  In  denselben  Weisen  werden  die  electi  auf  ihren  Siegeln 
dargestellt,  vergl.  z.  B.  das  des  Theodericus  von  Halberstadt  von  1180  in  der  Harz- 
zeitschrift. HL.  Taf.  zu  S.  676,  des  Eonrad  H.  von  Magdeburg  (1267)  in  den  Magdeb. 
Ge8ch.-Bl.  1869,  Taf.  zu  S.  429,  des  Otto  I.  (1207)  Mangold  (1288)  Albrecht  H.  (1845) 
von  Würzburg  bei  Heffner,  Frank.  Würzb.  Siejfel.  Taf.  V,  3.  VI,  4.  VIH,  1). 

*  Abb.  von  Handschuhen  bei  Bock,  lit  Gew.  H.  Taf.  XIX.  XX;  von  Wil- 
mowsky,  Grabstätten,  Taf.  V. 


278  Ki'iuuinstob. 

Finger  (früher  Zeigefinger)  der  rechten  Hand  trägt  der  Bischof  den  Ring 
{anivuhiSj  Fig.  101  m),^  der  ihm  bei  der  Weihe  überreicht  wurde,  ans  einem 
Goldreif  mit  einem  Edelstein  bestehend.  Letzterer  sollte  nach  Vorschrift 
Innocenz  III.  keinerlei  eingeschnittenes  oder  erhaben  aufliegendes  Bildwerk 
tragen;  doch  wurde  diese  Vorschrift  nicht  allgemein  beachtet.^ 

Der  Krummstab  (pastorcUe^  pedum^  virgaj  ferulOj  baculus,  Fig.  101  i),' 
der  ebenfalls  dem  Bischöfe  bei  der  Weihe  überreicht  wurde,  ist  eins  der 
ältesten  Abzeichen  der  bischöflichen  Würde,  aber  auch  von  Äbten  und  Äb- 
tissinnen getragen,^  und  dem  Sinne  des  Hirtenstabes  entsprechend,  oben 
mit  einer  Krümme,  unten  mit  einem  Stachel  versehen.  Die  sinnbildliche 
Bedeutung  des  Stabes  und  seiner  Teile  spricht  sich  in  den  oft  als  Inschrift 
angebrachten  Versen  aus: 

»Attrahe  per  curvuntj  medio  rege^punge  per  imum<^, 

oder:  ^Coliigej  sustenta,  stimula  vaga^  morhida^  lenia^, 

oder  wie  am  Godehardsstabe  zu  Hildesheim: 

^Sterne  resistentes^  stantes  rege^  tolle  jacentes^. 

Als  Momente  für  den  Stabführer  wurde  auch  wohl  an  den  Knopf:  homo 
und  an  den  unteren  Teil  parce  geschrieben.  Bemerkenswerte  Krummstäbe 
von  hohem  Alter  haben  sich  verhältnismäfsig  zahlreich  erhalten,  da  sie  teils 
als  Reliquien  heiliggesprochener  Bischöfe  in  hoher  Verehrung  standen,  teils 
verstorbenen  Bischöfen  wie  Kelch  und  Ring  mit  ins  Grab  gelegt  wurden. 
Die  ältesten  sind  einfach  von  Holz  oben  nur  mit  einer  geraden  Krücke  von 
Elfenbein  versehen,  so  der  angebliche  des  heil.  Rupert  in  St.  Peter  zu  Salz- 
burg (Abb.  östr.  Atl.  XXX,  2)  und  der  des  heil.  Heribert  zu  Deutz  (Abb. 
aus'm  Weerth,  Taf.  XLTT,  b;  Bock,  lit-Gew.  U,  Taf.  XXX,  2).  Daneben  findet 
sich  ebenfalls  schon  in  ältester  Zeit  die  Form,  in  welcher  das  obere  Ende 
gemshomartig  umgebogen  war,  so  bei  dem  einfachen  hölzernen,  den  angeb- 
lich Petrus  dem  h.  Hermagoras,  Bischof  von  Aquileja,  gegeben  haben  soll, 


^  In  späterer  Zeit  trugen  die  Bischöfe,  die  mehrere  Bistümer  besalsen,  wie  Kar- 
dinal Albrecht  von  Mainz,  für  jedes  einen  besonderen  Ringjdeichzeitig. 

*  Abb.  von  Ringen  bei  Bock,  lit.  Gew.  H,  Taf.  XXVlU;  Rosenthal,  Dom  zu 
Magdeburg.  lief.  V,  Taf.  1,  No.  7—12;  von  Wilmowsky,  Grabstätten,  Taf.  V,  VIU,  X. 

'  Vergl.  Barrault  et  A.  Martin,  le  baton  pastonu.  (mit  156  Holzschn.ii.  19  Taf. 
in  Farbenor.)  Paris  1856.  — Wolfskron,  L.  v.,  der  Bischofsstab  in  seiner  Bedeutung 
u.  allmähl.  Entwickelung,  in  den  Mitt.  C.-K.  11,  256--262.  —  Lind,  C,  über  den 
Erummstab.  1863.  —  Essenwein,  A.,  über  die  Haltung  des  Bischofsstabes  bei  mit- 
telalterl.  Darstellunffen  von  Bischöfen,  im  Anz.  G.  M.  1866,  Sp.  432  f.  —  Kraus,  F.  X., 
Histor.-krii  Bemerkungen  über  die  Sage  vom  Stabe  des  h.  Petrus  zu  Trier  und  die 
Stabsagen  im  allgemeinen,  als  Beilage  zu  dem  Winkelmanns -Programm  von  aus*m 
Weerth.  1866.  —  Weitere  litteratur  bei  Weif s,  a.  a.  0.,  679,  No.  4.  — •  »Über  die  Be- 
deutung und  zur  Gesch.  des  Bischofsstabes«,  im  Kirchenschmuck  1869.  XXV,  26  ff.  — 
Bautraxler,  G.  Das  pedum  pastorale,  im  Kirchenschmuck  1874,  No.  10.  12  und 
1875,  No.  1.  3—5.  7. 

*  Die  oft  wiederholte  Behauptung,  daCs  die  Bischöfe  den  Stab  mit  der  Krümme 
nach  aufsen,  die  Äbte  aber  zum  Zeichen  ihrer  nur  auf  ihr  Kloster  beschränkten  Ge- 
walt nach  innen  zu  tragen  gehabt  hätten,  ist  irrig.  Zahllose  Abbildungeii  auf  Denk- 
mälern und  Siegeln  (siehe  z.  B.  Fi^.  103)  beweisen,  dafs  es  hierüber  eine  bindende 
Vorschrifk  nicht  gab.    Vergl.  auch  Bock,  a.  a.  0.,  H,  230  f. 


Kruminsiab.  279 

im  Dome  za  Görz  (Abb.  Mitt  C.-K.  N.  F.  m,  17),  dem  elfenbeineraen  dea 
h.  Anno  zn  Siegbarg  (Abb.  aus'm 
Weerth,  IW.  XLVni,  2)  und  dem  mit 
Goldblech  überzogenen  einer  Xbtiaain 
zu  Quedlinburg(Abb.  Bock,Lit.  Gow. 
n.TsfXXX,  1).  In  der  romaniscfaen  Zeit 
nimmt  die  dnrch  einen  starken  NoduB 
vom  Stamme  getrennte  Ertlmme  typisch 
die  Form  einer  Schlangenwindnng  an, 
läuft  in  der  Regel  auch  in  einen 
Schlangenkopf  ans,  innerhalb  dersel- 
ben aber  werden  dann  ein  Krenz,  oder 
das  Agnus  dei,  oder  das  Einhorn,  wohl 
anch  Tanben  oder  Engel  im  Kampf  mit 
der  Schlange  als  Sinnbilder  der  Über- 
windung der  Sünde  augebracht  inner- 
halb mannigfachen  Banken-  und  Blatt- 
Ornamentes.  Früh  aber  kommt  schon 
auch  an  dieser  Stelle  die  Marienrer- 
ehrnng  zum  Ansdruck.  Wir  nennen 
von  elfenbeinernen  Stäben  dieser  Art : 
die  angeblichen  des  heil.  Bern  ward  und 
Godehard  in  Uildeaheim  (bei  erate- 
rem  die  Elfenbeinkrflmme  1492  durch 
eine  silberne  ersetzt);  einen  andern  des 
heil.  Oodehard  in  Nieder- Altaicli 
und  den  des  b.  Utto  im  BischCfl.  Mu- 
aenm  zu  Hettcn  bei  Regensbnrg;  fer- 
ner die  des  h.  Wolfgang  in  St.  Emmeram 
und  des  h.  Erhard  im  Niedermflnster  zu 
Kegensburg  (Abb.  Mitt.  C.-K.XVl,  8. 
ICm,  Fig,  16  u.  8.  CIJQV,  F.  22,  letzt,  sus 

Büffelhom);  den  Stab  im  Kloster  Non-  p,    ^^    B)«ehoh.iiib  ■■■•  xtic 

berg  bei  Salzburg  von  1242  (Abb.  Hei-  ^'  (n^  «M-m  weem" 

der,  Mittekit.  Kimstdenkm.  d.  Öatr.  Kaisers!, 

n,  35,  Taf.\l;  Östr.Ätl.XXX,?),  zu  Admont  (Östr.  Atl.XXX,  1],  Altonburgin 
Nied.-Österreich  (daa.  Fig.  S),  zuKlosterneuburg  (mit  der  Darstellung  des 
englischen  OrnfseBimganzgeschlosaenen  Kreise  der  Krümme;  Abb.  Mitt.  Ü,-K. 
XVUI,  Taf. \'inu.  8.189,  Fig.  (i;ÖMtr.Atl.  XXX,  S),  zuZwettl  (Östr,  Atl.XXX,  9) 
und  zuGOttweih  (Mitt.  C.-K.  XVin,  IST,  Fig.  62);  ferner  aus  bereits  frUhgoti- 
scher  Zeit  einen  ans  dem  Dome  zu  Metz,  mit  doppebeitiger  Darstellung  der 
Kreuzigung  und  der  stehenden,  von  Engeln  verehrten  h.  Jungfrau  in  der 
Krümme  (Abb.  Bocltor-  v.  Hefner,  II,  Taf.  S»)  und  einen  mit  der  Krönung 
Maria  in  den  Vereinigt.  Sammlungen  zu  München  (das.  Taf.  51).  —  Neben 
den  elfenbeinernen  kommen  in  dieser  Zeit  solche  aus  vergoldetem  Kupfer, 
ganz  mit  Email  bedeckt  häufig  vor;  wir  nennen  von  solchen  die  in  Trier 
in  den  Grftbem  der  Erzbischöfe  Egilbert  (t  HUI)  und  Bruno  (t  1124)  ge- 
fundenen (Abb.  aus'm  Weerth,  Taf.  LVl,  3  u,  4,  s.  Fig.  109),  den  zu  St.  Wolf- 


2gO  Krummstab.    Sadarium. 

gang  in  Oberösierreich  (Ost.  Atl.  XXX,  4)  und  zu  St  Peter  in  Salzburg  (das. 
Fig.  5),  zwei  im  Privatbesitz  zu  Frankfurt  a.  M.  (Photogr.  FranU.  Ausstell., 
Taf.  XIV,  1.  3);  auch  im  Kunstgewerbe -Museum  zu  Berlin  (Schrank  355) 
befindet  sich  ein  solcher  mit  der  Krönung  Maria  und  im  HerzogU  Museum  zu 
Braunschweig  (Nr.  89)  ein  fast  identischer  mit  der  Verkündigung  Maria. 
In  Görz  befindet  sich  ein  romanischer  von  Bergkrystall  mit  der  Krttmme 
von  vergoldetem  Silber  (Abb.  Mitt.  C.-K.  N.  F.  in,  19).  —  In  der  gotischen 
Zeit  bildet  sich  der  Nodus  ähnlich  wie  am  Kelch  zu  einem  kleinen  Architek- 
turwerke aus,  die  symbolischen  Darstellungen  in  der  Krümmung  verlieren  sich 
und  es  treten  auch  an  ihre  Stelle  die  architektonischen  und  Laubwerkver- 
ziemngen  der  Qoiik  und  allerhand  Heiligenfiguren,  überwiegend  dem  Marien- 
kultus angehörig.  Auch  hörte  die  Verwendung  des  Elfenbeins  ganz  auf  und 
machte  ausschliefslich  der  Goldschmiedekunst  Platz,  indem  man  den  Stab 
wohl  auch  ganz  von  kostbarem  Metall  herstellte  und  mit  Edelsteinen  be- 
setzte. Die  Krümmung  veränderte  daneben  ihre  Form  ein  wenig,  indem  sie 
nunmehr  sichelförmig  an  den  Stab  ansetzte  (s.  die  Figur  101  u.  107)  und 
es  wurde  Brauch,  an  oder  unter  der  Krümmung  das  Sudarium  (auch  pan- 
nisellusy  vehimj  orartum  genannt,  Fig.  101k)  anzuhängen,  ein  mehr  oder 
minder  reich  verziertes  Tuch,  zunächst  zum  Abtrocknen  des  Schweifses  im 
Sommer  bestimmt.^  Wir  nennen  von  solchen  gotischen  Stäben  in  Gold- 
schmiedearbeit einen  im  Domschatze  zu  Köln  aus  dem  XIV.  Jahrh.  (Abbild. 
Bock,  d.  h.  Kök.  Taf.  XII,  45;  liiGew.  ü,  Taf.  XXX)  und  einen  im  Privat- 
besitz zu  München  (Abb.  Becker-v.  Hefner  IH,  Taf.  29)  und  verweisen  auf 
die  im  Österr.  Atlas  Taf.  90  abgebildeten  ans  Stift  Raigern  (Fig.  1)  und 
St.  Georg  zu  Prag  (Fig.  3)  aus  dem  XIV.  Jahrh.,  aus  Stift  Nonberg  bei 
Salzburg,  XV.  Jahrh.  (Fig.  6),  St.  Peter  zu  Salz.burg  von  1487  (Fig.  7) 
und  St.  Stephan  zu  Wien  (Fig.  8)  vom  Ende  des  XV.  Jahrh.  Bei  Sech- 
st ein,  Kunstdenkmäler  in  Deutschland  etc.  I,  Taf.  15,  findet  sich  die  Ab- 
bildung eines  interessanten  hölzernen  von  einer  Bischofsfigur  am  Schnitzaltar 
zu  Hersbruck.  Gotische  Stäbe  aus  Bischofsgräbem  finden  sich  z.  B.  in  der 
Mittelalt  Sammlung  zu  Basel  (Bischof  Johann  von  Veningen  t  1478)  und 
im  Dome  zu  Brandenburg  (Bischof  Joachim  von  Bredow  t  1507).^ 

Anmerkung  1.  Das  Brustkreuz  (pectorale^  Fig.  101  h)  war  im  Mittel- 
alter, obgleich  das  Tragen  solcher  meist  eine  Reliquie  bergenden  Kreuze  allge- 
mein war  (s.  oben  S.  202  f.),  noch  kein  besonderes  Abzeichen  der  bischöflichen 
Würde,  sondern  war  als  solches  von  Innocenz  HI.  dem  Papste  ausschliefslich 
vorbehalten  worden.     Dagegen  war  mehreren  deutschen  Bischöfen'  als  eine 


*  Vergl.  Bock,  lit.  Oew.,  H,  226  ff.,  wo  auch  andre  vielfach  wiederholte  Behaup- 
tongen  über  die  Bestimmung  des  Sudariums  widerlegt  werden. 

^  Auf  den  Siegln  und  andern  Denkmälern  erscheinen  die  Bischöfe  sehr  häufig  in 
der  linken  Hand  em  aufjgeschlagenes  Buch  haltend  (siehe  Fig.  103.  110).  Auch  dies 
ist  ein  Zeichen  der  bischöflichen  Würde,  insofern  in  der  Regel  die  Worte  pax  vMs" 
cum  darauf  stehen,  deren  Gebrauch  dem  Presbyter  und  Diakonns  untersagt  imd  dem 
Bischöfe  vorbehalten  war  (verd.  Lepsius,  in  den  N.  Mitt.  Th.-S.  V.  Vn,  135). 

»  Vergl.  Bock,  a.  a.  0.,  U,  194—205.  B.  fuhrt  als  solche  Bischöfe  in  Deutsch- 
land  an:  (ue  von  Lüttich,  Eichstädt,  Begensburg,  Salzburff,  Paderborn,  Bamberg  und 
Erakau.  Hinzuzufügen  sind  jedenfalls  nach  Ausweis  zahlreicher  8ie^bilder  (vergL 
Heffner,  a.  a.  0.)  diejenigen  von  Würzbuig. 


HatioMle.    Pallium.  281 

beBODdere ,  heutzutage  nicht  mehr  biünchliche  ÄnBzeichiiimg  ein  urBpiUog- 
iich  nur  vom  P&pste  getragenee,  dem  Ephod  und 
dem  BrnstBchilde  des  Hohenprieiters  zagleich 
nachgebildetes  OewandBtQck  verliehen,  das  zu- 
gleich Schnlterkleid  und  Bmstfichmnck  ist  und 
den  Namen  Rationale  episcoporwn  fOhrt.  Seine 
Gestalt  igt  eine  anrserordentlich  wechselnde  ge- 
wesen. Im  Wesentlichen  bestand  es  aus  einem 
um  die  Schulter  gelegten  breiten  Bande  mit  zwei 
hoUeo  Schildern  auf  den  Schultern ,  oft  auch  nnr 
mit  einem  grofsen  Schilde  auf  der  Brnst,  oder  mit 
Schulter-  und  Brnstechilden  zusammen  (wie  in 
onserer  Abbildung),  von  welchem  vorn  und  lünten 
in  der  Mitte  je  ein  breiter,  oder  von  den  Schalter- 
stUckenje  zwei  breite  oder  auch  (wie  wieder  auf  un- 
serer Abbildung)  je  drei  breite,  unten  mitFranzen, 
Quasten  oder  auch  OlOckchen  behängte  Streifen 

herabhingeu,  alles  mehr  oder  weniger  kostbar  mit  ^  ^^^^  luiionii«  «inu  wun- 
Stickereien  und  edlen  Steinen  geschmückt.  Erhal-  bnrur  aiubofi  (ucb  H*ffD«r>. 
teo  haben  sich  in  Deutschland  zwei  Eiciistädter 

Exemplare,  das  eine  des  Bischofs  Berthold  (1351 — 1365)  im  Domschatze  zn  Re- 
gensbnrg  (Abb.  Bock,  lit.  Qen.  I,  3.  Taf.  5),  das  andere  des  Bischofs  Johann  von 
Aich(tl464}  im  Dome  zu  Eichstädt  selbst  (Abb.  das.  II,  lU.  XXVU,  1),  femer 
ein  dem  ersteren  ähnliches  aus  Regensburg  im  Bayr.  Nationsl-Hnaeum  zn 
Hanchen  und  der  Rest  eines  solchen  im  Domschatze  zn  Bamberg  (Abb.  das. 
Taf.  XXTI,  4).  Abbildungen  anderer  abweichender  Formen  das.  T^.  XXVI,  2. 
XXVII,  3 — 7,  denen  noch  andere  zum  grofsen  Teile  völlig  verschiedene  nach 
denWarzburgerBiBchofssiegeln  bei  Hcffner  a.a.O.  Taf.  I,  3.  II,  2.  III,  1.2. 
IV,  1. 2.  V,  I.VI,1  VU,  1.  Vm,  3.  XI,  6  anzuitlgen  sind.  Wir  geben  in  Fig. 
110  die  Form,  in  welcher  es  auf  dem  Siegelbilde  des  Würzburger  Bischofs  Iring 
von  Reinstein  (1254 — 66)  erscheint.  ■ 

Aumerknng  2.  Die  ErzbischOfe  trugen  als  aaszeichuendes  Gewand- 
stttck  ebenfalls  ein  Schnlterkleid,  das  Pallium  (Fig.  1011),*  welches  gänzlich 
dem  in  der  griechischen  Kirche  von  sämtlichen  Bischöfen  getragenen  ü/io^pio» 
entspricht  und  früher  auch  im  Abendlande  von  allen  Bischöfen  getragen  zu 
sein  scheint,  später  aber  vom  Papste  nnr  den  Erzbischöfeu  als  Zeichen  ihrer 
besonderen  persönlichen  Verbindung  mit  dem  Papste  und  ihrer  Uetropolitan- 
wOrde  verliehen  wurde,  anfserdem  nur  einigen  exemten  Bischöfen  (wie  io 
neuerer  Zeit  dem  Breslaner  und  ErmUnder).  Aofserhalb  der  DiScese  durfte 
es  TOD  den  ErzbischCfen  nicht  getragen  werden,  and  wurde  mit  seinem  Träger, 
ebenso  wie  das  Rationale,  jedesmal  begraben.  Es  ist  Sinnbild  des  gnten  Hir- 
ten, der  das  wiedergefundene  Schaf  auf  seiner  Scholter  nach  Hanse  trägt,  und 

<  Auch  iu deuWandmalereienderllntOTkirche EU  Sohwari'Rheindorf  kommt  das 
Rationale  vor,  siehe  aue'm  Weerth,  Wandmalereien.  Taf.  XXV,  18.  Vencl.  auch 
Cahiar,  Nouv.  melanges  etc.  (ivoires,  miniatnres,  emanz)  Paris  1874.  H,  1S3 — 302 
mit  vortrefFl.  Abb.  in  grobem  Mallsstabe. 

'  Vergl-Book,  a.a.O..  n,  188  ff.;  Herzog-Pütt,  Real-Encyklopädie.  XI,  176  f. 


282  Kleider-Schranke  und  Truhen. 

besteht  aus  einem  handbreiten ,  mit  sechs  schwarzen  Rrenzchen  besetzten 
Streifen  aus  weifser  Wolle,  der  die  Schultern  umschliefst  und  vorn  und  hinten 
herabhängt,  in  älterer  Zeit  bis  zum  Ende  der  Kasel  (wie  in  Fig.  104),  in  spä- 
terer Zeit  aber  bedeutend  verkürzt  (wie  in  Fig.  101).  Die  Wolle  zu  diesem 
Amtszeichen  wird  von  den  am  21.  Januar  durch  den  Papst  gesegneten  Läm- 
mern genommen  und  durch  die  Nonnen  im  Kloster  San  Agnese  zu  Rom  ge- 
sponnen. Am  Reliquienschreine  des  h.  Heribert  zu  Deutz  ist  im  sechsten 
Medaillon  die  Verleihung  des  Palliums  an  den  Heiligen  durch  Papst  Johan- 
nes XVn.  dargestellt  (s.  die  Abb.  aus'm  Weerth,  Taf.  XLIV,  la).  —  Statt  des 
Einimmstabes  oder  neben  demselben  führen  die  Erzbischöfe  seit  der  Mitte  des 
XIV.  Jahrh.  gewöhnlich  das  erzbischöfliche  Kreuz  (crux  archiepiscopalis)  von 
2,20—2,50  Höhe.» 

Anmerkung  3.  Zur  Aufbewahrung  sowohl  der  heiligen  Geföfse  und 
Reliquiarien,  wie  der  Mefsge wänder  und  sonstigen Paramente  dienten  teils  Wand- 
schränke im  Ohor  und  an  anderen  Stellen  in  den  Kirchen  und  in  den  Sakristeien. 
Durch  zierliche  baldachinartige  Krönung  ausgezeichnet  sind  die  aus  je  fflnf  spitz- 
bogigen  Schränken  nebeneinander  bestehenden  Repositorien  auf  beiden  Wand- 
seiten zunächst  dem  Altare  in  der  Marienkapelle  der  Pfarrkirche  zu  C Uli  in 
Steiermark  aus  spätgotischer  Zeit  (Abb.  in  den  Mittelalt.  Eunstdenkm.  der  österr. 
Mon.  I,  T.  YHI;  Seemann,  CLVI,  4).  In  norddeutschen  Backsteinkirchen  findet 
man  vielfältig  (z.  B.  in  St.  Gotthard  zu  Brandenburg,  St.  Stephan  zu  Tan- 
germünde) in  der  Nähe  der  Nebenaltäre  ganz  flache  längliche  schmucklose, 
ehemals  und  noch  mit  einfachen  Holzthüren  verschlossene  Nischen,  die,  wie 
die  Visitationsprotokolle  der  Reformationszeit  ergeben,  zur  Aufbewahrung  der 
fElr  die  Altäre  bestimmten  »Ornate«  dienten.  Gewöhnlich  benutzte  man  indes- 
senbewegliche hölzerne  Schränke  undTruhen  (letztere  für  die  Ohorkappen), 
armaria,  armentaria,  auch  ahnaria,  welche  oft  durch  ihre  Schnitzereien,  Be- 
malung und  Eisenbeschläge  Aufmerksamkeit  verdienen.^  Fast  noch  vollständig 
erhalten  ist  die  aus  verschiedenen  Jahrhunderten  herrührende  Ausstattung  mit 
solchen  in  der  Sakristei  des  Domes  zu  Brandenburg,  auch  in  der  Matthias- 
kapelle des  Aachener  Münsters  sind  noch  fünf  durch  die  Bemalung  ihrer 
Innenseiten  merkwürdige  Schränke  aus  dem  XIV.  und  XV.  Jahrh.  vorhanden ; 
einzelne  finden  sich  vielfach,  im  Zither  des  Domes  zu  Halberstadt  z.  B.  ein 
ersichtlich  noch  dem  XIII.  Jahrh.  angehöriger,  mit  den  gemalten  lebensgrofsen 
Fignren  der  h.  Katharina  und  Kunigunde  auf  den  Innenseiten  der  Thüren. 
Wir  nennen  von  bemerkenswerteren,  kunstvolleren  Schränken  nach  vorhan- 
denen Abbildungen:  einen  noch  in  romanischen  Formen  gehaltenen  in  der 
Stiftskirche  zu  Wernigerode  (Zeitschr.  d.  Harz-V.  E,  162.  Photogr.  in  Prüfer, 
Archiv  IV,  31.  Taf.  IV);  gotische  aus  verschiedenen  Jahrhunderten  zu  Geln- 
hausen (Statz  u.  Ungewitter,  Taf.  183,  6—11),  zu  Neukirchen  (Kr. Ziegen- 
hain) mit  schöner  Schmiedearbeit  (das.  Taf.  49,  4),  zu  Immenhausen  mit  ge- 
maltem spätgotischen  Ornament  (das.  Taf.  73,  4),  zu  Tamsweg  in  Steiermark 


*  Auch  Bischöfe  erhielten  in  einzelnen  Pftllen  das  Vorrecht,  ein  Kreuz  vor  sich 
hertragen  zu  lassen,  so  die  Halberstädter  durch  Papst  Alexander  H.  (1061—1078). 
Zwei  sehr  schöne  Kreuze  dieser  Art  aus  romanischer  Zeit,  das  eine  aus  11  Bergkrystal- 
len  zusammengesetzt ,  befinden  sich  noch  im  dortigen  Zither,  No.  1.  2. 

«  Vergl.  Weifs,  a.  a.  0.,  11.,  802  ff.   m,  425  ff.    481  ff. 


ChorgostüM.  283 

in  der  Leonhardskirche  von  1445  mit  Intarsien  zwischen  der  Schnitzerei 
(Mitt.  C.>E.  XIX,  71.  Taf.  n,  1),  zu  Nürnberg  im  German.  Museum  mit  bibli- 
schen und  Heiligen 'Reliefs  (Kunsthandwerk  m,  44) ,  zu  München  im  Privat- 
besitz (Becker-y.  Hefner  n,  Taf.  43),  zu  Wilmersreuth  bei  Kulmbach,  be- 
malt (das.  Taf.  70),  zu  Jüterbog  in  der  Nikolaikirche,  der  Tuchmacherinnung 
gehörig,  bemalt  (Puttrich  n,  Sehe  Jüterbog,  Bl.  8);  ein  besonders  schön  ge- 
schnitzter von  1507  wird  in  der  Amandikirche  zu  Urach  erwähnt,  dem  dor- 
tigen Betstuhle  gleichgeschätzt.  —  Von  Truhen:  den  Archiv- Almer  in  der 
Domsakristei  zu  Breslau  von  1455  (Schlesiens  Vorzeit  in  Bild  u.  Sehr,  n,  5. 
Taf.  11)  und  eine  ungewöhnlich  (3,80)  lange  Truhe  mit  hübschem  Eisenbeschlag 
in  Langula  in  Thüringen  (Er.  Mühlhausen,  S.  33,  Fig.  19). 

d.    Die  Ausstattimg  der  Kiroben  mit  Gestohlen ,  Kanzel,  Tan&tein, 

Orgel,  Grabdenkmälern  und  Glocken. 

49.  Unter  dem  Gestühlwerke  der  Kirchen  nehmen  wegen  ihrer 
mehr  oder  weniger  reichen  künstlerischen  Ausstattung  die  Chorstühle* 
{stalä,  statta)  die  erste  Stelle  ein.  Sie  werden  zwar  seit  dem  XI.  Jahr- 
hundert erwähnt,  die  Entstehung  der  im  späteren  Mittelalter  üblichen 
hölzernen  Gestühle  dieser  Art  dürfte  jedoch  nicht  früher  als  etwa  in 
die  zweite  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts  fallen:  es  sind  die,  in  Kloster- 
und  Stiftskirchen  an  den  beiden  Langseiten  des  Chores  (an  der  Epistel- 
seite der  Chorus  abbatis,  auch  latus  praeposiü,  an  der  EvangeUenseite 
der  Chorus  prioris^  auch  latus  decani)  aufgestellten  längeren  oder  kürze- 
ren Reihen  von  Sitzbänken  (je  nach  der  Anzahl  der  Geistlichen  zwei 
bis  vier  hinter  einander),  welche  in  gewissen  Entfernungen  von  ein- 
ander abstehen  und  sich  in  einzelne  Armsitze  teilen.  Die  hinterste  Reihe 
(alta  forma),  über  dem  Pufsboden  durch  einige  Tritte  erhöht,  hat  ge- 
wöhnlich eine  hohe  Rückwand  mit  überragender  Baldachinkrönung,  wäh- 
rend die  übrigen  Reihen  (bassae  formae)  sich  nach  imd  nach  abstufen 
und  durch  Zugänge  zu  der  hintersten  Reihe  tmterbrochen  werden.  Jeder 
einzelne  Sitz  (von  etwa  0,70  Breite)  ist  zum  Aufklappen  eingerichtet, 
und  um  den  früheren  anstöfsigen  Gebrauch  T  förmiger  Krückstöcke  ab- 
zustellen, mit  einer  sog.  Misericordia  versehen:  einer  Art  Stütze  für 
die  beim  Stehen  ermüdeten  oder  leiblich  schwachen  Mönche.  Dieser 
Einrichtung  entsprechend  sind  doppelte  Armlehnen  vorhanden:  die  nie- 
drigeren zum  Gebrauche  beim  Sitzen,  die  höheren  zur  Bequemlichkeit 
beim  Stehen.  Vor  der  vordersten  Bank  ist  ein  Betpult  angebracht,  und 
jeder  folgenden  dient  die  Lehne  der  vorstehenden  Reihe  als  BetschemeL 


'Kiggenbach,  Gh.,  die  dhorgestühle  des  Mittelalters  vom  XIII. — ^XVI.  Jahrb., 
in  der  Zeitschr.  f.  ehr.  A.  u.  K.  n,  161  ff.;  weiter  aus^fiihrt  in  den  Mitt  C.-K.  Vin, 
220.  245;  Tergl.  Jourdain  et  Duval,  bist,  et  descnpi  des  Stalles  de  la  cathedr. 
d'Amiens,  in  den  Memoires  des  antiquaires  de  la  Picaroie.  YU,  81 — 106. 


284  ChoigMtahl. 

Das  Bückgetafel  der  hintersten  Stuhlreihe  iet  gewöhnlich  mit  Bildwerken 
geschmäckt  und  wurde  mit  ^tickten  Teppichen  (Rücklaken,  dorieüia) 
überhängt;  auf  den  Sitzbrettem  lagen  Polster  {bancaüa)  und  vor  den- 
selben Fu&decken  (subttraioria). 


nt.  Ul.    ChorfHlUd  n  aopfui  (aHk  ««*■  Wsartfe). 

Bereits  im  IV.  Jahrb.  werden  in  der  Kirche  sn  Tynu  hohe  Thronaitie 
erwftbnt  sn  Ehren  der  Vorsteher  nod  überall  in  geordneter  Reihe  eintrieb- 
tete  Situtnfen.*  —  Auf  dem  Baurisse  von  St  Gallen  ans  dem  J.  820  finden 
sich  mehrere  Reihen  von  Betettlhlen  nnter  dem  Mamen  formulae:  ue  stehen 
im  Qnerscbiff  (.chonu  ptaUentium)  mit  der  Front  nach  dem  Hochaltar«.  — 
Das  Wort  ataüumt  kommt  seit  Ende  des  XI.,  ^näsericordia*  Enerat  im  XII. 
Jahrb.  vor.*  —  Die  &lteren  Sitze  haben  wir  uns  gewir«  als  Steinsitae  xn 
denken,  wie  wir  sie  i.  B.  im  Dome  in  Parenio  is  der  Apsia  m  beiden 
Seiten  des  bischöflieben  Sities  angeordnet  sehen  (Abb.  Mittelalt  Konstdenkm. 

<  Ensebii,  Hist  eccl.  L  10  c.  4,  ed.  E.  ZimmermiDn,  TS6:  e^oMif  xt  xoZe 
«■•oträra  fit  »^»  xäv  Tmoi8t/av  xift^v,  jcal  KQoaiti  ßä^ou;  iv  taisi  tolc  ««t* 
ohev  KtnA  xo  noinov  xod^ooc- 

*  Bdige  bei  Jonrdain  et  Dnval,  a.  a.  0.,  91.  103. 


Ghorgesfcühl.  285 

d.  östeir.  Eaiserst.  I,  Taf.  XV  u.  S.  105),  und  wie  sie  später  noch  in  den  Ka- 
pitelsälen  allgemein  Brauch  waren.  So  laufen  auch  im  Münster  zu  Aachen 
sowohl  auf  der  Empore  des  Oktogons,  als  in  den  angebauten  Kapellen 
überall  schlichte  Steinbänke  unter  den  Fenstern  umher.  Und  in  der  Pfarr- 
und  Dechanteikirche  zu  Kaurzim  in  Böhmen  hat  sich  ein  vollständiges 
steinernes  Chorgestühl  aus  frühgotischer  Zeit  in  Gestalt  von  je  neun  durch 
vorgesetzte  Säulchen  getrennten  Spitzbogenwandnischen  zu  beiden  Seiten 
des  Chors  erhalten  (Abb.  Grueber  n,  Fig.  98  u.  102).  Statt  des  Steins  kam 
man  in  nördlichen  Gegenden  aber  sehr  bald  dazu,  hölzernes  Gestühl  zu 
wählen,  aus  dem  sehr  nahe  liegenden  Grunde,  aus  dem  auch  im  Graltempel 
des  jüngeren  Titurel  neben  all  dem  kostbaren  Metall  und  Edelgestein  Holz 
nur  am  Gestühl  vorkommt  (Zarncke,  Str.  2,  68): 

T^goU  und  daz  gesteine  git  in  wmter  vrosi  mit  tu/He  küle^. 

Eine  vollständig  erhaltene  romanische  Ausstattung  des  Altarhauses  der 
im  J.  1275  geweihten  Klosterkirche  zu  Loccum —  einschliefslich  der  Chor- 
stühle —  ist  seit  der  Restanration  (1849)  modern  verändert  (Abb.  bei 
Riggenbach,  Mitt.  C.-K.  Yin  a.  a.  0.,  Fig.  2 — 4;  Hase  in  d.  Mitt.  Baudenkm. 
Niedersachs.  H,  Taf.  72.  75,  76).  —  Reste  romanischer  finden  sich,  zu  mo- 
dernen Sitzbänken  verwandt,  im  Dome  zu  Ratzeburg  und  im  mecklen- 
burgischen Nonnenkloster  Ivenack  (Abb.  bei  Riggenbach,  Fig.  1— -9;  See- 
mann, CLY,  1;  Ramee,  meubles  etc,  Taf.  76).  —  Die  sehr  edlen  altgotischen, 
dem  Ende  des  XUI.  oder  dem  Anfang  des  XIV.  Jahrhunderts  angehOrigen 
Chorstühle  der  Klosterkirche  zu  Neu-Ruppin  sind  seit  der  Restauration 
(1836  —  41)  bis  auf  geringe  Reste  verschwunden  (Abb.  bei  Riggenbach, 
Fig.  5—8).  —  Erhalten,  aber  restauriert,  ist  das  zu  den  ältesten  gehörige 
und  wegen  der  inschriftlichen  Datierung  von  1288  besonders  bemerkens- 
werte, aus  zweimal  9  Klappsitzen  bestehende  Gestühl  in  der  Alexander- 
kirche zu  Eimbeck  (Abb.  das.,  Fig.  12,  18;  Seemann,  CLIY,  1),  und  unter 
den  das  gewöhnliche  Schema  befolgenden  scheinen  die  in  der  Klosterkirche 
zu  Seligenpforten  bei  Neumarkt  in  der  Oberpfalz  (Abb.  Sighart,  897) 
und  die  im  Dome  zu  Xanten  (aus'm  Weerth,  Taf.  XIX,  1)  zu  den  ältesten 
zu  gehören.  —  Chorstühle  aus  dem  späteren  Mittelalter  sind  fast  überall 
noch  häufig  vorhanden,  aber  die  ursprünglich  nur  durch  sparsame  Vergol- 
dung gehobene  schöne  Naturfarbe  des  Eichen-  oder  Nnfsbaumholzes  ist 
vielfach  durch  Anstrich  verunstaltet.  Es  finden  sich  jedoch  auch  solche, 
bei  denen  auf  den  glatten  Brettern,  ähnlich  wie  an  Schränken,  eine  Mafs- 
werksdekoration  durch  Schablonenmalerei  hergestellt  ist.  Die  berühm- 
testen unter  allen  sind  wegen  ihrer  Schönheit  die  im  Ulm  er  Dom,  ver- 
fertigt von  Georg  Sürlin  1469  bis  1474 ,  der  für  jeden  Stand  13  Gulden 
empfing.  Sie  bestehen  aus  je  zwei  Reihen,  die  89  Sitze  (46  an  der  Evan- 
gelien- und  43  an  der  Epistelseite)  enthalten,  und  über  der  4,86  hohen  wage- 
rechten Rückwand  steigen  zahlreiche  Fialen  (über  den  Scheidewänden  der 
Sitze)  und  Wimbergen  (über  jedem  einzelnen  Sitze)  auf.  Der  bildnerische 
Schmuck  besteht  hier  aus  einer  übergrofsen  Anzahl  von  Brustbildern,  die 
der  heiligen  und  profanen  Geschichte  entnommen,  sowohl  an  den  Wangen- 
stücken der  Bänke,  als  in  zwei  Reihen  ander  hinteren  Rückwand  angebracht 
sind  und  (Pressel,  Ulm  u.  sein  Münster,  S.  81)  »Christus  als  die  ErfUlung  der 


286  Cborgastühl. 

Ahnnug  des  Heideutoma  and  die  Weiasagnug  des  Alten  Bundes  dnrch  die 
Stiftung  des  Kenen  Bundes,  die  Kirche«  zor  Anschauung  bringen  (Vollstän- 
dige Au&alune  in  Egle,  J.  t.,  der  MüuBter  zu  Ulm.  Mit  31  Tafeln.  1872),  — 
Anderweitig  sind  es  nsmentlich  biblische  Reliefs,  Wappen  oder  Fällungen 
von  Mafswerk  und  Teppichmustern ,  die  an  dem  Rfickgetäfet  der  Ghorsttthle 
vorkommen,  während  an  den  Wangen  teils  Heiligenatstuetten ,  teils  Tier- 
gestalteu  erscheiuen.  In  sittengeschiclitlicher  Beziehnng  aber  sind  beson- 
ders merkwürdig  die  au  den  Uiserikordien  unterhalb  im  Versteck  als  Kon- 
solen angebrachten  Schnitzbilder,  welche  häufig  in  derb  satirischen  Dar- 
stellungen ans  dem  niederen  Volksleben  und  aus  der  Tierfabel,  oder 
in  allerlei  phantastisch em  Fratzenwerk   bestehen.     Ausgezeichnet  durch 


Flf.  111.    MlMTlkordlan  lom  OMtttU  Im  Don»  lu  Xuian  (nMh  ■»•'■n  WMrth). 

lebensvollen  Naturalismus  sind  die  sämtlich  dem  Bnde  des  XV.  Jahrb.  an- 
gehörenden Geatllhle  mit  3,14  hohen  Rflckwänden  in  der  Hinoritenkirche 
zu  Kleve  von  147i  (Abb.  aus'm  Weerth,  Taf.  IV,  1—8),  in  der  Martins- 
kirche zn  Emmerich  von  1466  (das.  Taf.  vm,  1—6)  and  in  der  Kirche  zu 
Kalkar(Verfertigt  1505-1508  durch  Heinrich  Bemts  aus  Wesel.  Abb.  das.  Taf.  XV. 
Photogr.  bei  Wolff,  Nikolaik.  za  Kaikar,  Bl.  63—68),  und  die  noch  reicher  aus- 
gestatteten, 3,60  hohen  in  der  Kirche  zn  Kempen.'  Ein  sehr  reiches  Werk 
ist  auch  das  aus  67  Sitzen  bestehende  Gestühl  in  der  Uauptkirche  zu  Mem- 
mingen^  und  bemerkenswert  ebenfalls  das  Gestühl  in  der  Uartinskirche  zu 
Landshnt,  dessen  mannigfache  Menschen-  and  Tiergebilde  der  Inschrift 
zufolge  den  heil.  Martin  als  Patron  der  Kirche  feiern.*  Dagegen  erweist 

'  VollBtäüdige  Abb.  aus'm  'Weerth.  Taf.  XXIU.  2—38. 

"  1501  von  Heinrich  Stark  und  Haus  Dapratzhauor  gefertigt. 

*  Verfert^  vom  Kanonikus  Berthold  Aublinger;  Abb.  Riggenbach,  Fig.  10.  11; 

üre.  f.  ohr.  KT  1853,  No.  17  Beilage.     Daa  ganze  Gestühl  verölenthcht  von  Meyer, 

München  1863.  —  Die  Inschrift  lautet: 

tSi  fteri  posset,  qvod  arene  pulvis  et  unde 
Dnaarutn  gutte  rose  gemtne  iilia  flamme 
Äethera  celicoU  nix  grando  sexus  uterque 
Ventorum  penne  volucrum  pecudum  gctms  omne 
SUvarum  rami  frondes  avium  quoqae  penne 
Bot  gramen  stdU  piicea  unguis  et  anstae 
Et  lapidtB  montea  convallee  terra  draeones 
Ling-ae  ctincta  forent,  minime  deprimere  possent, 
Quia  gia  vet  quantus,  paelor  patrone  martine, 
Que  ttta  ait  pietas,  nee  littera  nee  dabit  etas.' 


Chorgestuhl.  287 

eine  Inschrift  an  den  (bruchstttcksweise)  im  Diöcesan-Mnseam  zu  Frei  sing 
befindlichen  Chorsttthlen  aus  der  Andreaskirche  daselbst  vom  J.  1423  die 
Berechtigung  einer  satirischen  Deutung  der  erwähnten  Fabel-  und  Fratzen- 
bilder; sie  lautet:  »Cantent  in  chorOj  sicut  asellus  in  foroi  hie  locus  est 
homm^  qui  canlant,  non  <üiorum,<^ 

Aufser  den  vorstehend  bereits  angeführten  machen  wir,  zum  Teil  auf 
Grund  der  vorliegenden  Abbildungen,  noch  folgende  Chorgestühle  namhaft: 
Am  Rhein:  aus  Altenberg  bei  Köln  Reste  im  Kunstgewerbe  -  Museum 
zu  Berlin;  in  der  Abteikirche  zu  Arnstein  a.  Lahn  (spätgotisch,  zwei 
Reihen  an  jeder  Längsseite);  zu  Basel  im  Münster  (abgebrochen,  jetzt  in 
der  Mittelalt.  Sammlung)  und  in  St.  Leonhard  (noch  aus  dem  XIV.  Jahrb.); 
zu  Bern  in  der  Dominikanerkirche  (frühgotisch  ca.  1300  von  Rudolf  Rieders, 
später  Stadtwerkmeister)  und  im  Münster  (Anfang  des  XVI.  Jahrh.,  schon 
im  Renaissancestil,  voller  Satire  gegen  den  Klerus,  teilweise  auf  Entwürfe  von 
Nik.  Manuel  zurückzuführen);  zu  Boppard  (in  der  Karmeliterkirche  (aus 'm 
iWeerth,  Taf.  LTV,  4 — 4  m  —  darnach  Fig.  111;  Statz  und  TJngewittcr,  Taf. 
187, 188, 2—5);  ZU  Büdingen  in  der  Schlofskapelle  (1497  von  Peter  Schanntz 
und  Michel  Silge,  beide  von  Worms);  zu  Eltville  (Anfang  des  XV.  Jahrb., 
Brüstung  Rokoko);  zu  Gauodernheim  (von  Erhart  Falkener  von  Abens- 
berg); zu  Gemünden  bei  Hachenburg  (XIV.  Jahrb.);  zu  Kiedrlch  (zier- 
lich spätgotisch,  mit  Statuetten  in  den  Wangen);  zu  Klausen  a.  Mosel  in 
der  ehem.  Stiftskirche  (Ende  des  XV.  Jahrb.);  in  der  Klemenskirche  bei 
Bingen  (Reste  ähnlich  denen  zu  Boppard);  zu  Köln  im  Dome  (Riggenbach 
a.  a.  0.,  Fig.  14;  Reitz,  A.,  d.  Chorgestuhl  des  Doms  zu  Köln.  Dresden,  Gilbers 
Lief.  1.  2.  Mit  8  Taf.  Photogr.),  in  St.  Gereon  (Didron,  Annales  DC,  129;  Statz 
u.  üngewitter,  Taf.  65)  und  Reste  in  St.  Aposteln  und  St.  Maria  im  Kapitol 
(Bock,  d.  heil.  Kök,  Taf.  XXVm,  93);  zu  Kornelimünster  in  der  ehemali- 
gen Abteikirche  (einfach  ohne  Rückwände,  v.  Fisenne,  Kunstdenkmäler  etc.,  I,  3 
mit  XV.  Taf.);  zu  Limburg  a.  Lahn  im  Pome  (einfach  gotisch,  Rückwände 
modern;  zu  Lore h  (gegen  1300,  reich  mit  Bestien,  Brüstungen  und  Rück- 
wände zerstört),  zu  Marienstatt,  Anfang  des  XIV.  Jahrb.,  noch  vier 
Reihen  (Görz,  Taf.  X);  zu  Montabaur  in  der  Pfarrkirche  (von  1489,  nur 
noch  je  eine  Reihe,  Brüstungen  und  Krönungen  von  1793);  zu  Neustadt 
a.  Haardt;  zu  Oberwesel  in  der  Stiftskirche  (Riggenbach,  Fig.  18;  Statz 
u.  üngewitter,  Taf.  186,  1,  2;  188,  6—12;  aus'm  Weerth,  Taf.  UV,  2)  und 
genngere  in  St.  Martin;  zu  Rüdesheim  (nur  noch  je  eine  Reihe  jederseits, 
1420  von  Meister  Heinrich  Gyse  von  Ulrichstein);  zu  Salz  bei  Montabaur 
(einfach  1478)  und  zu  Sponheim  im  Nahethale  (frühgotisch). 

Im  Elsa  fs:  zu  An  dl  au  in  der  Stiftskirche  (ausgezeichnet);  zu  Kay - 
sersberg  (vorzügliche  Schnitzerei,  sehr  reiche  Miserikordien,  au  der  Rück- 
wand die  Fuchsfabel);  zn  Schlettstadt  in  St.  Georg  (spätgotisch);  zu 
Walburg  (Kr.  Weifsenburg,  desgl.);  zu  Weifsenburg  in  St.  Johann  (von 
1514,  schön)  und  Reste  in  St.  Peter-Paul. 

In  Hessen  und  Franken:  zu  Bamberg  in  beiden  Chören  des  Doms; 
zu  Biedenkopf  in  der  Pfarrkirche  (von  1522,  nur  noch  eine  Reihe;  be- 
zeichnet F.  S.  V.  W.  =  Silge  von  Worms?) ;  zu  Frankenberg  in  der  luther. 
Kirche  (geringe  Reste,  spätgotisch);  zu  Frankfurt  a.  Main  im  Dome  (1354, 
einfach  gotisch),  in  der Leonhardskirche  (1434  von  Henchin  Steinheuer  und 


288  Chorgestühl. 

seinem  Sohne  Erwin),  in  der  Liebfranenkirche  (von  1509)  und  Reste  an^ 
der  Heiligengeistkirche  in  der  Vereinssammlnng;  zu  Friedberg  (Statz  u. 
Ungewitter,  Taf.  188);  za  Fritzlar  in  der  Stiftskirche  (das.  Ta£.  82);  zn 
Gelnhausen  (teils  aus  dem  XIV.  Jahrh.,  teils  von  1489;  Biggenbach,  Fig.  15, 
16;  Statz  u.  Ungewitter,  Taf.  181,  182,  183,  4);  zu  Haina  (das.  Taf.  83,  6,7); 
zn  Hanau  in  der  Marienkirche  (von  1496;  1848  verschlendert,  nur  noch 
zwei  Wangenstücke  übrig);  zu  Hersfeld  in  der  Stadtkirche  (einfach  go- 
tische Reste,  ohne  Rückwände);  zn  HOchst  (spätgotisch,  Brüstungen  mo- 
dern); zuHofgeismar  Inder  Altstadt,  Liebfranenkirche  (XIY.  Jahrh.,  Statz 
u.  Ungewitter,  Taf.  83,  1—3;  190,  6—10);  zu  Immenhausen  (das.  Taf.  184, 
185,  1—6);  zu  Ritzingen  (gering);  zu  Kreglingen  in  der Herrgottskirche 
(vor  1488);  zu  Marburg  in  St.  Elisabeth  (Ende  des  XIII.  Jahrb.);  zu  Mel- 
sungen  (Reste  mit  Pflanzenomament  an  den  Wangen);  zu  Nürnberg  in 
St.  Lorenz  und  im  ehemaligen  Kloster  St.  Klara;  zu  Ochsenfurt  (geringe); 
zu  Pappenheim  in  der  Augustinerkirche  (von  1496);  zu  Rotenburg  o. 
Tauber  in  St  Jakobiim  Ostchore;  zu  Wetter  (Statz  u.  Ungewitter,  Taf.  177); 
zu  Würzburg  in  St.  Bnrchardi  (prachtvoll  von  1510). 

In  Schwaben:  zu  Alpirsbach  in  der  Klosterkirche  (von  1493,  be- 
zeichnet H.  M.,  stark  beschädigt;  daselbst  Reste  romanischer  Sitzbänke); 
zn  Altbreisach  im  Münster  (Ende  des  XV.  Jahrb.);  zu  Bietigheim,  O.-A. 
Besigheim  und  Bissingen,  O.-A.  Ludwigsburg  (spätgotische  Reste);  zu 
Blaubeuren  in  der  Klosterkirche  (1493  —  96  von  Georg  Sürlin  d.  Jung.); 
zn  Denkendorf  in  der  Klosterkirche  (von  1511,  stehen  jetzt  im  Lang- 
hause);  zu  Ditzingen  bei  Stuttgart  in  der  Konstanzer  Kirche  (Ende  des 
XV.  Jahrh.);  zu  Eberdingen,  O.-A.  Vaihingen;  zu  Effringen,  O.-A.  Na- 
gold (1481  von  Jörg  Apt,  stehen  jetzt  im  Langhause);  zu  Ennetach  bei 
Mengen  (1506—9  von  Georg  Sürlin  d.  Jung.);  zu  Efslingen  in  der  Diony- 
siuskirche  (}wat  Inschrift:  1518  von  Antonius  Bul  und  Hans  Wech,  Schrei- 
nern zu  Efslingen);  zu  Freudenstadt  (1588  von  Konrad  Widmann  von 
Calw);  zu  Frickenhansen,  O.-A.  Nürtbgen  (um  1500);  zu  Geislingen 
(1512  V.  Georg  Sürlin  d.  Jung.);  zu  Gmünd  in  der  Kreuzkirche  (1550  be- 
reits in  Renaissanceformen  von  A.  D.  und  später  Peter  Albrec);  zu  Herren- 
berg in  der  Stiftskirche  (1517  von  Hinrich  Schickhard  von  Sigen,  Büiger  zu 
Herrenberg;  Details  bei  Heideloff,  Schwaben,  S.  6,  F.  17);  in  Horrheim,  O.-A. 
Vaihingen;  zu  Konstanz  im  Münster  (um  1470  von  dem  Tischmacher  Simon 
Haider  und  dem  Bildhauer  Niklas  (Lerch)  von  Leyen;  Abb.  Riggenbach,  Fig. 
27—80  u.  Taf.  IK;  Denkm,  am  Oberrhein,  I,  Taf.  3;  ein  Stück  in:  Das  alte  Eon- 
stanz, I,  28;  vergl.  Anz.  Q.  M.  1861,  Sp.  9);  ZU  Marbach  in  der  Alexander- 
kirche (nach  1450);  zu  Markgröningen,  O.-A.  Ludwigsburg;  zu  Maul- 
bronn (um  1450;  Abb.  bei  Paulus,  Fig.  186— 191);  zu  Metzingen,  O.-A.  Urach 
(1520  von  Jörg  Fieglin  von  Blaubeuren,  sefshaft  zu  Nürtingen);  zu  Nörd- 
lingen  in  der  Georgskirche;  zu  Nufsdorf,  O.-A.  Vaihingen  in  der  Kreuz- 
kirche (teilweise  modern);  zuOberlenningen  (1514  von  Jörg  Fieglin  zu 
Blaubeuren);  zu  Obersten feld  in  der  Stiftskirche  (spätgotisch);  zu  Steifs- 
lingen  im  Hegau  (von  1515,  schon  mit  Renaissancemotiven);  zu  Stuttgart 
in  der  Spitalkirche  (1495  von  den  Predigermönchen  Konrad  Zolner  und  Hans  Hais; 
Abb.  Heideloff,  a.  a.  0.,  30);  zu  Täferroth,  O.-A.  Gmünd  (spätgotisch,  in 
die  tannenen  Rückbretter  sind  Halbfiguren  von  Propheten,  Königen  und 


Chorgestühl.  289 

Heiligen  mit  bewundernswerter  Meisterschaft  eingeritzt  nnd  bemalt);  zu 
Tübingen  in  der  Stiftskirche  (spätgotisch);  za  Überlingen  im  Münster 
(spätgotisch,  von  Meister  Friedrich  Schramm  von  Ravensburg?);  zu  Weil- 
heim u.  Teck  von  1499;  zu  Wimpfen  L  Thal  in  der  Stiftskirche  (von 
1498;  Abb.  Eugler,  kl.  Sehr.,  1,  98  ff;  Hase,  Reiseaufnahmen  aus  lippoldsberg 
etc.,  Taf.  21). 

In  Bayern:^  zu  Augsburg  in  beiden  Chören  des  Doms;  zu  Berch- 
tesgaden  in  der  Stiftskirche;  zu  Freising  im  Münster  (Abb.  bei  Harrer, 
d.  Chorgest.  d.  Kathedr.  z.  Fr.,  1847);  zu  Moosburg  im  Münster  (bezeichnet  J.  W.; 
Abb.  bei  Riggenbach  a.a.O.,  250  f.);  zuMünchenin  der  Frauenkirche ;  zuRe- 
gensburgin  der  Dominikanerkirche ;  zu  Reichenbach  in  der  Klosterkirche ; 
zuTegernsee  in  der  Klosterkirche  (einfach ,  1450  vom  Laienbruder  Johann 
von  Reichenbach  begonnen  und  in  3V3  Jahren  vollendet ,  jetzt  zum  Teil  im 
Bayr.  Nat.-Mus.  zu  München);  zu  St.  Veit  bei  Freising  in  der  Stiftskirche 
(Bnichstüoke  von  1441;  Abb.  Riggenbach,  Fig.  19);  zu  St.  Zeno  bei  Reichen- 
hall in  der  Stiftskirche  (1516). 

In  den  Österreichischen  Ländern  ist  ihre  Zahl  sehr  gering.  Zu 
nennen  sind  in  Österreich:  zu  Waldburg  (von  1522);  zu  Wien  in  St. 
Stephan  (1480  vom  Bildschnitzer  Wilhelm  Rollinger,  Abb.  Tschischka,  Fz.,  d. 
Steph.-Dom  in  W.,  Taf.  25—33;  vergl.  A.  Ilg  in  den  Ber.  Ali-Ver.  Wien,  XHI, 
16  ff.);  ~  in  Steiermark:  zuGröbming  (zwei  Teile  mit  5  resp.  9  Sitzen  von 
1511  und  1514;  Abb.  Kirchenschmuck,  1870,  Bd.  XXVH,  27  ff.;  Mitt.  C.-K,  XV, 
8.  CXIX;  Eirchenschm.Sekkaa,I,61);  zu  Pettau  in  der  Hauptpfarrkirche  (von 
1446,  40  Sitze;  Details  Mitt  C.-K.  N.  F. ,  VI,  S.  CXLHI  ff.);  ZU  Ta ms  w  eg  in  der  St. 
Leonhardskirche  (1445  von  dem  Stamp&nüUer  Peter  gefertigt,  geschnitztes  Mals- 
und Laubwerk  mit  Intarsia  und  Mosaik  abwechselnd;  Abb.  Mitt.  C.-E.  XTX,  71  u. 
Ta£.  n,  2);  —  in  Kämthen:  zuKeutschach  (Reste  aus  dem  Anfange  des 
XVI.  Jahrb.,  handwerksmäfsig) ;  zu  St.  Leonhard  bei  Möllbruck  (von  1515, 
Abb.  Mitt  C.-E.,  XI,  54);  ~  in  Böhmen:  zu  Brüx  in  der  Dechanteikirche 
(spätestgotisch,  bemalt);  zu  Kuttenberg  in  der  Barbarakirche  (Abb.  Mittelalt 
Kunstdenkm.  d.  österr.  Kaiserst,  I,  Taf.  XXXTTT;  Grueber.  IV,  140,  Fig.  183)  und 
in  der  Erzdechanteikirche  St.  Jakobi. 

In  Sachsen  und  Hannover:  zu  Altenburg  in  der  Schlofskirche 
(Puttrich,  I,  Ser.  Altenb.  Bl.  6;  Seemann,  CLVI,  7);  zu  Bardowiek  im 
Dome  (reiche  Arbeit  von  1486);  zu  Bremen  im  Dome  (Reste  von  1366);  zu 
Dresden  im  Museum  d.  Gr.  Gartens  Reste  aus  der  wendischen  Kirche  zu 
Kamenz  (Abb.  Mitt.  d.  Sachs.  Altert.  V.,  XVn,  Taf.  2)  und  aus  der  Kirche  zu 
Eutritzsch  bei  Leipzig  (Abb.  das.  XVm,  Taf  3),  ein  ganzes  aus  Tragnitz  bei 
Leipzig  (verschiedenen  Zeiten  des  XIV.  u.  XV.  Jahrb.  angehörig)  und  Teile 
aus  Liebstadt  (Anfang  des  XVI.  Jahrb.);  zu  Erfurt  im  Dome  (meist  er- 
neuert), in  der  Barfttfser-  und  Predigerkirche;  zu  Halberstadt  im  Dome 
und  in  der  Liebfrauenkirche;  zu  Hildes  heim  in  St.  Godehard  (beträchtliche 
Reste  vortrefFlicher  von  1466);  zu  Magdeburg  im  Dome  (um  1445,  Abb. 
Rosenthal,  d.  Dom  zu  M.,  lief.  V,  Taf.  IV);  zu  Merseburg  im  Dome  (die  west- 
liche Abteilung  von  dem  Predigermönche  Kasper  Schokholcz  1446^  die  Ost- 


^  Vergl.  Sighart,  Joach.,  die  Chorgest.  des  Mittelalters  in  Bayern,  in  den  Mitt. 
C.-K.  VI,  106  £ 

Otte,  Kmut- Archäologie.    5.  Aufl.  19 


290  Chorgestühl.    Bücklaken. 

liehe  nm  1500);  zu  Naumburg  im  Dome  in  beiden  Chören  (die  Im  Westchor 
ohne  Rückwände  mit  bei  der  letzten  Restauration  des  Doms  ergänzten  Steinbaldachinen; 
Abb.  Puttrich,  EI,  Ser.  Naumb.,  Bl.  13);  zu  Norden,  Ostfriesland,  in  der 
Ludgerikirche ;  zu  Osnabrück  in  St.  Johannis  (schlicht);  zu  Pöhlde  in  der 
Klosterkirche  (Reste  aus  der  2.  Hälfte  des  XIY.  Jahrb.,  zum  Teil  im  Weifen-Mu- 
seum; auf  einer  Wange  hat  sich  der  schnitzende  Mönch  in  seiner  Werkstatt  selbst 
dargestellt;  Abb.  Mithoff,  n,  179);  zu  Sangerhausen  in  St.  Jakobi  (aus  der 
Augustinerkirche  stammend,  die  Rückwände  mit  reicher  Flachschnitzerei, 
Ende  des  XV.  Jahrb.);  zu  Zerbst  in  der  Nikolaikirche  (1451—53,  Abb.Putt- 
rich,  I,  Ser.  Anhalt,  Bl.  2);  zu  Zinna  in  der  Klosterkirche  (nur  einzehie  Wan- 
genstücke, Puttrich,  n,  Ser.  Jüterbog,  Bl.  17,  18). 

In  Westfalen:*  zu  Ahlen  in  St.  Bartholomaei;  zn  Bocholt  und 
Borken  in  den  Pfarrkirchen;  zu  Dortmund  in  der  Reinoldikirche  (um 
1450),  Marienkirche  (von  1523)  und  kathol.  Pfarr-(Dominikaner-)Kirche 
(von  Engelbert  op  der  Soe  1521);  zu  Diestedde,  Everswinkel  und  Fal- 
kenhagen; zu  Iburg  in  der  Stadtkirche  (Kapelle);  zu  Iserlohn  in  der 
oberen  Stadtkirche;  zu  Kappenberg  in  der  Abteikirche  (das  reichste  Werk 
in  der  Provinz,  1509 — 1520,  die  jüngere  Hälfte  von  einem  Meister  Gerlach;  vergl. 
Nagel  in  der  Zeitsch.  f.  Bauw,  XXXI,  437  ff.  u.  Taf.  60);  zu  Koesfeld  in  der 
Jesuitenkirche  (XIV.  Jahrh.?);  zu  Langenhorst  (Abb.  Mitt.  Baud.  Nieders., 
m,  Bl.  95,  7;  96,  6.  7);  ZU  Liesborn  (einzelne  Teile);  zu  Lippstadt  in 
der  Marien-  und  in  der  Stiftskirche;  zu  Lügde  in  der  Kilianskirche ;  zu 
Stromberg  in  der  Kreuzkirche;  zu  Vreden  in  der  Stifts-  und  in  der  Pfarr- 
kirche; zuWedderenin  der  Karthäuserkirche. 

Im  norddeutschen  Tieflande:  im  Mecklenburgischen:  znDoberan 
in  der  E^losterkirche  (Riggenbach,  a.  a.  0.,  Fig.  17);  zu  Roebel  in  der  Ni- 
kolaikirche (Reste  aus  der  dortigen  Dominikanerkirche,  1519  vom  Bruder 
Urban  Schuman  verfertigt);  —  zu  Lübeck  im  Dome  (Abb.  Statz  u.  Unge- 
witter,  Taf.  78);  —  in  den  Brandenburgischen  Marken:  zu  Berlin  in  der 
Klosterkirche  (Abb.  Kugler,  kl.  Sehr.,  I,  108  f.);  zu  Brandenburg  im  Dome 
(XIV.  Jahrb.,  1539  umgearbeitet,  modern  verstümmelt)  und  in  der  Katha- 
rinenkirche  (spätgotisch,  in  der  Kirche  zerstreut;  Abb.  v.  Minutoli,  Denkmäler, 
Taf.  5);  zu  Havelberg  im  Dome  (XIV.  Jahrb.);  zu  Stendal  im  Dome  und  in 
der  Marienkirche  (1508  von  HansOstwalt  gefertigt;  daselbst  noch  ein  grös- 
seres Gestühl ,  aber  ohne  Brüstungen  und  von  einem  anderen  Meister,  an  der 
inneren  Westwand  der  Kirche);  —  in  Pommern:  zu  Anklam  in  der  Marien- 
kirche und  in  der  Nikolaikirche  (1498);  zu  Grimme;  zu  Kammin  im  Dome; 
zu  Köslin  und  zu  Kolberg  in  den  Marienkirchen;  zu  Stralsund  in  der 
Nikolaikirche  (Reste,  polychromiert;  Abb.  Prüfer,  Archiv,  m,  Taf.  72);  —  in 
Preufsen:  zu  Danzig  in  der  Graumönchenkirche  (Abb. Moller,  G.,  Denkmäler 
etc.,  I,  Taf  63—65);  Reste  zu  Frauenburg  im  Dome  und  zu  Braunsberg 
aus  der  Franziskanerkirche  im  Lyceum  (Ende  des  XV.  Jahrb.);  —  in  Schle- 
sien: zu  Breslau  in  der  Elisabethkirche  (Anfang  des  XVI.  Jahrb.). 

Mittelalterliche  gestickte  Rücklaken,  spätestens  wohl  aus  dem  XII. 
Jahrb.,  haben  sich  im  Dome  zu  Halberstadt  erhalten  und  sind  daselbst 
über  den  Chorstühlen  aufgehängt;  andere  im  Zither  zu  Quedlinburg,  in 


Yergl.  Lübke,  TV^estfalen,  400—404. 


Bischofstühle.    Levitensitze.  291 

der  Lorenzkirche  zu  Nürnberg,  im  Knngtgewerbe-Museum  zn  Berlin  (da- 
selbst auch  Kissen).  Reste  von  ans  geprefstem  Leder  hergestellten  aus  der 
Zeit  nm  1300  befinden  sich  in  Melk  (Abb.  Mitt  C.-E.,  IX,  95  m.  3  Taf.). 

Anmerknng.  Nachdem  die  im  Hintergrunde  der  Apsis  befindliche  stei- 
nerne bischöfliche  Kathedra  der  alten  Kirche  wegen  Hinterrückung  des  Altars 
aufgegeben  war,  kamen  bewegliche  Sessel  nach  Art  der  Feld-  oder  Falt- 
stühle (faldistolium  oder  faldisiorium)  für  die  Bischöfe  in  Gebrauch.  Ein  sol- 
cher, etwa  aus  dem  XIV.  oder  XV.  Jahrb.,  aber  mit  aus  frühromanischer  Zeit 
stammenden  Elfenbeinschnitzwerken  belegt  und  augenscheinlich  nach  einem 
älteren  Muster  gefertigt,  befindet  sich  in  dem  Nonnenkloster  auf  dem  Nonn- 
berge zu  Salzburg;  er  zeigt  das  aus  vielen  Siegelbildem  thronender  Bischöfe 
bekannte  Modell  solcher  Stühle  (Abb.  Seemann,  CLm,  8,  Photogr.  Münchener 
Ausstellung,  Taf.  73).  Ein  ähnlicher  einfacherer,  aus  dem  Dome  zn  Limburg  a« 
Lahn  stammend,  befindet  sich  im  Museum  zu  Wiesbaden  (Abb.  Bock,  Lit.- 
Gew.,  in,  Taf.  XXTTT,  1;  vergl.  Ders.  in  den  Nass.  Annal.,  IX,  338  ff.).  Daneben 
finden  sich  jedoch  in  manchen  Kirchen  auch  noch  thronartige,  auf  Stufen  er- 
höhte, der  antikrömischen  Weise  entsprechende  Bischofstühle  vor,  z.  B.  im 
Dome  zu  Augsburg  ganz  am  Ende  des  Westchores  ein  Thronsessel  mit  Säulen- 
dach aus  Kalkstein,  der  dem  XII.  Jahrh.  zugeschrieben  wird.  ^  —  Aufserdem 
befanden  sich  in  allen  gröfseren  Kirchen  an  der  Wand  in  der  Nähe  des  Altars 
auf  der  Epistelseite  besondere  Sitze  für  den  Priester  und  die  Diakonen  (mei- 
stens zwei,  zur  Rechten  des  Priesters  ftlr  den  Diakonus,  zur  Linken  für  den 
Subdiakonus,  manchmal  auch  vier),  aufweichen  dieselben  während  des  Gloria 
und  Oredo  Platz  nahmen  (Levitensitze,  Oelebrantenstuhl,  scamnum). 
Auch  sie  waren  anfangs  in  der  Regel  aus  Stein,  und  solche  haben  sich  erhalten 
z.  B.  zu  Koesfeld  in  der  Lambertikirche,  zu  Borken  in  der  Pfarrkirche,  zu 
Berlin  in  der  Klosterkirche,  zu  Arn  stein  a.  Lahn  in  der  Klosterkirche  (ca. 
1360),  zuKreglingen  in  der  Herrgottskirche,  zu  Frankfurt  a.  Main  im 
Dome  (erste  Hälfte  des  XV.  Jahrh.  mit  Wandgemälden;  Abb.  Müller,  Beiträge,  I, 
Taf.I;  Beckstein,  Eunstdenkmäler, 1, 17), zuImmichenhainimReg.-Bez.ELassel, 
zuMühlhauseni.Thür.inSt.Blasien(Abb.Statzu.Ungewitter,Taf.ll7, 10— 16) 
und  in  St.  Marien  (Abb.  das.  Taf  118,  3—9;  Pattrich,  H,  8er.  Mühlh.,  Bl.  4),  in 
Steiermark  zu  Spitalitsch,  St.  Leonhard  bei  Graz,  Oberwölz  in  der  Spi- 
talkirche, Grofslobming  in  der  Pfarrkirche,  Marburg  (hier  siebensitzig,  Abb. 
Kirchenschmuck  Seckau,  1873,  No.  12,  Beil.,  Fig.  1),  gotisch  zu  Wien  in  der 
Augustinerkirche.  Später  wurden  auch  sie  aber  meistenteils  in  Schnitzwerk 
hergestellt,  meistenteils  so,  dafs  der  mittlere  Sitz  für  den  Priester  erhöht  ist. 
Solche  Dreisitze  finden  sich  auch  in  den  Chören  rückwärts  des  Lettners,  oder 
wo  ein  solcher  fehlt,  wie  z.  B.  in  Ulm,  rückwärts  des  Kreuzaltars  und  gehören 
eigentlich  überall  zu  einem  vollständigen  Ohorgestühl  hinzu.  Die  an  ihren 
Brüstungen  befindlichen  Schränkchen  sind  ebenso  wie  die  an  den  Lesepulten 
vorkommenden  zur  Aufbewahrung  der  Ohorbücher  bestimmt.  Wir  nennen  von 
solchen  geschnitzten  Levitensitzen  die  Dreisitze:  zu  Basel  in  St.  Albani 
und  in  der  ehemaligen  BarfUfserkirche  (Abb.  Mitt.  d.  Ges.  f.  vaterl.  Altert.,  Basel, 


*  Detail  abgebild.  bei  Sighart.  I,  167.  —  Die  herkömmlich  so  genannten  Bischof- 
Stühle  in  den  Domen  von  Naumburg,  Halberstadt  und  Magdeburg  smd  Lettner. 

19  • 


292  Levitenstühle.    Betstühle. 

m,  Taf.  m);  zu  Blaubeuren  in  der  Klosterkirche  (1496  von  Georg  Sürlin  d.  Jung.; 
vergl.  C.  Eichler  im  Korr.-Bl.  d.  Ulmer  Vereins,  11,  No.  9)  und  in  der  Stadtkirche 
(um  1500);  zu  Boppard  in  der  Karmeliterkirche  (XV.  Jahrh.);  zu  Geis- 
lingen; zu  Güstrow  im  Dome  (zwei  aus  dem  XIV.  Jahrh. ^  der  eine  reich  ge- 
schnitzt ^  der  andere  einfacher,  bei  der  Restauration  des  Domes  bis  auf  die 
Baldachine  zertrümmert);  zu  Hage  in  Ostfriesland  (gegen  1500);  zu  Kempen 
(XV.  Jahrh.,  der  bedeutendste  in  den  Eheinlanden;  Abb.  aus'm  Weerth,  Taf  XXIH,  1); 
zu  Kleinglattbach,  O.-A.  Vaihingen  (spätgotisch) ;  zu  Loccum  (XIV.  Jahrh.); 
zu  Marburg  in  der  Elisabethkirche  (I.Hälfte  des  XIV.  Jahrb.);  zu  Münster- 
maifeld (spätgotisch,  Handwerksarbeit);  zuNaumburg  im  Dome  im  Ostchor; 
zu  Norden  in  Ostfriesland  in  der  Ludgerikirche;  zu  Osnabrück  in  St.  Jo- 
hannis  (spätgotisch,  sehr  reich  bemalt);  zu  Ratzeburg  im  Dome  (Abb.  Org.  f. 
ehr.  E.,  1866,  No.  19);  zu  Salzwedel  in  der  Marienkirche  (der  sogenannte 
Markgrafenstuhl);  zu  Ulm  im  Münster  im  Chor  (1468  von  Georg  Sürlin  d.  Alt.) 
und  in  der  Neidhartskapelle  (1505  von  Georg  Sürlin  d.  Jung.);  zu  Verden  im 
Dome  (gegen  1390,  Abb.  Bergmann,  Dom  zu  V.,  1832,  Taf.  3);  zu  Wimpfen  i. 
Thal  in  der  Stiftskirche  (Abb.  Bechstein,  Kunstdenkmäler,  I,  Taf.  9);  zu  Zürich 
in  der  ehemaligen  Klosterkirche  am  ötenbach;  —  den  Fünfsitz  zu  Wetter 
(von  1466,  Abb.  Statz  u.Ungewitter,  Taf.  177,  CVXXXIV,  9);  —  einen  Viersitz 
im  Dome  zu  Brandenburg  (XIV.  Jahrb.,  mit  sehr  hoher  Rücklehne,  jetzt  in  die 
Krypta  versetzt) ;  —  auch  Z  w  e  i  s  i  t  z  e  kommen  vor,  so  ein  spätgotischer,  zum  Teil 
bemalter,  stark  beschädigter  in  der  St.  Paulikirche  zu  Brandenburg  (jetzt 
auf  dem  Dachboden  des  ELreuzganges);  andere  zu  Göppingen  in  der  Ober- 
hofenkirche  von  1506;  zu  Norden  in  der  Ludgerikirche  von  1481,  und  ein 
reichgeschnitzter,  ebenfalls  spätgotischer  zu  Pohl  de  in  der  Klosterkirche.  — 
Zuweilen  finden  sich  besondere  schmuckvolle  Stühle  für  bestimmte  ausge- 
zeichnete Personen,  z.  B.  die  Regalis  Cathedra  Karls  des  Grofsen,  ein  ein- 
facher auf  fünf  Stufen  erhöhter,  mit  diesen  ca.  2,oo  hoher  weifser  Marmorstuhl 
auf  der  Empore  des  Münsters  zu  Aachen,  dem  Altare  gegenüber  (Abb.  aus'm 
Weerth,  Taf.  XXXn,  5);  der  Stuhl  Kaiser  Heinrich  11.  in  St.  Emmeram  zu 
Regensburg  von  Stein,  ganz  steif  mit  halbkreisförmiger  Lehne,  getragen  von 
2  Löwen  (Abb.  Mitt.  C.-K.,  vm,  234;  XVI,  S.  CK,  Fig.  9)  und  besonders  der  Kaiser- 
stuhl im  Dome  zu  Goslar,  wo  die  steinernen  Balustraden  desselben  (Abb.  Mit- 
hoff, Arch.  in,  Taf.  VIII  u.  IX)  in  der  Vorhalle  noch  erhalten  sind,  während 
der  eigentliche  Stuhl  mit  künstlich  durchbrochener  Lehne  in  Erzgufs  (Abb. 
Kunsthandwert,  III,  Taf.  64;  auch  v.  Lützow,  Zeitschr.,  XVH,  196)  nunmehr 
ebenfalls  aus  der  Sammlung  des  Prinzen  Karl  in  Berlin  nach  Goslar  in  das 
Kaiserhaus  zurückgelangt  ist.  Aus  gotischer  Zeit,  teils  in  Nischen  etc.  mit 
architektonischem  Schmuck,  teils  in  reichem  Holzschnitzwerk :  die  Abtstühle  zu 
Pforta,  zu  Nienburg  a.  S.  (hier  erneut)  und  zu  Maulbronn  (stark  zerstört, 
Aufnahme  mit  Restauration  von  Beisbarth  in  den  Jahresheft.  d.  Württemb.  Altert.-V., 
vm,  auch  Paulus,  Maulbronn,  70,  Fig.  192);  die  Propststühle  zu  Lüne  (von 
1412)  und  in  der  Marienkirche  zu  Salzwedel;  der  Betstuhl  des  Grafen  Eber- 
hard im  Bart  in  der  Amandikirche  zu  Urach  (von  1472,  Abb.  Heideloff,  Orna- 
mentik, IV,  Taf.  2  ff.;  Förster,  Bauk.,  XU,  Taf.  zu  S.  15)  und  der  ähnliche  in  der 
Spitalkirche  zu  Rottenmann,  der  zu  Ehren  Kaiser  Friedrichs  DI.  und  seiner 
Gattin  Eleonora  nach  ihrem  Tode  1514  gestiftet  worden  ist  (Abb.  Eirchenschmuck 
Sekkau,  1877,  92),  sowie  andere  Betstühle  zu  Villach  (von  1464,  Abb.  Mitt  C.-K., 


Laiengestühle.    Beichtstühle.  293 

XYm,  118,  Fig.  21),  im  Städtischen  Museum  zn  Graz  aus  der  Cistercienser- 
kirche  Neuberg  (Mitt.  C.-K.,  XVI,  S.  CXXVni),  zu  Partenheim  in  Rheinhessen  (der 
Familie  von  Waldbrun)  und  ein  schöner  in  der  Pfarrkirche  zu  Gelnhausen 
(XrV.  Jahrh.,  Abb.  Becker-  v.  Hefner,  I,  Taf.  56;  Statz  u.  Ungewitter,  Taf. 
181,  182).  Betpulte  aus  der  Johanniskirche  zu  Herford  (Mitte  des  XHI.  Jahrh.) 
und  aus  Helenabrunn  (XV.  Jahrh.)  befinden  sich  im  Kunstgewerbe -Museum  zu 
Berlin,  Raum  XVI.  —  Am  Ausgang  des  Mittelalters  finden  sich  auch  ausge- 
dehntere Laieng  es  tühle,  teils  für  gröfsere  Korporationen,  wie  in  der  Ma- 
rlenkirche zu  Lübeck  die  Stühle  der  Bergenfahrer ,  der  Nowgorodfahrer  (von 
1523)  und  der  Schonenfahrer  (von  1506;  Abb.  Statz  u.  Ungewitter,  Taf.  189, 190), 
teils  an  bestimmten  Stellen  der  Kirche,  namentlich  an  der  Westseite  des 
Schiffs,  so  in  Lorch,  im  Dome  zu  Frankfurt  am  Main  unter  der  grofsen 
Orgel  von  1487  und  in  der  Marienkirche  zu  Stendal,  teils  auch  vollständig 
für  die  ganze  Kirche.  Von  letzteren  sind  zwei  kunstvoll  geschnitzte  und  be- 
malte von  Erhart  Valkener  von  Abensberg  erhalten  in  den  Kirchen  zu  Bech- 
tolsheim  in  Rheinhessen  (von  1496;  Abb.  Wimmer,  C,  Mittelalt.  Holzschnitzereien 
aus  d.  Kirche  zu  B.,  Mainz  1873,  mit  24  Taf.)  und  zu  Kiedrich  (von  1510), 
ferner  eins  zuUdenheim  in  Rheinhessen  und  eine  dörfliche  Arbeit  in  der 
Dorfkirche  zu  Hagenau  bei  Rothenburg  o.  Tauber  (Chr.  K.-BL,  1879,  142  f. 
jn.  Abb.).  —  Beichtstühle  von  besonderer  Einrichtung,  wie  sie  anscheinend 
erst  seit  dem  Tridentiner  Konzil  in  katholischen  Kirchen  gebräuchlich  ge- 
worden sind  (mit  hohem  Aufbau,  Mittelwand,  Sprechgitter  und  Vorhang)  sind 
im  Mittelalter  nicht  nachgewiesen:  der  Konfessionar  safs,  wie  bildliche  Dar- 
stellungen des  Bufssakraments  erweisen-,  auf  einem  gewöhnlichen  Lehnstuhle 
(hinter  dem  Altare,  wo,  z.  B.  in  kleineren  Kirchen  Altbayems,  dergleichen 
Stühle  noch  jetzt  befindlich  sind;  vergl.  auch  oben  S.  151),  und  der  vor  ihm 
kniende  Konfitent  empfing  durch  Handauflegung  die  Absolution.^  Ob  der  aus 
zwei  Sitzen  bestehende,  über  3,15  hohe,  brillant  spätgotische  sog.  Beichtstuhl 
hinter  dem  Hochaltar  im  Dome  zu  Königsberg  in  derThat  diese  Bestimmung 
gehabt  habe,  mufs  als  zweifelhaft  gelten.  Ein  nicht  mehr  vollständiger  mit 
gotischem  Schnitzwerk  soll  sich  in  der  Sakristei  zu  Obernkirchen  bei  Rin- 
teln finden. 

50.   An  Stelle  der  antiken  Ambonen,  welche  zu  den  kirchlichen 
Vorlesungen  durch  den  Diakonus  bestimmt  und  im  Unterchore  aufge- 


*  Vergl.  Kirchenschmuck  1862,  10.  —  Den  daselbst  angeführten  Beispielen  von 
bildlichen  Darstellungen  der  Beichte  kann  noch  der  Altar  in  aer  Stadtkirche  zu  "Wit- 
tenberg (Schadow,  J.  G.,  Wittenbergs  Denkm.  No.  15)  hinzugefügt  werden.  Der 
Beichtstuhl  hat  hier  eine  hohe,  oben  verzierte  Lehne:  die  männlicnen  Eonfitenten 
stehen  rechts,  die  weiblichen  links  hinter  dem  Beichtvater,  vor  welchem  zwei  Män- 
ner knien,  ein  Bußfertiger  rechts,  ein  Verstockter  links.  —  Vergl.  auch  die  Abb.  aus 
einem  flamländ.  Laienbrevier  des  XV.  Jahrh.,  bei  Bock,  lit.  (few.  HI,  Taf.  XTV,  1. 
Hier  hält  der  Beichtiger  als  päpstlicher  Bevollmächtigter  einen  langen  Stab  in  der 
Hand,  den  er  den  während  der  Beichthandlung  Vorübergehenden  und  kniend  um 
seinen  Segen  Bittenden  aufs  Haupt  legt.  —  In  romanischen  und  auch  noch  in  gotischen 
Kirchen  Frankreichs  kommt  die  Einrichtung  vor,  daJs  im  Innern  der  Kirche  eine 
Wandnische  mit  Steinsitz  für  den  Beichtiger  angebracht  ist,  welcher  durch  eine  ver- 

fitterte  runde  oder  eckige  ÖJB&iung  die  Beichte  des  drau^n  auf  dem  Kirchhofe  Stehen- 
en  abhörte.    DaTs  eine  solche  Einrichtung  auch  in  Deutschland  vorkomme,  verneint 
Mefsmer,  in  den  Mitt.  C.-K.  XVH,  S.  LVOI  ff. 


294  Kanzel 

stellt  waren,  wo  sie  einen  Teil  der  den  letzteren  umschliefsenden  Schran- 
ken (cancelH)  bildeten,  trat  im  XTTT.  Jahrh.  der  Lettner  (s.  oben  §  19, 
Anmerk.  1,  S.  48),  dessen  Lesepult  als  Kanzel*  zum  Abhalten  der 
Predigt  benutzt  wurde,  was  in  Deutschland  noch  im  XIV.  Jahrhundert 
die  Begel  gewesen  zu  sein  scheint,  während  in  Italien,  dem  Vaterlande 
der  predigenden  Bettelmönche,  die  Kanzel  (mggestus)  bereits  im  XTTT, 
Jahrhimdert  von  dem  Lettner  getrennt  und  zuerst  in  der  Nahe  des  letz- 
teren, dann  an  einem  Pfeiler  auf  der  Nord-  oder  Südseite  des  Mittel- 
schiffes als  selbständige,  auf  Säulen  ruhende  Empore  errichtet  wurde. 
Die  Gotik  gab  der  aus  Stein  oder  Schnitzwerk  gebildeten  Kanzel  eine 
vieleckige  Form,  die  unten  von  einer  Säule,  von  einem  B[ragsteine, 
später  auch  von  einer*  Menschen-  oder  Tiergestalt  etc.  getragen  wird, 
und  über  der,  um  das  Verfliegen  des  Schalles  in  den  hohen  Bäumen 
zu  mäfsigen,  ein  pyramidaUsch  gekrönter  Baldachin  (Schalldeckel,  Kan- 
zelhaube genannt)  angebracht  ist 

In  der  alten  Kirche  predigte  der  Bischof  von  seiner  im  Grunde  der 
Tribüne  hinter  dem  Altare  befindlichen  Kathedra  herab;  oder  in  Behinde- 
mngsfällen  desselben  las  der  Diakonns  auf  dem  Ambo  eine  Homilie  vor. 
Letzteren  y  der  Laiengemeinde  näher  belegenen  Ort  wählte  ungewöhnlicher- 
weise  schon  Chrysostomus^'  um  von  der  grofsen  Masse  seiner  Zuhörer  besser 
verstanden  zu  werden ,  und  eine  Reiche  Ausnahme  aus  demselben  Grunde 
{i^propter  commodiiatem  depromendae  vocis^)  erlaubte  sich  Augustinus.' 
Der  Bischof  Petrus  Chrysologus  von  Ravenna  (gest.  450)  predigte  je  nach 
Zeit  und  Gelegenheit  entweder  »e/e  gradu^  (also  wohl  von  der  Altarstufe, 
vielleicht  aber  auch  vom  Ambo  aus)  oder  >de  sacerdotali  sede<^  (vom  priester- 
lichen Sitze);  es  scheint  indes  die  Gemeinde  damit  nicht  recht  zufrieden 
gewesen  zu  sein:  denn  er  ermahnt  seine  Zuhörer,  sie  möchten  wegen  dieser 
Abwechslung  zwischen  zwei  so  nahe  an  einander  belegenen  Stätten  nicht 
lässig  oder  unwillig  werden.^ 

Die  Ambo  neu*"*  hatten  in  der  alten  Kirche  wahrscheinlich  verschiedene 
Formen;  doch  scheint  die  Anbringung  einer  Doppeltreppe  nach  Osten  und 
Westen  bin,  gradns  ascensionis  und  gradus  descensionis ^  typisch  gewesen 
zu  sein.  In  Italien  haben  sich  noch  in  vielen  Kirchen  Ambonen  erhalten ;  sie 
kommen  gewöhnlich  in  zwiefacher  Anzahl  zu  beiden  Seiten  des  Unterchores 
einander  gegenüber  aufgestellt  vor:  der  nördliche  ist  zur  Vorlesung  des 
Evangeliums  bestimmt  (amho  evangelii)^  auf  dem  südlichen  (ambo  epistolae) 


*  Über  die  Geschichte  der  Kanzel  vergl.  Zeitschr.  f.  ehr.  A.  u.  K.  I,  74 — 78; 
Augusti,  Denkwürdi^eiten,  VI,  331 — 334;  Mefsmer,  in  den  Sitzungsberichten  des 
Münchener  Altert.-V.  Heft  2;  M(eurer),  die  Kanzel,  im  Chr.  K.-B1.  1873,  No.  1.  2; 
Jakob,  237  ff. 

^  Vergl.  Socrates,  hist.  eccl.  1.  6  c.  5;  Sozomenus,  hisi  eccl.  1.  8  c.  5,  nach 
Augusti,  a.  a.  0.,  332. 

^  Vergl.  Senn.  122  de  diversis;  vergl.  Augusti,  a,  a.  0. 

*  Serm.  173;  vergl.  Augusti,  a.  a.  0. 

*  "Afjißwv  von  dvaßalveiv  =  hinaufeteigen. 


wird  die  Predigt  gehalten.  Der  älteste  bekuinte  Ambo  (ans  dem  VI.  Jabrb.) 
befindet  sich  im  Dome  zu  RaveDna;  ab  der  jtlDgBte  gilt  der  in  S.  Pancr&zio 
zn  Rom  mit  der  Jabreszabl  1249.   Die  italieniscben  Ambouen  stimmen  im 


Wesentlichen  darin  übereiu ,  daTs  sie  mit  der  Front  ein  Trapez  bilden,  hinter 
dessen  Schrftgseiten  die  Treppen  liegen,  und  dessen  mittlerer,  znweilen 
halbrund  oder  polygonisch  vortretender  Teil  als  Standpunkt  des  Redners 
mit  einem  Lesepult  versehen  ist.  Das  Material  ist  Marmor;  di«  Trapez- 
flüchen sind  dnrch  Pilasterstreifen  in  ebenmarsige  Felder  geteilt  und  musi- 
visch  verziert.  Nach  Pelliccia*  soll  der  Ambo  seit  dem  IX.  Jahrb.  eine 
runde  Form  angenommen  haben,  was  durch  den  vom  Jahre  820  datierenden 
Banrifs  der  Klosterliirche  von  St.  Oallen  bestätigt  wird,  wo  nämlich,  auTser 
zwei  an  der  westlichen  Schranke  des  Unterchores  beflndlichen  Lesepulten 


'  De  ohrist.  eccl.  politia,  ed.  Ritter.  I,  153. 


296  Ambonen.    Lettnerkanzeln. 

{analogiam  mitten  im  östlichsten  Quadrate  des  Hauptschiffes  ein  »omfro«  von 
kreisrunder  Grundfläche  eingezeichnet  ist.  —  Im  Münster  zu  Aachen  hat 
sich  (jetzt  im  gotischen  Chore  ttbermäfsig  erhöht  und  in  der  Zopfzeit  teil- 
weise verändert)  ein  prachtvoller  Ambo  erhalten ,  der,  inschriftlich  ein  Ge- 
schenk Kaiser  Heinrich  H. ,  im  Grundrisse  aus  drei  ungleichen  Kreisstttcken 
zusammengesetzt  ist  und  bei  einer  Höhe  von  etwa  1,40  aus  einem  Kerne  von 
Holz  besteht)  welcher  ganz  mit  vergoldetem  Kupferblech  überzogen  und  mit 
Verzierungen  (Elfenbeinreliefs ,  Edelsteinen,  einer  Ober-  und  Unter-Tasse 
aus  Bergkrystall  und  emaillierten  Darstellungen)  bedeckt  ist.  ^  —  In  der  Lieb- 
frauenkirche zuHalberstadt  finden  sich  auf  der  Stufe  zwischen  Kreuz  und 
Altarhaus  rechts  und  links  an  den  Pfeilern  des  Scheidbogens  und  nach  Westen 
gekehrt  zwei  kleine  ambonenartige  Steinbrüstungen  aus  dem  XII.  Jahrb.  ^  — 
Zwei  dreiseitig  vorspringende,  ganz  einfach  aufgemauerte  Ambonen  befinden 
sich  auch  an  der  Backsteinbrüstung,  welche  die  obere  der  beiden  Kapellen 
im  Altarraume  der  romanischen  Nikolaikapelle  zu  Windisch -Matrei 
abschliefst. 

Die  Errichtung  der  Kanzel  oder  Aufstellung  des  Predigtstuhls  auf  dem 
Lettner  über  dem  Laienaltar  ist  für  Deutschland  bezüglich  des  XIII.  und 
XIV.  Jahrh.  durch  die  oben  S.  51  angeführten  Stellen  aus  dem  Titurel  und 
der  Königsberger  Urkunde  erwiesen ,  während  in  Italien  seit  der  Wirksam- 
keit des  die  vernachlässigte  Predigt  eifrig  fördernden  Innocenz  lU.  (1198 
bis  1216)  und  der  beginnenden  Thätigkeit  der  Predigermönche  schon  selb- 
ständige Kanzeln  vorkommen;  in  S.  Miniato  bei  Florenz  noch  in  Verbindung 
mit  den  Ghorschranken.  In  Deutschland  dagegen  ist  nur  die  durch  ihren 
bildnerischen  Schmuck  höchst  ausgezeichnete  KanzeP  in  der  Kirche  des 
ehemal.  Augustinerstifts  Zschillen  (Wechselburg),  nördlich  am  östlichsten 
Pfeiler  des  Schiffes,  als  einziges,  dem  italienischen  Typus  verwandtes  roma- 
nisches Beispiel  aus  dem  XIII.  Jahrh.  zu  nennen,  wobei  es  freilich  kaum 
zweifelhaft  bleibt,  dafs  dieselbe  ursprünglich  ein  integrierender  Teil  des 
später  in  den  jetzigen  Altaraufsatz  umgewandelten  Lettners  (vergl.  oben 
S.  143,  Note  2)  gewesen  ist.  Erwiesen  ist  letzteres  von  der  ebenfalls  aus- 
gezeichneten romanischen  Kanzel  in  der  Neuwerkerkirche  zu  Goslar, 
welche,  ehemals  mit  dem  westlichen  Chorabschlusse  in  Verbindung  stehend, 
und  von  dem  Tische  des  Laienaltares  getragen,  samt  letzterem  erst  neuer- 
lich in  das  Schiff  versetzt  worden  ist.^  —  Spätromanischer  Zeit  gehören  an: 
die  dem  südöstlichen  Pfeiler  der  Vierung  angemauerte  Kanzelbrüstung  in 
der  Stiftskirche  zu  Bücken^  und  die  ähnlich,  nur  einfacher  gehaltene  am 
südlichen  Wandpfeiler  zwischen  zwei  Apsiden  angebrachte  auf  viereckigem 
Untersatze  rund  vortretende  Steinkanzel  mit  5  Flachnischen  an  der  Brüstung 
zu  Wiebrechtshause n.^  Rund  in  stark  romanisierenden Formen  erscheint 


»  Abb.  aus'mWeerth.  Taf.  XXXHI,  3—9;  Bock,  Pfalzkap.  I,  1.  Fig.  32—36. 
Ders.  Kleinodien,  Anhang,  42.    Vergl.  Bonner  Jahrb.  IX,  100  u.  Taf.  7. 

«  Abb.  Zeitschr.  f.  ehr.  A.  n.  K.  U,  Taf.  XII,  6.  7. 

'  »  Puttrich,  I,  Ser.  Wechselb.;  Förster.  Bildnerei.  I,  13.  ü,  19;  An- 
dre ae,  Monumente  im  Sachs.  Erzgeb.  BI.  34  (nach  der  Bestauration). 

^  Abb.  Mithoff,  Archiv,  m,  Taf.  23. 

»     »     Mitt.  Band.  Nieders.  Taf.  89. 

ß     »     das.  I,  199. 


auch  die  Kautel  im  nOrdlichen  Seitenschiffe  der  Jalcobskirche  zn  Ooslar 
(jetzt  ohne  BrttataDg).^  Wo  Lettnerkanzeln  nicht  vorhanden  waren,  dtlrften 
aichdieterminierendenBet- 
telmÖD  che  tragh  are  r  h  Ölze  r- 
ner  Predig^ttlhle  bedient 
haben,  die  immer  da  anf- 
geetellt  wnrden ,  wo  ea  an- 
ter den-  obwaltenden  Um- 
ständen gerade  am  zweck- 
mäTeigsten  erschien,  und 
die  Errichtung  monumen- 
taler Kanzeln  aus  Stein(mit 
hfilzemen,  bisweilen  spä- 
teren Schalldecken)  oder 
Schnitzwerk  an  einem  Pfei- 
ler desäcbiffes  scheint  we- 
sentlich erst  in  die  Zeit  des 
XV.  Jahrh.  zu  fallen,  wo 
nnter  dem  Einfinsse  refor- 
matorischer  Männer  end- 
lich zuerst  feste  Prediger- 
stellen an  den  Kirchen  er- 
richtet wnrden.*  Die  spät- 
gotischen Kanzeln,  deren 
noch  eine  ziemliche  An- 
zahl erhalten  ist,  sind 
spSter  nicht  selten  anfser 

Gebranch  gesetzt  worden,  p,,  „^    k.b»i  »  nsoktn  (n>oh  h«.). 

weil  sie  als  zn  hoch  nnd 

zu  eng  nnd  mit  schmalen  steilen  Wendelstlegen  verseben  oft  nnbeqnem 
und  selbst  gefährlich  waren:  die  alte  Kanzel  z.  B.  In  der  Andreaskirche 
ED  Eisleben,  auf  welcher  Luther  seine  letzte  Predigt  gehalten,  hat  eine 
nnr  0,47  breite  ans  12  Stnfen  bestehende  Treppe,  die  Ober  einer  Basis 
von  nur  1,57  in  einem  Winket  von  70  Orad  aufsteigt.  —  Ein  eigentflm- 
liches  Werk  war  die  nur  in  Überresten  erhaltene,  wohl  noch  dem  XIV. 
Jahrb.  entstammende  Kanzel'  in  der  Ruine  der  Augustinerkirche  zu  Bern- 
bnrg,  welche,  auf  einem  Kragsteine  mhend,  schwalbennestartig  mit  der 
Hauptmauer  der  Kirche  verbunden  ist  nnd  (ähnlich  wie  in  der  Ulrichskirche 

'  Vcivl.  Lotz,  Topographie.  I,  247. 

'  In  der  KirchewnoisteiTCchnung  Ton  St.  Stephan  zu  Wien  heiM  es  zum  Jahre 
1417:   'Item  den  Tischler  vor  ain  jrredig  stuel  new  ze  machn,  vnd  den  altn  abee- 

Kechn.t  Die  noch  Torhandeno  steiDeme  Piachtkanzel  entstand  erst  143Q.  Vorgl. 
ohiachka,  Fz.,  die  Motropolitanldrche  zu  St.  Stephan  in  Wien,  82.  —  Die  EU^ 
bcthbirche  in  Breslau  hatte  bcreita  1386  einen  •predicatOT'.  Tergl.  Schmeidler,  J. 
C.  H.,  die  Haupt-  und  Pfairkircho  bu  St.  EUsaboth,  67.  —  Als  ältestes  Beispiel,  wo 
bei  einem  Kircnbau  von  vornherein  die  Verbindung  der  Steinkanzel  mit  einem  8chi&- 
pfciler  beabsichtigt  worden  ist,  gilt  diejenige  in  St.  Martin  zu  Landshut  von  1422. 
»  Abb.  Putttich,  Serie  Anhalt,  So.  17. 


zn  Halle  a.  d.  S.)  den  Aafgsng  anfserbalb  des  Kirchenschiffes  hat.  —  Als 
Kuriosam  mag  die  in  der  Kirche  zu  Oberdiebach  am  Rhein  (Lorch  gegen- 
nber)   befindliche  spätgotische   Kanzel*    angeftihrt   werden,    welche   aus 
Schmiedeeisen  gefertigt  ist.  —  Der  an  den  Brüatungs wänden  der  Kanzel 
angebrachte  bildnerische  Schmuck  besteht  am  hänfigaten  ans  den  vier  Evan- 
gelisten oder  aus  den  vier  grorsen  Kirchenlehrern ,  und  das  vordere  Haapt- 
feld  nimmt  oft  ein  thronender  Christus  oder  die  Jungfrau  Maria  oder  der 
Titelheilige  der  Kirche  ein;  am  Ständer  kommen  nicht  selten  Moses  oder 
Adam  und  Eva  vor,  auch  haben  hier  oder  zur  Stützung  der  Kanzeltreppe, 
die  sonst  meist  ohne  figürlichen  Schmuck  blieb,  die  Meister  wohl  ihre  eige- 
nen Bilder  angebracht.  —  Die  eben  erwähnte  bOlzeme  Kanzel  in  der  An- 
dreaskirche zu  Eisleben  ist  mit  einem  vermutlich  aus  dem  XV.  Jahrh. 
herrührenden  prachtvoll  gestickten  roten 
Samtteppich*  (von   1,26X2,75)  behängt, 
der  anscheinend  bereits  ursprünglich  fttr 
diesen  Zweck  bestimmt  war. 

Bemerkenswerte  spätgotische  Kanzeln: 
imRheinlande:  znBaael  im  Münster  von 
1486,  in  St.  Martin  von  1497  und  in  St. 
Theodor;  zn  Bergebersbach  in  Nas- 
sau; zu  Boppard  in  der  Karmeliterkirche 
(6  eckig  von  Stein,  mit  gemalten  Heiligen  in 
der  Brüstung);  zu  Bnrweil  er  in  der  Rhein- 
pfalz; zaFreiburgi.B.imHnn8ter(15ei  von 
Georg  Kempf  aus  Rhineck;  Abb.  (Schreiber) 
Denkm.  deutsch.  Baut,  am  Oberrhein,  n,  Taf.  fl) ; 
zu  St.  Goar  in  der  Stiftskirche;  zn  Hage- 
nau  in  St.  Georg  (XV.  Jahrh.  mit  schOnen 
Skulpturen);  zu  Kamp  (1536  viereckig,  mit 
Donatorenreliefs,  schon  in  Renaissance- 
formen);  zn  Kiederich  (1493  von  Erhart 
Falkener);  zu  Kirchberg;  zu  Kleve  in 
der  Franziakanerkirche ;  zu  Mittelheim 
bei  Rodesheim  (1511,  von  Holz,  roh);  zn 
Moselweifs  bei  Koblenz  (ähnlich  der  za 
St.  Ooar);zuMflnstermaifeld(Abb.  Statz 
u.  Ungewitter,  Tof.  135);  ZU  Neustadt  a. 
Haardt  (von  1540) ;  zu  Partenheim  (Aber 
einem  alten  Nebenaltare) ;  zu  Strafsburg 
FEi  m    Kuul  n  st  Wmd*l  im Müuster  (1485-87  nach  dpm  fätwurfe  de» 

(nüh  ini'm  Weerth).  Hans  (Meiger?  Renannt)  Hainmerer  —  fiüsch- 

Ucber  Tradition  zufolgo  unter  Beirat  (jeilera  von 
Kaiscrebprg^  vollendet;  Abb.  bei  Schmidt.  Ch.  W.,  Grundrife  und  Au(ri6  der  Kan- 
zel des  M.  in  Str.  (Faksimile  des  Originaliisscs);  Rami>e,  meublea,  Taf.  64);  zu  SL 


■  Abb.  Statz  u.  Ungowitter,  Taf.  193,  1.  2. 
'     »     Puttrich,  n,  8er.  Eisleben;  auf  besondrem  Blatte  zn: 
Bescheibung  der  Luthers-Kanzel.    Balebcn  1845. 


Kanzeln.  299 

Wendel  (von  1462,  mit  dem  Wappen  des  Nikolaus  von  Cusa;  Abb.  Schmidt, 
Ch.  W.,  Baudenkm.  d.  M.-A.  in  Trier,  IE,  8;  aus'm  Weerth,  Taf.  LXTTT,  8  — 
siehe  den  Holzschnitt,  Fig.  115);  zn  Zabern  in  der  KoUegiatkirche  (1497  von 
Hans  Hammerer y  ähnlich^  aber  einfacher  als  die  Strafsburger). 

In  Schwaben  undBayern:  zu  AlpirBbach(al  fresco  mitPetrus,  Ja- 
kobas  and  Johannes  bemalt);  zn  Ammerthal  bei  Amberg;  zn  Balingen 
(1512  von  Meister  Franz);  zn  Bissingen,  0-*A.  Lndwigsbnrg  (von  1518), 
zn  Boll,  O.'A.  Göppingen;  zn  Brannan  am  Inn;  zn  Denkendorf  (ans 
Eichenholz ;  1518  von  b.  L.  =  Bernhard  Loscher?);  zn  Frickenhansen, 
O.-A.  Nttrtingen  (Reste ,  vielleicht  znm  Teil  von  einem  ehemaligen  Sakra- 
menthänschen  herstammend);  zn  Omünd  in  der  Krenzkirche  (von  Holz, 
1551  von  A.  D.y  bereits  in  Renaissanceformen ,  der  Schalldeckel  später  von 
PeterAlbrec);  zu  HerrenberginderStiftskirche(Abb.Heideloff,  Schwaben,  5); 
zn  Eager  bei  Regensbnrg  (von  Holz ,  jetzt  imDiöcesan-Mnsenm);  zn  Enei- 
ting  bei  Regensbnrg;  zu  Ensterdingen  (von  1507);  zn  Lienzingen  in 
der  Liebfranenkirche  (von  1482);  zuMarbach  in  der  Alexanderskirche  (der 
Schalldeckel  erst  von  1668;  am  Ständer  Adam  und  Eva);  zn  Markgrö- 
n Ingen  (bereits  Renaissance,  am  Ständer  Moses);  znNördlingen  in  der 
Georgskirche  (von  1499);  zn  Regensbnrg  im  Dome  (von  1482,  Deckel 
von  Holz  modern);  zu  Schwaigern  (von  1515,  mit  schönem  Schalldeckel) ; 
zu  Stuttgart  in  der  Stiftskirche  (Abb.  Heideloff,  a,  a.  0.,  2i;;  zu  Tübingen 
in  der  Stiftskirche  (die  Treppe  von  Steinmetzen  gestützt);   zu  Ulm  im 
Münster  (1505  von  Burkhard  Engelberg  aus  Augsburg  mit  5  Gesellen  gearbeitet; 
der  Schalldeckel  von  Holz,  selbst  wieder  eine  kleinere  Kanzel  mit  Treppe  darseilend,  von 
Georg  Sürlin  d.  Jung.,  1510;  Abb.  bei  Grüneisen  und  Manch,  Ulms  Kunstleben,  Taf. 
zu  S.  28);  zu  Urach  in  der  St.  Amandikirche  (wahrscheinlich  von  dem  Mei- 
ster des  Taufsteins ;  an  der  Brüstung  die  vier  Eirchenlehrer  und  -»sanctus 
(sie)  parisiensis  GersotKUy  Deckel  erst  von  1632);  zn  Waiblingen  in  der 
äufseren  ELirche  (1484  von  Walter  Peter  von  Eannstatt);  zu  Weil  he  im  u. 
Teck  (ähnlich  der  zn  Urach,  Deckel  erst  gegen  1600);  zu  W impfen  a. 
Berg  in  der  Pfarrkirche  (1515  von  Bernhard  Sporer). 

In  den  österreichischen  Ländern:  in  der  Dorfkirche  zu  Arnsdorf 
unterhalb  Mautern  a.  Donau  (mit  der  Inschrift:  hoc  perfecit  Blasiua  Steirer 
plebanus  eccleaiae ;  Abb.  Mitt.  C.-K.  N.  F.,  m,  S.  LXXXn) ;  zu  A u  f  s  i  g  in  der  Dechan- 
teikirche  (fünfeckig ,  angeblich  von  Benedikt  von  Lann);  zn  Botzen  in  der 
Pfarrkirche  (1514  von  Hans  Lutz);  zn  Brttx  in  der  Dechanteikirche  (von 
Stein  mit  gemalten  Bildern ,  neuerdings  unter  einer  hölzernen  Barockum- 
kleidung  aufgedeckt);  zu  Eggenburg  (Abb.  Östr.  Atl.,  XCVI,  4);  zu  Feld- 
kirch in  Tirol  (von  Eisen  ^  ist  eigentlich  ein  ca.  10  m  hohes  Sakrament- 
häuschen aus  Eisen  von  1509^  das  1655  in  eine  Eanzel  umgewandelt  ist; 
8.  oben  S.  245);  zu  Gang  in  der  Laurentiuskirche  (laut  Inschrift  von  Mat- 
thias Raysek);  zu  Hörn  in  Kied.-Östr.  in  der  Stephanskirche;  zn  Entten- 
berg  in  der  Barbarakirche  (1560  von  Meister  Leipolt,  schon  mit  Renais- 
sanceformen gemischt)  und  in  der  Mariähimmelfahrtskirche  (sechseckig  aus 
gebrannten  Thonplatten  zusammengesetzt;  Abb.  östr.  Atl.,  LXTV,  3);  zu  Ig  lau  in 
der  Jakobskirche  (mit  einer  viel  älteren  Treppe  aus  Granit,  wahrscheinlich  von 
einem  ehemaligen  Ambo;  Abb.  Grueber,  II,  38,  Fig.  60);  zu  Laas  inEämthen 
(nur  derFuls;  Abb.  östr.  Atl.,  LXIV,  1);  zu  Laun  (sechseckig,  gleichfalls  angeb- 


300  Kanzeln. 

lieh  von  Benedikt  vonL.,  Abb.  Grueber,  IV,  128);  zu  Mariafeucht  in  Kärnthen 
(nach  1520;  aufgewundenem  Schafte;  zu  Marialaach  in  Nied.-Östr.  (Abb. 
Östr.  Atl.,  LXIV,  7);  zu  Pilsen  in  der  Dechanteikirche  (achteckig)  und  im 
Ereuzgange  der  Franziskanerkirche  (6eckig,  Abb.Mitt.C.-K.N.F.,V,S.CXLVn); 
zu  Prag  in  der  Teinkirche  (Schalldeckel  neu)  und  in  St«  Stephan  (beide 
sehr  ähnlich,  vor  1480);  zu  Rakonitz  (von  1504,  die  Vorderseite  des  Lese- 
pultes mit  dem  Wappen  derStadt,  wahrscheinlich  von  Rayseck;  Abb.  Grueber,  IV,  219); 
in  der  Magdalenenkirche  im  Thale  Ridnaun  (Mareit)  aus  weiTsem  Marmor; 
zuUnterhaid  belHohenfurt  (14SS  aus  Granit  achteckig,  Abb.  Grueber,  IV,  127); 
zu  Wien  in  St.  Stephan  (von  Hans  Puchsbaum  1430,  neuerdings  dem  Anton 
Pilgram  (1505  —  1512)  zugeschrieben,  1880  durch  Schmidt  restauriert;  Abb.  See- 
mann, CLVI,  6). 

In  Franken  und  Hessen:  zu  Dinkelsbühl  in  St.  Georg;  zu  Ernst- 
hausen,  Reg.-Bez.  Kassel  (von  1565,  noch  ganz  gotisch);  zu  Eschwege 
(von  1509,  mit  konkav -achteckiger  Brüstung);  zu  Frankenberg  in  der 
Pfarrkirche  (von  1554,  bei  der  letzten  Restauration  seit  1864  beseitigt);  zu 
Frankfurt  a.  M.  in  St.  Leonhard  (Abb.  Kallenbach,  Atlas,  Taf.  710;  zu 
Heidingsfeld  und  Heldberg  (1536);  zu  Karlstadt,  Mainberg,  Ober- 
Kauffungen;  zu  Ott  r  au  (1544  von  Holz  auf  rohem  steinernen  Untersatze); 
zu  Schönberg  (ähnlich  der  letzteren,  aber  einfacher);  zu  Stausebach 
und  St  ein  au  (letztere  mit  durchbrochener  Brüstung);  zu  Volsbach  in 
Oberfranken. 

In  Thüringen  und  Sachsen:  zu  Annaberg  in  der  Hauptkirche  (um 
1520);  zu  Dessau  in  der  Schlofskirche ;  zu  Freiberg  im  Dome  (um  1500, 
in  Form  einer  Tulpe;  wegen  ihrer  schwindelnden  Höhe  mit  sonderbarer  Daneben- 
stellung einer  Renaissancekanzel  auiser  Gebrauch  gesetzt;  Abb.  Frenzel,  J.  G.  A., 
die  Kanzel  d.  Domk.  zu  Fr.,  1856.  —  Andreae,  Monumente  etc.,  BL  5);  zu  Goslar 
in  der  Nikolaikapelle  (eine  kleine  hölzerne);  zu  Halle  im  Dome  (von  1526, 
völlig  in  Renaissanceformen;  Abb.  Ort  wein,  Deutsche  Renaissance,  VIQ,  38);  aus 
Hohenstein,  jetzt  zu  Dresden  im  Museum  des  Gr.  Gartens  (No.  130,  datiert 
1513,  Abb.  Mitt.  d.  Sachs.  Alt.-V.,  XIV,  Taf.  1;  Steche,  Pirna,  32);  zu  Leipzig 
in  der  Nikolaikirche  die  sog.  Lutherskanzel  (neulichst  restauriert) ;  zu  Merse- 
burg im  Dome  (von  1520,  Abb.  Zeitschr.  f.  eh.  A.  u.  K.,  I,  Taf.  5  u.  6);  zu  Mühl- 
hausen i.  Th.  in  der  Blasiuskirche  (Abb.  Kr.  Mühlhausen,  61,  Fig.  35)  und 
ein  schöner  steinerner  Kanzelfufs  in  St.  Marien  (das.  81,  Fig.  45);  zu  Naum- 
burg a.  S.  im  Dome  (1466  von  Holz,  jetzt  in  die  Rumpelkammer  versetzt); 
zu  Pirna  in  der  Stadtkirche  (von  1543,  noch  gotisch);  zu  Scholen,  Amt 
Sulingen  (zierlich  spätgotisch);  zu  Weifsenfeis  in  der  Klosterkirche  (Abb. 
Kr.  Wei&enfels,  80,  Fig.  43);  ZU  Zipsendorf  (von  1512,  Abb.  Kr.  Zeitz,  61,  Rg,  50); 
zu  Zwickau  in  der  Marienkirche  (Abb.  Ortwein,  a.  a.  0.,  XXXIH,  Taf.  1-4) 
und  in  der  Katharinenkirche  (1538  von  Hans  Speck;  Abb.  das.  Taf.  5). 

In  Westfalen:  zu  Korbach  i.  Wetterau  in  der  Kilianskirche;  zu 
Münden  in  der  Blasiuskirche  (von  1473,  Abb.  Mithoff,  n,  Taf.  1);  zu  War- 
burg in  der  Dominikanerkirche. 

Im  nordöstlichen  Deutschland:  zu  Dan  zig  in  der  Graumönchen- 
kirche  (1541)  und  in  der  dazu  gehörigen  Annakapelle;  zu  Wittstock  Inder 
Marienkirche.  —  In  Mecklenburg  ist  die  einzige  gotische  (Eichenholz,  ca. 
1500)  aus  Kambs  bei  Schwaan,  jetzt  im  Antiquarium  zu  Schwerin.  —  Die 


Heiligtomsstülile.    Feldkanzeln.  301 

Kanzel  zu  Reinerz  in  Schlesien  ist  ein  sich  aufringelnder  Walfisch,  in 
dessen  Rachen  der  Prediger  steht. 

Anmerkung  1.  Zuweilen  sind  äufserlich  an  den  Kirchengebäuden  Kan- 
zeln angebracht ,  z.B.  an  der  Herrgottskirche  beiKreglingen  in  Württemberg 
auf  der  Ostseite ,  zu  welcher  man  aus  dem  Innern  der  Kirche  auf  einer  stei- 
nernen Wendeltreppe  von  62  Stufen  emporsteigt;  auch  an  der  Nordseite  der 
Michaeliskapelle  zu  Kiederich  bei  Wiesbaden,  an  der  Kirche  zu  Ghristen- 
berg  in  Kurhessen,  an  der  Bergkirche  zu  Laudenbach,  an  der  Deutschherren- 
und  an  der  Marienkirche  zu  Würzburg;  dies  sind  aber  wohl  nicht  immer 
Predigt-,  sondern  meistens  Heiligtumsstflhle,  welche  wie  ähnliche  Altane 
und  Galerien,  z.B.  die  mit  einer  erkerartigen  Kanzel  versehene  über  der  nörd- 
lichen Vorhalle  der  St.  Leonhardskirche  zu  Frankfurt  a.  M.  zur  Vorzeigung 
von  Reliquien  dienten;  vergl.  oben  S.  100  und  185.  Dagegen  befindet  sich  an 
der  Ostseite  der  spätgotischen  Johanniskirche  zu  Saal  fei  d  eine  niedrige  soge- 
nannte Ablafskanzel  und  zwischen  den  beiden  Westtürmen  der  gotischen  Dorf- 
kirche zuTremmen  (Reg.-Bez.  Potsdam)  eine  steinerne,  nur  vom  Kirchboden 
aus  zugängliche,  welche  zu  Missionspredigten  für  die  zum  Teil  noch  heidnische 
Wendenbevölkerung  gedient  haben  soll.  Auch  am  Turme  der  Kirche  des  ka- 
tholischen Dorfes  Büttstedt  bei  Mühlhausen  in  Th.  ist  zu  ebener  Erde  eine 
rohe  Steinkanzel,  welche  noch  in  neuerer  Zeit  zur  Abhaltung  von  Leichen- 
predigten benutzt  worden  ist,  und  die  1738  erneute  und  jetzt  an  das  nordöst- 
liche Ende  der  Stephanskirche  zu  Wien  unmittelbar  an  die  Wand  gerückte 
Kanzel,  auf  welcher  der  Franziskaner  Johannes  Capistranus  1451  gepredigt 
haben  soll,  stand  ehedem  frei  auf  dem  Kirchhofe  für  Leichenreden  (vergl.  Mitt. 
C.-K.  XV,  S.  XCn  m.  2  Abb.).  Eine  frei  auf  einem  Pfeiler  stehende  und  durch  eine 
gewundene  Freitreppe  zugängliche  Steinkanzel  vor  der  Nordseite  des  Erfurter 
Doms,  welche  zur  Vorzeigung  von  Reliquien  diente,  von  welcher  aber  auch 
1451  Nikolaus  von  Cusa  predigte,  wurde  1480  in  die  Erweiterung  des  Ca- 
vatenbaues  mit  hineingebaut.  In  Obersteiermark  befinden  sich  solche  Feld- 
kanzeln  zu  Festpredigten  mehrfach  bei  vielbesuchten  Wallfahrtskirchen  teils 
an  die  Kirche  gelehnt  (so  die  zierliche,  von  auTsen  auf  5  Stufen  zu  ersteigende,  bei 
der  Annäkirche  in  Murau  —  Abb.  Mitt.  C.-K. ,  XVI,  S.  TiTTT  —  und  die  durch  einen  Gang 
in  der  Mauer  von  innen  zu  besteigende  an  der  Friedhofskapelle  zu  St.  Marein  im 
Märzthale),  teils  frei  auf  dem  Kirchplatze  stehend  (so  die  aus  antiken  und  ro- 
manischen Resten  im  XV.  Jahrh.  zusammengesetzte  auf  dem  Kirchberge  von  St. 
Lambrecht;  Abb.  das.  S.  XLVni). 

Anmerkung  2.  Die  an  den  italienischen  Ambonen  und  an  den  deutschen 
Lettnern  befindlichen  Lesepulte  werden  in  der  Regel  von  einem  Adler ^  mit 
ausgebreiteten  Flügeln  (z.  B.  am  Lettner  des  Domes  von  Halberstadt  in 
Bronzegufs),  dem  Zeichen  des  Evangelisten  Johannes,  getragen,  und  solche 
Adlerpulte  (aquilae)  kommen  auch  als  selbständige  Lesepulte  vor,  sowohl  in 
Metallgufs  als  in  Schnitzwerk  ausgeführt.  Aus  Bronze  oder  Messing  gegossene 
Adlerpulte  des  XV.  Jahrh.  finden  sich  im  Rheinlande  im  Münster  zu  Aachen 


*  Durandus  1.  4  c.  24  n.  20:  Legitur  etiam  de  more  evangeUum  super  aqui^ 
lam  juxta  ülud  Ps.  17:  Et  volavit  'super  pennas  ventorum,  et  aquüa  ipsa  seu 
locus,  in  quo  legitur^  in  diehtM  festtvis  aliquo  panno  lineo  vel  serieo  cooperitur. 


302  Lesepulte. 

(1,49  hoch),  iD  der  Kirche  za  Erkelenz  (beide^abgebildet  bei  aus'm  Weerth, 
Tat.  XXXVm,  14,  XXXI,  11)  xmA  in  der  FranEis- 
tcanerlcirche  zu  Dtlsaeldorf  vor;  anch  in  West- 
falen: in  der  Reinoldikirche  za  Dortmund  (Abb. 
Statzu-Ungewitter,  Tat.  197,4—9),  in  der  Marien- 
kirche daselbst  und  in  der  Kirche  zn  Mari  enfeld. 
Der  Unterbau  des  Pultes  ist  gewöhnlich  aus  Archi- 
tekturformen  mit  Strebepfeilern  und  Strebebögen 
gebildet,  und  der  Adler  hält  eise  Fledermaus  in 
den  Krallen,  oder  es  reckt  sich  auf  den  Flügeln 
des  Adlers  zur  Anfbahme  des  Buches  noch  eine 
Fledermaus  aus.  —  In  St.Severin  zuKOIn  ist  ein 
Lesepult  mit  kupfer vergoldetem  Adler   auf  ein- 
fachem hölzernen  Fufse  ans  dem  XV.  Jahrh.  (Abb. 
Bock,  d,  heil  Köln,  Tat.  XUI,  119),  ein  Spätmittet- 
alterliches  Adlerpnlt  ans  Eicheoholz,  aus  Herrie- 
den stammend,  befindet  sieb  im  Oerman.  Uuseum 
(Abb.  Kwisthandwerk,  m,  69).      Dagegen   ein  stei- 
nernes in  der  Gestalt  eines  Diakonus,  der  eine 
zum  Auflegen  des  Buches  bestimmte  Pulttafel  trfigt, 
ans  dem  XIV.  Jahrb.  in  der  Martinskirche  zuHei- 
ligenstadt  (Abb.  Hase,  Maiünak.  z.  H.  VI),  aus  dem 
XV.  Jahrh.  in  der  Klosterkirche  zn  Aulbansen  bei 
Füi  iie    Adle  Dit  Im  MOutai  la  Rl^ß^heim  und  ein  Fragment  eines  solchen  in  der 
AHb«D  (nuh  wu'm  Wnith).       Stiftskirche  zn  Fritzlar.  —  Zu  unterscheiden  sind 
anter  diesen  Pulten  diejenigen,  welche  zum  Chor- 
gestflbl  gehörend,  zu  zweien  im  Chore  feststanden  (/ec/onVia^faftirta),  und  die, 
welche  zur  Vorlesung  von  Evangelium  und  Epistel  dienten  und  in  reicheren 
Kirchen  wohl  auch  doppelt  nnd  festatehend  zu  beiden  Seiten  des  Altars  vor- 
handen waren,  meist  aber  zum  Übertragen  von  der  einen  auf  die  andere  Seite 
{fectorilia  gestatorid)  eingerichtet  waren,  daher  zum  Teil  aus  Eisen  zum  Zu- 
sammenklappen, wie  die  beiden,  oben  mit  Leder  tlberzogenen  vom  Ende  des 
XV.  Jahrb.  in  der  Stiftskirche  zu  Oberwesel.  —  Solche  Lesepulte  befanden 
sich  flbrigens  auch  in  den  Kapitelsälen  und  Refektorien  der  Klöster,  z,  B.  ein 
sehr  schönes  von  Stein  auf  zwei  Säulen,  deren  Schafte  ineinander  verschlungen 
sind,  mhendes  aus  der  Zeit  von  1215 — 20  im  Kapitetaaale  znOasegg  (l,s3lioch, 
0,»B  breit;  Abb.  Graeber,  11,  Fig.  297,  28S).  —  Bedeckt  wurden  alle  diese  Pulte 
bei  festlichen  Gelegenheiten  mit  kostbaren  Behängen  (vorgl.  DuranduB  an  det 
S.  301,  Note  1  citicrten  Stelle  und  Bock,   Lit.  Gew.,  m,  147—153).     Im  Ost- 
chor des  Domes  zu  Naumburg  ist  das  eine  Singepnit  mit  einem  schönen 
Qobelinteppich  mit  dem  Porträt  nnd  Wappen  des  Bischoiä  Peter  von  Haugwitz 
(1435— 1463)  behängt.  Im KlosterEbstorfeineLesepultdeeke von 0,44X0,16 
mit  der  Einhornsjagd  und  den  Übrigen  Marientypen  in  bunter  Seidenstickerei 
ans  der  2.  Hälfte  des  XV.  Jahrh. 

5 1 .  Die  ältesten  Taufbninnen  {piscinae)  befanden  sich  in  besonderen 
Taufhäusem  (oben  S.  21):  es  waren  Bassins  mit  lebendigem  Wasser,  an 
deren  Stelle  nach  und  nach  die  in  Deutschland  bereits  seit  dem  IX.  Jahr- 


Taufsteine. 


303 


hundert  vorkommenden  Taufsteine  {fons  baptismaiis)  traten,  welche,  vor- 
schriftsmäfsig  aus  dichtem  Stein  oder  aus  Metall  verfertigt,  nachdem  das 
Taufrecht  von  den  bischöflichen  allmählich  auf  andere  ausgezeichnetere, 
und  etwa  seit  dem  XTTT.  Jahrhundert  im  allgemeinen  auf  alle  Kirchen 
übergegangen  war,  ihren  Ort  in  den  Kirchen  selbst  erhielten.  In  den 
alten  Taufliäusem  nahm  der  Taufetein,  wie  die  ursprüngliche  Piscina, 
die  Mitte  ein,  in  den  Kirchen  wurde  er  am  westlichen  Ende,  (sinnbild- 
lich) beim  Eintritte  in  die  Kirche  aufgestellt,  und  zwar  oft  auf  der  Prauen- 
seite  (nördlich;  s.  oben  S.  62).  Die  Versetzung  des  Taufeteines  in  den 
hohen  Chor  scheint  nur  in  evangelischen  Kirchen  stattgefunden  zu  haben, 
aus  äufseren  Gründen.  —  Die  älteren  Taufeteine  bis  ins  XTTT.  Jahrh. 
haben  nach  Analogie  der  runden  oder  polygonen  Tauf  kapellen  zum  Teil 
die  Form  einer  cylindrisdien  oder  auch  viel-  meist  achteckigen,  häufig 
nach  unten  etwas  schräg  zulaufenden  Kufe.  Daneben  findet  sich  die 
runde  oder  polygone  Becken-  oder  Kesselform,  entweder  nur  auf  einen 
schlichten  Untersatz  gestellt  oder  an  Stelle  dessen  oder  ihn  umgebend 
von  Säulen  oder  von  Löwen  oder  von  menschlichen  Rguren  getragen. 
In  der  gotischen  Periode  ist  neben  dieser  auch  die  ausgebildete  Pokal- 
form beliebt  Die  Stelle,  an  welcher  der  Täufer  zu  stehen  hat,  ist  häufig 
durch  einen  Knopf,  ein  Köpfchen,  ein  kauerndes  Tierchen  oder  dergl. 
oben  am  Rande  bezeichnet 


Flg.  117.    Tanf^bcin«  xn  Tyrni  (nach  8epp). 


In  den  Trümmern  der  alten  Kathedrale  vonTyrus  hat  Sepp  (Meerfahrt 
nach  TymSy  1879,  S.  259)  eine  sehr  merkwürdige  Piscina  von  Kreuzform 
aufgegraben,  in  welche  an  zwei  gegenüberliegenden  Enden  je  2  Stufen 
hinabführen.  Dieselbe  ist  unten  mit  einem  Abzugsloche  versehen  und  war 
(bei  0,63  Tiefe  und  1,75  Länge)  wohl  zur  Eandertaufe  bestimmt.  —  Ein  sehr 
altes  Baptisterium  ist  wahrscheinlich  auch  der  sogenannte  wunderthätige 
Brunnen  von  St.  Afra  bei  Hirzbach,  Kr.  Altkirch,  im  Ober-Elsafs  (Kraus, 
n,  162);  man  steigt  in  der  viereckigen  Einfassung  drei  Stufen  zu  der  kreis- 
runden Öffnung  des  Brunnens  hinab,  den  zur  Rechten  und  zur  Linken  Sitz- 
bänke umgeben.  — Die  älteste  Spur  eines  Tauf  Steines  in  Deutschland 
giebt  die  Federzeichnung  (No.  13)  in  dem  berühmten,  noch  vor  814  ge- 


304  Taufritus. 

schriebenen  Wessobrunner  Codex  in  der  Hofbibliothek  zn  München  (Cim. 
2205):  die  Taufe  eines  Juden  durch  den  Bischof  von  Jerusalem.^  Der  Täuf- 
ling steht  völlig  unbekleidet  bis  an  den  Gürtel  in  einem  mit  Wasser  gefüllten 
cylindrischen  Gefäfse^  welches  unten,  in  der  Mitte  und  oben  mit  einem 
schlichten  Bande  verziert  ist;  der  Täufer,  zur  Linken  neben  dem  Taufge- 
fäfse,  berührt  den  Kopf  des  Juden  mit  der  hohlen  rechten  Hand,  anschei- 
nend, um  ihn  in  dieser  Weise  mit  Wasser  zu  übergiefsen ;  auf  der  anderen 
Seite  steht  ein  Kleriker  mit  einem  Tuche.^  —  Dafs  schon  damals  in  den  Kirchen 


»  Abbild,  bei  Sighart.  I,  50. 

•  Diesen  Taufritus  »non  mergendo,  verum  desuper  fundendo*  erklärt  in  der  ersten 
Hälfte  des  EX.  Jahrb.  Walafr.  Strabo,  de  rebus  eccl.  c.  26  (bei  Augusti,  Denk- 
würdigk.  VH,  234)  bei  Erwachsenen  als  zuläCsig,  »quum  provectiorum  grandüas  cor" 
porum  in  minaribus  vtms  hominem  tingi  non  patitur.*  Ähnlich  wird  man  sich  das 
V  erfahren  zu  denken  haben  bei  den  späteren  Massentaufen  unter  den  slavischen  Völker- 
schaften. Als  im  J.  1124  in  Pyritz  in  wenigen  Tagen  7000  Pommern  ^tauft  wurden, 
grub  man  groüse  Fässer  mit  Wasser  in  die  £rde  und  umgab  sie  mit  emem  Vorhänge, 
Sinter  welcnem  die  Taufe  vollzogen  wurde  (Neander,  A.,  Kirchengesch.  V,  lOV  Gimz 
wie  im  Wessobrunner  Codex  ist  die  Erteilung  dieses  Sakraments  auch  in  aen  ver- 
schiedenen Taufscenen  auf  dem  Taufkessel  von  1112  in  der  Bartholomäikirche  zu  Lüt- 
tich dargestellt:  die  Täuflinge  stehen  in  stilisierten  Fässern,  mit  geneigtem  Haupte  den 
Se^n  des  Täufers  enipfangend  (Abbild,  bei  Didron,  Annales.  V,  21).  Auf  einem  Tanf- 
steme  aus  dem  Xu.  Jahrh.  in  aer  Schloüskirche  zuFont-ä-Mousson  bei  Nancy  em* 
pfanffen  zwei  halberwachsene  Täuflinge,  zusammen  in  einem  Fasse  stehend,  die  Taufe 
durcn  einen  Bischof  (Abbild,  bei  de  Caumont,  Abecedaire  4.  ed.  I,  252).  Auf  der 
von  Kaiser  Friedrich  Barbarossa  seinem  Paten  Propst  Otto  von  Kappenberg  geschenk- 
ten Patenschüssel  zu  Weimar  (Abb.  bei  Dümge  u.  Grotefend,  Arch.  d.  Öesellsch. 
f.  ältere  deut.  Gesch.-K.  m  (1821)  zu  S.  454—468)  steht  der  nackte  Täufling  (Fried- 
rich) mit  dem  Unterkörper  in  einem  von  drei  Bändern  umzogenen,  oben  und  unten 
etwas  ausladenden  Taufbecken,  die  Hände  vor  den  Leib  gelegt,  den  Scheitel  mit  einem 
Tuche  bedeckt.  Zu  seiner  Linken  steht,  von  einem  Diakon  begleitet,  ein  Bischof,  der 
mit  seiner  Linken  einen  Arm  des  Täuflings  falst,  die  Rechte  aber  auf  dessen  Scheitel 
hält,  wie  um  ihn  unterzutauchen.  Auf  der  andren  Seite  greift  der  Pate  Otto  mit  der 
linken  Hand  auf  die  Schulter  des  Täuflings  als  wollte  er  ihn  mit  untertauchen,  mit 
der  rechten  aber  dessen  linken  Arm  um  ihn  schnell  wieder  emporziehen  zu  können 
(vergl.  Nord  hoff,  J.  B.  in  Pick,  Monatschr.  IV,  351  f.).  Selbst  noch  auf  einem  die 
Tarne  des  heil.  Moritz  darstellenden  Gemälde  aus  dem  XV.  Jahrh.  (an  der  Kückwand 
des  zopfigen  Altarbaues)  in  der  Nikolaikirche  zu  Jüterbog  steht  der  Täufling  in  einem 
tiefen  Tauf kessel.  —  Anders  natürlich  verhielt  es  sich  mit  der  Kindertaufe :  auf  einer 
Wandmalerei  aus  der  zweiten  Hälfte  des  XV.  Jidirh.  in  der  Kirche  zuSt.  Johannbei 
Neunkirchen  in  Niederösterreich  (Abb.  in  den  Mitt.  C.-K.  V,  326)  hält  der  Täufer  das 
nackte  Kindlein  mit  beiden  Händen  am  Hinterteil,  und  der  gegenüber  stehende  Pate 
hat  den  linken  Arm  des  Kindes  ebenfalls  mit  beiden  Händen  erg^en  und  hilft  es  aus 
der  Taufe  heben.  —  Auf  dem  Altargemälde  der  Stadtkirche  zu  Wittenberg  aus  dem 
XVI.  Jahrh.  unteifiEi&t  der  Täufer  den  Leib  des  nackten  Kindes  mit  der  linxen  Hand 
(»tenens  puerum  una  manu  discrete^  —  Stat.  synod.  Leod.  a.  1287  c.  2;  bei  Augusti, 
a.  a.  0.,  234)  und  giefst  mit  der  rechten  das  in  den  Taufstein  abflielsende  Wasser 
darüber.  —  Auf  einem  Teppiche  zu  Marienberg  bei  Helmstedt  aus  dem  Ende  des  XL 
Jahrh,  (von  Münchhausen,  Taf.  9)  steht  die  Patin  mit  ausgebreitetem  Tuche  daneben 
um  dem  Täufer  das  Kind  abzunehmen.  —  Auf  dem  Bilde  der  Taufe  MaximiliaziS  im 
Weifskunig  hält  der  eine  Pate  das  Kind,  dem  Kopf  und  Fü&e  herabhängen,  mit  der 
rechten  Huid  unter  dem  Bauche,  mit  der  linken  an  den  Hinterbeinen  über  dem  Becken, 
während  der  andre  Pate  nur  die  Hand  auflegt.  —  Auch  durch  schriftliche  Zeuenisse 
ist  erlesen,  dals  das  ganze  Mittelalter  hindurch  in  verschiedenen  Gegenden  der  Tauf- 
ritus ein  verschiedener  war.  Die  Kinder  ganz  nackt  zu  taufen  verbot  eine  Synode  zu 
St.  Omer  1583,  ebenso  das  Strafsburger  ätuale  aus  Bücksichten  des  Anstandes  und 
der  Gesundheitspflege.    Vergl.  Augusti,  a.  a.  0.,  226. 


Taufsteine.  305 

(selbst  der  Klöster)  Taufsteine  vorhanden  waren,  wird  durch  den  Baurifs 
von  St.  Gallen  vom  J.  820  erwiesen,  wo  am  Westende  des  Mittelschiffes 
vor  einem  Altare  der  beiden  Johannes  in  einem  umschränkten  Baume  ein 
runder  T^Fons<  eingezeichnet  ist.  In  der  Taufkapelle  zu  Brixen  (s.  oben 
S.  22)  steht  der  weite  und  tiefe  Taufstein  aus  rötlichem  Marmor  in  der  Mitte 
des  Schiffes.  —  Der  Taufstein  in  Grofs- Martin  zu  Köln, ^  ein  achteckiges 
Prisma  aus  Marmor  von  vier  langen  und  vier  kurzen  Seiten  und  an  den- 
selben mit  einzelnen  Blumen  geschmückt,  gilt  traditionell  fQr  ein  Geschenk 
P.  Leo's  lU.  aus  dem  J.  803  und  wäre  demnach  das  älteste  in  Deutschland 
vorhandene  Exemplar:  er  wird  übrigens  fOr  eine  antik  römische  Marmor- 
wanne gehalten.  Die  sonst  bekannten  älteren  Taufsteine  reichen  höchstens 
bis  ins  XI.  Jahrh.  hinauf.  —  Die  älteste  kirchliche  Vorschrift  über  die  Tauf- 
steine gab  (nach  Augusti,  a.  a.  0.,  Xu,  77)  die  Synode  zu  Lerida  vom  J.  500: 
^Omnis  presbyter^  qui  foniem  lapideum  habere  neqmveriij  vas  conveniens  ad 
hoc  sobwimodobaptizandi  officium  habeat,  quod  extra  ecclesiam  deporteiur^y 
was  von  den  Canon.  Reginonis  a.  899,  und  in  den  Synod.  ad  presb.  des 
Ratherius  von  Verona  im  XI.  Jahrh.  wiederholt  wurde.  ^  Die  von  späteren 
Statuten  geforderten  verschliefsbaren  Deckel  (opercula)*  auf  den  Tauf- 
steinen, welche  in  gotischer  Zeit  zuweilen  die  Form  hoher  Tabernakel  an- 
nehmen, lassen  sich  namentlich  an  den  Erzkufen  schon  seit  Anfang  des 
XII.  Jahrh.  (Taufkessel  der  Bartholomäikirche  zu  Lüttich  von  1112)  nach- 
weisen; die  tabemakelförmigen  wurden  mittelst  eines  Taues  oder  einer  Kette 
am  Gewölbe  der  Decke  oder  an  einem  besonderen,  manchmal  reich  ge- 
schmückten Krahne  aufgehängt.  Die  von  dem  römischen  Rituale  vorge- 
schriebene Umgitterung  (canceUi,  vergl.  Jakob,  242)  ist  aber  anscheinend 
erst  seit  dem  XVI.  Jahrh.  (z.  B.  beim  Taufkessel  der  Marienkirche  zu  Salz - 
wedel  von  1522)  Brauch  geworden.  Im  Münster  zu  Ulm  erhebt  sich  über 
dem  Taufstein  nebst  Deckel  ein  ciborienartiger  Aufbau  auf  3  (der  heil.  Drei- 
einigkeit entsprechenden)  Säulen  ruhend,  der  wohl  Reminiscenz  an  die  ehe- 
maligen Taufkapellen  ist.  —  Eine  Vorrichtung  zur  Erwärmung  des  Tauf- 
wassers ist  bestimmt  nur  nachgewiesen  unter  der  becherförmigen  gotischen 
Erztaufe  zu  Nürnberg  in  der  Sebalduskirche,^  vielfach  dagegen  eine  Röh- 
renleitung im  Innern  zum  Abflüsse  des  ausgegossenen  Taufwassers.  —  Von 
der  westlichen  Stellung  des  Taufsteins  kommen  auch  in  katholischen  Kir- 
chen Ausnahmen  vor,  er  steht  z.B.  im  Dome  zuLimburg  aL.  im  südlichen 
Kreuzarme,  in  der  Marienkirche  zu  Reutlingen  noch  an  seiner  ursprüng- 
lichen Stelle  am  südlichen  Eingange,  hat  dagegen  in  vielen  jetzt  evange- 
lischen Kirchen  (z.B.  in  den  Domen  zu  Magdeburg  und  Halberstadt,  in 
der  Andreas-,  Martini-  und  Petrikirche  zu  Braunschweig,  in  der  Petri- 
Paulikirche  zu  Görlitz  am  Westende  des  nördlichsten  Seitenschiffes  etc.) 


^  Abb.  Boisseree,  Denkmäler  etc.  Taf.  23  A. 

*  Hartzheim.  H,  440  u.  m,  7  bei  Jakob,  241. 
'  Jakob,  242. 

*  Vergl.  Bergau,  R,  in  der  Wartburg.  VI,  47  ff.,  m.  Abb.  —  Der  offene  Delphin- 
rachen, auf  dem  das  von  1218  stammende  Becken  zu  Aldekerk  bei  Qeldem  (Abb. 
aus'mWeerth.  XXn,  3)  ruht,  ist  erst  in  neuerer  Zeit  darunter  gesetzt.  Steinbecken 
konnten  auch  füglich  auf  diese  Art  nicht  hinreichend  erwärmt  werden. 

Otte,  Kaut-ArohKologle.    5.  Anfl.  20 


306  Taufsteine. 

seine  orsprüngliche  Stelle  behauptet,  und  die  Verpflanzung  in  den  Chor 
scheint  wohl  kaum  aus  dogmatischen  Gründen,  sondern  überhaupt  nur  darum 
stattgefunden  zu  haben,  weil  man  den  Raum  im  Schiffe  zur  Vermehrung  der 
Gestühle  benutzen  wollte,  und  die  Nähe  der  Sakristei  empfehlenswert  war. 
Bei  der  in  kleinen  Kirchen  hinderlichen  Gröfse  vieler  alten  Taufsteine  (bis 
1,60  Durchmesser)  und  der  Rohheit  ihrer  äufseren  Erscheinung  wurden  die- 
selben, infolge  der  in  der  Zopfzeit  überhandnehmenden  Sitte  der  Haustaufen 
als  unbrauchbar,  oft  in  den  Winkel  gestellt,  oder  als  Ständer  ftlr  Kanzeln 
verwandt  wie  in  Pferdsdorf  bei  Vacha,  oder  aus  den  Kirchen  entfernt,  auf 
den  Kirchhof  geworfen,  oder  in  den  Pfarrhdfen  und  in  Privatgärten  als  Brun- 
nentröge oder  Blumentöpfe  nützlich  gemacht,  wie  in  manchen  Gegenden 
(z.  B«  in  Pommern,  Sachsen,  Hessen  etc.)  noch  viele  sich  in  diesem  profanen 
Gebrauche  befinden.  Eine  eigentümliche  Restauration  erlitt  im  J.  1665 
der  achteckige  pokalfftrmige  Taufstein  im  Dome  zu  Merseburg  dadurch, 
dafs  die  ursprünglichen  gotischen  Ornamente  abgehauen  und  dafür  Wappen- 
schilde angebracht  wurden.  —  Abgesehen  von  einzelnen  völlig  schlichten 
Exemplaren  besteht  die  Verzierung  der  Taufsteine  entweder  nur  aus  Orna- 
menten, wobei  vegetabilische  seltener  vorkommen,  als  architektonische  (in 
romanischer  Zeit  der  Rundbogenfries,  in  gotischer  Mafswerk),  oder  unter 
Bogenstellungen  aus  figürlichen  Reliefs,  die  entweder  einzelne  Gestalten 
(Apostel,  Propheten  etc.)  darstellen,  oder  Scenen  aus  dem  Leben  Jesu,  be- 
sonders auch  die  Taufe  durch  Johannes;  den  Kreuzestod  und  die  Aufer- 
stehung des  Herrn,  wohl  mit  Rücksicht  auf  die  paulinische  Symbolik  Rom.  6, 3. 
In  früherer  romanischer  Zeit  kommen  die  vier  Paradiesesflüsse  in  mensch- 
licher Personifikation  am  Fufse  der  Taufsteine  zuweUen  vor  (an  dem  alten 
Taufsteine  in  der  Vorhalle  des  Domes  zu  Merseburg,  an  dem  Taufkessel 
in  der  Martinskirche  zu  Halberstadt),  und  es  scheint,  als  ob  die  häufig 
an  Taufsteinen  in  der  Vierzahl  angebrachten  Menschenköpfe  auf  diese  Flufs- 
götter  gedeutet  werden  können,  deren  Stelle  anderweitig  die  vier  Evange- 
listen einnehmen  (z.  B.  an  dem  Taufkessel  in  St.  Sebald  in  Nürnberg  aus 
dem  XV.  Jahrhundert).  Löwen*  als  Träger  der  Taufsteine  waren  schon  seit 
dem  Xn.  Jahrb.  beliebt  und  erscheinen  bereits  als  Reliefs  an  dem  unteren 
Teile  des  Taufsteines  zuFreckenhorst  in  Westfalen,  welcher  der  Inschrift 
zufolge  vermutlich  aus  der  Zeit  um  1129  herrührt.^  Seltener  kommen  Drachen 
vor  (an  einem  Granittaufsteine  in  der  Kirche  zuGraudenz),  und  Schweine 
(an  dem  bereits  erwähnten  zuAldekerk);  Löwen  und  Drachen  zusanmien 
in  der  Katharinenkirche  zu  Brandenburg,  und  eine  ganze  Anzahl  unreiner 
.  Tiere  am  Sandsteinbecken  im  dortigen  Dome,  sämtlich  wohl  als  Bilder  der 
durch  die  Taufe  ausgetriebenen  Sünden  und  bösen  Geister.  Als  solche  mögen 
auch  die  fratzenhaften  Gestalten  mit  äufserst  verzerrten  Gesichtern  und  ver- 
renkten Stellungen  an  dem  Becken  im  Dome  zu  L  i  m  b  u  r  g  a.  L.  anzusehen  sein. 
Bei  der  Überschau  über  die  noch  zahlreich  erhaltenen  mittelalterlichen 
Taufsteine  ergeben  sich,  namentlich  in  romanischer  Zeit,  bestimmte  provin- 


*  Vergl.  Hardung;,  Vict.,  Symbolik  der  Löwen  am  Bronze-Taufbecken  im  Dome 
zu  Münster,  im  Org.  l  ehr.  K.  1S6S,  No.  6. 

»  Vergl.  Org.  f.  ehr.  K.  1870,  No.  21,  m.  2  Abb.,  auch  Dorow,  Denkm.  deutsch. 
Sprache  u.  Kunst  I,  1823,  Taf.  L 


BomuÜBohe  Tanfsteine  am  Rhein.  3Q7 

zielte  Besonderheiten,  die  zum  Teil  im  Zusammenhang  stehen  mit  dem  ge- 
wählten Material.  ImRheinlande  zeigen  zwar  die  romanischen  Tau&teine 
in  der  Stiftakirche  znWetzlar,  in  der 
Kirche  zuSchwarzrheindorf  nnd  in 
St.  Georg  zu  Köln*  einfach  cylindri- 
sche  Form  (eratere  nach  nnten  etwas 
verjQngt  nnd  oben  mit  Rnndbogenfries, 
letzterer  mit  12  durch  RnndbOgen  vor- 
handenen Halhgäulen);  doch  sind  von 
einemMittelständer getragene  und  ringe 
mit  Säulen  etc.  umstellte  halbkugelige 
Becken  im  XII.— XIII.  Jahrb.  die  Regel. 
Am  Niederrhein  erscheint  dieser  Grund- 

typufl  in  auffälliger  Rohheit,  und  statt        Fig.üa.  'üäi 

der  Säulen  kommen  oft  nur  einfach  cy-  (»"''  »•'«•'räj"' 

lindrische  StOtzen  vor.  Das  Uaterial 
ist  fast  durchgängig  der  schwarze  Marmor  von  Namur,  und  die  UnbeholCan- 
heit  der  Arbeit  darf  nicht  verleiten,  diesen  (dnrcbachnittlicb  gegen  l,oo  hoben 
und  ebenso  weiten)  Tanfsteinen 
ein  Aber  das  XII.  Jahrb.  hinaus- 
gehendes Alter  zuzuschreiben,  da 
dem  einzelne  Details  entgegen- 
stehen; wir  nennen  die  Taufeteine 
der  Kirchen  znWarheyen,  Zyf- 
f]ich,Qna)bnrg,(Fnr8  später?), 
Eollegiatkirche  zu  Wisset,  Kir- 
chen zu  Hönnepel,S  tra  eleu  und 
KempenCFufsspäter).*  Ähnliche 
rohe  Tanfsteine  findet  man  noch 
inLeiikam,VeenundMenEelen 
beiXanten,znNieukerkundmKl. 

Hamborn,    zn    Gladbach    (Abb.        FI^.  It».  TlnfHelD  m  ZylÜmb  (n«ti  ■m'm  Wserlh). 

Bock,  Eh.  Baudonkm,  I,  1;  Fig.  11), 

Kapellen,  Gräfrath  nnd  SUchtelen,  angeblich  zu  Hinabeck,  Heron- 
gen,  Linnich,  Koslar,  Euskirchen  etc.  Auch  der  Taufatein  in  der 
Kirche  zu  ZUlpich  (zwölfeckig  mit  ebenfalls  zwölfseitigem,  zierliobat  durch- 
brochenen gotischen  Holzdeckel;  Abb.  Org.  f.  ehr.  K.,  1869,  No.  3)  gehört  zu  dieser 
Gattung,  ebenso  der  zu  Wittlar  (anB'm  Weerth,  Taf.  XXIX,  S),  jedoch  von 
späterem  Gepräge.  —  Der  Tanfstein  in  der  Tanfkapetle  des  Münsters  zn 
Aachen  (Abb.  dos.  Taf.  XXXn,  19)  zeigt  bei  gleichem  Material  eine  reichere 


'  Abb.  bei  Boisaereo,  a.  a.  0-,  Taf.  XXin,  B  n.  C. 

'  Sämtlich  abgebild.  bei  aus'm  Weerth.  Taf.  VI,  1.  VI,  6.  X,  5.  7.  10.  XXII,  1. 
XXm,  40.  —  Vergl.  auch  EagUng,  Jok,  die  filt«stcn  Taufsteine  im  apoBtolischeD 
Yikariat  Luxemburg,  in  den  Publications  de  1a  Socictc  poor  In  recherche  des  monu- 
ments  historiquea  ä  Luxembourg.  Annee  1858  et  59.  —  Ganz  identische,  offenbar  ans 
denselben  Fabriken  herrührende  Taufct^ine  kommen  .weit  nach  Frankreich  hinein,  z.  B. 
in  der  Gegend  von  BheimB  vor. 

20* 


308  Tauffiteine  am  Khein. 

nnd  spätere  fintwickelnng;  der  Fnfs  ist  gotisch.  — r-  Der  Taa&tein  im  Dome 
zn  Limburg  a.  d.Lahn  ist  achteckig  and  wird,  wieder  zn  Aachen,  von  acht 
Säulen  getragen  (Abb.  Moller,  Denkmäler,  II,  Taf.  XXVn  (EX);  Bock,  Rh.  Baud., 
n,  7,  Fig.  7).  Diesem  sehr  ähnlich  der  spätromanische  zu  Niederlahnstein 
und  nur  mit  vier  Säulen  die  zu  Mflnstermaifeld  und  Neunkirchen  bei 
Hachenburg.  Ähnliche  aus  späterer  Zeit  auch  zu  Landau  (von  1506)  und 
Burweiler  in  der  Rheinpfalz.  —  Mit  sechs  Säulen  sind  umstellt  die  Becken  in 
den  Pfarrkirchen  zu  Andernach  (Bock,  Mon.  Rheinl.,  lief.IY,  Taf.  6),  Adenau, 
Altstadt  bei  Hachenburg,  Äugst  bei  Montabaur,  Leuscheid  im  Sieg- 
kreise, Moselweifs,  ünkel  (Boisseree,  Denkm.,  Taf.  XXIV),  in  der  Stifts- 
kirche zu  Karden,  in  der  Klosterkirche  zu  Sayn  (aus'm  Weerth,  Taf.  L,  5; 
hier  sind  die  Säulen  modern)  und  zu  Seck  bei  Hachenburg.  —  Im  Elsafs 
und  am  Oberrhein  werden  romanische  Taufbecken  erwähnt,  in  Kufenform 
zu  Bischofsheim  a.  Berg  und  Gebolsheim,  runde  Becken  zu  £gisheim, 
Kr.  Kolmar,  Meistratzheim  (jetzt  Brunnentrog),  Neuweiler  in  der 
Peter -Paulskirche,  Steige,  Kr.  Schlettstadt  und  Zell  weil  er,  Kr.  Erstein 
(jetzt  im  Pfarrgarten),  ein  achteckiges  zuGildweiler,  Kr.  Altkirch  und  ein 
neunseitiges  zu  Hagenau  in  der  Nikolaikirche.  Zu  St.  Ulrich  im  Breisgau 
liegt  im  Pfarrgarten  ein  reich  geschmücktes  kreisrundes  Becken  von  1,25 
I{öhe  und  2,50  Durchmesser,  der  Sage  nach  ein  dem  dortigen  heil.  Ulrich 
'  (Prior  von  Zell)  vom  Teufel  zu  einem  Brunnen  gelieferter  Block,  zweifellos 
ein  alter  Taufstein  aus  dem  XI.  Jahrh.  ^  —  Aus  spätgotischer  Zeit  nennen 
wir  die  Seckige  Granittaufe  in  St.  Gereon  zu  Köln  (Bock,  Rheinl. Baudenkm., 
n,  3,  Fig.  1);  die  nach  Typus  und  Darstellung  einander  völlig  gleichenden 
Seckigen  Sandsteintaufen  zu  Dornick,  Ginderich  und  Httsberden 
(aus'm  Weerth,  Taf.  IV,  8;  XXI,  7,  7a,  VI,  4,  4a),  femer  die  ebenfalls  meist 
achteckigen,  zum  grofsen  Teile  unten  am  Fufse  von  Löwen  umgebenen  Taufen 
in  den  Kirchen  zu  St.  Arnual  (Schmidt,  Ch.  W.,  Denkm.  in  Trier,  HI,  Taf.  6), 
Bingen,  Eibingen  (sechseckig,  am  Fufse  drei  sitzende  Löwen  in  RelieOy 
Eltville  (von  1517),  Hermannstein  bei  Wetzlar  (Fufs  fehlt),  Hochheim 
(Dominikanerinnen),  Höchst  (St.  Justin;  Abb.  Moller  (Gladbach),  a.  a.  0., 
m,  Taf.  9),  Kiederich  (Fragment),  Kronberg  (im  Pfarrgarten),  Laufen  s- 
felden,  Lorch  (von  1464),  Mittelheim  (Augustinerkirche),  Sausen- 
heim (vergl.  Chr.  K.-B1.,  1870,  174  f.),  Wanderath,  Weilbach,  Welmich, 
Winkel  und  im  Dome  zu  Worms;  endlich  im  Elsafs:  zu  Hagenau  in  der 
Nikolaikirche,  zuHochfelden  (1455),  Ingweiler  (vonH.  R.),  Kaysers- 
berg  (zwei  spätgotische,  der  eine  mit  Tieren  am  Fufse),  Kestenholz 
(1501  von  Philipp  Zoller),  Mutzig  (aus  dem  ^in.  Jahrh;  Abb.  Kraus,  1, 168) 
und  Zabern  (im  Museum,  von  1475),  und  besonders  im  Mflnster  zu  Srafs- 
bürg  (1455  von  Jost  Dotzinger;  Abb.  Ramee,  meubles,  Taf.  36). 

Bei  den  Taufsteinen  in  Westfalen^  herrscht  als  Material  der  Sand- 
stein, und  in  der  romanischen  Periode  ganz  allgemein  die  Form  eines  oft 
nach  unten  mehr  oder  minder  verjüngten  niedrigen  Gylinders,  der  gewöhn- 
lich nur  mit  einem  Laubfries,  selten  mit  Reliefs  geschmückt  ist.  Die  Arbeit 
ist  häufig  roh.    Blofs  mit  Friesen  verziert  sind  die  Taufen  zuRhynern, 


»  VergL  Freiburger  Di Öcesan- Archiv.  XIV,  197  ff. 
»      >      Lübke,  Westfalen,  372—376. 


1  West&len.  309 

Albersloh,  Asbeck,  Herzlage,  AmtHa8e]anne(lbb,  Uithofr,  VI,  Taf.  5), 
Lttdinghaasen,  Ibnrg,  Kemnade  (Abb.  Zeitsch.  f.  Bauw,,  1BS2,  Taf.  90), 
Ramedorf  nad  in  der  Jakobikircbe  zu  Koesfeld;  mit  Reliefs:  die  beiden 
einander  gleichen  Tan&teine  zu  Apierbeck  and  in  der  kathol.  Kirche 
zn  Bochnm.  Mehrfach  findet  eich  die  Fliehe  des  Cylinders  mit  angeblen- 
deten Sänlenark  ade  n  belebt,  wie  znRhede,  Diestedde  und  Wallenhorst 
(Abb.  Mitt  Baud.  Niedere,  I.  BL  T)  bei  OsnabrOck  und  mit  figflrlichen  Reliefs 
unter  den  Arkaden  zu  Waltrop,  Brenken,  Boke,  Neaae  (Abb.  Mithoffi 
TU,  l&o),  Osterkappeln,  (das.  IT,  139)  nnd  an  dem  aus  Marmor  vonSteiu- 
heim  verfertigten  Taufstein  zu  Elsen.  Der  Taufstein  zu  Lippoldgberg 
ist  kreisrund  mit  sechs  Tflrmchen  besetzt,  in  denen  Figuren  stehen,  da- 
zwischen Reliefs,  stark  verwittert;  der  zn  Beckum  ist  achteckig  and  mit 
Reliefs  geschmückt.  Künstlerisch  aosgezüchnet ,  anch  dnrch  seine  voll- 
endeten Reliefs,  ist  der  Taufstein  zu  Brechten  (Abb.  Uitt  Brad.  Nieder«.,  I, 
BL  16,  10)  bei  Dortmund  mit  gpüzbogigen  gotisierenden  Arkaden.  Häufig 
erscheinen,  wie  zu  Freckenborst  (s.  oben  S.  306)  am  Fufse  der  Tauf- 
steine Löwengestalten ;  als  eigentliche  Trftger  zuerst  in  Metelen.  £dle 
TerhflltnisBe  und  geschmackvolle  Einfachheit  zeigt  bei  aller  Robheit  der 
Technik  derauf  drei  POfBen  ruhende  runde  Taufstein  zn  Recke  (Abb.  Zeitsch. 
f.  eh.  A.  u.  E.,  I,  26S)  im  Kr.  Tecklenburg,  SpStromaniscbe  Formen  zeigt 
der  Taufstein  zu  Flechtorf  bei  Korbach.  Dem  zu  Recke  tlberans  ahnlich, 
nur  auf  vier  Löwen  nm  einen 

müden  Stander  ruhend,  ist  der  ^ 

Taufstein  znNordfaer  ringen,  j 

Kr.  Hamm  (Abb,  Nordbotf,  54,  | 

Fig.  43  —  siehe  den  Holzschnitt  I 

Fig.120).  Diesem  fast  identische  j 

finden  sich  mehrfach  im  Osna-  j 

brückischen  und  bis  nach  Ost-  ! 

friesland  hinein,  so  zuAnkum  ^ 

nndBadbergen,  Amt  Bersen-  I 

brück,  zu  Thnine,  Amt  Freren  j 

(Abb.  Mitthoff,  TI,  Taf.  5),  zu  j 

Salzbergen,  Amt  langen  und  j 

zu   Marienhafe  (AbbUd.   das.  '• 

VII,410),Aurich-Oldendorf, 
Qrofs-Borfsum,  Hage,  Hat- 
zum  nnd  Wiebelsum;  wah- 
rend der  zu  Dorum  im  Lande  Wursten  (Abb.  das.  T,  Taf.  6)  zn  der  Gat- 
tung der  niederrheinischen  mit  Käpfen  an  den  Ecken  gehört,  und  der  im 
Dome  zu  Verden  (das.  T,  Taf.  8)  als  Fufs  eine  von  vier  Dreiviertelsftnlen 
umstellte  knrze  Säule  hat  wie  Fig.  119.  —  Die  gotischen  Taufateine  haben 
meist  nur  ein  Mafswerkuetz  und  gehören,  etwa  mit  Ausnahme  der  wohl  aus 
demXIT.Jahrh.  stunmenden  zu  Osten  fei  de  und  Watersloh  spätgotischer 
Zeit  an:  in  St.  Paul,  8t.  Peter,  St.  Thomas  und  Maria  zur  Wiese  zu  Soest, 
in  der  Petrikirche  zn  Dortmund,  in  der  Kirche  zu  Benninghausen,  in 
der  Stiftskirche  St.  Maria  vor  Herford,  in  St,  Ludgeri  zu  Münster  und  in 
der  Kirche  zuAschcherg.    Mit  Bildwerk  verziert  sind  die  Tanfeteine  in 


Fl(.  in.    TufiWlB  iD  Mordbeningen  (nach  Kotdbofr). 


WQ  Taufeteine  in  Hessen. 

derJohaDoiakirche  zn  Billerbeck  1497,  die  dem  XVI.  Jahfh.  enteUmmen- 

den,  iD  Form  und  BildachmDck  einuider  nahe  verwandten  in  den  Eirohea 

ev  Nieheim  nad  WiedenbrQck,  sowie  in  der  MOneterkirche  in  Herford 

nnd  in  der  Katharinenkirclie  in  Osnabrück:   alle  diese   mit  biblischen 

Scenen,  der  Taufstein  tu  Lünen  mit  paarweise  angeordneten  Einzelfignren. 

Der  spfttgotieche  Tanfstein  in  der  Bustorfkirche  in 

Paderborn,   ein  achtseitiges  Prisma  mit  Figuren 

unter  geschweiften  BOgen,  ist  mit  einem  hohen  in 

Holz  geachnitEten  Deckel  versehen  (Abb.  Statz  u.  üd- 

gewitter,  Taf.  185,7,8;  vergl.  Lotz,  Topographie,  I,  496). 

Wir  geben  hier  die  Abbildung  eines  apktgotiachen 

achteckigen  mit  vier  gewundenen  Sflnlen  am  Fnfse 

aaa  der  Kirche  zu  Unna  (Nordhoft,  Er.  Hamm,  109, 

Fig.  97). 

InHeasen'  sind  die  Tanfeteine  häufig  ans  Basal  t- 
m(.  in.  TaifiMin  iB  Dnnft    blOcken  gehauen  Und  haben  in  romanischer  Zeit  oft  die 
(n»ch  MonihDio.  Fonu  oinoB  niedrigen  Zubers  (d.  i.  eines  stark  verjtlng- 

ten  Cylinders),  oben  mit  einem  Hufeisenbogenfries  und 
abwechselnd  auf  ein  den  unteren  Band  umziehendea  Band  hinablanfenden 
Liaenen,  als  einfachem  Schmnck:  in  Oiefsen  und  den  nahe  gelegenen  Ort- 
schaften Groraenlinden  (Abb.  Klein,  J.  V,,  die  Kirche  zu  Gr.-L.,  Taf.  I,  Z), 
Eencbelheim,  EirchgSns,  Lieh,  Niederweidbach  —  meist  aus  den 
Kirchen  entfernt.  Der  Tanfsteiu  zu  Eleinkarben  dagegen  hat  rein  cy- 
lindrische  Fonn,  der  auf  dem  Kirchhofe  znEckelshausen  ist  unten  bauchig, 
und  der  halbzerstörte  zn  Breuna  ist  mit  Laubwerk  verziert.  DerTaufetein 
zu  Biedenkopf  mit  seinem  ehemals  mit  sechs  Sänichen  umstellten  halb- 
kugeligen Becken  erinnert  an  rheinländische  Formen.  Der  von  drei  Ldwen 
getragene  achteckige  Taufstein  in  der  Liebü-auenkirche  zu  Friedberg  (wo 
sich  mehrere  alte  Taufsteine  in  Privatgärten  finden)  stammt  ans  der  Über- 
gangsperiode. Der  Taufstein  in  Altenstadt  (unweit  der  Kirche)  ist  fiufser- 
lich  oval  und  innen  achteckig  (Abb.  bei  Dieffonbach,  a.  a.  0. ,  Fig.  16).  — 
Anfaer  dem  frUhgotiachen  Taufsteine  (mit  sechs  auf  Löwen  ruhenden  3äulen, 
deren  KnospenkapitAle  sich  am  Rande  des  halbkugeligen  Beckens  als  Friea 
fortsetzen)  in  der  Stiftskirche  zu  Wetter  (Abb.  Statz  u.  TJngewitter,  Taf.  109, 
1—3)  und  dem  zwölfeckigen  edelgotiscben  in  der  Klosterkirche  zn  Hersfeld, 
dem  jedoch  der  Fnfs  fehlt,  sind  als  eigentamliche  Erzeugnisse  aus  gotischer 
Zeit  anzufllhren  die  Basalttaufen  in  den  Pfarrkirchen  zu  Ufluzenberg 
(Dieffenbach,  Fig.  5)  und  Niederweisel,  sowie  auf  dem  Pfarrhofe  zn 
Petterwell  in  Qeatalt  eines  achtseitigen,  nach  unten  verjüngten  Prismas 
mit  niedrigem  Sockel.  Verwandte  Bildung  zeigt  der  ebenfalls  aus  Basalt 
verfertigte,  oben  secbzebneckige,  nach  nnten  pyramidale  Taufstein  zu  Bfl- 
desheim  (das.  Fig.  14).  Ans  spä^otischer  Zeit  stammen  die  meist  mitUafs' 
werk  verziertenachteckigenTanfeteine zu Billertshausen (1488),  Braach 
(1Ö15),  Breithart  (1519),  Eitershagen,  Felds,  Florshain  (15U  bis 


Tau&teine  in  Schwaben  und  Bayern.  ßj*]^ 

1520),  Fürstenhagen,  Gleichen,  Grofs-Seelheim,  Hartenrod; 
Kirchhain,  Meiches  (Totenkirche,  von  1501),  Neustadt  bei  Marburg, 
Ober-Kauffnngen,  Ober-Ursel,  Qnentel,  Rosenthal,  Salzschlirf, 
Schlierbach  bei  Fritzlar,  Schlitz  (1467)  und  Zennern  —  die  sechs- 
eckigen zu  Frankenbach  (1500)  und  Gertenbach,  der  zehneckige  zu 
Niederkauffungen,  die  zwölfeckigen  zu  Asbach,  Naunheim  und  Nie- 
derwildungen  und  die  runden  Becken  zu  Asmushansen,  Böttiger, 
Hofgeismar  und  auf  dem  neuen  Friedhofe  zu  Kassel  —  ein  grofser  Teil 
von  diesen  nur  noch  fragmentarisch,  zu  KanzelfÜiBeu  verwandt  oder  aulser- 
halb  der  Kirchen  profaniert. 

Aus  dem  südlichen  Deutschland  fehlt  es  an  speciellen  und  übersicht- 
lichen Vorarbeiten.  Wir  nennen  in  Schwaben  romanische  Taufsteine  meist 
in  Kufenform:  zu  Bissingen,  O.-A.  Kirchheim,  Blaubeuren  in  der  Stadt- 
kirche (sehr  grofs),  Brenz  (über  1,00  hoch),  Effringen,  O.-A.  Nagold, 
Göppingen  in  der  Oberhofenkirche,  Faurndau  (Abb.  Chr.  K.-B1.,  1870,  25), 
Freudenstadt  (ans  Alpirsbach  stammend ,  mit  grotesken  Skulpturen ;  Abb.  Heide- 
loff,  Ornamentik,  XIV,  Taf.  1),  Frickenhausen,  Kentheim,  O.-A.  Calw, 
Metzingen,  Oberstenfeld,  Plochingen,  O.-A.  Efslingen,  Rottweil  in 
der  St.  Pelagiuskirche  (rechteckig  mit  uraltem  Zickzackornament)  und 
Walddorf,  O.-A.  Tübingen;  gotische  sechseckige:  zu  Bietigheim  und 
Bönnigheim  —  achteckige:  zu  Adelberg,  O.-A.  Schorndorf ,  Aidlingen, 
O.-A.  Böblingen  (von  1471),  Arnegg  (1482,  Abb.  Ver.  f.  K.  u.  Altert  zu  Ulm, 
No.  9,  10),  Beutelsbach,  O.-A.  Schorndorf,  Dettingen,  O.-A.  Kirch- 
heim, Ehingen  a.D.  in  der  Stadtkirche  (1515),  Erdmannhausen  (1494), 
Efslingen  in  der  Dionysiuskirche  (von  Lorenz  Lechler?  Abb.  Heideloff, 
Schwaben,  Taf.  15),  Heiningen,  O.-A.  Göppingen,  Hessigheim,  O.-A. 
Besigheim,  Hürbelsbach,  O.-A.  Geislingen,  Kusterdingen,  O.-A.  Tü- 
bingen (1521),  Langenau,  O.-A.  Ulm  (von  Matth.  Böblinger),  Magstatt, 
Neuenstatt  a.  Kocher  (1499),  Ober-Digisheim,  O.-A.  Balingen  (mit 
merkwürdigen  hockenden  Untieren  am  Fufse),  Ochsenburg,  O.-A.  Bracken- 
heim (1478),  Pfeffingen,  O.-A.  Balingen  (1510),  Reutlingen  in  der 
Marienkirche  (Heideloff,  Ornamentik,  HE,  7)  Rothenburg,  O.-A.  Obem- 
dorf  (1487),  Röttingen,  O.-A.  Neresheim,  Schemmerberg,  O.-A.  Bibe- 
rach, Schwaigern,  O.-A.  Brackenheim  (1515),  Tübingen  in  der  Stifts- 
kirche (1495),  Ulm  im  Münster  (Abb.  Ramee,  meubles,  Taf.  42;  Ulmer  Mün- 
sterblätter, I,  76,  77),  Urach  in  der  Amandikirche  (1518  von  Cairistoph  Stato- 
varius;  Abb.  Heideloff,  Ornamentik,  VH,  7),  Wangen,  O.-A.  Kannstatt  (1491 
bis  1495  von  Stefan  Waid),  Würtingen,  O.-A.  Urach  (1534,  13.  Mai) 
—  einen  dreizehneckigen  mit  Christus  und  den  12  Aposteln  zu  Markgrö- 
ningen.  —  In  Bayern:  die  romanischen  Taufsteine  zu  Regensburg  in 
der  Alten  Kapelle  (in  runder  Fokalform  mit  14  Sänlenarkaden,  in  denen  Spuren 
von  gemalten  Figuren;  Abb.  Grf.  v.  Walderdorff,  Regensburg,  109)  und  in  einem 
Garten  an  der  Strafse  nach  Abbach  (fast  ganz  übereinstimmend,  jetzt  als  Blumen- 
korb dienend;  Abb.  Mitt.  C.-K.,  XVI,  S.  CLXIV,  Fig.  20),  in  der  Prämonstratenaer- 
kirche  zu  Windberg  (Kalkstein;  auf  vier  Löwenköpfen  ruhend,  mit  den 
Apostelbildern  in  den  Blendarkaden),  in  der  Stiftskirche  zu  Altötting 
(Abb.  Sighart,  1S5),  in  der  Marienkirche  zu  Ghammünster,  im  Münster  zu 
Biburg,  in  den  Kirchen  zu  Bubach  und  Altenstadt  in  der  Oberpfalz,  in 


312  Taufsteine  in  Österreich,  Thüringen  und  Sachsen. 

der  Michaeliskirche  zu  Altenstadt  bei  Schongau,  oben  in  Vierparsform, 
mit  rohem  Bildwerk  (Abb.  Heideloff,  Ornamentik,  XX,  Taf.  1),  ferner  in  der 
Pfarrkirche  zu  Landsberg,  zu  Markt-Erlbach^  zu  Neustadt  a.  Main 
(in  den  Arkadenblenden  Christus  und  die  Apostel)  und  Parkstetten. 
Gotische  zu  Aschaffenburg,  Dinkelsbühl  in  St.  Georgen,  Donau- 
wörth, Eggenfelden,  Ekkarts,  Fischen,  Geisenhausen  (1488), 
Griesbach,  Isen  (1520),  Lohr,  Memmhölz,  Missen,  Nabburg 
(1409),  Parsberg,  Passau  im  Dome  (von  Marmor,  1478),  Regensburg 
in  St.  Rupert,  Sonthofen,  Sulzbach,  Trostberg,  St.  Zeno  bei  Reichen- 
hall (1516).  —  In  Österreich  scheinen  überhaupt  nur  wenige  mittelalter- 
liche vorhanden  zu  sein :  ein  romanischer  viereckiger  Trog  ohne  Fufs  zu 
Friesach  in  Kärnthen  (östr.  Atl.,  XCV,  8)  und  die  spätromanischen  zu 
Botzen  (jetzt  Bninnenschale;  Abb.  Mitt.  C.-K,,  XIX,  111),  im  Stifte  Griffen 
in  Kärnthen  (achteckig,  Östr.  Atl.,  LXIV,  9),  zu  Salingstadt  und  zu  Schwei- 
gers (Östr.  Atl.,  XCV,  5);  gotische:  kelchförmig  zu  Freistadt  in  der  Frauen- 
kirche (1478)  —  achteckige  zu  Lichtenwörth  bei  Wiener-Neustadt  (1476), 
Mittelberg  in  Vorarlberg  (1495,  Abb.  Mitt.  C.-K.  N.  F.,  V,  S.  CVH),  Schwaz 
(1475)  und  Villach  (Östr.  Atl.,  LXIV,  5)  —  ein  zehneckiger  pokalförmiger 
zu  Wiener-Neustadt  in  der  Liebfrauenkirche  (1472)  —  der  vierzehn- 
seitige, sehr  reiche  in  St.  Stephan  zu  Wien  (1481  von  Meister  Heinrich;  Abb. 
Östr.  Atl.,  LXIV,  8)  und  der  runde  zu  Mariagail  (Abb.  Mitt.  C.-K.  XIX,  39, 
Fig.  9).  In  Böhmen  finden  sich  eigentlich  nur  in  dem  deutschen  Gebiete 
einfache  achteckige^ steinerne  zu  Bilin,  Eger,  Hohenfurt,  Politz  (Abb. 
Grueber,  IV,  131),  Schlackenwerth  (das.  132)  und  Unter-Haid.  Ein 
durch  seltsame  rohe  Reliefe  und  seine  Inschrift  merkwürdiger  von  1440  be- 
findet sich  in  der  abgelegenen  Kirche  zuElbigenalp  im  oberen  Lechthale 
(vergl.  Jenny  in  den  Mitt.  C.-K.  N.  F.,  Vm,  S.  LVIH  m.  2  Abb. 

In  Thüringen  und  Sachsen  sind  mehrere  interessante  romanische 
Taufsteine  nachgewiesen:  in  der  Kirche  zu  Gernrode  (aus  Kloster  Aisleben 
a.  d.  S.,  später  eine  Zeit  lang  im  Besitz  des  Thüring.- Sachs.  Vereins  in  Halle,  dann 
in  Zerbst;  ein  0,$s  tief  ausgehöhltes  achteckiges  Prisma  mit  biblischen  Beliefis  von 
änfserster  Rohheit;  nur  0,71  hoch  bei  1,86  Durchmesser;  Abb.  N.  Mitt  Th.-S.  V., 
Vin,  2,  Taf.  n  zu  S.  125;  der  jetzige  Untersatz  ist  modern),  in  der  Vorhalle  des 
Doms  zu  Merseburg  (aus  der  dortigen  Neumarktskirche;  ebenfalls  achteckig  pris- 
matisch, bei  1,41  Höhe  bis  auf  etwa  0,47  tief  halbkugelig  ausgehöhlt,  mit  den  Re- 
liefs der  Propheten  und  Apostel  und  dem  Donator  unter  Säulenarkaden;  Abb.  Putt- 
rich,  n,  8er.  Merseb.,  Taf.  4  u.  10),  zu  Halle  a.  S.  (im  Besitz  des  Thüring. 
Sachs.  Vereins  im  Hofe  der  Residenz  aus  der  Kirche  zu  Trotha;  ebenfalls 
prismatisch,  aber  nur  klein  und  ohne  Fuss;  mit  den  Bildern  der  Apostel),  in 
der  Kirche  zu  Flötz  bei  Barby  (cylindrisch,  1,26  Durchmesser) ,  zu  Gro- 
ningen bei  Halberstadt  (gleichfalls  rund),  in  der  Kirche  zuNikolausberg 
bei  Göttingen  (cylindrisch,  roh  und  schmucklos),  ein  achteckiger  kufen- 
förmiger  mit  eingelassenen  Ecksäulen ,  dessen  Sockel  aber  fehlt,  liegt  im 
Klostergarten  zu  Ilefeld,  und  ein  sehr  urtümlicher  von  1,06  Höhe  bei  1,00 
oberem  Durchmesser  befindet  sich  zu  Ohrum  im  Kr.  Wolfenbüttel.  Von 
den  vorgenannten  Sandsteintaufen  weicht  der  aus  der  Kirche  zuGleifsbach 
bei  Nossen  stammende,  aus  Porphyr  gearbeitete  Taufstein  im  Museum  des 
Grossen  Gartens  zu  Dresden  völlig  ab:  er  ist  rund,  aber  bauchig  und  mit 


Taufsteine  in  Thüringen,  Sachsen,  Brandenburg,  Mecklenburg.  313 

mancherlei  willkflrlichen  Ornamenten  versehen  (Abb.  bei  Bösigk,  Fz.  L.,  Füh- 
rer durch  d.  Mus.  etc.,  31;  ein  ganz  ähnlicher  aus  Wilschdorf  befindet  sich  ebenda 

unter  No.  2208).  Die  Sandsteintaufe  in  der  Klosterkirche  zu  Ve  s  s  e  r  a  bei  Schien- 
singen hat  die  Form  einer  auf  einer  stark  verjüngten  Mittelsänle  ruhenden 
Schale  (Abb.  Anz.  G.  M.,  1861,  Sp.  317).  In  dieser  Form  sind  noch  zahlreiche 
erhalten  in  mannigfach  wechselnder  Gestaltung  des  Ständers ,  meist  schlicht, 
oder  nur  mit  einfachen  Friesen  unter  dem  Rande  verziert,  oft  die  Schale 
äufserlich  polygonisch,  so  z.  B.  die  aus  dem  Dome  zu  Goslar  stammende, 
von  1111  datierte  im  Weifenmuseum  (Abb.  Mithoff,  Archiv.  IIL  Taf.  V,  8), 
andere  im  Kreise  Langensalza  zu  Blankenburg,  Grofsgottern,  Merx- 
leben  und  Schönstedt,  im  Kreise  Sangerhausen  zu  Nienstedt  und 
Hain  bei  Heringen,  im  Kreise  Weifsenfels  zu  Hassel,  Rössuln,  Üch- 
tritz,  Weifsenborn,  schönere  zu  Meineweh  und  Prittitz,  im  Kreise 
Zeitz  zu  Rehmsdorf  und  in  der  Schlofskirche  zu  Zeitz,  im  Kreise  Je- 
richow  I  zu  Dalchau,  Isterbies,  Rosian  u.  s.  w.  —  Der  frühgotischen 
Zeit  gehören  die  Taufsteine  in  den  Domen  zu  Halberstadt  (Abb. Lucanus, 
Dom  zu  H.,  Taf.  5)  und  Magdeburg  an  (beide  völlig  schmucklos;  ersterer 
aus  Marmor,  pokalförmig  und  auf  vier  Löwen  ruhend,  letzterer  aus  poliertem 
Porphyr,  schalenförmig).  Ein  achteckiger  aus  dem  XIV.  Jahrh.  in  Pokal- 
form, an  vier  Seiten  mit  figürlichen  Reliefs,  auf  den  Zwischenfeldern  mit 
Mafswerk  in  der  Kirche  zu  München lohra  (Handschr.  Reiseskizzen  des 
verst.  Baurates  Stapel  in  Dresden).  Gewöhnliche  mit  Mafswerk  verzierte 
gotische  Sandsteintaufen  sind  häufig:  im  Kreise  Mühlhausen  in  Th.  zu  Am- 
mern, Dörna,  Görmar,  Helmsdorf,  Hollenbach,  Keilstedt,  Lan- 
gula,  Mühlhausen  in  St.  Petri;  zu  Jüterbog  in  St.  Nikolai  und  in 
den  Kirchen  der  nahen  Dörfer  Pechüle  und  Bocho,  in  der  Kirche  zu 
Dobristroh  bei  Altdöbern,  auf  dem  Pfarrhofe  zu  Wedlitz  bei  Nien- 
burg a.  d.  S.,  in  der  Stadtkirche  zu  Freiburg  a.  d.  U.  (sechseckig),  in  der 
Severikirche  zu  Erfurt  (mit  hohem  Tabemakeldeckel;  Abb.  Puttrich,  Serie  Er- 
furt, Bl.  9),  zu  Dresden  im  Museum  des  Gr.  Gartens  aus  den  Kirchen  zu 
Oschatz  und  Wickertshain  (XIV.  Jahrb.),  zu  Halle  in  der  Laurentiuskirche 
(1478,  mit  dem  Relief  des  Titelheiligen),  zu  Dohna  in  der  Marienkirche 
(sechsseitig;  Steche,  Pirna,  16),  zu  Langen  weddingen  bei  Magdeburg  1510, 
in  der  Archidiakonatskirche  zu  Mandelsloh  1512,  in  der  Schlofskirche  zu 
Dessau,  Johanniskirche  zu  Chemnitz,  Annakirche  zu  Annaberg:  die 
fünf  letzteren  im  spätestgotischen  Geschmack. 

In  den  Brandenburgischen  Marken  finden  sich  romanische  Tauf- 
steine in  den  Kirchen  zu  Lindenau  beiDobrilugk  (Abb.  Adler,  Backst.,  Taf. 
LXIV,  Fig.  5),  zu  Redekin  bei  Jerichow  und  zu  Schönhausen  bei  Tanger- 
münde; achteckige  gotische  in  der  Wallfahrtskirche  zu  Wilsnack  und 
im  Dome  zu  Brandenburg  (Abb.  Adler,  Taf.  XX,  12). —  In  Mecklenburg^ 
kommen  unter  der  mundartlichen  Benennung  Fünt,  Fönte,  Fünte  (von 
fom)  viele  alte  Taufsteine  vor,  gröfstenteils  aus  Granit  und  zuweilen  mit 
Reliefs  versehen:  in  Altgaarz,  Altkaien,  Belitz,  Bernitz,  Hohen- 
vicheln,  Pokrent,  Steffenshagen  (mit Reliefs),  Teterow,  Vietlübbe. 
Der  Fünt  zu  £  ixen  ist  halbkugelig  und  am  viereckigen  Fufse  mit  Widder- 


Yergl.  Lisch,  G.  C.  F.,  in  den  verschiedenen  Jahrgängen  derMecklenb.  Jahrbb. 


314  Taufsteine  in  Holstein,  Pommern,  Prenfsen  etc. 

und  Menschenköpfen  verziert ,  der  zu  Sttlten  mit  Gesichtern  am  Sockel; 
der  Tanfstein  zu  Zarr entin  hat  die  Form  eines  Doppelbechers  und  der  zu 
Dobbersendie  eines  achteckigen  Pokals.  ZuWitzin  besteht  die  Taufe  aus 
einem  äufserlich  unbehauen  gebliebenen  Granitblock.  Anderweitig  kommt 
bei  sonst  wesentlich  gleicher  Behandlung  als  Material  auch  Kalkstein  vor: 
in  der  Nikolaikirche  zu  Röbel,  in  Lübchin,  Thelkow,  Proseken, 
Buchen  (Pokal  in  Vierpafsform).  Der  Taufstein  zu  Tarnow  ist  oben  aus 
Kalkstein y  mit  rundem  Fufs  aus  Granit.  —  Auch  in  Holstein  und  Schles- 
wig kommen  Granittaufsteine  vor:  zu  Vonsbäk  bei  Hadersleben  und  zu 
Hammelev  bei  Hadersleben.  —  Zu  Hamberge  beiLttbeck  ein  romanischer 
und  zu  Schlutup  bei  Lübeck  ein  pokalf5rmiger  Taufstein  aus  Kalkstein. — 
Der  romanische  Taufstein  zu  Heiligenfelde  bei  Bremen  ist  napfförmig  rund 
(Abb.  Moller,  a.  a.  0.,  I,  Taf.  13). 

Bei  den  Taufsteinen  in  Pommern^  herrscht  als  Material  der  Kalkstein 
vor.  Ziemlich  roh  gebildet,  in  Form  eines  kolossalen  Bechers ,  schmucklos 
oder  mit  einfachen  Zierden  versehen,  tragen  diese  Taufbrunnen  kaum  cha- 
rakteristische Kennzeichen  zur  näheren  Bestimmung  ihrer  Entstehungszeit 
an  sich;  doch  scheinen  die  einfachen  Formen  vieler  auf  das  XIU.  Jahrh.  zu 
deuten:  in  den  Jakobikirchen  zu  Greifswald  (von  Granit;  Abb.  Prüfer, 
Archiv,  H,  55j  und  Stralsund,  in  den  Kirchen  zu  Gollnow,  Greiffen- 
berg,  Stolp,  Freienwalde,  Kloster  Kol bat z.  Der  Taufstein  zu  Garz 
auf  Rügen  (vor  der  Kirchthür  liegend)  war  an  der  unteren  Wölbung  der 
Schale  mit  massenhaftem  Flechtwerk  verziert;  der  zu  Altenkirchen  ist 
mit  vier  menschlichen  Köpfen  geschmückt.  Die  Taufe  zu  Putte  (Reg.-Bcz. 
Stralsund;  Abb.  von  Haselberg,  I,  46,  Fig.  20)  hat  einen  runden  Fufs  von 
Kalkstein  und  ein  aus  zwei  abgestumpften  Kegeln,  deren  unterer  sich  stär- 
ker verjüngt,  zusammengesetztes  Becken  von  Granit,  und  die  zu  Stein- 
hagen (Abb.  das.  85,  Fig.  29)  hat  ein  zwölfeckiges  Becken,  welches  oben 
prismatisch  ist  und  unterwärts  gleichfalls  aus  zwei  sich  abstufenden  Pyra- 
miden besteht,  und  einen  sich  nach  oben  verjüngenden  sechseckigen  Fufs. 
Späterer  Zeit  entstammen  den  gotischen  Ornamenten  zufolge  die  Taufsteine 
in  der  Nikolaikirche  zu  Stralsund,  in  der  Johanniskirche  zu  Stargard 
und  im  Dome  zu  Kamm  in.  Der  Taufstein  in  der  Petrikirche  zu  Treptow 
a.  d.  T.  ist  aus  Granit  und  mit  rohen  figürlichen  und  anderen  Ornamenten 
versehen.  Auch  die  achteckigen  Taufsteine  im  Dome  zu  Marienwerder  und 
in  der  Kirche  zuGraudenz  sind  aus  Granit  und  mit  Reliefs  geschmückt. 
Sonst  ist  über  mittelalterliche  Taufsteine  inPreufsen  wenig  bekannt:  die 
Johanniskirche  zu  Marienburg  hat  einen  reich  spätgotischen  Taufstein. 
In  Schlesien  werden  nur  zwei  achteckige  gotische  auf  achteckigem  Ständer 
zu  Molwitz  bei  Brieg  und  zu  Seiferdau,  Kr.  Schweidnitz,  erwähnt. 

Eine  eigentümliche  Gattung  bilden  die  aus  Metall  (selten  aus  Kupfer 
oder  Zinn,  gewöhnlich  aus  den  Legierungen  dieser  Metalle,  Bronze  oder 
Messing)  gegossenen  Taufgef^fse,  die  insgemein  als  Tauf  kessel  oder  Tauf - 
b  ecken  bezeichnet  zu  werden  pflegen.  In  ganz  Deutschland  sporadisch  vor- 
kommend, waren  sie  während  der  gotischen  Periode  namentlich  in  dem 
nördlichen  Flachlande  beliebt,  wo  es  an  einem  zu  feinerer  Ausarbeitung 


Vergl.  Kugler,  Kl.  Sehr.  I,  783  f. 


Taofkessel.  315 

tanglichen  Steinmaterial  fehlte^  nnd  wnrden  hier  von  Grapen-  nnd  Topf- 
giefsern  in  der  Form  grofser^  tiefer ,  von  vier  oder  drei  hohen  Fttfsen  ge- 
tragener Kessel  (die  in  kleinerer  Form  im  häuslichen  Gebrauche  in  den  be- 
treffenden Gegenden  noch  allgemein  unter  demNamenGrapen  gebräuchlich 
sind)  meist  in  handwerksmäfsiger  Weise  verfertigt.  Die  Träger  dieser  Tauf- 
grapen  bestehen  gewöhnlich  aus  hockenden  oder  liegenden  Löwen  ^  oder 
aus  stehenden  oder  knienden,  nur  halb  bekleideten  männlichen  Figuren,^ 
welche  für  heidnische  Slaven  zu  erklären  man  sich  versucht  fühlen  möchte, 
wenn  man  nicht  vorzieht,  darin  eine  Reminiscenz  an  die  personificierten 
Paradiesesflüsse  zu  erkennen;  vielfach  (wie  zu  Brandenburg  in  St.  Gott- 
hard  und  zu  Nürnberg)  geben  sie  sich  aber  bestimmt  als  die  vier  Evange- 
listen zu  erkennen.  Anderweitig  kommen  statt  derselben  auch  Tierbeine 
vor.  Die  Ausstattung  des  Kessels  selbst  mit  figürlichen  Reliefs  schliefst 
sich  der  bei  den  Steiutaufeu  hergebrachten  Weise  an.  Wenngleich  die 
Taufkessel,  besonders  aus  gotischer  Zeit  selten  von  künstlerischem  Werte 
sind,  so  gewähren  sie  doch  ein  besonderes  archäologisches  Interesse  da- 
durch, dafs  Donator,  Verfertiger  und  Datum  schon  seit  dem  XII.  und 
XUL  Jahrhundert  fast  regelmäfsig  inschriftlich  genannt  sind.  Das  älteste 
Geülfs  der  ganzen  Gattung  ist  das  aus  Kloster  Orval  stammende,  wie  das 
eherne  Meer  Salomo*s  (I.  Kön.  7,  25)  von  zwölf  Rindern  getragene,  mit 
biblischen  Taufscenen  geschmückte  runde  Becken  in  der  Bartholomäikirche 
zu  Lüttich,'  nach  späterer  chronistischer  Angabe  gegossen  1112  von  Lam- 
bert Patras  ausDinant.  Diesem  schlielsen  sich  an:  die  kupfernen  Taufkessel 
vom  J.  1149  aus  Thienen  im  Museum  zu  Brüssel  (mit  rohen  Reliefs)  und 
im  Dome  zu  Osnabrück  (in  Form  eines  auf  drei  Füfsen  ruhenden,  sich  nach 
unten  verjüngenden,  mit  Flachreliefs  in  auf  den  Scheitel  gestellten  Halb- 
kreisbögen geschmückten  Cy linders),  verfertigt  von  Gerardus,  vielleicht 
noch  im  XU.  Jahrhundert.  ^  Sodann  folgt  der  durch  die  sinnige  Auswahl  der 
bildlichen  Darstellungen,  durch  sehr  gelungene  Modellierung  und  sichere 
Ausführung  im  Gufs  künstlerisch  bedeutende  Taufkessel  im  Dome  zu  Hildes- 
heim :^  ein  von  vier  knienden  Flufsgöttern  getragenes,  nach  unten  stark 
verjüngtes  cylindrisches  Geülfs  mit  seinem  kegelförmigen  Deckel  gegen  1,88 
hoch  und  ganz  mit  biblischen  und  allegorischen  Reliefs  bedeckt.  Während 
dieser  etwa  der  Mitte  des  XHI.  Jahrh.  angehörige  Taufkessel  teilweise  schon 
gotisierende  Motive  zeigt,  befolgt  das  auf  vier  liegenden  Löwen  ruhende 
runde  Taufbecken  von  1321  im  Dome  zu  Salzburg^  noch  völlig  den  roma- 
nischen Typus  in  den  sechszehn  Bischofsfiguren  unter  Rundarkaden,  mit 


•  Die  unter  dem  Namen  des  Püßtrich  von  Sondershansen  bekannte,  früher  für 
ein  Götzenbild  gehaltene  eherne  Figur  war  sehr  wahrscheinlich  ursprünglich  ein  Träger 
an  einem  mittelalterlichen  Taufkessel.  Yergl.  Rabe,  M.  F.,  der  Füst.  z.  Send.  1852. 
Auch  der  Erodo- Altar  zu  Goslar  f siehe  ooen  S.  133)  wird  wegen  dieser  Figuren  in 
neuerer  Zeit  für  ein  ehemaliges  Tauigefafe  angesehen. 

«  Abb.  Didron,  Annales.  V,  21.   Vm,  330.   Seemann.  CU,  9. 
3     »     Mithoff.  YI,^Taf.  3.     Ein  ähnliches  aber  kleiner  in  der  Dorfkirche  zu 
ösede  Amt  Iburg. 

*  Vergl.  Org.  f.  ehr.  K.  1862,  280—284,  nebst  Abb.  auf  der  artist.  Beilage  zuNo. 
23.  —  Kratz,  der  Dom  zu  Hildesh.  ü,  195  u.  Abb.  Taf.  12,  Fig.  2.  --  Schnaase. 
V,  617.  —  Seemann.  CU,  3. 

6  Abb.  in  Mittelalt.  Kunstdenkm.  des  öst.  Kaiserst.  Taf.  XXTH  zu  Bd.  I,  166—170. 


316  Taufkessel.   Xn.  u.  XUI.  Jahrli. 

denen  es  geBchmttckt  ist.  Aufser  vorstehend  genannten  sind  noch  anzuführen 
ein  Tanfkessel  in  der  Stiftskirche  zuBerchtesgaden,'  welcher  der  frflh- 
romanischen  Periode  zugeschrieben  wird;  er  hat  die  Form  eines  grofsen 
Trinkglases  und  zeigt  oben  herum  unter  Rundbogenstellungen  die  Brust- 
bilder Christi,  der  Apostel  und  Johannes  des  Täufers,  unten  aufser  den 
Paradiesesflflssen  einige  andere  noch  nicht  erklärte  Gestalten;  ferner  der 
spätromanische  Taufkessel  im  Dome  zu  Bremen,'  in  der  Form  eines  nach 
unten  etwas  verjüngten  cylindrischen  Beckens,  welches  in  zwei  Arkaden- 
reihen über  einander  mit  vielen  Figuren  dekoriert  ist  und  von  vier  auf 
Löwen  sitzenden  Männern  getragen  wird;  endlich  als  eines  der  edelsten 
Denkmäler  der  ganzen  Gattung  das  der  Obergangsperiode  angehörige  pokal- 
fbrmige  Taufbecken  in  der  Gotthardskirche  zu  Brandenburg,^  dessen 
Fufs  aus  einer  schlanken  Glocke  besteht,  als  Träger  des  eine  gestürzte 
niedrige  Glocke  bildenden  Beckens,  das  mit  einem  schönen  Blätterbande 
geschmückt  und  an  dem  mit  Tierköpfen  besetzten  Rande  von  den  auf  Blu- 
menkelchen stehenden  vier  Evangelisten  gestützt  ist.  —  Ein  zinnernes 
romanisches  Becken  in  Form  eines  nach  unten  verjüngten,  mit  acht  Rund- 
bogenstellungen dekorierten  Cylinders  von  0,86  Höhe  auf  einem  0,40  hohen, 
hölzernen  Postamente  findet  sich  zu  Hellefeld  in  Westfalen.^  —  Die 
übrigen  bekannten  Taufkessel  zeigen  deutlich  gotische  Formen;  wir  nennen 
aus  dem  XIU.  Jahrhundert:  die  Taufen  im  Dome  zu  Würzburg  (1279 
von  Meister  Eckart  von  Worms;  mit  reichem  gotisch -konstruktiven  Apparat  und 
acht  das  Leben  Christi  darstellenden  Reliefs;  Abb.  Becker-  v.  Hefner,  L  Taf.  19; 
vergl.  Niedermayer,  Kunstgesch.  d.  Stadt  Würzb. ,  145  ff)  und  zu  Imsum  im 
Lande  Wursten  (von  12S4,  steht  auf  sechs  Figuren  und  hat  oben  am  Rande 
zwei  menschliche  Köpfe,  wohl  behuiSs  etwaigen  Tragens;  Abb.  Mit  hoff,  V,  Taf.  7). 
Wohl  gleichzeitig  werden  die  auf  3  steifen  Löwenfüfsen  ruhenden  ziemlich 
identischen  zu  Nordleda  im  Lande  Hadeln  und  zu  Twistringen,  Amt 
Freudenberg  (Abb.  ebda.)  sein.  Ebenso  ist  diejenige  in  der  Kirche  des  hol- 
steinischen Dorfes  Büsum  an  der  Nordsee,  ohne  architektonische  Formen, 
getragen  von  vier  rohen  Figuren,  mit  gutem  Relief  des  thronenden  Christus 
(Abb  bei  von  Zahn,  A.,  in  der  Zeitschr.  f.  ehr.  A.  u.  K.,  n,  230),  den  Buch- 
staben der  Inschrift  zufolge  noch  aus  diesem  Jahrhundert,  welchem  auch 
die  Taufkessel  in  der  Petri-Paulikirche  zu  Liegnitz  (am  Becken  unter  Elee- 
blattbogennischen  12  RelieÜB  aus  der  Eindheits-  und  Passionsgeschichte,  am  durch- 
brochenen Ständer  tragende  Engel,  am  Fufoe  Drachen;  Abb.  Schlesiens  Vorzeit  etc., 
n,  7,  143),  im  Niedermünster  zu  Regensburg  (trägt  au&er  den  Namen 
Christi  und  der  Apostel  auch  die  sämtlichen  Buchstaben  des  lateinischen 
Alphabets)  und  in  der  ehemaligen  Klosterkirche  zu  Rohr  zugeschrieben 


*  Vergl.  Si^hart,  die  mittelalterl.  Kunst  in  der  ErzdiÖcese  München -Freising, 
211;  später  bezeichnet  jedoch  derselbe  Verf.  (Gesch.  d.  bild.  Künste  in  Bayern,  I,  12if) 
diese  Taufe  als  Weihwassergefäfs. 

*  Vergl.  Müller,  H.  A.,  der  Dom  zu  Bremen,  31.  Nach  der  motivierten  Ansicht 
des  Verf.  soll  der  FuDs  bedeutend  älter  sein  als  der  Kessel.  —  Vergl.  Ders.,  der  Tauf- 
kessel des  Doms  zu  B.,  in  Bremisches  Jahrbuch.  VI,  1.  1871. 

'  Abb.  bei  Adler,  a.  a.  0.,  Fig.  10.  —  Die  Inschrift  um  den  unteren  Saum  des 
Beckens  bezieht  sich  wohl  auf  die  Donatrix  und  ist  *Obiü  Elisabeth  XI.  Kai,  Sep^ 
tembr.<  zu  lesen. 

*  Abb.  Mitt.  C.-K.  XI,  S.  LXXXI,  Fig.  3. 


TanfkesBel.  XIV.  Jahrh.  317 

werden;  vielleicht  gehört  ihm  auch  noch  der  kleine  pokalfOrmige  in  der 
M&rienkapelle  dee  Dome  zn  Halberetadt,  welcher  am  Becken  und  Fnfs 
mit  kleinen  nnregelmärsig  verteilten  Relief-Medaillons  verziert  iat. 


Fl(.  m.    TMirkcual  m  BBnm  (oiEih  t,  Ztkn). 

Ans  dem  XIV.  Jahrhundert,  meist  nur  handwerksmAfsige  Arbeiten  der 
Grapengiefser:  zn  Ebstorf  in  Haanover  1310  (von  Hermannne))  zu  Hol- 
denatedt,  ebenda  132d,  zu  Mainz  im  Dome  1328  (von  Johannes;  Abb.  bei 
Moller,  a.  a.  0.,  Taf,  13],  zn  Lübeck  in  der  Marienkirche  (1337)  und  zu 
Kiel  in  der  Nikolaikirche  (1340,  beide  von  Hans  Apengbeter;  Abb.  des  letzteren 
bei  Statzu.  Ungewitter,  Taf.  195,  199,  1—5;  vergl.  Nitzsch,  C.  W.,  dasTaufb. 
in  d,  Kiel.  Nit-K.  1857),  zu  Wittenbnrg  1342  (von  Meister  Wilktuus),  zu 
Kolberg  in  der  Marienkirche  1355,  tn  Parchim  in  der  Marienkirche  1365 
(von  Meister  Hermann),  zu  Bardowiek  im  Dome  1367,  zu  Beetzendorf 
in  Hannover  1368,  zu  Sangerhausen  in  der  Ulrichskirche  1369  {.von 
erbeü  der  htysen  cendtier  tm.  heyne  beeker'\  Abb,  Kr,  Sangerli.,  76,  Fig.  72), 
zn  Frankfurt  a.  Oder  in  der  Marienkirche  1376  (von  Meister  Arnold,  ein 
ursprünglich  auf  den  Evangelisten  zeichen  ruhendes  Zwölfeck  von  sechs 
langen  und  sechs  kurzen  Seiten  mit  pyramidalem,  3,7T  hohem  Deckel  und 
vielen  biblischen  Reliefs),  inderNikolaikirche  zu  El  b  in  g  1387  (von  Meister 
Bemhuser,  achteckig,  auf  acht  liegenden  LOwen  rahend,  reich  architek- 
tonisch gebildet,  mit  Prophetenfiguren  rings  um  den  Fnis  und  biblischen 
Reliefs  am  Becken);  in  der  Blaginskirche  zu  Mflnden  1392  (von  Meister 


[18  Tanfkessd.  XIV.  Jahrh. 

Nikolaus  von  Stettin,  Trfigor  dos  mit  vielen  HeiligenfignreD  unter  Wimbeigen  ge- 
schmückten Beckens  sind  vier  auf  fli^enden  Drachen  sitzende  Mfinner  über  vier 
Hegenden  Löwen;  Abb.  bei  Ststi  o.  Ungewitter,  Taf.  196,  199,  6—9),  in  der 
Nikolaikirche  zu  Spandaa  von  1398.  —  Nicht  datiert,  aber  dem  Stile  nud 
den  Buchstaben  der  Inschriften  nach 
~  atlB  dem  XIV.  Jahrh.  Bind  ein  Tanf- 

kesBet  aus  der  Liebfraaenkirche  zu 
Halberstadt  im  Dome  daselbst  (cy- 
lindrisch,  nach  nuten  verjtlBgt  mit 
Reliefs  aas  dem  Jugendalter  Christi), 
der  glockenßtnni^,  von  drei  H&nnern 
getragene,  mit  rohen  Figuren  ver- 
zierte Qrapen  in  der  Marienkirche  zu 
A  n  ge  rm  tl  n  d  e  (mit  nicht  sicher  erklürten 
Inschriften;  vei^  Losener  in  den  Mark. 
Forschungen,  I,  m.  Abb.);  die  Tauf- 
becken in  der  Hf^;dalenenkirche  zn 
Eberswalde  (pokalf5nnig;  vergL  Bel- 
lermann, J.  J.,  NeuBt.-Eberewalde  1829, 
140;  V.  Minutoli,  Denkmftler,  29),  in  der 
Jakobi-  und  Marienkirche  zn  Prenz- 
lau,  in  der  Nikolaikirche  zu  Ro- 
stock, SU  Siek  in  Holstein  (von  Meis- 
ter A.  Gherardos;  Abb.  bei  Milde,  C.  J., 
die  Kirchen  der  Herzogt  Holst  n.  I^uenb., 
„  .  in  den  Jahrbb.  für   Landest  v.  Schles- 

(aieta  UMnu).  wig  etc. ,  I ,  Heft  3) ,  ZU  Altenbrnch  im 

Lande  Uadelu,*  im  Dome  zn  Schwe- 
rin (achteckig  auf  acht  männlichen  ^^gem  ruhend,  an  jeder  der  acht  Seiten  je  2 
Heilige  unter  Baldachinnischen,  darüber  die  durch  25  kleine  O^ma  hohe  Figuren  von 
Aposteln  geteilte  Inschrift  »Vidi  aquam  egredUntm  etc  aus  Ezech.  47,  1  u.  9), 
im  Dome  zu  Hfinster  (Abb.  Schmidt,  Eirchenniöbel,!,  i,  Taf.  24,  vergl.  Nord- 
hoff  im  Org.  f.  ehr.  £.,  ISÖT,  No.  13,  m.  Abb.)  und  in  der  Marienkirche  zn 
Krakan  (von  magister  Ulricus,  pokalforaiig  mit  2  Henkeln  wie  lu  Büsom;  Abb. 
Essenwein,  Krakau,  110,  Fig.  53-55).  Ein  ehemaliges  aus  der  ersten  Uftlfte 
des  XIV.  Jahrh.  in  St.  Michael  zu  Lüneburg  (auf  3  Figuren  mhend,  der 
Körper  ganz  mit  ßO  kleinen  Reliefs  in  VierpSasen  tiberzogen)  ist  nur  in  Ab- 
bildung erhalten.  (Mithoff,  IV,-165).  —  Ein  Taufbecken  ans  Blei,  1317  von 
Meister  Hennann  gegossen,  befand  sich  noch  im  ersten  Viertel  dieses  Jahr- 
hnndcrts  in  der  Kirche  zn  Siegelsam,  Ost-Friesland. 

Aus  dem  XV.  Jahrbandert.  Arbeiten  von  verschiedenem,  aber 
nicht  ausgezeichnetem  Werte  in  chronologischer  Reibenfolge:  1406  zu  Bis- 
pingen,  Amt  Soltau  (rund  auf  drei  hinten  platten  Figuren  ruhend,  auf  Sand- 
Steinsockel;  Abb.  Mithoff,  IT,  26),  1417  zn  Lüchow  in  Hannover,  1420  in 
Krakau  in  der  Erenzkircbe  (von  Johann  Fredental,  konisches  Becken), 


Taufkessel  XT.  Jahrb.  319 

1421  zn  Salzwedel  in  der  Katharinenkirche  (vod  Ludolf  —  nicht  Ludwig 

—  GrapeDgiefoer,  wohnhaft  zu  BrauiiBchweig,  der  sich  mit  Beinem  Bohne 
Heinrich  auch  an  den  heiden  einander  gleichen  Keaeeln  in  der  Marien-  nnd 
in  der  Ulrichskirche  zn  Halle  von  1430  als  Verfertiger  nennt),  1423  zu 
ToBtedt  in  Hannover,  1424  zu  Gettorf  bei  Kiel  (van  ^Wlf  dt  Aieeeidt  van 
Anmeldt;  Tergl  Loti,  Topographie,  I,  239),  1427  zn  Eimbeck  in  der  StiftB-j 
kirche  (achteckig,  von  vier  LOwen  getragen,  geBtiftet  vom  KanonikoB  De^ 
genhardRee,GierBerwahrBcbeinlich:  Regnerue  Heuningue),  1429  zu  Nord^ 
hausen  in  der Petrildrche ,  1432  znMunster,  1434  ehemaU  zu  Berlin  In 
der  Petrikirche  (von  Hinrik  von  Magdeburg),  1437  zn  Berlin  in  der  Ma- 
rienkirche, 1438  zn  Hittfeld  in  Hannover  (von  Iautbuz  Apenghoter  und  Cord 
Trigbufc;  von  eraterem  auch  1440  zu  Handorf;  watuscheinlich  ist  er  auch  iden- 
ÜBch  mit  dem  LaureoB  Qrowen ,  von  dem  der  Kessel  im  Dome  zu  Lübeck  1455  stammt; 
Abb.  des  letzteren  bei  Statz  u.  üngewitter,  Taf.  IßT,  199,  10,  11;  vergl.  F.  Voigt 
in  den  Mite.  d.  Ver,  für  Harabui^.  Gesch.,  H,  No.  3,  1879),  1440  zu  Ratzebnrg 
im  Dome  und  znBrandenburg  in  der  Eathariuenkirche  (von  Tyterich  Hobier 
von  Erpfaoit,  mit  hohem^durchbrochenen  Tabemakeldeokel;  Abb.  Adler,  Backst., 
I,  20;  Seemann,  CXX,  1),  1441  zn  Braunschweig  in  der  Martinifcircbe 
nnd  zn  Naumburg  a.  S.  in  der 

Wenzels kirche,  1446  zu  Oater- 
burg  i.  Altmark  (von  Meieter 
Volker  von  Mundt),  1447  zn  Se- 
geberg in  Holstein  (von  Ghert 
Klii^he;  derselbe  ist  14&4  zn 
Oroothneen  bei  Emden  nnd 
Barsefeld  im  Herzogtum  Bre- 
men and  1469,znZevenvertreten. 
Von  der  Familie,  die  zn  Bremen 
anBäseig  gewesen  zu  sein  scheint, 
sind  noch  drei  Glieder  mit  zahl- 
reichen Werken  in  derselben  Ge- 
gend und  Ostfriesland  vertreten, 
aamlichGotekeoder6ottfriedl477 
znAltenwaldenndl4d8zuDeb- 
Btedt;  Hinrik  1469  zu  Pilsam 

—  dar  Eesael,  an  welchem  Chris- 
tas mit  den  klugen  nnd  thdrichten 
Jnng&auen  angebracht   ist,   ruht 

anf  den  Figuren  der  Evangelisten        p,g,  ,„_  T«fkM«i  yo«  i«7  «>  wituniMt« 
mit  den  Köpfen  ihrer  Symbole  —  (""*  son^icnr). 

1473  znMflden  a.  Aller  nnd  1474 

zn  Esens  nnd  Uttnm;  Bartold  1472  zn  Eilsum  und  1506  zn  Cannm), 
1449  ehemals  zn  Neu-Rnppin  in  der  Marienkirche  (von  Hans  Vamenans), 
1450znGadebnBch  und  znHannover  inderÄgidienkirche(Abb.  Mithoff, 
Arch.,  I,  Taf.  9,  10),  1457  zu  Wittenberg  in  der  Stadtkirche  (von  Rermami 
Vischer;  Abb.  Schadow,  Wittenbergs  Denkmäler,  Taf.  A;  Bergau,  R.,  in  der 
Wartburg,  VIII,  No.  1),  1464  zn  Stendal  in  der  Marienkirche  1465  zu  Dorf- 
mark in  Hannover,  1466  zu  Lübeck  in  der  Jakobikirche,  1469  zn  Dort- 


J20  TauftesBcl.  XV.  u.  XTI.  Jahrh. 

mnnd  id  der  Reinoldikirche  (von  Johann  Winaeobrock  daselbst),  1474  zu 
Bfitzow  in  der  Stiftskirche  (ohne  Fate  und  Deckel),  1483  xn  Lenzen  in 
der  Katharinenkirclie  (von  Heinrich  Grawere  zu  Brannschweig) ,  1489  zu 
Werben  in  der  JohanniBkirche,  von  Hermann  Bonstede  (vergl.  Sotzman 
i.  d.  Mark.  Fonchnngen,  Ü,  30),  1496  zn  Wiegboldsbar  bei  Anrieh  (von 
Peter ColckghetOT,  ruht  anf  vier  Bitterfignren  mit  Schwert  und  3chUd).  AaTeer- 
dem  undatierte  zn  Barth  in  Pommern  in  der  Marienkirche  (ebenfalls  anf 
vier  Kriegergestalten  mhend),  zu  Ftlrstenwalde  im  Dom  (nnr  in  archi- 
tektonischen Formen  profiliert,  mit  dem  Wappen  des  Bischofs  Friedrich 
Sesselmann  1465 — 83),  zn  Hannover  in  der  Erenzkirche  (Abb.  Mithoff, 
a.  a.  0.,  Taf.  S,  10)  nnd  in  der  Marktkirche,  zn  Lüneburg  in  St.  Nikolu 
(von  vier  Figuren  auf  ringförmigem  Fnfee  getragen),  zu  Salzhausen  in 
Hannover ,zn8angerhanBeuin  der  Jakobikirche  (Abb.  Kr,  Sangerh.,  69,  t^ SO) 
und  zu  Winsen  a.  d.  Aller.  —  In  Böhmen  finden  sich  statt  bronzener  fast 
durchgehends  zinnerne  Taufkessel  vor,  die  fast  slmtlich  die  Form  einer 
nn^;e8ttinten  Glocke  haben  nnd  auf  drei  hohen  gekrümmten  Fofsen  mhen; 
aus  der  Zeit  zwischen  148U  und  1Ö20  bezeichnet  Grneber  noch  wenigstens 
200  Exemplare  als  vorhanden  (vergl.  auch:  Ziongulswerke  in  Böhmen,  in  den 
Mitt.  C.-K.  N.  F.,  V,  S.  LXXV  f.).  Wir  nennen  von  den  bemerkenswerteren: 
das  älteste  datierte  von  1406  im  Dome  zu  KOniggrätz  (aus  der Benediktiner- 
kirche  zu  Fodlazic  stammend;  Abb.  Grueber,  IV,  15S),  das  nachstAlteste  von 
1414  in  der  Teynkirche  zn  Prag,  das  ron  1455  in  der  Dechanteikirche  zu 
Tabor  (bezeichnet:  mar  i  mon  —  magister  Bimon?  —  Abb.  Ost  Atl.,  LXIV,  6), 
eine  in  St.  Stephan  zu  Prag  von  1462  (von  Meister  Peter),  eins  za  Nim- 
bnrg  von  1486  und  eins  zu  Nachod  von  1503  (beide  von  Heister  Andreas 
Ptaczek  ans  Kuttenberg),  das  schönste  unter  allen  von  1Ö21  in  der  Stadt- 
pfarrkirche SB  Leitmeritz  (Abb.  Grueber,  TV,  157)  und  ein  undatiertes  zn 
Nezamyslic  bei  Schnttenhofen  (Abb.  Mitt.  C.-K.,  a.  a.  0.,  Fig.  2). 

Ans  der  ersten  HXlfte  des  XVI.  Jahrhunderts  sind  zn  nennen  die 
Tanfkessel  von  1504  zn  Koeifeld  in  der 
Lambertikirche  (von  Reinolt  Widenbrock  und 
Klaes  Potgeiter  in  Dortmund)  nnd  zu  Hil- 
desheim in  der  Lambertikirche,  1505  zn 
Ltlne  und  zu  Geversdorf  im  Herzogt. 
Bremen  Oetzterer  von  Hinrik  Kock),  1508 
zn  KrOpeIin(von  Andreas  Riwen,  derselbe 
1512  zn  Rostock  in  St.PetTi)und  zuTan- 
germündein  der  Stephanskirche  (von  Hein- 
rich Hente  ans  Brannschweig,  der  auch 
1510die  Taufe  in  der  Kirche  zu  Northeira 
mit  pyramidalem  Deckel  gegossen  hat),  1609 
zn  Mölln  in  der  Nikolaikirche  (mit  gleichem 
Deckel;;Abb.  Jahrb.  f.  Idudesk.  t.  Schleswig  etc., 
I.Pig.  1  u.  0),  1510  zu  OchsenfnrtCvonP. 
"'■  '"«üsSSi^r"  ^'"'  Vischer?),  1515  zn  FHntbeck  bei  Kiel  (von 

Meister  Reumer)  1520  zu  S&izwedel  in 
der  Marienkirche  (mit  einem  Gitter  von  1S22,  beide  schon  stark  mit  Bcnaissauce- 
detaile,  von  Hans  von  Köln  zu  Nürnberg;  ob  identisch  mit  dem  oben  S.  161  er- 


TanfbesseL  XTI  Jahrh.    TanfBchüBseln.  321 

wähnten?  —  Abb.  von  Minutoli,  Dentmäler,  Taf.  2),  1530  zu  BraunBchweig 
in  der  Petrikirche,  1540  zu  Ltluebnrg  in  St.  Lambert  (von  givert  Barcfa- 
maon),  1517  su  HilileBheiiii  In  der  AndreaBkirche  (von  Hans  äivvercz). 
Undatierte  znAmberg  im  Regenkreis  inderMartinakircbe  (von  Meister PanI 
in  Amberg),  zu  Brealan  in  der  EliBabethkirche,  zn  Heinsberg,  Reg.-Bez. 
Aachen,  in  der  StiftBhii-che ,  zn  Ktlrnberg  in  St.  Sebald.  —  Ein  zinnernes 
von  1563  befindet  sich  in  der  Nikolaikircbe  zu  Berlin  (von  Stephau  Lich- 
tenhahn  und  Paul  Hermann  aus  Schneeberg).  Als  KnrioBum  ist  die  Holz- 
tanfe  von  1538  in  der  Kirche  zu  Zella  bei  MOhlbauBen  1.  Tb.  {Abb.  Er. 
Miihlh. I  Fig.  92  —  siebe  Fig.  12S)  zn  nennen,  die  aus  einem  Block  gehauen 
ist,  nur  die  am  oberen  Teile  angebrachte  Zatteldekoration  besteht  ans  an- 
genagelten Brettstttckchen. 


F](.  IM.    HuitngbaoktD  bu  dem  Qtniun.  MnHBm  (nnoh  Euawaln). 

Anmerkung.  Bei  Erteilung  derTanfe  mittelst  blofser  Benetsung  (ad- 
spersio)  des  Kopfes,  welcher  Ritus  hie  und  da  bereite  imXV.Jahrh.  vorgekom- 
men ZQ  sein  scheint,  aber  erat  im  XVII.  allgemein  geworden  sein  durfte,  be- 
diente man  sich  der  TaufschQsseln,  welche  auf  den  Taufstein  etc.  gesetzt 

Ott*.  Kanu-ArchBolgEle,    b.  Anfl,  21 


322  Taufechüsseln.   Giefsgefäfse. 

wurden,  und  deren  sich  in  den  Kirchen  weit  und  breit  viele  vorfinden,  die  aus 
Messing  getrieben  sind,  vermutlich  von  Beckenschlägern'  in  Nürnberg,  Augs- 
burg, Braunschweig  etc.  fabrikmäfsig  gefertigt  und  durch  den  Handel  bis  in 
aufserdeutsche  Länder  verbreitet  wurden.  Sie  haben  offenbar  in  den  Kirchen 
ursprünglich  nur  als  Waschschüsseln  in  den  Sakristeien,  vielleicht  auch  als 
Opferteller  bei  Kollekten  gedient,  daneben  zu  mannigfachem  profanen  und 
häuslichen  Gebrauche  als  Waschbecken,  zu  Aderlässen,  vielleicht  auch  als 
Hochzeitsschüsseln,  in  welche  bei  der  Festtafel  die  Hochzeitsgeschenke  der 
Gäste  gelegt  wurden.^  Ihr  Alter  ist  kein  hohes,  die  ältesten  bekannten  werden 
gegen  1500  zu  datieren  sein,  und  sie  wurden  bis  weit  an  das  Ende  des  XVII. 
Jahrhunderts  nach  den  alten  Modellen  unverändert  fabriciert.  Sie  kommen  in 
runder,  seltener  in  ovaler  Form  in  den  verschiedensten  Gröfsen  vor,  die  klein- 
sten oft  nur  mit  einer  Granatapfelverzierung  oder  einem  Adler  in  der  Mitte, 
die  gröfseren  mit  einem  Relief  aus  der  biblischen  Geschichte  oder  Legende : 
der  Sündenfall,  ein  im  Wasser  stehender  Hirsch  (nach  Ps.  42,  1),  die  Ver- 
kündigung, St.  Georg,  St.  Sebastian  u.  s.  w.,  häufig  umgeben  mit  Reihen  von 
Hirschen,  die  von  Hunden  gejagt  werden,  aber  auch  durchaus  weltliche  Dar- 
stellungen kommen  vor,  z.  B.  der  Kopf  des  Cicero  nicht  nur  auf  einer  Schüssel 
im  Kunstgewerbe-Museum  zu  Berlin,  sondern  auch  auf  einer  in  der  Kirche  zu 
Kusterdingenin  Württemberg  und  einer  anderen  zu  Buckow  in  der  sogen. 
Märkischen  Schweiz.  Eine  Schüssel  in  St.  Stephan  zu  Tangermünde  zeigt 
siebenmal  einen  Handtuch  haltenden  Engel,  mit  dem  Stier  des  Lukas  abwech- 
selnd. Die  meisten  haben  Inschriften  im  Fond  und  auf  dem  Rande,  deren 
Deutung  viel  vergebliche  Mühe  gemacht  hat.'  —  Bei  dem  Übergiefsungsritus 
bediente  sich  der  Täufer  statt  der  Hand  anscheinend  schon  frühzeitig  eines  ge- 
eigneten Giefsgefäfses,  in  Übereinstimmung  mit  den  Beschlüssen  der  Synode 
zu  Lüttich  vom  J.  1287  c.  2:  T^Sacerdos  super  verticem  pueri  (er  in/ltndai 
aquam  cumpelviy  vel  alio  mundo  vase  et  honesta  y  tenens  puemm  nihUomimts 

una  manu  discreie<  und  der  Synode  zu  Cambray  von  1300:  >BapUzans 

infundai  aquam  cum  bachino,  vel  alio  mundo  vase  et  honeslo,^^  ImNational- 
Museum  zu  München  befindet  sich  ein  höchst  eigentümliches  Gefäfs  dieser 
Art:  es  ist  der  obere  Teil  eines  ursprünglichen  Jagdhornes  aus  Elfenbein  mit 
einem  oberen  und  unteren  Metallrande,  deren  eingegrabene  Inschriften  die  Be- 
stimmung für  die  Taufhandlung  beweisen.^ 

52.  Die  erste  Orgel*  (organon)  kam  um  die  Mitte  des  VllL  Jahr- 
hunderts ins  Frankenreich,  und  zwar  als  ein  Geschenk  von  Byzanz  aus 


•  Niederdeutsch:  Beckenwerper.  In  Nürnberg  giebt  es  noch  heut  die  Beck- 
schiefer- Gasse.  —  Im  Kunstgewerbe -Mus.  zu  Berlin  befinden  sich  nicht  weniger  als 
22  solcher  Schüsseln. 

•-»  Vergl.  Essenwein,  im  Anz.  G.  M.  1876,  Sp.  195;  Riegel,  im  Katalog  des 
Herzogl.  Mus.  zu  Braunschweig,  121. 

3  Abbildungen  solcher  Schüsseln  beiStatzu.  Ungewitter,  Taf.  204,  5;  Essen- 
wein,  Kunst-  u.  kulturg.  Denk,  aus  d.  Germ.  Mus.  Taf.  74.  —  Weiteres,  auch  über 
die  sehr  ausgedehnte  Litteratur  in  der  Epigraphik. 

*  Vergl.  Augusti,  Denkwürdigkeiten.  VII,  234  ff. 
«      »      Mitt.  C.-K.  VI,  118. 

®  »  Chrysander,  W.  C.  Just..  Histor.  Nachricht  von  Kirchenorgeln.  Rin- 
teln 1755.  —  Antony,  F.  Jos.,  Geschichtl.  Darstellung  der  Entsteh,  u.  VervoUkommn. 


Orgeln.  323 

an  Pipin,  der  sie  in  Compiegne  aufetellteJ  Eine  andere  bauten  die 
Künstler  Karls  des  Grofsen,  die  es  den  Griechen  abgesehen  hatten,  für 
das  Münster  zu  Aachen,*  wo  sie  zuerst  in  kirchlichem  Gebrauche  er- 
scheint und  bei  aller  Unvollkommenheit  dennoch  so  grofsen  Beifall  fand, 
dafs  vom  X.  Jahrhundert  ab  in  den  bischöflichen  Kathedralen  und  in 
manchen  Klosterkirchen  in  und  aufser  Deutschland  (in  Reichenau  schon 
unter  Ludwig  d.  Frommen)  Orgeln  gebräuchlich  wurden.  Im  allgemei- 
nen war  die  Verbreitung  derselben  zwar  nur  eine  langsame;  dennoch 
befanden  sich  seit  dem  Ende  des  XTÜ.  Jahrhunderts,  und  nachdem  die 
Kunst  des  Orgelbaues  wesentlich  fortgeschritten  war,  in  gröfseren  Kir- 
chen gewöhnlich  zwei  Orgeln,  eine  gröJsere,  welche  auf  einer  Empore 
am  westlichen  Ende  des  Mittelschüfes,  und  eine  kleinere,  welche  auf 
dem  Lettner  (S.  50)  ihre  Stelle  erhielt  —  In  ihrer  seit  dem  XV.  Jahr- 
hundert vervollkoDMnneten  Einrichtung  gilt  die  Orgel  für  eine  Erfindung 
der  Deutschen. 

In  Byzanz  bediente  man  sich  der  Orgel  bei  öffentlichen  Lustbarkeiten: 
die  erste  Einftthmng  derselben  in  die  Kirche  geschah  zn  Aachen,  und  der 
Mönch  von  St.  Gallen  (2,  7.  p.  751)  beschreibt  ihren  Bau  aus  Bälgen  von 
Rindsleder  und  ehernen  Pfeifen  und  vergleicht  ihren  Ton  an  Stärke  dem 
Donner,  an  Lieblichkeit  der  Lyra  oder  Cymbel;  dennoch  war  ihre  Einrich- 
tung noch  200  Jahr  später  eine  unglaublich  mangelhafte,  und  die  Wirkung 
kann  keine  besonders  angenehme  oder  würdige  gewesen  sein,  so  sehr  die- 
selbe auch  das  Erstaunen  der  Zeitgenossen  erregte.  Unter  den  Miniaturen 
eines  Psalteriums  aus  der  Zeit  der  sächsischen  Kaiser  in  der  Königl.  öffentl. 
Bibliothek  zu  Stuttgart  (Ms.  bibl.  in  4  n.  23)  befindet  sich  zu  Ps.  150  die 
Abbildung  einer  Orgel:'  es  ist  ein  einfaches  Holzgestell,  auf  dem  die  Wind- 
lade steht,  und  über  dieser  eine  von  zwei  Querhölzern  gehaltene  Reihe  dicht 
gestellter  und  gleich  grofser  Pfeifen,  deren  Labien  angegeben  sind;  vor  der 
Windlade  befindet  sich  anscheinend  die  Klaviatur,  die  aus  neun  in  zwei 
Abteilungen  (links  drei,  rechts  sechs)  geteilten  Tasten  besteht.  Der  Blase- 
balg, aus  welchem  drei  Windleitungen  in  die  Orgel  gehen,  ist  ein  seitwärts 
auf  dem  Fufsboden  liegender  Schlauch,  den  drei  Männer  niedertreten,  deren 
einer  ihn  mit  einer  Handhabe  wieder  aufzieht.  —  Auf  einer  Miniatur  in  dem 


der  Orgel.  Münster  1832.  —  Rettberg,  R.  v.,  zur  Gesch.  der  Musikinstrumente,  im 
Anz.  G.  M.  1860  in  No.  5—9  (Notizen  über  die  Oreel:  Sp.  160.  205.  240.  242.  282  u. 
319).  —  Org.  f.  ehr.  K.  1861,  No.  20,  229  f.  —  Vergl.  auch  Coussemaker,  E.  de, 
Hifitoire  des  instruments  de  musique  au  moyen-äge.  Paris  1859,  besonders  abgedruckt 
aus  den  Annales  archeol.  Vol.  IH  sqq.  —  r.  Strasser,  der  König  der  Instnimente; 
zur  Gesch.  d.  Orgel,  im  Kirchenschmuck  Sekkau.  VJil,  No.  1 — X,  >io.  10.  —  Wange- 
mann,  0.,  Gescn.  d.  Orgel  u.  d.  Orgelbaukunst.    1880. 

*  Einhardi,  Annal.  ad  a.  757.  I,  10  bei  Pertz,  M.  G.  I,  141;  vergl.  ßett- 
berg,  F.,  Kirchengeschichte  Deutschlands.  11,  778. 

*  Ermold  Nigell.  m,  639  bei  Pertz.  II,  513;  verri.  Rettberg,  a.  a.  0.  und 
die  enkomiastisch  übertriebene  Beschreibung  in  des  "Waiafrid  Straoo  cannen  de 
apparatu  templi  Aquisgranensis. 

'  Abb.  von  Hefner,  Trachten.  T.  Taf.  53. 

21* 


Paalter  Edwine  in  der  Bibliotliek  za  Cambridge  aub  dem  XII.  Jfthrli.  erscheiot 
die  Orgel'  als  eiue  Art  Tisch,  aus  dem  in  zwei  Registern  zehn  Pfeifen 
(sechs  einfache  und  vier  doppelte)  von  aymmetriach  wachsender  Länge  ber- 


FlE.  m.    Oifl  «u  dem  PalUr  Edwlni  u  Cusbrldfa,  XU.  Jihrh.  (nieh  CouHDukor). 

vorragen.  Zwei  Mönche  als  Organisten,  jeder  ein  Register  dirigierend, 
stehen  hinter  dem  Tische  und  erteilen  ihre  Weisungen  an  die  zu  beiden 
Seiten  paarweise  au%estellten  vier  Kaikanten,  welche  angestrengt  beschäf- 
tigt sind,  die  vor  dem  Tische  in  einem  besonderen  Kasten  befindlichen 
Blasebälge  mit  langen  Stangen  aufzuziehen  und  niederzudrücken.  Vor  dem 
Gehäuse  der  Bälge  sieht  man  drei  starke  wohlverwahrte  Cylinder:  offenbar 
Behälter  zur  Ansammlung  des  Windes  behnfs  gleichmäfsiger  Verteilung  des- 
selben in  den  Pfeifen.  —  Bei  weitem  unvollkommener  in  der  WindzufUhrung 
als  dieses  englische  Orgelwerk  erscfaeiut  die  in  der  (ans  Kloster  Scheyem 
Btammeuden)  Maler  verborum  ans  der  ersten  Hälfte  des  XIII.  Jahrh.  auf  der 
Hofbibliothefe  zn  München  (cod.  Schir.  3,  pict.  7  c)  abgebildete  Orget:  ein 
hoch -viereckiger  Kasten,  aus  welchem  vorn  lange  Züge  hervor-,  oben  meh- 
rere Pfeifen  emporstehen,  und  wobei  hinten  ein  Gehilfe  an  ein  kleines  Loch 
des  Kastens  einen  genau  mit  der  Spitze  hiaeinpasBendeD  Blasebalg  einsetzt.' 
—  Gegen  Ende  des  SIII.  Jahrh.  beschreibt  der  Dichter  des  jüngeren  Titurel 
den  über  dem  Westporlale  des  Graltempels  befindlichen  or^fbanA  (Zamcke, 
Strophe  104-108)  als  in  Verbindung  mit  einem  kunstvollen  mechanischen 
Werke,  wie  deren  in  der  mittelalterlichen  Littcratur  mehrfach  erwähnt 
werden  (vorgl.  Zsrncko,  h.  a.  0.,  Anmorliuiig  auf  S.  121  ff.),  nämlich  mit  einem 
Baume  von  rotem  Golde,  in  dessen  vielbelanbten  Zweigen  VOgel  sitzen,  die 
durch  den  mittelst  Bälgen  künstlich  hiueingeleiteten  Wind  mit  süfser  Stimme 


'  Vcrgl.  V.  Rottberg,  n 


Älteste  Orgeln.  325 

singen  y  und  zu  den  Seiten  der  Orgel  stehen  vier  auf  goldenen  Hörnern  bla- 
sende Engel,  die  an  das  jflngste  Gericht  mahnen,  dessen  Darstellung  in 
Gafswerk  über  dem  Portale  angebracht  ist,  zur  Mahnung: 

dazje  nach  der  süze  get  daz  suren.^ 

Noch  phantastischer  ist  die  Umdichtung  der  Orgel  im  Chore,  indem 
nämlich  in  dem  Haupt-,  dem  heil. Geist-Chore  desTempels  (Zarncko,  Str.  79. 80) 
die  in  den  übrigen  Chören  entwickelte  Kunst,  durch  welche  die  in  dem 
Skulpturschmuck  überall  angebrachten  Engelfiguren  in  Weinlaub,  wenn  der 
Windhauch  darüber  geht,  sich  bewegen  und  einen  süfsen  Ton  von  sich 
geben,  dahin  gesteigert  ist,  dafs  verhohlen  mit  grofser  List  durch  Bälge 
Wind  in  diese  Bildwerke  hineingeleitet  ist,^  und  sie  nun 

per  music  undper  ttse  beide  hoch  und  iisCj 

aisje  von  dem  winthuse  der  meister  dar  geleite  gap  derwise, 

mit  der  pfafheit  gaben  süz  gedoene 

der  enget  schar  getichCj  don  sunder  wort;  ja  was  ez  dennoch  schoene. 

Die  ältesten  Orgelmacher  waren  Geistliche:  im  J.  826  meldet  sich  bei 
Ludwig  dem  Frommen  ein  Priester  aus  Venedig,  Namens  Georg,  welcher 
verspricht,  eine  Orgel  nach  griechischer  Art  zu  bauen  und  freundlichst  em- 
pfangen wird,  da  er  etwas  biete,  was  zuvor  im  fränkischen  Reiche  nicht  im 
Gebrauch  gewesen  wäre.'  Dagegen  erbat  sich  etwa  fünfzig  Jahr  später 
Papst  Johann  VIU.  bereits  einen  deutschen  Orgelbauer  aus  Freising.*  —  Naoh 
der  unverbürgten  Angabe  eines  Schriftstellers  aus  dem  XVIL  Jahrh.^  sollen 
sich  bereits  im  XL  Jahrh.  in  Erfurt,  Magdeburg  und  Halberstadt  Orgeln 
befunden  haben,  von  denen  er  noch  Überreste  mit  Inschriften  gesehen  haben 
will.  Sicher  ist,  dafs  noch  um  das  Jahr  1700  eine  sehr  alte  Orgel  im  Halber- 
städter Dome  vorhanden  war:  bei  einer  Breite  von  etwa  drei  Fufs  hatte  sie 
nur  wenige  sehr  grofse  bleierne  Pfeifen  und  neun  Tasten  von  Handbreite, 
die  man  nur  mit  der  Faust  oder  dem  Ellenbogen  niederdrücken  konnte.  Sie 
hatte  viele  kleine  Blasbälge,  und  es  waren  an  derselben  drei  singende 
Mönche  abgemalt.*  —  Im  Münster  zu  Freising  ging  die  alte  Orgel  1159 


'  Am  Turme  der  Kirche  zu  Strafsengei  in  Steiermark  stehen  als  eine  Illustra- 
tion zu  dieser  Phantasie  statt  der  Fialen  acnt  Engel  mit  Blasinstrumenten,  von  denen 
der  Wiener  Dombaumeister  Schmidt  nachgewiesen  hat,  dafs  sie  mit  einem  Orgelwerk 
im  Inneren  der  Kirche  in  Verbindung  ges^den  haben.  —  Noch  heute  steht  in  Hei- 
ligenkreuz im  Obergeschosse  des  Thorturmes  eine  Orgel,  welche  am  Sonntag  die 
Glocken  ersetzt,  indem  sie  früh,  mittags  und  abends  etwa  eine  '/4  Stunde  lang  einen 
mächti^n  Akkord  erklingen  läfst. 

*  In  Str.  110  wird  noch  eine  dritte  ßälgeleitung  erwähnt,  durch  welche  Luft  in 
die  den  ganzen  Fulsboden  des  Tempels  durchziehenden  Kanäle  geführt  wird  um  das 
in  dem  Mosaik  gebildete  Getier  künstlich  zu  bewegen.  Von  diesen  heifst  es  ausdrück- 
lich nointmiU  von  uzen  verre  mit  balgen  dar  denselben  braden  gebten*.  Es  ist  wohl 
anzunehmen,  dafs  diese  Windmühlen  auch  für  die  übhgen  Bälgewerke  bestimmt  zu 
denken  sind. 

'  Anon.  vitaHludow.  imp.  40  u.  Einhardi,  Annal.  ad  a.  826  bei  Pertz.  I,  215; 
Rettberg,  R  v.,  a.  a.  0.,  Sp.  161. 
*•  Kreuser,  Kirchenbau.  I,  152. 

*  Praetorius  (f  1621),  S3rntagma  music.  11,  3. 

*  Zeilier-Merian  Topogr.  Sax.  inf.,  119.  —  Nach  der  Sage  sollten  sich  diese  drei 
Mönche  an  einer  Fuge  zu  Tode  gesungen  haben,  weil  sie  sich  vermessen  hatten,  mit  Hilfe 


326  Orgelbauer. 

durch  Feuer  eu  Grunde.  —  GleicheB  Schicksal  hatte  im  J.  1200  die  Orgel 
in  der  Klosterkirche  auf  dem  Petersberge  bei  Halle  a.  d.  S.,  bis  1207  voll- 
endete der  Kellermeister  Tidericus  eine  neue.  —  Während  in  Köln  schon 
1250  der  Laie  Johannes  als  ^>factor  organorum*  vorkommt,^  wird  der  Do- 
minikaner Ulrich  Engelbrechty  ein  Schüler  des  Albertus  Magnus,  um  1260 
als  Verfertiger  der  ersten  Orgel  für  das  Strafsburger  Münster  genannt ,  wie 
denn  bis  zum  Ausgange  des  Mittelalters  sich  einzelne  Mönche  mit  dem 
Orgelbau  beschäftigten;  dagegen  wurde  für  die  neue  gröfsere  daselbst  im 
Jahre  1292  der  magister  guncelinus  de  Francforty  also  wohl  auch  ein  Laie 
angenommen.  In  Ratzeburg  wird  1292  eine  Orgel  erwähnt,  welche  zur 
Begleitung  des  Gloria  bei  den  Memorien  des  Bischofs  Ulrich  bestimmt  ist, 
und  1293  der  Beschlufs  der  Anschaffung  einer  für  den  Dom  zu  Güstrow. 
—  InNördlingen  soll  es  schon  im  XIII.  Jahrh.  einen  besoldeten  Orga- 
nisten gegeben  haben.  —  Im  J.  1312  erbaut  ein  Deutscher  eine  Orgel  in 
Venedig,  und  bei  der  Oberkirche  zu  Frankfurt  a.  0.  hat  sich  vomJ.  1330 
eine  Instruktion  für  den  Organisten  erhalten:  ^wy  eyn  or geniste  syn  ding 
holden  5a/.«  Darin  heifst  es,  wer  der  Orgel  vorsteht,  der  soll  zu  den  Zeiten, 
wo  man  auf  den  Orgeln  singen  soll,  in  den  Chor  zu  dem  Schulmeister  gehen 
und  ihn  um  einen  Treter  bitten,  zugleich  sich  mit  ihm  besprechen,  was  man 
singen  solle ,  damit  Chor  und  Orgel  übereinstimmen ,  und  nicht  eine  Konfu- 
sion entstehe.* —  Im  J.  1333  wird  die  Orgel  in  St. Thomas  zu  Strafsburg 
erwähnt,  1343  ein  besoldeter  Organist  im  Dome  zu  Schwerin,  1388  die 
Orgel  in  der  Martinikirche  zu  Braunschweig.  Das  Cistercienserkloster 
Marienfeld  bei  Gütersloh  erhielt  unter  Abt  Johann  (1387—  1400)  ein  Or- 
ganum valde  mmpiuosumJ  —  Um  1400  lebt  der  Orgelmeister  Jörg  zu 
Wien,  welcher  die  grofse  Orgel  zu  St.  Stephan  daselbst  und  auch  viele 
andere  in  dem  ganzen  Lande  zu  Österreich  machte  und  verbesserte.^  —  Bei 
den  Benediktinern  bürgerten  sich  die  Orgeln  erst  seit  der  2.  Hälfte  des  XV. 
Jahrh.  ein,  weil  das  Ordenskapitel  darin  eine  Trübung  des  Chorgesangs  er- 
blickte. —  Im  Laufe  des  XV.  Jahrh.  vervollkommnete  sich  der  Orgelbau 
wesentlich.  Auf  dem  Genter  Altare  der  Gebrüder  van  Eyck  von  1432  im 
Museum  zu  Berlin  ist  eine  Orgel  spielende  Jungfrau  vor  einem  grofsen  mit 
Handhaben  versehenen  Positive  dargestellt,  dessen  im  Prospekt  stehende 
Metallpfeifen  völlig  den  noch  jetzt  üblichen  gleichen;  auch  hat  dieses  Werk 
bereits  eine  chromatisch  geordnete  Klaviatur  und  anscheinend  zwei  Register- 
züge; die  Art  und  Weise,  wie  die  Spielerin  die  Tasten  niederdrückt,  setzt 
eine  schwere  Spielart  voraus.  —  Ein  wichtiger  Fortschritt  war  die  Erfindung 
des  Pedals,  welche  dem  Heinrich  Drassdorf  (Traxdorf)  zu  Nürnberg  1444, 
oder  einem  Deutschen  Namens  Bernhard  in  Venedig  um  1470  zugeschrie- 


der  schwarzen  Kunst  viel  »höher  und  kleiner«  zu  singen  als  alle  Menschen.  Auch  konnte 
der  Sage  nach  bei  dieser  Orgel  niemand  länger  als  24  Stunden  lebendig  bleibeoi  wegen 
des  »arsenikaiischen«  Dunstes,  der  sich  entwickelte,  wenn  sie  »geschlagene  wurde. 

*  Fahne,  Ani,  Diplomat.  Beiträge  zur  Gesch.  der  Baumeister  des  Kolner  Domes,  38. 

*  Spieker,  Ch.  W.,  Beschreib,  u.  Gesch.  der  Marien-  oder  OberMrche  zu  Frank- 
furt a.  0.,  30.  —  Abbild,  von  Orgeln  aus  dem  XIV.  Jahrh.  in  "Wagner,  Trachten- 
btch  des  M.-A.    Hft.  5,  Bl.  7,  Fig.  10  u.  12. 

'  Nord  hoff,  J.  B.,  im  Repertor.  f.  Kunstwissschft.  V,  308. 

*  Vergl.  Schneegans,  L.,  im  Anz.  O.  M.  1857,  Sp.  177  ff. 


Orgelbauer.  327 

ben  wird.  Im  Anfange  des  XVI.  Jahrh.  hatte  selbst  die  »kleine«  Orgel  im 
Erlöster  Ribnitz  bereits  ein  Pedal,  welches  1530  neu  gemacht  wurde. ^  — 
Die  noch  in  der  Renaissance  übliche  Disposition  der  im  Prospekt  stehenden 
Pfeifen  erscheint  schon  mindestens  seit  der  Mitte  des  XV.  Jahrh.  gewöhnlich : 
der  Orgelmacher  Meister  Stephan  Kaschendorf  baut  1460  die  Orgel  in  der 
Elisabetlikirche  zu  Breslau,  Tomit  zweien  Ausladungen  und  Türmen^.^  — 
Ausführliche  Nachrichten  über  einen  Orgelbau  sind  uns' namentlich  über 
den  Ulmer  durch  den  Meister  Ludwig  1431  — 1433  erhalten.'  Namen  von 
Orgelbauern  sind  seit  der  zweiten  Hälfte  des  XV.  Jahrh.  vielfach  auf 
uns  gekommen;  dem  geistlichen  Stande  gehörten  an:  der  Priester  Michael 
Grolach  (Gerlach?)  von  Lypss  (Leipzig?),  welcher  mit  Hilfe  von  Peter  Gareis 
(Generis  oderGereis)  aus  St.  Polten  in  Österreich  1433  die  Orgel  im  Münster 
zu  Strafsburg  neu  erbaute;^  1488  erbaute  der  Laienbruder  Konrad  Sit- 
tinger  zu  St.  Blasien  die  dortige  Orgel,  auch  die  in  der  Münsterkirche  zu 
St.  Trudpert;  der  Mönch  Johannes  erhielt  1507  für  die  kleine  neue  Orgel 
in  der  Oberkirche  zu  Frankfurt  a.  0.  26  Fl.  und  im  folgenden  Jahre  wie- 
derum eine  Zahlung  für  das  Stimmen  dieses  Positivs;^  Jakob  Kunigsschwerd, 
Frater  des  Klosters  Zwetl,  erneuerte  1544  die  Orgel  bei  der  untern  Sakristei 
in  St.  Stephan  zu  Wien,  und  war  ein  so  berühmter  Künstler,  dafs  ihn  König 
Ferdinand  nach  Prag  berief,  um  dort  eine  neue  Orgel  zu  verfertigen.®  — 
Um  1500  galten  die  Orgeln  in  der  Barfüfserkirche  zu  Nürnberg  (von 
Konrad  Rotenburg  um  1495)  und  in  der  Kapitelskirche  zu  Bamberg  als  die 
besten,  und  die  Orgel  im  Dome  zu  Braunschweig  (von  Heinrich  Kranz 
1499)  für  die  gröfste  in  Deutschland. 

Erhalten  haben  sich  nur  wenig  mittelalterliche  Orgeln,  oder  vielmehr 
bis  auf  wenige  Reste  der  Orgelwerke  eigentlich  nur  die  Gehäuse  nebst  den 
Emporenbrüstungen,  und  diese  gehören  dem  Ende  des  XV.  und  dem  XVI. 
Jahrh.  an;  noch  aus  dem  XV.  Jahrh.:  zuDeutsch-Brod  in  Böhmen,"^  in  der 
Stiftskirche  zu  Bützow,  in  der  Marienkirche  zu  Dortmund,^  zu  Seckau 
(zwischen  1480  und  1510  von  Michael  Rosenauer),^  im  Münster  zu  Strafs- 
burg (von  Friedrich  Krebser  von  Anspach  1489),*®  in  der  Karmeliterkirche 
zu  Kiederich  (1492 — 1510,  vielfach  umgewandelt,  neuerdings  sorgfältig 
stilgemäfs  restauriert)  ;**  aus  dem XVI.  Jahrh. :  in  der  Jakobikirche  zu  Lübeck 
die  grofse  Orgel  (von  Peter  Lasur  1504),    in  der  Marienkircke  daselbst 


'  In  der  gröfetenteils  ungedruckteD  Chronik  des  Klosters  von  Lambert  Staggert 
hei&t  es  (nach  einer  ffütigen  Sütteilung  des  Herrn  Dr.  Crull  zu  Wismar):  *In  dessem 
iar  M^  XXX  sint  ae  Jaenen  orgden  affghesungen,  welker  metister  Hans  Rauenna 
—  anghehatien  heft  —  de  claver  nyg  tho  maJcen  vnde  dat  peacU.* 

'  Schmeidler,  die  ev.  Haupt-  u.  Pfarrk.  zu  St.  Elis.,  91. 

3  Pressel,  Ulm  und  sein  Munster,  46  f. 

*  Schneegans,  a.  a.  0.,  8p.  178.  —  Kraus,  I,  396. 

*  Spieker,  a.  a.  0.,  31. 

*  Tschiscnka,  St.  Stephan  in  Wien.   2.  Ausg.,  108. 
^  VergL  Grueber.  IV,  154. 

*  Abb.  V.  Quast,  in  der  Zeitschr.  f.  Bauw.  1853,  Bl.  9,  Fig.  3. 

*  Vergl.  Kirchenschmuck  Sekkau.  I,  28. 

»  Abb.  bei  Gailhabaud,  Denkm.  Lief.  CXXXI.  —  Schmidt,  Ch.  W.,  der  Auf- 
riß zu  d.  Orgel  d.  Münst.  z.  Str.  —  Org.  f.  ehr.  K.  1871,  No.  17  Beil.  —  Kamee, 
meubles.  Taf.  63. 

«»  Abb.  V.  Quast,  a.  a.  0.,  Fig.  2. 


die  grofee  Orgel  (vod  Meister  BartoliJ  Hering  1516—18)'  und  die  kub  der 
dortigen  Eatharinenkirche  atammende  kleine  Aber  der  Totentuukapelle. 


.    Ors*l  >v  DnliDBDil  (mcI 


Daa  grorse,  ans  mehr  als  200  Pfeifen  beBtehende  Orgelwalzwerk  anf  der 
Festung  Hohen-Salzbnrg  (nnter  dem  Namen  *Homt  oder  tSlier*  als 
Stadtwahrzeichen  geltend)  ans  der  Zeit  von  1495 — 1619  ist  im  J.  1856  nach 

'  Abb.  Förster,  Baut.  VL  Taf.  au  S.  31. 


Orgeln.  329 

laDgem  Verfall  wieder  hergestellt  worden.*  Die  Orgel  zu  Ostbevern  bei 
Münster  in  Westfalen  ist  vielleicht  von  1505,^  die  zu  Rysum  bei  Emden 
von  1516,  zu  Groothusen  bei  Emden  von  1520,  die  im  Münster  zu  Kon- 
stanz 1520 — 1532  von  Hans  Orgelmacher,  zum  Teil  noch  erhalten.  Ein 
gotisches  Gehäuse  befindet  sich  auch  noch  zu  Scharnebeck  bei  Lüneburg 
und  Reste  einer  gotischen  Orgelbrüstung  im  Museum  zu  Zabern  i.  Elsafs. 
—  Die  Orgeln  zu  Dortmund  und  Strafsburg  haben  ihre  Stelle  an  der 
nördlichen  Langseite  des  Schiffs;  auch  die  grofse  Orgel  im  Ulmer  Münster 
stand  auf  dieser  Seite  zwischen  dem  4.  und  5.  Pfeiler ,  und  im  Dome  zu 
Stendal  befindet  sich  noch  eine  kleine  einfach  geschnitzte  und  bemalte  Orgel- 
empore im  nördlichen  Seitenschiff,  wie  auch  die  sogenannte  Schwedenorgel 
zu  Dinkelsbühl,  deren  bereits  oben  S.  99  gedacht  worden  ist.  InPreufsen 
soll  diese  Abweichung  von  der  normalen  Stellung  am  Westende  öfters  vor- 
kommen. —  Die  kleinen  Orgeln  wurden  sehr  häufig  auf  Emporen  im  nördl. 
oder  südl.  Flügel  des  Querschiffs  angebracht.  —  Die  künstlerische  Ausge- 
staltung und  Verzierung  der  Orgelgehäuse  folgt  dem  in  der  Architektur  der 
Zeit  herrschenden  Geschmack:  das  van  Eyck'sche  Positiv  ist  am  unteren 
Teile  des  Kastens  mit  reichem  Mafswerk  schön  geschmückt;  die  Orgel  in 
Kiederich  zeigt  an  ihren  Türmen  den  Zinnenkranz ;  die  in  Dortmund  hat 
vegetabilischen  Charakter;  die  in  Strafsburg  läfst  die  Horizontallinie  über- 
wiegen; die  grofse  Orgel  in  Lübeck  (über  22,50  hoch  und  halb  so  breit)  ist 
ein  mächtiger,  pflanzenhaft  behandelter  Tabernakelbau  mit  einer  Figur  der 
Himmelskönigin  im  Wipfel.  Die  zuDeutsch-Brod  besteht  aus  zwei  vier- 
eckigen Türmen  mit  Wimpergen  und  Fialen  und  einem  niedrigeren  in  der 
Mitte  über  dem  Spieltische,  von  welchem  treppenförmige  Zwischenstücke  zu 
den  Ecktürmen  emporsteigen.  Das  Ganze  ist  durch  bemalte  Flügeltüren 
zu  verschliefsen.  Nicht  selten  wurden  diese  Orgeltüren  mit  wertvollen  Ma- 
lereien geschmückt;  dergleichen  mit  neutestamentlichen  Vorgängen  bemalte 
Tafeln  vom  Anfange  des  XVI.  Jahrh.  haben  sich  z.  B.  aus  der  Stiftskirche 
zu  Wettenhausen  in  der  Pinakothek  zu  München  erhalten.  —  Aufser  Sagen, 
die  sich  an  Orgeln  knüpften  (s.  oben  S.  325,  Note  6),  fanden  sich  auch  an 
manchen  Orgeln  Kuriositäten,  die  zu  förmlichen  Städtewahrzeichen  wurden,^ 
so  befand  sich  an  der  Orgel  zu  Ochsenfurt  ein  Ochse,  der  zu  Zeiten  aus 
der  Orgel  heraustrat  und  ein  Kuckucksgeschrei  von  sich  gab.  Besonders 
aber  gehören  hierher  die  berühmten  »Rohraffen«  an  der  Strafsburger 
Münsterorgel,  zwei  Bestienfiguren,  wahrscheinlich  unten  am  Konsol,  aus 
deren  aufgesperrtem  Rachen  zwei  in  ihnen  versteckte  Münsterknechte  wäh- 
rend des  Pfingstgottesdienstes  das  Volk  durch  Lachen  und  Schreien  belu- 
stigten. Sie  sind  während  der  Reformationszeit  verschwunden,  dagegen  er- 
götzte der  Hahn  an  der  Magdeburger  Domorgel  bei  dem  Gottesdienste  der 
Heermesse  noch  lange  das  evangelische  Volk  durch  sein  Flügelschlagen  und 
Krähen. 

Anmerkung  1.   Die  Tonschrift  bestand  bis  ins  X.  Jahrh.  aus  Neumen 
(mancherlei  Punkten,  Häkchen,  Strichen  und  Schnörkeln),  die  nur  zur  Nach- 


»  Vergl.  Jahrb.  C.-K.  HI,  S.  XVH;  Anz.  G.  M.  1858,  Sp.  288. 
2      »      BickelL  im  Anz.  G.-M  1871,  Sp.  199. 

»      »Orgelwahrzeichen«  im  Eirchenschmuck  1869.  XXV,  31. 


s 


330  Tonschrift    Schriften  über  Musik. 

Hilfe  des  Gedächtnisses  dienten  und  höchst  unbestimmt  und  vieldeutig  waren.  * 
Hucbald  zu  St.  Amand  in  Flandern  (t930)  soll  sich  zuerst  der  Linien  bedient 
haben,  und  der  Benediktiner  Guido  von  Arezzo  in  Toskana  (1000—1050)  er- 
leichterte die  bisherige  Notation  mehrfach ,  namentlich  auch  durch  Einführung 
einer  zweiten  gelben  Schlüssellinie  zu  der  schon  vor  ihm  gebrauchten  roten : 
letztere  den  Grundton,  erstere  die  Quinte  bezeichnend.  Die  vermutlich  von 
einem  Laien  ausgegangene  eigentliche  Notenschrift  (Zirkel,  Vierecke  und 
Punkte  auf  einem  Liniensysteme)  blieb  zuerst  von  der  Kirche  ganz  unbeachtet, 
indem  für  den  kirchlichen  Gesang  im  XIL  Jahrh.  noch  lange  die  Neumen  bei- 
behalten wurden.  Im  XIII.  Jahrh.  aber  unterschied  man  bereits  den  Gesang 
nach  der  eigentlichen  Notierung  als  die  Tunusica^  von  dem  blofsen  *usus€ 
nach  der  älteren  Bezeichnung.  So  singen  die  künstlichen  £ngel  im  Graltempel 
(siehe  oben  8.  S2b)per  mtisic  und  per  me.^  —  Auf  Pergament  geschriebene 
Chorbücher,  namentlich  des  späteren  Mittelalters,  kommen  noch  häufig  vor 
und  sind  oft  mit  Miniaturen  geschmückt. ' 

Über  Gesch.  der  mittelalt.  Musik  sind  zu  vergleichen:  Neumaier,  J.,  Gesch. 
d.  ehr.  Kunst,  der  Poesie,  Tonkunst  etc.  1856.  Bd.  I  (Abt.  2);  Kiesewetter, 
Gesch.  d.  europ.  abendl.  Musik.  2.  Aufl.  1846;  Ambros,  A.  W.,  Gesch.  d. 
Musik.  4  Bände  1862—78.  —  Köstlin,  Gesch.  d.  Musik  im  Umriüs.  1875.  — 
Reifsmann,  Aug.,  Illustrierte  Gesch.  d.  deutsch.  Musik  etc.  1881.  —  Nau- 
mann, Emil,  Illustr.  Musikgesch.  etc.,  seit  1880  in  lieff.  —  Mettenleiter, 
Dom.,  Musikgesch.  d.  Stadt  Kegensburg.  1866.  —  Ders.,  Musikgesch.  d.  Ober- 
pfalz.  1867.  —  Jakob,  350—425. 

Mittelalterl.  Quellenschriften  über  Musik  findet  man  gesammelt  bei  Gerbert, 
Scriptores  eccl.  de  musica  sacra  (St.  Blasien  1784).  Der  älteste  imd  wichtigste 
musikal.  Codex  ist  das  Antiphonarium  in  der  Bibliothek  zu  St.  Gallen  aus  oem 
Ym.  JahrlL  (in  Faüksimile  herausgegob.  von  dem  Jesuiten  L.  Lambillotte. 
Paris  1851);  vergL  Schubiger,  Ans.,  die  Sängerschule  von  St.  Gallen  vom 
Vm.— Xn.  Jahrh.  Einsiedem  1858.  —  Belehrend  über  die  Möglichkeit  einer 
sicheren  Entzifferung  der  Neumen  u.  mittelalterl.  Noten  ist  die  von  Lambil- 
lotte, a.  a.  0.  gegebene  Zusammenstellung  eines  und  desselben  Gesanges  (des 
Graduale  der  dntten  Weihnachtsmesse;  Viderunt  omnes  fines  terrae  etc.)  in 
Tonschrift  des  VIII.— XIV  .und  XVII.  Jahrhunderts  aus  Antiphonarien  der  be- 
treffenden Zeit  (abgedr.  auf  der  Musikbeilage  zu  No.  10  des  Org.  f.  ehr.  K.  1855). 
—  Andere  Proben  von  Musikschrift  aus  verschiedenen  Jahrhunderten  bei  Ger- 
bert,  de  cantu  et  musica  sacra  1774.  11,  61  sqq.;  in  Walther,  J.  L.,  Lexikon 
dipl.  2  zugleich  mit  Auflösung  in  moderne  Notenschrift;  bei  Reifsmann,  a.  a.  0., 
36  ff.  198  ff.  und  Naumann,  a,  a.  0.,  189.  190.  208.  —  T.  0.  Weigel,  in 
Leipzig  besafs  eine  Sammlung  von  Faksimiles  spätmittelalterlicher  Musikschrift- 
proben (von  V arges  aus  Nordhausen),  zum  Teil  mit  Miniaturen.  —  Über  die 
alten  musikal.  Bezeichnungen:  Revne  archool.  1850.  12.  livr.  —  Über  die  musi- 
kalischen Instrumente  des  Mittelalters  sind  Quellenschriften:  Sebastian  Vir- 
dung (Priester  zu  Amberg)  Musica  ^etutschtvnd  aussgezogen  etc.  1511;  Mar- 
tin Agricola,  Musica  instrumentalis  deudsch  etc.  Wittem)erg  bey  Rhau  1529; 
später:  Michael  Praetor  ins,  Theatrum  instrumentorum  etc.  Wolfenbüttel 
1620  (siehe  auch  S.  325,  Note  5).  Zu  vergleichen:  Weifs,  Kostümkunde.  II, 
842—856.  m,  493—497.  —  Lacroix,  F.,  les  arts  au  moyen-äge,  187  ff.  — 
Schultz,  Alw.,  das  höfische  Leben  etc.  I,  429  ff.  Diese  aÜe  mit  zahlreichen 
Abbildungen. 


»  Hucbald,  Einen,  (bei  Gerbert,  SS.  I,  117):  '^Incerto  enim  semper  videntem 
ducunt  vestigio.* 

'  Vergl.  Zarncke,  Anm.  auf  S.  117  f. 

3  Beispiele  in  Farbendruck  z.  B.  bei  Naumann,  a.  a.  0.,  Beil.  zu  lief.  5  u.  11. 


Andere  Musüdnstnunente.  331 

Aninerkuag  2.  Auch  andere  MuBikinetrumente  wurden  im  Mittel- 
alter unter  dem  Namen  Organa  znaammengefafBi.  Ihr  Gebraach  beim  eigent- 
licbenKültaB  var  theoretisch  nntersagt  nnd  zwar  alBJndaUierend,  aosoch  von 


ri|.  1».    Ein  ullteUlterilcbH  OrcheHcr,  Bsliaf  in  BwbtrrUK  (aMt  IactoIi). 

Thomas  Aq.,  Snmma  II,  2.qu.  Ol  art.  2  in  obj.  4.  Zudem  bildeten  die  Spiel- 
leute,  80  beliebt  sie  bei  Hoch  und  Niedrig  waren,  als  fahrende  Leute  ein 
bOrgerlich  ehr-  und  rechtloses  GeBchlecht  und  wurden  von  der  Kirche  alB  Ab- 
gefallene behandelt  und  von  den  Sakramenten  ausgeschlosBen.'    Gleichwohl 

'  Erat  1480  wurde  füi  die  unter  dem  Patronat  der  Herren  von  ßappoltetein  dtehende 
GlaJUser  BraderBchaft  der  Spielleute  durch   den  Eardinallegatan  Julianus  die  Xios- 


332  Andere  Miisildnstnimente. 

wurde  die  Instrumentalmusik  schon  frühzeitig  in  den  Klöstern  und  Kloster- 
schulen mit  grofsem  Eifer  geübt,  namentlich  ist  dies  von  Reichen  au  unter 
dem  Meister  Tatto  durch  Walafrid  Strabo*  und  von  St.  Gallen  unter  Tutilo 
durch  Eckehard^  bezeugt,  und  wenigstens  in  Nebengottesdiensten  scheint  sie 
schon  früh  zur  Mitwirkung  herangezogen  zu  sein,  z.  B.  in  dem  Marientempel 
des  jüngeren  Titurel  (Zarncke,  Str.  23,  138)  sollen  neben  der  Orgel  immer 
auch  T^cimbale  pstjUterie  und  ouch  citorie^  zur  Glorie  der  reinen  Magd  und  ihres 
Kindes  erklingen ,  und  auf  den  Gemälden  des  XV.  Jahrh.  sehen  wir  vielfach 
(z.  B.  auf  dem  Genter  Altar)  den  Kirchengesang  durch  Instrumentalmusik  be- 
gleitet. Abgesehen  von  diesem  Gebrauch  beim  Kultus  erscheinen  die  musika- 
lischen Instrumente  auf  den  kirchlichen  Kunstdenkmälem  des  Mittelalters 
hauptsächlich  in  dreifacher  Weise.  Zunächst  in  den  Psalter-Illustrationen, 
unter  denen  in  der  Regel  der  König  David  die  Harfe  spielend  und  umgeben 
von  seinen  Sangmeistern  in  mehr  oder  minder  grofserZahl  nicht  fehlt,  oft  aber 
auch  die  Psalmenverse,  in  denen  die  Instrumente,  welche  zum  Lobe  Gottes 
erklingen  sollen,  genannt  sind,  durch  Abbildungen  erläutert  werden.  Auch 
das  Orchester,  welches  wir,  da  geeignete  Abbildungen  nach  deutschen  Denk- 
mälern nicht  zugänglich  waren,  nach  einem  Relief  in  der  Kirche  St.  Georges 
zu  Bocherville  in  Fig.  129  abbilden,  dürfte  dasjenige  des  Königs  David  vor- 
stellen; die  dazwischen  erscheinende  Tänzerin  kommt  in  diesen  Bildern  nicht 
selten  vor.  —  Sodann  finden  sich  ganz  besonders  häufig  Engelchöre  mit  In- 
strumentalmusik die  himmlischen  Lobgesänge  begleitend ,  sowohl  bei  der  An- 
betung der  Majestas  domini,  als  namentlich  in  Verehrung  der  Himmelskönigin 
und  auf  Grabsteinen  zur  Begrüfsung  der  Seelen,  welche  in  Abrahams  Schoofs 
getragen  werden,  auch  ohne  solche  unmittelbare  Verbindung  für  sich  allein,  wie 
an  dem  Frankenberger  Altaraufsatz  (siehe  oben  S.  145,  Note  1),  oder  auf 
den  Innenseiten  der  zehn  Flügelthüren  der  Heiligtumsschränke  im  Aachener 
Münster  (Abb.  Bock,  Rhein.  Baudenkm.,  U,  11,  Fig.  8).  —  Dagegen  finden  wir 
sie  auch  in  den  Händen  der  bösen  Geister,  welche  damit  teils  zu  den  Aus- 
schweifungen der  Fleischeslust  oder  Eitelkeit,  teils  in  fast  stereotyper  Dar- 
stellung auf  den  Weltgerichtsbildern  zu  dem  Zuge  der  Verdammten  in  den 
Höllenrachen  aufspielen.  Hierhin  werden  auch  die  centauren-  oder  sirenen- 
artigen semihomines  gehören,  welche  mit  musikalischen  Instrumenten  vielfach 
vorkommen,  z.  B.  an  den  Konsolen  unter  den  Apostelfiguren  des  Portals  am 
Frankfurter  Dome,  auf  Glockenreliefs  u.  s.  w.  Endlich  ist  unter  den  hu- 
moristisch-satyrischen Darstellungen  diejenige  mit  musikalischen  Instrumenten 
beschäftigter  Tiere,  welche  gerade  die  allerhäfslichsten  Töne  von  sich  geben, 
als  Esel,  Schwein  und  Bär,  ganz  besonders  beliebt. —  Die  zur  Darstellung  ge- 
brachten Orchester  sind  an  Zahl  oft  ganz  bedeutend,  an  dem  Frankenberger 
Altare  erscheinen  z.  B.  14  Engel,  auf  der  Grabplatte  der  Bischöfe  Gottfried  I 
und  Friedrich  U  im  Dome  zu  Schwerin  22  Könige  mit  verschiedenen  Instru- 
menten. —  Nach  diesen  aufserordentlich  zahlreichen  Darstellungen  läfst  sich 
sowohl  die  Entwickelung  der  Formen  der  Instrumente,  als  die  ihrer  Haltung 


sprechung  vom  Eirchenbanne  erwirkt,  welche  der  Strafeburger  Bischof  Wilhelm  EI. 
1508  bestätigte  und  ihnen  das  divinissimum  eucharistiae  sacramentom  vcrstattete. 

>  Vergl.  Jakob,  423,  Note  2. 

»  Ebd.,  420,  Note  4. 


Andere  Husikmfitnunente.  333 

beim  Spiel  während  des  Mittelalters  mit  völliger  Sicherheit  verfolgen,  dagegen 
herrscht  eine  ziemliche  Verwirrung  in  der  Beziehung  der  schriftlich  überlie- 
ferten und  häufig  wechselnden  Namen  auf  diese  Gestalten,  namentlich  bei  den 
Saiteninstrumenten.  Von  Streichinstrumenten  ist  das  wichtigste  und  häufigste 
die  Viedel  (von  fidiculä),  meist  dreisaitig,  aus  der  die  heutige  Geige  hervor- 
gegangen ist,  sie  selbst  aus  einer  Verschmelzung  der  von  der  irländischen 
Cruth  abstammenden  RoUe  (mit  rundem  Körper  und  noch  sehr  unausgebildetem 
Halse)  und  des  durch  die  Kreuzfahrer  nach  dem  Abendlande  gebrachten,  von 
dem  altarabischen  Rebab  abstammenden  Rebec  (mit  ausgebildetem  Halse  und 
Wirbeln,  während  der  Körper  flach  und  viereckig  war)  entstanden  und  so- 
wohl in  der  Form  der  Handgeige  als  der  Kniegeige  vorkommend.  Saiteninstru- 
mente, die  mit  der  Hand  oder  Stäbchen  gerissen  oder  geschlagen  wurden,  sind 
besonders  der  Psalter  (psalierium)  von  dreieckiger  oder  auch  geschweifter 
Gestalt,  der  wagerecht  quer  vor  der  Brust  gehalten  wurde;  die  Harfe  {harpüj 
cithara  ieuionica^  auch  Notkers  Psalter  genannt)  ebenfalls  dreieckig,  aber 
aufrecht  gehalten  und  schon  der  gegenwärtigen  Form  sehr  ähnlich,  mit  Re- 
sonanzboden und  durch  Kurbeln  zu  stellenden  Saiten;  die  Laute  {Luth)y  ein 
während  die  Harfe  mehr  dem  Norden  angehört,  mehr  im  Süden  beliebtes  gui- 
tarreartiges  Instrument  mit  langem  Griffbrett,  teils  senkrecht  auf  das  Knie 
gestützt,  teils  wagerecht  vor  der  Brast  gehalten  und  mit  einem  Plectrum  ge- 
spielt; das  Hackebrett,  eine  liegende  Zither,  der^n  Saiten  durch  Klöppel 
geschlagen  wurden,  schon  im  IX.  Jahrh.  in  St.  Gallen  in  Gebrauch,  und  die 
Leyer  {Organistrum) ^  eine  Laute,  deren  Saiten  durch  Drehung  einer  Kurbel 
zum  Tönen  gebracht  wurden,  in  alter  Zeit  so  grofs,  dafs  sie  von  zwei  Personen 
gespielt  wurde,  deren  eine  die  Kurbel  drehte,  die  andre  die  zur  Erzeugung  der 
verschiedenen  Töne  dienenden  Stege  aufhob,  später  verkleinert  und  zur  »Bettler: 
leyer«  herabgesunken.  Von  Blasinstrumenten  kommen  vor:  die  Flöte  oder 
Pfeife  {ßwegula^  sambucca,  fistuia)j  hauptsächlich  als  Langflöte,  aber  auch  als 
Querflöte,  mit  Begleitung  einer  kleinen  Trommel  (sumber)  von  einer  Person 
gespielt  und  meist  zum  Tanze  gebraucht;  die  Schalmei  (caiamus),  das  uralte 
Hirteninstrument  mit  Mundstück,  Vorfahr  der  Oboen  und  Klarinetten;  der 
Dudelsack  oder  die  Sackpfeife,  neben  der  Schalmei  das  älteste  Volksinstru- 
ment; die  Trompete  (tubä)y  meist  in  gerader,  sehr  langer  Form,  schon  im 
XV.  Jahrh.  jedoch  auch  in  der  neueren  gewundenen,  von  jeher  namentlich  als 
Instrument  der  Engel  beim  Weltgericht;  und  das  Hörn  (comu)y  ursprünglich 
wirkliche  Stierhömer  oder  Elephantenzähne  in  natürlicher  Krümmung,  haupt- 
sächlich als  Hüfthörner  getragen  und  als  Reliquienbehälter  (siehe  oben  S.  219) 
vielfach  direkt  in  kirchlichen  Gebrauch  gekommen.  Aufserdem  ist  noch  beson- 
ders zu  nennen  das  tympanum,  ein  paukenartiges  Instrument,  das  an  einem 
Bande  um  den  Hals  getragen,  mit  einem  Schlägel  geschlagen  und  mit  der 
Hand  gedämpft  wurde,  und  das  cymbalum,  die  Schelle,  die  oft  zu  einem 
Glockenspiele  ausgedehnt  wurde,  dessen  an  einem  wagerechten  Stabe  schwe- 
bende Glöckchen  mit  einem  Stabe  geschlagen  wurden.  Auf  unserer  Abbildung 
sehen  wir  zunächst  eine  Figur  mit  der  Kniegeige,  dann  zwei  mit  dem  Orga- 
nistrum, darauf  eine  nicht  recht  deutlich  wohl  mit  der  Flöte  und  Trommel, 
dann  eine  gleichfalls  nicht  recht  deutliche  mit  einer  Laute  (?),  dann  folgen 
Psalter,  Handfidel,  nach  der  tanzenden  Figur  (mit  der  Schellentrommel?)  die 
Harfe  und  endlich  zwei  Personen  mit  dem  Glockenspiel. 


334  Grabdenkmäler. 

53.  Die  Sitte,  Verstorbene,  besonders  geistlichen  und  adeligen  Stan- 
des, in  den  Kirchen  und  deren  Nebenräumen  zu  begraben  und  die 
Stätten  mit  Grabdenkmälern*  zu  bezeichnen,  geht  durch  das  ganze 
christliche  Mittelalter;  der  hohe  Chor  blieb  indes  in  der  Regel  von  Grär 
bern  frei,  und  aufser  gekrönten  Häuptern  wurden  nur  die  Stifter  der 
Kirchen  hier  beigesetzt  Während  das  Mittelschiff  gewöhnlich  der  höhe- 
ren Geistlichkeit  vorbehalten  war,  wurden  die  niederen  Geistlichen  und 
vornehme  LÄien,  diese  meist  wohl  nur  infolge  von  Stiftungen  oder  gegen 
sonstige  Bezahlung,  in  den  Seitenschiffen  und  Kreuzgängen  begraben; 
die  Würdenträger  der  Klöster  nicht  selten  im  Kapitelsaal.  ^  —  Die  Grab- 
denkmäler sind  der  Form  nach  entweder  liegende  oder  stehende;  letz- 
tere gehören,  mit  einigen  Ausnahmen  aus  dem  früheren  Mittelalter,  erst 
späteren  Zeiten  an. 

Ursprünglich  war  das  Begraben  von  Toten  in  den  Kirchen  zwar 
strenge  verboten,  und  diese  sollten  aufser  den  Heiligenleibern  und  den  Re- 
liquien in  den  Altären  keine  sterblichen  Überreste  umschliefsen;  indes  selbst 
wiederholte  Verbote  drangen  nicht  durch  gegen  die  allgemeine  Sehnsucht 
der  Gläubigen,  dem  Leibe  in  Erwartung  der  künftigen  Auferstehung  eine 
Ruhestätte  innerhalb  der  geweihten  Mauern  des  Gotteshauses  zu  bereiten. 
Auch  mufste  man  es  gerechtfertigt  finden,  für  hochverdiente  Kirchen-  und 


'  Sammlungen  mittelalterl.  Grabdenkmäler  in  künstlerischen  Abbild.:  Dorst,  J. 
G.  Leon.,  Grabdenkmäler.  (1842.)  1846.  —  Schmidt,  Chr.  W.,  Grabdenkmäler  des 
Hauses  Nassau-Saarbrücken  zu  St.  Arnual.  1846.  —  aus'm  Weerth,  Datierte  Grab- 
mäler  des  Mittelalters  in  den  Rheinlanden.  I.  Bonner  Jahrbb.  LYU,  147 — 151.  — 
V.  Wilmowsky,  J.  N.,  die  histor.  denkwürdigen  Grabstätten  der  Erzbischöfe  im  Dome 
zu  Trier  etc.  Mit  11  Tafeln  1876.  —  Perschman,  Th.,  Nordhaiisens  mittelalt. 
Grabdenkmäler  1880.  —  Hildebrandt,  Ad.  M.,  die  Grabsteine  und  Epitaphien  ade- 
liger Personen  in  und  bei  den  Kirchen  der  Altmark.  1868.  —  Zahlreiche  aus  dem 
mnnöverschen  in  den  verschiedenen  Bänden  von  Mit  hoff.  —  Luchs,  H.,  Schlesische 
Fürstenbilder.  M.  47  Taff.  1872.  —  Walz  u.  Frey,  die  Grabdenkmäler  von  St.  Peter 
u.  Nonberg  zu  Salzburg.  I— III.  1867 — 71.  —  K.  Lind,  die  Grabdenkmäler  während 
des  Mitteläters.  M.  64  Abb.  in  Ber.  u.  Mitt.  des  Alter.- V.  Wien.  XI.  —  Derselbe 
über  nieder -Österreich.  Grabdenkmäler  in  den  Mitt.  C.-K.  XVll.  XVin.  N.  F.  I.  u. 
Ber.  u.  Mitt.  d.  Alt.-V.  Wien.  XIIL  —  WinkleK,  A.,  Grabdenkmäler  in  Ober-Östr. 
in  den  Mitt.  C.-K.  N.  F.  IL  HI.  IV.  —  In  der  Stadtbibliothok  zu  Breslau  befindet 
sich  eine  vom  Grafon  Hovorden  angelegte,  ans  39  Bänden  bestehende  Sammlung  von 
Abbildungen  schlesischer  (jrabdenkniäler.  —  Über  die  verschiedenen  Arten  von  Grab- 
denkmälern vergl.  Schultz,  Alw.,  das  höfische  Leben  etc.  II,-  410 — 416.  —  Eine  sehr 
reichhaltige  chronolog.  Übei-sicht  von  Grabmälem  im  Konversat.-Lex.  für  bild.  Kxmst. 
VU,  364—440  und  die  betr.  Litteratur  ebend.  S.  440  ff. 

*  Die  »Consuetudines*  der  bischöflichen  Kirche  zu  Merseburg  aus  der  Zeit  um 
1323  besagen:  *Nullus  nisi  episcopus  aut  prepositus  in  navi  Ecclesie,  Canonicus 
in  laterihus  in  ecclesia,  et  vicarius  et  aiia  membra  in  ambitu,  layci  foris  sanctum 
michaelem,  nisi  esaent  insignes,  in  anibitu  (d.  h.  in  dem  sog.  kleinen  Kreuzganse 
bei  der  Michaeliskapelle)  aepelientur  et  non  in  ecclesia.*  Yergl.  N.  Mitt.  d.  Th.-S. 
V.  n ,  232.  —  Anderwärts  galten  andere  Gebräuche :  so  befinden  sich  z.  B.  die  Gräber 
der  Erzbischöfe  von  Trier  und  ebenso  die  der  Bischöfe  von  Frei  sing  fast  alle  in  den 
Seitenschiffen  ihrer  Kathedralen.  In  Trier  ruht  Erzb.  Arnold  I.  (f  1183^  unmittelbar 
vor  den  Stufen  des  von  ihm  erbauten  Ostchores  in  der  Axe  des  Mittelscnifb. 


Grabstätten  in  Eirchen  n.  Kapitelsälen.  335 

KloBtervorstände,  wie  auch  für  besonders  ausgezeichnete  Wohlthäter  der 
Kirchen  einen  Grabraum  in  denselben  zuzulassen,  wodurch  allmählich  das 
ursprüngliche  Verbot  in  Vergessenheit  geriet,  und  das  Begraben  der  Toten 
in  den  Kirchen  zur  Sitte  wurde.  *  Am  längsten  wurde  noch  von  den  Cister- 
ciensem  das  Gesetz  aufrecht  erhalten,  dafs  in  ihren  Klöstern  Frauen,  sei  es 
lebend  oder  tot,  nicht  eingelassen  werden  durften,  und  ein  Abt  dieses  Or- 
dens, der  das  Begräbnis  einer  Frau  in  seiner  Kirche  erlaubt  hatte,  wurde 
von  dem  General -Kapitel  im  J.  1193  hart  bestraft.*  Die  Bestattung  von 
Königen,  Königinnen  und  Bischöfen  war  dagegen  überall  in  den  Kirchen 
gestattet,  und  den  Stiftern  derselben  gestand  man  selbst  ein  Grab  in  der 
Mitte  des  hohen  Chores  zu.  Bischöfe  wurden  regelmäfsig  in  ihren  Kathe- 
dralen begraben ;  es  sei  denn ,  dafs  sie  eine  andere  Kirche  gestiftet  hatten, 
in  welcher  sie  denn  auch  ihr  Grab  bestimmten.  So  z.  B.  wurde  Erzbischof 
Bruno  von  Köln  im  J.  965  in  der  von  ihm  erbauten  Kirche  St.  Pantaleon 
begraben,  Bischof  Werner  von  Merseburg  1093  in  der  Kirche  des  von 
ihm  gestifteten  dortigen  Petriklosters  und  Erzbischof  Werner  von  Magde- 
burg 1078  Inder  von  ihm  erneuerten  Marienkirche  daselbst.  Letztere  wurde 
auch  die  Ruhestätte  seines  Nachfolgers  Heinrich  1107,  weil  dieser  wahr- 
scheinlich den  Bau  weiter  geführt  hatte.  Mit  derselben  Kirche,  die  er  aber- 
mals erneuerte,  verband  Erzbischof  Norbert  ein  Prämonstratenserkloster, 
galt  deshalb  als  neuer  Stifter  der  Kirche  und  wählte  auch  sein  Grab  in  ihr. 
—  Ähnlich  verhielt  es  sich  auch  mit  den  Stiftern  und  Wohlthätem  von  Mefs- 
altären,  welche  häufig  vor  denselben  begraben  wurden,  z.  B.  der  Merse- 
bnrger  Bischof  Heinrich  von  Stolberg  1366  vor  dem  von  ihm  in  der  Kathe- 
drale gegründeten  Altare  des  heil.  Kilian,  sein  Nachfolger  Friedrich  von 
Hoym  (gest.  1382  als  Erzb.  von  Magdeburg  in  Merseburg)  vor  dem  von  ihm 
im  Dome  gegründeten  Altare  der  heil.  Barbara  etc.  —  Im  Kapitels  aal  am 
Dome  zu  Magdeburg  befindet  sich  das  Grab  eines  Dechanten  aus  dem 
XIV.  Jahrhundert,  und  nach  den  Statuten  der  Cistercienser  konnten  die  Äbte, 
wenn  sie  es  wünschten ,  im  Kapitelsaale  bestattet  werden ;  im  Kapitelsaale 
des  Cistercienserklosters  Maulbronn  waren  aber  nicht  blofs  mehrere  Äbte 
begraben,  sondern  aufser  einigen  auswärtigen  Stiftsherren  selbst  zwei  als 
fidelis  amica  ht^fus  domus  bezeichnete  T^sorores<^  Mergarthis  (t  1276)  und 
Jutida  und  eine  Bürgerin  von  Speier,  Ella  Swrenin  (t  1345).*  Im  Kapitel- 
saale des  Klosters  Bebenhausen  liegen  mehrere  Glieder  des  Geschlechts 
der  Pfalzgrafen  von  Tübingen  aus  dem  XIII.  und  XIV.  Jahrh.  mit  Frauen 
und  Kindern  begraben,^  und  der  Kapitelsaal  galt  hier  als  die  ehrenvollste 
Begräbnisstätte.  Vergl.  oben  S.  103.  —  Nach  einer  Festsetzung  des  Kir- 
chenpatrons von  1513  mufsten  für  ein  Begräbnis  im  Münster  zu  Freibnrg 


«  Vergl.  Mitt.  C.-K.  I,  57. 

*      »      Feil,  in  den  Mitt.  Kunstdenk.  d.  Österr.  Kaiserst.  I,  9. 

'  Aufserdem  lagen  im  Kreuzgang  auch  noch  eine  Elin  virgo  de  Spiro  (f  1429) 
und  Elisabeth  virgo  de  Spira  (f  1427),  beide  ids  fautrix  hujus  monasterii  bezeich- 
net, und  unter  einem  gemeinschaftlichen  Steine  eine  Pela  Gutae  domina  f  1360  mit 
ihren  Töchtern  Pehi  f  136®,  Guta  f  1351  und  Irmela  f  1387.  Vergl.  Klunzinger, 
Maulbronn,  38;  Paulus,  Maulbronn,  82. 

^  Pfalzfflraf  Rudolf  (t  1219)  war  Stifter  dieses  Klosters;  vergl.  Klunzinger,  Artist 
Beschreib,  der  Abtei  Bebenhausen,  24. 


333  liegende  OnMenkmSler. 

i.  B.  20  rhcin.  Gulden  znm  Kirchenbau  lumb  Gottes  Willen^  entrichtet  wer- 
den, ond  zwar  mit  RückBicht  daraof,  daffi  Papat  Leo  X.  das  Begraben  der 
Toten  in  und  bei  den  Kirchen  der  Stadt  wegen  der  häufigen  Peetläufte 
verboten  und  die  Errichtung  eines  neuen  Gottesackers  aurserhalb  der  Stadt 
befohlen  hatte. ' 

Liegende  Grabdenkmäler:  Leichensteine  oder  BronzepUtten  als 
einfache  Bedeckung  des  Grabes.  Die  Form  der  Steine  war  in  verschiedenen 
Gegenden  und  zu  verachiedenen  Zeiten  verachieden; 
insbesondere  gilt  dies  von  dem  Verhältnis  der  Länge 
zur  Breite,  welches  z.  B.  im  Magd eburgi sehen  in  der 
zweiten  Hälfte  des  XIIL  Jahrb.  wie  5 : 2  ist,  um  1400 
dagegen  oft  wie  5 : 4.  Überhaupt  sind  wohl  fiberall 
die  älteren  Grabsteine  auffallend  schmal.  Am  grOfs- 
ten  pflegen  die  Denksteine  mancher  Erbgrüfte  ans  der 
2.  Hälfte  des XIV.  Jahrb.  zu  sein,  die  z.B.  in  Greifa- 
vald  das  Hafs  von  2,9U  X.  1,6U  erreichen.  Während 
sonst  das  Rechteck  die  gewöhnliche  Form  ist,  kommt 
znKCIu  in  St.  Maria  auf  dem  Kapitol  (nnter  der  Orgel) 
eine  ganze  Reihe  von  Grabateinen  ans  rotem  Sandstein 
vor,  ein  ähnlicher  auch  in  St.  Pantaleoo  und  in  der 
Krypta  zu  Laacb  (Abb.  aus'm  Weerth,  LH,  10),  die 
ohne  Zweifel,  weil  sie  ursprunglich  als  Deckel  von 
Steinsärgen  dienten,  zu  Häupten  etwa  um  ^U  breiter 
sind  als  zu  denFttfsen,  und  das  Verhältnis  der  unteren 
Breite  zu  der  etwa  2,20  betragenden  Länge  ist  wie 
1:3.  HOchst  eigentümlich  ist  die  Verzierung  dersel- 
ben mit  einem  flach  erhabenen  Stabwerk,  welches 
FK.  im.  G«i»Miii        gich   teils  kreuzfSrmie  durchachneidet ,    teils    durch 

in  St.  Maria  tut  A.  Kapitol     „j  ^f  iL  1.1  1.  !.■_• 

■B  KBin  (nuta  T.  Qaan).  RundUDgen  eine  gröfsere  Abwechslung  hervorbringt; 
auf  einzelnen  finden  sich  Krensstäbe,  auch,  wie  es 
scheint,  Bischofstäbe  angedeutet,  und  einige  sind  im 
Spätmittelalter  nochmals  benutzt  worden  und  dem  entsprechend  mit  In- 
schriften etc.  versehen.  Data  über  das  eigentliche  Alter  dieaer  Steine  fehlen 
ganz.  Die  Annahme  ihres  Uraprunga  aus  fränkischer  Zeit  ist  unvereinbar 
mit  dem  häufigen  Vorkommen  ähnlicher  Stein-Särge  und  Deckel  wie  am 
Rhein  und  dessen  nächster  Umgegend  von  Worms  abwärts,  so  auch  an  der 
Nordsee  und  der  benachbarten  Jahde  und  Weser,  in  den  Halligen  an  der 
Westküste  von  Schleswig  und  wahrscheinlich  bis  nach  den  Ufern  der  Ostsee 
in  Selioonen  hin.  Sie  weisen,  anknüpfend  allerdinga  an  rSmische  Tradi- 
tionen, durch  Material,*  Technik  und  Verzierungsart,  die  an  Metallbeschläge 
von  Holzkisten  erinnert,  auf  daasetbc  mittel  rheinische  Fabrikcentrnm  hin 
(nach  von  Cohausen:  Miltenberg  a.  Main),  von  woaus  sie,  wie  die  nieder- 
rheiniachen  Bausteine  (siehe  oben  S.  34)  über  Holland  zur  See  wahrschein- 

'  (Suhreiber)  Denkm.  deutscher  Baukoiist  am  Oberrheio,  Beil.  211111  2.  Text- 
heft, 22. 

*  Die  in  Schleswig  gefundenen  sind  freilich  aus  den  giaugelWiclieD  Sandsteine  an 
der  oberen  Elbe  gefertigt 


Liegende  Grabdenkmaler.  337 

lieh  Jahrhunderte  hindurch  verachifft  worden  hinä.   Die  einzige  mit  einer 
nie htd stierten ,  &bcr  wohl  authentiechen  nod  aus  dem  XIII.  Jahrh.  stam- 
menden Inschrift  {Hicjacei  Conradus  sacerdos  orate  pro  eo)  versehene  Platte 
befindet  sich  in  der  Kapitolskirche  zu  Köln  (siehe  Fig.  130)  und  wird  als 
eine  der  jüngsten  der  ganzen  Gattung  anzusehen  sein. ' 
Die  oben  breitere  trapezförmige  Form  ist  auch  sonst  bei 
den  älteren  Grabsteinen  häufig,  z.  B.  an  der  Bronze- 
platte  mit  der  Relieffigur   angeblich   Erzbischof  Adal- 
berts  (t  981)  im  Dome  zu  Magdeburg,'   aber  auch 
noch  an  der  Steinplatte  des  Kanonikus  Peter  von  Thure 
(t  1281)  im  Dome  zu  Brandenbarg;  und  an  die  Ver- 
ziemngsweise  der  beschriebenen  Stein  Sargdeckel  erin- 
nern die  zum  Teil  inachriftlosen  Leichen  steine,  die  nur 
mit  einem  grofsen  Vortragekreuze  gßschmttckt  sind,  wel- 
ches oft  auf  einem  Dreieck,  Halbkreis,  Kleeblattbogen 
oder  verschlungeneu  Kreiaornamente  (siehe  Fig.  131) 
steht,  oft  auch  oben  von  einem  Kreise  umgeben  ist,  wäh- 
rend manchmal  das  Kreuz  auf  der  Stange  auch  ganz 
fehlt  und  durch  einen  Kreis  ersetzt  ist,  wie  auf  einem 
in  den  Ruinen  des  Petersklosters  zu  Goslar  aufgegrabe- 
nen von  1320.^    Diese  Verzierung  findet  sich  schon  auf 
einem  beim  Abbruch  der  Kirche  zu  Mutzig  im  Elsafs 
gefundenen  Sarkophagdeckel  aus  dem  IX.  bis  X.Jahrh.* 
nnd  ist  dann  namentlich  in  Sächsischen  Gegenden  bis 
hinauf  nach  Greifswald  verbreitet,*  ebenso  aber  anch 
in  Österreich.^  —  Sehr  selten,  und  dann  wohl  auch  alte-    Fig.  ui.  onbitein 
rer  Zeit  angehörig,  sind  solche  Grabsteine,  welche  den      ""m"!!!«!*«*" 
römischen  entsprechend  an  der  oberen  Schmalseite  gie-         <"'*''  *■"")■ 
beiartig  zusammenlaufen,  wie   der  des  Bischofs  Rich- 
winus  von  Naumburg  (t  1125)  in  St.  Moritz  daselbst,^  auch  einer  in 
der  Kapitolskirche  zn  Kölu,  der  nur  eine  Lilie  (in  der  Regel  das  Zeichen 
eines  Frauengrabea)  enthält,  über  welcher  oben  ein  Krenz  sich  erhebt,  und 
frühestens  dem  XIII.  Jahrh  angehören  soll,  und  der  Grabstein  des  hessischen 
Landgrafen  Heinrich  d.  Ungehorsame  (t  1298)  mit  dem  Umrlfsbilde  des 
Verstorbenen  im  langen  Hauskleide  in  der  Elisabethkirche  zu  Marburg. 
An  den  oberen  Ecken  bedeutend  abgeschrägt  sind  die  Bildsteine  des  Sieg- 
fried Leube  (nach  1289)  in  Heiligenkreuz  (Abb.  Mitt.  C.-K.,  XVm,  47) 
and  des  Propstes  Marqnard  Krummensee  (t  1412)  im  Dome  zu  Bcanden- 


»  Äbb-Rosenthal,  a.a.O.,  lief.  V.  Taf.  VI,  3;  Brandt,  d.  Dom  zu  Magdeb.,  99. 

»  Vergl.  Chr.  K.-Bl.  1972,  12G.    1873,  134. 

'      »      Kraus,  im  Jahrb.  der  Kgl.  Preub.  Kuast-Sammlmigen.  I,  326. 

»  Beispiele  bei  Mithoff.  L  T«f.  4.  fi.  7.  —  Baudentm.  d.  ftov.  Sachsen.  I,  54. 

—  Steche,  Pirna.  55.  —  Nordhoff,  Kr.  Hamm,  138.  —  Adler,  Bactateinh.  11,24. 

—  Chr.  K.-B1.  1&S2,  26. 

•  Beispiele  Mitt.  C.-K.  XVHI,  47.  129.  —  N.  F.  I,  S.  LVH;  VI,  S.  XXXIX  f.  — 
Grneber.  H.  Fig.  294. 

'  Abb.  bei  Lepsius,  C.P.,  Gesch.  des  Moritzkl.  zu  Naumb.  Taf.  HI,  1  zu  S.  122. 

Olle,  Knnit-ArDblalaglo.    S.  AnU.  22 


138  Gravierte  und  ßeUet-Grabplatton. 

bürg.  —  Während  in  Bronze  gegossene  Or&bplatten  bereits  früher  vorkom- 
men (z,  B.  im  Dome  zn  Uereebnrg 
mit  der  RelieflSgnr  dee  Gegenkai- 
Bere  Rudolf  von  Schwaben,  geat. 
1080),  werden  aeit  dem  XIII.  Jahrb., 
heBoadera  in  Norddeutschland,  He- 
taligr abplatten  (McBBing,  Bronze) 
häufig,  die  aus  mehreren  Tafeln  zu- 
Bammen gesetzt  zu  sein  pflegen  und 
mit  gcBchnittenen  oder  gravierten 
Darstellungen  versehen  sind:  die 
älteste  bis  jetzt  bekannte  Platte 
(von  1,99  X  0,73)  mit  gravierter 
Zeichnnng  de«  Verstorbenen  (Bi- 
schöfe Yso  von  Verden,  gest.  1231) 
befindet  sich  in  der  von  demsel- 
ben gegründeten  ÄndrcaBkirche  da- 
selbst. •  —  Die  ältesten  Grabsteine 
mit  dem  Bilde  des  Verstorbenen 
zeigen  dieses  ebenf^ls  nur  in  ver- 
tieften Umrissen,  die  zuweilen  mit 
schwarzem  oder  rotem  Kitt  ausge- 
füllt sind:  Reliefbilder  wurden  an- 
fangsvermieden, umdenFnfsboden 
nicht  uneben  zu  maclien;'  sie  ge- 
hören erst  späterer  Zeit  an,  wenn 
auch  einzelne  bereits  im  XIII.  Jahrb. 
vorkommen,  z.  B.  der  Grabstein  eines 
Ritters,  dem  Wappen  nach  eines 
Herrn  v.  Hahn,  im  kleinen  Kreuz- 
gang  am  Dome  zn  Merseburg.*  — 
Eine  elgentttmliche  Gattung  bilden 
mehrere  Grabplatten  ans  dem  XIV. 
Jahrb.  in  der  Klosterkirche  zuDo- 
heran,  welche,  im  Anschlnfs  an  dSB 
in  Norddeutsch  Und  vorherrschende 
Backstoinmaterial,  aus  einer  Mosaik 
kleiner  Ziegelplättchen  (4 — 500  zn  einem  Leichen  st  eine  von  ca.  2,ii  x  1,02) 
zusammengesetzt  sind,  die  in  quadratischer  Form  gebildet  ein  Schaehmnster 
von  abwechselnd  roter  und  dunkler  Farbe  darstellen,  und  teilweise,  wie  die 
zur  Beplattnng  der  Fnfsböden  (s.  oben  S.  93  f.)  dienenden  figurierten  Ziegel, 
mit  Tierbildem  oder  Ornamentmastem  versehen  sind.*  Die  Platten  wurden 

1  Abb.  Mithoff.  V.  Taf.  3. 

>  Das  Generalliapitel  der  Cistercieneer  von  1194  verordnete  wegen  der  Grabsteine: 
»Cooeguenfur  terrae,  ne  ginl  offendiculo  tranaeuntium.t     Vcrgl.  Feil,  a.  a.  0. 

'  Abbild,  bei  Puttrieh.  II.  Serie  Mfiraeburg,  Bl.  VUI.  4  u.  5. 

'  VergL  Mectl.  Jahrbb.  K,  42S;  XIS,  S^b;  Abb.  in  der  Zeitschr.  f.  ehr.  A.  u.  K. 
n,  Taf.  2  EU  S.  28  S. 


Tumben.  339 

in  alter  Zeit  vielfach  zum  Schntze  mit  einer  Holzkiste  oder  einer  auf  Fttfs- 
chen  stehenden  Holztafel  überdeckt.  Eine  solche  befindet  eich  noch  über 
dem  Grabe  Kaiser  Heinrichs  I.  im  Dome  zn  Quedlinburg,  frtlher  auch  anf 
der  Platte  des  Herzogs  Boleslaus  zu  Kloster  Leubus  nnd  der  des  Herzogs 
Wenzel  vor  der  Barbarakircbe  zu  Breslau. 


Plg,  133.    TunbsD  In  FUntenchor  dei  EliubithUrcha  in  Miibnrg  (mch  UiiDUlamb«n). 

Tumben:  aufgemauerte  mit  einer  Stein-  oder  Metallplatte  bedeckte, 
auch  ganz  aus  Metallplatten  zusammengestellte,  über  den  Fufsboden  er- 
hobene Gräber  oder  Grabmäler.  —  Die  altereu  sind  nur  niedrig  und  um- 
echliefsen  zuweilen  wirklich  den  Leichnam.  Dahin  gehört  das  Grab  Kaiser 
Otto's  des  Grofsen  in  der  Mitte  des  hohen  Chores  in  dem  von  ihm  zuerst  ge- 
stifteten Dome  zu  Magdeburg:  unter  einer  schliehteu  Marmorplatte  ruhen 
die  Gebeine  flber  der  Erde  innerhalb  eines  aus  Mörtelgufs  bestehenden,  an 


nicht  ganz  so  groa- 
iste. '  —  Die  mit  der  bereit» 
iedrige  Tumba  Rudolfs  von 


manchen  Stellen  nur  einen  Zoll  dicken  Kastens,  i 

sen,  roh  ans  starken  Brettern  gearbeiteten  Holzkis 

erwähnten  Gufsplatte  bedeckte,  ebenfalls  ganz  nie< 

Schwaben  in  der  Vierung  des  Dams  von  Merseburg  ist  massiver  Stein,  an 

den  Seiten  mit  schlichter  Täfelung  gegliedert.  —  Seit  dem  XIII.  Jahrh. 

kommen  Tumben  In  Form  eines  Altars  vor,  z.B.  das  Hochgrab  der  Cunrod///. 

reffü  genitrix  Adelheida  (welche  1037  das  Stift  gegründet  hatte)  von  1241 


'  Dieses  wohl  aus  dem  Xm.  Jahrh.  herrührende  (also  nicht  das  orspriingliohe) 
Grab  mulste  am  2i.  Nov.  1S44  wegen  Schadhaftigkeit  geö&et  werden. 


in  der  Graft  der  Stiftskirche  zu  Öhringen  mit  4  Ecks&nlen.  —  Zuweilen, 
namentlich  in  den  Rheinlanden,  stehen  die  Tnmben  niclit  frei,  Hondern  sind 
mit  einer  Seite  an  die  Wand  ge- 
rOckt  nnd  niechenartig  überbaut. 
Sie  scheinen  ans  den  anfgemaner- 
ten  BogengTflbern  {arcosoUä)  der 
Katakomben  hervorgegangen  zu 
sein  nnd  waren  nur  mSglich ,  wenn 
das  Grab  selbst,  wie  bei  den  älte- 
sten Bischofagrfibern  im  Dome  zu 
Trier,  sich  unmittelbar  an  einer 
Wand  befand.  Die  Bogenarchi- 
tektnr  entspricht  dem  Jedesmali- 
gen Baustile  der  Zeit.  In  der 
romanischen  Zeit  ist  die  Tnmba 
selbst  niedrig  nnd  schlicht  nnd 
der  Rundbogen  der  Nische  wird 
von  Säulen  getragen,  wie  bei  den 
ans  dem  XIII.  Jahrh.  herrühren- 
den BogengrSbern  der  ErzbischOfe 
Udo  (t  1078),  Egilbert  (t  1101), 
Bruno  (t  1124)  von  Trier  und  des 
römischen  Kardinals  Ito  (t  1143) 
im  Dome  zu  Trier.'  In  der 
gotischen  Periode  erscheint  die 
Tumbaaltarförmig  erhöht,  an  den 
Seiten  mit  Arkaturen  nnd  oben 
mit  der  Relieffigur  des  Verstorbe- 
neu geschmückt,  nnd  die  Nische, 
deren  Wandfläche  zuweilen  zn 
einem  Gemälde  benntzt  ist,  wird 
durch  eine  Wimberge  gebildet, 
wie  an  den  Gräbern  der  Trierer 
ErzbischOfe  Heinrich  vonFiuatin- 
gen  (t  1286)  im  Dome  zu  Trier,' 
Kuno  von  Falkenstein  (t  1388)  und 
Werner  von  Königatein  (t  1418) 
in  St.  Kastov  zu  Koblenz*  nnd 
des  Strafsbnrger  Bischofs  Rachio 
(t  815)  zu  Nieder-Haslach,* 
*''"'"■  (S^V'Stt!.™™  " '^''"  Im  Kloster  Eberbach   sind   in 

einer  schönen  Wandnische  später 
die  Reliefplatten  der  Erzbiachöfe  Gerlach  (t  1371)  und  Adolph  U  (t  1475) 


'  Abb.  bei  de  Caomont,  a.  a.  0.,  266- Gailhabaud,  lief.  CXHI.   Taf.  1 
»     .     bei  V.  Wilmowsky,  a.  a.  0.,  Taf.  H. 
*     .     aus'm  Weerth.  III,  62  u.  64. 
'     >     Kraus.  I,  199. 


Tumben. 


341 


von  Mainz  EUsamineDgestellt.'  —  Auch  die  sns  vier  gegoaseDen  Bronzeplatten 
zuBammeDgesteUte  Tnmba 
Biachofs  Thilo  von  Trotha 
(t  15 14)  im  Dome  za  Her- 
seborg  steht  an  der  Wand, 
aber  ohneüberbaa.  —  Anf 
Säulen  oder  auch  auf  Lö- 
wen ruhende,  bahrenartige 
Stein-  oder  Hetallgrabmä- 
1er  kommen  in  Dentachland 
anBcheinend  erat  eeit  dem 
XIV.  Jahrhundert  vor  nnd 
werden  erat  gegen  Aus- 
gang des  Mittelaltera  häu- 
figer. Wir  nennen  dag  Mar- 
morgrab der  aeligen  Au- 
velia  (t  1026)  von  1335  in 
St.  Emmeram  zn  Regens- 
barg,'  das  Steingrab  dea 
Landgrafen  Ulrich  von 
Werd  (t  1344)  in  St.  Wil- 
helm zn  Strafsburg*  nnd 
das  Bronzegrab  des  Knr- 
fdrsten  Johann  Cicero  von 
Brandenburg  von  1630  im 
Dome  zu  Berlin.  Eigen- 
tümlich iat  dag  dem  Ende 
dee  XIV.  Jahrb.  angehOrige 

Grabmal  des  heil.  Bmme-      Fig.  lu.  siikopbigniMba  n  Kieder-Hui«ii  (nun  Kmn). 
ram  in  der  ihm  gewidme- 
ten Kirche  zn  Regensbnrg;  das  Bischofebild  ruht  hier  etwas  erhöht  anf  der 


■  Abb.  State  u.  Ungewitter,  Taf.  178. 
'  •  bei  Förster,  Bildnern.  UI,  Taf. 
'     >     Woltraann,  Elsab,  205.    ~ 


ann.  XCTV,  4. 


342  Bildschmuck  der  Grabdenkmäler. 

Erde  unter  einer  an  den  Ecken  von  vier  Säulen  getragenen  leeren,  tischartigen 
Platte  von  rotem  Marmor.*  —  Die  Tumben  sind  oftmals  zum  Schutze  mit  eiser- 
nen Gittern  umgeben;  an  diesen  sind  hie  und  da  noch  Vorrichtungen  zum  Auf- 
stecken von  Lichterh  und  Überhängen  von  Bahrtüchern  bei  den  Memorienfeiem 
erhalten,  in  Deutschland  wohl  nur  an  dem  Grabmale  des  Bischofs  Przeczlaua 
von  Breslau  (t  1376)  im  dortigen  Dome.*  Öfters  sind  sie  auch  mit  Balda- 
chinen auf  Säulen  Überbaut,  so  das  Grabmal  in  der  Klosterkirche  zu  Laach 
mit  einem  kuppelartigen  auf  sechs  Säulen/  in  oblonger  Form  die  Königs- 
gräber im  Dome  zu  Krakau.^  Nach  diesem  System  ist  auch  der  Aufbau 
des  Vischerschen  Sebaldusgrabes  in  Nürnberg  angelegt.  —  Seit  dem  XIIL 
Jahrh.  tragen  alle  Hochgräber  ebenso  wie  die  Grabplatten  ein  Bild  des  Ver- 
storbenen, über  dessen  Gestaltung  und  Beigabe  von  Wappen  Näheres  in  der 
Ikonographie  zu  erörtern  ist.  Hier  ist  nur  anzumerken ,  dafs  gegen  Ausgang 
des  Mittelalters  die  Darstellung  vielfach  eine  ähnliche  wird,  wie  auf  den 
Memorienaltären,  nämlich  dafs  der  Verstorbene  als  Adorant  vor  Heiligen, 
einer  Kruzifixgruppe  oder  sonst  einer  zusammengesetzten  biblischen  oder 
legendarischen  Scene,  zuweilen  nur  wie  eine  Nebenfigur  (z.  B.  auf  dem 
Grabmal  des  Bürgermeisters  Rubenow  zu  Greifswald  von  1462,  s.  Fig.  137) 
erscheint,  womit  der  Übergang  zu  den  Epitaphien  der  Reformationszeit  ge- 
geben ist,  auf  denen  das  biblische  Bild  die  Hauptsache  ist,  und  der  Verstor- 
bene mit  seiner  Familie  nur  als  Zugabe  erscheint.  Auch  die  Seitenwände 
der  Tumben,  ebenso  wie  die  gravierte  oder  in  Relief  dargestellte  Nischen- 
architektur, von  welcher  das  Bild  auf  der  Platte  häufig  umgeben  ist,  wurden 
mit  Figurenbildwerk  geschmückt.  Wo  dies  nicht  Wappen  allein,  oder  mit 
ihren  Wappenhaltem  sind,  erscheinen  zumeist  Heilige  als  Schutzherrn  und 
Fürbitter  für  den  Verstorbenen,  und  auf  mit  reicherem  Bildwerk  geschmückten 
Platten  finden  sich  nicht  selten  zu  Häupten  des  Verstorbenen  die  Darstellung^ 
wie  seine  Seele  in  Gestalt  eines  nackten  Kindchens  in  einem  Tuche  von  Engeln 
dem  Heiland  entgegengetragen  oder  von  ihm  als  Abraham  im  Schofse  ge- 
halten wird,  während  musicierende  Engel  herumstehen.  Statt  der  Heiligen 
treten  manchmal  aber  auch  die  Glieder  der  irdischen,  Fürbitten  und  Sühn- 
opfer für  das  Seelenheil  der  Verstorbenen  darbringenden  Kirche ,  Kleriker 
und  Ordensleute  beiderlei  Geschlechts  ein  (Beispiele :  Graf  Konrad  Kurci- 
bold  (t  948)  im  Dome  zu  Limburg  a.  Lahn;  Pfalzgraf  Heinrich  H.  (t  1095) 
in  der  Klosterkirche  zu  Laach;  Bischof  Przeczlaw  (t  1376)  im  Dome  zu 
Breslau;  Markgraf  Georg  von  Meifsen  (t  1402)  in  der  Klosterkirche  zu 
Schulpforte;  Kurf.  Friedrich  der  Streitbare  (t  1428)  im  Dome  zu  Meifsen; 
Grafülrich  von  Ebersberg  und  Gemahlin  (von  1496)  in  der  Kirche  zu  Eber s- 


*  Abb.  Grf.  v.  Walderdorff,  Regensburg,  147. 

2  »     Luchs^.  a.  0.,  Taf.  1. 

3  »     aus'm  Weerth.  Taf.  LH,  9. 

*  »  bei  Essenwein,  Krakau.  —  Eigentümlich  ist  das  hölzerne  hausförmige 
Grabmai  des  Herzogs  Barnim  VI.  von  Pommern -Wolgast  (f  1405)  in  der  Kirche  zu 
Kenz  bei  Barth,  dessen  Dachflächen  um  ihre  obere  Achse  gedreht  werden  können, 
wodurch  die  im  Innern  ruhende  lebensgrofse  Schnitzfigur  des  Verstorbenen  sichtbar 
wird.  Verd.  Prüfer,  Th.,  im  Chr.  K.-JBl.  1S73,  180  u.  Archiv.  I,  3  u.  4  mit  Abb. 
Auch  das  oben  S.  192  erwähnte  kostbare  kirchenarti^e  Schnitzwerk  aus  Möchling  stand 
über  dem  Grabe  des  Markgrafen  Albuin  in  der  dortigen  Kirche. 


Bildschmuck  der  Grabdenkmäler. 


344  Bildschmuck  der  Grabdenkmäler. 

berg  in  Bayern).  Nach  einer  andern,  wohl  aus  Frankreich  stammenden  Sitte  er- 
scheint zuweilen  auch  an  dieser  Stelle  ein  Zug  von  Leidtragenden,  teils  in  beten- 
der, teils  in  klagender  Haltung,  die  oftmals,  namentlich  je  höher  der  Rang  des 
Verstorbenen  gewesen,  desto  mehr  übertrieben  zum  Ausdruck  kommt,  sowohl 
Familienglieder  (wie  an  der  Tumba  des  Grafen  Adolf  II.  von  Kleve  (t  1394)  zu 
Kleve),  als  auch  die  Vasallen,  Hofbeamten  und  sonstigen  Untergebenen  des 
Verstorbenen,  unter  denen  neben  dem  Hof  kaplan  selbst  Hofnarr  und  Schutzjude 
vorkommen^  (Beispiele:  Herzog  Heinrich  IV.  (t  1290)  in  der  Kreuzkirche 
zu  Breslau;  GrafGebhard  XVII.  (t  1383)  zuQuerfurt;  Graf  Günther  XXV. 
von  Schwarzburg  (t  1368)  und  Gemahlin  in  der  Liebfrauenkirche  zu  Arn- 
stadt; Landgraf  Otto  der  Schütz  (t  1366)  und  Gemahlin  in  St.  Elisabeth  zu 
Marburg;  König  Ladislaus  Ellenhoch  (t  1333),  Kasimir  d.  Grofse  (t  1370) 
und  Kasimir  IV.  Jagiello  (1492)  im  Dome  zu  Krakau;  Bischof  Johann 
Deher  von  Lebus  (t  1465)  im  Dome  zu  Fürsten  walde;  Bischof  Peter  No- 
wack  von  Breslau  (t  1456)  im  dortigen  Dome).  Völlig  allein  steht  der 
Grabstein  des  1360  beim  Messelesen  ermordeten  Pfarrers  Gerhard  von  Lyn- 
don in  der  Kirche  zuNossendorf  beiDemmin,  auf  welchem  in  den  Nischen 
der  die  Figur  des  Verstorbenen  umgebenden  Architektur  nicht  Heilige  oder 
Leidtragende,  sondern  die  vier  Mörder  mit  ihren  Mordwaffen  unter  Beischrift 
ihrer  Namen  verewigt  sind.  Wahrscheinlich  wird  diese  Darstellung  ein  be- 
sonderes Bufswerk  gewesen  sein,  entsprechend  der  Errichtung  der  Mord- 
kreuze (siehe  §.  55,  Nr.  24).  Symbolisch  allegorische  Darstellungen  kom- 
men nur  selten  vor.  Am  Sarkophage  des  Bischofs  Adeloch  in  St.  Thomas  zu 
Strafsburg  und  an  dem  des  heil.  Morand  zu  Altkirch  finden  sich  auf  ihre 
Bestallung  und  Amtsfühining  bezügliche  Reliefs;  an  demjenigen  des  Papstes 
Clemens  IL  (t  1047)  im  Dome  zu  Bamberg  die  vier  philosophischen 
Tugenden,  aufserdem  auf  den  Schmalseiten  die  Abrufung  des  Sterbenden 
durch  einen  Engel,  und  eine  thronende  männliche  Figur  mit  der  Agnus  dei- 
Scheibe  in  der  einen  und  dem  Schwerte  in  der  andern  Hand ,  welche  wohl 
als  der  himmlische  Herr,  der  zugleich  Weltrichter  und  Versöhner  ist,  und 
vor  dessen  Angesicht  der  Sterbende  abgerufen  wird,  zu  deuten  ist.  Merk- 
würdigerweise kommen  völlig  weltliche  Darstellungen  von  Jagd-  und  ero- 
tischen Scenen  auf  den  gravierten  Grabplatten  nicht  nur  von  Laien ,  wie  des 
Bürgermeisters Hövener  (t  1357)  zu  Stralsund,  sondern  auch  von  Kirchen- 
fürsten, wie  des  Bischofs  Wicbold  von  Kulm  (t  1 398)  zu  A 1 1  e  n  b  e  r g  u.  s.  w.,  vor. 
Stehende  Grabdenkmäler:  sog.  Epitaphien  im  engeren  Sinne,  zum 
Gedächtnisse  Verstorbener  an  den  Wänden  und  Pfeilern  der  Kirchen,  Kreuz- 
gänge etc.,  gern  in  der  Nähe  der  Grabstätte  selbst  angebrachte  Denkmäler 
der  verschiedensten  Art,  als  Inschrifttafeln,  Reliefs  in  Metall  und  Stein, 
Gemälde,  Statuen  etc.,  wohin  auch  Waffen,  Riistungs-  und  Kostümstücke, 
Trauerfahnen  und  Wappenschilde  zu  rechnen  sind.  —  Während  seit  dem 
XV.  und  XVI.  Jahrh.  die  Epitaphien  der  mannigfaltigsten  Formen  in  den 
Kirchen  überhand  nahmen,  scheint  anderweitig  nur  jene  frühe  Zeit,  wo 
Leichenbestattungen  in  den  Kirchen  noch  zur  Ausnahme  gehörten,  und  selbst 
Geistliche  niederen  Standes  aufzuweilen  abgelegenen  Gottesäckern  begraben 


*  Vergl.  Schnaase.   VI,  534  f.;   Wernicke,  über  bildliche  Darstellungen  auf 
Grabdenkmälern  etc.,  im  Chr.  K.-B1.  1882,  No.  4.  5. 


stellende  Grabdonkmfiler.  345 

wurden,  die  Sitte  der  Oedächtnifstafeln  gekannt  zu  haben,  wovon  einige, 
noch  erhaltene,  in  archäo logischer  Beziehung  sehr  intereseante  Denkmäler 
Knnde  geben.    Es  befinden  sich  nämlich  im  Münster  zn  Bonn  unter  den 
Pfeil ersock ein  im  filtcBtea  ans  der  Mitte  des  XI,  Jahrb.  stammenden  Teile 
der  Krypta  mehrere  InBchriftensteine, '  deren  bohea  Alter  aae  dem  Umstände 
zn  folgern  ist,  dafs  dieselben  schon  in  so  frtther  Zeit  als  Banmaterial  behan- 
delt wurden,  mithin  bereits  damals  aas  irgendwelchen  GrUnden  ihre  Be- 
deutsamkeit verloren  haben  mnfsten. 
Diese  Steine,  samt  einem  im  Kreuz- 
gange in  dessen  westlicher  Wand  schon 
seit  längerer  Zeit  eingemauert  befind- 
lichen, sind  einander  im  Material  (ter- 
tiärer dichter  Kalkstein  des  Mainzer 
Beckens)  völlig,   in  den   Rand-  nnd 
Eckverzierungen ,  in  dem  fflr  die  Auf- 
nahme von  Namen,  Stand  und  Todes- 
tag   des    Verstorbenen    angebrachten 
Kreuze,  sowie  in  der  Gröfse  wesent- 
lich gleich;  die  letztere  (darchschnitt- 
licb  0,94  X  0,4t)  ist  aber  so  gering, 
dafs  sie  für  Grabsteine  nicht  fflglich 
angesehen  werden  kOnnen.  Vier  Reste 
ähnlicher  Steinplatten  befinden  sieb  im 
Husenm  znKOIn,  zwei  andere  imMn- 
senm  zu  Bonn,  und  ein  beschädigter 
derselben  Gattung  ist  zur  Anfmaue- 
mng  des  Hanptaltars  in  der  Kirche  zu 
Dottendorf  bei  Bonn  verwendet  und 
in  den  Bonner  Jahrbb. ,  LVII ,  Taf.  1, 3 
zu  S.  213  abgebildet.  Diesen  Gedächt- 
nissteinen reihen  sich  an  ein  Epitaph 
des  im  J.  938  gest.  Diakonns  Megin- 
bracht  in  der  Krypta  der  Michaelis- 
kirche  zu  Fulda  und  die  Gedenktafel 
des  1048  gest.  Wignandus  in  der  Ost- 
mauer des  Krenzganges  von  St,  Stephan 
in  Mainz, ^  sowie  die  wahrscheinlich 
dem  Bischof  Herman  I.  (f  1042}  gewidmete  Keliefplatte  an  der  Marienkirche 
zuMOnster.^  Als  Epitaphium  charakterisieren  sich  auch  die  Inschriften  mit 
den  Namen  und  Todestagen  dreier  Bischöfe  von  Merseburg  aus  dem  XI. 
Jahrh.  auf  dem  jetzt  in  der  Vorhalle  des  dortigen  Doms  aufgestellten  Deck- 
steine einer  aus  drei  kleinen  Spitzarkaden  gebildeten  Niachenstcllnng,  die 

'  Von  dea  5  unter  den  Pfeilern  liegenden  iDschriltplatteD  sind  auf  Veranlassung 
des  Herrn  Prof.  aus'in  Weerth  iwei  ausgegraben  und  neben  einer  ähnlichen  bereits 
im  Kreuzgange  befindlichen  eingenuraert  worden.  Vergl.  die  Abb.  in  den  Bonner  Jahrbb. 
XXXII.  Tab.  n  zu  S.  114—120;  Niedorrhein.  Annalon.  H,  1,  2  u.  XU,  91.  222. 

*  VergL  V.  Quast,  im  Korr,-BL  Ges.-V.  I,  37. 

»      .       Org.  f.  ehr.  K.  1868,  127. 


Flf.  13S.   aedlcblnli 


346  Totenschilde.    Kenotaphien. 

sich  ehemals  zwischen  der  ursprünglich  auf  den  hohen  Chor  führenden 
Doppeltreppe  befand,  in  Schriftzügen  des  XIII.  Jahrhunderts.  —  Manche 
andere  Gedenktafeln  auf  im  früheren  Mittelalter  Verstorbene  (z.  B.  das  Epi- 
taphium der  Fastrada,  Gemahlin  Karls  des  Grofsen,  gest.  794 ,  im  Dome  zu 
Mainz)  gehören  erst  einer  viel  späteren  Zeit  an.  —  Am  Ausgange  des  Mittel- 
alters finden  sich  mehrfach  bronzene  Epitaphien  geringerer  Gröfse  in  Gestalt 
eines  Vierpasses,  in  dessen  Mitte  das  Wappen  des  Verstorbenen  und  auf  dem 
Rande  die  Umschrift  in  Relief  angebracht  ist,  z.B.  das  des  Pfarrers  Gerhard 
von  Werne  (t  1520)  zu  Camen  in  Westfalen  (Abb.  Nordhoff,  Kr.  Hamm,  46, 
Fig.  24)  und  das  des  Magdeburgischen  Hauptmanns  von  Dieskau  (f  1514), 
jetzt  im  Kunstgewerbe -Museum  zu  Berlin. 

Wappenschilde  wurden  als  Toten  Schilde,  oft  sehr  umfangreich  in 
bemalter  Holzschnitzerei  oder  Lederplastik  ausgeführt,  seit  dem  XIV.  Jahrh. 
in  den  Kirchen  aufgehängt,  ursprünglich  über  den  Grabstätten  selbst,  später 
auch  ohne  Rücksicht  darauf  nur  zum  Gedächtnisse  Verstorbener,*  nament- 
lich in  den  Kapellen  geistlicher  und  anderer  Ritterorden,  z.  B.  in  denen  des 
Schwanenordens  auf  dem  Marienberge  bei  Brandenburg  und  iuAnspach. 
Die  ältesten  befinden  sich  in  der  dem  Deutschen  Orden  gehörigen  Elisabeth- 
kirche zu  Marburg,  z.  B.  der  des  Landgi*afen  Heinrich  I.  (t  1308),  an 
welchem  das  Wappen  aus  gesteifter  Leinewand  und  Schnitzerei  reliefartig 
hergestellt  ist  (Abb.  v.  Hefner,  Trachten,  I,  Taf.  82).  Eine  reiche  Sammlung 
(von  1332  —  1727  datiert)  befindet  sich  im  Germanischen  Museum  (K.-G., 
No.  32—121). 

Kenotaphien  sind  Sarkophage  zum  Andenken  an  Verstorbene,  die 
an  einem  anderen  Orte,  als  wo  man  ihnen  das  Denkmal  errichtete,  begraben 
liegen,  z.  B.  in  der  Klosterkirche  zuMurrhardt  das  im  XV.  Jahrh.  errich- 
tete steinerne  Ludwigs  des  Frommen,  der  auf  einer  Rheininsel  unterhalb 
Mainz  starb  und  zu  Metz  beerdigt  wurde. 

Vornehme  Prälaten  des  XIV.— XVL  Jahrh.  (z.B.  die  Erzbischöfe  Engel- 
bert III.  von  Köln,  Ernst  von  Magdeburg,  die  Bischöfe  Heinrich  HI.  von 
Bamberg,  Thilo  v.  Trotha  von  Merseburg,  Johannes  IV.  von  Breslau  etc.), 
seltener  weltliche  Personen,  liefsen  sich  zuweilen  schon  bei  ihren  Lebzeiten 
prächtige  Grabmäler  errichten.  Andrerseits  finden  sich  aber  auch  Beispiele 
davon ,  dafs  man  aus  verschiedenen  Veranlassungen  berühmten  Verstorbenen 
erst  mehrere  Jahrhunderte  nach  ihrem  Tode  neue  Denkmäler  setzte,  z.  B. 
im  XIV.  Jahrh.  das  Denkmal  des  heil.  Bonifatins  (t755)  im  Dome  zu  Mainz, 
im  XVI.  Jahrh.  die  Tumba  der  im  J.  947  gestorbenen  Kaiserin  Editha  im 
Dome  zu  Magdeburg  und  die  des  965  gestorbenen  Markgrafen  Gero  in 
Gernrode. 

Anmerkung  1.  Während  die  Leichen  des  Volks  anscheinend  meist  ohne 
Särge*  oder  doch  nur  in  hölzernen  Totenladen  beerdigt  wurden,  pflegten  vor- 


*  Vielfach  wurden  solche  Schilde  auch  erst  nachträglich  für  längst  verstorbene 
Familiengliedor  aufgehängt,  so  elf  Holzschuhersche  bis  1201  rückwärts  zugleich  mit 
dem  des  1523  gestorbenen  Lazarus  Holzsch.  (jetzt  im  Germ.  Mus.). 

*  Das  Berliner  Stadtbuch  aus  dem  XIV.  Jahrh.  setzt  fest:  »Sonder  Schrein  soll 
man  die  Toten  begraben,  sie  seien  arm  oder  reich,  bei  der  Stadt  Bruch ^^^  d.  h.  für 
ein  Strafgeld  von  270  Mark  durfte  man  sich  eines  Sarges  bedienen.  Ver^.  Schwe- 
be!, Osk.,  Kulturhistor.  Bilder  aus  d.  Reichshauptstadt,  91. 


Steinsärge.  347 

nehme  oder  wohlhabendere  Verstorbene  in  Steiusärgeo'  begraben  zu  werden, 
nnd  diese  Sitte  gehflrt  der  ersten  Zeit  nach  EinfUhmng  des  Christentums  in 
unserm  Vaterlande  an,  findet  sich  aber,  wenigstens  bei  Bischflfon,  auch  noch 
um  die  Mitte  des  XIV.  Jahrh.   Am  Rhein  wurden  TÖmiBche,  merovingiBche  and 
frahmittelalterliche  Steinaarkophage  Jahrhonderte  lang  zu  neuen  Bestattungen 
wieder  in  Gebranch  genommen,  auch  zn  einer  Zeit  noch,  wo  längst  keine  neuen 
mehr  fabricicrt  wurden.  Die  Säi^e  der  Erzbischöfe  vonTri  e  r  aus  dem  XI. — XIV. 
Jahrh.  sind  den  antik-römiachen  Sarkophagen  ähnliche  rechteckige  Steinkisten 
von  2,00 — 2,30  Länge,  und  die  Deckel  derselben  sind  teils  kofferfSrmig  gewölbt, 
teils  einfache  Platten,  die  bei  einigen  ans  dem  XIII.  Jahrh.  oben  in  Kreuzform 
ausgearbeitet  erscheinen.*   Von  diesen  unterscheiden  sich  die  oben  S.  336  er- 
wähnten am  Hittelrhein  für  den  Export  fabricierten  Steinsärge  durch  ihre 
Trapezform.  —  Im  Dome  zu  Frankfurt  a.  M.  hat  man  bei  der  letzten  Restau- 
ration 3  Meter  unter  der  Erde  in  der  Lücke  eines  Pfeilers  einen  dem  VIII.  oder 
IX.  Jahrb.  angehörigen  Steinsarg  gefunden,  auf  dessen  Deekel  zwei  Bischofs- 
stäbe nnd  zwischen  ihnen  ein  Kreuz  mit  einer  Schleife  er- 
scheint.' —  Mehrfach  finden  sieh  Steinsärge  aus  einem 
Blocke,  in  welchen  das  Behältnis  fUr  den  Leichnam,  den 
körperlichen  VerhitltniBsen   genau   entsprechend,  einge- 
hauen  ist,  oft  oben  mit  einer  Rundung  und  mit  einer  be- 
sonderen Bettung  für  den  Kopf  versehen,  während  sich 
in  der  Mitte  des  Boilena  eine  runde  OtTuung  zum  Ablaufen 
der  Flüssigkeiten  aus  der  Leiche  befindet.    Dergleichen 
finden  sich,  der  fränkischen  Periode  zugeschrieben,  mehr- 
fach im  Elsafs,  z.  B.  Geberschweier,*  zn  Rebbach 
im Odenwalde ,■■'  andere  sind  auf  der  InselFöhr,«  1864 — 
67  zu  liandt  an  der  Jahde  ausgegraben,  ein  spätestens 
dem  Xll.  oder  XIII.  Jahrh.  angehöriger,  im  Innern  der 
Moritzkirche  zu  Halle  a.  ä.  ausgegraben,  ist  im  Museum 
des  Thüringisch -Sächsischen  Vereins  daselbst.    Ein  ganz 
ähnlicher,  aber  nur  kleiner  und  der  Länge  nach  aus  zwei 
Sttlcken  zusammengesetzter  Steinsarg  wurde  im  J.  1844 
im  Peterskloster  zn  Merseburg  ausgegraben  und  Bteht 
jetzt  in  der  Vorhalle  des  dortigen  Domes.    In  der  Krypta 
des  Braun  Schweiger  Domes  zeigt  man  den  Steinsarg  der 
Ältermutter  Heinrichs  des  Löwen ,  und  zwanzig  alte  Stein-      Fig.  las.  siain.»fg 
säi^e  ähnlicher  Art  hat  man  im  J.  1834  auf  dem  Domplatze        (iiiub''<i>ii  QaMt). 
zu  Worms  ausgegraben;  in  den  meisten  derselben  fanden 
sieh  die  Gerippe  mehrerer  Leichen  bei  einander.''  —  Bei  der  im  J.  1856  statt- 


1  moyen-äge, 
:.  —  XV.  30—50. 
s  Abb.  von  Wilmowsliy,  a.  a.  0.,  Taf.  I. 
s  Vergl.  Anz.  G.  il.  I&70,  Sp.  29. 
'  Abb.  Kraus,  n,  97. 

'  Vetgi.  Wörner,  E-,  im  Korr.-Bl.  Gea.-V.  18T5,  No.  9  mit  Abb. 
•  Abb.  V.  Quast,  a.  a.  0.,  Tat  7,  Fig.  22. 
'  Lange,  0.,  Gesch.  u.  Beschreib,  der  Stadt  'Wonns,  155  ff. 


348 


SteiusSrge. 


gehabten  offiziellen  Äufgrabang  der  Gräber  des  Wettinischen  FUrgtenhanseB  *  aus 
der  Zeit  von  1146  bis  1217  in  der  Kirche  auf  dem  Petera  berge  beillalle  fand 
man  in  der  Mitte  des  Schiffes,  hart  unter  dem  Fursboden,  zwei  Keihen  Sdrge  ans 
Sandstein  in  der  Weise  gegen  einen  Fnrs  tief  ausgehöhlt,  dafa  die  Vertiefang  am 
Fufsende  am  schmälsten,  in  der  Gegend  der  Schultern ,  wo  sich  eine  besondere 


Pl|.  110.    SMInart«  du  Wedln«  i 

flachere  Aushöhlung  für  den  Kopf  anschliefst,  am  breitesten  ist.  Nur  die  bei- 
den ftltesten  Särge  mit  der  Asche  des  Stifters  der  Kirche,  des  Markgrafen 
Konrad  und  seiner  Gemahlin  (Ko.  1  n.  2  in  Fignr  140),  zeigten  bei  sorgfälti- 
gerer Arbeit  eine  etwas  abweichende  Bildung:  der  Sarg  No.  1  durch  die  ge- 
schweiften Linien  der  Aushöhlung,  welcher  folgend  auch  das  Äufsere  sich  ge- 
Btaltet,  und  der  SargNo.  2  durch  zwei  am  unteren  Ende  ausgesparte,  oben 
abgeschrägte  Steinkldtze,  zwischen  denen  ein  Raum  für  die  Fufse  eingetieft 
ist.  Der  Sarg  No.  5,  der  eine  Elle  tiefer  stand,  war  nicht  wie  die  Ohrigen  aus 
einem  Steine  gehauen,  sondern  aus  mehreren  Porphyr-  und  Sandstein  st  Qckeu 
zusammengesetzt  mit  einem  Pflaster  von  in  Kalk  gelegten  Porphyrstücken ;  am 
Kopfende  befand  sich  hier  noch  ein  Rest  des  ursprünglichen  innen  ausgehöhlten 
Steindeckels.  Völlig  verschieden  von  den  übrigen  ist  der  Sarg  (No.  3)  der 
MechtildiB,  einer  Schwester  Markgraf  Konrads;  es  ist  eine  kleine  rechteckige 
Steinkiste,  in  welcher  nur  noch  wenige  Gebeine  lagen,  untermisclit  mit  Resten 
von  Zeugstoffen.  Da  Meehtildis  in  der  Ferne  (wahrscheinlich  in  Bayern)  ge- 
storben war,  so  werden  vermutlich  die  Gebeine  nach  damaliger  Sitte  ausge- 
kocht und  mit  edlen  Stoffen  umwickelt  nach  der  Familiengruft  Übertragen 
worden  sein.  Zu  den  FOfsen  des  Sarges  No.  2  befanden  sich  die  beiden  Kinder- 
Särge  No.  10  n.  11.  —  Die  in  mehreren  der  Särge  voi^efnndenen  Reste  von 


'  Verel.  Köhler,  Gust.,  das  Hoater  des  heil.  Petrus  aot  dem  Lautorbergo  bei  Halle 
Tind  die  ältesten  Grabstatten  des  sächs.  Fürstenhauses.  Dresden  1857.  —  v.  Quast, 
in  der  Zeitechr.  t.  ehr,  A.  u.  K,  11,  269— 2S0,  von  wo  wir  den  obigen  Holzschnitt 
entlehnt  haben,  der  surser  der  Reihenfolge  der  (Jriiber  die  beiden  Särge  No.  1  u.  2 
zugleich  in  grürscrem  MaJsstabe  gezeichnet  darstellt. 


Lage  der  Gräber.  34g 

Holz  und  Nägeln  scheinen  dafür  zusprechen,  dafs  die  Leichen  in  Holzeinsätzen 
lagen.  Die  Steinsärge  der  gleichzeitigen,  im  nördlichen  Rreuzarme  der  Kirche 
beigesetzten  Klosterpröpste  fanden  sich  wesentlich  gleichartig  mit  den  be- 
schriebenen fürstlichen.  Da  fast  alle  Gräber  sicher  zu  bestimmen  waren,  so 
ergab  sich  als  Regel,  dafs  bei  mehreren  in  einer  Reihe  liegenden  Gräbern  eines 
Geschlechts  die  mittleren  die  ältesten  sind,  denen  sich  die  jüngeren  auf  beiden 
Seiten  anschliefsen.  Wenn  die  vordere,  östliche  Reihe  voll  war,  warde  dahinter 
westlich  eine  neue  eröffnet  und  dabei  in  derselben  Weise  verfahren.  So  liegen 
auch  im  Königschore  des  Domes  zu  Spei  er'  die  Kaiser-  und  Königsgräber  in 
zwei  Reihen  hinter  einander.  Die  vordere  Reihe  enthält  die  Gräber  des  sa- 
lischen  Kaiserhauses  und  besteht  aus  fünf  Gräbern,  so  dafs  die  vier  Kaiser 
dieses  Geschlechts  jeder  ein  besonderes  Grab  haben,  während  das  fünfte  den 
beiden  Kaiserinnen  Gisela  und  Bertha,  Gemahlinnen  Konrads  II.  und  Hein- 
richs IV.,  gemeinsam  war;  in  der  zweiten  Reihe  hatten  die  Könige  Philipp  von 
Schwaben  und  Rudolf  von  Habsburg  jeder  ein  eigenes  Grab;  die  Leichen  Adolfs 
von  Nassau  und  Albrechts  von  Österreich  dagegen  wurden  erst  später  in  den- 
jenigen beigesetzt,  in  denen  vorher  schon  die  Tochter  Kaiser  Friedrichs  L, 
Agnes,  und  seine  Gemahlin  Beatrix  bestattet  waren.  Jedes  Grab  bildet  eine 
einzelne,  etwa  2,50  tiefe  und  lange  und  1,25  breite,  unten  mit  Quadern,  oben 
mit  Ziegeln  ausgemauerte  Grube.  —  Im  Dome  zu  Trier,  wo  die  3  ältesten 
Erzbischofgräber  von  1078—1124  unmittelbar  an  der  Wand  des  südl.  Seiten- 
schiffes befindlich  sind,  ist  das  westlichste  Grab  das  älteste,  und  die  beiden 
jüngeren  folgen  am  Fufsende  desselben  auf  einander.  Ebenso  ruht  bei  zwei 
andern  dortigen  Gräbern  aus  der  2.  Hälfte  des  XII.  Jahrh.  der  Nachfolger  zu 
den  Füfsen  seines  Vorgängers  und  zwar  beide  wiederum  dicht  an  der  das 
Seitenschiff  vom  Chore  trennenden  Wand,^  —  Über  die  Ergebnisse  bei  der 
Untersuchung  der  zahlreichen  Grabstätten  in  der  Münsterkirche  zu  Heilsbronn, 
vergl.  von  Still  fr  ie  d,  R.,  Altert,  und  Kunstdenkm.  des  Erlaucht.  Haus.  Hohen- 
zollern.  Neue  Folge,  Lief.  4,  —  Bei  der  1878  bewirkten Umgrabung  des  ehe- 
maligen Kirchhofes  in  dem  wüsten  Dorfe  Grofs-Orden  bei  Quedlinburg  (er- 
wähnt seit  dem  IX.  Jahrh.  und  als  Stammsitz  der  Billunger  in  Anspruch  ge- 
nommen) fand  man  aufser  Überresten  von  Holzsärgen  und  einem  vollständigen 
Steinsarge  ohne  Deckel  mehrere  nur  für  den  Kopf  und  den  oberen  Teil  des 
Rumpfes  bestimmte  Steinsärge.  Als  Kindersärge  waren  mehrfach  grofse  Hohl- 
ziegel benutzt,  von  denen  je  zwei  mit  den  Hohlseiten  gegeneinander  gelegt 
waren.5  —  Blei-  und  Zinn-Särge  kommen  gegen  Ende  des  XIV.  Jahrh.  in 
Eberbach  vor. 

Anmerkung  2.  In  Särgen  des  XI.  bis  XVI.  Jahrh.  hat  man  häufig  recht- 
eckige Blei  tafeln  (von  beiläufig  0,235  X  0,157)  vorgefunden  mit  eingegrabener 
oder  eingeschlagener  Schrift  nekrologischen  Inhalts,  z.  B.  in  den  Särgen  der 
Trierer  Erzbischöfe  Udo  (t  1078),  Egilbert  (t  1101)  und  Bruno  (t  1124);* 
in  dem  der  Gertrud,  Ältermutter  Heinrichs  des  Löwen  (t  1117)  in  der  Krypta 


*  Vergl.  Die  Kaisergräber  im  Dome  zu  Speier.    Karlsruhe  1856,  u.  v.  Quast, 
a.  a.  0.,  94  ff. 

*  Abb.  Ton  Wilmowsky,  Taf.  L  

3  Vergl,  Brecht,  G.,  im  Ürk.-Buch  d.  St.  Quedlinburg  1882.  H,  S.  XCVin. 

*  Abb.  von  Wilmowsky,  Taf.  H. 


350  Grabeinlagon.    Separatbestattung  der  Eingeweide. 

des  Doms  in  Braunschweig;  im  Grabe  des  Kaisers  Lothar  IL  (t  1137)  zu 
Königslutter;^  im  Grabe  des  Erzb.  Adalbert  L  (t  1137)  in  der  Gottbards- 
kapelle  am  Dome  zu  Mainz;  im  Sarge  des  Propstes  Gerhard  von  Are  (t  1169) 
im  Münster  zu  Bonn  (unter  der  Orgel);  im  Grabe  Friedrichs  von  Beichlingen, 
Erzb.  von  Magdeburg  (t  146.4)  im  Dome  daselbst;^  im  Grabe  Kaiser  Maximi- 
lians L  (t  1519)  in  der  Schlofskapelle  zu  Wiener-Neustadt.  Im  Grabe  des 
Kardinals  Albrecht  (t  1545)  im  Dome  zu  Mainz  dagegen  fand  sich  eine  grös- 
sere, von  dem  Frankfurter  Giefser  Konrad  Gobel  gefertigte  Bronzeplatte  mit 
höchst  vollendetem  Renaissance-Ornament,  jetzt  im  Kunstgewerbe-Museum  zu 
Berlin.^  —  Dafs  man  Geistlichen ,  die  in  pontifiealibus  ins  Grab  gelegt  wurden, 
einen  Kelch,  Bischöfen  auch  einPedum  mitgab,  ist  schon  oben  B.  217.  218  be- 
merkt worden ;  im  Grabe  Otto^s  von  Hessen,  Erzbischofs  von  Magdeburg  (t  1361) 
stand  der  Kelch  auf  der  Brust  des  Leichnams,  und  aufserdem  lagen  sechs  bron- 
zene Siegelstempel  des  Verstorbenen  in  dem  Steinsarge  nach  der  im  Mittel- 
alter sehr  gewöhnliche  Sitte,  die  Siegel  eines  Verstorbenen  zur  Verhütung  von 
Mifsbrauch  entweder  mit  der  Leiche  oder  anderwärts  zu  vergraben.  Wenn  in 
den  Gräbern  von  Fürsten  und  Rittern  Waffen  und  sonstige  Stücke  des  ritter- 
lichen Kostüms  häufig  nicht  gefunden  werden,  so  erklärt  sich  dies  daraus,  dafs 
sich  weltliche  Personen  oft  im  Mönchskleide  wenigstens  begraben  liefsen,  wenn 
sie  nicht  vor  dem  Tode  noch  selbst  die  Klostergelübde  abgelegt  hatten,  um 
auf  diese  Weise  der  guten  Werke  des  Ordens  teilhaftig  zu  werden.  —  Die  zu- 
weilen in  Gräbern  befindlichen  Thongefäfse  (oder  doch,  wie  in  mehreren 
Särgen  auf  dem  Petersberge  —  s.  oben  S.  348  —  Scherben  von  solchen ,  und 
zwar  links  neben  dem  Kopfe)  deuten  auf  den  Gebrauch ,  den  Toten  Weihwasser 
oder  Weihrauch  mitzugeben.^  über  die  in  Bischofsgräbem  vorkommenden 
Kämme  s.  unten  §  55. 

Anmerkung  3.  Die  Separatbestattung  der  Eingeweide  fürstlicher 
Personen  und  Prälaten  ist  eine  bereits  sehr  frühzeitig  vorkommende  Sitte,  und 
wie  die  ältesten  bekannten  Beispiele  beweisen,  zunächst  dadurch  veranlafst, 
dafs  wenn  der  Tod  in  der  Fremde  erfolgt  war,  die  Sektion  und  Einbalsamierung 
des  Leichnams  zur  besseren  Erhaltung  auf  dem  Kondukt  in  die  Heimat  oder 
nach  dem  von  dem  Verstorbenen  vorher  bestimmten  Begräbnisorte  erforderlich 
wurde.  Die  Intestina  wurden  zu  diesem  Zwecke  von  dem  Leibarzte  oder  einem 
in  medicinis  erfahrenen  Geistlichen  herausgenommen ;  bei  der  Leiche  des  Königs 
Heinrich  I.  von  England  (1135)  wurde  dies  von  einem  perito  camifice  besorgt. 
Auch  zerstückte  man  wohl  die  Leichen  und  kochte  sie  aus,  bis  sich  das  Fleisch 
von  den  Knochen  löste. ^  Die  Gebeine  sandte  man  dann  in  die  Heimath,  das 
Fleisch  aber  und  die  herausgenommenen  Intestina  wurden  gewöhnlich  da  be- 
graben, wo  der  Tod  erfolgt  war,  oder  man  brachte  dieselben  auch  nach  einem 
dritten  Orte,  zu  welchem  der  Verstorbene  im  Leben  in  näherer  Beziehung 


*  Zugleich  mit  einem  kleinen  bleiernen  Reichsapfel,  jetzt  im  Herzogl.  Mos.  zu 
Braunschweig,  No.  64.  65;  vergl.  Katalog,  53  fF. 

2  Abb.  Rosenthal,  a.  a.  0.,  lief.  V.  Taf.  I,  22. 

3  Vergl.  Schneider,  F.,  im  Korr.-Bl.  Ge8.-V.  1876,  No.  7,  mit  2  Taff. 

^  Ȁ^ponebatur  ^uoque  in  monumentis  aqua  benedicta  ....  unde  etiam  repe^ 
riuntur  tn  coemeteriis  vasa  vitrea  et  lutea,  in  dictum  usum  verisimilüer  M  aceam- 
modata.*    Casalius,  de  Christ,  ritibus,  336. 

*  Vergl.  Schultz,  Alw.,  das  höfische  Leben  etc.  11 ,  206.  403.  406. 


Gebräuche  bei  Bestattung  der  Toten.  351 

gestanden  hatte.  Die  Leiche  des  heil.  Bonifatins  (t  755)  wnrde  von  Dockom, 
wo  er  den  Märtyrertod  erduldet  hatte,  zuerst  nach  Utrecht  und  dann  nach 
seiner  Kathedralstadt  Mainz  geführt,  wo  das  Herz  im  Alten  Dome  bestattet 
ward,  der  Leichnam  sodann  im  Kloster  FuMa,  welches  Bonifatius  selbst  schon 
bei  der  Gründung  zu  seinem  Begräbnifsorte  bestimmt  hatte.  In  Memleben,  wo 
Kaiser  Otto  der  Grofse  973  starb,  wurden  dessen  Eingeweide  begraben,  der 
Leib  in  dem  von  ihm  gegründeten  Dome  zu  Magdeburg.  Hier  wurde  auch  die 
Leiche  des  1012  in  Giebichenstein  verschiedenen  Erzbischofs  Waltherd  be- 
stattet, nachdem  die  Eingeweide  an  dem  Sterbeorte,  und  zwar  zwischen  der 
Kirche  und  dem  Sterbezimmer  begraben  waren.  Bischof  Godehard  von  Hildes- 
heim starb  1033  auf  dem  von  der  Kathedralstadt  Vs  Stunde  entfernten  Moritz- 
berge; sein  Leib  wurde  drei  Tage  darauf  im  Dome  begraben;  die  herausge- 
nommenen Intestina  wurden  zum  Andenken  daran,  dafs  er  hier  seinen  Geist 
ausgehaucht,  in  einer  Kapelle  des  Moritzklosters  beigesetzt,  die  im  Volksmunde 
den  Namen  »Kaldaunenkapelle«  erhielt.*  Kaiser  Konrad  IL  verschied  1039 
zu  Nymwegen;  aber  seine  Eingeweide  wurden  nicht  hier,  sondern  in  Utrecht 
begraben,  der  einbalsamierte  Leib  in  dem  von  ihm  gegründeten  und  zu  seiner 
Grabstätte  bestimmten  Dome  zu  Speier.  —  Im  XII.  Jahrh.  war  die  Separatbe- 
stattung der  Intestina  an  manchen  Orten  bereits  zum  stehenden  Gebrauche 
geworden:  so  nahm  das  Cistercienserkloster  Ebrach  von  1151  —1573  die  Her- 
zen von  33  Würzburger  Bischöfen  in  bleiernen  Behältnissen  auf,  während  die 
Eingeweide  in  die  Burgkapelle ,  die  Gebeine  in  den  Dom  zu  Würzburg  kamen.^ 
Daraus,  dafs  die  Intestina  ganz  gewöhnlich  herausgenommen  und  die  aufge- 
schnittene Bauchhöhle  dann  mit  Spezereien  oder  auch  nur  mit  Werg  und  dergl. 
ausgestopft  wurde,  erklärt  sich,  dafs  auf  spätmittelalterlichen  Bildern  des 
Totentanzes  oder  auferstehender  Toten  diese  so  mit  aufgeschnittenem  und  ein- 
gefallenem Bauche  erscheinen. 

Anmerkung  4.  Über  Gebräuche  bei  Bestattung  der  Toten  vergl. 
Schulz,  Alw.,  das  höfische  Leben  etc.,  IL,  403—408.  Daselbst  S.  408  findet 
sich  eine  Darstellung  der  Bestattung  eines  Königs  in  einem  Sarkophage  nach 
einer  Miniatur  der  Handschr.  von  Matth.  Paris,  Vitae  duorum  offarum  (Cotton. 
Nero  D.  1).  Ein  einfacheres  Begräbnis  aus  einem  Codex  des  Germanischen  Mu- 
seums von  1441  im  Anz.  G.  M.,  1880,  No.  5.  Der  Sarg  bei  der  Beerdigung, 
wie  die  Tumba  oder  das  Castrum  doloris  bei  den  Anniversarien  wurden  mit 
einem  Bahrtuche  überdeckt,  das  früher  von  kostbaren  gemusterten  Stoffen, 
später  meistens  von  schwarzem  Samt  angefertigt  und  mit  einem  grofsen  Kreuze 
verziert  war.  Vornehme  Personen  hinterliefsen  diese  kostbaren  Bahrtücher  den 
Kirchen;  so  erhielt  zum  Beispiel  der  Aachener  Münster  jedesmal  dasjenige  als 
Geschenk,  welches  bei  der  Beerdigungsfeier  eines  französischen  Königs  in  St. 
Denis  gedient  hatte.   (Vergl.  Bock,  lit.  Gew.,  lU,  171—176  u.  Taf.  XXI.  XXTT.)  — 


*  Ebenso  hiefs  die  Kapelle  des  S.  Grangolfi-Stifts  beim  Magdeburger  Dome,  weil 
in  ihr  die  Eingeweide  der  Domherren  beigesetzt  wurden. 

'  Ebrachiana  meo  creverunt  claustra  favore, 
Hinc  cor  diffecti  continet  iUa  damus. 
Mos  manet:  haec  uno  tumulantur  corpora  templo, 
Viscera  mons,  aedes  maxima  corpus  nahet. 
Cf.  Ludewig,  Script.  "Wirceb.,   366;   Niedermayer.  Kunstgesch.  der  Stadt  Wirz- 
burg,  127. 


352  Glocken. 

Bei  Beerdigungen  von  Kirchenpatronen  wurden  im  Innern  und  am  Äufsern 
der  Earchen  schwarze  Streifen  oder  Bänder  mit  Wappenschilden  des  Verstor- 
benen angemalt  (Totenband,  Iure  patronal,  vergl.  Otte,  Wörterbuch,  382).  Solche 
sind  im  Elsafs  zu  Bergheim,  Illkirch,  Rappoltsweiler  und  Regisheim 
(vergl.  Kraus,  I,  115)  nachgewiesen. 

54.  Die  Glocken*  (signum,  iintinnabulumy  nola,  campana^  cymbalum)y 
der  geschichtlich  nicht  zu  begründenden  Überlieferung  zufolge  eine  Er- 
findung des  Bischofs  Paulinus  von  Nola  in  Campanien  um  das  Jahr  400, 
werden  zuerst  im  VI.  Jahrhundert  unter  der  Bezeichnung  mgnum^  in 
den  Schriften  des  Gregor  von  Tours*  erwähnt  und  mögen  durch  die 
irischen  und  britischen  Missionare  zuerst  in  Deutschland  bekannt  ge- 
worden sein,  wo  sie  im  VILL.  Jahrhundert  in  Kirchen  und  Klöstern 
vorkommen;  aber  erst  die  Mitte  des  IX.  Jahrhunderts  kann  als  die  Zeit 
der  allgemeinen  Verbreitimg  des  kirchlichen  Glockengebrauches  bezeich- 
net werden.  —  Die  ältesten  Glocken  waren  nur  klein  und  aus  Blech 
geschmiedet;  doch  kommen  schon  gegen  Ende  des  VUL  Jahrhunderts 
gegossene  Glocken  vor,  gröfsere  indes  erst  seit  dem  XI.  und  XH.,  die 
gröfsten  im  XV.  Jahrhundert 

*  Vergl.  Otte,  H.,  Glockenkunde.  Leipzig  1858,  woselbst  die  frühere  Litteratur 
S.  2  f.  u.  S.  102  angeführt  ist.  Hinzuzufügen  ist:  Klunzinger,  Karl,  Zur  Glocken- 
kunde in  Württemberg,  in  den  Württb.  Jahrbb.  1857.  2.  Heft.  Später  sind  erschienen: 
von  Ledebur,  Leop.  .Beiträge  zur  Glockenkunde  der  Mittelmark,  m  den  Mark.  For- 
schungen, Bd.  VT.  —  Die  Glockenkunde  in  Alt-Bayern,  in  der  Augsb.  Postzeitung  1858, 
No.  65.  —  Müller,  F.,  zur  älteren  siebenbürg.  Glockenkunde,  im  Archiv  des  Vereins 
für  siebenbür^.  Landeskunde.  Neue  Folge.  IV,  2.  1860.  — Über  Glocken,  deren  Alter, 
Form,  Inschriften  und  Schicksale,  bes.  in  Deutschland,  in  der  Augsb.  Postzeitung 
1861,  Beil.  zu  No.  40  u.  41.  —  Vergl.  auch  Unger,  F.  "W.,  in  den  Bonner  Jahrb. 
yXTX  u.  XXX,  32 — 39.  —  Hitzinger,  zur  Gesch.  alter  Glocken  in  Krain,  in 
den  Mitteil,  des  histor.  Vereines  für  Krain.  Jahrg.  1862.  —  Straub,  A.,  Nach- 
lese zur  Glockenkunde  aus  dem  Elsafö,  im  Org.  f.  ehr.  K.  1863,  64 — 67.  —  v.  Tet- 
tau,  der  Meister  u.  die  Koston  des  Gusses  der  gr.  Domglocke  zu  Erfurt.  M.  2 
TafP.,  in  den  Mitt.  des  Erfurter  gesch.  Vereins  und  S.  A.  1866  u.  Ders.  Nachträge 
dazu,  ebd.  1867,  178  f.  —  E.,  Die  Glocke  eine  Erfindung  des  christl.  Nordens, 
im  Chr.  K.-BL  1866,  No.  6.  7.  —  Gleit z,  K..  GeschicntUches  über  die  groiise 
Glocke  etc.  zu  Erfurt.  1867.  —  Jakobs,  Alte  Glocken  der  Grafsch.  "Wernigerode,  im 
Chr.  K.-Bl.  1869,  129  ff.,  m.  Abb.  —  CO.,  Gesch.  u.  artist.  Notizen  über  Glocken, 
im  Org.  f.  ehr.  K.  1871,  No.  11 — 13  (über  Glodien  im  Hannoverschen,  Braunschwei- 
gischen, Hessischen).  —  Bautraxler,  G.,  Wert  der  Glockenkunde,  im  Kirchen- 
schmuck Sekkau.  III,  No.  8 — 12,  IV,  No.  1 — 5.  —  Rau,  Ed.,  Glockengielserkunst, 
in  d.  Allg.  Bauz.  1872,  330—353,  m.  5  Taff.  —  Hach,  Th.,  Beitr.  zur  Lübeckischen 
Glockenk^de,  in  der  Zeitschr.  des  V.  f.  Lüb.  Gesch.  III,  593  ff.  —  Nebe,  die  Hal- 
berstädter Glocken,  in  der  Zeitschr.  d.  Harzvereins.  IX,  286.  — "W ernicke,  E.,  Bei- 
träge zur  Glockenkunde  aus  Brandenburg  a/H.,  im  Bär  1876,  No.  20.  21.  —  Gröfs- 
1er,  H.,  Glocken  des  Mansfelder  Seekreises,  in  d.  Zeitschr.  d.  Harzvereins.  XI,  26 — 46, 
mit  3  Taff.  —  Über  Mecklenburgische  Glocken  findet  sich  Zerstreutes  in  den  Mecklenb. 
Jahrbb.;  über  einige  Pommersche  in  den  Baltisch.  Studien.  XXVH,  239.  XXVffl,  319; 
die  Hannoverschen  vollständig  in  Mit  hoff;  die  Elsäfsischen  bei  Kraus;  die  der  Pro- 
vinz Hessen-Nassau  bei  Lotz;  über  die  der  Provinz  Sachsen  ist  jeder  Lieferung  des 
Denkmälerwerkes  eine  besondere  Glockenschau  beigegeben. 

»  Otte,  a.  a.  0.,  3. 


Glocken.    Glockengiefeer.  353 

Das  Wort  'clocai  kommt  lUeret  aU  lateinischeB  in  der  BriefBammlnng 
des  BonifatiDB  (ed.  Wflrdtweio,  ep.  124  p.  311)  vor,  ala  dentBcbea  erscheint 
es  (:*glogga,  cloccat)  nicht  vor  dem  IX,  Jalirli.  (vergl.  Graff,  Sprachschatz, 
IV,  292)  und  kann  etymologiscli  noch  am  ersten  auf  das  althochdeutsche 
Thema  chlachan  ^/ratigi,  rumpi,  ctangere  bezogen  werden.  —  Die  Sf^e 
von  der  Eriindnug  der  Glocken  zu  Nola  (nola  =  Schelle)  in  Campanien 
(campana  =  Glocke)  wird  schon  im  IX,  Jahrh.  von  Walafried  Straho  mit 
dieser  doppelten ,  indes  nicht  zweifellosen  Ethymologie '  begründet,  während 
der  Name  des  als  Erbaner  und  Beschreiber  zweier  Kirchen  in  Nola  herllhmt 
gewordenen  Bischofs  Paulinns  in  keinem  älteren  Zeugnisse  damit  in  Verbin- 
dung gebracht  wird.  Es  ist  vielmehr  wahrscheinlich,  dafs  die  bei  den  alten 
Römern  als  häusliche  Weck-,  wohl  auch  als  Öffentliche  Versammlungs zeichen 
üblichen  Klingeln  sich  ohne  eigentliche  Unterbrechung  aus  dem  Ältertnme 
in  die  mittleren  Zeiten  fortgepflanzt  haben  nnd  aus  Gründen  der  Zweck- 
mäfsigkeit  zuerst  etwa  von  einzelnen  Klöstern  aufgenommen  wurden,  bis 
allmählich  der  kirchliche  Glockeugebrauch  zur  allgemeinen  Sitte  wurde,  so 
dafs  wie  im  Spät  mittel  alter  aus  den  kleinen  nach  und  nach  die  Riesenglocken 
hervorgingen ,  so  in  der  Früfazeit  aus  den  häuslichen  Klingeln  die  ersten  be- 
scheidenen Glocken  der  Klöster  und  Kirchen. 

Die  ältesten  Glockengiefser  waren  Mönche,  aber  schon  im  VIII.  und 
IX.  Jahrh.  giebt  es  herumziehende,  die  also  doch  wohl  Laien  waren.  Im 
XIII.  Jahrh.  sind  solche  Überall  in  den  Städten  angesiedelt,  und  Glocben- 
giefser- Strafsen  und  Gassen  werden  häufig  genannt.  Seit  der  Mitte  des  XV. 
Jahrh.  sind  sie  meiatens  zugleich  Stttckgiefser,  und  auch  die  Rotgiefser  be- 
schäftigten sich  vielfach  nebenher  mit  dem  Glockengufs;  Jedoch  wurden  noch 
immer  wenigstens  die  gröfseren  Glocken  von  ihnen  gleich  an  dem  Orte  ihrer 
Bestimmung  gegossen.  —  Ihr  Patron  ist  der  heil.  Forkemus. 

Die  auf  den  britischen  Inseln  sehr  frühzeitig  weit  verbreit«ten  Glocken 
waren  ans  geschmiedeten  Blechen  zusammengesetzt,  und  von  dem  irischen 
Mönche  Dagaeus,  der  586  gestorben  sein  soll,  heifst  es,  er  sei  nicht  blofs 
ein  ausgezeichneter  Schreiber,  sondern  auch  der  vorzüglichste 
Arbeiter  (/aber)  in  Eisen  und  Erz  im  Kloster  St.  Kieran  ge- 
wesen nnd  habe  300  Glockeu  verfertigt.*  In  Deutschland  gab 
es  nach  dem  Berichte  des  Reicbenauer  Abtes  Walafried  Strabo 
(de  exord,  et  increment.  rer.  eccl,  c.  5)  iu  der  ersten  Hälfte 
des  IX.  Jahrh.  zwei  Arten  von  Glocken  {signa):  gegossene 
(vasa /usilia)  und  geschmiedete  {vasa  productilia),  wie  eine 
solche  (Saufang  genannt)  von  jedenfalls  sehr  hohem  Alter, 
aus  der  Cäcilienkirche  in  Köln  beratammeud,  im  dortigen 
Stadt.  Museum  bewahrt  wird.  Sie  ist  von  der  Form  der  sogen,      f,g_  m,   bikh- 
Kuhachellen,  besteht  ans  drei  mit  kupfernen  Nägeln  zusammen-       '^twiH^Kmü 
genieteten  Eisenplatten  und  soll  in  der  Zeit  des  Erzbischofs      {"«ch  DWnin). 
Kunibert  um  613  im  Peterspfuhle  von  Schweinen  ausgewiiblt 
worden  sein:  ihre  Weite  beträgt  am  ovalen  Rande  0,36  und  U,->2,  ihre  Höhe 

'  Vergl.  Otte,  a.  a.  0.,  4. 

»  Kai.  Kassel,  in  AcHs  S,  S.  Aug.  III,  656,  angeführt  von  Wsttenbach,  in  der 
Zcilbchr.  f.  ehr.  A.  u.  K.  I,  22. 


354  Oröfse  und  Xamen  der  Glocken. 

0,4]  J  Nicht  gröfser  als  diese  eiserne  dttrften  auch  die  damaligeD  BroDze- 
glocken  gewesen  sein ,  und  wenn  Karl  der  Grofse  zu  einem  Glockengüsse 
statt  des  Zinns  100  Pfund  Silber  bewilligte,^  so  kann,  falls  das  Zinn  damals, 
wie  jetzt,  etwa  ein  Viertel  der  Legierung  betrug,  die  Glocke  selbst  nur  auf 
400  Pfund  berechnet  gewesen  sein.  Eine  um  die  Mitte  des  XL  Jahrhunderts 
von  Bischof  Azelin  für  den  Dom  von  Hildesheim  beschaflfte,  im  J.  1590  ge- 
sprungene Glocke,  Cantabona  genannt,  soll  schon  100  Ctr.  gewogen  haben.' 
—  Im  J.  1206  wurde  auf  dem  Petersberge  bei  Halle  die  Glocke  Petronella 
geweiht,  welche  50  Ctr.  wog.*  Eine  Glocke  des  Münsters  zu  Freiburg  i.  B. 
von  1258  wiegt  130  Ctr.,  eine  von  1270  im  Museum  zu  Braunschweig 
21  Ctr.  88  Pfd.;  die  nicht  mehr  vorhandene  von  1278  zu  Ltthnde  wog 
88  Ctr.  15  Pfd.  —  Die  grofse  Glocke  auf  dem  Dome  zu  Erfurt,  Maria  Glo- 
riosa,  von  1497,  wiegt  275  Ctr.,  die  gröfste  mittelalterliche  Glocke  des 
Kölner  Domes  (von  1448)  224  Ctr.,  der  Elisabethkirche  in  Breslau  (von 
1507)  220  Ctr.,  der  Petri-Paulikii-che  zu  Görlitz  217  Ctr.,  des  Domes  zu 
Halberstadt  (Dominica  von  1457)  150  Ctr.,  der  Marienkirche  zu  Danzig 
(Sigismundus  von  1453)  1217^  Ctr.  —  Die  grofsen  Glocken  der  Dome  zu 
Wien  (von  304  Ctr.,  mit  Helm  und  Schwengel  402  Ctr.)  und  zu  Magde- 
burg (von  266  Ctr.)  stammen  aus  neuerer  Zeit;  letztere  aber  war  früher 
schon  in  dieser  Masse  vorhanden.  —  Zuweilen  kommt  es  vor,  dafs  man  die 
Peripherie  grofser  Glocken  als  Wahrzeichen  an  den  Kirchengebänden  ange- 
bracht hat:  z.  B.  war  im  Dome  zu  Köln  die  Weite  der  zwei  gröfsten 
Glocken  in  die  (jetzt  hinweggenommenen)  Steinplatten  zwischen  dem  Pfei- 
lerpaare zunächst  dem  Eingange  des  Glockenturms  eingehauen;  an  der 
Nordseite  der  Stadtkirche  in  Weifsenf  eis  war  der  Umkreis  der  Erfurter 
Glocke  angemalt,^  und  im  ErfurterDome  selbst  zeigt  man  ein  Rund  fenster, 
dessen  Peripherie  der  früher  dort  vorhandenen  Glocke  (Susanna)  entspro- 
chen haben  soll. 

Anmerkung  1.  Die  Sitte,  den  Glocken  bestimmte  Namen  beizulegen, 
von  welcher  sich  die  frühesten  Spuren  im  X.  Jahrhundert  vorfinden,  ist  nur 
aus  dem  Bedürfnisse  hervorgegangen,  unter  mehreren*  vorhandenen  jede  einzelne 
mit  Bestimmtheit  bezeichnen  zu  können :  man  wählte  die  Namen  nach  den  Stif- 
tern oderTitelheiligen  der  Kirche,  aber  auch  nach  den  Eigenschaften  oder  nach 
der  Bestimmung  der  Glocke.  Die  Merseburg  er  Domsturmglocke,  die  aus  dem 
Xn.  Jahrh.  zu  stammen  scheint,  heifst  Ciinsa  (die  Klingerin,  im  Volksmunde: 
die  Schnurre);  die  beiden  gröfsten  Glocken  des  Kölner  Doms  von  1448  und 

*  v.  Lassaulx,  in  Klein»  Rheinreise,  493;  vergl.  Didron,  Annales.  TV,  95.  — 
Eine  kleine,  aus  Bronzeplatten  zusammengenietete  befindet  sich  in  dem  uralten  roma- 
nischen Kirchlein  zu  Motting  in  Bayern;  verel.  Wartburc.  V,  115. 

*  Monachus  Sangallensis,  gesta  tiaroli  M.  I,  29  (bei  Pertz,  M.  G.  II,  744). 
'  Hannoversche  gelehrte  Joizeigen  vom  J.  1754,  Sp.  615. 

*  Chron.  mont.  seren.  ad  a.  1206. 

*  Auch  an  der  ülrichskapelle  zu  Goslar,  freilich  nicht  richtig,  da  der  Kreis  2,67 
Durchmesser  hat,  die  Glocke  aber  nur  2,67- 

*  Karl  Borromäus  (f  1584)  setzte  für  seinen  Mailänder  Erzsprengel  (de  instructione 
fabricae.  I,  25)  für  eine  Kathedrale  sieben  oder  mindestens  fünf  Glocken  fest,  für  eine 
KoUegiatkirche  drei,  für  eine  Pfarrkirche  ebenfalls  drei  oder  mindestens  zwei  Glocken. 
—  Das  Kloster  Fulda  hatte  übrigens  schon  im  J.  779  mehrere  Glocken  (Pertz,  M.  G. 
II,  377).  Die  Kirchen  der  Cistercienser  durften  nur  kleine  Glocken,  die  Bettelklöster 
eigentlich  nur  eine  Glocke  haben. 


Alteste  Glocken. 


355 


1449  heifsen  Preciosa  und  Speciosa,  —  Der  Merseburger  Dom  hat  eine 
Quarta  und  eine  Nonay  beide  von  1458.  —  Die  von  dem  Abt  Thiatmarus 
(983  — 1001)  für  Korvei  beschaffte  grofse  Glocke  hiefs  wie  die  Hildesheimer 
Caniabona  und  die  1493  von  Gerhard  Wou  für  den  Lambertiturm  zu  Münster 
gegossene  Trompa  dominu  —  Männliche  Glockennamen  ^  die  im  früheren  Mittel- 
alter die  häufigeren  gewesen  zu  sein  scheinen,  treten  später  hinter  den  weib- 
lichen mehr  zurück,  doch  findet  sich  z.  B.  1497  St.  Mauritius  zu  Desin ge- 
rode bei  Duderstadt,  1502  Blasius  und  Johannes  neben  Maria  im  Dome  zu 
Braunschweig,  1507  Ludgerus  in  St.  Ludgeri  zu  Münster,  1515  Salvator 
und  Johannes  neben  Maria  in  der  Katharinenkirche  zu  Brandenburg, 
1526  Pacuranus  (Pancratius ?)  zu  Meisenheim,  1529  Honorius  zu  Tarmow 
im  Reg. -Bez.  Potsdam. 

Anmerkung  2.  Von  einer  kleinen  Glocke  zu  Gil- 
ching  in  Oberbayem  (von  0,458  Höhe  und  0,413  Weite) 
steht  die  Entstehungszeit  durch  den  darauf  stehenden 
Namen  des  Donators  zwischen  1162  und  1194  fest.^  Die 
älteste  bis  jetzt  bekannte  datierte  Glocke  in  Deutsch- 
land ist  vom  Jahre  1144  und  befindet  sich  zu  Iggens- 
b ach  in  Niederbayern,  Amtsbezirk  Deggendorf.  Sie  ist 
bi^ienkorbförmig  und  nur  sehr  klein  (Durchmesser  0,35 
bei  0,43  Höhe).*  Dies  ist  aber,  wie  es  scheint  —  denn  ein 
sicheres  Urteil  läfst  sich  darum  nicht  abgeben,  weil  noch 
viele  alte  Glocken  unentdeckt  geblieben  sein  mögen,  viele 
andere  aber  längst  umgegossen  sind  —  nur  ein  vereinzeltes 
Beispiel,  da  die  Sitte  der  inschriftlichen  Datierung  der  Glocken  erst  im  XHI. 
Jahrh.  allmählich  beginnt,  um  später  im  XV.  und  XVI.  Jahrh.  immer  allgemeiner 
-üblich  zu  werden.  Aus  der  ungewöhnlichen  Form  mancher  undatierten  Glocken 


TT 

Fif(.  142.    Glocke 
zu  Iggensbach. 


^:^=^ 


Fig.  143. 


Flg.  144. 


Flg.  145. 


Fig.  146. 


kann  auf  ein  zum  Teil  sehr  hohes  Alter  derselben  geschlossen  werden.  Wir  geben 
die  Abbildung  von  vier  solchen  älteren  Glocken :  die  bienenkorbförmige  Fig.  143 
aus  der  Kirche  zu  Diesdorf  bei  Magdeburg,  welche  aus  der  (im  J.  1011  mit 


*  Oberbayiisches  Archiv.  I,  149  ff. 

*  Nach  ffütiger  Mitteilung  des  Herrn  Reichs- Archiv -Assessoi's  A.  Kai  eher  zu 
Landshut  und  einer  Zeichnung  des  Herrn  J.  Stemplinger  zu  Iggensbach.  Zwar  be- 
stand zu  Igff.  bereits  im  X.  ^ahrh.  eine  Kirche,  doch  soll  der  Tradition  nach  die 

US  dei 


Glocke  aus  dem  nicht  fernen  Kloster  Kiederaltaich  stammen. 


23 


•4* 


356  Älteste  Glocken. 

allen  Glocken  abgebrannten,  bald  darauf  erneuerten)  Stiftskirche  von  Walbeck 
stammt;  die  sehr  unschön  profilierte  Fig.  144  befindet  sich  zu  Wolmirstedt;^ 
die  völlig  geradlinige  und  nicht  mehr  brauchbare  Fig.  145  von  0,29  Höhe 
und  tiberall  0,007  Dicke  der  Wandung  ist  von  Herrn  Pastor  Teile  zu  Lunow  im 
Dorfe  Nordhausen  bei  Königsberg  i.  d.  N.  entdeckt  worden;*  Fig.  146  end- 
lich, wie  die  zuletzt  angeführte  ohne  Inschrift,  aber  mit  zwei  einander  gegen- 
tiber  aus  Draht  eingelegten  Kreuzen  verziert,  ist  in  der  Kirche  zu  Idensen 
bei  Wunstorf,  und  hat  bis  zur  Krone  0,70  Höhe  bei  0,65  unterem  Durchmesser.' 
—  Auch  zu  Tuttendorf  bei  Freiberg  war  ehemals  eine  zuckerhutförmige 
Glocke.  Eine  übermäfsig  schlanke,  birnenförmige  in  St.  Ulrich  zu  Regens- 
burg ist  bei  Graf  V.  Walderdorff,  Regensburg,  S.  110  abgebildet,  und  eine 
kuhschellenartige  besitzt  die  Kirche  zu  Sternebeck  in  Ober -Barnim.  Vergl. 
auch  die  Abb.  der  Glocken  zu  Unter -Rohlingen,  Köchstedt,  Ober- Rohlingen, 
Strenz,  Friedeburg, Naundorf und  Helfta im Mansfelder  Seekreise  bei  Gröfsler , 
a.  a.  0.,  Taf.  3. 

Inschriftlich  datierte  Glocken  aus  dem  XIII.  Jahrh.  sind  nach- 
gewiesen, wenn  auch  nicht  immer  noch  vorhanden:  1234  zu  Helfta  bei  Eis- 
leben, 1249  zu  Würzburg  in  St.Burchardi  und  zu  Iber  bei  Eimbeck  (letztere 
schon  1592  umgegossen),  1252  zu  Minden  im  Dome,  1258  zu  Freiburg  i.  B. 
im  Münster,  1261  zu  Aachen  in  der  Peterspfarrkirche, ^  1263  zu  Moringen 
im  Hannoverschen  in  der  Liebfrauenkirche,  1268  zu  Hagenau  im  Elsafs  in 
der  Georgskirche  zwei,  1270  zu  Braunschweig  im  Herzogl.  Museum  (seit 
1876,  früher  zu  Hildesheim  in  St.  Michael,  1812  zuBurgdorO  und  zu  Minden 
im  Dome,  1272  zu  Markgröningen  bei  Stuttgart  in  der  Stadtkirche  zwei, 
1274  zu  Ochtersum  bei  Esens  (1813  umgegossen),  1275  zu  Würzburg  in 
St.  Petri,  1278  zu  Grofs-Uhrleben  bei  Langensalza  und  zu  Ltihnde  bei 
Hildesheim  (letztere  1858  umgegossen  —  siehe  Fig.  147),  1281  zu  Freiburg 
i.  B.  im  Mtinster  (1842  umgegossen),  zu  Halberstadt  in  St.  Moritz  und  zu 
Mühlhausen  i.  Th.  in  St.  Blasii,  1282  zu  Emden  in  der  grofsen  Kirche 
(nach  einem  Berichte  von  1663),  1287  zu  Brandenburg  in  St.  Katharinen 
(1580  zertrümmert),  1290  zu  Gonna  bei  Sangerhausen  und  zu  Wilsdruff 
im  Königreich  Sachsen,  1295  zu  Kampen  in  Ostfriesland,  1297  zu  Wer- 
nigerode in  S.  Sylvestri,  1299  zu  Sinzig  in  der  Pfarrkirche  und  zu  Pfaf- 
fenhofen,  O.-A.  Brackenheim  in  Württemberg,  1300  zu  Freiburg  i.  B. 
im  Mtinster  (ebenfalls  1 842  umgegossen).  Durch  das  darauf  befindliche  Siegel 
des  Erzbischofs  Siegfried  von  Mainz  (t  1225)  erweist  sich  auch  die  sogenannte 
Hasenglocke  zu  Hain a,  ferner  durch  den  darauf  befindlichen  Namen  der  Ab- 


*  Diese  beiden  Glocken  entdeckt,  beschrieben  und  abgebildet  von  Wiggert,  in  den 
N.  Mitt.  Th.-S.  V.  VI,  2,  14  u.  36. 

*  Nach  freundlicher  Mitteilung  ihres  Entdeckers. 

3  Abb.  in  den  Mittelalt.  Band.  Niedere.  I.  Bl.  32 ,  Fig.  7. 

*  Die  Datierung  dieser  Glocke  ist  verechieden  (1250,  1260,  1261,  1262)  gedeutet 
worden.  Hug.  Lorsch,  welcher  in  der  Zeitschr.  des  Aachener  G.-V.  IV,  318 — 333 
die  Inschrift  gründlich  behandelt  hat,  entscheidet  sich  zwar  für  das  Jahr  1250;  es 
scheint  jedoch  wecen  des  konsequent  durchgeführten  Interpunktionszeichens  (:)  gelesen 
werden  zu  soUen  M :  CC :  LXI :  I :  KL :  MAE.  Für  das  sich  hiebei  ergebende  ungewöhn- 
liche »1.  Kl.  Mar.«  läfst  sich  vorläufig  allerdingH  nur  eine  Parallele  nachweisen  in 
einer  humanistischen  Grabschrift  aus  dem  Naumburger  Dome,  in  welcher  »i.  Kl.  Mai 
1643«^  vorkommt;  vergl.  Mitzschke,  P.,  Naumb.  Lischriften  1880  zu  S.  156. 


Musikalische  Eigenschaften,  Gewicht,  Schmuck  der  Glocken.  357 

tissin  Hildegard  (1245 — 49),  die  bis  1872  in  der  Stiftskirche  Niedermünster  zu 
Regensburg  befindlich  gewesene  Glocke  und  durch  das  Siegel  des  Bischofs 
Heinrich  II.  (von  Amendorf  1283 — 13()0)  die  Benedicta  des  Doms  zu  Merse- 
burg als  dem  XUI.  Jahrh.  angehörig. 

Anmerkung  3.  Die  Untersuchung  der  musikalischen  Eigenschaften 
der  mittelalterlichen  Glocken ,  ein  fast  noch  unbebautes  Feld ,  ist  vom  gröfs- 
ten,  auch  für  unsere  Zeit  praktischen  Interesse.  Auf  Anregung  der  zuerst 
von  Kreuser  (Kirchenbau  I,  260)  herausgehobenen  Stelle  des  Vincentius  von 
Beauvais:^  t>  Campana  in  tribus  lociSy  si  pulsetur  (d.  i.  wenn  man  z.  B.  mit 
dem  Finger  daran  klopft),  ires  habere  sonos  invenitur,  in  fundo  mediocrem y  in 
exiremiiate  suhtiHorem^  in  media  graviarem<x^  hat  der  Verf.  dieses  Handbuchs 
mehrere  mittelalterliche  Glocken  aus  dem  XUI.  bis  XV.  Jahrh.  untersucht  und 
dabei  gefunden,  dafs  dieselben,  nach  unserem  Tonsysteme  zu  reden,  in  Dur- 
and in  Mollglocken  zu  teilen  sind,  d.  i.  in  solche,  deren  Mittelton  zwischen  beiden 
Oktaven  die  grofse  Terz,  und  andere,  deren  Mittelton  die  kleine  Terz  ist. 
Noch  andere  Glocken  lassen  als  Beiton  die  Quarte  hören.  —  Die  grofse  Er- 
furter Glocke,  an  welcher  das  Verhältnis  des  Durchmessers  zur  Höhe  =  5:4 
ist,  hat  demgemäfs  die  grofse  Terz  als  Beiton,  ist  also  eine  Dur-Glocke,'  wäh- 
rend bei  den  Moll  -  Glocken  theoretisch  das  Verhältnis  =  6:5  vorauszusetzen 
ist.  Die  Vereinigung  mehrerer  Durglocken  in  einem  Geläute  kann  nur  ohren- 
zerreifsend  wirken,  mögen  auch  die  verschiedenen  Gmndtöne  fOr  sich  allein 
in  schönster  Harmonie  getroffen  sein.  Der  schöne  Klang  alter  Glocken  rührt 
übrigens  vielleicht  zum  Teil  von  ihrem  Alter  und  den  durch  die  Erschütterung 
des  Läutens  hervorgebrachten  Einwirkungen  auf  die  kompakte  und  doch  ela- 
stische Lagerung  der  Atome  der  Metallmasse  gegeneinander  her. 

Anmerkung  4.  Das  Gewicht  einer  Glocke,  deren  gröfste  Weite  sich 
zu  der  äufserlich  in  schräger,  gerader  Linie  gemessenen  Höhe  bis  zur  Platte 
derselben  wie  5 :4  (oder  annähernd  gewöhnlich  wie  14 :  11)  verhält,  läfst  sich 
mit  einiger  Sicherheit  ermitteln,  wenn  man  das  in  Zollen  ausgedrückte  Mafs 
des  gröfsten  Durchmessers  der  Glocke  in  den  Kubus  erhebt  und  mit  0,0213 
multipliziert;  das  Produkt  drückt  das  Gewicht  der  Glocke  in  Pfunden  aus, 
deren  1(X)  auf  einen  Centner  gehen.  (Vergl.  Prechtl,  Encyklopädie,  I,  Aufl.  7,  87 
u.  Hahn,  Campanologie,  115.) 

Anmerkung  5.  Der  bildnerische  Schmuck  der  Glocken  war  im 
Mittelalter  ein  sehr  viel  bescheidenerer,  als  gegenwärtig  Brauch  ist.'  Aufser 
den  Inschriften,  die  selbst  einen  ornamentalen  Charakter  erhielten,  beschränkte 
er  sich  zum  grofsen  Teil  auf  Leistenprofilierungen  über  dem  Schlage  und  um 
den  Hals,  die  vielfach  über  wirklichen  um  das  Modell  herumgelegten  und  zu- 
sammengeknoteten Schnüren  abgeformt  sind,  in  späterer  Zeit  aber  oft  durch 
schön  stilisierte  Lilienblumenfriese  begleitet  werden.  —  Gern  brachte  man  am 
Halse  statt  der  dort  meistens  stehenden  Inschrift,  oder  zwischen  dieselbe  ge- 
mischt, oder  unterhalb  derselben  symmetrisch  verteilt,  kleine  Reliefmedaillons 
an  mit  den  Evangelistenzeichen,  den  Hauptscenen  der  evangelischen  Geschichte, 


*  Speculum  naturale  1.  4,  c.  14  (Specul.  quadruplum.   Duaci  1624.   I,  241). 
«  Vergl.  Gleitz,  a.  a,  0.,  13. 
3      »      Otte,  a.  a.  0.,  S6  f. 


358 


Bildschmuck  der  Glocken. 


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Heiligenfiguren,  namentlich  der  Himmelskönigin,  aber  auch  allerhand  mysti- 

scheiv  Darstellnngen,  die  mit 
dem  mannigfachen  Glockenaber- 
glauben zusammenhängen.  Statt 
solcher  finden  sich  auch  vielfäl- 
tig Abdrücke  von  Münzen,  na- 
mentlich der  Bildseite  derselben« 
Diese  wurden  besonders  im  XVL 
Jahrh.  und  in  der  Zeit  der  Mttn- 
zenbecher  Mode  und  ganz  ge- 
wöhnlich in  den  Inschriften  als  In- 
terpunktionszeichen oder  Tren- 
nungszeichen der  Wörter  ver- 
wandt.^ Jedoch  finden  sich  auch 
schon  im  früheren  Mittelalter 
mehrfach  Abgüsse  von  Braktea- 
ten,  so  bereits  auf  der  Glocke  zu 
H  el fta  von  1234.  übrigens  kam 
es  vor,  dafs,  sei  es  aus  Nachläs- 
sigkeit des  Formers  oder  aus  Ab- 
sicht des  Stifters,  auch  wirkliche 
Münzen  mit  eingegossen  wurdea, 
z.  B.  an  einer  Glocke  der  Ste- 
phanskirche zu  Mainz  aus  dem  XVI.  Jahrh.  zwei  echte  Münzen  des  Nero  und 
Hadrian.  Seit  dem  XIII.  Jahrh.  findet  man  auch  Siegelabdrücke  und  Wappen- 
schilde, teils  der  Stifter  der  Glocke,  teils  der  weihenden  Bischöfe,  sowie 
Glockenglefserzeichen.  Auf  einer  kleinen  inschriftlosen  Glocke  der  Katharinen- 
kirche  zu  Brandenburg  sind  Abgüsse  von  zwei  Medaillons,  einem  gröfseren 
mit  der  thronenden  heil.  Jungfrau  und  einem  kleineren  mit  der  Crucifixusgruppe 
unregelmäfsig  abwechselnd  nicht  nur  um  den  Hals  und  über  dem  Schlage,  son- 
dern auch  in  vier  senkrechten  Reihen  über  den  ganzen  Körper  laufend  ange- 
bracht, und  an  einer  Glocke  zu  Langein  bei  Wernigerode  bedecken  mystische 
Darstellungen  von  verschlungenen  Kreisen ,  Löwen  und  semihomines  die  ganze 
untere  Hälfte  der  einen  Seite;  sonst  aber  ist  das  Mittelalter  mit  Bildwerk  auf 
dem  eigentlichen  Körper  der  Glocken  am  sparsamsten ,  die  Kreuzigungsgruppe, 
4\e  Himmelskönigin,  oder  der  Titelheilige,  oft  auch  nur  ein  grofses  A.  Jl,  ge- 
nügen. —  Was  die  technische  Herstellung  betrifft,  so  wurden  in  älterer  Zeit 
sowohl  die  figürlichen  Darstellungen  als  die  Inschriften  nur  in  Umrissen  dem 
Mantel  der  Glockenform  eingeritzt,  daher  denn  die  Inschriften  auf  den  Ab- 
güssen oftmals  ganz  oder  wenigstens  in  einzelnen  Buchstaben  verkehrt  stehen.' 
Später  wurden  Wachs -Modelle  auf  das  Hemd  der  Glocke  aufgelegt  und  so  ab- 


Flg.  147.    Glocke  sn  Ltthnde,  rom  J.  1278  (nach  Krate).* 


•  *  Vergl.  Luschin,  Münzen  als  Glockonzien'at,  in  den  Mitt.  C.-K.  N.  F.  VI, 
S.  LXXI  L;  Hach,  Th.,  Münzen  u.  Denkmünzen  als  Glockenzierrat,  im  Chr.  K.-Bl. 
1SS3,  9  f. 

*  Die  Glocke  ist  1S59  umgegossen;  vergl.  Kratz,  .T.  M.,  ein  Beitr.  zur  Gesch.  der 
Glocken,  im  Org.  f.  ehr.  K.  1S5S,  64,  nebst  Abb.  auf  d.  Beilage  zu  No.  6;  eine  bessere 
Mithoff,  m,  Taf.  S.  ^ 

'  Andere  Ursachen  dieses  Verkehrtstehens  s.  in  der  Epigraphik. 


Agnus  dci.  359 

geformt.  Diese  Modelle,  sofern  sie  nicht  in  Münzen,  Siegeln  und  Buchstaben 
bestanden,  entlehnten  die  Glockengiefser  ohne  Zweifel  meistens  anderswoher, 
z.  B.  von  Goldschmieden;  so  finden  sich,  wie  schon  oben  8.  225  erwähnt,  an 
einer  Glocke  von  1345  auf  dem  Turme  der  Katharinenkirche  zu  Branden- 
burg Abgüsse  von  Medaillons  an  einem  Kelche  der  Marienkirche  zu  Stendal. 
Die  Modelle  zu  den  einzelnen  Buchstaben  der  Inschriften  wurden  mit  Stempeln 
oder  Schablonen  hergestellt,  so  dafs  man  Glocken  desselben  Giefsers  (z.  B. 
Gerhard  Wou  von  Kampen)  an  dem  wiederholt  von  ihm  gebrauchten  Alphabet 
erkennen  kann.  —  Eine  Glocke,  an  der  die  einzelnen  Buchstaben  der  Inschrift 
(Ave  Maria  etc.)  nachträglich  auf  den  schon  gegossenen  Körper  aufgelötet  sind, 
findet  sich  zu  Kamitz  im  Kr.  Neisse  aus  dem  XIV.  Jahrh.  —  Glocken  mit  ein- 
geschnittenen Inschriften  sind  sehr  selten  und  gehören  zu  den  ältesten  (z.  B. 
Diesdorf  oben  Fig.  143  und  eine  magazinierte  beim  Dome  zu  Merseburg). 

55.  Yerschiedene  Gegenstände  in  alphabetischer  Reihenfolge: 
1.  Agnus  Dei.  —  2.  Betsäulen.  —  3.  Brunnen.  —  4.  Calvarienberge.  — 
5.  Christusstatuen  mit  beweglichen  Gliedmafsen.   —   6.  Goldene  Rosen. 

—  7.  Gotteskasten.  —  8.  Götzenbilder.  —  9.  Heilige  Gräber.  —  10.  Hei- 
lige Stiegen.  —  11.  Holzklappem.  —  12.  Känime.  —  13.  Kreuze  an 
den  Kirchenwänden.  —  14.  Krippen.  —  15.  Lichtputzen.  —  16.  öl- 
berge.  —  17.  Opferstöcke.  —  18.  Passionssäulen.  —  19.  Prozessionsge- 
räte. —  20.  Raritäten.  —  21.  Schlosserarbeiten.  —  22.  Siegelstöcke.  — 
23.  Stationen.  —  24.  Steinkreuze  (Mordkreuze).  —  25.  Sündenwagen. 

—  26.  Tafeln.  —  27.  Teppiche.  —  28.  Totenleuchten.  —  29.  Uhren.  — 
30.  Votivgeschenke.  —  31.  Wahrzeichen.  —  32.  Wärmäpfel.  —  33.  Weih- 
wasserbecken. 

1.  Agnus  Dei  sind  vom  Papste  geweihte  und  am  Sonnabend  nach 
Ostern  in  Masse  unter  das  Volk  verteilte ,  insgemein  länglich  runde  Medaillen, 
aus  Wachs  von  der  vorjährigen  Osterkerze  unter  Beimischung  von  Chrisma 
(auch  aus  Oblatenteig  oder  Metall)  verfertigt,  welche  auf  dem  Avers  das 
Gotteslamm,  auf  dem  Revers  irgend  ein  Heiligenbild  darstellen.  Sie  wurden 
den  Neugetauften  um  den  Hals  gehängt,  um  dem  Tragen  heidnischer  Amu- 
lete  entgegen  zu  wirken.  Vergl.  Casalius,  J.  Bapt.,  de  veterib.  sacr.  Chri- 
stian, ritibus.  (Francof.  et  Hannov.  1681.)  p.  265.  —  Durandus  1.  6  c.  79 
n.  3.:  ^Hi  agni  a  fulgure  et  (empesiaie  fideles  ei  credentes  defenduni  propier 
virtutem  consecrationis  et  benediclionis.^  —  Papst  Urban  V.  (1362 — 1370) 
schickte  dem  griechischen  Kaiser  mehrere  Agnus  Dei  mit  folgenden,  deren 
Kräfte  preisenden  Versen: 

Balsamus  et  munda  cum  cera  chrismatis  unda 
Conficitmt  agnum^  quod  munus  da  tibi  magnum. 
Fulgura  desursum  depelUt  et  omne  malignum, 
Peccatum  frangit,  ut  Christi  sanguiSy  et  angit. 
Praegnans  servatur,  simtil  et  pariu  liberalur. 
Dona  parat  dignis,  virtutem  destruit  igjiis, 
Por latus  munde,  de  fluctibus  eripit  unde. 


160  Agnuü  (Ifi,     Br-tsfiiitni. 

Cf.  SirmoD<I  in  t'nnoitium  p.  74,  angeführt  bei  (Buddeus)  Allgem.  histor. 
Leiicon  3.  Aufl.  I,  70.  —  In  der  Katharinenkirche  zn  Maaseyck  befindet 


f\g.  Ite.    Arhh  deJ  in  Mau^ck  (nuh  xm  FlHnni}. 

sieh  ein  kreisrnndes  Agnus  aus  dem  XIII.  oder  XIV.  Jahrh.  von  0,UT  Durch- 
messer, welches  zwischen  zwei  durchbrochene  Kupferbleche  gefarst  auf  der 
Vorderseite  das  Gotteslamm  nnd  auf  der  Rüelweite  unter  einem  ofl'enen  ge- 
zinnten  Thore  Johannes  d.  T.  mit  einem  Agnus  dei  in  der  Rechten  zeigt.  Auf 
dem  Metallrande  des  Medaillons  steht  vorn;  Agne.  dei.  miserere.  mei.  qid. 
crimina  toilis,  hinten:  Thomas  Angticus  fecil  fieri  islam  enpruntam.*  Das 
Heiligtum  des  Domes  zu  Halle  enthielt  nach  dem  Verzeichnis  von  1520 
(Gang  I,  4)  »Ay«  kelffenbeynen  serchlen,  darinne  werden  enlhallen  sieben- 
halbhundert  Agnus  dei  vnd  ein.«  (Tprgl.  Droyhsupt,  J.  Cristoph  v.,  Beschr. 
des  Saal-Creysra.  I,  854.) 

2.  Botaänlan,  in  Österreich  Denksanlcn^  genannt  (wahrscheinlich 
mit  Rücksicht  auf  deren  fromme  Stifter),  in  Bayern  Marksteine  (weil  sie 
oft  auf  Wegsclieiden  und  Grenzen  der  Feldmarken  und  Weichbilder  stehen) 
oder  Feldkrenze,  sind  auf  den  kleinsten  Raum  zurückgeführte  Feldka- 
pellen, weshalb  sie  auch  in  manchen  Gegenden  vom  Volke  Kapellen  genannt 
werden.  Sie  wurden  häufig  ex  voto  errichtet  (daher  Votivkreuze)  und 
bestehen  insgemein  ans  einem  Steinpfeiler,  der  ein  Tabernakel  mit  einem 
Heiligenbilde  oder  eine  Tafel  mit  einem  biblischen  oder  legendarischen  Re- 
lief trägt  (daher  Rildstöcke)  und  zuweilen  unten  mit  einem  Altärchen 
versehen  ist.  Viele  dieser  Betsäulcn  werden  im  Volksmnnde  mit  lokalen 
Namen  bezeichnet,  die  gewöhnlich  von  äufseren  Tmatänden  hergenommen 
sind,  und  die  oft  wiederkehrende  Dezeichniing  Kreuz  läfst  sich  entweder 
auf  das  Kreuz  zurüekfllhren,  worin  die  Tabernakelkrönung  auszulanfen 
pflegt,    oder  beruht   insofern  auf  Cbertragnng,    als  die  Betstulen    hfiufig 


'  Abb.  von  Fj'scnne,  T^.  Kunstdoiiliiii 

"  Verjtl.  K.  Lind,   über  Dcnksätileii,   it 

Feliikreuz.  im   Kirchpiisuhmufk  Sekkau.    I. 


Betsiulen. 


361 


ans  einem  Cmcifixas  beBteheo.  Zn  den  altegten  nacligewieseDeo  gehOreu 
das  Marktkreuz  zu  Trier,  laut  iDschrift  von  958  (Abb.  ansm  ^'eerth. 
Taf.  LVI,  ß),  die  romaniBche  (reBtaiirirte)PredigerBftule  vor  dem  Petersthor 
in  Regensburg  und  das  frtthgotiBche 
Rastkreuz  (bo  genannt  von  den  Stein- 
bänken,  womit  diese  Betsftule  umgeben 
war)  bei  Oedenburg  (Abb.  in  den  Mitt 
C.-K.,  n,  321,  Rg.  1);  ZU  den  weithin  be- 
kanntesten und  kflnstleriach  ausgezeich- 
netsten das  (reetaurierte)  mit  dem  Stufen- 
untersatze  gegen  10,oo  hohe  Hochkrenz 
beiOodesberg  unweit  Bonn  vom  J.  1333 
(Abb.  bei  Quaglio,  Dom.,  Samml.  merkwttrd. 
Gobfiude  des  H.-A.,  D.,  3  81.  2,  GBÜhabaud, 
Banbinat  etc.,  Bd.  TT,  mit  2  Taf.)  und  die 
Spinnerint  ^m  Krenz  bei  Wiener- 
Neustadt,  ein  stattlicher,  20,50  hoher 
Tahernakelpfeiler,  1.S82  von  Wolfart  von 
Schwarzensee  durch  Meister  Michael  Mein- 
wurm in  Wien  errichtet,  das  reichste 
aller  bekannten  Exemplare  (Abb.  Östr.  AtL, 
XCVn,  10).  —  Spätgotische  Betsäulen  sind 
in  dem  kathoÜBcIien  Teile  Deutschlands, 
namentlicli  wo  der  Steinban  lierrrscht, 
fast  Überall  liflufig  und  von  sehr  verschie- 
denem Werte ;  wir  nennen  in  Schlesien  die 
zu  Görlitz  von  1489  und  die  zwischen 
Werthau  und  Mittlau  bei  Bunzlau;  in 
Bayern:  die  Votivsftule  vor  dem  Jakobe- 
thor in  Regensbnrg  (mit  vielen  Statu- 
etten und  Reliefs;  restauriert);  einen 
Markstein  zu  Erlstätt  bei  Traunstein 
(sehr  roh,  aber  originell);  Abbildungen 
von  Betsäulen  in  den  ThUr.-Sächa.  Län- 
dern bei  Puttrich,  I.  Serie  Reufs  Bl.  8 
u.  [I.  Serie  Pforta  Bl.  8,  Serie  Halle  Bl.  5  a, 
Serie  Erfurt(da8SibyllentUrmc!ien)BI.  12. 
—  von  Osterreichisehen :  im  Östr. Atl-,  Taf. 
»7,Fig2  (bei  Deutsch-Altenburg),  3 
{bei Hainbürg),  fi  (bei  Pitten  in  Sied.- 
Üstr.  1487),  7  (das  Bäckerkreuz  zu  Wien 
1508),  8  (zu  Gersthof),  9  (die  Zderad- 
Säule  bei  BrUnn),  II  (die  Denkaäule, 
ebenfaUs  Spinnerin  am  Kreuz  genannt, 
auf  der  Höhe  dea  Wiener  Waldea  bei  Wien 


1451 — 52  von  Pucbabaum  e 


richtet,  1542  durch  Kölbl  erneuert),  12  (zu  Leoben  1516);  in  den  Mitt. 


provinziell  =  Spione. 


162  Brunnen. 

C.-K.,  XIV,  S.  XV,  Fig.  2  (zu  Lorcli  bei  Erdb),  3  (am  Kahlenberger- 
dorO.XIX,  3.  CXLV,Fig.  8(beiVillach);  — vonrheinisclien:  das  Hoch- 
kreuz  zu  FrauwttlleBlieim  bei  DOreu  (am  Saudateiuachaft  mit  einem 
Bchmiedeeigernen  Lilieureif  zum  Aufatecken  vou  Lichtern  umgeben)  im  Org. 
f.  ehr.  K.  1869,  No.  7  und  das  Bnttkenkreuz  zu  Moareal  im  Mayengau 
bei  aua'm  Weerth,  Taf.  HI,  13, 

3.   BroniiAn  (putei  sacri)  kommen  öfter  in  Kirchen  vor  und  dienten 
zum  Schöpren  des  zu  den  kirchliehen  Handlungen  erforderlichen  Wassers, 
scheinen  indes  zum  Teil  früher  vorhanden  gewesen  zu  sein,  als  das  gottea- 
dienstliclie  Gebäude,  in  welchem  sie  sich  befinden;  der  Quell  des  (jetzt 
verschütteten)  Brunnens  im  MUnster  zu  Strafsburg  z.  B.  soll  ursprünglich 
zu  einem  römi ach- heidnischen  Tempel  gehört  und  zum  Waschen  der  Opfer- 
tiere gedient  haben,  nnd  der  Bruuneu  im  Regensbnrger  Dom  soll  schon 
das  Wasser  bei  Erbauung  des  Domes  selbst  geliefert  haben.  Gewifs  ist,  dafs 
dem  Wasser  der  Kirchenbrunnen  (z.  B.  dem  Bi-unnen  des  heil.  Rilian  in  der 
Krypta  des  Neumflnstera  zu  WUrzburg)  oft  Wunderkrafte  zugeschrieben 
wurden.  —  Bei  tief  stehendem  Wasser  ist  aufser  der  Einfriedigung  des 
Brunnens  durch  einen  Steinschrein  (margeliä)  noch  ein  tabernakelartiger 
Überbau  mit  einer  Rolle  er- 
richtet, um  welche  sich  das 
Seil  mit   den   Schöpfeimern 
schlingt,  und  der  Brunnen- 
bau des  Matth.  Roritzer  von 
15(X)  im  Dome  zu  Regens- 
burg (Abb.  bei  Üailhabaudi 
(iie  Baukunst,  111,  Taf.  IT),  ge- 
Bchmltckt   mit    den    Statuen 
Christi  und  der  Samariterin, 
ist   künstlerisch   ausgezeich- 
net; der  Brunnen  im  Strafs- 
burgerMtlnsterwarvon  ein- 
facherer Konstruktion   (Abb. 
a.  a.  0. ,  dem  Texte  eingodructt). 
—  In  Altenberg  bei  Köln 
befand  sich  bis  zum  Brande 
von    1815    im    südl.    Teile 
des  QuerschifTs  ein  vermit- 
telst einer  Wasserleitung  ans 
einem    Bergqnell      gespeis- 
ter Springbrunnen  von  2,ou 
Durchmesser.    Andre  Brun- 
nen sind  vorhanden  im  Chor- 
amgange    des   Münsters    zu 

Frg.  IM.    nmnntn  (.btniuli)  Im  Mllutor  n  SlnCbors  Frciburg   1.    B.    VOU    ThcO- 

(n«h  ciihM™-).  ^^j^^  Kanffmann  1511  und 

in    der    Krypta    der   Petri- 

Paulikirohe  zu  Görlitz;  unter  dem  Dome  zu  Paderborn  entspringt  ein  Arm 

der  Pader  etc.  —  Ob  die  als  Taufstein  bezeichnete  Margetia  in  der  Krypta 


Calvarienbergo.    Christusstatuen.    Goldene  Rosen.  363 

des  Domes  zu  Speier  etwa  von  einem  Brunnen  herrühren  möchte,  mag  dahin 
gestellt  bleiben :  Taufsteine  kommen  sonst  in  Krypten  nicht  vor,  dagegen  ist 
das  häufige  Vorkommen  von  Brunnen  gerade  in  den  Krypten  auffällig.  In  der 
zu  Petershausen  legte  der  Stifter  Bischof  Oebhard  sogar  einen  an,  ob- 
gleich sie  in  so  sumpfigem  Boden  lag,  dafs  die  Fundamente  auf  eingerammte 
Pfähle  gelegt  werden  mufsten,  das  Wasser  also  schlecht  gewesen  sein  mufs 
und  an  die  Absicht  einer  Ableitung  des  Grundwassers  auch  nicht  gedacht 
werden  kann.  Vielleicht  handelte  es  sich  dabei  um  eine  Nachahmung  der 
alten  Peterskirche  zu  Rom,  in  deren  unterirdischen  Räumen  man  die  soge- 
nannte Taufquelle  des  Petrus  entdeckte  (vergl.  Bunsen  u.  Platner,  Beschr. 
Roms,  II.  1,  56  n.  82).  —  Über  die  Brunnen  in  den  Brunnenhäusern  der 
Klöster  ist  schon  oben  S.  102  gesprochen.  Erhalten  hat  sich  der  zu  Maul - 
bronn,  aus  verschiedenartigen  Bestandteilen  zusammengesetzt;  die  beiden 
unteren  Sandsteinschalen  (die  unterste  von  3,oo  Durchmesser)  sind  sehr  alt, 
noch  romanisch,  die  oberste  von  Bronze  spätgotisch,  die  kuppelturmartige 
bleierne  Bekrönung  frUhgotisch  (Abb.  Paulus,  Maulbronn,  Fig.  85  u.  88).  Der 
zu  Lttne  hat  auf  achteckigem  Steinpfeiler  ein  bronzenes  Becken  von  1,61 
Durchmesser  und  darauf  ein  rundes  Türmchen  mit  Ausgüssen  und  Zinnen- 
kranz, aus  dem  sich  ein  gotisches  Spitzdach  mit  Krabben  und  Kreuzblume 
erhebt.  —  Auf  dem  Platze  vor  der  Klosterkirche  steht  zu  Sayn  ein  roma- 
nischer Brunnen  mit  zwei  Becken,  von  denen  das  untere  auf  sechs  schlanken 
Sänlchen  ruht  (Abb.  aus'm  Weerth,  Taf.  L,  6). 

4.  Calvarienbergo  {mons  cätvariae  «»  Schädelstätte)  sind  statuarische 
Darstellungen  des  zwischen  den  Schachern  gekreuzigten  Erlösers,  mit  Maria 
und  Johannes  unter  dem  Kreuze,  wie  dieselben  zu  den  Stationen  der  Lei- 
densgeschichte gehören;  z.  B.  der  Jerusalemsberg  bei  Lübeck  mit  einer 
Passionsgnippevon  1468,  der Calvarienbergaufdem Domkirchhofe  zu  Frank- 
furt a.  M.  von  1509  (Photogr.  bei  Cornill,  Jak.  Heller  n.  Alb.  Dürer  etc.  1871) 
und  von  demselben  Meister  zu  Wimpfen  a.  Berg  bei  der  Pfarrkirche 
(Photogr.  V.  Lorent,  "Wimpfen,  Bl.  9). 

ö.  Christuntatuen  aus  Holz  mit  beweglichen  Armen  und  Beinen  (z.  B. 
in  der  Marienkirche  zu  Dan  zig),  welche  am  Himmelfahrtsfeste  in  den  Kir- 
chen durch  eine  Öffnung  im  Deckengewölbe  hinaufgezogen  wurden ;  andere, 
hohle,  mit  fünf  offenen  Wundenmalen  (z.  B.  in  Pforta,  abgebildet  bei  Puttrich, 
Benkm.,  II,  Serie  Pforta,  Bl.  8),  aus  welchen  man  Blut  fliefsen  lassen  konnte, 
das  durch  eine  Öffnung  im  Kopfe  hineingegossen  wurde.  Eine  derartige 
aus  Terracotta  von  ca.  1500  mit  Öffnungen  an  der  Stelle  der  Dornenkrone 
und  der  Brustwunde  befindet  sich  in  St.  Peter,  Kr.  Schlettstadt  (vergl. 
Kraus,  I,  245). 

6.  Goldene  Rosen,  d.  h.  aus  Gold  gearbeitete  Nachbildungen  eines 
Blätter  und  Blüten  tragenden  Rosenstockes  in  Form  eines  Tafelaufsatzes, 
kamen  öfter  in  Kirchenschätzen  vor,  in  die  sie  von  hohen  Personen,  welche 
dieselben  vom  Papste  zum  Geschenke  erhalten  hatten,  niedergelegt  wurden. 
Seit  der  Mitte  des  XI.  Jahrhunderts  nämlich  weihte  der  Papst  jährlich  am 
Sonntage  Lätare,  dessen  Liturgie  mitten  in  der  Zeit  der  Trauer  im  Hinblick 
auf  den  endlichen  Sieg  der  streitenden  Kirche  die  Gemeinde  zur  Freude 
erweckt,  in  der  Basilika  S.  Croce  in  Gerusalemme  nach  der  Messe  eine 
goldene  Rose,  die  er  darauf  als  ein  Zeichen  der  geistlichen  Freude  denGläu- 


(g4  Goldene  Hosen.    Gotteskasten.    Götzenbilder. 

bigea  Id  FrozesBioa  zeigte  naä  demnächst  einem  gerade  am  päpstlichen  Hofe 
an WGBenden  Fürsten  znro  Ehrengeeclienke  übermachte,  welcliermit  der  Rose 
Bodann  unter  grofsem  Reitergefolge  einen  Umzug  durch  die  jubelnde  Stadt 
hielt.     (Ve^l.  Durandus,  1.  6  c.  59  n.  S;    Hospinianus,  Hud,,  Festa  ChriHtia- 
norom.  Tiguri  1593.  Fol.  43;  Ughelli,  Ital.  sacr.  I,  1,  297;    (Buddeua)  AUgom. 
histor.  I*xikon,  I\',  154;  Texier,  Dictiomiaire  d'ortevrerie,  I3S5.)'  ~  Wenn  am 
Sonntage    Lätare    kein   dieaer   Ehre   würdiger 
Fflrst  in  Rom  zugegen  war,  pflegten  die  Päpste 
die  goldene  Rose  nach  aufserhalb  zu  verBchen- 
ken:  an  Fttrsten,  Städte  oder  Kirchen.    Alexan- 
der II!.  (1159  —  81)  verehrte  goldene  Rosen  an 
König  Ludwig  VII.  von  Frankreicli  und  an  den 
Dogen  von  Venedig;  Urban  V.  (1362  —  70)  be- 
schenkte damit  die  Königin  Jolianna  von  Sicilie», 
Pins  II.  (145»  — 64)  seine  Gebui-tsstadt  Siena, 
Sixtus  IV.  im  J.  1480  den  KnrfUrsten  Ernst  von 
Sachsen,  Leo  X.  1519  den  Kurfttrsten  Friedrich 
den  Weisen  und  den   Kardinal  Albrecht  von 
Mainz  »icw  besunder  Erc  der  löblichen  Stifts- 
kirche zu  Halle,  deren  HeUigtumebnch  (Gang  1, 1) 
eine  Abbildung  der  goldenen  Rose  enthält  (ver- 
kleinert wiedei^egeben  Fig.    151).     Auch    der 
Dom  zu  Basel  besafs  nach  No.  21  des  Schatz- 
verzeichnisses  von  1511  (Mitteil,  der  Gesellseh.  für 
vaterlfind.  Altert,  in  Basel,  IX,  21)  eine  »Rosa  awea, 
cum  triginla  octo  foHis,  quinqae  pamis  rosts, 
duobus  nodis  el  tribus  clipeU*  ans  geschlagenem 
Golde.  —  Davon,  ob  sich  irgendwo  eine  goldene 
Rose  aus  dem  Mittelalter  bis  auf  unsere  Zeit  er- 
halten habe,  verlautet  nichts;  ein  Exemplar,  an- 
geblich aus  dem  XVII.  Jahrb.,  dem  Herzoge  von 
Lncca  gehörig,  befand  sich  im  J.  1855  bei  einem  Goldarbeiter  in  Dresden 
(Deutsches  Kunatbl.,  ISää,  119  u.  166). 

7.  Gottaikaaton,  gewöhnlich  mit  Eisen  beschlagene,  ausgehöhlte  Eichen- 
stämme,  hie  und  da Tczelskasten  genannt,  z.B.  in  den  Domen  vonMagde- 
burg,  Naumburg  und  Utra,  in  den  Nikolaikirchen  zu  Jüterbog  and 
Beelitz  bei  Potsdam  etc. 

8.  Oötsanbildflr  wurden  zuweilen  in  solchen  Kirchen,  die  an  dem  Ort 
zerstörter  heidnischer  HeiligtOmer  errichtet  wurden  (s.  oben  S.  17),  entweder 
in  den  Fundamenten,  oder  über  der  Erde  sichtbar  in  umgestürzter  Stellung 
als  Siegeszeichen  eingemauert:  ein  Suantevitsbild  in  der  Kirche  von  Alten - 


'  Die  Übersetzung  Luthers  von  Micha,  IV,  8,  wo  er,  abweichend  von  allen  alten 
'  """  ,  dos  hebr.  t'v  (ad  te)  infolge  einer  unrichtigen  Punlttation  —  omatus  tniis 
luuiiri  uud  völlig  willkürlich  durch  'deine  güldene  Sose'  wiedergegeben  hat,  kann 
nach  dem  Kontexte  wohl  nur  als  beziehunesreiche  Anspielung  auf  die  Liturgie  des 
Boontags  Laetare  erklärt  werden.  Vergl.  Schmieder,  im  Voltsbl.  für  Stadt  u.  I^ud 
ltJ54,  Sp.  237  S. 


Götzenbilder.    Heilige  Gräber.  365 

k  i  r  c  h  e  n  auf  Rügen ,  ^  ein  metallener  wendischer  Götze  von  dem  Abteigebäude 
zu  Kolbatz  in  der  Sammlung  nordischer  Altertümer  im  Museum  zu  Berlin.'  — 
Im  Museum  zu  Trier  befindet  sich  der  antike  Marmortorso  einer  Diana  oder 
Venus,  welcher  ehedem ,  neben  der  Klosterk.  zu  St.  Matthias  auf  einer  rohen 
Steinbasis  aufgepflanzt  und  später  auf  dem  angrenzenden  Kirchhofe  in  Ketten 
aufgehängt,  zur  Zielscheibe  für  die  Steinwürfe  der  Wallfahrer  diente.'  — 
Rohe  Relief bild werke,  die  wohl  auf  germanischen  Götterkult  zu  deuten  sein 
werden,  bei  denen  aber  zweifelhaft  bleibt,  ob  es  wirklich  ehemalige  Götzen- 
bilder sind  oder  nur  Erinnerungen  an  den  einstigen  durch  das  Christentum 
überwundenen  Götzendienst,  finden  sich  sowohl  in  Württemberg  an  den 
Kirchen  zu  Belsen,^  Illingen,  Lonsee,  O.-A.  Ulm  (Turm)  und  Kuchen, 
O.-A.  Geislingen  (ebenfalls  am  Turme),  als  auch  im  Mansfeldischen  zu  Mül- 
lerdorf,* Ober-Röblingen  und  Siersleben.  —  Dagegen  haben  die  in 
Niedersachsen  (aber  auch  in  der  Marienkirche  zu  Zwickau  und  im  Dome 
zu  Freiberg)  vorkommenden  sog.  Götzenkammern  mit  dem  Heidentume 
durchaus  nichts  gemein,  und  heifsen  im  Volksmunde  nur  deshalb  so,  weil 
die  in  diesen  kirchlichen  Rumpelkammern  zusammengeworfenen  Heiligen-  etc. 
Figuren  von  zerstörten  alten  Denkmälern  dem  evangelischen  Volke  als  Über- 
bleibsel der  mittelalterlichen  Bilderverehrung  galten  und  wegen  ihrer  zum 
Teil  monströsen  Formen  hin  und  wieder  selbst  für  heidnische  Götzenbilder 
gehalten  wurden,  wie  dies  z.B.  zutrifft  bei  den  vielfach,  z.B.  in  der  Marien- 
kirche zu  Berlin  ans  dem  XV.  Jahrh.  vorkommenden  geschnitzten  Evan- 
gelistenstatuetten, denen  statt  menschlicher  Köpfe  die  ihrer  aus  dem  Tier- 
reiche entnommenen  Symbole  (Löwe,  Stier  und  Adler)  gegeben  sind. 

9.  Heilige  Graber,  statuarische  Gruppen,  die  Grablegung  Christi  dar- 
stellend, welche  in  den  drei  letzten  Tagen  der  Charwoche  in  Trauer  ausge- 
stattet wurden  und  wahrscheinlich  die  früheren  dramatischen  Osterspiele  er- 
setzen sollten,  nachdem  sich  die  Geistlichkeit  seit  dem  XIII.  u.  XIV.  Jahrh. 
von  diesen  ausgearteten  Aufführungen  zurückgezogen  hatte."  Im  früheren 
Mittelalter  waren  dazu  in  den  Kirchen  besondere  abgeschlossene  Räume  vor- 
handen, wie  z.  B.  die  sogenannte  Bufskapelle  zu  Gernrode  und  die  sog. 
Ottonenkapelle,  eine  fast  vogelkäfigartige  durchbrochene  sechzehneckige 
frühgotische  Steinlaube  von  3,45  Durchmesser  im  Dome  zu  Magdeburg 
(Abb.  bei  Rosenthal,  a.  a.  0.,  lief.  IH,  Taf.  V)  ursprünglich  höchst  wahr- 
scheinlich diese  Bestimmung  hatten.  Der  Name  »heiliges  Grab«  hat  sich  er- 
halten für  den  dem  Magdeburger  Kapellchen  in  der  Anlage  sehr  ähnlichen 
kleinen  zwölfeckigen  Polygonbau  aus  der  Zeit  um  1300  in  der  runden  Moritz- 
kapelle am  Dome  zu  Konstanz  (Abb.  bei  Kinkel,  a.  a.  0.,  130),  wo  auch  die 
statuarische  Ausstattung  im  Innern  (a.  a.  0.,  Taf.  5)  dem  Namen  entspricht. 
—  Dafs  die  geschnitzten  kirchenähnlichen  Kapellen  zu  Salzburg  und  in 


'  Abb.  Baltische  Studien.  XXXI,  220. 

*  Über  heidnische  Bildwerke  in  christl.  Kirchen:  Piper,  Myth.  I,  48  ff. 

'  Florencourt,  "W.  Ch.  v.,  der  gesteinigte  Venustorso  zu  St.  Matthias  bei  Trier 
(nebst  Abbild.)  in  den  Bonner  Jabrbb.  XHI,  128—140. 

*  Verel.  Chr.  K.-Bl.  1867,  83  ff.,  m.  Abb.u.  1868,  94;  Rupp,  Theoph.,  aus  d.  Vor- 
zeit Reutlingens  etc.   2.  Aufl.  1869,  71—79. 

*  Vergl.  N.  Mitt.  Th.-S.  V.  V,  2.  110—132,  m.  Abb. 

«      »      Kinkel,  Gottfr.,  in  Bonner  Jahrbb.  LX,  121—132. 


[66  Heilige  Griiher, 

der  Ambraser  Sammlnng  za  Wieo  als  heilige  Gräber  gedieot  haben,  ist  be- 
reits S.  192  erwähnt  worden. 
—   Auf  der  Insel  Reichenau 
steht  in  einer  separaten  Ka- 
pelle  neben  dem  Chore  von 
Mittelzell  in  der  Mitte  des 
Raumes  ein  gotiBcliesGeatäDge, 
das   wie   ein   durchbrochener 
Kasten  das  quadratische  hei- 
lige Orab  einschlierst,  in  wel- 
ches man  auf  einigen  Stufen 
zu  einer  sargähnlichen  Truhe 
hinabsteigt,  die  mit  einem  höl- 
zernen Deckel  verschliefsbar, 
indessen  so  klein  ist,  dafs  nur 
etwa  eine  Puppe  darin  Platz 
gefunden   haben  kann.     Das 
heil.  Grab  zuGörlitz  von  1489 
(Abb.  Futtrich,  II,  8er.  Gör- 
litz, Bl.  S;  fliehe  oben  B.  23)  ist 
ein  Eenotaphium  unter  freiem 
Uiramelohne  statuarische  Aus- 
stattung, während  die  Salbung 
des  Leichnams  Christi  in  einer 
besonderen  Statuengnippe  36 
Schritt  von  der  Krenzkapelle 
entfernt  in   einem   niedrigen, 
von  einem  eisernen  Gitter  um- 
gebenen Gehäuse    dargestellt 
war.    Dagegen  enthält  die  h. 
Grabeskapelle  auf  dem  Johan- 
{   niskirchhofe   zu   Nürnberg, 
i    ein    äufserlich   modernisierter 
'   spätgotischer    Rundbau     von 
nt.  ibt.   Bciiipi  onb  iD  Koiutuu  (nach  Kinkel).        1^307    eine    Darstellung    der 
Grablegung  in  15  Qberlebens- 
grofsen  freien  Statuen  von  A.  Krafft  1508  (Abb.  Wanderer,  Ä.  Kr.,  Taf.  23).  — 
Spätmittelalterliclie  Darstellungen  in  Stataengrnppen  finden  sich   in   den 
Kirchen  sehr  häufig,  z.  B.  zu  Köln  in  St.  Maria  auf  dem  Eapitol,  zu  Sin- 
zig  (von  Holz)  und  Andernach  in  den  Pfarrkirchen,  zu  Remagen  in  der 
kathol.  Kirche,  zu  St.  Wendel,  zu  Trier  in  St.  Gangolf  und  in  der  Lieb- 
frauenkirche (von  1530),  zu  Mllnstermaifeld  In  St.  Mariin,  zn  Mainz  im 
Dome  (Photngr.  Emden  u.  TV'etter,  Dom  z.  M.,  Taf.  25),  ZU  Freiburg  i.  Br. 
im  Mflnster,  zu  Konstanz  im  Dome;  im  Elsafe:  zu  Altthann  Kr.  Thann 
(ausgezeichnet),  Drei-Ähren  Kr.  Kolmar,  Gressweiler  bei  Mutzig  (un- 
gewöhnlich klein),  Hagenau  in  St. Nikolai,  Kaysersberg(1514  erneuert, 
vorzttglich) ,  Kienaheim  Kr.  Rappoltsw eiler,  Neuweiler,  in  St.  Petri- 
Pauli  (mittelmäfsig ;  der  Christus  zeigt,  wie  im  Elsafs  Öfter,  z.  B.  in  der 


Heilige  Stiegen.    Holzklappen.    Kämme.  367 

Rekollektenkirche  zu  Zabern,  in  der  Herzgegend  eine  Öffnung,  welche  ver- 
mutlich zur  Aufbewahrung  der  Hostie  in  der  Charwoche  diente ;  vergl.  Kraus, 
I,  178),  zu  Oberehnheim  (sehr  schön  von  1504),  zu  Schlettstadt  bei 
St.  Fides,  zu  Weifsenburg  in  St.  Petri-Pauli;  zu  Reutlingen  in  der  Ma- 
rienkirche (Abb.  Jahresh.  d.  AVürttemb.  Altert. -V.,  IV,  Bl.  3);  zu  Treysa  in 
der  Spital kapelle  (sehr  einfach),  zu  Diedorf  auf  dem  Eichsfelde  in  der 
Albanikapelle  (von  1501);  zu  Dresden  im  Mus.  d.  6r.  Gartens  aus  der 
Stadtkirche  zu  Chemnitz  (von  1480  aus  Holz)  und  aus  der  Bartholomäikirche 
zu  Dresden  (Anf.  XVI.  Jahrh.  von  Stein)  und  zu  Zwickau  in  der  Frauen- 
kirche (von  1507,  Holz).  —  (Vergl.  über  die  heil.  Gräber  in  der  Charwoche: 
Kirchenschmuck  (1862)  VI.  5,  1  ff.). 

10.  Heilige  Stiegen ,  wohl  erst  seit  dem  Ausgange  des  Mittelalters  be- 
sonders an  Wallfahrtsorten  vorkommende  Nachbildungen  der  aus  28  Mar- 
morstufen bestehenden  Scala  sanla  beim  Lateran  in  Rom,  welche  aus  jener 
Treppe  erbaut  sein  soll,  die  in  Jerusalem  zu  dem  Richthause  des  Pilatus 
hinaufführte.  Die  Stufen  sind  mit  einem  Kreuze  bezeichnet  und  werden  von 
den  Gläubigen  auf  den  Knien  unter  Gebeten  erstiegen;  oben  ist  eine  Pas- 
sionsdarstellung angebracht  (in  der  Kirche  zu  Graupen  m  Böhmen  z.B.  die 
Ausstellung  Christi,  in  vielen  lebensgrofsen  bemalten,  in  Holz  geschnitzten 
und  auf  drei  Altanen  aufgestellten  Figuren),  und  eine  zweite  Treppe  führt 
wieder  hinab. 

11.  Holzklappern,  crepitacula  ecclesiasdca,  crecellae^  provinziell 
Cressellen,  auch  Rädschen,  Raspeln  genannt,  werden  in  den  drei  letzten 
Tagen  der  Charwoche,  wo  die  Glocken  schweigen,  als  kirchliche  Signa  ge- 
braucht, in  unbewufster  Anlehnung  an  die  in  den  Athosklöstern  noch  gegen- 
wärtig üblichen  heiligen  Hölzer  (Otte,  Glockenkunde,  2).  Ein  solches,  mit 
einer  Drehwalze  in  Bewegung  zu  setzendes  Instrument,  das  ähnlich  wie  der 
Kranich  (grue)  auf  dem  Dome  zu  Chartres,  einen  gewaltigen  Lärm  verur- 
sacht haben  mufs,  befindet  sich  auf  dem  Turme  der  Kreuzkirche  zu  Breslau. 
Eine  hölzerne  Charfreitagsglocke  im  Dome  zu  Braunschweig  ist  in  Krü- 
nitz,  Ökonom.  Encyklopädie ,  XIX,  94  erwähnt. 

12.  Kämme,  aus  Elfenbein  geschnitzt,  wurden  im  früheren  Mittelalter 
bis  ins  XIII.  Jahrh.  in  den  Kirchen  gebraucht,  um  das  Haar  des  pontificie- 
renden  Geistlichen  vor  der  Messe  zu  ordnen,  und  nach  dem  Schatzverzeich- 
nisse der  Ecclesia  Sarum  in  England  vom  J.  1222,  wo  es  heifst:  ^Peciines 
ehumeae  V.  exceptis  his  qaae  sunt  ad  aliariaj^  gewinnt  es  den  Anschein, 
als  ob  zu  jedem  Altare  ein  solcher  Kamm  als  Inventarienstück  gehört  habe. 
Auch  bei  der  Konsekration  der  Bischöfe  kam  ein  reich  verzierter  Elfenbein- 
kamm in  Anwendung,  um  nach  der  Salbung  des  Hauptes  mit  Chrisam  das 
Haar  wieder  zu  ordnen.  Dieser  Konsekrationskamm  verblieb  den  Bischöfen 
als  Eigentum  und  wurde  ihnen  nach  ihrem  Ableben  mit  ins  Grab  gelegt, 
wie  dergleichen  Kämme  auch  in  deutschen  Bischofsgräbem  gefunden  worden 
sind:  der  Kamm  Erzbischofs  Anno  von  Köln  (t  1075)  in  der  Abteikirche  zu 
Siegburg  (jetzt  aufbewahrt  in  der  Stadtpfarrkirche  daselbst;  Abb.  aus'm  Weerth 
Taf.  XLVn,  3  u.  3  a);  der  Kamm  Bischofs  Benno  von  Osnabrück  (t  1088)  in 
der  Abteikirche  zu  I bürg.  Anderweitig  werden  in  den  Kirchen  aufbewahrte 
Kämme  auch  traditionell  als  solche  ausgezeichneter  Personen  benannt ,  so  die 


IQg  Kämme.    Kreuze.    Krippen.    Lichtputien. 

angeblichen  KSmme  Karls  d.  Gr.  im  Dome  zu  Osnabrttck  {mit  dem  thro- 
Denden  Petrus,  der  2  Icmeenden  Heiligen  je  ein 
Buch    darreicht;    Abb.   Mitt.   d.   hist.  V.   Osnabr., 
XI,  Taf.  e),  Ktlnig  Heinrichs  I.  im  Zither  der 
Schloftkirohe  zn  Quedlinburg  (Abb.  Kug- 
1er,  KI.  Schriften,   I,  fi33),    des    heil.    Ulrich 
(t  973)  in  der  Kirche  St.  Ulrich  und  Afra  zu 
AHgBburg(Abb,  Sighsrt,  I,  108),  der  Kamm 
der  heil.  Knoigonde  im  Domschatze  zn  Bam- 
berg (Abb.  Becker-  v.  Hefner,  I,  T«f.   28), 
der  Kamm  der  heil.  Hildegard  (t  nso;  Abb. 
bei  v.Hefner,Trachlen.I,  Tat.  38).  -  Abb.   von 
zwei  Elfenbein  kämmen  im  Stadt.  Maseum  zn 
Kdln  bei  Bock  d.  heil.  Kitln,  Taf.  XLIII, 
121(8uf  derVordereeite  mit  der  Kreuzigungs- 
grnppe)  und  Taf.  XLIV,  122  (nur  mit  Ranken 
und  phantastischen  Pferdeleibern) ;  andre  spä- 
tere bei  Becker-  v.  Hefner,  IH,  Taf.  13 
n.  33)  (letzterer  mit  der  Verkündigung  und 
den  heil,  drei  Königen  aus  dem  XIV.  Jahrb., 
Fif.  IM.   Der  «•(,  Bankumni  K   Hein-  jetzt    im    Kunstgewerbe  -  MuBCum    zu     Ber- 
rici..  I.  In  qiwdiii.tnirg{nmch  Kuglet),     ün).  — .  Diese  Kämme,  stets  mehr  hoch  als 
breit,    haben  entweder   nur  eine  oder   zwei 
Reihen  lange ,  enger  oder  weitläufig  gestellte  Zähne.  Bei  den  Doppelkämmen 
ist  das  Mittelsttick,  beiden  einfachen  der  obere,  gewöhnlich  lyraförmig  dop- 
peltgehSrnte  Griff  mit  antikisch -agonistischen,  biblischen  oder  erotischen 
Flachreliefe,  zuweilen  auch  nur  mit  Ornamenten  geschmückt:  der  Quedlin- 
bnrger  Kamm  ist  am  Griff  mit  ausgeschnitztem  naturalisierendem  Ranken- 
UD<i  Blatterwerk  und  Einfassungen  von  Gold-  und  Rdelsteinen  reich  verziert 
und  viel  jünger  als  die  Zeit  Heinrichs  I.  (Vergl.  BocV,  Fz.,  das  heilige  Eöhi  eu 
No.  121  u.  122.  —  Bretagne,    Rocherches  sur  lea  peignes  liturgiijucs  im  Bulletin 
monumental,  3.  Serie.  T.  VI,  Vol.  XXVII,  No.  4). 

13.  Kram  von  vier  gleichen  Schenkeln,  in  einen  Kreis  gezeichnet, 
in  bunten  Farben  innerlich  an  die  Wände  der  Kirchen  angemalt  und  von 
dekorativem  Charakter,  sind  die  Zeichen  der  bischöflichen  Weihe;  vergl. 
oben  8.  170.  —  Eine  farbige  Abbild,  der  in  der  Marienkirche  zu  Röbel  im 
Mecklenburgischen  befindlichen  stilisierten  Weihekreuze  ans  dem  XIII.  Jahrh. 
(hochrot  auf  weifsen  Scheiben  mit  roten  und  blauen  Blattverzierungen)  s. 
Zeitschr.  f.  Bauw.,  II,'B1.  55,  Fig.  III. 

14.  Krippen,  in  Hochrelief  geschnitzte  und  bemalte  Darstellungen  der 
Geburt  Jeau,  der  Anbetung  der  Hirten  und  der  Weisen,  welche  in  der  Weih- 
nachtszeit ansgegtellt  wurden;  ein  Krippchm  (1,90  hoch,  1,23  breit)  in  der 
Klosterkirche  zu  Berlin  beschreibt  Bellermann,  J.  Joach.,  das  graue 
Kloster  in  Berlin  1,  43  tl.,  und  in  der  Klosterkirche  zu  Marienfeld  bei 
Gütersloh  befindet  sich  ein  solches  in  Metallgufs. 

15.  Liehtputtea  werden  von  Durandus  I.  1  c.  3  n.  28,  29  unter  den 
kirchlichen  Gerätschaften  erwähnt:  'Emuncloria  sive  forcipes,  quorwn  ge- 


Ölberge.  3ö9 

mno  dente  componitur  ignis,  ad  emungenduni  h/chnum,<ii  und  als  dazu  ge- 
hörig: »  Vasüy  in  quibus  emuncti  lychrä  exünguuntur,<^ 

16.  Ölberge  d.  h.  Christi  Leiden,  in  Gruppen  oft  lebensgrofser  Stein- 
bilder, von  Oethsemane  an  bis  zur  Kreuzigung,  Grablegung  und  Aufer- 
stehung; gewöhnlich  in  Nebenräumen  oder  aufserhalb  der  Kirchen  und 
zwar,  soweit  bekannt,  sämtlich  aus  dem  XV.  und  XVI.  Jahrhundert.  Be- 
wundert  waren  die  nicht  mehr  vorhandenen  Ölberge  auf  dem  Münsterplatze 
zu  Ulm  (von  1474  nach  einem  Risse  von  Matth.  Böblinger,  ein  Teil  der  Figuren 
1516 — 18  von  Meister  Michael,  1807  in  den  letzten  Resten  weggeräumt,  nur 
einige  Figuren  davon  noch  in  der  Sammlung  des  Altert.- V.  zu  Ulm.  Er  ent- 
hielt auf  einem  erhöhten  Platze,  zu  dem  12  Stufen  hinaufführten,  die  Gethse- 
manegruppen;  darüber  erhob  sich  eine  steinerne  Spitzbogenhalle  auf  6  mit 
Figuren  auf  Konsolen  unter  Baldachinen  geschmückten  Pfeilern.  DieAufsen- 
seite  des  Gewölbes  war  unter  dem  Dache  mit  Blei  gedeckt ;  das  Dach  war 
eine  zierlich  durchgebrochene  gotische  Steinpyramide  von  17,50  Höhe;  vergl. 
Presse!,  Münster  zu  Ulni,  105)  und  in  der  Mitte  des  Kreuzgartens  am  Dome 
zu  Speier  (nach  Entwurf  des  Meister  Hans  von  Heilbronn  von  1505,  von 
Meister  Lorenz  und  Hans  Glaser  von  Mainz  und  Heinrich  von  Speier  1509 
— 1511  ausgeführt;  7  schöne  vor  dem  Brande  von  1689  darnach  angefer- 
tigte Zeichnungen  befinden  sich  in  der  Göttinger  Bibliothek  —  vergl.  Schwar- 
tzenberger,  Alb.,  d.  Ölb.  z.  Sp.  1866  und  Chr.  K.-B1.,  1866,  121  ff.),  beide  mit 
architektonischem  Beiwerk.  Erhalten  haben  sich  am  Rhein  die  Ölberge  zu 
Xanten  (auf  dem  Hofraume  von  St.  Viktor,  von  1536;  Abb.  aus'm  Weerth, 
Taf.  XIX,  4—8),  Eltville  (an  der  Nordseite  der  Peter -Paulskirche;  Hand- 
werksarbeit), Mittelheim  bei  Rüdesheim  (nur  die  Figuren  Christi  und  der 
3  Jünger  noch  vorhanden),  Wiesbaden  (im  Museum,  aus  der  Kirche  zu 
Strintz  trinitatis  bei  Wiesbaden,  bemalte  Holzfiguren),  Worms  (in  der 
Sakristei  des  Doms  einzelne  Figuren),  Strafsburg  (im  Münster,  ehemals 
auf  dem  Kirchhofe  von  St.  Thomas,  1498),  0  her  eh  nheim  (in  der  Pfarr- 
kirche von  1507  schön,  hinter  der  Kirchhofskapelie  von  1517  roh),  Kay- 
sersberg,  O.-Elsafs,  Freiburg  i.  B.  (im  Münster  1558  von  Georg  Kempf 
von  Rheineck).  In  Württemberg  ausgezeichnete  Reste  im  Kloster  Adel- 
berg,  zu  Stuttgart  ein  vollständiger  aufsen  am  Chor  der  Leonhardskirche 
(1500  —  1503  von  Nicomed  Kölle  aus  Mainz;  Abb.  Heideloff,  Schwaben,  27), 
zu  Rottenburg  a.  Neckar  (Nordseite  des  Langhauses  der  Theodorichska- 
pelle, von  ca.  1400),  zuNeuffen  (1504  von  Alberlin  Schech  mit  dessen 
Bildnis  und  Wappen),  zu  B euren,  O.-A.  Nürtingen  (am  Chor  der  Kirche, 
von  1519),  zu  Lauifen  a.  Neckar  bei  St.  Regiswind,  zu  Isny  bei  St.  Ni- 
kolai und  zu  Grofssüfsen  (neuerdings restaui-iert;  vergl. Chr. K.-Bl ,  1883, No.3). 
In  Bayern  zu  Bamberg  bei  St.  Getreu,  zu  Dinkelsbühl  an  St.  Georg,  zu 
Rothenburg  o.  T.  an  der  heil.  Blutskapelle,  zu  Donauwörth  (nördlich 
neben  dem  Turm  der  Hauptkirche) ,  Landshut  (am  Äufsern  der  Martins- 
kirche zwei  Reliefs),  Wasserburg,  Wang  bei  Moosburg  (von  1478),  Re- 
gensburg  (im  Dom,  St.  Emmeram  und  Obermünster),  Nürnberg  (neben 
der  Brautthür  der  Lorenzerkirche) ,  Katzwang  bei  Nürnberg  (beide  aus  der 
Krafftschen  Schule;  Abb.  Wanderer,  A.  Kr.,  Taf.  30).  In  Österreich  sind  sie  zu 
Hunderten  verbreitet,  die  wenigsten  von  künstlerischem  Werte;  bessere 
werden  angeführt  zuBaden  bei  Wien,  Brunn  a.  G.  (1522),  Emmersdorf, 

Otte,  Konft-ArchKoIogie.    5.  Aafl.  24 


370  Ölbprgo.     Opferstijolip.     PnssionssSulen. 

Gnmpoldakirehen,  Hatteldorf,  KIcin-PfclilarD  (1496),  KIOBter- 
neubnrg  Martinskirche  (Holz),  Knittelfeld  (desgl.),  Melk  (1503), 
Mödliiig  Othmarekirche,  Perchtolsdorf,  äievring,  VorderbrOhl, 
Wien  bei  St.  Micbael,  (1494  von  H.  Hueber)  und  bei  St.  Stephan  (1502). 
Der  auf  dem  Marienkirchhofe  zn  Krakan  wird  mit  Unrecht  dem  Veit  Stofa 
zngeecb rieben.  In  Böhmen  sind  nur  an  der  Nikolaikirche  zu  Eger,  der 
Pfarrkirche  zn  Luditz  (1481)  und  der  Dechanteikirche  zn  Pilsen  Olberge 
Dachgewiesen.  In  Norddeutsch t and  sind  sie  seiteuer:  zu  Warburg  (zwischen 
zwei  Strebepfeilern  am  Clior  der  Johanniskirche),  Reste  vou  Holzfiguren  in 
St.  Katharinen  zn  Brandenburg,  in  Wittenberg  (oben  am  Östlichen 
Giebel  der  Stadtkirche),  Merseburg  (Vorhalle  des  Domes,  nur  noch  der 
Berg)  etc.  —  Ölberge  gehören  wie  die  Calvarien berge  und  die  heil.  Gräber 
auch  zn  den  Stationen  (s.  das.),  wie  denn  auch  der  Name  Ülberg  vielfach 
tüT  Calvarienberg  gebraucht  wird. 

17.  Opfsntöoke,  eine  Art  von  yer- 
Bchloesenen  Kästen,  oben  mit  einer  Öff- 
nung zum  Einlegen  von  Almosen,  vor 
den  TliUren  der  Kirchen,  Hospitäler  etc. 
Oft  ist  es  nur  ein  ausgehöhlter,  oben  mit 
Eisen  bescldagener,  in  die  Erde  gegrabe- 
ner Baumstamm  oder  Pfahl ;  zuweilen  je- 
doch sind  die  OpferstOcke  auch  aus  Stein 
und  kllnstleriach  ornamentiert,  z.  B.  in 
der  Sakristei  der  Frauenkirche  zu  JQter- 
bog,  zu  Landsberg  i.  Ober-Bayern, 
konsolenßrmige  an  den  Hittelpfosten  der 
Portale  der  Bonifatiuskirche  zu  Langen- 
salza. Schöne  hölzerne  in  der  KloBter- 
kirche  zu  Eschan  bei  Strafsburg  und  zu 
Granzin  in  Mecklenburg  (0,fls  hoch  mit 
der  Figur  des  heil.  Erasmus).  Sehr  eigen- 
tümlich ist  in  dem  heil.  Grabe  zu  Drei- 
Ähren  im  Elsafs  aus  dem  Ende  des  XV. 
Jahrb.  in  dem  Chnstuaküq>er  eine  runde 
mit  Decket  verschlossene  Öffnung  als 
Opferstock  verwandt.  Am  nördlichen 
Dreiecksportal  des  Erfurter  Doms  be- 
findet sich  im  Fufaboden  einer  vergitter- 
ten Nische  mit  dem  Bilde  der  heil.  Anna 
eine  kleine  Erhöhung  mit  einer  Spalte, 
durch  welche  die  hineingesteckten  Opfer- 
^—  gaben  in  ein  durch  einen  Mauergang  vom 
/  ^        Innern  des  Portals  aus  zugängliches  Be- 

Flg.  IH.    Fuiioniilule  Im  Dome  lu  Brun-  ^^-    PaMi'"»*»*«'!«'»  Sind  DarstellUU- 

■chiTFig  (auh  GUrjM),  gen  der  Säule,  an  welcher  Christus  ge- 

geifselt  wurde :  der  Schaft  ist  mit  den  Mar- 
terwerkzeugen und  sonstigen  Emblemen  des  Leidens  Jesu  verziei-t,  und  oben 


Pi-ozesslonsgeräto.  371 

aaf  der  Säule  sitzt  insgemeiu  der  Hahn  Petri.  Eine  spätgotiBche  Passions- 
Bäule  in  bemaltem  Schnitz  werk  im  Dome  von  Braunschweig,  abgebild. 
bei  Görges,  Beschreib,  vom  St.  Blasius-Dom  in  Brannschw.,  Taf.  IV. 

19.  ProsesBionagerata  verschiedener  Art:  Vortragekrenze  (cruces 
processionaies  oder  gesiatoriae)j  welche  auf  einer  hohen,  oben  in  einen 
Knauf  endenden  verzierten  Stange  (hasia,  hasüle)  befestigt,  den  Prozessionen 
vorangetragen  werden.  Dnrandus  1.  4  c.  6n.  18:  »Cmx  ergo  quasi  regale 
vexilhm  ei  triumphale  Signum  in  processionibus  praemiititur,^  Die  eigent- 
lichen Kreuze  sind  dabei  in  älterer  Zeit  nur  sehr  klein,  die  Christuskörper 
etwa  0,12  lang,  meist  jene  bereits  oben  S.  155  erwähnten,  wahrscheinlich 
fabrikmäfsig  angefertigten  bronzenen.  Später  nehmen  sie  an  Gröfse  zu,  soweit 
es  die  Tragkraft  eines  Mannes  für  den  Zweck  erlaubt.  Das  sehr  prächtige,  jetzt 
auf  einem  Renaissancefufse  von  1567  befestigte  der  Ambraser  Sammlung  zu 
Wien  vom  Ende  des  XV.  Jahrh.  (Abb.  Mitt.  C.-K.,  XVn,  106)  ist  0,95  hoch.  —Die 
ältesten  und  kostbarsten  Exemplare  aus  dem  X.  und  XL  Jahrh.  befinden  sich 
im  Schatze  der  Mtlnsterkirche  zu  Essen  und  sind  bei  aus'm  Weerth,  Taf. 
XXIV — XXVI  in  grofsem  Mafsstabe  in  Farbendruck  abgebildet  (s.  oben 
S.  154,  Fig.  55);  andere  etwas  jüngere  in  der  Reliquienkammer  auf  dem 
Schlofse  zu  Hannover.  Abbildungen  von  Prozessionskreuzen  des  XII. — XVI. 
Jahrh.aus  verschiedenen  Kirchen  Kölns  bei  Bock,  das  heil.Köln,  Taf.  III,  1 1. 
IX,  35. 37.  XX,  77.  XXVI,  104.  XXXIX,  109.  XL,  113;  andere  romanische 
im  Dome  zu  Mainz  (XII.  Jahrh.  gestiftet  nach  einem  Abt  Theodericus;  Abb. 
Bonner  Jahrbb.,  XLV,  Taf.  7.  8.  und  Kirchenschmuck,  1869,  Bd.  XXVI,  44),  zu 
Plan  ig  bei  Kreuznach  (Bonner  Jahrbb.  das.  Taf.  10  u.  11  und  Nassauische  An- 
naien,  Vin,  Taf.  VI,  6,  gestiftet  von  einem  custos  Ruthardtui),  zu  Sigmaringen 
in  der  Fürstlichen  Kunstkammer  (v.  Hefner-Alteneck,  Taf.  33);  gotische  im 
Dome  zu  Prag  (Östr.  Atl.,  XC,  4),  in  der  Kathedrale  zu  Görz  (Mitt.  C.-K. 
N.  F.,  Vn,  S.  CXXXIV)  und  im  Provinzial- Museum  zu  Berlin  (Prüfer,  Ar- 
chiv, n,  24).  —  Über  Verwendung  von  Vortragekreuzen  als  Altarkreuze  s. 
oben  S.  152. 

Fahnen  (vexiila).  —  Der  Gebrauch  von  Fahnen  bei  den  Bittgängen 
wird  von  Dnrandus  1.  6  c.  102  n.  8  auf  das  Labarum  Konstantins  des 
Grofsen  zurückgeführt:  y^Quod  vero  cruces  et  vexiila portantur ^  a  Constan- 
Uno  sumpsii  ecclesia,  qui  cum  in  somnis  crucis  Signum  vidisset,  eique  dictum 
fuisset:  Vinces  in  hoc  signo^  jussit  cruces  in  vexillis  bellicis  insigniti.^  — 
Die  Kirchenfahnen  entsprechen  der  Form  nach  im  Wesentlichen  der  Be- 
schreibung, welche  Eusebius  (de  vita  Constantini  1.  1  c.  31)  von  dem  La- 
barum gegeben  hat:  an  einem  langen  Stabe  ist  eine  Querstange  befestigt, 
von  welcher  das  viereckige  (unten  in  drei  Spitzen  ausgezackte)  Fahnentuch 
herabhängt;  letzteres  ist  mit  einem  gestickten  oder  gemalten  Kreuze  oder 
Heiligenbilde  ^  geschmückt.  Der  Gebrauch  dreieckiger  oder  solcher  Fahnen, 
die  wie  die  Kriegsfahnen  nicht  an  einem  Querstabe ,  sondern  an  der  Fahnen- 
stange selbst  befestigt  sind,  ist  im  römischen  Rituale  untersagt  (vergl.  Jakob, 


*  So  wird  schon  1255  zu  "Würzburg  eine  CvTiakusfahiie  mit  dem  Bilde  dieses 
Heiligen  erwiümt.  Blutfahnen  sind  solche  mit  der  Darstellung  der  Wunden  Christi, 
die  wohl  hauptsächlich  bei  den  Frohnleichnamsprozessionen  gebraucht  wurden.  Eine 
solche  ist  die  leider  nicht  gut  erhaltene  von  A.  Dürer  im  Germanischen  Museum 
(K.-G.  31,  Abb.  im  Katalog,  Taf.  1). 

24* 


372  Prozessionsgeräte. 

336;  überhaupt  Bock,  Lit.  Gew.,  III,  209-222).  Zwei  Wimpelfahnen  aus  grü- 
nem Seidenbrokat  mit  Stickereien  byzantinischer  Arbeit,  welche  Bischof 
Konrad  1205  vom  Kreuzzuge  mitgebracht  hat,  befinden  sich  im  Zither  des 
Halberstädter  Doms,  No.  87  und  88;  zwei  doppelseitig  bemalte  Prozes- 
sionsfahnen etwa  aus  der  Mitte  des  XV.  Jahrh.  in  Fröndenberg;  zwei  auf 
Leinewand  in  Farben  und  Gold  gestickte  zu  Lttne;  drei  ebenfalls  gestickte 
aus  der  Zeit  gegen  1500  im  Dome  zu  Osnabrück  und  zwei  etwa  gleich- 
zeitige bemalte  aus  Penig  im  Museum  des  Grofsen  Gartens  zu  Dresden, 
No.  125.  126. 

Stäbe  (bacuii)  trugen  nicht  nur  die  Bischöfe  (s.  oben  S.  278  f.)  und  Äbte 
oder  liefsen  sie  sich  vortragen ,  sondern  auch  andere  höhere  Kleriker  und  Ka- 
pitelswürdenträger, namentlich  aber  der  Präcentor  oder  Episcopus  chori,  und 
ebenso  niedere  Kirchenbeamte  zur  Aufrechterhaltung  der  Ordnung  bei  den  Pro- 
zessionen. Solche  Stäbe  haben  sich  erhalten  im  Dome  zu  Hildesheim;  zwei 
spätgotische  etwa  1,00  lange  von  Holz  mit  Silberüberzug,  der  eine  mit  den 
Statuetten  des  Petrus  und  Paulus  gekrönt,  im  Dome  zu  Osnabrück;  einer 
von  1178  mit  den  Statuetten  der  heil,  drei  Könige  im  Dome  zu  Köln  (Abb. 
Bock,  d.  heil.  Köhi,  Taf.  IX,  36)  und  ein  mit  einem  Adler  gekrönter  im  Dom- 
schatze zu  Aachen  (Abb.  Bock,  PfWzkap.,  I,  2.  Fig.  62).  Im  Kunstgewerbe- 
Mus,  zu  Berlin  (Schrank  378)  befindet  sich  ein  Scepter  von  Achat  aus  dem 
XIV.  Jahrh. ,  aus  der  Abtei  Verden  stammend. 

Baldachine,  Traghimmel,  wenn  auch  wohl  schon  viel  früher  bei  feier- 
lichen Aufzügen,  Leichenbegängnissen  etc.  vorkommend,  scheinen  jedoch 
erst  zugleich  mit  den  Fronleichnamsprozessionen  in  allgemeine  Aufnahme 
gekommen  zu  sein,  wobei  die  leitende  Idee  von  den  Ciborienaltären  herge- 
nommen worden  sein  könnte.  Der  Name  Baldachin  {baudeqmn)^  übertra- 
gen vom  it.  Baldacco  ==  Bagdad,  woher  ursprünglich  der  dazu  gebrauchte, 
aus  Goldfäden  und  Seide  gewebte  Stoff  kam  (vergl.  Diez,  Wörterb.  der 
roman.  Spr.,  39).  —  Die  mittelalterlichen  Traghimmel,  wie  Durandus^ 
dieselben  beschreibt,  und  wie  sich  aus  Malereien  (z.  B.  aus  der  kolorierten 
Federzeichnung  eines  jüdischen  Baldachins  in  der  Chronik  des  Ulrich  von  Richen- 
thal  vom  J.  1417  auf  dem  Rathause  zu  Konstanz;  Abb.  bei  v.  Hefner,  Trachten, 
n,  Taf.  23)  ergiebt,  bestanden  (ohne  das  erst  späterer  Zeit  angehörende  feste 
Gestell)  nur  aus  einem  viereckigen  Tuche,  das  zuweilen  rundherum  mit 
herabhängenden  Zatteln  besetzt,  mit  den  vier  Zipfeln  an  leichten  Stangen 
befestigt  war.  Die  Farbe  des  Baldachinstoffes  scheint  meist  rot  gewesen  zu 
sein:  das  Inventarium  der  Londoner  Paulskirche  von  1275  führt  drei  Trag- 
himmel an ,  von  denen  es  zwei  als  »purpurei^  und  den  dritten ,  obwohl  von 
einem  Leichenbegängnisse  herrührend,  als  T>ruheus<f^  bezeichnet.  —  Kardinal 
Albrecht  von  Mainz  schenkte  1540  dem  dortigeu  Dome  drei  reich  gestickte, 
mit  Edelsteinen  und  Perlen  geschmückte  y>Himmeh  aus  rotem  Goldstoff,  von 
denen  der  eine,  10  Schuh  lang  und  9  Schuh  breit,  von  sechs  vergoldeten 
Stangen  getragen  und  auf  18000  Gulden  geschätzt  wurde  (vergl.  Bock,  Fz.,  der 
Baldachin  (Prozessionshimmel)  in  seinem  Ursprung,  seiner  Form  und  Bedeutung  im 


*  1.  4  c.  6  n.  11.  12:  ^QuatiMr  mmistri  super  pontificem  majtpulam  ferufU  in 
summitatibus  quatuor  baculorum  coüigatam,  et  inde  ipai  ministri  mappularii  rntn- 
cupantur:  mappula  iüa  diversis  figurata  est  imaginibus.  —  In  summitattbus  bcuM- 
lorum  imagines  quatuor  evangelistarum  collocantur.^ 


Prozessiönsgeräte.    Schlosserarbeiten.  373 

Org.  f.  ehr.  K.,  1862,  No.  19  —  23;  und  Ders.,  Lit.  Gew.,  m,  186  —  192).  —  Im 
Germanischen  Maseam  befinden  sich  drei  solcher  Baldachine,  einer  aus  dem 
XV.  Jahrh.  mit  Malerei  der  Krönung  Mariae  (K.-G.  28;  Abb.  Mitt.  C.-K.,  Xm,  83), 
einer  von  Leinwand  aus  dem  XVI.  Jahrh.  mit  dem  Stammbaume  Christi  in 
rohen  Temperafarben  (E.  -  G.  29)  und  ein  nur  mit  Ornament  bemalter  von 
Leinwand  ebenfalls  aus  dem  XVI.  Jahrh.  (K.-G.  30). 

Bahren  {fereira)  zum  Tragen  der  Reliquiensärge  und  Gnadenbilder. 
Vergl.  oben  8.  191. 

Tragleuchter,  nach  Kölner  Mundart  Tortschen  (ital.  torcia  = 
Fackel),  Stäbe,  oben  mit  Lichtteller  und  Kerzenstachel,  zuweilen  in  bemal- 
tem Schnitzwerk  ausgeführt:  ein  1,33  hoher  Prozessionsleuchter,  an  dessen 
sechseckigem  mit  Zinnen  und  Mauertttrmen  (s.  oben  S.  164)  geschmücktem 
Oberteil  aus  Blech  zwei  Engel  schweben  mit  Kreuz  und  Dornenkrone,  in  der 
Abteikirche  zu  Gladbach;  ein  anderer,  gröfserer  mit  Tabernakelaufsatz, 
in  welchem  ein  Marienbild,  in  der  heil.  Geistkapelle  zu  Wismar  (beide  ab- 
gebildet im  Org.  f.  ehr.  K.,  1856,  artist.  Beil.  zu  No.  3);  zwei  gegen  1,90  hohe, 
zierlich  geschnitzte,  bemalte  und  vergoldete  Kerzenhalter  (XV.  Jahrh.)  aus 
Penig  im  Museum  des  Grofsen  Gartens  zu  Dresden;  ebendaselbst  drei  an- 
dere aus  den  Stadtkirchen  zu  Meifsen  und  Ebersdorf  (Abb.  Mitt.  des  Sachs. 
Altert. -V.,  XIX,  Taf.  2  nebst  einem  ebendaselbst  No.  1866  befindlichen,  eine  ge- 
wundene Säule  bildenden,  oben  eine  Heiligenstatue  tragenden  Wallfahrtsstabe 
aus  der  Kirche  zu  Hoda  bei  Frohburg  vom  Ende  des  XV.  Jahrhunderts).  Ahnliche 
zum  Teil  mit  Bildwerk  geschmückte  Stangenleuchter  im  Dome  zu  Lübeck 
(Abb.  Prüfer,  Archiv,  11,  Taf.  14)  und  in  der  Johanniskirche  zu  Lüneburg, 
vier  Prozessionsstangen  auch  in  der  Stadtkirche  zu  Jena,  ein  Stangen- 
leuchter mit  zwei  Laternen  und  dazwischen  der  Figur  des  heil.  Philippus  in 
der  Pfarrkirche  zu  Deckendorf  in  Oberbayern  (Abb.  Becker-  v.  Hefner, 
m,  Taf.  48;  dieselbe  Kirche  hat  auch  eine  kürzere  sogenannte  Zunftstange  mit  der 
Figur  des  heil.  Jakobus)  und  mehrere  von  Holz  aus  dem  XV.— XVI.  Jahrh.  im 
Germanischen  Museum  (K.-G.  240—243;  Abb.  Katalog,  Taf.  24). 

Palme  sei  sind  in  Holz  geschnitzte  bemalte  Darstellungen  des  auf  dem 
Esel  in  Jerusalem  einziehenden  Herrn,  welche  auf  Rollen  gesetzt  bei  der 
Prozession  am  Palmsonntage  gebraucht  wurden.  Solche  haben  sich  aus  dem 
XV.  Jahrh.  erhalten  zu  Ulm  im  Altertums- Verein  (nach  Mauch  ein  Werk  des 
Georg  Sürlin;  Abb.  in  den  Verhandlungen  des  Ulmer  Vereins,  Neue  Reihe,  EI,  1871), 
zu  Nürnberg  im  Germanischen  Museum  drei  (einer  davon  aus  Hersbruck,  K.-G.  24), 
zu  Augsburg  im  Ulrichskloster  (von  1446),  zu  Ammerschweier  und  zu 
Kaysersberg  im  Elsafs  (letzterer  gering  und  beschädigt)  und  zwei  im  Pro- 
vinzial-Museum  zu  Breslau  (vergl.  Schlesiens  Vorzeit  in  Bild  u.  Sehr.,  HI,  437). 

20.  Baritateiiy  besonders  naturgeschichtliche,  s.  oben  S.  213. 

21.  Schlosserarbeiten^  oft  gleich  ausgezeichnet  durch  Künstlichkeit  der 
Arbeit,  wie  durch  geschmackvolle,  stilgemäfse  Muster  und  durch  Bemalung 
und  Vergoldung  (vergl.  Hefner-Alteneck,  J.  v.,  Eisenwerke  oder  Ornamentik 
der  Schmiedekunst  des  Mittelalters  und  der  Renaissance,  1870,  m.  84  Taf.;  auch 
Ame,  E.,  Ferronnerie  du  moyen-Sge,  in  den  Annales  archeol.,  XTV,  304  sqq.; 
Riewel,  H.,  Studien  über  Schmiede-  und  Schlosser- Arbeiten  in  Österreich  in  den 
Mitt.  C.-K.,  XV,  39  ff.  m.  96  Holzschn.  u.  1  Taf.).  Aufser  Lichtträgem  ver- 
schiedener Art  (s.  oben  S.  157  —  171),  sowie  den  oben  S.  245  f.  erwähnten 


174  Schlosserarbeiten. 

Sakrament  bauschen  zu  Prag  und  Feldkirch  nebet  andern  L'tenailien  kommt 
hier  namentlich  in  Betracht  das  Gitter  werk  vor  Hallen  und  Kapellen  und  um 
Grabmfiler,  Sakramenthänser  und  Taufateine  im  Innern  der  Kirchen,  z.B.  Im 
Dome  znMagdebnrgvor  der  Kapelle  unter  den  Türmen  von  1498  (Abb.  bei 
Statz  u.  TJngewitter,  Inf.  57,  bS)\  zu  Heidingsfeld  bei  WOrzbnrg  vor  der 
Halle  mit  der  Grablegung  von  Til.  Riemen  schnei  der  vou  1510  (Abb.  das.  Taf. 
SO);  in  der  ächlorskirche  zu  Meisenheim  vor  den  Bildlichen  Grabkapellen; 
in  der  Marienkirche  auf  dem  Karlstein  zwischen  Schiff  und  Chor  (Abb, 
Grueber,  m,  ^i,  Taf.  1);  um  ein  Grabmal  in  der  Pfarrkirche  zu  Hall  bei 
Innsbruck  von  1495  (Abb.  ßiewel,  a.  a.  0.,  Fig.  a%)\  um  ein  anderes  im  Dome 
Breslau  (Abb.  Luchs,  Schlpsische  Füret«nbilder,  Taf.  1).  Femer  Gitterthflren 
an  kirchlichen  Nebe&rAnmen  nod  Schreinen  —  vergl.  die  Abb,  von  solchen 
ans  Fritzlar,  Immenhausen  und  Andernach  (Statz  u.  Ungewitter, 


Flg.  US.    Thdi  «Inu  WutKbrinki  I: 


Taf.  SS,  Fig  11—18),  ans  Marburg  (ebd.  Taf.  12.  Fig.  12.  13),  an  Sakrament- 
hluscheo  im  Dome  zu  Meifeen  (ebd.  Taf.  56,  Fig.  1—8),  im  Dome  zu  Für- 


Schlosserarbeiten.  375 

Btenwalde  (Kallenbach,  Chronologie  etc. ,  U,  Taf.  21),  zu  Perchtoldsdorf 
(Riewel,  a.  a.  0.,  Fig.  16),  zu  Mödling  (ebd.  Fig.  18),  8t.  Peter  in  Steier- 
mark (ebd.  Fig.  19),  im  Dome  zu  Königgrätz  (Mitt.  C.-K.  N.  F.,  1,  Taf.  zuS. 
XXVn),  zu  Mondsee  (ebd.  V,  53),  in  der  Spitalkapelle  zu  Krems  (Mitt.  C.-K., 
Xm,  S.  XX,  Fig.  4.  5),  zu  Friedersbach  bei  Zwettl  (Mitt.  C.-K.,  XVU,  S. 
CXXXIX,  Fig.  8),  zu  Köln  von  1450  (v.  Hefner,  a.  a.  0.,  Taf.  18  D.  u.  E); 
einer  Gitterthtlr  in  St.  Ulrich  zu  Augsburg  von  1471  (v.  Hefner,  a.  a.  0., 
Taf.  1);  eines  Sprachgitters  von  einer  Klosterthttr  im  Bayr.  National-Museum 
(ebd.  Taf.  16).  Femer  die  zuweilen  mit  gefärbtem  Leder,  Tuch,  Papier  etc. 
unterlegten  Eisenbeschläge  hölzerner  Thttren  (s.  oben  S.  87),  welche  die 
letzteren  oft  ganz  überziehen.  Man  sehe  den  abwechselnd  mit  rotem  und 
blauem  Pergament  unterlegten  Beschlag  der  Sakristeithür  aus  dem  XV.  Jahrh. 
in  der  Pfarrkirche  zu  Brück  a.  d.  Mur  (Abb.  Mittelalt.  Kunstdenkm.  d.  öst. 
Kaiserst.,  I,  150,  Fig.  4  u.  Taf.  XXI  u.  XXÜ)  und  die  Beschläge  anThüren  der 
Kirche  zu  Kolin,  der  Pfarrkirche  zu  Brück,  der  Friedhofskapelle  und  eines 
Schrankes  in  der  Sakristei  daselbst  (a.  a.  0.,  148  ff.),  an  einer  Turmthtlr  der 
Liebfrauenkirche  zu  Wiener-Neustadt  (a.  a.  0.,  II,  188),  mehrere  Thür- 
beschläge  aus  Österreich  u.  d.  Enns  n.  Steiermark  (Mitt.  C.-K.  IV,  104  n.  137) 
und  aus  Krakau  (ebd.  n,^^d05).  DieHauptthür  der  Pfarrkirche  zuBoppard 
ist  bei  der  Restauration  im  J.  1841  vernichtet  und  durch  moderne  Tisch- 
lerei ersetzt  (Abb.  des  ehemaligen  romanischen  Beschlages  bei  Moller,  Denkm., 
in,  Taf.  21).  —  Im  Dome  zu  Magdeburg  ein  Wandschrank,  dessen  Thtlr 
über  einem  Überzug  aus  rotem  Pergament  ganz  mit  schön  gezeichnetem 
Laubwerk  überkleidet  ist  (s.  den  aus  der  Zeitschr.  f.  ehr.  A.  u.  K.,  I,  238  ent- 
nommenen Holzschnitt,  Fig.  155).  —  Thürbeschläge  von  St.  Elisabeth  zu  Mar- 
burg (A.bb.  Statz  u.  Ungewitter,  Taf.  51  u.  52,  Fig.  1—6),  von  der  Schlofs- 
kapelle  daselbst  (Taf.  49,  Fig.  1  u.  Taf.  53,  Fig.  1—3),  vom  Dome  zu  Erfurt 
(Taf.  11,  Fig.  1—3  u.  Taf.  52,  Fig.  7—9),  aus  St.  Severi  daselbst  (Taf.  10,  Fig. 
4.  5.  10),  von  mehreren  Kirchen  in  Mflhlhausen  (Taf.  49,  Fig.  6—8  u.  Taf. 
53,  Fig.  7  u.  9),  von  der  Kirche  in  Schmalkalden  (Taf.  10,  Fig.  3),  von 
einem  Schrein  in  Andernach  (Taf.  53,  Fig.  5  u.  6),  von  verschiedenen  hes- 
sichen  Werken  (Taf.  11,  Fig.  8,  Taf.  12,  Fig.  1—7.  9-11,  Taf.  49,  Fig.  2—4,  Taf.  53, 
Fig.  1—4,  Taf.  54),  aus  Fulda  (Taf.  55,  Fig.  8.  9),  aus  dem  Dome  zu  Magde- 
burg (Taf.  50,  Fig.  1  u.  Taf.  53,  Fig.  S),  aus  dem  Dome  zu  Meifsen  (Taf.  49, 
Fig.  5,  Taf.  50,  Fig.  2—5),  aus  der  Wiesenkirche  in  Soest  (Taf.  10,  Fig.  6.  7); 
Kastenbeschläge  aus  St.  Elisabeth  in  Marburg  (Taf.  59,  Fig.  1,  kupferne  ebd. 
Fig.  2  und  verechiedene  Schlosserarbeiten,  Taf.  7—9,  Taf.  55,  Fig.  1—7  u.  10).  — 
Beschläge  von  dem  Tabernakelschrein  in  der  Kirche  zu  Bernau  (Kugler, 
Kl.  Sehr.,  I,  116).  —  Thürbeschläge  ans  Braunschweig  romanisch  (v.  Hef- 
ner, a.  a.  0.,  Taf.  54),  aus  Kaisheim  ca.  1350  (ebd.  Taf.  48  A),  aus  der  Ma- 
rienkirche zu  Oberwesel  1460 — 68  (Taf.  33),  aus  Viersen  Anfang  des 
XV.  Jahrh.  (Taf.  13  B).  —  Ein  spätromanischer  aus  Kloster  Arnstein  a.  Lahn 
(Bock,  Rh.  Baudenkm.,  in,  2,  Fig.  8);  ein  gotischer  von  der  Sakristeithür  zu 
Zülpich  (Org.  f.  ehr.  K.  1869,  No.  3),  aus  Maulbronn  (Paulus,  Maulbr.,  65, 
Fig.  179),  von  derKirchthür  zu  Mur  au  i.  Steiermark  (Kirchenschmuck  Sekkau, 
IV,  No.  10)  und  aus  der  Katharinenkapelle  auf  dem  Karlstein  (Grueber, 
in,  Fig.  73).  —  Aufser  ganzen  Thtirbeschlägen  kommen  auch  viele  einzelne 
schöne  Schlüsselschilder  oder  Schlofsbleche  (Riewel,  a.  a.  0.,  Fig.  21—24, 


176  Siegel. 

V.  Hefner,  a.  i.  0.,  Taf.  2.  39  B.  44  A.  B;  ein  »(^höaeti  im  Besitze  den  Grafen 
Erbuch,  rhot.  Frankfurter  Ausst-,  Tat.  34)  und  ThUrklopfer  und  Griffe  (Riewel, 
Fig.  26—34;  v.  Hefaer,  Taf.  72,  Bua  der  SchlofskapeUe  zu  Blutcaburg,  jetzt  im 
Bayr.  Nat-Hus.)  id  Betracht.  —  Ein  SchlüBsel  von  Bronze  aus  dem  XII.  Jahrb., 
mit  drei  männlichen  Gestalten  verziert,  hat  sich  in  der  Eliaabethkirche  zn 
Marburg  erhalten  (Becker-  v.  Hefner,  I,  84).  —  Endlich  sind  Kreuze 
(Biewel,  a.  a.  0.,  Fig.  57—59).  HÄhne  (aua  Kratau,  ebd.  Fig.  87)  und  Wetter- 
fabneu  (aus  Krakau,  ebd.  Fig.  8S)  auf  Kirch  tonnen  und  Dacbern  za  erwähnen. 
22,  Sieg^litöoke  geborten  zu  den  notwendigen  Requisiten  nicht  nur 
für  die  kirchlichen  Würdenträger  und  Korporationen  sondern  auch  für  die 
einzelnen  Pfarrgeistlichen,  sofern  diese  nicht  nur  persönlich  siegelf^hig 
und  bei  dem  allgemeinen  Zustande  dea  Schreibwesens  besonders  häufig  in 
der  Lagewaren  fremde  Urkunden  als  Zeugen  zu  beglaubigen,  sondern  sogar 
verpflichtet  waren  ein  Siegel  zur  notwendigen  Beglaubigung  kirchlicher  Ur- 
knnden  sowohl  in  allen  VermOgensangelegenheiteu  ihrer  Kirchen  und  ihres 
Beneficinms,  ala  auch  über  manche  amtliche  Verrichtungen,  namentlich  über 
die  Publikation  von  Mandaten ,  fiskommunikationssentenzen  etc.  der  kirch- 
lichen Vorgesetzten  zu  besitzen;  falls  sie  kein  eigenes  besafsen,  rnnfsten  sie, 
da  eigentliche  Amts-  und  Kirchensiegel  im  heutigen  Sinne,  die  von  einem 
Amtsinhaber  auf  alle  seine  Nachfolger  forterbten,  nur  in  sehr  wenigen  Fäl- 
len vorkamen,  das  eines  benachbarten  Amtsgenossen  leihen  nnd  dies  auf 
den  Urkunden  ausdrücklich  bescheinigen.    Bei  der  grofsen  Bedeutung  der 


Siegel  fQr  alle  RechtsverhAltnisBe  worde  mit  den  Stocken  oder  Stempeln  sehr 
vorsichtig  nnd  argwShnisch  umgegangen,  nene  wurden  in  ausdrücklichen 
notariellen  Verhandinngen  nach  GrOfae,  Form,  Bild  und  Schrift  beglaubigt 


Siegel.  377 

(siehe  z.  B.  die  Verhandlung  vom  15.  April  1306  über  ein  neues  Siegel  eines  Meck- 
lenburgischen Pfarrers  im  Mecklenb.  Urk.- Buche,  V,  275);  die  der  persönlichen 
Siegel  wurden  nach  dem  Tode  des  Siegelftthrers  mit  ihm  ins  Grab  gelegt 
oder  anderweitig  vergraben,  ins  Wasser  versenkt ,  durch  Zerhauen,  Zer- 
brechen u.  8.  w.  unbrauchbar  gemacht  und  nur  in  seltenen  Fällen  auf  den 
Nachfolger  vererbt,  der  sie  für  seine  Person  umwandeln  liefs;  diejenigen 
von  geistlichen  Korporationen,  Kapiteln,  Konventen  etc.  wurden  besonders 
vorsichtig  in  Verwahrung  genommen  und  einem  in  besonderem  Vertrauen 
stehenden  Gliede  der  Körperschaft  übergeben,  das  sie  nur  auf  Beschlufs  des 
gesamten  Konvents  einer  Urkunde  beidrücken  durfte ;  auch  sie  wurden  im 
Falle,  dafs  eine  Abänderung  oder  Erneuerung  nötig  wurde,  oder  gar  in  dem 
einer  Auflösung  des  Konvents  mit  grofser  Feierlichkeit  und  Förmlichkeit 
vernichtet  (vergl.  z.  B.  die  Urkunde  über  Aufhebung  des  Augustinerklosters  zu 
Zerbst  1525  bei  Beckmann,  Historie  von  Anhalt,  IH,  237). 

Aus  der  Litteratur  über  die  Siegel  ist  besonders  hervorzuheben :  Heinec- 
cius,  J.  Mich.,  de  veteribus  Germanorum  aiiarumque  nationum  sigillis.  (1709. 
1719).  —  Leyser,  Polyc,  commentatio  de  contrasigillis  medii  aevi.  1726.  — 
Grotefend,  H.,  Über  Sphragistik.  1875.  —  Au&erdem  die  Abschnitte  über 
Sphragistik  in  den  Handbüchern  der  Diplom atik  von  Gatterer,  Schöne- 
mann u.  a.  —  Die  neuere  Zeit  ist  reich  an  einzelnen,  zum  Teil  höchst  wert- 
vollen Aufsätzen  über  mittelalterliche  Sphragistik,  die  aber  in  den  verschie- 
densten Zeitschriften,  besonders  der  histor.  Vereine,  auch  in  der  Zeitschrift  für 
Münz-,  Siegel-  und  Wappenkunde  (Neue  Folge.  1859  etc.)  zerstreut  sind.  — An 
selbständigen  ausgezeichneten  Schriften  sind  zu  nennen:  Vofsberg,  F.  A.,  (jesch. 
der  Preufe.  Münzen  und  Siegel  bis  zum  Endo  der  Herrsch,  des  Deut.  Ordens.  1842. 
—  (Derselbe),  Siegel  des  M.-A.  von  Polen,  lithauen,  Schlesien,  Pommern  und 
PreuJsen.  1854.  —  Melly,  Ed.,  Beiträge  zur  Siegelkunde  des  M.-A.  Tl.  1  (1846). 
2.  Aufl.  —  Milde,  C.  J.,  u.  Masch,  G.  M.  C,  Siegel  des  M.-A.  aus  den  Archi- 
ven der  Stadt  Lübeck.  1856—1879.  —  Hohenlohe-Waldenburg,  F.  C.  Fürst 
zu,  Sphragistisches  Album.  1858.  —  von  Ledebur,  Leop.,  über  die  Frauen- 
siegel des  deutschen  M.-A.  1859.  —  Höchst  lehrreich  sind  die  sphragist.  Apho- 
rismen von  C.  P.  Lepsius,  in  den  N.  Mitt.  Th.-S.  V.  VI.  3,  84  —  115  u.  VH. 
1,  129—175,  die  Aufsätze  von  F.  Wiggert,  ebd.  von  UI.  3  bis  IV.  4  (mit 
Unterbrechungen)  u.  im  XH.  Jahresbericht  des  altmärk.  Vereins.  1859  und 
Höh enlohe- Waidenburg,  F.  C.  Fürst  zu,  Sphragist.  Aphorismen,  im  Anz. 
G.  M.  1866 — 1876,  auch  in  S.  A.  erschienen.  — Im  besonderen  über  geistliche 
Siegel:  von  Sava,  C,  die  mittelalt.  Sieg,  der  Abteien  u.  Eegularstifte  im 
Erzherz.  Österreich,  im  Jahrb.  C.-K.  HI,  195—248.  —  Luschin,  A.,  die  Siegel 
der  steirischen  Abteien  u.  Konvente  des  M.-A.,  in  den  Mitt.  C.-K.  XVm  u. 
XIX.  —  Schultz,  Alw.,  die  schlesischen  Siegel  bis  1250.  1871.  —  Die  Er- 
läuterungen von  von  Mülverstedt  zu  den  Siegeltafeln  des  ürkundenbuches 
des  Klosters  Drübeck  1874  und  der  Stadt  Quedlmburg  1882  und  von  Jakobs 
zu  denen  des  Boosters  Ilsenburg  1877  und  der  Klöster  Himmelpforten  undWa- 
terler  1882.  —  TVernicke,  E.,  über  Kirchensiegel,  im  CJhr.  K.-B1.  1880,  No. 
5  u.  6.  —  Abbildungen  von  geistlichen  Siegeln  aufser  den  schon  genannten 
Werken  besonders  in:   Mecklenburgische  Siegel  (S.  A.  aus  dem  Meoklenbur- 

fischen  Urkundenbuche)  2  Hefte  1867.  1877.  —  Vofsberg,  F.  A.,  die  Siegel 
er  Mark  Brandenburg,  lief.  1.  1868.  —  Heffner,  C,  Fränkisch -Würzbur- 
gische Siegel.  1872.  —  Lind,  K.,  Blätter  für  ältere  Sphragistik.  1878.  — 
Pfotenhauer,  die  schlesischen  Siegel  von  1250 — 1327.  1879.  —  Philippi, 
die  westfälischen  Siegel  des  M.-A.  I,  1.  1881.  —  Zahlreiche  auch  in  den  Siegel- 
Beilagen  zum  Ck>dex  diplomaticus  Anhaltinus  ed.  0.  von  Heine  manu.  —  Ganze 
Sammlungen  von  mittelalterlichen  Originalstempeln  zu  geistlichen  Siegeln  finden 
sich  überall  in  den  Staats-  und  städtischen  Arcniven  des  deut-schen  Reichs;  eine 
beträchtliche  besitzt  F.  Warne cke  in  Berlin  (vergl.  Katalog  der  Herald.  Ausstell. 


Material  der  Siegelslöcke. 

Berlin  1SS2,  49  ff.  —  Eine  1200  Stück  (imfassendc  (ranzösisuhe  Sammlung  mit- 
teUltarlicher  Siegelstempel  ist  beschrieben  von  J.  Cbarvet,  denciiptioD  des 
coUections  de  Sceaux-Matrices  de  M.  E.  Donge.    Paris  1672. 

Das  Material  der  mittel- 
alterlichen  Siegelstöcke,    auch 
der  geietlichen,  ist  der  Überwie- 
genden Mehrzahl  nach  Bronze, 
seltener  Eisen;  hin  and  wieder 
kommen  auch  silberne  vor,  diese 
natürlich  meist  nnr  in  kleinem 
Format.  Sehr  selten  sind  solche 
aus    andern    Materialien ;    aus 
Schiefer  befinden  sich  zwei  in 
der   Sammlung  Wamecke,    ein 
dritter,  dem  XIV,  Jahrh.  ange- 
böriger  im  Besitze  des  Fürsten 
Hohenlohe,    ein    vierter    (eines 
Erzbisch.  AdeUd.,  vielleicht  Ad al- 
dag  von  Bremen,  936—988)  ist 
1877  in  Oetfriesland  gefunden. 
;«n  BrindEB-      Elfenbeinerne    giebt    es    nach 
Charvet    ebenfalls     nur    vier 
Exemplare,  eine  aus  dem  XIV. 
Jahrh.  besitzt  Herr  Warnecke,  dem  auch  ein  ganz  aufserordentltch  seltenes 
von  Bochabanm  ans  dem  XIV.  Jabrh.  gehört.  Häufiger  sind  Edelsteine,  na- 
mentlich wurden  antike  Gemmen  von  Kirch enfUraten  gern,  ohne  Rücksicht 
auf  die  wenig  passenden  bildlichen  Darstellnn- 
gen,   zu  ihren   Sekret-  oder  RUcksiegeln  ge- 
braucht (vergl.  Wiggert,  Wie  man  antike  Gem- 
men im  M.-A.  zu  Siegelst« mpeln  benutzte,  in  den  N. 
Mitt.  Th.-S.  V.,  vn,  4,  S.  1  ff.),  aber  anch  das  in 
Fig.  1&8  abgebildete  Siege!  des  Domkapitels 
von  8t.  Stephan  in  Wien  (1365)  ist  ein  antiker 
Onyi,  dessen  Bild  nur  zu  dem  eines  Priesters 
nmgeschlifFen  ist. 

Die  Form  der  Siegel  ist  in  der  ältesten 
Zeit  in  der  Regel  die  kreisrunde,  und  zwar  von 
mafsigerAusdehnung  (siehe  Fig.  157,  Siegel  des 
Bischofs  Siegfried  von  Brandenbui^  von  1178), 
bald  nahmen  sie  jedoch  an  GrOfse  zu  (siehe  Fig. 
156,  Kapitelsaiegel  von  Gurk  ans  dem  XHI. 
lu  Wien  138»  (nacii  Lind).  Jahrh.),  Und  man  wetteiferte  dann  untereinan- 

der. iDas  gröfgte  unter  den  alteren  dQrfte  das 
Stadtsiegel  von  Trier  von  1337  sein,  welches  0,12  im  Durchmesser  hat; 
das  des  Kardinals  Albrecht  von  1516  mifst  sogar  0,125.  Mit  dem  Durch- 
dringen der  Gotik  wurde  eine  dem  Spitzbogen  entsprechende  aus  zwei  Kreis- 
segmenten zusammengesetzte  Form  tlblich,  welche  man  gegenwärtig  allge- 
mein die  spitzovale  (wirklich  ovale  siud  ausscblieCslich  die  aus  antiken  Gem- 


Form  der  Siegel.  379 

men  hergeBtellten)  nennt,  und  zwar  nicht  etw&  nur  für  die  perBönlicheo 
Siegel  der  geistlichen  Wttrdenträger  (b.  Fig.  159,  Sieg.  deB  Abtes  Andreas 
von  Admont,  1423  — 14G6),  sondern 
auch  fllrKonventsBiegel,  die  in  dieser 
Zeit  neu  gearbeitet  wurden  (Fig.  160, 
Siegel  des  NounenkloBterB  zu  Spandau 
von  1374),  während  man  allerdings  bei 
den  letzteren  im  ganzen  sielt  mehr  an 
die  einmal  überlieferte  Form  hielt. 
Aber  auch  die  Siegel  der  gewöhnlichen 
Pfarrer,  die  ein  kleines  Format  bei- 
behielten, blieben  im  späteren  Mittel- 
alter kreisrund,  bis  die  durchdringende 
Renaissance  allgemein  die  spitzovale 
Form  wieder  völlig  verdrängte.  Unge- 
wöhnliche Formen  kommen  meist  nnr 
bei  Ptarrersiegeln  vor,  z.  B.  in  früherer 
Zeit  häufig  die  einfach  dreieckige  der 
Wappenechilde;  fUnfeckig  mit  der 
Spitze  nach  oben  ist  das  Siegel  des 
Pfarrers  Rötger  von  St.  Nikolai  zu  Wis- 
mar von  1326  (s.  Fig.  161),  sechseckig 
mit  der  Spitze  nach  oben  das  des  Pfar- 
rers Konrad  zuKötschvon  1229,  acht- 
eckig z.  B.  das  des  Pfarrers  Pmnricus 

zu  Herzogburg  von  1319,  im  Vierpafs     pig.  i^,  sj,,ti  d«  am«  Andn»  AdDom 
das  des  Älbrecht,  Domherr  und  Propst  ims-m  (n»ch  Lind). 

von  St.  Panlizu  Halberstadt  1359,  herz- 
förmig mit  der  Spitze  nach  oben  das  des  Pfarrers  Nikolaus  zn  Mistelbach 
von  1351j  viereckig  dagegen  sind  bin  und  wieder  die  päpstlichen  Bititen. 
In  der  Regel  haben  die  Siegelstempel  des  Mittel- 
alters oben  am  Rande  oder  auf  der  Rückseite  ein 
gerade  oder  verquer  stehendes  Öhr  zum  Anhängen 
des  Stempels,  das  aber  auch  zugleich  als  Griff  beim 
Abdrücken   diente,   nicht  einen  Dorn   zum  Ein- 
stecken in  einen  Holzgriff,  wie  heutzutage;  früh- 
zeitig kommen  aber  auch  schon  auf  der  Rückseite 
gröfsere  Handhaben  aus  Metall  vor,  wie  bei  den 
späteren  Metall petsch aften ,  z.  B.  Melly,  a.  a.  0-, 
IV,  211 — 216   bildet  vier  silberne  Stempel  von 
Krems  ab,  unter  denen  zwei  von  1463  und  1487 
kleine  Hunde  ah  Griffe  haben. 

Zum  Inhalt  eines  Siegels  gebärt  notwendig 
Bild  und  Umschrift.   Über  die  Umschriften  Weite-     ^\,^^^,  tu  ^'.ndlifisM"" 
res  in  der  Epigraphtk.     Über  die  Bilder  gab  es  (mich  Vobberg). 

keine  allgemeinen  Vorschriften.  Nur  für  dieCister- 

cienser  wurde  1334  allgemein  bestimmt,  dafs  ihre  Siegel  ein  Bild  der  heil. 
Jungfrau  enthalten  sollten ;  und  diese  sind  denn  auch  durchgehends  von  der 


IgO  SiegelbUdcr. 

grsrst«»  Ähnlichkeit.   Die  peraönlicheD  Siegel  enthielten  zunftchst  das  Bild- 
nis des  Siege I fQ h rers ,  anfänglich  nur  firnatbilder  (Fig.  157),  später  die  gan- 
zen Fignren,  nnd  zwar  die  Bischöfe  meisten«  thronend  und 
segnend,  Äbte,ÄbtisBinnenu.  s.w.  meistens  stehend,  doch 
giebt  es  davon  auch  Auenahmen  (Fig.  159),  in  spätgoti- 
scher Zeit  gewöhnlich  in  einer  reichen  Architektur,  ge- 
wöhnliche Geietliche  zuweilen   am   Mefaaltare   stehend. 
Nebenher  geht  als  ebenso  häufige  Darstellnng,  dafs  die 
Siegelfuhrer  In  Verehrung  eines  oder  mehrerer  Heiligen, 
entweder  ihrer  persönlichen  Schutzheiligen  oder  der  Titel- 
heiligen  ihrer  Stifter  oder  Beneticien  erscheinen,  denen 
wohl  auch  die  hell.  Jungfrau  als  Oberste  und  KOnigin 
Pitzren  stitgtr        aller  ÜelUgen  beigesellt  ist.  Bei  gewöhnlichen  Qelsttlchen 
(nüh  d^m'^UlkSb.     beschränkt  sich  das  Bild  in  der  Regel  auf  diese  Heili- 
Ufk.-Bucb).  gen.    Hinzn  kommen  dann  Wappen,  bei  höheren  Geist- 

lichen ihr  persOnllcheH  oder  das  Stiflswappen  unter  ihren 
Färsen,  oder  auch  wohl  beide  zu  ihren  beiden  Seiten  geordnet,  oder  der 
Siegelfnhrer  erscheint  in  halber  Figur  über  dem  ans  beiden  quadrierten 
Schilde.  Auf  den  Prachtsiegeln  der  Kirchen  Fürsten  von  fttrstlicher  Geburt 
aas  späterer  Zeit,  wie  z.  B.  auf  dem  kolossalen  des  Kardinals  Albrecht  von 
Mainz,  ist  oft  die  Figur  des  Slegelfohrerg  von  einem  ganzen  Kranze  von 
Wappenschilden  nmgeben.  Gewöhnliche  Geistliche  haben  vielfach  statt  des 
Wappens  ein  freigewähltes  Sinnbild,  meist  von  irgend  einer  kirchlichen  Be- 
deutang,  als  Pelikan,  Rose  und  dergl.  oder  den  Kelch  oder  sonst  ein  prie- 
sterliches Amtsgerät  (siehe  Fig.  161,  Rauchfafs?),  es  kommen  aber  auch 
anschickliche  Scherze  vor ,  wie  z.  B.  der  Pfarrer  Gottschalk  Wulf  von  CIQtze 
1319  einen  aufrecht  stebendcD  Wolf  mit  Kutte  und  Krummstab  und  einer 
gestohlenen  Gans  in  der  Klaue  im  Siegel  führt  {Mccklenb,  Siegel,  II,  1 1,  No.  200). 
Die  Siegel  der  Stifter,  Kapitel  und  Klosterkonvente  zeigen  regelmäfsig  den 
Titelheiligen,  zuweilen  von  einem  oder  mehreren  Repräsentanten  des  Kon- 
vents verehrt,  in  anderen  Fällen  nicht  selten  (siehe  Fig.  1.56}  mit  einem 
Bilde  der  Stiftskirche  vereint.  Durch  alle  diese  Darstellungen  sind  die  Siegel 
ein  außerordentlich  reichhaltiges  und,  weil  zum  grafsen  Teile  durch  die  Ur- 
kunden, an  denen  sie  zuerst  erscheinen,  chronologisch  fest  datiert,  hOchst 
wichtiges  Qnellenmateriat  sowohl  (Hr  die  Ikonographie  als  für  die  Geschichte 
der  geistlichen  Tracht  und  des  kirchlichen  Gerätes  und  selbst  ftlr  die  Archi- 
tektnrgeschichte.  In  den  Formen  ihrer  Bilder  folgen  sie  natürlich  ganz  der 
allgemeinen  Stilen twlckelnug  Oberhaupt  und  bieten  auch  in  dieser  Hinsicht 
ein  wichtiges  Material  zur  Charakterisierung  der  verschiedenen  Perioden. 
Ihre  kflnstierische  AusfOhrnng  ist  eine  sehr  verschiedene  und  richtet  sich 
nach  den  allgemeinen  Kunstzuständen  in  der  Zelt  und  der  Gegend  ihrer 
Entstehung  und  nach  den  Geldmitteln,  welche  ihren  BeBteltem  zur  Ver- 
fügung standen;  ein  nicht  geringer  Teil  der  noch  vorhandenen  Stocke  sind 
aber  wirkliche  Kunstwerke  nnd  manche  gehßren  zu  den  vollendetsten  Er- 
zeugnissen der  Kleinkunst.  Wir  nennen  von  solchen  ans  verschiedenen 
Gegenden  nnd  Zeiten  nur  die  Stempel  des  grofsen  Kapitel ssiegels  des  Stifts 
Gandersheim,  jetzt  im  Archiv  zn  Wolf enhflttel  (spätromanisch  —  Abb.  Illu- 
strierte Zeitung  1B8S,  No.  20S1,  418),  des  Hartinsstiftes  zn  Sindelfingen,  jetzt  im 


Siegelabdrücke.    Stationen.  381 

Altertums- Verein  zu  Stuttgart,  des  Abtes  Hermann  Pistorius  von  St.  Egidien 
zu  Nürnberg,  jetzt  im  dortigen  Staats-Archiv  (beide  Mitte  des  XV.  Jahrh.) 
und  des  Nikolaus-Stiftes  zu  Neifse  von  1510  im  Staats-Archiv  zu  Breslau. 

Die  Abdrücke  der  Siegelstempel  wurden  durchgehends  in  Wachs ,  und 
zwar  meistens  ungebleichtem,  für  höhere  Würdenträger  in  rotem  ausgeführt; 
Blei  war  für  die  päpstlichen  Bullen ,  Gold,  d.h.  ein  dünnes  Goldblech,  dessen 
Pressung  hinten  mit  Wachs  ausgefüllt  wurde,  für  manche  kaiserliche  Ur- 
kunden reserviert  (btilla  aurea).  Die  Abdrücke  wurden  in  älterer  Zeit  auf 
die  Urkunden  selbst  aufgedrückt,  und  dazuan  der  Regel  ein  kleiner  Kreuz- 
schnitt in  das  Pergament  gemacht,  damit  zu  mehrerer  Befestigung  das 
Wachs  auch  auf  die  Hinterseite  durchdringen  sollte.  Später  wurden  sie 
mittelst  Pergamentstrelfen  oder  Schnüren  an  den  unteren  Rand  des  Perga- 
ments angehängt,  und  zwar  wurden  sie  zu  mehrerem  Schutze  in  eineWachs- 
schttssel  hineingefügt,  die  entweder  mit  der  Hand  geformt  oder  mit  einer 
Form  gegossen  war  und  wieder  noch  zum  Schutze  in  eine  Hülle  von  Werg 
und  Leder  eingenäht  wurde,  oder  das  Wachs  wurde  auch  gleich  in  ver- 
schliefsbare  Kapseln  von  Metall  oder  Holz  (Bullen)  hineingedrückt.  Da 
diese  Manipulationen  namentlich  bei  gröfseren  Siegelstempeln  besondere 
Geschicklichkeiten  erforderten,  so  geschah  die  Aufdrückung  des  Siegels 
nicht  durch  den  Siegelführer  selbst,  sondern  durch  irgend  einen  Beauf- 
tragten, und  zur  Beglaubigung  und  Originalisierung  des  Siegels  pflegten 
dann  höhere  Würdenträger  auf  der  Rückseite  ein  kleineres  von  ihnen  per- 
sönlich, oft  im  Fingerring  geführtes  Siegel  aufzudrücken  (Rücksiegel, 
Sekretsiegel,  Daumensiegel,  Kontrasiegel),  und  da  sie  oft  auch  dies  nicht 
persönlich  thaten,  drückten  sie  einen  oder  mehrere  ihrer  Finger  in  die  noch 
weiche  Wachsmasse  hinein,  oder  machten  mit  den  Fingernägeln  allerhand 
Zeichen  darin.  Trotz  aller  solcher  Vorsichtsmafsregeln  und  trotz  des  äus- 
sersten  Argwohns,  mit  dem  die  Siegel  geprüft  wurden,  blühte  übrigens  im 
Mittelalter,  wie  die  Fälschung  von  Urkunden,  so  auch  die  von  Siegeln  mit 
den  mannigfachsten  Manipulationen  überall  (vergl.  Schultz,  a.  a.  0.,  2.  3; 
Grotefend,  a.  a.  0.,  32  ff.),  und  trotz  der  härtesten  Strafen,  mit  denen  das 
kanonische  Recht  solche  Fälschungen  bedrohte,  waren  es  gerade  Klöster 
und  Stifter,  in  denen  sie  im  Interesse  des  Nachweises  höheren  Alters  oder 
ausgedehnterer  Besitzberechtigungen  ganz  besonders  Brauch  waren,  und  in 
manchen,  wie  z.  B.  in  Kloster  Leubus  in  Schlesien  ganz  systematisch  mit 
einer  staunenerregenden  Gewandtheit  und  Unverschämtheit  geübt  wurden. 

23.  Stationen,  d.  i.  Stillstandsorte  der  Wallfahrten  und  Prozessionen  in 
abgemessenen  Entfernungen,  bezeichnet  durch  Kreuze  und  Bildwerke,  welche 
einzelne  Vorgänge  aus  dem  Leben,  namentlich  aus  der  Leidensgeschichte 
Jesu  zur  Anschauung  bringen;  oft  in  Verbindung  mit  den  Calvarienbergen 
(siehe  No.  4).  <  Die  jetzt  übliche  Zahl  von  14  Stationen  wurde  wahrscheinlich 
durch  die  Franziskaner  erst  nach  1561  angeordnet,  war  aber  selbst  1699 
noch  nicht  allgemein  eingeführt  (Vergl.  Stockbauer  im  Org.  f.  ehr.  K.,  1870, 199). 
—  Die  berühmtesten  Stationen  sind  die  in  Nürnberg  am  Wege  vom  Tier- 


*  Diese  »Kreuzwege«  sind  Nachbildungen  der  via  dolorosa  in  Jerusalera,  die  zu- 
erst von  dem  Dominikaner  Alvarus  (f  1420)  im  Abendlande  eingeführt  und  nachher 
von  den  Franziskanern  allgemein  verbreitet  wurden.  Vergl.  Jos.  Schneider,  die  Ab- 
lässe (7.  Aufl.),  255. 


382  Steinkreuze. 

gärtnerthor  bis  auf  den  Johanneskirchkof :  sieben  Standsäulen  mit  Reliefs  von 
Adam  Kr  äfft  um  1490,  den  Leidensweg  Christi  bezeichnend  (restauriert; 
Abb.  bei  Wolff,  Nürnbergs  Godenkbuch,  Taf.  81—88;  Wanderer,  A.  Kr.,  Taf.  1-5). 
24.  Steiiikreiue  im  freien  Felde  bezeichnen  oft  die  Stelle,  wo  ein  Mord 
verübt  worden  (oder  jemand  plötzlich  verstorben)  ist,  und  mufsten  von  den 
Totschlägern  zur  Sühne  errichtet  werden ,  z.  B.  vor  dem  westlichen  Eingange 
der  Marienkirche  zu  Berlin,  wo  1335  der  Probst  Nikolaus  von  Bernau  vom 
Volke  erschlagen  worden  war.  (Viele  Beispiele  solcher  Kreuze  bis  zum  J.  1596  bei 
Waldmann,  H.,  über  den  Thüring.  Gott  Stuffo  (Heiligenstadt  1857),  99  ff.;  vergl. 
auch  Bösigk,  Fz.  L.,  über  Mordkreuzo,  in  den  Mitt.  d.  Sachs.  Altert.- V.,  X,  31. 
—  Walthierer,  Stoinkreuze,  von  Totsclütigem  zur  Sühne  errichtet  (Beispiele  von 
1436  und  1463),  im  Anz.  G.  M.,  1860,  Sp.  207.  —  flber  Feldkreuze,  im  Kirchen- 
schmuck,  1868,  Bd.  XXIV,  17.  —  Über  die  schlesischen  vergl.  Schlesiens  Vorzeit 
in  B.  u.  Sehr.,  IT,  245.  m,  115).  —  Das  älteste  datierte  wird  das  von  1260 
zu  Varmissen  bei  Dransfeld  im  Hannoverschen  (Abb.  Mithoff,  ü,  Taf.  4) 
sein.  Eine  Abbild,  des  dem  Herzog  Friedrich  von  Braunschweig  1400  bei 
Klein  Engl is  bei  Fritzlar  emchteten  über  3,00  hohen  Kreuzes  bei  Stein- 
ruck,  disqu.  bist  de  Frid.  duce  Brunsv.  et  Luneb.  anno  1400  haud  procul 
Fritzlaria  caeso.  Marb.  1743.  Aufser  diesem  sind  im  Reg. -Bez.  Kassel  bei 
Lotz  (S.  123.359)  noch  14  andre  solche  Kreuze  nachgewiesen.  Nicht  selten 
sind  Messer,  Dolche  und  Schwerter  auf  ihnen  eingeritzt.  Auf  dem  zur  Er- 
innerung an  den  10.  Dezbr.  1313  ermordeten  Priester  Heinrich  von  Siebe- 
leben errichteten  auf  der  Steigerhöhe  bei  Erfurt  ist  der  Ermordete  selbst 
abgebildet  (vergl.  Mitt.  des  Erfurter  Gesch. -Ver.,  n,  183.  HI,  187).  Zuweilen 
haben  diese  Sühndenkmäler  auch  statt  des  Kreuzes  die  Form  eines  Pfeilers, 
so  bei  Berthke  (Kr.  Franzburg)  mit  der  Darstellung  des  1313  ermordeten 
frater  reimarus  mit  vom  Schwerte  durchbohrter  Brust  (von  Haselberg,  Reg.- 
Bez.  Stralsund,  I,  17.  18),  bei  Hemmend orf  im  Fürstentume  Calenberg  mit 
einem  eingegrabenen  Kreuze  auf  einem  Dreiberg  von  1391  (Abb.  Mit  hoff, 
I,  Taf.  7),  namentlich  aber  das  grofse  Monument  des  Herzogs  Albrecbt  von 
Sachsen  bei  Schlofs  Ricklingen  im  Hannoverschen  mit  der  Darstellung 
des  Getöteten  in  Anbetung  des  Gekreuzigten  von  1385  (Abb.  das.  Taf.  8).  — 
Auf  dem  Eichsfelde  heifsen  diese  Kreuze  Bonifatiussieine  oder  Zehntsteine 
und  werden  mit  der  Sage  von  der  Zehntfreiheit  des  Eichsfeldes  in  Verbin- 
dung gebracht,  in  anderen  Gegenden  (im  Hohensteinischen,  bei  Wetzlar,  in 
Westfalen,  Franken,  Oberpfalz,  Altbayern,  Schwaben)  führen  dieselben  oft 
den  Namen  Schwedenkreuze ^^  nach   dem  Volksglauben  zur  Bezeichnung 


^  Bei  der  Schwedeuzeit  bleibt  überhaupt  die  volkstümliche  Deutung  unverstan- 
dener Denkmäler  der  Vorzeit  vielfach  stehen,  so  bei  den  Schwedenschanzen.  Ebenso 
bei  den  Schwedenhiehen  (vergl.  Otte,  Wörterbuch,  220),  die  au  den  Fenstergewän- 
den der  Domkrypten  zu  Mainz,  aber  auch  in  den  Domkreuzgängen  zu  Halbei-stadt 
und  Stendal  an  den  Fenstersäulen,  hier  sogar  mit  dii'ekter  Übertragung  auf  Gustav 
Adolf,  gezeigt  werden.  Sie  werden  mit  den  oben  S.  44,  Note  1  erwähnten  lÄngs- 
rillen  und  Kuudmarken  in  eine  Kategorie  zu  stellen  sein,  deren  Fundgebiet  sich 
übrigens  fortwährend  ausdehnt,  auch  im  Bereiche  des  Hausteinbaus,  die  ferner  keines- 
wegs, wie  mehrfach  behauptet  wird,  nur  in  der  Nähe  der  Portale,  sondern  ebensogut 
an  allen  freistehenden  Wänden  der  Kirchen  vorkommen,  und  über  deren  direkten  Zu- 
sammenhang mit  den  der  prähistorischen  Zeit  angehörigen  Näpfchensteinen  die  An- 
sichten der  Foi'scher  sich  vorläufig  noch  kontradiktorisch  gegenüberetehen. 


Sündenwagen.    Tafeln.    Teppiche.  383 

solcher  Stellen,  wo  im  30jährigen  Kriege  Gefallene  ein  gemeinsames  Grab 
gefanden  hätten.  —  In  mitten  der  Vorstadt  Nenmarkt  bei  Jüterbog  steht 
ein  sehr  altes  (ursprünglich  3  Ellen  hohes)  Granitkrenz,  der  Lokalsage  znfolge 
an  einer  Stelle,  wo  ehemals  heidnische  Sacra  gefeiert  wurden,  und  daselbst 
zum  Andenken  an  die  Einführung  des  Christentums  im  XII.  Jahrh.  errichtet. 

25.  Sündenwagen  werden  an  verschiedenen  Orten,  z.  B.  in  Wilsnack 
und  Netzeband  erwähnt,  und  in  der  Sakristei  zu  Wilsnack  befinden  sich  noch 
zwei  grofse  Metallschalen ,  von  denen  die  eine  mit  drei  Ösen  versehen  ist  und 
sehr  wohl  als  Wageschale  gedient  haben  kann ,  während  die  andre  früher  als 
Taufbecken  benutzt  worden  ist.  Nach  der  Erzählung  des  Matth.  Ludecus 
(Historia  etc.  des  vermeinten  heiligen  Bluts  zur  Wilsnagk,  1586)  mufste  in  der 
Zeit  der  Wallfahrten  zum  heil.  Blute  in  Wilsnack  der  Sünder  auf  die  eine 
Schale  treten  und  auf  die  andere  Naturalien  etc.  opfern,  bevor  er  die  Los- 
sprechung erhielt.  Der  Gebrauch  erinnert  an  die  schon  in  der  romanischen 
Periode  übliche  Kunst-Darstellung  der  Seelenwägung  (vergl.  Mark.  Forschungep, 
XVI,  130). 

26.  Tafoln  mancherlei  Art  zur  Aufzeichnung  von  allerhand  Dingen, 
die  sonst  wohl  durch  Wandinschriften  verewigt  wurden,  z.  B.  Ablafs- 
tafeln,  d.  h.  Tafeln,  auf  denen  sämtliche  der  Kirche  im  Laufe  der  Zeit 
verliehenen  Ablässe  verzeichnet  waren  (eine  solche  aus  Messing  von  0,40 
Höhe  und  0,24  Breite  mit  dem  Bilde  der  thronenden  heil.  Jungfrau,  ehemals 
an  der  südöstlichen  Thüre  der  Liebfrauenkirche  zu  Halberstadt  befestigt, 
ist  jetzt  im  Zither  des  Doms  daselbst);  Turnustafeln,  d.  h.  mit  Wachs 
überzogene  Holztafeln,  auf  welchen  die  Namen  derjenigen  Geistlichen, 
welche  den  Wochendienst  hatten,  angeschrieben  wurden  (vergl.  Sauer,  W., 
eine  Wachstafel  des  Kl.  Paradies  bei  Soest,  in  Pick's  Monatsschr.  IV,  Kl.  Mitt.  No.  1) 
u.  dergl.  mehr.  Beim  Bonifatiusstift  zu  Halberstadt  wird  1495  (Urkunden- 
buch  ed.  Schmidt,  203)  eine  tabula  erwähnt,  mit  welcher  der  Diener  der 
Provisoren  an  den  4  hohen  Festtagen  herumgeht,  um  Beiträge  für  das  Kir- 
chengebäude zu  sammeln. 

27.  Teppiche  fanden  in  den  mittelalterlichen  Kirchen  ausgedehnte  An- 
wendung, nicht  blofs  als  Vorhänge  vorThüren  (ve/ajanwan/»!)  und  Fenstern 
{panni;  s.  oben  S.  89),  als  Rücklaken  und  Sitzkissen  (dorsaliay  bancalia; 
oben  S.  284)  in  den  Chorstühlen,  oder  statt  der  Scheidewände  des  Chores 
(»velum  infer  clerum  etpopulvm<^  beiDurandus,  1.  1.  c.  3n.  35),  zu  beiden 
Seiten  der  Altäre  (»cortinae  in  utroque  laiere  alfaris«,  welche  in  manchen 
Kirchen  während  der  Secreta  in  der  Messe  vorgezogen  wurden,  ^guae  tunc 
ex(enduntur<fi  und  den  Priester  »quasi«  verhüllten;  ebd.  1.  4  c.  39  n.  1,  vergl. 
oben  S.  140),  sondern  auch  zum  Behängen  der  Wände  und  Pfeiler  bei  fest- 
lichen Gelegenheiten  {»cortinae  in  festivitatihus  propter  omatum«\  ebd.  1.  1 
c.  3  n.  39)  und  in  der  Fastenzeit  vor  dem  Sanctuarium  {^velumj  quod  sacra- 
rium  a  clero  dividet«]  ebd.  n.  35)  als  Fastentücher  {cortinae  quadragesi- 
males)  zur  Erinnerung  an  den  Vorhang  im  Tempel  zu  Jerusalem.  Aufserdem 
erwähnt  Durandus  (ebd.  n.  23)  auch  der  Fufsdecken:  y>Sübstratoria,  quae 
pedihus  suhstemuntur^^  und  der  Fufsteppiche :  -»Tapetia  sunt  panni,  quipe- 
dibus  substemunturj«  —  Im  früheren  Mittelalter  bezog  man  die  Teppiche 
wie  alle  kostbaren  Gewebe  aus  dem  Orient  (cortinae  Alexandrinae ^  Tyriae; 
vela  Byzantea,  Syrica)^  die  dann  später  auch  im  Abendlande,  in  Palermo 


184  Teppiche. 

unter  den  Noi-msDneu  zaerBt  dnrcli  e&razeniBche  nad  byzantia lache  Arbeiter, 
D«chge&hmt  worden:  diese  kostbaren  Seidengewcbe  wsren  oft  mit  sym- 
metrisch (in  kreisriinden  Kinf&ssungen ,  daher  pailia  scu/ellala,  rotata)  ge- 
ordueten  Tierfiguren  gemustert  (ElephanteD,  Löwen,  Pfaneu,  Papageien, 
Adler,  KinhOmer,  Greife;  daher  vela  teonata,  aquilala  etc.).  Seit  dem  Ende 
des  X.  Jabi'h.  wurden  Teppiche  in  einzelnen  (besundera  französischen  und 
niederUnd lachen)  Ktflstem  durch  LaienbrUder,  und  später  durch  zUnfitige 
Handwerker,  stets  aber  auch  In  den  Nonnenklöstern  (aus  Seide,  Wolle, 
Zwirn  auf  einem  Aufzuge  von  starken  Hanffäden)  gewebt  und  zeigen  figttr- 
liche  Daratellungen  biblischen,  symbolischen  und  profanen  Inhalts.  Diesen 
Webereien  schliefsen  sich  die  (auf  grober  Leinwand  mit  gezwirnter  Wolle  etc.) 
von  Frauenhand  gestickten  Arbeiten  an.  Auf  Leinwand  mit  Leimfarben 
gemalte  Teppiche  kommen  frühestens  erst  seit  dem  XIV.  Jahrh.  vor.  Statt 
der  Malerei  wandte  man  bereits  Im  XIV.  Jahrh.  auch  schon  den  Zengdrnck 
mittelst  Holz-  oder  Metallmodeln  an,  der  auch  zur  Musterung  der  Stofi'e  ge- 
ringerer Mefsgewänder  oder  der  Futterstoffe  verwandt  wurde  (vergl.  Bock  in 
der  CoUectio  Weigeliana  I,  1  ff.  und  Tat.  S  u.  9  mit  Proben  niederrheinischen  Ur- 
sprungs auH  dem  2.  Viertel  des  XV.  Jahrh.).  Besonders  bemerkenswert  ist  ein 
ehemaliges  Dorsale  in  Sitten  mit  tanzenden  Figuren  und  Scenen  ans  der 
ödipasmythe  aus  der  Mitte  des  XIV.  Jahrh.  (ver^l.  Keller,  Ferd.  in  den  UitL 


:a  (JaMlllDlHirs  (nlch.von  LUUsw 


der  autiqu.  Qea.  Züricli,  XI,  Heft  6).'  Fast  regelmäfslg  sind  die  Teppiche  mit 
erläuternden  oder  anderen  (die  orientalisclien  mit  arabischen)  Inschriften 
versehen.    (Über  Üebrauch,  Stoffe,  Technik  und  Bezugsquellen  der  Teppiche  vergl. 


'  EbenTslls  dem  XIV.  Jahrh.  wird  eine  in  Buntdruck  verzierte  Stola  ans  Leinwand 
im  Oeorgshospitale  zu  Wernigerode  zugeschrieben.  Vergl.  Anz.  G.  M.  tST9,  Sp.  T 
und  Abb.  in  Bau-  und  Kunstdenkin.  der  Provinz  Sachsen.    Heft  VH,  121,  Kg.  BS. 


Teppiche.  385 

Jubinal,  Achille,  Becherches  sur  Fusage  et  Torigine  des  tapissehes  ä  personnages. 
Paris  1840.  —  Book,  Lit  Gew.,  m,  111—121.  185—144.  177-185.  192—202;  auch. 
Dess.  Catalogos  pannuloram  holosericorom  textura  et  antiquitate  memorabilimn. 
Colon.  (1859).  —  Springer,  Ant.,  Teppiche  als  Bildmotive,  in  den  Mitt.  C.-K.,  V^ 
67  ff.  —  Schnaase,  IV,  246). 

Wie  aus  der  Vergänglichkeit  nnd  der  oft  schonungBlosen  Benntznogs- 
weise  der  Teppiche  erklärlich  ^  ist  aus  dem  früheren  Mittelalter  wenig  er- 
halten,  das  meiste  jedoch  in  niedersächsischen  ehemaligen  Nonnenklöstern: 
die  romanischen  (bereits  oben  S.  290  erwähnten)  Rücklaken  der  Chorstflhle 
des  Domes  zuHalberstadt  (Christus  und  die  Apostel,  die  Geschichte  Abra- 
hams,  zwei  Enden  von  etwa  13,50  Länge  bei  ungefähr  1,10  Breite  in  Gobelin- 
weberei, Abb.  bei  Bechstein,  Eunstdenkmäler,  I,  Taf.  13.  14;  daselbst  ein  wohl 
gleichzeitiger  kleiner  geschorener  mit  Karl  dem  Grofsen  und  vier  antiken 
Philosophen  und  ein  sehr  langer  mit  der  Marienlegende  unter  sehr  reichem 
Rankenomament  in  Gobelinweberei  ans  dem  Ende  des  XV.  Jahrb.);  Teile 
eines  geschorenen  Teppichs  aus  der  Zeit  um  1200  mit  der  Vermählung  des 
Mercurius  und  der  Philologia  nach  dem  Dichter  Marcianus  Capella  in  der 
Stiftskirche  zu  Quedlinburg  (Abb.  Steuerwaldt  und  Virgin,  Kunstschätze  im 
Zittergewölbe  zuQuedlinb.,  Taf.  86—40;  Bechstein,  a.  a.  0.,  Taf.  14;  von  Lützow, 
Zeitschr.  XVn,  175;  vergl,  Kugler,  Kl.  Sehr.,  I,  635  ff.);  femer  im  Kloster 
Wienhausen  ein  gestickter  Teppich  von  4,09  X  2,20  mit  der  Geschichte  von 
Tristan  und  Isolde  nebst  37  Wappen,  aus  der  ersten  Hälfte  des  XIV.  Jahrh. 
(Abb.  Mithoff,  Archiv,  11,  Taf.  6),  zwei  ebenfalls  aus  dem  XIV.  Jahrh.  ange- 
hörige  gestickte  Teppiche,  der  eine  mit  Jagdscenen ,  der  andere  mit  Pro- 
phetenfiguren (a.  a.  0.,  Taf.  7),  das  Bruchstück  eines  aus  derselben  Zeit 
stammenden  mit  alttestamentlichen  Scenen  (ebd.  Taf.  2)  und  zwei  gestickte 
Teppiche  aus  dem  XV.  Jahrh.,  der  eine  mit  der  Legende  des  Ap.  Thomas 
(ebd.  Taf.  S),  der  andere  mit  der  Geschichte  der  heil.  Elisabeth  (ebd.  Taf.  2). 
Mehrere  Teppiche  aus  dem  ehemal.  Kloster  Heiningen  (XIU.  u.  XIV.  Jahrh«, 
der  gröfste  in  farbigem  Plattstich  auf  grober  Wolle  von  1516)  sind  in  das 
Weifen -Museum  gekommen,  ebendahin  drei  aus  dem  XV.  u.  XVI.  Jahrh. 
(darunter  zwei  schmale  Dorsalien  mit  Streifen  von  Tiergestalten,  der  dritte 
mit  Kurfürsten  und  ihren  Wappen)  aus  dem  Kloster  Ebstorf,  ein  grofser 
mit  der  Einhornsjagd  und  dem  Stammbaum  Jesses  und  mehrere  kleinere  aus 
Kloster  Isenhagen.  Ferner  im  Kloster  Lüne  zwei  von  löOö  nnd  1506; 
zu  Medingen  ein  spätgotischer  geflickter  mit  Jagdscenen  und  ein  grofser 
gewebter  mit  der  Geschichte  Josephs;  zu  Wernigerode  im  Georgshospital 
ein  Marienteppich  und  ein  Magdalenenteppich,  beide  auf  Leinwand  in  Seiden- 
stickerei, und  einer  mit  Pfauen  und  anderem  Gevögel  in  Seidenstickerei 
auf  Seidenstoff,  vielleicht  italienische  Arbeit  um  1500  (vergl.  Bau-  u.  Eunst- 
denkm.  der  Provinz  Sachsen,  Heft  VII,  Grafech.  "Wernigerode,  117  ff.  m.  Abb.); 
im  Jungfrauenkloster  zu  Drübeck  ein  3,20  X  1^26  grofser  Leinenteppich 
mit  21  neutestamentlichen  Scenen  und  alttestamentlichen  Typen  in  bunter 
Seidenstickerei  (vergl.  Friedrich,  A,  der  Teppich  aus  d.  Jgfrkloster  D.  1877  m. 
22  Photogr.,  und  Grafsch.  "Wernigerode,  39  f.  m.  Tafel);  zu  Goslar  in  der  Dom- 
vorhalle zwei  Rücklaken  mit  je  7  Heiligen,  schon  im  Stile  der  Frtthrenais- 
sance;  im  Kloster  Marienberg  bei  Helmstedt  eine  ganze  Reihe  von  Tep- 
pichen mit  den  Legenden  der  heil.  Regina,  der  heil.  Margarethe,  der  heil. 

Otte,  Kanst- Archäologie.    5.  AoA.  25 


386  Teppiche. 

Elisabeth,  einer  unbekannten  Heiligen ,  einer  mit  derPassionsgeBchichte  und 
einer  mit  Jagdscenen,  zum  Teil  noch  aus  dem  XIII.  Jahrh.  (ver^.v.  Münch- 
hausen,  A.,  Teppiche  des  Jgfr.- Stifts  Marienberg,  in.  9  Taf.,  1874;   Details  auch 
in  den  Reiseskizzen  der  Niedereächs.  Bauhütte,   Taf.  14  u.  18—23);  im  Herzogl. 
Museum  zuBraunschweig  die  Nummern  33 — 38  aus  dem  dortigen  Kreuz- 
kloster  vom  £nde  des  XV.  Jahrh.  (darunter  zwei  mit  der  Geschichte  des 
Moses  und   der  des  Salomo,   ein  dritter   mit  Scenen  aus   Parcival);   zu 
Lüneburg  in  der  Nikolaikirche  ein  spätgotischer  von  6,43  X  0,58  mit  dem 
Weltgericht  und  den  klugen  und  thörichten  Jungfrauen  und  einer  von  1542 
(7,00  X  0,88)  mit  der  Geschichte  Abrahams  undlsaaks;  zu  Erfurt  im  Ursu- 
linerinnenkloster  ein  5^«  Ellen  langer  und  2^8  Ellen  breiter  Leinenteppich 
mitWeifszeugstickerei  in  3  Reihen  (Schöpfung,  Sintflut,  Marienlegende)  aus 
dem  Anfange  des  XIV.  Jahrb.,  und  ein  anderer  mit  der  Legende  der  Magda- 
lena aus  der  Hinterlassenschaft  des  dortigen  Weifsfrauenklosters;  zu  Naum- 
burg a/S.  im  Dome  s.  oben  S.  302.    Die  Lorenzkirche  in  Nürnberg  be- 
sitzt Teppiche  aus  dem  XIV.  —  XVI.  Jahrh. ,  die  ältesten  mit  den  Aposteln 
und  der  Legende  der  heil.  Katharina  ca.  1375;  die  dortige  Sebaldskirche 
einen  Teppich  von  1497  mit  der  Geburt  Christi  und  vier  Heiligen;  die  Eli- 
sabethkirche zu  Marburg  einen  Teppich  mit  der  Geschichte  des  verlorenen 
Sohnes  und  Bildern  der  Erziehung  eines  deutschen  Junkers  aus  der  Zeit  um 
1400.  —  Der  Katalog  des  Erzbischöfl.  Museums  in  Köln  (v.  J.  1855)  führt 
an  (No.  102.  105 — 109)  gewebte  Teppiche  aus  St.  Johann  zu  Köln  (Bruch- 
stücke ans.  dem  Beginn  des  XVI.  Jahrb.),  ein  Bruchstück  mit  der  Fahrt  der 
heil.  Ursula  und  einen  gröfseren  Altarteppich  mit  Tier-  und  Pflanzen -Orna- 
ment (beide  aus  dem  XV.  Jahrh.  und  Eigentum  des  Museums),  aus  Maria- 
Lyskirchen  inKöln  (XVI.  Jahrh.),  aus  den  Kirchen  zuNiederwerth  (XV.  Jahrh.) 
und  Kerpen  (Stickerei  aus  dem  XV.  Jahrb.).  —  Im  Dome  zu  Mainz  ein 
Prachtteppich  von  4,60  X  lj95  mit  der  heil.  Sippe  von  1501  (vergl.  Kirchen- 
schmuck, 1868,  Bd.  XXIV,  8  u.  64  m.  Abb.);  in  der  Peter-Paulskirche  zu  Neu - 
weil  er  vier  Dorsalien  mit  der  Legende  des  heil.  Adelphus  nach  1465;  zu 
Bern  im  Münster  die  Burgundischen  Teppiche  aus  der  Beute  von  Granson 
mit  den  Kopien  der  untergegangenen  Brüsseler  Rathausbilder  von  Roger  van 
Weyden  (?  vergl.  Kinkel,  Gottfr.,  d.  Brüsseler  Rathausbilder  etc.,  1867,  m.  8  Lithogr.) 
und  die  Vincenzteppiche  mit  18  gestickten  Scenen  aus  der  Legende  des 
Heiligen,   1515  gestiftet  von  dem  Chorherm  Heinrich  Wölfli,  dem  Dol- 
metscher des  Ablafshändiers  Bemhardin  Samson;  zu  Lindau  a.  Bodensee 
ein  Teppich  mit  der  Geschichte  Davids  und  der  Bathseba  und  ein  anderer 
mit  köstlicher  Blumenstickerei  aus  dem  XV.  Jahrh.;  zu  Maihingen  einer 
mit  vier  Scenen  aus  dem  Leben  Jesu  und  einer  mit  der  Verwandtschaft  des 
heil.  Wilibald;  in  der  Annakapelle  zu  Wallerstein  einer  mit  der  Legende 
der  heil.  Walpurgis  von  1395,  ein  anderer  mit  der  des  heil.  Oswald,  ein  dritter 
mit  7  Scenen  aus  dem  Leben  Jesu  und  ein  vierter  mit  der  Geschichte  Josephs 
in  Ägypten;  zu  München  im  Bayr.  Nat.-Mus.  ein  spätgotischer  aus  Eich- 
stätt  mit  der  Verwandtschaft  des  heil.  Wilibald  und  einer  aus  dem  XVI.  Jahrh. 
mit  der  Anbetung  der  Könige,   interessant  durch  die  kleine  Darstellung 
•    einer  Nonne,  die  einen  vor  ihr  der  Höhe  nach  ausgespannten  Teppich  webt 
(Abb.  im  Sitzungsber.  des  Münchener  Altert.-Y.,  1.  Heft,  1868,  Taf.  5);  zu  Nürn- 
berg im  Germ.  Mus.  ein  aus  verschiedenen  Bruchstücken  eines  gelben  Sei- 


Teppiche.    Totenleuchten.  3g7 

denbrokats  mit  Tierfi^ren  nnd  Palmetten  (italienische  Nachahmung  sara- 
zenischer Master  aus  dem  XIY.  Jahrh.)  zusammengesetzter ,  aus  Wienhausen 
stammend  (Abb.  Mithoff,  Archiv,  n,  Taf.  9.  10)  und  einer  mit  dem  Tode  der 
Maria  in  Seidenstickerei  auf  Leinwand  aus  der  Zeit  1320 — 1350  (Abb.  Essen- 
wein, Kunst-  und  kulturgescLDenkm.,  Taf.  27);  zu  Gurk  in  der  bischöflichen  Resi- 
denz ein  Behang  der  Fensterbrttstung  des  bischöflichen  Oratoriums  in  der 
Schlofskapelle  mit  symbolischen  Darstellungen  aus  dem  XVI.  Jahrh. ;  zu  Wien 
im  Mus.  für  Kunst  und  Industrie  ein  dem  Nürnberger  von  St.  Lorenz  ähnlicher 
mit  dem  Eccehomo^  Heiligen  und  Adoranten  aus  der  Familie  von  Geuder 
(der  Stifter  f  1407;  Abb.  Mitt.  O.-K.,  XVm,  120);  zu  Berlin  im  Kunstgewerbe- 
Museum  Raum  XVI,  Wand  100  ein  Wandteppich  mit  der  Geschichte  der 
Susanna  y  Wand  103  ein  golddurchwirkter  Wandteppich  mit  der  Himmelfahrt 
Maria  aus  der  Schule  der  van  Eyck,  Raum  XVU,  Wand  108  u.  113  Wand- 
teppiche in  deutscher  Gobelinweberei  aus  dem  XV.  Jahrh.  mit  Einzelfiguren 
von  Propheten  7  Kirchenlehrern ,  Philosophen  (Seneca,  Cato)  und  Dichtern 
(Freydank)  in  '/i-Lebensgröfse  mit  vielgewundenen  Spruchbändern,  Nische 
104:  ein  Wandteppich  mit  der  Grablegung  von  1599,  noch  ganz  gotisch 
und  Nische  107:  ein  Leinenteppich  mit  aufschabloniertem  Muster  aus  der 
Kirche  zu  Marienfelde  bei  Berlin  vom  Anfange  des  XVI.  Jahrh.  —  Von 
Fastentflchem  ist  das  gröfste  bekannte  das  Hungertuch,  welches  zum  An- 
denken an  eine  überstandene  Hungersnot  von  dem  Gewürzkrämer  Jakob 
Gorteler  zu  Zittau  in  die  dortige  Johanniskirche  gestiftet  wurde  und  sich 
jetzt  im  Museum  des  Grofsen  Gartens  zu  Dresden  befindet:  eine  grobe  Lein- 
wand mit  Darstellungen  aus  der  biblischen  Geschichte  alten  und  neuen  Testa- 
ments in  108  durch  deutsche  Reime  erläuterten  Bildern  (vergl.  Bösigk,  L., 
Führer  durch  das  Museum  etc.,  85  ff.).  —  Das  Palmtuch  in  GUglingen  von 
7,20  X  4)30  aus  dem  XV.  Jahrh.,  bemalt  mit  60  biblischen  Bildern  (vergl. 
Kunstblatt  zum  Morgenblatt,  1847,  200;  Schriften  d.  Altert.-V.  i.  Zabergäu,  IT,  1846) 
ist  1849  beim  Brande  der  Kirche  untergegangen;  und  von  dem  12  Ellen 
langen  und  breiten  mit  biblischen  Scenen  aus  dem  Alten  und  Neuen  Testa- 
mente in  4  Reihen  zu  8  Feldern,  das  noch  1781  in  der  Kirche  zu  Gingen, 
O.-A.  Geislingen,  vorhanden  war,  sieht  man  nur  noch  die  Rollen  zum  Auf- 
hängen am  Triumphbogen.  —  Viel  älter  ist  die  noch  in  romanischem  Stile 
mit  dem  Bilde  der  Maria  und  sechs  Aposteln  bemalte  Leinwand  in  St.  Apo- 
steln zu  Köln,  angeblich  das  von  Richmondis  von  Aducht  (t  13fiO)  gespon- 
nene Bahrtuch  derselben,  vielleicht  aber  ein  Fragment  eines  gröfseren  Fasten- 
tuches (vergl.  Bock,  das  heil.  Köhi,  St.  Apostehi,  8).  Auch  im  Münster  zu  Frei- 
burg i.  Br.  ein  Stück  eines  späteren  Fastentuches. 

28.  Totenlenohten  oder  Lichtsäulen  *  sind  hohle  runde,  vier-  oder  viel- 
eckige Säulen  in  der  Mitte  eines  Kirchhofes,  deren  (zuweilen  auf  einer  Treppe 
zugänglicher)  oberer  latemenartiger  und  mit  einem  Spitzdach  gekrönter 
Aufsatz  zur  Aufnahme  eines  *  Arme- Seelenlichtes  €  diente,  welches  zu  Ehren 
der  Entschlafenen  die  ganze  Nacht  brennend  erhalten  wurde  und  den  Fried- 
hof erleuchtete.  —  PetrusVenerabilis,  demiraculis  1.2:  t^ Obiinet medium 
cimeierii  locum  structura  quaedam  lapidea,  hdbens  in  summitate  sua  quan- 


*  Diejenige  zu  Ersheim  bei  Hirschhorn  a.  Neckar  (von  1412  ?;  vergl.  Ritsert^  F., 
im  Korr.-Bl.  Ges.-V.  1877,  36  f.,  m.  Abb.)  führt  den  singulären  Namen  Elendstem. 

25* 


)gg  Totenleucbten. 

litatem  unius  lampadis  eapacem,  quae  ob  reverenliam  fidelium  ibi  quiescen- 
lium  totis  nociibus  fUlgwe  suo  loctan  iUum  sacralum  ilhulrat.  Stent  etgradus, 
per  quoa  iUuc  ascenditur;  supraqtie"  etc.    Im  J&hre  1368  beBtimmteu  die 
Visitatoren  des  Kiostera  Pforte,  dars  der  dortige  Ku8toB  za  besorgen  hsbe 
ibanen  de  sepo  noctumo  tempore  arsunim  in  cimeieriot  (Corfaen,  Altert,  u. 
Kunstd.  zu  Pf.,  2S9,  —  Vergl.  Lenoir,  ArchitecturemoMStique,  11,  441,  —  Braun, 
über  Totenleucbten,  ia  den  Annalen  des  histor.  Vereins  für  den  Niederrhein.  Hft.  S 
(1960),  —  Riggenbach,  Ch.,   über  Totenleucbten,   Arme  Seelen-Lani|>en,   in  don 
Mitt  C.-K..  VU,  228,  —  EBsenwein,  A.,  über  einige  Totenleucbten  in  Ost.,  ebda. 
317— S25.  —  Fronner,  K.,  über  mittelalt.  SakramontshHuschon,  Licht-  nnd  Mart«r- 
säiüen,  in  Ber,  u.  MitL  des  Altert.-V. Wien,  XI,  295  ff,),  —  Diese  Kirchliofalatoraen 
scheinen  früher  im  Bttdlichen  Qod  westlichen  DentschlsDd  allgemein  ver- 
breitet gewesen  ed  sein  und  blieben  bis  ins  XVI,  Jahrb.  beliebt,  sind  aber 
seitdem  anfser  Oebraneh  gekommen  nnd  meist  zn  Gmnde  gegangen;   die 
Ältesten  bekannten  rühren  ans  dem  XIII,  Jahrb.  her.    Als  ältester  Überrest 
einer  Totenlenchte  wird  angeführt  ein  in  der  Mitte  des  Krenzgartena  am 
Dome  zn  Magdeburg  befindlicher  (vermutlich  ans  dem  1207  abgebrannten 
Ottonischen  Dome  herrührender)  gegen  2,ou  hoher  Sänlenachaft  aus  orien- 
talischem Granit  mit  einer  gegliederten  sechseckigen  Deckplatte  ans  Sand- 
stein, welche  bedeutend  ausladet  und  ehe- 
mals das  LiehthAuBchen  trag,  von  dem  nnr 
noch  die  fialenartige  Bedachung  vorhanden 
ist.    Totenleucbten  früh  gotischen  Stils  auf 
dem  Kirchhofe  zu  Schulpforta  von  1268 
(Abb,  bei  Puttrieb,  ü.  Lief.  Schulpforta,  Bl.  8 
n.  Corfaen,  a.  a.  0.,  265)  und  neben  dem  Dome 
zuRegensburg  (Abb.  Mitt  C-K.,  XVI, S.L1X, 
Fig.  7);  spätere  mehrfach  in  Westfalen  (auf 
dem  Kirchhofe  vor  Paderborn,  zn  Saiz- 
kotten,  Brakel,   Delbrück,    Schilde- 
sche, Ölde,  Stromberg,  Werl,  Apler- 
beck,   beim  Dome  za  Mflnster,   bei  der 
Bartholomaikirche  zn  Ahlen);  in  Trier  eine 
zierliche  von  4,0S  Hohe  ans  Sandstein  im 
Domkreuzgange  (Abb.   ans'm  Weerth,  Taf. 
LVl,  5)  nnd  eine  ähnliche  auf  dem  Kirch- 
hofe zn  Bingen;  in  Hessen  die  Älteste  zn 
Frankenberg;    in  Österreich   nnd   wohl 
Uberhaapt  das  ausgezeichnetste  Monument 
dieser  Art  zn  Klosternenburg  (1381  von  , 
Michael  Tutz,  gestiftet  von  einem  Borger  nach 
der  Pest,  9,äO  hoch,  mit  6  Reliefs  ans  der 
Leidensgeschichte;  Abb.  östr,  AÜ.,  LXXVn,  1),  aufserdem  aus  dem  XIV.  Jahrb. 
zn  Gnrk  neben  dem  Dome  (4,75  hoch;  Abb,  das.  XXIX,  1)  und  zu  Keut- 
Bchach  in  KAmthen  (mit  einem  zweiten  LichthAuachen  in  der  Mitte  des 
Schaftes.   Abb,  das.  LXXVH,  8),  aus  dem  XV,  Jahrb.  und  spätgotiach :  vier- 
eckige zu  Hainborg  auf  dem  Dechanthofe  (4,75  hoch,  Abb.  das.  XXIX,  3), 
zn  Tttsser  in  Steiermark  (das.  LXXVn,  6),  zn  Maria-Saal  in  KAmthen 


Totenleuchten.  3g^ 

(von  1497  auf  gewundenem  Schafte,  ganz  wie  ein  Sakramentshäuschen ; 
Abb.  das.  XXIX,  6)  und  zu  Schwaz  bei  Innsbruck  (von  1518 ,  auf  rundem 
Schafte,  noch  jetzt  unterhalten),  sechseckige  zu  Lorchbei  Enns  (das.  LXXYII, 
10),  zu  Freistadt  in  Ober-Österreich  (von  1488,  9,50  hoch,  das.  XXIX,  5),  zu 
Wels  (von  1511  aufgewundenem  Schafte;  Abb.  Mitt.  C.-K.,  XVin,  277),  zu 
Mailberg,  Nied.-Östr.  (Abb.  Mitt.  C.-K.,  XVn,  S.  CX,  Fig.  7)  und  zu 
Hof  in  Steiermark  (von  1514,  Abb.  östr.  Atl.,  LXXTH,  11),  achteckige  zu 
Globanitz  in  Kämthen  (Abb.  Mitt.  C.-K.  N.F.,  vm,  S.LXI,  Fig.  l),^u  Murau 
bei  der  Stadtpfarrkirche  St.Matthäi  (6,95  hoch,  Abb.  östr.  Atl.,  XCVn,  6),  zu 
Penzing  bei  Wien  (8,22  hoch,  das.  XXIX,  8),  zu  Voigtsberg  (das.  XXIX,  4), 
zu  Völkermarkt  bei  der  Stadtpfarrkirche  (von  1477,  das.  XXIX,  7),  zu 
Brixen  auf  dem  Domkirchhofe  (von  1483,  3,20  hoch,  das.  XXIX,  2).  —  Über 
die  ehemalige  im  Kloster  Klingenthal  zu  Basel  von  1520  s.  oben  S.  117 
(Abb.  Riggenbach,  a.  a.  0.',  229,  Fig.  1).  —  Gewöhnlich  haben  diese  Säulen 
unten  in  Brusthöhe  eine  zweite  verschliefsbare  Öffnung,  um  von  hier  aus 
mittelst  einer  Zugvorrichtung  das  Licht  durch  den  hohlen  Schaft  in  die  La- 
terne emporzubringen.  Anderweitig  finden  sich  die  Totenleuchten  unmittel- 
bar mit  den  Kirchen  verbunden;  zu  Mühlhausen  i.  Th.  erhob  sich  um  1400 
eine  solche  nur  noch  fragmentarisch  erhaltene  ttber  dem  Ost -Giebel  der 
Georgskirche;  auf  dem  Kirchhofe  der  Katharinenkirche  zu  Oppenheim  ist 
eine  mit  dem  im  XV.  Jahrh.  erbauten  Karner  dergestalt  erkerartig  ver- 
bunden, dafs  das  Tragsäulchen  derselben,  freistehend  auf  einer  Konsole 
ruht  und  die  Krönung  der  Laterne  ebenfalls  eine  Vorkragung  bildet,  wäh- 
rend eine  kleine  Steintreppe  im  Innern  der  Kapelle  zu  einer  Maueröffnung 
führt,  durch  welche  man  das  Licht  an  seinen  Ort  setzen  konnte.  Ähnliche 
Einrichtung  haben  Lichtgehäuse  an  der  Kirche  zu  Lichtel,  O.-A.  Mergent- 
heim, an  der  Südseite  der  Vorhalle  von  St.  Michael  zu  Fulda  von  1139,  am 
Treppenturme  der  Dominikanerkirche  zu  Treysa  ans  der  zweiten  Hälfte 
des  XIV.  Jahrh.  (12 eckig),  am  Dreiecksportal  und  am  Krenzgange  des 
Erfurter  Doms  (nur  in  Fragmenten  erhalten)  und  an  der  Dekanalkirche 
zuPilsen  (Abb.  Grueber,  IV,  135).  In  Gladbach  ist  für  das  ewige  Licht  im 
Chore  an  der  Epistelseite  eine  kleine  Nische  angebracht,  welche  die  Mauer 
durchbricht  und  nach  aufsen  mit  Glas  verschlossen  ist.  —  Das  ähnlich  vor- 
gekragt e  Lichtgehäuse  an  der  Pfarrkirche  zu  Bozen  (Abb.  Östr.  Atl.,  LXXVII,8) 
war  keine  öffentliche  Kirchhofslateme,  sondern  eine  Privatstiftung  zu  Ehren 
eines  bestimmten  einzelnen  Grabes,  wie  dergleichen  Lichthänschen  öfter  als 
Angebäude  an  Kirchen  vorkommen,  z.  B.  mehrfach  an  St.  Stephan  in  Wien 
(Abb.  Östr.  Atl.,  LXXVII,  4.  5),  an  der  Pfarrkirche  zu  Bingen  (Abb.  Statz  u. 
Ungewitter,  Taf.  141,  3—6),  zu  Heimbach  (das.  Taf.  102,  Fig.  1),  an  der 
Pfarrkirche  zu  Korneuburg  (Abb.  Ber.  u.  Mitt.  des  Altert-V.  Wien,  XIV,  83) 
und  besonders  schön  die  eiserne  Laterne  auf  gewundenem  Steinarme  am 
Schreyerschen  Grabmal  an  der  Sebalduskirche  zu  Nürnberg  von  1508 
(Abb.  Wandrer,  A.  Krafft,  Taf.  8).  —  Auch  die  Betsäulen  (s.  oben  No.  2)  sind 
zuweilen  mit  einer  Vorrichtung  zur  Aufnahme  eines  Lichtes  verbunden.^ 


^  Den  Totenleuchten  sehr  ähnlich,  zum  Teil  wohl  auch  als  solche  dienend  sind 
die  aus  Holz,  vielfach  auch  aus  Stein  zu  Tausenden  in  Böhmen  vorkommenden 
Glockensäulen,  vergl.  z.  B.  die  steinerne,  auch  mit  einem  Brunnen  verbundene  zu 
Horsitz  im  Böhmerwalde,  bei  Grueber.  IV,  111,  Fig.  155. 


390  Uhren. 

Ob  die  beiden  1,25  hohen  8 eckigen  eisernen  Laternen,  welche  hoch  an  der 
Westseite  der  Türme  des  Domes  za  Halberstadt  am  zweiten  Stockwerke 
angebracht  waren  (seit  der  letzten  Restauration  ist  nur  noch  die  nördliche 
Yorhanden),  ebenfalls  für  Totenleuchten  zu  halten  sind ,  mufs  dahingestellt 
bleiben.  Der  Sage  nach  stiftete  sie  ein  Domherr,  der  sich  verirrt  hatte, 
und  durch  das  Licht  des  Kflsters,  der  zum  Geläut  auf  den  Turm  stieg,  sich 
wieder  zurecht  fand. 

29.  Uhren.  Zuweilen  sind  Sonnenuhren  (^o/orta)  an  den  Kirchen  an- 
gebracht, z.  B.  an  St.  Jakobi  zu  Köthen  von  1401,  an  der  Stadtkirche  zu 
Weifsenfels  von  1468,  am  Dome  zu  Regensburg  aus  dem  J.  1487,  am 
Erfurter  Dom  von  1498,  am  Münster  zu  Strafsburg  eine  ganze  Anzahl, 
am  Chor  des  Freiburger  Münsters  von  1502,  an  der  Bonifatiuskirche  zu 
Sömmerda  aus  demselben  Jahre,  u.  a.  m.  —  In  der  Sammlung  des  histor. 
Vereins  zu  Regensburg  befindet  sich  eine  aus  dem  Konventgarten  von  St. 
Emmeram  herstammende  Säule  von  Granit  mit  einem  Astrolabium  ans  dem 
XIIL  (nach  anderer  Meinung  aus  dem  XL)  Jahrh. ,  womit  wahrscheinlich  eine 
Sonnenuhr  verbunden  war  (Abb.  Redtenbacher,  Beiträge,  Taf.  25,  Fig.  1—4). 
Gleiche  Bestimmung  mag  eine  mit  den  personificierten  Monaten  des  Jahres 
(in  zweimal  6  Statuetten  über  einander)  verzierte  Sandsteinsäule  aus  dem 
XIV.  Jahrh.  gehabt  haben,  die  bei  der  jüngsten  Restauration  der  Kloster- 
kirche zu  Nienburg  a.  d.  S.  in  der  Erde  liegend  gefunden  wurde  und  jetzt 
in  der  Sakristei  aufgestellt  ist.  —  Mechanische  Uhren,  welche  durch  ein 
Gewicht  in  Bewegung  gesetzt  werden,  sollen  von  dem  berühmten  Gerbert 
(t  als  Papst  Sylvester  IL  1003)  erfunden  worden  sein.  Schlaguhren  werden 
zuerst  erwähnt  in  den  um  1120  zusammengetragenen  Usages  de  t ordre  de 
CiteaziXy  wo  dem  Sakristan  aufgegeben  wird,  die  Uhr  so  zu  regeln,  dafs  sie 
schlägt  und  ihn  vor  dem  Frühgottesdienste  weckt.  Aufserdem  wird  vorge- 
schrieben, die  Lektionen  so  lange  fortzusetzen,  bis  die  Uhr  schlägt  (yergl. 
Pottier,  Monuments  £ran9ai8  inedits,  11,  29).  Auch  bei  Job.  Beleth,  c.  86, 
und  nach  ihm  bei  Durandus,  l.  1  c.  1  n.  35,  werden  Schlaguhren  in  den 
Kirchen  erwähnt:  T^fforologia,  per  quae  horae  leguntur,  id  est  coüiguntur,^ 
Das  Zifferblatt  war  bis  ins  XVI.  Jahrh.  in  24  Stunden  geteilt;^  darum  die 
ganze,  auch  die  grofse  Uhr  genannt.  (Ein  solches,  früher  im  Dome  zu 
Magdeburg  befindliches  Zifferblatt  ist  seit  dem  Restaurationsbau  nicht  mehr 
vorhanden.)  —  Ein  zierliches  hölzernes  Uhrgehäuse  (Wandschränkchen)  aus 
dem  XV.  Jahrb.,  aus  Heisterbach  stammend,  befindet  sich  im  Kunstgewerbe- 
Museum  zu  Berlin  (Wand  110).  —  Schon  der  jüngere  Titurel  beschreibt  in 
seinem  Graltempel  ein  künstliches  Uhrwerk  (jorolei^  Zarncke,  Str.  47.48), 
an  welchem  Sonne  und  Mond  Morgen  und  Abend  angeben  und  durch  die  Zirkel- 
zeichen gehen,  und  goldene zimfra/ die  7  Tageszeiten  {horae  canonicae)  durch 
Trompetenstöfse  anzeigen.  Solche  künstlichen  astronomischen  Uhren 
erhielten  das  Münster  zu  Strafsburg  1352 — 54  (bei  welcher  ein  noch  jetzt 
im  Frauenhause  daselbst  aufbewahrter  Hahn,  der  ^Göcker^<^  bei  jedem 
Stundenschlage  —  der  jetzige  thut  es  nur  Mittags  —  krähte),  der  Dom  zu 
Frankfurta.  Main  1383  (durch  Meister  Johann  Orglocker  vonHagenau), 


*  Die  Halbierung  kommt  jedoch  am  Rhein  schon  1395  und  im  ersten  Viertel  des 
XV.  Jahrh.  vielfach  vor,  in  den  östlichen  Gegenden  aber  erst  viel  später;  vergl.  Grote- 
fend,  Chronologie,  45. 


Uhren.  39I 

die  Marienkirche  zu  Lübeck  1405  (genannt  yde  schivet  (Scheibe),  alle 
diese  im  XVI.  Jahrh.  durch  neue  Werke  ersetzt),  die  Marienkirche  zu 
Danzig  1464  (von  Haas 
Dflrtnger),  die  Kloster- 
kirche zu  Ueilsbronn  im 
XVI.  Jahrb.  von  Thomas 
Teichmann  (vergl.  die  Abb., 
nach  einer  alten  Zeichnung,  bei 
Stillfried,  ß.  v.,  Altert,  u. 
Eonstdenkm.  des  Hauses  Hohen- 
lollem.  Neue  Folge,  Lief.  4, 
SchluIsTigDette).  Letztere,  im 
Schiff  der  Kirche  aufgestellte 
Uhr  bildete  einen  Schrein 
mit  spätgotisch  er  Dekoration 
und  zierlicher  BekrOnnng. 
Auf  einem  Sockel  vor  dem 
Schrein  stand  die  Figur  eines 
Löwen,  aufdem  dasEnochen- 
gerippe  des  Todes  rittlings 
Bafsuud  stündlich  mit  einem 
Knochen  aaf  das  Haupt  des 
Löwen  schlug,  der  dann  brül- 
lend dieZeitaugab.  Ein  noch 
komplicierteres  Werk  sol- 
cher Art  ist  das  weithin  be- 
rühmte     Mftnnleinlaufen  FL«.   ICI.     Z1tr«bl>ii  and  aonntnnhr  um  HUiii<«i 

amMichelschÖrleinderFran-  '"  atriabBr«. 

enkirchezn  Nürnberg,  ver 

fertigt  von  dem  Schlosser  Georg  Heufs  und  bei  der  jüngsten  Restanration 
der  Kirche  restauriert  und  wieder  in  Gang  gesetzt,  mit  in  Kupfer  getriebenen 
Figuren  von  Sebastian  Lindenast  (1606  — 1509):  Kaiser  Karl  IV,  aufdem 
Throne  und  vor  ihm  stehend  ein  Herold;  mit  dem  Schlage  der  Stunde,  die 
der  Tod  einläutet,  setzen  zwei  Paar  Hornbläser  neben  dem  Throne  ihre 
Hörner  an,  ans  einer  ThQr  treten  die  sieben  Kurfürsten  hervor,  ziehen  sich 
verneigend  vor  dem  Kaiser  vorüber  nnd  verschwinden  durch  eine  andere 
Thür;  oben  darüber  ein  Trommler  und  ein  Pfeifer,  sodann  die  Halbfignr  des 
den  Takt  schlagenden  Kapellmeisters  und  eines  den  Mund  anfreifsenden 
Sängers,  der  zugleich  eine  Schelle  in  Bewegung  setzt,  zu  oberst  zwei 
stehende  Männer,  welche  Hämmer  zum  Olockenschlage  in  Bewegung  setzen.* 
Öffentliche  Turmuhren  wurden  seit  Mitte  des  XIV.  Jahrh.  allmählich  ein- 
geführt.  Die  Frankenberger  Pfarrkirche  erhielt  1359  eine,  der  Dom  zu 


'  Sehr  ahnlich  ist  die  erofse  1490  durch  Meister  Hnousch  aus  Böhmen  und  seinen 
Schüler  Jakob  Buft;«^telltc  Uhr  am  liathause  zu  Prag,  deren  steinenies  Gehäuse  26,m 
hoch  und  5,10  breit  ist;  vergl.  Kaulioh,  die  a,stron.  Uhr  des  Bath.  zu  Pr.  1864.  — 
Der  Dom  zu  Osnabrück  hatte  früher  eine  künsüiclio  astronomische  Uhr  mit  beweg- 
licher Darstellung  der  Anbetung  der  heil,  drei  Könige.  —  Eine  kleinere  astronomische 
Uhr  befindet  sich  auch  in  der  Marienkirche  zu  Stendal  über  dem  Oestülil  unter  der  Orgel. 


392  Votivgeschenke.    Wahrzeichen. 

Magdeburg  erst  1396.  —  Zifferblätter  aus  dem  Mittelalter  sind  nur  selten. 
An  der  Front  des  südlichen  Querschiffs  des  St  rafsburger  Münsters  befindet 
sich  das  Fig.  164  abgebildete,  zugleich  mit  einer  Sonnenuhr  verbundene 
von  1493,  später  oftmals  umgewandelt.  Ein  merkwürdiges  besitzt  die  Ma- 
rienkirche zu  Lippstadt;  an  demselben  ist  der  Baum  der  Erkenntnis  mit 
Adam  und  Eva  dargestellt,  Eva  hält  den  Zweig  mit  dem  Apfel  in  der  Hand, 
beim  Stundenschlage  öffnet  Adam  den  Mund,  aber  Eva  schlägt  ihm  mit  dem 
Zweige  über  denselben. 

30.  Votivgeschenke.  ^Vie  ehemals  in  den  Tempeln  heidnischer  Götter, 
fand  man  bereits  in  den  Märtyrerkirchen  des  christlichen  Altertums 
(Theodoret.  Opp.  4,  922;  vcrgl.  Neander,  Kirchengesch. ,  11,  491)  Nachbildungen 
der  Glieder,  deren  Heilung  der  Hilfe  der  Märtyrer  verdankt  worden,  aus 
Gold  oder  Silber  als  Weihgeschenke  aufgehängt,  und  die  Sitte,  solche 
Votivgeschenke,  häufiger  aus  Wachs  als  aus  edlem  Metall,  bei  Gnaden- 
altären aufzuhängen,  hat  sich  bis  heute  in  der  katholischen  Welt  erhalten. 
Auf  einem  Flügelbilde  des  Sebaldialtars  aus  dem  XVI.  Jahrh.  in  der  Kreuz- 
kirche zu  Schwäbisch-Gmünd  sind  zwei  Altäre  dargestellt,  über  denen 
an  einer  beweglichen  Stange  mehrere  Füfse,  ein  Kopf  und  ganze  Kinder- 
figürchen  hängen  (Abb.  bei  Laib  und  Schwarz,  Studien  zur  Gesch.  d.  ehr.  Al- 
tars, Taf.  IX,  1.  2).  Das  Germanische  Museum  zu  Nürnberg  bewahrt  ver- 
schiedene Votivfiguren  aus  Eisen  (K.-G.,  No.  306—311),  sowie  Wachsaus- 
güBse  aus  alten  Formen  im  Bayr.  Nat.- Museum  zu  München  und  zu  St. 
Wolf  gang  in  Österreich  (K.-G.,  No.  312—345).  —  In  der  Kirche  zu  Maria- 
zell  befinden  sich  die  Waffen  und  Gewänder  König  Ludwigs  des  Grofseu 
von  Ungarn  und  seiner  Gemahlin,  die  er  nebst  dem  Gnadenbilde,  dem  er 
seine  Errettung  zuschrieb,  1363  nach  der  Schlacht  an  derMarizza  der  Kirche 
schenkte  (Abb.  Mitt.  C.-K.,  XIV,  88-90).  Hierher  mag  auch  das  kleine  Schiff 
von  Messingblech  mit  sechsteiligem  Fufse  unter  seinem  Kiele  gehören ,  das  in 
der  Stadtkirche  zu  Uelzen  vom  Chorgewölbe  herabhängt,  der  Sage  nach 
von  einem  Engländer  zur  Erinnerung  an  ihre  mit  Erlaubnis  Kaiser  Otto^s 
d.  Gr.  nach  Uelzen  gerichteten  mythischen  Schiffahrten  aufgehängt.  In  der 
Marienkirche  zu  Stendal  hängt  an  einem  Pfeiler  ein  Fisch  zur  Erinnerung 
an  die  Höhe  der  Überflutung  durch  die  Überschwemmung  der  Elbe  im  Jahre 
1425.  —  Bekanntlich  aber  beschränkte  und  beschränkt  sich  die  fromme 
Dankbarkeit  nicht  auf  die  Dedikation  von  Modellen  erkrankter  und  geheilter 
Körperteile,  sondern  errichtet  ex  voto  Kirchen  und  Kapellen,  Altäre  etc. 
und  stattet  die  Gotteshäuser  mit  den  verschiedensten  Denkmälern  und 
Schmuckgegenständen  aus. 

31.  Wahrseichen  sind  allerlei  Denkmale  und  Kuriosa  etc.  in  oder  an 
Kirchen  und  anderen  öffentlichen  Orten  einer  bestimmten  Stadt,  die  jeder 
reisende  Handwerker  gesehen  haben  mufste,  um  sich  über  den  Besuch  der 
betreffenden  Stadt  gehörig  ausweisen  zu  können,  und  an  die  sich  allerhand 
aus  Mifsverstand  seltsamer  Darstellungen  entstandene  Sagen  anknüpfen, 
z.  B.  die  grofse  Glocke  auf  dem  Dome  zu  Erfurt;  die  sechs  Töpfe  über  dem 
Eingange  zur  Krypta  der  Petri- Paulikirche  zu  Görlitz  (angeblich  als  Er- 
innerung an  den  früher  an  dieser  Stelle  abgehaltenen  Topfmarkt);  der  auf 
Rosen  gehende  Esel  an  der  Marktkirche  zu  Halle  a.  d.  S.;  der  Grabstein 
mit  dem  auf  dem  Dudelsack  spielenden  Esel  im  ehemal.  Dom  (jetzt  im  Mu- 


"Wärmfipfel.    Weihwasserbecken.  393 

seam)  und  der  »Bocksbeutel«  (eine  einen  Buchbeutel  tragende  weibliche 
Fignr)  ehemals  an  der  1842  abgebrannten  Petrikirche  zu  Hamburg;  die 
Riesenrippe  in  der  Nikolaikirche  zu  Jüterbog;  das  Kauermännchen  am 
Domkreuzgange  zu  Merseburg;  die  drei  Rebhühner  an  der  Marienkirche 
zu  Mühlhausen  i.  Th.;  der  sich  von  der  Galierie  herabstürzende  Bau- 
meister (in  Wirklichkeit  ein  Wasserspeier)  und  der  eine  Nonne  küssenden 
Mönch  (in  Wirklichkeit  eine  Heimsuchung)  am  Westportal  des  Doms  zu 
Regensburg;  der  Frosch  am  Gewölbe  der  Kirche  zu  Römhild;  dasBäuer- 
lein  bei  der  Uhr  im  Münster  zu  Strafsburg,  ehemals  auch  die  RohrafTen 
und  eine  ganze  Menge  anderer  daselbst  (siehe  Kraus,  1,495);  der  geräderte 
Mann  an  der  Stiftskirche  zu  Tübingen,  in  Wirklichkeit  ein  Bild  des  heil. 
Georg  (Abb.  bei  Bunz,  Stiftsk.  Tüb.,  43);  der  Spatz  auf  dem  Dachfirst  des 
Ulm  er  Münsters;  die  oben  (No.  28)  erwähnten  automatischen  Kunstuhren 
zu  Nürnberg  und  Heilsbronn  u.  a.  m.  — Vergl.  Schäfer,  W.,  Deutsche 
Städtewahrzeichen,  I,  1S5S;  auch:  über  Städtewahrzeichen,  in  der  Illustrierten  Zei- 
tung, 1857,  No.  706  ff. 

32.  Wärmäpfel  (poma  calefactoriä)^  zum  Erwärmen  der  Hände  beim 
Altardienste  im  Winter ,  sind  hohle  durchbrochene  aus  Metall  verfertigte 
Äpfel,  in  welchen  sich  ein  Einsatz  mit  glühenden  Kohlen  oder  heifsem 
Wasser  oder  einem  glühenden  Eisen  befindet.  Ein  InVentarium  von  Laon 
aus  dem  J.  1502  führt  an:  ^Pomum  argenteum^  deanratum,  /bratum  in 
plerisque  lociSy  Habens  receptacuhtm  etlam  argenleum^  in  quo  solet poni  fer- 
rum  candens,  ad  calefaciendas  manus sacerdoHs  celehrantis  tempore  hyemali.« 
(Vergl.  De  Laborde,  Notice  des  emaux  du  museo  duLouvre.  Paiis  1853,  n,  456, 
woselbst  aus  fürstlichen  Schatzverzeichnissen  des  XIV. — XVI.  Jahrh.  noch  mehrere 
Exemplare  angeführt  werden.  Bei  Bock,  Kleinodien,  Taf.  XX,  Fig.  29  ist  der 
Kaiserliche  Wärmapfel  in  St.  Peter  zu  Rom  abgebildet,  Text  S.  117  ff.).  Im  Zither 
des  Doms  zu  Halberstadt  (No.  14)  befindet  sich  ein  bronzener  aus  dem 
XIV.  Jahrh.  mit  den  Bildern  und  Symbolen  der  Evangelisten  (Abb.  bei  Bock, 
a.  a.  0.,  119;  vergl.  Dess.  Lit.  Gew.,  II,  145)  und  auf  der  archäolog.  Ausstellung 
des  Vereins  Arkadia  in  Prag  im  J.  1861  (Kat.  No.  94  u.  95)  waren  zwei 
aus  der  dortigen  Valentinskirche  stammende,  zierlich  aus  Erz  gearbeitete 
und  teilweise  vergoldete  Wärmäpfel  befindlich.  Das  calefactorium  der  Ma- 
rienkirche zu  Danzig  (Hinz,  Taf.  XV,  4)  hat  die  Form  einer  kleinen  Pfanne 
mit  durchbrochenem  Deckel.  Eine  andere  Gattung  von  Kalefaktorien  führt 
Durandus  1.  1  c.  3  n.  30  an:  T>Scutra,  id  est  vasa  aequalis  amplifudinis  in 
/undo  et  inore  ad  calefaciendum  facta.^  Vielleicht  sind  hiermit  die  in  Form 
eines  vierfttfsigen  Tisches  oder  eines  vierräderigen  Wagens  schon  im  Hortus 
deliciarum  vorkommenden  und  vereinzelt  noch  in  älteren  französischen  Kir- 
chen erhaltenen  Gestelle  mit  einem  gröfseren  Kohlenbecken  gemeint,  nach 
deren  Beschreibung  (vergl.  Weifs,  Kostümkunde,  II,  804)  auch  der  Krodo- Altar 
zu  Goslar  möglicherweise  ursprünglich  diesem  Zwecke  gedient  haben  könnte. 

33.  Weihwasserbecken  (piscina,  laväbo)  aus  Stein  oder  Metall,  ent- 
weder in  der  Form  der  Taufsteine  (nur  kleiner)  oder  konsolenartig  aus  der 
Wand  hervortretend,  an  den  Kirchthflren  befindlich  zur  symbolischen  Rei- 
nigung der  Eintretenden,  erinnern  an  die  vonEusebius,  Hist.  eccl.  1.  10  c. 
4  n.  16  als  Sinnbilder  der  heiligen  Reinigung  Q^tgiäv  nu&aQuiüxv  avftßola)  im 
Vorhofe  der  alten  Kirche  erwähnten  Becken  mit  lebendigem  Wasser  (nqr^vai^ 


[94  Weih  Wasserbecken, 

in  welchen  sich  die  EiDtreteudeo  vor  dem  Betreten  der  Kirche  die  Flirse 
waschen  rnnfeten  (Ovx  aisiiq  /^^xt»  ätäjmoig  xai  ävurtoic 
jioffi  luv  tfSor  /mßalrtir  äybar.).  — ■  über  die  verschie- 
de nfln    BenennnDgen    der   WeihwasB  erbecken     vergl. 
Krenser,  Kirchenbsn,  I,   185,  —  Wir  nennen  die 
romaniachen  WeihwaBserBteine  anf  dem  Kirchhofe  zu 
ChammUneter  (ans  Granit,  mit  figürlichen  Reliefs), 
in  der  Kirche  zu  Wechselburg,  den  wie  eine  Mn- 
FIH65.  wtLhwoMnwin    Bchcl  geformten  in  der  Klosterkirche  zu  Herrenalb 
'tmtäb'Jnich^ion ""•')■'"   (flg.  165),  die  im  Würfelknanfe  einer  kurzen  romani- 
schen Sänle  befindlichen  zu  Michelbach  bei  Marburg, 
zu  Still  bei  Mutzig  und  Neugartheim  im  Kr.  Strafsburg,  den  marmornen 
in  Form  eines  Diakonen,  der  das  Waseerbecken  hält,  aus  Seligenstadt,  jetzt 
in  Darmstadt,  nach  Fr,  Schneider  (Org.  f.  ehr.  K.,   1872,  4S))  vielleicht 
noch  der  karolingischeu  Zeit  angehörig,  und  zwei  auf  Löwen,  die  je  ein 
Schaf  in  deu  Vordertatzen  halten,  ruhende  aus  Marmor  auf  dem  Kirch- 
hofe zn  Lienz  in  Österreich  (Abb.  Mitt  C.-K.,  XIX,  240);  im  Cbergangestil : 
auf  halbachteckigem  Pfeiler  im  Dome  zn  Limburg  a.  L.;  von  gotischen: 
zwei  kleine  konsolen förmige  zu  Harte  und 
Immenhansen  in  HesBcn  (Abb.  Statz  und 
Ungewitter,   Taf.   109,  4—8)  Und  einen  SBo- 
lenförmigeu  zu  Friesach  in  £kämthen  ans 
dem  XV.  Jahrh.  (Abb,  Östr.  AU.,  IJOV,  4), 
femer  die  im  sadlicheu  Kreuzarme  des  Doms 
zn  Köln  (aus  schwarzem  Marmor),  im  Dome 
zn  Eichstätt  (ganz  wie  aus  Banmwnrzeln 
geflochten),  in  der  Kirche  zn  Bebenhau- 
sen, zu  HaurmünsterCgrofs,  von  zweiTau- 
ben  getragen,  mit  Baldachin  darüber,  nicht 
am  Eingänge,  fiondern   am    zweiten  Pfeiler 
des  MittelBchifTs  angebracht),  den  ebenfalls 
im  Schiff  nnd  zwar  rund  um  den  Fufs  eines 
Pfeilers  zwischen  den  Seiten  schiffen  zunächst 
7\t.  168.  WtihwuierbKken  m  FriMuh    der  SakriBtci  angebrachten  im  Münster  zu 
<iiKii  dm  ö.tr.  All).  Ulm   (Abb.   Ber.   d.  V.   F.   K.  u.   A.   in  Uhn   n. 

Oborschwabtm,  V,  Taf.  2)  und  den  neben  dem 
oben  3.  362  angeführten  Brunnen  im  Dome  zu  Kegensbnrg  (Abb.  beiGail- 
babaud,  Baukunst,  III.  Taf.  17).  In  der  Marienkirche  zu  Krakan  befinden 
sich  drei  aus  dem  XIII.  Jahrh.  herrührende  in  der  Form  zinnerner  runder, 
auf  3  rohen  Löwenfüfaeu  ruhender  Kessel  von  0,63  Durchmesser  (Abb. 
£sseDweiD,  Erakau,  111,  Fig.  56). 


Sprache  der  Inschriften.  395 

C.    Epigraphik. 

a.  Äofsere  Epigraphik. 

56.  Die  mittelalterlichen  Inschriften  sind  gröfstenteils  in  lateinischer 
Sprache  abgefafst  Deutsche  Inschriften  finden  sich  erst  vom  Ende  des 
XTT.  Jahrhunderts  an  einzeln,  später,  besonders  im  XY.  und  XVL  Jahr- 
hundert, häufiger.  —  Griechische  Inschriften  deuten  auf  byzantinischen 
Ursprung  der  betreffenden  Kunstwerke;  arabische,  die  besonders  auf 
Elfenbeinschnitzereien  und  Kleiderstoffen  vorkommen,  auf  morgenlän- 
dischen oder  sicilianischen. 

Das  an  der  Thttrlünette  zu  Moosburg  als  Beischrift  neben  der  Figur 
der  Maria  stehende  griechische  Wort:  »SCA  .  9EÜT0KC0C«  erscheint 
ebenso  auffällig  als  selten;  das  Wort  08ro6xog^  auf  byzantinischen  Marienbil- 
dern regelmäfsig  vorkommend,  mufs  dem  betreffenden  bayerischen  Bildner  aus 
irgend  einem  Grunde  annehmlich  gewesen  sein :  er  schrieb  aber  dasselbe  un- 
richtig.^ —  Über  arabische  Inschriften  vergl.  Karabacek,  J.,  die  liturg. 
Gewänder  mit  arabischen  Inschriften  aus  der  Marienkirche  zu  Danzig.  1870 
und  dazu  Anz.  G.  M. ,  1870,  49  ff.  Abendländische  Nachahmungen  mau- 
rischer Gewebe  erkennt  man  besonders  an  der  ungeschickten,  verständnis- 
losen Wiedergabe  dieser  Inschriften.  —  Hebräische  Worte  kommen  aufser 
auf  dem  Titulus  von  Kruzifixen,  z.  B.  zuLüttjenschneen  im  Hannover- 
schen in  dieser  Form:  Ayssu,  anazar,  hameUch.  yehudi  (yergl.  Mithoff,  n, 
Taf.  4),  nur  vereinzelt  und  zwar  meistens  in  kabbalistisch -magischer  Absicht 
vor  (so  in  dem  vielfältig  verwendeten  AGLA  —  siehe  nachher  S.  400  — 
oder  wenn  auf  einer  Glocke  zu  Hartmanns  weiler  i.  Elsafs  die  hebräischen 
Gottesnamen:  Ely, Eloy. Eioyon, Sabaot.  EmanueL  Adonay.  TeiragrammatotL 
Loih,  Nova.  Margaryia.  Yassaday  zusammengestellt  sind,  oder  auf  zwei 
Glocken  von  1443  zu  Balgheim  und  zweien  von  1445  und  1446  zu  Kö- 
nigsheim in  Württemberg  Hell  Hell  lema  sahathorä  mit  beigefügter  latei- 
nischer Übersetzung  steht),  sind  jedoch  nicht  mit  hebräischen  Buchstaben, 
sondern  mit  den  gewöhnlichen  Majuskeln  oder  Minuskeln  geschrieben.  — 
Als  älteste  deutsche  Grabschrift  galt  bisher  die  des  Minnesängers  Ulrich 
von  Lichtenstein  (t  1275)  in  Majuskeln  auf  seinem  Grabsteine  auf  der 
Frauenburg  in  Steiermark:  Hie  leit  Vlrch  dieses  houses  rehtter  erhe^  je- 
doch befindet  sich  inRlosterneuburg  ein  Grabstein  mit  der  Kollektiv- 
inschrif:  Da  ligent  die  Herren  vonmedlinc,  der  allen  Anzeichen  nach  bereits 
dem  Ende  des  XII.  Jahrhunderts  angehört. 

Ijexica  über  das  mittelalterliche  Latein:  Du  Gange,  Glossarium  ad  scrijtt. 
mediae  et  inf.  latinitatis  (Ausgabe  von  Henschel  1840 — 50,  7  Bde.,  erscheint 
jetzt  neu)  und  der  Auszug  daraus  von  Adelung,  6  Bde.  1772 — 1784; 
über  das  mittelalterliche  Deutsch :  die  Glossarien  von  "Wächter  und  von  Halt - 
aus;  der  althochdeutsche  Sprachschatz  von  Graff  (6  Bde.  1834 — 42),  mit  dem 
aiphabet.  Index  von  Mafsmann  (1846)  und  das  althochd.  Wörterbuch  von  0. 


*  ÄhnUch  übel  behjmdelt  ist  das  Griechische  in  der  Beischrift  zum  Bilde  der 
Maria  am  Tragaltar  zu  Paderborn  (s.  oben  S.  148)  0  ayia  d^soroxmq. 


396  Rechtschreibung  der  Inschriften. 

Schade  (2.  Aufl.  1873);  die  mittelhochdeutschen  Wörterbücher  von  Benecke, 
Müller  u.  Zarncke  (4  Bde.  1851 — 67)  und  von  Lexer  (seit  1869);  sowie  für 
den  Schlufs  des  Mittelalters  das  deutsche  Wörterbuch  von  Jak.  u.  Wilh.  Grimm 
(seit  1852,  noch  immer  unvollendet); 

die  Wörterbücher  über  die  Volksmimdarten,  z.  B.  das  plattdeutsche  von  ü äh- 
ner t  (1781),  das  bremisch-niedersächsische  (5  Bde.  1767 — 72),  das  holsteinische 
von  Schütze  (4  Bde.  1800 — 1807),  das  ostfriesische  von  Stürenburg  (1857), 
das  altmärkisch-plattdeutsche  von  Danneil  (1859),  das  kurhessische  von  Yil- 
mar  (1868),  das  westerwäldische  von  Schmidt,  das  Aachener  von  Waitz  (1836), 
das  schweizerische  von  Stalder  (1806 — 1812)  das  schwäbisch -augsburgische 
von  Birlinger  (1864),  das  bayerische  von  Schmeller  (neue  Auü.  von  From- 
mann 1869  ff.),  das  schwäbische  von  Schmidt  (2.  Aufl.  1S44),  das  tiroler  von 
Schöpf  und  Hofer  (1862— 66)  das  östreichische  von  Höfer  (3Tlo.  1815),  das 
kämthische  von  Lexer  (1862); 

für  beide  Sprachen,  namentlich  für  das  Deutsche  des  XIV.  u.  XV.  Jahrhunderts, 
Dieffenbach,  L.,  Glossarium  latino-germanicum.  1 857 ;  auch  immer  noch  das 
alte  deutsch-lateinische  Wörterbuch  von  Frisch  (2  Bde.  1741)  etc. 

57.   Die  deutsche  Rechtschreibung  ist  höchst  schwankend,  in  Be- 
ziehung auf  das  Lateinische  sind  einige  Eigentümlichkeiten  zu  bemerken. 

Die  Diphtongen  ae  und  oe  sind  meist  in  e  vereinfacht,  z.  B.  equaiis  fflr 
aequalis]  demon  für  daemon;  celum  für  coelum'j  pena  (VLt  poena  etc.;  doch 
wird  dieser  Gebrauch  erst  etwa  mit  dem  XII.  Jahrb.  herrschend,  bis  wohin 
man  die  Diphtongen  entweder  beibehielt  oder  mindestens  das  a  unter  dem 
e,  wenn  letzteres  den  Diphtong  ae  bezeichnen  sollte,  durch  ein  Subskriptum 
andeutete,  z.B.  memor'ie  für  memoriae.  ImX.  und  XI.  Jahrb.  (selten  später) 
findet  sich  als  vereinzeltes  Beispiel  statt  des  einfachen  e  (e)  in  dem  Worte 
ecclesia  der  Diphtong  aecclessia.  —  Das  aspirierte  /i,  besonders  im  Anfange 
der  Wörter,  wird  häufig  weggelassen,  z.  B.  ec  für  haec,  edus  für  haedus; 
ortus  für  hortus]  peribeo  (Vlt  perhibeo]  zuweilen  aber  auch,  wo  man  es  jetzt 
nicht  schreibt,  dem  Vokal  vorgesetzt,  z.  B.  ho  für  die  Interjektion  O]  ha- 
bundo  für  abundo]  hepiscopm  für  episcopus]  honus  fflr  oniis]  Hecbertus  für 
Ecbertus]  heremum  für  eremum;  perhennis  für  perennis]  prohemium  für 
prooemium]  Hiesus  oder  Jhesus  für  Jesus]  Hludewicus  für  Ludovicus;  pen- 
ihecoste  fXir  pentecoste]  beathus  für  beatus.  Der  Kehllaut  ch  wird  vor  a  in 
manchen  Wörtern  in  k  gemildert,  z.  B.  karusj  karitasy  kariüj  karena,  eu- 
karistia  fflr  chanis,  charitas  etc.  Dagegen  wird  h  in  den  Wörtern  mihi  und 
72iM  bisweilen  in  ch  verstärkt:  michij  nichil.  Das  griechische  9  wird  oft 
durch  /* ausgedrückt,  z.  B.  fantasia,  faniasma^  flegma^  Frygia  etc.;  ebenso 
lautlich  femo  fflr  venio,  angnus  für  agnus,  Cristus  für  Christus  etc.  Wo  t  vor 
I  wie  z  gesprochen  wird,  findet  sich  dafür  meist  c  gesetzt,  z.  B.  gracia,  sa- 
piencia  etc.  v  und  u  (ebenso  auch  im  Deutschen  H  und  u)  werden  willkürlich 
mit  einander  verwechselt,  und  ein  Unterschied  im  Gebrauche  beider  Buch- 
staben ist  nicht  nachzuweisen.  Statt  1  ist  neben  m  in  manchen  Wörtern  y 
beliebt,  z.  B.  ymo,  ymagoy  imytacio  etc.  Dagegen  steht  statt  y  wiederum 
oft  t,  z.  B.  presbiter]  und  y  wird  als  ii  gebraucht,  z.  B.  monastery  für  mo- 
nasteni.  Auch  wird  i  mit  d  zuweilen  vertauscht,  z.  B.  pondifex]  oder  j»  mit 
by  z.  B.  Egibtus  für  Aegypius  oder  apeas  für  habeas,  w  findet  sich  statt  vvj 
z.  B.  rvlnus  statt  vulnus]  ebenso  in  griechischen  Wörtern  statt  des  grie- 
chischen 1',  z.B.  ewangeiium,  ewkaristia  etc.  Sehr  häufig  ist  am  Anfang  von 
Eigennamen  die  Vertauschung  von  W  und  Gti, 


Ligaturen  und  Abbreviaturen.  397 

58.  Ligaturen  auf  einander  folgender  Buchstaben  und  Abkürzungen 
sind  sehr  gewöhnlich;  in  der  Regel  werden  sie  durch  Striche  über  der 
Linie  oder  durch  andere  Noten  angedeutet,  und  nur  ausnahmsweise 
darf  das  Abkürzungszeichen  fehlen. 

Verbunden  werden  häufig  die  Majuskeln  A  mit  B,  E,  R,  T  und  V;  N 
mit  E;  O  mit  N  und  R;  T  mit  K  und  R;  auch  drei  Buchstaben;  N  mit  T 
und  E,  L  mit  T  und  E.  Die  Abkürzungszeichen  sind  sehr  mannigfaltiger 
Art,  wie  schon  nachfolgende  Beispiele  zeigen.  —  Aus  der  Majuskelschrift 
(die  vier  ersten  Beispiele  von  Knnstdenkmälern  aus  dem  XI.,  die  übrigen 
aus  dem  XIL  Jahrh.) : 

P   =  PRO    P£JPT(TS   =  PEREMPTUS  P/^ßJ[    =  PATRÜM 

1C7.  16P.  169. 


=  MONIMENTÜM 


170.  171. 

=  GLORIE  (d.  i.  GLORIAE)      YT     —  IN    ^^-r    oder 


1 


172.  173.  174. 


8IGILLVM,   auch  SANCTV8   PJJC^ClT^    =  FRVCTV8 


176. 


^    =  ET. 


=  OBIIT 

17G.  177. 

Aus  der  Minuskelschrift  des  XV.  und  XVL  Jahrhunderts : 
=  Prae       ini    =  per        JVJI   =  pro      Jlfl    =  qui 


'  % 


178.  179.  180.  181.  182. 


=  obiit      \t^^    =  All 


=  qnod      JM     =  obiit     fp^'    =  ejus      Uip^LUy  =  <l"i»>n8 

183.  184  185. 


398 


AbkürznngexL 


ag;iiU8 


f-."  f = 


ter 


186. 


187. 


188. 


189. 


=  eoram 


=  sunt 


=  patri 


190. 


191. 


191. 


=  Becnndum 


=  condidi 


=  vigilia 


193. 


194. 


=  dantor 


=  mnlti 


195. 


196. 


magnificat 


=  quam 


^=^ 


199. 


59.  Da  die  Abbreviaturen  nicht  aus  einem  fertigen  System,  sondern 
aus  der  sich  allmählich  bildenden  Praxis  hervorgingen,  so  waren  die 
Schreiber  bei  Anwendung  derselben  sich  bestimmter  Begeln  zwar  weniger 
bewufst,  aber  es  wurden  doch  für  häufiger  vorkommende  Wörter  ge- 
wisse stehende  Kompendien  allgemein  üblich,  und  nach  diesen  Normen 
bildete  man  alsdann  wiederum  viele  andere  Abkürzungen.  Es  läfst  sich 
daher  nach  solchen  Analogien  zwar  eine  gewisse  Abbreviaturentheorie 
aufstellen,  indes  bleibt  praktische  Übung  im  Lesen  immer  die  Haupt- 
sache. 

Die  ttblichen  Abbreviaturen  lassen  sich  etwa  klassifizieren  als :  Allge- 
meine Abkürzungszeichen  (Striche  durch  einzelne  Buchstaben,  wie  in 
den  Beispielen  168.  171.  173.  176;  Striche  über  den  Buchstaben,  wie  in 
Fig.  170.  172.  191 ;  Punkte  über  den  Buchstaben,  Fig.  181.  182.  197.  198; 
Häkchen  oben  neben  den  Buchstaben,  Fig.  174.  175.  183  bis  185),  kon- 
ventionelle Zeichen  für  einzelne  Wörter  (167.  173.  174. 176  bis  180. 
183.  199;  in  Fig.  193  die  Silbe  con),  Abkürzungen  durch  Anfangs- 
buchstaben (z.B.  172  bis  174,  178  bis  181,  183  und  184),  durch  über- 
geschriebene Buchstaben  (literae  columnatae),  durch  in  einander 
geschriebene  Buchstaben  (Fig.  170,  vergl.  unten  S.  404,  Fig.  211), 
durch  Auslassungen  in  der  Mitte  (Fig.  171.  190.   191.  194.  197), 


Abkürzungen.    Siglen.  399 

durch  Weglassung  der  Endung  (Fig.  169.  176.  189).  —  Vergl.  Watten - 
bach,  "W.,  Anleitung  zur  latein.  Paläographie.  (1866)  3.  Aufl.  1878,  56—61. 

Anfserdem  können  etwa  folgende  Regeln  als  geltend  bezeichnet  wer- 
den: Ein  einzelner  Buchstabe  ist  regelmäfsig  der  Anfangsbuchstabe  eines 
Wortes:  s  =  sigillumj  s,  =  sanctus  (sanctä),  d  =  obiitj  a'  =  autem^ 


prae         JKll    =  per 


rt 


P  = 


pro 


800.  201.  808. 


Eine  Ausnahme  ist  die  Setzung  eines  (verstttmmelten)  T  (Fig.  177  n. 
199)  für  die  Konjunktion  eL  —  Zwei  Buchstaben  sind  oft  der  erste  und  der 
letzte  Buchstabe  eines  Wortes:  pr  =  patery  mr  =  maier y  fr  =  /rater y 
nr  =  nostery  vr  =  vestery  ds  =  äeusy  ms  =  meusy  ps  =  positus  (pps  = 
praepositus)y  as  =  animusy  ht  =  habet y  dt  =  debety  bm  =  beatumy  na 
=  natura  y  ee  =  essey  rx  =  rexy  dd  =  David.  —  Drei  Buchstaben  sind 
häufig  die  beiden  ersten  und  der  Endbuchstabe  des  abgekürzten  Wortes; 
analog  vier  Buchstaben,  die  drei  ersten  und  der  letzte:  gla  =  gloriay  gra 
=  gratiay  mia  =  misericordiay  via  =  vigiliay  fia  =  ftHa  (/eria)y  ecca  = 
ecclesiay  spu  =  spiritUy  ope  =  optimCy  bom==bonumy  abbs=abbasy  abba 
=  abbatissa.  Drei  Buchstaben  sind  aber  umgekehrt  oft  auch  der  erste  und 
die  beiden  letzten  des  abgekürzten  Wortes:  dm  =  dominiy  cli  =  capituH, 
hre  =  habere,  hnt  =  habenty  dnt  =  debenty  drt  =  differi;  oder  auch  der 
erste  und  der  letzte  Buchstabe  des  Wortes  und  einer  aus  der  Mitte:  scs  = 
sanciusy  tps  =  tempus,  des  =  dictus;  analog:  omps=  omnipotenSy  ihrlm 
=  ierusaiemy  capa  =  campana.  Solcher  Analogien  lassen  sich  zahlreiche 
Reihen  zusammenstellen;  im  allgemeinen  ist  aufserdem  zu  bemerken,  dafs 
gewisse  Konsonanten  vorzugsweise  gern  ausgelassen  wurden :  namentlich  m 
und  ny  sowohl  am  Ende  als  in  der  Mitte,  ja  selbst  am  Anfange  der  Wörter, 
z.  B.  patrü  =  patrum,  aia  =  anima,  olo  =  omninoy  äria  =  Maria.^ 
Nach  gy  p  und  i  wird  r  häufig  weggelassen,  z.  B.  g^  ==  grüy  p^  =  priy 
f-  =  iray  ^  =  tri  und  das  auf  q  folgende  u  fehlt  sogar  fast  regelmäfsig: 
q^  =  quiy  q^  =  quae,  q^  =  qua  etc. 

60.  Siglen,  d.  h.  einzelne  Anfangsbuchstaben  statt  der  ganzen  Wör- 
ter, müssen  immer  auf  bekannte  Formeln  und  Sprüche  zurückgeführt 
werden. 


® 


A)  auf  byzantinischen  Denkmälern  vor  den  Namen  der  Heiligen  = 
0  ajnog.  —  A.  M.  G.  P.  D.  T.  =  Ave  Maria  Plena  Dominus  Tecum  (der  An- 
fang des  englischen  Grufses,  Luc.  1,  28).  —  B.  F.  =  ßonum  Fatum.  — 
B.  M.  =  Bealae  (ßonae)  Memoriae,  —  D.  G.  =  Dei  Gratia.  —  D.  I.  = 
Dominicae  Incamationis.  —  D.  M.  auf  altchristlichen  Grabsteinen  =  Diis 


*  Die  Hinweglassung  des  M  zu  Anfang  eines  Wortes  ist  höchst  selten;  doch 
findet  sich  gerade  der  Namen  »Maria«  auf  diese  Art  geschrieben,  z.  B.  auf  der  greisen 
Glocke  der  Kirche  zu  Treben  bei  Delitz  a.  d.  S.  von  1516. 


400  Sigl<?n. 

Manibus.^  —  H.  L.  S.  E.  =  ffoc  Loco  Sepultus  Est.  —  INRI  =  Jesus 
Nazarenus  Rex  Judaeorum.  —  P.  F.  SS.  =  Pater  ^  Filius  ^  Spiritus  Sanctus. 
—  R.  I.  P.  =  Requiescat  in  Face.  —  R.  P.  =  Reverendus  Pater ^  Reverenda 
Patemitas;  Res  Publica,  —  S.  D.  N.  =  Sanctissimus  Dominus  Noster.  — 
V.  D.  =  Vere  Dignum  {ei  iustum  est  etc.,  der  Anfang  des  Gebetes  in  der 
Präfation  der  Messe).  —  V.  D.  M.  I.  E.,  die  Devise  Friedrich  des  Weisen, 
seit  Beginn  der  Reformation  namentlich  im  Sächsischen  sehr  häufig  =  Ver- 
hum  Domini  Manet  In  Etemum  (Jes.  40,  8).  —  V.  g.  =  Verbi  gratia.  — 
Auf  deutschen  Grabschriften :  b.  G.  v.  s.  =  bitte  Gott  vor  sie,  —  d.  6.  6. 
=  dem  {der)  Gott  Gnade,  —  d.  6.  g.  s.  =  dem  {der)  Gott  gnädig  sei;  in 
Titeln  hoher  Personen :  V.  G.  G.  =  Von  Gottes  Gnaden,  —  In  Urkunden 
kommt  es  nicht  selten  vor,  dafs  Personennamen  nur  durch  den  Anfangs- 
buchstaben bezeichnet  werden,  und  auf  Münzen  Namen  und  Titel,  z.  B.  auf 
Brakteaten  aus  dem  XIII.  Jahrb.:  H.  D.  G.  M.  =  Henricm  Dei  Gratia 
Marchio,^  —  Die  fünf  Vokale  A.  E.  I.  0.  V.,  die  sich  auf  Denkmälern  Kai- 
ser Friedrichs  III.  (t  1493)  als  seine  Devise  häufig  vorfinden ,  bedeuten  nach 
des  Kaisers  eigener  Erklärung: 

En  Amor  Electis  Injustis  Ordinat  Vltor : 
Sic  Fridericus  ego  rex  mea  jura  rego. ' 

Aach  ist  der  kabbalistische  Gottesname  AGLA  (s.  weiter  unten  Fig.  228) 
zu  erwähnen,  den  man  als  Schutzmittel  gegen  Gefahr,  namentlich  gegen 
Feuersbrttnste,  auf  mittelalterlichen  Glocken  und  Ringen  (auch  noch  auf 
Zaubertellern  des  XVIII.  Jahrh.)  dargestellt  findet;  es  sind  die  Anfangs- 
buchstaben der  hebräischen  Worte :  Atha  Gibbor  Leolam  Adonq;  d.  i.  »Du 
bist  stark  in  Ewigkeit,  Herr.«^  Ebenfalls  als  zauberkräftig  galt  das  auf 
Amuleten  und  Ringen  vorkommende  Notarikon  ANANISAPTA,  dem  wahr- 
scheinlich die  talmudistische  Bezeichnung  des  Messias  durch  die  hebräischen 
Worte  Anani  scheba  (I  Chron.  3,  24)  zu  Grunde  liegt, ^  und  um  so  mehr. 


*  Becker,  Fd.,  die  heidn.  "Weiheformel  D.  M.  auf  ehr.  Grabsteinen.    18S1. 

"  Zu  Ende  des  XVI.  und  noch  mehr  im  XVII.  Jahrh.  wird  es  beliebte  Mode,  die 
Yoliständigen  fürstlichen  Namen  und  Titel  durch  lange  Reihen  von  Siglen  auszudrücken, 
z.  B.  steht  rings  um  ein  in  Glas  geschliffenes  Brustbild  des  Kurförsten  Johann  Si- 
gismund  von  Brandenburg  (f  1619)  im  HohenzoUem-Museum  zu  Berlin:  J.  S.  V. 
G.  G.  M.  Z.  B.  D.  H.  R.  R.  E.  V.  C.  J.  P.  Z.  G.  C.  B.  S.  P.  D.  C.  V.  W.  A.  J.  S. 
Z.  C.  V.  J.  H.  B.  Z.  N.  F.  Z.  R.  G.  Z.  D.  M.  V.  R.  B.  H.  Z.  R.  S.  —  das  heifet: 
Johann  Sigismund,  Von  Gottes  Gnaden  Markgraf  Zu  Brandenburg,  Des  Heiligen  Rö- 
mischen Reichs  Erzkämmerer  Vnd  Giurfürst,  In  Preufsen,  Zu  Gülich,  Clevo,  Berg, 
Stettin,  Pommern,  Der  Cassuben  Vnd  Wenden,  Auch  In  Schlesien,  Zu  Crossen  Vnd 
Jägemdorf  Herzog,  Burggraf  Zu  Nümberc,  Fürst  Zu  Rügen,  Graf  Zu  Der  Mark  Vnd 
Ravens-Berg^  Herr  Zu  Raven-Stein.  —  Vergl.  auch  Ragotzky,  Wahlsprüche  und  Devisen 
Brandenbur^scher  Fürsten  etc.  in  der  Vierte^jahrsschnft  für  Heraldik  etc.  1881,  Heft  3. 

'Tschischka,  die  Metropolitankirche  zu  St.  Stephan  in  Wien,  103.  —  VergL 
Kaltenbäck,  über  K.  Friedrichs  Devise,  in  der  österr.  Zeitschr.  f.  Gesch.  u.  Staats- 
kunde.   1837,  206.    Die  zahlreichen  anderen  Erklärungen  sind  nicht  authentisch. 

*  Wiggert,  über  Schmucksachen  aus  dem  XTV.  Jahrh.,  in  den  N.  M.  Th.-S.  V. 
VII.  2,  88.  —  Vergl.  Göze,  Natur,  Menschenleben  und  Vorsehung.  H,  3S7  ff.  — 
Otte,  Archäologische  Deutungen,  in  der  Allg.  l*reuls.  Zeitung.  1847.  No.  207.  —. 
Brinckmeier,  Glossarium  diplomaticum.  H,  49. 

*  Schöttgen,  Chr.,  Jesus  der  wahre  Messias,  122.  —  Wenn  das  Wort  Anani- 
sapta  an  der  mit  Engeln  bemalten  Sakristeithür  (aus  dem  XV.  Jahrh.)  der  Hofkapelle 
im  Eelleramtsgebäude  zu  Meran  auf  den  von  Engeln  gehaltenen  Spruchbändern  folgen- 


Siglen.    Monogramm  Christi.  401 

als  sapia  im  Sanskrit  =  scheba  (d.  i.  sepiem)  ist.  Die  gleichfalls  zu  zaube- 
rischen Zwecken  gebrauchten,  allerdings  erst  einer  späteren  Zeit  angehörigen 
Benediktskreuze  haben  auf  der  Rückseite  um  das  Jesuiten -Monogramm  die 
Legende  tVRSNSMVtSMQLIVB  =  Vade  Retro  Saiana^  Nunquam 
Suade  Mihi  Vana;  Sunt  Maia,  Quae  Libasj  Ipse  Venena  Bibas;  auf  dem 
Längsbalken  des  Kreuzes  der  Vorderseite :  CSSML  =  Crux  Sacra  Sit  Mihi 
LtiXj  auf  dem  Querbalken  desselben :  N  D  8  M  D  =  Non  Draco  Sit  Mihi  Dux 
und  auTserdem  noch  in  die  Winkel  des  Kreuzes  gestellt  CSPB  =  Cmx 
Sancii  Patris  Benedicti,  ^  —  Als  Kuriosum  ist  zu  erwähnen  die  sogenannte 
Maulbronner'Fuge  A.  V.  K.  L.  W.  H.  =  All  voll^  keiner  leer^  Wein  her^ 
welche  (nach  Wagner,  Tob.,  evang.  Censur  der  Besoldschen  Motiven,  Tübingen 
1640,  652)  im  Paradies  zu  Maulbronn  über  einem  eine  Gans  nebst  Flasche, 
Bratwürsten,  Bratspiefs  u.  s.  w.  dai'stellenden  Gemälde  von  1522  zu  lesen  war. 


Fig.  203.    Monogramm  Christi  e wischen  A  and  0. 


61.   Monogramme  des  Namens  Jesus  Christus  kommen  im  ganzen 
Mittelalter  häufig  vor. 


oder      T?    YL^  fr^      oder      <S«!I<V<^    bedeutet  Jesus. 


204.  206.  206. 


Das  Monogranmi  IHS,^  welches  eigentlich  nur  die  ersten  Buchstaben  des 
griechischen  'Iriaovg  enthält,  wird  auch  mystisch  gedeutet:  lems  Homnum 
Salvator  oder  In  Hoc  Signo  sc.  vincCj  letzteres  als  Übersetzung  der  grie- 
chischen Worte  TovTw  y/xot,  welche  Kaiser  Konstantin  der  Grofse  im  Kriege^ 


dermalsen  erMärt  ist:  Antidoton  Nazareni  Auf  erat  Necem  Intoxicatumis  SancHficet 
Alimenta  Poctda  Trinitaa  Alma,  so  bezieht  sich  diese  offenbar  erst  hineingetragene 
Deutung  ersichtlich  auf  die  in  der  Sakristei  aufzubewahrenden  h.  Gefäfise  und  lälst  er- 
kennen, dais  jenem  Notaiikon  eine  gegen  Vergiftung  schützende  Kraft  beigemessea 
wurde.    Vergl.  Mitt.  C.-K.  I,  42. 

*  Schneider,  Jos.,  die  Ablässe.  7.  Aufl.  1881,  538  giebt  auch  noch  andere,  nicht 
erklärte  Buchstaben  an.  die  auf  diesen  Medaillen  als  Umschriffc  rorkommen. 

*  Dasselbe  erhielt  oesonders  durch  den  h.  Bemhardin  von  Siena  grofse  Verbreitung, 
namentUch  seit  1427,  wo  er  am  Schlüsse  seiner  Predigten  eine  Tafel  mit  diesem  Mono- 
^mme  von  Sonnenstrahlen  umgeben  zur  Verehrung  aufzustellen  pflegte.  Seit  1541 
ist  es  bekanntlich  das  Monogramm  der  Jesuiten  geworden,  welche  auf  den  Querbalken 
des  H  noch  ein  Kreuz  setzen. 

Otte,  Kunst- ArcbKoIogie.    5.  Aufl.  26 


402  Monogramm  ChristL    Interpunktionen. 

mit  dem  Tyrannen  MaxeBtias  einst  über  der  Lichterscheinnng  eines  Kreuzes 
am  Himmel  gelesen  haben  soll ;  nach  dem  Vorbilde  dieser  Vision  liefs  er  das 
Labarum  verfertigen,  einen  langen,  mit  Goldblech  beschlagenen  Spiefs, 
welcher  mit  einer  Querstange  versehen  eine  Kreuzfahne  darstellte.  Auf  der 
Spitze  des  Kreuzes  war  eine  Krone  von  Gold  und  Edelsteinen  befestigt  und 
an  letzterer  die  Anfangsbuchstaben  des  Namens  XPiarog  (Christus),  und  zwar 
so,  dafs  das  P  (R)  in  die  Mitte  des  X  (Ch)  gesetzt  war  (Vergl.  Euseb.  Vita 
Constantini  I.  28  sqq.)*  Dieses  Monogramm  des  Namens  Christus  liegt  der 
im  Mittelalter  gewöhnlichen  Abkürzung 


u± 


|LJ)|r^        oder        '^4jlJ]ai   =  Christus, 

207.  208. 

ZU  Grunde  und  findet  sich  in  Beziehung  auf  Apokal.  1 ,  8  oft  in  Verbindung 
mit  den  Buchstaben  Alpha  und  Omega  (s.  Fig.  203);  letztere  sind  aber  für 
sich  allein  schon  eine  mystische  Bezeichnung  Jesu  Christi.  —  Bekannt 
ist  ferner  die  bereits  im  christlichen  Altertum  gebräuchliche  mystische  Er- 
klärung der  einzelnen  Buchstaben  des  Wortes  IXOYS  (Fisch)  durch  'lfi<rov<; 
XQioTog  090V  'Ytog  Sai^Q ;  auch  machen  mittelalterliche  Ausleger  darauf  auf- 
merksam, dafs  in  beiden  Zeichen  IHS  und  XPS  die  ersten  Buchstaben  nicht 
lateinisch,  sondern  griechisch  sind,  wodurch  die  Vereinigung  beider  Naturen 
in  Christo  bezeichnet  sei. 

Über  Monogramme  des  Namens  Jesus  Christus:  Munter,  F.,  Sinnbilder 
u.  Kunstvorstellungen  der  alten  Christen.  I,  33  ff.  —  Fritzsche,  d.  Monogr. 
Chr.  in  seiner  kulturgesch.  Bedeutung,  Ludwigslust  1877.  —  Piper,  in  Her- 
zog-Plitt,  Beal-Encyklopädie.  2.  Aufl.  X,  229  ff.  —  Über  das  älteste  Vor- 
kommen des  Monogr.  Chr.  vergl.  Mitt.  C.-K.  VIII,  141.  XVm,  72  ff.;  Stock- 
bauer, d.  ehr.  Monogr.  München  1S69  und  Dess.  Kunstgeschichte  des  Kreuzes; 
Zöckler,  d.  Kreuz  Christi  1875,  13S  ff. 

62.  Interpunktionen  in  moderner  Weise  kommen  nicht  vor;  die 
einzelnen  Wörter  sind  oft  durch  Punkte,  Kreuze  oder  Kosetten,  oft 
aber  auch  nicht  einmal  durch  gröfsere  Spatien  von  einander  getrennt. 
Bei  ringsimi  laufenden  Inschriften  ist  der  Punkt,  wo  Anfang  und  Ende 
der  Schrift  zusammentreffen,  regelmäfsig  durch  ein  Kreuz  in  einfacher 
oder  verzierter  Gestalt  bezeiclmet. 


* 


2i)9.  210. 

63.  Die  Künstlerschrift  des  Mittelalters  besteht  entweder  aus  römi- 
schen oder  aus  romanischen  oder  aus  neugotischen  Buchstaben. 


Entwickelung  der  Schiiftformen.  4O3 

Während  die  mittelalterliche  Handschriftenkunde  auf  gesicherten  Grund- 
lagen festgestellt  ist  (vergl.  Wattenbach,  W.,  das  Schriftwesen  im  Mittehilter 
(1871)  2.  Aufl.  1875;  Leist,  Fr.,  ürkundenlehre,  Katechismus  der  Diplomatik  etc., 
m.  5  Taff.  1882;  Scharff,  Fr.,  die  deutsche  Schrift  im  M.-A.  etc.,  m.  bes.  Rück- 
sicht auf  Fraokf urt.  M.  8  Taff.  Frankf.  a.  M.  1866),  fehlt  es  zu  einer  gründlichen 
Darstellung  der  Entwickelung  des  monumentalen  Inschriftenwesens  des  deut- 
schen Mittelalters  nach  den  verschiedenen  Zeitperioden  und  geographischen 
Gebieten,  sowie  nach  dem  Material  und  der  Technik  der  Herstellung  noch 
gänzlich  an  einem  ausreichend  zahlreichen  und  geordneten  Material  zuver- 
läfsiger  Abbildungen.  Für  Schlesien  ist  em  Versuch  dazu  gemacht  von  H. 
Luchs  (Schles.  Inschr.  des  XTTI.— XYI.  Jahrb.,  in  Schles.  Vorzeit  in  Bild  u.  Sehr, 
m,  329  ff.,  mit  8  Taff.  Einzehies  findet  sich  bei  Statz  und  üngewitter,  Taf.  1 
und  Saut  er,  F.,  diplomat.  ABC  etc.  1874,  m.  13  Taff.*)  —  Nach  den  vorhan- 
denen Materialien  kann  etwa  folgendes  hierüber  gesagt  werden. 

Inschriften  aus  dem  X.  Jahrhundert  sind  in  (vertieften)  römischen 
Majuskeln  geschrieben  (vergl.  die  mindestens  so  alte  Grabschrift  oben 
S.  345  in  Fig.  138  und  die  Inschriften  auf  dem  Echternacher  Buchdeckel 
(Stahlstich  zu  S.  175)  vom  Ende  des  X.  Jahrb.);  im  XL  und  XII.  Jahrb.  ist 
ein  Gemisch  aus  römischen  und  romanischen  Majuskeln  gewöhnlich;  bis  nach 
der  Mitte  des  XIV.  Jahrb.  (etwa  bis  1360)  findet  sich  die  romanisch-gotische 
Majuskel  ebenso  ausschliefslich  angewandt,  als  von  da  an  bis  zum  Anfange  des 
XVI.  Jahrb.  die  neugotische  Minuskel;  doch  kommt  letztere ,  wie  sie  bereits  in 
Handschriften  um  diese  Zeit  erscheint,  in  einzelnen  seltenen  Fällen  auch  auf 
Denkmälern  schon  zu  Anfang  des  XIV.  Jahrb.  vor.  Majuskeln  finden  sich  noch 
auf  dem  Grabstein  der  Gräfin  Helene  von  Beichlingen  (t  1393)  in  der  Johannis- 
kirche  zuCölleda;  Minuskeln  schon  auf  dem  Grabsteine  des  Peter  von  Aspelt 
(t  1320)  im  Dome  zu  Mainz,  wahrscheinlich  wegen  des  beschränkten  Raumes 
für  die  aus  10  Hexametern  bestehende  Inschrift,  aber  auch  ohne  diesen  Grund 
auf  dem  Grabsteine  der  Johanna  von  Losenstain  (ca.  1325)  zu  Morsch  wang 
im  Innviertel.  Als  Initialen  kommen  Majuskeln  auch  im  XV.  Jahrb.  noch 
häufig  vor  (z.  B.  auf  der  grofsen  Glocke  zu  Erfurt  von  1497;^  vergl.  auch 
unten  Fig.  217),  aber  auch  in  ganzen  Inschriften  auf  Gemälden,  Siegeln  und 
manchen  sonstigen  Denkmälern  wurden  sie  in  der  2.  Hälfte  des  Jahrh. 


*  Eine  Zusammenstellung  von  datierten  mittelalterlichen  Lapidar -Inschriften  m 
Trier  mid  aus  denselben  gezogenen  Alphabeten  hat  Schmitt  gegeben  in  den  Mitteil, 
aus  der  kirchl.  Archäologie  u.  Gesch.  der  Diöceso  Trier.  Heft  1.  —  Vergl.  auch  das 
Sondschreiben  des  kgl.  Sachs.  Altert.-Vereins.  Taf.  4.  —  Die  von  Labarte,  Arts  ind. 
in,  83  gegebene  Klassifikation  verzierter  Alphabete  ist  mehr  für  die  Bücherschrift  in- 
teressant, doch  mag  als  Euriosum  angeführt  werden,  dafe  auch  auf  einer  Glocke  zu  Rein - 
holdshain  bei  Glauchau  das  Avemaria  in  verkehrt  stehenden  Majuskeln  dargestellt 
ist,  die  in  der  in  der  romanischen  Schriftmalerei  sehr  beliebten  Weise  aus  menschlichen 
Gestalten  komponiert  sind  (lettres  anthropom&rphiques).  —  Zu  beachten  ist,  dafs  wäh- 
rend man  sich  zu  den  erklärenden  Beischriften  der  Miniaturen  in  den  Handschriften 
in  der  Regel  auch  der  Buchschrift  bediente,  die  spätere  Tafelmalerei  durchaus  die 
monumentalen  Buchstabenformen  anwandte,  und  bei  solchen  älteren  Glockeninschriften, 
die  aus  freier  Hand  in  den  Mantel  der  Form  geritzt  wurden,  ein  Gemisch  der  Monu- 
mentalschrift mit  den  Formen  der  Bücherschrift  sowohl  in  Minuskeln  als  in  kalli- 
graphischen Verzierungen  der  Majuskeln  nicht  selten  ist. 

*  Vergl.  die  schöne  Abbild,  bei  Tettau,  W.  J.  A.  v.,  der  Meister  u.  die  Kosten 
des  Gusses  der  gr.  Domglocke  zu  Erfurt.    1866.   Taf.  2. 

26* 


404 


Entwickelung  der 


infolge  einer  altertttmelnden  Neigung  für  ihre  schöneren  Formen  wieder 
Mode.  Im  XVI.  Jahrh.  finden  sich  Beispiele  aller  dieser  Schriftarten  in  mo- 
dificierten  Formen  bis  zum  Übergange  in  die  Alphabete  der  modernen  Drnck- 
schrifl;.  Dadurch,  dafs  die  Buchstaben  bei  Majuskeln  zuweilen  in  einander 
geschrieben,  bei  Majuskeln  und  Minuskeln  oft  an  einander  gezogen  sind, 
werden  die  Inschriften  schwer  zu  lesen;  besonders  ist  dies  bei  den  Minuskeln 
(der  sogenannten  gitterartigen  Mönchschrift)  der  Fall,  wo  die  Buchstaben  i 
(ohne  Punkt),  n,  It*  Itt  oft  nur  dem  Sinne  nach  gesondert  werden  können; 
auch  sind  oft  C,  t,  f,  t,  t  von  einander  sehr  schwer  zu  unterscheiden,  wes- 
halb unbekannte  Namen  häufig  schwankend  und  einzelne  Wörter  zuweilen 
zweideutig  bleiben.  Wir  lassen  zu  näherer  Erläuterung  einige  Schriftproben 
aus  dem  X.  bis  XVI.  Jahrh.  in  chronologischer  Ordnung  folgen: 

BERINGKMOPRIS  ARTFEX 

VT  PE  0DM  ROe  S  FoSfMT 


SMFEK 


211. 


d.  i.  Beringerus  operis  artifex  ui  pro  eodem  roges  posiulat  Simplex^  ent- 
nommen aus  der  Inschrift  auf  den  unter  Erzbischof  Willigis  von  Mainz  um 
das  Jahr  1000  gefertigten  Bronzethüren  des  Mainzer  Domes  (Müller,  Fz.  H., 
Beiträge  I,  Beilage  zu  Bl.  14).  Es  sind  dies  noch  vollkommen  römische  Buch- 
staben, wobei  nur  das  häufige  in  einander  Schreiben  derselben  bemerkens- 
wert ist,  welches  auch  auf  der  Inschrift  der  aus  dem  Jahre  1015  herrühren- 
den Hildesheimer  Bronzethüren  in  ähnlicher  Weise  vorkommt.  In  der  Grab- 
schrift Rudolfs  von  Schwaben  im  Merseburger  Dome  (nach  1080)  sind 
unter  die  römischen  schon  einige  romanische  Buchstaben  gemischt;  E^  und 
M  kommen  abwechselnd  in  beiden  Schreibweisen  vor,  auch  wechselt  will- 
kürlich V  mit  U, 


n. 


V  1 


„o> 


[1  ^ 


X\V\ 


ir\\  IC 


O   'O  ^^ 


(LA 
212. 


*  Das  runde  unciale  6  kommt  in  einzelnen  Fällen  übrigens  schon  im  VI.  u.  VH. 
Jahrh.  vor;  vergl.  Kraus,  F.  X.,  in  den  Jahrb.  d.  Preuls.  Kunstsamml.  I,  227. 


Schriftformen.  405 

f .  Anno .  M .  CXLIIII,  ah .  incar(natione) .  ä{omi)m  fusa  e(s() .  ca(m)- 
p{an)a:  Inschrift  der  ältesten  datierten  deutschen  Glocke  zulggensbach 
(s.  oben  S.  355).  *  Die  einzelnen  Wörter  sind  hier  durch  Punkte  getrennt, 
die  in  gleicher  Höhe  stehen.  Das  \  steht  zwischen  zwei  Punkten,  gehört  also 
weder  zum  Anfang  noch  zum  Ende  der  Inschrift,  sondern  bezeichnet  ledig- 
lich die  Stelle,  wo  man  zu  lesen  anfangen  soll.  Zwischen  dni  und  fusa  fehlt 
der  Punkt,  auch  sind  beide  Wörter  durch  kein  Spatium  getrennt,  offenbar 
aus  Nachlässigkeit  des  Schreibers,  der  die  Inschrift  mit  einem  spitzen  In- 
strumente in  den  Mantel  der  Olockenform  eingegraben  hat,  woraus  sich 
auch  die  Abrundung  der  kantigen  Buchstabenenden  erklärt.  Der  Duktus 
der  Schrift  weicht  willkürlich  von  der  römischen  Monumentalschrift  ab. 
Das  sechsmal  vorkommende  A  ist  jedesmal  anders  gebildet,  in  fusa  sogar 
als  Minuskel,  am  Schlüsse  von  campana  durch  das  Abkürzungszeichen  ent- 
stellt, welches  hier  wie  in  den  drei  andern  Fällen  in  einem  Querstriche 
durch  den  Buchstaben  besteht;  das  ^hinter  fusa  bedurfte  als  gewöhnliches 
Kompendium  für  est  eines  solchen  nicht.  Bemerkenswert  ist  auch  die  Bil- 
dung des  h  in  a&,  dessen  obere  Schweifung  als  Nachklang  der  verlorenen 
oberen  l^undung  der  Majuskel  B  anzusehen  ist.  Vergl.  auch  unten  Fig.  214. 

m. 


^WI^dlAMM'Bei^ 


U  MV€MBVR@^  €Mi  ^Eg€^ 


213. 


fFicmann(us)  di  gratia  Nuenhurgens.  ep(iscopü)s:  die  Umschrift  des  Siegels, 
welches  der  spätere  Magdeburger  Erzbischof  Wigmann  als  Bischof  von 
Naumburg  (1150—1152)  führte  (N.  Mitt.  Th.-S.  V.,  YU,  1,  Taf.  1).  ffier  er- 
scheint ein  Gemisch  römischer  und  romanischer  Formen.  Das  E  wechselt 
in  beiden  Formen  ab,  wie  denn  überhaupt  die  Darstellung  der  Buchstaben 
in  abwechselnden  Zügen  in  der  Majnskelzeit  beliebt  war.  Das  EPC  (d.  i. 
EPS)  ist  die  gewöhnliche  Abkürzung  des  Wortes  episcopus.  Die  Verkehrt- 
stellung des  S  in  Nuenhurgens,  kommt  gerade  bei  diesem  Buchstaben  (auch 
beim  Z)  öfter  vor.  übrigens  sind  sonst  im  XII.  Jahrh.  (vergl.  z.  B.  den 
Leichenstein  von  1125,  S.  338,  Fig.  132)  von  den  römischen  stärker  abwei- 
chende Buchstabenformen  gemein,  als  dies  bei  der  vorstehenden  Siegel- 
legende der  Fall  ist,  wie  denn  überhaupt  die  eine  abweichende  Technik 
voraussetzenden  Siegelumschriften  mit  den  Stein-  und  anderen  Denkmäler- 
schriften nicht  ganz  dieselben  Entwickelungsstufen  darbieten. 

IV. 

ELISAbETlMTgKAVlM  iVRK  HESSEH  ^(Sil^  ^t)JT 
SV  EIMEnT£5T?lMEMT  blT  gST  ^VQRf  AICHl 

214. 


Nach  gütiger  Mitteilung  des  Herrn  Beichsarchiv- Assessors  A.  Kai  eher  in  Landshut. 


406  Entwickelung  der 

EHsabei  lantgravin  van  hessen  gibt  äit  zv  einem  iesiament  hit  gat  vor  mich: 
Schrift  nm  den  oberen  Rand  eines  silbernen  Bechers  der  heil.  Elisabeth 
(t  1231),  welcher  sich  im  Hospitale  zu  Trier  befindet  (Annales archeol.  V,  280). 
Auch  hier  sind  noch  die  meisten  Buchstaben  römisch,  wobei  jedoch  manche 
einen  Übergang  zu  den  romanischen  Formen  erkennen  lassen.  Die  Form  des 
B  (6)  ist  für  die  Zeit  um  1200  charakteristisch,  Z  steht  verkehrt. 

HUO  DOfl)  im 

ffiaoxaviii 

DOffliaeiLVÄ- 

LnnTeRn  V  rus  • 
ivnioi  „. 

Anno  Domini  MCCXCVIII  domicellus  lantgravius  junior y  von  derümschiirft 
auf  dem  Grabsteine  des  Landgrafen  Heinrich  des  Jüngeren  von  Hessen  in 
der  Elisabethkirche  zu  Marburg  (v.  Hofner,  Trachten,  I,  Taf.  81>  Diese 
(vertiefte  und  mit  dunkelbrauner  Harzmasse  ausgefüllt  gewesene)  Schrift 
zeigt  den  völlig  ausgebildeten  (aber  einfachen)  Typus  der  romanischen  Ma- 
juskel, welcher  von  der  Mitte  des  XUI.  bis  zur  Mitte  des  XIV.  Jahrh.  ge- 
bräuchlich war.  Am  Schlüsse  des  Wortes  JUNIOR  findet  sich  ein  Beispiel 
der  sehr  gebräuchlichen  Sitte,  dafs  der  letzte  Grundzug  des  voranstehenden 
Buchstabens  zugleich  als  erster  des  folgenden  Buchstabens  benutzt  wird. 
V  wechselt  willkürlich  mit  U,  Zu  beachten  ist  besonders  das  Auftreten  des 
geschlossenen  C(  und  €(  statt  des  früher  offenen  C  und  6. 

816. 

Die  Namen  der  vier  Evangelisten  MATEVS,  M^RACS  (für  MARCUS  ver- 
schrieben), LVCASy  J  OH  Annes  von  der  neuerdings  umgegossenen  Missal- 
glocke zu  St.  Maximi  in  Merseburg  in  verzerrten  Majuskeln  des  XIV. 
Jahrhunderts. 


Schriftformen. 


407 


217. 


(Bl|trar)n0  it  mon  it  tavxpi^  mt  ftcU:  von  einer  Glocke  ans  dem  Jahre 
1490  in  dem  Dorfe  Ernsemark  bei  Amebnrg,  welche  von  demselben 
Meister,  wie  die  grofse  Erfurter  Domglocke  von  1497  (auf  welcher  er  sich 
(Btrl|arin0  mon  U  Cam|lt0  nennt),  herrührt.  Die  (im  Holzschnitte  Vb  ^edu- 
eierte)  Gröfse  und  Gestalt  der  Minuskeln  stimmt  auf  beiden  Glocken  genau 
überein ,  woraus  auf  Anwendung  derselben  Buchstabenmodelle  zu  schliefsen 
ist.  Der  Name  WOU  ist,  wie  leicht  erklärlich,  gewöhnlich  fVon  oder  gar/t;o 
gelesen  worden  (vergl.  von  Tettau,  a.  a.  0.,  1—3). 

VIII. 


218. 


Der  Name  des  Verfertigers  der  Chorsttlhle  von  1446  im  Dom  zuMersebnrg 
fd|0kl|0lQ,  welcher  wegen  der  selten  vorkommenden  Buchstaben  k  und  } 
bemerkenswert  und  wegen  der  Gedrängtheit  der  gitterartigen  Schrift  nicht 
leicht  zu  lesen  ist.  —  Als  weiteres  Beispiel  können  die  im  Duktus  oben 
S.  343,  Fig.  137  getreu  wiedergegebenen  Inschriften  auf  dem  Grabmal  des 
Stifters  derUniversitätGreifswald  von  1462  dienen,  welche^lauten :  Mpft. 

wtt*  ia  it%.jint  it.  its  Itfii.  baglies.  it^.  täte  iti^  boi).  rpl  M.  (5.  If ti 
matt  flii  9l|^  l|(t*  litntik.  rubrnom*  iottov.  m.  bette,  regte.  ti5:  botglimetßer.* 

l|l|t*  Und  auf  den  Spruchbändern,  zur  Rechten  des  Gekreuzigten  als  Er- 
klärung des  von  dem  Künstler  gewählten  Moments,  Job.  19,  26  f.:  dttt. 
maten  tna  —  iKnlter.  ecce  |tlitt0.  tarn.  Zur  Linken  ein  leoninisches  Disti- 
chon, als  Gebet  des  ermordeten  Burgemeisters  nach  Analogie  des  Wortes 

Christi  Luc.  23,  34:  (Dcdft.  temete.  )en0  alme.  mei  tniferere.  tgnofee  nHo* 

inet0.  HtLU  (in  (ingere*  reis*  In  diesen  Inschriften  sind  die  vorkommenden 
vier  Initialen  Majuskeln;  der  Unterschied  zwischen  f  und  0  ist  beobachtet; 


408 


Entwickolung  der  Schriftformen. 


nur  in  der  deutseben  InBchrift  kommen  leicht  aufzulösende  Abkürzungen 
als  Striche  und  Punkte  über  der  Linie  vor;  in  den  lateinischen  Worten  ist 
immer  U  gesetzt,  in  den  deutschen  steht  willkürlich  einmal  U  für  tl,  und 
zweimal  H  für  n;  ]|  ist  für  das  gedehnte  i  gesetzt;  r  wechselt  nach  Gefallen 
mit  dem,  einem  gekürzten  unpunktierten  t  ähnlichen  (und  für  den  Buchstaben 
X  in  den  Greifswalder  und  anderen  Steininschriften  XV. — XVI.  Jahrh.  sehr 
üblichen)  t,  aber  nur  im  Deutschen.  In  der  Jahreszahl  ist  1000  durch 
die  Majuskel  wiedergegeben  und  400  (statt  tut)  ungewöhnlicher  Weise 

durch  (5. 

IX. 


219. 

Das  Wort  diligUe  (aus  Kopp 's  nicht  in  den  Buchhandel  gekommenen  Schrift- 
proben; vergl.  in  den  Beilagen  zu  den  Göttinger  gel.  Anz.  von  1S18.  St.  23.  83  und 
207  die  Erklärungen  von  Wiggert  und  Kopp)  von  einem  Steine  am  Rathause 
zu  Hersfeld,  als  Beispiel  der  sehr  schwer  zu  lesenden,  aber  im  XV.  Jahrh. 
besonders  auf  Skulpturen  in  Holz,  Stein  und  Metall  (vielleicht  aus  tech- 
nischen Gründen)  häufig  vorkommenden,  aus  an  einander  gezogenen  Buch- 
staben bestehenden  Minuskelschrift  (wo  oft  nur  die  Umrisse  eingegraben 
sind  —  Ott  traif). 

X. 


IfflJBJTfD^CH 
MNEKKXSTt 


0  here .  goi  ich .  bit .  dich  vm .  din  Barm- 
nercikait  Oberer  Teil  der  Grabschrift 
des  Matthaeus  Böblinger  (t  1505)  in 
der  Frauenkirche  zu  Efslingen  mit 
dessen  Meisterzeichen,  als  Beispiel  der 
in  der  zweiten  Hälfte  des  XV.  Jahrh.  (in 
Strafsburg  schon  1466)  wieder  in  Ge- 
brauch gekommenen  und  bis  ca.  1530 
gebräuchlichen  Majuskelschrift,  die  man 
eigentlich  Renaissance-Majuskel  nennen 
mufs,  da  sie  im  Übergang  zu  der  von 
Italien  aus  sich  verbreitenden  Antiqua 
wieder  an  die  ältesten  romanischen 
Formen  anknüpft,  namentlich  auch  in 
der  altertümelnden  Ineinanderschiebnng 
der  Buchstaben.  Inschriften  in  dieser 
Periode  (vielleicht  unter  Anleitung  ge- 
lehrter Humanisten)  erneuerter  Denkmä- 
lerlängst verstorbener  Personen  (z.  B.  der 
Fastrada,  dritten  Gemahlin  Karls  d.  Gr. 
(t  794)  im  Dome  zu  Mainz.  —  Abb.  bei  Stacke,  Deutsche  Gesch.,  I,  195  — 
und  der  Edith,  ersten  Gemahlin  Otto's  d.  Gr.  (t947),  imDome  zu  Magde- 


Fig.  220. 


I 


Zahlen.  409 

burg)  erhalten  dadurch  zuweilen  ein  so  altertümliches  Aussehen,  dafs  man 
leicht  über  deren  Entstehungszeit  getäuscht  werden  kann ,  wenn  man  nicht 
genau  auf  die  Kennzeichen  dieser  Periode  achtet.  Zu  diesen  gehören  die 
Form  desDundE,  die  mit  einer  runden  Ausbiegung  gebildeten  H,  J  und  N, 
besonders  auch  die  auf  unserm  Beispiele  freilich  nicht  vorkommenden  For- 
men tri.  und  H  für  M  und  N,  die  früher  in  der  Lesung  der  Namen  dieser 
Periode  viel  Verwirrung  angerichtet  haben. 

64.  Die  Zahlen  sind  entweder  die  sieben  Zahlbuchstaben  aus  dem 
Majuskel-  oder  aus  dem  Minuskelalphabete,  vom  XTV.  Jahrhundert  an 
auch  sogenannte  arabische,  eigentlich  indische  Ziffern,  von  denen  jedoch 
manche,  namentlich  2  und  besonders  5,  in  sehr  verschieden  gebildeten 
Zügen  vorkommen.    Die  üblichsten  Zahlzeichen*  sind  etwa  folgende: 


()A.8.9.0' 


281. 

Ziffern,  die  auf  Siegeln^  in  einzelnen  Fällen  schon  im  XIII.  Jahrh.  und 
in  Italien  früher  vorkommen,  als  in  Deutschland,  sind  im  allgemeinen  auf 
kirchlichen  Denkmälern  seltener  als  Zahlbuchstaben ;  bei  den  Jahreszahlen 
werden  die  höheren  Stellen  (Tausende  und  Hunderte)  auf  Inschriften,  be- 
sonders des  XV.  und  XVI.  Jahrh. ,  zuweilen  weggelassen  oder  nur  durch  das 
Zeichen  e(c,  angedeutet.   So  bedeuten  die  Buchstaben 


222. 


am  Fufse  des  siebenarmigen  Leuchters  im  Dome  zu  Magdeburg  die  Jahres- 
zahl 1494.  —  Über  den  Gebrauch  der  Zahlbuchstaben  im  späteren  Mittel- 


*  Andere  Beispiele  bei  Statz  u.  Ungewitter.  Taf.  1. 

^  Das  älteste  bekannte  Beispiel  ist  das  Reitersiegel  des  Gotfried  von  Hohenlohe 
mit  der  Zahl  1233  (Abb.  Württemb.  Vierteljahrshefte  18S1,  224  Fig.  3).  Ob  die  Grabsteine 
mit  der  Zahl  1007  zu  Katharein  bei  Troppau  (Mitt.  C.-K.  Xf,  8.  XLVII)  und  1299 
im  Schlofsgarten  zuBieberich(v.  Hefner,  Trachten.  I.  Taf.  27)  gleichzeitig  sind,  ist 
fraglich;  der  älteste  sichere  ist  derjenige  der  Lutgardis  dicta  GöldEierin  mit  der  Zahl 
1371  in  der  Schlofskirche  zu  Pforzheim  (Anz.  G.  M.  1876,  Sp.  304).  —  Vercl.  Den- 
zinger,  J.,  über  die  Entstehung  u.  den  Fortbrauch  der  arab.  Ziffern  im  Würzbur- 
ßiscnen,  im  Arch.  d.  bist.  V.  f.  Unterfr.  u.  Aschaffenburg.  IX,  2.  —  Manch,  über 
den  Gebrauch  arab.  Ziffern  u.  die  Veränderungen  derselben,  im  Anz.  G.  M.  1861,  No. 
2—7.  —  Über  arab.  Ziffern  auf  Siegehi  verd.  Märcker,  ebd.  1859,  Sp.  250  u.  273-, 
Manch,  ebd.  1860,  Sp.  13;  Fürst  zu  Hohenlohe-TValdenburg,  ebd.  1866,  Sp. 
265  ff.  und  1871,  Sp.  260  ff.  —  Eine  reiche  Übersicht  verschiedener  mittelalterlichen 
Zahlzeichen  giebt  unter  anderen  Gatterer  im  Abrüs  der  Diplomatik,  Taf.  DL 


[IQ  ZahloD.    Tochnik  der  Inschriften.    Abdrikko 

alter(m  der  Minoskelzeit)  ist  noch  zn  bemerken,  dafs  einzelne  Abweichungen 
von  der  altr6miseheii  Schreibweise  allgemein  tlblich  erscheinen;  es  bedeutet 


z.  6.  nicht  etwa  95,  sondern  500,  und  die  Jahreszahl  1500  wird  zuweilen 


geschrieben,  aber  auch  X<E.V.  Nach  einer  Notiz  in  Schlesiens  Vorzeit  in  B, 
u.  Sehr.,  I.  10,  169  wären  anfeiner  Glocke  zu  WUnschendorf  bei  Lähs 
und  sonst  mehrfach  die  Hunderter  statt  C  durch  laufende  Hirsche  icervus) 
ausgedrückt. 

Anmerkung.   Auf  den  ältesten  bekannten  plastischen  Denkmälern  sind 
die  Inschriften  vertieft  eingeschnitten ,  sonst  pflegen  sie  erhaben  zu  sein.  Bei  Me- 
tallgfissen  wurden  die  Buchstaben  entweder  gleich  in  die  Form  geschrieben  und 
mitgegOBsen,  oder  nach  dem  Gusse  aufgelötet,  oft  auch  erhöht  herausgeschnitten, 
zuweilen  mit  Gold  darauf  gemalt.   Gegossene  Glocke nlnschriften  stehen  häufig, 
wenn  sie  nach  älterer  Sitte  in  den  Mantel  der  Form  graviert  wurden,  was  ver- 
kehrt geschehen  mufste,  aus  nahe  liegenden  Gründen,  vielleicht  zuweilen  sogar 
absichtlich,*  auf  den  Glocken  selbst  verkehrt,  so  dafs  sie  nur  im  Spicgelbilde 
zu  lesen  sind,  wie  z.  B.  das  AGLÄ  (s.  oben  S.  400)  auf 
einer  Glocke  zu  St.  Nikolai  in  Jüterbog  —  oder  es  sind 
wenigstens   einzelne  Buchstaben  versetzt,    was  bei   der 
Formung  derselben    mit    Stempeln   oder  WachsmodeUen 
I     leicht  geschehen  konnte.   —  Alle  auf  Metall  erhaben 
gearbeitete  Inschriften  und  Flachreliefs  kann  man  leicht 
abdrucken   (eigentlich    durchreiben),   wenn   man    einen 

.  einseitig  angcfenchteten  Papierstreifen    mit   der  nassen 

K7.  Seite  darauf  legt  und  dann  mit  einem  trocknen  Tuche, 

das,  wenn  man  dem  Abdrucke  gröfsere  Daner  geben 
will,  mit  Graphit-  oder  Rotel-Pulver  sparsam  bestreut  sein  kann,  so  lange 
daranf  reibt  und  drückt,  am  besten  aber  mit  einer  dichten  KleiderbQrste  80 
lange  darauf  schlägt,  bis  die  Inschrift  erhaben  und  geftlrbt  hervoi^ritt.  In- 
schriften anf  Glocken,  die  oft  in  dflsterem  Zwielicht  oder  dem  Auge  teilweise 
ganz  unzugänglicli  aufgehängt  sind,  wären  ohne  dieses  Verfahren  gar  nicht  zu 

'  Otto,  über  Alter  n.  Technik  der  Glocken  Inschriften,  im  Deut.  Kunstbl.  1852, 
409.  —  Es  iüt  auffallend,  dats  fast  nur  Inschriften  frommen  Inhalts  ((icbctsrormeln, 
Heiligpnnamcn  u.  dcrgl.)  verkehrt  stehend  vorkommen,  buchst  selten  dngegen  gesuhicht- 
liche  Notizen,  mid  auf  der  S.  355  erwähnten  Glocke  zu  Gilchine  aus  dem  XII.  Jahrh. 
steht  die  auf  den  Donator  bczuclichc  Notiz  richtig,  die  mngisch  uäftigen  Evangelisten- 
Nameu  aber  stehen  im  Spiegelbilde. 


von  Inschriften.    Künstierinschriften.  411 

lesen.  Siegel  auf  Glocken  nnd  ähnliche  kleine  Reliefs  kann  man  entweder, 
nachdem  man  einen  Gypsmantel  darüber  gemacht ,  in  Wachs  abgiefsen  oder 
mit  geringerer  Mühe  in  Staniol,  falls  das  Relief  nicht  sehr  erhaben  und  scharf- 
kantig ist,  am  besten  mittelst  einer  weichen  Bürste,  abdrücken;  wenn  Alles 
ordentlich  ausgedrückt  ist,  löst  man  das  Staniolblättchen  vorsichtig  ab  und 
überstreicht  den  Abdruck  auf  der  Rückseite  mittelst  eines  Tuschpinsels  in 
leichten  Strichen  reichlich  mit  zerlassenem  Wachs  oder  besser  Guttapercha; 
bei  Papierabdrücken  empfiehlt  sich  am  meisten  geschmolzener  Schwefel.  Ver- 
tiefte Inschriften  lassen  sich  sehr  leicht  in  genäfstem  Papier  abdrücken,  wenn 
sie  nicht  zu  sehr  abgescheuert  sind:  in  letzterem  Falle  kann  man  dieselben 
dadurch  leserlicher  zu  machen  versuchen,  dafs  man  Ziegelmehl  etc.  in  die 
Vertiefungen  streut.  *  —  In  Ziegelsteinen  finden  sich  zwar  auch  eingemeifselte 
Inschriften  (z.  B.  im  Antiquarium  zu  München  zwei  Ziegelplatten  von  1309 
und  1416  aus  Thierhaupten,  erstere  von  0,79  X  0,47  bei  0,052  Dicke),  gewöhn- 
lich sind  jedoch  die  Steine  schon  mit  den  Teilen  der  Inschrift  en  relief  geformt, 
glasiert  und  gebrannt,  oder  aus  einzelnen  Buchstaben  auf  quadratischen  Zie- 
geln zusammengesetzt. 

b.  Innere  Epigraphik. 

65.  Die  Inschriften  auf  kirchlichen  Denkmalem  unterscheiden  sich 
nach  Form  und  Inhalt:  der  Form  nach  sind  sie  entweder  in  Prosa  oder 
in  Versen  abgefafst,  ihrem  Inhalte  nach  bestehen  sie  im  allgemeinen 
aus  historischen  Notizen  oder  aus  religiösen  Sprüchen  und  Gebetformehi. 

Inschriften  von  kirchlichen  Denkmälern  findet  man  in  den  meisten  Lokal- 
Chroniken  gelegentlich  und  in  den  neueren  Inventarien-Werken  ausfiihrlieh  mit- 
geteilt; auch  giebt  es  für  mehrere  Orte  und  einzelne  Kirchen  besondere  In- 
schriftensammlungen aus  älterer  und  neuerer  Zeit.  Vergl.  die  Utteranschen 
Nachweisungen  in  v.  Radowitz,  Gesammelten  Schriften.  I,  406,  denen  als 
spätere  Publikationen  hinzugefügt  werden  können:  Steiner,  Samml.  u.  Erklär, 
altchristl.  Inschriften  in  den  Ghabieten  der  Donau  u.  des  Rheins.  (Im  ganzen 
112  Inschriften  meist  aus  dem  IV.  Jahi-h.,  darunter  84  aus  Trier.)  1859.  — 
Klein,  C,  Latein.  Inschriften  des  Kurfürstentums  Hessen,  in  der  Zeitschr.  für 
hess.  Gesch.  YIII,  1.  —  Stier,  Gli.,  Corpusculum  inscriptionum  Vitebergens. 
1860.  —  Mitzschke,  R,  Naumburgor  Lischiiften.    6  lieff.  1877 — 81  u.  a.  m. 

Anmerkung.  Denkmäler -Inschriften,  welche  sich  anf  die  künst- 
lerische Technik  beziehen ,  kommen  zwar  das  ganze  Mittelalter  hindurch 
vor,  sind  jedoch  sehr  selten.  Beispiele:  Die  Inschrift  auf  den  Metallthür- 
flügeln  des  Domes  von  Mainz  (vergl.  oben  S.  86):  Postquam  magnus  imp.  Ka- 
rolus  suum  esse  Juri  dedit  naturae  WiUigisus  archiep.  ex  metalU  specie  valvas 
effecerat  primus.  Auf  den  aus  einer  Legierung  von  Gold,  Silber  und  etwas 
Eisen  bestehenden  Leuchtern  Bischof  Bemwards  von  Hildesheim  (tum  1012) 
in  der  Magdalenenkirche  daselbst  steht:  Bemwardus  presul  candelabrum  hoc 
puerwn  suum  primo  hi^'us  artis  flore  non  aurOj  nonargentOj  et  tarnen  utcemiSj 
conflare  juhebat  —  Auf  einer  Glocke  zu  Helfta  von  1234  steht:  Ex  tot  cin- 
cinariis  sum  ÄVIII^  auf  einer  von  1318  in  8t.  Florian  bei  Linz:  De  xxvi 


*  Yergl.  Hübner,  E.,  über  mechanische  Kopien  von  Inschriften,  in  Bonner  Jahrbb. 
XLIX,  57  ff.  S.  A.  1881. 


412  Poetische 

cenienariis  facta  sum^  und  auf  einer  von  1319  daselbst:  fit  hoc  opus  ex  X  c. 
—  An  dem  kunstvollen  Gewölbe  hinter  dem  Altar  der  im  XVI.  Jahrh.  erbauten 
Marienkirche  zu  Halle  a.  d.  S.  steht:  Es.  Thvn.  Jher.  Viel,  Fragen  —  Wie, 
Sich  Die.  2  Sivck.  Tragen,  —  Gegen  Ausgang  des  Mittelalters  finden  sich  auch 
Inschriften,  in  denen  sich  das  Bewufstsein  der  Meister  von  ihrer  Kunst- 
fertigkeit stark  ausspricht  y  so  z.  B.  auf  dem  Taufkessel  in  St.  Stephan  zu 
Tangermünde:* 

xve.  vn.  väi  bi,  hinric,  tnente,  maecie,  mi, 

de  mi  hegript,  ofde  mine,  degha,  ihous,  ün.  sieopte,  sine, 

vint,  he,  dar.  neen.  ghebrec.  so.  come.  toumi.  ün.  segge.  rvat  mi.  let. 

Auch  sonst  geben  die  Künstler  ihren  Anschauungen  und  Stimmungen  in  Bezug 
auf  Kunst  und  Kunstzustände  durch  Inschriften  Ausdruck;  Jan  van  Eyck  z.  B. 
bezeichnet  seine  Bilder  gern  mit  dem  Motto :  Als  ikh  kauj  Lukas  Moser  von 
Weil  sagt  auf  dem  Altare  zu  Tiefenbronn  (1432):  Schrie  kunst  schrie  und 
klag  dich  ser,  din  begert  itzt  niemand  mer^  so  o  wcj  und  auf  einem  Altare  zu 
Heiligenblut  steht:  Andre  jar  andre  war.  Schpricht  Wolffgang  Haller  der 
hat  das  werk  volendt  anno  domini  mcccccxxjar, 

66.  Die  poetischen  Inschriften  erscheinen  als  besonders  beliebt ;  sie 
bestehen  in  der  Regel  aus  gereimten  Versen :  Hexametern  und  Distichen. 
Andere  antike  Versmafse  sind  selten;  ebenso  deutsche  Reime  aus  dem 
früheren  Mittelalter. 

Die  Hexameter  reimen  sich  zuweilen  paarweise  unter  einander;  am 
häufigsten  ist  aber  derjenige  daktylische  Vers  (Hexameter  oder  Pentameter), 
in  dem  Mitte  und  Schluf^,  seltener  männlich,  gewöhnlich  weiblich  mit 
einander  reimen»  so  dafs  die  Hauptcäsur  des  Verses  nach  der  Arsis  des 
dritten  Versfufses  insgemein  mit  der  Reimsilbe  zusammenfällt.  Dergleichen 
Hexameter  und  Distichen,  welche  seit  dem  VIH.  Jahrh.  vorkommen,  heifsen 
leoninische  Verse, ^  weil  sie  von  einem  mittelalterlichen  Dichter,  dem 
pariser  Mönch  Leo  oder  Leoninus,  in  allgemeine  Aufnahme  gebracht  sein 
sollen.  In  Beziehung  auf  Prosodie  müssen  gute  leoninische  Verse  richtig  ge- 
baut sein;  nur  dafs  die  Licenz,  wonach  eine  kurze  Silbe  am  Ende  eines 
Wortes,  wenn  sie  in  der  Arsis  oder  gar  in  der  Hauptcäsur  (also  in  der 
Reimstelle)  steht,  lang  gebraucht  werden  kann,  von  den  mittelalterlichen 
Dichtem  gern  benutzt  wird.  Es  kommen  aber  auch  künstlichere  Reimver- 
schlingungen  vor,  z.  B.  über  dem  westlichen  Hauptportale  zu  Ellwangen: 

Vos  igitur^  per  quos  regitur  domus  isla,  notetis: 
nepereat;  si  non  habeat  suajura^  luetisl 

Sehr  künstlich  reimt  auch,  zugleich  mit  Alliterationen,  die  am  Ende  des  XV. 
Jahrh.  gemalte,  aber  vielleicht  auf  älterer  Quelle  beruhende  Inschrifttafel 
über  dem  Grabmal  des  1245  verstorbenen  Dompropstes  Joh.  Semeka  im 
Dome  zu  Halberstadt: 


*  Nach  gütiger  Mitteilung  des  Herrn  Sptdt.  Lampe  in  T. 
«  Vergl.  A.  Kein,  in  den  Bonner  Jahrbb.  XLVI,  119  ff. 


Inschriften.  413 

Est  erit  aique  faxt  qui  desiit  esse  Johanis 
Dogma  viget  vigtät  florebit  omnibus  annis 
Lux  decreiorum  dux  doctorum  via  morum 
Hicjacet  ei  placet  ui  vacet  apoeräs  miserorum. 

Eine  noch  künstlichere  Spielerei  ist  die  in  einer  Kapelle  auf  der  Nordseite 
der  Stadt  Xanten  unter  einem  Kruzifix  auf  an  einander  gefügten  Stein- 
platten stehende  Inschrift: 

Qu       A  TD  FU  8TR 

OS      NGÜIS       RISTI     IRÜSDE         NERE         AVIT 
H      SA  CH  M  VÜL  L 

welche  y  wenn  man  die  mittlere  Zeile  erst  mit  der  oberen  und  dann  mit  der 
unteren  verbindet ,  die  zwei  Hexameter  giebt: 

Quos  angtüs  tristi  dirus  de  fimere  stravit 
Hos  sanguis  Christi  mirus  de  tnUnere  lavitj 

in  denen  die  einzelnen  Wörter  sämtlich  unter  einander  reimen.  *  Im  Streben 
nach  sententiöser  Dunkelheit  und  um  seine  Gelehrsamkeit  zu  zeigen ;  wohl 
auch  aus  Reimnot,  nahm  man  am  Ende,  manchmal  auch  in  der  Mitte  des 
Verses  griechische  Wörter  zur  Hilfe,  welche  sonst  nicht  das  lateinische 
Bürgerrecht  besitzen,  z.  B.  auf  dem  jetzt  in  England  befindlichen  Weih- 
wassergefäfse  aus  der  Zeit  der  Ottonen  (s.  oben  S.  226):  Cemuus  arte  cupit 
memorari  Cesari  aliptes  (aUlnrrjg);  auf  der  Baseler  Altartafel  zu  Paris 
(s.  oben  S.  136):  Prospice  ierrigenas  Clemens  mediaior  usias  (oialag)^  und 
in  den  auch  wegen  der  Übersetzung  der  hebräischen  Engelnamen  bemerkens- 
werten Überschrift  der  Relieffiguren:  Quis  si  cui  hei  Foriis.  Medicus,  Soter 
(amtig)  Betiedictus;  auf  einem  Leichensteine  von  1311  in  der  Stadtkirche  zu 
Wolmirstedt:  Nunc  fruitur  patria  quam  meruit  latria  (laTQtL/),^  —  Die 
Inschrift  auf  der  grofsen  Erfurter  Glocke  von  1497  bildet  eine  sapphische 
Strophe : 

Laude  paironos  cano  gloriosa 
FulgtJir  arcens  et  demonas  malignos 
Sacra  templis  apopulo  sonanda 
Carmina  pulso.  — 

Von  deutschen  Reimen  sind  bereits  in  den  Inschriften  aus  Tangermünde, 
Tiefenbronn  und  Heiligenblut  (s.  S.  412)  Beispiele  gegeben. 


*  Vergl.  A.  Rein,  in  den  Bonner  Jahrbb.  XLYI,  176. 

*  Das  Vorkommen  des  ungewöhnlichen  "Wortes  Usia  auch  auf  der  Dedikations- 
Inschrift  der  Kamzel  zu  Aachen  (s.  oben  S.  296):  Hoc  opus  ambonis  auro  gemmis- 
que  micantis  Bex  jnus  Henricus  celestis  honoris  ar^elus  Dapsüis  ex  proprio  tibi 
dat  sanctissima  v%rgo  Quo  prece  summa  tua  sibi  merces  fiat  usia  läJüst  an  den- 
selben kaiserlichen  Hofpoeten  denken.  Es  findet  sich  aber  auch  auf  dem  romanischen 
Vortragekreuze  im  Dome  zu  Mainz:  Qui  levat  Heliam,  proprium  sublimtxt  usiam, 
und  am  dessen  Rückseite  steht:  Qui  moysi  legem,  dat  alumnis  pneumatis  (für  Ttvfv- 
tiaxoq)  ignem. 

»  Vergl.  Wiggert,  in  N.  Mitt.  Th.-S.  V.  VI.  2.  31. 


414  Historische  Inschriften. 

67.  Die  Inschriften,  welche  historische  Notizen*  enthalten,  haben 
sowohl  prosaische  als  poetische  Form:  im  letzteren  Falle  sind  sie  zu- 
weilen weitschweifig,  dimkel  und  sententiös;  auch  mufs  das  Sprachliche 
imi  der  Prosodie  willen  Gewalt  leiden. 

Das  Mögliche  von  Yerdrechselei  und  Rätselhaftigkeit  ist  geleistet  in 
einer  Inschrift  von  1350  in  der  Marktkirche  zn  Hannover: 

Tunis  I  prime  \  vum  tria  \  c  nume  \  rant  l  et  \  evum  * 
Gracia  rotnana^  fuit  etpesüs  triduana ' 
Funer a  flens  polis^  hec  tria  milia  mensihus  in  sex 
Tunc  Stimulus  stoycos^  fuit  ur^  torquens  et  ebreosJ 

1.  Turris  primevum  steht  aus  Reimnot  für  turris  principium  und  evum 
für  miile  annorum  spatium.  —  2.  Bezeichnung  des  Jubeljahres.  —  3.  Die  da- 
mals grassierende  Pest,  welche  die  Befallenen  in  drei  Tagen  tötete.  —  4.  Das 
griechische  Wort  noXtg  (==  Stadt)  wegen  des  Versmafses  und  mit  Darangabe 
des  Reimes.  —  5.  Unter  stoycos  sind  die  damaligen  Geifslergesellschaften 
gemeint.  —  6.  Zu  der  Silbe  ur  ist  aus  dem  folgenden  Worte  torquens  wohl 
oder  übel  die  Endsylbe  ens  zu  supplieren.  —  7.  Die  Juden  wurden  als 
Brunnenvergifter  während  der  damaligen  Pestilenz  verbrannt  (vergl.  Mithoff, 
Archiv,  1,2).  —  In  folgender  Inschrift  im  Chor  der  Wiesenkirche  zu  Soest 
ist  die  Jahreszahl  (ob  1313  oder  14  oder  31  oder 43?)  gründlich  verdunkelt: 

Cter  Xmille  et  tribus  Ique  dies  tenet  ille 

Hujus  quo  primum  struxit  locuU  capud  ymum 

Ne  deus  condempnes  hunc  Schendeler  arte  Johannes, 

In  diesen  beiden  Inschriften  müssen,  wie  das  sehr  häufig  der  Fall  ist,  die 
Zahlbuchstaben  als  Silben  ausgesprochen,  also  völlig  barbarisch  nach  ihren 
Namen  im  ABC  genannt  werden,  um  die  Verse  skandieren  zu  können.^ 
Aus  gleichem  Grunde  müssen  häufig  auch  abgekürzte  Wörter  ohne  weiteres 
als  solche  gelesen  werden.  Eine  der  gräulichsten  Mifshandlungen  der  Sprache 
um  der  Prosodie  willen  bietet  die  Grabschrift  des  Herz.  Boleslaus  von 
Breslau,  Liegnitz  u.  Brieg  (f  1352)  im  Kloster  Leubus: 

iVo.  kale.  dans.  mq/us.^  dux,  vra.  leg,  hrig,  holeclaus, 

Zelator,  veri.  largus.  promptus.  misereri. 

Fit,  cum,  defunctis  ,m.  c,  tribus,  L  duo.junctis. 

Das  berühmteste  Beispiel,  wie  die  gesuchte  Versdrechselei  der  Inschriften 
die  Forscher  zu  grundlosen  Auslegungen  geführt  hat,  sind  die  auf  die  Stif- 


*  Dieselben  sind,  wenn  nicht  gleichzeitig,  keineswegs  immer  zuverläfsig.  Am 
Ratzeburger  Dome  steht  z.  B.  in  Minuskeln:  Ana  dni  McxUiij  3  id^  Aug.  fndata  t 
o/ecra  est  raceburg.  ecca.  cathedral.  ab  illustri/sm,  pricipe  duce.  hinrico  bawarie, 
t  /axonie.  qui  o.  mcxcv.  orate  pro  eo,  während  das  Bistum  Eatzeburg  erst  1154  ge- 
gründet wurde,  und  Heinrich  der  Löwe  1144  erst  15  Jahre  alt  war  und  als  Laie  keme 
JöLirche  weihen  konnte. 

'  Dies  ist  selbst  in  deutsche  Inschriften  übergegangen,  z.  B.  auf  dem  Epitaphium 
dos  Grafen  Hinrich  von  "Wernigerode  (f  1429)  und  seiner  Gemahlin  in  der  dortigen 
Gräflichen  Bibliothek:  na  bort  m  screue  ver  cccc  twe  x  dar  by  negen. 

'  D.  i.  s.  V.  a.  a,  d.  IX  Kai,  Maj,  «  23.  April. 


Chronologie.  415 

terin  bezüglichen ,  ehemals  an  einer  Apostelstatue  der  südl.  Querschiffsfront 
des  Strafsburger  Münsters  befindlich  gewesenen  Verse: 

gratia  divinae  pietatis  adesio  Savinae 
depetra  dura  per  quam  sum  facta  figura^ 

welche  die  einzige  Quelle  zu  der  selbst  jetzt  noch  nicht  allgemein  aufge- 
gebenen Mythe  von  der  Bildhauerin  Sabina,  der  Tochter  Erwins  von  Stein- 
bach waren. 

68.  Zum  richtigen  Verständnis  der  in  historischen  Inschriften  vor- 
kommenden Zeitbestimmungen  ist  Bekanntschaft  auf  dem  schwierigen 
Pelde  der  mittelalterlichen  Chronologie  erforderlich,  worüber  hier  nur 
einige  allgemeine  Andeutungen  gegeben  werden  können.  Die  Zeit- 
bestimmungen der  Inschriften  betreffen  die  Jahreszahl,  die  Indiktion 
nebst  Epakte,  Konkurrente  und  Mondcyklus,  das  Regierungsjahr  geist- 
licher und  weltlicher  Fürsten,  den  Monat,  den  Monatstag,  den  "Wochen- 
tag und  die  Tagesstunde. 

Die  Jahreszahlen  sind  seitBeda^  der  diese  Zählweise  einführte^  nach 
der  gemeinen  christlichen  (dionysischen)^  Aera  {ßnni  dominicae  incama- 
tionis  oder  ah  incarnatione  domini,  zuweilen  anni  virginei  partus,  nach 
Gottes  Geburt,  seit  dem  XII.  Jahrb.  häufig  anni  gratiae,  später  anni  domini, 
Jahre  des  Herrn)  gezählt;  es  kommt  hierbei  jedoch  bei  allen  Daten,  die 
zwischen  dem  ersten  Advent  und  dem  Osterfeste  liegen,  auf  die  Epoche  des 
Jahresanfangs  an,  da  man  zu  verschiedenen  Zeiten  und  an  verschiedenen 
Orten  das  neue  Jahr  bald  mit  dem  ersten  Advent  (dem  Anfang  des  Kirchen- 
jahres), bald  mit  dem  Christtage  (25.  Decbr.,  so  fast  überall  in  Deutschland 
nach  dem  Vorgange  von  Mainz) ,  bald  mit  dem  Beschneidungsfeste  (I.Januar, 
erst  seit  dem  XV.  Jahrb.,  allgemein  erst  im  XVI.),  bald  mit  dem  Mariä- 
Verkündigungstage  (25.  März;  so  in  der  Diöcese  Trier  noch  bis  ins  XVI. 
Jahrb.,  bei  der  Universität  Köln  bis  zu  ihrer  Aufhebung),  bald  sogar  mit 
dem  beweglichen,  jedoch  nie  über  den  25.  April  hinaus  fallenden  Ostertage 
(so  in  Frankreich  und  den  Niederlanden  und  in  der  Diöcese  Köln)  anzufangen 
pflegte.  —  In  poetischen  Inschriften  kommt  auch  die  antike  Berechnung  der 
Zeit  nach  Lustren  (von  5  Jahren)  vor. 

Seltener,  seit  dem  XIII.  Jahrb.  wohl  überhaupt  nicht  mehr  gebräuchlich 
ist  in  den  Inschriften  die  Jahresbezeichnung  neben  der  christlichen  Aera 
nach  dem  Cyklus  der  Indiktion  oder  Römerzinszahl.  Dieser  umfafst  einen 
Zeitraum  von  fünfzehn  Jahren,  deren  einzelne  mit  Ind,  I — XV  bezeichnet 
werden.  Das  Chronicon  paschale  beginnt  den  Indiktionenzirkel  mit  dem 
1.  Jahre  des  Julius  Cäsar  =  49  a.  Chr.  und  beginnt  eine  neue  Reihe  mit 
dem  Siege  des  Constantinus  31.  Septbr.  312.  Daher  gilt  als  Regel,  dafs 
man,  um  das  Jahr  der  Indiktion  zu  finden,  zu  der  Zahl  der  christlichen  Aera 
3  addiert  und  die  Summe  mit  15  dividiert;  der  Rest  ist  dann  das  Jahr  der 
Indiktion,  bleibt  aber  nichts  übrig,  so  ist  es  XV.  Hierbei  ist  jedoch  zu  be- 
achten, dafs  sich  im  Mittelalter  die  Indiktionsrechnung  ihrem  jährlichen 

*  Vergl.  Grotefend,  Histor.  Chronologie,  21. 


416  Chronologie. 

Anfange  nach  in  drei  Arten  scheidet:  die  sogenannte  griechische,  welche 
mit  dem  1.  September  beginnt  nnd  bis  zur  Mitte  des  IX.  Jahrh.  ausschliefs- 
lich  in  Gebrauch  war;  die  sogen,  kaiserliche,  richtiger  Bedanische,  welche 
mit  dem  24.  September  beginnt  und  bis  Ende  des  XI.  Jahrh.  neben  der 
ersteren  in  Gebrauch  war;  und  die  sogen,  päpstliche,  die  mit  dem  25.  De- 
cember  oder  1.  Januar  beginnt  und  Ende  des  XI.  Jahrh.  in  Aufnahme  kam,, 
aber  erst  im  XIÜ.  Jahrh.  die  allgemein  herrschende  wurde.  —  Bei  der  Da- 
tierung nach  der  Indiktion  wird  in  den  Urkunden  in  der  Regel,  auf  Denk- 
mälern seltener  die  E  p  a  k  t  e  beigefügt.  Die  epactae  sc.  hmares  oder  minores  ^ 
adjectiones  iunae  (deutsch :  Mondzeiger)  bezeichnen  das  Alter  des  Mondes  am 
22.  März  nach  dem  19jährigen  Mondcyklus.  Im  ersten  Jahre  desselben  fällt 
der  Neumond  auf  den  23.  März,  am  22.  ist  also  das  Alter  des  Mondes  = 
XXX  oder  0.  Im  folgenden  Jahre  fällt  der  Neumond  auf  den  12.  März,  mit- 
hin ist  die  Epakte  XI.  Die  Regel  zur  Findung  der  Epakte  lautet  daher  t 
Subtrahiere  von  der  goldenen  Zahl  (s.  Chronol.  Zugabe)  1,  multipliciere  den 
Rest  mit  11,  ziehe  davon,  so  oft  du  kannst,  30  ab,  der  Rest  ist  dann  die 
Epakte;  zu  bemerken  ist  aber,  dafs  die  Epaktenrechnung  nicht  am  I.Januar 
des  Jahres,  sondern  am  1  .September  des  vorhergehenden  beginnt,  und  dafs 
am  Ende  des  Cyklus  die  Epakte  von  XVIII.  auf  XXX«»  0  zurückkehrt,  also- 
einen Sprung  isaltus)  von  12  statt  von  11  Tagen  macht.  — Ferner  wird  bei 
dieser  Datierung  auch  die  Konkurrente  zuweilen  angegeben.  Die  con- 
currentes  dies  (auch  epactae  solis  oder  majores  genannt)  geben  den  Wochen- 
tag an,  aufweichen  der  24.  März  des  betr.  Jahres  fällt,  wobei  der  Sonntag^ 
mit  I  u.  s.  f.  bezeichnet  wird.  Die  Konkurrenten  entsprechen  gänzlich  den 
Sonntagsbuchstaben  (s.  die  Chronol.  Zugabe)  und  zwar  die  Konkurrenten  I. 
n.  m.  IV.  V.  VI.  VII.  den  Sonntagsbuchstaben  F.  E.  D.  C.  A.  B.  G.  —  Ala 
seltenes  Beispiel  dieser  vollständigen  Datierungsweise  führen  wir  an  die  In- 
schrift am  Taufsteine  zuFreckonhorst:  f  Anno,  ab  incamat,  dni  M.  C. 
XX,  Villi,  epact.  XX.  VIII.  concvrr.  I.  />».  indict.  VII  II  Non.  Jon.  a 
venerab  epo.  Mimigardevordensi.  Egberto,  ordinat  anno.  IL  consecrai  v, 
e.  hoc.  templum.  —  Noch  seltener  wird  in  Inschriften  die  Luna,  d.  h.  das 
Alter  des  Mondes  an  dem  betreffenden  Monatsdatum  hinzugefügt,  wie  auf 
der  Bleitafel  im  Sarge  des  Erzbischofs  Udo  von  Trier:  Hie.  reqiUescitbeaiae. 
memoriae.  Trevirorum.  archiepiscopus.  Vdo.  obiit.  aulem  III.  Idibtis  Novembris. 
anno,  dominicae.  incamaiionis.  M.  L.  XX.  VIIL  Indictione.  I.  Luna.  IL 
Das  Jahr  1078  hat  nämlich  die  goldene  Zahl  15.  Daher  fängt  ein  neuer 
synodischer  Mondmonat  in  ihm  am  November  an,  deshalb  hat  der  11.  No- 
vember die  Luna  II.  In  anderen  Fällen  jedoch  bezeichnet  htna^  der  wie- 
vielste Tag  des  laufenden  Mondmonats  der  Ostersonntag  des  betreffenden 
Jahres  ist. 

Die  Datierung  nach  Regierungsjahren  geistlicher  und  weltlicher 
Fürsten  (vergl.  die  Inschrift  aus  Freckenhorst)  ist  in  vielen  Fällen  eine  un- 
sichere Bestimmung,  da  es  darauf  ankommt,  ob  z.  B.  eine  Bischof  die  Dauer 
seines  Pontifikats  von  dem  Tage  seiner  Wahl ,  seiner  Konsekration  oder  seiner 
Konfirmation  an  berechnete,  ob  ein  Kaiser  nnd  König  von  seiner  Krönung 
oder  von  seinem  Regierungsantritte  an  seine  Herrschaft  datierte;  ob  femer 
ein  neues  Regierungsjahr  als  mit  dem  gemeinen  Jahresanfänge  oder  mit  dem 


Clironologie.  417 

Tage  des  Regierungsantrittes  beginnend  gedacht  wurde.  Unentbehrliches 
Hilfsmittel  sind  die  Tabellen  über  Zeitfolge  der  römischen  Päpste,  sowie  der 
deutschen  Kaiser  und  Könige,  und  über  Zeitfolge  der  deutschen  Bischöfe  nach 
alphabetischer  Reihenfolge  der  Bistümer  in  Pott  hast,  Aug.,  bibl.  bist.  med. 
aevi  etc.  Supplement,  1868,  259  ff. 

Die  lateinischen  Monatsnamen  sind  die  noch  jetzt  gebräuchlichen  des 
julianischen  Kalenders ;  die  sehr  schwankenden  deutschen  kommen  in  mittel- 
alterlichen Inschriften  kaum  vor.  Die  Monatstage  werden  entweder  nach 
dem  römischen  Kalender  bezeichnet,  wie  in  den  Beispielen  aus  Freckenhorst 
und  Trier  (jedoch  schrieb  man  z.  B.  nicht  KaJendis  JuUiSy  sondern  Julii  und 
nicht  a.  d.  X  Kai  Juij  sondern  decimo  Kalendas  Julii) j  oder  seit  dem  Ende 
des  XIII.  Jahrh.  gewöhnlich  nach  kirchlichen  Fest-  und  Heiligentagen,  ^  so 
dafs  man  einen  gegebenen  Tag,  der  nicht  selbst  ein  Festtag  war,  entweder 
als  vor,  oder  als  nach  dem  nächsten  Kirchenfeste  zählte  und  sich  dabei  der 
römischen  Zählweise  bediente.  Die  Sonntage  benannte  man  oft  nach  den 
Anfangsworten  des  Introitus  der  Messe.  ^  Unsere  Art  zu  datieren  fängt  erst 
am  Ende  des  Mittelalters  in  einzelnen  Fällen  an. 

Die  Wochentage  von  Montag  bis  Freitag  wurden  in  lateinischen  In- 
schriften /eria  II — VI  genannt,  der  Sonntag  meist  dominica^  der  Sonnabend 
sabbatumJ 

Die  Tagesstunden  wurden  verschieden  gezählt.  Im  gemeinen  Leben 
rechnete  man  einen  Tag  von  Mitternacht  zu  Mittemacht;  die  Kirche  dagegen 
rechnete  ursprünglich  ihre  Tage  von  Sonnenuntergang  bis  Sonnenuntergang, 
weshalb  unter  dem  (heiligen)  Abende  (vigilia)  eines  Festtages  jedesmal  der 
Abend  (oder  der  ganze  Tag)  vorher  gemeint  ist.  Dies  gilt  im  gemeinen 
Leben  jedoch  nur  von  den  gebotenen  Festtagen  (festa  /bri)y  nicht  aber  von 
solchen,  die  nur  der  Klerus  feierte  (festa  chori).^  Die  Nacht  vom  Sonnen- 
untergange  bis  zum  Sonnenaufgange  wurde  in  12  Stunden  geteilt  und  ebenso 
der  Tag  von  Sonnenaufgang  bis  Sonnenuntergang;  diese  Stunden  waren 
daher,  je  nach  der  gröfseren  oder  kürzeren  Länge  des  Tages  und  der  Nacht, 
das  Jahr  hindurch  einander  ungleich.  Die  sogenannten  horae  canonicae 
(Gebetsstunden)  sind  folgende:  Prima  (Sonnenaufgang,  im  Aequinoctium 
6  Uhr);  Terda  (nach  Verflufs  des  ersten  Tagesviertels,  also  im  Aequinoc- 
tium 9  Uhr);  Sexta  (nach  Verflufs  des  halben  Tages,  also  stets  12  Uhr); 
lYona  (wenn  drei  Viertel  des  Tages  vorüber  sind,  also  im  Aequinoctium 
3  Uhr);  V esper a  (Sonnenuntergang).  Um  9  Uhr  Abends  wurde  das  Comple- 
torium  abgehalten,  und  beim  Tagesanbruche,  also  unmittelbar  vor  derTVtVwa 
die  Matutina  (Landes).^ 


*  Diese  Art  zu  datieren  hat  darum  grofse  Übelstände,  weil  es  viele  gleichnamige 
Heilige  giobt,  und  weil  die  Feste  vieler  Heiligen  zu  verschiedenen  Zeiten  und  an 
verscniedenen  Orten  an  verschiedenen  Tagen  gefeiert  wurden;  vergl.  das  Alphabet. 
Verzeichnis  der  Heiligen  am  Schlüsse  dieses  Sandes.  —  Für  die  beweglichen  Fest- 
und  die  danach  benannten  Sonntage  ist  die  Kenntnis  des  Ostertermins  jeden  Jahres 
erforderlich;  vergl.  die  Chronologische  Zugabe  am  Schlüsse  dieses  Bandes. 

'^  Verzeichnis  der  lateinischen  Sonntagsnanien  und  auch  mancher  Wochentage 
hiemach  bei  Grotefend,  77  ff.    Potthast,  Supplement,  449  ff. 

^  Die  deutschen  Namen  der  Wochentage  s.  bei  Grotefend,  35  ff. 
^  Beil.  z.  Berliner  Zeit.  1S43,  No.  196. 

*  Graeser,  d.  röm.-kath.  Liturgie,  277. 

Otte,  Kunst- Archäologie.    5.  Anfl.  27 


418  Chronologische  Vei*se.    Chronosticha. 

Schriften  über  historische  Chit)nologie  des  M.-A.:  Haltaus,  Ch.  G.,  Calen- 
darium  praecipue  Germanicum  medii  ae^i  1729;  deutsche  Ausübe  1794.  — 
Pilgram,  Ant.,  Calendarium  chronologiciun.  1781.  —  Idoler,  L.,  Handbuch 
der  math.  u.  teclm.  Chronol.  1S25.  —  riper,  Ford.,  Kirchenrechnung.  1841.  — 
Brinckmeier,  Ed.,  Prakt.  Handbuch  d.  hist.  Chronol.  (1843.)  2.  AuS.  1882.  — 
Matzka,  "W.,  die  Chronol.  in  ihr.  ganzen  Umfange.  1844.  —  "Weidenbach, 
Jos.  Ant.,  Calendar.  hist. - christianum  medii  et  no^^  ae\'i.  Chronol. -histor.  Ta- 
bellen etc.  1855.  —  Grotefend,  H.,  Handb.  d.  hist.  Chronol.  d.  deutsch.  M.-A. 
u.  d.  Neuzeit.  1872.  —  Lorsch,  B.  M.,  Ewiges  Kalendarium  etc.  Münster 
1876.  —  Zu  vergl.:  Art  de  verifier  les  dates.  Paris  1783,  3  Bde.  folio;  neue 
Ausgabe,  I.  Abt.:  A.  d.  v.  1.  d.  depuis  la  naissance  de  N.  S.  in  19  Bden.  8^. 

Anmerkung.  In  Versen  wurden  die  Jahreszahlen  oft  durch  Distributiv- 
und  Adverbialzahlen  umschreibend  ausgedrückt  und  wegen  der  erforderlichen 
Multiplikationen,  Additionen  oder  Subtraktionen  zuweilen  undeutlich;  auch 
entstehen  hier  um  des  rhythmischen  Zwanges  willen  hin  und  wieder  arge  Bar- 
barismen,  z.  B.  auf  einer  Glocke  im  Dom  zu  Minden:  Annis  a  Christo  plenis 
creor  ere  mh  isio  \  Bis  decies  denis  miilenis  septuagenis  (1270)]  oder  in  der  (ob 
gleichzeitigen?)  Grabschrift  des  Bischofs  Bernhard  V.  von  Paderborn  im 
dortigen  Dome:  Post  dupla  centena  ChrisH  bis  bina  Irigena  \  Lustra  die  Jani  ter 
dena  . . .  (30.  Jan.  1341);  oder  auf  einem  Gemälde  von  Johann  van  Eyck: 
Anno  I  miile\  mo  c\  quaier  x  ter  et\  octo  (1438);  oder  auf  der  Glocke  Osanna 
des  Domes  zu  Halberstadt:  ;>/.  C.  \  quadra\ta  L  \  quntuor  \  t.  soci\ata  (1454). 
Die  Inschrift  über  einer  Figur  des  gegeifselten  Christus  in  der  Moritzkirche  zu 
Halle  enthält  in  den  Hexametern: 

LX  I  bis  duo  \  cc  ^  et  super  j  addita  \  M  (illia) 

Quinque.  Toi  est  Christus  pro  nobis  vulnera  (verbera  ?)  jjoä«!^ 

anscheinend  nicht  die  Jahreszahl  (1460),  sondern  die  Anzahl  der  Schläge  (5320? 
5470?),  die  der  Herr  bei  der  Geifselung  erhalten  hatte.  ^  Aufser  solchen  un- 
absichtlichen Verdunkelungen  der  Jahreszahlen  bot  zur  absichtlichen  Verhüllung 
derselben  das  sogenannte  Chronostichon  Gelegenheit  dar,  worin  die  Jahreszahl 
durch  Addition  sämtlicher  oder  einiger  darin  vorkommenden  Zahlbuchstaben, 
die  dann  vor  den  übrigen  Buchstaben  durch  den  Charakter  der  Schrift  aus- 
gezeichnet zu  sein  pflegen,  gefunden  wird,  z.  B.  die  Inschrift  auf  dem  alten 
Rahmen  des  Genter  Altarwerkes  der  Gebr.  van  Eyck  im  Museum  zu  Berlin: 
Vers  V  seXta  Mal  Vos  CoLLoCat  aCta  t  Verl,  wo  die  Addition  der  Miguskeln 
die  Jahreszahl  1432  ergiebt,  oder  die  Inschrift  auf  einem  Kelche  in  der  Marien- 
kirche zu  Danzig:  Fi^lgidvs  ille  calix  divine  porclo  'inense  \  Aurea  quo 
factus  amio  per  grammata  censey  wo  die  Jahreszahl  1426  durch  die  goldenen, 
hier  im  Drucke  unterschiedenen  Zalilbuchstaben  ausgedrückt  ist. ' 

*  Diese  wurden  sehr  verschieden  berechnet,  von  der  h.  Bri^tta  auf  5000,  von 
Gerson  auf  5375,  von  Landulphus  u.  A.  auf  5475,  vom  h.  Vincentius  Ferreri  aber  nur 
auf  8  mal  276  (nach  der  angeolichen  Zahl  der  Knochen  des  menschlichen  Körpers)  — 
vergl.  H.  Müller,  Historia  passionis  etc.  Rostock  1661,  79. 

*  Ob  schon  im  früheren  Mittelalter  chronogrammatische  Inschriften  vorkommen, 
muls  ich  unentschieden  lassen.  Die  beliebte  Glocken-Inschrift:  0  rex  glorie  (christe) 
veni  cum  pace  findet  sich  zwar  in  mehreren  Schriften  als  Chronogramm  auf  das  Jahr 
1272  (137^  gedeutet,  jedoch  wenigstens  in  den  mir  näher  bekannten  Fällen  mit  Un- 
recht.   In  der  Marienkirche  zu  Danzig  trägt  die  im  Jahre  1632  umgegossene  Stumi- 

f  locke  Osanna  seitdem  zwar  die  erwähnte  Gebetsformel  als  Chronogramm  mit  den  die 
ahreszahl  1373  bildenden,  ausgezeichnet  geschriebenen  Zahlbuchstaben,  und  ebenso 
eine  kleine  im  Jahre  1780  umgegossene  Glocke  am  Hathausturme  zu  Breslau  die  In- 


Keligiöse  Sprüche  und  Gebetsformeln.  419 

69.  Beligiöse  Sprüche  und  Gebetsfonneln  in  Prosa  sind  gewöhnlich 
aus  der  Bibel,  und  zwar  immer  nach  dem  Texte  derVulgata,  oder  aus 
den  kirchlichen  Gebetbüchern  entnommen,  in  der  Regel  wörtlich,  zu- 
weilen frei  citiert.  Auch  viele  poetische  Sentenzen,  oft  kirchlichen 
Hymnen  entlehnt,  sind  so  beliebt,  dafs  sie  als  stehende  Sprüche  sehr 
häufig  wiederkehren. 

Über  der  Schlofsthür  des  Domes  von  Merseburg  ist  der  Patriarch 

Jakob  (um  1500)  dargestellt,  wie  er  in  Lus  vom  Schlaf  erwacht,  mit  der 

Aufschrift:  Vere  iste  locus sanctus  est^  et  egonescieham.  Dies  ist  freies  Citat 

aus  Gen.  28,  16  nach  der  Vulgata:  Vere  dominus  est  in  ioco  istOy  et  ego  nes- 

ciebam.  —  Auf  dem  oben  8.  224  erwähnten  Kelche  zu  Werben  hat  ein  den 

vor  dem  Yliefse  knieenden  Gideon  (Judicum  6,  36)  darstellendes  graviertes 

Rundbild  die  Umschrift : 

Fusa  coeli  rore  tellus 

Fusum  Gedeonis  veltus 

Deitatis  phtvia. 

Dies  ist  die  8.  Strophe  der  seit  dem  XH,  Jahrh.  vorkommenden  Marien-Se- 
quenz: Hodiemae  lux  Diei  (bei  Mone,  F.  J.,  Latein.  Hymnen  des  M.-A.,  ü,  53). 
Auf  einem  anderen  Rundbilde  desselben  Kelches,  Mose  und  den  feurigen 
Busch  darstellend  (Exod.  3)  die  Legende: 

Quod,  rubus  utflamma^ 

Tu  portastiy  virgo  mater  facta 

welche  entlehnt  ist  aus  der  6.  Strophe  des  berühmten,  dem  Hermannus  Con- 
tractus  von  Reichenau  (t  1054)  zugeschriebenen  Marien-Tropus:  Ave  prat- 
Clara  maris  Stella  (a.  a.  0.,  355  ff.).*  —  Auf  Glocken  und  TaufgefäTsen  und 
an  Schnitzaltären  aus  der  Zeit  um  1500  finden  sich  mehrfach  teils  vollständig, 
teils  bruchstückweise  die  Verse : 

Maria  mater  gratiae 

Mater  misericordiae 

Tu  nos  ab  hoste  protege 

In  hora  mortis  suscipe 

aus  dem  Hymnus  Memento  sahitis  auctor  in  dem  Officium  parvum  B.  Marid 
(Breviar.  monast.  pro  S.  Bened.  regula  militantibus  Campedon  1718.  Pars  vemalis  179).^ 
—  Das  Salve  regina  z.  B.  auf  dem  Taufbecken  in  St.  Marien  zu  Rostock 
von  1290.^  —  Auf  einer  Predella  im  Dome  zu  Brandenburg  knieen  zwei 
Donatoren  mit  den  Spruchbändern:  Tantum  ergo  sacramentum  veneremur 

Schrift:  hans  greVLIg  poss  MICH  pfenige  helsCh  ICh,  worin  die  Jahreszahl  1360 
liegt  —  aber,  obschon  diese  Inschriften  den  Worten  nach  von  den  alten  Olocken  bei- 
behalten sind,  so  fragt  sich  doch,  ob  man  nicht  die  Chronogramme  erst  beimümgusse 
hineingedeutet  hat,  da  im  XVII.  imd  XVJJLL.  Jahrh.  diese  Spielerei  allgemein  beliebt  wai\ 

*  Vergl.  Zacher,  Jul.,  in  der  Zeitschr  f.  k.  A.  u.  K.  11,  57. 

«  Anz.  G.  M.  1880,  No.  4. 

3  Vergl.  Fr.  Schneider,  das  Salve  regina  auf  Tauf becken ,  ebd.  Sp.  279  ff.  —  Diese 
Taufe,  deren  konischer,  mit  drei  Reihen  von  Belief gruppen  unter  Kleeblattbogennischen 
geschmückter  Kessel  auf  vier,  durch  Inschriften  als  Darstellungen  der  4  Elemente  be- 
zeichneten knieenden  Figuren  ruht,  und  deren  spitzkegelförmiger  Deckel  gleichfalls  mit 
BelieffflTuppen  bedeckt  und  mit  einem  Adler  bekrönt  ist,  mu&  zu  den  oben  8.  316  aus  dem 
Xin.  Jahrh.  angeführten  nachgetragen  werden;  vergl.  Org.  f.  ehr.  E.  1867.  No.  23,  m.  Abb. 

27* 


420  iDscbrifteo  an 

cenwi  und  Genitori  genito^e  laus  etjubilatio  ans  dem  HymnuB  des  Thomaa 
von  Aqu.  Fange  lingua. 

7(1.  Zur  Belegimg  und  Erläuterung  der  vorstehend  §  65  ff.  über 
Epigraphit  au^estellten  Sätze  dienen  die  folgenden  systematisch  imd 
chronologisch  geordneten  Beispiele  von  Inschriften,  wie  sie  sich  gerade 
auf  kirchlichen  Denkmälern  von  allerlei  Art  darbieten. 

a.  An  Eirohflngebäiiden: *  GeBchicbtliche  Notizen  Aber  GrQn- 
dnng,  Weihung,  Bauzeit  und  Meister  etc.  Die  älteste  bekannte  an  der 
Kirche  zu  Gingen  in  Württemberg  (von  984):* 

Anno  ine — nationis  dotmrUcae  DCCCCLXXXIIIl  \  —  Febr  \  reg 
nante  domno  Ottone  ■  ivniore  rege ':  Salemannvs  abbos  spe  certae 
mercedis  tndvelvs  ■  hoc  oralorivm  a  /vndamentis  i  erexil  algue 

rogaiv  ipsivs  a  venerabili  i  viro  domno  i  gebeharto — 

In  der  Krypta  des  Münsters  zuEsscn  über  einem  WaDdpfeiler(1051):  AntH' 
incarnacionis  dominicae  Mill.  L.  I.  inäict.  IUI.  V.  Id.  Sep.  Dedicatum  ff.v/ 
hoc  Oratorium  a  venerabili  archiepo.  Henmanno  precatu  nobilissimae  sororis 
suae  Theophanu  abbae.- — In  der  got.  Taufkapelle  am  Dome  zu  Worms  auf 
einer  roten  Marmorplatte  (1058):  Anno  dnicae.  incamal.  M.  L.  VIII.  indict. 
Xll.^  II  Kl.  Ocfob.  dedicata  e.  haec  capella  ah  Amoldo  hujus  sedts  epo. 
in  konore.  dni.  nri.  Ihu.  Ä'pi  et  victoriusissime  sce.  civcis.  et  sce.  Mariae  Virg. 
et  scorm.  Nicolai  epi.  Hieronimi  pbri.  Siephani  prolom.  Marcrllini  m.  Comelii 
et  Cypriani  m.  ff'allburgis  v,  de  sepulcro  dni.  —  Auf  einem  Steine  aus  dem 
ehemaligen  Schlosse  Württemberg  in  der  Gruft  der  Kapelle  auf  dem 
Rothenberge  bei  Stuttgart  (10^3):  Anno  dominice  incarn.  mille.  LXXAIII 


_  Flf.  IM  (nncli  Aldciikirehen). 

'  luschriftpn  an  Kireheugcbäudon  in  Hessen,  Nnsunu.  den  Rheinlanden  etc.  a.  in 
Aufsefs  lind  Mono.  Anz.  f.  Kmido  d.  deutseh.  M.-A.    1^S4.    S]..  54— «4. 

*  (iütige  Mitteilung  des  H.  Uiakomis  Klemm  in  Gcislii)gi>n. 

'  nie  ladiktion  »itiinnit  nur,  wenn  sie  nach  dem  piieth.  oder  kaiserlichen  Cirkel 
iMi-eehnet  ist,  da  snnst  luäb  die  Indikt.  XI  hat 


Kirchengebäuden.  42 1 

indic,  V,  VIT,  idus,  feh  ded,  (icatä)  hec.  cap.  (ellä)  ab,  Adelh.  Wormens. 

Ece,  Epo,  in  h.  s —  Hinter  dem  Hochaltare  in  der  Apsis  der  ünterkirche 

zu  Schwarzrheindorf  bei  Bonn  steht  auf  einer  Grobkalksteinplatte  von 
1,96  X  1,12  die  in  Fig.  228  verkleinert  faksimilierte  Inschrift  von  16  Zeilen 
(1151),*  die  wir  zugleich  als  Schriftprobe  geben.  In  der  Stiftskirche  St.  Qui- 

rin  zu  Neufs  steht  auf  einem  Steine  (1209) :  Anno  icarna,  dni.  M,C.C.  V.IJJJ. 

pmo.  iperii,  anno,  Oiionis.  Adolfo.  Colon,  epo.  Sophia.  Ahha.  Magister.  Wolhero. 

posvit  pmv.  lapide.  fbndamenü.  hvi.  iempU.  i.  die.  sei.  ßionisii  mar.  —  In 
der  Schlofskirche  zu  Quedlinburg  (1320)  über  der  in  die  Krypta  führen- 
den Thtir  (mit  Beziehung  auf  den  Chor  der  Kirche) :  Anno  domini  MCCCXX 
opibus  Juiie  dbetisse  de  Kranekefeld  aediftcatum.  —  Im  Münster  zu  Ulm  in 
der  südlichen  Eingangshalle  (1377):  Anno  domini  mccclxxmi  am  zinsiag 
(d.  i.  Dienstag)  der  der  lest  tag  was  des  manatz  Jvnii  nach  der  svnnen  v/gang 
dri  stvnd  von  hai/sen  des  rates  hie  ze  Vlm  lait  Ivdwig  kraft  kraftz  am  kom- 
fnarkt  seligen  svn  den  ersten  ßmdamentstain  an  dieser  Pfarrkirchen.  —  An 
einem  Pfeiler  in  der  Moritzkirche  zu  Halle  a.  d.  S.  (Montags  nach  Mis.  Dom. 
13.  April  1388): 

M  tria\  CCC  scri\pto  post\  octua\gin.  dabis\  oclo\ 
Stante  die  hcne  misericor.  dum  canis  alte 
Tunc  fait  iste  chorusprimo  saxo  renovatiis. 

An  der  Katharinenkirche  zu  Brandenburg  a.  d.  H.  (1401):  Anno  domini 

MCCCCI  constructa  est  hec  ecclesia  in  die  assumtionis  Marie  virginis  per 

magistrum  Hinricum  Brunsbergh  de  Stettin.  —  An  der  Sakristei  der  Petri- 

kirche  zu  Nordhausen  (1447):  Nach  Gotis  Geburt  MCCCCÄLV II  Jahre 

es  diz  Gerwehus  gebuwel  by  den  Formunden^  Henr.  Hoigu.  Henninge  Sehe f er 

—  An  der  Kornelia- Kirche  zuWimpfen  i.  Th.:^  1476  hie  solt  ir  schaven  \ 

die  gn.  zu  Cornelia  unser  lieben  fraven.  —  Am  Westportal  der  katholischen 

Kirche  zu  Hamm: 

De  hir  tho  gaben  und  hebben  gedaen 

De  sollen  gut  lohn  entfahn. 

Düt  is  rvoll  bedagt 

Im  Jahr  1512  sin  ick  hir  gelagt. 

Im  Dome  zu  Halle  a.  d.  S.  unter  dem  Wappen  des  Kardinals  Albrecht  von 
Mainz  (1523):  Deo  opi.  max.  divoque  Mauricio  ac  Matiae  Magdalenae  tute- 
laribus  Albertus,  cuius  hec  signa  dignitatem  genusque  declarant,  hanc  aedem 
ipse  dedicavit  ann.  Christi MDXXIII.  IX.  Kai.  Septemb.  —  Femer  Notizen 
über  bemerkenswerte  Ereignisse:  Am  südöstl.  Strebepfeiler  des  Chors 

»  Vergl.  Aldenkirchen,  in  den  Bonner  Jahrbb.  LXVn,  87—99  u.  Taf.  7. 

*  Die  hier  »Formunde«  genannten  beiden  Vitrici  (sonst  auch:  Prokuratoren,  Pro- 
visoren, Juraten,  Alterleute,  Olderlüde,  Kirchväter,  Gotteshausleute,  unter  Umstän- 
den auch :  Mansionarien)  denen  die  Fürsorge  für  die  kirchlichen  Bausachen  übertragen 
war,  werden  in  den  Inschriften  an  Kirchen  und  auf  kirchlichen  Denkmälern  seit  dem 
XIV.  Jahrh.  viel  öfter  genannt,  als  die  betreffenden  Baumeister  und  Künstler,  und  sind 
gewöhnlich  gemeint,  wenn  zwei  Namen  ohne  nähere  Bezeichnung  neben  einander  stehen. 
An  dem  oben  S.  320  und  418  erwähnten  Taufbecken  zu  Tanger  münde  steht  z.  B. 
auTser  der  Künstlennschrift  am  FuTso  noch  oben  am  Becken  selbst:  hans  bechker 
Hans  burscedel  qui  credederit  et  bavtizatus  fureit  salvus  erit. 

'  Gütige  Mitteilung  des  Herrn  Max  Bach  in  Stuttgai-t. 


422  Inschriften  an 

von  St.  Blasii  zu  Münden  (1342):  Anno  domini  m  c  c  c  lxij\  IX  Kai.  Juli; 
facta  est  inundatio  Wesere  et  Vuläe  tanta  quod  altitudo  aquae  tetigit  basem 
kujus  lapidis  quadrangularis.  —  An  der  westlichen  Mauer  des  Krea^^angs 
von  St.  Katharinen  zu  Lübeck  (1350): 

M.  cum.  L.  ter.  C.  fuerant  arm.  tibi.  Criste. 

Dum.  plus.  quam,  mediam.  ferit.  hanc.  epydimia.  ^  terram. 

Ädde.  1er.  I.  claustrum.  novum.  versum  fit,  ad.  austrum  etc. 

An  der  Marienkirche  zu  Mühlhausen  i.  Th.  neben  anderen  Lokalnach- 
richten aus  dem  XIV.  Jahrh.  (1349):  Anno  dni  MCCCXLIX  dv  worden  die 
yvden  erslagen.  In  deme  selben  iare  dv  biggon  di  geizelere  de  trvgen  rote 
crvce  an  menteln  vnde  an  hvten.  —  An  der  1415  umgebauten  Stadtkirche 
zu  Weifsenfeis:  Anno  domini  m^ccc^l  id  est  iubileo^  flagellatores  fUerunt 
etiudei  cremaü  sunt.  —  In  der  Michaeliskapelle  des  Domes  von  Köln  (1434): 

Anno\  mille\  mo  c  quaiu\  or  quar\  toque  in\  geno\ 
Nonas  octobris  ventus  de  nocte  flat  ingenSy 
Gr andern  per  tectum  lapidem  testudine  pellens. 

Am  Turm  der  Elisabethkirche  in  Breslau:  Anno  domini  1529  am  abend 
Maihie  Apostoli  umb  zwey  der  ganzen  uhr,^  ist  das  bleiene  dach  dieses 
tkurmbs,  welches  von  dem  Crantz  an,  sambt  der  spietze y  knöpf  und  dem 
creutZy  in  alem  119  ein  hoch  gewesen  y  dvrch  vngestumb  des  weters  einge- 
fallen y  vnd  von  den  heiligen  engein  getragen  worden  y  das  es  keinen  schaden 
gethan  hat.  Deme  ewigen  gott  sei  lob  vnd  danck.  Amen,  —  Zuweilen  auch 
allerlei  anderweitige  Notizen,  z.  B.  neben  dem  Portale  der  Kirche  in 
Schulpforta  mit  Beziehung  auf  das  im  Giebelfelde  befindliche  steinerne 
Kruzifix:  In  crucifixo^  qui  est  in  superiori  triangulOy  iste  continentur  reli- 
quiae:  Andreae  apostoli,  Marlyrum  Laurentiiy  Vitiy  Thebeorum  Martyrunty 
Confessorum  Nicolai,  Augustini  y  Cäciliae  Virginis.  Isti  sancti  orent  pro 
nobis.  —  An  der  Deutschhauskirche  zu  Würzburg  (in  Majuskeln):  Ich 
Gvnter  Scholo  Bvrger  vo.  Wrzebvrg  hom  kavet  ein  Pfvnt  Gvlte  zu  Sande 
vzvendic  der  Mvren  daz  han  ich  geben  Vnser  Vrawen  Sante  Marien  zv  dem 
Tvshe  Hvse  zv  eime  ewigen  Lichte.  —  Ungewifs,  ob  nur  ein  Scherz  oder  Be- 
ziehung auf  besondere  Feierlichkeiten  bei  der  (Grundsteinlegung,  ist  die  In- 
schrift auf  einem  Eckstein  an  der  Südostecke  des  Schiffs  der  Stadtkirche  zu 
Mengen  i.  Württemberg  (1479): 

In  dem  Jtain  da  lug  in 

So  fUnd/tu  darin  met  und  win 

di/s  cappeil  hat  gemachet  Conrad  beck  im  mcccclxxixjar.  — 


*  Der  schwarze  Tod. 

*  Papst  Bonifacius  VIII.  erklärte,  mit  Hinsicht  auf  die  jüdische  Einrichtung  des 
Halljahres,  das  Jahr  1300  für  ein  Jubeljahr  (güldenes  Jahr);  Clemens  VI.  veroranete 
schon  für  das  Jahr  1350  die  wiederholte  Feier  des  Jubiläums;  Bonifacius  IX.  feierte 
ein  solches  schon  im  Jahre  1390  wieder  imd  noch  eins  im  J.  1400;  das  fünfte  wurde 
1450  gefeiert,  Paul  U.  aber  setzte  1470  das  Jubeljahr  endgültig  auf  alle  25  Jahre  fest. 
—  Ver^.  Rocca,  de  jubileo  in  Ejusdem  Thesaurus  antiauitatum.  Romae  1745.  t 
197;  Grotefend,  a.  a.  0.,  23.  —  Die  Notiz  über  das  Jubeljahr,  die  Geifsler  und  die 
Juden  kommt  auch  in  der  oben  S.  414  angeführten  Inschrift  in  Hannover  vor. 

3  d.  i.  am  24.  Februar  zwei  Stunden  nach  Sonnenuntergang. 


Eirchengebäuden.  423 

Häufig  sind  in  Wandinschriften  (z.  B.  in  St.  Gotthard  zu  Brandenburg 
gemalt,  zu  Bergholzzell  i.  Elsafs  an  den  Pfeilern  der  Orgelbühne  einge- 
meifselt)  oder  auch  auf  besonders  aufgehängten  Tafeln  (z.B.  Halberstadt, 
8.  oben  S.  383)  Verzeichnisse  der  der  Kirche  verliehenen  Ablässe  angebracht. 
Auf  den  ehernen  Thüren  des  Domes  zu  Mainz  steht  der  Freibrief  von  1135 
eingegraben,  den  Adelbert  I.  den  Bürgern  zu  Mainz  erteilte.  —  In  der 
Bischofskapelle  des  Domes  zu  Merseburg  ein  Katalog  sämtlicher  dortigen 
Bischöfe;  auf  einem  Fenster  im  Kreuzgange  des  Klosters  zu  Doberan  ehe- 
mals ein  Nekrolog  der  Fürsten  Mecklenburgs  von  Niclot  bis  1337;  an  den 
Bogenleibungen  der  Klosterkirche  zu  Berlin  geographische  Notizen  Über 
den  Franziskaner -Orden;  in  der  Klosterkirche  zu  Neu-Ruppin  auf  der 
Wand  bei  der  Orgel  (ehemals)  ein  Nekrolog  des  gräflichen  Hauses  von 
Lindow*  etc  —  In  den  Vorhallen  der  Kirchen  finden  sich  gemäfs  deren 
Bestimmung  für  mancherlei  weltliche  Zwecke  (s.  oben  S.  83)  vielfach  allerhand 
öffentliche  Mafse  angezeichnet  und  durch  Inschriften  erläutert;  z.  B.  sind 
an  der  Vorhalle  des  Münsters  zu  Freiburg  i.  Br.  die  Brotmafse  von  1270, 
1317  und  1320,  sowie  Normalmafse  der  Elle,  der  Klafter,  der  Kohlen,  der 
Ziegel  und  ein  Jahrmarktsverzeichnis  eingegraben  und  an  der  Kirche  zu 
Engen  im  Badischen  ebenfalls  verschiedene  Normalmafse:  ^der  stat  buty 
der  stat  klafter  j<f^  auch  an  der  Ostseite  der  Pfarrkirche  zu  Kulm  inPreufsen; 
zu  Hagenau  1.  Elsafs  an  St.  Georg  ein  Dolch  alsMafs  der  zu  Ende  des  XIV, 
Jahrh.  gestatteten  Waffen;  zu  S c hl ett Stadt  an  St.  Georg  Fruchtmafse, 
Messer  und  Hammer;  zu  Zabern  an  der  Westseite  des  Turmes  der  Kol- 
legiatkirche  das  Holzlängemafs ;  an  der  Martinskirche  zu  Kolmar  mehrere 
Mafse  in  Eisen  in  den  Stein  eingelegt.  Am  Münster  zu  Strafsburg  »uff  der 
Graden«  (d.  i.  am  südl.  Querschiffe)  wurde  nach  dem  Brande  von  1298  das 
Mafs  von  3  Fufs  10  Zoll  eingehauen  mit  der  Beischrift:  dis,  ist.  die,  maze. 
des  vherhanges,^  d.  h.  weiter  durften  bei  Neubauten  die  oberen  Stockwerke 
nicht  über  die  unteren  hinaus  in  die  Strafse  hineinragen.  —  Vielfach  findet 
sich  auch  die  longitudo  Christi  eingehauen,  z.  B.  am  Mittelpfeiler  des  Por- 
tals zu  Rheinacker  (nach  Kraus  für  den  Elsafs  das  einzige  Beispiel). 

Sentenzen  und  Bibelstellen  kommen  im  allgemeinen  seltener  vor, 
als  die  historischen  Inschriften:  denn  obschon  nach  alter  Sitte  im  Mittelalter 
häufig  an  die  Wände  der  Kirchen  fromme  Sprüche  angemalt  wurden,  so  hat 
sich  doch  davon  im  Laufe  der  Zeit  wohl  nur  wenig  erhalten.  —  In  den  Krö- 
nungen der  Portale^  finden  sich  häufig  Inschriften  frommen  Inhalts  aus 


»  Dietrich,  Hist.  Nachr.  v.  d.  Gi-afen  zu  Lindow  u.  Ruppin,  16  ff. 

-  Schon  über  den  Eingängen  der  zu  Anfange  des  V.  Jahrh.  erbauten  Basilika  zu 
Nola  befanden  sich  nach  dem  Berichte  ihres  Erbauers,  des  Bischofs  Pauli nus  (ep. 
ad  Severum  XII.),  Inschriften.    Über  der  einen  Thür  stand: 

Fax  tibi  sit  quicunque  deipenetralia  Christi 
Pectore  pacifico  candidus  ingrederis. 

Über  der  andern  war  ein  gekröntes  Kreuz  angebracht,  darunter  folgende  Verse: 

Cerne  coronatum  domini  super  atrta  Christi 
Stare  crucem,  duro  spondentem  celsa  Idbori 
Praemia:  tolle  crucem  qui  vis  auferre  coronam. 

Vergl.  Bunsen,  die  Basiliken  des  christl.  fioms,  38. 


424  Inschriften  an 

älterer  Zeit,  z.  B.  über  dem  Portal  der  Nonnbergerkirche  zu  Salzburg: 
Porta  patet  vile  Xpc  via  vere  venife^  und  um  ein  Marienbild : 

Splendor  imago  patris  fecundans  viscera  matris 
Janua  luxportus  salvantis  creditur  ortus. 

Zu  Kloster  Petershausen  bei  Konstanz  rings  um  ein  Salvatorbild : 

Praesidet  his  poriis,  qui  solvit  vincula  mortis  — 
sum  quiperduro,  non  sedeo  cum  perituro. 

Vielfach  kommt  zum  Salvatorbilde  hier  der  Spruch  Job.  10,  9:  Ego  sum 
osiium  etc.  vor,  z.  B.  an  der  Klosterkirche  zu  Alpirsbach;  zu  Enniger 
bei  Münster,  zu  Holten sen  bei  Hameln;  am  Dome  zu  Gurk  mit  der  zum 
Teil  verkehrt  stehenden  Beifügung: 

Intranti  rite  per  me  do  pascua  vite; 
Intrat  et  Mc  rite,  ciU  dextera  cor  pia  mite. 

Am  Portal  zuLachem  (Fürstent.  Calenberg)  steht  dagegen  auf  dem  Spruch- 
bande des  Salvator:  Euge  serve  hone  aus  Matth.  25,  21.  —  Andere  Sprüche 
an  Portalen,  zu  Vornbach  in  Nied. -Bayern: 

Sitpax  intrantiy  felix  successus  eunti; 
Agne  dei,  famulis  veniam  da  crimine  lapsis; 

an  der  Katharinenkirche  zu  Oppenheim:  Ampla  patet  digniSj  maJis  via 
clauditur  arta\  an  der  Kirche  zu  Weinsberg:  0  qui  terrenis  inhians  homo 
desipuisti,  his  quid  in  obscenis  gaudes?  cole  numina  Christi  -}~  conradus] 
an  der  ELlosterkirche  zuBürgelin:  Ilec  est  ablutis  baptismate  poria  sal{utis); 
an  der  Ulrichskirche  zu  Sangerhausen  (mit  Beziehung  auf  Landgraf  Lud- 
wig, den  Stifter  der  Kirche):  Suscipe,  sanctCy  domum,  quam  vinctus  compede 
vovi,  —  Über  Inschriften  an  den  Thürringen  s.  oben  S.  87.  An  zwei  bron- 
zenen, die  1879  zu  Münster  ausgestellt  waren  (angeblich  ca.  900  ent- 
standen?) steht: 

Hasjanuas  gentem  causa  precis  ingredientem 
Jes.  Christ,  rex  regum  faciat  conscendere  coelum 
ßemhardus  me  fecit.  — 

Zuweilen  nehmen  die  auf  den  Weltrichter  bezüglichen  Portalinschriften  aus- 
drücklich auf  den  davor  liegenden  Kirchhof  Rücksicht,  z.  B.  zu  Wolfsberg 
im  Lavantthale  von  1474 : 

0  judex  vere  hie  defunctis  miserer e 

Da  requiem  cunctis  hie  et  ubique  sepultis. 

An  der  Konstanzer  Pfarrkirche  zu  Ditzingen  steht  aufsen  am  Eingange  zu 
der  Gruft  unter  dem  Chore  die  Minuskelinschrift  von  1477: 

0  lieber  mensch  do  sott  net  ane  gan 
ein  pater  noster  soit  du  uns  hie  lan 
ach  gott  ist  unsre  so  gar  vergessen 
mit  almu/en  und  mit  meffen 
ach  lieben  freund  kommend  uns  ze  stur 
mit  gebet  und  allmu/en  in  dem  feg  für. 


Kirchengebäuden.  425 

Dagegen  heifst  es  am  Karner  zu  Schwaz  1506:  Hie  ligen  hir  all  geleych 
filier  edel  arm  vnd  auch  reiche  undzuKaysersberg  i.  Elsafs:  Soisfsrechl, 
da  liegt  der  Meisler  bei  seinem  unecht  —  Oben  am  Turme  des  Strafs- 
burger  Münsters  viele  kurze  Inschriften  zur  Verherrlichung  Christi  und 
seiner  jungfräulichen  Mutter:  Maria  glorifical,  Christus  coronat,  der  Spruch 
Joh.  1,  14  etc.  Am  Turme  der  Kirche  zu  Römhild  von  1470  sind  nach  den 
vier  Himmelsgegenden  steinerne  Tafeln  angebracht  mit  den  Inschriften  0. : 
Christus  glorificat  j  Ch,  cuncäs  donal,  N.:  Chr.coronat,  Chr.  etsuperat,  W.: 
Chr.  rex  triumphal ^  Chr.  semper  regnat,  8.:  Chr.  et  imperat,  Chr.  nos  re- 
novat.  Dagegen  im  Mafswerk  der  8  Fenster  des  Achteckgeschosses  am 
Turme  zu  Mariazeil  in  Württemberg  ist  je  ein  Buchstabe  des  Ave  Maria 
angebracht.  Über  Inschriften  auf  Kirchdächern  vergl.  oben  S.  123. — 
Auf  Gewölbeschlufssteinen  kommen  die  Namen  tl|0,  HJfS  undtltfllitt  vor. 
—  Im  Fufsboden,  besonders  von  Backsteinkirchen ^  zuweilen  Inschriften 
frommen  oder  geschichtlichen  Inhalts;  z.  B.  vor  den  Altarstufen  in  der 
Klosterkirche  zu  Zinna,  aus  einzelnen  quadratischen  Ziegeln,  deren 
jeder  eine  Majuskel  en  relief  darstellt,  der  Engelsgrufs:  Ave  Maria  etc. 
(Abb.  bei  Pütt  rieh,  Denkm.  II,  Serie  Jüterbog,  Bl.  17);  im  Chor  des  Domes  zu 
Frauenburg:  Anno  dni.  MCCCJCLIl  dedicalus  est  chorus;  in  der  Frauen- 
kirche zu  Ingolstadt  die  .Jahreszahl  1510  in  c.  3,15  langen  Minuskeln  aus 
roten  Steinen  eingelegt.  —  Auch  an  Nebengebäuden,  namentlich  der  Stifter 
und  Klöster  finden  sich  sowohl  über  Portalen  als  auch  sonst  bezügliche  oder 
auch  anzügliche  Inschriften,  z.  B.  wahrscheinlich  vom  Kloster  St.  Stephan 
zu  Weifsenburg  i.  Elsafs  herrührend,  jetzt  an  einer  Kirche  zu  Altenstadt 
bei  W.:  Hoc  qui  coenohium  cupitis  transire  decorum,  poscite  supremam 
nbhati  veniam  Liuthardi  (t  1032);  über  dem  Eingange  zu  den  Kellerräumen 
des  Petersklosters  zu  Merseburg  stand  noch  1840  in  Minuskeln  die  Stelle 
Ps.  41,  2:  ßealus  qui  intelliffil  super  egenum  et  pauperem,  in  die  mala 
liberahit  cum  dominus.  An  einer  vermauerten  Thür  des  Kapitelhauses  am 
Dome  zu  Mainz  (XIII.  Jahrb.):  Pax  huic  domui  el  omni  habitnnti  in  ea.  An 
einem  Pfeiler  der  Kavate  des  Domes  von  Erfurt  (XIV.  Jahrb.): 

In  Christi  laude  felix  Thuringia  plaude  ^ 
Cujus  habes  donis  tantis  gaudere  patronis. 

An  der  Martinskirche  zu  Worms  (Südseite  des  Langhauses)  in  Majuskeln: 

Cum  mare  siccatur  et  daemon  ad  astra  levatur^ 
Tuncprimics  laicus  fit  clero  fidus  amicus.  — 

Eine  ganz  besondere  Gattung  sind  die  nur  inPreufsen,  und  zwar  an  Kirchen 
und  an  Schlössern  vorkommenden,  einen  umlaufenden  Fries,  auch  die  Ein- 
fassung der  Thür-  und  Fensterbögen  bildenden  weitläufigen  ornamentalen 
Inschriften  historischen  und  besonders  religiösen  Inhalts,  die  aus  ein- 
zelnen erhabenen  Majuskelbuchstaben  auf  quadratischen  Ziegeln  zusammen- 
gesetzt sind,  z.  B.  äufserlich  am  Chore  von  St.  Jakob  in  Thorn:  (^Bene)dic 
domine  domvm  ist{a)m  et  o(mn)es  habitantes  in  illa.  Sit  in  ea  sanitas.  Est 
co(nse)  crand(vs)  chorvs  hie  et  perficiendvs  \  Ad  lavdem  sancti  Ja(co)bi, 
pariterque  Philippi\  In  quo  lavdand{us)  Devs  est  et  glorificandvs  Ad  quem 
svbsidivm  si  qv(is)  porrexerit  vllvm\    Non  mvat  triste  sei  tv  bene  fac  sibi 


426  Inschriften  an  Kirchengebäuden 

Crisfe]  ffvnc  haratri  pena  non  ledat  sed  ad  amena\  Tv  venie  vena  dvcas  (e)l 
Virgo  serena  Et  honitas  CrisH  trahat  illvm  de  nece  (risti,  Amen.  Nachge- 
wiesen sind  dergleichen  Inschriften  zn  Marienburg  (Fragmente),  an  der 
Leichnamskirche  zu  El  hing  (unter  den  Fenstern,  sich  um  die  Strebepfeiler 
verkröpfend,  rund  um  die  ganze  Kirche  laufend),  in  der  Vorhalle  des  Doms 
zu  Frauenburg  (als  Gürtungsfries :  ANNO  DOMINI  MCCCLXXXVUI 
CONPLETA  EST  CUM  PORTICÜ  ECCLESIA  WARMIENSIS  AMEN), 
an  den  Schlössern  zu  Bürgein  und  Lochstädt  (als  Bogen  Verzierungen;  am 
letzteren  Orte  in  deutscher  Sprache).  ^  Ähnlich  als  ein  fortlaufender  Fries, 
aber  doch  in  etwas  anderer  Art,  nämlich  durch  in  Backsteine  gegi'abene  Ma- 
juskeln hergestellt,  ist  die  in  zwei  Zeilen  über  die  Westseite  der  Stifts- 
gebäude am  Dome  zu  Ratzeburg  hinlaufende  lange  Inschrift,  welche  über 
die  Errichtung  der  Westmauer  und  des  Refektoriums  in  den  Jahren  1259 
und  1261  Auskunft  giebt.  —  Im  südlichen  Deutschland  findet  man  im  Mauer- 
werke der  Kirchen  häufig  Steine  mit  antik-römischen  Inschriften  und 
Reliefs  als  Baumaterial  benutzt  und  vielleicht  mit  Absicht  nicht  selten  auf 
den  Kopf  gestellt  (z.  B.  zu  Brenz,  Heidenheim,  Hausen,  Böttingen,  Rifs- 
tissen  etc.)*^  In  der  Marienkirche  zu  Parehim  in  Mecklenburg  in  ähnlicher 
Weise  jüdische  Grabsteine  aus  dem  XIII.  und  XIV.  Jahrhundert,  und  in 
Regensburg  dienten  bei  Errichtung  der  Kirche  zur  schönen  Maria  auf  der 
Stelle  der  bei  einem  Volksauflaufe  1519  zerstörten  Synagoge  jüdische  Grab- 
steine von  dem  gleichfalls  verwüsteten  Gottesacker  der  Juden  in  Masse  als 
Baumaterial  und  wurden  nicht  blofs  in  der  Stadt  an  vielen  Häusern  zum 
Andenken  eingemauert,  sondern  angeblich  auch  in  die  Feme  bis  nach  Oster- 
reich verschleppt.  3 

b.  Auf  Altarplatten  kommen  Inschriften  nur  selten  vor  und  nennen 
dann  meist  nur  den  Stifter  oder  Konsekrator.  So  steht  auf  der  Platte  des 
Altars  zu  Gimte  bei  Münden  in  Majuskeln  um  den  Rand:*  ffatic  arcun  fecii 
Herman  de  Neste  parari;  munus  ei  petimus  christe  perenne  dari  (der  Stifter 
kommt  1290  —  1301  urkundlich  vor)  und  auf  einer  früher  zu  einem  Altare 
in  St.  Ursula  zu  Köln  gehörigen  Platte  der  Name  des  Konsekrators,  das 
Datum  der  Weihe  (1224  prid.  Id.  Mai.),  die  Namen  der  Titelheiligen  und 
ein  Verzeichnis  der  in  den  Altar  gelegten  Reliquien.-'^  Auf  einer  jetzt  im 
Fufsboden  der  Kirche  zu  Prödel  bei  Leitzkau  liegenden  ehemaligen  Altar- 
platte steht  DNI  BALD  .  .  .  .,  was  sich  auf  den  Diöcesanbischof  Balderam 
von  Brandenburg  (1180 —  1190)  zu  beziehen  scheint,  doch  könnte  es  viel- 
leicht auch  Rest  einer  Grabschrift  sein.  Die  oben  S.  134  erwähnten,  zu 
Altarplatten  umgewandelten  Grabsteine  enthalten  zum  Teil  die  Grabschriften 
noch  vollständig.  —  Dagegen  waren  Wandinschriften  neben  und  über  den 


'  Die  Anwendung  von  Inschriften  als  architektonischer  Schmuck  gehört  der  ara- 
bischen Baukunst  an  und  ist  aus  dieser  in  die  Bauten  des  deutschen  Ordens  überge- 
gangen, wobei  Palermo  sehr  wohl  als  Vermittelungsglied  gedient  haben  kann;  vergl. 
Ferd.  v.  Quast,  in  den  N.  Preuls.  Provinzialbl.  XI,  34—38. 

•  Auch  der  oben  S.  395  erwähnte  Grabstein  des  Ulrich  von  Lichtenstein  ist  ein 
überarbeiteter  antiker  Grabstein. 

3  Yergl.  Grf.  v.  Walderdorff,  Regonsburg,  65. 

'  Abb.  Mithoff.   II,  Taf.  2. 

5     »     Org.  f.  ehr.  K.  1858.   BeiL  zu  Xo.  7. 


und  Altären.  427 

Altären,  welche  über  deren  Stiftung  u.  s.  w.  nähere  Anskunft  gaben,  wohl 
häufig  und  sind  nur  durch  spätere  Tünche  verdeckt;  in  Brandenburg  sind 
in  St.  Gotthard  und  im  Dome  eine  ganze  Anzahl  erhalten,  in  letzterem  von 
al  fresco  gemalten  Engeln  gehalten,  z.  B.  die  ausführliche  des  Altars  der 
lOOOO  Ritter:  Anno  domini  Mcccxxxiv^  ipso  die  Dionysii  episcopi  ei  soci- 
orum  ejus  martirum  con/ecratum  est  hoc  altare  in  honore  decem  milium  mi- 
litum  per  reverendum  in  Christo  patrem  et  dominum  Lodowicum  episcopum 
hvjiLS  ecclesie.  Fundatum  et  dotatumper  venerabilem  dominum  Theodoricum 
Kothen  tunc  veteris  civitatis  plebanum  et  postea  (actus  episcopum  et  per  Tylo- 
nem  et  Gerardum  patruos  suos  et  magistnim  Petrum  de  Tangermunda  ipso- 
rum  avunculum  necnonper  dominum  Bartholomeum  Laurencii  hufus  ecclesie 
canonicum.  —  Neben  den  Altären  wurden  auch  gern  die  für  diesen  Zweck 
mit  Schriffcmalerei  und  Miniaturen  kostbar  ausgestatteten  päpstlichen  etc. 
Ablafsurkunden  für  dieselben  im  Original  ausgestellt  (Photol.  Abb.  solcher  aus 
Unna  von  1513  und  aus  Fröndenberg  von  1342  bei  Nordhoff,  Kreis  Hamm, 
108.  142).^  —  Auf  Antependien  beziehen  sich  die  Inschriften  frommen  Inhalts 
gewöhnlich  auf  die  zum  Schmucke  dieser  Vorsetztafeln  angebrachten  figür- 
lichen Darstellungen.  So  steht  auf  der  Tafel  aus  Queren  im  Hamburger  Mu- 
seum (s.  S.  136)  mit  Beziehung  auf  das  die  Mitte  einnehmende  Salvatorbild : 

Sum  lux  etema  residens  in  sede  supema 
Lux  ego  sum  vite  per  me  super  astra  venUe 

und  mit  Bezug  auf  die  Bestimmung  des  Altars :  Est  deus  hie  regnans  hie  sa- 
cratur  et  ebibitur  roseus  cruor  agm  per  quem  sulphurei  tepuit  violentia  stagni;^ 
auf  dem  Antependium  in  Klosterneuburg  (S.  142,  N.  2)  findet  sich  indes 
auch  die  mit  der  Jahreszahl  und  dem  Künstlernamen  verbundene  Widmung: 
Anno  milleno.  centeno,  septuageno.  nee.  non.  undeno.  Wemherus.  corde,  sereno. 
sextus  prepositus  tibi  virgo.  Maria,  dicavit.  rpiod,  Nicolaus  opus  Virdunensis 
fabricuvit,  —  Ebenso  haben  die  auf  Tragaltären  vorkommenden  Inschriften 
gewöhnlich  nur  Beziehung  auf  die  figürlichen  Darstellungen:  die  Hauptin- 
schrift auf  dem  Portatile  des  h.  Gregorius  zu  Siegburg  (s.  S.  148,  N.  5) 
spricht  die  Bestimmung  desselben  zur  Feier  des  Mefsopfers  in  ganz  spiri- 
tualistischer  Umdeutung  aus : 

Qvidquid  in  ältari  mactatur  materiali 
Cordis  in  altari  completur  spiritualL 
Hostia  visibilis  mactatur  operta  figura 
Immolat  hanc  pura  devocio  mentis  in  ara. 
Ära  crucis  Christi  mensae  communicat  isti 
ffac  etenim  rite  sacratur  victima  vitae. 
In  qua  structura  virtutum  non  ruitura 
Ponitur,  haec  domino  digna  domus  struitur. 


*  So  ist  die  jetzt  falsch  restaurierte  Jahreszahl  nach  den  Urkunden  in  Riedel  cod. 
dipl.  Brand,  zu  berichtigen. 

'  Mit  diesen  Ablafsoriefen  wurden  in  berühmten  Wallfahrtskirchen,  wie  dies  von 
AVilsnack  ausdrücklich  berichtet  ist  (Ludecus,  Historie  von  der  Erfindung  etc.  Sign. 
Q.  4  f.  V.),  auch  die  Kanzehi  behängt  als  drastisches  Anschauungsmittel  fi&  die  Ab- 
lafspredigten  bei  den  gröfseren  "Wallfahrts-Zügen. 

^  Nach  gütiger  Mitteilung  des  Herrn  Direktor  Brinckmann  zu  Hamburg. 


428  Inschriften  an  Kronleuchtern,  in  Codices, 

Die  erste  Hälfte  dieser  Inschrift  findet  sich  auch  auf  dem  Portatile  zu  Xan- 
ten (s.  oben  S.  149,  N.  8).  —  Von  den  Inschriften  auf  Altanchreinen  gilt 
dasselbe.  Notizen  über  die  Stifter  u.  s.  w.  finden  sich  meist  unten  auf  den 
Rahmen  des  Hauptschreins  oder  der  Flügel  und  zwar  sowohl  auf  den  Aufsen- 
als  auf  den  Innenseiten,  zuweilen  auch  an  der  Predella. 

c.  An  Kronlenchtern.  Der  Inschriften  an  den  roman.  Lichterkronen  und 
ihres  wesentlichen  Inhalts  ist  schon  S.  159  gedacht:  sie  erklären  die  Sym- 
bolik des  himmlischen  Jerusalem  und  nennen  den  Donator,  welchem  Him- 
melslohn angewünscht  wird.  Am  ausführlichsten  ist  die  aus  24  Versen  be- 
stehende Inschrift  in  Komburg;  die  Krone  zu  Hildesheim  enthält  zwei 
Inschriften  von  12  Versen,  von  denen  die  obere  die  erhabene  Stadt,  die  un- 
tere den  Donator  preist.  Die  Aachener  Inschrift  lautet  in  16  Hexametern, 
von  denen  die  6  ersten  reimlos  sind : 

Celica  Jherusalem  Signatur  imagine  tali 
Visio  pacis  certa  quietis  spes  ibi  nobls 
nie  Johannes  gracia  Cristipreco  salvtis 
Quam  patriarcJw  quam  prophete  denique  virtvs 
Lvcis  apostoUce  fundavit  dogmate  vita 
Urbem  siderea  labentem  vidit  ab  a^Uhra 
Avro  ridentem  mundo  gemmisque  nitentem 
Qva  nos  in  patria  precibvs  pia  siste  Maria 
Cesar  catholicus  Romanorvm  Fridericus 
Cum  specie  numerum  cogens  attendere  clervm 
Ad  tempU  normam  sva  svmvntmunera  formam 
Istivs  octogone  donvm  regale  corone 
Rex  pivs  ipsepie  vovii  solvitque  Marie 
Ergo  Stella  maris  astris  prefvlgida  claris 
Svscipe  mvnificum  prece  devota  Fridericum 
Conregnatricem  sibi  ivnge  svam  Beatricem. 

An  einem  eisernen  Standleuchter  zu  Bayenburg  steht  einfach:  Fiat  lux. 

d.  In  Erangelien-  nnd  Mefsbüohem  kommt  Inschriftliches  vor,  inso- 
fern zwar  durchgehendsein  Titel  fehlt,  aber  wenigstens  bei  kostbareren,  von 
fürstlichen  Personen  oder  ihnen  dedicierten  meist  in  der  Nähe  des  Anfangs 
ein  die  Dedikation  darstellendes  Miniaturbild  mit  bezüglichen  Beischriften 
sich  findet,  und  am  Schlüsse  Nachrichten  über  den  Schreiber,  Besteller,  das 
Datum  der  Beendigung  unter  Selbstlob  oder  auch  Stofsseufzem  über  die 
Arbeit  und  sehr  gewöhnlich  in  Nachahmung  von  Apokal.  22,  18.  19  ein 
Anathema  gegen  etwaige  Entwender  des  Buchs  in  den  mannigfachsten  For- 
men angefügt  werden,  wovon  Wattenbach,  Schriftwesen  imM.-A.  2.  Aufl. 
S.  416 — 447  zahlreiche  Beispiele  angeführt  hat.  —  ImXV.  Jahrh.  dienen  die 
Innenseiten  der  Deckel  und  die  Schmutzblätter  der  Missalien  häufig  auch 
zur  Eintragung  des  Inventars  des  betr.  Altars  an  Büchern,  Geräten  und  Ge- 
wändern, sowie  der  zu  seiner  Dotierung  gehörigen  Zinsen  und  Gefälle  und 
ausgeliehenen  Kapitalien  etc.,  die  Kaiendarien  derselben  aber  wurden  von 
jeher  als  Nekrologien  und  Obituarien  benutzt,  d.  h.  als  Verzeichnisse  der 
Stifter  und  Geschenkgeber,  für  die  an  dem  betr.  Altar  Memorien  zu  halten 
waren. 


auf  Eeliqaiahen  und  Kelchen.  429 

e.  Auf  Reliqniarien  häufig  die  Bezeichnung  der  in  denselben  enthalte- 
nen Heiligtümer,  gewöhnlich  in  der  Formel:  In  hac  capsa  (thecüj  arca,  hoc 
scrinio  etc.)  conttnentur  (sunt,  conservantur)  reliquiae  etc.,  und  nun  folgt, 
zuweilen  auch  ohne  diese  Einleitung,  das  Verzeichnis  der  heil.  Überreste. 
Die  Entfremdung  derselben  wird  mit  dem  Anathema  bedroht,  z.B.  auf  einem 
elfenbeinernen  Reliquienkästchen  aus  dem  XIII.  Jahrh.  zu  Gladbach:  Nos 

Theodoricus  abbas  ....  sub  insmuatione  anathematis inhibemus,  ne  quis- 

quam  hos  pretiosas  sanctorum  reliquias distribuere  t^el  subtrahere  audeat 

(vergl.  aus'm  TVeerth,  11,  53.  N.  14).  —  Auf  dem  Bleikästchen  zu  Lim- 
burg a.  L.  (s.  oben  S.  135,  Fig.  50)  stehen  zwei  hexametrische  Inschriften, 
deren  eine: 

Amplus  in  angustajacet  hac  thesaunis  in  arca 
Copia  sanctarum  quam  maxima  reliquiarum 
Qua  comes  Heinricus  structure  conditor  hujus 
Largus  larga  sui  cumulavit  munera  templi 

den  Gründer  des  Altars  und  der  Kirche  nennt,  während  die  andere : 

Hac  domini  testes  concordant  pace  fideles 
Per  quos  virtutis  pax  et  medicina  salutis 
Exuberatpura  lofis  babtismatis  unda 

sich  auf  die  4  Evangelisten  bezieht,  deren  Namen  zu  den  Seiten  der  In- 
schriften stehen.  —  Dafs  an  den  Reliquien-Kästen  und  Hörnern  aus  Elfen- 
bein sich  häufig  arabische  Inschriften  finden,  ist  schon  oben  S.  197  u.  211 
erwähnt. 

f.  Auf  Kelchen  findet  man ,  abgesehen  von  Legenden  zur  Erläuterung 
der  auf  denselben  vorkommenden  figürlichen  Darstellungen,  zuweilen  Noti- 
zen mit  Angabe  der  Donatoren  (oben  S.  216):  so  steht  schon  am  Fufse  des 
Tassilokelches  zu  Kremsmünster  (8.  220)  der  Hexameter:  TassUo  dvx 
fortis  Liutpirc  virgo  regalis;  am  Fufsrande  des  Henkelkelchs  zu  Marien- 
stern (8.  218)  das  Distichon: 

Jutta  deo  cara  calicem  quc  ponit  in  ara 
Vt  tibi  Sit  Clara  virgo  Maria  para. 

Über  die  Inschriften  auf  dem  alten  Kelche  zu  Werden  vergl.  oben  8.  221, 
und  über  die  Buchstaben  auf  den  Zapfen  am  Knaufe  gotischer  Kelche  8.  227. 
—  Um  den  Knauf  des  8.  225  erwähnten  Kelches  in  Berlin  steht:  Agnus 
deij  qui  tollis  peccata  mündig  miserere  nobis.  Amen,  —  In  späterer  Zeit 
nimmt,  wie  in  dem  Bildwerk  der  Kelche,  so  auch  in  den  Inschriften  derselben 
der  Marienkultus  überhand,  auf  den  Zapfen  des  Knaufs  oder  oberhalb  oder 
unterhalb  desselben  um  den  Ständer  steht  in  der  Regel  Ave  Maria  oder  Hüf 
Maria  (neibeji  Hilf  Got  oder  hilfGot  aus  aller  Not),  am  Kelche  zu  Mutschen 
vor  1513  sogar:  Selp  drit  hilf  Sant  Anna,  Auf  dem  Kelche  zu  Maria  Saal 
1466  steht :  Maria  hilf  mir  Jörgen  Ungnaden  und  allen  mein  forfadem  und 
nachkommen,  am  Fufsrande  eines  zu  Eichstädt  der  Dialog:  In  gremio 
matris  residet  sapientia  patris  \  Tu  mihi  nate  pater  et  tu  mihi  filia  mater.  — 
Auf  einem  spätmittelalterlichen  der  Othmarskirche  zu  Naumburg  a.  8.: 
Porto  portantem  omnia.  Auf  Bruchstücken  zweier  zu  Regensburg  gefundenen 
Glaskelche  im  Bayr.  Nat.-Mus.  zu  München  :  Tu  es  Chr.  Fil  Dei.  Vivi  und  : 


430  Inschriften  auf  Patenen,  Sakramenthäuschen  u.  s.  w. 

Ave  gracia  plena  etc.  —  Inschriften  auf  Patenen  bezeichnen  zuweilen  die 
Donatoren  (z.  B.  zu  Salzburg  —  s.  S.  232  —  gaudeat  in  vita  He'mriciis 
sirus  et  ita\  oder  beziehen  sich  auf  die  zum  Schmucke  dienenden  Gravierun- 
gen (z.  B.  sehr  ausführlich  auf  der  Wiltener,  S.  232)  und  auf  das  Abend- 
mahlsbrot, z.  B.  auf  der  Bernwardspatene  (s.  oben  S.  233,  Fig.  85)  das 

Distichon : 

Est  corpus  in  sepanis  qui  frangitur  in  me 

Vivet  in  etemnm  qui  bene  sumit  eum ; 

auf  einer  anderen  im  Germ.  Mus.  zu  Nürnberg: 

En  panis  sacer  et  fidei  laudahile  munus 
Omnibus  omnis  adest  et  sufficit  otnnihus  unus. 

Auf  der  zu  dem  S.  224  erwähnten  Kelche  zu  Werben  gehörigen  Patene 
steht  rings  um  ein  Christusbild  der  Hexameter:  Editvr  hie  Jhesvs  etperma- 
net  integer  esvs,  und  auf  der  zu  dem  Berliner  Kelche  gehörigen  Patene 
unter  anderem :  Mafia,  laus  tibi  per  omnia  secuta ,  quia  per  incamati  verbi 
misterium  nova  mentis  nre.  oculis  lux  tue  ctaritatis  infulsit.  —  Auf  dem  Boden 
der  byzantinischen  Weihbrotschttssel  im  Dome  zu  Halberstadt  (s.  S.  234) 
stehen  in  0,02  hohen  griechischen  Majuskeln  ohne  Wortabteilnng  rings  um 
die  figürlichen  Darstellungen  der  Mitte  die  nach  I  Korinth.  11,  24undMatth. 
26,  28  komponierten  Worte  der  Einsetzung:  Aaßere  (pa^rare  tovto  iaiiv  lo 

aafda  fiov  t6  vnig  v/iär  xldfievor  eig  Sffsaiv  afinQju'v, 

g.  An  Sakramenthanschen  zuweilen  Anrufungen  an  die  Hostie,  auch 
Notizen  über  die  Einrichtung  etc.  An  dem  mit  Engelgruppen  verzierten 
Tabernakel  von  1505  zu  Schwabach,  ebenso  zu  Katzwang,  Kalch- 
reuth,  an  dem  Wandtabernakel  in  Maria-Stiegen  zu  Wien  und  sonst  häufig: 
Ecce  panis  angelorum  etc.  (Anfang  der  Schlufsstrophe  in  der  bekannten 
Fronleichnams -Sequenz  des  Thomas  Aquinas:  Lauda  Sion  salvatorem).  — 
An  dem  ziemlich  gleichzeitigen  Sakramenthaus  in  der  Nikolaikirche  zu 
Jüterbog:  Satve  tux  mundi,  verbumpatris,  hostia  vera  Dei  integra,  quia 
caro  verus  hämo;  an  dem  im  Dome  zu  Fürstenwalde  von  1514  der  Spruch 
Ps.  25,  8 :  Domine,  dilexi  etc.  —  An  dem  Tabernakel  in  der  Elisabethkirche 
zu  Breslau:  Ad  gloriam  et  taudem  di.  anno domini M^cccclv  hoc  sacrarium 
constructum  est  vivifici  sacramenti  corporis  dommi  nri  Jhesu  Christi  et  sancti 
Laurencii  et  beate  Elisabeth  patronorum.  —  An  der  Bronzethür  des  Sakra- 
mentschreins in  St.  Blasien  zu  Münden  steht  die  Mahnung: 

Quipreit  et  nescit,  quid  in  hoc  locvlo  reqviescit 
inclinet  isti  locvlo  pro  corpore  cristi 

und  das  deutsche  Votum : 

got  mvte  de/yle  pleghe  dy  hirtu  heft  gehvlpe  vnde  gheiv. 

Dieselbe  Beziehung  auf  die  Hostie  haben  Inschriften  auf  Monstranxen,  z.B. 
auf  einer  Monstranz  zu  Vreden:  Si  quis  manducavit  ex  hoc pane,  vivet  in 
aetemum.  Auf  den  Zapfen  des  Nodus,  ähnlich  wie  bei  Kelchen  die  Buch- 
staben der  Namen  Jhesvs  oder  Maria ;  z.  B.  an  einer  vergoldeten  Monstranz 
zu  Heiligenwalde  (Kr.  Königsberg  i.  Pr.)  die  Majuskeln:  A.  V.  E.  M. 
A.  R.  —  Ebenso  verhält  es  sich  mit  den  Ciborien.  Vergl.  die  Inschrift  an 
dem  zu  Siegburg  oben  S.  237,  N.  7.  —  Auf  einem  zu  Brunn  steht  am 


an  Gefäfsen  für  h.  öle,  Weihwasserbecken  u.  Bisohofstäben.  43 1 

Fufse :  ego  svm  paniSy  am  Körper :  hoc  est  corpiis  Jesu  christif  am  Deckel : 
corpus  dni  nostrijesu. 

h.  Über  die  Bezeichnung  der  Ctofä&e  for  die  h.  Öle  mit  den  Initialen 
s.  oben  S.  261.  Von  den  Regensburger  Fläschchen  (s.  ebd.)  hat  das  mit 
0.  S.  bezeichnete  für  daa  Chrisma  die  InBchrift: 

Clauditur  hiis  trina  vasis  anime  medicma 

Sanctum  chrisma  sacrum  decumbentumque  lavacrum; 

das  Fläschchen  für  das  Krankenöl  die  Bezeichnung  0. 1.  und  die  Inschrift : 

Hemrico  fundas  oleum  quo  crimina  mundas 
Et  super  instüla  Petre  qui  tibi  tradidit  illüy 

das  Gefäfs  für  das  Katechumenenöl  die  Bezeichnung  0.  S.  und  die  Inschrift : 

Unccio  purgandis  iterumque  deo  generandis 
De  Roteneck  nato  sedisqtce  tuo  kathedrato. 

i.  Auf  alten  Weihwasserbecken  in  Frankreich  und  England  (ob  auch 
irgendwo  in  Deutschland?)  kommt  das  griechisclie  Anagramm  vor: 

ISfmtONANOMHMAMHMONANO^flN 

»Wasche  die  Sünde  ab,  nicht  blofs  das  Antlitz«,  dessen  Ursprung  in  Byzanz 
zu  suchen  ist,  wo  diese  sinnreiche  vor-  und  rückwärts  zu  lesende  Inschrift 
auf  dem  grofsen  Weihwasserbecken  im  Vorhofe  der  h.  Sophia  geschrieben 
stand.^  —  Auf  den  Rändern  der  in  Elfenbein  geschnitzten  vasa  lustralia  aus 
der  Ottonenzeit  (s.  oben  S.  262)  finden  sich  Verse,  die  sich  auf  die  ausge- 
zeichnete Bestimmung,  den  Donator  und  Verfertiger  beziehen.  Auf  dem 
oberen  Rande  des  Mailänder  Eimerchens  steht  das  Distichon: 

Vates  Ambrosü  Gotfredus  dat  tibi  sancte 

Vas  vemente  sacram  spargendum  Caesare  h/mpham, 

Erzb.  Gottfried  von  Mailand  973—978  brachte  also  das  Geföfs  beiGelegen- 
lieit  eines  Besuchs  Kaiser  Otto  II.  seiner  Ambrosiuskirche  als  Geschenk  dar. 
Auf  dem  unteren  Rande  des  nach  England  verkauften  Gef^fses  steht  mit 
Beziehung  auf  U  Kön.  20,  6  das  Distichon: 

Auodt  Ezechie  ter  quinos  quipater  annos 
Otoni  augusto  plurima  lustra  legat 

und  der  schon  S.  413  angeführte  Vers  mit  der  griechischen  Bezeichnung  des 
Bildners  aliptes.  Auf  dem  Aachener  Gefäfse  fand  man  bei  Abnahme  der 
goldenen  Schmuckbänder  im  J.  1863  den  Namen  Otto  eingeritzt. 

k.  über  Inschriften  auf  Bischofstaben  ist  schon  S.  278  berichtet.  An 
dem  des  h.  Utto  zu  Metten  steht: 

Quod  dominus  Petro  Petrus  tibi  contulit  Utto; 

auf  dem  aus  dem  Grabe  des  Erzb.  Anno  von  Köln  zu  Siegburg: 

Tytyre  cogepecus  cecos  ne  ducito  cecus 
Moribus  esto  gravis  rector  fore  disce  suavis 
Astu  serpentis  volucris  tege  simpla  gementis 


»  Vergl.  Zeitschr.  f.  ck  A.  u.  K.  I,  36.  232. 


432  Inschriften  an  Choi*stühlon  und  Kanzeln, 

mit  Beziehung  auf  die  in  der  Krümme  befindliche  Darstellung  einer 
Schlange  die  einen  Vogel  verschlingt.  —  Auf  der  Mitra  in  St.  Peter  zu 
Salzburg  steht: 

Praevia  Stella  maris  lapsis  quaejure  vocaris 
Da  cordi  lumen  verum  cognoscere  Numen 
Ä  me,  Virgo  pia^  triplices  expelle  Maria 
Mostes  atque  veni  me  sacro  flamine  leni 
Divinas  laudes  superans  super  aethera  plaudes. 

Um  den  in  der  Schatzkammer  des  Domes  zu  Köln  befindlichen  Stab  für  den 
Vorsänger  (s.  S.  372),  windet  sich  (nach  De  Noel,  Dom  zu  Köln  S.  112)  in 
Spiralen  folgende  Inschrift: 

Sunt  praecentorum  baculus  specialis  et  horumj 
In  manibtis  quorum  ferar  in  festis  baculortim 
Laus  mea  solempnis  et  erit  mea  fama  perhennis. 
In  festis  magnis  renovanda  quibuslibet  annis, 
HugOj  decus  cleri,  virparcere  nescius  eri, 
Me  fieri  fecit^  mejussit  honore  teneri. 
Annus  mülenus  centenus  septuagenus 
Octavus  Christi  primtis  baculo  fuit  üti, 

1.  An  Chorstühlen  oder  über  denselben  in  Klosterkirchen  zuweilen  aus- 
führliche statistische  Nachrichten  über  die  Verbreitung  des  betreflTenden 
Ordens  z.  B.  in  der  (Franziskaner-) Klosterkirche  in  Berlin  aus  dem  XV. 
Jahrh.  oder  in  der  Nikolaikirche  zu  Neuröbel  in  Mecklenburg,  wohin  die 
Stühle  aus  der  ehemaligen  Dominikaner- Klosterkirche  geborgen  sind:  hier 
auch  die  einzelnen  Sitze  mit  Bezeichnung  der  Inhaber,  z.  B. :  Hie  est  sedes 
cantoris  etc. ;  ferner  Sprüche,  als :  Non  clamor  sed  amor  sonat  in  aure  dei; 
und  die  Notiz:  anno  dni  1519  per  me  fratrem  Urbanum  Schuman.  —  An 

den  Chorstühlen  des  Domes  in  Merseburg:  Jnno,  dm.  m^,cccc^jrlvp.  [acte, 
sunt,  he,  sedes,  per.  manvs.  frutris.  casperi,  schokholcz,  ordinis.  pdicatorv.  — 
Die  humoristische  Inschrift  zu  Freising  ist  schon  S.  287  mitgeteilt;  S.  286, 
N.  3  auch  die  Verse  von  dem  Gestühl  zu  Landshut.  In  St.  Leonhard  zu 
Basel  steht  an  der  südlichen  Reihe :  verfluoch  ä  die  k(atzen  die  vorne  lecken 
und  hinten  kratzen)  (dies  Ende  existiert  nicht  mehr),  an  der  nördlichen: 
ernst  ob  dem  altar  zucht  in  dem  kor  das  ist  unser  labor.  An  dem  Futterbrett 
des  nördl.  Dreisitzes  von  etwa  1510  im  Dome  zu  Merseburg: 

Tet .  lige .  als .  we .  als .  ste .  trage. 

So ,  wehilde ,  mannige .  di  Ivgen ,  in ,  seinem ,  krage. 

Sage ,  war .  an ,  alle ,  spot. 

An  dem  Stuhle  der  Krämergilde  in  St.  Nikolai  zu  Stralsund: 

Dat  ken  kramer  is  de  blief  da  buten 
Oder  ik  schla  em  up  de  schnuten. 

An  Kanzeln  sind  im  Mittelalter  Inschriften  aufser  Stiftungsnotizen  selten. 
An  der  zu  Rakoni  tz  in  Böhmen  von  1504  steht:  Exiit  qui  seminat  seminure 
semen  suum  (Luc.  8,  5). 


und  Tau£steinen.  433 

m.  AnfTanftteinen,  namentlich  ans  älterer  Zeit,  Sprüche,  die  sich  auf 
die  Bedeutung  der  Taufe  beziehen :  z.  B.  auf  dem  alten  Taufsteine  im  Dome 
zu  Merseburg: 

HoSj  deuSf  etnunda  qtws  istic  abhcit  unda^ 
Fiat  ut  mterius^  guod  fit  et  externes. 

An  dem  angeblich  aus  dem  XIII.  Jahrb.  herrührenden  Taufkessel  in  der 
Gotthardskirche  zu  Brandenburg  a.  d.  H.:  Abluo  peccata^  do  coeli  gaudia 
grata.  —  An  dem  Taufsteine  in  der  Kirche  zu  Flötz  bei  Barby:  Xpc.  wart 
gedoufi  un,  dri  stunt  he  sauft  m  dem  Jordane^  da  wart  ir  sunt.^  An  dem 
Tanfsteine  in  der  Kirche  zuFreudenstadt,  mit  Beziehung  auf  das  Relief 
eines  Hirsches,  der  eine  Schlange  ausspeit:  Evomit  infusum  homo  certms  ah 
angue  venenum.  An  dem  Taufkessel  im  Dome  zu  Osnabrück: 

Qwmdo  sacramentum  fit  aque  simplex  elementum 

Verho  virtutis  Operator  dona  sahUis 

Nam  redit  ad  vitam  novus  et  vetus  interit  Adam. 

A.    (jJ, 

Wübemus  Petre  confert  istut  tibi  danum 

Utper  te  summumpossit  habere  honum. 

Gerardus  me  fecit. 

An  dem  Taufkessel  im  Dome  zu  Würzburg  die  Notizen,  oben  herum:  Anno 
incamacionis  domini  MCCLXIX  regnante  Rudolfo  rege  Romanorum  anno 
regni  sui  sexto  et  Bertholdo  de  Sterrenherg  epo,  ecclesie  isthts  anno  pondift- 
cafi  sui  quinto  procurante  Walthero  plehano  capellano  ejusdem  completum; 
auf  Spruchbändern :  Hoc  opus  atme  dei  presul  Küiane  peregi.  Eckardus 
nomen  michipax  sit  deprecor.  Amen;  und  unter  der  Darstellung  der  Taufe 
Christi:  Äpi  p.  mar^  magistri  Eckardi  de  Wormh.  —  An  dem  Taufkessel 
von  1321  im  Dome  zu  Salzburg:  Sum  vas  ex  aere  factum  peccata  delere\ 
Per  me  fit  sacri  purgatio  vera  lavacri^  Purgatur  totum  quod  sit  haptismate 
lotum.  —  Am  Taufbecken  der  Marktkirche  zu  Hannover  (nach  1400): 
Asperges  me  dämme  ysopo  et  emundahor^  lavahis  me  et  super  nwem  dealha- 
hör.  Vidi  aquam  egredientem  de  templo  a  latere  dextro  altaris  et  omnes  ad 
quos  pervenit  aqua  ista  salvi  facti  suntj  aus  Ps.  51,  9  und  Ezechiel  47,  1.  9 
zusammengesetzt.  An  den  Taufkesseln  zu  Altenbruch,  Estebrügge  und 
Borstel:  Qui  baptizatur  hoc  sacro  fönte  lavatur.  —  Über  Mariensprüche 
auf  Taufbecken  s.  oben  S.  419.  —  Am  Taufkessel  der  Marienkirche  zu 
Berlin  von  1434: 

Ik  hete  ene  dope  werliken 

ik  dine  den  armen  also  den  riken. 

Am  Taufkessel  der  Petri- Paulikirche  zu  Görlitz:  fFer  nv  czv  hemyl  welle 
vaniy  der  sal  sich  myt  der  thvffe  hewam.  Auf  dem  Taufsteine  von  1481  zu 
St.  Stephan  in  Wien  steht  der  Spruch  Marci  16,  15.  16:  Ite  in  orbem  Uni- 
versum etc.  —  Auf  jüngeren  Taufsteinen  häufig  Nachrichten  über  Zeit  der 
Verfertigung;  hier  nur  einige  Beispiele  deutscher  Inschriften:  an  demTauf- 


'  Vergl.  Wiggert,  in  N.  Mitt.  Th.-S.  V.  m.  4,  109. 

Otte,  Ranst- Archäologie.   5.  Aafl.  28 


134  Inschriften  auf  Taufetemen  und  Taufschüsaeln. 

kesBel  in  der  Hsrienkirche  zn  Parchim:  Leven  lüde  wettet,  dat  mest.  heni. 
ffud  did  vad.^  Anna  dm  1365 ;  ad  dem  Tanfkessel  in  der  Ulrichakirche  lu 
S&ngerhausen:  Nach  gotes  gebort  drizenhunderl  jar  an  demnuon  vnd 
sechzigesten  von  gnade  herczoge  magni  des  jungem  v5  brunstv*  vn  erbeüder 
heysen  cendner  im  Heyne  becker  und  darnnter  in  einer  besonderen  Zeile  die 
Worte:  alter  lute.'  Die  zn  TangermUnde  b.  S.  412,  Anf  dem  oben  ge- 
nannten Brandenburger  Eeseel  steht  noch  die  zweite  Zeile  Obiit .  Eb/za- 
beth .  XI .  Kl .  Septebis,  wonach  derselbe  eine  Hemorlenstiflnng  zn  sein 
scheint.  Ganz  ohne  Beziehung  anf  den  Tanfstein  selbst  ist  die  historische 
Inschrift  an  dem  zu  Freckenhorst  (9.416).  —  Auf  der  Patetuchäsael  zu 
Weimar  (s.  oben  S.  304,  N.  2)  steht: 

Caesar  et  Augustus  hec  Ottoni  Fridericus 
Munera  patrmo  contulit,  ille  deo. 

Quem  lavat  unda  foris,  hominis  memor  mteriorii 
Ut  sis,  quod  non  es,  ablue  terge,  guod  es. 

n.  AufTan&ohtueln.  Zu  unverdienter  Berühmtheit  gelangt  sind  wegen 
ihrer,  wie  es  scheint,  gesuchten  Rätselhaftigkeit  die  Inschriften  auf  den 
S.  321  Anmerk.  erwAhnten,  dem  XV.  bis  XVII.  Jahrh.  entstammenden,  weit 
verbreiteten  UessingschOsseln.  Gewöhnlich  haben  dieselben  zwei  ringsum 
laufende  Legenden,  welche  in  der  Regel  fünfmal  dieselbe  kurze,  meist  un- 
erklärliche, Formel  wiederholen;  im  Aufsern  Umkreis  Majuskeln,  im  innem 
verschnörkelte  Minuskeln,  z.  B.  EH  (Variante  ICH)  BART  ALLZEIT  GELUK 
(diese  ohne  Zweifel  nrsprQnglich  Uochzeitsscbtlsseln,  s.  oben  S.  322).  —  VAN 
ALLEN  SCHRIFTII\'REN  HET  SLODT  NYT  SONDER  GODT.  —  RAHE 
WISHNBI.  —  GHSEAL .  REKOR .  DE .  N  (ho  ist  diese  Legende  nach  genauer 
Untersuchung  der  Stempel  zn  gruppieren,  aber  mit  mannigfachen  Varianten; 
vielleicht  zn  lesen  ik  scal  re/conlen  =^  souvenir).  Am  meisten  Kopfzerbrechen 


hat  die  um  den  innem  Rand  lanfende  Legende  aus  7,  in  der  Regel  wie  in 
Fig.  229  gruppierten  (aber  vielfach  variierten)  Zeichen  gemacht.   Sie  als 


'  Auch  Glocken  heifsen  »Fafe  (pos)-  z.  B.  auf  einer  Glocke  der  ülrichskirohe  zu 
ingerhausen;  Anno  domini  m.ceee.  wart  dit  vas  gemadit. 

'  Daher  zweifelhaft  ist,  ob  diose  Namen  wirklich  die  Giofeer  oder  oicUt  vielmehr 
e  beiden  Alterleate  (B.  oben  S.  421)  bezeichnen. 


Grabsch^iften.  435 

MLvtHEr  zu  deuten,  ist  vielleicht  nicht  ganz  so  willkürlich  wie  die  anderen 
bisherigen  Dentongsversuche.  ^ 

0.  Grabschriften ^  bilden  die  grofse  Mehrzahl  der  Inschriften  in  den 
Kirchen.  Sie  haben  poetische  oder  prosaische  Form  und  beziehen  sich  auf 
den  Verstorbenen.  Gewöhnlich  sind  sie  auf  den  Leichensteinen  ringsum 
laufend'  angebracht  und  enthalten  eine  kurze  Angabe  über  Namen,  Stand 
und  Todestag  des  Verstorbenen.  In  den  ältesten  mittelalterlichen  Grab- 
schriften fehlt  regelmäfsig  die  Angabe  des  Todesjahres,  da  nicht  dieses,  son- 
dern wegen  der  kirchlichen  Anniversarien,  nur  der  Todestag  von  Wichtig- 
keit erschien.  Wenn  eine  Grabschrift  das  Todesjahr  eines  Verstorbenen 
enthält,  ohne  Angabe  des  Todestages  (wie  dies  z.  B.  der  Fall  ist  auf  dem 
Hochgrabe  des  Dompropstes  Johann  Semeca  im  Dome  zu  Halberstadt,  wo 
es  heifst:  Anno  D,  Mülesmo  CCXLV  ohitt;  oder  auf  der  Tumba  der  Kaise- 
rin Editha  im  Dome  zu  Magdeburg,  wo  steht:  .  .  .  obüt  anno  Christi 
DCCCCXLVII;  oder  im  Dome  zu  Mainz  auf  dem  Grabmale  der  Fastra- 
dana, wo  es  naiver  Weise  heifst: 

Anno  sepängentesimo  nonagesimo  quarto^ 
Quem  numerum  metro  claudere  nmsa  negatj 

so  ist  die  nicht  gleichzeitige  Entstehung  derselben  schon  dadurch  aufser 
Zweifel.^  Das  blofse  Fehlen  der  Jahreszahl  verbürgt  indes  für  sich  allein 
noch  keineswegs  die  Ursprünglichkeit  einer  Grabschrift,  da  die  Erneuerung 
in  einer  frühen  Zeit  geschehen  sein  kann,  wo  man  auf  Hinzufügung  des 
Todesjahres  entweder  noch  kein  Gewicht  legte,  oder  in  einer  späteren  Zeit, 
wo  man  dasselbe  nicht  mehr  kannte.  In  manchen  alten  poetischen  Grab- 
schriften fehlt  jede  Zeitbestimmung  und  bei  berühmten  Personen  selbst  der 
Name  des  Verstorbenen.  —  Grabschriften  auf  solchen  spätmittelalterlichen 
Denkmälern,  die  schon  bei  Lebzeiten  der  Verstorbenen  verfertigt  wurden, 
erkennt  man  oft  (z.  B.  auf  mehreren  von  P.  Vischer  gegossenen  Epitaphien) 
an  den  offenbar  später  und  von  ungeschickter  Hand  hinzugefügten  Zeitbe- 
stimmungen, für  welche  ursprünglich  ein,  gewöhnlich  überflüssig  grofser 
Raum  leer  gelassen  war;  häufig  vergafs  man  auch  die  Nachtragung  des 
Todestages,  und  der  gelassene  Raum  blieb  unausgefüllt.  Letzteres  ist  z.  B. 
der  Fall  auf  der  Steintumba  der  Gräfin  Elisabeth  von  Nassau  in  der  Kirche 
zu  St.  Arnual,  wo  sich  findet . ...  die  gestorben  ist  in  den  jaren  vnsers 
Herren  M ,  cccc^       des       dages  des  mandes         .  — 


»  Vergl.  Förstemann,  E.  G.,  in  N.  Mitt.  Th.-S.  V.  V.  S,  143.  VI.  4,  154.  Die 
ältere  litteratur  im  Anz.  G.  M.  1853,  16.  1861,  318.  —  Gautsch,  in  den  Mitt.  des 
Freiberger  Alt.-V.  Heft  10  (1873),  896  ff.  und  Wetzel,  in  den  Halt.  Stud.  XXVm, 
183  ff.  nahen  durch  neue  Deutungsversuche  die  Sache  zu  keiner  Wahrscheinlichkeit  ge- 
fördert. Gleichwohl  ist  auch  die  Annahme  von  A.  Schultz,  in  Schlesiens  Vorzeit  in 
B.  u.  Sehr,  ni,  179,  dafö  die  Legende  nur  eine  Imitation  orientalisoher  Inschriften 
ohne  alle  Bedeutung  sei,  wenig  wäirscheinlich. 

*  Vergl.  Engelhard,  zur  Gesch.  d.  ehr.  Grabschriften;  2.  die  Zeit  von  Konstan- 
tin bis  zur  Reformation,  im  Chr.  K.-B1.  1868,  No.  4—10;  1869,  No.  2. 

3  In  späterer  Zeit  auch  mehrzeilig  unterhalb  der  bildlichen  Darstellungen,  oder  die 
Figuren  der  Versterbenen  halten  sie  auf  grofsen  Tafeln  vor  ihrem  Körper,  s.  oben  S.  343. 

^  Vergl.  S.  408,  sub  X. 

28* 


436  Grabschriften. 

Beispiele  von  Grabschriften  verschiedener  Form: 

1)  In  Prosa.  Über  dem  Grabe  Karls  des  Grofsen  in  Aachen  trug  (nach 
Einhard;  v.  C.  M.  c.  31)  ein  vergoldeter  Bogen  die  Inschrift:  Sub  hoc  con- 
ditorio  situm  est  corptis  CaroUmcLgniaiqneorthodoxiimperatoris,  quiregnum 
Francorum  nobiliter  ampliavU  et  per  annos  XL  VII  feliciter  tenuit^  decessit 
septuagenarius  anno  DnL  DCCCXIJII  indicUone  VIL  V  Kalendas  Fehruarii. 
Die  Vollständigkeit  in  den  biographischen  Angaben  dieser  Inschrift  erscheint 
durch  die  Bedeutung  des  Verstorbenen  begründet.  —  Auf  den  S.  345  er- 
wähnten sehr  alten  Gedächtnissteinen  in  Bonn  sind  die  Inschriften  auf  das 
geringste  Mafs  beschränkt;  vergl.  Fig.  138:  Ohüt  VL  Id.  Fehr,  Godescalc. 
d(iaconus?);  auf  einem  anderen  derselben  steht  auf  dem  Kreuze:  Ohüt  h'. 
t  Octbr.  Remigh  vidua  iaica,  und  aufserdem  auf  dem  Rande  die  Stelle  I  Joli. 
4,  7:  Düigamus  nos  invicem  quia  caritas  ex  deo  est  et  omnis  qtii  diligit  ex 
,deo  natus  est.  —  Auf  dem  ebenda  erwähnten  Steine  von  938  in  Fulda: 
//.  Non.  Januarü  oh.  Meginbraht  diaconus  immo  ...  —  Auf  dem  Sargdeckel 
der  Königin  Mathilde ,  Gemahlin  K.  Heinrichs  L,  t  958  im  Münster  zu  Qued- 
linburg las  man:  //.  Idiis  Mar.  ohüt  regma  MathUdis^  quae  et  hie  requies- 
dt,  cujm  anima  obtineat  aefemam  reqtiiem.  —  Auf  dem  S.  345  erwähn- 
ten Steine  in  Mainz  steht  rings  um  eine  aus  10  Versen  bestehende  Für- 
bitte: t  Anno  incamationis  dorn,  mül  XLVIII.  indict.  XV  V  Id.  Aug.  Wig- 
nandus  felicis  memorie  pps.  migrav.  adXpm.  —  Die  Inschrift  auf  dem  S.  338, 
Fig.  132  abgebildeten  Leichensteine  in  Naumburg  lautet:  t  Anno.  in.  cama- 
tionis.  dominice.  M.  C.  XX  V.  indictiöe.III.  Id9.  Apt.o.  pie.  memorie.  Ritvin'^. 
Nvenbgn.  ep-c.  —  Auf  der  Grabplatte  des  Bischofs  Yso  zu  Verden:  Anno 
incama :  dm.  MCCXXXI  nonas  Augusti  feliciter  ohüt  Fso  Wilpe  natus  Ver- 
densis  XXXIus  annis  XXVI — I  prefuit  epc,  hunc  S.  Andree  conventum 
instituit  Verdam  primtis  muniv^U  advocatia  civitatis  et  super  bona  fratrum 
iibavit  Patrimonium  Westene  quingentis  marcis  et  amplius  emptum.  S.  Marie 
obtulit.  —  Auf  K.  Rudolf  von  Habsburg  im  Dome  zu  Spei  er:  Rvdolfus  de 
Hahtsburg  Romanorum  rex  anno  regni  suo  XVIII.  o'  anno  dni.  MCCXCP 
Mense  JuUo  in  die  divisianis  apostolorum.  —  VomXIV.  Jahrh.  an  finden  sich 
Grabschriften  fast  überall  häufig,  und  fast  regelmäfsig  ist  seit  urchristlicher 
Zeit  der  Zusatz:  cuius  anima  requiescat^  inpace:  Varianten:  anima  ejus  etc. 
oder  ejus  anima  (1412);  in  pace  ihn  xpi  req.  (1379);  in  sanctissima  pace 
cum  Omnibus  ^i^ (1492);  m  sancta pace  (1498);  in  refrigerio  lucis  acpacis 
r.  (1513);  cujus  anima  per  piam  misericordiam  dei  r.  i.  p.  (1368)  oder  i.  p. 
perpetua  (1375);  ct^/us  anima  requiescat  feUciter  (1480);  cujus  anima  et 
corpus  req.  i.  p.  (1510);  ctg'us  memoria  ajmd  superos  sU  in  henedictione 
(1365):  ctJ^u^  anima  deo  vivat(1436);  ctgus  spiritum  in  reqtäe  foveat  domi- 
nus (1506).  Nicht  so  häufig  ist  die  Schlufsformel :  custodiat  nos  cristus 
(1391);  orate  deum  pro  eo  (1463);  pro  anima  ejus  (1349).  Oder:  deus 
misereatur  nostri  (1407);  miseremini  meij  miseremini  mei  sattem  vos  o  amici 
(1390);  ausführlicher:  omnes  Christi  pro  me  domini  flagitate  graciam^  vere 
nunc  Christe  mei  miserere  (1393)  oder  auch  in  Versen:  0  Jesu  vere  tui  nu7ic 


*  Über  die  Formel  requieseü  in  pace  vergl.  Piper.  Myth.  I,  354,  N.  4.  Die 
Form  mit  dem  Koi^unktiv  requieacat  ist  specifisch  mittelalterlich;  die  altchristlichen 
imd  auch  die  merovingischen  haben  durchgehends  den  Indikativ;  vergl.  Kraus,  F.  X., 
im  Jahrb.  d.  Preufs.  Eunstsamml.  I,  227. 


Grabschriften.  437- 

famuli  nuserere  |  Et  scUva  ab  im  per  tua  tmlnera  dria  (?  1460).  Oder:  sepul- 
tus  in  reqvie  et  maneat  sine  fine  (1331).  Anfangsformeln,  wie  hie  jacet 
(1375),  hie  in dominoquie/cit (147 4:)  kommen  selten  vor.  Eine  schöne,  aber 
schon  von  ganz  anderem  Geiste  erfüllte  Form  zu  Freising:  Anno  domini 
MDXXXV  deswt  inter  homines  esse  venerabüis  vir  N,  N.y  cuius  animam  tulit 
deus,  camem  morbus^  ossa  hie  reeondita.  —  Die  einfachste  Form  der  Grab- 
schriften in  deutscher  Sprache,  z.B.  im  Dome  zu  Merseburg:  Anno  domini 
mcccclxxxxv.  am  heiligen  ehristtage  ist  verschieden  der  gestrenge  vnd  veste 
erhard  van  stammer;  hie  begraben;  dem  got  gnade.  Andere  Schlufsformeln: 
dem  (der)  got  gnädig  sei;  bittet  got  vor  dy  sele;  der  leib  hie  ruet^  die  sei  in 
got  lebet;  got  geh  ihm  die  ewig  ruw  (1382);  wilch  sele  sint  in  dem  ewigen 
lebene  (XIV.  Jahrh.  von  zwei  Geschwistern)  der  sele  zine  sie  gnedig  godt  ane 
pine(H22)]  der  seien  got  genedigsy  (1469)  \  der  seien  got  almechtigbarmhert- 
zig  sin  wolle  ({472).  Auf  einem  Grabsteine  von  1468  in  der  Frauenkirche  zu 
Frankfurt  a.  M. :  Mentsch  lacsz  von  dersunden  etc.  —  Eine  niederdeutsche, 
undatierte  und  schwer  zu  entziffernde  Minuskelschrift  auf  einem  aufserdem 
nur  mit  einer  fttnf blätterigen  Rose  bezeichneten  Steine  zu  Stralsund  lautet: 

got.  wes  my  appenbar.  sunder.  gnedich  u. 

barmhartych  u- 
me  dines  hitterliken  dotes  willen,  un  wes 
du  allen  sundem 
gnedich  alse  my 
krisle  Jesu  amen 
hans  sten. 

Auf  österreichischen  Grabsteinen  des  XYI.  Jahrh.  findet  sich  häufig  das  auch 
im  Wiener  Heiligtumsbuche  von  1502  und  1514  beim  Wappen  des  Todes 
vorkommende,  im  Sinne  der  Totentänze  gemeinte  Motto:  All  hernach y  anch 
auf  der  Grabtafel  des  Kardinals  Albrecht  von  1540  im  Dome  zu  Mainz; 
auf  der  des  Walther  von  Kronenberg  zu  Mergentheim  mit  der  Variante: 
Mit  der  zeit  all  hernach.  Auf  dem  Grabsteine  zu  Hamburg  (s.  oben  S.  392, 
Nr.  31)  ähnlich :  Ick  för,  du  na. 

2)  In  Versen.    Auf  dem  Grabe  Otto's  des  Grofsen  (t  973)  im  Dome  zu 
Magdeburg  soll  früher  gestanden  haben: 

Tres  luctus  catisae  sunt  hoc  süb  marmore  clausae: 
ReXj  decus  ecclesiae,  summus  honor  patriae. 

Auf  dem  älteren  Leichensteine  B.  Bernwards  von  Hildesheim  (f  1022)  in 
der  dortigen  Michaeliskirche  stehen  die  von  ihm  selbst  gesetzten  Distichen : 

Pars  hominis  Bemwardus  eram  nunc  claudor  in  isto 

Sarcophago  diro  vilis  et  ecce  cinis 
Proh  dolor  o/ficii  culmen  qtäa  non  bene  gesst 

Sit  piapax  animae  vos  et  amen  canite. 

Auf  dem  Grabsteine  Bischofs  Günther  (t  1066)  im  Dome  zu  Bamberg  (ob 
gleichzeitig?): 

Presul  Guntherusy  ut  cum  donisprece  clerus 
A^'uvety  hortatur,  cui  multa  dedisse  probatur. 


438  Grabschriften. 

Auf  der  Grabplatte  Rudolfs  von  Schwaben  (t  1080)imDome  znMersebnrg: 

Rex  hoc  Rodulfus  patrum  pro  legeperemptus, 

Piorandus  merito^  conditur  in  tumulo. 
Rex  Uli  simüis^  si  regnet  tempore  pacis  j 

ConsiiiOj  gladio  non  fuit  a  Karolo, 
Qua  vicere  sui  ruü  hie  sacra  victima  belli; * 

Mors  sibi  vita  fuit^  ecclesiae  cecidit. 

Auf  einem  Grabsteine  in  St.  Georg  zu  Köln  aus  der  1.  Hälfte  des  XII.  Jahrb. : 

Quisquis  es  in  mta^  gerne;  mortis  enim  via,  trita 

phrnlmsy  acta  müUj  restat  agenda  tibi. 
Et  miserendo  meiprece  confer  opem  reqiäei, 

Peccator  Widecho  clandor  in  hoc  tumulo. 
Jus  in  amore  sacrum  tribuit  mihi  gratia  fratrumj 

pauca  qtäbiis  dederam,  plurima  debueram 
Jam  ter  qutnque  diesjanus  numeravit  euntes 

quod  vitale  fuitj  cum  caro  deposuit. 

Auf  dem  Sarkophage  des  Bischofs  Adelog  (1190)  zu  Hildesheim: 

Gloria  forma  decus  mundana  probaöiUs  altum 
Transit  marcet  abit,  hec  modo  clamo  tacens: 

Orate  pro  me. 

Auf  dem  Grabsteine  B.  Otto'sII.  (t  1196)  im  Dome  zu  Bamberg  (ob  gleich* 

zeitig?): 

Otto  presul  eram ;  requiem,  pacem  michi  veram 
Fratres  optate^precor,  ore  manuque  ßwate. 

Auf  dem  Grabsteine  der  Äbtissin  Agnes  (t  1203)  in  der  Schlofskirche  zu 
Quedlinburg: 

Spiritus  Agnetis  teneat  loca  certa  quietis, 
Nil  perhorrescaty  placida  sedpace  quiescat. 

Auf  dem  Steine  einer  ungenannten  Äbtissin  des  XIH.  Jahrh.  ebendaselbst : 

Qui  transis  ceme  quid  eram  quid  sim  vaga  speme 
Mundi  namque  levis  sie  transit  gloria  quevis. 

Auf  der  Platte  Erzbischofs  Eonrad  (f  1277)  im  Dome  zu  Magdeburg: 

Octava  decima  Febnü  redeunte  Kalenda 
Quem  deus  ascivit  presul  venerandus  obivit. 

Auf  dem  Grabsteine  des  Walter  von  Amstein  (t  1279)  zu  Leitzkau: 

Si  quis  ades,  qui  morte  cades,  sta^  respice^plora. 
Sumj  quod  eris;  quod  es,  ante  fuu  Pro  me,  precor,  ora. 

Die  Sentenz  des  zweiten  Verses  findet  sich  vielfach ,  auch  mit  mancherlei 
Varianten:  z.  B.:  quod  sumus,  hoc  eritis;  fumus  quandoquey  quod  estis, 


'  Buchstabenfol^  und  Versmals  gestatten  zwar  auch  die  Lesung  Qua  vice  res 
viruü,  hie  saera  victima  belli,  doch  wäre  dies  gegen  den  Reim,  daher  nicht  wahr- 
scheinlich. 


Grabschhften.  439 

oder  auf  einer  Messingplatte  im  Dome  zu  Naumburg  a.  S.  aus  dem  XVI. 
Jahrh.  neben  einem  halb  verwesten  Leichname:  Id  quod  suntj  tu  eris;  quod 
tu  eSj  ego  fui;  auch  deutsch,  z.  B.  neben  dem  Wandbilde  eines  Skeletts  zu 
Flierich,  Kr.  Hamm: 

Welk  edle  figure ! 
Ik  was  ok  dine  nature. 
Bedenk  0  mensch  op  der  erden: 
Watt  ik  bin,  most  du  werden. 

Auf  einem  Grabsteine  mit  dem  Wappen  des  schon  im  XIV,  Jahrh.  ausgestor- 
benen Geschlechts  v.  Herbsleben  in  der  Kirche  zu  Volkenroda  im  Gotha- 
ischen : 

Hicjaceo  funus  victurorum  tarnen  unus 

Quod  mihi  nunc  tibi  cras  nan  te  saJvabit  Ipocras  (Hippocrates  =  medicus). 

Auf  dem  Grabsteine  des  Bischofs  Dietrich  von  Schulenburg  (f  1393)  im  Dome 
zu  Brandenburg  aufser  den  historischen  Daten  in  Prosa: 

In  celis  ocpe  tecum  sit  episcopus  iste 

qui  quando  vixit  laudum  tibi  carmina  dixiU 

Auf  dem  Hochgrabe  des  Landgrafen  Ludwig  des  Friedfertigen  von  Hessen 
(t  1458)  in  St.  Elisabeth  zu  Marburg  aus  dem  J.  ^471 : 

Inclitus  ludewicus  pius  universis  pudicus 
Hoc  clauditur  archa  cephas^  hassieque  monarcha. 
Anthonii  festo  migraty  ejus  memor  esto. 
Celestipalme  vacet  isper  te,  dem  alme. 

Auf  der  Messingplatte  des  Pastors  Mag.  Ulrich  Rispach  (t  1488)  in  St.  Mar- 
tin zu  Stolberg  wieder  in  reimlosen  Hexametern  und  mit  humanistischen 
Anklängen : 

Hicjacet  Ulricus  sub  saxo  clams,  amicus 

Cleris  etplebis  Stolberg  totiusj  alumnus 

Martini,  cultor  sophie,  fidus  amellus. 

Mater  virginea,  que  raptum  scLlvat  in  arnne. 

Festinet  misero  misereri  virgo  beata. 

In  'deutschen  Versen: 

Auf  dem  Grabsteine  des  1349  wahrscheinlich  an  Gift  gestorbenen  römischen 
Königs  Günther  von  Schwarzburg  im  Dome  zu  Frankfurt  a.  M.: 

falsch  undrawe  schände  czymt, 
des  stede  drowe  schaden  nymt. 
undrowe  nam  gewinnes  hart, 
undrowe  falsch  mit  giftes  wort. 

Dieser  sinnigen  Grabschrift  mögen  zwei  andere  folgen,  welche  v.  Rado- 
witz  (Gesammelte  Schriften;  I,  405)  wegen  ihres  dichterischen  Wertes 


^  Cephas  —  xr^ipaq,  mit  Beziehung  auf  Joh.  1,  48. 


440  Grabschriften. 

hervorhebt:  auf  Adolf  L  v.  d.  Mark  (t  1448)  im  Karthäuserkloster  zu 
Wesel: 

Stfn  nyn  was  nyn  gerechäg 

Synja  was  ja  vollmächtig 

Hey  was  sirisja  gedächtig 

Sin  grondt  syn  mondt  einträchtig  etc. 

und  auf  den  Magister  Martinus  von  Biberach  zu  Heilsbronn  aus  dem  Ende 
des  XV.  Jahrhunderts : 

Ich  lebj  weiss  nit  wie  lang^ 

Ich  stirb  und  weiss  nit  wann^ 

Ich  fahr,  weiss  nit  wohin , 

Mich  wundert j  dass  ich  froelich  bin. 

3)  KoUektiy-Grabsoliriften.  Auf  ganze  Geschlechter,  z.  B.  in  der  Klo- 
sterkirche zu  Wil bering  in  Österreich  ob  der  Enns,  vermutlich  aus  dem 
Anfang  des  XIV.  Jahrhunderts : 

Hie  ligt  von  Schownberch  daz  gesiecht, 
Dem  gib  urstend  Christ  mit  reht, 
Das  si  se  deiner  sezwen  hend 
Sich  ewichleiche  vrowen  an  end. 

Auf  dem  Hochgrabe  Herzogs  Friedrich  I.  von  Schwaben  in  der  Klosterkirche 
zu  Lorch: 

Anno  Dni  MCIIjar  ward  diss  closter  gestift 

Hie  lit  begraben  herzog  Friedrich  von  swabn. 

Er  und  siin  Kind  diess  closters  stiffter  sind. 

Sin  nachkümmling  ligent  och  hie  by,  Gott  in  allen  gnadig  sy. 

Gemacht  im  1475. 

Originell  ist  die  Inschrift  auf  dem  Denkmal  des  Grafen  Friedrich  11.  von 
HohenzoUern  (t  1512)  zu  Hechingen,  in  welcher  dieser  sich  selbstredend 
einführt: 

Ich  Yttel  Friedrich  Grave  zu  Zoller  geboren 

Des  heylige  Römischen  reichs  erbkamer  erkom 

Ward  ich  bey  kunig  Maximilian. 

Als  sein  hoffmoxster  im  allzeit  unterthan 

Unnd  haubtmä  des  hohenberger  landt. 

Het  ich  im  widerkawff  zw  vnterpfandt 

Vnnd  dartzw  dye  herschaft  haigerlich  erblich 

Mit  meinem  h^der  pischoff  Friedrich  (von  Augsburg  t  1505) 

Macht  ich  dysen  stift  vnser  seel  zw  haill. 

Ein  margrafin  euch  ward  mir  zw  tayll 

Von  brandenburg  des  kurfürstlichen  Stammes, 

Fünf  töchtem  vn  sez  sun  hetten  wir  zusammen 

Vnnd  ligen  hye  tod 

Gott  helff  tmns  aus  aller  nott. 

Auf  den  Denksteinen  von  Erbgrüften  bürgerlicher  Geschlechter  (oben  S.  336) : 
N.  N.  s  erven  gehören  mit  iho  dissen  sten,  oder  kamen  mit  tho  dissen  sten. 


Grabschrüten.  441 

Auf  Eheleute:  Ih  der  Nikolaikirche  zu  Zerbst:  Anno  dm.  mccecxxxü. . . 
obytpeter  garbrader  et  uxsor  sua  katerinaj  cmus  anitne  requiescunt  inpace. 
amen.  —  Auf  dem  oben  S.  414,  N.  2  erwähnten  Epitaphium  des  Gräflichen 
Ehepaars  zu  Wernigerode  von  1429  steht  auf  dem  Spruchband  des  Gatten: 
tves  VHS  barmherfig  here  und  auf  dem  der  Gattin :  des  begere  rve  vö  Herten  sere. 
Auf  dem  Grabsteine,  welchen  Hans  von  Dömberg  seiner  zweiten  Gemahlin 
Luckel  von  Hatzfeld  (t  1497)  in  St.  Elisabeth  zu  Marburg  errichten  liefs, 
steht  auf  einem  Messingmedaillon  in  der  Mitte  der  Nachruf: 

vnd.ich .  Hans,  folgen .  hernach .  want.got .  tvyl , 

en .  syn .  gebot  .der .  sele .  der .  almecJUig .  got .  gnedig  .syn  .wyl . 

der  sich  auch  auf  dem  Steine  seiner  ersten  1481  gest.  Gemahlin  angebracht  findet. 
—  Auf  eine  Mutter  mit  ihren  Kindern :  Anno  dm  mcccciv  xiv  die  mens,  Augtisti 
obiit  nobilis  dna  lucarf  de  Eppesten  cmtissa  reni  et  godfrid^  comes  reni  et 

lucarf  eP  Kberi  qr  aie  requescat  in  pace  amen.  *  —  Auf  zwei  Brüder :  zu 
Viktring  aus  dem  XIII.  Jahrb.:  Heidenricus  et  Albertus  de  Heilec.  Hie  ger- 
manorum  requiescunt  ossa  duorum  Dimodis  uxor  sua.  —  Auf  Geschwister :  in 
der  Klosterkirche  zu  Doberan  aus  dem  XV.  Jahrhundert:  Hicjacet  devota 
dna  helenajuxta  fratrem  suum  sepulta;  sicut  in  vita  dilexerunt  se^  ita  et  in 
morte  non  suntseparati,  quorum  anime  r.  i.  p.  amen.  —  Auf  dem  gemeinsamen 
Denkmale  der  im  XIV.  Jahrb.  in  einem  Zeiträume  von  12  Tagen  einander 
im  Tode  vereinten  fürstlichen  Geschwister  Heinrich  und  Elisabeth  von  Hes- 
sen in  St.  Elisabeth  zu  Marburg  hält  der  Bruder  ein  Spruchband  mit  den 
Worten:  god  erbarme  dich  über  michj  die  Schwester  eben  ein  solches  mit 
dem  dazu  passenden  Reime :  br(uder)  des  begere  auch  ich.  —  An  der  Kirche 
auf  dem  Petersberge  zu  Erfurt  neben  einer  in  den  Stein  gehauenen  Hand, 
welche  nach  der  vermutlichen  Begräbnisstätte  hinzudeuten  scheint:  Anno 
dni.  mccclxxii  orta  est  pesthilencia  et  facta  est  hec  magna  fovea^  in  qua 
sunt  sepulte  tres  sexagene  et  quindecim  mortui. .  . .  r.  i.  p.  Amen.  —  In  der 
Kirchhofsmauer  zuKuenringin  Niederösterreich  befindet  sich  eine  (jetzt 
vermauerte)  Flachbogennische  zum  Begräbnis  ungetaufter  Kinder,  mit  der 
Inschrift:  non  baptisati. 

Anmerkung.  Es  giebt  eine  Anzahl  skurriler  Grabschriften  in  nie- 
derdeutscher Mundart,  über  deren  Alter  zwar  nichts  verlautet,  die  aber  doch 
wohl  dem  XVU.  Jahrh.  angehören  dürften:  für  Liebhaber  von  Kuriositäten 
mögen  zwei  der  berüchtigsten  hier  Platz  finden :  In  der  Bülowenkapelle  an  der 
Klosterkirche  zu  Doberan  steht  auf  einem  backofenförmigen  Grabgewölbe  der 
Familie  von  Müller,  früher  schon  in  moderner  Schrift  und  bei  der  neusten 
Restauration  der  Kapelle  nochmals  übermalt: 

Wieck  Düfel  wiecky  wieck  wiet  van  my^ 
Ick  scheer  mie  nig  een  Hdhr  um  die. 
Ick  bün  ein  Meckelbörgsch  Edelmann  ^ 
Wat  geit  die  Düfel  mien  Supen  an. 


^  Eine  Abbildung  dieses  Denkmals  (ohne  Angabe  des  Ortes,  wo  es  sich  vorfindet) 
in  Kopps  Schriftproben. 


442  Glockeninschriften. 

Ick  sup  mit  mienen  Herrn  Jesu  Christ  j 
Wenn  du  Düfel  ewig  dösten  müst^ 
Un  drinck  mit  öm  söet  Kolleschahlj 
Wenn  du  sitzt  in  der  Hellenquahl. 
Drum  rahd  ick:  wieck,  loopj  rönn  un  gcLhj 
Efft  bey  dem  Düfel  ick  to  schiah.  * 

Auf  dem  Grabsteine  des  Bflrgermeisters  Kerkering  in  der  Marienkirche  zu 
Lübeck  kniet  der  Verstorbene  (mit  merkwürdig  krummen  Beinen)  vor  einem 
mit  Schafen  umgebenen  Kruzifix,  und  darunter  steht: 

Hier  leit  der  Bargemeister  Kerkering  y 
De  so  scheef  up  den  Voten  ging, 
0  Herj  mak  öm  de  Schinken  liek^ 
Und  help  öm  in  dyn  Hemlrik. 
Du  nimmst  dy  ja  de  Schape  anj 
Lat  doch  den  Bück  ok  mede  gan,^ 

p.  Glookeninschriften'  laufen  gewöhnlich  in  einer  Zeile  rings  um  den 
Kranz  oder  um  die  Haube  der  Glocken :  oben  auf  der  Haube  (wie  auf  einer 
Glocke  von  St.  Katharinen  zu  Brandenburg  von  1345,  auf  der  gröfsten 
Glocke  im  Kloster  Zinna  von  1491  und  auf  einer  noch  jüngeren  zu  Lau- 
benheim bei  Kreuznach)  oder  innerhalb  der  Glocken  (wie  in  einer  Glocke 
der  Nikolaikirche  zu  Jüterbog)  findet  man  selten  Schrift.  In  den  Inschrif- 
ten werden  sehr  gewöhnlich  die  unartikulierten  Glockenklänge  in  Reden 
persönlicher  Wesen  umgedeutet;  es  sind  a)  Sprüche,  die  sich  auf  die  Be- 
stimmung der  Glocken  beziehen,  meist  in  Versen;  ß)  Bibelstellen  und  Ge- 
betsformeln ;  z)  Notizen  über  Entstehungszeit  und  Giefser,  Donatoren  etc. 
der  Glocken.  Beispiele  beliebter  oder  sonst  bemerkenswerter  In- 
schriften: a)  Sprüche,  die  sich  auf  die  Bestimmung  der  Glocken  beziehen: 


*  Diese  Inschrift  war  früher  illustriert  durch  einen  über  der  Eapellenthür  auf  die 
TVand  gemalten  »Kerl  mit  der  Keule«,  der  dem  Teufel  zurief: 

Sta  un  hör 
Van  aer  Döer. 

Yorgl.  Lisch,  G.  C.  F.,  Blätter  zur  Gesch.  der  Kirchen  zu  Doberan  und  Althof.  1854, 69  f. 

*  Kinde rlin^,  Gesch.  der  Niedersächs.  Sprache,  160.  —  Auf  dem  S.  S92  und  437 
erwähnten  Grabsteine  zu  Hamburg  steht  mit  Beziehung  auf  das  Bild  des  den  Dudel- 
sack spielenden  Esels: 

De  weit  heft  sich  umekert 

Darutne  so  hel^  üc  arme  eesel  pipen  ghelert. 

'  Yergl.  Otte,  Glockenkunde,  79 — 85.  —  E.,  Glockeninschriften  als  Zeugen  kirch- 
lichen Glaubens,  im  Chr.  K.-Bl.  1866,  No.  10 — 12.  —  Lobe,  Beitr.  zu  d.  Gl.-Inschrr. 
in  d.  Mitt.  der  Gesch.  etc.  Ges.  des  Osterlandes.  YII,  2.  Altenburg  1869.  —  Sulz- 
b erger,  Samml.  aller  Thurgauischen  Gl.-Inschrr.,  in  Thurg.  Beitr.  Heft  13.  Frauen- 
feld 1872.  —  Voges,  M.-A.  Gl.-Inschrr.  aus  d.  Herzogt.  Braunschweig,  im  Anz.  G.-M. 
1876,  No.  7.  —  Nuschele  u.  Usteri,  die  Inschrr.  u.  Gie&er  der  Gl.  im  Kant.  SchaflP- 
hausen,  in  Beitr.  z.  Yaterl.  Gesch.  4.  Heft.  Schaifh.  1878.  —  Dieselb.,  Gl. -Inschrr. 
im  reform.  Teile  des  Kant.  Bern,  im  Archiv  d.  bist.  V.  d.  Kant  B.  X,  3.  1882.  — 
Faksimilierte  Glockeninschriften  aus  Merseburg  u.  TJmge^nd  in  M^uskeln,  in  der 
Zeitschr.  f.  eh.  A.  u.  K.  I,  82  u.  U,  37;  aus  dem  Luxemburgischen  in  Minuskeln,  in 
den  Publications  de  la  societe  pour  la  recherche  etc.  des  monuments  ä  Luxembourg 
(1858),  p.  123  et  4  PL;  aus  dem  Hannoverschen  bei  Mithoff;  aus  dem  Mansfeldischen 
in  Majuskeln,  in  der  Zeitschr.  des  Harzvereins.  XI  (1878),  26—46,  mit  3  Taff. 


Glockeninschriften.  443 

Defunctos  plangoy  vivos  voco,  fvlgwrafrango  (Varianten  z.  B.  SahhaJtapango^ 
funera  plango y  noocia  frango;  excito  lentosj  paco  cruentosy  dissipo  ventos; 
oder:  Laudo  deum  verum ^  plehem  vocOj  congrego  clerum;  defunctos  ploro, 
pestem  fugo^  festa  decoro;  oder:  Nuncio  festa^  metunif  nova  quaedamy 
flebile  lethum;  oder:  Aes  haec  campana  nunquam  denuncio  vana^  Bellum 
vel  festum,  flammam  vel  funus  honestum;  oder:  Sum  dtäcisona^  fleo  mortuüj 
pello  nocivQj  frango  tonitruay  fugo  demoma^  vocor  maria;  oder:  0  cives 
rite,  cum  pulsor,  ad  arma  venite,  Grando  nocens  absit,  ubicunque  sonus 
meus  assit.  —  Sit  tempestatum  per  me  genus  omne  fugatum;  oder :  Consona 
campana  depellat  singula  vana,  —  Vox  mea,  vox  vitaej  voco  vos  ad  sacra, 
venite.  —  Deutsch  zu  Gräfin  au  im  Rudolstädtischen  1512 :  Gloriosa  heis 
ich,  di  hochczeitlichen  fest  di  beleut  ich,  die  schedlichen  tveter  vortreib  ich 
und  di  toten  bewein  ich,  marx  rosenberijger)  der  gos  mich,  oder  auf  einer 
jetzt  umgegossenen  Glocke  von  1491  im  Luxemburgischen:  Maria  heisen 
ich,  al  busi  weiter  verdriven  ich,  clais  van  celnemach  gaus  mich;  oder  zu 
Süggerath  im  Kr.  Geilenkirchen:  Maria  heisse  ick,  de  leude  roepe  ick,  de 
doden  beschrien  ick,  de  weder  verdriven  ick  1477;  oder  in  8t.  Gottbard  zu 
Brandenburg:  Mi  heft  ghegathen  meister^ennigk  van  peine,  de  doden 
bewerte  ik  grot  unde  deine,  de  levendeghen  rope  ik  to  gades  denste  vnde  eren, 
blixem  donre  helpe  ik  afkeren.  Anno  dni  mcccclvi  laus  tibi  christe  t.  e.  — 
ff^er  got  söge,  der  cume  wen  ic  rophe.  Zuweilen  beziehen  sich  die  Inschrif- 
ten mehrerer  ursprünglich  zusammen  angeschafften  Glocken  einer  Kirche 
auf  einander ;  dies  ist  der  Fall  mit  den  beiden  grofsen  Glocken  des  Domes 
zu  Merseburg,  welche  ursprünglich  ein  Geschenk  K.  Heinrichs  II.  gewesen 
sein  sollen,  deren  gröfsere  indes  später  dem  daran  befindlichen  Bischofs- 
siegel  zufolge  unter  Heinrich  von  Ammendorf  (1284 — 1300)  wieder  umge- 
gossen wurde,  augenscheinlich  jedoch  mit  Beibehaltung  der  alten  Inschrift: 
Dum  Benedicta  sonat,  sit  in  las  benedictio  signis;  auf  der  anderen  steht : 
Sit  dum  Clinsa  sonat  turbo  procul  hostis  et  ignis.  Ähnlich  verhält  es  sich  mit 
den  Inschriften  dialogischer  Form  auf  zwei  Glocken  des  Domes  von  Min- 
den, wo  auf  der  einen  steht: 

Devotis  populis  resonet  pelo  vox  tua  dulcis 

0  dilecia  soror  nee  resonere  moror 
Vere  dei  munus  quod  nos  ambas  creat  unus 
Annus  si  legeris  notat  nunc  sculptura  sororis 

und  auf  der  gleichzeitigen  Schwester : 

Ora  pro  populo  dum  sono  virgo  pia 
Ecce  sub  hoc  fitulo  tua  dicor  sancta  Maria 
A  nato  Xpo.  felix  creor  ere  sub  isto 
MUlenis  annis  trecentis  sex  numeratis.  * 

Wohl  ohne  weiteres  Beispiel  war  die  auf  einer  1717  durch  Feuer  zu  Grunde 
gegangenen  Glocke  des  Domes  zu  Erfurt  befindliche  Inschrift,  in  welcher 
des  harmonischen  Klangverhältnisses  specieü  gedacht  ist,  in  dem  diese 
Glocke  mit  zwei  andern  desselben  Geläutes  stand,  von  denen  die  eine,  die 


»  Vergl.  J.  M.  Kratz,  im  Org.  f.  ehr.  K.  1957,  199. 


444  Glockeninschriften. 

berühmte  grofse  Glocke  auf  dem  Dome^  die  andere  (der  Schreier  genannt) 
auf  der  dicht  benachbarten  Severikirche  noch  vorhanden  ist: 

Arte  Campensis  canimus  Gerhardt 
Tres  deo  trino:  en  ego  soi,  Gloriosa  ut, 
Mt  sed  Osarma;  plenum  sie  diapente. 
Anno  dorn.  MCCCCXCVIL » 

In  unbestimmterer  Weise  nimmt  auf  Gröfsen-  und  Ton  Verhältnis  des  daneben 
hängenden  von  denselben  Meistern  gleichzeitig  gegossenen  Salvator  die  Maria 
der  Katharinenkirche  zu  Brandenburg  Bezug: 

Inferior  nato  veluti  sum  laude  Maria 

IlUm  et  nostrum  sie  sonus  eruperat 

Wilhelmus  et  Ja/par  Moer  fratres  me  feceruni  aimo  domini  1515. 

Dieser  (mehrfach  umgegossene)  Salvator  bezieht  sich  in  der  ersten  Zeile 
seiner  Inschrift  auch  auf  die  mit  ihm  vorgenommene  Weihe : 

Salvator  dicor,  cum  sacro  chrismate  inundor. 

Auf  die  verschiedene  Weise  des  Läutens  zu  verschiedenen  Zwecken  (zum 
Osanna  einmaliger,  zum  Ave  dreimaliger  Anschlag),  bezieht  sich  die  ebeu 
erwähnte  Osanna  zu  Erfurt: 

In  Christi  laude  supplex  Erfordia  gaude^ 

Et  fer  y^Osanna^  pium,  sibi  quando  perfero  pulsum, 

Sed  cum  ter  reboOypie  christiferam  ter  aveto, 

ß)  Bibelstellen :  Procul  est  dominus  impiis  et  preces  justortum  exaudit  (Pro- 
verb. 15,  29).  —  Clamaj  ne  cesses,  exalta  vocem  tuam  sicut  tuba  (Jes.  58, 
1).  —  Laudate  dominum  in  cymbalis  bene  sonantibus  (Ps.  150,  5).  —  In 
principio  erat  verbum  et  verbum  erat  apud  deum  (Job.  1,1).  —  Verbum 
coro  factum  est  et  habitavit  in  nobis  (Job.  1 ,  14).  —  Gloria  in  excelsis  deo 
et  in  terra  pax,  hominibus  etc.  (Luc.  2,  14).  —  Ave  Maria  f  graciaplena, 
dominus  tecum  (Luc.  1,  28),  mit  Beziehung  auf  die  Abendbetglocke;  Agnus 
deij  qui  tollis  peccata  mündig  miserere  nobis ,  mit  Beziehung  auf  die  Mefs- 
glpcke  etc.  Unter  den  Gebetsformeln  ist  die  beliebteste :  0  rex  glorie  christe 
veni  cum  pace.  Diese  Inschrift  findet  sich  zwar  schon  seit  dem  XIII.  Jahrb. 
(z.  B.  auf  datierten  Glocken  des  Münsters  zu  Freiburg  i.  B.  von  1258  bis 
1281,  der  Pfarrkirche  zu  Sinzig  von  1299);  aber  erst  im  Laufe  des  XV. 
Jahrb.,  als  das  sogen,  »pro  pace  Schlagen«  nach  der  Betglocke  üblich  wurde, 
kommt  sie  so  sehr  in  Aufnahme,  dafs  sie  in  manchen  Gegenden  fast  auf 
sämtlichen  im  letzten  Viertel  des  XV.  Jahrb.  gegossenen  Glocken  steht,  mit 
folgenden  Varianten :  0  rex  glorie  veni  cum  pace  (noch  in  Mi^juskeln) ;  o  rex 
eterne  glorie  etc.  (1489).... ymi  nobis  cum  pace  (1476)  oder  cum  sancta 
fidelissima  tua pace  (1474);  auch  deutsch:  konig  der  eren  cum  uns  yn  frid 


*  Das  heilst:  Durch  die  Kunst  Gerhards  von  Campen  singen  wir  drei  dem  drei- 
einigen Oott:  ich  den  Ton  G,  die  Gloriosa  (die  gro&e  Glocke)  den  Ton  0,  die  Osanna 
aber  den  Ton  E,  so  dafe  der  Quintenaccord  vollständig  ist.  —  Verd.  v.  Tettau,  der 
Meister  etc.  der  gr.  Domglocke  zu  Erfurt.  1866,  5;  Boxberg  er,  MscoUe  etc.,  in  den 
Mitt.  d.  V.  für  Gesch.  etc.  v.  Erfurt,  Heft  6.  1873. 


(Tlockeninsehrifton.  445 

und  si  uns  gnedig.  Die  grofse  und  allgemeine  Beliebtheit  dieser  auf  Glocken 
von  Spanien  bis  Ungarn  nachgewiesenen  Inschrift  scheint  begrttndet  zu  sein 
in  einer  für  specifisch  gehaltenen  magischen  Wirksamkeit  derselben  gegen 
p]inflttS8e  der  Dämonen:  denn  nur  so  kann  man  es  erklärlich  finden,  wenn 
auf  einer  Glocke  vom  Anfange  des  XV.  Jahrh.  im  Neograder  Comitat  diese 
Gebetsformel  so  vielmal  wiederholt  ist,  dafs  die  ganze  Oberfläche  derselben 
damit  bedeckt  erscheint.  ^  —  Deutsche  Gebetsformeln  aus  der  Majuskelzeit 
sind  selten,  z.  B.  auf  einer  (im  J.  1845  durch  Blitz  zu  Grunde  gegangenen) 
Glocke  der  Sixtikirche  zu  Merseburg:  0  Maria ^  cum  czu  trosthe  unde  czu 
f/naden  allen  den  di  da  hau  xpi  nam ;  in  der  soweit  bekannt  ältesten  deut- 
schen Glockeninschrift  (1306)  zu  Ersingen  in  Württemberg:  0  maria  gotes 
Celle  hah  in  huot  was  ich  vber  schelle  anno  domini  mcccvi.  Zu  den  ältesten 
deutschen  Glockeninschriften  gehörten  die  zu  Mutzig  i.  Elsafs  (1851  um- 
gegossen) :  In .  sante .  Mauricien .  Ere  •  so  ,Me .  ich .  gar .  sere .  Meister  .  An- 
ff  res .  von  Kolmar .  Mathe .  mich .  Anno .  Dni .  M .  CCC .  IL .  Amen .  Gont .  har . 
in .  ze .  Messe .  das .  Got .  iver .  niemer .  fir  gesse .  Amen  .  Ave  .  Maria.  —  Oft 
findet  man  auf  Glocken  nur  die  Anfangsworte  von  Gebeten,  z.  B.  in  der 
Kirche  zu  Dö bris  bei  Zeitz:  0  et  Alpha  Omnes  me  audientes  (Majuskeln); 
zuweilen  die  Anfänge  mehrerer  Gebete,  lateinisch  und  deutsch  durch  ein- 
einander,  z.  B.  in  der  Kirche  zu  Unter-Nessa  bei  Weifsenfeis:  Maria 
Gotis.  Osanna  in  eccelsis.  ßenedictus.  (Majuskeln);  frühzeitig  auch  schon 
gewisse  zauberkräftige  Namen  und  Formeln,  z.  B.  Jhesus  Nazarenus  rex 
Judaeorum;  Jesus  j  Maria  j  Johannes  (mit  Beziehung  auf  die  gewöhnliche 
Darstellung  der  Kreuzigung  Jesu,  wo  Maria  und  Johannes  unter  dem  Kreuze 
stehen) ;  besonders  auch  die  Namen  der  vier  Evangelisten  oder  der  h.  drei 
Könige  Kaspar,  Melchior  und  Balthasar;^  Zusammenstellungen  hebräischer 
Wörter  und  Gottesnamen  (s.  oben  8.  395,  wol}ei  das  Tetragrammaton  = 
Jehovah  ist);  dieSiglen  A.  G.  L.  A.  (s.  oben  S.  410,  Fig.  227)  und  das  Con- 
summatum  est  (nämlich  vom  Feuer  zu  verstehen)  aus  Joh.  19,  30.  —  An- 
rufungen, wie:  Hilf  got  ^  maria  berath,  oder  Hilf  heilige  fraw  st.  Anna  selb- 
dritt  etc.  kommen  erst  seit  dem  XIV.,  besonders  aber  im  XV.  und  XVI.  Jahrh. 
auf  Glocken  vor.  —  r)  Historische  Notizen  über  Verfertiger,  Donator  und 
Entstehungszeit  der  (blocken  kommen  vor  dem  XIV.  Jahrh.  nur  selten  vor; 
auf  datierten  Glocken  des  XIII.  und  XIV.  Jahrh.  pflegt  aufser  der  Jahreszahl 
auch  der  Tag  des  Glockengusses,  gewöhnlich  nach  dem  römischen  Kalender, 
angegeben  zu  sein.  Auf  der  Glocke  zuLühnde  (s.  oben  S.  356  u.  358)  stand : 
Anno  domini  MCCLXXVIII  me  fudit  Thidericus  VI  Kai  Novembris  et  me 
pinxit  Hermannus  plebanuSj  es  war  also  neben  dem  vollständigen  Datum 


*  Vergl.  Mitt.  C.-K.  I,  64.  —  Vielleicht  eben  so  häufig  ist  in  Italien  und  in  den 
Alpenländem  die  Inschrift:  Mentem  sanctam  apontaneam,  honorem  deo  et  patriae 
liberationem,  nachgewiesenermafsen  wegen  ihrer  erprobten  "Wirksamkeit  gegen  Feuer; 
vergl.  Otte,  a.  a.  0.,  80  f.  —  Ebenso  traute  man  sicherlich  der  Inschrift:  »Cirülus 
epH.  p.  in  Alexandria  positus  lugat  sagittas  tonitrui*,  welche  in  Majuskeln  auf  einer 
Glocke  im  Kanton  Thurgau  steht,'  die  beste  Wirkung  gegen  den  Blitz  zu;  vergl.  Anz. 
G.  M.  1864.   Sp.  215. 

*  Dafs  dergleichen  Zusammenstellvmgen  gewisser  Namen  etc.  als  Bannformeln  gegen 
böse  Geister  und  besonders  gegen  Donnerwetter  gebraucht  wurden,  bemerkt  Lutner: 
Eisleber  Ausg.  11,  431,  b. 


446  Glockeninschriften. 

nicht  nur  derGiefser,^  sondern  auch,  wovon  sonst  kein  Beispiel  bekannt  ist, 
der  geistliche  Zeichner  der  Verzierungen  und  Schreiber  der  kalligraphischen 
Inschrift  genannt.  Auf  der  (umgegossenen)  Betglocke  der  Johanniskirche 
zu  Göttingen  stand :  t  Jch  bin  Maria  ghenant.  Mich  ghovs  ein  meisier  uz 
SascenkaU,  Magister  Hannes  van  Halversiai  t  Anno  Dni,  MCCCXL  VIII 
in  dieSymonis  etJu4e  f  Der  mich  vndemanichghviistuccervercesghemachet 
hait  ghot  ghebe  siner  sele  rait  Ave  Maria,  Im  XV.  und  XVI.  Jahrh.  sind  die 
meisten  Glocken  datiert,  enthalten  aber  nur  die  Jahreszahl,  der  Giefser  ist 
oft,  der  Donator  zuweilen  genannt.  Wenn  in  lateinischen  Glockeninschriften 
das  Wort  fecit  neben  einem  Namen  vorkommt  (z.  B.  Amoldus  me  fecii  oder 
Tollius  me  feciOy  bleibt  es  zweifelhaft,  ob  der  Giefser  oder  der  Donator  ge- 
meint ist.  In  deutschen  Inschriften  der  späteren  Zeit  ist  für  den  Giefser  die 
gewöhnliche  Formel:  NN.  goss  mich,  oder:  aus  dem  fewr  bin  ich  geflossen 
NN.  hat  mich  gegossen.  —  Auf  der  ältesten  datierten  Glocke  zu  Iggens- 
bach  von  1144  (s.  oben  S.  355,  Fig.  142  und  S.  404,  Fig.  212)  steht  nur 
das  einfache  Datum,  dagegen  auf  der  zu  Helfta  von  1234  (s.  S.  356)  steht 
oben  herum :  -f  A.  Jl,  Jve  Maria  .  gracia  .  plena  .  dominus  .  tecum .  Anno 
M^CCXXX^Ilir  fundata  und  unten  herum:  Tituhis  triumfalis  Jesus  Na- 
zarenus  rex  Judeorum,  und  dann  die  Gewichtsangabe  s.  oben  S.  411. 

Anmerkung.  Es  giebt  Glockeninschriften,  häufiger  aus  der  Majuskel-, 
als  aus  der  Minuskelzeit,  deren  Deutung  zweifelhaft  bleibt  oder  überhaupt  nicht 
gelingen  will,  woran  oft  Schreibensunkunde  und  technische  Fehler  der  Glocken- 
giefser  die  Schuld  tragen.  Diese  ehrenwerten  Handwerker,  in  der  lateinischen 
Sprache  sicherlich  höchstens  Tironen,  verstanden  die  Gebetsformeln  und 
Sprüche,  die  sie  wohl  nicht  immer  nach  gegebener  Vorschrift,  sondern  aus 
ihrem  eigenen  Vorrate  auf  die  Glocken  setzten,  wahrscheinlich  oft  selbst  nicht 
und  hatten  dergleichen  Sprüche  lediglich  durch  handwerkliche  und  Familien- 
überlieferung überkommen ;  die  Tradition  aber  mufste  bei  mangelndem  Ver- 
ständnis Korruptionen  zur  Folge  haben,  wie  namentlich  bei  Zauberformeln,  die 
unverstanden  weiter  verbreitet  wurden,  leicht  zu  erweisen  ist.  Zuweilen  waren 
es  auch  Nichttechniker  (Geistliche),  die  sich  dem  ungewohnten  und  unbeque- 
men Geschäfte  des  Schreibens  in  den  Mantel  der  Form  unterzogen  und  dabei 
so  flüchtig  zu  Werke  gingen,  dafs  die  Enträtselung  nur  dann  glückt,  wenn  es 
sich  um  irgend  eine  bekannte  Formel  handelt,  wie  dies  z.  B.  auf  einer  Glocke 
zu  Sternebeck  (im  Kr.  Oberbarnim)  der  Fall  ist,  wo  (nach  gütiger  Mittei- 
lung des  Herrn  Justus  Rubehn  in  Bromberg)  das  Avemaria  folgendermafsen 
aussieht : 


^CV  OfJ\  /Hl  h^  A 


Fig.  280. 


*  Dieser  Tidericus  dürfte  als  der  älteste  inschriftlich  genamite  deutsche  Glockon- 
giefeer  anzusehen  sein.  Auf  einer  anscheinend  wenig  jüngeren  Glocke  zu  Oetzsch 
(Kr.  Mei-seburg)  steht  in  M^uskeln  Henricus  ßius  Tiderici  me  fecit,  was  freilich 
ebenso  gut  den  Donator  bezeichnen  kann.  Was  das  auf  einer  nach  Lotz  noch  dem 
Xm.  Jahrh.  angehörigen  Glocke  zu  Ottrau  (Reebz.  Kassel)  in  Majuskeln  stehende 
t  min  magister  f  besagen  will,  muTs  dahingestellt  bleiben. 


(jlockeu-  und  Siegelinschriften.  447 

und  das  Übrige  nicht  zu  enträtseln  ist.  Schon  die  vorstehende  Schriftprobe  er- 
giebt,  wie  der  ungeschickte  Schreiber  Majuskeln  und  Minuskeln  ineinander 
mischte  y  und  die  Minuskel  e  steht  verkehrt.  Auch  die  auf  diesem  Gebiete  stets 
beliebte  Geheimnisthuerei  kommt  hierbei,  vielleicht  selbst  bei  der  Verkehrt- 
schreibung mancher  Inschriften  mystischen  Inhalts  (oben  S.  410  Anmerkung) 
in  Betracht.  Es  genügte  ja,  wenn  nur  ein  recht  kräftiger  Wetter-  oder  Feuer- 
segen auf  der  Glocke  stand ;  ob  man  denselben  lesen  und  verstehen  konnte, 
war  von  sehr  untergeordnetem  Belang.  -^  Auch  blofs  dekorative  Glocken- 
inschriften kommen  vor,  z.  B.  die  Buchstaben  des  Abc  in  alphabetischer  Reihen- 
folge. Für  Liebhaber  von  Deutungsversuchen  ist  interessant,  was  in  deutlichen 
Buchstaben  auf  einer  Glocke  zu  Kreblitz  bei  Luckau  steht: 

t  000A00<^00n000o)00  0S00h000A0  0l000000S 

0  0  hESh  a6>xaR 

oder  auf  einer  von  1476  datierten  zu  Girlachsdorf  in  Schlesien: 

i^svfsvxrhi^cnfkxotvsgtfbvxosxtgtstvrozrirohsfrbiiic 

q.  Inschriften  auf  den  Siegeln  stehen  fast  ausnahmslos  als  Umschrift 
um  das  Siegelbild  auf  der  Siegelfläche  selbst,  selten  nur  in  älterer  Zeit  auf 
dem  schrägen  Rande  des  Siegelstempels  (wie  auf  dem  Beispiel  aus  Naumburg 
oben  S.  405,  Fig.  213),  und  zwar  beginnen  sie  in  der  Regel  oben  in  der  Mitte 
über  dem  Siegelbilde,  selten  unten  in  der  Mitte,  mit  einem  Kreuze,  und 
sind  in  der  ältesten  Zeit  ohne  alle  Einfassung,  später  von  einfachen  oder 
Perlreifen,  die  sich  mit  der  Zeit  immer  reicher  gestalten,  eingefafst.  Im 
XV.  Jahrh.  werden  sie  auch  auf  förmliche  Schriftbänder  gesetzt,  die  gegen 
Ende  desselben,  der  Mode  der  Zeit  folgend,  auf  das  mannigfachste  durch- 
einandergeschlungen werden,  und  mit  dem  Eintreten  der  Renaissance  wieder 
einer  einfacheren  Form,  dann  oft  statt  der  Perlreifen  von  zierlichen  Lor- 
beer- oder  sonstigen  Blattkränzen  eingefafst,  Platz  machen.  —  In  der  Form 
der  Buchstaben  folgen  die  Siegelinschriften  der  allgemeinen  Entwickelung  der 
monumentalen  Schriftformen,  bringen  jedoch  Neuerungen  meistens  erst  etwas 
später  als  die  übrige  Denkmälerwelt  und  im  allgemeinen,  wie  bei  der  Klein- 
heit der  Kunstwerke  natürlich,  in  einer  strengeren  Formengebung  und  unter 
Verzieh tleistung  auf  alle  kalligraphischen  Schnörkel,  die  sich  sonst  doch 
auch  in  der  Monumentalschrift,  namentlich  auf  Gufswerken  der  romanischen 
Zeit  so  vielfach  finden.  —  Die  Sprache  der  kirchlichen  Siegelumschriften  ist 
ausnahmslos  die  lateinische.  Kirchliche  Siegel  mit  deutschen  Inschriften 
aus  dem  eigentlichen  Mittelalter  sind,  soviel  bekannt,  bis  jetzt  nicht  nach- 
gewiesen. Sie  nennen  regelmäfsig  den  Siegelführer,  und  zwar  in  den  älte- 
sten einfach  den  Namen  desselben  im  Nominativ,  selbst  bei  den  Siegeln  von 
Stiftern  und  Klöstern  wird  nur  der  Name  des  Titelheiligen  im  Nominativ 
genannt,  z.  B.  auf  dem  ältesten  Siegel  des  Magdeburger  Erzstifts:  Sanc- 
ivs .  Mavricivs .  martyr .  gloriosvs;  vom  XIII.  Jahrh.  an  mit  Hinzufügung  des 
Ortsnamens.  Erst  seit  dem  XUI.  Jahrh.  wird  dann  das  Sigillumy  meist  ab- 
gekürzt S  oder  S'  davor  gesetzt,  indessen  bleibt  auch  dabei  der  Name  noch 
lange  im  Nominativ  stehen,  und  erst  mit  Ende  des  Jahrh.  wird  der  Genetiv  all- 
gemein gebräuchlich.  Sonstiges  Inschriftliche  auf  den  Siegelflächen  selbst  be- 
schränkt sich  auf  Beischrift  der  Namen  der  Heiligen  oder  einzelner  Aussprüche 


448  InschrifteQ  auf  Siegeln,  GerätHchaftcn 

derselben,  z.B.  wenn  auf  dem  Kapitelgsiegel  von  St.  Pauli  zu  Halberstadt 
der  Apostel  ein  Spruchband  mit  Gracia  dei  sum  id  guod  sum  oder  auf  dem 
des  Klosters  Bergen  Johannes  d.  T.  ein  solches  mit  Parate  viam  dni  trägt, 
oder  auf  kurze  Gebetsrufe  der  kniend  dargestellten  Siegelfahrer,  hie  und 
da  auch  eine  wappenartige  Devise,  wie  z.  B.  das  Wort  aliain  im  Siegel  des 
Stifts  zu  Vilshofen  a.  Main,  dessen  Stifter  Heinrich  Tuschl  infolge  flbler 
Erfahrungen  im  ehelichen  Leben  dasselbe  Wort  auch  als  Devise  für  die  Klei- 
dung der  Stiftsherren  angeordnet  hatte.  Seltener  ist,  dafs  in  den  Umschrif- 
ten an  Stelle  der  Namen  des  Siegelftthrers  und  des  Orts  Sprtiche  und  Devisen 
treten.  So  führen  sämtliche  Siegel  des  Stifts  Göfs  in  Steiermark  die  Um- 
schrift: Adelüy  summe  deus,  hoc  fert  tibi  fomula  muniis,  das  des  Klosters 
Steinheim  in  Württemberg  (später  in  Königsbronn  aufgegangen)  aus  dem 
Xni.  Jahrh.  hat  nur  die  Umschrift:  ecce  agnus  dei^  das  des  praepositus  de 
Cella  an  einer  KaisersheimerUrkunde  von  1216  im  Kön.  Reichsarchiv  zu 
München  nur:  memento  mei  dj  und  das  des  ehemaligen  Klosters  Marie n- 
ehe  bei  Rostock:  Lex  mariae  humilitas.  Wo  nicht  anderweitige  Quellen 
vorhanden  sind,  ist  in  solchem  Falle  die  Bestimmung  vorhandener  Siegel- 
stempel unmöglich,  so  bei  dem  von  Fürst  Hohenlohe  im  Anz.  G.  M.  1871, 
129  publicierten  spitzovalen  Stempel  mit  der  heil.  Margareta  und  der  Majus- 
kelumschrift Firtus  est  in  mediOj  oder  einem  anderen  mit  dem  h.  Laurentius 
und  der  Minnskelumschrift  in  craticula  ie  deum  non  negavi  aus  dem  Officium 
des  h.  Laurentius. 

r.  Auf  kirchlichen  Gerätschaften  aller  Art  finden  sich  Notizen  über 
ihre  Verfertigung  und  Erwerbung,  aus  älterer  Zeit  nicht  so  häufig  als  später 
(z.  B.  auf  dem  Archivalmer  von  1455  im  Dome  zu  Breslau  giebt  der  Stifter 
nicht  nur  seinen  Namen  an,  sondern  auch  den  Preis  et  constat  35  flor,  de 
propriis;  der  Stifter,  der  zugleich  maglster  fabricae  des  Doms  war,  hat  also 
diese  Erwerbung  auf  eigene  Kosten  gemacht);  aber  auch  mystische  und 
sententiöse  Inschriften  kommen  gelegentlich  vor  (z.  B.  an  allerlei  Kreuzen 
sehr  häufig:  crux  est  vita  mihi,  mors  inimice  tibi),  und  die  romanische  Zeit 
hat  es  nicht  leicht  versäumt,  wo  Bilder  auf  ihren  Gerätschaften  vorkommen, 
namentlich  wo  dieselben  Neutestamentliches  mit  Typen  aus  dem  A.  T.  oder 
der  Natur  zusammenstellen,  dieselben  mit  ausführlichen  deutenden  Um- 
schriften in  leoninischen  Versen  zu  versehen. 

8.  Die  Inschriften  bildlicher  Larstellnngen  stehen  in  der  gotischen  Periode 
gewöhnlich  auf  schmalen,  anfangs  einfachen,  später  flatternden  bandartigen 
Streifen  (Spruchbändern)  und  enthalten  entweder  die  Namen  der  darge- 
stellten Personen  (bei  Heiligenbildern  zuweilen  mit  dem  Zusätze :  Ora  pro 
nobis)  oder  Worte,  die  ihnen  in  den  Mund  gelegt  werden,  z.  B.  bei  Abbil- 
dungen eines  Donators  oder  Verstorbenen  oft:  Ora  (orate)  pro  me  (pecca- 
tore)j  oder  eine  andere  kurze  Gebetsformel,  die  zuweilen  aus  irgend  einem 
kirchlichen  Hymnus  entnommen  ist.  Auch  in  der  Glorie,  oder  zu  den 
Seiten  der  Heiligen  (in  der  roman.  Periode  zuweilen  in  Kolonnenschrift; 
vergl.  z.  B.  die  Namen  Phison  und  Tigris  auf  dem  Stahlstiche  zu  S.  175), 
oder  auf  Gewandsäumen  stehen  ihre  Namen;  es  finden  sich  aber  auch 
auf  Kleidersäumen  der  Heiligenbilder  des  XV.  und  XVI.  Jahrh.  oft  ganze 
Reihen  von   Buchstaben,   deren    Deutung    selten    gelungen    ist.     Schon 


und  bildlichen  Darstellnngeu.  449 

auf  den  ältesten  christlichen  Denkmälern  in  den  römischen  und  neapolita- 
nischen Katakomben  kommen  als  Nachahmung  einer  heidnischen  Sitte  in 
den  Zipfeln  der  Gewänder  einzelne  Buchstaben  vor,  z.  B.  I.  H.  L.  T.  X.  V., 
die  von  einigen  für  eine  Nachbildung  der  Weberzeichen  gehalten  werden, 
welche  bei  der  Fabrikation  der  Tücher  eingewirkt  wurden,  von  anderen  für 
symbolische  Zeichen  irgend  eines  religiösen  Gedankens J  Die  Inschriften 
auf  dekorativen  Gegenständen  im  späteren  Mittelalter  (auf  einer  Säbelscheide 
in  den  unteren  Fenstern  de^  Kölner  Domes  steht  z.  B.  ZAENI  CMNGLDIE; 
auf  der  Gewandborte  einer  Heiligen  am  Portale  der  Schlofskirche  zu  Chem- 
nitz: CAGWKS  EAAPIWEVSWR)  sind  nach  der  Meinung  einiger  lediglich 
dekorativ  und  ohne  alle  Bedeutung,  nach  anderen  jedoch  eine  Geheimschrift 
durch  Versetzung  der  Buchstaben  oder  Veränderung  ihrer  Bedeutung,  wozu 
uns  der  Schlüssel  fehlt.^  Beide  Ansichten  sind  zulässig :  denn  es  giebt  ge- 
wisse Inschriften  in  fremdartigen  Charakteren,  die  sicherlich  keine  Bedeu- 
tung haben  z.  B.  auf  dem  Gewände  des  Eccehomo  in  der  CoUectio  Weige- 
liana,  I,  354,  No.  222,  aber  es  kommen  auf  Gewandsäumen  auch  wirkliche 
Legenden  vor;  es  steht  z.  B.  gleich  neben  der  erwähnten  Heiligen  am  Por- 
tale zu  Chemnitz  auf  der  Kleiderborte  der  Maria  die  ganze  erste  Zeile 
des  Salve  reghia,  und  auf  dem  dem  Schäuffelin  zugeschriebenen  Noli 
me  tangere  in  der  Kasseler  Gallerie  (Abb.  Dohme,  Kunst  und  Künstler  etc., 
I,  1.  lief.  S,  33)  die  ganze  Rede  Christi  an  die  Magdalena  auf  dem  Saume 
seines  Gewandes  um  den  Hals  und  unten.  Wenn  auf  dem  Schwerte 
einer  Statue  Karls  des  Grofsen  in  der  Ludgerikirche  zu  Münster  auf  der 
einen  Seite  die  Buchstaben  DPCCADC  stehen,  und  auf  der  anderen  die 
Deutung:  Id  est:  Decem  Praeceptorum  Cusios  Carolas  A  Deo  Constitutusy 
so  ist  letztere  schwerlich  authentisch.  —  Nicht  unwahrscheinlich  ist  es 
übrigens  wohl,  dafs  sich  diese  rätselhaften  Kleid  er  Inschriften  zum  Teil 
auf  OflTenbar.  Joh.  19,  12  (vergl.  V.  16)  beziehen,  wo  es  heifst:  Habens 
nomen  (in  vestimento)  scriptum^  quod  nemo  novit  nisi  ipse.  —  Andere  Bei- 
spiele von  Inschriften  auf  Bildern  weiter  unten  in  dem  Abschnitt  Ikono- 


^  ^Vestes  literata€€  kommen  schon  auf  Denkmälern  in  den  Ruinen  von  Persepolis 
in  Keilschrift  (Le  Bryn,  Voyage.  IQ,  356),  zufolge  einer  Inschrift  auf  den  Elgin  mar- 
bles  im  Brit.  Museum  griechisch  (F.  Osann,  Sylloge  inscr.  antiq.  79  u.  82),  eben- 
so auch  auf  etruskiBchen  Monumenten  (Lanzi,  Saggio  di  lineua  Eti*usca  ü.  Tav.  2. 
Fiff.  1.  2  u.  4)  vor.  Vergl.  Ci am pini,  Opp.  I,  96  u.  247.  Im  Mittelalter  haben  jeden- 
falls die  saracenischen  Kleiderstoffe  mit  ihren  nach  den  Regeln  muhammedanischer 
Ornamentik  eingewebten  Inschriften  die  Sitte  der  Kleiderinscnriften  auch  im  christ- 
lichen Abendlande  angere^.  Auf  den  kirchlichen  Gewändern  finden  sich  vielfach 
die  Namen  Jesus  und  Marta,  oder  einzelne  Buchstaben  wie  M,  oder  Ä  und  M  (=  Ave 
Maria)  eingestickt  und  eingewebt,  und  auf  weltlichen  Gewändern  kommen  dieselben  Buch- 
staben vor,  wobei  man  denn  freilich  unter  den  A  an  amo  (vergl.  die  Braunschweiger 
Antependien  oben  S.  150)  dachte.  Im  XV.  Jahrh.  finden  sich  nicht  selten  Mono- 
gramme und  Devisen  fürstlicher  Personen  als  Stof&nuster  der  Prunkgewänder,  mit 
welchen  dieselben  bei  festlichen  Gelegenheiten  ihre  gesamte  Dienerschaft  uniformierten. 
Solche  Stoife  sind  zum  Teil  auch  in  die  kirchlichen  Vestiarien  als  Geschenke  gelangt, 
z.  B.  der  Dom  zu  Brandenburg  besitzt  ein  Pluviale  von  gelbseidenem  Süberbrokate, 
welcher  mit  Sechsecken  gemustert  ißt,  in  denen  ein  sübemer  Greif  mit  dem  Spruch- 
band a  man  poer  erschemt.  Das  Beispiel  von  Vilshofen  (s.  oben  S.  448)  zeigt  aber, 
dafs  solche  Devisen  auch  direkt  und  geflissentlich  auf  kirchliche  Gewänder  kamen. 

2  Vergl.  Wiggert,  in  N.  Mitt.  Th.-S.  V.  VI.  1,  104.  —  Wattenbach,  Latein. 
Paläograpme,  9  n. 

Otte,  Kumt -Archäologie.    5.  Aufl.  29 


450  Wappen  am  Kirchpügo})äude,  Gehiton 

graphie.  —  Die  Maler  des  Spätmittelalters  liebten  es,  auf  ihren  Gemälden 
ein  Schrifttäfelchen  mit  ihrem  Monogramm  etc.  an  einem  Baumzweige  etc. 
hängend  anzubringen. 


D.    Heraldik. 

71.  Vom  Xni.  Jahrhundert  an  finden  sieh  auf  kirchlichen  Denk- 
mälern häufig  Wappen,  zuerst  nur  auf  Epitaphien  von  Rittern,  wo  die 
Wappenbilder  auf  dem  eigentlichen  Scliilde,  welcher  von  dreieckiger  Ge- 
stalt ist,  angebracht  sind,  oder  auch  als  Dekoration  der  Gewänder, 
Fahnen  etc.,  bald  aber  selbständig,  und  auf  Denkmälern  jeder  Art. 

Mancherlei  Bilder  und  zufällige  Zierraten  wurden  zwar  schon  in  den 
ältesten  Zeiten  auf  Ritterschilden  angebracht;  sie  sind  aber  wesentlich  ver- 
schieden von  den  späteren,  eigentlich  heraldischen  Wappen,  welche  in  den 
Kreuzzügen  aufgekommen,  in  einem  bestimmten  Typus  sich  forterbend, 
ganzen  Geschlechtern  eigen  waren.  —  In  der  Schenkenkapelle  zu  Kom- 
burg  befindet  sich  ein  Grabstein  mit  einem  Wappenschilde  von  sehr  alter- 
tümlicher Form  (Abb.  im  Aiiz.  G.  M.   1«G3.   Sp.  10)  und  mit  der  Inschrift: 

t  ^"  KL  Nov.  0.  Cvnrad',  d,  Svlze,  siclierlich  aus  dem  XIII.  Jahrhundert. 

72.  Wappen  am  Kirchengebäude  selbst  oder  einzelnen  Teilen  des- 
selben, oder  an  den  Altarschreinen,  den  Mefs-  und  anderen  kirchlichen 
Gerätschaften  bezeichnen  durchgehends  die  Stifter  derselben. 

Das  Anbringen  solcher  Wappen  hängt  mit  der  im  Laufe  des  XV.  Jahrh. 
besonders  unter  Einflufs  des  Kaisers  Friedrich  III.  allgemein  sich  ausbrei- 
tenden Passion  für  das  Wappen wesen  zusammen,  deren  sich  auch  die  Kirche 
als  eines  Sporns  für  die  etwa  erlahmende  Gebefreudigkeit  zu  bedienen  wufstc. 
Beim  Baue  des  Frankfurter  Domturmes  z.  B.  wurde  es  den  Stiftern  von  Bild- 
säulen als  ein  besonderes  Vorrecht  zugestanden,  ihre  Wappen  daran  anzu- 
bringen. Nach  Martin  Pegius  (Dienstbarkhaiten  etc.  Ingolstadt  1566  fol. 
68)  durfte  jeder,  der  eine  Kirche  oder  Kapelle  ganz  aus  eigenen  Mitteln 
baute,  sein  Wappen  darin  anbringen  lassen;  wer  aber  Geld  aus  einer  an- 
deren Quelle  zuhilfc  nahm,  liatte  dies  Recht  nicht,  und  eines  flüchtigen 
Verräters  Wappen  durften  in  der  Kirche  abgeschabt  werden,  auch  wenn  er 
dieselbe  erbaut  hatte.  Vergl.  über  Wappen  in  den  Schlufssteinen,  Chr. 
K.-B1.  1881,  88  ff. 

73.  Die  Wappen  auf  Grabdenkmälern  beziehen  sich  auf  den  Ver- 
storbenen, seine  Familie,  seine  Gattin  und  die  beiderseitigen  Almen, 
sowie  auf  die  von  ilmi  bekleidete  Würde. 

Auf  älteren  Grabsteinen,  die  noch  keine  Bildnisflguren  enthalten,  ist 
der  Wappenschild  häufig  der  einzige  flgürlicke  Schmuck ,  vielfach  von  einem 
Kreuze  überragt,  und  zwar  steht  der  Schild  dann  meist  gelehnt  (d.  h.  ge- 
neigt), gewöhnlich  nach  heraldisch  rechts.  Später  wird  der  Schild  von 
den  Bildnisfiguren  ganz  wie  von  lebenden  Personen  gehalten,  also  entweder 
am  linken  Arm  getragen,  oder  über  dem  linken  Oberschenkel  am  Gürtel  auf- 


1.          2. 
3.         4. 

3.          4. 
1.2. 

und  auf  Grabdenkmälern.  451 

gehängt,  oder  die  linke  Hand  stützt  sich  auf  den  unten  vor  den  Füfsen  oder 
zur  Seite  stehenden  Schild.  Erst  in  späterer  Zeit  erscheint  der  Schild  ganz 
getrennt  von  der  Figur,  namentlich  wenn  dieselbe  kniend  dargestellt  ist. 
»Seit  dem  XV.  Jahrh.  finden  sich  sehr  gewöhnlich 
in  den  vier  Ecken  derLeichensteine  vier  Wappen,  die 
vier  Ahnen  des  Verstorbenen  bezeichnend  und  zwar 
hauptsächlich  in  den  durch  Fig.  231  ausgedrückten 
Variationen  der  Gruppierung,  wobei  1.  das  Wappen 
des  Vaters,  2.  das  der  Mutter,  3.  das  der  väterlichen 
und  4.  das  der  mütterlichen  Grofsmutter  ist;  je-     '  Jig.  «sT 

doch  kommen  auch  andere  Anordnungen  vor  (vergl. 

F.  K.  im  Korr.-Bl.  Ges.-V.  1859,  No.  9  u.  10;  1S72,  43  ff.  und  Klemm  in  den 
AVürttemb.  Vierteljahresheften  1879,  45  ff.).  Wenn  acht  Wappen,  die  dann  auf 
beiden  Längsseiten  des  Steins  j«  vier  untereinander,  oder  an  beiden  Längs- 
seiten der  Tumba  je  vier  nebeneinander  geordnet  werden,  vorkommen,  so 
beziehen  sie  sich  auf  die  acht  Urgrofsältern  des  Verstorbenen.  In  einigen 
Fällen  kommen  schon  im  XVL  Jahrh.  die  sonst  erst  im  XVIL  häufigen  16 
Ahnenschilde  (d.  h.  die  der  16  Altern  der  8  Urgrofsältern)  vor,  so  auf  den 
Vischerschen  Denkmälern  der  Kurfürsten  Friedrich  der  Weise  und  Johann 
der  Beständige  in  der  Schlofskirche  zu  Wittenberg. 

Auf  den  Grabsteinen  solcher  Adeligen,  welche  als  die  Letzten  ihres 
Stammes  mit  umgekehrtem  Wappenschilde  begraben  wurden,  steht  der 
Schild  gestürzt. 

74.  Etwa  von  der  3ßtte  des  XIV.  Jahrhunderts  an  kommen  Wappen 
auch  auf  Denkmälern  geistlicher  Würdenträger  vor;  in  der  Regel  sind 
zwei  Schilde  synmietrisch  angebracht,  der  eme  mit  dem  Stifts-  oder 
Amtswappen,  der  andere  mit  dem  Familien wappen.  Vom  Ende  des 
XV.  Jalirhunderts  an  sind  beide  Wappen  gewöhnlich  in  einen  quadrier- 
ten Schild  vereinigt,  in  welchem  die  in  derselben  Diagonale  liegenden 
Felder  zweimal  die  Insignien  des  Geschlechts  resp.  des  Stifts  darstellen. 
Diese  vier  Felder  kommen  aber  auch  als  besondere  Schilde  wie  die  4 
Ahnenwappen  in  die  vier  Ecken  der  Grabsteine  geordnet  vor. 

Auf  dem  Grabsteine  des  im  J.  1241  gestorbenen  Hochmeisters  der 
Deutschherren  Konrad  von  Thüringen  in  der  Elisabethkirche  zu  Marburg 
sind  schon  zwei  Wappenschilde  angebracht:  der  eine  mit  dem  Kreuze  des 
deutschen  Ordens,  der  andere  mit  dem  Thüringischen  Löwen.  —  Im  Dome 
zu  Bamberg,  wo  sich  Grabsteine  der  dortigen  Bischöfe  und  Kapitularen  in 
seltener  Menge  erhalten  haben,  ist  das  Denkmal  des  Bischofs  Friedrich  I. 
V.  Hohenlohe  (t  1352)  das  älteste,  auf  welchem  Wappen  zum  Vorschein  kom- 
men: rechts  ein  Schild  mit  den  Insignien  des  Stifts,  links  ein  Schild  mit  dem 
Familienwappen  des  Bischofs.*  —  Um  die  nämliche  Zeit  erscheinen  die 
Wappen  auch  auf  den  Siegeln  der  Bischöfe;  Clemens  VI.  (seit  1342)  ist 
unter  den  Päpsten,  Heinrich  Graf  von  Virneburg  1307  unter  den  Erz- 
bischöfen von  Köln,  Otto  Landgraf  von  Hessen  (1325  — 1361)  unter  den 

*  Landgraf,  d.  Dom  zu  B.,  15. 

29* 


452  Wajipen-Sohilde 

ErzbiBcliÖfeii  vud  Magdeburg,  Hermann  Graf  von  Ulankenburg  (1'298  — 
1303)  uuter  den  Bischöfen  vou  Halberstadt,  Gerhard  1.  Graf  zu  Scbwarz- 
bnrg  (13(iü — 1372)  unter  den  Bischöfen  von  Naumburg,  Heinrich  I.  von 
Bülow  (133!t— 1347)  unter  den  Bischöfen  von  Schwerin  und  Albrecht 
von  Hohenlohe  (1345 — 1372)  unter  denen  von  Würzburg  der  erste,  in 
dessen  Siegeln  Wappen  vorkommen.  Übrigens  sprechen  mehrere  Beispiele 
dafür,  dafs  Wappcnsc bilde  früher  auf  den  Siegeln  der  Kapitularen  und  auf 
den  Nebenstegeln  der  Bischöfe  vorkommen,  als  auf  deu  Hauptsiegelu  der 
letzteren.  Als  .llteste  Wappensiegel  von  Geistlichen  gelten  die  des  Dekans 
von  Krauchenwies  Ortolf  von  Leiterberg  (1243)  und  des  Pfarrers  von 
Herbertsfeldeu  Otto  von  Paenge  (1259  —  1270.  Abb.  Anz.  G.  M.  1H7(I, 
273).  —  Auf  vielen  bischöflichen  Grabsteinen  findet  man  nur  Familienwap- 
pen und  kein  Stiftswappen.  —  Als  frühzeitiges  Beispiel  einer  Vereinigung 
mehrerer  Wappen  in  einen  Schild  könnte  der  giofse  Wappenschild  angeftlhrt 
werden,  welcher  sich  auf  der  gravierten  Grabplatte  des  Bischofs  Lambert 
von  Bruun(t  1309)  im  Dome  zu  Bamberg  befindet,  wenn  die  Gleichzeitig- 
keit dieses  Denkmals  nachgewiesen  sein  sollte;  das  Wappen  enthalt  in  vier 
Feldern  die  Insignien  der  Hochatifter  Strafsburg,  Spoier,  Briien  und  Bam- 
berg, denen  der  Verstorbene  zu  verschiedenen  Zeiten  als  Bischof  vorstand  ; 
anfeinem  Mittelschilde  ist  das  Brunn'sche  Familienwappeu  angebracitt. 
75.  Zu  den  weseutlidien  Stücken  eines  Wappens  frehören  der  Schild 
und  der  Helm. 

Auf  vielen  Denkmälern  erscheinen  die  Wappen  unvollständig ;  oft  nur 
ein  Schild  ohne  den  Helm,  zuweilen  (besonders  im 
XIV.  Jahrh.)  der  Helm  ohne  Schild,  sogar  auf  den 


Siegeln  von  Geistlichen,  z.B.  dem  des  Priesters  Johannes  Lieae  (1324)  vei^L 
Mecklenb.  Urk.-Bueh,  VII,  183. 

Die  Entwtckelnng  der  Formen  der  Wappen-Schilde  und  Helme  folgt 
derjenigen  der  wirklichen  Kampf-  und  Turnier-Schilde  undHelme.  Je  mehr 


und  Helme.  453 

gegen  den  Ausgang  des  Mittelalters,  desto  mehr  werden  aber  auch  auf  den 
Kunstdenkmälern  die  Wappen  in  Bezug  auf  die  Formen  sowohl  von  Schild 
und  Helm  als  der  Wappenbildor  nnd  Kleinode  einer  kUnstleriechen  Stili- 
sierung unter  Einflufe  der  zur  Zeit  allgemein  herrschenden  Stilgeaetze  unter- 
worfen, wofür  die  tonangebende  Liebhaberei  Kaiser  Friedrichs  III.  beson- 
ders ins  Gewicht  gefallen  ist. '  Hierdurch  sind  die  Wappen  fUr  die  Zeitbe- 
stimmung sonst  undatierter  Denkmäler,  au  denen  sie  vorkommen,  von  nicht 
geringer  Bedeutung.  Wir  geben  in  Fig.  232  bis  236  Beispiele  der  haupt- 
sächlichsten Stadien  der  EntWickelung  der  Wappen  forme  n :  Fig.  232.  Wappen 


des  Grafen  Günther  von  Kevernburg  nach  dessen  Siegel  um  1300,  zeigt  die 
Alteste  Form,  Dreieckschild,*  ziemlich  spitz  mit  gebogenen  Seiten,  der  Helm 
oben  flach  (Topfhelm)  ohne  Decken.  —  Fig.  233,  Wappen  Johanns  U.  Burg- 
grafen von  Hobeuzollem  nach  dessen  Siegel  von  1332:  Schild  noch  ebenso; 
Helm  oben  spitz  (KObelhelm)  mit  Helmdecke;  diese  noch  in  der  ursprüng- 
lichen Form  des  zum  Schutz  gegen  Sonnenschein  und  Regen  um  Helm  und 
Schultern  gelegten  Tuches.  —  Fig.  234.  Wappen  des  Gerke  Bismarck  nach 
dessen  Siegel  von  1409:  Schild  breiter,  mehr  gerundet;  Helm  Stechhelm  in 
der  Übergangs  form  mit  agezaddelten«  (nach  der  Mode  der  Zeit  an  den  Rän- 
dern anegeschnitteneu)  Decken;  das  Helmkleinod  (siehe  §.79,  S.  457)  über- 
wiegt meistens  anGröfse  den  Schild.  —  Fig.  23ö.  Wappen  des  Johann  Eytl, 
Rektors  der  Universität  Erfnrt  1495  nach  einer  Pergament  maierei  aus  der 
Universitätsmatrikel :  Schild  Tartsche  unten  rund  an  den  Seiten  ausgerundet ; 
Helm  .Stechlielm  mit  völlig  in  Lauhform  ornamental  stilisierter  Decke  (es 
kommen  in  dieser  Zeit  schon  Bügelhelme  vor).  —  Fig.  236.  Wappen  der 
Familie  Freymann  nach  einer  Zeichnung  von  Jost  Ammann  1574 :  Schild 
ausgebogt  nnd  geschlitzt  (Kartusche);  Helm  BUgelheIra  mit  Spangen,  Krone 

'  Verd.  V.  Hartmann-Franzenshuld,  über  den  Stil  in  der  TVappenkunst,  in 
den  Mitt.  C.-K.  XIX,  23  ff.  Sammlungen  von  Beispielen  der  StLentwiekelung  bieten 
die  Heraldischen  Musterbiichor  von  0.  T.  von  Hefner  (1868,  mit  48  Taft.)  und  Ad. 
M.  Hildebrandt  (1872,  mit  40  Taff.). 

>  Vorel.  Fürst  Hohenlohe,  die  herald.  Schildformen  vor  d.  Jahre  1450,  als  2.  An- 
hang zu  Dosselb.,  das  heraldische  and  dekorative  Pelzwert  (1967).    2.  Aufl.  IS76. 


454 


Wappcnbilder. 


und  Halskette ;  die  Decke  in  Renaissanceformen  überreich  und  zierlich  ge- 
kräuselt. —  Bürgerliche  Wappen,  die  zu  Ende  des  XIIl.  Jahrh.  sich  zu- 
erst zeigen,  unterscheiden  sich,  wie  schon  diese  Beispiele  zeigen,  ursprüng- 
lich in  nichts  von  den  adeligen,  erst  später  kam  die  Sitte  auf,  für  adelige 
den  Bügelhelm  und  für  bürgerliche  den  Stechhelm  zu  wählen.  Statt  der 
Helme  werden  zuweilen  bei  fürstlichen  Wappen  verschieden  gebildete  Kro- 
nen und  Hüte,  bei  geistlichen  der  runde  Quastenhnt  oder  die  Inful  mit 
Krummstab  (wo  die  Träger  zugleich  weltliche  Fürsten  waren ,  auch  mit  dem 
Schwerte)  angebracht.  Gegen  Ende  des  Mittelalters,  wo  die  früher  einfachen 
Wappen  immer  zusammengesetzter  und  reicher  werden,  erscheinen  auf  den 
Denkmälern  oft  aus  vielen  Feldern  zusammengesetzte,  mit  mehreren  Helmen 
oder  bei  Bischöfen  etc.  mit  der  Inful  für  das  geistliehe  und  mit  dem  Helme 
für  das  Familienwappen  geschmückte  Schilde. 

76.  Auf  dem  Schilde  werden  die  Wappenbilder  dargestellt ;  die  erste 
und  einfachste  Art  der  Wappenbilder  sind  die  sogenannten  Herolds- 
figuren, d.  h.  die  rein  geometrischen  Schildteilungen. 

Die  Teilungen  sind  entweder  Schildes -Hälften  und  Viertel  (Fig.  237, 
No.  1.  2.  3.  4.  8)  oder  stellen  die  sogenannten  Ehrenstücke  dar  (z.  B.  Bal- 
ken, Schrägbalken,  Pfähle  etc.).  Diese  Teile  und  Ehrenstücke  werden  in 
gemalten  Wappen  durch  verschiedene  Farben,  in  plastischen  durch  Ver- 
tiefung und  Erhöhung,  auch  durch  Schraffierung  oder  Damascierung  von 
einander  abgesondert. 


5. 


(5. 


7. 


HNT 


Flg.  237. 

Der  Schild  No.  1  ist  gespalten  (längs,  abwärts  geteilt);  No.  2  ist 
(quer)  geteilt;  No.  3  ist  von  der  oberen  Rechten  zur  imteren  Linken  ab- 
wärts (schräg  rechts)  geteilt;  No.  4  ist  von  der  oberen  Linken  zur  unte- 
ren Rechten  (schräg  links)  geteilt;  No.  5  ist  von  einem  Balken,  No.  6  von 
einem  (rechten)  Schrägbalken  durchzogen;  in  No.  7  steht  ein  Pfahl;  No.  8 
ist  ein  quadrierter  Schild,  der  gewöhnlich  zwei  vereinigte  Wappen  enthält, 
und  zwar  Feld  1  dieselbe  Figur,  wie  das  Feld  4,  und  ebenso  entsprechen 
einander  die  Felder  2  und  3 ;  doch  können  auch  alle  vier  Felder  verschieden 
sein.  —  Beispiele  solcher  Wappen:  Einen  gespaltenen  Schild  (No.  1) 
führen  die  Bischöfe  von  Halberstadt  (weifs  und  rot) ;  die  Bisehöfe  von  Augs- 
burg (rot  und  weifs)  und  die  Bischöfe  von  Hildesheim  (schwarz  und  gelb) 
(vergl.  auch  Fig.  236).  —  Einen  geteilten  Schild,  rot  und  weifs,  (No.  2) 
führen  die  Erzbischöfe  von  Magdeburg.  —  Einen  schräg  rechts  geteilten 
Schild,  rot  und  weifs,  (No.  3)  führen  die  Dompröpste  von  Magdebui'g.  Einen 
Balken  (No.  5)  führen  die  Erzherzoge  von  Österreich  (vergl.  auch  Fig.  234), 
einen  schräg  rechts  gezogenen  Balken  (No.  G)  die  Grafen  von  Arnshag  und 
die  Bischöfe  von  Regensburg  (vergl.  auch  Fig.  235),  einen  Pfahl  (No.  7) 
die  Herren  von  Kreizen,  2  Pfilhle  (so  dafs  also  der  Schild  in  5  Längsstreifeu 


Wappenbilder.  455 

geteilt  ist)  die  Markgrafen  von  Landsberg.  Einen  (weifs  und  schwarz) 
quadrierten  Schild  (No.  B)  führen  die  Grafen  von  Hohenzollern  (vergl.  Fig. 
233).  Zusammengesetzt  geteilte  Schilde  sind  z.  B.  folgende :  ein  in  Würfeln 
geteilter  Schild  (Schachbrett) :  die  Grafen  von  Hohenstein ;  ein  in  ranten- 
förmigen  Feldern  geteilter  Schild  (Rautenschach) :  die  Grafen  von  Mansfeld 
etc.  Hierher  gehören  auch  die  durch  Stufen,  Spitzen,  Zinnen,  Gitter/  Spar- 
ren etc.  geteilten  Schilde. 

Anmerkung.  Die  Ausdrücke  rechts  und  links  sind  in  der  Heraldik 
stets  von  der  rechten  und  linken  Seite  des  Schildträgers  (nicht  des  Beschauers) 
zu  verstehen.  So  heifst  in  Fig.  237  No.  1  das  Feld  2  die  linke  Seite,  das  Feld 
1  dagegen  die  rechte  Seite  des  Schildes;  und  ein  rechts  schreitender  Leopard 
z.  B.  ist  ein  solcher,  der  nach  seiner  rechten  Seite  schreitet,  die  auch  die 
rechte  Seite  des  Schildträgers  sein  würde.  Übrigens  ist  die  Stellung  der 
Wappentiere  und  Figuren,  d.h.  ihre  Wendung  nach  rechts  oder  links  durchaus 
kein  heraldisches  Charakteristikum.  Dieselbe  richtet  sich  lediglich  nach  der 
Stellung  des  Schildes,  d.  h.  wenn  dieser  nach  rechts  gelehnt  ist,  so  ist  auch 
das  Tier  nach  rechts  gerichtet,  wenn  nach  links,  so  ebenfalls  das  Tier.  Wenn 
zum  Ausdruck  irgend  einer  näheren  Beziehung  (Symmetrie  oder  Verwandtschaft) 
zwei  Schilde  gegen  einander  geneigt  sind,  so  werden  bei  dem  heraldisch  rechts 
befindlichen  (bei  Ehepaaren  der  des  Mannes)  der  Schild  samt  Helm,  Bild  und 
Kleinod  vollständig  umgekehrt.  Dies  findet  namentlich  auch  bei  den  Reihen 
der  Ahnenwappen  auf  beiden  Seiten  der  Grabsteine  statt. 

77.  Die  übrigen  Wappenbilder  sind  äufserst  mannigfaltiger  Art ;  aufser 
solchen  geometrischen  Figuren,  welche  dem  Metallbeschlag  der  Schilde  ihren 
Ursprung  verdanken,  kommen  besonders  Raub-Tiere  imd  Vögel  (Adler, 
Löwe,  Wolf  etc.  aber  auch  zahme),  daneben  andere  Bilder  aus  der  Na- 
tur (Blätter,  Bäume,  Sterne  etc.)  und  allerhand  Utensilien  (Schwerter, 
Ringe,  Becher,  Kesselhaken,  Räder  etc.)  häufig  vor. 

Ein  Adler  (mit  zwei  Köpfen)  ist  das  Wappen  des  heiligen  römischen 
Reichs;  dem  deutschen  König  wird  ein  einköpfiger  Adler  zugeschrieben; 
'diesen  führen  auch  viele  kaiserliche  Beamte,  als:  die  Markgrafen  von 
Brandenburg,  die  Pfalzgrafen  von  Sachsen  etc.  und  viele  andere  Geschlech- 
ter. Ein  Löwe  ist  z.  B.  das  Wappen  der  Könige  von  Böhmen,  der  Herzoge 
von  Braunschweig,  der  Landgrafen  von  Thüringen  (Hessen),  der  Markgrafen 
vonMeifsen,  von  Jülich,  der  Pfalzgrafen  am  Rhein  etc.  Redende  Wappen- 
bilder sind  solche,  die  an  den  Namen  des  betreffenden  Geschlechts  erinnern, 
z.  B.  das  Wappen  der  Grafen  von  Henneberg:  eine  Henne,  die  auf  einem 
Berge  steht,  oder  das  der  Herren  von  Münchhausen :  ein  Mönch;  auch  Städte 
haben  oft  solche  redende  Wappen,  z.  B.  Kalbe  a.  d.  S.  ein  Kalb,  Jüterbog 
einen  Bock,*  Kröplin  in  Mecklenburg  einen  Krüppel  etc.  —  Die  Bilder  der 
bürgerlichen  Wappen  gehen  häufig  von  der  Hausmarke  aus,  daneben  kommt 
allerhand  Handwerkszeug  vor,  von  Tieren  mehr  friedliche,  auch  sind  Teile 
des  menschlichen  Körpers  beliebt.  —  Es  giebt  hin  und  wieder  Wappenbilder, 

*  Dies  kann  zugleich  als  Beispiel  dienen,  wie  dergleichen  redende  Bilder  zuweilen 
nur  auf  mifsverstandener  Namensdeutung  beruhen,  da  Jüterbog  nichts  mit  einem  Bocke 
zu  thun  hat,  sondern  nach  dem  slavischen  Gotte  (bog)  Jütra  genannt  ist. 


456  Wappen  geistlicher  Stiftungen. 

die  mit  einem  bestimmten  Namen  bezeichnet  werden,  ohne  dafs  die  Bedeu- 
tung des  ihnen  beigelegten  Namens  mit  Bestimmtheit  aus  denselben  ersicht- 
lich wäre :  dahin  gehören  z.  B.  die  sogen.  Lilien,  welche  aufser  den  Königen 
von  Frankreich  viele  andere  Geschlechter  im  Wappen  führen ,  und  der  sogen. 
Rautenkranz  in  dem  Wappen  der  Herzoge  von  Sachsen  etc.  Von  manchen 
anderen  Wappenbildern  ist  es  streitig,  was  sie  eigentlich  vorstellen  sollen; 
dahin  gehören  z.  B.  die  drei  Seeblätter  im  Schilde  der  Grafen  von  Brena, 
die  bald  Herzen,  Schröterhörner,  Feuerstahle  etc.  genannt  werden.  —  Die 
Kurfürsten  des  deutschen  Reichs  führen  z.  Tl.  die  Insignien  ihrer  Kurwürde 
im  Wappen,  so  Brandenburg  das  Reichsscepter,  Sachsen  die  Kurschwerter. 
—  Die  mittelalterlichen  Wappenbilder  sind  ihrer  ursprünglichen  Entstehung 
nach,  dafs  sie  als  Metallbeschläge  oder  aus  Leder  und  Zeug  (Pelz)  geschnit- 
ten flach  auf  den  wirklichen  Schild  befestigt  werden  konnten,  durchgehends 
im  Stile  der  Flachornamentik  stilisiert,  die  sich  namentlich  im  XV.  und  der 
ersten  Hälfte  des  XVL  Jahrh.  zu  wirklich  künstlerischer  Wirkung  erhebt. 
Naturalistische  und  perspektivische  Manier  gehört  dem  Verfalle  der  Wappen- 
kunst an. 

78.  Den  Wappen  geistlicher  Stiftungen  sind  solche  Insignien  be- 
sonders eigen,  die  eine  religiöse  Beziehung  haben;  namentlich  die  Attri- 
bute ihrer  Schutzpatrone. 

Ein  Kreuz  führen  im  Wappen:  die  Erzbischöfe  von  Trier  und  von 
Köln,  die  Bischöfe  von  Paderborn,  Speier,  Merseburg,  der  deutsche  Ritter- 
orden etc.  Die  Bischöfe  vonErmland,  Meifsen  undBrixen  haben  das  Lamm 
Gottes  in  ihrem  Wappen ;  Die  Bischöfe  von  Minden  zwei  über  Kreuz  (x) 
gelegte  Schlüssel ;  die  Bischöfe  von  Samland  Krummstab  und  Schwert  über 
Kreuz  (X)  gelegt ;  die  Bischöfe  von  Schwerin  zwei  über  x  gelegte  Krumm- 
stäbe im  quer  geteilten  Schilde ;  die  Äbte  zu  Pegau  Schlüssel  und  Kinimm- 
stab  über  X  gelegt  (ältere  Brakteaten  dieser  Abtei  tragen  ein  Krücken- 
kreuz): Symbole  der  bischöflichen  Würde  und  der  geistlichen  Macht  zu 
binden  und  zu  lösen.  —  Auf  die  Schutzpatrone  beziehen  sich  die  Wappen- 
bilder folgender  geistlichen  Stiftungen :  der  Schlüssel  im  Wappen  des  Erz- 
bistums Bremen  und  des  Bistums  Worms,  deren  Patron  der  heilige  Petrus 
ist,  welcher  mit  einem  Schlüssel  abgebildet  wird;  die  über  x  gelegten 
Schlüssel  im  Wappen  der  Bistümer  Brandenburg  und  Regensburg  mit  der- 
selben Bedeutung;  Schlüssel  und  Schwert  über  x  gelegt  im  Wappen  des 
Hochstifts  Naumburg,  dessen  Patrone  Petrus  und  Paulus  sind,  welcher  letz- 
tere mit  einem  Schwerte  abgebildet  wird ;  nicht  unwahrscheinlich  auch  be- 
zieht sich  der  Bischofstab  im  Wappen  des  Bistums  Eichstädt  auf  den  Patron 
desselben,  den  heil.  Bischof  Willibald.  —  Die  Cistercienser  führen  im 
Wappen  einen  schrägen  Querbalken,  der  in  zwei  Reihen  gleicher  Vierecke 
(12  nach  der  Zahl  der  Apostel)  geteilt  und  von  dem  Abtstabe  durchkreuzt 
ist,  oder  ein  Kreuz,  in  dessen  Winkeln  die  Buchstaben  MORS  stehen.  — 
Andere  geistliche  Wappen  beziehen  sich  nur  teilweise  auf  geistliche  Dinge, 
z.B.  das  Wappen  des  Hochstifts  Ratzeburg:  ein  gespaltener  Schild,  wo- 
rin rechts  eine  halbe  Zinnenburg,  links  ein  Bischofstab.  Noch  andere  geist- 
liche Wappen  unterscheiden  sich  durch  die  Schildesfiguren  von  den  weltlichen 
gar  nicht,  z.  B.  das  Rad  des  Erzstifts  Mainz,  der  mit  einem  Schrägbalken 


Helmschmuck.    Heraldische  Farben.  457 

belegte  Löwe  des  Bistums  Bamberg,  der  springende  Wolf  des  Hochstifts 
Passau,  das  gekrönte  Mohrenbrustbild  des  Bistums  Freising,  die  aufsteigen- 
den Spitzen  im  Schilde  des  Bistums  Wtlrzburg,  das  Wappen  der  Bischöfe 
von  Lebus:  zwei  über  x  gelegte  Feuerhaken  und  darüber  ein  Stern  etc. 
(In  der  neuen  Ausgabe  der  Siebmacher  enthält  Bd.  I,  Abt.  5,  I.  Reihe  (heraus- 
gegeben V.  G.  A.  Seyler  1875  —  SO)  die  Bistümer,  gefürsteten  Abteien  imd  Prop- 
steien,  IE.  Reihe  die  Klöster.) 

79.  Der  Helmsclimuck,  der  auf  den  älteren  Ritterdenkmälern  auf 
dem  wirklichen  Helme  angebracht  ist,  besteht  gewöhnlich  aus  Federn 
(s.  Fig.  232,  233),  Adlerflügeln  (s.  Fig.  235)  oder  Hörnern  (s.  Fig.  234), 
ist  aber  oft  auch  aus  dem  Schilde  entnommen  (s.  Fig.  236)  oder  enthält 
eigentümliche  Insignien. 

Während  das  Bild  im  Schilde  die  Familie  bezeichnet,  scheint  der 
nicht  aus  dem  Schilde  genommene  Helmschmuck  häufig  auf  ein  bestimmtes 
Amt  zu  deuten.  So  führen  z.  B.  die  vier  Jägermeister  des  h.  römischen 
Reichs:  die  Grafen  Hörn  den  Zobelhut,  die  Grafen  Urach  das  Jagdhorn,  die 
Grafen  von  Nifen  zwei  Homer  und  die  Freiherren  von  Welflfen  den  weifsen 
Bracken  (Leithund)  auf  dem  Helme  (vergl.  v.  Stillfried,  Altertümer  und  Kunst- 
denkmale  des  Hauses  Hohenzollem.  I.  Heft  4,  1  f.).  —  Bei  den  Wappen  geist- 
licher Würdenträger  werden  die  Bilder  des  Schildes  allein  oder  mit  dem 
Stabe  oder  den  Insignien  ihrer  weltlichen  Würde  gekreuzt  hinter  der  Inful 
angebracht.  —  Die  Regel  »ohne  Helm  kein  Kleinod«  erleidet  auch  Aus- 
nahmen. Im  Anz.  G.  M.  1870,  Sp.  277  und  278  sind  z.  B.  zwei  Hohenlohe- 
sche  Wappen  aus  der  Herrgottskirche  zuKreglingen  mitgeteilt,  auf  denen 
das  Kleinod  (gekrönter  Einhornkopf)  ohne  Helm  unmittelbar  auf  dem  Schilde 
steht,  und  zwar  sind  dies  die  Schilde  zweier  Geistlichen  Gottfried  und 
Endres  t  1390. 

80.  Auf  die  verschiedenen  in  den  Wappen  vorkommenden  Farben 
kommt  es  bei  mittelalterlichen  Denkmälern  nicht  wesentlich  an,  da  einer- 
seits die  Anwendung  derselben  im  Mittelalter  schwankend  war,  andrer- 
seits aber  von  vielen  Wappen,  die  nur  aus  plastischen  Denkmälern  be- 
kannt sind,  die  Farben  nicht  angegeben  werden  können;  überhaupt 
finden  auch  manche  andere  Distinktionen  der  modernen  Heraldik  auf 
mittelalterliche  Wappen  keine  Anwendung. 

Auf  unkolorierten  Wappenabbildungen  werden  seit  dem  XVII.  Jahrh. 
die  gebräuchlichsten  Wappenfarben  durch  eine  herkömmliche  Schraffierung 
dargestellt,  Rot  durch  senkrechte,  Blau  durch  wagerechte,  Grün  durch 
Schrägrechts,  Violett  (Purpur)  durch  schräglinks  gerichtete,  Schwarz  durch 
gekrcazte  Striche,  Gold  durch  Punktierung,  Silber  bleibt  weifs. 

81.  Die  Wappenkundigen  bedienen  sich  der  Kürze  imd  gegensei- 
tigen Verständigung  halber  einer  eigentümlichen  Kunstsprache,  die  aus 
den  Handbüchern  der  tlieoretischen  Heraldik  zu  erlernen,  aber  noch  im- 
mer grofsen  Schwankungen  unterworfen  ist. 


458  Heraldische  Ldtteratur. 

Die  älteste  heraldis(;lie  Lehi"schrift  ist  der  Traito  de  Blasen  von  Clement 
Prinsault  1416.  —  Trier,  J.  Wolfg.,  Einleitung  zu  der  Wappenkunst.  1729. 
—  Gatterer,  J.  l'h.,  AbriTs  der  Heraldik.  1774.  —  Bernd,  Ch.  8.  TL,  die 
Hauptstücke  der 'VVap])enwissenschaft.  Abt.  1.  Ui-spning  der  Wappen,  (leschichto 
des  >Vapi)enwesen8  etc.  1841.  Abt.  2.  Die  allgeni.  Wappenwissenschaft  in  liChre 
u.  Anwendung.  1849.  —  v.  Biedenfeld,  Ferd.,  die  Heraldik.  1840.  —  Hese- 
kiel,  Geo.,  Herald.  Hilfsbüchlein.  1S54.  —  Kehrer,  Ed.,  zur  Gesch.  der  Wap- 
pen, in  der  Dlustr.  Ztg.  1855.  XXV,  851.  —  Bernd,  Ch.  8.  Th.,  Handbuch 
der  WappenwissenschaJft.  (Herausgegcb.  von  G.  M.  C.  Masch.)  1856.  — 
V.  Mayer-Mayerfels,  C,  Herald.  Abc-Buch.  1857.  —  v.  Hefner,  0.  Titan, 
Handbuch  der  theoret.  u.  prakt.  Heraldik.  1863.  —  v.  Sacken,  Katechismus 
der  Heraldik.  1862.  —  v.  Ledebur,  H.,  die  kunst- u.  sittengeschichtliche  £nt- 
wickelung  der  Her.  1861.  —  Luchs,  IL,  die  Herald,  eine  Hilfs\N'issensch.  d. 
Kunstgesch.  Schul])rogi*amm.  1864.  —  Fürst  Hohenlohe,  zur  Blasonniening, 
im  Anz.  G.  M.  1877,  No.  7.  —  Alw.  Schultz,  d.  hölische  Ijcben  etc.  H,  75 — 
80.  —  Gritzner,  M.,  Herald.  Terminologie.  1878.  —  Warnecke,  F.,  Herald. 
Handbuch.  M.  33  Taff.  1880.  —  L'nter  denWai>penabbildungen  enthaltenden  Wer- 
ken ist  das  umfassendste:  Sieb  mach  er,  J.,  New  Wapenbuch,  darinnen  des 
H.  R.  R.  T.  Nation,  hoher  Potentaten,  Füi-sten,  Herren  imd  Adelspei*sonen,  auch 
anderer  Stände  imd  Städte  Wai)en  etc.  1605;  s])äter  mit  Erweiterungen  von  Paul 
Fürst,  J.  W.  Köhler  etc.;  dann:  Nürnberg.  1772 — 1806  in  18  Bdn.;  zuletzt  seit 
1853  in  ganz  neuer  Bearbeitung  von  0.  T.  v.  Hefner  und  anderen  (in  Lief.  17  die 
»Grundsätze  der  Heraldik«  von  v.  Hefner  mit  14  Taif.  Abb.).  —  Die  Wappen- 
rolle von  Zürich.  Ein  herald.  Denkm.  d.  XIV.  Jahrh.  Herausg.  von  d.  antiqu. 
Gesellsch.  in  Züiich.  1860.  —  Des  Konrad  (Triinenberg  AVaj)j)enbuch  (1483). 
Herausg.  von  R.  Graf  von  Stillfried  und  Ad.  M.  Hildebrandt.  1875 — 1881. 
Mit  400  Tafif.  —  Femer  die  oben  S.  150,  N.  1  u.  8.  453,  N.  1  genannten 
herald.  Musterbücher  und  Warnecke,  F.,  Heinüd.  Kunstblätter  nach  Schon- 
gauer  etc.  1876.  —  Ton  Zeitschiiften  für  die  Interessen  der  Heraldik  sind  zu 
nennen:  Der  Deutsche  Herold  etc.  Berlin  1870  ff.;  Viertel  Jahresschrift  des  Deut- 
schen Herold  etc.  Berlin  1872  ff.;  Herald. -genealog.  Zeitsclir.  Org.  des  Herald. 
Vereins  Adler.  Wien  1871 — 73,  seitdem  als  Jahrbuch;  auch  die  Zeitschrift  des 
Deutsch.  Graveur -Vereins  ((Graveur- Zeitung).  Berlin  1875  ff.  —  L'mfassende 
litterarische  Nachweisungen  über  die  frühere  Zeit  giebt:  Bernd,  Ch.  S.  Th.,  All- 
gemeine Schriftenkunde  der  gesamten  AVappenwissenschaft.  4  Bde.  1830 — 1841. 


E.   Ikonographie. 

82.  Die  in  den  mittelalterlichen  Kirchen  vorkommenden  Bilder  sind 
entweder  Bildnisse  oder  religiöse  Bilder. 

Anscheinend  rein  phantastische  oder  satirische  Bilder  unter  den  Ver- 
zierungen der  Kirchengebäude  dürften  sich,  wo  sie  als  Originale  vorkom- 
men, fast  überall  als  religiöse  Symbole  deuten  lassen,  was  weniger  gelingen 
kann,  wenn  ein  späterer  Künstler  unverstandene  Muster  nachbildete,  und 
die  Reflexion  über  dergleichen,  späteren  Geschlechtern  nicht  mehr  verständ- 
liche Bilder  hat  oft  zur  Bildung  von  allerlei  grundlosen  Sagen  Veranlassung 
gegeben,  die  mit  dem  ursprünglichen  Sinne  des  Bildes  gar  keine  Verwandt- 
schaft mehr  haben. ^  Andrerseits  ist  jedoch  auch  vor  willkürlicher  und  blinder 
Symbolisiersucht  eindringlich  zu  warnen.  —  Heidnische  Götzenbilder  sind 
hin  und  wieder  als  Kuriosa  oder  aus  anderen  Gründen  in  den  Kirchen  auf- 
bewahrt worden.    Vergl.  oben  S.  364  Nr.  8. 

^  Vergl.  Kinkel,  Gottfi*.,  Sagen  aus  Kunstwerken  entstanden,  in  Mosaik  zur 
Kunstffesch.  1876,  161—243;  Ilg,  Alb.,  Volkssage  u.  Kunstgesch.,  in  Mitt,  C.-K.  XVI, 
S.  CXLVIU  ff.  —  Die  hier  gegeoenen  Beispiele  lassen  sich  fast  aller  Orten  vermehren, 


Satirische  Bilder.    Bildnisse.  459 

Anmerkung.  Die  an  und  in  Kirchen  nicht  selten  vorkommenden 
Bildwerke,  in  welchen  das  Verderben  der  Geistlichen  gezüchtigt  erscheint, 
haben,  als  ursprünglich  von  Geistlichen  selbst  ausgegangen  und  stets  unter  den 
Augen  der  Geistlichkeit  ausgeführt,  zunächst  den  Sinn,  den  Klerus  vor  fleisch- 
licher Sicherheit  zu  warnen.  Allerdings  gibt  es,  wenn  auch  glücklicherweise 
nur  selten,  Bilder,  welche  durch  Entzündung  der  mönchischen  Phantasie  leicht 
die  entgegengesetzte  Wirkung  haben  konnten,  und  in  Bezug  auf  solche  jede  be- 
schönigende Deutung  ausschliefsenden,  schlechthin  schamlosen  Darstellungen, 
wie  sichz.  B.  an  den  Säulenkapitälen  der  oberen  Burgkapelle  zuEger  befinden, 
klagt  der  bayersche  Abt  Rumpier  (um  1500)  mit  vollstem  Recht:  ^Sed  et 
turpitudo  nonnunquam  coeunüum  (jmaginibus)  inseritur.<ii  (Vergl.  Pez,  Thesau- 
rus anecd.  I,  487  sq.)  —  Die  Statuten  der  Karthäuser  tadeln  »picturas  et  imagi- 
yies  curiosas  in  ecclesüs  et  domihus  ordinis,  sive  in  vitris,  sive  in  tabuliSy  lapi- 
dibtis  et  locis  aliis.«  Cf.  Compilatio  statutor.  Carthusian.  c.  3  (angeführt  bei 
Fiorillo,  Gesch.  der  zeichnenden  Künste  in  Deutschland,  I,  191).  Vergl.  weiter 
unten  §.  SS  Anmerk.  1.  —  Die  an  Konsolen  oder  sonst  als  Träger  baulicher 
Glieder  häufig  vorkommenden  menschlichen  Figuren,  welche  oft  in  komischer 
Weise  zum  Ausdruck  bringen,  entweder  wie  schwer  ihnen  die  Last  wird  (»o  quam 
graride  fero  pondm  sucurre<'  steht  bei  einer  solchen  Figur  am  Dome  zu  Pia- 
cenza),  oder  dafs  sie  ihnen  eigentlich  nur  Spafs  ist,  haben  oflfenbar  nur  den 
Zweck,  den  Beschauer  darauf  aufmerksam  zu  machen,  wie  hier  der  Baumeister 
mit  wissenschaftlicher  Mühe  oder  mit  genialer  Leichtigkeit  die  statischen  Ge- 
setze behen'schend  seine  Meisterschaft  gezeigt  habe. 

83.  Bildnisse  kommen  teils  als  diejenigen  Verstorbener  auf  den 
Grabdenkmälern,  teils  als  die  der  Stifter,  Donatoren  etc.  an  Kirchenge- 
bäuden lind  auf  Votivdenkmälern ,  teils  als  Künstlerbildnisse  an  neben- 
sächlichen Stellen  der  Kunstwerke  vor. 

Der  Verstorbene  erscheint  auf  liegenden  Denkmälern  so,  wie  man 
ihn  einsargte,  den  Kopf  meist  auf  Kissen,  Ritter  seit  dem  XIV.  Jahrh.  ge- 
wöhnlich auf  ihrem  Turnier-  oder  Streithelm,  Geistliche  wohl  auch  auf 
Büchern  (z.  ß.  auf  dem  Grabstein  des  Kanonikus  Joh.  Krytwysch  1 1513  aus 
St.  Gereon  zu  Köln  —Abb.  Bock,  Lit.  Gew.,  I,  3,  Taf.  VHI)  ruhend,  jedoch 
in  der  Regel  mit  lebender  Gebärdung,  gewöhnlich  die  Hände  in  betender 
Haltung  vor  der  Brust,  Kirehenstifter  jedoch  auch  das  Kirchenmodell, 
Priester  in  der  Regel  den  Kelch  vor  der  Brust  haltend  (nur  ausnahmsweise, 
z.  B.  zwei  Pröpste  von  Reichersberg  1493  und  1527  —  Abb.  Mitt.  C.-K.  N.-F., 
V,  S.  XCVn  f.  —  statt  dessen  mit  einem  Altarkreuze),  Bischöfe  mit  Stab  und 
Buch  oder  meistens  segnend  (eigentümlich  die  beiden  Mainzer  Erzbischöfe 
Sigfrid  von  Epstein  und  Peter  von  Aspelt  die  von  ihnen  geweihten  deut- 
schen Könige,  jener  Heinrich  Raspe  und  Wilhelm  von  Holland,  dieser  Hein- 
rich VII.,  Ludwig  den  Bayer  und  Johann  von  Böhmen  krönend  —  Abb.  bei 
Stacke,  deutsche  Gesch.,  I,  512  und  5S1;  Erzbischof  Ernst  von  Magdeburg 
von  1495  —  Abb.  bei  Brandt,  Dom  zu  M.,  105  —  hält  in  der  Rechten  das 
Vortragekreuz  des  Primats,  in  der  Linken  das  Pedum),  Ritter  häufig  auch 


und  besonders  sind  es  die  sogenannten  Wahrzeichen  (s.  oben  S.  392),  die  hier  reichen 
Stoff  liefern. 


460  Bildnisse  Vei"8torbeuer. 

ihre  Schilde,  Schwerter,  Lanzen  und  Fahnen  auf  mancherlei  Weise  haltend, 
selten  jedoch  nur  —  was  auf  englischen  Grabmälem  häufig  ist  —  das 
Schwert  ziehend  z.  B.  Herzog  Boleslaus  vonOppeln  (t  1370)  in  der  dortigen 
Minoritenkirche  (Abb.  Luchs,  Schlesischo  Füi-steubilder.  Taf.  25).  Bei  stehenden 
Grabmälern  tritt  im  XV.,  häufiger  im  XVL  Jahrh.  auch  die  kniende  Haltung 
ein.  Ehepaare  kommen  häufig  neben  einander  vor,  jedoch  meistens  ohne 
dafs  die  eheliche  Beziehung  in  ihrer  Haltung  zum  Ausdrucke  kommt,  die 
Gattin  bald  zur  Rechten  bald  zur  Linken  des  Mannes.  *  Auf  den  Epitaphien 
des  XVL  Jahrh.  erscheint  dann  gern  die  ganze  Familie  zu  beiden  Seiten 
eines  Kruzifixes  kniend  geschart,  und  zwar  der  Regel  nach  der  Mann  mit 
den  Söhnen  und  männlichen  Verwandten  auf  der  rechten ,  die  Frau  oder  bei 
öfterer  Verheiratung  die  Frauen  nebst  den  Töchtern  und  weiblichen  Anver- 
wandten auf  der  linken  Seite  des  Gekreuzigten ,  bereits  Verstorbene  durch 
ein  Kreuz  über  ihren  Köpfen  oder  gefalteten  Händen,  bei  Kindern  auch  oft 
in  den  gefalteten  Händen  bezeichnet.  Einzig  in  ihrer  Art  ist  die  Darstellung 
Kaiser  Konrads  HL  (t  1152)  an  einem  Pfeiler  im  Dome  zu  Bamberg  als 
Reiterstatue,  wenn  diese  überhaupt  als  Grabmal  anzusehen  ist.  —  Gegen 
Ausgang  des  Mittelalters  kam,  wohl  unter  Einflufs  der  Totentanzbilder  und 
als  merkwürdiger  Rückschlag  gegen  die  üppige  Sinnlichkeit  des  Humanis- 
mus die  Mode  auf,  den  Verstorbenen  nicht  als  lebendig  oder  schlafend,  son- 
dern als  ein  halbeingetrocknetes  oder  halbverfaultes,  von  Kröten,  Schlangen, 
Eidechsen  etc.  durchkrochenes  Gerippe  darzustellen,  so  schon  auf  dem 
Denkmal  des  Bischofs  Peter  von  Schaumburg  (t  1469)  im  Dome  zu  Augs- 
burg. Andere  Beispiele:  Naumburg,  Dom:  Kanonikus  Rudolf  von  Bünau 
(?)  t  1505;  Hall  in  Tirol,  Pfarrkirche:  Münzmeister  Bernhard  Beham 
t  1507;  Marburg,  St.  Elisabeth:  Landgraf WilhelmH.  von  Hessen  t  1509; 
Lorch  bei  Enns:  Ritter  Bernhard  von  Schärfenberg  t  1513;  Lübeck,  Ma- 
rienkirche: Kaufmann  Arnt  Schinkel 1 1514;  Tübingen,  Stiftskirche:  Wolf- 
gang von  Schleinitz  t  1518;  Minning  in  Österreich:  Peter  Baumgartuer 
t  1527;  Baumgarten  N.-Österr:  Abt  Heinrich  Khern  t  1528;  ferner  in 
Blaubeuern  links  neben  der  Altartreppe  angeblich  ein  Ritter  von  Ger- 
hausen. In  Marburg  liegt  das  Gerippe  unter  der  Platte,  auf  derselben  der 
Verstorbene  noch  einmal  lebendig  in  voller  Rüstung,  wie  auch  zu  Lorch  noeh 
ein  daneben  an  der  Wand  aufgerichteter  Stein  den  Ritter  in  der  gewöhnlichen 
Weise  zur  Darstellung  bringt.  Ähnlich  liegen  auf  französischen  Grabmälern 
dieser  Zeit  die  oben  auf  der  Platte  kniend  Dargestellten  unterhalb  derselben 
noch  einmal  als  nackte  (aber  nicht  verfaulte)  Leichname.  —  Zu  den  Füfsen 
der  Verstorbenen  findet  man  überaus  häufig  bei  Männern  einen  oder  mehrere 
Löwen  bei  Frauen  einen  Hund  dargestellt,  die  früher  gewöhnlich  als  Sinn- 
bilder männlicher  Stärke  und  weiblicher  Treue  gedeutet  wurden,  richtiger 


'  Auf  einem  Denkmal  in  der  Frauonberger  Kircho  zu  Nordhausen  kommt  auch 
ein  Priester  Dietrich  von  Külstedt  (f  1420)  mit  seiner  Schwester  Margarete  zusammen 
vor  (Abb.  Pcrschmann,  Mittelalt.  Denkm.  Nordhausons,  Taf.  XIT),  und  das  Verhält- 
nis von  Geschwistern  kommt  z.  B.  auf  einem  Grabsteine  von  146S  in  der  Liebfrauen- 
kirche zu  Frankfurt  a.  M.  (v.  Hofner,  Trachten  II,  63)  und  einem  anderen  in  der 
Pfarrkirche  zu  Krön b er g  dadurch  zum  Ausdrucke ,  da£s  die  Figuren  auf  zwei  Löwen 
mit  gemeinschaftlichem  Kopfe  stehen;  sonst  finden  sich  auch  wohl  2  Personen  zusam- 
men, die  direkt  gar  nichts  miteinander  zu  thmi  haben,  so  auf  den  Bischofsplatten  in 
den  Domen  zu  Lübeck  und  Schwerin. 


Stifterbildnisse.  461 

sind  sie  wohl,  zumal  sie  auch  (besonders  bei  Bischofsbildern)  mit  Drachen 
oder  mit  dämonischen  Gestalten  abwechseln,  auf  die  überwundenen  Mächte 
der  Versuchung  und  des  Todes  zu  deuten.  Die  Hinweisung  Schnaases 
(IV,  275)  auf  den  ganz  äufserlichen  Umstand,  dafs  man  für  die  durch  die 
aufrecht  stehenden  Fttfse  des  Verstorbenen  gebildete  Lücke  eine  Ausfüllung 
brauchte,  pafst  nur  auf  die  liegenden  Rundfiguren,  aber  nicht  auf  die  an 
Zahl  doch  weit  überwiegenden  gravierten  Platten  oder  stehenden  Denkmäler 
mit  denselben  Darstellungen.  *  Dafs  die  Hunde  zuweilen  auch  die  bei  den 
vornehmen  Damen  des  Mittelalters  überaus  beliebten  Schofshunde  darstellen, 
ist  in  einzelnen  Fällen  zweifellos;  so  sieht  man  einen  solchen  von  kleinster 
Gestalt  »schön«  machend  zu  den  Füfsen  der  Kurftirstin  Anna  von  Branden- 
burg (t  1512)  in  Heilsbronn  zwischen  zwei  anderen  gröfseren  mit  eigen- 
tümlich geschorenen  Mähnen,  die  doch  wohl  Löwen  vorstellen  sollen. 

BildnissederStifter  von  Rirchengebäuden  sind  meist  an  den  Portalen, 
und  zwar  entweder  an  den  Seitenwänden  als  Statuen  (z.  B.  Kaiser  Heinrich  II 
und  seine  Gemahlin  Kunigunde  am  Dome  zu  Bamberg,  Friedrich  Barbarossa 
und  seine  Gemahlin  Beatrix  am  Dome  zu  Freising  —  Abb.  bei  Stacke, 
a.  a.  0.,  I,  436  und  435  —  Bisch.  Dietrich  von  Isenburg  und  ein  Fürst  am 
Dome  zu  Münster,  Herzog  Rudolf  IV.  von  Österreich  und  seine  Gemahlin 
an  St.  Stephan  zu  Wien  etc.),  oder  gewöhnlicher  im  Relief  im  Tympanum, 
wie  sie  kniend  das  Kirchenmodell  der  h.  Jungfrau  oder  sonstigen  Heiligen 
überreichen ,  dargestellt.  Sie  kommen  aber  auch  im  Inneren  der  Kirchenge- 
bäude vor,  so  die  Reihe  der  Stifterstatuen  an  den  Wandpfeilem  des  Westchors 
im  Dome  zu  Naumburg  —  s.  Fig.  240  und  241.  Von  besonderer  Eigen- 
tümlichkeit sind  die  21  bemalten  Büsten  der  Stifter,  Gönner  und  Mitarbeiter 
des  Dombaues,  welche  Karl  IV.  auf  der  Triforien-Gallerie  des  Chors  im 
Dome  zu  Prag  aufstellen  liefs  (Abb.  mehrerer  bei  Grueber,  UI,  Taf.  I  und  U). 
Auch  einzelne  nicht  mit  dem  Kirchenbau  unmittelbar  zusammenhängende 
Bildnisse  kommen  vor,  so  die  in  der  französischen  Revolution  zerstörten, 
später  erneuerten  Reiterstatuen  der  Könige  Chlodwig,  Dagobert  und  Rudolf 
von  Habsburg  von  1291  an  der  Westfa^ade  des  Münsters  zu  Strafsburg, 
oder  daselbst  am  Turme  die  tieftraurigen  Gestalten  des  Kaisers  und  des 
Mönches,  nach  der  einen  Auslegung  die  Bildnisse  Heinrichs  VII.  und  des  Do- 
minikaners, der  ihn  vergiftete,  nach  anderer  diejenigen  Ludwigs  des  Baiern  und 
eines  von  seinen  getreuen  Minoriten.  Zuweilen  sind  auch  um  den  Kirchenbau 
verdiente  Personen  niederen  Standes  ganz  genrebildartig  verewigt,  so  in  der 
Schlofskirche  zu  Z  eitz  ein  Fuhrmann  mit  Peitsche  und  zweispänniger  Deichsel- 
wage und  der  Beischrift  Mch  heyse  Keselieh«  (Abb.  Kreis  Zeitz,  48),  oder  am 
Dome  zu  Magdeburg  am  nördl.  Querschiffflügel  der  Schäfer  mit  Hund  und 
dem  hornblasenden Hundeknechte  (Abb.  Brandt,  Dom  zu  Magd.,  42),  welcher 
der  Sage  nach  einen  beim  Hüten  der  Heerde  gefundenen  Schatz  zum  Dombau 
gewidmet  hatte.—  Die  Bildnisse  der  Stifter  an  einzelnen  Kunstwerken,  nament- 
lich Altargemälden  erscheinen  in  der  Regel  in  betender  Haltung,  häufig  von 


*  Vergl.  R.  V.  Rettberg-Wettborgen,  Löwe  und  Hund  auf  Grabdenkmälern ,  in 
Wartburg.  I,  11 6  ff.  124  ff.  —  Auf  einem  Grabsteine  mit  dem  auf  einem  Dreiberg  stehenden 
Vortragekreuze  zu  All  and  in  N.-Östi*.  liegt  innerhalb  des  Dreibergs  ein  hundeähnliches 
Tier  auf  dem  Rücken  und  streckt  die  Beine  nach  oben  (Abb.  Ber.  u.  Mitt.  des  Alt.-V. 
Wien.  XVn,  262,  Fig.  4). 


462  Künstlerbildnisso. 

ihren  Schutzpatronen  bej^leitet  und  fürbittend  empfohlen.  Die  römische 
Kirche  maclit  bekanntlich  in  der  Theorie  einen  Unterschied  zwischen  der 
adoraiio,  welche  nur  der  Gottheit  gebühre,  und  der  venerado,  welche  der 
Maria  und  den  Heiligen  zu  erweisen  sei ;  wie  für  die  Praxis  der  Andachts- 
übung kommt  auch  für  die  künstlerische  Darstellung  diese  Unterscheidung 
nicht  in  Betracht.  —  Unter  dem  Einflüsse  der  realistischen  Richtung  der  van 
Eyckschen  Schule  wurde  es  im  XV.  Jahrh.  aufserordentlich  beliebt,  den  Hei- 
ligen beiderlei  Geschlechts,  namentlich  auf  den  Flügelbildeni  der  Altar- 
schreine direkt  die  Körperformen  und  Gesichtszüge  der  Stifter  zu  geben, 
und  namentlich  Bilder  der  heil.  Sippe  erscheinen  manchmal  als  reine  Fami- 
lienporträts, die  nur  durch  die  Heiligenscheine  und  sonstigen  Attribute  den 
Stempel  eines  Andachtsbildes  erhalten  haben.  Diese  Unsitte  wurde  später 
von  der  Kirche  ausdrücklich  verboten  (vorgl.  Jakob,  104,  Note  2).  Etwas 
Ähnliches,  aber  Aufrichtigeres  erscheint  auf  vielen  Bildern  der  Reformations- 
zeit, indem  namentlich  L.  Kranach  in  sehr  naiver  Weise  die  Reformatoren 
und  ihre  fürstlichen  Beschützer  in  vollster  Porträttreue  in  die  halbsymbo- 
lisch-lehrhaften Handlungen  seiner  Altarbilder  hineinsetzte. 

Kü n st  lerbildnisse  wurden  schon  in  der  Karolingerzeit  von  den  Minia- 
toren  der  Handschriften  gern  auf  dem  Dedikationsblatte  angebracht.  Später 
auch  an  andern  Kunstwerken.  Freilich  mufs  man  sich  besonders  bei  den 
Kirchengebäuden  hüten,  wo  nicht  bestimmte  Inschriften  oder  urkundliche 
Nachrichten  vorhanden  sind ,  namenlose  Bildnisse ,  die  ersichtlich  Baumeister 
und  Handwerker  vorstellen,  mit  anderweitig  bekannten  Namen  von  solchen  zu 
kombinieren,  wie  z.  B.  bei  den  Konsolbüsten  am  Turme  des  Freiburger 
Münsters  mit  Erwin  von  Steinbach  und  seiner  Familie  geschehen  ist. 
Wir  nennen  als  solche  Beispiele  ferner:  im  Dome  zu  Magdeburg  an 
einem  Pfeiler  eine  kniende  Figur,  die  eine  Säule  auf  der  Schulter  trägt,  wo- 
rin die  Tradition  den  Baumeister  Bonensack  erkennt;  am  Hauptportale 
derselben  Kirche  aus  der  ersten  Hälfte  des  XIV.  Jahrh.  in  der  Tracht  eines 
Geistlichen  oder  Laienbruders  eine  Figur,  welche  auf  der  rechten  Schulter 
einen  Baustein  trägt  und  für  den  Erbauer  des  Portales  gilt ;  in  der  Moritz- 
kirche zu  Halle  a.  d.  S.  ein  Brustbild,  angeblich  des  Baumeisters  Konrad  von 
Eimbeck  um  1400 ;  die  Gruppe  eines  knienden  Meisters  mit  seinem  Gesellen  und 
Lehrjungen  auf  der  Dachgallerie  der  Barbarakirche  zu  Kuttenberg,  welche 
auf  Mathias  Raysek  gedeutet  wird  (Abb.  Grueber,  IV,  143).  Dagegen 
soll  die  Inschrift  »pnider  Diemar^  neben  dem  sogenannten  visierenden  Bau- 
meister, einen  knienden  Dominikanermönch  mit  Zirkel  an  einem  Kapitell  der 
Dominikanerkirche  zu  Regensburg  stehen,  und  am  Nikolausportal  des 
Münsters  zu  Kolmar  steht  neben  einer  sitzenden  Figur  mit  Reifsbrett 
und  Winkelmafs  ^maisfres  hvmbreH.  —  Etwas  sichrer  wie  bei  den  Architekturen 
geht  die  Deutung  bei  Skulpturwerken,  obgleich  z.  B.  die  beiden  Brustbilder 
amFufse  der  Kanzel  und  an  einer  Orgelempore  in  St.  Stephan  zu  Wien,  die 
man  früher  als  Bildnisse  des  Hans  Puchsbaum  in  verschiedenen  Lebens- 
altern ansah,  nach  den  neueren  Untersucliungen  völlig  zweifelhaft  geworden 
sind  und  teils  auf  Anton  Pilgram,  teils  auf  Georg  Öxl,  teils  auf  einen 
andern  nicht  näher  bekannten  Hans  bezogen  werden.  Im  Münster  zu  Frei - 
bürg  im  Breisgau  findet  sich  unter  der  Kanzel  das  Bild  des  Steinmetzen 
Georg  Kempf,  an  den  Chorstühlen  im  Münster  zu  Ulm  die  Brustbilder 


Porträtälmlichkeit.    Trachten.  463 

Jörg  Sürlin8  und  seiner  Ehefrau  (?),  an  denen  der  Stiftskirche  zu  Her- 
renberg das  des  Heinrich  Schickardt,  an  denen  der  Marienkirche  zu 
Stendal  hat  sich  der  Bildschnitzer  Hans  Ostwalt  vor  der  h.  Anna  selbdritt 
kniend  dargestellt,  an  demjenigen  zu  Pohl  de  der  schnitzende  Mönch  in 
seiner  Werkstatt  (Abb.  Mithoff,  n,  179).  Am  unteren  Teile  des  Sakrament- 
hauses in  St.  Lorenz  zu  Nürnberg  brachte  Adam  Kr  äfft  sich  und  seine 
Gesellen  an,  am  Sebaldusgrabe  stellte  Peter  Vischer  sein  eigenes  Bild  dar 
etc.  Diese  Sitte  der  Baumeister  und  plastischen  Kflnstler  befolgten  noch 
häufiger  die  Maler:  Albrecht  Dürer  malte  sich  und  seinen  Freund  Pirck- 
heimer  oft,  und  gerade  auf  seinen  besten  Bildern;  Barthol.  Zeitblom 
stellte  sich  selbst  dar  am  Altare  der  Kapelle  auf  dem  Heerberge,  Hans 
S  ch  äu  ffel  i  n  auf  einem  Wandgemälde  im  Rathause  zu  Nord  1  in  gen,  Lukas 
Kranach  auf  der  Altartafel  in  der  Stadtkirche  zu  Weimar  etc. 

Anmerkunff.  Auf  Porträtähnlichkeit  ist  bei  den  Bildnissen  der  älteren 
Zeit  nicht  zu  rechnen ;  man  begnügte  sicli  mit  einer  allgemeinen  Ähnlichkeit, 
schuf  auch  zum  Teil  reine  Phantasiegestalten.  So  dürfte  es  unmöglich  sein, 
sich  die  herbe  Büfserin,  die  h.  Hedwig  (vergl.  S.  473,  Fig.  248)  als  die  mäch- 
tige fleischige  Frauengestalt  ihres  Grabmals  zu  Trebnitz  vorzustellen.  Das 
Grabbild  Heinrichs  des  Löwen  im  Dome  zu  Braunschweig  weicht  von  seiner 
überlieferten  Personenbeschreibung  völlig  ab,  und  auf  dem  Dedikationsbilde 
des  Helmwardshausener  Evangeliars  zu  Prag  (ca.  1170 — 1180)  erscheint  der 
50jährige  Mann  als  ISjähriger  Jüngling.  Dagegen  wird  uns  aber  auch  von  einem 
Bildhauer  zu  Speier  erzählt  (Ottokar  von  Steior  CCCLXXATI  bei  Mafsmann,  Kaiser- 
chronik, II,  630),  der  in  dem  Bilde  des  Kaisers  Rudolf  von  Habsburg  jede  Run- 
zel seines  Angesichts  abgebildet  hatte,  und  als  er  hörte,  dafs  der  Kaiser  eine 
neue  bekommen  habe,  eigens  nach  dem  Elsafs  reiste  um  sich  den  Kaiser  anzu- 
sehen, und  als  er  die  Sache  bestätigt  fand,  die  Runzel  auf  dem  Bilde  nachtrug. 

84.  Die  Bildiiisfiguren  erscheinen  in  der  Regel  in  der  Tracht  ihrer 
Zeit  und  ilires  Standes,  nur  in  seltenen  Fällen  wurde  ihnen  aus  künst- 
lerischen Rücksichten  eine  ideale  Kleidung  gegeben;  aber  auch  auf  den 
religiösen  Bildern  aus  Bibel  und  Legende  gaben  die  Künstler  den  dar- 
gestellten Personen  fast  immer,  namentlich  aber  in  der  realistischen 
Kunst  des  XY.  Jahrh.  das  Kostüm  ihrer  eignen  Zeit. 

Gott  Vater,  Christus,  die  Apostel,  Propheten  und  einige  andere  alt- 
testamentliche  Personen  wurden  nach  einem  aus  der  alten  Kirche  überliefer- 
ten Typus  in  idealischcr  Tracht  abgebildet.  Die  Personen  der  Gottheit,  die 
Engel,  Apostel  und  Propheten  erscheinen  in  der  Regel  mit  unbekleideten 
Füfsen,  Maria  nur  ganz  ausnahmsweise,  wie  z.  B.  in  den  Deckengemälden 
zu  Brauweiler,  andere  Heilige  durchaus  nur,  wenn  ihre  Legende  besondere 
Veranlassung  dazu  giebt,  wie  die  h.  Hedwig  und  Kunigunde. 

85.  Die  Kenntnis  der  zu  verschiedenen  Zeiten  üblichen  Trachten 
ist  deshalb  dem  Archäologen  wichtig,  läfst  sich  jedoch  ohne  eigenes 
Studium  der  Denkmäler  nicht  erwerben;  hier  können  nur  einige  An- 
deutungen gegeben  werden. 


464  Geistliche  Trachten. 

Als  klassisch  ist  zu  bezeichnen:  Weifs,  Herrn.,  Kostümkunde  (s.  oben  S. 
264.  Von  der  IL  Abt.  dieses  Werkes  [lY.— XIV.  Jahrh.]  ist  inzwischen  18S3 
eine  2.  Auflage  ei*schienen,  die  hier  noch  nicht  hat  verghchen  werden  können). 
—  Vergl.  V.  Falke,  Jak.,  die  deutsche  Trachten-  u.  Modonwelt.  lb5S.  —  Ders., 
Kostümgeschichte  der  Kultur\'ölker.   M.  Holzschn.  ISSü  f. 

Knpferwerke:  von  Hefner-Alteneck,  Jos.,  Trachten,  Kunstwerke  u.  Ge- 
rätschaften vom  frühen  Mittelalter  bis  Ende  des  XVIII.  Jahi'h.  nach  gleichzei- 
tigen Kunstdenkm.  III  Abt.  (1840—1854).  2.  Aufl.  1 880  ff.  enthält  zugleich  das 
S.  128  angeführte  Werk.  —  Wagner,  H.,  Trachtenbuch  des  Mittelalters,  nach 
Denkm.  6.  Hefte  ä  8  Taf.  mit  vielen  Abbild.  1830.  —  Eye,  A.  v.,  u.  v.  Falke, 
JaJc.,  Kunst  u.  Leben  der  Vorzeit  vom  Beginn  des  Mittelalters.  2  Bde.  1855 — 
1858.  —  Racinet,  A.,  le  costume  lustorique.  500  pl.  Paris  1876.  —  Köhler, 
K. ,  die  Entwickelung  der  Tracht  in  Deutschi,  während  des  Mittelalters  und  der 
Neuzeit  mit  bes.  Berücksichtigung  der  .  .  .  Hei*stellungsweise.  M.  100  Taff. 
1877.  —  Kretschmer,  Alb.,  u.  Kohrbach,  C,  die  Trachten  der  Völker  u.  s.  w. 
2.  Aufl.  1880  ff. 

Geistliche  Trachten:  Über  die  Pontifikaltracht  des  Klerus  und  der 
Bischöfe  ist  bereits  oben  in  §.  47  und  48  gehandelt.  Hinzuzufügen  ist  hier 
Folgendes.  Der  Papst  trägt  ebenfalls  bischöfliche  Kleidung,  statt  des 
Krummstabes  jedoch  ein  hohes  Kreuz  mit  einem,  dann  zwei  (oder  drei) 
Querbalken.^  Die  Kopfbedeckung  besteht  im  XII.  Jahrh.  aus  einer  sehr 
hohen,  weifs  seidenen,  kegelförmigen  Mütze  (phrygiiim),  welche  mit  einem 
Goldreifen  umschlossen  ist ;  ^  ein  zweiter  Reifen  kam  seit  1227  hinzu,  und  erst 
ürban  V.  (t  1370),  nach  andern  schon  Clemens  V.  (t  1314),  soll  zuerst 
die  dreifache  Krone  (Tiara)  aufgebracht  haben :  eine  kegelförmige  mit  drei 
Goldreifen  umgebene  Mütze ;  doch  ist  noch  Innocenz  VI.  (f  1362)  auf  seinem 
Grabmale  nur  mit  der  Doppelkrone  dargestellt.  — Die  Kardinäle  zeichnen 
sich  durch  pui'purrote  Kleidung  und  (seit  1248)  durch  einen  runden  flachen 
breitkrempigen  Hut  {pileus,  galerus  ruber)  aus,  der  statt  des  ursprünglich 
einfachem  Kinnbandes  später  zu  den  Seiten  mit  mehreren  Schnüren  und  in 
5  Reihen  untereinander  daran  befestigten  Quasten  geschmückt  wurde.  Bei 
gewissen  Gelegenheiten  erscheinen  sie  violett  oder  rosenrot.  —  Die  die- 
nende Geistlichkeit  (zuweilen  auch  die  Priester  etc.)  trägt  über  dem  als 
Hauskleid  dienenden  Talare  (talaris,  subtana)  ein  leinenes,  bis  auf  dieKniee 
(auch  tiefer)  herabgehendes  Chorhemd  {superpelliceum,  roche(tum)  als  Über- 
kleid. Als  Kopfbedeckung  dient  das  Barett  (biretum)  ursprtlnglich  nur  ein 
rundes  Käppchen  zur  Bedeckung  der  Tonsur,  im  XV.  Jahrh.  des  bequemeren 
Ab-  und  Aufsetzens  halber  erhöht,  gesteift  und  in  vier  cornua  getheilt,  oben 
in  der  Mitte  mit  einer  kleinen  Quaste  versehen. ^  —  Bischöfe,  die  einem 
geistlichen  Orden  angehören,  tragen  unter  der  Messkleidung  ihr  Ordens- 
kleid und  über  letzterem  das  Chorhemd.  Im  XV.  und  XVI.  Jahrh.  trugen 
Geistliche  und  Laien  häufig  einen  Buchbeutel,  (s.  den  Bischof  Fig.  101, 
S.  266).* 


*  Nach  Thomas  Aquin.  (Summae  theol.  supplementum  ps.  3  quaest.  40  c.  7 
n.  8)  führt  der  Papst  keinen  Bischofstab,  weil  dessen  Krümmung  eine  coarctata  po- 
testas  bezeichne,  was  füi*  ihn  nicht  passe. 

*  Weifs,  a.  a.  0.,  679.  —  Engelhardt,  Herradis  von  Landsberg,  109. 

3  tJber  die  Interimstracht  der  Geistlichen  und  das  Barett  vergl.  Bock,  Lit.  Gew. 
U,  342  ff.  u.  Taf.  IL  u.  L. 

*  Der  Ledereinband  ist  nach  oben  verlängert  imd  durch  einen  Riemen  zusammen- 
geschnürt ;  er  wurde  auch  vermittelst  emes  Messingringes  am  Gürtel  befestigt.  Abb. 
eines  solchen  Beutels  (Boksbüdel)  aus  dem  Germanischen  Museum  im  Anz.  G.  M.  1862, 


Trachten  der  Klostergeistlichkeit.  465 

Trachten  der  Klostergeistlichkeit:*  Die  Mönche  tragen  eine 
Kutte  (coiobitifh)^  das  engere  Hauskleid,  welches  mit  einem  Gttrtel  umbun- 
den  wird;  die  Schultern  bedeckt  die  Mozeiiaj  ein  Brustkragen ,  an  welchem 
hinten  die  Kapuze  als  Kopfbedeckung  angenäht  ist;  vorn  und  hinten  hängt 
von  der  Mozetta,  fast  bis  auf  die  Fttfse,  ein  breites  Stück  Zeug  hinab,  das 
Skapulier^  genannt.  Die  Nonnen  tragen  statt  der  Mozetta  (regelmäfsig 
jedoch  erst  in  späterer  Zeit)  den  Wimpel:  ein  gewöhnlich  weifses  Vortuch 
um  Hals  und  Brust,  stets  aber  den  Weihel  {velum)\  einen  in  der  Regel 
schwarzen  Schleier,  welcher  den  Kopf  bedeckt.  —  Farbe  und  Schnitt  der 
Kleidung  ist  bei  verschiedenen  Orden  verschieden:  Antoniter:  schwarz, 
mit  himmelblauer  Potentia  (T);  ledernes  Halsband  mit  einem  Glöckchen. 
—  Augustiner  (Eremiten) :  schwarze  Kleidung,  lederner  Gürtel.  Von  diesen 
sind  verschieden  die  Chorherren  {Canonici  reguläres)  des  Augustiner -Or- 
dens, die,  je  nach  Mafsgabe  der  Sprengel  wechselnd,  ein  schwarzes,  weifses, 
violettes  oder  braunes,  bis  zu  den  Ftifsen  reichendes  Oberkleid  mit  engeren 
oder  weiteren  Ärmeln  trugen,  darüber  das  weifse  Chorhemd  nebst  einem 
schwarzen  Mantel  (cappa)  mit  Pelzpelerine  (almutium),  Scheitelkäppchen 
und  Barett.  —  Benediktiner  (Kluniacenser) :  schwarz.  —  Brigittinen: 
ganz  grau;  auf  der  Brust  ein  Ring,  darin  ein  Kreuz.  —  Cistercienser 
(vielfach  Graumönche  genannt,  daher  leicht  mit  den  Franziskanern  ver- 
wechselt): ursprünglich  schwarz,  dann  weifse  Kutte  und  schwarzes  Skapu- 
Her;  rote  Schuhe.  —  Coelestiner:  Kutte  weifs,  Skapulier  und  Kapuze 
schwarz;  aufserhalb  des  Klosters  eine  schwarze  Kappe.  —  Dominikaner: 
weifse  Kutte  und  schwarzer  Mantel,  dessen  Kapuze  inwendig  weifs  ist  (sie 
werden  deshalb  auch  Weifs mönche  genannt);  das  Skapulier  bei  den  Mön- 
chen weifs,  bei  den  Laienbrüdern  schwarz.  —  Franziskaner.  Sämtliche 
zahlreiche  Abzweigungen  dieses  Ordens  (als:  Minoriten,  Rekollekten,  Bar- 
füfser,  Kapuziner  etc.)  tragen  grau-braune  Kleidung,  einen  weifsen  Knoten- 
strick als  Gürtel  und  kein  Skapulier:  die  Form  der  Kapuze  ist  verschieden; 
einige  tragen  Sandalen ,  andere  gehen  barfufs.  —  Die  Franziskaner-Nonnen 
(als:  Klarissinnen,  Kapuzinerinnen  etc.)  sind  ebenfalls  grau-braun  gekleidet, 
mit  weifsem  Wimpel  und  schwarzem  Weihel  etc.  —  Hieronymiten  (Ere- 
miten): weifser  Rock  von  grobem  Stoffe,  kleine  Kapuze  und  Skapulier 
schwarz,  beim  Ausgehen  schwarzer  Mantel.  —  Die  Jesuaten  des  h.  Hie- 
ronymus  tragen  ein  Untergewand  nebst  Schulterrock,  kastanienbraun.  — 


Sp.  324,  eines  andern  bei  Becker-  von  Hefner.  IH,  65  A.  Vergl.  auch  oben  über 
das  Wahrzeichen  von  Hamburg  S.  393. 

*  Helyot,  Hippel.,  Ausführl.  Gesch.  aller  ffeistl.  u.  weltl.  Kloster-  u.  Ritterorden. 
Aus  dem  Französischen.  1753 — 1756.  8  Bände.  (Das  Original  erschien  zu  Paris 
1714—1719,  2.  Aufl.  mit  812  Fig.  1792.)  Eine  neue  Bearbeitung  dieses  Werkes  vom 
Baron  de  Roujoux,  wovon  eine  deutsche  Übersetzung  im  Jahre  1830  angekündigt  wurde. 
—  (Schwan,  Ch.  F.)  Abbild,  aller  geistL  u.  weltl.  Orden.  1779  etc.  —  Vergl.  »das 
Papsttum  mit  seinen  Gliedern,  abgemalt  und  beschrieben«  in  der  Eisleb.  Ausgabe  von 
Luthers  WW.  I,  243  ff.  —  Weifs,  11,  697  ff.;  Die  litteratur  S.  135,  Not.  3.  u.  S. 
484,  Not.  1.  2. 

^  Das  Skapulier  ist  besonders  durch  das  mit  dem  Bildnis  der  h.  Jungfrau  ge- 
schmückte, welches  dieselbe  angeblich  dem  sechsten  General  der  Karmeliter  Simon  Stock 
1251  mit  den  Worten  in  hoc  moriens  nonpatietur  incendium  selbst  überreicht  hat,  in 
Aufiiahme  gekommen  und  AnlaTs  zur  Stiftung  der  Skapulierbruderschaft  und  des  Skapulier- 
festes  am  16.  Juü  geworden.  —  Vergl.  Schneider,  Jos.,  die  Ablässe.   7.  Aufl.,  375. 

Otte,  Kamt- Archäologie.    5.  Aufl.  30 


466  Trachten  der  Klostergeistlichkeit. 

Kamaldiilenser:  Kutte  und  Skapalier  weifs ;  die  Nonnen  weifs  mit  schwar- 
zem Weihel.  —  Karmeliter:  ursprünglich  weifs  und  schwarz  oder  braun 
gestreifter  Mantel ,  später  wie  die  Dominikaner  aber  mit  schwarzem  Rock 
und  weifsem  Mantel  und  grauem  Skapulier.  Sie  wurden,  nachdem  sich  im 
XVI.  Jahrh.  die  Barfüfser  (mit  braunem  Rock,  sonst  ebenso)  von  ihnen 
abgezweigt  hatten,  al8»beschuhete  {calciatiy  bezeichnet.  —  Karthftu- 
8  er:  weifs;  lederner  oder  hänfener  Gürtel ;  der  vordere  und  der  hintere  Teil 
des  breiten  Skapuliers  ist  in  der  Gegend  der  Kniee  mit  zwei  handbreiten 
Streifen  verbunden.   Die  Nonnen  kleiden  sich  weifs  mit  schwarzem  Weihel. 

—  Prämonstratenser:  Kutte  schwarz;  Mozetta,  Skapulier  und  Mantel 
weifs;  auf  der  Brust  einen  achtspitzigen  Stern  (vergl.  Fz.  Hubert  Müller, 
Beiträge,  I.  Taf.  2).  Die  Nonnen  weifs,  mit  ledernem  Gürtel  (ebd.  IL  Taf. 
19).  —  Serviten:  schwarz;  möglichst  langer  Bart.  —  Trinitarier:  die 
Kutte  mit  der  spitzen  Kapuze  und  das  Skapulier  weifs ;  auf  letzterem  und 
auf  dem  schwarzen  Mantel  wird  ein  rot  und  blaues  Kreuz  (+)  getragen.  — 
Die  Ritter  geistlicher  Orden  tragen  kriegerische  Rüstung:  die  Tempel- 
herren darüber  einen  weifsen  Mantel  mit  blutrotem  Kreuz;  die  Johan- 
niter einen  schwarzen  Mantel  mit  weifsem  Kreuz;  die  Deutschherren 
einen  weifsen  Mantel  mit  schwarzem  Kreuz.  —  Obgleich  nach  päpstlichen 
Verordnungen  den  geistlichen  Orden  die  rote  Kleidung  verboten  war,  so  gab 
es  doch  Ausnahmen,  z.  B.  die  Johannesbrüder  de  civitate  (mit  einem  ge- 
stickten Kelch  auf  dem  Skapulier)  und  der  Orden  vom  Thal  Josaphat.  — 
Über  die  Kleidung  fanden  unter  den  Klöstern  oft  heftige  Zänkereien  statt.  ^ 

—  Die  Äbte  und  Äbtissinnen  tragen  entweder  den  geraden,  oben  mit 
einem  Knopfe  versehenen  Abtsstab  in  der  Hand,  oder  den  Krummstab;  wie 
die  Behauptung,  dafs  sie  denselben  mit  der  Krümme  nach  innen  hätten  hal- 
ten müssen  (s.  oben S.  278),  ebenso  unbegründet  ist  die  andere,  dafs  sie  ihn 
nur  vermittelst  des  Sudariums  hätten  anfassen  dürfen,  welches  ganz  andere 
Bestimmung  hatte  (s.  oben  S.  280). 

Alle  Geistlichen  tragen  als  Sinnbild  der  Dornenkrone  Christi  die  Ton- 
sur (Corona  clericalis)^  d.  h.  eine  kleinere  oder  gröfsere,  kahl  geschorene, 
kreisförmige  Platte  auf  dem  Scheitel.  Auf  dem  Konzile  zu  Rom  1074  wurde 
den  Klerikern,  die  bis  dahin  nach  Belieben  den  Bart  wachsen  liefsen  oder 

abschoren,  das  Rasieren  zur  Pflicht  gemacht, 
wovon  sich  zuerst  Papst  Julius  II.  (t  1513) 
eine  Abweichung  erlaubte;  es  scheint  jedoch, 
als  wenn  im  XV'^.  Jahrh.  manche  Bischöfe  wie- 
der Barte  getragen  hätten ,  was  von  einzelnen 
Geistlichen  vielleicht  immer  geschah.* 

Geistliche  werden  oft  in  der  Gebärde  des 
\    (    /  VI        Segnens  abgebildet,  d.  h.  sie  erheben  die 

rechte  Hand ,  dem  Beschauer  zugewendet,  mit 

1  I       I  ausgestreckten  Schwurfingern  (Fig.  238).  Nach 

P,    238  Fig.  239.        ^^^  griechischeu  Ritus  (Fig.  239)  kreuzen  sich 

'  beim  Segnen  die  Spitzen  des  Daumens  und  des 


*  Tergl.  Lop s ins,  Gesch.  dos  Moritzkl.  zu  Naumburg,  54  ff.  u.  152  ff. 

*  Hoineccius,  de  sigillis,   197  sq.   —  Vergl.   Gesch.  dos  Baites.    Lpzg.   1797; 
Bunz,  zur  geistl.  Tracht,  im  Chr.  K.-B1.  ISSl,  27  ff. 


Trachten  der  Klostergeistlichkeit.  467 

vierten  Fingers.^  Auffallend  ist,  dafs  die  griechische  Form  des  Segnens  auf 
deutschen  Denkmälern  aus  dem  XIIL  Jahrh.  hin  und  wieder  vorkommt,  z.B. 
ein  segnender  Christus  auf  einem  Gewölbeschlufssteine  des  Magdeburger 
Doms  (Rosenthal,  lief.  3,  Taf.  4,  Fig.  21)  und  ein  heiliger  Nikolaus  auf  einem 
Wandgemälde  in  der  Nikolaikapelle  zu  Soest  (Abbild,  zu  No.  9  des  Org.  f. 
ehr.  K.  von  1852).  —  Das  Falten  der  Hände  geschieht  mit  zusammenge- 
legten flachen  Händen ;  in  einzelnen  Fällen  kommt  auch  noch  die  altchrist- 
liche Weise  des  Gebets  mit  vor  der  Brust  nach  aufsen  gebreiteten  Händen 
vor,  z.B.  auf  den  Siegeln  vonGurk,  am  Portal  von  Petershausen  u.s.w.; 
unsre  gegenwärtige  Art  des  Händefaltens  mit  verschränkten  Fingern  ist  erst 
im  Spätmittelalter  nachzuweisen.  Der  inbrünstig  betende  Bürgermeister 
Mayer  auf  der  berühmten  Holbeinschen  Madonna  z.  B.  hält  die  Hände  in 
dieser  W^ise  gefaltet.  —  Pilger  tragen  eine  Jordan -Muschel  auf  dem  Hute 
oder  am  Kleide  und  den  am  obern  Ende  mit  zwei  Knöpfen  versehenen  Pilger- 
stab in  der  Hand ;  letzterer  hat  zuweilen  oben  auch  einen  gabelartigen  Haken 
zum  Anhängen  des  Reisebündels.  Im  späteren  Mittelalter  tragen  sie  meist 
auch  die  aus  Blei  oder  Messing  gefertigten  Ablafszeichen  oder  Wallfahrts- 
zeichen ,  welche  an  den  Wallfahrtsstätten  als  Ausweis  der  vollendeten  Wall- 
fahrt verkauft  wurden  und  als  Amulette  zu  mancherlei  Zwecken  dienten.^  — 
Bettelmönche  werden  mit  dem  Bettelsack,  im  späteren  Mittelalter  auch 
wohl  mit  einer  Armenbüchse  in  der  Hand  abgebildet;  sie  tragen  ein  Glöck- 
chen  am  Stabe.  —  Auch  ist  hier  des  Rosenkranzes  (Rosarium)  zu  ge- 
denken, der  im  XU.  Jahrh.  (angeblich  von  Peter  von  Amiens)  als  Hilfsmittel 
eines  zahlrichtigen  Beteus  aus  dem  Oriente  eingeführt  und  der  Verehrung 


*  Die  drei  ausgestreckten  Finger  bezeichnen  bei  den  Lateinern  die  Trinität  (Jea. 
40,  12),  die  beiden  eingeschlagenen  Finger  die  beiden  Naturen  Christi  (Durandusl. 
V.  c.  2  n.  12).  —  Nacn  der  Symbolik  der  Griechen  bilden  die  Finger  der  segnenden 
Hand  die  Buchstaben  des  Namens  Jesus  Christus:  der  ausgestreckte  Zeigefinger  und 
der  gekrümmte  diitte  Finger  bilden  die  Zeichen  IC  (Jesus);  der  sich  mit  dem  Ring- 
finger kreuzende  Daumen  oildet  den  Buchstaben  X ;  der  kleine  Finger  endlich  krümmt 
sicn  zur  Gestalt  dos  C.(XC  =  Christus).  Vergl.  Didron,  Ikonographie  chretienne. 
Hist.  de  Dieu.,  415.  —  Übrigens  ist  die  segnende  Gebärde  der  byzantinischen  Christus- 
bilder zunächst  nichts  weiter  als  ein  allerdings  konventionelles,'  aber  aus  der  antiken 
in  die  fütchristliche  Kunst  übergegangenes  Zeichen  der  feierlichen  Anrede,  Veraiche- 
iTing  imd  Beteuerung,  und  so  ist  inr\orkommen  auch  auf  den  abendländischen  Denk- 
mälern in  der  Regel  zu  erklären.  Dies  hat  zuerst  Kort  um,  C.  W.,  des  Silentiarius 
Paulus  Beschreib,  der  heil.  Sophia,  metrisch  übersetzt.  Anmerk.  55.  (Anhang  zu  Sal- 
ze nb  er  gs  Altchristi.  Baudenkm.  von  Konstantinopel)  nachgewiesen;  vergl.  Schnaase, 
in,  650  ff.  und  J.  P.  Richter,  im  Chr.  K.-Bl.  1876,  No.  2. 

*  Eine  Abb.  der  zu  "Wilsnack,  wo  man  zuerst  eine  förmliche  Industrie  damit 
getrieben  zu  haben  scheint,  verkauften  "Wundorblutsmedaillen  auf  dem  Titelblatt  der 
1521  gedruckten  Geschichte  des  Wunderbluts  (reproduciert  durch  Matth.  Ludecus 
Wittenberg  1586).  —  Die  in  Sammlungen  (z.  B.  zu  Dresden  im  Mus.  des  Gr.  Gartens 
Saal  I  una  im  (>erman.  Mus.,  K.-G.  292 — 297)  vorhandenen  cehören  meist  erst  dem 
XYI.  Jahrh.  und  späterer  Zeit  an.  —  Zu  dieser  Kategorie  zäluen  auch  die  Pestkreuze 
des  P.  Zacharias,  die  oben  S.  401  erwähnten  Benediktskreuze  und  die  mit  ihnen  zu- 
sammengesetzten, in  der  Form  dem  Eisernen  Ki'euze  sehr  ähnlichen  St.  Ulrichskreuze, 
die  als  Amulette  gegen  Mäusofrafs  in  den  Feldern  vergraben  wurden.  Jos.  Schnei- 
der, die  Ablässe,  7.  Aufl.  S.  538  sagt:  »Man  kann  sie  auf  Thüren  und  Mauern  der 
Gebäude  nageln,  oder  in  deren  Fundamente  legen;  man  kann  sie  auch  in  das  Wasser 
legen,  welches  man  dem  Vieh  zu  trinken  giebt  {ad  eorum  incrementum  et  incolumi- 
tatemU    Vergl.  auch  Chr.  K.-Bl.  1882,  32  und  Prüfer,  Archiv.  V,  63.  89.  VI,  28. 

30* 


4G8  Rosenkranz.    Weltliche  Trachten,  MHiiner. 

Marias  geweiht,  später  von  Domiuikus  (seit  1270)  vollständig  organisiert, 
aber  wieder  in  Vergessenheit  geraten ,  im  XV.  Jahrh.  durch  Alanus  de  Rupe 
und  die  Rosenkranzbrttderschaften  (1475  zu  Köln  durch  den  berüchtigten 
Hexeninquisitor  Jakob  Sprenger  gestiftet)  wieder  in  Aufnahme  gebracht,  von 
Papst  Innocenz  VIII.  (1484  — 1492)  mit  bedeutendem  Ablafs  ausgestattet, 
aber  erst  durch  Gregor  XIII.  nach  dem  Siege  von  Lepanto  (1571),  der  seiner 
Kraft  zugeschrieben  wurde,  obligatorisch  gemacht  worden  ist.  Man  unter- 
scheidet hauptsächlich  drei  Arten:  der  grofse  oder  Marien -Rosenkranz  ist 
eine  Schnur  mit  15  grofsen  und  150  kleinen  Kügelchen,  nach  der  Anzahl  der 
Psalmen,  daher  auch  Psalterium  Marianum  genannt.  Der  gewöhnliche  mitt- 
lere oder  Brigitten -Rosenkranz  hat  63  kleine  Knöpfchen,  nach  der  Anzahl 
der  Lebensjahre  der  Maria,  welche  63  Jahre  lebte,  bei  den  Franziskaneni 
aber  72  kleinere  und  7  gröfsere ;  beim  Abbeten  des  Rosenkranzes  kommt 
auf  jedes  kleine  Kügelchen  ein  Ave  Maria,  auf  jedes  gröfsere  ein  Vaterunser; 
auf  10  Ave  folgt  immer  ein  Vaterunser.  Der  kleine  oder  Rosenkranz  des 
Herrn  hat  nur  33  Perlen,  nach  der  Zahl  der  Lebensjahre  Jesu,  und  ist  eine 
Erfindung  der  Kamaldulenser  zur  Zeit  Leos  X.  (t  1521);  er  wird  mit  33 
Vaterunsern  und  aufserdem  5  Ave  nach  der  Zahl  der  Wunden  Christi  abge- 
betet. Der  englische  Rosenkranz  hat  nach  der  Zahl  der  Engelchöre  neun- 
mal je  1  Vaterunser  und  3  Ave  und  am  Schlüsse  noch  4  Vaterunser  und  eine 
Antiphon  an  den  h.  Michael ;  der  von  dem  h.  Peregrinus  (Servit  t  1345)  er- 
fundene Rosenkranz  von  den  sieben  Schmerzen  siebenmal  je  1  Vaterunser 
und  7  Ave  und  zum  Schlüsse  noch  3  Ave.  Die  Vaterunser  sind  bei  ihm  durch 
7  Medaillen  mit  Darstellungen  der  Schmerzen  Maria  bezeichnet.  Zu  jedem 
abgebeteten  Rosenkranze  gehört  am  Schlüsse  oder  Anfange  ein  Credo.  * 

Weltliche  Trachten:^  Männer.  Haupthaar  und  Bart:^  die  karo- 
lingischen  Herrscher  trugen  verschnittenes  Haar  und  Schnurrbarte ;  unter 
den  Hohenstanfen  war  langes,  fliegendes  Haar  üblich,  zuerst  gescheitelt^ 
später  vorn  auf  der  Stirn  kurz  abgeschnitten ;  der  Bart  blieb  immer  noch  kurz^ 
wurde  aber  zuletzt  ganz  abgeschoren,  was  nebst  dem  langen  herabfallenden 
Haupthaar  im  XIV.  Jahrh.  zur  allgemeinen  Sitte  wurde.  Um  1380  fing  man 
an  das  Haar  über  den  Ohren  in  Krullen  aufzurollen ;  dagegen  wurde  es  im 
XV.  Jahrh.  lang  bis  in  den  Nacken  getragen  ;  im  XVI.  Jahrh.  kamen  lange 
Barte  und  kurz  verschnittenes  Haupthaar  wieder  auf.  —  Die  Kleidung  war 
in  der  älteren  Zeit  einfach  und  weniger  dem  Wechsel  unterworfen,  der  erst 
mit  den  Kreuzzügeu  eintrat,  bis  die  Trachten  endlich  im  XV.  Jahrh.  in 
Üppigkeit  ausarteten.  Im  VIII.  und  IX.  Jahrh.  trugen  die  Männer  die 
Tunika,  um  die  Hüften  gegürtet;  lange  Beinkleider,*  unter  dem  Knie  ge- 
bunden.  Ein  Mantel  von  mäfsiger  Länge  wurde  auf  der  rechten  Schulter  mit 


>  Mayer,  J.  F.,  Diss.  de  Rosario  1720;  Bellermann,  J.  J.,  das  graue  Kloster 
in  Berlin.  H,  10;  Jos.  Schneider,  a.  a.  0.,  159.  ISl.  190.  217.  307.  403  u.  öfter. -- 
In  Indien  reicht  der  Gebrauch  dieser  religiösen  Rechenmaschine  bis  ins  höchste  Alter- 
tum hinauf.    Vergl.  v.  Bohlen,  das  alte  Indien.  I,  339;  AVeifs,  a.  a.  0.,  701. 

*  V.  Hefner,  a.  a.  0.   Einleitung,  13  ff.    Vergl.  Heineccius,  a.  a.  0.,  198  ff. 

'  Falke,  Jak.,  Haar  und  Bai-t  der  Deutschen  im  Mittelalter,  im  Anz.  G.  M.  1858. 
Sp.  8—12;  52  —  55;  82  —  86.  —  Derselbe,  die  männliche  Kopftracht,  in  den  Mitt. 
C.-K.  V,  185—190;  213  —  222;  265  —  272. 

*  Rettberg,  K.  v.,  über  das  Beinkleid  des  Mittelalters,  im  Ana.  G.  M.  1858.  Sp^ 
217  ff.  u.  33Sff. 


Kleidung.  469 

einer  Sp&nge  oder  mit  eioem  Knoten  befestigt.    Die  Flirse  wareu  mit  H&lb- 
BtiefelD,  Siiiiij&len  oder  kreuzweis  umschnürten  Strümpfen  belcleidet.    Unter 
den  sächsiscben  und  saiischen  Kaisem  imX.  nnd  XI.  Jahrb.  erbielt  sich  diese 
einfache  Tracht,  nnr  dafs  zuweilen  dabei,  namentlich  durch  Besetzung  des 
Mantels  mit  Edelsteinen,  mehr  Pracht  entwickelt  wurde.   Es  kamen  farbige, 
schön  gewirkte  Schuhe  (zuweilen  schon  mit  kurzen  Schnäbeln)  auf  und  rot 
gewürfelte  Strumpfe.    Unter  den  Hohcnstaufen  kamen  die  EdeUteine  auf  den 
Mänteln  wieder  ah,  die  Schuhe 
reichten  bis  auf  die  Knöchel 
und  hatten  oft  lange  Schnäbel. 
Im  XII. '  und  XIII.  Jahrh.  hatte 
die  gegürtete  Tunika  kurze  Är- 
mel, und  der  lange  Mantel,  vorn 
offen,  wurde  durch  eine  Brust- 
epange  zusammengehalten.    Im 
XIV.  Jahrh.  wurden  lange  bis 
auf  die  Erde  reichende  Röcke 
getragen,    mit    engen  Ärmeln, 
welche  vom  Ellenbogen  an  ge- 
knüpft sind  und  oft  bis  auf  die 
Mitte  der  Hand  reichen;  reiche 
Gürtel;  der  Mantel  über  der 
Brust    mit    einer  Schnur    be- 
festigt; Kappen  auf  dem  Kopfe. 
Das  gemeine  Volk  trug  kurze 
Köcke  (oft  mit  Kapuze),  enge 
Hosen  und  hohe   Schuhe.   — 
Um  die  Mitte  des  Jahrh.  kom- 
men  viele    neue   Moden   auf; 
namentlich  ist  das  sich  schon 

seit    dem    XI.  Jahrh.    znweilen  StlftoHUtDCDEm  Dons  id  NiDmbnrg'fiiacbVelb). 

findende,  sogen,  Miparli  ge- 
bräuchlich, wo  die  verschiedenen,  einander  ent sprechenden  Teile  der  Klei- 
dung verachiedene  Farben  haben  (z.  B.  ein  Ärmel  rot,  der  andere  blau)  etc. 
Die  luxuriösen  Trachten  des  XV.  und  XVI.  Jahrh.  ^  sind  zu  mannigfaltig, 
um  hier  näher  beschrieben  zu  werden:  weite  Puffhosen,  viel  geBchlitzte 
Ärmel,  spanische  Mäntel  etc.  Bezeichnend  für  das  XVI.  Jahrh.  ist  die 
überaus  plumpe  Form  der  Fufsbekleidung:  die  Schuhe  sind  vom  breit  ab- 
gerundet. —  Bewaffnung:'  Unter  den  Karolingern  war  der  Harnisch, 

'  Für  das  Xn.  Jahrb.  vergL:  Engelhardt,  Chj'.  Mor.,  Herrad  v.  landspcrg  etc. 
und  ihr  Wert:   Hortua  delitiarum.    ISIS.    Mit  12  Taf, 

*  Tcrgl.  Eye,  A.  v.,  Deutschland  vor  300  Jahren  in  Leben  u.  Kuost,  aus  seinen 
eigenen  BUdem  dargestellt,    iS53  etc. 

=  Vergl.  die  Litterahir  bei  Weifa.  H.  BOT,  N.  2.  m,  152,  N.  1.  197,  N.  1. 
264.  N.  2.  —  Essen  wein,  A.,  Beiträge  aus  d.  G.  M.  zur  Gesch.  d.  Bewathmng  im  M.-A. 
m.  Abbild.  Änz.  0.  M.  1S80,  No.  7  u.  flgde.  Jahrgge.  —  Schultz,  Alw.,  d.  höfische 
Leben  etc.  n,  1—89.  113.  116.  171—187.  —  Demmin,  d.  Kriegswaffen  in  ihrer  histor. 
Entw.  1869.  —  Leitner,  Qu-,  die  WaSensamml.  d.  (ktm.  Kaiserhauses.  1869  ff.  — 
Hiltl,  G.,  die  "Waffensamml.  d.  Prinz.  Karl  v.  PreuTsen.  M.  100  Taff.  1879.  —  Chro- 


,70  ■Weltliche  Trachten; 

wie  bei  den  Römern,  echuppenartig,  das  Schwert  kurz  und  zweischneidig, 
(lerWurfspiefs  ohne  Fahne;  der  Streitkol- 
ben bestand  aus  einem  arm a langen  und  anns- 
dicken Stabe  :  am  Handgriffe  ein  starker  Ring 
ZurBefeBtignngeiueBRiemena;  am  oberen  Ende 
eine  Kette  mit  Stachelkugel.  DerSchild  war 
rund,  in  der  Mitte  mit  einem  Bui^kel ;  der  Helm 
rundlich  mit  einem  Grat,  Schilden  hinten  und 
vom  und  BackenBchienen.  —  Unter  den  Bach - 
BiBchen  und  saliBchen  Kaisern  trugen  die 
RitterKetten-  und  Schuppenhemden,  die 
biB  ans  Knie  reichten  und  Arme  und  Hände  be- 

I  deckten,  so  auch  den  Kopf,  von  dem  nur  das 

Gesicht  von  den  Äugen  biB  zum  Munde  frei 
blieb;  auf  gleiche  Weise  waren  auch  die  Beiue 
bekleidet.  Der  Helm  ist  kegelförmig,  oft  mit 
vorgebogenerSpitzeundNasen8chirm;zuEnde 
des  XI.  Jahrb.  gleicht  er  einem  Topfe,  den  gan- 
zen Kopf  nmschliefBend ,  nur  mit  zwei  Sefaöff- 
nnngen.  DasSchwert  ist  lang,  mit  gerader 
Parierstange,  und  wird  an  einem  um  die  Hüften 
geBchlungenen  GUrtel  getragen.  Der  Schild 
iBt  lang,  dreieckig  oder  vi ereckignnd  gebogen, 
BO  dafs  er  den  Körper  umBchliefBt.  An  der 
Lanze  ist  ein  schmales  Kreuz&hnchen  be- 
festigt. Die  Sporen  haben  keine  RAder,  die 
erst  im  XUl.  Jahrh.  (nach  Anderen  jedoch 

^'''  *w«ffwing*d«'xi""iil«h'^'''  ""      schon  unter  den  Ottonen)  aufkommen. '  —  Im 

(nun  d.  Am.  d.' a.  H).  XII.  uud   XIII.   Jahrhundert   besteht   die 

RUstung  aus  einem  Panzerhemd  nebst  einer 

über  die  Schultern  fallenden  Panzerkappe ;  der  Schurz,  sowie  die  Bekleidung 


ng.  US.    VVHcht«  sm  Grillia  Cfarli([|  Mlnrntnr  ul  dem  Xin.  Jkhrta.  (Mofa  t.  Uolher]. 

nologische  Zusammenstellui^  von  verschiedenen  Helmen:  v.  Hefner,  Trachten.  I. 
Taf.  63;  v.  Eye  u.  Falte,  Kunst  n,  Leben  der  Vorzeit.  Heft  1,  El.  5  f.;  Heft  2,  Bl. 
5  f.;  von  mancheriei  Bewaffnungen  etc.;  Hefner,  Jos.  v.,  u.  Wolf,  J.  W.,  die  Burg 
Tannenberg.   18äO.    Taf.  11.  —  Über  Schwerter:  v.  Hefner,  Trachten.  HI,  43. 

'  Über  das  mitteUlterl.  Reitzeug  (Sattel,  Steigbügel  etc.)  vergl.  Gntterer,  J.  Ch., 
Abrib  der  Uplomaük,  310;  über  Sporen,  auch  Detliier,  in  den  N.  Mitt.  Tb.-S.  V.  I. 
2,  27  ff.  —  EBSenwein,  a.  a.  0.   ISSl.  8p.  129  ff.,  m,  19  Abb. 


Bewafhong,  E.— XIV.  Jahrh. 


471 


der  Arme  and  Beine  bestehen  aus  kleinen  Ringen,  über  dieeerRtlstung  wird 
der  lederne  oder  aas  kostbaren  Stoffen  bestehende  Wafrenrock  getragen; 
er  reicht  bis  unter  das  Knie  und  wird  im  XIII.  Jahrh.  aufge schürzt.  Der 
Helm  bleibt  tapfartig;  die  Knappen  tragen  nar  Sturmhauben  ohne  Visier 
und  Panzerkappe.  Das  lange  Schwert  ist  an  der  Scheide  umwickelt.  Der 
dreieclüge  Schild  wird  kleiner  und  flacher,  seit  der  Mitte  des  XII.  Jahrh. 
mit  den  Wappenbildern  geschmttckt.  Heiden  und  Barbaren  (z.  B.  der  Rieae 
Goliath  bei  Herrad  vonLandsperg  —  Engelhardt,  Taf.  8,  Fig.  1)  werden 
zuweilen  mit  runden  Schilden  abgebildet.  —  Im  XIV.  Jahrhundert  wird 
das  Panzerhemd  durch  eiserne  Arm-  und  Beinschienen  verstärkt,  so 
auch  dieHandschnhe  durch  etaeme Bescbl&ge ;  der  eng  anliegende,  kurz- 
ärmelige, lederne  Wafifenrock  (Lendner)  ist  an  den  Rundem  ansgezackt 


Flg.  1(1.     RIUIT  I 


(languettiert),  oft  mit  dem  Wappenbilde  gesehmnckt  und  so  kurz,  dafs  daa 
Panzerhemd  darunter  hervorsieht.  An  einem  reichen  breiten  Gürtel  hängt 
rechts  ein  Dolch  und  links  das  lange  Schwert;  beide  sind  noch  aufaerdem 
am  Griff  mittelst  Ketten  auf  der  Brust  befestigt.  Der  Helm  erhält  den  heral- 
dischen Schmuck  und  die  Helmdecke ;  der  Schild  ist  dreieckig  und  sehr  klein, 


t72  'Weltliche  Truchteii.    Bewaffiimib',  XV.  u.  XVI.  Jahrli. 

beim  Fufsvolke  rund.     Der  HolzBchoilt  Fig.  244  zeigt  einen  Ritter  von 
den  Hochreliefs  am  ChorgestUhl  des  Domes  zu  Bamberg:  derselbe  trägt 
auf  der  Bruat  eiue  eiserne  Platte,  welche  aaf  dem  mit  Metallnägeln  be- 
schlagenen Lenduer  festgenietet    ist  und    den  Änfaug   zu   den   späteren 
Plattenharnischeu  bildet;   die  lederne  Beinbekleidnng  ist  mit  metallenen 
Kuieschirmen  verselieu.    Der  kleine  Schild  (Tartscbe)  hat,  weil  er  meist  zu 
Pferde  gebraucht  wurde,  auf  der  rechten  Seite  einen  Einschnitt  zum  Einleget] 
der  Lanze  (v.  Ilefaer,  1!,  Taf.  4T.  GS).  —  Im  XV.  Jahrhundert  kommt  das 
Panzerhemd  aus  der  Mode,  und  die  ersten  Rüstungen  aus  geschlagenem  Eisen 
(Harnisch  und  Krebs)  erscheinen;   die  Arm-  und  Beinschienen  sind 
von  spitziger  Form  und  werden  beweglieh.    Der  im  Holzschnitt  Fig.  24& 
dargestellte  Ritter  (Gideon,  mtch  einer  Miniatur  au»  dem  Anfang  des  XV.  Jahrb. 
in  der  IIs.  No.  4S  der  Univers. - Bibl.  zu  Heidelberg)  trägt  eine  Bcckenhaubc, 
deren  Olirensehirme  beweglich  und  in  ihrem  Charnier  durch  grofse  mudc 
Buckel  gedeckt  sind;   darunter  befindet  sich  der  nicht  mehr  aus  Ringeu, 
sondern  aus  kleinen  Platten  gebildete  Ringkrageu.    über  dem  Waffenrockc 
erscheint  eine  eiserne  Brustplatte 
nebst  dem  aus  PUttclien  gefertig- 
ten eisernen  Panzerschurz.    Arme, 
Beine  und  FUfse  sind  mit  eisernem 
Plattenwerk  und  eisernen  Buckeln 
bedeckt;  die  spitzen  Schuhe  zeigen 
bereits  den  Anfang  der  in  einander 
gesteckten   beweglichen   Schienen 
(Krebse).     Der  Waffenrock    ist 
kurz  und  unten  gefaltet:  seine  wei- 
ten,  oben   kurz  ausgeschnittenen 
Ärmel  hängen  in  langen  Zoddeln 
hinten   am  Ellbogen    herab.     Die 
Limbnrger  Chronik  sagt:  »Herrn, 
Ritter  und  Knecht,  wann  sie  hof 
farten,  so  hatten  sie  lange  Lappen 
an  ihren  Armen  etc.«  (v.  Hefner.II. 
Taf.  21,  S.  26).  —  Im  XVL  Jahrb. 
sind   alle   Teile    der    künstlichen 
Rüstung  beweglich  und  die  Formen 
rundlich.  Die  beweglichen  Visiere 
kommen  seit   dem  Ausgange   des 
XIV.  Jahrh.  auf;   sie  sind  zuerst 
nur  einfach,  im  XVI.  Jahrh.  künst- 
lich zusammengesetzt;   die  Helm- 
decken     kommen     ab,     dagegen 
schmückt  ein  oft  Überreicher  Fe- 
derstraufs  im  XVI.  Jahrb.  den  rund- 
lichen Helm.  Gegen  Ende  des  Mit- 
«(.  BM.   Hiiicr  iiu  dam  Kvi.  Jniitii.  (oiicb  Woiü).    tclalters   finden   sich   die   grofaen 
zweihändigen    Schwerter.     Der 
Waffenrock  ist  im  XVI.  Jahrh.  kurz,  weit  und  faltig.    Die  der  Mode 


FrauoTitrachten.  473 

folgende,  vom  abgerundete  Fursbekleidung  ist  oben  mit  beweglichen  Schie- 
nen bedeckt;  vergl.  Fig.  246. 

Frauen.'  Die  Kleidung  der  deutschen  Frauen  war  bis  gegen  Ende 
dea  Mittelalters  sehr  einfach  und  zttcbttg:  ein  enges  Unterkleid  und  ein  wei- 
teres Oberkleid,  darüber  ein  Mantel  und  auf  dem  Haupte  ein  Schleier.  Im 
XIll.  Jahrh.  hat  das  Oberkleid  keine  Ärmel,  der  Mantel  ist  lang,  und  das 
Haar  fällt  frei  auf  die  Schultern  hinab.  Daneben  wird  eine  Tracht  mit  aus- 
schweifend langen  und  wetten  UnterArmeln  Mode,  in  der  schon  Uerrad  von 


Landsperg  die  Superbia  abbildet,  in  der  aber  auch  eine  Asketin  wie  die  h. 
Hedwig  auf  ihrem  Siegel  erscheint.  Im  XIV.  Jahrh.  wird  das  Unterkleid 
mit  engen  Ärmeln  getragen,  und  das  Oberkleid,  an  den  Seiten  weit  ausge- 
schnitten, ohne  Ärmel,  oft  mit  Schleppe;  das  Haar  wird  in  einer  langen, 
herabhängenden  Haube  (Gugel)  geborgen.  Im  XV.  Jahrh. ^  tragen  die  Frauen 
geflochtenes  Haar,  oben  an  den  Seiten  befestigt  und  mit  einer  Haube  um- 
schloBseu,  von  welcher  der  Schleier  herabfällt ;  im  XVI.  Jahrh.  kommen  viele 
ausländische  Moden  auf:  Rock  und  Mieder  etc.  Das  Haar  wird  in  Netzen 
getragen.  Zu  bemerken  ist  Übrigens,  dafs  man  in  der  Kleidung  der  Heiligen, 
ausgenommen  etwa  die  h.  Magdalena  in  Scenen  aus  ihrer  Legende  vor  ihrer 
Bekehrung,  den  wechselnden  Ausartungen  einer  zum  Teil  die  weibliche  Sitt- 
samkeit verleugnenden  Mode  nicht  folgte. 

'  Weifs.  n,  537  ff.  570  ff.  HI,  207  ff.  225  ff.  239  ff.  —  ■Weinhold,  C,  die  deut- 
schen Frauen  im  Mittelalter  (1851).  2.  AuÜ.  18S2.  —  Falke,  Jak,,  die  weibl.  Kopt- 
tracht, in  den  Mitt.  C.-K,  Tl.  1— U;  33—44. 

'  Für  das  Kostüm  des  XV,  Jahrh.  ist  intorcssant:  Sattler,  Kath.,  das  alteSchlob 
Maieiiberg  u.  seine  früheren  Bewohner.    1S36. 


474  Ordensdekorationeti. 

Goldene  Diademe,  OhrrJDge,  Halsketten,  Spangea,  Ringe,  Edelsteine  etc. 
kommen  iils  Sclimuck'  das 
ganse  Mittelalter  hindurcli 
vor;  im  XIV.  undXV.Jahrh. 
besetzten  MSnner  und  Weiber 
Kleider,  Gürtel  und  Schuhe 
oft  mit  Schellen. 

Insonderheit  ist  hier  zu 
gedenken  der  Ordensde- 
korationen der  zahlreichen 
ritterlichen  GcsellBchaften,* 
welche  teilweise  auch  von 
Frauen  getragen,  namentlich 
auf  den  spftt mittelalterlichen 
Grabdenkm&lem  von  Mitglie- 
dern solcher  selten  fehlen. 
Folgende  sind  die  am  häufig;- 
sten  vorkommenden:  Adler- 
orden (gestiftet  1433  von 
Herzog  AlbreehtV.  Vonöster- 
reich): an  einem  von  einer 
Hand  gehaltenen  Ringe  ein 
gekrönter  einköpfiger  Adler 
mit  dem  Spruchbänder  Thiie 
recht  und  scheue  Niemimd.  — 
StChriatophsordenderU 
FwJfniHchi  Im  XV.  j.hrh.  (n«h  w?i&).  Nothelfer  (gestiftet  1480  vou 

Graf  Wilhelm  von  Heniieberg, 
auf  Denkmälern  in  der  Stiftskirche  zu  Schleuaiugen  —  Al>b.  Hcideloff, 
Ornamentik,  Heft  9 ;  ein  anderer  gestiftet  1517  vou  einigen  österreichischen 
Adeligen:  Bild  des  h.  Christoph  am  Halse  oder  Hnte).  —  Der  cypriache 
Orden  (gestiftet  1105):  an  einer  aus  lauter  S  gebildeten  Kette  ein  kleines 
Schwert,  S-fSrmig  umschlungen  vou  einem  Bande  mit  dem  Spruche:  pour 
ioyaute  maititenir.  —  Der  Drschenorden  (wahrscheinlich  von  Kaiser 
Karl  IV.  gestiftet;  er  kommt  schon  auf  dem  Denkmal  des  Herzogs  Wenzel 
von  Liegnitz  t  1364  vor  —  Abb.  bei  Luchs,  Schlesische  Fürstenli Lider,  Tat.  17): 

'  Treffliche  Abbildungen  von  Damenschmnck  des  XT.  u.  XA^.  Jahrb.  enthiilt  dns 
im  Besitze  König  Ludwif^s  von  Bayern  botindlielip  Schniuckbuch  der  Herzogin  Anna 
von  Bayern,  gemalt  vou  Hana  MioUcb.  1552,  Vergl.  Bei;hstein,  Kunsidenkm. 
Heft  4.  Bl  12. 

>  Tergl.  V.  Bicdonfeld,  F.,  Gescb.  u.  Verfas.sung  aller  gcistl.  n.  welll.  Bitter-0. 
2  Bde.  1641.  —  Schulze,  Obrouik  samtl.  bekannten  ßitter-0.  etc.  M.  122  TafT.  1855. 
Supplt.  1S70.  —  von  Sava,  C,  über  Ordons-Insignien  auf  deutschen  Siegeln  vor 
Kaiser  Max  1,,  im  Am,  0.  M.  1857.  Sp.  289—292.  329—332.  —  Fronner.  C,  üb. 
Ordens -Insignien  auf  miftolalterl.  Grabdenkmälern  in  Mitt.  C.-K.  XV  S.  CXIVff.  — 
Von  nntergogangenen  Bitterorden,  im  WochenbL  der  Johanniter-0.  Balley  Brandenburg 
1S74,  No.  15.  —  Andere  Litteratur  bei  Weifs.  H,  4S4,  X.  2.  7IG,  S,  1.  —  Die  In- 
signien solcher  Gesellschaften  werden  in  den  Urkunden  elc.  vielfach  schlechthin  die 
»(xtaelUchafU  genannt. 


Ordensdekorationen.  475 

ein  geringelter  Lindwurm ,  anf  dem  ein  Kreuz  steht,  auf  dessen  Armen  die 
Devise:  o  quam  misericors  esi  deus  justus  et pius,  —  Der  Georgsorden 
(gestiftet  von  Herzog  Otto  d.  Fröhlichen  von  Österreich  1300 — 1339,  ge- 
fördert von  Kaiser  Friedrich  III  1468):  Schildchen  mit  einem  Kreuze,  daran 
hängend  die  Reiterfigur  des  h.  Georg.  —  Der  Orden  vom  heil.  Grabe 
(gestiftet  von  Gottfried  von  Bouillon  1099  (?) ;  gewöhnlich  von  den  Jerusa- 
lemspilgern erworben):  Jerusalemskreuz.  —  Orden  d.  h.  Katharina  vom 
Berge  Sinai  (gestiftet  in  der  zweiten  Hälfte  des  XI.  Jahrb.):  ein  ganzes 
oder  halbzerbrochenes  Rad  mit  quer  durchgestochenem  Schwerte.  —  Der 
Mäfsigkeitsorden  (gestiftet  von  König  Alfons  von  Arragonien  t  1458): 
Kette  aus  Kannen,  aus  deren  jeder  drei  Lilien  sprossen,  daran  hängt  eine 
h.  Jungfrau  auf  dem  Halbmonde,  darunter  ein  geflügelter  Greif  mit  dem 
Spruchbande:  halt  maß.  — Der  Schwanenorden  (U.  L.  Fr.  Kettenträger, 
gestiftet  von  Friedrich  IL  von  Brandenburg  1443):  an  einer  aus  Fi*emsen 
(Daumschrauben),  zwischen  die  je  ein  blutendes  Herz  geklemmt  ist,  gebil- 
deten Kette  hängt  ein  Brustbild  der  h.  Jungfrau  in  der  Glorie,  darunter  ein 
Schwan  innerhalb  eines  gewundenen  Tuches,  an  dessen  herabhängenden 
Zipfeln  je  5  Glöckchen  hängen  (vergl.  S.  275  und  von  Stillfried  und  Haenle, 
d.  Buch  vom  Schwanenorden  1881;  mit  42  TafF.)  —  Der  Orden  des  Goldenen 
Vliefses  (gestiftet  1429  von  Herzog  Philipp  dem  Guten  vonBurgund):  ein 
goldenes  Widderfell  an  einem  blauemaillierten  flammenspeienden  Feuersteine 
hängend,  über  demselben  auf  goldenem  Bande  ein  Drachentöter  und  die 
Devise :  pretium  non  vile  (Abb.  z.  B.  nach  einer  in  Messingschnitt  ausgeführten 
Gedächtnistafel  im  Museum  zu  Basel  bei  Förster,  Malerei,  11.  zu  S.  7).  —  Der 
Orden  der  Zopf  gesellschaft  (gestiftet  1377  von  Herzog  Albrecht  III.  von 
Österreich)  kommt  auf  Glasmalereien  zu  Breitenau  und  zu  Leoben  in 
Steiermark  vor  (Abb.  Anz.  G.  M.  1866  zu  Sp.  177  und  368;  Mitt.  C.-K.  XI  zu 
S.  LXXKIX). 

AlsAbzeicheu  einzelnerstände  sind  zu  bemerken :  Krone,  Scepter 
und  Reichsapfel,  die  Insignien  des  Kaisers;^  Könige  tragen  in  der  Regel 
nur  Krone  und  Scepter.  Im  Dom  zu  Mainz  auf  dem  Grabmal  des  Erzb.  Peter 
V.  Aichspalt  (t  1320)  wo  dieser  Prälat  dargestellt  ist,  wie  er  die  Kaiser 
Ludwig  den  Bayern  und  Heinrich  VII.,  sowie  dessen  Sohn,  den  König  Jo- 
hann von  Böhmen  krönt ,  tragen  die  beiden  Kaiser  Scepter  und  Reichsapfel, 
der  König  nur  das  Scepter.  (Vergl.  Moller,  Denkm.  L  Taf.  45).  Die  Form 
dieser  Insignien  war  zu  verschiedenen  Zeiten  verschieden :  die  Krone  der 
Ottonen  z.  B.  erscheint  als  eine  spitz  vorgebogene  Mütze,  die  nach  hinten 


*  Zahlreiche  Abb.  von  Bildnissen  deutscher  Kaiser  und  Könige  nach  gleichzeitigen 
Denkmälern  bei  Stacke,  deutsche  Geschichte  etc.  I.  —  Über  die  noch  erhaltenen, 
teilweise  schon  im  XU.  Jahrh.  bei  Krönungen  benutzten  Insignien  der  deutschen 
Kaiser:  Bock,  Fz.,  die  Kleinodien  des  h.  K.  Reiches  deutscher  Nation  nebst  den 
Kroninsignien  Böhmens,  Ungarns  u.  der  Lombardei  u.  ihren  formverwandten  Parallelen. 
1864.  Der  naui)tinhalt  dieses  grofsartigen  Prachtwerkes  [Ladenpr.  220  TMrJ  ist  von 
dem  Verf.  publicieit  in  den  Mitt.  C.-K.  11,  52  ff.,  86  ff.,  124  ff.,  146  ff.,  171  ff,  201  ff., 
231  ff.,  272  ff.,  (1859)  IV,  65.  Auch  hat  Jak.  Falke  in  einem  1864  erschienenen  aus- 
führlichen *Prospectus«  (20  S.  mit  17  Holzschn.  aus  dem  Bock'schen  Werke)  eine 
Darstellung  des  Inhalts  gegeben.  —  Vergl.  Weifs.  11 ,  591,  N.  5. 


176  Abzeichen 

ilen  Nacken  bedeckte  und  vod  einem  goldenen,  mit  Lilien  verzierten  Reifen 
umscIiloBsen  wurde.  Im  XI.  Jabrh.  ist 
die  Kaiserkrone  eine  rundliclte  Mtttze 
mit  goldenem  Kreuzbaude,  auf  desBeu 
Mitte  zuweilen  eine  goldene  Kugel  mit 
dem  Kreuze  ruht;  der  Keif  ist  mit  Stei- 
nen besetzt,  liat  aber  keine  Überragende 
Verzierung.'  Der  Beicbsapfel  trägt  oben 
Kugel  und  Kreuz,  ist  aber  nocli  ohne 
Querkreis  etc.  —  Füritten  ersclieineu 
gewöhnlich  in  ritterlicher  Rtlatung,  auch 
im  Staats-  oder  Hauskleide.  —  Ein  Kranz 
auf  dem  Haupte  bezeichnet  den  Sieger 
in  der  Fehde  oder  im  Turnier.*  —  Rich- 
ter (z.  B.  Pllatua  auf  einem  Email  aus 
der  Zeit  um  1300  an  einem  Ciborium  zu 
Kloaterneuburg  (Abb.  m  den  Mitt.  C.-K. 
isej.,  Taf.  2.  Fig.  3)  Und  Kreuzfahrer 
(auf  Grabsteinen  in  England  und  Frank- 
reich) werden  oft  mit  übereinander  liegen- 
den Beinen  (letztere  auch  mit  gekreuz- 

Fif  Ml  Kniier  Friejrioh  1  noch  •einem  '*"  Armen)  abgebildet ;  überhaupt  ist 
sicKci  (n«b  weifj).  im  Mittelalter  das  Sitzen   mit  überein- 

ander gelegten  Beinen  Sinnbild  ruhiger 


fnacb  dan  Adi.  t}.  H.). 

'  Über  die  spätmittelalterlicho  Darstellung  der  Kaiserkrone  vcrgl.  Easenwein, 
über  Ki'onon,  im  Ana.  G,  M.  lbT9,  Sp.  166  fF.  m.  Abb. 

'  Über  das  Tragen  der  Kränze  im  Mittelalter  s.  Büschiag  im  Kunatbl.  von  1S23, 


einzelner  StBnde.  477 

Würde."  —  Gebannte  undExkommanizierte  ereehcinen  mit  einer  Kette 
umschlungen,  z.  B.  auf  dem  Relief  der  LoBspreehung  der  Mainzer  Bürger 
1332  im  Domkreuzgauge  zuMainz  (Abb.  bei  Stacte  a.  a.  0.  I,  582).  —  Das 
Abzeichen  der  .luden  ist,  mindestens  seit  dem  XII.  Jahrb.,  ein  runder 
Spitzhut,  entweder  einfach  kegelfürmig  oder  wie  in  Fig.  252;  seit  dem 
Xm.  Jahrli.  aucli  ein  auf  den  Mantel  genahter  gelber  Ring.*  —  Hascher 
und  Henker  sind  an  einer  groFsen  Hahnenfeder  kenntlich,  die  sie  auf  der 
Mütze  oder  auf  dem  weifsen,  mit  einer  roten  Binde  versehenen  Hufe  fragen. 
~  Schalksnarren  tragen,  seit  etwa  1400,  den  Narrenkolben  nnd  die 
Schellenkappe.*  Vgl.  den  Grabstein  des  Till  Eulenapiegel  in  der  Kirche  za 
Mölln  im  Lau enbii irischen  (Conv.-Lex.  für  bild.  Kunst  111,  576)  u.  s.  w.  — 
An  den  Beinen  gelilhmte  Krfippel  gehen  an  Krücken,  oder  helfen  sich 


Flf.  i&t.     Ktttppol  und  Aoiatilgc  ini  dtm  EElil>rBiieh<-r  ETongellirlnm  (nach  Liaipreght). 

kriechend  auf  kleinen  Handschemeln  fort  und  erscheinen  so  anf  Bildern 
vom  XI.  bis  zum  XV.  Jahrh.  —  Aussätzige  sind  spärlich  bekleidet  nnd 
tragen  ein  Hüftliorn  oder  eine  Holzklapper  um  sich  Vorübergehenden  war- 
nend bemerklich  machen  zu  können.  Berühmt  durch  ihre  Naturtreue  sind 
die  AuBsützigen  in  dem  Bilde  der  h.  Elisabeth  auf  einem  Flügel  des  Se< 
bastiansaltars  von  H.  Holbeiu  d.  Alt.  zn  München. 

86.  Die  religiösen  Bilder  teilen  sich  in  mystische,  symbolische, 
allegorische,  biblische  und  Heiligenbilder. 

Ko.  37.  —  Das  Tragen  Ton  Kopfreifen  (Schaneln)  n.  Blumenkrämen  war  seit  etwa 
1150  im  xm.  Jahrh.  allgemein  beliebt;   vergl.  ■Weifu.   H,  568. 

'  Das  Soestcr  Recht  (Deutsche  Denkm.  p.  XXVn.)  schreibt  vor:  'Der  Hehler 
foH  sieen  auf  dem  richterttole  als  ein  grinarimineniJer  löwe  vnd  Kolt  den  rechleren 
/um  gehiahen  über  den  linkem.*  Vergl.  Ormm.  Jak.,  Deutsche  Rechtsaltert.  (Bd.  2). 
S.  763.  —  Auf  einer  Darstellon^  der  Bronzethüren  zu  Nowgorod  aus  dem  XII. 
.I.ihrh.  sitzt  Christus  im  Oeffingnisse,  von  einem  Engel  getrüstft,  (in  beschaulicher 
Ruhe)  mit  übereinander  gelegten  Beinen. 

'  "Woifs.  II,  5S6. 

>  Ebd.,  604.  —  V.  Hefner,  Tracht.  KI,  64. 


478  Eeligiöse  Bilder. 

Lltteratar:  Munter,  T.,  Siuubilder  u.  Kunstvorstellungen  der  alten 
Christen.  2  Hefte.  1825.  —  (Ilelmsdörfer)  Christi.  Kunstsymbolik  u.  Iko- 
nographie. Frankfurt  a.  M.  IS 39.  —  Zappert,  Geo.,  Vita  b.  Petri  Acotanti 
(in  den  Anmerkungen).  1939.  —  Didron,  M.,  Iconographie  chretienne.  Histoire 
de  dieu  (d.  i.  über  die  bildl.  Darstellungen  der  drei  Personen  der  Gottheit). 
Paris  1843.  —  Didron,  M.,  Manuel  d' iconographie  chretienne,  grecque  et  latine 
avec  une  introduction  et  dos  notes,  traduit  du  manuscript  byzantin:  le  ^do 
de  la  peinture,  par  le  Dr.  P.  Durand.  Paris  1845  (in  deutscher  Bearbeitung 
von  Godeh.  Schäfer.  1855).  —  Alt,  H.,  die  Heiligenbilder  oder  die  bild.  Kunst 
u.  die  theolog.  Wissenschaft  in  ihrem  gegenseitigen  Verhältnisse.  1845.  — 
Guenebault,  L.  J.,  Dictionnaire  iconogi'apnique.    2  Voll.    Paps  1843  u.  1845. 

—  Piper,  Ferd.,  Mythologie  u.  Svmbolik  der  christl.  Kunst  von  der  ältesten 
Zeit  bis  ins  XVI.  Jjmrh.  Bd.  I:  Mytholo^c  der  christl.  Kunst.  2  Abteilungen. 
1847.  1851.  —  Crosnier,  J.,  Iconogi'aphie  chi-etiennc.  Paris  1848.  —  Jame- 
son,  (Anna),  Sacred  and  legendary  art.  2  Vols.  London  1848.  —  Twining, 
Louisa,  Symools  and  emblems  of  early  and  mediaeval  chi'istian  art.  London 
1852.  —  Piper,  Ferd.,  über  den  christl.  Bilderkreis.  1851.  —  Menzel,  Wolfg., 
Christi.  Symbolik.  1854.  —  Bösigk,  Einleit.  u.  Beiträge  zu  einer  Kunstsym- 
bolik des  Mittelalters ,  in  den  Mitteil,  des  k.  Sachs.  Vereins  für  Erhalt,  vaterländ. 

Altert.  IX,  1856.  —  Hack,  J.,  der  christl.  Bilderkreis.  1856.   —   F ,  A., 

Beiträge  zur  christkathol.  Ikonologie  oder  Bilderlehre.  1857.  —  Springer,  Ant.. 
Ikonographische  Studien,  in  den  Mitt.  C.-K.  V,  29  —  33;  67  —  75;  125  —  134; 
309  —  322.  —  Kreuser,  J.,  Bildnerbuch  als  Leitfaden  für  Kunstschulen  etc.  zui* 
Wiederauffrischung  der  altcnristl.  Legende.  1863.  —  Vergl.  auch:  Schnaase. 
IV,  263  —  301;  Augusti^  Denkwürdiffkeiten  Bd.  12  u.  Beiträge  zur  christl. 
Kunstgesch.;  Kreuser,  Kirchenbau  Bd.  2  (über  christl.  Bildneroi);  Springer, 
A.,  Quellen  der  Kunstdarstellungen  im  Mittelalter,  in  den  Berichten  der  phil. 
histor.  Klasse  der  Kön.  Sachs.  Gesellsch.  d.  AVissonschaften  1879  u.  S.  A.  daraus. 

—  Ders.,  die  Psalter -Illustrationen  im  früheren  Mittelalter  mit  bes.  Rücksicht 
auf  d.  Uti'echtpsalter  etc.  M.  10  Taff.  ISSO.  (S.  A.  aus  den  Abb.  der  philol. 
histor.  Klasse  etc.  ATII,  2). 

Die  mystischen,  symbolischen  und  allegorischen  Bilder,  den  Zeitge- 
nossenverständlich, weilihrem  Anscbauungskreise  entnommen,  bedürfen  för 
die  später  Lebenden  der  gelehrten  Deutung,  die  keine  willkfirliche  sein  darf, 
wenn  sie  mehr  als  einen  unterhaltenden  oder  erbaulichen  Wert  haben  soll, 
sondeni,  um  der  Wissenschaft  gerecht  zu  werden,  die  schwierige  Aufgabe 
hat,  auf  die  Quellen  zurückzugehen,  aus  welchen  die  Bildung  der  Entstehungs- 
zeit vorzugsweise  entsprang.  Hieraus  folgt  bei  den  mannigfachen  Wand- 
lungen der  Gesichtspunkte  und  Anschauungen  in  den  verschiedenen  Perioden 
eine  in  der  Motivierung  und  in  den  Resultaten  verschiedene  Deutung ;  doch 
gibt  es  einzelne  Bilder,  welche  die  ganze  mittelalterliche  Kunst  unbedingt 
fest  gehalten  hat,  wodurch  die  Aufgabe  wiederum  erleichtert  wird.  —  Aus- 
gangspunkte für  die  Deutung  sind :  die  Bibel  nach  der  jeweiligen  Herme- 
neutik samt  den  Apokryphen,^  insonderheit  die  Psalmen,  klassisch  und 
anderweitig  heidnisch  antike  Momente  in  christlicher  ümdeutung,*  volkstüm- 
liche mittelalterliche  Dichter  und  theologische  Schriftsteller,  besonders  solche, 
welche  wie  Isidor  von  Sevilla,  Beda,  Hrabanus  Maurus,  Walafried  Strabo, 
Honorius  von  Autun,  Durandus  das  ganze  Mittelalter  hindurch  viel  gelesen 
wurden,  namentlich  auch  für  .die  zweite  Hälfte  des  Mittelalters  das  grofse 


*  Thilo,   J.  C,  Codex  apocr.  N.  Ti.  Tom.   I.    1832.  —  Tischendorf,  Const., 
evangelia  apocrypha  1853.  —  Hofmann,  d.  Leben  Jesu  nach  d.  Apokrr.  1851. 

*  Vergl.  Springer,  A.,  das  Nachleben  der  Antike  im  Mittelalter,  in:   Bilder  aus 
d.  neueren  Kunstgesch.   1867,  1  ff. 


Mj'stische  Darstellungen.  479 

encyklopädischeWerk  des  Vincentius  von  Beauvais:  Speculum  majus  in  seinen 
drei  Teilen  sp.  naturale,  doctrinale  und  historiale.  —  Für  die  nicht  dem 
geistlichen  Stande  angehörigen  oder  unter  ausdrücklicher  Anweisung  der 
Geistlichkeit  arbeitenden  Künstler,  welche  weder  die  Bibel  in  Händen  hatten, 
noch  mit  dieser  gelehrten  Litteratur  bekannt  waren,  kommen  hauptsächlich 
diejenigen  Anregungen  in  Betracht,  welche  durch  die  Predigt,  die  kirchliche 
Hymnendichtung  und  durch  die  Aufführungen  der  Mysterien  gegeben  waren 
und  zugleich  die  Bilder  in  den  Kirchen  zu  einem  Bilder -Atlas  machten, 
dessen  Sprache  nicht  nur  dem  engen  Kreise  einiger  wenigen,  in  eine  Geheim- 
symbolik Eingeweihten,  sondern  Jedermann  aus  dem  Volke  verständlich 
und  vertraut  war. ' 

87.  Als  mystische  Darstellungen  sind  aufeufasson  die  maüiemati- 
schen  Figuren,  welche  man  hin  und  wieder,  im  ganzen  jedoch  selten, 
an  den  Kirchengebäuden ^  im  Relief  ausgefülirt  findet;  sie  beziehen  sich, 
so  weit  ihr  Sinn  klar  ist,  auf  dogmatische  und  magische  Mysterien  und 
mögen  in  den  gnostischen  Systemen  des  Orients  wurzeln. 

Das  gleichseitige  Dreieck  ist  die  bekannte,  auch  in  die  neuere  Kunst 
übergegangene  Bezeichnung  der  Trinität.  —  Das  Quadrat  ist  Sinnbild  der 
Welt  (orbis  quadratuSy  quadrata  mundi  forma).  —  Der  Kreis:  Bild  der 
Ewigkeit.  Drei  in  einander  verschlungene  Kreise  (die  Triquetra  Fig. 
254  a):  ^iQunitas  Inder  trinitas.  —  Das  Hexagramm,  aus  zwei  ineinander 
geschobenen  gleichseitigen  Dreiecken  gebildet,  welches  in  einen  Kreis  kon- 
struiert als  Verzierung  an  Giebeln  von  Backsteinbauten  (z.  B.  Dome  zn  Bran- 
denburg und  Stendal,  Marktkirche  zu  Hannover,  zu  Lüneburg  etc.) 
vielfältig  vorkommt,  ist  bei  den  Juden  Zeichen  des  Stammes  David  und 
deshalb  auf  den  modernen  Synagogen  aufserordentlich  beliebt;  in  heidnischen 
Kreisen  bezeichnet  es  die  Welt  in  Durchdringung  des  männlichen  (das  obere) 
und  weiblichen  (das  untere  Dreieck)  Princips.  —  Der  Drudenfufs(Penta- 


'  Über  die  dramat.  Mysterien  vergl.  Mono,  Altdeutsche  Schauspiele  1841.  Zuerst 
hat  Devriont,  Ed.,  Gesch.  d.  deut.  Schauspielk.  I,  59,  auf  die  offenbare  Ähnlichkeit 
z\^ischen  der  dreistöckigen  Mysterienbühne  (unten  die  Hölle,  in  der  Mitte  die  Erde, 
oben  der  Himmel:  jedes  mit  seinen  Bewohnern,  und  als  Hintergrund  ein  Teppich)  und 
den  gi'ofsen  Schnitzaltären  des  Spätmittelaltere  hingewiesen,  und  nach  ihm  haben  be- 
sonders, wie  schon  W.  Wackernagel  (in  Haupts  Zeitschr.  IX,  304)  in  Beziehung 
auf  die  Totentänze,  Kurier  (Deut.  Kunstbl.  1856,  235)  und  am  ausfuhrlichsten 
Springer  (Ikonogr.  Studien  a.  a.  0.,  125 — 134)  diesen  Zusammenhang  auch  in  der 
Eepräsentation  und  dramatischen  Behandlung  der  zur  Anschauung  gebrachten  Vorgänge 
dargethan.  Der  Ijetztere  hat  in  der  Abhandlung  über  die  Quellen  der  Kunstdarstellungen 
etc.  auf  die  Einflüsse  der  Predigt  und  Hj-mnendichtung  aufmerksam  gemacht  und  diese 
im  besonderen  an  dem  Beispiel  des  Honorius  von  Autmi  und  der  Hymnen  und  Sequen- 
zen zur  Feier  der  dedicatio  eccUsiae  erläutert,  obgleich  freilich  des  Honorius  Specu- 
lum ecclesiae  (eine  Mustersammlung  für  Predi^n,  in  Migne  Patrol.  CLXXH, 
809 — 1108)  in  eine  Zeit  fällt,  in  der  von  einer  irgendwie  selbständigen  lAienkunst 
noch  nicht  die  Rede  sein  kann. 

*  Z.  B.  über  den  Portalen  zu  Pforzheim,  Herrenalb,  Weiher  bei  Bruchsal;  zu  Nossen, 
Rochsburff,  Wechselburg,  Oemrode,  Knauthayn;  am  Dome  zu  Stendal  etc.  — Über  die 
symbolische  Bedeutung  solcher  geometrischen  Figuren  s.  Zestermann,  inPuttrichs 
Systemat.  Darstellung,  31  f.  —  Vergl.  Zock  1er,  Religiöse  Sinnbilder  aus  vorchrist- 
licher und  christlicher  Zeit,  in:   Beweis  des  Glaubens.     1881. 


480 


Mystische  Darstellungen. 


n 


Fig.  254. 


gramm,  Pentalplia,  Albenkreuz,  salus  Pythagorae  Fig.  254  b),  eine  durch 

Verbindung  von  5  Punkten  je  nicht  mit  den  bei- 
den benachbarten,  sondern  den  beiden  gegen- 
überliegenden gebildeter,  daher  mit  einem  Zuge 
darstellbarer  fünfeckiger  Stern  (z.  B.  am  Kapital 
einer  Portalsäule  der  Laurenzkirche  zuNiedern- 
hall  im  O.-A.  Künzelsau),  und  andere  aus  künst- 
lich verschlungenen  Nesteln  im  Kreise  oder  Viel- 
eck gebildete  Figuren  galten  als  Schlofs  und 
Riegel  gegen  das  Eindringen  oder  Entweichen 
böser  Geister.  Die  crux  gammata  (Fig.  254  d), 
das  Glück  bringende  Svastika  indischer  Schrift- 
steller, aber  auch  auf  slavischen  und  nordischen 
Denkmälern  vorchristlicher  Zeit  vorkommend, 
findet  sich  sowohl  auf  altchristlichen  Denkmälern 
(vergl.  Zöckler,  Kreuz  Christi,  16  ff.  141  f.)  als  auch  auf  romanischen  Taufbecken 
in  Jütland  und  an  den  Pfeilern  des  Domes  zu  Viborg  (vergl.  Chr.  K.  Bl.  1883, 50). 
—  Die  aus  zwei  einander  entsprechenden  Kreisstücken  gebildete,  oval  zu- 
gespitzte Figur,*  welche  an  die  Schiff-  oder  Fischgestalt  erinnert,  dient 
häufig  als  Einfassung  von  Salvator- Bildern  (auch  derer  der  Maria  in  der 
Glorie)  und  von  Siegeln  der  zweiten  Hälfte  des  Mittelalters.  —  Einen  gleichen 
Zweck  als  Bildereinfassung  zu  dienen,  haben  der  sogen.  Dreipafs  und  der 
Vierpafs  etc.  —  DieKnotenverschlingungen,  die  an  Gebäuden  romani- 
schen Stils  an  Säulenschaften  hin  und  wieder  vorkommen,  z.  B.  an  einem 
Portale  der  Neumarktskirche  zu  Merseburg,  im  Dome  zu  Bamberg,  in 
einem  Turmfenster  der  Kirche  zu  II  benstadt,  an  den  beiden  Säulen  Jach  im 
und  Booz  (1  Kön.  7,  21)  im  Dome  zu  Würzburg*  etc.,  bezeichnen  viel- 
leicht das  12  Ellen  lange  Seil,  welches  nach  Jerem.  52,  21  jene  Säulen  des 
salomonischen  Tempels  umgab.  —  Auch  die  Labyrinthe  (s.  oben  S.  94 
Anm.)  erhielten  zuweilen  eine  mystische  Deutung,  indem  der  in  ihrer  Mitte 
abgebildete  Onocentaurus  als  der  Satan  erklärt  wird,  der  die  in  den  L*r- 
garten  der  Welt  Geratenen  verschlingt,  bis  der  vom  Vater  gesandte  Christus 
ihn  mit  Hilfe  der  göttlichen  Natur  überwindet,  wie  Theseus  den  Minotaurus^ 
mit  Hilfe  der  Ariadne.' 


'  Dieses  oben  und  unten  gespitzte,  seltener  geiimdete  oder  oben  abgeplattete  Oval 
wird  von  englischen  Archäologen  unpassend  Vesica  piscis  genannt;  bei  deutschen, 
italienischen  u.  französischen  Autoren  wird  es  als  mystische  Mandel  (mandorla)  be- 
zeichnet (Konrad  von  Würzburg,  Goldene  Schmiede  432,  bedient  sich  des  Gleich- 
nisses: wie  der  Kern  der  Mandel  sich  in  der  imverletzt  bleibenden  Schale  bilde,  so 
sei  Christus  in  Maria  gebildet);  bei  deutschen  Archäologen  ist  der  Name  Osterei 
dafür  am  geläufigsten,  und  in  manchen  Beispielen  erscheint  die  Darstellung  eines  Eies 
von  den  Sildnem  auch  unzweifelhaft  als  beabsichtigt;  über  die  mögliche  Erklärung 
vergl.  Otte,  Archäol.  Wörterbuch,  172.  —  Als  selDständi^e  Verzierung  kommt  die 
Figur  vor  in  dem  Thürbogenfelde  einer  roman.  Domhermkune  zu  Naumburg  a.  d.  S. 

^  Stieglitz,  Beitr.  zur  Gesch.  der  Ausbildung  der  Baukunst,  ü,  112  f.  u.  Taf.  15.. 

'  Ecce  Minoiaurus  vorat  omfieSj  quos  Labyrinthus 
Implicat,  infernum  hie  notat,  hie  eahtäum 

steht  bei  einem  Bilde  des  Labyrinths  in  einer  aus  Freising  stammenden  Handschrift 


Symbole.  4g  1 

88.  Die  Symbole  sind  gröfstenteils  aus  der  Bibel  entnommen,  an- 
dere aus  mittelalterlichen  liturgikem  tmd  Dichtem;  einige  führen  auf 
antike  Kimstideen  zurück;  viele  imterliegen  den  mannigftdtigsten,  oft 
gradezu  widersprechendsten  Deutungen. 

Symbole  (in  alphabetischer  Reihenfolge :  *  Adler,  Mensch,  Stier  und 
Löwe  (auch  die  letzteren  geflügelt) :  die  vier  Evangelisten  Johannes ,  Mat- 
thäus, Lucas  und  Marcus.  (Ezech.  1,  10;  Apokal.  4,  6.  7).  An  Kanzeln, 
Taufsteinen,  Grabsteinen,  Gewölbeschlufssteinen,  Glocken  etc.  sehr  häufig 
seit  den  ältesten  Zeiten ;  auch  als  Attribute  die  Darstellungen  der  betreffen- 
den Evangelisten  begleitend;*  zuweilen  alle  vier  in  eine  einzige  Gestalt,  das 


von  1084  in  der  München  er  Bibliothek  (No.  6394).  In  einer  anderen  dortigen  Hand- 
schrift (No.  14731)  steht  neben  einem  Bilde  des  Labyrinths: 

Urbs  Jericho  lutme  fuit  assimilata  figurae, 

weshalb  aber  die  Stadt  Jericho  unter  dem  Bilde  des  Labyrinths  dargestellt  wii-d  (viel- 
leicht wegen  Luc.  10,  30?)  erhellt  nicht.  —  Vergl.  Meyer,  Wilh.,  Ein  Labyrinth  mit 
Versen,  in  den  Sitz.  Ber,  der  philos.  philol.  u.  hist.  Kl.  d.  K.  Bayer.  Akad.  derWiss. 
zu  München  1882.  11,  3,  267  ff.,  m.  Abb. 

*  Pitra,  J.  B.,  Spicilegium  Solesmense,  tom.  Ü  et  EI,  in  quo  vett.  praecipui 
autores  de  re  symbolica  proferuntur  et  illustrantur.  Paris  1>>55.  —  Vergl.  Munter, 
Sinnbilder.  I,  27  ff.;  Helmsdörfer,  Kunstsymbolü ;  von  Radowitz,  Gesammelte 
Schriften.  I,  274 — 281;  Piper,  Myth.;  Adelung,  die  korssunschen  Thüren ;  N.  Mitt. 
Th.-S.  V.  1,  116  ff.;  Zur  kirchl.  Svmbolik  in  Romberg 's  Zeitschr.  für  prakt.  Bau- 
kunst. 1846,  433  ff.;  Heider,  die  lurche  in  Schönrarabem,  111  ff.;  Klein,  die  Kirche 
zu  Grofsen- Linden;  etc.  etc.  —  Grundlegende  Quellen  der  mittelalterlichen  Symbolik 
sind  a)  die  Claves,  geistliche  Deutungen  der  in  der  h.  Schrift  vorkommenden  Aus- 
drücke, unter  denen  des  Eucherius  (Bischof  von  Lyon  t  450)  Lü}er  formularum 
ftfnrüitalis  intelligentiae  (in  der  Max.  Bibl.  Patr.  Lugd.  VI,  822)  die  einzige  mit 
Sicherheit  der  aläurchlichen  Periode  zuzuweisende  und  die  von  Pitra  1.  c.  herausge- 

f ebene  des  Pseudo-Melito  von  Saixles  aus  dem  XI.  Jahrh.  die  wichtigste  ist;  b)die 
hysiologi,  naturgeschichtliche ^  aber  aufserordentlich  fabelhafte  Beschreibungen 
besonders  von  Tieren  mit  symbolisch -erbauMcher  Deutung  —  von  den  zahlreichen 
Recensionen,  die  auf  eine  gemeinsame  altchristliche  QueUe  zurückweisen,  wird  die 
griechische  (bei  Pitra  1.  c.)  teils  dem  Chrvsostomus  teils  dem  Epiphanius  zugeschoben, 
und  unter  den  abendländischen  ist  besonciers  die  lateinische,  welche  aus  einer  Hand- 
schrift des  XI.  Jalu"h.  im  Stifte  Göttweih  von  G.  Hei  der  (Archiv  zur  Kunde  österr. 
Geschichtsquellen.  V,  541 — 582,  mit  5  Taff.;  Sep.  A.  1851)  und  die  gereimte  althoch- 
deutsche, welche  nach  einer  Millstater  Handscnrift  des  XH.  Jahrh.  von  Th.  G.  von 
Karajan  (Deutsche  Sprachdenkmäler  des  XH.  Jahrh.  1846,  73  —  106,  m.  82  Abb.) 
herausgegeben  ist,  bemerkenswert;  c)  die  Moralitäten,  erbauhche  Betrachtungen 
über  Nahiniv'esen,  namentlich  Tiere,  mit  moralischen  Nutzanwendungen,  unter  denen 
Petrus  Damiani,</e  bono  religiosi  Status  et  variarum  animantium  tropologiis  und  die 
si)ätmittelalterl.  dialogische  Bearbeitung  »Dyalogus  der  Kreaturen  Köln  1498«  besonders 
zu  nennen  sind.  Vergl.  über  diese  ganze  litteratur:  Zö ekler,  Geschichte  der  Be- 
ziehungen zwischen  Theologie  u.  Naturwissenschaft.  I.  1877  die  Abschnitte.  H.  A.  2 
und  ni.  A.  3. 

'■*  Das  AiTangement  dieser  4  Symbole  ist  durch  Ezech.  1,  10  bestimmt:  wo  sie 
die  Ecken  eines  viereeitigen  Raumes  einnehmen  (z.*B.  auf  Bücherdeckeln,  Leichen- 
steinen etc.)  werden  (heraldisch)  rechts  Mensch  und  Löwe,  links  Adler  und  Stier 
dargestellt  (Durandus  1.  I.  c.  3.  n.  9).  Mensch  und  Adler,  als  Bewohner  der  höheren 
Regionen,  werden  oben,  Löwe  und  Stier,  weil  sie  auf  der  Erde  leben,  unten  ange- 
bracht. AVenn  diese  Symbole  an  den  Endpunkten  des  Kreuzes,  eines  übereck  gestellten 
Tierecks  oder  rings  um  einen  Ki*eis  stehen,  so  ist  der  Adler  oben,  der  Mensen  unten. 
Ausnahmen  kommen  vor, 

Otte,  Kunst- Archäologie.    5.  Aofl.  31 


482  Evangelistensynibole. 

Tetramorph,^  zusammengezogen.  Die  Beziehung  dieser  Symbole  auf  die 
Evangelisten  ist  sieher  uralt:  ethische  Anwendungen  wurden  mindestens 
seit  dem  X.  Jahrh.  damit  verbunden.  In  dem  Echternacher  Evangeliencodex 
der  Bibliothek  zu  Gotha  (S.  181)  sind  die  Abbildungen  der  4  Evangelisten 
mit  folgenden  Versen  begleitet : 

1.  Came  detim  voce  Mattheus  signat  et  ore. 

Auf  der  folgenden  Seite  eine  von  einem  Engel  gehaltene  Tafel  mit  der 

Mahnung : 

Vos  hombies  hominis  Matlfiei  credite  scriptis 
Ut  de  quo  natTat  homo  Jesus  premia  narret. 

2.  Fortior  est  omni  quem  signas  Marce  leone. 

Auf  der  von  vier  Engeln  gehaltenen  Tafel : 

Portes  estote  vos  atque  cavete  leone 

Ut  sacietur  ove  Christi  qui  lustrat  ovile 

Christum  contra  quem  fac  surgere  Marce  leonem, 

3.  Ob  mortem  Christi  Lucas  teilet  orajuvenci» 

Auf  der  von  den  vier  Elementen  umgebenen  Tafel : 

Es  (actus  primis  homo  quatuor  ex  elementis 

His  natus  lucis  ni  sis  moriendo  peribis 

Hinc  prece  fac  Lucae  vivas  cum  perpete  luce. 

4.  Est  aquilae  similis  de  verbo  sermo  Johafinis, 

Auf  der  von  den  vier  VVeltgegenden  umgebenen  Tafel : 

Devota  mente  transcendant  terrea  quoque 
Ut  cum  Johanne  Christum  mereantur  adire. 
(Tergl.  Jakobs  und  Ukert,  Beiträge  zur  ältei'en  Litteratur,  II,  30.)  —  Auf  einer 
emaillierten  Platte  aus  der  Übergangsperiode,  mit  den  Evangelistenzeichen 
auf  den  vier  Ecken : 

Ht^fus  apex  forme  prefert  animal  quadriforme, 
Quodjusti  quique pretendunt  came  noique.* 
Si prudens  hominem^  si  coiistans  sctibe  leonem y 
Hostia  si  viva^  vitulusy  aquila  est  theoria,^ 
Hanc  formam  morum  dat  lex  evangeliorum 
Et  referunt  isti  crucis  exejnplaria  Christi 

(Yergl.  Labarte,  Jul.,  Description  de  la  collection  Debruge  Dumenil.  [Paris  1S47], 
644.)  —  Die  Beziehung  auf  Christum  selbst  geht  aus  folgenden  Versen  eines 
Pariser  Evangelienbuches  von  1379  hervor  (bei  Didron,  Iconogr.,  278): 

Quatuor  haec  Dnm  signant  animalia  Äpm  : 
Est  homo  nascendOj  vitulusque  sacer  moriendo  ^ 
Et  leo  surgefido,  coelos  aquüaque  petendo; 
Nee  minus  hos  scribas  animalia  et  ipsa  figurant. 


*  Ln  hortus  delicianim  der  Herrad  hat  das  Tetramorph,  auf  dem  die  ecclesia 
reitet,  den  Leib  eines  Pferdes,  die  \'ier  Köpfe  der  Symbole  und  von  jedem  Wesen  je 
einen  FuJs. 

a  ^  voiTnie  =  und  geistlich. 
'  Unter  aen  Leiden  dieser  Zeit. 

*  ߣ<oQl<x  =»  contemplatio. 


Symbole.  483 

Der  Adler,  als  Bild  der  Kirche,  hat  zwei  Junge,  die  er  zur  Sonne  empor* 
trägt:  das  eine,  welches  das  Licht  der  Sonne  nicht  verträgt,  läfst  er  fallen; 
eben  deshalb  wird  er  aber  auch  Symbol  der  Hoffart,  wiedemm  auf  Grund 
von  Jesaias  40,  31,  weil  er  seine  Jungen  dadurch,  dafs  er  sie  zur  Sonne 
emporträgt,  wieder  belebt,  Symbol  der  Auferstehung.  Dann  nach  dem 
Physiologus  auf  Grund  von  Psalm  103,  6,  weil  der  altgewordene  sich 
durch  Auffliegen  zur  Sonne  und  dreimaliges  Untertauchen  in  einen  Wasser- 
quell verjüngt,  Symbol  der  Wiedergeburt  aus  dem  Wasser  und  dem  Geiste. 
Der  Adler  als  Raubvogel  gehört  zu  den  Symbolen  heidnischer  Greuel.^  Der 
zweiköpfige  Adler  des  Elisa  bedeutet  nach  I  Kön.  2,9  den  zwiefachen 
Geist  des  Herrn.  —  Affe:  der  Teufel  als  simia  dei.  —  Anker,  Hoffnung  (Ebr. 
6,  19).  —  Antilope  (antulä),  die  sich  mit  ihren  beiden  sägenartigen  Hörnern 
im  Weinrankengeflecht  verwickelt :  die  der  Sinnenlust  trotz  ihrer  Kenntnis 
der  beiden  Testamente  unterliegende  Seele.  —  Apfelbaum:  Sündenfall 
(I  Mos.  2,  17).  —  Bär:  der  Teufel.  —  Basilisk,  ein  fabelhaftes  Tier:  ein 
gekrönter  Vogel  mit  Schlangenschweif  der  durch  seinen  Blick  tötet  und  die 
Basiliskeneier  ausbrütet,  der  Schlangenkönig.*  —  Bienenkorb,  als  Attribut 
mehrerer  Kirchenlehrer:  Beredsamkeit  (Sprüche  Sal.  16,  24).  —  Bnndes- 
lade:  Mutterleib  der  Maria.  —  Der  feurige  Busch:  die  durch  Jesu  Geburt 
nicht  verletzte  Jungfräulichkeit  der  Maria  (II  Mos.  3,  2).  —  Centanr:  die 
wilden  Triebe  des  Herzens;  mit  Bogen  und  Pfeil  (Eph.  6,  16):  der  Teufel; 
häufig  auch  mit  musikalischen  Instrumenten  gleich  den  Sirenen.  Die  tierische 
Hälfte  wird  vom  Esel  genommen  (daher  onocentcttirtis),  und  nach  dem  Physio- 
logus bezeichnet  er  die  homines  bilinguesj  von  Dante  aber  wird  er  auf  die 
beiden  Naturen  Christi  gedeutet.  Als  vermeintlich  wirkliche  Wesen  kommen 
Centaur  und  Satyr  in  der  Legende  des  h.  Antonius  vor.  —  Edelsteine:  die 
verschiedenen  Tugenden ;  auch  die  Patriarchen  und  Apostel :  der  Jaspis  ist 
Petrus,  der  Saphir ^  Andreas,  der  Chalcedon  Jacobus  der  Gröfsere,  der 
Smaragd  Johannes  etc.;^  nach  Heinrich  von  KröHwitz  (Auslegung  des  Vater- 
unser): die  verschiedenen  Chöre  der  Heiligen.  — Eidechse,  das  sonnenlustige 
Tier,  bei  den  Heiden  ein  Lichtsymbol,  ebenso  auch  im  Mittelalter  gedeu- 
tet.^ —  Einhorn:  Christus  (Luc.  1,  69);  ein  Einhorn  auf  dem  Schofse 
der  Maria:  Menschwerdung  oder  Empfkngnis  Jesu.*  —  Elefietnt:  Keuschheit.^ 


^  Z.  B.  in  der  Vorhalle  des  Domes  zu  Magdeburg.  Die  entgegengesetzte  Be- 
hauptone  von  Schnaase.  lY.  268,  N.  1  ist  also  nicht  l^gründet. 

*  Albenis,  Erasm.,  vom  Basilisken  zu  Magdeburg.  Item  vom  Hauen  eyhe,  daraus 
ein  Basilisk  wirt,  mit  seiner  Bedeutung  aus  der  hl.  Schritt.  Mit  3  Holzschn.  Eiamb. 
0.  J.  (circa  1550). 

'  Vom  Saphir  im  besonderen  heilst  es,  dafs  er  die  Sünden  tilgt.  Auf  ihn  waren 
die  Gesetzestafeln  von  Gott  geschrieben.  Im  Graltempel  (Zarncke,  Str.  19 — 22)  sind 
daher  die  Altarplatten  von  Saphir. 

*  Felicie  d'Ayzac,  symbolique  des  pierres  precieuses,  in  den  Annales  arch.  V, 
216—233. 

*  Gerhard,  Ed.,  Griech.  Mythologie.  1854.  §  39;  vergl.  Desselben,  über  die 
liehtgottheiten  auf  Kunstdenkm.  1840.  —  Nach  dem  Physiologus  kriecht  das  im  Alter 
auf  beiden  Augen  bünd  gewordene  Tier  durch  einen  engen  Spalt  einer  gegen  Sonnen- 
aufgang gekeh^n  Mauer,  häutet  sich  so  und  wird  dadurch  wieder  sehend. 

*  Nach  dem  Physiologus  ein  kleines  ziegenlammähnliches  Tier,  nach  späterer  An- 
schauung dem  Nashorn  ämilich;  es  läfst  sich  nur  von  einer  Jungfrau  fiongen. 

^  Sarasin,  in  Beitr.  zur  Gesch.  Basels.  I,  16.  —  Nach  den  Fabeln  über  die  Art 

31* 


484  Symbole. 

—  Esel,  der  nnr  brüllt,  wenn  er  nach  Futter  begehrt  (nach  falscher  Lesnng 
von  Hiob  6,  5)  oder  der  Wildesel,  der  angeblich  znr  Zeit  der  Tag-  und 
Nachtgleiche  im  März  brfiUt:  der  Teufel,  der  nach  Verderbnis  der  Seelen 
oder  aus  Ärger  über  die  sich  von  ihm  abkehrenden  brüllt.  -  Der  Name  Era 
(umgekehrt  Ave;  Luc.  1,  28):  Maria. ^  — Farben.^  Die  mit  den  kirch- 
lichen Jahreszeiten  abwechselnden  Farben  der  Mefsgewänder  (s.  oben  S.  272) 
bedeuten:  weifs:  Unschuld  und  Freude;  rot:  Liebe  und  Opfer;  grün: 
Hoffnung,  auch  Halbtrauer ; '  blau:  Demut  und  Bufse ;  schwarz:  Tod  und 
Trauer.  —  Auch  die  Farben  der  Himmelsrofse  (Zach.  6 ;  Apokal.  6)  werden 
nachPs.  85,  11  und  Luc.  1,  68 — 79  in  gewissen  marianischen  Darstellungen 
entsprechend  gedeutet:  rot:  jtistitia;  weifs:  ndsericordia;  fahl  (scheckig): 
t;^rt/a^;  seh  warz:paa:.  —  Sonst  tragen  von  den  Tugenden  die  Liebe  ein  rotes, 
die  Hoffnung  ein  grünes,  der  Glaube  ein  weifses,  die  vier  philosophischen 
Tugenden  aber  ein  purpurnes  Kleid.  —  Philo,  Josephus  und  Hieronymus 
deuten  die  vier  Farben  an  der  Kleidung  des  Hohenpriesters  auf  die  4  Ele- 
mente, weifs  die  Erde,  blau  die  Luft,  purpur  das  Wasser,  Scharlach 
das  Feuer.  —  Auf  dem  Bilde  des  Himmelreichs  bei  Herrad  haben  die  Mär- 
tyrer rote,  die  Bekenner  grüne,  die  Keuschen  silberne,  die  Asketen  gelbe 
Nimben ,  anderwärts  sind  sie  auch  mit  solchen  Gewändern  bekleidet.  —  Auf 
einem  die  sieben  Sakramente  darstellenden  Bilde  des  Roger  v.  d.  Weyden 
(um  1450)  im  Museum  zu  Antwerpen  schwebt  über  der  Abbildung  eines 
jeden  Sakraments  ein  Engel,  und  diese  sieben  Engel  sind  verschiedenfarbig 
bekleidet,  nach  der  Reihenfolge  der  Sakramente  folgendermafsen :  bei  der 
Taufe  weifs  (Reinigung);  bei  der  Firmung  gelb  mit  rot  (Licht  und 
Freude);  bei  der  Beichte  feuerrot  (Läuterung  vom  Bösen);  bei  der  Messe 
grün  (Hoffnung);  bei  der  Priesterweihe  lackviolet  (geistliche  Würde); 
bei  der  Trauung  blau  (Glaube  und  Treue);  bei  der  letzten  Ölung  schwarz- 
violet  (Trauer).  Auf  einem  Gemälde  des  Hans  Burgkmair  von  1501  in 
der  Galerie  zu  Augsburg  sind  die  Armen  (?)  blau,  dieBüfser  braun,  die 
Bekenner  grün  und  die  Jungfrauen  weifs.  — Fela:  Christus  (L  Kor.  10,  4); 
aus  demselben  fliefsen  die  Flüsse  des  Paradieses  (s.  diese) ;  in  demselben 
bauen  die  Vögel  des  Himmels  ihre  Nester  (Ps.  104,  12  etc.).  —  Fliehe 
(Delphine):  Christen  (Matth.  4,  19;  Marc.  1,  17;  Luc.  5,  2.  7),  nament- 
lich auch  mit  Beziehung  auf  die  Taufe,  so  dafs  z.  B.  die  Fische  im 
Thürbogenfelde  der  Kirche  zu  Pfützthal  gewifs  nichts  anderes  sagen 
wollen,  als  was  über  der  Kirchthür  zu  Bürge  1  in  (s.  oben  S.  424)  steht: 


seiner  Begattung  aber  auch  Sy'inbol  der  fleischlichen  Erkenntnis  Adams  und  Evas  nach 
dem  Sünaenfalle;  daneben  Bild  sowohl  der  Geduld  als  der  Trägheit,  auch  der  Gott- 
losen, weil  er  seine  Knie  nicht  beugen  kann  und  im  Stehen  schläft. 

'  Brüder  Grimm,  altdeutsche  Wälder,   ü,  201.   —   Alter  Kirchenhymnus,  viel- 
leicht schon  aus  dem  VI.  Jahrh.,  bei  Daniel,  Thesaurus  hjuin.  I,  104:" 

Stimens  tUiid  Ave 
Giibridis  ore: 
Fnnda  nos  in  pwe 
Mutans  Evae  nomen. 

*  Portal,  F.,  des  couleurs  symboliques  dans  l'antiquite,  le  moyen-ago  et  les  temps 
modernes.  Paris  1S37.  —  Wackernagel,  s.  ob.  S.  272. 
^  Ciampini,  Vet.  monim.  I,  120. 


Symbole.  4g5 

Haec  ed  ablutis  baplismate  porta  saluth:  —  Der  Fisch  vielleiclit  mit  Br- 
ziehang  auf  den  WnnderfiBch  des  Tobias  (Tobi 
6),  sicherlich  aber  in  Beziehung  auf  das  alte 
Buchstabenspiel  IXOYC  (a.  oben  S.402):  Chri- 
stas selbst.'  —  Der  Fisch  kommt  auch  als  Attri- 
but der  personifi eierten  Gesundheit  vor,  andrer- 
seits als  Symbol  des  BGaen  (Pitra,  a.  a.  0.,  III,  313 

u.  530).  —  Ein  Fiioher,  welcher  mit  dem  Kreuze  „,.  ^  THHrione«.  i«  pnii«h^ 
angelt(altchri8tlich):Chri8tn8.  — Die  vier  FlflMB  (""«i.  pmtrioii}. 

des  Paradieses  (Phison,  Gelion,  Tigris  und  En- 

phrat:  I  Mose  2,  10 — H),  oft  als  Flufsgötter  mit  Urnen  dai^estellt:  die 
vier  Evangelisten  (vergl.  den  Stahlstich  zu  S.  175).  —  Fnohi,  der  pre- 
digende :  Irrlehrer ;  der  um  Vögel  lu  fangen  sich  tot  stellende :  Teufel. 
—  Füfu  oder  FofisohlBn,  auf  Grabsteinen,  oder  als  Fibeln  (Abb.  im 
Korr.-Bl.  Ues.-V.  1875.  Taf.  zu  S.  6S)  getragen:  Nachfolge  Christi,  oder 
zurlluk gelegte  Erden pilgerachaft.  —  Ein  Gafi^a  mit  Manna :  die  EmpfAng- 
nia  vom  h.  Geiste  (II  Mose  16,  33;  Ebr.  9,  4),  auch  das  heilige  Abend- 
mahl. —  Gigant:  unter  Darstellungen  der  Maria  als  Thron  Salomos  be- 
findet sich  die  tumba  gyganHs,  nach  Ps.  19,  6  auf  das  Hervorgehen  Christi 
aus  dem  jungfraulichen  Mutterschofse  zu  deuten.  —  Granatapfel:  Christus 
im  Schofse  der  Maria;  Christi  Liebe,  die  sich  selbst  geopfert;  die  christ- 
liche Kirche.*  —  Hahn:  Verleugnung  Petri,  Rnf  zur  Bufse  (Matth.  26,  74. 
7.5);  Wachsamkeit,  Orthodoxie;  der  Hahnenschrei  verscheucht  die  bösen 
(jeister  (dämm  Wetterhähne).  —  Eine  Hand,  die  ans  den  Wolken  reicht : 
die  Allmacht  Gottes  (Ps.  144,  7).  —  Die  aegnende  Hand  Gottes  nnd 
Chris ti  wird  mit  auageatrecktenSchwurfingcrn,ziiweilenaufeinemKrenznimbus 
liegend  dargestellt.  —  Hase,  auf  grichisch  jl";-u;,  alliterierend  auf  Logos; 
der  von  den  Hunden  der  Sllnde  gehetzte  Mensch,  der  in  seiner  Not  zum  Heile 
flieht.*  —  Hans,  das  gebaut  wird  (altchristlich):  die  christliche  Kirche 
(I  Timoth.  3 ,  15 ;  I  Petri  2 ,  6  etc.).  —  Henne :  Christus  (Matth.  23,  37.)  — 
Hirsch,  nach  dem  Physiologua  Feind  der  Schlange,  die  er  durch  seinen 
Atem  aus  ilirem  Schlupf  loche  vertreibt  (Bild  Christi,  auch  der  Apostel), 
dann  verschlingt  er  sie,  mufs  aber,  um  von  ihrem  Gifte  nicht  zu  sterben, 
eilends  eine  frische  Wasserquelle  aufsuchen  (Psalm  42,  1),  durch  deren  Kraft 
er,  jedoch  nach  Verlust  seiner  Haare  und  seines  Geweihes,  zu  neuem  Leben 
geboren  wird :  die  Bufse  Über  die  Sünde  und  das  He ils vertan ge n ,  besonders 
nach  dem  Taufwaaaer.  —  Hnnd,  achwarz  und  weifs  gefleckter:  St.  Domini- 
kns  und  die  Dominikaner;  über  seine  Bedeutung  auf  Grabsteinen  s.  oben  S. 
460  f.  —  Eeloh:  Priesterstand  mitBeziehnngaufdasMefsopfer;  Symbol  des 
Templerordens,  dessen  Patron  der  Evangelist  Johannes  war,  welcher  mit  dem 
Attribut  des  Kelches  al^ebitdet  wird.  —  Ein  abgehauener  Kopf,  den  meh- 


'  de  RosBi,  über  den  IX»YC,  bei  Pitra,  a.  a.  0.  m,  5B8.  —  TertuUianos 
de  baptis.  c.  1.  n.  2.  adv.  Quintil.:  No»  pitdeuH  secnndwn  IXßYN nostrum.  Jesuin 
G/irislum,  in  aqua  naacimur,  nee  iüiter  quam  in  aqtta  manettdo  «oft»  swmus.  — 
Im  Gewolbe^chliiTHstein  des  Clioni  zuMardorf  bei  Kirchhain  erscheinen  drei  mit  dem 
Kopf  zosammengewachsene  Fische,  oSenbar  als  Symbol  der  TrioitJit. 

'  von  Blomberg,  Hose  n.  Oranataptel,  im  Chr.  K.-B1.  1869,  117  ff. 

'  Gieters,  d.  IWm  u,  d.  Hase,  im  Org.  f.  ehr.  K.  1872.  No.  21. 


486  Symbole. 

rere  Heilige  als  Attribut  tragen,  bedeutet,  dafs  sie  ihr  Leben  als  Märtyrer 
durch  Enthauptung  Gott  zum  Opfer  dargebracht  haben.  —  Krens:  Tod 
Jesu.^  —  Krone,  Kram:  Siegeslohn  der  Seligen  nach  vollbrachtem  Kampf 
(II  Timoth.  4,  8;  IPetri  5,  4;  Jakobi  1,  12;  Apok.  2,  10  etc.).  —  Kugel, 
Reichsapfel:  die  Welt.  —  Lamm,  oft  mit  dem  Kreuze  oder  der  Siegesfahne 
und  mit  einem  vor  ihm  stehenden  Kelche,  in  welchen  das  Blut  aus  seiner 
Brustwunde  springt:  der  leidende  und  siegende  Christus  (Job.  1,  29;  Apok. 
17,  14  etc.);  wird  meist  rückwärts  schauend  dargestellt;  auf  einer  gravir* 
ten  Kupferplatte  aus  dem  XIII.  Jahrh.  mit  der  Umschrift  Camales  actus  tulit 
agntis  hie  hostia  factus.  ^  Das  Lamm  mit  sieben  Hörnern  und  7  Augen  auf 
dem  Buche  mit  7  Siegeln  liegend:  Christus,  begabt  mit  den  7  Geistern 
(Gaben)  Gottes  (Apok.  5,  6.  12).  —  Lämmer:  Christen  (Job.  21,  15).  — 
Leier:  heilige  Musik,  Hochzeit  zu  Kana.  ~  Lilie:  Keuschheit,'  und  zwar 
dreier  Art:  der  Jungfrauen,  der  Witt  wen  und  der  Klosterleute.  —  Eine 
Leiche,  von  Schlangen  und  GewOrm  bekrochen:  das  Schreckliche  des  Todes 
der  Sflnder  (vergl.  aber  auch  oben  S.  462).  —  Löwe^  in  sehr  verschie- 
denem Sinne  auf  Grund  verschiedener  Bibelstellen,  z.  B.  nach  Ezech. 
1,  10:  Träger  und  Wächter  des  Heiligtums;  in  diesem  Sinne  sind  die 
Löwen  an  den  KirchthOren  aufzufassen;^  nach  I  Mose  49,  9  und  Apok. 
5,  5:  Christus,  insonderheit  sein  Schlafen  mit  offenen  Augen  nach  Psalm 
121,  4  auf  die  Vorsehung  oder  nach  Hohelied  5,  2  auf  das  Leben  seiner 
göttlichen  Natur  während  seines  leiblichen  Todes  gedeutet;  nach  Marc. 
1,2:  Einsamkeit.  Nach  I  Pet.  5,  8:  der  Teufel,  daher  der  Löwe  unter 
den  Füfsen  Christi,*  der  Löwe,  Drache,  Basilisk,  die  Natter  und  andere 
Ungeheuer  (Sirenen,  auch  Heiden^  und  Ketzer,  nackte  Weibsbilder  etc.) 


•  Über  die  verschiedenen  Arten  vonKi^uzen:  Didron,  iconographie,  882  bis  413; 
H.  Merz,  in  Herzog-Plitt,  Real-Encyklopädie.  Vm,  274  ff.  Ver^  Zock  1er,  d.  Kreuz 
Christi,  1875  und  Ders.,  d.  Kr.  als  Symbol  der  Erlösung,  in:  Beweis  des  Glaubens. 
1881,  185  ff.  u.  288  ff. 

•  Twining,  Symbols  PL  X  n.  19.  —  Der  jüngere  Titurel  in  der  Beschreibung 
einer  Schmelzmalerei  (Zarncke  Str.  97): 

ein  lamf daz  Krim  in  ainer  kld,  der  van  gerötet: 

daz  zeichen  hat  uns  ?^eil  ersiriten  und  Lücifer  an  sim  gewalt  ertötet, 

3  Zappert,  Vita  b.  Petri  Acotant.   14. 

•'  Vergl.  Hei  der,  G.,  über  Tiersymbolik  u.  das  Symbol  des  Löwen  in  der  christl. 
Kunst.  1849.  —  Derselbe,  die  roman.  Kirche  zu  Schöngrabem,  158 — 181.  —  Nord- 
hoff, J.  B.,  üb.  d.  Gebrauch  u.  die  Bedeutung  des  Ijöwen  in  der  Kunst,  vorzüglich 
der  christlichen.  1864.  —  Der  Löwe  als  Symbol  in  der  Kunst,  im  Kirchenschmuck. 
1878.  No.  9—12. 

•  Marggraf,  Rud.,  über  die  Portal-Löwen  von  St.  Zeno  bei  Reichenhall,  ihre 
Bedeutung  u.  ihr  Zeitalter,  in  der  N.  Münch.  Zte.  1859.  No.  52  ff.  —  Der  Phj'sio- 
logus  aus  dem  XI.  iahih.  sagt:  Cum  dormierit  uo,  vigilant  oeuH  ^U8, 

^  Am  Portal  des  Domes  von  Amiens  steht  die  Gestalt  Christi  auf  einem  Löwen 
und  einem  Drachen,  auf  einem  Basilisken  und  einer  Natter  (oder  Otter,  aspis,  eine 
Schlange  mit  Hundskopf:  sie  macht  sich  taub  [Ps.  57,  4.  5.1,  indem  sie  ein  Ohr  auf 
die  Eroe  leet  und  in  das  andere  den  Schwanz  steckt).  Dieselbe  Darstellung  aus  einem 
Gebetbuch  aes  XY.  Jahrh.  zu  Göttweih  abgeb.  von  Heider,  im  Archiv  f.  Kunde  österr. 
Geschichtsquellen.  V,  535. 

^  Z.  B.  unter  den  Füfsen  der  Apostel  in  den  Glasgemälden  des  Westchors  des 
Domes  zu  Naumburg  die  namentlich  bezeichneten  fabelhaften  Könige  (Astrages,  Hirta- 
cus,  Mesdeus  etc.)  die  der  Legende  nach  ihnen  das  Martyrium  bereiteten. 


Symbole.  487 

unter  den  Ftifsen  Heiliger  und  Verstorbener,'  nach  Ps.  91,  13:  der  über- 
wundene Fürst  dieser  Welt,  das  gebändigte  Fleisch.  Die  zwölf  Löwen 
am  Throne  Salomos:  die  12  Stämme  Israel,  die  12  Apostel.^  Der  Löwe, 
der  gejagt  mit  dem  Schwänze  seine  Spur  verwischt:  die  Selbsternie- 
drigung Christi.  Der  Löwe ,  der  sein  totgebomes  Junges  am  dritten  Tage 
durch  sein  Anhauchen  oder  Anbrüllen  zum  Leben  erweckt:  die  Auferweckung 
Christi  (nach  I  Mos.  49 ,  9  und  IV  Mos.  24 ,  9) ,  im  Defensorium  immaculatae 
conceptionis  B.  M.  Virg.  (einem  bekannten  Xylograph)  auch  auf  die  unbe- 
fleckte Empfängnis  gedeutet.  Löwin  mit  Jungen  (nachEzech.  19,  2):  Maria. 
—  Eine,  gewöhnlich  kleine,  oft  puppenhafte  Henschengestalt,  nackt  oder 
bekleidet:  die  Seele,  die  dem  Sterbenden  mit  dem  letzten  Atemzug  ent- 
schwebt.' —  Haohteole  (nocticorcuxj  Luther:  Käuzchen  Ps.  102,  7),  unreines 
Tier  (III  Mos.  11,  16),  das  die  Finsternis  mehr  liebt  als  das  Licht:  die 
Juden.  —  Öliweig:  Friede.  —  Palme:  Sieg  der  Gläubigen  und  Märtyrer 
über  den  Tod  (Apok.  7,9).  —  Panther  liegt,  nach  dem  Physiologus,  wenn 
er  satt  ist,  3  Tage  in  seiner  Höhle,  dann  steht  er  auf  und  brüllt  und  giebt 
zugleich  einen  so  lieblichen  Geruch  von  sich,  dafs  alle  Tiere  herbeigelockt 
werden,  nur  der  Drache  fürchtet  sich  davor  und  verkriecht  sich  in  seine 
Höhle,  wo  er  wie  tot  liegen  bleibt:  Grabesruhe  Auferstehung  und  Sieg 
Christi  über  den  Satan.  —  Papagei  (u.  zw.  der  Sittig,  z.  B.  im  Wappen  von 
Sittichenbach),  weil  er  im  schönsten  Grün  glänzt  wie  eine  Wiese  und  doch 
nicht  wie  gemeines  Gras  beregnet  wird,  sondern  immer  trocken  bleibt,  wie 
das  Fell  Gideons:  Jungfräulichkeit  der  Maria.  —  Pelikan  (Ps.  102,  7), 
dessen  ungeratene  Jungen  die  Alten  beifsen  (Jesaias  1 ,  2)  und  dafür  von 
den  Alten  totgebissen  werden ,  nach  drei  Tagen  aber  konmit  die  Mutter  und 
sprengt  ihr  eigenes  Blut  über  sie,  wodurch  sie  wieder  lebendig  werden: 
Opfertod  Christi,  im  Denfensor.  immac.  conc.  B.  M.  V.  auch  die  Jungfräu- 
lichkeit der  Maria;  in  der  Vorhalle  vonLaach,  wo  ihm  der  Teufel  eine  Rolle 
mit  der  Inschrift  peccata  Romae  vorhält:  die  Kirche.  —  Pfeile  auf  den  Pest- 
bildern: die  göttlichen  Strafen,  Pest,  Hungersnot  und  Krieg.  —  Pftiu:  bei 
den  alten  Christen  Unsterblichkeit;  bei  dem  Kirchenlehrer  Hieronymus 
Bild  der  Juden;  später  der  Teufel  und  Eitelkeit  und  Hoffart.^  —  Phönix: 
Auferstehung.^  —  Ein  vergitterter  Quell:  Maria,  der  Born  des  Heils  (Hohel. 


*  Schon  Konstantin  d.  Gr.  liefs  Wachsgemälde  von  sich  und  seinen  Söhnen  an* 
fertigen,  zu  deren  Füfsen  der  in  den  Abgrund  stürzende  Drache  dargestellt  war.  Vergl. 
Eusebius  (de  vita  Const.  HI,  3),  welcner  hierauf  die  Stelle  Jes.  27,  1  anwendet. 

'  So  ausdrücklich  bezeichnet  auf  dem  Berliner  Bilde  der  Maria  als  Thron  Salomos. 

'  Über  Darstellungen  der  Seele  vergl.  Geo.  Zappert  in  den  Anmerk.  zur  Vita  b. 
Petri  Aeotanti,  77—99.  —  Abbildungen  in  Twining,  Symbols  PL  T.XY  bis  LXXIV. 
—  Die  Seele  als  Kind:  Ottokar  cp.  444;  vergl.  Mone,  Anzeiger  etc.  VEH,  621. 

^  Vom  Pfau  heifst  es  in  einer  Züricher  fls.  des  XII.  Jahrh.  (Wasserkirche  CA\ 
8.  302a): 

Voce  Satan,  pluma  Seraphim,  cervice  draconeni, 
Gressu  furtivo  designat  pavo  latronem. 

Ebenso  Freidank,  CXLU,  13  f.: 

Der  phäwe  diebes  sliche  hat, 
Tiuwels  stimme  und  engeis  wät. 

Vergl.  Waokernagel,  "W.,  die  goldene  Altartafel  von  Basel,  15. 

*  Weingärtner,  W.,  der  Phönix  u.  der  Pfau,  in  den  Mitt.  C.-K.  V,  153.  —  Die 


488  Symbole. 

4,  15).  —  Segenbogen:  Gnade  (I  Mose  9,  13);  Herrlichkeit  des  Herrn 
(Ezech.  1,  28).  —  Bing,  aus  dem  ein  Engel  schaut:  der  geöffnete  Himmel. 
—  Fünf  blättrige  Böse  (an  Beichtstühlen):  Verschwiegenheit.^  —  Satyrn 
{corrmtae  fades):  Wollüstige,  Teufel.  —  Schafe:  die  Jünger  Jesu,  die  ge- 
treue Heerde  (Luc.  10,  8;  Joh.  10  etc.).  —  Schiff:  (Arche  Noah's,  Schiff- 
lein Petri) :  die  christl.  Kirche.  —  Schlange  (Drache) : '  Teufel  (I  Mose  3 ; 
Apok.  12  etc.);  sich  aus  einem  Becher  windend:  Gift.  Ein  Ungeheuer  mit 
offnem  Rachen:  der  Höllenschlund.  Schlange  und  Taube:  Klugheit  mit 
Unschuld  vereint  (Matth.  10,  16).  Die  erhöhete  eherne  Schlange :  der  ge- 
kreuzigte Christus  (IV  Mose  21,  8;  Joh.  3,  14).  —  Sdüüssel:  Macht,  zu 
binden  und  zu  lösen.  (Attribut  des  Apostels  Petrus,  mit  Beziehung  auf 
Matth.  IG,  19.)  —  Schriftrolle:  das  alte  Testament,  während  ein  Buch 
das  Neue  Testament  bezeichnet ;  darum  werden  die  Propheten  mit  Schrift- 
rollen, die  Apostel  mit  Büchern  dargestellt,  jedoch  bei  der  Darstellung  des 
Credo  gleichfalls  mit  Rollen;  Christus  hält  zuweilen  Beides.'  —  Schwan: 
Bild  des  Todes,  weil  er  seinen  bevorstehenden  Tod  ahnt  und  besingt,  und 
zwar  weil  er  dies  mit  süfsen  Tönen  thut,  Bild  des  fröhlichen  und  geduldigen 
Todes  der  Märtyrer.  —  Schwein:  Judenthum;  Gefräfsigkeit.  In  Frank- 
reich die  Sau,  welche  ihre  Jungen  sängt  und  dabei  spinnt  {la  truie  gui 
file)  beliebtes  Sinnbild  spiefsbflrgerlicher  Mutterliebe.  —  Sirenen:  die  Ver- 
lockung, Weltlust;  der  Teufel.^  —  Sonne  und  Hond:^  in  Verbindung  mit 
Christusbildem :  Ewigkeit  und  Gottheit  (Ps.  89,  37.  38);  Sonne  und  Mond 
=  geistliche  und  weltliche  Macht;  Papst  und  Kaiser.^  Sonne,  Mond  und 
Sterne:  Reinheit  und  Schönheit  der  Maria  (^/e//a  mam)-  —  Der  sprossende 
Stab  Arons:  Maria,  die  ohne  Mann  Fruchtbare  (IV  Mose  17,  8).  —  Taube: 
der  heilige  Geist  (Matth.  3,  16).  —  Sieben  Tauben:  die  sieben  Gaben  des 
h.  Geistes  (Jes.  11,  2;  Apok.  5,  12).  Die  Taube  mit  dem  Ölzweige:  Ver- 
söhnung (I  Mose  8,  10.  11).  Tauben  an  Weintrauben  pickend:  Seelen  die 
durch  das  Blut  Christi  selig  geworden  sind,  oder:    Genufs  des  h.  Abend- 


Symbolik  des  Phönix  beruht  auf  falscher  Deutung  von  Hieb  29,  18  und  falscher  Über- 
setzung der  LXX  von  Ps.  92,  13.  Wegen  der  Namensähnlichkeit  {Phönix,  Dattel- 
palme) ist  auch  die  Palme  Bild  der  Auferstehung  geworden.  Die  Symbolisierung  der- 
selben durch  den  Schmetterling  gehört  erst  der  Zeit  der  Renaissance  an.  Vergl.  Zö ek- 
ler, d.  Schmett.  als  Auferstehungssymbol,  in  Beweis  des  Glaubens.  1881,  1  ff . 

*  Stieglitz,  von  altdeut,  Baukunst,  184. 

•  Schlange,  Viper  und  Drache  gehen  in  der  Symbolik  sehr  durcheinander.  Das 
Geföhiliche  des  Drachen  liegt  nicht  m  seinem  Rachen  und  Oebils,  sondern  in  seinem 
tötlichen  Atem  und  in  der  Gnewalt  der  Schläge  und  den  ümschlingun^n  seines  Schwan- 
zes. Der  Drache  ist  ein  animal  compositum,  Kopf,  Brüste,  Homer,  Vordertatzen  eines 
Raubtiers,  Flügel  wie  ein  Raub-  oder  Nachtvogel,  der  geschuppte  Bauch  und  Schwanz 
gewunden  an  ofer  Erde  schleppend.  Das  siebenköpfige  Tier  der  Apokal3rP8e  wird  bald 
mit  einem  Drachen-  bald  mit  einem  Leopardenleibo  dargestellt,  seine  Köpfe  oft  mit 
Kronen  oder  Nimben  als  Symbolen  seines  Sieges  über  die  Menschen. 

3  Durandus  1.  I.  c.  3.  n.  11.  —  Vergl.  Didron,  Iconographie,  280. 

*  Piper,  Myth.  I,  377 — 393.  Sie  werden  gewöhnlich  wie  die  antiken  Harpyen 
gebildet,  mit  Flügeln  und  Vogelkrallen,  bei  Herradis  nur  durch  diese,  die  unter  den 
langen  Kleidern  hervorsehen,  von  Engeln  zu  unterscheiden;  andrerseits  auch  als  Meer- 
fräulein, gekrönt  mit  zwei  Fischschwänzen,  wie  die  schöne  Melusine  des  Volksbuches. 

»  Piper,  Myth.  ü,  116—19». 

•  V.  Räumer,  Hohenstaufen.  2.  Aufl.  VI,  60. 


Zahlensymbolik.  489 

mahles.  —  Ein  verschloBBenes  Thor:  Reinheit  der  Maria  (Ezech.  44).  — 
Tonn:  Unantastbarkeit  der  Maria  (Hohelied  4,  4;  7,  4).  —  Das  Yliefs  Gi- 
deons: himmlische  Befruchtung  der  Maria  (Richter  6,  37).  — Weinstock, 
Weintraube:  Christus,  Blut  Christi,  das  heil.  Abendmahl  (Job.  6,  56;  15,  1). 
Auf  Madonnenbildern  hält  häufig  das  Christkind  eine  Traube,  oder  die  h. 
Jungfrau  reicht  ihm  eine ,  als  Vordeutung  seines  blutigen  Todes.  Der  Wein- 
stock auf  Grabsteinen  (nach  Joh.  15,  5  u.  6):  bleibende  Vereinigung  mit 
Christo,  aber  auch  als  Zeugnis  der  Keuschheit  der  Verstorbenen,  so  in  der 
Legende  der  h.  Magdalena  und  auf  dem  Grabe  der  Isolde.  ^  —  Widder,  nach 
I  Mos.  22,  13  und  III  Mos.  16,  15:  der  Versöhner,  auch  weil  er  dieHeerde 
führt:  Apostel  und  Bischof;  nach  Rhabanus:  iracundia,  —  Zahlen.  Die 
christliche  Zahlensymbolik ,  später  in  der  jüdischen  Kabbala  bis  ins  Unend- 
liche ausgesponnen,  wurzelt  vornehmlich  in  der  Offenbarung  Johannis.^  Es 
ist  dabei  von  dem  Begriffe  der  runden  Zahl  auszugehen:  Zwei:  rechts 
und  links,  ein  Paar.  —  Drei:  rechts,  links  und  in  der  Mitte;  A;  Drei- 
einigkeit; drei  Stufen  der  Bufse  (contritiOj  cofifessio,  satüf actio)  \  drei 
Domen  in  der  Dornenkrone  Christi.'  —  Vier:  rechts,  links,  hinten  und 
vorn  (oder  oben,  unten  und  zu  beiden  Seiten);  Q  ;  das  Weltall  (Himmel, 
Abgrund,  Land  und  Meer;  Hiob  11,  8.  9;  Eph.  3,  18);  die  4  Weltgegenden ; 
die  4  Winde;  die  4  Jahres-  und  die  4  Tageszeiten;  die  4  Elemente;  4 
Weltalter  (von  Adam  bis  zur  Sintflut ;  von  der  Sintflut  bis  auf  die  Patriarchen ; 
von  Moses  bis  Christus ;  von  Christus  bis  an  das  Ende  der  Tage) ;  4  Kar- 
dinaltugenden;  4  Bufsübungen  (Fasten,  Beten,  Almosengeben  und  Wall- 
fahren) ;  4  Flüsse  des  Paradieses ;  die  4  grofsen  Propheten ;  die  4  Tiere, 
die  den  Thron  Jehovahs  tragen;  die  4  Evangelisten.  —  Fünf:  5  Finger; 
5  Blätter  der  Rose,  5  Wunden  Christi.  —  Sechs:  6  Menschenalter,  6  Welt- 
alter (Adam  =  infanHüj  No6  ==pueriäa,  Abraham  =  adolescenHa,  David 
=jtwentiis,  Jeremias  =  virilitaSj  Christus  =  senectus)]^  6  Krüge  auf  der 
Hochzeit  zuKana;  6  Namen  des  h.  Sakramentes  (eucharistia^  donum^  cihus, 
commuräOj  sacrificium^  sacramentum^  oder  deutsch:  gute  genade^  gäbe, 
speise^  gemeinsam,  opffer^  heiligkeit)  ]^  6  Werke  der  Barmherzigkeit  (Matth. 
25,  35  f.).  —  Sieben,*  aufzulösen  in  4  und  3:  Mysterium,  Heiligkeit, 
Allheit;  7  Engel  (Offenb.  8,  6),  7  Planeten  (1,  16),  7  Wochentage,  7  fette 
und  7  magere  Kühe  oder  Ähren  (I  Mose  41),  7  Arme  des  mosaischen  Leuch- 
ters (II  Mose  25,  31),  7  Locken  Simson's (Richter  16,  19),  7  Posaunen  vor 
Jericho  (Josua  6,  4),  7  Säulen  des  Hauses  der  Weisheit  (Sprichw.  9,  1),  7 
Diakonen  (Apostelgesch.  6,  3),  7  Gemeinden  in  Asien  (Offenb.  1,  4),  7 
Leuchter  (ebd.  1,  12),  7  Siegel  (ebd.  5,  1),  7  Posaunen  (8,  2),  7  Köpfe 


»  Vergl.  II g,  Alb.,  der  Weinbau  u.  d.  ehr.  Kult,  in  Mitt.  C.-K.  XVI,  83  ff. 

*  Züflig,  F.  J.,  Offenb.  Joh.  I,  115  ff.  —  Vergl.  J.  H.  Kurtz,  in  den  Theol. 
Studien  u.  Kritiken,  1844.  ü,  315  ff.  —  Im  Mittelalter  haben  besonders  Beda,  Rha- 
banus u.  Durandus  die  Zahlensjinbolik  ausgebildet.  —  Kreuser,  Kirchenbau.  2.  AtiA. 
I,  701—718. 

»  Schnaase.  IV,  284. 

*  »  im  D.  Kunstbl.  1850,  45. 

*  Jakobs  u.  Ukert,  Beiträge  etc.  11.  1,  114. 

*  Ledebur,  Leop.  v.,  über  die  Siebenzahl,  in  v.  Aufsefs,  Anzeiger  etc.  1832. 
Sp.  293  f. 


490  ZahlenHymbolik. 

des  Tieres  (13,  1),  7  Sakramente,  7  Gaben  des  h.  Geistes  (5,  6.  12;  Jes. 
11,  2),*  7  Bitten  im  Vaterunser,  7  letzte  Worte  Jesn  am  Kreuze,  7  (vor  dem 
XIII.  Jahrh.  nur  6.)  Werke  der  Barmherzigkeit  (Hungrige  speisen,  Durstige 
tränken,  Nackte  kleiden.  Kranke  [Wittwen  und  Waisen]  pflegen.  Gefangene 
besuchen.  Fremde  beherbergen.  Tote  begraben),  7  Werke  geistlicher  Barm- 
herzigkeit: Consuie,  carpe,  doce,  solare ^  remittej/er,  ora,^  7  Stücke  der 
geistlichen  Rüstung  (Eph.  6,  13—17),  7  Haupttugenden  (4  menschliche: 
Prudentia,  Jtistitiüy  Fortitudo,  Temperantia:  3  theologische:  Fides ^  Spes^ 
Charitas),  7  Todsünden  (fnanis  gloria  [superbia],  Invidia^  Ira^  AccidiOy 
Avaritia,  Gtda^  Luxuria)^  7  Schmerzen  und  7  Freuden  der  Maria  (s.  im 
Verzeichnis  der  Heiligen:  Maria),  7  Worte  der  Maria  (Luc.  1,  34.  38.  40. 
46;  2,  48;  Joh.  2,  3.  5),  7  grofse  Zeichen  bei  der  Geburt  Christi,»  7  freie 
Künste  (Grammatik,  Rhetorik,  Dialektik,  Musik,  Arithmetik,  (Geometrie 
und  Astronomie),  7  kanonische  Stunden  (s.  oben  S.  417),  7  Bufspsalmen 
(Ps.6.  32.  38.  51.  102.  130. 143),  7 Menschenalter  (/w/an//a,  pttenVia,  ado- 
lescentiOyjuventus,  virilUas^  senectus^  decrepitus).  *  —  Acht:^8  Hollenstrafen : 

Vermes  et  tenebrae,  flagellum,  ft'igus  et  ignisj 
Daemonis  aspectuSy  scelerum  confusio^  luctus.^ 

8  Seligkeiten  (Matth.  5,  3  — 10),  8  Menschen  in  der  Arche  Noah  (I  Pet.  3, 
20).  —  Neun:  9  Engelchöre,  9  officia  ecclesiastica  (/a?ci,  lectoreSy  exor- 
cistaey  acolythi,  stibdiaconi,  diaconi,  presbyterij  episcopi),  auch  9  ordines 
justorum  (apostoH,  martyresj  confessores,  monachi,  virgines^  viduae,  confu- 
gati^  poerutentesj  omnes  fideles)^  9  Steine,  womit  der  gefallene  Erzengel  be- 
deckt wurde.^  —  Zehn:   10  Finger,  10  Lebensalter,  10  Plagen  Ägyptens, 


*  Auf  einer  wohl  für  die  heil.  Öle  bestimmten  kupfernen  Patene  im  Dome  zu 
Xanten  sind  die  sieben  Gaben  des  h.  Geistos  mit  alttestamentlichen  Personen,  ent- 
sprechenden Tieren  und  Bibelsprüchen  folgendermafsen  zusammengestellt: 

Adam  .  .  .  sp.  sapientme  .  .  Schlange  .  I  Mose  2,  24 
Abraham  .    »    intellectus  .  .  Hahn  .  .  .  Psalm  118,  100 

.  Baruch  3,  9 


Moses  ...»  consilii  ....  Ameise 

Elias.  ...»  fartitudinis  .  Löwe  . 

Salomo   .  .    »  scientiae  .  .  .  Hund  . 

Samuel  .  .    »  pietatis ....  Taube  . 


.  I  Kön.  17,  1 
.  Sap.  6,  16.  7,  7 
.  I  Samuel  12,  23 


diese  stitüilenförmig  im  Kreise  geoixlnet  um  eine  nach  Spr.  Salom.  9,  1  an  Stelle  des 
sp.  timoris  dei  getretene  abermalige  Personifikation  der  Sapientia  (begleitet  von  den 
^guren  des  Johannes  Ev.  mit  dem  Spruche  Joh.  1,  16  und  des  Paulus  mit  dem 
Spruche  Römer  11,  33),  in  welcher  nach  den  (richtig  gelesenen)  Versen  der  Umschrift: 

edita  corde  patris  sapientia  cuncta  creavit 
nata  sinu  matris  hominis  lapsum  reparavit 

Christus  als  die  Erscheinung  der  personificierten  eöttlichen  Weisheit  im  Fleische  zu 
verstehen  ist.  Vergl.  Aldenlirchen,  drei  Hturg.  Schüsseln  des  Mittelalters,  in  Bon- 
ner Jahrbb.  LXXV.  Taf.  IV. 

«  Annales  archeol.  XVI,  221  f. 

3  Werinher,  Gedicht  zur  Ehre  der  Jungfrau  Maiia  HI.  (Nürnberg  u.  Altorf  1802); 
vergl.  Kugler,  Kl.  Sehr.  I,  28. 

*  Joh.  Beleth,  explic.  div.  officii  c.  28. 

*  Über  den  mystischen  Sinn  der  Zahl  Acht:  v.  d.  Hagen,  Briefe  in  die  Heimat, 
n,  211. 

*  Didron,  manuel  d'iconographie,  273. 

^  Kugler,  Gesch.  der  Malerei.    2.  Aufl.  I,  133. 


Tierbilder.  491 

10  Gebote,  10  ChriBtenverfolgungen ;  geBteigei*t:  100,  1000  etc.  (d.  i.  sehr 
viel):  das  tausendjährige  Reich. — Zwölf:  12  Monate,  12  Söhne  Jacobs,  12 
Stämme  Israels,  12  Edelsteine  im  Amtsschilde  Aarons  (II  Mose  28,  17),  12 
Steine  des  Jordan  (Josua  4),  12  Brunnen  von  Elim  (II  Mose  15,  27),  12 
Löwen  Salomos,  12  kleine  Propheten,  12  Apostel,  12  Gründe  und  Pforten 
von  Jerusalem  (Offenb.  21,  12.  14),  12  evangelische  Ratschläge  etc. 
Gesteigert:  24  Älteste  (Offenb.  4,  10);  144000  stehen  um  das  Lamm  auf 
dem  Berge  Zion  (14,  1).  —  Fünfzehn:  15  Wörter  desAvemaria,  15 Freu- 
den der  Ehe,^  15  Zeichen  des  jüngsten  Tages  (ein  bekanntes  xylographisches 
Werk) :  *  das  Aufwerfen  des  Meeres ,  40  Ellen  über  alle  Berge ;  die  Trocken- 
heit der  Erde ;  die  Meerwunder  schreien  gen  Himmel ;  das  Wasser  brennt ; 
die  Bäume  schwitzen  Blut;  alle  Bauten  fallen,  Feuer  vom  Himmel;  die 
Felsen  zerspalten  und  fliegen  in  die  Luft;  die  Erde  bebt;  die  Erde  wird 
ganz  flach ;  die  Menschen  kriechen  aus  Löchern  der  Erde  hervor ;  die  Ge- 
beine der  Toten  erstehen ;  die  Sterne  fallen  vom  Himmel ;  die  Menschen 
sterben  sämtlich;  Himmel  und  Erde  brennen,  der  jüngste  Tag.  —  Zwan- 
zig: 20  Zeichen,  die  da  geschahen,  da  Gott  geboren  ward.'  —  Ziege  und 
Ziegenbock,  wegen  ihrer  Neigung  zum  Klettern:  Stolz;  aufserdem:  Wollust. 
Haare,  Homer,  Bart,  Schweif  und  Pfoten  dienen  zur  Bildung  der  Gestalt 
des  Teufels. 

Anmerkung  1.  Tierbilder,*  Darstellungen  wirklich  existierender  und 
fabelhafter  Tiere, '^  kommen  im  abendländischen  und  morgenländischen  Heiden- 
tum auf  Kunstdenkmälern  häufig  in  symbolischer  Bedeutung  vor :  in  heidnischen 
Grabmälern  z.  B.  als  Symbole  des  Todes  und  als  Attribute  des  Bacchus,  der 
zugleich  Gott  des  Lebens  und  Todes  ist:  das  Seepferd,  der  Panther,  der 
Löwe,  der  Steinbock,  und  ebenso,  mit  christlichen  Sinnbildern  vermischt,  in 
den  ältesten  christlichen  Begräbnisstätten;®  Widder,  Pfauen,  Hirsche,  Greife 
und  Seepferde  auch  als  Stuckreliefs  im  Baptisterium  beim  Dome  zu  Ravenna 


^  Jannet,  F.,  las  quinze  joves  de  manage;  vergl.  Annales  archeol.  XVn,  185. 

'^  Collectio  Weieeliana.  11,  121  ff. 

3  Jakobs  u.  Ukert,  Beiträge  etc.  II.  1,  252. 

*  Otte,  in  den  N.  Mitt.  Th.-S.  V.  VI.  1,  48—62.  —  Brandt,  C.  L.,  über  die 
Tiergestalten  an  Kapitalen  der  Emestin.  Kapelle  des  Domes  zu  Magdeburg,  ebd.  VII. 
3,  137  —  143  nebst  1  Taf.  (vergl.  Desselben  Dom  zu  Magdeburg,  47  —  52).  —  VII. 
Jahresbericht  des  altmärk.  Verems  für  vaterl.  Gesch.,  88  ff.  —  Kreuser,  Kirchenbau. 
1.  Aufl.  n,  165—192.  —  Heider,  die  Kirche  zu  Schöngrabem,  111-122.  —  Über 
die  Physiologen  s.  oben  S.  481.  —  Vergl.  Kolloff,  Ed.,  die  sagenhafte  u.  symbol.  Tier- 
gesch.  des  Mittelalters  in  v.  Haumer,  Hist.  Taschenb.  1867,  177 — 269.  —  Eckl,  B., 
die  symbolische  Zoologie  in  d.  ehr.  Wissensch.  und  insbesondere  in  d.  ehr.  K.,  im  Org. 
f.  ehr.  K.  1869.  No.  12—22.  —  Cahier,  nouveaux  mel.  1874  (curiosites  mysterieuses) 
106 — 261,  811  ff.  —  Müller,  Sophus,  die  Tieromamentik  im  Norden  etc.  Aus  dem 
Dänischen  von  J.  Mestorf.  Hamburg  o.  J.  —  Ein  sehr  reich  (mit  106  kolorierten  Bil- 
dern) illustrierter  lateinischer  Bestiarius,  welcher  im  Jahre  1187  einem  Kanonikus  zu 
lincoln  gehört  hat,  ist  neuerdings  mit  der  Hamütonschen  Sammlung  in  das  k.  Kupfer- 
stichkabinet  zu  Berlin  gekommen.  Vergl.  von  Seidlitz,  im  ^pertor.  f.  Kunst- 
wissensch.  VI,  Heft  3  unter  Nr.  10. 

^  Richter,  Gh.,  über  die  fabelhaften  Tiere  1855;  vergl.  Annales  archeol.  (1856.) 
XVI,  70.  Es  werden  im  ganzen  94  aufgezählt:  Sphinx,  Chimäre,  Drache,  Basilisk, 
Phönix,  Greif  etc.  —  alle  aus  dem  Heidentum  entnommen. 

«  Bellermann,  Ch.  F.,  die  ältesten  christl.  Begräbnisstätten,  76  u.  Taf.  3  f .  — 
Kuglers  Museum.   1834.  No.  13. 


492  Tierbilder. 

aus  dem  V.  Jahrh. '  Aufser  solchen  einzelnen,  aus  dem  Heidentum  entlehnten 
Tiersinnbildern  fanden  auch  zusammenhängende  Naturbilder,  welche  eine  sym- 
bolische Bedeutung  hatten,  Eingang  in  die  christliche  Kunst,  z.  B.  in  der 
Calixtusgruft  zu  Rom  die  Darstellung  der  Weinlese  durch  kleine,  ganz  antik 
gedachte  Genien.'  Zu  Anfang  des  V.  Jahrh.  erbaute  der  reiche  Eparch  Olym- 
piadorus  in  Konstantinopel  eine  Kirche  zu  Ehren  der  Märtyrer  und  hatte  die 
Absicht,  die  Wände  des  Saki*ariums  mit  Vögeln,  Vierfüfslern  und  Kriechtieren 
bemalen  und  auf  denselben  ganze  Jagdscenen  (Hasen,  Ziegen  und  andere 
Tiere  in  eiliger  Flucht  Yor  den  verfolgenden  Jägern  und  Hunden),  sowie  den 
Fischfang  darstellen  zu  lassen:  der  wttrdige  Mönch  Nilus,  ein  Schüler  des 
Chrysostomns,  widerriet  ihm  solches,  da  es  kindisch  sei,  durch  dergleichen 
Dinge  die  Augen  der  Gläubigen  zu  zerstreuen,  und  empfahl  ihm,  statt  dessen 
die  Kirche  mit  alt-  und  nentestamentlichen  Bildern  zur  Belehrung  und  Anfeue- 
rung  des  ungelehrten  Volkes  zu  schmücken.^  Einer  symbolischen  Beziehung 
jener  Naturbilder,  die  doch  wohl  die  Herrlichkeit  der  Offenbarung  Gottes  in 
der  Natur  bezeichnen  sollten,  erwähnt  er  ebenso  wenig  wie  Bernhard  von 
Clairvaux  (1091 — 1153),  der  Reformator  des  Mönchswesens,  welcher  700  Jahre 
später  und  in  einer  Zeit  lebte,  wo  solche  Tierdarstellungen  in  den  Kirchen  sehr 
beliebt  waren,  in  seiner  heftigen,  gegen  allen  Luxus  der  Kunst  in  den  Klöstern 
gerichteten  Polemik.  Nachdem  er  sich  zuerst  ausgesprochen  hat  gegen  die 
überflüssige  Höhe,  Länge  und  Breite  der  Bethäuser,  über  den  kostspieligen 
Quaderbau  {sumphiosas  depolUiones)^  die  zerstreuenden  Malereien,  die  mit 
Edelsteinen  besetzten  grofsen  Radleuchter  statt  der  Kronen,  die  kostbaren 
Armleuchter,  was  alles  er  sich  indes,  als  den  schlichten  Frommen  unschädlich 
und  nur  wegen  der  Geldkosten  von  Nachteil,  in  den  Kirchen  noch  gefallen 
lassen  wolle,  tadelt  er  scharf  die  Tierbilder  in  den  Klöstern,  und  zwar  in  sol- 
cher Weise,  dafs  man  sieht,  er  hatte  sich  mit  diesen  Darstellungen  eingehend 
beschäftigt  und  kannte  dieselben  genau :  sie  erschienen  ihm  aber  albern  und 
abgeschmackt,  sowie  als  Geldverschwendung.^  —  Bei  der  christlichen  Umdeu- 
tung  solcher  ursprünglich  heidnischen  Darstellungen  lag  es  nahe,  dafs  man  auf 
die  Bibel  zurückging  und  deren  reichen  Stoff  zur  gröfsten  Erweiterung  des 
überlieferten  Darstellungskreises  benutzte.  Dafs  es  sehr  schwierig  und  un- 
sicher ist,  für  einzelne  Bilder  jedesmal  die  richtige  Deutung  zu  treffen,  kann 


»  Kiigler,  Gesch.  d.  Malerei.  2.  Aufl.  I,  30. 

"  Ebd.,  20. 

^  NiluB  1.  IV.  en.  61  (in  der  Maxima  bibiiotheca  veter.  patrum.  XXVII,  323.  ej). 
656).  —  Vergl.  A.  Neander,  Kirchengesch.  11,  419  (Ausgabe  von  1829);  Heider, 
Schöngrabem,  113. 

^  Ceterum  in  claustris  coram  legentibus  fratribus  quid  facit  %Ua  ridicula  mon- 
»truositaSy  mira  quaedam  diffbrmis  farmositas  ac  farmosa  deformitasY  Quid  ibi 
immundae  nmiae/  quid  feri  leones?  quid  monstruosi  centauriY  quid  semi-homines? 
quid  maculosae  tigridesY  quid  milites  pugnantes,  quid  venaiores  tübicinantes? 
Videas  auh  uno  capite  muUa  corpwa  et  super  uno  corpore  multa  capita.  Cernitur 
hinc  inde  in  quadrupede  cauda  serpentis,  itlic  in  pisce  Caput  quadrupedis.  Ibique 
bestia  praefert  equum,  capram  trahens  retro  dtmidiam,  hinc  corntUum  animai 
equum  gestat  posterius.  Tarn  muHa  deniqtie  tamque  mira  diversarum  formarum 
apparet  tUnqt^e  varietas,  ut  magis  Itbeat  legere  in  marmoribus  quam  in  codicibus, 
totamque  diem  occupare  singula  ista  mirando,  quam  in  lege  de%  meditando.  Pro 
deo  si  non  pudet  ineptiarum,  cur  non  piget  expensarum?  —  Bernhardi,  Opp.  I, 
544;  die  ganze  Stelle  ausführlich  l>ei  Kreuser,  a.  a.  0.,  174. 


Tierbilder.  493 

uicht  befremden  y  wenn  man  anf  die  überreiche  Fülle  und  Vieldeutigkeit  der 
Gestalten  Rücksieht  nimmt.  So  werden  z.  B.  allein  dem  Erlöser  92  Prädikate 
beigelegt^  und  er  kommt  bald  als  Löwe,  bald  als  Bär,  Panther,  Widder  oder 
Kalb  vor:^  hieraus  folgt,  dafs  man  einzelne  Tierbilder  niemals  als  fest- 
stehende, sondern  stets  als  schwankende  Symbole  zu  fassen  hat.  Als  bedeut- 
sam stellt  sich  der  Gegensatz  heraus,  welchen  die  Bibel  macht  zwischen  rei- 
nen und  unreinen  Tieren,  jene  wurden  Symbole  des  Lichtes  und  diese 
Sinnbilder  der  Finsternis.'  Raubtiere  erscheinen  als  Repräsentanten  der  den 
Christen  feindlichen  Mächte ;  wehrlose  Tiere  dagegen  bezeichnen  die  bedrängte 
Christenschar:  diesen  Sinn  haben  alle  diejenigen  Darstellungen,  in  denen  Tiere 
mit  einander  kämpfend  oder  einander  verfolgend  abgebildet  werden ,  entspre- 
chend den  im  Oriente  alt  herkömmlichen  Darstellungen  von  Tierkämpfen,  als 
Symbol  des  ewigen  Kampfes  zwischen  dem  Reiche  des  Lichtes  und  der  Finster- 
nis, welche  sich  in  den  langwierigen  Kriegen  zwischen  dem  römischen  Kaiser- 
reiche und  dem  Morgenlande  weit  umher  verpflanzten  und  besonders  auf  ge- 
webten Stoffen  dem  Abendlande  als  Bildmotive  geläufig  wurden.^  Jagdscenen 
bedeuten  die  Bekehrung  der  Sünder:  die  gejagten  Tiere  charakterisieren  die 
einzelnen  Sünden;  die  Jagdhunde  sind  die  Bufsprediger ;  die  aufgestellten 
Netze  der  Glaube  und  die  Gottesverehrung.  ^  —  Besonders  bemerkenswert  ist 


^  Boissonade,  Anecd.  Gr.  IV,  460  ff.  —  Von  der  anderen  Seite  erhält  z.  B.  das 
Pferd  in  der  Clavis  des  Pseudo-Melito  neun  verschiedene  Deutungen:  Christi  Leib- 
lichkeit, die  Prediger,  die  Apostel  oder  Märtyrer,  die  Macht  des  Fleisches,  Zügellosig- 
kcit,  die  arge  Welt,  Stolz,  Ehre  dieser  AVeit,  die  rechte  Bereitschaft  für  das  Heil. 

'  Die  reinen  und  unreinen  Tiere  werden  schon  im  ürchristentume  (im  Briefe  des 
Bamabas  [Patres  apostolici,  ed.  Hefele,  24]  und  daraus  z.  B.  auch  bei  Clemens  von 
Alexandrien,  Sti'omata  2,  15  und  5,  8)  als  Symbole  der  Tugenden  und  Laster  aitfge- 
fafst,  und  namentlich  erscheint  jedes  einzelne  unreine  Tier  mit  Angabe  der  Gründe 
ausführlich  als  ein  bestimmtes  Laster  charakterisiert:  das  Schwein  als  Schwelgerei, 
der  Hase  als  unnatürliche  Unzucht,  die  Hyäne  als  Hurerei,  das  Wiesel  als  Unfläterci; 
Adler,  Habichte,  Raben  und  Geier,  in  eine  Klasse  geworfen,  als  die  ungerechtes  Gut 
verzehren  etc.  —  Dafs  diese  Sinnbildnerei  in  der  mittelalterhchen  Kunst  unzweifelhaft 
vorkommt,  was  Schnaase.  IV,  268  bestreitet,  beweisen  die  Lischriften  aiif  einem 
(nicht  mehr  vorhandenen)  Teppich  aus  dem  All.  Jahrh.  in  St.  Ulrich  und  Afra  zu 
Augsburg  mit  der  Darstellung  von  Lämmern  und  Wölfen:  Agnus  ut  est  animcU 
mundum,  sie  munda  figurat  etc.  Intel'  munda  lupuH  non  est  nee  munda  figurat  etc. 
Vergl.  Sighart,  Bayer.  Kunstgesch.,  205.  Wenn  am  Fufee  des  Taufsteins  im  Dome 
zu  Brandenburg  Bock,  Eber,  Bär,  Kameel,  Fuchs,  Hase,  Kaninchen  erscheinen, 
so  ist  ebenfalls  die  Deutung  dieser  um'einon  Tiere  auf  die  durch  die  Taufe  ausgetrie- 
benen Sünden  wohl  nicht  aozuweisen.  Freilich  ist  diese  Symbolik  keine  durchgehende; 
im  Physiolo^s  werden  z.  B.  der  Wiedehopf ,  der  Schwan,  der  Strauüs,  der  (3iaradrius 
und  die  Fulica,  obgleich  sie  nach  DI  Mos.  11  und  V  Mos.  14  unrein  sind,  was  auch 
der  Phys.  zum  Teil  ausdrücklich  bemerkt,  dennoch  als  Symbole  Christi  und  christ- 
licher Tugenden  gedeutet. 

3  Bock,  C.  P.,  in  den  Bonner  Jahrbüchern.  V.  u.  VI,  109  ff.  —  Springer,  Ant., 
in  den  Mitt.  C.-K.  V,  67—75. 

^  Herrad  im  Hortus  deliciarum  Fol.  35  v.:  in  sermone  cujusdam  Doctoris: 
Venatio  christianorum  conversio  est  peceatorum.  Hi  designantur  per  lepores,  per 
capreolos,  per  aproa,  per  cervos.  Lepores  siffnificant  incontentos  (weil  sie  sich 
monatlich  begatten);  capreoli  figurant  elatos  (sie  tragen  die  Homer  des  Stolzes  und 
des  Ehrgeizes);  apri  signant  dtvites  (mit  ihrem  Zahn  des  Geizes  und  der  Habgier); 
cervi  desiqnant  samentes  (die  vielen  Enden  ihres  (Geweihes  sind  die  Argumente,  mit 
denen  sict  die  Sopnisten  vei-teidigen). Canibus  eos  fugamurS,  qtuindo  vocepre- 


494  Tierbilder. 

Ruch  die  von  dem  CborgeetUhl  zu  Laodehat  S.2d6  N'.3  mitgeteilte  loachrift, 
in  welcher  die  Tiere  etc.  nur  im  allgemeinen  als  Repräsentanten  der  Natur 
aufgefafst  sind  ;  aU  solche 
dürfen  auch  wohl  die  echon 
in  den  Köpfen  der  alten 
Griechen  und  KCmer  spu- 
kenden fabelhaften  Men- 
Bchenraesen  (Antipodes, 
Äcephali,Cidipeditesetc.)i 
deren  ernsthafte  BeHcbrei- 
bung  sich  bis  in  die  Kosmo- 
graphien  des  XVI.  Jahrh. 
fortpflanzte,  zu  gelten  ha- 
ben.' —  Ferner  kommtin 
Betracht ,  dafa  die  Darstel- 
Fi,.  w.  K.pi,ii  Im  Dem.  »  M.sd.bu(  (nub  Brudi).         |„^g   heidnischer   Greuel 

durch  unreine  Tiere  in  der 
Vorhalle  des  Domes  zu  Magdeburg  (s.  Fig.  2!>6)  nach  Brandts  (a.  a.  0.) 
zutreffender  Annahme  durch  die  Gegen tl berste llnng  des  Spottbildes  auf  das 
Judentum,  der  Sau  an  wel- 
cher Juden    saugen   (Fig. 
257),   auf  .der   nördlichen 
Seite  unzweifelhaft  darge- 
than  ist.    Das  letztere  be- 
rüchtigte Bild'  verbreitete 
sich  sehr  weit  und  war  ge- 
gen das  Ende  des   Mittel- 
alters   besonders    beliebt; 
es   findet   sich   (anfser  zu 
Magdeburg):  aneinemChor- 
strebepfeiler  der  Kirche  zn 
Wimpfen  i.  Th.,    an    der 
Fi,.»7.  K.pia.in.D.m.«M.«d.b,.r,(«d,Br.nd.).        Stadtkirche     ZU    Wl^tteu- 
berg,  an  derNikolaikirche 
zn  Zerbst,  an  der  Ännakapelle  zu  Heiligenstadt,  am  Rathause  zn  Salz- 
barg  (ehemals),  im  Münster  zu  Basel,  an  einem  Konsol  im  sUdl.  Seitenschiffe 
der  Klosterkirche  zu  Heilsbronn,  im  Dome  zu  Regensburg,  in  der  Apo- 

diealorum  eog  terremu»,  —  ^  ad  retia  fidei  et  ad  cultutn  sacre  relürümi»  deduci- 
mu».  Nacli  Martin,  Melanges  d'archeol.  I,  122  bei  Heider,  Schun^bem.  183  f.  ~ 
DaCs  die  Jagdsceneoreliefs  in  den  KleinbögeD  des  Frie»es  an  der  Ap^tis  der  Abteikirche 
zn  Königslutter  aus  dem  XU.  Jahrh.  (Abb.  Mitt.  Baud.  Nieders.  I.  Bl.  12)  sym- 
bolisch Eemeint  seien,  wird  zwar  von  Schnaase.  IV,  274  bestritten  und  mag  ungewils 
sein,  scEeint  jedoch  nicht  nnzulälsig. 

■  aus'm  Wecrth,  Mosaikfulsboden.  2U;  Esseowein.  im  Anz.  G.  M.  I!$SO, 
Sp.  70  ff.  Ein  Kephalopodc  z.  B.  unter  den  Reliefs  von  MnrJenhnfe  (Abb.  Mit- 
hoff.  Vn,  143). 

'  Eckl.  a.  a.  0.,  No.  22  erklärt  das  Bild  genauer:  das  Schwein  Bild  des  in 
Materialiamns  Teraunkenen  Unglaubens,  dessen  Mich,  die  Juden  unter  Einflub  ihrer 
Rabbiner  einsangen. 


Tierbilder.  495 

tlieke  zu  Kehlheim  (lait  der  Inachrift:  'Anno  Dom.  IblS  jar  wurdest  die 
iuden  zu  Regensbury  ausge- 
schaffH),  im  Dome  zn  Frei- 
sing,  mit  der  Anfschrift:  "So 
wahr  die  Maus  die  Kutz  nü 
frisst,  wird  der  Jud  kein  wah- 
rer Vhrüit.-i  —  Ein  weiterer 
Schritt  war  dann  der,  AaX», 
wenn  mitteUlt«rliche  Dichter 
die  äaopiscIieD  Fabeln  mit  Bi- 
belstellen kommentierten,  der- 
gleiclien  Darstellungen  eben- 
falls in  die  christUclie  Kunet- 
symbolik  übergingen,'  wodurch 
das  neue  Moment  des  Humors 

hinzutrat,  der  sich  zuweilen  f^t-  »w-  ?''«■  ">"  d»'"  «n  Pmitrboni  (mch  Sshimm»!). 
bis  zu  derben  und  anstöfsigen 

Späfeen  vergars.^  Besonders  beliebt  waren  Daratellungen  im  Sinne  der  >Ver- 
kehrten  Welt«,  welche  die  Nachäffung  menschlicher  Thätigkeiten  durcli  Tiere 
zur  Anschauung  bringen,  und  zwar  nicht  nur  die  vielfach  vorkommende  des 
Jägers,  der  von  den  Jagdtieren  erlegt  ist,  sondern  auch  die  Nachäffung  des 
gesamten  Gottes  dien  st  es  durch  Tiere  unter  den  Bildern  zu  Marienhafe  und 
ehemals  im  Münster  zu  Strafsburg,'  oder  in  harmloserer  Weise  musikalische 
Produktionen  durch  die  gerade  unmusikalischsten  Tiere ,  z.B.am  Koroburger 
Leuchter  ein  Hase,  der  die  Ouitarre,  ein  Ungetüm  mit  ächweinskopf,  welches 
das  Organistnim  spielt,  und  ein  Hahn,  der  das  Hörn  bläst;  am  Dome  zu 
Paderborn  statt  dessen  eine  Sau,  welche  das  Hörn  bläst,  und  ein  Esel,  der 
die  Geige  spielt,  und  sonst  Affen,  Esel  und  Katzen  mit  Harfe,  Dudelsack  und 
anderen  Instrumenten  (vergl.  oben  S.  332),  Ein  schalkhafter  Humor  spricht 
sich  auch  aus  in  den  Reliefs  an  den  Brflstungen  der  steinernen  Emporen  in  der 
1525  vollendeten  Ännakirehe  zu  Annaherg,  wo  die  zehn  Lebensalter  beider 

'  In  deutschen  KjR'hcn  sind  die  Fabelliilder  im  allgemeinen  selten ;  sehr  viele 
waren  an  der  Kirche  zu  Marienhafei  Abb.  in:  die  alte  Kirche  zu  H.  Emden  1S45; 
Chr.  K.-B1.  1879,  53.  Mithoff.  Vn,  Taf.  3  u.  S.  142  f.  —  Dieselben  Daretellungen, 
wie  Fie.  !5S  auH  dem  Dome  zu  Paderborn  mitgeteilt  sind,  linden  sich  zum  Teil 
auch  als  Fries  unter  den  Mörtelzeichnungcn  am  Domkreuzgange  zu  Magdeburg;  die 
Fabel  vom  Wolf  und  Storch  auch  im  Kreuzgange  von  St.  Zeno  bei  Ricbenball,  Abb. 
Stacke,  deutsch.  Gesch.  I,  157.  —  Häufiger  sind  Darstellungen  aus  dem  mittelalter- 
lichen rtereiws,  dem  ßeincke  Fuchs  und  dem  Lupus  mouaohus,  namentlich  das  Bild 
der  kotzerischen  Irrlelirer:  der  Fuchs,  der  den  Gfinsen  oder  Hühnern  predigt,  so  am 
Fortale  des  Domes  zu  Brandenburg,  an  den  Chorschranken  der  Marionkirche  zu 
Wismar,  an  einem  Kragsteine  der  Burgkirche,  einem  SchluTssteine  und  einer  ge- 
stickten Altardecke  der  Katharinenkirche  zu  Lübeck  und  einem  Konao!  im  Kreui- 
gaoge  zu  Ebstorf.  Statt  des  Fuchses  auch  der  Wolf  in  der  Mönchskutte,  z.  B.  an 
einem  Wiener  Hause  und  in  einem  Fabelbuch  zn  Fulda,  und  derselbe  in  dor  Schule 
am  Münster  zu  Freibnrg  (Abb.  Moller.  H,  19-  Cahier  u.  Martin,  melanges.  L 
Taf.  XXIV)  und  auf  einem  Schweizer  Backsteinrelief  (Abb.  Anz.  f.  Schweizer  Alter- 
tumskunde ISSI,  Taf.  X,  6).  —  Vergl.  auch  Wigger,  Spuren  derliereago  auf  mittel- 
alterüchen  Siewln,  in  Mecklenb.  Jahrbb.  XXXVlfi,  209  ft. 

»  Vergl.  Cnampfleurj-.  bist,  de  la  carricature  au  moi-en-Sge.   2.  Anfl.  1676. 

*  Kraus.  I.  474  ff. 


496  Tierbilder. 

Geschlechter  vom  10.  bis  zum  100.  Jahre  bei  dem  Manne  durch  ein  vierfüfsiges 
Tier,  bei  dem  Weibe  durch  einen  Vogel  charakterisiert  werden.* 

Der  Mann  von  10  Jahren  durch  das  Kalb,  das  Weib  durch  die  Wachtel, 

-  20  -  -  den  Bock,  ...        -     Taube, 

-  30  -  -        -    Stier,  .        -         -        -     Elster, 

-  40  -  -        -    Löwen,  -        -  -  den  Pfau, 

-  50  -  -        -    Fuchs,  -        -  •  die  Henne, 

-  60  -  -        -    Wolf,  -        -  -        -     Gans, 

-  70  -  -        -    Hund,  -        -  -  den  Geier, 

-  80  -  -  die  Katze,  -        -  -  die  Eule, 

-  90  -  -  den  Esel,  -        -  -        -     Fledermaus, 

-  100      -  -        -    Tod.        -        -         -      den  Tod. 

Der  Vorliebe  des  Spätmittelalters,  dergleichen  volksmäfsige  und  ungeist- 
liche, ja  für  unser  Gefühl  anstöfsige  Darstellungen  unter  den  Sitzbrettem  der 
Chorstühle  im  Versteck  anzubringen ,  ist  schon  S.  286  Erwähnung  geschehen : 
es  bleibt  dabei  vielleicht  auch  zu  beachten,  dafs  die  Miserikordien  für  die 
membra  inhonestiora  des  Körpers  bestimmt  waren.  Wie  sich  denn  auch  der- 
gleichen hauptsächlich  an  den  zu  den  unansehnlichsten  Diensten  bestimmten 
Wasserspeiern  und  an  den  Konsolen  für  Gewölbedienste  und  Statuen  findet 
Dafs  Satire  nicht  ausgeschlossen  war,  beweist  die  S.  287  mitgeteilte  Inschrift 
aus  Fr  ei  sing.  Indessen  finden  sich  hier  unglaubliche  Unsauberkeiten,  beson- 
ders auch  in  den  Randzeichnungen  und  Initialen  von  Bibelhandschriften  und 
Gebetbüchern  des  späteren  Mittelalters  u.  zw.  nicht  etwa  nur  in  denen  fran- 
zösischer Grofsen,  sondern  z.  B.  auch  in  der  Bibel  des  Kaisers  Wenzel  u.  s.  w. 

Endlich  ist  einer  mehrfach  vorkommenden  Darstellung  zu  gedenken,  wo- 
nach die  personificierten  Tugenden  und  Laster  auf  charakteristisch  gewählten 
Tieren  reitend  im  Kampfe  miteinander  erscheinen;  so  schon  bei  Herradis 
(Engelhardt  8.  42 — 44)  als  gewappnete  Frauen,  die  Tugenden  mit  Schwer- 
tern (das  göttliche  Wort),  die  Laster  mit  Speeren  (die  Stachel  der  Anfechtung) 
kämpfend,  z.  B.  die  superbia  auf  dem  Pferde  mit  Löwenfell  (s.  Fig.  259),  die 
sordilas  auf  dem  Schwein,  die  violenüa  auf  dem  Bären ,  die  rapacitcts  auf  dem 
Wolfe.  Ähnlich  werden  in  Wandmalereien  der  Jakobskirche  zu  Leu  tschau  in 
Ungarn  aus  dem  Ende  des  XIV.  Jahrh.  die  sieben  Todsünden  —  immer  ein 


'  Waagen,  Kunstwerke  und  Künstler.  I,  30.    Die  Symbolisierung  der  Mensehen-  , 

alter  durch  charakteristische  Tierbilder  findet  sich  bereits  auf  einem  im  Besitze  von  ' 

T.  0.  Weigel  in  Leipzig  befindlich  gewesenen,  in  Briefdruckerweise  kolorierten  Holz- 
schnitte von  1482;  doch  ist  hier  nur  das  männliche  Geschlecht  berücksichtigt: 

Zehen  (t)  ar  ein  kint  ein  kyz. 

Zwentzig  iar  ein  Jugling  ein  kalb. 

Dreissig  iar  ein  mZi  ein  styr. 

Virtzig  iar  wolgetan  ein  lew. 

Fünfzig  iar  stÜlstand  ey  fudift. 

Sechtzig  iar  abgan  ey  wolf\ 

Siebentzig  iar  aie  sele  bewar  ey  hunt. 

Achtzigk  iar  der  weit  tor  ein  kaz. 

Newnzig  iar  der  kinder  spot  ein  esel. 
Hunde  .  .  iar  nu  .  gnad  dir  got    ey  gans. 

Vergl.  V.  Aufsefs,  Anzeiger  für  Kunde  des  deutschen  Mittelalters.  I,  Sp.  253  u.  300.  I 

II,  Sp.  13  f.  79  XL.  183.  —  Wackernagel,  W.,  die  I/)bensalter.  1862. 


Mftnn  und  eine  Frau  —  reitend  dargeBtetlt:  die  Trägheit  anfeinem  Beel,  der 
Zorn  auf  einem  BSren ,  der  Neid  anf  einem  Hunde  mit  einem  Knochen  im  Manie, 
die  Unkenschheit  anf  einer  Ban,  die  Völlerei  auf  einem  Fuchs  mit  einer  Oaua 


Flg.  Ha.    SnpirblB  tat  dem  Hortna  delletirum  dar  B«md  (nuh  Enielhardt). 

im  Rachen,  der  Geiz  auf  einer  Kröte,  die  Hoffart  ist  zerstört.  (Ahb.  Mitt  C- 
K.,  VII,  304).  Ganz  heraldisch  kommen  dergleichen  Tierbilder  auf  Schilden 
BOlcher  PerBonifikationen  vor  z,  B.  am  Nordportal  des  Domes  von  Chartres: 
ein  Löwe  auf  dem  Schilde  der  Fortiludo,  drei  Fische  auf  dem  Schilde  der 
Sanilas,  zwei  nach  einander  umsohanende  Tanbenpaare  auf  dem  Schilde  der 
Amiciiia^  etc.;  ferner  sehr  ausfahrlich  auf  einem  gewirkten  Teppiche  vom 
Ende  des  XIV.  Jahrh.  im  FUrBteoBaal  zu  Regensbnrg,  wo  die  Laster  anf  ver- 
schiedenen Tieren  zu  einem  Tnrniero  reitend  mit  Tiergeatalten  auf  Schilden, 
Fahnen,  Helmen  etc.  dargestellt  werden:  der  Stolz  zu  Pferde,  der  Geiz  auf 
einem  Wolfe,  die  Unkenachheit  auf  einem  Bären  mit  einem  Hahn  anf  dem 
Helme ,  der  Zorn  auf  einem  Eber  (Hnnd ,  Eule  nnd  Igel  *  als  Attribute),  die  Ge- 
frsrsigkeit  anf  einem  Fuchs  (mit  Rabe,  Adler  und  gebratenem  Hahn),  die  Un- 


t.  KimM-Archliologl«.   b.  t 


498  Tierbilder.    Pflaazensymbolik. 

stätigkeit  auf  einem  Esel  (mit  StraafSy  Affe  und  Krebs),  der  Hafs  auf  einem 
Dracben  (mit  Skorpion ,  Fledermaus  and  Schlangen);  die  von  Engeln  geleiteten 
Tugenden  erscheinen  mit  folgenden  Attributen:  die  Keuschheit  mit  der  Taube 
und  dem  Einhorn,  die  Geduld  mit  Lamm  und  Papagei,  die  Mäfsigkeit  mit  einem 
Lamm  im  Feuer  auf  dem  Schilde  und  einem  Fisch  in  der  Fahne,  die  Stätigkeit  mit 
dem  Hirsch,  dem  Phönix  und  der  Henne  auf  dem  Neste,  die  Liebe  endlich  hat 
eine  Löwin  mit  ihren  Jungen  auf  dem  Schilde  und  einen  Baum  mit  sechs  Vögeln 
auf  der  Fahne  J  Die  Darstellungen  dieses  Teppichs  finden  sich  auch  mit  aller- 
lei Variationen  in  einem  spätmittelalterlichen  Schriftchen,  das  sich  als  eine 
Anleitung  zur  Beichte  fttr  Vornehme  ritterlichen  Standes  darstellt,  und  von  dem 
drei  bis  auf  einige  Differenzen  in  den  fabelhaften  Tiernamen  völlig  überein- 
stimmende Exemplare  im  Stifte  6  Ott  weih  unter  den  Namen  ^Note  wider  den 
Tet^ei<^  aus  der  Mitte  des  XV.  Jahrh.  (herausgegeben  von  J.  V.  Häufler  im  Archiv 
f.  Kunde  österr.  Geschichtsquellen,  V,  583  —  606),  im  Stifte  Lambach  unter  dem 
Namen:  der  gehi/sen  spiegele  zwischen  1355  und  1382  von  einem  Prediger  zu 
Amberg  für  einen  Herrn  von  Scharffeneck  geschrieben  (vergl.  Schmieder,  zur 
Symbolik  im  XIV.  Jahrh.  im  Anz.  G.  M.  1868,  Sp.  326  ff.)  und  ehemals  in  der 
Collectio  Weigeliana,  ca.  1470  für  einen  städtischen  Patricier  geschrieben 
(No.  284  der  Sammlung,  beschr.  von  Zestermann,  ü,  153  mit  Abb.  einiger  der 
Bilder,  welche  diese  Handschrift  auszeichnen),  sich  erhalten  haben.  Hier  sind 
sämtliche  Tierbilder  in  einer  meist  dem  Physiologus  entsprechenden,  aber  auch 
denselben  vielfach  ergänzenden  Weise  nach  ihrer  symbolischen  Bedeutung 
erläutert. 

Hinter  allen  Tiergestalten,  wo  sie,  wie  so  oft,  in  Arabeskenzügen  er- 
scheinen ,  eine  tiefere  Bedeutung  suchen  zu  wollen ,  hiefse  zu  weit  gegangen. 

Anmerkung  2.  Weniger  ausgebildet  als  die  Tiersymbolik  ist  im  Abend- 
lande die  der  Pflanzen  und  Blumen,  abgesehen  von  den  häufig  vorkommen- 
den Lilien  und  Rosen.  Nach  dem  Gerüche  deutet  Honorius  von  Autun  im  Spe- 
culum  ecclesiae  (ed.  Migne,  Patrol.  CLXXII,  1018)  in  Anlehnung  an  I  Mosis 
27,  27  eine  Anzahl  von  Blumen  auf  die  Chöre  der  Heiligen  und  ihre  Tugenden: 
T^Ager  plenus  est  totus  mundus  odore  sanctonun  repletus.  Diversi  flores  sunt 
diversi justorum  mores.  Ex  qtäbus  patriarchae  ut  flos  narcissus  fide  ver- 
nahanty  prophetae  ut  jacincius  spe  coruscabant,  apostoli  velut  palmites 
de  Vera  vite  pullulantes  uvae  florem  caritafe  praeferehant,  martyres  por- 
cientia  ut  rosa  candebant,  confessores  ut  crocus  sapientia  fuigebant,  vir- 
gines  castitate  ut  lilium  nitebant^  monachi  purpuream  regni  kumilitatem  ut 
Viola  praemonstrahani y  coiyugaä  aliique  fideles  per  alios  flores  expressi  in 
virtutibus  radiabants 

Anmerkung  3.  Die  in  deutschen  Kirchen  nur  selten  vorkommenden 
aus  heidnischen  Mythen  und  Dichtem^  (z.  B.  Pyramus  und  Thisbe  im  Domchore 

«  Kunstbl.  1846,  166. 

>  Die  Wölfin  mit  Romulus  und  Bemus  kommt  weder  im  Kreuzgange  des  Domes 
zu  Brandenburg,  noch  am  Turme  zu  Rottweil  vor;  die  Notiz  bei  Piper,  Myth.  I,  444 
beruht  auf  irrigen  Mitteilungen.  —  Über  bildl.  Darstellungen  aus  der  Alexandersage 
verd.  Meifsner,  A.  L.,  im  Archiv  f.  Stud.  d.  neuer.  Sprach.  LXVin.  2,  177 — 190. 
Dietrich  von  Bern  kommt  als  Ketzer  zum  Teufel  gejagt  an  St.  Zeno  in  Verona  vor, 
vergl.  Stacke,  deutsche  Gesch.  I,  125,  auch  zu  Basel  im  Münsterchore. 


Allegoiisclie  DarsteHungen.  499 

zu  Basel)  und  aus  mittelalterlichen  Ritterromanen  (z.  B.  Aristoteles,  auf  dem 
Alexanders  Geliebte  Kampaspe  reitet,  ans  dem  sog.  Lai  d^Aristote;  Virgil, 
den  eine  römische  Dame  in  einem  Korbe  an  einem  Fenster  aufgehängt  hat, 
nach  einer  Novelle  in  Johann  vonEybMargaritha  philos.;  vergl.  Schnaase, 
IV,  271)  entnommenen  Bilder  gehören  mit  den  alttestamentl.  Parallelen  (Sim- 
sen und  Delila,  David  und  Bathseba,  Salomon  und  seine  Frauen)  einem  mora- 
lischen Bildercyklus  an,  der  in  mönchischer  Tendenz  den  unheilvollen  Einfluls 
der  Frauen,  im  Sinne  des  späteren  Mittelalters  die  Allmacht  der  Liebe  zur 
Darstellung  bringt.  Auch  sonstige  aus  diesen  Kreisen  entnommene  Bildmotive 
haben  moralische  Tendenz.  So  kommt  an  den  Miserikordien  der  Chorsttlhle 
des  Domes  zu  Magdeburg  auch  die  bekannte  Geschichte  von  der  Tochter  vor, 
die  ihrem  im  Gefängnisse  schmachtenden  Vater  durch  Darreichung  ihrer  Brust 
das  Leben  fristet.  —  Die  an  den  Gestühlen  zu  Kleve,  Emmerich  und 
Kaikar  sich  wiederholende  Darstellung  eines  Eier  dreschenden  Mannes  harrt 
noch  der  Erklärung. 

89.  Die  allegorischen  Darstellungen  zerfallen  in  zwei  Haupt- 
klassen; erstlich  die  biblischen,  von  denen  weiter  unten  (§  90  b)  die  Rede 
sein  wird,  und  zweitens  die  aus  dem  klassischen  Heidentum  überkom- 
menen oder  willkürlich  ersonnenen.  Allegorien  der  letzteren  Klasse 
sind  zwar  seltener,  konunen  jedoch  schon  in  den  ältesten  Zeiten  der 
mittelalterlichen  Kunst  vor  und  bestehen  gewöhnlich  aus  einzelnen 
Figuren,  welche,  mit  bezeichnenden  Attributen  versehen,  Personifika- 
tionen teüs  physisch -mythologischer  Vorstellungen,  teils  ethischer  Be- 
griffe ohne  mythologische  Beziehungen  darstellen. 

Personifikationen  physisch-mythologischer  Art.^  Die  Erde 
in  weiblicher  Gestalt  mit  verschiedenen  Attributen  (Kinder,  aber  auch  Tiere, 
besonders  Schlangen,  die  an  ihren  nackten  Brüsten  saugen;  ein  Füllhorn  in 
der  Hand).  —  Das  Meer,  seltener  in  weiblicher,  meist  in  männlicher  Ge- 
stalt, mit  der  UrnC)  aus  welcher  Wasser  strömt,  dem  Kopfe  eines  Seetieres, 
einem  Fische,  selten  mit  dem  Dreizack  in  der  Hand.  —  Sonne  und  Mond, 
besonders  bei  der  Kreuzigung  (s.  Stahlstich  zu  S.  175  und  Fig.  289) 

Igneus  sol  obscuratur  in  aethere, 
qma  soljtisüUae  patitur  in  cruce; 
Eclypsin  patitur  et  hma, 
quia  de  morte  Christi  dolet  ecclesia;^ 

beide  als  geschlechtslose  Kinder  auf  den  Extersteinen,  gewöhnlich  nach 
antiker  Darstellung,  die  Sonne  männlich,  der  Mond  weiblich,  jedoch  auf 
einem  Elfenbeinrelief  in  der  K.  Bibliothek  zu  Dresden  der  Mond  mit 
Bart  und  die  Sonne  bartlos.  Sie  halten  entweder  ihre  Scheiben  (die  der 
Sonne  strahlend,  die  des  Mondes  einfach  rund)  in  den  Händen  oder  tra- 
gen sie  nimbenartig  um  den  Kopf,  der  Mond  auch  zuweilen  ganz  nach 
Weise  der  Diana  die  Sichel  über  der  Stirn.  Zuweilen  haben  sie  auch 
Fackeln  in  den  Händen,  oder  die  Sonne  einen  Stab,  an  dessen  Spitze  ein 

*  Ausführlich  behandelt  yon  Piper,  Myth.  ü. 
»  Ebd.,  155. 

32* 


500  Physische  und  ethische  Personifikationen. 

grofses  S  befestigt  ist,  einigemale  erscheinen  sie  in  voller  mythologischer 
Ausstattung  auf  Wagen ,  die  Sonne  mit  4  Rossen  {quadriga  solis)  der  Mond 
mit  2  oder  4 Rindern  {higa  lunae).  —  Die  Flüsse  als Flufsgötter,  eine  Urne 
ausgiefsend  (s.  auf  dem  Stahlstich  zu  S.  175  die  4  Paradiesesflüsse).  — 
Während  diese  Personifikationen  hauptsächlich  dem  früheren  Mittelalter  bis 
ins  XIII.  Jahrb.  angehören ,  erscheinen  die  Winde  das  ganze  Mittelalter 
hindurch  als  in  der  Luft  schwebende  blasende  Köpfe.  —  Figürliche  Dar- 
stellungen der  4  Jahreszeiten  und  der  4  Elemente  sind  selten.  Am 
Deckengewölbe  des  Altarraums  der  Nikolaikapelle  zu  Windisch-Matrei  er- 
scheinen letztere  als  nackte  Gestalten,  das  Feuer  rot  mit  einer  Flamme,  das 
Wasser  grün  mit  einem  Fische,  die  Erde  braunrot  mit  einem  Lämmchen  und 
die  Luft  blau  mit  einer  kugelförmigen  Wolke  je  in  einer  Hand.  Sehr  be- 
merkenswert ist  die  Darstellung  des  Annus  auf  einem  gestickten  Humerale 
des  XIII.  Jahrh.  aus  dem  Reliquienschreine  der  Gebrüder  Ewald  in  St.  Kuni- 
bert zu  Köln:  in  ein  Viereck  sind  drei  koncentrische  Kreise  gespannt;  im 
innersten  sitzt  auf  einem  Regenbogen  eine  bekleidete  bärtige  Figur  mit  der 
Beischrift  annus j  die  in  der  rechten  Hand  einen  weifsen  Kopf  mit  Strahlen- 
kranz dies  hält,  in  der  linken  einen  gleichen  mit  roter  Krone  nox]  der  Kreis 
dahinter  ist  durch  ein  grades  und  ein  schräges  goldenes  Kreuz  in  8  Teile  ge- 
teilt, am  Querbalken  des  graden  zu  beiden  Seiten  je  2  flammende  Räder; 
in  dem  äufseren  Kreise  befinden  sich  den  Enden  der  8  Kreuzesarme  ent- 
sprechend 8  Kreise,  mit  Brustbildern  ohne  Symbole  aber  den  beigeschriebe- 
nen Namen  am  graden  Kreuze:  aer^  ignis^  terra,  aqua,  am  schrägen: 
autumnus,  estas,  ver^  hiemps;  in  den  vier  Eckzwickeln  unten  Neptumis  und 
TfiHus,  oben  die  mit  dem  Kreuze  gekrönten  A  und  fi.  •  —  Länder  und 
Städte  finden  sich  in  Miniaturen  des  IX. — XU.  Jahrh.  als  weibliche  Figuren 
mit  bezeichnenden  Attributen  in  der  Hand,  z.  B.  einem  Füllhorn,  Städte 
mit  der  Mauerkrone  auf  dem  Haupte. 

Ethische  Personifikationen:  Die  Haupttugenden  und  die  ent- 
gegengesetzten Laster^  als  weibliche  Figuren.  Beispiele:  Auf  dem  Titel- 
blatt einer  dem  IX.  Jahrh.  angehörigen  Bibelhandschrift  in  der  Calixtus- 
kirche  zu  Rom  sind  unter  andern  vier  weibliche  Figuren  dargestellt,  deren 
Deutung  durch  eine  Inschrift  gegeben  wird:  die  Klugheit  mit  aufge- 
schlagenem Buche;  die  Gerechtigkeit  mit  der  Waage;  die  Mäfsigkeit 
in  bescheidener  Gebärde;  die  Tapferkeit  mit  Speer  und  Schild.'  — 
An  dem  im  italienischen  Geschmack  ausgeführten  (ob  gleichzeitigen?)  Hoch- 
grabe des  Papstes  Clemens  II.  (t  1047)  im  Dome  zu  Bamberg  befinden 
sich  allegorische  Reliefs  weiblicher  Gestalten,  die  ebenfalls  auf  die  Kar- 
dinaltugenden gedeutet  werden:  eine  sitzende,  die  einem  Löwen  den 
Rachen  aufreifst  (Stärke),  eine  die  einem  Drachen  die  Gurgel  zudrückt 
(Klugheit),   eine  mit  Schwert  und  Waage  (Gerechtigkeit)  und  eine 


*  Vergl.  Anz.  G.  M.  1879.  Sp.  341.  —  Von  den  vier  Bronzofigürchen  aus  dem 
Bamberger  Domschatze  im  Bayr.  Nat.-Mus.  zu  München  hat  die  &de  eine  Schlange 
an  der  Brust  mit  der  Inschrift  terra  stat,  das  Wasser  einen  Krug  unda  fluit,  das 
Feuer  {ignis  adurit)  und  die  Luft  (aer  fofet)  haben  wenigstens  jetzt  keine  Attribute 
mehr.    Abb.  Förster,  Bildnerei.  lA  zu  S.  29. 

*  Zur  bildl.  Darstellung  der  Tugenden  und  anderer  abstrakten  Gegenstünde,  im 
Kirchenschmuck.   1864.  Heft  4. 

3  V.  Hefner,  Trachton.  I.  Taf.  37  u.  S.  54. 


Synagoge  und  fioclesia. 


501 


die  aus  einem  Kruge  Wasser  in  einen  andren  (Wein-)Krng  giefst  (Mäfsig- 
keit).^  Auf  dem  Reliqnienschreine  der  h.  Amalberga  aus  dem  XII.  Jahrh. 
zu  Süsteren  in  Holl.  Limburg  ist  einer  ebensolchen  Figur ,  wie  die 
letzte,  ausdrücklich  Temperantia  beigeschrieben ,  während  Prudentia  in 
der  einen  Hand  eine  Schlange,  in  der  anderen  eine  Taube  (Matth.  10,  16) 
trägt. ^  Zuweilen  werden  alle  vier  zusammen,  namentlich  an  Gewölbekreu- 
zungen (z.  B.  im  Eingang  der  Ritterkapelle  zu  Hafsfurt  a.  Main)^  durch 
einen  nur  mit  einem  Schurze  bekleideten  Riesen  dargestellt,  der  wie  der 
gekreuzigte  h.  Andreas,  ausgestreckt  in  Händen  und  Füfsen  Waage,  Krug, 
Löwen  und  Schlange  trägt.  —  Die  Tugenden  treten  oft  die  entgegengesetz- 
ten Laster  uuter  die  Füfse :  Enthaltsamkeit  tritt  auf 
die  Üppigkeit,  Freigebigkeit  auf  den  Geiz,  Güte  auf 
den  Neid,  forütudo  auf  die  paupertas  etc.^  Am  süd- 
westlichen Nebenportal  des  Münsters  von  Strafs- 
burg  treten  die  sieben  Werke  der  Barmherzigkeit 
auf  die  sieben  Todsünden,  und  die  vier  Kardinal- 
tugenden auf  den  Gegensatz  der  letzteren.^  —  Sehr 
häufig  sowohl  auf  Kreuzigungs-  als  auf  Weltgerichts- 
bildern, namentlich  neben  den  klugen  und  thörich- 
ten  Jungfrauen  an  Kirchenportalen  ist  die  Gegen- 
überstellung der  Synagoge  und  der  Ecclesia, 
erstere  mit  verbundenen  Augen,  abfallender  Krone, 
der  Rute  Aarons  oder  einem  zerbrochenen  Speere, 
Bock  und  Messer,  halb  zusammensinkend,  letztere 
gekrönt  mit  Kelch  und  Kreuzsiegesfahne,  in  trium- 
phierender Haltung,  häufig  auch  die  erstere  auf  einem 
Esel,  die  letztere  auf  dem  Tetramorph  reitend.  Am 
Südportal  des  Domes  zu  Worms  steht  die  Synagoge 
mit  dem  Böcklein,  über  ihr  eine  Figur,  die  in  der 
Linken  ein  Salbgefäfs  trägt  und  mit  der  Rechten  zwei  vor  ihr  Knienden  ein 
Gewand  reicht  (die  werkthätige  Liebe  mit  dem  rechten  Opfer  der  Barmherzig- 
keit) ;  ihr  gegenüber  ein  gekröntes  Frauenbild  mit  verzerrten  Zügen  und  auf- 
getriebenem Leibe  während  auf  ihrem  Rücken  Kröten,  Frösche  etc.  herum- 
kriechen, die  rechte  Hand  hängt  schlaff  herunter,  zu  der  eine  kniende 
weibliche  Figur  bittend  heraufreicht,  am  Konsol  ein  Bock,  der  Trauben  ab- 
frifst  (das  Heidentum  oder  die  Häresie) ;  über  dieser  eine  gekrönte  Figur 
mit  Buch  und  Pfeil  (des  göttlichen  Wortes  nach  Jesaias  49 ,  2  =  der  rechte 
Glaube);  endlich  am  Tympanon  die  Ecclesia  auf  dem  Tetramorph.^  —  Die 
Gestalt  eines  jugendlichen  Weibes,  hinten  von  Würmern  zerfressen  (der 
Welt  Lohn)^  findet  sich  auch  am  Dome  zu  Basel  und  an  St.  Sobald  zu 


Flg.  960.    Au  einem  Stutt- 
garter Psalter,  um  ISOO 
(nach  Piper). 


»  Cahier  et  Martin,  Melanges  d'arch.  lY.  Taf.  29. 

'  von  Fisenne,  Kunstdenkm.  des  Mittelalters.  I,  4,  Bl.  1  u.  4. 

'  Becker-  v.  Hefner.  I.  Taf.  44. 

*  Adelung,  die  korssunschen  Thüren,  29. 

*  Waagen,  Kunstwerke  u.  Künstler.  11 ,  339. 

*  Fr.  Schneider,  d.  allegor.  Skulpturen  am  Südportale  des  Wormser  Doms,  im 
Anz.  G.  M.  1870.  Sp.  152  ff. 

'  Yergl.  das  gleichnamige  Gedicht  Konrads  von  Würzburg  und  das  Progjramm  von 
F.  Sachse  unter  diesem  fitel  (Berlin  1857);   auch  W.  Wackernagel,  in  Haupts 


502  Zeitkreia«  und  Oluckaiftder. 

NflrDber^,  wihreDd  tm  MQneter  zn  Strarsburg'  nnd  Freibnrg  i.  B.  zu 
den  thörichten  Jungfrauen  (wie  za  den  klugen  ChrietuB)  der  SaUn  in  Gestalt 
eine«  eleg&nt  gekleideten,  aber  auf  dem  Rflcken  von  Schlangen  zernagten 
Junkers  gesellt  ist,  der  ihnen  liebelnd  einen  Apfel  Torhftlt.  —  Die  Eitelkeit 
erscheint  als  eine  geputzte  jnnge  Dame,  derTenfelchen  die  Toilette  machen, 
z.  B.  in  einer  französischen  Miniatnr  des  XIV.  Jahrh.  bei  Champfleary 
a.  a.  0-,  185.  —  Zur  Zeit  der  wieder  erwachenden  Antike  erweitert  sich  in 
krausester  Hischnng  mit  biblischen  Typen  der  Kreis  der  frei  eraonnenen 
Allegorien  bedeutend,  und  dergleichen  Darstellungen  (wie  z.  B.  mehrere 
Figuren  an  dem  äebaldnsgrabe  zn  Nflrnberg)  zn  deuten,  ist  lediglieh  eine 
Rataelanfgabe  für  den  Scbarfsinn.  * 

Anmerkung  1.  Darstellungen  derZeitkreise'  finden  sich  vomehmlieb 
in  mittelalterlichen  Miniaturen ;  an  Kirch engebäuden  (z.  B.  am  Westturm  der 
Kirche  zn  Brauweiter,*  am  nord- 
westl.  Nebenportal  des  Hflnstera  zn 
Strafsburg  und  Öfter  in  Frankreich) 
kommen  nur  die  zwOlf  Zeichen  des 
Tierkreises  und   die  den  einzelnen 
Monaten  entsprechenden  ländlichen 
Beschäftigungen  vor ;  an  einer  SSule 
zu  Nienburg  a.  d.  S.  befinden  sieb 
die   zwölf  Himmelszeichen  zu   den 
Fafsen  der  die  Monate   darstellen- 
den, mit  Attributen  versehenen  männ- 
lichen   Figuren.     Häufiger    ist    in 
Deutschland  (z.  B.  anderFa^adedes 
Domes  zu  Basel)  die  ebenfalls  zu- 
erst in  Miniaturen  vorkommende  Dar- 
stellung eines  sich  drehenden  Rades, 
in  dessen  Speichen  Figuren  auf-  nnd 
X—  »  B«.!  (Wh  pip..).    absteigen,  ala  Allegorie  des  Wech- 
sels der  Zeit  und  des  GlQcks  (daher 
QlUcksrad  genannt.    Ingold  in  seinem  >Goldnen  Spiel*  (Augsburg  1472.  Bl. 
7  a)  beschreibt  ein  solches  Glflckarad :  Der  /cüng  soll  gemait  han  in  sein  sal  ein 
ring,  zu  oberest  ist  ein  küng,  der  siezt  in  seiner  maiestat  vnd  spricht  ich 
reichsten  (anderwärts  regno).    Zu  der  linken  Hand  einer  velt  herab  und 
spricht  ich  han  gereickssnet  (regnavi)  vnd  zu  der  rechten  hand  einer 
der  fert  hin  catff  vnd  spricht  ich  will  reichsen  (regnaho).    So  leut  einer 


Zeitflchr.  für  dmit.  Altert.  IV,  153;  femer  Fnra  Welt  bei  Wimt  von  Oravenbeif  in 
V.  d.  Hagen,  Oesamtabenteuer.  I,  64  und  Walther  v.  d.  Vogelweide  ed.  I^chmaim. 
m,  100,  Btrophe  4. 

<  Abb.  Erans.  I,  466. 

'  Im  XVU.  Jahib.,  namentlich  in  der  durch  Überfülle  erdrückenden  Kaust  der 
Jesuiten,  artet  anch  die  Allegorie  bis  znm  ÜbermaTee  ans;  rerel.  z.  B.  Picinetti, 
mnuduB  symbobcna;  Menestrier,  philoeophia  imsginum:  Maeenius,  specaluni 
imaginnm;  v.  d.  Eetten,  Apellea  symbobcus  n.  dgl.  m.  Vergl.  v.  Radovitz,  Oe- 
sammelte  Schriften.  1 ,  294  S. 

■  Piper,  MyÜ).  U,  311—409. 

•  Abb.  ans'm  Weerth.  Taf.  U,  7. 


Tod  und  Totentanz.  503 

vnden  an  den  rücken  vnd  spricht  ich  bin  on  reich  (sum  sine  regno).  In  an- 
deren Darstellungen  erscheint  diese  Allegorie  in  christlicher  Umdeatnng :  im 
Mittelpunkte  Christus  (ßeus  in  rota)j  zwischen  den  Speichen  die  Propheten 
und  Evangelisten  etc.,  als  Symbole  des  Bleibenden  mitten  im  Wechsel  der  zeit- 
lichen Dinge.  ^ 

Anmerkung  2.  Der  Tod'  erscheint  vor  dem  XIV.  Jahrh.  in  allegori- 
scher Auffassung  (nach  Hieb  5,  26;  Jerem.  9,  22)  als  Ackersmann ,  der  den 
Garten  des  Lebens  jätet  oder  im  Walde  einen  Baum  nach  dem  anderen  umhaut, 
(der  »Holzmeier«  heifst  er  bei  Geiler  von  Kaisersberg) ,  auch  als  Jäger  zu  Fufs 
oder  zu  Rofs  mit  dem  Bogen  auf  den  Menschen  zielend  tritt  er  auf,  als  Schach- 
spieler ehemals  auf  einem  Gemälde  im  Ereuzgange  des  Strafsburg  er  Münsters 
von  1480.'  In  der  ältesten  Darstellung  in  einem  Wormser  Missale  aus  dem 
IX.  oderXI.  Jahrh.  jetzt  in  der  Bibliothek  des  Arsenals  zu  Paris  (vergl.  Didron, 
iconographie,  806)  ist  er  ein  schmutziger  zottelhaariger  Alter  im  Bettlergewand, 
weder  ganz  Leiche  noch  ganz  Skelett,  der  von  Christo  an  der  Kette  gehalten  wird 
und  dem  Flammen  aus  dem  Munde  fahren,  weil  ihm  Christus  die  Lanze  in  den 
Schlund  stöfst.  Diese  Gestaltung  als  ein  Leichnam  im  Zustande  der  äufsersten 
Abmagenmg  bleibt  im  Mittelalter  die  allgemeine.  Das  blofse  Gerippe  mit  Sense 
und  Stundenglas  gehört  erst  dem  Eindringen  der  Renaissance  an.  Die  in  Italien 
(/a  morte)  gewöhnliche  Darstellung  in  weiblicher  Gestalt  (z.  B.  in  dem  berühm- 
ten Triumph  des  Todes  zu  Pisa)  ist  Deutschland  gänzlich  fremd.  — Vermutlich 
damals,  als  die  grofse  Pest  zu  Anfang  des  XIV.  Jahrh.  wütete,  entstand  eine 
dramatisierte  Dichtung  vom  Tanze  des  Todes :^  eine  Reihe  meist  vierzeiliger 
Versabsätze,  die  einen  regelmäfsig  wechselnden  Dialog  zwischen  dem  Tod  und 
je  einer  Person  von  immer  anderem  Stand  oder  Alter  bilden,  und  zwar  waren 
es  ursprünglich  24  Personen  (Papst,  Kaiser,  Kaiserin,  König,  Kardinal,  Erz- 
bischof, Herzog,  Bischof  etc),  und  die  Reden  und  Gegenreden  nehmen  in  bitte- 
rer Ironie  ihren  Inhalt  von  dem  her,  was  die  Grundanschauung  des  ganzen 
Gedichtes  ist,  von  dem  Tanz,  an  den  Jeder  müsse,  und  der  ihn  begleitenden 
Musik.  Die  letzte  Person  ist  das  Kind:  owe^  liehe  muoter  min!  ein  swarzer 
man  zuchi  mich  da  hin,  wie  wiltu  mich  also  verlän  ?  muoz  ich  tanzen,  und  kam, 
nicht  gän!  (Quellen  u.  Forschungen,  I,  128  f.).  Ob  eine  Aufführung  dieser  Dra- 
matisierung stattgefunden,  ist  unbekannt,  aber  wahrscheinlich  wird  es  der 


»  Deut.  Kunstbl.  1850,  85.  —  Vergl.  Wackernagel,  W.,  Glücksrad  und  Glücks- 
kueel,  in  Haupts  Zeitschrift  etc.  VI,  134—149.  —  Heider,  Gusi,  das  Glücksrad 
und  dessen  Anwendung  in  der  christl.  Kunst,  in  den  Mitt.  C.-K.  IV,  113 — 124.  — 
Den  Mittelpunkt  des  &8eler  Glücksrades  (Fig.  261)  nimmt  das  Wappenbild  der  Stadt 
(der  Baselstab)  ein. 

«  Twining,  Svmbols.  PL  69.  —  Wessely,  J.  E.,  die  Gestalten  des  Todes  und 
Teufels  in  der  darstellenden  Kunst  etc.  1876. 

*  Abb.  Wessely,  a.  a.  0.,  SO. 

*  Mafsmann,  H.  F.,  litteratur  der  Totentänze.  1840.  —  Naumann,  F.,  der  Tod 
in  allen  seinen  Be^siehungen ,  ein  Warner,  Tröster  und  Lustigmacher.   Mit  3  Taf.  1844. 

—  Vergl.  Bd.  V  des  Schatz^bers.  1847  u.  1848.  —  Wackernagel,  der  Totentanz, 
in  Haupts  Zeitschr.  etc.  Öl,  304  S.  —  Ders.,  Gesch.  d.  Totentanzes,  in  KL  Schrr. 
L  1872.  —  Schnaase,  C,  zur  Gesch.  der  Totentänze,  in  den  Mitt.  C.-K.  VI,  221— 
223.  —  II g,  Alb.,  zur  Phüos.  d.  Todesvorstellungen  im  Mittelalter,  in  Mitt.  C.-K.  XV, 
S.  cm  fF.  —  Ders.,  Todesdarstellungen  vor  den  Totentänzen,  ebd.  XVII,  S.  LXXXIV  S. 

—  Bahn,  J.  R,  zur  Gesch.  des  Totentanzes,  im  Geschichtsfreund.  XXXVI,  211.  — 
Bäumker,  Wilh.,  d.  Totentanz,  in  Fiunkfurter  zeitgemä&e  Broschüren.  II.  Heft  6. 


504 


Toti'ntänze. 


Fall  gewesen  sein,^  und  die  Totentanz-Darstellungen  in  der  bildenden  Kunst, 
welche  seit  dem  XIV.  Jahrb.,  zuerst  in  Kirchenvorballen  und  an  Kirchhofs- 
mauern  als  Wandmalereien  vorkommend,  bis  ins  XVIII.  Jahrb.  sehr  beliebt 
waren,  können  den  Zweck  gehabt  haben,  diese  Schauspieldichtung  bildlich  zu 
veranschaulichen  und  festzuhalten.  Zuweilen  geben  sich  diese  bildlichen  Dar- 
stellungen ausdrücklich  als  eine  Moral -Predigt,  indem  am  Anfang  und  am 
Ende  der  Reihe  ein  Prediger  auf  der  Kanzel  (auch  als  »Erster  Prediger«  und 
»Letzter  Prediger«  bezeichnet)  erscheint.  —  Als  erster  Keim  zu  den  Totentanz- 


Flg.  M8.    Anfangigrnppe  des  Totentansu  In  St.  Marien  sa  Berlin  (nach  Prüfer). 

bildem  mag  die  zuerst  bei  ViTalther  de  Mapes  (1197  zu  Oxford)  in  der  Lamen- 
tatio  et  deploratio  pro  morie  aufgezeichnete ,  schon  im  XIII.  Jahrh.  in  französi- 
sche Verse  gebrachte,  in  Miniaturen  und  Holzschnitten  häufig  dargestellte,  aber 
auch  in  einem  ehemals  in  der  Turmhalle  der  Kirche  zu  Badenweiler  bei 
Basel  vorhanden  gewesenen,^  jetzt  nur  noch  in  einer  Zeichnung  in  der 
Mittelalt.  Samml.  zu  Basel  erhaltenen  Wandgemälde  aus  dem  XIV.  Jahrb.,  am 
berühmtesten  in  dem  Triumphe  des  Todes  zu  Pisa  vorkommende  Legende  von 
den  drei  zur  Jagd  reitenden  Königen ,  denen  drei  Totengerippe  mit  dem  Spruche: 
»Was  ihr  seid,  das  waren  wir;  was  wir  sind,  das  werdet  ihr«  begegnen,^  anzu- 
sehen sein.  —  Berühmt  war  besonders  der  TodvonBaselan  der  Kirchhofs- 
maner  des  dortigen  Dominikanerklosters,  1568  durch  Hans  Hugo  Klauber  reno- 
viert, 1805  abgebrochen  und  nur  noch  in  einigen  Resten  in  der  Mittelalt.  Samml. 
zu  Basel  erhalten,  schon  im  XVI.  Jahrh.  durch  einen  Holzschnitt  mit  dem  Mono- 
gramm C.  S.  (zuletzt  neu  aufgelegt:  Leipzig,  A.  Danz.  1870)  dann  1621  und 
später  öfter  1649  — 1698  von  Joh.  Jakob  und  Matth.  Merlan  d.  Ä.  in  Kupfer- 
stich vervielfältigt.    Noch  berühmter  und  verbreiteter  ist  der  Totentanz  von 

'  Nachweislich  fand  das  Spiel  des  Totentanzes  1449  auf  dem  Schlosse  zu  Brügge 
bei  einem  Hoffeste  statt;  vergi.  Schnaase,  a.  a.  0.,  221.  —  Ein  wirklicher  Toten- 
tanz, d.  h.  lebhaft  tanzende  Uerippe,  deren  eins  auf  der  Klarinette  aufspielt,  finden 
sich  in  Hartmann  Schedels  Weltenronik.   1493;  Holzschn.  des  Germ.  Mus.  Taf.  140. 

2  Vergl.  Lübke,  in  d.  Dl.  Zeit   1866.  No.  1214,  223. 

'von  Perger,  A.  R,  über  die  Legende  von  d.  3  Toten  u.  d.  3  Lebenden,  in 
Bor.  u.  Mitt  des  Altert. -V.  Wien.  XV,  133  ff. 


Totentänze.  505 

Hans  Holbein  (s.  darüber  in  Tl.  II  dieses  Handbuchs).  —  Totentänze  als 
Wandgemälde  sind  aufserdem  nachgewiesen  zu  Klein -Basel  im  Kreozgange 
des  Klosters  Klingenthal  (nach  1437,  laut  Inschrift  bereits  1512  restauriert, 
nur  in  Kopie  von  1766  im  Museum  erhalten),^  zu  Strafsbnrg  in  der  Domini- 
kaner- (Neuen)  Kirche  (1824  aufgedeckt,  1870  zerstört),^  zu  Berlin  in  der 
Turmhalle  der  Marienkirche  aus  dem  XV.  Jahrh.  (aufgedeckt  1860,  restauriert),' 
zu  Lübeck  in  der  Totenkapelle  der  Marienkirche  (von  1463,  ursprünglich 
auf  Holz,  vielfach  erneuert,  jetzt  auf  Leinwand,  ursprünglich  mit  nieder- 
deutschen Versen),^  zu  Metnitz  in  Kärnten  am  Kamer  (Ende  des  XV. 
Jahrh), "^  zu  Wismar  in  der  Nikolaikirche  in  der  nördl.  Turmhalle  (Anfang 
des  XVI.  Jahrh.),  zu  Bern  von  Nik.  Manuel  (1514,  seit  1560  zerstört,  nur 
noch  in  Kopien  erhalten);^  zu  Konstanz  im  Predigerkloster  (nach  den  Hol- 
beinschen  Holzschnitten,  Mitte  des  XVI.  Jahrh.  —  nach  diesen  sind  auch,  wie 
nunmehr  festgestellt  ist,  die  von  Vögelin  für  die  Holbeinschen  Originalkompo- 
sitionen zu  seinen  Holzschnitten  gehaltenen,  grau  in  grau  ausgeführten  Gemälde 
im  bischöflichen  Palaste  zu  Chur  von  1543*^  kopiert);  zu  Dresden  in  Sand- 
steinreliefs von  dem  1534  begonnenen  Schlosse  (seit  1721  restauriert  und  auf 
den  Nenstädter  Kirchhof  versetzt),'  zu  Krakau  im  Bernhardiner  Kloster  (Öl- 
kopie  nach  einem  älteren  Gemälde  aus  dem  Ende  des  XVI.  Jahrh. ;  Trachten 
und  Verse  polnisch).*  Gedruckte  Totentänze  kommen  zuerst  vor:  München 
1459  (42  Holzschn.  auf  22  Bl.  kleinfolio),  Strafsburg  1485  (desgl.),  o.  0.  ca. 
1480—90  (desgl.  vergl.  Collectio  Weigeliana  No.  297)  und  Lübeck  1489  (m. 
30  Holzschn.).  *^  Als  ein  Nachklang  der  Totentänze  kann  auch  die  im  XVI. 
Jahrh.  seit  Dürers  »Spaziergang«  viel  behandelte  Darstellung  des  Todes  mit 
Liebespaaren  lustwandelnd,  oder  in  Gesellschaft;  wollüstiger  nackter  Weiber, 
zum  Teil  mit  der  Beischrift  omnem  in  homifie  venustatem  mors  abolet  gelten.^' 


*  Mafsmann,  F.  H.,  die  Baseler  Totentänze  in  getreuen  Abb.  Nebst  gesch. 
Untersuch,  etc.  51  Taf.  1847.  —  Totent.  d.  St.  Basel.  In  Holzschn.  m.  Text.  1868.  — 
Th.  Burckhardt-Biedcrmann,  üb.  die  Baseler  Totentänze,  in  Beitr.  d.  hist.-antiqu. 
Ges.  in  Bas.  N.  F.  I.   1882. 

-^  Abb.  bei  Edel,  die  N.  Kirche  zu  Str.   1825. 

^  Lübke,  W.,  der  Totent.  in  der  Marienk.  zu  B.  Bild  u.  Text.  1861.  —  Prüfer, 
Th. ,  d.  Totent.  in  der  Mmienk.  zu  B.  u.  Gesch.  u.  Idee  der  Totentanzbilder  überhaupt, 
in  Berliner  Denkmäler  desVer.  für  Gesch.  Berlins.  Lief.  6,  m.  6  photol.  Tafeln.  1875; 
wiederholt  in  Prüfer,  Archiv.  1882.  No.  1  ff.  —  Dieser  Totentanz  hat  die  besondere 
Eigentümlichkeit,  dafs  der  Reigen  in  Geistliche  und  Laien  geteilt  erscheint,  die  durch 
eine  in  der  Mitte  befindliche  Darstellung  der  Kreuzigung  geschieden  sind. 

*  Milde  u.  Mantels,  d.  Totent.  in  d.  Marienkap.  zu  L.  1866.  M.  8  Taff.  — 
Geifsler,  R,,  d.  Totent.  in  derM.-K.  zu  L.  etc.  8  Bl.  4®  in  Farbendr.  Hamburg.  1872. 
—  Mantels,  der  Lübecker  Totent  vor  seiner  Erneuerung  i.  J.  1701,  im  Anz.  G.  M. 
1878.  Sp.  158  ff. 

*  Vergl.  Fr.  Lippmann,  in  Mitt.  C.-K.  N.  F.  I,  56  ff. 

*  N.  Manuels  Totent.,  ütn.  nach  Stettiers  Kopien.   Bern.   R,  Haag  u.  Komp. 

'  Vögelin,  F.  SjJ.,  Wandgem.  im  bisch.  Pal.  zu  Chur  etc.  1878.  —  "Weltmann, 
die  Todesbilder  in  Chur,  in  Kunstchronik.  1878.  No.  18.  19.  —  Auch  der  nicht  mehr 
vorhandene  in  der  Annen -Kapelle  der  Abteikirche  zu  Füfsen  war  vor  1621  von  Jak. 
Hiebler  nach  Holbein  gemalt. 

"  Abb.  bei  Naumann,  a.  a.  0.  zu  S.  64  und  Schäfer,  Städtewahrzeichen.  I,  142. 

*  Mitt.  C.-K.  XIV,  S.  xvin  ff. 

^®  Proben  daraus  in  der  Collect  Weigel.  Ü,  166.  No.  296  u.  Holzschn.  d.  Germ. 
Mus.  Taf.  127.  128. 

"  Vergl.  Wessely,  a  a.  0.,  65  ff. 


506  Typische  Bilder. 

Anmerkung  3.  Zuweilen  kommen  die  Darstellungen  gewisser  Figuren 
vor,  die  in  ihrer  Zusammenstellung  weder  der  Bibel  noch  der  Legende  an- 
gehören, teilweise  sogar  berühmte  Heiden,  z.  B.  am  schönen  Brunnen  zu  Nürn- 
berg die  neun  starken  Helden:  Hektor,  Alexander,  Julius  Cäsar,  Josua, 
David,  Judas  Makkabäus,  Ohlodoväus,  Karl  der  Grofse  und  Gottfried  von 
Bouillon;^  oder  am  Sebaldusgrabe  daselbst:  Perseus,  Simson,  Herkules  und 
Nimrod.  —  An  den  Chorstühlen  im  Münster  zu  Ulm:  die  heidnischen  Wei- 
sen und  Dichter:  Secundus,  Qnintilianus ,  Seneca,  Ptolomaeus,  Terentins, 
Cicero  und  Pythagoras.  —  Auch  die  heidnischen  Sibyllen'  fanden  Aufnahme 
in  die  christliche  Kunst,  weil  sie  an  Einen  Gott  geglaubt  und  von  dem  Messias 
geweissagt  haben;  Lactantius  (de  falsa  rel.  1.  6)  führt  deren  zehn  an:  Per- 
sica,  Libyca,  Delphica,  Cimmeria,  Erythraea,  Samia,  Cumana,  Hellespontica, 
Phrygia  und  Tiburtina;  zuweilen  kommen  zwölf  vor,  zuweilen  auch  weniger, 
z.  B.  an  den  Chorstühlen  zu  Ulm  nur  sieben.  Die  gefeiertste  ist  in  der  bilden- 
den Kunst  die  Tiburtina  (Cimmeria),  welche  dem  Kaiser  Augustus  die  Maria 
mit  dem  Kinde  in  der  Luft  als  die  wahre  (Gottheit  zeigt  z.  B.  an  den  Chorstflhlen 
der  Dome  in  Ulm  (hier  mit  der  Inschrift:  Sibilla  cimmeria  octaviano  deum  de 
virgine  nasciivrum  indicans:  Jam  nova  progenies  celo  dimitiitur  aiio)  und 
Merseburg.  Zu  bemerken  bleibt,  dafs  die  Namen  der  einzelnen  Sibyllen 
häufig  mit  einander  verwechselt  werden. 

90.  Die  biblischen  Bilder  zerfallen  in  typische,  allegorische  und 
historische. 

a.  Typische  Bilder.'  Die  Darstellungen  aus  dem  alten  Bunde,  als  dessen 
Erfüllung  der  neue  Bund  eintrat  (Koloss.  2,  17;  Ebr.  10,  1),  sind  nach 
Anleitung  der  kirchlichen  Typologie^  insgemein  als  Typen  auf  das  neue 
Testament  zu  deuten,  so  dafs  also  die  alttestamentlichen  Scenen  (wie  schon 
in  den  Wandmalereien  der  Katakomben)  von  dem  Künstler  nicht  um  ihrer 
selbst  willen  dargestellt  wurden,  sondern  nur  um  des  entsprechenden  neu- 
testamentlichen  Vorganges  willen.  Die  typologische  Einteilung  der  alttesta- 
mentlichen Vorbilder  in  innati  (die  in  der  h.  Schrift  selbst  als  solche  vor- 
kommen, z.  B.  Joh.  3,  14.  15;  I  Petri  3,  20.  21)  und  iliati  (die  erst  von 
den  Auslegern  hineingetragen  worden),  in  personales  (z.  B.  Melchisedek 
und  Christus)  und  reales  (z.  B.  das  Osterlamm  und  das  h.  Abendmahl)  leidet 
auch  Anwendung  auf  die  bildlichen  Veranschanlichnngen  derselben,  in  denen 
der  alttestamentliche  Typus  mit  dem  neutestamentlichen  Antitypus  zusammen- 
gestellt erscheint,  oder  am  vollständigsten  in  dreifacher  Reihe,  so  dafs  der 
neutestamentliche  Vorgang  (sub  grada)  zwischen  zwei  gleich  bedeutenden 
alttestamentlichen  Typen  in  die  Mitte  gestellt  wird,  von  welchen  der  eine 
der  Zeit  ante  legem  ^  der  andere  der  Zeit  stih  lege  entnommen  ist.  Solcher 
Art  sind  die  aus  15  Gruppen  bestehenden  Zusammenstellungen  auf  dem 


^  Ebenso,  nur  btatt  Chlodwig  Artus,  im  Hansesaal  des  Rathauses  zu  Köln. 

«  Piper,  Myth.  I,  472—507. 

'  Jakobs,  F.,  n.  ükert,  F.  A.,  BeitrSge  etc.  I.  1,  80  ff.  —  Heider,  Gust^  die 
typolog.  Bilderkreise  des  Mittelalters,  in  der  Wiener  Ztg.  1859.  No.  323.  —  Der- 
selbe, Beiträge  zur  christl.  Typologie  aas  Bilderhandschr.  des  Mittelalters,  im  Jahrb. 
C.-K.  V,  1—128;  vergl.  Mitt.  C.-K.  LH,  309—319. 

*  Vergl.  Michaelis,  J.  D.,  Entwurf  der  typischen  Gottesgelahiiheit  2.  Aufl.  1763. 


Typische  Bilder.  507 

Verduner  Altare  von  1181  zu  Klosterneuburg  (oben  S.  142  N.  2)  nach 
ihren  erklärenden  Inschriften : 

I. 
Annunciaiio  Ysaac.    Anmmciaüo  Domini.    Annunciatio  Samson. 

Gen.  18,  2—5.  Jud.  18,  3—5. 

Die  göttliche  Verheifsung  durch  der  Engel  Geschäfte.  Isaak  und  Sim- 
son  sind  auch  Personaltypen  Christi. 

n. 

Nativitas  Ysaac.    Naiivitas  Domini.    NaUvitas  Samson. 
Gen.  21,  1—8.  Jud.  18,  24. 

Die  Geburt  wider  den  Lauf  der  Natur. 

m. 

Circumcisio  Ysaac.     Circumcisio  Domini.     Circumcisio  Samson. 
Gen.  21,  8.  4.  Jud.  18,  24. 

Die  Beschneidung,  resp.  Namengebung. 

IV. 
Abraham  Melchisedech.     Tres  magi  cum  donis.    Regina  Saba. 

Gen.  14,  17—20.  I  Reg.  10,  10. 

Die  drei  Opfergaben.  Abraham  giebt  dem  Melchisedek  den  Fruchtzehnt 
(Getreide,  Most  und  Öl;  Deut.  14,  23)  in  drei  Gefäfsen  und  weist  auf  Rin- 
der, Schafe  etc.  als  auf  den  Blutzehnt  hin;  die  drei  Magier  opfern  Gold, 
Weihranch  und  Myrrhen;  die  Königin  von  3aba  schenkt  (^old,  Spezereien 
und  Edelsteine.  Übrigens  ist  Melchisedek  innaius  typus  personaiis  Christi; 
Ebr.  7. 

V. 

Ex  Egypto  Israelem  educit  Dominus.  Baptismus  Christi.  Marc  super  boves  XII. 
Exod.  13,  22.  I  Reg.  7,  28. 

Das  Wasserbad.  Die  Kinder  Israel  ziehen  durch  das  rote  Meer;  im 
ehernen  Meer  waschen  sich  die  Priester  die  Hände. 

VI. 

Moyses  it  in  Egyptum.    Dies  paimarum,    Agnus  pasccUis, 
Exod.  4,  20.  Exod.  12,  8. 

Der  Hingang  zur  Erlösung.  Das  Passahlamm  ist  dargestellt,  wie  die 
Juden  es  in  ihr  Haus  bringen.  Weil  es  hier  an  einem  Typus  aus  der  Zeit 
sub  lege  fehlte,  sind  zwei  aus  der  Zeit  ante  legem  gewählt. 

VII. 
Rex  Melchisedech.    Cena  Domini,     Mana  in  uma  aurea. 

Gen.  14,  18.  Exod.  16,  88.  84.  Ebr.  9,  4. 

Brot  und  Wein,  Himmelsspeise. 

VUI. 

Occisio  Abel.    Judas  osculatur,     Occisio  Ahner. 

Gen.  4,  8.  H  6am.  3,  27. 

Der  verräterische  Anfall  unter  dem  Scheine  der  Freundschaft. 


508  Typische  Bilder. 

IX. 

Obiatio  Fsaac.    Passio  Domra,    Botrus  in  vecte. 

Gen.  22,  12.  Num.  18,  24. 

Das  Opfer  des  geliebten  Sohnes.  In  dem  Vorgange  sub  lege  bezeichnet 
die  Weintraube  Christum,  der  Stecken  das  Kreuzholz. 

X. 

Eva  tulii  de  fructu,    Deposicio  Christi,     Deposicio  regis  Jericho, 

Gen.  3,  6.  Jos.  8,  29.  30. 

Das  Abnehmen  von  einem  Baume.  Die  Bezeichnung  Jericho  ist  irrig : 
es  war  der  König  von  AI. 

XL 

Joseph  in  lacu,    Sepulcrum  Domini,    Jonas  in  venire  ceti. 

Gen.  37,  24.  Jon.  2,  1. 

Das  Grab,  welches  seine  Beute  nicht  behalten  darf. 

xn. 

Percussio  Egypii.     Descensus  Domini  ad  inferum,    Samson  cum  leone, 
Exod.  12,  13  u.  23.  Jud.  14,  6. 

Der  Sieg  des  Würgengels,  Simsons  und  Christi  im  Kampf. 

xm. 

BenedicHones  Jacob,    Agnus  pascalis,    Samson  feriportas. 

Gen.  49,  9.  Jud.  16,  3. 

Das  Aufstehen  aus  dem  Schlaf.  Vor  dem  sitzenden  Jakob  liegen  zwei 
schlafende  Löwen,  er  berührt  sie  mit  einem  Stabe  und  spricht:  Quis  susci- 
tabit  eum?  Warum  die  Darstellung  der  Auferstehung  Christi  als  Agnus 
paschaiis  bezeichnet  ist,  erhellt  nicht. 

XIV. 

Translacio  Enoch,     Ascensio  Domini.     Helias  in  curru  igneo. 
Gen.  5,  24.  11  Reg.  2,  9. 

Die  Himmelfahrt. 

XV. 

Area  Noe,    Adventus  spiritus  sanciu    Afons  Sinay, 

Gen.  8,  10.  11.  Num.  19,  16. 

Einerseits  die  Taube,  andererseits  das  Feuer  vom  Himmel. 

Als  Abschlufs  des  Ganzen  folgen  nun  noch  6  Bilder  mit  der  Darstellung 
der  letzten  Dinge  ohne  alttestamentliche  Vorbilder.  Jedem  einzelnen  der 
51  Bilder  ist  zur  Erklärung  der  adumbratio  mystica  ein  leoninischer  Hexa- 
meter beigegeben,  doch  ist  es  dem  Dichter,  sei  es  wegen  des  prosodischen 
Zwanges,  sei  es  wegen  eigner  Unkunde  nicht  überall  gelungen,  den  vor- 
stehend herausgehobenen,  eigentlichen  Vergleichungspunkt  zwischen  den 
überlieferten  Typen  und  dem  Antitypus  klar  zu  machen.  Dasselbe  Schema 
findet  sich  angewendet  in  mehreren  handschriftlichen  Typologien  aus  dem 
XIV.  und  XV.  Jahrh.,  welche  sowohl  in  der  Reihenfolge  und  Anordnung  des 
Stoffes  als  auch  in  den  beigegebenen  Erklärungen  unter  sich  übereinstim- 
mend, als  die  Vorgänger  der  späteren  xylograph.  Armenbibel  (Biblia  pan- 


Marianische  Typen.  509 

peram)  *  eracheinen,  die  nur  durch  Hinzufügung  einiger  Bilderreihen  erweitert 
ist.  —  Noch  einige  andere  häufig  vorkommende  Typen  auf  Vorgänge  in  der 
Geschichte  Jesu  sind:  Der  Ölkrug  der  Witwe,  Elisa  speist  100  Mann  mit 
20  Broten  =  die  wunderbare  Speisung  der  5000  (4000)  Mann;  die 
Bewirtung  der  drei  £ngel  bei  Abraham,  die  Rettung  des  jüd.  Volkes  von 
der  Strafe  der  Abgötterei  (Num.  32)  =  die  Fufswaschung;  Elias  vor 
Ahab,  Daniel  vor  Nebukadnezar  =  Christus  vor  Pilatus;  Ahitophel 
(EL  Sam.  17,  23),  Absalom  (ebd.  18,  9)  =  der  Selbstmord  des  Judas; 
Jakob  segnet  mit  gekreuzten  Armen  die  beiden  Söhne  Josephs  (Gen.  48,  14), 
das  Signum  lau  (Exod.  12,  13),  die  kreuz-  oder  T förmig  gehaltenen  duo 
ligna  in  den  Händen  der  Witwe  vonSarepta  (I  Reg.  17,  12)  *=  dasKrenz 
Christi;  die  erhöhete  eherne  Schlange  =  die  Kreuzigung  des  Herrn; 
das  Wasser  aus  dem  Felsen  (Exod.  17,  6)  =  das  Blut  Christi;  der 
Widder  des  Abraham  (Gen.  22 ,  13)  =  der  Opfertod  Christi;  Jakob  und 
die  Himmelsleiter  =  die  Himmelfahrt  Christi,  u.  a.  m.  —  Die  vollstän- 
digste Reihe  der  Typen  findet  sich  in  dem  Zinnaer  Marienpsalter  von  1489,^ 
wo  jedem  der  165  neutestamentlichen  Bilder  ein  alttestamentliches  Vorbild 
beigefügt  ist.  —  Bei  der  hohen  und  immer  steigenden  Verehrung,  welche 
man  der  Maria  zollte,  fand  man  auch  ihr  Leben  im  A.  Test,  vorgedeutet, 
und  so  entstanden  die  m a ri an i sehen  Typen.  Dieselben  beziehen  sich 
insbesondere  auf  ihre  wunderbare  Befruchtung  und  Entbindung  ohne  Ver- 
letzung ihrer  Jungfrauschaft:  die  Erschafi'ung  der  Eva,  der  brennende  und 
nicht  verbrennende  Busch  Mosis,  der  grünende  Stab  Arons  und  die  uma 
aurea  (Ebr.  9,4),  das  bethaute  Vliefs  Gideons,  Daniels  unverletztes  Her- 
vorgehen aus  der  versiegelten  Löwengrube  (Daniel  6,  23),  äieporta  clausa 
(Ezech.  44,  2),  der  hortus  conclusus  und  der  fons  signatus  (Hohelied  4,  12), 
die  turris  ebumea  (das.  7 ,  4)  u.  s.  w.  Alle  diese  Typen  finden  sich  vielfach 
vereint  dargestellt  zusammen  mit  der  Jagd  des  Einhorns  (s.  S.  512).  Sehr 
eigentümlich  ist  die  Darstellung  der  Maria  als  Thron  Salomos '  d.  h.  Christus 
auf  dem  Schofse  seiner  Mutter  ist  als  der  wahre  Salomo  auf  seinem  Throne 
gedacht,  wie  aus  der  Beischrift  bei  dem  Bilde  zu  Gurk  erbellt :  Ecce  thronus 
magni  fulgescit  regis  et  agni.  Sie  ist  dann  mit  dem  Kinde  auf  dem  Throne 
sitzend  dargestellt,  der  nach  I  Könige  11,  18  —  20  gebildet  ist,  wobei  das 
Elfenbein  auf  ihre  Keuschheit,  das  Gold  auf  die  sie  überschattende  Gottheit, 


'  Heider,  Gust.,  die  bildl.  Darstellung  der  Bibl.  paup.  aus  einer  Hds.  des  XV. 
Jahrh.  in  St.  Florian.  34  Taf.  mit  Text.  1862.  —  Laib,  Fz.,  u.  Schwarz,  F.  J., 
Biblia  pauperum,  nach  dem  Original  in  der  Lyceums-Bibliothek  zu  Eonstanz.  17  Taf. 
mit  Text.  1867;  vergl.  v.  Lützow,  Zeitschr.  1868,  185  ff.  —  Zestermann,  Ad.,  die 
Unabhängigkeit  der  deutschen  xylogr.  Biblia  Pauperum  von  der  lateinischen.  1 866.  — 
Bodemann,  Ed.,  xylogr.  u.  tj-pogr.  Inkunabeln  d.  kön.  öffenÜ.  Bibl.  zu  Hannover. 
1866,  3—15.  —  Coilectio  Weigeliana.  II,  128  —  143.  —  La  Roche,  E.,  die  älteste 
Bilderbibel,  die  sog.  Bibl.  paup.    1881. 

*  Vergl.  Otte,  H.,  das  neutestamentüche  Bilderbuch  des  Herrn.  Nitzschewitz. 
1881  (N.  Mitt.  Th.-S.  V.  XV,  254). 

'  Vergl.  Piper,  F.,  Maria  als  Thron  Salomos  etc.,  in  von  Zahn,  Jahrbücher  f. 
Kunstwissensch.  V,  97  ff.  Den  dort  behandelten  Beispielen  sind  Wandgemälde  in  der 
Neuwerker  Kirche  zu  Goslar  und  im  H.  Geist -Hospitale  zu  Lübeck,  ein  Antepen- 
dium  aus  dem  Xm.  Jahrh.  im  Museum  zu  Bern  und  Portidskulpturen  an  der  Nord- 
seite des  Domes  zu  Augsburg  xmd  an  der  Dominikanerkirche  zu  Ret z  in  Nied.-Öster- 
reich  hinzuzufügen. 


>10  Hamnisohe  Typen. 

die  12  Löwen  auf  den  6  Stufen  auf  die  12  Apostel,  die  beiden  Löwen  zur 
Seite  auf  Joliannes  den  Tftnfer  und  Evangelisten,  die  beiden  Hände  auf  Gott 
den  Vater  and  den  h.  Oeist  gedeutet  werden.    Gewöbnlich  stehen  dann  die 


FIf.  MS.    Mull  ■!■  Thnn  BUmb«  ua  dtm  WudfHiilMa  n  Onrk  <iiHta  Woltmun). 

Tugenden,  welche  sie  nach  St.  Bernharil  und  Albertus  Magnus  bei  der  Ver- 
kflndigung  gezeigt  hatte,  nimlich  solitudo,  verecundia,  dUcretio,  virginitas, 
bumilHas  uud  obedienlia  als  weibliche  Figuren  daneben ,  und  das  Ganze  wird 
Ton  Propheten,  oder  von  Eircbenvatem  die  diese  Tugenden  gepriesen  haben, 
bekrönt. 

Anmerkung.    Wie  manche  Symbole,  so  sind  auch  manche  Typen  sehr 
vieldeutig:  David  z.  B.  ist,  weit  er  seine  Feinde  liebte  und  ihnen  Gutes  that, 


Biblische  Allegorien.  511 

Typus  Christi;  als  Ehebrecher  und  Mörder  dagegen  Typus  des  Teufels.*  — 
Auch  aus  der  Profangeschichte  werden  Typen  herbeigeholt:  Orpheus,  der  die 
Tiere  der  Wildnis  um  sich  versammelt,  ist  schon  in  der  altchristlichen  Kunst 
Typus  Christi;*  der  goldene  Dreifufs  (Plutarch,  vita  Solonis,  c.4)  ist  Vorbild 
der  heiligen  Jungfrau,  der  König  Codrus  Typus  des  Selbstopfers  Christi.'  — 
Ebenso  werden  aber  auch  biblische  Typen  in  weltlichen  Bildern  benutzt,  z.B. 
auf  einem  bei  der  Krönung  K.  Karls  V.  gebrauchten  Handtuche  die  Zusammen- 
stellung biblischer  und  klassischer  Beispiele  über  die  Gewalt  der  Frauen  und 
der  Liebe,  s.  oben  S.  497  Anm.  3.^ 

b.  Allegorisohe  Bilder.  Darstellungen  solcher  Scenen,  welche  in  der 
Bibel  nicht  als  Geschichte,  sondern  als  1.  Visionen,  2.  Parabeln,  3.  Weissa- 
gungen (Dogmen)  etc.  enthalten  sind,  und  die  oft  nach  Mafsgabe  der  zur  Zeit 
des  darstellenden  Künstlers  in  der  Kirche  Geltung  habenden  dogmatischen 
Ansichten  gemodelt  und  weiter  ausgebildet  wurden,  so  dafs  zuweilen  die  bib- 
lische Grundlage,  wie  in  den  Dogmen,  so  auch  in  den  Kunstwerken,  völlig 
zurücktritt.  Beispiele:  1.  der  Traum  Jakobs  von  der  Himmelsleiter,  die 
Träume  Josefs,  der  Traum  des  Nebukadnezar,  Daniel  4,  7  (Wandgemälde 
im  Kapitelsaal  zu  Brau  weil  er),  die  Gesichte  des  Ezechiel  (20 — 32)  von 
der  Zerstörung  und  Wiederherstellung  Jerusalems  (Wandgemälde  in  der 
ünterkirche  zu  Schwarzrheindorf).  —  2.  Gleichnisse  Jesu:  der  gute 
Hirte  unter  den  Schafen,  oder  das  wiedergefundene  Schaf  auf  dem  Rücken 
tragend  (Job.  10,  Luc.  15  —  sehr  beliebt  in  der  altchristlichen  Kunst),  der 
Weinberg  des  Herrn  (Jes.  5,  2;  Jerem.  12,  10),  die  Arbeiter  im  Weinberge 
(Matth.  20,  1  —  17),  die  bösen  Weingärtner  (Marc.  12,  1—9),  der  reiche 
Mann  und  der  arme  Lazarus  (Luc.  16,  19 — 23),  das  grofse  Abendmahl 
(Luc.  14,  16  —  24),  der  barmherzige  Samariter  (Luc.  10,  30 — 37),  die 
klugen  und  die  thörichten  Jungfrauen  (Matth.  25 ;  erstere  halten  ihre  Lampen, 
welche  zuweilen  wie  Schüsseln  aussehen ,  aufwärts,  letztere  abwärts  gekehrt ; 
sehr  häufig  an  Kirchen -Portalen,  s.  S.  85.  86).  —  3.  Dogmen:  die  hei- 
lige Dreieinigkeit,*  Gott  Vater  sitzend,  zu  seiner  Rechten  Christus  (zu- 
weilen mit  dem  Vater  gemeinsam  ein  Scepter  haltend) ,  darüber  die  Taube ; 
oder:  Gott  Vater  hält  den  gekreuzigten  oder  toten  Christus,  über  welchem 
die  Taube  schwebt,  in  seinem  Schofse  (der  sogen.  Gnadenstuhl)  \  auf  Siegeln 
in  abgekürzter  Darstellung:  ein  Kreuz,  auf  dem  eine  Taube  sitzt,  darüber 
das  Brustbild  des  Vaters.  Seltener  sind  solche  Darstellungen,  wo  der  h. 
Geist  in  menschlicher  Gestalt  erscheint,  zuweilen  jugendlich  ohne  Bart,  zu- 
weilen dem  Vater  und  dem  Sohne  völlig  gleich,  zur  Linken  des  ersteren 
sitzend  (z.  B.  auf  dem  Grabmal  Friedrichs  III  in  St.  Stephan  zu  Wien,  auf 
einem  Freskogemälde  am  Dome  zu  Graz  und  dem  sogenannten  Töpferaltare 


*  Jakobs  u.  Ükertj  a.  a.  C,  155.  Jedoch  erscheinen  auch  David  und  Bathseba 
als  Typus  Christi  und  semer  Braut  der  Kirche,  z.  B.  bei  Honohus  von  Autun  und  an 
der  goldenen  Pforte  zu  Freiberg,  vergl.  Springer,  Quellen  etc.,  35. 

•'  Piper,  Mji:h.  I,  121—127. 

3  Jakobs  u.  ükert,  a.  a.  0.,  156. 

^  Becker- V.  Hefner.  I.  Taf.  4;  vergl.  Annales  arch.  VI,  145 — 157. 

*  Didron,  Iconographie,  427  —  604;  Twining,  Symbols.  PI.  I— XXXIX;  von 
Perger,  A.  R,  die  heö.  Dreifaltigkeit,  in  Mitt.  C.-K.  XV,  S.  CLTV  f .  mit  Abb.; 
Zöckler,  Trinitäts-Syinbole,  in  Bew.  des  Gl.   1881,  289  ff. 


512  Biblische  AUogorion.    Dogmen. 

zu  St.  HelenabeiBaden  bei  Wien  aus  dem  XV.  Jahrb.,  aber  auch  schon 
bei  Herrad  von  Landsperg  und  auf  einem  Tafeigemälde  in  der  Leehkirche 
zu  Graz  aus  dem  XIII.  Jahrb.);  auch  wird  der  dreieinige  Gott  als  Mensch 
mit  dreifachem  Gesichte  abgebildet  (durch  Papst  Urban  VIEL  1628  und 
Benedikt  XIV  1745  verboten),  oder  als  ein  Mann  mit  drei  Oberleibern 
und  Köpfen  (so  im  Zinnaer  Marienpsalter  von  1489  und  auf  einem  Wand- 
gemälde der  Spendung  des  h.  Abendmahls  an  die  Apostel  von  1512  in  der 
ehemal.  Spitalkirche  zu  Botzen;  Abb.  Mitt.  C.-K.  N.  F.  II,  S.  LIV).  Aufser- 
dem  suchte  man  das  Geheimnis  durch  allerhand  mehr  mathematische  Zeichen 
zur  Anschauung  zu  bringen,  das  gleichseitige  Dreieck,  drei  ineinander- 
geschlungene  Ringe,  drei  gleichgebildete  Fische  oder  Adler  und  allerhand 

Linien  und  Figuren  die  in  dieser  Form  ^i'^  zusammengestellt  waren,  ein 

Dreieck  mit  drei  laufenden  Beinen,  drei  laufende  Männer  die  einander  an 
Schopf  und  Hacken  anfassen,  drei  Hasen,  die  mit  den  Ohren  zusammen- 
gewachsen sind,  drei  Fische,  die  nur  einen  Kopf  haben  (s.  S.  485, 
No.  1)  etc.  Typus  der  Dreieinigkeit  sind  nach  Augustinus  de  trini- 
täte  II,  20  die  drei  Männer,  die  Abraham  besuchen.  —  Das  Dogma  von 
der  Menschwerdung  des  Gottessohnes  und  dem  Ratschlüsse  der  Er- 
lösung wird  dargestellt,  indem  die  4  Tugenden  Misericordiüj  veritasj  pax 
nndjusiitia  (Psalm  85,  11)  vor  dem  Throne  Gottes  ihren  Vertrag  schliefsen, 
und  infolge  davon  der  Engel  Gabriel  als  himmlischer  Jäger  das  Hörn  blasend 
mit  vier  Hunden,  welche  dieselben  Namen  führen,  das  Einhorn  (Christus) 
in  den  Schofs  der  im  hortus  conclusus  von  den  übrigen  Typen  der  Jung- 
fräulichkeit (s.  oben  S.  509)  umgeben  sitzenden  Maria  jagt.  ^  —  Das  Dogma 
von  dem  Opfertode  Christi:  Gott  Vater  fängt  denLeviathan  ander  Angel 
mit  dem  Köder  der  Menschheit  Jesu  (nach  Hiob  40,  20;  Miniaturendes  frühe- 
ren Mittelalters)  oder  nach  Jesaias  63, 2  u.  3 :  Christus  in  einer  Kelter  geprefst, 
aus  der  sein  Blut  in  einen  Kelch  fliefst  (Wandgemälde  zu  Klein-Komburg 
—  Abb.  Chr.  K.-Bl.  1883,  53;  Votivtafel  des  Matth.  von  Gulpen  in  der  Gumperti- 
kirche  zu  Ansbach;  Holzschnitt  aus  der  Coli. Weigeliana  im  Germanischen 
Museum  —  Abb.  Holzschn.  d.  G.  M.  Taf.  4).  —  Hieran  schliefst  sich  die 
mehrfach  vorkommende  Darstellung  des  Dogmas  von  der  Transsubstan- 
tiation  beim  Mefsopfer:  Christus  eine  Kelter  tretend,  aus  welcher  Hostien 
fallen  oder  er  träufelt  aus  der  Seitenwunde  Blut  in  einen  Kelch ;  die  Hostien- 
mühle (Altäre  zuTriebsees^  und  Doberan,  Chorfenster  des  Münsters  zu 
Bern  und  der  Leonhardskirche  zuTamswegin  Steiermark) :  die  vier  Evange- 
listen schütten  das  durch  Spruchbänder  bezeichnete  Wort  in  einen  Mühlrumpf, 
aus  welchem  der  Inhalt  in  Form  eines  Spruchbandes  in  ein  trogartiges  Geföfs 


*  Z.  B.  auf  einem  CTofgen  Gemfilde  von  1518  in  der  Vorhalle  des  Domes  zu  Merse- 
burg; vergl.  Otte,  in  N.  Mitt.  Th.-S.  V.  V.  1,  118  und  Piper,  im  Evanffel.  Kalender 
von  1859.  Seitdem  hat  sich  die  Zahl  bekannter  Beispiele  dieser  DarsteUung  bedeu- 
tend vermehrt,  namentlich  auch  in  Stickereien  aus  Frauenklöstera.  —  Die  Ausbildung 
zu  einem  ganz  kavaüennäfsig  erscheinenden  Jagdbilde,  wie  z.  B.  auf  einem  Antepen- 
dium  in  Gobelinweberei  in  St.  Gotthard  zu  Brandenburg  gehört  übrigens  erst  dem 
XV.  Jahrh.  an.  —  Vergl.  auch  Schneider,  F.,  zur  Einnomlegende,  im  Anz.  0.  M. 
1883,  Sp.  138  f. 

»  Abb.  Prüfer,  Archiv.   I.   Taf.  29. 


Biblische  Allegorien.    Dogmen.  513 

fällt,  um  ans  diesem  als  kleine,  über  einem  Kelche  schwebende  Christasfigur 
wieder  zum  Vorschein  zu  kommen.  —  Die  dogmatische  Bedeutung  des 
Opfertodes  Christi  wird  vielfach  auch  durch  allegorische  Zuthaten  zu 
dem  Bilde  der  Kreuzigung  ausgedrückt,  namentlich  die  der  zusammen- 
brechenden Synagoge  und  der  das  Blut  Christi  auffangenden  Ecclesia.  Am 
Portale  der  Martinskirche  zuLandshut  kniet  die  Ecclesia  zu  den  Füfsen 
des  Kreuzes;  vom  rechten  Kreuzarme  geht  eine  segnende  Hand  aus,  unter 
der  ein  Bischof  die  Messe  liest,  während  aus  dem  Altare  eine  Hand  mit 
einem  Hammer  kommt  und  den  Kerker  der  in  der  Vorhölle  Gefangenen  zer- 
schlägt; vom  linken  Kreuzarme  aber  geht  ein  Schwert  aus,  vor  dem  eine 
weibliche  Figur  —  Venus,  das  Heidentum  —  umstürzt  und  neben  ihr  die 
Synagoge  mit  einem  Eselskopfe.  Noch  ausführlicher  auf  einem  Fresko- 
gemälde zuBrunecken  inTyrol  von  1526:  die  von  dem  rechten  Kreuzarme 
ausgehende  Hand  setzt  der  unten  knienden  und  das  Blut  Christi  auffangenden 
Ecclesia  eine  Krone  auf,  die  vom  linken  dnrchstöfst  die  auf  einem  verwun- 
deten bluttriefenden  Esel  reitende  Sjmagoge  mit  dem  Schwerte,  hinter  dieser 
steht  Eva  und  der  Tod,  während  auf  der  rechten  Seite  Maria  als  ma/^r  mf>m- 
cordiae  Hände  und  Mantel  über  Klerus  und  Laien  breitet;  vom  oberen  Kreuz- 
arme aber  geht  eine  Hand  nach  oben  und  schliefst  die  Pforte  des  Himmels 
auf,  über  der  Gott  der  Vater  mit  Engeln  schwebt^  Auf  einem  Wandgemälde 
des  Crucifixus  in  der  Kirche  zu  Mollwitz  aus  dem  XV.  Jahrh.  schlagen 
misericordiaj  justiiia  und /?a^/>n/<i'a  die  Nägel  ein,  fidea  ^eXzi  die  Dornenkrone 
auf,  humilitas  bindet  die  Füfse  fest,  Caritas  thut  den  Speerstich  und  spes 
fängt  das  Blut  auf.^  —  Das  Dogma  von  Sündenfall  und  Erlösung  wird 
auch  durch  die  Allegorie  des  or^or  vitae  ei  mortis  dargestellt,  z.B.  auf  einem 
Silberrelief  aus  dem  Grabe  des  Erzb.  Heinrich  von  Vinstingen  (t  1286)  im 
Dome  zu  Trier  trägt  der  Baum,  an  dem  sich  unten  die  Schlange  ringelt,  auf 
der  einen  Seite  zwischen  welken  Blättern  statt  der  Früchte  Totenschädel,  auf 
der  anderen  zwischen  frischem  Laube  Engelsköpfchen  (Abb.  aus'm  Weerth, 
Taf.  LVn.  6).  In  demMefsbuche  des  Berthold  Furtmayer  (1480.  Abb.  Förster, 
Malerei,  UI,  1)  trägt  der  Baum,  an  dessen  Fufse  Adam  schläft,  und  um  dessen 
Stamm  sich  die  Schlange  ringelt,  als  Früchte  Äpfel  und  Hostien,  dazwischen 
auf  der  einen  Seite  einen  Totenkopf,  auf  der  anderen  ein  Kruzifix ;  unter 
ersterem  steht  Eva  nackt  und  reicht  die  von  der  Schlange  ihr  gegebenen 
Äpfel  Knienden  dar,  hinter  denen  der  Tod  lauert,  unter  dem  Kruzifix  die 
gekrönte  Maria,  welche  Hostien  den  Knienden  reicht,  hinter  denen  ein  Engel 
mit  der  Schrifttafel:  Ecce  panis  angelorum  etc.  steht.  Auf  einem  Glas- 
gemälde zu  Friedersbach  bei  Zwetl  von  1409  sieht  man  oben  im  Baume 
Gott  den  Vater,  die  Taube  schwebt  auf  das  Christkind  herab,  das  auf  einer 
von  der  Baumkrone  sich  herabwindenden  Kette  steht,  welche  am  linken 
Arme  der  zur  Rechten  des  Baumes  stehenden  Maria  befestigt  ist  (Abb.  Mitt. 
C.-K.  XVII,  S.  GXL).  —  In  ganz  anderer  Weise  wird  die  Lehre  von  Sünden- 
fall und  Erlösung,  Gesetz  und  Evangelium  in  der  Reformationszeit,  nament- 


«  Abb.  Mitt.  C.-K.  Xm,  S.  XXVI. 

'  Ahnlich ,  aber  mit  anderer  Verteilung  der  Handlungen  auf  die  Tugenden ,  bereits 
in  einem  spätroman.  Codex  im  Kloster  zum  h.  Kreuz  in  Kegensburg  (vergl.  Jakob, 
110,  N.  4)  und  später  auf  dem  Altarblatt  des  Fronleichnamsaltars  zu  I)oberan  (vergl. 
Lisch,  in  MecMenb.  Jahrbb.  IX,  425). 

Otte,  Kunst -ArchKologie.    6.  Anfl.  33 


514  Biblische  Allegorien.    Dogmen. 

lieh  von  Lukas  Kranach  in  zahlreichen  Variationen  unter  dem  Gesichtspunkte 
des  sola  fide  zur  Anschauung  gebracht.  —  Die  Androhung  des  göttlichen 
Zornes  in  Krieg,  Pest  und  Hungersnot  wird  in  Malereien  des  Spätmittel- 
alters dargestellt,  indem  die  drei  Personen  der  Gottheit  (oder  auch  Gott 
Vater  allein)  Pfeile  (s.  oben  S.  416)  und  Lanzen  schleudern,  welche 
durch  die  Fürbitte  der  Maria  oder  auch  Christi  resp.  der  himmlischen 
und  irdischen  Hierarchie  aufgefangen  und  abgewehrt  werden.^  —  Das  Dogma 
von  der  Verherrlichung  Christi  findet  seinen  Ausdruck  in  den  Salvator 
oder  Majestas  domini  genannten  Bildern.  Diese  sind  oft  mit  der  spitz- 
ovalen  (Mandorla-)  Einfassung  (s.  S.  480),  seltener  mit  einem  Dreipasse  um- 
geben; der  Herr  steht  oder  sitzt,  seltener  auf  einem  Throne,  häufig  auf  einem 
Regenbogen  (Apokal.  4,8);  die  Rechte  hat  er  segnend  erhoben  oder  zeigt 
damit  auf  seine  Seiten  wunde,  in  der  Linken  hält  er  das  Buch  des  Lebens  (Ebd. 
20, 12)  oder  eine  Schriftrolle:  von  seinem  Haupte  geht  rechts  ein  Lilienstengel 
(virgaorissui.  Jes.  11,4 — ?),  links  ein  Schwert  aus  (Apokal.  1, 16;  19, 15);* 
seine  Fflfse  ruhen  auf  der  Weltkugel  (Jes.  66,  1),  oder  auch  in  einzelnen 
Fällen  (Oberkirche  zu  Schwarzrheindorf,  Kilianskirche  zu  Lüg  de)  auf 
einem  mit  drei  Lilien  geschmückten  Kronreifen  (vielleicht  nach  Eph.  1,  21 
oder  auch  direkt  nach  Apok.  4 ,  10).  —  Auf  dem  Elfenbeindeckel  des  Tutilo 
von  St.  Gall  en  um  das  Jahr  900  (s.  den  nebenstehenden  Stahlstich)  erscheint 
der  thronende  Christus  umgeben  von  den  himmlischen  Kräften  {i^Hic  residet 
Chrishis  virtutum  siemmaie  septus<^).  Der  Salvator  sitzt  in  jugendlicher  Ge- 
stalt ohne  Bart  und  mit  dem  Kreuznimbus  um  das  Haupt  auf  einem  mit  sack- 
förmigem Polster  belegten  Sessel ;  über  das  lange  faltenreiche  Untergewand 
legt  sich  das  quer  über  die  Brust  offene  Oberkleid ;  die  erhobene  Rechte  hält 
ein  Buch,  die  offne  Linke  ist  symmetrisch  erhoben.  Hinter  der  Figur  er- 
scheint in  Form  eines  Medaillons  eine  eirunde  Einfassung,  welche  oberhalb 
von  einem  Querbande  durchzogen  ist,  auf  dem  das  apokalyptische  Alpha 
und  Omega  steht.  (S.  oben  S.  401  f.)  Zu  beiden  Seiten  Christi  erblickt  man 
zwischen  zwei  Türmen  zwei  sechsgeflügelte  Cherubim,  zu  seinen  Hänpten 
und  Füfsen  die  Zeichen  der  vier  Evangelisten  (s.  oben  S.  481  f.),  und  diesen 
entsprechend  in  den  vier  Ecken  des  Bildes  die  vier  Evangelisten :  Johannes 
und  Matthäus  im  Mannesalter  und  schreibend :  Markus  und  Lukas  als  Jüng- 
linge, jener  den  Griffel  spitzend,  dieser  nachdenkend  mit  Buch  und  Griffel 
in  den  Händen.  Die  Mitte  der  Tafel  nehmen  oben  die  Flammenhömer 
tragenden  jugendlichen  Gestalten  des  Sol  und  der  Luna  ein,  unten  der  greise 
Oceanus  mit  der  Urne  und  dem  Seeungeheuer  und  die  ein  Kind  säugende 
Tellus  mit  dem  Blütenfüllhom.^  —  Das  Dogma  von  den  letzten  Dingen. 


^  Besonders  ausführlich  auf  dem  Wandgemälde  am  Dome  zu  Graz  zur  Erinne- 
rung an  die  Plagen,  welche  1480  Steiermark  neimsuchten.  Vergl.  Schwach,  im  Kir- 
chenschmuck Sekkau.  1871.  No.  6  —  S,  wo  auch  die  von  Schnaase  ViU,  494  ge- 
Tdmschte  Abbildung  zu  finden  ist.  —  Aufscrdem  einfacher  vielfaltig  auf  sogenannten 
^Pestbildem«  in  Holzschnitt. 

*  Das  eine  zweischneidige  Schwert  der  Apokalypse  spaltet  sich  si)äter  (z.  B.  in 
den  Deckengemälden  zu  Ramersdorf  ca.  1300  und  zu  Wienhausen)  m  zwei,  wohl 
wegen  Luc.  22 ,  38.  Die  Ersetzung  des  einen  durch  den  lüienstengel  scheint  erst  der 
flandrischen  Kunst  anzugehören. 

3  Vergl.  E.  Förster,  Kunstgesch.  I,  34. 


.    # 


Biblische  Allegohen.    Dogmen.  515 

Der  Autichrist  (Eutchrigt.  I  Joh.  2,  22;  4,  3  und  II  Joh.  V.  7)  erscheint 
in  königlicher  Tracht  (bo  bei  Herrad;  vergl  Engelhardt,  Taf.  1,  Fig.  2). 
Die  15  Zeichen  des  jüngsten  Tages  s.  oben  S.  391.  Auferstehung  und 
Weltgericht,^  kommen  immer  vereint  zur  Darstellung,  welche  in  Deutsch- 
land vor  dem  KI.  Jahrh.  nicht  nachzuweisen  ist;  die  ältesten  Beispiele  in  dem 
Evangeliarium  Kaiser  Heinrichs  II  von  ca.  1014  —  s.  obenS.  176  —  und  in 
einem  Wandgemälde  von  St.  Georg  zu  Oberzell  auf  Reichenau  aus  der  2. 
Hälfte  des  XL  Jahrh.  Diese  Bilder  haben,  abgesehen  von  den  Illustrationen 
der  Bibelhandschriften,  in  Skulpturen  ihren  Platz  in  der  Regel  an  den  Por- 
talen, namentlich  dem  Westportal,  als  Wandgemälde  aber  ebenfalls  an  der 
inneren  Westwand  und  über  dem  Triumphbogen,  seltener  (wie  im  Obermünster 
zu  Regensburg  und  in  St.  Kunibert  zu  Köln)  in  der  Apsis  und  folgen  im  all- 
gemeinen der  evangelischen  Schilderung  Matth.  25,  31  ff.  unter  Hinzunahme 
ausführender  Züge  ans  der  Apokalypse :  oben  thront  der  Weltenrichter  in 
der  Majestas  in  den  Wolken,  umgeben  von  posaunenden  Engeln,  verehrt  rechts 
von  der  fürbittenden  Maria,  links  (wohl  mit  Beziehung  auf  Matth.  3,  7)  von 
dem  Bufsprediger  Johannes ;  als  Beisitzer  sitzen  nach  Matth.  20,  28  daneben 
die  Apostel,^  zu  sechs  auf  jeder  Seite  gruppiert.  Darunter  findet  sich  in 
älteren  byzantinischen  Darstellungen,  auch  bei  Herrad,  später  nicht  mehr 
oder  durch  Engel  mit  den  Passionsinstrumenten  ersetzt,  die  Darstellung  eines 
Thrones  mit  aufgeschlagenem  Buche  und  den  Passionsinstrumenten,  zu  dessen 
Seiten  zwei  Engel  stehen,  und  vor  dem  Adam  und  Eva  knien ,  die  sogenannte 
iioifiaffia  lov  &(f6yov  nach  Psalm  9,  8;  80,  15  und  103,  19.  Unten  das  Thal 
Josaphat  mit  den  aus  der  Erde  oder  aus  Sarkophagen  Auferstehenden,  in 
den  byzantinischen  Darstellungen  und  bei  Herrad  auch  das  Meer,  das  die 
Toten  herausgiebt  (nach  Apok.  20,  13)  und  die  Raubtiere,  welche  die  von 
ihnen  Gefressenen  wieder  von  sich  geben.  Zur  Rechten  helfen  Engel  den 
Seligen  aus  ihren  Gräbern  und  geleiten  sie  manchmal  unter  musikalischem 
Vorspiel  zu  der  Himmelsthür,  die  Petrus  ihnen  aufschliefst,  oder  auch  wohl 
die  Seelen  als  kleine  Kindlein  zu  den  Fenstern  eines  Hauses  (nach  Joh.  14,  2) 
hineinhebt;  hier  sitzt  auch  Abraham,  der  die  Seligen  in  seinem Schofse  hält 
nach  Luk.  16,  23.  ^  Auf  der  Linken  des  Richters  zerren  phantastisch  gebil- 
dete Teufel  direkt  oder  mit  langen  eisernen  Gabeln  die  oft  von  einer  Kette 
umschlungenen  Verdammten,  unter  denen  man  schon  in  Denkmälern  aus 
dem  XII.  Jahrb.,  also  nicht  erst  in  späteren  antiklerikalen  Darstellungen,  aller- 
lei Kleriker,  selbst  den  Papst  erblickt,  und  denen  häufig  auch  ein  diabolisch 
grinsendes  Teufelchen  die  Fiedel  streichend  vorangeht,  in  die  ewige  Ver- 
dammnis, die  als  ein  feuriger  Schlund,  in  den  Skulpturen  meist  als  ein  gäh- 
nender riesiger  Drachenkopf,  aus  dem  Feuei*flammen  schlagen,  und  in  dem 
etwa  Lucifer  thront,  dargestellt  wird.   Die  Qualen  der  Verdammten  werden 


*  Vergl.  B.  Eckl,  üb.  d.  Darst.  des  jüngsten  Ger.  in  d.  bild.  Kunst,  im  Org.  f. 
ehr.  K,  1870.  No.  1—7;  (F.  L.  C.  von  Modem)  d.  jüngste  Ger.  in  den  Bildweäen 
Mittelalt.  Kunst.  1875,  9 — 18;  Pet.  Jessen,  die  Darst.  des  "Weltgerichts  bis  auf 
Michelangelo.  Mit  8  Taflf.  lächtdr.  1883. 

^  Nur  auf  diese,  nicht  wie  Springer,  Quellen  etc.,  29,  annimmt,  auf  die  Heiligen 
des  Himmels  überhaupt  bezieht  es  sicn,  wenn  es  in  dem  Hymnus  de  omnibus  sanctis 
(Daniel.  H.  App.  no.  LXIX)  heüJst:  principe^  sacri  senatus,  orhis  älmi  judices, 

'  Über  diesen  allein  in  der  Krönung  von  Grabsteinen  s.  oben  8.  842. 

88  ♦ 


516  Biblische  Allegorien.    Dogmen. 

meist  nur  durch  das  Bild  der  in  einem  feurigen  Kessel  Gebratenen  angedeutet, 
bei  den  Malern  des  XV.  Jahrh.  tritt  eine,  vereinzelt  schon  bei  Herrad  vor- 
kommende, der  Art  der  Sflnden  bedeutungsvoll  entsprechende  Mannigfaltig- 
keit ein ,  die  sich  zum  Teil  in  den  tollsten  Ausschweifungen  einer  grausigen 
Phantasie  und  eines  diabolischen  Humors  ergeht.  —  Der  abendländischen 
Kunst  eigentflmlich  ist  das  selten  fehlende  Moment  der  Seelenwägung: 
in  der  älteren  Zeit  eine  aus  Wolken  greifende  Hand,  später  regelmäfsig 
der  Erzengel  Michael  (s.  S.  519)  hält  die  Wage,  in  deren  Schalen  zwei 
auferstandene  Tote  knien,  deren  einer  in  der  sich  hebenden  linken  Schale 
als  zu  leicht  erfunden  dem  Teufel  überantwortet  wird ;  der  Satan  oder  eine 
ganze  Horde  von  Teufeln  machen  die  verzweifeltsten  Anstrengungen ,  um  die 
Schale  mit  der  geretteten  Seele  wieder  in  die  Höhe  zu  schnellen.  In  einigen 
Darstellungen  wird  auch  nur  eine  Seele  gewogen,  so  in  einem  Evangeliar 
zu  Wolfenbüttel  von  1194,  wo  der  zu  Richtende  unterhalb  der  Wage 
steht,  und  auf  der  sich  hebenden  Schale  ein  unförmlicher  Klotz  liegt,  wäh- 
rend auf  die  sinkende  Michael  das  Blut  des  Herrn  aus  einem  Kelche  giefst, 
welches  ein  winziger  Teufel  mittelst  eines  Schlauches  wieder  herauszuholen 
sucht,  oder  auf  einem  Wandgemälde  in  der  Kapelle  des  Sondersiechenhauses 
bei  Schaffhausen  aus  dem  XV.  Jahrb.,  wo  die  Seele  in  der  sinkenden 
Schale  mit  einem  Kreuze  in  den  Händen  kniet  und  Michael  ebenfalls  eine 
Schale  mit  Blut  über  sie  ausgiefst,  während  auf  der  sich  hebenden  Schale 
ein  Kirchengebäude  steht,  dem  ein  Bischof  einen  Stab  vorhält. 

Zu  den  Allegorien  gehört  auch  die  Darstellung  innerer  Vorgänge, 
besonders  des  Kampfes  zwischen  Fleisch  und  Geist,  durch  gute  und  böse  Engel, 
die  sich  z.  B.  in  der  xylograph.  Ars  moriendi  durchgeführt  findet,  wie  das 
aus  der  Collectio  Weigeliana  II,  6  No.  233  hier  beigegebene  Faksimile  der 
Rettung  des  Kranken  in  der  Temptacio  dyobaii  de  vana  gloria  veranschau- 
licht.^ —  Endlich  ist  hier  der  scala  caritatis  Erwähnung  zu  thun,  einer 
mönchischen  Darstellung  des  Weges  zur  himmlischen  Krone  unter  dem  Bilde 
einer  Leiter  mit  15  Sprossen,  auf  der  unter  den  Pfeilen  der  Versuchung  der 
bösen  Geister  und  dem  Schutze  der  Engel  emporgestiegen  wird,  die  Laien 
und  Weltgeistlichen  schon  auf  den  untersten  Stufen  herabfallen,  aber  auch 
von  den  Mönchen  auf  den  oberen  Stufen  viele,  und  nur  die  Caritas  die  Krone 
ans  der  Hand  Gottes  empfängt.  Diese  in  der  byzantinischen  Kunst  stereotype 
Darstellung  (vergl.  das  Malerbuch  vom  Berge  Athos  bei  Didron  402  oder  Schäfer, 
377)  ist  z.  B.  auch  in  den  Hortus  deliciarum  der  Herrad  übergegangen  (bei 
Engelhardt,  Taf.  9). 

Anmerkung.  Eine  seit  dem  XIII.  Jahrh.  beliebt  werdende,  namentlich 
in  Glasmalereien  vorkommende  Darstellung  ist  der  aus  der  Wurzel  Jesse  (Jes. 
11,   10)  erwachsende  Stammbaum  Christi:   Unten  liegt  Isai,  der  Vater 


'  Drei  Engel  an  den  Seiten  des  Bettes  rufen  dem  Kranken  zu  Sis  humilis;  der 
vorderste  zeigt  auf  den  Hüllenrachen,  welcher  drei  Hoffiirtige,  darunter  einen  Priester, 
verschlingt;  bei  demselben  das  Schriftband  Superbos  punio.  Ton  Wolken  getragen 
erscheint  der  heil.  Geist  in  Gestalt  der  Taube  mit  ausgebreiteten  Flügeln,  una  hinter 
diesem  Gott  Vater,  Jesus  und  Maria.  Links  am  Endo  des  Bettes  steht  St.  Antonius 
mit  Glocke  und  Kreuzstab,  der  in  der  Versuchung  siegi-eich  gewesen ;  im  Vordergründe 
endlich  wjQzt  sich  ein  Teufel  auf  dem  Boden  mit  den  Worten  Victus  sum. 


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Historische  Bilder.  517 

Davids,  in  Patriarchentracht  und  auf  seiner  Brust  wurzelt  ein  Weinstock ,  der 
auf  seinen  Reben,  durch  Ranken  verbunden,  den  biblischen  Geschlechtsregistern 
(Matth.  1  oder  Luk.  3)  folgend,  die  Bilder  der  Vorfahren  Christi  trägt  und  in 
der  Darstellung  des  thronenden  Salvators  wipfelt.  Die  ausführlichste,  mit  Adam 
und  Eva  beginnende  Reihenfolge  ist  in  der  Deckenmalerei  von  St.  Michael  in 
Hildesheim*  enthalten.  Später  erscheint  Maria,  die  Himmelskönigin,  als  Ab- 
schlufs  und  Krone  des  Ganzen,  und  eines  der  vorzüglichsten  Beispiele  dieser 
Art  ist  der  berühmte  Schnitzaltar  des  Veit  Stofs  in  der  Marienkirche  zu  Krakau. 
—  Analog  sind  die  im  Spätmittelalter  vorkommenden  Stammbäume  der 
Mönchsorden,  z.B.  der  Stammbaum  der  Dominikaner  mit  den  vorzüglichsten 
Heiligen  dieses  Ordens,  z.  B.  am  Lettner  der  Dominikanerkirche  zu  Bern  ver- 
eint mit  dem  Christi  von  1472 ;  allein  im  Holzschnitt  von  1473  (vergL  CoUectio 
Weigeliana,  I,  278  ff.  No.  181). 

c.  HUtorische  Bilder  '  Nach  dem  über  die  alttestamentlichen  Typen 
Gesagten  (vergl.  oben  a.)  können  streng  genommen  nur  Darstellungen  aus 
der  neutestamentlichen  Geschichte  als  eigentlich  historische  Bilder  betrachtet 
werden:  Scenen  aus  dem  Leben  und  besonders  aus  dem  Leiden  Jesu,  jedoch 
auch  diese  sind  oft  nicht  in  geschichtlicher  Bedeutung,  sondern  als  Bezeich- 
nung der  Seelenznstände  der  Maria,  ihrer  Leiden  und  Freuden,  aufzufassen, 
oder  zuweilen  auch  als  Prototypen  der  einzelnen  Ceremonien  bei  der  Messe.' 

Anmerkung  1.  Die  mittelalterlichen  Künstler  accommodierten  sich  im 
Allgemeinen  bei  der  Darstellung  der  biblischen  Bilder  einem  gewissen  kirchlich 
überlieferten  Typus  (vergl.  oben  S.  3,  §.  6),  so  dafs  die  einzelnen  Gestalten 
und  die  ganzen  Kompositionen  unter  sich  viel  Übereinstimmendes  haben.  Schon 
das  Konzil  von  Nicaea  im  Jahre  787  setzte  fest:  y>Non  est  imaginum  structura 
piciorum  vwentioj  sed  ecclesiae  cathoUcae  probata  iegislado  et  traditio. 


*  Farbendruck  bei  Storch  u.  Kramer  in  Berlin,  mit  Text  von  J.  M.  Kratz.  1856. 

^  Über  die  frühzeitige  Einmischung  legendenhafter  Details  in  die  bibl.  Barstellun- 
gen vergl.  Koloff,  E.,  der  evangel.  Si^enfreis,  in  v.  Raumers  Histor.  Taschenbuch. 
1860,  279  ff. 

'  Näheres  hierüber  findet  sich  bei  Durandus  (1.  IV.  c.  1  n.  40;  c.  40  n.  3  etc.), 
und  die  Anwendung  dieser  zum  Teil  abenteuerlichen  Beutungen  in  der  bildenden  Kunst 
zeigt  sich  z.  B.  auf  einem  gemalten  (teilweise  in  ursprünglichem  Sinn  erneuerten) 
Fenster  aus  dem  Xm.  Jahrh.  in  der  Stiftskirche  zu  Bücken  (Abb.  in  Mitt.  Baud. 
Nieders.  Heft  11  u.  12.  1866.  Taf.  87  Farbendruck).  Man  sieht  hier  zusammengestellt 
und  durch  Inschriften  erläutert: 

Der  DiakoniiB  ulngt       Jesu  beruft  die         Die  Taufe  Christii         Der  Dlakoniu  stngt       Johaooes  der 
das  Eraageliom.  Jünger.  die  Epistel.  T&nfer. 

Der  Prleeter  maebt  Jadaa  ver-  Chriitos  reicht  Der  Priester  Der  Verrath 

drei   Kreose    über  kauft  oj«.  Jndai  den  Bissen.  »^gnei  durch  den 

die  Opfergaben  and  den  Herrn.         uwm  •««»■  «w»  ««aw».       die  Opfergaben.  Kufs 

zwei  über  das  Brot  des  Judas, 

nnd  den  Wein  t>e* 
»onder«. 

Die  5  Kreuze  bezeichnen  die  5  Eigenschaften  der  venditio  des  Herrn  durch  den 
Judas  als  eine  mdledicta,  proacripta,  irrita,  iniqua  und  detestabüia.  wogegen  die 
ablatio  des  Priesters  nach  seinem  flehen  werden  soll  eine  benedida,  tiascripta,  rata, 
rationabüis  tmd  acceptttbüis.  Die  traditio  des  Judas  ist  dreifach,  weil  er  den  Herrn 
verriet  an  die  Priester,  die  Schriftgelehrten  und  die  Pharisäer.  Ähnlich  sind  die 
übrigen  Bilder  zusammengestellt,  und  den  Sinn  im  ganzen  drückt  die  Inschrift  aus: 
Qv^  fuü  in  cena,  veraciter  est  et  in  ara. 


518  Oott  Vater. 

Atqui  consilium  et  traditio  ista  tion  est  pictoris  (e/us  enim  sola  an  est),  rerum 
ordinatio  et  dispodlia  palrum  noslrorum«  (Lsbbe,  Conc.  t.  VU,  sjnod.  Nicaen» 
IL,  actio  fi.  col.  831  sq.).  Dieaem  Oberlieferten  Typus  bliebea  die  Künstler  des 
Morgenlancles  big  nuf  die  Gegenwart  sklavisch  treu,'  während  die  abendländi- 
schen Künstler  seit  dem  XIII.  Jahrb.  besonders  bei  gewissen  Darstellnngen 
sich  einer  gritrseren  Freiheit  bedienten ;  nach  der  mit  einem  Citate  aus  Moraz 
(de  arte  poet.  v.  9.  10)  bekräftigten  Bemerknag  des  Durandus  I.  c.  3  n.  22 : 
^Diversae  hisloriae  tarn  novi  quam  veleris  teitamenfi  pro  vohmtate  piciorum 
depinguntur ;  nam  pictoribws  alque  poeiis  quaelibel  nudendi  semper  ßtäl  aequa 
polfstas.* 

Wir  beschränken  uns  auf  Anftlhrung  einiger  charakteHstischeDGrnndzQge 
der  am  häufigsten  vorkommenden  biblischen  Darstellungen  nud  Personen*  und 
bemerken,  dafs  hei  den  meii^ten  der  folgenden,  meist  nach  älteren  Skulpturen 
mitgeteilten  Abbildungen  von  etwaigem  Kunstwerte  abzusehen  und  lediglich 
der  Typus  der  Darstellung  ins  Auge  zu  fassen  ist. 

Oott  Vater'    Die  alte  christliche  Kunst  trug  schriftgcmäfs  (II  Mose  33, 
20;   Job.  1,  18;  6,  46;  l  Tlmoth.  fi,  16;  IJoh.  4,  12)  gerechte  Scheu,  den 
allgegenwärtigen  Geist,  dessen  Antlitz  kein  Mensch  je  gesehen  hat,  noch  sehen 
kann,  gestaltlieh  darzustellen,  und  besehied  sich,  die  Gegenwart  des  Allmäch- 
tigen durch  die  segnende  Hand,  durch  den  aus  den  Wolken  reichenden  Ann 
zu  symbolisieren.   Wo  der  Gegenstand  der  Darstellung,  wie  Inder  Schöpfungs- 
geschichte etc.,  die  Darstellung  der  leibhaftigen  göttlichen  Gestalt  erheischte, 
erseheint  statt  des  gestaltlosen,  undarstel baren  Vaters  der  Sohn,  als  das 
Fleisch  gewordene  Wort,  das  Ebenbild  des  unsichtbaren  Gottes  (Joh.  1,  't.  14; 
12,  45;  Ko).  1,  15  f.),  durch  das  alle  Dinge  gemacht  sind;  seit  dem  XII.  Jahrh. 
indes  flbertrugeu  die  Künst- 
ler die  Gestalt  des  Sohnes 
auch  auf  den  Vater,  so  dafs 
es  in  manchen  Fällen  nur 
aus   dem    Zusammenhange 
zu  deuten  möglich  ist,  wer 
unter  der  dargestellten  Per- 
son zn  verstehen  sei ,  ob  der 
ODtt  ViMr  Vater  oder  der  Sohn,   der 

Flg.  KA,  TOD  den  Ex-  FIr.  WS,  Tom  AllMhelHien-       mit  dem  VatCT  eins  ist  (Joh. 

"S«b  «"i.SS,;"'  ""(.rb  ci^ö.""         10-  30),  und  erst  seit  dem 

Ende  des  XIV.  Jahrh.  bildet 

sich  für  Gott  den  Vater  ein  eigener  Typus  aus:  er  erscheint  als  Greis  von 

60  —  80  Jahren  iantiqaus  diervm;   Dan.  7,  9,  13.  22)  mit  langem  weifsen 

'  Höchst  schätzbare  Aufschlüsse  über  die  im  allgemeineu  mit  den  abeDitlündischen 
^t  völUg  übereinstiinmenden  Bildertypen  der  moreenländ.  Kirche  enthält  die  von 
Didron  resp.  Schäfer  (s.  oben  S.  478)  herausgegebene  Schritt  des  neugriechischen 
Mönches  Dionysius:  'E^uipiela  zSq  ^luyfatpiit^tf  welche  zwar  erst  aus  dorn  XV.  Jahrh. 
datiert,  aber  ältere  Quellen  benutzt  hat 

'  Viele  lehrreiche  Bemertungen  bei  Adelung,  die  korssunschen  Thüren  in  Now- 
gorod, 5—84. 

^  DidroD,  Iconographie,  171—239.  —  G.  P.,  die  Darstellung  Gottes  u.  d.  Drei- 
einigkeit in  der  Kunst,  in  der  Zeitschr.  f.  kirchUche "Wissensch.  u.Kirchl.  Leben.  1881. 
«51—661. 


Engel.  519 

UDgeteilten  Bart,  bekleidet  mit  den  InBignien  der  Mi^eBtät,  im  EoatUme  des 
Papstea,  Kaisers,  EOnigB  etc.,  de d Reicheapfel  znm Zeichen  der  Weltr^ening 
haltend.  Die  Renaieeance  sucht  das  liinfällige,  grämliche  Bild  mit  Allgewi^t 
und  Würde  zu  BchmUcken  und  der  erhabenen  Idee  anzun&hero.  —  Über  Dar- 
stellung der  Dreieinigkeit  s.  oben  S.  öll  f. 

Sie  Engel:  geflügelt,  in  reifer  jQnglingsgestalt,  traditionell  kostümiert  in 
Diakonentracbt  und  unbeschuht,  erst  seit  dem  XIII.  Jahrli.  auch  als  achwebende 
Kinder.  Der  Franziskaner  Berthold  t  i212  sagt 
von  ihnen  (Teutsche  Predigten,  herausgegeben  von 
Kling.  1824,  238):  Die  sinl  alter,  danne  sehzig 
hundert  jar,  und  swa  man  sie  tnali,  da  malt  man 
sie  anders  niht,  danne  als  ein  /eint,  daz  da  fünf  jar 
alt  ist.  Die  Kiudengel  tragen  liäufig,  ebenso  wie  die 
erwachsenen,  mnsikali sehe  Instrumente  oder  die  Pas- 
sions werk  zeuge  und  enden  nicht  selten  nnten  in  flat- 
ternden Gewändern.  Nackte  Engel  gehören  wesentlich 
erst  der  Renaissance  an.'  —  Die  Erzengel,^  stets 
in  JUnglingsgestalt,  nach  Beschlufs  einer  römischen 
Synode  von  745  (Labbe,  Conc.  Tom.  VI.  p.  1561)  nnr 
drei,  dessenungeachtetgewöhnlichnacb  orientalischem 
Vorgange  vier,  zuweilen  mit  ihren  ins  Lateinische 
übersetzten  Namen  bezeichnet:  Michael  (Quis  ul 

dem),  Judä  V.  9,  in  ritterlicher  Rüstung,  ein  Kreuz     ^^^  ^    Eaiiff «»  Aiii.b« 
auf  dem  Stirnreifen,  ^  kämpft   mit  dem   Drachen,        Tiohieine  «  Qemroii«. 
wägt  die  Seelen,  es  werden  ihm  auch  die  ilgyptischen 

Plagen  zugeschrieben.  Gihjiel  {Fortitudo  dei},  Lncä  1,  19,  der  Verkttndiger 
der  Gebnrt  Simsons  (Richter  13,  3),  desJohannes  und  Christi,  mit  dem  Lilien- 
stengel ;  im  XIV.  und  XV.  Jahrh.  trägt  er  zuweilen  zu  seiner  Legitimation  als 
Himmelsbote  eine  besiegelte  Urkunde  in  den  Händen ,  *  oder  erscheint  als  Jäger 
des  Einhorns.^  Ra p h ael  (J/etfidna  dei),  als  Wanderer,  begleitet  den  Tobias, 
erscheint  den  Hirten  bei  der  Geburt  Christi.  Uriel(^u;E  dei),  entnommen  ans 
dem  apokryph.  4.  BucheEsdra  4,  1  und  ungeachtet  der  kirchlichen  Abweisung 
dennoch  in  die  Liturgiker  (Durandus  1.  4  c.  33  n.  20}  ttb erge gange n ,  mit 
Sehriftrolle  oder  Buch,  erscheint  dem  Moses  im  feurigen  Busch,  sitzt  auf  dem 
Grabe  Jesu,  geht  mit  den  beiden  emahuntischen  Jüngern.  —  Unter  den  Engeln 
kommen  folgende  mit  eigeuen  Namen  und  Attributen  vor:  Chamael,  mit 
Becher  und  Stab,  trOstet  den  blutschwitzenden  Heiland  am  Ölberg;  Haniel 

'  In  den  Gurker  Wandgemülden  erscbemen  nackte  Jündinee  mit  6  Flügeb  und 
einer  Tuba  in  der  Hand;  oa  ist  jedoch  fraglich,  ob  dies  Engel,  o3er  wegen  der  übrigen 
'   Attribut«,  die  sie  tragen,  FerHoniSkationen  der  Elemente  xind. 

'  Verd.  Kratz,  Dom  zu  Hildeshcim.   n,  14  f. 

^  Die  Rüfitong  trägt  er  in  der  deutlichen  Kirnst  eist  seit  Memllnc,  in  Italien  scheint 
Cimabue  ihn  zuerst  damit  abgebildet  zu  haben ;  früher  eriicheint  er  in  der  gewohnlichen 
Engeltracht. 

'  Vergl.  Hach,  Th.,  die  Verkündigung  Maria  als  Rechtsgeschäft,  im  Chr.  K.-Bl. 
1S81.  Nr.  11  f.  und  dazu  Heydemann,  ebd.   1882,  111. 

'  Vergl.  oben  S.  512.  Die  Gabrielshunde  gelten  unter  dem  walisischen  Volke  für 
Todesboten.  Rodenberg,  ein  Herbst  in  TValea.  1857  (e.  lUostr.  Montagsztg.  BerUn 
1857.   No.  39,  t57). 


520 


Teufel. 


trägt  Schilfrohr  und  Domenkrone;  Jophiel  vertreibt  die  ersten  Eltern  mit 
dem  FlammenBchwerte  aus  dem  Paradiese ;  Z  a  d  k  i  e  1 ,  einen  Widder  neben  sich, 
hindert  den  Abraham  an  der  Opferung  Isaaks;  Zaphkiel,  mit  der  Rnte  in 
der  Hand,  zieht  vor  den  Israeliten  durch  die  Wüste.  — Die  ganze  himmlische 
Hierarchie*  wird  in  neun  Chöre  geteilt:  1.  Seraphim  (mit  6  Flflgehi,  Jes. 
6,  2),  Cherubim,  Throni.  2.  Dominationes,  Virtutes  (bei  HonoriusAugostod. : 
Ftincipatus),  Potentiae  (Potestates).  3.  Principatus  (bei  Honorius:  Virtntee) 
Archangeli,  Angeli,  und  in  der  griechischen  Kirche  haben  alle  diese  Rangstufen 
ihre  verschiedenen  Merkmale.' 

Der  Teufel'  kommt  frühzeitig  bei  der  Darstellung  des  SOndenfalls  in  der 
christlichen  Kunst  vor  unter  dem  biblischen  Bilde  einer  Schlange  mit  oder  ohne 
Menschenhaupt,  und  später  kommen  noch  andere  Sinnbilder  hinzu :  der  Drache, 
mit  dem  Michael  (und  mehrere  Heilige)  kämpft,  der  Löwe,  den  Heilige  unter 
die  Füsse  treten  etc.  (s.  S.  486  f.).  Im  IX.  Jahrh.  erscheint  der  Teufel  bei 
der  Versuchung  Christi  (in  einer  Hds.  der  k.  Bibliothek  zu  Paris  —  Waagen, 
Kunstwerke  u.  Künstler  in  England  u.  Paris  III,  209),  als  vereinzeltes  Beispiel  in 
so  früher  Zeit,  als  böser  Engel,  satyrartig  in  nackter  Menschengestalt,  geflü- 
gelt und  von  grüner  Farbe,  seit  dem  XI.  Jahrh.  wird  er  teils  in  menschlicher, 
teils  in  tierischer  Gestalt,  stets  aber  häfslich  dargestellt.   Auf  dem  Sarkophage 

des  Bischofs  Adeloch  in  Strafsburg  sieht  man  ihn 
als  nackten  Mann  mit  haarigem  Körper,  Schwanz, 
gespaltenen  Hufen  und  in  jeder  Hand  eine  Schlange 
haltend;  sonst  hat  er  auch  Hörner  und  Fledermaus- 
flügel, den  Leib  voll  Brüste,  statt  des  Geschlechts- 
teils ein  scheufsliches  Gesicht.  Am  Portale  des 
Strafsburger  und  Freiburger  Münsters  er- 
scheint er  dagegen  lediglich  als  eleganter  Junker 
(s.  oben  S.  502).  In  einem  Codex  der  Moralia 
des  Gregor  zum  Hiob  aus  dem  Anfange  des  XIII. 
Jahrh.  zu  Herzogenburg  in  Österreich  ist  er  darge- 
stellt, wie  ihn  der  neben  ihm  sitzende  Christus  vom 
Throne  stöfst,  zottig  mit  gespaltenen  Klauen,  löwen- 
mähnenartiger Perücke,  federartigem  Schwänze, 
oben  schwarz,  unten  grün,  wie  er  mit  der  linken 
Hand  nach  der  abfallenden  schwarzen  Krone  greift 
und  in  der  rechten  ein  flammendes  fackelartiges  Scep- 


Flg.  267.   Die  Veraacbang  Cbrtoti. 

Belief  Im  Dome 

so  Paderborn,  XIII.  Jabrh. 

(nach  Scbimmel). 


*  (Pseudo-)DionyBivLB  Areopagita,  de  hierarchia  coel.  (Opp.  T.  1)  c.  3. 

*  Am  Triumphla^uz  im  Borne  zu  Halberstadt  tragen  die  auf  dem  Rade  (Ezech. 
1,  15)  stehenden  Cherubim  deichfalls  6  Müeel,  ebenso  ist  der  Cherub  auf  dem  Siegel 
des  Dekans  Konrad  von  St.  JBonifatii  zu  Haloerstadt  (1292—1309,  Abb.  Urkund.-B.  von 
St.  Bonif.  zu  H.  Taf.  n,  10)  dargestellt.  Die  Cherubim  erscheinen  auch  als  blofee 
Köpfe  mit  Flü^ln,  die  mit  Augen  besetzt  sind,  die  Throne  als  geflü^lte  Feuerräder, 
bei  denen  die  m  der  Mitte  mit  Augen  besetzten  Flügel  einen  Thron  bilden.  —  Schä- 
fer, God.,  Handbuch  d.  Malerei  vom  Berge  Athos,  99 — 104.  —  Annales  arch.  XVin, 
38—48. 

^  von  Blomberg,  der  Teufel  und  seine  Gesellen  in  d.  bildenden  Kunst  (Studien 
zur  Kunstgesch.  u.  Ästhetik.  I.  1867..  Vergl.  Deutsch.  Kunstblatt  1856,  301  ff.).  — 
Wessely,  s.  oben  S.  508.  N.  2.  —  Über  Darstellungen  des  Teufels  Zapp  er  t,  vita  b. 
Petri  Acotanti,  70—74.  —  Abbüd.  bei  Twining,  S>Tnbols  PI.  LXXV— LXXX. 


Alttestamentliche  Daratelluugon. 


521 


ter  trägt.'  Magiern  oder  solcben  PersoneD,  die  eich  dem  Feinde  Gottes  und  der 
Menschen  hingeben,  sitzt  er  in  Gestalt  eines  schwarzen  Oalgenvogels  anf  der 
Schulter  und  inspiriert  sie;  den  Besessenen  fahren  die  Teufel  siebtbar  aus  dem 
Munde.  In  der  Hölle  thront  Satau  umgeben  von  seinen  Vasallen  in  allen  mög- 
lichen scheurslichen  Gestalten.  Zuweilen  kommen  anch  possierliche  Teufel  vor, 
z.  B.  auf  einem  die  Marter  des  h.  Lsurentius  darstellenden  romanischen  Bild- 
werke im  Dom  zu  Basel,  wo  ein  Tenfelcben  dem  assistierenden  Richter  in 
den  Haaren  kraut,  ibnlich  hinter  dem  zu  Gericht  sitzenden  Herodes  oder  Pi- 
latus auf  den  BronzethOren  vonHildeaheim,  oder  häufiger  im  späteren  Mittel- 
alter (z.  ß.  auf  den  Zehn  Geboten  in  der  Luthereammlnng  zu  Wittenberg), 
wenn  der  Teufel  auf  seinen  Opfern  reitet.  Die  Maler  seit  c.  1500  haben  sich 
Überhaupt  bei  Darstellungen  der  Hölle  und  ihrer  Bewohner  und  besonders 
anch  bei  der  Versuchung  des  h.  Antonius  den  ausschweifendsten  Phantasien 
überlassen. 

Altteatamentliohfl DuiteUungen :  Adam,^ron 
Gott  aus  einem  Erdenklofs  erschaffen,  nackt  im 
Paradiese,  mitten  unter  den  Tieren,  welche  er  be- 
nennt. Gott  Vater  hebt  die  Eva  aus  seiner  Seite 
empor.  Beide  erscheinen  vor  dem  SDndenfalle  oft 
völlig  unbekleidet,  oder  mit  BI&tterbDscheln  ihre 
BlOfse  deckend,  auch  zuweilen,  als  nicht  geboren, 
sondern  erschaffen,  ohne  Nabel  und  aus  Gründen 
der  Sittlichkeit  geschlecht  alos.  BeimSUndenfalle 
sind  die  ersten  Eltern  gewöhnlich  bereits  mit 
Blätterecbürzen  umgürtet;  sie  stehen  neben  dem 
Früchte  (wie  Äpfet,  Hohelied  Salom.  8,  5  —  in 
südlichen  Ländern  auch  Felgen)  tragenden  Baume 
der  Erkenntnis,  um  den  sich  die  Schlange,  welche 

oft  einen  Meuschenkopf  hat,  windet  und  ihnen  von  ^''buf^' i^^'l^^'l^noT 
den  Früchten  darreicht.*    Nach  der  Vertreibung  (n»cii  Adeim»). 

aus  dem  Garten  Eden  erscheinen  die  ersten  Men- 
schen sogleich  in  mittelalterlicher  Tracht:  Adam  baut  den  Acker,  Eva  spinnt 
oder  nährt  ein  Kind. 

Kain  und  Abel  opfern:  die- 
ser ein  Schaf,  jener  eine  Garbe. 
Sie  halten  entweder  ihre  Opfer  vor 
sich  empor,'  oder  stehen  neben  den 
lodernden  Altären:  Abels  Opfer- 
flamme steigt  gen  Himmel  auf, 
Kains  Feuer  schlägt  nieder  und 
züngelt  nach  ihm  hinüber.  —  Kain 
tötet  seinen  Bruder  mit  einer  Kenle 

'  Abb,  Arohiv  f.  Ennde  österr.  Gesch. -Quellen.   V,  147. 

'  Vcr^l.  Friedrich,  C,  die  bildl.  DarsteUung  des  Ad.  U.  d.  E.  im  ehr.  Alter 
in:  'Wartbui^.   VI,  66  ff. 

'  Über  allesomche  Behandlimg  des  Paradiesbaumes  s.  oben  S.  513. 

'  Am  PoriJUtvmpanon  za  'Wennigsen  im  Fürstentum  Kaienberg  knien  beide  » 
dem  thronenden  Salvstor.  Abb.  Mithotf.  I,  Taf.  4. 


522  Alttestamentliche 

oder  Hacke.  —  Er  verscharrt  ihn.  —  Er  flieht.  —  Die  Hand  Gottes  in  den 
Wolken. 

Noah  erhält  von  Gott  den  Befehl ,  die  Arche  zu  bauen ,  ist  mit  seinen 
Söhnen  am  Baue  derselben  beschäftigt.  Die  Sintflut.  Noah  hält  den  (vier- 
eckigen) Kasten ;  dieser  steht  neben  ihm  oder  er  in  demselben  und  trägt  eine 
Taube  auf  der  Hand.  Auf  dem  Verduner  Altar  in  Klosterneuburg  gleicht 
die  Arche  einer  Basilika  mit  Seitenschiffen^  aus  deren  Fenstern  allerlei  Tiere 
schauen,  und  Noah,  in  der  Thflr  stehend,  nimmt  die  Taube  in  Empfang.  Er 
verläfst  mit  Menschen  und  Tieren  die  Arche.  Das  Dankopfer ;  am  Himmel  der 
Regenbogen.  Die  Anpflanzung  des  Weinstockes.  Noah  berauscht  sich  im  Wein; 
die  anstöfsige  Scene  I  Mose  9,  21  ff. 

DerTurmvonBabel,ein  terrassierter,  abgestumpfter  Kegel ;  viele  Bau- 
leute sind  geschäftig,  feurige  Zungen  fallen  vom  Himmel  auf  den  unvollendeten  Bau. 

Abraham,  in  mittelalterlicher  Ritterrüstung,  zuweilen  von  Lot  begleitet 
und  von  Kriegern  und  Herden  umgeben ,  errettet  Lot  aus  der  Gefangenschaft 
(I  Mose  14,  16),  empfängt  von  dem  in  königliche  Priestertracht  gekleideten, 
ihm  entgegentretenden  Melchisedek,  dem  er  den  Zehnt  darbringt,  Brot  und 
Wein  (ebd.  18).  In  allen  übrigen  aus  dem  Leben  dieses  Patriarchen  genom- 
menen Bildern  erscheint  derselbe  im  langen  Rock  und  darüber  geworfenen 
Mantel,  namentlich  bei  der  so  häufigen  Darstellung  der  Opferung  Isaaks: 
dieser  liegt  gefesselt  auf  dem  Altar;  ein  Engel  hält  den  das  Schwert  zückenden 
Arm  des  Vaters  zurück  und  deutet  auf  den  Widder,  der  sich  in  einem  Gebüsch 
verfangen  hat. 

Rahel  und  Lea,  der  Maria  und  Martha  entsprechend,  alttestamentliche 
Symbole  der  viia  spirituaUs  und  saecularis. 

Die  Patriarchen  werden  im  traditionellen  Kostüm,  mit  langen  Barten, 
Talaren  und  mit  bedecktem  Haupte  dargestellt  —  Moses  hat  Hörner  (/acies 
comuiay  II  Mose  34,  29)  und  hält  die  Gesetztafel;  er  wird  als  der  erste  Pro- 
phet nicht  selten  mit  Johannes  dem  Täufer,  als  dem  letzten  Propheten,  zu- 
sammengestellt.—  Aaron:  in  derKleidungeinesPriesters.  —  Josua,  Gideon: 
in  ritterlicher  Tracht.  —  Hiob  sitzt  auf  dem  Düngerhaufen  (Hieb  2,  8);  wird 
wegen  19,  25  und  besonders  auch  wegen  40,  20  im  Habitus  eines  Propheten 
dargestellt.^  —  David:  als  König,  mit  der  Harfe,  thronend  oder  auch  vor  der 
Bundeslade  tanzend  in  Verbindung  mit  seinen  Musikern  Asaph,  Heman,  Ethan 
(lOhron.  15,  19)  und  Idithun  (ebd.  16,  42),  welche  die  verschiedenartigsten 
mittelalterlichen  Instrumente  tragen,  auch  sie  erscheinen  teilweise  tanzend, 
selbst  Tänzerinnen  unter  ihnen  (s.  oben  S.  332);  auf  der  Schulter  des  thronen- 
den sitzt  zuweilen  ein  Vogel ^  als  Zeichen  seiner  Inspiration;  in  Scenen  aus 
seinem  Leben  als  Hirtenknabe  mit  der  Schleuder,  als  gewappneter  Krieger 

*  Die  Geschichte  Hiobs  erschien  deutsch  149S*zu  Strafsburg  mit  Holzschnitten; 
die  von  Joseph,  Daniel,  Judith  und  Esther  mit  61  Holzschn.  1462  zu  Bamberg  bei 
A.  Pfister;  die  der  7  Makiabäerbrüder  mit  15  Holzschn.  1517  zu  Köln  bei  Helius  Mertz. 
Uiobs  Tag  im  Kalender  ist  der  10.  Mai,  auch  gab  es  eine  ihm  geweihte  Kapelle,  für 
die  Kurgäste  des  Hiobsbades  (jetzt  Wiesenbaues)  bei  Annaberg  1505  von  Herzog 
Georg  d.  Bärtigen  gestiftet. 

*  Auf  dem  Tittelblatt  des  Psalteriums  des  h.  Leopold  zuKlosternouburg  (Abb. 
Mitt.  C.-K.  XI,  S.  XVn)  sind  es  zwei,  doch  ist  es  nicht  nötig  deswegen  an  eine 
Übertragung  aus  der  Odinssage  zu  denken.  Dergleichen  Übertragungen  aus  der  Nor- 
dischen Sage  sind  in  der  mittelalterlichen  Kunst  bis  jetzt  nirgends  nachgewiesen. 


gegen  seine  Feinde  kämpfend  u.  s.w. '  —  Salomo,  jugendlich,  in  königlicher 
Tracht;  oft  in  OeaellBctüift  der  Königin  von  Saba  {Regina  Austriae).  —  AU- 


Flt.  HO.     DiTld  mit  lelii«!!  SlngdtD  u>  dem  PMitet  Karla  du  Kihlen  (auh  Bahnuit). 

gemeines  Emblem  der  Propheten  ist  eine Schriftrollc.  Abdias  (Obadja)  mit 
Wasserkrug  und  Broten  (1  Kön.  18,  4);  Arnos  als  Schäfer  mit  Schafen  (Arnos 
1,  1;  verg).  T,  14);  Daniel,  ein  Jüngling  mit  phrygischer  Mütze  nnd  eng 
anliegender  Kleidung.  Er  kniet  mit  aufgehobenen  Armen  nackt  in  der  Löwen- 
grube oder  hat  einen  Widder  mit  vier  Hörnern  neben  sich  (Dan.  6,  16;  8,  8); 
Elias  mit  dem  Schwerte  (IKön.  19,  1),  das  erweckte  Kind  znr  Seite  (ebd.  17, 
17  etc.),  fährt  im  feurigen  Wagen  gen  Himmel  (II  Kön.  2,  11);  Elisa  trägt 
einen  zweiköpfigen  Adler  (den  zwiefachen  Geist  Gottes,  ebd.  2,  9)  auf  der 
Schulter;  Ezecbiel  hält  ein  Thor  mit  Türmen  in  der  Hand  (mit  Beziehung 

.  besonders  Springer  s.  oben 
t.  Gallen  187S. 


524  Pi'Opheten.    Christus. 

auf  Ezech.  40) ;  Jeremias  mit  einer  Rute  in  der  Hand  (Jerm.  1,  11);  Jesaias 
mit  der  Baum -Säge  (weil  er  nach  einer  jüdischen,  von  den  Kirchenvätern  mit 
Beziehung  auf  Ehr.  11,37  adoptierten  Sage  unter  Manasse  auf  der  Flucht  von 
einer  Ceder  verschlungen  und  in  dieser  zersägt  worden  sein  soll);  Joel  mit 
dem  Löwen,  der  ihn  zerrissen  haben  soll;  Jonas  mit  dem  Wallfisch,  der  ihn 
verschlang  (Jona  1,  15;  2,  1);  Malachias  mit  dem  Engel  (Mal.  3,  1); 
Nahum  wandelt  über  Bergspitzen  (Nah.  2,  1);  neben  Zacharias  wird  der 
Tempelbau  dargestellt  (Esra  5,1;  6,  14).  Wenn  einzelne  Propheten  im  Zu- 
sammenhange mit  neu  testamentlichen  Bildern  vorkommen,  so  geschieht  dies 
mit  Beziehung  auf  solche  Weissagungen  derselben,  die  auf  den  betreffenden 
neutestamentlichen  Vorgang  gedeutet  wurden;  so  stehen  z.  B.  Micha  wegen 
der  Weissagung  5,  2  und  Zacharias  wegen  13,  1  oft  in  näherem  Bezüge  zur 
Jungfrau  Maria,  und  auf  einem  den  Stammbaum  Christi  darstellenden  Glasge- 
mälde aus  dem  XIII.  Jahrh.  im  Chore  von  St.  Kunibert  zu  Köln  (vergl.  Boisseree, 
Denkmäler,  Taf.  72)  werden  Je saias  wegen  11,  1  und  H'abakuk  wegen  3,  3  bei 
der  Verkündigung  Maria  und  wegen  3,  4  bei  der  Kreuzigung,  Ezechiel  wegen 
17,  24  und  Amos  wegen  9,  13  bei  der  Geburt  Jesu,  Joel  wegen  3,  21  und 
Haggai  wegen  2,  8  bei  der  Kreuzigung,  Micha  wegen  1,  3  und  Nahum 
wegen  1,  5  bei  der  Auferstehung  des  Herrn,  wie  aus  den  beigefügten  Ins<!hrif- 
ten  ersichtlich,  dargestellt.  —  Die  drei  Jünglinge  im  Feuerofen. 

Das  nene  Testament.  Christas:  *  im  jugendlichen  Mannesalter,  mit  ge- 
teiltem Bart  und  geteiltem  Haupthaar,  mit  unbedecktem  Haupt  und  unbeklei- 
deten Füfsen,  trägt  ein  langes  Untergewand  und  ein  kürzeres  Oberkleid 
(Tunika  und  Toga).^   In  Darstellungen  der  Dreieinigkeit  aus  der  Spätzeit  des 

*  Grimm,  "W.,  die  Sage  vom  Ursprung  der  Christusbilder,  in  den  Abhandl.  der 
k.  Akad.  der  Wissensch.  zu  Berlin.  1842.  Philolog.  u.  histor.  Abhandlungen,  121 — 175, 
auch  in  dessen  Kl.  Sehr.  HI.  —  Hoffmann,  das  lieben  Jesu,  nach  den  Apokr.  im 
Zusammenhang  der  Quellen  erzählt.  1851;  auch  Langen,  die  letzten  liebenstage  Jesu 
1864  berücksicntigt  die  Apokrj^phen.  —  Legis-Glückselig,  Christus -Archäologie. 
Das  Buch  von  Jesus  Christus  und  seinem  wahren  Ebenbilde.  1862.  —  von  Blom- 
berg,  Hugo,  über  die  malerische  Darstell,  der  Person  Christi,  im  Chr.  K.-B1.  1866. 
N.  1  ff.  und  1867,  No.  6—10.  —  Veuillot,  L.,  Jesus-Christ.  Paris  1875.  —  Jame- 
son,  the  history  of  our  Lord.  2  Bde.  London  1864.  —  Heaphy,  Thom.,  the  likeness 
of  Christ.  Jjond.  1880.  —  Hauck,  A.,  die  Entstehung  des  Christustypus  in  derabendl. 
Kunst.  1880.  —  Vikt.  Schultze,  Urspi-ung  und  älteste  Gesch.  des  Christusbildes,  in 
Zeitschr.  f.  kirchl.  Wissenschaft  etc.  1883,  301  ff.  —  Abb.  beiDidron,  Iconogr.  246 — 
410.  —  Twining,  Symbols,  pl.  XVII— XXIII.  —  "Wagen er,  Xttmb.  Bildhauen^'erke. 
Abt.  n.  Christusbilder.  —  Vergl.  Alt,  Heiligenbilder,  101 — 131. 

»  Die  Vorstellung,  welche  man  sich  im  Mittelalter  von  der  Persönlichkeit  Jesu 
machte,  ist  in  der  so^en.  Prosopographie  des  Lentulus,  einem  auf  einer  Beschreibung 
bei  Nicephorus  Callisti  (XFV.  Jahm.)  beruhenden  und  zuerst  in  der  Einleitung  zu  einer 
Ausgabe  der  Werke  des  Anseimus  Cantuariensis,  die  zu  Ende  des  XV.  oder  Anfang 
des  aVI.  Jahrh.  in  Paris  gedruckt  sein  mufs,  vorkommenden  Apokryphen  so  ausge- 
drückt: Homo  quidem  Statur ae  procerae,  spectabüis,  vultutn  habens  venerabilem, 
quem  intuentea  po89unt  et  diligere  et  formtdare.  CapiUos  vero  circinoa  et  crispos 
aliquantum  ccteriUiores  et  fulgentiores ,  ab  humeris  volitantes,  discrimen  Habens  in 
meaio  capitis  juxta  morem  Isazarenorum:  frontem  planam  et  serenissimam ,  cum 
fade  sine  ruga  ac  macula  aliqu^,  quam  rubor  moaeratus  venustat.  Nasi  et  oris 
nuüa  prorsus  est  reprehensio,  barbam  habens  copiosam  et  rubram,  capiUorum 
colore,  non  Umgarn  sed  bifurcatam,  oculis  variis  et  claris  existentibus.  In  incre" 
patione  terrUnlis,  in  admanitione  placidus  et  amabilis,  hilaris  servata  gravitate, 
qui  nunquam  visus  est  ridere,  flere  atUem  saepe  cet.  (Gabler  Opp.  11,  636  sqq. 
Eine  etwas  abweichende  Recension  dieses  Briefes  in  Fabricii  Cod.  apoer.  N.  T.  I, 


Christus.    Maria.  525 

Mittelaltei-8  auch  wohl  als  König  oder  als  KardinaP  neben  Gott  Vater  als 
Kaiser  oder  Papst.  Die  altchristliche  Kunst  begnügte  sich,  den  Erlöser  durch 
Symbole  (das  Monogramm,  den  Fisch,  das  Kreuz,  das  Lamm  etc.)  oder  durch 
Allegorien  (Orpheus,  den  guten  Hirten  etc.)  andeutend  darzustellen,  und  die 
ersten  kirchlichen  Christusbilder  kommen  schwerlich  vor  dem  III.  Jahrh.^  vor : 
der  Heiland  erscheint  hier  (auf  Sarkophagen,  in  den  Katakomben)  in  holdseliger 
Jugend  und  ohne  Bart,  in  einer  idealen  Auffassung,  die  sich,  der  Anschauungs- 
weise der  Heidenchristen  entsprechend,  an  den  bereits  fertigen  Typus  des 
guten  Hirten,  wie  dieser  formell  aus  dem  antikheidnischen  Bilde  des  widder- 
tragenden Hermes  hervorgegangen  war,  anschlofs.^  Neben  diesem  Kata- 
kombentypus entwickelt  sich  dann  aus  dem  Streben,  der  göttlichen  Gestalt 
eine  höhere  Würde  und  gewichtigeren  Ausdruck  zu  verleihen,  vielleicht  unter- 
stützt durch  irgend  eine  Überlieferung  von  dem  wirklichen  Aussehen  Jesu,  jener 
andere,  zuerst  in  den  Mosaikbildern  des  Sanktuariums  der  Kirchen  seit  dem 
VI.  Jahrh.  aufgenommene  sogen.  Mosaikentypus  (das  längliche  Gesicht  mit 
dem  gespaltenen  Bart),  welchen  das  ganze  Mittelalter  festhielt,  obgleich  der 
jugendliche  Typus  des  Christusbildes  ohne  Bart  hin  und  wieder  noch  bis  zum 
XIII.  Jahrb.,  namentlich  in  Darstellungen  des  verherrlichten  Gottessohnes,  sich 
erhalten  hat.^  Die  Häfslichkeit  und  die  gealterten  Züge  vieler  Cbristusköpfe 
scheinen  mehr  aus  der  Unbeholfenheit  der  alten  Künstler  im  Individualisieren 
der  Seelenzustände,  als  etwa  aus  dogmatischen  Gründen  erklärt  werden  zu 
müssen;  doch  wird  man,  wo  beide  Typen  des  Christusbildes  neben  einander 
erscheinen :  der  verherrlichte  Gottessohn  ohne  Bart,  der  leidende  Menschensohn 
mit  dem  Bart,  berechtigt  sein,  diesen  zwiefachen  Typus  ausPs.  45,  3.4  einer- 
seits und  aus  Jes.  52,  14  andererseits  zu  erklären. 

Maria.  In  der  altchristlichen  Kunst  finden  sich  bis  zum  IV.  Jahrh.  keine 
selbständigen  Marienbilder,^  welche  erst  seit  dem  Aufkommen  der  Marienver- 
ehrung in  der  Kirche  üblich  wurden.  Man  stellte  die  Mutter  des  Heilandes,  in 
den  Gesichtszügen  ihrem  Sohne  ähnlich,  als  Matrone  von  40 — 50  Jahren  dar; 
im  XHI.  Jahrh.  erscheint  sie  jünger  und  ziemlich  von  gleichem  Alter  mit  Jesus, 
gegen  Ende  des  Mittelalters  oft  als  Mädchen  von  15  —  20  Jahren,  stets  aber 


301  f.)  —  Nach  einer  dem  Johann  von  Damaskus  (Opp.  I,  630  sq.)  fälschlich  beige- 
logten,  aber  aus  der  Zeit  der  Bilderstreito  herrührenden  Anpbe  hat  Konstantin  der 
(jrofse  das  Büd  Christi  nach  der  Beschreibung  alter  Geschichtsschreiber  folgender- 
mal'sen  darstellen  lassen:  Praestanti  statura,  con fertig  supercüiis,  venustis  oculis, 
justo  naso,  crispa  caesarie,  suhcuruum,  eleganti  colore,  nigra  barba,  triticei  coloris, 
vuüu  pro  materna  simtUtudine,  longis  digitis  cet. 

*  Mit  Tunika  und  Kasel  angethan'  erscheint  er  auf  einem  angeblich  noch  vorkaro- 
lingischen  Steindenkmale  aus  Sr.  Alban  zu  Mainz,  jetzt  im  dortigen  Christi.  Museum 
—  vergl.  Fr.  Schneider  im  Korr.-Bl.  G.-V.  1875,  45  ff. 

*  Als  der  ersten  Hälfte  des  11.  Jahrh.  angehörig  gelton  gegenwärtig  ein  Bild  Christi 
mit  dem  blutflüssigon  Weibe  in  der  Katakombe  S.  Pretestato  zu  Rom  (Schnitze, 
Katakomben  S.  145,  Fig.  38)  und  ein  anderes  mit  der  Samariteiin  (Roller,  les  cata- 
combes  de  Rome  Fig.  24). 

3  Vergl.  Piper  Mythol.  I,  101  ff. 

*  Vergl.  N.  Mitt.  T.-S.  V.  Vül.  2    134  ff. 

*  Darstellungen  der  Maria  (ohne  das  Kind)  als  Kultusgegenstände  sind  bis  zum 
Endo  des  IV.  Jahrh.  nicht  mit  Sicherheit  nachgewiesen  und  kommen  zuerst  auf  Gold- 
gläsern  vor.  Über  einige  ältere  Bilder  gehen  die  Ansichten  sehr  auseinander;  vergl. 
Kraus,  Fz.  X.,  Roma  sotteranea,  304;  Schnitze,  Vikt.,  Archäologische  Studien, 
177  —  219;   Ilasencleverin  den  Jahrbb.  für  protestantische  Theologie  1881,  Heft  1. 


526 


ia.    A|iostol. 


aU  irfeal  oilelster  Weiblichkeit,  —  Sie  ist  immer  bcBchnlit  uud  ti-iigt  aursei- 
dem  laogen  L'nterge wände  einen  weilen,  oft  zagleich  als  Sclileier  dienenden 
Mantel;  die  typischen  Farben  ihrer  Kleidung  sind  blau  und  rot.'  —  Schon 
frflhzeitig  erscheinen  die  apokryph! sehen  ErzählungeD  der  Historia  de  nativitate 
Mariae  et  de  infantia  Salvatoris,  sowie  seit  den  KreuzzUgen  viele  neu  aufkom- 
mende Marienlegenden  von  Einflufit  auf  die  bildlichen  Darstellungen  aus  dem 
Lebeu  der  h.  Jungfrau.     Der  späteren  Zeit  gehören 
auch  erst  die  zahlreichen  Mariensymbole  und  Ty- 
pen an.     (Vergl.   im   Verzeichnis    der   Heiligen: 
Maria.) 

Die  Apostel,  in  (ler  alt  christlichen  Knust  als 
Lämmer  symbolistert ,  ersdieinen  im  Mittelalter  in 
der  Umgebung  Christi,  ihm  ähnlich  gekleidet,  aber 
von  ihm  Überragt  und,  wie  er,  barhaupt  und  unbe- 
schuht, gewöhnlich  alle  bärtig  und  im  kräftigen 
Mannesalter;  Johannes  Jedoch  häufig  ohne  Bart  und 
Petrus  durch  das  Attribut  des  SchlHssela  ausgezeich- 
net, während  die  übrigen  Jttnger  zuweilen  Bücher 
oder  Scliriftrollen  in  den  Händen  halten.  (Vergl,  im 
Verzeichnis  der  Heiligen:  Apostel.) 
^ui'ti"n  TuSoll^oa'lm'im'  Boenen  aui  der  nflutaituneatlioheii  GMohiahte. 

(nacb  Adeiuoi).  Der  englisch  B  Grufs.  Luc.  1,  2G— 38.»  Die  Jung- 

frau betend  in  dem  aU  Kirche  dargestellten  Tem- 
pel oder  in  ihrer  Kammer,  in  der  Hand  oder  nebeu  sicli  in  einer  Vase  einen 
Lilienstengel,  an  dessen  Stelle  im  letzteren  Falle  in  späterer  Zeit  ein  Straufs 


Flg.  tri,  Kiu«r 


HilduholDi,  um  lOI»  (nach  FHnt«r). 


'  Auf  den  Bildern  ihrer  Vormfihlung  mit  Joseph  tragt  Bie  oft  der  Legende  nach 
das  von  ihren  Gefährtinnen  mit  goldenen  Ähren  bestickte  Gewand,  daher  ^Madonna 
im  Ahrenkieidei  (z.  B.  im  Museum  zu  Breslatu  No.  4431  u.  4420). 

'  Über  die  Darstellungen  der  Verkündigung  vergl,  die  Abhandlang  in  den  An- 
merkungen von  Geo.  Zappert  zu  der  Vila  b.  Pctn  Acotanti,  13—40;  auch  Hach 
s.  oben  S.  119,  N.  4. 


Scenen  der  neutestain entlichen  Geschichte.  527 

von  Haibtumen  tritt;  nach  der  apokr.  Historia  de  nativ.  Mariae  sitzt  Haria 
und  spinnt  Wolle ,  die  Spindel  (oder  Garnknäuel)  in  einem  GefAfse  zu  ihren 
Furaen;  der  Engel  Gabriel,  in  älteren  Darstell imgen  etehend,  später  kniend 
oder  auch  in  der  Luft  schwebend,  zuweilen  ein  Kreuz,  zuweilen  auch  ein 
Lilienacepter  haltend,  ruft  ihr  das  Ave  entgegen.     Von  oben,  von  Gott  Vater 
herab,  senkt  sich  ein  Lichtstrahl  auf  die  Gebenedeiete  nnter  den 
Weibern,  und  in  demselben  schwebt  der  heilige  Geist  in  Tauben- 
gestalt oder  der  Logos  (als  kleine  Menschenfigur},  zuweilen  ein 
Kreuz  tragend,  auf  sie  herab.    Als  grob  sinnlich  mtlssen  solche 
Bilder  bezeichnet  werden ,  wo  Gott  Vater  der  Maria  den  Li^os  ins 
Ohr  spricht  (Schnitzwerk  an  der  OrgelbrUatnng  inHochelten),' 
oder  wo  der  Embryo  die  Richtung  in  denSchofs  der  Maris  nimmt 
(im  Katzenwicker  zuWurzburg;  früher  auch  am  Domportal  da- 
selbst, wo  man  indes  das  Kind  weggemeifselt  hat).*  —  über  die 
spätmittelalterlicheu  Darstellungen  der  Verkllndigung,  wo  der 
Engel  der  Maria  einen  himmÜBchen  Brief  überbringt  oder  das 
h^inhorn  in  ihren  ßchofa  jagt,  s.  oben  S.  519  und  512. 

Die  Heimsuchung  der  Maria.    Lnk.  1,  39  ff.     Der  Be-  „^ /" b™»- 
aueh,  welchen  Maria  bei  ihrer  bejahrten  Verwandten  Elisabeth  J^^°  ^"1°« 
abstattete:  beide  Frauen,  gesegneten  Leibes,  umarmen  und  kOa-  («"i»  Adeione). 
sen  sich ,  vor  dem  Hause  der  Elisabeth.  —  Abgeschmackt  (nach 
Kreuaer,  Bildnerbuch,  7 :  zart!)  sind  solche  späteren  Darstellungen  der  schwan- 
geren Maria,  wo  man  die  Leibesfrucht  von  einer 
Glorie  umflossen,  gleichsam  im  Ei,  in  ihrem  Leibe 
aieht  (an  einer  spatmittelalterlichen  Elfenbeinsta- 
tuette    auf  Burg  Falkenstein    im   Harz),    selbst 
durch  ein  dazu  angebrachtes  Fensterchen  (zu  Bog  e  n 
K.  d.  Donau  ^  und  ebenso  an  einer  Holzetatuette  in 
der  Krypta  von  8t.  Petri-Pauli  zu  Görlitz).    In 
dem  Gemäldecyklus  der  St.  Georgskirche  bei  Bona- 
duz  in  Qraubündten  sind  beide  Frauen  so  darge- 
stellt, jedoch  mit  den  Kindern  in  der  Bi-uat  und 
ohne  Glorie.* 

Der  Zug  nach  Bethlehem  wird  in  der  Histo- 
ria de  Dativ.  Mariae  a.  a.  0.  erzählt  und  wird  ähn- 
lich wie  die  Flucht  nach  Ägypten  (s.  d.)  dargestellt 
(Maria  selbstverständlich  ohne  Kind),  kommt  aber 
nur  in  der  Frtlhzeit  vor,  in  der  Spätzeit  dagegen 
die  Anknnft  in  Bethlehem.  pi^  „^    ^,,1,,  ^^^  j,„  J^^, 

Die  GebnrtChristi.*  Die  Krippe,  in  welcher       i*»'"  Tmf.wiD  m  oernrodo. 

'  Walther  von  der  Vogelweide  (Ausgabe  von  Lachmann  36,  36;  vergl.  V, 
23  — 3S):  dvr  iV  öre  empfienc  n  den  vü  gütien.  —  Ebenso  sendet  in  der  Transnitz- 
kapelle  zu  Landshut  die  Taube  einen  Strahl  in  ihr  Ohr.  An  dar  Marionkapelle  xu 
w  iirzburg  und  der  Berekapelle  üu  Laudenbach  geht  der  Embryo  verniittelat  eines 
Schlauches  (vielleicht  doch  nur  ein  mifs verstandener  Strahl?)  von  Gott  in  ihr  Ohr. 

>  Kunstbl.  1846,  159. 

»  Litteraturbl.  zum  MorgenbL  1845,  359. 

*  Abb.  von  Zahn,  Jahrbücher  für  Knostwissenach.  IV,  120. 

=  EckI,  B.,  die  heil.  Nacht.     Org.  t.  ehr.  K.    1873.  No.  23.  —  Das  Licht  vom 


528  Scenen  aus  <lor  iieuh.'Ktanieütiioheu  Geschichte. 

das  Windeln  gewickelte  Kind  liegt;  Maria  im  Wochenbett;  der  greise  Joseph 
nachdenklich,  hftit  ein  LichtstOmpfchen ;  die  Hirten,  Ochs  und  Esel  (Je«.  1, 
3,  Hab.  3,  2);  der  Stern.  ~  Frühzeitig  erscheiiien  nach  dem  apokryph.  Prot- 
evangelium  Jacobi  c.  IB  nnd  Historia  de  nativ,  Mariae  c.  13  die  von  Joseph 
herbeigeholte  Hebamme  Zelanie  oder  Rahel  and  ein  anderes  Weib,  Salome, 
welche  die  von  ersterer  beteuerte  Jungfräuliche  Oebnrt  bezweifelnd,  darch 
Verdorrung  der  Hand  bestraft,  aber  von  dem  Cliristkindlein ,  dessen  Windeln 
sie  reuevoll  berührt,  geheilt  wird.  —  Auf  späteren  Bildern  steht  oder  sitzt  auch 
wohl  die  Mutter  neben  der  Krippe ;  die  Wehemutter  ist  mit  dem  Bade  oder  mit 
der  Wochenauppe  beschäftigt  etc. 

Die  Beschneidung  Christi  (Lnc.  2,  21)  wird  z.  B.  im  Antipbonal  ans 
dem  XH.  Jahrb.  in  St  Peter  zu  Salzburg  (Mitt.  C.-K.,  XIV,  Taf.  IX)  und  auf 
dem  Verduner  Altar  zn  Klosterneubnrg  (Ausgabe  vod  CameHina  etc.,  Taf.  IV, 
S)  SO  dargestellt,  dafs  Maria  sitzend  das  Kind  hAlt  und  der  Möbel  als  Priester 
vor  ihr  steht. 


Flg.  ns.    BeUir  TOD  den  BronutbHna  m  HUdathtlra  (oMb  FVrMu). 

Die  AubetDug  der  Weisen.'  Matth.  2,  I  ff.  In  älteren  Darstellnugen 
(und  in  der  byzantini sehen  Kunst  stets)  drei  Magier  in  orientalischer  Tracht, 
d.  h.  mit  phrygiacben  Mützen  und  mit  Beinkleidern;  seit  dem  XL  Jahrb.  drei 
Könige,  welche,  schou  frühzeitig  von  Reiaetieren  (Kameelcn,  Rossen  etc.)  be- 
gleitet, heranziehen,  sich  auf  den  Stern  aufmerksam  machend,  und  dem  anf 
dem  Schofse  der  thronenden  Maria  sitzenden  Christuskinde  Gold,  Weihrauch 
und  Myrrhen  darbringen,  wobei  gewöhnlich  nur  dereine  kniet  und  die  anderen 
beiden  ehrerbietig  wartend  zurückstehen;   auf  dem  Kölner  Dombilde  knien 

Kinde  ausgehend,  wie  bei  Correggio,  auch  auf  dem  Freiburger  Aitare  des  Hans  Bai- 
dung gen.  Grien. 

'  Zappert,  Geo.,  Epiphania.  Ein  Boitras  z 
(Bes,  Abdruck  aus  den  Sitzungsberichten  der  kaii 
[1866]  XXI,  291  — 372.)    Mit  1  Taf. 


Scenea  aus  der  neatoBtamantlichen  Oeechiohte.  529 

jedocb  zwei.  Die  Scene  ist  häafig  eiD  PrUDkgemacb ,  aber  anch  der  Stall  zu 
Bethlehem ,  der  nicht  aeltea  als  eine  mit  Stroh  gedeckte  TempelminB  erscheint. 
Der  Stern  ist  meist  achtapitzig  als  Symbol  der  acht  Seligpreisungen  gebildet. 
(Vergl.  im  HeiligeuTerzeichnis  die  h.  drei  KOnige.) 


yig.  17fl.    MlnlitDT  iDi  dam  Cadei  Egbertl  (nacb  LunprKht). 

Die  Darstellung  im  Tempel.  Luc.  2,  22  ff.  Maria,  das  Kind,  Joseph, 
SymeoD  nnd  Hanna,  das  Tanbenpaar;  Scene  im  Tempel;  ein  Altar.  Gewöhn- 
lich liftlt  Haria  das  Kind  nnd  überreicht  es  dem  Symeon,  und  Joseph  trftgt  die 
Tauben ;  Hanna  steht  im  Hintei^rund. 

Der  bethlehemische  Kindermord.  Matth.  2,  16  — 18.  Das  Ab- 
schlachten der  Kinder.   Die  wehklagenden  Htltter.   S.  Fig.  277. 

Die  Flucht  nach  Ägypten.  Maria  sitzt  mit  dem  Kinde  auf  dem  Esel, 
den  Joseph  (auch  ein  Engel)  leitet  oder  antreibt;  auf  byzantinischen  Bildern 
schreitet  liänfig  Jakobus  (der  spätere  Ap.  Jakobus  Minor,  als  Sobn  des  Joseph 
aus  einer  früheren  Ehe)  voran.  Die  bischen  Gtfttter  stürzen  herab  (Jes.  19, 
1).  —  Die  Darstellung  anderer  Gefährten  (ein  von  dem  Christkinde  geheiltes 
aussätziges  MXdchen,  Vieh  und  Gesinde)  nnd  gewisser  apokryphischer  Reise- 
abenteuer, z.B.  der  r&uberiscbe An foll (Evangelium  infantiaec.  8)  etc.,  so  wie 
die  Riposobilder  (Ruhe  der  heiligen  Familie  auf  der  Flucht  in  einer  frucht- 
baren Landschaft)  werden  erst  gegen  Ausgang  des  Mittelalters  beliebt,  z.  B. 
von  letzteren  der  Kupferstich  von  Schongauer  (Bartsch  No.  7)  und  der  Holz- 
schnitt von  Dürer  (Bartsch  No.  90). 

Christus  als  Kind  in  blühender  Jugend  auf  dem  Schofse  der  Haria 
aitxend,  imSpfttmittelalterauch  allein,  nackt  mit  segnend  erhobener  Hand  und 

Ott«,  RDiul-AKtaialoilB.    i.  Aal.  94 


SceneD  aus  der  neute&tainentlicben  Gcschidtte. 


im GeBtna  dea Lehrene,  saweilen ans  eiQemaafgeechlflgenQO Bache  leroeod,  auch 
Dut  einem  Kreuzstabe  in   der  Hand,  meistena  aber  mit  einem  Apfel   (statt 


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Fl(.  IIT.    UlBiunr  ua  im  Codu  EgtHrIL  (nicli  Lmptrabl). 

dessen  auch  die  Weltkugel)  oder  mit  einer  Weintraube  (als  Sinnbild  seiues  be- 
vorstehenden Leidens)  in  der  Hand,  nicht  selten  auch  (namentlich  auf  Siegeln 
ron  CistercienaerklöBtern)  mit  einem  Vogel  den  er 
—  fliegen  Ufst,  wohl  in  Beziehnag  auf  die  apokryphe 

Erzählung  von  den  aus  Thon  gebildeten  Vögeln, 
die  er  lebendig  machte,  wie  denn  anch  sonst  apo- 
kryphe Erzählungen  aus  der  Jugendgeschichte  (Ev. 
Thomae  cap,  6 — 8.  14.  1&)  zuweilen  zur  Darstel- 
lung kommen.  Auf  einem  Holzschnitte  des  XV. 
,  Jahrh.  aus  dem  Kloster  äöfllogen  (A.bb.  Holzschnitt 

I  des  Germ.  Mus.  No.   S5)  ist  das  Christkind  Rosen 

'  brechend  und  mit  einem  Korb  voll  Rosen,  aus  dem  eis 

I  Schnfth&nd  paciencia  herauskommt,  auf  dem  Rflcken 

dargestellt,  nach  der  Unterschrift  als  Sinnbild  seiner 
bevorstehenden  Leiden  —  und  anf  einem  anderen 
*"■*  *^ii^'«  Xj^rJ'™*^    eben  daher  (Abb.  Anz.  G.  M.  1873,  Sp.  350)  Wäsche 
(nach  AdtiDag).  klopfend  und  mit  einer  Nonne  anawringend,  als 

Allegorie  auf  die  Beichte. 
Der  zwölfjährige  Jesus  im  Tempel*  (Luk.  2,  46)  ist  durchgehends 
'"Ve^.  Eckt,  B.,  im  Org.  f.  dir.  K.   1873.  No.  7. 


Scenen  aus  der  neutestameDtlichea  Geschichte.  531 

lehrend  (nicht  fragend)  dai^estellt,  mitten  unter  den  Schriftgelehrten,  eine 
Scbriftrolle  in  der  Hand ,  auf  einem  Throne  sitzend ;  abseits  Joseph  und  H&ria. 

Der  Knabe  Jesus  hilft  dem  Joseph  bei  seiner  Arbeit  in  der  Zimmermiuins- 
Werkat&ttj  nach  Ev,  apokr.  Matth.  cp.  36. 

DieTaufe  im  Jordan.'  Matth.  4, 13 — 
17.  Christus  auf  SltereaDarstBlInngen  jugend- 
lich ohne  Bart,  später  bärtig,  steht  entkleidet 
bis  an  den  Gürtel  im  Wasser,  welches  sieb, 
da  Christus  mit  dem  Tänfer  nnd  dem  Engel 
anf  einer  Omndlinie  steht,  als  ein  durchsich- 
tiger Waaaerberg,  in  dem  oft  Fische  schwim- 
men, um  den  Leib  des  Herrn  herumwindet, 
auf  älteren  Bildern  aber  zuweilen  gar  nichtoder 
nur  durch  den  greisen  Flnfsgott  mit  der  Urne 
(auch  durch  die  beiden  jugendlichen  Quell- 
gStter  Jor  und  Dan)  repräsentiert  ist;  die 
Taube  (von  dem  MeduUon-Hanpte  oder  der 
segnenden  Hand  OottVatera  ausgehend) schwebt  über  dem  Haupte  des  Herrn; 
der  Täufer  Johannes  ist  gewöhnlich  in  Tierfelle  gekleidet.  Zwei  £ngcl  halten 
den  Mantel  Jesu  (eine  Decke,  ein  Handtuch). 

Die  Versuchung  Christi.  Hatth.  i,  1  ff.  Christus  sitzt  segnend,  oder 
in  einem  Buche  lesend;  der  Tenfel,  einen  Stein  in  der  Hand,  steht  daneben 
(a.  S.  5^0,  Fig.  267),  Die  beiden  anderen  Versuchnngen  finden  sich  seltener 
dargestellt. 

Christus  als  Lehrerund  Wunderthäter  erscheint  in  altchriaUichen 
Darstellungen  mit  einem  gerten artigen  Stabe  (entsprechend  dem  Stabe  Hosis 


'  Vergl,  Itiggenbach,  Ch,.  in  den  Mitt.  C.-K.  VHI,  121  ff.  —  Anf  dem  Bran 
Kchweigcr  Rotiquienkästchen  No.  59  (s.  oben  S.  194)  trägt  die  Taube  im  Schnabel  e 
Stange  mit  zwei  Fläschchen. 


532  Scenen  aus  der  neutcstamentlichen  Geschichte. 

Bxod.  17,  I)),  dcD  das  FrOhmittel alter  in  einen  KreuzsUb  verwandelte  nnd 
dem  Herrn  als  bezeichneadeB  Attribut  wohl  auch  auf  solchen  Darstelluigen 
beigab,  wo  er,  wie  am  Jakobebrunnen  (Job.  4,  G)  als  Lehrer  anftritt.  Die 
Auferweckung  des  Lazarus  ist  dasjenige  von  den  Wundem  Jesu,  welches  in 
der  altdiristlidien  Kunst  am  häufigsten  dargestellt  wurde,  nnd  findet  sich 
schon  in  deu  Katakomben  und  an  Sarkophagen;  die  Hochzeit  zn  Kana,  die 
wunderbare  Speisung,  die  Heilungen  des  Gichtbrilchigen,  des  blutflasaigen  Wei- 
beB,  des  AusBätzigen  und  dee  Blindgebornen  sind  seltener.  Im  Mittelalter 
kommen  die  Wunder  Jesu  hanptBächÜch  nur  als  Miniaturen,  später  als  Holz- 
schnitte und  in  gedruckten  Bttchern  vor. 

Die  Verklärung  Christi  (transfiguratio).    Matth.  17,  1  ff.    Christus, 
in  alterer  Zeit  bartlos,  zwischen  Moses  und  Eliae  auf  Wolken  stehend ;  unter- 
wärts die  drei  Jünger  in  verschiedenartiger  Stellnng  auf  dem  Boden  liegend. 
DerPalmeneinzug.  Christus  mit  der  Hechten  segnend,  reitet  anfeinem 
Esel,  dem  zuweilen  dae  Füllen  folgt 
(Matth.  21,  Ö) ;  Kleider  sind  ihm  unter- 
breitet; das  Volk  bricht  von  einem  Baume 
Zweige  ab  und  streut  sie  auf  den  Weg. 
Ein  Mann  aus  dem  Volke  oder  ein  Kind 
sitzt  auf  dem  Baume  und  schaut  hinab. 
Die  Junger  folgen  dem  Herrn,  Palmen 
in  den  Händen.   Stadttbor  und  Mauern. 
Der  Abschied  Christi  von  Maria 
und  den  Frauen  in  Bethanien  am  Grün- 
donnerstage ist  eine  erst  im  XVL  Jaltrh. 
aufkommende,  aber  nach  Dürers  Vor- 

F,,.»,.  ,.».,,.D.„„,.»..™,    g">?  *'»'"/*'"?»„]'"\"'V^;.  n!"' 

XIII,  Jnbrh.  {ucb  scbumnt]}.  Marienicben  Bartsch  92)  sehr  beliebte, 

aufGrahdenkmälem(z.  B.  dem  der  Mar- 
garete Tucherin  von  Peter  Vischer  im  Dome  zu  Regensburg  1521),  nament- 
lich schon  vor  dem  Tode  gesetzten,  häufige  Darstellung,  weil  ein  bezügliches 
Gedächtnis  und  Gebet  an  jedem  Donnerstage  die  Gewifsheit  eines  seligen  Todes 
geben  sollte.  < 

Die  FnfewaBchung.  Joh.  13,  4.  Petrus  auf  einem  Stuhle  sitzend,  deu- 
tet mit  einer  Hand  anf  seine  Fttfse,  die  andere  legt  er  auf  den  Kopf  (Vers  9); 
Christas  kniet  mit  aufgeschUrztem  Kleide  vor  ihm,  fafBt  mit  der  einen  Hand 
nach  dem  Furso  des  Jüngers  nnd  streckt  die  andere  gegen  ihn  aus.  Auf  der 
Erde  ein  Waschgefäfs  und  eine  Kanne. 

Das  heilige  Abendmahl.'    Der  Herr  sitzt  mit  den  (12)  Jüngern  za 

'  Dies  ist  aasdrücklich  bezeugt  in  der  Inschrift  an  den  identischen  DenkmälenL, 
welche  sich  der  DeutBchordenskomtur  Jobst  von  "Wetzhausen  (+  1541)  1524  mWien 
und  ca.  1534  zu  Nürnberg  hat  setzen  hissen;  vergl.  Mitt,  C.-K.  N.  F.  III,  I  ff.  m.  Abb. 

'  Vergl.  ßiegel,  H.,  üb.  d.  Darst.  des  Abendm.  bee.  in  der  toskan.  Kunst  1869 
(dazu  Engelhardt  in  Chr.  K.-Bl.  1S71.  No.  1—3)  undDobbert,  Bd.,  die  Daist  des 
Abendm.  durch  die  byzant.  K.  1872  (S.  A.  aas  von  Zahn,  Jahrbb.  etc.  I\',  281  ft; 
dazu  Engelhardt  im  Chr.  K.-Bl.  1873.  No.  3  —  5).  —  Die  atesten  deutschen  Dar- 
stellungen auf  dem  Antependium  zu  Aachen  und  der  Bemwardssäule  zu  Hildes- 
heira  behandeln  nicht  die  Einsetzung  des  Abendmahls  sondern  die  Beichung  des 
Bissens  an  Judaa. 


Scenen  aus  der  nentestam  entliehen  Geschichte.  533 

Tische;  Johannes,  einem  Kinde  gleich,  ruht  sn  BränerBroBt;  Judas  iBcbarioth, 
der  meietens  isoliert  aaf  der  Vorderseite  Bitztoder  kniet,  hält  einen  Bentel.   Auf 
dem  Tische  mehrere  SchÜBseln  und  Teller  mit  dem  Osterlamm  und  einem 
Fische  (als  Fastenspeise)  etc. ;  ein  Weiuknig  und  Becher;  in  sehr  seltsamer 
Weise  auf  einem  Glasgemtlde  in  der  Wiesenkirche  zu  Soest  ein  Schweinskopf 
und  Schinken  (Abb.  z.  B.  im  Chr.  K.  Bl.  13S0,  105).  In  den  byzantinischen  Dar- 
stellungen hat  der  Tisch  oft  Halbmondsform ,  mit  der  graden  Seite  nach  vorn 
gekehrt,  nnd  Christna  sitzt  auf  der  vom  Zuschauer  aus  linken  Seite.    In  ande- 
ren ebenfalls  byzantinischen  Darstellungen,  z.  B.  auf  der  Kaiserdalma  tik  zu  Rom 
(Abb.  in  Bocks  Kleinodien,   auch   in  Dess,   Lit. 
Gew.,  m,  Taf.  TU)  steht  Christus  hinter  einem 
kleinen  viereckigen  Altare,   und   die  Jünger 
nahen  in  Prozession  zum  Empfange;  auf  dem 
oben  S.  512   erwähnten  Bilde   von   1512   zu 
Botzen  knien  sie  aber  zu  beiden  Seiten  der 
die  beiden  Elemente  spendenden  Trinität. 

Der  Ölberg.  Jesus  kniet  betend  in  dem 
umzäunten  Garten ;  ein  Engel  mit  dem  Leidens- 
kelche  schwebt  ober  ihm;  die  drei  Jtlnger 
schlafen. 

Die  Qeftngennehmung.  Judas  kafst 
den  Herrn,  welchen  Eriegsknechte  fesseln.  Die 
Jünger,  namentlich  Petrus,  der  dem  Malchus 
das  Ohr  abhaut.  Eriegsknechte  mit  Schwer- 
tern, Stangen,  Fackeln,  Laternen  etc.;  vergl. 
aufaer  Figur  282  auch  oben  S.  476,  Fig.  252.        ^'ä,^  .Ä^""»  um" 

Christus  vor  Pilatus.    Pilatus  (oft  mit  <"•'=''  ^^"^'i- 

Übergeschlagenen  Beinen;  vergl.  oben  S.  476) 

auf  dem  Richtstnhle  sitzend;  ein  monstrases  Tier  als  Bild  des  Tenfels,  unter 
dessen  Einflufs  er  stand,  hinter  ihm.  Zwei  Eriegsknechte  oder  Juden  fahren 
den  Herrn  vor.  In  manchen  Darstellungen  bleibt  es  (wie  Fig.  283)  zweifel- 
haft, ob  nicht  nnter  der  thronenden  Figur  im  ECnigsschmuck  vielmehr  Hero- 
des  gemeint  sei. 


16  (nufa  F.  H.  MUH«). 


Die  Geifselung  und  die  DornenkrSnung  Christi.  Christus  mit  ent- 
kleidetem Oberkörper  ist  mit  den  Händen  an  eine  Säule  (die  sogen.  Passions- 
Bäule ;  oben  8.  370  o.  Fig.  154)  gebunden,  auf  welcher  oben  der  Hahn  Petri 


534  Sceneu  aus  der  DeuteHtamcntliclien  UeBchicht«. 

sitst;  Bwei  Kriegsknechte  mit  OeUBeln.  Eid  Engel  als  Tröster  des  unBclinldig 
Leidendea.  Auf  einem  HolzscLnitte  des  XV.  Jahrh. 
(Holzschn.  dos  Oenn.  Hus.  Taf.  130)  Bcbant  Maria  durcb 
ein  offenes  Fenster  zn.  Bei  der  Dorne Qkrftnang 
wird  dem  Herrn  die  Dornenkrone  mit  KnUtteln  auf 
das  Haupt  gedrückt 

Der  Eccehomo:  JesuB  nur  mit  dem  Purpar- 
mantel  bekleidet,  blutend,  die  Dornenkrone  auf  dem 
Hanpte,  das  Robracepter  in  der  Hand  (Joh.  19,  5). 
In  8t.  Nikolai  zu  Wismar  befindet  sich  neben  einem 
riesigen  b.  Chrietopli.  ein  eben  eolcher  Eccebomo 
von  einer  Umrahmung  nmgeben,  in  der  beiderseits 
7  Öffnungen,  aus  denen  je  eine  Ualbfigur  mit  einer 
Lanze  Christi  Leib  berührt,  anfeerdem  tragen  sie 
Attribute,  welche  vermuten  lassen,  dafs  es  Bilder 
der  Sünden  sind,  um  derentvillen  Christus  verwun- 
det ist,  Jes.  53,  5. 
*'t'tiC«  Slr-^T™  uTT  .  Christus  im  Kerker,  eine  Darstellung  ohne 
(niiib  A<ie]aa().  biblische  Grundlage:  der  Herr  sitzt  im  Gefängnisse 

auf  einem  Stein ;  seine  Hände  sind  an  eine  Säule  ge- 
fesselt; ein  Engel  trOstet  ihn.  Draufsen  römische  Kriegswachen.  Verwandt 
ist  die  spätere  Daratellung  Chriati  im  Elende:  er  sitzt  entkleidet,  blutend 
und  mit  Domen  gekrönt  nachdenklich  auf  einem  Stein;  Kriegsknechte  ver- 
spotten ihn. 

DieStationen.  Vergl.S.381, Nr. 23.  DievonderLegendeausgeschmflck- 
ten  und  erweiterten  Vorgänge,  die  sich  aufdem  Wege  vom  Richthause  des  Pila- 
tus nach  dem  Calvarien berge  zutrugen,  nnd  deren  örter  in  Jemaaleai  gezeigt  und 
verehrt  werden.   Im  späteren  Hittelalter  brachten  zurückkehrende  Pilger  die 
Sitte  auf,  dafo  auch  in  deutschen  Städten  ein  Catvarienberg  (vergl.  S.  363, 
Nr.  4)  angelegt,  und  der  Weg  dahin  in  die  einzelnen ,  genau  nach  Schritten  abge- 
messenen Stationen  geteilt  wurde ;  doch  zählt  man  mehr  oder  weniger  Stationen. 
In  Nürnberg  ist  der  Weg  nach  dem  Johanniakirchhofe  in  sieben  Stationen 
geteilt,  nnd  die  auf  denselben  errichteten  Bildwerke  (von  Ad.  Krafft)  tragen 
folgende  Inschriften :  I.  Hie  begegnet  Cristus  seiner  tvirdigen  lieben  Mutter  die 
vor  grossem  herzenleit  anmechlig  ward.    Il'Srytt  von 
POeüus  hams.  —  U.  Hie  wardSymon  gezwungen  Cristo 
sein  kreutz  helfen  tragen.  II'  LXXXX  V  Snjt  von  Pila- 
tus haus.  —  III.  ffir  sprach  Christus :  Ir  DöcMer  von 
Jherusalem  nit  meint  vber  mich,  sünder  vber  euch  un 
etvre  Kinder.    IIPLXXX  Srytt  von  Pilatus  haws.  — 
IV.  Hier  hat  Christus  sein  heiltgs  angesicht  der  heiligen 
Frau  i'eromca  aufiren  Slayr  gedruckt  vor  irem  Haws. 
f'Sn/t  von  Pilatus  Haws.  —  (Auf  diese  Legende'  be- 
"*'  min  i^"°°'^kh']*''       ziehen  sich  die  seit  dem  Anfange  des  XIV.  Jahrh. 
"°  (n»eh  cli«).    "        häufig  vorkommenden  Abbildungen  des  blofsen  Ange- 
eichte  des  leidenden  Christus  {,f'era  icon:  das  wahre, 


'  Vorgl.  Grimm,  die  Sage  vom  Drepnmg  der  Christ iisbilder.  - 


Scenen  aus  der  neuiestamentlichen  Geschichte.  535 

nicht  von  MenschenhändcD  verfertigte  Abbild]  auf  einem  gewöhnlich  von  Engeln 
gehaltenen  Tuche).  —  V.  Hier  tregt  Cristus  das  Crewizvnd  wird  von  den  Juden 
ser  hart  geslagen.  VIPLXXX  SryU  von  Pilatus  Haws.  —  VI.  Hier  feit  Cri- 
stus vor  grosser  anmacht  auf  die  Erden.  M^Srytt  von  Pilatus  haws.  —  VII.  Hier 
2eyi  Cristus  tot  vor  seiner  gebenedeyten  wirdigen  MtUer  die  in  mit  grostem 
Hertzenleyl  vnd  biäerHchen  smertz  claget  vnd  beweint.^ 

Die  Entkleidung  Christi  vor  der  Anheftung  an  das  Kreuz  kommt  in 
einzelnen  spätmittelalterlichen  Holzschnitten  vor  (z.  B.  Coli.  Weigeliana,  I,  S7, 
No.  48,  n,  381,  No.  449.  895,  No.  474). 

Die  Anheftnngan  das  Kreuz  geschah  der  geschichtlichen  Wahrschein- 
lichkeit zuwider  der  Tradition  nach  liegend,'  ihre  Stelle  ist  auch  in  der  h. 
Grabeskirche  zu  Jerusalem  durch  eine  Marmorplatte  und  einen  eigenen  Altar 
im  Unterschiede  von  dem  der  Kreuzaufrichtung  bezeichnet  (Holzschnittdarstel- 
langen  in  der  Coli.  Weigeliana,  I,  338,  No.  209  und  aus  den  Söflinger  Holzstöcken 
in  den  Holzschn.  d.  Qenn.  Mus.  Taf.  65,  3). 

Die  Kreuzigung.'  Im  Kircherschen  Museum  zu  Rom  befindet  sich,  im 
J.  1857  auf  dem  Palatin  ausgegraben  und  der  Zeit  etwa  um  das  Jahr  200  zu- 
geschrieben, eine  rohe  Kritzelei  auf  der  Wand:  eine  bekleidete  menschliche 
Figur  mit  einem  Tier-  (Pferde-  oder  Esels-)  Kopfe*  hängt  an  einem  T förmigen, 
unten  mit  einem  Fufsbrette,  oben  anscheinend  mit  einer  Inschrifttafel,  die  an 
einem  Stiele  über  dem  Querbalken  aufgesteckt  ist,  versehenen  Kreuze ;  daneben 
in  betender  Stellung  ein  Mensch  in  Sklaventracht  mit  der  griechischen  Unter- 
schrift: AAEZAMENOS  SEBETE  0EON  (Alexamenos  betet  seinen  Gott  an).* 


über  einige  ältere  religiöse  Abb.  in  der  K.  K.  Hofbiblioth.  zu  Wien,  in  Mitt.  C.-K. 
XV,  S.  CXI  ff.  m.  Abb. 

*  Zwischen  der  VI.  und  VH.  Station,  44  Schritt  von  ersterer,  ist  der  Calvarien- 
borg  mit  den  drei  Kreuzen;  ein  Haus  am  Tiergärtnerthor  ist  als  Pilati  Haus  ange- 
nommen. Ein  früherer  Besitzer  desselben,  Mamn  Eötzel,  war  im  Jahre  1487  nach 
Jerusalem  gereist  imd  hatte  die  Stationen  dort  cenau  vermessen,  um  in  seiner  Heimat 
einen  Calvarienberg  zu  errichten,  ünglücklicnerweise  hatte  er  die  Mause  auf  der 
Rückreise  verloren,  was  er  erst  in  Nürnberg  bemerkte;  er  trat  daher  zum  zweiten 
Male  die  Pilgerfahrt  nach  Jerusalem  an,  verlor  aber  die  Matse  nicht  wieder.  (Vergl. 
die  Nürnberger  Künstler.  1,  17  ff.) 

*  Vergl,  Allioli,  Altertumskunde.  II,  271. 

3  Die  ältere  Litteratur  über  das  Kreuz  und  die  Kreuzigung  fast  erschöpfend  bei 
Zöckler,  0.,  das  Kreuz  Chiisti  1875,  13 — 24.  Hinzuzufügen  ist:  H.  Otte  u.  E. 
aus'm  AVeerth,  zur  Ikonographie  des  Crucifixus.  M.  7  Taff.  u.  2  Holzsohn,  in  Bonner 
Jahrb.  XIIV.;  (Kaiser,  J.)  Geschichtliches  über  die  Darstellung  des  Gekreuzigten, 
im  Org.  f.  ehr.  K.  1868.  No.  4.  5.;  Beiträge  zur  Ikonographie  des  Gekreuzigten,  im 
Kirchenschmuck  1869.  XXVI,  44  ff.;  Studien  über  Kreuz  und  Kruzifix,  das.  1870. 
XXVn,  Heft  1.  2.;  Dobbert,  in  von  Lützow,  Zeitschr.  1871,  85  f.  u.  118.  f.j  Engel- 
hardt,  im  Chr.  K.-B1.  1872.  No.  1 — 4:  Stockbauer,  zur  Kunstgeschichte  des 
Kreuzes,  im  Orc.  f.  eh.  K.  1872.  No.  19;  Fulda,  Herm.,  das  Kreuz  und  die  Kreuz- 
tragung.  M.  7  Taff.  1878;  Dobbert,  Ed.,  zur  l^tstehungsgesch.  des  Kruzifixes,  in 
Jam*b.  d.  K.  PreuJs.  Kunstsammlungen.  I,  41  ff.;  Merz,  H.,  Kruzifix,  in  Herzog-Plitt, 
Real-£ncykloi)ädie.  Vm,  800. 

*  Die  Christen  wurden  von  den  Heiden  beschuldigt,  den  Kopf  eines  Esels  zu  ver- 
ehren.   Cf.  Minucii  Felicis  Octavius  c.  9  n.  4;   c.  28  n.  8. 

*  Becker,  Ferd.,  das  Spott-Kruzifix  der  röm.  Kaiserpaläste  aus  dem  Anfange  des 
m.  Jahrh.  1866.  —  Vergl.  A.  Essenwein,  in  den  Mitt.  C.-K.  VHI,  325;  Jos. 
Haupt  ebd.  XIH,  150  ff.  und  Kraus,  Fz.  X.,  d.  Spottkruzifix  u.  s.  w.    Freiburg  1872. 


536  Kreuzigung. 

Aus  dem  Umstände,  dafs  die  Figur  am  Kreuze  bekleidet  ist,  während  notorisch 
die  Verbrecher  nackt  gekreuzigt  wurden,  liefse  sich  folgern,  dafs  der  Zeichner 
dieses  Spottbildes  andere  Vorbilder  gesehen  haben  mochte  mit  bekleidetem 
CrucifixuB,  und  schliefsen,  dafs  es  bei  den  damaligen  Christen  bereits  bildliche 
Darstellungen  der  Kreuzigung  Jesu  gegeben  haben  müsse;  doch  ist  die  Existenz 
derselben  nicht  nachgewiesen :  die  altchristliche  Kunst  begnttgte  sich  mit  typi- 
schen und  symbolischen  Andeutungen  (das  Opfer  Abels,  Melchisedeks ,  Abra- 
hams ;  das  Kreuz  mit  dem  Gotteslamm  am  Fufs  oder  dem  Brustbild  des  Erlösers 
an  der  Spitze),^  und  einige  Abbildungen  der  Kreuzigung  in  den  Katakomben 
gehören  einer  späteren  Periode  an.  Eigentliche  Kreuzigungsbilder  werden  zu- 
erst in  der  zweiten  Hälfte  des  VI.  Jahrh.  u.  zw.  sowohl  im  Orient  als  im  Occi- 
dent  erwähnt,  ^  waren  also  damals  nicht  mehr  ungewöhnlich ,  man  wird  deshalb 
auf  eine  erheblich  frtthere  Entstehung  dieser  Darstellungsart  schliefsen  dürfen.' 
Seit  dem  VIII.  und  IX.  Jahrh.  wird  die  Darstellung  des  gekreuzigten  Christus 
zunächst  in  Miniaturen  und  auf  Elfenbeindeckeln  gewöhnlich  und  nach  und 
nach  das  verbreitetste  Hauptbild  der  ganzen  Christenheit.  Es  müssen  dabei 
zwei  Hauptauffassungen  unterschieden  werden:  1)  Der  ältere,  ideale  Typus, 


*  An  einem  altchristl.  Sarkophag  im  Lateran -Museum  zu  Rom  sieht  man  ein 
Kreuz  und  über  demselben  das  Monogramm  Christi  in  einem  Lorbeerkranze,  den  ein 
fliegender  Adler  im  Schnabel  halt,  und  von  dessen  Früchten  zwei  auf  den  Kreuz- 
armen sitzende  Tauben  geniefsen.  Unten  sitzen  zwei  Krieger,  von  denen  der  eine 
schläft,  der  andere  emporblickt.  Sonne  und  Mond  sind  in  den  oberen  Ecken  darge- 
stellt: das  Ganze  faist  Tod,  Grab  und  Auferstehung  des  Herrn  in  ^n  Bild  auf  aas 
glücklichste  zusammen.  Vergl.  Piper,  Evangel.  Kalender  für  1857,  37  ff.  —  Chri- 
stus in  jugendlicher  Gestalt  neben  einem  reichdekorierten  Kreuze  stehend  erscheint 
auf  dem  Sarkophage  des  Probus  (f  395)  und  in  der  Grabkapelle  der  Galla  Placidia 
(t  450).  —  Das  Agnus  dei  wurde  oesonders  gern  auf  dem  Kreuzungspunkte  der  bei- 
den Kreuzbalken  angebracht. 

'  Der  sinaitische  Mönch  Anastasius  (die  Persönlichkeit  ist  sehr  unsicher,  nach 
Einigen  der  spätere  Patriarch  von  Antiochien  t  599,  nach  Anderen  ein  anderer  der  vor 
606  gestorben  ist,  oder  der  678  noch  lobte),  fügte  um  die  Ungehöriffkeit  der  Formel 
»Gott  ist  gekreuzigt«  zu  erweisen,  seinem jffegen  Ende  des  VI.  Jahm.  geschriebenen 
oöfiyoQ  seu  dux  viae  ad  versus  Acephalos  (Bibl.  Patrr.  Max.  IX,  838)  eine  Abbildung 
des  Gekreuzigten  bei,  welche  sich,  aber  wohl  nicht  im  ursprünglichen  Typus  in  den 
Handschriften  dieses  Buches  fortgepflanzt  hat  (Holzschn.  bei  Stockbauer,  J.,  Kunst- 

fesch.  des  Kreuzes  1870,  164J.  —  In  der  Rede  des  Khetors  Chorikios  unter  Justinian 
ei  der  Einweihimg  der  Sergiuskirche  in  Gaza  (Choricii  Gazaei  Orationes,  cur.  J.  F. 
Boissonade.  Pans  1846,  98)  wird  eine  Wandmalerei  erwähnt,  die  den  Gekreuzigten 
zwischen  den  beiden  Schachern  darstellte,  und  Gregor  von  Tours  um  590  spricht  (de 
gloria  mart.  1.  1  c.  23)  von  einem  Gemälde  in  der  Genesiuskirche  zu  Narbonne, 
welches  den  Herrn  -^qucai  praecinctum  linteo  crucifixum*  zeigte.  —  Erhalten  hat  sich 
aus  dem  VI.  Jahrh.  eine  Miniatur  in  der  syrischen  Evangelieimandschrift  des  Mönches 
Rabulas  aus  dem  Kloster  Zagba  in  Mesopotamien  vom  J.  586,  welche  als  erstes  Haupt- 
bild des  Codex  die  drei  Gekreuzigten  auf  Golgatha  mit  Nebenfiguren  darstellt  (Farben- 
druck bei  Labarte,  Hist.  d.  arts  industr.  t3,  79,  Holzschn.  bei  Stockbauer,  a.  a. 
0.,  165). 

^  In  der  That  scheinen  ein  Relief  auf  einem  der  Felder  der  hölzernen  Thüren  von 
Sa.  Sabina  zu  Rom  mit  der  Darstellung  des  gekreuzigten  Christus  zwischen  den  bei- 
den Schachern  und  eine  Elfenbeinplatte  im  ßrit.  Museum  zu  London,  auf  welcher 
Christus  am  Kreuze  mit  verschiedenen  Nebenfiguren  dargestellt  ist,  dem  V.  Jahrh. 
anzugehören  (vergl.  Dobbert,  im  Jahrb.  der  K.  Preufs.  Kunstsammlungen.  I,  41  ff.). 
Die  Gekreuzigten  sind  hier  nackt,  nur  mit  schmalem  gürtelartigem  Lendenschurz,  bart- 
los und  ohne  jeden  Ausdruck  des  Schmerzes  idealisiert  dargestellt. 


Kreuzigung.  537 

nach  welchem  Christus  lebend,  znweilen  &nch  schon  sterbend  mit  geneigtem 
Haupte  (s.  oben  8. 154,  Fig.  56  nnd  den  Stahlstich  zu  8.175),  gewöhnlich  mit 
wagerecht  ansgebrciteten  Armen,  mit  oder  ohne 
Nimbus,  niemals  aber  mit  der  Domenkrone, 
häufig  Jedoch  mit  einer  EOnigskrone  frei  am 
Kreuz  auf  einem  Fnfsbrette  steht  oder  ohne 
dasselbe  vor  ihm  sehwebt,  wobei  Hände  nnd 
Furse  entweder  gar  nicht  oder  mit  vier  N9geln 
angeheftet  sind.  Der  Leidende  ist  mehr  oder 
weniger  bekleidet'  gewöhnlich  mit  einem  kur- 
zen vom  Gttrtel  bis  zum  Knie  reichenden  Rocke. 
Dieser  Auffassnngs weise ,  deren  Typus  mit  dem 
XIII.  Jahrh.  erlischt,  liegt  die  Idee  von  der 
Unsterblichkeit  Gottes  nnd  der  Freiwilligkeit 
des  Leidens  Jesu  zu  Qrunde ;  sehr  hftnfig  (aach 
auf  dem  alten  Tanfsteine  zu  Qernrode,  wie 
auf  vielen  Diptychen  und  in  Miniaturen)  korre- 
spondiert daher  mit  der  Kreuzigung  ein  Bild 
der  Auferstehung  und  der  Herrlichkeit  Christi. 

—  2)  Der  in  einzelnen  Beispielen  (Domthttr  zu       fi».  aso.    ReüBf  vom  Aniibor  Ttat- 
Hildesheim,  Elfenbeindeckel  von  ca.  1014  zu  ""'"  "  O"""^«- 

MUnehen  s.  oben  S.  176)  schon  im  XI.  Jahrb. 

vorkommende,  aber  haupteächlich  durch  die  EinflDsse  der  KreuzzOge  auch  im 
Abendlande  eingebürgerte  und  seit  dem  XIIL  Jahrb.  hier  herrschende  Typus 


Pl(.  IST.    Der  ackrtailK»  Im  XVI.  Jahrb.  (nuh  J.  0.  Sehidow). 

'  Der  Gekreuzigte  in  dem  Erangelimtcodex  des  Habulas  ist  zwar  mit  blutenden 
Wunden  in  realem  IVpi^^i  aber  mit  einem  langen  jedoch  ärmellosen  Prachtgewande 


538  Kreuzigung. 

des  Anastasins  Sinalfta,  den  man  in  gewissem  Sinne  den  realen  nennen  kann, 
obgleich  er  eigentlich  historisch  unrichtig  und  physiologisch  unmöglich  ist :  der 
Leidende,  ein  Marterbild,  sterbend  oder  bereits  verschieden,  das  dornenge- 
krönte* Haupt  nach  der  rechten  Seite  neigend,  erscheint  gewaltsam  an  den 
Armen  aufgehängt  und  ist  mit  drei  Nägeln^  an  das  hohe,  immer  mit  demTitu- 
lus  INRI  bezeichnete  Kreuz  geschlagen,  zu  welchem  Ende  die  Fttfse  über 
einander  gelegt  sind  und  zwar  so,  dafs  der  rechte  stets  oben  liegt.'  —  Das 
Kreuz  ist  oft  grün  mit  roten  Ästen  (weil  es  aus  einem  Baume  gezimmert  war, 
den  Seth  aus  einem  Stecklinge  vom  Baume  des  Lebens  auf  das  Grab  Adams 
gepflanzt  hatte),  nimmt  aber  seit  dem  XIV.  Jahrb.  auch  blutrote  Farbe  an,  nnd 
wird  ein  schlichter  Balken  ohne  Äste.  Zuweilen  erscheint  das  Kreuz  belaubt 
oder  ist  doch  mit  einzelnen  (Wein-)  Blättern  besetzt;  es  besteht  einer  alten 
Sinnbildnerei  zufolge  in  seinen  einzelnen  Teilen  aus  vier  verschiedenen  Holz- 
arten, nach  dem  Verse:  Ligna  crucis pfiimay  cedruSj  q/pressusj  olnm.^  —  Die 
Qestalt  des  Kreuzes^  ist  in  älterer  Zeit  gewöhnlich  vierarmig  ("]*)  und  an  den 

dargestellt  tmd  dies  Kostüm  wiederholt  sich  später  in  der  byzantinischen  Kunst  immer 
wieäer  tmd  wechselt  mit  dem  vom  Gürtel  bis  zu  den  Knien  reichenden  Herrgottsrocke, 
der  schliefslich  in  der  romanischen  Kunst  des  Abendlandes  herrschend  bleibt.  Noch 
Gregor  von  Tours  (s.  S.  536,  No.  2)  erzählt,  dafe  die  Darstellung  des  Gekreuzigten 
nur  mit  dem  Lendentuche  solchen  Anstofe  erregte,  dafs  dies  Büd  verhüllt  wei-den 
mufste.  —  Ein  völlig  nackter  Crucifixus  kam  in  Deutschland  nur  an  dem  1812  abge- 
brochenen schwarzen  Burgthore  zu  Reeensburg  vor,  das  danach  das  »Thor  zum 
nackten  Herrgott«  hiefe.  —  Der  Mstoriscne  Sitzpflock  (sedüe  oder  ephippium)  kommt 
einmal  bei  Münz,  Archäol.  Bemerk,  über  das  Kreuz  etc.  in  den  Nassauer  Annalen. 
Vin,  Taf.  IV,  10  vor. 

*  Die  Domenkrone  des  Gekreuzigten  kommt  zuerst  1248  in  der  Kapelle  des  h. 
Sylvester  zu  Rom,  in  Deutschland  datiert  zuerst  auf  dem  Taufbecken  zu  Würzburg 
1279  vor. 

2  Die  Darstellung  mit  drei  Nägeln  kommt  vereinzelt  schon  im  XI.  Jahrh.  vor 
(vergl.  Bonner  Jahrbb.  XLVI,  148),  sonst  erst  im  XKI.  Jahrh.,  aber  noch  selten;  das 
letzte  bekannte  Beispiel  mit  4  Nägeln  ist  ein  böhmisches  Gemälde  von  1357  im  Belve- 
dere  zu  Wien  (Abb.  d'Agincourt,  Peinture,  Taf.  CLXTV,  3). 

3  Ausnahme  auf  dem  Stationskreuze  zu  Burtsc heid  aus  dem  XIII.  Jahrb.; 
Abb.  aus'm  Weerth,  Taf.  XXXIX,  7.  —  Auf  einem  Kelche  zu  Ostdorf  in  Würt- 
temberg ca.  1300  ist  das  rechte  Knie  vor  Schmerz  ganz  heraufgezogen. 

*  Und  zwar  datque  pedem  cedrus,  truncus  dpressus,  oliva 

datque  partem  aumtnam,  duo  hracchia  dant  tibi  pcdmam, 
wie  es  in  einem  Homiliarium  des  XY.  Jahrh.  in  der  Bibl.  des  Domgymnasiums  zu 
Halberstadt  No.  129  helfet.    Jordanus  deQuedlinb.,  Op.  Postillarum.  Argent.  1483. 
Abschn,    236.  B:   die  Palme  =  Sieg,   die  Ceder  ■«  Enteühnung   (EI  Mose    14,   4; 
rV  Mose  19,  6),  die  Cypresse«*  Trauer,  der  Ölbaum  ^  Friede. 

»  Über  die  Gestalt  des  Strafkreuzes  der  Römer  sind  die  Archäologen  nicht  einig. 
Zestermann,  A.  Chr.  Ad.,  d.  Kreuz  vor  Christus  (Osterprogramm  der  Thomasschule 
zu  Leipzig  1867)  hält  die  fform,  Fulda  a.  a.  0..  220  die  T  für  die  wahrschein- 
lichere. Gelegentlich  dürfte  der  grausame  Mutwille  der  hinrichtenden  Soldaten  (Jose- 
phus,  de  beUo  Jud.  V.  11,  1)  auch  abweichende  Formen  zur  Anwendung  gebracht 
nahen.  —  Die  Yform,  das  sogenannte  Schächerkreuz  erscheint  in  der  Mater  verborum 
zu  Prag  von  1202,  auf  dem  Taufkessel  zu  Würz  bürg  von  1279  und  am  Hauptportal 
des  Münsters  zu  Freiburg  i.  B.  —  Die  Länge  des  l^euzes  ist  in  den  ältesten  Dar- 
stellungen sehr  niedrig,  doch  sagt  schon  CtSysostomus,  es  sei  sehr  hoch  ^wesen, 
wie  der  Herr  es  voraus  gesa^  habe,  Job.  3,  15.  Die  ^wohnliche  Annahme  ist,  dafe 
die  Län^e  zwei  Mannshöhen  oetragen  habe.  Später  im  XY.  Jahrh.  wird  es  unverhält- 
nismäüsig  lang  gebildet.  —  Schon  in  sehr  alten  Malereien  erscheint  es  durch  in  die 
Erde  eingescmagene  Pflöcke  beidei-seits  vor  dem  Umsinken  gesichert,  was  auf  Jes.  33, 
20  bezogen  wurde. 


Kreuzigung. 


539 


Enden  mehr  oder  weniger  stilisiert  (zuweilen  dem  heraldischen  KrUckenkreoze 
ähnlich,  auf  den  Korssunschen  Thüren  zu  Nowgorod  als  Palmzweige);  seit 
dem  XUI.  Jahrh.  laufen  die  Enden  häufig  kleeblattartig  aus  und  sind  zuweilen 
mit  den  Evangelistensymbolen  bezeichnet.  Die  Tform  des  Kreuzes,  die  früher 
hauptsächlich  nur  in  Miniaturen  vorkommt,  wenn  der  Initial  T  zu  einem  Eruzi- 
fixbilde  benutzt  ist  (wie  besonders  fast  regelmäfsig  bei  dem  Te  igilur  des  Mefs- 
kanons  in  den  Missalien),  wird  im  Spätmittelalter ^  fast  zur  Regel  und  der 
Oberteil  besteht  nur  aus  dem  Titulus.^  —  Nebenfiguren:  Maria  und  Johan- 
nes stehen  unter  dem  Kreuze,  die 
Mutter  zur  Rechten  des  Gekreuzig- 
ten, Johannes  zur  Linken,  beide 
in  tiefer  Betrttbnis,^  die  Hand  an 
die  Wange  legend.  Johannes  hält 
in  der  linken  Hand  gewöhnlich 
ein  Buch,  seltener  sein  sonst  ge- 
wöhnliches Attribut,  den  Kelch. 
Auch  Maria  Jakobi  und  Maria 
Balome  sind  zugegen,  und  Maria 
Magdalena  kniet  am  Fufse  des 
Kreuzes,  oft  den  Stamm  dessel- 
ben umfassend.  Ein  Kriegsknecht  (zuweilen  ein  Jude;  Stephaton  nennt  ihn 
die  Legende)  reicht  dem  Herrn  den  in  Essig  getauchten  Schwamm;  ein  an- 
derer {Longimis  genannt  und  nach  späterer  Auffassung  erblindet,  aber  durch 
das  ausströmende  Blut  Christi  geheilt)  durchbohrt  ihm  die  rechte  Seite ;  ^  eine 
Gruppe  von  Kriegsknechten  lost  oder  würfelt  um  seinen  Rock ;  der  heidnische 
Hauptmann  (Longinus),  in  ritterlicher  Rüstung  zu  Fufs  oder  zu  Pferde,  erhebt 
beteuernd  die  Rechte  (Luc.  23,  47)  etc.  Die  Schacher  zur  Seite  des  Herrn 
sind  gewöhnlich  an  das  niedriger  und  TfÖrmig  gebildete  Kreuz  nicht  angenagelt 
sondern  mit  Stricken  angebunden  und  in  gewaltsam  verrenkter  Stellung  als  tot 
dargestellt :  ein  Engel  nimmt  die  Seele  des  Begnadigten  (Desmas  oder  Dismas)j 
ein  Teufel  die  des  Verstockten  (Cesmas,Jasmtis  oder  Gestas)  in  Empfang.^  Am 


Flg.  288.    Reltef  ron  den  Bronxethttren  za  Hildea- 
helm,  1015  (nach  F.  H.  MttUer). 


'  Schon  auf  einer  Glocke  zuElstertrebnitz  bei  Pegau  von  1409;  vergL  Anz. 
0.  M.  1S67,  No.  9. 

*  In  den  ältesten  Darstellungen  fehlt  der  Titulus.  Auf  den  romanischen  ist  die 
Inschrift  meist  ausgeschrieben,  das  blofse  INRI  kommt  datiert  zuerst  1279  zu  Würz - 
bürg  vor. 

^  Vereinzelt  kommt  Maria  zusammenbrechend  und  von  Johannes  gehalten  schon 
in  den  Gemälden  zu  Schwarz-Rheindorf  vor  (aus'm  "Weerth,  Wanagemälde,  Taf. 
XXVni) ,  im  allgemeinen  erst  \4el  später.  Auf  den  Korssunschen  Thüren  hat  der  Ge- 
kreuzigte die  rechte  Hand  vom  Kreuze  gelöst  und  reicht  sie  der  Maria,  eine  Darstel- 
limg,  die  sich  in  den  Logenden  mancher  Heiligen  (Bernhard,  Hedwig,  liutgard) 
wiederfindet. 

*  Und  zwar  geht  der  Stofs  regelmäfsig  nach  der  Achselhöhle,  s.  Fig.  288  und  den 
Stahlstich  zu  S.  175.  Die  rechte  Seite  ist  gewählt  wegen  Ezechiel  47,  1.  2.  (nach 
Gottschalk  Hollen  um  1460,  vergl.  Cruel,  Gesch.  der  Predigt,  509). 

*  Im  Evangelienbuch  dos  h.  Kilian  zu  Würzburg,  sind  es  zwei  schwarze  Käfer. 
Auf  einer  spätroman.  Miniatur  daselbst  (Sighart,  214)  sind  die  Schacher  an  einem 
hinter  dem  Kreuze  angebrachten  galgenartigen  Gestelle  in  Ketten  aufgehängt.  Weite- 
res siehe  im  Verz.  der  Heiligen  unter  Dismas. 


540  KnvuzigTuig  u.  s.  n, 

Himmel  stellen  Sonne  und  Mond  (suweilen  durch  Engel  oder  Genien  persoui- 


liciert) '  und  beklagen  das  heilige  Schlachtopfer,  Engel  mit  Kelchen  Eangen  das 
Blut  JeBu  auf,  das  ans  den  Wundenmalen  strömt.  —  Über  dem  Kränze  oft  die 
rechte  Hand  Gottes  herabreichend  mit  Beziehung  auf  Luk.  23,  46  oder  nach 
Pb.  118,  16  äexlera  domitü  exaltavil  me,  denn  zuweilen  reicht  sie  eine  Krone 
(auf  dem  Essener  Elfenbein,  aus'm  Weerth,  Taf.  XXVII)  oder  den  Sieges- 
kranz,  in  dem  die  Taube  sitzt (Rflckseite  des  Lotharkrenzes,  aus'mWeerth, 
Taf.  XXXVII,  3)  herab.  —  Am  Fufse  des  Kreuzes  kommt  die  Schlange  schon 
in  der  byzantinischen  Knnst  in  Form  von  zwei  nnten  zu  beiden  Seiten  des 
Stammes  sich  aufwindenden  Drachen  vor ;  in  Älterer  Zeit  häufig  eine  Peraoni- 
fikatioB  der  das  Kreuz  tragenden  gebtickten  Terra  (s.  oben  Stahlstich  zu  S. 
IIb),  neben  welcher  in  einzelnen  Fällen  auch  das  Meer  symbolisiert  ist,  wo- 
durch dann  in  Verbindung  mit  Sol  und  Luna oben,  wie  in  einem  Hildesheimer 
Evangeliar  bezeugt  ist,  die  miseratio  Christi  als  redemptio  mundi*  dargestellt 
wird.  Auch  das  Grab  Adams',  ans  dem  sich  dieser  aufrichtet,  findet  sich  mehr^h 
an  Krudfisfursen,  inschriftlich  bezeugt  z.  B.  in  St.  Ulrich  zu  Augsburg  aod 
im  Dome  zu  Chur:  Ecce  remrgit  Adam,  cm  dat  deus  in  cruee  vitam.  Spftter 
liegt  der  Schädel  Adams  samt  einigen  Totengebeinen  auf  oder  in  der  Erde,  be- 
träufelt von  dem  Blute  des  Herrn.  —  Über  andere  allegorische  Znthaten  zar 
Kreuzignngsdarstellang  s.  oben  S.  513. 

Die  Vesperbilder,  d.  h.  Darstellungen  der  am  Abend  auf  den  Tod  Jesu 
folgenden  Scenen :  die  Abnahme  vom  Kreuze  (bei  welcher  die  Frauen,  Johannes, 


'  Vergl  oben  S.  499. 

*  Terrapontut  rulra  mundua  quo  loeotttr  ^umtn«  singt  auch  Yenantius  For- 
tonatuB  im  Hymnus  Pangue  linaua  ffloriosi  etc. 

■  Ädae  morte  novi  redit  Adae  vita  priori  steht  auch  am  FuJse  eines  romanischeD 
Kruzifixes  in  der  Bitterakademie  zu  Lüneburg.  —  Über  Adams  Qrab  auf  Golgatha 
B.  Piper  im  Evangel.  Kalender  1S61  ;  vergl.  Dioskuron,  1860,  380.  —  Wenn  unter 
dem  Triumphireuze  zu  Wechselburg  und  dem  Station skreuze  des  Bischofs  Erpho 
(1085^1097)  in  S.  Mfluritz  zn  Münster  unter  dem  Kreuze  eine  Figur  liegt,  die  (wie 
sonst  die  Ecclesia)  in  der  Rechten  einen  Kelch  erhebt,  so  wird  auch  hier  Adam  ge- 
meint Bein.  —  Zuweilen  steht  unter  dem  Trittbrett,  oder  unmittelbar  unter  den  Fül&n 
des  Gekreuzigten,  oder  durch  ein  Colatorium  von  ihnen  getrennt  ein  Kelch,  der 
Abendmahlskäch  oder  der  h.  Oral  der  mittelalt.  Dichtung;  vergl.  San  Marte,  der 
Mythus  V.  h.  Gral  in  N.  Mitt.  Th.-8.  V.  lU.  3,  1—38;  Didron,  histoire  de  dien. 
27T,  No.  68.  —  Wenn  in  dem  HildeBheimer  EvanReliar  (Abb.  Bonner  Jahrbb.  XLV) 
der  Gekreuzigte  statt  dee  Trittbrettee  auf  dem  Stiel  des  Lukas  steht,  so  bezieht  sich 
das  wohl  auf  Hebr.  9,  12—14. 


Kreuzigung  u.  ß.  w.  54} 

l^ikodemas  und  Joseph  von  Arimathia  teils  klagend,  teils  beschäftigt  erscheinen 
und  bei  welcher  in  den  älteren  Darstellungen  die  Zange  zum  Ausziehen  der 
Nägel  kolossal  grofs  erscheint);  die  Beweinung  Christi  (die  sogen.  Pieta: 
Maria  hält  den  Leichnam  in  ihrem  Schofse,  oder  Christus,  im  Grabe  stehend,  wird 
von  der  Mutter  und  dem  Jünger,  den  er  lieb  hatte,  unterstützt);  die  Grablegung, 
bei  welcher  aufser  den  biblischen  Figuren  vereinzelt  auch  der  aus  den  drama- 
tischen Osterspielen  entnommene  Krämer  erscheint,  bei  dem  die  Frauen  die 
Spezereien  kauften  (Abb.  Bonner  Jahrbb.  LX,  Taf,  V,  2. 

Das  heilige  Grab:  ein  länglich  viereckiger,  aufgemauerter  Rasten; 
gewappnete  Wächter,  zwei  bis  sieben,  gewöhnlich  drei  an  der  Zahl,  insgemein 
schlafend.    ( Vergl.  den  Holzschnitt  S.  470 ,  Fig.  243.) 

Eine  eigentümlich  kompendiöse  Darstellung  der  gesamten  Passions-  und 
Todesgeschichte  sind  die  sogenannten  Misericordia- oder  Erbärmde-Bilder^ 
(d.  h.  nicht  die  Barmherzigkeit,  die  der  Herr  durch  sein  Leiden  erweckt,  sondern 
die  er  selbst  damit  geübt  hat,  nach  Psalm  89, 1  Misericordias  domini  in  aetemum 
€antäbö)j  die  an  Kirchengebäuden  (z.B.  St.  Sobald  zu  Nürnberg  1484),  auf 
Altarbildern  (z.  B.  1385  zu  Mühlhausen  a.  Neckar),  namentlich  aber  auf  Holz- 
schnittbildern des  späteren  Mittelalters  vielfach  vorkommen ,  dem  Eccehomo  in 
mancher  Hinsicht  ähnlich :  Christus  mit  den  Wundenmalen  entweder  im  Mantel 
frei,  oder  am  Fufse  des  Kreuzes,  oder  in  halber  Figur  im  Grabe  stehend,  die 
Hände  übereinander  gelegt,  oder  auf  seine  Seitenwunde  zeigend,  umgeben  von 
den  Marterwerkzeugen.  Sie  sind  aufs  engste  verwandt  mit  der  Darstellung  der 
Waffen  Christi'  (.arma  Christi^  ans  heren  wapenen)y  d.  h.  der  Marterwerk- 
zeuge mit  den  Porträts  der  bei  seiner  Marter  aktiv  beteiligten  Personen,  oft 
auf  einem  Schilde  wappenartig  zusammengestellt,  häufig  in  Verbindung  mit  der 
Messe  Gregors  —  ein  wegen  des  damit  verbundenen  Ablasses  aufserordentlich 
verbreitetes  populäres  Andachtsbild  (vergl.  eine  ganze  Anzahl  von  Holzschnitten 
in  der  Coli.  Weigeliana  und  den  Holzschn.  des  Germ.  Mus.).  Auch  die  5  Wunden 
Christi,  in  der  Mitte  die  Herzwunde,  von  den  beiden  Händen  und  Füfsen 
je  mit  ihrer  Wunde  umgeben,  teils  vor  dem  Kreuze  mit  Speer  und  Schwamm, 
teils  ohne  dasselbe  nur  mit  einer  Dornenkrone,  waren  ein  ebenso  beliebtes 
Andachtsbild  (s.  Holzschn.  d.  Germ.  Mus.,  Taf.  16.  123;  auch  an  dem  Margareten- 
denkmal von  P.  Vischer  1536  in  der  Stiftsk.  zu  Aschaffenburg). 


*  Vergl.  Mefsmor,  üb.  Barstellungen  der  Passion  Christi  etc.,  in  Mitt.  C.-K. 
XIV,  133  Sf. 

2  Vergl.  Wim m er,  Flor.,  die  Waffen  und  Wappen  Christi,  im  Org.  f.  eh.  K. 
1868,  No.  14.  —  Über  den  Chorstühlen  in  der  Klosterkirohe  zu  Berlin  ist  das  Leiden 
Christi  durch  folgende  dreilsig  Schnitzbilder  versinnbildlicht:  das  SchweiTstuch  mit 
dem  Antlitze  Jesu,  ein  Zählbrett  mit  den  30  Silberlingen ,  eine  brennende  Fackel  (Job. 
18,  3),  eine  Laterne  (ebd.),  der  JudaskuCs  (dargestellt  durch  die  beiden  Köpfe  des  Herrn 
und  des  Verräters),  zwei  Ketten,  das  Schwert  des  Petrus  und  das  Ohr  des  Malchus, 
die  Brustbilder  des  Pilatus  und  seiner  Frau  (Matth.  27^  19^,  der  Hahn  Petri  auf  einer 
Säule,  eine  offene  schlagfertige  Hand  (Joh.  19,  3j,  die  Brustbilder  des  Pilatus  imd 
Herodes  (?),  ein  Rutenbündel,  eine  Geilsel,  eine  Hand  voll  ausgeraufter  Haare,  die 
Domenkrone,  zwei  Stöcke,  das  Kreuz  (T),  ein  ausspeiender  Kopf,  die  Hände  und  das 
TVaschbecken  (Matth.  27,  24),  Leiter  und  Stange,  Hammer  imd  Bohrer,  ein  Strick, 
drei  Nägel,  die  Aufschrift  Inri,  drei  Spielbecher,  drei  Würfel  (ebd.  27,  31),  das  Rohr 
mit  dem  Schwamm,  die  Lanze  und  das  Herz  Jesu,  eine  Zange,  das  Grab  mit  dem 
Leichentuche  (ein  offenes  Kästchen  mit  daran  hangendem  Tuche). 


542  Srcn«!  aus  <lor  neutostamentlichen  Opschichte. 

ChristUB  in  der  Vorhalle,  nach  dem  apokryphiBchen  Erangelinm  des 
Nikodemas:  der  verherrlicbte  ErlSaer  mit  dem  Krenspaniere  triumphierend 


Flg.  t9t.    Rtll*r«n  Turilelna  id  Pnckenhont.' 

vor  dem  offenen  Hullenachlnnde  stellend,  um  die  in  demselben  befindlichen 
alttesUmentlichen  Gerechten  (zunachat  Adam,  Eva,  Abel,  Lot,  Jesaiu,  den 
Greis  Symeon,  Johannes  den  Tänfer)  zu  erlösen. 
Der  Herr  ergreift  den  Adam  bei  der  Hand;  dieser 
trägt  das  Triumphkreuz.  —  Die  Hölle  wird,  wie  in 
Fig. '291,  auch  als  eine  Burg  dargestellt,  deren  um- 
gestürzte Pforten  der  Heiland  unter  die  Fllfse  tritt, 
der  Teufel  liegt  gebunden  w'mculis  aelenust.  Ep. 
JndÄ  V.  6. 

Die  Auferstehung.  Das  Grab  ist  offen ;  der 
Erlöser  mit  dem  aus  dera  frühmittelalterlichen  than- 
maturgischen  Ereuzesstabe  (s.  oben  S.  531}  her- 
vorgegangenen Kreuzpanier  und  in  flatterndem  Man- 
tel steht  auf  dem  weggeschobenen  Steine  ^  die  Wäch- 
ter schlafen ;  ein  oder  zwei  Engel  sitzen  am  Grabe ; 
die  Spezerei  oder  Rauchbecken  tragenden  Weiber 
(Myrrhophoren).  Das  vorstehend  abgebildete  Tanf- 
stein-Roiief  zeigt  den  Auferstandenen  in  dem  sogen. 
Fif.  t».  Biiier  Tom  Aiiiabei  Osterei  (e.  oben  S.  480)  und  begnügt  sich  mit 
TiahMin.  «  o.mr«iB.  j^^  Andeutung  des  übrigen  durch  die  schlafenden 

'  Nach  einer  von  Herrn  KreiBbauinapektor  Ijukas  in  Delitzsch  güägst  mitgeteil- 


Scenen  aus  der  oeutostainentlichaii  Geschichte.  543 

Wächter,  während  das  Rmidbild  von  dem  Kelche  in  MarieDBtern  nur  das 

offene  Grab,  den  Engel,  die  Frauen 

nnd  die  schlafeuden  Wftchter  zeigt. 
DaeNoIi  me  tangere  nach  Joh. 

20,  17.    Chriatns  darchgehendB  als 

Gärtner  mit  einem  Grabscheit.    Mag- 
dalena kniet  vor  ihm  und  streckt  die 

Hände  nach  seinen  Ffirsen  ans.  So  in 

der  Bege)  auch  die  Frauen  bei  der 

Begegnung  des  Auferstandenen   mit 

den    Übrigen    Fraueu    nach    Matth. 

28,  10. 

Der  Auferstandene  aof  dem 

Wege  nach  Emmans  mit  den  bei- 
den Jüngern  (Kleophaa  und  Lukas). 

Er  bleibt  bei  ihnen  in  dem  als  Kastell 

dargestellten  Flecken  und  bricht  ihnen 

das  Brot. 

Die  Himmelfahrt'  wird  in  der     ^'*'  *"    "•"'"■*™  ""»"^•■"»  "  »'«'«»^. 

Handschrift  des  BahuUs  (s.  oben  S. 

536,  Abb.  bei  Agincourt,  Peinture  Taf.  XXVH)  so  dargestellt,  dafs  Christus 
ähnlich  wie  Elias  auf  feurigem  Cbe- 
rubimwagen  gen  Himmel  fährt.  Später 
gehen  zwei  Darstellungen  nebenein- 
ander her.  In  der  einen  schreitet  Chri- 
stas mit  dem  Kreuzpanier  oder  einer 
Rolle  (der  Handschrill  des  neuen  Bun- 
des, oder  der  ausgetilgten  Sflnden- 
handschrift,  Koloss.  2,  14 ;  oder  nach 
Psalm  40,  8  und  Hebräer  10,  7)  in 
der  Hand  in  sehr  lebhaftem  Schritte 
nach  oben ,  wo  sich  ihm  die  Hand  Got- 
tes entgegenstreckt  (z.  B.  auf  dem  El- 
fenbeinrelicf  zu  Mflnchen,  s.obenS. 
23,  No.  4).  In  der  anderen  wird  Chri- 
stas in  der  Maudorla  mit  dem  Krenz- 
panier  stehend  (so  am  Tympanon  des 
PortalsvonPetershausun)oderinihr 

sitzend  mit  Buch  (so  auf  einem  Elfen-         '''«■  *"■   ^"^"  '"■"  '="''''=  "  «""eniiem. 
beinrelief  zu  Stuttgart  Abb.  Heide- 

loff,  Schwaben,  Taf.  X)  von  Engeln  emporgetragen.  Beide  Darstellungen  setzen 
teils  bildlich,  wie  das  HUnchener  Elfenbein,  teils  inschriftlich ,  wie  die  Portal- 
skulptur  von  Petershausen  die  Himmelfahrt  in  unmittelbare  Verbindung  mit 
der  Auferstehung,  so  dafs  auch  fraglich  erscheinen  kann,  ob  unsere  Fig.  292 
nicht  die  Himmelfahrt,  und  die  oben  als  schlafende  Wächter  gedeuteten  Köpfe 

'  VergL  Bock,  C.  P.,  die  bild.  DaratoU.  der  ffimmelfahrt  Christi  vom  VI.  bis  XIT. 
Jahrb.  18ßT  (S.  A.  aus  dem  Freiburger  Dii5cesaD -Archiv.  II,  409  tL). 


544  ^^^  biblische  Bilderkreis. 

nicht  vielmehr  auch  dort  die  Engel,  welche  das  Osterei  tragen,  zur  Darstellung 
bringen.  —  Später  wird  die  Darstellung  einfacher  dem  biblischen  Berichte 
entsprechend,  wobei  oft,  wie  in  Fig.  294,  nur  noch  die  Füfse  des  schon  von 
Wolken  bedeckten  Heilandes  sichtbar  sind ,  der  seine  Fufstapfen  auf  dem  Berge 
zurück  gelassen  hat  (Zach.  14,  4).  Die  Jünger  und  Maria  stehen  und  sehen 
gen  Hinmiel ;  die  Engel  ( Actor.  1 ,  10)  werden  in  der  Regel  als  vom  Himmel 
herabschwebend  dargestellt. 

Die  Ausgiefsung  des  heiligen  Geistes.  Der  h.  Geist  schwebt  in 
Taubengestalt  herab  auf  die  Jünger,  auf  deren  Häuptern  Flammen  zucken. 
Die  Mitte  des  Bildes  pflegt  namentlich  in  späterer  Zeit  die  Jungfrau  Maria 
einzunehmen. 

Anmerkung  2.  Der  vorstehend  in  Anmerkung  1  in  kurzen  Zügen  be- 
schriebene biblische  Bilderkreis,  in  welchem  sich  die  mittelalterlichen 
Künstler  bewegten,  hat  seine  hier  nicht  weiter  zu  verfolgende  Geschichte,  in- 
dem in  den  verschiedenen  Perioden  unter  Einwirkung  der  mannigfachsten  Um- 
stände nicht  blofs,  wie  mehrfach  angedeutet,  der  Typus  der  einzelnen  Darstel- 
lungen mehr  oder  minder  mit  Besonderheiten  ausgestattet  wurde,  sondern  auch 
der  Kreis  der  Bilder  erweitert  oder  beschränkt  erscheint,  wobei  jede  Epoche 
ihre  am  häufigsten  vorkommenden  Lieblingsdarstellungen  hatte.  Wir  beschrän- 
ken uns  auf  folgende  chronologisch  geordnete  Übersicht  von  Bildercyklen  aus 
den  verschiedenen  Jahrhunderten. 

I.    Der  biblische  Bilderlcreis  In  der  attchrlstHcben  Kunst  ^ 

1.  Aus  dem  alten  Testamente:  Die  Erschaffung  der  Eva.  Der 
Sündenfall  und  seine  Folgen.  Kains  und  Abels  Opfer.  Hoah  in  der  Arche  und 
die  Taube.  Abrahams  Opfer.  Der  Durclizug  durch  das  Schilfmeer.  Moses 
empfängt  die  Gesetztafeln.  Moses  schlagt  Wasser  ans  dem  Feiten.  Der  Manna- 
regen. Hiob  (selten).  David  mit  der  Schleuder  (selten).  Die  Himmelfahrt  des 
Elias.  Die  Geschichte  des  Jonas.  Daniel  in  der  Löwengmbe.  Die  drei  Jüng- 
linge im  Fenerofen. 

2.  Aus  dem  neuen  Testamente:  Die  Geburt  Christi.  Die  Anbetung 
der  Weisen.  Der  zwölQährige  Jesus  unter  den  Lehrern.  Jesus  als  der  gnte 
Hirte.  Das  Gespräch  mit  der  Samariterin.  Die  Übergabe  der  Schlüssel  an 
Petrus.  Der  Palmeneinzug.  Die  Fufswaschung.  Die  Gefangennehmung.  Petri 
Verleugnung.  Christus  vor  Pilatus.  —  Von  den  Wundern  Christi  finden  sich: 
die  Hochzeit  zu  Kana,  die  Speisungen  des  Volks,  die  Heilungen  der  Blutflüssigen, 
des  Gichtbrüchigen,  des  Blinden,  des  Aussätzigen  (selten),  die  Anferweckung 
des  Lazarus.  —  Das  Gleichnis  von  den  zehn  Jungfrauen.  —  Die  Brustbilder 
der  beiden  grofsenApostel  Petrus  und  Paulus.  — Über  die  Marienbilder 
s.  oben  S.  525. 


*  Vergl.  Kraus,  Fz.  X.,  Roma  sotteranea,  Buch  IVj  Kap.  3 — 6;  Schnaase.  HI, 
82  ff.;  Roller,  Theoph.,  les  catacombes  de  Rome.  Fans  1SS2.  Bd.  ü;  Schultze, 
Vikt.,  die  Katakomben  etc.  1882.  Abschn.  IQ.  —  Die  am  häufigsten  vorkommenden 
Darstellimgen  sind  durch  den  Druck  ausgezeichnet. 


Biblische  Bilderkreise.  545 

II.    Neutestamentliche  Bilder  des  Codex  Rossanensis  VI.  Jahrh.^ 

Die  Heilung  des  Blinden  am  Becken  von  Siloah.  Der  barmherzige  Sama- 
riter. Die  Auferweckung  des  Lazarus.  Der  Palmeneinzug.  Die  Reinigung  des 
Tempels.  Das  Gleichnis  von  den  zehn  Jungfrauen.  Das  Passahmahl.  Die 
Fufswaschung.  Die  Spendung  des  Brotes  und  des  Kelches.  Das  Gebet  am  Öl- 
berg.  Christus  vor  Pilatus.  Judas  wirft  das  Geld  in  den  Tempel  und  erhenkt 
sich  selbst.   Die  Juden  verklagen  Jesum  bei  Pilatus.   Christus  und  Barrabas. 

III.    Neutestamentliche  Bilder  In  Evangelienhandschriften  des  Abend- 
landes aus  der  Zeit  um  1000. 

Die  Zahl  der  Bilder  in  den  drei  am  reichsten  ausgestatteten  zu  Trier, 
Gotha  und  Bremen  aufbewahrten  Evangelienbüchern  aus  der  Zeit  von  circa 
990 — 1040  ist  bereits  oben  S.  181  angegeben;  wir  lassen  hier  nach  der  von 
H.  A.  Müller  (s.  S.  182  N.  1)  entworfenen  Zusammenstellung  die  Gegenstände 
derselben  folgen:^  1)  Die  Verkündigung.  2)  Der  Engel  erscheint  dem  Joseph 
im  Traum  (in  Trier).  3)  Die  Heimsuchung  (in  Trier  und  Gotha).  4)  Die  Gebort 
Christi  mit  den  Hirten.  5)  Die  drei  Magier  bei  Herodes  (in  Gotha).  6)  Die 
Anbetung  der  Weisen.  7)  Der  Engel  erscheint  den  Weisen  im  Traum  (in 
Gotha).  8)  Die  Darstellong  im  Tempel.  9)  Der  Aufbruch  zur  Flucht  nach 
Ägypten  (in  Gotha).  10)  Der  bethlehemitische  Kindermord.  11)  Jeans  12 
Jahre  alt  im  Tempel  12)  Die  Taufe  Christi  (in  Trier  und  Gotha).  13)  Die 
drei  Versuchungen  (in  Gotha  und  Bremen).  14)  Die  Berufung  der  Jünger  beim 
Fischfang  (in  Gotha).  15)  Petri  Fischzug  (in  Bremen).  16)  Die  Hochzeit  zu 
Kana.  17)  Christus  und  die  Samariterin  (in  Trier  und  Gotha).  18)  Die  Hei- 
lung des  Aussätzigen.  1 9)  Der  Hauptmann  von  Kapemanm  (zu  Trier  in  2 
Scenen).  20)  Die  Auferweckung  des  Jünglings  von  Nain  (in  Gotha  und  Bremen). 
21)  Christus  heilt  die  Schwieger  Petri  (in  Gotha).  22)  Christus  auf  dem  stär- 
mischen  Meer.  23)  Der  Besessene  in  der  Gegend  der  Gadarener  (in  Tiier  und 
Gotha).  24)  Die  Heilung  des  Gichtbrüchigen  ^in  Gotha  und  Bremen).  25)  Die 
Berufung  des  Matthäus  (in  Trier  und  Gotha).  26)  Christus  isset  mit  den  Zöllnern 
und  Sündern  (ebenso).  27)  Die  Heilung  der  Blutflüssigen  (ebenso).  28)  Jairi 
Töchterlein  (in  Trier).  29)  Die  Heilung  der  beiden  Blinden  (in  Bremen). 
30)  Die  Heilung  des  besessenen  Taubstummen  (in  Bremen).  31)  Das  dafilr 
den  Herrn  preisende  Weib  (ebenso).  32)  Die  Heilung  der  verdorrten  Hand 
(in  Trier).    33)  Der  38  jährige  Kranke  (ebd.).    34)  Die  Speisung  der  6000 


*  Im  J.  1S80  zu  Rossano  in  Kalabrien  entdecktes  Fragment  der  ältesten  bekannten 
illustrierten  griechischen  Evangelienhandschrift,  herausgegeb.  von  vonGebhardt,  0., 
und  Harnack,  A.,  Evangeliorum  cod.  gr.  purp.  Bossanensis;  mit  17  Umrilszeichnun- 
gen  1880.  Yergl.  Lami)recht,  in  den  Bonner  Jahrbb.  LXIX,  90 — 98,  welcher  für 
aie  karolingischeZeit  auf  die  poetische  Beschreibung  des  Bildercyklus  der  Schlols- 
kapelle  zu  Ingelheim  bei  Ermoldus  Nigellus.  IV,  229—244  u.  V,  235—238  (Pertz, 
Mon.  G.  n,  505  f.)  verweist. 

*  Die  durch  den  Brack  ausgezeichneten  Bilder  finden  sich  in  allen  drei  Handschr. 
Die  der  beiden  Codices  zu  Trier  und  Gotha  sind  von  Lamp recht  in  den  Bonner 
Jahrbb.  LXX,  56 — 112  u.  TafF.  HI— X  genau  miteinander  vergüchen  unter  Hinweisung 
auf  die  Inschriften  des  Ekkehard  von  St.  Gallen  (f  1036),  die  für  die  Wandmalereien 
des  Mainzer  Domes  dienen  sollten.  Yergl.  den  Anhang  zu  Schneider,  F.,  der  h. 
Bardo,  Erzb.  v.  Mainz.  1881. 

Otte,  Kunst -Archäologie.    5.  Anfl.  35 


546  Biblische  Bilderki'eise. 

Mann.  35)  Christus  geht  auf  dem  Meere  (in  Trier).  36)  Das  kananaisohe  Weib 
(in  Trier  und  Bremen  in  2  Scenen).  37)  Von  den  7  Broten  (in  Bremen). 
38)  Maria  von  Bethanien  zu  Jesu  Füfsen  (ebd.).  39)  Der  Wassersüchtige  (in  Go- 
tha und  Bremen).  40)  Die  10  Aussätzigen  (ebenso).  41)  Der  blinde  Bartimana. 
42)  Christus  und  die  Ehebrecherin  (in  Trier  und  Gotha).  43)  Christi  Steinigung 
(in  Trier  und  Bremen).  44)  Die  Heilung  des  Blindgeborenen  (in  Trier  und 
Gotha).  45)  Die  Erweckung  des  Lazarus  (ebenso).  46)  Maria  salbt  Jesu  Füfse 
(in  Trier).  47)  Der  Herr  giebt  dem  Petrus  die  Schlüssel  (in  Bremen).  48)  Der 
Palmeneinzng.  49)  Die  Tempelreinigung  (in  Trier  und  Gotha).  50)  Die  Fufs- 
Waschung  (in  Trier).  51)  Das  Abendmahl  (in  Bremen).  52)  Die  Oefangen- 
nehmnng.  53)  Christus  vor  dem  Hohenpriester.  54)  Die  Verleugnung  Petri. 
55)  Christus  vor  Pilatus  (in  Trier  und  Bremen).  56)  Die  Geüselung.  57)  Ecee 
Homo.  58)  Die  Krenztragnng.  59)  Christus  wird  zwischen  den  beiden  Scha- 
chern gekreuzigt  (in  Trier).  60)  Der  Kreuzestod  des  Herrn.  61)  Die  Abnahme 
vom  Kreuz.  62)  Die  Grablegung.  63)  Die  Höllenfahrt  (in  Bremen).  64)  Der 
Engel  erscheint  den  3  Marien.  65)  Holi  me  tangere.  66)  Die  Jünger  auf  dem 
Wege  nach  Emmaus  (in  Trier  und  Gotha).  67)  Christus  bricht  zuEmmaus  das 
Brot  (ebenso).  68)  Christus  erscheint  den  Aposteln  und  isset  vor  ihnen  (in 
Trier).  69)  Der  ungläubige  Thomas.  70)  Christus  erscheint  am  galiläischen 
Meer  (in  Trier).  71)  Das  harte  Herz  der  Jünger  (in  Bremen).  72)  Die  Sendung 
der  Apostel  (in  Trier).  73)  Die  HimmelfiEthrt.  74)  Das  Pfingstwunder. 
75)  Die  Bekehrung  der  Heiden.  —  Bildliche  Darstellungen  der  Gleichnisse  Jesu 
finden  sich  nur  in  den  beiden  Evangelienbüchern  zu  Gotha  und  Bremen,  und 
zwar :  Die  Arbeiter  im  Weinberge  (in  Gotha  6,  in  Bremen  4  Bilder),  das  grofse 
Abendmahl  (in  Gotha  3,  in  Bremen  5  Bilder),  der  barmherzige  Samariter  (zu 
Bremen  in  2  Bildern),  der  reiche  Mann  und  der  arme  Lazarus  (in  Gotha  3, 
in  Bremen  4  Bilder). 

IV.    Die  neutestamentlicben  Bilder  der  Bernwardseäule  zu  Hiideslieinfi 

zwischen  1006— 1022.  ^ 

1)  Die  Taufe  Jesu.  2)  Die  (erste)  Versuchung.  3)  Die  Berufung  dea 
Petrus  und  Andreas.  4)  Die  Berufung  der  beiden  Söhne  Zebedäi.  5)  Die 
Hochzeit  zu  Eana.  6)  Eine  Heilung,  wahrscheinlich  die  des  Aussätzigen. 
7)  Die  Berufung  oder  Sendung  der  Zwölf.  8)  Christus  und  die  Samariterin. 
9)  Johannes  d.  T.  straft  Herodes  und  Herodias.  10)  Er  wird  aus  dem  Kerker 
gezogen  zur  Enthauptung.  11)  Das  Geburtstagsmahl  des  Herodes.  12)  Die 
Bitte  des  Jairus  und  das  blutflüssige  Weib.  13)  Die  Heilung  eines  Blinden. 
14)  Die  Ehebrecherin.  15)  Der  Jüngling  zuNain.  16)  Die  Verklärung  Christi. 
17)  Christus  im  Gespräch  mit  Schriftgelehrten  und  Pharisäern.*  18)  Der  reiche 
Mann  und  Lazarus.  19)  Dieser  in  Abrahams  Schofs,  jener  in  der  Hölle. 
20)  Zachäus  auf  dem  Maulbeerbaume.  21)  Die  Verfluchung  des  Feigenbaumes. 
22)  Die  Heilung  der  beiden  Blinden.  23)  Christus  wandelt  auf  dem  Meere. 
24)  Die  Speisung  der  Fünftausend.   25)  Die  trauernden  Schwestern  des  Laza- 


'  Wiecker,  E.  0.,  die  Bemwardssäule.   1874. 

'  Andere  haben  diese  Darstellung  offenbar  irrig  für  den  Bangstreit  der  Jünger  er- 
klärt, und  Wiecker  sieht  sogar  unoegreiflicherweise  dann  die  Bitte  des  Vaters  um 
Heilung  des  mondsüchtigen  Knaben  (Matth.  17,  14),  was  in  keiner  Weise  pa&t. 


Biblische  Bilderkreise.  547 

rus  begegnen  dem  Herrn.  26)  Die  Auferweckung  des  Lazarus.  27)  Die  Sal- 
bung des  Herrn.  28)  Der  Palmeneinzug.  Auf  dem  1545  eingeschmolzenen 
Kapital  der  Säule  stand  ein  Crucifixus. 

V.    Die  neutestamentllchen  Bilder  des  Evangeliare  zu  AschalTenburg 

gegen  1200.^ 

An  die  Darstellung  der  4  Evangelisten  mit  den  4  Paradiesesflüssen  und 
zweien  Cherubim  auf  Flügelrädern  reihen  sich  35  evangelische  Scenen :  1)  Die 
Geburt  Ciiristi.  2)  Die  Anbetung  der  Weisen.  3)  Die  Magier,  in  einem  Bette 
ruhend y  erhalten  von  dem  Engel  den  Befehl,  nicht  wieder  zu  Herodes  zurück- 
zukehren. 4)  Die  Flucht  nach  Ägypten.  5)  Der  Kindermord.  6)  Die  Rückkehr 
aus  Ägypten.  7)  Die  Taufe  Christi.  8)  Die  Bergpredigt.  9)  Die  Heilung  des 
Aussätzigen.  10)  Die  Austreibung  der  Teufel.  11)  Salome  tanzt  bei  dem  Gast- 
mahl des  Herodes  auf  den  Händen.  12)  Enthauptung  und  Bestattung  Johannes 
des  Täufers.  13)  Petrus  geht  auf  dem  Meere.  14)  Der  Fisch  mit  dem  Stater. 
15)  Christus  segnet  die  Kindlein.  16)  Die  Mutter  der  Söhne  Zebedäi.  17)  Der 
Palmeneinzug.  18)  Die  Vertreibung  der  Verkäufer  aus  dem  Tempel.  19)  Die 
Kreuzigung.  20)  Die  Abnahme  vom  Kreuze.  21)  Die  Grablegung.  22)  Die 
Auferstehung.  23)  Christus  offenbart  sich  den  Elfen.  24)  Die  Aussendung 
der  Jünger.  25)  Die  Himmelfahrt  des  Herrn.  —  Die  folgenden  Bilder  zur  Illu- 
stration des  Ev.  Johannis:  26)  Die  Hochzeit  zu  Kana.  27)  Christus  und  die 
Samariterin.  28)  Der  Königische  von  Kapemaum.  29)  Der  38jährige  Kranke. 
30)  Die  Speisung  der  5000  Mann.  31)  Die  Heilung  des  Blindgeborenen. 
32)  Die  Erweckung  des  Lazarus.  33)  DieFufswaschung.  34)  Christi  Rede  zu 
den  Jüngern  nach  dem  Abendmahl.   35)  Die  Ausgiefsung  des  Geistes. 

VI.    Die  biblischen  Geschichten  auf  dem  Zittauer  Hungertuche 

von  1472  zu  Dresden.' 

Hier  findet  sich  eine  der  reichsten  überhaupt  vorkommenden  Bilderfolgen 
in  zweimal  45  alt-  und  neutestamentllchen  Darstellungen ;  letztere  sind  in  der 
Geburtsgeschichte  der  Maria  durch  5  Vorgänge  nach  dem  apoki^.  Protevange- 
lium  Jacobi  ergänzt. ^  Die  ErschafiFung  des  Himmels  und  der  Erde,  der  vier 
Elemente,  von  Tag  und  Nacht,  der  Sonne  und  des  Mondes,  der  Vögel  und 
Fische,  des  Menschen  und  der  Tiere,  der  Eva.  Die  Einsetzung  des  Feiertages. 
Der  Betrug  der  Schlange.  Die  Vertreibung  aus  dem  Paradiese.  Adam  gräbt 
und  Eva  spinnt.  Eva  bekommt  zwei  Kinder.  Die  Opfer  Kains  und  Abels.  Der 
Brudermord.  Noah  empfängt  den  Befehl  zur  Erbauung  der  Arche;  diese 
schwimmt  auf  dem  Wasser;  Noah  opfert  die  Vögel;  Gott  giebt  den  Regenbogen ; 
Hams  Verspottung  seines  Vaters.  Nimrod  baut  den  Turm  zu  Babel.  Abraham 
und  Melchisedek.  Die  drei  Engel  bei  Abraham.  Der  Untergang  von  Sodom 
und  Gomorrha.    Das  tote  Meer.   Abrahams  Opfer.    Isaak  freit  die  Rebekka. 


*  S.  oben  S.  181 ;  vergl.  Waagen,  Kunstw.  u.  Künstler  in  Deutschi.  I,  376  ff.  Den 
Cyklus  des  etwa  gleichzeitigen  Verduner  Altars  zu  Klosterneuburg  s.  oben  S.  607  f. 

2  Vergl.  S.  387. 

^  Die  reichste  Folge  neutestamentlicher  und  legendarischer  Scenen  aus  dem  Leben 
der  Maria,  Jesu  und  aer  Apostel  enthält  der  Zinnaer  Marienpsalter  s.  oben  S.  509. 

35* 


548  Biblische  Bilderkreise. 

Abraham  stirbt  Esau  verkauft  seine  Erstgeburt.  Isaak  segnet  Jakob,  auch  den 
Esau.  Die  Himmelsleiter.  Jakob  läfst  den  Engel  nicht  gern  von  sich  gehen. 
Die  Brüder  werfen  Joseph  in  die  Cisterne ;  sie  bringen  dem  Vater  das  blutige 
Kleid.  Sie  verkaufen  Joseph ;  sie  kommen  zu  ihm  nach  Ägypten.  Die  Auf- 
lesung des  Hinmeisbrotes  in  der  Wüste ;  der  Fang  der  Wachteln.  Moses  em- 
pfängt die  zehn  Gebote.  Das  goldene  Kalb.  Dathan  und  Abiram.  Die  feurigen 
Schlangen.  Die  eherne  Schlange.  Das  Wasser  aus  dem  Kieselsteine.  Josua 
und  Kaleb  mit  der  Weintraube.  —  Der  Hohepriester  weist  das  Opfer  des  kinder- 
losen Joachim  zurück ;  dieser  geht  zu  den  Hirten,  wo  ihm  ein  Engel  die  Geburt 
einer  Tochter  verkündet;  er  trifft  sein  Weib  Anna  an  der  goldenen  Pforte. 
Die  Geburt  der  Maria.  Darstellung  der  Maria  im  Tempel.  Die  Verkündigung. 
Die  Heimsuchung.  Die  Geburt  Christi.  Die  Anbetung  der  Könige.  Die  Dar- 
stellung Jesu  im  Tempel.  Der  Aufbruch  nach  Ägypten.  Der  Kindermord. 
Maria  vertreibt  die  Götzen  aus  Ägypten.  Der  12  jährige  Jesus  im  Tempel. 
Die  Taufe  Christi  im  Jordan.  Die  Versuchung.  Die  Hochzeit  zu  Kana. 
Die  Verklärung.  Die  Erweckung  des  Lazarus.  Das  Gastmahl  bei  Simon  dem 
Aussätzigen.  Der  Palmeneinzug.  Die  Tempelreinigung.  Die  letzte  Oster- 
lamms-Mahlzeit.  Das  Gebet  am  Ölberge.  Die  Gefangennehmung.  Christus  vor 
Annas,  wird  in  der  Nacht  jämmerlich  geschlagen,  vor  Pilatus  gebracht,  von 
Herodes  verhört,  unter  Pilatus  gegeifselt,  verspottet,  den  Juden  gezeigt.  Pi- 
latus wäscht  sich  die  Hände.  Die  Kreuztragung.  Die  Kreuzigung.  Die  Ab- 
nahme vom  Kreuze.  Die  Grablegung.  Die  Höllenfahrt.  Die  Auferstehung. 
Die  drei  Marien  gehen  nach  dem  Grabe.  Das  Noli  me  tangere.  Der  ungläubige 
Thomas.  Die  Himmelfahrt.  Die  Ausgiefsung  des  h.  Geistes.  Das  jüngste 
Gericht. 

VII.    Die  biblischen  Reliefs  an  den  Emporen  der  Annakirche 

zu  Annaberg  von  1525.  < 

Die  reichste  Folge  von  Skulpturen  aus  der  heil.  Geschichte,  die  man  kennt : 

I)  Die  Erschaffung  der  Welt.  2)  Die  Erschaffung  der  ersten  Menschen. 
3)  Adam  und  Eva,  ins  Paradies  gesetzt.  4)  Der  Sündenfall.  5)  Die  Vertreibung 
aus  dem  Paradiese.  6)  Adam  und  Eva  bei  der  Arbeit.  7)  Kains  Brudermord. 
8)  Der  Engel  verkündigt  dem  Joachim  die  Geburt  der  Maria.  9)  Joachim  und 
Anna  an  der  goldenen  Pforte.    10)  Die  Darstellung  der  Maria  im  Tempel. 

II)  Die  Verkündigung  Maria.  12)  Die  Heimsuchung.  13)  Die  Geburt  Jesu. 
14)  Die  Beschneidung.  15)  Die  Anbetung  der  Könige.  IG)  Die  Darstellung 
im  Tempel.  17)  Die  Flucht  nach  Ägypten.  18)  Der  im  Tempel  lehrende  Jesus- 
knabe. 19)  Die  Taufe  Christi.  20)  Die  Versuchung.  21)  Die  Hochzeit  zu 
Kana.  22)  Die  Verklärung  Christi.  23)  Die  Auferweckung  des  Lazarus. 
24)  Der  Palmeneinzug.  25)  Christus  verkündigt  sein  Leiden.  26)  Das  Abend- 
mahl. 27)  Die  Fufswaschung.  28)  Das  Gebet  am  Ölberg.  29)  Der  Judaskufs. 
30)  Christus  vor  Annas.  31)  Christus  vor  Kaiphas.  32)  Christus  vor  Pilatus. 
33)  Christus  vor  Herodes.  34)  Die  Geifselung.  35)  Die  Domenkrönung. 
36)  Der  Ecce  Homo.  37)  Die  Kreuztragung.  38)  Die  Kreuzerrichtung. 
39)  Christus  am  Kreuze.  40)  Die  Abnahme  vom  Kreuze.  41)  Die  Beweinung 
Christi.    42)  Die  Grablegung.    43)  Die  Niederfahrt  zur  Hölle.    44)  Die  Auf- 

'  Vergl.  Waagen,  a.  a.  0.,  31  ff. 


ApostolicuDi  und  Dekalog.  549 

erstehung.  45)  Der  Auferstandene  offenbart  sich  seiner  Mutter.  46)  Die  drei 
Marien  auf  dem  Wege  zum  Grabe.  47)  Der  Engel  am  Grabe.  48)  Das  Noli 
me  tangere.  49)  Christus  eracheint  dem  Petrus.  50)  Die  Emahuntischen  Jünger. 
51)  Der  Herr  offenbart  sich  den  Elfen.  52)  Der  ungläubige  Thomas.  53)  Der 
Auferstandene  am  See  Genezareth.  54)  Die  Himmelfahrt.  55)  Die  Ausgiefsung 
des  Geistes.  56)  Der  Ausgang  der  Apostel.  57)  Der  Tod  Maria.  58)  Die  Be- 
stattung der  Maria.  59)  Die  Salbung  ihrer  Leiche.  60)  Die  Steinigung  des 
Stephanus.  61)  Die  Bekehrung  Pauli.  62)  Die  Kreuzigung  Petri.  63)  Die 
Enthauptung  Pauli.  64)  Die  Kreuzigung  des  Andreas.  65)  Die  Enthauptung 
des  Jacobus  major.  66)  Die  Vergiftung  des  Evangelisten  Johannes.  68)  Die 
Schindung  des  Bartholomäus.  68)  Die  Steinigung  Philippi.  69)  Jacobus  minor, 
mit  dem  Walkerbaume  erschlagen.  70)  Simon  wird  zersägt.  71)  Judas  Thad- 
däus,  mit  Keulen  erschlagen.  72)  Thomas  wird  gespiefst.  73)  Matthias  wird 
mit  dem  Fallbeil  enthauptet.  74)  Matthäus  wird  mit  der  Axt  getötet.  75)  Die 
Enthauptung  Johannes  des  Täufers.  76)  Die  Seligen.  77)  Christus  als  Welt- 
richter.   78)  Die  Verdammten. 

Anmerkung  3.  Die  Darstellungen  des  apostolischen  Symbolums  und 
des  mosaischen  Dekalogs,  welche  man,  erstere  schon  aus  dem  früheren,  letztere 
besonders  aus  dem  späteren  Mittelalter  in  den  Kirchen  hin  und  wieder  findet, 
haben  den  didaktischen  Zweck,  das  Volk  mit  dem  Texte  dieser  katecheti- 
schen Hauptstücke  bekannt  zu  machen.  Die  Bilder,  welche  das  apostolische 
Glaubensbekenntnis  zur  Anschauung  bringen  (z.B.  an  einem  roman.  Tauf- 
stein zu  Neustadt  a.  M.,  an  den  12  Pfeilern  der  Liebfrauenkirche  zu  Trier 
in  Wandmalereien  des  XV.  Jahrb.,  ebenso  zu  Partenheim  in  der  Pfalz  und 
zu  Doli  en  st  ein  bei  Eichstädt  in  Decken-  und  Wandgemälden,  an  geschnitzten 
Altarflügeln  in  der  Kirche  zuWaltersdorf  im  Kr.  Heiligenbeil),  beziehen  sich 
auf  die  im  IV.  und  V.  Jahrb.  zuerst  erzählte  Sage  von  der  Entstehung  dieses 
Symbols  durch  die  Apostel:^  letztere  sind  hier  versammelt,  und  die  einzelnen 
unter  ihnen  sprechen  jeder  eine  Phrase  des  Glaubensbekenntnisses  aus,  den 
beigegebenen  Spruchbändern  zufolge  (jedoch  mit  mancherlei  Varianten)  in 
nachstehender  Weise:  Petrus:  Credo  in  DeutUy  patrem  omnipotentem y  crea- 
torem  coeli  et  terrae;  Andreas:  Et  in  Jesum  Christum ^  ftlium  ejus  unicumy 
Dominum  nostrum;  Jacobus  Zebedäi:  Qui  conceptus  est  de  Spiritu  sanctOj 
natus  ex  Maria  virgine;  Johannes:  Passus  süb  Pontio  Pilato,  crucifixusy 
mortuus  et  sepultus;  Thomas:  Descendit  ad  infema,  tertia  die  resurr exit  a 
mortuis;  Jacobus  Alphäi:  Ascendit  ad  coelos,  sedet  ad  dexteram  Deipatris 
omräpotentis ;  Philippus:  Inde  venturus  est  judicare  vivos  et  mortuos ;  Bar- 
tholomäus: Credo  in  Spiritum  sanctum;  Matthäus:  Sanctam  ecclesiam 
catholicam,  sanctorum  communionem;  Simon:  Remissionem  peccatorum; 
Judas  Thaddäus:  Camis  resurr ectionem]  Matthias:  Et  vitam  aetemam, 
—  Die  zehn  Gebote  werden  entweder  auf  den  von  Moses  gehaltenen  Gesetz- 
tafeln dargestellt  (Dom  zu  Merseburg)  oder  in  einer  Reihenfolge  frei  erfun- 
dener Bilder  (Elisabethkirche  zu  Breslau  [ehemals],  Luthersammlung  zu 
Wittenberg,  im  Museum  des  Gr.  Gartens  zu  Dresden,  in  der  Georgskirche 

'  Vergl.  Augustini,  Serm.  115,  in  der  Benediktiner  Ausgabe.  V,  280.  —  Fa- 
bricii,  Cod.  apocr.  N.  T.  m,  339.  —  Hahn,  Bibliothek  der  Symbole,  26  ff.  — 
Quenebault,  Dictionnaire  iconogr.,  344.  —  Schäfer,  Malerhandbuch  vom  Berge 
Athos,  299. 


550  Heiligenbilder. 

za  DinkelsbUhl),  in  denen  Beispiele  vom  Halten  und  Übertreten  der  Gebote 
znr  Ansch&uung  gebr&cbt  werden ;  zuweilen  ermsbnt  ein  Enget  zum  Gehorsam, 
ein  Teufel  reizt  zur  Übertretung.  Der  Test  des  Dekaloga  auf  diesen  Bildern 
ist  willkürlich  behandelt :  das  siebente  Gebot  pflegt  vor  dem  sechsten  zu  stehen,* 
und  in  den  beiden  letzten  Oebot«n  ist  die  Reibenfolge  nach  V  Mose  5,  '21  die 
gewöhnliche. 

91.  Heiligenbilder  machen  die  Mehrzahl  der  in  mittelalterlichen 
Xirchen  vorkommenden  Bilder  aus. 

In  jeder  Kirche  kehren  die  Abbildungen  der  Patrone,  denen  die  Dictcese, 
die  Kirche  etc.  gewidmet  war,  besonders  häufig  wieder;  der  Ilauptpatron 
der  Kirche  erscheint  sehr  oft  Über  dem  westlichen  Hauptportale  derselben, 
auf  den  Rückseiten  vieler  Altarfiagel ,  auf  den  Turmspitzen  unter  den  Wind- 
fahnen (z.  B.  9t.  Johann  zu  Köln  und  auf  den  Östlichen  Türmen  des 
Domes  von  Merseburg,  ehedem  auf  dem  Strafsburger  und  projektiert 
für  den  Ulmer  HUnster)  etc.  Auf  Votivdenkmaiem  werden  namentlich 
solche  Heilige  dargestellt,  welche  die  Schutzpatrone  des  Stifters  oder  Dona- 
tors waren,  im  XY.  und  XVI.  Jahrh.  häufig  in  den  PorträtzUgen  der  Dona- 
toren und  ihrer  ÄngehSrigen,  s.  oben  S.  462. 

92.  Die  Bilder  der  Heiligen  sind  als  solche  an  dem  Nimbus  kennt- 
lich, welchen  sie  um  das  Haupt  tragen. 


Flg.  IM.  ChHWni,  xm.  Juhcb.  Flg.  »I.    Chrlnui,  ISOa.  Flg.  190.    Chrliioi,  IMT. 

Der  Nimbus*  (Glorie,  Heiligenschein)  kommt  schon  bei  den  alten 
Hindus,  Ägyptern,  Griechen  und  Römern  an  Götter-  und  Heldenbildern  in 
Gestalt  einer  runden  Scheibe  um  das  Haupt  vor.  Vergil  (Aen.  U.  616)  schil- 
dert die  Minerva  als  trümbo  effvigens*,  was  der  Schotiast  Servius  erklärt 
von  einem  »fulviäum  lumen,  quod  deorum  capita  tinguits  In  der  christlichen 
Kunst  fand  dieser  heidnische  Nimbus  zuerst  im  Orient,  etwas  später  auch 
im  Occident  Aufnahme;  als  Bezeichnung  des  bimmlischeo  Glanzes  (npi:, 
Sö^a,  gloriä)  der  Gottheit  und  des  Abglanzes  derselben,  in  welchem  die 
Seligen  wandeln.  >   Seit  dem  VI.  Jahrb.  war  die  Glorie  nicht  our  als  Attribut 


'  Vorgl.  Oetfcken,  J.,  der  Bilderkatonhismus  des  XV.  Jahrh.  L  Die  10  Gebote. 
(Leipzig  1855).  77.  —  N.  Mitt.  Th.-S.  V.  V,  I,  93  ff.;  VI.  3,  127  ff. 

'  Didron.  Iconographie,  26—165.  —  Vergl,  Adelung,  die  korasiinBclien  Thüren 
zu  Nowgorod,  61  ff.  —  Kunstbl.  1843,  113  t. 

^  ^iradis  giebt  folgende  Erld£niiig  des  Nimbus:  Lumina,  quae  circa  eaput 
sancloratn  in  modum  ciTCuli  depitiguntwr ,  degignant  quod  lumine  aetemi  splen- 
dorii  eoTonati  /ruunfur.  Idcirco  vero  Momdum  formam  rotundi  scuH  ptngwUur, 
quid  divina  pTOtectione  tU  sculo  muniuntur.  —  Vend-  Durandus  L  I.  c.  3.  n.  20. 
—  Didron,  a.  a  0.,  280. 


Nimbus.  551 

der  drei  Personen  der  Gottheit,  der  Eogel  and  Heiligen  allgemein  tlblich, 
sondern  auch  nach  WOrde  and  Hoheit  der  dargestellten  Personen  durch  ver- 
schiedene Kennzeichen  klassifi eiert.  Bei  den  drei  Personen  der  Gottheit  ist 
der  Nimbus  mit  einem  Kreuze  bezeichnet,  dessen  Mittelpunkt  und  unterer 
Arm  von  Kopf  and  Hals  bedeckt  sind,  und  die  drei  sichtbaren  KreuzflOgel 
werden  bei  den  Griechen  oft  mit  den  Buchstaben  o-a-r  (ö  äi-,  qui  est, 
H  Mose  3 ,  14)  bezeichnet.  Statt  des  kreisförmigen  Nimbus  (oder  auf  dem- 
selben) tragen  Gott  der  Vater  und  Christus  oft  auch  drei  Lilien  oder  drei 
Strahl enbUndel,  die  wie  Radien  von  dem  Kopfe  ausgehen.  Nach  Didron 
(a.  a.  0-,    101  ff.)   ist  im  allgemeinen'  der  Nimbus  bis  zum  XH.  Jafarh. 


eine  feine  Kreisfläche  oder  Scheibe  j  im  XH.  und  XHI.  Jahrb.  wird  er  dicker 
nnd  gröfser,  weicht  auch  zuweilen  von  der  Kreisform  ab;  im  XIV.  und XV. 
verschwindet  die  Flache  oft  ganz,  nnd  es  bleibt  nur  eine  dünne  Kreislinie 
übrig,  andererseits  wird  es  auch  Sitte,  ihnen  die  Namen  der  Heiligen  einzu- 
schreiben und  sie  durch  Schraffierungen,  Facettierungen  n.  s.  w,  mannigfach 
zn  verzieren;  am  Ende  des  XV.  nnd  zu  Anfang  des  XVI.  Jahrb.  wird  die 
Darstellung  dea  Nimbus  sehr  grob :  der  Heiligenschein  gleicht  nun  einer 
Kokarde  oder  runden  Kappe ;  doch  bleibt  in  dieser  Spätzeit  (noch  mehr  in 
der  Renaissance)  der  Nimbus  auch  oft  ganz  weg,  oder  wird  häufig  zu  einem 
formlosen  Lichtschein  vergeistigt  und  verfluchtigt,  der  namentlich  auch, 
statt  der  altublichen  sog.  Mandorla  (s.  S.  480  N.  1}  als  ein  Strahlenglanz 
die  ganze  Figur  der  Salvator-  und  Marienbilder  nmgiebt.  —  Zu  bemerken 
bleibt,  dafs  im  früheren  Mittelalter^  auch  solche  angesehene  Personen,  z.B. 
Kaiser  und  Könige,  welche  nicht  zu  den  kirchlichen  Heiligen  gehören, 
zuweilen  mit  dem  Nimbus  dargestellt  wurden,  und  dafs  auf  italienischen 
Denkmillern  auch   lebende  Personen  mit  einem,  dann  jedoch  viereckigen 

'  Schon  die  wenicen  obigen  Beispiele  (Fig.  295 — 299)  beweisen,  dafs  es  mit  der 
Didronschen  Chronologie  dos  Nimbus  nicht  zu  streng  genommen  werdpn  darf:  der 
Muschelnimbus,  wie  bei  der  Plectmdis,  IKTst  sich  das  ganze  Mittelalter  hindurcb  in 
einzelnen  Fällen  nachweisen;  dio  Abweichung  von  der  Eimdform.  wie  beim  Salvator- 
kopfe  ans  dem  XIll.  Jahrb.,  scheint  allerdings  namenlhch  dieser  Periode  eigentümlich. 
zu  sein;  Iwmerlienswert  ist  die  Scheibenfomi  hinter  dem  Kopfe  des  Paulus  (aus  dem 
Magdeburger  Domchor]  und  zu  beachten  auch  die  perspektivische  Zeichnung  des 
Heihgenschems  auf  den  Bronzethürvn  von  Hildesheim  mn  101&.  (S.  z.  B.  oben  S. 
540,  Fip.  290.  Der  liliennimbus  Christi  (wie  Fig.  297)  gehört  wohl  ausBchliefslich 
dieser  ^tzeit  an. 

•  Doch  auch  noch  z.  B.  auf  seinem  Grabsteine  der  Kanonikus  Peter  von  Thure 
(t  1281)  im  Dome  zu  Brandenburg. 


552  Attribute  und  Symbole  der  Heiligen. 

Heiligenscheiu  um  das  Haupt  vorkommen.  Anderseits  fehlt  aber  der  Nimbus 
zuweilen  selbst  den  Kirchenheiligen,  namentlich  den  alttestamentlichen.  — 
Da  der  Nimbus  den  Abglanz  des  himmlischen  Lichtes  bezeichnet,  so  kommt 
ihm  auf  Gemälden  insgemein  die  Farbe  des  Lichtes  (Gold  oder  Gelb)  zu, 
doch  findet  er  sich  auch  verschieden  gefärbt,  wobei  zuweilen  die  verschie- 
denen Farben  eine  bestimmte  Bedeutung  haben,  wie  wenn  z.  B.  in  dem 
Hortus  deliciarum  der  Herrad  die  Rangordnung  der  Heiligen  durch  die 
Farben  der  Nimben  unterschieden  wird,  indem  bei  den  h.  Jungfrauen,  Apo- 
steln, Märtyrern  und  Bekennern,  wie  bei  Christus  selbst,  der  Heiligenschein 
golden  ist,  bei  den  Propheten  und  Patriarchen  silbern,  bei  den  Enthaltsamen 
rot,  bei  den  Ehelichen  grün  und  bei  den  Büfsern  gelblich.  (Vergl.  Didron, 
a.  a.  0.,  168  f.) 

93.  Die  Heiligen  werden  stets  mit  bestimmten  Zeichen  abgebildet, 
die  entweder  Attribute,  d.  h.  auf  historische  Momente  aus  ihrem  Leben 
bezüglich  (Abzeichen  ihres  Standes,  Erinnerungen  an  von  ihnen  verrich- 
tete Wunder,  oder  besonders  Instrumente  ihres  Märtyrertodes)  oder  Sym- 
bole sind,  d.  h.  Ausdruck  irgend  einer 'besonderen  Tugend  der  Heiligen 
oder  von  Lastern,  die  sie  überwunden  haben. 

Durch  die  Attribute  (resp.  Symbole)  kann  man  die  einzelnen  Heiligen 
leicht  und  sicher  erkennen  und  von  einander  unterscheiden,  wobei  jedoch 
zu  bemerken  ist,  dafs  manchem  Heiligen  mehrere  Attribute  zukommen,  von 
denen  indess  gewöhnlich  eines  das  üblichste  ist;  auch  sind  manche  Attribute 
mehreren  Heiligen  eigenttlmlich.  Schwieriger  ist  die  Deutung,  wenn  die 
Heiligen  in  einzelnen  Scenen  ihres  Lebens  ohne  ihre  Attribute  dargestellt 
werden,  wozu  die  Künstler  in  den  Legendensammlungen  des  Mittelalters 
reichen  Stoff  fanden ;  als  Hauptquellen  sind  neben  der  Aurea  Legenda  des 
Dominikaners  und  Erzbischofs  von  Genua  Jacobns  de  Voragine^  (f  1298) 
die  zahlreichen  Ausgaben  des  Passionale^  etc.  zu  betrachten. 

Anmerkung.  Diejenigen  Verstorbenen,  welche  von  der  Kirche  verehrt 
werden,  sind  (nach  Petrus  de  Natalibus  1.  c.  1.  3.  c.  228)  entweder  Hei- 
lige (sancti),  d.  h.  solche,  die  ohne  der  Läuterung  durch  das  Fegefeuer  zu 
bedürfen,  unmittelbar  mit  dem  Tode  in  den  Himmel  kommen;  oder  Selige 
(beati)y  d.  h.  solche,  die  erst,  nachdem  sie  einige  Zeit  im  Purgatorium  zuge- 
bracht haben,  zur  ewigen  Herrlichkeit  eingehen;  doch  wird  diese  Distinktion 
nicht  überall  streng  beobachtet.  —  Märtyrer  sind  diejenigen,  welche  um  der 


*  Le^'oda  sanctorum  per  anni  circuitum  venientium;  erste  Ausgabe  unter  dem 
Titel:  Historia  Lombardica,  Niimberg  1476  von  Joh.  Sensenschmidt  und  Andreas 
Friesner  de  Bunsiedel;  dann  als  Vita  Sanctorum  Patrum,  Nürnberg  147S  von  Anton 
Koberger;  reo.  Grässe,  Dresd.  et  Lipsiae  1846. 

*  Falck,  Druckkunst  im  Dienste  der  Kirche,  83  ff.  zählt  bis  1521  nicht  weniger 
als  45  verschiedene  deutsche  Ausgaben  auf;  die  älteste  datierte  ist  1471 — 72  zu  Augs- 
burg von  Güntiier  Zainer  gedruckt,  die  wichtigste  148S  zu  Nürnberg  durch  Anton  Ko- 
berger mit  262  kolorierten  Holzschnitten  von  Wohlgemuth.  —  Vergl.  auch:  Petrus 
de  Natalibus  (Bischof  von  Equilia  um  1372),  Catalogus  Sanctorum  et  gestorum 
eorum,  ex  diversis  voluminibus  collectus.  Lugduni  1514.  (In  der  Vorrede  eine  Über- 
sicht der  dem  Verfasser  bekannten  Legendenbücher.) 


Verzeichnis  der  Heiligen.  553 

göttlichen  Wahrheit  willen  gewaltsamen  Tod  leiden;  Bekennet  (Confessores, 
im  mittelalterlichen  Deutsch  Beichtiger)  die,  welche  ein  Bekenntnis  der 
Wahrheit  ablegen,  ohne  deshalb  den  Tod  zu  leiden.  Nicht  der  gewaltsame 
Tod  eines  Heiligen  macht  ihn  zum  Märtyrer ,  sondern  die  Ursache  des  Todes. 
(»Märtyrern  non  facit  poena,  sed  causa.<0  So  ist  z.  B.  der  gute  Schacher  Dis- 
mas,  der  zur  Rechten  Jesu  am  Kreuze  starb,  zwar  ein  heiliger  Bekenuer,  aber 
kein  Märtyrer.  —  Der  weitläufige  Kanonisationsprozefs  der  jetzigen  Kirche  hat 
sich  erst  seit  dem  XVI.  Jahrh.  ausgebildet. 


Alphabetisches  Yerzeichnis 

der  auf  dem  deutschen  Denknilergebiete  haupteichlloh  vorkommenden  Heiligen 
nebst  Angabe  Ihrer  Attribute,  Festtage,  Patronate  und  wichtiger  auf  sie  bezüglichen 

Denkmäler. 

Litteratnr.  Der  Heiligen  Leben.  Augsburg  1513;  mit  130  flolzschnitten  von 
Hans  Schau f feiein.  —  Hoi-tulus  animae.  Nürnberg  1516;  m.  Holzschn.  von 
Hans  Springinklee.  —  Die  österreichischen  Heiligen;  119  Holzschnitte  von 
Hans  Burgkmair  1515  —  1518.  —  Hortulus  animae  1518;  m.  Holzschn.  v. 
L.  Kran  ach.  —  Sanctorum  et  martyiiim  Icones  quaedam  artiüciosissimae. 
Francof.  apud  Chr.  Egenolphium;  m.  Holzschn.  von  H.  S.  Beham  (?).  — 
Ludw.  Raous  von  Memmingen,  Der  Heiligen  auserwählten  Gottoszeugen  etc. 
Straüjburg  1552;  m.  Holzschnitten.  —  Ausführliches  Heiligen -Lexikon.  Köln 
und  Frankfurt  1719.  —  Radowitz,  J.  v.,  Ikonographie  der  Heiligen  (1834); 
in  vermehrter  Auflage  in  des  Verf.  Gesammelten  Schriften,  I,  1—281.  1852. 
—  (Helmsdörfer,)  Christi.  Kunstsymbolik  u.  Dfonographie.  Frankfurt  a.  M. 
1839. —  (vonMünchhauson,  A.)  Die  Attribute  der  Ileüigen  alphabetisch  ge- 
ordnet. Nebst  einem  Anhango  über  die  Kleidung  der  kathoL  Welt-  und  Ordens- 
£Distlichen  etc.  Hannover  1843.  —  Husonbeth,  F.  C,  Emblems  of  saints. 
ondon  1850.  —  Beiträge  zur  Ikonologie.  Innsbruck  1855.  —  Vergl.  auch: 
Alt,  die  Heiligenbilder;  Kreuser,  Bildnerbuch;  und  über  die  Darstellung  der 
Körperbildung  der  Heiligen,  besonders  über  ihre  Gesichtszüge:  Zappert,  Vita 
b.  retri  Acotanti ,  42  —  66.  —  Eckl,  B.,  die  berühmtesten  Heiligen  aer  bilden- 
den Kunst,  im  Org.  f.  ehr.  K.  1868,  No.  22  —  24.  1869,  No.  1.  2.  4  —  11.  24. 
1870,  No.  19—24.  1872,  No.  10—12,  17—19.  —  Wessely,  J.  E,  Ikono- 
graphie Gottes  und  der  Heiligen  1874.  ^-  Fahr i eins,  Bibliomeca  antiquaria, 
giebt  ein  Verzeichnis  von  Schutzheiligen  (Opitulares)  der  Städte;  eine  Über- 
sicht der  Titularheiligen  der  Kirchen  in  der  Altmark  Brandenburg  G.  A.  v. 
Mülverstedt  im  XI V.  Jahresbericht  des  Altmärk.  Vereins  für  vaterländ.  Gesch. 
1864;  dereelbe  für  das  ehemalige  Herzogtum  Magdeburg  in  den  Magdeburger  Ge- 
schichtsblättern, I  —  Vn.  1866  —  72,  ferner  in  der  Zeitschrift  des  Harzvereins, 
Jahrgang  I  die  Hierograpnia  Mansfeldica,  n  Hier,  (^uedlinburgensis,  H — V  und 
XII  Hier.  Halberstadensis ;  ebendaselbst  Jahrg.  XII  E.  Jacobs  eine  Hierogr. 
Wemigerodensis;  und  von  Mülverstedt  in  den  Mitt.  d.  Ver.  f.  Gesch.  u.  Altert, 
von  Eniu-t,  Heft  HI,  1867  eine  Hier.  Erfordensis.  —  Die  Feste  sind  dem  römi- 
schen Kalender  entsprechend  hauptsächlich  nach  A.  Pilgram,  Calendarium 
chronologicum ,  199  sqq.  angegeben,  und  nach  den  Registern  in  Pott  hast, 
Supplement,  187  —  258  und  Grotefend,  Chronologie,  103  ff.  vervollständigt  und 
berichtigt.  Vergl.  auch  Neues.  Nie,  Calendarium  manuale  utriusque  ecclesiae 
Orient,  et  occid.  Innsbr.  1880  f.  U  Tle.  —  Als  Legendensammlung:  Surius,  L., 
Vitae  Sanctorum.  Col.  1570.  6  Bde.;  die  umfassendste  kirchl.  Legendensamm- 
lung aber  lieferten  die  sogen.  Bollandisten  in  ihren  unter  dem  Titel  »Acta 
Sanctorum«  zu  Venedig  1643  — 1794  (besser  Antweri)en  1680  bis  1701)  erechie- 
neuen  53  Folianten.  Dieselben  sind  neuerdings  fortgesetzt  und  bis  Bd.  60  (Ok- 
tober XH)   1867  ei-schienen;    Bd.  61  (Oktober  XHI,  Schluls)  sollte  noch  1882 


554  Verzeichnis 

erscheinen  und  November  I  ist  in  Arbeit.  Ein  vollständiges  Inhaltsverzeichnis 
dazu  ist  Potthast,  Aug.,  Bibliotheca  historia  medii  aevi.  Berlin  1862,  mit 
Supplement  1868.  Vergl.  die  Artikel  »Acta  martyrum«  in  Herzog-Plitt, 
Real  - Encyklopädie.   I,  121  ff.  und  «Legendec  daselbst,  VIII,  527. 

Aohatins  (Acacius)y  Feldherr,  der  mit  10000  christlichen  Kriegern  unter 
Hadrian  beim  Berge  Ararat  den  Märtyrertod  erlitt  22.  Juni.  Liegt  mit  seiner 
Schar  tot  auf  dem  Felde;  auch  mit  einem  Dornenast  in  der  Hand;  einer  der 
14  Nothelfer. 

Adalbert,  Bischof  von  Prag,  Apostel  der  Ungarn,  Polen  und  Preufsen, 
wurde  bei  Fischhansen  von  einem  heidnischen  Priester  mit  einer  Lanze  durch- 
bohrt und  von  dem  Volke  mit  Keulen  getötet;  er  wird  deshalb  mit  Lanze  und 
Keule  dargestellt.  Patron  der  Bistümer  Lebus,  Erm-  und  Samland  und  von 
Lambach  in  O.-Östr.  t  997.  23.  April.  Translatio«  25.  Aug.;  26.  Aug.  in 
Breslau ;  20.  Okt.  in  Gnesen  und  Krakau ;  in  Ungarn  fällt  das  Fest  auf  den 
6.  Nov. 

Adelheid,  zweite  Gemahlin  Ottos  I.,  als  Kaiserin,  t  999.  16.  (17.) 
December. 

Adelindis,  Äbtissin  in  Buchau  ca.  900.  —  28.  August. 

Adeloch,  Bischof  von  Strafsburg  t  822.  Sein  Sarkophag  in  St.  Thomas 
daselbst. 

Adelphos,  angeblich  Bischof  von  Metz  im  III.  Jahrh.  Patron  in  Neuwei- 
ler im  Elsafs.  Daselbst  in  St.  Petri  und  Pauli  sein  Grabdenkmal  aus  dem  XIV. 
Jahrh.  und  seine  Legende  auf  Teppichen.  Seine  vita  (von  Wimpheling)  ge- 
druckt mit  Holzschnitten  zu  Strafsburg  1506.  —  29.  August. 

Acyntor,  einer  von  den  14  Nothelfern;  Mönch  mit  Kette,  t  um  1130. 
—  30.  April. 

Adolar  mit  einem  Hunde,  743 — 755  erster  und  einziger  Bischof  von 
Erfurt,  Gefährte  des  Bonifatius,  mit  ihm  zusammen  Märtyrer.  Hat  mit  Eoban 
zusammen  eine  Kapelle  im  Dome  zu  Erfurt,  sein  prachtvoller  Schrein  von 
1477  daselbst  ist  bereits  1521  eingeschmolzen.  —  21.  April. 

Adrian,  als  Ritter  und  Märtyrer  mit  Palme  und  Schwert,  auch  mit  einem 
Ambofs  und  Hammer  ohne  Hände  und  Fttfse.  Patron  von  Lammesspring. 
t  290.    8.  Sept.  (in  Brandenburg  18.  Sept.). 

Aegidia8(5^.  Gilles,  St.  Gilgen)^  einer  der  14  Nothelfer,  als  Einsiedler  oder 
Abt.  Jäger,  die  eine  angeschossene  Hirschkuh  (Attribut  des  Heiligen)  ver- 


'  Da.s  Fest  eines  Heiligen  fällt  in  der  Regel  auf  den  Todestag  (dies  natalis; 
Geburtstag  in  der  besseren  Welt)  desselben;  oft  ist  jedoch  auch  die  Erhebung  (ele- 
ratio)  der  Gebeine  von  dem  Orte  des  ursprünglichen  Begräbnisses  {depositio)^  oder 
die  Versetzung  (translatio)  derselben  von  dem  Orte  der  elevcUio  an  einen  andern, 
Gegenstand  einer  besonderen  kirchlichen  Jahi*esfeier.  Die  elevatio  in  dem  angegebenen 
Sinne  kann  nur  einmal  stattfinden,  Translationen  eines  und  desselben  Heiligen  an  ver- 
schiedene Orte  kommen  öfter  vor;  es  wird  jedoch  unter  elevatio  auch  die  bei  beson- 
deren Gelegenheiten  wiederholentlich  stattfindende  Herausnahme  der  Reliquien  behufs 
ihrer  Recognition  oder  Vorzeigung  und  Verehrung  verstanden.  Auch  der  adventus 
reliquiarutn  wurde  gefeiert.    In  den  verschiedenen  Gegenden  und  Orten  Deutschlands 


welches  Grotefend,  a.  a.  0.  gegeben  hat,  ist  bei  weitem  nicht  vollständig. 


der  Heiligen.  555 

folgten,  entdeckten  ihn  in  einer  Einöde  an  der  Rhone.  Patron  von  Jülich  und 
Osnabrück  —  gegen  weibliche  Unfruchtbarkeit,  t  1.  Sept.  (Gilgentag)  722 
oder  725  als  Abt  des  von  ihm  gegründeten  Klosters  St.  Gilles  bei  Arles.  Die 
älteste  Aegidienkirche  in  Deutschland  ist  die  Klosterkirche  dieses  Namens  in 
Braunschweig,  gegr.  1112  von  Gertrud,  Schwiegermutter  des  Kaisers  Lothar, 
welche  nach  1115  die  Gebeine  des  Heiligen  aus  Frankreich  holte.  Dadurch, 
dafs  Heinrich  Woltorp,  Abt  dieses  Klosters,  1172  Bischof  von  Lübeck  wurde, 
erhielt  auch  letzteres  eine  Aegidienkirche. 

AemilianoB,  8,  Febr.  Sein  Martyrium  (sollte  an  einen  Ölbaum  gebunden 
enthauptet  werden,  das  Schwert  des  Henkers  bog  sich  aber  um,  als  wäre  es 
von  Wachs)  unter  den  Deckengemälden  zu  Brauweiler. 

Afra,  leidet,  an  einen  Baum  gebunden,  den  Feuertod.  Patronin  von  Augs- 
burg und  eines  Klosters  in  Meifsen,  Fürsprecherin  reuiger  Dirnen  (weil  sie 
früher  von  ihrer  Mutter  zu  unzüchtigem  Wandel  war  angehalten  worden).  1 304. 
5.  (7.)  Aug.;  kanonisiert  1064;  ihre  conversio  26.  Oktob.  (Augsburg).  — 
(Vergl.  F.  W.  Rettberg,  Kirchengesch.  Deutschlands,  I,  144—149;  flerzog-Plitt, 
Real-Enc,  I,  206). 

Agapitoa,  Diakon  mit  dem  Manipel,  Löwe  zu  seinen  Füfsen  (M)*  Patron 
von  Kremsmünster.    18.  August. 

Agatha,  mit  der  Zange  (Schere),  womit  ihr  die  Brüste  abgerissen  wur- 
den, und  dem  Kohlenbecken  (M);  Patronin  der  Mal  theser,  der  Brüste  und 
gegen  Feuersbrünste.   5.  Febr.   (Actentag,  Aitentag.) 

Agilolf,  Erzbischof  von  Köln,  mit  einem  Falken  (der  zum  Zeugnis  seiner 
Heiligkeit  zu  singen  anhub).   t  717.   9.  Juli. 

Agnes,  Jungfrau  mit  dem  Lamme,  als  dessen  Braut  sie  sich  betrachtete 
(ursprünglich  vielleicht  auch  wegen  der  Ähnlichkeit  von  Agnes  und  agnus). 
t  zu  Rom  304.  21.  Januar  (nach  der  Gelasianischen)  oder  28.  Januar  (nach 
der  Gregorianischen  Liturgie). 

Agnes  von  Böhmen,  Tochter  des  Königs  Przemysl  Ottokar,  Äbtissin  des 
Agnesklosters  zu  Prag,   t  1282.    6.  März. 

Agnes  von  Baiern,  Tochter  Kaiser  Ludwigs  des  Baiern,  umarmt  am  Altare 
eine  Monstranz,  t  1352.    11.  November. 

AlbanoB,  als  Bischof  mit  einem  Seh  w  ert  (M),  trägt  seinen  Kopf,  den  ihm 
die  Hunnen  zu  Mainz  abgeschlagen,  in  der  Hand.  Patron  von  Mainz  und  Win- 
terthur,  auch  in  Köln,   f  301,  nach  anderen  406.  —  21.  Juni. 

Albertus  Magnus,  Bischof  von  Regensburg,  Dominikanermönch,  mit  einem 
Buche,  t  1280.  16.  Okt.;  bei  seiner  Beatifikation  im  J.  1622  wurde  das 
Fest  auf  15.  Nov.  angesetzt.  Sein  Schrein  und  seine  angebliche  Kasel  in  St. 
Andreas  zu  Köln. 

Albinas  {Albumus)^  Bischof  von  Brixen.  t  1006.  5.  Februar.  —  Ein 
anderer  Albinus,  Bischof  von  Angers,  t  549.  1.  März;  ist  Patron  der  Ge- 
fangenen, auch  der  Landlente  in  Viehangelegenheiten  wie  St.  Leonhard. 

Alezander,  Märtyrer,  römischer  Krieger  mit  Opferaltar  zur  Seite  (den 
er  in  Gegenwart  des  Kaisers  umgestofsen).  Patron  von  Freiburg  i.  B.  26.  Au- 
gust. —  AI.  I.  Papst,  mit  Schwert  (M)  t  117  (?).   3.  Mai.   Patron  von  Mar- 


'  Der  Buchstabe  (M)  bedeutet,  dafs  sich  das  Attribut  auf  die  Marter  des  Heiliger 
bezieht. 


556  Verzeichnis 

bach  in  Württemberg.  —  AI.,  einer  der  sieben  Brüder  (s.  das.),  ist  Patron  zu 
Eimbeck  und  Wildeshausen.  —  Heilige  dieses  Namens  kommen  33  vor. 

Alezius,  mit  dem  Pilgerstabe ;  als  Einsiedler  neben  einer  Kirche,  t  ca. 
400.  17.  Februar.  Elevatio  zu  Rom  1216.  Nach  der  Legende  lebte  er  jahre- 
lang unter  der  Stiege  seines  Vaterhauses ;  so  ist  er  dargestellt  unter  der  Stein- 
treppe des  Sakramenthauses  zu  Donauwörth.  Seine  Legende  ausführlich  in 
der  Karmeliterkirche  zu  Boppard. 

Aller  Heiligen,  l.Nov.  Auf  den  allen  Heiligen  gewidmeten  Altartafeln 
pflegt  die  Dreifaltigkeit  dargestellt  zu  sein,  umgeben  von  Engeln  und  einer 
grofsen  Schar  von  Heiligen  aller  Art,  und  zwar  gewöhnlich  nach  folgender 
Rangordnung:  zuerst  Maria  als  die  Königin  der  Heiligen  und  Johannes  der 
Täufer  als  der  Vorläufer  Christi,  dann  Patriarchen,  Propheten,  Apostel,  Mär- 
tyrer, Bekenner,  Mönche,  Einsiedler,  Jungfrauen,  Witwen,  Büfser,  endlich 
allerhand  Conjugati,  unter  denen  Könige,  gerechte  Richter  undMilites,  welche 
für  die  Kirche  gekämpft  haben,  besonders  hervorgehoben  werden. 

Aller  Seelen,  2.  November. 

Altho,  schottischer  Prinz,  Gründer  von  Althomünster  in  Oberbayern,  fällt 
die  Bäume  dazu  mit  einer  Holzsäge  und  Vögel  tragen  sie  fort  (Holzschn.  von 
ca.  1500  in  der  CoUectio  Weigeliana  No.  66).    t  770.    9.  Februar. 

Amalberga  {Amalia)^  fränkische  Prinzessin,  Gründerin  des  Klosters  Ta- 
misia  in  Flandern,  trägt  ein  Kirchenmodell  im  Arme  oder  hält  einen  Fisch. 
Kompatronin  der  St.  Katharinenkirche  in  Brandenburg  a.  H.,  wo  ihre  Le- 
gende ausführlich  am  Hochaltare.  10.  Juli,  in  Brandenburg  26.  September.  — 
Eine  andere  Amalberga,  \Vitwe,  Mutter  der  h.  Gudula,  hat  ebenfalls  den  10.  Juli. 

Amandas,  Bischof  von  Maestricht,  predigte  in  der  Gascogne.  Patron  in 
Urach,  t  25.  Januar  675  (die  Angaben  schwanken  zwischen  661  —  684). 
6.  Februar.  —  Aufserdem  giebt  es  einen  h.  Bischof  von  Strafsburg  und  einen 
von  Worms  dieses  Namens,  die  beide  am  26.  Oktober  gefeiert  werden,  aber 
historisch  nicht  nachweisbar  sind. 

Amarin  {Marinus)^  Abt  aus  der  Auvergne,  der  im  VII.  Jahrh.  im  Elsafs 
predigte  und  als  Einsiedler  lebte  und  von  dem  Bischof  Praejeetos  {St  Pnx) 
von  Clermont  krank  angetroffen  und  geheilt  wurde.  Beide  sind  Patrone  von 
St.  Amarin  im  Kreise  Thann ;  der  letztere  hat  auch  eine  Kapelle  auf  dem 
Britzgyberge  bei  lUfurt  im  Kreise  Altkirch.    25.  Januar. 

Ambrosins,  Erzbischof  von  Mailand,  Kirchenlehrer;  mit  einem  Bienen- 
korb zur  Seite  und  einer  Geifsel  in  der  Hand  (weil  er  dem  Kaiser  Theodosius 
den  Eintritt  in  die  Kirche  verwehrte).  Patron  der  Gänse,  t  397.  4.  April. 
Ordinatio  7.  December. 

Amor,  erster  Abt  des  nach  ihm  genannten  Amorbach,  t  um  767.  17.  Au- 
gust. In  der  Nähe  von  Amorbach  der  Amorsbrunn,  Kapelle  über  einer  einst 
dem  Thor  geweihten  Quelle. 

Anastasia,  Jungfrau ;  Brüste  ihr  mit  der  Zange  ausgerissen  wie  Agatha, 
Scheiterhaufen,  f  304.  25.  December  (in  Brandenburg  15.  Januar,  Pader- 
born 22.  Januar). 

Anastasinsl.,  Papst  398  —  403.  Kompatron  von  Gandersheim.  27.  April. 

Andreas.   S.  Apostel. 

Anna,  die  Mutter  der  heil.  Jungfrau,  matronenhaft,  die  Maria  auf  dem 
Arme  tragend  oder  lehrt  das  Mägdlein  lesen  oder  beten;  sie  wird  häufig  selb 


der  Heiligen. 


557 


dritt  (mefterciä)  dargestellt,  d.  h.  mit  Maria  und  Jesus  auf  den  Armen  und 
zwar  entweder  mit  Maria  auf  dem  einen  und  Jesus  auf  dem  anderen  Arm,  oder 
die  trägt  Maria,  welche  wiederum  Jesus  auf  dem  Arme  trägt,  oder  sonst  mit 
beiden  zu  einer  Gruppe  vereinigt.  Patronin  von  Braunschweig  —  der  Stall- 
knechte, gegen  Armut,  zum  Wiederfinden  verlorener  Sachen.  26.  Juli.  —  Der 
Kultus  der  h.  Anna,  der  in  England  1378,  in  Dänemark  1425  eingeführt  wurde, 
kam  in  Deutschland  erst  gegen  P^nde  des  XV.  Jahrb.  in  Mode.  Nach  seiner 
Rückkehr  von  der  Pilgerfahrt  nach  dem  li.  Lande  liefs  Kurfürst  Friedrich  der 
Weise  Münzen  prägen  mit  der  Legende:  Hilf  Sancta  Anna,  und  erwirkte  von 
P.  Alexander  II.  1494  ein  Breve,  um  in  seinem  Lande  dieser  Heiligen  einen 
Festtag  zu  feiern,  den  höchsten  Kirchenfesten  gleich,  wodurch  dieselbe  sehr 
an  Beliebtheit  zunahm.  Ein  dem  entsprechendes  Ablafsbild  mit  Gebet  gegen 
die  Pest  von  1494  findet  sich  in  den  Holzschn.  des  Germ.  Mus.  Taf.  14G.  Ihre 
Legende  mit  Holzschnitten  wurde  gedruckt  1500  und  1509  zu  Strafsburg, 
1507  zu  Braunschweig,  1510  zu  Augsburg,  1519  zu  Köln.  —  Nach  der  ge- 
wöhnlichen Legende  heiratete  sie  nach  einander  drei  Männer,  von  denen  sie 
drei  Töchter  mit  Namen  Maria  hatte,  wie  dies  in  der  Inschrift  des  Wohlgemuth- 
schen  Altars  in  der  Marienkirche  zu  Zwickau  (vergl.  Job.  Gerson  opp.III,  59) 
ausgedrückt  ist : 

Anna  solet  dici  tres  concepisse  Marias  ^ 
[Juas  genuere  viri  Joachim  j  Cleophas,  Salomoque,  • 
Has  duxere  viri  Joseph y  Alpheus,  Zebedaeus. 
Prima  parit  Christum  y  Jacohvm  secunda  minorem. 
Et  Joseph  justum  peperit  cum  Symone  Judam, 
Tertia  majorem  Jacohum  fratremque  Johannem. 

Dies  gab  Veranlassung  zu  den  im  letzten  Viertel  des  XV.  und  Anfang  des  XVI. 
Jahrb.  (namentlich  auch  als  Gelegenheit  zur  Porträtierung  der  ganzen  Familien 
der  Stifter  unter  dem  Vorwande  der  Heiligen)  aufserordeutlich  beliebten  Dar- 
stellungen der  heiligen  Sippe,  die  in  mehr  oder  minderer  Vollständigkeit  die 
gesamte  Verwandtschaft  der  Maria  zur  Anschauung  bringen ,  in  der  Regel  die 
übrigen  Mütter  um  Maria  und  Anna,  die  mit  dem  Jesuskinde  zu  thun  haben, 
in  irgend  einer  Unterhaltung  geschart,  die  Männer  hinter  ihnen  stehend  und 
zusehend,  die  Kinder  meist  schon  mit  ihren  späteren  Heiligenattributen  im 
Vordergrunde  spielend.  Die  Genealogie  ist  in  den  Namen  nicht  überall  völlig 
übereinstimmend ,  gestaltet  sich  aber  nach  der  Legenda  aurea  im  wesentlichen 

folgendermafsen : 

Ysaschar 

Term.  m.  Saiuina 


Anna 

venn&hlt  mit 


Esmeria  (Hismena) 

renn.  m.  Ephraim 


Joachim 
Maria 


Jeiu 


Kleophas 


Salome 


^( 


Maria  Kleophas  Maria  Salome  Elisabeth  Eliud 

▼erm.  m.  Alptaaeas  renn.  m.  Zebedaeus  rerm.  mit  venn.  mit 

Zacharlaa  Emerencia 

JM«bifiii«r.  Bintkii.  SiiH.  Jid«.  JokiuMlr.  Jic«buiaj«r.  J«kuiM£apt.        uii 

(oder  Joieph.  verm.  mit 

Jostns)  Memelia 


558  Verzeichnis 

Statt  Isaschar  und  Susanna  werden  auch  Stallanus  und  Emerencia  genannt. 
(Vergl.  Schultz,  Alw.,  Ikonogr.  Studien  über  die  Sippe  der  h.  Jungfrau  im  Anz. 
G.  M.  1870,  Sp.  813  ff.  und  Desselb.  Legende  vom  Leben  der  Jgfr.  M.  etc.  1878.) 

Anno  {Hanno)  y  Erzbischof  von  Köln,  t  1075.  4.  December.  Translatio 
in  Köln  29.  ApriL   Schrein  in  Siegburg. 

Anselm  von  Canterbnry,  Erzbischof.  Maria  mit  Christus  erscheint  ihm. 
Schiffsmoden,   t  1109.    21.  April. 

Ansgarias,  Erzbischof  von  Hamburg,  Apostel  der  Dänen,  sein  Kleid  Ist 
mit  Pelz  verbrämt ;  Patron  von  Hamburg  und  Bremen,  t  S65.  3.  Febr. ,  ele- 
vatio  9.  Septbr.  in  Bremen. 

Antonius  der  Einsiedler  (auch  der  Aht  oder  Ant.  Magnus  genannt,  po- 
pulär Tones,  St  Thengen)^  mit  dem  ägyptischen  Kreuz  (T)  und  der  Bett- 
lerglocke oder  Weihwedel,  von  Teufeln  versucht,  ein  Schwein  neben  sicli, 
häufig  in  einer  Zelle  lesend ,  Totenschädel  neben  sich  auf  dem  Tische.  Patron 
der  Schweine,  gegen  Pest,  Rose  etc.  t  361.  17.  Jan.  (Yergl.  Evelt,  Julius, 
die  Verehrung  des  h.  Anton  Abbas  im  Mittelalter,  in  der  Zeitschr.  für  vaterl.  Gesch. 
u.  Altert.  Westfalens,  IV,  3.   1875.) 

Antonius  von  Padua,  Franziskaner,  mit  dem  Lilienstengel,  trägt  das 
Christuskind ,  oder  dasselbe  steht  auf  seinem  Buche ;  vor  einer  von  ihm  gehal- 
tenen Hostie  kniet  das  Maultier  eines  an  das  Altarsakrament  nicht  glaubenden 
Häretikers  nieder.  Patron  von  Hildesheim,  t  1231.  13.  Juni.  Translatio 
(1340)  15.  Februar. 

Apollinaris,  Bischof  von  Ravenna  im  I.  Jahrb.,  mit  der  Keule.  Patron  zu 
Burtscheid,  Prag,  Remagen  und  Sadzka,  der  Genitalien,  gegen  den  Stein. 
23.  Juli. 

Apollonia  hält  in  einer  glühenden  Zange  einen  Zahn  (M),  an  einem  Al- 
tare im  Dome  zu  Brandenburg  mit  Handorgel.  Patronin  gegen  Zahnweh, 
t  250,  9.  Febr.  Sie  ist  wohl  identisch  mit  der  St. Polona,  die  bei  Bollenberg 
im  Kr.  Gebweiler  eine  Kirche  hatte. 

Die  Apostel,  wenn  sie  z.  B.  als  Umgebung  desSalvators  oder  anderweitig 
nach  dem  Tode  Jesu  zusammen  dargestellt  werden,  erscheinen  stets  zu  zwölf 
an  der  Zahl,  wobei  für  den  fehlenden  Ischarioth  regelmäfsig  Paulus  (oder  auch 
an  Stelle  des  Judas  Thaddaeus,  wenn  der  seltene  Matthias  die  Stelle  des 
Ischarioth  einnimmt)  substituiert  ist.  (Vergl.  Eckl,  B.,  die  Apostel  in  der  bild. 
Kunst,  im  Org.  f.  ehr.  K.  1871,  No.  5  —  1872,  No.  2;  Lipsius,  R.  A.,  die  apokr. 
Ap.-Geschichten  und  Ap.-Legenden ,  I.  1883.)  Seit  dem  Anfange  des  XIH.  Jahrh. 
etwa  erhalten  alle  einzelnen  Apostel  ihre  bestimmten  Attribute.  ^ 
Petrus,  bejahrt  mit  kurzem,  dickem,  krausem,  weifsem  Barte  und  starker 
Tonsur,  die  manchmal  eine  dreifache  Reihe  von  Locken  bildet,  oder  ganz 
kahlem  Scheitel,  gewöhnlich  mit  blauer  Tunika  und  gelbem  Mantel,  in  späterer 
Zeit  vielfach  mit  der  dreifachen  Papstkrone,  hält  seit  altchristlicher  Zeit,  wäh- 
rend alle  übrigen  Apostel  noch  keine  Attribute  haben,  einen  Schlüssel  in  der 

*  Während  noch  auf  dem  roman.  Taufsteine  im  Dome  zu  Merseburg  und  auf 
dem  aus  dem  Xm.  Jahrh.  stammenden  Antependium  zu  Kombur^  die  Apostel,  mit 
alleiniger  Ausnahme  des  auf  dem  letztem  Denkmale  durch  den  Schlüssel  ausgezeich- 
neten retrus,  nur  mit  Buch  oder  Schriftrolle  dargestellt  sind,  erscheinen  dieselben  auf 
den  Bildern  zu  St.  Ursula  in  Köln  vom  Jahre  1224  bereits  mit  einzelnen,  jedoch  nicht 
überall  dem  späteren  Typus  entsprechenden  Attributen. 


der  Heiligen.  559 

Hand  (zuweilen  zwei  nach  Matt.  16 ,  19,  auch  drei  —  weshalb?^  —  in  der 
ältesten  Zeit  sind  die  Schlüssel  sehr  lang  mit  kleinem  Bart ;  vielfach  —  s.  z.  B. 
den  Stahlstich  zu  S.  175  —  sind  die  Härte  aus  den  lateinischen  Buchstaben 
seines  Namens  gebildet),  zuweilen  auch  einen  Fisch  —  im  Wappen  des  Dom- 
kapitels zu  Regensburg  z.  B.  steht  er  in  einem  Kahne,  rechts  den  Schlüssel,  links 
den  Fisch  haltend.  Er  ist  der  Princeps  Apostolorum  und  nach  Walafried 
Strabo  (de  S.  Peti-o,  apud  Canis.  Ant.  lect.  ü.  2,  256):  Cloviger  aeiherius,  qui 
portam  pandit  in  aethra.  Die  ihm  geweihten  Kirchen  sind  gewöhnlich  die  älte- 
sten des  betr.  Ortes.  Patron  von  Bayern,  Brabant,  Bremen,  Baden,  Köln, 
Hamburg,  Osnabrück,  Regensburg,  Worms  etc.  Petri  Kettenfeier  (ad  vincula) 
1.  Aug.;  Stuhlfeier,  ad  cathedram  Romae  18.  Jan.,  Antiochiae  (St.  Peterstag 
im  Lentzen)  22.  Febr.  Seine  Legende  z.  B.  in  den  Glasgemälden  aus  der  Burg- 
kirche in  St.  Marien  zu  Lübeck. 

Paulus,  mit  langem  Gesicht,  hoher  Stirn,  dunklem  Haar  und  langem  Bart, 
blauer  Tunika  und  weifsem  Mantel,  hält  ein  Schwert  (M),  zuweilen  auch 
zwei  (als  Parallele  zu  den  zwei  Schlüsseln  Petri,  oder  das  zweite  als  Schwert 
des  Geistes  nach  Eph.  6 ,  1 7  zu  deuten ;  bei  Herradis  mit  einem  Wolfe  (vor) 
und  einem  Lamme  (nach  der  Bekehrung) ,  an  den  ehernen  Thüren  von  St.  Peter 
in  Rom  mit  dem  vas  electionis  nach  Actor.  9,  15  (Abb.  Ciampini,  vet.  mon., 
Taf.  19).  Patron  von  Münster  etc.,  der  Theologen,  gegen  Hagel.  Die  Darstel- 
lung des  Paulus  mit  Schwert  und  Buch  erklärt  Durandus,  1.  1  c.  3  n.  16  durch 
den  Vers:  Mucro  furor  Pauli y  Über  est  conversio  SauH.  Pauli  Bekehrung 
(conversio)  25.  Jan.;  Gedächtnis  (commemoratio)  30.  Juni.  —  Die  beiden 
grofsen  Apostel  Petrus  und  Paulus,  schon  in  den  Katakomben  zu  beiden 
Seiten  Christi  dargestellt,  haben  den  29.  Juni  als  gemeinsames  Fest  und  er- 
scheinen oft  zusammen  als  Patrone  einer  Diöcese,  Kirche  etc.,  z.B.  von  Naum- 
burg und  Osnabrück  etc.  —  Der  Paulinische  Trank ,  auch  Trank  des  h.  Paulus 
genannt,  ein  im  Mittelalter  allgemein  bekanntes  narkotisches  Heilmittel,  wird 
auf  I  Timoth.  5,  23  bezogen. 

Andreas  in  älterer  Zeit  mit  dem  gewöhnlichen,  später  mit  dem  Y förmigen, 
zuletzt  allgemein  mit  dem  schrägen  Balkenkreuze  x  (M).  Von  diesem 
Apostel  giebt  Durandus  l.  7  c.  38  n.  1  folgende  Personbeschreibung :  S.  An* 
dreas  niger  fuit  colore,  barba  prolixa,  statura  mediocris;  mit  dem  zu  beach- 
tenden Bemerken:  Hoc  ideo  dicitur^  ut  sciatur,  qualiter  in  ecclesia  debet 
depingi:  quod  de  unoquoque  apostolorum  etaliorum  multorum  sanctorum  seien- 
dum  esset.  Er  wird  auch  als  Sanctorum  mitissimus  bezeichnet.  Patron  von 
Rufsland,  Schottland,  Burgund,  Minden,  Holstein,  gegen  alte  Weiber  etc. 
30.  November.  Ti'anslatio  9.  Mai  in  Mainz,  11.  Mai  in  Magdeburg  u.  Halber- 
stadt.   (Vergl.  die  Acta  Andreae  bei  Lipsius,  a.  a.  0.,  I,  543 — 622.) 

Simon  mit  der  Säge  (M)  19.  April  und  Judas  Thaddaeus  mit  der  Keule 
(aber  auch  mit  Säge  oder  Hellebarde)  19.  Juni,  nach  der  einen  Tradition  die 
(von  Matthaeus  als  Brüder  des  Herrn  genannten)  Söhne  des  Alphaeus  (s.  S.  557), 
nach  anderer  zu  den  Hirten  von  Bethlehem  gehörig,  daher  als  Greise  darge- 


^  Ciampini  (Yet.  monim.  I,  274)  bezieht  den  dritten  Schlüssel  auf  die  zum 
geistlichen  Amte  erforderliche  weltliche  Autorität  oder  auf  die  Macht  Dispensationen 
zu  erteilen;  Eckl,  die  drei  auf  die  Schlüsselgewalt  im  Himmel,  auf  Erden  und  in 
der  Hölle. 


560  Verzeichnis 

stellt,  haben  am  28.  Oktober  gemeinschaftliches  Fest ,  kommen  auch  zusammen 
als  Patrone  vor,  z.  B.  in  Goslar. 

Jacobus  der  Altere  im  Pilgerkleide  der  Wallfahrer  nach  Santjago  de 
Oompostella,  d.  h.  Rock  mit  langem  Kragen,  Stab  mit  Reisetasche  und  Was- 
serflasche und  Pilgermuschel  auf  der  Brust  oder  am  Hut,  oder  mit  Schwert 
(M).  2«5.  Juli.  In  Spanien  heifst  er  Matamoros^  der  Mohrentöter,  weil  er  in 
der  Schlacht  bei  Clarijo  845  auf  weifsem  Pferd  mit  weifser  Fahne  erscheinend 
den  Sieg  verlieh ;  so  wird  er  auch  auf  spanischen  Gemälden  und  auf  den  Pil- 
germedaillen von  Compostella,  dem  Hauptziele  der  mittelalterlichen  Wallfahr- 
ten, dargestellt. 

Johannes,  nach  der  Legende  der  Bräutigam  von  der  Hochzeit  zu  Kana,  der, 
als  er  das  Wunder  gesehen,  sein  junges  Weib  verliefs  und  dem  Herrn  nach- 
folgte, jung,  bartlos  mit  langem,  lichtem,  krausem  Haar  in  rotem  Mantel  mit 
blauer  oder  grüner  Tunika,  als  Evangelist  mit  dem  Adler,  sonst  mit  einem 
Kelche  in  der  Hand,  aus  dem  sich  oft  eine  Schlange  windet,  angeblich  weil 
er  Gift  ohne  Schaden  getrunken,  vielleicht  aber  eher  mit  Beziehung  auf  den 
Johannissegen  oder  die  Johannisminne,  welche  am  Feste  dieses  Apostels 
27.  December  getrunken  wird  (s.  oben  S.  217;  vergl.  auch  Alt,  d.  ehr.  Kultus,  EI, 
313  und  Stellen  mittelalterlicher  Dichter  in  der  Europa  ISSl,  No.  38,  Sp.  129,  3  f.). 
Nach  der  Legende  bekehrte  er  den  heidnischen  Philosophen  Kraton  von  Ephe- 
suB  und  zum  Andenken  daran,  dafs  er  in  Rom  ante  portam  latinam  in  Öl  ge- 
sotten worden,  wird  der  6.  Mai  gefeiert.  Patron  von  Mecklenburg,  Kleve,  der 
Füfse,  für  Fruchtbarkeit,  gegen  Gift.  (Vergl.  die  Acta  Johannis  bei  Lipsius,  a. 
a.  0.,  1,  34S  — 542.) 

Bartholomäus,  mit  dem  Messer  (M)  auch  mit  seiner  abgeschundenen H an t 
über  dem  Arme.  Durandus  1.  7  c.  25  n.  2  schildert  die  T>staiura  Bartholomaen 
folgendermafsen :  Capilli  ejus  nigri  et  crispi:  caro  Candida  y  octiU  grandes^ 
nares  coaequales  et  directaey  barba  prolixa,  hahens  paucos  canos,  statwra 
aequalis,  coUohio  albo  elevato  et  purpura  vestitur^  induitur  alba  palliOj  quod 
per  singulos  angulos  habet  gemmas  purpureas.  Diesem  Typus  entsprechend 
findet  sich  Bartholomäus  noch  auf  Gemälden  des  XVI.  Jahrh. ,  z.  B.  auf  dem 
Hortus  conclusus  im  Dome  zu  Merseburg,  auf  einem  Altare  in  der  Sacristei 
der  Mönchenkirche  zu  Jüterbog  etc.  Patron  von  Frankfurt  a.  M.  24.August. 
Matthäus,  Greis,  als  Evangelist  mit  dem  geflügelten  Menschen,  sonst 
auch  mit  Geldbörse,  oder  einer  Weintraube  auf  der  Brust,  meist  mit  Helle- 
barde (M),  obgleich  er  auf  allen  Darstellungen  seines  Todes  durch  das  Schwert 
hingerichtet  wird  und  nach  der  Tradition  der  griechischen  Kirche  überhaupt 
nicht  als  Märtyrer,  sondern  in  Frieden  gestorben  ist.  21.  September.  Trans- 
latio  6.  Mai. 

Philippus,  jung,  bartlos,  mit  dem  oft  Tförmigen  Kreuzstabe  oder  Kreuze 
in  der  Hand,  durch  dessen  Vorhalten  die  Götzen  umstürzten,  nach  der  Legende 
auch  gekreuzigt  u.  zw.  nach  einigen  mit  dem  Haupte  abwärts  wie  Petrus.  Pa- 
tron von  Speier,  Brabant  etc. 

Jacobus  der  Jüngere,  wie  der  Ältere  in  der  Blüte  der  Jahre  mit  kurzem 
braunem  Bart  und  Haar,  nach  der  Legende  von  grofser  Ähnlichkeit  mit  Jesu, 
mit  dem  (oft  einem  grofsen  Geigenbogen,  oft  aber  einer  blofsen  Keule  ähnlichen) 
Walkerbaum.  Philippus  und  Jacobus  minor  haben  ihr  Fest  gemeinschaftlich 
am  1.  Mai. 


der  Heiligen.  561 

Thomas,  jnng,  bartlos  mit  Lanze  (M)  oder  Stab,  meist  mit  dem  Winkel- 
mafs,  weil  er  als  Baumeister  znm  König  Gondofoms  nach  Indien  geschickt 
diesem  einen  prächtigen  Palast  bauen  sollte,  aber  die  dafOr  bestimmten  Gelder 
den  Armen  schenkte.  Patron  der  Architekten  und  Zimmerleute.  21.  December. 
Translatio  3.  Juli.  (Vergl.  die  Acta  Thomae  bei  lipsius,  a.  a.  0.,  I,  225—347.) 
Matthias  als  Greis  mit  Beil  (M);  Patron  von  Trier,  Goslar  etc.  24.  Februar 
(im  Schaltjahr  25.  Februar). 

Allen  Aposteln  zu  Ehren  wird  der  15.  Juli  gefeiert:  Divisio  apostolomm 
(vergl.  lipsius  ebd.,  11—43);  Scheidung,  Teilung;  Austeilung;  12  Botentag; 
auch  Tag  der  72  Jünger.  —  Judas  Ischarioth  kommt  bei  der Gefangenneh- 
mung  Christi  und  auf  Bildern  des  h.  Abendmahles  vor,  mit  dem  Beutel,  von 
dem  Herrn  den  Bissen  empfangend ;  auch  seine  Reue  vor  den  Hohenpriestern 
und  sein  Selbstmord  wurde  schon  im  VI.  Jahrh.  dargestellt ;  oft  flüstert  ihm 
ein  schwarzes  Teufelchen  ins  Ohr  oder  steigt  ihm  in  den  Mund ;  sein  Kleid  ist 
in  der  Regel  schmutzig  gelb ,  wie  die  Judenhüte  und  in  Spanien  und  Italien  die 
Tracht  der  Galeerensklaven. 

Arbogaat,  Bischof  von  Strafsburg,  Patron  in  Ruffach,  Muttenz  und 
Oberwinterthur,  an  beiden  letzteren  Orten  Wandmalereien  mit  seiner 
Legende,   t  630.    21.  Juli. 

Arnulf  (Arnold) y  Bischof  von  Metz,  Stammvater  des  karolingischen  Hau- 
ses, mit  Fisch,  der  einen  Ring  im  Maule  hält,  t  640.  18.  Juli.  Translatio 
16.  August. 

Arsacios,  Nachfolger  des  Ambrosius  in  Mailand,  t  399-  16.  Juli  (in 
Salzburg  12.  Novbr.).  Schrein  1495  aus  Ilmmünster  nach  der  Frauenkirche 
zu  München  übertragen.  —  Am  ersteren  Orte  in  4  vortrefflichen  Holzreliefs 
die  Legende  eines  anderen  Arsacius,  Perser,  Soldat  unter  Licinius,  nachher 
Binsiedler  bei  Nikomedien.   t  310.    16.  August. 

Attala,  erste  Äbtissin  des  Klosters  St.  Stephan  zu  Strafsburg,  angeblich 
Nichte  der  h.  Odilia,  ca.  700.  Ihre  elevatio  dargestellt  auf  einem  Teppich  von 
ca.  1400  in  der  genannten  Kirche.  —  3.  December. 

Auguttmus,  Bischof  von  Hippo,  Kirchenlehrer,  hält  ein  von  einem  oder 
zwei  Pfeilen  durchbohrtes  Herz  (Cor  charitate  divma  sagittcUum.  Confess. 
IX.  2).  Häufig  mit  dem  Engel,  der  das  Meer  ausschöpfen  will,  am  gewöhn- 
lichsten als  einer  der  4  doctores.  Patron  der  Theologen,  t  430.  28.  Aug. 
Conversio  bei  den  Augustinern  5.  Mai,  bei  den  Dominikanern  15.  Mai. 

Anrelia,  Tochter  Hugo  Capets,  entflieht  um  nicht  heiraten  zu  müssen  und 
kommt  975  nach  Regensburg,  wo  sie  bis  zu  ihrem  Tode  1027  als  reclnsa 
lebte.  Ihr  herrlicher  Grabstein  aus  dem  XIV.  Jahrh.  in  St.  Emmeram  daselbst. 
15.  Oktober.  —  Eine  andere  Aurelia  (ebenf.  15.  Oktober),  Gefährtin  der  h. 
Ursula,  in  Strafsburg  gestorben,  Patronin  einer  dortigen  Kirche. 

Aorelins,  Bischof  von  Armenien,  starb  bei  Cordova  als  Märtyrer.  Patron 
in  Hirsau.   Transl.  de  Italia  830.   27.  Aug. 

Autor  (Aucior) ,  Erzbischof  von  Trier  im  IV.  Jahrh.  t  20.  Aug.  Gertrud, 
die  Schwiegermutter  des  Kaisers  Lothar,  entführte  im  J.  1112  die  Gebeine  des 
Heiligen  aus  Trier  nach  Braunschweig. 

Barbara,  eine  der  14  Nothelfer,  mit  dem  Schwert  (M),  den  Hostien- 
kelch in  der  Hand  (weil  ihr  ein  Engel  das  Sakrament  in  den  Kerker  brachte, 
und  weil  ihre  Verehrer  nicht  ohne  Sakrament  sterben),  einen  Gefängnis -Turm 

Otte,  Kunst -Archäologie.    5.  Aufl.  36 


562  Verzeichnis 

(in  der  Regel  mit  3  Fenstern  mit  Bezug  auf  die  h.  Dreieinigkeit)  neben  sich, 
in  den  sie  von  ihrem  heidnischen  Vater  gesperrt  wurde.  Patronin  gegen  Blitz, 
weil  der  sie  verdammende  Richter  vom  Blitz  erschlagen  wurde,  der  Artilleristen 
und  der  Bergleute,  in  Kuttenberg,  in  Breslau,  wo  ihre  Legende  ausführlich  am 
Hochaltare.  Gedruckt  ist  dieselbe  1500  zu  Magdeburg,  1508  zu  Strafsburg, 
1513  zu  Köln,  1517  zu  Leipzig.  —  In  Niederösterreich  Barbarazweige  als 
Glücksorakel  (vergl.  Europa  1881.  No.  49,  Sp.  19.  33).  4.December.  Transl. 
2.  Septbr. 

Bardo,  Abt  zu  Werden  und  Hersfeld,  nachher  Erzbischof  von  Mainz. 
t  15.  Juni  1051.    10.  Juni. 

Bartholomäus.   S.  Apostel. 

Bayo  (A/lovin)y  Edelmann  aus  dem  Pipinschen  Hause,  nach  dem  Tode 
seiner  Frau  Einsiedler,  wohnt  in  einem  hohlen  Baume,  auch  als  Herzog  mit 
Falken.   Patron  von  Gent,   t  654.    1.  Oktober. 

BeatUB,  als  Einsiedler,  eine  Höhle  neben  sich;  ein  Drache  bei  ihm.  Pa- 
tron von  Thun.  9.  Mai.  —  Ein  anderer  B.  und  Bantus,  zwei  Presbyter  von 
Trier  und  Koblenz.   31.  Juli. 

Benedictus  von  Nursia,  als  Bischof  (Abt)  im  Kleide  seines  Ordens,  hält 
eineuBecher  mit  derSchlange  in  der  Hand  (weil  er  der  Vergiftung  wunder- 
bar entgangen;  der  Becher  wird  auch  als  zerbrochen  dargestellt,  weil  er 
auf  die  Segnung  des  Benedikt  dem  Mörder  aus  der  Hand  iiel),  auch  einen 
Krug  (den  seine  Wärterin  zerbrochen,  und  den  er  als  Knabe  durch  kräftiges 
Gebet  wiederhergestellt  hatte);  Dornen  neben  ihm  (in  die  er  sich  legte,  um 
sein  Fleisch  zu  kreuzigen),  auch  ein  Rabe  mit  einem  Brote  im  Schnabel  (das 
er,  weil  es  vergiftet  war,  auf  Befehl  des  Heiligen  an  einen  abgelegenen  Ort 
trug),  auch  mit  einem  Stabe,  mit  dem  er  den  Teufel  dnrchstöfst,  zuweilen  in 
der  Hand  ein  offenes  Buch  mit  den  Anfangs worten  seiner  regula :  Ausculta  fiii 
verha  magistri.  Wo  er  als  Stifter  der  eigentllichen  Benediktiner  dargestellt 
wird,  erscheint  er  in  schwarzer,  wo  als  derjenige  der  Cistercienser  und  anderer 
abgeleiteter  Orden,  in  weifser  Kutte;  er  wird  auch  als  Patriarch  dargestellt, 
umgeben  von  Repräsentanten  der  aus  dem  seinigen  hervorgegangenen  Orden. 
Patron  gegen  Gift,  Entzündung,  Rose,   t  543.    21.  März.   Tranlatio  11.  Juli. 

Benignua,  Ritter,  Märtyrer  unter  Aurelian.  6.  Juni.  Translatio  17.  Fe- 
bruar.   Schrein  in  Siegburg. 

Benno,  Bischof  von  Meifsen,  mit  Fisch  und  Schlüssel.  Patron  von 
Meifsen,  jetzt  von  München,  wohin  seine  Gebeine  1576  gekommen.  Seine 
Legende  gedruckt  1517  zu  Leipzig,  kanonisiert  1523.   t  1106.  —  16.  Juni. 

Bernhard  von  Clairvaux,  als  Cistercienser -Abt  (BischoO  und  Kirchen- 
lehrer {Doctor  meUtfluus)j  den  Bienenkorb  zur  Seite,  ein  Buch  mit  drei 
Bischofsmützen  in  der  Hand,  weil  er  die  drei  Bistümer  Mailand,  Chartres 
und  Speier  ausgeschlagen,  einen  gefesselten  Teufel  hinter  sich,  einen 
Hund  neben  sich  (weil  seine  schwangere  Mutter  geträumt,  sie  trage  einen 
weifsen  Hund  mit  rotem  Rücken).  Maria  reicht  ihm  die  Brust  etc.  t  1153. 
20.  Aug.,  kanon.  1174.  Translatio  17.  Mai,  in  Brandenburg  12.  August,  bei 
den  Prämonstratensern  27.  August. 

Bemhardin  von  Siena,  Stifter  der  Observanten,  mit  Stab,  an  dessen 
oberem  Ende  eine  Strahlensonne  mit  IHS  (s.  ob.  S.  401  No.  2).  Patron  in 
Breslau,   t  1444.    20.  Mai. 


der  Heiligen.  5g3 

Bernward,  Bischof  nnd  Patron  von  Hildesheim,  als  Goldschmied,  das 
sogen.  Bernwardskreuz  (S.  203)  haltend,  f  1022.  20  Nov.,  kanon.  1193. 
Elevatio  1194.    16.  Aug.,  im  römischen  Kalender:  26.  Oktober. 

Bertha,   Patronin  des  Benediktinerklosters  Biburg.   f  1141.    24.  März. 

Berthold,  erster  Abt  von  Garsten,  mit  Brot  und  Fisch.  fllSO.  27.  Juli. 
—  B.  der  Franziskaner  von  Regensburg,  erweckt  ein  infolge  seiner  Predigt 
aus  Reue  gestorbenes  Weib.  Sein  Grabstein  neuerdings  in  einem  Privathause 
aufgefunden,  jetzt  im  Coemeterium  der  Kanoniker  am  Dome  zu  Regens  bürg, 
t  1272  14.  December.  —  16.  Juni. 

Bilhildis,  Herzogin  von  Franken  unter  Chlodwig  I,  Stifterin  des  Alten 
Klosters  in  Mainz,  mit  Kirchenmodell.   27.  November. 

Blasins,  Bischof  von  Sebaste,  einer  der  Nothelfer,  mit  einer  (oft  einem 
Rechen  ähnlichen)  Hechel  (M)  oder  mit  einer  Kerze  (die  ihm  eine  dankbare 
Frau  in  den  finstem  Kerker  brachte,  welcher  der  Heilige  ihr  verlornes  Schwein 
durch  sein  Gebet  verschafft  hatte),  oder  er  hält  auch  zwei  brennende  Kerzen 
gekreuzt  über  ein  krankes  Kind,  welches  er  dadurch  gesund  machte  (in  dieser 
Form  wird  noch  jetzt  der  Blasiussegen  erteilt).  Im  Dome  zu  Braunschweig 
hält  er  ein  schwarzes  Hüfthorn.  Patron  von  St.  Blasien  im  Schwarzwald ,  Zella 
Blasii  in  Thüringen  etc.,  gegen  Halsschmerzen.  Er  segnet  als  Einsiedler  die 
Tiere  des  Waldes.  Sieben  Frauen  sammeln  sein  Blut  auf,  als  er  (unter  Dio- 
kletian) den  Märtyrertod  erleidet.  3.  Febr.  —  Seine  Legende  ist  in  den  Wand- 
malereien des  Domes  von  Braunschweig  dargestellt  und  in  20 Tafelgemälden 
in  seiner  Kapelle  zu  Kauf  heuern. 

BonifEttins  {Wynfrithy  Winfried) y  Erzbischof  von  Mainz,  Apostel  der 
Deutschen,  mit  einem  von  einem  Schwerte  durchstochenen  Buche,  durch 
welches  der  tödliche  Stich  gedrungen,  als  er  von  den  Friesen  bei  Dockum  ge- 
mordet wurde ;  auf  Siegeln  des  Bonifatiusstiftes  in  Halberstadt  auch  mit  Stab 
in  der  Linken  und  zwei  mit  den  Barten  nach  abwärts  gekehrten  Schlüsseln  in 
der  Rechten.  Titelheiliger  vieler  Kirchen  von  thüringischen  Orten,  die  zu 
Kloster  Fulda,  wo  er  begraben  liegt,  in  Beziehung  standen.^  t  755.  5.  Juni. 
Translatio  1.  November. 

Die  vier  Botschafter:  Valentin,  Ruprecht,  Quirinus  und  Antonius. 
S.  diese. 

Branden  (^ram/an2<^,  Brendanus)^  irischer  Abt  des  VII.  Jahrb.,  mit  einem 
Fisch  (weil,  als  er  auf  einem  SchifiPe,  mit  dem  er  das  Paradies  suchte,  die 
Messe  las,  die  Fische  um  das  Schiff  herum  andächtig  zuhörten),  daher  ein 
Heiliger  der  Seeleute,.  Am  Hochaltare  des  Domes  zu  Güstrow  ist  er  dagegen 
mit  einer  Kerze  abgebildet,  die  sich  nach  seiner  Legende  von  selbst  entzün- 
dete, und  als  1495  in  Wittstock  ein  Brand  entstand,  gelobte  die  Bürgerschaft, 
sonderlicli  die  mit  Feuer  arbeitenden  Handwerker,  alljährlich  am  29.  December 
sein  Fest  zu  begehen  (vergl.  von  Ledebur,  Allgemein.  Arohiv,  XVII,  296).  Von 
seiner  Legende  giebt  es  12  von  ca.  1480 — 1518  in  Augsbnrg,  Basel,  Erfurt, 
Strafsburg  und  Ulm  gedruckte  illustrierte  Ausgaben.   20.  Oktober.    16.  Mai. 


*  Ein  Verzeichnis  von  Bonifatiuskirchen  des  Thüringer  Landes  bei  Gröfsler, 
Herrn.,  d.  Einfiihruiig  des  Christent.  in  d.  nordthüring.  Gaue  Friesenfeld  und  Hassen- 

fau.   1883,  20  ff.     Den  hier  aufgezählten  diesem  H!eiligen   gewidmeten  47  thüring. 
Kirchen  können  noch  AltenbeicUmgen  und  Gorsieben  hinzugefügt  werden. 

36  ♦ 


564  Verzeichnis 

Brieoins,  Bischof  von  Tours,  um  400,  trägt  (zum  Beweise  seiner  Unschuld 
an  der  Niederkunft  seiner  Wäscherin)  glühende  Kohlen  im  Gewände.  Pa- 
tron der  Genitalien  und  gegen  Leibweh ;  beliebt  bei  den  im  XII.  Jahrh.  nach 
Sachsen  übersiedelten  Niederländern :  z.  B.  Patron  einer  Kirche  zu  Krakan  bei 
Magdeburg,  in  Beizig.  13.  Nov.  —  Ein  anderer  Br.  ep.  Martulae  ist  Patron  einer 
Kirche  in  Meifsen.  11.  Juli  (in  Brandenburg,  Magdeburg  und  Merseburg 
9.  Juli).  —  Ein  dritter  Briccius  oder  Brixius  ist  Lokalheiliger  von  Heiligen- 
blut in  Kämthen,  mit  drei  Roggenähren  in  der  Hand.  Er  hatte  sich  nämlich 
ein  Fläschchen  mit  heil.  Blute,  das  aus  einem  von  Juden  mifshandelten  Kreuze 
geflossen  war,  in  eine  künstliche  Wunde  in  sein  Bein  einheilen  lassen,  um  es 
so  von  Byzanz  nach  dem  Salzkammergute  zu  bringen.  Auf  dem  Pasterzenglet- 
scher fror  er  ein,  aber  mitten  im  Eise  wuchsen  aus  seiner  Hand  drei  Roggen- 
ähren,  und  das  Bein  mit  dem  Heiligtume  kam  aus  dem  Grabe,  in  das  man  ihn 
gelegt  hatte ,  immer  wieder  hervor ,  bis  man  aufmerksam  ward  und  das  h.  Blut 
entdeckte. 

Brigitta  von  Schweden,  in  der  Kleidung  des  von  ihr  gestifteten  Ordens, 
schreibt  ihre  Weissagungen,  hält  ein  mit  einem  Kreuze  bezeichnetes  Herz  in 
der  Hand,  auch  wohl  ein  rotes  Kreuz  etc.  Patronin  von  Schweden,  t  23.  Juli 
1373,  kan.  1391.  6.  Oktob.  in  Köln,  7.  Oktober  in  Schwerin  und  beim  Deut- 
schen Orden. 

Bruno  der  Karthäuser,  ein  geborener  Kölner,  im  Ordenskleide,  ein  an 
den  Enden  sprossendes  Kreuz  tragend,  auch  ein  Kruzifix;  über  ihm  als 
Vision  die  Jungfrau  Maria.  Stern  auf  der  Brust,  Erdkugel  unter  dem  Fufse. 
t  1101.  6.  Okt.,  kanon.  1514.  —  Br.  von  Köln,  Erzbischof  seit  953,  jüng- 
ster Sohn  Heinrichs  I.,  ist  niemals  wirklich  kanonisiert  worden,  t  965.  11. 
Oktober.  —  Br.  von  Querfurt,  Erzbischof,  Apostel  der  Preufsen,  mit  18  Be- 
gleitern zu  Braunsberg  getötet  1009.    14.  Februar. 

Die  sieben  Brüder,  Söhne  der  heil.  Felicitas,  welche  zu  Rom  160  den 
Märtyrertod  fanden.  10.  Juli.  Sieheifsen:  Januarius,  Felix,  Philipp,  Sylvan, 
Alexander,  Vitalis  und  Martialis. 

Burkhard,  Bischof  von  Würzburg,  hält  eine  Hostie  in  der  Hand,  Patron 
von  Würzburg  und  Worms,  gegen  Hüftweh  und  Gliederschmerzen,  t  753.  2. 
Febr.   Translatio  983.    14.  Okt.  (in  Mainz  u.  Basel  11.  Oktob.). 

Caeoilia,  steht  in  einem  Kessel  (M),  ihre  Leiche  hat  eine  Schnittwunde 
im  Genick;  auf  dem  berühmten  Gemälde  Rafaels  hält  sie  eine  Orgel  in  der 
Hand ,  die  ihr  seitdem  als  Attribut  verblieben  ist.  Sie  ist  Titelheilige  des  Do- 
mes zu  Güstrow  und  gilt  den  Neueren  als  Patronin  der  Musik,  t  um  220.  — 
22.  November.  (Vergl.  Förster,  E.,  Sancta  Caecilia,  in  "Westermaims  Monatsheften 
1882  Mai,  192—209.) 

Candidas,  Erzbischof,  Patron  des  Stifts  Innichen  in  Tyrol.  1.  Decbr. 
Translatio  23.  24.  Mai.  —  Ein  anderer  Cand.  gehört  zur  Thebaischen  Legion. 

Cantias,  Canüanus  und  Cantianilla,  Märtyrer  zu  Aquileja,  jene  mit 
Rutenbündel,  letztere  mit  Stab.  31.  Mai.  Kommen  zusammen  am  Epipha- 
niusschrein  zu  Hildesheim  vor. 

Casüanus,  Bischof  von  Imola.  Er  wurde  ca.  360  von  Schulkindern  mit 
SchreibgriflFeln  gemartert.  Vier  Darstellungen  aus  seiner  Legende  auf  vier 
Altarflügeln  von  1498  an  den  Chorwänden  der  ihm  gewidmeten  ältesten  Pfarr- 
kirche in  Regensburg.    13.  August. 


der  Heiligen.  565 

OasfiiUy  Ritter  der  thebaischen  Legion ,  steht  auf  einem  Ungeheuer.  Er 
fällt  zu  Bonn  mit  dem  heil.  Florentius,  Mallusius  und  6  tienossen.  Patron  von 
Bonn.   8.  (10.)  Okt.   Translatio  2.  Mai. 

Castor,  als  Priester,  rettet  ein  sinkendes  Schiff.  Patron  von  Koblenz  etc., 
lebte  im  IV.  Jahrh.    13.  Februar. 

Castnlus,  unter  Diokletian  Kastellan  des  kaiserlichen  Palastes  zu  Rom, 
wird,  als  heimlicher  Christ  entdeckt,  lebendig  begraben.  Scenen  aus  seiner 
Legende  am  Hochaltare  zu  Moosburg.   26.  März. 

Ceslaus  (Odrovantius),  Dominikaner  zu  Breslau,  mit  Lilie  und  Buch 
vor  dem  Kruzifix  anbetend,   t  1242  oder  1257.    16.  Juli. 

Christina,  Jungfrau,  Märtyrerin  11  Jahr  alt,  mit  Messer,  Mühlstein, 
Pfeilen,  auch  Armbrust  (M).  t  278.   24.  Juli. 

Christoph,  ^iner  der  14  Nothelfer,  ein  Riese,  trägt  (auf  einen  Baum  ge- 
stützt) das  Christkind  auf  der  Schulter  mit  Anstrengung  durch  das  Wasser; 
ein  Eremit  leuchtet  dazu.  Patron  von  Braunschweig,  in  Erfurt,  Breslau,  Mainz, 
der  Schiffer  und  Schatzgräber,  gegen  schnellen  unbufsfertigen  Tod.  Er  wird 
vultu  terribili  (Petrus  de  Natalibus  1.  6  c.  135)  und  ca/?i7/« rw/i/aw*  dargestellt, 
und  sein  Bild  kommt  in  riesiger  Gröfse  (bis  ll,oo)  an  die  Kirchenwände,  be- 
sonders in  der  Nähe  der  Portale  gemalt  oder  plastisch  dargestellt  und  auch 
anderweit  sehr  häufig  vor,  z.  B.  als  Träger  der  Kanzeln  und  Sakramenthäus- 
chen. Wer  des  Morgens  sein  Bild  sah ,  hatte  einen  glücklichen  Tag  und  blieb 
von  plötzlichem  Tode  verschont,  nach  den  Versen: 

Christophore  sanctCj  virtutes  sunt  tibi  tantae: 
Out  te  mane  videnty  noctumo  tempore  rident, 
Christophori  sancti  speciem  quicunque  tuetur^ 
Ista  nempe  die  non  morte  mala  morietur. 

Seine  Legende  deutsch  gedruckt  zu  Landshut  1520  mit  31  Holzschnitten. 
25.  Juli;  in  Naumburg,  Paderborn  und  Regensburg  27.  Juli,  in  Brandenburg 
19.  Oktober.  (Vergl.  Wolf,  Beiträge  zur  deut.  Mythologie,  I,  98;  Braun,  im  Org. 
f.  ehr.  K.  1858,  76;  1861,  250;  1862,  220;  Eckl  das.  1869  No.  24;  Anz.  G.  M. 
1858,  Sp.  438;  Sinemus,  d.  Legende  vom  h.  Christoph  u.  d.  Plastik  u.  Malerei  1868; 
van  Heukolum,  van  Sante  Christoffels  beeiden.  Utrecht.) 

Chrysantbus  undBaria,  Märtyrer  um  283  (ins  Feuer  geworfen),  letztere 
eine  von  ersterem  bekehrte  meretrix,  Patrone  in  Mflnstereiffel.    25.  Oktober. 

Clara,  Schwester  des  h.  Franziskus,  Äbtissin  des  von  ihr  gestifteten  Or- 
dens, mit  einer  Monstranz,  auf  dem  Siegel  des  Klarissinnenklosters  zu  Mün- 
chen mit  dem  Einhorn  im  Schofse.  Patronin  der  Augen,  t  1253.  21.  August 
(in  Brandenburg  4.  August ;  Translatio  2.  Oktober). 

Clemens,  Bischof  von  Rom,  mit  Anker  (M).  f  ca.  100.  23.  November. 
Patron  von  Schwarzrheindorf  und  Unna. 

Colnmba,  Jungfrau,  Märtyrerin,  mit  Palme  und  einen  Bär  an  der  Kette 
führend.  Patronin  in  Köln.  Ihre  Legende  deutsch  mit  Holzschnitten  1511  zu 
Köln  gedruckt,   t  273.    16.  März.    1.  Mai.   31.  December  (Köln). 

Colnmban,  irischer  Mönch  und  Klostergründer  mit  Bär.  t  615.  21.  No- 
vember. 

Constantins,  römischer  Ritter,  mit  der  Fahne,  Gefährte  des  heil.  Moritz, 
mit  dem  er  denselben  Festtag  hat.   Mitpatron  des  Bistums  Havelberg. 


566  Verzeichnis 

Corbinianns,  erster  Regionär -Bischof  von  Freising.  Neben  ihm  ein  Bär, 
den  er  gezwungen,  ihm  sein  Reisebündel  nach  Rom  zu  tragen.  1 730.  8.  Sept. 
Translatio  20.  Nov. 

Cordula,  Jungfrau,  Gefährtinder  heil.  Ursula,  nach  der  Legende  am  Tage 
des  Martyriums  der  11000  Jungfrauen  im  BchifiPe  versteckt,  meldete  sie  sich 
am  folgenden  Tage  freiwillig  dazu,  daher  ihr  Feiertag  der  22.  Oktober.  Pracht- 
schrein im  Dome  zu  Osnabrück. 

Cornelia,  Jungfrau,  Märtyrerin,  mit  Kreuz  und  Taube.   31.  März.* 

Cornelius,  Papst,  Märtyrer,  Patron  von  Komelimünster.  t  252.  14. Sep- 
tember. 

Cosmas  und  Bamianus,  zwei  Brüder,  Ärzte,  tragen  Arzneigläser,  chi- 
rurgische Instrumente  etc.  Patrone  der  Ärzte,  des  Stifts  Essen,  von  Böhmen. 
Sollen  im  III.  Jahrhundert  als  Märtyrer  gestorben  sein.  Ihre  Legende  in  den 
Deckengemälden  der  Vierungsgewölbe  des  Münsters  zu  Essen  aus  dem  Xin. 
Jahrh.   27.  Sept. 

Crispinus  und  Critpinianos  mit  Schuhmachergerät  (weil  sie  als  Mis- 
sionare in  Gallien  ihren  Unterhalt  durch  Schuhmachen  erwerben  mufsten). 
Patrone  von  Osnabrück,  der  Schuster  und  Weber,  t  angeblich  als  Märtyrer 
zu  Soissons  303.  25.  Okt.   Translatio  20.  Juni. 

Cntubilla,  eine  sonst  völlig  unbekannte  Heilige ,  kommt  mit  der  Namens- 
beischrift in  der  Klosterkirche  St.Ulrici  zu  Adelberg  in  Württemberg  sowohl 
an  einem  Wandkonsole  als  in  dem  Altarschreine,  dessen  Gemälde  von  Zeitblom 
stammen,  vor,  beidemale  mit  zwei  Mäusen  zu  ihren  Füfsen.  (Yergl.  Klemm, 
Kloster  Adelb.,  im  Württemb.  Staatsanz.   lit.  Beibl.    1877,  220.    1878,  380.) 

Cyprian  von  Karthago,  Bischof  mit  Palme,   f  258.    14.  September. 

Cyprian  von  Hikomedien  und  Justina,  jener  durch  diese,  deren  er  sich 
mit  Hilfe  der  Dämonen  hatte  bemächtigen  wollen,  bekehrt,  nachher  mit  ihr 
zusammen  in  einen  Kessel  mit  siedendem  Pech  geworfen  (so  in  den  Wandge- 
mälden zu  Brauweiler),  nachher  mit  dem  Beile  hingerichtet,  t  304.  26. 
September. 

Cyriacus,  Diakon,  einer  der  14  Nothelfer,  heilt  einen  Dämonischen,  hat 
einen  Drachen  zu  seinen  Füfsen  (wegen  seiner  Macht  über  die  bösen  Geister). 
Schwert  (M).  Patron  von  Gernrode  etc.  Lebte  unter  Diokletian.  Translatio 
8.  Aug.  —  Es  giebt  7  Heilige  dieses  Namens,  darunter  einen  Bischof  von  An- 
cona,  der  der  h.  Helena  das  Kreuz  Christi  entdeckt  und  nachher  unter  Julian 
hingerichtet  wird,  4.  Mai;  und  einen  legendarischen  Papst,  der  die  h.  Ursula 
in  Rom  empfängt,  ihrethalben  abdiciert,  sich  dann  ihrem  Gefolge  anschliefst 
und  mit  ihr  in  Köln  den  Märtyrertod  erleidet. 

CyrilluB  und  Methodins,  Bischof  und  Mönch,  mit  dem  Bilde  des  jüngsten 
Gerichts,  die  Apostel  der  Slaven  im  IX.  Jahrh.   9.  März. 

Dagobert,  König  von  Austrasien,  Märtyrer  im  Walde  erstochen  (im  Elsafs 
verehrt).   23.  December. 

Bemetrins,  Ritter  mit  Schild,  auf  dem  ein  Kreuz  mit  5  Rosen,  eine  in 
der  Mitte  und  je  eine  in  den  vier  Winkeln.   8.  Oktober. 

*  Die  sogenannte  Komeliakirche  zu  Wimpfen  im  Thal,  auch  Tillykirche  ge- 
nannt, ist  nicht  dieser  Heilig;en ,  sondern  der  h.  Jungfrau  geweiht,  und  führt  ihren  Namen 
wohl  nur  aus  Misverständnis  der  oben  S.  421  mitgeteilten  Inschrift,  indem  Cornelia 
der  angeblich  altrömische  Name  für  Wimpfen  ist. 


der  Heiligen.  567 

DeooamSy  Abt  in  Herrenried  im  IX.  Jahrh.  7.  Juni.  Altar  in  St.  Lorenz 
zn  Nürnberg,  von  wo  seine  Gebeine,  deren  silberner  Schrein  1811  verkauft 
worden  war,  1845  nach  Eichstädt  verschenkt  worden  sind,  dessen  Patron  er 
nunmehr  ist. 

Deodatas,  Bischof  von  Nevers,  Gründer  von  St.  Di6.  t  729.  19.  Juni. 
Missionar  und  Einsiedler  im  Elsafs,  wo  seine  Legende  unter  den  Wandgemälden 
zu  Hunaweier  vorkommt;  vergl.  bei  Huna. 

Dionysins  der  Areopagit  (Apostelgesch.  17,  34),  Bischof  von  Athen,  nach- 
her der  angeblich  erste  Bischof  von  Paris,  trägt  sein  abgeschlagenes  Haupt 
in  der  Hand,  Märtyrer  unter  Domitian.    9.  Oktober;  einer  der  14  Nothelfer. 

Disibodus,  Eremit,  früher  Bischof  in  Schottland,  Patron  von  Disiboden- 
berg  im  Nahethale  t  674.  8.  Juli  (in  Mainz  8.  Septbr.). 

Dismas  (nach  dem  Ev.  infant.  Arab.  c  23:  Titas),  der  Räuber,  welcher 
die  h.  Familie,  die  er  auf  der  Flucht  nach  Ägypten  tiberfallen  hatte,  liebreich 
bewirtet,  später  der  reuige  Schacher  am  Kreuze  zur  Rechten  Jesu.  Patron 
der  zum  Tode  verurteilten  Verbrecher.  Sein  Gedächtnis  fslllt  mit  dem  Feste 
des  Leidens  Christi  (Passio  Domini)  auf  denselben  Tag:  25.  März.  (Der 
unbekehrte  Schacher  heifst  in  dem  apokryphischen  Evangelium  des  Nikodemus 
Gestas,  die  Namen  beider  werden  aber  häufig  verwechselt,  auch  kommen 
andere  Namen  vor  z.  B.  Jasmus,  Dumachus  etc.) 

Dominicas,  in  der  Kleidung  des  von  ihm  gestifteten  Ordens,  in  der  einen 
Hand  eine  Lilie,  in  der  anderen  ein  Buch,  auf  der  Stirn  oder  über  dem  Haupte 
oder  auf  der  Brust  ein  Stern  (den  seine  Patin  bei  der  Taufe  vom  Himmel  auf 
ihn  kommen  sah);  häufig  wird  neben  ihm,  wegen  eines  Traumes  seiner  Mutter 
während  ihrer  Schwangerschaft,  ein  weifs  und  schwarz  gefleckter  Hund  dar- 
gestellt, welcher  eine  Fackel  im  Maule  trägt,  womit  er  die  Welt  erleuchtet; 
überhaupt  erscheinen  die  Dominikaner  {Domini  canes)  als  Hunde,  welche 
die  Herde  Christi  bewachen,  t  1221.  4.  August,  kanonisiert  1233.  Trans- 
latio  24.  Mai. 

Domitianns  (Tuitianm),  mythischer  Herzog  von  Kärnthen,  ein  vom  h. 
Rupert  getaufter  Slave,  Gründer  der  Benediktiner- Abtei  Millstatt.   5.  Februar. 

Donatus,  Bischof  von  Arezzo,  um  350,  mit  dem  Schwerte  (M),  zuweilen 
ein  mit  Lichtern  bestecktes  Rad  in  der  Hand  haltend.  Patron  des  Stifts 
Meifsen.    7.  Aug. 

Dorothea  trägt  Blumen,  Rosen  und  Früchte,  weil  ihr  der  Heide  Theo- 
philus,  als  sie  zum  Richtplatze  geführt  wurde,  zugerufen  hatte,  sie  möchte  ihm 
doch  aus  dem  Garten  ihres  himmlischen  Bräutigams  einige  Blumen  schicken, 
und  nun  auf  ihr  Gebet  ein  Knabe  erschien,  der  ihr  in  einem  Schweifstuche  3 
Apfel  und  3  Rosen  brachte.  Ihre  Legende  deutsch  gedruckt  1492  zu  Marien- 
burg, 1500  zu  Magdeburg,  1513  zu  Köln.  Sie  starb  unter  Diokletian  durchs 
Schwert.   6.  Februar. 

Dorotheas,  Bischof,  gegeifselt,  nachher  enthauptet  (Gemälde  zu  Brau- 
w eil  er).    9.  Oktober. 

Dympna,  Jungfrau,  Märtyrerin  VU.  Jahrb.,  vom  eigenen  Vater  ermordet, 
weil  sie  denselben  nicht  nach  dem  Tode  ihrer  Mutter  ehelichen  wollte.  Relie- 
quienkasten  im  Dome  zu  Minden.   15.  Mai. 

Eberhard,  Erzbischof  von  Salzburg  1146  — 1164,  bedient  Arme  bei  Tische. 


568  Verzeichnis 

22.  Juni.  —  Ein  anderer,  Bischof  von  Freising,  als  Hirt,  das  Lamm  Gottes 
erscheint  ihm  in  den  Wolken.   28.  Septbr. 

Editha  (Eadgitha),  eine  englische  Königstochter,  Nonne  in  Wilton,  in 
Nonnenkleidung,  mit  königlichen  Abzeichen,  t  9B4.  16.  Septbr.  —  Auch 
Editha,  die  erste  Gemahlin  Otto's  des  Grofsen,  t  9^6  (nicht  947,  wie  auf  ihrem 
Grabmale  im  Dome  zu  Magdeburg  steht)  26.  Januar,  ist  teilweise  als 
Heilige  angesehen  worden. 

Edmund,  König  von  Ostengland,  Märtyrer  mit  Pfeil en(M),  ein  Bär  oder 
Wolf  sitzt  neben  ihm  (behütet  seine  Leiche),   f  870.  20.  Novemb. 

Eleutberius,  Kompatron  von  Leitzkau,  Bischof  von  Rom  und  Märtyrer 
(mit  Ruten  gegeifselt).  f  190?  18.  April.  —  An  demselben  Tage  wurden  in 
der  Brandenburger  und  Magdeburger  Diöcese  auch  die  Märtyrer  Eleu  th  er  ins 
undAnthia  gefeiert,  deren  Tag  im  römischen  Kalender  der  18.  März  ist. 

Elias  oder  Hellas,  Einsiedler.   20  Juli. 

Eligius (auch i^/o^^'i^^, französisch:  StEloy,  englisch:  5^ i?/^) geb. 589 zu 
Limoges,  Goldschmied  und  Mttnzmeister,  später  Bischof  von  Toumayund  Noyon, 
mit  Hammer,  über  dem  zuweilen  eine  Krone  schwebt,  oder  mit  einem  Reliquien- 
kästchen,  oder  beim  Huf  beschlag  (so  nach  einer  Scene  aus  seiner  Legende  auf 
einem  Relief  in  der  Sammlung  des  Altert.  Ver.  zu  U  Im.  Abb.  Heid  eloff ,  Schwa- 
ben, 115,  Fig.  61  und  bei  Bazing).  Patron  der  Goldschmiede,  Hufschmiede 
und  Tierärzte,  auch  der  Gefangenen,  t  30.  November  659  oder  660  —  1.  De- 
cember.  (Vergl.  Herzog-Plitt,  Real-Enc,  IV,  174  fF.  —  Ilg,  A.,  die  Bedeutung  der 
St.  EI.  Legende  für  die  Kunstgesch.  in  Mitt.  C.-K.  XIX,  179  ff.  —  Bazing,  H.,  Üb.  cL 
Bild  des  h.  El.  Mit  1  Taf.,  in  den  Verh.  des  Ulmer  Vereins  Neue  Reihe  Heft  VII 1875,  7  ff.) 

Elisabeth,  Tochter  des  Königs  Andreas  II.  von  Ungarn,  Gemahlin  des 
Landgrafen  Ludwig  des  Frommen  von  Thüringen,  des  Hessenlandes  »Haupt- 
frau«, als  Franziskanernonne,  mit  drei  Kronen  (als  Jungfrau,  Gemahlin  und 
Witwe,  oder  als  Königstochter,  Fflrstengemahlin  und  Heilige).  Sie  trägt 
Brote  (in  einem  Korbe),  auch  eine  Schüssel  mit  Fischen  und  Wecken  und 
einen  Krug  mit  Wein,  um  die  Armen  zu  bewirten;  die  Brote  verwandelten 
sich  in  Rosen,  als  sie  von  ihrem  Gemahl  (oder  Vater),  der  ihr  den  Verkehr  mit 
den  Armen  verboten,  überrascht  wurde.  Patronin  von  Thüringen,  Hessen, 
Marburg  etc.  t  1231.  19.  Nov.,  kanon.  1235.  27.  Mai.  Translatio  2.  Mai. 
Ihre  Legende  ist  deutsch  1520  zu  Erfurt  mit  30  Holzschnitten  gedruckt  und 
an  verschiedentlichen  Denkmälern  ihrer  Kirche  in  Marburg  (Sarkophag,  Altar, 
Glasmalereien  etc.)  vollständig  dargestellt.  —  Elisabeth,  die  Mutter  Job. 
des  T.,  hat  ihren  Festtag  am  5.  November.  —  Elisabeth,  Äbtissin  von 
Schönau,  auf  Drachen  tretend,   f  1165.    18.  Juni. 

Embede,  Warbede  und  Willibede  (Einbet^  Borbet  und  Jiibef),  drei  Jung- 
frauen, angeblich  Gefährtinnen  der  h.  Ursula  in  Strafsburg  gestorben.  16. 
Septbr.  Ihr  Steinrelief  kommt  im  Worms  er  Dome  vor,  vielleicht  sind  sie  auch 
auf  dem  unförmlichen  Relief  von  der  Kirche  zu  Fölling  gemeint,  das  1876 
zu  München  als  ein  Bild  der  3  Nomen  ausgestellt  war,  von  denen  sie  möglicher- 
weise nur  eine  Umdichtung  sind.  Die  offiziell  den  h.  h.  Cyriacus  und  Perpe- 
tua geweihte  Kirche  zu  Adelhausen  im  Breisgau  heifst  im  Volksmunde  noch 
heute  Sant  Einbeten  Lütkilche.  (Vergl.  Falk,  die  Bildwerke  des  Wormser  Domes 
1871,  12  ff.  —  Leitner,  Deutschland  in  seinen  Heiligen  1878,  I,  143.  — Freiburger 
Diöc.  Arch.,  V,  129.) 


der  Heiligen.  569 

Bmerentia,  Jungfrau,  Milchschwester  der  h.  Agnes ,  mit  Stein  (M).  t  zu 
Rom  304.  23.  Januar. 

Emmeram  (nach  ältester  Schreibung  Emhram),  Bischof  von  Poitiers,  Mis- 
sionar in  Regensburgy  wurde  von  dem  Prinzen  Landbert  im  Walde  bei  Helfen- 
dorf im  Stift  Freising  aufgegriffen,  von  hinten  her  mit  einer  Lanze  durchbohrt, 
darauf  an  eine  Leiter  gebunden  und  ihm  die  Glieder  stückweise  abgeschnitten, 
t  654  (nach  neueren  Forschungen  715).   22.  Sept.,  Haimbramstag. 

Engelbert,  Erzbischof  von  Köln,  Patron  des  Stifts  Essen,  t  1225.  T.No- 
vember. Sein  silberner  Reliquienkasten  im  Dome  zu  Köln,  wo  er  auch  eine 
Kapelle  hat. 

Eoban,  Begleiter  und  Mitmärtyrer  des  Bonifatius.  (Bischof  von  Utrecht?) 
5.  März  (in  Mainz  26.  Juli)  —  vergl.  Adolar. 

Epiphanias,  Bischof  von  Sebaste.  t  496.  21.  Januar.  Sein  Schrein  im 
Domschatze  zu  Hildesheim. 

Era,  eine  Jungfrau  mit  langem  Barte,  weil  sie  sich  als  Schutz  gegen  die 
Nachstellungen  ihres  eigenen  Vaters  vom  Himmel  Häfslichkeit  erflehte;  sie 
litt  den  Tod  am  Kreuze.  Patronin  der  Krypta  des  Domes  in  Braunschweig. 
Vergl.  Kümmernis. 

Erasmns,  Bischof  unter  Diokletian,  hält  eine  Winde  in  der  Hand,  womit 
ihm  die  Gedärme  aus  dem  Leibe  gewunden  wurden.  Die  Engel  besuchten  ihn, 
ein  Rabe  ernährte  ihn  in  der  Einöde  auf  dem  Berge  Libanon.  In  Norddeutsch- 
land wird  er  auch  zuweilen  in  einem  dreibeinigen  Grapen  stehend  abgebildet, 
in  welchem  er  in  Pech  gesotten  wurde.  Patron  des  Unterleibes,  einer  der  14 
Nothelfer.   (2.)  3.  Juni. 

Erendrudifl,  Nichte  des  h.  Rupertus,  erste  Äbtissin  zu  Nonberg-Salzburg, 
mit  Kruzifix  und  flammendem  Herzen,   t  630.  30  Juni. 

Erhard,  angeblicher  Bischof  von  Regensburg,  Märtyrer  742.  8.  Januar, 
Translatio  8.  Oktober.   Grab  im  Niedermünster  zu  Regensburg. 

Erminoldus,  Abt  von  Prüfening  1114  — 1121.   6.  Januar. 

Erpho  (von  Mecklenburg),  Bischof  von  Münster,  trägt  das  Bischofskleid 
über  der  Rüstung,   t  1097.    9.  November. 

Enoharius,  angeblich  Schüler  des  Petrus  und  Bischof  von  Trier,  dessen 
Mitpatron  er  ist.  8.  December,  später  wegen  der  Kollision  mit  Maria  Empfäng- 
nis auf  den  9.  December  verlegt.  Seine  Legende  mit  der  des  Valerius  und 
MaternuB  zusammen  gedruckt  ca.  1500  zu  Strafsburg  mit  Holzschnitten.  — 
Ein  anderer  Euch.,  Bischof  von  Utrecht,  t  450,  wird  am  27.  Februar  (in  Köln 
und  Bremen  am  20.  Febr.)  gefeiert. 

Engenia,  Äbtissin  von  Hohenburg  im  VUI.  Jahrb.,  mit  Brot  und  Wasser- 
krug. 16.  September. 

Eulalia,  Jungfrau,  Märtyrerin  in  Spanien,  gekreuzigt  und  mit  spitzen  In- 
strumenten der  Brüste  beraubt,  t  303.  12.  Februar.  —  Eine  andere  Eni.  virgo 
mart.  hat  den  10.  December  als  Festtag. 

Enphemia,  mit  einem  Rade  oder  einem  Bären  (M).  Sie  lebte  um  290. 
13.  April. 

Eustaohias  (Placidtis)^  als  Ritter,  hält  ein  Hirschgeweih,  oder  es  steht 
ein  Hirsch  neben  ihm  (weil  er  durch  den  Anblick  eines  weifsen  Hirsches,  der 
ein  Kruzifix  zwischen  den  Hörnern  trug,  auf  der  Jagd  bekehrt  wurde);  erstarb 


570  Verzeichnis 

als  Märtyrer  in  einem  glühenden  Ofen  (Stier)  um  119.  Einer  der  14  Nothelfer. 
Patron  der  Jäger.    20.  September. 

Die  vier  Eyangelisten  schreiben  ihre  Bücher;  sie  sind  von  ihren  Sym- 
bolen (s.  oben  S.  481  f.)  begleitet,  oder  erscheinen  als  Menschenfiguren  mit  den 
Köpfen  ihrer  Symbole  ganz  in  assyrisch-ägyptischem  Typus  ^y  mindestens  schon 
seit  dem  XIII.  Jahrh.  und  bis  zum  Ausgange  des  Mittelalters.  Lucas  malt  vor 
einer  Staffelei.  Das  Fest  des  Marcus  ^llt  auf  den  25.  April.  (Translatio  31. 
Jan.);  dem  Lucas  ist  der  18.  Okt.  geweiht  (Translatio  9.  Mai);  die  Feste 

des  Johannes  und  Matthäus  s.  unter  Apostel.   (Vcrgl.  Cahier,  Nouv.  melang. 
(Ivoires  etc.)  1874,  U,  93  —  113.) 

Die  beiden  Brüder  Ewald,  der  schwarze  und  der  weifse  (blonde),  als 
Priester  mit  Schwertern  (M).  Ihre  Leichen  wurden  in  den  Rhein  geworfen, 
und  ein  heller  Schein  am  Himmel  verhalf  zur  Auffindung  derselben.  Sie  sind 
Patrone  von  Westfalen,  wo  sie  als  Missionare  den  Märtyrertod  fanden,  693. 
3.  Okt.   Translatio  29.  Okt.   Ihr  Schrein  in  St.  Kunibert  in  Köln. 

Exuperantias,  Diakon  zu  Assisi  unter  Maximian,  Geführte  der  heil.  Ge- 
schwister Felix  und  Regula,  trägt  sein  abgeschlagenes  Haupt  in  der  Hand. 
Patron  von  Zürich.    Seit  dem  XIII.  Jahrh.  30.  Decembcr.  (11.  Sept.) 

Fabian,  Papst,  mit  dem  Schwert  (M).  Eine  Taube,  die  sich  ihm  auf 
den  Kopf  setzte,  veranlafste  236  seine  Wahl  zum  römischen  Bischof,  f  250; 
bestattet  im  Coemet.  Calixti ,  wo  sein  Grabstein  gefunden  wurde ;  20  Jan. 
(Das  Fest  des  h.  Sebastian  fällt  auf  denselben  Tag.) 

Felicitas,  Matrone,  mit  Palme  und  Kreuzscepter,  stirbt  wie  i hre  Söhne, 
die  sieben  Brüder,  den  Märtyrertod  um  160.   23.  Nov. 

Felix  und  Adanctos  (Selig  und  Gemehrer),  der  erstere  als  Priester  mit 
dem  Schwert  (M).  Als  ihm  das  Todesurteil  gesprochen  war,  trat  ein  unbe- 
kannter Mann  hinzu,  küfste  den  Verurteilten,  gab  sich  als  Christ  an  und  ging 
mit  ihm  in  den  Tod;  daher  legte  man  letzterem  den  Namen  Adauctus  bei 
(quia  5.  Felici  auctus  est  ad  corunam  vitae  aetemae).   30.  Aug. 

Felix  und  Fortunatus,  römische  Ritter,  Märtyrer,   t  296.    11.  Juni. 

Felix  von  Hola,  Priester,  Märtyrer,  in  einer  Höhle,  vor  der  eine  Spinne 
einen  Schleier  gewebt  hat.   f  nach  312.  14.  Januar. 

Felix  von  Pisa,  Bischof,  von  Kindern  mit  ihren  eiseiiien  Griffeln  erschla- 
gen,  t  542.  1.  Septbr. 

Felix  und  Eeg^a,  Geschwister;  der  Bruder  als  Ritter  der  thebaischen 
Legion;  beide  tragen  ihr  abgeschlagenes  .Haupt  (M).  Patrone  des  grofsen 
und  des  Frauenmünsters  zu  Zürich.    11.  Sept. 

Felix,  Papst,  mit  dem  Schwert  (M).  t  274.  30. Mai.  Translatio  22.  De- 
cember.  —  Aufser  den  sechs  genannten  kommen  noch  einige  50  männliche 
Heilige  des  Namens  Felix  vor,  zwischen  denen  mit  Sicherheit  zu  unterschei- 
den oft  höchst  schwierig  ist. 

FermtiuB ,  Märtyrer.  Patron  des  ehemaligen  Klosters  Bleidenstatt,  wo- 
selbst seine  Statue  am  Kirchenportal.   28.  Oktober. 

Fides,  Schwester  des  h.  Moritz,  Mohrin.   Patronin  in  Schlettstadt. 

Fides,  Jungfrau,  welche  zu  Agen  den  Märtyrertod  erlitt;  ohne  Hände, 
die  ihr  abgeschnitten  wurden,  im  Bette  liegend,  ca.  286.   6.  Oktober. 

*  So  schon  am  Atrium  des  Baptisteriums  zu  Aquileja;   Abb.  Mitt.  Kunstdenkm. 
d.  östr.  Kaiserst.  I,  124.    Fig.  25.  26. 


der  Heiligen.  571 

Fides,  Spes  und  Charitas,  Kinder  von  12,  10  und  9  Jahren,  Töchter  der 
h.  Sophia,  jede  mit  einem  Schwert.    1.  August  (1.  Juli). 

Florentins,  ein  Schotte,  Einsiedler,  nachher  Bischof  von  Strafsburg  im 
VII.  Jahrh.,  mit  Waldtieren,  Bär  und  Schafen.  Seine  Legende  imTympa- 
num  des  Portals  zuNieder-Haslach.    7.  November. 

Florian,  ein  Ritter  um  300,  schüttet  aus  einem  Geföfse  Wasser  ins 
Feuer  (weil  er  sich  erboten,  freiwillig  durchs  Feuer  zu  gehen).  Er  ward  zu 
Lorch  in  derEnns  ertränkt,  und  seine  Gebeine  wurden  um  1183  von  dem  Stifte 
St.  Florian  dem  Könige  Kasimir  von  Polen  tibersendet.  Patron  von  Österreich, 
Polen ,  gegen  Feuersbrünste  und  Unfruchtbarkeit.   4.  Mai. 

FlorinuB,  Priester  mit  Weinkanne,  vor  ihm  kniet  ein  Krüppel  mit  Trink- 
gefUfs.   Patron  in  Koblenz  und  Schönau  (in  Nassau)  17.  November. 

Foillanns  (Pholiauus),  ein  Schotteumönch  und  geistlicher  Freund  der  h. 
Gertrud.  Er  stiftete  mit  seinem  Bruder  St.  Ultanus  das  Kloster  Fosse  bei 
Nivelles.   Patron  einer  Kirche  in  Aachen,   t  655.  31.  Oktober. 

Forkemns,  Britannier,  zuletzt  Nachfolger  des  h.  Luman.  Bischof,  beim 
Glockengufs.   Patron  der  Glockengiefser.    17.  Februar. 

Fortnnata,  Jungfrau,  Märtyrerin,  ihr  Kopf  zersägt,  dann  abgeschlagen. 
14.  Oktober.   Ihr  Schrein  auf  Reichenau. 

Franoiscns  von  Assisi  (eigentlich  Giovanni  Bemadoni;  Francesco  genannt, 
weil  er  als  Kaufmann  früh  französisch  lernen  mufste),  in  der  Kleidung  seines 
Ordens,  hält  einen  Lilienstengel  in  der  Hand  und  ist  mit  den  5  Wunden- 
malen Christi  bezeichnet  (stigmatisiert);  oft  trägt  er  ein  Kruzifix  in  der 
Hand,  von  dem  sich  in  roten  Linien  die  Stigmata  auf  seinen  Körper  fortpflanzen ; 
behufs  der  Seitenwunde  ist  ein  Loch  in  seiner  Kutte.  Christus  erscheint  ihm 
in  Gestalt  eines  Seraphs  {Doctor  seraphicus) ;  da  er  bei  dieser  Gelegenheit  die 
Stigmatisierung  erhält,  so  wird  auch  beides  derart  kombiniert,  dafs  die  Er- 
scheinung die  Gestalt  des  Gekreuzigten  mit  den  6  Seraphsflügeln  hat  (z.  B. 
Kupferstich  des  Meisters  E.  S.  in  der  Coli.  Weigeliana  II,  364  No.  428; 
Holzschn.  d.  G.Mus.,  Taf.  32;  Kelch  zu  Ohrenbach  bei  Rothenburg  o.Taub. 
Abb.  Chr.  K.-Bl.  1874,  88).  Er  predigt  den  Vögeln.  Mit  einem  Lamme  (das 
er  wie  eine  Tochter  liebte  und  oft  im  Busen  trug).  Seine  Legende  1512  zu 
Nürnberg  mit  57  Holzschn.  gedruckt,  t  1226.  t4.  Oktober,  kanon.  1228. 
Transl.  25.  (24)  Mai.  Stigmatisation  17.  September  (seit  1605  fttr  die  ganze 
kathol.  Kirche  obligatorisch). 

Fridolin  (Fridold^  auch  Trudelin  genannt),  Abt,  mit  einem  Toten,  den 
er  nach  der  Legende  als  Zeugen  für  eine  von  demselben  gemachte  Schenkung 
an  sein  Kloster  vom  Tode  erweckte  und  vor  Gericht  führte,  daher  der  Tote 
oft  eine  besiegelte  Urkunde  in  der  Hand  hält.  Patron  von  Säckingen,  Glarus, 
Strafsburg.  Seine  Legende  o.  0.  u.  J.  ca.  1470 — 1490  in  folio  80  Seiten  stark 
mit  60  Holzschnitten  gedruckt,   t  540  (?).  6.  März.   Transl.  25.  Juni. 

Friedrich,  Bischof  von  Utrecht,  Apostel  von  Seeland,  ermordet  auf  An- 
stiften der  Gattin  des  Kaisers  Ludwig,  dem  er  vorgehalten,  dafs  seine  Ver- 
bindung mit  seiner  Halbschwester  unerlaubt  sei;  mit  Schwert  und  Palme. 
t838.  18.  Juli. 

Fronleichnamsfest  (F.  corporis  Christi) :  ward  zwar  schon  seit  1264  vor- 
geschrieben, in  Deutschland  aber  erst  gegen  Ende  des  XIV.  Jahrb.,  zu  Ehren 
des  Leibes  Christi  in  der  Hostie,  allgemein  gefeiert :  Donnerstags  nach  Trini- 


572  Verzeichnis 

tatis.  Auf  Bildern ;  welche  sich  auf  dieses  Fest  beziehen,  ist  eine  Prozession 
dargestellt  y  in  der  ein  Priester  mit  der  Monstranz  den  Glanzpunkt  bildet. 

Oallns,  Gründer  und  Abt  von  St.  Gallen,  als  Eremit  mit  einem  Stabe ;  ein 
Bär,  der  ihn  bediente,  steht  ihm  zur  Seite.  t640.  16.  Okt.;  Elevatio  20.  Febr. 

Oangolf,  ein  burgundischer  Ritter,  steht  an  einer  Quelle,  die  er  in  der 
Champagne  gekauft  hatte  und  in  seinem  Garten  zu  Varennes  in  Burgund  zum 
Vorschein  kommen  liefs.  An  dieser  Quelle  betraf  er  seine  Frau  im  Ehebruche 
mit  einem  Priester,  der  ihn  mit  einem  Wurfspiefs  hinterrücks  tötete.  Patron 
einer  im  XL  Jahrh.  gegründeten  Kirche  zu  Bamberg,  auch  in  Toni  und  Trier, 
besonders  beliebt  in  den  Niederlanden  (Patron  von  Haarlem),  von  wo  seine 
Verehrung  durch  Kolonisten  im  XII.  Jahrh.  auch  nach  Sachsen  verpflanzt  wurde : 
er  ist  z.  B.  Patron  der  Kirche  des  flämischen  Kolonistendorfes  Bocho  bei  Jüter- 
bog,  t  um  760.   11.  Mai  (in  Basel),  sonst  13.  Mai. 

Oebhard  von  Bregenz,  Bischof  von  Konstanz,  Stifter  von  Petershausen, 
daher  mit  Stab  und  Kirchenmodell,   t  996.    27.  August. 

Die  vier  Gekrönten,  deren  Namen  (Sev er us,  Severianus,  Carpopho- 
rus  und  Victorinus)  man  erst  später  erfuhr,  und  sie  deshalb  zuerst,  weil 
Kronen  über  ihrem  Flutengrabe  erschienen,  nur  als  Coronati  bezeichnete, 
waren  römische  Soldaten,  welche  sich  weigerten  ein  Aeskulapbild  anzubeten. 
Ihre  Legende  ist  verworren  mit  derjenigen  der  5  pannonischen  Steinmetzen 
(Claudius,  Castorius,  Symphorianus,  Nikostratus  und  der  von  ihnen 
bekehrte  Simplicius),  welche  sich  unter  Diokletian  weigerten  ein  Kultusbild 
des  Aeskulap  zu  arbeiten ,  daher  zwischen  Bretter  geschnürt  und  bei  Sirmium 
ins  Wasser  gestürzt  wurden.  Mit  diesen  haben  sie  denselben  Festtag  8.  No- 
vember und  sind  sie  als  Patrone  der  Steinmetzen  oft  auch  bildlich  kombiniert, 
so  auf  dem  Grabsteine  des  Wolfgang Tenck  1 1513  zu  Wien  (Abb.  Mitt  C.-K. 
XVn,  S.  LI.)  und  an  den  Konsolen  der  ihnen  und  Karl  d.  Gr.  geweihten  Ka- 
pelle  am  Aachener  Münster.  (Watt e n b a c h ,  W.,  Passio  sanctorum  4  coronatorum, 
aus  einer  Gothaer  IIs.,  mit  einem  Nachworte  von  Th.  Geo.  v.  Karajan.  1853.  Ab- 
gedruckt aus  den  Sitzungsberichten  der  philos.-histor.  Klasse  der  Akademie  der  Wis- 
sensch.  zu  Wien,  X,  115  ff.  —  Dieselbe  m.  archäol.  Erläuterungen  von  0.  Benndorf 
u.  Max  Büdinger  1870  (vergl.  A.  Ilg  in  den  Mitt.  C.-K.  XVH,  S.  XLVII  f.  m. 
Holzschn).  —  A.  von  Cohausen  u.  E.  Wörner,  Römische  Steinbrüche  1876.) 

OenoyefiEi,  Nonne  zu  Paris  f  512,  hält  ein  Licht  in  der  Hand  (weil  sie 
die  vom  Teufel  mit  einem  Blasebalg  ausgelöschten  Kerzen  in  der  Vigilie  ohne 
Feuer  wieder  anzündete).  Patronin  von  Paris ,  gegen  Dürre  (weil  sie  die 
bei  der  Dionysiuskirche  beschäftigten  durstenden  Arbeiter  tränkte,  so  dafs  sie 
bis  zur  Beendigung  des  Baues  keinen  Durst  mehr  empfanden).  3.  Januar  (in 
Breslau   9.  Januar). 

Oenovefa  von  Brabant  wurde  von  ihrem  Gemahl,  dem  Grafen  Siegfried 
des  Maiengaues,  unschuldig  in  die  Wildnis  verstofsen  und  daselbst  nach  6  Jahren, 
mit  ihrem  Kinde  von  einer  Hirschkuh  ernährt,  in  einer  Höhle  halbnackt 
wiedergefunden.  28.  Oktober.  (Vergl.  den  Artikel  Genovefa  von  Jul.  Zacher 
in  der  Encycl.  von  Gruber  u.  Ersch  Sect.  I.  Bd.  62. 

Georg,  Ritter  zu  Pferde  oder  zu  Fufs,  tötet  den  Lindwurm,  dem  eine 
Königstochter  (Aja  oder  ChleduUnde)  zur  Beute  ausgesetzt  war ;  die  königl. 
Altern  schauen  zu.  Als  Märtyrer  gerädert  (so  an  der  Georgskirche  zu  Tü- 
bingen) —  das  mit  scharfen  Messerklingen  besetzte  Rad  zerbrach  ähnlich  wie 


der  Heiligen.  573 

in  der  Legende  der  Katharina  von  Alexandrien  —  von  Pferden  geschleift  wie 
St.  Hippolyt  und  nach  vielen  anderen  Martern  enthauptet.  £in  Cyklus  von  50 
Scenen  aus  seiner  Legende  in  den  Wandgemälden  des  Herrenhauses  von  Schlofs 
Neu  haus  in  Böhmen  aus  dem  XIV.  Jahrh.,  ein  anderer  auf  dem  Altar  im  Wall- 
raf-Museum  zu  KölnNo.  172—176.  Einer  der  14 Nothelfer.  Er  spendet  den 
Kriegern  Sieg  und  gutes  Wetter  und  ist  seit  dem  XIV.  Jahrh.  einer  der  am  mei- 
sten gefeierten  Heiligen.  Patron  der  Ritter,  der  Reisenden  und  Spitäler,  von 
Deutschland,  Bayern,  Eisenach,  Mansfeld,  Ulm  etc.  23.  (24.)  April.  Translatio 
11.  December.  (Vrgl.  v.  Gutschmied,  über  die  Sage  vom  heil.  Georg,  in  den  Berich- 
ten über  die  Verhandl.  der  k.  Sachs.  Gesellschaft  der  Wissensch.  Philos.  -  histor.  Klasse. 
1861.  —  von  Kretzschmar,  die  Leg.  des  h.  G.  u.  ihre  Darstellung,  in  Mitt.  des 
Sachs.  Altert.  Vereins,  Heft  XXI;  1871.  —  Ders.,  im  Jahrb.  d.  K.  Preufs.  Kunst- 
sammlungen 1883,  X,  93  ff.,  m.  Abb.  von  dem  Kölner  Altäre.  —  Riehl,  B.,  St.. Mi- 
chael u.  St.  Georg  in  der  bildenden  Kunst.     1883.) 

Gereon,  Ritter  der  thebaischen  Legion,  mit  der  Fahne,  der  dem  Unter- 
gange der  Legion  entkommen,  später  bei  Köln  mit  seiner  heiligen  Schar  von 
318  (mit  griechischen  Zahlbuchstaben  geschrieben:  TIH  =  Kreuz  Jesu.  Vergl. 
I  Mose  14,  14)  Gefährten,  >quorum  nomina  Deus  scihj  den  Märtyrertod  fand. 
Die  heil.  Helena  erbaute  die  Kirche  St.  Gereon  in  Köln  zu  den  goldenen  Mär- 
tyrern über  ihren  Gebeinen.    Patron  von  Köln.    10.  Okt. 

Gerhard,  Bischof  von  Czanad,  mit  pfeildurchbohrtem  Herzen.  tl046. 
24.  Septbr.   Es  giebt  noch  6  andere  dieses  Namens. 

Geroldns,  Einsiedler  aus  sächsischem  Herzogsgeschlecht  im  X.  Jahrh. 
Mit  Lanze  (M),  neben  ihm  ein  Esel.    19.  April. 

Gertrud,  geb.  626,  eine  Tochter  Pipins  von  Landen,  Äbtissin  des  von 
ihrer  Mutter  Iduberga  (Itta)  gestifteten  Klosters  zu  Nivelles  in  Brabant,  hält 
eine  Lilie  in  der  Hand,  steht  von  Ratten  und  Mäusen  umgeben  am  Wasser. 
Scheidende,  oder  versöhnte  Feinde  tranken  »St.  Gertruden  Minne«.  Beschütze- 
rin der  Reisenden,  der  Armen,  der  Gräber  (weil  sie  die  Verstorbenen  in  der 
ersten  Nacht  nach  deren  Tode  beherbergt),  gegen  Ratten  und  Mäuse.  Patronin 
zahlloser  Spitäler.  t659.  17.  März.  Elevatio  10.  Febr.  Translatio  4.  Sept.  etc. 
(S.  den  Artikel  Gertrud  von  Nivelles  von  Zacher,  a.  a.  0.,  105  — 108.) 

Gertrud,  Äbtissin  des  Prämonstratenserklosters  Altenberg  a.  d.  Lahn, 
Tochter  der  heil.  Elisabeth,  t  1297.  13.  Aug.,  elevatio  1334,  selig  gesprochen 
1350.  15.  Nov.  Ihr  Grabstein  in  Altenberg.  (S.  den  Artikel  von  Ph.H.Külb  ebd.) 

Gervasius  und  Protasins,  zwei  Brüder  zur  Zeit  Neros,  erduldeten  in 
Mailand  den  Märtyrertod ;  ihre  Gebeine  wurden  von  dem  heil.  Ambrosius  er- 
hoben und  von  K.  Friedrich  Barbarossa  in  das  Münster  von  Alt-Breisach  über- 
tragen. Ihr  Fest  fällt  19.  Juni.  Gervasius  wird  mit  einer  Keule  oder  einen 
Hammer  (M)  abgebildet  oder  mit  bleierner  Geifsel,  Protasius  mit  Schwert. 

Gisela,  Gemahlin  des  Königs  Stephan  von  Ungarn,  dann  Äbtissin,  f  1095 
—  Tag?  Ihr  Grabstein  im  Klost.  Niederburg  zu  Passau. 

Goar,  Priester  und  Eremit  zu  Trier  um  580.  Drei  Hindinnen  gaben 
ihm  ihre  Milch,  womit  er  die  ihn  Gefangennehmenden  tränkte;  ein  Teufel 
sitzt  auf  seiner  Schulter;  er  hält  einen  Topf  in  seiner  Hand ;  sein  Hut  hängt 
an  einem  Sonnenstrahl.  Patron  der  Töpfer.  6.  Juli.  Translatio  25.  Mai.  Grab- 
stein in  der  Stiftskirche  zu  St.  Goar. 


574  Verzeichnis 

Oodeberta,  Jungfrau  im  VII.  Jalirh.,  mit  einem  Ringe  (durch  den  sie 
von  dem  h.  EligiuB  mit  Christus  vermählt  wurde).    11.  April. 

Gottfried  von  Kappenberg,  Ritter,  dann  Prämonstratensermönch,  Gefährte 
des  h.  Norbert,  Stifter  der  Klöster  Ilbenstadt  (bei  Frankfurt  a.  M.),  Kappen- 
berg und  Varlar  (bei  Koesfeld).  Er  trägt  eine  Schüssel  mit  Broten  oder  das 
Modell  einer  Kirche,  f  1127.  13.  Jan.  zu  Ilbenstadt.  Elevatio  13.  Januar 
1149.  Seine  Gebeine  wurden  zwischen  Kappenberg  und  Ilbenstadt  ge- 
teilt, daher  an  beiden  Orten  seine  Grabmäler. 

Gotthard  (Godehard),  ein  Bayer,  geb.  900,  nach  einander  Vorstand  der 
Klöster  Nieder- Altaich,  Tegernsee,  Kremsmünster  und  Hersfeld;  seit  1022 
Bischof  von  Hildesheim.  Kirchenmodell.  Patron  von  Gotha,  von  Kirchen 
in  Hildesheim,  Brandenburg  etc.  t  1038.  5.  Mai,  kanon.  1131.  29.  Oktober. 
Traiislatio  1132.   4.  Mai.    Sein  Schrein  im  Dome  zu  Hildesheim. 

Gottsohalk,  Wendenfürst,  t  1066  in  der  Schlacht  bei  Lenzen.    7.  Juni. 

Gregor  der  Grofse,  Papst  und  Kirchenlehrer.  Eine  Taube  sitzt  auf  sei- 
ner Schulter.  Im  Spätmittelalter  ist  die  Messe  Gregors  einer  der  beliebtesten 
Vorwürfe  für  die  bildende  Kunst,  als  Veranschaulichung  einer  Vision,  die  dem 
pontificierenden  Papste  einst  auf  dem  Jerusalems -Altare  der  Kirche  Porta 
Crucis  in  Rom  auf  sein  Gebet  zur  Überzeugung  einer  ungläubigen  Frau  zu 
teil  wurde:  er  kniet,  von  Geistlichen  umgeben,  vor  dem  Altar,  auf  dem 
Christus ,  vom  Kreuze  herabgestiegen ,  Blut  aus  der  Seitenwunde  in  den  Kelch 
träufelt;  oder  Christus  steht  auf  dem  Altare  im  offenen  Grabe,  und  der  Kelch, 
aus  welchem  Blut  fliefst,  liegt  auf  der  Patene.  Mit  der  Verehrung  dieser 
namentlich  auch  durch  den  Holzschnitt  (zahlreiche  aus  dem  XV.  Jahrh.  be- 
schrieben in  der  Coli.  Weigeliana)  verbreiteten  Bilder  hatte  schon  Gregor  selbst 
einen  Ablafs  von  14000  Jahren  verbunden,  nachher  noch  40 Päpste  je  6  Jahre 
und  zahlreiche  Bischöfe  je  40  Tage.  —  Patron  der  Schottenabtei  in  Wien. 
t  604.  12.  März.  —  Aufserdem  giebt  es  noch  28  andere  heilige  Gregore, 
unter  denen  einer  ein  Gefährte  des  h.  Gereon  ehemals  Patron  in  Küdinghoven 
war;  ein  anderer,  Bischof  von  Utrecht,  Schüler  des  h.  Bonifatius.  t  775. 
25.  August. 

Gndnla,  eine  Jungfrau  ausBrabant,  Tochter  der  h.  Amalberga.  Sie  hält 
eine  Lampe  (welche  ihr  der  Teufel  ausgeblasen,  die  sich  aber  auf  ihr  Gebet 
wieder  entzündete).   Patronin  von  Brüssel.   8.  Januar. 

Gompertas  {Guntbertus),  ostfränkischer  Graf,  dann  Benediktiner  und 
erster  Abt  des  von  ihm  gegründeten  Gumpertiklosters  in  Ansbach,  t  vor  800. 
—  11.  März.  Translatio  solennis  15.  Juli.  Sein  Grabmal  von  1523  in  seiner 
Kirche  zu  Ansbach. 

Gundekar,  Bischof  von  Eichstädt.   t  1075.  2.  August. 

Gatmann  {Homohonus)j  Kaufmann  (Gewandschneider)  in  Oremona;  ver- 
teilt seine  Güter  unter  die  Armen,  mit  Elle  und  Schere.  Patron  der  Schnei- 
der.  Legende  mit  Holzschn.  gedruckt  Leipzig  1518.   f  1197.    13.  Nov. 

Hartmann,  Bischof  von  Brixen.   f  1165.  30.  Oktober. 

Hedwig,  Gemahlin  Herzog  Heinrichs  des  Bärtigen  von  Schlesien,  als 
Nonne,  geht  (aus  Demut)  barfufs  und  trägt  ihre  Schuhe  in  der  Hand;  auch 
hält  sie  als  Stifterin  von  Trebnitz  das  Modell  einer  Kirche  oder  einer  Sta- 
tuettederh.  Jungfrau  mit  dem  Kinde.  Patronin  von  Schlesien,  Lebus,  Frank- 
furt a.  d.  0.  t  1243.  15.  Okt.,  kanon.  1267.   Translatio  17.  (25.)  Aug.  1268. 


der  Heiligen.  575 

Ihr  Grabstein  ioTrebnitz.  Ihre  Legende  unter  anderen  in  den  Gemälden  ihres 
Altars  in  St.  Katharinen  zu  Brandenburg;  gedruckt  deutsch  mit  69  Holz- 
schnitten 1504  zu  Breslau ;  nach  der  1353  von  Nikolaus  von  Preufsen  ange- 
fertigten Handschrift  der  Piaristenbibliothek  zu  Schlakenwerth  (vergi.  über 
dieselbe  Schlesiens  Vorzeit  in  B.  u  Sehr.,  HI,  99  f.)  herausgegeben  von  von  Wolfs- 
kron,  Ad.  L.,  die  Legende  der  h.  H.  etc.  mit  61  gemalten  Lithographien 
1846,  und  nach  der  deutschen  Handschrift  von  1451  in  der  Univers.-Bibl.  zu 
Breslau  von  Luchs,  Herm.,  über  die  Bilder  der  Hedwigslegende.  M.  25 
Holzschn.    1861. 

Heinrich  n.,  römischer  Kaiser,  hält  das  Modell  einer  Kirche,  auch  2 
Schwerter,  mit  Kunigunde  zusammen  eine  Lilie.  Patron  und  Stifter  des  Bis- 
tums Bamberg,  Restaurator  des  Stifts  Merseburg,  f  13.  Juli  1024;  kanon. 
1146;  (12.)  14.  Juli.  Seine  Legende  am  Grabmal  im  Dome  zu  Bamberg,  ge- 
druckt deutsch  1493  zu  Nürnberg,  1511  zu  Bamberg,  beide  mit  Holzschnitten. 
(Vita  bei  Pertz.    Mon.  G. ,  IV,  792  -  820.) 

Heinrich  Soso  (Amandus),  Dominikaner  aus  Konstanz;  kniet  vor  der 
himmlischen  Weisheit  (Maria?),  auf  der  Brust  ti|0,  um  das  Haupt  Strahlen- 
glorie und  Rosenkranz ,  vor  ihm  ein  Hund  mit  einem  Tüchlein  im  Maule,  hinter 
ihm  ein  Baum,  von  dem  das  Christkind  Blütenzweige  herabwirft  (so  in  den 
Holzschn.  des  Germ.  Mus.,  Taf.  92,  von  ca.  1470-1490).   t  1365.   25.  Januar. 

Helena,  Königin,  Mutter  Konstantins  desGrofsen,  trägt  das  Kreuz  Christi 
und  die  Nägel  (weil  sie  dieselben  zu  Jerusalem  auffand).  Patronin  von  Trier« 
18.  Aug.  (oder  verschiedene  andere  Tage,  besonders  8.  Februar,  doch  scheint 
auch  eine  Verwechselung  mit  der  h.  Jungfrau  Helena  von  Auxerre,  deren 
Tag  auf  den  22.  Mai  fUllt,  obzuwalten). 

Hemma,  Gräfin  von  Friesach,  Witwe.  XI.  Jahrb.  Stifterin  von  Gurk,  wo 
ihr  Sarkophag  und  Altar  aus  der  Zopfzeit.    29.  Juni. 

Heribert,  Erzbischof  von  Köln,  t  16.  März  1021.  Elevatio  1147.  Trans- 
latio  30.  August.  Seine  Legende  in  den  Medaillons  an  seinem  Schrein  zu  D  e  utz. 
Daselbst  sein  Stab  und  Becher. 

Hermagoras,  Bischof  von  Aquileja  im  I.  Jahrh.  (Der  Name  dieses  Heili- 
gen findet  sich  in  Kärnthen  und  Krain  in  Emohar  korrumpiert.)    12.  Juli. 

Hermann  (Joseph!) ,  Prämonstratenser,  bietet  als  Kind  dem  Christkinde 
auf  einer  Madonnenstatue  einen  Apfel  dar  (so  in  einer  Marmorskulptur  in  St. 
Maria  im  Kapitol  zu  Köln),  t  nach  1230.  T.April.  (Yergl.  kurzgefaCste  Lebens- 
beschreibung des  h.  Heim.  Jos.  Köln  1839.) 

Hermes»  Ritter  mit  Fahne  und  Kreuzschild,  Patron  in  Warbeyen 
gegenüber  Emmerich.    27.  April. 

HieronymuB  von  Strido,  Presbyter,  meist  in  Kardinalstracbt  dargestellt, 
weil  ihn  nach  der  Legende  Papst  Damasus  zum  Kardinal  ernannt,  ein  Löwe 
neben  ihm  dem  er  einen  Dom  aus  der  Tatze  gezogen  hatte ;  er  studiert  in  ein- 
samer Wildnis;  ein  Totenkopf  liegt  vor  ihm,  ein  Stein,  als  Zeichen  der  Ab- 
tötung,  in  seiner  Hand.  Häufig  in  seiner  Bufse  dargestellt  (keine  Codices 
saeculares  mehr  zu  lesen)  nach  seiner  eigenen  Erzählung  von  seinem  Traum- 
gesicht in  der  ep.  17  und  22  ad  Eustochium,  so  auf  einem  Holzschnitt  in  Coli. 
Weigeliana  I,  156,  No.  93.  Seine  vita  deutsch  ohne  Titel  gedruckt  1484  zu 
Lübeck  durch  Barthol.  Oothan.  Seine  Legende  z.  B.  in  den  Glasgemälden 
aus  der  Burgkirche  in  St.  Marien  daselbst,   f  420.  30.  September. 


576  Verzeichnis 

Hilarion,  Eremit  (Abt)  um  370  anfOypern.  Cr  bannt,  in  Felle  gekleidet, 
einen  Drachen  durch  das  Kreuzeszeichen  und  verbrennt  ihn  auf  einem  Schei- 
terhaufen.  21.  Okotber. 

Hildegard  von  Frankreich,  Gemahlin  Karls  des  Grofsen,  in  königl.  Schmuck. 
Patronin  der  Kranken,  des  Stifts  Kempten,  f  783.  22.  Juli.  —  Eine  andere 
Hildegard,  1136  Äbtissin  auf  Disibodenberg,  dann  1141  Stifterin  undÄbtis- 
sin  des  Robertiklosters  (Rupertsberg)  bei  Bingen,  durch  ihre  Visionen  berühmt, 
t  1180.    17.  Septbr.,  ist  niemals  förmlich  kanonisiert  worden. 

Hildegonde,  Cistercienserin  in  Schönau  bei  Heidelberg ;  ein  Engel  be- 
gleitet sie  zu  Pferde,   t  1188.  20.  April. 

Hippolytuf ,  nach  Eusebius  und  Hieronymus  ein  Bischof,  sie  wissen  aber 
nicht:  wo?  nach  Prudentius  ein  Priester,  der  um  304  zu  Portus  bei  Rom 
von  Pferden  geschleift  den  Märtyrertod  erlitt ;  so  ist  er  auch  dargestellt  in 
den  Wandgemälden  zu  Brau w eiler  —  vielleicht  nur  Übertragung  der  antiken 
Hippolytus-Mythe.  —  Berühmte  sitzende  Statue  mit  der  Ostertafel  zu  Rom.  — 
Nach  einer  anderen  Passio  ist  er  römischer  Officier  und  Märtyrer  unter  Vale- 
rianns  und  erscheint  als  Krieger  mit  Fahne  oder  Lanze  und  Schild,  so  auf 
dem  Siegel  des  ihm  geweihten  Stifts  Gerresheim,  ebenso  auf  einem  Grabmal 
aus  dem  XIV.  Jahrh.  in  dem  im  VIII.  Jahrh.  gegründeten  und  ihm  geweihten 
Stifte  St.  Polten  in  der  Diöcese  Passau;  hier  enthält  der  Schild  den  Buchsta- 
ben Y  (sc.  Yppolitus).    13.  August. 

Honoratas,  confessor.   28.  März.   Schrein  in  Sieg  bürg. 

Hroznata,  böhmischer  Edelmann,  Gründer  des  Stifts  Tepl.  f.  1217. 
14.  Juli. 

Kubertau (Humbertus)j  als  Jäger,  zwei  Pfeile  haltend.  Neben  ihm  steht 
ein  Hirsch,  welcher  zwischen  dem  Geweih  ein  Kruzifix  trägt,  durch  dessen 
Anblick  er  auf  der  Jagd  bekehrt  wurde.  Er  starb  als  Bischof  von  Lüttich  727. 
»Hubertusschlüssel«  wurden  in  den  Kirchen  aufbewahrt;  man  brannte  damit 
Wunden  von  Hundebifs  aus.  Patron  der  Jäger,  gegen  Hundswut ;  von  Lüttich, 
Jülich,  Augsbui'g.  Depos.  3.  Nov.  Verschiedene  Translationen:  743.  29. Mai; 
825.  30.  Sept. ;  20.  December  etc. 

Hülpa,  s.  Kümmernis. 

Hogo,  Erzbischof  von  Ronen,  treibt  mit  Monstranz  Teufel  aus.  t  730. 
9.  April.  —  Ein  anderer,  Bischof  von  Grenoble,  mit  Schwan  zu  seinen  Füfsen. 
t  1132.   1.  April. 

Hnna,  eine  nicht  recht  anerkannte  elsässische  Heilige,  Verwandte  der  h. 
Odilia,  welche  Kranke  in  einem  vom  h.Deodat  wunderbar  für  sie  geschaffenen 
Brunnen  wusch.  Ihre  Legende  handschriftlich  von  1520,  in  Wandgemälden 
der  Kirche  zu  Hunaweier  im  Ober-Elsafs.  f  687.  15.  April. 

Hyacinthns,  als  Dominikaner  vonKrakau  oder  als  Bischof,  trägt  heilige 
Geräte  (Kelch,  Heiligenbilder  etc.)  und  geht  auf  dem  Wasser  (dem  Dniepr 
oder  der  Weichsel).  Apostel  der  Polen  und  Litthauer,  t  1257.  15.  August. 
Das  Fest  ist  wegen  des  auf  den  Todestag  dieses  Heiligen  fallenden  Marien- 
festes auf  den  16.  Aug.  verlegt. — Auch  mehrere  andere  Heilige  gleichen  Namens 
kommen  vor,  aber  stets  in  Gemeinschaft  mit  einigen  anderen,  z.  B.  Hyacin- 
thus,  Alexander  und  Tiburtins.   9.  Sept.  etc. 

Jacobos,  s.  Apostel.  —  Nichtapostolische  Heilige  dieses  Namens  giebt 
es  18,  darunter  Jac.  von  Nisibis,  von  Geburt  ein  Britannier  309 — 338 


der  Heiligen.  577 

Bischof  von  Nis.  (Erzb.  von  Antiochia?),  mit  den  11000  Jungfrauen  getötet. 
Sein  Caput  im  Dome  zu  Hildesheim.    15.  Juli. 

Ida  {Ithd)  von  Eckelborn ^  eine  Hirschkuh  zur  Seite ,  welche  in  der 
Wildnis  ihre  Ernährerin  war. 

Ida  von  Toggenburg,  Witwe  des  sächsischen  Grafen  Egbert  von  Herzfeld, 
hält  einen  Raben,  der  einen  Ring  im  Schnabel  trägt  (den  er  ihr  wiederbrachte, 
da  sie  wegen  Verlustes  desselben  von  ihrem  Gemahl  verstofsen  war).  Patro- 
nin in  Herzfeld  bei  Lippstadt  und  Hilbeck  Kreis  Hamm,  f  nach  811  (825?). 
Elevatio  26.  Novbr.  980.  —  4.  Septbr.  Beide  Heilige  dieses  Namens  sind  als 
Nonnen  gekleidet  und  werden  oft  miteinander  verwechselt.  (Yita  S.  Idae  bei 
Pertz,  M.  G.,  11,  570.  —  Leifert,  die  h.  Ida.  1859.  —  Vergl.  Anz.  G.  M.  1862, 
No.  6—8;    1865,  No.  5  ff.) 

Ignatins,  Bischof  von  Antiochia,  welcher  unter  Trajan  in  Fesseln  nach 
Rom  geführt  und  den  Löwen  vorgeworfen  wurde.  Die  Legende,  nach  der  er 
den  Namen  Christi  mit  goldenen  Buchstaben  ins  Herz  geschrieben  hatte,  sieht 
in  ihm  das  Kind,  welches  Jesus  (Matth.  18,  2 — 4)  mitten  unter  die  streitenden 
Jünger  stellte,   t  107  (oder  115?).    1.  Febr.,  Translatio  17.  December. 

Ingenniniu,  Bischof  von  Sähen -Brixen,  Mitpatron  des  Domes  zu  Brixen. 
t  610.    5.  Februar. 

InnocentiuSy  Fahnenträger  der  Thebaischen  Legion.  Sein  Schrein  in 
Siegburg.  Statue  im  Chore  des  Domes  zu  Magdeburg.  —  Innoc.  I  Papst, 
Mitpatron  von  Gandersheim.   f  12.  März  417.    28  Juli. 

Joachim,  Vater  der  Jungfrau  Maria,  trägt  in  einem  Korbe  ein  Paar  Tau- 
ben (Luk.  2,  24)  oder  ein  Lamm,  einen  Rosenkranz,  auch  die  Maria  als  Kind. 
Seinen  Todestag  kennen  die  älteren  Legenden  nicht,  und  sein  Fest  wird  in 
Verbindung  mit  dem  Tage  der  h.  Anna  gefeiert  (in  Mainz  und  Basel  9.  Decbr., 
in  Gnesen  22.  März). 

Jodoona  (Jobst),  als  Eremit,  eine  Krone  (der  er,  zum  Könige  von  Bre- 
tagne bestimmt,  entsagte)  liegt  zu  seinen  Füfsen ;  in  Oberwesel  im  Pilgerkleide. 
Patron  der  SchiflTer  (auch  der  Pilger?),  einer  Kirche  zu  Landshut,  zu  Göschütz 
bei  Schleiz  und  zu  Santoppen  inErmland,  woselbst  seine  Legende  auf  einem 
Flügelaltare.  f  668.  13.  December.  Nach  der  Annahme  einiger  nur  eine 
christliche  Umgestaltung  des  slavischen  Jodute -Swantewit. 

Johanna,  das  Weib  des  Chusa  (Luk.  8,  3.  24,  10),  mit  Salbenbüchse. 
24.  Mai. 

Johannes  CapiBtrannSy  Franziskaner,  predigend  mit  Kruzifix,  über  ihm 
eine  Sonne,   t  1456.    23.  Oktober. 

Johannes  ChrysostomüB  (Goldmund),  Bischof  von  Konstantinopel;  ein 
Bienenkorb  bezeichnet  ihn  als  Homileten  und  Kirchenlehrer ;  seine  Bufse: 
er  kriecht  nackt  auf  Händen  und  Füfsen ;  Patron  gegen  fallende  Sucht,  t  14. 
Sept.  407 ,  sein  Fest  fällt  auf  den  27.  Januar. 

Johannes  der  Eyangelist,  s.  Apostel. 

Johannes  yon  Keponink,  Kanonikus  an  der  Veitskirche  zu  Prag,  angeb- 
lich in  der  Moldan  ertränkt  20.  März  1393 ;  nach  der  erst  behufs  seiner  1729 
erfolgten  Känonisation  festgestellten  Legende  Beichtvater  der  Gemahlin  des 
Kaisers  Wenzel,  der  am  16.  Mai  1383  dies  Schicksal  erlitten  hätte  (vergl.  Joh. 
Balbinus,  vita  Joh.  Nep.  1725.  —  0.  Abel,  die  Leg.  des  h.  Joh.  v.  N.  1855);  mit 

Otte,  Knnit-Arclülologie.    6.  Aafl.  37 


578  Verzeichniß 

Kruzifix  und  5  Sternen  ums  Haupt.   Patron  von  Böhmen  nnd  der  im  Meer 
oder  sonst  in  Lebensgefahr  Befindlichen.  —  16.  Mai. 

Johannes  der  Täufer,  im  Gewände  ausTierfellen,  das  zuweilen  die  Form 
einer  Dalmatik  hat,  oft  mit  struppigem  Haupthaar  (als  Zeichen  der  Bufsübung), 
trägt  das  Lamm  Gottes  auf  einem  Buche  oder  in  Gestalt  einer  grofsen  Hostien- 
scheibe nnd  ein  Kreuzpanier.  Johannisfeuer.  Johanniskronen.  Johanniskraut 
{Hypericum  perforatum),  Johannisküchlein  (mit  neunerlei  Kräutern).  Patron 
von  Breslau,  Gent,  Geldern,  Groningen,  Ingolstadt,  Kleve,  Lübeck,  Leipzig, 
Lüneburg,  Merseburg,  Nördlingen,  Ostfriesland,  Oppenheim,  Saalfeld,  Ut- 
recht, Wesel  —  der  Lämmer  und  Schneider.  Conceptio  24.  Sept.  (Johannes 
albus);  Nativitas  24.  Juni  (Mitsommer,  Singhiten,  Sunnwenden);  Decollatio 
29.  August.  (Vergl.  Sachse,  F.,  Johannes  der  Täufer  im  Mittelalter,  im  Jahresbe- 
richt der  höheren  Knabenschule  in  der  Potsdamer  Str.  zu  Berlin,  1866.)  Oft  wird 
sein  Haupt  auf  einer  Schüssel  (Matth.  14,  10)  dargestellt,  so  auf  vielen  Siegeln 
und  Schlufssteinen,  plastisch  in  Schnitzwerk  im  Dome  zu  Naumburg  a.  S. 
mit  der  aus  der  Festliturgie  entnommenen  Minuskelinschrift  auf  dem  Rande 
der  Schüssel :  Puella  saltat,  meretrix  suadety  rex  jübet^  sancius  decollatur. 
Seine  legendarisch  ausgeschmückte  Geschichte  ist  vollständig  auf  dem  ihm 
geweihten  Altare  in  St.  Elisabeth  zu  Marburg  dargestellt. 

Johannes  und  Paulus,  römische  Ritter  mit  Palmen,  starben  unter  Julian 
im  IV.  Jahrb.  zu  Rom  als  Märtyrer:  die  sogen.  Wetterherren;  ihr  Fest: 
26.  Juni:  Hagelfeier. 

Joseph  yon  Arimathia  mit  Salbenbüchse.   17.  März. 

Joseph  der  Kährvater  Jesu,  als  alter  Mann  mit  langem  Bart,  trägt  einen 
Lilienstab  zum  Zeichen  der  Reinheit  seiner  Beziehungen  zur  Maria,  oder  weil 
er  der  einzige  unter  den  als  Freier  um  die  h.  Jungfrau  vom  Hohenpriester  ein- 
geladenen Witwern  war,  dessen  Stab  Blätter  und  Blüten  bekommen  hatte. 
19.  März.  Übrigens  ist  er  erst  im  XVI.  Jahrh.  zum  Range  eines  selbständigen 
Heiligen  emporgestiegen. 

Irmgard  (Irmengard),  Gräfin  von  Zütphen,  Jungfrau,  Pilgerin  vor  einem 
Kreuze  betend,  t  um  1050.  4.  September.  Ihr  Leichnam  befand  sich  im 
Dome  zu  Köln,  ihre  Legende  ist  zu  Köln  1520  gedruckt. 

Irmina  (FtTnina),  Tochter  des  Königs  Dagobert  von  Franken,  Nonne, 
Stifterin  des  Klosters  S.  Maria  ad  horreum  in  Trier.  Ihr  Grabmal  ehedem  in 
St.  Peter  und  Paul  zu  Weifsenburg.   24.  December. 

Judas  Thaddaens,  s.  Apostel. 

Julia,  Jungfrau  aus  Alexandrien,  VI.  Jahrb.,  gekreuzigt.   22.  Mai. 

Jnliana,  Jungfrau  aus  Nikomedien,  Märtyrerin  (zuletzt  enthauptet),  mit 
Teufel  an  der  Kette.   Mitpatronin  in  Dietkirchen.   t  304.  16.  Februar. 

11000  Jun§^au6n,  s.  Ursula. 

Justina,  s.  Oyprian. 

Justinus,  ein  Märtyrer  um  790.    1.  August.   Patron  in  Höchst. 

Justus  und  Clemens,  Presbyter,  Konfessoren,  Patrone  des  Stifts  Bibra. 
5.  Juni  (in  Magdeburg  und  Brandenburg  31.  August).  Heilige  des  Namens 
Justus  führt  Potthast  23  auf. 

Ivo  (Vvo),  ein  Rechtsgelehrter  zu  Orleans,  advocatiis paupenim.  Patron 
der  Juristenfakultäten  z.  B.  zu  Wittenberg,   t  1303.    27.  Oktober. 

Kanut  {Knut)y  König  von  Dänemark,  mit  Pfeil  und  Lanze  (zu  Odense 


der  Heiligen.  579 

durch  einen  Wurfspiefs  getötet).  1 1086.  10.  Juli.  —  Ein  anderer  E.^  Herzog  von 
Schleswig,  1131  im  Walde  Haralstet  getötet,  1169  kanonisiert,  Pati'on  der  St. 
Knutsgilde  in  Schleswig.   7.  Januar. 

Karl  der  Orolse,  als  Kaiser,  mit  einer  Kirche  im  Arme.  Patron  von 
Aachen,  Frankfurt  a.  M.,  Hildesheim,  t  814«  28.  Jan.;  kanon.  1164;  Trans- 
latio  27.  Juli,  4.  August  (Halberstadt).  Seine  Legende  an  seinem  Reliquien- 
schreine zu  Aachen. 

Karthago,  die  7  Märtyrer  von,  auf  Pfähle  gespiefst.  Ihre  Geschichte  im 
Kreuzgange  des  Domes  zu  Brixen.    17.  Juli. 

Kasimir,  polnischer  Prinz,  mit  Krone  und  Lilie,   f  1483.  4.  März. 

Katharina  yon  Alezandrien,  Prinzessin;  mit  einem  zerbrochenen,  mit 
Messern  besetzten  Rade  (welches  der  Blitz  zerschmetterte,  als  sie  gerädert 
werden  sollte),  auch  mit  dem  Schwert  (M).  Sie  disputiert  mit  50  Philosophen, 
verlobt  sich  mit  dem  Christkinde,  wird  enthauptet,  ihr  Leichnam  wird  von 
Engeln  nach  dem  Sinai  getragen.  Patronin  der  Philosophie  und  der  Schulen, 
auch  von  Schiffern  im  Sturme  angerufen,  eine  der  14  Kothelfer,  beliebt  im 
XIII.  Jahrh.,  nachdem  ihre  Verehrung  durch  die  Kreuzztlge  ans  dem  Orient 
in  das  Abendland  verpflanzt  war.  Kompatronin  des  Domes  von  Magdeburg  etc. 
Soll  unter  Maximinus  gelebt  haben.  25.  Nov.  (5.  März).  Ihre  Legende  z.  B. 
am  Hochaltar  der  ihr  geweihten  Kirche  zu  Brandenburg  a.  H.  und  zu  St. 
Kathareinen  bei  Völs  in  Tirol.  Falk,  a.  a.  0.,  92  führt  davon  9  zwischen 
1500  und  1520  gedruckte  deutsche  Ausgaben  mit  Holzschnitten  an. 

Katharina  yon  Siena,  Dominikanerin  mit  Kreuz  und  Wundenmalen  an 
den  Händen,  f  29.  April  1380,  kanonisiert  1461.  Fest  am  30.  April.  Ihre 
Legende  in  Wandgemälden  in  der  Dominikanerkirche  zu  Gebweiler,  gedruckt 
deutsch  mit  Holzschnitten  1515  zu  Augsburg. 

Kilian  (f^yllenä)y  Bischof  von  Würzburg,  Apostel  der  Franken,  mit 
Schwert  und  Dolch  (M).  Patron  von  Franken,  Würzburg,  Korbach.  t  689. 
8.  Juli.  —  Sein  Martyrium  auf  dem  Deckel  seines  Evangeliars  zu  Würz- 
bürg.  (Verzeichnis  von  Kiliansldrchen  bei  Gröfsler  (s.  Bonifatius),  12 — 14.) 

Die  vier  grofsen  Kirchenlehrer:  Oregorius  (der  Papst),  Hieronymus 
(der Kardinal),  Ambrosins  (der  ErzbischoO  und  Angustinus  (der  Bischof), 
von  Bonifaz  VIII.  1295  als  ^quatuor  doctores  et  columnae  ecciesiae  laHnae«^  an- 
erkannt, werden  als  Repräsentanten  der  Kirche  oft  zusammen  dargestellt  und 
sind  an  ihren  Attributen  kenntlich.  Sehr  häufig  werden  sie  mit  den  4  Evan- 
gelisten zusammengestellt,  in  den  Gewölbemalereien  zu  Partenheim  auch  ein- 
zeln mit  deren  Symbolen :  Hieronymus  mit  dem  Menschen ,  Gregorius  mit  dem 
Löwen,  Ambrosius  mit  dem  Stier,  Augustinus  mit  dem  Adler. 

Koloman,  ein  Schotte,  mit  Lanze  (M.,  er  wurde  auf  der  Pilgerreise  nach 
Jerusalem  zu  Stockerau  in  Österreich  13.  Oktober  1012  ermordet),  auch  als 
Pilger  mit  Stab  und  Palmzweig  (so  auf  dem  Siegel  von  Melk).  Patron  von 
Österreich.  —  Ein  anderer  Koloman,  Presbyter,  Gefährte  des  St.  Kilian,  auch 
Genosse  seines  Martyriums,  bat  mit  diesem  zusammen  den  8.  Juli  und  ist  Patron 
mehrerer  Kirchen  in  Bayern,  z.  B.  bei  Schwangau  in  Oberbayem,  Waischen- 
feld in  Oberfranken. 

Die  heil,  drei  Könige  heifsen  seit  Beda  Kaspar,  Balthasar  und  Mel- 
chior, früher:  Appellius,  Amerius  und  Damaskus,  oder:  Ator,  Sator  und  Para- 
toras,  hebräisch:  Galgalat,  Malgalat  und  Sarithim.    Sie  bringen  dem  Christ- 

S7* 


530  Verzeichnis 

kiade  ihre  Gaben  dar:  Kaspar  als  60 jähriger  Greis  in  violetter  Tunika  und 
gelbem  Mantel,  Balthasar  als  40jähriger  Mann  in  gelber  Tunika  nnd  rotem 
Mantel,  Melchior  als  Mohr  20  Jahr  alt  in  roter  Tunika,  gewöhnlich  ohne  Hei- 
ligenscheine. Es  wird  aber  anch  Balthasar  als  der  Mohr  bezeichnet.  Die  Ver* 
teilung  der  Gaben  zeigt  der  Sprach  an ,  der  sich  z.  B.  auf  einer  Glocke  in  St. 
Martin  zu  Braunschweig  und  zu  Löwenhagen  bei  Dransfeld  findet:  Jasper 
fert  mirhamy  ihus  Melchior y  Baltazar  aurum.  Ihre  Leichname  kamen  angeb- 
lich frflh  in  die  Sophienkirche  nach  Konstantinopel,  von  dort  durch  den  h. 
Eustorgius  nach  Mailand  und  von  da  1163  in  den  Dom  zu  Köln,  wo  ihr  be- 
rühmter Schrein  und  das  Dombild  des  Meister  Stephan.  Dort  wurde  auch  ihre 
Legende  deutsch  von  Henrich  von  Nuyfs  mit  Holzschn.  gedruckt.  An  einem 
Portale  desUlmer  und  in  einem  Glasgemälde  des  Bern  er  Münsters  findet  sich 
die  seltene  Darstellung  aus  ihrer  Legende,  wie  jedem  von  ihnen  in  der  Nacht 
vor  der  Geburt  Christi  ein  Wunder  widerfährt:  dem  Kaspar  legt  ein  Straufs 
zwei  Eier,  aus  deren  einem  ein  Lamm,  dem  anderen  ein  Löwe  hervorkommt; 
dem  Balthasar  wächst  eine  Blume,  aus  der  ein  Vogel  hervorfliegt,  welcher  die 
Geburt  Christi  verkündigt;  dem  Melchior  gebiert  seine  Frau  ein  Kind,  das  so- 
fort  den  neugeborenen  König  der  Juden  und  zugleich  seinen  eigenen  nach  33 
Tagen  erfolgenden  Tod  verkündigt.  6.  Januar;  in  Köln  wird  der  obitus  des 
Balthasar  besonders  am  11.  Januar  gefeiert.  (Vergl.  oben  S.  528;  Fr.  R.,  d.  h. 
3  Könige  in  Legende  u.  Kunst,  im  Org.  f.  ehr.  K.  1871.  No.  3.  4.) 

Konrad,  Bischof  von  Konstanz,  mit  Kelch  und  Buch,  oft  Messe  lesend  : 
eine  Spinne  hat  ihr  Gewebe  über  den  Kelch  gebreitet.  Patron  von  Schwaben, 
des  Hochstifts  Konstanz,   t  976.    26.  Nov.,  kanon.  1123. 

Kreuaerfindung:  Fest,  welches  (nach  1376)  am  3.  Mai  zum  Andenken 
der  durch  Helena  veranlafsten  Auffindung  des  wahren  Kreuzes  gefeiert  wird. 
Bildliche  Darstellungen,  z.  B.  in  den  Glasgemälden  aus  der  Burgkirche  in  St. 
Marien  zu  Lübeck  zeigen  den  Juden  Judas,  einen  Enkel  jenes  Zachäus  Luk. 
19,  2,  welchem  der  Ort  der  Kreuzigung  Jesu  aus  Erzählungen  seines  Vaters 
bekannt  war,  der  aber  erst,  nachdem  man  ihn  in  eine  tiefe  Grabe  geworfen, 
durch  Hunger  und  Durst  zur  Angabe  des  Orts  genötigt  werden  konnte,  in 
Gegenwart  der  Helena  und  des  Konstantin  mit  dem  Aufgraben  des  Kreuzes 
beschäftigt.  (Dieser  Judas  wurde  durch  das  wahre  Kreuz  bekehrt  nnd  unter 
dem  Namen  Quiriacus  später  Bischof  von  Jerasalem ;  auf  Verlangen  der  Helena 
fand  er  späterhin  auch  noch  die  drei  oder  vier  Nägel.)  Einen  Teil  des 
Kreuzes  sandte  Helena  nach  Konstantinopel,  der  andere  wurde  in  Jerasalem 
aufbewahrt,  wo  er  später  von  dem  Perserkönig  Cosroes  geraubt  wurde ;  der 
Kaiser  Heraklius  eroberte  jedoch  das  Kreuz  wieder  und  brachte  es  nach  Jera- 
salem zurück ;  zum  Andenken  hieran  wird  das  Fest  der  Kreuierhöhong  am  14. 
Sept.  gefeiert.  Die  bildlichen  Darstellungen  desselben  beziehen  sich  auf  die  Le- 
gende, dafs,  als  Heraklius  im  königlichen  Pompe  mit  dem  Kreuze  seinen  Einzug 
in  Jerusalem  halten  wollte,  er  das  Thor  der  Stadt  wunderbar  geschlossen  fand 
und  einen  Engel  über  demselben,  welcher  ihn  an  den  demütigen  Einzug  Christi 
erinnerte ;  der  Kaiser  kam  nun  barfufs  und  im  Hemde :  da  öffnete  sich  das  Thor. 

Kümmernis  (oder  Wilgefortis  =  virffo  fortis,  auch  Liberata  und  St. 
Hülpe  oder  Gehülpe),  eine  mythische,  nie  kanonisierte  Heilige,  die  am  20. 
Juli  gefeiert  wird.  Sie  scheint  auch  mit  der  h.  Era  (s.  oben)  identisch  zu  sein, 
und  wird  als  eine  bärtige  gekreuzigte  Jungfrau  dargestellt,  die  einen  Pantoffel 


der  Heiligen.  581 

anhat,  während  der  andere  Fufs  blofs  ist.  Zu  ihren  Füfsen  kniet  ein  Geiger, 
der  nach  der  Legende  die  Gekreuzigte  durch  das  Spiel  des  »Rrenzliedes«  er- 
quickte, wofür  sie  ihm  zum  Danke  einen  ihrer  goldenen  Pantoffel  zuwarf.  Als 
er  wegen  dieses  Besitzes  des  Diebstahles  beschuldigt  und  zum  Tode  verurteilt 
an  ihrem  Kreuze  vorttbergeführt  wurde,  erwachte  sie  aus  dem  Todesschlummer 
und  warf  ihm  auch  den  anderen  Pantoffel  zu.  Möglicherweise  haben  Kruzifixe 
des  älteren  bekleideten,  der  späteren  Zeit  befremdlich  gewordenen  Typus  zu 
dieser  Legende  Anlafs  gegeben;  andere  Auslegungen  denken  an  eine  Chri- 
stianisierung der  antiken  Venus  barbata,  oder  der  nordischen  jungfräulichen 
Göttin  Iduna  und  des  Gottes  der  Musik  Bragir.  Die  Bilder  kommen  hauptsäch- 
lich in  Süddeutschland  vor  (z.  B.  Fresko  von  1492  an  der  Virgiliuskirche  zu 
Altenberg  bei  Kaltem  in  Tirol,  6  Bilder  aus  der  Legende  aus  dem  Ende  des 
XV.  Jahrh.  inNeufahren  beiFreising,  Stickerei  auf  einem  der  Burgundischen 
Mefsge wänder  von  ca.  1430  in  der  k.  k.  Schatzkammer  zu  Wien,  Relief  am 
Turme  zu  Oberwinterthurin  der  Schweiz  aus  dem  XV.  Jahrh.),  aber  auch 
in  Emmerich,  an  der  Wasserkapelle  zu  Saal  fei  d  (Abb.  im  Hennebergischeu 
Archiv.  Lief.  1)  und  zu  Neisse  (vergl.  Rübezahl  1870,  349).  Die  Bollandisten 
führen  Wilgefortiskruzifixe  zu  Fulda,  Brüssel,  Mecheln,  Prag  und  Mainz  (Dom) 
an,  ein  St.  Hülfensberg  mit  frequenter  Wallfahrt  seit  1360  befindet  sich  bei 
Geismar  auf  dem  Eichsfelde,  St.  Hülfenskapellen  befanden  sich  auch  zu  Kutlo 
bei  Diepholz*  und  bei  Göttingen  und  ein  St.  Hülpen- Altar  mit  einem  sil- 
bernen St.  Uülpenbilde  1530  in  der  St.  Clemenskirche  zu  Lübeck.  (Vergl.  die 
Bollandisten  Juli,  V,  59  c.  D.  —  Bergmann,  Jos.,  St.  Kümmemufs,  in  den  Mitt. 
C.-K.  I,  132  f.  —  aus'm  Weerth,  I,  5.  —  Lütolf,  Aloys,  Sankt  Kümm.  und  die 
Kümmemisse  der  Schweizer,  im  Geschichtsfreund,  XIX,  183  ff.  m.  Abb.  Einsiedeln 
1863.  —  Das  Kreuzbild  der  h.  Kümm.  zu  Geistthal,  im  Kirchenschmuck,  Seckau  1880, 
118  f.  m.  Abb.) 

Kunibert  (auch  Gumpertus  genannt),  Bischof,  als  persönliche  Auszeichnung 
erster  Erzbischof  von  Köln,  f  663.  Depositio  12.  Nov.  Mit  Kirchenmodell 
oder  Taube.   Patron  in  Köln. 

Knnigunde,  die  (nach  der  Legende  jungfräuliche)  Gemahlin  Kaiser  Hein- 
richs U.,  hält  eine  Pflugschar  (weil  sie  zum  Beweise  ihrer  Keuschheit  über 
glühende  Pflugschare  unverletzt  ging),  auch  eine  Kirche.  Patronin  von  Bam- 
berg, t  1033.  3.  März ;  kanon.  1200.  Translatio  9.  Septbr.  Ihre  Legende 
in  den  Bildern  der  Handschrift  ihrer  vita  um  1200  in  der  Bibliothek  zu  Bam- 
berg (Text  bei  Pertz,  M.  G.  IV,  820—828),  und  an  ihrem  Grabmal  von  Tileman 
Riemenschneider  im  dortigen  Dome. 

Ladislans,  König  von  Ungarn,  wo  sein  Kultus  heimisch  ist.  Mit  Streit- 
axt,  t  1095.    30.  Juli;  kanon.  1198;  Elevatio  27.  Juni;  Depositio  28.  Juli. 

LambertUB,  Bischof  von  Maestricht,  fiel  als  Opfer  der  Rache  seiner  Feinde, 
von  Wurfspiefsen  durchbohrt.  Patron  von  Lüttich,  Münster,  St.  Lambrecht 
in  Steiermark.  1 708.  17.  Sept.  Verschiedene  Translationen:  712.  28.  April; 
1143.  19.  Dec.  etc. 

Lanrentina,  Diakonus  der  römischen  Kirche,  mit  dem  Roste,  auf  dem  er 

*  Das  Siegel  dieser  Kapelle  führt  die  Umschrift:  SigiUvm  sacrosancttie  crucis 
ecclesiue  in  nutlo,  und  in  Widmungsurkunden  für  dieselbe  helTst  es  *detne  guden 
heren  zunte  hulpe,  dat  got  zuluen  is<  oder  »des  hüligen  Cruces  der  hulpe  godes,  dat 
(ßod /uluen  ts«;  vergl.  Mithoff.  V,  167  f. 


582  Verzeichnis 

gebraten  ward,  oder  sein  Diakonenrock  mit  Flammen  bedeckt ,  zuweilen  auch 
mit  einem  Teller  voll  Gold-  und  Silbermttnzen  (als  Bewahrer  der  Kirchenachätze 
von  Rom).  Seine  Verehrung  wurde  besonders  durch  Otto  den  Grofsen  geför- 
derty  nachdem  er  am  Laurentiustage  955  den  Sieg  auf  dem  Lechfelde  davon- 
getragen hatte.  Patron  der  Hochstifter  Merseburg  und  Havelberg,  von  Nürn- 
berg, Wismar  und  vieler  Kirchen  kleinerer  Orte  in  den  sächsischen  Gegenden, 
Frohse,  Loburg,  Möckem,  Schöningen  etc.;  gegen  Feuersbrttnste.  t  258. 
10.  August.   Seine  Legende  z.  B.  am  Schnitzaltar  zu  Teichstätt  in  Tirol. 

Lazams,  Bruder  der  Martha  und  Maria,  dann  nach  der  Legende  erster 
Bischof  von  Marseille.    17.  December  (in  Meifsen  4.  September). 

Leboin  (Zta/>rtn),  englischer  Missionar  an  derYssel,  Geführte  des  h.  Willi- 
brord,  Kompatron  der  Marienkirche  in  Deventer.  Todesjahr  unbekannt,  wohl 
nach  776.  — 12.  November. 

Leobardua,  ein  Rekluse,  Stifter  von  Maursmttnster  im  Elsafs.  t  583.  18. 
Januar. 

Leodegar  (St  Leger,  im  Elsafs  St.  Glückem  oder  Glückhard  genannt), 
Bischof  von  Autun,  mit  einem  Bohrer  in  der  Hand  (womit  ihm  die  Augen  aus- 
gestochen wurden).   Patron  in  Gebweiler,  von  Luzern.   t  678.  2.  (3.)  Okt. 

Leonhard,  Eremit  bei  Limoges,  mit  einer  Kette  um  den  Leib  oder  in 
der  Hand  (weil  er  die  schuldlos  Gefangenen  befreite);  er  half  der  Gemahlin 
Königs  Theodebert  von  Austrasien  bei  einer  schweren  Niederkunft  durch  sein 
Gebet  und  wird,  wie  von  den  Gefangenen,  so  auch  von  den  Kreifsenden  als 
Patron  angerufen.  Die  diesem  Heiligen  gewidmete  Kirche  zu  Gellmersbach 
(O.-A.  Weinsberg)  ist  seit  mehreren  Jahrhunderten  mit  einer  Kette  umgeben; 
an  die  Art  und  Weise,  wie  sie  dahin  gekommen,  knüpfen  sich  viele  Sagen. 
Um  die  St.  Leonhardskirche  auf  dem  Berge  bei  Brixen  schlingt  sich  eine 
Kette,  deren  Glieder  je  einen  Fufs  lang  sind,  und  die  alle  Jahre  ein  neues  Glied 
bekommt;  sie  reicht  schon  2 Vi  mal  um  die  Kirche,  wenn  sie  dreimal  herum- 
reicht, geht  die  Welt  unter  (vergl.  Simrock,  der  gute  Gerhard  und  die  dankbaren 
Toten,  1856,  128  f.).  In  der  Kirche  zu  Aigen  in  Niederbayern  ist  er  abgebildet 
in  den  Wolken,  in  jeder  Hand  das  Ende  einer  Kette  haltend,  welche  sich  bis 
auf  die  Erde  herabsenkt  und  zahlreiches  betendes  Volk  auf  seinen  Knien, 
Priester  und  Vornehme  an  seiner  Spitze  umschlingt.  —  Seine  Legende  in  den 
Glasgemälden  seiner  Kirche  zu  Tamsweg  in  Steiermark.  Er  wird  übrigens 
auch  von  den  Landleuten  in  Viehangelegenheiten  angerufen  und  an  seinem 
Festtage  finden  in  Bayern  und  Tirol  Umritte  der  Bauern  mit  den  Pferden  statt, 
in  Österreich  beschliefst  derselbe  die  Weinlese  und  wird  durch  Festzug  der 
Weinbergshüter  gefeiert,   t  559  (?).  6.  November. 

Leopold  IV.,  Markgraf  von  Österreich,  mit  dem  Modell  einer  Kirche, 
oder  in  Rüstung  mit  Rosenkranz.  Stifter  des  Klosters  Neuburg,  Patron  von 
Österreich,  Kärnthen,  Steiermark.  tll36.  15. Nov.;  kanon.  1485;  Translatio 
15.  Febr.   Seine  Legende  in  den  Ruelandschen  Bildern  zu  Klosterneuburg. 

Levinus  CLepinus,  Livinus),  ein  irischer  Bisehof,  Missionar  von  Brabant, 
mit  einer  Zange  (M),  mit  der  ihm  die  Zunge  ausgerissen  wurde.  Patron  von 
Gent,  Kompatron  mit  S.  Ulrich  in  Magdeburg,   t  659.  12.  Nov. 

Liberata,  s.  Kümmernis. 

Liborius,  Bischof  von  Mans  um  340,  hält  ein  Buch,  worauf  einige  kleine 
Steine  liegen;  ein  Pfau,  der  den  Weg  zeigend  voranflog,  als  man  die  Reli- 


der  Heiligen.  583 

qnieii  dieses  Heiligen  836  von  Mans  nach  Paderborn  brachte ,  wird  neben  ihm 
dargestellt.  Patron  von  Paderborn  —  gegen  Steinschmerzen.  23.  Juli ;  Trans- 
latio  836.   28.  April.   Adventns  reliqn.  zu  Paderborn  28.  Mai. 

Lioba,  Verwandte  des  Bonifatius,  Äbtissin  des  Klosters  Bischofsheim  (ob 
an  der  Tauber  oder  an  der  Rhön,  ist  streitig;  vergl.  die  Yerhandlungen  im  Arch. 
d.  Ver.  f.  Unterfranken  u.  Aschaffenburg.  XXTTI.  1875)  und  Gründerin  von  Lieben- 
zell  (=  Liobenzell)  in  Württemberg,  t  779.  28.  September  zu  Schornsheim. 
Ihre  Gebeine  sind  im  Dome,  ihr  Sarg  in  der  Petersberger  Kapelle  zu  Fulda. 

Longinns,  der  Hauptmann  unter  dem  Kreuze  Jesu  (Matth.  27,  54),  in 
Ritterrüstung,  einen  Drachen  tötend.  (Auch  den  Kriegsknecht,  welcher  Jesu 
in  die  Seite  stach  [Joh.  19,  34],  nennt  die  Legende  Longinus.)  Er  wurde  als 
Christ  unter  dem  Präses  Oktavian  enthauptet.  —  Der  Name  Longinus  er- 
scheint in  den  Kaiendarien  an  verschiedenen  Tagen,  zum  Andenken  verschie- 
dener Märtyrer  dieses  Namens:  15.  März,  2.  Juli,  21.  Juli  etc.  Vergl.  auch 
oben  8.  539. 

Lubentins,  Schüler  des  h.  Martinus,  Missionar  an  der  Mosel  und  am  Rhein, 
mit  Kelch.  Patron  des  ehemaligen  Ohorhermstifts  zu  Dietkirchen  in  Nassau. 
t  6.  Febr.  400  zu  Kobern ;  Festtag  13.  Oktober. 

Lucia,  Jungfrau  von  Syrakus,  trägt  in  einer  Schale  oder  auf  einem  Buche 
ihre  ausgestochenen  Augen;  am  Halse  hat  sie  eine  ihr  mit  einem  Schwerte 
beigebrachte  Schnittwunde.  Patronin  der  Augen,  der  Bauern.  13.  December. 
Translatio  (nach  Venedig)  18.  Jan. 

Lucius,  König  von  Britannien,  der  erste  christliche  König,  im  IL  Jahrb., 
der  dem  Throne  entsagte  und  in  Süddeutschland  als  Missionar  auftrat ;  er  er- 
scheint als  Ritter  mit  königlichen  Insignien,  ein  Schwert  (M)  haltend.  Patron 
von  Chur.  3.  December.  (Aufser  diesem  kommen  noch  etwa  acht  andere 
Heilige  dieses  Namens  vor.) 

Ludanus,  schottischer  Herzogssohn,  als  Pilger,  imElsafsl202.  12.  Febr. 
verstorben.  Patron  einer  Kapelle  bei  Hipsheim  in  Kanton  Erstein,  wo  sein 
Grabmal  von  1492  sich  befindet. 

Lndgardis,  Cisterciensernonne  in  Brabant;  der  Gekreuzigte  umarmt  die 
vor  einem  Kruzifix  betende  Heilige,   f  1246.    16.  Juni. 

Ludger  (Lutgery  LitUffer),  Bischof  von  Münster,  Apostel  der  Sachsen, 
liest  in  einem  Buche  (dem  Breviarium),  oder  mit  Kirchenmodell,  neben  ihm 
zwei  Schwäne.  Patron  von  Ostfriesland ,  Münster,  Billerbeck,  in  Helmstedt, 
Werden  a.  Ruhr,  t  809.  26.  März,  Translatio  24.  April  (3.  Sept.).  (Vergl. 
Diekamp,  die  vitae  S.  Ludg.,  in  Gesch.  Quellen  des  Bist,  Münster,  IV.  1881.) 

Ludmilla,  Herzogin  von  Böhmen,  hält  einen  Schleier  in  der  Hand,  mit 
dem  sie  erdrosselt  wurde.  Patronin  von  Böhmen,  t  927.  16.  Sept.;  Trans- 
latio 10.  Nov.  Basrelief  an  St.  Lorenz  zu  Nürnberg.  Ihr  Grabmal  aus  der 
Mitte  des  XV.  Jahrh.  in  St.  Georg  zu  Prag. 

Ludwig  IX.,  König  von  Frankreich,  hält  Lilienscepter  und  Dornen- 
krone, auch  mit  Taube,   t  1270.  25.  Aug.;  kanon.  1297. 

Ludwig,  Bischof  von  Toulouse,  Franziskaner  -  Ordens ,  ein  Vetter  des 
Vorstehenden,  der  aus  den  königl.  Häusern  von  Neapel,  Sicilien  und  Jerusalem 
stammte,  was  durch  drei  neben  ihm  liegende  Kronen  bezeichnet  wird;  nach 
seinem  Tode  wuchs  eine  Blume  aus  seinem  Munde  (als  Zeichen  seiner  Keusch- 
heit),  t  19.  Aug.  1297;  kanon.  1317. 


584  Verzeichnis 

Lnitwiniu  (Leoduinics),  Gründer  und  Abt  von  Mettlach,  später  BiBchof 
von  Trier,   t  713  zu  Reims.   29.  September. 

Lucas,  8.  Evangelisten.  Die  Legende^  dafs  er  Maler  gewesen  sei, 
stammt  aus  dem  Orient  und  kommt  im  Abendlande  vor  dem  X.  Jahrh.  nicht 
vor.  Patron  der  Maler;  wird  häufig  dargestellt  die  h.  Jungfrau  malend ,  seine 
Legende  z.  B.  auf  dem  Altare  der  Malergilde  in  St.  Katharinen  zu  Lttbeck. 

Lnllus,  Schüler  des  Bonifatius,  Erzbischof  von  Mainz  755 — 786,  Gründer 
von  Hersfeld.    16.  Oktober.   Elevatio  852. 

Magdalena  (Luk.  8,  27)  erscheint  auf  dem  Siegel  des  Präpositus  der 
Magdalenerinnen  in  Germania  (Schultz,  Schlesische  Siegel  bis  1250,  Taf.  VI, 
No.  49)  gekrönt,  stehend  mit  über  der  Brust  gekreuzten  Händen,  in  der  Rech- 
ten ein  Lilienscepter,  rechts  und  links  von  je  drei  Teufelchen  umflogen,  unten 
ein  siebenter  kleiner;  für  gewöhnlich  aber  mit  der  Salbbüchse,  sie  kniet 
unter  dem  Kreuze  Jesu  oder  beim  Noli  me  tangere.  Tradition  und  Legende 
identificiert  sie  durchgehends  mit  der  Schwester  des  Lazarus  und  der  grofsen 
Sünderin,  Luk.  8,  37,  daher  sie  häufig  auch  als  Büfsende  in  der  Wüste  oder 
in  der  Höhle  mit  Totenschädel  und  Kruzifix  oder  in  der  Bibel  lesend  dargestellt 
wird,  auf  altdeutschen  Bildern  auch  vom  Hals  bis  zu  den  Füfsen  in  eng  an- 
schliefsenden  Pelz  gekleidet.  Ihre  Legende  ausführlich  z.  B.  in  den  Glasge- 
mälden aus  der  ehemaligen  Burgkirche  in  St.  Marien  zu  Lübeck.  Patronin 
der  Büfserinnen.  22.  Juli.  Bekehrung:  1.  April.  —  Verschiedene  Transla- 
tionen  6.  Mai,  27.  Febr.,  19.  März. 

Magnus  (Mang),  Benediktinerabt  um  666,  Schüler  des  heil.  Gallus,  Stifter 
des  Klosters  Füssen  in  den  julischen  Alpen ,  eifriger  Vertilger  des  Heidentums 
und  der  reifsenden  Tiere;  er  tötet  mit  dem  Kreuze  einen  Drachen.  Als 
Knabe  hütete  er  Schafe,  zu  deren  Erwerbung  er  von  einem  Engel  Geld  em- 
pfangen etc.  Patron  von  Augsburg ,  Kempten  —  gegen  Raupen.  6.  September. 
—  Noch  ein  anderer  Magnus,  ein  Bischof,  wird  ebenfalls  von  wilden  Tieren 
umgeben  dargestellt;  er  war  ihnen  vorgeworfen  worden,  aber  sie  dienten  ihm; 
durch  dieses  Wunder  wurden  2597  Heiden  bekehrt,  mit  denen  er  unter  Aure- 
lian  zu  Caesarea  in  Kappadocien  als  Märtyrer  starb.    19.  Aug. 

Makkabäer,  die  sieben  Brüder.  1.  August.  Ihre  Geschichte  an  ihrem 
Reliquienkasten  in  St.  Andreas  zu  Köln.   Vergl.  oben  S.  443  No.  1. 

Mallusius,  Ritter  von  der  thebaischen  Legion,  s.  Oassius. 

Mamertus,  Bischof  von  Vienne,  mit  brennendem  Lichte,  t  475. 
1 1.  Mai. 

Marcella,  die  Magd  im  Hause  des  Lazarus  und  seiner  Schwestern. 
11.  Januar. 

Maroeilinus  und  Petrus,  jener  Priester,  dieser  Exorcist  unter  Diokletian, 
mit  dem  Schwerte  hingerichtet  durch  Dorotheus,  der  sich  infolge  davon  bekehrt. 
2.  Juni.  Ihr  Martyrium  unter  den  Wandgemälden  zu  Brauweiler.  Einhard 
brachte  ihre  Gebeine  mit  List  aus  Rom  827  nach  Michelstadt,  später  nach 
Seligenstadt. 

MaroelluSy  Papst;  ein  Esel  an  einer  Krippe  neben  ihm  (weil  er  als  Stall- 
knecht hatte  dienen  müssen),   t  310.    16.  Jan. 

Marcus,  s.  Evangelisten;  als  Bischof  von  Alexandrien  wird  er  auch 
in  Bischofstracht  dargestellt,  gewöhnlich  als  kräftiger  Mann,  untersetzt,  kahl, 
aber  mit  starkem  Barte.  — Heilige  dieses  Namens  kommen  mindestens  20  vor. 


der  Heiligen.  585 

Margareta,  Tochter  des  Sarazenen  Theodocius,  fahrt  einen  gefesselten 
Drachen  und  hält  oft  einen  Stab  oder  ein  Kreuz  in  der  Hand,  auch  ein 
Schwert  (M).  Patronin  der  Gebärenden,  eine  der  14  Nothelfer.  Ihr  Fest  fällt 
in  den  Monat  Juli  und  findet  sich  in  den  Kaiendarien  an  verschiedenen  Tagen  ver- 
zeichnet: 12.  (5.  11.  13.  14.  15. 19.  20.)  Juli.  Ihre  Legende  deutsch  gedruckt 
1500  zu  Magdeburg,  1513  zuKöln.  (Vergl.Holland,W.L.,  die  Leg.  d.h.  Mar.,  1863.) 

Margareta  yon  Ungarn,  Tochter  des  Königs  Bela  IV,  Dominikanemonne, 
hält  in  der  Rechten  einen  Lilienstengel  mit  drei  Blüten,  zu  ihren  Füfsen  das 
Wappen  von  Ungarn  (Holzschn.  in  der  Coli.  Weigeliana  I,  234  No.  147). 
t  1271.   28.  Januar. 

Maria, ^  Von  den  Darstellungen  der  h.  Jungfrau,  sofern  sie  in  das  Gebiet 
der  Bibel  fallen,  ist  schon  oben  S.  525  fifl  bei  den  biblischen  Bildern  und  von  den 
Marientypen,  namentlich  denen  ihrer  Jungfräulichkeit  S.  508  f.  die  Rede  gewesen ; 
durch  die  Beimischung  des  Legendarischen,  besonders  nach  dem  Protevangelium 
Jacobi  (Thilo,  Cod.  apocr.  N.  T.  I,  161—273),  der  Geschichte  der  Kindheit  Jesu 
(ebd.,  339—400)  und  dem  Büchlein  vom  Hingang  Maria,  hat  sich  jedoch  ein 
eigentümlicher  Oyklus  marianischer  Darstellungen  gebildet,  bei  deren  Auf- 
zählung wir  dem  auschlielslich  diesem  Gegenstande  gewidmeten  Prachtwerke 
der  Frau  Anna  Jameson  folgen:^  I.  Marienbilder  als  Gegenstand  religiöser 
Verehrung :  1.  Die  Jungfrau  ohne  das  Kind.  Nach  dem  Mosaikentypus  (in  S. 
Maria  in  Porto  zu  Ravenna  aus  dem  VU.  Jahrh.)  als  verschleierte  Matrone 
mit  betend  ausgebreiteten  Armen ;  zur  rechten  Hand  ihres  verherrlichten  Soh- 
nes sitzend  als  Sponsa  Bei ;  in  einem  Buche  lesend  als  Virgo  sapieiitissima ; 
von  Gott  Vater  und  Christus  gekrönt  als  Virgo  incoronata;  ihren  Mantel  aus- 
breitend über  die  gläubige  Gemeine  als  Mater  misericordiae  »Maria  Schutz« 
oder  »die  Zuflucht  der  Sünder«;  unter  dem  Kreuze  stehend;  ein  Schwert,  auch 
fünf  oder  sieben  Schwerter  in  der  Brust  (Luk.  2,  35),  mit  Beziehung  auf  ihre 
sieben  Schmerzen  (die  Beschneidung  Christi,  die  Flucht  nach  Ägypten,  die 
Verlierung  Jesu  im  Tempel,  die  Kreuztragung  Jesu,  seine  Kreuzigung,  Ab- 
nahme vom  Kreuze,  Grablegung;  im  Gegensatze  dazu  die  sieben  Freuden: 
die  Verkündigung,  die  Heimsuchung,  die  Geburt  Christi,  die  Anbetung  der 

'  von  Lehner,  F.  A.,  über  die  älteste  Ent Wickelung  des  Marienkultus,  iq  den 
Mitt.  C,-K.  Vn,  119 — 127.  — Ulrici,  H.,  über  die  verschiedene  Auffassung  des  Ma- 
donnen-Ideals bei  den  älteren  Malern.  1854.  —  Gent  he,  die  Jungfrau  Maria,  ihre 
Evangelien  u.  ihre  Wunder.  1852.  —  Gumppenberg,  W.,  de  imaginibus  deiparae 
miraculosis.  1657.  —  Öttingor,  E.  M.,  Iconographia  raariana  oder  Versuch  einer 
Litteratur  der  wunderthäti^en  Marienbilder.  1852.  —  Riggenbach,  C,  übermittelalt. 
Skulptur^'erke  in  Basel,  in  Mitt.  C.-K.  XV,  S.  XUS  ff .  —  Die  hervorragendsten 
Scenen  aus  d.  Leben  der  allersel.  Jungfr.,  im  Org.  f.  ehr.  K.  1872.  No.  23  bis  1873. 
No.  4.  —  Eckl,  B.,  die  h.  Familie,  daselbst  J873,  No.  7.  —  U.  Meynard,  la  Sainte 
Vierte.  Paris  1877.  —  Schultz,  Alw.,  die  Legende  vom  Leben  der  Jungfr.  Maria 
und  ihre  Darstellung  in  d.  bild.  K.  des  M.-A.  1878,  —  von  Lehner,  F.  A.,  die  Ma- 
rien verehrunc  in  den  ersten  Jahrhunderten.   Mit  8  Taff.   1881. 

*  Legends  of  the  Madonna,  as  represented  in  the  fine  arts.  By  Mrs.  Jameson. 
London  (1852)  5.  Aufl.  1872.  —  Vergl.  Wagner,  F.,  Nürnberger  BiTdhauerwerke  des 
M.-A,  Heft  1:  Marienbilder  (des  XIV.  bis  XVI.  Jahrb.).  1847.  —  Cyklische  Darstel- 
lungen der  ffanzen  Marienlegende  hat  man  in  Deutschland  eigentlich  nur  in  den  Kupfer- 
sticnserien  aes  Israel  von  Meckenen  (Bartsch,  30 — 41)  und  Albrecht  Dürer  (Bartsch, 
76 — 95).  —  Schwarze  Madonnenbilder  (z.B.  in  Deutschland  zu  Altötting,  in  Nio- 
dermünster  zu  Regensburg)  erinnern  an  Hohelied  1,  5,  sind  aber  gewöhnlich  erst  durch 
das  Alter  imd  den  Rauch  der  Kerzen  und  Räücherungen  schwarz  geworden. 


586  Verzeichnis 

Weisen,  die  Auferstehung  Christi,  die  Ausgiefsnng  des  heil.  Geistes,  die  Krö- 
nung durch  Gott  Vater  und  Christus)  als  Mater  dolorosa  »Schmerzensmutter«; 
auf  der  Mondsichel  stehend,  mit  12  Sternen  gekrönt  und  von  einer  Strahlen- 
glorie umgeben  (nach  der  Erscheinung  Apokal.  12,  1)  »Maria  in  der  Sonnen« 
später  gewöhnlich  als  Conceptio  immaculata  gedeutet,  Virgo  purissima^  »Gottes 
Magd« ;  Regina  sine  labe  originaU  concepta,  »Himmelskönigin«.  Die  seit  dem 
XV.  Jahrh.  aufkommenden  sogen.  Rosenkranzbilder  hängen  zusammen  mit 
den  Rosenkranz •  Brüderschaften  :^  rote  und  weifse  Rosen  (Freuden  und  Leiden 
der  Maria)  umgeben  die  heil.  Jungfrau,  der  alle  Stände  Rosenkränze  über- 
reichen ;  mit  diesen  Bildern  stehen  dann  auch  jene  einfacheren  in  Verbindung, 
auf  denen  »Maria  im  Rosenhag«  dargestellt  ist.  —  2.  Die  Jungfrau  mit  dem 
Kinde.  Auf  einem  Throne  sitzend  mit  dem  Kinde  auf  ihrem  Schofs,  in  feierlich 
ernstem  Typus  als  Sancta  Dei  genitrix,  Virgo  deipara,  »Mutter  Gottes«;  das 
Kind  auf  dem  Arme  haltend,  in  reizend  lieblichem  Typus  als  j}fater  amabiiiSy 
alma  mater.  —  II.  Historische  Bilder.  1.  Das  Leben  der  Jungfrau  von  ihrer 
Geburt  bis  zu  ihrer  Verheiratung  mit  Joseph.  (Die  Legende  von  Joachim  und 
Anna:  die  Verkündigung  der  heil.  Anna.  Joachim  ein  Lamm  tragend,  von 
dem  Hohenpriester  aus  dem  Tempel  gewiesen.  Er  hütet  die  Schafe  im  Gebirge. 
Die  Verkündigung  des  Engels  an  ihn.  Sein  Zusammentreflfen  mit  Anna  an  der 
goldenen  Pforte.  Die  Geburt  der  Maria.  Ihre  Unterrichtung  durch  Anna.  Die 
(dreijährige)  Maria  ersteigt  mit  einer  Kerze  die  (15)  Stufen,  die  zum  Tempel 
in  Jerusalem  hinaufführen.  Sie  webt  und  stickt  Teppiche  und  Priestergewänder 
für  den  Tempel.  Abjathar  wirbt  für  seinen  Sohn  um  sie ,  was  sie  ablehnt.  Der 
Hohepriester  beruft  die  unverheirateten  Männer  mit  ihren  Stäben  zur  Bewerbung 
um  die  Jungfrau ;  der  dessen  Stab  grünt  und  von  dem  eine  Taube  emporsteigt, 
soll  sie  zum  Weibe  haben.  Die  Vermählung  der  14jährigen  Jungfrau  mit  dem 
greisen  Witwer  Joseph;  die  übrigen  Bewerber  zerbrechen  ihre  Stäbe).  — 
2.  Das  Leben  der  Jungfrau  von  der  Verkündigung  bis  zur  Rückkehr  aus 
Ägypten.  (Die  Verkündigung.  Die  Heimsuchung.  Die  Reise  nach  Bethlehem. 
Die  Geburt  Christi.  Die  Anbetung  der  Hirten.  Die  Anbetung  der  Weisen. 
Die  Darstellung  im  Tempel.  Die  Flucht  nach  Ägypten.  Die  Ruhe  auf  der  Flucht. 
Die  Rückkehr  aus  Ägypten.)  Vergl.  oben  S.  526 — 530.  —  3.  Das  Leben  der 
Jungfrau  von  dem  Aufenthalt  in  Ägypten  bis  zur  Kreuzigung  Jesu.  (Die  heilige 
Familie :  Maria  mit  dem  Kinde ;  in  drei  Personen :  M.  mit  Jesus  und  Joseph, 
oder  und  Anna,  oder  und  dem  kleinen  Johannes  d.  Täufer ;  in  vier  Personen : 
M.  mit  Jesus,  Elisabeth  und  Johannes;  in  fünf  Personen :  M.  mit  Jesus  und  Jo- 
seph, Elisabeth  und  Johannes;  in  sechs  Personen:  M.  mit  Jesus  und  Joseph, 
Zacharias,  Elisabeth  und  Johannes  —  die  ganze  h.  Sippe  s.  oben  S.  557  — 
Lukas  malt  die  h.  Jungfrau  mit  dem  Kinde.  Die  Zimmerwerkstatt.  Der  Knabe 
Jesus  lernt  lesen.  Er  wird  im  Tempel  lehrend  von  seinen  Eltern  gefunden. 
Der  Tod  Josephs.  Die  Hochzeit  zu  Kana.  Der  Abschied  Jesu  von  Maria  in 
Bethanien.  Die  Kreuztragnng.  Die  Kreuzigung.  Die  Abnahme  vom  Kreuz. 
Die  Grablegung  und  Beweinung.)  Vergl.  oben  S.  539.  —  4.  Das  Leben  der 
Jungfrau  von  der  Auferstehung  Jesu  bis  zu  ihrer  Himmelfahrt.^    (Der  Aufer- 

'  Vergl.  oben  S.  402.  Ein  Rosenkranzablafs  -  Holzschnitt  von  Hanns  Schawr  von 
Ulm  (ca.  1471—84)  in  den  Holzschn.  des  Ocrm,  Mus,  Taf.  89.  90;  ein  anderer  von  1485, 
wahrscheinlich  von  demselben  in  der  Coli.  Weigeliana.  I,  108. 

■^  Die  bildl.  Darstellungen  vom  Tode  u.  von  der  Himmelfahrt  Maria.   Frankfurt 


^^{^^:^i_imm-^    I 


•    ^ 


der  Heiligen.  5g7 

standene  offenbart  sich  seiner  Mutter.  Die  Himmelfahrt  des  Herrn.  Die  Aus- 
giefsung  des  heil.  Geistes.  Die  Apostel  verabschieden  sich  bei  Maria.  Gabriel 
(mit  Palme)  verkündigt  Maria  ihren  Tod.  Tod  der  Maria;  die  Apostel  sind 
mit  den  kirchlichen  Sterbeceremonien  um  sie  beschäftigt,  Petrus  schwingt  ge- 
wöhnlich das  Rauchfafs;  die  Seele  nimmt  entweder  Christus  direkt  in  Em- 
pfang, oder  ein  Engel  trägt  sie  gen  Himmel.  Ihr  Begräbnis ;  die  Apostel  tragen 
den  Sarg,  die  Hände  der  ihn  antastenden  Juden  fallen  ab  und  bleiben  daran 
hängen ;  dem  Thomas  giebt  ein  Engel  den  Gflrtel  der  Maria.  Die  Himmelfahrt  der 
Maria;  die  Jünger  umstehen  das  Grab,  welches  mit  Rosen  geftlllt  ist;  oft  reicht 
hier  Maria  selbst  dem  Thomas  ihren  Gürtel.  Die  Krönung  der  Maria  ist  oft  gleich 
mit  der  Himmelfahrt  verbunden ;  sonst  kniet  sie  vor  Christus  oder  sitzt  schon  ne- 
ben ihm  auf  dem  Throne,  und  zuweilen  ein  Engel  oder  häufig  Gott  Vater  teilt 
sich  mit  ihm  in  das  Geschäft  des  Rroneaufsetzens.  —  Der  Jungfrau  Maria  sind  die 
meisten  Kirchen  in  der  Christenheit  gewidmet:  die  ersten  wurden,  nachdem 
die  Nestorianischen  Streitigkeiten  mit  dem  Ephesinischen  Konzil  (431)  abge- 
schlossen waren,  in  Rom  und  Konstantinopel  errichtet.  —  Marienfeste: 
Annunciatio  (U.  Fr.  Bekleibung):  25. März.  —  Maria  ad  Martyres:  Fest 
zum  Andenken  an  die  von  Bonifaz  IV.  im  Jahre  610  vorgenommene  Weihung 
des  römischen  Pantheons  zur  Kirche  der  heil.  Märtyrer:  13.  Mai.  —  Visi- 
tatio  (Heimsuchung;  Johannis  sanctificatio) :  2.  Juli.  —  Maria  ad  nives 
(Maria  im  Schnee,  Schneefeier):  zum  Andenken  an  die  älteste  der  Maria  zu 
Rom  um  440  geweihte  Kirche ,  deren  Stelle  durch  einen  auf  einen  heifsen  Tag 
folgenden  nächtlichen  Schneefall  bezeichnet  wurde:  5.  August.  —  Assumptio 
(Dormitio;  Transitus;  Pausatio;  Requies;  nicht:  Ascensio;  Himmelfahrt; 
Ehrenmefs  U.  Fr. ;  Schiedung  ü.  Fr. ;  grofse  Frauentag;  fest,  herbarum,  Wurze- 
weihe): 15.  Aug.  —  Nativitas  (Jengerung;  ü.  Fr. Tag  der  letzte):  8.  Sept. 
—  Präsentatio  (Opferung):  21.  Novbr.  —  Conceptio  (Empfahung;  Ver- 
holmen):  8.  December.  —  M.  Schmerzen  (auch:  Marias  Ohnmacht,  Spasmus 
oder  Compassio  genannt)  Freitag  vor  Palmarum,  ist  zuerst  1423  zu  Köln  ge- 
feiert; M.  Freuden  am  24.  September  ist  erst  im  XVUI.  Jahrh.  aufgekommen. 

Maria  Aegyptiaca  lebte  nach  einer  ausschweifenden  Jugend  47  Jahre  lang 
unbekleidet  in  der  Wüste  am  Jordan;  sie  erscheint  nackt,  von  der  Sonne  ge- 
bräunt, in  ihr  weifses  Haupthaar  verhüllt.  Zosimus,  der  ihr  die  letzte  Weg- 
zehrung bringt,  reicht  ihr  ein  Gewand  (so  in  den  Wandgemälden  zu  Brau- 
weiler).  Löwen  graben  ihr  Grab.  2.  (9.)  April,  in  Brandenburg  27.  April, 
in  Trier  und  Köln  7.  August. 

Maria  Jacobi,  das  Weib  des  Alphaeus,  9.  April. 

Maria  Magdalena,  s.  Magdalena. 

Maria  Salome,  22.  Oktober. 

Mariaans  Scotas  kommt  unter  Heinrich  IV.  mit  Johannes  und  Candidus 
zuerst  nach  Bamberg,  später  nach  Regensburg  in  die  Abtei  Obermünster, 
deren  Äbtissin  ihnen  die  Kirche  Weihen-St.  Petri  überläfst,  wo  von  ihm  ein 
Schottenkloster  (später  nach  St.  Jakob  verlegt)  gegründet  wurde.  Todesjahr 
(bald  nach  1080)  und  Tag  unbekannt,  bei  den  Bollandisten :  9.  Februar.  — 
Ein  anderer  M.  Sc,  der  Chronist,  ist  Mönch  in  Köln,  dann  in  Fulda,  dann  in 
Mainz,   t  1082. 

a.  M.  1854.  —  Vergl.  Augusti,  Denkwürdigk.  III,  109—115.  —  Eckl,  B.,  Tod  und 
Begräbnis  der  h.  Jungfrau,  im  Org.  f.  ehr.  K.  1873.  No.  21.  22. 


588  Verzeichnis 

Martha,  die  Schwester  des  Lazarus,  mit  Kochlöffel  (wegen  Luc.  10,  40). 
29.  Juli  (17.  December);  (vergl.  Riehl,  B.,  Martha  die  Patronin  der  Hausfrau,  im 
Repertoiiuin  f. Kunstwissenschaft  VI,  3.)  —  Eine  andere  Martha,  Mutter  des  Simeou 
Stylites,  mit  Weihkessel  und  Dämon  (z.  B.  auf  einem  Bilde  von  H.  Burgk- 
mair  zu  München)   t  ^^l.   21.  Mai. 

Martialis,  der  Jüngling  von  Nain,  oder  der  Knabe,  der  bei  der  Speisung 
der  5000  Brot  und  Fisch  trug. 

Martin,^  Bischof  von  Tours,  häufig  als  Ritter  zu  Pf  erd  e,  teilt  seinen  Man- 
tel mit  dem  Schwerte  einem  vor  ihm  liegenden  oder  knienden  Aimen,  segnet 
drei  in  Leichentüchern  auf  Gräbern  Sitzende  (weil  er  drei  Tote  erweckt  hatte). 
Nachdem  er,  im  Heidentum  erzogen,  seit  seinem  löten  Jahre  hatte  Kriegs- 
dienste thun  müssen,  wurde  er  später  zum  Bischof  von  Tours  erwählt:  die 
neben  ihm  zuweilen  dargestellte  Gans  wird  von  einigen  auf  eine  Begebenheit 
bei  seiner  Bischofswahl ,  welche  Legende  aber  jünger  ist  als  die  legenda  aurea, 
von  anderen  wahrscheinlicher  auf  die  Martinsgänse  bezogen ,  welche  das  Volk 
zu  dem  durch  Schmausereien  und  Trinkgelage  an  Stelle  des  einstigen  Herbst- 
Opfers  für  den  VVuotan  gefeierten  Feste  dieses  Heiligen  an  den  Klerus  ablieferte. 
Urkundlich  ist  die  Martinsgaus  zuerst  um  1171  nachgewiesen,  wo  Otelricus 
von  Swalenberg  der  Abtey  Korvei  ^argenteum  anserem  in  festo  s.  Martim< 
schenkte  (Annales  Corb.  ap.  Leibnitz,  Script.  2,  308).  Verschieden  von  der 
Gans  ist  der  Glück  bringende  Martinsvogel,  der  Schwarzspecht. —  Die  Messe 
des  h.  Mai*tin  kommt  in  zwiefacher  Darstellung  vor,  einmal :  während  er  die 
Messe  liefst,  erscheint  auf  dem  Altare  statt  des  Kruzifixes  ein  spottender  Teufel, 
und  im  Vordergrunde  schwatzen  Weiber  mit  einander,  deren  Geschwätz  ein 
anderer  Teufel  auf  eine  Rolle  verzeichnet,  die  aber  nicht  ausreicht,  so  dafs  er, 
während  er  sie  eifrig  länger  zerren  will,  sich  den  Schädel  an  einer  Säule  der 
Kirche  einrennt ;  die  andere :  der  Heilige  hat  eben  seine  Tunika  einem  Aimen 
geschenkt  und  hält  nun  eilig,  nur  mit  den  Episkopalien  angethan,  die  Messe, 
wobei  er  vorschriftswidrig  in  der  Elevation  die  Hostie  mit  entblöfsten  Armen 
halten  muis,  der  Herr  aber  bezeugt  sein  Wohlgefallen,  indem  über  dem  Altare 
eine  feurige  Kugel  erscheint.  —  In  den  Glasgemälden  seiner  Kirche  zu  Kol- 
mar  und  auf  Siegeln  der  Stadt  erscheint  er  auch  wie  Fridolin  einen  der  drei 
von  ihm  erweckten  Toten  an  der  Hand  führend  (Abb.  Kraus,  H,  253).  — 
Patron  der  (reuigen?)  Prasser  und  Trinker  (weil  er  bei  einem  Gastmahle 
den  ihm  vom  Kaiser  gereichten  Ehrenbecher  einem  hinter  ihm  stehenden 
armen  Kleriker  gab),  gegen  die  Pocken  (weil  er  einen  ekelhaften  Aussätzigen 
durch  einen  Kufs  heilte)  —  von  Berg,  Geldern,  Grafschaft  Hörn,  Heiligen- 
stadt, Kleve,  Kolmar,  Mainz,  Schwarzburg,  Utrecht.  Martinskirchen  finden 
sich  zwar  in  der  ganzen  christlichen  Welt,  doch  nirgends  so  auffallend  häufig 
wie  in  Deutschland  und  Belgien;  in  Franken  weihte  der  h.  Bonifatius  die 
meisten  von  ihm  errichteten  Kirchen  diesem  Heiligen,  t  um  400.  Dies  sepul- 
turae:  11.  Nov.  (Martinus  frigidus);  Translatio  14.  18.  Nov.,  13.  Dec.  Der 
4.  Juli  wird  zum  Andenken  seiner  Ordination,  Translation  und  Kirch  weihe 
gefeiert  (Martinus  calidus).  —  Über  seine  cappüy  s.  oben  S.  265  No.  2. 


*  Reinkens,  Jos.  Hub.,  Martin  von  Tours  etc.  1866.  —  Eckl,  im  Org.  f.  chi*. 
K.  1870.  No.  21.  —  Weingarten,  in  Herzog-Plitt,  Real-Encykl.  IX,  371  ff.  — 
Simrock,  Martinslieder.  1846.  —  Wolf,  Beiträge  zur  deutschen  Mythologie.  I,  38 — 54. 


der  Heiligen.  589 

Martin  der  Papst,  653  17.  Juni  abgesetzt,  t  655.  16.  Septbr.  Festtag 
12.,  in  Dentschland  10.  November. 

Märtyrer,  die  40,  siehe  Ritter. 

Märtyrerinnen,  die  vier  grofsen:  Lncia,  Agnes,  Agatha,  Cäcilia. 

Matemianns,  Bischof  von  Reims  im  IV^.  Jahrh.,  Patron  der  Stiftskirche 
zu  Bücken,  in  welcher  seine  Legende  in  Glasmalereien  des  XIII.  Jahrh.  (Abh. 
in  Farbendr.  Mitt.  Band.  Niedere.,  Heft  11  und  12,  Bl.  86)  dargestellt  ist.  30.  April, 
in  den  niedersächs.  Bistümern  7.  Juli. 

Matemns,  Bischof  von  Trier,  einer  der  72  Jünger  oder  der  von  Christo 
auferweckte  Jüngling  zu  Nain ,  Missionar  am  Rhein.  Weil  in  den  Landen  seiner 
apostolischen  Wirksamkeit  drei  Erzstifter  (Köln,  Trier  und  Utrecht)  entstanden, 
hält  er  eine  Kirche  mit  drei  Türmen  oder  trägt  drei  Bischofsmützen:  eine 
auf  dem  Haupte,  zwei  andere  vor  sich  auf  dem  Buche.  Patron  des  Weinbaues. 
14.  Sept.,  in  norddeutschen  Diöcesen  auch  12.  13.  19.  September,  Translatio 
23.  Oktober. 

Matthäus,  s.  Apostel  und  Evangelisten. 

Matthias,  s.  Apostel. 

Mauritius,  ein  Mohr,  Ritter,  eine  Fahne  mit  7  Sternen  in  der  Hand, 
Anführer  der  thebaischen  Legion,  welche  aus  6666  Christen  bestehend,  weil  sie 
den  römischen  Göttern  nicht  opfern  wollte,  bei  Agaunum  am  Genfer  See  unter 
Maximian  den  Märtyrertod  litt,  wobei  sich  nur  wenige  retteten.  Die  hh.  Exu- 
perius,  Candidus,  Innocentius,  Victor,  Vitalis  und  Constantius  werden  als 
Fahnenträger  der  Legion  bezeichnet ;  zu  den  der  Niedermetzelung  Entgangenen, 
welche  ^fa^^ri  oder  Mauretani  genannt  werden,  gehören:  Solutor,  Aventor, 
Octavius,  Alexander,  Secundus,  Constantinus,  Victor,  Ursus,  Gereon,  Gre- 
gorius,  Cassius,  Florentius  etc.,  welche  später  an  anderen  Orten  als  Märtyrer 
starben.  Der  h.  Moritz  führt  den  Titel  glorioms  äux  et  martyr  und  ist  Patron 
des  Erzstifts  Magdeburg,  von  Koburg,  Lauenburg  etc.  —  gegen  Podagra. 
Sein  Fest,  welches  auf  den  22.  Sept.  fällt,  heifst  in  Magdeburg  Heermesse. 

Maurus,  Schüler  des  Benedikt  von  Nursia,  holt  den  Placidus  aus  dem 
Wasser,  daher  Patron  gegen  Schnupfen  und  Heiserkeit,  t  584.  15  Januar  im 
Kloster  Glanfeuil  =  St.  Maur  sur  Loire.  Maursmünster  i.  Elsafs  aber  heifst 
so  nach  einem  Abte  aus  dem  VIII.  Jahrh. 

Maximilian,  Bischof  von  Lorch  (Laureacum,  später  Passau)  ein  Salz- 
burgischer Lokalheiliger,  schon  im  VIII.  Jahrh.  Kirchenpatron,  f.  ca.  308. 
12.  Oktober. 

Maximin  (im  Elsafs  populär:  St.  Schmasmann)y  Bischof  von  Trier,  ein 
Bär  trägt  ihm  sein  Gepäck,   f  349.   29.  Mai.   Depositio  12.  September. 

Maximus.  Heilige  dieses  Namens  finden  sich  über  30,  worunter  mehrere 
Bischöfe ;  aufserdem  kommen  Verwechselungen  mit  anderen  Heiligen  des  Na- 
mens Maxi  ml  uns  vor,  so  dafs  mit  Sicherheit  die  Einzelnen  nicht  unterschie- 
den werden  können:  M.,  Bischof  von  Nola,  hat  einen  Dornenstrauch  neben 
sich,  an  dem  eine  Weintraube  hängt,  7.  Februar;  M.,  Bischof  von  Turin,  hat 
ein  Reh  zur  Seite,  t  465.  25.  Juni.  In  Merseburg  ist  die  Stadtkirche  dem 
Diakonus  M.  geweiht,  der  zu  Amiens  unter  Decius  als  Märtyrer  starb,  und 
dessen  Reliquien  K.  Otto  U.  derselben  schenkte.  Sein  Fest  wird  am  19.  Okt. 
gefeiert. 

Medardns,  Bischof  von  Noyon  und  Toumay,  teilt  Almosen  aus;  drückt 


590  YerzeichniB 

seine  FufsBtapfen  in  einen  Stein;  ein  Adler  schützt  ihn  vor  dem  Regen,  daher 
Patron  des  trockenen  Heuwetters ;  drei  weifse  Tauben  fliegen  aus  seinem  Grabe. 
(t  um  545.)   8.  Juni. 

Meinrad 9  Stifter  des  Klosters  Einsiedeln,  mit  einem  Raben  (2  Raben 
veiTieten  seine  Mörder),  t  863.  21.  Januar.  Seine  Legende  mit  Holzschnitten 
gedruckt  zu  Nürnberg  o.  J.  durch  H.Mayr  und  zu  Basel  1496.  (Yergl.  Schmid, 
L.,  der  h.  Meinrad  in  der  Ahnenreihe  des  erl.  Hauses  HohenzoUem  1874.) 

MeiiLwerk,  Bischof  von  Paderborn,  eifriger  Bauherr,  t  1036.  5.  Juni, 
kanonisiert  1376. 

Mercherdach  {Murcherahisf^  ein  Inkluse  in  Obermünster  zu  Regens- 
burg, wo  er  eine  Kapelle  hat  und  sich  sein  Grabstein  befindet  (Abb.  von  Hef- 
ner, Trachten,  2.  Aufl.  U,  132);  im  Pilgerkleid,  t  7.  September  1075  (?).  Fest- 
tag 9.  Februar.  (Vergl.  Grf.  Walderdorf,  St.  Mercherdach  und  St.  Marian  und 
die  Anfönge  der  Schottenklöster  in  Regensburg,  in:  Verh.  des  bist.  Vereins  von  Regens- 
burg, XXXIV,  187  ff.). 

Metronus,  Kompatron  von  Gernrode  8.  Mai. 

Michael,  s.  Erzengel,  oben  S.  519.  Er  heifst:  Coelesiis  militiae  signifer 
(Vita  b.  Ottonis  ap.  Canis.  ant.  lect.  HL  2,  43),  auch:  Praepositus paradisiy  qui 
praesentat  animas  ante  Dominum  (Caesarius  Heisterb.  Dial.  8,  45),  oder:  Prhc 
ceps  angelorum  ad  mscipiendas  animas.  Michael  und  Petrus  erscheinen  als 
Summi  intercessores^  (Monumenta  Salisb.  ap.  Canis.  1.  c.  283.  Vergl.  Wolf,  Beitr. 
zur  deut.  Mythologie,  I,  32  ff.,  auch  oben  S.  17,  N.  2).  —  Ursprünglich  feierte  die 
Kirche  zwei  Michaelistage,  15.  März  und  8.  Mai,  denen  das  Konzil  zu  Mainz 
813  den  dritten,  am  29.  Sept.,  hinzufügte,  welcher  das  Hauptfest  blieb.  — 
Patron  der  Fechtergesellschaften,  von  Salzburg,  Frankenberg,  Jena  und  Ohr- 
druff.  Sein  Bild  ehemals  in  der  deutschen  Reichsfahne  (daher  der  »deutsche 
Michel«). 

ModestUB.  Heilige  dieses  Namens  kommen  mehrere  vor:  ein  Märtyrer 
zu  Alexandria  (12.  Febr.),  ein  Bischof  von  Trier  (24.  Febr.),  der  Erzieher  des 
h.  Veit  (an  dem  Feste  des  Letzteren:  15.  Juni),  ein  gelehrter  Laie  und  Be- 
kenner  zu  Antiochia  unter  Marcus  Antonius  etc. 

Modoald,  Bischof  von  Trier,  Schwager  Pipins  I.   t  640.    12.  Mai. 

Monica,  Mutter  des  h.  Augustinus,  t  388.  4.  Mai.  Translatio  9.  April 
(in  Brandenburg  28.  Februar). 

Morandns,  angeblich  aus  dem  Hause  Habsburg  stammend.  Prior  einer 
Kluniacenserabtei  bei  Altkirch  i.  Elsafs,  deren  Patron  er  ist  (wie  auch  einer 
Kapelle  in  St.  Stephan  zu  Wien).  Patron  gegen  Kopfschmerzen.  1 1115.  3.  Juni. 
Sein  Sarkophag  in  Altkirch. 

Nemo,  ein  von  der  Kirche  nicht  anerkannter  Heiliger  ohne  bestimmten 
Kalendertag,  Produkt  eines  kirchlichen  Witzes.  Seine  Legende  herausgegeben 
von  Wattenbach,  im  Anz.  G.  M.  1866.  No.  11. 


'  Honorius  von  Autun  beantwortet  in  einer  eigenen  Schrift :  über  Xu  quaestio- 
num  (bei  Migne,  Patrol.  CLXXII,  1177  ff.)  die  Frage,  wer  von  beiden  in  der  himm- 
lischen Hierarchie  den  Vorrang  habe  ?  dahin,  dafe  dies  Petrus  sei.  da  Michael  nur  zu 
den  Archangeli,  der  vorletzten  Stufe  der  9  Engelklassen  gehöre,  oie  Apostel  aber  der 
ersten,  den  Seraphim,  an  Rang  gleich  ständen. 


der  Heiligen.  591 

Nikolaus,  Bischof  von  Myra,  genannt  von  Bari  (weil  seine  Reliquien  1087, 
9.  Juli  dorthin  gebracht  wurden),  hält  ein  Buch  mit  drei  Kugeln,  eigentlicli 
drei  Broten  (weil  er  die  Stadt  Myra  vor  Hungersnot  bewahrte)  oder  drei  Geld- 
beuteln (die  er  über  Nacht  in  das  Schlafgemach  von  drei  Jungfrauen  warf 
und  sie  dadurch  vor  dem  Verkauf  in  ein  Bordell  rettete) ;  er  stillet  zu  Schiffe 
Wind  und  Meer;  ein  Anker  liegt  neben  ihm ;  vor  ihm  steht  eine  (oft  wie  ein  Tauf- 
kessel aussehende)  Kufe  mit  drei  nackten  Kindern  (denen  eines  Gastwirts, 
die  der  Vater  in  einer  Hungersnot  geschlachtet  und  eingesalzen  hatte,  und  die 
der  Heilige  wieder  lebendig  machte).  Caesarius  von  Heisterbach  (Dial.  8, 
75)  beschreibt  ein  traditionell  bei  Lebzeiten  des  Heiligen  nach  dem  Leben  ver- 
fertigtes und  angeblich  (Org.  f.  eh.  K.  1865,  261)  zu  Burt scheid  noch  erhal- 
tenes Mosaikbild  desselben:  Imaginis  facies  ohlonga  et  obesa,  multae  gravita- 
tis  et  reverentiaey  et  in  fronte  calvicies,  capilli  tarn  capitis  quam  barbae  can- 
didae  caniciei.  Patron  der  Schiffer  und  Kaufleute,  vorzüglich  beliebt  bei  d<du 
Handel  treibenden  Niederländern,  die  im  XII.  Jahrh.  in  Sachsen  und  Branden- 
burg angesiedelt  wurden.  Im  Bremischen  heifst  er  »der  killige  Polemanm, 
Bilder  aus  seiner  Legende  in  St.  Nikolai  zu  Jüterbog.  6.  December.  —  Es 
giebt  noch  12  andere  Heilige  des  Namens,  darunter  zu  erwähnen:  Nikolaus 
von  Flüe  (de  Bupe,  Bruder  Klaus)  geb.  1417,  Einsiedler  in  der  Schweiz. 
t  1487.  21.  März;  beatificiert  1669.  Mit  Holzbecher  an  einem  Bache 
stehend.  Seine  Legende  deutsch  mit  Holzschnitten  gedruckt  Nürnberg  1488. 
—  Nikolaus  von  Tolentino,  Augustinereremit  1 1306.  10.  Septbr.,  kommt 
in  deutschen  Kirchen  seines  Ordens  vor.  Mit  Buch  und  Sonne  (oder  Stern), 
die  sich  über  Tolentino  zeigte,  als  er  zum  Priester  geweiht  wurde. 

Norbert,  Stifter  des  Prämonstratenser- Ordens,  später  Erzbischof  von 
Magdeburg;  hält  einen  Kelch,  an  dem  oft  eine  Spinne  kriecht  (welche  er  im 
Abendmahlswein  verschluckt  und  ohne  Schaden  wieder  ausgeniest  hatte); 
ein  Teufel  (den  er  ausgetrieben)  liegt  zu  seinen  Füfsen.  t  1134.  6.  Juni; 
seine  Gebeine  angeblich  1626  aus  Magdeburg  nach  Stift  Strahow  in  Prag 
gebracht. 

Notbnrga,  Magd  im  Rottenburgischen  (Tirol),  trägt  in  Schürze  und  Krug 
Almosen  (die  sich  vor  ihrem  strengen  Herrn  in  Hobelspäne  und  Lauge  ver- 
wandelten), t  1315.  14  September.  —  Eine  ältere  Notburga,  Tochter  des 
Frankenkönigs  Dagobert  (622  —  638)  wird  im  Badischen  verehrt,  Patronin 
der  Kirche  in  Hochhausen,  wo  sich  ihr  Grabmal  und  ein  Altargemälde  mit 
ihrer  Legende  befindet  (vergL  Grimm,  deutsche  Sagen,  S.  450;  Glook,  Not- 
burga 1883). 

Nothelfer,  die  vierzehn :  Georg,  Erasmus,  Pantaleon,  Dionysius,  Achatius, 
Ägidius,  Katharina,  Blasius,  Vitus,  Christoph,  Cyriakus,  Eustachius,  Marga- 
reta  und  Barbara.  Sie  erschienen  1446  am  Vorabende  des  Peterpaulstages 
dem  seine  Schafe  weidenden  Hirten  Hermann  Leicht  an  der  Stelle,  wo  später 
die  berühmte  fränkische  Wallfahrtskirche  Vierzehnheiligen  entstand ;  ein  an- 
derer gleichnamiger  Ort  zwischen  Jena  und  Apolda  in  Thüringen.  Ihre  Namen 
sind  übrigens  nicht  immer  dieselben,  z.  B.  auf  dem  Holzschnitte  von  ca.  1460 
in  der  Coli.  Weigeliana  I,  182  No.  110  fehlen  Cyriakus  und  Dionysius,  wofür 
Adjntor  und  Nikolaus  eingestellt  sind;  auf  einem  Holzschnitte  des XVI.  Jahrh. 
tritt  noch  Magnus  hinzu. 

Notker  Balbulus,  Mönch  von  St.  Gallen,  Dichter  und  Komponist  von 


592  Verzeichnis 

Sequenzen,  t  912.  6.  April,  kanonisiert  1513.  Ein  wohl  noch  dem  X.  Jahrh. 
angehöriges  authentisches  Miniaturporträt  von  ihm  befindet  sich  in  der  Samm- 
lung d.  Antiqn.  Gesellsch.  zu  Zürich. 

OnufriuB,  Einsiedler  in  Ägypten,  dessen  Legende  sehr  ähnlich  der  des  Pau- 
lus von  Theben ,  lebt  60  Jahr  mit  Baumblättern  gegürtet  in  der  Einöde:  30 
Jahre  von  den  Erzeugnissen  der  Wüste,  30  Jahre  von  Himmelsbrot;  der  Abt 
Pannutius  entdeckte  ihn,  und  seine  Seele  schwebte  in  Gestalt  einer  Taube 
in  dessen  Gegenwart  gen  Himmel ;  zwei  Löwen  gruben  ihm  sein  Grab.  Auf 
einem  kleinen  Holzschnitte  von  ca.  1450 — 60  (Holzschn.  des  Germ.  Mus.,  Taf.  40) 
steht  er  im  Fellkleide  hinter  einem  Baume,  mit  goldener  Krone  auf  dem  Haupte 
und  dem  Himmelsbrot  (Hostie)  in  der  rechten  Hand.  10.  Juni  (in  Basel  13., 
in  Mainz  u.  Bamberg  15.  Juni). 

Oswald,^  König  von  England;  er  trägt  einen  Raben,  der  einen  Ring  im 
Schnabel  hält.  (Ein  Rabe  brachte  bei  seiner  Salbung  zum  König  einen  Brief 
des  Apostels  Petrus  und  das  heil.  Salböl ;  später  abermals  ein  Schreiben  und 
den  Verlobungsring,  als  der  König  seine  Vermählung  beabsichtigte.)  Patron 
einer  Kirche  in  Regensburg,  der  Augustiner-Propstei  von  1396  in  Passau  (mit 
heilkräftiger  Quelle  unter  dem  Hochaltare),  von  Berg,  Düren,  Zug,  St.  Oswald 
in  Steiermark,   t  642.   5.  August. 

Othmar,  Abt  von  St.  Gallen,  trägt  eine  Kürbisflasche  oder  ein  Fäfs- 
chen  (Leglein)  mit  Wein,  das  nie  leer  wurde,  so  viele  Arme  und  Kranke  er 
auch  daraus  erquickte.  Patron  in  Mödling  bei  Wien,  Naumburg  a.  Saale,  auch 
der  Burgkapelle  zu  Nürnberg,  t  759.    16.  Nov. ;  Translatio  25  Okt. 

Ottilia^  (Odiliä),  Tochter  des  alemannischen  Herzogs  Ethico,  Äbtissin 
von  Hohenburg  (Niedermünster),  blind  geboren,  wurde  bei  der  Taufe  durch 
das  Gebet  ihrer  Taufpaten,  der  Bischöfe  Erhard  und  Hildulf,  sehend;  sie 
trägt  ein  aufgeschlagenes  Buch,  auf  dessen  Blättern  zwei  Augen  zu  sehen 
sind.  Eine  diese  Heilige  betreffende  Wandmalerei  aus  dem  XII.  Jahrh.  befindet 
sich  in  den  Ruinen  der  Hohenburg  bei  Strafsburg;  das  Stiftungsbild  aus 
Herradis  bei  Engelhardt,  Taf.  XI. ;  ihre  Legende  an  der  bemalten  cista  von  1292 
in  St.  Donatian  zu  Brügge.  Patronin  vom  Elsafs  —  gegen  Augenkrankheiten, 
t  720.  13.  Dec,  kanonisiert  1050  (in  Meifsen  19.  Januar,  Brandenburg  17. 
Februar). 

Otto,  Bischof  von  Bamberg,  Apostel  der  Pommern;  er  trägt  Pfeile,  die 
er  zu  Nägeln  umschmiedete  und  zum  Kirchenbau  anwendete.  1 1139.  30.  Juni. 
1189  kanonisiert.  Fest:  2.  Juli;  Translatio  30.  Sept.  Sein  Sarkophag  in  St. 
Michael  zu  Bamberg. 

Pancratins,  starb  als  Knabe  von  13  Jahren  zu  Rom  unter  Valerian  den 
Märtjrertod;  dargestellt  mit  dem  Schwert  (M),  zuweilen  mit  Lanze  und 
Schwert.  Patron  von  Bergen,  vieler  Kirchen  im  Magdeburgischen,  z.B. Nord- 
germersleben,  Wellen,  Welsleben,  Wolmirstedt,  Hamersleben,  Klein-Rodens- 
leben,  Stift  Walbeck  etc.    12.  Mai. 


*  Zingerle,  J.,  die  Oswaldslegende  und  ihre  Beziehung  zur  deutschen  Ä^ho- 
logie.  1836.  —  von  Perger,  zur  öswaldslegende,  in  Mitt.  C.-K.  XVIII,  23  ff.  be- 
trachtet ihn  als  Christianisiening  des  Odhin. 

«  Gebweiler,  S.  OttiUen histori  (1521)  1608.   —  Peltre,  Hug.,  la  vie 

de  Ste.-Odile.  1719.  —  Etwas  von  der  h.  Odilia,  im  Kirchenschmuck.  1869.  XXVI, 
16  ff.  —  Kraus.  I,  231  f. 


der  Heiligen.  593 

Pantaleon,  ein  Arzt,  welcher  um  300  zu  Nikomedien  als  Märtyrer  starb; 
an  einen  Baum  gebunden ,  an  den  die  Hände  über  dem  Kopfe  des  Heiligen 
mit  einem  Nagel  geheftet  sind;  zuweilen  nur  halb  bekleidet  oder  auf  einem 
Rade  nackt;  auch  in  ritterlicher  Rüstung.  Patron  der  Schlosskapelle  zu  Werni- 
gerode.   28.  Juli. 

Patricius  (Pairik),  Bischof,  Apostel  von  Irland,  mit  dreiblättrigem  Klee- 
blatt (womit  er  die  Trinität  vordemonstrierte),  tritt  auf  Schlangen  (die  er 
ins  Meer  bannte),  t  492.  17.  März.  Ein  Relief  aus  seiner  Legende  (em  Wolf 
bringt  auf  sein  Gebet  seiner  Stiefmutter  ein  geraubtes  Lamm  zurück)  an  St. 
Thomas  zu  Strafsburg. 

Fatroclns,  in  kriegerischer  Rüstung,  deutet  auf  einen  Fisch,  der  eine 
Perle  im  Munde  trägt.  Er  starb  unter  Aurelian  274  als  Märtyrer.  Seine  Reli- 
quien kamen  964  durch  Erzbischof  Bruno  von  Köln  zuerst  dorthin,  dann  nach 
Soest,  wo  sich  im  Marienchörchen  des  Domes  diesen  Heiligen  betreffende 
Wandmalereien  aus  demXHL  Jahrh.  vorfinden  (vergl.  Org.  f.  ehr.  K.  1861.  S.  268). 
Patron  von  Soest.   2 1 .  Januar. 

Paulus,  s.  Apostel. 

Panlns  von  Theben,  der  Einsiedler,  mit  einem  Raben,  der  ihm  wie  Elias 
täglich  ein  halbes  Brot  brachte,  mit  einem  Laubschurz  statt  des  Kleides ;  häufig 
mit  Antonius  zusammen,  der  ihn  aufsuchte,  im  Hintergrunde  die  zwei  Löwen, 
die  ihm  sein  Grab  scharrten,  t  342.  10.  Januar.  Seine  und  des  Antonius 
Legende  gedruckt  mit  Holzschnitten  zu  Strafsburg  1498  und  1517.  —  Aufser- 
dem  giebt  es  noch  beinahe  40  andere  heilige  Pauli. 

Pelagia,  der  Maria  Ägyptiaca  ähnlich,  leichtfertige  Schauspielerin,  nach 
ihrer  Bekehrung  Einsiedlerin  am  Ölberg;  vor  dem  Eingange  einer  Höhle  betend, 
t  ca.  457.   8.  Oktober. 

Pelagins,  13  Jahr  alt  Märtyrer  in  Akamanien,  mit  Zange  (M).  26.  Juni; 
28.  August.  —  Ein  anderer  Pelagius,  Patron  in  Rottweil  und  Kompatron  des 
Bistums  Konstanz,  erscheint  in  bürgerlicher  Laientracht  einen  Hut  auf  dem 
Kopfe,  einen  Palmzweig  in  der  Hand. 

Petronella,  eine  römische  Jungfrau,  angeblich  eine  Tochter  des  heil. 
Petrus.  Mit  Palme  und  Buch.  Patronin  von  Petronell  in  Österreich  und  einer 
Dorfkirche  zu  Aulhausen  bei  Rüdesheim.   31.  Mai.   t  98. 

Petras,  s.  Apostel. 

Petras  Martyr,  Dominikaner  aus  Verona,  Generalinquisitor,  1252.  29.  April 
meuchlings  getötet,  1253  kanonisiert.  Im  Ordensgewand  mit  klaffender  Wunde 
am  Kopfe,  schreibt  sterbend  mit  dem  Finger  auf  die  Erde  credo  in  unum  deum^ 
z.  R.  auf  einem  Altargemälde  in  der  ehemaligen  Dominikanerkirche  zu  Leipzig. 
—  Es  kommen  noch  einige  80  heilige  Petri  vor. 

Philippus,  s.  Apostel. 

Philipp  von  Zell,  englischer  Priester  zur  Zeit  König  Pipins,  der  auf  der 
Reise  nach  Welschland  sich  eine  Klause  bei  Zell  in  der  Rheinpfalz  baut  und 
eine  Kongregation  um  sich  sammelt.  Stirbt  daselbst  im  Gerüche  der  Heiligkeit. 
Gemälde  mit  seiner  Legende  in  der  dortigen  Stiftskirche. 

Pinnosa,  Äbtissin  von  Essen.  28.  Februar;  kommt  auf  dem  Deckel  des 
Evangeliars  der  Teophanu  zu  Essen  vor. 

Pirmin,  um  715  Regionarbischof  im  Bliesgau  (Medelsheim  bei  Zwei- 
brücken), nachher  Gründer  von  Reichenau  und  Bischof  von  Meaux;  vertreibt 

Otte,  Kunst- Archäologie.   5.  Anfi.  38 


594  Yerzeichnis 

Schlangen  und  Ungeziefer,  t  753  oder  754  3.  November  zu  Hombach  in  der 
Rheinpfalz.   Nach  ihm  heifst  die  Stadt  Pirmasens. 

Pins  L,  Papst  mit  Schwert  (M).   t  157.    11.  Juli. 

Pleotrudis,  Gemahlin  des  Pipin  von  Herstal.  t  717,  mit  KirchenmO' 
dell;  ihr  Grabstein  in  St.  Maria  im  Kapitel  zu  Köln. 

PolykarpnSy  Bischof  von  Smyrna,  leidet  den  Flammentod  auf  einem  Schei- 
terhaufen 166.  26.  Januar. 

Poppe,  Abt  von  Stablo,  erweckt  einen  von  einem  Wolfe  getöteten  Men- 
schen,  t  1048.   25.  Januar. 

Prokopius,  Abt  von  Sazava  in  Böhmen,  mit  einem  Hirsch,  ein  Teufel 
mufs  ihm  statt  des  Pferdes  den  Pflug  ziehen,   t  1053.   4.  Juli. 

Pusinna,  eine  Jungfrau,  Schwester  der  hh.  Lintrudis,  Othildis  undMene- 
hout.  Patronin  einer  Kirche  zu  Herford,  wohin  ihre  Gebeine  860  übertragen 
wurden.  (Vergl.  Historia  translat.  S.  Pusinnae,  bei  Pertz,  M.  G.  ü,  681.)  24.  Jan. 
(23.  April). 

Quintiniui,  römischer  Soldat  und  Märtyrer.  Zerbrochenes  Rad;  Brat- 
spiefs;  auf  einen  Stuhl  mit  4  Nägeln  festgenagelt,   t  ca.  287.   31.  Oktober. 

Quirinus,  unter  Diokletian  Bischof  von  Siscia  in  Illyrien;  es  wurde  ihm 
ein  Mühlstein  an  den  Hals  gebunden  und  er  ins  Wasser  gestürzt,  wobei  er 
nicht  untersank ;  Pferde  schleifen  ihn ;  einem  Habicht  wird  seine  Zunge  vor- 
geworfen. Patron  gegen  Gicht.  Seine  Reliquien  sollen  bei  der  Stiftung  des 
Klosters  nach  Tegemsee  gekommen  sein,  dessen  Patron  er  ist.  4.  Juni.  —  Ein 
anderer  Quirinus,  Bischof,  hat  den  30.  April.  —  Ein  dritter,  römischer  Soldat, 
Ritter  mit  Schild.  1 269.  25.  März,  sein  Fest  aber  wegen  Maria  Verkündigung 
auf  den  24.  März  verlegt.   Pati'on  von  Neufs. 

Badeg^indis,  Tochter  der  Thüringerkönigs  Irminfried,  als  Gefangene 
nach  Fi-ankreich  geführt  und  mit  König  Chlothar  vermählt,  entsagt  dem  Ehe- 
bund und  wird  Nonne  zu  St.  Croix  beiPoitiers,  wo  sie  auch  die  Äbtissinwürde 
ausschlägt;  als  Nonne,  zu  deren  Füfsen  die  Königskrone  liegt,  auch  als  ge- 
krönte Nonne  mit  Scepter  und  einem  mit  Lilien  gestickten  Mantel ;  zwei  Wölfe 
(die  ihr  gehorchten)  folgen  ihr.  Patronin  von  Burgos,  Salzburg,  ehemals  auch 
einer  Kapelle  zu  Helfta  bei  Eisleben.  t587.  13.  August  (in  Salzburg  11.  Aug.). 
Ihre  Legende  in  13  Glasgemälden  in  St.  Radegonde  zu  Poitiers. 

Eadolf  (eigentlich  RadolOj  Bischof  von  Verona,  Gründer  von  Radolfs- 
zell  am  Bodensee.  Daselbst  sein  Steinsarkophag,  1538  renoviert,  t  874. 
13.  September. 

Bamwold  (Romuald),  Abt  von  St.  Emmeram  zu  Regensburg,  wo  in 
der  Krypta  sein  Sarkophag,  den  er  sich  bei  Lebzeiten  anfertigen  liefs.  1 1001. 
17.  Juni. 

BathOy  Graf  von  Andechs,  Ritter  mit  Fahne,  t  ca.  953.  19.  Juni. 
Eegina»  eine  Jungfrau  zu  Alisia  in  Burgund,  welche  sich  ohne  Wissen 
ihres  heidnischen  Vaters  hatte  taufen  lassen.  Von  dem  Präfekten  Olibryus  als 
Christin  erkannt,  wurde  sie  gemartert  und  in  den  Kerker  geworfen,  daselbst 
aber  durch  ein  am  Himmel  erscheinendes  goldenes  Kreuz,  auf  welchem  eine 
Taube  safs,  getröstet.  Sie  starb  den  Märtyrertod  durchs  Schwert.  7.  Sept. 
Schreine  im  Dome  zu  Osnabrück  und  zu  Rhynern,  wo  sie  Patronin  ist. 
Eegiswindy  als  zartes  Kind  von  ihrer  Amme  im  Neckar  ertränkt.  Patronin 


der  Heiligen.  595 

zu  Lauffen  a.  Neckar,  t  837.  15.  Juli,  kanonisiert  1227.  Ihr  Sarkopliag  in 
Lauffen. 

Eegola,  B.  Felix. 

Reinbold,  ein  Mönch  zu  Köln,  mit  einem  Hammer  in  der  Hand  (womit 
ihm  die  neidischen  Bauleute,  denen  er  von  dem  Abte  seines  Klosters  als  Auf- 
seher beigeordnet  war,  den  Kopf  einschlugen);  auch  als  Ritter  mit  Hacke  und 
Schwert ;  auf  dem  Schwerte  steckt  ein  Menschenhaupt  (das  Haupt  des  über- 
wundenen Königs  Karlmann).  Patron  der  Steinmetzen;  in  Dortmund.  7.  Januar. 

Eemados,  Bischof  von  Lüttich,  nachher  Abt  von  Stablo-Malmedy,  wo  er 
auch  Kompatron  ist,  mit  einem  beladenen  Esel,  t  667  oder  671.  3.  Sep- 
tember. 

Eembertus  (Rmbert)j  Bischof  von  Bremen,  Nachfolger  Ansgars.  t  888. 
11.  Juni.   Festtag  4.  Febr. 

Eemigins,  Bischof  von  Reims;  eine  Taube  mit  dem  Salbölfläschchen 
schwebt  über  ihm.  Patron  z.  B.  zu  Kusel  in  der  Rheinpfalz,  t  um  533.  Trans- 
lationes:  1.  Oktober,  15.  Januar,  13.  Januar. 

Richardis,  Gemahlin  Kaiser  Karls  des  Dicken.  t896(?).  18.  September, 
kanonisiert  1049.    Ihr  Schrein  zu  An  dl  au  im  Elsafs. 

Ritter  (milites),  die  40  (eigentlich  42)  von  Sebaste,  römische  Soldaten 
von  der  XII.  Legion,  die  320  unter Licinius,  weil  sie  sich  geweigert  hatten  zu 
opfern ,  uacli  allerhand  Martern  über  Nacht  nackt  aufs  Eis  gelegt  wurden  und 
erfroren,  ihre  Leichname  wurden  verbrannt  und  ihre  Asche  ins  Wasser  ge- 
worfen.   10.  März. 

Ritter,  die  10000,  s.  Achat  ins. 

Rochus  von  Montpellier,  als  Pilger,  am  linken  Schenkel  einePestbeule, 
einen  Hund  neben  sich.  Pestkranke  heilend.  tl327.  (kanon.  1414)  16.  Aug. 
Kapelle  bei  Bingen. 

Romanus,  ein  römischer  Ritter,  der  unter  Decius,  weil  er  sich  von  dem 
h.  Laurentius  hatte  taufen  lassen,  enthauptet  wurde.  9.  Aug.  —  Ein  anderer 
Romanus,  Erzbischof  von  Reims,  28.  Februar,  in  der  Kölner  und  Trierer  Diö- 
cese  gefeiert. 

Rudolf,  ein  Knabe,  in  der  Schweiz  von  Juden  zu  Tode  gemartert  ca.  1287. 
17.  April. 

RupertoB,  Bischof  von  Salzburg,  vorher  von  Worms,  hält  einen  Salz- 
k übel  in  der  Hand.  Patron  des  Stiftes  Salzburg  und  vieler  Kirchen  im  Öster- 
reichischen. 27.  März ;  Translatio  24.  Sept.  Seine  Chronologie  ist  höchst  un- 
sicher, das  Todesjahr  wird  zwischen  623,  718  und  723  schwankend  angegeben. 
(Vergl.  von  Koch-Stern feld,  im  Archiv  f.  Kunde  östr.  Gesch. -Quellen,  V,  385  ff. 
und  Wattenbach,  ebd.,  499  ff.)  —  Ein  anderer  Rupert,  Herzog,  stiftet  das 
ehemalige  Kloster  St.  Rupertsberg  bei  Bingen.  15.  Mai.  Seine  Legende  mit 
der  der  h.  Hildegard  zusammen  deutsch  mit  Holzschn.  gedruckt  1524  zu 
Oppenheim. 

Die  sieben  Schläfer:  Maximianus  (mit  Knotenstock),  Malchus  und  Mar* 
tinianus  (mit  Beilen),  Dionysius  (mit  einem  Nagel),  Johannes  (mit  Keule), 
Serapion  (mit  Fackel)  und  Constantinus  (mit  Keule)  wurden  auf  Befehl  des 
Decius  in  einer  Höhle  bei  Ephesus  lebendig  eingemauert;  hier  schliefen  sie 
196  Jahre  und  erwachten  erst  unter  Theodosius  IL,  als  ein  Bürger  von  Ephe- 
sus, der  dort  einen  Stall  bauen  wollte,  die  Höhle  zufällig  öffnete.  Sie  schliefen 

38* 


596  Verzeichnis 

ein  am  27.  Jnni  oder  Juli  und  erwachten  am  11.  Anp:.;  in  Passan,  Regensburg 
und  Krakau  am  13.  Septbr.  gefeiert.  (J.  Koch,  die  Siebenschläferlegende,  ihr  Ur- 
sprung und  ihre  Verbreitung  1883.) 

Scholastica,  Schwester  des  h.  Benedikt:  sie  wird  Domina  tonitruum  ge- 
nannt (weil  anf  ihr  Gebet  ein  Unwetter  entstand ,  das  ihren  Bruder  verhinderte, 
sie  zu  verlassen)  und  im  schwarzen  Benediktinerkleide  dargestellt.  Ihre  Seele 
fliegt  als  Taube  gen  Himmel.    10.  Febr. 

Sobald,  ein  erst  seit  1072  ohne  Anspruch  auf  höheres  Alter  auftauchen- 
der Nürnberger  Lokalheiliger.  Nach  einer  dem  XII.  oder  XIII.  Jahrh.  ange- 
hörigen  Lebensbeschreibung  (Acta  Sanctoram.  Aug.  in,  769)  ist  er  ein  dänischer 
Königssohn,  welcher  als  Einsiedler  in  einem  Walde  bei  Nürnberg  lebte  und  in 
Franken  das  Christentum  verkündigte.  Er  wollte  dort  begraben  sein,  wohin 
zwei  (oder  vier)  Ochsen,  sich  selbst  überlassen,  seinen  Leichnam  auf  einem 
Wagen  bringen  würden;  sie  blieben  an  dem  Berge  stehen,  wo  jetzt  die  Se- 
baldskirche  zu  Nürnberg  steht.  An  dem  berühmten  Grabmale  dieses  Heiligen 
finden  sich  folgende  Darstellungen  seiner  Wunder:  er  erquickt,  von  seinem 
Schüler  Dionysius  begleitet,  die  hh.  Willibald  und  Wunnibald ,  mit  denen  er  auf 
der  Pilgerfahrt  zusammentraf;  ein  Frevler,  der  ihn  verspottet  hatte,  wird  von 
der  Erde  verschlungen,  jedoch  von  dem  Heiligen,  da  er  Reue  zeigt,  noch  ge- 
rettet; er  verwandelt  bei  einem  armen  Wagner,  wo  er  herbergt,  Eiszapfen 
in  Brennholz;  er  heilt  den  Wagner,  welcher,  weil  er  gegen  ein  ergangenes 
Verbot  Fische  eingekauft  hatte,  geblendet  worden  war.  Die  Kanonisation 
dieses  Heiligen,  der  Patron  von  Nürnberg  ist,  erfolgte  endgiltig  erst  1425; 
sein  Fest  fällt  auf  den  19.  Aug.  —  Er  wird  gewöhnlich  als  Eremit,  die  0  chsen 
neben  ihm,  seltener  als  Ritter  dargestellt. 

Sebastian  leidet  nackt  an  einen  Baum  oder  Pfahl  gebunden,  von  vielen 
Pfeilen  durchbohrt  den  Märtyrertod ;  zuweilen  in  voller  Ritterrüstung  mit  Pfei- 
len in  der  Hand.  (8.  Fabian.)  —  Er  ist  Patron  der  Schützen,  gegen  die  Pest 
—  von  Öttingen. 

Senesins  oder  Synesius,  vor  seiner  Bekehrung  ein  ägyptischer  Zauberer 
Theonas,  durch  den  h.  Theopont  (Bischof  von Nikomedien)  bekehrt,  mit  ihm 
Märtyrer  unter  Diokletian  4.  Januar  285,  in  die  Erde  gegraben  und  von  Pfer- 
den zertreten;  21.  Mai.  Die  Legende  an  ihrem  Schrein  zu  Radolfszell. 

ServatiuSy  Bischof  von  Maestricht  (Tongern),  welcher  384  gestorben  und 
nahe  verwandt  mit  Johannes  dem  Täufer  gewesen  sein  soll  (s.  oben  unter 
Anna);  ein  Adler  weht  ihm  Luft  zu,  während  er  in  der  Sonnenhitze  schläft; 
er  hält  einen  Schlüssel  in  der  Hand.  Patron  von  Worms,  Maestricht,  Qued- 
linburg —  für  gutes  Gelingen.    13.  Mai;  Translatio  7.  Juni. 

Severinns  lebte  als  Eremit  in  Österreich,  wo  er  das  Christentum  verkün- 
digte; er  wird  als  Abt  oder  als  Bischof,  dem  Volke  predigend,  dargestellt, 
t  um  482,  und  seine  Schüler  führten  482  seinen  Leichnam  nach  Italien;  sein 
Fest  wird  in  der  Diöces  Passau  und  Salzburg  am  5.  Jan.,  im  Wiener  Sprengel 
am  8.  Jan.  gefeiert ;  Translatio  10,  Okt.  —  Er  ist  Patron  der  Leinweber  — 
von  Österreich  und  Bayern.  —  Ein  anderer  Severin  ist  Erzbischof  von  Köln 
(348 — 403)  23.  Oktober.  —  Auch  unter  den  Bischöfen  von  Trier  giebt  es  zwei 
heilige  Severine. 

Severus.  Dieses  Namens  kommen  gegen  20  Heilige  vor,  unter  anderen 
3  Bischöfe:  der  eine  von Ravenna (390.   I.Februar),  welcher  Schuhmacher- 


der  Heiligen.  597 

(oder  Weber-)  Gerät  trägt,  oder  auch  mit  einer  Taube  erscheint,  Patron  in 
Erfurt,  wo  seine  Legende  in  den  Reliefplatten  seines  ehemaligen  Sarkophags 
in  St.  Severi  erscheint;  der  zweite  von  Avranches  (im  VI.  Jahrh.  1.  Februar) 
mit  Pferd;  der  dritte  Bischof  von  Trier,  Mitte  des  V.  Jahrh.  lö.  Oktober, 
Translatio  18.  November. 

Sigebertas,  König  von  Austrasien,  legt  den  Grundstein  einer  Kirche. 
1.  Februar. 

Sigismond,  christlicher  Herzog  des  noch  heidnischen  Landes  Burgund, 
mit  lockigem  Haar,  ein  Schwert  (M)  in  der  Hand.  Seine  Legende  ist  auf 
einem  Gemälde  von  1497  in  der  unteren  Sakristei  des  Münsters  zu  Freising 
in  16  Abteilungen  dargestellt.  Patron  der  Fieberkranken.  1.  Mai.  Elevatio 
21.  Aug. 

Simeon,  (Sohn  des  Kleophas?)  Bischof  von  Jerusalem,  120  Jahre  alt 
unter  Trajan  als  Verwandter  Jesu  ergriffen  und  nach  vielen  Martern  gekreu- 
zigt. 18.  Februar.  Sein  Martyrium  unter  den  Wandgemälden  zu  Brau  weiler. 

Simeon,  Einsiedler  aus  dem  Morgenlande  von  Bischof  Poppo  nach  Trier 
gebracht,  lebt  als  Rekluse  in  der  Porta  Nigra,  t  1035.  1.  Juni.  Die  in  eine 
Kirche  verwandelte  Porta  Nigra  wurde  nach  ihm  Simeonsthor  genannt. 

Simon,  s.  Apostel. 

Simon  von  Trient,  ein  von  Juden  getöteter  Christenknabe,   t  1475.   24^. 
März,  von  Sixtus  IV.  kanonisiert;  seine  Historie  1475  zu  Trient  in  folio  mit 
Holzschnitten  gedruckt  gab  das  Signal  zu  den  Judenverfolgungen  in  Bamberg 
(1475),  Regensburg  (1476)  und  Passau  (1478).   Holzschnitt  in  der  Coli.  Weige- 
Hana,  I,  295,  No.  188. 

Simpertus,  Bischof  von  Augsburg;  ein  Wolf  bringt  auf  sein  Gebot  ein 
Kind  unversehrt  zurück,   t  809.    13.  Oktober. 

SimpliciuB  und  FanatinaSy  als  Ritter,  auf  deren  Schilden  drei  Lilien- 
Stengel  (das  Simplicius- Wappen)  stehen;  sie  starben  unter  Diokletian  zu 
Rom  den  Märtyrertod  und  waren  die  Patrone  des  Simplicius-Ordens  zu  Fulda. 
29.  Juli. 

Sixtus  n.y  Papst,  mit  dem  (Almosen-)  Beutel;  er  starb  258,  vier  Tage 
vor  dem  h.  Laurentius  in  Rom  den  Tod  eines  Blutzeugen  durchs  Schwert. 
Patron  eines  mit  dem  Hochstifte  St.  Laurentii  ehemals  verbundenen  Kollegiat- 
stiftes  zu  Merseburg;  Kompatron  des  Bistums  Halberstadt.   6.  Aug. 

Sola  (Soias)]  Benediktiner  aus  England,  Abt  von  Solenhofen;  heilt  einen 
Lahmen,  t  ca.  790.   3.  December. 

Sophia  (s.  Fides,  Spes  und  Charitas),  Patronin  in  Eschau  im  Elsafs, 
wo  ihr  angeblicher  Steinsarkophag.   4.  Juni  (in  Minden  3.  September). 

Spiridion,  Einsiedler,  dann  Bischof,  mit  Stacheln  in  der  Hand  (mit 
denen  ihm  die  Augen  ausgestochen  wurden),   t  348.    12.  December. 

Stanislaus,  Bischof  von  Krakau,  mit  dem  Schwert  (M),  öfter  dargestellt 
von  einem  durch  ihn  erweckten  Toten  (dem  Ritter  Petrus)  begleitet.  Seine 
Legende  ist  an  den  ihm  gewidmeten  Altären  in  St.  Marien  zu  Krakau  und 
von  1508  aus  der  Goldschlägerkapelle  derMagdalenenkirche,  jetzt  im  Museum 
vaterl.  Altertümer  zu  Breslau  dargestellt,  t  1079;  kanon.  1253;  8.  Mai; 
von  Clemens  III.  wegen  der  apparitio  Michaelis  auf  den  7.  Mai  verlegt.  (Vergl. 
Schultz,  Alwin,  in  den  Mitt.  C.-K.  VII,  292  f.,  nach  der:  Vita  b.  Stanislai  Cracov. 


598  Verzeichnis 

episcopi  nee  non  legende  Sctonun.  Felonie ,  Bohemie  etc.  patronorom.  In  lombard. 
historia  non  contente  s.  1.  et  a.) 

StephanoSy  Diakon  der  Kirche  zn  Jerusalem ,  als  erster  Blutzeuge  (Pro- 
tomartyr)  mit  der  Martyrpalme,  Steine  (Kugeln)  vor  sich  oder  auch  auf  dem 
Kopfe  tragend  (Apostelgesch.  7,  58).  Patron  der  Pferde;  des  Bistums  Halber- 
stadty  von  Bayern,  Nymwegen,  Ostfriesland,  Regensburg,  Speier  etc.  26.  De- 
cember;  Inventio  3.  August  (Stephanstag  im  Sommer);  Translatio  7.  Mai. 
Adv.  reliq.  in  Halberstadt.  9.  Mai. 

Stephan  I,  König  von  Ungarn,  t  1038.  2.  Sept.;  Translatio  1083;  ele- 
vatio  20.  Aug. ;  inventio  dexterae  30.  Mai. 

Sturm,  Abt  von  Fulda,  t  779.  17.  December;  kanon.  von  Innocenz  II. 
1149.    11.  April. 

Smähert  (Smberfus) ,  Apostel  der  Friesen,  angeblich  erster  Bischof  von 
Verden;  mit  Stern  in  der  linken  Hand,  t  ca.  694.  1.  März.  Schrein  (zu- 
gleich mit  seinem  Gehülfen  Willeikus)  in  Kaiserswerth. 

SulpitiuB  Pius,  Bischof  von  Bourges.  t644.  17.  Januar.  —  S.  Severus, 
ebd.,  um 400;  29.  Januar.  —  SulpitiusundServilianus,  Märtyrer  20.  April 
(in  Augsburg,  Bamberg,  Breslau  und  Würzburg  3.  Oktober). 

Snsanna  von  Rom,  Jungfrau,  Märtyrerin,  mit  Krone  (weil  sie  den  Adop- 
tivsohn Diokletians  nicht  heiraten  wollte)  und  Schwert  (M).  t  ca.  295.  11. 
August. 

Sylvester,  Papst,  einen  Ochsen  neben  sich  (den  ein  Jude  durch  Zauberei 
getötet  hatte,  und  den  er  wieder  lebendig  machte),   t  335.  31.  December. 

Thebaische  Legion,  s.  Mauritius. 

Thekla,  von  wilden  Tieren  (M)  umgeben;  die  erste  Blutzeugin  nach  der 
Ansicht  der  griechischen  Kirche ;  nach  der  abendländischen  Legende  wurde 
sie  von  den  Bestien  verschont  und  starb  als  Jungfrau  im  hohen  Alter.  23.  Sept. 
—  Eine  andere  Th.,  Engländerin,  Gefährtin  des  Bonifatius,  Äbtissin  von  Ochsen- 
furt und  Kitzingen  seit  745.    15.  Oktober. 

Theobald,  (SL  Thibautj  auch  St.  Einwald,  Enwold,  Tebald  genannt)  trägt 
Schuhmachergerät  (weil  er  dieses  Handwerk  aus  Demut  betrieb),  t  1150. 
1.  Juni.  Patron  in  Thann  im  Elsafs,  auch  einer  Kapelle  bei  Wernigerode. 

Theodor.  Heilige  dieses  Namens  kommen  30  vor.  Bischöfe:  der  erste 
von  Sitten  (Sedunum)  auch  Theodul  genannt,  t  ca.  391,  mit  Steinhammer 
und  Erzstufe  in  der  Hand  (z.  B.  am  Altare  zu  Bartholomäiberg  in  Vorarl- 
berg von  1525)  oder  mit  glockentragendem  Teufel,  Patron  von  Wallis 
und  der  Bergknappen,  16.  August;  andere:  26.  März,  1.  April,  1.  Juli,  9.  Ok- 
tober. —  Priester:  20.  und  23.  März.  —  Märtyrer:  ein  römischer  Feld- 
herr von  Heraklea,  enthauptet,  gekreuzigt,  mit  Pfeilen  durchbohrt,  t  312. 
7.  Februar;  ein  römischer  Soldat  Th.  Tyro  mit  Krokodil  9.  November;  an- 
dere: 23.  Oktob.    17.  Novbr.  etc. 

Theonestus,  Bischof,  Missionar  in  Mailand,  Gallien,  Mainz,  Gefährte  des 
h.  Albanus,  schwimmt  aus  Mainz  fliehend  in  einer  Weinkufe  den  Rhein  hinab, 
welche  bei  Kaub  landet,  wo  denn  der  Heilige  den  Weinbau  eingeführt  haben 
soll.  So  in  der  Kufe  kommt  er  auf  dem  Siegel  der  Stadt  Kaub  aus  dem  XV. 
Jahrh.  vor,  dies  ist  aber  vielleicht  nur  eine  mifsverstandene  Nachbildung  eines 
älteren  Siegels  mit  dem  h.  Martin  in  einer  Architektur  (vergl.  Heffner,  Frän- 


der  Heiligen.  599 

kische  Siegel,  10  ff.)  und  die  ganze  Legende  nur  aus  einer  Ohristianisiernng  der 
Dionysosmythe  entstanden.   30.  Oktober. 

Thia^dis,  erste  Äbtissin  von  Freckenhorst;  daselbst  ihr  Grab,  das 
der  Legende  nach  immer  weiter  von  Westen  nach  Osten  rückt,  auch  eine  ihr 
geweihte  Kapelle  und  ihr  (?)  Grabstein  (Abb.  bei  Dorow,  Denkmäler  alter  Sprache 
imd  Kunst,  I.   1823.  Taf.  ü,  2.).   30.  Januar. 

Thiemo,  Erzbischof  von  Salzburg;  Eingeweide  werden  ihm  mit  einer 
Winde  herausgezogen,   f  1101.   28.  September. 

Thomas,  s.  Apostel. 

Thomas  Aqninas,  Kirchenlehrer,  trägt  einen  Kelch;  auf  der  Brust  eine 
Sonne,  in  deren  Mitte  ein  Auge;  der  h.  Geist  (als  Taube)  schwebt  an  seinem 
Ohre,  oder  sitzt  auf  einem  von  dem  Heiligen  gehaltenen  Lilienstengel.  tl274; 
kanon.  1323.    7.  März.   Translatio  28.  Januar. 

Thomas  (Becket)  Cantnariensis,  Erzbischof  von  Canterbury;  in  seinem 
Haupte  steckt  ein  Schwert  (M).  Seine  Geschichte  ist  im  Dome  zu  Braun - 
schweig  in  Wandmalereien  des  XIH.  Jahrh.  dargestellt.  Er  ist  Patron  der 
Neumarktskirche  zu  Merseburg  und  gegen  Kopfschmerzen.  1 1170.  29.  Dec. ; 
kanon.  1173;  Translatio  1223.    7.  Juli. 

Tibnrtius,  Ritter,  Märtyrer  zu  Rom  zugleich  mit  seinem  Bruder  Valerianus. 
t  229.  14.  April.  —  Ein  ander  T.  ist  Genosse  des  Martyriums  der  h.  Snsanna, 
11.  August,  und  wird  aufglühenden  Kohlen  gehend  dargestellt. 

Timotheus,  Schüler  des  Apostels  Paulus,  Bischof  von  Ephesus,  mit  einer 
Keule  und  Steinen  (M).  24.  Jan.  Die  Ankunft  seiner  Reliquien  wird  zu 
Minden  am  5.  März  gefeiert. 

Tmdberthns,  Märtyrer  in  Irland,  angeblich  Bruder  des  h.  Rupei-t,  mit 
einer  Hacke  totgeschlagen  607  oder  643.  26.  April.  Gründer  von  St.  Trud- 
pert  im  Schwarzwald. 

JJlrich  (Uda/ricus),  Bischof  von  Augsburg,  hält  einen  Fisch  in  der  Hand 
(weil  er  in  den  Fasten  Fleisch  in  Fisch  verwandelte) ;  mit  der  Martyrpalme ; 
ein  Engel  reicht  ihm  ein  Kreuz,  t  973.  4.  Juli.  (Seine  von  Johann  XV.  993 
vorgenommene  Kanonisation  wird  für  die  erste  gesetzliche  gehalten.).  Patron 
vieler  Kirchen  im  Elsafs,  auch  in  Magdeburg  und  Goslar.  Ulrichskreuze  s.  S. 
467,  N.  2.  —  Seine  und  der  h.  Afra  Legende  deutsch  mit  Holzschnitten  1516 
zu  Augsburg  gedruckt.   - 

Ulrich,  Prior  von  Zell,  Kluniacenser,  Genosse  des  Wilhelm  vonHirschau, 
Stifter  von  St.  Ulrich  oder  Zell  im  Schwarzwald,  t  14.  Juli  1093.  Festtag 
10.  Juli.  (Vergl.  Nothelfer,  Leben  und  Wirken  des  Gründers  von  St.  Ulrich  im 
Breisgau,  im  Freiburger  Diöc.  Archiv  X,  125  ff.) 

Unschuldige  Kindlein.   Matth.  2,  16.   28.  December. 

Urban  L,  Papst,  mit  dem  Schwert  (M).  t  230.  25.  Mai.  Er  wird  mit 
einem  anderen  Urban,  der  als  Bischof  von  Langres  im  V.  Jahrh.  lebte  und  Patron 
des  Weinbaues  ist,  verwechselt.  Letzterer  mit  Weinstock,  weil  er  sich  hinter 
einem  solchen  vor  seinen  Verfolgern  verbarg;  auch  der  Papst  kommt  mit 
Weintraube  vor. 

Ursula  (Kämpferin  gegen  den  Teufel  =  ursus:  I  Samuel.  17,  34  ff.),  eine 
britische  Königstochter,  mit  demPfeile(M),  von  ihrem  himmlischen  Bräutigam 
Ätherius  geleitet.  Führerin  der  11000  Jungfrauen,  mit  denen  sie  zu  Schüfe 
nach  Gallien,  sodann  den  Rhein  hinauf  über  Köln  nach  Basel  und  nun  zuFufs" 


60ü  Verzeichnis 

nach  Italien  zieht,  von  wo  sie  Papst  Cyriakns  mit  ihren  Gefährten  nach  Deutsch- 
land zurückbegleitet;  in  Köln  gerät  das  Schiff  in  die  Gewalt  der  Hunnen,  und 
alle  fallen  als  Märtyrer.  —  Besonders  beliebt  bei  den  Cisterciensernonnen. 
Die  Legende  in  vier  verschiedenen  Ausgaben  um  1511  zu  Köln  gedruckt;  be- 
rühmte Bilder  von  Memlinc  an  ihrem  Schrein  zu  Brügge;  die  älteste  bekannte 
Darstellung  derselben  aus  dem  XII.  Jahrh.  auf  einer  kupfernen  liturgischen 
Schüssel  im  Privatbesitze  zu  Aachen  (Abb.  Bonner  Jahrbb.  LXXV,  Taf.  in.  — 
Vergl.  Schade,  Osk.;  die  Sage  von  der  h.  Ursula.  Ein  Beitrag  zur  Sagenforschung. 
2.  Aufl.     1854.  —  Rettberg,  Kirchengescli.  Deutschlands,  1,  111  — 123). 

Ursns,  Ritter  der  thebaischen  Legion  mit  Banner  und  Schwert.  Märtyrer 
303.    30.  September. 

Utto  (ütho)y  Benediktinerabt  in  Metten,  t  ca.  828.  3.  Oktober.  Bayri- 
scher Specialheiliger. 

Valentinns.  Dieses  Namens  giebt  es  etwa  20  Heilige.  Ein  römischer 
Priester,  mit  Schwert  (M).   Patron  gegen  Pest  und  Epilepsie.    14.  Februar. 

—  Ein  Bischof  von  Pas  sau  Ende  des  VII.  Jahrh.  7.  Januar,  translatio  4.  Au- 
gust. —  Ein  Bischof  von  Interamna  ebenf.  aus  dem  VII.  Jahrh.  und  7.  Januar. 

—  Ein  Bischof  von  Terracina,  macht  ein  blindes  Kind  sehend,  Märtyrer 
ca.  312.    16.  März  u.  s.  w. 

ValerianuB,  Bräutigam  der  h.  Cäcilia.   t  229.    14.  April. 

Verena,  Jungfrau,  Begleiterin  der  thebaischen  Legion,  nachher  Einsied- 
lerin bei  Solothurn,  später  in  Zurzach,  wo  988  über  ihrem  Grabe  eine  Kirche, 
jetzt  Stiftskirche,  errichtet  wurde,  t  344.  1.  September.  Mit  Kamm  und 
Kanne.  Patronin  der  Müller  und  mehrerer  Kirchen  in  Württemberg.  (Vergl. 
Huber,  d.  Leben  der  h.  Jungfr.  Verena  in  Wort  und  Bild.  M.  23  Kupferstichen 
(Reproduktionen  der  1736  herausgogc^benen  Stiche  von  Klauber)  1878.) 

Veronika  hält  das  Seh  weifstuch  mit  dem  abgedruckten  Bilde  (vera  ikon) 
des  Antlitzes  Christi  in  der  Hand.  (Vergl.  oben  S.  534,  Fig.  287.)  Dieses 
Schweifstuch  allein,  gewöhnlich  von  Engeln  gehalten,  findet  sich  sehr  oft 
abgebildet.  Von  den  mancherlei  angeblich  echten  Veronikabildem  hat  schliefs- 
lich  nur  das  im  Besitze  der  Peterskirche  zu  Rom  befindliche,  jährlich  am  Char- 
freitage  für  einen  Moment  öffentlich  gezeigte  die  Oberhand  behalten.  —  Im 
Evang.  Nicodemi  heifst  die  geheilte  Blutflüssige  BeQovixrj,  BeQvixti,  —  Das  Fest 
dieser  Heiligen  fällt  auf  den  4.  Febr.  (in  Mainz:  25.  Febr.)  (Vergl.  Die  h.  Vero- 
nika u.  Helena  etc.  iin  Chr.  K.-Bl.  1881.    No.  5  u.  9.) 

Vicelinns,  Bischof  von  Aldenburg  (später  Lübeck),  Apostel  der  Holsteiner. 
t  1154.    12.  December. 

Victor.  Heilige  dieses  Namens  werden  etwa  40  verehrt,  die  sebr  schwer 
von  einander  zu  unterscheiden  sind.  Am  bekanntesten  ist  ein  Ritter  der  the- 
baischen Legion,  der  am  10.  Okt.  mit  330  Mann  den  Märtyrertod  fand;  trans- 
latio 31.  Oktober;  er  ist  Patron  von  Xanten.  —  Ein  anderer  V.  von  Marseille, 
römischer  Hauptmann  aus  dem  lU.  Jahrh.  21.  Juli,  kommt  unter  den  Glas- 
bildern im  Münster  zu  Strafsburg  vor.  — V.  Maurus  von  Mailand,  römischer 
Soldat,  Mohr  auf  einem  Schimmel  reitend,  Märtyrer  303.   8.  Mai. 

Vincentins.  Davon  kommen  über  20  vor.  V.  Levita,  spanischer  Dia- 
kon des  IV.  Jahrb.;  ein  Rabe  neben  ihm  (der  seinen  Leichnam  bewachte). 
Patron  des  Münsters  zu  Bern.  Seine  Legende  auf  den  Teppichen  daselbst; 
«inch  in  der  Kathedrale  zu  Bourges  und  zu  Heiligenblut,    t  304.    22.  Ja- 


der  Heiligen.  601 

nuar.  —  V.  Ferrerius,  Dominikaner,  hält  eine  Sonne  mit  dem  Monogramm 
ms  in  der  Hand,  statt  derselben  auch  ein  Medaillon  mit  der  Darstellung  des 
Weltrichters,  f  1419;  kanon.  1455.   5.  April. 

Virgilins,  Bischof  von  Salzburg,  hält  das  Modell  einer  Kirche,  t  780. 
27.  Nov. ;  im  XIII.  Jahrh.  kanon. ;  elevatio  26.  Septbr. ;  Patron  und  Apostel 
von  Kärnthen  und  Steiermark. 

Vitalis,  Apostel  der  Pinzgauer,  Bischof  von  Salzburg,  f  730  oder  646. 
20.  Oktober. 

Vitalis,  ein  Ritter,  welcher  unter  Nero  lebendig  in  einer  Grube  einge- 
graben wurde;  er  hält  einen  Streitkolben.  28.  April.  (Es  giebt  13  Heilige 
dieses  Namens.) 

Vitas  (F(^Y),  ein  Kind,  mit  einem  Hahne ^  oder  einem  Raben  (vergl. 
Korvei)  auf  einem  Buche  in  der  linken  Hand ;  mit  einem  Wolfe,  oder  auf  einem 
Löwen  stehend  (dem  er  vorgeworfen  wurde);  häufig  in  einem  Kessel  (in 
welchem  er  in  Öl  gesotten  wurde);  oft  auch  nur  mit  Palme  und  Buch,  oder  als 
Ritter  mit  Palme,  t  303.  15.  Juni ;  Translatio  (nach  Korvei)  801.  26.  April ; 
836.  13.  Juni  (in  Paderborn,  Verden  und  Halberstadt  10.  März).  Patron  gegen 
den  Veitstanz,  einer  der  14  Nothelfer.  Patron  von  Sachsen,  Böhmen,  DrUbeck, 
Ellwangen,  Eltenberg,  Höxter,  Korvei,  Prag.  Seine  Legende  in  den  Fresken 
seiner  Kirche  zuMühlhausen  a.  Neckar  von  1428  und  an  den  Altären  da- 
selbst von  1510. 

Walderich,  Einsiedler  zu  MuiThardt  in  Württemberg  im  IX.  Jahrh.  Kirche 
und  Kapelle  daselbst.    1.  April. 

Walpnrgis  (Walburgis,  Walpurga),  Schwester  der  h.  h.  Willibald  und 
Wunnibald,  Äbtissin  von  Heidenheim,  drei  Kornähren  oder  ein  Ölfläsch- 
chen  in  der  Hand  (weil  aus  ihrem  Grabe  in  St.  Walpurgis  zu  Eichstädt  heil- 
sames Öl  fliefst).  Patronin  der  Fruchtbarkeit  und  gegen  bissige  Hunde,  f  um 
780.  25.  Febr.;  Translatio  (nach  Eichstädt)  860.  21.  Sept.  Adv.  reliq.  (in 
Münster)  4.  August  (auch  als  Tag  ihrer  Abreise  von  England  gefeiert).  Ihre 
Legende  auf  den  Teppichen  zu  Wallerstein.  Ihr  Tag  1.  Mai,  an  welchem 
ihre  Kanonisation  erfolgte ;  vermischt  mit  der  germanischen  Frühlingsgöttin : 
Hexenfahrten  und  Walpertsfeuer.  (Vergl.  Hauber,  J.,  d.  h.  Walburga  u.  ihre 
gottselige  Verwandtschaft.    1840.) 

Wendelin,  schottischer  Königssohn,  lebt  als  Einsiedler,  dann  Hirt  in  der 
Diöcese  Trier,  später  Abt  von  Toley  im  VII.  Jahrh.;  mit  Schäferhund.  21. 
Oktober;  Translatio  5.  Juli;  (in  Mainz  24.  April,  inMeifsen  S.Februar).  Sein 
Schrein  in  St.  Wendel.   Seine  Legende  deutsch  1512  zu  Erfurt  gedruckt. 

Wenzel,  Herzog  von  Böhmen,  als  Ritter  mit  königlichen  Abzeichen 
(Fahne  und  Schild  nicht  mit  Kreuz  sondern  mit  Adler)  und  dem  Schwert 
(M).  Patron  von  Breslau,  in  Könnern,  Naumburg  a.  S.,  Olmütz.  t  929.  28. 
Sept.,  Translatio  932.   4.  März. 

Werenfrid,  Presbyter,  Confessor,  Apostel  der  Friesen,  t  760.  27.  Au- 
gust; hält  ein  Schiff  in  der  Hand  (seine  Leiche  schiffte  ohne  Ruder  gegen 
den  Strom);  Patron  z.  B.  a«  Uelsen  in  der  Grafschaft  Bentheim. 


'  Otto  von  Bamberg  hing  bei  seinen  Missionsreisen  in  Pommern  den  dem  Swante- 
wit  geheiligten  Hahn  an  das  Reliquiar  des  Sanctus  Vitus,  um  so  den  Bekehrten  die 
Ersetzung  des  Götzen  durch  den  namensähnlichen  Heiligen  noch  mehr  zu  erleichtem. 


ß02  Verzeichnis 

Werner,  ein  Bauernknabe ^  welcher  von  den  Juden  zu  Oberwesel  1285 
durch  Martern  getötet  wurde.  Kapellen  in  Bacharach  und  Oberwesel.  19.  April. 

Wighert  (fVicbert,  Wipertus,  Wiprecht,  Gutberi)^  Abt  von  Fritzlar  (wo 
in  St.  Peter  sein  Sarkophag)^  Kelch  mit  Weintraube  in  der  Hand,  Patron 
von  Hersfeld  (wohin  780  seine  Gebeine  heimlich  gebracht  wurden),  auch  in 
Quedlinburg  und  vielen  thüringischen  Orten,  die  mit  Hersfeld  in  Beziehung 
standen  (vergl.  Gröfsler  —  b.  bei  Bomfatius  —  S.  33  ff.),  t  747.  13.  August. 
Translatio  15.  Mai.  —  Nicht  zu  verwechseln  mit  dem  h.  Wicterp,  Bischof 
von  Augsburg  736  -  768.   t  18.  April. 

Wilgefortis,  s.  Kümmernis. 

Wilhelm (Guilelmus).  Deren  giebt  es 24.  W.Herzog  vonAquitanien, 
durch  den  h.  Bernhard  bekehrt,  Eremit  und  Stifter  der  Abtei  St.  Guilhelm  le 
D^sert  im  Val  de  Gellone  bei  Toulouse;  goldene  Lilie  mit  der  Inschrift  Ave 
Maria  y  die  aus  seinem  Grabe  wuchs,  t  1142.  28.  Mai.  Patron  einer  Kirche 
in  Strafsburg,  wo  seine  Legende  in  Glasgemälden.  — W.  von  Maleval(Ma- 
lavalle  bei  Siena),  früher  Soldat,  dann  Einsiedler,  im  Mönchsgewand  über  der 
Rüstung  (die  er  zur  Abtötung  weiter  getragen  haben  soll),  t  1157.  10.  Fe- 
bruar. —  W.  von  Hirschau  der  Selige,  Abt  1071  — 1091,  Reformator  des 
Benediktinerordens;  die  Anhänger  seiner  strengeren  Regel  nannten  sich  Wil- 
helmiter  oder  Brüder  des  St.  Wilhelms- Ordens.  4.  Juli  (vergl.  Kerker,  W.  der 
Selige,  Abt  zu  Hirschau.  1863.  Schilling,  A.  Gesch.  des  Wühelmiterklosters  zu 
Mengen,  in  "Württemb.    Vierteljahrshefte  1881,  93  ff.). 

Willehad,  Bischof  von  Bremen,  Götzenbilder  umstürzend;  Patron  von 
Bremen,  auch  am  Niederrhein  verehrt,   t  789.    8.  November. 

Wülibald,  Bruder  der  Walpurgis,  Bischof  von  Eichstädt,  auf  der  Brust  das 
Rationale  mit  den  Worten :  i9/?^.?,  A'ä?^^,  CÄanYew.  tum  786.  7.  Juli.  Verschie- 
dene Translationen :  22.  April,  10.  Juni,  13.  Okt.  Ordinatio  in  Eichstädt  22.  Juli. 

Willibrord,  Bischof  von  Utrecht,  Apostel  der  Friesen,  trägt  ein  Kind,  Kir- 
chenmodell,Fafs  oder  2  K  r  ü  g  e.  Patron  in  Echtemach  und  Wesel .  t  um  740. 
(6.)  7.  Nov.   Translatio  19.  Oktober.   Reliquiar  im  Münster  zu  Emmerich. 

Willigis,  Erzbischof  von  Mainz,  mit  Rad  (früher  Rademacher),  t  1011. 
23.  Februar. 

Wolfgang,  Bischof  von  Regensburg,  eine  Kirche  zur  Seite,  auch  mit 
kurzem  Beil.  Patron  gegen  Lähmung  und  Schlagflufs  —  von  Regensburg. 
Seine  Legende  am  Pacherschen  Altare  in  St.  Wolfgang;  gedruckt  deutsch 
mit  Holzschnitten  zu  Landshut  1515,  1516,  1520.  t  994.  Elevatio  corporis 
1052.  —  31.  Oktober  (Brandenburg  20.  Juni).   Translatio  7.  Oktober. 

Wunnibald  (Winibald),  Bruder  des  Willibald,  Abt  von  Heidenheim,  mit 
Pilgerstab  und  Maurerkelle,  t  763.  18.  December.  —  Sein  Grabmal 
von  1363  oder  aus  dem  XV.  Jahrh.  inHeidenheira. 

Zeno,  Bischof  von  Verona,  mit  Fischrute  und  Fisch  (der  auch  statt  des 
Sudariums  am  Bischofstabe  hängt).  Patron  in  St.  Zeno  bei  Reichenhall,  t  ca. 
380.    12.  April  (in  Salzburg  und  Aquüeja  8.  December,  Gnesen  22.  Juni). 

Zosimns,  Bischof  von  Syrakus,  mit  einem  Pestkranken.    30.  März. 


der  Heiligen.  g03 

Clavis. 

Adler :  Johannes  der  EvangeÜBt.   Servatius.  —  Altargerate :  Hyacinthns. 

—  Ambofs:  Adrian.  —  Armbrust:  Christina.  —  Arzneigläser:  Cosmas  und 
Damianus.  —  Augen :  Lucia. 

Bar:  Columba.  Columban.  Corbinianus.  Euphemia.  Florentius.  Gallus. 
Maximin.  —  Bart  bei  einer  Jungfrau :  Kümmernis.  —  An  einen  Baum  gebun- 
den: Afra.  Pantaleon.  Sebastian.  —  Beil:  Mal chus  und  Martinianus  die  Sie- 
benschläfer. Matthias.  Wolfgang.  —  Bienenkorb:  Ambrosius.  Bernhard. 
Johannes  Chrysostomus.  —  Bischofsmütsen  3 :  Bernhard.  Maternus.  —  Blu- 
men in  einem  Korbe :  Dorothea.  Elisabeth.  —  Bohrer:  Leodegar.  —  Brot: 
Elisabeth.  Gottfried.  Nikolaus.  Brot  mit  Fisch:  Berthold.  Br.  m.  Wasser- 
krug. Eugenia.  —  Bmstschild  mit  den  Worten  T>Spes,  Fides y  Charita.^:  Willi- 
bald. —  Buch:  allgemeines  Emblem  der  Kirchenlehrer,  Bischöfe  etc.;  von 
einem  Schwerte  durchstochen:  Bonifatius;  aufgeschlagen:  Ludger; 
zwei  Augen  darauf:  Ottilia:  Hahn  darauf:  Veit. 

Dolch :  Kilian.  —  Domen :  Achatius.  Benedictus.  Maximus.  —  Dornen- 
krone: Ludwig.  —  Domstrauch  mit  Weintraube:  Maximinus.  —  Drache 
(Ungeheuer) :  Cassius.  Cyriakus.  Elisabeth  von  Schönau.  Georg.  Hilarion. 
Magnus.   Margareta. 

Einhorn:  Maria.  Clara.  —  Elle  mitScheere:  Gutmann.  —  Engel:  Mat- 
thäus. —  Esel :  Antonius  v.  Padua.   Geroldus.   Marcellus.   Remaclus. 

Fackel:  Serapion.  —  Fäfschen:  Othmar.  Willibrord.  —  Fahne:  Gereon, 
Moritz,  Ratho,  Viktor,  Wenzel  etc.  —  Falke :  Agilolf.  Bavo.  —  Fisch:  Bran- 
don.  Ulrich.  Zeno.  Mit  einer  Perle  im  Munde:  Patroclus.  Mit  Schlflssel: 
Benno.  —  Fufstapfen :  Medardus. 

Oans :  Martin.  —  Oeföfs  mit  Wasser :  Florian.  —  Geldbeutel :  Nikolaus. 
Sixtus. 

Hacke :  Trudberthus.  —  Hahn :  Vitus.  —  Hammer :  Eligius.  Gervasius. 
Reinhold.  —  Hechel :  Blasius.  —  Hellebarde :  Matthäus.  —  Herz :  Augustinus. 
Brigitta.  —  Hirsch  (Hirschkuh):  Ägidius.  Eustachius.  Genovefa.  Goar. 
Hubertus.  Ida.  Prokopius.  —  Hirschgeweih :  Eustachius.  —  Hobelspäne  in 
der  Schürze:  Notburga.  —  Holzbecher:  Nikolaus  von  Flüe.  —  Hostie: 
Burkhard.  Onufrius.  —  Hund:  Adolar.  Bernhard.  Dominicus.  Rochus. 
Wendelin. 

Kamm  und  Kanne :  Verena.  —  Kelch :  Barbara.  Benedictus.  Johannes 
der  Evangelist.  Konrad.    Lubentius.  Norbert.   Thomas  Aqninas.   Wigbertus. 

—  Kessel:  Veit.  Nikolaus.  —  Ketten:  Adjutor.  Ignatius.  Leonhard.  — 
Keule:  Adalbert.  ApoUinaris.  Gervasius.  Johannes  und  Constantius  die 
Siebenschläfer.  Judas  Thaddaeus.  Timotheus.  —  Kinder:  eins:  Willibrord; 
zwei  (oder  drei)  auf  dem  Arme :  Anna ;  drei :  Nikolaus.  —  Das  Christkind 
auf  der  Schulter :  Christoph.  —  Slirche :  Das  Modell  einer  Kirche  ist  allge- 
meines Attribut  derjenigen  Heiligen,  die  Stifter  von  Kirchen  und  Klöstern 
sind :  Amalberga.  Gebhard.  Godehard.  Heinrich  IL  Karl  der  Grofse.  Kuni- 
bert. Leopold.  Maternus.  Virgilius.  Willibrord.  Wolfgang  etc.  —  Klee- 
blatt :  Patricius.  —  Knotenstock ;  Maximianus  der  Siebenschläfer.  —  Koch- 
löffel :  Martha.  —  Kohlen :  Briccius.  —  Kohlenbecken :  Agatha.  —  Kopf  in 
der  Hand  (in  dem  Sinne,  dafs  die  Märtyrer  ihr  Haupt  Gott  zum  Opfer  dar- 


604  Verzeichnis  der  Heiligen. 

bringen):  Albanus.  Dionysius.  Exnperantius.  Felix.  Regula.  — Korb:  Doro- 
thea, Elisabeth.  Joachim.  —  Kornähren:  Walpurgis.  —  Krens  (in  verschie- 
denen Gestalten):  Andreas.  Bemward.  Brigitta.  Bruno.  Dismas.  Era.  He- 
lena. Kümmernis.  Ludgardis.  Philippus.  Kreuz,  auf  dem  eine  Taube  sitzt. 
Regina.  —  Krokodil :  Theodor.  —  Krone :  allgemeine  Bezeichnung  der  könig- 
lichen Würde  oder  Abstammung,  dann  aber  auch  häufig  die  von  den  Heiligen 
verschmähte  irdische  oder  erworbene  Krone  des  ewigen  Lebens.  —  Eine  Krone 
zu  den  Füfsen :  Jodocus.   Radegundis.  —  Drei  Kronen :  Elisabeth.    Ludwig. 

—  Krag :  Elisabeth.  Notburga,  —  Kugeln :  Nikolaus,  Stephanus.  —  Korbis- 
flasche:  Othmar. 

Lamm :  Agnes.  Joachim.  Johannes  der  Täufer.  —  Lampe :  Gudula.  — 
Lanze :  Adalbert.  Thomas.  Emmeram.  Kanut.  Koloman.  —  Leiter :  Emme- 
ram.  —  Licht:  Blasius.  Branden.  Genovefa.  Mamertus.  —  Lilie:  Gertrud. 
Kasimir.  Wilhelm.  —  Lilienstengel:  Antonius.  Franciscus.  Joseph.  Simpli- 
cius.  —  Löwe:  Marcus.   Hieronymus.   Veit. 

Mauerkelle:  Wunnibald.  —  Messer:  Bartholomäus.  Christina.  —  Als 
Mohr:  Fides.  Maria  von  Ägypten.  Mauritius.  Victor  Maurus.  —  Mono- 
gramm IHS :  Bernhardin  von  Siena.  Ignatius.  Vincentius  Ferrerius.  —  Mon- 
stranz: Agnes  von  Bayern.  Clara.  Hugo.  —  Muschel:  Jacobus  major.  — 
Mühlstein:  Quirinus. 

Nagel :  Pantaleon.   Dionysius  der  Siebenschläfer. 

Ochsen^  zwei:  Sebaldus.  — Opferaltar:  Alexander.  — Orgel:  ApoUonia. 
Cäcilia.  —  Olfläschchen :  Walpurgis. 

Palme:  allgemeine  Bezeichnung  des  Märtyrer  tums.  Adrian.  Felicitas. 
Stephanus.  —  Pfau :  Liborius.  —  Pfeile :  Christina.  Hubertus.  Otto.  Seba- 
stian. Ursula.  —  Pferd :  Severus.  —  Zu  Pferde :  Georg.  Martin.  —  Pflugschar: 
Kunigunde.  —  Pilgerstab  u.  s.  w.   Jacobus  major.   Koloman. 

Quelle:  Gangolf. 

Babe:  Ida.  Oswald.  Meinrad.  Paulus  von  Theben.  Vincentius. — Kad: 
Donatus.  Euphemia.  Katharina.  Willigis.  —  Batten  und  Mäuse :  Cutubilla. 
Gertrud.  —  Beb:  Maximinus.  —  Ring:  Godeberta.  —  Rosenkranz:  Leo- 
pold IV.  —  Rosen:  Dorothea.   Elisabeth.  —  Rost:  Laurentius. 

Salbbüchse :  Magdalena.  —  Salzkübel :  Rupertus.  —  Säge :  Simon.  — 
Scheiterhaufen:  Polykarpus.  — Schiff:  Anseimus Cantuar.  Castor.  Nikolaus.  Ur- 
sula. Werenfrid.  —  Schlangen:  Patricius.  —  Schleier:  Ludmilla. —  Schlüssel: 
l^enno.  Petrus. — Schuhe:  Hedwig. —  Schuhmachergerät :  Crispinus.  Crispi- 
nianus.  Severus.  Theobald.  —  Schwan:  Hugo.  Ludger.  —  Schwein:  Antonius. 

—  Schweifstuch :  Veronika.  —  Schwert :  Allgemeines  Attribut  aller  durch  das 
Schwert  gestorbenen  Märtyrer.  Adrian.  Albanus.  Barbara.  Donatus.  Doro- 
thea. Ewald.  Fabian.  Felix.  Friedrich.  Katharina.  Kilian.  Lucia.  Lucius. 
Maria  als  Schmerzensmutter.  Pankratius.  Paulus.  Pins  I.  Sigismund.  Six- 
tus.  Stanislaus.  Susanna.  Thomas  Cantuariensis.  Urbanus.  Valentinus.  Wen- 
zel etc.  —  Sonne:  Johannes  Capistranus.  Martinus  Turon.  Thomas  Aq.  — 
Stein,  Steine:  Emerentia.  Hieronymus.  Liborius.  Stephanus.  Timotheus. — 
Sterne :  Dominicus.  Johannes  Nepomnk.  Suidbert.  —  Stier :  Lucas.  —  Streit- 
axt: Ladislaus.  —  Streitkolben:  Vitalis. 

T  (ägyptisches  Kreuz) :  Antonius.  —  Taube :  Cornelia.  Fabian.  Gregor. 
Joachim.   Kunibert.  Medardus.  Regina.  Remigius.  Thomas  Aquin.  —  Teller 


Chronologische  Zugabe. 


605 


mit  Almosen:  Lanrentius.  —  Teufel:  AntODins.  Genovefa.  Prokopius.  Mag- 
dalena; an  der  Kette:  Juliana.  —  Toter:  Fridolin,  Martin.  Stanislaus.  — 
Turm:  Barbara. 

Walkerbaum:  Jacobus  minor.  —  Weinkanne:  Florinus.  —  Weinkufe: 
Theonestus.  —  Weinstock:  Urbanus.  —  Weintraube:  Maximus.  Urbanus. 
Wigbertus.  —  Winde:  Erasmns.  —  Winkelmafs:  Thomas.  —  Wölfe:  Rade- 
^^undis.  —  Wunde  am  Halse:  Lucia;  am  Kopfe:  Petrus  Martyr.  Thomas 
Cantuar.;  am  Schenkel:  Rochus.  —  Wundenmale  Christi:  Franciscus.  Ka- 
tharina von  Siena.  —  Wurfspiefs :  Gangolf.   Lambertns. 

Zange:  Agatha.   ApoUonia.   Levinus.   Pelagius. 


Chronologische  Zugabe. 

Berechnung  der  Wochentage  und  des  Osterfestes  nach  dem  julianischen 

Kalender. 

a.  Literae  dominicae. 

Man  hat  das  ganze  Jahr  in  Perioden  von  je  sieben  Tagen  geteilt  und 
diese  immer  wiederkehrend  mit  den  sieben  ersten  Buchstaben  des  Alphabets 
bezeichnet. 


A     B 

Januar     1     2 


I. 

C     D 
3     4 


E    F     G     etc. 
5     6     7 


Denjenigen  dieser  Buchstaben,  welcher  auf  den  ersten  Sonntag  (also  auch  auf 
sämtliche  Sonntage)  des  Jahres  fällt,  nennt  man  den  Sonntagsbuchstaben 
imd  berechnet  ihn  für  ein  gegebenes  Jahr  folgend ermafsen :  Man  addiere  nach 
den  mittelalterlichen  Memorialversen :  Annis  adde  novem  Dominik  pariire  per 
ocio  et  Viffinii:  cyclus  tibi  noitis  erit  (vergl.  Durandus,  1.  8  c.  5  n.  7)  zu  der 
gegebenen  Jahreszahl  9  und  dividiere  die  Summe  mit  28,  so  findet  man  in  der 
Sonntagsbuchstaben-Tabelle 


IL 


1G(F) 


2E 


3D 


4C 


5B(A) 
6G 

9D(C) 

13  F(E) 

17  A(G) 

21  C(B) 

10  B 
IIA 

14  D 

18  F 

22  A 

7F 

15  C 

19  E 

23  Q 

24  F 

8E 

12  G 

16  B 

20  D 

25  E(D) 


26  C 


27  B 


28  A 


neben  der  als  Rest  übrig  bleibenden  Zahl  den  Sonntagsbuchstaben  des  ge- 
gebenen Jahres.  Stehen  bei  einer  Zahl  in  der  Tabelle  zwei  Sonntagsbuch- 
staben, so  ist  das  gegebene  Jahr  ein  Schaltjahr,  in  welchem  der  in  Parenthese 


606 


Chronologische  Zugabe. 


geschlosaene  Buchstabe  für  die  Sonntage  vom  24.  Februar  ab  gilt,  der  andere 
nur  für  den  Anfang  des  Jahres  bis  zum  genannten  Schalttage.  Bleibt  bei  der 
Division  nichts  flbrig,  so  ist  A  (28)  der  Sonntagsbuchstabe.  Beispiel:  1225  + 
9  =  1234 :  28,  bleibt  Rest  2,  folglich  ist  E  der  Sonntagsbuchstabe  des  Jahres 
1225,  das  heifst  nach  Tab.  I.:  der  5.  Januar  des  Jahres  1225  war  ein  Sonntag, 
woraus  folgt,  dafs  der  1.  Januar  1225  ein  Mittwoch  war.  Ist  nun  bekannt,  auf 
welchen  Wochentag  der  1.  (mithin  auch  der  8.  15.  22.  29.)  Januar  fällt,  so 
lassen  sich  alle  übrigen  Wochentage  des  Jahres  daraus  mit  Hilfe  der  folgenden 
Tafel  leicht  finden. 


III. 


A 

B 

C 

D 

E 

F 

G 

Für  das 

Gomein- 

jahr. 

1.  Jan. 
1.  Okt. 

1.  Mai. 

1.  Aug. 

1.  Febr.    1.  Juni. 
1.  März. 
1.  Nov. 

1.  Sept. 
1.  Dec. 

1.  April. 
1.  Juli. 

Für  das 
Schalt- 
jahr. 

1.  Jan. 
1.  April. 
1.  Juli. 

1.  Okt. 

1.  Mai. 

1.  Febr. 
1.  Aug. 

1.  März. 
1.  Nov. 

1.  Juni. 

1.  Sept. 
1.  Dec. 

Der  1.  (8.  15.  22.  29.)  Januar  (A)  des  Gemeinjahres  1225  fiel  auf  den  Mitt- 
woch; die  Tabelle  zeigt,  dafs  der  1.  (8.  15.  22.  29.)  Oktober  auf  denselben 
Tag  fällt.  Der  1.  Februar  (D)  fällt,  von  A  bis  D  vier  Tage  weiter  gezählt,  auf 
den  Sonnabend ,  ebenso  der  1.  März  und  der  1.  Nov.  u.  s.  f.  Da  der  1.  März 
auf  einen  Sonnabend  fiel,  so  war  auch  der  22.  März  ein  Sonnabend ,  der  24.  März 
also  ein  Montag,  mithin  hatte  das  Jahr  1225  die  Konkurrente  II.  Im  Mittelalter 
bediente  man  sich  für  das  Gemeinjahr  dazu  der  folgenden  Memorial verse: 

Alta  Domat  Dominus^  Gratis  Beat  Equa  GerenteSj 
Contemrät  Fictos,  Augehit  Dona  Fideli. 

Dieselben  bestehen  aus  12  Wörtern,  welche  die  Monate  des  Jahres  vom  Januar 
bis  December  bezeichnen,  und  die  7  Anfangsbuchstaben  der  12  Wörter  be- 
zeichnen die  7  Wochentage  von  Sonntag  (A)  bis  Sonnabend  (G)  für  jeden 
ersten  Tag  des  betreffenden  Monats.  In  denjenigen  Monaten,  deren  Wörter 
mit  demselben  Anfangsbuchstaben  beginnen,  fällt  also  der  erste  Monatstag  auf 
denselben  Wochentag,  z.  B.  der  1.  Januar  {AHa)  und  der  1.  Oktober  (Augebit); 
der  1.  Februar  (Domat)  ^  1,  März  (Dominus)  und  der  1.  November  (Dona)  u.  s.  f. 
(vergl.  Durandus,  1.  8  c.  5  n.  4). 


b.  Terminus  paschalis. 

Um  das  Osterfest  eines  gegebenen  Jahres  zu  berechnen,  addiere  man  zu 
der  Jahreszahl  1  und  dividiere  die  Summe  mit  19:  so  ist  der  Rest  die  goldene 
Zahl  (aureus  numerus).  Bleibt  bei  der  Division  nichts  übrig,  so  ist  19  die 
goldene  Zahl.  Mit  Hilfe  derselben  und  der  Sonntagsbuchstaben -Tabelle  II. 
kann  man  nach  folgender  Tafel  das  Osterfest  finden,  welches  jedesmal  auf  den 
ersten  Sonntag  nach  dem  ersten  Vollmond  im  Frühling  (Ostermond)  f^lt. 


Chi'onologische  Zugabe. 


607 


IV. 


Goldene 

Terminus  paschalis 

Goldene 

Terminus  paschalis 

Zahl. 

(Ostermond). 

Zahl. 

(Ostermond). 

1 

5.  April  D, 

11 

15.  April  G. 

2 

25.  März  G. 

12 

4.  April  C. 

3 

13.  April  E. 

13 

24.  März  F. 

4 

2.  April  A. 

14 

12.  April  D. 

5 

22.  März  D. 

15 

1.  April  G. 

6 

10.  April  B. 

16 

21.  März  C. 

7 

30.  März  E. 

17 

9.  April  A. 

8 

18.  April  C. 

18 

29.  März  D. 

9 

7.  April  F. 

19 

17.  April  B. 

10 

27.  März  B. 

Beispiel:  Man  sucht  das  Osterfest  des  Jahres  1225. 

1225  +  1  =  1226  :  19,  bleibt  Rest  10.  Neben  dieser  goldenen  Zahl  10 
steht  in  Tab.  IV.  der  27.  März  B  als  Ostermond;  der  nächstfolgende  Sonntag 
ist  der  Ostertag.  Als  Sonntagsbuchstabe  des  Jahres  1225  war  oben  (aas  Tab.  IL) 
E  gefunden;  zählt  man  nun  von  B  (27.  März)  nach  E  weiter,  so  ergiebt  sich 


der  30.  März  als  Ostertag  des  Jahres  1225. 


Verlag  von  T.  0.  WEIGEL  in  Leipzig. 


Werke  von  Dr.  Heinrich  Otte. 

Knrzer  AbriJs   einer  kirchlichen  Ennst- Archäologie  des 

Mittelalters  mit  besonderer  Berücksichtigung  auf  die  königlich 
preufsische  Provinz  Sachsen.  Nebst  drei  Steindrucktafeln.  1842. 
8".    geheftet 1  Mark. 

Enizer  Abrifs   einer  kirchlichen  Ennst -Archäologie  des 

Mittelalters  mit  ausschliefslicher  Berücksichtigung  der  deutschen 
Lande.  Zweite  umgearbeitete  und  erweiterte  Auflage.  Nebst  fünf 
Steindrucktafeln.     1845.    gr.  8<>.    geheftet 4  Mark. 

(YergriflPen.) 

Geschichte  der  kirchlichen  Ennst  des  dentschen  Mittelalters 

in  ausgewählten  Beispielen.  Mit  einer  archäologischen  Einleitung. 
Zweite  berichtigte  Ausgabe  der  Grundzüge  der  kirchlichen  Kunst- 
Archäologie.  Mit  118  Holzschnitten.    1862.  gr.  8®.  geheftet  4  Mark. 

Archäologisches  WOrterbnch  znr  Erklärnng   der  in  den 

Schriften  über  christliche  Kunstaltertümer  vorkommenden  Kunst- 
ausdrücke. Deutsch,  Lateinisch,  Französisch  imd  Englisch.  Zweite, 
erweiterte  Auflage,  bearbeitet  vom  Verfasser  imter  Mithilfe  von 
Otto  Fischer.     Mit  285  Holzschnitten.    (1877.)     Neue  wohlfeilere 

Ausgabe  1883.    8«.    geheftet 8  Mark. 

Die  erste  Auflage  (5  Mark)  erschien  1857. 

GlOCkenknnde.  Mit  Holzschnitten  und  einer  lithographischen  Tafel. 
1858.    gr.  S^.    geheftet 4  Mark. 

Geschichte   der   romanischen   Banknnst   in   Dentschland. 

A.  u.  d.  T. :  Geschichte  der  deutschen  Baukunst  von  der  Bömerzeit 
bis  zur  Gegenwart.  Erster  Band.  Mit  4  Tafeln  und  309  ein- 
gedruckten Holzschnitten.    1874.    Lex.- 8^.    geheftet .    .     18  Mark. 

(Erschien  in  5  Lieferangen.    Der  ergänzende  Band,  die  Geschichte  der  Gk)tik, 
wird  nicht  erscheinen.) 

Archäologischer  KatechismnS.  Kurzer  Unterricht  in  der  kirch- 
lichen Kunst- Archäologie  des  deutschen  Mittelalters.  Zweite  ver- 
besserte Auflage.  Mit  90  eingedruckten  Holzschnitten.  1 873.  gr.  8". 
geheftet 2  Mark  40  Pf. 

Druck  von  C.  Grombach  in  Lelpaig. 


Druck  von  C*  aritmhacli  in  Leipzig.