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HANDBUCH
DER KIRCHLICHEN
KÜNST-AßCHÄOLOGIE
DES
DEUTSCHEN MITTELALTERS
VON
D. HEINRICH OTTE.
Fünrte ^ufla.g'e«
In Verbindung mit dem Verfasser bearbeitet
von
Oberpfarrer zu Loburg.
Erster Band.
Mit dem Bildnisse von I>. Heinricli Otte,
sioboii Kunstboilagon und 299 Abbildungon im Texte.
»
LEIPZIG,
T. 0. \V E I G E L
1883.
Zu gefälliger Beachtung.
Der zweite (Schlufs-) Band des Werkes wird im Frühjahr 1884 zu
drucken begonnen werden und im Herbste vollständig sein.
Der vorliegende erste Band ist auch geschmackvoll und fest (in Halb-
Maroquin) gebunden für 19 Mark zu haben.
HANDBUCH
DER KIRCHLICHEN
KUNST-ARCHÄOLOGIE.
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HANDBUCH
DER KIRCHLICHEN
KIMST-AECHÄOLOGIE
DES
DEUTSCHEN MITTELALTERS
VON
D. HEINRICH OTTE.
Fünfte Auflage.
In Verbindung mit dem Verfasser bearbeitet
▼on
Ernst Wernicke
Oberpfarrer za Lobnrg.
Erster Band.
LEIPZIG,
T. 0. W E I G E L.
1883.
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o
i
il
Vorwort.
Das alte aus Holz, Stroh und Letten erbaute Pfarrhaus zu Pröh-
den war am 28. Dezember 1877 ein Raub der Flammen geworden. In
einer Stunde hatte ich meine ganze Bibliothek, alle meine Sammlungen
und Skripturen unwiederbringlich verioren, darunter auch die lang-
jährigen Vorarbeiten für die beabsichtigte neue Auflage dieses Buches,
mit deren Redaktion für den Druck ich nach dem nahen Neujahr zu
beginnen gedachte. Noch einmal von vom anzufangen, dazu fehlte mir
in meinem hohen Alter der Mut und auch die Kraft; es wurde mir
^war nicht leicht, aber ich gab die ganze Sache in Gottes Namen auf.
— Als ich nach einiger Zeit nicht ohne harten Kampf innerlich und
durch Niederlegung meiner 44 jährigen amtlichen Thätigkeit auch äufser-
lich wieder zur Ruhe gekommen war, regte der Yerleger, dem dieses
ihm lieb gewordene Buch bis an sein Ende am Herzen gelegen hat,
den Gedanken an fremde Beihilfe in mir an. Dadurch wurde mir die
Aufgabe gestellt, für mein heimatlos gewordenes Werk ein neues Unter-
kommen aufsuchen zu sollen. Wie das Buch in einem evangelischen
Pfarrhause entstanden und in dreifsig Jahren zu seinem stattlichen Um-
fange herangewachsen war, so stand es mir fest, dafs ich versuchen
müsse es wieder in einem evangelischen Pfarrhause unterzubringen.
Die Auswahl war nicht grofs; ich hatte aber das Glück in dem gegen-
wärtigen Bearbeiter einen gleichgesinnten Amtsbruder zu gewinnen,
bei welchem die Neigung zu kunstarchäologischen Studien in treuer
Liebe zu unserer teueren evangelischen Kirche und nicht etwa in
romantischen Phantasien wurzelt, und der mit der erforderlichen ein-
gehenden Sachkenntnis auch die grofse Selbstverläugnung verbindet,
einem Adoptivkinde mehrere Jahre hindurch die ganze Mufse zu opfern,
die ihm sein Amt läfst
Schon bei dem Umfange der vierten Auflage hatte sich aus rein
äufserlichen Gründen eine Teilung in zwei Bände ergeben, und da jetzt
ein abermaliges Wachsen des Werkes vorauszusehen war, so schien es
zweckmäfsig nunmehr eine organische Teilung des ganzen Werkes in
zwei selbständige Hälften dadurch herbeizuführen, dafs dem ersten Bande
das eigentlich Archäologische einschliefslich der archäologischen Hilfe-
wissenschaften zugewiesen, und der kunstgeschichtliche und kunststa-
tistische Teil für den zweiten Band bestimmt wurde. Im übrigen ist
VI Vorredo.
unser Sti^eben dahin gegangen, manche alte Irrtümer zu berichtigen und
Fehlendes nach den Ergebnissen der neuesten Forschungen zu ergänzen,
auch das Illustrationsmaterial zu sichten und, hierin von der Verlags-
handlung auf das bereitwilligste imterstützt, angemessen zu vermehren.
Durch die grundlose Barmherzigkeit unseres Gottes war ich im
Stande das Ganze für diese neue Auflage sorgsam zu revidieren und
koimte die eigentliche Arbeit auf treue jüngere Schultern legen; wenn
ich nun im bald vollendeten 75sten Lebensjahre so glücklich bin, wenig-
stens den Anfang dieser neuen Auflage eines Werkes, in dem ein gutes
Teil meines Lebens steckt, noch selbst dem ferneren Wohlwollen und
der bisherigen Nachsicht der Freunde christlicher Kunst empfehlen zu
dürfen, so habe ich dies nächst Gott meinem lieben Bundesgenossen,
Herrn Oberpfarrer E. Wernicke in Loburg zu verdanken. Seines
Einverständnisses gewifs schliefse ich mit den letzten Worten der Vor-
rede zur vorigen Auflage:
Mit meiner Liebe zur Sache ist auch mein theoretischer Standpunkt
derselbe geblieben und hat sich im Laufe der Jahre noch mehr befestigt:
in den ersten Sätzen der Einleitung habe ich mich näher darüber aus-
gesprochen. Die Freunde meines Buches aus der katholischen Kirche,
deren es zu meiner grofsen Freude gar manche und wackere gefunden
hat, können von einem evangelischen Tlieologen nichts anderes, in ihrem
Sinne Besseres, erwarten. Zu konfessioneller Polemik habe ich bei aller
Entschiedenheit meiner protestantischen Gesinnung auf diesem Gebiete
weder Beruf noch Neigung, mufs aber einer gewissen modernen Strö-
mung in der evangelischen Kirche gegenüber nachdrücklichst betonen,
dafs ich durch meine Bestrebungen romanistischen Tendenzen irgend Vor-
schub zu leisten durchaus nicht gewiUt bin. Möge das Verständnis von
den grofsaiügen und geistvollen Schöpfungen der christlichen Kunst
vergangener Jahrhunderte uns Alle erwecken, dafs wir dem Herrn sein
Haus würdig erbauen und seine schönen Gottesdienste den sinnvollen
kirchlichen Überlieferungen geniäfs in evangelischem Geiste schmücken.
Daraus wird nicht blofs der Kirche, sondern auch der Kunst Segen er-
wachsen. Das helfe Gott
Merseburg, Donuei^stag vor Pahnarum 1883.
Heinrich Otte,
Ehron- Doktor der Theologio, Mitglied dei Gelehrten -Aaeehaeaei dei germanijchen Maienini
und der Hiatorlschen Kommission für die Provinz Sachsen, Elirenmitglied des Magdebarger
Geachtchtsvereins und des Vereine von Altertamsfroanden im Rbeinlande m Bonn.
ERSTER BAND.
Inhalt
Einleitung.
Seite
1 — 8. Theoretischer Stand^uüct i
9. Begriff der kirchlichen A^nnstarchäologie des Mittelaltei's 5
10—11. Umfang e
Anmerk. 1. ChriftUohe Maseen 7
An merk. 2. KanaUrchKologlacbe Zeitschriften ete 8
L Denkmäler der Kunst.
A. Das Kirchengebäude.
a) Im Allgemeinen.
12. Banlinie, liturgisch ii
13. Banlinie, technisch 12
Anmerk. 1. SteUnng dee Altäre IS
Anmerk. 2. Gmndsteinlegnng 15
Anmerk. 8. Lage der Kirchen. Befeetigte Eirchen und Kirchhöfe 16
14. Grundform 19
Anmerk. Symbolik der Krenzform 20
15. Kapellen. (Taufkapellen. Grabkapellen. Doppelkapellen.) 21
Anmerk. Übersicht der kirchl. Rand- und Polygonbaaten 88
16. Baumaterial. (Holz. Bruchstein. Ziegel) 81
Anmerk. 1. Verwendung antiker Beate 85
Anmerk. 2. Binflnüi des Materials auf den Banstil 85
Anmerk. 8. Mittelalterl. Baurisse nnd Baubfloher . . 36
Anmerk. 4. Mittelalterl. Baubeschreibungen 87
Anmerk. 5. UnregelmXftigkeiten an mittelalterl. Bauten 38
Anmerk. 6. Mittelalterl. Bantechnik 40
b) In seinen einzelnen Teilen.
17. Übersicht der einzelnen Teüe des Kirchengebäudes 45
Anmerk. Abweichungen ron dem normalen Omndplsne 46
18. Altamische 47
Anmerk. Chorschluik 48
19. Altarhaus und Chor 48
Anmerk. 1. Lettner 60
Anmerk. 2. Krjrpta 58
Anmerk. S. DoppelchOre 56
2D. Querhaus 58
Anmerk. Nebentribunen 61
21. Langhaus 62
Anmerk. HaUenkirohen 68
VTTT Inhalt.
Seit«
22. Türme 68
a. Entstehung und Zweck 68
b. Stellung 69
c. Einzahl 7i
d. Mehrzahl und Höhe 78
Aomerk. Modifikationen der Nonnal«tellangen 75
e. Grundform 77
f. Aufbau 78
An merk. 1. KapeUen in den Türmen. Einlagen in die Tarmknöpfe. Wetterhahn.
Brfloken 79
Anmerk. 8. Namen der Tflrme 80
Anmerk. 3. Dachreiter 81
23. Zwißchenhaus, (Vorhidle. Paradies.) 82
24. Thüren 84
Anmerk. Prachtportale. ThürflOgel as
25. Fenster 87
26. Dächer 90
27. Fulsboden w
Anmerk. Labyrinthe 94
28. Emporen. (Nonnenchöre. OrgelchÖre. Mannchöro.) 95
Anmerk. Triforien. Mönchagänge. Altane 99
29. Kreuzgang. Gottesacker loo
Anmerk. 1. Bmnnenhana 108
Anmerk. 8. KApiteUftal. Refektorium 103
30. Sakristeien io4
Anmerk. 1. Flächeninhalt und Maliiverhältniaie der Kirchen 105
Anmerk. 8. Symbolik der Banformen ... 106
Anhang über die baulichen Einrichtungen der Klöster bei den verschiedenen
Hauütoraen iii
Schlufsbemerkung über Polychromie und Restauration der mittelalterl.
Kirchen . . . , 122
B. Innere Einrichtung und Ausschmückung der Kirchen.
a) Altäre und Altarschmuck.
31. Stelle dos Altars. Zahl der Altäre 128
(Hochaltar. Mefsaltäre. Laienaltar. Triumphkreuz.)
32. Altartisch 131
Anmerk. 1. Reliqulenbehälter der Altäre 134
Anmerk. 8. Alt&rbekleidang 131
33. Altarciborium 1S8
34. Altaraufsatz. (Bilderaltäre. Reliquienaltäre.) 141
Anmerk. 1. Tragaltäre 147
Anmerk. 8. Bildschmuck der Altäre 150
35. Altarkreuze 151
Anmerk. Ornamentale and hiitoriache Krenze 155
36. Leuchter. (Kronleuchter. Standleuohter.) i56
Anmerk. 1. Ewige Lampen 170
Anmerk. 8. Wandlenchter 170
37. Evangelien- und Melsbücher (Prachteinb&ide) 171
Anmerk. Anastattong der Codloea 180
38. Reliquienbehälter i8s
Anmerk. BchatsTerzelohnlMe , HelUgtnmabttcher. KlaMlflclemng der Reliqaiarien 186
b) Heilige Gefäfse.
39. Vasa sacra 214
40. Kelche 214
Anmerk. Minlaterialkelche nnd SangrOhrchen 817
41. Altchristliche und frühromanische Kelche 820
42. Romanische Kelche 882
43. Gotische Kelche 286
44. Patenen 231
Anmerk. 1. Zangen. Oblateneiaen 234
Anmerk. 8. Kelchttlcher. Korporaltaachen 835
Inhalt IX
Solt«
45. SpeisegefÜfse und Monstranzen ise
Anmerk. Sakramenthäascben 148
46. Die übrigen Mefsgeräie. (Hostienbüchsen. Mefskännchen. Siebe. Giefsgefälse.
MefsscheUen. Bauchfösser. ölgefälse. Weihwassergefafee.) asi
Anmerk. Kredenstlach. Piscina. HftndtUcher. Depotitorien MS
c) Mefsgewänder.
Litteratnr und Sammlnnsen 8G4
47. Kasel. Dalmatik. Tunicella. Humerale. Alba. Gingolum. Stola. Manipel.
Pluviale 265
Anmerk. 1. Litnrgiache Farben 878
Anmerk. S. Känatlerischer Schmnok der Mebgewllnder 878
48. Pontifikaltracht des Bischoüs (Strümpfe. Schuhe. Hitra. Handschuhe. Ring.
Krummstab) . 876
Anmerk. 1. Pectorale. Rationale 880
Anmerk. 8. Palliiim 888
Anmerk. 3. Schrilnke und Truhen zur Aufbewahrung der MeCigewänder .... 888
d) Die Ausstattung der Kirchen mit Gestühlen, Kanzel, Tauf-
stein, Orgel, Grabdenkmälern und Glocken.
49. Chorstühle 883
Anmerk. BIschofstfihle. Levitenaltze. Betatühle. Belchtsttthle. LaiengestOhl . . 891
50. Ambo. Kanzel 893
Anmerk. 1. HeillgtumaUlhle. Feldkanzeln 301
Anmerk. 8. Adlerpnlte. Leaepulte 301
51. Taufstein 808
Anmerk. TanfschHMeln 881
52. Orgel 388
Anmerk. 1. Tonschrift 389
Anmerk. 8. Andere Muilklnstrnmente 881
53. Grabdenkmäler 884
(T^iegende Grabd. 336. — Tumben. 339. — Stehende Grabd. 344.)
Anmerk. 1. Stelnaärge 846
Anmerk. 8. Orabeinlagen 349
Anmerk. 8. Separatbeatattnng der Eingeweide 850
Anmerk. 4. Gebräuche bei Bestattong der Toten 851
54. Glocken 862
Anmerk. 1. Namen der Glocken 854
Anmerk. 2. Älteste datierte und undatierte Glocken 866
Anmerk. 8. Mnalkalische Eigenschaften der Glocken 857
Anmerk. 4. Berechnung des Glockengewichtes —
Anmerk. 6. Bildnerischer Schmuck der Glocken —
55. Verschiedene Gegenstände in alphabetischer Eeihenfolge 359
1. Agnus dei. 359. — 2. Betsäulen. 360. — 3. Brunnen. 362. — 4. Cal-
varienberge. 363. — 5. Christusstatuen. 363. — 6. Goldene Rosen. 363. —
7. Gotteskasten. 364. — 8. Götzenbilder. 364. — 9. Heilige Gräber. 365. —
10. Heilige Stiegen. 367. — 11. Holzklappem. 367. — 12. Kämme. 367. — '
13. Kreuze. 368. — 14. Krippen. 368. — 15. lichtputzen. 368. — 16. Öl-
berge. 369. — 17. Opferstöcke. 370. — 18. Passionssäulen. 370. — 19. Pro-
zessionsgeräte. 371. — 20. Raritäten. 373. — 21. Schlosserarbeiten. 373. —
22. Siegelstöcke. 376. — 23. Stationen. 381. — 24. Steinkreuze. 382. —
25. Sündenwagen. 383. — 26. Tafeln. 383. — 27. Teppiche. 383. —
28. Totenleuchten. 387. — 29. Uhren. 390. — 30. Votivgeschenke. 392.
— 31. Wahrzeichen. 392. — 32. Wärraäpfel. 393. — 33. Weihwasser-
becken. 393.
C. Epigraphik.
a) Äufsere Epigraphik.
56. Sprache der Inschriften 395
57. Orthographie 896
58. Abkürzungen 897
59. Abbreviaturen -Theorie 398
X Inlialt.
Seite
60. Siglen und Notarica «99
61. Monogramme des Namens Jesus Christus 4oi
62. Interpunktion 408
63. Entwickelung der Formen der Künstlei-schrift 402
64. Zahlen i«»
An merk. Dae Teohnltche der Intchrlften. Abdrücke am Papier, Sunlol etc. 410
b) Innere Epigraphik.
65. Einteilung der Inschriften 411
An merk. Bezlehnog der Inaehrlften auf die kOnatlerliobe Technik —
66. Poetische Inschriften 4i8
67. Historische Inschriften . . .^ . 414
68. Zeitbestimmungen 415
Anmerk. Jabreisahlen in Versen 418
69. Bibelsprüche und Gebetsformeln 419
70. Beispiele von Inschriften 420
a. An Kirchengebäuden. 420. — b. Auf Altarplatten , Antependien und Trag-
altären. 426. — c. An Kronleuchtern. 428. — d. In Evangelien- und Mefs-
büchem. 428. — e. An Beliquiahon. 429. — f. An Kelchen und Patenen.
429. — g. An Sakramenthäuschen, Monstranzen und Ciborion. 430. — h. An
GrefUfeen für die h. öle. 431. — i. An "Weihkesseln. 431. — k. An Bischofs-
und anderen Stäben. 431. — 1. An Chorstühlen und Kanzeln. 432. —
m. Auf Taufsteinen. 433. — n. Auf Taufschüsseln. 434. — 0. Grabschriften.
435. 1) in Prosa. 436. — 2) in Versen. 437. — 8) Kollektiv-Grabschriften.
440. (Anmerkung. Skurrile Grabachriften. 441). — p. Glockeninschriften. 442.
(Anmerkung. Unleaerliche Glockeninachriftan. 44G). — q. Auf Siegeln. 447. —
r. Auf kirchlichen Gerätschaften. 448. — s. Inschnften bildlicher Darstel-
lungen. 448.
D. Heraldik.
71. Alter der Wappen in den Kirchen 450
72. 73. Beziehimg der Wappen 4.w
74. Wappen auf Denkmälern von Geistlichen 4.5i
75. Wappen-Schild und Helm 452
76. Heroldsfiguren 454
Anmerk. Rechta und llnka In beraldlaobem Sinne 4.^'>
77. Wappenbilder 455
78. Geistliche Insignien als Wappenbildor 456
79. Helmschmuck 457
80. Heraldische Farben 457
81. Heraldische Kunstsprache. litteratur 458
E. Ikonographie.
82. Einteilung der Bilder 458
Anmerk. AnitSCtige Bilder . 459
83. Bildnisse 459
(Verstorbene. 459. — Stifter. 461. — Künstler. 462.)
Anmerk. Portritkbnllcbkelt der BUdnIaae 463
84. Trachten der Bildnisfiguren 4cs
85. Geschichte der Trachten 46S
(Geistliche Trachten. 464. — Weltliche Trachten, Männer. 468; Frauen.
473; Ordensdekorationen. 474; Abzeichen einzelner Stände. 475.)
86. Religiöse Bilder. Einteilung. Liti»iatar 476
87. Mystische Figuren 479
88. Symbole 48i
Anmerk. 1. Tierbilder 491
Anmerk. 2. PflansenvjrmboUk 496
Anmerk. 8. Bilder »na heidaiaoben Diobtem nnd mlUelAlterlioben Romanen . . . 498
Inhalt. XI
Seite
89. Alli^rien und zwar klassische oder frei erfundene 499
(Äysisch- mythologische Personifikationen. 499. — Ethische Personifika-
tionen. 500.)
Anmerk. 1. Zeltkrelte und Olflokfräder 502
Anmerk. S. Tod and Totentilnxe 5a3
Anmerk. 3. Ziuuiinmenetellaogen klaMtecher Figuren ßOG
90. Biblische Bilder iwe
a. Typische Bilder ö06
Anmerk. Vleldeatigkeit derselben 510
b. Allegorische Bilder 5ii
(1. Visionen. 2. Gleichnisse. 3. Dogmen.)
Anmerk. Stammbäume .516
c. Historische Bilder 5i7
Anmerk. 1. OrandxUge der gewöhnlichsten biblischen Darsteliiingen und Personen . 517
(Gott Vater. 518. — Engel. 519. — Teufel. 520. — Alttestameniliche
Darstellungen. 521. — Christus. 524. — Maria. 525. — Apostel. 526. —
Scenen aus der neutestamentlichen Geschichte. 526. — )
Anmerk. 8. Bllderrelhen ans rersehledenen Jahrhanderten 544
(1. Altchristliche Kunst. 544. — 2. Codex Rossanensis. 545. — 3. £}van-
gelienhandschnffcen um 1000. 545. — 4. Bemwardssäule. 546. — 5. Evan-
geliar zu Aschaffenburg. 547. — 6. Zittauer Hungertuch. 547. — 7. Em-
poren der Annenkirche zu Annaberg. 548.)
Anmerk. S. Didaktische Bilderreihen snm Apostollcom and xnm Dekalog .... 549
91. Heiligenbilder 550
92. Nimbus 550
93. Attribute und Symbole 558
Anmerk. Sancti. Besti. Mar^yre«. Confessores 558
Alphabetisches Verzeichnis der auf dem deutschen Denkmäler-
febiete hauptsächlich vorkommenden Heiligen, nebst Angabe ihrer
ttribute, Festtage, Patronate und wichtiger auf sie bezüglichen Denkmäler 553
Clavis 603
Chronologische Zugabe 605
Verzeiclinis der Eunstbeilagen.
I. Büdnis von D. Heinrich Otte (Stahlstich) Titelbüd. Nach Seite
n. Grundrifs der Cistercienser- Abtei Maulbronn (Stahlstich) ii4
HL Das Frauenkloster EUngenthal in Basel aus der Vogelschau (Holzschnitt) . ii6
rv. Der Hochaltar von Blaubeuem (Stahlstich) i46
V, Deckel des Evangeliencodex aus Echtemach in Gotha (Stahlstich) ... . . i74
VL Diptychon des Tutilo in St. Gallen (Stahlstich) ........... 5i4
Vn. Holzschnitt aus der xylograph. Ars moriendi in der T. 0. Weigelschen
^^ Sammlung (Faksimile) .^ sie
Vni. Die Himmeläönigin, Kupferstich des Meisters P von 1451 aus der T. 0.
Weigelschen Smimlung (Faksimile) .............. 586
Die Sach-, Künstler- und Orts -Register über das ganze Werk werden dem
zweiten Bande beigegeben wer&n.
Verzeichnis
der
Abkflrznngen in den Litteratnrnachweisnngen.
Adler, Backst. . . .*« Adler, mittelalt. Backstein -Bauwerke des PreuTsischen
Staats.
Allg. Bauz. .....«:= Allgemeine Bauzeitong.
Anz. 6. M. a= Anzeiger des Germanischen National -Museums.
Becker -V. Hofner . . i= Becker und von Hefiier- Alteneck , Kunstwerke und Gerät-
schaften des M.-A. u. d. Renaissance.
Bock, Lit-6ew. . . . « Bock, Geschichte der liturgischen Gewänder.
Bock, Mon. Rheinl. . . >= Bock, das monumentale Rheinland.
Bock, PfUzkap. . . . « Bock, Karls d. Gr. Pfalzkapelle und ihre Kimstschätze.
Bacher «^ Bucher, Geschichte der tecnnischen Künste.
Chr. K.-Bi es Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule und Haus.
Deuteche Banz. . . . «» Deutsche Bauzeitung.
Eeeenweln, Backet . . ^ Essenwein, Norddeutschlands Backsteinbau.
Förster «= Förster, E., Denkmäler deutscher Baukunst, Bildnerei und
Malerei.
Grueber » Grueber, die Kunst des Mittelalters in Böhmen.
Heideloir, Schwaben. . = Heideloff, die Kunst des M.-A. in Schwaben.
Jahrb. C.-K «» Jahrbuch der K. K. Central -Kommission zur Erforschung
und Erhaltung der Baudenkmäler.
Jakob ^= Jakob, die Kunst im Dienste der Kirche.
Korr.-Bl. 6ee.-V. . . . =» Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutsch. Gesch.
und Altertumsvereine.
Krane <= Kraus, Kunst und Altertum in ElsaGs- Lothringen.
Kngler, Kl. Sehr. . . . «> Kugler, kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte.
Liibke, Wetf. . . . . ^ Lübke, die mittelalt. Kunst in Westfalen.
von LOtzow, Zeltechr. . ^ Zeitschrift für bildende Kunst, herausgegeben von Karl
von Lützow.
Meckl. Jahrfa «» Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte etc.
MühofT «= Mithoff, Kunstdenkmäler im Hannoverschen.
Mithoir, Arch «» Mithoff, Archiv für Niedersachsens Kunstgeschichte.
Mltt. Band. Niedere. . . = Die mittelalterlichen Baudenkmäler Niedersachsens.
Mitt C.-K. *« Mitteilungen der K. K. C- Kommission etc.
Mitt C.-K. N. F. . . . « dieselbrNeue Folge.
H. Mltt. Th.-8. V. . . = Neue Mitteilungen des Thüringisch-Sächsischen Vereins etc.
Orn. f. Chr. K «* Organ für christliche Kunst.
öeir. Atl ^ Atbis kirchlicher Denkmäler des M.-A. im Österreich.
Kaiserstaate von v. Helfert und K. lind.
Otte, Bank. «» Otte, Geschichte der romanischen Baukunst.
Piper, Myth = Piper, Mythologie und Symbolik der christl. Kunst.
Puttricli *= Puttrich, Denkmäler der Baukunst des M.-A. in Sachsen.
Schnaaee »» Schnaase, Geschichte der bildenden Künste. 11. AuA.
Seemann = Seemann, Kunsthistorische Bilderbo^n.
Sigliart ^ Sighart, Gesch. der bildenden Künste im Königreich Bayern.
Statz nnd Ungewltter . «» Statz und IJngewitter, Gotisches Musterbuch.
Ungewitter, Lehrb. . . -« Ungewitter, Lehrbuch der gotischen Konstruktionen.
Zeitecii. f. Banw. ...» Zeitschrift für Bauwesen.
Zeltechr. f. eh. A. n. K. =» Zeitschr. für christliche Archäologie und Kunst.
»*^*«
Berichtigniigeii und Zusätze.
S. 9 Z. 2 y. uni ist »Bischof« zu streichen.
„ 12 „ 20 „ „ Auch die ehemalige Klosterkirche zu Leber au (Er. Bappoltsweiler)
war von S. nach N. orientieix.
„ 18 „ 18 y. unt. Nach gütiger Mitteilung des Herrn Diak. Klemm zu Geislingen
sind die KeinencUen und Gaden im Wüi'ttembergischen nicht Wehrgänge oder
sonstige geschützte Bäume oben an den Kirchen, sondern kellerartige gewölbte
Bäume innen an den befestigten Kirchhofsmauem.
„ 28. Dem Verzeichnis von Bund- und Polygonbauten sind als romanische Bei-
spiele zu V die "Wallfahrtskapelle zu Alt-Ötting (8 eckig mit Nischen im In-
neren) und zuVU die Buine von St. Peter bei Nassenfufs in Krain (rund
mit Apsis), als gotische, wenn auch nicht völlig selbstständige Anbauten
zu m die Liebfrauenkapelle an der Pfarrkirche zu Franken berg (unregel-
mälsiges Siebeneck, XlVt Jahrh.) und die Annakapelle an St. Martini zu Braun -
schweig (1434) hinzuzufügen.
„ „ „ 3 V. unt ist Krukenburg u. s. w. zu streichen.
„ 29 „ 12 „ ob. st. Krukenberg 1. Krukenburg.
„ „ „ 2 „ unt: Wo Ipertssch wende gehört nach neuerer Mitteilung erst dem
XVn. Jahrhl an.
„ „ „12 y. unt. ist »Moosburg, Michaelskirche XTTf. Jahrh.« zu streichen.
„ 30 „ 2 „ ob.: Dies Lauffen ist nicht im Salzkammergute, sondern mit dem
S. 29 Z. 13 V. unt. identisch.
„ 35 „ 13 v. unt. st. antiken Marmorsäulen 1. antike Marmorsäule.
„ 47 „ 12 „ „ „ Kreuzer 1. Kreuser.
„ 52 „ 17 „ „ ist hinzuzufügen: Strafsbur^ in Jung St. Peter (mit spätgotischer
Brüstung). Auch der Lettner der Franziskanerkirche zu Efslingen (Z. 4 v.
unt.) ist frühgotisch.
„ 53 „ 3 v. ob. sind die Lettner in Alt St. Peter zu Strafsburg und in der Fran-
ziskanerkircho zu Kolmar hinzuzufügen.
„ 66. Des^ zu dem Verzeichnis der unreffelmä&ig zweischifflgen Kirchen die ehe-
maligen Franziskanerkirchen zu Ulm und Wittenberg, St. Johann zu
Weiisenburg und die Kollegiatkirche zu Zabern.
„ 68 Z. 3 y. ob. st Klein, Mariazeil 1. Klein -Mariazell.
„ 71 „ 14 „ „ Die Westtürme zu Hirschau standen nicht isoliert, sondern waren
mit der Paradiesvorhalle eng verbunden j ebenso der Turm von Mittelzeil auf
Beichenau nicht auf der Nordseite isoliert, sondern mit dem westlichen
Querschiffe verbunden, in seinem untersten Geschosse dessen Apsis enthaltend.
„ 72 „ 15 V. ob. Um Müsverständnis vorzubeugen, ist zu bemerken, dafs in Ulm
der Westturm nicht wie in Freiburg vor die Fa9ade gelegt ist, sondern nur
die gewaltigen Strebepfeiler und die zwischen ihnen angebrachte Vorhalle aus
derselben heraustreten.
„ 76 „ 5 y. unt. st. Walderichskapelle 1. Walderichskirche.
Xiv Berichtigungen und Zusätze.
S. 78 Z. 11 y. ob. Runde Frontaltürme finden sich auch an der Klosterkirche zu Lore h
in Schwaben, den Fa^aden der Querschiffe vorgelegte Rundtürme zu Laach
und an St. Michael zu Hildesheim.
., 80 „ 17 Y. unt. Efslingen: die eine der beiden Brücken ist nicht mehr vorhanden.
83 „ 2 „ „ st Taf. L, 4 1. Taf. I, 4.
96 „ 21 „ ob. „ Lünen 1. Lüne.
„ „ 7 ,, unt: Yessera ist nicht Benediktiner- , sondern Prämonstratenserkloster.
107 ,,12 „ „ st Bartholomsdik. 1. Barbarak.
109 „ 17 „ ob. „ wohltemperierten 1. wohltemperierten.
120 „ 8 „ unt „ firmarifie 1. infirmaficLe,
11
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^1
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„ 169 „ 16 „ ob. „ 151 1. 157.
11
209 „ 18 „ „ ist vor »Allerlei« die Ziffer 9 hinzuzufügen.
,, 217 „ 4 „ unt st 1550 1. 1555.
„ 220 „ 8 „ „ „ 1682 1. 1862.
11
11
267 bei Fig. 104 „ Xm. 1. XTV. Jahrh.
287 Z. 6 y. unt ist hinzuzufügen: Lautenbach (Kr. Gebweiler) in der Pfarr-, ehem.
KoUegiatkirche (von ca. 1462 mit prachtvollen Skulpturen aus der Tierfabel an
den Miserikordien).
„ 287 „ 20 V. unt st. 1588 1. 1488.
„ 288 „ 17 „ „ hinzuzufügen: Heiligkreuzthal im Frauenchor der Klosterkirche
(von Martin Zey, Schreiner zu Riedlingen, 1533).
„ 288 „ 3 V. unt. st 1495 1. 1493. — Die rechte Seite dieses Grestühls ist von Hans
11
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Ernst von Böblingen, 1490.
„ 304 „ 6 V. unt st Hinterbeinen 1. ünterbeinen.
305 „ 13 „ „ Der Taufstein zu Limburg a. L. steht seit der letzten Restau-
ration im südwestlichen Turme.
313 „ 12 V. unt. sind hinzuzufügen die gotischen Taufsteine in der Schloiskapelle zu
Meiningen (Abb. Heideloff, Omam. Heft 8, Taf. 5), zu Oberlind (ebd.
Heft 14, Taf. 4), zu Heldberg und in der Schlofskirche zu Kallenberg bei
Koburg 1537.
319 „ 8 V. unt. st Müden a. Aller 1. Müden a. örze.
331 Note 1. ZuAltthann stiftete die Bruderschaft der Pfeifer schon 1399 einen
Altar, und ein bei demselben befindliches Wandgemälde stellt die h. Jungfrau
als Mater misericordiae für lauter Spielleute dar; vergl. Kraus, H, 11.
390 Z. 23 V. ob. Die Nachricht über das von Gerbert verfertigte Oroloeium ist ge-
wifs nur auf eine Sonnenuhr zu beziehen, da ausdrückfich gesa^ wird, dals
er zuvor den Leitstern der Schiffer per fistulam beobachtet habe; vergL Thiet-
mari chron. VI, 61 in M. G. m, 835.
392 „ 18 V. unt. Auch in der Kirche zu Ebersdorf bei Chemnitz hängt ein angeb-
lich von einem Jerusalempilger gestiftetes Schiff.
408 „ 16 V. unt st Stra&burg L (Tcbweiler (Abb. Kraus 11, 115).
„416 „11 „ „ „ am 1. am 10.
,,416 „ 19 „ „ „ Jon. 1. Ivn.
„ 475. Den Ordensdekorationen ist hinzuzufügen die Gesellschaft von der Sichel,
festift;et von Otto dem Quaden von Braunschweig-Göttingen. Abzeichen: ge-
rönter Rehbock mit einer geschmiedeten Sichel zwischen den Hörnern; auch
eine Sichel allein, z. B. am dem Grabmale des Stifters von 1894 zu Wie-
brechtshausen.
„ 480 „ 26 y. ob. st Jachim 1. Jachin.
Einleitung.
1. Die Kunst ist die gesetzmäfsige Darstellung einer Idee in sinn-
licher Form : die christliche Idee in sinnlicher Form erschöpfend darzu-
stellen, ist schlechthin unerreichbar; daher der sinnbildliche Grundzug
aller christlichen Kunst, und der Glaube als Bedingung ihres wahren
Verständnisses.
Durch die obige Definition soll gesagt sein, dafs die Kunst, deren Auf-
gabe es ist, Geistiges und Sinnliches in vollkommener Durchdringung, d. h.
das Schöne, darzustellen, mit ihrer Thätigkeit an gewisse ästhetische Ge-
setze gebunden ist, deren Aufstellung jedoch nicht dieses Orts sein kann. —
Das Idealische in der Kunst ist die Seite, wo das derselben eigentttmliche
Gebiet mit dem Gebiete der Religion grenzt, und je mehr eine bestimmte
Religion mit dem Sinnlichen und Natürlichen behaftet ist, eine um so aus-
gedehntere und selbständigere Wirksamkeit wird sie der Kunst einräumen.
Der rein geistige Charakter des Christentums gestattet der Kunst nur die
Darstellung der Naturseite, d. h. der Erscheinung des Göttlichen im Mensch-
lichen. Insofern aber der menschlichen Kunst die Darstellung des Göttlichen
schlechthin unerreichbar bleibt, ist sie genötigt, ihre unzureichenden Mittel
durch Sinnbildliches zu ergänzen, welches indessen seinem Wesen nach nicht
durch unmittelbare Anschauung, sondern erst durch Reflexion, also unkttnst-
lerisch, zu wirken imstande ist. — Für das göttliche Mysterium des Sinn-
bildlichen ist allein der Glaube empfänglich, während der Unglaube, auf
die dürre Verstandes- Operation beschränkt, in dem Sinnbildlichen nur das
Unkünstlerische erblickt, und der Aberglaube nicht vermag die göttliche
Sache und das sie darzustellen bestimmte Zeichen gehörig auseinander zu
halten.
2. Jedes Kunstwerk als solches hat lediglich sich selbst zum Zweck;
«las christliche Kunstwerk indessen erstrebt Ziele, die aufserhalb des-
selben liegen und zwar über dasselbe hinaus.
Die Kunst an sich will nichts anderes als darstellen und genügt sich
darin vollkommen, die christliche Kunst will das Leben des christlichen
Geistes zur Darstellung bringen, und ihre Werke werden ein lebendiger Ab-
glanz des heiligen Geistes sein, der sie erfüllt. Damit ist der Mafsstab ge-
Otte, Knnftt- Archäologie. 6. Aafl. 1
2 Einleitung.
geben fttr den Wert eines christlichen Kunstwerkes, der nicht nach den viel-
leicht mangelhaften Knnstformen bestimmt werden kann, sondern allein
nach dem daraus sprechenden Geiste. Hieraus erklärt sich die schöne Wir-
kung der altchristlichen Wandmalereien in den Katakomben, obschon die-
selben in den verdorbenen spätrömischen Formen ausgeführt sind , und die
oft gänzliche Wirkungslosigkeit mancher neuen, in akademischen Formen
glänzenden Darstellungen.
3. Der Zweck der christlichen Kunst ist Belehrung und Erinne-
rung einerseits, Erweckung und Erbauung andrerseits; sie nimmt dalier
Verstand und Gemüt gleichzeitig in Anspruch.
^Quod legentibus scriptura, hoc idioUs praesiai pictura cemenühus.^
Gregorii M. Epist. lib. IX. ind. FV. ep. 9 (Opp. T. FV. p. 349 ed. Ant^'e^p.). —
T^Dum nobis ipsa pictura quasi scriptura ad tnemoriam filii dei reducit, ani-
mum nosirum aut de resurreciiane laeüficatj out de passione demulcets
Ibid. lib. vn. ind. 11. ep. 54 (p. 271). —T>Franffi vero non debuit, quod non ad
adorandum in ecclesiiSj sed ad instruendas solummodo tnentes faxt nescien-
tium coUocatumA L. c. p. 349. — Mit diesen Grundsätzen Gregors des Grofsen
(gest. 604) über den didaktischen und asketischen Wert der bildenden
Künste im Dienste der Kirche wird die reine Mitte eingehalten zwischen der
Bilderverehrung einerseits und der Bilderstürmerei andrerseits. ^Der Mifs-
brauch hat die Bilder böse gemacht; noch haben wir sie nicht zu verwerfen.
Denn wenn wir wollten alles verwerfen, defs man mifsbrauchel, was würden wir
vor ein Spiel zurichten?^ Luther in der 4. Pred. wider die SchwamigeLster
(WalchXX, 35). — ^Wollte Gotty ich könnte die Herren und Reichen dahin
bereden y daß sie die ganze Bibel inwendig und auswendig an den Hitusern
vor jedermanns Augen malen ließen. Das wäre ein christliches Werk,^
Derselbe bei Walch ebd. 212. — Bei Zwingli und Calvin war die Besorgnis
vor dem Bilderdienste zwar gröfser, doch finden sich auch in ihren Schriften
Stellen, wo sie geschichtlichen Bildern einen gewissen didaktischen und
asketischen Wert zugestehen. ^Daß sie (die Stürmer) aber um aller Bilder
willen also kämpfen^ ist ein Irrsal. Warum? Darum daß sie auf den
Buchstaben und nicht auf den Sinn des Gesetzes sehen.^ Zwingiis Werke,
herausgegeb. von Schuler und Schulthess ü, 1, 46. ^Neque tarnen ea super-
stitione teneorj ui nullas prorsus imagines ferendas censeam. Sed quia sculp-
iura et pictura Dei dona suntj purum et legitimum utriusque usum requiro:
ne quae Dominus in suam gloriam et bonum nostrum nobis contuHt, ea
non tantum polluantur praepostero abusu, sed in nostram quoque pemi-
dem convertantur. Restat igitur ut ea sola pingantur ac sculpantur,
quorum sint capaces oculi .... historiae ac res gestae .... usum in do-
cendo vel admonendo aliquem habenis Calvini Inst. rel. ehr. LI, c. XI, s. 12,
ed. Tholuck I, 81. — Im Gegensatze gegen die ikonolatrische Praxis des ka-
tholischen Volkes, die sie bekämpften, sprechen sich die Reformatoren und
die protestantischen Symbole allerdings bilderfeindlich aus. ^
' Vergl. vom katholischen Standpunkte Cl. Lüdtke, die Bilder\'erehrung und die
bildliche Darstellung in den ersten christlichen Jahrhunderten, 1874, und dazu Chr. K.
Bl. 1876, 171 ff.
Einleitung. 3
4. Das christUche Kunstwerk geht aus dem christlichen Geiste her-
vor und ist eine von den unentbehrlichen Formen, in welchen er sich
darstellt: die Einbildungskraft eines ungläubigen Künstlers kann also
ein christliches Kunstwerk niemals erzeugen.
Die Gaben und Kr&fte sind verschieden , und da es in der christlichen
Gemeinde solche Glieder giebt, welche das Charisma empfangen haben, das
Heilige in sich künstlerisch zu gestalten, so treibt sie der Geist, der sich
nicht dämpfen läfst, dieses Innerliche auch äufserlich künstlerisch darzu-
stellen. Dadurch entsteht das christliche Kunstwerk, als eine den also Be-
gabten naturgemäfse und notwendige Form des Zeugnisses, dessen die Kirche
nur zu ihrem grofsen Nachteile dürfte entbehren wollen.* Das Zeugnis
aber kommt aus dem Glauben, und, wo dieser fehlt, wird auch jenes aus-
bleiben. Wenn also ein ungläubiger Künstler sich unterfinge das Heilige
darzustellen, so würde das Produkt nur äufsere Form sein ohne wahren,
geistigen Inhalt, also kein Kunstwerk, sondern eitel falsches Zeugnis.
5. Wenn irgend ein Kunstwerk sich für eine erschöpfende Darstel-
lung der schlechthin unerschöpfbaren christlichen Idee giebt oder aber-
gläubisch damit identificiert wird: so ist es Idol.
Es ist nicht gemeint, als ob jemand sollte unter den Christen so thöricht
sein, sich seinen Gott selbst machen zu wollen, sondern es soll nur die War-
nung davor ausgesprochen werden, als ob es Bilder geben könnte, die, auch
abgesehen von ihrem innerlichen Werte als Erzeugnisse christlicher Kunst,
vor anderen besondere Heilskräfte besäfsen. ^IFenn ein Bild aufgerichtet
mirdy dafür man sich fürchtet und einen Glauben darauf setzet^ das reiße
man hinweg; so es aber nicht ein Götze ist oder Altar, da/s man die Kniee
davor beuget, auch nicht einen Gottesdienst daraus macht, so ist es nicht ein
Götze, sondern ein Bild, das du behaltest und ist recht und gut. Das ist der
Unterschied zwischen Bildern und Götzens Luther bei Walch in,'2626. —
Nur ästhetisch gebildete Götzenanbeter dienen schönen Idolen, die Götzen
der Ungebildeten sind häfslich und widerlich herausgeputzt.
6. Die christliche Kunst ist eben so frei und unbegrenzt wie die
christliche Idee, die kirchliche Kunst dagegen hat ihre Grenze an dem
kirchlichen Typus.
Die freie Bewegung der .christlichen Kunst, wie der christlichen Idee,
bezieht sich selbstverständlich zunächst nur auf das specifisch christliche,
also auf das religiöse Gebiet ; da aber das christliche Element die provi-
dentielle Bestimmung hat für alle Verhältnisse und Richtungen des Lebens
das Salz und der Sauerteig zu sein, so schliefst das Gebiet der christlichen
* '»A'wsh hin ich nicht der Meinung, da/s durchs Evangelium sollten aUe Künste
zu Boden geschlagen werden und vergehen, wie etliche AbergeistUchen fürgeben:
sondern ich woUte aüe Künste, sonderlich die Musica, gern sehen, im Dienste des, der
9ie gegeben und geschaffen hat.€ Luther in derYorreae zu den geistl. liedem 1527.
1*
4 Einleitung.
Kunst auch alle irdischen Lebensverhältnisse in sich, und der christliche
Künstler hat bei der Wahl seines Stoffes und bei der Ausführung seines
Werkes keine andere Schranke , als die ihm gesetzt wird von der christlichen
Ethik y was man auch in dem paradox klingenden Satze aussprechen kann:
Zwischen der heiligen und der so genannten profanen Kunst ist kein specifi-
scher Unterschied. * Von dieser christlichen Kunst im weitereu und weite-
sten Sinne unterscheidet sich die kirchliche Kunst, die ausschliefslich das
Heilige für die Zwecke des Gottesdienstes und der Andacht darzustellen hat
und sieb dabei an den weniger durch kirchliche Vorschriften, als durch die
Überlieferung sanktionierten kirchlichen Typus zu binden gehalten ist. Will-
kürliche Abweichungen von dem hergebrachten, ebenso tendentiöse Repri-
stinationen eines im Verlaufe der kirchlichen Entwickelung überlebten Typus
behindern den Zweck des kirchlichen Kunstwerkes: denn das Fremdartige,
statt die Gemeinde zu erbauen, bleibt derselben unverständlich und gereicht
ihr zum Ärgernis.
7. Der selbst in geschichtlicher Entwickelung begriffene kirchliche
Typus gestattet der Individualität des schaffenden Künstlers den erfor-
derlichen und förderlichen freien Spielraum und eine die heiligen Zwecke
des christlichen Kunstwerks nicht beeinträchtigende und weiterer Ent-
wickelung fähige Bewegung. Wenn aber der Tj^pus erstarrt, wird die
Kunst zum Handwerk.
Der feste Typus ist den didaktischen Zwecken der kirchlichen Kunst-
werke geradezu förderlich und gestattet, was die erbauliche Seite anbetrifft,
dem Künstler eine schöpferische Thätigkeit, da eben nur die äufsere Dispo-
sition vorgeschrieben werden kann, keineswegs aber der geistige Inhalt.
Aufserdem ist der Typus, ebenso wie das Dogma, der geschichtlichen Aus-
bildung und Entwickelung unterworfen, modificiert und ändert sich daher
im Laufe der Zeit, gewöhnlich aber nur allmählich und deshalb erst nach
geraumer Zeit merklich. Wo, wie in der griechischen Kirche, die Lehr-
entwickelung für immer abgeschlossen ist, mufste auch der Typus erstarren,
und die Kunst ist zum Handwerke geworden, da immer nur die traditionelle
Schablone befolgt und nachgeahmt wird. — Zu bemerken bleibt, dafs sich
in der kirchlichen Kunst nur für gewisse wichtige und darum häufig wieder-
kehrende Darstellungen ein bestimmter Typus bilden konnte, während sel-
tenere Stoffe den Künstlern freie Bewegung des Schaffens gestatteten.
8. Vorstehende Sätze bestimmen den Standpunkt füi- die nach-
folgende Behandlung der kirchlichen Kunst - Archäologie des christ-
lichen Mittelalters.
Erörterungen über das Verhältnis zwischen Religion und Kunst finden
sich nicht nur in fast allen philosophischen Bearbeitungen der Ästhetik, son-
dern auch in neueren theologischen Werken über die christliche Moral (z. B. in
Luthardt, Apologet. Vorträge Tl. 3). In besonderen Schriften haben die
» Vergl. Christliches Kunstblatt 1859, 4.
Einleitung. 5
wechselseitigen Beziehaügen zwischen der christlichen Religion und disr
Kunst behandelt
vom Standpunkte der evangelischen Kirche:
Meyer, C, über daß Verhältnis der Kunst zum Kultus. Zürich 1837. —
Alt, H., die Heiligenbilder oder die bildende Kunst und die theol. Wissenschaft
in^ ihrem gegenseingen Verhältnis historisch darcestellt. Berlin 1845. — de
Wette, W. M. L., Gedanken über Malerei und öaukunst bes. in kirchlicher
Beziehung. Berlin 1846. — Schnaase, C, über das Verhältnis der Kunst
zum Chnstentume und bes. zur evangel. Airche. Berlin 1852. — Bänke, W.,
die Verirnmgen der christl. Kunst. '1, Aufl. Breslau 1855. — Nitzsch, C. Im.,
über religiöse Kunst, im Deutschen Kunstbl. 1856, Nr. 41. — Kottmeier, Dav.,
die Darstellung des Heiligen durch die Kunst, vomehml. in ihrer Anwendung
auf den evangel. Kultus. Bremen 1857. — Der protestant. Gottesdienst und die
Kunst in ihrem gegenseitigen Verhältnis. St. Gallen 1840. — (Quast, Feid. v.,)
Die Kunst im Dienste der Kirche, in der Evangel. Kirchenztg. 1852, Nr. 47 —
57. — Fischer, R, über Protestantismus und Katholicismus in der Kunst.
1853. — Luthardt, Chr. E., über kirchl. Kunst; ein Vortrag. 3. Aufl. 1878.
— Kahnis, C. F. Aug., über Kunst und Kirche, in Desselben, drei Vorträge etc.,
Nr. 8. 18K5. — Über das Verhältnis des Christentums zu den bild. Künsten,
im Chr. K.-B1. 1866, 24 ff. — Vöeelin, S., über das Verh. der Christen
zui- bild. K. während der ersten 4 Jahrhunderte. 1873. — v. Bethmann-
Hollweg, Christentum und bild. K. 1875. — Fromm el, W., Chr. und bild.
K. 1880. — Wächtler, A., die bild. K. als Auslegerin der H.-Schr. 1880. —
und in einem ausführlichen Hauptwerke: Fort ig, G., Religion und Kunst in
ihrem gegenseitigen Verhältnis. 2. Tle. 1880.
Für den Standpunkt der katholischen Kirche können verglichen werden:
Dursch, G. M., Ästhetik der ehr. bild. K. des M.-A. in Deutschi. 1854,
I —35, 76—86. — Amberger, Jos., Pastoraltheologie. 3. Aufl. 1868 II, 869—
876. — Wisemann, Nie, Berührungspunkte zwischen Wissensch. und Kunst,
übers. F. H. Reuscher 1863. — Jungmann, Jos., die Schönheit und die schöne
Kunst 1866, 177—199. — Jakob, G., die Kunst im Dienste der Kirche.
3. Aufl. 1880, 1 — 4. — Diepolder, J. Nep., Theologie u. K. im Urchristen-
tum. 1882.
9. Die kirchliche Kunst- Archäologie des Mittelalters ist ein Teil
der aUgemeinen Altertumskunde, welcher den Gegenständen der Unter-
suchung nach auf solche Denkmäler der Kunst beschränkt ist, die in
näherer oder entfernterer Beziehung auf den christlichen Kultus stehen ;
der Zeit nach: auf das christliche Mittelalter.
Von einem umfassenderen Gesichtspunkte ans behandelt F. Piper
(Einleitung in die monumentale Theologie 1867) die christliche Kunst- Archäo-
logie, indem er nicht nur die eigentlich kirchlichen Denkmäler , sondern
auch die staatlichen Denkmäler mit christlichen Zeichen, die Privatdenk-
mäler und die Denkmäler der freischaffenden Kunst in den Kreis der Betracli-
tnng zieht und so das System einer monumentalen Theologie aufbaut, für
welche nicht litterarische Erzeugnisse, sondern die Denkmäler nnd ihre In-
schriften die Quellen sind, aus denen sie die Geschichte der Exegese, der
Dogmen, der Moral und des christlichen Lebens, insonderheit der christlichen
Kunst als einer notwendigen Bethätigung des christlichen Lebens zur Dar-
stellung bringt.
Die hier beabsichtigte Untersuchung beschränkt sich auf das engere
Gebiet der kirchlichen Kunst-Archäologie. Ihren Gegenstand bilden also:
1) Die Kirchengebäude, falls es nicht blofse Bedfir&iisbanten sind,
g Einleitung.
wie z. B. in ftnneren Gegenden die meisten Landkirchen; doch halten selbst
diese im Mittelalter den kirchlichen Typus fest (in der Richtung von Westen
nach Osten, in der Einteilung der Räumlichkeit, in der Turmanlage etc.)» so
dafs auch dergleichen Gebäude in das Oebiet wenigstens der archäologischen
Betrachtung fallen.
2) Die ganze innere Ausstattung der Kirch engebäude mit den
verschiedenen zum Kultus erforderlichen feststehenden und beweglichen Uten-
silien, welche, wenn nicht Erzeugnisse der Kunst, doch des Kunsthandwerkea
sind; femer der Kirchenschmuck an Bildwerk und Gemälden, die verschiedenen
Denkmäler etc.
3) Die zum sachlichen und geschichtlichen Verständnisse oder zum Schmuck
der verschiedenen Denkmäler bestimmten, an denselben vorkommenden In-
schriften, Wappen und Bilder, weshalb Epigraphik, Heraldik und Ikono-
graphie als Hilfswissenschaften in Betracht kommen.
10. Wie die Kunst überall und zu allen Zeiten, so hat sich auch
die kirchliche Kunst des Mittelalters nationell und selbst provinziell
eigentümlich gestaltet; die Archäologie der Kunst ist daher entweder
eine allgemeine, die alle jene Gestaltungen zusammenfalst, oder eine
besondere, welche nur die Untersuchung irgend einer nationeilen oder
provinziellen Gestaltung der Kunst zu ihrer Aufgabe macht
Obgleich die Grundgesetze der kirchlichen Kunst, im Anschlufs an die
gemeinsamen Bedürfhisse des Kultus nicht blofs, sondern selbst an die Ent-
wickelung des Dogmas, in der ganzen Abendländischen Christenheit von
Rom ausgehend im Mittelalter die nämlichen waren, so erfuhren dieselben
doch bei den verschiedenen Völkerschaften, abgesehen von ihrem allgemeinen
Entwickelungsgange, verschiedene Anwendung. Alles, was den verschie-
denen Nationalcharakter zu machen pflegt: der verschiedene Volksstamm, die
nach Boden und Klima verschiedenen Wohnplätze, endlich und besonder»
der verschiedene der äufseren und inneren Volkswohlfahrt mehr oder we-
niger günstige geschichtliche Entwickelungsgang, ist vom wichtigsten Ein-
flüsse auch auf die verschiedene Gestaltung der Kunst: im höheren Grade^
wenn es sich um ganze Nationen handelt, im beschränkteren freilich, aber
oft doch sehr entschieden, in Beziehung auf bestimmte einzelne Provinzia-
lismen.
Die systematische Darstellung des Ganges, welchen die kirchliche Kunst
bei den verschiedenen Völkern unter den gegebenen besonderen Verhält-
nissen genommen hat, und die Schilderung ihrer Leistungen in den einzelnen
Epochen ist femer Gegenstand der kirchlichen Kunst -Archäologie, welche
sich dadurch von der christlichen Kunstgeschichte unterscheidet, dafs sie
die Denkmäler nicht zunächst von dem Gesichtspunkte der ästhetischen und
technischen Vollendung, sondern vielmehr als Ausdruck des kirchlichen
Lebens und der kirchlichen Sitte ins Auge fafst.
11. Gegenwärtiges Handbuch beschränkt sich auf die nationell
deutsche Gestaltung der kirchlichen Kunst des Mittelalters, wie sich
dieselbe vom IX. und X. bis zur Mitte des XVI. Jahrhunderts ent-
Einleitang. 7
wickelt hat, wird jedoch der hauptsächlichsten provinziellen Eigentüm-
lichkeiten besonders gedenken.
Bis auf Karl denGrofsen stand die gesamte abendländische Kunst noch
völlig auf dem Boden des antik -römischen und griechischen Lebens, und
erst von dem Zeitpunkte an, wo nach dem Zerfallen des Reiches Karls des
Grofsen Deutschland ein selbständiger Staat wurde, war daselbst der An-
fang einer nationalen Gestaltung der Kunst möglich. — Den Endpunkt der
Geschichte der mittelalterlichen Kunst in Deutschland bildet das Zeitalter
der Reformation: denn obgleich bereits mit dem beginnenden XV. Jahr-
hundert der mittelalterliche Idealismus dem modernen Realismus zu weichen
anfängt, so bediente sich doch, besonders in der kirchlichen Baukunst,
der neue Geist noch fast anderthalb hundert Jahre hindurch der alt her-
gebrachten, wenn auch modificierten Formen, und die Wiederaufnahme der
Antike, welcher zuerst in Italien Filippo Brunelleschi (1375— 1444) sich
hingegeben hatte, wurde in Deutschland, wie überhaupt aufserhalb Italiens,
erst gegen die Mitte des XVI. Jahrhunderts gemein.
Anmerkung 1. Die beweglichen kirchlichen Denkmäler des M.-A. sind
in neuerer Zeit aus verschiedenen Anlässen aus den Kirchen und deren Neben-
räumen vielfach in öffentliche und private Kunst- Sammlungen übergegangen.
Unter diesen sind, abgesehen von den grofsen allgemeinen Museen, den in
neuerer Zeit überall entstandenen Kunstgewerbe- und Provinzial- Museen und
den zahlreichen Sammlungen der geschichtlichen und Altertums- Vereine wegen
ihrer kirchlichen Tendenz besonders diejenigen Museen hervorzuheben, die,
meist mit den katholischen Bischofsitzen verbunden, denNamen christlicher
Museen ftlhren. Wir nennen das erzbischöfliche Museum in Köln (zeitweise
bereichert durch anderswoher entliehene Kunstwerke), die bischöflichen Mu-
seen in Münster und Paderborn, die Diöcesan- Museen in Kloster Metten (fQr
den Sprengel von Regensburg), Passau und Freising. Diese Sammlungen haben
sämtlich einen mehr lokalen Charakter und den praktischen Zweck einer
Wiederbelebung der mittelalterlichen Kunst, während das 1849 gegründete
christliche Museum der Universität zu Berlin die Aufgabe hat, nicht Original-
werke der Kunst zusammenzubringen, sondern durch Nachbildung und Abbil-
dung von Denkmälern in planmäfsiger Auswahl von der gesamten Kunstent-
wickelung seit der urchristlichen Zeit bis ins XVI. Jahrb. eine auf Kenntnis
des Einzelnen gegründete Übersicht zu gewähren, nicht sowohl um der Kunst
als um des christlichen Inhalts willen , und als ein dem theologischen Unter-
richte dienstbares Institut der Universität. Ähnliche Institute sind in neuerer
Zeit auch bei den Universitäten Strafsburg, Freiburg und Leipzig eingerichtet
worden.
VergL: Das neue erzbischöfl. Diöcesan -Museum auf dem Domhofe in Köln,
im Organ für christl. Kunst. 1860, Nr. 1—9 und 11. — Piper, Ferd., das
chnsti. Museum der Universität zu Berlin und die Errichtung christl. Volks-
museen. Berlin 1856. (Besonderer Abdruck aus dem Evansä. Kalender für
1857.) Ders., zur Gesch. des Museums seit 1849. 1874 und: über den Zuwachs
des Museums 1876—78 im Preufs. Staats -Anzeiger 1878, Nr. 166 f. — Über
»Museen und Vereine* s. Reichensperger, A., Fingerzeige, 106 if. — Eine
ausführliche Darlegung aller Verhältnisse und Bestrebungen aer 342 Kunst- und
kunstgewerblichen Sammlungen und Kirchenschätze, sowie der 150 Geschichts-
und Altertumsvereino giebt: Springer, Bud., Kunsthandbuch für Deutschland,
g Einleitung.
östeiTeich und die Schweiz. 3. Aufl. 1882. — Eine »Zeitschrift für Museologie^
Antiquitütenkunde, sowie für verwandte Wissenschaften«, von J. G. Th. Graesse,
erscheint in Brasden seit 1878.
Anmerkung 2. Über das Gesamtgebiet der mittelalterlichen Kunst-
Archäologie verbreiten sich folgende deutsche Zeitschriften und perio-
dische Publikationen,
mit rein wissenschaftlicher Tendenz :
Zeitschrift für christl. Archäologie und Kunst. Herausgog. von Ferd. v. Quast
und H. Otte. Leipzig 1856 u. 1858. (Nicht mehr als zwei Bände erschien(jn.)
Vorzugsweise zwar auf die Osterreichischen Kronlftnder bescliränkt,
aber von gediegenem Inhalt:
Jahrbuch der k. k. Central -Kommission zur Erforschung und Erhaltung der
Baudenkmäler. Wien 1856 ff. — Mitteilungen der k. k. Central -Kommission
zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmäler. Unter der Leitung des Froi-
herm v. C zornig. Red. C. Weiss. Wien 1856 — 1874. Neue Folge unt. Leit.
von V. Helfert. Red. K. Lind, seit 1875.
Wegen ihrer vielfältigen Beziehungen auf das deutsche Denkmälergebiet sind
von grofser Wichtigkeit auch die Annales arcfUologiques , herausgegeben von
Bidron und das Bulletin monumental, herausgegeben von deCaumont, beide
im Jahre 1872, die ersteren mit dem 27., das letztere mit dem 3S. Bande zu
Ende gegangen.
Für einzelne bischöfliche Diöcesen:
Mitteilungen aus dem Gebiete der kirchl. Archäologie und Geschichte der
Diöceso Trier von dem historisch -archäol. Verein^ Trier 1856 ff. — FW»iburger
Diöcesan- Archiv. Organ des kirchl. bist. Vereins der Erzd. Freib. etc. Frei-
burg 1856 ff.
Mit überwiegend konfessioneller Tendenz,
katholischerseits :
Oipm für christl. Kunst, herausgeg. und redigiert von F. Baudri, später
von Endert. Organ des christl. Kunstvereins für Deutschland. Köln 1851 —
1873. — Kirchenschmuck. Ein Archiv für kirchl. Kunstschöpfungen und christl.
Altertumskunde. Heraus^e^eb. unter der Leitung des christl. Kunstvereins der
Diöcese Rottenburg. Redigiert von Pfr. Laib und Dekan Dr. Schwarz. Stutt-
gart 1857 — 1870. — Vereinsgabe, eine Zeitschr. für Verehrer heiliger Kunst etc.,
herausgeg. von dem Meraner Leseverein etc. Bozen 1859 ff^ — Der Kirchen-
freund, Zeitschr. für Pflege der christl. Kunst; herausgeg. von dem ehr. Kunst-
Verein in Bozen und Brixen 186« ff. — Kirchenschmuck. Blätter des clir.
K. -Vereins der Diöcese Sekkau. Graz 1870 ff.
Evangelischerseits :
Christliches Kunstblatt für Kirche , Schule und Haus. Herausgog. unter Lei-
tung von C. Grüneisen, C. Schnaase und J. Schnorr von Carolsfeld
durch G. Bunz; gegenwärtig von H. Merz und C. Pfannschmidt, (zugleich
Organ der evangelischen Vereine für religiöse Kunst zu Berlin, Stuttgart und
Hamburg) Stuttgart 1858 ff.
Latitudinarisch erweist sich :
Archiv für christl. Kunst, herausgeg. von Th. Prüfer. Berlin 1876 ff.
Unter den Zeitschriften der historischen und neuerdings anch der Kunst-
gewerbe-Vereine sind als besonders reich an kunstarchäologischen Beiträgen
zu nennen der »Anzeiger ßr Kunde der deutschen Vorzeit Organ des Ger-
manischen Musettms^ in Nürnberg, die »Jahrbücher des Vereins von Aller-
Einleitimg. 9
thumsfreunden im Rheinlands CBQnner Jahrb.) und daB ^Correspondenzblati
des Gesammtvereines der deutschen Geschichts-undAiterthumsvereine^. Ferner
enthält der T^Evangelische Kalender^ von Ferd. Piper 1850— 1870 und das sonst
ausschliefslich den Interessen des Dombaues in Köln gewidmet gewesene
^Kölner Domblam 1842 — 71 kunstarchäologische Aufsätze und Notizen, welchem
letzteren in neuester Zeit sich zur Seite gestellt haben im Interesse der betref-
fenden Dombauten: Das alte Konstanz etc. Organ des Münsterbau -Vereins
1881 f. — Dombau 'Vereinsblatl. Wien 1881 f. — und von evangelischer
Seite: Münster -Blätter; im Auftrage des Münster -Eomit^s herausgegeben von
Fr. Pressel. Ulm 1878, 2. Heft 1880. — Gegenwärtig bringen auch fast alle
gröfseren politischen, illustrierten etc. Zeitblätter gelegentlich Aufsätze aus
unsrem Gebiete, zum Teil von wissenschaftlichem Werte, die aber sämtlich zu
verfolgen aufser dem Bereiche der Möglichkeit liegt.
Von nicht-periodischen Veröffentlichungen gehören hierher
in lexikalischer Form:
MüUor, Herrn. Alex., und Mothes, Ose. , Illustriertes archäol. Wörterbuch
der Kunst .... des M.-A. und der Renaissance. 2 Bde. Leipzig 1877. —
Kraus, F. X., Real-Encyklopädie der ehr. Altertümer etc. 1880 ff. (bezieht
sich auf die ersten 6 ehr. Jahrhunderte). — Götzinger, Real-Encyklopädie
der deutschen Altertümer. Leipzig 1881/82. Für eingehendere Studien unent-
behrlich ist die Vergleichung der beiden Hauptwerke von VioUet-le-Duc,
dictionnaire raisonno de l'architecture fran^aise du XI — XVI siecle. 10 Bde.
1854 — 1868 und: dict. raisonne du mobilier fran9ais etc. 6 Bde. 1854 — 1875.
Als elementare Anleitungen :
Sendschreiben des K. Sachs. Altertumsvereins an die Freunde kirchlicher
Altertümer im Königi-eiche Sachsen. Dresden 1840. — Otte, H., Archäoloj^i-
scher Katechismus. 2. Aufl. mit 90 Holzschn. Leipzig 1873. — Schultz, Alw.,
Anleitung zur Herstellung^ des von der Kön. Regierung beabsichtigten Verzeich-
nisses der schlesischen Kunstdenkm. Mit 9 Bildtafeln (Schlesiens Vorzeit in
Bild und Schrift 11, 8. 1873). — Jakob, G., siehe oben S. 4. — Lübke, ^V.,
Vorschule zum Studium der kirchlichen Kunst des deutschen M.-A. Mit 22(3
Holzschn. 6. Aufl. Leipzig 1875. — Meurer, Mor., der ELirchenbau vom
Standpunkte und nach dem Brauche der luther. Kirche. Leipzig 1877.
Vermischten Inhalts:
Reichensperger, A, Fingerzeige auf dem Gebiete der kirchl. Kunst. Leip-
zig 1854 (und in einer »Besonderen Ausgabe*^ ebd. 1855). — Desselben
Vermischte Schriften über christl. Kunst. Leipzig 1856.
Fflr die Kenntnis der mittelalterlichen liturgischen Vorschriften über
Kirchen -Gebäude und Geräte sind besonders wichtig die Schriftsteller der
Hliüina o/ficia^, unter ihnen namentlich
Rupert von Deutz (Abt 1120—1135) de divinis officiis libri XII(\\\\),
in dessen opp. Mainz 1H31 vol. U, auch in Migne, Patrologia tom. CLXX. —
Johannes Beleth (Schüler des Gilbertus Forretanus) aivinorum officio-
rum ac eortMdem rcUionum brevis explictxHo (auch rationale div, officiorum
genannt, vor 1165 geschrieben) ed. Com. Laurimanus. Antwerp. 1559. — Vor
allen aber Guilelmus Durandus (Bischof von Mende 1286 — 1296) rationale
divinorum officiorum in 8 Büchern 1286 verfalst. Die editio princeps Mainz
1459 fol. gehört zu den allerersten datierten Inkunabeln der Fust-Schöfferschen
Officin. Die Ausgabe Venedig 1568. 4®, ist mit Beleth zusammen gedruckt. —
Daneben ist auch des Honorius (Bischof von Autun 1106 — 1125) gemma
animae (4 Bücher, in der Max. bibl. Patr. tom. XX, 1040 — 1128) und des
]0 Einleitung.
Sicardus (Bischof von Cremona 11S5 — 1215) murale cd. Migne, Patrologia
tom. CCXin, 9—436 zu beachten.
Als Httlfsmittel bei der Lektüre kunstarchäologischer Werke in deutscher,,
lateinischer, französischer und englischer Sprache dient:
Otte, H., Archäologisches Wörterbuch zur Erklärung der in den Schriften
über christl. Kunstaltertümer vorkommenden Eunstaus^iicke. Leipzig (1857).
2. erweit. Auflage 1877; auch Müller-Mothes, ill. arch. Wörterbucn (s. oben);
und ein kürzeres im Anhange zu Mithoff, H., Kunstdenkmäler und Altertümer
im Hannoverschen. Band I, 1871.
I.
Denkmäler der Knnst.
A. Kirchengebäude.
Binterim, Ant. Jos., die vorzüglichsten Denkwürdigkeiten der Christ -kathol.
Kirche. 1826. IV. I, 1 — 162. — Augusti, J. Chr. W. die gottesdienstlichen
Personen und örter der christlichen Kirche (Bd. XI. der Denkwürdigkeiten).
1830, 315—49«. — Desselb. Handbuch der christl. Archäol. 3 Bde. 1836/37.
— Desselb. Beiträge zur christlichen Kunstgesch. und liturgik. 1841. —
Bunsen, Chr. C. Josias, die Basiliken des christl. Roms (1842). — Kreuser, J.,
Kölner Dombriefe. 1844, 2—62. — Desselb., der christl. Kirchenbau. 2. Aufl.
1860. 1, 3 — 270.
a. Im Allgemeinen.
12. Die gottesdienstUchen Gebäude der Christen sind von Westen
nach Osten gerichtet (orientiert). Diese heilige Banlinie* beruht auf der
altchristlichen Sitte, sich beim Beten gen Osten zu wenden und den
Blick nach dem Aufgang aus der Höhe zu lenken.
Eine genaue Orientierung ist vor der Erfindung des Kompasses über-
hanpt nicht, und von der unbefangenen mittelalterlichen Praxis am we-
nigsten zu erwarten; doch findet sich im XII. Jahrh. (Beleth, c. 2.) die aus-
drttckliche Vorschrift t>ÜI aediftcetur versus Orientem^ hoc est verstts solis
ortum aequinoctialem^ und die Verwerfung derjenigen, die sich aus nicht
angefahrten Gründen nach dem Aufgangspunkte der Sonne am längsten Tage
richten wollten und richteten (mec vero contra aestivaie solstitium^ ut non-
' Alberdingk Thijm, Jos. Alb., de Heilige Linie. Pi-oeve over de oostwardsche
richting van kerk en autaar als hoofdbeginsel der kerkelijke bouwkunst. Amsterd. 1 858.
VergL Desselb. »De Torientation des ^qlises* in *Diet€che Warande* (Partie fran-
paise). 1857, 37 und *La ligne sctcrSe*. Ebd., 51. — Über die Richtung der Kirchen,
in Moneundv. Aufsefs, ^zeiger für Kunde des deutschen M.-A. .3, 201. — Orien-
tierung der Kirchen, in der Zeitschr. f. ehr. A. u. K. I, 32. — Gedanken über die
Orient, d. Kirch, in Kirchenschmuck XXV (1869), 19 ff.
12 Baulinie.
nulii et volunl el faciunH), also eine nordöstliche Baulinie beliebten. Letz-
tere Richtung findet sich, — ob absichtlich, oder nur zufällig, oder nur
wegen gewisser örtlichen Verhältnisse beobachtet — z. B. bei der Sophien-
kirche in Konstantinopel, die nicht ihre Seiten sondern ihre Ecken den vier
Weltgegenden zuwendet,^ bei den Domen von Basel und Meifsen, welche
sich von WSW nach ONO erstrecken; auch die Martinikirche zu Braun-
schweig und die Kirche von Arnual haben nordöstliche Lage, wogegen der
Dom und die Liebfrauenkirche in Trier mit dem Altarende um etwa 20^
nach Süden abweichen. Andere zahlreiche Beispiele von beiderlei Abwei-
chungen lassen sich auf dem Plane jeder beliebigen alten und gröfseren
Stadt mit leichter Mühe auffinden , und da die Richtungslinie der Kirchen,
wie in Deutschland so auch in Frankreich und England, den ganzen Bogen
auszufüllen scheint, den die Sonne vom kürzesten bis zum längsten Tage am
Horizonte beschreibt , so liegt die Vermutung nahe , dafs man sich bei Be-
stimmung der Baulinie oft lediglich nach dem Aufgangspunkte der Sonne
' am Tage der Grundsteinlegung gerichtet haben mag. Nach einer englischen
Konsekrationsvorschrift sollte der Sonnenaufgang am Tage des Hauptheiligen
der Kirche mafsgebend sein. ^ Im Spätmittelalter bediente man sich aller-
dings des Kompasses , ' bequemte sich indessen , was namentlich innerhalb
der Städte unumgänglich nötig war, dabei der Lokalität an, jedoch nur in
äufserst seltenen Fällen (Gistercienserkirche Baumgartenberg in Osterreich
o/E. von 1142, Allerheiligenkapelle neben St. Theodor in Basel von 1514,
Antonierkapelle in Bern vom Ende des XV. Jahrh., fast genau auch die
Kirche zu Allenstein imErmland; häufiger bei erst, später in gottesdienst-
lichen Gebrauch genommenen Baulichkeiten z. B. Refektorien, wie bei der
sogenannten älteren Kirche in Kloster Eberbach) in dem Mafse, dafs die
Längenaxe der Kirche geradezu von Norden nach Süden fiel. — Bei der
aus dem XIU. Jahrh. stammenden Schlofskapelle in Vianden erscheint die
südliche Richtung durch die Terrainverhältnisse unbedingt geboten.
13. Der Bau begann mit der Grundsteinlegung durch den Bischof
am Altarende in Osten und schritt von hier nach Westen weiter vor;
in dieser technischen Beziehung wird daher die Baulinie als von Osten
nach Westen gehend zu bezeichnen sein.
In dem Baurisse für das Kloster St. Gallen^ vom J. 820 wird die
Längenrichtung der Kirche ausdrücklich bezeichnet ^ab Oriente in occiden-
iem^f aber das Mifsverständliche dieses Ausdrucks föllt dadurch hinweg,
* von Moltke, Helm., Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei.
2. Aufl., 174.
« V. Quast im Korr.-Bl. Ges.-V. 1872, 20.
^ L. Lacher in seiner Unterweisung von 1516 (Reichensperger, Verm. Sehr.,
139) sagt: »«o du wüdt ein Khor an aas Hochwerkh anUg wo er stehn sol, der
abmerdtung, der eonen auf gang, so nimb einSJiumbast, setz denaufeinmncktl-
mcuiss , vnd lass den magnad auf die mitda^linie stehn* u. s. w.
* Keller (Baurüs des El. St Gallen) drückt sich S. 15 des Textes müsverständ-
lich und S. 20 unrichtig hierüber aus, während der Baurifs selbst keinen Zweifei auf-
kommen lälst.
Baolinie. ]^g
dafs der Hauptaltar wie gewöhnlich in Osten und die Türme in Westen an-
gebracht sind. Vergl. unten Anmerkung 1.
Auf Herstellung des Altarhauses mufste man für den Zweck des Gottes-
dienstes am ersten bedacht sein, das Entbehrlichere durfte hinausgeschoben,
und die kostspieligen Türme brauchten erst zuletzt vollendet zu werden. —
Selbstverständlich ist der obige Satz 13. nur für ausgedehntere Rirchenbauten
von Erheblichkeit. Das sachkundige Auge erkennt z. B. am Dome zu Magde-
burg, dessen Ostteil im Jahre 1208 begonnen wui*de, an den Merkmalen des
Baustils mit Bestimmtheit, dafs der Bau allmählich nach Westen hin weiter
fortschritt, wo er mit dem Oberbau des Westgiebels und der Türme erst in
den ersten Jahrzehnten des XVI. Jahrhunderts seinen Abschlufs fand. —
Vom Dome zu Köln wurde bekanntlich nur der östliche Teil ganz fertig. —
Wo, wie z. B. am Münster zu Freiburg i. B., der östliche Teil entschieden
jünger ist, als das übrige Gebäude, gehört der erstere einem späteren Neu-
bau an. Ebenso ist auch die Westfront vom St. Stephan zu Wien der Über-
rest eines älteren Baues. — Am Dome zu Halberstadt baute man , wie überein-
stimmend mit den geschichtlichen Nachrichten der Augenschein lehrt, von
Westen aus in östlicher Richtung weiter, allein dies war ein Umbau, welcher
zum Teil die Stelle einer älteren Kirche einnehmen sollte , die man , um den
Gottesdienst fortsetzen zu können, während des Baues konservieren mufste.
Dasselbe gilt vom Dome zu Limburg a. d.Lahn in seiner gegenwärtigen Ge-
stalt. — Am Dome zu Köln schritt man nach Vollendung des Chores zunächst
zum Baue des Langhauses und der Türme, und liefs selbst die Fundamente
der südlichen Kreuzvorlage, die erst bei der neuesten Wiederaufnahme des
Baues gelegt werden mufsten , wenigstens teilweise fehlen.
Anmerkung 1. Die west- östliche Baulinie stand zwar schon im christ-
lichen Altertume fest,* doch wurde der Altar, statt wie später regelmäfsig in
Osten, auch häufig am Westende der Kirchen angelegt, wie mehrere alte
Kirchen in Rom ^ noch heute beweisen. Der amtierende Priester schaute in
diesen Kirchen nach Osten, stand also nicht vor, sondern hinter dem Altar-
tische und brauchte sich deshalb bei der Salutation des Volkes (Dominus vo-
hmum) nicht umzudrehen.' Auch aufserhalb Rom gab es in altchristlicher Zeit
' Const. apostol. 2 , 57 : *0 olxoq boxw — xat' dvazoXaq xfXQafiutvoq. — Vergl.
Sidon. Appoll. ejjist. 2. 10 mit den Anmerknngeii von Sirmond (Zeitschi-. für die
(iesch. des Oberrheins. VJLil., 4, 424).
* Es sind S. Peter im Vatikan, S. Maria Maggiore, S. Johann im Ijateran, S. Se-
bastian aufserhalb der Mauern, S. Crisogono, S. Balbina, S. Martino ai Monti, S. S.
Nereo ed Achilleo, S. Maria in Domnica, S. Clemente, S. Nicolo in carcere und S.
Maria in Trastevere. Auch S. Lorenzo aufserhalb der Mauern hatte ursprünglich den
Hochaltar am Westende, aber beim Bau des jetzigen Schiffes zu Anfang des Xm.
Jahrh. liefs Papst Honorius IV. die alte Thür an der Ostseite vermauern und verlegte
den Hochaltar dahin. Vergl. Alberdingk Thijm, Dietsche Warande (Partie fran-
vaise). 1857, 44.
^ Durandus 1. V. c. U. n. 57: In eccUsiis ostium ab occidente hdbentibus,
missam cekbrans, in stüutatione ad populum se vertu et deinde araturus
f€ ad orientem convertit. In eeclesiis vero ostia ah Oriente habentibiM, ut Bomae,
HuUa est in aalutatione neceasaria cow>er8io: sacerdos in iUia ceiebrans semper
ad poptUum etat conversus. — Jjeo der Grofse (um 443) nahm Anlafs (Serm. 7 de
nativ.) das Volk zu strafen, weil dieses, teils aus Unwissenheit, teils aus heidnischem
Aberglauben, auf den Stufen am östlichen Hauptportale von S. Peter, vor dem Ein-
14 Baulinie.
Kirchen in umgekehrter Richtung^ und zwar, wenn einem Zeugnisse aus dem
IX. Jahrh. zu trauen ist, weil man damals auf die Orientierung der Kirchen
kein besonderes Gewicht gelegt habe.' Sicher ist, dafs man aus Zweckmäfsig-
keits' Gründen von der typisch gewordenen Orientierung abzuweichen keinen
Anstand nahm : denn Paulinus von Nola baute bei der älteren gröfseren des
h. Felix, welche richtig orientiert war, eine kleinere Kirche mit dem Eingange
auf der Ostseite, weil sie nur als zu ersterer gehörig betrachtet werden sollte.'
Auch die kleine Krankenhauskirche auf dem Baurisse von St. Gallen, welche
mit der ebenso grofsen richtig orientierten Novizenkirche in gleicher Axe liegt,
hat, offenbar nur der Symmetrie halber, die Altamische in Westen, und dieses
Schwanken zwischen beiden Welsen scheint noch bis ins XL Jahrh. fortgedauert
zu haben: denn die zuerst im J. 983 erbaute (später erneuerte und 1836 abge-
tragene) Kirche des Klosters Petershausen bei Konstanz hatte, und zwar in ab-
sichtlicher Nachahmung der Peterskirche in Rom, den Haupteingang östlich
und den Altar westlich, und wie im Dome zu Bamberg (gegr. 1004)^ scheint
auch ursprünglich im Dome zu Augsburg, in St. Emmeram, im Obermünster
und in St. Jakob zu Regensburg , sowie in St. Michael zu Hildesheim der Hoch-
altar seine Stelle im Westen gehabt zu haben. Die Dome zu Mainz und Fulda
dagegen, in denen der Hochaltar jetzt zwar ebenfalls am Westende steht, aber
ursprünglich östlich stand , gehören aus diesem Grunde nicht hierher. — Ein
ganz spät mittelalterliches Beispiel der Anlage des Turmes im 0. und des
Chors im W. bietet die Kirche zu Radkersburg in Steiermark.
tritt in die Kirche, sich nach Osten gegen die aufgjehende Sonne umwandte um zu
beten, drang indessen damit nicht durch, da die Gläubijgen diese Sitte beibehielten, wes-
halb auf Veranlassung eines Kardinals im J. 1300 em musivisches Bild Cliristi und
der Apostel vor der Kirchthür errichtet wurde, damit die sich nach Osten umwenden-
den Betenden dieses verehren sollten, und der Aberclaube eines Sonnenkultus ver-
mieden würde. Vergl. Ca salin 8, de Christ, ritibus. Rtmcof. et Hanno v. lüSl, 30. —
Unter den Westchören in Deutschland bietet derjenige des Naumburger Domes das ein-
zige Beispiel dieser Einrichtung des Altars.
* Die Kirche zu Tyrus (Eusebius, bist. eccl. 10, 4 n. 16) lag mit ihrem Vor-
platze gegen die Strahlen der aufgehenden Sonne ausgebreitet; dasselbe war (de vita
Constantini 3, 37) mit den Thüren der Kirche des fiiösers zu Jerusalem der Fall.
Sokrates (H. e. 5, 22) sagt von der gro&en Kirche zu Antiochia: 7/ ixxXtjala dv-
rlazQOifiov srsi r^v S-iaoiv ' ov y^Q 7w6g dvaroXag r6 d-vaiaatiJQiov , «AAa ngoq
Svaiv dgä. Taulinus von Nola giebt (ep. 12 ad Severum) als die gebräuchlichere
Sitte an, 'dafs der ^prospectus^^ der Kirche nach Osten schaue.
* Walafried Strabo (de exord. et incr. rer. c. 4) bemerkt: ^Nan magnapere
curdbant ülius tempöris jutti, quam in partem orationis loca canverterent Sed
tarnen usus frequentiar et ratumi vicinior habet in Orientem orantes converti, et
plur alitat em maximam eedesiarum eo tenore constitui.^ Im Gndtempel des
iüngeren Titurel, dessen 72 Chöre sich radial um den Centralbau legen, sind aber sämt-
iche Altäre so gerichtet, (Ausg. von Zarncke, Str. 52.)
*d(M der priester reht gen Oriente dar che sin antlütse muste keren
swenne er der kristen saelde und Christes lop ter messe wolde meren.*
' Paulini ep. 12 ad Severum.
* Pertz, M. G., XVII, 635; vergl. Giesebrecht, Gesch. der deutschen Kaisor-
zeit. 4. Aufl., II, 62 u. 599.
Grundsteinlegung. ]^5
Anmerkung 2. Dem Kirchenbau mufste die biBchöfliche Erlaubnis , die
Aussetzung einer bestimmten Dotation^ und die Erwerbung eines geeigneten
Bauplatzes vorausgehen. Letzterer wurde durch die Errichtung eines Kreuzes
als nunmehriges Eigentum der Kirche bezeichnet und nach einem alten Rechts-
brauche zuweilen mit Seidenfäden umspannt', um ihn von den profanen Um-
gebungen abzusondern. Wenn die Fundatoren hochgestellte Personen waren,
80 pflegte die Grundsteinlegung' im Beisein vieler geistlichen und welt-
licher Gäste unter grofsen Feierlichkeiten zu geschehen. Nach Besprengung
der Baugrube mit Weihwasser legte der Bischof den Grundstein {primarium
iapidem)^ welcher mit einem Kreuze bezeichnet sein mufste.* Doch war es im
früheren Mittelalter anscheinend Sitte, nicht blofs einen, sondern, wahrschein-
lich zur gröfseren Verherrlichung der Feier, mehrere Grundsteine (pritnos la-
pides) zu legen, und zwar an den sämtlichen Ecken des Gebäudes. So brachte
983 bei Gründung der Kirche des Klosters Petershausen Bischof Gebhard von
Konstanz vier Goldstücke dar, welche unter die vier Eckmauern (vermutlich
in Aushöhlungen der Grundsteine) gelegt wurden.* — Bischof Thietmar von
Merseburg legte 1015 zu seiner neuen dortigen Kathedrale die vier ersten
Steine nach der Figur {in modutn) des h. Kreuzes:* also wohl an den vier
Endpunkten des zu errichtenden Gebäudes. — Das Fundament zur Kirche des
1091 gestifteten Klosters Pegau wurde an zwölf Ecken gelegt (demnach wahr-
scheinlich an den acht Ecken und den vier einspringenden Winkeln des kreuz-
förmigen Grundrisses), und der Stifter, Graf Wieprecht von Groitzsch, trug
dazu ebensoviele Körbe mit Steinen auf seinen Achseln zur Baustelle.^ —
Anderwärts und später begnügte man sich wohl mit einem Grundsteine auf der
Stelle des künftigen Hochaltars der Kirche.
* Über die Bau- und Reparatorpflicht an den Pfan*kirchen gab es im M.-A. so
wenig wie heute ein eleichmä&iges Kirchenrecht Die Aneabe in der Zeitschr. f.
Bauw. 1880, Sp. 533, dals nach feststehender Regel das Langhaus der Zehntherr, den
Chor der Pfarrer und den Turm die Oemcinde zu unterhalten gehabt habe, trifft z. B.
auf die Badischen Gebenden zu fvergl. die zahlreichen Visitationsberichte von dort im
Freiburger Diöc.-Arcniv, Bd. XI ff.), jedoch herrschte darin die äulserste Mannich-
faltigkeit.
* Die Seidenfdden, welche in den Marienkirchen zu Laeken und Lebbeke (bei
Dendermonde) in Belgien aufbewahrt worden, sollen einst zu obigem Zwecke benutzt
worden sein. — Wolf, Beitr. zur deutschen Mythologie. I, 175.
* Vergl. Lenoir, Alb., Architecture monastique. Paris 1852. I, 40: ^Premiere
pierre*, woselbst auch Abbild, von Grundsteinen aus dem XIY. Jahrb., mit einem
Kreuze und mit histor. Angaben über die Grundsteinlegung versehen. Aushöhlungen
haben diese Steine nicht.
* Durandus 1. I, cp. 1.: . . . primarium lapidem^ cui impresaa 8it crux, in
fufidamento ponere.
^ Chron. Petershus. I, 16. — Auch zu Belleville in Beaujolais legte der Abt 116S
ein schönes Goldstück in den Grundstein, und bei der Gründung von St. Denis stiegen
nach dem Könige, welcher den ersten Stein legte, die übrigen Gäste in die Baugrube
und legten jeder ihren Stein, einige auch Edel^ine (gemmas). Vergl. Lenoir, a. a. 0.
Es dr&igt sich übrigens doch wohl die Vermutung auf, aafs diese Goldstücke und
Edelsteine Opfergaben zum Baufond waren, also nicht mit vermauert, sondern für den
Kirchenbau verwertet wurden.
« N. Mitt. d. Th.-S. V. VI, 4, 72.
' Monachi Pegav. de vita et rebus gest. Comitis Viperti Groicens. ad a. 1091. —
Ganz dasselbe erziUüt der Chronist Cosmas von dem Kömge Vratislav 11. bei der Grund-
steinlegung der Peter -Paulskirche auf dem Vyssehrad zu Prag zwischen 1070 — 1080.
16 Lage der Kirchen.
Bei einer im J. 1823 vorgenommenen Reparatur am Grundbau des Spitals
zum lieil. Geist in Nürnberg fand man den Grundstein auf: ein Werkstück^
]/25 lang, 0,<i5 breit und 0,40 dick. Auf der oberen Fläche des Steines war
ein Kreuz mit verbreiterten Enden (Tatzenkreuz) eingegraben, und zwischen
dessen Armen der Titulus des Kreuzes Christi. Über und unter dem Kreuze
stand zweimal die Jahreszahl 1489, und in der Mitte desselben befand sich eine
runde, etwa 0,i8 tiefe Öffnung von etwa 0,i5 Durchmesser, welche mit einer
Zinntafel verschlossen war, auf deren unterer Seite die Namen der damaligen
Oberst -Hauptleute von Nürnberg und des Baumeisters standen. In der Höhluug
lagen: ein hölzernes Bttchschen mit 9 kleinen nürnb. Silbermünzeu , eine Glas-
flasche mit vertrocknetem Inhalt, eine kleine gegossene Zinnplatte mit einem
Christuskopfe, Sonne und Mond, einer Taube und den Buchstaben I. N. R. I.
(ganz in der Weise der bekannten russischen Heiligenbilder) und endlich der
Zinnabgufs einer antiken Gemme : ^ beide letztere Gegenstände wahrscheinlich
als Talismane. Aus abergläubischen Motiven ging es wohl auch hervor, wenn
in die Fundamente Thongefäfse, mit Asche, Knochenresten etc. angefüllt, oder
auch leere Särge eingemauert wurden.*
Anmerkung 3. Obgleich die hohe Lage der meisten Kathedralen und
sonstigen Benediktiner -Kirchen allerdings an die urchristliehe Vorliebe für er-
habene Baustätten der Gotteshäuser' erinnert, so würde man dennoch irren,
wenn man annehmen wollte, dieselbe ausschliefslich oder auch nur vorzugs-
weise hierauf zurückführen zu können.^ Die ersten Heidenbekehrer in Deutsch-
land hatten hauptsächlich Rücksicht zu nehmen auf die möglichste Sicherheit
ihrer Ansiedelungen gegen feindliche Überfälle, und dieses praktische Moment
traf oft auf das glücklichste zusammen mit jener sinnigen Vorliebe des christ-
lichen Altertums und dem Vorbilde des im J. 529 gestifteten Mutterklosters
Monte Casino. So wählte z. B. Bonifatius 723 den steilen Basaltkegel an der Ohm
(Amöneburg) zu einer Zelle für Mönche, weil diese Lage gegen jeden Angriff
Schutz versprach, und ähnliche Fürsorge scheint bei Anlage von Bureburg
(bei Fritzlar) 741 entscheidend gewesen zu sein.* Ferner kommt in Betracht,
dafs viele Kirchen und Klöster aus Burgen entstanden, deren urspüngliche
Besitzer ihre Erbgüter zu diesem frommen Zwecke übereigneten: so z. B. im
VII. Jahrh. Herzog Ethico die Hohenburg (Odilienberg) bei Strafsburg, im X.
Jahrh. Otto der Grofse Merseburg, im XI. Jahrh. Heinrich IL Bamberg und
« Der Sammler f. Kunst und Altert in Nürnberg 1824. I, 6«.
* Vergl. Reimers im Anz. G. M. 1879. Nr. 10. — In der Kirche zu Zabehlic in
Böhmen fand man an der Orcelbühne in einer Nische wohlvermauert das Gerippe einer
Kröte und ein Hühnerei. Ähnliches in Böhmen öfters — vergl. Mitt. C.-K. N. F.
\T, 148.
' So lag schon die Kirche zu Nikodemien unter Diocletian »m alto^ (Lact an t
de mortibus persec. c. 12) und Tertullian (adv. Valentinianum c. 3) sagt: Nostrae
enlumbae damus simplex in editis semper et aperHs et ad lucem. — Vergl.
Matth. 5, 14.
* Nur ein Beispiel wüüsten wir anzuführen: Bischof Heribert von Eichstädt (1021 —
1042) liefs den dortigen Dom abtragen, weil er die Kirche »in editiari urlns loco^
haben wollte. Pertz, M. G. VII, 262.
* Rettberg, Kirchengesch. Deutschlands. I, 339 u. 597. — Die in der Nähe der
Kathedralen belegenen biscnöflichen Palatien waren regelmäCsig befestigt. Der (nicht
auf einem Berge gelegene) Dom zu Mainz hatte noch im Xfi. Jtdirh. »wunitianeso^;
cf. Urstisius, Chr., Gcrman. historicor. illustr. I, 572 lin. 48.
Lage der Klöster. X7
Konrad U. Limburg a. d. H., und fast unzählige andere im Laufe der Zeiten.
Endlich kommt noch hinzu , dafs man in nenbekehrten Ländern , um auch hier-
durch den Sieg des Christentums anzudeuten , vielleicht aber auch um die alt-
gewohnte Anhänglichkeit der Neubekehrten an den Ort zu benutzen, die christ-
lichen Kirchen vorzugsweise gern an solchen Orten erbaute, wo früher heid-
nische Sacra waren gefeiert worden,^ was wiederum häufig auf Bergen der Fall
war und namentlich bei vielen dem Erzengel Michael und dem Apostel Petrus
gewidmeten Bergkirchen und Klöstern zutrifft.^
Während die Klöster der Benediktiner, in Abgeschiedenheit von der Welt,
aber mit freier Aussicht auf die Herrlichkeit derselben, gern auf einsamer Höhe,
wie ein Licht auf dem Leuchter standen, so verbargen die Cistercienser,^
nach dem Muster ihrer gemeinsamen Mutter Citeaux (gegr. 1098) ihre Nieder-
lassungen, dem Verkehre der Menschen entrückt, in versteckt gelegene, oft
sumpfige Waldthäler,* die sie durch ihren Fleifs bald in fruchtbare Gefilde
verwandelten, so dafs diese Klöster häufig einer lieblichen Oase inmitten
der Wüste gleichen.^ Eine Ausnahme macht das Kloster Hohenfurth (in der
südlichsten Spitze von Böhmen), welches auf einem Hügel an der Moldau liegt,
femer Wörschweiler in der Pfalz und Dissibodenberg, welches aber den Platz
einer schon seit dem VL Jahrhundert bestehenden Benediktinerstiftung ein-
genommen hat. Innerhalb einer Stadt liegt nur die Cist.- Abtei zu Wiener-
Neustadt, welche aber ursprünglich eine Dominikaner-Niederlassung gewesen ist.
* Dies wird häufig durch Ausübungen bestätigt. So fand mau in den Funda-
menten der Kirche des alten Benediktinerklosters St. Martin bei Trier im J. 1802 einen
heidnisch -römischen Opferaltar, beim Abtragen der Kirche zu Gersthofen in der Diö-
(^os Augsburg im J. 1 854 Reste von zwei Meäurstatuen , bei Abtragung des Domberges
zu Bamberg im J. 1771 metallene Opferinstrumente, sowie bei der letzten Restauration
des Domes selbst in der Krypta des Georgschores Fragmente von Urnen, Kohlen und
Eberzähne, 1882 bei Restauration der Ursulakirche in Köln eine Statue der Isis in-
victa u. 8. w. — In der Vita Mathildis reginae (bei Leibnitz, I, 194) wird von
dem Sachsen Widekind erzählt, derselbe habe nach seiner Taufe an solchen Orten, wo
er firüher Götzenbilder aufgestellt hatte, Bethäuser der Heiligen errichtet. Vergl. Lan-
dau, die Territorien, 373 i. — In Brandenburg zerstörte der zum Christentum bekehrte
"Wendenfürst Pribislav 1136 das Heiligtum des Triglav auf dem Harlunger Berge und
verwandelte es in eine Marienkirche, in welcher das alte Holzbild des Götzen noch
bis 1526 aufbewahrt wurde.
* Vergl. das Verzeichnis alter Michaelskirchen in Wolfs Beitr. zur deutschen
MythoL, 33 und alter Petrikirchen ebd., 81 ff. Petersberge kommen vor bei Koblenz,
Maiiiz, Saalfeld, Hersfeld, Flintsbach und Dachau in Oberbayem, Friesach in Kämthen,
Halle, Erfurt, Eisenach, Fulda, Roremund; Michelsberge bei Fulda, Mainz, Münster-
eifel, Stromberg, Bamberg, Brackenheim, Ulm,Wimpfen und bei dem Dorfe Michels-
berg im Sachsenlande von Siebenbürgen.
' Vergl. Feil, Jos., in den Mittelalterl. Kunstdenkm. von Heider und v. Eitel-
berger. 1, 1 ff.
' Nach der finsteren Askese des Ordens sollen die Mönche, in der ungesunden
Luft öfter erkrankend, stets den Tod vor Augen haben, um nie sorgenlos zu leben.
Vergl. a. a. 0., 6. — Dohme, die Kirchen des Ci8t.-0. in Deutschi., 20 f., weist je-
doch nach, dafs man es mit diesem Grundsatze in Deutschland so streng nicht nahm.
* Brusselii tract. de monast. Germ. (Augusti, Denkwürdigkeiten. XI, 382):
Vaües sylvestribus undique cincttM
Arhortbus diviM Sernhardus amoenaque pr(Ua;
Celles et mantes Benedictus amavit et arces
Coelo surgentes, ex quarum vertice UUe
Prospectus petitur^ secessum plebis uterque,
Otte, Konst- Archäologie. 5. Anfl. 2
18 Befestigte Kirchen.
Im Gegensatze gegen die Feldklöster der beiden genannten Hauptorden
suchten die Bettelmönche ausschliefslich die Städte auf und waren hier mit
einer abgelegenen Baustelle in der Nähe der Stadtmauer um so mehr zufrieden,
als sie daselbst von dem lärmenden Treiben des städtischen Verkehrs nicht
gestört wurden. Die Franciskanerkirche in Ulm ruhte mit ihrer Westseite
direkt auf einem Stücke der ältesten Stadtmauer. An der Dominikaner- (später
Oisterc.-) Kirche zu Wiener -Neustadt reicht dagegen der Chor soweit über die
Stadtmauer hinaus, dafs diese in Gestalt einesWehrgangs auf Stichbögen zwischen
und durch die Strebepfeiler hindurch um das Chorpolygon herumgeführt ist.
Die Pfarrkirchen der Städte liegen gewöhnlich in der Nähe des
Marktplatzes als dem ältesten Kerne des ihnen untergebenen Sprengeis. In
manchen Fällen (z. B. Brandenburg St. Gotthard, Beizig, Görzke, Loburg,
Möckem, Treuenbrietzen, Geislingen, Tübingen Stiftskirche etc.) sind sie
aber auch ganz dicht an die Stadtmauer gerückt, besonders an Stellen, wo
deren Flucht einen rechten Winkel bildet. Es scheinen dies Stellen gewesen
zu sein, welche durch die Terrain Verhältnisse als von Natur vor feindlichen
Überfällen besonders gesichert erschienen. Anderwärts finden sich auch
Kirchen direkt an Stadtmauertürme angebaut, so die Liebfrauenkirche zu
Frankfurt am Main.
Die Landkirchen stehen seltener frei in der Mitte des Dorfes, sondern
öfter innerhalb einer Häuserreihe der Dorfstrafse. In den befestigten Dorf-
anlagen vertrat der auf der Höhe oder inmitten sumpfiger Umgebung gelegene,
mit Wall und Graben und betürmter, mit Wehrgang oder wenigstens Schiefs-
scharten versehener Mauer umschlossene Kirchhof mit der gleichfalls be-
festigten Kirche so zu sagen die Burg. Dergleichen befestigte Anlagen bilden
in Süd- und Mitteldeutschland fast die RegeH und sind in mehr oder weniger
beschädigtem Zustande noch zahlreich erhalten. Wir nennen aus der grofsen
Zahl von Beispielen als die bemerkenswertesten: in der Schweiz Muttenz in
Canton Baselland, 1880 restauriert — im Elsafs Dangolsheim, Hartmanns-
weiler (Grundrifs bei Kraus H, 147, Fig. 29 — siehe danach Fig. 1) und Huua-
weier (Gnrndr. u. Ansicht das. 174. 175), in Schwaben, wo die Wehrgänge
Kemenaten oder Gaden genannt werden : Grofs-Sachsenheim, Heiningen bei Göp-
pingen, Schwieberdingen, Waiblingen, Welzheim, Baum-Erlenbach 0. A. Öhrin-
gen, Fluom 0. A. Oberndorf (ehemals), Heubach 0. A. Gmünd, Iptingen und
Weissach 0. A.Vaihingen, Lienzingen O.A. Maulbronn, Magstatt 1511, Unter-
zeil 0. A. Leutkirch, Finsterlohr, Schmerbach, ehemals auch Vorbachzimmem und
Wermuthausen O.A. Mergentheim — in Österreich: Maiersdorf bei Wiener-
Neustadt (vrgl. von Sacken in Mitt. C.-K. N. F. HI, 33 ft. m. 3 Holzschn.), ünter-
Waltersdorf (Abb. in Ber. u. Mitt. des Wiener Alt.-V. XIV, 103, Fig 21. 22) und
S. Pancratius bei Klein Mariazell (Abb. das. XV, 118 f., Fig. l u. 3), sämtlich in
Nieder -Österreich ; Hohenfeistritz und Diex in Kärnthen ; die St. Oswalds-
kirche zu Eisenerz in Steiermark von 1532* — in Franken und Hessen:
* Vergl. von Cohausen, bef. Dörfer zwischen Rhein und Nahe, in "Westermanns
ill. Monatsheften. VI (1859), 389 ff. — Wörner und Heckmann, über mittelalter-
liche Ortsbefestigungen im Korr.-Bl. Ges.-V. 1880, speziell über befest. Kirchhöfe, 37 ff.
* In den Österreich. Ländern wurden die l)efestigten Kirchen- und Kirchhofsanlacen
am Ausgange des M.-A. hauntsächlich durch die Türkenkriege von neuem zur Not-
wendigkeit. Vergl. über diese Bauten bes. in Steiermark und Siebenbürgen: Mitt. C.-K. I,
248 u. n, 211 ff.
Befestigte Kirchen.
1»
Kraftshof bei Nflrnbei^, Nenmorechen , Niederzv ehren, Ober- und Nieder-
Elienbach im Reg.- Bez. Kaeeel , die Harienkapetle bei Hombnr^ v. d, Höhe —
in Thüringen: Ober-Lind bei äonnebei^ von 1524 — in Norddentech
Und: anffaer den Ordengltirchen in PreufHen Harienh&ve in O.-Friealand,
Ankum O.A. BerBenbrfick , Giersdorf im Kr. Brieg. — Wo nicht die volle be-
festigte EirchhofBBnlftge vorhanden ist, finden sich wenigstens befestigte
TUrme, aufser an Seh iefsBC harten, Zinnenkranz mit Pechnasen nud Pfefferbüch-
sen auf den Ecken in der Regel daran erkennbar, dal^ der Eingang zu ihnen wie
an den Bergfrieden sich erst in bedeutender Hohe über dem Erdboden befinde)
nnd nur mittelst Leitern zugänglich ist ; oder das Kirchenschiff selbst ist be-
HHtmumtwdltr , bafm, Klrehbor (ucli Kniu).
festigt, indem sich über demaelben Wehrgänge oder auch ein oder mehrere
von aufsen nur mittelst Leitern zugängliche Stockwerke (bo in Bnienaen bei
Naenaen im BrannschweigiBchen, in Nienhagen und Oldenrode bei Horingen
im Farstentam Göttingen — %Tgl. Hase, Ittitt. Baud. Niedere., Taf. 124) mit Sclüefs-
löchern befinden.
14. Die überwiegende Mehrzahl aller mittelalterliclieii Kirchen hat
die Grundform des länglichen Vierecks mit oder ohne Kreuzvorlagen,
im Osten durch einen Kreis- oder Polygonabschnitt, auch rechtwinkelig
geschlossen.
Die längliche, an einer schmalen Seite abgerundete, dem Schiffe
ähnliche Grundform der Kirche galt schon in den ersten Jahrhunderten
20 Gnmdform der Kirchen.
für gesetzlich (ConsL apostol, 2, 57: *0 oi*o; lorca inifiiixtjg — o<nig ioikb
. yiii), als Symbol der rettenden Arche Noahs und des Schiff leins Petrl.
— Die ältesten Kirchen des Abendlandes, bis etwa um das J. 1230,
sind in Osten rund geschlossen; vieleckig geschlossene Kirchen gehören
späteren Jahrhunderten an; ein Schwanken zwischen beiden Weisen
(innerlich i-und, äufserlich polygonisch) bildet den Übergang (Kloster-
kirche zu Zinna, Kirche zu Ramersdorf bei Bonn, Kapellenkranz des Doms
von Magdeburg). Am Strafsburger Münster und am Dome zu Worms, welche
rechtwinkelig schliefsen, ist die halbrunde Altarnische innerlich in die
gerade Schlufswand eingetieft. Auch der Dom zu Bremen schliefst recht-
eckig, zeigt aber im Innern an der Ostwand drei kleine Rundnischen neben
einander. Dieser rechteckige östliche Schlufs (der sich allerdings schon
am ursprünglichen Altarhause des karolingischen Münsters in Aachen vor-
fand) kommt besonders in Westfalen (Dom zu Paderborn etc.), auch am
Oberrhein (Klosterkirche zu Limburg a. d. H., Dom zu Konstanz, Mittel-
und Oberzeil auf der Insel Reichenau, Petri- Paulikirche zu Hirschau, Pfarr-
kirche zu Perschen in der Oberpfalz) und bei den Cisterciensern (zu Loccum,
Riddagshausen, Kampen, Maulbronn, Bebenhausen, Kappel in der Schweiz
etc.) etwa bis zur Mitte des XUI. Jahrh. vor, später besonders im Norden
und vorzugsweise in Preufsen.
Ganz vereinzelt ist das Beispiel der einschiffigen Kapelle zu Tetin in
Böhmen, bei welcher sowohl Schiff als Chor trapezförmige Gestalt, mit den
schmaleren Seiten nach 0., haben (Grdrifs bei Grueber I, 46).
Kirchen in der Grundform des gleicharmigen, s. g. griechischen Kreu-
zes (-[-) finden sich im Abendlande nur bei unbedeutenden Gebäuden und
sehr vereinzelt vor (Dorfkirchen zu Wlnoves und Bochnitz und die neuer-
dings abgetragene Johanniskirche zu Weifskirchen bei Melnik in Böhmen,
Schlofskirche zu Querfurt, Nikolaikirche zu Pasewalk, Dorfkirche zu
Wiesenburg bei Beizig) ; dagegen haben alle gröfseren Kirchen in Deutsch-
land bis etwa nach der Mitte des XUI. Jahrhunderts, zumal Stifts- und
Klosterkirchen , die Grundform des s. g. lateinischen Kreuzes (t) , die älteren
halbrund, jüngere aus dem Vieleck geschlossen. In späterer Zeit kommt
die Kreuzform ungleich seltener vor, vorzugsweise selten bei Pfarrkirchen,
welche in dieser Zeit neugebaut wurden (Dom zu Stendal, Marienkirchen zu
Rostock und Stralsund aus dem XV. Jahrb.), und wie es scheint, haupt-
sächlich nur da, wo auf der Stelle des Neubaues früher schon eine Kreuz-
kirche gestanden hatte.
Anmerkung. Dafs die Kreuzform des Kirchengrundrisses bereits
ursprünglich symbolisch gemeint gewesen sei, läfst sich zwar aus der früh-
zeitigen sinnbildlichen Auffassung ^ derselben allein nicht beweisen, ist jedoch
wahrscheinlich: nicht blofs wegen der altchristlichen Vorliebe gerade fUr dieses
Symbol, sondern auch wegen der anscheinend keineswegs im strengen Bedürf-
' Schon Gregor von Nazianz im IV. Jahrh. (Somnium de Anastasiae ecel. 11, 16,
60) und Procop im VI. Jahrh. (de aedificiis Justiniani. I, 4) sehen in der von Kon-
stantin dem GroCsen zu Konstantinopel erbauten Apostelkirche die Gestalt des Kreuzes.
Vergl. Zöckier, 0., das Kreuz Christi, 198.
Namen der Kirchen. Kapellen. 21
nisse begründeten Anordnung deB Querschiffes ^ und wegen der ursprünglich
eigentlich doch nur im Grundrisse oder in der Vogelperspektive wahrnehm-
baren Kreuzgestalt der Kirchen ohne eigentliche Kreuzvorlagen.
15. Gottesdienstliche Gebäude, welche blofs zum Gebete oder Pri-
vatgebrauche bestimmt sind, heifsen Kapellen oder Oratorien.* Sie
sind gewöhnlich nur klein, haben verschiedene Grundformen und kom-
men häufig als An- oder Einbauten der Barchen vor.
Unter den kirchlichen Nebengebäuden war in altchristlicher Zeit das
hauptsächlichste die Tanfkapelle (bapHsterhwOy welche aus einem Vor-
gemache und dem Hauptraume mit dem Wasserbecken (piscinä) bestand
und in der Nähe der Hauptkirchen errichtet war. Gewöhnlich war der
Hauptraum von runder oder achteckiger Grundform, ^ und die innere Ein-
' Kinkel (Gesch. der bild. Künste. I, 60) erklärt es zwar für anscheinend sicher,
daTs man den Kirchen aus symboHschen Gründen das Quorschiff hinzugefügt habe,
meint jedoch, dafs auch architektonische Gründe mitgewirkt haben möchten, worüber
er Vermutungen ausspricht; Schnaase (IV, 87 u. 209 f.), dagegen hält die symboUsche
Beziehung sehi* für >iebensache.
' Über die deutschen Namen gröfserer Kirchen ist folgendes zu bemerken. Dom
stammt weder von D. 0. M. (deo optimo maximo) noch von Tum («» Bistumskirche),
sondern wie das italienische duomo von domtia sc. dei, oder vielmehr des Heiligen,
dem die Kirche geweiht ist, und wird nie von Klosterkirchen, sondern nur von bischöf-
üchen Stiftskirchen, im N.O. Deutschlands jedoch auch von gewöhnlichen Kollegiatstif-
tem (Berlin, Braunschweig, Halle, Stendal, "Walbock etc.) gebraucht. AVo von letzte-
ren mehrere an einem Ortis waren, erhielt nur das bedeutendste den Namen Dom
(z. B. Erfurt), keins jedoch, wenn am gleichen Orte sich ein Hochstift befand (Magde-
burg, Halberstadt). Vergl. v. Mülverstedt, über Bedeutung und Begiff d. Wortes
Dom etc. in Zeitschr. d. flarzvereins. H, 4, l ff., auch im Korr.-Bl. d. G.-V. 1869, 13. —
Münster stammt von monasterium, ist also eigentlich eine Klostorkirche, und ist so
auch in Gebrauch besonders bei einigen hochadeligen Fräuleinstiftem wie Essen, Her-
ford, Quedünburg, Ober- und Niedermünster bei Kegensburg, auch für die Benedik-
tinerk. zu Gladbach und die KoUegiatkirchen zu Bonn, Einbeck und Hameln. In
Süddeutschland \sird es geradezu für Kathedrale gebraucht, so in Stralsburg, Basel,
Konstanz; aber auch von blofsen Pfarrkirchen, die entweder nie mit einem Stift, ver-
bunden waren wie in Ulm, oder es erst später wurden wie in Freiburg, Bern, Über-
lingen. Im Nibelungenliede ist Münster schlechthin «e Kirche. — Der Name Kathedrale
kommt in Deutschland nicht vor, auch lateinisch werden die bischöflichen Kirchen in
der Regel eccl, major und nur selten eccl. caihedrdlis genannt, und der Dom zu Köln
heilst oft schlechthin Summum, während clanstrum nicht sowohl eine Klosterstiftung,
sondern den Komplex der durch eine Mauer a vita seculari abgeschlossenen geist-
üchen Gebäude bezeichnet. — Saal (aula) ist eine nur in einzelnen Fällen (Nürnoerg,
Königssaal in Böhmen, Sallapulka «■ Saal ob Pulkau und Mariasaal in Osterreich) vor-
kommende Bezeichnung, welche für Marienkirchen eigentümlich zu sein scheint.
' Verri. Unger, F., über d. ehr. Rund- und Oktogonbauten, Bonner Jahrbb. XLI,
25 — 42. — Die Idrchliche Bautradition hinsichtlich der Centralbauten, im Kirchenschmuck.
Sekkau 1882, No. 4 fif. — Die achteckige Grundform wird in folgender, von einem Bap-
tisterium bei der Kirche der h. Thekla in Mailand herrührenden Inschrift hervorgehoben:
OctochortMn 8anct08 templum surrexU in usus,
Octoganua fans est munere diffnus eo.
Hoc numero decuU scxri baptismatis aulam
Surgere, quo fi(Maüli8 vera stUua redüt
Luce resurgenhs Öhrigti, ^ui cHaustra resölvit
Mortis et e tumuUs suscUcit exanimes.
Confessosque reos maculoao crimine solvena
Fontis puriftui düuit inriguo etc.
cf. Thes. inscr. ap. Gruterum p. 1166 n. 8. Die Verse erinnern an Römer 6, 3. 4.
12 TauftapelleD.
richtnng des regelmäfBig dem TAufer Johannes gewidmeten Gebändee erin-
nerte eben so ku die gleichnamigen Schwimmteiche in den antiken Bädern,
wie die Ornndfonn an gewisBe Säle derselben. Dergleichen T&afhBnser be-
fanden sich auch in Deutschland bei den noch zu römischer Zeit nnd aaf
dem Boden des ehemaligen römischen Reiches entstandenen bischoflichen
Kathedralen, da das Taufrecht damals allein den Bischöfen zustand, wurden
aber später auch znweilen bei anderen Kirchen errichtet , welche die Berech-
tigung zur Erteilung der Taufe empfangen hatten. Obgleich yon jenen alten
bischöflichen Taufhänsern, die mit den Kirchen ge-
wöhnlich durch einen Säulengang verbunden waren,
keines auf unsere Tage gekommen ist, so ist wenig-
stens deren ehemaliges Vorhandensein, obschon in
spätererUmgestaltnng, doch durch den TitelJohan-
nes Baptista sicher erkennbar nachgewiesen neben
den Domen von Mainz (die jetzige evangelische,
frühere Stiftskirche St. Johannis), Worms (noch in
alter lOeckiger Form aus dem XIII. Jahrhundert,
im J. 1607 oder 1808 als Überflüssig abgetragen),'
Speier (die Johanniskapelle neben dem afldlichen
Krenzarme des Domes), Strarsburg(die Johannis-
kapelle neben der Nordseite des Chores), Augs-
burg (auf der Stldaeite des Domes die 1808 abge-
rissene Johanniskirche) , Regensburg (die schon
im XIV. Jahrhundert bei der westlichen Erweite-
Fifr ». T»»f»»«n» in BriMa rung des Domes zn Grunde gegangene Stiftskirche
«B ti. .- .) gj^ Johannis, jetzt in modemer Erneuerung nörd-
lich von der Kathedrale), Trient (im Unterbau der Beneflciaten-Sakristei
uoch in Spuren kenntlich), Maestricht (die Johanniskirche neben der
ehemaligen Kathedrale St. Serratii), Trier (die ehemals Johannes d.T. ge-
weihte, jetzige Liebfrauenkirche) nnd wahrscheinlich auch neben dem Dome
zu Köln. Als ein mCglicherweise stiftungamäfsig bis in die römische Zeit
hinanfreichendes ursprUngliches Baptisterium charakterisiert eich auch durch
das flher dem Eingange befindliche, die Taufe Christi darstellende Relief
die Rundkapelle in dem Marktflecken Petronell (östlich von Wien, an der
Donau) auf dem Boden der ehemaligen bedeutenden Römerstadt Carnnntnm,
ein Bauwerk ans dem XIII. Jahrhundert.* — Anfserdem sind Baptisterien
als besondere Bauwerke nachgewiesen bei der Abteikirche zn Fulda' und
in späten Umbauten noch vorhanden bei den MUnstem zu Aachen undEssen,
an ersterem Orte Ostlich, an beiden letzteren Orten westlich von der Kirche
belegen nnd durch einen Säulenvorhof (Paradies genanntj s. unten g. 23)
mit derselben verbunden. — Als ebenfalls noch erhalten sind anzuführen dag
' Vergl. .2 dreigewölbige Bauten in ■Worms-, Organ t. ehr. K. 1873, No. 10.
' Quast, Feni. v., Baptisterien in Doutschland, in der Zeitschr. f. ehr. A. nnd
K. I, 31 ü. 181. — In ihrer gegenwürtieen Einrichtung mit einem unteren Baume
•all oisa reponenda' gehört tUese EapeUe zu der Klasse der Camarien; s. 8. 24.
■ Das dem Täufer Johannes eewidmete, am 970 erbaute 'SaceUam regalt'. Vergl.
Der Dom zu Fulda. 2. Aufl. F>3da 1855, II.
Grabkapellen. 23
Baptisterium inBrixen (südlich am Krenzgange des Domes, zwar von recht-
eckiger Omndform, aber mit einer achteckigen Kuppel über dem Presbyte-
rium, vielleicht noch ans dem X. Jahrhnndert) ^^ die Tauf kapelle bei St. Ge-
reon in Köln (südlich von dem polygonischen Schiffe der Kirche und wesent-
lich von achteckiger Grundform, aus dem Anfange des XIII. Jahrhunderts) ^
und die Reste eines achteckigen Baptisteriums von 1290, östlich von der
ehemaligen Stifts-, jetzigen Pfarrkirche St. Georg in Augsburg,' sowie zu
Taufkirchen bei Yelden (Ob.-Bayern), jetzt Chor der Pfarrkirche, und
Möckenlohe bei Eichstädt (romanisch — Totenkapelle?). — Neben diesen
Baptisterien verfolgten auch die Brunnenhäuser in den Klosteranlagen regel-
mäfsig diesen polygonen Typus und ebenso die Kapellen bei Brunnenhäusern
und Quellen, so die Oswaldskapelle am Fufse des Lusenberges in Bayern,
die Güntherskapelle bei Gutwasser und die Marienkapelle bei Grofs-Zdikau
in Böhmen.
Dem Typus der Baptisterien verwandt erscheinen die häufig dem Erz-
engel Michael gewidmeten runden oder vieleckigen Grabkapellen auf
Kirchhöfen, als Nachbildungen der Rotunde über dem heiligen Grabe zu
Jerusalem.^ Das älteste, unter den An- und Umbauten des XI. Jahrhunderts
noch erhaltene Beispiel ist die Michaeliskirche in Fulda: ein runder Central-
bau , der im J. 820 nach dem Plane des in Jerusalem gewesenen Rhabanus
Maurus zum Schutze des Begräbnisplatzes der Mönche^ errichtet wurde, und
in dessen Mitte eine zu* Anfang des vorigen Jahrhunderts zerstörte Nach-
bildung des heil. Grabes stand. — Die von dem heil. Konrad (935 — 971)
zur Erinnerung an seine Pilgerreise nach Jerusalem am Dome zu Konstanz
errichtete, dem heil. Moritz gewidmete heil. Grabkapelle existiert zwar noch,
aber nur in einßm frühgotischen Neubau als Rotunde, mit dem vieleckigen
heil. Grabe in deren Mitte.® — Die durch BischofMeinwerk von Paderborn
daselbst 1033 gegründete heil. Grabkirche ist als solche nicht mehr nach-
« Mitt. C.-K. 1861. VI, 130. Vergl. den Holzschnitt Fig. 2.
* Org. f. ehr. K. 1860, No. 18. 19.
» Beilage zur Aucsb. Postzeitung. 1856, No. 276 u. 283.
* Nach der Besenreibung des fiusebius (de vita Constantini. DI, 30 — 39) liefs
Constantinus über der GrabhÖhle Christi einen von zwölf Säulen getragenen Kuppel-
bau {n^atpoUgiov) errichten als Haupt einer mit demselben verbundenen Basilika. Eine
angeblich aus dem YQ. Jahrh. stammende Grundrifszeichnung (bei Lenoir, Architec-
ture monastique. I, 253) zeigt einen runden, dreifach koncentnschen Centralbau, und
die zahlreichen späteren Aboildungen aus der Zeit vor dem Brande der heil. Grab-
kirche im J. 1807 lassen eine Umwandlung in den Formen älterer französischer Gotik
erkennen. Eine direkte Nachahmung der Constantinischen Grabkapelle hat Mefsmer
(Mitt. C.-K. YH, 85 — 90) auf dem aus Bamberg stammenden Elfenbeinrelief im bayr.
Nat.-Museum (Abb. bei Förster, Bildn.VH, 1), welches er und Se][)p spätestens dem V.
Jahrh. zuschreiben, andre jedoch erst dem X. oder XI., nachzuweisen gesucht, Rossi
bezeichnet aber die Darstefiung als Phantasie. Die einzige wirklich getreue Kopie der
h. GrabkapeUe in Jerusalem nach ihrem damaligen Zustande, die sicn in Deutschland
findet, ist die von Georg Emmerich nach zweimaliger Wallfahrt ins heilige Land 1465
und 1476 in Görlitz errichtete, während die übrigen sämtlich mehr oder weniger frei
sind, oder die über der eigentlichen GrabkapeUe befindliche groise Kuppel der h.
Grabeskirche nachahmen.
' *Cuju8 (sc. Domini) hie sepiUchrum nostra aepulchra juvaU heilst es in der
Dedikationsinschrift. Vergl. Lange, die St. Michaeliskirche in Fulda. 1855, 4.
° Vergl. V. Hefner- Alteneck, lachten des christl. M.-A. I, 6.
24 Kamer.
weisbar; eben so wenig die von Herzog Leopold dem Glorwürdigen
(t 1230) nach seiner Rückkehr aus dem heiligen Lande zu Klostemeubiirg
nach dem Muster des heil. Grabes errichtete ^capella speciosa<^ — Den cen-
tralen Typns der Grabkirchen zeigen die zwölfeckige Kapelle zu Drüggelte
bei Soest aus dem XII. Jahrhundert , die etwa gleichzeitige Kapelle St. Mar-
tin zu Bonn (1812 abgetragen)^ und die achteckige heil. Grabkapelle zu
Weil bürg a. d. Lahn von 1505. Die nicht sowohl mit dem heil. Grabe, als
vielmehr mit ihrer Ansiedelung neben dem Justinian-Omarischen Felsendome
auf Moriah zusammenhängende Vorliebe der Tempelherren für Rundbauten,
die sich in Frankreich und England kundgiebt, läfst sich, die achteckige
Templerkirche in Metz etwa ausgenommen, auf deutschem Boden nicht nach-
weisen. ^ Als Regel darf aber gelten , dafs überhaupt alle mit dem Grab- und
Reliquienkultus zusammenhängende Kapellen das ganze Mittelalter hindurch
typisch die turmartige Rund- oder Polygonform befolgen.^ Dahin gehört die
in den österreichischen Kronländern zahlreich vertretene Klasse kleiner Rund-
kapellen ^ auf den Kirchhöfen, in geringer Entfernung, meist südlich neben
den Kirchen. Diese Karner (camaria) bestehen aus einer 5,50 — 9,50 im
Durchmesser haltenden Rotunde mit dem Ausbau einer meist mehr als halbrun-
den, häufig erkerartig ausgekragten Altamische auf der Ostseite, haben einen
kellerartigen, gewölbten, gewöhnlich von einer Mittelsäule gestützten Unter-
raum zur Ansammlung der Totengebeine, sind kuppelartig überwölbt und kegel-
ft^rmig abgedeckt. Der Eingang liegt gewöhnlich nicht der Apsis gegenüber,
sondern an der Seite. Zuweilen, wie zu St. Veit, Marein, Pols in Steiermark
und Lorch in Oberösterreich, liegt der untere Raum (vielleicht aus Rück-
sicht auf den Baugrund) völlig über der Erde, und die obere Kapelle ist
durch eine äufserlich angebrachte Treppe zugänglich, so dafs die Erschei-
nung dieser kleinen Bauwerke an den Typus des Grabmals erinnert, welches
sich der Ostgoten -König Theodorich, in offenbarer Nachahmung der heid-
nisch-römischen Mausoleen, unweit Ravenna, errichten liefs.^ In Böhmen,
wo 'diese Rundbauten sehr häufig sind (in Prag allein sind drei nachge-
* Der templerische Ursprung der polygonen Kapellen auf der Oberen Burg zu Ko-
bem a. d. Mosel und zu Vianden im Luxemburgischen ist nicht sicher. Vergl. von
Ledebur, Leop., Allgem. Archiv. XVI, 107 u. 108.
* Ausnahmen von dieser Regel in einfach oblonger Form mit und ohne Apsis sind
freilich zahlreich, z. B. unter den österreichischen Kamem: Anzbach, Dürrenstein,
S. Michael i. d. Wachau, Gr. Pechlam, Randegg ^ Winzendorf, Schladming, Eisenerz,
Mariagail und Schwaz, sonst in Deutschland Michaels -GrabkapeUen zu Kaysersberg
und Zabem im Elsafs, Dietkirchen, Eaedrich mit Erkerapsis, Limburg a/Lahn uud
Rauenthal im Regb. Wiesbaden, Moosburg, Ochsenfurt und Volkach in Bayern etc.
' Ve^l. Hei der, Gust., über die Bestimmung der roman. Rundbauten, in den
Mitt. C.-K. I, 53. — Sacken, Ed. v., die RundkapeUe zu Mödling, ebd. EI, 263. —
Ders., Rundkapellen in Steiermark, ebd. IV, 47; vergl. V, 337. — K. Lind, über
Rundbauten m. besond. Berücksichtigung der Dreikönigslap. m Tulln, ebd. XTT, 146 ff.
mit 45 Holzschn. — J. G(raus), kurcm. Centralbauten aus d. M.-A., im Kirchen-
schmuck Sekkau. I, No. 6 — 8 mit 2 Taf. — Atz, die alten Rundkapellen in Tirol,
Mitt. C.-K. N. F. IV, 75 f.
* Dieses Mausoleum (jetzt S. Maria della Rotonda genannt) ist ein zweigeschossiger
Kuppelbau von zehneckiger Grundform: der untere, umerlich als gleichschenkeliges
Kreuz gestaltete Raum war ohne Zweifel zur Aufmüime des Sarkophags bestimmt; zu
Borgkai-ellen. 25
viesen), befinden eich dieselben indessen nicht immerneben ^fseren Eirclten,
sondern stehen für sich allein nnd haben anTser in BrzenioT anch keinen
Totenkeller, gehören daher nicht za den Karnern und scheinen besonder»
auf dem Lande rielmehr als interimiatisch errichtete Pfarrkirchen angesehen
werden zu mOsscn; der zn Randnitz ist eine Wailfabrtskapelle. Den böh-
mischen ist auch vielfach ein Tnrm angebaut, in velehem sich eine Empore
befindet, und in der Mitte Ober dem Kup-
pelgewölbe eine mit Doppelfenstern ge-
schmOckte Laterne. Von dem 1160 gegrOn-
deten ansehnlichen Rnndban zn Scheihling-
kirchen bei Wiener -Neustadt ist die nr-
sprttngliche Bestimmung als Pfarrkirche
nrknndlich erwiesen, ebenso in Holubitz
und Libann in Böhmen. — Den böhmischen,
ganz einfach und achmncklos ansgefUhrten
Rundkapellen wird zwar gern ein sehr hohes
Alter zugeschrieben, doch ohne eigentlichen
Beweis;' die stilisierten und zum Teil
schmuckvollen Rundbauten in den übrigen
Ö8l«rTcichischen Ländern reichen indesnicht
Über die Mitte des XII. Jahrhunderts hinauf
und die dem XIIL — XV. Jahrhundert an-
gehörigen haben die Polygon form.
Eine besondere Gattung der Oratorien
(capeltae casteltanae, palalinae),^ insofern
dem XU. Jahrhundert ausgebildeten Bauart
BtetB im zweiten Stocke belegenen herrschaftl
bindung stehend, gewöhnlich nicht zn ebene
Obergeschofs angelegt wurden.' In den zur I:
Bulben zu Gelnhausen, MUnzenberg (in dei
(Rheinpfalz) , Boynebnrg (Reg.-Bez. Rassel), 1
Bez. Wiesbaden), Henstadt a. d. Haardt (Rn
mit Empore) liegen oder lagen die Kapellen
Aber der Thorhalle. Solche finden sich anch {
dem oberen Stockwerke führen zwei gebrochene Freitr
die altchristl. Bauwerke von Bavenna, 24. — In Östi
die Karaer als Heidmtempel.
' Die völlig den einfachen böhmischen Tvpus zeigenden Rundkapellen zu Groitzsch
bei Pe^u und auf dorn Fetersberge bei Halle eehören ins XI. Jahm. und sind wahr-
scheinlich auf Verbindungen mit Böhmen zurückzuführen. Vergl. Otte, Bauk., 189.
' von tjuagt, Ferd., über Schlorekapellen ab Aosdruck des Einflusses der weit.
Macht aaf die geistliche. 1852. — Schultz, Alw., d. höfische Leben zur Zeit der
HiunesiDger. I, 81 ff.
' In nlterea Bur^anlagen belindet sich die Kapelle nicht selten, wohl zu ihrer
besseren Sicherung, itn EnigeHchoHSe dos Hauptwehrturms. Auch in Nürnberg steht
über dem Chor der Burgkapelle der Rogenamite Heidenturm. In der Ruine Stahrem-
berg in Niederösterreich befindet sich die alte Kapelle ebenso nnt»igebracht, wahrend
im späteren gotischen Wohnhause eine zweite Kapelle im 2, Stockwerke liegt.
>g Doppelkapellen.
Bui^- und Stadtthoren, z. B. dem inneren Tlior zn Brannsbei^, dem Grau-
denzer Thor zu Kulm, dem änraern Marienthor der Marienbnrg. Ander-
weitig scheint dann die Absicht der Stifter, die Bargkapellen zugleich als
ihre Orabst&tte benutzen zu können, znr Anlage von Doppelkapellen
(oraloria duplicia)^ geführt zu haben, die aus zwei Überwölbten Stockwerken
bestehen. Das Obergeachofs ist stets der höhere nnd reicher verzierte, oft
mit Säulen aus edlem Gestein ausgestattete Hauptraum, withrend das zur
Grabstatte nnd zum Totendienete bestimmte Erdgeschofs niedriger und ein-
zig. «. Doppalklptll* in Ludlbciv (oicb FBntar).
facher gehalten ist; eine vei^itterte oder mit einer BrUstungsraau er ver-
sehene, im Fufsbodcn der Oberkapelle befindliche Öffnung gestattet den
Einblick auf die Gruft (vergl. unten §.19 Anmerk. 2). Das älteste Beispiel
dieser nur in Deutsehland vorkommenden Gattung sctieint das dem hell. Got-
hard gewidmete Oratorium zu sein, welches Erzbischof Adalbert I. 1135
' Über Doppelkapellen vergl. StiPRÜti, C. L,, Beitr. zur GeRch. d. Ausl.ild. d.
Bank. D, 77 ff. — Ussing, J. L., I>?dÖjelarke paa ^aelland og de t;-ske Dohbel-
kapeller. ^öbenJiavn. 187a. — Nach Stieglitz nahm man früher die Bestimmung beider
Itüumo, des oberen für die Herrschaft, des unteren für das Gesinde, als für (iiiiutliche
Doppelkapellen giltig an. Dagegen erklärteTV.Weingfirtner (System des ehr. Tunn-
l>aus, 1 — 24) den unteren Raum als Gruftkapelle, was in vielen FsLen nachweislich
liohtig ist, ohne dafs Jedoch dadurch der gleichzeitige Gebrauch für das Gesinde gänz-
lich ausgeschlossen wäre (vergl. Schnaase. TV, I9ö). — "Übrigens war Weingürtnen*
Ansicht nicht neu, indem schon J. Scheiger (über Burgen und Schlösser ini Lande
Österreichs u. d. E.Wien 1837, 44) ausgesprochen hatte, dals die untere Kapelle zum
Totenkirchendienst gehörte. Eine hierauf feziigliche Notiz aus einem alttranzös. Dich-
ter (Lanceloet ed. Jonkbloet Haag 1846. IT, 98) hat Alw. Schultz, (Mitt. C.-K.
V, 331) gegeben und (Hof. Leben, 8b f ) noch zwei Stellen ans den Gestis Abb. Geni-
blac. cp.ji6 adann. 1022 und dem Chronicon SL HubertiAndann. cp. 33 adann. 1076 mit
bestimmten Kachweisimgen von I«ichenüberführnngen in die unteren Kapellen hin-
zugefügt.
Doppelkapellen. 27
neben dem Dome zu Mainz in Verbindung mit dem erzbischöflichen Paläste
als seine Hof kapeile (capella curtis) errichtete, die im Erdgeschosse das
Grab des Stifters enthält; das ehemalige Vorhandensein einer Öffnung im
Fufsboden der Oberkapelle wird einerseits versichert, andrerseits bestritten.^
Auf der Grünburg inKärnthen, der Ruine Gösting bei Graz, auf Hochep-
pan und in der Schlofskapelle zu Ro thenbu rg o. Tauber waren resp. sind die
Stockwerke nur durch eine Balkendecke getrennt. Ebenso verhält es sich zu
Reichenberg bei St. Goarshausen, wo freilich die Bestimmung als Kapelle
zweifelhaft ist, aber sogar drei Räume übereinand erliegen, der unterste im
zweiten Geschosse des Gebäudes tiberwölbt, ohne Öffnung in der Decke, und
zwischen den beiden oberen fehlt jetzt die Balkendecke. Dagegen sind sämt-
liche Geschosse ttberwölbt in der dreigeschossigen romanischen Kapelle in
der Ruine der Kleinfeste bei Stein in Krain.^ Von der Doppelkapelle in
Wiener-Neustadt von 1478 sind nur noch Reste ttbrig, undinderzu War-
burg in Westfalen, deren Oberstock durch eine doppelte Freitreppe zugäng-
lich ist, soll eine Öffnung niemals vorhanden gewesen sein. Diese fehlt auch
auf der Wilhelm 8 bürg in N.-Österreich und bei der nur noch im Unter-
geschosse vorhandenen Othmarskapelle der Burg Reiffenberg (Reg.-Bez.
Wiesbaden). Dagegen ist eine solche nachgewiesen in den Doppel kapellen
zuEger,Freiburga. d. Unstrut, Landsberg bei Halle a. d. S., Lohrabei
Nordhausen, Nürnberg und Steinfurt im Münsterlande. Die Kapelle im
Saalhofe zu Frankfurt a.M. zeigt sogar zwei Öffnungen, eine gröfsere und
eine kleinere. Während die genannten Doppelkapellen rechteckige Grund-
form haben, zeigt die Kirche zu Schwarz-Rheindorf (Bonn gegenüber) in
ihrem ursprünglichen, 1151 als Grabkapelle ihres Stifters von Erzbischof
Arnold von Köln erbauten, ein gleichschenkeliges Kreuz bildenden, mit
einer Kuppel gedeckten Kerne und die Schlofskapelle zu Vianden in ihrem
polygonischen Grundrisse die sonst für Grab- und Reliquienkapellen typische
Form, mit der Fufsbodenöffnung im Centrum; ebenso die Ulrichskapelle der
Kaiserpfalz in Goslar, deren Unterraum innerlich ein gleichschenkeliges
Kreuz bildet, der Oberraum ein Achteck. In der rechteckigen Schlofskapelle
auf der Trau snitz bei Landshut und auf Schlofs Tirol besteht das Ober-
stockwerk nur aus einer sich an drei Seiten herumziehenden , die vierte Seite
freilassenden Empore, welche letztere offenbar für die Herrschaft bestimmt
war, während der untere Raum der übrigen Burggemeinde diente. Gleiche
Bestimmung hatten die in österreichischen Burgkapellen häufig vorkom-
menden Emporen, die zu demselben Zwecke auch durch ein in die anlie-
genden Gemächer des oberen Stockwerkes führendes Fenster mit einem
offenen Erker ersetzt werden. Beides zusammen , Empore und Erker findet
sich im Schlosse Wallsee in N.- Ostreich. — Aufser den vorstehend ge-
nannten werden die Kapellen zu Abb ach in Bayern, Rineck in Unterfranken,
^ Versichert von V. Quast (über Schlofskapellen, 17; die roman. Dome des Mittel-
rheins, 16), bestritten von Reichenspercer, Verm. Sehr., 195.
* I)reigeschos.sig ist auch der Kapellen deu am Rathause zu Goslar. Ebenfalls die
8. VeitskapeUe auf dem Friedhofe zu Schwaz von 1506, ein Karner, dessen oberstes
Geschofs von aufsen durch eine sehr kunstvolle Treppe zugänglich ist, dagegen die
aus dem XV. Jahrh. datierende Marien -KapeUe zu Donnersmarck in der Zips (Un-
garn, gleichfalls ein Kamer?) nur zweigeschossig (vergl. Österr. Atlas, TafF. 75. 81).
28 Rund- und Polygonbauten.
Homburg bei Gössenheim a. d. Werra,* zu Greifenstein bei Weilburg und
zu Feltz (Larochette) im Luxemburgischen' ohne nähere Beschreibung als
Doppelkapellen angeftthrt; diejenigen zu Neuweiler an S. Petri-Pauli und
die Nikolaikapelle auf dem Odilienbergim Elsafs, beide aus dem XL Jahrh.,
sind eigentlich Chor mit Krypta von einer älteren Kirche. Im Münster zu
Strafsburg ist die Johanniskapelle aus dem XIL Jahrh. zweigeschossig, im
Kreuzgang von St. Ludgeri in Helmstedt befindet sich eine solche aus dem
XL Jahrb., und auch im Collegium Josephinum zu Hildesheim soll sich eine
runde Doppelkapelle befinden. Vor allem ist zu bemerken, dafs dasMttnster
zu Aachen nach seiner urspünglichen Anlage auch nichts anderes ist als die
zweigeschossige Burgkapelle der kaiserlichen Pfalz, wie denn auch die
meisten demselben angebauten Kapellen zweigeschossig sind. Die Kirche zu
Kon radsburg im Harz gehört nicht unter die Doppelkapellen (^Tgl.Kuglor,
kl. Sehr. I, 619).
Übersicht der kirchlichen Kund- und Polygonbauten des M.-A.
in Deutschland.
L Im Rheinlande: Aachen, das Münster, Ißeckiger Centralbau 79G
bis 804, und die aus dem XL und XIL Jahrh. stammenden Nachbildungen des-
selben zu Ottmarsheim im Elsafs und auf dem Valkhofe zu Nymwegeu.
Früher sollen sich dergleichen auch zu Diedenhofen (schon im X. Jahrli.
zerstört), Groningen (St. Walburg, abgetragen 1627) und zu Lüttich (St.
Joh. Ev. , im vorigen Jahrhundert durch einen ähnlichen Bau ersetzt) befunden
haben. Auch der ^alie Turm<^ zu Mettlach a. d. Saar ist ursprünglich nacli
dem Centralsystem erbaut gewesen. — Avioth im westlichen Lothringen,
6 eckige gotische Kirchhofskapelle. — Avolsheimim Elsafs, Centralbau mit
ursprünglich vier ^j^ Kreis -Apsiden vom Ende des X.
Jahrh. — Bonn, St. Martin, runder Centralbau aus dem
XH. Jahrh., abgetragen 1812. — Kobern a. d. Mosel,
die Matthiaskapelle auf der Oberen Burg, Geckiger Cen-
tralbau aus dem XIU. Jahrh. — Köln, das 10 eckige
Flg. 6. Rnndkap«iie SchiflF vou St. Gcrcou aus dem XIII. Jahrh., aber auf ur-
st.* Martin in Bonn alter Grundlage, mit der daneben belegenen 8 eckigen Tauf-
kapelle.— Lahn eck, Burgkapelle, gotisch, im 8 eck ge-
schlossenes Oblong mit zweiseitigen (in Form halber, übereck stehender Qua-
drate) Ausbauten an den Langseiten. — Lonnig, 3 St. von Koblenz, Reste eiues
runden Centralbaues. — Metz, Kapelle in der Citadelle, Seckig, XIII. Jahrh.
— Sulzbad im Elsafs, Amanduskapelle, XIV. Jahrh. — Trier, die Lieb-
frauenkirche, komplicierter vieleckiger Centralbau aus dem XIII. Jahrh. —
Vi an den im Luxemburgischen, Schlofskapelle, 10 eckig, XIII. Jahrh. —
Weilburg a. d. Lahn, heil. Grabkapelle, 8 eckiger Centralbau, XVI. Jahrh.
— Worms, Baptisterium, 8 eckig, abgetragen (s. o.).
IL In Westfalen: Drüggelte bei Soest, 12eckiger Centralbau aus
dem XII. Jahrh. — Hardehausen bei Paderborn, zweistöckige 8 eckige
Totenkapelle aus dem XIIL Jahrh. — Krukenburg bei Karlshafen a. d.
« Korr. -El. d. O.-V. 1860, 133.
* Neyen, A., histoire de la ville de Vianden. Luxemb. 1651, 40.
Rund- und Polygonbauten. 29
Weser, Reste einer Burgkapelle von der Grundform einer Rotunde, an die sich
kreuzartig vier kurze Schenkel legen, XIIL Jahrb.
III. In Sachsen, Thüringen und Hessen: Butzbach, Michaels-
kapelle bei der Marcusstiftskirche. — Dieburg, Prov. Starkenburg, Rund-
kapelle von 1232. — Fulda, Michaeliskirche, runder Centralbau um 820, im
XI. Jahrh. verändert. — Goslar, die Ulrichskapelle auf der Pfalz, zweistöckig,
unten ein gleichschenkeliges Kreuz, oben ein Achteck bildend, XIII. Jahrh.
Die ehemalige Georgenberger Kirche, 8 eckig mit je zwei Türmen an zwei
gegenüberliegenden Seiten. — GroitzschbeiPegau, Schlofskapelle, Rundbau
nach böhmischem Typus, XL Jahrh. — Heiligenstadt, Annakapelle, 8 eckig,
gotisch. — Hildes he im, runde zweigeschossige Kapelle im Collegium Joseph.
— Krukenberg, Reg.- Bez. Kassel, Burgkapelle, Rundbau von 12,S7 lichtem
Durchmesser mit vier rechteckigen, kreuzförmig an den Cylinder gelehnten
Anbauten, 1126. — Magdeburg hatte eine »ecclesia rotunda<^j welche zu
Anfang des XI. Jahrh. abbrannte , damals wieder gebaut und 1307 abgebrochen
wurde. — Marburg, Schlofskapelle, kompliciert polygonisch, 1288. —
Meifsen, Johanniskapelle am Dom 1290, ein zweistöckiges Achteck. —
Mühlhausen, sechseckige Kapelle neben der Georgskirche, gotisch. —
Petersberg bei Halle a. S., Reste der alten, im XIII. Jahrh. veränderten
Kapelle, nach böhmischem Typus. — Untersuhl in Sachsen -Weimar, Rund-
kapelle wie in Groitzsch, mit zopfigem Fachwerksaufsatz.
IV. In Franken: Altenfurt bei Nürnberg, Rundkapelle nach böhm.
Typus, XII. Jahrh. — Grünsfeldhausen bei Grünsfeld, zwei durch einen da-
zwischen liegenden Turmbau verbundene 8 eckige romanische Kapellen. —
Nürnberg, Holzschuherische Begräbniskapelle auf dem Johanniskirchhofe,
Rundbau, 1516. — Ober-Wittighausen, Seckiger Centralbau, XIU. Jahrh.
— Standorf bei Kreglingen, 8 eckige Kapelle mit Chor und Apsis und Turm
neben dem Chor, XIII. Jahrh. — Würzburg, Kapelle auf dem Marienberge,
Rundbau, zweistöckig abgesetzt; der untere, 3,t4 dicke Teil der Umfangs-
mauer möglicherweise aus dem VUI. Jahrh. , der obere nur 0,63 dicke Teil aus
dem XII. Jahrh. ; im Innern acht Nischen.
V. InBayern und Schwaben: Ettal, Wallfahrtskirche, 12eckiger Cen-
tralbau mit rundem Mittelpfeiler und zweistöckigem Umgange mit Emporen,
verzopft. — Frauenchiemsee, Seckige Kapelle. — Komburg, 6eckige
Kapelle auf der Nordseite der Stiftskirche. — Konstanz, Moritzkapelle beim
Dom, Rundbau, XIII. Jahrh. — Lauffen, Ober-Bayern, romanisch. —
Mo OS bürg, Michaelskirche, XUL Jahrh. — Mühldorf, am linken Ufer des
Inn, Totenkapelle, 8 eckig, XII. Jahrh. — Obertauf kirchen in Oberbayern,
romanischer Rundbau als Chor der jetzigen Kirche. — Perschen bei Nabburg
in der Oberpfalz, Rundkapelle, aus zwei aneinander gelehnten Centralbauten
mit Kuppeln bestehend, XII. Jahrh. ~- Regensburg, Allerheiligenkapelle
beim Dom, kleeblattförmig, XII. Jahrh. — Rothenbuch in Bayern, Rotunde
(verzopft). — Schönberg bei Neumarkt, Ober-Bayern. — Stadtamhof,
Katharinenkapelle, 6eckig, 1270. — Steingaden im Ammergau, Rund-
kapelle, Xni. Jahrh. — Yilshofen a. d. Donau, Rundkapelle nach böhm.
Typus. — Wasserburg, Michaeliskapelle, XVI. Jahrh. — Wolperts-
schwendi im Oberamt Ravensburg, Gangolfskapelle, Geckig.
VI. In derSchweiz, Tirol und Salzburg: InAltdorf und an anderen
30 Rund- und Polygonbauten.
Orten deB Kantons Uri neben den Hauptkirchen belegene , als Beinhäuser be-
zeichnete Randkapellen. — Laufen im Salzkammergute , Mariahilfskapelle
neben der Stiftskirche, zweistöckig, unten 4-, oben 9 eckig. — Meran, Bar-
barakapelle, 8 eckig mit Krypta, XV. Jahrh. — Ferner Rundkapellen in Tirol:
Berschach bei Toblach im Pusterthale, im Felde bei Gl es auf dem Nons-
berge, Gries bei Bozen, Klausen St. Sebastianskapelle, St. Michaelskapelle
vor Kloster Neustift bei Brixen (gotisch), Schöna bei Meran Georgskapelle
mit rundem Mittelpfeiler, Unterplanitzing bei Kaltem. Die frflhgotische
Bartholomäuskapelle bei der Abteikirche Wüten ist 8 eckig.
VII. In den österreichischen Ländern^ ist eine grofse Menge kleiner
und gröfserer, runder und polygoner Kamer mit und ohne Gruftraum vor-
handen, deren Zahl auf mehr als 100 angegeben wird: in Unterösterreich sind
30, in Steiermark etwa 15 nachgewiesen, und in Kärnthen finden sie sich fast
neben allen Landkirchen. Wir nennen in Unterösterreich: romanische zu:
Altenburg, Friedersbach, Gars, Göffritz, Grafensulz (später in ein
Seitenschiff der Pfarrkirche hineingezogen), Hadersdorf f, Hainburg, Har-
degg, Kuenring (mit Erkerapsis), Markersdorf, Mistelbach, Mödling,
Petronell,Pirstendorf(zur Sakristei umgewandelt). Pulkau, Scheibling-
kirchen, Stahremberg, Zwettl neben der Propsteikirche ; im Übergangs-
stile (polygone): Friedersbach bei Zwettl, Globanitz, Margarethen am
Moos (viereckig), Wiener-Neustadt, Pottenstein, Tuln(ll eckig), Zellern-
dorf; spätgotische: Berchtoldsdorf, Burgschleinitz, Kirchschlag,
Loosdorf, Unter-Aspang, Wirflach. — In Oberösterreich findet sich
ein Rundbau zu Lorch bei Enns, im Obergeschofs 8 eckig. In Kloster Neu-
burgist die Agneskapelle am Kreuzgang 9 eckig. — In Kärnthen: romanische
zu Altenmarkt, mit Erkerapsis, zu Berg, Maria Wörth, Reichenfels im
Lavantthale, Pisweg beiGurk, ohne Apsis zu St. Leonhard und Maria Saal,
letzterer im XV. Jahrh. mit einem zweigeschossigen, unregelmäfsig neuneckigen,
offenen Pfeilerbaue umbaut; zu Rechberg mit halbrunder, zu Wasser ho fen
mit grade geschlossener , zu Völkermarkt mit im XIV. Jahrh. angebauter Poly-
gonaspis; gotische, 8 eckige zuMetnitz, St. Georgen amSandhof und Walt -
seh ach. Die nicht zu den Karnern gehörige Filialkirche zuAufsen-Frag-
gant ist 6eckig mit kleinem quadratischen Vorbau. — In Steiermark:
Aflenz 8 eckig, Brück a. Mur rund, daselbst die ehemalige H. Geistkapelle
jetzt Allerheiligen von 1497 dreieckig mit abgestumpften Ecken, Frohnleiten
sechseckig, Geistthal bei Renn rund mit Erkerapsis, St. Georgen beiMurau,
Graz Schlofskapelle St. Thomas (rund, abgerissen), Hartberg mnd, ebenso
Jahring bei Marburg, Köflach und St. Lambrecht, Lied bei Knittelfeld,
St. Marein bei Neumarkt und Mariazell (Seckig), St. Oswald bei Zeyring
(demoliert), Pols, St. Ruprecht beiBmck, Seiz (gotische Priorengruftkirche
in der Karthause), St. Veit nächst Neumarkt, Weissenkirchen bei Jnden-
burg (demoliert). — In Böhmen: romanische Rundkapellen zu Holubitz bei
Tursko (Kr. Prag), Lew in zwischen Leitmeritz und Böhm. Leipa, Libaun
beiLauniowitz, Pilsenetz (Kr. Pilsen), zu Prag S.Longinus bei der Stephans-
kirche, St. Martin am Wyschehrad und zum h. Kreuz in der Postgasse, St.
Georg auf dem Berge Rzip bei Raudnitz, 1126 geweiht, und Schelkowitz
« Vergl im ÖsteiT. Atlas die Taff. 1. 37. 71.
BaomatenaL 3J
bei Trebnitz. — Kowary ist elliptisch mit reckteckigem gotischen Chore und
quadratischem Turme. — Die Karlshofer Kirche in Prag ist ein imposantes
gotisches Achteck aus dem XIV. Jahrh., die 1791 abgebrochene Frohnleichnams-
kapeile auf dem Karlsplatze daselbst, aus der zweiten Hälfte des XVI. Jahrh.
hatte die Gestalt eines sechseckigen Sterns. Sechseckig ist auch die kleine Holz-
kapelle zuPschoblik. — In Mähren eineRundk. auf der Markgrafenbnrg zu
Znaim und die modernisierte Schlofskapelle zuTeschen aus dem XIV. Jahrh.
VIU. Im Gebiete des norddeutschen Ziegelbaues kommen nur go-
tische, meist achteckige Rundbauten vor: Zu Herzberg a. d. £. an der
Stadkirche, zweistöckig, in der Altmark: S. Spiritus zu Salzwedel und
St. Johannis neben St. Marien zu Stendal, beide abgetragen; in der Mark:
die heil. Geistkapelle zu Treuenbrietzen (rund, ohne Dach); in Mecklen-
burg: die heil. Blutkapelle zu Doberan, die Kirche zu Ludorf (8 eckiger
Centralbau mit halbrunder Apsis, 4 eckigem Westturm und halbachteckigen
Anbauten an den Seiten); in Pommern: die Earchhofskapelle in Köslin,
die Gertrudenkapelle bei Rttgenwalde (12eckiger Centralbau), die Kapelle
des Georgenhospitals in Stolp, die Apollonienkapelle neben der Marien-
kirche zu Stralsund, die Gertrudenkirche bei Wolgast (12eckig). — In
der Stadt Schleswig ist in der vielfach umgebauten Michaelskapelle noch ein
Rest eines aus dem Ende des XL Jahrh. herrührenden runden Centralbaus mit
Emporenumgaug um den mit Oberlichtern versehenen überhöhten Mittelraum
erhalten. — In Schlesien zeigt die moderne Kapelle auf der Schneekoppe
den Typus der kleinen böhmischen Rundbauten. In der Ratiborer Vorstadt von
Troppau ein grofserOktogonbau; die Nepomukkapelle bei Lubom(Kr. Rati-
bor), 8 eckiger Holzbau; die heil. Geistkirche zuBeuthen, 8 eckig; die acht-
eckige gotische Martinikapelle bei St. Elisabeth zu Breslau ist 1848 abgetragen.
16. Die meisten der ältesten Kirchen in Deutschland (im Vn. bis
IX- Jahrhundert) waren aus Holz ; im X. Jahrhundert wurde der Stein-
bau zwar schon allgemeiner, doch galt zu Anfang des XI. Jahrhunderts
in manchen Gegenden ein steinerner Turm noch für eine Seltenheit.
Man wählte zum Bau diejenige Steinart,* welche unter den obwalten-
den Lokalverhältnissen als die zweckmäfsigste erschien, oder gerade am
leichtesten zu beschaffen war; es läfst sich daher aus der zu einer Kirche
verwendeten Steinart nur selten ein Schlufs auf die Erbauungszeit der-
selben machen.
Obgleich bei den Römern der Kaiserzeit der Steinbau Regel war und
nur etwa bei Wirtschaftsgebäuden Fachwerk zur Anwendung kam,^ so
kommt doch schon zu römischer Zeit und auf römisch -deutschem Gebiete,
zu Künzen {Castra Quintana) am Flttfschen Businka eine hölzerne Kirche
vor, welche der heil. Severinus (gest. 481) gegen die Überschwemmungen
der Donau schützte. ' Nach dem Aufhören der Römerherrschaft waren es
rohe Bedürfnisbauten, welche die missionierenden irischen Mönche {^magistri
e Scotia^) nach heimischer Sitte (^more Scotorum^) ganz aus Holz {^de ro-
* Über Wahl der Steine für den Kirchenbau, vgl. Mone, Anzeiger etc. IV, 113.
» Otte, Bauk., 6 u. 28.
» Ebd., 5t.
12 HoLdcirchen.
bore seclo") erricbteten, wie dergleichen Kirchen im Vll.Jahrh. n&mentlich
in Bayern mehrfach erwähnt werden. Das Kloster Fulda wurde gleich an-
fangs (742) wenigatene znm Teil ans Steinen erbant, da man nach Ausrot-
tung des Waldes mit der Errichtung von Kalköfen den Anfang machte;'
sonst war es bis in spätere Jahrhunderte Sitte, bei der OrUndung nener
Klöster sich mit interimistischen Holzgebäuden zu behelfen, so dafs die
gleichzeitigen Chronisten die ausnahmsweise Errichtung von Steingebäuden
stets besonders hervorheben. Zu Anfang des XI. Jahrhunderts, wo bei der
glanzvollen Machtentwickelung des Reiches und dem Reichtum der Prälaten
sich neu erwachte Baulust regte, wurden viele ältere Holzkirchen durch stei-
nerne ersetzt: in Österreich z.B. durch Bf. Altmann in Passau (t 1091);^
dagegen galt ein von Bf. Bernhard von Verden (f um 1014) neben dem dor-
tigen Dome erbauter steinerner Turm in jener Gegend noch fUr eine Selten-
heit.' überhaupt hielt sich der Holzbau, der sich in Skandinavien selbst
kllnatleriBch auebildete,* im Norden von Deutschland am längsten, so dafs
Fl(. fl. Kirche n Badoubmn (nacb Donl).
noch im J. 1 163 unter Heinrich dem Löwen die neu erbaute hölzerne Marien-
kirche zu Ltibeck geweiht wurde.* Als interessante Beispiele des urtfimlichen
Holzbaues haben sich im slavischen Osten von der Bukowina, Ungarn (an
' Otts, Baut,, 51.
' Ebd. , 337.
' Thiefmar, Chron., rec.Wagner, 219: . . . 5111 in Itac terra paneihabetUur.
Der t03l geweihte alte Holzbau der Schottentirche S. ThomaB zu Strafsburg wurde
noch 1144 nach einem Brande wieder durch einen Holzbau ersetzt, au dessen Stelle
erst 1273 ein Steinbau trat.
* Tergl. Dahl, Denkmäler einer Rchr ausgebildeten Holzbaoknnst in den inneren
lÄndschaften Norwegens. 1837. — Eine der ältesten der dortigeo Holztirchen, die
Kii-cheWang bei Drontheim, wurde im J. 1842 (von Priedrich "ft ilhelm H'. angekauft),
zum Teil im ursprünglichen Stil erneuert, zu Brüekenberg in Schlesien aufgestellt. —
Vergl. auch Lehfeldt. P., die HolzbaukunKt. 1880. 106— IIS.
' Chron. Montis sereni ad a. 1163, roc. Eckstein, 31. — Noch 1312 versprach
in einem FriedensschluHso der Bat von Rostock: •in optdo Wemetninden reedificart
debema» pvlcram eccleeiam ligneant' (Mecklenb. Urk.-B., V, No. 3!iT7). Ja sogar
noch um 1354 wurde, allerdings unter besonderen Umstünden, eine Kathedrale von
Holzkirchen. 33
derTheifs); Oalizien, Mähren , Böhmen und Schlesien bis nachPrenfsen und
Hinterpommern* hinauf , viele eigentümliche, aus starken Eichen- oder
Lärchenstämmen, auch aus kiefernem Kernholz (provinziell Gehrsafs ge*
nannt) im Blockverbande znsammengeschrotene Landkirchen erhalten, mit
weit vorspringenden Dächern und mit einem bedeckten Laufgange (lop ge-
nannt) umbaut; die Olockentflrme stehen oft seitwärts isoliert und sind zu-
weilen mit Schnitzomamenten und ansprechenden Profilierungen der Bretter-
bekleidung versehen y wobei in den nördlicheren Gegenden in einzelnen For-
men zuweilen der spätromanische, zuweilen der gotische Stil ersichtlich
wird, während die griechischen Kirchen Galiziens und der Bukowina in ihrer
ganzen Anlage byzantinischen Typus zeigen.* Mehrere dieser Holzkirchlein
sind sicher von verhältnismäfsig hohem Alter, die ältesten (wie die zu Lubom
und Syrin) wahrscheinlich aus dem Anfange des XIV. Jahrhunderts, die
meisten aber, obwohl sie im allgemeinen den althergebrachten Typus und
die alte Technik festhalten, dürften erst aus dem XVU. und XVUL Jahr-
hundert datieren, wie ja in Polen und Rufsland auf dem Lande noch gegen-
wärtig Holzkirchen gebaut werden. — In den westlicheren Gegenden Deutsch-
lands hat sich von alten Holzkirchen, nachdem auch die hölzerne, mit
Malereien geschmückte sogenannte Jodocuskapelle zn Mühlhausen in Thü-
ringen, welche ans dem XIV. Jahrhundert stammte, im J. 1846 abgerissen
worden, wohl nichts mehr erhalten. — Über die Holzkapellen in Rohrmoos
und auf dem Tronsberg zu Geratsried und deren Einrichtung vergl. Augsb.
Postztg. 1861. No. 63. 66. 67.
' Holzkirchen werden erwähnt im östlichen Teile von Böhmen: Kodi bei Chru-
dim (1397), ein grofsartiger isoli^ier Glockenturm in der Stadt Pardubitz, ein der-
gleichen nach romanischem Muster neben der Georsskirche in Praslawic bei Tumau
und neben der GaUuakirche zu Reichenau, die Wsluahrtskirche Maria unter den lin-
den bei Braunau. die utrac^uistische Kirche zu Slavoniow von 1553, die Brunnen-
kapelle zu Grols-Zdikau, die Friedhofskap. zuLhotice, die 6 eckige Kapelle zu Pscho-
blik, kleinere! zu Erlitz, Podol, Behberg und Roketnitz; im nordöstl. Mähren: Hozen-
dorf , Nesselsdorf und Seitendorf (1488) bei Neutitschein, Tychau bei Frankstadt (XVI.
Jahrh^ Wietfkowice a. d. Lubina; in Österreich-Schlesien: Stauding, Taschen-
dorf, Wagstadt und Zattig; in Oberschlesien; im Kr. Beuthen: die Margaretenkirche
bei Beuthen, Dorfkirchen in Bielschowitz (z. T. 1796), Biskupitz (abgebrochen), Bogut-
schütz, Mikultschütz, Gr. Paniow (1757) und Zabrze; im Kr. Leobschütz: Bauerwitz
imd Rackau; im Kr. Plefe: Dziedkowitz, Omontowitz und Warschowitz ; im Kr. Rati-
bor: Bosatz, Brzezie, Lubom (1305 u. 1516), die achteckige Nepomukkapelle bei Lu-
bom (XIV. Jahrb.), Markowitz, Ostrog (1865 abgebrochen) und Syrin (1304); im Kr.
Rybnik: Belk, Jedlownik, Nieder -Mschana, Radoschau und Ruptau; im Kr. Falken-
berg: Rogau; im Kr. Kosel: Leuschütz; im Kr. Namslau: Belmsdorf, Lorzendorf,
Proschau; im Kr. Neustadt: Dobrau; im Kr. Gr. Strehlitz: Kaltwasser. (Auch die
Kapelle des ehemaligen Kapuzinerklosters in Breslau ist ein Holzbau, von 1669.) In
Preufsen: im Kr. Neidenburg: Bialutten, Gr. Lensk, Malga, Schamau imd Skottau;
im Kr. Osterode: Leip und Peterswalde. In Hinter-Pommern: Barenbusch bei Neu-
Stettin, Vellin bei Varzin. Auch mehrere Kirchen in Schleswig. Yergl. über die
Holzkirchen der Slaven Lehfeldt, a. a. 0., 213—226.
' Abbildxmgen solcher Holzkirchen in Leonh. Dorst (v. Schatzberg) Reiseskiz-
zen. I, Bl. 3, m der Zeitschr. für Bauwesen, 1852, BL 44 (mit Text von Cuno Sp.
212) und in den Mitt C.-K. I, 247; m, 85 ff.; X, 22; XV, 51 u. 65; XVI, 4;
XVII, 39, N.F. VI, 26 ff.; Jahrb. C.-K. m, 164; Österr. Atlas, Taf. 47; vergl. Luchs,
über die oberschl. Holzkirchen und Verwandtes, im 49. Jahresbericht der schles. Ge-
sellsch. f. vaterl. Kultur. 1S72.
Otte, Konat-ArchMologle. 5. Aufl. 3
34 Bruchstein und Haustein.
In der südlichen Hälfte von Deutschland, etwa bis zur Elbe, sind die
Kirchenbauten gröfstenteils aus Bruchsteinen verschiedener Art ausgeführt,
z. B. am Oberrhein aus rotem Sandstein (Münster zu Basel, Strafsburg
und Freibnrg, die Dome zu Mainz, Speier, Worms etc.); am Niederrhein ^
aus Tuff, Trafs (provinziell Duckstein), Basalt, Trachyt (Dom zu Köln),
Grauwacke, Granit und Kalksinter (letztere zu Säulen etc.). Den Trafs von
Andernach in kleinem, backstein-ähnlichem Format findet man an den
mittelalterlichen Gebäuden längs des Rheins bis ganz hinein in Holland,
in Utrecht in Verbindung mit Backsteinen, ziemlich allgemein auch in
Schleswig (Michaelis- und Johanniskirche) und Jütland (Dom zu Ripen),
doch meist nur in der Nähe der grofsen Handelsplätze.^ Nach Ost-
friesland wurde Sandstein von der Porta und vom Deister in Westfalen
auf der Weser und auf vielen Kanälen herangeschifft, und Tuff soll aus
Schottland bezogen worden sein. In Schwaben und Bayern: Sandstein,
Kalkstein, im Egerlande Granit, in Franken gelber Sandstein, in und um
Nürnberg ein weiches Quarzkonglomerat, dessen Quadern keine Kanten
halten und erst an Ort und Stelle gehauen und nach dem Versetzen fertig
gestellt wurden; zuweilen Backstein (Dome zu Augsburg und Ulm, zum
Körper des Gebäudes; Frauenkirche zu München); in Tirol und Kärnthen
zuweilen Marmor (Dome zuTrient undGurk); in Steiermark Muschelkalk-
stein (Pfarrkirche und Kamer zu Hartberg), in Sachsen: Sandstein (Dome
zu Merseburg und Magdeburg), Kalktuff (Mühlhausen und Langensalza),
Muschelkalkstein (Dome zu Naumburg und Halberstadt), Porphyr (bei
Halle), Eisenstein (an der schwarzen Elster); in Westfalen: Mergelsand-
stein (am Nordrande des Haardtrückens) , Kalkstein (Dom zu Münster), hin
und wieder Backstein, aber dann meist nur zum Körper des Gebäudes
(Klosterkirche zu Marienfeld). — In den Rheinlanden finden sich, an dio
römische Technik erinnernd, an den ältesten Bruchsteingebäuden bis ins
XI. Jahrhundert (z. B. am westlichen Vorbau von St. Pantaleon und an St.
Maria auf dem Kapitol in Köln, an der Stiftskirche zu Pfalzel, an den älte-
sten Teilen des Doms von Trier und des Münsters zu Bonn etc.) zuweilen
einzelne Schichten von Ziegeln (selbst allerlei Figuren bildend) verwendet,
wodurch ebenso eine polychrome Wirkung erzielt wurde, wie durch die
Anwendung verschiedenfarbiger Hausteine (roter und weifser) im regel-
mäfsigen Wechsel (an der Durchgangshalle zu Lorsch aus dem IX. und an
den Säulen und Bogenstimen aus dem XI. Jahrhundert in der Michaelis-
kirche zu Hildesheim). Verputzung fand beim Bruchsteinbau gewöhnlich
statt, sogar beim Hausteinbau (abgesehen von dem Fugenputz selbst an so
Borg^ltig gearbeitetem Quaderwerk wie am Kölner Dom) vielfach, beson-
ders an hessischen Bauten, z.B. an der Elisabethkirche und Schlofskapelle
zu Marburg, wo auf dem Putz dann eine Fugung imitiert ist.
Im nördlichen Deutschland und dessen Nachbarländern, von der
Nordspitze Dänemarks bis nach Krakau und von den Westgrenzen der Alt-
* Vergl. Nöggerath, die Bausteine der Münsterk. in Bonn, in Lersch, Jahrb.
1843, 209.
* Verri. IX. Her. d. Schlesw.- Holst. -Lauenb. Ges. f. Samml. vaterl. Altertümer, 9.
— Otte, Bauk., öl3 u. 731.
Backstein. 35
mark bis über die Nordostgrenze von Prenfsen hinaus, ist das in anderen
Teilen Deutschlands (z. B. in Niedersachsen, westlich von der Elbe) nur
sporadisch und später vorkommende Material der Ziegel, in früherer Zeit
neben dem behauenen Granit der erratischen Blöcke (Feldstein, Kiesling»*
Geschiebe), später ausschliefslich vorherrschend, doch findet sich zu den
Sockelmauern der Ziegelgebäude der Granit, aber gewöhnlich nicht als Hau-
stein, sondern roh und unverputzt, zu allen Zeiten häufig verwendet, und
zwar zuweilen in kolossalen Stücken, z. B. an den Turmseitenhallen der
Marienkirche zu Barth in Blöcken von 3,ßo Länge und 0,S5Höhe. Die archi-
tektonisf:;hen Details und Zieraten sind bei Ziegelgebäuden oft, z. B. am
Niederrhein, in Schlesien etc., aus Kalkstein oder Sandstein gefertigt. Aus
Formziegeln gebildete Details finden sich oft an weit von einander entfern-
ten Bauwerken in genauer Übereinstimmung, z.B. bei den Cisterciensern zu
Lehnin in der Mark und zu Kolbatz in Pommern, bei den Dominikanern in
Breslau und Krakau, in den Deutschordensbauten zu Marienburg und Loch-
atädt in Preufsen, was sich aus der Verbindung erklären läfst, in der die
einzelnen Niederlassungen dieser Ordensgemeinschaften untereinander stan-
den; ihre Ziegeleien werden sich Formen und Schablonen übermittelt haben. ^
Verputzung findet sich auf dem Gebiete des Ziegelbaues aufser auf den
Grundflächen der Blenden und Nischen vielfach auch auf horizontalen Strei-
fen unter Gesimsen, hier wohl eigentlich ursprünglich überall auf Bemalung
berechnet. Auch die nicht profilierten Bogenlaibungen an Fenstern und
Thüren wurden verputzt, um die durch das erforderliche starke Verhauen
der Steine entstehende Unregelmäfsigkeit der Fugen zu verdecken.
Anmerkung 1. Bei der grofsen Hochachtung des Mittelalters vor dem
Altertnm, zum Teil auch im Bewufstsein der eignen unvollkommenen Leistun-
gen wurden besonders im Frühmittelalter zuweilen Reste antiker Bauwerke aus
edlem Gestein aus der Ferne herbeigeschafft und als Prachtstücke verwendet,
%. B. die Säulen, welche Leo lU. Karl dem Grofsen für sein Aachener Münster
schenkte, und andere römische Säulen, welche zu diesem Zwecke aus Trier
geholt wurden, die Marmor- und Porphyr- Säulen und Kapitale, die Otto der
Grofse für seinen Dombau in Magdeburg nur aus Italien bezogen haben konnte,
und die noch 1 beim Neubau des XIII. Jahrhunderts wieder zur Verwendung
kamen, die antiken Marmorsäulen der Burgkapelle zu Landsberg bei Halle a/S.,
welche der Wettiner Dietrich III. (t 1185) vom Papst Alexander lU. zum Ge-
schenk erhalten haben soll.
Anmerkung2. DasMaterial, je nach der Art seiner Zusammensetzung
und je nach seiner Schwere, Härte und Widerstandsfähigkeit, ist nicht ohne
wesentlichen Einflufs auf Form, Struktur und Ausschmückung der Gebäude,* wie
dies besonders ersichtlich wird bei Vergleichung der Ziegelbauten des nördlichen
Deutschlands mit den Bruchsteingebäuden des Südens, oder der niederrheiui-
schen Tuffsteingebäude mit den oberrheinischen aus Buntsandstein; beide Sy-
steme treffen hier in Ingelheim zusammen, wo die nördliche Kirche aus Tuff,
* Veigl. V. Quast, in den Verh. des Internat. Kongr. zu Bomi. 1868, 84.
* Essenwein, die £atwickel..der mittelalterl. Baukunst mit Rücksicht auf den
Einflufs der verschiedenen Baumaterialien, in den Mitt. C.-E. III, 5 ff.
3*
36 Originalbaurisse.
die Bfldliche aus SandBtein gebaut ist. — Ein Baumaterial; welches aus einem
für plastische Details untauglichen Steine besteht, bedingt stets Einfachheit
und Schlichtheit der Gebäude. So mag es der grobkörnige spröde Sandstein
verschulden, dafs die Kirchen im bayerischen AUgäu (Kempten etc.) jeder
edleren und feineren Detailbildung entbehren, ebenso wie die Schmucklosig-
keit der älteren westfälischen Bauten von der Verwendung des porösen Mergel-
sandsteins bedingt ist.
Anmerkung 3. Alte Originalbaurisse, wie deren, auch im Facsi-
mile veröffentlicht,* mehrfach auf unsere Zeit gekommen, sind auf Pergament
gezeichnet (das bei gröfseren Zeichnungen durch Riemen kflnstlich zusammen-
geflochten ist) und mit unsern modernen Bauzeichnungen durchaus nicht zu
vergleichen. Man zeichnete gewissermafsen, wie man arbeitete. Jede Pro-
jektion auf einer irgend geneigten Ebene wurde vermieden, und z. B. die Archi-
tektur auf die schräg stehende Achteckseite eben so gezeichnet, wie auf die
gerade stehende, so dafs sie dann wegen mangelnder Breite der ersteren sich
so zu sagen abgeschnitten darstellte. Nur zuweilen half man sich durch eine
völlig konventionelle Perspektive.* Schattenlinien kommen nie vor, wohl aber
sind die Profile oft in den Grundrifs eingezeichnet und schwarz ausschattiert.
— Der älteste und in archäologischer Hinsicht wichtigste unter diesen Plänen
ist der (vielleicht zu Fulda) entworfene Baurifs, eigentlich nicht viel mehr als
ein Situationsplan für das Kloster St. Gallen vom J. 820, als Musterplan für
ein grofses Benediktinerkloster der damaligen Zeit von grofsem Werte. Der-
selbe, 1,10X0,78 grofs, besteht aus vier zusammengenähten Häuten und stellt
in rotgezeichneten Linien den Grundrifs sämtlicher zum Kloster gehörigen ein-
zelnen Gebäude und Anlagen dar, wobei hin und wieder die Aufrisse in hori-
zontaler Projektion mit angegeben sind. Die Bedeutung der Zeichnung ge-
winnt wesentlich dadurch, dafs Erklärungen alles Einzelnen, meist in latei-
nischen Hexametern abgefafst, (mit schwarzer Farbe) eingeschrieben sind; die
Mafse sind jedoch nur bei der Kirche hinzugefügt. — Die sonst noch bekannt
gewordenen Bauzeichnungen (Visierungen) sind aus späteren Jahrhunderten,
zum Teil erst vom Ende des Mittelalters; die wichtigsten unter denselben sind
die sechs Risse des Doms von Köln, namentlich die Zeichnungen der West-
front,' welche jedoch nicht dem ursprünglichen Plane, sondern der letzten
I zu Köln zurück.
I
* M oller, G., Facsimile der Originalzeichnung des Doms zu Köln. 2. Aufl. 1837.
— Keller, Ferd., BauriTs des Klosters St. Gallen (in *k örö&e des Oririnals). 1844 j
in verkleinerter Form in Otte, Bank., 92. — Facsimile einer in der Bauhütte bei
St. Stephan in Wien beflndlichen Handzeichnung von 1517 zu dem unvollendeten Turm.
1847. — Schmidt, Chr. "W., Facsimiles der (higinal{)läne deutscher Dome (Köln,
Regensburg, Ulm, Frankfurt a. M., Strafsburg; zum Teil 1.88 — 2,ao pofe}. 1850. —
Die Strafsburger auch bei Kraus. I, 498—502, die RegensWger bei Adler in der
Deutsch. Bauz. 1875, BeiL zu No. 41.
* üngewitter. Lehrbuch, 23.
* Eine sehr groise Kopie des alten Planes der Köhier Dom-Turm£Bcade von Schin-
kel befindet sich im Schinkel- Museum der Königl. Baua^demie zu Berlin. Der Ori-
Snalrifs selbst, unten 0,m breit, 4,71 hoch, wurde von dem Maler Seekatz auf dem
achboden des Gasthauses zur Traube in Dannstadt im J. 1814, zemssen und be-
schmutzt, unter altem Geräte gefunden, von diesem dem dortigen Oberbaurat Moller
überlassen und von letzterem im J. 1817 dem Köni^ von Preufsen verehrt. Bei der
späteren Wiederaufnahme des Dombaues kam die Zeichnung wieder in das Domarchiv
Baubeschreibungen. 37
und zugleich bedeutendsten Um- und Ausbildung desselben (etwa dem zweiten
Viertel des XIV. Jahrhunderts) angehören; aufserdem sind zu nennen die Risse
der Domtflrme von Regensburg und von Ulm, drei des Domes von Frank-
furt a. M., drei vom Münster zu Strafsburg, eine ziemlich ungeschickte Zeich-
nung des (unvollendeten) Wiener Stephansturmes etc. Die Wiener Akademie
der bildenden Künste besitzt nahezu ein halbes Tausend alter Bauzeichnungen
auf Pergament aus der ehemaligen Bauhütte von St. Stephan, meist aus dem
Ende des XV. und Anfang des XVI. Jahrhunderts, zum Teil Schüler- und Lehr-
lingsarbeiten oder von wandernden Gesellen. Mit Namen bezeichnet ist darunter
eine Zeichnung der Spitalkirche zu Efslingen von Hans Böblinger dem Jünge-
ren 1501.^ Zwei von dem altern Hans Böblinger 1435 zu Konstanz gemachte
Gesellenzeichnungen befinden sich im Nat.-Mus. zu München und in der Stadt-
bibliothek zu Ulm. — Aufser dergleichen Bauzeichnungen sind auch noch einige
deutsche, spätmittelalterliche Schriften über Architektur und Geometrie^
auf uns gekommen, im ganzen weniger bedeutend, dochistMathesRoriczers,
Dommeisters zu Regensburg t> Büchlein von der Fialen Gerechtigkeit^ aus dem
J. i486' von Interesse; ebenso besonders wegen der technischen Ausdrücke
ein etwa gleichzeitiges Druckschriftchen von Hans Schmuttermayer aus
Nürnberg,* und auch Lorenz Lachers (»der Pfalz Baumeister vnd Pixen-
meister<0 Unterweisung für seinen Sohn Moritz von 1516^ enthält manches Be*
achtenswerte.
Anmerkung 4. Geringeren Wert als die mittelalterlichen Bauzeich-
nungen haben die Baubeschreibungen, deren sich, wie bereits erwähnt, aus
altchristlicher Zeit, besonders aus dem früheren Mittelalter viele erhalten haben.
Abgesehen auch von der durch das mittelalterliche Latein für uns noch ver-
mehrten Schwierigkeit des Verständnisses ihrer Ausdrucksweise, kam es dabei
den Verfassern höchst selten auf eine anschauliche Darstellung an,^ da sie ge-
wöhnlich nur panegyrische oder symbolische Zwecke verfolgten, sich in der
Regel der dichterischen Form bedienten, und in offenbare Übertreibungen ver-
fielen. Als einzige deutsche, zugleich auch sehr ausführliche und die ganze
innere Ausstattung der Kirche berücksichtigende dichterische Schilderung ist
jedoch sehr zu beachten die Beschreibung des Gralstempels in dem sogenannten
jüngeren Titurel des Albrecht (von Scharffenberg? um 1270), die zwar auch
viel Unmögliches enthält, aber ersichtlich aus lauter Elementen wirklicher
Anschauung phantastisch aufgebaut ist. Inwiefern der Dichter dabei bestimmte
rheinische Centralbauten der Frühgotik (Liebfrauenkirche in Trier, St. Gereon
* Vergl. Fr. Schmidt, die Pergamentzeichnungen der alten Bauhütte zu Wien.
Mitt. C-K. Xn, 1 ff.
- Ein Verzeichnis solcher Schriften bei Hoffstadt, Got. ABC. 165 ff.
' Nach einem von M. Boritzer selbst gedruckten alten Drucke wiedergesehen von
C. Heideloff, die Bauhütte des M.-A., 101 — 116, und in moderne Mundart über-
tragen, herau£^geb. und mit einer Einleitung versehen von A. Reichensperger.
1845. Vergl. aeaaen Yerm. Schriften, 54 ff.
* Abgedr. Anz. G. M. 1881. Sp. 73—78; vergl. ebd. 1882. Sp. 43 f.
^ Abgedruckt aus einer späteren Handschr. in Reichensperger, Yenn. Schriften,
133— 155.
* Der Versuch einer nüchternen imd detaUliei-ten Beschreibung von dem damaligen
Stande des Magdeburger Bombaues findet sich in der darum höchst merkwürdigen
Bauurkimde des Erzb. Conrad vom J. 1274 (abgedr. in v. Ledeburs Archiv. V, 168).
38 Unregelmäfsigkeiten.
in Köln) vor Angen gehabt habe, mnfs dahingestellt bleiben. Die phantasti-"
sehen Übertreibungen dieser werden noch überboten dnreh die Beschreibung
eines Marientempels (von Zarncke [s. nnten] 125 ff. unter der Überschrift
^Marien Lob< mit abgedruckt), die aber von vornherein nur eine mystisch'*
symbolische Deutung zum Zwecke hatte. ^
Anmerkung 5. Bei der UnvoUkommenheit der alten Messinstrumente,
bei der Unbefangenheit und oft nicht zu leugnenden Nachlässigkeit der blofs
praktisch gebildeten alten Baumeister kann es nicht wunder nehmen, wenn sich
beim genauen Vermessen mittelalterlicher Bauwerke, selbst an den bedeuten-
deren, überallUnregelmäfsigkei tenund grofse Ungleichheiten vorfinden ; die
Abseiten und Pfeilerabstände differieren fast immer um mehrere Centimeter
(im Dome zu Köln z. B. von 3 — 28 , im Dome zu Magdeburg sogar 31 — 62 ;
die Anlagen stehen nicht genau im Winkel, und Sockel und Kapitale selten
unter sich in der Setzwage.^ In der Klosterkirche von Konradsdorf im Nidder-
thal verschmälert sich das Schiff von Osten nach Westen nach und nach. Das-
selbe findet in der Johanniskirche zu Schwab. Gmfind bei sämtlichen Schiffen
statt, im Mittelschiff von 31:29, im nördlichen Seitenschiff 13:12, im süd-
lichen 16 : 14. Dagegen hat die Kapelle zu Tetin in Böhmen (siehe oben S. 20)
in umgekehrter Richtung die Trapezform und wohl absichtlich ; auch in Eber-
bach und Brauweiler und am Langhause des Doms zu Mflnster bemerkt man
die Abnahme der Breite der Schiffe nach Osten zu. Auch beim Umbau der ro-
manischen Basilica St. Blasii in Mühlhausen i. Th. in eine gotische Hallen-
kirche verbreiterte der Meister aus technischen Gründen absichtlich die Seiten^
schiffe allmählich von Osten nach Westen. Absicht war es auch , dafs in der
Lambertikirche zu Münster, etwa der perspektivischen Wirkung halber, die
Joche der Arkaden sich von Westen nach Osten mehr und mehr verkürzen.
Offenbare, freilich ökonomische Nachlässigkeit war es dagegen, wenn man sich
keineswegs immer bemühte, die Abweichungen des Terrains von der Hori-
zontalebene auszugleichen, sondern ohne weiteres zuweilen in naivster Weise
das natürliche Niveau benutzte. So senkt sich z. B. in der heil. Kreuzkirche
zu Rottweil und in der Pfarrkirche St. Ulrich zu Donauwörth der Fufsboden
allmählich von Westen nach Osten so sehr, dafs die Hinterstehenden über die
Köpfe der Vorderen hinwegsehen können. Der umgekehrte Fall findet dagegen
in der Michaeliskirche zu Hall statt, wo der nur eine Fortsetzung des Lang-
hauses bildende Chor viel höher liegt, und die Kirche überdies mehrmals durch
Treppen unterbrochen ist. Merkwürdig tief liegt der Fufsboden der Kirche zu
Brenken bei Paderborn, da man vom südlichen Portale 10 Stufen hinunter zu
* Vergl. Boisseree, Sulp., über die Beschreibung des Tempels des h. Grales im
Heldengedicht Titurel. ep. Hl, m. 3 Taff. 1834 in den Abh. d. philos.-philol. Kl. d.
Bayr. Akad. d. Wiss. Bd. I. — Weber, Gust., d. Dom des h. Gral. 2. Aufl. Quedlin-
burg 1869. — Droysen, E., d. Tempel des h. Gral etc. Bromberg 1872, m. l Taf. -—
Neuerdings ist der Text kritisch herausgegeben und sachlich erläutert von F. Zarncke^
d. Graltempel. Vorstudie zu einer Ausgabe des jung. Tit. Leipzig 1876 (auch in den
Abh. der philo!. -hist. Klasse der K. Sachs. Ges. der Wiss. Bd. VlI, 1879). — Dafe
spätere mittelalterliche Bauausführungen von diesem poetischen Bilde inspiriert worden
seien, kann nur in sehr entferntem Sinne etwa von der Wallfahrtskirche zu Ettal. von
der Karlshofer Kirche zu Prag und von der auf dem Karlstein gesagt werden.
* V. Lassaulx, in Kleina Rheinreise. 2. Aufl., 467.
Unregelmäbigkeiten. 39
Bteigenhat, wae sich Dicht ans der etwa Dach und oach erfolgten Auf hOhaDg des
infseren TerrainB erklären laret. — ÄIb eine »ehr hftulig vorkommende Usregel-
mftfsigkeit stellt sich heraus, dafs der Chor der Kirche Dicht gODan in der Axe
dea LanghauBCB liegt, Bondem bald nördlich, bald sDdlich von deraelben ab-
weicht, znm&l wenn beide Hauptteile der Kirche verschiedenen Bauzeiten an-
gehören, oder auch wenn bei einem Nenban der ganzen Kirche Altere Funda-
mente etc. benutzt wurden. Beispiele am Rhein: Kaiserslautern, Offenbach;
in Schwaben: HichaeliBkirche zu Hall, Liebfranenkirche zn Horb, bischöfl.
Kirche za Rottenburg, Stiftekirche ku Stuttgart und Wimpfen im Thal; in
Tirol: Stiftskirche zu Inichen, Dom zu Trient und augeblich nach demMnster
dee letzteren an spateren Bauten absichtlich wiederholt, in dieser Gegend tra-
ditionell and typisch geworden;* in Österreich: Maria Stiegen zu Wien und
Marienkirche zu Wiener-Neustadt; in Frauken: Stiftskirche zn Achaffen-
burg, Sebaldskirche zu Nflrnberg, hier nachweislich wegen örtlicher Hinder-
Flg. T. OnioArlCi d«r Stbildiilrcht In NllnibaiK (oub HcldelaO).
nisse; in Thüringen und Sachsen: Ägidienkirche zu Brannschwe^, Dom
zn Erfurt, Petri-Paulikirche zu OSrlitz, Klosterkirche zu Heinii^en, Stadt-
kirche zn Wittenberg; inPreufsen: Dome zn Frauenburg und Königsberg ;
Katharinenkirche zu Brandenburg. — Vielleicht das ÄofBerste von Unregel-
märsigkeit im trapezförmigen Onindrifs der, man kann nicht recht sagen zwei-
oder dreischißigen Anlage dea Schiffs und des im Winkel daran stofsenden
Chors leistet die Spitalkirche zu Oberwelz in Steiermark, wohl durch die Lage
an und auf der Stadtmauer herbeigefQlirt. Noch aeltsamer war die Anlage der
1876 abgebrannten Kirche zn Attenberg im sSchs. Erzgebirge , welche obgleich
aof freiem Platze stehend und ohne jegliche Terrainnötigung geflissentlich jede
Gleichmäfsigkeit nnd jeden rechten Winkel vermied." — Viel verhandelt ist
in uenerer Zeit Über die UnregelmftfBigkciten und Schwellungen an der ober-
sten Spitze dea Turms des Freibürger Münsters. " Dafs sie nicht durch Wetter-
' MitL C.-K. m, m.
' Vergl. Ältendorff in d. Deutsch. Baiu. 1878, 38.
• Vergl. die Verhandlungen in der Kimstchronik XI, Sp. 784 f. u. 813 f., der
Deutsch, Bauz. 1876, 429 ff-, 461 ff., 480 ff., S27 fl., und v. Lützow, Zeitschr. XII,
221 ff.
40 Gnindbau.
Verwüstungen entstanden sind, ist durch genaue Untersuchungen festgestellt,
streitig aber, ob sie aus leichtfertiger Bautechnik oder aus bewufster ästheti-
scher Berechnung hervorgegangen sind, wie dies von ähnlichen Erscheinungen
an den Hahnentürmen desselben Münsters, am Dome zu Meifsen und aus
romanischer Periode am Dome zu Speier und an S. Fides zu Schlettstadt wahr-
scheinlich ist.
Anmerkung 6. Einen kleinen Einblick in die Art und Weise des mittel-
alterlichen Baubetriebes gewähren Abbildungen von Bauplätzen mit arbei-
tenden Bauleuten, wie sie in älteren Miniaturen seltener und mehr andeutungs-
weise, in späteren Zeichnungen und Gemälden häufiger und sehr anschaulich '
vorkommen.^ — Die mittelalterliche Bautechnik wird häufig auf Kosten der
modernen gepriesen, verdienter oder unverdienter Weise, weil man damals wie
auch heute verschieden baute, gut und schlecht, und namentlich fehlt es ans
älterer Zeit keineswegs an Beispielen vom Wiedereinstürzen neuer kaum fer-
tiger , oder noch im Bau begriffener Gebäude. ^ — Im Gru ndbau verfuhr man zu-
weilen zwar äufserst sorgfältig (die Chorpfeiler des Kölner Domes [seit 1248]
z. B. sind gegen 15^70 tief auf einer Kiesbettung fundamentiert, und die Funda-
mente der Elisabethkirche zu Marburg [seit 1235] liegen 12,15 tief), in andern
Fällen dagegen , besonders wo man an Holzbau gewohnt war, höchst sorglos. So
bestanden die Fundamente der Godehardskirche zu Hildesheim (seit 1133) aus
kleinen Bruchsteinen in Lehm, ' und zu Mühlhausen i. Th. sind die zahlreichen
Kirchtürme alle mehr oder weniger aus dem Lote gewichen. Ebenso die der
Jakobskirche zu Kuttenberg und zu Terlan bei Meran; letzterer hängt bei
66,36 Höhe und 7,90 Quadratseite der Grundfläche mehr als 2,i2 nach Süden
und mehr als 2,53 nach Westen über. Bei den Granitbauten in der baltischen
Ebene, wo man selbst bei Gebäuden von geringerem Umfange durch das massen-
hafte Material zu verhältnismäfsig sehr dicken Mauern genötigt war, glaubte
man die Fundamentierung im Sandboden sparen zu können, indessen sind infolge
davon die Mauern häufig gespalten und haben später durch massige Streben
zusammengehalten werden müssen. Die äufsere Ringmauer des Schlosses Eisen-
hart in Beizig bei Wittenberg stand auf blofsem Flugsand, den der Wind zu-
weilen stellenweise darunter hinweg wehte, so dafs die Mauer selbst schwebte.
— Der schwierige Grundbau im Sumpfboden galt zu Ende des XI. Jahrh. in
Utrecht für ein T>arcanum magisterhumj mit welchem Bischof Konrad nicht be-
kannt war.^ Ein bemerkenswertes Beispiel in dieser Beziehung bietet die
Frauenkirche zu Ehingen (am linken Ufer des Lech, nördl. von Augsburg),
die, rings von Anhöhen umgeben, mitten im Sumpfe auf einem Pfahlroste steht,
über welchem, der Längenflucht von ca. 32,oo entsprechend, drei Gewölbe-
bögen errichtet sind, auf denen das Podium der Kirche ruht; unter ihnen steht
* Essenwein, A., Bauleute und Bauführungen im M.-A., im Anz. 6. M. 1S82.
8p. 189—194, nebst 3 Abbild.
' Bas Sanctoarium des t021 geweihten Domes zu Merseburg stürzte in den näch-
sten 20 Jahren zweimal zusammen (Otte, Bank., 187 imd 278), und der Dombau zu
Hildesheim unter B. Azehn (f 1054) kam darum nicht vorwärts, weil die Säulen oft
aus dem Lote wichen, imd bald hier bald da eine Mauer wieder einfiel. (Ebd., 164
u. 276.)
' Zeitschr. für Bauwesen. 1852. Sp. 333.
* Otte, a. a. 0., 272 u. 285.
Mörtel. 41
das ganze Jahr Wasser.^ — Die Vorrichtungen zur Ableitung des Wassers
von den Gebäuden waren häufig äufserst mangelhaft: wie wenn z. B. mitten
durch die Strebepfeiler des Kölner Doms Rinnen von 0,io, und zwar ohne
Metallfutter, geführt wurden, und ähnliche Mängel auch am Dome zu Magde-
burg vorkamen. ^ — Der alte Mörtel, der zwar nachDurandus (I c. 1 n. 10)
nur aus Kalk, Sand und Wasser bestand, in der Praxis aber oft auch mit Gips
gemischt wurde, zeichnet sich vor dem neueren — und zwar wohl nicht blofs
wegen seines Alters — häufig durch grölsere Festigkeit aus. Als Resultat einer
chemischen Analyse des harten mittelalterlichen Mörtels ergab sich : 70 Teile
reiner, grober Quarzsand, 25 Teile Kalk und 5 Teile Gips; welche Mischung
aber unmittelbar vor dem Gebrauche geschehen ist. ^ Zuweilen löste man den
Kalk mit Wein (der Sage nach auch mit Buttermilch) ab, indem man wahr-
scheinlich glaubte, den Mörtel dadurch haltbarer zu machen.^ Ein Zusatz von
Eiweifs und Wein unter den Mörtel wird bei Erbauung der Prager Brücke im
XIV. Jahrh. behauptet, weil damals die Eier spottwohlfeil gewesen.^ — Der
römische Mörtel unterscheidet sich von dem mittelalterlichen durch Beimischung
von zerstampften Ziegelstücken oder Topfscherben. — Der Vorzttglichkeit des
Mörtels ist die eiserne Festigkeit des guten mittelalterlichen Mauerwerkes zu
verdanken und die Haltbarkeit mancher fahrlässig konstruierten Gewölbe : so
erregte es bei der Restauration des Magdeburger Domes die Verwunderung der
Architekten, wie das Hauptgewölbe des Chores, ein 0,20 starkes Tonnen-
gewölbe aus Bruchsteinen von 11,00 Spannung, sich hatte halten können, da
alle Gurtbögen sich mehr oder weniger gesetzt hatten und zwischen den Dia-
gonalrippen und dem Gewölbe, mit welchem sie nicht bündig sind, sondern
dem letzteren nur das Ansehen eines Kreuzgewölbes geben sollten, sich ein
leerer Zwischenraum von mehreren Centimetern gebildet hatte. ^
Von den verschiedenen Arten des specifisch römischen Mauerver-
bandes^ ist es anscheinend allein das »optcs mixtum<i^ von welchem sich an
den geringen Überresten des frühmittelalterlichen Kirchenbaues, im Rhein-
lande (in Trier, Pfalzel, Köln und Bonn) bis ins XI. Jahrh. noch Spuren nach-
weisen lassen: ein mit dünnen Bindern aus Ziegeln durchsetztes Bruchstein-
* Beilage zur Augsb. Postzeitung. 1857, No. 119.
' Zeitecnr. für Bauwesen. 1854. Sp. 83. — Rosenthal, Dom zuMagdeb. lief. U.
zu Taf. VI. Mff. 16.
^ IL JahresDericht des altmärk. Vereins für vaterländische Geschichte und Industrio,
25 ff. — Vergl. über Mörtelbereitung der Alten, im Augsb. Tageblatt. 1859, No. 174
u. 176. — Kalkmörtel, wenn derseloe aus t Volumen ICalkbrei und 3 Volumen Sand
eemischt wird, enthält 9,2—9,5 Prozent Calciumoxyd. Bei altem Mörtel ist dieser Qe-
nalt oft viel höher, so an der Klosterkirche zu Soldin I8,s7^ an der K. zu Rochlitz
16,50, zu NiedeiTödersdorf 15,78, am Dom zu Walbeck 18,80, zu Paderborn 17,77 Pro-
zent; vergl. Ziurek, Zeitschr. f. Bauw. XXII, 114 f.
* Kugler, Museum. 1834, No. 7. — Bei der nach dem Erdbeben des J. 557 er-
neuerten £uppel der Sophienkirche in Konstantinopel wurde der Mörtel mit Gips, zer-
stolsenen Muscheln und Ulmenrinde vermischt, mit einem Gerstenabsud aus grofsen
Kesseln angerührt imd lauwarm verwendet. Zum äulsem Bewürfe wurde Kalk mit Öl
gemischt Allg. Pr. Zeit. 1843, No. 62, 40t ff.
* Redel, Sehenswürdiges Prag, 310.
' Rosenthal, a. a. 0., zu T£f. I. Mg. D.
' Otte, Bauk., 4 ff.
42 Mauerverband.
gemäuer mit sehr breiten MOrtelfugen. Am karolingischen Münster zu Aachen
zeigt der wenig sorgfllltige Verband platte , schieferartige Bruchsteine mit
wagerecht und lotrecht eingelegten Bindern schlecht behauener Quadern, die
von älteren Bauwerken herrflhren.^ — Das y>opus spicaiuun<f^^ im Burgenbau
seit dem XII. Jahrh. häufig, kommt im Kirchenbau nur auf dem Gebiete des
Backsteinbaues vereinzelt vor, z.B. an der Marienkirche zu Bergen, der Nikolai-
kirche zu Treuenbrietzen und an den Domen zu Ratzeburg und Kammin. — Im
XI. Jahrh. herrscht allgemein das ^pus incertum^ , Mauerwerk aus Bruchsteinen,
an den Ecken (und zuweilen im Grundbau) durch Quaderschichten zusammen-
gehalten. Bei den Tuffsteinbauten am Niederrhein, bei denen das Material in
grofsen, länglichen Stücken zur Verwendung kam, ist wenigstens die Horizon-
talität der Lager, die gewissermafsen wellige Linien bilden, möglichst und
dabei eine ängstliche Sauberkeit in den Fugen streng beobachtet, während seit
dem XII. Jahrh. der Tuff in kleinem Format, backsteinähnlich zugehauen, im
regelrechten Verbände vorkommt.^ In anderen Bruchsteinbauten zeigt sich in
der Frühzeit (in der Krypta von St. Michael zu Fulda aus dem IX. Jahrh.)
ebenfalls das Streben nach Horizontalität der Lager mit wechselnden Stofsfugen.
Am Dome zu Speier und an der Klosterkirche zu Limburg a. d. H. aus dem
XI. Jahrh. erscheint Rauhmauerwerk aus rotem Sandstein, in unregelmäfsigen
Bruchstücken ; doch sind die Steine ziemlich lagerhaft und möglichst in wage-
rechte Schichten gebracht, zwischen starken Mörtellagen zur Ausgleichung der
Unebenheiten. Eine Anwendung des Hammers ist nirgends bemerklich, und
die Steine liegen in der Mauer, wie sie aus dem Steinbruche kamen.^ An dem
Bruchsteinmauerwerk von St. Michael zu Fulda aus dem XI. Jahrh. findet sich
durch Fugenlinien, welche in die starken Mörtellagen eingekratzt sind, eine
scheinbare Quadrierung hergestellt,* An der Westfront des Domes zu Trier
besteht das Mauerwerk des XI. Jahrh. zum grofsen Teil aus Werkstücken von
Sandstein und Muschelkalk von zuweilen bedeutender Masse, die indessen aus
römischen Trümmern entnommen wurden.* — Sonst ist vollständiger Quader-
bau in jener Frühzeit nicht nachgewiesen : derselbe beginnt erst im XII. Jahrh.,^
breitet sich allmählich aus und bleibt endlich vorherrschend, obgleich selbst-
verständlich im Innern der Quadermauem und bei minder kostspieligen Bauten
das Bruchsteinmauerwerk stets gebräuchlich blieb.
Bei den, nicht über die Mitte des XII. Jahrh. hinaufreichenden, älteren
Granitbauten, wie an der Klosterkirche zu Zinna bei Jüterbog und an vielen
Landkirchen des Flämings, erscheinen die Steine sauber würfelförmig bearbeitet
und in gleichmäfsigen Schichten, während anderwärts in den Marken der
Quaderbau häufig nur ein scheinbarer ist, indem die Steine zwar äufserlich
quadratisch zugehauen und in regelmäfsigen Schichten aufgesetzt, an der vor-
^ Otte, Baut., 84 u. 143.
* Ebd., 155 ff. u. 275; vergl. v. Quast, in den Bonner Jahrbüchern. X, 191 ff.
* Geier, in Remling, der Speyerer Dom, 132.
* Otte, a. a. 0., 91 u. 143. I)ieselbe Technik stand bis um die Mitte des XU.
Jahrh. auch in Magdeburg in Übung, wo das ältere Mauei'werk der Sebastianskirche
selbst an den inneren Mächen der Seitenschiffwände diese Behandlung zeigte; vergl.
F. 0. Müller, in den Magdeb. Gesch..Bl. i879, 440.
* Otte, a. a. 0., 215 u. 41.
* V. Quast, in der Zeitschr. f. ehr. A. u. K. I, 272.
Granit- und Ziegelbau.
43
deren Fläche aber nicht geebnet sind, and Qnaderfngen in den aufgetragenen,
den mittleren, rundlich erhabenen Teil der Steine nicht deckenden Putz in
Doppellinien eingeritzt wurden, was indessen durch Verwitterung meist undeut-
lich geworden ist.^ Später, seit dem XIV. Jahrh. verwandte man die Granit-
geschiebe selten in rechteckigen Quadern, sondern meist in roher Zerklüftung,
und in dieser Form finden sie sich überall im Grundbau der Ziegelbauten.
Eine Mischung beiderlei Materials, die in Ostfriesland häufig ist, findet in äl-
tester Zeit in der Mark selten statt und ist auch später nicht häufig.
Gleich beim ersten Auftreten des Ziegelbaues^ in der Altmark Branden-
burg nm Mitte des XII. Jahrh. zeugt die vollkommene Tadellosigkeit und später
kaum wieder erreichte vollendete Schönheit des Materials von alter Geübtheit
In der Anfertigung der Backsteine, die am ersten bei den niederländischen
Kolonisten vorausgesetzt werden kann, welche damals jene wendischen Land-
striche einnahmen, und um so wahrscheinlicher, als die kleinen Backstein-
formate der romanischen Bauwerke in Holland und am Niederrhein mit denen
an den märkischen Kirchen genau korrespondieren. Von den langen und oft
nur 0,013 dicken römischen Ziegeln unterscheiden sich die mittelalterlichen
durch ihre Kürze und Dicke : die älteren aus dem XII. Jahrh sind die kleinsten
(0,265 — 0,282 lang, 0,111 — 0,137 breit, 0,078 — 0,084 dick), die späteren seit
dem XIII. Jahrh. sind gröfser (0,288 — 0,301 lang, 0,131 — 0,137 breit, 0,08l
bis 0,101 dick). — Formsteine verstand man in der bedeutenden Gröfse von
mehreren Fufsen zu verfertigen und sehr glatt und fest zu brennen , z, B. am
Portale der Klosterkirche zu Berlin. Bei der Restauration des Brandenburger
Domes wurde die wahrscheinlich aus dem Anfange des XIV. Jahrh. stammende,
ans einem Stücke bestehende, zierlich gebildete ehemalige Verdachung einer
Fiale in der Erde gefunden, deren Masse fast 0,12 Kubikmeter betrug. In dem
achteckigen Treppenturme desselben Domes aus der Zeit um 1426 befindet sich
Fig. 8. Ziegelttempel (nach v. Minutoli).
eine Wendeltreppe, deren vortrefflich gebrannte Stufen bei 0,47 Höhe und 0,50
Breite einschliefslich des Spindelansatzes aus einem Stücke bestehen. — Der
Mauerverband des mittelalterlichen Ziegelbaues ist gewöhnlich der soge-
nannte wendische, in welchem Läufer und Strecker in derselben Schicht regel-
mäfsig mit einander abwechseln, oder der sogenannte gotische, wo auf zwei
Läufer immer ein Strecker ( ) folgt, und zwar erscheinen oft
beide Weisen zu gleicher Zeit und in derselben Gegend. — Die römische Sitte,
' V. Quast, im K.-Bl. d. Ges.-V. 1859, 26.
' • Über das Technische des Ziegelbaues : von Minutoli, Alex., Denkmäler mittel-
alterl. Kunst in den Brandenb. Marken I, Uff. — vonQuast, Ferd^ im Deutschen Kunstbl.
1850, 229 und Beitr. zur Gesch. der Baukunst in Preufsen. Ul, 21. — Essenwein,
A., Backst. — Adler, F., Backst., woselbst auf die Baubeschreibimg der einzelnen
Gebäude jedesmal ein das Technische eingehend schildernder Abschnitt folgt. — Über
den Ziegelbau desM.-A. in Schwaben: Tnrän, G. C. F., im Korr.- Bl. d. Ges.-V. 1858,
29 u. 67.
44 Gufsmaaem. Längsrillea und Rundmarken.
die einzelnen Ziegel mitFabrikstempeln zu versehen , findet siclian den älteren
mittelalterliehen Backsteinbanten nicht befolgt , und erst an späteren goti-
schen Gebäuden kommen an manchen Orten (in Brandenbarg, Stendal , Tanger-
münde etc.) Ziegel mit Stempeln vor, deren Zweck und Bedeutung indessen nicht
bekannt ist.^
Gnfsmauerwerk (von Vitrnv 2,8 Emplecton^ und in den longobardi-
schen Baugesetzen des 8. Jahrhunderts JUassa genannt)^ kommt, wie bei den
Römern, auch im ganzen Mittelalter sehr häufig vor: die beiden Aufsenflächen
wurden aus Stein oder Ziegeln schichtweise aufgemauert, der innere hohle
Raum ward mit kleinen Steinen und vielem Mörtel ohne regelmäfsige Schich-
tung ausgefüllt und das Ganze dann gewöhnlich von innen und aufsen dick
mit Mörtel übergangen.
Aus Stuck geformte architektonische Ornamente kommen in der romani-
schen Zeit besonders in den Harzgegenden (z. B. in der unterirdischen Apsis
der Krypta in der Schlofskirche zu Quedlinburg, in der Klosterkirche zu Drü-
beck, im Dom, St. Michael und St. Godehard zu Hildesheim) vor, aber auch
die früher für Backstein gehaltenen Konsolen in der Klosterkirche zu Zinna
bestehen aus Stuckummantelungen der Kragsteine.
Zur Ausführung der Gewölbe verwendete man zwar gern natürliche oder
gebrannte Steine von geringer Schwere,^ zuweilen Töpfe, indessen kam auch hier
* Abbild, von mittolalterl. Ziegelstempeln bei v. Minutoli, a. a. 0., 14 und viel-
fältig bei Adler, a. a. 0., 14. 59 ff. — Völlig unaufgeklärt ist bis jetzt die Bedeutung der
sogenannten Längsrillen und Rundmarken, erstere von 0,052 imd 0,o78 bis 0,95
liäge und von 0,oo8 bis 0,o68 Tiefe wechselnde unregelmäisigo über Steine und Möitel
weggehende £inritzungen, letztere runde Yeitiefungen von 0,oao bis 0,ofi9 Durchmesser
und 0,018 bis 0,o8e Tiefe, welche sich hauptsächlich auf dem Gebiete des norddeutschen
Ziegelbaues häufig (aber auch in Braunschweig, Goslar und an einigen Orten in
Thüringen, am Dome zu Mainz, an der Stiftskirche zu Fritzlar, zu Gudensberg
und Fronhausen, an der hessischen Bergstrafse und im Elsafs) an den Kirchen in
der Nähe der Thüren namentlich auf der Süd- und ^""estseite in der Höhe bis zu
2,00 über dem Erdboden oft sehr zahlreich finden. In Braimschweig und Goslar er-
klärt sie der Yolksmund als Erallenspuren des Löwen Heinrichs des L. Man hat sie
als zufällige Produkte der während aes Gottesdienstes au&en an die Kirchenmauem
angelehnten Waffen der Kirchgäneer, oder als Spuren absichtlicher Schleifung von
Waffen und sonstigen Geräten an aer Kirchenwand um sie dadurch zu feien oder zau-
berkräftig zu machen, wiederum auch als blofse Kinderspielereien und neuerdings als
Reisezeicnen wandernder Steinmetzen erklären wollen, alles nicht recht zureichend. VergL
von Haselberg, in Prüfers Archiv. I, 40; Friedel, das. E, 66; Winkler, dis.
n, 74; von Bülow, das. DI, 4 ff. u. 20 ff., femer Korr.-Bl. d. G.-V. 1880, 79,
1881, No. 8 und 1882, No. U; Krüger m den Mecklenb. Jahrbb. XLVI, 311 ff.
' *Si masaaa fundederit*; vergl. von Reumont, A., im Kunstbl. 1847, 118.
3 Beim Bau der Kuppel der Sophienkirche zu Konstantinopel imter Kaiser Justiz
nian (532 — 537) durch Aiithemius von Tralles (in Lydien) und Isidoras von Miletus
(in Jonien) beschaffte man von der Insel Rhodus aus einer weilsen Erde gebrannte
Steine von gleichem Grewicht imd gleicher Grölse, die mindestens fünfmal leichter
waren als die gewöhnlichen Mauersteme imd auf dem Wasser schwammen. Jeder Stein
wurde mit folgender Inschrift gestempelt: *Gott ist mitten in ihr^ und ne wird nicht
erschüttert werden, Gott wird sie sMrmen van einem Morgen zum andern*^ Das-
selbe Verfahren wurde bei der Erneuerung der Kuppel beobachtet: .nach jeder zwölf-
ten Schicht sprach man öffentliche Gebete für die Festigkeit der Kirche (während der
Mörtel abtrocknete); in je einen Stein jeder zwölften Scnicht schlois man in ein aus-
gehöhltes Loch Reliquien verschiedener Heiligen ein. (Yergl. AUg. Pr. Zeit. 1843,
No. 62, 401.) — Reliquien lieis auch Otto der Gro&e in die Säulenkapitäle des 1207
abgebrannten Magdeburger Domes einlegen (Otte, BauL, 118), und die gegenwärtig
Wölbsteine. SchallgefaHse.
45
Aber kleineren Räumen hin und wieder das schwerste Material in Anwen-
dung: das untere Tnrmgeschofs des Ha velberger Domes z.B. zeigt ein Gewölbe
aus behanenem Granit^ und im Turm der Dorfkirche zu Gnmtow besteht das
0,16 dicke Tonnengewölbe aus lauter abgerundeten Geschieben, wie man die-
selben eben auf den Feldern vorgefunden hatte, ebenso das Gewölbe imUnter-
geschofs der Westfront von St Godehard in Brandenburg. — Auch war im
Mittelalter ein in neuerer Zeit wieder entdecktes Verfahren bekannt, die Kreuz-
kappen lediglich mit Unterrüstung der Gratbögen fast ganz aus freier Hand
einzuwölben.^
Nicht sicher gestellt ist die Bestimmung der sogenannten Schal lg efäfse,
topf- oder krugartiger Gefäfse von länglicher Form, manchmal mit engerem
Halse, die sich mit der Öffnung nach vom im Chor und an anderen Stellen
mehrerer Kirchen dicht unter der Decke eingemauert finden. Nachgewiesen
sind solche bis jetzt in der Burgkapelle zu Altbaumburg, in den Kirchen zu
Oberkirch, Oberwinterthur, ödenbach, Pleterjaeh und
der profanierten Johanniterkirche zu Rheinfelden, als
ehedem vorhanden auch in den Klosterkirchen zuPiötzke,
Egeln, Zerbst und Kyritz und in der Dominikanerkirche
zu Strafsbnrg i. E. Die schon im vorigen Jahrhundert von
ThorBchmidt(antiquitate8PlocenBesl725)ausgespro-
chene Vermutung, dafs sie ähnlich wie die nach Vitru v
(V, 5 ; vergl. 1, 1) in den griechischen Theatern hierzu an-
gebrachten Gefäfse zur Verstärkung des Schalles hätten
dienen sollen, dürfte sich thatsächlich kaum erweisen
lassen. Beim Hineinsingen in eines der aus der Mauer
gebrochenen Kyritzer Gefäfse ergab nur ein bestimm-
ter Ton eine schwache Resonanz. Auffallend bleibt
es jedoch, dafs in Krain diese auch in dortigen Kir-
chen vorkommenden Krüge in der verdorbenen Mund-
art des Landvolkes Sümance^ d. i. Stimmtöpfe, genannt
werden. Am Äufsem von Profangebäuden (z. B. Eschen-
heimer Thorturm zu Frankfurt a. M.) findet man ähn-
liche Gefäfse zur Ausfüllung der Rüstlöcher und zugleich für den Nestbau von
Höhlenbrütern angebracht.^
b. Das Kirohengebande in seinen einielnon Teilen.
17. Das BjTchengebäude besteht in seinem vollständigen normalen
Grundplane aus drei Hauptteilen, dem Langhause, dem Querhause und
Flg. 9. SehallffafHr« aoa
Kyrits (nftoh 0. Fitoher).
leeren öffiiungen über den Säulen in der Mauer des hohen Chores des jetzigen Domes
scheinen gleichen Zweck gehabt zu haben. Die fromme Absicht sing wohl dahin,
durch diese Heiligtümer das Gebäude vor Schaden und Gefahr zu schützen.
* V. Lassaulx, in Grelles Journal f. d. Baukunst I, 4, 317 ff.
* VergL Korr.-BL d. G.-V. 1866, 19. -— TJnger, in den Bonner Jahrbüchern
XXXYL35 f., XXXVm, 168 f. — von Cohausen, ebenda. XLm, 208. — G. Fischer,
ebda. LX, 161. — A. Straub, poteries acoustiques de Fancienne eglise des Domini-
cains de StraTsbourg im Bullet, de la soc. pour la conserv. des monum. hist. de TAlsace
n. Serie, 9. vol. 1. partie 1876.
46
Haupttoile der Kirche.
dem Altarhause. Das Langhaus (B A B) bildet den Stamm, das Quer-
haus (von C nach C) die Arme, und das Altarhaus (E) das Haupt des
Kreuzes.
Flg. 10. Der Dom xn Mertebnrg (oaeh nraprOngUcber Anlage).
Das Langhaus, welches aus dem Hauptschiffe^ und den beiden,
gewöhnlich halb so breiten Seitenschiffen ^^ besteht, wird von diesen
durch zwei von Säulen oder Pfeilern /*/"... getragene Arkaden getrennt. —
Das Querhaus besteht aus der an allen vier Seiten von hohen Schwibbogen
begrenzten mittleren Vierung, dem Kreuzmittel g und den beiden Kreuz-
armen, Cund (7, welche westlich durch Bogenöffhungen mit den Seiten-
schiffen in Verbindung stehen, und östlich häufig mit zwei kleinen Altar-
nischen, z und z, versehen sind. — Das Altarhans wird östlich von der
Altarnische / geschlossen, die sich in einem Bogen gegen dasselbe öffnet.
— In der Axe der Seitenschiffe erheben sich westlich die beiden Glocken-
türme, D und Dj welche das Zwischenhaus F mit dem Hauptportale m
einschliefsen. — 0 und 0 sind zwei östliche, das Altarhaus flankierende
Rundtttrme, und H eine äufsere Vorhalle. — Die Fenster des Lang-
hauses QQ • • • sind den Zwischenweiten der Arkadenträger ff . . > ent-
sprechend angebracht, und die Anordnung der Fenster im Querhause ist im
nördlichen Kreuzarme des Grundrisses angegeben, wo die Durchschnitts-
ebene durch das Obergeschofs der Kirche angenommen ist. — In Kloster-
und Stiftskirchen schliefst sich an eine Langseite der Kirche der Kreuz-
gang, welcher durch Nebenportale bei V mit dem Kreuzarme und bei S
mit dem Seitenschiffe in Verbindung steht.
Anmerkung. Die Abweichungen von dem normalen Grundplane der
Kirche sind in der Wirklichkeit häufiger als die Regel und bestehen teils aus
Erweiterungen, teils aus Beschränkungen desselben, die weiter unten im Ein-
zelnen zu berflcksichtigen sind. Der Dom von Merseburg, obwohl derselbe
umfassende spätere Veränderungen erfahren hat, läfst dennoch die ursprüng-
liche regelrechte Entfaltung des Grundrisses noch deutlich durchblicken und
enthält überdies sämtliche in Betracht kommende Haupt- und Nebenteile des
Altamische. 47
mittelalterlichen Kirchengebäudes ; nur das Hauptportal fehlt und liegt hier in
der Westfront der äufseren Vorhalle.
18. Die Altarnische hat verschiedene Namen:* sie heifst apsis
oder concha von ihrem überwölbten Halbrund; tribunal (daher auch
Altartribüne) , weil sie in der alten Kirche vor den rings an der Wand
befindlichen Bänken für die Geistlichkeit den erhöhten Stuhl des Bischofs
enthielt; sanctuanuni oder sancta sanctorum, weil der Hochaltar darin
steht; auf dem Plane des Klosters St QuUen (s. oben S. 36) wird sie
als exedra bezeichnet.
Das Wort apsis, absiSy absida ist = a^fiQ, von ixnia, daher auch a^h
= der Halbkreisbogen y das Gewölbe , und kommt seit dem V. Jahrhundert
für diesen Teil der Kirche vor,* ebenso das Wort concha in6]rxv)y die Mu-
schel, und übertragen schon bei den römischen Klassikern auf muschel-
förmige Gefäfse. — Tribunal bezeichnet bei den Römern zunächst eine in
Gestalt eines Halbkreises umlaufende Erhöhung, zu welcher Stufen führten
und auf welcher die Richter safsen. — Die Bezeichnung sanctuarium, das
Heiligtum, und sancta sancforum^ das Allerheiligste, wird erst von mittel-
alterlichen Schriftstellern gebraucht, nachdem die Sitze der Geistlichkeit
und der Bischofsthron aus der Apsis verlegt waren, und diese statt derselben
den Hochaltar in sich aufgenommen hatte und einen Teil des hohen Chores
der Kirche bildete, über dessen Fufsboden das Allerheiligste um eine bis drei
Stufen erhöht liegt. — Das Wort exedra (iU^o) bezeichnete in den antiken
Gymnasien eine halbrunde Erweiterung der Säulengänge mit Sitzen für Kon-
versierende, kommt schon bei Augustinus (de civitate dei 22,8) für die
Apsis der Kirche vor und wird vonDurandus (1, 1. n. 19) für gleichbedeu-
tend mit absida sive voUa^ (= Gewölbe) erklärt, obgleich er darunter, nach
der schon im christlichen Altertum gewöhnlichen Bedeutung dieses Wortes,
ein kirchliches Nebengebäude versteht.
Beispiele solcher Kirchen, denen die Apsis fehlt, deren Altarhaus also
rechteckig abschliefst, sind bereits oben S. 20 angeführt: innerlich findet
sich dann oft, namentlich im XUI. Jahi'hundert, die Nische für den Altar in
der Dicke der geraden Schlufswand ausgespart. Im Dome zu Speier sind
sieben, in der Klosterkirche zu Heisterbach neun kleine Rundnischen rings
in der Apsismauer angeordnet; im Dome zu Limburg a. d. L. nimmt eine
* Über diese Namen unter Beibringung zahlreicher Citate: Kreuzer^ Eirchenbaa.
I, 129 ff. und Weingärtner, W., Ursprang und Entwickelung des chnstL Kirchen-
gebäudes, Ut ff.
* Wenn Isidorus Hisp. (f 636) in den Oiigin. etym. XV, 8 erklärt: ^Absida
graeco sermone IcUine interpretatur Ittcida, eo quod lumine accepto per arcum
resplendeat^ , so hat er dabei nicht an die Apsis der Kirche, sondern an das leuch-
tende Himmelsj^wölbe gedacht, von welchem z. B. Hieronymus (£p. ad Ephes. II,
614 ed. Vallwrsii) das "Wort »apsis* gebraucht, und Vincent ins Bellov. (Speculum ü.
in Vocabular. 37), der diese Erklänmff gegen Ende des XTTT. Jahrh. wörtlich ab-
geschiieben, nat die Beziehung auf die Altamische der Kirche nur durch Mifsverständ-
nis darin gefunden. — Übrigens ist ^ucida* als Substantivum im mittelalterl. Lateia
nicht nachgewiesen, also bei Isidorus nur adjektivisch zu nehmen.
48 Erkei-apsiden.
solche Nische die Mitte des Halbringes der Apsis ein. In der Abteikirche
von Alpirsbach auf dem Schwarzwalde ist in die grofse massiv ansgemanerte
Apsis eine kleine rechteckige^ wiederum mit einer Apsis versehene Kapelle
hineingebaut und zu beiden Seiten derselben rundet sich in der Ausmaue-
rung je eine kleine Altamische aus. — Im XIU. Jahrhundert gestaltet sich
die Apsis häufig in fünf Seiten des Achtecks, im Innern jedoch zuweilen mit
Beibehaltung der Halbkreisform. — Äufserst selten fehlt der Apsis die Halb-
kuppelwOlbung und das Halbkegeldach; in dem Kloster Petersberg bei
Dachau (in Oberbayern) hat die Altamische eine flache Holzdecke wie die
ganze Kirche. — Als vorgekragter, von einer Konsole oder Stfltzsäule ge-
tragener Erker erscheint die Apsis häufig an Kapellen und Oratorien , die in
einem obem Stockwerke lagen. So bei mehreren der oben S. 23 ff. u. 28 ff. auf-
gefOhrten Karner und Michaelskapellen, an einer Kapelle im Kreuzgange
des Petersklosters zu Salzburg und zu Heilsbronn, an der Karlskapelle am
Aachener Münster und der Schwanenordenskapelle zu Ansbach, besonders
häufig bei Burgkapellen (z. B. der Reichsfeste Trifels in der Rheinpfalz, Lands-
perg im Elsafs, Hocheppan in Tirol)^ und den Kapellen städtischer Rathäuser
und Paläste. Unter den ersteren zeichnen sich aus die Johanniskapelle am Rat-
hause zu Breslau (jetzt „Fürstensaal'Oy ^^^ zu Kaden in Böhmen vom Ende des
XIV. Jahrhunderts (Abb. Grueber, m, Fig. 119) und die am Altstädter Rat-
hause zu Prag von 1381 (Abb. das. Fig. 163); von letzteren sind als romani-
sche Beispiele zu nennen: die Kapellen im ehemaligen Propsteigebäude zu
Aachen (Abb. Bock, Rh. Band II, t2, Fig. 1), im ehemaligen Kamperhof (jetzt
Schiachthaus) zu Köln (Abb. das. 1,6), im Saalhofe zu Frankfurt a.M. (Abb.
Krieg von Hochfelden, Milit-Architektur, 199 u. 265) und an einer Domherm-
Kurie zu Naumburg a, S. (Abb. Puttrich, Ser. Naumburg, Taf. 27); als gotische:
die Kapelle im CoUegium Jagellonicum (Universität) zu Krakau (Abb. Essen-
wo in, Krakau, Taf. 65 u. 66), zu Kuttenberg in Böhmen die Wenzelskapelle
im sogenannten Wälschen Hofe (Abb. Grueber, ü, Fig. 247— 249), die ehe-
malige Schlofskapelle der sogenannten Alten Burg (Abb. das. lY. Fig. 30) und
am Bischofshause von 1506 (Abb. das., 88 u. 89) und in Prag die Kapelle St.
Cosmae et Damiani am Carolinum (Universität, Abb. Grueber, HI, Fig. 164)
und im Hofe eines am Altstädter Ringe liegenden Privathauses. Auch von
den charakteristischen „Chörlein'' in Nürnberg^ erweist sich ein Teil aljs
Apsiden von Hauskapellen.
Anmerkung. Im gotischen Baustil (seit dem XUI. Jahrhundert) hört
die Apsis auf, ein organisch gesondertes Glied, eine selbständige Vorlage des
Altarhauses zu sein, und der aus dem polygonischen Schlnfs der Seitenwände
des letzteren sich bildende Altarraum ist lediglich ein integrierender Bestand-
teil des hohen Chores, das Allerheiligste desselben.
19. Das Altarhaus enthält in dem regehnäfsig quadratischen Räume
an beiden Seiten seiner Langwände die Sitze für den Chor der Geist-
* An der Schlofskapelle zu Hohbarr im ElsaCs ist, obgleich ebenerdig, doch aus
der Chorapsis noch eine kleine dreiseitige Altamische über den Felsabhang hinaus-
gekragt (Abb. bei Kraus, I, lOl. 102).
' F. Mayer, die interessantesten Chörlein in Nürnbergs mittelalterlichen Gebäu-
den. (M. 24 Taff.) Nürnberg o. J.
Altarhaus. 49
liehen und wird deshalb^ durch Übertragung Chor (chonut)^ wegen seiner
erhöhten Lage auch hoher Chor, oder presbyterwm (d. i. Priesterraum),
auch sanctuanum (d. L Heiligtum) genannt Der Chor, welcher sich zu-
weilen über das Altarhaus hinaus weiter westlich auf die Yierung aus-
dehnt, ist von der übrigen tiefer gelegenen Kirche durch Schranken
{cancelH) oder eine niedrige Wand getrennt, an der Westseite häufig
durch einen förmlichen Querbau mit einem Lesepulte, welcher Lettner
{iectorium) genannt wird.
Die moderne ) von Ferd. v. Quast in die archäologische Kunstsprache
zuerst elugefnhrte Benennung i^Al(arhaus< beabsichtigt lediglich die präcise
Bezeichnung des betreffenden Gebäudeteiles und ist in liturgischer Hinsicht
keineswegs immer mit '»Chor<^ identisch, da letzterer sich häufig nicht auf
den Raum des Altarhauses beschränkt. Im Dome zu Merseburg (s. den
Grundrifs S. 46) und in vielen anderen Kirchen mit einer zahlreichen Geistlich-
keit ist die Vierung mit zum hohen Chore gezogen und von den tiefer liegenden
Kreuzarmen durch eine Brüstungsmauer getrennt; in der Stiftskirche zu
Quedlinburg und im Dome zu Speier erstreckt sich der erhöhte Raum der
Oberkirche selbst über das ganze Querschiff, in Speier, als Königschor mit
den Kaisergräbem, sogar bis weit in das Mittelschiff des Langhauses. In
der Klosterkirche zu Hecklingen ist gegen alle Symmetrie aufser der Vie-
rung nur der südliche Kreuzarm in den erhöhten Chorraum mit aufgenommen,
während der nördliche Kreuzarm mit dem Langhause gleiches Niveau hat.
Stets aber hat der im Altarhause selbst belegeiie Teil des Chores eine höhere
Würde als eigentliches Sanctuarium; er bildet den Oberchor, dessen Fufs-
boden um eine Stufe höher liegt, als der die Vierung einnehmende Unter-
chor fttr die niederen Kleriker. Im Merseburger Dome war der Oberchor
{chorus primus) im Altarhause für die Stiftsherren bestimmt, der Unterchor
in der Vierung fOr die Mönche des vorstädtischen Peter sklosters, welche ge-
halten waren, an gewissen Festtagen bei dem Gottesdienste in der Kathe-
drale mitzuwirken.'
Während in älterer Zeit mit seltenen Ausnahmen' das Altarhaus stets
streng quadratisch entworfen wurde, band man sich seit dem XUI. Jahr-
hundert an diese Regel nicht mehr und erlaubte sich häufig Abweichungen,
sowohl durch Verkürzung (Dome zu Münster und Limburg a. d.L., Kloster-
kirche zu Zinna etc.), als namentlich durch Verlängerung des Quadrates,
welche letztere in der Zeit des gotischen Stils normal wurde, obgleich in
städtischen Pfarrkirchen (z.B. zu Magdeburg),, wo oft ein sehr kurzer Chor-
raum dem Bedürfnisse genügte, auch Beispiele von Verkürzung vorkommen.
' Ä coetu canentium clericorum. Augusti, Denkwürdigk. XI, 386. — Daö
Wort chorus (xoqoq) bedeutet ursprünglich Rundttoiz, Reigen, dann meton. die tan-
zende ucd singende Schar, der Chor. Im Deutschen kommt für das Presbyterium der
Kirche beides vor: der Chor und das Chor, doch ersteres häufiger und schon seit dem
XTTT. Jahrb., letzteres seltener und anscheinend nicht vor dem XYI. Jahrhundert.
2 N. Mitt. d. Th.-8. V. VH, 3. 10.
' Die Klosterkirche zu Hersfeld (s. 8. 59) aus dem XI. Jahrh. hat ein weit über
das Quadrat hinaus verlängertes Altarhaus.
Otte, Knntt-ArchKologle. 5. Anfl. 4
10 Chor.
Bei Eirchea in der Grundform des Erenzea gehört im Mittelalter ein gänz-
liches Fehlen des Altarhauses, bo i^ta die Apsie an der Viening deg Quer-
lianses liegt and die Kirche ein T bildet, vie diea beim Münster zu Strafs-
burg, bei der ehemaligen Palsat- (jetzt evangel.) Kirche zu Ingelheim und
bei den Kirchen m Twiste (im Waldeckischen) und zn Idenaen (zwischen
Minden nnd Hannover) der Fall ist, wohl zn den seltenen Ansnahmen. —
FIi, 11. Klreb* n Twlita (swib der ZdtMhr. Rlr SiBwtHo).
Die ErbShung des Chorranmes Ober den Fnrsboden der Dbrigen Kirche be-
trägt zwar oft, und namentlich später, nnr eine oder zwei Stufen, ist jedoch
znweilen sehr bedeutend, z.B. in St. Gereon znKölu 13, in der Stiftskirche
zn Quedlinburg 16, im Dome zn Brandenburg 22 Stufen. Bei einer beträcht-
lichen Erhöhung des Chores läfst sich stets auf Vorhandensein einer Krypta
(s. Anmerli. 2) unter demselbea schliefsen. — Der Schwibbogen, welcher
das Altarhaiu von der Vierung scheidet nnd den Eingang in da« Sanctua-
rinm bildet, wird Fronbogen oder Triumphbogen (arcut ttiumphiiHi) ge-
nannt, weil er mit einer Darstellnng des triumphierenden ErlSsers geschmückt
sn sein pflegte.
t\g. 11. L«ttD«r Im Deoi n Balbantadl (luefa Lneuu).
Anmerkung 1. Statt der einfachen Schranken errichtete man in Stifts-
nnd Klosterkirchen zwischen Ohor nnd Schiff, anscheinend jedoch nicht vor
dem XIII. Jahrhundert, quer durch die Kirche oft eine ftlnnliche Emporkirche
ans Stein oder Holz, welche mehr oder weniger geräumig, durch eine oder zwei
CNanmbui^, Westchor) enge Wendel stiegen vom Chore aus zugänglich nnd von
offenen Bögen getragen oder mit zwei Durchgängen versehen, gewöhnlich zur
Vorlesung des Evangeliums bestlnunt war nnd deshalb Lettner (= leclonum,
Lettner. 51
4. i. LeBepalt) genannt wurde. ^ Wo dergleichen Querbflhnen unter dem Namen
OdeumoderDoxal (nach rheinischer Mundart T o x a I)^ wie ehemals in St. Maria
auf dem Kapitol zu Köln, oder Singechor, wie im Dome und in der Marien-
kirche zu Lübeck, vorkommen, dienten sie auch zur Aufstellung von Sänger«
Chören, welche mit Begleitung einer kleinen Orgel liturgische Gesänge (Doxo-
logieen, d. i. Lobpreisungen, woher der Name Doxal) ausführten. — Als bild-
nerischer Schmuck finden sich an den Lettnern die Gestalten des Salvator mit
den 12 Aposteln (z. B. Naumburg Dom Ostchor, Münster Dom, daher hier
auch der Name„ApoBtelgang'')y &n clem zu Gelnhausen Reliefs mitScenen des
Weltgerichts, an dem vor dem Westchor zu Naumburg Christus als Weltrichter,
und zu beiden Seiten Reliefs der Leidensgeschichte, darunter zwischen und
zur Seite der zwei Thüren der Crucifixus mit Maria und Johannes, während in
der Regel das Triumphkreuz über dem Lettner angebracht, wohl auch wie in
Haina und Marburg mit der Architektur des Lettners unmittelbar in Verbin-
dung gesetzt ist. An ddn spätgotischen entfaltet sich ein überaus reicher bild-
nerischer Schmuck, sowohl an Ornamenten als an Heiligenfiguren und Reliefs
aller Art. — Ein grofser Teil der Lettner wurde bereits zu Ende des XVII. und
im Laufe des XVIII. Jahrhunderts, um den Blick in den Chor freizumachen,
teils gänzlich zerstört, so die in den Domen zu Köln, Mainz, Strafsburg (von
letzterem ist wenigstens Abbildung erhalten, s. Kraus, 1,444) und in der Nikolai-
kirche zu Kaikar erst 1818, teils bei Seite gesetzt, letzteres noch in neuester
Zeit die zu Basel, Münster und Seligenstadt. Erhalten haben sie sich, aus
spätromanischer Zeit: zu Maulbronn (mitten im Langschiff sehr einfach,
setzt sich in niedrigen Steinschranken über die Seitenschiffe fort — Paulus,
Maulbronn, Taf. 2 u. Fig. 25) , in der kleinen Wallfahrtskirche Michaelsberg,
< Die Entstehung der Lettner wird nicht sowohl aus einer arohitektonischen Ver-
bindung der Ambonen, sondern eher von den Brüstungswänden abzuleiten sein, welche
bedeutend über den Fnlsboden erhöhte Krypten gegen das Schiff abschlössen und mit
zwei Bogenöffiiungen^ zwischen denen ein Altar st^d, den Eingang in die Krypta oder
den Aufj^g zum Chore verstatteten, wie eine solche z. B. im Kloster Jerichow noch vor-
handen ist imd im Dome zu Brandenburg jedenfalls vorhanden war. Im Lettner des
Ostchors zu Naumburg liegt dieser Ursprung deuÜioh vor Au^n, auch in Wechsel-
barg und Bürgelin scheint es ganz ebenso eewesen zu sein. Die charakteristische Er-
scheinung des gotischen Lettners beschreibt der jüngere Titurel sehr anschaulich so
(Text nach Zarncke):
8t. 70: Zwo tür viel kostebare in ie den kor da aienaen;
da gwiscJien ein alt<ere — uzerhaJIb darueber kanset Mengen
geweitet j uf swo sjnnnelsiiü gestoUet,
ie sfannelanc gereifet , da ttoischen ie mit etmäerepaeh ervoUet,
St. 92: Öeeimpzet unagespinneli di kanzeln warn alumbe,
vü scnone daruf gezinnelt; man sach in cd der liewen bogen krumbe
gwelf boten, bihter, meide, pairiarke,
martiree, propheten: ir brtefe eeiten da materje starke.
— Über den Lettnerbau des Domes zu Königsberg wurde wesentlich übereinstimmend
im J. 1333 urkundlich fes^esetzt (Qebser u. Hagen, der Dom zu Königsb. I, t08 ff.),
dafo zwischen Chor und lürche die Zwischenmauer nur eine Kute hoch und vier Ziegel
dick werden solle; da& zwei Thüren durch dieselbe hindurch von der Kirche in oen
Chor hineinführen und zwischen ihnen ein Altar zu errichten sei, über welchem ein
Gewölbe, von Säulen eetragen, eine obere Tribüne bilden solle zur Yerlesimg des Evan-
geliums und zur Au&tellimg der Orgel und des Predigtstuhles. Vergl. v. Quast,
Seitr. zur Gesch. der Baukunst in Preulsen. m, 78.
52 Lettner.
O.-A. Brackenlieim in Wflrttembei^, nnd im Ostchor des Doms in N&um-
bnrf a.8. (Puttrich, Serie Naumbni^, Tsf.lOu.ll; Förster, Bauk,, IV,8), —
frahgotiBche eu Friedberg in HeBSen (Statz und Ungewitter, Tof. 13&>
Oelnhansen (ungewitter, Lehrbucli, Taf.4S; flg. S9&, 896 — Rnhl, OeMude des
M.-A. zu O., Taf. 10,13, M), Eftina (Stati n. ungewitter, Taf. 116 n. IIT, Fig.
I— B), Lflbeck im Dome, nrapiUnglich hOchst einfach in Ziegel mauerwerk anf
vier Granitsänlen, gp&ter mit einem an fserord entlich reich geschnittten h&l-
zernen Täfelwerk oberkleidet (Btatz u. Ungewitter, Taf. ?l3n, SU, Fig. Su.9;
besser: Milde in PrüferB Archiv, H, Taf.9), Kanmbnrg a. S., im Westchor de»
Doma (Puttrich a.a.O., Taf. 18a. b. c. und 16 — Förster, s.o. — Altendorff
im Chr. K.-Bt. 1871, 136) nnd Seligenstadt (Reste jtIngBt in das Tnnngewölbe ver-
Rl. 11. LMUtr Im Don* m RuTilberf (uMh Adln),
setzt), — ans dem XIV. Jahrhnndert zaBasel in derBar^fser nnd in der Pre-
digerkirche, der imHünster (Förster, Bauk., 1,1), jetzt als Unterbau der Orgel
benutzt, znOebveiler in der ehemaligen Dominikanerkirche, mit bedeutenden
Wandmalereien (Kraus, II, 11t, 113), zuHavelberg, mit reichem Skulptnren-
Bchmnck (Adler, Baclcsteinb., I., Taf. 62, Fig.4). zn Marburg in der Klisabeth-
kirche, der Statnenschmnck meist modern (Abb. auf dem Titalbilde zu Eolbe,
EUsabethkirche), znMeifsen im Dome (Puttrich. Serie Moiben, Taf. 9 u. 10), ZQ
Oberweael in der Liebfrauenkirche (Bock, monument. Rheinl., Ijef.3, Taf. b,
Details auf Taf. 6, auch Bock, Eheinl. Baud., I, J, Fig. ■!), zu Rothenburg o.T.
in der Franziskanerkirche und zn Wetzlar in der Stiftekirche (Statz und Un-
gewitter, Taf. 116 u. 12T, Fig. 1—6), — spitgotische: zn Altbreisach im
Münster, BOnnigheim bei Besigheim, ca. 1440, Breitenan in der Benedik-
tinerkirche, Reste, Kein in St. Maria auf dem Kapitel (von 1524, jetzt ala
Orgelbflhne verwandt), Efslingen in der Rnine der Franziskanerkirche, in
Gestalt einer Kapellenreihe (Heideioff, Schwaben, 69 u. Suppl. I, Taf. 6. Rg. 4),
and in der Dionysiuekirche, 1486 von Lorenz Lechler von Heidelberg (das.
Taf. VI, Kg. 2), Haiherstadt im Dome (B-O-Onrndrifs), Kidrieb (1864 gröfsten-
Krypta. 53
teils erneaert), Magdeburg im Dome (Rosenthal, lief, m, Taf.6), Münster
im Dome, 1870 an die Seite gesetzt (ungenügende Abb. bei Schimmel), Stendal
im Dome (Adler a. a. 0., Taf. XXXIV), Strafsburg in St. Wilhelm von 1485
und Tübingen in der Stiftskirehe um 1495. Der im Dome zu Hildesheim
stammt erst von 1546 xmd bewegt sich bereits ganz in Renaissanceformen , der
im Münster zu Freiburg i.Br. wurde sogar erst um 1600 errichtet, aber 1789
in zwei Teile geteilt an die Nord- und Südwand des Qnerschiffs yersetzt.
Anmerkung 2. Wie man in Rom seit der Zeit Konstantins über den
Märtyrergräbem in den Katakomben Kirchen erbaute, aus denen bis ins IX.
Jahrb. die Pilger in die geheiligten unterirdischen Höhlen hinabstiegen, so legte
man im Frühmittelalter in den Ländern diesseits der Alpen unter den Kirchen
höhlenartige kleine Kammern an, die unter sich durch schmale Qänge ver-
bunden und mit Tonnenwölbungen überdeckt waren. Die Ähnlichkeit dieser
dunklen und völlig schmucklosen unterirdischen Räume , wie sie sich unter der
Klosterkirche zu Echtemach, der Petersberger Kirche zu Fulda, der Kirche
zu Steinbach (Michelstadt) im Odenwalde und der Abteikirche zu Werden,
sämtlich von höchstem Alter, erhalten haben, mit den Katakomben erscheint
unverkennbar.^ Andrerseits legte man nach altchristlicher Sitte, um das heil«-
Abendmahl über den Gräbern der Märtyrer zu feiern, unter dem Hauptaltar,
worauf schon die Stelle Apokal. 6, 9 hindeuten könnte, in der Regel ein kleines
unterirdisches Gewölbe an mit dem Grabe eines Märtyrers (oft des Titelheiligen
der Kirche), auf welches man von oben herabschauen konnte. Aus dieser alt-
christlichen confessio (tesHmormm^ memoria) in Verbindung mit jenen kata-
kombenartigen Anlagen ist die mittelalterliche Krypta^ (mundartlich am
Niederrhein: Kruft, in Niedersachsen: Kluft) hervorgegangen, die sich da-
durch von einer gewöhnlichen Totengruft unterscheidet, dafs sie einen oder
mehrere Altäre enthält. In der alten, im Jahre 820 abgebrochenen Kloster-
kirche von St. Gallen war eine Krypta unter dem Chore, und in dessen
Fufsboden eine Öffnung (fenesira)j durch welche eine auf dem Altare bren-
nende Lampe ihr Licht auf den Altar der Krypta warf, die jedoch das Grab
des heil. Gallus nicht enthielt, da dessen Steinsarg in der Apsis der Oberkirche
stand.^ Zwei Fufsbodenöffhungen von achteckiger Form, durch welche Licht
in die Krypta fällt, sind auch in den Seitenteilen des Chores der Münsterkirche
zu Essen (von 1051) angebracht und scheinen ihr Analogen zu finden in den
Fnfsbodenöffiiungen der oben (S. 26) besprochenen Doppelkapellen. Beispiele
von Beerdigungen in den Krypten lassen sich aus der Frühzeit mehrfach nach-
weisen, ebenso Stiftungen von Seelenmessen an den Altären derselben, und
der bei den Altären in den beiden Krypten des ersten Domes zu Brixen ange-
* Auf diese hat zuerst F. Schneider (Nassauer Annalen. 1874, 127— 130) auf-
merksam gemacht und auch andere Beispiele solcher Anlagen in Ungarn, Belgien,
England und Frankreich angeführt Hinzuzufügen ist der ganz ähnliche Torraum vor
der Ervpta der Moritzberffer Kirche bei Hildesheim, welche schon 1028 urkundlich
erwähnt wird. Die römiscnen Katakomben, die zuletzt im IX. Jahrh. als Andachts-
stätten gedient hatten, waren damals bereits völliger Vergessenheit überlassen. Vergl.
Kraus. Fz. X. Roma sotterranea, 112.
* Über Zweck und Bestimmung der Krypten: C. Haas, in Mittelalt. K.-Denkm.
des Ost. Kaiserstaats. 11, lAl f.
> Vergl. Keller, Baurils des Kl. St. Oallen, 9.
64 KiyptÄ.
stellte Priester vlrd im XI. Jabrh. kIs »cusIos septüchri« eines ventorbeneD
BischofB bezeichnet:' man ist daher zn der Annahme berechtigt, dafs die
Krypten dem Dienste der Toten aosschlierslich gewidmet waren, wobei nnr
die spatere allgemeine Vemachlässigong dieser unterirdischen Kapellen anf-
fallen tnnTs, wofttr man bis jetzt keine andere Erkllmng hat, alsdafs die meist
dnnkelen Räume derselben seit dem XIII. Jabrh. dem christlichen Zeitgeiste
nicht mehr entsprachen.* Die Cistercienser , in ihrer Abneignng gegen alles
Entbehrliche, scheinen zuerst dieErbannng von Krypten aufgegeben zn haben.
Fit- M. KmU nnur dtm Dornt FIr IS. Kr^pU in Jfrlclww (nich t. MinntoU).
VcTfl. dra Gmadria dir ob«-« KIrcka 8. U.
Die Krypta liegt unter dem erhöhten Chorraum,* je nach Örtlichen Ver-
hältniasen mehr oder weniger tief in der Erde ; die ganz oder fast ebenerdige
Lage in der Stiftskirche zu Quedlinburg, zu Naambni^ (Dom), zu Branden-
burg (Dom), Jerichow, Lflbeck (Katharinenkirche) etc. hatte die bedeutende
Erhöhung des Chores (s. oben S. 50) zur notwendigen Folge. Die Beleuchtung
der tief gelegenen Krypten, die oft nnr ein kleines Fenster in der Apsis haben,
ist spärlich ; jedoch empfing die Krypta unter der Klosterkirche zu Hersfeld
durch 25 kleine Fenster reichliches Licht, und auch die sich zugleich unter
dem Querhaose erstreckende weiträumige Krypta des Domes zu Speier hatte
ursprünglich 18 Fenster. Diejenige der Klosterkirche zu Jerichow erhält aufser
durch 3 Fenster in der Apsis durch je zwei weite Bogenöffnungen gegen das
Langschiff und die beiden Querschifffltlgel sehr reichliches Licht, und dieselbe
Einrichtung hatte ursprttngtich die des Doms zu Brandenburg mit 5 Fenstern
' Vergl. Mitt. C.-K. 1861, 72.
) Man pll«gt dafür die Worte des jungem Titurel anzuführen (Zarncke, St. S2):
"i tie da hatten grüfu? Nein, herre gc
it ufider erien »lüfte reine diet sieh ii
. s etwenne in grüften teirt geaammet.
Man toi an liehter wite Jcritten gloubtn kündtn und Krittes ammet.
' Die Anlage einer Krypta an anderer Stelle der Kirche, k. B. in St Caecilia zu
Köln und im Domo zu KräliBU am Westende. ist seltene Ausuahne, und die Anord-
nnne zweier Erjriten findet sich häufig in den doppelchörieen Kirchen; ver^. An-
jnerlnuiB 3. — la der Abteikirche zu Werden erstreckt sich die Krypta unter dorn
Chore der Oberkirche weiter nach Osten als dieser und liegt hier unter eigener nie-
driger Bedachung; ebenso verhält es sich mit der fiinfschiffigen Krypta der AUtei- (jetzt
rfarr-)Kijclie zu Süstcm in Holland. Limbui^.
Krypta. 55
in der Aspis. — D«r Zagang snr Krypta pflegt in der Mitte der auf den Chor
Alhrenden beiden Treppen, oder wenn nnr eine Treppe qner Aber die ganze
Breite der Kirche anf den Chor fahrt, in den Erenzannen oder Seitenschiffen
angebracht zu sein. Die Decke ist stets gewJJlbt, und die WOlbnng wird von
zwei Reihen S&ulen oder Pfeiler getragen, die das Innere in drei Schiffe von
gleicher Breite teilen ; die Krypten unter der Klosterkirche zu Jerichow, dem
Dome zu Brandenburg und der Stiftakirche zn Einbeck indes haben nnr eine
mittlere Sftnlenreihe nnd sind daher zweischifßg. Füni^chifSg dagegen ist die
Krypta nnter dem Westchore von St. Emmeram zu Segensbnrg, und die nach
einem Brande 1475 spätgotisch umgebaute der Nonuberger Kirche zu Salzburg
hat sogar sieben Schiffe, von denen das mittelste und die ebenso breiten äufser-
sten breiter sind als die unter sich gleich breiten ttbrigen vier. Als häufig
wiederkehrende Einrichtung kann die Anordnung einer rings an den Wänden
umlaufenden, stnfenartigen Steinbank angefllhrt werden.
Seit dem Ende des XIII, Jahrb. wnrden Krypten nur noch ausnahmsweise
angelegt,' kommen aber bis dabin unter den meisten grOfseren Kirchen vor ;
die älteste von allen ist wohl der sogenannte
Altarkeller im ehemaligen Wipertikloster zu
Quedlinburg, die kleinste die zu St.Pantaleon
bei Enns in Österreich (einschl. der Apsis
4,42 lang, 3,46 breit, 2,34 hoch, Flächenge-
halt etwa 15 qm), die gröfste die des Doms
zu Speier (ca. 827qm)Qnddiemerkwardigste
die hnndertsänlige zu Ourk.
Anmerkung 3. Besondere Aufmerk-
samkeit verdienen die sogenannten d o p p e 1 ■ "«■ "■ ^"t** " °"^ (""'' '■ "1^'>-
chdrigen Kirchen,* die in Dentschland, wo sie aufser wenigen Beispielen
in Frankreich (Nevers, Verdnn, Besanfon und Nivelles) nnd England allein
vorkommen, vom IX. bis zum XIL Jahrh. so beliebt waren, dafs man diese
' Als solche Ausnahmen sind zu nennen die bedeutendea Eryplenanliigen im
Michaelskloster zu Lüneboi^ von 1379 und in der Nikolaikirche das. von 1409, in der
Piaristenkirche zu Krems von 1477, zu Heiligenblut in Kämthen von I4S3 und zu
Ober-Velloch von 1509. In Hildesheim erbauten die Brüder des gemeiDsamen Lebens
uuter ihrer Kirche auf dem Lichtenhof 1472 eine Krypta der h. Maria Die meisten
kryptenartigen Anlagen der späteren Zeit sind von vomnorein Totengrüftc, so die in der
Manenburgvon 1335, zu Manenwerder von 1343, zu Erfurt im Dome von 1349 und in der
Frauenkircne zu München von 146t! ; ebenso die zahlreich vorkommenden unterden Apsiden
s|iät gotischer österreichischer Kirchen, die geradezu die Stelle der früheren Katner ver-
treten, als solche schun daran erkennl;ar, dafs sie nur von aulsen zugänglich sind. Auch
andere unterirdische Kapellen aus syiät»r Zeit, z. B. unter der Petri-Paulikirche zu Gör-
litz aus dem XV. Jahrh., Itönnen nicht ais eigentliche Krypten zählen, wie es unent-
schieden bleibt, ob in den im allgemeinen sehr selten vorkommenden zwciatöckigen
Kirchen (z. B. Kloster Oöllingen in Thüringen, heil. Kreuzkirche zu Breslau) das Erd-
Seschols die Bestimmimg als Krypta gehabt haben mag. Besonders merkwürdig ist
ie Salvatorltircho in Passau, welche aus drei über einander liegenden Räumen betneht,
und die in ihrer gegenwärtigen Gestalt allerdings erst dem XvH. Jahrb. ai ' " '
aber eine uralte AnWo darstellende, zneigesehossig znm grölaten Teile in
gehauene Salvatorkirche zu Schwäbisch -Gmünd.
56 Doppelohöre.
Anlage für jene Zeit bei gröfseren Kirchen geradezu als Norm bezeichnen
darf. Sie sind stets zwei besonderen Titelheiligen gewidmet und stellen sich
als zwei Kirchen mit einem gemeinschaftlichen Langhause dar, von denen die
eine das Sanctoarium (mit oder ohne Apsis, und mit oder ohne Krypta) am
östlichen Ende hat, die andere am westlichen, so dafs ihre Einrichtung ge-
wissermafsen als Vermittelung erscheint zwischen dem oben (S. 14) erwähnten
alten Schwanken in der Aufstellung des Hochaltars, ob in Osten oder in Westen.
Gewöhnlich, aber nicht immer, ist der östliche Chor der Hauptchor, welcher
als solcher schon durch die Anordnung des Querschiffes vor demselben (im
Dome zu Bamberg z. B. aber vor dem Westchor St. Petri, als ursprünglichem
Hauptchor ^) bezeichnet wird, wenn nicht, wie in St. Michael zu Hildesheim,
zwei Querschiffe beliebt sind.
Den Ursprung der Westchöre ' hat man in der fränkischen Benediktiner-
abtei Centula (St. Riquier) bei Abbeville in der Diöcese Amiens zu suchen,
wo Abt Angilbert 798 eine neue Kirche baute, deren östliche Apsis mit dem
Grabe des Klosterstifters S. Richarius diesem geweiht war, während dem ur-
sprünglichen Titelheiligen S. Salvator der Westchor zugeteilt wurde. Von hier
fand vermutlich die Übertragung nach den deutschen Benediktinerklöstem, und
zwar zunächst nach Fulda ^ statt, wo die erste von Bonifatius dem Salvator
geweihte Kirche bereits von dem ersten Abt Sturm mittelst Ersetzung der Wände
durch Säulen erweitert worden war. Diesen Bau erweiterte der zweite Abt Bau-
gulf durch Errichtung eines Tempels an der Ostseite mit Hilfe des baukundigen
Ratger, und letzterer, selbst Abt seit 803, fägte einen ähnlichen grofsartigen
Bau an der Westseite hinzu, so dafs das Ganze eine Kirche bildete ; der fol-
gende Abt Eigil legte darin zwei Krypten an, die eine im westlichen, die an-
dere im östlichen Bau, und bei der neuen Weihe des Ganzen 819 wurden die
Gebeine des Bonifatius in den westlichen Bau übertragen. Bei der hohen Ver-
ehrung, deren dieses Grab genofs, erlangte der Westchor den höheren Rang
und wurde bei dem letzten Neubau des Domes zu Anfang des XVHI. Jahrh.
allein erneuert. Das nächste Beispiel liefert der Bauplan des Klosters St. Gallen
vom Jahre 820 (s. Fig. 17), wo die Kirche bereits mit zwei Chören entwor-
fen ist. Der östliche Chor T^sancta sanctorum^ stufenerhöht, mit einer Krypta
unter dem Querschiff vor demselben, enthält in der Mitte über dem Grabe des
* Gie sehr echt, W., Gesch. d. deutsch. Eaiserz. 4. Aufl. ü, 62 u. 599. Auch
in den doppelchörigen Kirchen St. Emmeram und Obermünster zu Regensburg liegt
das QuerBcniff im Westen. — Rothlauf, Welcher Altar im Dom zu Bamberg galt
ursprünglich als der Hauptaltar, und welcher der beiden Chöre als der Hauptchor? im
35. Ber. des hist V. für Obeifranken zu Bamberg 1873.
' Die Beispiele aus der alten nordafrik an i sehen Kirche, die Basilika zu Ennent
(Hermonthis) in Ägypten mit zwei, dem mdlinig geschlossenen Ost- und 'Westende ein-
cebauten Conchen, und die Basilika des Keparatus zu Orleansville in Algier, wo das
Grab eines Bischofs im V. Jahrh. die Veranlassung zum Einbau einer zweiten west-
lichen Concha gab, sind selbstverständlich ohne EinfluTs auf die Entwickelung in
Deutschland. Der etwaige Zusammenhang mit älteren Yorbildem in Encland, wo die
um 675 erbaute Kirche zu Abbendon, am West- und Ostende rund, wonl beiderseits
mit einer Concha versehen war, muTs dahingestellt bleiben. Yergl. Otte, Bauk.,
33, 143—273.
3 Yerg;l. über die Baugeschichte von Fulda: Gegenbauer, Jac., das Grab König
Konrad I. in der Bas. zu F. (Gymnas.-Progr. Fulda 1881).
Doppelchöre. 57
hräl. Oftllns einen diesem und der Jnng^fran Maria ^widmeten Altar nnd in
der Exedra (Apais) einen Altar des Ap. PanlOB, welctier der Titelheilige
der bis dahin bestandenen Kloaterkirche geiresen war; der westliche Chor
»Chorus* erscheint nntergeordnet, ohne Krypta nad deshalb nicht erhobt, und
in der Exedra ateht ein Altar des heil. Petrus, dem jene Kapelle gewidmet ge-
wesen war, ringB um welche der heil. Oallos die ersten Zellen zweihundert
Jahr froher errichtet hatte.' So veremigte die nenprojektierte Kirche die beiden
fraheren Eeiligtllmer des Klosters anter einem Dache nsd reprAsentierte die-
selben in den beiden ChOren. Gleichzeitig wurde za KCln ein nener Dom, und
nicht auf der Stelle des frflheren, mit zweiCbSren erbant, von denen der Ost-
liche dem heil. Petnu (vielleicht als Patron der bisherigen bischöflichen Kirche),
Fl(. IT. KlntH TOB St. Olli« (oHta lUra Biiulb Tom t. SK).
der westliche der heil. Maria geweiht war.' — ImX.Jahrh.wnrde der Bischofs-
sitz in Sähen, dessen Patron der heil. Ingenuin war, nachBrixen verlegt, nnd
der daselbst nen errichtete doppelchörige Dom dem genannten Heiligen nnd dem
orspranglichen Briiener Patrone Petms dediciert,^ nnd dieselbe Veranlassung
zur Errichtnng eines Westchores mag sich Öfter gefunden haben, wo Bischofs-
sitze verlegt wurden (wie der von Zeitz nach Naumburg im XI. Jahrb.), oder
wo n€ne Stiftungen hei bereits vorhandenen fttteren Kirchen stattfanden und
dies Anlafs zu einem Neubaue gab. So erklärt es sich ancfa, dab in vielen
Fallen der Ostchor dem Stifte, der Westchor der Pfarrgemeinde überwiesen
wurde, das Gebäude alau zwei Kirchen in sich vereinte. Wo in den Kirchen
von Nonnenklöstern (Essen) oder Dop pelkl Ostern (Huysebnrg) die Westapsis
eine Empore enthielt oder mit ihr in Verbindung stand (GemTode, S. Michael
zu Hildesheim),* ist die Beatimmung fhr den Chordienst der Schweaterschaft
' Otte, Banh., 94 f.
» Ebd., 92.
» Mitt. C.-E. 1861, VI, 71.
' Hier wurde im XV. Jahrh. nach langst erfolgter Aufhebung des Nanueakonvents
der Westchor zu den Abendandacht«!! der MöDche benutzt, woraus J. M. Xraatz
(Wozu dienten die Doppelchore in den alten Eathedral- etc. Kirchen? Eildesheim 1BT7)
gefolgert hat, dab letzteres allgemein die m^prüngliche BoBtimmong der Weetohöre
geweseD sei. Jedoch ist der Beweis hierfür nicht erbracht. Die wahrscheinhch an
Stelle einer ehemaligen WestapsiB (verrf^ R- Lepaius, Einl. zu Gallyknight. Ent-
wickelang der Architektur, 33) im XVI. Jahrb. umEebaute Vorhalle des Merseburger
Doms wmxle vielmehr zur Abaingung iei'hyntni anteUicanit bOHtimmt. Holtzinger,
a a D., 29 sagt mit Becht: >Auf einen einheitlichen Zweck lüM sich die An-
lage der Doppdchöre bei den verschiedenen UoDomenten nicht Eurückfühien.i
58 Doppelchörige Eircbeu.
keinem Zweifel unterworfen und ferner erklAriich, daTe, nachdem das anfwln-
dige doppelchSrige Schema erat einmal aufgekommen war, die grofae BaiüuBt
der Prälaten des XI. Jahrb. sich in der Nachahmung desaelben gefiel, nnd die
Anlage eines westlichen Chores, als besonders ausgezeichneter Kapelle zu
Ehren irgend eines beliebten Heiligen, willkommen erschien.
Doppelchörige Kirchen in alphabetischer Reihenfolge:
Arnsteia a. Lahn Klosterkirche, Dome zn Augsbnrg, Bamberg,
Basel ehemals, Bonn Münster, Dome zu Bremen, Brixen ehem., Drfl-
beck Klosterkirche, Eichstädt Dom, Essen Htlnsterkirche , Fnlda Kloster-
kirche ehemals, St. Gallen Plan, Gernrode Kloaterkirche, Goslar Dom
ehemals, Hersfeld Abteikirche, Hildesheim St. Godehard und St. Michael,
HuysebDrg Klosterkirche, Dom zu Köln ehem., Abteikirchen zu Knecht-
stedeu und Laach, Lüttich S. Cnicis und St. Jakob, Mainz Dom und
St. Stephan, Merseburg Dom (ehemals?), Mltneter Dom, Nah bürg Kirche,
Nanmburg Dom, Nttrnberg St. Sebald, Regensburg St. Emmeram nnd
ObermUnster, Reichenan Mittel-, Ober- ehm. auch Unterzell, Rothenburg
ob d, T. St. Jakob, Dome zu Speier, Trier, Verdun und Worms. — Die
späteste Anlage dieser Art ist der im XV. Jahrh. errichtete westliche Stiftschor
der Katharinenkircbe zu Oppenheim, deren älterer Bau einen solchen nicht
gehabt zu haben scheint. Westliche Polygonschlflase späte stgo tisch er Kirchen
(z. B. Artern St. Marienkirche, Embsen und ehemalige Klosterkirche zu Me-
dingen im Lflneburgischen, St. Wenzelskirche zu Nanmburg a.'S., Pfarr-
kirche zn RSmhild) sind keine WestchOre im kirchlichen Sinne, sondern nnr
eine ban meisterliche Laone.
20. Das Querbaus ist derjenige Teil des Kircbengebäiides, welcher
demselben die Ereuzgestalt rerleiht, und wird deshalb auch das Kreuz
genannt: es besteht aus dem Kreuzmittel (meditullium) und den bei-
den Kreuzarmen [plaga septentriimaHs und pttiga australts) und bildet,
■wenn der hohe Chor auf das Altarhaus beschränkt ist, innerlich einen
freien Raum, das Querschiff (ft-aiumna); andernfalls, wenn das Kreuz-
Querhaus.
59
mittel zum hohen Chore gezogen und von Scheidewänden abgeschlossen
ist (wie im Dome zu Merseburg, s. den Grundrifs S. 46), erscheinen die
Kreuzarme (transepta) als abgesonderte Seitenkapellen.
In der alten Earche, welche nur dieApsis, nicht aber das spätere Altar-
haus kannte, lag das von Schranken umzogeneAllerheiligste, mit dem Altar
in der Mitte, am Ende des Langhauses, und die beiden rechts und links
Yon den Schranken befindlichen Räume (transepta) waren für besonders
geehrte Gemeindeglieder bestimmt: der sttdliche (jsenatorium) ftlr die obrig-
keitlichen Personen, der nördliche {maironaeum) ffir die Matronen. Aus
dieser Anordnung ging dann anscheinend nicht ohne Einfluss der Symbolik
(s. 0. S. 20) das Querhaus der Kirche hervor, welches indessen anfangs nur
über die Breite des Langhauses reichte und der späteren über dieselbe hin-
austretenden Vorlagen entbehrte , doch fehlen letztere auch im Mittelalter
Fig. 19. GrandriCi der Klosterkirche xu Herafeld (nach y. Qaait).
zuweilen, z. B. an der Stiftskirche zu Gernrode, wo das Querhaus nur um eine
Manerdicke über das Langhaus vortritt, oder an den Domen zu Gurk und
Regensburg, wo es mit den Seitenwänden des Langhauses in derselben
Flucht liegt. Normal besteht das Querschiff aus drei Quadraten, welche
durch hohe Gurtbögen von einander geschieden werden, und das Vortreten
der Kreuzflügel über das Langhaus beträgt Ve der ganzen Länge des Quer-
hauses; es vermindert sich, wenn die Seitenschiffe des Langhauses breiter,
und vergrössert sich, wenn sie schmaler angenommen sind, als die Regel
mit sich bringt. Das Maximum in der räumlichen Abmessung zeigt das
Querhaus der Klosterkirche zu Hersfeld und zwar innerlieh um so wirkungs-
voller, als hier die bei einer Kirche mit flacher Holzdecke nicht konstruktiv
notwendigen trennenden Gurtbögen weggelassen sind (was öfter vorkommt
z. B. in den Stiftskirchen zu Gemrode und Quedlinburg, in der Kloster-
kirche zu Frose und in der Neumarktskirche zu Merseburg etc.), das
Ganze also ein völlig freies Schiff bildet. — Die Anordnung zweier Seiten-
schiffe an der östlichen und westlichen Seite des Querhauses im Dome zu
Köln und in der Marienkirche zu Danzig (wo jedoch dem nördlichen Flflgel
das östliche Seitenschiff fehlt) verstärkt die Wirkung dieser grofsartigen
Gebäude. Häufiger kommt nur ein Seitenschiff, und zwar an der Ostseite
JO Drei - Conchen - Anlage.
der Ereazanue vor, s. B. ua Dome sn Stendal und besondeiB bei den Cister-
cienserD, wetchea jedoch gevShiilich dnrch eine Scheidewand innerlich in
zwei Kapellen geteilt ist. — Die apsidenfSmiige Bildung der beiden Fronten
des Qnerhaosee im Halbmad oder Halbpolygon, die s. g. Drei-Conchen-
Anlago, iat nach dem Hneter der Kirche Maria anf dem Kapitel in K91n in
dieser Stadt nnd am ganzen Kiederrhein bis ins Xlll. Jahrh, beliebt nnd
Ptf. so. B(. >Uri> IBt dem Elpltsl In Ktln (Diiiiti BoluerA).
findet sich anabhltngig von diesem Lokale auch an der Stiftskirche zu Bücken
mit mndem und an der Äugustinerkirche zu Brfinn, der h. Ereuzkirche zu
Breslau, der Elisabethkirche zu Marburg und der von dieser beeinflufsten
Pfarrkirche zn Frankenberg, der Äpollinariakirche zu Sadzka in Böhmen
und unvollständig an der Marienkirche zu Rostock in Polygonschl Oasen.
Dns Querhaus iat kein unentbehrlicher Teil der Kirche, weshalb es bei
den (einschiffigen) Landkirchen wegbleiben durfte nnd hier nur ausnahms-
weise vorkommt, z. B. zu Grofsen -Linden bei Qiefsen, zu Wiesenburg bei
Beizig, Hohenlohe bei Merseburg, S. Veit in Artem, mehrfach in Böhmen
(Hostivar, Tiamitz, St. Jakob bei Kuttenberg) und in westfälischen Nonnen-
klöstern (Vreden, Asbeck, Ösede, Fröndenbei^); in Sfiddeutschland indessen
sind Kreuzkirchen die Ausnahme, und das Fehlen des Querhauses bildet
schon in Siterer Zeit auch bei grCfeeren Kirchen die Regel : Dome zu Sekkau
und zu Gurk (nach ursprünglichem Plane), Mich&eliskirche zu Altenstadt
bei Schongau, Stiftskirche zu IlmmOnster a. d. Um, Klosterkirche zuThier-
haupten etc. Wie bereits oben S. 20 bemerkt, fand die Krenzform der Kir-
chen seit etwa der zweiten Hälfte des Xlll. Jahrh. bei neuen Anlagen Über-
haupt nur noch seltene Anwendung.
Die znweilen vorkommende Anlage iweier Qaerhinser, eines vor dem
Sstlicheo, du andere vor dem westlichen AlUrhanse (HichaeliBkirche in
Uildesfaeim, Abteikirche za Luch, Dom en Mflnster) erkUrt sich ana der
doppelcharigen Anlage der betreffenden Kirchen (a. oben S. 55 Anmerk. 3),
Flf . II. KreuUnti» in BtmIwi.
sowie die Anordnung nar eines Qaerhanses, abervordem Westchore (B.oben
ebd.) daraus, dafa dieser uraprttnglich der Hanptchor gewesen sein wird.
Flf. n. Don in BaUun (lucb dtn OiMn. AUu).
Anmerkung. An der Ostaeite des Qnerschiffa finden sich in manchen
Gegenden Deutschlands fast regelmärsig (etwa bis sur Hitte des XIII. Jahrh.)
als paaeeoder Abachlnls der Seitenschiffe des Lai^hanses zwei kleine Neben-
tribnnen (conchulae, apsidtolae; vergt. den Ornndrifs des Domes zn Merse-
Q2 Nebentribünen. Langhaus.
bürg S. 46 unter z), welche zwar eigentlich im Oriente heimisch sind, aber
doch auch schon an der Kirche des Panlinns von Nola imV.Jahrh. vorkommen.^
Sie dienen in den mittelalterlichen Kirchen Deutschlands zur Aufstellung von
Altären, werden auch in verdoppelter Zahl (in den Benediktinerbauten des
XII. Jahrh. zu Bosau, Breitenau, Dissibodenberg, Ellwangen, Königslutter,
Paulinzelle, Wimmelburg und in St. Ulrich zu Sangerhausen) und mit Vor-
legung von viereckigen Räumen (häufig bei den Cisterciensern, paarweise und
seitenschiffartig die ganze Breite der Kreuzvorlage einnehmend: Zinna, Loc-
Flg. SS. KlMtorklrohe sa Paalinselle (nach Pattrieh).
cum etc.) als vier abgesonderte Kapellen angebracht. — In den Domen zu
Magdeburg und Speier finden sich die Nebenapsiden als Eintiefungen in der
geraden östlichen Schlufswand der Kreuzvorlagen. — In gotischen Kirchen
erscheinen die früheren Conchuiae (z. B. am Dom zu Regensburg etc.) als
polygonisch geschlossene Nebenchöre, die zuweilen dem Hauptchore nicht
parallel, sondern schräg nach aufsen tretend angeordnet sind (Stadtkirche zu
Ahrweiler; am Dome zu Xanten den verdoppelten Seitenschiffen entsprechend
zu zweien auf jeder Seite).
21. Das Langhaus (exterior domus)^ d. h. das Schiff {navis —
also benannt von der länglichen Oestalt) mit seinen Seitenschiffen
(Abseiten, poriicus, latera) ist als der weiteste Raum der Kirche für
die Gemeinde bestimmt, wobei nach alter Sitte eine Trennung der Oe-
schlechter statt fand, so dafs entweder die Männer die Südseite, die
Frauen die Nordseite eiimahmen, oder die Männer vom, die Frauen
hinten standen.*
* Paul in. ep. 32 ad Severam n. 13: cum duabus dextra laevaque conchülü . . .
apsis . . . Itucetur; una earum immolanti hosHas jiibüatumis antiitUi patet, aUera
po8t sacrificiumf capaci sinu recefiat arantea. — Die conchula a dextra apsidis
(die orientalische nQo^^ci^ beschreibt er (Poem. 27 y. 180 sqq.) also:
Eic locus est veneranda penue, ^ua condüur^ et qua
Promüur alma nacri pampa mtnisterii.
Die conchula a sinistra apeidie (das diaxovaeov) mit der Überschrift:
St quem sancta tenet medüandi in lege voluntas,
Hie poterit residena sanctis intendere libris,
Vergl. Rhein wald, Archäologie, 137.
* Durandus. I. 1 n. 46: Masculi in australi, foeminae auiem in horeali parte
manent, — n. 47: Secundum aUos vero viri in parte anteriori, mulieres in poste*
riori parte manent, — Da die Cistercienserkirchen von keiner Frau betreten werden
Hauptschiff und Seitenschiffe. g3
Die Bezeichnung des Langhauses als ^exierior domus^ findet sich bei
Sidonius ApoUinans{^ 482), cp. 4, 18.^ — Dafs der Name Schiff {vavg,
navis)j auf das Kirchengebäude angewandt, sich zunächst auf die längliche
Fonn bezieht, geht aus Const. apostol. 2, 57 (s. oben S. 20 zu §. 14) deut-
lich hervor: die symbolische Beziehung wird erst an die Schiffsgestalt ange-
knüpft.
Das Schiff hat normal die dreifache Länge des Altarhauses, welches am
Dome zu Merseburg (s. den Orundrifs S. 46) innegehaltene Verhältnis im
allgemeinen bis ins Xin. Jahrhundert als Regel galt. Verkürzungen gegen
dieses Normalmafs kommen nur bei kleineren Kirchen vor, Verlängerungen
sind dagegen häufiger; die langgestrecktesten Mafse finden sich in einigen
Kirchen der Cistercienser, z. B. zu Pforta und Chorin, wo das Schiff die über-
mäfsige Länge von fünf bis sechs Einheiten hat. Bei allen diesen Mafs*
Verhältnissen ist jedoch die mittelalterliche Sorglosigkeit in solchen Dingen
(S. 38 Anmerk. 4) stets in Anschlag zu bringen. — Die Seitenschiffe haben
zwar gewöhnlich die halbe Breite des Hauptschiffes (Plan von St. Gallen,
Dome zu Mainz, Halberstadt, Merseburg, Meifsen, Verden), indessen sind
sie, namentlich in Klosterkirchen, zuweilen auch schmäler als die Hälfte,
häufiger jedoch breiter; in einzelnen Fällen sind die drei Schiffe nicht blofs
von gleicher Breite unter einander, sondern die Nebenschiffe übertreffen
selbst die Breite des Hauptschiffes.
Verhältnis der Breite des Hauptschiffes zu den Seiten-
schiffen (die eingeklammerten Zahlen bezeichnen das südl. Seitenschiff) :
Dom in Bamberg 47 : 26 (27).
Basel 43 : 18.
Brandenburg 45 : 14.
Erfurt 11: 13.
Freiburg 114: 92(93).
Lübeck 180 : 98 (87).
Magdeburg 4: 3.
Minden 12,23: 7,t3.
Paderborn 82 : 50 (55).
Prag 2: 1.
Regensburg 486: 349.
Soest 34 : 13.
Speier 44: 25.
Strafsburg 7: 4.
Trier 68 : 33.
Wien (ungefilhr) .... 1 : 1.
Worms 11,50 : 5,59.
Klosterkirche in Berlin 58 : 39.
Brauweiler 27: 20.
Minoriten in Kdln 64 : 29.
durften, so wurde häufig in einiger Entfernung von denselben eine besondere Kapelle
für das weibliche Geschlecht angelegt. Vergl. Elöden, C. F., zur Gesch. derMarien-
Terehrung in der Mark Brandenourg, 36.
* YeigL Mone, in der Zeitschr. für die Gesch. des Oberrheins. YOI, 4, 424.
64
Hauptschiff und Seitenschiffe.
Klosterkirche
Marienkirche
Stiftskirche
Ägidienkirche
Andreaskirche
in
Katharinenkirche in
Martinikirche
Reinoldikirche
Kirche
in Echtemach 131
Otterberg 34
St. Michael in Hildesheim . 6
in Hnysebnrg 50
Jerichow 32
Limburg a. d. H 77
Memleben 2817
Petersberg b. Halle . . 25
Pforta 177
Unterzell anf Reichenan 16
Riddagshansen 68
Zinna 79
in Andernach 813
Arnstadt 28
Danzig 68
Dortmund (etwa) .... 3
LHbeck 99
in Gemrode 7
St Georg in Prag 22
in Quedlinburg 33
in Braunschweig 72
45
1
239
3
16
3
m
79
77
(ungefilhr)
57 (62).
12 (15).
5.
17.
15 (14).
40.
1517 (1458).
17 (16).
83 (99).
10/11.
21.
30.
544 (426).
13.
57.
2.
64.
4.
9(7).
16.
42 (45).
49.
1.
249 (240).
2.
5.
1.
13.
7.
in Dortmund (etwa) ....
in Adorf
Brenken
Merzig 23
Salzkotten 20
Die vorstehenden Beispiele zeigen, dafs in mehreren Fällen die Seiten-
schiffte auch unter sich von ungleicher Breite sind, was entweder , wie z.B.
in Pforta, auf lokalen Umständen (Umbau einer vorhandenen älteren Kirche)
oder lediglich auf der mittelalterlichen Oleichgiltigkeit gegen dergleichen
Unregelmäfsigkeiten beruht. Am stärksten ist jedoch wegen der Unregel-
mäfsigkeit des dem Kloster geschenkten Bauplatzes an einer Strafsenkreuzung
gegen alles Ebenmafs gesündigt in der Katharinenkirche zu Lübeck, wo das
nördliche Seitenschiff, in Westen spitz zulaufend, die Grundform eines Drei-
ecks hat. — Das Minimum für die Breite des Seitenschiffs beträgt etwa Va
der Breite des Mittelschiffs und kommt auber in St. Georg zu Prag und zu
Riddagshansen bei Braunschweig namentlich in Westfalen (Brenken bei
Paderborn und Salzkotten), und im Waldeckischen in den kleinen Kirchen
zu Adorf, Flechtdorf und Twiste vor.
Die Seitenschiffe haben die Länge des Hauptschiffes und laufen durch
einen offenen Bogen in das Querschiff aus; in Kirchen ohne Querhaus schnei-
den sie entweder mit geradliniger Ostwand ab (Franziskanerkirchen zu Soest,
Berlin, Jüterbog etc.), so dafs sich jenseits der Chor einschiffig fortsetzt,
oder das ganze Gebäude bildet drei Schiffe von gleicher Länge (wobei sich
in Kreuzkirchen die Abseiten jenseits des Querhauses neben dem Chore fort-
Chnrumgang. g5
setsen: Ulrichakirclie zu Sangerh&useii, Klosterkirche zu Lippoldeberg),
welche entweder mit drei Äpeideu (Dom zu Qurk und f&st regelmfileig in den
nur auB drei Langechiffen beBtebenden romaDischen Kirchen in Bayern nnd
Schwaben; Ktosterkirche zu Pantinzelle, Ulrichskirche zu Sangerbansen),
oder in drei Polygonabschnitten (9t. Stephan zu Wien, Wiesenkirche in Soest,
Kirche zn Herzberg a. d. Elster), oder endlich dreiseitig schliefsen, so dafs
das Ostende (wie an der Kirche zn Bamth) als Viereck mit abgeschnittenen
Ecken erscheint. Sehr häufig setzen sich die Seitenschifi'e nicht blol^ im
Chore fort, sondern bilden, ohne Zweifel zur bessern Entfaltung der Pro-
zessionen, einen Umgang rings um denselben (St. Maria auf dem Kapitol
zn Köln, Dome zu Halberstadt und Münster, Nikolükirchen zu Berlin nnd
JOterbt^ etc.) , an welchen sich seit der Mitte des XU. Jahrhunderts znweilen
eine Reihe von kleinen Kapellen anschliefst, die, wie an den rechteckig ge-
schlossenen Cistercienserkirchen zn Riddagshausen nnd Bbrach, entweder
ftufserlich wie ein sweiter niedrigerer Umgang erscheinen, oder, nach dem
Muster des französischen Kathedralenstyls, ans dem Chommgange radien-
artig hervortretend und wie letzterer halbkreisförmig (St, Godehard zn Hildes-
heim, Cistercienserkirche zuMsrienstadt im Nassanischen) oder polygonisch
gestaltet, einen Kranz nm dasChorhanpt der Kirche bilden: Dome zu Magde-
burg nnd Köln, Cistercienserklosterkirchen zu Altenberg bei Köln und Do-
heran, Dome zu Schwerin und Prag, Kirche zu Knttenberg, Münster zn
Freibai^ i. Br. — Wenn die Seitenschiffe einen Umgang am den Chor bilden,
so ist dieser durch eine steinerne Brflstungswand von dem Umgänge abge-
schlossen, die, wenn sich der Chor auch Aber die Vierung erstreckt, auch
ohnedies ihn gegen die Querflflgel abschließt, wie in St. Marien zn Halber-
stadt, in Hamersleben nnd im Dome zn Limbni^ a. d. L.
FlE, H. Dom ID KdlB (Bub BolHr^e).
Seit der Mitte des XIII. Jahrbunderts kommen auch (gewissermalben
eine Reminiscenz an die fttnfschiffigen Basiliken des christlichen Altertums)
Kirchen mit vier Seitenschiffen vor, teils nach nrsprQnglicher Anlage (Dom
zu KSln, Stiftskirche in Xanten, Marienkirche in Mflblhaasen, Severikirche
in Erfurt etc.), teils infolge spätem Anbaues oder Umbaues (Dome zn Basel,
Otl>, KraM-AreUolotla. S. Aafl. ü
Qg Fünfschiffige and zweischiffige Kirchen.
Ulm und Brannschweig; Marienkirchen za Frankfurt a. 0. und Eolberg; die
Petri- Paulikirchen zu Görlitz und auf dem Wy8ehrad in Prag; Petrikirche
zu Lttbeck etc.)^ znm Teil mit niedrigeren Seitenschiffen, zum Teil mit fünf
gleich hohen Schiffen. — In reichster und grofsartigster Entfaltung erscheint
der Grundplan des Domes von Köln: das Langhaus ist fünfschiflfig, das Quer-
haus dreischif&gy die Seitenschiffe setzen sich neben dem Langchore fort,
das innere Seitenschiff bildet einen Umgang um den polygonen Chorschlufs,
rings um welchen sich das äufsere Seitenschiff in einen Kranz von sieben
radianten Kapellen (apsidiolae) auflöst.
Im Gegensatz gegen die reiche Anlage der Kathedralen finden sich seit
dem XIII. Jahrh. einfachere Kirchen mit nur einem Seitenschiffe , welches
bald nördlich, bald südlich vom Hauptschiffe liegt und bald niedriger ist,
bald gleiche Höhe mit demselben hat. Dergleichen sind zu erwähnen in
Ahlen, Albing, Allendorf a/Werra, Alsfeld, Altenbnrg, Altenbnrg in O.-
Österreich, Andernach, Aussee, Bitburg, Boppard, Brandenburg, Brunn,
Calderen, Cleve, Datteln, Deckbergen, Dorchheim, Dortmund, Dresden,
Elbing, Frankflirt a/M., Fritzlar, Görlitz, Gottesbttren, Halle a/S., Hamm,
Hannover, Hattendorf, Hildesheim , Höxter, Iserlohn, Kaiserslautem, Kassel,
Könnern, Lasberg, Lichtenau, Liesbom, Lippstadt, Lorch, Mailberg,
Marburg, Marienfeld, Meckenheim, Meifsen, Metelen, Neuhaus (Böhmen),
Neustadt (Hessen), Oberursel, Oberwinter, Opherdicke, Passau, Rauschen-
berg, Roda, Rotenburg a/Fulda, Rfldesheim, Salzwedel, Sontra, Spangen-
berg, Tragwein, Treysa, Utsch bei Brück a'Mur, Wenigsen. Viele davon
sind Kirchen der Bettelorden, die vielfach ausSparsamkeitsrttcksichten, nur
um Raum für die Predigtgemeinde zu schaffen, der Kanzel gegenüber das
eine Seitenschiff angelegt haben, doch darf man diese Einrichtung nicht ge-
radezu als eine besondere Eigentflmlichkeit dieser Orden ansehen, da sie
sich auch bei anderen auf sparsame Zweckmäfsigkeit bedachten Orden (Cis-
terciensern, Karmelitern, Augustinern und Serviten) findet, ein bedeu-
tender Teil aber einfache städtische und ländliche Pfarr- und Spitalkirchen
sind. Ebensowenig darf man aber diese Erscheinung als einen charakteri-
schen Provinzialismus von Westfalen und Hessen^ bezeichnen, da sie sich
durch ganz Deutschland und Österreich findet, und wahrscheinlich noch viel
zahlreicher als indem vorstehenden Verzeichnisse, welches das von Fischer
gegebene um zwanzig Beispiele vermehrt. Wo die Anlage nicht aus späterem
Abbruche eines frflher vorhandenen zweiten Seitenschiffs, wie in Opher-
dicke, oder aus späterer Erweiterung einer ursprünglich einschiffigen An-
lage, wie bei der Franciskanerkirche in Brandenbui^ entstanden ist, wird
man wohl in den meisten Fällen annehmen dürfen, dafs nur eine wegen
Terrainschwierigkeiten oder Geldmangel unvollständig gebliebene Ausfüh-
rung einer regelmäfsigen dreischiffigen Anlage vorliegt.
Völlig verschieden von diesen unsymmetrischen Bauten sind diejenigen
zweischiff igen Kirchen, welche aus zwei, durch eine mittlere Säulen-
reihe getrennten Schiffen von gleicher Breite und Höhe bestehen: in nicht
wenigen Fällen (z. B. Pechüle bei Treuenbrietzen, Petrikirche in Branden-
burg, Hotten bei Kckernförde etc.) zwar nur infolge der späteren Einziehung
« Wie 0. Fischer, im Chr. K.-Bl. 1882, 43.
symmetrisch zweiacliifflge Kirchen. ^7
von ateiottberwClbnngen etatt der frttheren Balkendecke, meist jedoch Bchon
nach arsprflnglicber Anlage, und zDweilen selbet östlich in zwei besondere
ChOre ansUnf^od (zo GirkLauBeu an derSfldgrenze von Westfalen, HtlUtadt
und Lqqz im Erzherzogtum Österreich), so dafs gleichsam zwei gleiche ein-
schiffige Kirchen neben einander gebaut erscheinen. Das älteste Beispiel dieser
Anlage ist die Nikolaikapelle zu Soest (etwa gleichzeitig mit der ebenfalls
zwebchiffigen Erypta anter der Klosterkirche
zn Jerichow; s. Fig. 15 S. 54) ans derHitte
des XII. Jahrh.; das merkwürdigste Beispiel
ist die Pfarrkirche za Schwaz in Tirol : sie
ist vierschiffig, mit zwei breiteren Schiffen
in derHitte, deren jedes einen Chor fdrsich
hat, nnd zwei schmaleren Seitenschiffen. —
übrigens besteht das Langhaus dieserKirchen
grofsenteÜB nnr aus einem kleinen quadrati-
schen Räume mit einem Mitte Ipfeil er (be-
sonders balltig in der Hoselgegend).'
Zweiachifhge Kirchen von symmetrischer ^ig. is. Kirsb» m airkhMum
Anlage werden angeführt: In der Mosel-
und benachbarten Rheingegend: Cues (Ho-
spitalkapelle), Driesch, Oraach, Hatzenport, Reilerkirch, Rokeskyll, Traben,
Zelten (aamtlich mit nnr einem Mittelpfeiler), Bornhofen, Clotten, Ediger,
Kempenich, Hannebach (mit zwei oder drei Pfeilern), Namedy (vier Pfeiler) ; in
Westfalen: AlBwede,Apelem, Qirkhansen, Soest (Nikolaikapelle), Wewels-
bnTg(alle mit mehreren Pfeilern) ; in Hessen: Niederaaphe, Niederweidbach
(mit zwei Pfeilern) ; in Mecklenburg: Ankerahagen, Onoien (zwei Pfeiler),
Kittendorf, Mestlin, Reknitz, Schlagsdorf, Seh winken dorf, Tamow; in der
Provinz Brandenburg: Blumenthal nnd einige andere Dorfkirchen in der
Gegend von Bernau, Brandenburg (S. Petri drei Pfeiler), Luckenwalde
(St-Johannis), HflnchebergHarienkirche (zwei Pfeiler), Plane a. /Havel (drei
Pfeiler), Pechflle; im übrigen norddeutschen Tief lande: WalsrodeOm
LQueburgischen, vier Pfeiler, 1847 abgebrochen), Grofs-Hartmannsdorf in
Schlesien (zwei Pfeiler), Prohn (ein Pfeiler) und Lfldershagen (zwei Pfeiler) im
Kreise Pranzburg-Pommem, Hütten in Schleswig mit drei Pfeilern ; in B ay e r n :
Augsburg (Dominikanerkirche), Nürnberg (Euchariuskapeile), Walleratein
(Pfarrkirche) j in Böhmen: Eger (Bartholomäus kapeile), Kuttenberg (Wen -
zelskapelle, Pilsen (Barbarakapelle), Prag ( Maria Verkflndtgnng), sämtlich mit
einem Pfeiler, Qojan und Sobieslan (Dekanal- und Spitalkirche) mit zwei Pfei<
lern, Bechin (Dekanal nnd Hinoritenkircbe), Blatna, Kaplitz undVodnian mit
drei Pfeilern, Witttngau mit vier Pfeilern; im Erzherzogtum Österreich
mit fünf Pfeilern : Lnnz ; mit vier Pfeilern : HSrsching (hat noch zwei
Seitenschiffe angebaut) nnd Weifsenbach ; mit drei Pfeilern : Enns (daneben
noch eine zweischiffige Johanniskapelle mit zwei Pfeilern), Qrttnbach, Im-
bach, Köaigswiesen, Kreuzen, Mauthhausen und Ried (in den letzteren drei
' Vergl. Lotz, W., über die zweischiffigen Kirchen, im Korr. -ßl. d. Ges.-V. 1850,
37. — »Über die Bedeutung zweiach. K. in Tirol*, im Kirchenschmuck. 1870, XXVn,
21 ff. >ZweischifGge Kirchen in Stciermart«, im Kirchenachmuck. Sekkau ISSU, No.
» n. I».— Orondrisseu. s. w. zweischiffiger Kirchen, im österr. Äthis. Taf. 10. 58.S2-
gg Hallenkirchen. Türme.
das westlichste Joch dreischifißg) ; mit einem und zwei Pfeilern: £dlitz,
Hallstadt y St. Johann bei Ternitz, Kirchberg am Wechsel , Klamm , Loiben,
St. Pankratius bei Klein, Mariazell, St. Pantaleon, Payerbach, Peggstall,
Petzenkirchen, Raach, Rems, Salingstadt, Schwerdberg, Schleistheim,
Schrembs, Thaya, Waidhofen a./Ibs (Spitalkirche), Weitersfelden, Wiesel-
barg, Wirflach; in Steiermark: mit vier Pfeilern: Kammer, Zeyring
(St. Oswald), mit drei Pfeilern: Brück a./Mur (St. Ruprecht), Friedberg,
Knittelfeld (St. Marien), mit zwei Pfeilern: Judenburg (St. Magdalena),
Irschen (St. Dionys; die Pfeiler in seltam schiefer Axe aufgestellt), Ko-
benz bei Knittelfeld, St. Katharinen in Offeneck bei Weix, Niederhofen
bei Pttrgg, Oberwölz (Spitalkirche), mit zwei Chören: Kathrein bei Brück
(St. Alexius), St. Lorenzen bei Knittelfeld (Benediktinerkirchlein), mit drei-
schiffigem Chor: Pöllauberg (St. Marien), aufserdem noch ohne nähere
Angaben: Breitenau (St. Erhard), Lichtenwald, Schöder, Windischgrätz ;
in Tirol mit zwei Chören: Schwaz (Pfarrkirche), Rattenberg (Pfarrkirche),
Markt-Schönna (Martinskapelle), Chor dreischiffig : Feldkirch in Vorarlberg
(mit fünf Pfeilern) , aufserdem: Soll, St. Jacob bei Tramin, Unterfenberg ;
in Krakau: St. Crucis (mit einem Pfeiler und rechteckigem Chor), ehemals
auch St. Barbara, wo wie inOber-Hautzenthal in Nieder -Österreich die ur-
sprünglich zweischiffige Halle durch spätere Entfernung der Pfeiler und Ge-
wölbe einschiffig geworden ist.
Anmerkung. Neben der basilikalen Anlage, bei weicher die Seiten-
schiffe wie die halbe Breite, so auch ungefähr die halbe Höhe des Mittelschiffs
— bei vorhandenen Emporen natürlich bedeutend mehr — haben und unter
besonderen Dächern liegen, giebt es auch Kirchen, in denen die Seitenschiffe
mit dem Hauptschiffe (ziemlich oder genau) von gleicher Höhe sind und gewöhn-
lich mit demselben eine gemeinschaftliche Bedachung haben. Diese hat man
neuerdings, nach Lübkes Vorgange (s. dessen Kunst in Westfalen S. 33) und
mit allseitigem Beifall passend Hallenkirchen genannt: sie gehören Deutsch-
land fast ausschliefslich an, und in Westfalen scheinen (doch wohl kaum vor
dem XUI. Jahrhundert) die ersten noch romanischen Versuche damit gemacht
worden zu sein (Kirche zu Deme, Servatiuskirche zu Münster, Marienkirche
und Nikolaikirche zu Lippstadt, Dom zu Paderborn etc. etc.), denen sich die
Elisabethkirche zu Marburg (seit 1235) als erstes gotisches Beispiel dieser Gat-
tung anschliefst, welche in der Spätzeit zur entschieden vorherrschenden wird.
22. Die Türme.«
a. Ursprünglich hatten die Kirchen keine Türme, und da diese
etwa gleichzeitig mit den Glocken au%ekommen sind, welche, imi weit
hörbar zu sein, in der Höhe aufgehängt werden mufsten, auch bis auf
die Gegenwart die Aufnahme der Glocken als Hauptbestimmung der
Kirchtürme erscheint, so könnte letzteres die Veranlassung zu ihrer
Entstehung gewesen sein, wenn nicht gerade die ältesten bekannten
Türme der Kirchen erweislich zunächst anderen Zwecken gedient hätten.
»Weiiigärtiier,W., System des christl. Turmbaues. 1860. — Unger, F. W., zur
Gesch. der Kirchtürme, in den Bonner Jahrb. XXIX. und XXX, 21—64. — Vergl.
Klein, J. Val., die Kirche zu Grofsen- Linden bei Giefsen. 1857, 30 ff.
Troppentünne. g9
Die ältesten Glocken waren klein und leicht nnd fanden ihre Stelle,
wenn sie nicht neben der Kirche auf einem Gerüst^ aufgehängt wurden, in
einem Dachtürmchen (turriculd). Besondere aufwändige Bauten, wie es die
Kirchtürme sind, waren dazu nicht erforderlich. Dagegen war es natürlich,
die Glocken auf den Türmen aufzuhängen, wenn letztere bei den Kirchen
bereits zu anderen Zwecken vorhanden waren.
b. Die Türme sind entweder mit dem Kirchengebäude verbunden
und erheben sich bei gröfseren Kirchen der Regel nach paarweise auf
den Flanken der Westfront, oder sie stehen isoliert und einzeln neben
den Kirchen: jene waren ursprünglich Treppengehäuse (cöcÄ/eana), diese
Warttürme.
In den morgenländischen Basiliken, welche im Langhause Emporen
hatten , ergab sich von selbst die Notwendigkeit, die Treppen zu den Em-
poren auf beiden Seiten des Eingangs anzulegen. Deshalb finden sich z. B.
an der Frontwand der spätestens dem VII. Jahrh. angehörigen Kirchenruinen
zu Turmanin und Qualb-Luzeh in Syrien^ zu den Seiten des weiten Thor-
bogens zwei quadratische Treppenhäuser, die ihrer Bestimmung gemäfs zwar
nur bis zur Höhe des basilikalen Mittelschiffs hinaufgeführt sind , denen aber
nur die Helme fehlen , um ihnen völlig das Ansehen von Frontaltürmen zu
geben, wie dieselben im Mittelalter bei den gröfseren Kirchen diesseits der
Alpen die Regel wurden. Beim Dome zu Trier, welcher in seinem noch nach-
weislichen ursprünglichen Kerne von allen deutschen Kirchengebäuden die
ältesten, aus der Römerzeit herstammenden Überreste enthält, haben umfas-
sende Lokaluntersuchungen ergeben, dafs die Fa^ade des ursprünglichen
Baues, den Schiffen des Innern entsprechend, sich in drei weiten Bögen gen
Westen öffnete, und dafs zwischen diesen Eingangsbögen Verstärkungspfeiler
hervortraten, und zwei viereckige, im Grundbau nachgewiesen Treppentürme
auf den Ecken standen. Die in den Türmen befindlich gewesenen Treppen,
deren unterste Stufen noch aufgefunden wurden, führten zu dem Oberstock-
werk und unter das Dach des Gebäudes. — Das von Karl dem Grofsen er-
baute, noch erhaltene achteckige Münster zu Aachen zeigt auf den Flanken
seines westlichen Vorbaues zwei runde Treppentürme, in denen man die Em-
pore der Kirche und ein drittes, nicht mehr ursprüngliches Stockwerk der Vor-
halle ersteigt, das zur Aufnahme der Glocken bestimmt war (s. Fig. 26). — Der
westliche Nonnenchor des Münsters zu Essen aus dem X. Jahrh. steht ebenfalls
zwischen zwei kleinen Rundtürmen mit Wendelstiegen, die auf die Empore
und in die oberen Stockwerke des Chores führen, dessen achteckiger Hoch-
* Von Petershausen (gegründet 983) berichtet das Chron. Peterhus. V, 8 ausdrück-
lich, dafs die Glocken pendebant in quatiwr cölumnis juxta ecciesiam, und dals ei-st
Abt Conrad (1126 — 1164) fecü domum campanarwn super ecclesiam (was in diesem
Falle nicht einen Dachreiter, sondern den isoliert neben der Kirche stehenden Glocken-
turm bedeutet), weil damals 3 neue Glocken, darunter eine sehr ansehnliche, gegossen
waren.
2 de Vogüe, Melch., Syrie centrale etc. Paris 1865 (Kupfer ohne Text). Taf.
124. 132. 135. Vergl. Schnaase. HI, 134 f.
\Q Treppen- und Warttürme,
baa die TOrme flberragt. Dies sind die aich dsrbietenden ftltesteo Beiepiele,'
denen sich ttberdies andere ans dem XI. Jahrbnodert anreiben, nnd die bin-
Unglicb beweisen , dafs die ältesten in Verbindung mit Kirch engebSuden
vorkommenden Tflrme ganz mit Treppen angefüllte, nnd znr Aufnahme von
Glocken nicht geeignete Stiegenhanser von geringem Dnrchmeaser (in Essen
2,82 im Lichten) waren, welche, nrsprftnglich das OebSnde nicht Überragend,
zuweilen spftter durch Anfsetznng eines mit ScliallCfiiinngen versehenen
Stockwerkes erhSht nnd als Olockentflnne eingerichtet wurden. Die paar-
Fli. M. lllliiKtr in Ancbtn (web Hiniiu).
webe Anordnung erklftrt sich aus Rücksichten auf die Symmetrie hinläng-
lich; bei der Enge dieser Schneckenatiegen kOnnte der eine Tann den
Hinau&teigeuden , der andere den Hinabsteigenden gedient haben.
Anderweitig begegnen wir in den klCsterlichen Niederlassungen der
SchottenmOnche, welche seit dem VII. Jahrb. Deutschland miBsionierend
durchwanderten, in dem mit ihren Wohnhfltten erfOllten umschlossenen
Baume neben der Kirche festen Rundtflrmen, die zwar wohl mit einer kleinen
Blechglocke versehen, doch zunftchat als Warten und in Zeiten der Not ala
Znflnchtsorte dienten.^ Den tbatsAchlichen Beweis liefert der Plan des
Klosters von St. Gallen vom J. 820: wir finden hier westlich von der
Kirche (s. Fig. 17 S. 57), in einiger Entfemnng von dem halbkreisför-
migen Sftulenvorhofe derselben, zu beiden Seiten des von anfsen in das
Kloster fUirenden Wegea zwei symmetrisch gestellte , mit Wendeltreppen ge-
fällte RundtOrme angegeben, den nördlichen mit der ihn deutlich als Warte
bezeichnenden Einschrift Hacensusper cocleam aäumverm superimpicietufa*
und den südlichen {»alter dmilist) zu gleichem Zweck, nnd wegen der Stel-
lung auf beiden Seiten dea Zuganges zum Kloster ersichtlich auch zur Ver-
teidigung desselben gegen feindliche Angriffe.
< Den von Klein, a. a 0., 8. 40 ans Yenantiua Fortunatus m, 7 v. t9 fF.
hergeleiteten nnd von Weingärtner, a. a. 0., S. 67 zu vorechnell anfg^ommenen
Beweis , dab die Kirchen Bchon im VI. Jahrb. mit zwei wirklichen Frontutünnen ver-
sehen gewesen seien, hat Uneer, a. a 0., S. 15 fF. widerleg
» Wattenhach, in der Zeitsclir. (. ehr. A. u. K. I, 23; vergl. Sehnaase, IV,
600. über die wehrhafte Bedeutung von Kirchtürmen in befestigten Dortanlagen und
auch vielen städtiachen, a. ob. S. tS f. Entschieden ein Fefitungatnrm ist auch der
zu Uünstermaifeld mit eezinnter und mit anagekragton Zlnnenerkem besetzter Plattform,
auch der Turm von St Georg zu Köln widerspricht in seinem Aussehen nicht der
Tradition, daTs er ein Festnngsturm des Erzbischofa Anno sei.
Isolierte Türme. 71
Die isolierte Stellung der Glockentürme, gewöhnlich neben einer
Langseite der Kirche y die in Italien znr stehenden Sitte geworden ist, kommt
in Deutschland, abgesehen von vereinzelten und zubilligen Beispielen (der
rote Turm auf dem Markte in Halle a. d. S., die Türme bei der Bartholomfti-
kirche zu Zerbst, der Johanneskirche zu Luckenwalde, bei der vormaligen
Klosterkirche in Amdsee, beim Dome zu Frauenburg, zu Hochstadt und
Heisa im Reg.-Bez. Kassel , zu Hirschberg im Reg.-Bez. Wiesbaden , östlich
neben dem nördlichen Kreuzarme der Stiftskirche zu Hersfeld, romanisch
neben der Klosterkirche zu Moosburg in Bayern, spätgotisch zu Regensburg
neben St. Emmeram und Obermünster, zu Pettau in Steiermark, angeblich
schon aus dem X. Jahrh. herrührend, zu Terlan bei Meran, zu Ebemdorf in
Kftmthen vor der Südseite, zuVillach in Kärnthen vor der Westseite, ebenso ein
prächtiger von 1466 zu Tramin bei Botzen) nur provinziell verbreitet vor : in
Schwaben (bei der Petri-Paulikirche zu Hirschau vor der Westfront, bei der
abgetragenen Klosterkirche zu Petershausen, beim Münster zu Mittelzeil auf
Reichenau, bei St. Johannis in Schwäbisch-Omünd an der Nordseite, bei St.
Martin in Sindelfingen südlich neben dem Chor) und in B ö h m e n , in dessen öst-
licher Hälfte sich hölzerne Glockenhäuser vom einfachsten, oben gabelmäfsig
geteilten und mit einem Dächlein gekrönten Balken in allerlei Abweichungen
bis zum grofsen Glockenturme (z. B. neben der Georgskirche in Pfasiawic bei
Tumau, von etwa 25,ooHöhe auf achteckigem Unterbau) aller Orten, selbst
in Dörfern ohne Kirchen vorfinden, (ein isolierter Steinturm auch neben der
Bartholomäikirche zu Kolin und neben der Kirche zu Kaurzim). Hölzerne
isolierte Glockentürme kommen überhaupt in den ursprünglich slavischen
Gegenden zahlreich vor, so in Oberschlesien neben den S. 33 erwähnten
Holzkirchen (doch auch bei Steinkirchen, wahrscheinlich als Reste ehemaliger
Holzbauten z. B. in Wieschowa, Kr. Beuthen, ein steinerner auch nordwestlich
neben St. Jakobi in Neisse) sehr schön ausgebildet auch in M äh r en , in manchen
Gegenden der ehemaligen und auch gegenwärtigen sächsischen Länder (z. B.
Mügeln bei Seyda in der Provinz Sachsen), in Preufsen, wo die Ordens-
ritter vielfach den Städten den Bau fester Türme nicht verstatteten, damit
dieselben nicht als feste Punkte gegen den Orden benutzt werden könnten
(z.B. Krockow, Lockau, Schulen); in Ostfriesland stehen alle Kirch-
türme isoliert mit alleiniger Ausnahme des alten verfallenen von Marienhave
und eines ganz neuen zu Leer; in Rastede, Westerstede und Zwischenhahn
in Oldenburg findet sich sogar ein zweiter isolierter Glockenturm aus Back-
stein noch neben den getürmten Kirchen.
c. Bei kleineren, besonders bei einschifSgen Kirchen genügte als
(llockenhaus ein Turm, normal als Vorlage vor der Mitte der Westfront;
doch wurde in manchen Gegenden und namentlich in Niederdeutschland
auch bei gröfseren mehrschüBSgen Kirchen und Kathedralen häufig nur
ein Turm angeordnet, d. h. man liefs die Treppentürme auf den Seiten
weg und bildete die Vorhalle zum Glockenturme aus.
Beispiel einer Landkirche mit zwei westlichen (Rund-) Türmen ist
aufser der kleinen, nur etwa 22,5 langen einschiffigen Kreuzkirche zu
Grofsen -Linden bei Giefsen (vermutlich aus dem XXL Jahrhundert), welche
72 Zahl der Tünne.
überdies noch einen dritten Turm über dem Kreuze hat, die gleichaltrige
und ganz ähnliche Kirche znKondrac in Böhmen, auf welcher zwischen den
beiden Rund türmen noch ein höherer, turmartiger Zwischenbau von Holz
steht. Zwei Türme neben dem Chor hat die Dorfkirche zu Porsitz an der
Sazawa. Sogenannte Zwillingstürme, d. h. ein breiter Westturm, über dem
sich zwei Spitzen dicht nebeneinander entwickeln, finden sich an Land-
kirchen des XII. und XIII. Jahrh. öfter, z. B. Altenbruch im Lande Hadeln,
Broacker bei Flensburg, Ihlo beiDahme, Lugau beiDobrilug. — Als älteste
Beispiele von der Anordnung nur eines Turmes bei bischöflichen Kathedralen
sind die Dome zu Minden und Paderborn aus dem XI. Jahrh. zu nennen : in
Minden legt sich dem westlichen Ende der Kirche in ganzer Breite eine Bau-
masse vor, die erst in beträchtlicher Höhe ein quadratisches Stockwerk aus
ihrer Mitte aufsteigen läfst ; in Paderborn hat der viereckige Turm nur die
Breite des Mittelschiffes und wird von zwei halb so hohen runden Treppen-
türmen flankiert.^ — Die grofsartigen Münster zu Freiburg i. B. und zu Ulm
(aus dem XUI. und XIV. Jahrh.) haben ebenfalls nur einen vor der West-
front aufsteigenden Turm : beide gehören zu den prachtvollsten Turmbauten
Deutschlands. — Nicht immer bildet der Turm eine Vorlage an der West-
seite der Kirche, sondern erhebt sich auch oft aus der Mitte der Front, z.B.
an der Frauenkirche zu Efslingen, deren Turm (aus dem XV. Jahrh.) der Stadt
zur schönsten Zierde gereicht. — An der Marienkirche zu Stolberg a. Harz
steht der rechteckige Westturm im schiefen Winkel gegen die Axe der Kirche
und schneidet mit seiner nordöstlichen Ecke tief in das Mittelschiff ein, aber
diese Unregelmäfsigkeit erklärt sich aus lokalen Gründen. Völlig vereinzelt
aber ist der Fall, dafs der Westturm absichtlich nicht parallel mit den
Mauern der Kirche, sondern übereck in die Westfront hineingesetzt ist, so
dafs er mit einem rechten Winkel sowohl nach aufsen, als nach innen in das
Schiff der Kirche hineinragt, an der spätgotischen ehemaligen Prämonstra-
tensernonnenkirche zu Pernegg in Nieder- Österreich.
d. In der Zeit vom XI. bis XUI. Jahrhundert machte sich das
Streben geltend, ausgezeichnetere Kirchen durch Vermehrung der An-
zahl der Tünne noch besonders zu verherrlichen, indem man aufser
den beiden westlichen Türmen noch zwei andere zu den Seiten des
Altarhauses anordnete und aufserdem, vorzüglich am Rhein, noch einen
Mittelturm über der Durchschneidung des Lang- und Querhauses er-
richtete. Später wurde die Anzahl der Türme wieder beschränkt, und
man suchte den Ruhm nicht mehr in der Vielheit, sondern in der Höhe
der Türme.
Die Entstehung eines zweiten Turmpaares in Osten auf den Flanken
des Altarhauses wird aus der doppelchörigen Anlage (s. oben S. 55) völlig
erklärlich, wenn man diese Gebäude ansieht als zwei entgegengesetzt orien-
tierte Kirchen mit gemeinschaftlichem Langhause, von denen die östlich
orientierte ihre Türme in Westen, die westlich orientierte dieselben im
Osten erhielt, und diese Auffassung bestätigt sich ferner als richtig durch
* Ähnliche Turmkomposition in Münstereifel, Münsterinaifeld, Maastricht (lieb-
frauenkirche), Koblenz (St. Castor) und zu Brenz in Württemberg.
Zahl der Türme. 73
die Wahrnehmung, daTs bei doppelchdrigen Kirchen mit zwei Qnerachiffen
(Abteikirche zn L&ach, St. Hichael zn HÜdeBbeim), auch zwei Hittelttlrme,
der eine Ober dem Östlichen, der andere fiber dem weatlichen Kreuze ange-
ordnet «nirden; oder, wenn unr ein Qnerscliiff vorbanden war, wie an den
Domen zu Mainz nud Worms, ein zweiter Mittelturm Aber dem zweiten Altar-
banse. — Die Entstehung und Verbreitung der im Rbeinlande h&nfigen,
anch in Westfalen (Dom zu Osnabrück, MOnster zn Hameln, Ludgerikirche
zu Münster) vorkommenden achteckigen, ein hohes kuppelartiges (soge-
nanntes Kloster-) Gewölbe umschliersenden, bis oben offenen Mitteltflrme
Flg. n. KlMUrklrcba St. HIehMl In Hlldithaln (aacb Hu«).
wird aus dem Einflüsse des karolingi sehen Ceutralbaus in Aachen erklärlich,
wie denn z. B. beim alten Münster von Strafsburg und bei 8t. Quirin in Neufs
die Erweiterung einer urspünglich centralen Anlage durch einen basUikalen
Anbau nachweislich ist. In anderen Gegenden sind die Mitteltürme selten
(St. Michael und St. Godehard zu Hildesbeim, St. Cosmae und Damiani zu
Stade, Stiftskirche zu Königslutter, Kirche zu Kloster-Groningen, St. Ulrich
zu Sangerhansen, Altstädter Kirche zu Artern, St. Urban zu Baiernaumburg,
Stadtkirche zu Freibnrg a. d. U-, Nikolaikirchc zu Treuenbrietzen), um-
schliefsen nicht wie am Rheine und in Westfalen eine Kuppel (nur die kleine
Schlofakirche zu Querfurt zeigt eine solche) und kommen nach dem XUI.
Jahrb. in Deutschland überhaupt nicht mehr vor: die Katharinenkirche zu
Oppenheim und die Thomaskirche zu Strafsburg stellen die einzigen Bei-
spiele rein gotischer Mitteltttrme dar.
Obgleich die Kirchtürme den ersten sechs bis sieben Jahrbnnderten
fremd waren, and ihre Entstehung zunächst nur änfseren Umständen zn ver-
danken ist, so hat sich das christliche Volk aller Schichten an diese »Finger,
die unser Herrgott axis der Erde steckt* doch bald mit gröfster Liebe ge-
wöhnt, so dafs sich auch die ärmste Dorfkirche diesen Schmuck nicht leicht
versagte. Es hat daher nichts Befremdliches, dafs reiche Stißnngen bei ihren
Kirchen die Zahl derTUrme steigerten: die Dome zu Mainz, Speler und
Worms, die Klosterkirchen zu Laacb und St. Michael zu Hildesheim haben
74 Höhe der Türme.
sechs Türme , das Münster zu Bonn ftlnf , die Kirche zu Limburg a. d. L.
sieben y St. Gereon und Aposteln zu Köln und viele andere aus dem Xu. —
Xlll.Jahrh. am Rhein drei Türme; die gotische Marienkirche in Danzig hat
aufser dem grofsen Glockenturme noch zehn andere Türmchen, die sich zum
Teil mehr als 25,oo über das hohe Kirchdach mit schlanker Spitze erheben;
selbst kleinere Stadtgemeinden (wie Freiburg a. d. IT., Wittenberg, Jüter-
bog etc.) schmückten ihre Pfarrkirchen mit zwei stattlichen Westtürmen,
und nicht blofs die Stadtkirche zu Freiburg a. d. U., sondern sogar die Fi-
lialkirche des Dorfes Grofsen -Linden bei Giefsen hat aufser diesen noch
einen Mittelturm. Die hier und da keck hingestellte Behauptung, dafs eine
Pfarrkirche nur einen Turm, eine bischöfliche zwei und eine erzbischöfliche
drei Türme habe, widerlegt sich daher selbst.
Für die Höhe der Türme gab es kein Mafs: die älteren Türme sind
nur niedrig, aber in der Blütezeit der mittelalterlichen Baukunst baute man
sie gern so hoch als möglich, und obgleich die Türme der gröfseren Kirchen
gewöhnlich schon mit dem Altarhause zugleich in Angriff genommen wurden,
so waren sie doch regelmäfsig derjenige Teil des Gebäudes, an dessen Voll-
endung man zuletzt ging, und sind deshalb gewöhnlich unvollendet geblieben
(Dome zu Köln, Regensburg, Ulm etc.), oder es wurde doch nur einer der
projektierten beiden Prachttürme fertig (Münster zu Strafsburg, nach ver-
ändertem Plane ; St. Stephan zu Wien etc.). — An den Domen zu Magdeburg
und Köln ergiebt sich die Länge der Kirche ungefähr als Mafs fOr die Höhe
der Türme.
Als die höchsten Türme in deutschen Landen werden genannt:
Köln, Dom (gröfstenteils Neubau) 157,iio
(Nikolaikirche Hamburg modern 144,20)
Strafsburg, Münster 142,to
Wien, St. Stephan 136,70
Braunschweig, St. Andreas, bis 1551 .... 133,70
(jetzt nur noch 101)
Landshut, St. Martin 132,50
Breslau, St. Elisabeth (seit 1592 nur noch 90,70, nach 130,56
anderer Angabe 108,03)
Hamburg, St. Petri (abgebrannt 1842) .... 127,42
Rostock, St. Petri 126,00
Lübeck , St Marien 123,68
Mainz, Dom, Haupttui*m 122,40
Lübeck, Dom 120,00
Metz, Kathedrale (nach anderer Angabe 112) . . 118,00
Freiburg i. Br. , Münster 117,20
Stralsund, St. Marien 104,47
Magdeburg, Dom 103,25
Stralsund, St. Nikolai 102,50
Augsburg, Dom 102,oo
Bremen, St. Ansgari 101,68
Schweidnitz, Pfarrkirche 100,43
München , Frauenkirche 99,00
(nach anderer Angabe 109)
Abnonne Tarmstellungen. 75
Zwickau, St. Marien 98,55
Regensbnrgy Dom (davon 62,27 Neubau) . . . 96,S3
Marburg, St. Elisabeth 95,00
Halle, roter Turm 84,00
Frankfurt a. M. , Dom 82,00
Ulm, Münster (projektiert auf 151) 80,00
Meifsen,Dom 78,00.
Die vorstehenden Angaben sind zwar den besten Quellen entnommen,
können jedoch keineswegs sämtlich als vollkommen zuverlässig gegeben
werden, da die Resultate der Messungen oft sehr schwankend sind. Bei
dem Turme des Freiburger Münsters z. B. ergab von zwei trigonometrischen
Messungen die eine 111,92, die andere 113,io, von zwei Stangenmessungen
die eine 115,65, die andere 115,S4. Nach Mollers Zeichnung beträgt die
Höhe 117,20, und nach Kugler 385 F. rh. -= 120,83. (^ergl. Adler in der
Deutsch. Bauz. 1 S8 1 , 529.)
Anmerkung. Es bedarf kaum der Bemerkung, dafs sich die mannig-
fachsten Modifikationen der (vorstehend b. c. d. angegebenen) verschie-
denen Normalstellungen der Kirchtürme^ nachweisen lassen. Die
beiden Westtürme haben zwar regelmäfsig die Frontstellung in der Flucht
der Seitenschiffe, derFa9ade eingebaut (nur ausnahmsweise , wie in Friedberg,
wo sie unten eine Durchfahrt bilden, derselben vorgebaut), sind aber nicht
immer von Grund aus jeder für sich als selbständiges Bauwerk aufgeführt: in
Niedersachsen (Aken, Braunschweig etc., in einzelnen Beispielen auch in Ober-
sachsen) steigen sie vielmehr erst über den Flanken eines die ganze Breite der
Kirche einnehmenden rechteckigen Baukörpers auf, der in den unteren Stock-
werken die von den Wendelstiegen eingeschlossene Vorhalle, im Obergeschofs
die Glockenstube enthält. — Am Dome zu Trier sind über dem Westende der
Seitenschiffe zwei viereckige Glockentürme angeordnet, es treten aber auf den
äufseren Ecken derselben noch zwei niedrigere , fast ganz frei stehende runde
Treppentürme hinzu: eine Anordnung, welche sich an der gleichzeitig dem
XI. Jahrhundert angehörenden Klosterkirche zu Limburg a. d. H. wiederholt.
— Die Chortürme stehen zu den Seiten des Altarhauses dem östlichen Ende
bald mehr, bald weniger nahe: am Ostchore des Domes zu Mainz erheben sich
die beiden Rundtürme auf den äufseren Ecken der das Altarhaus begleitenden
seitenschiffartigen Räume, von unten auf nur zur Hälfte freistehend; an den
beiden Chören des Domes zu Worms stehen die vier Rundtürme in der Flucht
der Seitenschiffaxen und schneiden, wie die Chortürme des Merseburger Domes
(s. den Grundrifs S. 46), tief in die Seitenwände des Altarhauses ein. — Die
Dome zu Speier, Bamberg, Magdeburg und Naumburg, auch die Abteikirchen
zu Laach und Knechtsteden haben quadratische Chortürme, die in dem durch
die Mauern des Altar- und Querhauses gebildeten Winkel aufsteigen. Ander-
weitig finden sich zwei Osttürme über den Kreuzarmen oder statt derselben
angebracht: Georgskirche in Prag, Pfarrkirchen zu Kaurzim, Königgrätz,
Nachod, Priethal, Dorfkirche St. Wenzel zu Sejtschin bei Jung-Bunzlau, Marien-
* Über die verschiedene Stellung der Türme vercl. üngewitter, Lehrbuch der
got Eonstniktionen , 353 und Redtenbacher, Rua., Leitfaden zum Studium der
jnittelalt. Bauk., 193.
76 Abnorme Turmstellungen.
kirche in Reutlingen; heil. Kreuzkirche in Gmünd, St. Stephan in Wien; bei
der Klosterkirche in Hamersleben und der heil. Kreuzkirche in Breslau steheu
die Türme in dem Winkel auf der Westseite des Querhauses. — Der Dom in
Erfurt (ursprünglich) und die nahe gelegene Severikirche daselbst habeu an
der Ostseite (zwischen Chor und Schiff) einen breiten, in drei Spitzen aus-
laufenden Turmbau, ebenso, aber nur mit zwei Spitzen über den Flanken die
jetzigen Dorf-, ursprünglich Klosterkirchen zu Gangloffsömmern und Otten-
hausen im Kreise Weifsensee des Reg.-Bez. Erfurt, und die beiden quadratischen
Türme der aus drei gleich langen Schiffen bestehenden Kirche zu Altenstadt
bei Schongau bilden den östlichen Abschlufs der Seitenschiffe. — Die doppel-
chörige Kirche des Michaelisklosters zu Hildesheim (s. die Abbild. S. 73) hatte
weder West- noch Osttürme, dagegen aufser den beiden Mitteltürmen über dem
östlichen und westlichen Kreuze, ganz aufserge wohnlich vor der Mitte der vier
Kreuzflügelfronten runde Treppentürme als Aufgänge zu den im Innern befind-
lichen Emporen.
Bei Kirchen mit nur einem Turme, der dem Mittelschiffe ganz oder teil-
weise vorgebaut oder auch ganz in dasselbe eingebaut sein kann , kommen ge-
wisse Abweichungen von der westlichen Normalstellung (s. oben c) in manchen
Gegenden so häufig vor, dafs sie für diese geradezu die Regel bilden. So pflegt
z.B. in Schwaben (Stephanskirche zu Konstanz, heil. Kreuz zu Rottweil , Stifts-
kirche zu Hechingen, Frauenkirche, Martinskirche und Spitalkirche zu Mem-
mingen etc.) der Turm an einer Langseite der Kirche zu stehen , häufig aus
älterer Zeit stammend , als der Kirchenbau selbst ; ja es werden Beispiele an-
geführt, wo die Kirchen in dieser oder anderer Weise an alte römische Kriegs-
türme angebaut sein sollen.^ Jedenfalls erinnert diese auch im bayerischen Ge-
birgslande, in Tirol (Pfarrkirche zu Botzen etc.) und in Schlesien vorkommende
Stellung des Turmes an den in jenen Landstrichen auch jetzt noch nicht sel-
tenen isolierten Standort des Glockenturmes neben der Kirche (s. oben S. 71)
und könnte daraus hervorgegangen sein. In Mühlhauseu i. Th. haben die Pfarr-
kirchen der inneren Stadt zwei Frontaltürme, bei den meisten Kloster - und Vor-
stadtskirchen daselbst aber steht der Turm an einer Langseite. — Eine andere
Anomalie bei kleineren Kirchen seit dem XU. Jahrh. , dafs der Turm östlich über
dem rechteckigen oder quadratischen Altarhause steht, aus dem etwa nur eine
Halbkreisapsis herausspringt, oder dem später ein polygoner gotischer Chor
angebaut ist, wird, soweit sie nicht aus Sparsamkeitsgründen hervorgegangen
ist, hauptsächlich auf fortifikatorische Absichten zurückzuführen sein. Sie ist
in Süd- und Mitteldeutschland überaus verbreitet. Im Elsafs sind bis jetzt von
Kraus 17 Beispiele aus der romanischen und Übergangszeit und 6 gotische
angeführt , im Reg.-Bez. Wiesbaden 12 romanische und 7 gotische , im Reg.-Bez.
Kassel 11 romanische und 38 gotische. In Württemberg ist es bei den romani-
schen Landkirchen die Regel, sie bilden etwa ein Viertel sämtlicher Kirchen des
Landes ; aber auch gotische kommen vor an der Walderichskapelle bei Murr-
hardt von 1489 und besonders gewaltig an der Kirche zu Balingen von 1500.
* In Theilenhofen, Ascholting bei Tölz, Beigen bei Nouburg a. d. Donau etc. Vergl.
Krieg V. Hochfelden, Gesch. oer Militär -Arcnitektur, 106. Einbauungen von Krie^-
tüi'men in Kirchen sollen überhaupt öfter vorkommen, und als unsicheres Beispiel wird
die Marienkirche zu Salzwedel erwähnt. Vergl. Korr. - Bl. d. Ges.- V. 1860, No. 13 — 15.
Grondfonn der Türme. 77
Ebenso sind sie ib Österreich sehr zahlreich ; allem im Kreise ob dem Mann-
hartsbei^e siod 14 romanische nnd 7 gotische Beispiele Damhaft gemacht, in
Böhmen dagegen als einziges Beispiel die WcnzeUkirche zn Prosek bei Prag.
Sehr zahlreich sind sie anch in Thüringen nnd in der Altmark, wahrend im
Hannoverschen der Moritzberg bei Hildesheim und In Ostlriesland Eitsum (über
dem Chore) nnd Pilsnm (aber derVierung) die einzigen Beispiele sind. —An den
Spital liirchen zn Neuhaus und Sobieslaw in Böhmen erheben sich schlanke
achteckige Türmchen über dem Triumphbogen des niedrigeren Chors an der
Oetseite der Schiffsgiebelwand.
Plf. M. TBrms ii Mtnabnrt, P(l«nb*n nnil KObnitnuii <B>rh Faltrlch).
e. Die Grundform der Türme ist gewöhnlich das Quadrat, dessen
Seite insgemein etwa der Breite der Seitenschiffe entspricht In älterer
Zeit bis zum XTTT. Jahrhundert waren auch RundtUrme beliebt: stets
paarweise, teils anderen viereckigen Türmen als Treppenhäuser vorgelegt,
teils namentlich auch als Chortürme, wo ihre Exeisform mit den halb-
runden Apsiden harmoniert, selten dag^en in eigentlicher Frontalstel-
lung neben dem westlichen Hauptportal. — Die Kuppeltürme über der
Kreuzung oder dem Altarhause sind regelmäTsig achteckig, andere Mit-
teltüime gewöhnlich quadratisch.
Am Dome zn Magdeburg decken sich die Grundrisse der beiden west-
lichen Türme nnd der Krenzarme. — Bei Kirchen des XII. nnd XIII. Jahrh.
mit nur einem Tarme hat dieser in manchen Gegenden nicht quadratischen,
sondern rechteckigen Grandrifs nnd nimmt die ganze Breite der Westseite
78 Aufbau der Türme.
ein : häafig in der Gegend von Halle a. d. S., am Harz, sporadisch auf dem
Fläming (Werder bei Jüterbog), darchgehend bei den Feldsteinbauten in der
Altmark, Priegnitz und Uckermark, mit denen das Land bedeckt ist.
Runde Treppentürme sind den viereckigen Türmen an den Domen zu
Trier und Paderborn (XL Jahrh.) vorgelegt (s. S. 72). — Runde Chortürme
neben beiden Chören der Dome zu Mainz und Worms, neben dem Westchore
der Klosterkirchen zu Essen und Gemrode, neben dem Ostchore des Domes zu
Merseburg und der Pfarrkirche zu Gelnhausen ; ' runde Frontaltflrme an den
Dorfkirchen zu Grofsen-Linden und Kondrac (s. oben S. 71 f.), an den Kloster-
kirchen zu Möllenbeck in Westfalen und Oldenstadt (Olzen), an der Marien-
kirche zu Magdeburg ; sie erinnern in ihrer Erscheinung an die gleiche Turm-
stellung neben Stadtthoren.* — Einzelne Rundtürme an der Westfront finden
sich an zahlreichen kleinen alten Kirchen im Fürstentum Lüneburg ' und
sind offenbar zum grofsen Teil ehemalige Warttürme. — An Grofs - St. -Martin
in Köln erheben sieh neben dem hohen viereckigen Mittelturme achteckige
Ecktürmchen. Achteckig sind auch die Glockhäuser, welche am Graltempel
des Titurel (Zarncke Str. 57 — 60) zwischen je zwei der Chöre in 6 Stock-
werken, auf jeder Seite mit zu 3 gruppierten Fenstern aufsteigen. — Runde
Treppentürmchen, in untergeordneter Weise den Ecken der Kirchen vor-
gelegt, mit den Aufgängen zu den Dachräumen kommen in späteren Jahr-
hunderten sehr häufig vor und nehmen zuletzt eckige Form an : Marienkirche
in Zwickau etc. — Die Kirche Mariastiegen in Wien hat an ihrer Südseite
einen siebeneckigen Turm , die zu Steyer in Österreich einen sechsseitigen.
f. Die Tünne* älterer Zeit behalten bis zur Bedachung ihre] vier-
eckige oder runde Grundform bei und haben nur im Oberstockwerke
FensteröfBaungen, während die unteren Stockwerke blofs von kleinen
LichtöfBaungen zur notwendigsten Beleuchtung der Treppen durchbrochen
und nur vom Innern der Kirche aus zugänglich sind; seit dem Xu.
Jahrhundert jedoch setzt das Viereck in den oberen Geschossen gewöhn-
lich ins Achteck imi und endet in einen hohen, insgemein achteckigen
Helm, und seit dem XIIL Jahrhundert stehen die zuweilen von aufseu
zugänglichen Türme oft mit dem Innern der Kirche in Verbindung und
sind häufig bis ziun Erdgeschosse herab mit mehr oder weniger grofsen
Fenstern versehen.
An massigen und roheren Bauten auch des späteren Mittelalters bleiben
die Türme bis oben hinauf viereckig ; die vier Wände laufen, alle vier oder
nur zwei, in Giebel aus und schliefsen oft ohne Hinzufügung eines Helmes
* Diese cylindrischen Türme, bei geringem lichten Räume durch die in ihnen be-
findlichen steinernen Wendeltreppen überaus fest in sich zusanunen^halten, sind oft
(wie an den Domen zu Mainz, Worms und Merseburg etc.) die einzigen Überreste
von älteren Bauwerken, besonders des XI. J^irh., wenn auch mit erneuten Oberstock-
werken.
* Sehr weitläufig verbreitet sich hierüber Klein, Kirche zu Grofeen- Linden, 31 ff.
» Vergl. Abb. bei Mithoff. H. Taf. 3. IV. Taf. 1 u. 2. V. Taf. l u. «.
« Abb. von Tümien, bei Redtenbacher, Beiträge Taf. 30—36; Essenwein,
Backst., 15 f. und Taf. X; Ungewitter, Lehi-b. Taf. 42—45.
Turmhelme. Turmkapellen. 79
«ntweder mit einem Kreuzdache oder mit einem gemeinen Satteldache,
dessen Giebel bei quadratischen Türmen gewöhnlich gen West und Ost, bei
rechteckigen dagegen regelmäfsig nach Nord und Süd schauen. — In Nieder
Sachsen (z. B. in Braunschweig und Göttingen) sind die Turmpaare der
Kirchen schon von da an, wo sie aus ihrem, etwa nur ein Drittel der Ge-
samthöhe betragenden gemeinsamen Unterbau (s. oben die Anmerkung S. 75)
aufsteigefi, achteckig, was keinen vorteilhaften Eindruck macht. — Sehr
ungewöhnlich ist, dafs der viereckige Turm der Franciskanerkirche zu
Prefsburg in den beiden überaus zierlichen obersten Geschossen und im
Helme in das Sechseck umsetzt, und der eben falls sehr zierliche der Cla-
rissinnenkirche daselbst aus dem Fünfeck construiert ist.
Wie schon die äufsere einheitliche Verbindung der Turmbauten mit der
Kirche im Vergleich mit der Separatstellung der ersteren als glücklichere
Lösung der Aufgabe betrachtet werden mufs, so war die innere Kommuni-
kation des unteren Raumes mit dem Langhause der Kirche noch ein weiterer
wesentlicher Fortschritt : an den Domen von Strafsburg und Köln bilden die
Türme (nach dem Muster des französischen Kathedralstils) den Zugang zu
den Seitenschiffen, eine nachahmenswerte, doch selten beobachtete Einrich-
tung. Die Münster von Freiburg i. B. und Ulm haben nur einen Turm vor
der Mitte der Westfront, derselbe bildet jedoch zugleich den Haupteingang
und die Vorhalle der Kirche. An vielen Barchen mit zwei Westtürmen (be-
sonders in Pommern, aber auch anderwärts z. B. im Dome zu Regensburg,
in der Stiftskirche zu Xanten, Nikolaikirche zu Jüterbog etc.) ruhen die
Türme einwärts auf starken Pfeilern und öffnen sich in hohen Bögen, östlich
in die Seitenschiffe, nördlich, resp. südlich in den Zwischenbau.
Die rheinländischen und oberdeutschen Prachttürme (Dome in Köln und
Regensburg [nach dem Entwürfe], Münster zu Strafsburg, Freiburg i. B. und
Ulm , St. Stephan zu Wien) sind mit zum Teil modernen luftig durchbroche-
nen Steinpyramiden gekrönt, die in Norddeutschland sehr selten und nur
in kleinem Mafsstabe (der s. g. höckerige Turm am Dome zu Meifsen) vor-
kommen und am Dome zu Frankfurt a. M. und an Mariastiegen in Wien eine
kuppelft^rmige Gestalt annehmen. — Die meisten Turmdächer bestehen aus
mit Schiefer, Metall oder Ziegeln gedeckten Holzkonstruktionen von zum
. Teil überaus schlanker Form und Höhe, wie an den Lübecker Kirchen. An
der Teynkirche zu Prag sind sie mit vier kleineren ausgekragten Türmchen
{ichaugettes y Schilderhäuschen nennt sie Viollet-le-Duc) besetzt, der
Turmhelm der Marienkirche zu Krakau sogar mit deren acht. Dieser Helm
ist auch in '/a seiner Höhe mit einer Krone (selbstverständlich der Himmels-
königin) umgeben, wie solche in Gestalt von Frauenschuhen auch die pro-
jektierte Spitze des Ulmer Münsterturms umgeben sollten. Die grofse Mehr-
zahl dieser Helme ist leider seit dem Ende des XVI. Jahrhunderts durch ge-
schmacklose Bedachungen in Form von Zwiebeln und welschen Hauben oft
in drei bis vier Etagen übereinander ersetzt worden.
Anmerkung 1. Das Innere der Türme wurde oft zu Kapellen be-
nutzt, und zwar nicht blofs im Erdgeschosse (wie in den Osttürmen der Pfarr-
kirche zu Gelnhausen); in den westlichen Domtürmen zu Wien, Naumburg
und Meifsen finden sich z. B. zwei Kapellen über einander angebracht, und
eine ähnliche Einrichtung erscheint im Turme der Kirche zu Idensen in West-
80 Schmuck der Turmspitzen.
falen. — Auf dem Baurisse von St. Gallen sind oben auf der Höhe {in summitafe)
der beiden Rundtttrme Altäre der Erzengel (nördlich Gabriel , südlich Michael)
angegeben, Michaelskapellen finden sich auch in den Türmen des Freiburger
Münsters, zu Fulda, Lorsch. und Reichenau.^ — Von GlockenstUhlen ist der
18,00 hohe, jetzt 13 Glocken tragende des Freiburger Münsters (von dem
Adler aus technischen Details nachweist, dafs derselbe vor Errichtung der
Turmwände ca. 1273 aufgestellt sein mufs), noch heute tadellos erhalten.^ —
In die Turmknöpfe pflegte man Reliquien und Urkunden einzulegen; letztere
enthielten teils Nachrichten über den Bau, teils Gebete. Dergleichen Doku-
mente aus dem XV. und XVI. Jahrhundert findet man abgedruckt z. B. in den
N. Mitt. Th. 8.-V. III, 4, 125 ff. und in v. Dreyhaupts Beschreib, des
Saalkreises I, 1015 f. — Der Hahn auf dem Glockenturme {campanarium)
kommt schon im X. Jahrhundert zu St. Gallen vor : ^ dieser ^praeco dien be-
zeichnet erinnernd die Wachsamkeit in Beobachtung der kanonischen Stunden ;
vor Erfindung der Uhren richtete man sich mit dem Anfange des Frühgottes-
dienstes nach dem Hahnenschrei.* — Statt des Hahns kommen auf den Turm-
spitzen auch die Abbildungen der Patrone vor : auf den östlichen Türmen des
Doms zu Merseburg z.B. sind St. Laurentius und 8t. Johannes der Täufer unter
den Windfahnen angebracht. Auf der Spitze des Strafsburger Münsterturms
stand ehedem die Statue der heil. Jungfrau. Dieselbe war auch ftlr den Ulmer
Münsterturm beabsichtigt. Andrerseits laufen die Helme (abgesehen von den
grofsen gotischen Kreuzblumen) ebenso wie die Giebelspitzen häufig in stili-
sierte Steinkreuze aus. Beispiele von solchen bei Redtenbacher Beiträge
Taf. 28. 29. Andrer figürlicher bildnerischer Schmuck ist an den Tnrmhelmen
selten. Um den zu Strafsengel in Steiermark stehen statt der Fialen acht Engel
mit Blasinstrumenten. — Die bei städtischen Pfarrkirchen besonders in den säch-
sischen Gegenden (z. B. in Freiburg a.d. U., Grofs-Salza, Halberstadt, Halle,
Jüterbog, Stendal, Wittenberg; aber auch in Wiener -Neustadt, Efslingen,
(Dionysiuskirche), Markgröningen etc.) nicht selten vorkommende Verbindung
der beiden Frontaltürme durch eine Brücke hat den Zweck, dem oben wohnen-
den Türmer die Umschau von beidenTürmen zu ermöglichen. Bei der Diony-
siuskirche zu Efslingen findet, jedenfalls zur Erleichterung der Kommuni-
kation, sogar eine zweifache Überbrückung zwischen den beidenTürmen statt.
Anmerkung 2. Bei Kirchen mit mehreren Türmen werden die ein-
zelnen, um sie von einander zu unterscheiden, gewöhnlich mit besonderen
Namen benannt. Die beiden westlichen Türme des Doms von Wien heifsen
Heidentürme,^ die östlichen Türme des Freiburger Münsters haben den Namen
* Ober Türme als Kultusstätten vergl. Wein gärtner, System des ehr. Turmbaues, 27.
» Vergl. Adler, in d. Deutsch. Bauz. 1881, 505. Fig. 14— 17.
* Pertz, M. G. Scriptores. 11, 105.
^ CJonsuetudines monasterii S. Yitoni Virdunensis (angeblich aus dem X. Jahrh. —
Martene, de ritibus. lY, 853): Cum lucem ales nwnciaverü ^ däbuntur omnia Signa.
Ahnlich schon Augustinus vom Frühgebet. Vergl. Kreuser, Eirchenbau. I, 232. Vergl.
Heinrich, G., der Hahn auf den Kirchtürmen, im Siebenbürg. Korrespondenzblatt.
IV. (1881), No. 2. — Giefers, der »Hahn und der Hase«, im Org. f. ehr. K. 1872,
No. 21. — Abb. einiger hessischen Turmhähne bei Statz und üngewitter. Taf. 11,
Fig. 9. Taf. 12, Fig. 8.
* Sehr wahrscheinlich als Erinnerung an die ehemalige, bei der Kirche vorbei-
führende ^sirata nemoris paganarunn^. Vergl. Otte, BauE., 252.
Dachreiter. Q\
Hahnentürmchen ; in Basel am Dom werden die westlichen, and am Merse-
burgerDomdie östlichen Tttnne nach den beiden Hauptpatronen dieser Kirchen
benannt; die vier Naumburger Domtürme werden als ^bewohnte^ und ^un-
bewohnte«^ von einander unterschieden ; an der Marktkirche in Halle heifsen
die östlichen die Hansmanns ^-, die westlichen die blauen Türme ; zu Danzig
wird der sich über der Vierung der Marienkirche erhebende Turm Epistelturm
genannt. Von den beiden Türmen der Frauenkirche zu Ingolstadt heifst der
niedrigere derölturm (d.i. Ölbergturm), und am Dome zu Würzburg der nord-
östliche der rote Turm. Der linke Chorturm des Domes zu Worms und der
rechte zu Speier heifsen Eselstürme , weil Esel auf den romanischen Treppen
derselben die Baustoffe hinauf getragen haben sollen , und auch der Dom zu
Kegensburg hat seinen Eselsturm mit derselben Sage, aber mit einer ftlr Esel
völlig ungangbaren Treppe.^
Anmerkung 3. Die Wirtlichkeit der Cistercienser liefs ihnen die kost-
spielige Errichtung von Kirchtürmen als überflüssig erscheinen, und ihre
Kirchen begnügten sich deshalb mit einem über dem Kreuzfelde sich er-
hebenden Dachreiter (turrictUa super ecclesiam)^ welcher auch für ihre we-
nigen und kleinen Glocken hinlänglich war und überhaupt als älteste Form der
Glockengehäuse anzusehen ist. Die Bettelorden , die sich seit dem XUI. Jahrh.
innerhalb der Städte ansiedelten, mufsten sich des allein den Pfarreien zu-
stehenden öffentlichen Glockengeläutes enthalten und durften nur eine kleine
Privatglocke haben, für welche ein unbedeutendes Dachtürmchen ausreichend
war. Die Dominikaner in Elbing z. B. erhielten 1246 zwar die Freiheit da-
selbst ein steinernes Kloster und eine Kirche zu bauen, jedoch ohne Turm.^
Dagegen hat die Dominikanerkirche in Erfurt zwei schöne achteckige Türm-
chen, die Bettelordenskirchen in Brandenburg haben beide ein schlankes, oben
ins Achteck umsetzendes Glockentürmchen . südlich neben dem Chor, und die
Franciskanerkirche zu Mühlhausen i. Th. hat an derselben Stelle einen hohen
viereckigen Turm, — Dachtürme für die Signalglocken finden sich dem gottes-
dienstlichen Bedürfoisse entsprechend auch über dem Kreuze oder Altarhause
der meisten gröfseren Kirchen und kommen aufser dem westlichen Glocken-
turme selbst bei Landkirchen vor : in Preufsen über dem östlichen , im Magde-
burgischen östlich der Elbe statt eines eigentlichen Turmes über dem west-
lichen Giebel, und zwar hier in der Form einer Erhöhung des Mittelstücks der
Giebelwand über die Dachschräge hinaus, welche mit einer oder zwei Rund-
später Spitzbogenöfihiungen durchbrochen ist, in der oder in denen die Glocken
frei hängen, und an welche später meistens zur besseren Unterbringung der
letzteren ein Fachwerkturm angelehnt ist.
Die auf den Kehlbalken ruhenden, aus dem Firste aufsteigenden Dach-
reiter sind gröfstenteils Holzkonstruktionen, die man der Dauerhaftigkeit wegen
gern mit Metallblechen bekleidete : am Niederrhein z. B. mit stilisierten Blei-
verzierungen, anderwärts, wie das goldene Türmchen über dem Chore des
Domes zu Hildesheim, mit vergoldetem Kupferblech. Unter den selten vorkom-
menden steinernen Türmchen dieser Art zeichnen sich einige, wie die zu Heils-
* Hausmann ist der Turmwächter, oft zugleich Stadtpfeifer.
* Vergl. Denzinger, Fr. J., über den sogen. Eselstorm am Dome zu Eegenab.,
in Verh. d. bist. Ver. von Oberpfelz u. Regensb. XXVIII. (1872), 212 ff., m. 2 Taff.
» Vergl. Dreger, Cod. dipL Pom. No. 67, 254.
Otte, Kniut-AxchXologie. 5. Aafl. 6
g2 Torhalle. Paradies.
broDB in FrankeD und zu BebeDhansen, dorcb Bcbluike Formen vorteilhaft aua.
Letzteres rivalieiert fast mit den eigentlichen HitteltOrmen.
23, Der Baum zwischen den beiden westlichen Tünnen {inira tur-
rem — Fdes Grundrisses 8. 46), mit diesen aus demKarthex der alten
Eiiche hervoig^angen, bildet oft ein besonderes, entweder (wie in Kie-
dersachsen gewöhnlich) mit seinen Giebeln g^n die Türme, oder nach
Westen und Osten gewendetes Zwischenhaus, welches im Erdgeschofs
die Vorhalle, im zweiten Stockwerke, wenn ein solches angeordnet ist,
eine Empore {s. unten §. 28) und im dritten die Glockenstube enthäli
Häu% ist aber auTser der inneren Torhalle noch eine äuTsere geschlos-
sene Torhalle oder offene Torlaube • (am Dome zu Merseburg — /f des
Grundrisses — und an der Stadtkirche zu Freiburg a. d. U. westlich,
an den Domen zu Goslar und Magdeburg, sowie an der Benediktiner-
kirche zu Trebitsch, an St Emmeram zu Begensburg und an der Klo-
sterkirche zu Wechselburg nördlich, zu Brenz, Calw und Geislingen in
Württemberg südlich) angebaut, welche oft den Namen Paradies fuhrt
und zuweilen zu einer besonderen Gedächtnisfeier des Sündenialles be-
stimmt war.
Aiaparadüus wird das altchriatliche mit Säuleagängen, Waaeerbeckeo
nDdpricbtigemHoaaikpflaBter(Eusebius, vitk Cbnst. m, 35) versebene atrium
der Basiliken, welches Eusebina (bist. eccL X, i) als einen sehr angenehmen
Aufenthalt schildert, im VIII. Jahrb. von italienischen Schriftstellem (tib.
pODtif. Anast Bibl. c. 79, 1; Faul Warnefr. bist Longob. 5, 31) ncgeachtet des
auch von ihnen erwähnten Harmorpflasters bezeichnet. Gartenanlagen in
demselben scheinen zuerst bei der von Paulinas von Nola ca. 400 erbauten
' 'Zwo vorlovben riche Herten vsoi vor andern tuwi'n die portet (nämlich
nachW. und N., eine dritte Thür nach 8. der Kirche führte in den Kreuzgmg) helfet
ea vom Graltempel, im Titurel, Str. 100 (Zarnke, Str. 95). — Vergl. »Ober Vorhallen
iu den Eircheu Tirols«, Kirchensohmuck. XXVU. (1670), 34 ff.
Paradies. g3
Kirche des h. Felix vorzukommen , wo die aus der Kirche in dies pomarium
führende Thür die Inschrift »eortfu^ in j9ara^»tim« trägt (Paulini Nol. poem.
XXIV. V. 49t u. ep. XXXTT. ad Sever. n. 12). Nach den Bollandisten (A. 8. S.
y. Migi p. 425) sollen aber die Griechen znerst das Atrium mit Bäumen be-
pflanzt haben j und danach könnte man mit Bestimmtheit auf die Bedeutung
von ner^a^iao^ » Baumgarten zurückgehen. ^ Auf dem Plane von St. Oallen
<8. S. 57 Fig. 17) zieht sich koncentrisch um beide Apsiden östlich eine
Mauer y westlich ein Säulengang , beide einen offenen, etwa 4 m breiten
Baum einschliefsendy der als T^paraäisiacus campus^ paradisi planm be-
zeichnet ist, und auf Reichenau wird der kleine rings mit Arkaden umgebene
Garten y welchen Abt Witigowo 991 zur Zierde des Gotteshauses vor dem
Marienmünster anlegte, von Purchard (Pertz, M. G. S. S. IV, 630) dichterisch
als ein irdisches Paradies gepriesen. Zwischen dem Westchor der Münster-
kirche zu Essen und der zu derselben gehörigen Taufkapelle hat sich noch
«in rechteckiger Säulenvorhof aus dem XI. Jahrh. erhalten, der ebenfalls
Tinter dem Namen T>Paradies^ bekannt ist. — Als einzig in ihrer Art in
Deutschland ist die einen kleinen offenen Hof begrenzende gewölbte Halle
aus dem XH. Jahrh. hervorzuheben, welche sich an der Westseite der Kloster-
kirche zu Laach befindet.^ Später, seit dem XII. Jahrh. erscheinen die Para-
diese als mehr oder weniger geschlossene Vorhallen vor den Kirchenportalen
(St. Emmeram in Regensburg, Dom zu Goslar, Klosterkirchen zu Trebitzsch
und Maulbronn etc.) und bilden seit dem XIU. Jahrh. zuweilen eigentliche
Vorlauben, die sich nach den freien Seiten in Bogenstellungen öffnen (Stadt-
kirche zu Freiburg a. d. U., Dom zu Magdeburg). — Die Vorhalle (atrium
ecclesiae) war wie in der alten Kirche, so noch in der karolingischen Zeit
und später der Aufenthalt der Büfser und mit dem Asylrechte begabt. An
diese Sitte scheint sich das s. g. Adam-Austreiben in Halberstadt, wo früher
dem Westportale des Domes ein Paradies vorgebaut war, als eigentümliche,
schon 1391 bestehende, volksmäfsige Feier der Vertreibung der ersten
Menschen aus dem Garten Eden angeschlossen zu haben.' Anderweitig
wurden die Vorhallen der Kirchen regelmäfsig zur Verteilung von Almosen
und zur Entrichtung von Abgaben und Gefällen an die Kirche, zuweilen auch
zu Gerichtsverhandlungen benutzt. In Freiburg i. B. diente die untere offene
Halle des Münsterturms gradezu als Gerichtslaube, ist daher mit hohen
ringsnmlaufenden Steinbänken versehen, und an den Strebepfeilern unter
Baldachinen sind die sitzenden Figuren des Vogtes, des Schultheifsen und
zweier Schoppen angebracht. In dem Reste der ehemaligen Vorhalle der sehr
alten Kirche zu Dottendorf bei Bonn befinden sich zwei durch eine eiserne Kette
verbundene, ziemlich schwere flaschenförmige Steine, welche der Ortsüber-
lieferung zufolge den Büfsenden über denNacken gehängt worden sein sollen.^
* Vergl. de Roisin, la cathedrale de Treves, 51. — Bonner Jahrb. L. u. U^ 270.
* Eine ganz gleiche Anlage befand sich ehedem auch bei dem unter Einfluls von
Laach entstuidenen Kloster Lorch in Württemberg, wo 1874 die Fandamente derselben
aufgegraben worden sind.
' Vergl. Schmidt, Diss. de Adamo Halberstad. in die cinerom ex eccl. ejecto.
Heimst. 1702. — Haber, Nachricht von der Bomk. zu Halberstadt 1793, 31 f. —
V. Raumer, Hist. Taschenb. X. (1839), 465.
* Vergl. Bonner Jahrb. LVH, 213 und Taf. L, 4. — Gengier, G., Stadtrechts-
altertümer. 1882, 135 u. 178.
6*
g4 Thüren.
VorhÖfe und Vorhallen unter dem Namen Paradies , in Westfalen
(wohl aus dem französischen i^parvis^ korrumpiert) Perwisch genannt,
werden erwähnt in Aachen, Alpirsbach, Brenz , Calw^ Corvey, Denkendorf,
Erfurt, Essen, Fritzlar, Geislingen, Halberstadt, Hildesheim, Hirsau, Laach,
Magdeburg, Mainz, Maulbronn (schon im XIII. Jahrh. urkundlich unter diesem
Namen), Mflnster, Nördlingen, Paderborn, Regensburg, Rothenburg o. d. T.
St. Jakob, Speyer, Strafsburg, Trier etc. Auch ohne den Namen finden sich
vielfältig Vorhallen sowohl vor den Hauptportalen als auch vor Seitenpor-
talen , teilweise in dreieckiger Form vorspringend , so an den Domen zu Er-
furt, Regensburg, Wien, an der Dekanalkirche zu Pilsen etc., viereckig in
besonders reich ausgebildeter Erscheinung an der Frauenkirche zu Nürnberg.
24. Der Haupteingang (veUva, die Flügelthür) der Kirche liegt
in der Mitte der Westseite (Grundrifs S. 46 m); Nebenthüren finden sich
an Krenzkirchen insgemein auch in der Front der Kreuzvorlagen.
Die alte Kirche hatte an der Westfront drei Eingänge — janua Irina
— (auch fünf bis sieben, wenn fünf Schiffe, wie zu St. Peter und St. Paul
in Rom), eine Thttr für das Mittelschiff (Priesierihür) j die anderen für die
Seitenschiffe {Männerthür und Frauenihür)^ welche Einrichtung nach dem
Muster der französischen Kathedralen an den Domen von Köln (hier auch
an den Fronten des dreischiffigen Querhauses) und Strafsburg beibehalten
ist. — Dome mit Doppelchören müssen des mittleren Hauptportals ent-
behren, dessen Stelle dann aber (wie zu Bamberg) zuweilen ein Portal an
einer Langseite der Kirche vertritt, während auf beiden Seiten der Apsiden
Nebeneingänge angeordnet sind, auf dem Plane von St. Gallen und am Dom
zu Trier neben der westlichen, an den Domen zu Mainz und Bamberg neben
der östlichen Apsis. An vielen älteren, grofsen und kleinen Kirchen mit
breitem Westturm in Westfalen (Dom zu Paderborn etc.) und in Nieder-
sachsen bis nach Thüringen und in die Mark hinein (Hecklingen, Königs-
lutter, Petersberg bei Halle a. d. S., Wechselburg, Pechüle bei Treuen-
brietzen etc.) ist ein Westportal überhaupt nicht angeordnet, sondern die
Hauptthür liegt hier an einer Langseite des Schiffes, welches gewöhnlich
innerlich mit der sich östlich öffnenden unteren Thurmhalle in Verbindung
steht. — Die Anordnung von Thüren an der Ostseite der Kreuzarme in der
Klosterkirche von Hersfeld (s. den Grundrifs S. 59) ist eben so anomal wie
die übermäfsige Ausladung der letzteren, kommt aber auch in Hecklingen vor.
— Im Graltempel sind der später gewöhnlichen Einrichtung gemäfs drei
Thüren angebracht je nach West, Nord und Süd, welche symbolisch als
Glaube, Liebe und Hoffnung gedeutet werden. — An Landkirchen findet
sich häufig an der nach dem Pfarrhofe zu belegenen Seite des Chorraumes
eine Nebenthür für den Geistlichen. — Seit Einführung des gotischen
Bausystems pflegt an den Hauptportalen die eigentliche Thüröffnung durch
einen Steinpfosten in zwei Abteilungen geteilt zu sein. — Mit der Be-
hauptung, dafs dieKirchthür niedrig und enge sei (Matth. 7, 13. 14.), ist es
nicht allznstr^nge zu nehmen ; die Breite und Höhe der Thür steht insgemein
in richtigem stilgemäfsen Verhältnisse zu dem Gebäude; sie hat bei gröfseren
älteren Kirchen allerdings nur 2 — 3 Vi m, bei den Domen des XIII. Jahrh.
Thümamen. Prachtportale. g5.
aber 4 Vs — ^ m lichte Breite der eigentlichen, vertieft liegenden ThüröflFhung,
während sich die die letztere umBchliefsende Bogenhalle nach aufsen in grofs-
artigster Weise noch sehr beträchtlich erweitert. — Bei Kirchen mit meh-
reren ThUren sind dieselben zuweilen durch besondere Namen unterschieden,
unter denen der Name Brautihür und Eheikwr (z. B. an der Martinikirche in
Braunschweig, Sebaldskirche und Lorenzkirche zu Nürnberg, Jakobikirche
zu Rothenburg o. d. T.) besonders häufig wiederkehrt ftlr die meist an der
Nordseite gelegene, oft mit den Steinbildern der des himmlischen Bräutigams
harrenden klugen und thörichten Jungfrauen geschmflckte Thttr, durch
welche die Einleitung (der Kirchgang) der Bräute und jungen Ehepaare vor
sich ging. Der Dom zu Halberstadt hat eine Totenthür, die Sebaldskirche
zu Nflmberg eine SchauthQr^ eine Schulthür und eine AnschreibthuTy das
Münster zu Freiburg eine SegenihüTj und das Hauptportal von St. Stephan
zu Wien heifst das Riesenthor, Die rote Thür des Doms zu Frankftirt a. M.
führt diesen Namen, weil vor derselben Gericht gehalten wurde ;^ auch zu
Magdeburg kommt im Jahre 1463 eine rote Thor als erzbischöfliche Gerichts-
stätte vor.^
Anmerkung. In der älteren Zeit war die architektonische Ausstattung
der Kirchtüren' von der gröfsten Einfachheit, und erst nachdem im XII. Jahrh.
die Skulptur glänzende Fortschritte gemacht hatte, entfaltete sich seit dem
folgenden Jahrhundert an den Portalen und namentlich am Hauptportale be-
sondere Pracht durch reichen Steinbilderschmuck in Hoch- und Flachwerk an
den schräg eingehenden, sich abstufenden Wandungen, an den diesen ent-
sprechenden Deckbögen und in dem Bogenfelde über dem wagerechten Thür-
sturze. Solche Prachtportale sind die goldene Pforte des Domes zu Frei-
berg, die Fürstenthür des Domes zu Bamberg, die St. Gallenpforte des Münsters
zu Basel, das Portal der Schottenkirche zu Regensburg, das Riesenthor von
St. Stephan zu Wien, das südliche Hauptportal des Domes zu Worms, das der
Augustinerkirche zu Frankenthal bei Worms und der Kirche zu Enkenbach in
der Rheinpfalz, der Kirche des Cistercienser- Nonnenklosters Tisnowitz und
der Benediktinerkirche zu Trebitzschin Mähren, sämtlich aus dem XIH. Jahrb.,
das letztere zwar ohne Statuenschmuck, aber ausgezeichnet durch die reiche
Fülle des Ornamentes; aus späterer (gothischer) Zeit die Portale der Münster
zu Freiburg i. B. und Strafsburg, der Lorenzkirche in Nürnberg, der Dome zu
Augsburg, zu Frankfurt a. Main und zu Magdeburg, der Lambertikirche zu
Münster, der Teynklrche zu Prag etc. Der bildnerische Schmuck der Portale
beschränkt sich in der ältesten Zeit auf ein Kreuz oder eine segnende Hand
an dem dreieckigen Thürsturz oder halbrunden Tympanum, später treten Löwen,
teils als Wächter des Heiligtums, teils, mit Drachen gesellt, als Bilder der
vom Heiligtume ausgeschlossenen Sünde hinzu, woraus sich nicht selten ganze
^ Archiv für Frankf. Gesch. u. Kunst I. 3, 115.
* V. Dreyhaupt, Beschreibung des Saalkreisee. I, t53.
• Vergl. iiber den Portalbao, Ungewitter, Lehrb., 521 ff. — Essenwein, Backst.,
9 f. — Instruktive Beispiele von Portalbildungen bei Redtenbacher, Beiträge, Taf.
7—13, Statz und Ungewitter, Taf. 143 — 155, 179. 180, im österr. Atlas., Taf.
2. 9. 22. 28. 50. 69. 80. 94. —Über die bildliche Ausschmückung der Portale: Un-
gewitter, Lehrb., 549 f.
gg Bildnerischer Schmuck der Portale.
Cyklen von phantastischen Bestien und Halbmenschen entwickeln , deren
Rätsel (wie am Portal zu Remagen , der Schlorskapelle zu Tirol, der St.
Jakobskirche zu Regensburg) trotz aller Dentungsversuche noch immer in
Dunkel gehüllt sind. Später zeigen einfachere Portale im Tympanum den
Salvator umgeben von den Evangelistensymbolen oder auch das Agnus del
und die heil. Jungfrau , oft mit den knienden Figuren der Kirchenstifter , geist-
lichen und weltlichen Standes, vielfach (z. B. Enkenbach, St. Elisabeth zu
Marburg) auf einem wunderbar reichen, fast frei gearbeiteten Hintergrund von
Wein- und Rosenranken. Die reicher ausgestatteten bringen in den Statuen^
welche an den Seitenwänden stehen , in den Reliefs am Sturz und im Tympa-
num nnd an den Seitensockeln und in den kleinen Figuren, welche die Schich-
tungen der Bögen ausfallen, in der Regel einen einheitlichen Gedankenkreis
zur Anschauung, dessen Grundidee durch die in der Mitte desTympanums oder
vor dem Mittelpfeiler stehende Hauptfigur ausgedrückt wird. Man kann danach
hauptsächlich Portale, die Christo, die der Maria, und die allerhand Heiligen
gewidmet sind , unterscheiden. Erstere bringen in der Regel die Herrlichkeit
des Herrn und das Weltgericht zur Anschauung, wobei denn unter den Statuen
an den Seitenwänden sehr oft die klugen und thörichten Jungfrauen, auch
Adam und Eva und die allegorischen Figuren der Kirche und der Synagoge
erscheinen, Auferstehung, Gericht, Himmel und Hölle aber namentlich in den
Reliefs des Tympanums sehr ausführlich dargestellt werden. Die Marien-
portale preisen die h. Jungfrau meist als die Himmelskönigin nach den ver-
schiedenen Gesichtspunkten der lauretanischen Litanei. In den Schichten der
Portalbögen des gotischen Stils erscheinen in der Regel auf Konsolen sitzend
die verschiedenen himmlischen Chöre der Engel, Propheten, Apostel, Kirchen-
väter, Heiligen. Wo wie an der Westfront des Strafsburger Münsters mehrere
Portale nebeneinander sind, gestaltet sich ihr Schmuck zu einer vollständigen
bildnerischen Encyklopädie der christlichen Welt- und Lebensanschauung, die
Hauptstücke der biblischen Geschichte und Lehre von der Weltschöpfung und
den Paradiesesströmen bis zum Weltgericht, aber auch das irdische Weltbild
des Zeitalters, den Tierkreis, die 12 Monatsbeschäftigungen, die 4 Elemente
und Jahreszeiten, die freien Künste u. s. w. umfassend. In späterer Zeit wird
vielfach (Dome zu Antwerpen, Erfurt, Halberstadt, Metz, Regensburg, Toul^
Klosterkirche zu Schulpforte, Liebfrauenkirche zu Trier) über dem Portal, oft
bis zu bedeutender Höhe hinaufragend , ein grofses Kruzifix angebracht.
Der V erschlufs der Thü ren^ bestand in der Zeit vom IX. bis XIL Jahrh.
zuweilen aus kostbaren in Erz gegossenen Thürflügeln nach altchristlichen*
und späteren byzantinischen Vorbildern, wie sich dergleichen, meist mit figür-
lichen Relief-Kompositionen geschmückt, erhalten haben im Münster zu Aachen
und am Dome zu Mainz (aus glatten Tafeln bestehend), an den Domen zu
Hildesheim, Augsburg und Gnesen nnd an der Sophienkirche zu Nowgorod (mit
Reliefs). Aus den in Holzschnitzwerk ausgeführten, sehr alten Thüren von
* Über die Entwickelung der Thürverschlüsse im M.-A. vergl. Bock, F., Mitt
Eunstdenkm. des öst. Eaiserst, heraosg. v. G. Heider. I, 141 ff.; vergl. »Die Eir-
chenthüren«, im Org. f. ehr. K. 1868, No. 22. 23. u. H. Riewel, in Mitt. C.-K.
XV, 42 ff.
* Eusebius (Bist. eccl. 10, 4 n. 17) sagt von den Thüren der Kirche in Tyms:
TtaQanijyfjiaal xe /ccAptov aiÖTjQoditoiq xal noaelXfutaiv dvaylvq>oig . . . ipaiS^vraq,
Thürverschlüsse. Fenster. g7
St. Maria im Kapit. zu Köln läfst sich folgern ^ dafs anch dergleichen Arbeiten
vorkamen , die sich des vergänglichen Stoffes wegen indessen aus älterer Zeit
nicht erhalten haben y und auch im späteren Mittelalter wohl nicht häufig waren ;
doch sind die geschnitzten Thürflügel des Domes zu Ronstanz , an St. Gereon
in Köln, bei den Kapuzinern zu Salzburg und an der Gk)tthardskirche zu Schlau
in Böhmen aus dem XV. Jahrh. und an St. Marien zu Bozen von 1520 zu
nennen. Die Hauptzierde der Kirchthttren bestand seit dem XIII. Jahrh. in
dem oft die ganze Fläche deckenden und allerlei stilgemäfse Muster bildenden,
zuweilen aufserordentlich kunstvollen Eisenbeschlag. Auch werden am Nieder-
rhein (St. Victor zu Xanten, Kirche| zu Kaikar etc.) Thflren erwähnt, welche
ohne allen Eisenbeschlag blofs aus mehrfach übereinander gelegten Eichen-
brettem bestehen, die durch quadratische und rosettenartige Unterlegungen
verziert sind. — In der Klosterkirche zu Alpirsbach ist die Thflr mit einer
Rhinoceroshaut (der Ortssage nach derjenigen eines riesigen Ochsen, welcher
die Säulenschäfte der Basilika herbeizog und beim letzten Steine tot nieder-
fiel) überzogen. Auch die Hauptportale zu Maulbronn und von St. Elisabeth
zu Marburg haben solche Lederüberzflge, die wahrscheinlich (wie an der mit
Pergament überzogenen Thür eines Wandschrankes im Dome zu Magdeburg)
das Reifsen des Holzes verhindern sollten.
Seit alter Zeit (Münster zu Aachen) war es üblich, an den Thürflügeln
einen metallenen Löwenkopf anzubringen, welcher im geschlossenen Rachen
den beweglichen Handring hält, der sowohl zum bequemen Heranziehen der
schweren Thürflügel diente, als auch von Einlafsbegehrenden als Klopfer be-
nutzt werden konnte. Wenn ein Flüchtling, das Asyl der Kirche suchend,
den Arm durch den Thürring gesteckt hatte, durfte er von seinen Verfolgern
bei Strafe des Bannes nicht ergriffen werden. Mit Beziehung auf dieses Asyl-
recht soll über der Thür einer Kirche in Köln die Inschrift gestanden haben :
T^Hic stetit m(ignus reus.*^ Die Löwenköpfe sollten ohne Zweifel Unwürdige
und Böswillige vom Eintritt in das Heiligtum abschrecken. An der Marien-
kirche zu Neu-Brandenburg befindet sich statt dessen ein Eberkopf, der mit
naiver Umschrift bittet, es mit dem Schrecken nicht zu ernst zu nehmen :
T>Ick heyte herman ramt
ick byn tarn (zahm) zam (wie) ein lam, amen,^
25. Die Fenster der Kirchen waren bis ins XUL Jahrhundert
klein, oft sehr klein, namentlich schmal; im späteren Mittelalter sind
sie sehr grofs, durch Steinpfosten in mehrere Abteilungen geteilt und
häufig mit Glasgemälden geschmückt
Die Kirchen mit niedrigen Seitenschiffen haben im Langhause zwei
Fensterreihen, eine ftlr die Abseiten im Untergeschofs, die andere für das
Hauptschiff im Obergeschofs, welche letztere Reihe (die Oberlichter)
sich an den Kreuzarmen und an den Chorwänden fortsetzt. Die Zahl der
Fenster des Langhauses korrespondiert regelmäfsig mit der Zahl der die
Schiffe scheidenden Bogenstellungen, und zwar nicht blofs in den Gewölbe-
bauten, wo dazu das System schlechthin nötigte, sondern auch in den
* Lenoir, Architecture monastique. U, 80.
gg Zahl und Form der Fenster.
Kirchen mit Balkendecke , aus richtigem Gefühl fttr das Ebenmafs; doch
brachte man, um dem Inneren mehr Licht zu geben , zuweilen letzteres zum
Opfer und vermehrte die Zahl der Oberlichter : die Klosterkirche zu Oem-
rode z. B. hat bei 4 Arkaden 7 (kleine und sehr hoch stehende) Oberlichter,
die Klosterkirche zu Breitenau in Hessen 7 Arkaden und g Fenster, die
Dominikanerkirche zu Eisenach über den 5 westlichen Arkaden 7 Fenster,
St. Michael in Hildesheim 9 Arkaden und 10 Fenster, die Klosterkirche zu
Jerichow 5 Bogenstellungen und 6 Fenster.^ Kirchen mit runden Apsiden
haben in diesen ein bis drei Fenster (selten in zwei Reihen übereinander),
ebenso die platt schliefsenden in ihrer geraden Ostwand; beim polygonischen
Schlufs entspricht die Zahl der Fenster den Seiten des Polygonabschnittes.
— Hallenkirchen haben regeknäfsig nur eine Fensterreihe; Ausnahmen sind
aus der Frühzeit höchst selten (Elisabethkirche in Marburg), aus dem spätesten
Mittelalter häufiger (Schlofskirche zu Wittenberg etc.): hier aber gehören
die oberen Fenster zu den Emporen, deren zum Teil mehrere übereinander
angebracht sind. — Mit Ausnahme der oft rechteckigen Fensteröfibungen in
den Holzbauten (s. oben S. 31) sind die Kirchenfenster stets überwölbt, bis
ins XIII. Jahrh. halbkreisf()rmig, später spitzbogig. An den Oiebelfronten
findet sich schon frühzeitig häufig ein Rundfenster angeordnet, und im
Xni. Jahrh. kommen in der Rheingegend oft seltsame phantastische Fenster-
bildungen (fllcherartig , mit kleeblattförmigem Sturz etc.) und weiter ver-
breitet auch Rundfenster an den Langseiten der Kirchen vor. Die Rundfenster
nehmen mit Ende des XII. Jahrh. gröfsere Dimensionen an und werden zu
charakteristischen Schmuckstücken der Kirchenbauten. Anfänglich nur mit
dünner, durchbrochener Steinwand ausgefüllt, werden später ihre mit immer
reicherer Profilgliederung umrahmten Öffnungen durch radial gestellte, nach
aufsen durch Bögen verbundene, nach innen sich gegen eine Nabe stemmende
Stützen ausgefallt (Radfenster), zwischen welchen der gotische Stil reiche
Mafswerksgliederungen anbringt (Fensterrosen). Bisweilen, wie an der
Tübinger Stiftskirche, kommen auch durchbrochene figürliche Darstellungen
in Flachrelief als Füllung vor.*
Die Kleinheit der früh-mittelalterlichen Kirchenfenster,' welche etwa
von 1150 — 1250 besonders in Norddeutschland das äufserste Mafs schmaler
Schlitze erreicht, scheint mit der damaligen Seltenheit und Kostspieligkeit
des Tafelglases mehr oder weniger zusammengehangen zu haben. Praktische
(nicht symbolische) Rücksichten trugen auch wohl dazu bei, dafs man zu-
weilen (wie in der spätgot. Mönchenkirche zu Jüterbog) besondere bei Land-
kirchen (z. B. im Samlande, aber auch südlich: zu Unterknöringen bei
> Ye^. Schnaase, in d. Zeitschr. f. Bauw. 1862. Sp. 132. Umgekehrt finden
sich im Lan^hiff des Brandenbur^r Doms über 6 Arkaaen nur 4 Fenster. — Die
Grappiening m der Breizahl war, wie die Legende der h. Barbara ausweist, wegen
der JSeziehung auf die Breieinigkeit behebt.
' Beispiele bei Redtenbacher, Beiträge. Taf. 1—6, andre von Fenstermais-
werken, das., Taf. 18— 24: Ungewitter, Lenrb.. Taf. 3—6.
' In Bautphe, Regb. Wiesbaden , befindet sicn noch jetzt eins der nur 0,09 hohen
und 0,17 breiten Fenster der romanischen Kirche im ursprünglichen Zustande ohne
Yerglasung. Ein romanisches Fenster in Kloster Benkendorf hat bei l,4is Höhe nur
0,ss5 Breite.
Yeiglaeung der Fenater. gg
BorgaD in der Diöces Äugsbui^, zn Stollhofen in Eärntben, im Chor der
IHariBtenkirche zn EremO kd der HitternachtBseite der Kirchen gur keine
Fenster anbrachte und den Dom zn Franenbnrg nördlich mit scbm&leren
Fenstern ausstattete, als an der Stldseite. Die alte, allerdings nur 17,50
lange Peterskirebe zn Lindan soll nFaprflnglich nur ein Fenster, in der Apsia
gehabt haben.
Zwar sprechen scbon Lactantios (de Opificio Dei 8: tfenestrae vitro
obduclae') nnd Hieronymnz (zu Ezech. 41, 16: »fenestrae, non speculari
Ic^ide nee vitro, sed lignis interrasilibus cleatsaeo) im IV. Jahrb. von Glaa-
fenstern,' aber dieselben blieben von da ab das nächstfolgende halbe
Jahrtansend hindurch eine grofse Seltenheit, indem die Feuster der alten
italienischen Kirchen entweder mit dflnnen, von Symmetrischen Öffnungen
durchbrochenen Harmorplatteu ausgesetzt oder mit durchscheine nden Tafeln
ans Spat geschlossen wurden: tfenestrae gypseae*, nnd selbst noch der (als
Victor in. 1087 gestorbene) Abt Desiderlus von Monte casino liefs in den
beiden von ihm neu erbauten Kirchen nor die Hauptfenster mit in Blei ge-
fafsten Qlastafeln versehen, die Fenster der Seitenschiffe dagegen noch mit
Spat.' Es war daher in Deutschland die Klosterkirche vonTegemaee gegen
das Jahr 1000 sicherlich nicht die einzige, deren Fensteröffnungen bis dahin
mit TOchern {»veleribus pannisi) verhängt waren nnd damals zuerst, und
zwar bnntfarbig (.»per discoloria picturarum vitrat) verglast wurden.* Zu
Anfang des XI. Jahrb. jedoch war die Tegemseer Olashtttte bereits kaum
noch imstande, den sich drängenden Bestellungen zu gentigen.*
Ü
Flg. SO. FtutHnrblaliuigBniiltec I
Auch wenn die Fenster des Schmuckes der Glasmalereien entbehrten,
suchte man ihre Flächen durch geschmackvolle Uuatentngen derVerbleiung
' Vei^ Waokernagel, W., die deutsche OUamalerei, 17 ff. — Doonments
historiqnee snr le verre, in den Memoiree de rAoad. de Metz. 1849—50, 203 — JÖ4. —
Bacher, Gesch. d. techn. Künste. I, fiT B.
< Leo OetienslB. m, 39 u. 34.
» Pez, Bemh-, Thee. aneod. VI, 1, 12S; vergl. Oberbayr. Archiv. I, 30.
' Wackarnagel, a a. 0., 33 u. 135.
90 Bächer.
zn beleben y begnügte sich indessen nötigenfalls mit kleinen runden Butzen-
scheiben, die in Reichenau schon unter Abt Liuthar (934 — 949) erwähnt
werden.^ — Im Graltempel des Titurel sind die Fenster nicht von -Htschen-
glas€ d. h. gemeinem, aus Pottasche, Kieselerde u. s. w. gefertigtem Olase,
sondern aus lauter ^Beryllen und KrystcUlen<^^ deren Glanz zu mildem Male-
reien nicht in Farben, sondern durch eingesetzte kostbare Steine aufgetragen
sind. So, aus Beryllen und Krystallen, in vergoldetes Blei gefafst, zusammen-
gesetzt fand Boisser^e noch 1811 die Fenster der Kreuzkapelle auf dem
Karlstein.
26. Das Dach der Kirche war im frühem Mittelalter meist mit
Holzschindeln, später mit Metall oder Stein gedeckt Yon der anschei-
nend altchristlichen Sitte, das Sparrwerk des Daches (mit Hinweg&ll
des Bodenraumes) nach innen frei und sichtbar zu lassen, findet sich
im deutschen Mittelalter keine Spur: bis ins XTTT. Jahrhundert haben
die meisten Kirchen getäfelte Holzdecken (laquearia)^ und später wird
die Steinwölbung (opus ogivaJe) ebenso zur Regel, wie sie früher Aus-
nahme war. — Die Konstruktion des Dachstuhls namentlich an den ge-
waltigen Satteldächern gröfserer spät-mittelalterlicher Hallenkirchen ver-
dient wegen ihrer Kühnheit und Solidität volle Anerkennung.
Die Bedachung des Langhauses ist das Satteldach, dessen schräge
Flächen in die Nord- und Südfa^ade fallen; es wird von dem gleich hohen
Dache des Querhauses, das mit seinen Giebeln Front macht, so dafs also
die schrägen Dachflächen desselben gen Ost und West fallen, über der Vie-
rung durchkreuzt. Die Seitenschiffe haben entweder lange Pultdächer, deren
schräge Flächen sich an die Seitenwände des Hochschiffes unterhalb der Fen-
ster desselben anlehnen (Dome zu Naumburg, Halberstadt, Freiburg i. B.,
Ulm etc.), oder die einförmige lange Linie ist dadurch vermieden, dafs die
Aufsenwände der Abseiten je nach der Anzahl der Hauptgewölbeabteilungen
des Innern (Traveen , Joche) in einzelne Giebelwände zerlegt sind , die jede
ihr besonderes Dach haben, dessen schräge Flächen nun nicht in dieFa^ade,
sondern seitwärts fallen (Dom zu Magdeburg etc.). An den Domen zu Mainz
und Köln sind die über den einzelnen Gewölbejochen der Seitenschiffe er-
richteten Dächer an der Giebelseite abgewalmt. Die Apsiden oder polygonen
Chorschlflsse sind mit kegelförmigen oder Walmdächern versehen; ebenso
die kleinen Conchen am Querhause und am Schlüsse der Seitenschiffe, wie
die sich um den Chorschlufs reihenden polygonen Kapellen (Dom zu Köln) ;
doch nicht immer, da auch eine Pultdachbedeckung derselben vorkommt
(Dom zu Schwerin etc.). — Der Zwischenbau endlich wird verschieden be-
* So, und nicht etwa von runden FensteröfBiungen sind wohl die Verse zum Preise
jenes Abtes in der Beichenauer Hs. 126 zu Karlsruhe (v. Aufsefs, Anzeiger etc. 1833.
bp. 254) zu verstehen:
^Hcisce fenesteUcLS jussit fortnare rotundas
Äbhas praeclaruSf nomine Liutharius;
AnUa nam tenebris domtia haec fuscata mandnit^
Nee dederai domino lumina diara mm>.«
Bächer. 91
handelt: wenn die Giebelwände desselben gegen die Turmmauer lehnen
(Kirche zu Gernrode , Klosterkirche zu Jerichow etc.); schliefsen Vorder-
und Rückwand in wagerechter Linie ab^ und das Dach erscheint als Sattel-
dach oder (wie am Strafsburger Münster) als Plattform; wenn dagegen die
Stirnwände y dem Aufstreben der flankierenden Tflrme entsprechend , in
Giebeldreiecken endigen, fallen die schrägen Dachflächen nach den Turm-
seiten (Dome zu Merseburg, Halberstadt, Magdeburg etc.). — Kirchen mit
gleich hohen Schiffen sind entweder mit einem kolossalen Satteldache gedeckt,
zu dessen Dachstuhl das Holz ganzer Wälder verbraucht wurde, ^ oder es
finden sich drei Paralleldächer, den drei Schiffen entsprechend (Essen), oder
die Seitenschiffe haben auch hier, der Zahl der Joche entsprechend, einzelne
Giebeldächer, welche in das Dach des Mittelschiffes einschneiden (Dome zu
Paderborn, Wien, Merseburg etc.); die Liebfrauenkirche zu Bremen hat
über ihrem dreischiffigen Langhause durchgehende parallele Querdächer,
die zu Danzig auch über ihrem dreischiffigen Querschiffe. — In höchst selt-
samer Weise besteht das Dach der Nikolaikirche zu Laun in Böhmen von
1528 aus drei der Quere nach über das ganze Gebäude gestellten Spitz-
hauben, deren mittelste in einen 57,oo hohen Dachreiter ausläuft. Das ganz
ähnliche Dach der Barbarakirche zu Kuttenberg ist später entfernt. Ähnliche
aber einfachere Konstruktionen finden sich noch auf der Kreuzkirche zu
Leipa und der-Pfarrkirche zu Leitmeritz.
Die Anwendung hölzerner Dachschindeln {iegulae ftssae) erklärt die
vielen Kirchenbrände des Mittelalters: es giebt kaum einen Dom, der nicht
mehrmals ein Raub der Flammen geworden wäre. — Bleibedachungen kom-
men schon frühzeitig vor, aber nur bei ausgezeichneteren Gebäuden (wie
beim Münster zu Aachen um 800); das teure Kupfer blieb selten und wurde
wohl nur zu Turmdächern benutzt. Abgesehen von Schieferdächern ist auch
die Verwendung anderer Steinplatten (z. B. auf dem Chorumgange des
Domes in Magdeburg) nicht häufig; der Dom zu Prag wurde 1276 tegulis
lapideis gedeckt.^ Die aus Ziegeln erbauten Kirchen wurden auch mit Zie-
geln gedeckt: Hohlziegel, volksmäfsig Mönch und Nonne genannt; auch
o^fbrmige, s. g. Fittigziegel ; die jetzigen Breitziegel (Bieberschwänze) er-
scheinen als neuere Erfindung, jedoch haben sich Reste ähnlicher, die unten
im Dreieck scharf zugespitzt und mit sehr sorgfältig gearbeiteter Nase ver-
sehen sind, in den Ruinen der Klosterkirchen Bosau und Paulinzelle ge-
funden. Die ersten Dachziegel {laieres ad tegulam) in Sachsen hat Bischof
Bemward von Hildesheim um das J. 1000, und zwar nach eigener Erfindung
i^nullo monstrante<) verfertigt.' Mit glasierten Ziegeln wurden auch auf den
Dachflächen mannigfache Musterungen hergestellt, und die Ziegel der Firste
und Grate wurden wohl auch mit freistehendem Blattwerk krabbenartig ver-
ziert und glasiert.^ Geringe Landkirchen waren oft nur mit Rohr oder Stroh
* Der ungeheure^ über 23^ hohe Dachstuhl über der 97,78 langen und 37^ brei-
ten Münchener Frauenkirche von 1488 erforderte das Holz von 140 Mö^n, das Mols
zu 15 — 16 Bftumen gerechnet. — Vergl. Nieuwenhuis, H. J., über die Bach-
bedeckung der Seitenscmffe und Chorkapellen etc., in der Deutsch. Bauz. 1882, No. 10.
* Fiorillo, Gesch. der zeichn. Künste in Deutschland. I, 115.
* Fiorillo, a. a. 0., 79.
^ Beispiele von Turmdächem zu Villingen im Schwarzwald und Schwäbisch-Gmünd,
im German. Nat.-Museum; — vergl. Anz. G. M. 1874, No. 11. Fig. 1 — 3.
92 Fufeböden.
gedeckt, und es finden sich selbst heate noch (in Mecklenburg, Preufsen etc.)
einzelne Beispiele davon.
27. Der Fufsboden der meisten mittelalterlichen Kirchen ist jetzt
mit Grabsteinen belegt, wo nicht neue Bedeckungen mit Fliesen statt-
gefunden haben, ursprünglich war die römische Sitte der Musivfufs-
böden auch in die christliche Basilika übergegangen, und noch das
frühere Mittelalter pflegte dergleichen Buntpflaster, das nicht blofs in
Teppichmustem, sondern selbst in eigentlich malerischen Darstellungen^
bestand, häufig anzuwenden. Später, etwa seit dem Ende des XIL Jahr-
hunderts, fanden Ziegelplatten mit eingelegten Mustern weit verbreitete
Anwendung. In einfachen Gebäuden und in Landkirchen genügte ge-
wöhnlicher Estrich.*
Der gegenwärtige Fu&boden in vielen alten Kirchen liegt höher als der
ursprüngliche, woher es kommt, dafs die Fufsgesimse der Pfeiler und Säulen
oft verdeckt sind, wie in der Klosterkirche zuDrttbeck etc. Nachgrabungen
in dem uralten Kerne des Domes zu Trier haben ergeben, dafs der älteste
römische Fufsboden 1,90, ein späterer aus dem VI. Jahrb. 1,27 und ein drit-
ter aus dem XI. Jahrh. 0,47 tief unter dem im XVII. Jahrh.. gelegten moder-
nen Pflaster liegt.' — In der Martinskapelle zu Freising entdeckte man den
ursprünglichen Fufsboden unter einer Aufschüttung von fast 2,20.
Bruchstücke eines ehemals im Chore des Domes zu Hildesheim befind-
lich gewesenen Mosaikfufsbodens mit biblischen und allegorischen Darstel-
lungen werden in der Laurentiuskapelle des Domes aufbewahrt;^ andere
Oberreste finden sich im Dome zu Chnr, auch in St. Gereon zu Köln,^ im
Kloster Amstein a/Lahn und zu Werden a/Ruhr, und in den Kirchen zu
Laach und Sponheim ein Buntpflaster ans verschieden gefärbten kleinen
Ziegelplatten. — Der Cistercienser Bernhard von Clairveaux^ im XII. und
' Biese beschränken sich meist auf typisch feststehende Darstellungen der kreatür-
hohen Welt (»fische tiere und mertDunder* wie es beim öraltempel — Zarncke,
Str. 109 — in — heilst), jedoch kommen auch z. B. in St. Gereon zu Köln neben den
Bildeni des Tierkreises alttestamenthche Geschichten vor. Siehe auch Note 4 u. 6.
2 Über die verschiedenen Pflaster -Mosaiken des M.-A. verd. Decorde, Pavi^
des eglises dans le pays de Bray. Paris 1858. Vergl. auch Keichensperger, A.,
I^gerzeige, 49.
' de Koisin, la Cathedrale de Treves, 35 et t05.
* Verd. Piper. Ferd» Myth. der ehr. K. II, 700. Ein Medaillon dieses Musiv-
bodens sbSlt sogar die h. Dreieinigkeit (aHa ein dreifaches Gesicht) dar; der h. Bern-
hard hatte also Grund zu seiner Polemik.
* 1869 restauriert und ergänzt; vergL aus'm Weerth, £.. der Mosaikboden in
St Gereon zu Köln 1873. M. 2 Farbentt. tO Lith. u. 16 Holzscnn. und Bonner Jahrb.
LV u. LVI, 253—263. — Der Amsteiner abgeb. bei Bock, Rh. Band, m, 2. Fig. 6.
* £p. ad Wilhelmum Abb. (Opp. I, 544): At quid scätern sanctcrum itnoßtnes
non venerenturf qutbus uHque hoc ipium, auod pmtbus eonculccUur, nitet pavirn^n-
tum; saepe spuUur in os angeli, sciepe atieujus sandorum fades ecdcibut tundi-
tur transeuntium. Et si non sacris inuiffinibus, cur vel non parcitur pukhris
ccioribus? Cur decoras, quod mox foedandum esi? Cur depingis, quoa necesse
est concukari?
die Ada Meäiolanensia^ im XVI. Jadrb. erklärten Bich gegen Musivbilder
beiliger Gegenstände im Pflaster, wo sie mit Fttreen getreten würden. Statt
solcher figQrlichen Daratellangen, deren Technik (Opus vermiatlalum) dies-
Beitfl der Alpen seit dem XII. Jahrb. Überhaupt ganzlich anfser Übnng ge-
kommen zu Bein sclieint, wurden spftter Pflasteningen sehr beliebt, welche
ans ägnrierten, meist glasierten Backsteinplatten von 0,lo — 0,t6 im Quadrat
Fls. 31. FnbtiHleiiplali
bestanden, auch rautenförmig oder mnd vorkommen, und (dem Opus Alexan-
drimtm ähnlich) Teppichmuster bildeten.* Dergleichen Fnbb0den, die aich
nar in Bruchstücken erhalten haben, finden sich in England, Frankreich,
Skandinavien und im Gebiete des nord- und des süddeutschen Ziegelbaues
' Instruci &bricae eccles., 469: In pavirnento neque ptcfura neqw sculptura
crvx expriMatur, itee vero praeterea alia äaera imago etc. — Ereuser, Eirchen-
bau. I, 219.
* AbbUd. von Hosaikziegebi: Lisch, Q. C. F., Blätter zur Gesch. der Kirchen
zu Dobemn und Althof (Beparat- Abdruclc aus Jahrg. XIX. der Mecld. Jahrb.), 11— 2a,
und V. Quast, in der Zeitschr. t. ehr. A. u. K. U, 28 ff. u. 74. — Milde, C. J.,
Denim. büd. Kunst in Lübeck 1848, Heft 2. — Verh. d. V. für K. n. Altert, in Ulm
u. Obetschwaben, 2. Bericht 1844, IT: 9. u. 10. Bericht, 54; H. Bericht ftlatsler,
sehw. Fliesen 1862) mit 21 Tafehi in Buntdruck. — Korr.-Bl. G.-V. ete. VI. Jahrg.
1858, 29 IL 67. — MittL Kunstdenkm. d. öst Kaiseret. her. von Dr. 0. Heider etc.
H, 170. — Ernst, L., n. Oescher, L., Baudenkm. d. M.-A. in Österreich, Heft 3,
Taf. 1. — Essenwein, A., Backsteinb. Taf. XXTV. 12. — Derselbe, in den Mitt.
C.-K. TU, 48 ff. — Chr. K.-Bl. 1862, 138 ff. — Essenwein, A., Muitipli-
kationsoTnamente in den Fubbodenfliesen des H.-A., m. M Holzscbn. n. t Taf., im
Anz. 0. M. 1868, Sp. 81 ff. — Über die in St. Emmeram zu Begensburg gefun-
denen, meist in das Germ. Nat.-M. üliergeganKen : C. Ziegler, in Terb. des bist. V.
Eegensburg 1868 und Mitt. C.-K. 1870, 41; Easenwoin, A., in Mitt. C.-K. 1872,
21 f.; Qrf v. Walderdorf, in Verh. des bist V. Begensbutg 187», 246 ff., mit
A Tsff. — Herdtle, Ed., FI&chenTerzierongen d% M.-A. und der Ben. IBTO ff. Lief.
L u. n. — Anz. G. M. 1S74, No. 11. Fig. 4—12; 1875, No. 1, mit 1 Taf. — Kunst- u.
kultDTgesch. Denkm. des G. M. Taf. 29. 3a. 36. 43. TS. 84. — Kraus, II, 26. — Mitt.
C.-K. N. F. T., 76 f., m. 2 Taff. — Mitt. des Altert.-T. zu Leianig, Heft 5, Taf. zu S. 7.
— Ein derartiger Fußboden ist vollstiindig erhaltun (restauriert) in der SchloMapelle
ZD Marburg von ca. 1300.
94 Mosaikzi^l. Labyrinthe.
vor. Die Platten sind rot oder porpbynirtig dnokelfarbig; die Muster wur-
den vor dem Brennen mit geschnitzten Formen eingedrSckt nnd d&nn mit
einer hellfarbigen , gewöhnlich gelben Thonerde oder Harsmaase ausgefallt
(oder anch nmgekebrt: die Ziegel hell und das Huater dnnkel); sie kommen
in den verschiedenen Ländern zuweilen in völliger Obere instimmnng vor,
waa auf gemeinschaftlichen Ursprung (vielleicht ans England) hindeutet
Besonders sind es Tiergestalten , die sich wie in Frankreich nnd England,
so auch in Norwegen (Klosterkirche zn Hovedöe) nnd Mecklenburg (Kapelle
zu Älthof, Klosterkirche zu Doheran) ganz in derselben Weise vorfinden. —
Bei frei erfundenen Arabeskendessins wird das vollständige Master immer
aus je vier znaammengehOrigen einzelnen Platten gebildet, die, wenn die
Zeichnung darnach eingerichtet war, in höchst praktischer Weise beliebig
aneinander gelegt werden konnten (Maltiplikationsomamente). Zu den älte-
sten nnd schönsten dieser Gattung gehören die Platten, welche sich in der
südlichen Nebenapais der Klosterkirche zn Ämmenaleben im Magdeburgi-
schen erhalten haben. — Der Raum hinter dem Altare der Kirche zu Pechüle
bei Trenenbrietzen ist mit kleinen krenzflinnigen Ziegelsteinen belegt.
Bei den im Laufe der Zeit in den Kirchen immer häutiger gewordenen
Begräbnissen wurden die alten Buntpflaster nach nnd nach zerstört, und
Leichensteine traten an deren Stelle.
Anmerkung. Die bereits in heidnisch -antiken Mosaikfufsböden (z. B.
in den Salzburger Mosaiken des Mnseums zn Wien) vorkommenden Laby-
rinthe' gingen schon frühzeitig in die christlichen Kirchen (z.B. in der Basi-
lika des Reparatus zu Orleansville in Algerien , V. Jahr-
hundert) über, blieben auch im Mittelalter beliebt nnd
haben sich in Frankreich mehrfach, in Deutschland an-
scheinend nirgends mehr erhalten, da das Labyrinth
^ in St. Severin zu Köln in neuerer Zeit zn Grunde ge-
gangen ist. Diese, gewöhnlich im Hanptschiffe, zu-
weilen beim Eintritt ins Querhaus angebrachte,
eigentümliche Fufsboden Verzierung kommt in quadra-
tischer, runder oder achteckiger Form vor, und die
VSnki hiV^sV" oSnlT ^'•'"'ß°*™chen Irrgänge derselben sind durch Stein-
(Qub cnuniM)!» chen von zwei verschiedeneu Farben als »pavitneri'
tum sectile* dargestellt. Der Name Chemins de
Jerusalem (Jerusalems weg e) scheint erst von den französischen Archäologen
dafür erfunden zu sein, well das chriatliche Volk seit den Krenzztlgen (wie
nachweislich zu Rheims um 1240) das Dnrchwandeln dieser Irrgänge unter
gewissen Gebeten als Ersatz für eine Pilgerreise nach Jemsalem zu betrachten
pflegte, wozu die an das heilige Grab erinnernde Centralform der Labyrinthe
die Veranlassung gewesen aein mag. Im Dome von Charles wurde das Laby-
rinth gemeiniglich tLieue" genannt, weil man auf den Knieen rutschend eine
Stunde Zeit gebrauchte, um bis In die Mitte zu gelangen: die Schlangenwin-
' Über die labyrinthe oder Jerusalemswege vergl. Didron, Annales srcheoL XTV,
268 u. n, 124 sqq.; de Caumont, Abecedaire 1 (4. ed.), 445 wjc.; Öailhaband, die
Baukunst etc. Bd. V, Taf. 13 u. 14; Krauser, der christl. Kirctenbau. I, 219.
■ Die schwarzen Xinien bezeichnen den Gang. A den Anfimg desselbm.
Emporen. 95
dnngen desselben waren 209,65 lang. — Dafs übrigens nicht blols die Dar-
stellung selbst, sondern auch der Name Labyrinth sich aus der heidnischen
Kunst ins Mittelalter fortgepflanzt hatte , ist erwiesen J Ob die in Italien als
mnsivische Fufsbodenverziernng nachgewiesene uralte, auch in Deutschland
als Unheil, namentlich Fenersgefahr abwendend bekannte anagrammatische
Zauberformel S A T 0 R
A R E P 0
TENET
OPERA
R 0 T A 8
auch anderwärts in Kirchen vorkommt, mufs dahingestellt bleiben.'
28. Emporen (provinziell Emporkirchen, Porkirchen, auch Priechen
oder Chöre genannt), in der morgenländischen Kirche für das weibliche
Geschlecht seit den ältesten Zeiten allgemein üblich, kommen im Abend-
land, abgesehen von einigen den byzantinischen Typus befolgenden Cen-
tralbauten, zunächst nur in den Kirchen von Frauenklöstem vor, wo
sie, dem vorhandenen Bedür&isse eines völlig abgesonderten Baumes
für die Schwestern entsprechend, seltener über den Seitenschiffen, ge-
wöhnlich als Nonnenchöre am Westende des Mittelschiffes über der
YorhaUe, als ein sich über einer Brüstung in Bogenstellungen öfBaen-
des Obergeschofs angeordnet sind. In anderen Fällen ist der Zweck
dieser vom XI. bis XTTT. Jahrh. sehr häufigen Emporen nicht mit Be-
stimmtheit nachgewiesen; doch darf man, wo sie in den Eirchen von
Mönchsklöstern vorkommen, mit Wahrscheinlichkeit annehmen, dafs sie
für weibliche Kirchenbesucher dienten, oder, wenn mit dem Mönchs-
kloster ein besonderer Nonnenkonvent verbunden war, den Schwestern
als abgeschlossenes Oratorium (Betchor) überwiesen waren. — Der
Einbau vorspringender Bühnen zur Aufetellung der Orgel (Orgel-
chöre) wurde erst später gebräuchlich, und die Einrichtung durchgehen-
der Emporen (Mannchöre) in manchen Hallenkirchen des XVI. Jahrh-
hunderts scheint vorzüglich auf die Zwecke des Predigtgottesdienstes
berechnet zu sein.
* Nach Bidron findet sich in Lucca auf einen Stein graviert die Zeichnung eines
Labyrinths von 0,47 m D. mit der M^uskel- Inschrift:
Hie quem Creticus edü Dedalus est laherintu>s,
De auo ntMua vadere quimt, qui fuit itUtM,
Ni i%e8eu8 gratis Ädrtane stamine jutus.
Auf das Hans des Dädalos bezieht sich auch (vergl. Bnll. mon. 1872, Heft 3) eine
Inschrift in picardischer Sprache ans dem XHI. Jahrh. auf dem Labyrinth zu Amiens.
Übrigens stellt Mefsmer, Mitt. C.-E. XIK, 159 die Benutzung dieser Labyrinthe zu
Andaohtsübungen als bis Jetzt ganz und gar nicht nachgewiesen, gänzhch in Abrede.
* aus'm Weerth, £., der Mosaikboden in St. Gereon etc. Taf. 7 und Bonner
Jahrb. LV u. LVI, 260.
96 Nonnenchöre.
In dem nach byzantinisch -ravennatiBchem Muster errichteten karo-
lingischen Centralbau des Aachener Münsters war die ringsumlanfende Em-
pore (Solanum) , auf welcher dem Altare gegenfiber der Stuhl des Kaisers
steht, fflr die Hofgemeinde bestimmt : eine Einrichtung , die auch in späteren
Schlofskapellen ,(b. o. S. 25) wiederkehrt, und vermutlich die Veranlassung
dazu war^ dafs Kugler, der das Verdienst hat, auf die in der romanischen
Periode so häufig vorkommende Anordnung einer westlichen Empore ttber
der Vorhalle zuerst hingewiesen zu haben, dieselben (Kunstgesch. 2. Aufl.
S. 472) als unzweifelhaft zum Aufenthalte vorzüglich angesehener Besucher
(namentlich etwa der kaiserlichen Familie) bestimmte Logen bezeichnete,^
während es doch, wie spätere Ergebnisse darthaten, gröfstenteils Nonnen-
chöre sind: so in den Kirchen der Frauenklöster zu Essen, Maria auf dem
Kapitol zu Köln, zu Ottmarsheim, Gernrode, Quedlinburg, Drübeck, 6an-
dersheim, St. Moritz in Hildesheim, Fröndenberg a. d. Ruhr, Ösede bei
Osnabrück, Asbeck im Mttnsterlande, Dom zu Gurk etc. Besonders bei den
Cistercienser- und Prämonstratensernonnen dehnen sich diese Emporen zu-
weilen sehr weit nach Osten aus und teilen selbst das ganze Kirchenschiff
in zwei Etagen, deren obere für die Schwestern, die untere für das Volk
bestimmt war: St. Thomas a. d. Kyll, Altenberg a. d. Lahn, Neuendorf in
der Altmark, Wienhausen a. d. Aller (hier mit noch erhaltener liturgischen in-
neren Einrichtung), Lünen bei Lüneburg, Marienwerder im Fürstentume
Kaienberg, Mühlberg, Langenhorst in Westfalen, Onadenthal bei Schwäbisch-
Hall etc. — Von der Bestimmung der Emporen in Mönchsklöstern für weib-
liche Kirchenbesucher finden sich schon aus der Zeit der byzantinischen
Oberherrschaft in Rom zwei Beispiele: S. Lorenzo vom Ende des VL, und
S. Agnese vom Anfange des VII. Jahrhunderts, beide aufserhalb der Mauern
bei den Katakomben belegen und mit einer Langseite gegen einen Hügel
gelehnt, von welchem aus die Frauen ihren besonderen Eingang zu den Em-
poren hatten, in strenger Geschiedenheit von den Mönchen des Klosters.^
Nach Analogie dieser Einrichtung liegt die Vermutung nahe, dafs die in
deutschen Mannsklöstem zuweilen vorkommenden Emporen denselben Zweck
hatten ; wie z. B. in St. Michael zu Hildesheim, wo die in den Kreuzvorlagen
angeordneten Emporen wohl sicherlich für die Frauen bestimmt waren,
deren zwar nach den alten Statuten nur sieben bejahrte als Nonnen sollten
aufgenommen werden dürfen, jedoch gegen das Jahr 1247 eine solche
T>multitudomomalium€ vorhanden war, dafs die Einkünfte des Klosters nicht
mehr ausreichen wollten, welches überdies durch das Zusammen wohnen
beider Geschlechter seinen Ruf gefährdet hatte. ^ Gleiches gilt von dem west-
lichen Emporenbau in dem Augustinerstifte Fredelsloh beiEimbeck, wo nach
einer Urkunde von 1155 mit dem Konvente der Brüder ein T^magnum et re-
ligiosum sororum coUegium^ vereinigt war.^ Auch mit den thüringischen
Benediktinerklöstern Paulinzelle, Bürgelin, Vessera und mit Huyseburg bei
Halberstadt waren Nonnenkonvente verbunden, und in allen diesen Kirchen
* Auch in der Abteikirche zu Sehgenstadt hat sich Einhart nach diesem Muster
die Westempore mit Altar als sein Frivat-Oratorium angelegt.
' Lenoir, Architecture monastique. I, 108 u. 169.
^ Chron. Monast. St. Michaelis in Meibom, Ber. Germ, n, 520.
^ Grotefend, C. L., in: Mittl. Baud. Nieders. U, 48.
Nonneachöre. 97
BiDd westliche Emporen nachgewiesen; ebenso könnten die in der Kirche
anf dem Petersberge bei Halle a. d. S. im Altarhanae angeordneten Emporen
fOr die in dieses Angusünerstift aufgenommenen Schwestern bestimmt ge-
wesen sein.' Emporen, welche sich Ober den ganzen Raum der Seitenschiffe
Fit. a. WeitUctatr »onnnitlwr In Mtliulei in EHen (nicb t. Qa—t).
erstrecken, scheinen nnr in Frauenklöstem des X. bis XII. Jahrhunderts
vorgekommen zu sein: Essen (ehemals), St. Urania in Köln, Oemrode,
St. Georg in Prag; zn Anfang des XIII. Jahrb. findet sich diese Anordnung
in vielen OewSlbebanten des Rheinlandea (Pfarrkirche zn Andernach, Haria
' Lepsius, C. F., Hiator. Nacliriülit vom Augustiner -Kl. Sf. Moritz zu Naum-
burg, 114. — Es ist jedoch xa Iremerken, iaia in fielen Mlen eich empfehlen wird,
diese ziemlich abgescmoBsenen und leichter erwärmliaren Emporen als winterchor für
die Chorherm auzufiehen, wie eine solche Benutzung in Bezug auf das PrSmoostia-
tenserkl. Dbenstadt bei Friedbew in Hessen von F. Schneider, Korr.-Bl. Gea.-V.
18T4, 92 ff. DBch^wiesen ist Besonders ausgebildet enicheinen sie an den Kirchen
der unter dem Emflusee von Clugnv gestandenen Benedi ktinerkloster, wie Ellwongen,
Herefeld etc., wo sie gradezu als aogetürzto Weetchöre bezeichnet werden müssen.
Ott*, KuwI-AnUslofli. G. Aufl. T
98 Emporen.
in Lyskirchen zu Köln, Kirchen zu Bacharach, Sinzig, Heimersheim, Linz,
Erpel, Dom zu Limburg a. d. L. etc.); auch im hohen Chore des Domes von
Magdeburg (der sogen. Bischofsgang), anscheinend aus konstruktiven Rück-
sichten, und ohne dafs über die gottesdienstliche Bestimmung dieser Emporen
etwas nachgewiesen wäre. Letztere ist ebenfalls unbekannt in Beziehung auf
die z. B. im sogen, alten Dome zu Regensburg und mehrfach in Westfalen sich
findenden Westemporen mit Altären. Anders jedoch verhält es sich in Böhmen.
Hier ist von ältester Zeit her und wenigstens von der gotischen Zeit an auch
in den sämtlichen österreichischen Ländern das Vorhandensein einer West-
empore bei allen Kirchen die Regel, von der sich nur seltene Ausnahmen
finden. Und zwar giebt es ihrer zwei Arten. Die einen sind mit einem Al-
tare versehen und erweisen sich dadurch als Betchöre für die Familien der
Stifter oder sonst bevorrechteter Personen, wohin auch die für die Hospita-
Uten reservierten Westemporen in den Spitalkirchen zu Klostemeuburg,
Oberwölz in Steiermark und Salzburg gehören. Bemerkenswert ist dabei,
dafs diese Altäre der Emporen zuweilen, von dem sonstigen Brauche ganz
abweichend (z. B. in Oberwölz, in der Pfarrkirche zu Pürgg im Ennsthale,
in der Leonhardskirche zu Tamsweg etc.) auf der in das Kirchenschiff hin-
einschauenden Ostseite reich dekoriert, auf der Westseite aber ganz
schlicht gehalten sind. Die andere, gewöhnlichere Art sind von vornherein
Sängerchöre, wohl aus den gröfseren musikalischen Anlagen und Bedürf-
nissen der Bevölkerungen dieser Gegenden erklärlich, und haben durch-
gehends in der Mitte der meist reich durchbrochen behandelten Brüstungen
ein erkerartig vorspringendes Dirigentenpult. — Endlich wird nicht zu
übersehen sein, dafs bei manchen Wallfahrtskirchen (z. B. der nicht mehr
vorhandenen Marienkirche auf dem Harlunger Berge bei Brandenburg und
aus später Zeit bei der Valentinskirche zu Kiedrich) die umfangreiche Em-
porenanlage sich auf das Bedürfnis der Unterbringung gröfserer Pilgerscharen
zurückführt, wie auch in der Nikolaikapelle am Aachener Münster die Em-
pore nach Bock zur Unterbringung einer gröfseren Menge vornehmer Zu-
schauer bei dem Kaiserkrönungszuge angelegt worden sein dürfte.
Bemerkenswerte Emporenanlagen: der westliche Nonnenchor des
Münsters zu Essen aus dem X. Jahrh. (Fig. 33), ein Halbpolygon mit zwei
Emporen über einander und zwei nischenförmigen Kämmerchen neben der
oberen; die Emporen in den Kreuzvorlagen der beiden Querschiffe von St.
Michael in Hildesheim aus dem XI. Jahrh.; der westliche Nonnenchor und
der von Säulen getragene Emporumgang im Kreuzbau von St. Maria auf dem
Kapitol zu Köln aus dem XI. und XII. Jahrh. ; die den westlichen Teil des
Mittelschiffes und das ganze südliche Seitenschiff einnehmende Empore in
der Kirche des Nonnenklosters Hecklingen, ein dem XUI. Jahrh. entstam-
mender malerischer Einbau in der im XII. Jahrh. erbauten Kirche ; die das
Rechteck der sogen, alten Pfarr zu Regensburg an allen vier Seiten um-
gebenden Emporen aus dem XIU. Jahrh.; in der Johannis- und der ehemaligen
Lambertikirche zu Lüneburg die zu beiden Seiten des Hauptchores die Neben-
schiffe über gewölbten Kapellen ausfüllenden Emporen (hier Lectoren ge-
nannt), für die Sitze der Ratsherren bestimmt, aus dem XIV. Jahrh., spät-
gotisch mit Eichenholzbrüstungen versehen.
Unter den Orgelbühnen sind zu nennen die im Münster zu Strafsburg,
Orgclbühnen. Maunchdre. Trifariea. 99
in St. Stephan (zwei) nnä UariastiegeD (Fig 34) zu Wien, in der Piaristen-
kirche zo Krems, in der Georgakirche zu Dinkelsbflhl (hier auch die an der
Nordseite in das Innere voi^ekragte, durch eine Wendeltreppe in derManer-
FJg. U. OigdbUlui« lu Uuli>ti<g« Hl WIcD (uch d«m öiUn. AtlM).
dicke, zu der man auf einer zierlich durchbrochenen Freitreppe im Innern
der Kirche emporsteigt, zugängliche sogenannte Schwedenoi^l), in der
Marienkirche zu Dortmund von 1535; eine hölzerne OrgelbUhne von Cnrt
Hart. Torf ans dem Jahre 1466 befindet sich in der Dominikanerkircbe zu
Treysa. — Als Mannchöre sind zu erwähnen die Emporen in der Anna-
kirche zu Annaberg (reich mit Skulpturen geschmückt), in der Marienkirche
zu Halle a. d. S., in der Schlofskirche zu Wittenberg, Leonhardskirche zu
Frankfurt a, M., Barbarakirche zu Kuttenberg, Declianteikirche zu Brttx,
sämtlich bereits aus dem XVI. Jahrb. Spätgotiaclie hölzerne Emporen-
anlagen sind verzeichnet zu Dautphe bei Biedenkopf (1543), Marburg
(Siechenhauskapelle) , Montabaur und Oelnhaueen (Pfarrkirche), ehemals
auch in der Pfarrkirche zu Frankenberg a. Eder (1529 vor Philipp Soldan).
Anmerkung. Von den alteren eigent-
lichen Emporen Aber den Seitenscliiffen der
Kirchen, die zur Aufnahme eines Teiles (
Gemeinde geeignet waren , sind zu unterschei-
den die seit dem XIII. Jahrh. in reicher aus-
gestatteten Kirchen (MQnster zu Basel, St.
Sebald zu Nürnberg, Dom zu Limburg an der
L., Dome zu Köln, Strafsburg, Regensbnrg,
Prag, Barbarakirche zu Kuttenberg, Marien-
kirche zu Stargard etc.) über den Arkadenbögen und unterhalb der Ober-
lichter in der Mauerstärke angebrachten, ein Mittelgescbofs bildenden Gale-
rien (Laufgänge), die einerseite zur Belebung der Wandfläche dienen.
100 Triforien. Kreuzgang.
andererseits zu einer leichteren Kommunikation nach allen Teilen des Ge-
bäudes nutzbar sind. Nach dem Vorgange der englischen Archäologen werden
diese Galerien gewöhnlich Triforium (d. i. Dreiöffnung) genannt, weil sie
sich in mindestens drei, gewöhnlich aber mehreren , in Gruppen zusammen-
geordneten kleinen Bogenstellungen nach dem Innern der Kirche öffnen;
äufserlich sind sie zuweilen (Dom zu Köln) mit Fenstern versehen , wenn die
Dachkonstruktion der Seitenschiffe solches gestattet.^ Seltener sind altanartig
vortretende Galerien am Fufse der Fenster (Chor von St. Lorenz in Nürnberg),
sehr häufig aber schmale Gänge auf Mauerabsätzen (Mönchsgänge) zu dem
Zwecke, um, besonders bei Reparaturen, mit Leichtigkeit zu allen Teilen des
Gebäudes gelangen zu können (Liebfrauenkirche zu Trier, Dom zu Naumburg
in den Chören, später namentlich in solchen Kirchen, wo die Strebepfeiler
nach innen gezogen sind, tlber den zwischen diesen angelegten Kapellen).
Ähnliche Bewandtnis hat es meistenteils mit den äufserlich angeordneten
Galerien;^ doch haben diese, namentlich wenn sie als Altane über Portalen
angebracht sind (Frauenkirche in Nürnberg, Marienkirche zu Mühlhausen in
Th., St. Leonhard zu Frankfurt am Main) auch gottesdienstliche Zwecke : Vor-
zeigung von Reliquien etc.
29. In. Höstem und Stiftskirchen schliefst sich an eine Langseite
der Kjrche (von F nach 5 des Grundrisses S. 46), mit derselben in Ver-
bindung stehend, der Kreuzgang (ambiius)^: ein gewöhnlich aus vier*
Bogenhallen bestehender Umgang, welcher einen freien viereckigen Raum,
den Klosterhof oder Gottesacker {coemeterium contiguum\ umschliefst,
und sowohl zu Grabstätten benutzt wurde, als für Prozessionen und zum
Lustwandeln der Mönche diente. Der Bj-euzgang, der in einem obem
Stockwerke die Mönchswohnimgen enthält, vermittelt die Konmiunikation
mit den anstofsenden Klostergebäuden.
Der Name ^Kreuzgang^ wird von einigen zwar von der fast stets an-
gewendeten Überdeckung mit Kreuzgewölben abgeleitet, von anderen da-
gegen wohl allein richtig auf die Bestimmung für Prozessionen (Kreuz-
gänge, weil ein Kreuz vorausgetragen wird) bezogen.
Die Lage des Kreuzganges ist seltener nördlich, gewöhnlich südlich
von der Kirche ^ (gegen Norden von dieser geschützt und mit sonniger Lage
» Schnaase, IV, t64; Kusler, Bauk. m, 9.
* An der BenediktinerinnenJorche zu Göfs in Steiermark läuft in Drittelhöhe des
Gebäudes vom Chor aus längs der Süd- und Westseite auTsen ein vorgekragter, die
Strebepfeiler durchbrechender, geschlossener und überwölbter Gang zur Verbindung der
Klausur mit der Nonnenempore, dem Chore und der unter diesem befindlichen K^T)ta.
In der Cistercienserkirche zu Lehnin befindet sich innen an der Westseite ein Lauf-
gang, welcher dem Abt verstattete, aus seiner nördlich der Kirche gelegenen Abts-
wolmung durch die Kirche in die südlich gelegene Klausur zu gehen.
' E^i den Karthäusem heilst der Kreuzgang Gcdilaea; s. unten den Anhang zu
diesem Abschnitte über die baulichen Einrichtimgen der Klöster.
* öfters fiel auch die vierte Halle an der Lamgseite der Kirche fort, z. B. am Dome
zu Brandenburg.
' >/r palas und ir dortnter stund gen MeridjanCf
ein hriuzganc wol geformter da ztmscJien lac, des waren si niht ane,
als ez ze hruderschefte wol geharte.*
Der jüngere Titurel ed. Zarncke, Str. 100, S. 95.
Kreuzgang. 101
des rings umschlossenen Rasenplatzes, gensoDt: Grashof, oder auch karz:
Gras), wie er bereits auf dem Plane von St. Gallen (S. 57) sich angegeben
findet als ein bedeckter Gang (porlicus) mit hohen RnndbCgen (arcus) und
vier Thilren, welche sich nach dem freien Platze, der hier nicht der Fried-
hof ist,' Offnen. In der Hitte dieses freien Ranmes, zn welcher von den
Thttren vier einander sich im rechten Winkel darchkreozende Pfade (»qua-
tuorsemitaeclaustriperiransversum'') führen, steht auf einem quadratischen,
von Fnfgwegen umgebenen Rasenplfttzchen ein Sadebaum (savina). — Die An-
lage des Ereuzganges Satlich von der Kirche wie an den Domen zn Hildesheim
nnd R^ensbur^, oder westlich von derselben, wie bei 3t. Gereon und Uaria
Flg. K. Knufug iD Halllgiakmu tMl W1*d (aiob BtUtr).
auf dem Eapitol, ehemals anch St. Andreas zu KOln, St. Marien zn Halber-
stadt, am Dome zu Paderborn nnd der Johann Iterkirche zu Strakonitz in
Böhmen, ist eine lediglich in lokalen Verhältnissen begrttndete Ausnahme.
sich der Gottesacker auberhiJb der klausur be&nd, zuweilen soweit entfernt, d
Leichen auf einem Wagen daliin gebracht werden mulsten, und nicht selt«n auf der
Spitze eines Bergee im friaclien 'Waldesdunkel. Im XI. Jahrh. war zur Anlage eines
Begilibnisplatzes neben der Klosterkirche noch bischöfliche Eriaabnis erforderlich- TetvL
Martene, de antiguia eccl. rit. IV, 767; Heider, G., MitL C.-K. I, 57. Dieser wuMe
dann im Unterschied von dem mr Klausur gehörigen Orashofo Fnedhof (oder FrtU-
hof) genannt
[02 Kreuzgang. Bmnnenliaus.
Die einzelnen Bögen der Kreuzhänge sind entweder als ganz offene Schwib-
bogen behandelt nnd nur durch eine Brüatangswand vom Gottesacker ge-
trennt (Dom za Mersebnrg etc.) oder als Fensteröffnungen, zwar mit Stab-
nnd Uafswerk gefüllt (Dome za Trier and Magdeburg, Minoriten in Köln etc.),
aber gewöhnlich ohne Verglasung; (mit GlaBfenatem geeclilossen z. B. im
Stifte zu Heil ige nkrenz). Der älteete Krenzgang (etwa vom Ende des XL
Jahrh.)hat sich in dem Nonne nstift aufdemNonnberge in Salzburg erhalten;
zu den gröfaten und prachtvollsten Kreuzgftngen aus älterer Zeit gehören
die im Liebfrauen kl OBter zu Magdeburg, beim Dome zu Trier, beim Grofs-
münster zu Zürich, neben der Stiftskirche zu Äschaffenburg, bei St. Emmeram
zu Begensburg, in Klosterneuburg etc. Die Kreuzgänge zn Königslutter,
Pforta etc., sind zweischiffig. Der noch in einem Bruchstücke erhaltene
Kreuzgang neben der ehemaligen Stiftskirche zu Asbeck im Afünsterlande
erscheint insofern als einzig in seiner Art, als er sich in zwei fast gleich
hohen nnd gleichmäfsig weiten Bogen-
stellungon über einander erstreckte,
während sonst das Oberstockwerk nur
von Fenstern durchbrochen wird ; auch
der Krenzgang am Dome zu Hildes-
heim hat zwei Stockwerke, die Arka-
den des äachgedeckten oberen haben
abwechselnd Pfeiler und Sänlen.
Anmerkung 1. Häufig steht mit
einer Seite des Kreuzgangea, wie in den
Cistercienserklöstern zu Maulbronn, Hei-
ligenkreuz,Lilienfeld,Neuberg,Zwetletc.,'
ein Brunnenhausin Verbindung, welches
kapellenartig angelegt, rund oder poljr-
goniBch nach dem Friedhofe heraustritt,
in Uaulhronn in nächster Nähe des Som-
mer Befektoriuma. Das älteste bekannte
Bauwerk dieser Art(aus dem XII. Jahrh.)
befindet sich im Prämonstratenscrkl oster
U L Frau in Magdeburg an der Östlichen
Seite des Kreuzganges, und der Name
To n SU r(d. h. Seh erbrannen) , der sicbhler
durchTraditiondafDr erhalten hat undauch
in anderen deutschen Klöstern üblich ist,
deutet darauf hin , dafs in diesen Brunnen-
häusern den Mönchen Bart und Haupt-
haar geschoren zn werden pflegte, was
nach den Consueiudities der Kluuiacenaer
(DAcher^, Spicileginm, Paris 1723.
' Das za Menfeld sechBectig durch den Brand 1810 zeretort, sehr uneeBchiclrt
neugebaut Das Maulbronner bei Paulus S7 Fig. 35. — Im Benediktinerkl. Lüne
steht der Brunnen im Klosterge blinde selbst an der SUdwestecke des Ereuzgangs in
einer ^lsche der sogenannten Klosferdiele
Eapitelsaal. Refektoriiun.
103
I, 695) alle drei Wochen und unter Psalmodien zu geschehen hatte, und
sicher in ähnlicher Weise auch bei den Cisterciensem und Prämonstratensem
Sitte war. Vergl. Feil, Jos., in den Mittl. Kunstdenkm. d. Ost. Eaiserst., I, 38;
auch y. Quast in der Zeitschr. f. ehr. A. u. K. I, 545. In Maulbronn ist noch
ein zweiter Brunnen neben dem Abthanse, welcher hier Scherbrunnen genannt
wird. Der Teil des Kreuzganges beim Brunnenhause diente insonderheit auch
zu den Fufswaschungen am Gründonnerstage und wurde deshalb auch man-
datum {wegen der Antiphone Joh. 13, 34) genannt. Dslb Lavatorium, das neben
dem Brunnenhause vorkommt, war der Trog zum Waschen der Toten.
Anmerkung 2. Unter den an den Kreuzgang stofsenden Baulichkeiten
sind besonders hervorzuheben der Kapitels aal und das Refektorium,
welche Prachträume des Klosters architektonisch im wesentlichen gleichmäfsig
Fig. 88. LUngendarcbsohnltt des KapitoUaaU in Kloster Walkenried (nach Lots).
(rechteckig; gewöhnlich zweischiffig, seltener dreischiffig) behandelt sind,
und zuweilen, wo die Tradition darüber schweigt, deshalb nur nach ihrer Lage
unterschieden werden können. Der Kapitelsaal {conventuSy capiMum) pflegt
nämlich in der Nähe der Kirche an der östlichen Seite des Kreuzganges zu
liegen, von dem er häufig nicht durch eine geschlossene Thür, sondern nur
durch offene Bogenstellungen getrennt ist. Im Innern ist rings herum eine
Steinbank oft in mehreren Reihen übereinander angebracht für die Brüder, die
sich hier täglich nach dem Morgengottesdienste unter dem Vorsitze des Abtes
oder Stiftspropstes versammelten zum Vortrage eines Kapitels aus der Ordens-
regel, zu richterlichen Verhandlungen und Beratungen etc. Auch diente dieser
zuweilen mit einer Kapelle verbundene Saal zu Begräbnissen der Kapitularen.
— Das Refektorium (verdeutscht Remter^ Rebenter^ Rebenthai etc.) ist der ge-
meinschaftliche Speisesaal und liegt wegen des Duftes der Speisen entfernt
von der Kirche an der gegenüberliegenden Seite, gern in der Nähe des Brunnen-
hauses (s. die vorstehende Anmerk. 1) und bei der Küche. Zu seiner monu-
mentalen Ausstattung gehört eine emporenartige Steinkanzel, von welcher wäh-
rend der Mahlzeit aus dem Leben der Heiligen vorgelesen wurde, und ein
Steinbecken (JavabOj concavarmm)^ in welchem sich die Tischgenossen nach
dem Essen die Hände (im Winter mit warmem Wasser) wuschen. In vielen
Klöstern waren zwei Refektorien, das eine fUr den Sommer {re/eciorium aesti-
vaie), das andere, heizbar, für den Winter (re/ectorium hibemvm). Vergl.
Lenoir, Architecture Donastique II, 320 sqq. and veiter unten Anhang ku
diesem Abschnitte Aber die banliche Einrichtung der Klöster.
Flg. 39. Laiibo [n KloKK Wilkeniltd [niwb Lote).
30. SakriBteien {secrelaria, sacratoria, sacraria),^ hie und da aiioli
Almereien (armaria), Garvehäuser {paratoriä), Gerkammem (vestiaria) oder
TreBkammem igazophyladd) genannt, sind gewöhnlich spatere Ein- oder An-
bauten, oft an der Nordseite der Kirche und regelmäTsig in der Nähe des
Hochaltares belegen. Ihre Bestimmung als Aufenthaltsort (meäitalorium,
sabitatorium) der Geistlichen, ais Schatz-, Bücher- und Eleiderkammer ist
bekannt, und die seit dem "yiTT. Jahrh. vorkommende Errichtung von
Altaren in denselben läTst sie zugleich als Oratorien erkennen. — Auch
ist hier der absgesonderten festen Gemächer zu gedenken, die (zu Magde-
buj^, Halberstadt und Quedlinburg) den dunkeln Namen Zither führen
und zur Aufbewahrung der Eirchenschätze (Keliquien, Urkunden, Klei-
der) dienen.
' Über Bakriateien: Kreuser, Kirchenbau. I, 212—217; yergl. Dr. Scli(äter) ii
E01T.-BL Qe8.-V. 1854, 121.
Sakristeien. 105
Dem Namen A 1 m e r e i , abgeleitet von A 1 m e r , almaria , franz. aumaire,
liegt das latein. armarhun zu Grunde = Kasten, Schrank. — Garvehaus,
Gerwehus, Gerbekammer (in Niedersachsen , Pommern u. s. w. gebräuch-
lich), etwa von gar, gerven d. i. zurechtmachen, dem Zubereiten des
Priesters. — Gerkammer, Gherhus, Gherekammer (am Niederrhein
und in Westfalen) von g6ro, g^re = Rockzipfel, Rockschofs (Luther,
Haggai 2 v. 13), synekdochisch = Rock, Kleid; vrgl. Diez, Wörterb. d.
roman. Sprachen, 4. Aufl., S. 161. — Treskammer, korrumpiert Trost-
kammer (in Preufsen und Schlesien), wie Tre fsler (ihesaurarius) von irese,
tresor = Schatzkammer; vergl. Diez, a. a. 0., S. 696. — Zither, auch
Zyther und Cyther geschrieben, ist Verunstaltung des urkundlich vorkom-
menden syier oder siter^ dessen Bedeutung dunkel ist,^ vielleicht hängt es
mit dem von Schäfer a. a. 0. angeführten 8lav.ci7ani^= Archiv zusammen.
Der über denselben gesetzte, dem Küster der Gegenwart entsprechende
Beamte der Stiftskirchen an den oben genannten Orten, der verheiratet sein
konnte, hiefs: Syiermann^ sein Amt: Syterie.
Auf dem Plane von St. Gallen (S. 57) sind in den von dem Altarhause
und Querhause der Kirche gebildeten Winkeln zwei zweistöckige Gebäude
angegeben, von welchen das nördliche unten die Stube der Abschreiber
{infra sedes scribentium) j oben die Bücherei {supra bibliotheca), das süd-
liche unten die heizbare^ Sakristei (subtus sacratorium) mit einem Tisch zur
Aufstellung der heiligen Gefäfse {mensa sanctorum vasorum\ oben die Para-
mentenkammer (supra vestium ecclesiae repositio) enthält. Hinter der Sa-
kristei befindet sich noch ein besonderes Gebäude, worin das Weihbrot ge-
backen und das heilige Öl geprefst wurde [domus ad parandum panem
sanctum et oleum exprimendum) , was anderweitig in der Sakristei selbst zu
geschehen pflegte. — Gröfsere Kirchen haben oft zwei Sakristeien mit ver-
schiedener, verwandter Bestimmung (der Dom zu Köln hatte eine grofse
und eine kl eine Gerkammer, der zu Magdeburg einen geheimen und einen
grofsen Zither); kleinen Kirchen fehlt die Sakristei häufig ganz. — Das
Beispiel von St. Gallen lehrt, dafs die Sakristei schon damals nicht stets
in Norden lag, obwohl dies meistenteils der Fall ist; in Süden befindet sie
sich z. B. an den Domen zu Bamberg und Magdeburg, an St. Viktor zu
Xanten, an St. Lorenz zu Nürnberg, an der Marienkirche zu Berlin, der
Gotthardskirche und Katharinenkirche zu Brandenburg etc. An der Nikolai-
kirche zu Jüterbog liegt die alte Sakristei südlich, die neue vom Ende des
XV. Jahrb. nördlich, und ebenso liegen an St. Sebald zu Nürnberg die beiden
Sakristeien einander gegenüber: die grofse südlich, die kleine nördlich.
Anmerkung 1. In den Zusätzen zur zweiten Auf läge vonKleins Rhein-
reise von V. Lassaulx, S. 501 ff. findet sich eine «Übersicht des Flächen -
* VergL Stock, Versuch über das Amt der claviger und die Cyther bei deu
Hochstiftem Magdeb. Halbeist. Quedlinb. und Gandersheim ; in v. Ledebur, Allg.
Archiv etc. X, 175 ff. — Das Wort wird in allen drei Geschlechtem gebraucht.
' Kachelöfen in Sakristeien kommen seit dem XV. Jahrh. vor. Figurierte
Xacheln eines ehemaligen solchen aus der Sakristei von St. Stephan in Wien befinden
sich im Genn. Nat.-Mus. — vergl. Anz. G. M. 1875, No. 2. Fig. 13 — 17. Abb. eines
aus dem Hoforatorium der Dom£rche zu Grätz in Steiermark, 2,97 hoch, Mitt. C.-E.
XI, 37.
106
Flächenraum.
ranmes der bedeutendsten (namentlich rheinländischen) Kirchengebäude, die
wir, aus verschiedenen Quellen vervollständigt, mitteilen und dabei bemerken,
dafs das Mafs im Lichten , nach Abzug aller Pfeiler und sämtlicher nicht zum
allgemeinen Gottesdienst bestimmten Anbauten, nach rheinländischem Fufs
berechnet, und die Umrechnung in das Metermafs, da eine volle Zuverlässig-
keit des zum Grunde gelegten Materials nicht in Anspruch genommen werden
kann , unterlassen ist :
Dom in Köhi 62918 Q
» » Ulm 51831
> » Speior 45615
* » Strafsburg 41702
» » Metz 38163
» » Mainz 37506
Marienkirche in Danzig . . . 37060
Dom in Lübeck 34491
Marienkirche daselbst .... 33469
Dom in Wien (Steph.) . . . 32400
> » Magdeburg . . . . 31006
» » Freiburg 30101
Frauenkirche in München . . 29806
Dom in Trier 29774
» » Paderborn 26833
> » Verden 26335
> » Regensburg .... 24315
Abteikirche in Hersfeld . . . 23755
Dom in Bamberg 23499
» » Worms 22978
Lorenzkirche in Nürnberg . . 21730
Dom in Xanten 20659
» » Basel 20382
Klosterk. in Limburg a. d. H. 19208
Maria auf dem Kapitel in Köln 19129
Klosterkirche in Altenberg . . 18432
Dom in Halberstadt .... 18393
Sebaldskirche in Nürnberg . . 17361
Dom in Soest 16711
» » Erfurt 15636
Apostelkirche in Köln . . . 15087
Dom in Naumburg .... 13990
Kunibertkirche in Köln . . . 13761
Marienk. zu Mühlhausen i. Th. 13137
Dom in Merseburg .... 12496 [[J
ElisalK»tlikirche in Marburg . . 12322
Stiftskirche in Oberwesol . . 12205
Stephan in Mainz 12175
Kirche in Schulpforte . . . 12165
Stiftskirche in Kleve .... 12083
Klosterkirche in Laach . . . 11841
Dom in Meifsen 11442
Liebfrauenkirche in Trier . . 11367
Klosterkirche in Jerichow . . 10357
Grofs-Martin in Köln .... 10045
Dom in limburg a. d. Lahn . 9835
U. 1. F. in Arnstadt .... 9753
Klosterk. in Chorin (als Ruine) 9748
Dom in Aachen (vor seiner Ver-
gröfserung durch den Anbau
eines neuen Chors nur 7 536 □') 9704
Kirclie in Memleben .... 9384
Schlofskirche in Quedlinburg . 9370
Martin in Münstermaifeld . . 9284
Klosterkirche in Zinna . . . 9068
Castor in Koblenz 8899
K. auf dem Petei-sberg bei Halle 871 1
Pfarrkirche in Ahrweiler . . 8332
Gereon in Köln 8084
Florin in Koblenz 7496
Liebfrauenkirche daselbst . . 6741
PfaiTkii'che in Andeniach . . 6700
Franziskanerkirche daselbst . 5937
Pfan'kirche in Sinzig .... 5402
» » Mayen. . . . 5033
» » Bonpard . . . 4812
Nikolaik. zu Mühihausen i. Th. 4785
Stiftskirche in St. Goar . . . 4336
Die vorstehende Zusammenstellung ergiebt, dafs die Dome zu Köln (gegr.
1248) und Ulm (als Pfarrkirche gegr. 1377) die beiden gröfsten Kirchen in
Deutschland sind, denen sich der schon um 1030 gegründete Dom in Speier
als die dritte anschliefst. In Speier und Köln finden wir dieselbe lichte Breite
des Mittelschiffes von 13,80, und wenn es hauptsächlich die Mafsverhältnisse
des Mittelschiffes sind, wodurch eine Kirche im Innern grofsartig erscheint,
und namentlich die Breite desselben für die übrigen Teile des Grundrisses
mafsgebend ist, so folgt, dafs in Beziehung auf die Weiträumigkeit der Kirchen
die frühere Zeit von der späteren kaum übertroffen worden ist: ja, die gröfste
vorkommende Mittelschiffbreite von 15,70 hat der Dom zu Mainz, dessen ur-
sprünglicher Grundplan vom Ende des X. Jahrh. stammt. Anders verhält es
sich mit der Höhe der Kirchen, worin es die frühere der späteren Zeit nicht
gleichgethan hat. Das nachstehende, chronologisch geordnete, nach Be-
Höhenverhältnisse.
107
schaffenheit der Qaellen ebenfalls nicht strenge Genauigkeit beanspruchende
und daher gleichfalls nicht in das Metermafs umgerechnete Verzeichnis weist
an vielen Beispielen nach, wie sich das Verhältnis der Breite des Mittelschiffes
zur Höhe desselben im Laufe des Mittelalters und in verschiedenen Gegenden
Deutschlands gestaltet hat : im XI. Jahrh. bleibt es noch etwas unter 1 : 2y
hebt sich im XII. bis XQI. Jahrh. auf 1 : 2 (bei dem Gewölbebau des Speierer
Domes schon auf 1 : 2'/s) und steigert sich nachher in der Gotik auf 1 : 2 Va
bis 3, vereinzelt selbst noch darüber hinaus.
Dm HitteUohlff
lat im Liebten
breit
F. rh.
boch
F. rh.
Entateh-
ongszelt
d. Ornod-
planes.
Dm Mittelschiff
ist im Lichten
breit
F. rh.
hoch
P. rh.
Entsteb-
nngssett
d. Gmnd-
planes.
Trier, Dom
Mainz, »
Münster, Dom
Worms, »
Bamberg, »
Echtemach, Klo-
sterkirche
Limburg a. d. H.,
Klosterkirche
Speier, Dom
Uersfeld, Abteik.
Bremen, Dom
Paderborn, Dom
Minden, »
Paulinzelle, Klo-
sterkirche
Laach, Klosterk.
Huysburg, Klo-
sterkirche
Hamersleben, Klo-
sterkirche
Breitenau, Klo-
storkirche
Petersberg, Klo-
sterkirche
Hildesheim, St.
Godehard
Halberstadt, lieb-
frauenk.
Jerichow, Klo-
sterkirche
Quedlinburg, St.
Wiperti
Brandenburg, Dom
Roichenau, Mit-
telzeil
Braunschweig,
Dom
Magdeburg, Dom
50
50
44
35
34
80
(c. 100)»
(74)
(77)
(78)
IV. Jahrb.
979
seit 990
seit 996
1006
32V4
58
1017
38V»
44
40
35
33
34
75
(110)
75
(66)
(60)
(69)
nm 1030
nm 1030
1037
1044
1058
1062
25
28
50
55
1106
1110
25
42
nmlllO
27
55
1112
29
47
1119
22
42
nmll30
29
59V4
1133
30
54
1140
25Vs
49
1149
22
30
32
(64)
nm 1150
nminO
32
40V,
1172
283/4
35
56V,
102
1172
1208
Limburg a. d. L.,
Dom
Marburg, Elisabeth-
kirche
Köln Dom
Halberstadt, Dom
Breslau, Elisabethk.
Altenberg, Klosterk.
Freiburg i. B., Mün-
ster
Strafsburg, Münster
Xanten, Stiftsk.
Berlin, Klosterk.
Chorin , »
Regensburg, Domi-
näanerk.
Eegensbure, Dom
Lübeck, Marienk.
Ebrach, Klosterk.
Verden, Dom
Heiligenkreuz, Klo-
sterkirche
Doberan, Klosterk.
Soest, Wiesenk.
Kleve, Kapitelsk.
Danzig, M!arienk.
Wien, Stephansk.
Kolin, Bartnolomäik.
Schwerin, Dom
Ulm, Dom
Kuttenborg, Bartho-
lomäikircne
Brandenburg, Ka-
tharinenkirche
Efslingcn, Frauenk.
Prag, Teynkirche
Wilsnack , Wall-
fahrtskirche
Görlitz , Petrikirche
25
34
44
31
31V,
30V4
32
42
35
29
29
30
29»/4
25
37
37«/8
38
68
68
140
86
95V,
82
85
96
75
50V4
57
36
90
46
106 V,
44
134
40
90
41%
65
23
62
36
90V,
35
76
32
61
29
90
34
89
28
80
39
100
47 V,
133V,
100
51
53
96
83
86
nml220
1235
1248
nm 1250
1253
1255
oml260
desgl.
1263
1271
1273
1274
1275
1276
nm 1280
1290
1290
1291
1331
1334
1343
1359
1360
nm 1370
1377
1380
1401
nml406
1407
nm 1410
1417
* Die Einklammenmg des Höhenmaises bezeichnet, dals der Aufbau und die Be-
deckung des Mittelschiffes ^mz oder teilweise aus späterer Zeit herrührt, als der
ursprüngliche, im Breitenmcase beibehaltene Grandplan.
]^03 Mafsstäbe. Grundzahlen.
Eingehende Rflcksicht auf die Mafsverhältnisse der Kirchen im allge-
meinen hat y. Wiebeking (Bürgerl. Bankunde, Bd. IV.) genommen, nnd
in Beziehung anf die Kirchengebäude der Stadt Danzig schon Ranisch
(Grund-Risse und Auff-Zflge etc. 1695) und nach ihm J. C. Schultz (Danzig
und seine Bauwerke etc. 1846. Lief. I. Bl. 6). Erwünschte Erleichterung sol-
cher Zusammenstellungen und der daraus zu ziehenden mannigfaltigen Folge-
rungen^ bieten Hübsch (Die altchristl. Kirchen etc.), Adler (Mittelalterl.
Backstein -Bauwerke) und die von den Studierenden der Berliner Bauakademie
herausgegebenen Denkmäler der Baukunst , weil in diesen Werken sämtliche
Zeichnungen nach einem und demselben Mafsstäbe entworfen sind , bei A d 1 e r
z. B. alle Grundrisse in V340; ^^^ Aufrisse in Vjsoy clie Details in V30 ^^i* ^^-
türlichen Gröfse; auch bei Leins, vaterl. Earchenbauten, sind die Württem-
bergischen Kirchen sämtlich in dem gleichen Mafsstab ^/soo aufgenommen.
Die Zusammenstellungen, die Puttrich (Systemat. Darstellung etc.) über die
sächsischen Kirchen gegeben hat, beruhen zum Teil nur auf oberflächlichen
Messungen. — Ausgedehntere Betrachtungen dieser Art leiden durch den
Übelstand noch immer an Unsicherheit, dafs früher in den deutschen Archi-
tekturzeichnungen die verschiedensten Werkmafse* in Anwendung gebracht
worden sind, nicht selten sogar ohne die notwendige HinzufÜgung, welches
Landesmafs gemeint ist, so dafs, wenn auch seit 1871 das französische Meter-
mafs im ganzen deutschen Reiche gesetzlich eingeführt ist, eine sichere Um-
rechnung in dasselbe nicht überall möglich ist.
Neuerdings hat besonders I^ulus (»Die Mafsverhältnisse in der Baukunst
mit bes. Berücksichtigung der mittelalterl. Baudenkmäler Württembergs« in
Württemb. Vierteyahrshefte etc. I [1878], S. 184 ff. und anderwärts) darauf
hingewiesen, wie gerade bei den künstlerisch vollendetsten Bauwerken des
Mittelalters der wundervolle Einklang der Verhältnisse sich auf überraschend
einfache Zahlen zurückführen läfst, welche die ganze Anlage beherrschend
überall wiederkehren, und die man bei den romanischen Bauten an den
äufseren Mafsen, mit Eintritt des Gewölbebaues aber, besonders bei den goti-
schen Bauten, im Innern, von Pfeilerkern zu Pfeilerkern u. drgl. suchen mufs.
Am aufflllligsten tritt dies zur Anschauung beim Kölner Dome, wenn man, wie
schon Boisser6e bemerkt hat, seine Mafse in römischen Fufsen angiebt :
* Vergl. Schnaase, in der Zeitschr. f. ehr. A. u. K. n, 187 zu VioIIet-le-
Duc, Dici nüs. de Tarchit. I, 146.
' Z. B. der grolsh. Hessische Fuls = 0,s50 m.
» Leipziger » «» 0,s8S »
» Braunschweiger » «= 0,886 »
» Württemberger » = 0,286 »
» Eurhessische » >b 0,887
» Bremer
» Lübecker 1} ^ ^'^
» Bayerische » =» 0,8»i
> Hannoverische
» Römische
> Badische
» Schweizer
» Rheinische » »» 0,siS9
3 -0^
"Wiener » = 0,8ie
Pariser » «— 0,884
VergL Lotz, W., Kunsttopographie. I, 28.
Symbolik der Bauformen. 109
Gesamtlänge des Innern 450
Gesamtbreite 150
Mittelschiffbreite zwischen den Pfeileraxen . 50
Abstand der Pfeiler nnd Seitenschiffe . . 25
Gesamtlänge des Querbanes 250
Gesamtbreite » » 100
Höhe des Mittelschiffs 150
» der Seitenschiffe 65
Es ist jedoch darauf aufmerksam zu machen, dafs diese einfachen Zahlen-
Verhältnisse sich meistens nur mit kleinen Willkürlichkeiten der Berechnung
nachweisen lassen und überall kleine oder gröfsere Abweichungen davon vor-
liegen.^ Indessen wird gerade auf diesen kleinen, dem Auge kaum wahrnehm-
baren und wohl kaum im voraus reflektierten, sondern aus dem künstlerischen
Instinkte der Meister hervorgegangenen Abweichungen von dem starren Gesetz
der strengen mathematischen Proportion erst recht die lebendige wohlthuende
Harmonie der Verhältnisse beruhen, gerade wie bei der Stimmung der Saiten
des »wohltemperierten« Klaviers.
Anmerkung 2. Die Symbolik des Kirchenbaues^ findet sich be-
reits im christlichen Altertume von Eusebius in der bei Einweihung der Kirche
zu Tyrus (Hist. eccl. X, 4 n. 24 — 26) vor der versammelten Geistlichkeit ge-
haltenen Rede in schöner, erbaulicher Weise fruchtbar gemacht, und zwar mit
dem vollen, bei den Zuhörern vorausgesetzten Bewufstsein der freien Hinein-
tragung des Symbolischen in die an und für sich davon ganz unabhängigen
Bauteile ; die Absicht des Baumeisters setzt Eusebius dagegen mit Bestimmt-
heit voraus, wenn er in der Beschreibung der Kirche des heil. Grabes zu Je-
rusalem (de vita Constantini III, 38), wo er, da kein erbaulicher Zweck vor-
liegt, sich sonst alles Symbolisierens enthält, die Zwölfzahl der die Kuppel
tragenden Säulen auf die Apostel bezieht : dvantodöexa xioveg rolg tov acnfigog ano-
aioXoig iaagi^fioi, — Bei den mittelalterlichen Schriftstellern des VIU. bis
XIV. Jahrhunderts wird die mystisch -allegorische Deutung des Kirchen-
gebäudes — vom Grundsteine bis zum Wetterhahn auf der Turmspitze — bis
ins Einzelnste ausgebildet : anfangs mit einer, aus dem sich regenden Bewufst-
sein des Hineintragens erklärlichen, gewissen Schüchternheit, ^ später, nach-
^ Zu ähnlichen Besultaten ist E. Förster (Vorschule) bei Anwendung der Regel
des »goldenen Schnittes« auf dieFa^ade der EUsabethldrche zu Marburg gelangt; vergl.
TVittstein, der goldene Schnitt und die Anwendung desselben auf die Kunst 1874.
— Über den geistreich klingenden Ausdruck von Viollet-le-Duc (Dict. de l'arch.
5 unter icheUe): »der Mensch selbst ist der Mafestab« verel. Sehn aase, IV, 230.
* Vergl. Schnaase, IV. 205 ff.: Sjrmbolik der mittelalterl. Architektur. — Kreu-
ser, J., der ehr. Eirchenbau. I, 619 ff; Symbolik der Bauformen. — Kallenbach,
G. G., Dogmatisch-liturgisch-syinbolische Auffassung der kirchl. Baukunst. Halle 1857.
— Die Symbolik des germ. Baustyls, nachgewiesen an der Nümb. Lorenzkirche, im
Nürnberger Anzeiger 1861. No. 4. — Mefsmer, J. A., die Symbolik in ihr. Verh.
zur ehr. Archit in Mitt. C.-K. XVI, 50 ff. — Clarissa, J., der Dom, der Eirchen-
bau und die Geisteskirche. 1880. — Weber, G., die Sprache der Steine, ein Beitr.
zur Symbolik der kirchl. Bauk. 1880.
3 Der gleichzeitige Fuldaer Mönch Candidus z. B. beschreibt die auf dem dor-
tigen Klosterfriedhofe von dem Abte Aegü durch den Mönch Racholf um 820 erbaute
kleine Rundkirche (s. oben S. 23) und fügt hinzu: »Hoc siquidem aedificium pater
HO SyinlMÜk der Baufonnen.
dem die nacLfolgeudeD Litnrgiker die GedankeD ihrer Vorgänger nnabläaeig
wiederholt und zum Teil wörtlich auB geschrieben hatten, mit bo grofser Zuver-
Bichtlichkeit, &1b ob nicht das gottea dienstliche Bedürfnis das Ursprüngliche
wäre, sondern vielmehr das Symbolische, und die bau meisterlichen Gedanken
Bchlechthin davon abhängig. Letzteres war in Beziehung auf manche Bau-
gebräuche (die Orientierung nach dem Aufgang aus der ÜÖhe, die ehrwürdige
Grundform des Kreuzes, die zwillf Grundsteine oder zwölf Säulen der Kirche
mit Beziehung auf die Apostel) und bei manchen einzelnen kirchlichen Bau-
werken auch unleugbar der Fall, wie, nachdem die Deutung einmal gegeben
war, bei dem aymboUsehen Grundzuge der christlichen Kunst leicht er-
klärlich ist.
Ein bemerkenswertes Beispiel in dieser Hinsicht bietet die zu der Gat-
tung der heil. Grabklrcheu gehörige kleine Kapelle zu Drüggelte bei Soest;*
FIf. K. EtpaU« >a Drtcs«!!« (aub Lfibka).
ein zwölfeckigea Gebäude, dessen Inneres von nur 10,35 im Gesamtdnrch-
messer zwei koncentrische Säulenkreise enthält: den inneren von 2,35 D.
mit vier eine Kuppel tragenden kurzen, den änfseren gröfseren mit zwölf
schlanken Säulen. Ohne Zweifel bezeichnen die letzteren, wie schon in der
igte reneraftdua ac supra commemoratws magieter cum soeüs neieio quid magnt
fingente» divino magisterio docH, quod tarnen ipge »alva fide Chrigti et eccleaiae
puto praegignaft posae figuram.' Nun folgt die Deutung der acht den Mittel-
bau (ragendeii 'SUulen auf die acht Seligkeiten und der Rucdform der Kirche aof das
Reich der ewigen Herrlichkeit in den bescheidenen Ausdrücken: •Oeto columnM ....
mereantur heuert; circulag .... non ineongnte »igiUficare videtur.' — Brower,
Sidera illust et. sauet virorum Gcrmaniae (Mogont. 1618), 30; veigl. Dronke u. r,
Lassaulx, die Matthias' Enpelle zu Kohem, 60.
' Vorgl. Zeitschr. f. Bauw. (1854) IV, 400. In omfacherer Gestalt bietet dasselbe
die jetzige SebasÜanskapello zu Klausen in Tirol.
Klosteranlagen. 111
oben erwähnten Eonstantinischen Kirche des heil. Grabes , die zwölf Apostel,
die vier inneren Säulen dagegen, von denen zwei nur infolge einer Reparatur
stärker gebildet sind , die vier Evangelisten.
Eine reiche, das gesamte Material gewissermafsen abschliefsende Zu-
sammenstellung solcher Deutungen giebt Durandus. Vieles darunter ist sinn-
reich und von bleibendem erbaulichen Werte, ganz anders als die spielende
moderne, vorgeblich uralte Mystik, nach welcher das Kirchengebäude den
gekreuzigten, gen Westen schauenden Christus darstellt und der zuweilen von
der Längenaxe der Kirche nördlich abweichende Chor (s. o. S. 39 Fig. 7) das
nach rechts geneigte Haupt des Heilandes (aber die Kirchen in Offenbach am
61an , Mariastiegen in Wien, Petri-Pauli in Görlitz, Katharinen in Brandenburg,
Klosterkirche zu Heiningen u. a. neigen ihr Chorhaupt südlich!). Die beiden
Westtürme sollen die Nägel (sie!) sein, mit denen die Füfse des Herrn an
das Kreuz geheftet waren, und wo sich noch zwei Türme über den Kreuz-
armen erheben, sollen dadurch die Nägel in den Händen Jesu bezeichnet werden ;
die dem Reiche der Finsternis zugewendete Nordseite des Kirchengebäudes
soll deshalb weniger reich geschmückt sein, als die Südseite (aber wie an den
Domen zu Osnabrück und Trient findet auch am Dome zu Magdeburg der um-
gekehrte Fall statt, obgleich der in dieser Sinnbildnerei befangene Kreuser,
a. a. 0., S. 175 , selbst in der zweiten Auflage noch immer das Gegenteil sieht),^
und dergleichen sich selbst Widerlegendes mehr.
Anhang
über die baulichen Einrichtungen der Klöster bei den ver-
schiedenen Hauptorden.
(Yergl. oben Anmerkung 3 zu § 13 S. 16 ff.)
Lenoir, Alb., Architecture monastique. I. Partie (Vol. l), ü. et m. Partie
(Vol. 2). Paris 1846. — de Caumont, Abecedaire ou Rudiment d'Archeologie
(Architectures civile et militaire) 2. Ed. Paris 1858, 4 — 202. — Vergl. oben
§ 29 u. Anmerk. 1 u. 2.
Der Typus der klösterlichen Anlagen ist dem Grundplane nach seit der
ältesten bis in die neuere Zeit wesentlich gleichgeblieben, und charakteristisch
erscheint für dieselben ein freier rechteckiger Hofranm in der Mitte, welchen
die verschiedenen, die eigentliche Klausur bildenden Baulichkeiten umgeben.
Die eine, gewöhnlich die nördliche, seltener die südliche Seite wird von der
Klosterkirche begrenzt, und der rings um gehende Kreuzgang (s. oben S. 100 ff.)
vermittelt die Kommunikation. Mit Ausnahme des neuen Bestandteiles der
Kirche ist dies ganz der Grundtypus der antik-römischen villa urbana, während
die neben der Klausur belegenen Wirtschaftsgebäude der mit dem herrschaft-
lichen Wohnhofe grenzenden viüa rusHca entsprechen ; man ist daher zu der
' Wenn die eine Seite reicher und kostspieliger verziert ist als die andere, so
ist das immer die von den meisten gesehene Scnauseito, am Dome zu Köln z. B.
die südliche, am Dome zu Magdeburg aie nördliche: beide nach freien Plätzen belegen;
ebenso ist in Brilon die dem gröfeeren Teile der Stadt zugekehrte Nordseite der Kirche
als Hauptseite behandelt.
112 Benediktiner.
Annahme berechtigt , dafs die bauliche Anlage der grofsen römischen Villen
den ersten klöstem als Vorbild gedient hat.
Von den baulichen Einrichtungen einer grofsen Benediktin er -Abtei
der karolingischen Zeit ist uns durch den bereits oben S. 36 erwähnten , für
das Kloster St. Gallen entworfenen Plan eine genaue Kenntnis überliefert.
Die ganze Anlage bildet ein Viereck von 129 X 90 m Fläche. Die verschiedenen,
meist viereckigen und einstöckigen Häuser sind, ein förmliches Städtchen von
etwa 40 Firsten bildend, durch Gassen von einander getrennt und umschliefsen
in ihrem Innern fast alle einen Hof. In der Mitte des Ganzen steht die Kirche
mit der südlich anstofsenden , aus drei zweistöckigen Flügeln bestehenden
Klausur, teilweise durch eine Hecke von den übrigen Gebäuden abgeschlossen.
Der östliche Flügel ist das eigentliche Wohnhaus der Mönche mit der Wärm-
stube (cale/actoria domus) unten und dem Schlafsaale (dormiiorium) oben.
Der südliche Flügel enthält den mit der Kleiderkammer {ves(iarhim) übersetzten
Speisesaal [refectorium)j und der westliche im Erdgeschosse die Kellerei und
oben verschiedene Vorratskammern. Der vierte, an dem südlichen Seiten-
schiffe der Kirche hinlaufende Flügel des Kreuzganges diente für die Bera-
tungen des Konvents und vertritt den späteren, seit dem X. Jahrh. vorkommen-
den Kapitelsaal. Nördlich von der Klausur befinden sich das Gasthaus, die
äufsere Schule, das einer Basilika mit offenen Seitenschiffen gleichende Abthaus
und die Wohnung der Ärzte; östlich sind das Krankenhaus und die Novizen-
schule mit ihren gegeneinanderstofsenden Kirchen, der einem Garten gleichende
Begräbnisplatz und zwei Gärten; südlich die Werkstätten der Künstler, Hand-
werker und Knechte ; auf der Westseite endlich befinden sich die Ställe. —
Ganz dieselbe Anlage wie die der Benediktiner hatten auch die Klausuren der
mit den Bischofsitzen verbundenen Domkapitel {monasteria clericorum) und
der im X. Jahrh. entstandenen Kollegiatstifter, deren Kapitularen die nach
dem heil. Augustinus benannte Regeln befolgten. Wie in den Klöstern fQr den
Abt eine besondere Wohnung aufserhalb der Klausur und oft auf der gegen-
überliegenden Seite der Kirche errichtet war, so auch bei den Kathedralen
die bischöfliche Pfalz (palatium), die oft befestigt war (arx episcopalis), und
nachdem die Kapitularen seit dem XII. und XIII. Jahrh. das gemeinschaftliche
Leben allgemein aufgegeben und die Klausur den Vikarien überlassen hatten,
wohnten auch sie auf besonderen Höfen (curiae canonicaies)^ die innerhalb des
bischöflichen Jurisdiktions-Bezirkes (auf der Domfreiheit) belegen waren.
Eine Domherrn-Kurie aus der ersten Hälfte des XHI. Jahrh. ist die Curia St.
Aegidii am Domplatze zu Naumburg a.d.S., ein zwei Stock hohes quadratisches
Gebäude, im Obergeschofs , welches als Oratorium gedient haben wird, mit
einer erkerartig vorgekragten Apsis (s. oben S. 48). — Ausgedehnte , zum
Teil noch aus dem XI., gröfstenteils aus dem XUI. Jahrh. herrührende
Stiftsbaulichkeiten finden sich auf der Südseite des Domes zu Trier: am nörd-
lichen Flügel des Kreuzganges der langgestreckte zweischiffige Kapitelsaal und
am östlichen Flügel zwei ähnliche, aber breitere Räume von unbekannter Be-
stimmung. Am südlichen Flügel lag das 1806 abgetragene geräumige Refek-
torium ; alle diese Gebäude waren ursprünglich zweistöckig, und das Dormi-
torium soll im Obergeschofs des ehemaligen Westflügels befindlich gewesen sein.^
Schmidt, Chr. "W., Baudenkm. in Trier. lief. n.
FrämonstratenBer. Cistercienser. 113
Von BaulichkeiteD der Pr&monBtratenBer bietet das Li ebfranenk lostet
zn Magdeburg, welches von dem Stifter dieses Ordens, dem heil. Norbert selbst
1129 gegrßDdet wnrde, die ftltesteo Überreste noch aus der Stiftungazeit in
einem vor der Nordseite des Krenzganges lagernden machtigen Bau. Derselbe
besteht ans drei langen, 7,53 breiten Tonnengewölben Über einander, von denen
dag oberste zn ebener Erde, mit dem Krenzgange fast von gleicher HBhe, das
Refektorinm gewesen zu sein scheint, wfthrend die beiden unteren, tief in der
Erde liegenden Gewölbe zwei Vorratskeller übereinander bilden. Der nicht
viel jüngere Erenegang selbst erweitert seinen westlichen Fl Qgel in eine grofae,
znm Teil von Marmorsäulen getragene Doppelhalle: der Überlieferang zufolge
die ehemalige Gerichtset&tte des Stiflspropstes.' — Über die Tonsur s. Fig. 37
8. 102.
Bei den Bauten derCistercienser,' welche sieb ebenfalls im XII. Jahrb.
von Frankreich ans schnell über Deutschland verbreiteten, ist zunächst die
eigentflmliche Orundrifsbildung des Östlichen Teiles der im XII. bis XIII. Jahr-
hundert errichteten Kirchen die-
ses Ordens hervorzuheben, die
auf zwei von einander verschie-
dene, aber unter sich verwandte
französische Muster, die (nicht
mehr existierende) Mntterklrche
zu Citeaux selbst und die Kirche
des Klosters Fontenay, zurückzQ-
fUhren ist. Beide haben den recht-
eckigen SchlufB des Altarhauses
(ohne Apsiden Vorlage) mit einan-
der gemein; bei ersterer Kirche
jedoch bilden die Seitenschiffe
einen niederen Umgang um den
Chor, an den sich ein zweiter, aas
kleinen noch niedrigeren Kapel- p,
len bestehender Umgang schlierst; Nub'
bei letzterer Kirche laufen die
Seitenschiffe des Langhauses zwar wie gewöhnlich in die Kreuzflflgel aus, an
derenOatseite sich indessen seitenschiffartigje zwei niedrige Kapellen Bchliefseu.
Das Vorbild vonCiteanx findet sich in Deutschland befolgt an den Kirchen der
Klöster zu lUddagshausen bei Braunachweig und zu Ebrach bei Bamberg, ver-
einfJBcht auch zn Amsbnrg in der Wetterau und zu Marienfeld bei Oüterstoh.
Hftafiger eracheint die Kachbildnng des Masters von Fontenay : zu Loccum in
Niedersachsen, zu Bebenhansen bei Tübingen, WOrschweiler in der Pfalz nnd
' V. Quast, in der Zeitschr. t. ehr. A, u. K. I, 213. Über die Klöster der Präm.
vergL Winter, Frz., die Präm. des XIT. Jahrh. u. ihre Bedeutung t. d. n.-ö. Deutschl.
166».
» Bchnaase.T, 3I2ff. — Otte, Bank., 2(13 ff. — Feil, Jos., in den Mitt.Kunstd.d.
Osten*. Eaiserst 1, 1 ff. — Dobme, R., die Kirchen des Cist.-O. in DeutacU. wShrend
des M.-A. 186». — K. Lind, Mitt. C.-K. XIV, 11 ff. — Über die Klöster der Cisterc.
vergl, "Winter, Frz., die Cist des n.-ö. DeutschlandB etc. 3 Bde. 1B6B nnd Janau-
Bchek, originum CisWciensium Tom. I, 1811.
Oll«, Kliul-AntaIoIo(lt. b. Aofl. 8
114
Cistercienser.
Fig. 42. CborBohluffl zn Loocnm (nach Liibke).
ZU Kappel in der Schweiz; auch zu Maulbronn bei Bretten und zu Eberbach im
Rheingau, wo jedoch die Zahl der kleinen Kapellen auf je drei an jedem Kreuz-
flttgel gesteigert ist. An anderen Orten,
wie zu Lehnin bei Brandenburg, liegt zwar
das nämliche Schema zu Grunde, es er-
scheint aber dem Altarhause hier eine Ap-
sis vorgelegt, und zu Zinna bei Jüterbog
finden wir nicht allein diese, sondern neben
derselben auch Apsidiolen an den vier Ka-
pellchen. — Die Hinweglassung der Ap-
siden, der Mangel eines eigentlichen Turm-
baues (s. oben S. 81), sowie der einfache
Aufbau und die bescheidene Ausstattung
der Kirchen sind Besonderheiten, die sich
hinlänglich aus dem Nützlichkeitsprincipe
des Cistercienser-Ordens erklären.^ Die zu-
weilen vorkommenden übermäfsig gestreck-
ten Verhältnisse des Langhauses (s. oben S. 63) erklären sich daraus, dafs der
westliche Teil des Schiffes für die im landwirtschaftlichen Interesse oft sehr
zahlreichen Laienbrüder bestimmt war, während die Vorliebe fQr die Anlage
vieler kleiner Kapellen mit den Vorschriften für die Privatexercitien der
Mönche zusammenhängt. Das französische Kathedralensystem mit halbkreis-
förmig oder im Polygon strahlenförmig um den Chorumgang gestelltem Kapellen-
kranz hat zuerst Heisterbach (um 1230 vollendet), während der romanischen
Zeit das einzige Beispiel; nachher in gotischer Zeit Sedletz, Zwetl etc. Die
gotischen in Osterreich sind als Hallenkirchen behandelt, auch wo die Chor-
form einfacher ist, wie in Hohenfurt. — Gewissermafsen in Widerspruch mit
der Einfachheit der Kirchen, die in den Ordensstatuten lediglich als Oratorien
bezeichnet werden, steht die Grofsartigkeit und Mächtigkeit der übrigen
Klostergebäude, wovon die mit Mauern, Höfen und Wirtschaftsanstalten im
wesentlichen erhaltenen Baulichkeiten der Abtei Maulbronn^ aus dem XII. bis
XVI. Jahrh. ein sprechendes Zeugnis geben; s. den nebenstehenden, aus E.
Förster's Denkmalen der Baukunst etc. Bd. VU. zu S. 23ff. entlehnten
Grundrifs, auf welchem die verschiedenen Bauperioden durch verschiedene
Schraffierungen ausgedrückt sind. Die Klausur liegt hier, wie dies auch sonst
oft vorkommt, an der nördlichen Seite der Kirche j4; der Kreuzgang aber,
den etwa 28 m im Quadrat grofsen Hof F umschliefsend , reicht nicht so weit
nach Westen wie das gestreckte Langhaus der letzteren, welchem sich noch
das Paradies B (S. 82) vorlegt. Aus diesem führt nördlich der offene Bogen
b in einen äufseren Gang C, ans dem man auf der Treppe c in den Keller D
hinabsteigt und durch den Gang E östlich in den Kreuzgang dy nördlich in
* Das Äulserste von Einfachheit stellt die Cist. -Kirche zu Neuberg in Kärnthen
dar, eine oblonge dreischiffige Pfeilerhalle mit lauter ^aden Wänden, in der ein Quer-
schiff lediglich durch etwas weitere Stellung und reichere Bildung der Pfeiler ange-
deutet ist. Auch in HeiligenliTeuz sind Querschiff und Chor ebenso einfach gebildet.
* Vergl. Klunzinger, C, artist Beschr. der vermal. Cist.-Abt. M. 3. Aufl. 1866. —
Paulus, die Cist.-Abt. M. 2. Aufl. 1882. — Auch die sehr bedeutenden Klostergebäude
zu Bebenhausen und zu Bronnbach (bei TV^ertheim) nehmen gleiches Interesse in Anspruch-
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Maulbroim. 115
den (restaurierten) zweiBchiffigen Saal (von 36,04 Länge und 10,&| Breite im
Innern) G gelangt, das Laien-Refektorium, Ober welchem sich die Wohnung
der Laienbrader befindet. Am nitrdlichen Ende des Ganges C leitet eine Stein-
treppe in ein sp&ter angefügtes Wirtschaftsgebände G'. Über DE und einem
Teile von G liegt das sogenannte Winter- Refektorium. An der Nordseite des
Krenzgangea führt dem (hier, wie zu Heiligenkreuz, nennseitigen) Brunnenhause
e gegenüber die Thflr ß in das hier Rebenthal genannte Refektorium H. Letz-
teres ist ein zweischiffiger PrachtBaal von 27,22 X 11,52 mit einer Lesekanzel
o an seiner östlichen Wand und den Mauerresten der Küche f an seiner West-
FJg. 41. Beraktarlam Im Kloittr MnlbionD (ini LtlbnlU, OcKUlaatlDO der Oevttlb«}-
eeite. An die Ostseite des Rebenthals reihen sich die beiden Gemächer /
und h, die Feuerungsstätte für das darüber gelegene Calefactorhim, nnd
aus der nordOetUchen Ecke des Kreuzganges fUhii der Gang L in den grofsen
zweischiffigen Säulen -Keller M, neben welchem südlich ein Ranm N be-
findlich ist, der, ursprünglich wahrscheinlich die fraleria, d. h. der zum
Tagesaufenthalt der Mönche in den dienstfreien Stunden bestimmte Raum,
später in zwei geteilt ist, welche nach den darin befindlichen Wandgemälde-
resten wahrscheinlich die Ab achreibe ratube nnd die Geifselkammer [flagel-
latorium) enthielten. Daran stöfst weiter nach Süden der Durchgang 0, durch
welchen man in eine etwa 6,25 breite und 27,60 lange Halle Q tritt, die mit
dem Namen Parlatorium (d. i. Sprechsaal, darüber ein Oratorium) bezeichnet
wird und za dem Herrenhanse führt. Das ehemalige, 1751 abgebrochene Abt-
hans lag zwischen Dorment und Herrenhans, nordwestlich an letzteres Btofsend.
Der mittlere Teil des östlichen KreuzgangsÄUgels endlich erweitert sich in den
mit reichen Sterngewölben gedeckten zweischiffigen Kapitelaaal P, an den sich
die kleine Johann! B-Kapelle A schliefst, und der von dem nördlichen Krenzarme
der Kirche noch durch die Kammer Ä, die Sakristei getrennt wird. Im Ober-
etockwerk Ober den Räumen MNOPR befand sich, durch Steintreppen nord-
wärts mit dem Kreuzgange and der Brudcrhalle, südwärts (wie auch in anderen
Klöstern, z. B. Altenberg bei Köln) auch direkt mit der Kirche verbunden,
das Dorment (der Schlafsaal, oder später die Schlafzellen) der Mönche und
im Dachstnhie noch ein grofaer Saal. Aufserdem werden das Krankenhaus,
das Haus des Verwalters und ein Oesindehaus erwähnt, die sich nebst den
Wirtschaftsgebäuden, als Ställe, Schmiede, Wagnerei, Klostermühte und
Kdfereien anfserhalb der Klausur auf dem Klosterterritorium befinden, welches
mit einer durch Türme befestigten Ringmauer umgeben und durch einDoppel-
thor nebst Zugbrücke zngäaglich war. Neben diesem befand sich (1813 abge-
brochen) die bei allen Cistercienserklöstem vorkommende Kapelle für den
116 BettelMöster.
weiblichen KirchenbeBUch (hier S. Trinitatis). Aufserhalb der Ringmauer lagen
noch verschiedentliche Gebäude, darunter eine Herberge für die Gäste.
In Vergleich mit den weitläufigeren Anlagen der Benediktiner und Cister-
cienser erscheinen die Klöster der sich seit dem XIII. Jahrh. ausbreitenden
Bettelorden der Dominikaner und Franziskaner* weniger bedeutend. Auf
die Ansiedelung in den Städten durch ihre Zwecke angewiesen (s. oben S. 18)
und anfangs ohne Vermögen beschränkten sie sich auf einen bescheideneren
Raum und befleifsigten sich einer minder kostspieligen reducierten Bauweise.
Ihre auf die Predigt berechneten Kirchen ersparen aufser dem Glockenturm
(s. oben S. 81) das Querhaus (ein solches findet sich in Deutschland ausnahms-
weise nur in der Dominikanerkirche zu Breslau und der Franziskanerkirche
zu Lübeck y die zugleich wegen ihrer wohl auf Reminiscenzen an Assisi be-
ruhenden zweigeschossigen Choranlage bemerkenswert ist), im Langhause
sogar wider alles Ebenmafs oft ein Seitenschiff (s. oben S. 66) , und das Altar-
haus von der Breite des Mittelschiffes legt sich einspringend und unter beson-
derer Bedachung dem Langhause vor. Bei aller Sparsamkeit und Einfachheit
zeigen übrigens die Bauten beider Orden meistenteils neben grofser Solidität
und Accuratesse der Technik einen hohen Sinn für edle und schöne Verhält-
nisse und ein grofses Geschick mit den geringsten Mitteln einen würdigen
Eindruck hervorzubringen; man vergleiche z. B. die Dominikanerkirche zu
Regensburg und die Franziskanerkirche zu Berlin. Den Männerklöstern
glichen darin auch die Nonnenklöster dieser Orden, wie dies z. B. die dem 1615
durch Merian verfertigten Stadtplane von Basel entnommene Ansicht des ehe-
maligen Frauenklosters Klingenthal, Dominikaner-Ordens, veranschaulicht,^
wenn auch die Baulichkeiten desselben bis auf die jetzt fast nur noch allein
vorhandene Kirche und den Kreuzgang gröfstenteils schon damals modernen
Charakter hatten, weshalb sich die ehemalige Bestimmung der einzelnen Ge-
bäude auch nur mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit angeben läfst. Das
Kloster lag auf der nördlichen Grenze von Klein-Basel am Ufer des Rheins
und war an den drei äufseren Seiten mit dem Graben r und hinter demselben
mit einer gezinnten Ringmauer umgeben, die auf der Nordseite durch zwei
hohe Ecktürme und einen niedrigeren Mittelturm verstärkt war. Der öst-
liche Flügel der Mauer steigt am südlichen Ende bis zur Höhe des anstofsenden
Gebäudes an, um eine hier befindliche, in das Oberstockwerk des letzteren
führende Treppe zu maskieren. Der Eingang / zum Erlöster befand sich auf
der (südlichen) Stadtseite und führte zunächst in einen schmalen, zwischen
zwei Mauern belegenen Raum und aus diesem neben dem Hause der Pförtnerin
vorbei durch eine zweite, nicht in der Axe des äufseren Thores befindliche
Thür in den äufseren Klosterhof, der durch eine niedrige Mauer von der
* Vergl. Franquinet, G. D., histoire des couvents de Tordre de St. Dominique.
Maastricht 1854 (Aimales de la soc. hist. deM.). — Schneider, F., Mittelalt. Ordens-
bauten in Mainz (die Kirchen der Dominik, u. Karmeliter) 1879. — Fischer, 0., die
Kirchen der Bettelorden in Deutschi, im Chr. K.-Bl. 1882. No. 1 — 3. — Die Baugeschichte
der Kirchen der Bettelorden liegt meist sehr im Dunkeln, da dieselben bei ihrer vor-
wiegend praktisch -seelsorgerischen Tendenz auf die Aufzeichnung schriftlicher Nach-
richten üoer ihre Niederlassungen von Anfang an wenig Wert getefft haben.
* Wir entlehnen den nebenstehenden Holzschnitt den Mitt. der Ges. für vaterl.
Altert, in Basel. Vm. (1860): Die Klosterk. Klingenthal in Basel von Dr. C. Burck-
hardt u. C. Riggenoach.
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Bettelklöster. KarthÄUsen. 117
Klausur geschieden war. Der Eingang zur letzteren und in den inneren Hof
und Begräbnisplatz der Nonnen d führte durch das an der Nordseite des
Kreuzganges c belegene Gebäude o, welches zu ebener Erde das Refektorium
mit der Küche und dem Sprechzimmer und oben den Konventsaal und das
gemeinschaftliche Winter-Dormitorium enthielt , während im Sommer die
Nonnen in ihren Zellen über dem östlichen und westlichen Flügel des Kreuz-
ganges schliefen. Die Südseite der Klausur wird von der Kirche begrenzt.
Dieselbe besteht aus zwei Hauptteilen, der dreischiffigen Laienkirche b mit
besonderem südlichem Eingang und der einschiffigen Nonnenkirche (dem hohen
Chore) a, welche innen durch einen Lettner von einander getrennt sind;
über dem Firste der Nonnenkirche erhob sich ehemals ein schlanker Dachreiter
zur Aufnahme der nur gestatteten kleinen Glocke. Südlich von dem Kirchen-
gebäude breitete sich der Laienkirchhof e aus mit besonderer Pforte nach der
Stadt, dem Beinhause /*und der Totenleuchte (s. unten § 56) ff. Von der
Laienkirche führte ein Verbindungsgang t nach dem Hospitium hj dem sich
südlich noch andere Ökonomiegebäude anschlössen, mit dem Wasserabflüsse
s in den Rhein. In dem westlichen Teile des äufseren Klosterhofes befand
sich das durch den Gang n mit dem Konventsaale verbundene Haus der Priorin
m und aufserdem mehrere an die Ringmauer gelehnte Wohnhäuser k für den
Klosterknecht, den Gärtner etc. nebst zwei Gärten, einem kleineren k und einem
gröfseren/? auf der Sonnenseite. Das achteckige Häuschen /überdeckte den Brun-
nen, und neben dem nordwestlichen Eckturme fahrte ein Steg q über den Graben.
Gleiche Einfachheit wie die Bauten der Bettelorden zeigen auch die Klöster
der seit Ende des XU. Jahrh.^ in Deutschland vorkommenden Karthäuser;
doch mufsten diese nach ihrer das gemeinschaftliche Klosterleben mit dem
einsiedlerischen der Eremiten verbindenden Regel ein verhältnismäfsig grö-
fseres Territorium in Anspruch nehmen, da zur Anlage einer Karthause nicht
blofs eine Kirche mit der gewöhnlichen Klausur, an deren Kreuzgang sich in-
defs nur ein Konventsgebäude lehnte, erforderlich war, sondern noch ein
weiterer, gewöhnlich östlich von der Kirche belegener rechteckiger Raum mit
dem Gottesacker in der Mitte und den einzelnen durch kleine Gärten von ein-
ander getrennten Zellen der Mönche auf den Seiten. In der (jetzt von dem
Germ. Museum benutzten) Karthause zu Nürnberg ist der hinter der Kirche
belegene freie Platz rings mit einem aus 72 Jochen bestehenden Kreuzgange
umzogen, der mit dem vorderen kleineren, nur 29 Joche zählenden Kreuz-
gange an der Südseite der Kirche in Verbindung steht und sich letzterer gegen-
über auf der Nordseite fortsetzt.^ Überhaupt erscheint als Eigentümlichkeit
der Karthausen die Anlage zweier, unter einander und mit der Kirche ver-
bundenen Kreuzgänge, eines kleineren und eines gröfseren; dieser in den Kar-
thausen zu Köln und Basel GaHlaea major ^ Grofs-Galilaea, jener Galilaea
minor y Klein-Galilaea' genannt. An die Galilaea major lehnten sich die
* Die älteste Karthause in Deutschland ist die 1165 gestiftete und mit Mönchen
aus Grenoble besetzte zu Seiz in Steiermark; vergl. Eirchenschmuck Sekkau. m, No.
3 u. 4.
* Siehe den GrundriTs im Organismus des Gterman. Nai-Mus. in Nümb. 1855 u.
im Wegweiser durch die Sammlungen 1882, sowie die Ansicht der E[arthause Ostheim
im Arcniv des histor. Vereins für Unterfranken u. AschafFenburg. IX, 1
" Vergl. Kreuser, der christl. Eirchenbau. I, 239 u. (Rose, F.,) Ein Tag in Basel.
Basel 1840, 92. — Über den schwer zu enträtselnden Namen Galilaea hat Jos. Ant.
11g Karthaosen. Ordensschlösser.
einzelnen in den Garten hinaus gebauten Zellen mit der vorderen Giebelseite^
worin sich die Thür befand j aus welcher sich die Mönche durch den Kreuzgang
täglich nach der Kirche begaben. Die GalUaea minor betraten sie nur am
Sonnabend Abend, um im Kapitelsaale vor dem Prior zu beichten und ihre
Angelegenheiten zu beraten, und an Sonn- und Festtagen, wo sie gemein-
schaftlich im Refektorium afsen und sich abends in dem kleinen Kreuzgange
unter Gesprächen ergehen durften. Die Basler Karthause zählte mit der des
Priors 16 Zellen, und die Zellen der Mönche waren über den Thüren durch
Bibelsprüche sinnig bezeichnet , deren Anfangsworte in alphabetischer Reihe
aufeinander folgten : Ambulate etc. (Joh. 12, 36). — Bonum est etc. (Matth. 17,4)»
— Caro etc. (1. Kor. 15, 50). — Diligite etc. (Matth. 5, 44). — Existimo etc*
(Rom. 8, 18). — Facite etc. (Luc. 3, 8. 9). — Gaudium etc. (Luc. 15, 7). —
Humiliamini etc. (1. Petr. 5, 6). — In omnibus etc. (Sir. 7, 40). — Karitas etc»
(1. Tim. 1, 5). — Labora etc. (2. Tim. 2, 3). — Mandatum etc. (Joh. 13, 34).
— Nolite etc. (Rom. 12, 2). Dies war die Zelle des Sakristans, aus der auch
eine Thür nach der Kirche führte, über welcher ebenfalls eine mit N anfangende
Sentenz stand. — Omnes etc. (2. Cor. 5, 10) an der Zelle des Schaffners. —
Fatientes etc. (Jac. 5, 7) an der Zelle des Subpriors , mit einer zweiten Thür
ins Refektorium, über welcher stand: Fraeparate (1. Sam. 7, 3). Die Ein*
gangsthür zur Zelle des Priors war mit einem t bezeichnet ; darunter stand der
Spruch Luk. 14, 27, und an der Thür ins Refektorium der verwandte Spruch
Matth. 16, 24.^ — In der berühmten Karthause Mariaparadeis bei Danzig ge-
hört aufser der unbedeutenden Kirche die charakteristische Anlage der in iso-
liei*ter Folge belegenen Zellen erst der jüngsten Zeit an.
Wie die Karthäuser das Anachoreten- Leben mit dem klösterlichen zu
vereinigen suchten, so verwirklichten die geistlichen Ritterorden die Ver-
einigung des kriegerischen mit dem Mönchsleben, und in baulicher Beziehung
sind besonders die Schlösser des deutschen Ritterordens in Preufsen ^ bemer-
kenswert. Der Typus des preufsischen Ordensschlosses, wie sich derselbe seit
der Mitte des XIV. Jahrh. festgestellt hatte, erscheint als ein von Gräben um-
zogener quadratischer Bau mit Ecktürmen und einem bis zur Zinnenkrönung^
des Gebäudes aufsteigenden Hauptportal, durch welches man in den, die Mitte
einnehmenden gleichfalls quadratischen Hof tritt. Den letzteren umgiebt, wie
in den Klöstern, ein sich gegen den Hof öffnender Kreuzgang, der aber, da
die Haupträume des Schlosses niemals zu ebener Erde liegen, notwendig zwei
Geschosse über einander erhalten mufste. Zu diesen Haupträumen gehörte zu-
nächst die stets orientierte und mit dem östlichen Ende nach aufsen liegende
Schlofskapelle, der Konvents -Remter genannte Kapitelsaal und das Refekto-
rium, welches Speise -Remter hiefs. Das Erdgeschofs, unter dem sich in meh-
reren Etagen über einander mächtige Keller erstreckten , enthielt lediglich die
Mefsmer in den Mitt. C.-K. VI, 104 gute Erläuterungen gegeben: man nannte
im Xn. Jsübrh. mit willkürlicher Anwendung von Matth. 28, 16 den Weg von der
Zionskirche zu Jerusalem bis auf den ölberg Oalilaea, und vermöge Übertragung
konnten auch die den Prozessionen als Nacnoildung jenes Weges dienenden Säulen-
gänge bei den Kirchen mit diesem Namen bezeichnet werden.
» Vergl. XVI. Neujahrs-Blatt für Basels Jugend. 1838. Beilage, 2 ff.
* Vergl. V. Quast, Denkm. der Baukunst in Preufsen. I, 8 u. Bl. H — V.
Fli. U. Qnindrib dar Huhnbarc (ucb L
120 • Ordensechlösser. HospiUler.
zur Ökonomie erforderlichen Ranmlichkeiten. VitUig t
anch die SchlÖBser der Landes -Bischöfe und Domkapitel eingerichtet. Unter
den Ordensschlössem , mit denen das ganze Land bedeckt war, zeichnet sich
vorzugsweise ans das ehemalige Hanpthaus zn Harieabnrg, das sich als Sitz
des Hochmeisters durch grOfsere Ansdehnnng nad Pracht von den übrigen
unterscheidet; siehe den Orondrifs Fig. 44, welcher aufser dem Eochschlosse
mit der Ordenskirche auch das nördlich davon gelegene völlig Belbstindige
Mittelschlofs mit der Wohnung des Hochmeiaters und den Prachtremtem ver-
anschaulicht.
Mit den Ordenshäuaern der Deutschherren nnd Johanniter, welche Ritter-
orden ja ursprünglich ans einfachen Hospitalern in Jerusalem hervoi^egangen
Fig. U, Fifidi dn h. Otlil-HiHplUli lu LObcot.
waren, so wie von Anfang an mit allen KISstem und mit allen geistlichen Ver-
brüderungen, die nach Art der Mönche ein gemeinsames Leben in einem und
demselben Gebäude führten, war stets eine besondere Abteilung verbunden
znr Aufnahme erkrankter Brüder und Angehörigen, so wie vor der Pforte eine
Herberge fllr fremde Pilger. Seit etwa der Mitte des XII. Jahrh. scheinen indessen
diese klöaterlichen Pflegeanstalten [hospilaiia, firmariae) bei Zunahme der Be-
dürfnisse und bei der sich infolge der Kreuzzüge notwendig machenden strengeren
Qesundheitspolizei nicht mehr ausgereicht und zur Gründung von besonderen
KrankeohSusem geführt zu haben, die sich namentlich seit dem Anfange des
XUI, Jahrh. durch die 1198 von Papst Innocenz lU. bestätigten Brüder vom hei-
ligen Geiste nnd nnter Beteiligung der Magistrate schnell Aber die Städte
Dentschlands verbreiteten.' In archäologisch-baulicher Beziehnng ist über diese
Hospitäler des heil. Geistes als gemeinsame Eigentümlichkeit derselben
' Vergl. Böhmer, F., im Archiv für Frankfurts Gesch. u. Kunst m, 15 ff.
HospitSler.
121
Flg. 46. GmndriOi das HotpltalB sa
Caes (nach Verdler n. Cattola).
ZU bemerken die Anlage am Eingange der Stadt und am fliefsenden Wasser,
sowie die enge Verbindung des Krankensaales selbst mit einer Kapelle : er-
steres aus Gesundheitsrücksichten , letzteres zur besseren geistlichen Pflege
der Kranken. So wurde schon die vielleicht älteste Anstalt dieser Art in
Deutschland, das Hospital Joh. des £v. in Hildesheim (gegr. 1155) ^ auf einem
freien, rings vom Wasser der Innerste umspülten Platze angelegt, und ebenso
die Heil. Geist -Hospitäler zu Rom (als Mutterhaus) an der Tiber, zu Mainz
am Rhein, zu Ulm an der Donau, zu Wetzlar an der Lahn, zu Frankfurt am
Main, zu Berlin an der Spree, zu Nürnberg sogar über einem mit grofsen
Bögen überwölbten Arm der Pegnitz. Die un-
mittelbare Verbindung der Krankenhalle mit
der vor derselben belegenen Kapelle ist bei
den Hospitälern zu Frankfurt und Lübeck
nachgewiesen. — Das grofsartige Nikolaus-
Hospital dagegen, welches der Kardinal Niko-
laus von Gusa 1450 zu Gues an der Mosel für
33 Arme (nach der Zahl der Lebensjahre
Christi) mit einem Aufwände von mehr als
10 000 Goldgulden gründete, folgt dem Typus
der klösterlichen Klausuren: den offenen Hof
in der Mitte umzieht ein Kreuzgang, an den die Wohnräume der Hospita-
nten und drei Pfeilersäle grenzen, und die Kirche liegt südöstlich am öst-
lichen Flügel. In dem Stiftungsbriefe ist die Bezeichnung der einzelnen
Zellen mit den Buchstaben des Alphabets vorgeschrieben.^ — Eine beson-
dere Gattung der Hospitäler sind die schon vor den Kreuzzügen in Verbindung mit
den Klöstern (z. B. in St. Gallen wohl bereits um 750) ^ vorkommenden Häuser
für Aussätzige. Bei Wasserburg hat sich das Leprosenhaus St. Achaz samt
der dazu gehörigen Kirche erhalten, und auf einer Tafel an der Aufsenseite
stehen die Gesetze des Hauses.^ — Auch mit Brücken wurden zuweilen Hospize
verbunden. Denn der Brückenbau^ galt im Mittelalter als ein verdienstliches
Frömmigkeitswerk, für welches reiche Ablässe erteilt wurden, wenn es nicht
von den Bischöfen selbst in die Hand genommen wurde, wie sich denn in
Frankreich eigens daftir die ca. 1177 durch den Hirten Benezet aus Hautvilar
gestiftete und von Papst Clemens HI. 1189 bestätigte geistliche Brüderschaft
der frairespontifices bildete. Teils um diese wichtigen Bauten unter den Schutz
der Heiligen gegen die bösen Wassergeister zu stellen, teils um den Reisenden
Gelegenheit zu Gebeten und zu Dankopfern für ihre glückliche Benutzung zu
geben, wurden Kapellen, zum grofsen Teile dem Patrone der Schiffer St.
Nikolaus geweiht, entweder an einem Ende der Brücke (meist am jensei-
tigen Ufer), oder auf einem verstärkten Pfeiler inmitten der Brücke errichtet.
* Kratz. J. Mich.^er Dom zu Hildesheim. 11, 150 f.
* Schmidt, Chr. W., Baudenkm. in Trier. lief. m.
* Keller, Ford., Bauriis des Klosters St. Gallen, 8.
* Anz. G. M. (1860). VH, 231.
* YergL Becker, J., die religiöse Bedeutung des Brückenbaus im Mittelalter mit
besond. Beziehung auf die Frankfurter Mainbrücke (NeT:gahr8bhitt des Vereins für Gesch.
u. Altert zu Frkf. a. M.) 1881 — wo 31 solcher mitteMterl. Bruckenkapellen in
Deutschland und der Schweiz nachgewiesen sind.
122 Brückeniapellen.
Dei^leichea haben sich aus der Übei^angszeit zu S&alfeld, ans gotischer Zeit
zu Calw (ca. 1400), Efalingen (siehe Fig. 47) und Kahla (148G)> erhalten.
Neaerdin^B ist auch an der dem Erz-
bischof Willigia (f 1011) zugeschriebenen
Nahebrtlckeza Bingen* eine Kapelle, und
zwar innerhalb des Landpfeilers unter dem
HochwasBerspiegel nacbgewieaen worden,
und eine Ähnliche in der schon 1227 er-
wähnten Edderbrücke zn Fritzlar in dem
trockenen Bogen an der Stadtseite.* Viel-
fach wurden dann die Brücken auch mit
Spitälern verbunden. So gründete an der
ältesten (1135) deutschen Brflcke zu Re-
gensbnrg 1226 der Bischof Konrad III.
ein solches; in Calw, Efslingen, Jena und
Kahla sind die damit verbundenen Niko-
lausspitäler noch vorbanden.
Schlnfsbemerkang
über Polychromie und Restau-
ration der mittelalterlichen
£irchen.
Auf eine farbige Wirkung verzichtete
die mittelalterliche Kirchenbaukuust auch
unter dem trüberen nordischen Himmel
selbst im Äufseren nicht vollständig. Im
Flg. 47. nrtc^k.n^.|p.»^ Ef.u~»« frühereu Mittelalter war besonders die
an byzantinische Vorbilder erinnernde
Sitte beliebt, durch Verwendung verschiedenfarbiger Steine in wecliselnder
Folge eine polychrome Wirknng hervorzubringen. So ist z. B. die Fa^ade
der ans karolingi scher Zeit stammendeu Durchgangsballe im Kloster Lorsch
ganz mit einem Scbachhrettmnster aus roten und weifsen Sandsteintafelu
moaaikartig bekleidet. Auch die dem XL Jahrh. angehörenden Teile des
Domes in Trier und der Michaeliskirche in Uildesheim zeigen in den Bogen-
etirnen einen regelmäfsigen Weclisel roter und weifser Sandsteine, der sich
in letzterer Kirche selbst bis auf die Säulen (mit weifsen Basen und Kapitalen,
mit roten Schäften und Kämpfern) erstreckt. An den rheinischen Tnffbauten
findet sich oft unter den Dacbgalerien mit schwarzen Zwergsäulen ein Tafel-
fries aus dunklen Schieferplatten. Anderwärts, z. B. an der Dekanalkirche zu
' Vergl. E. Lobe, die Saalbrücke bei Kahla, in den Mitt. desVer. für Gesch. u. s. w.
zu Kahla u. Koda. I (1876), 247 ff.
• Vergl. Schneider, F., die Kap. unter der Nahebrücke bei BJngea — im Korr.-BL
Ge9.-Y. 1877, 35 ff. m. Abb.
» Vergl. V. Dehn-Bothfelser k Loti, Rgb. Kassel, 64, und Falk, im Koit.-B1.
GCS.-V. 1877.
Polychromie der Architektur. 123
Flanian in Böhmen ein Wechsel von hellgelbem und rotbraunem Sandstein und
am Portal zu Altenzelle bei Nossen von roten Ziegeln und weifsem Pimaer
Sandstein. — Später, in der gotischen Periode tritt diese Richtung allerdings im
allgemeinen zurück, macht sich aber gerade auf dem Gebiete des norddeutschen
Ziegelbaus im späteren Mittelalter mit grofser Entschiedenheit geltend. Nicht
nur durch die Verputzung der Wandflächen der Blendnischen ^ und der Hinter-
gründe durchbrochener Friese, sondern auch durch Schichtenwechsel roter
und schwarz oder grün glasierter Ziegel und Überspinnung der roten gefugten
oder weifsgeputzten Wandflächen mit einem Ornamentnetz aus dunkel gla-
siertem Backstein wurde eine farbige Wirkung erzielt, die sich in einzelnen
Fällen, wie an der Eatharinenkirche zu Brandenburg (1401) und besonders
an ihren Kapellengiebeln ^ zur glänzendsten Pracht steigert. — Aber auch auf
dem Gebiete des Hausteinbaus wurden wenigstens einzelne Teile durch far-
bigen Schmuck ausgezeichnet, so namentlich Portale. Das prächtigste Beispiel
ist das Hauptportal der Elisabethkirche zu Marburg. Hier ist alles Laubwerk
auf kräftig blauem, grünem oder rotem Grunde vergoldet, die Gliederungen
des Portalbogens sind in den Stäben weifs, in den Hohlkehlen blau und rot-
braun gefärbt, die Portalsäulen in den Schäften weifs auf dem roten Quader-
grund der Gewände. Dazu die Statuen mit goldgemusterten Gewändern in
leuchtenden Farben und die Thürflttgel in farbigem Pergamentüberzug, von
dem sich die reichen Beschläge in Vergoldung abhoben. Aber auch das Portal
einer einfachen Dorf kirche hat sich zu Queutsch im Kreise Schweidnitz in seiner
alten farbigen Bemalnng erhalten. Vereinzelt dagegen ist die Erscheinung,
dafs ein so sorgfältiger Quaderbau wie die Elisabethkirche zu Marburg im
ganzen Äufseren nach glattem Verstrich der Fugen mit einem dünnen Putz über-
zogen, dieser rot gefärbt und auf ihn wieder Fugen (u. zw. keineswegs immer
über den'wirklichen Steinfugen) in weiTser Farbe aufgemalt worden sind. — Bei
besonderen festlichen Gelegenheiten strich man aber auch ganze Gebäude mit
grellen Farben bunt an; so besitzt das Germanische Museum eine im XVU. Jahr-
hundert gefertigte Kopie einer von 1274 stanmienden Zeichnung einer Hälfte
des unteren Teils der Fagade des Strafsburger Münsters, welche wohl im In-
teresse solch einer Festdekoration ganz mit den gebräuchlichen Farben Blau,
Rot und Gold bemalt ist.^ Eigentliche Wandgemälde zum Schmucke des Äufseren
der Kirche finden sich in den südlicheren, namentlich österreichischen Ge-
genden nicht selten, in Norddeutschland doch nur ausnahmsweise, so z. B. am
Chore des Domes zu Breslau, an der südlichen Vorhalle der Petrikirche zu
Magdeburg etc. — Gern aber gab man auch den Dächern farbigen Schmuck;
das Chordach des Domes von Köln, mit einem durchbrochenen Kamme auf
dem Firste gekrönt, hatte eine Decke aus Blei, die vermittelst flacher Zinn-
lötungen mit vielfachen vergoldeten Zieraten und grofsen Buchstaben , welche
Verse auf die heil, drei Könige bildeten , damasciert war. — In Süddeutsch-
* Vielfach wurde auf dieselben ein imitiertes Mafswerksomament gemalt; das be-
deutendste Beispiel davon bietet der gewaltige, jetzt im Kirchendache steckende Ostf
giebel des Schiffs der Katharinenkircne zu Brandenburg. Aber auch Musterung der-
selben mit Sternen fmdet sich an derselben Kirche.
' Ansicht in Farbendruck bei Adler, Backsteinb. I. Taf. 14.
• Vergl. Essenwein, Polychromie der mittelalterl. Bauwerke, im Anz. G. M.
1870. Sp. 395 f.
124 Polychromie der Architektur.
land kamen sehr häufig bunt glasierte Dachziegel in Anwendung, z. B. an einem
Teile von St. Stephan in Wien, in Botzen, Eolmar und Basel, auf dessen
Münster die Ziegel ein Bautenmuster bilden, das in Grün, Gelb, Rotbraun
und Weifs abwechselt.
Im Innern war die nüchtern einfarbige Tünche, mit welcher eine ver*
ständnislose Zeit bereits seit der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts bei
ihren von Zeit zu Zeit wiederholten Renovationen Schicht auf Schicht die mei-
sten alten Earchen dicht überschmiert hat, ganz und gar nicht etwa Geschmack
des Mittelalters. Zunächst behielt überall beim Werksteinbau der Stein seine
natürliche Farbe, und besonders in älterer Zeit suchte man die prächtigeren
Bauten durch Einfügung von Säulen aus bunten Marmorarten, die als kostbare
Geschenke von Kaisern, Päpsten und vornehmen Rompilgern über die Alpen
kamen, später am Rhein durch solche aus dem rheinischen Schiefer Farben-
wechsel hervorzubringen. Ebenso behielten in den Backsteinbauten die Zie-
gel ihre natürliche Farbe (z. B. noch jetzt im Dome und in der Marien-
kirche zu Stendal, in der Wallfahrtskirche zu Wilsnack, restauriert in den
Klosterkirchen zu Doberan, Jerichow und Lehnin), zuweilen auch hier im
Wechsel mit glasierten Ziegeln, die si0h hie und da in Spirallinien um die
Rundpfeiler herumziehen, während die Gewölbekappen und die Leibungen der
Arkadenbögen geputzt sind. Hiermit war aber dem Farbensinne des Mittelalters
keineswegs genügt. In der romanischen Periode boten die grofsen ungeglie-
derten Wandflächen, wo man sie nicht mit bunten Teppichen behängte, reich-
lich Platz für eigentliche Wandmalereien, und man kann für diese Zeit die
völlige Ausmalung der Kirchen mit mehr oder weniger umfangreichen Gemälde-
cyklen als die Regel bezeichnen, da selbst die kleinsten Dorfkirchen auf diesen
Schmuck, wenn auch nur in handwerksmäfsiger Ausführung, nur im Falle
äufserster Dürftigkeit verzichteten. Aber auch die farbige Bemalung der ge-
samten architektonischen Gliederungen ist als eigentliche Regel anzunehmen,
teils in einheitlicher Färbung des Gesteins, bei der man den Marmor in einer
eigentümlich schematisch gewellten Weise zu imitieren suchte, teils in mannig-
faltiger rhythmischer, omamentaler Dekoration der verschiedenen Glieder. Solche
durchgängige Bemalungen, die oft weniger einen feinen Farbensinn, als eine
urwüchsige Freude an glänzender Farbe und auch an Spendung kostbaren
Farbenmaterials für das Heiligtum ^ beweisen, sind im ganzen wohlerhalten und
geschickt erneuert z. B. in der Dorfkirche zu Methler in Westfalen^ und zu
Ramersdorf bei Bonn' vorhanden, in sehr verkommenem Zustande in der sog.
bunten Kapelle des Doms zu Brandenburg.^ — Anders gestaltet sich die Sache
* Chanikteristisch ist. was das Chion. Petershus. I, 22 über die Ausmalung der
Petershausener Elosterkircne durch den h. Qebhard erzählt: Muri quoque hastliaie
erant ex omni parte pukherrime depicU; ex ainistra parte habentes materiam de
veteri, a dextro awtem de novo testamento. Et ubictmqtte imago domini ftterat,
aureum circa captU circtäum habebat Venetiorum namqfie episcopus modium jpZe-
num 8ibi de graico cohre, qui voeatur lazur, gratis pro caritate dederat, qui ettam
color abwndantissime f sUswt ipsi vidimus, muris wnaique iUitus erat.
» Photol. Abb. in den K. u. Gesch.- Denk, der Prov. Westf. I. Taff. zu S. 39 u. 40.
* Grolse Totalansicht in Farbendruck bei aus'm Weerth, Wandm. Taf. XLH.
* Einzelne Proben daraus bei von Minutoli, Benkm. Taf. I u. XI, Fig. 2.
Polychromie der Architektur. 125
in der gotischen Periode. Hier übernahmen die Glasgemälde in den die
Wände bis auf die konstruktiv unerläfslichen Reste ersetzenden Fenstern die
Farbenwirknng , und der natürliche Instinkt liefs es yermeiden mit ihrem trans-
parenten y den Raum erfüllenden und aufwänden und Säulen spielenden Farben-
schimmer die stumpfen, kalten Tünchfarben in Konkurrenz zu bringen — wo
man dies nicht vermieden hat, wurden sehr barbarische Resultate erzielt.
Man beschränkte sich daher auf eine schlichte Musterung, meist Quaderung
der Wände, soweit dieselben einer Tünche bedurft, oder dieselbe (wie in den
Marburger und vielen anderen hessischen, auch mecklenburgischen Kirchen)
auch ohnedies erhalten hatten, und Hervorhebung einzelner Dienste und na-
mentlich der Kapitale, an denen das Blattwerk meist auf farbigem Grunde ver-
goldet wurde; gröfserer Farbenreichtum aber wurde nur da entfaltet, wo der
Farbenreflex der gemalten Fenster nicht unmittelbar hindringen konnte, an
den Gewölben. Jedoch auch hier zunächst in bescheidener Weise, indem die
Schlufssteine durch Bemalung und Vergoldung ihres Reliefschmucks und die
Rippen durch einfache oder ornamentierte Färbung von den entweder im Werk-
stein oder Ziegeln sorgfältig gefugten und regelmäfsig gemusterten oder ge-
putzten Gewölbekappen abgehoben, wohl auch mit leichten Omamentlinien in
Form von Laubbossen oder Kämmen begleitet wurden. Der blaue Himmel mit
goldenen Sternen, der vielfach an dieser Stelle für besonders gotisch gehalten
wird, kommt zwar in Italien häufig und auch an einigen berühmten französi-
schen Beispielen vor, wie denn auch im Graltempel des Titurel sämtliche Ge-
wölbe (ed. Zarncke, Str. 46) von blauem Saphir mit Sternen von Karfunkel
gemacht sind, was in der Auslegung (Strophe 47, S. 166) ausdrücklich auf den
Himmel gedeutet wird,^ in Deutschland ist er aber nur in ganz wenigen ver-
einzelten und geringfügigen Beispielen (z. B. Sakristei der Elisabethkirche zu
Marbu]^, ehemals auch Bischofskapelle des Domes zu Merseburg) nachgewiesen.
Dagegen wurde es in späterer Zeit Sitte, die geweifsten Kappenflächen mit
aufgemaltem Pflanzen-, Ranken- und Laubwerk völlig zu überziehen, oft mit
eingemischtem Figurenwerk von Heiligen, den Evangelistenzeichen, den
Aposteln mit dem Credo u. dergl. Solche Gewölbemalereien meist spätgotischer
Zeit haben sich erhalten in der Elisabethkirche und Schlofskapelle zu Marburg,
in derEarche zu Wetter, in der Klosterkirche zu Breitenau, in der Dominikaner-
kirche zu Basel und Kapelle zu Königsfelden, im Freiburger Münster^ in der
Liebfrauenkirche zu Trier, der Kirche zu Partenheim, im Dome zu Güstrow,
in einem Saale neben der Katharinenkirche zu Lübeck, in der Sakristei der
Nikolaikirche zu Jüterbog, den Marien -Kirchen zu Herzberg, Kolberg, Straufs-
berg und auf dunkel blutrotem Grunde in der Marienkapelle am Dome zu
Schwerin und in der Red ekinschen Kapelle am Kreuzgange des Doms zu Magde-
burg. — Über Polychromie der Fufsböden s. oben S. 92 ff.
Vergl. über die mittelalterliche Polychromie, besonders der gotischen Zeit:
Ungewitter, Lehrbuch, 613 — 642 u. Taf. 46. — Stockbauer, J., die antike
Innendekoration und die Ausschmückung christlicher Kirchen, im Or^. fr. ehr.
K. 1873, No. 12—14. — Schneider, f., im Korr.-BL G.-V. 1875, No. 11. —
' In der dem Graltempel einigermalsen nachgebildeten Earlshofer £arche zu Prag
befolgt die wohlerhaltene Polychromie des Deckengewölbes ein ganz anderes System —
fliehe die farbige Abb. in den Mitt. C.-K. XII, Ta2. VI zu S. 167 ff.
J26 Mittelalterliche Kestaurationen und Umbauten.
Schäfer, C, Gotische Wandmalereien in Marburg u. s. w.. in der Deutsch.
Bauz. 1876, 324 S. u. 1879, 33 f. — Altendorff, mittelalterl. Wandm. im
Königr. Sachsen, ebd. 1879, 76.
Wenn im Mittelalter Erweiterungen und Umgestaltungen älterer Gebäude
vorgenommen wurden, behielt man gern bo viel als möglich das alte Mauerwerk
bei. So ist z. B. das gotische Schiff der Klosterkirche zu Schulpforta eine
Umgestaltung einer älteren Kirche romanischen Stils, in der Klosterkirche zu
Doberan enthält das südliche Seitenschiff noch Reste einer alten Rundbogen-
kirche, und in der Leonhardskirche zu Frankfurt a. M. erscheint das kleine
ursprüngliche Gebäude in das spätere gröfsere wie in eine Schachtel einge-
schoben. Als Beispiele geschickter mittelalterlichen Restauration sind zu
nennen : die Abteikirche zu Deutz, St. Severin und St. Andreas zu Köln. Eine
der am häufigsten vorgenommenen Umänderungen ist die Yertauschung der
ursprünglichen flachen Holzdecken mit Steinüberwölbungen, z. B. im Schiff
von St. Maria auf dem Kapitol zu Köln, in der Liebfrauenkirche zu Halberstadt
(jetzt wieder mit Holzdecke) etc. Auch die Vergröfserung der ursprünglichen
Fensteröffnungen , ohne Rücksicht auf den ursprünglichen Baustil , findet sich
nicht selten, z. B. in der Klosterkirche zu Echtemach Oberlichter aus dem
XIII. in Wänden aus dem XI. Jahrb.; minder häufig scheint man mit Thüren
Um Wandelungen vorgenommen zu haben, z.B. ein Portal aus dem XVI. in der
Giebelwand des nördl. Kreuzarmes aus dem XIH. Jahrb. am Dome zu Merse-
burg. Als einzig in seiner Art ist der Umbau der Klosterkirche zu Drübeck
zu bezeichnen , wo die vorhandenen Steinkapitäle der Arkadensäulen in ver-
ändertem Geschmack zwar , aber ebenfalls noch in romanischem Stil mit Stuck-
blattwerk überzogen wurden. — Bei teilweisen Neubauten verfuhr man in der
Regel mit unbefangenster Rücksichtslosigkeit, indem man den Stil des Vor-
handenen nicht weiter beachtete, sondern die neuen Anbauten etc. nach dem
jeweiligen veränderten Zeitgeschmack ausführte. Zuweilen liefs man selbst
unfertige Details verschiedener Stilweisen unbekümmert auf einander stofsen,
wie sich deutliche Merkmale davon zeigen z. B. im Westchor des Domes zu
Naumburg a. d. S. , oder an den Pfeilern der Vierung in der Klosterkirche zu
Nienburg a. d. S. — Von einer archäologischen Vorliebe für Konservierung des
Alten finden sich nur selten einzelne Spuren, z. B. die Nachbildung der ur-
sprünglichen Säulenkapitäle des abgebrannten Ottonischen Domes zn Magde-
burg bei dem Neubau des Chores im XIII. Jahrb., oder die Wiederverwendung
des romanischen Bogenfrieses an dem spätgotischen Langhause der Stadt-
kirche zu Freiburg a. d. U. ; auch imitierte man in einzelnen Fällen beim Weiter-
bau ältere Formen , z. B. am Wormser Dom in der Zeit der Spätgotik Würfel-
kapitale, am Mainzer Dom im Fenstermafswerk spätgotischer Seitenschiffkapellen
ältere Pfostenprofile mit dem Rundstab u. s. w. Am wenigsten Wert scheint
man bereits im Mittelalter auf vorhandene ältere Wandmalereien gelegt zu
haben , man übermalte sie bei Restaurationen mit neuen — besseren oder auch
schlechteren. Am häufigsten wurden noch einzelne , mit merkwtlrdigen Bild-
werken, Wahrzeichen etc. versehene Steine konserviert. So findet sich z. B.
an einer Ecke der Georgskirche zu Tübingen ein Stein mit einem Löwen und
einem Greif, und darüber die Inschrift: »der. stain, Ui, an, di. drd. kirche. uf,
diser. hofsiats^ an der spätgotischen Kirche zu Eltville ein von Erzbischof
Willigis herrührender Stein mit einer Inschrift über damalige Dotierung der
Stüverschiedenheiten an Bauten des Mittelalters. 127
Kirche y und im Treppenhause der Vorhalle an der Stadtkirche zu Freiburg a.
d. U. wie an der Waldenchskirche zu Murrhardt eine alte mit Reliefs geschmückte
Thflrlünette etc. — Es ist daher erklärlich, dafs die gröfseren Kirchen aus-
nahmslos und selbst die gröfsere Mehrzahl der kleineren infolge von Ei*weite-
rungen und teilweisen Neubauten verschiedene Baustile in ihren aus verschie-
denen Zeiten herrührenden Teilen zeigen, wovon die Chorwände des Münsters
zu Bonn, an denen man auf geringer Fläche die Reste aus mindestens drei
verschiedenen Bauperioden neben und durcheinander erblickt, eines der
sprechendsten Beispiele darbieten (vgl. die Abbild, bei Otte, Bank. S. 157),
und da überdies die Erbauung grofser Kirchen oft Jahrhunderte hindurch
danei*te (am Dome zu Regensburg z. B. wurde über 450 Jahre gebaut) ,^ während
welcher Zeit sich der Geschmack vielfach änderte , so wurde der Fortbau selten
nach dem ursprünglichen Plane, oder doch wenigstens im Geiste desselben
weiter geführt, was jedoch bei einigen der bedeutendsten Werke (Dome von
Köln, Magdeburg etc.) glücklicherweise der Fall war. — Wenn nun ihrer
streng genommen heterogenen Bestandteile ungeachtet die mittelalterlichen
Kirchengebäude dennoch meist einen einheitlichen und harmonischen Eindruck
hervorbringen, so ist dies darin begründet, dafs die verschiedenen Baustile
des Mittelalters aus einer genetischen Weiterentwickelung derselben architek-
tonischen Principien hervorgegangen sind und im wesentlichen von demselben
kirchlichen Geiste durchdrungen waren, während die späteren zopfigen^ Zu-
sätze und Veränderungen, welche auf völlig anderen, aus der antiken Kunst
entlehnten architektonischen Grundsätzen beruhen und einen gründlich ver-
änderten kirchlichen Geist widerspiegeln, als fremdartige Bestandteile empfunden
werden. — Noch mehr als in baulicher Beziehung sind die alten Kirchen durch
ihre innere Ausstattung mit Denkmälern etc. ein Spiegel aller der seit ihrer
ersten Vollendung an ihnen vorüber gegangenen Perioden, was bei den häu-
figen Restaurationen der Gegenwart stets sorgfältig beachtet werden sollte,
damit nicht die ehrwürdigen Denkmale unserer Voreltern im vermeintlichen
Interesse einer herzustellenden Stil-Einheit und Reinheit ihres geschichtlichen
Charakters völlig entkleidet, und die Fäden zerrissen werden, die uns durch
sie geschichtlich und gemütlich mit der Vorzeit in organische Verbindung
setzen.
Über die bei Restaurationen zu befolgenden Grundsätze: Vitet, L., in der
Allgem. Bauzeit. 1852, Heft 11 u. 12. — v. Quast, in der Zeitschr. f. ehr. A.
u. K. die Rubrik ^Erhaltung und Zerstörung der Denkmäler«^ und im Koit.-BI.
Ges.-V. Vn, 29 ff. — Jam"b. C.-K. etc. in den verschiedenen Jahrgängen die
^Abteilung I.^ — Reichensperger, Fingerzeige, 29 ff. — Giefers, W. Engelb.,
Prakt. Erfahrungen die Erhaltung, Ausschmückung, Ausstattung der Kirchen
betr. (1858) 3. Auflage 1869. — Die Restauration spätgot. Kirchen mit Renais-
sance-Einrichtungen etc., im Org. f. ehr. K. 1872, Wo. 20. — ütis, der falsche
* Um den gottesdienstlichen Bedürfnissen zu genügen, wurden die Kirchen vor
ihrer gänzlichen Vollendimg gewöhnlich schon teilweise geweiht und in Gebrauch ge-
nommen, und man führte zu diesem Zwecke Notdächer auf, über denen man den
Oberbau fortsetzte (Dom zu Halberstadt), oder schlofs vollendete Teile durch einst-
weilige Scheidewände von den noch im Bau begriffenen ab (Dom zu Köln).
* Die Ausdrücke »zopfig« und »verzopft« werden hier una weiterhin der Kürze und
Bequemlichkeit halber beibehalten, da es aufserhalb der Zwecke dieses Buches lie^,
die Stufen der weiteren Entwickelung der nachmittelalterlichen Kirnst durch Renais-
sance, Barock, Rokoko und Zopf genauer zu berücksichtigen.
128 Innere Einrichtung der Kirchen.
Baurat. Eine Novelle. 1877, 59—87. — Denkschrift üb. d. Pflege der Kunst
an d. öffentl. Bauwerken. (München 1877.) — Redtenbacher, R., üb. d.
Restauration v. Baudenkmälern, in d. Deutsch. Bauz. 1878, No. 58. 60. 62 u.
die weiteren Verhandlungen mit R. Bergau das., No. 64. 70. 90.
B. Innere Einrichtung und Ausschmückung
der Kirchen,
Augusti, J. Chr. W., die gottesdienstl. Sachen der alten Christen (Bd. Xll.
der Denkwünligkeiten) 1831.
Abbildungen von kirchlichen Mobilien aller Art in: Schmidt, Chi-. "SV.,
Kirchenmeubles und Utensilien aus dem M.-A. und der Renaissance in den Diö-
cösen Köln, Trier und Münster. t851 etc. — Höfling u. Merkel, die Kunst«
des M.-A. 2 Bde. Berlin. Ed. Reymann 1857—1861. — Vergl. auch Becker,
C, u. von Hefn er- Alteneck, J., Kunstwerke u. Gerätschaften des M.-A. u. der
Renaissance. 3 Bde. (1847 fF.) Neue Ausgabe 1859. — aus'm Weerth, E.,
Kunstdenkmäler dos christl. M.-A. in den Imeinlanden. I. Abteilung: Bildnei-ei.
3 Bde. 1857—68. — Bock, Fz., das heilige Köhi 1858. — Ramee, Daniel,
meubles religieux et civiles du moyen-age etc. 2 Bde. Paris o. J. — Katalog
der im Germ. Mus. befindl. kirchl. EirSichtungsgegenstände u. Gerätschaften
1871. M. 26 Taff. — Atlas kirchlicher Denkmäler des M.-A. im Österreich. Kai-
serstaate etc., herausg. von der k. k. Central -Kommission etc. Wien 1872. —
Zahlreiche in den photolith. Publikationen über die historischen Ausstellungen
kunstgewerblicher Erzeugnisse zu Dresden (187 5 Photogr. von G. Gilbers), zu
Frankfurt a. Main (1875 Ph. von Alex. Liebener) und München (;i876 Phot
von Obernetter) sowie über die Sammlung von Eugen Felix in Leipzig (herausg.
V. von Eye, A., und Börner, P. E., Leipzig 1880).
a. Altäre and Altarschmack.
Thierö, J.-B., les principaux autels des eglises. Paris 1688. — Voigt,
Gthld.j Thysiasteriologia, sive de altaribus veterum Christianorum. Hamb. 1709.
— Heideloff , C, der christliche Altar, archäolog. und artist. dargestellt. 1838. —
Laib, Fr., und Schwarz, Fr. Jos., Studien über die Gesch. des christl. Altars.
1857. — Kunsthistorisches üb. Altarbau, Landshuter Ztg. 1859. No. 236. —
Kreuser, J., Skizze üb. den Altar u. seine Gesch., im Org. f. ehr. K. 1861.
No. 16 ff. — Vergl. von Sacken, Ed., der Flügelaltar zu St. Wolfgang in Ober-
Österreich (die Einleitung über die Geschichte des christl. Altars) in: Mitt. Kunst-
denkm. d. öst. Kaiserst., herauseegeb. von Dr. G. Heider etc. I? 125 — 129. —
Schmid, Andr., der christl. Aßar und sein Schmuck. 1871. — Die Mensa des
ehr. Altars, im Kirchenschmuck. Sekkau 1872. No. 4 — 7. — Die in Didron,
Annales archeologiques. IV, 238. 285 und VIII j 181 enthaltenen Abhandlungen
über den Altar von Didron und Texier und m Bd. XI. lief. 1 von Ramee;
auch VioUet-le-Duc dict. r. de l'arch. II, 15 — 56.
31. Der Altar (cUtare)^ welcher in der alten Kirche frei vor der Apsis
stand, trat im Mittelalter in die Chornische zurück und erhielt zur
Unterscheidung von den schon im V. Jahrhundert erwähnten, im Laufe
der Zeiten mit der allgemeinen Einführung der Privatmessen immer häu-
figer werdenden Seitenaltären (Votiv- oder Mefsaltären, altaria minor a)^
die besonderen Heiligen von einzelnen Personen, Familien imd ganzen
Korporationen gewidmet wurden, den Namen Hochaltar, Fronaltar {aKare
mqius^ summiim aliare^ altare principale).
Altäre. 129
Der Name Altar {ara^ ^vaMüij^^iov) bezeichnet die Opferstätte, wo das
Opfer des neuen Testamentes und die Gebete dargebracht werden. Easebius
(de vita Const. 4, 45) erwähnt, dafs die zar Einweihung der Kirche des heiL
Grabes nach Jerusalem entbotenen Bischöfe teils gepredigt und die Schrift
ausgelegt, teils aber die Gottheit mit unblutigen Opfern und mit Gebeten
versöhnt hätten {pvaians apaifto^g xal fiwnixalg Ugovif^iaig to -^Bioy ila(TXorxo)y
und PaulinuB von Nola (ep. 11. ad Se verum) nennt diese Kirche reich an
goldenen Altären. Schon die karolingischen Kapitularien (capit. Carol. M.
anno 805 c. 6, bei Hartzheim, Conc. Germ. 1, 388) untersagten zwar die
übergrofse Anzahl, und das Mainzer Pro vinzial -Konzil von 1261 (ibid. 3,
599) verordnete sogar die Hinwegnahme der überflüssigen Altäre aus den
Pfarrkirchen, für welche höchstens drei zu gestatten seien,' allein der-
gleichen Verbote drangen nicht durch : auf dem Baurisse von St. Gallen (s.
oben S. 57) sind in der Klosterkirche 17 Altäre angegeben, und zu Ende
des Mittelalters hatten der Dom zu Magdeburg 48, die Marienkirchen zu
Danzig 46, zu Stralsund 44, zu Frankfurt a. d. 0. 36, die Cistercienser-
kirche in Ebersbach 35, der Dom zu Meifsen 32, die Frauenkirche zu
München und die Nikolaikirche zu Jüterbog 30, St. Viktor zu Xanten 24,
die Stiftskirche zu Quedlinburg 22 Altäre; die städtischen Pfarrkirchen
wetteiferten also in dieser Beziehung mit den Kathedralen und Stiftskirchen.
— Der Hochaltar steht regelmäfsig frei in derApsis (oder, wenn die Kirche
rechteckig schliefst, am östlichen Ende des hohen Chores), die an den Wänden
und Pfeilern der Kirche errichteten Seitenaltäre dagegen sind gewöhnlich an
einer Seite mit dem Mauerwerke verbunden. Auf dem Plane von St. Gallen
sind die Nebenaltäre von Schranken umzogen und lehnen sich mit der Rück-
seite gegen die östliche Schranke. — Die Front der Altäre (aspectus) ist
möglichst nach Westen gewendet,^ mit Ausnahme der nach Osten schauenden
in den Westchören (s. oben S. 55 f.), wobei es jedoch zweifelhaft bleibt, welche
Stellung hier der Liturg einnahm (s. oben S. 13 f.). Diejenige Seite des Altars,
welche rechts von dem auf dem Altare stehenden Kruzifixe ist (also gewöhn-
lich die nördliche), heifst die Evangelien-, die linke (südliche) die Epi-
stelseite {comu evangeliij cornu episioiae), weil nördlich das Evangelium,
südlich die Epistel verlesen wird. Die Evangelienseite heifst auch die
Brotseite und die Epistelseite die Kelchseite, weil links vom Priester das
Brot, rechts der Kelch aufgestellt wurde.' — Der Hochaltar steht um mehrere
Stufen erhöht; bei den Seitenaltären genügt schon eine Stufe. — Jeder
Altar ist einem oder mehreren Heiligen gewidmet, der Hochaltar stets dem
Titelheiligen der Kirche, und nach Festsetzung eines Trierschen Provinzial-
Konzils von 1310 (Hartzheim a. a. 0., 4, 142) soll in jeder Kirche vor
oder hinter oder über dem Altare durch ein Bild oder eine Inschrift deutlich
* VergL Jakob, 130.
* Vergl. Treiber, J. F., de situ altariuin versus Orientem. Jen. 1668. — Bei den
Altären auf West-Emporen österreichischer Kirchen kann die Stellung des Priesters west-
lich vom Altare nicht zweifelhaft sein, da sie mit ihrer dekorierten Ostseite unmittelbar
in die Emporenbrüstung eingelassen sind.
' Thietmari Chronicon. Vin, 5 (rec. Wagner, 251). Die Gründe für diese alte
Otte, Knntt-ArohXoIogia. 5. Aufl. 9
130 Kreuzaltar. Triviinphkreuz.
bezeichnet sein, zu Ehren welches Heiligen der Altar errichtet ist; * es finden
sich daher aaf den Altären in der Regel die Bilder derjenigen Heiligen , denen
der betreffende Altar gewidmet ist.
Einen ausgezeichneten Bang unter den Nebenaltären nimmt der in den
meisten gröfseren Kirchen unter dem Scheidbogeu zwischen Chor und Schifif
errichtete Altar ein, welcher regelmäfsig dem heil. Kreuze gewidmet und
in Stifts- und Klosterkirchen für die Laiengemeinde bestimmt ist {altare s.
. crucis, altare laicorum). Auf dem Baurisse von St. Gallen ist ein Altar
»^. salvaioris ad crucem^ und darüber ein grofses Kreuz ^crux pia^ viia,
, saltis miserique redemptio mundi<t^ mitten im Schiffe angegeben. In der (zu-
erst 1033 geweihten) Kirche des Michaelsklosters zu Hiidesheim stand ur-
sprünglich hinter dem Ej'euzaltare (retro altare s, crucis) die — 1810 im
Domhofe aufgestellte — vom h. Bern ward verfertigte, in Erz gegossene, bis
zum Kapital 4,23 hohe, mit 28 Darstellungen aus dem öffentlichen Leben
Jesu geschmückte, sogenannte Bernwardssäule, als Träger eines Kruzifixes.
Später wurde es Sitte, über dem Kreuzaltare, auf einem durch die Kirche
gezogenen Querbalken, oder frei aufgerichtet, auch in Ketten hangend (in
den Klosterkirchen zu Wechselburg — XHI. Jahrh. — Ilefeld, Loccum [in
diesen beiden mit dem corpus des Gekreuzigten auf beiden Seiten des
Kreuzes], Bücken, Maulbronn, Berlin, im Dome zu Halberstadt, Magdeburg,
Ratzeburg, in der Elisabethkirche zu Marburg, Johanniskirche zu Danzig
u. s. w.) ein kolossales, aus Holz geschnitztes Kruzifix, das Triumphkreuz,
cruxtrhimphalis (weil unter dem Triumphbogen aufgestellt; vgl. oben S. 50)
mit den Statuen der Maria und des Johannes zu den Seiten, im XVI. Jahr-
hundert zuweilen eine freistehende und deshalb auf beiden Seiten bemalte,
die Kreuzigung und die darauf folgenden Scenen darstellende Tafel (im
Dome zu Merseburg früher, jetzt an der südlichen Wand des Chores) anzu-
bringen. In manchen Gegenden hat man in neuerer Zeit, auch in katholischen
Kirchen fast überall die Triumphkreuze mit besonderem Eifer beseitigt, doch
finden sich noch viele, zuweilen sehr alte, sicher bis ins XU. u. XUI. Jahrh.
hinaufreichende in den Vorhallen oder sonstigen Nebenräumen umherstehend:
z. B. in den Domen zu Brandenburg und Braunschweig, eine ganze Sammlung
in einer dunklen Kammer im Turme der Marienkirche zu Berlin.'
Bitte bei Gobelinus Persona, 259. Nähere Auskonffc geben auch die Verse Hilde«
berts von Tours (f 1143):
lUa soLcramenta modo vario ponMntu/r in ara,
ObUUi panis dextra tenet ecdicem,
In cruce pendentis qitoniam Uxtus omnipotentis
Dextrum sangumeam vtdnere fudit aquam.
Non reprehendendum si panis in anteriori
Parte locatur, Habens posterius calicem.
lüius ordo prior tenet intuüum rationis,
Posteriorque favet usibus ecclesiae,
Vergl. Hinter im, Denkwürdigkeiten etc. IV, 3, 388.
« Jakob. 133.
* Photolith. Abb. eines, wenn auch nicht aus dem XI., so doch mindestens aus
dem XTTT. Jahrh. stammenden Triumphkreuzes in der Stiftskirche zu Innichen in Tirol,
in den Mitt. C.-K. N. F. V, 79; das zu Bücken aus dem XII. Jahrh. bei Hase, M.-A.
Band. Nied.-Sachs. Taf. 89.
Form der Altäre. 131
32. Die ein&chste, seit dem YL Jahrhundert gesetzlich gewordene
Gestalt des Altars ist die eines sarkophagformigen steinernen Tisches
(mensa)^^ der mit einer gewöhnlich aus Einem Steine gehauenen Platte
bedeckt ist In der Altarplatte, oder vom imter derselben befindet sich
eine länglich viereckige, mit einem Steine (sigilhm)^ gewöhnlich einer
Marmortafel, verschlossene Vertiefung (Eeliquiengruft, sepulchrum) zur
Aufnahme eines bleiernen Kästchens (capsa) mit der Weihungsurkunde
und den Reliquien, die, wenn auch noch so klein, nicht fehlen durften,
da jeder Altar, im Anschlüsse an die altchristliche Abendmahlsfeier über
den Gräbern der Märtyrer, das Grab eines Heiligen vorstellt In der
griechischen Kirche ist der Altar ein auf Säulen ruhender Tisch, welche
Form im Abendlande nur selten vorkommt
Ein sehr alter Altar befindet sich in der Stephanskapelle (dem sog.
alten Dom) des Domkreuzganges zu Regensbnrg:^ ein ans einem Blocke
gehauenes vierseitiges Prisma von 2,09 Länge, 1,35 Breite und 1,06 Höhe,
innerlich ausgehöhlt und an den Seiten mit einer Reihe fensterähnlicher
Öfifnungen versehen; man konnte also in dergleichen Altäre hinein und die
darin befindlichen Reliquien sehen. Auch in der ehemaligen Klosterkirche
von Petersbausen war der alte Altar hohl und aus fünf Steinplatten zusanmien-
gesetzt:^ sonst pflegen die mittelalterlichen Altäre massiv aufgemauert, und
zuweilen am unteren Teile, hinten oder auf einer Seite, nur mit einem
Schranke für Utensilien etc. versehen zu sein. Die meisten Altäre sind zwar
ganz schmucklos und höchstens oben mit gegliedertem Simswerke versehen,
doch finden sich auch solche, deren Vorderseite (oft in der Weise antiker
Sarkophage) mit Bogenstellungen und Skulpturen verziert ist, z. B. der
äufserst geschmackvoll mit Säulen, Blattgesimsen und Vierpafs- ähnlichen
Füllungen geschmückte spät -romanische Altar in der Michaeliskapelle (im
Turm) der katholischen Kirche zu Heilbronn. ^ Gleicher Zeit etwa scheint
der Altar in der Westkrypta des Neumünsters zu Würzburg^ anzugehören ;
er ist ebenfalls mit Säulen umstellt, zwischen denen die Felder mit Malereien
* Der Abendmahlstiscli der alten Christen war aus Holz. Solche werden zu Rom
noch in der Schatzkammer von San Giovanni in Laterano (der angebliche des Herrn,
mit Silberplatten belegt) und in der lateranensischen Basilika (der angebliche des Petras,
mit durchbrochenem Marmorgeländer umgeben) aufbewahrt — DieI)onatisten zerstör-
ten die Altäre und verbrannten sie (Optat. Milev. de schismai Donat. 1. 6). Ein
steinerner Altar (ro ^aiaaxriQiov .... U^oq iarl) wird von Gregor von Nyssa
erwähnt (Opp. 3, 369) und vom Conc. Epaon. anno 5t7 c. 26 {AUaria nisi ehris-
fnatia lapiaea unctione non sacrentu/r) geboten. — Yergl. Rheinwald, Arohäol.,
136 f.
« Schuegraf, Dom zu Regensburg. TL l, Taf. 1; vergL Otte, Bank., 235. Mitt.
C.-K. XVI, 59. Fig. 6.
^ Chron. Fetershus. in Mone, Quellensamml. der bad. lündesgeech. I, 161 a;
vergl. Wackernagel, W., ia den MitteiL der Gesellsch. für vaterländ. Altertümer in
Basel Vn, 3.
* Manch, Einladungsschr. der polytechn. Schule in Stuttgart 1849, 18. Taf. 2;
auch bei Laib und Schwarz, Studien etc. Taf. JH 8.
» Abb. bei Becker- v. Hefner lU, Taf. 24.
9*
,32 Alfartisch.
^Bchmtlckt Biod, und durch Gitter kaon maa id das hohle Innere sehen, wo
ein Sarg die Reliquien des heil. Eilian einBchÜefst, In gleicher Weise durch-
brochen für den Einblick in das Innere ist der Altar zu Branweiler' und
wenigstens auf der Hinterseite auch die Hochaltäre zu Unterzell und Oberzeil
auf Reichenau,^ spätgotisch ganz durchbrochen dae sogenannte Markusgrab
zuMittelzetl daselbst und ein Altar zu Pllrgg in Steiermark.' Un durchbrochene
mit Sänlenetcllungen in Hpätromantschem und übergangsstil kommen oft
z. 6. zu Oemünden und zu Marienstatt* im Regb. Wiesbaden, in der Schlofs-
kapeile zu Vianden^ und in der Klosterkirche zu Pforta.^ Ein sehr eigen-
tümliches Werk ist der im Museum des grofsen Gartens zu Dresden befind
liehe, aUB der dortigen B arthol oraäikirc he herrührende gotische Altar m"
einer statuarischen Darstellung des heiligen Grabes in dem vorn ganz offenei
hinten und auf den Seiten fensterartig durchbrochenen Innern/ und in St.
Wendel besteht der Altar aus dem ehemaligen steinernen Reliqnienaarg dei
h. Wendelin aus dem Ende des XIV. Jatirh., über welchem später ein neuei
Sarkophag mit den Reliquien ans dem Ende des XV. Jahrh. aufgestellt ist,
Flg. («. Utn» In dti AlltitadllEaiAipella in BegcnDiurg (ucli Ltlbke).
Auf Säulen rnhende Ältartische in der Weise der morgenländischen
Kirche gebOren, wo sie in Deutschland vorkommen, dem XL und XII. Jahrh.
an, nnd haben sich erhalten in den Krypten zu Limburg a. d. H. (nur in
Brach Btttcken), von St. Gereon zu K&ln und zu Gurk (woselbst zwei der-
Abb. bei aus'ra Weerth. Taf. 51. Fig. 6.
Der letztere abg. bei Adlor, in d, Zeitschr. f. Bauw. 1869. Taf. 69. Fig. H.
Abb. Xirchenschmuck Sekkau 18Ti, Beil. zu No. 4. Fig. 3.
. bei Luthmer, HarienHtatt, in d. Zeitschr. t. Bauw. 1&67, Taf. 23.
> in der AJlg. Bauz. XXXm u. XXXIV. Taf. 42. Fig. 1 — 4.
• bei Corssen, Schulptorta, 251.
Bösigk, Fi. L., Führer durch das Museum im Palais des grofsen Gartens. 1856,
if. zu 8. 44. — Auch zu Bleidenstatt (Nassau) ist der Sockd eines h. Grabes als
Altarplatte. 133
gleichen), aufserdem in der Kirche zn Sindelfingen bei Stuttgart, in der
Allerheiligenkapelle zu Regensbnrg, sowie im Dome zu Braunschweig. Letz-
terer, von Heinrich dem Löwen der heil. Maria gewidmet und ursprünglich
in der Mitte des hohen Chores aufgestellt, ist unter den Mensen dieser Gat-
tung der ausgezeichnetste: die Platte (1,50 lang, 0,75 breit und 0,io dick)
aus dunkelem Muschelmarmor ruht auf fünf hohlen, ehemals mit Reliquien
gefüllten Bronzesäulen, deren Kapitale mit schön stilisierten Adlern ge-
schmückt sind. In dem Kapitale der Mittelsäule befindet sich in einem
bleiernen GefiUse die Dedikationsurkunde des Bischofs Adelog von Hildesheim
vom J. 1188.* — Der sog. Krodo- Altar in der Vorhalle des ehemaligen Doms
zu Goslar, ein Gufswerk aus Bronze, welches aus einem von vier knieenden
Figuren getragenen, in einem Stücke gegossenen rechteckigen Kasten (0,99
lang, 0,73 breit, 0,77 hoch; mit den Trägem 1,19 hoch) besteht, hatte ver-
mutlich ursprünglich eine andere Bestimmung (vielleicht als Behälter für
ein TaufgefUfs), ist jedoch, wie die mit den fünf Weihekreuzen versehene,
den Deckel bildende Platte aus weifsem Marmor und die unter derselben
befestigte Capsa beweist, als Altar im kirchlichen Gebrauche gewesen.^
In jede Altärplatte sind fünf kleine Kreuze (X) eingehauen, vier
auf den Ecken und eines in der Mitte, in denen, nachdem sie zuvor mit
Weihwasser und Salböl bezeichnet sind, der Bischof bei der Weihe des
Altars mittelst kreuzweis hineingelegter Wachskerzen-
filden 5 Weihrauchkörner (]•[) verbrennt. Die Weihe-
kreuze in den Ecken sind in der Regel mit den Seiten
der Platte parallel, zuweilen aber auch diagonal gestellt.
Ihre Form ist meist ganz schlicht, hin und wieder doch
auch stilisiert, z. B. auf dem Altare der ehemaligen Domini-
kanerkirche zu Brandenburg in nebenstehender Form. —
Die Altarplatten bestehen aus Sandstein, Kalkstein, Marmor,
Porphyr etc., auch aus Glimmerschiefer (in der Krypta des Fig.49. wethekreaz am
Doms zu Naumburg), dem man eine wunderthätige Kraft Aitare in st. Paaii zu
beimafs. — Prachtvoll und höchst kostbar ist die Platte Brandenburg.
auf dem Hochaltar des Doms zu Magdeburg von jaspis-
artigem rötlichem Marmor, 4,39 lang, 1,96 breit und 0,31 dick, ein Geschenk
des Erzbischofs Dietrich (t 1367). Das Gewicht derselben wird auf mehr als
118 Centner geschätzt, und der Wert in älteren Schriften auf zwei Tonnen
* Schiller, die mittelalterl. Architektur Braunschweigs, 22; vergL Görres, F.,
Beschreib, vom St. BlasiusBom zu Braunschw. 3. Aufl., 30. — Bei Jac. Goar, £wo-
Xoytov s. rituale Graecorum, 614 (in d. deutschen Ausg. v. Mich. Rajewsky. men
1861. in. 179') findet sich die Vorschrift, dafe die Reliquien und die Errichtungs-
urkunde aes Altars ia die hohlen Säulen gelegt werden sollen, welche die Platte tragen
(vercl. Laib und Schwarz, Studien etc., t7). — Heinrich der Löwe erbaute den Dom
zu Braunschweig nach seiner Rückkehr von dem heil. Grabe, woher er viele Kostbar-
keiten und Reliquien miteebracht hatte ; es ist nicht unwahrscheinlich, dafs dem Marien-
altar ein orientalisches Vorbild zu Grunde lag.
« Yergl. Mithoff, Archiv, m, 1, S. 9 u. Taf. Vn. — Vor dem Pfarrhause zu
Tabor in ^hmen steht noch der. einzig übrig gebliebene der roh aus Granit ffemeifsel-
ten Eommuniontische, deren Zilka gegen 300 für die Abendmahlsfeier der Taboriten
unter beider Gestalt soll haben aufrichten lassen. Abb. bei Grueber IV, 99.
134 Keliquienbehälter der Altäre.
Goldes angegeben.^ — Nicht selten wurden ehemalige Grabsteine (auch mit
eingravierten Porträtfignren) als Altarplatten verwandt , so zu Elbenau^
Erakauy Welsleben, Ziesar im Magdeburgischen, zu Kavelsdorf bei Rostock,
zu Jedenspeigen in Nied.-Österreich sogar die Grabplatte eines Pfarrers
Wolfger von 1360.' — Die Deckplatte des Sepnlchrums wird gleichfalls mit
einem Kreuze bezeichnet und soll aus natflrlichem Steine bestehen, auf einem
Seitenaltare in der Pfarrkirche zu Boppard ist es jedoch ein römischer
Ziegelstein der 18. Legion. —
Die Gröfse der Altäre ist sehr verschieden und richtet sich nach dem
zu Gebote stehenden Räume. Das Trierer Konzil von 1227 (Hartzheim,
Conc. Germ. 3, 529) weist die Priester an, nicht so kleine Altäre zuzulassen,
an denen sie nur mit Furcht celebrieren könnten.' Der oben beschriebene
Hochaltar des Magdeburger Doms gehört zu den gröisesten, die überhaupt
vorkommen; die ebenfalls bedeutende Platte zu Maulbronn hat doch nur
3,90 Länge bei 1,38 Breite.^
Anmerkung 1. Die Behälter für die Reliquien bestanden im Mittel-
alter fast allgemein aus Blei und konnten , da sie nach ihrer Niederlegung im
Sepulchrum dem Auge für immer entzogen blieben, ganz schlicht und einfach
sein (z. B. im Zither des Doms zu Halberstadt No. 76). Um so merkwürdiger
ist das in einem Altare des Doms zu Limburg a. L. gefundene, jetzt im dortigen
Domschatze aufbewahrte 0,t9 lange, 0,i4 breite und 0,19 hohe gegossene Blei-
kästcfaen, welches die Form einer auf Löwenfüfsen stehenden romanischen
Kirche mit Apsis an der einen Schmalseite und latemenartig durchbrochenem
Mittelturm über dem Satteldache, vielleicht mit bewufster Hindeutung auf die
bauliche Gestalt des Domes selbst, aufweist.^ In andrer Weise geschmückt ist
ein in einem Altare zu Kiederich aufgefundenes, nur 0,065 langes und ein-
schliefslich des gehobenen Deckels nur 0,044 hohes, farbig lackiertes und orna-
mentiertes zinnernes Kästchen^ Dagegen in der Marienkirche zu Aken und
mehrfach in mecklenburgischen Kirchen haben sich als Reliquienbehälter kleine
gläserne Urnen, aber auch Holzbüchsen, in der zu Brudersdorf ^ sogar ein
umenartiges Gefäfs von Wachs aus dem J. 1309 in Altären gefunden.
Anmerkung 2. Die völlige Schmucklosigkeit der meisten Altäre deutet
auf die uralte Sitte, dieselben an ihren Seiten wänden und besonders an der
Vorderseite zu bekleiden (vesHre\ und man bediente sich dazu der mit bild-
lichen Darstellungen geschmückten Vo rs e t z t af e 1 n (antependia, auch anUpendiay
* Koch, der Dom zu Magdeburg, 92.
» Abb. in den Ber. des Altert.- V. Wien. XX, 8. Fig. 3.
3 Das Miss. Rom. schreibt auch für Tragaltjire vor: *tam ampla sit, ut hostiam
et majorem partem cdlicis capiaU vergl. Jakob, 129. ^^
* Nach der Schilderung in Mon. Genn. bist. S. S. XViil, 236 (de rebus Alsati-
cis ineuntis saec. XTfl, cp. 20): *dltaria parva fuerurU, sed ut in primitiva ecclesia
circa afostolarum tempora, tres pedes ndbebant in aUitiAdine et trea in latitudine
et tres %n longitudine continehant, Mensa vero altaris corpus di^tis quatuor exce-
debat* hatten die Altäre der älteren Zeit kubische Gestalt mit ziemlich weit über-
stehender Deckplatte und nur geringe Mafee.
* Yergl. Aidenkirohen, m den Bonner Jahrb. UX, 106—113 u. Taf. 8.
* Abb. Korr.-Bl. Ges.-V. 1874. Taf. zu No. 10.
' Vergl. Meckl. Jahrb. XLTT, 188.
AltarbeUeidong. 136
frontaUa) ans edlen Metalleo, ans SteiD oder aus Holz, am häufigsten jedoch
gmtiekter, anch bemalter Teppiche, die indesBen wohl nicht immer auf Bahnen
anegespannt wurden, sondern wahrecheinlich meist in freier Faltnng herab-
hingen. — Ooldene und silberne Antependien sind grOfotenteils unter den
Stflrmes der Zeit zn Gmnde gegangen. Im Schatze des Münsters zu Aachen
Itefinden sich angeheftet an den Gewflnden des Schatzschrankea siebzehn ge-
triebene Goldplatten, welche spAteatens ans der Zeit der Ottonen herrtlhren
nnd ehemals ein Antepeudinm des Hochaltars bildeten.' Die goldene und
silberne Vorsetztafel aus dem X. Jahrb., womit die Vorder- und die Hinteraeite
des Hochaltars im Kloster Petershausen geschmflckt war, hat wiederholtes
GeldbedOrfnis des Klosters nicht einmal das XII. Jahrb. Ilberdaaem lassen.^
' aus'mWeerth. Taf. XXXIV, 1. — Bock, PfalztapeUe. I, 1. Fig. 25. — Dars
Kleinodien etc. Anhang, 37.
» Chron. Petershiw., in Mone, a a. 0. I, ISSa 156b. 167.
138 Antependien.
Der mit Edelsteinen besetzte goldene Altar, den K. Heinrich II. dem Dome zu
Merseburg geschenkt hatte, wurde im J. 1547 eine Beute des Kriegsvolks.^
Dagegen hat sich das goldene Antependium erhalten, das derselbe Kaiser in
das Münster zu Basel gestiftet hatte, das jedoch in neuer Zeit unter den Ham-
mer kam und sich jetzt im Hotel -Cluny zu Paris befindet, während in Basel
(im Besitze der Gesellsch. für vaterländ. Altertümer) nur ein Gypsabgufs
zurückgeblieben ist. Es besteht aus einer etwa 0,08 starken Tafel aus Cedem-
holz von 1,65 X 1>18, die mit Goldblech (von mehr als 400 Lot an Gewicht) in
getriebener Arbeit überzogen ist, und diente blofs an sieben jährlichen Festen
zum Schmucke des Altars, indem es (wie auch das silberne Antependium zu
Petershausen)^ für gewöhnlich wahrscheinlich verhüllt gehalten wurde.^ An
Ort und Stelle erhalten ist die mit Figuren und Emailstreifen verzierte, aus
dem XII. oder XHI. Jahrh. stammende goldene Altartafel der Klosterkirche
zu Comburg in Schwaben.^ Ein etwa gleich altes, aber später verändertes
Antependium aus vergoldetem und emailliertem Kupfer ist an die ehemalige
Rathauskapelle zu Köln aus St. Ursula daselbst übergegangen,^ und neuerdings
ist eine derselben Zeit angehörige, in ihrem bildlichen Schmucke der Gom-
burger ähnliche, 2,00 breite und l,oo hohe Tafel von vergoldetem Kupferblech
aus der Kirche zu Queren in Angeln in das Hamburger Museum gekommen.^
— Eine Yorsetztafel aus rotem Sandstein mit sechs Apostelfiguren, für eine
Nebenseite eines Altars bestimmt gewesen und aus dem XI. Jahrh. herrührend,
befindet sich in der mittelalterlichen Sammlung zu Basel,'' zwei marmorne mit
Reliefs von Donatoren, die vor dem heil. Adalbert und der heil. Katharina knieen,
aus dem Ende des XIV. Jahrh. im Dome zu Prag. — Ein auf Holz gemaltes
Antependium aus dem Walpurgiskloster zu Soest ist jetzt im Provinzial-
Museum zu Münster,^ ein anderes hat sich am Altar der Kirche zu Lüne bei
Lüneburg erhalten,^ beide aus dem XIII. Jahrhundert, eins auf Goldgrund aus
dem XV. Jahrh. in der Kirche zu Kavelsdorf bei Rostock. — Die Antependien
aus gewebten Stoffen^^ wurden auf Rahmen gespannt vor der Mensa aufgestellt
oder durch Haken an der Altarplatte befestigt, zuweilen auch mit dem die
Platte bedeckenden Leinentuche gleich zusammengenäht (Beispiele letzterer
Art im Dome zu Halberstadt, in St. Marien zu Danzig und St. Gotthard zu
Brandenburg) und in der Regel der Ansatz durch einen herabhängenden, ge-
stickten Besatz des Leinentuches verdeckt. Gestickte Altarbehänge auf Seide,
* Thietmari Chronicon. VUI, 8, rec. "Wagneij 255.
^ Chron. Petei-shiis. , a. a. 0., 156 h. »nonnisi in mcixitnis fegtivitatibtis ape-
fiebatur^.
^ "Wackernagel, W., die goldene Altartafel von Basel. (Mitt. der Ges. förvaterl.
Altert, in Basel. VlI.) 1857 mit Abb.; vergl. Zeitschr. f. ehr. A. u. K. H, 83.
* Boisseree, Denkmäler. Taf. 27. — Photogr. Münchener Ausstellung. Bl. 97.
* Bock, Fz., das heilige Köln. Taf. XVDI. 69. — Über andere Frontalien dieser
Gattung, die später zu Superfrontalien umgearbeitet worden sind, s. unten S. 142
Nota 2.
* Photogr. bei G. Koppmann. Hamburg 1880.
' Förster, Bildnerei. 11. Taf. zu S. 25.
* Didron, Annales. XVII, Taf. zu S. 180; deCaumont, Abecedaire. I, 244; Heere-
mann von Zuydwyck, d. älteste Tafelmalerei in Westfalen 1882. Taf. 1. 2.
» D. Kunstbl. 1850, 148.
» Vergl. Bock, lit-Gew. DI, 60—78,
Antependien. \yj
Samt oder Leinen haben sich in Kirchen nnd Sammlungen noch zahlreich er-
halten, so zu Eg er im städt. Museum zwei spätromanische;^ im Nonnenkloster
Qöfs in Steiermark aus dem XIII. Jahrh.;^ zu Salzburg im Domschatze aus
dem XIV. Jahrh.;^ zu Wien in der k. k. Schatzkammer zu den burgundischen
Ornaten gehörig aus dem XV. Jahrh. und bei Rothschild spätgotisch;* zu
Bern im Museum aus der 2. Hälfte des XIII. Jahrh. ;^ etwa gleichzeitige im
Kloster Marienberg bei Helmstedt^ und im Kunstgewerbe -Museum zu Ber*
lin (Raum XVI, Wand 102) aus Göttingen stammend; aus der Kirche zu
Marienwerder im Weifen- Museum , woselbst aus gleicher Quelle auch 2 aus
dem XIV. Jahrh. und 5 aus verschiedenen Zeiten aus der Stiftskirche zu Eim-
beck; femer in St. Nikolai zu Lüneburg aus dem XV. Jahrh. und mehrere zu
Lüne und Isenhagen im Ltineburgischen; zu Dresden im Museum des Gr.
Gartens zwei aus dem XIV. Jahrh. , das eine aus Pirna ;^ zuLttbeckin der Alter-
tümersanmilung der Katharinenkirche zwei ebenfalls aus dem XIV. Jahrh., das
eine aus dem dortigen Dome stammend;^ ein diesem sehr ähnliches im Kloster
Rib nitz in Mecklenburg,® wo noch ein zweites, aus 4 verschiedenen Kelchtüchern
des XIV. und XV. Jahrh. zusammengenähtes sich befindet ;^^ zu Kamp bei
Geldern ein grttnsamtenes aus der Mitte des XIV. Jahrh. ;^^ zu Braunschweig
im herzogl. Museum (No. 54) und ein fast identisches im städtischen Museum,^*
beide um 1500; zu Gans tat t im Privatbesitz ein besonders schönes von 1520
vom Odilienberge stammend ;^^ noch andre werden genannt zu Köln im erz-
bischöfl. Museum, zu Aachen im Münster, zuDanzig in der Marienkirche , zu
Halberstadt im Dome (No. 94. 158), zu MünsterinStLamberti und St. Mau-
ritz, zu Soest in der Wiesenkirche u. s. w. Neben den gestickten finden sich
auch gewirkte mit bildlichen Darstellungen, so im Museum zu Bern 3 aus der
burgundischen Beute, in der mittelalterl. Sammlung zu Basel eins mit 5 weib-
lichen Heiligen, darunter die heU. Verena, in St. Gotthard zu Brandenburg eins
mit der Einhomjagd aus dem 15. Jahrhundert. Gegen Ende des Mittelalters
wurden sie häufig mit den goldgestickten Kreuzen und Stäben von Kasein und
Pluvialien benäht. — Ein in Leimfarben auf Leinwand gemaltes Antependium
befindet sich im Herzogl. Museum zu Braunschweig No. 100, ein auf Leinwand
gedrucktes aus Niedersteinach XV. Jahrh. im Museum des Gr. Gartens zu
Dresden No. 422.^^ — Von solchen Behängen sind zu unterscheiden die litur-
' Abb. von Details, Grueber. I. Fig. 267—269.
* Mitt. C.-K. m, 92.
3 Ebda. VIL 29.
* Ebda. XVI, 25.
» Teüe davon Prüfer, Archiv. I. Taf. 32.
* Abb. bei v. Münchhausen, Teppiche des Jungfr.-Stifts Marienberg etc. Wer-
nigerode 1874. Taf. t.
7 Abgeb. bei Bösigk, Führer durch d. Museum etc. Taf. zu 8. 42 und Steche,
Amtshptm. Pima, 68; das andre in den Mitt. Sachs. Alt.-V. XVI. Taf. 2.
" Abb. in der Zeitschr. d. Ver. f. Lübeck. Qesch. u. s. w. I, 122.
» Abb. Mecklenb. Jahrb. XXVm, 308.
»0 Vergl. Lisch, ebda. XXXV, 213.
»« Bock, Lit.-Gew. m. Taf. IX, 1.
** Photogr. Münchener Ausstellung. Taf. 18.
13 Photogr. ebda. Taf. 52 und Frankfurter Ausstellung. Bl. 41.
" Abb. Mitt. Sachs. Alt.-V. XVEEI. Taf. 2.
138 Altarciborinm.
gisch gebotenen feinen weifsen Leinentttcher (paüae, mappae, tobaieae aiians)^
mit denen die Altarplatte bedeckt wird: ancb kommen gröfsere gestickte
Teppiche {stragiUa, paUudamenta aliaris, Vespertflcher) vor, welche znr
besseren Konservierung des Weifszenges nach dem Morgengottesdienste beson-
ders an Festtagen über die Mensa gebreitet wurden.^ Eine Altardecke in
Weilszeng-Stickerei aas dem XIII. Jahrh. besitzt das Kloster zu Zehdenik, eine
gleichzeitige der Dom zu Brandenburg,^ eine aus dem XV. Jahrh. der Dom
zu Regensburg, zwei aus dem XVI. Jahrh. sind in St. Jakob und in der
Spitalkirche zu Straubing und Reste einer aus dem XIV. Jahrh. in der
Kirche zu Mttnchen-Gladbach.'
33. Üter den Altären wurde schon finihzeitig auf vier Säulen
ruhend ein Baldachin {ciborium^^ tabemaculumy umbracuium) angebracht,
von dem in der Mitte das Gefafs mit dem Weihbrote, oft in Gestalt
einer Taube, herabhing, und Vorhänge (teiravela) an den Seiten ge-
statteten dem Ministranten sich und das heilige Mysterium profanen
Augen zu entziehen. Dergleichen Ciborien kommen, vielleicht des
Andenkens an die alte Sitte halber, auch im Mittelalter hin und wieder
als kapeUenartige Überbaue über Seitenaltären vor; sonst war es üblich
den Altartisch gegen herabfallenden Staub durch einen über demselben
ausgespannten Teppich zu schützen.
Die mit Ciborien überdeckten Altäre aus dem Mittelalter, die bis jetzt
in deutschen Kirchen nachgewiesen sind , lassen sich zwar in der Form auf
die altchristlichen in Italien (S. demente und Giorgio in Velabro in Rom;
8. bei Laib u. Schwarz, Studien etc. Tafel III. 1. u. XI. 4.) zurückfuhren;
es bleibt jedoch sehr zweifelhaft, ob dieselben mit jenen charakteristischen
Vorhängen und mit dem über dem Altartische schwebenden Weihbrotgefüfse
jemals ausgestattet gewesen sind: sie haben vielmehr wesentlich das Ge-
präge von selbständigen Kapelleneinbauten und scheinen auch als solche ge-
golten zu haben. So wird der älteste bekannte,^ der Frühzeit des XIII. Jahrh,
» Vergl. Bock, lit-Gew. m, 2—19. 46—50.
* Vergl. Chr. K.-Bl. 1875, 34 ff. Eine spätgotische ans Bebenhausen stammend
ist abgebildet in der Gewerbehalle. XVlil. Tai. 84.
3 Abb. Bock, a. a. 0., Taf. m.
* Das griech. xiß<oQiov bezeichnet die Saamenkapsel einer ägyptischen "Wasser-
pflanze: das offenbar verwandt« xißwriov ist *= arca, und dieses «= tahernaculum,
Vergl. Durandus 1. I. c. 2. n. 10. — Durch Übertragung wurde das von dem Bal-
dachin herabhängende Speisegefäfs selbst später ebenfalls ciborium genannt. — Vergl.
J. G., der Giboriums- Altar, im Kirchenschmuck. 1875. No. 8 — 12, m. 2 Taff.
' Vielleicht etwas älter ist der in der Klosterldrche zu Kastei bei Amberg, ver0-
Kirchenschmuck. 1864. Heft 2, 46, Abb. bei Schmid, 191. — Das ca. 1230 entstan-
dene an der Ostwand der Turmkapelle des Prämonstratenserklosters Spielskappel be-
steht aus einem durch ein weit vorspringendes Gesims wagrecht abgesdilossenen Ton-
nengewölbe, dessen Vorderseite auf zwei reich geschmückten romanischen Säulen
ruht. — Im Chron. Petershus. I, 18-20 wird der vom heil. Gebhard (983—092) er-
richtete Hauptaltar St. Gregoni als ein Ciborienaltar unter 4 hölzernen, mit Silber be-
kleideten Säulen beschrieben, jedoch ist weder von Vorhängen noch von einer suspensio
die Bede, wohl aber von einem Frontale und von veiscniedenen Rehquienbehältem,
die »super aUare dependenU,
Ciborienaltäre.
139
entstammende ciborienartige Altarflberbau in der Sfldostecke des südlichen
Ereuzarmes in der Kirche des Angnstiner-Chorherrenkiosters Hamersleben
®nnrTYYYwi
Fig. 51. Altarclborinm in der Klosterkirche sa Homerileben (nach y. Qnast).
als ^Fünf' Wunden- KapeUe«< bezeichnet Dessenungeachtet ist durch eine
Stelle des sog. jüngeren TitareP und durch Abbildungen französischer Altäre
' ^ Aller Zierde wunder trugen die aUtere,
uf iealichem heaunder kefse, taveln, hüde kostebare
stunden und dazu ein rieh etborie
gesitnzet über houbet vÜ manigem himeUcind ee richer glorie,
Samit, der grüne gebete, gesnitten über ringen
Ob je dem alter swebete, für den stäup, Und swenne der priester singen
wolt, so wart ein borte alda gezücket
ein tube ein engel brahte, der kom uz dem gewdbe herab geflücket.
Ein roit in wider fürte enmitten an der snüre
mit fluge gen im ritrte di tube und nam den enget, sam si füre
uz paradise, gelich dem heren Geiste,
der mess zu ?Mhem werde, daran der kristen satde lit diu meiste.*
(Zarncke, Str. 23—25, 70. — Die Phantasie des Dichters sieht aulser dem Ciborium
1^ CiborienalUire.
. (bei Laib und Schwarz a. a. 0. Taf. \X 4. VU. 6. 11. X. 3) erwieaeii,
dab sowohl das Ciborinm mit dem Ober dem Ältartische schwebend aufge-
hängten Weihbrotgeßirae iD Tanhenform,
als dieAltarvorhauge (letztere allerdings
nur zwei auf den Seiten und auch ohne
Ciboriendb erb au zwischen frei stehenden
Säulen,' also nicht der mystischen Ver-
hflllung halber angebracht) noch bis
in spätere Zeit des Mittelalters üblich
waren. — Gotische Ciborienaltäre sind
nachgewiesen in der Elisabetbkirclie zu
Marburg, 5 imDome und 3 im Nieder-
mQnater zuRegensburg, 3 in St. Ste-
phan zu Wien (von 1400 und 1466), in
der Teynlcirche zu Prag der sog. Lukas-
bruderschaftsaltar gegen 1490 von Mat-
thias Rayseck, in der St. Annenkapelle
zu Murau i. Steiermark von 1378,* in
der Wallfahrtskirche zu Maria-Zeil ein
durch Gufsmauerwerk zwischen den Pfei-
lern spater entstellter von trapezförmi-
gem Grundrifa, 2 zu Mautbronn (der
eine von 1501) und zuMUhlhausenam
Neckar, zu St. Michael bei Gundels-
heim amNeckar,zuErdmannhaUBen
im O.A. Marbach, zuDinkelabUhlein
Marienaltar, zu Bochold und zu Werl
in Westfalen; zuErfurtim Dome (Anto-
niusaltar von 1483) und za Stendal im
Dome (südl. Querschiff). Ein epStgoti-
F\g. u. Aiuniborinn Im Dom in bi«iuIiiit| scher findet sich im Freien an der west-
Cn»i. <i.m Ko»»..Ux. t. bud. K.)- jj^^^^ Sakristelwand der WallfiihrtBkir-
cheMaria-KenstiftheiPettan in Steier-
mark.« Nach Kreo8er(0rg. f. ehr. K. 1801 8.210)soll der 81 teste Hochaltar
im Kölner Dom ancheinCihorienaltargewesensein. Der von demselben als
nicht nur die vorechiodenen Arten von Reliquieobelifiltem (Kasten, Tafeln und Bilder),
sODdont auch den zur Abhaltung dee Bt&ubes über dorn Altar ausgespannten Teppich
(aus grünem Saramet), was sich in der That weohaolseitig ausschlicfepn dürfte und nur
beweist, dals der Dichter beidos kannte, Ciborieo- und Budeidtäre. Die Ausspannung
eiaes ipanntM lifteiu albwM zum Schutze des AltaiB gegen herabfaUende TJnreinig-
keiten schreibt die dem Gedichte deichzeitige Synode zu Münster von 1279 (Hartz-
heim, Conc. Germ, m, 646) vor. VergL Jakob, 132; Laib n. Schwarz. Studien ete.,
58. — Über die -Taube« s. weiter uiit«n 8 46.
' Von solchen hölzemen Säulen, aui denen Engel als Kerzentrüger standen, und
die dojoh Stangen mit einander verbunden wurden, an welchen die reich mit bild-
lichen Darstellungen geschmückten Vorhänge hincen, befinden sich zwei aus der 6t.
Ounipertitirche zu Atapach, im Germ. Museum K.-G. No. 11. 12. Ober diese vela
lateralia vergl. Bock, Lit.-Gew. El. 82—95 und die Taff. Vm, XIV u. XV.
' Abb. ffirchenschmuck. 1875. Beii. zu No. 11. Fig. 3.
» Abb. Mitt C.-K. XV, 109.
Altaraiifsätze. ]^4J
letzter Ciborienaltar bezeichnete Altar in der Stephanskircbe zu Mainz mit
seinen vier MeBsingBäulen von 1509 soll erst in der Zopfzeit ans vier ursprOng-
lichen Kandelabern zusammengesetzt worden sein (ebd. S. 240). — Auch die
an der Westseite der Lettner errichteten Altäre (s. oben S. 50 Anmerkung 1)
gehören, sowohl wenn dieselbe aus einem Säulen- und Bogen -Vorbau be-
steht, als wenn sie nur unter dem vortretenden Lesepulte (wie ehedem
zu Fredelsloh bei Eimbeck) stehen , gewissermafsen zu den Ciborienaltären.
— Wenn nach unserer Abbildung am Evangelienseiten- Altar im Dome zu
Regensburg, sowie an den beiden Ciborienaltären zu Mtthlhausen (bei Laib
und Schwarz Taf. XII. 3. 4) Eisenstangen zwischen den Bögen angebracht
sind, hat man darin wohl lediglich Verankerungen zu erkennen, nicht aber
Vorrichtungen für ehemalige Vorhänge.*
34. Zur YoUendung der liturgischen Zurüstung des Altartisches
gehört die Aufstellung eines Kruzifixes, einiger Leuchter und des Mefs-
buches. Aufserdem sollten nur noch Reliquienbehälter auf dem Tische
Platz finden.* Jedoch führte grade die Aufstellung dieser dazu,' dafs
man um für sie Raum zu schaffen, statt des Ciboriums über der Mensa,
hinter derselben eine etwas höhere Stein wand (retabuhim) aufführte, als
erhöhten Standort oder als Gehäuse und Schirmdach für die Reliqui-
arien und Bilder. Unter dem Einflüsse der gotischen Kunst entwickel-
ten sich hieraus allmählich die grofsen in Schnitzwerk ausgeführten Auf-
sätze, welche besonders in Deutechland die oft überreiche imd sich bis
zur Decke der Kirche emporwipfelnde Umrahmung bilden für die Bilder-
und Reliquienschreine: Bilderaltäre, Reliquienaltäre.
Der Zusammenhang der Altarrückwand mit der Aufstellung von Reli-
quarienund Bildern scheint unleugbar,' doch kommt dabei auch inBetracht,
* Das letztere behauptet allerdings entschieden Bock, die Behänge der Ciborien-
altäre, im Org. f. ehr. IC. 1868. No. 10.
* Das Konzil zu Reims 867 bestimmte: »super aUare nihil panatur, nifd capsae
et reliquiae, aut forte quatuor evangelia et btixida cum Corpore domini ad inßrmos
— vergl. Jakob, 141. — Noch am Ende des Xm. Jahrh. verwarf man in Magdeburg
für den Hochaltar die Aufstellung aller Bilder aufser dem der Passion. Nach Mit-
teilung des verstorbenen Direktors Wiggert daselbst heilst es in dem »Liber ritucdis
eccleste Magd.^n vom Ende des XHI. Jahrh. (Pergament-Hs. vom Anfange des XV.
Jahrh. in der Bibliothek des Domgymnasiums), 65 : »Sciendum quod in Magdeburgern
eoclesia super majus altare nuuae imagines ]nctae vel sculptae poni consueverunt
praeter sotam passionem saJvaioris; sed libn evangeliorum et sacramentarium or-
naii et reliquiae sanctorum poni sol^tt: imctaines enim sunt res umbratües et vm-
tcUem rei quam repraesentant in se non haoentes, sed evangelia doctrinam vitae
et veritatem continent, non umbram et signam rei, Bes enim significata digniar
est honore, quam res signans. Passio vero Jesu Christi nobis necessaria est ad
salutem et ntUla (ndversa suferare possumus absque adjutorio passionis; ideo sem-
per ipsam ante oculos mentts et corporis habere aebemus et praecipue in celebraiio-
nibus missarum, quod missa nihü aliud est, quam commemoratio dominicae pas-
sionis, et nuüus sapiens crucem depictam va sctUptam sed Christum crucifixum
adorat, crucem tantum venerando salutat*
^ Vergl. namentlich die Abbildungen französischer Altare bei Laib u. Schwarz,
Studien etc. Taf. VI. 2, 4, 10.
142 Super£rontal6.
dafg die Errichtung eines Retabnlnrns nur in dem Falle möglich war, wenn
der Litnrg vor dem Altare stand mit dem Gesicht gegen Osten , nnd nicht
mehr, wie es die ältere, in den bischöflichen Kirchen wahrscheinlich am
längsten bestehende Sitte war, hinter dem Altare, das Antlitz der Gemeinde
zugekehrt: eine, zum Teil mit der Orientierung der Kirchen (s. oben S. 13
Anm. 1) zusammenhängende, noch nicht hinlänglich aufgehellte Frage. —
Die Rückwand des Altars wurde in ähnlicher Weise, wie die Vorderseite
der Mensa mit dem Frontale (s. oben S. 134 Anmerk. 2), mit einem beweg-
lichen Superfrontale geschmttckt, welches ebenfalls aus einer Metalltafel
oder einem Teppiche^ bestand. Das älteste bekannte Superfrontale ist die
berühmte PcUa d*oro in S. Marco zu Venedig, eine mit getriebenen Dar-
stellungen, Emails und Edelsteinen geschmückte Tafel aus vergoldetem
Silber und feinem Golde von etwa 3,i4 Länge und 2,35 Höhe, welche im
Jahre 976 in Byzanz verfertigt, 1105 erneuert und 1209 und 1345 herge-
stellt wurde. Ein ebenso kostbares und vielleicht ebenso altes Werk dieser
Art besafs in Deutschland die Michaeliskirche zu Lüneburg in der goldenen
Tafel, welche anstatt des Bilderwerkes auf dem Altar stand und 1698 ge-
stohlen wurde.^ Ein Retabulum, aus sehr dünnem, vergoldetem und emaillier-
tem Kupfer getrieben und auf eine Holztafel gelegt, wurde unter Louis XIV.
in Koblenz von den Franzosen geraubt und befindet sich jetzt in St Denis:
es ist etwa 2,83 lang und ohne das in der Mitte angebrachte höher hinauf-
reichende Brustbild Christi 0,63 hoch.' — Den Mafsen von 1,97 Länge nnd 0,7 1
Höhe zufolge dürfte auch die über dem Epistelseiten -Altare der Wiesen-
kirche zu Soest hinter einem dem XIV. Jahrh. angehörigen Altarschreine ent-
deckte, jetzt im königl. Museum (Gem. - Galerie No. 1216 A.) zu Berlin
befindliche, ganz mit vergoldetem Pergamente überzogene, bemalte Holztafel
aus dem XUI. Jahrh. ursprünglich die Bestimmung eines Superfrontale ge-
habt haben: der obere Rand derselben erhebt sich in der Mitte in einem
Flachbogen und auf beiden Seiten symmetrisch in je zwei Spitzen.^ —
* Das einzig erhaltene Beispiel eines gewebten Retabulums dürfte das im Regens-
burger DiÖcesan- Museum befindliche, von einem opiscopus Heinricus (wohl von Kot-
teneck 1277 — 96)gestiftete sein — vorgl. Jakob, 337. — Sehr merkwürdig ist, dafs
in der vom Abt nitigow 992 gestifteten goldenen Tafel auf dem Altare in der Mitte
der Stiftslrirohe zu Unterzell am Reichenau sich ein blauer (oder grüner) Sjpiegel be-
fand, in dem jeder in die Kirche Eintretende sein Bild sah. Purcnardus im carmen
de gest. Witigowonis abb. V, 442 sagt davon:
Per cuAus (sc. tdb%dae) medium apeculum patet ecce serenum
Qtiod pariter viridis vitrei manet atqtte coloris,
Vergl. König, im Freibureer Diöc.- Archiv. VI, 275.
* Calvör, Saxonia inferior, 436. — Müller, F. H., Altdeutsche Sohnitzwerke.
1874, 56 — 62. — Mithoff. IV, 161 ff., wo auch eine skizzenhafte Abb. nach einer
Zeichnung aus der 1. Hälfte des XV. Jahrh. Die Ma£9e (2^ m Länge, 1,i7 m Hohe)
könnten darauf deuten, dafe die Tafel ursprünglich ein F^rontale gewesen und erst
nachträglich als Supeifrontale verwendet worden sei. — Gleiche Vermutung hat man
in Beziehung auf den sogen. Verduner Email- Altaraufsatz in Klosterneuburg ausge-
sprochen, welcher 1181 verfertigt wurde, aber erst 1320 seine jetzige Verwendung Cimd.
Vergl. Mitt. Kunstdenkm. d. öS.. Kaiserst. herausg. von G. Heider etc. 11 , 117.
^ Viollet-le-Duc, Dicäonnaire du mobilier, 233; vergL Laib u. Schwarz,
Studien etc., 53.
* Vergl. Zeitschr. f. ehr. A. u. K. II, 283 u. Taf. 15 u. 16. — Heeremann von
Zuydwyck, a. a. 0., Taf. HI.
Betabulum.
143
Wahrscheinlich ist auch in einer etwa gleichzeitigen, ans der Gegend von
Rosenhain in das National-Museum zu München gekommenen bemalten Tafel
ein Snperfrontale zu erkennen: dieselbe ist ungefähr 1,26 lang und 1,57 hoch
und ladet am oberen Rande in ihrer Mitte ebenfalls in einem Halbrund ans.^
— Das älteste bekannte, dem XII. Jahrh. entstammende, unbewegliche Super-
frontale befindet sich an dem die Mensa überragenden Teile der steinernen
Rückwand des der Maria gewidmeten Altars in der Kirche St. Servatius zu
Maestricht (s. Fig. 53): auch hier ist, wie in St. Denis, der mittlere, allein
mit Bildwerk geschmückte Teil höher gehalten; die Seitenfelder enthielten
wahrscheinlich Gemälde oder wurden mit Teppichen behängt.^ — Einen
Flg. 63. Alter In St. SenratlaB xa Maeatricht (nach Balohenapcrger).
Fortschritt in der Entwickelung der Form des Retabulums bezeichnet der
älteste bekannte, in Schnitzwerk aufgeführte AltaraufsatzinLoccum.' Der-
selbe hat die Form eines hausartigen Reliquienschreins im gotisierenden Über-
gangsstil des XIII. Jahrhunderts. Aus der zweigeschossigen, mit Kleeblatt-
bogenstellungen geschmückten Vorderseite mit einem Pultdache treten auf
den Ecken und in der Mitte Risalite hervor, die zwischen ausgekragten
Fialen in Giebelfrontons endigen. Das mittelste Risalit hat eine durch-
gehende Nische, vielleicht für eine Heiligenfigur oder ein Reliquiar bestimmt.
» Mitt C.-K. VI, 114.
> Reichenspereer, A., Fingerzeige auf dem Gebiete der kirchL Kunst, 136 u.
Taf. VI nach einer Abhandlung von A. Schaepkens. — Der etwa gleichzeitiffe hohe
Altarbau in der Kirche zu Wechselburg war ursprünglich ein Lettner und oefindet
sich nicht mehr an seiner urspningUohen Stelle. — Ebenfalls gleichzeitig (1145 — 50),
aber von i»d««r Form (hochowonge Platte mit der Anbetung der thranenaai Hinmiels-
königin , zu beiden Seiten Kreissegmente mit knieenden Donatorenfigoren) ist der stei-
nerne Altaraufsatz in der St. Georgskirche zu Prag, Abb. bei Grueber. I, 79. Fig. 222.
3 Abb. bei Mithoff. I. Taf. V.
144 Altaraufsiitzo.
DaB Gänse zeigt vielfach Sporen von Bemalung and Vergoldung, die Rllck-
Fl(. M. AlUr In du EUubcIhklrctae m Hufanr« (nub BdekaiuptrKr).
Seite aber ist ganz schmacklOB. — Im wesentlichen dasselbe Uotiv, aber ia
Flügelaltäre. 145
der durch den gotischen Stil bedingten Weiterbildung, zeigt der in Bezug
auf die uroprttngliche Bestimmung und Bedeutung dieser Rflckwände besonders
lehrreiche , künstlerisch ausgezeichnete Steinbau von 1290, der sich hinter
dem Hochaltare der St. Elisabethkirche zu Marburg erhebt. Auch er erin-
nert an die Formen gotischer Reliquienbehälter: wie denn auch die Reliquien
in einem Sarge befindlich sind, welcher nach dem Chorschlusse hin aus dem
Altare hervorspringt und brückenartig auf diesem einerseits und einem frei-
stehenden Pfeiler andererseits ruht. Die Nischen des Retabulums sollten
Statuetten oder Reliquiarien aufnehmen, und das Ganze war auf gemustertem,
rotem und blauem Grunde reich vergoldet.^ — Dieser steinerne Altarbau
deutet schon auf die in dem Wesen des gotischen Stils begründete Taber-
nakelbildung der späteren, selten in Stein, ^ gewöhnlich in polychromem
Schnitzwerk ausgeführten Altaraufsätze,' deren mittlerer Hauptbestand-
teil ein Schrein ist, welcher mit zwei Thürflügeln (Lider, ostiä) ge-
schlossen werden kann und nur an Festtagen geöffnet wurde. Das Innere
des Schrankes ist mit figürlichem Schnitzwerk gefüllt, und die Flügel er-
scheinen auf beiden Seiten mit Gemälden, oder auf der inneren gleich-
falls mit Schnitzereien geschmückt, insgemein mit den Abbildungen der
Patrone des Altars oder der ELirche; die Stelle des eigentlichen Schrankes
vertritt indes häufig eine gemalte Tafel. Über Ursprung und Alter dieser
Flügelschreine, deren älteste nachgewiesene Beispiele höchstens bis ins
Xn. Jahrh. hinaufreichen,^ ist man auf Vermutungen angewiesen: über
die Bemalung der Altarflügel, die in vielen Fällen, zumal bei geringeren
Altären nur aus einem blofsen Anstriche bestanden haben mag, vgl.
Theophilus Presb. l. 1. c. 17.^ Nicht unwahrscheinlich aber war es die
* Reichensperger, a. a. 0., 137 u. Taf. Vn n. Vlil. Details bei Statz u. Un-
eewitter, Taf. t29 u. 130. — In Aufbau und Stil überaus ähnlich, aber dicht an
oie Wand genickt und mit einer von drei (verstümmelten) menschlichen Figuren ge-
tragenen, aulserordentiich schmalen Altarplatte versehen ist der Altar in der Frauen-
kapelle zu Frankenberff a/Eder, Abb. bei Statz u. Ungewitter, Taf. 127. 128 und
bei v, Dehn-Rothfelser, Frankenberg. Taf. EK. u. X. — Laib und Schwarz,
Studien etc. geben Taf. X, 1 a. u. b. (üe Abbild, eines romanisierend-frühgotischen
Altars ans der Firminuskap. in St. Denis, an dessen wagerecht abschlie&ende steinerne
Bückwand sich hinten ein vergittertes Gehäuse lehnt, in welchem man den Beliquien-
sarg und eine darüber hängende Lampe sieht. — Am Marburger konnten mittelst einer
Hebevorrichtung T^eln zur Verdeckung der Figuren in den Nischen des Aufsatzes aus
einem Raum hinter dem Altartische, in dem die Rollen und Nuten zur Bewegung der
Schieber noch sichtbar sind, emporgehoben und wieder in denselben versenkt werden
(yerel. Korr.-Bl. Ges.-V. 1879, 9). Dies bezeichnet ein Übergangstadium zwischen dem
Ketabulum und den Flügelaltären.
* Steinerne, in 3 Giebel endende finden sich in der Stiftskirche S, Maria auf dem
Berge bei Herford, in der "Wiesenkirche zu Soest (XTV. Jahrh. Abb. bei Statz u. Un-
gewitter, Taf. 129 u. 130), 2 einfache in der Wallfahrtskirche zu Maria-Neustift
in Steiermark, in der Martinskirche zu Landshut von 1424 mit dem Sakramentshaus
verbunden, 2 spätestgotische in der Kirche zu Wehrshausen bei Marburg. Von Stein
ist auch der nachher zu erwähnende Reliquienaltar im Dome zu Paderborn. Vereinzelt
ist der in Erz gegossene dreiteilige von 1431 im Westchor des Doms zu Augsburg.
^ Vergl. auf der Stahlstichbeuage einen der künstlerisch vollendetsten, den aus der
Klosterk. zu Blaubeuren von Jörg Sürlin d. Jung.
* In der Nikolai (Tauf-)Kapelle am Dome zu Worms befinden sich zwei mit Hei-
Hgengestalten bemalte Altarflügel, die dem Ende des XII. Jahrh. angehören sollen
(Kugler, Kl. Schriften. H, 736).
^ Kugler, Gesch. der Malerei. 2. Aufl. I, 168.
Otte, Knnvt-Arehftologie. 5. Aafl. 10
X46 Bilder- und Reliquienaltäre.
Sitte y den vollen Prachtschmnck der Altäre nnr an Festtagen zu enthüllen,
welche znr Erfindung der dazu besonderB praktischen verschliefsbaren FlUgel-
schreine führte , die anfangs vermutlich weniger Bildwerke als Reliquien
enthielten* Auch kam es vor, dafs man jene kostbaren, mit Gold und Edel-
steinen geschmtlckten Superfrontalien zu ihrem Schutze mit Holzthttren ver*
sah, wie dies noch 1418 mit der goldenen Tafel in St. Michael zu Lüneburg
geschah, woraus sich dann später die Flügelbilder entwickelten. Einer
anderen , wohl minder annehmbaren Vermutung zufolge wären die Flügel-
altäre aus den alten bischöflichen Diptychen entstanden, da dergleichen
Kirchenbücher und Kalender mit geschnitzten Elfenbeindecken, die auf den
Altären aufgestellt wurden, die mannigfachsten Verwandlungen erlebt haben
und endlich zu den Altarbildern erwachsen sein sollen, wie sie noch heute
sind.^ Richtig ist es, dafs geschnitzte, zum Zusammenklappen eingerichtete
Elfenbeintafeln im Privatgebrauche vielfach zum Schmucke der Hausaltäre
verwendet wurden; vgl. nachher Anm. 1 über die Reisealtäre. — Das Stre-
ben, den Altar bei verschiedenen Veranlassungen auch in verschiedenem
Schmucke erscheinen zu lassen, führte seit dem XIV. Jahrh. dazu, den Mittel-
schrein mit mehr als zwei Thüren zu versehen, die beliebig auf beide Seiten
gewendet werden können und mannigfache Verwandlungen zulassen; man
hat daher diese Schreine Wandel altäre genannt, und finden sich solche
z. B. in der Moritz-, Ulrichs- und Lorenzkirche zu Halle a. d. S. Von neueren
Kunstschriftstellem sind die Flügelaltäre je nach der Anzahl der Teile, aus
welchen sie bestehen: zweiteilige Diptycha, dreiteilige Triptycha, vier-
teilige Tetraptycha, fünfteilige Pentaptycha genannt worden. — Ver-
mutlich wurden die Flügelschränke ursprünglich nicht unmittelbar auf die
Mensa selbst gesetzt, sondern auf das Retabulum, welches ihnen als Sockel
diente, und woraus dann die Altarstaffel (predelld) hervorging. Letztere
bildet entweder ebenfalls einen offenen oder verschliefsbaren Kasten zur
Aufnahme von Reliquiarien , oder besteht lediglich aus einer schmalen , mit
Malereien geschmückten Quertafel. Die unter letzterer angebrachten Stufen
(gradini) zur Aufstellung des Kruzifixes und der Leuchter scheinen erst der
Renaissance anzugehören. Über dem Mittelschreine bauen sich zuweilen
noch mehrere Stockwerke auf, und in der Krönung des Ganzen ist oft noch
ein Gemälde oder Schnitzwerk angebracht. Auch die vom Volke abgewendete
Kehrseite frei stehender Altaraufsätze enthält oft noch Malereien.
Aufser den, die grofse Mehrzahl der spätmittelalterlichen Schnitzaltäre
ausmachenden, Bilderaltären finden sich auch andere Aufsätze, bei denen der
Bilderschmuck entweder ganz fehlt oder doch sehr zurücktritt, und deren
eigentlicher Zweck die Aufstellung von Reliquiarien war.^ Solche Reliquien-
altäre haben sich nur selten erhalten, z.B. im Dome zu Paderborn, wo der
steinerne Aufsatz des ehemaligen Hochaltars (bei Laib und Schwarz a. a.
0. Taf. XVL 7) unter einer turmartigen Krönung fünf vergitterte Schreine
nebeneinander enthält; im Dome zu Münster, wo der gegenwärtige Aufsatz
des Hochaltars einen Schrein mit vielen mittelalterlichen Reliquiarien ver-
* Förster, Gesch. der deutsch. Kunst. I, 32 u. 141.
* So der grofse Aufsatz, in welchen die goldene Tafel zu Lüneburg eingelassen
war. — In der Altartafel der Marienkirche zu Lübeck standen 1530 nicht weniger als
70 silberne inuigines.
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Tragaliäre. 147
deckt;' in der Johanniakirche zu Ebbbd ein gtohar vorzüglich gch9ner
Schrank, von vergoldeten gotischen Ei aengittern verachlosBen; in der Kirche
EU Doberan zeigt der Schrein dea Hochaltars 6 tiefe Fächer, nach hinten
mit ThOren versehen. Auch der Choraltar von St. Ursula zn K91n läfst auf
der Rückseite noch einen von vier Situlen getragenen hölzernen Schrein er-
kennen mit drei aus dem Xll. Jahrb. stammenden (verdorbenen) Pracht-
Bälden. — BilderaltSre , deren Predellen znr Aufnahme von Reliquien be-
Btimmt waren, finden sich z. B. in der Stiftskirche zuMoosbnrg, in Blau-
beuern, in der Lorenzkirche zn Nürnberg, in der Oberkirche zu Frank-
furt &. 0.
Entweder vollständig oder doch in einzelnen, an den daran befindlichen
Haspen leicht kenntlichen Teilen finden sich Schrank- nnd Flügelaltäre in
Deutschland überall noch zahlreich, besonders in den evangelischen Kirchen
Nord-Deutschlands sehr hSufig und zwar oft noch auf ihrer ursprünglichen
Stelle, wenn aoch zuweilen durch modernen Ölfarbenanstrich entstellt.* Die
Zahl ist eine so grofse, dafg eine Aufzahlung auch nur der künatlerisch be-
sonders hervorragenden an dieser Stelle unmöglich ist. Sie werden ihre ein-
gehendereBesprechung im zweiten, geschichtlichenTeile dieses Werkes finden.
Anmerkung 1. Tragaltäre (ßltaria viatica, itineraria, portatilia,
motoria, gestatoria),' deren sicli infolge päpstlicher Privile^en seit dem
VII. Jahrh. nur Könige nnd Fürsten, hohe Geistliche, Missionare nnd die Äbte
Tig. U. Tri«ilUr lu Stift Melk (nieh dam Oitiir. AUu).
einiger Mönchsorden auf Reisen etc. bedienen durften, beatehen aus einem
kleinen, in Holz oder Metall gefafsten Steine, auf welchem nur Raum für die
Hostie und einen kleinen Reisekelch ist. Der Stein (.lapis, tabula) ist gewöhn-
lich ein edler (litium honestissimwii): Onyx, Achat, Verde antico, Amethyst,
Serpentin, Porphyr etc., oft in Gold oder doch in vergoldetes Kupfer gefafst,
welches emailliert oder sonst reich vorziert und auf einer ebenfalls omamen-
erri. Didron, Annales. XVm, M4 sqq.
n Jahre 1860 waren im damaligen Eöniir
* Im Jahre 1860 waren im damaligen Königreiche Hannover bereits gegen 30D
Flügelall&re nachgewiesen, die meisten im Löneburgischen, in Ostfrieeland kaum mehr
als ein halbes Dutzend. Vergl. F. H. Müller, a. a. 0., 49. — In Schlesien sind eben-
tallB weit über 100 noch voUständig erhaltene nachgewiesen.
* Kaiser, J. B., disa. hist.-ecclcs. de altaribus [wrtatilibQs. Jeu. 1695. — Bar-
cel, *lfr , leg auteb porfatifa, inAnnalea archeol. Didron, XYI, 71 — S9; vergl. ebd.
IV, 289; auch Laib u. Schwarz, Studien etc., 44 ff. u. aua'm Weerth, n, 51.
148 Tragaltäre.
tierten hölzernen Unterlage befestigt ist. Die Reliquien , deren Vorhandensein
wesentlich ist, sind entweder nnter der Steinplatte oder in den vier Ecken
der Umrahmung geborgen , und bei gröfseren Reliquien nimmt das Altärchen
die Form eines sarkophagartigen, zuweilen auf Metallfttfsen (Tierklauen) ruhen-
den hölzernen Kärtchens an, welches mit Elfenbeinskulpturen, getriebenen
Silber- und Goldplättchen, Emails etc. belegt ist. Die meisten Tragaltäre sind
zwar rechteckig, doch kommen auch runde vor. Obgleich in alten Schatz-
verzeichnissen vielfach erwähnt, sind doch die Reisealtärchen verhältnismäfsig
selten auf unsere Zeit gekommen. Der älteste dürfte der laut Inschrift von
König Arnulf (f 899) geschenkte, aus St. Emmeram in Regensburg in die
Reiche Kapelle zu München gekommene sein,^ schon in einem Berichte von
1161 als ^iurrita aedicuia<^ bezeichnet, der sich von allen anderen dadurch
unterscheidet, dafs er über der Platte einen Ciborienaufbau von goldenen Säu-
len trägt, über dem sich noch ein zweites niedrigeres Geschofs, ein auf vier
kürzeren Säulen ruhendes Giebeldach erhebt, so dafs das Ganze die Höhe von
0,63 erreicht. — Angeblich dem X. Jahrh. gehört ein im Museum zuDarmstadt^
befindlicher an — dem XL Jahrh. einer in München (aus Bamberg stammend),'
einer im Dome zu Paderborn, laut Inschrift und Urkunden zum Andenken
Bischof Meinwerks von seinem Nachfolger Heinrich von Werl durch den Mönch
Rogkerus von Helmwardeshusen, den man jetzt für identisch mit dem Theo-
philus presbyter hält, kurz vor 1100 angefertigt,* zwei aus der Mitte des Jahr-
hunderts in der Pfan'kirche zu Siegburg, ^ einer im Archiv des Domkapitels zu
Merseburg, von dessen rohem Schmuck nur noch einige getriebene Messing-
reliefs übrig sind, und einer mit Elfenbeinreliefs an den Seiten im Stift Melk
zwischen 1056 und 1075 entstanden^ — dem XH. Jahrh. ebendaselbst ein
zweiter mit Elfenbeinreliefs, andere in Köln im Privatbesitz,^ aus St. Maria im
Kapitol^ und im erzbischöflichen Museum, aus der Abteikirche zu Gladbach,^
einer in Paderborn aus Kloster Abdinghof, angeblich von 1118,^^ zwei im Dom-
schätze zu Bamberg, der eine angeblich der Heinrichs U.,^^ zwei im Dom-
* Farbige Abb. in Zettler, Enzle'r & Stockbauer, ausgew. Kunstwerke aus
dem Schatze der Reich. Kap. zu M. 1876. Taf. 17. — Vergl. Bericht von den heil.
Leibern u. Reliquien, welche in ... S. Emmeram aufbehalten werden. Regensburg
1761, 82 «F.; bei Laib u. Schwarz, a. a. 0., 60.
» No. 690; Abb. bei Müller, Hub., Beiträge etc. H, 1. Taf. 3. 6. Daselbst be-
finden sich noch drei mit Elfenbeinreliefs geschmückte, darunter der bedeutendste, der
aufser den Figuren Christi, der Maria, der 12 Apostel, des Joh. Bapt. auch die der h. h.
Laurentius und Caecüia enthält — nach Schäfer, G., Denkm. der Elfenb.-Plastik des
Grh. Mus. zu Darmst. S. 64 aus dem Ende des XH. Jahrh.
^ Abb. bei Labarte, peinture en email pl, 5. — Becker- v. Hefner. HI, Taf.
30. Yerd. Sighart. I, 127.
^ Abb. Org. f. ehr. K. 1861. No. 7, artist. Beil.; Bucher, Gesch. techn. K. Ry
210. Fig. 84.
* Abb. bei aus'mWeerth. Taf. XLYH, 1—1 b. (Altar des h. Mauritius) und Taf.
XLVm, 1— 1 b. (Alt. des h. Gregorius.)
» Vergl. K. Lind, in den mü. C.-K. XV, 30 ff., mit 2 Taff. u. Holzschn.; Ost.
Atlas. LXXXVI, 8. 10.
' Abb. Heideloff, Ornamentik. Lief. 8. Bl. 3,
« Abb. Bock, d. heil. Köhi. Taf. 29. Fig. 94. 94 a,
» Abb. aus'm Weerth. Taf. XXXI, 9— 9 c.; Bock, Kheinl. Baud. I, 1. Fig.
12. 13.
» Abb. Orc. f. ehr. K. 1866. No. 1, artisi Beil.
** Abb. Labarte, bist, des arts indust. Taf. 108.
fieisealtäre. 149
schätze zu Osnabrück,^ mehrere im Weifen-Schatze ebemalB zu Hannover,*
einer in Sigmaringen,' in der Stiftskirche zu Fritzlar (mit Elfenbein-
statuetten der Apostel) und im Kunstgewerbe -Museum zu Berlin — dem XIII.
Jahrh. aus Kloster Sayn bei Koblenz im Privatbesitz* — dem XIV. Jahrh. im
Stift zu Admont von 1375.* Der Reisealtar des heil. Willibrord in der Lieb-
frauenkirche zu Trier ist ein Kästchen, welches mit Elfenbein- und Metall-
plättchen von roh byzantischer und streng romanischer Arbeit bekleidet ist,
untermischt mit gotischer des XIV. Jahrhunderts.^ Auf den Tragaltar des heil.
Andreas zu Trier ist statt der Mittelplatte der Fnfs des Apostels in Relief ge-
setzt — ist also dermalen vielmehr ein Reliquiar.^ Im Dome zu Xanten be-
findet sich ein Reliquienkästchen aus dem XII. Jahrh., welches ursprünglich
ein Tragaltar war, dessen geweihten Stein man später entfernt und durch eine
Silberplatte ersetzt hat.^ Auch besitzt das German. Museum zu Nttrnberg
einen Tragaltar von 1479, der aus einem mit bunten Hölzern eingefafsten po-
lierten Solenhofer Kalksteine besteht.^ Auch an dem zu Diebolsheim bei
Schlettstadt von 1501 ist der Stein in italienische Marqueteriearbeit gefafst.
Zum ferneren Schmucke der beweglichen Altäre nicht nur für die Privat-
andacht reicher Leute, sondern auch wenn Kranken und Sterbenden das Viati-
cum zu reichen war, gehörten die kleinen Aufsätze in Form der Flügel- oder
Klappaltäre, aus Elfenbein, edlem Metall, bemalten Tafeln u. s. w., welche
unter dem Namen der Reisealtäre in den Museen und Sammlungen häufig
vorkommen. Wir nennen unter bemerkenswerteren Elfenbein- oder Walrofs-
zahnarbeiten: ein Triptychon im Privatbesitz zu Frankfurt a. M. aus dem
XI. Jahrh., *<* dann aus dem XIV. Jahrh. ein Triptychon des Grafen Eltz zu
Eltville,** ein Pentaptychon aus der Liebfrauenkirche zu Halberstadt im
Zither des dortigen Domes No. 15,** ein sehr ähnliches Diptychon zu Klos-
terneuburg,** ein Triptychon im Privatbesitz zu Krakau,** zwei Dip-
tychen bei den welschen Nonnen zu Trier** und eins zu Würzburg*® —
von emaillierten Kupferarbeiten aus dem XII. Jahrh. ein Triptychon im Erz-
bischöfl. Museum zu Köln (No. 261 des Katalogs von 1855) und das Flügel-
altärchen des heil. Andreas im Dome zu Trier, unvollständig und teilweise
modernisiert*^ — von vergoldeten Silberarbeiten das Diptychon des Haus-
* Abb. Mitt. des bist Vereins zu Osaabr. XI. Taf. 4 u. 5.
* » Vogell, C. A., Kunstarbeiten aus Niedersachsens Vorzeit. Heft 3. BL 16 —
18. Der eine mit der Inscbrift Eübertua Coloniensis me fecit auch bei Bucher, a, a.
0. I, 3. Aufser diesen im "Weifenschatze noch 14 andere Tragaltäre, mehrere nicht
publizierte auch, in Hildesheim.
3 Abb. bei v. Hefner, die Eunstkammer u. s. w. Sigmaringen. 1866. Taf. 49.
* » » Laib u. Schwarz, a. a. 0. Taf. X, 6.
« » in den Mitt. C.-K. V, 21 und XVin,1163 nebst Taf. 11.
« » bei aus'm Weerth. Taf. LX, 3— 3e.
' > ebda. Taf. LV.
* » »Taf. XVn, 4 vergl. Bd. n, 4.
* Anz. G. M. 1856, 236.
w Photogr. Frankfurter Ausstellung. Bl. 18. No. 2. » Ebd^. No. 1.
" Abb. bei Bock, in den Mitt. C.-K. XEI, 78.
» Ebda. N. F. V, 67.
" Abb. bei Becker- v. Hefner. HI. Taf. 57.
« » » aus'm Weerth. Taf. LVIII, 5 u. 7.
« » » Becker- v. Hefner. I. Taf. 36 u. 37.
" » » aus'm Weerth. Taf. LVn, 7.
150 Eeisealtäre. Bildschmuck der Altäre.
komturs Thile Dagister von Lorich zu Elbing von 1388, welches in der
Schlacht bei Tannenberg 1410 von den Polen erbeutet und dem Dome zu
Gnesen geschenkt wurde, jetzt aber sich auf der Marienburg befindet,^ das
Tetraptychon im Dome zu Salzburg aus dem XV. Jahrb., dessen vier Aufisätze
die Buchstaben M. A. RI. A. tragen.' Das gröiste wird der reich mit Reliquien-
behältern besetzte, 0,95 hohe ELlappaltar zuMariapfarr imLungauvon 1443'
sein, zu den kleinsten gehört das noch nicht 0,03 hohe Altärchen in Gestalt
einer viereckigen Laterne, im Innern mit der Anbetung der heil. 3 Könige im
Kunstgewerbe-Museum zu Berlin, Raum XXXV Schrank 378. Das künstlerisch
hervorragendste ist das Reisealtärchen der Maria Stuart in der Reichen Kapelle
zu München,^ geschlossen nurO,04t breit und 0,052 hoch, die miniaturartigen
Relief bilder der Vorder- und Rückseiten mit 6mail translucide überzogen, wahr-
scheinlich eine kölnische Arbeit aus der Mitte des XIV. Jahrh. Ungewöhnlich
in der Form ist das 0,75 hohe, ganz wie eine Monstranz 1494 auf Befehl des
Abts Rupert gearbeitete Hausaltärchen in der Schatzkammer des Petersstifts
zu Salzburg.^ Ingeniös ist die Einrichtung zum Zusammenklappen und Tragen
an einem hölzernen aus dem Ende des XV. Jahrh. in der Schatzkammer der
Marienkirche zu Danzig (Phot. bei Hinz Taf. XIX). — In der Earche zu Kirch-
linde bei Dortmund befindet sich ein in Holz geschnitztes Flügel werk aus dem
XIV. Jahrh., das aus einer Menge kleiner quadratischer Felder besteht, deren
jedes eine durch eine Glasscheibe geschützte Reliquie enthält.® — Sehr häufig
kommen in den Sammlungen (z. B. im Kunstgewerbe -Mus. zu Berlin, im Mus.
zu Breslau und dem des Gr. Gartens zu Dresden) kleine, 0,078 — 0,1 05 hohe in
Bronze gegossene byzantinisch -russische Klappaltärchen, sämtlich von ganz
gleichem Typus, vor.
Anmerkung 2. Bei aller Mannigfaltigkeit des Bildschmuckes der
Altäre kehren doch gewisse ikonographische Grundzüge regelmäfsig wieder.
Auf den romanischen Antependien erscheinen unter Bogenstellungen einzelne
Figuren: der verherrlichte Christus, meist mit den Evangelistenzeichen, nimmt
stets den mittleren Ehrenplatz ein, auf beiden Seiten umgeben von den Erz-
engeln Gabriel und Michael und einzelnen Heiligen, oder von den in einer
Doppelreihe angebrachten Aposteln. Die älteren gestickten folgen meist die-
sem Typus, z. B. das Marienberger, während das Berner die Maria als Thron
Salomos zum Hauptbilde hat. Jedoch besteht schon der Schmuck desjenigen
aus Marienwerder aus lauter Medaillons mit Sirenen und anderen Ungetümen,
die späteren aus dem Lübecker Dom und Kl. Ribnitz enthalten sogar die Fuchs-
fabel ausführlich, und die Braunschweiger sind neben dem Symbol des Pelikans
hauptsächlich durch Reiterfiguren mit Wappenschilden und der Devise ^amo^
ausgefüllt. Gewöhnlich enthalten jedoch auch die späteren ein grofses Haupt-
bild derMajestas domini oder der Kreuzigungsgruppe, andere sind mit Marien-
darstellungen geschmückt, so kommt z. B. die Einhornsjagd zu Brandenburg
(in St. Gotthard), Canstatt und Isenhagen vor. Wo gröfsere Cyklen von Scenen
^ lichtdrack bei Ad. M. Hildebrandt, herald. Meisterwerke von der Ausstellung
für Heraldik zu Berlin 1882. Taf. 12.
2 Abb. in den Mitt. C.-K. XVm, 160. Fig. 18.
3 » ebda., 206.
* » bei Zettler u. s. w., a. a. 0. BL 20; Becker- v. Hefner. ÜI, 10.
» » Mitt. C.-K. Xm, 51 und XVHI, Tafel zu 315.
• Lübke, W., Kunst in Westfalen, 391.
Bildschmuck der Altäre. Altarkreuz. 151
ans dem Leben Jesu oder der heil. Jongfran vorkommen, sind sie oft (z. B.
Brandenburg Dom) als Rundbilder zwischen Omamentmotiven behandelt. —
Die Flügelschreine zeigen die gröiseste Mannigfaltigkeit, doch nimmt der
Mittelschrein stets die Hauptdarstellung auf, die aus der nentestamentlichen
Geschichte, zuweilen mit Gegenüberstellung der alttestamentlichen Typen,
oder aus der Legende des Heiligen, dem der Altar gewidmet ist, gewählt ist;
auf den Flügeln erscheinen häufig einzelne Heilige, deren Reliquien in dem
Altare enthalten waren, oder die von den Donatoren (die ebenfalls oft in
betender Stellung dargestellt werden) besonders verehrt wurden, vorzugsweise
häufig die Patrone der betreffenden Earche, Stadt, des Landes oder Stiftes.
Auf der Predella kehrt namentlich das Schweifstuch der Veronika, auch
das heilige Abendmahl oft wieder, und auf der Rückseite des Altars, hinter
dem man Beichte zu sitzen pflegte, eine Darstellung des jüngsten Gerichts,
häufig auch, besonders in Süd-Deutschland abermals das Schweifstuch, und
zwar meist in sehr abgegriffenem Zustande, weil die bei Opfergängen um den
Altar Herumgehenden dies Bild entweder küfsten oder mit der rechten Hand
berührten und sich dann bekreuzigten. — Auf Tragaltären umgeben den mitt-
leren Stein einzelne Figürchen von Heiligen oder Engeln auf der Umrahmung
und die Evangelistenzeichen oder die Paradiesesflüsse auf den vier Ecken ;
die Rückseite zeigt häufig eine Ornamentation in sich wiederholendem Muster
(ä diapri). Bei den Altärchen in Kastenform sind die Bilder der Seitenflächen
gewöhnlich ganz nach dem Vorbilde der Antependien disponiert, meist die
Apostel oder Propheten, aber auch, wie in Melk, Scenen aus der evange-
lischen Geschichte. — Die Reisealtärchen sind der überwiegenden Mehr-
heit nach Marienaltäre.
35. Ein Kreuz, dazu bestimmt, dafs Priester und Volk den Opfer-
tod Christi stets vor Augen haben sollen, gehörte seit den ältesten Zei-
ten zur liturgischen Zurüstung der Altäre. Wie das Ciborium selbst oft
aus edlem Metalle verfertigt, stand es anfangs, den architektonischen
Abschlufs des ersteren bildend, oben auf demselben oder hing über dem
Altare schwebend von dem Ciborium herab, wurde später auf dem Reta-
bulum und endlich auf der Mensa selbst zwischen den Leuchtern als
Altarkruzifix au%estellt, welchen Platz es bis heute behauptet
Nachrichten mittelalterlicher Schriftsteller, besonders aus dem Ponti-
fikalbuche des Bibliothekars Anastasius, über das Kreuz auf dem Ciborium
in römischen Basiliken, s. bei Laib und Schwarz, Studien etc. S. 24 u.
31 ff., und damit übereinstimmend die Abbildungen der Ciborienaltäre in
SS. Nereo ed Achilleo, S. Maria in Toscanella und S. Giorgio in Velabro
(Taf. UI. 5, XI. 2. 4). Das Kreuz, welches hier lediglich als passender
omamentaler Abschlufs des Ciboriums erscheint, konnte indes auch fehlen,
wie die Betspiele von S. demente und S. Agnese aufserhalb der Stadt, auch
S. Ambrogio in Mailand (Taf. III. 1. 13. 7) beweisen. — Belegstellen über
Kreuze, die zuweilen in Verbindung mit Kronleuchtern über dem Altare
hingen, ebd. S. 32. Nach dem Visitations- Protokolle vom J. 812 (Monu-
mentaBoica?, 83) hing in der Michaeliskirche zuStafiTelsee über dem Altare
eine Krone von vergoldetem Silber, 2 Pfund schwer, in deren Mitte auf
152 Altarkreuze.
einer Krystallkugel ein Krenz ans vergoldetem Kupfer glänzte, und fünf-
unddreifsig bunte Perlschnüre umgaben die Krone im Kreise. — Von der
Aufstellung eines Kreuzes auf dem wagerechten Retabulum sind bei Laib
und Schwarz a. a. 0. Taf. UI. 9, VI. 4, IX. 7 Beispiele aus Frankreich
gegeben. Die Aufstellung eines Kruzifixes auf dem Altartische selbst er-
scheint schon in dem Bilde des vor dem Altare knieenden Bischofs Mein-
werk auf dem Paderborner Tragaitärchen aus dem Ende des XI. Jahrh.
(s. oben S. 148) und beweist durch Vergleichung mit den oben angeführ-
ten, zum Teil gleichzeitigen und späteren Beispielen von Kreuzen auf dem
Ciborium und auf dem Retabulum, dafs eine chronologische Sonderung dieser
verschiedenen Aufstellungsarten nicht streng durchgeführt werden kann;
doch wird man annehmen dürfen, dafs mindestens seit dem XIII. Jahrh. das
Kruzifix allgemein seine Stelle auf der Mensa erhielt.^ — Die älteren Kreuze
haben meistens an den Enden der Arme quadratisch erweiterte Ansätze, in
der ältesten Zeit nur mit Edelsteinen oder Glasflüssen, später mit den
Evangelistenzeichen, Prophetenfiguren oder biblischen und physiologischen
Typen von Christi Tod und Auferstehung in Email, Relief oder Gravierung
geschmückt; in gotischer Zeit verwandelt sich das Quadrat in das Kleeblatt
oder den Vierpafs. — Von den Altarkreuzen sind zwar die Reliquien- und
Vortragekreuze zu unterscheiden, fallen jedoch mit diesen oft in sofern in
dieselbe Klasse, als man Reliquien- und Vortragekreuze auch als Altarkreuze
zu gebrauchen pflegte, indem man letztere von der Stange herabnahm und
mit der unten daran befindlichen Spitze in ein Postament steckte, oder um-
gekehrt Altarkreuze auf Prozessionsstangen.' So ruht das wohl vom Anfange
des XI. Jahrh. stammende Lotharkreuz im Schatze des Münsters zu Aachen'
zwar jetzt auf einem spätgotischen Fufse, war aber ursprünglich wohl ein
Prozessionskreuz, und ebenso verhält es sich mit einem Prachtkreuze in
St. Mauritz zu Münster vom Ende des XI. Jahrh., welches jetzt auf einem
gotischen Untersatze befestigt ist.^ Beide Kreuze sind, wie dies in der
romanischen Epoche gebräuchlich war, und wie vier Prachtkreuze aus dem
X. u. XI. Jahrh. im Stiftsschatze zu Essen (s. S. 154 Fig. 56) auf uns ge-
kommen sind, aus Holz, mit Goldblech in getriebener Arbeit bekleidet, mit
Edelsteinen und Emails geschmückt. Anderweitig begnügte man sich mit
* Durandus 1. 1 c. 3 n. 31 : hinter duo candelabra cmx in altari media cöllo-
catur.* — Als bei der Krönung K. Rudolfs I. 1273 kein Scepter bei der Hand war,
ergriff er anstatt dessen das auf dorn AItai*e stehende Kreuz. Vergl. aus'm Weerth
n., 132. — Dessenungeachtet fehlt das Kruzifix auf vielen Abbild, geschmückter
Altäre aus dem späteren M.-A.; z. B. bei Laib und Schwarz a. a, 0. Taf. TUT. 1.
2. 3. 5. 7. 8. Auch auf den Altären im Gndtempel des jüngeren Titurel wird es nicht
erwähnt.
» Vergl. Jakob, 169.
' Abb. bei Bock, Pfalzkapelle I, 1. Fig. 15. 16, der Fuls das. im Anhang Bl. 5,
Fig. 1. 2; aus'm Weerth, Taf. XXXIX, l u. XXXYH, 3.
* Abb. bei Seemann, CXXXXVIIL, 4. üm^kehrt finden sich auch jüngere
Kreuze auf älteren Füfsen, z. B. ein Fufe aus dem aH. Jahrh. aus dem Schatze von
6t. Michael zu Lüneburg in der Goldkammer zu HannoTer (abgebildet bei Yogell,
C. A., Kunstarbeiten aus Niedersachsens Vorzeit, Heft 1) und ein anderer aus dem
XTT. Jahrh. in der Kathol. Kirche zu Basel (abgebildet in den Mitteil, der Gesellsch.
für Vaterland. Altert, in Basel IX, 8. 9), beide mit den Figuren der vier Evangeüsten
geschmückt.
Altarkreuze. I53
vergoldeten Platten unedlen Metalls, und besonders kommen in Westfalen
Kruzifixe aus Kupfer vor, die einen sehr altertümlichen Charakter haben : im
bischöflichen Museum zu Münster (mehrere), in der Kirche zu Brilon etc.
Silberne Kruzifixe romanischer Zeit in der evangel. Stiftskirche zu Herford,
ein messingenes in der Kirche zu Attendorn. Alle diese Kreuze sind auf
der Rückseite mit gravierten Darstellungen verziert. — Höchst merkwürdig
ist ein grofses (restauriertes) Kruzifix aus Elfenbein (19 ^/^ Pfd. schwer) im
Dome zu Bamberg, der mehrhundertjährigen Tradition zufolge ein Geschenk
K. Heinrichs II. — Das Kunstgewerbe-Museum zu Berlin besitzt eine ganze
Sammlung älterer Kruzifixe von 0,31 — 0,62 Höhe, meist aus vergoldeter
Bronze, teils mit Reliefs, Medaillons und Emails, teils mit Steinen verziert;
die Mehrzahl waren Vortragekreuze, einzelne von Altären. Auch im National-
Museum zu München finden sich mehrere Kruzifixe dieser Art. — Aus goti-
scher Zeit haben sich sehr viele Kreuze erhalten, welche zuverlässig bereits
ursprünglich zu Altarkruzifixen bestimmt waren , obgleich ein grofser Teil
derselben zugleich auch in die Kategorie der Reliquienkreuze fällt: sie sind
aus edlem oder gemeinem Metall, aus Elfenbein, am häufigsten aber aus be-
maltem Holz verfertigt. Als eines der mustergiltigsten und schönsten früh-
gotischen Beispiele kann das von K. Ottokar von Böhmen (f 1278) her-
stammende, als Altarkreuz behandelte Reliquienkreuz im Domschatze zu
Regensburg angeführt werden.* Der bewegliche Oberteil desselben (das
eigentliche Kreuz) soll von gediegenem Golde sein und ist auf der Vorder-
seite mit vielen böhmischen Steinen , auf der Rückseite mit der Kreuzigung
iuNiello verziert; das Fufsgestell ist von vergoldetem Silber und war ehedem
mit Emails geschmückt. Nicht viel jünger dürfte das aus Bergkrystallstücken
zusammengesetzte und in vergoldetes Silber gefafste, 0,79 hohe Altar- (und
Prozessions-) Kreuz sein, welches aus der gröfseren Sammlung des Fürsten
von HohenzoUern- Sigmaringen im erzbischöfl. Museum zu Köln befindlich
war (Katalog von 1855 No. 269). Ein Kruzifix, von 2 Engeln, die Reliquien-
kapseln tragen, begleitet, italienische Arbeit des XV. Jahrh. in 6mail trans-
lucide, ist aus dem Baseler Domschatze in das Kunstgewerbe -Museum zu
Berlin (Schrank 378) übergegangen.
Aufser den zum Schmucke des Altars selbst verwendeten Kreuzen kam
es im früheren Mittelalter auch vor, dafs man vor dem Altare ein gröfseres
monumentales Prachtkreuz frei aufstellte. So stiftete Leo IH. (795 — 816)
in St. Peter zu Rom ein Kruzifix vom reinsten Silber, 72 Pfund schwer,
welches mitten in der Kirche stand, und einen anderen Orucifixus von be-
wundernswerter Gröfse, ebenfalls von Silber und 52 Pfund schwer, liefs er
vor dem Hochaltare aufstellen.^ Von dieser Art dürfte das Kreuz gewesen
sein, welches der Dom zu Mainz besafs, und welches Benna^ genannt
* Vgl. Bock, Fz., u. Jakob, G., die mittelalterl. Kunst in ihrer Anwendung zu
liturg. decken. Regensb. (1857), 14. No. 57, und die Abbild, bei Jakob, die Ejonst
etc., Taf. Xm, 11.
^ Nach dem lib. pontif. des Anastasius bei Laib u. Schwarz, a. a. 0., 33.
^ Der Name Ben na, mlat. «. vas (vrgl. Diez, Wörterb. d. roman. Spr. 4. Ausg.,
48), bezieht sich darauf, daCs an diesem Kreuze der Körper des Gekrouzicten als
Reliquiarium diente. Davon, daüs Kreuze und andere Prachtgeräte der Kironen mit
ISgennamen belegt wurden, finden sich mehrere wenn auch spätere Beispiele. Im
Inventarium der GeorgskapeUe zu Windsor kommt vor eine »crux nfMis, vocata
wurde. Es war ans Holz und gsaz mit Goldblech Aberzogen. Das daran
befestigte Christnabild von ttbermengchlicher OrOfse war auB dem reinsten
Oolde gearbeitet und konnte gliedweise anaeinander genommen werden ; der
Leib war hohl und mit Edelsteinen und Reliquien gefüllt; in den Äugen-
ffoMcA« (vgl. Pugin, Glosaary p. 84; Laib u. Schwärs, a. a. 0., 61), und das
"Würzturger Heiligtumebucli von 1483 führt an das Kreuz Meybronn und das gat
reich gezackte Kreuz Qamaher, aufsterdeni Ecliquienmonstranzen unter den Namen
Bybelrieth, Montater und Infuli, während andere nur mit Nummern oder nach
Su&eren Merkmalen oder mit dem Beisätze des Donators bezeichnet sind. (VgL
Niedermayer, And., KunatgeBch. der Btadt Wirzburg, 240 f.) Ea ist wohl un-
zweifelhaft, dab das Bedürfnis, die veirichiedenen Exemplare, die von derselben Gattung
in einem Ejichenschatze vorhanden waren, mit Leichtigkeit von einander unterscheiden
zn können, zu dergleichen Namengebungen geführt hat. die wohl am hiinfig§ten von
dem Namen des Donators, Terfortigera oder Urapnmgsortes (wie Meybronn und Bybel-
rieth), oder (wie der Name Oamaher: aamahia — Kamee; vergl. Otte, "Wörterljuch
etc., 287) von bestimmten aufSUigen Merkmalen hergenommen wurden.
Omamentale und historische Kreuze. ]^55
höhlen glänzten zwei Karfunkel von Eidottergröfse. Dieses Kreuz wurde
nur selten, bei besonders feierlichen Veranlassungen aufgestellt, und zwar
in der Höhe auf einem Balken, wohin kein Fremder gelangen konnte; fOr
gewöhnlich lag der Orucifixus auseinandergenommen in einem dazu be-
stimmten besonderen Kasten (arcä). Erzbischof Rudolf nahm 1160 einen
Arm davon zur Bestreitung der Reisekosten mit nach Rom und starb unter-
wegs. Das Gewicht des Ganzen wurde in einer Inschrift auf nicht weniger
als 600 Pfund reinen Goldes angegeben.^
Anmerkung. Die zum Schmucke des Altars (wie die zum Vortragen
bei Prozessionen und zu Reliquienbehältern) bestimmten Kreuze sind regel-
mäfsig von der sogen, lateinischen Form (f) und entweder ornamentale oder
historische, d. h. sie zerfallen in Beziehung auf die Art der Behandlung in
zwei wesentlich von einander verschiedene Klassen, je nachdem sie entweder
im Anschlüsse an die altchristliche Sitte nur als Darstellung des Kreuzes-
zeichens erscheinen, oder den geschichtlichen Akt der Kreuzigung selbst zur
Anschauung bringen. Erstere, die in älterer Zeit die häufigsten waren, haben
einen lediglich omamentalen Charakter, und das Bild des Gekreuzigten fehlt
entweder ganz oder nimmt, wenn es ja vorkommt, eine durchaus unter-
geordnete Stellung ein, z. B. als kleine Emaillierung auf dem Kreuzfelde, oder
(wie auf dem Lothariuskreuze zu Aachen und auf dem Regensburger Ottokar-
kreuze) nur auf der Rückseite, wo jedoch sonst das Symbol des Gotteslammes
die regelmäfsig das Mittelfeld einnehmende Andeutung des Kreuzestodes
Christi zu sein pflegt. Die zweite Klasse ist die der eigentlichen Kruzifixe,
an denen die Figur des Gekreuzigten als die Hauptsache erscheint, und deren
Vorkommen bis jetzt erst seit der Zeit Karls des Grofsen nachgewiesen ist.
Vergl. Laib und Schwarz, Studien etc. S. 33. Das Kreuz behält indes auch
hier in der Verzierung der Enden der Arme (s. obenS. 152) gern den ornamen-
talen Charakter bei. Die Christuskörper der ältesten Zeit, namentlich die in
Bronze gegossenen, sind von aufserordentlicher Roheit, so roh, dafs sie selbst
der Merkmale ermangeln, aus denen ihre Zeit genauer festgestellt werden
könnte. Obwohl Rundbilder, sind sie nur in einseitigen Formen gegossen,
hinten hohl. Die Formen geben notdürftig die Figur eines Menschen mit aus-
gebreiteteten Armen und zusammengelegten Füfsen. Ähnlich roh und starr
sind die ältesten in Holz geschnitzten. — Das Nähere über die Art und Weise,
wie sich die Bildung des Kreuzes und des Gekreuzigten im Laufe der Zeiten
verschiedentlich gestaltet hat, wird später in der Ikonographie zur Darstellung
kommen.
Ein anziehendes Beispiel von der Umgestaltung eines omamentalen in
ein historisches Kreuz' bietet ein der Kirche St. Maria -Lyskirchen zu Köln
gehöriges, im erzbischöfl. Museum daselbst (Katalog von 1855 No. 21) befind-
liches Kruzifix dar: die aus Silber getriebene Christusfigur nach dem älteren
Typus ist hier ohne Rücksicht auf die dadurch zum Teil verdeckten Gravie-
rungen des aus Kupferblech gearbeiteten, dem XII. Jahrh. angehörigen Kreuzes
auf letzterem befestigt.
* Christiaiu (U. ep. Mog. 1249 — 1251) Chronicon Moguntinum, bei Jaffe, Mon.
Mog. p. 681. sq. 691.
* Abb. bei Bock, d. heil. Köln. Taf. XXXYI, 104.
156 Altarleuchter.
36. Das Alter der Sitte, auf den Altären neben dem Kreuze zwei
Leuchter aufzustellen, läfst sich zwar nicht näher bestimmen, doch kom-
men die Altarleuchter mindestens seit dem XIL Jahrhundert sicher vor
und erscheinen im XTTT. Jahrhundert allgemein eingeführt, neben den
in früherer Zeit anscheinend allein üblichen, vor dem Altare aufgehäng-
ten Lichterkronen und grofsen Standleuditem, die wenigstens in einzelnen
Kirchen beibehalten wurden.*
Nachweislich pflegte man bereits zu Anfang des IV. Jahrh. bei der
Abendmahlsfeier nnd bei den Gräbern der Märtyrer anch am Tage Lichter
(hcminariä) anzuzünden, T^non utique ad fkiganäas tenebras, sed ad Signum
laetitiae demons(randum<a,^ und das Verbot der Synode zu Elvira im J. 305
(c. 37) konnte dagegen ebenso wenig ausrichten, als die Einwürfe des Lac-
tantius^ und des spanischen Priesters Vigilantius/ welche die Anzündung
von Lichtem und die Masse von Kerzen am hellen Tage für sinnlos und
heidnisch erklärten, so dafs es bald allgemeiner Gebrauch wurde, nie ohne
Licht das heil. Abendmahl zu feiern: zum Bilde jenes Lichtes, dessen
Sakrament die Kirche spendete. Im V. Jahrh. schildert Paulinus von Nola
die glänzende Erleuchtung der Altäre durch Leuchter, die von der Decke
herabhingen und mit bemalten Kerzen besteckt waren. ^ Im VI. Jahrh. wird
Bischof Agericus von Verdun als Erfinder einer künstlichen Erleuchtung
gerühmt,^ und der Bibliothekar Anastasius führt unzählige Male unter den
Geschenken der Päpste, seit Sylvester (313 — 334), phari, pharicanihari
und coronae^ eherne und silberne Hängeleuchter an, auf denen teils
Lampen, teils Kerzen gebrannt wurden. Der bedeutendste Pharus wurde
von Hadrian I. (772 — 795) in die Peterskirche gestiftet: er hatte Kreuz-
form und hing mit seinen 1370 Kerzen (candelae) vor dem Presbyterium.
Eine kleine Krone {regnum) liefs der folgende Papst Leo III. über dem
Altar einer Kapelle in der Basilika St. Andreas aufhängen: sie war von
Gk)ld, mit Edelsteinen besetzt und wog 2 Pfund und 3 Unzen. Minder häufig
kommen Standleuchter (candelabra, cereostad, Lichtstöcke, Lichtstöck-
lein) vor; doch schenkte schon Sylvester mit Silber eingelegte eherne Kande-
laber, die 3,t4 hoch waren, 30 Pfund wogen und vor den Altären standen,
und Hormisdas (t 523) opferte dem heil. Petrus zwei 70 Pfund schwere
silberne Leuchter.^ Unter den Lichtträgem dieser Art sind besonders
hervorzuheben die siebenarmigen Leuchter, nach dem Muster des im
* Über Leuchter: Martin et Cahier in den Melanges d'archeol. m, 1 ; Springer,
Ani, in den Mitt. €.-£. V, 309; Cahier, Nouveaux melanges d'arch. (Decorations
d'eglisos), m, 188—225.
* Hieronymus, adv. "Vigil. c. 7.
' Lactantius de vero culta 1. 6 o. 2.
* Hieronymus, 1. c. c, 2.
^ 9 Clara caronantur densis cUtaria lychfUs,* Paulin. Nol. poem. 14 v. 99;
cf. 22 v. 124; 26 v. 389.
* Venant. Fortun., carm. Ol, 30; vgl. Rettberg, Kirchengesch. Deutsch-
lands. I, 527.
^ Vgl. die Belegstellen aus Anastasius bei Laib und Schwarz, Studien etc.
40 ff. IL 63.
Leuchter. 157
Tempel zu Jerusalem befindlich gewesenen, den Römern als Beate zuge-
fallenen Kandelabers, wie solcher am Triumphbogen des Titus erscheint
und schon auf Glasgefäfsen aus den römischen Katakomben nachgeahmt
vorkommt.^ Andere vielarmige Leuchter (arbores) sind baumartig gestaltet,
indem die zwar sämtlich parallelen Lichtarme nach der Mitte zu einander
übersteigen, also nicht wie an dem Jerusalemischen Muster oben in wage-
rechter Linie abschliefsen. Die Stelle dieser Armleuchter war vor dem
Altare, und die sieben Arme wurden auf die sieben Gaben des heil. Geistes
bezogen.' Ein ausgezeichneter Lichtträger war auch die am Ambo (s. unten
§ 52) stehende Säule, welche die Osterkerze trug,^ wie solche in italie-
nischen Basiliken noch in grofser Menge und Schönheit vorkommen. Aufser
diesen sich an antike Vorbilder schliefsenden Kandelabern werden noch
andere Vorrichtungen erwähnt, die vor den Altären eine ganze Reihe von
Kerzen trugen, und aus deren verschiedenen Namen (im VIII. u. IX. Jahrh.
bei Anastasius /'er^/oß = Spaliere, 1198 in Paris herciae = Eggen, im
XIV. Jahrh. in Frankreich ra^te/^a = Rechen)* man sich ungefähr eine Vor-
stellung von ihrer Form machen kann. Zu dieser Gattung gehört auch die
hercia ad tenebraSy der dreieckige Teneberleuchter^ mit seinen dreizehn
oder fünfzehn Kerzen, welche, die um den Gekreuzigten gescharten Apostel
und Maria resp. die 3 Marien darstellend, in der Charwoche bei dem Tene-
brae je am Schlüsse eines Psalms eine nach der anderen ausgelöscht werden,
bis nur die oberste weifse brennen bleibt — in Ulm genannt: „der Kerzstal
zu den finstern Metten, da die 12 Boten auf stehen'', wie denn im XV. Jahrh.
in Deutschland der Name T>KerzstcUl<fi Uberhaupt für grofse, viele Kerzen
tragende Standleuchter vorkommt. — Das älteste bekannte Beispiel der
später gewöhnlichen und vorschriftsmäfsigen, auf der Mensa stehenden Altar-
leuchter giebt die Abbildung eines mit zwei Leuchtern besetzten Altars auf
dem Reliquienkasten des heil. Calminius zu Mauzac in der Auvergne aus
dem letzten Drittel des XII. Jahrhunderts.^ Bemerkenswert ist, dafs auf
* Springer, a. a. 0., 315. — Vgl. Munter, Sinnbilder und Kunstvorstellungen
etc. L No. 21.
* Nach der auf dem ehemals zu Quny befindlichen siebenarmigen Leuchter an-
gebrachten Inschrift:
»D« quo septenae sacro spiramine plenae
Virtutea manant, et in omnibus omnia donant.*
Vgl. Texier, Dictionnaire d'orfevrerie (Paris 1857) p. 328.
^ Durandus, L 6 c. 80 n. 4: »Cereus super columnam iUumincUus.*
* Vergl. Laib und Schwarz, a. a. 0., 63 und de Laborde, Notice des emaux etc.
du musee du Louvre (Paris 1853). n, 340.
* Otte, "Wörterbuch, 244; vergl. die Abbild, des eisernen Teneberleuchters mit
15 Lichtem (XV. Jahrh.) im OBnabrücker Dom bei Gailhabaud, die Baukunst.
Bd. m, Taf. 24.
" Kaiser Sigismund kaufte in Konstanz von einem Meister aus Nürnberg einen
»KerzstcUl* aus Messing für 1100 Goldgolden und schenkte ihn an den König von
England. Der Meister hatte für die treffliche Arbeit 2000 Gulden gefordert. VergL
Ulrich von Eeichenthaler, Konstanzer Konzil. Fol. 28b.
' Texier, a. a. 0., 977; vergL auch bei de Caumont, Abecedaire 4. ed. I, 246,
die Abbild, eines Altars von einem anderen gleichzeit^n Beliquiarium desselben Hei-
hgen in Biom, wo mitten auf der Mensa der Kelch, auf der Evangelienseite das
Kreuz und auf der Epistelseite ein Leuchter steht.
den zahlreichen Abbildungen von Altären ans dem Spatmitte] alter stets nie
mehr als zwei Leuchter vorkommen, wie dies anch mit der Angabe dea
DnranduB (b. oben S. 152 Note 1) völlig Übereinstimmt. — Wie die Altar-
leuchter kommen auch die sogen. Akoluthenlenchter atetg paarweise vor,
welche dem Mefspriester von Ministranten vorgetragen und nach der Ankunft
am Altare auf den Fnfsboden gestellt zu werden pflegen.'
Aus der romanischen Periode haben sich nur wenige Lichtträger
erhalten, waa in sofem auflSUt, als die Leuchter der dentachen Kirchen
imraerst selten aus edlen Metallen angefertigt wurden und deshalb die
Habsucht nicht eben reizen konnten; es kann daher nur veränderte Oe-
BchmacksrichtUDg zur Verwerfung und Einschmelzung der als unbrauch-
bar beseitigten älteren Inventarienstllcke dieser Gattung gefuhrt haben,
wenn man nicht annehmen will, dafs etwa aufser Bronze, Messing und
Eisen schon frühzeitig das verg&ngliche Holz zu Lichtgestellen verwendet
worden sei. Romanische Krön- oder Radleuchter (coronae, rotae) sind
in Deutschland bis jetzt vier nachgewiesen: zwei im Dome zu Hilde 8 heim.
Flg. fi7, KronloDditAr Im Dom ta HUduhelm.
ein gr^faerer von 6,69 im Durchmesser und 19, 03 im Umfange, zn 72 Kerzen^
und ein um die Hälflie kleinerer,^ zu 36 Kerzen, beide aus der Zeit Bischof
Acelina (1044 — 1054) nnd mehrfach restauriert; der (infolge eines im J.
1848 erlittenen Unfalls schön hergestellte) Leuchter in der Klosterkirche
zn Combnrg * aus der Mitte des XU. Jahrh. von ö,02 Durchmesser und 15,~7
■ Durandus, 1. 4 c. 6 n. 7.
ä Abb. bei Kratz, J. Mich., der Dom zu Hildesheim. Tl. n. TaT.S; Bocli (siehe
Note 6), 43.
> Abb. bei Kratz, a, a. 0., Taf. 8. Fig. 2, wonach der obige Holzschnitt
' Vergl. Merz, H,, in d. Zeitschrift doa hist. Ter. für das würtemb. Franken. V, 109 ff.
Bock, a. a. 0., 48 in. Abb., diese auch in von Liitzows Zeitschr, XI. 338. See-
mann. CiL, 2.
Muttergottesleuchter. 159
Umfang, und der im Münster zn Aachen,^ von Meister Wibertus, ein Ge-
schenk K. Friedrichs Barbarossa, von 4,i6 Durchmesser und 13,06 Umfang,
zu 48 Lichten. Diese Kronen (wie die nicht mehr vorhandenen im Dome zu
Speier vom J. 1038 und in St. Pantaleon zu Köln vom Anfang des XII. Jahrh.)
sind alle aus Eisen, vergoldetem Kupferblech und Silber nach wesentlich
gleichem Typus gearbeitet und versinnbildlichen nach den auf ihnen befind-
lichen ausführlichen hexametrischen Inschriften das himmlische Jerusalem,
das droben ist (Gal. 4, 26), auf Grund der in der Apokalypse (21, 10 — 25)
davon gegebenen Beschreibung.' Der in Hildesheim und Comburg einfach
runde, in Aachen mit Rücksicht auf das Oktogon des Münsters aus acht
gleich grofsen Kreisabschnitten gebildete Reifen {canthus) mit den Licht-
tellem auf dem Kamme bezeichnet die Mauer der Gottesstadt mit ihren 12,
als offene latemenartige Türmchen dargestellten Thoren, zu denen in Aachen,
die vier Ecken der Stadt bezeichnend, noch vier gröfsere und in Hildes-
heim noch 12 kleinere hinzukommen, in welchen silberne Statuetten der
Apostel und Propheten, in Hildesheim auch von 24 christlichen Tugenden
standen. Dafs die durchbrochen gearbeiteten Türme ebenfalls zur Erleuch-
tung durch hineingestellte Lampen bestimmt gewesen wären, ist unwahr-
scheinlich. Die schönen gravierten Details und die Inschriften an den Kro-
nen zu Aachen und Comburg können zwar von unten nicht erkannt werden,
aber wenigstens die Aachener sind durch Faksimile-Abbildungen (s. Note 1)
genügend bekannt gemacht. — Im wesentlichen diesem romanischen Typus
folgen von gotischen Radleuchtem der zu Reepsholt in Ostfriesland, ein
Blechreifen mit 12 als Lichthalter dienenden Rundtürmchen und einem im
Innern des Reifens angebrachten Hirschgeweih, und der 1420 vom Kanonikus
Degenhardt Ree gestiftete in der Stiftskirche zu Eimbeck, ein 3,50 im Durch-
messer haltender polychromierter Reifen mit 24 Lichthaltem, hinter denen
unter Heiligenhäuschen Propheten und Apostel stehen. — Hieran schliefst
sich der ausgezeichnete Radlenchter in der Pfarrkirche zu Vreden' mit der
Inschrift ^Geri Bulsink 1489<^y 1859 restauriert, ein aus Eisen geschmiedeter
sechsseitiger Doppelreifen von 2,67 Durchmesser und 4,39 Höhe mit 12
Baldachinnischen, in denen Christus und 11 Apostel stehen, und vor denen
je ein Leuchterteller angebracht ist. Durch das aus Holz geschnitzte Marien-
bild unter einem Baldachin in der Mitte charakterisiert er sich aber als ein
sogenannter Muttergottesleuchter, deren noch mehrere aus dem XV. und
XVI. Jahrhundert vorkommen (so in Kaikar, von Heinrich Berndts — nach
seinem Tode um 1510 von Kerstken von Ringenberch vollendet,^ in Erkelenz
* Bock, Fz., der Kronleuchter des Kaisers Friedrich Barb. im Münster zu A. und
die formverwanden Lichterkronen zu Hildesh. und Comb. 1864; vergl. ders., Pfalz-
kapelie I. 1, 115; aus'm Weerth, 11, 98 ff. u. Taf. XXXV, auch Schnaase, V,
610—615.
' Der jüngere Titurel weife übrigens bei den Leuchterkronen im Graltempel so
wenig von dem himmlischen Jerusalem, als von der Maria, sondern läfet sie je von
einem Engel getragen sein, so dals es aussieht (St. 86 bei Zarncke):
>er wolt die kröne gen den lüften füren;
nteman künde erkiesen, daz si da habte golt mit riehen snüren.^
^ Abb. bei v. Hefner-AIteneck, Eisenwerke oder Ornamentik der Schmiede-
kunst. Taf. 34 36.
^' Abb, aus'm' Weerth. Taf. XVI, I; Photogr in Wolff, Nikolaik. zu K. Bl. 44.
[gO Mnttergottesleuchter.
von 1517,' Kempen,' Ratzebarg'nnd Wetzlar Dom), die einander darin
gieichen, dafe sich von einem hölzernen, insgemein sechBeckigen MittelstUck
ringe hernm die ans Eisen geeclimiedeten, mit Blattwerk besetzten Lichtarme
Re. 08. MBtHiiattHluetaUr 1b dar KIi«ta* id KimpcD (lucb au'iii naartli).
berabachwingen, und dafs eine geschnitzte and bemalte Statue der Maria
sich über dem Lichterkranze erhebt. Die Krone in Kempen ist 3,45 hoch and
hat 2,20 im Durchmesser. Das reizende Hotiv der die Leachter haltenden
geschnitzten Engelsstatnetten wiederholt sich auch bei gotischen Stand-
' Vergl. Org. f. ehr. K. 1861. 227.
» Abb. ausV Weerth. Taf. XXn
Kronleuchter. 161
leuchtern. In der St. Michaelskapelle zuEiederich befindet sich ein lärmi-
ger, in derKatharinenkirche zn Braunschweig ein Barmiger, der kleine zu
Oberkirchen in Hessen hat nur 2 Lichter.^ An dem sechsteiligen aus Ri e -
stedt (Amt Olvenstädt) im Weifenmuseum befindet sich neben der Maria das
Geweih eines starken Zwölfenders, und in Lochtum (Amt Wöltingerode)
bilden Hirschgeweihe, welche die Maria umgeben, die Krone. — Wieder
ein etwas anderes Motiv befolgt der Kronleuchter im Dome zu Merseburg
von ca. 1500, eine ganz mit geschmiedetem und vergoldetem Laubwerk be-
deckte Kuppel mit 40 Lichtern in 3 Reihen übereinander und den bemalten
Schnitzbildem der beiden Stiftspatrone als Krönung, unten rings mit den
Wappenschilden der damaligen Kapitularen umgeben. Einfacher ist der
im Chore des Domes zu Halberstadt befindliche, welcher aus einem ftlnf-
seitigen architektonischen Mittelstücke besteht, an welchem nach unterwärts
vier sich erweiternde Reifen zu 5, 10, 15 und 20 Lichtem mit ziemlich ein-
fachen Lichtertüllen hängen. Ganz im Charakter der Hildesheimer u. s. w.
Kronen ist dagegen der von dem 1516 verstorbenen Propste Balthasar
von Neuenstadt gestiftete ebendaselbst gehalten, ein breiter reich ver-
zierter schmiedeeiserner Reifen mit 12 vorgesetzten Heiligenhäuschen und
60 aufgesetzten Lichtertüllen. Wieder einfacher als dieser* ist der ähn-
liche von 1539 im Dome zu Brandenburg, ein breiter Reifen von durch-
brochenem vergoldeten Laubwerk schon in Renaissanceformen mit 15
Wappenschilden der Kapitularen und 30 Lichterarmen, über dem sich 10
einfache Bügel kronenartig zusammenschliefsen. Auch im Dome zu Magde-
burg in der Kapelle zwischen den Türmen befinden sich spätgotische
schmiedeeiserne Kronen, und in der Marienkirche zu Halberstadt soll sich
nach einer Mitteilung vonQuasts ebenfalls ein Radleuchter befinden. Da-
gegen besteht die dem Andenken des Seefahrers Martin Behaim gestiftete
Lichterkrone aus der Katharinenkirche zu Nürnberg, jetzt im German.
Museum,' aus zwei durch eine Stange verbundenen, sechseckigen, bemalten
hölzernen Scheiben, an denen Lichtträger befestigt sind. — Aufser solchen
aus Holz und Eisen gebildeten kommen auch aus Bronze oder Messing
gegossene gotische Kronleuchter vor ohne figürlichen Schmuck aus einer
Vereinigung von stilgemäfsen architektonischen und vegetabilischen Elemen-
ten zusammengesetzt und mit einer Doppelreihe von Lichthaltem versehen.
Ein ausgezeichnetes Werk dieser Art ist der dem XIV. oder XV. Jahrh.
entstammende, aus 69 einzelnen Stücken bestehende Bronzeleuchter in der
Klosterkirche zuSekkau;' der sechseckige Kern endet nach unten konsolen-
artig (en cul'de-lampe) und steigt oben in einen mit Strebepfeilern und Fialen
besetzten und mit einer Kreuzblume gekrönten Turm auf; die Mitte bildet
ein durchbrochener Kranz, dessen gezinnter Kamm noch an das alte Motiv
der Stadtmauer erinnert. Besonders anmutig ist die Schwingung der mit
Eichenlaub besetzten Lichtarme, aus deren oberen Blattknospen und Frucht-
kelchen die Kerzenhalter hervorstehen. Ein ganz ähnlicher, der in der
offenen, sechseckigen Laterne noch die Statuette der heil. Jungfrau enthält,
befindet sich in der Kirche Maria Swetina in Untersteiermark und ein ein-
* Abb. Ewerbeck, Beiseskizzeii. Taf. 26; Seemann. CIL, 9.
» K.-G. No. 246. Abb. im Katalog. Taf. 24.
3 Abb, von Heisse, in der Mitt. C.-K. IV, 139.
Ott«, Kunst- ArebKoIogi«. 5. Aufl. 11
.62 Kronleuchter.
facherer in der Stadtpfatrkirclie zu MuranJ Verwandt sind die Messing-
kronleuchter in der kathol. Kirche zu Dortmund,* im Dome zu Münster
uud in der Kirche zu Fröndenberg, wo jedoch demMafswerk- undBlltter-
aclimuck kleine gegossene Figflrchen hinzutreten, und der angeblich von den
Gesellen der Rotschmiedezunft za Nürnberg in die Nikolaikirche zn Eger
1404 gestiftete, seit 1825 im Schlosse Laxenburg befindliche, an dem die
Flgllrcben der 12 Apostel das MittelstQck (zugleich Lampe für das ewige
Fl(. BS. KronlanabUi In dar KlIwMrUreh« in BeUM (nuh HiUu).
Licht) umgeben. — Im Dome zu Lübeck befindet sich ein aus Kupfer ge-
schmiedeter, bemalter Kronleuchter.'
Grorse Standleucbter für die Osterkerze ans Stein erscheinen als
besondere Seltenheit, Sie zeigen den Typus der antiken Kandelaber:
säulenartig mit einem mittleren Knauf am Schafte und mit einem den Stachel
zur Aufnahme einer grofsen Kerze tragenden Tasenartigen Kapital. Das
' Abb. von Heisse, in der Mitt. C.-K. XVI, 94.
' ■ Seemann. CIL, S.
' • l)oi Statz und Ungewitter. Taf. 60, besser von Milde in Prüfer,
Arcliivetc. n. Taf. 1. Über die 1515 von Hans von Köln gegossene Messingkrone
in St. Johanais zu Lüneburg felilen nähere Angaben.
Standleuchtet von Stein. 163
älteste bekannte romsniache Beiapiel ist die sogen. Innensäule vor dem
Ereuzaltare des Doms zu Eildesheim:' auf einem gegliederten Stein sock el
raht eine attische Basis aus Metall, welche den aus zwei durch einen eben-
falls metallenen Knaof verbundenen Stücken bestehenden Schaft von brann-
rütUchem Ealksinter trflgt, der oben mit einem metallenen Kelche über
einem ebensolchen Schaftringe gekrOnt ist. Statt des ehemaligen Eeraen-
stachels befindet sich seit dem vorigen Jahrh. ein silberues, von 11 Lichter-
armen umgebenes Uarienbild als Huttergottesleuchter oben auf der (ohne
den Sockel etwa 2,&u hohen) SAuIe, deren ursprüngliche Beatitnraung ftla
Lichtträger durch eine aus drei Heiametem bestehende
Lischrüt erwiesen wird. — Diesem frühromanischen
schliefst sich ein spätromanischer Sandstein -Kandelaber
an, welcher sich in einem Nebenraumc der Stiftskirche
zu Königslutter erhalten hat.^ DereigentlicheKerzen-
stock zeigt ganz dasselbe Muster, nnr dafs Schaft und
Knäufe gewunden und teilweise mit Perlen belegt sind;
höchst originell dagegen ist der auf einer runden Grund-
platte ruhende Sockel behandelt, welcher ein kreuzför-
miges Häuschen darstellt, das sich auf den vier Giebel-
fronten in Kleeblattnischen Sfi^et und oben dachziegel-
artig at^edeckt erscheint. Die UOhe der ganzen Licht-
Häule betitgt etwa l,5(j, nnd der fast 0,30 hohe Stachel
iäfat auf die Or&lse der Kerze Bchliefsen, welche zu
tragen dieser Xienchter bestimmt war. — Dafa eine
in der Vorhalle des Doms zu Merseburg aufgestellte
romanische (bei Puttrich, IL Serie Merseb. BL 6.
8. abgebildete) Sänle zu einem Osterleuchte r ge-
hört habe, ist lediglich eine Vermutung des Heraus-
gebers. — Ootische Steinleuchter aus der Zeit um 1400
finden sich drei' an der zum Sauctuarium des Doms
zu Havelberg hinaufführenden Stufe aufgestellt, zwi-
schen denen, ersichtlichen Spuren zufolge, sich ehemals ™KBniI™?[it«m""
eine Steinbrflstung hinzog, weiche den Ältarraum von (bwihum).
dem Übrigen Chore absonderte. Der mittlere Leuchter
ist 1,90 hoch, von der Gestalt eines gotischen Türmchens, aus dessen im
Sechseck aufgestellten Strebepfeilergrnppen , mit letzteren durch Bogen-
streben verbunden, der cy linder förmige Lichtträger aufsteigt nnd sich oben
kelchartig ausbreitet. An den vier Ecken der Grundplatte treten Löwen-
kapfe hervor, als Reminiscenz an die sogleich zu erwähnenden Bestien-
bildungen am Fnfse romanischer Bronze leuchter. Die beiden seitwärts stehen-
den Leuchter sind etwa einen Fufs niedriger und bestehen ganz einfach ans
- einer Säule mit lang gestrecktem gotischen Blätterkapitäl , gehalten von
zwei jugendlichen männlichen Figuren, die in sprechender Qebärdung dar-
gestellt sind. — Einen ähnlichen, etwas jüngeren, 2,30 hohen Steinleuchter
' Abb. bei Kratz, a a. 0. Taf. 1. Fig. 2.
» . in Mitt. Baud. Nieders. (Hase). Heft 3. BL 13. Eg. 2 u. 3. Ein seht
öhnlichor in der Stiftskirche zu Loccum.
• Abbild, von v. Quast in der Zeitsch. f. ehr. A. o. K. H, 296. Tat 18. Fig. 1^-3.
164 Standleuchter aus Bronze.
bewahrt die Wallfahrtskirche zu WilBna<;k.^ Der cylindrische Körper ist
mit vier Fialen umstellt, das Blätterkapitäl achteckig gebildet, und die ver-
stümmelte Basis mit vier hervorspringenden Löwen besetzt. Dieser isoliert
stehende Lenchter trug eine c. 5,ou lange achteckige Kerze von Holz, welche,
nach oben sich verjüngend, ganz mit kleinen hölzernen Pflöckchen bespickt
ist, aufweiche die von den Pilgerscharen geopferten Kerzen aufgesteckt wor-
den sein sollen. — Andere Steinkandelaber aus dem XV. Jahrh. in der Mar-
tinskirche zu Wesel, ^ in der Johanniskirche zu Billerbeck, in der Wiesen-
kirche zu Soest' und zu Asbeck. — In Steinfüfse eingelassene, über 2,80
hohe, spätgotische Lichthalter aus Schmiedeeisen befinden sich in St. Co-
lumba zu Köln.* Der steinerne Fufs eines solchen in der Stiftskirche zu
Iburg (Hannover), andere schmiedeeiserne in St Oeorg zu Hagenau (von
Guerber und Lotz ins XIH., von Kraus ins XV. Jahrh. gesetzt) und aus
St. Marein in Steiermark im Germ. Museum.^ Ein hölzerner Osterleuchter
endlich in Bissendorf bei Osnabrück.
Häufiger als steinerne kommen bronzene Leuchter,^ seltener grofse als
kleine, in Kirchen und Sammlungen vor, unter welchen besonders die der
romanischen Zeit angehörigen von archäologischem und Kunst- Interesse
sind.^ Der Leuchterfufs besteht aus einem drei-, seltener vierfüfsigen Stän-
der, dessen Ausgestaltung der animalischen Natur entlehnt ist: geflügelte
Drachen, Löwen und andere lichtscheue Bestien sind im Kampfe miteinander
oder mit nackten Menschengestalten dai'gestellt. Auf dem Fufse ruht die,
sich nach oben verjüngende, mit Knäufen besetzte, ornamentierte Röhre,
welche oben in die Lichtvase mit dem Kerzenstachel ausmündet. Bei den
kleinsten, oft nur eine Spanne hohen Exemplaren fehlt die Röhre ganz, und
nur ein Knauf verbindet den Fufs mit dem Kelche, an welchem zuweilen
eidechsenähnliche Tiere emporzüngeln, also wohl die feuerliebenden Sala-
mander, an deren Stelle anderwärts Engel treten. Bei den vielarmigen
Leuchtern sind die Arme übereinstimmend mit dem Schaft behandelt und
wie dieser durch Knäufe gegliedert — Die gotischen Leuchter sind dagegen
meist ganz einfache handwerkliche Gelbgiefserarbeiten: der Fufs ist rund
und profiliert, die Röhre in ebenmäfsigen Abständen mit Ringen besetzt,
von denen der mittelste am kräftigsten hervortritt, die Schüssel zum Auf-
nehmen des Wachses ist breit und gegliedert Das einzige Ornament pflegt
in der Durchbrechung des Fnfses mit Vierpäfschen zu bestehen und etwa in
der Zinnenkrönung des Schüsselchens, die noch an die Mauer des himmlischen
Jerusalems erinnern könnte (s. oben S. 159). Gröfsere Leuchter unterschei-
den sich dadurch von den kleineren, dafs der Fufs zuweilen mit Löwen ver-
ziert, und der Schaft mit einer gröfseren Anzahl von Ringen versehen ist.
Siebenarmige Bronzeleuchter (S. 156) romanischen Stils sind
> Abbild, von v. Quast in der Zeitsck £. ehr. A u. K. ü, 286. Taf. 18. Fig. 4.
» » bei Statz u, TJngewitter. Taf. 139, I. 2.
' » ebd. Taf. 114.
* » . bei Bock, Fz., das heilige Köhu Taf. XXT, 79.
^ Abb. Ost. Atl. IC, 2. Nicht zum Stehen, sondern zum Hängen eingerichtet ist
das. Fig. 5. der Osterleuchter aus St. Wolf gang.
" Auch ein bronzener Osterleuchter in der Magdalenenldrche zu Hildesheim.
^ Vergl. »Der sinnreiche Bau der Leuchter im früheren Mittelalter« im Org. t
ehr. E. 1869. No. 5.
Siebeoannige Leuchter.
165
nachgewiesen: im Münster zu Essen (inschriftlich gestiftet von der Äbtissin
Mathilde y gest. um 1003; ohne den Marmorsockel 2,33 hoch: auf den vier
Ecken des Fnfses die verstünmielten Statuetten der vier Winde), ^ im Dome
Flg. 61. SUbenumlger Ltnobter %a Eiten (naoh aiu*ni Waertb).
ZU Brannschweig (urkundlich als vorhanden erwähnt 1223, traditionell Ge-
schenk Heinrichs des Löwen, gest. 1195; 4,45 hoch, 7 Centner schwer und
aus 71 einzelnen Stücken bestehend; der reich mit Drachen verzierte Fufs
» Abb. au8*m Weerth. Taf. XXVIU. Seemann. CIL, 5.
166 Armleuchter.
anf vier liegenden Löwen ruhend, das tthrige einfach; die Arme nach der
Mitte zn kaum merklich anwachsend),^ in St. Gangolf zu Bamberg (dem
Essener Leuchter angeblich verwandt),^ in der Bastorfkirche zu Paderborn
(Messinggufs, angeblich aus dem XU. Jahrh.; am Fufse EUrsche und andere
Tierfiguren; rohe Ornamente),^ zu Klosterneuburg (gegen 4,23 hoch; das
Fufsgestell fehlt; die Arme deutlich baumartig angeordnet; reich verziert)^
und im Dome zu Prag der ungemein reich mit kämpfenden Bestien und
römisch kostümierten männlichen Figuren geschmückte Fufs eines nicht
mehr vorhandenen Kandelabers.^ — Siebenarmige Leuchter aus gotischer
Zeit und meist weniger bedeutend finden sich vor in der Marienkirche zu
Kolberg (gegossen von Johannes Apenghetere 1327; 3,77 hoch; Sockel
aus drei Löwen bestehend, darüber drei Hundsköpfe; am Schaft die Apostel;
von den Armen zwei aus Holz hergestellt),^ in der Marienkirche zu Frank-
furt a. d. 0. (angeblich von 1376; 4,08 hoch; der Fufs besteht aus vier
Adlern mit ausgebreiteten Flügeln, darüber Weinlaubgewinde; die Knäufe
des mit biblischen Scenen unter Spitzbögen verzierten Schaftes sind aus
Weinblättem gebildet; an den Armen heraldische Adler und Helme; restau-
riert),^ in der Augustinerkirche zu Brunn (3,56 hoch und ganz einfach; am
runden Fufse drei Löwenköpfe, sonst am Schafte und an den in wagerechter
Linie schliefsenden, unter sich mafswerkartig verbundenen Armen nur pro-
filierte Knäufe),^ in der Nikolaikirche zu Mölln bei Ratzeburg 1,70 hoch von
1436,® im Dome zu Magdeburg (von 1494; 2,93 hoch und ganz einfach nur
mit Knäufen verziert; die Arme übersteigen einander und sind paarweise
mit etwas schräg ansteigenden Bändern verbunden; der profilierte runde
Fufs steht auf einem 0,79 hohen antiken Säulenfiragmente aus Marmor) und
ein ebenfalls sehr einfacher mit 3 sehr rohen Löwen am Fufse von 1538 im
Dome zu Fürsten walde. — Ein fünfarmiger Messingleuchter aus dem An-
fange des XV. Jahrh. (am Fufse 3 Knappenfiguren, am Ständer 6 Heilige
unter Spitzenbogenbaldachinen und darüber nochmals 4 Heiligenfiguren) be-
findet sich in der Stiftskirche zuOandersheim;^® ein anderer ebenfalls aus
dem XV. Jahrh., 1,57 hoch, in Form eines Baumes mit abgestutzten Ästen
und mit der Figur des Gekreuzigten (also wohl auf die fünf Wunden bezüg-
lich) in St.Kunibert zu Köln ;^^ in St. Jakobi zu Perleberg ein über 2,80 hoher
von 1475 und in St. Johannis zu Werben von 1487.*' — Dreiarmige im Dome
* Abb. bei Görs es, Beschreibung vom Si Blasius-Dom zu Braunschw. Taf. 3
und bei Eallenbacn, Album etc. ü, 6.
« Vergl. Weifs, C., in den Mitt. C.-K. (1861). VI, 33t.
» Vergl. Lübke, Westfalen. 421 ; Abb. bei Statz und TJngewitter. Taf. 194, 1—6.
^ Weifs, a. a. 0. 332 ff.
* Abb. bei C. Weifs, in den mitt. Kunstd. d. Ost. Kaiserst I, Taf. XXXV zu
S. 197. Derselbe wurde laut Inschrift 1158 in Mailand erbeutet und hieis schon 1395
der »salomonische« Leuchter.
« Vergl. Kugler, Kl. Sehr. I, 784.
' Ver^. Spieker, Chr. W., Beschreib, u. Gesch. der Manenk. zu F. 59 ff.
• Abb. Mitt C.-K.Vn. 20; Ost. Ati. IC, 13.
• » Jährbb. f. Landesk. v. Schleswig etc. I, Fig. 2 a u. b.
» » Mitt. Band. Nieders. m, 8p. 56.
" » Bock, d. heü. Köhi. Taf. XIV, 54.
^^ » Seemann. CIL, 7, nach Adler.
Altarlencliter. Jg7
zn Xanten' (etwa 2,so hoch, ans dem XVI. Jahrh.)) m Halberstadt im
Dome (3) und in der Lieb^anenkirche (von 1475), in der Stadtkirche zn
Hameln (1490) nnd auf Steinsockel in der Eloeterkirche zn Ebatorf, ein
zinnerner snf Steineoekel, 2,34 hoch, in der Süftskircfae znBoerstet (Han-
nover).
Romanische Altarlench-
t e r (oft, wie die Akolnthenlench-
ter, noch paarweise; S. 156)
haben sich verhältnigmaraii; eehr
zahlreich erhalten.* Daninter
sind vielleicht die beiden grSfB-
ten, von 0,79 Höhe im biachSfl.
Mneemn zn Münster," der
kleinste (eine rohe Tiergestalt,
die den Lichtteller anf ihrem
Rucken trägt) mit mehreren an-
deren im National -Mnsenm zn
Mttnchen.* — Die Ältesten
Exemplare würden die bei-
den sogen. Thassilolenchter in
Kremsmttnster^ sein, wenn
deren Alter (Vin. Jahrh.) nicht
bezweifelt wörde. — Anlserdem
nennen wir nach vorliegenden
Abbildungen die Leuchter bu
C h ur (mit den Evangelisten und
den Paradiese Bströmen am Fufa ;
Kunsthandwerk H. Taf. 44), "«■ "■ """""^^'^ i^'""' '" '"°"""
Kombnrg (Bock, Eronlench-
ter S. 55. Chr. K.-Bl. 1869 S. 150), zwei 1852 auf der mittelalt. Aosstellnng zn
KrefeldgeweseDe(Org. f. chr.K. 18Ö3 No. 7, artist. Beil.), zn Darmstadt im
Museum (Beck er- v.Hefnerl. Taf. 12), zn Frankfurt a.M. im Privatbesitz
(ein gegossener nnd ein emaillierter; Phot. Frankf. Ansät. Taf. 36. F. 4 n. 5),
za Fritzlar in der Stiftskirche (Statz undUngewitter, Taf. 203, 1—5;
ein anderer Mitt.C.-K.V, 314. Fig. 6.), zu Hildesheim in der Magdalenen-
kirche (anf Bischof Bemwards (t 1022) OebeiTs von einem seiner Schiller
verfertigt; Kratz, a. a. 0., Taf. 4, Fig. 2; Seemann 146, 2), ztt Kehrig
imHayenfeld zwei (ans'm Weerth, Taf. LH, 14), znKlagenfnrt imLan-
deamuseum zwei (Mitt. C.-K. XI, 70 a. XVIH, 164; Ost. AtL 99, 7),
zn Klosteran am Inn (Sighart, J., die mittelalterl. K. in d. Erzd. Hfln-
' Abb. auB'm Weertk Taf. XTDI, 6.
ä Vergl. Lübke, Westfalen. «I.
= Ver^. Mitt. C.-K. VI, 113; Abh. bei Cahier, Nonv. melanges. a. a 0.
* Die auffallende Kleinheit vieler nnd die eigentämliche Komposition nicht weni-
EBF labt Übrigens annehmen , deSe diese Lenchter (ähnlich wie die bekannten Mesaing-
ecken) keinoBwegs ausschliefslich für tirchlichen Gehrauch bestimmt wann, sondern
auch pro&non häuslichen Zwecken dienten,
» Abb. JÜtt. C.-K. IV, 44; XVIH, 173; Ost AÜ. IC, 1; verri. Springer in
den Mitt. C.-K. V, 310.
168
Altarleuchter. Sanctusleuchter.
chen Taf. VII^ vergl. S. 209 über einen andern daselbst befindlichen Leuch-
ter), zn Leipzig im histor. Verein (Becker- v. Hefner ü, 70) und in der
Sammlung Felix zwei (No. 515 u. 516 Photogr. Katal. Taf. DC, 1 u. 3), zu
München im Privatbesitz verschiedentliche (Becker- v. Hefner, II. Taff.
31. 49. 66), zu Nürnberg imGerman. Museum (K.-G. 226 im Katal. Taf. 22,
ebenda No. 227 ein von einem Elefanten getragenes Türmchen, dessen Zin-
nendach als Lichtteller dient, ferner einer in Form eines Centauren ; Essen-
wein, Kunst- und Kulturgesch. Denkm. ans dem 6. Mus. Taf. V, 1), aus
Pürgg im christlichen Kunstverein zu Graz (Kirchenschmuck 1880, 116), zu
Regensburg in St. Emmeram (Jakob, Taf. XIII, 7), zu Sigmaringen in
der fürstlichen Kunstkanmier (eine auf einem Löwen reitende Figur; von
Hefner-Alteneck, Taf. 27, Fig. D. E.), zu Stendal in der Jakobikirche
(Adler, Backst. I, 64), zu Trier im Dom (zwei kupferne emaillierte;
aus^mWeerth, Taf. LVUI, 8, und zwei silberne, ebenda Fig. 9, auch bei
Schmidt, Kirchenmöbel Taf. 29). ImHerzogl. Museum zu Braunschweig
(No. 91 — 96) befinden sich ihrer 6 von verschiedener Gröfse und Ausstattung,
eine ganze Anzahl auch im Kunstgewerbe-Museum zu Berlin und in anderen
Sammlungen. Angefahrt werden aufserdem noch romanische Leuchter von
Jakob (S. 183) zu St. Johann in Regensburg, von Sighart(I, 193) in der
Kapelle des Klosters Scheyern, im Museum zu Freising, in St. Moritz zu
Augsburg; von Laib und Schwarz (Studien etc. S. 63) im Münster zu
Überlingen; von Giefers (Prakt. Erfahrungen S. 67)
drei kleine, kaum 0,io hohe im Dome zu Minden; von
Springer (a. a. 0. S. 314) in der Gangolfskirche zu
Bamberg und ein Leuchterfufs in Göttweih; im Kata-
log des erzbischöfl. Museums zu Köln unter No. 59 u.
270. Für die schönsten und grofsartigsten Lichtträger
in Deutschland erklärt Bock (das heil. Köln. St. Columba
S. 15) zwei grofse spätroman. Standleuchter im Dome zu
Bamberg. — Gotische Altarlenchter gewöhnlicher Art
sind fast überall häufig, wir beschränken uns daher auf
Erwähnung der grofsen Chor- oder Sanctusleuchter, wie
dergleichen paarweise vor dem Altar aufgestellt zn wer-
den pflegten und sich z. B. in St Columba zu Köln^
(2,20 hoch), und (nach Bock, a. a. 0. S. 15) auch in
den Domen von Xanten, Mflnst er und Braunschweig,
ein Paar Mhgotische auch in der Magdalenenkirche zu
Hildesheim und ein Paar spätgotische in der Katha-
rinenkirche zu Brandenburg erhalten haben. Zinnerne
gotische aus dem XIH. Jahrb., 2,50 hoch, kommen in der
Elisabethkirche zu Marburg vor und zwei ganz ähnliche
auf schwarzen Marmorsockeln in der Pfarrkirche zu G e 1 n -
hausen; zwei schmiedeeiserne, schon aus dem XVII.
Jahrh., aber nach alter Form im German. Museum zuNürn-
berg;^ endlich vier hohe aus Holz geschnitzte und zierlich bemalte in Wien-
Fig. 68. Ootlflcber Altar-
l«ncht«r ao« Regensbnrg
(naoh Jakob).
» Abb. bei Bock, d. heü. Köhi. Taf. XXI, 81.
2 K.-a. 254 u. 255. Abb. Katalog. Taf. 25.
Engelleuchter. lichtrechen. Xg9
bansen. Als abweichend von der gewöbnlicben Art ist ein achteckiger, in
den einfachen Formen des gotischen Steinbanes gehaltener Leuchter in St.
Afra zn Seligenstadt^ zn nennen, dem sich zwei silberne vergoldete Altar-
lenchter vom Ende des XIV. Jahrb. im Münster zu Aachen insofern an-
scbliefsen, als hier der untere Teil des Schaftes ebenfalls ein architektoni-
sches Motiv befolgt, während die sonstige Form sich der gewöhnlichen an-
reiht.^ Endlich ist auf solche Leuchter zu verweisen, die von Engeln ge-
halten werden ^ und z.B. im Dome zu Brandenburg (2 bronzene von 1441),
zu Köln im Domschatze (in Silber getrieben)^ und in St. Martin (aus Holz
geschnitzt und vergoldet),^ zu Fröndenberg (zwei in Holz geschnitzte von
ca. 1400), zu Nürnberg in St. Sobald und im German. Museum (zwei höl-
zerne bemalt und vergoldet),® zuRÖmhild in der Stadtkirche (zwei bronzene
nur von Engelsköpfen getragen), zu Rottweil in der Pfarrkirche (aus Holz
geschnitzt) und zu Würz bürg in der Nikolaikapelle (ein höbsemer demTile-
mann Riemenschneider zugeschriebener)^ vorkommen.
Als einzig in ihrer Art ist die prachtvolle 4,70 hohe Pergnla(s. oben S.
151) zu erwähnen, welche vor dem Altare des Doms zuXantenüber die9,42
betragende Breite des ganzen Chors geht, und aus drei Arkaden besteht, von
denen die mittlere 12, jede Seitenarkade 6 Leuchter trägt; es ist ein Mes-
singgufs aus Maestricht vom Jahre 1501.® Dem Ende des XV. Jahrh. ge-
hören die Lichtrechen im Chor der Marienkapelle zu Nürnberg an: rechts
und links vom Hochaltare zieht sich längs der Wand ein Balken hin, auf
dem knieende Engel die Leuchter tragen.^ Ein Eerzstall aus Eisen befindet
sich in der Kirche zuKiederich;^^ derselbe ist sechseckig und ruht auf vier
Füfsen; ein ähnlicher in Rauenthal ist dreifUfsig. DerzuFrauwüllesheim
bei Düren 1,88 hoch, ist zu 14 grofsen und 28 kleinen Lichtern eingerich-
tet;^^ einfacher ist der zu Bayenburg bei Barmen aus dem XV. Jahrh. mit
angehängtem Weihkessel.*^ Ein spätgotischer eiserner Rechen für 7 grofse
und 15 kleine Lichter befindet sich auch zu Laas in Kärnthen.^'
» Abb. bei Jakob. Taf. Xm. 10.
* ^ bei Bock, Pfalzkapelle. I, 2. Rg. 29 — 32. Abb. von gotischen Leuchtern
in holsteinischon Kirchen beiStatz und Ungewitter. Taf. 203 u. 204; ein eiserner
von ca. 1460 — 80 aus Würzburg im Bayr. Nat. -Museum zu München bei von Hefner,
Eisenwerke. Taf. 3.
3 Auch der jüngere Titurel kennt solche Engelleuchter (Str. 85) :
*uf Kanzel (Lettner) imd uf mure
hie gewunden, dort die gestabtens
Provinziell werden sie »Dt^mann« (Tüllemann) genannt; vergl. Grimm, Wörterb.
n, 1150.
* Abb. bei Book, d. heü. Köhi. Taf. X, 43.
» » ebd. Taf. XVI, 60. — Bei Laib und Schwarz, Studien etc. Taf. XVI, 1,
findet sich die Abbild, eines grofeen Lichtträgers des XVI. Jahrh. aus der Kirche zu
Schwerte bei Dortmund, ohne An^be des Stoffes; es ist eine gewundene Säule, auf
deren polygonem Kapital ein Engel steht, welcher den Leuchter in den Händen trägt.
ö K.-G. 237 u. 238. Abb. Katalog. Taf. 24.
' Abb. in Wartburg. I (1873). Taf. 8 zu S. 123.
• » bei aus'm Weerth, a. a. 0. Tat XVm, 5.
• Vergl. Laib und Schwarz, a. a. 0. 76.
>o Abb. bei Statz und Ungewitter. 193, 3—7.
«» » Org. f. eh. K. 1869. No. 7.
« » aus^m Weerth. Taf. XU. Fig. 10. 11.
« > Östr. Atl. IC, 11.
170 Ewige Lampen. Judenlampen. Wandleuchter.
Anmericnng 1. Obgleich im Mittelalter anfser den Kerzen auch Öllampen
im kirchlichen Gebrauche waren , und die Unterhaltung einer ewigen Lampe
vor der geweihten Hostie jetzt in der katholischen Kirche allgemeine Sitte ist/
so fällt es doch auf, dafs Lampen aus dem Mittelalter nur selten nachgewiesen
sind. Aufser der oben (S. 161) erwähnten Nürnberger aus Eger ist im Germ.
Museum zu Nürnberg (K.-G. 229) eine Lampe von Messing mit durchbrochenem
runden Gehäuse und orientalischer und lateinischer Inschrift aus dem XIV.
Jahrh. zu nennen , und ein hölzernes mit Figürchen ausgestattetes Gehfiuse in
Wienhausen, und Jakob (S. 184) erwähnt eine Lampe whne besondre Schön-
heit zuUsterling a. Isar, Bergmann (Mitt.C.-K. II, 307) die ewigen Lichte
in St. Lorenz, zu Lorch bei Ens und in der Kirche zu Freistadt in Ober-
österreich. Steinerne Gehäuse zum ewigen Licht in Verbindung mit dem
Wandtabemakel kommen vor zu Straubing in St. Jakob und in der Pfarr-
kirche zu Gelnhausen.^ Auch die gotischen Chorlampen im Dome zu Lü-
beck' und zuHaarbrück(Kr. Höxter) werden hierhergehören. Eine aus Mes-
singgufs von Hans Meifsner zu Braunschweig 1563 befindet sich im Zither
des Domes zu Halberstadt. — Der Dom zu Erfurt besitzt ein romanisches
lampadarium pensile aus Bronze mit 12 Schneuzen, dessen aufsteigeiMes, zum
Aufhängen bestimmtes Mittelstück in 3 Reihen übereinander unten mit alt-,
oben mit neu -testamentlichen Reliefs geschmückt ist. Anderweitig sind von
solchen sternförmigen sogenannten Judenlampen nur noch 2 Exemplare be-
kannt, das eine aus einer von Didron in den Annal. arch^ol. gegebenen
Abbildung,^ das andre und schönste im erzbisch. Museum zu Utrecht
Anmerkung 2. Aufser den in näherem oder entfernterem Zusammen-
hange mit dem Apparat und Schmuck der Altäre stehenden Hänge- und Stand-
leuchtern bedurfte man bei nächtlichen Gottesdiensten, bei Exequien, infolge
von Stiftungen vor Votivbildem oder besonders gefeierten Reliquien u. s. w.
noch anderweitiger Beleuchtung und bediente sich dazu namentlich auch der
Wandleuchter in Form beweglicher Arme, die, insofern am Tage der Kirch-
weihe vor den zwölf Weihekreuzen der Kirche Wandleuchter aufgehängt zu
werden pflegten,^ auch Apostelleuchter genannt werden. Romanische Bei-
spiele von solchen sind äufserst selten. Sighart, die mittelalterl. Kunst in der
Erzdiöcese München-Freising S. 211, erwähnt im Chore der Kirche zu Fürsten-
feld bei München zwei romanische (Wand-)Armleuchter ^mit zierlicher Darstel-
hing des Kampfes mit dem Drachen^. Auch gotische aus Metall gegossene
Wandleuchter sind nicht häufig ; veröffentlicht sind solche aus St. Kunibert in
Köln (Bock, d. heil. Köln, Taf.XIU, 52) und aus den Dortmunder Kirchen in
^ Im Graltempel des jung. Titurel (Zarncke, Str. 83 S.) hängen in jedem Chor 3
und über jeder Thür I Paar krystallene ^Balsamvaze* an Goldsträgen von schweben-
den Engeln gehalten, und zwar brennen diese nach Str. 87 zu allen Zeiten, wahrend
die Wachskerzen auf den Altären nur während des Amtes der M^se brennen. Die
Öllampen beruhen auf Analogie von Exod. 27, 21.
2 Abb. Statz u. Ungewitter. Tal 121, 3—5.
3 Ebd. Taf. 59, 40.
* Danach bei Semper, der Stil. U, 53 und Müller u. Mothes, Archäol.
Wörterb. 11, 612.
* Pellicia, Alex. Aur., de Christ, eccl. poHtia, ed. Bitter. I, 129-
Wandleuchter. Laternen. 171
der Fürstl. KnnBtkammer zu Sigmaringen (v. Hefner- Alteneck , Taf. 58,
vergL Seemann, CIL, 10) sowie zwei in der Kirche zu Waldfeucht (aus
belgischen Gufsstätten; v. Fisenne, Kunstdenkm. IL Lief. 4. Taf. 27. 28).
Spätgotische, aus Eisen künstlich geschmiedete und polychromierte im Rat-
hausturme zu Köln aus dem XV. Jahrh. (Org. f. ehr. K. 1861, No. 19, artist. Beil.
und V. Hefner, Eisenwerke, Taf. 69), zu Augsburg im Privatbesitz, ebenfalls
XV. Jahrh.) V. Hefner, a. a. 0. Taf. 10) und zwei aus Till und Wankun aus
dem XVI. Jahrh. (aus'm Weerth, Taf. VI, 10 u. Taf. XXI, 12). — In der
vor dem Zither des Doms zu Halb er Stadt belegenen Kapelle bemerkte man
vor der letzten Überweifsung an den auf die Wand gemalten Weihekreuzen
noch die zum Anhängen der Leuchter bestimmt gewesenen Haken. — Von
Standleuchtern zu Exequien haben sich eine Reihe in Holz geschnitzter, be-
malter und vergoldeter, die zum Teil noch die Zeichen der Bruderschaften,
denen sie gehörten, tragen, in der Oertrudenkapelle der Marienkirche zu Dan-
zig erhalten; 4 davon sind von Schulcz-Ferencz in der »Wiener Bauhütte«
Bl. 94 veröffentlicht. Schmiedeeiserne zu gleichem Zwecke, zum Teil noch in
die Ausgangszeit des romanischen Stils zurückreichend finden sich in einigen
österreichischen Kirchen, so zu Heiligenkreuz (Abb. Mitt. C.-K.XVin, 334),
gotische zu St. Lambrecht (das. XIX, 216), zu Eisenerz in der Pfarrkirche
(das.) und in der Franziskanerkirche zu Salzburg(das. S. 217). — Laternen
brauchte man teils bei Prozessionen (z. B. am Fronleichnamstage), teils bei der
Tragung des Viaticums zu Sterbenden, im ersteren Falle hohe Stocklatemen,
im letzteren Handlaternen (Versehlaternen). Abb. einer solchen in romani-
schem Stil nach Didron, im Org. f. ehr. K. 1868, Beil. 1 a. und ebenda einer
gotischen nach einem Bilde aus dem XV. Jahrh. im Museum zu Köln. Eine
hölzerne aus dem XV. Jahrh. befindet sich im German. Museum (K.-G. 244,
Abb. Katalog, Taf. 24).
37. Die Verehrung für den heiligen Inhalt der zum gottesdienst-
lichen Gebrauche bestinunten Bücher führte bereits im christlichen Alter-
tume zur prachtvollen äufseren Ausstattung derselben durch die Kunst,
und als Gegenstand öffentlicher Verehrung gehörte schon fiühzeitig ein
kostbar eingebundener Evangeliencodex zum ständigen Schmucke der
Altäre.* Gleicher Ehre genofs zunächst das Missale.* Die gegenwärtig
für jeden Mefsaltar erforderlichen Kanontafeln (mit dem Sanctus, Credo
* Pellicia, a. a. 0. I, 143: *Evangeliorum codex super ipsum altareperpetuo
erat.€ Cf. p. 157. — Das Chronikon Christiaiii (bei Joffe p. 681) sagt in Beziehung
auf den Dom zu Mainz : ^Erant Itbri, qui pro omaJtu super cUtare ponehantur, ut
evangeliorum, epistolarum etc., aliqui vesMi ebore scuipto, cUit argento, cdii auro
et gemmis.* — Vergl* oben S. 141.
2 Über den Einband der Ritualbücher: Texier, Dictionnaire d'orfevrerie, Art
*Couvertures et reliures de livres^ (nach Dom Gueranger, Institutions Hturgiques
und Guenebault, Dictionnaire iconoßraphique) 529—549, VergL auch d'Agincourt,
Histoire de l'art etc. VI, 107; Jakoo, 214 ff.; Steche. R., zur Gesch. des Buch-
einbandes mit Berücksichtigung seiner Imtwickelung in Sacnsen. 1877; Friedrich, C,
zur Gesch. des Bucheinbandes in d. Zeitschr. des Kunstgew.- V. zu München. 1882.
Heft l. 2; Nordhoff, J. B., Buchbinderkunst u. Handwerk in Westfalen, in: Zeitschr.
fr. Gesch. u. Altertumsk. "Westfalens XXXIX, 153 ff.; besonders auch: Wattenbach,
172 Büchereinbände.
und den Konsekrationsworten) kommen im Mittelalter noch nicht vor,
sondern werden erst ausgangs des XVL Jahrh. erwähnt
Den mit prächtigen Pergament- Codices und kostbaren Einbänden der
Bücher getriebenen Aufwand, den man mehr liebe, als das fleifsige und an-
dächtige Lesen des göttlichen Wortes, rügen bereits Chrysostomus und
Hieronymus.^ Die Geistlichen selbst verstanden sich auf die Buchbinder-
kunst; jedes Kloster besafs in seiner Schreibstube neben den Abschreibern
und Illuminatoren auch seine Buchbinder, die in späterer Zeit Laienbrüder
waren. Als Buchbinder wird z. B. der irische Mönch Dagaeus t ^87 beson-
ders gertlhmt, und in einem Kölner Codex des VII. Jahrh. findet sich bereits
der Ausdruck T^Sigebertus bindit Ubelhm^. Bischof Otto von Bamberg ver-
sah als Hofkaplan bei Kaiser Heinrich IV. das kaiserliche Gebetbuch an
Stelle des alten, abgenutzten Einbandes novam pellem mercatusdecenter mit
einem neuen.^ Karl der Grofse schenkte 774 an das Kloster St. Denis einen
ganzen Wald mit der Jagd auf Rehe und Hirsche eigens zu dem Zwecke,
damit aus deren Häuten Einbände gemacht werden könnten, und solche
Schenkungen kommen öfters vor. Am Ende des Mittelalters trieben die Brü-
der des gemeinsamen Lebens wie das Abschreiben und nachher Drucken der
Bücher, so auch das Buchbindergewerbe völlig geschäftsmäfsig.
Man darf annehmen, dafs im Gegensatze zu den antiken Schriftrollen
die zwischen Tafeln gebundenen Bücher ihren Ursprung gehabt haben in
den spätrömischen Elfenbeinschreib tafeln, mit Reliefs auf der äuTseren Seite
(diptycha consularia, von Magistraten beim Antritte des Amtes verschenkt
und mitKonsularbildem etc. geschmückt, und diptycha ecclesiastica, kirch-
liche Namenverzeichnisse und mit biblischen Gegenständen geschmückt),'
zwischen welche man beschriebene Pergamentblätter legte, da beide Gat-
tungen der Diptycha nur als Deckel kirchlicher Handschriften auf uns ge-
kommen sind, und bis ins XHI. Jahrh. vorzugsweise Elfenbeintafeln zu
Prachtbuchdeckeln verwendet wurden. Die Buchdeckel selbst bestehen aus
Holz, worauf man die Elfenbeintafeln festnietete. Gewöhnlich jedoch bilden
letztere nur den mittleren Teil der Deckel, und die Ränder, als Umrahmung
des meist etwa 0,t8 hohen und 0,13 breiten Elfenbeinreliefs, sind mit Gold-
oder Silberblech überzogen, in welches Edelsteine und Perlen gefafst, und
das mit getriebenen, emaillierten und gravierten Darstellungen verziert
wurde; vielfach werden auch Reliquien unter Krystallen mit eingefügt.
Anderweitig sind die Deckel auch ganz mit Metallblechen überzogen.
Beide Deckel eines Buches haben übrigens niemals denselben Schmuck:
der vordere Deckel (latus frontale) ist gewöhnlich am reichsten aus-
gestattet, der hintere oft ganz schmucklos, wie der Rücken und die
das Schriftwesen im M.-A. 2. Aufi. 324 — 341. Abbildungen von Mustereinbänden aus
der Blütezeit der Buchbinderkonst. 40 Tafif. in Lichtdruck mit Text von J. Stockbauer.
Leipzig. 0. J. — Die Namen der verschiedenen Bitualbücher sind erklärt in Otte,
Wörterbuch. 197 f.
* Neander, A., Joh. Chrysostomus. I, 190; Augusti, Denkwürdigkeiten. Xn, 289.
« Ebonis vita Ott Bab. I, 6. Jaffe, Bibl. V, 594.
' Über die Diptycha: Müller, C. 0., Handb. der Archäologie. S 312 n. 3. —
Yerel. Augusti, a. a. 0. 302 ff.; Schäfer, G., Denkmäler der Elfenbeinplastik des
Orolsherz. lius. zu Darmstadt 1872, 19—26.
Büchereinbände. 173
Innenseite des Vorderdeckels mit Seidenzeng ttberzogen (auf welchem sich
Zuweilen schon im XIII. Jahrh. Stickereien finden)^ und höchstens zur Ver-
meidung der Abscheuerung an den Ecken beschlagen oder mit stark hervor-
ragenden Krystallen besetzt. Aufserdem legte man beim Gebrauche der
Bücher Polster (cussini) unter oder schlug sie in saubere Tücher {panrd
Hneij camisiae) ein. Auch hatte man kostbar geschmückte Kästen (capsae)
in Buchform, in welchen die Codices aufbewahrt und auf den Altären aus-
gestellt wurden. Zuweilen begnügte man sich indes mit der Ausstellung der
leeren capsae. Ein Evangeliarium von 1325 in Wiener-Neustadt ist oben
mit 2 Ringen versehen, um das Buch aufhängen zu können, und hat zugleich
unten an beiden Deckeln Füfschen, mit deren Hilfe es als Schaustück auf-
gestellt werden kann.^ Ledereinbände kommen schon sehr früh vor^ seit
Anfang des XV. Jahrh. ziemlich häufig,* als aber nach Erfindung der Buch-
druckerkunst und durch die Verwendung des Papiers statt des Pergaments
die Bücher häufiger und wohlfeiler wurden, überzog man allgemein die Holz-
deckel der Prachtbände mit gewebten und gestickten Seidenstoffen oder mit
Leder (welches teils die Naturfarbe behielt, teils braun oder schwarz ge-
färbt und entweder zu reicherer Flachreliefdekoration gerissen, geschnitten,
gepunzt und ciseliert wurde, oder eine Pressung mit rautenförmigen Mustern
in der Weise der spätgotischen Thürbeschläge erhielt) und beschlug die
Ecken mit Metallstücken, auch die Mitte oft mit Metallmedaillons meist mit
stark hervorragenden Buckeln, auch wurden starke metallene Klausuren
hinzugefügt.
Unter den in deutschen Bibliotheken noch ziemlich häufig vorkommen-
den Evangelien- und Mefsbüchem in mittelalterlichen Prachtbänden finden
sich manche, deren Einband ganz oder teilweise (besonders in der Metall-
nmrahmung des mittleren Elfenbeins) jünger ist als der Codex selbst, sel-
tener andere, deren Elfenbeindeckel älter sind als das Buch, zu dem sie
gegenwärtig gehören.
Von ornamentierten Einbänden machen wir namhaft: Diptycha consula-
ria als Deckel von Evangeliarien zu Lüttich in St. Martin und im Dom,^ des-
gleichen an einem Antiphonale aus dem XIV. Jahrh. im Zither des Doms zu
Halberstadt (No. 45).^ Der Form, Gröfse und Arbeit dieser antiken Diptychen
^ Z. B. am WyBsehrader Codex in der Univ.-BibL zu Prag ein Salvator in "Wein-
blattarabesken. Details davon abg. bei Grneber. I. Fig. 270.
* Abb. Mitt. C.-K. XVm, 169. Fig. 17.
3 Im Kunstgewerbe -Museum zu Berlin, Raum XVn, Glaskasten 117, befindet sich
z. B. der lederne Deckel eines Psalteriums aus dem XIV. Jahrh. mit gerissenem, noch
völlig romanischem Bestienomament. Im Hildesheimer Schatzverzeichnis von 1409
wird unter mehreren gleichen z. B. ein ^psalterium ligatum in corio aJbo cum ferra"
mentis anguJaribus et lonais datisuris* aufgeführt; vergl. Anz. G. M. 1878. Sp. 212 f.
Schon 14U7 finden sich Scnriftstempel zur Pressung verwendet.
^ Abbild, bei S al i ^ , de diptychis veterum (Halae) 1731, Titelkupfer. Das aus St. Mar-
tin befindet sich jetzt in Darmstadt vergl. Schäfer, a. a. 0., 22. Es stammt von Fla-
vius Astyrius 449; ist aber nur eine Tafel, der übrige Einband gehört der Zeit ca. 1300 an.
^ Aobild. bei Augustin, Chr. F. Biemh., das Diptychon consulare in der Domk.
zu Halberstadt, in den N. Mitt. Th.-S. V. VÜ. 2, 60. Die mit Konsularbildem ee-
schmtickten Tafeln sind oben und unten verkürzt, um sie dem kleineren Format des
Buches anzupassen; die Höhe beträgt jetzt ü,28, die Breite 0,i4. — Vergl. Eugler,
Kl. Sehr. I, 135; Bock, aus dem Domschatze zu Halberstadt, in den Mitt. C.-E. XV,
22. — Im Domschatze zu Frag befindet sich ein Evangeliarium aus dem IX. Jahrh.
174 Pi-achtbuchdeckel EX. und X. Jahi-h.
schliefsen sich an die vier Elfenbeindeckel der beiden Gebetbücher K. Hein-
richs II. und seiner Gemahlin Kunignnde in der k. Bibliothek zu Bamberg
(No. 1049); sie sind 0,30 hoch und 0,ii breit, enthalten vier einzelne Figu-
ren (der thronende Christus und Maria, Paulus und Petrus) und sollen nicht
jünger sein als das VI. Jahrhundert. — Der Zeit um 800 gehört das Evan-
gelienbuch des heil. Liudger an, welches sich im Besitze des Oberregierungs-
rates Er ttger in Minden befand und 1852 nach England verkauft ist: die Mitte
des mit gravierten Darstellungen geschmückten vergoldeten Deckels nimmt ein
Kruzifix aus Elfenbein ein. Ins IX. Jahrh. fallen femer ein aus Bamberg stam-
mendes Evangeliarium in der Hofbibliothek zu München(Cim. 56) mit Beinen
von Goldblech umrahmten Elfenbeinbildern, vorn die Taufe Christi, hinten die
Verkündigung und die Geburt Christi darstellend,^ und der Evangeliencodex
No. 65 der Universitätsbibliothek zu Wttrzbnrg, dessen Elfenbeindeckel (von
0,022 X 0,015) in 37 Figuren die Hochzeit zu Kana, die Austreibung aus dem
Tempel und die Heilung des Blindgeborenen enthält. Der eines andern gleich-
zeitigen daselbst mit der stehenden h. Jungfrau, welche der h. Nikolaus verehrt,
wird als griechische Arbeit angesehen^ — auf der Rückseite ist eine Silber-
platte mit Gravierung der Majestas domini' angebracht. Aus der Zeit um 900
rühren die Elfenbeindeckel des dem Tutilo zugeschriebenen Evangeliariums
in der Bibliothek zu St. Gallen (No. 53) von 0,275 X 0,170 her, vom den
thronenden Christus,^ auf der Rückseite die Himmelfahrt Maria und die Le-
gende des heil. Gallus darstellend.
Dem X. Jahrh. werden zugeschrieben die Schauseite des Missale
No. 911 in der K. Bibliothek zu Bamberg (Umrahmung von gravier-
tem Silber mit eingelegten Runden ans Gold in den Ecken, auf dem
Elfenbein in der Mitte die Halbfigur der Madonna), eines Evangeliariums
im Münster zu Aachen (Umrahmung Goldblech mit getriebenen Dar-
stellungen und eingelegten Edelsteinen ; Mittelstück die Madonna in Elfen-
bein ; auf dem hinteren Deckel ist nur das Elfenbein mit den vier Heiligen-
figuren gleich alt, die in Silber getriebene Umrahmung später)^ und eines
Evangelienbuches in der Stadtbibliothek zu Leipzig ebenfalls mit dem
Elfenbeinbilde der Madonna, die Deckel der Evangelienbücher des heil.
Rilian in der Universitätsbibliothek zu Würzburg (das Elfenbein zeigt das
Martyrium des Heiligen und seiner Gefährten; Umrahmung und Einband
aus dem XV. Jahrh.) ^ und des heil. Ulrich in der Hofbibliothek zu Mün-
mit einem Elfenbeindeckel, welcher den sitzenden Petrus in einer von allen sonstigen
DarstoUun^n desselben so abweichenden Art aufweist, dals die Wahrscheinlichkeit
vorliegt, dafs es ein durch Hinzufügung des Nimbus und Verwandlung des Scepters
in den Schlüssel aptiertes antikes Belief sei; vergl. Bock, in den Mitt. C.-K. AVI,
97, m. Taf. in Farbendruck.
' Abbild, der beiden Elfenbeine bei Förster, BildnereL I, 23 u. U, 5.
* Abb. Becker- v. Hefner. I. Taf. l.
3 » ebd. Taf. 30.
* » bei Förster a. a. 0. I, 7, und verkleinert auch in desselben Gesch. der
deutschen Kunst. 1, 34; die Rückseite bei Dohme, Kunst u. Künstler etc. I, l. 2, 29.
* Abb. beider beckel, aus'm Weerth. Taf. XXXIV, 2 u. 2 a. — Ebendaselbst
enthält ein Antiphonar aus dem XIV. Jahrh. als Deckel ein Diptychon, auf jeder Seite
mit drei Scenen aus dem Leben des Herrn nach der Aufei-stehung untereinander, wel-
ches Bock noch vor das X. Jahrh. setzt. Abb. Bock, Pfalzkapelle. I, 1. Fig. 14.
« Abb. Bocker- v. Hefner. I. Taf. 16.
■s,'L :d;iS5 :i;'?A]Ki>ES.i£-jEi'?i;üDjfiix a'ijs •£,dii;'i.ivMAt:K-
1
Prachtbuchdeckel. X. Jahi'h. 175
chen (Gim. 53) mit Elfenbeinbildern auf beiden Deckeln (Kreuzigung, Auf-
erstehung und Himmelfahrt), femer die Evangeliarien in der k. Bibliothek
zu Berlin (Cod. lat. fol. No. 3) mit der Kreuzigung auf dem Elfenbein, in
der k. Bibliothek zu Dresden (A. 63) mit Darstellungen der Kreuzigung,
Grablegung, Auferstehung und Höllenfahrt,^ im Museum zu Darmstadt
(No. 681) mit der Verherrlichung Christi auf dem vorderen, und dem Pro-
pheten Jesaias auf dem hinteren Deckel, in der Stadtbibliothek zu Frank*
fürt a. M. mit einer Darstellung der Messe ;^ endlich ein Deckel mit ge-
triebenen vei^oldeten Figuren auf buntem Emailgrund (No. 216) in der
Bibliothek zu St. Gallen und der mit Silberplatten belegte Deckel des Co-
dex No. 44 in der k. Bibliothek zu Bamberg. In die früheren Jahrhunderte
des Mittelalters gehört auch der Deckel eines Evangeliariums im Dom-Zither
zu Halberstadt (No. 44) mit dem Elfenbein des unter Knppelarchitekturen
sitzenden und sein Evangelium einem Schreiber diktierenden Evangelisten
Johannes. ' — Wenn die Zeitbestimmung sämtlicher vorgenannten Deckel
grofse Schwierigkeiten hat, so zeichnet sich dagegen durch sichere Datie-
rung aus der Einband des Evangeliariums aus Echternach in der Bibliothek
zu Gotha, dessen mittleres die Kreuzigung darstellendes Elfenbein mit einer
reichen Umrahmung aus Goldblech, Emails, Edelsteinen und Perlleisten
versehen ist, auf welcher sich die getriebenen Figuren der Geschenkgeber,
der Kaiserin Theophanu und ihres Sohnes, Königs Otto HI. befinden, deren
gemeinschaftliche Regierung in die Zeit von 985 bis 991 fällt. ^ Ebenfalls
dem Schlüsse des Jahrhunderts dürfte der kostbare Golddeckel mit dem seg-
nenden Christus in der Mitte, den vier Evangelisten auf den Rändern und
vier Darstellungen aus dem Leben Jesu auf den Ecken angehören, mit wel-
chem der 870 auf Befehl Karls des Kahlen von Beringarius und Liuthardus
geschriebene, aus S. Denis nach S. Emmeram in Regensburg und von da in
die Hofbibl. zu München (Cim. 55) gekommene Codex aureus der Evan-
gelien wahrscheinlich 975 von Aripo und Adalbertus geschmückt ist.^ Dem
X« oder XI« Jahrh. gehört der Deckel eines Evangeliars der Universitäts-
* Photogr. Dresdener Ausstellung. TaH 20.
< » Frankfurter Ausstellung. Taf. 33. 89. Mit diesem zusammen den Ein*
band eines liturgischen Buches bildend jzehört hierzu offenbar ein Belief der Samm-
lung Spitzer in Paris — ebenfalls auf Taf 89 abgebildet. Das Frankfurter stellt den
Priester bei der Konsekration hinter dem Altare stehend, das Pariser denselben beim
Anfang der Messe das Ad te levavi singend, zur Seite des Altars stehend dar. In
beiden Fällen stehen hinter dem Priester 5 Leviten mit Büchern in den Händen, vom
aber 5, resp. 7 Priester, welche die Messe mit singen; es ist also die Darstellimg einer
sogenannten Pontifikalmesse. Vergl. auch Arch. für Frankf. Gesch. u. K. I, 1. Taf. 4.
Die Miniaturen des Evang. stammen wahrscheinlich von 1376, die Rückseite des
Deckels zeigt den gravierten Salvator.
^ Groise farbige Abb. bei Bock, a. a. 0., 131. Der Tradition nach ca. 840 dem
Bisch. Haimo geschenkt, wurde das Elfenbein 1263 durch den Thesaurarius Albert von
Aldenburg in zierliche Goldschmiedearbeit gefalst — Neuerdings ist daselbst auch ein
byzantinisches aus dem VI. Jahrh. , welches zersägt war und auf beiden Tafeln Kreuze
enthält, wieder imter No. 59 a. b. zusammen^setzt.
* Abb. des Deckels (etwa in ^/a der Origmalgröfse) in der Zeitschr. f. eh. A. u. K,
11. Taf. 17, woher wir den nebenstehenden Stahlstich entlehnen.
* Abb. bei Sanftl, Colom., Diss. in aureum ac pervetustum SS. evangeliorum
codicem ms. monasterii S. Emmorami (Regensb. 1786); Labarte, hist. des arts in-
dustr. Taf. 34. 35. — Förster, Bildnerei. XTL. Taf. zu S. 13.
176 Prachtbuchdeckel. XI. Jahrh.
bibliothek zu Wttrzbnrg an, mit dem Lamm Gottes, Löwen, Vögeln und
Schweinen auf zwei unter sich verschiedenen Elfenbeintafeln, die ursprüng-
lich eine andere Bestimmung (etwa für ein Reliquiar) gehabt haben. ^
Unter den aus dem XL Jahrh. erhaltenen Prachtdeckeln zeichnen sich zu-
nächst mehrere aus der Zeit K. Keinrichs IL (f 1024) stammende und von Bam-
berg in die Hofbibliothek nach München gekommene Codices aus: ein um
1014 geschriebenes Evangelistarium (Cim. 57) mit den Darstellungen der
Kreuzigung und Auferstehung auf dem mittleren Elfenbein,* welches in der
Einfassung die emaillierten Evangelistenzeichen auf den Ecken und die musi-
vischen Bilder der Apostel auf den Seiten enthält ; ein Evangeliarium (Cim.
58), dessen oberer mit Gold, Edelsteinen und Perlen belegter Deckel eine
Elfenbeintafel mit dem Tode der Maria umschliefst ;' und ein Missale (Cim.
60) mit dem Elfenbeinbilde der Kreuzigung und Auferstehung Christi.* Der
zweiten Hälfte des Jahrh. gehört ein Evangeliarium (Cim. 59) an, dessen
oberer mit Gold, Edelsteinen und Perlen belegter Deckel in der Mitte einen
grofsen Onyx enthält. Diesen Bamberger Codices schliefst sich der Zeit
nach an das Evangelienbuch des Bischofs Heinrich von Wttrzburg(t 1018)
in der dortigen Universitätsbibliothek (No. 66)^ mit der Darstellung Christi,
der Maria und Johannes des Täufers unter einem durchbrochenen Schirm-
dache auf der Elfenbeinplatte, deren ehemalige Umrahmung fehlt, und das
Missale des heil. Burkard ebendaselbst (No. 68) mit dem die Maria verehren-
den heil. Nikolaus unter ähnlichem Schirmdache auf dem oberen und einer
durchbrochenen Silberplatte mit der Majestas auf dem unteren Deckel.
Gleichzeitig fällt auch der Einband eines Evangeliariums in der Dombiblio-
thek zu Hildes heim, ein Werk des dortigen Bischofs Bernward (t 1022),
dessen Einfassung aus vergoldetem Silberblech vorn ein Elfenbein mit dem
lehrenden Christus zwischen Maria und Johannes (?), hinten eine Silbertafel
mit der Gottesmutter umrahmt. Aus der Mitte des Jahrhunderts stammen
der Evangeliencodex der Äbtissin Theophanu (1039 — 1054) im Münster zu
Essen (auf der in Goldblech getriebenen, mit Edelsteinen reich verzierten
Umrahmung der mittleren die figurenreichen Darstellungen der Geburt,
Kreuzigung und Himmelfahrt Christi zeigenden Elfenbeintafel unter anderen
das Bild der Donatrix)^ und zwei Evangelienbttcher des Bischofs Ellenhard
vonFreisingvomJ. 1051in der Hof bibliothek zu München, deren Deckel in
gravierter Messingumrahmung auf dem mittleren Elfenbein, das eine Scenen
aus der Passion,^ das andere Scenen aus der Kindheit Jesu und die Aufer-
stehung enthält. — Dem XI. Jahrh. gehören femer an der Deckelschmuck
eines aus Paderborn stammenden Evangeliariums in der Dombibliothek zu
Trier aus vergoldetem Kupfer mit den Evangelistenzeichen ^ und einer aus
Edelsteinen, Perlmutter und Emails bestehenden Einfassung; ein griechi-
» Abb. bei Becker- v. Hefner. I. Taf. 9.
* » Förster, Bildnerei. I. Taf. zu S. 9.
3 » Labarte, a. a, 0. Taf. 40.
* » Förster, a. a. 0. H. Taf. zu S. 1.
* » des Deckels aus'm Weerth. Taf. XXVÜ, l; Seemann, dl, l; auch
im Daheim 1882. No. 34. Eine verkleinerte Kopie des Elfonbeinreliefs befand sich in
der Essinghschen Sammlung zu Köln, s. deren Katalog 1865. Taf. IV zu S. 85.
* Abb. des Elfenbeins, Förster. VI. Taf. zu S. t.
' » aus'm Weerth. Taf. LVD, 3.
Prachtbuchdeckel XU. Jahrh. 177
BcheB Lectionarium in der Schatzkammer des dortigen Doms , dessen Deckel
ein Elfenbeinplättchen mit der Darstellung und Taufe Christi enthält ; ^ der
Deckel eines Evangeliarinms (No. 682) im Museum zu Darmstadt mit
einem die Kreuzigung vorstellenden Elfenbein;^ ein Evahgeliencodex in
Maria Lyskirchen zu Köln mit der Kreuzigung auf dem mittleren , aus drei
länglichen Elfenbeinstückchen zusammengesetzten Teile des oberen DeckelS;
dessen kupfer- vergoldete Einfassung spätgotische Gravierungen zeigt;' ein
Evangeliarium aus Kloster Abdinghof in Paderborn in der Bibliothek zu
Kassel, dessen Messingdeckel mit Steinen in der Mitte die in Elfenbein ge-
schnitzten Relief-Brustbilder von Engeln und vier Heiligen enthält; ein Evan-
gelienbnch im Dom zu Minden mit dem Elfenbein -Relief der Himmelfahrt
und silberner Randeinfassung aus gotischer Zeit ; ein Codex in der königl.
Bibliothek zu Bamberg (No. 1049) mit einem Elfenbeindeckel , der auf
jeder Seite eine Figur in lang gefaltetem Gewände zeigt.
Im Vergleich mit der grofsen Anzahl und kostbaren Ausstattung der aus
dem XI. Jahrh. auf uns gekommenen Prachtbände , ungerechnet die häufig in
Kunstsammlungen vorkommenden Elfenbeine ans jener Zeit, die von zerstör-
ten Buchdeckeln herrühren , erscheint schon das XII. Jahrh. minder bedeu-
tend ; wegen des massenhaften Verbrauchs war das Elfenbein bereits selten
geworden, und wurde an seiner Stelle, wenigstens im Norden Deutschlands
vielfach Walrofszahn zur Aushilfe genommen. Wir nennen die ornamen-
tierten Deckel eines Evangelienbuches im Städtischen Museum zu Köln
(in der Mitte das getriebene Relief des thronenden Erlösers, auf den Rän-
dern buntfarbig emaillierte Bilder der vier Weltgegenden auf den Ecken
und der Apostel auf den Seiten, in vergoldetem Kupfer),* zweier aus Pader-
born stammenden Evangeliarien in der Dombibliothek zu Trier (das eine
mit der in einer späteren versilberten Umrahmung auf zwei Elfenbeinplat-
ten dargestellten Verkündigung;^ das andere mit den einem vergoldeten
Kupferblech aufgelegten Elfenbeinfiguren des Crucifixus zwischen Maria
und Johannes in emaillierter und gravierter Umrahmung),^ eines Evangelien-
buches in der Stiftskirche St. Johann zu Herford (in Gold und Silber Chris-
tus auf dem Regenbogen und auf dem unteren Deckel Arabesken in Silber),
eines Evangelienbuches in der Kirche zu Höxter,^ eines aus Freckenhorst
im Staats-Archiv (Msc. VII, 1315; Elfenbein mit der Majestas domini) und
eines in der Sammlung des Herrn zur Mühlen in Münster (ein Elfen-
bein-Relief mit der Abnahme vom Kreuz), zweier Evangeliarien im Zither
der Schlofskirche zu Quedlinburg (das eine, No. 65, mit einer vergolde-
ten Silberplatte, in deren vertiefter Mitte die Madonna dargestellt ist, in
der Umrahmung Edelsteine, Perlen und kleine Emails ; das andere mit einem
Christi Geburt, Taufe, Kreuzigung und Abnahme vom Kreuze darstellenden
Elfenbeinrelief in einer breiten mit Edelsteinen geschmückten Umfassung
* Abb. auB'm Weerth. Taf. LVU, 4.
^ » Becker- v. Hefner. I. Taf. 47.
3 » des Deckels, Bock, d. heü. Köhi. Taf. XXXV, 103.
* » das. Taf. XLVn, 125.
» » aus'm Weerth. Taf. LVm, 4.
* » ebd. Fiff. 5.
"^ Thronende Madonna zwischen den Evangelistenzeichen in verg. Kupfer m«
Emaillen und Erystälen gefaist. Abb. Becker- v. Hefner. ü. Taf. 55.
Otte, Kamt -Archäologie. 5. Aafl. 12
178 Prachtbuchdeckel XIU. Jahrh.
au8 vergoldetem Silberblech), ^ eines EvaDgelienbuches in der Stadtbibliothek
zu Hamburg (mit dem merkwürdigen Elfenbeinrelief der einen wendischen
Krieger tötenden Viktoria in einer mit Glasflüssen verzierten Einfassung aus
Messing),^ eines Epistolars in der Stadtbibliothek zu Frankfurt a. M. mit
Darstellungen aus dem Leben der Maria, in der Mitte die Versuchung Christi
viel älter, auf der Rückseite der Salvator ebenfalls in Elfenbein und eines
Evangeliariums aus Riddagshausen im HerzogL Museum zu Braun schweig
(No. 55, Tafel aus Walrofszahn, in der Mitte der Salvator mit Petrus und Pau-
lus, darüber die 3 Marien am Grabe, darunter die h. 3 Könige; ausgezeichnete
sächsische Arbeit in reichster Goldfassung mit Filigran, Steinen und Perlen).^
Im Laufe des XIII. Jahrh. scheinen Buchdeckel mit gröfseren Elfen-
beinreliefs kaum noch vorzukommen. Der im Städtischen Museum zu Köln
befindliche Deckel mit dem die thebäischen Märtyrer segnenden Christus^
gehört wohl spätestens in den Anfang dieses Jahrhunderts. Doch scheint
das Elfenbein der Kreuzigung auf dem Deckel eines Evangelistariums in der
Sammlung Felix zu Leipzig erst dem XIV. Jahrh. anzugehören.^ Dagegen
finden sich mehrere Beispiele einer neuen, minder kostbaren Ausschmückung
durch auf Pergament gemalte Miniaturbilderchen, die mit dünnen durch-
sichtigen Homblättchen zu ihrem Schutze belegt sind. So ein Evangelien-
codex in der Dombibliothek zu Hildesheim (aus St. Michael daselbst),
bei dem die vergoldete Kupfereinrahmung eines älteren, die Kreuzigung
darstellenden Elfenbeina zwischen 10 verschiedenfbrmigen Ejrystallen eben-
so viele Miniaturen (an Stelle der sonst üblichen Emails) enthält, und ein
Psalterium (No. 232) in der k. Bibliothek zu Bamberg mit dem Mittel-
bilde des thronenden Christus, umgeben von mehreren kleinen Bildern; der
Rand ist mit Silberblech belegt, und die Homblättchen sind durch Silber-
streifen getrennt und befestigt ; der untere Deckel ist in gleicher Weise
geschmückt. Diesem ähnlich ist ein Evangelistarium aus Korvei mit der
Miniatur des Salvator im Besitze bei Herrn von Frankenberg zu Mün-
ster. Anderweitig kommen auch mit Metall bekleidete Deckel vor mit
kleinen Elfenbeinplättchen in der Umrahmung; z. B. ein aus Hildesheim
stammendes Evangeliarium in der Dombibliothek zu Trier, wo auf der
Mitte des Deckels die Kreuzigung und Auferstehung Christi in Gravierung
und in der Einfassung zwischen Edelsteinen acht ElfenbeinrelieCs erschei-
nen.^ Ein anderes Evangelienbuch ebendaselbst, welches als Deckelschmuck
in Kupferblech roh getriebene Darstellungen Christi zwischen den beiden
grofsen Aposteln zeigte, ist verschwunden. Ein Evangelistarium aus St.
Trou im Luxemburgischen, jetzt im Landesarchiv zu Düsseldorf, mit der
Darstellung des jüngsten Gerichts, umgeben von emaillierten Apostelbildern,
in getriebenem Kupferblech.^ Ein Evangelistarium in der Kirche zu St.
Wolfgang in Oberösterreich, wo die Mitte des mit ornamentiertem Silber-
* Abb. Steuerwaldt, W., und Virgin, C, die mittelalt. Eunstschätze im
Zithergew. der Schlk. zu Qu. Taf. 2 u. 4.
* Abb. des Elfenbeins Zeitschr. f. ehr. A. u. K, 11. Taf. 4.
' Photog. Münchener Ausstellung. Taf. 74.
* Abb. ßock, d. heü. Köhi. Taf. XLVI, 124.
' Photogr. im Katalog der Sammlung. Taf. 23.
« Abb. aus'm Weerth. Taf. LVII, 5.
' » ebda. Taf. XXXI, 4.
Prachtbuchdeckel XIV.— XVI. Jahrh. I79
blech ttberkleideten Vorderdeckels ein ovaler Krystall einnimmt ^ den die
aus Elfenbein geschnitzten Evangelisten umgeben; der hintere Deckel
zeigt ein graviertes Bild des heil. Michael. Ein Evangelistarium von 1250
aus dem Dome zu Braunschweig im dortigen Herzogl. Museum (No. 56)
mit der Majestas domini in getriebenem vergoldeten Silberblech, reich von
Filigran und Edelsteinen umgeben, ein desgl. noch früher im Archiv des
Domkapitels zu Brandenburg mit dem Relief der Kreuzigungsgmppe und
Emailmedaillons auf dem Rande, ein Epistolarium in der Domsakristei da-
selbst, spätestens von 1250, mit der Majestas domini in der Mitte und Resten
von Heiligenfiguren zwischen Olasflttssen auf dem Rande. — Ein Evange-
liarium aus Kloster Zwiefalten in der öffentlichen Bibliothek zu Stuttgart
(Bibl. fol. n. 71) hat einen Deckel von Leinwand, auf dem die Spuren einer
Stickerei (Christus und Heilige darstellend) zu erkennen sind.
Die Einbände aus den späteren Jahrhunderten des Mittelalters bieten in
jeder Hinsicht ein geringeres Interesse dar; wir beschränken uns daher auf
die Anführung einiger, die sich durch geschmack- und kunstvolle Ausstattung
auszeichnen: Ein Fest-Lectionarium der Petrikirche zu Hamburg, mit dem
Salvator in der Mitte und Edelsteinen auf dem Rande,* aus dem XIV. Jahrb.;
ein silbervergoldetes Evangeliarium und Epistolarium im Dome zu Lim-
burg a. L., 1380 vom Kantor Kuno gestiftet;* ein Lectionarium von 1480
in der Marienkirche zu Dan zig hat auf dem silbervergoldeten Deckel zwi-
schen vielen Steinen Engel, die einen viereckigen Reliquienbehälter unter
Glas tragen (Phot. bei Hinz Taf. XX); das Evangeliarium der Ada in
der Stadtbibliothek zu Trier,' dessen Deckel von 1499 mit teilweise
vergoldeter Silbereinfassung acht Figuren im Hochrelief und in der Mitte
eine grofse antike Kamee enthält; das zu den Reichsinsignien gehörende
Evangelienbuch in der Schatzkammer zu Wien mit seinem etwa gleich-
zeitigen Prachtdeckel, welcher den thronenden Christus und die Ver-
kündigung Maria unter Laubbaldachinen im Hochrelief zeigt ;^ ein latei-
nisches Gebetbuch (Cim. 42) in der Hofbibliothek zu München vom J. 1485,
dessen Deckel aus vergoldetem Silber mit Bildern und Ornamenten in Email
geschmückt ist;^ ein Evangeliarium (No. 67) im Zither der Schlofskirche
zu Quedlinburg von 1513, dessen mit Silberblech überzogener vorderer
Deckel das im Hochrelief getriebene Christusbild in der Mitte und ein
mehrere kleine Flachbilder umschliefsendes geschmackvolles Randgeflecht
als Einfassung trägt ;^ endlich als Beispiele der überall noch häufig vor-
kommenden spätgotischen Deckel mit metallenen Eckbeschlägen und Mittel-
vignette seien die Einbände einer Bibel von 1473 — 75 im Germanischen
Museum zu Nürnberg (das Leder mit dem Granatapfelmuster geprefst)"^
* Abb. in d. Zeitschr. d. V. f. hamb. Gesch. I, 3 u. 4.
» Photogr. Frankfurter Ausstellung. Taf. 61.
3 Abb. aus'm Weerth. Taf. LXI, 9.
* » Bock, Pfalzkapelle. I, 1. Fig. 63. B. nimmt an, dalls dieser Einband für
die Krönung Karls V. angefertigt sei.
* Abb. bei von Aretin, Altertümer etc. lief. 8.
^ 9 > Steuerwaldt u. Virgin, a. a. 0. Taf. 3.
"^ * Becker- v. Hefner. IH. Taf. 46; Essenwein, Kunst- u.kulturg. Denkm.
u. 8. w. Taf. 50; Seemann. ClilTT, 4.
12*
^80 Ausstattung der Codices.
eines Cantionale zu Leitmeritz ans dem Anfange des XVI. Jahrh. ^ nnd
eines Antiplionariums in St. Martin zu Köln' angefahrt.
Ornamentierte Kästen zur Aufnahme der Evangeliencodiees finden sich
z. B. in der k. Bibliothek zu Bamberg (für das Evangelistarium Nr. 280
K. Heinrichs U., welches, mit einem dünnen ledernen, mit roter Seide über*
zogenen Umschlage versehen, in einem Kasten aufbewahrt wird, dessen Über-
zug aus grüner Seide mit violetten Verzierungen besteht) , in der Hof biblio-
thek zu München (für das Evangelistarium der Äbtissin Uota von Nieder-
münster in Regensburg aus dem XI. Jahrb., ein Kasten in Buchform, der auf
seinem Überzuge von Goldblech den segnenden Christus in getriebener Arbeit
vorstellt), in der Dombibliothek zu Hildesheim (für ein Evangelienbuch Bi-
schof Hezilos (t 1079) in einfachen Pergamentdeckeln, dessen im XVIII.
Jahrh. erneuerte Kapsel mit vergoldetem Kupfer verziert ist) und im Kunst-
gewerbe - Museum zu B e r 1 i n (Saal XVII) ein hölzerner mit Messingbeschlägen
ganz in Form eines Buches aus dem Ende des XV. Jahrh. — Pulte zum
Auflegen finden sich z. B. aus der 2. Hälfte des XV. Jahrh. im Bayr. National-
Museum zu München,' mit sehr hübscher Mafswerkdekoration in der Kirche
zu Zimmern, Kr. Langensalza^ und ein hochaltertümliches mit Bestienoma-
ment, vielleicht noch aus dem XII. Jahrh., in St. Marien zu Salzwedel.
Anmerkung. Dem Inhalte nach zerfallen die Evangelienbücher
{texius) des Mittelalters in zwei Klassen: solche, welche den vollständigen
Text der vier Evangelien, und andere, die nur die sonn- und festtäglichen Peri-
kopen {evangelia de tempore et de Sanctis per circulum anni) enthalten. Jene
hat man Evangeliaria^ diese Evangelistaria genannt, ohne dafs sich die Unter-
scheidung beider Benennungen bei mittelalterlichen Schriftstellern mit Sicher-
heit nachweisen liefse. Auf den ersten Blättern sind regelmäfsig mit Bögen
verbundene Säulen dargestellt, zwischen denen ein Kalendarium oder die Har-
monie der vier Evangelien tabellarisch verzeichnet steht. Der evangelische
Text ist in der Übersetzung der Vulgata wiedergegeben, dem in den früheren
Jahrhunderten ein Prolog des heil. Hieronymus vorausgeschickt zu sein pflegt.
Auch die mittelalterlichen Miss allen beginnen meist mit dem Kalendarium
und enthalten dann vier Hauptteile: 1) das Proprium missarum de tempore
nach dem Verlauf des Kirchenjahrs geordnet, gewöhnlich mit dem evangelium
in dedicatione ecclesiaej oder auch dem in dedicatione altnris schliefsend,
woran sich dann der ordo missae (die verschiedenen Gebete vor der Kon-
sekration) und der Kanon (die Gebete und Kommemorationen bei der Konse-
kration, beginnend mit dem Gebete «Je igiiur elementissime») schliefsen ; 2) das
Commune sanctorum für solche Heiligen, welche keine eigenen Messen haben;
3) das Proprium missarum de sanctis nach dem Kirchenjahre, also mit der
Messe in vigilia S. Andreae (29. November) beginnend. 4) die Missae votivae^
wozu auch die missae pro de/unctis gezählt wurden. Den Schlufs macht in
der Regel eine Anzahl Sequenzen. Auch enthalten die Missalien die soge-
» Abb. Grueber. IV, 192.
« » Bock, d. heil. Köln. Taf. XVU, 67.
' » Becker- v. Hofner. 11. Taf. 54.
* » Beschreibung der Bau- u. Kunstdenk, des Kr. L., 85. Fig. 64. Statt der
Pulte dienten früher und auch neben ihnen reich verzierte Kissen, meist in doppelter
Zahl für beide Seiten des Altars; vergl. Bock, Lit.-Gew. III, 34 ff. "
Illustrierte Codices. 181
nannten Rubriken, d. h. die rot geschriebenen Anweisungen ftlr den Priester
in Bezug auf die Verwaltung des Messopfers. — Die Ausstattung namentlich
der älteren Manuskripte ist zuweilen höchst prachtvoll: das Pergament er*
scheint mit dem Safte der Purpurschnecke violett rötlich gefärbt und die Schrift
in goldenen Buchstaben. Dergleichen Codices membranacei purpurei aurei^
sind z. B. das oben S. 175 genannte Evangeliarium Karls des Kahlen in der
Münchener Hof bibliothek, sowie das Evangelienbuch der Ada zu Trier und das
zu den Reichskleinodien gehörige in der Schatzkammer zu Wien, beide aus der
Zeit Karls des Grofsen (s. S. 179). In anderen Handschriften sind nur einzelne
Blätter gefärbt', z. B. in dem Evangeliencodex Bischofs Heinrich zu Würzburg
(s. S. 176), wo das (auch anderwärts wiederkehrende) Anathema gegen etwaige
Entwender des Buches mit goldenen und silbernen Buchstaben auf ein mit dun-*
kelem Purpur getränktes Pergament geschrieben ist, oder in dem Echtemacher
Evangeliarium zu Gotha (s. S. 175), wo der Text der vier Evangelien durch Vor-
satzblätter geschieden ist, die in Art und Weise gewebter Seidenstoffe auf dem
Purpurgrunde des Pergaments gemustert sind. Wenn aber auch, wie es gewöhn-
lich der Fall zu sein pflegt, das Pergament weifs und die Schrift schwarz ist, so
sind doch die Initialen von Gold oder Silber, oder wechseln mindestens in Rot
und Blau ab: eine Sitte, die durch das ganze Mittelalter geht. Ein weiterer
Schmuck vieler mittelalterlichen Codices war die HinzufQgung von Illustra-
tionen durch Miniaturen, die teils in bildlichen Darstellungen, teils in Titel-
und Rand Verzierungen bestehen. Die Abbildung der vier Evangelisten (sitzend
und ihre Bücher schreibend) fehlt den älteren Evangelienbüchem selten, oft
aber sind auch neu -testamentliche Geschichten und Gleichnisse an den be-
treffenden Textestellen eingefügt. Die drei bilderreichsten Evangelienhand-
schriften sind der Codex Erzbischofs Egbert von Trier (978 — 993) in der
dortigen Stadtbibliothek (Grofsquart) mit 57 Bildern, das diesem gleichzeitige
Echternacher Evangeliarium Königs Otto HI. in Gotha (Folio) und das in der
Stadtbibliothek zu Bremen befindliche, im Kloster Echtemach für K. Hein-
rich UI. geschriebene Evangelistarium (Quartformat), beide letztere mit circa
50 Bildern. Die für vorzüglich reich illustriert geltende Mainzer Evangelien-
handschrift in der Hofbibliothek zu Aschaffenburg vom Ende des XH. Jahrh.
hat nur 39 Bilder. Von ganz besonderem archäologischen Interesse sind die
in mehreren älteren Evangelien - CSodices vorkommenden Dedikationsbilder^
welche durch erläuternde Inschriften Licht über die Zeit und die Umstände
verbreiten, unter denen die betreffende Handschrift entstand. So findet sich
in dem erwähnten Codex aureus aus St. Emmeram zu Regensburg in der Mün-
chener Hofbibliothek (Cim. 55) ein Bild Karls des Kahlen, in den Bamberger
Codices (Cim. 57 und 60) derselben Bibliothek die Krönung des Donatoren-
paares Heinrichs U. und Kunigundens dargestellt, in dem erwähnten Bremer
Evangelistarium der Besuch der Kaiserin Gisela und ihres Sohnes Heinrichs UI.
in Echtemach, die Schreibstube dieses Klosters mit zwei schreibenden Mön-
chen und Kaiser Heinrich in seinem Palaste thronend und von dem Abte des
* Die traditionelle Bezeichnung codex aureus (wie auch blancus, niaer, crinitus etc.).
bezieht sich übrigens nach Rahn, d. Psalterium aureum von St. Qallen S. 25, in der
Regel auf Stoff oder Farbe des Einbandes, in eini^n Fällen auch auf die zur kalli-
graphischen Ausstattung benutzten Materialien; ver^. Watten baoh, d. Schriftwesen
aes M.-A. 2. Aufi., 109.
182 Gedruckte Bibeln tmd Missalien.
RioBtera zwei Votivtafeln entgegennehmend. ^ — Wenn solche Darstellnngen
und Einschriften fehlen, so kann das Alter des Ck)dex nnr ans der Technik und
dem Stile der Miniaturen und aus dem Charakter der Schrift bestimmt werden.
Die neuerfundene Buch druckerkunst' warf sich auch sofort auf die Her-
stellung der für den Altardienst erforderlichen Bücher. Als die ältesten grö-
fseren Druckwerke gelten die sogenannte 36 zeilige Bibel in 3 Bänden Folio
von Gutenberg (nach andrer Annahme wahrscheinlicher von Albrecht Pfister in
Bamberg) und die 42 zeilige Bibel in 2 Bänden Folio aus der Gutenberg-Fust-
Schöflferschen Oflficin. Das erste Buch, welches den Drucker, Druckort und Jahr
angiebt, ist das Psalterium von Fust und Schöffer von 1457, dessen vollendete
typographische Schönheit nur durch die lateinische Bibel derselben Drucker
von 1462 in 2 Bänden Grofsfolio übertroffen wird. Länger jedoch dauerte es,
bis auch die Mefsbücher durch die Druckerpresse hergestellt wurden. Das
älteste ist das von den Lübecker Druckern Bartholomaeus Gothanus und Lucas
Brandis für die Magdeburger Diöcese 1480 gedruckte, dem 1481 das Barn-
berger von Johann Sensenschmidt folgte, ein dem Psalter von 1457 gleichwer-
tiges Prachtstück der jungen Kunst. Von da an aber wetteifern die Eirchen-
fürsten in Herstellung von immer stattlicheren Missalien nach den Rubriken
ihrer Diöcesen, deren Anschaffung und Befolgung den Diöcesanen befohlen, wohl
auch gleich der Preis festgesetzt wurde, so von dem Freisinger Bischof Sixtus
vonTaanberg für das 1487 durch Johann Sensenschmidt in Bamberg gedruckte
auf 5 Gulden fOr ein Papier- und 14 Gulden für ein Pergamentexemplar. An
einer vollständigen wissenschaftlichen Erforschung und Beschreibung dieser zahl-
reichen gedruckten Missalien bis etwa gegen 1520 fehlt es noch gänzlich. — Die
Einrichtung und Ausstattung der gedruckten Bibeln und Missalien richtete sich zu-
nächst ganz nach derjenigen der handschriftlichen des Mittelalters. Die Drucker-
kunst versuchte sofort auch, wie die Leistungen der Schreiber, so die der Illu-
minatoren zu übernehmen. So hat der Psalter von 1457 prächtige, in 2 Far-
ben gedruckte Initialbuchstaben. Indessen muTste dies bald wieder aufgegeben
werden, da die Gilden der Illuministen, Rubricisten und Miniatoren diesen
Eingriff in ihre Rechte verhinderten, daher wurden (so bereits in der Bibel
von 1462) die Stellen der Initialen von den Druckern leer gelassen, oder höch-
stens, um Mifsverständnisse zu vermeiden, mit einer kleinen Minuskel ange-
deutet, und dann von den Illuministen ausgefüllt. Allein dies verlor sich all-
mählich von selbst, und mit dem XVI. Jahrhundert übernahm der Holzschnitt
völlig die künstlerische Ausstattung auch der liturgischen Bücher, insonderheit
pflegte fast ausnahmslos dem eigentlichen Mefskanon ein grofser Holzschnitt
* Vergl. Müller, H. A., das Evangdistarium K. Heinrichs IIL in der Stadtbibl.
zu Bremen, in den Mitt. C.-K. (1862). VH, 67 ff.
* Vergl. Falckenstein, Gesch. der BuchdrackerkunBi 1844; K. Faulmann, Illustr.
Gesoh. der Buchdrackerkunst. 1882. Panzer, Annales tsrpofi^phici ab artis inventae
origine ad annum 1536. Nürnberg 1793—1803, in 11 Bänden; Hain, repertorium biblio-
graphicum, in quo libri omnes ab arte typogr. inventa nsque ad annum 1500 enumeran-
tuT etc. 2 YoU. Stuttgart 1831—38. Hain zSüt vol. H, 423—433 die Missalien bis 1500
auf, aber sehr unvoDständig. Weiteres findet sich bei Brunet, manuel du libraire
1862 vol. m, 1758—1775; sehr schätzbare Beiträge in Götze, L.. älteste Geschichte
der Buchdruckerkunst in Magdeburg 1872. Falk, Frz., die Druckkunst im Dienste
der Kirche zxmächst in Deutschland bis zum Jahre 1520, Köln 1879 handelt von den
Bibeln und Missalien überhaupt nicht.
Reliquienbehälter. 183
der Kreazigung Yorgedrnckt zu werden, und den lUuminiBten blieb nur die
Ausmalung dieser Holzschnitte; die allmählich immer roher wurde und zur
blofsen Farbenkleckserei herabsank.
38. Aufser den zur Konsekration der Altäre erforderlichen Reli-
quien, die innerhalb derselben beigesetzt wurden (s. oben S. 134), pflegte
man bei festlichen Gelegenheiten zur Erbauung der Gläubigen und zur
Befriedigung ihrer Schaulust auch andere heilige Überreste auf den
Altären auszustellen oder vor denselben an einer Stange (pertica) auf-
zuhängen, und der Heiligkeit des Orts und der den Reliquien gewid-
meten Verehrung gemäfs bediente man sich dazu pracht- und kunst-
voller Behälter {pascvlay thecae) der mannigfaltigsten Art und Formen,
welche aufserdem in den kirchlichen Schatzkammern oder in den Schrei-
nen besonderer Reliquienaltäre (s. oben S. 146) aufbewahrt wurden.*
Die Verehrung der Märtyrerleichen und Gräber datiert aus der Zeit der
Verfolgungen der Christen in den ersten Jahrhunderten: man besuchte die
Gräber und opferte an denselben , ohne ihren Inhalt zu stören. Seit Con-
stantinus wurde es^ und zwar zuerst im Orient Sitte , die Leiber der Heili-
gen von dem ursprünglichen Begräbnisorte zu transferieren und Gotteshäuser
über denselben zu erbauen. Bald fing man auch an die Überreste zu teilen
und einzelne Partikeln der Gebeine nicht nur^ sondern überhaupt aller der
Gegenstände, die mit dem Leibe des Heiligen im Leben und im Tode, oder
mit seinem Grabe in Berührung gekommen waren, namentlich nach solchen
Orten als Heiligtümer zu versenden, wo es an Reliquien fehlte, deren man
zur Konsekration der Altäre nach der Weise der römischen Kirche bedurfte.'
Dem mit diesen Translokationen frühzeitig verbundenen Unfug der unrecht-
mäfsigen Zueignung und Versendung von Reliquien für Geld mufste schon ein
Gesetz K. Theodosins des Grofsen vom J. 386 entgegentreten,' und ob-
gleich man noch Jahrhunderte hindurch sich darauf beschränkte, die Reli-
quien in den Altären und Kirchenmauern (s. oben S. 44, N. 3) beizusetzen, so
nahm doch die Zerteilung und Versendung der Gebeine mit der Ausbreitung
des Christentums in solchen Gegenden, wo es an Märtyrergräbern fehlte,
einen immer gröfseren Umfang an, zumal als es üblich wurde, eine capsa
mit den Reliquien auch sichtbarlich auf den Altar zu stellen: eine Sitte, die
Papst Leo IV. (847 — 855) und das Konzil zu Reims vom J. 867 ausdrück-
lich genehmigten. * Durch die Römerzüge der Deutschen kamen unzählige
» Vergl. Augusti, Denkwürdigkeiten. Xu, 262—282. — Texier, Dictionnaire
d'orfevrerie, Art. Reliquiaires, 1316 — 1321. — Weife, C, über Rehqxdenschreine, in
den Mitt. C.-K. (1856). I. 77 — 80. — Mefsmer, Jos. Ant., zur Gesch. der Formen
und Bezeichnungen der Rehquienbebälter ebd. (1862). VII, 78—80. — Zur Form der
ReUauiare. M. 16 Holzschn. u. 1 Taf. ebd. Xm, 115 fif. — Essenwein, d. Reliquien-
behidter in d. Samml. kirchl. Altert, im Oerm. Mus., im Anz. G. M. 1868. No. 10 u. 11.
' Ambrosii ad MarceUinam sororem ep. 22 et 54; vergl. Laib u. Schwarz,
Stadien etc., 8 u. 16.
' Cod. Theodos. 1. Vn. tit. de sepulcr. violat.; vergl. Augusti, a. a. 0., 276.
^ Leo rv., homü. de cura iiast.: vergl. über das Beimser Konzil oben S. 141^
Note 2. — In Kirchen mit Ciborienaltären wurden die Beliquiarien vor dem Altare
aufgehängt, was durch die Weiheformel des Ciboriums (tegumen venerandi ättaris}
184 Beliquienbehälten
Heiltümer aus Italien nach Deutschland, durch die Pilgerreisen nach dem
heiligen Lande und besonders durch die Kreuzzflge aus Konstantinopel und
Jerusalem nach allen europäischen Ländern. An gewinnsüchtigen bewuTsten
und an frommen unbewuTsten Täuschungen fehlte es schon in den frühesten
Jahrhunderten nicht ; dennoch bleiben noch immer die röm. Katakomben die
unerschöpfliche Fundgrube neuer Reliquien unter päpstlicher Autorität, und
der Handel damit hat in Rom auch jetzt noch nicht aufgehört. Schon die Un-
gewifsheit über die Echtheit der meisten Reliquien, die offenbare Unechtheit
vieler und die Skurrilität mancher hätte die Reformatoren zur Abschaffung
der Reliquienverehrung nötigen müssen, wenn sie es nicht wegen der damit
verbundenen abergläubischen Mifsbräuche von Gewissens wegen gethan hät-
ten: unanständige und schimpfliche Behandlung der vorhandenen Reliquien
erklärten sie für unerlaubt;^ leider aber reizten die kostbaren Behälter
derselben vieler Orten zu gewinnsüchtigem Vandalismus, und noch mehr
gingen in Kriegsnöten (auch schon im Mittelalter) durch Feind und Freund
zu Grunde.
Die erste Erwähnung eines Reliquiariums findet sich schon im lY. Jahrh.
bei dem häretischen Priester Vigilantios ' : ein geringes kleines Behältnis,
in welchem die Reliquie lag, gehüllt in köstliche Leinwand. — Das vielfache
Vorkommen einander typisch ähnlicher Elfenbeinkästchen, entweder mit
heidnisch agonistischen oder mit christlich antiken Reliefs verziert, und in
gleicherweise geschmückten runden Elfenbeinbüchsen, die in Italien und
Konstantinopel verfertigt worden sind, scheint zu erweisen, dafs man im
früheren Mittelalter die Reliquien meist in dergleichen Elfenbeinladen und Büch-
sen aus Italien und dem Oriente versandte. Aus der Zeit der Kreuzzüge kommen
ähnliche ornamentierte Kapseln und Kästchen vor, die aus Knochen oder
Elfenbein verfertigt und mit arabischen Inschriften versehen sind und wie
die gleichzeitigen Kästchen aus feinem Holze (bemalt oder mit Seidenzeug
überzogen) zum Transporte von Partikeln gedient haben werden, wozu
anderweit auch Beutel, und zur Fortschaffung ganzer Leiber selbstverständ-
lich gröfsere Kisten benutzt wurden. Nachdem die öffentliche Zeigung
iostensio) und Ausstellung der Reliquien aufgekommen war, vermehrte sich
bis zum Zeitalter der Reformation die Anzahl derselben bis ins Fabelhafte, '
in einem angelsächsischen Pontificale ausdrücklich bezeugt wird, worin erwähnt wer-
den: »Omnia arnamenta ad ipsum umbraculum pertinentia, vel cU) ülo dependentia
aut eidem subposita* (Texier, Dictionnaire d'orfevrerie, 383), und das Chronicon
Christiani giebt in Beziehung auf diese im Dome zu Mainz noch in der Mitte des
Xin. Jahrh. übliche Sitte folgendes Zeugnis: »Erat pertica argentea concava deau-
rata, quae tarUum praecipuis festis ante altare dependebat, in qua vascula Bits-
pendebantur, quaedam eburnea, quaedam argentea, formarutn diversarum, omnia
reliquiis plena.^ (Jaffe, Mon. Mog., 680.) So erJdären sich die an vielen Elfenbein-
und anderen Kapseln oben befindlichen Löcher und Ösen; sie dienten zur Befestigung
von Schnüren oder Ketten beim Aufhängen an der Pertica. Vergl. auch die Beschrei-
bung des Altars zu Petershausen oben S. 138, Note 5.
* Augusti, a. a. 0., 279.
' T^Pulvisculutn nescio quod in modico vasculo pretioao linteamine circumdatum
osculantes adorant,^ Hieronymus adv. Vigil. c. 7. — Vergl. Augusti, a. a, 0., 278.
^ Der Dom zu Halle a. d. S. besafe nach dem Heüigtumsbuche von 1520 6133
Partikel (darunter in einem Sarge 1243 Partikel) und 42 ganze Körper (in mehr als
200 Behältnissen), deren Zeigung jährlich am Sonntage nach Maria Geburt stattfand,
Beliquienbehälter» lg5
und da die Reliquien nach synodalen Vorschriften des XIII. Jahrh. ungefafst
(extra capsam) nicht gezeigt werden durften ^^ so schufen die Kunst und
das Kunsthandwerk eine unzählige Menge von Reliquienbehältnissen in un-
erschöpflicher Mannigfaltigkeit der Formen aus den kostbarsten Stoffen (Gold,
Silber, Elfenbein, edlen Steinen, Krystall, feinen Holzarten etc., am häu-
figsten aus vergoldetem Kupfer und Messing). Aufbewahrt wurden dieselben,
wenn nicht in den Altaraufsätzen (siehe oben S. 146), so in den Schränken
der Sakristeien, oder in besonderen Wandschränken in der Nähe der Altäre,
die stark vergittert und mit Vorhängen ausgestattet sein mufsten (lipsano-
thecae).^ Dem Inhalte nach lassen sich die Reliquiarien in zwei Klassen
teilen: in solche, die nur die Überreste eines Heiligen umschliefsen , und
andere, welche, was gewöhnlich der Fall war, die Partikel von mehreren
Heiligen aufnahmen. Die zusammengehörigen Fragmente hüllte man besonders
in seidene und leinene Stoffe und befestigte an den einzelnen Päckchen
Etikets (gewöhnlich Pergamentstreifen, seltener Bleitäfelchen) mit den Namen
der betreffenden Heiligen. ' Auch war es ttblich, den Reliquien einige Weih-
rauchkörner oder andere balsamische Stoffe beizuschliefsen. *
Was die in deutschen Kirchen noch gegenwärtig vorhandenen Schätze
an Reliquiarien und deren antiquarischen und Kunstwert anbetrifft, so geht
das Münster zu Aachen ^ allen übrigen voran. Nach ihm nehmen die ersten
Plätze ein die Goldkammer des Münsters zu Essen ^, die Zither der Schlofs-
woran ein Ablafs von 39,245,120 Jahren und 220 Tagen nebst 6,540,000 Quadragen
gefaiüpft war. Vergl. von Dreyhaupt, Joh. Christph., Beschreib, des Saal-Creyses.
I, 866 11. 855 (Czum neimden). — Die Zeigung der Reliquien geschah in einzelnen
Abteilungen (Gängen), entweder vor einem Altare in der Kirche, während die Gläu-
bigen vorübergingen, oder von Altanen oder Galerien (Heiligtumsstühlen; s. oben
S. 1 00) herab an das im Freien versammelte Volk. Sehr interessant ist die Darstellung
des 1483 erbauten, 1700 zum Teil und 1792 ganz abgetragenen ^ quer über die Stralse
gehenden ^heyltumhstuels^ bei St. Steph^ in Wien auf emem Holzschnitte des
Wiener Heiligbimsbuchs von 1502 (Sign. aiij. f. v.): man sieht das rechteckige, stadt-
thorartige Gebäude, unten mit einer offenen, überwölbten Durchfahrt, oben unter dem
Dache mit einer Keihe von Spitzbogenfenstem, aus welchen Teppiche herabhängen;
an jedem Fenster stehen zwei Kleriker, die mit der Vorzeigung von Beliquien be-
schäftigt sind. Unten auf der Gasse, und zwar, wie man durch die offene Thorhalle
sieht, auf beiden Seiten des Gebäudes, sitzt das Volk. Männer und Weiber durch-
einander, dichtgedrängt auf Bänken, und noch mehr stehen im Kreise umher. Durch
verschiedene Hundegruppen gewinnt das Bild noch an Lebenswahrheit; neben diesen
liegen auf dem Boden ^ine und Knochen verstreut. — Vergl. auch A. Ruland, über
das Vorzeigen und Ausrufen der Reliquien oder über die »Heutumsfahrten« der Vorzeit,
im Chilianeum. Würzburg 1863, 231. 285. 336.
* Vergl. Jakob, 202 j Frz. Ritter, in d. Einl. zum Faks. des Wiener Heil^msb., 5.
2 Abb. einer dreiteihgen an d. Nordwand des Chors zu Fröndenberg bei Nord-
hoff, Kreis Hamm, 139. Fig. 117.
3 Nicht selten freilich mulste man gewissenhafter Weise darauf schreiben: *De
8. reliquOs quortim nomen novit Deus.^ Vergl. Texier, a. a. 0. Sp. 829 u. 871.
* Durandus 1. 1 c. 7 n. 25: »Beconduntur reliquiae sanctorum cum tribus
granis thuris in Capsula.* Vergl. Bock, das heil. Köln. St. Andreas, 19.
* aus^m Weerth. H, 55—139 u. Taf. XXXH— XXXDC; vergl. Flofs, Ge-
schichÜiche Nachrichten der Aachener Heiligtümer. 1855. — Bock, Fz., der Reliquien-
schatz zu Aachen. 1860. — ders., Karls d. Gr. Pfalzkapelle u. ihre Kunstschätze. I,
\ u. 2. 1865 (mit 139 Holzschn.). — Kunstschätze derMünsterk. zu A. 28 Bl. lichtdr.
m. Text V. Scheins. 1876.
8 aus'm Weerth, a. a, 0., 19—37 u. Taf. XXTV— XXIX.
Igg Schatzverzeichnisse.
kirche zu Quedlinburg^ und des Doms zu Halberstadt,' die Schätze Yon
Lüneburg und Braunschweig in der Schlofskapelle zu Hannover, ' der Dom
zu Hildesheim, ^ der aus Trier stammende Schatz des Doms in der Franzis-
kanerkirche zu Limburg a. d. Lahn.^ Die Kölner Schätze sind zerstreut:
manches Wichtige davon ist in das Museum zu Darmstadt übergegangeui
anderes findet sich noch in den Kirchen von Köln.^ Ausgezeichnet ist auch
die aus der Stiftskirche zu Siegburg in die dortige Pfarrkirche gekommene
Sammlung,^ nennenswert ebenfalls der Schatz in Klosterneuburg^ und für
die spätere Zeit der Domschatz in Prag* u. s. wJ®
Anmerkung. Für die Kenntnis der mittelalterlichen Reliquiarien sind
von grofser Wichtigkeit die Schatzverzeichnisse und die Heiligtumsbücher des
XV. und XVI. Jahrh.
Von Schatzverzeichnissen hat Bock im i^heiUgen Köln«^ mehrere ver-
öffentlicht und erläutert. Von besonderer Wichtigkeit ist das reichhaltige, von
demselben Gelehrten in den Mitt. C.-K. IV, 238 ff. mit Anmerkungen ver-
öffentlichte Irwentarium ecclesiae Pragensis von 1387, weil in demselben die
Reliquienbehälter nach ihren Formen in verschiedene Rubriken geteilt und
mindestens alle Hauptklassen vertreten sind. Von anderen durch den Druck
bekannt gemachten nennen wir: imAnz. G. M. 1868, Sp. 14 ff. das Irwentarium
cusiodiae Frisinffensis von 1456, 1873 No. 12 den ^anc/^^Aeim^ Kirchenschatz
aus dem 12. Jahrh. (von Wattenbach), 1878 No. 7 das Schatzverzeichnis
des Doms zn Hildesheim von 1409 (von Doebner); in Riedel cod. dipL Bran-
denburgensis A. lU, 128 f. das Inventar des Doms zu Hctt)elherg von 1527,
A. XXIU, 419 ff. das der Marienkirche zu Frankfurt a. Oder von 1516; in
' Steuerwald, W., u. Virgin, C, die mittelalterl. Eunstschätze im Zitterge-
wölbe der Schlofsk. zu Quedlinb. Ebd. 1855. Vergl. Wall mann, J. Andr., von don
Altertümern der Stiftsk. zu Quedlinb. 1776. — El ecke, J. F., Altertümer und Sehens-
würdigkeiten des Stifts Quedlinb. 1852. — Kugler, KL Sehr. I, 623-^39. — Bock,
Fz., Xunstschätze des M.-A. in der Schlofsk. zu Quedlinb., in der Wiener Ztg. 1860.
No. 96 f. — Y. Mülverstedt, üb. d. Kirchenschatz des Stifts Qu. u. s. w. in der
Zeitschr. des Harzvereins. 1874.
* Augustin, Chr. F. Bemh., in den N. Mitt. Th.-S. V. Vn, 2, 65 u. 81. — Kug-
ler, Kl. Sehr. I, 134. — Lucanus, F., Dom zu Halberstadt, 9.
^ Vogell, Kunstarbeiten aus Niedersachsens Vorzeit 1845 etc. Vergl. Molanus,
Gerh., lipsanographia, sive thesaurus reliquiarum Elect Bruns. Luneb., als Anhang
zu Jun^, Disquisit. antiq. de reliquüs ed. 4. 1783. — Die Beliquienkammer im Be-
sidenzscnlosse zu Hannover, in der Augsb. Postztg. 1859. No. 22. — Der ehemaL
Braunschw.-Lüneb. Elektoralschatz, jetzt in Hannover, in der Wiener Ztg. 1859. No. 21.
* Kratz, J. Mich., der Dom zu Hildesheim. 1840.
* Krebs, J. Ph., Ldpsanotheca Weüburgensis. (Wiesbad.) 1820.
« Bock, Fz., das heil. Köhi. 1858. Vergl. Kugler, a. a. 0. H, 334. — Bock,
d. Kunst- u. Rel.-Schatz d. K. Doms. 1870.
' Org. f. ehr. K. 1853. No. 19—23. Vergl. Kucler, a. a. 0. 11, 329.
* Weif 8, C, der Schatz des regulierten Chornerrenstiftes zu Klostemeuburg in
Niederösterreich, in den Mitt. C.-K. VI, 233 ff.
» Bock, Fz., der Schatz von St. Veit zu Prag, in den Mitt C.-K. XIV, 9 ff. und
XV, 13 ff., m. 27 Holzschn.; verd. auch Grueber. HI, 131 ff. u. IV, 181 ff.
*® Burkhardt, C, der Kirchenschatz des Münsi zu Basel in den Mitt der Ges.
f. vaterl. Altert zu Basel. 1867. — Über die aus der Elisabethkirche zu Breslau stam-
menden Beliqu. im dort Museum: Luchs, in Schlesiens Vorzeit in Bild u. Schrift
n, l. S. 3 ff.
Heiligtumsbücher. 187
von Ledebur, AUgem. Archiv XVUI^ 68 ff. die Inventarien der Domkirche zu
Köhi a. Spree aas dem XVI. Jahrh.(yon G. W. tod Räumer); in der Zeitschr.
d. V. fttr Lübeckische Qesch. n. s. w. II ^ 133 ff. das Verzeichnis der Gegen-
stände, welche 1530 ans den Kirchen Uibecks weggenommen und an dieTrese
abgeliefert worden sind (von Wehrmann); im Danziger Kathol. Kirchenblatt
1867, 316 das Schatzverzeichnis der Marienkirche zu Danzig] in den Mitt.
des Ermländischen Kunstvereins lU, 54 ff., das der Schlofskirche zu Königs-
herg von 1518; in den Mitt. der Ges. für vaterl. Altert, in Basel IX, 20 ff. das
des Kirchenschatzes von Basel von 1511; in den Mitt. G.-K. XIV, 99 das der
St. Morandikapelle in St. Stephan zu Wien von 1426; in den Abhandl. der
Schles. Ges. für vaterl. Kultur 1867 einige von Breslauer Kirchen (von Alw.
Schultz); in der Zeitschr. des Harz -Vereins n die Kirchengeräte und Para-
mente im Stift St. Sylvestri zu Wernigerode (von Jakobs). Andere Schatz-
verzeichnisse sind in chronologischer Reihenfolge namhaft gemacht von Mefs-
mer in den Sitzungsberichten des Münchener Altertnmsvereins L Heft (1869)
18 und 19.
Von gedruckten Heiligtumsbüchern {oäieT ^Heiltumsbüchem<^ sind fol-
gende bekannt^ in alphabetischer Reihenfolge:
Alt-Ötting(nur die Legende des Wallfahrtsortes, 1497 Nürnberg, Hoch-
feder, 4<^; 1519 Ingolstadt, A. Lutz, 4<> mit Titelholzschnitt, verfafst von
Aventinus). — Andechs (o. 0. u. J. von J. Bämler, Augsburg, fol.; 1493
von demselben fol.- mit Titelholzschnitt; o. 0. (ca. 1500) Augsburg, Schön-
spei^er, 4®; 1505 Wessobrunn, L. Zeisenmayer u. öfter). — Augsburg, St.
Ulrich und Afra (grofser Holzschnitt 0,77 lang und 0,28 hoch, aus 2 Stücken
bestehend, mit Abb. von 60 ReliquienbehäHem, zwischen 1480 — 1490, faksi-
miliert in den »Holzschnitten des Germanischen Museums«, Taf. CXVI — CXIX;
später 1630 mit 59 Kupfertafeln nach Zeichnungen von Matth. Kaper, gest. von
W. Kilian). — Bamberg (1493 Bamberg, Hanns Puchdrucker mit 117 ; 1509 das.
J. Pfeil mit 130 Holzschnitten). — Einsiedeln (1494 Ulm, 4«, nur Chronik). —
Halle (infolge der Reformation nach Mainz übergeführt; Pergamenthand-
schrift grofsfolio von 1520 mit 344 Bildern, jetzt in der Schlofsbibliothek zu
Aschaffenburg — daraus 16 Bl. in Farbendruck von Jos. Merkel, der Mainzer
Domschatz u. s. w., 1848 veröffentlicht — hiemach die gedruckte Ausgabe
Halle 1520, 4^, auf der Rückseite des I.Blattes das Porträt Kardinal Albrechts
von Dürer, auf der I.Seite des 2. Blattes die Dedikation der neuen Stiftskirche
durch die Erzbischöfe Ernst und Albrecht, dann 231 Holzschnitte nach Zeich-
nungen von Matth. Grünewald (?) — neugedruckt Wittenberg, P. Helwig,
1617, 4<^; abgedruckt auch in Dreyhaupt, Gesch. des Saalkreyses, 853 ff.
und in Naumanns Archiv I). — St. Georgenberg (in Tyrol bei Innsbruck,
1480 Augsburg, A.Sorg). — Köln (1492 Köln, Koelhoff; dann 1505, 1509 und
öfter). — Magdeburg (o. J. J. Ravenstein-Westfal, Magdeburg, 4<>). — Nürn-
berg (1487 Nürnberg, P. Vischer, 4 <> mit Holzschnitten; 1493 Nürnberg, Hans
Mayr, 4 <^ mit 6 Holzschnitten; ein Teil bald nach 1424 auf einem grofsen
Holzschnitt abgebildet, von dem sich nur ein Bruchstück erhalten hat, faksi-
miliert in den »Holzschnitten des German. Museums«, Taf. XIV u. XV). — Regens-
burg (nur uneigentlich: 1519 Folioblatt mit Abb. der Kirche und des Gnaden-
* Vergl. Falk, Frz., die Druckkunst im Dienste der Kirche u. s. w., 69 — 79.
188 Beliquiensärge.
bildes der :»schönen Maria«; 1610 ein ^ofser Holzschnitt desgl. von Altdorfer;
1520 die Wnnderzeichen der seh. M., Regensburg, P. Kohl, 4<> mit Titelholz-
schnitt). — Roten bürg o. Tauber (1520 o.O.,40).— Trier (zahlreiche Schrif-
ten über das h. Rock-Heiligtum, besonders 1512 Augsburg, Hanns Froschawer,
40 mit 32 Holzschnitten, neugedruckt Regensburg 1845). — Wien (1502 Wien,
J. Winterburg, 4«; 1514 Wien 4<>; beide mit der Abb. des Heiligtumsstuhles;
in Faksimile neu herausgegeben vom k. k. Museum für Kunst und Industrie
(Frz. Ritter) Wien 1882). — Wittenberg (enthielt 117 Kunstwerke in 8
»Gängen«; 1509 Wittenberg, 4<> mit 119 Holzschnitten; später mit dem Hal-
lischen zusammen abgedruckt). — Würzburg, St. Kilian (1483 Nürnberg,
Hans Mayr, 4«; 1485 Nürnberg, 4«»).
Unter ZuhÜlfenahme dieser Schatzverzeichnisse und Heiligtumsbücher
lassen sich die Reliquienbehälter der Form nach auf etwa folgende Klassen
zurückführen :
1. Hierotheken in der Grundform eines viereckigen Kastens: Särge,
Kästchen, Pulte, Bücher, — Schachteln.
a) Behältnisse, welche für einen oder für einige ganze Körper bestimmt
sind; sie kommen vor unter der allgemeinen Bezeichnung Kasten (capsa, im
mittelalterlichen Deutsch vom VUI. bis XV. Jahrh. chafsa, kafs^ caps, chei/sa,
che/sOj chephsay kafse^ kefs-, franz. chässe\ Kiste {cisia\ Lade (coffrä), Schrein
(scrinium^ arcä) Sarg (iumbay /eretrum, franz. fierte), von etwa 1,25—1,90
Länge, 0,50—0,63 Breite, 0,46—1,25 Höhe, länglich viereckig, nach Art der
antiken Sarkophage mit dachartigem Oberteil, also in der Form eines Hauses
oder einer Kirche, selbst in der Grundform des lateinischen Kreuzes oder gar
mit niedrigeren Seitenschiffen unter Pultdächern und analog dem Baustile der
betreffenden Zeit: in der späteren gotischen Periode mit Strebepfeilern und
Mafswerkfenstem (Blenden). Der Kasten selbst ist aus Holz ^, mit vergoldetem
Metallblech (Silber oder Kupfer) überkleidet , welches mit getriebenen Reliefs
(auf den Langseiten gewöhnlich mit den sitzenden Figuren der Apostel etc.,
auf den Giebelseiten mit dem segnenden Christus und der Gottesmutter, auch
des betr. Heiligen, auf den Dachschrägen mit Kompositionen aus der biblischen
Geschichte oder aus der Legende des betreffenden Heiligen), mit Email cham-
plev6 und edelen Steinen (oft antiken Gemmen und Kameen) oder Glasflüssen
geschmückt ist. Auf dem First und an den Giebelschenkeln zieht sich ein
durchbrochener Dachkamm hin, der auf den Ecken und in ebenmäfsigen Ab-
ständen Kugeln oder Knäufe (häufig aus Krystall verfertigt) trägt. Von solchen
glänzenden Meisterwerken der beschriebenen Art, die in anderen Gegenden
sich nur selten erhalten haben, ist in den Rheinlanden noch eine reiche Anzahl
aus der Zeit von etwa 1150 bis 1250 vorhanden: im Münster zu Aachen der
* Steinerne sind sehr selten, ein frühgotisoher des h. Wilibald im Dome zu Eich-
st ätt; ein hocheleganter, auf 4 Säulen an die "Wand gelehnter der h. Richardis in der
Stiftskirche zu Andlau (Abb. bei Kraus. I, 14) ca. 1400: zwei des h. Wendelin, der
ältere aus dem XTV., der jüngere aus dem XV. Jahrh. in St. Wendel und ein neuer-
düigs in Marsal in Lothrmgen aufj^fundener aus dem Anfang des XIV. Jahrh., der
Bilähauerschule von Reims angehöng (vergl. Kunstchronik 1875, No. 1), dürften die
einzigen sein; einen steinernen, der Soer auisen mit silbernen Reliefplatten und Edel-
steinen bedeckt ist, liefs Abt Rupert von Ottenbeuem 1134 anfertigen (vergl. Kirchen-
schmuck. XXIV, 17 f.).
Kasten mit den Oebeiuea Karls deB Grofaen (der grOfete von allen, 2,00 lang,
0,S9 breit und 0,93 hoch) uro 1166—1215,1 der Kasten *adtaudem b. Virginis*
mit den vier grofsen Reliquien {in LXnge nnd Breite etwas geringer, aber mit
F1(. U. Kutan KuU dM OroCMii m Aacbtn (nach niu'iii WaiRb).
Qnerechiff) nach 1220^ und noch ein kleinerer (0,^0 lang, 0,185 hoch) der h. h.
Felix, Marlana und Christina mit flachem Deckel, reich mit griechischen Emaillen
bedeckt, aoa dem XI. Jahrh.;' mehrere in Köln, vor allen der Kasten der
heil, drei Könige im Dom (mit Seitenschiffen versehen, 1,T26 lang und l,3i3
hoch, der höchste von allen) 1167 — 91, aber öfter nnd zuletzt nach einem
Diebstahl der glücklich wieder aufgefundenen Metallbekleidnng im J. 1827
reatauriert^; femer in St. Urania der Kasten der Titetheiligen (nur 1,18 luig,
mit müder Bedachung und entsprechenden QiebellOnetten) aus dem XII. Jahrb. ^
und noch zwei andere in dem alten Altaraufbau (s. oben S. 147), beide be-
Bcli&digt nnd der eine schon gotisch; in St. Maria in der Schnargasse der
Kasten des heil. Albinus vom J. 1166^ und der des heil. Maurinns um 1200;^
endlich in St. Severin der beschädigte Schrein dieses Heiligen.' In der
Kirche zu Dentz der Kasten des heil. Heribert, XII. Jahrb.,' nach aus'm
Weerth der älteste aller rheinischen Schreine; in der Pfarrkirche zn Sieg-
burg der Kasten des heil. Anno, 1183 vollendet, nach aus'm Weerth
der Bchänate unter den rfaeinischeB, aber die Nischen der Statuen nnd die
' Zuerst vEröffentlicht von aus'm TVeertk Taf. XXXVII, 1 — I e, dann Bock,
Kleinodien Anlig. 39 und Pfalzkap. I, 1. Fig. 43 — 45: die Vordersoito bei Labarte,
bist, des art. ind. Taf. 47. Vergl. KKntzoler, P. St., der die Gebeine Karls des
Grorsen enthaltende Behälter. 1859.
' Abbild, bei Üahier, Melangea d'Ärchcol. Vol. I. Taf. 1—3 u. bei aus'm "Weerth.
Taf. XXX\1, 1-7; Bock, Pfalzkap. I, 1. Ti%. 56 und Kleinodien Anhg. 40.
' Abb. Bock, Pfalzkap. I, I. Fig. 37-39.
' Bock, das heil.Köb. Taf. XI. 44 u, Taf. Xn, 44 a. — Ramöe, meublosetc. Taf.
138. Seemann. CUO, 1. Vergl. J. P. N, M. V(ogol). Samml. der prächtigen Edel-
steine, womit der Kasten der h. S weisen Konige etc. (Bonn 1781).
» Abb. Bock, d. heü. Köln. Taf. VE, 28.
• Ebd. Taf. XXXVn. 107.
' Ebd. Taf. XXXvm, 108.
• Abb. eines Emails ebd. Taf. XLI, 114.
• Ebd. Taf. XXIV, 86.
190 Keliquiensärge.
Dachschrägen der Emaillen beraubt^; femer des heil. Benignus,' der h. h.
Mauritius und Innocentius,' des heil. Honoratus,^ alle aus dem XII. Jahrh.,
der letzte der älteste darunter, und des heil. Apollinaris, gotisch von 1446,
aber in der Form den romanischen ganz ähnlich, ebenfalls der Figuren beraubt,
auf den Dachschrägen mit rautenförmiger Musterung in der Art der damaligen
Thttrbeschläge ; in der Kirche zu Kaiserswerth der Kasten des heil. Suidbert
und seines Gefährten Willeikus, um 1264 und noch romanisch;^ im Hochaltar
des Doms zu Xanten der Kasten des heil. Viktor aus dem XII. Jahrh. (mit
älteren Bestandteilen);^ in der Stadtbibliothek zu Trier ein emaillierter Kasten
ans dem XII. Jahrb.; in Sayn der Schrein des heil. Symeon von 1204, ohne
Emaillen und Reliefs, sämtliche Nischen durchbrochen und mit Glas aus-
gesetzt, so dafs man das Heiligtum sehen kann.^ — Aus spätgotischer Zeit
(ca. 1507) ist der Aber 1,25 lange Makkabäerkasten in St Andreas zu Köln, ganz
mit figurenreichen Reliefs aus der Geschichte dieser alttestamentlichen Märtyrer
bedeckt,^ zu nennen, sowie der Schrein des Titelheiligen, früher des heil. Dio-
nysius, 1,88 lang, 0,89 hoch, in StEmmeram zu Regensburg (vom J. 1423).
— Am Oberrhein inAltbreisach der Schrein der h. h. Gervasius und Protasius,
1496 durch Peter Berlyn in Wimpfen gefertigt; in Radolfszell der gotische
Kasten der h. h. Theopont und Senesius, der schon 1412 geöffnet ist und
1540 bedeutende Veränderungen erfahren hat; auf der Insel Reichenau die
verschiedenen Jahrhunderten angehörigen Kästen der heil.Fortunata, des heil.
Genesius, der h. h. Januarius, Procnlus, Festus etc., der Märtyrer Johannes
und Paulus und des heil. Marcus.^ — Dem Reichtum der niederrheinischen
Gegend schiefst sich Westfalen an, doch sind die vorhandenen Kästen meist
in den Mafsen bedeutend geringer und rflhren erst aus spätromanischer und
gotischer Zeit her: im Dom zu Minden ein kleiner, aber prächtig ornamen-
tierter roman. Kasten, 1072 von Bischof Rudolf von Schleswig geschenkt; **
in der Johanneskirche zu Herford ein ähnlicher und in der Kirche zu Bochum
ein gröfserer spätrom. Kasten der h. h. Fabian und Sebastian,^^ fünf Kästen im
Dom zu Osnabrück, unter denen derjenige der heil. Orispinus und Orispinianus
und ein zweiter ähnlicher romanisch, ein etwa 1,56 langer (der heil. Regina) früh-
gotisch, ein kleiner im ausgebildet gotischen Stil, mit Strebepfeilern undMafs-
werkfenstem, und der ähnliche Gordulakasten aus dem XV. Jahrb.; eben-
daselbst in der St. Johanniskirche zwei weitere gotische, einer von 1499;
der Patrokluskasten (ca. 1,60 lang und mit Querschiff; von Rigefrid, meister-
haft in der Architektur, weniger in den vielen Figuren) vom J. 1313 aus dem
Dome zu Soest im K.Museum zu Berlin; endlich ein kleiner Kasten der heil.
» Abb. aus'm Weerth. Taf. XLV u. XUV, 2—4.
« » ebd. Taf. XLVI, 1—1 h.
3 Ebd. Taf. XLVI, 2—2 g u. XUV, 6—5 d.
* Abb. ebd. Taf. L. 1— l e.
* » » Taf. XXX.
« Ebd. Taf. XVm, 1.
' Abb. ebd. Taf. L, 7.
* » Bock. a. a. 0. Taf. V, 23.
" Dürftige Abb. bei Marmor, Kurze Gesch. der kirch. Bauten etc. auf der Insel
Reichenau 1874. Taf. 1. 3. 5—7.
*® Abb. bei Kaiser, aus der Schatzkammer des Doms zu Minden 1868.
" Photogr. Münchener Ausstellung. Bl. 1.
Reliquiensärg6. 191
Regina, besonders dadurch interessant, dafs noch die ursprüngliche Tragbahre
dazu (deren Seiten von Vierpässen durchbrochen, die Ecken mit vergoldeten
Metallplatten und die Tragstangen mit Leder überzogen sind) erhalten ist, in
der Kirche zu Rhy n er n ' von 1457. — Den älteren Prachtsärgen reihen sich zwei
niedersächsische Beispiele im Dome zu Hildesheim an: der Epiphanius- und
der Godehardskasten (letzterer besonders prachtvoll, aus der Zeit um 1150).'
— Ausgezeichnet durch Material, Gröfse (1,88 lang, l,to hoch) und Kunst-
arbeit ist der Kasten der heil. Elisabeth in der ihr geweihten Kirche zu Mar-
burg, aus der Zeit um 1300.' — Der aus Bremen stammende Kasten der h. h.
Gosmas und Damian in der Michaeliskirche zu München hat die Form eines
gotischen Domes. ^ — Der Sarg des heil. Sebaldus von 1394 in der gleich-
namigen Kirche zu Nürnberg ist mit Rauten aus Silberblech beschlagen, mit
über die Fugen gelegten Goldstreifen, in einfacher Hausform ohne architek-
tonischen und bildnerischen Schmuck. Ähnlich ornamentiert ist der Kasten des
heil. Arsacius in der Frauenkirche zu München und der Kasten, in dem seit
1424 die deutschen Reichsreliquien in der Spitalkapelle zu Nürnberg (vor
Diebstahl gesichert unter der Decke schwebend) bis zur Auflösung des Reiches
aufbewahrt wurden, jetzt im Germanischen Museum (K. G. 187), 1,78 lang,
0,50 breit und 0,98 hoch. ^ Ebendaselbst (Saal XXIX) der Sebastiansschrein
aus der Sebastianskapelle aus dem XVI. Jahrb., mit vergoldeten Kupferplatten
belegt, an den 4 Ecken mit Nischen, in denen jedesmal der heil. Sebastian
steht. *
In spätgotischer Zeit wurden auch ganz in der Weise der mit Metall be-
kleideten Prachtsärge dergleichen in vergoldetem und polychromiertem Schnitz-
werke ausgeführt; wir nennen: den Antoniaschrein in St. Johann zuKöln,^ den
Kasten des heil. Castor in der Stiftskirche zu Karden, einen kleineren zu
Brühl bei Bonn und drei gröfsere im Zither der Schlofskirche zu Quedl inburg. ^
Berühmt ist der Ursulakasten im Johannes -Hospital zu Brügge wegen der
Malereien von Hans Memling in den Füllstttcken; erwähnenswert auch ein
ähnlicher Kasten in der Pfarrkirche zuSträlen (im Klevischen) wegen der
kostbaren Miniaturen aus dem Leben Christi an den vier Seiten, ein mit auf
die Gründung der Stiftskirche bezüglichen Malereien auf Leinewandüberzug
bedeckter aus dem XV. Jahrh. im Dome zu Fritzlar; 2 kleinere aus der
Pfarrkirche zu Friedeberg in der Sammlung Felix zu Leipzig (No. 1184 u.
1185), und besonders der jetzt in zwei Teile zersägt aufgestellte im Chor der
Cistercienserkirche zu Wiener-Neustadt, der auf der unteren Seite des
Bodenstücks mit 28 Bildnissen von Heiligen bemalt war, weil er auf so hohen
Fttfsen aufgestellt war, dafs man unter ihm hindurch gehen, die Bilder also
hier am besten sehen konnte.^ Nicht eigentlich zu den Reliquienschreinen
> Abb. bei Nordhoff, Kreis Hamm. Fig. 76 u. 77.
2 Ungenügende Abb. bei Kratz, a. a. 0. Taf. EI, 3 u. Taf. IX, 1.
3 Abb. bei Justi, C. W., Elisabeth die Heilige. 1835, 240; Kolbe, Elisabeth-
kirche, 79; Ramee, meubles. Taf. 144.
^ Abb. bei den Bollandisten (27. Septbr.). VE, 428.
* » im Katalog. Taf. 18.
* » bei Becker- v. Hefner. H. Taf. 44.
' » » Bock, a. a. 0. Taf. XXXTT, 98.
» Vergl. Ku gier. Kl. Sehr. I, 638.
» » Mitt. C.-K. XIV, 65.
192 Reliqnienküötchen.
gehört das ganz durchbrochen gearbeitete Gehäuse in der Spitalkirche zu
Salzburg,^ vielleicht ein ehemaliger Altaraufsatz zur Ausstellung von Re-
liquien; jetzt als heil. Grab dienend, und das ähnliche , aber noch viel wunder-
barere Gehäuse aus der Pfarrkirche zu Möchling im Jaunthale in Kärnten,
jetzt in der Ambraser Sammlung zu Wien, eine völlig filigranartig durch-
brochene Schnitzarbeit in Lindenholz, in Gestalt einer gotischen Kathedrale
mit Strebepfeilern und hohem Dache, 2,37 hoch, 1,99 lang, 0,S7 breit, mit
einem ausspringenden Chore von 1,66 Höhe, 0,73 Länge und 0,47 Breite und
in einer aller Beschreibung spottenden Mannigfaltigkeit des spätgotischen Mafs-
werks mit 133 Türmchen und Fialen, 158 Kreuzblumen und Rosen, 3429
Krabben und 242 verschiedenen Mafswerksmustem , der Sage nach die 10 jäh-
rige Arbeit eines Benediktinermönches aus St. Paul.^
Der Gebrauch, die Reliquiensärge auf Bahren in den Prozessionen herum-
zutragen, veranlafste auch die Kunst, dergleichen Schreine anzufertigen, die,
auf den Schultern von Klerikerfiguren ruhend , von diesen scheinbar getragen
werden. Dahin gehört das kostbare, 1,25 hohe, aus vergoldetem Silber ge-
arbeitete, 90 Pfd. schwere »fVre/rM/w« aus dem XIV. Jahrh. im Münster zu
Aachen: es ruht auf acht Säulen, neben denen Engel, Lanzenträger- und
Bischofsfiguren stehen.' Auch in St. Kunibert zu Köln ist ein aus vergoldetem
Kupfer verfertigter Reliquienschrein aus dem XV. Jahrh., den vier Akoluthen-
Statuen bahrenartig auf den Schultern tragen ,^ und ein ähnlicher frühgotischer
der heil. Anna im Dome zu Trier.^
b) Kleinere Kästen zur Aufnahme von Partikeln : Kästchen, Särgchen,
(capsiilae, arculae, cistulae, ladulae, scriniola) von länglich viereckiger Form,
mit Schieb- oder Klappdeckel und Schlofs, auch mit nach allen vier Seiten
walmartig gehobenem Deckel, oder als Diminutiva der grofsen Kästen in Haus-
und Kapellenform; aus Holz verfertigt und mit Elfenbein, mit emailliertem
Metallblech, mit Zeug überzogen oder auch bemalt. Dergleichen Kästchen sind
noch in grofser Zahl vorhanden ; wir beschränken uns auf einige Beispiele von
den verschiedenen Varietäten.
Mit Elfenbeinplatten überzogene Kästchen aus feinem Holze, mit Schieb-
deckel und Schloss, etwa 0,42 lang, 0,t6 breit und 0,1 1 hoch, wie sich dergleichen
z. B. in der Kirche zu Kraneuburg bei Kleve und im Dome zuXanten^vor-
finden, scheinen in Italien (wo sich ein ganz übereinstimmendes Kästchen im
Museum zu Arezzo befindet, ein ähnliches auch im Kapitular -Archive zu Civi-
dale)^ allgemein gewesen, und als Behältnisse zum Reliquientransport nach
Deutschland gekommen zu sein. Die Reliefdarstellungen antiker Kämpfe, mit
denen sie versehen sind , könnten auf hohes Alter deuten ; die aus Sternchen
' Vergl. Bock, in den Mittelalt. K.-Denkm. d. österr. Kaiserst. herausg. v. G.
Beider etc. I, 136 ff. und Taf. XX.
* Vergl. von Gallenstein, in den Mitt. C.-K. XVU, 37 ff. mit Photographie.
3 Abbdd. bei aus'm T\^eerth. Taf. XXVIQ, 1 u. in den Mitt. C.-K. IV. Taf.
Vni; Bock, HalzkapeUe. I, 2. Fig. 14.
^ Abbüd. bei Bock, a. a. 0. Taf. XV, 56.
* » aus'm Weerth. Taf. LVI, 2.
* » ebd. Taf. VI, 8— S c u. Taf. XVn, 2—2 b.
' » in den Mitt. C.-K. Taf. zu IV, 325.
ß«liqmentiistchen. X93
iD Rnaden bestehende Veraiemng bietet zu ntLherer Bestimmung der Ent-
BtehuDgszeit keinen Anhalt. Glei-
chem Zwecke dürfte ein ähnliches
inSt.GereonznKölnbefindlicheB,
mit einer beinsrtigen Masse be-
kleide tesEftstchen* gedient haben,
Bowie ein anderes in St. AndreaB
daselbst,' beide mit eingravier-
ten Ornamenten verwandter Art,
erste res überdies mit einer ara-
bischen Inschrift, also sicherorien-
taliachen Ureprnnga nnd wohl ans
der Zeit der Kreuzzüge. Hier-
her gehört auch ein Kflstcheu ron bemaltem Elfenbein im Dome zn Würz-
bürg, welches anfser allerhand Bestien einen indischen Snltan mit Franen
seines Harems darstellt, ' und wohl auch ein anderes daselbst mit antikisierendem
Ornament nnd Beatienreliefs,* ferner ein ziemlich grofser Elfenbeinkasten,
(0,36 lang), angeblich ans dem Dome zu Speier stammend, im Kunatgewcrbe-
Museam zu Berlin (Raum XVII, Glaskasten llö), nach Ausweis des Ornaments
persische Arbeit ans dem VHI. — X. Jahrh. Byzantinische Arbeit ist ein Kas-
ten im Grolbh. Mus. zu Darmstadt, angeblich aus St. Maximin bei Trier
stammend, der mit Flachreliefs ans dem Leben des ersten Älternpaares ge-
schmtickt ist, darunter z. B. Adam nnd Eva bei der Schmiedearbeit vor einer
thronenden Figur mit der Beiscbrift ö nioüio;, von Schäfer, a. a. 0., S. 33
der Zeit der Theophann zugeschriebeo. Einfacher Art sind zwei Kästehen im
Dome zu Merseburg, von denen das eine mit Tiergestalten und romanischen
Ornamenten bemalt (ersichtlich aber aus einem älteren ähnliehen Kästchen
umgearbeitet),^ das andere (zerfallen) mit einem gewebten Stoffe überzogen
ist. Sehr wahrscheinlich wurden dergleichen Kästchen in Byzanz und Italien
zn beliebigem Gebrauche verfertigt und an den Harkt gebracht, wo sie zur
Verpackung von Reliquien verkauft wurden. Wir nennen unter diesen noch
das KästchcD des heil. Bischofs Speua zu Aachen,* zwei ana dem XUI. Jahrh.
mit abgewalmtem Deckel, das eine mit graviertem Bestienomament im Schatze
des Wiener Doms,' das andere durchbrochen geschnitzt in St. Feter zn Salz-
burg^ und zwei mit abgewalmtem Deckel und Metalleinfassungen in St. Mathias
zu Trier» und in der fürstlichen Knnstkammer zu Sigmaringen.'* Auch ans
späterer Zeit kommen in den Kirchen Kästchen vor, die ursprünglich für profane
Zwecke bestimmt waren, z. B. In St. Ursula zu KOIn ein Paar sehr zierliche,
I Abbild, bei Bopt, a. a 0., Taf. I, 5. Nach Inhalt der Inschrift wahrscheinlich
I Salbgefiifs von 775, vergl. üildemeister, in den Bonner Jahrb.
iTKiiriinglioh
tlJX, 115.
' AbbUd. ebd. Taf. IV, 21; s, Fig. (15.
' Abb. Becker- v. Ilefner. I. Tat. 52.
ebd. Taf. 71.
der Vorderseite in von Lüfzow, Zeitschr. XVII, 283.
Bock. Halzkop. I, I, Fig. 57.
Mitt. C.-K. XlII, CXIX. Fig. 6.
ebd. XVm, 169. Fig. 31.
aus'm Weerth. lel LXIl, 2.
V. Hefner-Ältenect. Taf. 31.
Cnut-Arcbiologl*. t. Aafl.
194 Reliqnienkästchen.
mit Liebesscenen geBchmflckte Elfenbein -Toiletten aus dem XIV. Jahrb., Reli-
quien der Titelheiligen enthaltend. ^ Von einigen anderen, älteren, mit Stickerei
überzogenen Kästchen (mit abgewalmtem Deckel) daselbst' ist die ursprüngliche
Bestimmung zweifelhaft; dagegen erscheinen zwei im Zither zu Quedlinburg
befindliche, mit figürlichen Reliefs geschmückte Elfenbeinkästen (No. 6 mit
Benutzung älterer Reliefs wahrscheinlich im XI. Jahrb., das andere No. 7
inschriftlich gegen das J. 1200 verfertigt) bereits ursprünglich als Reliquiarien
gearbeitet.^ Ebenso das aus Gandersheim stammende Kästchen aus Walrofs
im Herzogl. Museum zu Braunschweig (No. 58), eine altirische Arbeit, laut
nordenglischer Runenschrift auf der Kupfereinrahmung im VII. Jahrh. zu Nethi
für den heil. Eligius in Montpellier gearbeitet , das Kästchen aus dem X. Jahrh.
ebendaselbst (No. 59) mit den Reliefs der Verkündigung, Geburt, Taufe und
Kreuzigung und das Kästchen im Museum zu Stuttgart (griechische Arbeit des
XI. Jahrh.) , an dem nur noch 3 der Elfenbeinplatten mit der Himmelfalirt,
Höllenfahrt und Propheten erhalten sind.^ Etwas späterer Zeit gehört ein
Kästchen im Dome zu Erfurt mit hohem dachartigen Deckel und hohen Füfsen
an, das ringsum durch geriefelte Säulen in Felder mit ausgeschnittenen Rosetten
auf Goldgrund geteilt ist.
Unter den mit Metallblech bekleideten Kästen (mit gehobenem Deckel)
haben sich einige sehr alte Exemplare erhalten, so der nur mit Edelsteinen
dicht besetzte, mit dem Blute des h. Stephanns getränkte Erde enthaltende aus
dem IX. Jahrhundert in der Schatzkammer zuWien,^ welcher zu den karolin-
gischen Reichsinsignien gehört ; der Schrein des heil. Willibrord im Münster
zu Emmerich (mit Mansardendach ähnlichem Oberteil), dessen Abstammung
aus dem VIII. Jahrh. gegründetem Zweifel unterliegt, der aber (abgesehen von
späteren Veränderungen) spätestens ins XI. Jahrhundert zu setzen sein wird);^
ein aus Erz gegossener hausförmiger Kasten mit figürlichen Reliefs auf den
Seiten- und Dachflächen in den Vereinigten Samml. zu München;^ ein dem
Emmericher in der Form sehr ähnlicher der h. h. Helena und Mathias im
Dome zu Trier ;^ im Zither des Domes zu Halberstadt (No. 24) das
Kästchen des h. Demetrins byzantinische Arbeit in vergoldetem Silber; im
Dome zu Minden® ein Kasten mit dem Martyrium und Begräbnis der heil.
Dympna an der Langseite in Email, die Köpfe aber in Relief, und zu Mols-
heim im Elsafs ein Kasten von vergoldetem Kupfer mit Reliefs aus dem
Anfange des XII. Jahrh. ^^ Aus dem XII. und XUI. Jahrh. haben sich email-
lierte ELästchen in Kapellenform verhaltnismäfsig häufig erhalten und scheinen
förmlich fabrikmäfsig am Rhein und in Limoges verfertigt worden zu sein,
daher sie auch in ihrem bildlichen Schmuck ohne besondere Beziehungen eii^-
» Abb. Bock, heil. Köhi. Taf. VI, 27.
« » ebd., 26.
3 » Steuorwaldt und Virgin, a. a. 0., Taf. 25 — 31, v. Lützow, Zeitschr.
XVn, 174. Vergl. Kuglor, Kl. Sehr. I, 627.
* Abb. Heideloff, Schwaben. Taf. IX. u. S. 33, Fig. 21.
» » Bock, Pfalzkai). I, I. Fig. 64. Ost. Atlas, LXXXV, 9.
« » aus'm AVeerth. Taf. ü, 9 u. m, 1. 2.
^ » Becker- v. Hefner. m. Taf. 12.
« * aus'm Weorth. Taf. LYI, l u. l a.
» » Mitt. Band. Niedere, m, 76.
»ö > Kraus, I, 154.
Roliquien- Pulte und Schachteln. 195
ander sehr ähnlich sind, meist mit der Krenzignngsgmppe und etlichen Heili-
gen. Wir nennen aus der grofsen Masse, die sich in öffentlichen und Privat-
Sammlungen finden, nach den vorliegenden Abbildungen: ein Kästchen im
Domschatze zu Prag,^ drei andere in Klosterneubnrg,^ eins in Krems-
mflnster,' andere zuGerresheim,^ Siegburg, ^ Zell an derMosel^und im
Germanischen Museum;*^ zu Sigmaringen^ und Schlofs Tüfsling;® einige
gotische im Museum zu Basel. ^^
Minder kostbar als diese waren vergoldete und polychromierte, in Schnitz-
werk ausgeführte Holzkästchen, wie sich einige, in gotischen Architekturfor-
men gebildet, mit Zinnenkrönung und abgewalmtem Oberteil, im Germanischen
Museum,*^ zu Sigmar in gen ^^ und im Museum zu Klosterneuburg befinden.*'
Prächtiger ausgestattet ist eine schwarze Holzkiste im Münster zu Aachen,*^
welche mit Emailmedaillons und Wappenschilden geschmückt erscheint und
zur Auf bewahrung der Krönungsgewänder, nach aus*m Weerth Wilhelms von
Holland, nach Bock Richards von OornwalUs, bestimmt war. Zierlich bemalte
finden sich in der Kapelle am Rittersaale zu Erbach im Odenwald*^ und im
Privatbesitz zu Geisenheim,*^ beide aus dem XV. Jahrh.
c) Den Reliquienkästchen reihen sich an die Behälter in Form eines
Setzpultes (pulpitum), wie dergleichen auf Altären zum Auflegen des Mefs-
buches gebräuchlich waren. — Das mlhem Puipii<ü im Hallischen Heiligtums-
buche (Gang VI. 13) war auf der schrägen Fläche mit einem Fenster versehen,
durch welches man die Reliquien sah. Auch die Schlofskirche zu Wittenberg
besafs nach dem dortigen Heiligtumsbuche ein solches Reliquienpult. — Häu-
figer als diese, wohl erst der Spätzeit angehörig waren die Behälter in Form
eines Buches in Prachtband (s. oben S. 180), an denen der Hallische Dom
vorzugsweise reich war. »Ein silbern vhergult Pl€narium<^ kommt Gang I. 5.
6. 7, Gang H. 17. 19 und Gang V. 17 vor. Zuweilen mochten es wirkliche Mefs-
bücher sein, in deren Deckeln kleine Reliquien geborgen waren ; vergl. S. 173.
179. — Das Stift Brewnow in Böhmen besitzt eine solche Theka von 1406.
Als Nebengattung der viereckigen Kästchen sind die minder häufig vor-
kommenden ovalen Schachteln zu nennen, deren sich einige im Zither zu Q u e d -
linburg befinden. Im Chore des Domes zu Kamm in wird ein ovaler Kasten
(0,55 lang, 0,34 breit, 0,29 hoch) aufbewahrt, dessen Elfenbeinbekleidung mit
* Abb. Mittel. K.-Denkm. d. österr, Kaisorst. U. Taf. Xu.
« » Östr. Atl. LXXXV, 1.
» » aus'm Veerth. Taf. XXXI, 8.
» » ebd. XUX, 1—2.
« » »Taf. LTV, 7.
' K.-G. 160. 167. Abb. im Katalog. Taf. 13. 14. 15.
• Abb. von Hefner-Alteneck. Taf. 1. 41. 42.
» » Becker- v. Hefner. HI. Taf. 26.
*" » in den Mitt. d. Ges. f. vaterl. Altert, in Basel. IX, 18 f.
>' K.-G. 170. Abb. im Katalog. Taf. 17.
" Abb. von Hefner-Alteneck. Taf. 35.
» Östr. Atl. LXXXV, 5. LXXXVI, 11.
" Abb. aus'm Weerth. Taf. XXXVII, 4; Bock, Pfalzkap. I, 1. Rg. 1. 2;
Bucher. H, 220. Fig. 89.
» u. «« Abb. Becker- v. Hefner. I. Taf. 46.
13*
196 Boliquicn- Buchsen
Bestiarien nod Rankengewindeii verziert ist.' Der Schatz des Domes zu Xan-
ten bewahrt eine ans Eichenholz gefertigte, mit Silberblech Überzogene Reli-
qnienschachtel ans dem XII. Jahrb.; die vergoldete Wandnng zeigt getriebene
Heil igenbmstbil der, der gew61bte Deekei bibÜBche Darstellungen in Niello.^
2. Cylindrische Behältnisse: BOchae (pijxU, Capsula, Turm Uurtis),
Tabernakel (tabemacuhim). — Diese drei Arten von Hierotheken, welche
als Gefkfae nnd OehäuBe zur Aufbewahrung der Eucharistie (s. unten $ 4ti) mit
einander verwandt sind, stellen wir anch als Reliqnienbehälter zusammen, weil
durch Übertragung der architektooiachen Formen, wie aus dem viereckigen
Kasten die Capeila, so ans der runden Büchse mit zeltßlrmigem Deckel der
Turm, nnd ans letzterem in der Gotik das Tabernakel hervorgegangen ist.
a. Unter den ans allen Jahrhunderten zahlreich erhaltenen runden Büch-
sen, Kapseln und Dosen aus Bein, Metall, Stein und Holz, die zu dem ver-
schiedensten kirchlichen Gebrauche, als Ciborien, Hostieuschachteln und Salb-
bUchsen gedient haben mögen und gelegentlich anch als ReÜquiarien benutzt
worden sind, erregen besonderes Interesse gewisse cylindrische Elfenbein-
bUchsen, aus dem unteren Teile eines Elefantenzahnes ausgehöhlt nnd daher
von etwa 0,i2 — 0,I7 Durchmesser, bei 0,us — 0,ii Höhe; sie sind mit Reliefs
verziert, die in sehr alterttlmÜcber, bisweilen
anch roher Weise entweder ans dem antik
heidnischcn(BUchsG im Dom zu Xanten)^ oder
aus dem altchristlichen Bilderkreise (Büchse
im K. Hngenm zn Berlin,* 5 dei^leichen im
Besitze des Herrn F. Hahn in Hannover)*
entnommen sind, nnd haben alle wesentlich
gleichen Typus. Die flachen, mit Schlofa ver-
sehenen Klappdeckel derselben gehören regel-
mäfaig einer etwas späteren Periode an, nnd
daran vorkommende Spuren lassen erkennen,
dafs diese Büchsen zum Aufhängen (an der
Pertica vor dem Altare ; s. oben S. 183) be-
stimmt waren, in sofern also als Reliquieube-
hälter gelten können. — Im Heiligtnmsbuche
' des Doms zu Halle kommt (Gang IX. 7) eine
achteckige, mit hohem, abgewalmtem Deckel
Flg. BB, Eit^ibciniittchH In St. oittdii versehene *helffenbem Buchse mit viel alt
"* " ■ gegrabenen Bilden' (ohne Zweifel mit höl-
zernem Kerne) vor, welche nach ihrer Omamentation und den eingefügten
Relieftäfelchen in die Kategorie der oben angeführten Elfenbeinkäatchen zu
' Fhoto^. Münchener Anxstelluii);, Bl. 11, ganz ähnlich ixt die Schachtel der h.
Kimigundo im Bavr. Nst.-Uus. zu Münchea.
' Abb. aus'm Weerth, Taf. XXX^ni, 4 u. 4 a. — Eine derattigo Schachtel aus
Krystall befiodet sich im Dome zu Prag. Abh. Mitt. C.-K. XIV, 22.
' Abb. aus'm Weerth. Taf. XVII, 1. — Eine im Museum zu Wiesbaden hat
nur den ä^rptischen Kult bezügliche BamteUungen ; eine im Münz- u. Antik cnlLabioct
zu Wien den Baccbus u. die Übera, Abb. Mitt. C.-K. N. F. H, 43 u. Taf. U.
" Abb. Kraus, Anfinge der ehr. K,, 122. Fig. 30, Seemann, XIJl, 1. Vcigl.
Kugler. Kl. Sehr. II. 327.
ä Hahn, Fr.. Fünf ElfenbeingefSfee des frühsten M.-A. 1862., m. Abb.
und Türme. jg7
Xanten, Kranenbnrg etc. zn gehören scheint. Das sogen. Ciborium des heil.
Wolfgang in St. Emmeram zu Kegensbnrg' ist eine achteckige mit Elfenbein
belegte HolzbOchae mit pyramidalem Deckel und mit Apostelfiguren in byzan*
tinisc her Weise geschmückt. — Im Schatze von St. Gereon zn Köln befindet sich
eine rande Elfen beinbtlchse mit zeltartig gehobenem Deckel,^ deren eingraviertes
Ornament und arabische Inschrift ihren orientalischen Ursprung aus dem VIII.
Jahrhundert erweist; auch diese war znm Aufhängen eingerichtet. Ebenfalls
dem VIII. Jahrh. wird eine Bflehse mit der Gebart Christi und der Anbetung
der Könige im Munzkabinet zu Wien zugeschrieben.^ Mehrere aus dem XII.
und XIII. Jahrh. befinden sich imZitherdesDomszuHalberstadt,* inDarm-
stadt eine mit der Heilung des Kranken
von Bethesda und der Auferweckung des
Lazarus.^ Von spfttmittelalterlicben nen-
nen wir nur die beiden aufs erordentlich
prachtrollen Kapseln für den Kopf des
beil. Stani8lan8(dieeine Silber- vergoldete
12eckig vor 1461), die andere goldene
8eckigvonl604)imDomezuKrakau.*
b. Die ÄUBgestaltung der cylind-
rischen Büchse zu einem runden oder
polygonischen Kuppelturme scheint
sich durch Übertragung der Formen des
byzantinischen Centralbaues vermittelt
zn haben und ans der morgen ländischen
Kirche zu stammen. Das Reliqniarium
mit dem Kopfe des heil. Anastasius
im Schatze des Aachener Münsters^
zeigt einen quadratischen, mit Apsis und
kiel bogigen FlUgelthUrchen versehenen
Unterbau, aus dessen Mitte sich ein
runder, mit einem (erneuerten) Kreuze
gekrCnter Knppeltnrm erhebt. Der
orientalische Ursprung dieses 0,3g hohen
und halb so breiten silbernen, teil-
weise vergoldeten und mit schwarzem
und weifsem Email geschmückten Behäl-
ters ist durch die auf demselben be- I
findlichen griechischen Inschriften völlig
sicher, nicht ganz so die ans dem Inhalte ^^- " "''Jä'MaMtil'M'AiiSrm *°"'"'""
der letzteren gefolgerte Entstebungs-
zeit im VU. Jahrb.; v. Quast und Bock setzen ihn erst in das XII. Jahrb.
' Abb. Becker- v. Hefner. m. Taf. 51.
' . bei Bock, d. heil. Köln. Taf. I, 2.
= . Mitt. C.-K. N. F. n, ii. Taf, I.
' Tergl. Bock, in den Mitt. C.-K. XV, 23.
'^ > Schäfer, Denkm. der Elfenbeinplastik in Darmst., 37.
' Abb. Essenwein, Krakau, 173. Fig. 94 u. Taf. LXXV.
' . aus'm Weerth. Taf. XXXTV, 5; Bock, Pfalzkap. I, 1. Fig. 42. Der
EolzBcbnitt im Text ist ans Zeitaohr. f. ehr. A. u. K. n, 130 entlehnt.
198 Reliquien -Türme und Taschen.
Im Grofsherzogl. Mnseum zu Darmstadt befindet sich eine elfenbeinerne Turris
aas dem XII. Jahrh.^ ein in fünf mit Reliefs geschmückten Stockwerken aufsteigen-
der Centralbau; ebendaselbst noch eine kleinere von Elfenbein und eine in Email
aus demselben Jahrh J Rheinische Arbeit des XII. Jahrh. sind dagegen die fast voll-
ständig gleichen Behälter in Gestalt einer byzantinischen, ein griechisches Kreuz
bildenden 0,50 hohen Kuppelkirche, ganz mit Emaillen bedeckt und mit Elfenbein-
figuren in den Nischen, wovon sich das eine Exemplar im Weifenschatze, das an-
dere aus der Sammlung Soltykoff im South-Kensington-Museum zu London be-
findet.^ — Ein unter der Bezeichnung T^turris^i^ im Domschatze zu H i l d e s h e i m be-
findlicher, mit vergoldetem Silberblech überzogener Schrein mit den Reliquien der
Stiftspatrone' besteht aus einem sechseckigen Unterbau, aus dem in zwei sich
verjüngenden Geschossen die mit dem griechischen Kreuze gekrönte Kuppel
bis zur Gesamthöhe von etwa 0,79 aufsteigt. Die baulichen Formen des
Turmes zeigen den Übergangsstil, der Sockel gotisches Mafswerk aus der in-
schriftlich gesicherten Entstehungszeit im XIV. Jahrhundert. — Das Münster
zu Emmerich endlich besitzt eine polygonische, vielgeschossige , einfach go-
tische Turris mit einem von zwei Fialen flankierten Helmdache von 0,50 Höhe.^
— In dem Wiener Heiligtumsbuche (Bl. b) kommt ein Turm in den reichen
Formen des ausgebildet gotischen Stils vor.
c. Unter Tabernakel verstand man ein in der Weise der gotischen
Prachtkirchtürme aus einem Walde von Strebepfeilern komponiertes, vielfach
durchbrochenes Reliquiarium. Diese Anschauung gewährt wenigstens der im
Hallischen Heiligtumsbuche (Gang II. 7) abgebildete, spätgotische »silbern
vbergulier Tdbemakeh, Die Reliquien mögen sich im Sockel befunden haben.
— In die Klasse der Tabernakel könnte unter anderen auch das angeblich
vom Könige Philipp H. von Spanien geschenkte, prachtvolle silber- vergoldete,
drei offene gotische Türme bildende , fast 0,94 hohe Reliquiarium im Münster
zu Aachen^ gerechnet werden. — Als romanisches Prototyp solcher gotischen
Tabernakel erscheint die T^geweichte capelle< von der Form eines Ciborien-
altares im Bamberger Heiligtumsbuche (Gang VI).
3. Taschen (sacculij biirsae, alioveriay scarcellae), wie man sie im Oriente
am Gürtel trug, wurden durch Pilger und f^reuzfahrer auch im Abendlande
verbreitet, und es gab im XIII. Jahrh. in Paris eine eigene Zunft von Stickerin-
nen, die sich mit der Anfertigung von »aumosnieres sarrazinoises^ beschäftig-
ten.^ Da nun die Pilger in ihren Taschen auch Reliquien aus dem Morgen-
lande mitbrachten, gingen die Reliquientaschen in die Kirchenschätze über.
Man findet dergleichen z. B. im Zither zu Quedlinburg und im Dome zu
Brandenburg, eine gestickte Reliquientasche in Form eines Säckchens von
0,14 Länge und 0,16 Breite auch im Schatze von St. Gereon zu Köln,^ an-
dere in St. Stephan zu Mainz und im Weifenschatze.
» Vergl. Schäfer, a. a. 0., 60—63.
» Abb. Bucher. U, 216. Fig. 87.
' Kratz, a. a. 0., Taf. XI, 4.
^ aus'm Weerth. Taf. 11 , 7.
» Ebd. Taf. XXX Vm, 2. Bock, Pfalzkap. I, 2. Fig. 16.
^ Yergl. de Laborde, Notice des emaux etc. exposes au Musee du Louvre. II,
144. Art. Aumosniere.
' Abb. Bock, d. h. Köhi. Taf. U, 9; vergl. Bock, lii-Gew. DI, 160 ff. und Taf.
XIX, 2 u. XX Abb. von französischen und niederländischen ehemaligen aumönieres.
Brustbilder. 199
4. Behaltnisse für bestimmte Körperteile in Ponn der letzteren, bislebens-
grofs und darüber, aus Metall oder ans Hols geschnitzt und naturgemafb be-
malt. Das gewöhnliclie Metall ist Silber vergoldet, doch liefs man die Fleisch-
teile weifs oder überzog dieselben mit fleischfarben em Email. Die znm Kostüm
gehörigen Teile wnrden mit Edelsteinen besetzt.
a. Brustbilder (capila, peclorales, hermae) znr Aufnahme des Schädels
des dargestellten Heiligen in dem Kopfe der Büste, oder anch einzelner Ge-
beine vom Schalterblatt oder 0berk6rper in dem Thorax, Solche Capita waren
sehr häufig: der Dom zu Prag zählte im J. 1387 acht, die Schlofskirche zu
Wittenberg 1509 vier, der Baseler Kirchen schätz 1511 ebenfalls vier nnd der
Dom zu Halle 1520 acht. — Das älteste bekannte Brustbild ist das des heil.
Candidus in der Schweiz, welches spätestens aus dem X. Jahrhundert stammen
soll;' die anderweitig in Frankreich* und Deutschland erhaltenen scheinen
nicht Ober das XIH. Jahrh. hinaufzureichen, wenn aach ein männliches ans
St. Lambert! in Münster, jetzt in der Fürstl. Knnstkammer zu Sigmaringen*
aus vei^ldetem Kupfer und eins des heil. Cyriacus aus Holz mit Metallüberzng
der Gewandnng zn Altdorf in Unter-Elsafs dem XI. Jahrh. zugeschrieben wer-
den, nnd ein Caput des Täufers Johannes aus Knpfergnl^ mit eingesetzten
Glasaugen zu Fiscbbeck beiRinteln ab frflhromanisch bezeichnet wird. Wir
nennen nach vorhandenen Abbildnngen das Haupt des
heil. Oswald (welches gewiseermafsen die Krönung
einer achteckigen Kapelle bildet), die Büsten des heil.
Bemward, der beil. Caecilia, des heil. Cantiua und des
heil. Jacobns von Nisibis im Dome zu Hildes heim;* das
Brustbild Karls des Grofsen (das interessanteste von
allen) im Münster zu Aachen,^ des heil. Gregorins von
Spoleto nnd des Einsiedlers Antonius in St. Kunibert zu
KSln (letzteres nur aus vergoldetem Kupfer),' des heil.
Papstes Cornelins ans dem Ende des XIV. Jahrh. zu
Eornelimünster,^ der heil. Ludmilla und des heil.
Veit, beide aus dem XIV. Jahrh., das letztere auf
einem Engelpoatament ans dem XV. Jahrh. im Dome zn
Prag^undetnweiblichesgekrSntes, sehr roh, zu Melk.*
Das gröfseste von allen dtlrfte daa über 1,5U hohe des
heil.LambertinderKathedraleznLUttichausdemXVI. Ftg, ss. Kopt kitIi d«a
Jahrh. sein, welches indes seines ursprünglichen kost- ''"'tS»^ wm^)?"""
baren Schmuckes fast gänzlich entkleidet ist.'" — Aus
Holz geschnitzte bemalte nod vei^oldete, manchmal auch mit dünnem Silberblech
' Vbi^ aua'm Weerth- II, 133, Anm. 247.
" Toxier, IKctiomiaire d'orfevrerie, 292.
' Abb. von Hotnor-AUeneek. Tftf. 38.
' . Kratz, a. a. 0,, Taf. XI. 2. 4. 5. XH, t.
> . auB'mWeerth. Xaf.XXXIX,3. Bock,PMzkap. 1,1. Fig. 26. Die Krone ist
beweglich, nach Bock (ib. ^g. 7) die bei der Krönung Eichtu^s v. Comwallis gebrauchte.
• Abb. Bock, d. b. Köln. Taf. X, 42. XIH, 51.
' . aus'm Weortb. Taf. LI, 1.
* . Grueber. m. Fig. 140. 141. Öatr. Atl. LXXXVm, 2. 3.
" . Östr. Aü, LXXXVm, 1.
1" TergL Texier, a. a. 0., Sp. 1121 ff.
200 Amie und Fingor.
Überzogene bIdiI ana Privatbesitz zu Frankfurt a. M.,' ans der Harieukirehe
zu Danzig,^ und aoa der Sammlung Felix zn Leipzig^ verSffentlicbt, und
kommen z.B. in den Sakristeien der Kirchen zuXöln, in St. Martin znOber-
weeel, im Dome zuBrandenbnrg, im FIQgelaltar auB Marien Btattim Museum
zu Wiesbaden, im Germanischen Museum, im Herzogl. Museum zu Braun-
Bchweig und sonst noch häufig vor.
Anfser den beschriebenen Büsten Gnden sich auch in äilher gefafste »cra-
nia tiuda* (z. B. das des Jacobns minor im Zither zu Halberstadt No. 19),
die man auf Schusseln anaznstcllen pflegte. Im Wittenberger Heiligtnmsbuche
(S. 18 u. 49) sind auf Schüsseln iiegende Totenköpfe abgebildet.
b. Arme (brachia, brachialia, manus), die Röhrknochen des Armes ent-
haltend, nnd dnrch die Hand entweder als rechter, oder als linker Arm gekenn-
zeichnet. Da hier durch das Kostüm (den Ärmel) eine Individualisierung des
betreffenden Heiligen nicht möglich war, so half man sich znweilen damit, dafs
man das Attribut des Heiligen von der (sonst stets gerade ausgestreckt oder
segnend gebildeten) Hand halten liefs. So hält im
Hallischen Heiligtumsbnche (Gang V. G) der silberne
Arm ädorinne ist ein trefftich stuck vom Arme sancti
Thomet ein Winkelholz, ein anderer (ebd. 12) mit
einer Ärmröhre des Apostels Jacobus Major eine
Muschel, noch ein anderer (ebd. VIII. 10) mit zwei
Röhren der heil. Ursula einen PfeÜ u. s. w. — ■ Auch
diese Art von Reliquiarien war sehr häufig ; wir nen-
nen zwei Arme in St. Gereon, zwei andere in St.
Kunibert zu Köln,* den Ann Karls des Grofsen im
Münster zu Aachen,* zwei Arme im ehemaligen Klo-
ster zu Mettlach (XV, Jahrh.), einen Arm aus dem
XVI. Jahrh. im Domschatze zu Regensbnrg, einen in
St. Mauritz zuMUnater, vier mit Silber überzogene,
darunter der Arm des h. Stepbanns reich mit Edelstei-
nen besetzt aus dem XIII. Jahrh. No. 22 im Zither zu
Haiherstadt, den Arm des heil. Georg (Mitte des
XIV. Jahrh.) im Dome zn Prag,' einen silbernen mit
Emaillen von 1514 zn Eichstätt, St. Walburg. Der
Arm des heil. Blasins ans dem Dom, jetzt im Herzogl.
' MnsenmzuBrannBchweig(Nr.60), gestiftet von der
Herzogin Gertrud (t 1143) oder einer noch ältereo
^'i?'K^^uota*Bock). (t 1077) desselben Namens, ist mit mehreren antiken
Gemmen und Kameen besetzt; an den Fingern stecken
17Kinge, Votivgeschenke, zum Teil ehemalige Trauringe, wie ihre Inschriften,
z. B. "en-eg*, 'tniden tut mir Sdem beweisen. Daselbst unter Nr. 62 ein ein-
facherer hölzerner polychromierter Arm von ca. 1500, deren auch sonst, z. B.
' Abb. Becker- v. Eefner. lU. Taf. 2
* Phöt. Hinz. Taf. XV, 2.
' No. 6U Photogr. Taf. XX Fig. 3.
* Abb. Bock, d. heil. Köbi. Taf. II, 7. I
» . Bock. Ffalzkap. I, 2. Fig. 44.
« . östr. Atl. LXXXVm, 9.
Reliqiden- Bilder. 201
in mehreren Kirchen zu Köln, zu Halberstadt im Dome, zu Danzig in St.
Marien (Abb. Hinz Taf. XV, 1. 3) noch oft vorkommen.
e. Finger: Ein silberner vergoldeter Finger, mit einem Finger des heil.
VincentiuB, auf einem Ständer befestigt, im Hallischen Heiligtnme, Gang VI. 38.
Erhalten ist ein aus Filigran gearbeiteter, mit Edelsteinen und einem Email,
wonach er für einen Finger des heil. Matthaeus bestimmt war, besetzter, grie-
chische Arbeit vor Schlnfs des XII. Jahrh. im Dome zu Eichstätt.^
d. Füfse (pedes) scheinen nur selten vorgekommen zu sein. Im Basler
Münster befand sich im J. 1511 ein ^Pes InnocenHum argenteusy omatuspluri-
buspreciosis floribusy stans in una cisttda lignea deargentata^,^ Der des heil.
Andreas auf dem ehemal. Tragaltärchen im Dome zu Trier ist bereits oben
S. 149 erwähnt.
e. Einzelne gröfsere Gebeine in Metall gefafst, mit einem Fufse zum
Aufstellen versehen; z. B. eine Rippe des heil. Sebald, quer auf einem durch
Laubwerk gebildeten hohen Fufse befestigt, im Wittenberger Heiligtumsbuche
(S. 23), eine Rippe der heil. Ottilie, ähnlich gefafst, im Hallischen Heiligtume
(Gang VIIL 35), eine Armröhre der heil. Wilhilde, auf zwei niedrigen Füfsen
ruhend (ebd. 26) u. a. m. — Ein in dieser Weise spätgotisch gefafster Wirbel-
knochen befindet sich im Besitz des Stifts Strahov in Prag. ^
5. Bilder (imagines), d. h. Statuetten derjenigen Heiligen, deren Reli-
quien darin enthalten waren, aus Metall getrieben oder hohl gegossen, auch
aus Holz geschnitzt und von verschiedener Gröfse. Gewöhnlich war hinten ein
Thttrchen angebracht zum Hineinlegen der Reliquien, oder man gab letztere,
besonders wenn sie zu den Marterwerkzeugen des betreffenden Heiligen gehört
hatten, der Figur in die Hand oder verschlofs dieselben in einem kleineren,
zierlich gearbeiteten Behältnisse, welches die Statuette in der Hand hielt.
Auch wurden Reliquien in dem Postament der Statuen geborgen oder unter
einem runden Krystallbehälter (Brille, von herylhis) zur Anschauung gebracht.
Solche Bilder, die ehemals sehr häufig waren (die Schlofskirche zu Wittenberg
besafs Aber 30, der Dom zu Halle über 40) sind wegen ihres bedeutenden
Metallwertes selten geworden. Das älteste und kostbarste unter den erhalte-
nen ist die sitzende Madonna mit dem Kinde (0,73 hoch, aus Goldblech über
einem hölzernen Kerne) aus der Zeit K. Ottos U. im Schatze des Münsters zu
Essen. ^ Eine aus Silber getriebene frühromanische sitzende Statuette des heil.
Petrus in der Johanniskirche zu Osnabrück; im Dome daselbst drei der hh.
Maria, Petrus und Paulus. Ein prächtiger heil. Moritz, 0,44 hoch, von 1506
befindet sich im Kloster Medingen. In Elbing ein heil. Georg, seit 1410 im
Besitze der Georgsbrüderschaft daselbst; eine freie Kopie davon aus dem
XV. Jahrh. im Kunstgewerbe-Museum zu Berlin (Schrank 375).^ Im Prager
Dom eine Elfenbeinstatuette der Himmelskönigin mit dem Reliquienbehälter
im silbernen Untersatze.^ In der Ambraser Sammlung zu Wien eine Statuette
des heil. Augustinus mit dem Knaben auf monstranzartigem Ständer aus dem
« Vergl. F. Schneider, im Anz. G. M. 1876. Sp. 364 f.
* Mitt. d. Ges. f. vaterl. Gesch. in Basel. IX, 21.
3 Abb. Mitt. C.-K. XVm, 216. Fig. 95.
* » aus'm Weerth. Taf. XXlV, 5.
* Beide Photogr. Münchener Ausst. Bl. 62.
* Abb. Mitt. C.-K. XV, 15.
202 ßeliquienfcreuze.
XV. Jahrb. ^ Eine ausgezeichnete Arbeit des XV. Jahrb. ist die mit dem Unter-
satz 0,63 hohe aas Silber getriebene und vergoldete Statuette des Apostels
Petrus (mit einem Stück seiner Kette in der rechten Hand) im Münster zu
Aachen,^ zu erwähnen auch die vergoldete aus Kupfer getriebene Figur der
Madonna in St. Maria in der Schnurgasse zu Köln (XV. Jahrh.),' sowie das
Bild des heil. Sebastian (aus gleichem Stoffe) vom Beginn des XVI. Jahrb. im
Domschatze zu Regensburg^ u. a. m. — Der Dom zu Bamberg (Heiligtums-
buch, Gang VIII) besafs die silbernen Bilder mehrerer nackten Kinder , von
einem Schwerte quer durchstochen , mit Reliquien der unschuldigen Kinder.
Den ^Bildern* sind beizuzählen die zuweilen vorkommenden plastisch
ausgeführten Gruppen, z. B. der Ölberg im Wittenberger Heiligtumsbuche
S. 75 ; die Gruppe der Darstellung im Tempel mit der Reliquie des h. Symeon
im Aachen er Domschatze.**^ Vielleicht das prachtvollste Beispiel dieser Art ist
das sogen, »goldene Rössel« in Alt-Ötting, welches, 1414 von Ludwig dem
Gebarteten aus Holland mitgebracht und zu Anfang des XVI. Jahrb. an die
Wallfahrtskirche gekommen, die thronende Gottesmutter von König Karl VI.
von Frankreich, einem Ritter und mehreren Heiligen verehrt, wobei ein Page
ein weifses Rofs führt, darstellt, eine Goldarbeit mit zahllosen Edelsteinen, an
der Gesichter, Hände und Kleidung durch Emailüberzug hergestellt sind.^
6. Behältnisse, welche durch ihre Form auf die in denselben enthaltenen
Reliquien oder auf die Legende des betreffenden Heiligen deuten.
a. Kreuze und Kruzifixe als Behältnisse von Partikeln des wahren
Kreuzes, von den kolossalen Triumphkreuzen bis zu den als Amuletts getrage-
nen Schmuckkreuzen: in so unzähliger Menge, dafs ziemlich die meisten
Kirchen der Christenheit nach und nach in den Besitz solcher Partikelkrenze
gelangten. — Schon gleich nach der Erfindung des wahren Kreuzes geriet die
Kaiserin Helena auf den Gedanken dasselbe zu zerteilen , um daraus teils eine
Reliquie für die Kirche des heil. Grabes in Jerusalem, sowie für die des heil.
Kreuzes in Konstantinopel, teils ein Phylakterion (Amulett) für ihren Sohn
Constantinus zu machen. Damit war die Losung zur weiteren Teilung gegeben,
und schon dreifsig Jahre später bezeugte Cyrillus von Jerusalem, dafs die ganze
Welt mit Partikeln des Kreuzholzes erfüllt sei.'' Je mehr aber die Sehnsucht
nach dem Besitze solcher Kleinodien zunahm, desto kleiner wurden die Par-
tikeln, so dafs zuletzt nur noch Splitter übrigblieben, und zwar in so unend-
licher Menge verbreitet, dafs die Authenticität derselben einmal vorausgesetzt,
diese Vervielfältigung nur auf wunderbare Weise geschehen sein könnte.^ —
Die Sitte aber, die Partikeln in ein Behältnis von Krenzform zu legen, läfst
* Abb. Östr. Atl. XCVUI, 6.
« » aus'm Weerth. Taf. XXXVIU, 11, vollständiger, Bock, Pfalzkap. I, 2.
Fig. 43; daselbst auch 2 silberne Madonnen, Bock, ebd. fig. 2U. 22.
3 Abb. Bock, d. heü. Köhi. Taf. XL, 112.
* » Becker- v. Hefner. HI. Taf. 63.
* > Bock, Pfalzkap. I, 2. Fig. 15.
* » in (v. Ar et in), Altertümer u. Kunstdenkmäler des bayr. Herrscherhauses,
lief. 6. Vergl. H. Weininger, das Pendant zum g. E. in A. ö. Mitt. C.-K. XV,
108 ff., m. Abb.
' Vergl. die Beweisstellen bei Augusti, Denkwürdigkeiten. XU, 100 u. 105.
' »Fragmenta ligni crucis tarn müUa, ut, si in acervum redigantur, vix una
navis oneraria vehat.* Cf. Erasmi Roterodam. annot ad evang. Matth. 23, 25.
Reliquienkreuze. 203
sich schon im VI. Jahrh. nachweisen^ und herrschte das ganze Mittelalter
hindurch, obgleich man auch andere Reliquien mit hineinlegte. — Dafs die
Reliquienkreuze in vielen Fällen mit den Altar- und Vortragekreuzen zusam-
menfallen, ist bereits oben S. 88 bemerkt, und viele von den dort beispiels-
weise angeführten Kreuzen enthalten zugleich Reliquien. — Das älteste vor-
handene Exemplar dürfte das kleine Pektoralkreuz von 0,60 Höhe im Münster
zu Aachen sein, mit der in Goldblech, Perlen und Steinen gefafsten, offen
liegenden Partikel, wenn dasselbe wirklich aus dem Grabe Karls des Grofsen
herrührt; die jetzige Umhüllung desselben aus vergoldetem Silber erscheint
jünger.^ Sehr bedeutend durch materiellen und künstlerischen Wert ist das
Bernwardskreuz in der Magdalenenkirche zu Hildesheim, vom Schlüsse des
X. Jahrhunderts. Es ist auf der Schauseite mit einer starken Goldplatte belegt,
in welcher viele Edelsteine gefafst sind. Dieses Kreuz wurde nur an seltenen
Festen ausgestellt und ist zu dem Ende unten mit einem eisernen Stachel ver-
sehen. ^ Dem X. Jahrh. gehört ebenfalls das aus St. Blasien im Schwarzwald
stammende, jetzt zu St. Paul in Kärnten befindliche, ^/^EWen hohe, mit Edel-
steinen, Gemmen und Skarabäen reichbesetzte Kreuz an, ein Geschenk der
Königin Adelheid.^ Von bemerkenswerteren nennen wir aufserdem nach vor-
handenen Abbildungen aus dem XII. Jahrh. : ein kupfervergoldetes mit Gra-
vierungen auf der Rückseite im Besitze der Fürsten Lobkowitz zu Bilin,^ ein
emailliertes (das Corpus auf graviertem Grunde) im Diöcesan-Museum zu Fr ei-
sin g,^ ein später umgearbeitetes mit den Apostelbrustbildem in ^mail cloisonn6
griechischer Arbeit auf der Rückseite im Stifte Hohen fürt'' und ein 0,33 hohes
Patriarchenkreuz (mit gotischem Fufse aus dem XV. Jahrh.) im Domschatze zu
Salzburg;^ aus dem XIV. Jahrh. ein besonders prachtvolles von 1363 (mit
Fufs aus dem XV. Jahrh.) in Melk,® ein von Papst Urban V. an Kaiser Karl IV.
geschenktes mit gravierten Bildern italienischer Arbeit auf den Flügeln im
Domschatze zu Prag,*^ ein prächtiges 0,32 hohes, zwischen 1347 und 1374
entstanden, in der Liebfrauenkirche zu Frankfurt a. M. und ein schönes gol-
denes von ca. 1400 in der Frauenkirche zu Ingolstadt, ^^ von spätgotischen
^ Gregor der Gro&e schickte dem Könige Adalowald »füateria, id est crucem cum
Ugno sanctae crucis^. Vergl. Du Gange, Gloss. VIT, 109 (ed. Didot) bei Texier,
Dict. d'orfev. Sp. 883. Das Wort filateria (givkaxrvQiov)^ welches bei den Griechen
ausschlieislich Amulets in Kreuzform bezeichnet zu haben scheint, die man um den
Hals gehängt trug, und in diesem Sinne auch bei Gregor dem GroiGsen zu nehmen ist,
war später ganz allgemeine Bezeichnung eines kleineren Reliquienbehälters, vielleicht
eben deshalb, weü man solche ebenfalls (an der Pertica, s. oben S. 183) aufzuhängen
pflegte. Durandus 1. 1 c. 3 n. 26: Phylatteria vero est vasculum de araento, vel
auro, vel crystaUo, vel ebore et hujustnodi, in quo sanctorum cineres vel reliquiae
reconduntu/r.
« Abb. aus'm Weerth. Taf. XXXVm, 2. Bock, Pfalzkap. I, 1. Fig. 68. 59.
3 » Kratz, a. a. 0., Taf. IV, 1. Seemann, GXLVUI, l.
* Vergl. Mitt. C.-K. XVII, 219.
* Abb. das., 161.
• » Becker- v. Hefner. m. Taf. 61. 62.
T » Mitt. C.-K. XVni, 202 u. 203.
« » Östr. Atl. LXXXTV, 10.
• » ebd. LXXXIX, 3. 7. Ein sehr ähnliches im Dome zu Krakau. Zu Melk
noch zwei schöne aus dem XV. Jahrh. Abb. ebd. Fig. 6 u. 8.
'« Abb. ebd. Fig. l.
«» » Becker- v. Hefner. U. Taf. 68.
204 Reliquienkreuze und Attribute.
endlich zwei im Königl. Besitze zu Dresden ^^ ein pomphaftes silbernes 1^25
hohes, dessen Fufs auf drei Löwen ruht, in der katbol. Pfarrkirche zu Kreuz-
nach, ein silber-ver^oldetes zu Massenhausen bei Freising, an dem die Statu-
ette des heil. Georg den Körper des Gekreuzigten vertritt^ und eins zu St. Pol-
ten auf achtblättrigem Fufse, mit Maria und Johannes als freistehenden Neben-
figuren.^ — Als ein zum Vortragen bestimmtes, inschriftlich aufser der Par-
tikel des ELreuzholzes noch viele andere Reliquien bergendes Prachtkreuz
nennen wir noch das Doppelkreuz, vorn mit Gold-, hinten mit Silberblech
belegt, in der Abteikirche zu Burtscheidt aus dem XUI. Jahrh.^ Hinzuzu-
fügen ist gleich hier ein nag eiförmiger Behälter für einen angeblichen Kreu-
zesnagel im Dome zu Trier. ^
Auch Partikeln von dem Kreuze, an welchem der Apostel Andreas ge-
storben, legte man in kreuzförmige Umfassungen: ein solches Kreuz aus guter
gotischer Zeit (zum Teil erneuert) befindet sich im Domschatze zu Regensburg.
Bemerkenswert ist auch das Kreuz des heil. Ulrich zu Augsburg, welches dem-
selben der Legende nach in der Schlacht auf dem Lechfelde am 10. August
955 durch einen Engel vom Himmel gebracht wurde, um damit den Sieg über
die Ungarn zu bewirken. Dasselbe ist ca. 1300 in eine ganz einfache gravierte
goldene Umhüllung in Form eines griechischen Kreuzes gelegt; um diese aber
ist 1494 durch den Goldschmied Nikolaus Seid eine prachtvolle, vom dicht mit
Edelsteinen besetzte, auf der Rückseite mit der Darstellung des Wunders in
der Schlacht gravierte Hülle in Form eines griechischen Kreuzes mit Kleeblatt-
enden der Arme gefügt.^
Als komplicierte Reliquienbehälter sind die sogen. Heiligen Gräber zu
bezeichnen, wo der Fufs des Kruzifixes die Gestalt eines in den üblichen
Architekturformen gebildeten kleinen Sarges hat. Ein teilweise aus gediegenem
Golde gearbeitetes Exemplar dieser Art aus dem XV. Jahrh. besitzt das Museum
zu Basel, ^ ein bronzenes mit der Darstellung der Grablegung in dem offenen
rundbogigen Unterbau und der Kreuzabnahme auf dem Dache desselben, in
manchen Stücken an die Hildesheimer Bronzen erinnernd, aus Maestricht stam-
mend und dem XL Jahrh. angehörig, das Germanische Museum.^
b) Die verschiedensten Behältnisse in Form der Attribute oder Sym-
bole der betreffenden Heiligen, oder in solchen Formen, die an deren Legenden
erinnern. Es ist jedoch hierbei zu bemerken, dafs, wenn ein solches Modell
erst einmal für die Reliquien eines bestimmten HeUigen erfunden war, es oft
auch nachgeahmt und als Reliquiarium ohne die ursprüngliche Beziehung be-
nutzt wurde. — Wir nennen aus dieser Klasse:
Ein silber-vergoldeter züngelnder Drache, als Attribut der heil. Margarete,
mit einer Reliquie vom Fufse dieser Heiligen, im Würzburger Heiligtumsbuche
(vergl. Niedermayer, Kunstgesch. der Stadt Wirzburg, 239).
Eine Fahne, mit Perlen durchstickt, -»doryn sein II stück von S, Moritz
* Abb. Photogr. Dresdener Ausstellung. Taf. 19.
* » Becker- v. Hefner. IE. Taf. 27.
3 Vergl. Mitt. C.-K. N. F. H, 96, m. 2 Abb.
* Abb. aus'm Weerth. Taf. XXXIX, 7. 8.
* » ebd. Taf. LV, 2.
« > Becker- v. Hefner. HI. Taf. 35. 36.
■^ Photogr. in den Mitt. der Ges. f. vaterl. Altei-t. in Basel. IX, 18.
* K.-G. 159. Abb. Katalog. Taf. 12.
Attribute. 205
fane, II stück von S. Georgen /ane«^ im Hallischen Heüigtamsbnche, Gang VI.
40. — Aufserdem ein anderes ^Banir^y dessen Tuch von dem Panier des heil.
Moritz herstammte, mit Reliquien dieses Heiligen und anderer Ritter der the*
bischen Legion in dem silbernen Fahnenstocke (edb. 2).
Ein Hahn kommt im Wittenberger Heiligtumsbuche (Gang H. 7) und im
Wiener (Gang VI) vor: es mag dahingestellt bleiben, ob die Reliquiarien in
der Gestalt dieses Tieres etwa auf den heil. Vitus zurückzuführen sind, dessen
Attribut der Hahn ist.
Eine thöneme Lampe der heil. Elisabeth, in einer dieselbe Form genau
nachbildenden silbernen Kapsel, befindet sich im Stifte Tepl in Böhmen.
Ein geflügelter Löwe, als Symbol des Evangelisten Marcus, mit Reliquien
desselben, im Wittenberger Heiligtumsbuche S. 56.
Eine aus Krystallwänden zusammengesetzte Mitra von 1378, als Um-
schliefsung der Inful des heil. Eligius, im Besitz der Goldschmiedezunft in Prag. '
Ein silberner Pelikan, der seine Jungen mit dem eigenen Blute nährt,
als Symbol der sich selbst opfernden Liebe, mit 11 Partikeln von heiligen
Bischöfen, im Hallischen Heiligtume, Gang VU. 3.
Ein silberner Phönix auf dem Scheiterhaufen, als Symbol der Unsterb-
lichkeit, mit 16 Partikeln von heiligen Jungfrauen, ebd. VÜI. 36.
Ein silbern übergoldet Schiff (betakelt) mit Beziehung auf die Legende
der heil. Ursula, mit Reliquien derselben und ihrer Gefährten, auch vom Mast-
baum ihres Schiffes ; Hallisches Heiligtum VÜI. 11. — Reliquiarien in Form eines
Schiffes waren auch sonst beliebt, sowohl im Anschlufs an die Weihrauch-
Bchiffchen, als auch an einen seit dem XIV. Jahrh. häufig vorkommenden Tafelauf-
satz für Salz und Gewürze in der Form eines mit Masten versehenen Schiffchens.
Ein Schwert als Marterwerkzeug vieler Heiligen, z. B. das Schwert in
einer prachtvollen Scheide aus Goldblech über einem Holzkörper (XII. Jahrh.),
mit dessen Klinge die h. h. Cosmas und Damian enthauptet worden sein sollen, ^
im Münsterschatze zu Essen. — Der Schatz des Doms in Prag besitzt das
Schwert des heil. Wenzel (nach Bock unzweifelhaft echt) mit Griff von Eisen
und spätgotischer Scheide^ und dessen eisernen Helm, einen Topfhelm, welcher
auf dem Rande und dem herabgehenden Nasenschutze ein aufgeschweifstes
Silberblech mit einer an irische Miniaturen erinnernden Gravierung des Ge-
kreuzigten hat;* ebendaselbst befindet sich das Schwert des heil. Stephan von
Ungarn mit Elfenbeingriff und Knopf aus dem XI. Jahrh. ohne Scheide.^ Das
Schwert Karls des Grofsen befindet sich unter den deutschen Reichskleinodien
in Wien;® auch hat die Kirche St. Georg in Köln ein Schwert, welches ihr
Titelheiliger geführt haben soll, in Fassung aus dem XIV. Jahrh. ^ Überhaupt
waren Schwerter unter den mittelalterlichen Heiligtümern nicht selten: der
» Abb. Östr. Atl. LXXXVI, 1. Hierher gehören auch die nicht seltenen, meist
höchst einfachen Stäbe heilig gesprochener alter Bischöfe in ihren zum Teil sehr reichen
späteren Fassungen.
2 Abb. aus^m Weerth. Taf. XXVn, 2.
3 XL ^ Abb. Mitt. C.-K. XIV, 34 u. 33.
* Abb. ebd. XV, 14.
^ » Bock, Pfalzkap. I, 1. Pig. 61. 62; Kleinodien etc., Anhang, 53. — Eben-
daselbst das angebliche Schwert des n. Mauritius in mit Goldblech überzogener Scheide
aus dem Ende des XH. Jahrh. Abb. Bock, Kleinodien etc. Taf. XXITI. Fig. 32 u. S. 132.
' Abb. Bock, d. heü. Köhi. Taf. XLVHI, 128.
206 R^liquientafeln.
Dom in Halle besafs ein Schwert, welches LeoX. dem Kaiser Maximilian, und
dieser an Albreclit von Mainz bei Übernahme des Kardinalats verehrt hatte
(Gang I. 2). Ans dem XVI. Jahrh. stammt auch ein ähnliches Ceremonial-
schwert im Domschatze znKöln, das den dortigen Erzbischöfen als Kurfürsten
vorgetragen wurde. ^
Eine silberne Wiege mit Heiligtum von den Unschuldigen Kindlein, im
Schatze des Hallischen Domes (Gang VI. 25). — Auch im Prager Schatz-
verzeichnisse von 1387 kommt ein »parvum cunahulum aureum totum sigillatum<^
vor, und im Stadt. Museum zu Köln befindet sich eine kleine vergoldete Wiege
(XIV. Jahrh.).«
7. Reliquientafeln (tabulae). Unter der Bezeichnung ^Tafeh fassen
die Schatzverzeichnisse alle mit Flachmalereien oder Reliefs geschmückte Ta-
bleaux zusammen, in denen Reliquien enthalten waren, und die verschiedenen
Arten von gröfseren oder kleineren Flügelschreinen, die als Reliquiarien in
der griechischen Kirche vorzugsweise beliebt sind, werden zu dieser Rubrik
gezählt. Bei den gemalten Bildern umschliefst gewöhnlich ein Prachtrahmen
die Reliquien. Das Hallische Heiligtumsbuch enthält (anscheinend spätgotische)
Tafeln in grofser Menge: Goldschmiedearbeiten, Schnitzwerke in Elfenbein
und Perlmutter und Malereien, meistens in der Form von Flügelaltärchen.
Mehrere der letzteren waren auf der Aufsenseite der Flügel blofs mit Farben
gemustei-t, wie die schon oben (S. 150) in anderem Zusammenhange erwähnte
Reliquientafel zu Kirchlinde, andere auch mit Sammet überzogen etc. — Der
griechischen Kunst angehörig ist die Tafel des ^Theodolfus Abba^ von 0,45 X 0,39,
reich mit Gold verziert und über den 13 , Reliquien Christi und der Apostel
enthaltenden Feldern mit Krystallplatten bedeckt, angeblich aus dem XI. Jahrh.
im Zither des Doms zu Halberstadt No. 46. Ebenfalls griechische Arbeit ist
das bedeutendste dieser Werke, die zwischen 963 — 976 angefertigte Lade für
das zwischen 948 und 959 entstandene Siegeskreuz des byzantinischen Kaisers
Gonstantin VII. Porphyrogenitus und seines Sohnes Romanus IL, welche von
einem Kreuzfahrer bei der Eroberung Konstantinopels erbeutet und dem Kloster
Stuben übergeben, 1788 in den Dom zu Trier gelangte und sich jetzt in der
Franziskanerkirche zu Limburg a. d.Lahn befindet.^ Deutsche Nachahmun-
gen dieser Tafel sind die Reliquientafel von 1207 in St. Matthias zu Trier,* ein
Schrein von ca. 1220 zu Mettlach^ (beide mit Emaillen und Perlen u. s. w., um
die auf der Vorderseite das Mittelkreuz mit zwei Querbalken umgebenden
kastenförmigen Reliquienbehälterchen bedeckt, auf der Rückseite mit Gra-
vierangen des Salvators zwischen den Evangelistensymbolen und einem Doppel-
streifen mit Heiligen und Donatoren auf vergoldetem Kupferblech ; der letztere,
0,38 hoch, 0,29 breit und O,09 tief, auf der oberen Fläche mit bügeiförmigem
Handgriffe versehen und wohl zweifellos zum Aufstellen auf einem Altare be-
stimmt) und die 1266 von einem frater Thomas zu Ehren des heil. Martin
« Abb. Bock, d. heil. Köhi. Taf. XII, 46.
2 Vergl. Mitt. C.-K. IV, 274.
^ » Ibach, Reliquiaire byzant. de Limbourg-sur-Lalm. Paris 1858. S.A. aus
den Annales archeol. XVU, 337 u. XVm, 42. 125. aus'm Weerth, das Siegoski-euz
der byzant. Kaiser u. s. w. M. 4 TafF. u. vielen Holzschn. 1866.
^ Abb. aus'm Weerth. Taf. LXII, 1 — 1 e; Schmidt, Kirchenmöbel. Taf. 1.
* » > * Taf. LXm, 1. Vorgl. Zeitschrift f. ehr. A. u. K. I, 230 ff.
Ku&täfelchen. 207
gestiftete, aiie St. Haximio zu Trier herrührende Tafel im Dome zu Prag, von
0,73 Länge und 0,bb Breite , zum Teil mit antiken Gemmen und Kameen besetzt. *
Griechisclie Arbeit wiederum iat die 1030 von einem Graten Mangolt ans dem
Orient mitgebrachte Tafel zu DonanwOrth mit einer Kreuzpartikel , umgeben
von Em all med ai Ilona der heil. Jungfrau, Michael und Gabriel, Petrus und
Paulus, Job. Bapt. und Evang., wohl auch das hierher zn rechnende, jetzt in
Buchform erscheinende Kreuzreliquiar Kaiser Heiurichs II. (t 1024) in der
Reichen Kapelle zu M Un ch e n , * auf der Vorderseite mit gravierten Evangelisten-
figuren um die Kreuzniache , auf der Rüctueite mit Gravierungen des Agnus dei,
der Ecciesia mit der Blutschale, des Melchisedek und Aaron nud der Opferung
leaaks. Von ab endlündi sehen Kanstlern rühren dagegen her die mit Emaillen
überaus reich bedeckte sil her- vergoldete Relieftafel zu St. Paul inLavant, aus
St. Blasien im Schwarzwalde stammend, angeblich ans der 2, Hälfte des VIII.
Jahrb., vielleicht ehemals ein Buchdeckel,^ ferner 3 Reliquientafeln im Stift
Strahov zu Prag, drei aus demXIV.Jahrh.
im Münster zu Aachen etc. — Anfaer den
viereckigen kamen auch runde Reliquien-
tafeln {rotulae) vor, und zwar, wie viele
kleinere unter ersteren, von einem lench-
terähnlichen Fafse getragen: eine romani-
sche InKremsmünster,* eine gotische aus
dem XlV.Jahrh. im Münster zn Aachen.^
Zn den Reliquientafeln sind auch
die KufstUfelchen oder Pacems (ofcu/a
pacis, osculaloria, pacificaliä) zu zählen,
welche, seitdem der eigentliche Friedens-
kufs nicht mehr üblich war, den Gläubigen,
besonders den Geistlichen vor der Kommu-
monwährenddesAguusDeizQmKüsaendar- _ j^ aMohnitim KotnifeKAm mit
gereicht wurden und gewöhnlich Reliquien siUi!.riinir«hiiiaBs tn bi. ouun » «.hh
enthielten. Sie kommen aoa Elfenhein und '""
Marmor, meist jedoch aus edlem Metalle vor: von viereckiger und gewöhnlich
etwas gewölbter Form, oben bogenförmig oder mit einem Oiebeldreiecke
gekrönt, mit Reliefs aoa der heiligen Geschichte, oft mit dem Gotteslamme
geschmückt nud an der Rttckseite mit einer Handhabe versehen. — In dem
Hallischen Heiligtume (Gang I. 17. 19. 30) fanden sich auch runde Paceme:
zumeist sind aie mit ineinander rankenden Pflanzen umfafst, deren Stiele
unten die Handhabe bilden. — Kufstäfelchen ans romanischer Zeit sind selten j"
spätere gotische kommen noch vielfach vor, z. B. im Dom, in St. Gereon, St.
Ursula, St. Martin und St. Jakob zn Köln,^ auch anf Ständern ganz wie Mon-
' Vergl. Bock, in den Mitt. C.-K. XV. 16 ff., mit 2 Abb.
' Abb. Zettler u. s. w., reiche KapeUe. Bl. 10; vergl. Stockbaner, im Org. f.
ehr. K. 1873. No. 11.
" Abb. Mitt. C-K. XVIII. Taf. zu S. 162.
' . Mitt. C.-K. m, 36 u, XVin. Taf. zu S. 180.
> > Bock, Pfalzkap. I, 3. Fig. 17.
* • eines frübroraaniBchen aus Elfenbein \m v. Hefner-Alteneck, Trach-
' Abb. Book, d. iieU. KÖb. Taf. I, 3. Vm, 31. XVD, 66. XXV, 89-
208 SchaugoriTso.
Btranzen gestaltete, so die prachtvolle, von Papst Pias II. der Stadt Basel zum
Andeaken an das Konzil 1460 gestiftete, jetzt im Knnstge werbe -Hnseiuo zn
Berlin (Schrank 375).<
8. Monstranzen (matislrantlae), Schaugefäfee (o.Tföfwon'a) sind die zwar
nächst den Kästen und Büchsen mit am häufigsten vorkom-
menden, aber verhältniamäraig jüngsten Reliquienbobfiltnissc
und so eingerichtet, dafa das Heiligtum sich in einem cylin-
drtschen Gefdfae aus Krystall oder Glas befindet, und also
gesehen werden kann, wie sich demseiben Zwecke dienende
Vorrichtungen auch an vielen anderen Arten von Reliquiarien
angebracht finden : an Särgen und an den Fufsgestelien der
Bilder In Form von vergitterten Öffnungen ifeneslrellae), oder
an Kreuzen unter einem der Mitte eingeftlgten Krystall (wie
an dem oben S. 203 angeführten Bemwards kreuze zu Hildes-
heim), weshalb anscheinend in dem Prager Seh atz verzeich'
nisse von 1387 die Kreuze in der Rubrik »rfe monstranliisf
aufgeführt werden. In diesem Sinne würde man also auch
die früh romanischen Krystall flacons (in Metall gefafst und
zum Anhängen eingerichtet), wie sich deren drei ans der
Zeit Ottos 111., Reliquien enthaltend, im Zither zaQnedlin-
bnrg* befinden, sowie die mit Reliquien gefüllten Krystall-
' kreuze, wie der Schatz von St. Gereon in Köln ein solches
Flg. Ji, 8ehmg«ni(i (in noch romanisierender Form auf späterem Fufs) ' besitzt,
" '{nu"BD'k). " in die Klasse der Sehaugeftfae zu setzen haben. Indessen man
versteht unter ReÜqnienmonstranzen seit dem XIV. Jahrh.
diejenigen Hierotheken , wo ein senkrecht gestellter Krystallcy linder von einem,
dem gotischen Eelchfufse gleichenden metal-
lenen Ständer getragen und oben mit einem
Tabernakel in den mannigfaltigen Formen der
gotischen Architektur gekrönt wird. Anfser
diesen Tabernakel-Monstranzen kommen (im
Hallischen Heiligtumsbuche VI. 23 nnd VH.
1^ ' ■ »1 18) auch solche vor, wo der wagerecht lie-
I l gende Schaucylinder mit Ranken nnd Blättern
I J der Erdbeere umschlungen ist: ^Monstranzen
r" if— — mit Erdbeeren'. Andere BeiBpiclevondersowst
l L— selteneren wagerechten Fassung des Cylinders
"* " KBiiT^ BoA').°"°" " finden8ichim8chatzevonSt.UrBulaznKöIn,«
mit reichem Tabernakel au faatz im Dome zu
' Abb. Kine, T. H,, orfevrorie et ouvrapes en metal du moyen ace Bd. I. 1852,
ein Werk, das überaus reich ist an originalgrofseD Abbildmigen von MetaUarbeiten deut-
schen Ursprungs, leider durchaus olme jede Angabe der Ursprungs- oder Aufent-
» AbbUd. bei Kugler, KL Seh. I, 633 f. — In den Act. S. Quirin. (bei Du CanRe)
wird erwähnt eine »quadrangulari» argentea, ut vocant, moetralia, in qua eub vitro
cryslattitw eruor . . . inclusu» continrtuT'. Torgl. Texier, a. a. O., Sp. 1199.
ä AbbUd. bei Bock, d. heil. Köhi. Tat. I, l.
' > ebd. Taf. VI, 25. Vm, 29.
Reliquien -Monstranzen und QlSser. 209
Prag,* im Privatbesitze zuMainz^ und besonders prächtig das 1444 von Hans
Lauffer zn Lüneburg gearbeitete Bflrgereidskrystall ans dem Lttneburger Silber-
schatze, jetzt im Knnstgewerbe-Musenm zu Berlin (Schrank 377, No. 2). Statt
des senkrecht stehenden Cylinders kommt auch zuweilen eine auf den Rand ge-
stellte kreisrunde Krystallkapsel vor, so im Dome zu Prag oben mit Kruzifix,'
in der Schatzkammer der Wiener Burg auch über reich gegliedertem Ständer
und Knauf eine viereckige Krystallkapsel , von einem grofsen, unten breiteren
Krystallringe umgeben, auf dem eine kufische Inschrift eingeschnitten und oben
ein Kruzifix befestigt ist. ^ Auch Monstranzen mit 2 oder 3 Krystallen nebeneinan-
der kommen vor, sie werden im Würzburger Heiligtumsbuche ^zwie/altige^ und
^dreifaüige^ genannt. Wir verweisen aufserdem unten auf Abbildungen von
gewöhnlichen einfachen Monstranzen in mancherlei Formen zu Kö In, ^ im Dom-
schatze zu Aachen^ und zu Prag,^ zu Vallendar^ u. s. w. und von reiche-
ren mit mannigfachen Tabernakelkrönungen und Statuetten zu Köln,* zu El t-
ville,** zuFrankfurt a. Main im Dome** und der prachtvollen, 1513 — 1515
von Lukas von Antwerpen in Donauwörth angefertigten, mit dem Stammbaum
Jesses am Fufse, im Besitze des Fürsten von Öttingen zu Wallerstein.**
Allerlei mehr oder minder wertvolle Gefäfse, Geräte und Geschirre aus
Stein, Glas, Metall etc., welche im kirchlichen und häuslichen Gebrauche sonst
zur Aufnahme von Flüssigkeiten dienen, als Schalen und Becken (so die
sogenannte Trinkschale des heil. Ulrich im Stifte zu Melk,*' eine Kürbisschale
in Silberstreifen gefafst, innen mit Silber ausgeschlagen, die sehr ähnliche des
heil. Heribert zu Deutz*^ von Holz in einen spätgotischen Ständer gesteckt
und als Giborium verwandt, die des heil. Lutwin von Kokosnufs auf 3 sil-
bemen Adlermngen in der Pfarrkirche zu Mettlach, eine 1350 von Kaiser
Karl IV. geschenkte Onyxschale im Dome zu Prag *^ und der angebliche Kelch
des heil. Procop aus rotbraunem Achat im Kloster Sazava in Böhmen), Glä-
ser (so ein orientalisches ehemals für Erde aus dem heil. Lande im German.
Museum,*' die sogenannte Lampe der heil. Kunigunde im Dome zu Bam-
berg,*^ ein Glaspokal mit dem Brustbilde Karls d. Gr. als Deckelknopf aus
dem Xni. (?) Jahrh. im Zither des Domes zu Halberstadt No. 68, ein Krystall
aus dem XIV. Jahrh. im Dome zu Prag,*' eine Krystallschale mit einem Dom
von der Domenkrone in der Burgkapelle zu Würzburg von 1519,*' ein Glas in
« Abb. östr. Ati. LXXXTX, 3.
2 » Becker- v. Hefner. m. Taf. 21.
3 » Östr. Atl. LXXXVn, 9. LXXXVm, 10.
* » ebd. LXXXVn, 7.
* » Bock, d. heil. töhi. Taf. IV, 20. Vm, 33. X, 41. XTV, 55.
• » » Pfalzkap. L2. Fig. 23—25. 27. 36—38. 49. 63.
' » östr. Atl. LXXXVm, 5. 18.
• au8*m Weerth. Taf. L, 8. 9.
» Bock, d. heü. Kök. Taf. XV, 57. XVI, 61. 62. XX, 76. 78. XXI, 80.
» Photogr. Frankfurter Ausstellung. Taf. 49.
'» Ebd. Taf. 50.
*' Photogr. Münchener Ausstellung. Taf. 75.
" Mitt C.-K. XVn, CLXXI, m. 2 Abb.
" aus'm Weerth. Taf. XTJT, 7 u. 7 a.
» Östr. Ati. LXXXrV, 4.
" K.-G. 169. Abb. Katalog. Taf. 16. " Becker- v. Hefner. m. Taf. 37.
» Östr. Ati. LXXXVI, 2. « Becker- v. Hefner. I. Taf. 3.
Otte, Kanat- Archäologie. 6. Aofl. 14
210 Beliquiea-Ooschiire und Homer,
der Franziekanerkirche zu Wien*), Becher (so der sogenannte Pokal Hein-
richs II., zu einer Art von Henkelkelch aptiert, in der Reichen Kapelle zn U (In-
chen* and der schSne Apollo niabecber im Stift Herzogenbnrg in Österreich,
schon inRenaisBanceformeu^), Flaschen (so eine bauchige von grünem Glase
mit der Statuette der heil. Katharina fUr das aus einem Knochen derselben
fliefBcnde wnnderthätige öl iuGr&frath*}, Kannen (z. B. dieO,ig hohe Kry-
stallkanne mit einem Fragment vom Abend mahl stischtuch im Dome zu Prag'
und die silberne Kanne der heil. Elisabeth von 1237 im fürBtlicben Besitze zu
Braunfels*) n. s.w. Dergleichen kostbare Profangeräte waren sehr wahr-
scheinlich häufig Geschenke an die Kirchen^, und da man sie hier nicht be-
nutzen konnte, wandte man dieselben als RcHquiarien an nnd richtete sie
erforderlichen Falls zu diesem Zwecke ein, indem man offene Gläser und
Becber mit Deckeln versah, gläserne auch zum Schutze mit ornamentierten
Metallreifen umlegte. Prachtkelche, die man aus dem vorhandenen Vorrate
zu Reiiquiengeßtrsen erwählte, verdeckte man mit der dazu gehörigen Patene,
und brachte zuweilen mehrere Scheidewände nnd Fächer im Innern derselben
anetc. Die HeiligtumsbUcher enthalten viele Beispiele. — Auch andere ur-
sprünglich zu liturgischem Gebrauche bestimmte Gefäfse kommen als Reli-
qniarien vor, z. B. Tauben. *
Die in Kirch enschätzen vorfindlichen BlashOroer* sind wohl ebenfalls
gröf^tenteils profanen, die älteren
sicher orientalischen Ursprungs
und wurden von ritterlichen
Pilgern und Kreuzfahrern als
Kriegs- nnd Jagdbömer mit in
die Heimat gebracht und nach
deren Tode in den Kirchen nie-
dergelegt. Die durch Stoff und
Schnitzereien wertvolUten sind
die grorsenElfenbeinbOmer, die
ans dem vorderen Teile eines
Elephantenzahns bestehen, z. B.
das Jagdhorn Karls des Grofsen
PI,. TS. R.ü,.d«,hon.in8t.s.«rin«KBir(«ti.Bo.k). 1™ Münster ZU Aachen (angeb-
lich Geschenk des Hamn-al-Ra-
schid), zwei andere im Domschatze zu Prag, sowie in der Ambraser -Samm-
lung zuWien, drei im Kuns%ewerbe-Musenm zu Berlin(wahrscheinlich auch
' öatr. Atl. XCVm, 8
> Beokor- v. Hefner. m. Taf. 9. Zottler etc. Reiche KapeUe. Taf. 17.
' Abb. V. Sackaii, Arnhäol. Wegweiser durch Nied.-Öeterreioh. n, 50,
• ans'm Weortli. Taf. XLI. Fig. 8.
' Abb. Mitt. C.-K. Xrv, 32.
• aus'm Woerth. Taf. UH, 9. Becker- v. Hefner. m. Taf. 11.
' Im Würzbm^r Heiligtume z. B. befand sich ein Becher, den die »IVuWn von
Bolkenbarg' geschickt hatte. VeigL Niedermayer, a. a. 0., 241.
• Vergl. Augusti, Denkwürdigkeiten eto. XÜ, 355.
• Verel. Bock, Fz-, über den Gebrauch der Homer im Altert, und das Vorkom-
men gescnmtzteT EUenbeinhomor im Hittelalter, in den Mittel. Kmistdenkm. d. öst.
Kaiserst, her. von Heider etc. H, 127—143 u. Taf. XXV.
Reliquien -Homer und Kleinodien. 211
ans Eirchenschätzen, z. B. dem Dome zu Speier herstammend, das gröfste
polygen mit arabischer Inschrift, die beiden etwas kleineren ganz mit roma-
nischem Bestienornament überzogen), ebenfalls drei orientalische im Herzogt.
Musenm zu Braunschweig, No. 107 — 109, darunter No. 107 mit dem Aachener
fast genau übereinstimmend, und im Dom daselbst eins, das alsHom des heil.
Blasius bezeichnet wird, und das sogenannte Jagdhorn Heinrichs des Löwen.
Öfters verwandelte man kleinere Hörner dieser Art durch Anbringung von
Füfsen, eines Deckels etc. in Reliquiarien: im Dom zu Hildesheim das Hörn
eines Auerochsen,* in St. Severin zu Köln ein Kuh- oder BüfTelhom,^ zu
Kornelimünster ebenfalls ein BttfTelhom.' Das Bamberger Heiligtumsbuch
(Gang VI) zeigt mehrere solche -»gezierte Hörnern,
Ein sehr merkwürdiges Beispiel solcher ursprünglich zu ganz weltlichem,
manchmal vielleicht sogar recht unheiligem Gebrauche bestimmten und viel-
leicht nur zur Sühne der Kirche gestifteten Geräte, die als Reliquienbehälter
ihrer Kostbarkeit halber Verwendung fanden, ist das wahrscheinlich orienta-
lische Brettspiel, dessen Felder aus Jaspis und Bergkrystall zwischen Silber-
streifen bestehen, und das 1852 in der Mensa des Valentinsaltars in der Stifts-
kirche zu Aschaffenburg als Reliquienbehälter gefunden wurde.^ Hier dürfte
auch die ehemals in Enger, nachher in der Johanniskirche zu Herford, jetzt
im Kunstgewerbe-Museum zu Berlin befindliche sogenannte Trinkschale Witte-
kinds zu erwähnen sein, eine Schale von grünem Marmor in Fassung von ver-
goldetem Kupfer mit kurzem Griffe, auf dem eine Silberplatte mit maurischem
Nielloomament und mit der Umschrift ^munere tarn claro ditai nos Äfrica
rttro€j das Ganze in einem Holz^tui mit kufischer Inschrift und auf dem Deckel
T^de Africa^.
10. Kleinodien. — Im Hallischen Heiligtumsbuche kehrt die allge-
meine Bezeichnung T^cleinoH für solche Reliquiarien aus edelem Metall öfter
wieder, die sich sonst nicht bestimmter benennen liefsen, z. B. Gang I. 19:
-^Ein silbern cleinot und vberguU gestalt wie ein ApfeU\ oder Gang IX. 6 : ȣm
silbern vbergult cleynodj vnd oben eingefassie Perleinmuttem von einem blatt-
losen Baum, der zwischen seinen dürren Ästen ein unförmlich gerundetes
Nest (?) trägt, aus dem ein Tier hervorsieht. — Besonders sind es viele klei-
nere Reliquiarien, welche man unter diese unbestimmte Rubrik zu setzen ge-
nötigt ist, z. B. die T^Hpsanotheca mariana^^j in Form einer Halbkugel von Sil-
ber, welche (ohne den späteren Fufs) für das älteste Heiligtum des Doms zu
Hildesheim gilt und von Ludwig dem Frommen herrühren soU;^ oder das
sogen. A Karls desGrofsen im Schatze der Kirche zu Conques, ein Reliquiar,
welches ursprünglich die Form dieses Buchstabens hatte, in späterer Zeit aber
viele Zusätze erhalten hat. ^ — Vorzüglich gehören hierher die mit Reliquien
* Abb. Kratz, a. a. 0., Taf. m, 2.
» * Bock, d. heU. Köhi. Taf. XU, 115.
3 » aus'm Weerth. Taf. U, 2.
* » Becker- v. Hefner. IL Taf. 62—65.
» » Kratz, a. a. 0.. Taf. IE, 1.
* Vergl. Texier, a. a. Ö., Sp. 24. — Dieses A kann als Repräsentant einer gan-
zen Gattung gelten, denn auch im Prager Inventarium von 1387 wird eine »lamt'na
argentea deaurata od tnodum lüerae* angeführt, und in Frankreich kommt au&er
einem doppelten F ein M im Museum des Louvre vor; vergL Didron, Annales archeol.
14*
212 Agraifen,
auBgeBUtteten Agraffen (.motäU, morsut, fibula, pectorale), die teils aU
SchmQck den oben (S. 199) erwähnten Brastbildem nmgehtliigt, teils bei
Prozeeeionen als Hantetachliefsen der Plnvialien vor der Brust getragen wur-
den nnd zum Teil die höchste Pracht entfalteten, z. B. im Aachener Dom-
schätze eine in Gestalt eines Vierpasses ans dem XIV. Jahrhandert (Fig. 74} *
Pl^. ». Agnffa ID Auhm (DUb lu'm WMrtti).
— eine viereckige ans dem XV. Jahrhundert* nnd ebe in Form eines Drei-
passes;' im Kunstgewerbe -Mnse um zn Berlin die 1484 fdr den Dom sn Min-
den vom Goldschmied Reineke yam Dressche gefertigte;* im Grofsherzogl.
Mnsenm zu Darmstadt eine grofse knpfer vergoldete mit der hell. Agatha;* in
Frankfurt a. H. Im Dom eine prflchtlge silberne mit den in Silber getriebe-
nen Statuetten des heil. Bartholomäus, Joh.Bapt. nndMargareta;* zu Lelpsig
XVI, 234 n. 139. Jedenfalls hfingt die Entatehung dieser Beliquisrien mit der Sage
zusammen, dals Xail der Orofse so viele Kirchen gebaut, wie Buchstaben im Alpha-
bet sind, und joder einen goldenen Buchstaben geschenkt habe; vergl, Königs-
hoven, Chronit, herauagegeb. von Schilter, 103.
' Abb. aus'mWeerth. Taf. XXXVm. Fig. 10; Bock, PWzkap. I, 2. Fig. 28.
» u. ' Abb. bei Boot, a. a. 0-, Fig. 39. 53.
' Becker- v. Hefner. H. Taf. 1.
' Ebd. I. Taf. 12.
• Fhotogr. Fnmkfurler Ausstellung. Taf. 39.
Raritäten. 213
in der Sammlung Felix zwei, daranter eine silberne mit Niellen noch in roma-
nischem Stil,^ und in der fllrstl. Eunstkammer zu Sigmaringen zwei aus
der zweiten Hälfte des XV. Jahrb., die eine mit doppeltem, edelsteinbesetzten
Laubrande von Silber, die andere von vergoldetem emailliertem Kupfer.'
11. Kuriosa und Raritäten, besonders naturgeschichtliche, die aus
fernen Ländern von Pilgern mitgebracht und zur Heranziehung des Volkes in
den Kirchen aufbewahrt, auch nach Umständen als Reliquienbehälter nutzbar
gemacht wurden.
Besonders beliebt waren Straufseneier und zwar schon seit dem IX.
Jahrh. ' Im ehemaligen Dome zu Goslar hing ein solches Ei an einer Kette,
und den Berichten der Reisebeschreiber zufolge hängt in den Kirchen der
afrikanischen Natronklöster die ganze Decke voll Straufteneier. Im Mittelalter
bediente man sich derselben häufig als Reliquiengefäfse in Pokalform, durch
HinzufQgung eines silbernen Fufses und Deckels. Wittenberg und Halle be-
safsen viele dergleichen, und im Zither zuHalberstadtfinden sich noch jetzt
zwei. — Auch Kokosnüsse kommen in gleicher Verwendung vor (z. B. im Dom-
schatze zu Kammin und in der heil. Kreuzkirche zu Hildesheim von 1500).
— Der Dom zu Mainz besafs (zu Anfang des XIII. Jahrh.) ein Gefäfs aus
Smaragd in Form einer halben Melone: man füllte es mit Wasser, setzte
«tliche kleine Fischlein hinein, verschlofs es mit einem Deckel und hängte es
mit zwei goldenen Ketten an der Pertika mitten unter den Reliquien auf, und
wenn es sich nun (durch die Fische) bewegte, behaupteten »^'mp//ce^e/t;eA«/a^«,
der Stein sei lebendig.^ Auch die fabelhaften Greifenklauen durften in den
Kirchenschätzen selten fehlen: es waren wohl meist die oben (S. 211) er-
wähnten Homer, die man mit Tierfülsen versah und mit Reliquien füllte;^
das Wittenberger Heiligtumsbuch zeigt mehrere. Die im Braunschweiger
Dome aufbewahrte sogen. Greifenklaue scheint das Hom einer Antilope zu
sein. — Vorsintflutliche Knochen finden sich in derKilianskirchezuHeil-
bronn, in der Klosterkirche zu Alpirsbach und in den Domen zu Halber-
stadt und Braunschweig; eine Wallfischrippe ^ in der Nikolaikirche zu
« Photogr. Katalog. Taf. XUI u. XIV.
« Abb. v. Hefner-Alteneck. Taf. XIX u. XLVm A.
3 Schon Papst Leo IV. schenkt einer römischen Kirche *duo ova struthuheame-
2orum<^ (Anast. Biblioth. vitae Rom. pontif. Leo IV. a. Chr. 847). Vergl. Bock, in
den Mittelalter!. Kunstdenkm. etc., a. a. 0., 142. — Daran dus 1. 1 c. 3 n. 42: *In
nonnuUis eccleaiis dao ova struHonum et hujusmodi, qwie tidtnirationem inducunt
et quae raro vtäentur, cotumeverant auapendi, ut per hoc popvlus ad ecclesiam
trcAatur et magis afficicUur.*
* Ohronicon Christiani ep. bei Jaffe Mon. Mo^. p. 680.
^ Von dem S. 211 erwähnten auf 8 Oreifenfülsen stehenden Home zu Komeli-
münster sagt die Legende, es sei die Klaue eines Greifen, der dieselbe aus Dank fiir
die Heilung von der fallenden Sucht zu den Fülsen des h. Cornelius habe niederfallen
lassen. Auch Homer des fabelhaften Einhoms wurden mehrfach gezeigt, so zu Stralsburg.
• In der Schlofekirche zu Wittenberg waren noch tun die Mitte des vorigen Jahrh.
zwei Wallfischrippen in Ketten hangend vorhanden, und F ab er (die SchloCäk. zu Wit-
tenberg, 230) bemerkt dazu: Als im J. 1831 im Lande Usedom bei Damerow ein
froüser Wallfisch gefangen wurde , schickten die Herzoge von Pommern Wunders halber
oie Rippen nach Wittenberg, Brandenburg, Stralsuna und anders wohin. In St. Jo-
hiumis zu Lüneburg hing bis 1814 (seitdem im Stadt. Museum das.) das Schulterblatt
eines Seetiers, welches mr daqenige des Riesen Ooliath ausgegeben wurde.
214 Heilige Qefälse.
Jüterbog; eine grofse Schildkrötenschale in den Domen zu Merseburg
und Brandenburg; ein 70 Pfd. Bchweres Stück von einem im J. 1492 ge-
fallenen Meteorstein (260 Pfd. an Gewicht) liefs König Maximilian im Chor
der Pfarrkirche zuEnsisheim im Elsafs aufhängen; ein Alraun (die Wurzel
der Bryonia alba) in der Sakristei der Blasiuskirche in Nordhausen u. s. w.
b. Heilige OefiUae.
39. Unter heiligen Oefafsen {vasa sacra) im weiteren Sinne werden
alle diejenigen Oefäfse und Geräte verstanden, welche bei der Liturgie
gebraucht werden, als Kelche (mit ihrem Zubehör), Patenen, Hostien-
büchsen, Gefafse zur Aufbewahrung der Eucharistie (Ciborien und Mon-
stranzen), Mefskännchen und Giefsgefafse, Weihrauchbecken und Schiff-
chen, Gefafse für die heiligen öle, Mefsglöckchen und Weihwasserkessel:
sämtlich Erzeugnisse der Kunst oder doch des Kimsthandwerks, nament-
lich aber Arbeiten des Goldschmieds.
Vasa Sacra im engeren Sinne sind nur diejenigen, die durch ihren Ge-
brauch in unmittelbare Bertthrung kommen mit den konsekrierten Species im
heiligen Abendmahl: die Kelche und Patenen mit ihrem Zubehör und die
Gefafse von verschiedenen Formen, welche zur Aufbewahrung der Eucharistie
dienen (vasa et insirumenia eucharistica). Allein der Bischof hat das Rechte
dieselben nach bestimmten Vorschriften zu weihen^ weshalb sie im späteren
Mittelalter mit einem eingravierten Weihekreuze (jsignacutum) bezeichnet
wurden, wie dasselbe, insgemein in einen Kreis gezeichnet, und dem heral-
dischen Tatzenkreuze entsprechend, an dem Fufse der eigentlichen Mefs-
kelche und auf dem Rande der Patenen regelmäfsig erscheint. Zuweilen
nimmt an den Kelchfüfsen ein Crucifixus die Stelle des Signaculums ein. ^
Mittelalterliche Altarge&fse haben sich noch vielfach erhalten, obgleich
die aus edlen Metallen verfertigten durch die Stürme der Zeiten oft zu
Grunde gegangen sind. Auch in sehr vielen alten, jetzt protestantischen
Kirchen findet man noch mittelalterliche Abendmahlsgefäfse im geschätzten
Gebrauch, während leicht erklärlich die übrigen, für den evangelischen
Kultus entbehrlichen Geräte gröfstenteils nicht mehr vorhanden sind.
40. Das ehrwürdigste imd in jeder Beziehung bedeutendste unter
den heiligen Gefafsen ist der zur Konsekration und Ausspendimg des
Weins im heiligen Abendmahle dienende Kelch (ca/te),* welcher schon
* Das Signacolum bezeichnet am Kelche die Seite, wo der Me&priester den Mund
ansetzt und nach der Kommunion die Ablutio yomimmt, an der Patene die Stelle^
wo sie angefa&t wiid. Vergl. Bock, Fz., das heü. Köln. St. Gereon, 21.
' Dougthaeus, J., de calicibus eucharisticis vet. Ghristianoram , ed. Faesius.
(Bremae) 1694. — Giefers, W. Eng., über den Altar-Kelch. (Paderb.) 1856. —
TVeifB, C, Übersicht der Entwickelung des Kelches im Mittelalter (als Einleitung der
Beschreib, des roman. Speisekelches des Stiftes Wüten in Tirol), im Jahrb. C.-X. lY,
3 — 24. — Vergl. auch Didron, Annales archeol. XIX, 143 — 151. — M(eurer), Mittel-
alterliche Büderkeldie, im Chr. K.-Bl. 1S75. No. 4 u. 5.
Kelch. 216
Tor der konstantmischen Zeit oft, und seit dem IX. Jahrhundert, mit
seltenen Ausnahmen, stets vorschriftsmäfsig aus edlem Metall verfertigt
und bereits in alter Zeit künstlerisch ausgeschmückt wurde. Derselbe
besteht aus drei Hauptteilen: Pufs (pes), Knauf {nodusy pomellum) und
Becher (cuppa) und ist in verschiedenen Perioden in den Einzelformen
und Ornamenten verschieden gebildet worden.
In der alten Kirche legte man kein besonderes Gewicht auf das Ma-
terial, aus welchem die Abendmahlskelche gefertigt waren ; neben hölzernen
und gläsernen kommen aber schon im in. Jahrh. Kelche aus edlen Metallen
vor: denn nach Augustinus c. Crescent. 1. 3 c. 29 wurden unter Diokle-
tians Regierung zwei goldene und sechs silberne Kelche aus der Kirche zu
Cirta in Afrika weggenommen und konfisciert. Erst seit dem VIII. Jahrh.
finden sich kirchliche Verbote gegen den Gebrauch von Kelchen aus ge-
wissen Stoffen. So verbot das Konzil zu Nicaea 787 Kelche und Patenen
T>de comu bovis , guod de sangiäne sunH^^ und das Konzil zu Rheims 813
erteilte c. 6 die bestimmte Vorschrift: ^Calix domini cumpaiena, si non ex
auro ex argenio fiat^^ liefs aber den Armen zinnerne Kelche nach und ver-
bot (aufser hölzernen und gläsernen) die von Kupfer und Messing verfer-
tigten Kelche aus Gesundheitsrllcksichten , wenn sie nicht von innen und
aufsen stark vergoldet würden.* Piatina (de vitis pontif. Colon. Ubior.
1600 p. 25) erzählt schon von dem um 200 lebenden P. Zephirinus: -»Siatuit,
ut consecratio divini sanguinis in viireo vase, non auiem in Hgneoy ui antea^
fiereH] fügt aber unter Bezugnahme auf die Konzile von Tibur (811) und
das erwähnte von Rheims erläuternd hinzu, dafs in der Folgezeit Kelche aus
Holz (propier raritaiem)j aus Glas (propter fragilitatem) und aus gemeinem
Metall {oh tetrum sqporem) verboten worden seien. Gläserne Kelche und
Patenen haben sich natürlich aufserordentlich selten erhalten. Reste von
solchen mit eingeschmolzenem Bildwerk aus der sog. Krypta der Kapelle
Mariä-Läng in Regensburg befinden sich im Bayr. Nat.-Mus. zu München.'
Ob die einander sehr ähnlichen aus geschliffenem grünlichen Glase mit ein-
geschliffenen Löwen und Adlern in sehr rohen Formen verzierten sogenannten
Hedwigsbecher aus dem XIU. Jahrh. in Breslau, Krakau und Nürnberg
als Kelche anzusehen sind oder wirklich aus dem Besitze der heil. Hedwig
stammend, später zu Reliquienbehältem und Ciborien umgewandelt worden
sind, mufs dahingestellt bleiben.^
Dem kostbaren Material entsprechend war der Schmuck der Kelche
mit Edelsteinen, und schon Ghry sostomus (Homil. 51. in Matth.) erwähnt ein
noT^Qiof xQwovyxal hOox6lXf]Tov, einen goldenen mit Edelsteinen besetzten Kelch ;
bedeutungsvoller war der beiTertullian(de pudicitia c. 10) vorkommende
Schmuck eines (vermutlich gläsernen) Kelches mit dem Bilde des guten
> Godard^ Cours d'archeologie sacree. n, 242; vergL Weifs, a. a. 0., 6.
* Augusti, Denkwürdigkeiten. XII, 28, nach Canisii, Monum. eccL IH, 899.
3 Vergl. C. Friedrich, Glaskelche und Glaspatenen, in Wartburg. YI, 147 ff.
* Die im Museum zu Breslau abgeb. bei Lucns, Stilproben Fi^. 16^ die Krakauer
bei Essenwein, Krakau, 160. 161, die Nürnberger von Essenwein, im Anz. G. M.
1877. No. 8, mit 4 Abb.
216 Bilderschmuck der Kelche.
Hirten. Im Mittelalter bis ins XIIL und XIV. Jahrh. waren bcBonders am
Becher und Fufse der Kelche bildliche, emaillierte oder niellierte, meist
gravierte, aber auch Relief- Darstellungen aus dem alten und neuen Testa-
mente mit Beziehung auf den Opfertod Christi und dessen Vorbilder beliebt,
insonderheit sind es am Fufse die Scenen der Verkündigung, Geburt, Kreu-
zigung und Auferstehung Christi, zwischen welche statt der alttestament-
lichen Typen häufig die vier Evangelisten oder ihre Zeichen gruppiert sind
— am Knauf und dessen Zapfen die Evangelistenzeichen mit dem Agnus dei
und wohl auch dem Pelikan, am Becher aber gern die 12 Apostel. Doch
ist die Auswahl auch oft eine andere. An einem Kelche zu Kolditz fin-
den sich am Fuise die Geifselung, Kreuztragung und Kreuzigung und
daneben die Auferstehung, Himmelfahrt und mc^festas domrUj an einem in
der Paulikirche zu Brandenburg die sechs Werke der Barmherzigkeit,
an dem zu St. Peter in Salzburg das himmlische Jerusalem mit den 12
Aposteln über den Thoren und am Becher 12 Repräsentanten der alttesta-
mentlichen Erwartung, um den Knauf aber die Schlange geschlungen, deren
Schaden zu heilen nach der Inschrift des Kelches das heil. Blut bestimmt
ist. 6 Propheten befinden sich auch am Becher des Kelches zu Werdau
in Sachsen, und am Knauf eines zu St. Zeno bei Reichenhall die 8 Selig-
preisungen. Später finden sich auch allerhand Heilige ein, so schon am
Becher des Lambach er Kelches aus dem Anfange des XIIL Jahrh. der heil.
Kilian, nachher immer zahlreicher, und gegen Ausgang des Mittelalters macht
sich die Marienverehrung auch an den Kelchen, wie in den Inschriften, so
auch im Bildschmuck geltend , nicht nur in so bescheidener Form wie die
Marienstatuette als Signaculum auf dem Kelche zu Mjlau im sächs. Vogt-
lande, sondern an dem Prachtkelche im Herzogl. Museum zuBraunschweig
aus dem XV. Jahrh. erscheint die Geschichte der Maria in 6 Medaillons von
der Verkündigung bis zu ihrer Krönung und an dem zu Mariasaal in
Kämthen von 1466 ist sie an der Cuppa in der Glorie mit Heiligen graviert,
an dem Kelche zu Mut sehen in Sachsen von 1513 erscheint sogar der
Richtung der Zeit gemäfs die heil. Anna selbdritt. Den einzelnen, oft von
erklärenden Inschriften begleiteten Bildern dieser coUices imaginati gab
man gewöhnlich die Form von Medaillons, die man in der Regel so ordnete,
dafs der obere Rand des Bechers oder doch die Stelle des Randes, an die der
Trinkende den Mund zu legen hatte, von jeglicher Verzierung frei blieb.
Später beschränkte man sich mehr auf blofses Ornament, das, wie auch schon
filiher, vorzüglich den Knauf bedeckte. Eine unverhältnismäfsige Gröfsen-
entwickelung und Schmückung erhielt den Knauf insonderheit bei den Re-
liquienkelchen, indem Reliquien, die zu mehrerer Erhöhung der Würde
sogar dem Kelche beigegeben wurden, zumeist in dem Knaufe untergebracht
wurden, und um sie sichtbar zu machen, den Knauf allmählich zu einer
kleinen durchbrochenen oder mit Krjstallscheibchen geschlossenen Kapelle
mit Strebebogen, Fialen, Heiligenstatuetten u. s. w. entwickelten. Schon
im Vin. Jahrh. kommen am Rande des Fufses auch ringsum laufende In-
schriften vor, die über die Donatoren Auskunft geben; anderwärts findet
man sie auch im Innern des Fufses angebracht; solche Kelche hat man
cälices liieraii genannt. — Unter Pontifikalkelchen versteht man be-
sonders wertvolle und schmuckreiche Prachtkelche, welche, im Gegensatze
Speisekelche. 217
zu den einfachen caiices /Males y nur bei festlichen Veranlassungen, bei
bischöflichen Messen etc. gebraucht werden. — Grabkelche sind die-
jenigen, welche man den Bischöfen mit in das Grab legte: sie waren mit
seltenen Ausnahmen nur klein, dünn und ziemlich wertlos, selbst von Zinn. ^
— Reisekelche sind (mit Rücksicht auf die Tragaltäre) sehr klein und
wurden auch des bequemeren Transportes wegen zum Auseinandernehmen
eingerichtet.' — Spülkelche sind solche, aus denen der Priester nach der
Kommunion die Ablutio zu nehmen hatte. ' — Als einzig in seiner Art er-
scheint der St. Johanniskelch in der Dominikanerkirche zuRegensburg
(eine Kokosnufsschale auf kupfer-vergoldetem Ständer aus dem Anfange des
XIV. Jahrb.), der sich als zu dem am 27. December gefeierten Trinken der
St. Johannisminne bestimmt durch seine Inschrift: Trinckd Sent Jhans min
dazju bol geling ausweist.^
Anmerkung. Vor der EinfUhrung der Kelchentziehung, und so lange
auch den Laien die heil. Kommunion unter beiderlei Gestalt gespendet wurde,
was an manchen Orten noch sehr spät und in einzelnen französischen Klöstern
selbst bis ins XVIU. Jahrb., ^ im allgemeinen indefs nach dem XIII. Jahrb.
nicht mehr geschah, waren zwei Arten von Kelchen gebräuchlich: die gewöhn-
lichen kleineren Altarkelche, in denen der Priester den Wein konsekrierte,
und gröfsere, zur Austeilung bestimmte Speisekelche (caiices ministeriales),
welche mit Wein gefüllt wurden, dem der Diakonus nach der Konsekration
und Kommunion des Priesters das Blut des Herrn aus dem Mefskelche hinzu-
mischte. Diese Speisekelche waren so grofs, dafs man dieselben zum beque-
meren Tragen mit zwei Henkeln versah, weshalb sie auch Henkelkelche
(caiices ansati) genannt wurden. So besafs noch zu Anfange des XIH. Jahrb.
der Dom in Mainz zwei goldene, mit Edelsteinen geschmückte Kelche von der
Gröfse, dafs sie zum Konsekrieren nicht brauchbar waren: der kleinere wog
mit der Patene 18 Pfund, und der gröfsere hatte zwei Henkel, welche, ähn-
lich wie bei den Mörsern zum Stofsen von Pfeffer und Salz, die Hände des
Hebenden ausfüllten. Dieser Kelch fafste einen halben Sestarius Wein, war
eine Elle hoch, und nicht jedermann vermochte ihn bequem von der Erde zu
erheben.^ Solche Kelche waren indefs sicherlich nur im Besitz der reichsten
Metropolen, dienten auch lediglich als Schaustücke zur Ausstellung auf den
Altären und gehören mithin zu der Gattung der bereits oben (S. 210) erwähn-
* Der Grabkelch des Erzbischofs Poppe von Trier (f 1047) ist zwar nur 0,o5 hoch,
aber von Gold. Der schöne in Silber getriebene des dortigen Erzb. H. von Finstingen
(t 12S6) ist dagegen Ooir hoch, und der Durchmesser der Cuppa beträgt am ausge-
bogenen Rande 0,io5. Vergl. die Abb. von 6 Grabkelchen des XI. — XTv. Jahrh. aus
dem Dome zu Trier in natürlicher Gröföe bei vonWilmowsky, Grabstätten. Tai IH.
^ Abb. eines äulserst kompendiösen aus dem XIY. Jahrh. zu Elostemeuburg, im
Östr. Atl. XVm, 4.
» Als einen solchen sieht Bock (Mitt. C.-K. XTV, 21) die von Karl IV. gestiftete
Onyxschale im Dome zu Prag an (s. oben S. 209).
* Verffl. Jakob, 190.
* Goaard, a. a. 0., Ü, 243; vergl. "Weifs, a. a. 0., 4. Von deutschen Klöstern
berichtet der Merseburger evang. Bischof Georg von Anhalt 1534 (opp. 1550 fol.
350), dals es noch zu seiner Zeit im Kloster Kolbigk in Anhalt so gehalten worden
sei, und dals er Gleiches auch in Lehnin und Walkenried gesehen habe.
^ Chiron. Christiani ep. bei Jaffe, a. a. 0., 683.
218 Speisekelche.
ten zu Reliquienbehältern nmgew&ndelten Kelche. ■ — HeDkelkelche sind nnr
noch sehr selten erhslteo: im Schatze des Stiftes St. Peter za Salzburg eiu
Speisekelch aus dem XIII. Jahrb., durch FormenBcbönbeit und bedeutsamen
Schmuck (b. S. 216)anBgezeichnet,*itnd im Stifte Wilteo iuTyrol ein solcher
Fl(. 7E. HlBlaUrialtalall n Wllt« <nuta WtUt).
(auB vei^oldetem Silber, am oberen Rande von 0,14 Durchmesser und mit der
Patene 7 Pfd. 3 Lt. schwer), der ganz mit gravierten und niellierten Darstel-
lungen bedeckt ist nnd inscbriftlich ans dem 9. Decenninm des XII. Jahrb.
stammt.* In der Form Obere instimmend ist ein mit Edelsteinen und Perlen
geschmflckter Speisekelch aus vergoldetem Silber von 0,20 Hdhe bei 0,1T
Durchmesser im Fufs nnd in der Cnppa im C istercien sc r ■ Nonnenkloster
Marienstern bei Kamenz, der an der Cnppa 6 Reliefmedaillona aus der Ge-
schichte Christi von der Verkttudignug bis zur Himmelfahrt, an den Henkeln
und am Knaufe Pflanzen- nnd Bestien-Ornament in durchbrochener Arbeit
zeigt, am Fufbe aber unter dem Salvator mit den Evangelistenzeicben, der
Maria, einem Engel nnd einer Heiligen mit Palme, die Familie der ihre eigenen
oder die Seelen ihrer Ter8torl>enen Kinder in den emporgehobenen Armen
darbringenden Stifter in 2 Gruppen, zwischen denen Christus mit den Aposteln
Anhalt, a. a. 0., von dem gro^D Henkelkolche, den
_ 1 Merseburg geschenkt hatte.
• Phot Münchener Anaat Taf. 105. Fig. 2. Östr. Ätl. IUI, 3. — VergL K. W.
in Mitt. C.-K. TTD, 34 ft.
" Phot. a. a. 0., Bg. 5: östr. Atl. Iffl, 1—5; u. m. allen Details im Jahrb. O.-K.
IV auf 4 Taff.
Saugröhrchen.
219
und 8 Heiligen steht, im ganzen 26 Relief- Figürchen trägt ^ In der Pariser
Trocadero-Ansstellongvon 1878 befand sich ebenfalls ein silberner, gröfseren-
teils vergoldeter, mit Edelsteinen besetzter und mit den Bildern der 12 Apostel
geschmückter Speisekelch deutschen Ursprungs von ungemeiner Ähnlichkeit
mit dem Marienstemer in Form, Gröfse und Arbeit.' Als ein Speisekelch ist
endlich auch der sogenannte Pokal Heinrichs U. in München (s. obenS. 210)
eingerichtet.
Zur ^sumiio sanguinis^ bei der Ausspendung des Weins an die Laien ge-
brauchte man, um die Gefahr der Verschüttung zu vermeiden, etwa seit dem
IX. Jahrh., ein Saugröhrchen (fistulOy
calamus, canna^ arundo^ pipcOj in der
Form eines langen, dünnen, ausgehöhlten
Stäbchens aus Gold, Silber oder Elfenbein,
zuweilen auch aus Glas, welches mit einem
oder mehreren kleinen HandgrifTen für den
dasselbe haltenden Diakonus versehen, zu-
weilen auch gleich an den Kelch befestigt
war, und mit dem die Kommunikanten
den Wein aus dem Speisekelche einsaug-
ten.' So schenkte K. Heinrich II. dem
Dome zu Merseburg einen goldenen
Kelch »cum patina ei fistuia<^ und einen
grofsen silbernen Kelch mit demselben
Zubehör.^ Der Mainzer Dom besafs um
das J. 1200 T^fistulae V. ad communican- ng.
dum argenieae deauratae^,^ der Havel- ^"^~ ^*) "• *• 8»°»»i«»« BMiiewÄi (c).
berger 1527 »2 sulueren roere dar men mit communicireU^ und nach Georg
von Anhalt a. a. 0. befanden sie sich zu seiner Zeit noch überall zahlreich in
den Kirchen. In der Kirche der Reformation wurden sie vielfach wieder in
Gebrauch genommen, und dieser z. B. in den Kurfürstl. Brandenburgischen
Ländern erst 1696 wieder untersagt, weil dabei eine Kontrolle, ob die Kom-
munikanten auch wirklich den Wein empfangen hätten, nicht möglich wäre,^
in Marienhafe befindet sich sogar eine zinnerne sechseckige noch mit der Zahl
1781 — in der päpstlichen Messe sind sie aber noch gegenwärtig in Gebrauch.
Mittelalterliche haben sich erhalten an dem Speisekelche zuWilten, 2 von
Silber, 0,20 lang, am einen Ende dünner mit herzförmigem Griffe (siehe Fig.
766), ebenfalls 2 bei dem Kelche der Sammlung Basilewski mit ^förmiger,
Flg. 76. KelchrShrohen aot GSttwolg (a),
* Phot. Dresdener Ausst. Taf. 1. Abb. auch bei Müller u. Mothes, Arch. Wörterb.
I, 518. Der klösterlichen Überlieferung zufolge soll sich der Stifter des 1248 gegr.
Klosters, Bisch. Bernhard von MelGsen (r 1296) dieses Kelches bei der Messe bedient
haben. Yergl. Carpzow, Ehrentempel aer Oberlausitz 1719, 888.
* Vergl. Ph. Breban, livret-guide de Texpos. bist, du Troc., 31 (coli. Basilewski):
-^ün calice des douee apötrea, ar tcdlemand*, i^ach gütiger Mitteilung des Herrn Prof.
R Steche zu Dresden.
* Veijgl. Vogt, J., Historia fistulae eucharisticae. Brem. 1772.
* Thietmari, Chronicon. VI, 61. rec. Wagner, 198.
* Chron. Christiani ep. 1. c, 682.
' Riedel, cod. diplora. Brandenb. A. m, 128.
^ Siehe das Edikt bei Mylius, Corp. Const. March. I. 2, 121. No. LX.
230 Kelche bis zum Xl. Jahrb.
BcbmackTotl durchbrochener Handhabe (eiehe Fig. 76c) and im Stifte G5tt-
weig eine silberne, die ale Griff eine kleine Scheibe hat mit einem Loche,
dnrch welches ein Faden gezogen nnd an den Henkel des Kelches gebunden
wnrde, nm das Hinsbfallen des ROhrchenB zo verhindern, anfserdem aber unter
dem MnndstOcke ein kleines Sch&lchen, um jedem Wegtropfen des Weines
Torünbengen (siehe Fig. 76a). Auch an dem Salzburger Kelche befindet
sich die Fistnla, ferner eine im Domschatze zu Erfurt nnd 2 ans vergoldetem
Uessing zu spätgotischen Kelchen (von 149B) in der ebemal. Lambertikirche
zu Lüneburg,
41. Die ältesten Kelche bis ins XI. Jahrhundert, soweit deren be-
kannt sind, erinnern an den Typus gewisser antiker Trinkgefäfge {poaila),
welche bei den Gastmählern der Homer in der Kaiserzeit vielJach zu
den Libationen in Gebrauch waren und zwei durch einen breiten mitt-
leren Knauf verbundene Trinkschalen von gleicher Gröfso bildeten, so
dafs beliebig aus beiden getrunken werden, und beim Niedersetzen jede
von beiden als Fufe dienen konnte.' Denn obgleich bei den Kelchen
der angegebenen Periode die Cuppa und der FuTs stets von imgleicher
Gröfse und auch verschieden gebildet sind, so sind doch beide ebenfalls
durch einen Knauf miteinander ver-
bunden, und derFufs, der immer die
Form eines Trifliters hat, könnte eben-
falls zum Trinken gebraucht werden,
wenn der Kelch umgekehrt wird.
Der Älteste bekannte Kelch befin-
det sich unter dem Namen des *Sti/'-
terbechersti in KremamOnster und
rOfart, der rings um den Fufs laafen-
deu Inschrift zufolge, vonHerzogTas-
sito und seiner Gemahlin Lintpirc her,
welche das Kloster im J. 777 gegrün-
det haben. Er ist 0,263 hoch, und der
Durchmesser der Cuppa betrugt 0,15S,
letztere fafst 5 üsterreich. Seidel, und
der Fufs mit dem hohlen Knauf l'/i
Seidel. Die Hasse Ist in zwei Teilen
aus Kupfer gegossen, und die ganze
Oberfläche derartig gesclimUckt, dafa
Fig.7i. TM>iioke]ctiiiiEniiuBitiiuui(iiubBi>eü), Auf den knpfemen Gmnd, von Sil-
berbäudem umrahmt, Silberblättchen
mit niellierten Zeichnungen genietet, und die ornamentierten Zwiachen-
' Em Becher aus ve^ldeter Bronze, in oberer und unterer Mündung gleich an-
wendbar, ist 1G$2 als einziger Oegenstaud in einein aus grelsoD behauenen Steinen aus-
geführteo, vielleicht römiachen Grabe in der Nähe von Slalmedv aufgefunden worden.
Vergl. Kreuzzlg. 1B62. Beil. zu No. 269.
Kelche. XI. Jahrb.
221
räume vergoldet Bind. Der beim AnfasBen beinahe die ganze Hand fallende
Knanf iBt auf den Kreuzungapunkten der ihn netzartig umspannenden Silber-
bttnder mit kleinen Edelsteinen besetzt nnd wird durch einen verschieb baren,
platte Edgelcben bildenden Ring von der Cappa getrennt Die bildlichen
Darstellnngen bestehen ans Brnstbildem Christi und einiger Heiligen, sowie
ans den sitzenden Figuren der vier Evangelisten mit ihren Symbolen in rob-
barharisch er Weise. * — Die flbrigen anf uns gekommenen Kelche ans dieser
Periode sind klein und schmncktos. In dem zn Anfange des IX. Jahrh. von
dem heil. Lindger gegrOndeten Kloster
Werden an der Ruhr wird ein goldener '
Kelch aufbewahrt, welcher der über-
liefernng zufolge von dem Stifter dieses
Kloatere gebraucht worden sein soll und
wohl BpXtestensaasdemX.oderXI. Jahrb.
herrflhren möchte ; derselbe ist nicht ganz
0,12 hoch; der Becher von 0,07 oberem
Darchmesser verengt sich nach unten
und der 0,oä im Durchmeaser haltende
Fufa ist von eingebogener Trichterfonn.
Die rings um Cuppa und Fufs laufenden
beiden InBchriften bezeichnen diesen
Becher aDsdrOcklich als Mefskelch (calix
sanguinis domird nostri Jesu Cbrisü),* „ •
Der goldene Qrabkelch des Erzbischofe ' („eh lum wunb).
Poppo von Trier (t 1047)' ist nur 0,05
hoch und die halb so hohe, im oberen Durchmesser 0,ass haltende, fast
cylindrieche, nuten abgerundete Cnppa ist durch eiue Perlenschnur mit dem
kugeligen Knaufe verbunden; der FnTs hat 0,036 Durchmesser und ze^ im
Pro&l eine Viertelkehle. OrOfser ist der 0,065 hohe Silberkelch ans dem
Grabe des Erzbischofa Udo von Trier (t 1078), sonst aber dem vorigen
ähnlich, nur etwas schlanker.* Ähnlich ist der Kelch von vergoldetem
Silber (mit der Patene nur 3'/^ Lot schwer), welcher im J. 1667 im Grabe
des Bischofs Uezilo (t 1079) in der Kirche auf dem Moritzberge zu Hildes -
heim gefunden wurde und seitdem im dortigen Dome verwahrt wird: der
Fufs desselben ist trichterförmig, und ein Perletab verbindet auch hier den
Knauf mit der Cnppa, deren unterer halbkugeliger Teil den einen Kegel-
schnitt bildenden Oberteil nmfafst, wie ein EichelnSpfchen die Eichet.^ —
Ein anderer Sepnlchralkelch, aus Erz, gefunden im Grabe des Bischofs
Friedrich von Monster (t 1084) und in der St. Mauritzkirche daselbst auf-
' Abb. Östr. Aü. Taf. 6; Seemann. CL, 1. Vergl. Book, in den Mitt a-K.
IV, 6 ff. Nach ebd., 169 ff. soll dieser Becher übrigens gu kern litui^sohee OefUs,
BODdem ein kanonisches Hab der in derBegel des h. Benedikt vorgeschnebenen Wein-
pOTtioD sein.
> aus'm Weerth. Taf. XXTU, 4.
' das. Taf. LXI, 2 a u. 3.
' Abb. von Wilmowaky, Grabstätten etc. Taf. IH.
• Kratz, a. a. 0., Taf. VIU, 3.
m
222 Kelche. Xu. Jahrh.
bewahrt y ist ebeDfalls ganz schmucklos , es erscheint jedoch zwischen dem
glockenförmigen Fufse nnd dem Knaufe einerseits, und zwischen diesem und
der Cuppa andererseits ein überleitendes Zwischenglied.^ Aufserdem er-
wähnen wir noch die Darstellung des Kelches auf einem Elfenbeindeckel
mit dem Relief eines celebrierenden Priesters (IX. oder X. Jahrh.
in der Stadtbibliothek zu Frankfurt a. M.: derOberteil erscheint
hier einer doppelt-gehenkelten antiken Vase ähnlich und hat über
dem Knaufe eine muschelartige Verzierung; der Fufs zeigt die
Trichterform. ^ Nach der Beschreibung , welche Adam-
nan im VU. Jahrh. nach eigener Anschauung von dem
Kelche giebt, der in Jerusalem als der bei der Ein-
Fig. 79. Setzung des heil. Abendmahles von Christo selbst ge-
brauchte gezeigt wurde, war auch dieser gehenkelt, ^
und schon bei Plinius (Hist nat. 1. 36 c. 29) kommen *caHces pieroti<^j
Kelche mit Flügeln oder Henkeln vor. — Vgl. oben 8. 217.
42. Bei den Kelchen des Xu. und XIII. Jahrhunderts hat die
Trinkschale mehr oder weniger die Form einer Halbkugel, der grofse
runde Pufs ist flach und gestaltet sich in der Mitte in geschwungener
Linie zu einem kurzen cylindrischen Schafte, der zuweilen auch sich
oberhalb des kugeligen Knaufes als Träger der Cuppa noch fortsetzt
In den schönsten und anmutigsten Verhältnissen sind besonders mehrere
Kelche gebildet, welche aus der Übergangszeit des XTTT. Jahrh. stammen
und im ganzen zwar dem älteren, romanischen Typus getreu, dennoch
schon in dem eckig gestalteten Knauf und in einzelnen Ornamenten,
sowie in der schmucklos und schlicht gehaltenen Cuppa auf die folgende
gotische Periode hindeuten.
Kelche aus dem XU. Jahrh. sind sehr selten und aus der ersten Hälfte
desselben kaum nachgewiesen.^ — Im Stifte St. Peter in Salzburg zeigt
der völlig schmucklose Vitaliskelch die Schale bereits in Halbkugelform;
der Fufs aber ist noch trichterförmig und zwischen Knauf und Cuppa noch
ein Perlstab.^ — Die Kirche zu Trzemeszno (Tremessen) in der Provinz
» Abb. Lübke, W., Vorschule', 137. Fie. 144.
* Vergl. die oben S. 175, Note 2 angefimrten Abbildungen. — Fast buchstäblich
stimmt dieser Mefskelch überein mit einer kleinen goldenen Vase, welche neben Mün-
zen aus demVL Jahrh. zu Gouidon bei Chalons-sur-Saone, in neuerer Zeit gefunden
worden ist; vergL die Abbild, in de Caumont, Abecedaire (4. ed.) I, 66.
3 Mabillon, Act. SS. Ord. 8. Bened. S. lU. I, 506 (Pariser Ausgabe), angeführt
von aus'm Weerth, a. a. 0., 93.
* Im Dome zu Hildesheim befindet sich ein nur gegen 0,o78 hoher Grabkelch aus
dem Steinsame des Bischofs Udo (f 1116), dessen Form uns nicht bekannt ist. Vergl.
Kratz, im Korrespondenzblatt etc. 1857. Beilage zu No. 4. 8. 3, No. 27. — Der zin-
nerne Kelch aus dem Grabe des 1152 gest. Erzo. Albero von Trier (v. Wilmowsky,
a. a. 0., Taf. DI) hat den flachrunden Knauf fast dicht unter der halbkugeligen am
Rande ausgebogenen Cuppa von 0,o8ft Durchm. imd ist 0,o88 hoch, mit sehr schlankem,
bis an den King unter dem Knaufe 0,os5 hohen Fulse.
» Abb. Östr. Ati. LDI, 2.
Kelche. Xm. Jahrh. 223
Posen besitzt zwei Prachtkelche ans der Blütezeit der romsniBchen Kunst:
der eine hat noch einen fast trichterfSrmigen Fnb, so dafs ein besonderer
Schaft nicht ersichtlich ist; derFufs des anderen ist flach mit kurzem Schaft.
Bei beiden Kelchen bildet der Knauf ein quer gestelltes Oval, worauf, nur
durch einen Perlstab getrennt, die halbkugelige, am Rande etwas auage-
bogene Cuppa ruht. Beide Kelche sind aus vergoldetem Silber und reich
gescbmtlckt: bei ersterem mit figOrlichen Darstellungen in Niello und blau
emaillierten Zwischenräumen, bei dem anderen in getriebenen Reliefs.* —
Das prachtvollste, nur von dem oben S. 218 beschriebenen f'a/ixmjnf^/ma/jf
zu Wllten übertroffene Exemplar eines bischoflichen Pontifikalkelches be-
wahrt die 1146 gegründete Oodehardskirche zu Hildesheim als Geschenk
ihres Stifters, des Bischofs Bernhard (t 1153): er ist ans vergoldetem Silber,
gegen 0,19 hoch und zeigt auf dem Fufse vier alttestamentliche Scenen in
getriebener Arbeit, an der Cnppa eben so viele Parallelbilder aus dem
neuen Testamente und in den Zwischenräumen und am Knaufe ein mit Edel-
stein besetztes Filigrangeflecht.' — Ausgezeichnet ist auch ein dem be-
ginnenden XIII. Jahrb. zugeschriebener
Prachtkelch aus vergoldetem Silber von
fastO,209 Höhe bei 0,144 Durchmesser am
oberen Rande und 0,14S Durchmesser des
Fufses, in St. Aposteln zu Köln: auf dem
letzteren liegen vier Medaillons mit neu-
testameutlichen Reliefs und die Zwischen-
räume zeigen die gravierten Evangelisten-
zeichen; der Knauf hält in den Durch-
brechungen eines Filigrannetze s zartes
Laubwerk mit erdbeerfthnlichen Frflchten,
and um die Cuppa ISuft eine Arkaden-
reihe mit den zwölf Aposteln in gravierter
Arbeii* — Mit dem eben beschriebenen
sind nahe verwandt ein etwas kleinerer
Kelch in der Moritzbergerkirche zu Hil-
desheim* und ein etwas gröfberer, aber
minder eleganter Kelch im Museum zu
Basel (mit einem rings am die Cnppa
gravierten, ornamentierten Rundbogen-
fries und mit den erhabenen Evangelisten- "«■ >"■ k«1i* '■ st. AMwtoio n kkih
zeichen in vier Medaillons auf dem Fufse).* *°*
Beide Kelche wurden in gotischer Zeit mit hohen Deckeln versehen, der
Hildesheimer zum Gebrauche als Ciborium, der Basler zur Aufnahme von
Reliquien. Letzterer ist dadurch noch besonders wichtig, dafs nach der den
Donator nennenden Inschrift am Fufse die Entstehungszeit als zwischen
ezdziecki, Alex., et Bastawiecki, Ed., Honuments du Moyen-äge dans
Pologne (Varsovie et Paris). 8er. 1; vergL Weifs, a. a. 0-, 16.
Vergl. Kratz, a. a. 0., No. 2».
Abbild, bei Bock, das heil Köhi. Taf. XXVHI, 92.
> > DidroD, Annalea archeol. XIX, 140.
Photogr. Mitt. d. Ges. f. vaterl. Altert in Basel IX, 11.
»24 Kelche. XHI. Jahrfi.
1243 und 1269 fallend bestimmt ist. Verwandt sind diesem ferner die gn-
vierte Cappa eines Pontiflkalkelchee im Stifte Lambach aus dem Anfange
dea XIII. Jahrb. ' und der mit einem Rena issancebe eher versehene Fnfs in
der Dresdener Hofkirche, ^ sowie der Kelch der Wallfahrtskirche zn
Fraaenberg bei Zülpich,* der aber am Fufse und am unteren Teile der
Cuppa getriebenes romanisches Ornament und glatten Knuaf hat, von aos'm
Weerth der 2. HSifte des XU. Jahrh. zugeschrieben. — Ein Kelch in der
Marienkirche zu Bergen auf RUgen* mit mndem Fufa und Knauf, völlig
mit romaniachem Rankeuwerk in Filigran, Perlen und OlasflflBsen bedeckt,
wird gleichfalls noch dem XII. Jahrh. zugeach rieben. Dagegen zeigt ein
Kelch im Dome za Flock, inschiiftlich bezeugt als Geschenk des Her-
zogs Konrad von Hasovien (1191 — 1247) in dem achteckigen Nodua und
in dem gravierten Vierblatt- Ornamente schon Anklinge an die Ootik; die
Oravieningen des Fufses zeigen den Cmcifixns (als Signaculnm) mit Jo-
hannes und ninf Propheten, die der Cappa vier Uedaillons mit neutesta-
mentlichen Scenen in unbeholfener Zeichnung.^ Künstlerisch in jeder Be-
ziehung, und durch die edelste Einfachheit ausgezeichnet war dagegen der
in Form und Technik einigermafsen ahnliche, ebenfalls schon einige gotische
Anklänge verratende Kelch in der Johann iterkirche zu Werben, welcher,
neuerdings durch diebische H&nde zerbrochen, nur noch in Bruchstücken
vorhanden ist. Et war 0,16 hoch, in der regelmfifsig halbkugel förmigen
Schale und im Fufse 0,i& breit. Erstere war mehr am Grunde mit vier gra-
vierten alttestamentlichen Rund-
bildern geachmnckt, die durch
flach - erhabene Omamentatrei-
fen verbunden waren ; letzterer
zeigte ebenfalla vier gravierte
Rundbilder, zwei aus dem alten
Testament und zwei ans dem
neuen (die Verkündigung und zu-
gleich als Signacnlnm die Kreu-
zigung). Der Knauf hatte die
Form zweier aich durchschnei-
dender Tönnchen und war an den
Tier Seiten mit den Medaillons
der Evangelistenzeichen in Re-
lief geschmflckt.* — Bei Befol-
gung des romanischen Grundty-
pus zeigt ein Kelch im Kloster
Zehdenik(0,]8 hoch, oben 0,14.
F.,. 81. K-oh « 2.hd«ik (.«b T. q™o. „„jg^ o,l6) breit) clue schlichte
halbkugelige Cuppa, einen weit vortretenden, nach oben nnd unten durch
' ÖBtr. AU. LIH, 7—16.
* Phot. Dresdener Ausstellung. Taf. 6.
» aus'm Weerth. Tftf. Ul, 1.
■* Abb. in Orig.-GrÖ!!se : Gewerbohalle 1680. Taf. 5; Prüfer, Archiv. H. Tat. 17.
' Abbild, bei Tnezdzieoki und Rastawiecki, a a. 0., Ser. 2 Livr. 25.
« Abb. Zeitschr. f. oh. A. u. K. I. El. 4.
Kelche. Xm.Jahrli. 225
achteckig-prismatische Anläufe mit dem Schafte verbundenen Knauf mit acht
kleinen y die Evangelistenzeichen und einen viermal wiederholten Christus-
kopf darstellenden Relief-Medaillons, und auf dem Fufse vier erhabene Me-
daillons mit neutestamentlichen Bildern und dazwischen angeordneten Engeln
mit Spruchbändern; das der Natur nachgebildete Pflanzenornament (Wein-
laub und Eichenblätter) am Ständer und Knauf deutet dagegen auf die der
Gotik eigentümliche Schmuckweise. ^ — Dem Zehdenicker sehr nahe ver-
wandt ist ein im Dome zu Regensburg befindlicher , der aber statt der
Eichenblätter Fleurdelys hat, in den Reliefs am Fufse Petrus, Paulus, Salomo,
David , Elias und Henoch und in den Emaillen des Knaufs 2 Engel und
4 Heilige zeigt^, und ein anderer im Domschatze zu Limburg a. Lahn mit
4 Emailmedaillons am Knaufe und 6 Niellen am Fufse.' — Eine etwas
niedrigere Cuppa mit etwas umgebogenem Rande hat der ebenfalls ähnliche,
aus dem Kloster Mariensee bei Hannover stammende, im German. Museum
zu Nürnberg, dessen Niello- Medaillons am Fufse die Kreuzigung mit den
3 alttestamentlichen Typen, und die am Knauf zwischen Filigranomament
den Christuskopf, das Agnus und die Evangelistenzeichen enthalten, wäh-
rend die dazu gehörige Patene in den Zwickeln der Vertiefung Engelbrust-
bilder hat.^ — Endlich eine parabolische Cuppa hat der ebenfalls ähnliche
in der Fttrstl. Kunstkammer zuSigmaringen^ mit 6 Emaillen der Geburts-
und Passionsgeschichte zwischen Engelreliefs am Fufse und 6 Apostelbrust-
bildem in Email auf den Knöpfen des Nodus, die dazu gehörige Patene hat
im Fond den Salvator in Email. — Dem Zehdenicker aufserordentlich ähnlich
ist femer ein Kelch in der Marienkirche zu Stendal, nurdafs er am Knaufe
statt der Reliefs Emaillen mit den Evangelistenzeichen, dem Agnus dei und
dem Pelikan und am Fufse 6 Medaillons mit der Geschichte Christi (von
denen sich Abgüsse auf einer Glocke der Katharinenkirche zu Brandenburg
von 1345 finden) und in den Zwickeln zwischen ihnen wieder Emaillen hat. —
Ganz übersponnen mit Rankenwerk aus Weinlaub, an geeigneten Stellen von
Edelsteinen unterbrochen, erscheint als Kunstwerk ersten Ranges und wohl
ohne gleichen ein Kelch der Nikolaikirche zu Berlin, der aufserdem an der
niedrigen breiten Cuppa, am Nodus und am Fufse mit (steif gezeichneten)
figürlichen Darstellungen in Flachrelief belegt ist: an der Cuppa die Ma-
donna inmitten der Apostel, am Fufse der Crucifixus, zu dessen Seiten das
Donatorenpaar, Markgraf Otto UI. von Brandenburg (1220 — 1267) mit
seiner Gemahlin kniet. ^ — Sämtliche vorgenannten Kelche sind aus vergol-
detem Silber.
» Abb. Zeitsohr. f. eh. A. u. K. ü. Bl. 7.
> Becker- v. Hefner. HI. Taf. 43.
3 Photogr. Frankfurter Ausst. Taf. 93.
-* Vergl. Anzeiger G. M. 1873. No. 6, mit Abb.
* V. Hefner-Alteneck. Taf. 13—15.
• Vergl. Pischon, über einen alten Kelch und eine Patena in der St. Nikolaik.
in Berlin, im N. Jahrb. der Berlin. Gesellsch. fiir deutsche Spr. u. Altertumskunde.
V, 255 — 260. — T. Quast, im Korrespondenzblatt etc. 1858. (Vn.) No. 3. S. 33. —
Auf der Patene ist der Bruder u. Mitregent Ottos Markgr. Johann I. (1220 — 1266) mit
seiner Gemahlin dargestellt, wobei jedoch zu bemerken bleibt , dafe auch des letzteren
älteste Söhne, Johann ü. (f 1282) u. Otto IV. (f 1308) als Donatoren gemeint sein
könnten.
Ott«, Kanst-Archi&ologie. 5. Aufl. 15
226 Gotische Kelche.
Kelche romanischen Stils werden sonst noch aufbewahrt im Schatze von
St. Ulrich zu Augsburg,^ in der Kirche zu Ottenbeuern,^ ein schlichter
im Domschatze zu Salzburg,' ein mit Edelsteinen besetzter in der Stifts-
kirche zu Tübingen* und ein einfacherer mit 5 Medaillons am Fufse in der
Kirche zu Ostdorf in Württemberg,* ein sehr zierlicher mit den Relief-
figuren der an Pulten schreibenden Evangelisten am Fufse in der Stadt-
kirche zu Dippoldiswalde und ein anderer ähnlicher in der Kirche zu
Frankenberg bei Chemnitz mit fast halbkugliger Cuppa, sechsfach geteiltem
Knaufe und 4 Medaillons auf dem flachen Fufse, * ein bis auf den Rand der
Cuppa ganz mit Laubwerk bedeckter, dessen Signaculum aus 5 ins Kreuz ge-
stellten Glasflüssen besteht, in der Katharinenkirche zu Osnabrück, "^ ein
silberner mit 4 Reliefs am Fufse mit dazu gehöriger Patene, in deren Vertie-
fung die thronende Jungfrau mit dem Kinde graviert ist, zu Gronau im Für-
stentum Hildesheim, ein schlichterer mit 4 Reliefs am Fufse zu Wittingen
im Amte Isenhagen, andere zu Braunschweig und Halberstadt, ^ endlich
einer zu Siegburg.®
43. Wenn bei den Kelchen der romanischen Periode in allen Details
die Kreislinie vorherrscht, so tritt, den Prinzipien des sich auch der
omamentistischen Künste bemächtigenden gotischen Baustiles gemäfs, im
XIV. bis XYI. Jahrhundert das Polygon und der Spitzbogen allmählich
an deren Stelle, wovon eine gröfsere Schlankheit in der äufseren Er-
scheinung der durchschnittlich 0,16 bis 0,21 hohen, regelmäfsig aus ver-
goldetem SUber verfertigten Kelche die notwendige Folge war. Die
Cuppa verläfst die Halbkugelform, wird eiförmig, kegelförmig, zuletzt
geschweift oder kuppelartig gerundet Der in der frühromanischen Zeit
ganz fehlende, später sich einschiebende Ständer wird zu einem selb-
ständigen Hauptteile und nimmt statt der bisherigen kreisrunden, bald
die vieleckige Gestalt an. Der Knauf bleibt zwar anfangs noch eine
plattgedrückte Kugel, jedoch mit vielen Einkerbungen, so daß der Quer-
schnitt desselben einen Stern mit abwechselnd abgerundeten und spitzen
Strahlen bildet; häufiger indes treten aus dem flachrunden Nodus sechs
runde oder übereckgestellt viereckige Zapfen (rotuli) hervor. Der Pufs,
« Abbüd. bei Sighart, J., 125.
« » » Postelmayr, derSt. ülrichskelch in der Klosterk. zu Ottenbeuem,
im Jahresber. d. bist. V. v. Schwaben u. Neubui^. XVn u. XVm zu S. 12 fif.
3 VergL Mitt C.-K. VI, 45.
• » Bunz, Stiftsk. Tüb., 69.
• Abb. Chr. K--B1. 1876, 62.
• Vergl. Maurer, Mittelalter!. Kelche in Sachsen, in den Mitt. des Freiberger
Altert.-V. 1864, 274—276, und am ob. ang. 0.
^ Abb. Mitt. d. bist. V. zu Osnabr. Xl. Taf. 1.
• VergL Bock, Fz., die Goldschmiedekunst des Mittelalters, 20.
• Abb. in Orig.-Grö&e bei Cahier, Ch, Nouv. moL d'arch. (Decoration d'eglises)
1875. EU, 248. — Die Abb. eines nicht mehr vorhandenen, sehr mteressanten Kelches
aus dem XHI. Jahrh. (aus Gerbert, Vetus üturgia Alemann.) bei Didron, Annales.
m, 206.
Gotische Kelche. 227
anfangs noch kreisrund, zerlegt sich in die Form der sechsblätterigen
Eose und steigt steil zum Ständer empor. ^ — Dem Ornamente ist in
der gotischen Periode bei den Mefskelchen, anscheinend aus liturgischen
Eücksichten, ein engeres Feld angewiesen: es beschränkt sich meist auf
Ständer, Enauf imd Fufs und besteht in der Eegel aus architektonischem
Mafswerk, seltener aus der Natur nachgebildeten Blättern. Die Schilder
der sechs Rotuli sind häufig emailliert oder nielliert und mit den Buch-
staben des Namens Jesu tl|e$ti0, auch f marta bezeichnet Auf dem
Fufse, dessen Band oft von Vierblättchen durchbrochen erscheint, ist
fast regelmäfsig der kirchlichen Vorschrift zufolge das Signaculum an-
gebracht, auch nach alter Sitte oft eine ringsum laufende Inschrift mit
den Namen der Donatoren.
Die anscheinend ältesten Kelche der gotischen Periode mit rundem
Fufs und Ständer, eingekerbtem Pomellum und niedriger breiter
Schale y sonst ganz einfach, sind schon seltener; wir nennen nach den vor-
liegenden Abbildungen : einen Kelch zu Emmerich^ und einen (nicht näher
' bestimmten) Grabkelch im Dom zu Magdeburg,^ beide noch mit halb-
kugeliger, aber am Rande scharf ausgebogener Cuppa ; ferner einen Kelch
mit gotischer Cuppa in dem Dorfe Haffen bei Rees, auf dem Fufse mit vier
ciselierten Medaillons mit dazwischen gravierten Engeln verziert, ^ den Mein-
werkskelch im Dom zu Paderborn mit flacher breiter Cuppa, ^ endlich die
drei Magdeburger Sepulchralkelche mit geschweiften Cuppen. Runden
Fufs und Ständer und den Knauf ohne Einkerbungen hat der, abgesehen
von der eiförmigen Cuppa, ganz dem in St. Aposteln zu Köln gleichende
Kelch im Stifte zu Admont, der von 1350 datiert ist.^ — Zwar runden
* Ungewöhnlich ist an einem frühgotischen Kelche in St. Zeno bei Reichen-
hall von ca. 1300 der Fufs achtteilig aus 4 gröfseren und 4 kleineren Kreissegmenten
zusammengesetzt; noch ungewöhnlicher die Gestaltung des FuTses aus dem Fünfeck
an dem spätgotischen Kelche in St. Jakobi zu Greifs wald, s. Abb. in Prüfer,
Archiv, n, 55. 56. Eine sichere Chronologe nach der Entwicklung der Formen ist
übiigens so weni^ bei den gotischen als bei den romanischen Kelchen durchzuführen,
soweit sie nicht mschnftlicn feststeht, denn der einzelne Goldschmied befolgte nicht
immer die neuesten, sondern oft ältere Vorbilder, oder gab sich eigenen Neigungen
hin. So hat der im Grabe des Erzb. Burchard von Mf^eburg (f 1325) gefundene
Kelch bereits eine häMich geschweifte Cuppa, während die Grabkelche der Erz-
bischöfe Otto (t 1861) und Jonann (f 1475) eine angenehmere Schweifung zeigen; bei
«rsterem ist der Durchschnitt des ein gekerbtes Pomellum bildenden Knaufes em zehn>
strahliger, bei letzterem ein achtstrahfiger Stern; Fuis imd Ständer sind rund; man
wird daher z. B. das Eselsrückenprofil oer Cuppa nicht immer als einen Beweis später
Entstehungszeit annehmen dürfen. — Die Abbüd. der genannten Grabkelche bei Bösen -
thal, Dom zu Magdeburg. lief. V. Taf. I, 2 u. 3.
* Abbild, bei aus'm Weerth. Taf. 11, 6. Der Fuis dieses Kelches ist als modern
verdächtig.
^ Abbild, bei Rosenthal, a. a. 0., Fig. 1.
* ^ aus'm Weerth. Taf. XXI, 6.
* » bei Gie fers, über den Altarkelch. Fig. 1.
* Vergl. Findeys, im Kirchenschmuck. Sekkau 1873, No. 7 mit Abb. in natür-
licher Grölte, kleinere Seemann. CL, 6.
15*
228 Gotische
Fnfs und Ständer, aber abweichende Nodusbildung zeigen ein Kelch
im Domschatze zu Mainz mit 6 runden Zapfen an dem runden Knaufe;^
ein ähnlicher im Dome zu Eichstädt mit den Reliefmedaillons Christi und
der Evangelistenzeichen am Fufse und am Knaufe deren des Crucifixus und
der h.h. Wilibald, Wunibald und Walburgis,* einer zu Wewer bei Paderborn
mit sechs viereckigen Zapfen an dem eckigen Knaufe;' ein Kelch zuElten-
berg mit eiförmiger Cuppa, sphäroldischem Knauf und den Evangelisten-
zeichen in vier Medaillons auf dem Fufse; Ständer und Nodus mit stilisier-
tem Blattwerk geschmückt;^ der fast 0,24 hohe, goldene Bemwardskelch im
Dome zu Hildesheim, ein seltenes Prachtexemplar, und nach der Mitte
des XIV. Jahrh. wahrscheinlich aus dem ursprünglichen Bemwardskelche
umgearbeitet: auf dem Fufse erscheinen zwischen 7 gravierten Rundbildern
aus dem N. T. 14 Edelsteine, zum Teil antike Gemmen und Kameen; den
kurzen Ständer umsäumt oben und unten ein Palmettenband, der Knauf be-
steht aus einem 12 eckigen Topas von fast 0,08 im Durchmesser bei 0,05
Höhe, die eiförmige Cnppa endlich schmückt unter umlaufenden Zacken-
bögen die gravierte Darstellung des heil. Abendmahles;^ die Grabkelche der
Erzb. Günther (t 1445) und Friedrich (t 1464) von Magdeburg: ersterer
mit einem gotisch gegliederten Ringe anstatt des Nodus, letzterer mit run-
den Zapfen an dem mit Mafswerk geschmückten Knaufe;* ein 0,17 hoher
mit 4 Emaillen (Christus, Maria, Nikolaus und Katharina) am Fufse und
sechs aus dem Knaufe heraustretenden im Vierpafs geformten Cylindem mit
dem Christuskopf und den Evangelistensymbolen auf den Stirnflächen im
Germanischen Museum zu Nürnberg;^ ein silberner mit den Medaillon»
der Evangelistensymbole und der Stigmatisation des h. Franziscus am Fufse
von ca. 1395 zu Ohrenbach bei Rothenburg ob d. Tauber;^ ein vielleicht
älterer mit 6 Reliefmedaillons der Werke der Barmherzigkeit auf dem Fufse
und einer Reliquie des Apostels Paulus im durchbrochen gearbeiteten vier-
teiligen Knaufe in der St. Paulikirche zu Brandenburg.^ — Mit eckigem
Ständer, runden Zapfen an dem Nodus und Mafswerkverzierung er-
scheinen die Kelche zuRüthen (um 1318) und zuDörenhagen bei Pader-
born (um 1370).^® Ein sehr reich geschmückter 0,24 hoher, der auf dem
Fufse 6 Emaillen mit Passionsscenen , am 6 teiligen Knaufe in Email die
Evangelistensymbole und Pelikan und Phönix zwischen musicierenden Engeln^
und oberhalb und unterhalb derselben in 3 Reihen unter Bogenreihen die
12 Apostel und 6 sitzende Propheten in zierlichen Figürchen trägt, im Dome
zu Osnabrück — der Stifter Gerhard Kelemann hat um 1330 gelebt.
^ Beschrieben Yon Bock, Fz., die Goldschmiedekanst des Mittelalters, 13.
* Abb. in Originalgröfse bei Cahier, Gh., Nouv. mel. d'arch. (decoration d'egL)
III, 217 f.
3 Giefers, a. a. 0., Fig. 2.
^ aus'm Weerth. Taf. 11, 1.
* Kratz, Dom zu Hüdesheim. Taf. V, 1.
* Rosenthal a. a. 0., Fig. 4 u. 5.
' Anz. G. M. 1868. Sp. 3. Fig. 2.
8 Vergl. Chr. K.-Bl. 1874, 88, mit Abb.
• » Abb. Chr. K.-Bl. 1875, 131.
» Giefers, a. a. 0., Fig. 4 u. 3; Becker- v. Hefner. II. Taf. 27.
Auch ein Kelch in der Hofbnrgkapelle zn Wien vom J. 1438 gehört noch zu
dieser Gattung. ■
Die grofse Mehrzahl der gotiachen Kelche, deren noch viele erhalten
sind, hat einen sechablätterigea Fnrs, aechseckigen Ständer und Zapfeaknauf,
meist mit Marewerkverzierang, seltener mit Laubwerk. Zwei reiche Pracbt-
kelche befinden eich zu Kloaterneuburg;^ der eine von 0,iaHöhe (Inder
Schatzkammer) ans dem J, 1337 mit glatter kegelförmiger Cnppa, ist bis
zum Ornnde derselben mit erhaben aufgelegten Ornamenten ganz bedeckt;
auf dem Fufse drei neu testamentliche Rundbilder in Email. Der andere (in
der Prälaturkapelle) ist nicht blofs an den unteren Teilen, sondern aneh
rings nm den Omod des kuppelfSrmigen Bechers mit emaillierten Figuren-
Ornamenten und einem erhabenen Traubenkranze geschmückt. Kelche, die
diesen sehr ähnlich sind und einer Schnle angehören, die wahrscheinlich in
Wien ihren Mittelpunkt hatte und sich von der rheinischen und nord-
dentschen leicht unterscheiden läfst, aber in der Zeit von 1429—1550 sich
in Technik und Form so völlig gleich blieb, dafa nähere Zeitbestimmungen
sich nnr durch Inschriften ermitteln lassen, finden sich in Österreich, Schle-
sien, Steiermark, Kämthen, Kroatien und Ungarn zahlreich, ' kommen jedoch
anch z. B. im Aachener Domschatze vor,* dagegen stammt der ebenfalls
' Tergl. EssenweiD, Krakau, 161 ff.,
Exemplue dieHer Familie abgebildet sind.
' Bock, Ptalztap. I, 2. Fig. 50—52.
230 Spätgotische Kelche.
ähnliche, nur viel reicher im Relief ornamentierte im Stifte St. Paul in La*
vant aus St. Blasien im Schwarzwalde. ^ Einfacher ist ein Kelch aus ver-
goldetem Kupfer von 1466 mit Gravierungen der Maria und mehrerer Hei-
ligen an der Cuppa zu Maria Saal in Kämthen.' — Die katholische
Hauptpfarrkirche zu Wesel bewahrt einen 0,22 hohen, oben 0,11, unten 0,ia
breiten Kelch vom Ende des XV. Jahrh. , mit den Wappen der Herzoge von
Kleve und der Grafen v. d. Mark an dem mit 6 Darstellungen aus der Pas-
sionsgeschichte in ciselierten Figuren geschmtlckten Fufs, mit Mafswerkver-
zierungen am Ständer, mit runden Zapfen am Knaufe und einem Blattorna-
ment unten am Becher.' — Einfacher sind zwei 0,21 hohe Kelche in der
Pfarrkirche zu Kempen,^ der eine mit reichen Gravierungen am Fufse,
mit Mafswerk an Ständer und Nodus und Blättern am Grunde der Cuppa ;
der andere mit achtteiligem, an der Basis durchbrochenem Fufs , mit den
erhaben gearbeiteten Passionswerkzeugen am Sockel des Ständers, mit
Apostelstatuettchen vor den acht Zapfen des Knaufes und eiförmiger Cuppa.
— Andere spätgotische Prachtkelche finden sich zu Frankfurt a. M. im
Dome mit der Crucifixusgruppe und 5 gravierten Heiligen am Fufse^ und in
St. Leonhard von 1480 mit einem in seltsamer spätgotischer Architektur-
weise durch abgeschnittene und durcheinander gesteckte Rundstäbe gebil-
deten Knaufe;* zu Soest in der Petrikirche;^ zu Osnabrück im Dome
mehrere, darunter ein 0,32 hoher, unten 0,27, oben 0,24 im Durchmesser hal-
tender von 1468,* der ganz mit getriebenen Verzierungen bedeckt ist, an
der Cuppa bis auf das glatte Mundstück mit Laubomament, am sechsteiligen
Fufse mit neutestamentlichen Reliefs und am Nodus mit 6 Heiligenstatnetten
in einer Tabernakelarchitektur, ferner zwei goldene in der Johanniskirche
und ein 0,18 hoher mit Gravierungen bedeckter in der Katharinenkirche ;^
zwei zu Minden im Dome ;^^ zu Hildesheim im Domschatze ein goldener
aus dem ehemal. Karthäuserkloster mit einem Topas als Knauf und einer
mit emailliertem Fufse, sowie einer von 1500 in der Magdalenenkirche ;^^
zu Brannschweig im Herzogl. Museum ein ganz mit Ranken werk über-
sponnener, mit Passionsscenen und alttestamentlichen Parallelen dazwischen
und am Fufse den beiden Johannes, Laurentius, Stephanus, Augustinus und
Georg und 6 Medaillons mit der Geschichte der Maria und ein ebenfalls
ganz mit Reliefrankenornament bedeckter, bei dem der Ständer als roher
Baumstamm behandelt ist, und am Rande der Cuppa sich ein grofser halb-
kreisförmiger Ausschnitt befindet, in der Brüderkirche St. Ulrici ; ^^ in Sachsen
schöne zu Werdau mit gravierten Propheten an der Cuppa," zu Anna-
« östr. Ati. XVm, 6; Seemann. CL, 7.
« » » LXXXIV, 8.
» aus'm Weerth. Taf. XXI, 8.
• das. Taf. XXH. 8 a. 10.
» Becker- v. Hefner. I. Taf. 55. Photogr. Frankfurter Ausst. Taf. 42.
• Photogr. das. Taf. 53.
' Aldenkirchen, die mittelalt. Kunst in Soest. Taf. 6.
• Bonner Jahrb. LXXI. Taf. 4 zu S. 133—186.
» Mitt. des hist. Ver. zu Osnabr. XI. Taf. 2.
» Lübke, Westfalen, S. 424.
" Vergl. Kratz, im Korr.-Bl. Ges.-V. 1857. Beil. zu No. 4. No. 50. 56. 65.
« Photogr. Münchener Ausst. Taf. 63.
« » Dresdener Ausst. Taf. 39.
Spätgotische Kelche. 231
berg in der Annenkirche ^ und zu Zwickau in der Marienkirche;' zwei
zu Zeitz in der Stephanskirche, ^ zwei zu Merseburg im Dome; die reichen
Kelche im Schlosse zuMarienburg^ und in der Marienkirche zuDanzig"^
haben sämtlich eine Kapellenarchitektur am Knaufe. — Einfachere spät-
gotische Mefskelche werden angeführt im Niedermünster und St. Emmeran
zu Regensburg, zu Aunkofen, Eggenfelden, Marklkofen, Neukirchen,
Wackendorf und in St. Jakob zu Straubing, alle im Sprengel von Regens-
burg;* inderDiöceseMünchen-Freising: in der Pfarrkirche zu Wasser-
burg (ein Kelch von etwa 0,29 Höhe), zu Jasberg, Trostberg (vom J. 1500),
Loiblfing, Törwang, Steinkirchen, Greimering, Schlehring in der Streichen-
kapelle, Marzling und Altenhausen (1535);^ in der Provinz Brandenburg
zu Beeskow, zu Herzberg beiBeeskow, zu Brandenburg im Dom und in der
Katharinenkirche ; in Pommern drei aus dem XIV. Jahrh. im
Dome zu Kammin ^ und einer in Kemnitz bei Greifswald ;^ zu
Köln mehrere in den Kirchen St. Gereon, Maria Himmelfahrt,
St. Andreas, im Dom und in St. Martin. ^^ Alle diese Mefskelche
sind sehr einfach mit glatten Cuppen, und ihre Schönheit be-
ruht lediglich in dem gegenseitigen Verhältnis ihrer einzelnen
Teile. — An Reliquienkelchen war auch die spätere Gotik
mit Verzierungen nicht sparsam ; das Heiligtum des Domes zu
Halle (Gang IL 33) bewahrte einen mit Reliquien vom heil. ''
Kreuze gefüllten Kelch (Fig. 84) mit geschweifter Cuppa, dessen ganze Ober-
flache reich ornamentiert war.
44. Eben solange wie für den Wein die Kelche, sind für das Brot
im heiligen Abendmahle seit den ältesten Zeiten diePatenen im kirch-
lichen Gebrauche (vergl. oben S. 215), und zu jedem Kelche gehört eine
gleichzeitig mit demselben geweihte Patena, von dem nämlichen Stoffe
und in verhältnismäfsiger Gröfse als Decke darauf passend. In alter
Zeit, vor der gewöhnlich in das XII. Jahrhundert gesetzten allgemeinen
Einführung der noch jetzt gebräuchlichen Oblaten in Form einer Münze**
hatte man auch im Abendlande, wie noch gegenwärtig bei den Griechen^
gröfsere Schüsseln für das Weihbrot, und neben den grofsen Speise-
kelchen gab es auch gro&e Patenae mmisieriales. Der Form nach sind
die Patenen rund mit flachem Rande, und in der Mitte entweder in
einem kleineren, zu der Cuppa des Kelches passenden Kreise, oder im
» Photogr. das. Taf. 6.
> Andreae, Monom, des Mittelalters im Erzgebirge. Taf. 44.
' Beschr. Darstell, etc. Kr. Zeitz, LV, 56.
* Hildebrandt, Ad. M., herald. Musterwerke v. d. Ausstell, fr. Heraldik zu Ber-
lin 1882. Taf. 13.
^ Hinz, Schatzkammer der Mar.-£. etc. Taf. XII, 1. 3. 9 — 11.
« Verd. Jakob, 190.
^ Signart, J., die mittelalt Kunst in der Erzdiöcese München -Freising, 204.
« Kugler, £1. Sehr. I, 783.
® Prüfer Archiv, n. Taf. 22.
^ Bock, d. heü. Kohl. Taf. H, 10. m, 14. 15. IV, 19. EX, 38. XVI, 64.
» Vergl. Gräser, Ad. H., die röm.-kathol. Liturgie (Halle 1829), 157 ff.
232 Patenen.
Yier-, Sechs- oder Vielblatt etwas eingetieft, und zwar in früherer Zeit
meist tiefer, als in späterer. — Die zu Prachtkelchen gehörigen Patenen,
besonders aus romanischer Zeit, waren gewöhnlich ebenfalls, und zwar
oft auf beiden Seiten, mit Gravierungen oder in Email geschmückt,
seltener mit erhabenen Yerzierungen auf dem Rande. Die auf Patenen
am häufigsten wiederkehrenden, in der Regel von erläuternden Inschrif-
ten begleiteten bildlichen Darstellungen sind das Gotteslamm, der lei-
dende oder der thronende Erlöser. Die meisten gotischen Patenen sind
übrigens ganz glatt und schmucklos, nur mit dem Signaculum (s. oben
S. 214) auf dem Rande.
Vielleiclit die älteste unter den auf ans gekommenen, wenngleich nicht
ans dem IX. Jahrhundert herrührend, ist die Patene, welche zu dem Kelche
des heil. Liudger zu Werden gehört (s. Fig. 78, 8. 221). Sie ist von Silber,
0,20 im Durchmesser, 0,05 hoch und etwas gröfser als der Kelch, der in der
Cuppa nur 0,07 Breite hat; laut der auf vergoldetem Bande stehenden In-
schrift enthält dieser »cipus* (d. i. wahrscheinlich = scyphvs^ Schale) unge-
wöhnlicherweise im Fufse : vom Blute des h. Liudger und andere Reliquien. ^
— Beachtenswert ist auch die Darstellung der Patene mit wulstigem Rande
auf dem Elfenbeindeckel zu Frankfurt a. M., sowie die dreieckige Form
der darauf liegenden Hostien, welche an die kanonische Vorschrift erinnert :
's>Triforme est corpus dominu^^ — Ausgezeichnet durch Gröfse (mehr als
0,24 im Durchmesser) und den beide Seiten bedeckenden bildlichen Schmuck
ist die zu dem Speisekelche in Wilten (s. oben S. 218) gehörige Patene:
auf der vertieften Mitte (von 0,14 Durchmesser) der oberen Seite sind der
Auferstehungsengel und die drei Marien am leeren Grabe dargestellt ; der
Rand zeigt in vier durch Architekturen gesonderten Abteilungen die Offen-
barungen des Auferstandenen und die Himmelfahrt; das Mittelfeld der
unteren Fläche enthält in erhabener Arbeit die Kreuzigung, der Rand in
drei verschiedenen Scenen die Höllenfahrt in niellierter Gravierung.' —
Ganz eigentümlich ist die Ausstattung der zu dem Salzburger Henkelkelche
(s. oben S. 216) gehörigen Patene, die in der Mitte eine dreizehnblätterige
Rose mit der Darstellung des Abendmahles enthält ; das Centrum zeigt das
Lamm Gottes. Einfacher ist eine Patene in St. Peter zu Salzburg, welche
nur das Agnus dei mit Schriftrolle und darüber die segnende Hand Gottes in
Gravierung trägt.* — Die im XV. Jahrh. in ein Ostensorium eingefügte,
laut spätei'er Inschrift vom h. Bemward gestiftete Patene im Weifenschatze,
* Vergl. aus'm Weerth. n, 89.
* Dist. 2 de consecr. c. 17; vergl. Gräser, a. a. 0. u. oben S. 229. Fig. 78. Nach
Honorius Augustod., Gemma animae I, 64 bezieht sich übrigens der genannte
kanonische Spruch darauf, dafs die Oblate in drei Teile geteilt, der eine vom Priester
sumiert, der andere in den Kelch und der dritte in die Pyxis zur Krankenkommunion
gelegt wurde. Dagegen sagt er I, 35 de forma panis, dafs die Hostie die Gestalt
oines denarius habe, was er denn auf die 30 Silberlinge des Verrates und den Denar
der Arbeiter im Weinberge deutet ; zu setner Zeit mufs also die münzenförmige Gestalt
bereits allgemein feststehend gewesen sein.
3 Jahrb. C.-K. Taf. V u. \1 zu S. 34 ff., Mitt. C.-K. XITH, Taf . V u. VI zu S. 173.
* Östr. Atl. Lm, 14.
Patenen. 233
zeigt in einer aclitbljltterigen Roee den S&lvxtor, umgeben von den Erange-
listenzeichen und den Brustbildern der philosophischen Tugenden, * — Auf
dem Rande der za dem gpeiaekelche aus der Sammlung Baailewski (s. o.
S. 219> gehörigen Patene sind in vier Runden Christus mit Brot und Kelcb,
Melchlaedek, Abel mit dem Lamme und St. Trutpertue dargeetellt. —
Schmnckvoll sind auch die Pateuen zu den oben S. 222 G. erwähnten romani-
schen Kelchen inTrzemesno, Plock, Oronau, Marienaee, Werben und Berlin.
Während indes alle diese nur gravierte Darstellungen enthalten, ist die zu
dem Prachtkelche der Godehardskirche in Hildesheim gehörige Patene
auf dem Rande mit Perlen und Edelsteinen in Filigran geschmflckt, und nnr
an der Stelle findet sieb ein runder Ausschnitt des Filigranrandes, an
welcher die vorgeschriebene Ablution vorzunehmen ist.* — Als Beispiel
einer mit Gravierungen, aber nur auf der Rückseite verzierten gotischen
Patene, ist die des Bernwardskelches in Hildesheim (s. oben ä. 228) zu
erwähnen: sie ist aus Gold, hat gegen 0,18 im Durchmesser and zeigt das
von Weihranch bccken schwingenden Engeln und den Evangelistenzeichen
• Bücher, Gesch. d. techn. Künste. II, 209. Fig. 82.
' So helfet es in dem Präger Schatzverzeichnisse von [3ST ; >una pecia m
ptr quam debet Bvmi ablutio.' — Vergl. Mitt. C.-K. IV, 303.
234 Patenen. Zangen. Oblateneisen.
umgebene Gotteslamm. ^ — Die zu dem Grabkelche des Erzb. Johann von
Magdeburg (f 1475) gehörige schmucklose Patene ist in der Mitte im Viel-
blatte vertieft, doch in einer geschweiften Fläche, so dafs das Centrum
der Rose gehoben erscheint.* — Eine silberne in der Stiftskirche zu Fritz-
lar enthält in Gravierung den Salvator mit den Evangelistenzeichen und
12 Engelbrustbildern. — Eine in Klosterneuburg befindliche aus der
Zeit zwischen 1317 — 1335 ist eigentlich aus zwei gravierten Tellern zusam-
mengelötet, von denen der untere im Mittelstück die Krönung Maria zeigt. ^
Im Zither des Doms zu Halberstadt befindet sich eine griechische
Abendmahlsbrotschttssel von 0,41 Durchmesser und 0,03 Tiefe, welche
der Bischof Konrad 1205 aus Konstantinopel mitgebracht hat. Den acht-
pafsförmigen Boden derselben nimmt fast ganz eine in sehr erhabenem Relief
ausgeführte Passionsgruppe zwischen Michael und Gabriel ein, umgeben von
Ranken- und Blattwerk. Auf der schrägansteigenden Wandung und auf dem
wagerechten Rande der Schüssel sind je acht Reliefbrustbilder von Heiligen
der griechischen Kirche angebracht. Später hat man auf dieser Schüssel
die Steinigung des Stephanus in einer Gruppe von silbernen Statuetten be-
festigt. — Auch der Dom zu Hildesheim besitzt eine über 0,31 im Durch-
messer haltende silberne Oblatenschüssel für die Laien - Kommunion ans
später Zeit, auf dem Rande mit Gravierungen, in der Mitte mit Email ver-
ziert. — Eine von Holz mit auf Goldgrund gemaltem Agnus im Fond befindet
sich im Zither zu Halberstadt, No. 326.
Anmerkung 1. In dem Prager Domschatz - Inventarium vom J. 1387
werden als damals anscheinend nicht mehr in Gebrauch befindlich zwei sil-
berne Zangen erwähnt, mit welchen den Leuten der Leib des Herrn dar-
gereicht wurde.* — Da anderweitig von einem solchen T^instrumentum sacrum^
nichts verlautet, und der Zweck desselben nicht liturgisch begründet werden
zu können scheint, so liegt zwar die Vermutung nahe, dafs die Zangen ge-
braucht worden sein möchten, um Aussätzigen und Pestkranken die Hostie zu
reichen, indes der Ausdruck des Inventars ^hominibtts^ begünstigt andrerseits
diese Annahme nicht, die vielmehr nötigen würde an ein ausgefallenes Wort
hinter T^homimhus<f^j z. B. leprosiSy zu denken.
Es mag hier auch beiläufig das ^/errum characteratumy ferrum oblafarumy
moUe ferreum<^y das Oblateneisen erwähnt werden zum Formen und Backen
der Hostien, mit deren Bereitung in manchen Kirchen nur die Diakonen oder
Snbdiakonen, und zwar in einem dazu besonders bestimmten Lokal, betraut
waren. So ist auf dem Bauplane des Klosters St. Gallen vom J. 820 in der
Nähe der Sakristei ein eigenes Gebäude angegeben zum Backen des heiligen
Brotes und zum Auspressen des heiligen Öles.^ Diese Eisen waren dazu ein-
gerichtet, um den Oblaten die bestimmte Form und Bezeichnung zu geben,
und schon vor Einführung der letzteren war den Abendmahlsbroten die Figur
des Kreuzes aufgedrückt. Wie auf dem Denar des Kaisers Bild und Über-
* Abbild, bei Kratz, Dom zu Hildesheim. Taf. V, 1 a.
» » » Rosenthal, Dom zu Magdeb. lief. V. Taf. 1. 20.
3 Abb. Mitt. C.-K. VI, 271 und N. F. lÖ, S. LXXXÜT.
^ T>Diio fardpes argentei, cum quibus porrigehatur hofntnü}U8 corptM dominu
cum.* Vergl. Mitt. C.-K. lY, 329.
* Yergl. Otte, Bauk. Beil. zu S. 92 unter D.
Velum calicis. Bursa. 235
Schrift; 80 war im XII. Jahrh. auf dem heil. Brote das Bild des Herrn mit Buch-
staben {imago domirä cum litteris)^ ausgedrückt , und seit dem XIII. Jahrh.
kommt gewöhnlich das Kruzifix mit dem Titulus INRI darauf vor.* — Mittel-
alterliche Oblateneisen sind sehr selten , da die Bereitung der Hostien bald in
die Hände weltlicher Bäcker übergegangen zu sein scheint. Das Mus6e de
Cluny in Paris besitzt ein grofses Exemplar aus dem XIII. Jahrh. mit den Bil-
dern Christi und der Apostel. * — Gleiche Technik wie die Eisenformen zu den
kirchlichen Oblaten zeigen die Osterkucheneisen zum häuslichen Gebrauch
(Abbild, eines solchen aus Köln, etwa aus dem XV. Jahrh., im Org. f. ehr. K. 1862.
Artist. Beil. zu No. 17).
Anmerkung 2. Kelch und Patene waren, während sie der Mefspriester
zum Altare trug, in das velum calicis^ eingehüllt, das beim Offertorium abge-
nommen und nach der Ablutio wieder umgelegt wurde, ursprünglich ein Leinen-
tuch, später von Seide in der Farbe des Mefsgewandes. Auf die Altartücher
wird als Unterlage für das Mefsopfer vom Diakon das Corporale {pälla cor-
poralis oder sindon) gebreitet, ein rein leinenes Tuch, ursprünglich von grö-
fserem Format, da es auch zur Bedeckung der Oblationen der Laien diente,
später kleiner. Dergleichen haben sich natürlich sehr selten erhalten. Bock
erwähnt ein bereits aus dem XH. Jahrh. stammendes in der Pfarrkirche zu
Deutz.^ Zahlreiche gestickte sind in der Marienkirche zu Danz ig (Abbild, bei
Hinz Taf. vn, IX, X, LI.— LVUI, LXXI, LXXII.). Im Brandenburger Dome
eins mit aufschabloniertem Granatapfelmuster. Zur Bedeckung des Kelches
wurde später ein kleineres, doppelt zusammengefaltetes Leinentuch, diepalla
calicis gebraucht, welches unter einen mit dem Stoffe des Mefsgewandes über-
zogenen und mit einem ornamentierten Kreuze oder dergl. bestickten steifen
Deckel befestigt wurde. ^ Zum und vom Altare trägt der Diakon die Cor-
poralien in der Korporaltasche (auch Korporals- Hui/s genannt, bursa), die
zu jedem Mefskelche vorhanden sein mufste, entweder einer Tasche mit einem
Überschlage an der offenen Seite, oder einem Kästchen {pera oder capsä), mit
einem dem Mefsgewande entsprechenden Stoffe überzogen und auf der oberen
Seite mit einer Stickerei, meist der Kreuzigungsgruppe, des Agnus dei oder
dergl. ^ Zum Schutze der Kelche in der Sakristei dienten kleine Säckchen
(sacculi) von Seide oder Leinenstoff, oder Lederkapseln.
* Cf. Honorius August. Gemma animae. 1, 35.
* Vergl. Augusti, I)eiikwürdigkeiten etc. VIII, 280; de Laborde, Notice des
Emaux au Musee du Louvre. n, 395. 420. 426.
' Texier, Dictiomiaire d'orfevrerie, 1263. — Eins von 1520 im Altertums- Verein
zu Ulm.
* Vergl. Book, lit-Gew. 11, 258 ff.
^ » das. 8. 266 und Abo. eines der Königin Theodelinde zugeschriebenen zu
Monza auf Taf. 36.
* Abb. das. Taf. XXXV, 1.
^ » einer Stickerei mit der Kreuzigungsgruppe das. I. 2. Taf. XVII, eines
Kästchens mit der Kreuztragung das. 11, Tm. aXXV, 2. — Ganze Reihen von Kor-
poraltaschen aus verschiedenen Jahrhunderten in verschiedenen Formen, bis zu der
eines hölzernen Bucheinbandes in den Domen zu Brandenburg und Halberstadt.
— Eine prachtvolle von rotem Samt mit Reliefstickerei des Salvators und von Engeln
mit den Passionswerkzeugen in Lüne. Abb. von Danziger Bursen bei Hinz. Taf.
XVI, 1. 2. Lxxxm, 2.
236 Ciborien.
45. Zu der auf urchristlicher Sitte beruhenden Aufbewahrung der
Eucharistie für die Gläubigen und für die Kranken bediente man sich
im Laufe der Zeiten verschiedener geweihter Gefäfse,* die unter den
Namen Büchse (pyxis)j Taube (cohmibay peristerium) j Türmchen (iurriSj
iurriciUd)j Kapsel (caps(i)j Speisegefafs (cihorium) u. s. w., vorkommen.
Jüngeren Ursprungs sind die zur Ausstellung der geweihten Hostie
dienenden Monstranzen (monstrantiae) , welche erst seit Einführung des
Fronleichnamsfestes üblich geworden sind.
In den ersten Jahrhunderten wurde die Eucharistie nicht in den Kirchen
aufbewahrt, indem es Sitte war, dafs Priester und Laien dieselbe mit in
ihre Hänser nahmen, um für den Notfall bei ausbrechenden Verfolgungen
kommunizieren zu können. Im Zeitalter des Constantinus fielen die Gründe
für diese mit vielen abergläubischen Milsbränchen verbundene Sitte weg, es
wurde aber die fortwährende Aufbewahrung der Eucharistie in den Kirchen
angeordnet. Das zur allgemeinsten und dauernden Geltung gekommene
GeHlfs zu diesem Zwecke war eine runde cylindrische Büchse, Pyxis ge-
nannt, in älterer Zeit aus Holz, Bein, Stein oder edlem Metall, später fast
immer aus letzterem verfertigt. Die bereits oben S. 196 unter den Reli-
quiarien erwähnten, wohl sicher sehr früher Zeit angehörenden Elfenbein-
büchsen ^ dürften ursprünglich diese Bestimmung gehabt haben, insofern
das unter dem Schlosse derselben angebrachte Signaculum (ein von einem
Lorbeerkranz umgebenes gleicharmiges Kreuz, in dessen Winkeln die vier
Nägel des Kreuzes Christi, mit ihren Spitzen einander gegenüber, mit den
Köpfen nach aufsen gestellt, ein zweites Schrägkreuz bilden) doch sehr
deutlich darauf weist, und es ist nicht unwahrscheinlich, dafs unter dem
in den Apostel. Konstitutionen erwähnten naaro^ogiov, in welches die Dia-
konen nach beendigter Kommunion beider Geschlechter die übrig gebliebe-
nen Brosamen zu legen hatten,' eben nichts anderes zu verstehen ist, als
eine solche oder ähnliche Pyxis. Eine noch gröfsere Wahrscheinlichkeit
findet statt in Beziehung auf die ^capsa ad officium quidem sacerdotale ex
ossibus /abricata«^, welche der Erzb. Lull von Mainz im VIH. Jahrh. aus
England zum Geschenke erhielt;^ auch besafs der Domschatz zu Trier nach
einem Verzeichnisse von 1238 zwei Elfenbeinbüchsen, deren eine jedoch
zur Aufbewahrung von Manna diente.^ Eine derartige runde elfenbeinerne
Pyxis mit Reliefs, wahrscheinlich aus dem XI. Jahrh., auf einem spät-
gotischen metallenen Fufse befestigt, befindet sich noch im Münster zu
* Yergl. Pelliccia, de Christ, eccl. politia (ed. Braun). IT, 1 — 67 (Diss. de
eucharistia infirmorum). — Bintorim, Denkwürdigkeiten etc. 11 , 2, 134 — 194. —
Augusti, Denkwürdigkeiten etc. Xu, 88 — 44. — Laib u. Schwarz, Studien etc.,
27 ff. 59 ff. 72 ff. — Corblet, J., Essai historique et liturgiquo sui les Ciboires et la
resene de rEucharistie. Paris 1858.
•-» Vergl. Hahn, F., Fünf Elfenbein -Gefäfse des frühesten Mittelalters. 1862, 1 ff.
— Gori, Thesaurus diptychorum. Florenz 1759. IV, 69. Tab. 28. 24.
3 Const. Ap. 1. 2 c. 61 u. 1. 8 c. 18; vergl. Laib n. Schwarz, a. a. 0., 30.
* Epist. S. Bonifacii, ed. TVürdtwein, 313 ep. 130; vergl. Eettberg, Kirchen-
geschichte Deutschlands. I, 405.
s Mitteil. etc. heransgegeb. von dem hist.-arcliäol. Verein zu Tiier. 11, 125.
Ciborien. 237
Reichenan,' Von metalteDen PyxideD sind zu erwähnen 2 ganz einfache
kupferne mit Emaillen ans romaniBcher Zeit, im Privatbesitz zo Prankfurt
a. M.,* eine ebenfalls knpfern-vergoldete, mit Edelsteinen nnd 8 Qemmen
besetzte, auf dem Deckel mit einer gekrönten weiblichen BOate von vergol-
detem Silber in derFtlrstl. Eunstkammer zu Sigmar ingen,' eine runde mit
verBchliefsbarem Deckel, an der senkrechten Fl&che mit Oravienutg von 10
sitzenden Figcren unter Spitzbogennischen aus dem XIV. Jahrb. im Gennan.
Museum zu Kflrnberg* und ebendaselbst (K. 0. 154) eine Ähnliche mit
BÜbemem Agnus anf dem Deckel ca. 1500. — Anderweitig kommt seit dem
VI. Jahrh. fQr die Gefäfse zur Aufbewabmng
der Encharietie der Name Turris, Turri-
cnlum^ vor, worunter wahrscheinlich nur eine
Pyxis mit zeltfQrmigem Deckel (s. oben S. 196)
zu verstehen ist, die indes, wie schon bei den
Beliqaiarien dieser Art bemerkt, zuweilen auch
in gröfserer Form und in der Weise eines Tur-
mes architektonisch ausgestaltet worden sein
wird, weshalb aie mit dem turmfOrmigen Grabe
Christi verglichen werden konnte.* Hierher
gehört der jetzt in ein ReliquienkUstchen ver-
wandelte rechteckige Kasten von Messing
und Silberblech mit hohem Pyramidaldach und
Emaillen zn Siegburg,' — Gleichzeitig mit
den GeiHßien in Tannform werden auch goldene
und gilbemeTauben erwähnt,* und zwar zu-
erst in der griechischen Kirche, mit der auB-
drticklichen symboliachen Beziehung anf den
heiligen Geist. Diese Tauben standen anfeiner
Schtlssel, die mit den daran befindlichen Kett-
chen an einer Schnur von dem Ciborinm Ober
dem Altartische schwebend herabhing nnd wäh-
rend der Messe hemntergelassen wurde, eine
Einrichtung, von welcher der jOngereTitureKs.
oben 8. 139) eine nicht ganz anschauliche Be- '"■ ** ^'"Säim}'"" ^'' ""'
Schreibung giebt, und die besonders in Frank-
reich auch nach Abschaffung der Ciborienaltäre sich in einzelnen ElOatem
' Marmor, Eeichenau. Taf. 2.
» Photogr. Franlrfurter AosHtellung. Taf, 14. Fig. 4. 6.
' V. Hefner-Alteneclt. Taf. 48.
' K.-G. 142. Abb. im Katalog. Taf. 4.
" Vergl. Texier, Dictionnaire d'orfevrerie, 1410. Art. Tour.
° •Corptu Vera domitti ideo defertur in turribtu, qaia monumetUtim dotiUni
(das heibgo Orab mit seinem Kuppelban) in tirnüitwUnem twvis fortt scmmu» m
petra.' ^positio t>re\is lituig. Oälicuiae (ans dem TL Jahrb.) bei Marlene, Iheeaar.
aneedot V, 95.
' ans'ra'Weerth. Taf. XLTH, 2— 2 b, u, XLTV, 4. Die Inschrift besagt:
Hostia vitaiig, qtialis fuit in cruee, talig
lub fidei tilalo claret tu hoc IochIo.
* Die antiocheniscfae Oeintlichkeit beschuldigte auf dem Konzil zn Eonatantinopel
im J. 5!I6 (Act, V.) ihren Bischof, dals er sich »t(i( tl^ riitov rov &yiov ■avtV[icnoe
238 Ciborien.
selbst bis in die Revolutionszeit erhalten hatte, indem eine Art von Erahn zu
diesem Zwecke am Altarbau angebracht war.^ Es haben sich in Frankreich
auch noch einige solcher Tauben aus emailliertem Kupfer erhalten: auf dem
Rücken zwischen den Flügeln befindet sich unter einem (mit dem Signacu-
lum bezeichneten) Deckel eine Öffnung zur Aufnahme einer kleinen runden
Pyxis.^ In Deutschland sind bis jetzt nur vier liturgische Geföfse in Tau-
benform nachgewiesen: im Domschatze zu Salzburg (aus vergoldetem
Kupfer mit emaillierten Flügeln , die Augen aus blauen Glasflüssen: ein
Ölgefäfs aus dem XII. Jahrh.)y^ im Kloster Göttweih aus Messing,*
im Domschatze zu Erfurt (ausdrücklich als ^coltwiba eticharisüca<i be-
zeichnet^) und in der Fürstl. Kunstkammer zu Sigmaringen.* — Da alle
diese eucharistischen Gefäfse (Büchsen, Türmchen und Tauben) über dem
Altare aufgehängt zu werden pflegten (s. oben S. 140 u. 196), so hatte sich
für dieselben, ohne Rücksicht auf ihre Form, auch die allgemeine Bezeich-
nung Suspensio gebildet, wie ebenso anderweitig der Name des Altar-
baldachins, Ciborium, von dem sie herabhingen , auf die Speisegefilfse selbst
übertragen wurde, und derselbe im kirchlichen Sprachgebrauche sich in
dieser Bedeutung fortgepflanzt hat, für die noch jetzt übliche Art von Sakra-
mentarien, die nach dem Wegfall der Altarbaldachine nicht mehr zum Auf-
hängen, sondern zum Aufstellen bestimmt, in gotischer Zeit die Form eines
Deckelkelchs mit polygonischer Cuppa annahmen und Ciboria genannt
werden. Sie dienen nicht blofs zum Aufbewahren, sondern bei gröfserer
Anzahl der Kommunikanten auch zum Austeilen des Weihbrotes und ver-
treten somit zugleich die Stelle der früheren Brotschüsseln und Ministerial-
Patenen. Für den Gebrauch in der Kirche sind die Ciborien gröfser, als die
zur Provision der Kranken bestimmten Gefäfse dieser Art, welche überhaupt
in zwei Klassen zerfallen: in schalenartige und turmförmige, je nachdem
XQvadq te xal dgyvQäq nsoioxsQaq xQSßiafihaq inegdvio tatv &6l<ov xoXvfJL^if^wv
xal 9vaiaaxriQi(ov*^ widerrechtUcn zugeeignet habe. Yergl. Augusti, a.a.O., All, 41.
— In dem Pontifikalbuche des Anastasios kommen die *columhae* sogar schon unter
den Geschenken Konstantins des Gr. an die Peterskirche in Born vor. Yergl. Laib
und Schwarz, a. a. 0., 28.
^ Auf einer Abbildung des alten Hochaltares der Kathedrale zu Arras aus dem
XTTT. Jahrh. (bei Laib und Schwarz, a. a. 0., Taf. X, 3) hängt die Pyxis in den
Händen eines herabschwebenden Engels, was nach de Moleon, Yoyages liturgiques
(Paris 1718), 244 u. 276 auch in N. I). von Paris und von Ronen derFaUwar — im
Titurel scheint dagegen die Taube den Engel zu tragen, als kUme sie aus dem Para-
diese gleich dem heil. Geiste.
• Yergl. die Abbild, bei Laib und Schwarz, a. a. 0., Taf. II, 4. 6. 11. — Dafs
die Euchanstie nicht unmittelbar in die Taube, sondern in eme darin angebrachte Pyxis
feiest wurde, beweisen die Consuetudines duniacenses aus dem XI. Jimrh. (1. 2 c. 30
ei jD acher, Spicileg. I, 679), wo es heilst: T^Auream pyxidem de columba juffUer
pendente super altare diaconus .... ad«^ra^if.<
» Östr. Atl. XLTT, 8. Photogr. Münchener Ausst. Taf. 105, 4.
* Photogr. das. Fig. 5.
* Yergl. Falckenstein, Analecta Thuringo-Nordgav. n, 361. — Fiorillo, J. D.,
Gesch. der zeichn. Künste in Deutschland. I, 486. — Sie fers, W. Engelb., Praktische
Erfahrungen etc., 24.
• V. Hefner-Alteneck. Taf. 23.
Ciborien. 239
ihnen der Typus der Pyxis oder des Turriculums zu Grunde liegt. Der Fufs
ist gewöhnlich sechsblätterig oder bildet einen Stern mit abwechselnd ge-
rundeten und gespitzten Strahlen; Ständer, Knauf, Gefäfs und Deckel sind
entsprechend polygonisch, bei den turmförmigen mit hohem Spitzhelme.
Die Höhe der Ciborien schwankt zwischen 0,21 — 0,62, der Stoff ist vergol-
detes Silber oder nur Messing; der Schmuck besteht meist in architekto-
nischem Mafswerk, in gravierten und emaillierten Bildern. Das ausgezeich-
netste Exemplar in achtseitiger Schalenform mit ziemlich niedrigem Deckel
von geschweiftem Profil, mit Blattwerk und biblischen Darstellungen in
Email reich geschmückt, bei etwa 0,34 Höhe in den anmutigsten Verhält-
nissen (XIV. Jahrh.) befindet sich im Schatze des Stifts Klosterneuburg, ^
ein einfaches 12seitiges mit graviertem Laubornament auf den Seitenflächen
aus dem Ende des XV. Jahrh. in der Salvatorkirche zu Hall in Tyrol,^ ein
dosenfbrmiges (von Engeln getragen, auf dem Deckel Christus am Ölberge)
aus dem XV. Jahrh. in Melnlk,' zwei einfache im Stift St. Florian,* ein
kugelförmiges auf Ständer aus Messing, noch dem XVI. Jahrh. angehörig,
im Franzensmuseum zu Brttnn,^ ein sehr eigentümliches in Form der spät-
gotischen Buckelbecher mit dm*chbrochenem Spitzbogenbaldachin auf dem
gebuckelten Deckel in St. Oswald bei Freiland ob Landsberg in Steier-
mark.® — In den Rheinlanden nennen wir das turmförmige, 0,62 hoch
(aus Rees stammend) in der Dorfkirche zu Ober-Millingen am Nieder-
rhein, ^ andere in El tenberg, Kempen und im Münsterschatze zu Aachen ,^
in St. Martin und in St. Johann zu Köln,* in der Kirche zu Deutz
(den Kern bildet die romanisch gefafste hölzerne Trinkschale des heil.
Heribert; Fufs und Deckel aus dem XV. Jahrh.) ; *®, eins von vergoldetem
Silber in Cues a. d. Mosel; '^ ein Krankenciborium, welches im unteren
Teile zugleich für das oleum infirmorum dient, aus vergoldetem Kupfer zu
Neuerburg im Kreise Bitburg ^^ und ein romanisches, emailliertes im Mu-
seum zu Darmstadt.'^ — In Westfalen: in der Kirche zu Körbecke
bei Soest (die Cuppa ans einem zwölfseitigen Bergkrystall bestehend; jetzt
als Monstranz in Gebrauch), in der Kirche zu Eislohe, in der kathol. Kirche
zu Dortmund;** in den Kirchen zu Dülmen und zu Buldern.** — In
Bayern: InEcksbergbeiMühldorf, inHögertshausen,Geisenhausen,
Pframmern bei Aibling, in der Martinskirche zu Landshut (sämtlich un-
» östr. Atl. LXXXIV, 1.
» das. Fig. 9.
' » »2.
* Mitt. C.-K.' XVin, 184. Fig. 57. 58.
* das. S. 2. 11. Fig. 89.
* Eirchenschmuck. Sekkau 1877. Beil. zu No. 6.
' au8*m Weerth. Taf . V, 2. Seemann.CL, 11.
• » » » n, 2. xxn, 6. xxxvm, 5.
* Bock, d. heiL Köhi. Taf. XVI, 63. XXXIV, 102.
w das. Taf. XXm, 84 und aus'm Weerth. Taf. XLTT, 7 u. 7 a — s. ob. S. 209,
" aus'm Weerth. Taf. UV, 9.
« das. Fig. 12.
»» Beker- v. Hefner. I. Taf. 12.
" Vergl. Giefers, a. a. 0., 59.
« » Lübke, Westfalen, 425.
240 Monstranzen.
bedeutend, zam Teil defekt),^ ein prachtvolleB mit herrlichen Emaillen, ans
Fufsen etammend, in Maihingen, drei einfache im Oerman. Mneeum zn
Nürnberg.^ — In Sachsen; im Mnsenm des Gr.
Gartens zn Dresden ein aus der Kirche zn Briefg-
nitz atammendes ana vergoldetem Kupfer^ und ein
anderes aus Oschatz. — In der Provinz Branden-
burg: in der Gotthardskirche zu Brandenburg, im
PrOTinsislmusenm eu Berlin,* in der MOnchenkirclie
zu Jüterbog und in der Klosterkirche zu Zinna
(sAmtlich in Mesaing mit gravierten Fignren).
Dem Fronleichnamafeate , deesen allgemeine
Einftthrung erst dem Papste Johann XXII. im J. 1316
gelungen zu sein scheint, verdanken die Monstran-
zen^ ihren Ursprung. Da sich dieses Fest, welches
zuerst seit 1346 in der DiSces LUttich war gefeiert
worden, indes auch später nur allmählich nnd strich-
weise weiter verbreitete, und da es überdies zweifel-
haft ist, ob die Prozessionen und die Änssteilnng des
Venerabiie nicht überhaupt erst später hinzugekom-
men sind,' so kann es nicht befremden, dafs die meis-
ten Monstranzen erst ans dem XV. und XVI. Jahrh.
herrOhren und deshalb in archäologischer Beziehung
nur von geringerem Interesse sind. Offenbar haben
denselben die bereits trtlher vorhandenen gotischen
Reliqnien-Monstranzen (s. oben S. 208) zum Vorbilde
gedient, wahrscheinlich weil man sich Anfangs der
_ Scfaaugefääe dieser Art auch für das Sauctisaimum
id St. Johuin in Rtiin bedient haben mag: es sind tragbare labemakel,
(DMb Bock). fljg^ g^^f einem dem gotischen Kelchfufse gleichen-
den Untersatze ruhend, den gröfsten Reichtum in
der Entwickelung der dem gotischen Turmbau entlehnten konstruktiven
nnd dekorativen Formen im entschiedensten Hochstreben zeigen, indem der
Aufsatz bei den am glänzendsten ausgestatteten Exemplaren in der Breite
' Yergl. Sighart, J., die mitt«IalterL Kunst in der Erzdiöcese Uünchen -Frei-
sing, 202.
> Abb. Anz. G. M. 1869. No. 5.
* Mitt. des Sachs. Altert-Vereins. XVm, Taf. 1.
* Abb. Prüfer, Archiv. H, 23.
» Über Gebrauch nnd Form der MonstranMn : CWeita, in den Mitt C.-K. I, 206,
als Einleit zur Beschreib, der got. Monstmnz im Dorne zu Prefsbur^. — Sie bei&en
auch oitenaorium oder cttetodia — letzteres 'quateruts sacramtntmH vneludü, vt videri
qttidem potent, non item tangi.'
' Vergl, Gavanti, Thesaur. sacr. rit. I, 499—516. — In dem Prager Domschatz-
verzoichniase vom J. 13ST sind z. B. Doch keine andere, als Beliquien- Monstranzen
angeführt. — In den Syuodalstatuten von Basel vom J. 1506 (Hartzheim, Cono.
germ. TT, 8) wird den Pfarrern aufgegeben, Monstranzen anzuschaffen, ivbi natt haben-
(urc und Georg von Anhalt, s. a 0., 165 f. bemerkt, dafs im Erzatift Magdeburg
•für die (erst m neteigkeü auffgerichte) proctssion Corporis Christi his -auf dtn
heiaigen Tag kein eigen Monatrantz oder heutkin datu bereitet lei.' Tergl. Mitt.
C-S. VI, 108.
MonstraDzen. 24]
eioe dreifache Pyramide bildet, von denen die mittlere auf dem Ständer
i-uht und die beiden Beitlichen Übersteigt, welche unten koosolenartig endend
eich frei tragen. Anderweitig entwickelt sich
der Oberbau mehr in die Breite und zwar ana
Motiven, die dem Pflanzenreiche entnommen
aind. In der Mitte des Tabernakels befindet
sich gewöhnlich in viereckiger, seltener und
später in runder Umrahmung das durchsichtige
cylindrische oder eckige Krystallglas zur Auf-
nahme der Hostie, die von einer halbmond-
förmigen Zwinge (htnula, auch mit Beziehung
auf I Mose 14, 18 Melchisedek genannt) ge-
halten wird.' Die Sonnenform (vgl. Pb. 19, 5)
der Monstranzen gehört der Renaisaance an.
— Der zur Ansftlbmng dieser Oefäfse gewählte
Stoff ist aehr verschieden, je nacb den zu Ge-
bote stehenden Mitteln. Die Kathedralen haben
Monstranzen von Gold und Silber; die meisten
Kirchen begnflgtensich mit vergoldetem Kapfer
oderUeasing, aber auch reich geschnitzte höl-
zerne Monstranzen kommen zuweilen vor, die
ihres leichteren Gewichtes halber besonders
bei den Prozeaeionen gebraucht wurden. Die
GrOfse steigt von 0,31 — 1,66 und mit der
GrSfse auch daa Gewicht, so dafs die grOfsten
entweder gar nicht zum Tragen bestimmt,
oder wie die zu Ratibor, Vallendar etc. mit ^'a- »». Mnwi»tii>=k n« Hümu.™
. „ ., , ™» . .- »0 Delling (a«ch Blgh»it).
zwei Handhaben zum Tragen an einem nm die
Schulter gelegten Riemen versehen waren. Wohl die gröfste bekannt ge-
wordene war die im siebenjährigen Kriege eingeschmolzene der Barbara-
kirche zu Enttenberg von 1496—98, welche ober 1,90 hoch war und
110 Pfd. wog. — Beispiele von gotischen Monstranzen sind — meist nach
vorliegenden Abbil dangen — zu nennen, im Rheinlande: zu Eltenberg
(aus'm Weerth, TaT. I, 1.), aus der abgebrochenen Kolleglatkirc he zuRees,
(das. Taf. IV, 7), zu Vineu (dos. Taf. X, 11), in der Nikolaikirchc zu Kaikar
eine all ber- vergoldete aus der Mitte des XV. Jahrh. {das, Taf. XVI, 3; Fhotogr.
bei Wolff, Nik. -Kirche zu K., Taf. 73, 74) und eine 1,00 hohe massiv silberne,
die wahrscheinlich 1543 f(lr die Nikolaikirche zu Amsterdam gefertigt iat
(Photogr. TV'oIff, Taf. 75), zu Xanten (aus'm Weerth, Taf. XVni, 4), zu
Kempen (das. Taf. XXn, 7; in Originalgröfse bei Schmidt. Kirchenmöhel I, 4,
Taf. 18), im Münsterschatze zu Rsaen (aus'm Weerth, Taf. XXIX, 1; auch in
der Johanniskirche daselbst), zu Ratingen (vou 1994, aus'm Woerth, Taf.
XXIX, 9), eine au age zeichnete im Domschatze zn Köln (angeblich aus dem
XIV. Jahrh. mit mnder Kapsel gegen 1,00 hoch) und zwei zu St. Kolumba
' Wii- Kelen das Mittelatüct der prachtvollen, 1,m hojion aus Hola gescluiitzteii
Monstranz aus Doms zu Freising von 14S0 zur Veranschaulich une der Lunula im
Holzschnitt, nach der Abbild, bei Sighart, .Toach., der Dom zu Freising. Taf, VI.
Phnti^raphie Münchener Ausstellung. Taf. 10.
Ott«, KnnM-Arsblolixl*. 5. Ana. IG
242 Monstranzen.
daselbst, von denen die gröfsere von 0,94 Höhe den Vorzug verdient (Bock,
d. heil. Köln. Taf. X, 39. XX, 7b. XXI, 80), sechs verschiedene aus dem
XIV— XVI. Jahrh. zu Gräfrath (aus'm Weerth, Taf. XU, 2—7), eine 0,785
hohe zu Branweiler (das. U, 11), eine kreuzförmige von 1427 zu Löf a.
d. Mosel (das. UV, 6), eine ebenfalls kreuzförmige 0,94 hohe zu St. Wendel
(das. LXin, 4), andre zu Orsbach bei Aachen von 1517, in Moselweifs
bei Koblenz und in der Lambertikirche zu Düsseldorf. — In Westfalen:
zu Bochold: (die schönste im ganzen Münsterlande), in der Stiftskirche zu
Vreden (mit rundem Gehäuse), zuAnholt (Abb. in Originalgröfse bei Schmidt
a. a. 0., Taf. 19—23), auch zu Ostenfelde (mit Glöckchen behängt). — In
Franken und Hessen: zu Grofsostheim bei AschafTenburg, silber-ver-
goldet mit zierlichst durchbrochenem Turme 0,756 hoch, 1523 zu Worms
durch Kaspar Naygar gefertigt (Becker- von Hefner, in, Taf. 6S), in der
Stadtpfarrkirche zu Mergentheim 0,94 hoch von 1509. — In Bayern:
zu Andechs von 1460, zu Augsburg in der St. Moritzkirche (silbern 1470
von Johannes Müller gefertigt, Photogr. Münchener Ausstellung, Taf. S3) und eine
andre grofse in der Kreuzkirche, zu Bamberg in der Marienkirche von
1474 mit Emaillen, zu Tegernsee (von 1448, ans Weifskupfer mit Hei-
ligenfigürchen von Silber, 1,1 7 hoch und 28 Pfd. schwer), kleinere zu E reut,
Steinhöring und Salmanskirchen in der Diöcese München -Freising,
die sogenannte Tilly- Monstranz von 1507 zu Breitenbrunn im Sprengel
von Eichstätt und in der Diöcese Regensburg zu Ruhstorf (ca. 1460, Jakob,
Taf. XIV, 2), eine etwas reichere zu Burglengfeld, eine kleinere silberne
zu Steinbach, in St. Peter zu Straubing mit dem Stammbaume Christi
am Fufse, auch zu Roggenstein, Nabburg, Staudach bei Eggenfelden,
Neustadt a. Donau etc. — In Schwaben und Baden: eine besonders
reiche zu Tiefenbronn bei Pforzheim (Ende des XV. Jahrh. silbern 1,05; am
Fufsö vier Gravierungen mit den alttest. Tj'pon dos Abendmahles, am Untersatz
des Cylinders die vier Evangelisten in Relief, über dem Cylinder die Einsetzung
des heil. Abendmahles in frei um einen runden Tisch sitzenden Rundfiguren, im
dui'chbrochenen Aufsätze dann noch übereinander eine Pieta und Christus als
Schmerzensmann in Rundfiguron, auTserdcm 24 Heiligenstatuetten; Photogr. Frank-
furter Ausstellung, Taf. 6), zu Schwäbisch- Gmünd in der heil. Kreuzkirche
eine 1,25 hohe, sehr schöne spätgotische von Silber mit dem Zeichen M. 0.
und zwei kleinere ältere in sehr edlem Stile, eine prächtige auch zu Weil-
derstadt.— In Tyrol: zu Bozen (Anfang des XVI. Jahrh., l,45hoch, 19— 20 Pfd.
schwer, Abb. im Album mittelalt. Kunst w. aus TjtoI, IS60, I, 1, 2), zu Hall
(sehr reich, 1,41 hoch, über 25 Pfd. schwer, Fufs neu), im Domschatze zu
Brixen eine 0,63 hohe um 1400 (Abb. Mitt. C.-K., M, 132, Taf. III), und
eine andere etwas gröfsere und reichere; inKärnthen zu St. Paul aus der
zweiten Hälfte des XV. Jahrh. (ösü-. Atl. IJCXXVn, 4); in Steiermark zu St.
LeonhardimPongau mit besonders schöner Ausführung der Architektur und
der Figur des heil. Leonhard im Ständer (das. I^XXXVn, 10), ferner zu Cilli,
Marburg und Jägerberg; in Österreich: zu Wien in der Ambraser Samm-
lung aus dem XV. Jahrh. (das. LXXXVTT, 1 1 ) und eine aufsorordentlich schlanke
1,27 hohe silberne bei Rothschild (das. LXLVin, 9), zu Grofs-Rufsbach
(XV. Jahrh., das. Taf. 24), zu Klosterneuburg eine aus der 2. Hälfte des
XIV. Jahrb. (das. Taf. 24; Seemann CLII, 5) und eine aus der 2. Hälfte des XV.
Monstranzen. 243
Jahrh. (das. Taf. 24J, zu Ip s (0,80 hoch von vergoldetem Silber, Anfang des XYI. Jahrb.,
Fois modern; das. Taf. 24), za Matzen (ebd.), Prie^litz (von 1515, das. Taf. 12),
Rabenstöin (von 1482, ebd.), Seitenstetten (ebd., bereits aus der 2. Hälfte
des XVI. Jahrh. und mit Renaissancemotiven), Waidhofen a. Ipß (ebd. 2. Hälfte
des XV. Jahrh.) und Wenzersdorf (ebd. 1. Hälfte des XVI. Jahrh.); in Böh-
men: auf dem Schlosse zu Sedletz (ausgezeichnet, 0,94 hoch, 9 Pfd. schwer,
vor 1421 ; Abb. Mittel. Kunstdenkm. d. österr. Kaiserst. I, Taf. VH.; Seemann, CLJI, 2),
in der Nikolaikirche zu Eger (1,05 hoch, Abb. Grueber, IV, 179), zu Sobotka
(0,82 hoch, 16 Pfd. schwer) und zu Melnik, geringere kupferne und mes-
singene zu Schlackenwerth, Friedland und Deutsch-Brod. — In
Schlesien: zu Ratibor eine 1,28 hohe aus vergoldetem Silber von 1495
(Photographie bei A. Leisner in Waidenburg), andere zu Grünberg und in
einer Landkirche bei Reichenbach (Abb. Org. f. ehr. K. 1862, artist Beil.
zu No. 17). — In Sachsen eine prachtvolle, 0,63 hohe in St. Godehard zu
Hildesheim, andre zu Recklinghausen, zu Gotha (Heideloff, Orna-
mentik IV, 19, Taf. 4), spätgotisch zu Ost ritz (Photogr. Dresdener Ausstellung,
Taf. 39). — In Preufsen eine sechseckige, 0,70 hohe, reich dekorierte zu
Stuhm im Ermlande, andre zu Plastwich, Mehlsack, Arusdorf, Alt-
Wartenburg, Grofs-Lichtenau bei Marienburg, Kulmsee, Kirchen-
Jahn, Zuckau, Putzig, Ozarnowitz. Eine 0,90 hohe silberne des XV.
Jahrh. mit der Figur Heinrich IL oben auf dem Spitzdache , aus dem Dom-
schatze von Basel stammend, befindet sich im Kunstgewerbe-Museum zu Ber-
lin (Schrank 375). — Zahlreich verbreitet sind in Landkirchen des Meifsener
Sprengeis und anderwärts in Nord-Deutschland Monstranzen, die nach einem
und demselben, mit der Ruhstorfer (s.S. 242) fast völlig übereinstimmenden
Modelle fabrikmäfsig in Gelbgufs hergestellt sind (Abb. eines aus Kraftshof
stammenden Exemplars im German. Museum, K.-Q. 150 im Katalog Taf. 4, eines andel'en
aus Liebschütz im Museum des Grofeen Gartens zu Dresden, No. 618 in den Mitt.
d. Sachs. Altert.-V., XTV, Taf. 2). — Ein Futteral für eine Monstranz aus ge-
prefstem Leder mit den Figuren Christi und Mariae in schönem Lauborna-
ment vom Anfange des XV. Jahrh., au^ der Jakobikirche zu Chemnitz stam-
mend, befindet sich ebd. zu Dresden No. 1204 (Abb. ebd. Taf. 3).
Anmerkung. Nachdem die Aufbewahrung der Eucharistie in der Sus-
pensio (s. S. 238) aufser Gebrauch gekommen war , bedurfte es eines anderen
sicheren und würdigen Ortes zur Aufnahme des Ciboriums oder der Monstranz,
und dieses Bedürfnis führte zur Errichtung besonderer Sakramenthäuschen
(auch Tabernakel, Herrgottshäuschen, Gotteshüttchen, Fronwalme genannt),
und zwar regelmäfsig nördlich im hohen Chore auf der Brotseite des Altars.*
Es lassen sich aber drei verschiedene Arten derselben nachweisen: 1. Wand-
schränke, etwa in Brusthöhe über der Erde und bereits seit dem XIIL Jahrh.
vorkommend. Als romanisches Beispiel dieser Gattung kann der sich im Vier-
blatt öffnende, sonst ganz einfache Schrank in der zierlichen Dorfkirche von
Steinbach bei Bibra in Thüringen angeführt werden. Die Gotik fügte der
Wand angeblendete Zierden hinzu, indem sie den Schrank mit Fialen flan-
kierte, mit einer Wimperge übersetzte und die Öffnung desselben mit profilier-
* Vergl. Laib u. Schwarz, Studien etc., 72 ff. — Fronner, d. Sakr. in den
gotischen Kireheu, in den Mitt. C.-K. XV, CXLTTT ff., m. 9 Abb.
16*
244 SalcranieDthäuschcn.
tem Simawerk omgab. FrOh- und edelgotieche BeiBpiele sind selten, wir nen-
Den die Schreine zu Volkmarsen' und zn Zinna;* spfttgotUche hftulig, z. B.
der in Fig. 89 abgebildete in Maria
Stiegen zu Wien. DenVerschlursdes
Schrankes bildet anfangs Stier eine
feste Thür (wie in Zinna), gewöhnlicli
aber, nnd später immer, eine eiserne
GittertliDr, oftmals noch mit einer
zweiten, hOlzemen mit Eisenbeschlag
nach aufsen gesichert. In St. Blasien
zu Münden findet sich eine bronzene
Thtlr mit den Reliefs des Agnus dei,
nmgeben von der Kreuzigung, Anf-
erstehung, Hüllenfahrt und Weltge-
richt, auch den Evangelistenzeichen
nnd den Symbolen des Pelikans und
des LSwen mit ihren Jungen, hoch
0,s4, breit 0,ö3.' Ein mit reichem
Mafswerk dekorierter apätgotiecher
dreiteiliger Schrank mit vorspringen-
dem MittelstUck, auf dessen Thtlr die
von Engeln angebetete Monstranz ge-
malt ist, ateht im Chore des Doms
zu Halberstadt frei. — 2. Frei-
stehende^ Tabornaket in Form
einesTnrmes, gewissermalsen mo-
namentale Monstranzen in grofsem
MafBatabe nnd wie diese wohl ans
dem seit Einführung des Fronleich-
namsfestes sichtbaren Streben nach
««_._ .._.„_.=. ™ immereröfsererVerherrlichungdesin
(nuh dam üitr. AU.). der Hostte enthaltenen heiligen Lei-
bes hervorgegangen und erst seit dem
letzten Vierte] des XIV., hauptsächlich aber im XV. und XVI. Jshrh. vorkommend :
auf einem hohen, dreieckigen , viereckigen, polygonen oder moden Sockel ruht
der rings von durch sich tigern Gitterwerke (wie die Kapsel der Monstranz von Kry-
stallglas) umschloBseue Schrein,'^ über welchem sich in den reichen, oftwÜIkOr-
lichen Formen der Spätgotik eine Pyramide erhebt, die sich zuweilen bis zum
Gewölb« der Kirche emporgipfelt, wo sie, wie im Wachstum verhindert, ihre
■ Statz u. UiigewittiT. Taf. 119-
» Puttrith. 11, Serie .Tiitorbog. Bl. 11.
> Abb. Mithoff. n. Taf. 5.
* D. h. sie Hind völlig tielbxtäiidig koDs-tmiert; ihr Platz ist freilieh nft diclit an
der AVand oder an einem Pfeiler.
" Nach Laib und Schwarz, a. a. 0., 73 waron die nitter innerhalb mit Leder
oder ScidenHtoffen iibcrzogcn, also in diespin Falle eigentlich zwecklos; Jakob Müller
im •Kirchengeichmnek. München 1591,17' (a. a. U., 74| sTiricht aber vonVorhüngen,
die also erforderliphon Falls ziiriickgeschlngi'n werden und da-s npflfs mit dem \ ene-
mhile sii^htliar nin<'lir>D konnlcn.
Sakramenthäuschen.
245
obere Bltitenspitze pflanzenartig umbiegt. Die glän-
zendsten Beispiele dieser Gattung finden sieh in Schwa-
ben (im Münster zu Ulm ^ 28,25 hoch, angeblich von
einem Meister aus Weingarten 1461 begonnen, vollen«
det wahrscheinlich 1472, angeblich durch Jörg Stir-
lin d. Alt.) 1 und in Franken (in der Lorenzkirche ^u
Nürnberg,* 20,oo hoch, von Adam Krafft, 1496—
1500, weit berühmt wegen des phantastischen Reich-
tums der bildnerischen Konstruktion und der künst-
lichen Technik). Das älteste datierte Beispiel ist das
Sakramenthäuschen in St. Severin zu Köln vom J.
1378. — 3. Die dritte Art besteht aus einer Mittel-
gattung: es sind Türme, die an einer Seite ganz
mit der Wand verbunden sind, meist aus dem
XV. und XVI. Jahrh. , z. B. das Fig. 90 abgebildete
zu Unna in Westfalen. Noch aus der Zeit des Über-
gangsstiles rührt indessen dasjenige im Münster zu
Hameln her, ein auf drei Zwergsäulen und einem
Pfeilerstticke des Chors ruhender rechteckiger Schrein
mit zwei hölzernen Thüren übereinander an der Vor-
derseite, über dem sich eine vierseitige von Giebeln
umgebene Pyramide erhebt. ' Obgleich die meisten
Sakramenthäuschen der beiden letzten Arten aus
Steinmetzenwerk bestehen, so kommen doch auch,
besonders im Gebiete des Ziegelbaus , hölzerne vor :
ein roh gezimmertes von 4,io Höhe zu Langen -
Hanshagen im Kreise Franzburg ^ und ein ähn-
liches, etwa halb so hohes zuFlemendorf (ebd.);
in Schnitz werk in der Klosterkirche zu Doberan
(11,60 hoch), in der Marienkirche zu Wittstock von
1516 aus einem einzigen Eichenstamme, inPipping
bei München von 1480, zu Weifsenbach in Tyrol
(über einem Marmorsockel); oder metallene: ein
bronzenes in der Marienkirche zu Lübeck von 1479,^
ein eisernes, etwa 10,00 hohes, von 1509 zu Feld-
Fig. 90. Sakramenthaaa xu
Unna (nach Mordhoff)«
* Vergl. Pressel, Ulm und sein Münster, 72. Abb.
bei Ramee, meubles. Taf. 42.
^ Abb. bei Wanderer, Adam Krafft. Taf. 9 — 15 u.
Grundrifs auf S. 15; vielfach auch in Einzelstichen von
Poppel, Geifsler u. a.
3 Abb. Mithoff. I. Taf. 5.
* v. Haselberg, E., Baudenkm. im Reg. -Bez. Stml^
sund. I, 32. Fig. 7.
* Abbild, bei Statz undUngewitter. Taf. 205—211";
auch bei Schlösser imd Tischoein, Denkm. in Lübeck.
Heft 2 , Bl. VI u. Vn. Auch eine grofse Anzahl hölzerner
Modelle zu den Guüsformen desseloen befinden sich noch
daselbst. Bronzene befanden sich früher auch in der Ägi-
dien- (1478), Petri- (14S7) und Domkirche zu Lübeck
(letzteres 1684 entfernt).
246 SakramonthäuRchen am Rhein
kirch in Tyrol, jetzt zu einer Kanzel umgeformt,' ein ganz durchbrochen aus
Metall geschnittenes, 1,40 hoch, zu Fröndenberg in Westfalen.* Die Kirche
St. Ruprecht bei Strassenfufs in Krain besitzt ein einfaches Tabernakel der
dritten Gattung aus Elfenbein , über einem Untersatze von Stein. ' — Der oft
überreiche, zuweilen jedoch auch ganz fehlende bildliche Schmuck der Taber-
nakel besteht namentlich aus Heiligenfiguren, welche in den Fialenniscben
und unter Baldachinen angebracht sind , und in häufig wiederkehrender Sym-
bolik aus dem Pelikanneste oder dem Gotteslamme.
Dafs die Sakramenthäuschen in den Gegenden des Ziegelbaus seltener
vorkommen, erklärt sich teilweise aus dem Materiale, aber während sie in
ibanchen Gegenden (wie in Schwaben, am Niederrhein und besonders in West-
falen)^ aufserordentlich häufig vorkommen, sind z. B. auch in Thüringen nur
zwei freistehende Exemplare nachgewiesen. Ihr Gebrauch überdauerte die
spätgotische Zeit nicht, indem die folgende Zeit das Tabernakel nach römischer
Sitte in den Altaraufsatz verlegte und deshalb auch manche nun zwecklos ge-
wordene (wie das im Kölner Dome im J. 1766) beseitigte. Indessen finden
sich auch schon früher Verbindungen des Sakramenthauses mit dem Altar-
aufsatze, so in Stein sehr reich geschmückt an der Hinterwand des Hochaltars
der Martinskirche zu Landshut in Bayern, in Holz am Altare der h. Walpur-
gis im Dome zu Eichstätt (andre Beispiele bei Jakob, S. 159); auch das
zierlich durchbrochene, vergoldete, sechseckige Holztürmchen von 4,40 Höhe
im Dome zu Brandenburg'' und das 2,lo hohe, unten vier-, oben achteckige
aus vergoldetem Schmiedeeisen in der Wenzelskapelle des Doms zu Prag,* beide
aus dem Ende des XIV. Jahrb., scheinen auf dem Altare selbst gestanden zu haben.
Mit Übergehung der bereits vorstehend angeführten Sakramentschreine
nennen wir, z. T. nach Abbildungen, noch folgende:
Am Niederrhein: zu Altenberg bei Köln (über ll,oo hoch, zwischen
1467—90; aus'm Weerth T. XLIl, 1), zu Bleidenstatt und Breithart bei Lan-
genschwalbach (Wandschränke, letztere von 1490), zu Kaikar (aus'm
AVeerth XVI, 4; Photogr. hei Wolff, Kaikar. Bl. 67), in der Lambertikirche zu
Düsseldorf, 12,56 hoch, um 1475- 79 (aus'm Weerth XXXI, 1), zu Elt-
ville (Wandschrank, zweite Hälfte des XIV. Jahrb.), zuGerresheim, 11,00
hoch (aus'm Weerth XXXI, 5), zu Goch (das. X, 12), Griethausen (das. VI, 5)
und Kempen (das. XXII, 4; Statz u. Ungewitter, T. 137), zu Kidrich und
Kirberg Schränke (letztere von 1475), im Dome zu Limburg (Statz u. Un-
witter, Taf. 124), zu Linz, Lorch (ca. 1400) und Mayen, in der Pfarrkirche
» Abb. Mitt. C.-K. m, 162. Taf. V und Details ebd. XV, 59.
" Abb. Nordhoff, Kr. Hamm, 139. Fig. 116.
3 Abb. Mitt, C.-K. ATI, 189.
* In Westfalen waren die Sakramenthäuschen so beliebt, dafs sich in manchen
Kirchen drei (z. B. in der WiescnMrche zu Soest und in der Kirche zu Freckenhorst),
oder doch zwei (z. B. in der Paulskirche zu Soest, in der Reinoldikirche zu Dortmund
und im Dome zu Münster) vorfinden, von denen noch dazu einige mehrere Schränke
enthalten, ersichtlich also, da sich der pro\'inzielIe Oeschniack emmal für diese Form
der Depositorien entschieden Iiatte, auch zur Aufbewahrung der Gefafse mit den heil,
ölen und von Reli<iuiarien dienten. Es sind in den westfälischen Kirchen mindestens gegen
60 Tabernakel aller drei Gattungen nachgewiesen. Vergl. Lübke, AVestf., 302.
* Abb. Prüfer, Archiv, n, 65.
•• » Org. f. ehr. K. 1857, Xo. 19 artist. Beil. und Mitt. C.-K. XV, 23.
in AVestfalon und Niedersachsen. 247
ZU Münstereiffel (1480 von Friedlich Roir; Statz u. Ungewitter, Taf. 138),
zu Münstermaifeld (das. Taf. 136), zu Niederweidbach ein zierliches goti-
sches Schränkchen, zu Obermillingen (aus'm AVoerth V, 1), zu Oberwesel
in St. Martin (Statz u. Ungewitter, Taf. 139) und in der Stiftskirche (letzteres
aus der Zeit Kaiser Karls IV.), zu Qualbnrg (aus'm Weerth X, 4), in der
katholischen Kirche zu Remagen, zu Till (aus'm Weerth YL 9) und im
Kreuzgange des Domes zu Trier; aufserdem zu Köln in der Sakristei des
Doms, in der Minoritenkirche (Beste Yon 1475; restaurierte Abbild, im Organ f.
ehr. K. 1862 Nr. 13, artist. Beil.) und in St. Kunibert (ebd. 1856 No. 6),
Im Elsafs: Türme in der St. Qeorgskirche zu Hagenau, 9^40 hoch,
von 1523 und zu Walburg, Kreis Weifsenburg, von Clemens von ßaden-
weiler 1484, gegen 11,50 hoch (Abbild. Kraus, I, 588); Wandschränke zu
Bergheim (Kreis Rappoltsweiler), spätgotisch, dreiteilig, mit Templerwappen,
Bu rnekirch(beilllfurt) von 1455, Dietweiler(Kr.Mühlhausen),Eckrich(Kr.
Rappoltsweiler), Franken und Jettingen (Kr. Altkirch), letzterer von 1478,
Kaysersberg und Knöringen (Kr. Mühlhausen), halbzerstört zu Aspach
(Kr. Altkirch), sehr reiche Arbeit des XV. Jahrh. und durch gutes Eisengitter
verschlossen zu Drei-Ähren (Kr. Kolmar); auf dem rechten Rheinufer in der
Stadtkirche zu Gernsbach, von 1440, und zu Oberzell auf Reichenau.
In Westfalen und Niedersachsen gilt das (horizontal gekrönte) Wand-
tabemakel zu Kappenberg für das älteste, vom Anfange des XIV. Jahrh.
und unter den Werken des XV. Jahrh. nehmen die Schreine in der Wiesen- und
in der Paulskirche zu Soest (Abbild, bei Statz und Ungewitter, Taf. 102. 103,
bei Laib und Schwarz a. a. 0. Taf. XIV, 2) neben dem in die dritte Klasse ge-
hörigen Sakramenthause in der kath. Kirche zu Dortmund die ersten Stellen
ein (Abbild, eines aus zwei Schreinen neben einander bestehenden aus der Beinoldi-
kirche daselbst bei Statz und Ungewitter Taf. 140, 141); aufserdem zeichnen
sich aus die Tabernakel zu Nieheim (7,85 hoch) und Steinheim durch Fein-
heit der Ausführung, in der Nikolaikirche zu Lemgo und in der Stiftskirche
daselbst durch schlichte, kräftige Formen, zu Schildesche (etwa 9,40 hoch)
und Marienfeld durch Glanz und Reichtum, in der Johanniskirche zu Osna-
brück neben edler Einfachheit durch künstlerischen Wert der Bildwerke, in
der Qrossen Marienkirche zu Lippstadt, in den Kirchen zu Lüdinghausen,
Recklinghausen und im Dome zu Münster (von 1536) durch die üppigste
Entfaltung der schon entarteten spätgotischen Formen. Ferner sind zu nennen
die der dritten Klasse angehörigen zu Rhynern (Nordhoff, Kr. Hamm, S. 87,
Fig. 75) und zwei zu Unna aus dem XV. Jahrh. (das. S. 107 u. 108, Fig. 95 u. 96)
und die Wandschränke zu Kemnade, zu Berge (das. S. 83, Fig. 66), Bausen-
hagen (das. 8. 123, Fig. 107), Mark (das. S. 79, Fig. 65) und Methler (Photogr,
das. zu S. 40). Im Hannoverschen Gebiete femer die Türme zu Ankum (Amt
Bersenbrück, klein), Arie (Amt Berum, auseinander genommen), Barnstorf
(Amt Diepholz, nur 2,92 hoch), Bramsche (AmtLingen, klein), Bücken (bei
Hoya, gegen 9^65 hoch), Dorum (von 1524, 5,85 hoch), Hilter und Laer
(Amt Iburg, Reste), Li eben au (Amt Nienburg, von 1511, bis zum Gewölbe
der Kirche hinaufreichend), Loccum, von 1458 (Abbild, bei Mithoff I, 126),
Lohe (Amt Nienburg, von 1521, die obere Pyramide restauriert), Messingen
(Amt Froren), Neuenkirchen (Amt Fürstenau) , Norden (sechseckig, 8,75
hoch), Northeim (Stadtkirche), Quakenbrück (spät, aber zierlich), Riems-
248 Sakramenthäuschen in Schwaben, Bayern
loh (Amt Grönenberg), Roggen ste de (Amt Esens, angeblich aus Backstein ?),
in der Klosterkirche zu Wunstorf (dem zuLoccum ähnlich) — und die Wand-
schränke zu Lath en (Amt AsehendorO und in St. Blasien zu Mttnden (s. S. 244).
Sehr bedeutend ist der wie ein Altaraufsatz erscheinende, etwa 7,50 hohe,
4,10 breite und 0,45 tiefe dreiteilige Wandschrank in der Stiftskirche zu Wil-
deshausen im Oldenburgischen in spätgotischen Formen (Abbild. Mitt. Baod.
Niedere, m, Bl. 116; Seemann CXV, 2).
In Schwaben von der ersten Klasse: zu Botenheim (O.-A. Bracken*
heim), Brack en heim (St. Johanniskirche), Ditzenbach (O.-A. Geislingen,
von 1499), Hausen a. Zaber (O.-A. Brackenheim), Heiligenkreuzthal,
Illingen (O.-A. Maulbronn, um 1488), Kleinglattbach (O.-A. Vaihingen),
XV. Jahrb., Oberstenfeld (Stiftskirche von 1214), Rothenburg (O.-A.
Oberndorf), Rottweil (in der h. Kreuz- und Pelagiusklrche) , Steifslingen
im Hegau (1503), Unterzeil (Abbild. Laib u. Schwarz, Studien, Taf. XIV, 3),
Westerheim (O.-A. Geislingen, von 1405) und Weilen a. Rinnen (O.-A.
Speichingen); von der zweiten Klasse zu Bopfingen (1508 — 1510, von Hans
Böblinger d. J., bis zum Gewölbe aufsteigend), Donauwörth (1503), zn
Efslingen in der St. Dionysiuskirche (11,50 hoch, von Lorenz Lechler aus
Heidelberg, 1486), zu Eybach (O.-A. Geislingen, 1468), Göfslingen (O.-A.
Rottweil), Anfang des XVL Jahrb., 7,15 hoch, Heilbronn, in der Kilians-
kirche (ca. 1500), Jebenhausen (Abbild. Laibu. Schwarz, Taf. XIV, 1), Nörd-
lingen, in der St. Georgskirche, 1515 — 1525, von Stephan Weyrer und Ulrich
Creytz, ca. 17,20 hoch (Abbild, in Eberhard, National- Archiv), Schw. Hall (in
der St. Michaelskirche, nach 1495), Schwaigern (O.-A. Brackenheim, 1520,
von Bernhard Sporer, 12,90 hoch), Stockheim (O.-A. Brackenheim, von
Stefan Waid, 1487—1509), Wann weil (O.-A. Reutlingen, 1488, von Hans
Angstaindreyer von Wiesenstaig) und Z ab er fei d (O.-A. Brackenheim, 1476,
von Hans Spryfs von Zaberfeld, 4,30 hoch); von der dritten Klasse: zu Up fin-
gen (O.-A. Urach, XV. Jahrb.), Wangen (O.-A. Kannstatt, Reste), Wimpfen
a. Berg, in der Pfarrkirche, 1451, von Hans Steinmetz (Abbild, bei Lorent,
Wimpfen, Bl. 11). Andere nicht näher bezeichnete werden erwähnt zu Back-
nang (Stiftskirche), Berneck (O.-A. Nagold), Deichelried, Entingen
O.-A. Horb, 1494), Königseggwald, Lau ff e n a. Neckar, Lindach (bei
Schw. Gmünd), Michelbach (1486), Reichenbach (beiHirschau), Thanau
(bei Gmünd) und Reste zu Wellendingen (O.-A. Rottweil) und Wildberg
(O.-A. Nagold).
In Bayern Türme: zu Regensburg im Dome, 18,50 hoch, 1493 nach
Entwurf von Matthäus Roritzer begonnen, das Oberteil 1510 — 1514 von Wolf-
gang Roritzer vollendet (Abbild, bei Schuegraf, Dom zu Regensburg, T. I, auch
bei Neumann, Roritzer, S. 24) und in St. Rupert, zu St. Jakob bei Plattling
(Abbild. Jakob, Taf. XIV, 1), in der Jakobskirche bei Straubing, zu Aun-
kofen bei Abensberg, zu Bluten bürg und in der protestantischen Kirche zu
Redwitz; Wandtabemakel in der Ägidien- und in der Leonhardskirche zu
Regensburg; zu Kirchberg bei Eggenfelden und in der ehemal. Pfarrkirche
Höhenberg, jetzt Filiale zu Langenerling in der Diöcese Regensburg; ein zier-
liches an die Wand gelehntes Türmchen in derSchlofskapelle auf der Trau snitz.
In den österreichischen Ländern: in Niederösterreich von der
ersten Klasse : in den Pfarrkirchen zuArt8tetten,zuHardegg (Österr. Atl.
und den österreichischen Ländern. 249
LXI,9), Kirchberg a. Wechsel, Külb, Lichten wörth (Abb. Mitt. C.-K. XVH,
S. CXLVI, Fig. 10), Muthmannsdorf und Perchtolsdorf, in der Annen-
kapelle zu Pöckstall, der Schlofskapelle zu Pottendorf, von 1453 (Abbild,
in Ber. u. Mitt. d. Alt. -V. zu Wien XV, 96), zu Schwallenbach, Totzenberg
und in Maria-Stiegen zu Wien (s. Fig. 89); von der zweiten Klasse zu Drosen-
dorf in der Altstädter Kirche (Östr. Atl. XU, 4), in der Pfarrkirche zu Eggen-
bnrg (das. CXCTVl, 8), in derselben auch ein Wandschrank, zu Heiligenblut,
8,85 hoch (Ost. Atl. dLI, 3) und zu Mauer, 8,50 hoch, überaus schlank (Jahrb.
C.-E. n, 161); von der dritten Klasse ein kleiner zu Krems in der Spitalkirche
(Östr. AtL LXXXm, 5), gröfsere zu St. Lorenzen bei Markersdorf (ebd. XLI, 11),
in der Pfarrkirche zuMödling, am Chorpfeiler (ebd. LXXXQl, 8)und in derSchlofs-
kapelle zu Purgstall, mit Zinnenarchitektur (ebd.XLI, 7). — In Oberöster-
reich: ein Turm in der Lorenzkirche zu Lorch bei Enns, 7,60 hoch, von
1480, daselbst ein gleichzeitiges kleineres der dritten Klasse (beide im östr. Atl.
LXXXm, 4u. 7) und von der dritten Klasse zu Gampern bei Vöcklabruck
(das. 96, 7) und in der Stadtpfarrkirche zu Steyer (das. LXI, 2 u. 6). — In Tirol:
zu Damüls, von 1487, eingemauert, zu Taufers, aus der Mariä-Himmel-
fahrtskirche auf dem Kirchhofe (Mitt. G.-E. I, 203), in der Marienkirche in der
Vill, von 1412 (Östr. Atl. LXXXm, 1) und zu Weifsenbach (Mitt. C.-K. I, 205).
— In Steiermark: Wandschränke zu Gratz, von 1499 (Östr. Atl. LXI, 8), zu
Grofslobming (Kirchenschmuck 1878, No. 2, Beilage) und in der Magdalenen-
kirche zu Judenbnrg, von der dritten Klasse zu Anssee (Östr. Atl. XOYI, 11)
und zu Polstrau. — In Kärnthen und Krain: Wandschrank zu Grafen-
dorf (das. LXXXm, 2), freistehende zu Heiligenblut (sehr schlank und ausge-
zeichnet) und zu Waitschach (spätgotisch in vier Stockwerken) ; von der dritten
Klasse zu St. Ruprecht bei Strafsenfufs (das. LXI, 5) und ein Fragment zu
Laas (Anfang des XVI. Jahrb.). — In Böhmen und Mähren von der ersten
Klasse in der Nikolaikirche zu Eger, reich, Mitte des XV. Jahrb. (Abbild.
Grueber VI, 120), in der Dekanalkirche zu Friedland (sehr zierlich, dem
Nachoder ähnlich), auf dem Karlstein (östr. Atl. XCVI, 10) und zu Nachod
(das. Fig. 9), einfache zu Rakonitz und Tschetschowitz und ein sehrgrofser
ofenartiger Schrank in der St. Gotthardskirche zu Schlau; von der zweiten
Klasse: zu Gang, 7,oo hoch (östr. Atl. XU, 1), im Dome zu Königgrätz, von
1492, über 10,00 hoch und in der Barbarakirche zu Kuttenberg (nur der
Untersatz noch vorhanden), sämtlich von Matthaeus Rayseck, ein einfacheres
in der Dreifaltigkeitskirche zu Kuttenberg, 7,00 hoch (Abbild, in Kunstdenkm.
d. österr. Kaiserst. L Taf. XXXIV; Grueber IV, 126), zu Krumau, 8,50 hoch,
vor 1480 (Abb. Grueber IV, 122), zwei fast identische zu Kaurzim und
Böhmisch-Brod (äufserst plump), 5,oo hoch, aus der Mitte des XVI. Jahrb.
(Abb. Grueber IV, 125) und zu Prachatitz nur noch das Fufsgestell, angeb-
lich von 1510 (das. 123, Fig. 167); von der dritten Klasse zu Bfeskovic
(Mitt. C.-K. XV, S. CXXXI)und zu Katharein beiBrtinn (ebd. XIV, S. XXXÜI).
In Franken und Hessen sind zunächst aus der Nähe von Nürnberg die
unter dem Einflüsse des Krafftschen in der Lorenzkirehe (s. S. 245) entstan-
denen Türme zu Fürth (Wanderer a. a. 0. Taf. 30 u. S. 29 u. Heideloff, Orna-
mentik II, 8), 7,50 hoch, Heilsbronn (Wanderer Taf. 24 u. S. 25), Kalch-
reuth, 9,40 hoch (das. Taf. 27 u. 8. 27, 28), Katzwang, 6,60 hoch (das. Taf. 28
u. 8. 29), Schwabach, von 1505, 14,40 hoch (das. Taf. 25 u. 26 u. 8. 26) und
250 Sali ramenthäuKc heu in Franken. H™H*n etf.
Ottensoos (das. Taf. 31 u. S. 30) zu nennen. Ferner Wandschränke im Reg.-
Bez. Kassel: zu Frankenberg, Mitte des XIV. Jahrh. (v.Dohn-Kothrelxer,
Frankenberg. S. 10), Gelnhausen, zweite Hälfte (ies XIV. Jahrh. (Statr u.
Ungewitter Taf. 121, I. 2.), Grebenstein (das. Taf. 2T. 6. 7. 32, 3.), H&ina
(das. Taf. 120), Haindorf, Hatzbach (spätgotisch), ImmenhaOBeo (das.
Tat. 118), Marburg (ein Icleiner, mit Malereien
umgeben, in derEÜBabethliirche, ein gröfserer,
2,80 hoch, ca.l360, mit eisernem Gitter davor von
1503, in derlutherischenKirche), Neukirr hen
(Kr. Hilnfeld), sehr zierlich, von 1^60, Nieder-
Walgern(vonl479), Ottrau(ca. 1305), Ro-
senthal, spätgotisch, verBtfimmelt(tS tat zu.Un -
(fcwittorTaf. 90, 8), Untcrrosp he (Anfang des
XlV.Jahrh.) und zwei zuVolk mar sen.einerans
dem XIII. , der andere vom Ende des XIV. Jahrh.
(beide Statz u. Ungewitter Taf. I1&), sodann in
der Herrgottskirchc nnd in St. Petri zn Kreg-
lingen undzuFrauenthal, Rinderfeld nnd
R a f f e I h age n (sämtlich im O.A. Mergentheim).
Freistehende Türme zuKrailsheim (1408 von
Rndris Erobhardt, 8,90 hoch), im Dome zu Fritz-
lar einer aus dem XIV, Jahrb. im Chor nnd ein
spätgotischer, 11,30 hoch, im Schiff (Abb. Statz
u. Ungpwitter Taf. 122. 123), Inder Kugelkirche
zu Marburg (ca. 1485, 0,90 hoch), zn Goll-
hofen, Amtsger. UlTenheim (rerpl. J. Hörnes
im 40. Jahrpsber. d. histor. Ver. f. Mittelfranken,
18S0, m. Abbild,). Von der dritten Klasse : Inder
GeorgskirchezuDinkelsbUhl (von 1480, acht-
eckig, an einem Pfeiler, 9,oo hoch, der obere
Teil durch einen hölzernen Aufsatz von einem
Altare ersetzt), zwei im Dome zu Frankfurt
a. Main (Kallenbath, Mbum, No. 94), in der
Pfarrkirche zu Neustadt bei Kirchhain (reich,
aber roh) späte stgoti ach nnd zu Niederasphe
(1491). Andere werden erwähnt in der oberen
Pfarrkirche St. Marien zu Bambergvon 1392,
zu Ueidingsfeld, Kitzingen, Kreufson,
Ochsenfurt nnd in St. Jakobi zn Rothen-
burg 0. d. Tauber von 1479.
Im nordöstlichen Deutschland finden
sich in den sächsisch - thüringischen Gegenden
aufser den auch in den Dorfkirehen häufigen
Wandschreineu freistehende TQrme zu Gang-
''' " jB«J™"',S.°V«tfichr'''°' lofsömmern (Kr. Weifsensee), in der St. Niko-
laikirche zu Jüterbog (9,s7 hoch von Meister Michel,
Abb. Puttrieb, H. Serie Jüterbog. Bl. II) und zn Welfsensee in St, Nikolai (ca.
1500, ca. 9,00 hoch, stilgerecht, in grofsen Formen), Reste von 1500 auch in der
Hostienbüchsen. Kannen. 251
Stadtkirche zuRömhild, und ein 6,00 hoher aus Weinböhlä im Museum d. Gr.
Gartens zu Dresden, No. 124 (Abb. Mitt. Sachs. Altert.-V. XIX, Taf. 1 ); Wandtaber-
nakel im Dome zu Meifsefi und im Dome zu Merseburg von 1588. In der
Mark Brandenburg ein ausgezeichneter Turm von 1514 mit dem Meisterzeichen
F. H. M. im Dome zu Fflrstenwalde (Abb.Kallenbach, Atlas, Taf. 80) und ein
an die Wand gelehnter in der Marienkirche zu Frankfurt a. Oder. In Schlesien
ein 15,70 hoher Turm von lodokus Tauchen von 1455 in der Elisabethkirche zu
Breslau, während der des Meisters Wolfgang von Wien von 1439 in der
dortigen Sandkirche nicht mehr existiert, femer Türme in Bunzelwitz
(4,08 hoch von 1515), Giersdorf (1519) Hirschfei dau (1492) und Lud-
wigsdorf (1503) und Wandschränke zu Hohen-Poseritz, Puschkau und
Zirlan im Kr. Schweidnitz, sämtlich ans dem XIV. Jahrh. , der letzte von 1352,
femer zu Polsnitz bei Freibnrg von 1302, zu Metschkau (Kr. Striegan) aus
dem XV. Jahrb., andre zu Jannowitz (Kr. Schönau) und Oltaschin (Kr.
Breslau). In der Marienkirche zu Dan zig befindet sich ein 5,96 hoher Turm
von 1478 — 82, und ein hölzemes Wandtabernakel mit 3,75 hohem Turme über
dem Schranke aus der Kirche zu Granzin im Museum zu Schwerin; Reste
eines hölzemen auch in der Nikolaikirche zu Stralsund.
46. Von minderer Wichtigkeit als die eigentlichen Vasa eucharistica
sind die übrigen Mefsgeräte, die zum Auftragen des Brotes und Weines
dienenden Gefafse: die Hostienbtichse oder Schachtel {pyxis, capsa) und
die Wein- und Wasserkannen {amulae, ampullae); die Löffel (cochiearia)
und Siebe (coiatoria); sowie die Giefsgefäfse (manilia^ aquaemanilia) zürn
Waschen der Hände für den Celebranten, die Mefsglöckchen (tintinnabulay
ciinsae), die Bauchfasser (ihuribula), auch die Gefafse für die heiligen
öle {chrismaioria) und die Weihkessel (vasa lusiralia).
Hostienbüchsen kommen vorzugsweise in ran der und ovaler Form,
mit einem Deckel versehen vor, und zwar aus den verschiedensten Stoffen:
Holz, Elfenbein, Silber, vergoldetem Kupfer und Messing, schlicht oder
omamentiert, und es ist schwer, sie von den ähnlich geformten Reliquiarien
zu unterscheiden, weshalb wir auf das S. 196 und 236 über letztere Ge-
sagte verweisen. — In dem Basler Inventarium vom J. 1511 wird unter
No. 99 y>ein silberin ostien büchs«^ angeführt. *
Die Kannen (Mefspollen — wohl aus ampullae entstanden; in
den spätmittelalterlichen Schatzverzeichnissen heifsen sie in der Regel:
apollen)^ scheinen erst in spätgotischer Zeit einen bestimmten Typus
angenommen zu haben: sie kommen stets paarweise, auf einer Schüssel
stehend vor, das eine Kännchen für den Wein, das andere für das (zur
Ausspülung des Kelches etc. erforderliche) Wasser, und die Höhe der-
selben beträgt durchschnittlich 0,18. Der polygone bauchige Körper
ist gewöhnlich ans Glas; FuTs, Henkel, Klappdeckel und zur Sicherang
* Mitt. der Ges. f. vaterl. Alt. in Basel. IX, 22. £ine silberne runde von drei
knieenden musicierenden En^ln getragene, auf deren Deckel die Gethsemanescene in
freien Figürchen dargestellt ist, Defindet sich in der DekanaDdrche zu Melnik. Abb.
Mitt c -K XIV s cxvm.
> Vergl. Bock^ Fz., über die christl. Me&kännchen, in den Mitt. C.-K. IX, 1—39.
252 Kannen und Knige.
des Glases Streifen längs desselben aas Metall (Silber); such gänzlich
ans Metall, zuweilen emailliert, and zar Vermeidung von Verwechslang iet
das eine Kannchen mit einem V{inum), das andere mit
einem ii(gua) bezeichnet. Die Lambertikirche zn
Düsseldorf besitzt zwei Hefskännchen aus vieleekig
geschliffenem Kry stall mit ailber- vergoldetem Beschlag
vom Anfange des XVI. Jahrh.* Ein intereBsantes Exem-
plar besitzt der Schatz des Aachener Hüneters: es
sind zwei in Silber getriebene hohle EngelGgnren mit
beweglichen bunt emaillierten Flügeln; der Ansgnfs
fand dnrch eine kleine Röhre auf der Brust statt, das
Einfüllen dnrch einen Schieber im Kopfe.' — In der
alten Kirche, wo Brot und Wein von den Gläubigen
als Opfer dargebracht wurden, bedurfte man grflfserer
Gefäfae zur Aufnahme desOpferweins, und es ist mög-
lich, dafs die anscheinend in der Zeit der Ottonen aus
dem Morgenlande in mehrere Kirchen Deutschlands
Fj|. M. MthUnneh« du gekommenen, sog. steinernen Waaserkrlige von der
i^'J^S^iTn w»™)" Hoehzeit zn Kana ursprünglich diesem Zwecke gedient
haben: sie wurden alljährlich am 3. Sonntage nach
Epiph. mit Wein gefüllt auf den Altären ansgestellt. Ein solches Gefäfs ans
Travertin befindet sich noch im Zither zuQuedlinbnrg; es ist eine Vase von
schöner, stark gerundeter Form, leicht geschwungenem Sockel, etwas ver-
engtem Hals, mit zwei schlangenartigen Doppelhenkeln (von denen der eine
abgebrochen Ist), in der Höhe 0,43, an der Mttndung 0,21 messend und an-
geblich etwa 22 Berliner Hafs fassend.' Sehr ähnlich ist die nnter gleichem
Namen in Mittelzeil auf Reichenau vorhandene antike Urne.* Im Dome zn
Hildesheim wird nurnoch einStflek von einem ähnlichen, im XVH.Jahrh.
Eerbrochenen Gefäfse aus Porphyr aufbewahrt. — Ähnlich waren auch, den
Abbildungen im Bamberger Heiligtnmsbuche von 1509 (Gang IX.} zufolge,
die beiden Krüge "Von der hocbzeit zu Chana', welche der dortige Dom
besafs. — Von ganz anderer Art ist die 0,345 hohe, in der grOfaten Breite
des Bauches 0,139 messende Kanne von Achat (such Henkel und Deckel be-
stehen daraus) mit Fufs und Fassung ans vergoldetem Silber, welche jetzt
als Abendmahl skanne dient, zu Reinkenhagen in Pommern.^
Der dargebrachte Opferwein erforderte Vorsichts halber eine Durch-
seihang durch ein Sieb, und dies ist der Ursprung der Colatoria,* die
' Abb. auB'm Weerth. Taf. XXXI, 2 3 und im Ofk. f. ohr. K. 1853, No. 11
Sit Beil., woselbst noch eine andre MefepoUe aus einer niederrheinischen Kirche abge-
bildet ist, eineein&chereaufiSf.Pholianin Aachen bei Becker- V. Hefner. lU. Taf. 56.
• Abb. aus'm Weerth. Tsf. IXXTOI, 13; Bock, Pfalrkap. I, 2. Fig. 18. 19,
Kleinodien, Anhang S. 47.
' Abb. bei ■Wallmann, J. Andr., Abb. v. d. Altert, der Stiftsk. z. Qupdl. (17T6).
Taf. zn S. 39.
' Abb. bei Marmor, iEteithenau. Taf. 2.
• Abb. Prüfer, Archiv. H. Taf. IS.
• Auch auf dem Vortragekreuze zn Planig (Abb. Bonner Jahrb. XLIV u. XLV,
Taf. IX u. XI) steht der Gencuzigte auf einem Colatotium, aus dem drei Blutgtrahlen
in den darunter Rtehenden Eplch abÜieben.
Siebe. Löffel. Giefsgefälse. 253
später nur für den Fall des besonderen Bedflrfnisses, oder an einzelnen
Orten zur Aufrechthaltung der alten Sitte, beim Eingiefsen des Weines in
den Kelch gebraueht wurden. Der Dom zu Mainz besafs um-tlas J. 1200
^colae argenieae IX, y per quas vinum poterat colariy si necesse fuisseU,^
Das Colum war ein Metallgefilfs mit fein durchlöchertem Boden , kommt
aber auch in der Form eines Löffels vor. Anderer Löffelchen bediente
man sich (was noch heute z. B. im Sprengel von Münster geschieht) ,* um
beim Offertorium der Messe dem Weine im Kelche einige Tropfen Wasser
beizumischen, wozu sonst das Mefskännchen gebraucht wird. Dergleichen
Löffel enden am Stiel häufig mit einem Figürchen der heil. Jungfrau oder
eines Apostels: zu St. Maria in der Kupfergasse zu Köln z. B. ist ein Löffel
mit der Madonna, ^ in der Kirche zu St. Lorenz (Kr. Fischhausen in Preufsen)
und auf dem Schlofse zu Schwerin ein Löffel mit dem Bilde des Apostels
Jakobus, ^ einige andere in der MittelalterL Sammlung zu Basel.
Die Giefsgefäfse,'^ deren sich der Priester nach uralter Sitte zum
Waschen der Hände vor, während und nach der Messe bediente, und die
auch besonders bei der Fufswaschung am grünen Donnerstage gebraucht
wurden, hatten bis ins XIIL Jahrh. und später die Form irgend eines der
Natur nachgebildeten oder phantastischen Tieres, aus Metall gegossen und
zuweilen emailliert, wie dergleichen auch zu profanem Gebrauche* dienten
und sich in Kirchen und Sammlungen noch vielfach vorfinden.^ So heifst
es in der Beschreibung der Mainzer Domschätze ans der Mitte des XIIL Jahr-
hunderts: i^ürcei wgentei diversarum formaram^ quos manUia vocanty eo
quodaqua sacerdotummanibtis fUnderetur ex eis, quaedam habentes formam
Jeonum, quaedam draconuniy avium vel gryphonumy vel aliorum animcdium
quorumcunque,«^^ Die bei weitem gewöhnlichste Form ist die eines Löwen.
In einer Stiftungsurkunde über Widmung von Waschgeräten für das St. Pauli-
Stift zu Halberstadt vom 5, März 1524 (vergl. Schmidt, Urkundenbuch, 528)
wird dies Gefäfs ohne weiteres als »ein Löwe aus Messing« bezeichet. ^
* Chron. Christiani ep., Jaffe, a. a. 0., 683.
* Vergl. Gräser, d. röm.-kath. Lit., 127.
» Abb. bei Bock, d. heU. Köbi. Taf. XXV, 88.
^ Zu einem vollständigen Besteck solcher * AposteUöffeU gehörten 13 Stück; der
dreizehnte mit einem Manenbilde, vielleicht in Beziehung auf die gewöhnliche Dar-
stellung des Pfingstwunders. Vergl. Otte, Wörterbuch, 10. — Löffel, deren Stiel ein
Kreuz oildet, dsäier *KreuzlöffeU genannt, dienten in der griechischen Kirche zur
Reichung des in den Wein getauchten heil. Brotes. Auch in der abendl. Kirche war
dies im XI. Jahrh. fast allgemein Brauch geworden, aber 1095 auf dem Konzil zu
Clermont erklärten sich die französischen Bischöfe ^gen diese Neuerung.
* VereL Hönisch, die Fomien des Aquamanile, in denMitt. O.-K. Xfl, S. XXIX ff.,
mit 8 HoTzschn. ; »Das Lavabo und seine Kunstiormen«, im Kirchenschmuck 1882,
No. 2 u. 3, ra. Holzschn.
® Z. B. im Lüneburger Rats-Silberschatze im Kunstgew.-Mus. zu Berlin (Schrank
877, No. 21. 22) befinden sich zwei aus verg. Silber von 1540 u. 1541.
"^ Vergl. Labarte, Jul., Hist. des arts md. I, 353. — Br. Hahn in Hannover
besafe eine Sammlung von 30 — 40 Exemplaren; eine reiche des Herrn Kaufmann in
Frankfurt a. M. war 1868 zu Bonn bei Gelegenheit des intemat. Kongresses für Alter-
tumskunde aus^stellt.
■ Chron. Christiani ep., a, a. 0., 680.
® Solche Löwen finden sich noch z. B. im Dome zu Halberstadt und Minden, in
St. Patrocli zu Soest und in der Kirche zu Berghausen in Westfalen. Abb. eines zu
Andre in Fonn eines Pferdes befinden sich m Kirehsahr bei Münetereifel
(Abb. aua'm Weerth, Taf. Hl, 3), im Germaniachen Unienm za Kflrnberg
(E.-0. 263. Abb. im EatAlog, Taf. 26, siebe Fig. 9S) und in der FOretlicben
Fig. M. aicbcitlüa lu BioBii (nub din HltUU, in k. k, CMttal- KsnaUaloii).
Sammlnng zn Sigmaringen (Abb. von Hefuer-Alteueck. Taf. IS, £); in
Gestalt einer Taub«: im Erzbischftfl. Moseam za Köln; eines Uausbahns,
laut Inschriit von 1150, bei Herrn Floh iu Krefeld;' einer Henne: bei
Herrn Dietz in Koblenz; eines fabelhaften Vogels (Baisilisken) : iuderJo-
hanniekircbe zu Herford (Abb. Seemaan, CL, H); eines Greifen: im Knnst-
gewerbe-Hosenm zu Berlin (ächrank354),* imHttnz- nnd Antiken-Kabinet
En Wien (Östr. Atl. XLU, 6), im Bayr. National - Musenm zu München
(Becker- v. Hefoer in,Taf. T); eines Hnndes: bei Prof. Seyffor in Stuttgart
nnd in der FOrstl. Sammlnng zn Sigmaringen (von Hefner-Alteneck,
Taf. 18, H.). — Im Münster zu Fr ei sing ein romanisches Waachgeßirs, dessen
Gieferohr nnd Henkel von zierlich gestalteten Drachen gebildet werden. —
Besonders hervorzuheben ist noch einMauile im MUnsterschatze znAachen:
eine b&rtlge bekränzte männliche BOste im römischen Kostflm, ana vergol-
Krucliu in dur Provinz Posen Befundenen ini Ostr. Atl. XI.TI, " — siehe Kg. »3 —
von dreien im Privatbesitz zu Wien da». XLII. «. lü und LXXXIY, 6. von zweien
in der Kanstkamiiier zu München l>ei Honisch. a. a, Ü., Fig. 1. 2, von zweien in
der füretl. Sammlung zu Sigmarinaen bei von Hefner-Alteneuk. Taf. IS, G. u.
F., eines im Germanischen Museum (K.-G. 26t) im Katalog. Taf, 26.
' Katalog der Düsselderfer Aiisslell. kuimt^w. Gogenst. von l&SO, 19«, No. T5S a.
' Dieses QefSIs wurde in der Gegend von Glüekstadt an der ätühr beim Uercel-
grabcii l.tE tief in der Erde gefunden, und älinlicbe GielakaDDen sind in slavischen
Lindem in Ht'idcngTül>eni wiMerholt gefunden worden, woraus folgt, dals diese Oe-
tM-ie, obgleich walmicheinlich alle chnstUcheii Ursprungs, dennoch auch, beim heid-
nischen Kultus iienutzt worden sind und eiuer Zeit angehoron, die in den Slavenlän-
dem. WD die meisten gefunden werden, noch Heidentum hatte. Die nähere Bestimmung
der Entstebungszeit für die roheren Uanilieu iu Tiergestalt dürfte besondere Schwierig-
keiten haben. Vergl. die Bemerkung Leop. v. Ledebur's in den N. Mitt. Th.-S. V.
VI, 4, 171.
Waschbecken. 255
detem Kupfer, von 0,1S3 Höhe, mit Klappdeckel oben auf dem Kopfe und
Giefsrohr an der Stirn. ^ Ein sehr ähnliches mit gravierten Verzierungen
aus dem Schlüsse des XII. Jahrh. befindet sich in der Stiftskirche zu Ober-
wesel, ein weiteres in der Fürstl. Sammlung zu Sigmaringen und eine
weibliche Büste /auf deren Kopfe eine von den vier philosophischen Tu-
genden umgebene weibliche Figur thront, ans dem XII. Jahrh. im National-
Museum zu Pest h.^ — Dagegen eine einfach-schöne Kanne mit Becken aus
dem XIV. Jahrh. im Dome zu Augsburg (Abb. Becker- v. Hefner, I. Taf., 59).
— Die spätere Gotik setzte an die Stelle der alten Manilien zur Hand-
waschung häufig einfache Kesselchen mit zwei Wasserabläufen, wie ein
solches von 0,13 Höhe im Erzbischöflichen Museum zu Köln befindlich ist,
und ähnliche in ziemlich roher Form noch in vielen rheinischen Dorf kirchen
vorkommen; ein stattlicheres, 0,51 hohes turmartiges Gefäfs mit zwei Hen-
keln zum Aufhängen und unten zwei Tierköpfen als Ausgüssen , mit Gra-
vierungen verziert, im Germanischen Museum (E.-G. 263, Abb. im Katadog, Taf. 26)
und ein ähnliches in St. Johannis zu Osnabrück. — Aufser der Giefskanne
waren auch Waschbecken (peives, pelviculaCy ciphi, bachini, va$a aqua-
mamlia)^ erforderlich, und viele von den in Kirchen und Sammlungen vor-
kommenden einfachen und geschmückten Metallbecken hatten diese Bestim-
mung. Im Prager Schatzinventarium von 1387 wird angeführt: T>Una peivis
cupreüj in qua lavai suffraganeus mamis^} Ein emailliertes Kupferbecken
aus dem XII. Jahrh. befindet sich im Schatze des Klosters Tepl in Böhmen.'^
Oft kommen diese Becken paarweise voTCbicaria, gemelliones): das eine, ist
als GiefsgeiUfs mit einer Tülle versehen, das andere als Waschbecken mit
Löchern im Rande zum Ausschütten des Wassers. So z. B. im Zither des
Domes zu Halberstadt No. 37 — 38 zwei emaillierte Kupferachalen und
zwei runde von 0,24 Durchmesser mit weltlichen Kriegsdarstellungen aus
dem Michaelskloster zu Lüneburg in der Reliquienkammer der Schlofs-
kirche zu Hannover (Abb. bei Vogell, Kunstarbeiten aus Niedersachsens Vor-
zeit, Taf. 1 u. 2; vergl. Mithoff IV. 164).
Die Schelle oder Klingel, mit welcher der Ministrant bei gewissen
feierlichen Momenten in der Messe dem Volke ein Zeichen giebt, ist meist
von gewöhnlicher Art ; ein Exemplar aus Bronze in durchbrochener Arbeit
mit den Evangelistenzeichen und romanischem Laubwerk geschmückt, be-
findet sich im Erzbischöfl. Seminar zu Rheims und ein Messingabgufs
davon auch im Erzbischöfi. Museum zu Köln;® ein ganz mit Doppeladlern
' Abbüd. bei aus'm Weerth. Taf. XXXVHI, 12; Bock, Pfalzkap. I, 1. Fig. 40;
Kleinodien, Anhang S. 47.
2 Abb. Östr. Atl. XLH, 11 und Bock, Ffalzkap. I, 1. Fig. 41.
^ Vergl. Augusti, Denkwürdigkeiten. XII, 56.
^ Mitt. C.-K. IV, 329.
• Abb. bei Stillfried, R. a'.. Altert, u. Kunstdenkm. d. Haus. HohenzoUeni,
Heft 3. Andre im Domo zu Osnabrück von 0,23 Durchmesser, im Schlosse Main-
berg bei Schweinfurt (Abb. Becker- v. Hefner. I. Taf. 20, Photogr. Frankfurter
Ausstcll. Taf. 38, 1), im Herzogl. Museum zu Braunschweig (No. 90, Ausguls in
Fonn einos Tierkopfes) und in der Altert. -Sammlung zu Wiesbaden (mit siebartigem
Ausgufs; Photogr. Frankfurter Ausstell. Taf. 3S, 2).
* Abb. Didron, Annales. Becker- v. Hefner. I. Taf. 56.
•56 ScheUeD. ßäachergefaCt«.
und Panthern in Relief aberzogenes Exemplar ans dem XV. Jahrh., deasen
Griff abgebrochen ist, zu Graz (Abb. Kirchenschmuct 1872, Beil. zu No. 12).
Spätere ans Bronze mitReliefs im Renaisdancestil, meist niederl&nd, Urapmngs
aus dem XVI. Jahrh., sind in deutschen Sammlungen nicht selten, so von 1538
im Knnstgew. - Hnseum zu Berlin (Schrank 3dT) etc. In Jenkofen und
HilbertshofeuCDiöceseManchen-Freising) werden Mefsklingeln von Eisen
aus gotischer Zeit erwähnt ; dagegen nennt du Prager Schatzinventar vom
J. 1387 mehrere »nolae argenleae*. — Änch Garnitnren von mehreren
im Dreiklang abgestimmten Mefsglöckchen, die mittelst eines drehbaren
Rades bei der Wandlang in Bewegung gesetzt wurden (Glockenr&der),
kamen in Kathedral- und Abteikirchen im Chore vor, nach der Vermutung
von Hefsmer^ standen sie ursprOnglich mit der im Chor befindlichen klei-
neren Orgel in Verbindung. Esemplare h&ben sich besondera in Spanien
erhalten,* ein grofses ans vergoldetem Schmiedeeisen in Sternform von 1415
befindet sich im Dome zu Fulda (Abb. Uailhaband, Livr. 62), ein anderes
ans dem Augsbnrger Dome im Bayrischen National-Husenm zn Mtlnchen,*
ein späteres von 1611 in der Pfarrkirche zu Landsberg a. Lech.*
Der Apparat zn den liturgischen Räucherungen besteht aus dem Weih-
ranchgeffifs iacerra, incensorium, pyxis thuris) ntbat LOffelchen zum
Herausnehmen des Rauchwerkes und dem Ranchbecken (thuribuium).
Die titeren Acerrae waren oft aus edlem Gestein und hatten anscheinend
zuweilen die Form von ungeheuerlichen Bestien: wenigstens kommt zn
Anfang des XUl. Jahrb. unter den Mainzer Do meclifttzen vor: »Acerra de
lapide inUgro onycMno concavo, kabens simUiludinem vermis horribUit, i. e.
ut bufonis*. Die Uffnung auf dem Rücken des Tieres war mit einem silber-
nen Ringe eingefafst, auf dem griecliiache Bnchstaben standen; an der Stirn
■ Anz. (i.-M. 1375, 8p. 213 f.
' Z. B. in Oercma (Abb. Lübke, Torachule, H7. Tig. 157; Seemann. CU, i),
Toledo, Barcelona.
' Vergl. Mitt. C.-K. IX, S. IV, m. Abb.; auch bei Schmid, d. chrisÜ. Altar, MS
u. Otte. Wörterbuch, 212.
* Vergl. Mitt. C.-K. XIV, S. XOV.
Rauchfässer. 257
trug das Reptil einen Topas und hatte statt der Augen zwei Karfunkel. ^
Diesem sehr ähnlich ist ein bronzenes in Gestalt eines liegenden Löwen, dem
Augen aus Granaten eingesetzt sind (auf dem Rücken eine Öffnung mit
Deckel und hinter derselben ein Schlitz für ein Löffelchen), aus dem XI.
Jahrh. im Germanischen Museum (Abb. Essenwein, Kunst- u. kulturg. Denkm.
d. G. M. Taf. y, 2). Häufiger jedoch hatte die Weihrauchschale die Form
eines Schiffchens (navicula incensi ; vgl. oben S. 205), welches durch einen
in der Mitte geteilten (metallenen) Klappdeckel verschliefsbar und entweder
aus edlem Stein oder Metall verfertigt war. In dem mehr erwähnten Prager
Inventarium von 1387 kommen vor: -»Navicula hyspidina (aus Jaspis) dr-
cumdata auro puro pro portando (hure. Item alia navicula amatistina^ non-
dum omata argento^] es sind jedoch solche Weihrauchschiffchen nur sehr
selten erhalten,^ und nicht viel anders verhält es sich auch mit den Rauch-
becken selbst, da diese Gefäfse durch das Feuer und den Gebrauch in den
Händen der Ministranten schadhaft geworden, häufigen Erneuerungen unter-
worfen waren. In seiner einfachsten Gestalt besteht das Thuribulum (auch
ihymiamateritm, ilmricremium, fkimigatorium genannt) aus zwei aufeinander
gelegten halbkugeligen Schalen, deren untere zum Behuf des Schwingens an
Ketten befestigt ist. Ein solches einfachstes von Eisen aus dem XII. Jahrh.
befindet sich im Bayr. National -Museum zu München.' Später bildet sich
die Form mehr aus, indem das Becken nicht nur zum Schwingen, sondern
auch zum Hmstellen eingerichtet wurde. Auf einem einfachen aus der Hohl-
kehle gebildeten runden Fufse ruht das sich ausbauchende Kohlenbecken,
welches mit seinem durchbrochenen Deckel die Architekturformen des Cen-
tralbaues nachahmt. An drei oder vier Punkten der Peripherie sind Ketten
von etwa 0,30 Länge befestigt, die zugleich durch Ösen an den entsprechen-
den Stellen des Deckels gehen und sich in eine Handhabe mit einer vom
Centrum des Deckels ausgehenden kürzeren Kette vereinigen. Der bild-
nerische Schmuck der reicheren besteht, wie bei den Leuchtern, aus vielfältig
verschlungenen Drachen und Bestien. Die Architektur des Deckels ist
häufig als das himmlische Jerusalem gedacht. Als solches mit den 12 Thoren,
12 Aposteln und 12 Propheten beschreibt Theophilus presbyter ausdrücklich
eins, ein anderes als geschmückt mit den Bildern der vier grofsen Pro-
pheten, Evangelisten und Paradiesesfiüsse. Vielfach erscheinen auch die
drei Jünglinge im feurigen Ofen, so an einem zu Trebnitz (von 1203,
wahrscheinlich aus Bamberg stammend).^ Das vielleicht am reichsten ge-
* Chron. Christiani ep. 1. c, 680.
' Vergl. (Bock, Fz.,) Schiffchen zum Darreichen des Weihrauchs (XIV. Jahrh.),
nebst Abbild., im Org. f. ehr. K. 1862, No. 15; die Abbild, einer Navicula mit Löffel
auch bei Didron. Annales archeol. XIV, 263. Andre in der Kirche zu Neuen-
becken bei Paderborn (Abb. mit Löffel Mitt. C.-K. XU, S. XLVm), in der Fürstl.
Sammlung zu Sigmaringen (Abb. Becker- v. Hefner. m. Taf. 24), im Privat-
besitze zu Frankfurt a. Main (Fhotogr. Frankfurter Ausst. Taf. 14. Fig. 5) und
zwei im Kunstgewerbe-Museum zu Berlin, alle fast identisch aus emailliertem Kupfer
und wohl aus gleicher Quelle (Limoges) stammend. Ein kupfernes auf sechseckigem
Fufso aus dem XV. Jahrh. im German. Mus. (K.-G. 266).
' Abb. Mitt. C.-K. XIV, S. LXXI.
^ Vergl. Kirchenschmuck 1870. (Bd. XXVII), 8. 28.
Otte, Knnst-ArotaKologle. 6. Aofl. 17
echiDQckte aus vergoldetem Kupfer im Dome zu Trier (Abb. aus'm Weerth,
Taf. LVIl, 9) bat «m unteren Teile: Mobcb, Aaron, Jeeaiu nnd Jeremiu,
am Deckel: Abel, Melchise-
dek, Opfernng iBaaks, leaak
segnet Jakob, auf deeeen
Spitze : Salomo auf dem LS-
wentbrone und am Knopfe, iu
den die Ketten zusammenlau-
fen, vier MedailloDB mit Apos-
telbruBtbildem. Die meisten
älteren RaucbfSsser sind aus
Erz, geringere sogar aus
Eiaen, erst spfiter wnrden bü-
beme häufiger. Die Mafse be-
tragen durcbscbnlttlichO,!!) —
0, 14 im UurcbmeBser bei 0,] 3—
0,i6H<lbe. DerDomznTrier
besitzt ausser dem eben ge-
nannten noch ein einfacheres
BilberneB (Abb. auB'mWeerth,
Taf. LVU, 7; danacb Fig. 95);
beide in der Grundform eines
an den Enden in Halbkreise
Übergehenden griechischen
ErenzeB. Einfachere kupferne
zu Ruppichteroth im Sieg-
kreise (Abb. das. Taf.L, 3) und
zu Frankfurt a. H. ^ot
Frankf. Äasst., Tsf. SS, 4). Zwei
(einander ganz gleiche) Bpfi-
^ „. Ol... « i.^,. , n ,...„ test-romaniache Rauchfässer
Fi«. M. aUl»ni«i RnüOhftift Im Dom« »n TiLm . » , . , „/ ,,
(naeii mu'b WMrth). befinden sich in der Pfarrkir-
che zuHohenwepel bei War-
barg und in der zu letzterer gehörigen Kapelle zu Menne, in ähnlicher Gmnd-
anlage wie die Trierer und ausgezeichnet durch die Fülle des aus Bestiengeatal-
ten bestehenden Ornaments, das sich nicht nur auf die 8 apsidenf^rmigen
Ausmndungen und die 72 Dreiecke des Beckens und Deckels selbst, sondern
bis auf die Handhabe erstreckt, in welcher die fünf Ketten, von llerunhol-
den gehalten, sich vereinigen (Abbüd. Becker-v. Hefner, m, Taf. 4T; vergl.
Oiefers, Prakt. Erfahningeii etc. S. 66). Andere Rauchfässer romanischen Stils
in den Kirchen zu Hellefeld bei Arnsberg, zu FOratenan und zu Lich-
tenau (Diöces Paderborn). Ein sehr einfaches romanischea Thnribulum in
HeBBinggufa, an welchem die Architekturformen rein und klar hervortreten,
besitzt das Erzbischdfl. Musenm zu Köln (Katalog von 1855 B. S, No. 17; Abb.
Org. f. ehr. E. 1S54, B«il. zu Ko. 12). Noch nnscheinbarer ist ein romanisches
Thnribulum in der Kirche zu Heggen bei Attendorn. Dagegen zeigt ein
RauchfasB im Museum zu Freising (Abb. Becker-v. Hefoer, m, laf. 30;
Jakob, Taf. SHI, i) reiche und geschmackvolle Architekturformen; ein klei-
neres befindet aicti zuJeDkofen bei Landahut und eia ganz einfaches im Pri-
vatbesitz zn AngB-
borg (Abb. Becker-
■V. Hefner, m, Tttf.
66 A); ein bronzenes
des XIII. Jahrb. aus
der Kirche zu Rü-
digadorf im UuBenm
des Gr. Gartena zn
Dresden {Nr. 235;
Abb. Mitt. des SSchs.
Altert. -Vereins, XVII,
Taf. 3) und eins aus
vergoldete m Enpfer
mit Email aas Rik-
kersdorf (Kr. Lnk-
kan) im Provinzial-
Museam zn Berlin
(Abb. Prüfer, Archiv,
m, Tat. 14). — Die
frnhgotiBclien behal-
ten znm Teil die
Grundformen der ro-
manischen bei, so das
in der St. Hanritins-
kirche zn HUnster
(Abbüd. Lübke, Vor-
schule, 145, Fig. 154).
Sp&ter bildet die Go-
tik den Fnleteil ge-
wöhnlich in derForm
des Vielecks oder
einer sechsbUtteri-
gen Rose nnd wendet
durchgebend die stil-
gemäfsen Strebepfei-
ler- nnd Mafswerk-
bildungen an, die
Mitte des Deckels
mit einem polygonen
Spitztnrm krönend,
wodurch das Höhen-
mafs bis auf 0,26 —
0,31 anwuchst. FrQh-
gotische Beispiele fin-
den sich 2 kupferne
aus dem XIV. Jahrh.
zu Sigmaringen fli.H. OotiHhN Wtthniulurib id Btllennalt« (mtb dtm Onr. au.).
260 Rauchfässer. Ölgofäfse.
(Abb. von Hefner-Alteneck, Taf. 52), ein bronzenes im Museum zu Wei-
mar (Abb. Becker- v. Hefner, H, Taf. 13), ein messingenes ähnlich denen
zu Hellefeld und Hegp:en in der kathol. Kirche zu Bausenhagen (vergl.
Nordhoff, Kr. Hamm S. 124). Andere Beispiele zu Boppard in der Pfarr-
kirche aus dem XV. Jahrh. (Abb. Bock, Rh. Band. H, 10, Fig. 5), zu
Eltenberg (aus'm Wcerth, Taf. I, 2), Gräfrath (das. Taf. LXI, 9), Orsoy
(das. Taf. XXI, 11), St. Alban in Köln (Abb. Bock, d. heil. K. Taf. XIK,
73); zu Paderborn im Dome und in der Bustorfkirche; zu Mflnster im
Bischöfl. Museum und in der Moritzkirche noch ein elegant spätgotisches;
zu Würzburg in der Augustinerkirche (Abb. Becker- v. Hefner, I, Taf. 70);
zu Schwainbach bei Landshut, zu Haindling bei Geiselhöring (Abbild.
Kirchenschmuck 1859, Heft I, Beil. 1) und zu Reisbach (Jakob, Taf. XV, 4),
sämtlich in der Diöcese Regensburg; in St. Ruprecht zu Völkermarkt
(Österr. Atl. 36, 7), zu Montan in Tirol (Abb. Album mittelalterl. Kunstw. a. T.
1865, I, 3). Eins der zierlichsten aus der zweiten Hälfte des XV. Jahrb.,
0,40 hoch, befindet sich im Stifte zu Seitenstetten (Österr. Atl. 36, 4. 5.,
s. Fig. 96); auch unter den Stichen des Martin Schongauer befindet sich der
Entwurf eines sehr zierlichen (Bartsch, 107). — Aufser diesen kleinen zum
Schwingen eingerichteten Rauchfässern gab es in älterer Zeit auch gröfsere
Thymiamateria, die neben den Altären aufgehängt oder hingestellt wurden,
und das Mainzer Schatzverzeichnis aus der ersten Hälfte des XIII. Jahrh.
(s. oben S. 253) erwähnt als solche zwei hohle silberne Kraniche von natür-
lieber Gröfse, die, auf dem Rücken offen und mit Kohlen und Rauchwerk
gefüllt, durch den Schnabel den Rauch ausströmen liefsen und zu beiden
Seiten des Altars aufgestellt wurden.
Die Gefäfse für die heiligen Öle (oleum catechtunenomm, oleum
infirmorum und chrisma, Heilöl, Krankenöl und Salböl) sind und waren
verschliefsbare Büchsen (capsae^ pyxides) und Flaschen (ampuUae) aus ver-
schiedenen Stoffen verfertigt, einfach oder geschmückt; nur gläserne »om-
pullae chrismatis<^ wurden von dem Provinzial-Konzil zu Trier vom J. 1227
verboten.^ Auch Homer finden sich zu diesem Zwecke schon frühzeitig
benutzt,^ und die Kathedrale zu Gran in Ungarn besitzt drei gröfsere
Hörner mit silbervergoldeten Ständern und Deckverschlüssen aus dem XV.
Jahrb., die indes erst später als vasa olei (wozu sie noch heute dienen) in
kirchlichen Gebrauch gekommen sind.' — Auch die im Domschatze zu Salz-
burg aufbewahrte emaillierte Taube aus dem XII. Jahrh. (s. oben S. 238)
gilt als Olgefäfs. Interessant sind solche Gefäfse, welche die drei Büchsen
für die verschiedenen Öle vereinigt enthalten, wie sich dergleichen z. B. im
* Hartzheim, Conc. Germ. III, 529; vergl. Jakob, 219. Ein Fläschchen aus
emailliertem Kupfer von ca. 1200 im Kunstgewerbe-Museum zu Berlin ist abgebildet
bei Becker- v. Hefner. H. Taf. 4, eine im Domschatze zu Prag befindliche Kanne
aus dem XIV. Jahrh. Östr. Atl. LXXXrV, 7. — Drei silberne bauchige Fläschchen
mit engem Halse, C. S., 0. S. und 0. J. bezeichnet zwischen 1277 — 96 geschenkt, be-
finden sich im Dome zu Eegensburg.
' Ein Ölhom wurde bei der Salbung Ottos des Gro&en gebraucht. Vergl. Giese-
brecht, Gesch. d. deutsch. Kaiserz. (4. Aufl.) I, 245.
3 Abb. Östr. Ati. XXXVI, 1—3. 6. 8. 9.
Domachatze zu Regensbnrg ans St. Jakob zu Str&abiDg,' und aus dem
J. 1489 in der AltBtädter Kirche zu Warburg (.Ditlc es Paderborn) befinden:
anf einem sechsblatterigen KelchfnfBe ruht das
Aber dem GmndrirB des DreipasaeB aua drei Türm-
chen mit Zinnen und Schiefascharten znsammen-
gesetzteGeßirB: denen in Warburg noch drei ähn-
liche kleinere, die sich nicht öffnen lassen, in den
Ecken hinzugefügt sind, in der Mitte des gemein-
samen Deckels erhebtsich ein mit dem Kreuze ge-
krönter pyramidaler Helm.* Von gleicher Kon-
struktion, Jedoch ohne die mittlere pyramidale
Spitze, auf der Innenseite des fOr alle drei Ab-
teilungen gemeinsamen Deckela mit den Buch-
staben I (.infirmorum), 0 {oleum catecftumenorum)
und C(cAn'»na) bezeichnet ist das dem Stift Neu-
kloster zu Wiener-Neustadt 1446 vom Kaiser
Friedrich lU. gratiftete Geflfs.' Ein im Dome zu
Osnabrück befindliches von ca. 1445 hat die
Gestalt einer auf vier Löven ruhenden, an den
vier Ecken von kantigen Stlulen eingefafaten,
zinnengekritnten Borg, welche auf einer heraus-
zuziehenden Platte die dreiTflrmchen trägt Die
Wahl dieser festungsartigen Form für diese Ge-
fSfse acheint sich auf das bei der letzten Ölung
vorkommende Gebet: »Esto ei, domine, turris
forlifudinis a facie inimici etc.< (vergl. Pa. 61, 4) zu
beziehen. — In der mittelalterlichen Sammlung pig. si. oirtb fur tu« h, Oi* in
zn Basel befinden sich in Gestalt eines zwei- w«6Brg(n»i.d.org.f.chi.K.).
henkeligen bflchseu förmigen und dreier einhenke-
ligen kannenfjtrmi^en die biachöflichen ölgefäfse, in denen das vom
Bischöfe geweihte Ol bis zur Abgabe an die einzelnen Pfarren aufbewahrt
wurde, und in den Akten des ülmer IfOnsterbaues wird des Fäfsleins Er-
wähnung gethan, nn welchem man das Chrisam holt von Konstanz'!.
Tragbare Weihwassergefäfae (vasa bistraliä) aus romanischer Zeit
haben die Form eines kleinen Eimerchens (durchschnittlich etwa 0,is hoch,
nnten 0,13 und oben 0,16 breit) mit Tragbtlgel von Metall, sind, insgemein
unter Säulenarkaden und oft in zwei Reihen übereinander, mit biblischen
Reliefs geschmttckt, und kommen aus Elfenbein geschnitzt oder in Erz ge-
gossen vor. Die ElfenbeingefXfse , so viel deren bis jetzt bekannt sind (im
Domschatze zu Mailand,* im Kunstfaandel zu Aachen nach England ver-
' Jakob. Taf. SJ\', 6. 7.
> Abb. Becker- v. Hefner. n. Taf. 34 und Org. f. ehr. K. 1856, artist BeiL zu
No. e, vergl. Giefers da.solbst in No. 5 u. 6 und Prakt. Erfahrungen u. s. w., M.
• Abb. Östr. Atl. XC\'ni, 3.
' . Mitt. C.-K. V, 147. Taf. IV; Bock, Pfalzkap. I, I. Fig. 31; ders. KJeino-
dien, Anhang, 36.
262 WeihwBBsergeMac.
kauft,* in der Kirche zu Kranenbarg bei Kleve* und im MüBsterscliatse
zu Aachen* — die drei ereten aae der Zeit
der Ottonen, letzteres angeblich aus dem XII.
Jahrh.) dienten, wie auf deQ beiden Ältesten
inschriftlich bezeugt ist, dazu, dem Kaiser bei
seinem Eintritte in die Kirche das Weihwasser
darzureichen. Die Erzgefäfse (e. B. im Uom zu
Speier, im Dom und St. Stephan zu Mainz;*
in der Stiftskirche zu Berchtesgaden; im
National -Muse am zn HQnchen, aus Bamberg
stammend ; in der Sammlung des Fflrsten von
HoheDZollem zu Sigmaringen, ansReichenan
stammend, angeblich Stiftung des Abtes Her-
mannae Contractus;' und in St. Stephan zn
Wllrzburg) befolgen denselben Typus. Aus
der gotischen Periode sind bis jetzt nur Weih-
kessel der Sptttzeit nachgewiesen, einfache Ar-
beiten in Rot- oder QelbgufB, aber von gefälliger
■B KnoHiinrc (BMh wu-nWMiUi). Form: das Eimerchen von 0,2! — 0,26 Höhe hat
ein becherartiges Profil und ist mit geglieder-
ten Reifen umgeben; der Schlangenhenkel wird von menschlichen Figdrchen
oder von Köpfen gehalten, die hSnfig ttber Wappen-
schilden emporstehen. Beispiele: in den Kirchen
zu Eltenberg und Straelen,' in der Kirche zu
Deutz und in St. Kunibert zu Köln; ein Weih-
kesHel aus dem XVI. Jahrh. in dieser Kirche hat
schon ausgebauchte, kmgartige Fonn.^ — Im Prager
Seh atz Inventar von 1387 kommt vor ein *urceus
argenteus ad aspersionem cum imagmibus'. — Ein
spätgotischer im Dome zu Osnabrück hat einen
Drachenkopf als Äusgnfs und am Henkel behelmte
Brustbilder. — Die Adspersio geschah in alter Zeit
mit einem Baumzweige, einem Ysop- oder Stroh-
büBchel, wenn nicht etwa auch mit den Finger-
Fig. 39. wtoikweL spitzen; auch benutzte man, wie das deutsche Wort
In d« kirehe in EiieniHirg Weihwedol (fUper^V/uflt) audoutet, den Schwanz
»oim «etih). ^.^^^ Tieres, und zwar, wie das französische Wort
für Weihwedel >^oi<;>i/fon' (vom altfranz. goupH= Fuchs) beweist, einen
< Tergl. Käntzeler, Pet. Stoph., eine Eunst-ReUqnie des X. Jahrb. Aachen (1856).
' . aus'm Weerth, in deii Bonner Jahrbb. LYTH, ITO— 174 u. Taf. tX.
' Abb. aus'm "Weerth. Taf. XY^nf, 10; Bock, Pfftizkap. I, 1. Fig. 29. SO;
Kleinodion, Anhang, 48. Vergl. Diilron, Ann. arch. XVII, 141, wo dies Gefafe in
dio Earolingische Zeit gesetzt wird. Nach Bock ist Otto HI. inschriftlich daran bezeugt.
' Abb. Becker- t. Hefner. HI. Taf. 23.
' • in Originalgro&o bei t. Hefner-Altonect. Taf. 64, geringe bei Marmor,
Rf ichenau. Taf. 3.
• Abb. aus'm Weerth. Taf. I, 4. XXU, 2.
"< > Bock. d. heil. Köln. Taf. XHI, 48 u. 47. Andre einfache abeeb. bei
Becker- V. Hcfncr. IH. Taf. 31, aus dem MOmter zn Aachen bei Bock, Ffalzkap.
Eredenztische. Piscinen.
263
FnchsBchwanz. ' Gewöhnlich jedoch war daa Asper^l ein Stab ans Uettll
oder Holz, oben in eiuem rnnden, mit Borsten besetzten Kopf endend,
oder dieser Kopf hat die Gestalt eines Frnch^eh&uses (Artischocke, Tan-
nenzapfen), ist mit feinen Litchern durchbohrt nad birgt einen Badeschwamm
in sich.*
Anmerkung. Zum AufBtellen der ftlr den Mefadienst erforderlichen Ge-
{&he und Geräte dient ein insgemein beweglicher hölzerner Tisch, Eredenz-
tisch (credentiä), welcher an der Kelchseite neben demAItare aufgestellt und
mit einem weirsen Tuche bedeckt wird: im Dome zu MUnster ist zu diesem
Zwecke ein zweiteiliger Tisch bestimmt, der aufgeklappt ein Schachbrett zum
Vorschein kommen läfst und dem WiedertftuferkQnig Johann von Leyden ge-
hört haben soll. Im Dome zu Magde-
burg ist neben dem Hochaltäre, aber
auf dessea nordöstlicher Ecke, eine
der Altarplatte (s. oben S. 133) voll-
kommen ähnliche , nnr etwas kleinere
und niedrigere Marmortafel befind-
lich, die zwar für das Grab Erzb.
Dietrichs (f 1367) gehalten wird,
vielleicht aber als Credentia ge-
dient hat.^
Ebenfalls auf der Kelchaeite
nächst dem Altare befindet sich in
der Mauer zuweilen eine fensterartige
Nische, Piscina (auch wohl Fene-
stellä) genannt, und innerhalb der-
selben eine oder auch zwei halb-
kugelige kesselartige , oder flach tel-
lerartige Vertiefungen mit kleinem
Abzugskanal, die zum Waschen der
Hände für den Priester und zum
Reinigen der heiligen Gefäfse be-
stimmt waren,* z. B. im Dome zu
Naumburg, in der Klosterkirche
ZU Zinna, in der Katharinenkirche
zu Braunsberg, in dem Dorfe Alt-
Christburg (Kr. Mohrungen): hier
der Abflufs ans einem Granitsteine bestehend, der sich frei durch die Maner
I, 2. Kg. 57, aus Waldfeucht bei von Fisenne. a. a 0 H Lief 8 4 Taf 40
Auch der bei von Minutoli, Denkmliler 8. T allgebildete m einem Wendengrabe zu
Gnewikow bei Neu-Ruppin als Aschenume vorgefundene Brixizekessel ist mit dieser
Art von 'Weihkesseln völEg identisch.
' Vetgl. Gareieo, J., l'Archeologue chretien. Nimes ISaJ, 234
* Der Eriegaknecht, welcher auf dem EHenbeindeckel des Ekihtemacher Evan-
264 Piscinen. Depositorien.
öffnet.^ In der Abteikirche za Altenberg bei Köln wurden die 7 Piscinen
der Chorapsiden durch eine Wasserleitung von einem benachbarten Berg-
quell gespült. Ehe die Nischenform üblich wurde, hatten übrigens die Pis-
cinen ganz die Form eines Weihwasserbeckens oder Taufsteins, so z. B. eine
schöne aus der zweiten Hälfte des XIII. Jahrh. im Chore der Elisabethkirche
zu Marburg. Seit der Priester allgemein dem römischen Missale entsprechend
die Ablutio gleich am Altare sumiert, sind die Piscinen neben dem letzteren
überflüssig geworden und entweder aufser Gebrauch gesetzt und vermauert,
oder anderweitig als Schränkchen verwandt. — Auch in der Sakristei mufs
ein Lavacrum für die Handwaschung des Priesters vor der Messe und sonst
vorhanden sein; ein schönes romanisches in Gestalt einer Säule mit reich
skulptiertem hohlen Kapitell befindet sich in der Sakristei der Klosterkirche
zu Leubus, ^ das in der Sakristei von St. Elisabeth zu Marburg ist eingrofses
rundes Becken zwischen zwei Kragsteinen unter einem mit Nasen besetzten
Spitzbogen und mit einem Ausgüsse in Gestalt eines Vogels.
über die zu den an der Piscina vorzunehmenden Waschungen erforder-
lichen Handtücher {manuUergium^ manäle, tobalea^ iuella) vergl. Bock, Lit.
Gew. m, 23—33 u. Taf. 11. Ein geschnitzter Handtuchhalter aus dem XVI. Jahrb.,
verziert mit einer Sirene, die Kamm und Spiegel hält, befindet sich in der
Sakristei der Stiftskirche zu Xanten (Abb. aus'm Weerth, XYIII, 2).
Der Depositorien für die heil. Ole ist bereits oben S. 246 No. 2 gedacht
worden: es sind Wandschränke auf der Epistelseite, z. B. im Dome zu Magde-
burg neben dem im J. 1331 geweihten Altare des Täufers Johannes am öst-
lichen Ende des Schiffes, auch in der südlichen Chorwand im Münster zu Ulm;
namentlich aber kommen dreiteilige Schreine vor für die drei verschiedenen
öle, architektonisch ganz ähnlich ausgestattet wie die Wandtabernakel (§ 45
Anmerk. unter 1 , S. 243) , und von diesen nur durch die Stellung an der Süd-
seite zu unterscheiden, z. B. in der Reinoldikirche zu Dortmund. Selbst
freistehende turmartige Schreine dienten diesem Zwecke, wie der kleinere süd-
liche im Dome zu Münster, dem gröfseren, auf der Nordseite befindlichen
Sakramenthäuschen gegenüber.
0. Die Heftgewänder.
Das wichtigste Werk über diesen Gegenstand ist: Bock, Fz., Geschichte
der liturgischen. Gewänder des Mittelalters etc., durch zahlreiche Abbildnn&;en
erläutert, 3 Thle. 1S59 — 71. Daneben Weif s, Herrn., Kostümkunde, Geschichte
der Tracht und des Gerätes im Mittelalter vom IV. bis zum XTV. Jahrhundert
1864 (insonderheit die Abschnitte S. 41 fF., 119—137, 660—723, wo auch zu-
gleich erschöpfende Naohweisungen über die gesamte einschlägige litteratur)
und Ders., Kostümkunde, Geschichte der Tracht und des Gerätes vom XIV.
Jahrhundert bis auf die Gegenwart. I. Abt. Das Kostüm vom XTV. bis zum
* Abbild, von architektonisch geschmückten einfachen und doppelten Piscinen,
welche letztere zugleich als Credentia benutzt werden konnten, aus französischen
Kirchen bei Didron, Annalcs archeol. IV, 87 — 93. Eine schöne Doppelnische oben
mit dem Relief eines Handtuch haltenden Engels in St. Peter-Paul zuWeifsenburg
i. Elsafe bei Kraus. I, 606 — verd. Fig. 100; eine andre Doppelnische aus der
Dominikanerkirche zu Friesach in Kämthen in den Mitt. C.-K. jCVni auf S. 111;
einfache gotische aus Strafsengel und aus Viktring, im Kirchenschmuck 1S92,
21 u. 22.
* Abb. in Schlesiens Vorzeit in Büd und Schrift, ü, 8. Taf. 1 , No. 2.
Meisgewänder. 265
XYI. Jahrhundert 1872. Yon späterer litterator ist noch besonders zu yer-
gleichon Marriot, Whart. B., vestiarium Christianum. London 1868. — Über
oie mittelalterlichen liturgischen Vorschriften betreffs der priesterlichen Gewän-
der: Durandus, Lib. ifl. — Engelhardt, Herrad von Landsperg, 82 ff. —
Gräser, A. H., die röra.-kathol. Liturgie, 191 bis 235 u. 424 f. — C. P. Lep-
sius, in den N. Mitt. d. Th..S. V. VI. 8, 89 ff. — Viktor Gay, Vetements
sacerdotaux in den Annales archeoL I, 61. II, 37. 151. IV, 354. VI, 158.
vn, 143. vni, 64. xvn, 227. 348. —
Alte Schatzverzeichnisse über die Gewandkaramem der Hochstifte und reichen
Elöster sind nicht selten und besonders von Bock, a. a. 0., vielfach benutzt;
eins des Doms zu Brandenburg aus dem Ende des XVI. Jahrh. ist abgedruckt
im Anz. G. M. 1880, No. 11 u. 12. Seltener sind diejenigen einfacher Pfarr-
kirchen, vergl. dasjenige der Pfarrkirche St. Quintin zu Mainz aus dem XV. Jahrh.
im Kirchenschmuck 1870. XXVH, 30; das der Pfarrkirche zu Schweidnitz im
Anz. G. M. 1874, No. 6 u. 7; das des Schwarzen Klosters zu Greifswald in den
Pommerschen Geschichtsdenkmälem. Bd. 2. —
Gröfsere Sammlungen* mitteMterlicher Meisgewänder haben sich besonders
erhalten im Dome zu Halberstadt und in der Marienkirche zu Danzig (vergl.
Hinz, A., die Schatzkammer der Marienkirche zu Danzig, 2 Bde. 1870, mit
200 Photographien); sodann im Dome zu Brandenburg (vergl. darüber im
>Bär< 1877, 86 ff.); eine kleine aber interessante Sammlung im Herzogl. Museum
zu Braunschweig (vergl. [Riegel, H.] Herzogl. Mus. Die Sammlung mittel-
alterlicher und verwandter Gegenstände. Braunschw. 1879, 1 — 20); einzelne
Stücke in gröfeerer oder geringerer Zahl vielfaltig in den Sakristeien der Stifts-
kirchen, in Museen und rrivatsammlungen. Zu den berühmtesten, kostbarsten
und künstlerisch vollendetsten gehören die aus der Beute Karls des Kühnen
heirührenden sogenannten burgundischen Mefsgewänder (des Goldenen Vliefs-
ordens) in der Kais. Schatzkammer zu Wien mit den Seitenstücken dazu im
Museum zu Bern. — Abbildungen von Mefsgewändem u. s. w. finden sich
in reichster Zahl in den angeführten Schriften von Bock^ Weüs, Marriot und
Binz^ sodann besonders in von Hefn er- Alten eck, Jos., Trachten, Kunstwerke
und Gerätschaften vom frühen Mittelalter bis Ende des XVIH. Jahrh. nach
gleichzeitigen Originalen (HI. Abt. 1840—54). 2. Aufl. 1880 ff. Aufserdem mufs
verglichen werden das Prachtwerk im grö&ten Folio von Bock, Fz., die Klei-
nodien des h. römischen ßeiches deutscher Nation u. s. w. 1860 mit 46 Taff.
in Farbendruck und zahlr. Holzschn.; und von Älterem : Lonicerus, Trachten-
buch der katholischen Geistlichkeit 1585, mit 101 Holzschnitten von Jost
Ammann.
47. Zur vollständigen Ausstattung eines Altars — einer capella^ —
gehören aufser den im Vorstehenden behandelten Einrichtungsgegen-
ständen auch die liturgischen Gewänder für die beim Altardienste fun-
* Die Halberstädter enthält nach gütigst zur Verfügung gestellten Aufzeichnungen
des Herrn Superint. u. Oberdompr. Nebe daselbst u. a. 28 Toniken und Dalmatiken,
47 Kasein, 28 Pluvialien, 8 Mitren und besonders auch eine grofee Zahl der selteneren
und kleineren Gewandstücke; die Danzi^er 20 Dalmatiken, 92 Kasein, 26 Pluvialien
und ebenfalls eine grofse Anzahl der klemeren Stücke; die Brandenburger 22 Dalma-
tiken, 14 Kasein und 16 Pluvialien, aber von den kleineren Sachen nur wenig.
2 Der Name capeUa stammt eigentlich von der kleinen cap^a des h. Martinus,
welche fds das gröfete Nationalheiligtum im Palaste der merovingischen Könige in
einem besonderen Oratorium aufbewahrt und im Kriege vorangetragen wurde. Zur
Hütung des Heiligtums waren besondere Geistliche angestellt, wefohe capeUani genaamt
wurden. Von dfuier wurde Kapelle der Name zunächst für fürstliche Privatkirchen,
nachher überhaupt für private und kleinere gottesdienstliche Bäume und Gebäude;
vergl. Herzog-Plitt, Realencyklop. VH, 498. — Übrigens werden die Mefsgewänder
imd die durch Weberei und Stickerei geschmückten Stoffbekleidungen des Altars, der
Vasa Sacra etc. unter dem Namen Paramente zusammengefaCst.
266 Meßgewänder.
gierenden kirchlichen Personen. Das eigentliche Mersgewand des Pries-
ters ist die Kasel (casula, paenula planeia), das des Diakonus die Dal-
matica (tunica) und das des Subdiakonus die Tunicella {subtile, tumca
mnor). Gemeinschdtlich tragen alle drei folgende Stücke in der Reihen-
folge der Anlegung: das Humerale {amictm, si^erhumerale etc.), die
Alba {camisia, poderis, hmica lalaris), das Qingulum {baltheus, zona),
die Stola (orarium) und den Manipulus (mappula, fancn). Bei Pro-
zessionen legt der Priester das Pluviale [cappa choralis, Chorkappe,
Bauchmantel, Vespermantel) an.
Eine besondere geistliche Amtetracht des Klerns im Unterschiede von
der Laientracht hat erst im Laufe des VI. Jahrh. angefangen sich in der hyzan-
tiniechen Kirche auszabilden, ihre Eigentümlichkeit bestand aber zunächst
wesentlich darin, dafs sie im Unterschiede von der wechselnden Mode die
althei^ebrachten Formen der römischen Senatorentracht beibehielt. Allge-
KaaeL 267
meioe and bindende Vorschriften gab es darüber nicht, und wenn anch die
römischen Blschüfe dergleichen für ihren Machtbereich frühzeitig versuchten,
BO erreichten sie damit doch über diesen hinaiiB keine Geltung. Papst Zacha-
rias erliefs zuerst gegen 745 allgemeinere Bestimmungen über eine prächtigere
Gewandung der Bischöfe nnd Priester, jedoch herrschte dem gegenüber noch
grofse Selbständigkeit der DiOcesen. Boni&tins verbot 754 seinem Elems
ausdrücklich das Tragen kostbarer Gewänder und erlaubte nur itunicam
ianeam et Hneam, caligas et peripsemata (? perizomaia), orarium et coculam
et ffunnam brevem nostro more consutamt. < Die Kirchenspaltung zwischen
der morgenländifichen und abendländischen Kirche beeinflufste zunächst die
weitere Entwickelnng der kirchlichen Gewänder nicht in verschiedener
Weise, allmählich jedoch ging jede der beiden Kirchen ihren eigenen Weg,
nnd in der abendländischen Kirche vollzog sich unter dem wachsenden Ein-
flüsse Roms eine eigentttmliche Gestaltung, die am Ende des IX. Jahrh. im
Wesentlichen abgeschlossen war in Bezug auf Zahl und Charakter der Be-
kleidungsstücke nnd nur in Bezug auf Schnitt und Verzierung derselben und
Hinznft^ng einzelner untergeordneter nener Stücke später eine weitere
Entwickelnng aufweist. Das Kennzeichnende ist, dafs der allgemeinen Rück-
bildung des christlichen Priestertums in das alttestamentliche Schattenbild
entsprechend auch für die pri^terlicbe Gewandung die Cerimonialvorschrif-
ten des Mosaischen Gesetzes vorbildlich und mafsgebend wurden.*
Die Kasel (mhd.
metsachel, s. Fig. 101 c),
aus dem alten römischen
Mantel (daher paenulä)
entstanden, ist ursprüng-
lich ein weiter ärmelloser
Mantel, der nur eine Öff-
nung filr den Kopf hatte,
über den er scblanchartig
gezogen wurde und dann
glockenförmig (oder wie
eine Hütte, daher castda)
den ganzen KOrper umgab.
Er bedeckte also die Arme
vollständig, und beim Mini-
strieren rnnfste die ganze
seitliche Stoffmasse mit den
erhobenen Armen mit auf-
gehoben werden (m/er 6r«c-
cMaplicare), wodurch eine
reiche Faltenbildung ent- »leboribiMet'Mu'deDi xii. o. xin. jahrh. ^niohLeFiim).
stand (daher planeta). *
' VOTgl. Vict. Gay, in don Ann. aroh. I, 68.
• » hierüber besondere Bock, a. a. 0., Eajiitel HI in Bd. I, 323 ff.
' Nach dem Breviarium der Brandenburger Diöcese von 1488 wurde die Kasel
dependtn», mit nicht aufgehobenen Falten, als Zeichen der Trauer und der BuJse ge-
tragen I. B. am Cbar&eitag.
268 Kasel.
Diese älteste Form der Kasel zeigt Fig. 103 (das Siegelbild des Bischofs Uto von
Naumburg, 1126 — 1150). Um die Last dieser an sich schweren Stoffmasse, die
oft durch reiche Stickereien und Edelsteinbesatz bedeutend gesteigert wurde,
zu erleichtem sah man sich bald genötigt an den beiden Armseiten Zugschnüre
zum Yorhangartigen Aufziehen des Mantels anzubringen, so dafs er nun vom
und hinten in einem viele Falten schlagenden Bogen herabhing; so an der
noch vorhandenen Kasel des Erzbischofs Willigis in St. Stephan zu Mainz.
Später machte man an den Seiten Ausschnitte, damit nicht soviel Falten
aufzunehmen waren (so in Fig. 104, dem Bilde des Erzbischofs Otto von
Magdeburg, 1325 — 1361), die allmählich immer gröfser wurden, während
die Länge des ganzen Gewandes bedeutend verkürzt und die Rückenseite
unten abgerundet wurde, so dafs schliefslich im XVL Jahrh. nur noch ein
langes, in der Mitte mit einer Öffnung für den Kopf versehenes Stück Zeug
übrig blieb, dessen eine Hälfte vom, die andere etwas längere über den
Rücken ganz faltenlos herabfiel. — Geschmückt war die Kasel ursprünglich
nur mit einer schmalen Borte um den oberen Halsausschnitt, von dem vom
und hinten in der Mitte ein schmaler Stab abwärts lief. So zeigt es die
angeblich aus dem Jahre 1143 herrührende sogenannte Kasel des h. Bern-
hard zuBrauweiler (Abb. Bock, a. a. 0. n, Taf. XXXII). Später wurde hieraus
auf beiden Seiten ein gabelförmiges Kreuz in der Y-Form, deren Arme sich
auf den Schultern vereinigten, zuweilen reichte auch der Längsbalken des
Kreuzes durch die Gabelung hindurch bis zum Halsauschnitte hinauf. So
an der Kasel aus dem Xü. Jahrh. im Dome zu Halberstadt und an der
sogenannten Kasel des Albertus Magnus von 1280 in der St. Andreaskirehe
zu Köln (Abb. Bock, a. a, 0. Taf. vm u. XXXIV). Diese Form der Verzie-
mng blieb in Deutschland bis zur Mitte des XV. Jahrh. die mafsgebende und
erhielt sich vereinzelt namentlich bei bischöflichen Kasein noch bis in den
Anfang des XVI. Jahrh.; für gewöhnlich aber wurde seit jener Zeit die
Rückenseite mit einem grofsen, meist prachtvoll gestickten Kreuze lateini-
scher Form verziert, und die Brastseite erhielt nur einen schmalen Längs-
streifen in der Mitte oder blieb auch ganz schlicht. ^
Die Mefsgewänder des Diakonus (Fig. 102, 8) und Subdiakonus
(Fig. 101, b), auch Levitenröcke oder Lesegervänder (weil mit ihnen ange-
than die Perikopen bei der Messe zu lesen waren), unterscheiden sich unter-
einander wenig. Beide sind aus demselben Stoffe wie das Mefsgewand des
Priesters gefertigt, die Tuniceila in ihrer Verzierung einfacher gehalten und
später gewöhnlich enger und kürzer als die Dalmatica. Letztere soll zuerst
Papst Sylvester 314 an Stelle des früher getragenen colohiumj welches
ärmellos und durch die nackten Arme der Ministranten anstöfsig geworden
* Abbildungen spätmittelalterlicher Kasein finden sich, aufeer in den oben ^nannten
Werken, aus Kölnischen Kirchen bei Bock, d. heil. Köln. Taf. XXII, 82. XXVII, 91.
XXXI, 97. XXXin, 99; aus dem Frankfurter Dom (mit 2 graden Stäben statt des
Kreuzes) Photogr. Frankf. Ausst. Taf. 91. 92; aus Privatbesitz daselbst (aus Dortmund
stammend, mit eigentümlicher Form des Rückenkreuzes) ebd. Taf. 86. 96; aus St.
Stephan in Mainz (nebst zugehöriffer Dalmatik) ebd. Taf. 66 u. 67, resp. 36. u. 37. —
Ursprünglich Kasein sind die drei Kaisermäntel Heinrichs 11. im Domscnatze zu Bam-
berg (Abb. Bock, Kleinodien. Taf. XTJ— YT.TTT),
war, angeordnet haben. Es entsprach der schon den Römern bekannten,
aber als weichlich verachteten langen und langSnueligen
tunica dabnalica, daher der Name, nnd war ursprünglich
ein langes, von der darunter getragenen Alba nur wenig
sichtbar lassendes Gewand mit langen engen Ärmeln.
Spater wurde es etwas verktirzt, so dafs es nur eben unter
die Kuie herabreichte, und erhielt einen bogigen ÄQsschuitt
unten an den Seiten, der jedoch nicht über die Hüften
heranfreichen durfte (aiebe Fig. 105; ohne diesen die
prächtige von rotem Seidenbrokat mit runden LOwenachil-
den im Dome zu Halberstadt, Nr. 117 [Abbild. Bock, n,
Taf. Y, 1] und diejenige Kaiser Heinrichs II. im Bayr.
Nat.-Mn8etim zn München [A^bb. Bock, Kleinodien, Taf . XL
u. S. IS», 1!W]); am nnteren Rande befanden sich nach p, „jg Diiionm
Durandns mit Beziebang auf die Psalmen 15 einzelne m der Trübt du
Quasten. Im spateren Mittelalter wurde hieraus eine zu- (nub v 'nefner).
sammenhttngende Franze in mehreren sich regelmJLfsig
wiederholenden Farben, die sich auch um den an die Stelle der seitlichen Aus-
boguDgen getretenen, bis an die Ärmel heraufreichenden Aasschnitt faei-um-
ziehen. Ancfa die Ärmel warden verkürzt und erweitert (in nacbmittelalterl.
Zeit aaeh aufgeschnitten), nnd
anf dem Rücken wurden zwei
lange Seiden- oder Goldquasten
mit einem metallenen Knopfe
angebracht, die entweder vom
HaleansBcbnitt (siehe Fig. 106)
oder zwischen den SchulterblSt-
tem von metallenen Schildchen
mitIjöwenkOpfeD,Shnlichdenen
andenKirchenthUren,herabhin-
gen. — Die Verzierung derDal-
matik bestand hauptsächlich in
zwei Borten oder Stäben, welche
sich über die Schulter weg auf
der Brust und Rflckenseite her-
abzogen (Fig. 102, 9), auch fi», im. SpIlmllieUilMrUchs Dila.tik {n«b Beck).
die Ärmelsftnme waren ähnlich
besetzt. Anfserdem worden auf Brust und RUcken die Stäbe durch ein
viereckiges Zengstück (das. No. 10, plaguia, Block genannt) verbunden,
das in älterer Zeit aus einem koatbaren seltenen Stoffe bestand, später mit
Stickerei geziert wnrde. Auch über dem nnteren Rande war bei den alteren
Dalmatiken oft ein rundum gehender Saum aus solchem kostbaren Stoffe
angebracht, der später gänzlich verschwand oder ebenfalls durch zwei pla-
gulae vom und hinten zwischen den unteren Enden der Stäbe ersetzt wurde.
Nicht selten fielen auch die Längsstäbe gänzlich weg nnd blieben nur die
vier oder zwei plaffulae übrig. •
■ Zu den berühmtesten nnd pUchtigsten Dalmatiken gehären die Eaiserdalmatiken
270 Humerale. Alba. Cingulum. Stola.
Die übrigen Gewandstttcke waren, wie bemerkt, dem Priester nnd den
Ministranten gemeinsam und wurden nur zum Teil in etwas verschiedener
Weise von ihnen angelegt. Das Humerale (mhd. umbekrj Fig. 102, 1)
wurde erst im VIII. Jahrh. eingeführt, während früher der Hals unbedeckt
blieb. Es ist ein länglich viereckiges Tuch, welches um den Kragen des
unter der Mefskleidung getragenen Talars geschlagen und mit Bändern vor
der Brust zugebunden wird. Beim Ankleiden wird es zuerst auf den Kopf
gelegt und dann auf die Schultern herabgezogen (s. Abb. bei Bock, a. a. 0.
n,Taf. n), kommt deswegen auch zuweilen kapuzenartig auf dem Kopfe
liegend vor, oder ist als Fallkragen über dem Mefsgewande sichtbar. Seine
Verzierung besteht aus einer auf der Nackenseite angebrachten plagüla aus
dem Stoffe der Kasel (Fig. 102, 2).
Die Alba (Fig. 102, 3) ist eigentlich das älteste von der gesamten
Geistlichkeit getragene Gewand , ein langes, bis auf die Füfse herabreichen-
des weites Hemd aus weifser Leinwand, mit langen, gegen die Hand spitz
zulaufenden Ärmeln, welches über den Talar gezogen wird. In den bischöf-
lichen Ornaten besteht sie häufig aus weifser Seide mit allerhand kostbaren
Stickereien an den Säumen. Sonst besteht die Verzierung der Alba der
Regel nach aus vier länglichen Besatzstücken von dem Stoffe der Kasel
(Fig. 102, 4), welche vorn und hinten in der Mitte über dem unteren
Saum und auf den beiden Ärmelrändem befestigt werden (während des
Waschens der Alba werden sie abgetrennt) und die Wunden Christi (daher:
plagae oder plagulae) symbolisieren, weshalb sich häufig auch noch ein
fünftes vom auf der Brust findet, oder dasjenige am Humerale für die fünfte
Wunde gerechnet wird. — Alben sind im Ganzen selten erhalten, die Marien-
kirche in Danzig besitzt mehrere, der Dom zu Brandenburg nur noch
eine, der Halberstädter keine. (Abb. Hinz, Taf.I. Bock,n, Taf.in. Die deutsche
Eaiseralba in Dess. Kleinodien Taf. Vn.) — Da die Alba durch ihre Länge
und Weite beim Gehen hinderlich sein würde, wird sie über den Hüften
durch das Cingulum aufgegürtet, einen Knotenstrick oder schmalen weifsen
Zeugstreifen (Fig. 102, 5, in der Regel reichen die Enden nur bis zu den
Knien herab und sind unter der Kasel oder Dalmatik nicht sichtbar), die
sich freilich auch reich mit kostbaren Stickereien geschmückt vorfinden.
(Abbild. Hinz, Taf. XI; Bock, ü, Taf. V, 2 — 4; das des deutschen Kaisers in
Dess. Kleinodien Taf. Xm.) — Die Stola (Fig. 102, 6) war ursprünglich ein
den ganzen Körper bedeckendes weifses Wollen- oder Leinengewand, wel-
ches mit zwei über die Schultern bis zu den Füfsen parallel herablaufenden
kostbaren Borten benäht war. Später fiel das eigentliche Gewand fort nnd
blieben nur die beiden Borten übrig, so dafs sie nur aus einem langen
schmalen Streifen besteht, der über die Schultern gelegt wird und mit seinen
Enden vorn auf der Alba bis zu den Knien herabhängt. Auf dem Elfenbein-
deckel zu Frankfurt a. M. (s. oben S. 175) trägt der das Mefsopfer feiernde
Priester die Stola über dem Mefsgewande um den Hals und zwar in der Mitte
auf der Brust befestigt und mit beiden Enden über die Schultern nach hinten
in Si Peter zu Rom und in der Kaiserl. Schatzkammer zu Wien, in welchen der
römische Kaiser bei seiner Krönung in seiner Eigenschaft als Diakonus in der Krönungs-
messe zu fungieren hatte. Abbildungen derselben in Bock, Eleinodien des deutschen
Beichs.
UanipeL Plnvialo. 271
herabhängend. Wenn die Stola sehr lang war, wurde sie ziemlich tief unter
der BruKt gekreuzt and mit dem Cingnlam Hbergflrtet. Der Diakonns da-
gegen hat die Stola über die linke Schalter zu legen und an der rechten
Hüfte übereinander zu schlingen {slola transversa). Dem Sabdiakonus kommt
aie gar nicht zu. Den Schmuck derselben bildeten eeit frühester Zeit ein-
gestickte (lateinische) Kreuze und an den (später sehr verbreiterten) Enden
Franzen, Troddeln, zuweilen auch Schellen (bis zn 20 Stflck). TgL H. Mosis
28, 33. 34. Abb. Hinz, Taf. XI; Bock, H, Taf. Vm, 2. 3. XVIII; die das deutsch.
Kaisers in Dess. Kleinodien Taf. Xm. — Eng mit der Stola zusammengehörig
ist der auch dem Subdiakonus zukommende Manipel (Fig. 102, 7), eigent-
lich ein znerst von Gregor d. Gr. erwähntes Sacktuch (*qua pituitam oculo-
rum et narium äetergimus* sagt Alcnin, de div, off., Tgl. Bock, a. a. 0.
I, 441), aber bereits im X. Jahrh. ein blofser Schmuck, aus einem der Stola
ganz gleichen nnd entsprechend verzierten Streifen bestehend, der Über den
linken' Vorderarm gehängt wird (mbd. handvan). Der alte Manipulus war
taug, der neaere (s. Fig. 101) ist kürzer und unterhalb zusammengenäht.
Das Pluviale war eigentlich ein von dem niederen Klerns getragenes
KleidnngflstUck, daa indessen seit dem X. Jahrh. anch bei dem höheren
Elems beliebt wurde. Insonderheit wohnten die
Stiftsherren dem Gottesdienste in diesem Gewände
bei (daher cappa choralts), das von dem Träger
bei seiner Installierung angeschafft wurde und ihm
eigentOmlich gehörte, nach seinem Tode aber dem
Schatze der Kirche als Erbstück zufiel. Indessen
anch znr Ausstattung jedes Altars gehörte später
das Pluviale regelmäfsig und wurde von dem Pries-
ter zu den Funktionen, bei welchen das RauchfaTs
gebraucht wird (Rauchmantel), zu den Vespergottes-
diensten (Vespermantel) und besondere bei den Pro-
zessionen zum Schutze gegen die Witterang (daher
p/uvia/e) getragen. Insonderheitaherwurdeesaach
Sitte, dafs die Bischöfe (siehe Fig. 107) dasselbe
als eigentliches Prankgewand trogen und dafflrdie
Anlegung der Easel onterliefsen. Das Pluviale hat
eigentlich die Gestalt einer vorn aufgeschnittenen
Kasel der ältesten Form, hinten mit einer Kapuze
versehen zur Bedeckung des Kopfes bei den Pro-
zessionen. Später, seit dem XIII. Jahrh., fiel aus
Reinlichkeitagründen, und weil zur Bedeckung der ^'«' '"■ xvLJ^ "' ''"'
Tonsur das Barett aufgekommen war, die Eapnze
weg, und es blieb nur in Erinnerung an sie ein herabhängendes kleines ZeugstUck
(clipeus) von dreieckiger oder nach unten spitzbogig abgerundeter Form übrig,
das aber allmählich immergröfserwardeundhalbkreisruade Gestalt erhielt. Vom
Ende desselben hing eine Seidenqnaste mit Metallknopf, wie an den Dalmati-
ken über den Rücken herab. Unten hat das Pluviale reiche Sänme von Franzen
wie die spatere Dalmatik, oft auch gestickt und loweilen mit Schellen besetzt,
r Umdrehung der gmzen Ge-
272 Liturgische Farben.
z. B. an der prachtvollen, wohl zu dem Krönnngsomate König Richards von
Cornwallis gehörigen, sogenannten cappa Leonis im Münsterschatze zu
Aachen (Abb. Bock, a. a. 0. II, Taf. XU—XLEQ, auch in Dess. Pfalzkap., I, 2,
Fig. S~10); bei den bischöflichen Pluvialien entwickeln sich im XVI. Jahrh.
lange Schleppen. Die angeführte Bestimmang der Pluvialien erklärt es, dafs
gerade bei ihnen eine besondere Pracht, ja Luxus entfaltet wurde, nicht nur
in der Kostbarkeit des Gewandstoffes, sondern auch in der Verzierung mit
Stickereien und kostbaren Steinen, die auf dem Clipeus und namentlich auf
der Borte (auri/risia) y die vom Nacken her zu beiden Seiten des offenen
Gewandes in Handbreite, oft noch bedeutend breiter, bis zu 0,26 und 0,2S,
herablief, angebracht wurden. In das vorn auf der Brust den Mantel zu-
sammenhaltende Zeugstück von demselben Stoffe aber wurden gewöhnlich
die kostbaren silbernen und goldenen Agraffen (s. oben S. 212} eingesteckt.
Anmerkung 1. Die Farbe der liturgischen Gewänder war ursprünglich
nach dem Vorbilde sowohl der alttestamentlich-priesterlichen, als der römisch-
senatorischen Tracht und in naheliegender Symbolik durchaus weifs , höchstens
mit bunten Verzierungsstreifen. Seit dem XI. Jahrh. kamen buntfarbige Stoffe
in Gebrauch, über deren Farbe es keine Vorschriften gab, sondern man nahm
bei der Seltenheit und Kostbarkeit der nur aus dem Orient zu beziehenden
Stoffe, was als Geschenk gestiftet wurde oder sich käuflich erwerben liefs.
Erst nach Einführung der Seidenfabrikation in das Abendland bildeten sich im
Laufe des XII. Jahrh. bestimmte Vorschriften ans, nach denen wie die Mefs-
gewänder des Priesters und der Diakonen, so auch die gesamte Bekleidung des
Altars für verschiedene Zeiten des Kirchenjahres und für verschiedene Feier-
lichkeiten in verschiedenen Grundfarben, den sogenannten liturgischen Far-
ben^ herzustellen war, nämlich weifs (an allen Christusfesten, an Festen der
Bekenner und Jungfrauen, die nicht Märtyrer sind, bei Bischofsweihen etc.,
sonst nur von der Weihnachtsvigilie bis zur Epiphanias -Oktave), rot (zu
Pfingsten und an den Festen der Apostel und Märtyrer, sonst nur in der Oktave
der Pfingstvigilie), grün (von der Epiphanias -Oktave bis Septuagesimae und
in der ganzen Trinitatiszeit) , veilchenblau, violaceus (Anfangs nur zweimal
im Jahre, am Fest der unschuldigen Kindlein und am Sonntage Lätare, später
in der Advents- und in der Fastenzeit von Septuagesimae an etc.), schwarz
am Charfreitage und bei allen Totenmessen für Erwachsene — ftir Kinder
weifs), gelb (nur ausnahmsweise bei einzelnen Riten, am Fest des heil. Jo-
seph und bei der zweiten Weihnachtsmesse). Selbstverständlich waren diese
in mystischen und symbolischen Grtlnden beruhenden Vorschriften nur bei sehr
reichen Kirchen völlig durchführbar. Übrigens aber waren diese Bestimmungen
der römischen Kirche weder in Bezug anf die Zahl der Farben , noch auf ihre Be-
stimmung für die einzelnen Festzeiten allgemein bindend. Hervorragende
Kirchen, deren Geschichte bis tief in das Mittelalter oder die Anfänge der
* Engelhardt, Herrad von Landsperg a. a. 0. — Innocentius IH. (de sacrif.
miss. 1. I. 0. 65) XL Daran das (Bationale 1. IH. c. 18) fähren nur vier htorgisehe
Farben an (weils, rot, schwarz u. CTün); letzterer aber bezeichnet ' den Gebrauch der
blauen Farbe in gewisser Abwechslung mit der schwarzen als eine nicht anpassende
Sitte der römischen Kirche. — Verel. Wackernagel, W., die Farben- und Blumen-
sprache des Mittelalters, in dessen kleineren Schriften. Bd. 1. 1872; »die Kirchenfarben«,
im Chr. K.-Bl. 1873, No. 12.
liitargische Farben. Stoffinuster. 273
Cbristianisiernng Deutschlands zurOckreicht, bewahrten wie in Bezug auf den
Ritus überhaupt 9 so auch betreffs der Kirchenfarben mannigfache Besonder-
heiten, z. B. El Iwan gen hatte ihrer sieben , nämlich aufser den genannten
noch für den Aschermittwoch aschgrau und trug schwarz im Advent und in der
Fastenzeit, gelb zu Neujahr und Epiphanien.^ Auch sonst war man nicht nur
Geschenken gegenüber ohne alle Skrupel, sondern übte bis an den Schlufs des
Mittelalters grofse Freiheit. Nach^ den kirchlichen Vorschriften ist z. B. gelb
und blau ausgeschlossen, die Vereinigung verschiedenfarbiger Stoffe in einem
Gewände untersagt und solche Farbenmischung, bei der man keine Grundfarbe
erkennen kann, verboten (vergl. Jakob, S. 314). Dennoch findet sich die viel-
leicht schönste Form des Granatapfelmusters, welche bei Bock, a. a. 0. I,
Lief. 1, Taf. XIX abgebildet ist, auf einem seidenen Damastgewebe in hellblau
und orangegelb, das unter den Gewändern des Brau den bürg er Doms in einer
vollständigen, von dem Bischöfe Joachim von Bredow (t 1507) gestifteten
Kapelle vertreten ist; Mefsgewänder, die auf der Vorder- und der Rückseite
aus verschiedenfarbigen Stoffen (z. B. im Herz. Museum zu Braunschweig die
Kasel No. 31) oder gar nach der Weise des weltlichen Afiparä zusammen-
gesetztsind, finden sich mehrfach, und vielfältig gestreifte und geblümte Stoffe,
bei denen es schwer halten würde, eine bestimmte Grundfarbe zu bezeichnen,
kommen zahlreich vor, z.B. unter den Pluvialien des Brandenburger Domes.
— Wie die liturgischen Farben, so waren übrigens die gesamten Stücke der
Mefsgewandung Gegenstand einer detaillierten symbolischen Deutung, welche
in den bei ihrer Anlegung zu sprechenden Gebeten zum deutlichen Ausdruck
kommt und besonders von Durandus (L m c. 1—17) ausgeführt ist, aber auch
in homiletischen und ascetischen Schriften des Mittelalters (z. B. in den Pre-
digten des Bruder Berthold) vielfach zu erbaulichen Zwecken verwandt wird.
Anmerkung 2. Der künstlerische Schmuck der Mefsgewänder
kommt teils im Gewebe ihrer Stoffe, teils in den zu ihrer Verzierung ange-
brachten Stickereien zur Erscheinung. Die kostbaren Seiden- und Samt-
Stoffe,^ welche zu den Mefsgewändern beliebt waren, wufste die Webekunst
frühzeitig mit omamentaler oder figuraler Musterung auszustatten, teils im ein-
fachen ein- oder mehrfarbigen Damastgewebe, teils im Brokatgewebe mit
Silber- oder Goldfäden; aus dem Samt wurden erst in späterer Zeit die Muster
hauptsächlich ausgeschoren, sofern sie nicht durch die Broschierung hergestellt
« VergL Kirchenschmuck 1869. Bd. XXV, 28 ff.
* Über die Entwickelung der Weberei ist besonders zu vergleichen Bock, a. a. 0.,
I, 1 — 121; über die, oft sehr dunklen, Namen der mittelalterlichen Gewandstoffe:
Alwin Schultz, d. höfische Leben des Mittelalters. I, 249 ff. Zu bemerken ist z. B.,
dafe samit im Mittelalter nicht das ist, was wir Samt (veloura, velvet) nennen, son-
dern «-5 i^d/urog, ein sehr starkes Seidengewebe mit sechsdräthiger Kette. JPiirpur
dagegen ^zeichnet nicht eine Farbe, sondern ein Seidengewebe m allen möglicnen
Farben; weilser, brauner, roter, gelber, grüner, blauer, schwarzer Purpur werden aus-
drücklich genannt. — Abbildungen mittelalterlicher Stof&nuster finden sich auiser bei
BockJ. a. a. 0., besonders in Dess., der Musterzeichner des Mittelalters 1859; Herdtle,
Ed., Ffächenverzierungen des Mittelalters u. d. Renaiss. lief. lILu. lY; Fischbach, Fr.,
Ornamentik der Gewebe, Hanau, 4 lieff. in Farbendruck fol.; Dupont- d'Auber-
ville Tomement des tissus. Paris 1877. — Vergl. auch Essen wein, A., die Sammlung
von Geweben im Germ. Mus., Anz. G. M. 1869, No, 1. — Katalog der ehemaligen Bock-
schen Sammlung von Webereien und Stickereien des Mittelalters. Wien 1865.
Ott«, Knnat-ArehXolofle. 5. Aafl. 18
^74 Stoffmuster und Stickereien.
wurden. ' Die älteren byzantiuiBoheu Gewebe bedienen sich anfser griecbißchen
Kreuzen hauptsächlich stiÜBierter Tiere, Löwen, Greifen, Elephanten, Adler,
Pfauen etc. in kreisrunden oder schildförmigen Medaillons, zum Teil gewifs
von symbolischer Bedeutung; so stellt das in Cahier et Martin, Mölanges
d'arch. II, livr. VIII abgebildete Gewebe aus St. Walpurgis in Eichstädt
(X. Jahrb.) Daniel in der Löwengrube, das bei Bock a. a. 0. I., Taf. II ab-
gebildete ältere aus dem Dome zu Chur Simson mit dem Löwen dar. Die sa-
razenischen Gewebe, die später in dem königlichen hötel de tiraz zu Palermo
den Hauptsitz ihrer Fabrikation hatten, sind an dem maurischen Stil ihrer
aufserordentlich mannigfaltigen und hocheleganten Tier- und Pflanzen -Orna-
mentik erkennbar, sowie an den eingestreuten ornamentalen arabischen In-
schriften.^ Charakteristisch ist bei ihnen besonders ein sehr häufig wieder-
kehrendes Ornament, das aus Halbmonden, in deren innerer Krümmung eine
kleine runde Scheibe schwebt, zusammengesetzt ist und als ein Zauberzeichen
gegen den bösen Blick oder auch gegen den Mottenfrafs gedeutet wird. Als
auch im christlichen Abendlande Seidenmanufakturen in Italien, Sttdfrankreicb
u. s. w. entstanden, begnügte man sich zunächst mit Nachahmungen der sara-
zenischen Muster, die sich durch stilistische Unsicherheit in der Zeichnung
des Ornaments und namentlich durch verständnifslose Formen der Inschriften
verraten. Später sind namentlich die italienischen an einem steifen baum-
artigen Ornament und sehr grofsen steifen gezackten und gewundenen Blättern
erkennbar. Bereits im XIV. Jahrh. aber tritt das mannigfaltiger symbolischer
Deutung' unterliegende , aus einem maurischen Motive hervorgegangene Granat-
apfelmuster hervor, das im XV. Jahrh. in einer fast unglaublichen und bis jetzt
noch nicht übersehbaren Fülle von Variationen das allgemein herrschende wird
und im Anfange des XVI. Jahrh. zu schwerfälligen, breitspurigen Formen aus-
artet, bis es unter den ausgebildeten Renaissancemotiven verschwindet. — Die
Gewebemusterung auf den Stolen, Manipeln, den Stäben und Borten der Ge-
wänder beschränkt sich auf Kreuze und allerhand lineare Ornamente, jedoch
kommen auch hie und da pflanzliche, die auf den arbor vitae gedeutet werden
mögen, und die Namen Jhesus, Maria oder ganze Sprüche und Devisen vor. —
Die Stickerei,^ sofern sie nicht lediglich ornamentale, sondern figurale Dar-
stellungen brachte, bedeckte in älterer Zeit die ganzen Gewänder mit grofsen
cyklischen Kompositionen, so besonders an dem 1031 gestifteten ungarischen
Krönungsmantel in der Schatzkammer zu Ofen (Abb. Bocka.a.0. I, 2, Taf. IH)
und den von Kaiser Heinrich II. gestifteten Gewändern im Dome zu Bamberg
(Abb. das. Taf. lY). Später konzentrierte sie sich auf bestimmte Stellen, nämlich
bei den Dalmatiken auf die Plagulae, auf denen nicht selten ganze biblische
oder legendarische Scenen zur Darstellung kamen; bei den Kasein auf die
Kreuze, die in der gabelförmigen Gestalt meist mit einzelnen Heiligenfiguren
* Ein Beispiel der äiiTscrston Mannigfaltigkeit der Samttochnik ist die Kasel des
Schwanonordens im Dome zu Brandenburg. Phot. bei v. Stillfried \\. Haenle,
d. Buch vom Schwanenoi*den ISSl. Taf. 3.
^ Vergl. Karabacek, J., die liturg. (lew. m. arab. Inseliriften aus der Marien-
kirche in Danzig. Wien 1S70 und Anz. G. M. 1S70, 8p. 49 ff.
^ Vergl. z. B. von Blomberg, Rose luid Oranatapiel, im Chr. K.-Bl. 1869, 117 ff.
* ^ über deren Entwickolung besondere Boct, a. a. 0., T, 123 — 322.
Stickereien. Pontifikal-Strümpfe und Schuhe. 275
untereinander y in der lateinischen Form des Rückenkreuzes aber in der Regel
mit einem grofsen Crucifixus — in der späteren Zeit an einem natürlich ge-
formten Baumstamme — am unteren Ende des Längsbalkens mit Heiligen in
ganzer Figur, am oberen Ende desselben mit dem Brustbilde Gottvaters und
an den Enden des Querbalkens mit Brustbildern von Heiligen oder auch Engeln,
welche das Blut der Handwunden auffangen, geschmückt sind; bei den Plu-
vialien endlich auf die breite Prätexta an den Vorderseiten, welche meist wie
die Gabelkreuze mit einzelnen Heiligenßguren untereinander — oft die auf
beiden Seiten neben einander stehenden mit einander korrespondierend und
eine Gruppe (wie die Verkündigung oder die Darstellung im Tempel) bildend —
besetzt sind, und auf den Clipeus, auf dem meist der Titelheilige der Kirche
oder des Altars, oder der Schutzheilige des Donators, oder besonders gern die
Krönung Mariae zur Darstellung kommt, nicht selten auch das Wappen des
Donators. Wie denn überhaupt in späterer Zeit an den liturgischen Gewändern
das eingestickte (bei den Dalmatiken wohl auch in Form metallener Schildchen
in die Quasten der Rttckenseite eingeknüpfte) Wappen des oder der Stifter
selten fehlt, zuweilen auch ganz an die Stelle anderen Schmuckes tritt. So hat
die eben erwähnte Kasel des Schwanenordens im Dome zu Brandenburg
statt des Rückenkreuzes die vier ins Kreuz gestellten Wappenschilde des
Stifters, Kurfürst Friedrich IL von Hohenzollern, umgeben von der Kette des
lächwanenordens in Reliefstickerei. ^
48. Die Pontifikaltracht des Bischofs besteht aus sämtlichen zu-
vor beschriebenen Stücken (Amictus, Alba, Cingulum, Stola, Tunica,
Dalmatica, Planeta und Manipulus, welche sich von den priesterlichen
nur durch gröfsere Pracht und Kostbarkeit der Stoffe und ihrer Ver-
zierungen unterscheiden), vor denen er die bischöflichen Strümpfe und
Schuhe anzulegen hat, und aus den besonderen Abzeichen der bischöf-
lichen Würde, nämlich der Mitra, den Handschuhen, dem Ringe und
dem Krummstabe.
DiePontifikal-Strümpfe(ca/{^ae,/i&2a/ia) wurden erst imXI. Jahrh.
Gegenstand bestimmter liturgischer Vorschrift. Ursprünglich von einfacher
weifser Leinwand , wurden sie später von Seide hergestellt und mannigfach
geschmückt, und zwar sollten sie nach Vorschrift des Durandus (lib. m c,
S n. 4) von violetter Farbe sein, bis zu den Knien reichen und hier ange-
bunden werden. Reste solcher Strümpfe aus gotischer Zeit befinden sich im
Dome zu Halberstadt, No. 310; unter den deutschen Reichsinsignien in
der Schatzkammer zu Wien ein Paar aus hochrotem, schwerem Purpur-
cendal mit maurischen ornamentalen Goldstickereien (Abb. Bock, Kleinodien,
Taf. Xn u. Anhang, 5.)
Die Schuhe (sandaiia^ calceamenia, soccuHy Fig. 101 a.) entstanden
aus den altrömischen Bindesandalen, bildeten sich aber zu einem geschlos-
' Das Kreuz einer Kasel aus Marien st ern ist mit lauter heraldischen Adlern in
Perlenstickerei bedeckt. Photogr. Dresdener Ausstellung. Taf. 102.
18*
i76 Mitr*.
Beneu Halbschab ans, indem von der Sohle jederseita bis zum Spanne hinauf
mehrere Laschen &ng;ebracht and tfinga der Flftche des Spannes mittelst
eines Riemchens verbanden wurden.' In der Re^el hatten sie die Karmin-
parparforbe und worden später mit Goldstickereien, Edelsteinen und Perlen
reich besetzt.
Die Kopfbedeckung;
der Bischöfe bestand seit
dem VII. Jahrh. , wenn sie
nicht barhaupt gingen,
ans einer breiten steifen
Binde nm den Kopf oder
einer Rund kappe anf dem-
selben. Im X. und XI. Jahrb.
kamdieMitra(ir^u/a,Fig.
101 f.)' anf: orsprOngUch
eine der Kopfbedecknng
des Hohenpriesters sich an-
nähernde, fast halbmond-
förmige Htttze von kost-
barem Seidenstoff, die
mit einem Stimreifen nnd
einem qner Ober den Kopf
versehen war, nnd von wel-
cher hinten zwei Bänder
(.in/\üae,fanoneSfpen diäa,
stolae, Fig. 101 g) herun-
terhängen. Schon im XI.
Jahrh. nahm indessen die
Mitra die bekannte Bchifiä-
Bchn ab el förmige Gestalt
mit den zwei cornua, wel-
che die beiden Testamente
versinnbildlichen, an, nnr
dafs man sie anfangs nie-
wig. IM. Mim 11* AdnoDi (nub <i«ni öiir. AU,}. driger nnd stumpfer trug,
' Abb. einea Schuhs von (einem ro^beizten Leder mit lAubgowiadestickerei aus
dem Grabe des Erabisohofe Arnold von Trier (f 1183) bei Bock, Lit. Gew. II. Taf. I
und von Wilmowsky, Orabstfitten etc., Tnf. V u. XI; eines a,aa dem Grabe des Eiz-
bischofe Burchard HI. von Maedeburg (f 1325) bei Rosenthal, a. a. 0., Uet. V.
Taf, 1. Fig. 19; derjenigen des deutsclien Kaisera bei Bock, £leiuodien, Taf, IV.
' Verel. auTsor Bock, a. a. 0., II, US ff. und Taf. XV, XXIÜ — XXVI: Ders.,
die biachöfl. Inful doB Stifts Admont, in den Mitt C.-K. V, 336 ff,; Ders,, drei biachÖll.
Mitren des XII. u. Xin. Jahrb., das, XII, 8. XLVff.; K. Lind, die Mitra, da». XiÖ,
69 ff.; L Findeya, üb. d, Mitra der Bisehöfe und Äbte, im Kirchensohmuck 1873,
No, 2—4. ^ Abbildungen von Mitren auter in allen diesen Schir.: im öfitr. Atl, Taf. 54,
1—3 (zwei im Dome zu Salzburg aus dem XU. resp. XHI. Jahrh.) 4 (zu Briien, die
des Füratb. Bruno 1248 — 88) fi (in St Peter zu Salzbure XB, Jahrh.) Taf, 100, 1. 6.
(ans Admont Ende des XIV. Jidirh, siebe Fig. 10S); bei Essenwein, Xrakau, Taf. 79
(angeblich die des h. Stanislaus cn. 121)0) und S. 181, Fig. 99 (die des Bisch. Thomas
StTzempinski (1155—60) schon ganz in Renaissanceformen bestickt).
Mitra. Handschuhe. 277
als im späteren Mittelalteri wo sie immer höher und spitzer wurde und
zugleich durch ihren Schmuck nicht nur mit Stickereien, Perlen und
Edelsteinen, sondern auch mit Ooldschmiedearbeiten (namentlich wurden
im XV. Jahrh. die schräg ansteigenden Ränder der cornua mit frei ge-
arbeitetem Laubornament nach Art der Krabben an den Giebeln der Oe-
bände besetzt) immer schwerer — eine Mitra in St. Peter zu Salzburg aus
diesem Jahrh. ist über 5 Pfd. schwer (Abb. Mitt. C.-K. Xym, 311, Fig. 12).
Noch auf Denkmälern des XII. und XIII. Jahrh. erscheinen die Bischöfe oft
barhaupt oder mit einem flachen runden Käppchen bedeckt, indem damals der
Schmuck derzuerst vom Papste getragenen Mitra denBischöfen nur als eine be-
sondere Auszeichnung von den Päpsten erst verliehen werden mufste, wie dies
später, als diese Kopfbedeckung den Bischöfen bereits gemein war, bei den
Äbten und Pröpsten einzelner Klöster zu geschehen pflegte. ^ In dem Cere-
moniale Gregors X. im XIII. Jahrh. werden zwei Arten von Mitren unter-
schieden: die gewöhnliche einfache weifse (simplex) und die mit Gold und
Perlstickereien, auch mit Edelsteinen geschmückte, am Stirn- oder senk-
rechten Mittelstreifen oder an beiden mit Goldborten besetzte (in circulo ei
in iitulo aurophrygiata). Wenn ein Bischof vor seiner Konsekration als
blofser Electus dargestellt wird, erscheint er ohne Mitra, oder trägt dieselbe
im Arme, z. B. Joannes electus episcopus rivaliensis (t 1320) auf einem
Wandgemälde in der Katharinenkirche zu Lübeck,* auch der Merseburger
Bischof Burchard von Querfurt (t 1384), welcher die päpstliche Konfir-
mation nicht erhielt, erscheint in der Reihe der Bischofsbilder in der
Bischofskapelle des Domes zu Merseburg allein ohne Mitra und Stab.'
Die Handschuhe (chiroihecaej manicae^ Fig. 101 e), welche der
Bischof unmittelbar nach der Dalmatika anlegt und nach dem Offertorium
wieder ablegt und bei Exequien, Trauerfeierlichkeiten und am Charfreitag
überhaupt nicht trägt, kommen seit dem XI. Jahrh. in liturgischem Ge-
brauche vor, bestehen aus Seidenstoff in weifser oder roter, später auch in
allen liturgischen Farben (aufser schwarz), sollen nach späteren Bestim-
mungen nicht zusammengenäht, sondern gewirkt sein und wurden aufser
Stickereien am Rande, auf der äufseren Handfläche mit einem c/rct^/e^f at<r^u^,
der oft ein Kreuz oder einen Edelstein enthält, in Stickerei oder Gold-
schmiedearbeit geschmückt. In späterer Zeit wurden sie wie auf unserer
Abbildung stulpenartig verlängert, unten aufgeschnitten und die Spitzen der
Stulpen mit kleinen Quasten verziert.^ — Über dem Handschuh am vierten
' Nur denen exempter Abteien wurde von Clemens IV. (1265 — 68) die M. auro-
phrygiata gestattet, für die übrigen nur die simplex; vergl. Bock, lit. Gew. II , 166.
^Mitt aus d. livländ. Gesch. lU, 1, 55.
' Vergl. Lud ewig, Beliquiae manusciiptorum etc. IV, 420. 430. Ebenso der
eleotos Otto von Gurk (f 1241) auf seinem Leichenstein (Abb. bei Lind, a. a..O., 72.
F. 1) und der electus Enedrich vonPaasau (t 1487 zu Braunau. Abb. das., 76. F. 8).
Bei dem Bilde des electus Otto in den Wandgemälden zu Gurk sind Stab und Mitra
neben ihm angebracht. — In denselben Weisen werden die electi auf ihren Siegeln
dargestellt, vergl. z. B. das des Theodericus von Halberstadt von 1180 in der Harz-
zeitschrift. HL. Taf. zu S. 676, des Eonrad H. von Magdeburg (1267) in den Magdeb.
Ge8ch.-Bl. 1869, Taf. zu S. 429, des Otto I. (1207) Mangold (1288) Albrecht H. (1845)
von Würzburg bei Heffner, Frank. Würzb. Siejfel. Taf. V, 3. VI, 4. VIH, 1).
* Abb. von Handschuhen bei Bock, lit Gew. H. Taf. XIX. XX; von Wil-
mowsky, Grabstätten, Taf. V.
278 Ki'iuuinstob.
Finger (früher Zeigefinger) der rechten Hand trägt der Bischof den Ring
{anivuhiSj Fig. 101 m),^ der ihm bei der Weihe überreicht wurde, ans einem
Goldreif mit einem Edelstein bestehend. Letzterer sollte nach Vorschrift
Innocenz III. keinerlei eingeschnittenes oder erhaben aufliegendes Bildwerk
tragen; doch wurde diese Vorschrift nicht allgemein beachtet.^
Der Krummstab (pastorcUe^ pedum^ virgaj ferulOj baculus, Fig. 101 i),'
der ebenfalls dem Bischöfe bei der Weihe überreicht wurde, ist eins der
ältesten Abzeichen der bischöflichen Würde, aber auch von Äbten und Äb-
tissinnen getragen,^ und dem Sinne des Hirtenstabes entsprechend, oben
mit einer Krümme, unten mit einem Stachel versehen. Die sinnbildliche
Bedeutung des Stabes und seiner Teile spricht sich in den oft als Inschrift
angebrachten Versen aus:
»Attrahe per curvuntj medio rege^punge per imum<^,
oder: ^Coliigej sustenta, stimula vaga^ morhida^ lenia^,
oder wie am Godehardsstabe zu Hildesheim:
^Sterne resistentes^ stantes rege^ tolle jacentes^.
Als Momente für den Stabführer wurde auch wohl an den Knopf: homo
und an den unteren Teil parce geschrieben. Bemerkenswerte Krummstäbe
von hohem Alter haben sich verhältnismäfsig zahlreich erhalten, da sie teils
als Reliquien heiliggesprochener Bischöfe in hoher Verehrung standen, teils
verstorbenen Bischöfen wie Kelch und Ring mit ins Grab gelegt wurden.
Die ältesten sind einfach von Holz oben nur mit einer geraden Krücke von
Elfenbein versehen, so der angebliche des heil. Rupert in St. Peter zu Salz-
burg (Abb. östr. Atl. XXX, 2) und der des heil. Heribert zu Deutz (Abb.
aus'm Weerth, Taf. XLTT, b; Bock, lit-Gew. U, Taf. XXX, 2). Daneben findet
sich ebenfalls schon in ältester Zeit die Form, in welcher das obere Ende
gemshomartig umgebogen war, so bei dem einfachen hölzernen, den angeb-
lich Petrus dem h. Hermagoras, Bischof von Aquileja, gegeben haben soll,
^ In späterer Zeit trugen die Bischöfe, die mehrere Bistümer besalsen, wie Kar-
dinal Albrecht von Mainz, für jedes einen besonderen Ringjdeichzeitig.
* Abb. von Ringen bei Bock, lit. Gew. H, Taf. XXVlU; Rosenthal, Dom zu
Magdeburg. lief. V, Taf. 1, No. 7—12; von Wilmowsky, Grabstätten, Taf. V, VIU, X.
' Vergl. Barrault et A. Martin, le baton pastonu. (mit 156 Holzschn.ii. 19 Taf.
in Farbenor.) Paris 1856. — Wolfskron, L. v., der Bischofsstab in seiner Bedeutung
u. allmähl. Entwickelung, in den Mitt. C.-K. 11, 256--262. — Lind, C, über den
Erummstab. 1863. — Essenwein, A., über die Haltung des Bischofsstabes bei mit-
telalterl. Darstellunffen von Bischöfen, im Anz. G. M. 1866, Sp. 432 f. — Kraus, F. X.,
Histor.-krii Bemerkungen über die Sage vom Stabe des h. Petrus zu Trier und die
Stabsagen im allgemeinen, als Beilage zu dem Winkelmanns -Programm von aus*m
Weerth. 1866. — Weitere litteratur bei Weif s, a. a. 0., 679, No. 4. — • »Über die Be-
deutung und zur Gesch. des Bischofsstabes«, im Kirchenschmuck 1869. XXV, 26 ff. —
Bautraxler, G. Das pedum pastorale, im Kirchenschmuck 1874, No. 10. 12 und
1875, No. 1. 3—5. 7.
* Die oft wiederholte Behauptung, daCs die Bischöfe den Stab mit der Krümme
nach aufsen, die Äbte aber zum Zeichen ihrer nur auf ihr Kloster beschränkten Ge-
walt nach innen zu tragen gehabt hätten, ist irrig. Zahllose Abbildungeii auf Denk-
mälern und Siegeln (siehe z. B. Fi^. 103) beweisen, dafs es hierüber eine bindende
Vorschrifk nicht gab. Vergl. auch Bock, a. a. 0., H, 230 f.
Kruminsiab. 279
im Dome za Görz (Abb. Mitt C.-K. N. F. m, 17), dem elfenbeineraen dea
h. Anno zn Siegbarg (Abb. aus'm
Weerth, IW. XLVni, 2) und dem mit
Goldblech überzogenen einer Xbtiaain
zu Quedlinburg(Abb. Bock,Lit. Gow.
n.TsfXXX, 1). In der romaniscfaen Zeit
nimmt die dnrch einen starken NoduB
vom Stamme getrennte Ertlmme typisch
die Form einer Schlangenwindnng an,
läuft in der Regel auch in einen
Schlangenkopf ans, innerhalb dersel-
ben aber werden dann ein Krenz, oder
das Agnus dei, oder das Einhorn, wohl
anch Tanben oder Engel im Kampf mit
der Schlange als Sinnbilder der Über-
windung der Sünde augebracht inner-
halb mannigfachen Banken- und Blatt-
Ornamentes. Früh aber kommt schon
auch an dieser Stelle die Marienrer-
ehrnng zum Ansdruck. Wir nennen
von elfenbeinernen Stäben dieser Art :
die angeblichen des heil. Bern ward und
Godehard in Uildeaheim (bei erate-
rem die Elfenbeinkrflmme 1492 durch
eine silberne ersetzt); einen andern des
heil. Oodehard in Nieder- Altaicli
und den des b. Utto im BischCfl. Mu-
aenm zu Hettcn bei Regensbnrg; fer-
ner die des h. Wolfgang in St. Emmeram
und des h. Erhard im Niedermflnster zu
Kegensburg (Abb. Mitt. C.-K.XVl, 8.
ICm, Fig, 16 u. 8. CIJQV, F. 22, letzt, sus
Büffelhom); den Stab im Kloster Non- p, ^^ B)«ehoh.iiib ■■■• xtic
berg bei Salzburg von 1242 (Abb. Hei- ^' (n^ «M-m weem"
der, Mittekit. Kimstdenkm. d. Öatr. Kaisers!,
n, 35, Taf.\l; Östr.Ätl.XXX,?), zu Admont (Östr. Atl.XXX, 1], Altonburgin
Nied.-Österreich (daa. Fig. S), zuKlosterneuburg (mit der Darstellung des
englischen OrnfseBimganzgeschlosaenen Kreise der Krümme; Abb. Mitt. Ü,-K.
XVUI, Taf. \'inu. 8.189, Fig. (i;ÖMtr.Atl. XXX, S), zuZwettl (Östr, Atl.XXX, 9)
und zuGOttweih (Mitt. C.-K. XVin, IST, Fig. 62); ferner aus bereits frUhgoti-
scher Zeit einen ans dem Dome zu Metz, mit doppebeitiger Darstellung der
Kreuzigung und der stehenden, von Engeln verehrten h. Jungfrau in der
Krümme (Abb. Bocltor- v. Hefner, II, Taf. S») und einen mit der Krönung
Maria in den Vereinigt. Sammlungen zu München (das. Taf. 51). — Neben
den elfenbeinernen kommen in dieser Zeit solche aus vergoldetem Kupfer,
ganz mit Email bedeckt häufig vor; wir nennen von solchen die in Trier
in den Grftbem der Erzbischöfe Egilbert (t HUI) und Bruno (t 1124) ge-
fundenen (Abb. aus'm Weerth, Taf. LVl, 3 u, 4, s. Fig. 109), den zu St. Wolf-
2gO Krummstab. Sadarium.
gang in Oberösierreich (Ost. Atl. XXX, 4) und zu St Peter in Salzburg (das.
Fig. 5), zwei im Privatbesitz zu Frankfurt a. M. (Photogr. FranU. Ausstell.,
Taf. XIV, 1. 3); auch im Kunstgewerbe -Museum zu Berlin (Schrank 355)
befindet sich ein solcher mit der Krönung Maria und im HerzogU Museum zu
Braunschweig (Nr. 89) ein fast identischer mit der Verkündigung Maria.
In Görz befindet sich ein romanischer von Bergkrystall mit der Krttmme
von vergoldetem Silber (Abb. Mitt. C.-K. N. F. in, 19). — In der gotischen
Zeit bildet sich der Nodus ähnlich wie am Kelch zu einem kleinen Architek-
turwerke aus, die symbolischen Darstellungen in der Krümmung verlieren sich
und es treten auch an ihre Stelle die architektonischen und Laubwerkver-
ziemngen der Qoiik und allerhand Heiligenfiguren, überwiegend dem Marien-
kultus angehörig. Auch hörte die Verwendung des Elfenbeins ganz auf und
machte ausschliefslich der Goldschmiedekunst Platz, indem man den Stab
wohl auch ganz von kostbarem Metall herstellte und mit Edelsteinen be-
setzte. Die Krümmung veränderte daneben ihre Form ein wenig, indem sie
nunmehr sichelförmig an den Stab ansetzte (s. die Figur 101 u. 107) und
es wurde Brauch, an oder unter der Krümmung das Sudarium (auch pan-
nisellusy vehimj orartum genannt, Fig. 101k) anzuhängen, ein mehr oder
minder reich verziertes Tuch, zunächst zum Abtrocknen des Schweifses im
Sommer bestimmt.^ Wir nennen von solchen gotischen Stäben in Gold-
schmiedearbeit einen im Domschatze zu Köln aus dem XIV. Jahrh. (Abbild.
Bock, d. h. Kök. Taf. XII, 45; liiGew. ü, Taf. XXX) und einen im Privat-
besitz zu München (Abb. Becker-v. Hefner IH, Taf. 29) und verweisen auf
die im Österr. Atlas Taf. 90 abgebildeten ans Stift Raigern (Fig. 1) und
St. Georg zu Prag (Fig. 3) aus dem XIV. Jahrh., aus Stift Nonberg bei
Salzburg, XV. Jahrh. (Fig. 6), St. Peter zu Salz.burg von 1487 (Fig. 7)
und St. Stephan zu Wien (Fig. 8) vom Ende des XV. Jahrh. Bei Sech-
st ein, Kunstdenkmäler in Deutschland etc. I, Taf. 15, findet sich die Ab-
bildung eines interessanten hölzernen von einer Bischofsfigur am Schnitzaltar
zu Hersbruck. Gotische Stäbe aus Bischofsgräbem finden sich z. B. in der
Mittelalt Sammlung zu Basel (Bischof Johann von Veningen t 1478) und
im Dome zu Brandenburg (Bischof Joachim von Bredow t 1507).^
Anmerkung 1. Das Brustkreuz (pectorale^ Fig. 101 h) war im Mittel-
alter, obgleich das Tragen solcher meist eine Reliquie bergenden Kreuze allge-
mein war (s. oben S. 202 f.), noch kein besonderes Abzeichen der bischöflichen
Würde, sondern war als solches von Innocenz HI. dem Papste ausschliefslich
vorbehalten worden. Dagegen war mehreren deutschen Bischöfen' als eine
* Vergl. Bock, lit. Oew., H, 226 ff., wo auch andre vielfach wiederholte Behaup-
tongen über die Bestimmung des Sudariums widerlegt werden.
^ Auf den Siegln und andern Denkmälern erscheinen die Bischöfe sehr häufig in
der linken Hand em aufjgeschlagenes Buch haltend (siehe Fig. 103. 110). Auch dies
ist ein Zeichen der bischöflichen Würde, insofern in der Regel die Worte pax vMs"
cum darauf stehen, deren Gebrauch dem Presbyter und Diakonns untersagt imd dem
Bischöfe vorbehalten war (verd. Lepsius, in den N. Mitt. Th.-S. V. Vn, 135).
» Vergl. Bock, a. a. 0., U, 194—205. B. fuhrt als solche Bischöfe in Deutsch-
land an: (ue von Lüttich, Eichstädt, Begensburg, Salzburff, Paderborn, Bamberg und
Erakau. Hinzuzufügen sind jedenfalls nach Ausweis zahlreicher 8ie^bilder (vergL
Heffner, a. a. 0.) diejenigen von Würzbuig.
HatioMle. Pallium. 281
beBODdere , heutzutage nicht mehr biünchliche ÄnBzeichiiimg ein urBpiUog-
iich nur vom P&pste getragenee, dem Ephod und
dem BrnstBchilde des Hohenprieiters zagleich
nachgebildetes OewandBtQck verliehen, das zu-
gleich Schnlterkleid und Bmstfichmnck ist und
den Namen Rationale episcoporwn fOhrt. Seine
Gestalt igt eine anrserordentlich wechselnde ge-
wesen. Im Wesentlichen bestand es aus einem
um die Schulter gelegten breiten Bande mit zwei
hoUeo Schildern auf den Schultern , oft auch nnr
mit einem grofsen Schilde auf der Brnst, oder mit
Schulter- und Brnstechilden zusammen (wie in
onserer Abbildung), von welchem vorn und lünten
in der Mitte je ein breiter, oder von den Schalter-
stUckenje zwei breite oder auch (wie wieder auf un-
serer Abbildung) je drei breite, unten mitFranzen,
Quasten oder auch OlOckchen behängte Streifen
herabhingeu, alles mehr oder weniger kostbar mit ^ ^^^^ luiionii« «inu wun-
Stickereien und edlen Steinen geschmückt. Erhal- bnrur aiubofi (ucb H*ffD«r>.
teo haben sich in Deutschland zwei Eiciistädter
Exemplare, das eine des Bischofs Berthold (1351 — 1365) im Domschatze zn Re-
gensbnrg (Abb. Bock, lit. Qen. I, 3. Taf. 5), das andere des Bischofs Johann von
Aich(tl464} im Dome zu Eichstädt selbst (Abb. das. II, lU. XXVU, 1), femer
ein dem ersteren ähnliches aus Regensburg im Bayr. Nationsl-Hnaeum zn
Hanchen und der Rest eines solchen im Domschatze zn Bamberg (Abb. das.
Taf. XXTI, 4). Abbildungen anderer abweichender Formen das. T^. XXVI, 2.
XXVII, 3 — 7, denen noch andere zum grofsen Teile völlig verschiedene nach
denWarzburgerBiBchofssiegeln bei Hcffner a.a.O. Taf. I, 3. II, 2. III, 1.2.
IV, 1. 2. V, I.VI,1 VU, 1. Vm, 3. XI, 6 anzuitlgen sind. Wir geben in Fig.
110 die Form, in welcher es auf dem Siegelbilde des Würzburger Bischofs Iring
von Reinstein (1254 — 66) erscheint. ■
Aumerknng 2. Die ErzbischOfe trugen als aaszeichuendes Gewand-
stttck ebenfalls ein Schnlterkleid, das Pallium (Fig. 1011),* welches gänzlich
dem in der griechischen Kirche von sämtlichen Bischöfen getragenen ü/io^pio»
entspricht und früher auch im Abendlande von allen Bischöfen getragen zu
sein scheint, später aber vom Papste nnr den Erzbischöfeu als Zeichen ihrer
besonderen persönlichen Verbindung mit dem Papste und ihrer Uetropolitan-
wOrde verliehen wurde, anfserdem nur einigen exemten Bischöfen (wie io
neuerer Zeit dem Breslaner und ErmUnder). Aofserhalb der DiScese durfte
es TOD den ErzbischCfen nicht getragen werden, and wurde mit seinem Träger,
ebenso wie das Rationale, jedesmal begraben. Es ist Sinnbild des gnten Hir-
ten, der das wiedergefundene Schaf auf seiner Scholter nach Hanse trägt, und
< Auch iu deuWandmalereienderllntOTkirche EU Sohwari'Rheindorf kommt das
Rationale vor, siehe aue'm Weerth, Wandmalereien. Taf. XXV, 18. Vencl. auch
Cahiar, Nouv. melanges etc. (ivoires, miniatnres, emanz) Paris 1874. H, 1S3 — 302
mit vortrefFl. Abb. in grobem Mallsstabe.
' Vergl-Book, a.a.O.. n, 188 ff.; Herzog-Pütt, Real-Encyklopädie. XI, 176 f.
282 Kleider-Schranke und Truhen.
besteht aus einem handbreiten , mit sechs schwarzen Rrenzchen besetzten
Streifen aus weifser Wolle, der die Schultern umschliefst und vorn und hinten
herabhängt, in älterer Zeit bis zum Ende der Kasel (wie in Fig. 104), in spä-
terer Zeit aber bedeutend verkürzt (wie in Fig. 101). Die Wolle zu diesem
Amtszeichen wird von den am 21. Januar durch den Papst gesegneten Läm-
mern genommen und durch die Nonnen im Kloster San Agnese zu Rom ge-
sponnen. Am Reliquienschreine des h. Heribert zu Deutz ist im sechsten
Medaillon die Verleihung des Palliums an den Heiligen durch Papst Johan-
nes XVn. dargestellt (s. die Abb. aus'm Weerth, Taf. XLIV, la). — Statt des
Einimmstabes oder neben demselben führen die Erzbischöfe seit der Mitte des
XIV. Jahrh. gewöhnlich das erzbischöfliche Kreuz (crux archiepiscopalis) von
2,20—2,50 Höhe.»
Anmerkung 3. Zur Aufbewahrung sowohl der heiligen Geföfse und
Reliquiarien, wie der Mefsge wänder und sonstigen Paramente dienten teils Wand-
schränke im Ohor und an anderen Stellen in den Kirchen und in den Sakristeien.
Durch zierliche baldachinartige Krönung ausgezeichnet sind die aus je fflnf spitz-
bogigen Schränken nebeneinander bestehenden Repositorien auf beiden Wand-
seiten zunächst dem Altare in der Marienkapelle der Pfarrkirche zu C Uli in
Steiermark aus spätgotischer Zeit (Abb. in den Mittelalt. Eunstdenkm. der österr.
Mon. I, T. YHI; Seemann, CLVI, 4). In norddeutschen Backsteinkirchen findet
man vielfältig (z. B. in St. Gotthard zu Brandenburg, St. Stephan zu Tan-
germünde) in der Nähe der Nebenaltäre ganz flache längliche schmucklose,
ehemals und noch mit einfachen Holzthüren verschlossene Nischen, die, wie
die Visitationsprotokolle der Reformationszeit ergeben, zur Aufbewahrung der
fElr die Altäre bestimmten »Ornate« dienten. Gewöhnlich benutzte man indes-
senbewegliche hölzerne Schränke undTruhen (letztere für die Ohorkappen),
armaria, armentaria, auch ahnaria, welche oft durch ihre Schnitzereien, Be-
malung und Eisenbeschläge Aufmerksamkeit verdienen.^ Fast noch vollständig
erhalten ist die aus verschiedenen Jahrhunderten herrührende Ausstattung mit
solchen in der Sakristei des Domes zu Brandenburg, auch in der Matthias-
kapelle des Aachener Münsters sind noch fünf durch die Bemalung ihrer
Innenseiten merkwürdige Schränke aus dem XIV. und XV. Jahrh. vorhanden ;
einzelne finden sich vielfach, im Zither des Domes zu Halberstadt z. B. ein
ersichtlich noch dem XIII. Jahrh. angehöriger, mit den gemalten lebensgrofsen
Fignren der h. Katharina und Kunigunde auf den Innenseiten der Thüren.
Wir nennen von bemerkenswerteren, kunstvolleren Schränken nach vorhan-
denen Abbildungen: einen noch in romanischen Formen gehaltenen in der
Stiftskirche zu Wernigerode (Zeitschr. d. Harz-V. E, 162. Photogr. in Prüfer,
Archiv IV, 31. Taf. IV); gotische aus verschiedenen Jahrhunderten zu Geln-
hausen (Statz u. Ungewitter, Taf. 183, 6—11), zu Neukirchen (Kr. Ziegen-
hain) mit schöner Schmiedearbeit (das. Taf. 49, 4), zu Immenhausen mit ge-
maltem spätgotischen Ornament (das. Taf. 73, 4), zu Tamsweg in Steiermark
* Auch Bischöfe erhielten in einzelnen Pftllen das Vorrecht, ein Kreuz vor sich
hertragen zu lassen, so die Halberstädter durch Papst Alexander H. (1061—1078).
Zwei sehr schöne Kreuze dieser Art aus romanischer Zeit, das eine aus 11 Bergkrystal-
len zusammengesetzt , befinden sich noch im dortigen Zither, No. 1. 2.
« Vergl. Weifs, a. a. 0., 11., 802 ff. m, 425 ff. 481 ff.
ChorgostüM. 283
in der Leonhardskirche von 1445 mit Intarsien zwischen der Schnitzerei
(Mitt. C.>E. XIX, 71. Taf. n, 1), zu Nürnberg im German. Museum mit bibli-
schen und Heiligen 'Reliefs (Kunsthandwerk m, 44) , zu München im Privat-
besitz (Becker-y. Hefner n, Taf. 43), zu Wilmersreuth bei Kulmbach, be-
malt (das. Taf. 70), zu Jüterbog in der Nikolaikirche, der Tuchmacherinnung
gehörig, bemalt (Puttrich n, Sehe Jüterbog, Bl. 8); ein besonders schön ge-
schnitzter von 1507 wird in der Amandikirche zu Urach erwähnt, dem dor-
tigen Betstuhle gleichgeschätzt. — Von Truhen: den Archiv- Almer in der
Domsakristei zu Breslau von 1455 (Schlesiens Vorzeit in Bild u. Sehr, n, 5.
Taf. 11) und eine ungewöhnlich (3,80) lange Truhe mit hübschem Eisenbeschlag
in Langula in Thüringen (Er. Mühlhausen, S. 33, Fig. 19).
d. Die Ausstattimg der Kiroben mit Gestohlen , Kanzel, Tan&tein,
Orgel, Grabdenkmälern und Glocken.
49. Unter dem Gestühlwerke der Kirchen nehmen wegen ihrer
mehr oder weniger reichen künstlerischen Ausstattung die Chorstühle*
{stalä, statta) die erste Stelle ein. Sie werden zwar seit dem XI. Jahr-
hundert erwähnt, die Entstehung der im späteren Mittelalter üblichen
hölzernen Gestühle dieser Art dürfte jedoch nicht früher als etwa in
die zweite Hälfte des XIII. Jahrhunderts fallen: es sind die, in Kloster-
und Stiftskirchen an den beiden Langseiten des Chores (an der Epistel-
seite der Chorus abbatis, auch latus praeposiü, an der EvangeUenseite
der Chorus prioris^ auch latus decani) aufgestellten längeren oder kürze-
ren Reihen von Sitzbänken (je nach der Anzahl der Geistlichen zwei
bis vier hinter einander), welche in gewissen Entfernungen von ein-
ander abstehen und sich in einzelne Armsitze teilen. Die hinterste Reihe
(alta forma), über dem Pufsboden durch einige Tritte erhöht, hat ge-
wöhnlich eine hohe Rückwand mit überragender Baldachinkrönung, wäh-
rend die übrigen Reihen (bassae formae) sich nach imd nach abstufen
und durch Zugänge zu der hintersten Reihe tmterbrochen werden. Jeder
einzelne Sitz (von etwa 0,70 Breite) ist zum Aufklappen eingerichtet,
und um den früheren anstöfsigen Gebrauch T förmiger Krückstöcke ab-
zustellen, mit einer sog. Misericordia versehen: einer Art Stütze für
die beim Stehen ermüdeten oder leiblich schwachen Mönche. Dieser
Einrichtung entsprechend sind doppelte Armlehnen vorhanden: die nie-
drigeren zum Gebrauche beim Sitzen, die höheren zur Bequemlichkeit
beim Stehen. Vor der vordersten Bank ist ein Betpult angebracht, und
jeder folgenden dient die Lehne der vorstehenden Reihe als BetschemeL
'Kiggenbach, Gh., die dhorgestühle des Mittelalters vom XIII. — ^XVI. Jahrb.,
in der Zeitschr. f. ehr. A. u. K. n, 161 ff.; weiter aus^fiihrt in den Mitt C.-K. Vin,
220. 245; Tergl. Jourdain et Duval, bist, et descnpi des Stalles de la cathedr.
d'Amiens, in den Memoires des antiquaires de la Picaroie. YU, 81 — 106.
284 ChoigMtahl.
Das Bückgetafel der hintersten Stuhlreihe iet gewöhnlich mit Bildwerken
geschmäckt und wurde mit ^tickten Teppichen (Rücklaken, dorieüia)
überhängt; auf den Sitzbrettem lagen Polster {bancaüa) und vor den-
selben Fu&decken (subttraioria).
nt. Ul. ChorfHlUd n aopfui (aHk ««*■ Wsartfe).
Bereits im IV. Jahrb. werden in der Kirche sn Tynu hohe Thronaitie
erwftbnt sn Ehren der Vorsteher nod überall in geordneter Reihe eintrieb-
tete Situtnfen.* — Auf dem Baurisse von St Gallen ans dem J. 820 finden
sich mehrere Reihen von Betettlhlen nnter dem Mamen formulae: ue stehen
im Qnerscbiff (.chonu ptaUentium) mit der Front nach dem Hochaltar«. —
Das Wort ataüumt kommt seit Ende des XI., ^näsericordia* Enerat im XII.
Jahrb. vor.* — Die <eren Sitze haben wir uns gewir« als Steinsitae xn
denken, wie wir sie i. B. im Dome in Parenio is der Apsia m beiden
Seiten des bischöflieben Sities angeordnet sehen (Abb. Mittelalt Konstdenkm.
< Ensebii, Hist eccl. L 10 c. 4, ed. E. ZimmermiDn, TS6: e^oMif xt xoZe
«■•oträra fit »^» xäv Tmoi8t/av xift^v, jcal KQoaiti ßä^ou; iv taisi tolc ««t*
ohev KtnA xo noinov xod^ooc-
* Bdige bei Jonrdain et Dnval, a. a. 0., 91. 103.
Ghorgesfcühl. 285
d. östeir. Eaiserst. I, Taf. XV u. S. 105), und wie sie später noch in den Ka-
pitelsälen allgemein Brauch waren. So laufen auch im Münster zu Aachen
sowohl auf der Empore des Oktogons, als in den angebauten Kapellen
überall schlichte Steinbänke unter den Fenstern umher. Und in der Pfarr-
und Dechanteikirche zu Kaurzim in Böhmen hat sich ein vollständiges
steinernes Chorgestühl aus frühgotischer Zeit in Gestalt von je neun durch
vorgesetzte Säulchen getrennten Spitzbogenwandnischen zu beiden Seiten
des Chors erhalten (Abb. Grueber n, Fig. 98 u. 102). Statt des Steins kam
man in nördlichen Gegenden aber sehr bald dazu, hölzernes Gestühl zu
wählen, aus dem sehr nahe liegenden Grunde, aus dem auch im Graltempel
des jüngeren Titurel neben all dem kostbaren Metall und Edelgestein Holz
nur am Gestühl vorkommt (Zarncke, Str. 2, 68):
T^goU und daz gesteine git in wmter vrosi mit tu/He küle^.
Eine vollständig erhaltene romanische Ausstattung des Altarhauses der
im J. 1275 geweihten Klosterkirche zu Loccum — einschliefslich der Chor-
stühle — ist seit der Restanration (1849) modern verändert (Abb. bei
Riggenbach, Mitt. C.-K. Yin a. a. 0., Fig. 2 — 4; Hase in d. Mitt. Baudenkm.
Niedersachs. H, Taf. 72. 75, 76). — Reste romanischer finden sich, zu mo-
dernen Sitzbänken verwandt, im Dome zu Ratzeburg und im mecklen-
burgischen Nonnenkloster Ivenack (Abb. bei Riggenbach, Fig. 1— -9; See-
mann, CLY, 1; Ramee, meubles etc, Taf. 76). — Die sehr edlen altgotischen,
dem Ende des XUI. oder dem Anfang des XIV. Jahrhunderts angehOrigen
Chorstühle der Klosterkirche zu Neu-Ruppin sind seit der Restauration
(1836 — 41) bis auf geringe Reste verschwunden (Abb. bei Riggenbach,
Fig. 5—8). — Erhalten, aber restauriert, ist das zu den ältesten gehörige
und wegen der inschriftlichen Datierung von 1288 besonders bemerkens-
werte, aus zweimal 9 Klappsitzen bestehende Gestühl in der Alexander-
kirche zu Eimbeck (Abb. das., Fig. 12, 18; Seemann, CLIY, 1), und unter
den das gewöhnliche Schema befolgenden scheinen die in der Klosterkirche
zu Seligenpforten bei Neumarkt in der Oberpfalz (Abb. Sighart, 897)
und die im Dome zu Xanten (aus'm Weerth, Taf. XIX, 1) zu den ältesten
zu gehören. — Chorstühle aus dem späteren Mittelalter sind fast überall
noch häufig vorhanden, aber die ursprünglich nur durch sparsame Vergol-
dung gehobene schöne Naturfarbe des Eichen- oder Nnfsbaumholzes ist
vielfach durch Anstrich verunstaltet. Es finden sich jedoch auch solche,
bei denen auf den glatten Brettern, ähnlich wie an Schränken, eine Mafs-
werksdekoration durch Schablonenmalerei hergestellt ist. Die berühm-
testen unter allen sind wegen ihrer Schönheit die im Ulm er Dom, ver-
fertigt von Georg Sürlin 1469 bis 1474 , der für jeden Stand 13 Gulden
empfing. Sie bestehen aus je zwei Reihen, die 89 Sitze (46 an der Evan-
gelien- und 43 an der Epistelseite) enthalten, und über der 4,86 hohen wage-
rechten Rückwand steigen zahlreiche Fialen (über den Scheidewänden der
Sitze) und Wimbergen (über jedem einzelnen Sitze) auf. Der bildnerische
Schmuck besteht hier aus einer übergrofsen Anzahl von Brustbildern, die
der heiligen und profanen Geschichte entnommen, sowohl an den Wangen-
stücken der Bänke, als in zwei Reihen ander hinteren Rückwand angebracht
sind und (Pressel, Ulm u. sein Münster, S. 81) »Christus als die ErfUlung der
286 Cborgastühl.
Ahnnug des Heideutoma and die Weiasagnug des Alten Bundes dnrch die
Stiftung des Kenen Bundes, die Kirche« zor Anschauung bringen (Vollstän-
dige Au&alune in Egle, J. t., der MüuBter zu Ulm. Mit 31 Tafeln. 1872), —
Anderweitig sind es nsmentlich biblische Reliefs, Wappen oder Fällungen
von Mafswerk und Teppichmustern , die an dem Rfickgetäfet der Ghorsttthle
vorkommen, während an den Wangen teils Heiligenatstuetten , teils Tier-
gestalteu erscheiuen. In sittengeschiclitlicher Beziehnng aber sind beson-
ders merkwürdig die au den Uiserikordien unterhalb im Versteck als Kon-
solen angebrachten Schnitzbilder, welche häufig in derb satirischen Dar-
stellungen ans dem niederen Volksleben und aus der Tierfabel, oder
in allerlei phantastisch em Fratzenwerk bestehen. Ausgezeichnet durch
Flf. 111. MlMTlkordlan lom OMtttU Im Don» lu Xuian (nMh ■»•'■n WMrth).
lebensvollen Naturalismus sind die sämtlich dem Bnde des XV. Jahrb. an-
gehörenden Geatllhle mit 3,14 hohen Rflckwänden in der Hinoritenkirche
zu Kleve von 147i (Abb. aus'm Weerth, Taf. IV, 1—8), in der Martins-
kirche zn Emmerich von 1466 (das. Taf. vm, 1—6) and in der Kirche zu
Kalkar(Verfertigt 1505-1508 durch Heinrich Bemts aus Wesel. Abb. das. Taf. XV.
Photogr. bei Wolff, Nikolaik. za Kaikar, Bl. 63—68), und die noch reicher aus-
gestatteten, 3,60 hohen in der Kirche zn Kempen.' Ein sehr reiches Werk
ist auch das aus 67 Sitzen bestehende Gestühl in der Uauptkirche zu Mem-
mingen^ und bemerkenswert ebenfalls das Gestühl in der Uartinskirche zu
Landshnt, dessen mannigfache Menschen- and Tiergebilde der Inschrift
zufolge den heil. Martin als Patron der Kirche feiern.* Dagegen erweist
' VollBtäüdige Abb. aus'm 'Weerth. Taf. XXIU. 2—38.
" 1501 von Heinrich Stark und Haus Dapratzhauor gefertigt.
* Verfert^ vom Kanonikus Berthold Aublinger; Abb. Riggenbach, Fig. 10. 11;
üre. f. ohr. KT 1853, No. 17 Beilage. Daa ganze Gestühl verölenthcht von Meyer,
München 1863. — Die Inschrift lautet:
tSi fteri posset, qvod arene pulvis et unde
Dnaarutn gutte rose gemtne iilia flamme
Äethera celicoU nix grando sexus uterque
Ventorum penne volucrum pecudum gctms omne
SUvarum rami frondes avium quoqae penne
Bot gramen stdU piicea unguis et anstae
Et lapidtB montea convallee terra draeones
Ling-ae ctincta forent, minime deprimere possent,
Quia gia vet quantus, paelor patrone martine,
Que ttta ait pietas, nee littera nee dabit etas.'
Chorgestuhl. 287
eine Inschrift an den (bruchstttcksweise) im Diöcesan-Mnseam zu Frei sing
befindlichen Chorsttthlen aus der Andreaskirche daselbst vom J. 1423 die
Berechtigung einer satirischen Deutung der erwähnten Fabel- und Fratzen-
bilder; sie lautet: »Cantent in chorOj sicut asellus in foroi hie locus est
homm^ qui canlant, non <üiorum,<^
Aufser den vorstehend bereits angeführten machen wir, zum Teil auf
Grund der vorliegenden Abbildungen, noch folgende Chorgestühle namhaft:
Am Rhein: aus Altenberg bei Köln Reste im Kunstgewerbe - Museum
zu Berlin; in der Abteikirche zu Arnstein a. Lahn (spätgotisch, zwei
Reihen an jeder Längsseite); zu Basel im Münster (abgebrochen, jetzt in
der Mittelalt. Sammlung) und in St. Leonhard (noch aus dem XIV. Jahrb.);
zu Bern in der Dominikanerkirche (frühgotisch ca. 1300 von Rudolf Rieders,
später Stadtwerkmeister) und im Münster (Anfang des XVI. Jahrh., schon
im Renaissancestil, voller Satire gegen den Klerus, teilweise auf Entwürfe von
Nik. Manuel zurückzuführen); zu Boppard (in der Karmeliterkirche (aus 'm
iWeerth, Taf. LTV, 4 — 4 m — darnach Fig. 111; Statz und TJngewittcr, Taf.
187, 188, 2—5); ZU Büdingen in der Schlofskapelle (1497 von Peter Schanntz
und Michel Silge, beide von Worms); zu Eltville (Anfang des XV. Jahrb.,
Brüstung Rokoko); zu Gauodernheim (von Erhart Falkener von Abens-
berg); zu Gemünden bei Hachenburg (XIV. Jahrb.); zu Kiedrlch (zier-
lich spätgotisch, mit Statuetten in den Wangen); zu Klausen a. Mosel in
der ehem. Stiftskirche (Ende des XV. Jahrb.); in der Klemenskirche bei
Bingen (Reste ähnlich denen zu Boppard); zu Köln im Dome (Riggenbach
a. a. 0., Fig. 14; Reitz, A., d. Chorgestuhl des Doms zu Köln. Dresden, Gilbers
Lief. 1. 2. Mit 8 Taf. Photogr.), in St. Gereon (Didron, Annales DC, 129; Statz
u. üngewitter, Taf. 65) und Reste in St. Aposteln und St. Maria im Kapitol
(Bock, d. heil. Kök, Taf. XXVm, 93); zu Kornelimünster in der ehemali-
gen Abteikirche (einfach ohne Rückwände, v. Fisenne, Kunstdenkmäler etc., I, 3
mit XV. Taf.); zu Limburg a. Lahn im Pome (einfach gotisch, Rückwände
modern; zu Lore h (gegen 1300, reich mit Bestien, Brüstungen und Rück-
wände zerstört), zu Marienstatt, Anfang des XIV. Jahrb., noch vier
Reihen (Görz, Taf. X); zu Montabaur in der Pfarrkirche (von 1489, nur
noch je eine Reihe, Brüstungen und Krönungen von 1793); zu Neustadt
a. Haardt; zu Oberwesel in der Stiftskirche (Riggenbach, Fig. 18; Statz
u. üngewitter, Taf. 186, 1, 2; 188, 6—12; aus'm Weerth, Taf. UV, 2) und
genngere in St. Martin; zu Rüdesheim (nur noch je eine Reihe jederseits,
1420 von Meister Heinrich Gyse von Ulrichstein); zu Salz bei Montabaur
(einfach 1478) und zu Sponheim im Nahethale (frühgotisch).
Im Elsa fs: zu An dl au in der Stiftskirche (ausgezeichnet); zu Kay -
sersberg (vorzügliche Schnitzerei, sehr reiche Miserikordien, au der Rück-
wand die Fuchsfabel); zn Schlettstadt in St. Georg (spätgotisch); zu
Walburg (Kr. Weifsenburg, desgl.); zu Weifsenburg in St. Johann (von
1514, schön) und Reste in St. Peter-Paul.
In Hessen und Franken: zu Bamberg in beiden Chören des Doms;
zu Biedenkopf in der Pfarrkirche (von 1522, nur noch eine Reihe; be-
zeichnet F. S. V. W. = Silge von Worms?) ; zu Frankenberg in der luther.
Kirche (geringe Reste, spätgotisch); zu Frankfurt a. Main im Dome (1354,
einfach gotisch), in der Leonhardskirche (1434 von Henchin Steinheuer und
288 Chorgestühl.
seinem Sohne Erwin), in der Liebfranenkirche (von 1509) und Reste an^
der Heiligengeistkirche in der Vereinssammlnng; zu Friedberg (Statz u.
Ungewitter, Taf. 188); za Fritzlar in der Stiftskirche (das. Ta£. 82); zn
Gelnhausen (teils aus dem XIV. Jahrh., teils von 1489; Biggenbach, Fig. 15,
16; Statz u. Ungewitter, Taf. 181, 182, 183, 4); zu Haina (das. Taf. 83, 6,7);
zn Hanau in der Marienkirche (von 1496; 1848 verschlendert, nur noch
zwei Wangenstücke übrig); zu Hersfeld in der Stadtkirche (einfach go-
tische Reste, ohne Rückwände); zn HOchst (spätgotisch, Brüstungen mo-
dern); zuHofgeismar Inder Altstadt, Liebfranenkirche (XIY. Jahrh., Statz
u. Ungewitter, Taf. 83, 1—3; 190, 6—10); zu Immenhausen (das. Taf. 184,
185, 1—6); zu Ritzingen (gering); zu Kreglingen in der Herrgottskirche
(vor 1488); zu Marburg in St. Elisabeth (Ende des XIII. Jahrb.); zu Mel-
sungen (Reste mit Pflanzenomament an den Wangen); zu Nürnberg in
St. Lorenz und im ehemaligen Kloster St. Klara; zu Ochsenfurt (geringe);
zu Pappenheim in der Augustinerkirche (von 1496); zu Rotenburg o.
Tauber in St Jakobiim Ostchore; zu Wetter (Statz u. Ungewitter, Taf. 177);
zu Würzburg in St. Bnrchardi (prachtvoll von 1510).
In Schwaben: zu Alpirsbach in der Klosterkirche (von 1493, be-
zeichnet H. M., stark beschädigt; daselbst Reste romanischer Sitzbänke);
zn Altbreisach im Münster (Ende des XV. Jahrb.); zu Bietigheim, O.-A.
Besigheim und Bissingen, O.-A. Ludwigsburg (spätgotische Reste); zu
Blaubeuren in der Klosterkirche (1493 — 96 von Georg Sürlin d. Jung.);
zn Denkendorf in der Klosterkirche (von 1511, stehen jetzt im Lang-
hause); zu Ditzingen bei Stuttgart in der Konstanzer Kirche (Ende des
XV. Jahrh.); zu Eberdingen, O.-A. Vaihingen; zu Effringen, O.-A. Na-
gold (1481 von Jörg Apt, stehen jetzt im Langhause); zu Ennetach bei
Mengen (1506—9 von Georg Sürlin d. Jung.); zu Efslingen in der Diony-
siuskirche (}wat Inschrift: 1518 von Antonius Bul und Hans Wech, Schrei-
nern zu Efslingen); zu Freudenstadt (1588 von Konrad Widmann von
Calw); zu Frickenhansen, O.-A. Nürtbgen (um 1500); zu Geislingen
(1512 V. Georg Sürlin d. Jung.); zu Gmünd in der Kreuzkirche (1550 be-
reits in Renaissanceformen von A. D. und später Peter Albrec); zu Herren-
berg in der Stiftskirche (1517 von Hinrich Schickhard von Sigen, Büiger zu
Herrenberg; Details bei Heideloff, Schwaben, S. 6, F. 17); in Horrheim, O.-A.
Vaihingen; zu Konstanz im Münster (um 1470 von dem Tischmacher Simon
Haider und dem Bildhauer Niklas (Lerch) von Leyen; Abb. Riggenbach, Fig.
27—80 u. Taf. IK; Denkm, am Oberrhein, I, Taf. 3; ein Stück in: Das alte Eon-
stanz, I, 28; vergl. Anz. Q. M. 1861, Sp. 9); ZU Marbach in der Alexander-
kirche (nach 1450); zu Markgröningen, O.-A. Ludwigsburg; zu Maul-
bronn (um 1450; Abb. bei Paulus, Fig. 186— 191); zu Metzingen, O.-A. Urach
(1520 von Jörg Fieglin von Blaubeuren, sefshaft zu Nürtingen); zu Nörd-
lingen in der Georgskirche; zu Nufsdorf, O.-A. Vaihingen in der Kreuz-
kirche (teilweise modern); zuOberlenningen (1514 von Jörg Fieglin zu
Blaubeuren); zu Obersten feld in der Stiftskirche (spätgotisch); zu Steifs-
lingen im Hegau (von 1515, schon mit Renaissancemotiven); zu Stuttgart
in der Spitalkirche (1495 von den Predigermönchen Konrad Zolner und Hans Hais;
Abb. Heideloff, a. a. 0., 30); zu Täferroth, O.-A. Gmünd (spätgotisch, in
die tannenen Rückbretter sind Halbfiguren von Propheten, Königen und
Chorgestühl. 289
Heiligen mit bewundernswerter Meisterschaft eingeritzt nnd bemalt); zu
Tübingen in der Stiftskirche (spätgotisch); za Überlingen im Münster
(spätgotisch, von Meister Friedrich Schramm von Ravensburg?); zu Weil-
heim u. Teck von 1499; zu Wimpfen L Thal in der Stiftskirche (von
1498; Abb. Eugler, kl. Sehr., 1, 98 ff; Hase, Reiseaufnahmen aus lippoldsberg
etc., Taf. 21).
In Bayern:^ zu Augsburg in beiden Chören des Doms; zu Berch-
tesgaden in der Stiftskirche; zu Freising im Münster (Abb. bei Harrer,
d. Chorgest. d. Kathedr. z. Fr., 1847); zu Moosburg im Münster (bezeichnet J. W.;
Abb. bei Riggenbach a.a.O., 250 f.); zuMünchenin der Frauenkirche ; zuRe-
gensburgin der Dominikanerkirche ; zu Reichenbach in der Klosterkirche ;
zuTegernsee in der Klosterkirche (einfach , 1450 vom Laienbruder Johann
von Reichenbach begonnen und in 3V3 Jahren vollendet , jetzt zum Teil im
Bayr. Nat.-Mus. zu München); zu St. Veit bei Freising in der Stiftskirche
(Bnichstüoke von 1441; Abb. Riggenbach, Fig. 19); zu St. Zeno bei Reichen-
hall in der Stiftskirche (1516).
In den Österreichischen Ländern ist ihre Zahl sehr gering. Zu
nennen sind in Österreich: zu Waldburg (von 1522); zu Wien in St.
Stephan (1480 vom Bildschnitzer Wilhelm Rollinger, Abb. Tschischka, Fz., d.
Steph.-Dom in W., Taf. 25—33; vergl. A. Ilg in den Ber. Ali-Ver. Wien, XHI,
16 ff.); ~ in Steiermark: zuGröbming (zwei Teile mit 5 resp. 9 Sitzen von
1511 und 1514; Abb. Kirchenschmuck, 1870, Bd. XXVH, 27 ff.; Mitt. C.-K, XV,
8. CXIX; Eirchenschm.Sekkaa,I,61); zu Pettau in der Hauptpfarrkirche (von
1446, 40 Sitze; Details Mitt C.-K. N. F. , VI, S. CXLHI ff.); ZU Ta ms w eg in der St.
Leonhardskirche (1445 von dem Stamp&nüUer Peter gefertigt, geschnitztes Mals-
und Laubwerk mit Intarsia und Mosaik abwechselnd; Abb. Mitt. C.-E. XTX, 71 u.
Ta£. n, 2); — in Kämthen: zuKeutschach (Reste aus dem Anfange des
XVI. Jahrb., handwerksmäfsig) ; zu St. Leonhard bei Möllbruck (von 1515,
Abb. Mitt C.-E., XI, 54); ~ in Böhmen: zu Brüx in der Dechanteikirche
(spätestgotisch, bemalt); zu Kuttenberg in der Barbarakirche (Abb. Mittelalt
Kunstdenkm. d. österr. Kaiserst, I, Taf. XXXTTT; Grueber. IV, 140, Fig. 183) und
in der Erzdechanteikirche St. Jakobi.
In Sachsen und Hannover: zu Altenburg in der Schlofskirche
(Puttrich, I, Ser. Altenb. Bl. 6; Seemann, CLVI, 7); zu Bardowiek im
Dome (reiche Arbeit von 1486); zu Bremen im Dome (Reste von 1366); zu
Dresden im Museum d. Gr. Gartens Reste aus der wendischen Kirche zu
Kamenz (Abb. Mitt. d. Sachs. Altert. V., XVn, Taf. 2) und aus der Kirche zu
Eutritzsch bei Leipzig (Abb. das. XVm, Taf 3), ein ganzes aus Tragnitz bei
Leipzig (verschiedenen Zeiten des XIV. u. XV. Jahrb. angehörig) und Teile
aus Liebstadt (Anfang des XVI. Jahrb.); zu Erfurt im Dome (meist er-
neuert), in der Barfttfser- und Predigerkirche; zu Halberstadt im Dome
und in der Liebfrauenkirche; zu Hildes heim in St. Godehard (beträchtliche
Reste vortrefFlicher von 1466); zu Magdeburg im Dome (um 1445, Abb.
Rosenthal, d. Dom zu M., lief. V, Taf. IV); zu Merseburg im Dome (die west-
liche Abteilung von dem Predigermönche Kasper Schokholcz 1446^ die Ost-
^ Vergl. Sighart, Joach., die Chorgest. des Mittelalters in Bayern, in den Mitt.
C.-K. VI, 106 £
Otte, Kmut- Archäologie. 5. Aufl. 19
290 Chorgestühl. Bücklaken.
liehe nm 1500); zu Naumburg im Dome in beiden Chören (die Im Westchor
ohne Rückwände mit bei der letzten Restauration des Doms ergänzten Steinbaldachinen;
Abb. Puttrich, EI, Ser. Naumb., Bl. 13); zu Norden, Ostfriesland, in der
Ludgerikirche ; zu Osnabrück in St. Johannis (schlicht); zu Pöhlde in der
Klosterkirche (Reste aus der 2. Hälfte des XIY. Jahrb., zum Teil im Weifen-Mu-
seum; auf einer Wange hat sich der schnitzende Mönch in seiner Werkstatt selbst
dargestellt; Abb. Mithoff, n, 179); zu Sangerhausen in St. Jakobi (aus der
Augustinerkirche stammend, die Rückwände mit reicher Flachschnitzerei,
Ende des XV. Jahrb.); zu Zerbst in der Nikolaikirche (1451—53, Abb.Putt-
rich, I, Ser. Anhalt, Bl. 2); zu Zinna in der Klosterkirche (nur einzehie Wan-
genstücke, Puttrich, n, Ser. Jüterbog, Bl. 17, 18).
In Westfalen:* zu Ahlen in St. Bartholomaei; zn Bocholt und
Borken in den Pfarrkirchen; zu Dortmund in der Reinoldikirche (um
1450), Marienkirche (von 1523) und kathol. Pfarr-(Dominikaner-)Kirche
(von Engelbert op der Soe 1521); zu Diestedde, Everswinkel und Fal-
kenhagen; zu Iburg in der Stadtkirche (Kapelle); zu Iserlohn in der
oberen Stadtkirche; zu Kappenberg in der Abteikirche (das reichste Werk
in der Provinz, 1509 — 1520, die jüngere Hälfte von einem Meister Gerlach; vergl.
Nagel in der Zeitsch. f. Bauw, XXXI, 437 ff. u. Taf. 60); zu Koesfeld in der
Jesuitenkirche (XIV. Jahrh.?); zu Langenhorst (Abb. Mitt. Baud. Nieders.,
m, Bl. 95, 7; 96, 6. 7); ZU Liesborn (einzelne Teile); zu Lippstadt in
der Marien- und in der Stiftskirche; zu Lügde in der Kilianskirche ; zu
Stromberg in der Kreuzkirche; zu Vreden in der Stifts- und in der Pfarr-
kirche; zuWedderenin der Karthäuserkirche.
Im norddeutschen Tieflande: im Mecklenburgischen: znDoberan
in der E^losterkirche (Riggenbach, a. a. 0., Fig. 17); zu Roebel in der Ni-
kolaikirche (Reste aus der dortigen Dominikanerkirche, 1519 vom Bruder
Urban Schuman verfertigt); — zu Lübeck im Dome (Abb. Statz u. Unge-
witter, Taf. 78); — in den Brandenburgischen Marken: zu Berlin in der
Klosterkirche (Abb. Kugler, kl. Sehr., I, 108 f.); zu Brandenburg im Dome
(XIV. Jahrb., 1539 umgearbeitet, modern verstümmelt) und in der Katha-
rinenkirche (spätgotisch, in der Kirche zerstreut; Abb. v. Minutoli, Denkmäler,
Taf. 5); zu Havelberg im Dome (XIV. Jahrb.); zu Stendal im Dome und in
der Marienkirche (1508 von HansOstwalt gefertigt; daselbst noch ein grös-
seres Gestühl , aber ohne Brüstungen und von einem anderen Meister, an der
inneren Westwand der Kirche); — in Pommern: zu Anklam in der Marien-
kirche und in der Nikolaikirche (1498); zu Grimme; zu Kammin im Dome;
zu Köslin und zu Kolberg in den Marienkirchen; zu Stralsund in der
Nikolaikirche (Reste, polychromiert; Abb. Prüfer, Archiv, m, Taf. 72); — in
Preufsen: zu Danzig in der Graumönchenkirche (Abb. Moller, G., Denkmäler
etc., I, Taf 63—65); Reste zu Frauenburg im Dome und zu Braunsberg
aus der Franziskanerkirche im Lyceum (Ende des XV. Jahrb.); — in Schle-
sien: zu Breslau in der Elisabethkirche (Anfang des XVI. Jahrb.).
Mittelalterliche gestickte Rücklaken, spätestens wohl aus dem XII.
Jahrb., haben sich im Dome zu Halberstadt erhalten und sind daselbst
über den Chorstühlen aufgehängt; andere im Zither zu Quedlinburg, in
Yergl. Lübke, TV^estfalen, 400—404.
Bischofstühle. Levitensitze. 291
der Lorenzkirche zu Nürnberg, im Knngtgewerbe-Museum zn Berlin (da-
selbst auch Kissen). Reste von ans geprefstem Leder hergestellten aus der
Zeit nm 1300 befinden sich in Melk (Abb. Mitt C.-E., IX, 95 m. 3 Taf.).
Anmerknng. Nachdem die im Hintergrunde der Apsis befindliche stei-
nerne bischöfliche Kathedra der alten Kirche wegen Hinterrückung des Altars
aufgegeben war, kamen bewegliche Sessel nach Art der Feld- oder Falt-
stühle (faldistolium oder faldisiorium) für die Bischöfe in Gebrauch. Ein sol-
cher, etwa aus dem XIV. oder XV. Jahrb., aber mit aus frühromanischer Zeit
stammenden Elfenbeinschnitzwerken belegt und augenscheinlich nach einem
älteren Muster gefertigt, befindet sich in dem Nonnenkloster auf dem Nonn-
berge zu Salzburg; er zeigt das aus vielen Siegelbildem thronender Bischöfe
bekannte Modell solcher Stühle (Abb. Seemann, CLm, 8, Photogr. Münchener
Ausstellung, Taf. 73). Ein ähnlicher einfacherer, aus dem Dome zn Limburg a«
Lahn stammend, befindet sich im Museum zu Wiesbaden (Abb. Bock, Lit.-
Gew., in, Taf. XXTTT, 1; vergl. Ders. in den Nass. Annal., IX, 338 ff.). Daneben
finden sich jedoch in manchen Kirchen auch noch thronartige, auf Stufen er-
höhte, der antikrömischen Weise entsprechende Bischofstühle vor, z. B. im
Dome zu Augsburg ganz am Ende des Westchores ein Thronsessel mit Säulen-
dach aus Kalkstein, der dem XII. Jahrh. zugeschrieben wird. ^ — Aufserdem
befanden sich in allen gröfseren Kirchen an der Wand in der Nähe des Altars
auf der Epistelseite besondere Sitze für den Priester und die Diakonen (mei-
stens zwei, zur Rechten des Priesters ftlr den Diakonus, zur Linken für den
Subdiakonus, manchmal auch vier), aufweichen dieselben während des Gloria
und Oredo Platz nahmen (Levitensitze, Oelebrantenstuhl, scamnum).
Auch sie waren anfangs in der Regel aus Stein, und solche haben sich erhalten
z. B. zu Koesfeld in der Lambertikirche, zu Borken in der Pfarrkirche, zu
Berlin in der Klosterkirche, zu Arn stein a. Lahn in der Klosterkirche (ca.
1360), zuKreglingen in der Herrgottskirche, zu Frankfurt a. Main im
Dome (erste Hälfte des XV. Jahrh. mit Wandgemälden; Abb. Müller, Beiträge, I,
Taf.I; Beckstein, Eunstdenkmäler, 1, 17), zuImmichenhainimReg.-Bez.ELassel,
zuMühlhauseni.Thür.inSt.Blasien(Abb.Statzu.Ungewitter,Taf.ll7, 10— 16)
und in St. Marien (Abb. das. Taf 118, 3—9; Pattrich, H, 8er. Mühlh., Bl. 4), in
Steiermark zu Spitalitsch, St. Leonhard bei Graz, Oberwölz in der Spi-
talkirche, Grofslobming in der Pfarrkirche, Marburg (hier siebensitzig, Abb.
Kirchenschmuck Seckau, 1873, No. 12, Beil., Fig. 1), gotisch zu Wien in der
Augustinerkirche. Später wurden auch sie aber meistenteils in Schnitzwerk
hergestellt, meistenteils so, dafs der mittlere Sitz für den Priester erhöht ist.
Solche Dreisitze finden sich auch in den Chören rückwärts des Lettners, oder
wo ein solcher fehlt, wie z. B. in Ulm, rückwärts des Kreuzaltars und gehören
eigentlich überall zu einem vollständigen Ohorgestühl hinzu. Die an ihren
Brüstungen befindlichen Schränkchen sind ebenso wie die an den Lesepulten
vorkommenden zur Aufbewahrung der Ohorbücher bestimmt. Wir nennen von
solchen geschnitzten Levitensitzen die Dreisitze: zu Basel in St. Albani
und in der ehemaligen BarfUfserkirche (Abb. Mitt. d. Ges. f. vaterl. Altert., Basel,
* Detail abgebild. bei Sighart. I, 167. — Die herkömmlich so genannten Bischof-
Stühle in den Domen von Naumburg, Halberstadt und Magdeburg smd Lettner.
19 •
292 Levitenstühle. Betstühle.
m, Taf. m); zu Blaubeuren in der Klosterkirche (1496 von Georg Sürlin d. Jung.;
vergl. C. Eichler im Korr.-Bl. d. Ulmer Vereins, 11, No. 9) und in der Stadtkirche
(um 1500); zu Boppard in der Karmeliterkirche (XV. Jahrh.); zu Geis-
lingen; zu Güstrow im Dome (zwei aus dem XIV. Jahrh. ^ der eine reich ge-
schnitzt ^ der andere einfacher, bei der Restauration des Domes bis auf die
Baldachine zertrümmert); zu Hage in Ostfriesland (gegen 1500); zu Kempen
(XV. Jahrh., der bedeutendste in den Eheinlanden; Abb. aus'm Weerth, Taf XXIH, 1);
zu Kleinglattbach, O.-A. Vaihingen (spätgotisch) ; zu Loccum (XIV. Jahrh.);
zu Marburg in der Elisabethkirche (I.Hälfte des XIV. Jahrb.); zu Münster-
maifeld (spätgotisch, Handwerksarbeit); zuNaumburg im Dome im Ostchor;
zu Norden in Ostfriesland in der Ludgerikirche; zu Osnabrück in St. Jo-
hannis (spätgotisch, sehr reich bemalt); zu Ratzeburg im Dome (Abb. Org. f.
ehr. E., 1866, No. 19); zu Salzwedel in der Marienkirche (der sogenannte
Markgrafenstuhl); zu Ulm im Münster im Chor (1468 von Georg Sürlin d. Alt.)
und in der Neidhartskapelle (1505 von Georg Sürlin d. Jung.); zu Verden im
Dome (gegen 1390, Abb. Bergmann, Dom zu V., 1832, Taf. 3); zu Wimpfen i.
Thal in der Stiftskirche (Abb. Bechstein, Kunstdenkmäler, I, Taf. 9); zu Zürich
in der ehemaligen Klosterkirche am ötenbach; — den Fünfsitz zu Wetter
(von 1466, Abb. Statz u.Ungewitter, Taf. 177, CVXXXIV, 9); — einen Viersitz
im Dome zu Brandenburg (XIV. Jahrb., mit sehr hoher Rücklehne, jetzt in die
Krypta versetzt) ; — auch Z w e i s i t z e kommen vor, so ein spätgotischer, zum Teil
bemalter, stark beschädigter in der St. Paulikirche zu Brandenburg (jetzt
auf dem Dachboden des ELreuzganges); andere zu Göppingen in der Ober-
hofenkirche von 1506; zu Norden in der Ludgerikirche von 1481, und ein
reichgeschnitzter, ebenfalls spätgotischer zu Pohl de in der Klosterkirche. —
Zuweilen finden sich besondere schmuckvolle Stühle für bestimmte ausge-
zeichnete Personen, z. B. die Regalis Cathedra Karls des Grofsen, ein ein-
facher auf fünf Stufen erhöhter, mit diesen ca. 2,oo hoher weifser Marmorstuhl
auf der Empore des Münsters zu Aachen, dem Altare gegenüber (Abb. aus'm
Weerth, Taf. XXXn, 5); der Stuhl Kaiser Heinrich 11. in St. Emmeram zu
Regensburg von Stein, ganz steif mit halbkreisförmiger Lehne, getragen von
2 Löwen (Abb. Mitt. C.-K., vm, 234; XVI, S. CK, Fig. 9) und besonders der Kaiser-
stuhl im Dome zu Goslar, wo die steinernen Balustraden desselben (Abb. Mit-
hoff, Arch. in, Taf. VIII u. IX) in der Vorhalle noch erhalten sind, während
der eigentliche Stuhl mit künstlich durchbrochener Lehne in Erzgufs (Abb.
Kunsthandwert, III, Taf. 64; auch v. Lützow, Zeitschr., XVH, 196) nunmehr
ebenfalls aus der Sammlung des Prinzen Karl in Berlin nach Goslar in das
Kaiserhaus zurückgelangt ist. Aus gotischer Zeit, teils in Nischen etc. mit
architektonischem Schmuck, teils in reichem Holzschnitzwerk : die Abtstühle zu
Pforta, zu Nienburg a. S. (hier erneut) und zu Maulbronn (stark zerstört,
Aufnahme mit Restauration von Beisbarth in den Jahresheft. d. Württemb. Altert.-V.,
vm, auch Paulus, Maulbronn, 70, Fig. 192); die Propststühle zu Lüne (von
1412) und in der Marienkirche zu Salzwedel; der Betstuhl des Grafen Eber-
hard im Bart in der Amandikirche zu Urach (von 1472, Abb. Heideloff, Orna-
mentik, IV, Taf. 2 ff.; Förster, Bauk., XU, Taf. zu S. 15) und der ähnliche in der
Spitalkirche zu Rottenmann, der zu Ehren Kaiser Friedrichs DI. und seiner
Gattin Eleonora nach ihrem Tode 1514 gestiftet worden ist (Abb. Eirchenschmuck
Sekkau, 1877, 92), sowie andere Betstühle zu Villach (von 1464, Abb. Mitt C.-K.,
Laiengestühle. Beichtstühle. 293
XYm, 118, Fig. 21), im Städtischen Museum zn Graz aus der Cistercienser-
kirche Neuberg (Mitt. C.-K., XVI, S. CXXVni), zu Partenheim in Rheinhessen (der
Familie von Waldbrun) und ein schöner in der Pfarrkirche zu Gelnhausen
(XrV. Jahrh., Abb. Becker- v. Hefner, I, Taf. 56; Statz u. Ungewitter, Taf.
181, 182). Betpulte aus der Johanniskirche zu Herford (Mitte des XHI. Jahrh.)
und aus Helenabrunn (XV. Jahrh.) befinden sich im Kunstgewerbe -Museum zu
Berlin, Raum XVI. — Am Ausgang des Mittelalters finden sich auch ausge-
dehntere Laieng es tühle, teils für gröfsere Korporationen, wie in der Ma-
rlenkirche zu Lübeck die Stühle der Bergenfahrer , der Nowgorodfahrer (von
1523) und der Schonenfahrer (von 1506; Abb. Statz u. Ungewitter, Taf. 189, 190),
teils an bestimmten Stellen der Kirche, namentlich an der Westseite des
Schiffs, so in Lorch, im Dome zu Frankfurt am Main unter der grofsen
Orgel von 1487 und in der Marienkirche zu Stendal, teils auch vollständig
für die ganze Kirche. Von letzteren sind zwei kunstvoll geschnitzte und be-
malte von Erhart Valkener von Abensberg erhalten in den Kirchen zu Bech-
tolsheim in Rheinhessen (von 1496; Abb. Wimmer, C, Mittelalt. Holzschnitzereien
aus d. Kirche zu B., Mainz 1873, mit 24 Taf.) und zu Kiedrich (von 1510),
ferner eins zuUdenheim in Rheinhessen und eine dörfliche Arbeit in der
Dorfkirche zu Hagenau bei Rothenburg o. Tauber (Chr. K.-BL, 1879, 142 f.
jn. Abb.). — Beichtstühle von besonderer Einrichtung, wie sie anscheinend
erst seit dem Tridentiner Konzil in katholischen Kirchen gebräuchlich ge-
worden sind (mit hohem Aufbau, Mittelwand, Sprechgitter und Vorhang) sind
im Mittelalter nicht nachgewiesen: der Konfessionar safs, wie bildliche Dar-
stellungen des Bufssakraments erweisen-, auf einem gewöhnlichen Lehnstuhle
(hinter dem Altare, wo, z. B. in kleineren Kirchen Altbayems, dergleichen
Stühle noch jetzt befindlich sind; vergl. auch oben S. 151), und der vor ihm
kniende Konfitent empfing durch Handauflegung die Absolution.^ Ob der aus
zwei Sitzen bestehende, über 3,15 hohe, brillant spätgotische sog. Beichtstuhl
hinter dem Hochaltar im Dome zu Königsberg in derThat diese Bestimmung
gehabt habe, mufs als zweifelhaft gelten. Ein nicht mehr vollständiger mit
gotischem Schnitzwerk soll sich in der Sakristei zu Obernkirchen bei Rin-
teln finden.
50. An Stelle der antiken Ambonen, welche zu den kirchlichen
Vorlesungen durch den Diakonus bestimmt und im Unterchore aufge-
* Vergl. Kirchenschmuck 1862, 10. — Den daselbst angeführten Beispielen von
bildlichen Darstellungen der Beichte kann noch der Altar in aer Stadtkirche zu "Wit-
tenberg (Schadow, J. G., Wittenbergs Denkm. No. 15) hinzugefügt werden. Der
Beichtstuhl hat hier eine hohe, oben verzierte Lehne: die männlicnen Eonfitenten
stehen rechts, die weiblichen links hinter dem Beichtvater, vor welchem zwei Män-
ner knien, ein Bußfertiger rechts, ein Verstockter links. — Vergl. auch die Abb. aus
einem flamländ. Laienbrevier des XV. Jahrh., bei Bock, lit. (few. HI, Taf. XTV, 1.
Hier hält der Beichtiger als päpstlicher Bevollmächtigter einen langen Stab in der
Hand, den er den während der Beichthandlung Vorübergehenden und kniend um
seinen Segen Bittenden aufs Haupt legt. — In romanischen und auch noch in gotischen
Kirchen Frankreichs kommt die Einrichtung vor, daJs im Innern der Kirche eine
Wandnische mit Steinsitz für den Beichtiger angebracht ist, welcher durch eine ver-
fitterte runde oder eckige ÖJB&iung die Beichte des drau^n auf dem Kirchhofe Stehen-
en abhörte. DaTs eine solche Einrichtung auch in Deutschland vorkomme, verneint
Mefsmer, in den Mitt. C.-K. XVH, S. LVOI ff.
294 Kanzel
stellt waren, wo sie einen Teil der den letzteren umschliefsenden Schran-
ken (cancelH) bildeten, trat im XTTT. Jahrh. der Lettner (s. oben § 19,
Anmerk. 1, S. 48), dessen Lesepult als Kanzel* zum Abhalten der
Predigt benutzt wurde, was in Deutschland noch im XIV. Jahrhundert
die Begel gewesen zu sein scheint, während in Italien, dem Vaterlande
der predigenden Bettelmönche, die Kanzel (mggestus) bereits im XTTT,
Jahrhimdert von dem Lettner getrennt und zuerst in der Nahe des letz-
teren, dann an einem Pfeiler auf der Nord- oder Südseite des Mittel-
schiffes als selbständige, auf Säulen ruhende Empore errichtet wurde.
Die Gotik gab der aus Stein oder Schnitzwerk gebildeten Kanzel eine
vieleckige Form, die unten von einer Säule, von einem B[ragsteine,
später auch von einer* Menschen- oder Tiergestalt etc. getragen wird,
und über der, um das Verfliegen des Schalles in den hohen Bäumen
zu mäfsigen, ein pyramidaUsch gekrönter Baldachin (Schalldeckel, Kan-
zelhaube genannt) angebracht ist
In der alten Kirche predigte der Bischof von seiner im Grunde der
Tribüne hinter dem Altare befindlichen Kathedra herab; oder in Behinde-
mngsfällen desselben las der Diakonns auf dem Ambo eine Homilie vor.
Letzteren y der Laiengemeinde näher belegenen Ort wählte ungewöhnlicher-
weise schon Chrysostomus^' um von der grofsen Masse seiner Zuhörer besser
verstanden zu werden , und eine Reiche Ausnahme aus demselben Grunde
{i^propter commodiiatem depromendae vocis^) erlaubte sich Augustinus.'
Der Bischof Petrus Chrysologus von Ravenna (gest. 450) predigte je nach
Zeit und Gelegenheit entweder »e/e gradu^ (also wohl von der Altarstufe,
vielleicht aber auch vom Ambo aus) oder >de sacerdotali sede<^ (vom priester-
lichen Sitze); es scheint indes die Gemeinde damit nicht recht zufrieden
gewesen zu sein: denn er ermahnt seine Zuhörer, sie möchten wegen dieser
Abwechslung zwischen zwei so nahe an einander belegenen Stätten nicht
lässig oder unwillig werden.^
Die Ambo neu*"* hatten in der alten Kirche wahrscheinlich verschiedene
Formen; doch scheint die Anbringung einer Doppeltreppe nach Osten und
Westen bin, gradns ascensionis und gradus descensionis ^ typisch gewesen
zu sein. In Italien haben sich noch in vielen Kirchen Ambonen erhalten ; sie
kommen gewöhnlich in zwiefacher Anzahl zu beiden Seiten des Unterchores
einander gegenüber aufgestellt vor: der nördliche ist zur Vorlesung des
Evangeliums bestimmt (amho evangelii)^ auf dem südlichen (ambo epistolae)
* Über die Geschichte der Kanzel vergl. Zeitschr. f. ehr. A. u. K. I, 74 — 78;
Augusti, Denkwürdi^eiten, VI, 331 — 334; Mefsmer, in den Sitzungsberichten des
Münchener Altert.-V. Heft 2; M(eurer), die Kanzel, im Chr. K.-B1. 1873, No. 1. 2;
Jakob, 237 ff.
^ Vergl. Socrates, hist. eccl. 1. 6 c. 5; Sozomenus, hisi eccl. 1. 8 c. 5, nach
Augusti, a. a. 0., 332.
^ Vergl. Senn. 122 de diversis; vergl. Augusti, a, a. 0.
* Serm. 173; vergl. Augusti, a. a. 0.
* "Afjißwv von dvaßalveiv = hinaufeteigen.
wird die Predigt gehalten. Der älteste bekuinte Ambo (ans dem VI. Jabrb.)
befindet sich im Dome zu RaveDna; ab der jtlDgBte gilt der in S. Pancr&zio
zn Rom mit der Jabreszabl 1249. Die italieniscben Ambouen stimmen im
Wesentlichen darin übereiu , daTs sie mit der Front ein Trapez bilden, hinter
dessen Schrftgseiten die Treppen liegen, und dessen mittlerer, znweilen
halbrund oder polygonisch vortretender Teil als Standpunkt des Redners
mit einem Lesepult versehen ist. Das Material ist Marmor; di« Trapez-
flüchen sind dnrch Pilasterstreifen in ebenmarsige Felder geteilt und musi-
visch verziert. Nach Pelliccia* soll der Ambo seit dem IX. Jahrb. eine
runde Form angenommen haben, was durch den vom Jahre 820 datierenden
Banrifs der Klosterliirche von St. Oallen bestätigt wird, wo nämlich, auTser
zwei an der westlichen Schranke des Unterchores beflndlichen Lesepulten
' De ohrist. eccl. politia, ed. Ritter. I, 153.
296 Ambonen. Lettnerkanzeln.
{analogiam mitten im östlichsten Quadrate des Hauptschiffes ein »omfro« von
kreisrunder Grundfläche eingezeichnet ist. — Im Münster zu Aachen hat
sich (jetzt im gotischen Chore ttbermäfsig erhöht und in der Zopfzeit teil-
weise verändert) ein prachtvoller Ambo erhalten , der, inschriftlich ein Ge-
schenk Kaiser Heinrich H. , im Grundrisse aus drei ungleichen Kreisstttcken
zusammengesetzt ist und bei einer Höhe von etwa 1,40 aus einem Kerne von
Holz besteht) welcher ganz mit vergoldetem Kupferblech überzogen und mit
Verzierungen (Elfenbeinreliefs , Edelsteinen, einer Ober- und Unter-Tasse
aus Bergkrystall und emaillierten Darstellungen) bedeckt ist. ^ — In der Lieb-
frauenkirche zuHalberstadt finden sich auf der Stufe zwischen Kreuz und
Altarhaus rechts und links an den Pfeilern des Scheidbogens und nach Westen
gekehrt zwei kleine ambonenartige Steinbrüstungen aus dem XII. Jahrb. ^ —
Zwei dreiseitig vorspringende, ganz einfach aufgemauerte Ambonen befinden
sich auch an der Backsteinbrüstung, welche die obere der beiden Kapellen
im Altarraume der romanischen Nikolaikapelle zu Windisch -Matrei
abschliefst.
Die Errichtung der Kanzel oder Aufstellung des Predigtstuhls auf dem
Lettner über dem Laienaltar ist für Deutschland bezüglich des XIII. und
XIV. Jahrh. durch die oben S. 51 angeführten Stellen aus dem Titurel und
der Königsberger Urkunde erwiesen , während in Italien seit der Wirksam-
keit des die vernachlässigte Predigt eifrig fördernden Innocenz lU. (1198
bis 1216) und der beginnenden Thätigkeit der Predigermönche schon selb-
ständige Kanzeln vorkommen; in S. Miniato bei Florenz noch in Verbindung
mit den Ghorschranken. In Deutschland dagegen ist nur die durch ihren
bildnerischen Schmuck höchst ausgezeichnete KanzeP in der Kirche des
ehemal. Augustinerstifts Zschillen (Wechselburg), nördlich am östlichsten
Pfeiler des Schiffes, als einziges, dem italienischen Typus verwandtes roma-
nisches Beispiel aus dem XIII. Jahrh. zu nennen, wobei es freilich kaum
zweifelhaft bleibt, dafs dieselbe ursprünglich ein integrierender Teil des
später in den jetzigen Altaraufsatz umgewandelten Lettners (vergl. oben
S. 143, Note 2) gewesen ist. Erwiesen ist letzteres von der ebenfalls aus-
gezeichneten romanischen Kanzel in der Neuwerkerkirche zu Goslar,
welche, ehemals mit dem westlichen Chorabschlusse in Verbindung stehend,
und von dem Tische des Laienaltares getragen, samt letzterem erst neuer-
lich in das Schiff versetzt worden ist.^ — Spätromanischer Zeit gehören an:
die dem südöstlichen Pfeiler der Vierung angemauerte Kanzelbrüstung in
der Stiftskirche zu Bücken^ und die ähnlich, nur einfacher gehaltene am
südlichen Wandpfeiler zwischen zwei Apsiden angebrachte auf viereckigem
Untersatze rund vortretende Steinkanzel mit 5 Flachnischen an der Brüstung
zu Wiebrechtshause n.^ Rund in stark romanisierenden Formen erscheint
» Abb. aus'mWeerth. Taf. XXXHI, 3—9; Bock, Pfalzkap. I, 1. Fig. 32—36.
Ders. Kleinodien, Anhang, 42. Vergl. Bonner Jahrb. IX, 100 u. Taf. 7.
« Abb. Zeitschr. f. ehr. A. n. K. U, Taf. XII, 6. 7.
' » Puttrich, I, Ser. Wechselb.; Förster. Bildnerei. I, 13. ü, 19; An-
dre ae, Monumente im Sachs. Erzgeb. BI. 34 (nach der Bestauration).
^ Abb. Mithoff, Archiv, m, Taf. 23.
» » Mitt. Band. Nieders. Taf. 89.
ß » das. I, 199.
auch die Kautel im nOrdlichen Seitenschiffe der Jalcobskirche zn Ooslar
(jetzt ohne BrttataDg).^ Wo Lettnerkanzeln nicht vorhanden waren, dtlrften
aichdieterminierendenBet-
telmÖD che tragh are r h Ölze r-
ner Predig^ttlhle bedient
haben, die immer da anf-
geetellt wnrden , wo ea an-
ter den- obwaltenden Um-
ständen gerade am zweck-
mäTeigsten erschien, und
die Errichtung monumen-
taler Kanzeln aus Stein(mit
hfilzemen, bisweilen spä-
teren Schalldecken) oder
Schnitzwerk an einem Pfei-
ler desäcbiffes scheint we-
sentlich erst in die Zeit des
XV. Jahrh. zu fallen, wo
nnter dem Einfinsse refor-
matorischer Männer end-
lich zuerst feste Prediger-
stellen an den Kirchen er-
richtet wnrden.* Die spät-
gotischen Kanzeln, deren
noch eine ziemliche An-
zahl erhalten ist, sind
spSter nicht selten anfser
Gebranch gesetzt worden, p,, „^ k.b»i » nsoktn (n>oh h«.).
weil sie als zn hoch nnd
zu eng nnd mit schmalen steilen Wendelstlegen verseben oft nnbeqnem
und selbst gefährlich waren: die alte Kanzel z. B. In der Andreaskirche
ED Eisleben, auf welcher Luther seine letzte Predigt gehalten, hat eine
nnr 0,47 breite ans 12 Stnfen bestehende Treppe, die Ober einer Basis
von nur 1,57 in einem Winket von 70 Orad aufsteigt. — Ein eigentflm-
liches Werk war die nur in Überresten erhaltene, wohl noch dem XIV.
Jahrb. entstammende Kanzel' in der Ruine der Augustinerkirche zu Bern-
bnrg, welche, auf einem Kragsteine mhend, schwalbennestartig mit der
Hauptmauer der Kirche verbunden ist nnd (ähnlich wie in der Ulrichskirche
' Vcivl. Lotz, Topographie. I, 247.
' In der KirchewnoisteiTCchnung Ton St. Stephan zu Wien heiM es zum Jahre
1417: 'Item den Tischler vor ain jrredig stuel new ze machn, vnd den altn abee-
Kechn.t Die noch Torhandeno steiDeme Piachtkanzel entstand erst 143Q. Vorgl.
ohiachka, Fz., die Motropolitanldrche zu St. Stephan in Wien, 82. — Die EU^
bcthbirche in Breslau hatte bcreita 1386 einen •predicatOT'. Tergl. Schmeidler, J.
C. H., die Haupt- und Pfairkircho bu St. EUsaboth, 67. — Als ältestes Beispiel, wo
bei einem Kircnbau von vornherein die Verbindung der Steinkanzel mit einem 8chi&-
pfciler beabsichtigt worden ist, gilt diejenige in St. Martin zu Landshut von 1422.
» Abb. Putttich, Serie Anhalt, So. 17.
zn Halle a. d. S.) den Aafgsng anfserbalb des Kirchenschiffes hat. — Als
Kuriosam mag die in der Kirche zu Oberdiebach am Rhein (Lorch gegen-
nber) befindliche spätgotische Kanzel* angeftihrt werden, welche aus
Schmiedeeisen gefertigt ist. — Der an den Brüatungs wänden der Kanzel
angebrachte bildnerische Schmuck besteht am hänfigaten ans den vier Evan-
gelisten oder aus den vier grorsen Kirchenlehrern , und das vordere Haapt-
feld nimmt oft ein thronender Christus oder die Jungfrau Maria oder der
Titelheilige der Kirche ein; am Ständer kommen nicht selten Moses oder
Adam und Eva vor, auch haben hier oder zur Stützung der Kanzeltreppe,
die sonst meist ohne figürlichen Schmuck blieb, die Meister wohl ihre eige-
nen Bilder angebracht. — Die eben erwähnte bOlzeme Kanzel in der An-
dreaskirche zu Eisleben ist mit einem vermutlich aus dem XV. Jahrh.
herrührenden prachtvoll gestickten roten
Samtteppich* (von 1,26X2,75) behängt,
der anscheinend bereits ursprünglich fttr
diesen Zweck bestimmt war.
Bemerkenswerte spätgotische Kanzeln:
imRheinlande: znBaael im Münster von
1486, in St. Martin von 1497 und in St.
Theodor; zn Bergebersbach in Nas-
sau; zu Boppard in der Karmeliterkirche
(6 eckig von Stein, mit gemalten Heiligen in
der Brüstung); zu Bnrweil er in der Rhein-
pfalz; zaFreiburgi.B.imHnn8ter(15ei von
Georg Kempf aus Rhineck; Abb. (Schreiber)
Denkm. deutsch. Baut, am Oberrhein, n, Taf. fl) ;
zu St. Goar in der Stiftskirche; zn Hage-
nau in St. Georg (XV. Jahrh. mit schOnen
Skulpturen); zu Kamp (1536 viereckig, mit
Donatorenreliefs, schon in Renaissance-
formen); zn Kiederich (1493 von Erhart
Falkener); zu Kirchberg; zu Kleve in
der Franziakanerkirche ; zu Mittelheim
bei Rodesheim (1511, von Holz, roh); zn
Moselweifs bei Koblenz (ähnlich der za
St. Ooar);zuMflnstermaifeld(Abb. Statz
u. Ungewitter, Tof. 135); ZU Neustadt a.
Haardt (von 1540) ; zu Partenheim (Aber
einem alten Nebenaltare) ; zu Strafsburg
FEi m Kuul n st Wmd*l im Müuster (1485-87 nach dpm fätwurfe de»
(nüh ini'm Weerth). Hans (Meiger? Renannt) Hainmerer — fiüsch-
Ucber Tradition zufolgo unter Beirat (jeilera von
Kaiscrebprg^ vollendet; Abb. bei Schmidt. Ch. W., Grundrife und Au(ri6 der Kan-
zel des M. in Str. (Faksimile des Originaliisscs); Rami>e, meublea, Taf. 64); zu SL
■ Abb. Statz u. Ungowitter, Taf. 193, 1. 2.
' » Puttrich, n, 8er. Eisleben; auf besondrem Blatte zn:
Bescheibung der Luthers-Kanzel. Balebcn 1845.
Kanzeln. 299
Wendel (von 1462, mit dem Wappen des Nikolaus von Cusa; Abb. Schmidt,
Ch. W., Baudenkm. d. M.-A. in Trier, IE, 8; aus'm Weerth, Taf. LXTTT, 8 —
siehe den Holzschnitt, Fig. 115); zn Zabern in der KoUegiatkirche (1497 von
Hans Hammerer y ähnlich^ aber einfacher als die Strafsburger).
In Schwaben undBayern: zu AlpirBbach(al fresco mitPetrus, Ja-
kobas and Johannes bemalt); zn Ammerthal bei Amberg; zn Balingen
(1512 von Meister Franz); zn Bissingen, 0-*A. Lndwigsbnrg (von 1518),
zn Boll, O.'A. Göppingen; zn Brannan am Inn; zn Denkendorf (ans
Eichenholz ; 1518 von b. L. = Bernhard Loscher?); zn Frickenhansen,
O.-A. Nttrtingen (Reste , vielleicht znm Teil von einem ehemaligen Sakra-
menthänschen herstammend); zn Omünd in der Krenzkirche (von Holz,
1551 von A. D.y bereits in Renaissanceformen , der Schalldeckel später von
PeterAlbrec); zu HerrenberginderStiftskirche(Abb.Heideloff, Schwaben, 5);
zn Eager bei Regensbnrg (von Holz , jetzt imDiöcesan-Mnsenm); zn Enei-
ting bei Regensbnrg; zu Ensterdingen (von 1507); zn Lienzingen in
der Liebfranenkirche (von 1482); zuMarbach in der Alexanderskirche (der
Schalldeckel erst von 1668; am Ständer Adam und Eva); zn Markgrö-
n Ingen (bereits Renaissance, am Ständer Moses); znNördlingen in der
Georgskirche (von 1499); zn Regensbnrg im Dome (von 1482, Deckel
von Holz modern); zu Schwaigern (von 1515, mit schönem Schalldeckel) ;
zu Stuttgart in der Stiftskirche (Abb. Heideloff, a, a. 0., 2i;; zu Tübingen
in der Stiftskirche (die Treppe von Steinmetzen gestützt); zu Ulm im
Münster (1505 von Burkhard Engelberg aus Augsburg mit 5 Gesellen gearbeitet;
der Schalldeckel von Holz, selbst wieder eine kleinere Kanzel mit Treppe darseilend, von
Georg Sürlin d. Jung., 1510; Abb. bei Grüneisen und Manch, Ulms Kunstleben, Taf.
zu S. 28); zu Urach in der St. Amandikirche (wahrscheinlich von dem Mei-
ster des Taufsteins ; an der Brüstung die vier Eirchenlehrer und -»sanctus
(sie) parisiensis GersotKUy Deckel erst von 1632); zn Waiblingen in der
äufseren ELirche (1484 von Walter Peter von Eannstatt); zu Weil he im u.
Teck (ähnlich der zn Urach, Deckel erst gegen 1600); zu W impfen a.
Berg in der Pfarrkirche (1515 von Bernhard Sporer).
In den österreichischen Ländern: in der Dorfkirche zu Arnsdorf
unterhalb Mautern a. Donau (mit der Inschrift: hoc perfecit Blasiua Steirer
plebanus eccleaiae ; Abb. Mitt. C.-K. N. F., m, S. LXXXn) ; zu A u f s i g in der Dechan-
teikirche (fünfeckig , angeblich von Benedikt von Lann); zn Botzen in der
Pfarrkirche (1514 von Hans Lutz); zn Brttx in der Dechanteikirche (von
Stein mit gemalten Bildern , neuerdings unter einer hölzernen Barockum-
kleidung aufgedeckt); zu Eggenburg (Abb. Östr. Atl., XCVI, 4); zu Feld-
kirch in Tirol (von Eisen ^ ist eigentlich ein ca. 10 m hohes Sakrament-
häuschen aus Eisen von 1509^ das 1655 in eine Eanzel umgewandelt ist;
8. oben S. 245); zu Gang in der Laurentiuskirche (laut Inschrift von Mat-
thias Raysek); zu Hörn in Kied.-Östr. in der Stephanskirche; zn Entten-
berg in der Barbarakirche (1560 von Meister Leipolt, schon mit Renais-
sanceformen gemischt) und in der Mariähimmelfahrtskirche (sechseckig aus
gebrannten Thonplatten zusammengesetzt; Abb. östr. Atl., LXTV, 3); zu Ig lau in
der Jakobskirche (mit einer viel älteren Treppe aus Granit, wahrscheinlich von
einem ehemaligen Ambo; Abb. Grueber, II, 38, Fig. 60); zu Laas inEämthen
(nur derFuls; Abb. östr. Atl., LXIV, 1); zu Laun (sechseckig, gleichfalls angeb-
300 Kanzeln.
lieh von Benedikt vonL., Abb. Grueber, IV, 128); zu Mariafeucht in Kärnthen
(nach 1520; aufgewundenem Schafte; zu Marialaach in Nied.-Östr. (Abb.
Östr. Atl., LXIV, 7); zu Pilsen in der Dechanteikirche (achteckig) und im
Ereuzgange der Franziskanerkirche (6eckig, Abb.Mitt.C.-K.N.F.,V,S.CXLVn);
zu Prag in der Teinkirche (Schalldeckel neu) und in St« Stephan (beide
sehr ähnlich, vor 1480); zu Rakonitz (von 1504, die Vorderseite des Lese-
pultes mit dem Wappen derStadt, wahrscheinlich von Rayseck; Abb. Grueber, IV, 219);
in der Magdalenenkirche im Thale Ridnaun (Mareit) aus weiTsem Marmor;
zuUnterhaid belHohenfurt (14SS aus Granit achteckig, Abb. Grueber, IV, 127);
zu Wien in St. Stephan (von Hans Puchsbaum 1430, neuerdings dem Anton
Pilgram (1505 — 1512) zugeschrieben, 1880 durch Schmidt restauriert; Abb. See-
mann, CLVI, 6).
In Franken und Hessen: zu Dinkelsbühl in St. Georg; zu Ernst-
hausen, Reg.-Bez. Kassel (von 1565, noch ganz gotisch); zu Eschwege
(von 1509, mit konkav -achteckiger Brüstung); zu Frankenberg in der
Pfarrkirche (von 1554, bei der letzten Restauration seit 1864 beseitigt); zu
Frankfurt a. M. in St. Leonhard (Abb. Kallenbach, Atlas, Taf. 710; zu
Heidingsfeld und Heldberg (1536); zu Karlstadt, Mainberg, Ober-
Kauffungen; zu Ott r au (1544 von Holz auf rohem steinernen Untersatze);
zu Schönberg (ähnlich der letzteren, aber einfacher); zu Stausebach
und St ein au (letztere mit durchbrochener Brüstung); zu Volsbach in
Oberfranken.
In Thüringen und Sachsen: zu Annaberg in der Hauptkirche (um
1520); zu Dessau in der Schlofskirche ; zu Freiberg im Dome (um 1500,
in Form einer Tulpe; wegen ihrer schwindelnden Höhe mit sonderbarer Daneben-
stellung einer Renaissancekanzel auiser Gebrauch gesetzt; Abb. Frenzel, J. G. A.,
die Kanzel d. Domk. zu Fr., 1856. — Andreae, Monumente etc., BL 5); zu Goslar
in der Nikolaikapelle (eine kleine hölzerne); zu Halle im Dome (von 1526,
völlig in Renaissanceformen; Abb. Ort wein, Deutsche Renaissance, VIQ, 38); aus
Hohenstein, jetzt zu Dresden im Museum des Gr. Gartens (No. 130, datiert
1513, Abb. Mitt. d. Sachs. Alt.-V., XIV, Taf. 1; Steche, Pirna, 32); zu Leipzig
in der Nikolaikirche die sog. Lutherskanzel (neulichst restauriert) ; zu Merse-
burg im Dome (von 1520, Abb. Zeitschr. f. eh. A. u. K., I, Taf. 5 u. 6); zu Mühl-
hausen i. Th. in der Blasiuskirche (Abb. Kr. Mühlhausen, 61, Fig. 35) und
ein schöner steinerner Kanzelfufs in St. Marien (das. 81, Fig. 45); zu Naum-
burg a. S. im Dome (1466 von Holz, jetzt in die Rumpelkammer versetzt);
zu Pirna in der Stadtkirche (von 1543, noch gotisch); zu Scholen, Amt
Sulingen (zierlich spätgotisch); zu Weifsenfeis in der Klosterkirche (Abb.
Kr. Wei&enfels, 80, Fig. 43); ZU Zipsendorf (von 1512, Abb. Kr. Zeitz, 61, Rg, 50);
zu Zwickau in der Marienkirche (Abb. Ortwein, a. a. 0., XXXIH, Taf. 1-4)
und in der Katharinenkirche (1538 von Hans Speck; Abb. das. Taf. 5).
In Westfalen: zu Korbach i. Wetterau in der Kilianskirche; zu
Münden in der Blasiuskirche (von 1473, Abb. Mithoff, n, Taf. 1); zu War-
burg in der Dominikanerkirche.
Im nordöstlichen Deutschland: zu Dan zig in der Graumönchen-
kirche (1541) und in der dazu gehörigen Annakapelle; zu Wittstock Inder
Marienkirche. — In Mecklenburg ist die einzige gotische (Eichenholz, ca.
1500) aus Kambs bei Schwaan, jetzt im Antiquarium zu Schwerin. — Die
Heiligtomsstülile. Feldkanzeln. 301
Kanzel zu Reinerz in Schlesien ist ein sich aufringelnder Walfisch, in
dessen Rachen der Prediger steht.
Anmerkung 1. Zuweilen sind äufserlich an den Kirchengebäuden Kan-
zeln angebracht , z.B. an der Herrgottskirche beiKreglingen in Württemberg
auf der Ostseite , zu welcher man aus dem Innern der Kirche auf einer stei-
nernen Wendeltreppe von 62 Stufen emporsteigt; auch an der Nordseite der
Michaeliskapelle zu Kiederich bei Wiesbaden, an der Kirche zu Ghristen-
berg in Kurhessen, an der Bergkirche zu Laudenbach, an der Deutschherren-
und an der Marienkirche zu Würzburg; dies sind aber wohl nicht immer
Predigt-, sondern meistens Heiligtumsstflhle, welche wie ähnliche Altane
und Galerien, z.B. die mit einer erkerartigen Kanzel versehene über der nörd-
lichen Vorhalle der St. Leonhardskirche zu Frankfurt a. M. zur Vorzeigung
von Reliquien dienten; vergl. oben S. 100 und 185. Dagegen befindet sich an
der Ostseite der spätgotischen Johanniskirche zu Saal fei d eine niedrige soge-
nannte Ablafskanzel und zwischen den beiden Westtürmen der gotischen Dorf-
kirche zuTremmen (Reg.-Bez. Potsdam) eine steinerne, nur vom Kirchboden
aus zugängliche, welche zu Missionspredigten für die zum Teil noch heidnische
Wendenbevölkerung gedient haben soll. Auch am Turme der Kirche des ka-
tholischen Dorfes Büttstedt bei Mühlhausen in Th. ist zu ebener Erde eine
rohe Steinkanzel, welche noch in neuerer Zeit zur Abhaltung von Leichen-
predigten benutzt worden ist, und die 1738 erneute und jetzt an das nordöst-
liche Ende der Stephanskirche zu Wien unmittelbar an die Wand gerückte
Kanzel, auf welcher der Franziskaner Johannes Capistranus 1451 gepredigt
haben soll, stand ehedem frei auf dem Kirchhofe für Leichenreden (vergl. Mitt.
C.-K. XV, S. XCn m. 2 Abb.). Eine frei auf einem Pfeiler stehende und durch eine
gewundene Freitreppe zugängliche Steinkanzel vor der Nordseite des Erfurter
Doms, welche zur Vorzeigung von Reliquien diente, von welcher aber auch
1451 Nikolaus von Cusa predigte, wurde 1480 in die Erweiterung des Ca-
vatenbaues mit hineingebaut. In Obersteiermark befinden sich solche Feld-
kanzeln zu Festpredigten mehrfach bei vielbesuchten Wallfahrtskirchen teils
an die Kirche gelehnt (so die zierliche, von auTsen auf 5 Stufen zu ersteigende, bei
der Annäkirche in Murau — Abb. Mitt. C.-K. , XVI, S. TiTTT — und die durch einen Gang
in der Mauer von innen zu besteigende an der Friedhofskapelle zu St. Marein im
Märzthale), teils frei auf dem Kirchplatze stehend (so die aus antiken und ro-
manischen Resten im XV. Jahrh. zusammengesetzte auf dem Kirchberge von St.
Lambrecht; Abb. das. S. XLVni).
Anmerkung 2. Die an den italienischen Ambonen und an den deutschen
Lettnern befindlichen Lesepulte werden in der Regel von einem Adler ^ mit
ausgebreiteten Flügeln (z. B. am Lettner des Domes von Halberstadt in
Bronzegufs), dem Zeichen des Evangelisten Johannes, getragen, und solche
Adlerpulte (aquilae) kommen auch als selbständige Lesepulte vor, sowohl in
Metallgufs als in Schnitzwerk ausgeführt. Aus Bronze oder Messing gegossene
Adlerpulte des XV. Jahrh. finden sich im Rheinlande im Münster zu Aachen
* Durandus 1. 4 c. 24 n. 20: Legitur etiam de more evangeUum super aqui^
lam juxta ülud Ps. 17: Et volavit 'super pennas ventorum, et aquüa ipsa seu
locus, in quo legitur^ in diehtM festtvis aliquo panno lineo vel serieo cooperitur.
302 Lesepulte.
(1,49 hoch), iD der Kirche za Erkelenz (beide^abgebildet bei aus'm Weerth,
Tat. XXXVm, 14, XXXI, 11) xmA in der FranEis-
tcanerlcirche zu Dtlsaeldorf vor; anch in West-
falen: in der Reinoldikirche za Dortmund (Abb.
Statzu-Ungewitter, Tat. 197,4—9), in der Marien-
kirche daselbst und in der Kirche zn Mari enfeld.
Der Unterbau des Pultes ist gewöhnlich aus Archi-
tekturformen mit Strebepfeilern und Strebebögen
gebildet, und der Adler hält eise Fledermaus in
den Krallen, oder es reckt sich auf den Flügeln
des Adlers zur Anfbahme des Buches noch eine
Fledermaus aus. — In St.Severin zuKOIn ist ein
Lesepult mit kupfer vergoldetem Adler auf ein-
fachem hölzernen Fufse ans dem XV. Jahrh. (Abb.
Bock, d, heil Köln, Tat. XUI, 119), ein Spätmittet-
alterliches Adlerpnlt ans Eicheoholz, aus Herrie-
den stammend, befindet sieb im Oerman. Uuseum
(Abb. Kwisthandwerk, m, 69). Dagegen ein stei-
nernes in der Gestalt eines Diakonus, der eine
zum Auflegen des Buches bestimmte Pulttafel trfigt,
ans dem XIV. Jahrb. in der Martinskirche zuHei-
ligenstadt (Abb. Hase, Maiünak. z. H. VI), aus dem
XV. Jahrh. in der Klosterkirche zn Aulbansen bei
Füi iie Adle Dit Im MOutai la Rl^ß^heim und ein Fragment eines solchen in der
AHb«D (nuh wu'm Wnith). Stiftskirche zn Fritzlar. — Zu unterscheiden sind
anter diesen Pulten diejenigen, welche zum Chor-
gestflbl gehörend, zu zweien im Chore feststanden (/ec/onVia^faftirta), und die,
welche zur Vorlesung von Evangelium und Epistel dienten und in reicheren
Kirchen wohl auch doppelt nnd festatehend zu beiden Seiten des Altars vor-
handen waren, meist aber zum Übertragen von der einen auf die andere Seite
{fectorilia gestatorid) eingerichtet waren, daher zum Teil aus Eisen zum Zu-
sammenklappen, wie die beiden, oben mit Leder tlberzogenen vom Ende des
XV. Jahrb. in der Stiftskirche zu Oberwesel. — Solche Lesepulte befanden
sich flbrigens auch in den Kapitelsälen und Refektorien der Klöster, z, B. ein
sehr schönes von Stein auf zwei Säulen, deren Schafte ineinander verschlungen
sind, mhendes aus der Zeit von 1215 — 20 im Kapitetaaale znOasegg (l,s3lioch,
0,»B breit; Abb. Graeber, 11, Fig. 297, 28S). — Bedeckt wurden alle diese Pulte
bei festlichen Gelegenheiten mit kostbaren Behängen (vorgl. DuranduB an det
S. 301, Note 1 citicrten Stelle und Bock, Lit. Gew., m, 147—153). Im Ost-
chor des Domes zu Naumburg ist das eine Singepnit mit einem schönen
Qobelinteppich mit dem Porträt nnd Wappen des Bischoiä Peter von Haugwitz
(1435— 1463) behängt. Im KlosterEbstorfeineLesepultdeeke von 0,44X0,16
mit der Einhornsjagd und den Übrigen Marientypen in bunter Seidenstickerei
ans der 2. Hälfte des XV. Jahrh.
5 1 . Die ältesten Taufbninnen {piscinae) befanden sich in besonderen
Taufhäusem (oben S. 21): es waren Bassins mit lebendigem Wasser, an
deren Stelle nach und nach die in Deutschland bereits seit dem IX. Jahr-
Taufsteine.
303
hundert vorkommenden Taufsteine {fons baptismaiis) traten, welche, vor-
schriftsmäfsig aus dichtem Stein oder aus Metall verfertigt, nachdem das
Taufrecht von den bischöflichen allmählich auf andere ausgezeichnetere,
und etwa seit dem XTTT. Jahrhundert im allgemeinen auf alle Kirchen
übergegangen war, ihren Ort in den Kirchen selbst erhielten. In den
alten Taufliäusem nahm der Taufetein, wie die ursprüngliche Piscina,
die Mitte ein, in den Kirchen wurde er am westlichen Ende, (sinnbild-
lich) beim Eintritte in die Kirche aufgestellt, und zwar oft auf der Prauen-
seite (nördlich; s. oben S. 62). Die Versetzung des Taufeteines in den
hohen Chor scheint nur in evangelischen Kirchen stattgefunden zu haben,
aus äufseren Gründen. — Die älteren Taufeteine bis ins XTTT. Jahrh.
haben nach Analogie der runden oder polygonen Tauf kapellen zum Teil
die Form einer cylindrisdien oder auch viel- meist achteckigen, häufig
nach unten etwas schräg zulaufenden Kufe. Daneben findet sich die
runde oder polygone Becken- oder Kesselform, entweder nur auf einen
schlichten Untersatz gestellt oder an Stelle dessen oder ihn umgebend
von Säulen oder von Löwen oder von menschlichen Rguren getragen.
In der gotischen Periode ist neben dieser auch die ausgebildete Pokal-
form beliebt Die Stelle, an welcher der Täufer zu stehen hat, ist häufig
durch einen Knopf, ein Köpfchen, ein kauerndes Tierchen oder dergl.
oben am Rande bezeichnet
Flg. 117. Tanf^bcin« xn Tyrni (nach 8epp).
In den Trümmern der alten Kathedrale vonTyrus hat Sepp (Meerfahrt
nach TymSy 1879, S. 259) eine sehr merkwürdige Piscina von Kreuzform
aufgegraben, in welche an zwei gegenüberliegenden Enden je 2 Stufen
hinabführen. Dieselbe ist unten mit einem Abzugsloche versehen und war
(bei 0,63 Tiefe und 1,75 Länge) wohl zur Eandertaufe bestimmt. — Ein sehr
altes Baptisterium ist wahrscheinlich auch der sogenannte wunderthätige
Brunnen von St. Afra bei Hirzbach, Kr. Altkirch, im Ober-Elsafs (Kraus,
n, 162); man steigt in der viereckigen Einfassung drei Stufen zu der kreis-
runden Öffnung des Brunnens hinab, den zur Rechten und zur Linken Sitz-
bänke umgeben. — Die älteste Spur eines Tauf Steines in Deutschland
giebt die Federzeichnung (No. 13) in dem berühmten, noch vor 814 ge-
304 Taufritus.
schriebenen Wessobrunner Codex in der Hofbibliothek zn München (Cim.
2205): die Taufe eines Juden durch den Bischof von Jerusalem.^ Der Täuf-
ling steht völlig unbekleidet bis an den Gürtel in einem mit Wasser gefüllten
cylindrischen Gefäfse^ welches unten, in der Mitte und oben mit einem
schlichten Bande verziert ist; der Täufer, zur Linken neben dem Taufge-
fäfse, berührt den Kopf des Juden mit der hohlen rechten Hand, anschei-
nend, um ihn in dieser Weise mit Wasser zu übergiefsen ; auf der anderen
Seite steht ein Kleriker mit einem Tuche.^ — Dafs schon damals in den Kirchen
» Abbild, bei Sighart. I, 50.
• Diesen Taufritus »non mergendo, verum desuper fundendo* erklärt in der ersten
Hälfte des EX. Jahrb. Walafr. Strabo, de rebus eccl. c. 26 (bei Augusti, Denk-
würdigk. VH, 234) bei Erwachsenen als zuläCsig, »quum provectiorum grandüas cor"
porum in minaribus vtms hominem tingi non patitur.* Ähnlich wird man sich das
V erfahren zu denken haben bei den späteren Massentaufen unter den slavischen Völker-
schaften. Als im J. 1124 in Pyritz in wenigen Tagen 7000 Pommern ^tauft wurden,
grub man groüse Fässer mit Wasser in die £rde und umgab sie mit emem Vorhänge,
Sinter welcnem die Taufe vollzogen wurde (Neander, A., Kirchengesch. V, lOV Gimz
wie im Wessobrunner Codex ist die Erteilung dieses Sakraments auch in aen ver-
schiedenen Taufscenen auf dem Taufkessel von 1112 in der Bartholomäikirche zu Lüt-
tich dargestellt: die Täuflinge stehen in stilisierten Fässern, mit geneigtem Haupte den
Se^n des Täufers enipfangend (Abbild, bei Didron, Annales. V, 21). Auf einem Tanf-
steme aus dem Xu. Jahrh. in aer Schloüskirche zuFont-ä-Mousson bei Nancy em*
pfanffen zwei halberwachsene Täuflinge, zusammen in einem Fasse stehend, die Taufe
durcn einen Bischof (Abbild, bei de Caumont, Abecedaire 4. ed. I, 252). Auf der
von Kaiser Friedrich Barbarossa seinem Paten Propst Otto von Kappenberg geschenk-
ten Patenschüssel zu Weimar (Abb. bei Dümge u. Grotefend, Arch. d. Öesellsch.
f. ältere deut. Gesch.-K. m (1821) zu S. 454—468) steht der nackte Täufling (Fried-
rich) mit dem Unterkörper in einem von drei Bändern umzogenen, oben und unten
etwas ausladenden Taufbecken, die Hände vor den Leib gelegt, den Scheitel mit einem
Tuche bedeckt. Zu seiner Linken steht, von einem Diakon begleitet, ein Bischof, der
mit seiner Linken einen Arm des Täuflings falst, die Rechte aber auf dessen Scheitel
hält, wie um ihn unterzutauchen. Auf der andren Seite greift der Pate Otto mit der
linken Hand auf die Schulter des Täuflings als wollte er ihn mit untertauchen, mit
der rechten aber dessen linken Arm um ihn schnell wieder emporziehen zu können
(vergl. Nord hoff, J. B. in Pick, Monatschr. IV, 351 f.). Selbst noch auf einem die
Tarne des heil. Moritz darstellenden Gemälde aus dem XV. Jahrh. (an der Kückwand
des zopfigen Altarbaues) in der Nikolaikirche zu Jüterbog steht der Täufling in einem
tiefen Tauf kessel. — Anders natürlich verhielt es sich mit der Kindertaufe : auf einer
Wandmalerei aus der zweiten Hälfte des XV. Jidirh. in der Kirche zuSt. Johannbei
Neunkirchen in Niederösterreich (Abb. in den Mitt. C.-K. V, 326) hält der Täufer das
nackte Kindlein mit beiden Händen am Hinterteil, und der gegenüber stehende Pate
hat den linken Arm des Kindes ebenfalls mit beiden Händen erg^en und hilft es aus
der Taufe heben. — Auf dem Altargemälde der Stadtkirche zu Wittenberg aus dem
XVI. Jahrh. unteifiEi&t der Täufer den Leib des nackten Kindes mit der linxen Hand
(»tenens puerum una manu discrete^ — Stat. synod. Leod. a. 1287 c. 2; bei Augusti,
a. a. 0., 234) und giefst mit der rechten das in den Taufstein abflielsende Wasser
darüber. — Auf einem Teppiche zu Marienberg bei Helmstedt aus dem Ende des XL
Jahrh, (von Münchhausen, Taf. 9) steht die Patin mit ausgebreitetem Tuche daneben
um dem Täufer das Kind abzunehmen. — Auf dem Bilde der Taufe MaximiliaziS im
Weifskunig hält der eine Pate das Kind, dem Kopf und Fü&e herabhängen, mit der
rechten Huid unter dem Bauche, mit der linken an den Hinterbeinen über dem Becken,
während der andre Pate nur die Hand auflegt. — Auch durch schriftliche Zeuenisse
ist erlesen, dals das ganze Mittelalter hindurch in verschiedenen Gegenden der Tauf-
ritus ein verschiedener war. Die Kinder ganz nackt zu taufen verbot eine Synode zu
St. Omer 1583, ebenso das Strafsburger ätuale aus Bücksichten des Anstandes und
der Gesundheitspflege. Vergl. Augusti, a. a. 0., 226.
Taufsteine. 305
(selbst der Klöster) Taufsteine vorhanden waren, wird durch den Baurifs
von St. Gallen vom J. 820 erwiesen, wo am Westende des Mittelschiffes
vor einem Altare der beiden Johannes in einem umschränkten Baume ein
runder T^Fons< eingezeichnet ist. In der Taufkapelle zu Brixen (s. oben
S. 22) steht der weite und tiefe Taufstein aus rötlichem Marmor in der Mitte
des Schiffes. — Der Taufstein in Grofs- Martin zu Köln, ^ ein achteckiges
Prisma aus Marmor von vier langen und vier kurzen Seiten und an den-
selben mit einzelnen Blumen geschmückt, gilt traditionell fQr ein Geschenk
P. Leo's lU. aus dem J. 803 und wäre demnach das älteste in Deutschland
vorhandene Exemplar: er wird übrigens fOr eine antik römische Marmor-
wanne gehalten. Die sonst bekannten älteren Taufsteine reichen höchstens
bis ins XI. Jahrh. hinauf. — Die älteste kirchliche Vorschrift über die Tauf-
steine gab (nach Augusti, a. a. 0., Xu, 77) die Synode zu Lerida vom J. 500:
^Omnis presbyter^ qui foniem lapideum habere neqmveriij vas conveniens ad
hoc sobwimodobaptizandi officium habeat, quod extra ecclesiam deporteiur^y
was von den Canon. Reginonis a. 899, und in den Synod. ad presb. des
Ratherius von Verona im XI. Jahrh. wiederholt wurde. ^ Die von späteren
Statuten geforderten verschliefsbaren Deckel (opercula)* auf den Tauf-
steinen, welche in gotischer Zeit zuweilen die Form hoher Tabernakel an-
nehmen, lassen sich namentlich an den Erzkufen schon seit Anfang des
XII. Jahrh. (Taufkessel der Bartholomäikirche zu Lüttich von 1112) nach-
weisen; die tabemakelförmigen wurden mittelst eines Taues oder einer Kette
am Gewölbe der Decke oder an einem besonderen, manchmal reich ge-
schmückten Krahne aufgehängt. Die von dem römischen Rituale vorge-
schriebene Umgitterung (canceUi, vergl. Jakob, 242) ist aber anscheinend
erst seit dem XVI. Jahrh. (z. B. beim Taufkessel der Marienkirche zu Salz -
wedel von 1522) Brauch geworden. Im Münster zu Ulm erhebt sich über
dem Taufstein nebst Deckel ein ciborienartiger Aufbau auf 3 (der heil. Drei-
einigkeit entsprechenden) Säulen ruhend, der wohl Reminiscenz an die ehe-
maligen Taufkapellen ist. — Eine Vorrichtung zur Erwärmung des Tauf-
wassers ist bestimmt nur nachgewiesen unter der becherförmigen gotischen
Erztaufe zu Nürnberg in der Sebalduskirche,^ vielfach dagegen eine Röh-
renleitung im Innern zum Abflüsse des ausgegossenen Taufwassers. — Von
der westlichen Stellung des Taufsteins kommen auch in katholischen Kir-
chen Ausnahmen vor, er steht z.B. im Dome zuLimburg aL. im südlichen
Kreuzarme, in der Marienkirche zu Reutlingen noch an seiner ursprüng-
lichen Stelle am südlichen Eingange, hat dagegen in vielen jetzt evange-
lischen Kirchen (z.B. in den Domen zu Magdeburg und Halberstadt, in
der Andreas-, Martini- und Petrikirche zu Braunschweig, in der Petri-
Paulikirche zu Görlitz am Westende des nördlichsten Seitenschiffes etc.)
^ Abb. Boisseree, Denkmäler etc. Taf. 23 A.
* Hartzheim. H, 440 u. m, 7 bei Jakob, 241.
' Jakob, 242.
* Vergl. Bergau, R, in der Wartburg. VI, 47 ff., m. Abb. — Der offene Delphin-
rachen, auf dem das von 1218 stammende Becken zu Aldekerk bei Qeldem (Abb.
aus'mWeerth. XXn, 3) ruht, ist erst in neuerer Zeit darunter gesetzt. Steinbecken
konnten auch füglich auf diese Art nicht hinreichend erwärmt werden.
Otte, Kaut-ArohKologle. 5. Anfl. 20
306 Taufsteine.
seine orsprüngliche Stelle behauptet, und die Verpflanzung in den Chor
scheint wohl kaum aus dogmatischen Gründen, sondern überhaupt nur darum
stattgefunden zu haben, weil man den Raum im Schiffe zur Vermehrung der
Gestühle benutzen wollte, und die Nähe der Sakristei empfehlenswert war.
Bei der in kleinen Kirchen hinderlichen Gröfse vieler alten Taufsteine (bis
1,60 Durchmesser) und der Rohheit ihrer äufseren Erscheinung wurden die-
selben, infolge der in der Zopfzeit überhandnehmenden Sitte der Haustaufen
als unbrauchbar, oft in den Winkel gestellt, oder als Ständer ftlr Kanzeln
verwandt wie in Pferdsdorf bei Vacha, oder aus den Kirchen entfernt, auf
den Kirchhof geworfen, oder in den Pfarrhdfen und in Privatgärten als Brun-
nentröge oder Blumentöpfe nützlich gemacht, wie in manchen Gegenden
(z. B« in Pommern, Sachsen, Hessen etc.) noch viele sich in diesem profanen
Gebrauche befinden. Eine eigentümliche Restauration erlitt im J. 1665
der achteckige pokalfftrmige Taufstein im Dome zu Merseburg dadurch,
dafs die ursprünglichen gotischen Ornamente abgehauen und dafür Wappen-
schilde angebracht wurden. — Abgesehen von einzelnen völlig schlichten
Exemplaren besteht die Verzierung der Taufsteine entweder nur aus Orna-
menten, wobei vegetabilische seltener vorkommen, als architektonische (in
romanischer Zeit der Rundbogenfries, in gotischer Mafswerk), oder unter
Bogenstellungen aus figürlichen Reliefs, die entweder einzelne Gestalten
(Apostel, Propheten etc.) darstellen, oder Scenen aus dem Leben Jesu, be-
sonders auch die Taufe durch Johannes; den Kreuzestod und die Aufer-
stehung des Herrn, wohl mit Rücksicht auf die paulinische Symbolik Rom. 6, 3.
In früherer romanischer Zeit kommen die vier Paradiesesflüsse in mensch-
licher Personifikation am Fufse der Taufsteine zuweUen vor (an dem alten
Taufsteine in der Vorhalle des Domes zu Merseburg, an dem Taufkessel
in der Martinskirche zu Halberstadt), und es scheint, als ob die häufig
an Taufsteinen in der Vierzahl angebrachten Menschenköpfe auf diese Flufs-
götter gedeutet werden können, deren Stelle anderweitig die vier Evange-
listen einnehmen (z. B. an dem Taufkessel in St. Sebald in Nürnberg aus
dem XV. Jahrhundert). Löwen* als Träger der Taufsteine waren schon seit
dem Xn. Jahrb. beliebt und erscheinen bereits als Reliefs an dem unteren
Teile des Taufsteines zuFreckenhorst in Westfalen, welcher der Inschrift
zufolge vermutlich aus der Zeit um 1129 herrührt.^ Seltener kommen Drachen
vor (an einem Granittaufsteine in der Kirche zuGraudenz), und Schweine
(an dem bereits erwähnten zuAldekerk); Löwen und Drachen zusanmien
in der Katharinenkirche zu Brandenburg, und eine ganze Anzahl unreiner
. Tiere am Sandsteinbecken im dortigen Dome, sämtlich wohl als Bilder der
durch die Taufe ausgetriebenen Sünden und bösen Geister. Als solche mögen
auch die fratzenhaften Gestalten mit äufserst verzerrten Gesichtern und ver-
renkten Stellungen an dem Becken im Dome zu L i m b u r g a. L. anzusehen sein.
Bei der Überschau über die noch zahlreich erhaltenen mittelalterlichen
Taufsteine ergeben sich, namentlich in romanischer Zeit, bestimmte provin-
* Vergl. Hardung;, Vict., Symbolik der Löwen am Bronze-Taufbecken im Dome
zu Münster, im Org. l ehr. K. 1S6S, No. 6.
» Vergl. Org. f. ehr. K. 1870, No. 21, m. 2 Abb., auch Dorow, Denkm. deutsch.
Sprache u. Kunst I, 1823, Taf. L
BomuÜBohe Tanfsteine am Rhein. 3Q7
zielte Besonderheiten, die zum Teil im Zusammenhang stehen mit dem ge-
wählten Material. ImRheinlande zeigen zwar die romanischen Tau&teine
in der Stiftakirche znWetzlar, in der
Kirche zuSchwarzrheindorf nnd in
St. Georg zu Köln* einfach cylindri-
sche Form (eratere nach nnten etwas
verjQngt nnd oben mit Rnndbogenfries,
letzterer mit 12 durch RnndbOgen vor-
handenen Halhgäulen); doch sind von
einemMittelständer getragene und ringe
mit Säulen etc. umstellte halbkugelige
Becken im XII.— XIII. Jahrb. die Regel.
Am Niederrhein erscheint dieser Grund-
typufl in auffälliger Rohheit, und statt Fig.üa. 'üäi
der Säulen kommen oft nur einfach cy- (»"'' »•'«•'räj"'
lindrische StOtzen vor. Das Uaterial
ist fast durchgängig der schwarze Marmor von Namur, und die UnbeholCan-
heit der Arbeit darf nicht verleiten, diesen (dnrcbachnittlicb gegen l,oo hoben
und ebenso weiten) Tanfsteinen
ein Aber das XII. Jahrb. hinaus-
gehendes Alter zuzuschreiben, da
dem einzelne Details entgegen-
stehen; wir nennen die Taufeteine
der Kirchen znWarheyen, Zyf-
f]ich,Qna)bnrg,(Fnr8 später?),
Eollegiatkirche zu Wisset, Kir-
chen zu Hönnepel,S tra eleu und
KempenCFufsspäter).* Ähnliche
rohe Tanfsteine findet man noch
inLeiikam,VeenundMenEelen
beiXanten,znNieukerkundmKl.
Hamborn, zn Gladbach (Abb. FI^. It». TlnfHelD m ZylÜmb (n«ti ■m'm Wserlh).
Bock, Eh. Baudonkm, I, 1; Fig. 11),
Kapellen, Gräfrath nnd SUchtelen, angeblich zu Hinabeck, Heron-
gen, Linnich, Koslar, Euskirchen etc. Auch der Taufatein in der
Kirche zu ZUlpich (zwölfeckig mit ebenfalls zwölfseitigem, zierliobat durch-
brochenen gotischen Holzdeckel; Abb. Org. f. ehr. K., 1869, No. 3) gehört zu dieser
Gattung, ebenso der zu Wittlar (anB'm Weerth, Taf. XXIX, S), jedoch von
späterem Gepräge. — Der Tanfstein in der Tanfkapetle des Münsters zn
Aachen (Abb. dos. Taf. XXXn, 19) zeigt bei gleichem Material eine reichere
' Abb. bei Boisaereo, a. a. 0-, Taf. XXin, B n. C.
' Sämtlich abgebild. bei aus'm Weerth. Taf. VI, 1. VI, 6. X, 5. 7. 10. XXII, 1.
XXm, 40. — Vergl. auch EagUng, Jok, die filt«stcn Taufsteine im apoBtolischeD
Yikariat Luxemburg, in den Publications de 1a Socictc poor In recherche des monu-
ments historiquea ä Luxembourg. Annee 1858 et 59. — Ganz identische, offenbar ans
denselben Fabriken herrührende Taufct^ine kommen .weit nach Frankreich hinein, z. B.
in der Gegend von BheimB vor.
20*
308 Tauffiteine am Khein.
nnd spätere fintwickelnng; der Fnfs ist gotisch. — r- Der Taa&tein im Dome
zn Limburg a. d.Lahn ist achteckig and wird, wieder zn Aachen, von acht
Säulen getragen (Abb. Moller, Denkmäler, II, Taf. XXVn (EX); Bock, Rh. Baud.,
n, 7, Fig. 7). Diesem sehr ähnlich der spätromanische zu Niederlahnstein
und nur mit vier Säulen die zu Mflnstermaifeld und Neunkirchen bei
Hachenburg. Ähnliche aus späterer Zeit auch zu Landau (von 1506) und
Burweiler in der Rheinpfalz. — Mit sechs Säulen sind umstellt die Becken in
den Pfarrkirchen zu Andernach (Bock, Mon. Rheinl., lief.IY, Taf. 6), Adenau,
Altstadt bei Hachenburg, Äugst bei Montabaur, Leuscheid im Sieg-
kreise, Moselweifs, ünkel (Boisseree, Denkm., Taf. XXIV), in der Stifts-
kirche zu Karden, in der Klosterkirche zu Sayn (aus'm Weerth, Taf. L, 5;
hier sind die Säulen modern) und zu Seck bei Hachenburg. — Im Elsafs
und am Oberrhein werden romanische Taufbecken erwähnt, in Kufenform
zu Bischofsheim a. Berg und Gebolsheim, runde Becken zu £gisheim,
Kr. Kolmar, Meistratzheim (jetzt Brunnentrog), Neuweiler in der
Peter -Paulskirche, Steige, Kr. Schlettstadt und Zell weil er, Kr. Erstein
(jetzt im Pfarrgarten), ein achteckiges zuGildweiler, Kr. Altkirch und ein
neunseitiges zu Hagenau in der Nikolaikirche. Zu St. Ulrich im Breisgau
liegt im Pfarrgarten ein reich geschmücktes kreisrundes Becken von 1,25
I{öhe und 2,50 Durchmesser, der Sage nach ein dem dortigen heil. Ulrich
' (Prior von Zell) vom Teufel zu einem Brunnen gelieferter Block, zweifellos
ein alter Taufstein aus dem XI. Jahrh. ^ — Aus spätgotischer Zeit nennen
wir die Seckige Granittaufe in St. Gereon zu Köln (Bock, Rheinl. Baudenkm.,
n, 3, Fig. 1); die nach Typus und Darstellung einander völlig gleichenden
Seckigen Sandsteintaufen zu Dornick, Ginderich und Httsberden
(aus'm Weerth, Taf. IV, 8; XXI, 7, 7a, VI, 4, 4a), femer die ebenfalls meist
achteckigen, zum grofsen Teile unten am Fufse von Löwen umgebenen Taufen
in den Kirchen zu St. Arnual (Schmidt, Ch. W., Denkm. in Trier, HI, Taf. 6),
Bingen, Eibingen (sechseckig, am Fufse drei sitzende Löwen in RelieOy
Eltville (von 1517), Hermannstein bei Wetzlar (Fufs fehlt), Hochheim
(Dominikanerinnen), Höchst (St. Justin; Abb. Moller (Gladbach), a. a. 0.,
m, Taf. 9), Kiederich (Fragment), Kronberg (im Pfarrgarten), Laufen s-
felden, Lorch (von 1464), Mittelheim (Augustinerkirche), Sausen-
heim (vergl. Chr. K.-B1., 1870, 174 f.), Wanderath, Weilbach, Welmich,
Winkel und im Dome zu Worms; endlich im Elsafs: zu Hagenau in der
Nikolaikirche, zuHochfelden (1455), Ingweiler (vonH. R.), Kaysers-
berg (zwei spätgotische, der eine mit Tieren am Fufse), Kestenholz
(1501 von Philipp Zoller), Mutzig (aus dem ^in. Jahrh; Abb. Kraus, 1, 168)
und Zabern (im Museum, von 1475), und besonders im Mflnster zu Srafs-
bürg (1455 von Jost Dotzinger; Abb. Ramee, meubles, Taf. 36).
Bei den Taufsteinen in Westfalen^ herrscht als Material der Sand-
stein, und in der romanischen Periode ganz allgemein die Form eines oft
nach unten mehr oder minder verjüngten niedrigen Gylinders, der gewöhn-
lich nur mit einem Laubfries, selten mit Reliefs geschmückt ist. Die Arbeit
ist häufig roh. Blofs mit Friesen verziert sind die Taufen zuRhynern,
» VergL Freiburger Di Öcesan- Archiv. XIV, 197 ff.
» > Lübke, Westfalen, 372—376.
1 West&len. 309
Albersloh, Asbeck, Herzlage, AmtHa8e]anne(lbb, Uithofr, VI, Taf. 5),
Lttdinghaasen, Ibnrg, Kemnade (Abb. Zeitsch. f. Bauw,, 1BS2, Taf. 90),
Ramedorf nad in der Jakobikircbe zu Koesfeld; mit Reliefs: die beiden
einander gleichen Tan&teine zu Apierbeck and in der kathol. Kirche
zn Bochnm. Mehrfach findet eich die Fliehe des Cylinders mit angeblen-
deten Sänlenark ade n belebt, wie znRhede, Diestedde und Wallenhorst
(Abb. Mitt Baud. Niedere, I. BL T) bei OsnabrOck und mit figflrlichen Reliefs
unter den Arkaden zu Waltrop, Brenken, Boke, Neaae (Abb. Mithoffi
TU, l&o), Osterkappeln, (das. IT, 139) nnd an dem aus Marmor vonSteiu-
heim verfertigten Taufstein zu Elsen. Der Taufstein zu Lippoldgberg
ist kreisrund mit sechs Tflrmchen besetzt, in denen Figuren stehen, da-
zwischen Reliefs, stark verwittert; der zn Beckum ist achteckig and mit
Reliefs geschmückt. Künstlerisch aosgezüchnet , anch dnrch seine voll-
endeten Reliefs, ist der Taufstein zu Brechten (Abb. Uitt Brad. Nieder«., I,
BL 16, 10) bei Dortmund mit gpüzbogigen gotisierenden Arkaden. Häufig
erscheinen, wie zu Freckenborst (s. oben S. 306) am Fufse der Tauf-
steine Löwengestalten ; als eigentliche Trftger zuerst in Metelen. £dle
TerhflltnisBe und geschmackvolle Einfachheit zeigt bei aller Robheit der
Technik derauf drei POfBen ruhende runde Taufstein zn Recke (Abb. Zeitsch.
f. eh. A. u. E., I, 26S) im Kr. Tecklenburg, SpStromaniscbe Formen zeigt
der Taufstein zu Flechtorf bei Korbach. Dem zu Recke tlberans ahnlich,
nur auf vier Löwen nm einen
müden Stander ruhend, ist der ^
Taufstein znNordfaer ringen, j
Kr. Hamm (Abb, Nordbotf, 54, |
Fig. 43 — siehe den Holzschnitt I
Fig.120). Diesem fast identische j
finden sich mehrfach im Osna- j
brückischen und bis nach Ost- !
friesland hinein, so zuAnkum ^
nndBadbergen, Amt Bersen- I
brück, zu Thnine, Amt Freren j
(Abb. Mitthoff, TI, Taf. 5), zu j
Salzbergen, Amt langen und j
zu Marienhafe (AbbUd. das. '•
VII,410),Aurich-Oldendorf,
Qrofs-Borfsum, Hage, Hat-
zum nnd Wiebelsum; wah-
rend der zu Dorum im Lande Wursten (Abb. das. T, Taf. 6) zn der Gat-
tung der niederrheinischen mit Käpfen an den Ecken gehört, und der im
Dome zu Verden (das. T, Taf. 8) als Fufs eine von vier Dreiviertelsftnlen
umstellte knrze Säule hat wie Fig. 119. — Die gotischen Taufateine haben
meist nur ein Mafswerkuetz und gehören, etwa mit Ausnahme der wohl aus
demXIT.Jahrh. stunmenden zu Osten fei de und Watersloh spätgotischer
Zeit an: in St. Paul, 8t. Peter, St. Thomas und Maria zur Wiese zu Soest,
in der Petrikirche zn Dortmund, in der Kirche zu Benninghausen, in
der Stiftskirche St. Maria vor Herford, in St, Ludgeri zu Münster und in
der Kirche zuAschcherg. Mit Bildwerk verziert sind die Tanfeteine in
Fl(. in. TufiWlB iD Mordbeningen (nach Kotdbofr).
WQ Taufeteine in Hessen.
derJohaDoiakirche zn Billerbeck 1497, die dem XVI. Jahfh. enteUmmen-
den, iD Form und BildachmDck einuider nahe verwandten in den Eirohea
ev Nieheim nad WiedenbrQck, sowie in der MOneterkirche in Herford
nnd in der Katharinenkirclie in Osnabrück: alle diese mit biblischen
Scenen, der Taufstein tu Lünen mit paarweise angeordneten Einzelfignren.
Der spfttgotieche Tanfstein in der Bustorfkirche in
Paderborn, ein achtseitiges Prisma mit Figuren
unter geschweiften BOgen, ist mit einem hohen in
Holz geachnitEten Deckel versehen (Abb. Statz u. üd-
gewitter, Taf. 185,7,8; vergl. Lotz, Topographie, I, 496).
Wir geben hier die Abbildung eines apktgotiachen
achteckigen mit vier gewundenen Sflnlen am Fnfse
aaa der Kirche zu Unna (Nordhoft, Er. Hamm, 109,
Fig. 97).
InHeasen' sind die Tanfeteine häufig ans Basal t-
m(. in. TaifiMin iB Dnnft blOcken gehauen Und haben in romanischer Zeit oft die
(n»ch MonihDio. Fonu oinoB niedrigen Zubers (d. i. eines stark verjtlng-
ten Cylinders), oben mit einem Hufeisenbogenfries und
abwechselnd auf ein den unteren Band umziehendea Band hinablanfenden
Liaenen, als einfachem Schmnck: in Oiefsen und den nahe gelegenen Ort-
schaften Groraenlinden (Abb. Klein, J. V,, die Kirche zu Gr.-L., Taf. I, Z),
Eencbelheim, EirchgSns, Lieh, Niederweidbach — meist aus den
Kirchen entfernt. Der Tanfsteiu zu Eleinkarben dagegen hat rein cy-
lindrische Fonn, der auf dem Kirchhofe znEckelshausen ist unten bauchig,
und der halbzerstörte zn Breuna ist mit Laubwerk verziert. DerTaufetein
zu Biedenkopf mit seinem ehemals mit sechs Sänichen umstellten halb-
kugeligen Becken erinnert an rheinländische Formen. Der von drei Ldwen
getragene achteckige Taufstein in der Liebü-auenkirche zu Friedberg (wo
sich mehrere alte Taufsteine in Privatgärten finden) stammt ans der Über-
gangsperiode. Der Taufstein in Altenstadt (unweit der Kirche) ist fiufser-
lich oval und innen achteckig (Abb. bei Dieffonbach, a. a. 0. , Fig. 16). —
Anfaer dem frUhgotiachen Taufsteine (mit sechs auf Löwen ruhenden 3äulen,
deren KnospenkapitAle sich am Rande des halbkugeligen Beckens als Friea
fortsetzen) in der Stiftskirche zu Wetter (Abb. Statz u. TJngewitter, Taf. 109,
1—3) und dem zwölfeckigen edelgotiscben in der Klosterkirche zn Hersfeld,
dem jedoch der Fnfs fehlt, sind als eigentamliche Erzeugnisse aus gotischer
Zeit anzufllhren die Basalttaufen in den Pfarrkirchen zu Ufluzenberg
(Dieffenbach, Fig. 5) und Niederweisel, sowie auf dem Pfarrhofe zn
Petterwell in Qeatalt eines achtseitigen, nach unten verjüngten Prismas
mit niedrigem Sockel. Verwandte Bildung zeigt der ebenfalls aus Basalt
verfertigte, oben secbzebneckige, nach nnten pyramidale Taufstein zu Bfl-
desheim (das. Fig. 14). Ans spä^otischer Zeit stammen die meist mitUafs'
werk verziertenachteckigenTanfeteine zu Billertshausen (1488), Braach
(1Ö15), Breithart (1519), Eitershagen, Felds, Florshain (15U bis
Tau&teine in Schwaben und Bayern. ßj*]^
1520), Fürstenhagen, Gleichen, Grofs-Seelheim, Hartenrod;
Kirchhain, Meiches (Totenkirche, von 1501), Neustadt bei Marburg,
Ober-Kauffnngen, Ober-Ursel, Qnentel, Rosenthal, Salzschlirf,
Schlierbach bei Fritzlar, Schlitz (1467) und Zennern — die sechs-
eckigen zu Frankenbach (1500) und Gertenbach, der zehneckige zu
Niederkauffungen, die zwölfeckigen zu Asbach, Naunheim und Nie-
derwildungen und die runden Becken zu Asmushansen, Böttiger,
Hofgeismar und auf dem neuen Friedhofe zu Kassel — ein grofser Teil
von diesen nur noch fragmentarisch, zu KanzelfÜiBeu verwandt oder aulser-
halb der Kirchen profaniert.
Aus dem südlichen Deutschland fehlt es an speciellen und übersicht-
lichen Vorarbeiten. Wir nennen in Schwaben romanische Taufsteine meist
in Kufenform: zu Bissingen, O.-A. Kirchheim, Blaubeuren in der Stadt-
kirche (sehr grofs), Brenz (über 1,00 hoch), Effringen, O.-A. Nagold,
Göppingen in der Oberhofenkirche, Faurndau (Abb. Chr. K.-B1., 1870, 25),
Freudenstadt (ans Alpirsbach stammend , mit grotesken Skulpturen ; Abb. Heide-
loff, Ornamentik, XIV, Taf. 1), Frickenhausen, Kentheim, O.-A. Calw,
Metzingen, Oberstenfeld, Plochingen, O.-A. Efslingen, Rottweil in
der St. Pelagiuskirche (rechteckig mit uraltem Zickzackornament) und
Walddorf, O.-A. Tübingen; gotische sechseckige: zu Bietigheim und
Bönnigheim — achteckige: zu Adelberg, O.-A. Schorndorf , Aidlingen,
O.-A. Böblingen (von 1471), Arnegg (1482, Abb. Ver. f. K. u. Altert zu Ulm,
No. 9, 10), Beutelsbach, O.-A. Schorndorf, Dettingen, O.-A. Kirch-
heim, Ehingen a.D. in der Stadtkirche (1515), Erdmannhausen (1494),
Efslingen in der Dionysiuskirche (von Lorenz Lechler? Abb. Heideloff,
Schwaben, Taf. 15), Heiningen, O.-A. Göppingen, Hessigheim, O.-A.
Besigheim, Hürbelsbach, O.-A. Geislingen, Kusterdingen, O.-A. Tü-
bingen (1521), Langenau, O.-A. Ulm (von Matth. Böblinger), Magstatt,
Neuenstatt a. Kocher (1499), Ober-Digisheim, O.-A. Balingen (mit
merkwürdigen hockenden Untieren am Fufse), Ochsenburg, O.-A. Bracken-
heim (1478), Pfeffingen, O.-A. Balingen (1510), Reutlingen in der
Marienkirche (Heideloff, Ornamentik, HE, 7) Rothenburg, O.-A. Obem-
dorf (1487), Röttingen, O.-A. Neresheim, Schemmerberg, O.-A. Bibe-
rach, Schwaigern, O.-A. Brackenheim (1515), Tübingen in der Stifts-
kirche (1495), Ulm im Münster (Abb. Ramee, meubles, Taf. 42; Ulmer Mün-
sterblätter, I, 76, 77), Urach in der Amandikirche (1518 von Cairistoph Stato-
varius; Abb. Heideloff, Ornamentik, VH, 7), Wangen, O.-A. Kannstatt (1491
bis 1495 von Stefan Waid), Würtingen, O.-A. Urach (1534, 13. Mai)
— einen dreizehneckigen mit Christus und den 12 Aposteln zu Markgrö-
ningen. — In Bayern: die romanischen Taufsteine zu Regensburg in
der Alten Kapelle (in runder Fokalform mit 14 Sänlenarkaden, in denen Spuren
von gemalten Figuren; Abb. Grf. v. Walderdorff, Regensburg, 109) und in einem
Garten an der Strafse nach Abbach (fast ganz übereinstimmend, jetzt als Blumen-
korb dienend; Abb. Mitt. C.-K., XVI, S. CLXIV, Fig. 20), in der Prämonstratenaer-
kirche zu Windberg (Kalkstein; auf vier Löwenköpfen ruhend, mit den
Apostelbildern in den Blendarkaden), in der Stiftskirche zu Altötting
(Abb. Sighart, 1S5), in der Marienkirche zu Ghammünster, im Münster zu
Biburg, in den Kirchen zu Bubach und Altenstadt in der Oberpfalz, in
312 Taufsteine in Österreich, Thüringen und Sachsen.
der Michaeliskirche zu Altenstadt bei Schongau, oben in Vierparsform,
mit rohem Bildwerk (Abb. Heideloff, Ornamentik, XX, Taf. 1), ferner in der
Pfarrkirche zu Landsberg, zu Markt-Erlbach^ zu Neustadt a. Main
(in den Arkadenblenden Christus und die Apostel) und Parkstetten.
Gotische zu Aschaffenburg, Dinkelsbühl in St. Georgen, Donau-
wörth, Eggenfelden, Ekkarts, Fischen, Geisenhausen (1488),
Griesbach, Isen (1520), Lohr, Memmhölz, Missen, Nabburg
(1409), Parsberg, Passau im Dome (von Marmor, 1478), Regensburg
in St. Rupert, Sonthofen, Sulzbach, Trostberg, St. Zeno bei Reichen-
hall (1516). — In Österreich scheinen überhaupt nur wenige mittelalter-
liche vorhanden zu sein : ein romanischer viereckiger Trog ohne Fufs zu
Friesach in Kärnthen (östr. Atl., XCV, 8) und die spätromanischen zu
Botzen (jetzt Bninnenschale; Abb. Mitt. C.-K,, XIX, 111), im Stifte Griffen
in Kärnthen (achteckig, Östr. Atl., LXIV, 9), zu Salingstadt und zu Schwei-
gers (Östr. Atl., XCV, 5); gotische: kelchförmig zu Freistadt in der Frauen-
kirche (1478) — achteckige zu Lichtenwörth bei Wiener-Neustadt (1476),
Mittelberg in Vorarlberg (1495, Abb. Mitt. C.-K. N. F., V, S. CVH), Schwaz
(1475) und Villach (Östr. Atl., LXIV, 5) — ein zehneckiger pokalförmiger
zu Wiener-Neustadt in der Liebfrauenkirche (1472) — der vierzehn-
seitige, sehr reiche in St. Stephan zu Wien (1481 von Meister Heinrich; Abb.
Östr. Atl., LXIV, 8) und der runde zu Mariagail (Abb. Mitt. C.-K. XIX, 39,
Fig. 9). In Böhmen finden sich eigentlich nur in dem deutschen Gebiete
einfache achteckige^ steinerne zu Bilin, Eger, Hohenfurt, Politz (Abb.
Grueber, IV, 131), Schlackenwerth (das. 132) und Unter-Haid. Ein
durch seltsame rohe Reliefe und seine Inschrift merkwürdiger von 1440 be-
findet sich in der abgelegenen Kirche zuElbigenalp im oberen Lechthale
(vergl. Jenny in den Mitt. C.-K. N. F., Vm, S. LVIH m. 2 Abb.
In Thüringen und Sachsen sind mehrere interessante romanische
Taufsteine nachgewiesen: in der Kirche zu Gernrode (aus Kloster Aisleben
a. d. S., später eine Zeit lang im Besitz des Thüring.- Sachs. Vereins in Halle, dann
in Zerbst; ein 0,$s tief ausgehöhltes achteckiges Prisma mit biblischen Beliefis von
änfserster Rohheit; nur 0,71 hoch bei 1,86 Durchmesser; Abb. N. Mitt Th.-S. V.,
Vin, 2, Taf. n zu S. 125; der jetzige Untersatz ist modern), in der Vorhalle des
Doms zu Merseburg (aus der dortigen Neumarktskirche; ebenfalls achteckig pris-
matisch, bei 1,41 Höhe bis auf etwa 0,47 tief halbkugelig ausgehöhlt, mit den Re-
liefs der Propheten und Apostel und dem Donator unter Säulenarkaden; Abb. Putt-
rich, n, 8er. Merseb., Taf. 4 u. 10), zu Halle a. S. (im Besitz des Thüring.
Sachs. Vereins im Hofe der Residenz aus der Kirche zu Trotha; ebenfalls
prismatisch, aber nur klein und ohne Fuss; mit den Bildern der Apostel), in
der Kirche zu Flötz bei Barby (cylindrisch, 1,26 Durchmesser) , zu Gro-
ningen bei Halberstadt (gleichfalls rund), in der Kirche zuNikolausberg
bei Göttingen (cylindrisch, roh und schmucklos), ein achteckiger kufen-
förmiger mit eingelassenen Ecksäulen , dessen Sockel aber fehlt, liegt im
Klostergarten zu Ilefeld, und ein sehr urtümlicher von 1,06 Höhe bei 1,00
oberem Durchmesser befindet sich zu Ohrum im Kr. Wolfenbüttel. Von
den vorgenannten Sandsteintaufen weicht der aus der Kirche zuGleifsbach
bei Nossen stammende, aus Porphyr gearbeitete Taufstein im Museum des
Grossen Gartens zu Dresden völlig ab: er ist rund, aber bauchig und mit
Taufsteine in Thüringen, Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg. 313
mancherlei willkflrlichen Ornamenten versehen (Abb. bei Bösigk, Fz. L., Füh-
rer durch d. Mus. etc., 31; ein ganz ähnlicher aus Wilschdorf befindet sich ebenda
unter No. 2208). Die Sandsteintaufe in der Klosterkirche zu Ve s s e r a bei Schien-
singen hat die Form einer auf einer stark verjüngten Mittelsänle ruhenden
Schale (Abb. Anz. G. M., 1861, Sp. 317). In dieser Form sind noch zahlreiche
erhalten in mannigfach wechselnder Gestaltung des Ständers , meist schlicht,
oder nur mit einfachen Friesen unter dem Rande verziert, oft die Schale
äufserlich polygonisch, so z. B. die aus dem Dome zu Goslar stammende,
von 1111 datierte im Weifenmuseum (Abb. Mithoff, Archiv. IIL Taf. V, 8),
andere im Kreise Langensalza zu Blankenburg, Grofsgottern, Merx-
leben und Schönstedt, im Kreise Sangerhausen zu Nienstedt und
Hain bei Heringen, im Kreise Weifsenfels zu Hassel, Rössuln, Üch-
tritz, Weifsenborn, schönere zu Meineweh und Prittitz, im Kreise
Zeitz zu Rehmsdorf und in der Schlofskirche zu Zeitz, im Kreise Je-
richow I zu Dalchau, Isterbies, Rosian u. s. w. — Der frühgotischen
Zeit gehören die Taufsteine in den Domen zu Halberstadt (Abb. Lucanus,
Dom zu H., Taf. 5) und Magdeburg an (beide völlig schmucklos; ersterer
aus Marmor, pokalförmig und auf vier Löwen ruhend, letzterer aus poliertem
Porphyr, schalenförmig). Ein achteckiger aus dem XIV. Jahrh. in Pokal-
form, an vier Seiten mit figürlichen Reliefs, auf den Zwischenfeldern mit
Mafswerk in der Kirche zu München lohra (Handschr. Reiseskizzen des
verst. Baurates Stapel in Dresden). Gewöhnliche mit Mafswerk verzierte
gotische Sandsteintaufen sind häufig: im Kreise Mühlhausen in Th. zu Am-
mern, Dörna, Görmar, Helmsdorf, Hollenbach, Keilstedt, Lan-
gula, Mühlhausen in St. Petri; zu Jüterbog in St. Nikolai und in
den Kirchen der nahen Dörfer Pechüle und Bocho, in der Kirche zu
Dobristroh bei Altdöbern, auf dem Pfarrhofe zu Wedlitz bei Nien-
burg a. d. S., in der Stadtkirche zu Freiburg a. d. U. (sechseckig), in der
Severikirche zu Erfurt (mit hohem Tabemakeldeckel; Abb. Puttrich, Serie Er-
furt, Bl. 9), zu Dresden im Museum des Gr. Gartens aus den Kirchen zu
Oschatz und Wickertshain (XIV. Jahrb.), zu Halle in der Laurentiuskirche
(1478, mit dem Relief des Titelheiligen), zu Dohna in der Marienkirche
(sechsseitig; Steche, Pirna, 16), zu Langen weddingen bei Magdeburg 1510,
in der Archidiakonatskirche zu Mandelsloh 1512, in der Schlofskirche zu
Dessau, Johanniskirche zu Chemnitz, Annakirche zu Annaberg: die
fünf letzteren im spätestgotischen Geschmack.
In den Brandenburgischen Marken finden sich romanische Tauf-
steine in den Kirchen zu Lindenau beiDobrilugk (Abb. Adler, Backst., Taf.
LXIV, Fig. 5), zu Redekin bei Jerichow und zu Schönhausen bei Tanger-
münde; achteckige gotische in der Wallfahrtskirche zu Wilsnack und
im Dome zu Brandenburg (Abb. Adler, Taf. XX, 12). — In Mecklenburg^
kommen unter der mundartlichen Benennung Fünt, Fönte, Fünte (von
fom) viele alte Taufsteine vor, gröfstenteils aus Granit und zuweilen mit
Reliefs versehen: in Altgaarz, Altkaien, Belitz, Bernitz, Hohen-
vicheln, Pokrent, Steffenshagen (mit Reliefs), Teterow, Vietlübbe.
Der Fünt zu £ ixen ist halbkugelig und am viereckigen Fufse mit Widder-
Yergl. Lisch, G. C. F., in den verschiedenen Jahrgängen derMecklenb. Jahrbb.
314 Taufsteine in Holstein, Pommern, Prenfsen etc.
und Menschenköpfen verziert , der zu Sttlten mit Gesichtern am Sockel;
der Tanfstein zu Zarr entin hat die Form eines Doppelbechers und der zu
Dobbersendie eines achteckigen Pokals. ZuWitzin besteht die Taufe aus
einem äufserlich unbehauen gebliebenen Granitblock. Anderweitig kommt
bei sonst wesentlich gleicher Behandlung als Material auch Kalkstein vor:
in der Nikolaikirche zu Röbel, in Lübchin, Thelkow, Proseken,
Buchen (Pokal in Vierpafsform). Der Taufstein zu Tarnow ist oben aus
Kalkstein y mit rundem Fufs aus Granit. — Auch in Holstein und Schles-
wig kommen Granittaufsteine vor: zu Vonsbäk bei Hadersleben und zu
Hammelev bei Hadersleben. — Zu Hamberge beiLttbeck ein romanischer
und zu Schlutup bei Lübeck ein pokalf5rmiger Taufstein aus Kalkstein. —
Der romanische Taufstein zu Heiligenfelde bei Bremen ist napfförmig rund
(Abb. Moller, a. a. 0., I, Taf. 13).
Bei den Taufsteinen in Pommern^ herrscht als Material der Kalkstein
vor. Ziemlich roh gebildet, in Form eines kolossalen Bechers , schmucklos
oder mit einfachen Zierden versehen, tragen diese Taufbrunnen kaum cha-
rakteristische Kennzeichen zur näheren Bestimmung ihrer Entstehungszeit
an sich; doch scheinen die einfachen Formen vieler auf das XIU. Jahrh. zu
deuten: in den Jakobikirchen zu Greifswald (von Granit; Abb. Prüfer,
Archiv, H, 55j und Stralsund, in den Kirchen zu Gollnow, Greiffen-
berg, Stolp, Freienwalde, Kloster Kol bat z. Der Taufstein zu Garz
auf Rügen (vor der Kirchthür liegend) war an der unteren Wölbung der
Schale mit massenhaftem Flechtwerk verziert; der zu Altenkirchen ist
mit vier menschlichen Köpfen geschmückt. Die Taufe zu Putte (Reg.-Bcz.
Stralsund; Abb. von Haselberg, I, 46, Fig. 20) hat einen runden Fufs von
Kalkstein und ein aus zwei abgestumpften Kegeln, deren unterer sich stär-
ker verjüngt, zusammengesetztes Becken von Granit, und die zu Stein-
hagen (Abb. das. 85, Fig. 29) hat ein zwölfeckiges Becken, welches oben
prismatisch ist und unterwärts gleichfalls aus zwei sich abstufenden Pyra-
miden besteht, und einen sich nach oben verjüngenden sechseckigen Fufs.
Späterer Zeit entstammen den gotischen Ornamenten zufolge die Taufsteine
in der Nikolaikirche zu Stralsund, in der Johanniskirche zu Stargard
und im Dome zu Kamm in. Der Taufstein in der Petrikirche zu Treptow
a. d. T. ist aus Granit und mit rohen figürlichen und anderen Ornamenten
versehen. Auch die achteckigen Taufsteine im Dome zu Marienwerder und
in der Kirche zuGraudenz sind aus Granit und mit Reliefs geschmückt.
Sonst ist über mittelalterliche Taufsteine inPreufsen wenig bekannt: die
Johanniskirche zu Marienburg hat einen reich spätgotischen Taufstein.
In Schlesien werden nur zwei achteckige gotische auf achteckigem Ständer
zu Molwitz bei Brieg und zu Seiferdau, Kr. Schweidnitz, erwähnt.
Eine eigentümliche Gattung bilden die aus Metall (selten aus Kupfer
oder Zinn, gewöhnlich aus den Legierungen dieser Metalle, Bronze oder
Messing) gegossenen Taufgef^fse, die insgemein als Tauf kessel oder Tauf -
b ecken bezeichnet zu werden pflegen. In ganz Deutschland sporadisch vor-
kommend, waren sie während der gotischen Periode namentlich in dem
nördlichen Flachlande beliebt, wo es an einem zu feinerer Ausarbeitung
Vergl. Kugler, Kl. Sehr. I, 783 f.
Taofkessel. 315
tanglichen Steinmaterial fehlte^ nnd wnrden hier von Grapen- nnd Topf-
giefsern in der Form grofser^ tiefer , von vier oder drei hohen Fttfsen ge-
tragener Kessel (die in kleinerer Form im häuslichen Gebrauche in den be-
treffenden Gegenden noch allgemein unter demNamenGrapen gebräuchlich
sind) meist in handwerksmäfsiger Weise verfertigt. Die Träger dieser Tauf-
grapen bestehen gewöhnlich aus hockenden oder liegenden Löwen ^ oder
aus stehenden oder knienden, nur halb bekleideten männlichen Figuren,^
welche für heidnische Slaven zu erklären man sich versucht fühlen möchte,
wenn man nicht vorzieht, darin eine Reminiscenz an die personificierten
Paradiesesflüsse zu erkennen; vielfach (wie zu Brandenburg in St. Gott-
hard und zu Nürnberg) geben sie sich aber bestimmt als die vier Evange-
listen zu erkennen. Anderweitig kommen statt derselben auch Tierbeine
vor. Die Ausstattung des Kessels selbst mit figürlichen Reliefs schliefst
sich der bei den Steiutaufeu hergebrachten Weise an. Wenngleich die
Taufkessel, besonders aus gotischer Zeit selten von künstlerischem Werte
sind, so gewähren sie doch ein besonderes archäologisches Interesse da-
durch, dafs Donator, Verfertiger und Datum schon seit dem XII. und
XUL Jahrhundert fast regelmäfsig inschriftlich genannt sind. Das älteste
Geülfs der ganzen Gattung ist das aus Kloster Orval stammende, wie das
eherne Meer Salomo*s (I. Kön. 7, 25) von zwölf Rindern getragene, mit
biblischen Taufscenen geschmückte runde Becken in der Bartholomäikirche
zu Lüttich,' nach späterer chronistischer Angabe gegossen 1112 von Lam-
bert Patras ausDinant. Diesem schlielsen sich an: die kupfernen Taufkessel
vom J. 1149 aus Thienen im Museum zu Brüssel (mit rohen Reliefs) und
im Dome zu Osnabrück (in Form eines auf drei Füfsen ruhenden, sich nach
unten verjüngenden, mit Flachreliefs in auf den Scheitel gestellten Halb-
kreisbögen geschmückten Cy linders), verfertigt von Gerardus, vielleicht
noch im XU. Jahrhundert. ^ Sodann folgt der durch die sinnige Auswahl der
bildlichen Darstellungen, durch sehr gelungene Modellierung und sichere
Ausführung im Gufs künstlerisch bedeutende Taufkessel im Dome zu Hildes-
heim :^ ein von vier knienden Flufsgöttern getragenes, nach unten stark
verjüngtes cylindrisches Geülfs mit seinem kegelförmigen Deckel gegen 1,88
hoch und ganz mit biblischen und allegorischen Reliefs bedeckt. Während
dieser etwa der Mitte des XHI. Jahrh. angehörige Taufkessel teilweise schon
gotisierende Motive zeigt, befolgt das auf vier liegenden Löwen ruhende
runde Taufbecken von 1321 im Dome zu Salzburg^ noch völlig den roma-
nischen Typus in den sechszehn Bischofsfiguren unter Rundarkaden, mit
• Die unter dem Namen des Püßtrich von Sondershansen bekannte, früher für
ein Götzenbild gehaltene eherne Figur war sehr wahrscheinlich ursprünglich ein Träger
an einem mittelalterlichen Taufkessel. Yergl. Rabe, M. F., der Füst. z. Send. 1852.
Auch der Erodo- Altar zu Goslar f siehe ooen S. 133) wird wegen dieser Figuren in
neuerer Zeit für ein ehemaliges Tauigefafe angesehen.
« Abb. Didron, Annales. V, 21. Vm, 330. Seemann. CU, 9.
3 » Mithoff. YI,^Taf. 3. Ein ähnliches aber kleiner in der Dorfkirche zu
ösede Amt Iburg.
* Vergl. Org. f. ehr. K. 1862, 280—284, nebst Abb. auf der artist. Beilage zuNo.
23. — Kratz, der Dom zu Hildesh. ü, 195 u. Abb. Taf. 12, Fig. 2. -- Schnaase.
V, 617. — Seemann. CU, 3.
6 Abb. in Mittelalt. Kunstdenkm. des öst. Kaiserst. Taf. XXTH zu Bd. I, 166—170.
316 Taufkessel. Xn. u. XUI. Jahrli.
denen es geBchmttckt ist. Aufser vorstehend genannten sind noch anzuführen
ein Tanfkessel in der Stiftskirche zuBerchtesgaden,' welcher der frflh-
romanischen Periode zugeschrieben wird; er hat die Form eines grofsen
Trinkglases und zeigt oben herum unter Rundbogenstellungen die Brust-
bilder Christi, der Apostel und Johannes des Täufers, unten aufser den
Paradiesesflflssen einige andere noch nicht erklärte Gestalten; ferner der
spätromanische Taufkessel im Dome zu Bremen,' in der Form eines nach
unten etwas verjüngten cylindrischen Beckens, welches in zwei Arkaden-
reihen über einander mit vielen Figuren dekoriert ist und von vier auf
Löwen sitzenden Männern getragen wird; endlich als eines der edelsten
Denkmäler der ganzen Gattung das der Obergangsperiode angehörige pokal-
fbrmige Taufbecken in der Gotthardskirche zu Brandenburg,^ dessen
Fufs aus einer schlanken Glocke besteht, als Träger des eine gestürzte
niedrige Glocke bildenden Beckens, das mit einem schönen Blätterbande
geschmückt und an dem mit Tierköpfen besetzten Rande von den auf Blu-
menkelchen stehenden vier Evangelisten gestützt ist. — Ein zinnernes
romanisches Becken in Form eines nach unten verjüngten, mit acht Rund-
bogenstellungen dekorierten Cylinders von 0,86 Höhe auf einem 0,40 hohen,
hölzernen Postamente findet sich zu Hellefeld in Westfalen.^ — Die
übrigen bekannten Taufkessel zeigen deutlich gotische Formen; wir nennen
aus dem XIU. Jahrhundert: die Taufen im Dome zu Würzburg (1279
von Meister Eckart von Worms; mit reichem gotisch -konstruktiven Apparat und
acht das Leben Christi darstellenden Reliefs; Abb. Becker- v. Hefner, L Taf. 19;
vergl. Niedermayer, Kunstgesch. d. Stadt Würzb. , 145 ff) und zu Imsum im
Lande Wursten (von 12S4, steht auf sechs Figuren und hat oben am Rande
zwei menschliche Köpfe, wohl behuiSs etwaigen Tragens; Abb. Mit hoff, V, Taf. 7).
Wohl gleichzeitig werden die auf 3 steifen Löwenfüfsen ruhenden ziemlich
identischen zu Nordleda im Lande Hadeln und zu Twistringen, Amt
Freudenberg (Abb. ebda.) sein. Ebenso ist diejenige in der Kirche des hol-
steinischen Dorfes Büsum an der Nordsee, ohne architektonische Formen,
getragen von vier rohen Figuren, mit gutem Relief des thronenden Christus
(Abb bei von Zahn, A., in der Zeitschr. f. ehr. A. u. K., n, 230), den Buch-
staben der Inschrift zufolge noch aus diesem Jahrhundert, welchem auch
die Taufkessel in der Petri-Paulikirche zu Liegnitz (am Becken unter Elee-
blattbogennischen 12 RelieÜB aus der Eindheits- und Passionsgeschichte, am durch-
brochenen Ständer tragende Engel, am Fufoe Drachen; Abb. Schlesiens Vorzeit etc.,
n, 7, 143), im Niedermünster zu Regensburg (trägt au&er den Namen
Christi und der Apostel auch die sämtlichen Buchstaben des lateinischen
Alphabets) und in der ehemaligen Klosterkirche zu Rohr zugeschrieben
* Vergl. Si^hart, die mittelalterl. Kunst in der ErzdiÖcese München -Freising,
211; später bezeichnet jedoch derselbe Verf. (Gesch. d. bild. Künste in Bayern, I, 12if)
diese Taufe als Weihwassergefäfs.
* Vergl. Müller, H. A., der Dom zu Bremen, 31. Nach der motivierten Ansicht
des Verf. soll der FuDs bedeutend älter sein als der Kessel. — Vergl. Ders., der Tauf-
kessel des Doms zu B., in Bremisches Jahrbuch. VI, 1. 1871.
' Abb. bei Adler, a. a. 0., Fig. 10. — Die Inschrift um den unteren Saum des
Beckens bezieht sich wohl auf die Donatrix und ist *Obiü Elisabeth XI. Kai, Sep^
tembr.< zu lesen.
* Abb. Mitt. C.-K. XI, S. LXXXI, Fig. 3.
TanfkesBel. XIV. Jahrh. 317
werden; vielleicht gehört ihm auch noch der kleine pokalfOrmige in der
M&rienkapelle dee Dome zn Halberetadt, welcher am Becken und Fnfs
mit kleinen nnregelmärsig verteilten Relief-Medaillons verziert iat.
Fl(. m. TMirkcual m BBnm (oiEih t, Ztkn).
Ans dem XIV. Jahrhundert, meist nur handwerksmAfsige Arbeiten der
Grapengiefser: zn Ebstorf in Haanover 1310 (von Hermannne)) zu Hol-
denatedt, ebenda 132d, zu Mainz im Dome 1328 (von Johannes; Abb. bei
Moller, a. a. 0., Taf, 13], zn Lübeck in der Marienkirche (1337) und zu
Kiel in der Nikolaikirche (1340, beide von Hans Apengbeter; Abb. des letzteren
bei Statzu. Ungewitter, Taf. 195, 199, 1—5; vergl. Nitzsch, C. W., dasTaufb.
in d, Kiel. Nit-K. 1857), zu Wittenbnrg 1342 (von Meister Wilktuus), zu
Kolberg in der Marienkirche 1355, tn Parchim in der Marienkirche 1365
(von Meister Hermann), zu Bardowiek im Dome 1367, zu Beetzendorf
in Hannover 1368, zu Sangerhausen in der Ulrichskirche 1369 {.von
erbeü der htysen cendtier tm. heyne beeker'\ Abb, Kr, Sangerli., 76, Fig. 72),
zn Frankfurt a. Oder in der Marienkirche 1376 (von Meister Arnold, ein
ursprünglich auf den Evangelisten zeichen ruhendes Zwölfeck von sechs
langen und sechs kurzen Seiten mit pyramidalem, 3,7T hohem Deckel und
vielen biblischen Reliefs), inderNikolaikirche zu El b in g 1387 (von Meister
Bemhuser, achteckig, auf acht liegenden LOwen rahend, reich architek-
tonisch gebildet, mit Prophetenfiguren rings um den Fnis und biblischen
Reliefs am Becken); in der Blaginskirche zu Mflnden 1392 (von Meister
[18 Tanfkessd. XIV. Jahrh.
Nikolaus von Stettin, Trfigor dos mit vielen HeiligenfignreD unter Wimbeigen ge-
schmückten Beckens sind vier auf fli^enden Drachen sitzende Mfinner über vier
Hegenden Löwen; Abb. bei Ststi o. Ungewitter, Taf. 196, 199, 6—9), in der
Nikolaikirche zu Spandaa von 1398. — Nicht datiert, aber dem Stile nud
den Buchstaben der Inschriften nach
~ atlB dem XIV. Jahrh. Bind ein Tanf-
kesBet aus der Liebfraaenkirche zu
Halberstadt im Dome daselbst (cy-
lindrisch, nach nuten verjtlBgt mit
Reliefs aas dem Jugendalter Christi),
der glockenßtnni^, von drei H&nnern
getragene, mit rohen Figuren ver-
zierte Qrapen in der Marienkirche zu
A n ge rm tl n d e (mit nicht sicher erklürten
Inschriften; vei^ Losener in den Mark.
Forschungen, I, m. Abb.); die Tauf-
becken in der Hf^;dalenenkirche zn
Eberswalde (pokalf5nnig; vergL Bel-
lermann, J. J., NeuBt.-Eberewalde 1829,
140; V. Minutoli, Denkmftler, 29), in der
Jakobi- und Marienkirche zn Prenz-
lau, in der Nikolaikirche zu Ro-
stock, SU Siek in Holstein (von Meis-
ter A. Gherardos; Abb. bei Milde, C. J.,
die Kirchen der Herzogt Holst n. I^uenb.,
„ . in den Jahrbb. für Landest v. Schles-
(aieta UMnu). wig etc. , I , Heft 3) , ZU Altenbrnch im
Lande Uadelu,* im Dome zn Schwe-
rin (achteckig auf acht männlichen ^^gem ruhend, an jeder der acht Seiten je 2
Heilige unter Baldachinnischen, darüber die durch 25 kleine O^ma hohe Figuren von
Aposteln geteilte Inschrift »Vidi aquam egredUntm etc aus Ezech. 47, 1 u. 9),
im Dome zu Hfinster (Abb. Schmidt, Eirchenniöbel,!, i, Taf. 24, vergl. Nord-
hoff im Org. f. ehr. £., ISÖT, No. 13, m. Abb.) und in der Marienkirche zn
Krakan (von magister Ulricus, pokalforaiig mit 2 Henkeln wie lu Büsom; Abb.
Essenwein, Krakau, 110, Fig. 53-55). Ein ehemaliges aus der ersten Uftlfte
des XIV. Jahrh. in St. Michael zu Lüneburg (auf 3 Figuren mhend, der
Körper ganz mit ßO kleinen Reliefs in VierpSasen tiberzogen) ist nur in Ab-
bildung erhalten. (Mithoff, IV,-165). — Ein Taufbecken ans Blei, 1317 von
Meister Hennann gegossen, befand sich noch im ersten Viertel dieses Jahr-
hnndcrts in der Kirche zn Siegelsam, Ost-Friesland.
Aus dem XV. Jahrbandert. Arbeiten von verschiedenem, aber
nicht ausgezeichnetem Werte in chronologischer Reibenfolge: 1406 zu Bis-
pingen, Amt Soltau (rund auf drei hinten platten Figuren ruhend, auf Sand-
Steinsockel; Abb. Mithoff, IT, 26), 1417 zn Lüchow in Hannover, 1420 in
Krakau in der Erenzkircbe (von Johann Fredental, konisches Becken),
Taufkessel XT. Jahrb. 319
1421 zn Salzwedel in der Katharinenkirche (vod Ludolf — nicht Ludwig
— GrapeDgiefoer, wohnhaft zu BrauiiBchweig, der sich mit Beinem Bohne
Heinrich auch an den heiden einander gleichen Keaeeln in der Marien- nnd
in der Ulrichskirche zn Halle von 1430 als Verfertiger nennt), 1423 zu
ToBtedt in Hannover, 1424 zu Gettorf bei Kiel (van ^Wlf dt Aieeeidt van
Anmeldt; Tergl Loti, Topographie, I, 239), 1427 zn Eimbeck in der StiftB-j
kirche (achteckig, von vier LOwen getragen, geBtiftet vom KanonikoB De^
genhardRee,GierBerwahrBcbeinlich: Regnerue Heuningue), 1429 zu Nord^
hausen in der Petrildrche , 1432 znMunster, 1434 ehemaU zu Berlin In
der Petrikirche (von Hinrik von Magdeburg), 1437 zn Berlin in der Ma-
rienkirche, 1438 zn Hittfeld in Hannover (von Iautbuz Apenghoter und Cord
Trigbufc; von eraterem auch 1440 zu Handorf; watuscheinlich ist er auch iden-
ÜBch mit dem LaureoB Qrowen , von dem der Kessel im Dome zu Lübeck 1455 stammt;
Abb. des letzteren bei Statz u. üngewitter, Taf. IßT, 199, 10, 11; vergl. F. Voigt
in den Mite. d. Ver, für Harabui^. Gesch., H, No. 3, 1879), 1440 zu Ratzebnrg
im Dome und znBrandenburg in der Eathariuenkirche (von Tyterich Hobier
von Erpfaoit, mit hohem^durchbrochenen Tabemakeldeokel; Abb. Adler, Backst.,
I, 20; Seemann, CXX, 1), 1441 zn Braunschweig in der Martinifcircbe
nnd zn Naumburg a. S. in der
Wenzels kirche, 1446 zu Oater-
burg i. Altmark (von Meieter
Volker von Mundt), 1447 zn Se-
geberg in Holstein (von Ghert
Klii^he; derselbe ist 14&4 zn
Oroothneen bei Emden nnd
Barsefeld im Herzogtum Bre-
men and 1469,znZevenvertreten.
Von der Familie, die zn Bremen
anBäseig gewesen zu sein scheint,
sind noch drei Glieder mit zahl-
reichen Werken in derselben Ge-
gend und Ostfriesland vertreten,
aamlichGotekeoder6ottfriedl477
znAltenwaldenndl4d8zuDeb-
Btedt; Hinrik 1469 zu Pilsam
— dar Eesael, an welchem Chris-
tas mit den klugen nnd thdrichten
Jnng&auen angebracht ist, ruht
anf den Figuren der Evangelisten p,g, ,„_ T«fkM«i yo« i«7 «> wituniMt«
mit den Köpfen ihrer Symbole — (""* son^icnr).
1473 znMflden a. Aller nnd 1474
zn Esens nnd Uttnm; Bartold 1472 zn Eilsum und 1506 zn Cannm),
1449 ehemals zn Neu-Rnppin in der Marienkirche (von Hans Vamenans),
1450znGadebnBch und znHannover inderÄgidienkirche(Abb. Mithoff,
Arch., I, Taf. 9, 10), 1457 zu Wittenberg in der Stadtkirche (von Rermami
Vischer; Abb. Schadow, Wittenbergs Denkmäler, Taf. A; Bergau, R., in der
Wartburg, VIII, No. 1), 1464 zn Stendal in der Marienkirche 1465 zu Dorf-
mark in Hannover, 1466 zu Lübeck in der Jakobikirche, 1469 zn Dort-
J20 TauftesBcl. XV. u. XTI. Jahrh.
mnnd id der Reinoldikirche (von Johann Winaeobrock daselbst), 1474 zu
Bfitzow in der Stiftskirche (ohne Fate und Deckel), 1483 xn Lenzen in
der Katharinenkirclie (von Heinrich Grawere zu Brannschweig) , 1489 zu
Werben in der JohanniBkirche, von Hermann Bonstede (vergl. Sotzman
i. d. Mark. Fonchnngen, Ü, 30), 1496 zn Wiegboldsbar bei Anrieh (von
Peter ColckghetOT, ruht anf vier Bitterfignren mit Schwert und 3chUd). AaTeer-
dem undatierte zn Barth in Pommern in der Marienkirche (ebenfalls anf
vier Kriegergestalten mhend), zu Ftlrstenwalde im Dom (nnr in archi-
tektonischen Formen profiliert, mit dem Wappen des Bischofs Friedrich
Sesselmann 1465 — 83), zn Hannover in der Erenzkirche (Abb. Mithoff,
a. a. 0., Taf. S, 10) nnd in der Marktkirche, zn Lüneburg in St. Nikolu
(von vier Figuren auf ringförmigem Fnfee getragen), zu Salzhausen in
Hannover ,zn8angerhanBeuin der Jakobikirche (Abb. Kr, Sangerh., 69, t^ SO)
und zu Winsen a. d. Aller. — In Böhmen finden sich statt bronzener fast
durchgehends zinnerne Taufkessel vor, die fast slmtlich die Form einer
nn^;e8ttinten Glocke haben nnd auf drei hohen gekrümmten Fofsen mhen;
aus der Zeit zwischen 148U und 1Ö20 bezeichnet Grneber noch wenigstens
200 Exemplare als vorhanden (vergl. auch: Ziongulswerke in Böhmen, in den
Mitt. C.-K. N. F., V, S. LXXV f.). Wir nennen von den bemerkenswerteren:
das älteste datierte von 1406 im Dome zu KOniggrätz (aus der Benediktiner-
kirche zu Fodlazic stammend; Abb. Grueber, IV, 15S), das nachstAlteste von
1414 in der Teynkirche zn Prag, das ron 1455 in der Dechanteikirche zu
Tabor (bezeichnet: mar i mon — magister Bimon? — Abb. Ost Atl., LXIV, 6),
eine in St. Stephan zu Prag von 1462 (von Meister Peter), eins za Nim-
bnrg von 1486 und eins zu Nachod von 1503 (beide von Heister Andreas
Ptaczek ans Kuttenberg), das schönste unter allen von 1Ö21 in der Stadt-
pfarrkirche SB Leitmeritz (Abb. Grueber, TV, 157) und ein undatiertes zn
Nezamyslic bei Schnttenhofen (Abb. Mitt. C.-K., a. a. 0., Fig. 2).
Ans der ersten HXlfte des XVI. Jahrhunderts sind zn nennen die
Tanfkessel von 1504 zn Koeifeld in der
Lambertikirche (von Reinolt Widenbrock und
Klaes Potgeiter in Dortmund) nnd zu Hil-
desheim in der Lambertikirche, 1505 zn
Ltlne und zu Geversdorf im Herzogt.
Bremen Oetzterer von Hinrik Kock), 1508
zn KrOpeIin(von Andreas Riwen, derselbe
1512 zn Rostock in St.PetTi)und zuTan-
germündein der Stephanskirche (von Hein-
rich Hente ans Brannschweig, der auch
1510die Taufe in der Kirche zu Northeira
mit pyramidalem Deckel gegossen hat), 1609
zn Mölln in der Nikolaikirche (mit gleichem
Deckel;;Abb. Jahrb. f. Idudesk. t. Schleswig etc.,
I.Pig. 1 u. 0), 1510 zu OchsenfnrtCvonP.
"'■ '"«üsSSi^r" ^'"' Vischer?), 1515 zn FHntbeck bei Kiel (von
Meister Reumer) 1520 zu S&izwedel in
der Marienkirche (mit einem Gitter von 1S22, beide schon stark mit Bcnaissauce-
detaile, von Hans von Köln zu Nürnberg; ob identisch mit dem oben S. 161 er-
TanfbesseL XTI Jahrh. TanfBchüBseln. 321
wähnten? — Abb. von Minutoli, Dentmäler, Taf. 2), 1530 zu BraunBchweig
in der Petrikirche, 1540 zu Ltluebnrg in St. Lambert (von givert Barcfa-
maon), 1517 su HilileBheiiii In der AndreaBkirche (von Hans äivvercz).
Undatierte znAmberg im Regenkreis inderMartinakircbe (von Meister PanI
in Amberg), zu Brealan in der EliBabethkirche, zn Heinsberg, Reg.-Bez.
Aachen, in der StiftBhii-che , zn Ktlrnberg in St. Sebald. — Ein zinnernes
von 1563 befindet sich in der Nikolaikircbe zu Berlin (von Stephau Lich-
tenhahn und Paul Hermann aus Schneeberg). Als KnrioBum ist die Holz-
tanfe von 1538 in der Kirche zu Zella bei MOhlbauBen 1. Tb. {Abb. Er.
Miihlh. I Fig. 92 — siebe Fig. 12S) zn nennen, die aus einem Block gehauen
ist, nur die am oberen Teile angebrachte Zatteldekoration besteht ans an-
genagelten Brettstttckchen.
F](. IM. HuitngbaoktD bu dem Qtniun. MnHBm (nnoh Euawaln).
Anmerkung. Bei Erteilung derTanfe mittelst blofser Benetsung (ad-
spersio) des Kopfes, welcher Ritus hie und da bereite imXV.Jahrh. vorgekom-
men ZQ sein scheint, aber erat im XVII. allgemein geworden sein durfte, be-
diente man sich der TaufschQsseln, welche auf den Taufstein etc. gesetzt
Ott*. Kanu-ArchBolgEle, b. Anfl, 21
322 Taufechüsseln. Giefsgefäfse.
wurden, und deren sich in den Kirchen weit und breit viele vorfinden, die aus
Messing getrieben sind, vermutlich von Beckenschlägern' in Nürnberg, Augs-
burg, Braunschweig etc. fabrikmäfsig gefertigt und durch den Handel bis in
aufserdeutsche Länder verbreitet wurden. Sie haben offenbar in den Kirchen
ursprünglich nur als Waschschüsseln in den Sakristeien, vielleicht auch als
Opferteller bei Kollekten gedient, daneben zu mannigfachem profanen und
häuslichen Gebrauche als Waschbecken, zu Aderlässen, vielleicht auch als
Hochzeitsschüsseln, in welche bei der Festtafel die Hochzeitsgeschenke der
Gäste gelegt wurden.^ Ihr Alter ist kein hohes, die ältesten bekannten werden
gegen 1500 zu datieren sein, und sie wurden bis weit an das Ende des XVII.
Jahrhunderts nach den alten Modellen unverändert fabriciert. Sie kommen in
runder, seltener in ovaler Form in den verschiedensten Gröfsen vor, die klein-
sten oft nur mit einer Granatapfelverzierung oder einem Adler in der Mitte,
die gröfseren mit einem Relief aus der biblischen Geschichte oder Legende :
der Sündenfall, ein im Wasser stehender Hirsch (nach Ps. 42, 1), die Ver-
kündigung, St. Georg, St. Sebastian u. s. w., häufig umgeben mit Reihen von
Hirschen, die von Hunden gejagt werden, aber auch durchaus weltliche Dar-
stellungen kommen vor, z. B. der Kopf des Cicero nicht nur auf einer Schüssel
im Kunstgewerbe-Museum zu Berlin, sondern auch auf einer in der Kirche zu
Kusterdingenin Württemberg und einer anderen zu Buckow in der sogen.
Märkischen Schweiz. Eine Schüssel in St. Stephan zu Tangermünde zeigt
siebenmal einen Handtuch haltenden Engel, mit dem Stier des Lukas abwech-
selnd. Die meisten haben Inschriften im Fond und auf dem Rande, deren
Deutung viel vergebliche Mühe gemacht hat.' — Bei dem Übergiefsungsritus
bediente sich der Täufer statt der Hand anscheinend schon frühzeitig eines ge-
eigneten Giefsgefäfses, in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Synode
zu Lüttich vom J. 1287 c. 2: T^Sacerdos super verticem pueri (er in/ltndai
aquam cumpelviy vel alio mundo vase et honesta y tenens puemm nihUomimts
una manu discreie< und der Synode zu Cambray von 1300: >BapUzans
infundai aquam cum bachino, vel alio mundo vase et honeslo,^^ ImNational-
Museum zu München befindet sich ein höchst eigentümliches Gefäfs dieser
Art: es ist der obere Teil eines ursprünglichen Jagdhornes aus Elfenbein mit
einem oberen und unteren Metallrande, deren eingegrabene Inschriften die Be-
stimmung für die Taufhandlung beweisen.^
52. Die erste Orgel* (organon) kam um die Mitte des VllL Jahr-
hunderts ins Frankenreich, und zwar als ein Geschenk von Byzanz aus
• Niederdeutsch: Beckenwerper. In Nürnberg giebt es noch heut die Beck-
schiefer- Gasse. — Im Kunstgewerbe -Mus. zu Berlin befinden sich nicht weniger als
22 solcher Schüsseln.
•-» Vergl. Essenwein, im Anz. G. M. 1876, Sp. 195; Riegel, im Katalog des
Herzogl. Mus. zu Braunschweig, 121.
3 Abbildungen solcher Schüsseln beiStatzu. Ungewitter, Taf. 204, 5; Essen-
wein, Kunst- u. kulturg. Denk, aus d. Germ. Mus. Taf. 74. — Weiteres, auch über
die sehr ausgedehnte Litteratur in der Epigraphik.
* Vergl. Augusti, Denkwürdigkeiten. VII, 234 ff.
« » Mitt. C.-K. VI, 118.
® » Chrysander, W. C. Just.. Histor. Nachricht von Kirchenorgeln. Rin-
teln 1755. — Antony, F. Jos., Geschichtl. Darstellung der Entsteh, u. VervoUkommn.
Orgeln. 323
an Pipin, der sie in Compiegne aufetellteJ Eine andere bauten die
Künstler Karls des Grofsen, die es den Griechen abgesehen hatten, für
das Münster zu Aachen,* wo sie zuerst in kirchlichem Gebrauche er-
scheint und bei aller Unvollkommenheit dennoch so grofsen Beifall fand,
dafs vom X. Jahrhundert ab in den bischöflichen Kathedralen und in
manchen Klosterkirchen in und aufser Deutschland (in Reichenau schon
unter Ludwig d. Frommen) Orgeln gebräuchlich wurden. Im allgemei-
nen war die Verbreitung derselben zwar nur eine langsame; dennoch
befanden sich seit dem Ende des XTÜ. Jahrhunderts, und nachdem die
Kunst des Orgelbaues wesentlich fortgeschritten war, in gröfseren Kir-
chen gewöhnlich zwei Orgeln, eine gröJsere, welche auf einer Empore
am westlichen Ende des Mittelschüfes, und eine kleinere, welche auf
dem Lettner (S. 50) ihre Stelle erhielt — In ihrer seit dem XV. Jahr-
hundert vervollkoDMnneten Einrichtung gilt die Orgel für eine Erfindung
der Deutschen.
In Byzanz bediente man sich der Orgel bei öffentlichen Lustbarkeiten:
die erste Einftthmng derselben in die Kirche geschah zn Aachen, und der
Mönch von St. Gallen (2, 7. p. 751) beschreibt ihren Bau aus Bälgen von
Rindsleder und ehernen Pfeifen und vergleicht ihren Ton an Stärke dem
Donner, an Lieblichkeit der Lyra oder Cymbel; dennoch war ihre Einrich-
tung noch 200 Jahr später eine unglaublich mangelhafte, und die Wirkung
kann keine besonders angenehme oder würdige gewesen sein, so sehr die-
selbe auch das Erstaunen der Zeitgenossen erregte. Unter den Miniaturen
eines Psalteriums aus der Zeit der sächsischen Kaiser in der Königl. öffentl.
Bibliothek zu Stuttgart (Ms. bibl. in 4 n. 23) befindet sich zu Ps. 150 die
Abbildung einer Orgel:' es ist ein einfaches Holzgestell, auf dem die Wind-
lade steht, und über dieser eine von zwei Querhölzern gehaltene Reihe dicht
gestellter und gleich grofser Pfeifen, deren Labien angegeben sind; vor der
Windlade befindet sich anscheinend die Klaviatur, die aus neun in zwei
Abteilungen (links drei, rechts sechs) geteilten Tasten besteht. Der Blase-
balg, aus welchem drei Windleitungen in die Orgel gehen, ist ein seitwärts
auf dem Fufsboden liegender Schlauch, den drei Männer niedertreten, deren
einer ihn mit einer Handhabe wieder aufzieht. — Auf einer Miniatur in dem
der Orgel. Münster 1832. — Rettberg, R. v., zur Gesch. der Musikinstrumente, im
Anz. G. M. 1860 in No. 5—9 (Notizen über die Oreel: Sp. 160. 205. 240. 242. 282 u.
319). — Org. f. ehr. K. 1861, No. 20, 229 f. — Vergl. auch Coussemaker, E. de,
Hifitoire des instruments de musique au moyen-äge. Paris 1859, besonders abgedruckt
aus den Annales archeol. Vol. IH sqq. — r. Strasser, der König der Instnimente;
zur Gesch. d. Orgel, im Kirchenschmuck Sekkau. VJil, No. 1 — X, >io. 10. — Wange-
mann, 0., Gescn. d. Orgel u. d. Orgelbaukunst. 1880.
* Einhardi, Annal. ad a. 757. I, 10 bei Pertz, M. G. I, 141; vergl. ßett-
berg, F., Kirchengeschichte Deutschlands. 11, 778.
* Ermold Nigell. m, 639 bei Pertz. II, 513; verri. Rettberg, a. a. 0. und
die enkomiastisch übertriebene Beschreibung in des "Waiafrid Straoo cannen de
apparatu templi Aquisgranensis.
' Abb. von Hefner, Trachten. T. Taf. 53.
21*
Paalter Edwine in der Bibliotliek za Cambridge aub dem XII. Jfthrli. erscheiot
die Orgel' als eiue Art Tisch, aus dem in zwei Registern zehn Pfeifen
(sechs einfache und vier doppelte) von aymmetriach wachsender Länge ber-
FlE. m. Oifl «u dem PalUr Edwlni u Cusbrldfa, XU. Jihrh. (nieh CouHDukor).
vorragen. Zwei Mönche als Organisten, jeder ein Register dirigierend,
stehen hinter dem Tische und erteilen ihre Weisungen an die zu beiden
Seiten paarweise au%estellten vier Kaikanten, welche angestrengt beschäf-
tigt sind, die vor dem Tische in einem besonderen Kasten befindlichen
Blasebälge mit langen Stangen aufzuziehen und niederzudrücken. Vor dem
Gehäuse der Bälge sieht man drei starke wohlverwahrte Cylinder: offenbar
Behälter zur Ansammlung des Windes behnfs gleichmäfsiger Verteilung des-
selben in den Pfeifen. — Bei weitem unvollkommener in der WindzufUhrung
als dieses englische Orgelwerk erscfaeiut die in der (ans Kloster Scheyem
Btammeuden) Maler verborum ans der ersten Hälfte des XIII. Jahrh. auf der
Hofbibliothefe zn München (cod. Schir. 3, pict. 7 c) abgebildete Orget: ein
hoch -viereckiger Kasten, aus welchem vorn lange Züge hervor-, oben meh-
rere Pfeifen emporstehen, und wobei hinten ein Gehilfe an ein kleines Loch
des Kastens einen genau mit der Spitze hiaeinpasBendeD Blasebalg einsetzt.'
— Gegen Ende des SIII. Jahrh. beschreibt der Dichter des jüngeren Titurel
den über dem Westporlale des Graltempels befindlichen or^fbanA (Zamcke,
Strophe 104-108) als in Verbindung mit einem kunstvollen mechanischen
Werke, wie deren in der mittelalterlichen Littcratur mehrfach erwähnt
werden (vorgl. Zsrncko, h. a. 0., Anmorliuiig auf S. 121 ff.), nämlich mit einem
Baume von rotem Golde, in dessen vielbelanbten Zweigen VOgel sitzen, die
durch den mittelst Bälgen künstlich hiueingeleiteten Wind mit süfser Stimme
' Vcrgl. V. Rottberg, n
Älteste Orgeln. 325
singen y und zu den Seiten der Orgel stehen vier auf goldenen Hörnern bla-
sende Engel, die an das jflngste Gericht mahnen, dessen Darstellung in
Gafswerk über dem Portale angebracht ist, zur Mahnung:
dazje nach der süze get daz suren.^
Noch phantastischer ist die Umdichtung der Orgel im Chore, indem
nämlich in dem Haupt-, dem heil. Geist-Chore desTempels (Zarncko, Str. 79. 80)
die in den übrigen Chören entwickelte Kunst, durch welche die in dem
Skulpturschmuck überall angebrachten Engelfiguren in Weinlaub, wenn der
Windhauch darüber geht, sich bewegen und einen süfsen Ton von sich
geben, dahin gesteigert ist, dafs verhohlen mit grofser List durch Bälge
Wind in diese Bildwerke hineingeleitet ist,^ und sie nun
per music undper ttse beide hoch und iisCj
aisje von dem winthuse der meister dar geleite gap derwise,
mit der pfafheit gaben süz gedoene
der enget schar getichCj don sunder wort; ja was ez dennoch schoene.
Die ältesten Orgelmacher waren Geistliche: im J. 826 meldet sich bei
Ludwig dem Frommen ein Priester aus Venedig, Namens Georg, welcher
verspricht, eine Orgel nach griechischer Art zu bauen und freundlichst em-
pfangen wird, da er etwas biete, was zuvor im fränkischen Reiche nicht im
Gebrauch gewesen wäre.' Dagegen erbat sich etwa fünfzig Jahr später
Papst Johann VIU. bereits einen deutschen Orgelbauer aus Freising.* — Naoh
der unverbürgten Angabe eines Schriftstellers aus dem XVIL Jahrh.^ sollen
sich bereits im XL Jahrh. in Erfurt, Magdeburg und Halberstadt Orgeln
befunden haben, von denen er noch Überreste mit Inschriften gesehen haben
will. Sicher ist, dafs noch um das Jahr 1700 eine sehr alte Orgel im Halber-
städter Dome vorhanden war: bei einer Breite von etwa drei Fufs hatte sie
nur wenige sehr grofse bleierne Pfeifen und neun Tasten von Handbreite,
die man nur mit der Faust oder dem Ellenbogen niederdrücken konnte. Sie
hatte viele kleine Blasbälge, und es waren an derselben drei singende
Mönche abgemalt.* — Im Münster zu Freising ging die alte Orgel 1159
' Am Turme der Kirche zu Strafsengei in Steiermark stehen als eine Illustra-
tion zu dieser Phantasie statt der Fialen acnt Engel mit Blasinstrumenten, von denen
der Wiener Dombaumeister Schmidt nachgewiesen hat, dafs sie mit einem Orgelwerk
im Inneren der Kirche in Verbindung ges^den haben. — Noch heute steht in Hei-
ligenkreuz im Obergeschosse des Thorturmes eine Orgel, welche am Sonntag die
Glocken ersetzt, indem sie früh, mittags und abends etwa eine '/4 Stunde lang einen
mächti^n Akkord erklingen läfst.
* In Str. 110 wird noch eine dritte ßälgeleitung erwähnt, durch welche Luft in
die den ganzen Fulsboden des Tempels durchziehenden Kanäle geführt wird um das
in dem Mosaik gebildete Getier künstlich zu bewegen. Von diesen heifst es ausdrück-
lich nointmiU von uzen verre mit balgen dar denselben braden gebten*. Es ist wohl
anzunehmen, dafs diese Windmühlen auch für die übhgen Bälgewerke bestimmt zu
denken sind.
' Anon. vitaHludow. imp. 40 u. Einhardi, Annal. ad a. 826 bei Pertz. I, 215;
Rettberg, R v., a. a. 0., Sp. 161.
*• Kreuser, Kirchenbau. I, 152.
* Praetorius (f 1621), S3rntagma music. 11, 3.
* Zeilier-Merian Topogr. Sax. inf., 119. — Nach der Sage sollten sich diese drei
Mönche an einer Fuge zu Tode gesungen haben, weil sie sich vermessen hatten, mit Hilfe
326 Orgelbauer.
durch Feuer eu Grunde. — GleicheB Schicksal hatte im J. 1200 die Orgel
in der Klosterkirche auf dem Petersberge bei Halle a. d. S., bis 1207 voll-
endete der Kellermeister Tidericus eine neue. — Während in Köln schon
1250 der Laie Johannes als ^>factor organorum* vorkommt,^ wird der Do-
minikaner Ulrich Engelbrechty ein Schüler des Albertus Magnus, um 1260
als Verfertiger der ersten Orgel für das Strafsburger Münster genannt , wie
denn bis zum Ausgange des Mittelalters sich einzelne Mönche mit dem
Orgelbau beschäftigten; dagegen wurde für die neue gröfsere daselbst im
Jahre 1292 der magister guncelinus de Francforty also wohl auch ein Laie
angenommen. In Ratzeburg wird 1292 eine Orgel erwähnt, welche zur
Begleitung des Gloria bei den Memorien des Bischofs Ulrich bestimmt ist,
und 1293 der Beschlufs der Anschaffung einer für den Dom zu Güstrow.
— InNördlingen soll es schon im XIII. Jahrh. einen besoldeten Orga-
nisten gegeben haben. — Im J. 1312 erbaut ein Deutscher eine Orgel in
Venedig, und bei der Oberkirche zu Frankfurt a. 0. hat sich vomJ. 1330
eine Instruktion für den Organisten erhalten: ^wy eyn or geniste syn ding
holden 5a/.« Darin heifst es, wer der Orgel vorsteht, der soll zu den Zeiten,
wo man auf den Orgeln singen soll, in den Chor zu dem Schulmeister gehen
und ihn um einen Treter bitten, zugleich sich mit ihm besprechen, was man
singen solle , damit Chor und Orgel übereinstimmen , und nicht eine Konfu-
sion entstehe.* — Im J. 1333 wird die Orgel in St. Thomas zu Strafsburg
erwähnt, 1343 ein besoldeter Organist im Dome zu Schwerin, 1388 die
Orgel in der Martinikirche zu Braunschweig. Das Cistercienserkloster
Marienfeld bei Gütersloh erhielt unter Abt Johann (1387— 1400) ein Or-
ganum valde mmpiuosumJ — Um 1400 lebt der Orgelmeister Jörg zu
Wien, welcher die grofse Orgel zu St. Stephan daselbst und auch viele
andere in dem ganzen Lande zu Österreich machte und verbesserte.^ — Bei
den Benediktinern bürgerten sich die Orgeln erst seit der 2. Hälfte des XV.
Jahrh. ein, weil das Ordenskapitel darin eine Trübung des Chorgesangs er-
blickte. — Im Laufe des XV. Jahrh. vervollkommnete sich der Orgelbau
wesentlich. Auf dem Genter Altare der Gebrüder van Eyck von 1432 im
Museum zu Berlin ist eine Orgel spielende Jungfrau vor einem grofsen mit
Handhaben versehenen Positive dargestellt, dessen im Prospekt stehende
Metallpfeifen völlig den noch jetzt üblichen gleichen; auch hat dieses Werk
bereits eine chromatisch geordnete Klaviatur und anscheinend zwei Register-
züge; die Art und Weise, wie die Spielerin die Tasten niederdrückt, setzt
eine schwere Spielart voraus. — Ein wichtiger Fortschritt war die Erfindung
des Pedals, welche dem Heinrich Drassdorf (Traxdorf) zu Nürnberg 1444,
oder einem Deutschen Namens Bernhard in Venedig um 1470 zugeschrie-
der schwarzen Kunst viel »höher und kleiner« zu singen als alle Menschen. Auch konnte
der Sage nach bei dieser Orgel niemand länger als 24 Stunden lebendig bleibeoi wegen
des »arsenikaiischen« Dunstes, der sich entwickelte, wenn sie »geschlagene wurde.
* Fahne, Ani, Diplomat. Beiträge zur Gesch. der Baumeister des Kolner Domes, 38.
* Spieker, Ch. W., Beschreib, u. Gesch. der Marien- oder OberMrche zu Frank-
furt a. 0., 30. — Abbild, von Orgeln aus dem XIV. Jahrh. in "Wagner, Trachten-
btch des M.-A. Hft. 5, Bl. 7, Fig. 10 u. 12.
' Nord hoff, J. B., im Repertor. f. Kunstwissschft. V, 308.
* Vergl. Schneegans, L., im Anz. O. M. 1857, Sp. 177 ff.
Orgelbauer. 327
ben wird. Im Anfange des XVI. Jahrh. hatte selbst die »kleine« Orgel im
Erlöster Ribnitz bereits ein Pedal, welches 1530 neu gemacht wurde. ^ —
Die noch in der Renaissance übliche Disposition der im Prospekt stehenden
Pfeifen erscheint schon mindestens seit der Mitte des XV. Jahrh. gewöhnlich :
der Orgelmacher Meister Stephan Kaschendorf baut 1460 die Orgel in der
Elisabetlikirche zu Breslau, Tomit zweien Ausladungen und Türmen^.^ —
Ausführliche Nachrichten über einen Orgelbau sind uns' namentlich über
den Ulmer durch den Meister Ludwig 1431 — 1433 erhalten.' Namen von
Orgelbauern sind seit der zweiten Hälfte des XV. Jahrh. vielfach auf
uns gekommen; dem geistlichen Stande gehörten an: der Priester Michael
Grolach (Gerlach?) von Lypss (Leipzig?), welcher mit Hilfe von Peter Gareis
(Generis oderGereis) aus St. Polten in Österreich 1433 die Orgel im Münster
zu Strafsburg neu erbaute;^ 1488 erbaute der Laienbruder Konrad Sit-
tinger zu St. Blasien die dortige Orgel, auch die in der Münsterkirche zu
St. Trudpert; der Mönch Johannes erhielt 1507 für die kleine neue Orgel
in der Oberkirche zu Frankfurt a. 0. 26 Fl. und im folgenden Jahre wie-
derum eine Zahlung für das Stimmen dieses Positivs;^ Jakob Kunigsschwerd,
Frater des Klosters Zwetl, erneuerte 1544 die Orgel bei der untern Sakristei
in St. Stephan zu Wien, und war ein so berühmter Künstler, dafs ihn König
Ferdinand nach Prag berief, um dort eine neue Orgel zu verfertigen.® —
Um 1500 galten die Orgeln in der Barfüfserkirche zu Nürnberg (von
Konrad Rotenburg um 1495) und in der Kapitelskirche zu Bamberg als die
besten, und die Orgel im Dome zu Braunschweig (von Heinrich Kranz
1499) für die gröfste in Deutschland.
Erhalten haben sich nur wenig mittelalterliche Orgeln, oder vielmehr
bis auf wenige Reste der Orgelwerke eigentlich nur die Gehäuse nebst den
Emporenbrüstungen, und diese gehören dem Ende des XV. und dem XVI.
Jahrh. an; noch aus dem XV. Jahrh.: zuDeutsch-Brod in Böhmen,"^ in der
Stiftskirche zu Bützow, in der Marienkirche zu Dortmund,^ zu Seckau
(zwischen 1480 und 1510 von Michael Rosenauer),^ im Münster zu Strafs-
burg (von Friedrich Krebser von Anspach 1489),*® in der Karmeliterkirche
zu Kiederich (1492 — 1510, vielfach umgewandelt, neuerdings sorgfältig
stilgemäfs restauriert) ;** aus dem XVI. Jahrh. : in der Jakobikirche zu Lübeck
die grofse Orgel (von Peter Lasur 1504), in der Marienkircke daselbst
' In der gröfetenteils ungedruckteD Chronik des Klosters von Lambert Staggert
hei&t es (nach einer ffütigen Sütteilung des Herrn Dr. Crull zu Wismar): *In dessem
iar M^ XXX sint ae Jaenen orgden affghesungen, welker metister Hans Rauenna
— anghehatien heft — de claver nyg tho maJcen vnde dat peacU.*
' Schmeidler, die ev. Haupt- u. Pfarrk. zu St. Elis., 91.
3 Pressel, Ulm und sein Munster, 46 f.
* Schneegans, a. a. 0., 8p. 178. — Kraus, I, 396.
* Spieker, a. a. 0., 31.
* Tschiscnka, St. Stephan in Wien. 2. Ausg., 108.
^ VergL Grueber. IV, 154.
* Abb. V. Quast, in der Zeitschr. f. Bauw. 1853, Bl. 9, Fig. 3.
* Vergl. Kirchenschmuck Sekkau. I, 28.
» Abb. bei Gailhabaud, Denkm. Lief. CXXXI. — Schmidt, Ch. W., der Auf-
riß zu d. Orgel d. Münst. z. Str. — Org. f. ehr. K. 1871, No. 17 Beil. — Kamee,
meubles. Taf. 63.
«» Abb. V. Quast, a. a. 0., Fig. 2.
die grofee Orgel (vod Meister BartoliJ Hering 1516—18)' und die kub der
dortigen Eatharinenkirche atammende kleine Aber der Totentuukapelle.
. Ors*l >v DnliDBDil (mcI
Daa grorse, ans mehr als 200 Pfeifen beBtehende Orgelwalzwerk anf der
Festung Hohen-Salzbnrg (nnter dem Namen *Homt oder tSlier* als
Stadtwahrzeichen geltend) ans der Zeit von 1495 — 1619 ist im J. 1856 nach
' Abb. Förster, Baut. VL Taf. au S. 31.
Orgeln. 329
laDgem Verfall wieder hergestellt worden.* Die Orgel zu Ostbevern bei
Münster in Westfalen ist vielleicht von 1505,^ die zu Rysum bei Emden
von 1516, zu Groothusen bei Emden von 1520, die im Münster zu Kon-
stanz 1520 — 1532 von Hans Orgelmacher, zum Teil noch erhalten. Ein
gotisches Gehäuse befindet sich auch noch zu Scharnebeck bei Lüneburg
und Reste einer gotischen Orgelbrüstung im Museum zu Zabern i. Elsafs.
— Die Orgeln zu Dortmund und Strafsburg haben ihre Stelle an der
nördlichen Langseite des Schiffs; auch die grofse Orgel im Ulmer Münster
stand auf dieser Seite zwischen dem 4. und 5. Pfeiler , und im Dome zu
Stendal befindet sich noch eine kleine einfach geschnitzte und bemalte Orgel-
empore im nördlichen Seitenschiff, wie auch die sogenannte Schwedenorgel
zu Dinkelsbühl, deren bereits oben S. 99 gedacht worden ist. InPreufsen
soll diese Abweichung von der normalen Stellung am Westende öfters vor-
kommen. — Die kleinen Orgeln wurden sehr häufig auf Emporen im nördl.
oder südl. Flügel des Querschiffs angebracht. — Die künstlerische Ausge-
staltung und Verzierung der Orgelgehäuse folgt dem in der Architektur der
Zeit herrschenden Geschmack: das van Eyck'sche Positiv ist am unteren
Teile des Kastens mit reichem Mafswerk schön geschmückt; die Orgel in
Kiederich zeigt an ihren Türmen den Zinnenkranz ; die in Dortmund hat
vegetabilischen Charakter; die in Strafsburg läfst die Horizontallinie über-
wiegen; die grofse Orgel in Lübeck (über 22,50 hoch und halb so breit) ist
ein mächtiger, pflanzenhaft behandelter Tabernakelbau mit einer Figur der
Himmelskönigin im Wipfel. Die zuDeutsch-Brod besteht aus zwei vier-
eckigen Türmen mit Wimpergen und Fialen und einem niedrigeren in der
Mitte über dem Spieltische, von welchem treppenförmige Zwischenstücke zu
den Ecktürmen emporsteigen. Das Ganze ist durch bemalte Flügeltüren
zu verschliefsen. Nicht selten wurden diese Orgeltüren mit wertvollen Ma-
lereien geschmückt; dergleichen mit neutestamentlichen Vorgängen bemalte
Tafeln vom Anfange des XVI. Jahrh. haben sich z. B. aus der Stiftskirche
zu Wettenhausen in der Pinakothek zu München erhalten. — Aufser Sagen,
die sich an Orgeln knüpften (s. oben S. 325, Note 6), fanden sich auch an
manchen Orgeln Kuriositäten, die zu förmlichen Städtewahrzeichen wurden,^
so befand sich an der Orgel zu Ochsenfurt ein Ochse, der zu Zeiten aus
der Orgel heraustrat und ein Kuckucksgeschrei von sich gab. Besonders
aber gehören hierher die berühmten »Rohraffen« an der Strafsburger
Münsterorgel, zwei Bestienfiguren, wahrscheinlich unten am Konsol, aus
deren aufgesperrtem Rachen zwei in ihnen versteckte Münsterknechte wäh-
rend des Pfingstgottesdienstes das Volk durch Lachen und Schreien belu-
stigten. Sie sind während der Reformationszeit verschwunden, dagegen er-
götzte der Hahn an der Magdeburger Domorgel bei dem Gottesdienste der
Heermesse noch lange das evangelische Volk durch sein Flügelschlagen und
Krähen.
Anmerkung 1. Die Tonschrift bestand bis ins X. Jahrh. aus Neumen
(mancherlei Punkten, Häkchen, Strichen und Schnörkeln), die nur zur Nach-
» Vergl. Jahrb. C.-K. HI, S. XVH; Anz. G. M. 1858, Sp. 288.
2 » BickelL im Anz. G.-M 1871, Sp. 199.
» »Orgelwahrzeichen« im Eirchenschmuck 1869. XXV, 31.
s
330 Tonschrift Schriften über Musik.
Hilfe des Gedächtnisses dienten und höchst unbestimmt und vieldeutig waren. *
Hucbald zu St. Amand in Flandern (t930) soll sich zuerst der Linien bedient
haben, und der Benediktiner Guido von Arezzo in Toskana (1000—1050) er-
leichterte die bisherige Notation mehrfach , namentlich auch durch Einführung
einer zweiten gelben Schlüssellinie zu der schon vor ihm gebrauchten roten :
letztere den Grundton, erstere die Quinte bezeichnend. Die vermutlich von
einem Laien ausgegangene eigentliche Notenschrift (Zirkel, Vierecke und
Punkte auf einem Liniensysteme) blieb zuerst von der Kirche ganz unbeachtet,
indem für den kirchlichen Gesang im XIL Jahrh. noch lange die Neumen bei-
behalten wurden. Im XIII. Jahrh. aber unterschied man bereits den Gesang
nach der eigentlichen Notierung als die Tunusica^ von dem blofsen *usus€
nach der älteren Bezeichnung. So singen die künstlichen £ngel im Graltempel
(siehe oben 8. S2b)per mtisic und per me.^ — Auf Pergament geschriebene
Chorbücher, namentlich des späteren Mittelalters, kommen noch häufig vor
und sind oft mit Miniaturen geschmückt. '
Über Gesch. der mittelalt. Musik sind zu vergleichen: Neumaier, J., Gesch.
d. ehr. Kunst, der Poesie, Tonkunst etc. 1856. Bd. I (Abt. 2); Kiesewetter,
Gesch. d. europ. abendl. Musik. 2. Aufl. 1846; Ambros, A. W., Gesch. d.
Musik. 4 Bände 1862—78. — Köstlin, Gesch. d. Musik im Umriüs. 1875. —
Reifsmann, Aug., Illustrierte Gesch. d. deutsch. Musik etc. 1881. — Nau-
mann, Emil, Illustr. Musikgesch. etc., seit 1880 in lieff. — Mettenleiter,
Dom., Musikgesch. d. Stadt Kegensburg. 1866. — Ders., Musikgesch. d. Ober-
pfalz. 1867. — Jakob, 350—425.
Mittelalterl. Quellenschriften über Musik findet man gesammelt bei Gerbert,
Scriptores eccl. de musica sacra (St. Blasien 1784). Der älteste imd wichtigste
musikal. Codex ist das Antiphonarium in der Bibliothek zu St. Gallen aus oem
Ym. JahrlL (in Faüksimile herausgegob. von dem Jesuiten L. Lambillotte.
Paris 1851); vergL Schubiger, Ans., die Sängerschule von St. Gallen vom
Vm.— Xn. Jahrh. Einsiedem 1858. — Belehrend über die Möglichkeit einer
sicheren Entzifferung der Neumen u. mittelalterl. Noten ist die von Lambil-
lotte, a. a. 0. gegebene Zusammenstellung eines und desselben Gesanges (des
Graduale der dntten Weihnachtsmesse; Viderunt omnes fines terrae etc.) in
Tonschrift des VIII.— XIV .und XVII. Jahrhunderts aus Antiphonarien der be-
treffenden Zeit (abgedr. auf der Musikbeilage zu No. 10 des Org. f. ehr. K. 1855).
— Andere Proben von Musikschrift aus verschiedenen Jahrhunderten bei Ger-
bert, de cantu et musica sacra 1774. 11, 61 sqq.; in Walther, J. L., Lexikon
dipl. 2 zugleich mit Auflösung in moderne Notenschrift; bei Reifsmann, a. a. 0.,
36 ff. 198 ff. und Naumann, a, a. 0., 189. 190. 208. — T. 0. Weigel, in
Leipzig besafs eine Sammlung von Faksimiles spätmittelalterlicher Musikschrift-
proben (von V arges aus Nordhausen), zum Teil mit Miniaturen. — Über die
alten musikal. Bezeichnungen: Revne archool. 1850. 12. livr. — Über die musi-
kalischen Instrumente des Mittelalters sind Quellenschriften: Sebastian Vir-
dung (Priester zu Amberg) Musica ^etutschtvnd aussgezogen etc. 1511; Mar-
tin Agricola, Musica instrumentalis deudsch etc. Wittem)erg bey Rhau 1529;
später: Michael Praetor ins, Theatrum instrumentorum etc. Wolfenbüttel
1620 (siehe auch S. 325, Note 5). Zu vergleichen: Weifs, Kostümkunde. II,
842—856. m, 493—497. — Lacroix, F., les arts au moyen-äge, 187 ff. —
Schultz, Alw., das höfische Leben etc. I, 429 ff. Diese aÜe mit zahlreichen
Abbildungen.
» Hucbald, Einen, (bei Gerbert, SS. I, 117): '^Incerto enim semper videntem
ducunt vestigio.*
' Vergl. Zarncke, Anm. auf S. 117 f.
3 Beispiele in Farbendruck z. B. bei Naumann, a. a. 0., Beil. zu lief. 5 u. 11.
Andere Musüdnstnunente. 331
Aninerkuag 2. Auch andere MuBikinetrumente wurden im Mittel-
alter unter dem Namen Organa znaammengefafBi. Ihr Gebraach beim eigent-
licbenKültaB var theoretisch nntersagt nnd zwar alBJndaUierend, aosoch von
ri|. 1». Ein ullteUlterilcbH OrcheHcr, Bsliaf in BwbtrrUK (aMt IactoIi).
Thomas Aq., Snmma II, 2.qu. Ol art. 2 in obj. 4. Zudem bildeten die Spiel-
leute, 80 beliebt sie bei Hoch und Niedrig waren, als fahrende Leute ein
bOrgerlich ehr- und rechtloses GeBchlecht und wurden von der Kirche alB Ab-
gefallene behandelt und von den Sakramenten ausgeschlosBen.' Gleichwohl
' Erat 1480 wurde füi die unter dem Patronat der Herren von ßappoltetein dtehende
GlaJUser BraderBchaft der Spielleute durch den Eardinallegatan Julianus die Xios-
332 Andere Miisildnstnimente.
wurde die Instrumentalmusik schon frühzeitig in den Klöstern und Kloster-
schulen mit grofsem Eifer geübt, namentlich ist dies von Reichen au unter
dem Meister Tatto durch Walafrid Strabo* und von St. Gallen unter Tutilo
durch Eckehard^ bezeugt, und wenigstens in Nebengottesdiensten scheint sie
schon früh zur Mitwirkung herangezogen zu sein, z. B. in dem Marientempel
des jüngeren Titurel (Zarncke, Str. 23, 138) sollen neben der Orgel immer
auch T^cimbale pstjUterie und ouch citorie^ zur Glorie der reinen Magd und ihres
Kindes erklingen , und auf den Gemälden des XV. Jahrh. sehen wir vielfach
(z. B. auf dem Genter Altar) den Kirchengesang durch Instrumentalmusik be-
gleitet. Abgesehen von diesem Gebrauch beim Kultus erscheinen die musika-
lischen Instrumente auf den kirchlichen Kunstdenkmälem des Mittelalters
hauptsächlich in dreifacher Weise. Zunächst in den Psalter-Illustrationen,
unter denen in der Regel der König David die Harfe spielend und umgeben
von seinen Sangmeistern in mehr oder minder grofserZahl nicht fehlt, oft aber
auch die Psalmenverse, in denen die Instrumente, welche zum Lobe Gottes
erklingen sollen, genannt sind, durch Abbildungen erläutert werden. Auch
das Orchester, welches wir, da geeignete Abbildungen nach deutschen Denk-
mälern nicht zugänglich waren, nach einem Relief in der Kirche St. Georges
zu Bocherville in Fig. 129 abbilden, dürfte dasjenige des Königs David vor-
stellen; die dazwischen erscheinende Tänzerin kommt in diesen Bildern nicht
selten vor. — Sodann finden sich ganz besonders häufig Engelchöre mit In-
strumentalmusik die himmlischen Lobgesänge begleitend , sowohl bei der An-
betung der Majestas domini, als namentlich in Verehrung der Himmelskönigin
und auf Grabsteinen zur Begrüfsung der Seelen, welche in Abrahams Schoofs
getragen werden, auch ohne solche unmittelbare Verbindung für sich allein, wie
an dem Frankenberger Altaraufsatz (siehe oben S. 145, Note 1), oder auf
den Innenseiten der zehn Flügelthüren der Heiligtumsschränke im Aachener
Münster (Abb. Bock, Rhein. Baudenkm., U, 11, Fig. 8). — Dagegen finden wir
sie auch in den Händen der bösen Geister, welche damit teils zu den Aus-
schweifungen der Fleischeslust oder Eitelkeit, teils in fast stereotyper Dar-
stellung auf den Weltgerichtsbildern zu dem Zuge der Verdammten in den
Höllenrachen aufspielen. Hierhin werden auch die centauren- oder sirenen-
artigen semihomines gehören, welche mit musikalischen Instrumenten vielfach
vorkommen, z. B. an den Konsolen unter den Apostelfiguren des Portals am
Frankfurter Dome, auf Glockenreliefs u. s. w. Endlich ist unter den hu-
moristisch-satyrischen Darstellungen diejenige mit musikalischen Instrumenten
beschäftigter Tiere, welche gerade die allerhäfslichsten Töne von sich geben,
als Esel, Schwein und Bär, ganz besonders beliebt. — Die zur Darstellung ge-
brachten Orchester sind an Zahl oft ganz bedeutend, an dem Frankenberger
Altare erscheinen z. B. 14 Engel, auf der Grabplatte der Bischöfe Gottfried I
und Friedrich U im Dome zu Schwerin 22 Könige mit verschiedenen Instru-
menten. — Nach diesen aufserordentlich zahlreichen Darstellungen läfst sich
sowohl die Entwickelung der Formen der Instrumente, als die ihrer Haltung
sprechung vom Eirchenbanne erwirkt, welche der Strafeburger Bischof Wilhelm EI.
1508 bestätigte und ihnen das divinissimum eucharistiae sacramentom vcrstattete.
> Vergl. Jakob, 423, Note 2.
» Ebd., 420, Note 4.
Andere Husikmfitnunente. 333
beim Spiel während des Mittelalters mit völliger Sicherheit verfolgen, dagegen
herrscht eine ziemliche Verwirrung in der Beziehung der schriftlich überlie-
ferten und häufig wechselnden Namen auf diese Gestalten, namentlich bei den
Saiteninstrumenten. Von Streichinstrumenten ist das wichtigste und häufigste
die Viedel (von fidiculä), meist dreisaitig, aus der die heutige Geige hervor-
gegangen ist, sie selbst aus einer Verschmelzung der von der irländischen
Cruth abstammenden RoUe (mit rundem Körper und noch sehr unausgebildetem
Halse) und des durch die Kreuzfahrer nach dem Abendlande gebrachten, von
dem altarabischen Rebab abstammenden Rebec (mit ausgebildetem Halse und
Wirbeln, während der Körper flach und viereckig war) entstanden und so-
wohl in der Form der Handgeige als der Kniegeige vorkommend. Saiteninstru-
mente, die mit der Hand oder Stäbchen gerissen oder geschlagen wurden, sind
besonders der Psalter (psalierium) von dreieckiger oder auch geschweifter
Gestalt, der wagerecht quer vor der Brust gehalten wurde; die Harfe {harpüj
cithara ieuionica^ auch Notkers Psalter genannt) ebenfalls dreieckig, aber
aufrecht gehalten und schon der gegenwärtigen Form sehr ähnlich, mit Re-
sonanzboden und durch Kurbeln zu stellenden Saiten; die Laute {Luth)y ein
während die Harfe mehr dem Norden angehört, mehr im Süden beliebtes gui-
tarreartiges Instrument mit langem Griffbrett, teils senkrecht auf das Knie
gestützt, teils wagerecht vor der Brast gehalten und mit einem Plectrum ge-
spielt; das Hackebrett, eine liegende Zither, der^n Saiten durch Klöppel
geschlagen wurden, schon im IX. Jahrh. in St. Gallen in Gebrauch, und die
Leyer {Organistrum) ^ eine Laute, deren Saiten durch Drehung einer Kurbel
zum Tönen gebracht wurden, in alter Zeit so grofs, dafs sie von zwei Personen
gespielt wurde, deren eine die Kurbel drehte, die andre die zur Erzeugung der
verschiedenen Töne dienenden Stege aufhob, später verkleinert und zur »Bettler:
leyer« herabgesunken. Von Blasinstrumenten kommen vor: die Flöte oder
Pfeife {ßwegula^ sambucca, fistuia)j hauptsächlich als Langflöte, aber auch als
Querflöte, mit Begleitung einer kleinen Trommel (sumber) von einer Person
gespielt und meist zum Tanze gebraucht; die Schalmei (caiamus), das uralte
Hirteninstrument mit Mundstück, Vorfahr der Oboen und Klarinetten; der
Dudelsack oder die Sackpfeife, neben der Schalmei das älteste Volksinstru-
ment; die Trompete (tubä)y meist in gerader, sehr langer Form, schon im
XV. Jahrh. jedoch auch in der neueren gewundenen, von jeher namentlich als
Instrument der Engel beim Weltgericht; und das Hörn (comu)y ursprünglich
wirkliche Stierhömer oder Elephantenzähne in natürlicher Krümmung, haupt-
sächlich als Hüfthörner getragen und als Reliquienbehälter (siehe oben S. 219)
vielfach direkt in kirchlichen Gebrauch gekommen. Aufserdem ist noch beson-
ders zu nennen das tympanum, ein paukenartiges Instrument, das an einem
Bande um den Hals getragen, mit einem Schlägel geschlagen und mit der
Hand gedämpft wurde, und das cymbalum, die Schelle, die oft zu einem
Glockenspiele ausgedehnt wurde, dessen an einem wagerechten Stabe schwe-
bende Glöckchen mit einem Stabe geschlagen wurden. Auf unserer Abbildung
sehen wir zunächst eine Figur mit der Kniegeige, dann zwei mit dem Orga-
nistrum, darauf eine nicht recht deutlich wohl mit der Flöte und Trommel,
dann eine gleichfalls nicht recht deutliche mit einer Laute (?), dann folgen
Psalter, Handfidel, nach der tanzenden Figur (mit der Schellentrommel?) die
Harfe und endlich zwei Personen mit dem Glockenspiel.
334 Grabdenkmäler.
53. Die Sitte, Verstorbene, besonders geistlichen und adeligen Stan-
des, in den Kirchen und deren Nebenräumen zu begraben und die
Stätten mit Grabdenkmälern* zu bezeichnen, geht durch das ganze
christliche Mittelalter; der hohe Chor blieb indes in der Regel von Grär
bern frei, und aufser gekrönten Häuptern wurden nur die Stifter der
Kirchen hier beigesetzt Während das Mittelschiff gewöhnlich der höhe-
ren Geistlichkeit vorbehalten war, wurden die niederen Geistlichen und
vornehme LÄien, diese meist wohl nur infolge von Stiftungen oder gegen
sonstige Bezahlung, in den Seitenschiffen und Kreuzgängen begraben;
die Würdenträger der Klöster nicht selten im Kapitelsaal. ^ — Die Grab-
denkmäler sind der Form nach entweder liegende oder stehende; letz-
tere gehören, mit einigen Ausnahmen aus dem früheren Mittelalter, erst
späteren Zeiten an.
Ursprünglich war das Begraben von Toten in den Kirchen zwar
strenge verboten, und diese sollten aufser den Heiligenleibern und den Re-
liquien in den Altären keine sterblichen Überreste umschliefsen; indes selbst
wiederholte Verbote drangen nicht durch gegen die allgemeine Sehnsucht
der Gläubigen, dem Leibe in Erwartung der künftigen Auferstehung eine
Ruhestätte innerhalb der geweihten Mauern des Gotteshauses zu bereiten.
Auch mufste man es gerechtfertigt finden, für hochverdiente Kirchen- und
' Sammlungen mittelalterl. Grabdenkmäler in künstlerischen Abbild.: Dorst, J.
G. Leon., Grabdenkmäler. (1842.) 1846. — Schmidt, Chr. W., Grabdenkmäler des
Hauses Nassau-Saarbrücken zu St. Arnual. 1846. — aus'm Weerth, Datierte Grab-
mäler des Mittelalters in den Rheinlanden. I. Bonner Jahrbb. LYU, 147 — 151. —
V. Wilmowsky, J. N., die histor. denkwürdigen Grabstätten der Erzbischöfe im Dome
zu Trier etc. Mit 11 Tafeln 1876. — Perschman, Th., Nordhaiisens mittelalt.
Grabdenkmäler 1880. — Hildebrandt, Ad. M., die Grabsteine und Epitaphien ade-
liger Personen in und bei den Kirchen der Altmark. 1868. — Zahlreiche aus dem
mnnöverschen in den verschiedenen Bänden von Mit hoff. — Luchs, H., Schlesische
Fürstenbilder. M. 47 Taff. 1872. — Walz u. Frey, die Grabdenkmäler von St. Peter
u. Nonberg zu Salzburg. I— III. 1867 — 71. — K. Lind, die Grabdenkmäler während
des Mitteläters. M. 64 Abb. in Ber. u. Mitt. des Alter.- V. Wien. XI. — Derselbe
über nieder -Österreich. Grabdenkmäler in den Mitt. C.-K. XVll. XVin. N. F. I. u.
Ber. u. Mitt. d. Alt.-V. Wien. XIIL — WinkleK, A., Grabdenkmäler in Ober-Östr.
in den Mitt. C.-K. N. F. IL HI. IV. — In der Stadtbibliothok zu Breslau befindet
sich eine vom Grafon Hovorden angelegte, ans 39 Bänden bestehende Sammlung von
Abbildungen schlesischer (jrabdenkniäler. — Über die verschiedenen Arten von Grab-
denkmälern vergl. Schultz, Alw., das höfische Leben etc. II,- 410 — 416. — Eine sehr
reichhaltige chronolog. Übei-sicht von Grabmälem im Konversat.-Lex. für bild. Kxmst.
VU, 364—440 und die betr. Litteratur ebend. S. 440 ff.
* Die »Consuetudines* der bischöflichen Kirche zu Merseburg aus der Zeit um
1323 besagen: *Nullus nisi episcopus aut prepositus in navi Ecclesie, Canonicus
in laterihus in ecclesia, et vicarius et aiia membra in ambitu, layci foris sanctum
michaelem, nisi esaent insignes, in anibitu (d. h. in dem sog. kleinen Kreuzganse
bei der Michaeliskapelle) aepelientur et non in ecclesia.* Yergl. N. Mitt. d. Th.-S.
V. n , 232. — Anderwärts galten andere Gebräuche : so befinden sich z. B. die Gräber
der Erzbischöfe von Trier und ebenso die der Bischöfe von Frei sing fast alle in den
Seitenschiffen ihrer Kathedralen. In Trier ruht Erzb. Arnold I. (f 1183^ unmittelbar
vor den Stufen des von ihm erbauten Ostchores in der Axe des Mittelscnifb.
Grabstätten in Eirchen n. Kapitelsälen. 335
KloBtervorstände, wie auch für besonders ausgezeichnete Wohlthäter der
Kirchen einen Grabraum in denselben zuzulassen, wodurch allmählich das
ursprüngliche Verbot in Vergessenheit geriet, und das Begraben der Toten
in den Kirchen zur Sitte wurde. * Am längsten wurde noch von den Cister-
ciensem das Gesetz aufrecht erhalten, dafs in ihren Klöstern Frauen, sei es
lebend oder tot, nicht eingelassen werden durften, und ein Abt dieses Or-
dens, der das Begräbnis einer Frau in seiner Kirche erlaubt hatte, wurde
von dem General -Kapitel im J. 1193 hart bestraft.* Die Bestattung von
Königen, Königinnen und Bischöfen war dagegen überall in den Kirchen
gestattet, und den Stiftern derselben gestand man selbst ein Grab in der
Mitte des hohen Chores zu. Bischöfe wurden regelmäfsig in ihren Kathe-
dralen begraben ; es sei denn , dafs sie eine andere Kirche gestiftet hatten,
in welcher sie denn auch ihr Grab bestimmten. So z. B. wurde Erzbischof
Bruno von Köln im J. 965 in der von ihm erbauten Kirche St. Pantaleon
begraben, Bischof Werner von Merseburg 1093 in der Kirche des von
ihm gestifteten dortigen Petriklosters und Erzbischof Werner von Magde-
burg 1078 Inder von ihm erneuerten Marienkirche daselbst. Letztere wurde
auch die Ruhestätte seines Nachfolgers Heinrich 1107, weil dieser wahr-
scheinlich den Bau weiter geführt hatte. Mit derselben Kirche, die er aber-
mals erneuerte, verband Erzbischof Norbert ein Prämonstratenserkloster,
galt deshalb als neuer Stifter der Kirche und wählte auch sein Grab in ihr.
— Ähnlich verhielt es sich auch mit den Stiftern und Wohlthätem von Mefs-
altären, welche häufig vor denselben begraben wurden, z. B. der Merse-
bnrger Bischof Heinrich von Stolberg 1366 vor dem von ihm in der Kathe-
drale gegründeten Altare des heil. Kilian, sein Nachfolger Friedrich von
Hoym (gest. 1382 als Erzb. von Magdeburg in Merseburg) vor dem von ihm
im Dome gegründeten Altare der heil. Barbara etc. — Im Kapitels aal am
Dome zu Magdeburg befindet sich das Grab eines Dechanten aus dem
XIV. Jahrhundert, und nach den Statuten der Cistercienser konnten die Äbte,
wenn sie es wünschten , im Kapitelsaale bestattet werden ; im Kapitelsaale
des Cistercienserklosters Maulbronn waren aber nicht blofs mehrere Äbte
begraben, sondern aufser einigen auswärtigen Stiftsherren selbst zwei als
fidelis amica ht^fus domus bezeichnete T^sorores<^ Mergarthis (t 1276) und
Jutida und eine Bürgerin von Speier, Ella Swrenin (t 1345).* Im Kapitel-
saale des Klosters Bebenhausen liegen mehrere Glieder des Geschlechts
der Pfalzgrafen von Tübingen aus dem XIII. und XIV. Jahrh. mit Frauen
und Kindern begraben,^ und der Kapitelsaal galt hier als die ehrenvollste
Begräbnisstätte. Vergl. oben S. 103. — Nach einer Festsetzung des Kir-
chenpatrons von 1513 mufsten für ein Begräbnis im Münster zu Freibnrg
« Vergl. Mitt. C.-K. I, 57.
* » Feil, in den Mitt. Kunstdenk. d. Österr. Kaiserst. I, 9.
' Aufserdem lagen im Kreuzgang auch noch eine Elin virgo de Spiro (f 1429)
und Elisabeth virgo de Spira (f 1427), beide ids fautrix hujus monasterii bezeich-
net, und unter einem gemeinschaftlichen Steine eine Pela Gutae domina f 1360 mit
ihren Töchtern Pehi f 136®, Guta f 1351 und Irmela f 1387. Vergl. Klunzinger,
Maulbronn, 38; Paulus, Maulbronn, 82.
^ Pfalzfflraf Rudolf (t 1219) war Stifter dieses Klosters; vergl. Klunzinger, Artist
Beschreib, der Abtei Bebenhausen, 24.
333 liegende OnMenkmSler.
i. B. 20 rhcin. Gulden znm Kirchenbau lumb Gottes Willen^ entrichtet wer-
den, ond zwar mit RückBicht daraof, daffi Papat Leo X. das Begraben der
Toten in und bei den Kirchen der Stadt wegen der häufigen Peetläufte
verboten und die Errichtung eines neuen Gottesackers aurserhalb der Stadt
befohlen hatte. '
Liegende Grabdenkmäler: Leichensteine oder BronzepUtten als
einfache Bedeckung des Grabes. Die Form der Steine war in verschiedenen
Gegenden und zu verachiedenen Zeiten verachieden;
insbesondere gilt dies von dem Verhältnis der Länge
zur Breite, welches z. B. im Magd eburgi sehen in der
zweiten Hälfte des XIIL Jahrb. wie 5 : 2 ist, um 1400
dagegen oft wie 5 : 4. Überhaupt sind wohl fiberall
die älteren Grabsteine auffallend schmal. Am grOfs-
ten pflegen die Denksteine mancher Erbgrüfte ans der
2. Hälfte des XIV. Jahrb. zu sein, die z.B. in Greifa-
vald das Hafs von 2,9U X. 1,6U erreichen. Während
sonst das Rechteck die gewöhnliche Form ist, kommt
znKCIu in St. Maria auf dem Kapitol (nnter der Orgel)
eine ganze Reihe von Grabateinen ans rotem Sandstein
vor, ein ähnlicher auch in St. Pantaleoo und in der
Krypta zu Laacb (Abb. aus'm Weerth, LH, 10), die
ohne Zweifel, weil sie ursprunglich als Deckel von
Steinsärgen dienten, zu Häupten etwa um ^U breiter
sind als zu denFttfsen, und das Verhältnis der unteren
Breite zu der etwa 2,20 betragenden Länge ist wie
1:3. HOchst eigentümlich ist die Verzierung dersel-
ben mit einem flach erhabenen Stabwerk, welches
FK. im. G«i»Miii gich teils kreuzfSrmie durchachneidet , teils durch
in St. Maria tut A. Kapitol „j ^f iL 1.1 1. !.■_•
■B KBin (nuta T. Qaan). RundUDgen eine gröfsere Abwechslung hervorbringt;
auf einzelnen finden sich Krensstäbe, auch, wie es
scheint, Bischofstäbe angedeutet, und einige sind im
Spätmittelalter nochmals benutzt worden und dem entsprechend mit In-
schriften etc. versehen. Data über das eigentliche Alter dieaer Steine fehlen
ganz. Die Annahme ihres Uraprunga aus fränkischer Zeit ist unvereinbar
mit dem häufigen Vorkommen ähnlicher Stein-Särge und Deckel wie am
Rhein und dessen nächster Umgegend von Worms abwärts, so auch an der
Nordsee und der benachbarten Jahde und Weser, in den Halligen an der
Westküste von Schleswig und wahrscheinlich bis nach den Ufern der Ostsee
in Selioonen hin. Sie weisen, anknüpfend allerdinga an rSmische Tradi-
tionen, durch Material,* Technik und Verzierungsart, die an Metallbeschläge
von Holzkisten erinnert, auf daasetbc mittel rheinische Fabrikcentrnm hin
(nach von Cohausen: Miltenberg a. Main), von woaus sie, wie die nieder-
rheiniachen Bausteine (siehe oben S. 34) über Holland zur See wahrschein-
' (Suhreiber) Denkm. deutscher Baukoiist am Oberrheio, Beil. 211111 2. Text-
heft, 22.
* Die in Schleswig gefundenen sind freilich aus den giaugelWiclieD Sandsteine an
der oberen Elbe gefertigt
Liegende Grabdenkmaler. 337
lieh Jahrhunderte hindurch verachifft worden hinä. Die einzige mit einer
nie htd stierten , &bcr wohl authentiechen nod aus dem XIII. Jahrh. stam-
menden Inschrift {Hicjacei Conradus sacerdos orate pro eo) versehene Platte
befindet sich in der Kapitolskirche zu Köln (siehe Fig. 130) und wird als
eine der jüngsten der ganzen Gattung anzusehen sein. '
Die oben breitere trapezförmige Form ist auch sonst bei
den älteren Grabsteinen häufig, z. B. an der Bronze-
platte mit der Relieffigur angeblich Erzbischof Adal-
berts (t 981) im Dome zu Magdeburg,' aber auch
noch an der Steinplatte des Kanonikus Peter von Thure
(t 1281) im Dome zu Brandenbarg; und an die Ver-
ziemngsweise der beschriebenen Stein Sargdeckel erin-
nern die zum Teil inachriftlosen Leichen steine, die nur
mit einem grofsen Vortragekreuze gßschmttckt sind, wel-
ches oft auf einem Dreieck, Halbkreis, Kleeblattbogen
oder verschlungeneu Kreiaornamente (siehe Fig. 131)
steht, oft auch oben von einem Kreise umgeben ist, wäh-
rend manchmal das Kreuz auf der Stange auch ganz
fehlt und durch einen Kreis ersetzt ist, wie auf einem
in den Ruinen des Petersklosters zu Goslar aufgegrabe-
nen von 1320.^ Diese Verzierung findet sich schon auf
einem beim Abbruch der Kirche zu Mutzig im Elsafs
gefundenen Sarkophagdeckel aus dem IX. bis X.Jahrh.*
nnd ist dann namentlich in Sächsischen Gegenden bis
hinauf nach Greifswald verbreitet,* ebenso aber anch
in Österreich.^ — Sehr selten, und dann wohl auch alte- Fig. ui. onbitein
rer Zeit angehörig, sind solche Grabsteine, welche den ""m"!!!«!*«*"
römischen entsprechend an der oberen Schmalseite gie- <"'*'' *■"")■
beiartig zusammenlaufen, wie der des Bischofs Rich-
winus von Naumburg (t 1125) in St. Moritz daselbst,^ auch einer in
der Kapitolskirche zn Kölu, der nur eine Lilie (in der Regel das Zeichen
eines Frauengrabea) enthält, über welcher oben ein Krenz sich erhebt, und
frühestens dem XIII. Jahrh angehören soll, und der Grabstein des hessischen
Landgrafen Heinrich d. Ungehorsame (t 1298) mit dem Umrlfsbilde des
Verstorbenen im langen Hauskleide in der Elisabethkirche zu Marburg.
An den oberen Ecken bedeutend abgeschrägt sind die Bildsteine des Sieg-
fried Leube (nach 1289) in Heiligenkreuz (Abb. Mitt. C.-K., XVm, 47)
and des Propstes Marqnard Krummensee (t 1412) im Dome zu Bcanden-
» Äbb-Rosenthal, a.a.O., lief. V. Taf. VI, 3; Brandt, d. Dom zu Magdeb., 99.
» Vergl. Chr. K.-Bl. 1972, 12G. 1873, 134.
' » Kraus, im Jahrb. der Kgl. Preub. Kuast-Sammlmigen. I, 326.
» Beispiele bei Mithoff. L T«f. 4. fi. 7. — Baudentm. d. ftov. Sachsen. I, 54.
— Steche, Pirna. 55. — Nordhoff, Kr. Hamm, 138. — Adler, Bactateinh. 11,24.
— Chr. K.-B1. 1&S2, 26.
• Beispiele Mitt. C.-K. XVHI, 47. 129. — N. F. I, S. LVH; VI, S. XXXIX f. —
Grneber. H. Fig. 294.
' Abb. bei Lepsius, C.P., Gesch. des Moritzkl. zu Naumb. Taf. HI, 1 zu S. 122.
Olle, Knnit-ArDblalaglo. S. AnU. 22
138 Gravierte und ßeUet-Grabplatton.
bürg. — Während in Bronze gegossene Or&bplatten bereits früher vorkom-
men (z, B. im Dome zn Uereebnrg
mit der RelieflSgnr dee Gegenkai-
Bere Rudolf von Schwaben, geat.
1080), werden aeit dem XIII. Jahrb.,
heBoadera in Norddeutschland, He-
taligr abplatten (McBBing, Bronze)
häufig, die aus mehreren Tafeln zu-
Bammen gesetzt zu sein pflegen und
mit gcBchnittenen oder gravierten
Darstellungen versehen sind: die
älteste bis jetzt bekannte Platte
(von 1,99 X 0,73) mit gravierter
Zeichnnng de« Verstorbenen (Bi-
schöfe Yso von Verden, gest. 1231)
befindet sich in der von demsel-
ben gegründeten ÄndrcaBkirche da-
selbst. • — Die ältesten Grabsteine
mit dem Bilde des Verstorbenen
zeigen dieses ebenf^ls nur in ver-
tieften Umrissen, die zuweilen mit
schwarzem oder rotem Kitt ausge-
füllt sind: Reliefbilder wurden an-
fangsvermieden, umdenFnfsboden
nicht uneben zu maclien;' sie ge-
hören erst späterer Zeit an, wenn
auch einzelne bereits im XIII. Jahrb.
vorkommen, z. B. der Grabstein eines
Ritters, dem Wappen nach eines
Herrn v. Hahn, im kleinen Kreuz-
gang am Dome zn Merseburg.* —
Eine elgentttmliche Gattung bilden
mehrere Grabplatten ans dem XIV.
Jahrb. in der Klosterkirche zuDo-
heran, welche, im Anschlnfs an dSB
in Norddeutsch Und vorherrschende
Backstoinmaterial, aus einer Mosaik
kleiner Ziegelplättchen (4 — 500 zn einem Leichen st eine von ca. 2,ii x 1,02)
zusammengesetzt sind, die in quadratischer Form gebildet ein Schaehmnster
von abwechselnd roter und dunkler Farbe darstellen, und teilweise, wie die
zur Beplattnng der Fnfsböden (s. oben S. 93 f.) dienenden figurierten Ziegel,
mit Tierbildem oder Ornamentmastem versehen sind.* Die Platten wurden
1 Abb. Mithoff. V. Taf. 3.
> Das Generalliapitel der Cistercieneer von 1194 verordnete wegen der Grabsteine:
»Cooeguenfur terrae, ne ginl offendiculo tranaeuntium.t Vcrgl. Feil, a. a. 0.
' Abbild, bei Puttrieh. II. Serie Mfiraeburg, Bl. VUI. 4 u. 5.
' VergL Mectl. Jahrbb. K, 42S; XIS, S^b; Abb. in der Zeitschr. f. ehr. A. u. K.
n, Taf. 2 EU S. 28 S.
Tumben. 339
in alter Zeit vielfach zum Schntze mit einer Holzkiste oder einer auf Fttfs-
chen stehenden Holztafel überdeckt. Eine solche befindet eich noch über
dem Grabe Kaiser Heinrichs I. im Dome zn Quedlinburg, frtlher auch anf
der Platte des Herzogs Boleslaus zu Kloster Leubus nnd der des Herzogs
Wenzel vor der Barbarakircbe zu Breslau.
Plg, 133. TunbsD In FUntenchor dei EliubithUrcha in Miibnrg (mch UiiDUlamb«n).
Tumben: aufgemauerte mit einer Stein- oder Metallplatte bedeckte,
auch ganz aus Metallplatten zusammengestellte, über den Fufsboden er-
hobene Gräber oder Grabmäler. — Die altereu sind nur niedrig und um-
echliefsen zuweilen wirklich den Leichnam. Dahin gehört das Grab Kaiser
Otto's des Grofsen in der Mitte des hohen Chores in dem von ihm zuerst ge-
stifteten Dome zu Magdeburg: unter einer schliehteu Marmorplatte ruhen
die Gebeine flber der Erde innerhalb eines aus Mörtelgufs bestehenden, an
nicht ganz so groa-
iste. ' — Die mit der bereit»
iedrige Tumba Rudolfs von
manchen Stellen nur einen Zoll dicken Kastens, i
sen, roh ans starken Brettern gearbeiteten Holzkis
erwähnten Gufsplatte bedeckte, ebenfalls ganz nie<
Schwaben in der Vierung des Dams von Merseburg ist massiver Stein, an
den Seiten mit schlichter Täfelung gegliedert. — Seit dem XIII. Jahrh.
kommen Tumben In Form eines Altars vor, z.B. das Hochgrab der Cunrod///.
reffü genitrix Adelheida (welche 1037 das Stift gegründet hatte) von 1241
' Dieses wohl aus dem Xm. Jahrh. herrührende (also nicht das orspriingliohe)
Grab mulste am 2i. Nov. 1S44 wegen Schadhaftigkeit geö&et werden.
in der Graft der Stiftskirche zu Öhringen mit 4 Ecks&nlen. — Zuweilen,
namentlich in den Rheinlanden, stehen die Tnmben niclit frei, Hondern sind
mit einer Seite an die Wand ge-
rOckt nnd niechenartig überbaut.
Sie scheinen ans den anfgemaner-
ten BogengTflbern {arcosoUä) der
Katakomben hervorgegangen zu
sein nnd waren nur mSglich , wenn
das Grab selbst, wie bei den älte-
sten Bischofagrfibern im Dome zu
Trier, sich unmittelbar an einer
Wand befand. Die Bogenarchi-
tektnr entspricht dem Jedesmali-
gen Baustile der Zeit. In der
romanischen Zeit ist die Tnmba
selbst niedrig nnd schlicht nnd
der Rundbogen der Nische wird
von Säulen getragen, wie bei den
ans dem XIII. Jahrh. herrühren-
den BogengrSbern der ErzbischOfe
Udo (t 1078), Egilbert (t 1101),
Bruno (t 1124) von Trier und des
römischen Kardinals Ito (t 1143)
im Dome zu Trier.' In der
gotischen Periode erscheint die
Tumbaaltarförmig erhöht, an den
Seiten mit Arkaturen nnd oben
mit der Relieffigur des Verstorbe-
neu geschmückt, nnd die Nische,
deren Wandfläche zuweilen zn
einem Gemälde benntzt ist, wird
durch eine Wimberge gebildet,
wie an den Gräbern der Trierer
ErzbischOfe Heinrich vonFiuatin-
gen (t 1286) im Dome zu Trier,'
Kuno von Falkenstein (t 1388) und
Werner von Königatein (t 1418)
in St. Kastov zu Koblenz* nnd
des Strafsbnrger Bischofs Rachio
(t 815) zu Nieder-Haslach,*
*''"'"■ (S^V'Stt!.™™ " '^''" Im Kloster Eberbach sind in
einer schönen Wandnische später
die Reliefplatten der Erzbiachöfe Gerlach (t 1371) und Adolph U (t 1475)
' Abb. bei de Caomont, a. a. 0., 266- Gailhabaud, lief. CXHI. Taf. 1
» . bei V. Wilmowsky, a. a. 0., Taf. H.
* . aus'm Weerth. III, 62 u. 64.
' > Kraus. I, 199.
Tumben.
341
von Mainz EUsamineDgestellt.' — Auch die sns vier gegoaseDen Bronzeplatten
zuBammeDgesteUte Tnmba
Biachofs Thilo von Trotha
(t 15 14) im Dome za Her-
seborg steht an der Wand,
aber ohneüberbaa. — Anf
Säulen oder auch auf Lö-
wen ruhende, bahrenartige
Stein- oder Hetallgrabmä-
1er kommen in Dentachland
anBcheinend erat eeit dem
XIV. Jahrhundert vor nnd
werden erat gegen Aus-
gang des Mittelaltera häu-
figer. Wir nennen dag Mar-
morgrab der aeligen Au-
velia (t 1026) von 1335 in
St. Emmeram zn Regens-
barg,' das Steingrab dea
Landgrafen Ulrich von
Werd (t 1344) in St. Wil-
helm zn Strafsburg* nnd
das Bronzegrab des Knr-
fdrsten Johann Cicero von
Brandenburg von 1630 im
Dome zu Berlin. Eigen-
tümlich iat dag dem Ende
dee XIV. Jahrb. angehOrige
Grabmal des heil. Bmme- Fig. lu. siikopbigniMba n Kieder-Hui«ii (nun Kmn).
ram in der ihm gewidme-
ten Kirche zn Regensbnrg; das Bischofebild ruht hier etwas erhöht anf der
■ Abb. State u. Ungewitter, Taf. 178.
' • bei Förster, Bildnern. UI, Taf.
' > Woltraann, Elsab, 205. ~
ann. XCTV, 4.
342 Bildschmuck der Grabdenkmäler.
Erde unter einer an den Ecken von vier Säulen getragenen leeren, tischartigen
Platte von rotem Marmor.* — Die Tumben sind oftmals zum Schutze mit eiser-
nen Gittern umgeben; an diesen sind hie und da noch Vorrichtungen zum Auf-
stecken von Lichterh und Überhängen von Bahrtüchern bei den Memorienfeiem
erhalten, in Deutschland wohl nur an dem Grabmale des Bischofs Przeczlaua
von Breslau (t 1376) im dortigen Dome.* Öfters sind sie auch mit Balda-
chinen auf Säulen Überbaut, so das Grabmal in der Klosterkirche zu Laach
mit einem kuppelartigen auf sechs Säulen/ in oblonger Form die Königs-
gräber im Dome zu Krakau.^ Nach diesem System ist auch der Aufbau
des Vischerschen Sebaldusgrabes in Nürnberg angelegt. — Seit dem XIIL
Jahrh. tragen alle Hochgräber ebenso wie die Grabplatten ein Bild des Ver-
storbenen, über dessen Gestaltung und Beigabe von Wappen Näheres in der
Ikonographie zu erörtern ist. Hier ist nur anzumerken , dafs gegen Ausgang
des Mittelalters die Darstellung vielfach eine ähnliche wird, wie auf den
Memorienaltären, nämlich dafs der Verstorbene als Adorant vor Heiligen,
einer Kruzifixgruppe oder sonst einer zusammengesetzten biblischen oder
legendarischen Scene, zuweilen nur wie eine Nebenfigur (z. B. auf dem
Grabmal des Bürgermeisters Rubenow zu Greifswald von 1462, s. Fig. 137)
erscheint, womit der Übergang zu den Epitaphien der Reformationszeit ge-
geben ist, auf denen das biblische Bild die Hauptsache ist, und der Verstor-
bene mit seiner Familie nur als Zugabe erscheint. Auch die Seitenwände
der Tumben, ebenso wie die gravierte oder in Relief dargestellte Nischen-
architektur, von welcher das Bild auf der Platte häufig umgeben ist, wurden
mit Figurenbildwerk geschmückt. Wo dies nicht Wappen allein, oder mit
ihren Wappenhaltem sind, erscheinen zumeist Heilige als Schutzherrn und
Fürbitter für den Verstorbenen, und auf mit reicherem Bildwerk geschmückten
Platten finden sich nicht selten zu Häupten des Verstorbenen die Darstellung^
wie seine Seele in Gestalt eines nackten Kindchens in einem Tuche von Engeln
dem Heiland entgegengetragen oder von ihm als Abraham im Schofse ge-
halten wird, während musicierende Engel herumstehen. Statt der Heiligen
treten manchmal aber auch die Glieder der irdischen, Fürbitten und Sühn-
opfer für das Seelenheil der Verstorbenen darbringenden Kirche , Kleriker
und Ordensleute beiderlei Geschlechts ein (Beispiele : Graf Konrad Kurci-
bold (t 948) im Dome zu Limburg a. Lahn; Pfalzgraf Heinrich H. (t 1095)
in der Klosterkirche zu Laach; Bischof Przeczlaw (t 1376) im Dome zu
Breslau; Markgraf Georg von Meifsen (t 1402) in der Klosterkirche zu
Schulpforte; Kurf. Friedrich der Streitbare (t 1428) im Dome zu Meifsen;
Grafülrich von Ebersberg und Gemahlin (von 1496) in der Kirche zu Eber s-
* Abb. Grf. v. Walderdorff, Regensburg, 147.
2 » Luchs^. a. 0., Taf. 1.
3 » aus'm Weerth. Taf. LH, 9.
* » bei Essenwein, Krakau. — Eigentümlich ist das hölzerne hausförmige
Grabmai des Herzogs Barnim VI. von Pommern -Wolgast (f 1405) in der Kirche zu
Kenz bei Barth, dessen Dachflächen um ihre obere Achse gedreht werden können,
wodurch die im Innern ruhende lebensgrofse Schnitzfigur des Verstorbenen sichtbar
wird. Verd. Prüfer, Th., im Chr. K.-JBl. 1S73, 180 u. Archiv. I, 3 u. 4 mit Abb.
Auch das oben S. 192 erwähnte kostbare kirchenarti^e Schnitzwerk aus Möchling stand
über dem Grabe des Markgrafen Albuin in der dortigen Kirche.
Bildschmuck der Grabdenkmäler.
344 Bildschmuck der Grabdenkmäler.
berg in Bayern). Nach einer andern, wohl aus Frankreich stammenden Sitte er-
scheint zuweilen auch an dieser Stelle ein Zug von Leidtragenden, teils in beten-
der, teils in klagender Haltung, die oftmals, namentlich je höher der Rang des
Verstorbenen gewesen, desto mehr übertrieben zum Ausdruck kommt, sowohl
Familienglieder (wie an der Tumba des Grafen Adolf II. von Kleve (t 1394) zu
Kleve), als auch die Vasallen, Hofbeamten und sonstigen Untergebenen des
Verstorbenen, unter denen neben dem Hof kaplan selbst Hofnarr und Schutzjude
vorkommen^ (Beispiele: Herzog Heinrich IV. (t 1290) in der Kreuzkirche
zu Breslau; GrafGebhard XVII. (t 1383) zuQuerfurt; Graf Günther XXV.
von Schwarzburg (t 1368) und Gemahlin in der Liebfrauenkirche zu Arn-
stadt; Landgraf Otto der Schütz (t 1366) und Gemahlin in St. Elisabeth zu
Marburg; König Ladislaus Ellenhoch (t 1333), Kasimir d. Grofse (t 1370)
und Kasimir IV. Jagiello (1492) im Dome zu Krakau; Bischof Johann
Deher von Lebus (t 1465) im Dome zu Fürsten walde; Bischof Peter No-
wack von Breslau (t 1456) im dortigen Dome). Völlig allein steht der
Grabstein des 1360 beim Messelesen ermordeten Pfarrers Gerhard von Lyn-
don in der Kirche zuNossendorf beiDemmin, auf welchem in den Nischen
der die Figur des Verstorbenen umgebenden Architektur nicht Heilige oder
Leidtragende, sondern die vier Mörder mit ihren Mordwaffen unter Beischrift
ihrer Namen verewigt sind. Wahrscheinlich wird diese Darstellung ein be-
sonderes Bufswerk gewesen sein, entsprechend der Errichtung der Mord-
kreuze (siehe §. 55, Nr. 24). Symbolisch allegorische Darstellungen kom-
men nur selten vor. Am Sarkophage des Bischofs Adeloch in St. Thomas zu
Strafsburg und an dem des heil. Morand zu Altkirch finden sich auf ihre
Bestallung und Amtsfühining bezügliche Reliefs; an demjenigen des Papstes
Clemens IL (t 1047) im Dome zu Bamberg die vier philosophischen
Tugenden, aufserdem auf den Schmalseiten die Abrufung des Sterbenden
durch einen Engel, und eine thronende männliche Figur mit der Agnus dei-
Scheibe in der einen und dem Schwerte in der andern Hand , welche wohl
als der himmlische Herr, der zugleich Weltrichter und Versöhner ist, und
vor dessen Angesicht der Sterbende abgerufen wird, zu deuten ist. Merk-
würdigerweise kommen völlig weltliche Darstellungen von Jagd- und ero-
tischen Scenen auf den gravierten Grabplatten nicht nur von Laien , wie des
Bürgermeisters Hövener (t 1357) zu Stralsund, sondern auch von Kirchen-
fürsten, wie des Bischofs Wicbold von Kulm (t 1 398) zu A 1 1 e n b e r g u. s. w., vor.
Stehende Grabdenkmäler: sog. Epitaphien im engeren Sinne, zum
Gedächtnisse Verstorbener an den Wänden und Pfeilern der Kirchen, Kreuz-
gänge etc., gern in der Nähe der Grabstätte selbst angebrachte Denkmäler
der verschiedensten Art, als Inschrifttafeln, Reliefs in Metall und Stein,
Gemälde, Statuen etc., wohin auch Waffen, Riistungs- und Kostümstücke,
Trauerfahnen und Wappenschilde zu rechnen sind. — Während seit dem
XV. und XVI. Jahrh. die Epitaphien der mannigfaltigsten Formen in den
Kirchen überhand nahmen, scheint anderweitig nur jene frühe Zeit, wo
Leichenbestattungen in den Kirchen noch zur Ausnahme gehörten, und selbst
Geistliche niederen Standes aufzuweilen abgelegenen Gottesäckern begraben
* Vergl. Schnaase. VI, 534 f.; Wernicke, über bildliche Darstellungen auf
Grabdenkmälern etc., im Chr. K.-B1. 1882, No. 4. 5.
stellende Grabdonkmfiler. 345
wurden, die Sitte der Oedächtnifstafeln gekannt zu haben, wovon einige,
noch erhaltene, in archäo logischer Beziehung sehr intereseante Denkmäler
Knnde geben. Es befinden sich nämlich im Münster zn Bonn unter den
Pfeil ersock ein im filtcBtea ans der Mitte des XI, Jahrb. stammenden Teile
der Krypta mehrere InBchriftensteine, ' deren bohea Alter aae dem Umstände
zn folgern ist, dafs dieselben schon in so frtther Zeit als Banmaterial behan-
delt wurden, mithin bereits damals aas irgendwelchen GrUnden ihre Be-
deutsamkeit verloren haben mnfsten.
Diese Steine, samt einem im Kreuz-
gange in dessen westlicher Wand schon
seit längerer Zeit eingemauert befind-
lichen, sind einander im Material (ter-
tiärer dichter Kalkstein des Mainzer
Beckens) völlig, in den Rand- nnd
Eckverzierungen , in dem fflr die Auf-
nahme von Namen, Stand und Todes-
tag des Verstorbenen angebrachten
Kreuze, sowie in der Gröfse wesent-
lich gleich; die letztere (darchschnitt-
licb 0,94 X 0,4t) ist aber so gering,
dafs sie für Grabsteine nicht fflglich
angesehen werden kOnnen. Vier Reste
ähnlicher Steinplatten befinden sieb im
Husenm znKOIn, zwei andere imMn-
senm zu Bonn, und ein beschädigter
derselben Gattung ist zur Anfmaue-
mng des Hanptaltars in der Kirche zu
Dottendorf bei Bonn verwendet und
in den Bonner Jahrbb. , LVII , Taf. 1, 3
zu S. 213 abgebildet. Diesen Gedächt-
nissteinen reihen sich an ein Epitaph
des im J. 938 gest. Diakonns Megin-
bracht in der Krypta der Michaelis-
kirche zu Fulda und die Gedenktafel
des 1048 gest. Wignandus in der Ost-
mauer des Krenzganges von St, Stephan
in Mainz, ^ sowie die wahrscheinlich
dem Bischof Herman I. (f 1042} gewidmete Keliefplatte an der Marienkirche
zuMOnster.^ Als Epitaphium charakterisieren sich auch die Inschriften mit
den Namen und Todestagen dreier Bischöfe von Merseburg aus dem XI.
Jahrh. auf dem jetzt in der Vorhalle des dortigen Doms aufgestellten Deck-
steine einer aus drei kleinen Spitzarkaden gebildeten Niachenstcllnng, die
' Von dea 5 unter den Pfeilern liegenden iDschriltplatteD sind auf Veranlassung
des Herrn Prof. aus'in Weerth iwei ausgegraben und neben einer ähnlichen bereits
im Kreuzgange befindlichen eingenuraert worden. Vergl. die Abb. in den Bonner Jahrbb.
XXXII. Tab. n zu S. 114—120; Niedorrhein. Annalon. H, 1, 2 u. XU, 91. 222.
* VergL V. Quast, im Korr,-BL Ges.-V. I, 37.
» . Org. f. ehr. K. 1868, 127.
Flf. 13S. aedlcblnli
346 Totenschilde. Kenotaphien.
sich ehemals zwischen der ursprünglich auf den hohen Chor führenden
Doppeltreppe befand, in Schriftzügen des XIII. Jahrhunderts. — Manche
andere Gedenktafeln auf im früheren Mittelalter Verstorbene (z. B. das Epi-
taphium der Fastrada, Gemahlin Karls des Grofsen, gest. 794 , im Dome zu
Mainz) gehören erst einer viel späteren Zeit an. — Am Ausgange des Mittel-
alters finden sich mehrfach bronzene Epitaphien geringerer Gröfse in Gestalt
eines Vierpasses, in dessen Mitte das Wappen des Verstorbenen und auf dem
Rande die Umschrift in Relief angebracht ist, z.B. das des Pfarrers Gerhard
von Werne (t 1520) zu Camen in Westfalen (Abb. Nordhoff, Kr. Hamm, 46,
Fig. 24) und das des Magdeburgischen Hauptmanns von Dieskau (f 1514),
jetzt im Kunstgewerbe -Museum zu Berlin.
Wappenschilde wurden als Toten Schilde, oft sehr umfangreich in
bemalter Holzschnitzerei oder Lederplastik ausgeführt, seit dem XIV. Jahrh.
in den Kirchen aufgehängt, ursprünglich über den Grabstätten selbst, später
auch ohne Rücksicht darauf nur zum Gedächtnisse Verstorbener,* nament-
lich in den Kapellen geistlicher und anderer Ritterorden, z. B. in denen des
Schwanenordens auf dem Marienberge bei Brandenburg und iuAnspach.
Die ältesten befinden sich in der dem Deutschen Orden gehörigen Elisabeth-
kirche zu Marburg, z. B. der des Landgi*afen Heinrich I. (t 1308), an
welchem das Wappen aus gesteifter Leinewand und Schnitzerei reliefartig
hergestellt ist (Abb. v. Hefner, Trachten, I, Taf. 82). Eine reiche Sammlung
(von 1332 — 1727 datiert) befindet sich im Germanischen Museum (K.-G.,
No. 32—121).
Kenotaphien sind Sarkophage zum Andenken an Verstorbene, die
an einem anderen Orte, als wo man ihnen das Denkmal errichtete, begraben
liegen, z. B. in der Klosterkirche zuMurrhardt das im XV. Jahrh. errich-
tete steinerne Ludwigs des Frommen, der auf einer Rheininsel unterhalb
Mainz starb und zu Metz beerdigt wurde.
Vornehme Prälaten des XIV.— XVL Jahrh. (z.B. die Erzbischöfe Engel-
bert III. von Köln, Ernst von Magdeburg, die Bischöfe Heinrich HI. von
Bamberg, Thilo v. Trotha von Merseburg, Johannes IV. von Breslau etc.),
seltener weltliche Personen, liefsen sich zuweilen schon bei ihren Lebzeiten
prächtige Grabmäler errichten. Andrerseits finden sich aber auch Beispiele
davon , dafs man aus verschiedenen Veranlassungen berühmten Verstorbenen
erst mehrere Jahrhunderte nach ihrem Tode neue Denkmäler setzte, z. B.
im XIV. Jahrh. das Denkmal des heil. Bonifatins (t755) im Dome zu Mainz,
im XVI. Jahrh. die Tumba der im J. 947 gestorbenen Kaiserin Editha im
Dome zu Magdeburg und die des 965 gestorbenen Markgrafen Gero in
Gernrode.
Anmerkung 1. Während die Leichen des Volks anscheinend meist ohne
Särge* oder doch nur in hölzernen Totenladen beerdigt wurden, pflegten vor-
* Vielfach wurden solche Schilde auch erst nachträglich für längst verstorbene
Familiengliedor aufgehängt, so elf Holzschuhersche bis 1201 rückwärts zugleich mit
dem des 1523 gestorbenen Lazarus Holzsch. (jetzt im Germ. Mus.).
* Das Berliner Stadtbuch aus dem XIV. Jahrh. setzt fest: »Sonder Schrein soll
man die Toten begraben, sie seien arm oder reich, bei der Stadt Bruch ^^^ d. h. für
ein Strafgeld von 270 Mark durfte man sich eines Sarges bedienen. Ver^. Schwe-
be!, Osk., Kulturhistor. Bilder aus d. Reichshauptstadt, 91.
Steinsärge. 347
nehme oder wohlhabendere Verstorbene in Steiusärgeo' begraben zu werden,
nnd diese Sitte gehflrt der ersten Zeit nach EinfUhmng des Christentums in
unserm Vaterlande an, findet sich aber, wenigstens bei Bischflfon, auch noch
um die Mitte des XIV. Jahrh. Am Rhein wurden TÖmiBche, merovingiBche and
frahmittelalterliche Steinaarkophage Jahrhonderte lang zu neuen Bestattungen
wieder in Gebranch genommen, auch zn einer Zeit noch, wo längst keine neuen
mehr fabricicrt wurden. Die Säi^e der Erzbischöfe vonTri e r aus dem XI. — XIV.
Jahrh. sind den antik-römiachen Sarkophagen ähnliche rechteckige Steinkisten
von 2,00 — 2,30 Länge, und die Deckel derselben sind teils kofferfSrmig gewölbt,
teils einfache Platten, die bei einigen ans dem XIII. Jahrh. oben in Kreuzform
ausgearbeitet erscheinen.* Von diesen unterscheiden sich die oben S. 336 er-
wähnten am Hittelrhein für den Export fabricierten Steinsärge durch ihre
Trapezform. — Im Dome zu Frankfurt a. M. hat man bei der letzten Restau-
ration 3 Meter unter der Erde in der Lücke eines Pfeilers einen dem VIII. oder
IX. Jahrb. angehörigen Steinsarg gefunden, auf dessen Deekel zwei Bischofs-
stäbe nnd zwischen ihnen ein Kreuz mit einer Schleife er-
scheint.' — Mehrfach finden sieh Steinsärge aus einem
Blocke, in welchen das Behältnis fUr den Leichnam, den
körperlichen VerhitltniBsen genau entsprechend, einge-
hauen ist, oft oben mit einer Rundung und mit einer be-
sonderen Bettung für den Kopf versehen, während sich
in der Mitte des Boilena eine runde OtTuung zum Ablaufen
der Flüssigkeiten aus der Leiche befindet. Dergleichen
finden sich, der fränkischen Periode zugeschrieben, mehr-
fach im Elsafs, z. B. Geberschweier,* zn Rebbach
im Odenwalde ,■■' andere sind auf der InselFöhr,« 1864 —
67 zu liandt an der Jahde ausgegraben, ein spätestens
dem Xll. oder XIII. Jahrh. angehöriger, im Innern der
Moritzkirche zu Halle a. ä. ausgegraben, ist im Museum
des Thüringisch -Sächsischen Vereins daselbst. Ein ganz
ähnlicher, aber nur kleiner und der Länge nach aus zwei
Sttlcken zusammengesetzter Steinsarg wurde im J. 1844
im Peterskloster zn Merseburg ausgegraben und Bteht
jetzt in der Vorhalle des dortigen Domes. In der Krypta
des Braun Schweiger Domes zeigt man den Steinsarg der
Ältermutter Heinrichs des Löwen , und zwanzig alte Stein- Fig. las. siain.»fg
säi^e ähnlicher Art hat man im J. 1834 auf dem Domplatze (iiiub''<i>ii QaMt).
zu Worms ausgegraben; in den meisten derselben fanden
sieh die Gerippe mehrerer Leichen bei einander.'' — Bei der im J. 1856 statt-
1 moyen-äge,
:. — XV. 30—50.
s Abb. von Wilmowsliy, a. a. 0., Taf. I.
s Vergl. Anz. G. il. I&70, Sp. 29.
' Abb. Kraus, n, 97.
' Vetgi. Wörner, E-, im Korr.-Bl. Gea.-V. 18T5, No. 9 mit Abb.
• Abb. V. Quast, a. a. 0., Tat 7, Fig. 22.
' Lange, 0., Gesch. u. Beschreib, der Stadt 'Wonns, 155 ff.
348
SteiusSrge.
gehabten offiziellen Äufgrabang der Gräber des Wettinischen FUrgtenhanseB * aus
der Zeit von 1146 bis 1217 in der Kirche auf dem Petera berge beillalle fand
man in der Mitte des Schiffes, hart unter dem Fursboden, zwei Keihen Sdrge ans
Sandstein in der Weise gegen einen Fnrs tief ausgehöhlt, dafa die Vertiefang am
Fufsende am schmälsten, in der Gegend der Schultern , wo sich eine besondere
Pl|. 110. SMInart« du Wedln« i
flachere Aushöhlung für den Kopf anschliefst, am breitesten ist. Nur die bei-
den ftltesten Särge mit der Asche des Stifters der Kirche, des Markgrafen
Konrad und seiner Gemahlin (Ko. 1 n. 2 in Fignr 140), zeigten bei sorgfälti-
gerer Arbeit eine etwas abweichende Bildung: der Sarg No. 1 durch die ge-
schweiften Linien der Aushöhlung, welcher folgend auch das Äufsere sich ge-
Btaltet, und der SargNo. 2 durch zwei am unteren Ende ausgesparte, oben
abgeschrägte Steinkldtze, zwischen denen ein Raum für die Fufse eingetieft
ist. Der Sarg No. 5, der eine Elle tiefer stand, war nicht wie die Ohrigen aus
einem Steine gehauen, sondern aus mehreren Porphyr- und Sandstein st Qckeu
zusammengesetzt mit einem Pflaster von in Kalk gelegten Porphyrstücken ; am
Kopfende befand sich hier noch ein Rest des ursprünglichen innen ausgehöhlten
Steindeckels. Völlig verschieden von den übrigen ist der Sarg (No. 3) der
MechtildiB, einer Schwester Markgraf Konrads; es ist eine kleine rechteckige
Steinkiste, in welcher nur noch wenige Gebeine lagen, untermisclit mit Resten
von Zeugstoffen. Da Meehtildis in der Ferne (wahrscheinlich in Bayern) ge-
storben war, so werden vermutlich die Gebeine nach damaliger Sitte ausge-
kocht und mit edlen Stoffen umwickelt nach der Familiengruft Übertragen
worden sein. Zu den FOfsen des Sarges No. 2 befanden sich die beiden Kinder-
Särge No. 10 n. 11. — Die in mehreren der Särge voi^efnndenen Reste von
' Verel. Köhler, Gust., das Hoater des heil. Petrus aot dem Lautorbergo bei Halle
Tind die ältesten Grabstatten des sächs. Fürstenhauses. Dresden 1857. — v. Quast,
in der Zeitechr. t. ehr, A. u. K, 11, 269— 2S0, von wo wir den obigen Holzschnitt
entlehnt haben, der surser der Reihenfolge der (Jriiber die beiden Särge No. 1 u. 2
zugleich in grürscrem MaJsstabe gezeichnet darstellt.
Lage der Gräber. 34g
Holz und Nägeln scheinen dafür zusprechen, dafs die Leichen in Holzeinsätzen
lagen. Die Steinsärge der gleichzeitigen, im nördlichen Rreuzarme der Kirche
beigesetzten Klosterpröpste fanden sich wesentlich gleichartig mit den be-
schriebenen fürstlichen. Da fast alle Gräber sicher zu bestimmen waren, so
ergab sich als Regel, dafs bei mehreren in einer Reihe liegenden Gräbern eines
Geschlechts die mittleren die ältesten sind, denen sich die jüngeren auf beiden
Seiten anschliefsen. Wenn die vordere, östliche Reihe voll war, warde dahinter
westlich eine neue eröffnet und dabei in derselben Weise verfahren. So liegen
auch im Königschore des Domes zu Spei er' die Kaiser- und Königsgräber in
zwei Reihen hinter einander. Die vordere Reihe enthält die Gräber des sa-
lischen Kaiserhauses und besteht aus fünf Gräbern, so dafs die vier Kaiser
dieses Geschlechts jeder ein besonderes Grab haben, während das fünfte den
beiden Kaiserinnen Gisela und Bertha, Gemahlinnen Konrads II. und Hein-
richs IV., gemeinsam war; in der zweiten Reihe hatten die Könige Philipp von
Schwaben und Rudolf von Habsburg jeder ein eigenes Grab; die Leichen Adolfs
von Nassau und Albrechts von Österreich dagegen wurden erst später in den-
jenigen beigesetzt, in denen vorher schon die Tochter Kaiser Friedrichs L,
Agnes, und seine Gemahlin Beatrix bestattet waren. Jedes Grab bildet eine
einzelne, etwa 2,50 tiefe und lange und 1,25 breite, unten mit Quadern, oben
mit Ziegeln ausgemauerte Grube. — Im Dome zu Trier, wo die 3 ältesten
Erzbischofgräber von 1078—1124 unmittelbar an der Wand des südl. Seiten-
schiffes befindlich sind, ist das westlichste Grab das älteste, und die beiden
jüngeren folgen am Fufsende desselben auf einander. Ebenso ruht bei zwei
andern dortigen Gräbern aus der 2. Hälfte des XII. Jahrh. der Nachfolger zu
den Füfsen seines Vorgängers und zwar beide wiederum dicht an der das
Seitenschiff vom Chore trennenden Wand,^ — Über die Ergebnisse bei der
Untersuchung der zahlreichen Grabstätten in der Münsterkirche zu Heilsbronn,
vergl. von Still fr ie d, R., Altert, und Kunstdenkm. des Erlaucht. Haus. Hohen-
zollern. Neue Folge, Lief. 4, — Bei der 1878 bewirkten Umgrabung des ehe-
maligen Kirchhofes in dem wüsten Dorfe Grofs-Orden bei Quedlinburg (er-
wähnt seit dem IX. Jahrh. und als Stammsitz der Billunger in Anspruch ge-
nommen) fand man aufser Überresten von Holzsärgen und einem vollständigen
Steinsarge ohne Deckel mehrere nur für den Kopf und den oberen Teil des
Rumpfes bestimmte Steinsärge. Als Kindersärge waren mehrfach grofse Hohl-
ziegel benutzt, von denen je zwei mit den Hohlseiten gegeneinander gelegt
waren.5 — Blei- und Zinn-Särge kommen gegen Ende des XIV. Jahrh. in
Eberbach vor.
Anmerkung 2. In Särgen des XI. bis XVI. Jahrh. hat man häufig recht-
eckige Blei tafeln (von beiläufig 0,235 X 0,157) vorgefunden mit eingegrabener
oder eingeschlagener Schrift nekrologischen Inhalts, z. B. in den Särgen der
Trierer Erzbischöfe Udo (t 1078), Egilbert (t 1101) und Bruno (t 1124);*
in dem der Gertrud, Ältermutter Heinrichs des Löwen (t 1117) in der Krypta
* Vergl. Die Kaisergräber im Dome zu Speier. Karlsruhe 1856, u. v. Quast,
a. a. 0., 94 ff.
* Abb. Ton Wilmowsky, Taf. L
3 Vergl, Brecht, G., im Ürk.-Buch d. St. Quedlinburg 1882. H, S. XCVin.
* Abb. von Wilmowsky, Taf. H.
350 Grabeinlagon. Separatbestattung der Eingeweide.
des Doms in Braunschweig; im Grabe des Kaisers Lothar IL (t 1137) zu
Königslutter;^ im Grabe des Erzb. Adalbert L (t 1137) in der Gottbards-
kapelle am Dome zu Mainz; im Sarge des Propstes Gerhard von Are (t 1169)
im Münster zu Bonn (unter der Orgel); im Grabe Friedrichs von Beichlingen,
Erzb. von Magdeburg (t 146.4) im Dome daselbst;^ im Grabe Kaiser Maximi-
lians L (t 1519) in der Schlofskapelle zu Wiener-Neustadt. Im Grabe des
Kardinals Albrecht (t 1545) im Dome zu Mainz dagegen fand sich eine grös-
sere, von dem Frankfurter Giefser Konrad Gobel gefertigte Bronzeplatte mit
höchst vollendetem Renaissance-Ornament, jetzt im Kunstgewerbe-Museum zu
Berlin.^ — Dafs man Geistlichen , die in pontifiealibus ins Grab gelegt wurden,
einen Kelch, Bischöfen auch einPedum mitgab, ist schon oben B. 217. 218 be-
merkt worden ; im Grabe Otto^s von Hessen, Erzbischofs von Magdeburg (t 1361)
stand der Kelch auf der Brust des Leichnams, und aufserdem lagen sechs bron-
zene Siegelstempel des Verstorbenen in dem Steinsarge nach der im Mittel-
alter sehr gewöhnliche Sitte, die Siegel eines Verstorbenen zur Verhütung von
Mifsbrauch entweder mit der Leiche oder anderwärts zu vergraben. Wenn in
den Gräbern von Fürsten und Rittern Waffen und sonstige Stücke des ritter-
lichen Kostüms häufig nicht gefunden werden, so erklärt sich dies daraus, dafs
sich weltliche Personen oft im Mönchskleide wenigstens begraben liefsen, wenn
sie nicht vor dem Tode noch selbst die Klostergelübde abgelegt hatten, um
auf diese Weise der guten Werke des Ordens teilhaftig zu werden. — Die zu-
weilen in Gräbern befindlichen Thongefäfse (oder doch, wie in mehreren
Särgen auf dem Petersberge — s. oben S. 348 — Scherben von solchen , und
zwar links neben dem Kopfe) deuten auf den Gebrauch , den Toten Weihwasser
oder Weihrauch mitzugeben.^ über die in Bischofsgräbem vorkommenden
Kämme s. unten § 55.
Anmerkung 3. Die Separatbestattung der Eingeweide fürstlicher
Personen und Prälaten ist eine bereits sehr frühzeitig vorkommende Sitte, und
wie die ältesten bekannten Beispiele beweisen, zunächst dadurch veranlafst,
dafs wenn der Tod in der Fremde erfolgt war, die Sektion und Einbalsamierung
des Leichnams zur besseren Erhaltung auf dem Kondukt in die Heimat oder
nach dem von dem Verstorbenen vorher bestimmten Begräbnisorte erforderlich
wurde. Die Intestina wurden zu diesem Zwecke von dem Leibarzte oder einem
in medicinis erfahrenen Geistlichen herausgenommen ; bei der Leiche des Königs
Heinrich I. von England (1135) wurde dies von einem perito camifice besorgt.
Auch zerstückte man wohl die Leichen und kochte sie aus, bis sich das Fleisch
von den Knochen löste. ^ Die Gebeine sandte man dann in die Heimath, das
Fleisch aber und die herausgenommenen Intestina wurden gewöhnlich da be-
graben, wo der Tod erfolgt war, oder man brachte dieselben auch nach einem
dritten Orte, zu welchem der Verstorbene im Leben in näherer Beziehung
* Zugleich mit einem kleinen bleiernen Reichsapfel, jetzt im Herzogl. Mos. zu
Braunschweig, No. 64. 65; vergl. Katalog, 53 fF.
2 Abb. Rosenthal, a. a. 0., lief. V. Taf. I, 22.
3 Vergl. Schneider, F., im Korr.-Bl. Ge8.-V. 1876, No. 7, mit 2 Taff.
^ Ȁ^ponebatur ^uoque in monumentis aqua benedicta .... unde etiam repe^
riuntur tn coemeteriis vasa vitrea et lutea, in dictum usum verisimilüer M aceam-
modata.* Casalius, de Christ, ritibus, 336.
* Vergl. Schultz, Alw., das höfische Leben etc. 11 , 206. 403. 406.
Gebräuche bei Bestattung der Toten. 351
gestanden hatte. Die Leiche des heil. Bonifatins (t 755) wnrde von Dockom,
wo er den Märtyrertod erduldet hatte, zuerst nach Utrecht und dann nach
seiner Kathedralstadt Mainz geführt, wo das Herz im Alten Dome bestattet
ward, der Leichnam sodann im Kloster FuMa, welches Bonifatius selbst schon
bei der Gründung zu seinem Begräbnifsorte bestimmt hatte. In Memleben, wo
Kaiser Otto der Grofse 973 starb, wurden dessen Eingeweide begraben, der
Leib in dem von ihm gegründeten Dome zu Magdeburg. Hier wurde auch die
Leiche des 1012 in Giebichenstein verschiedenen Erzbischofs Waltherd be-
stattet, nachdem die Eingeweide an dem Sterbeorte, und zwar zwischen der
Kirche und dem Sterbezimmer begraben waren. Bischof Godehard von Hildes-
heim starb 1033 auf dem von der Kathedralstadt Vs Stunde entfernten Moritz-
berge; sein Leib wurde drei Tage darauf im Dome begraben; die herausge-
nommenen Intestina wurden zum Andenken daran, dafs er hier seinen Geist
ausgehaucht, in einer Kapelle des Moritzklosters beigesetzt, die im Volksmunde
den Namen »Kaldaunenkapelle« erhielt.* Kaiser Konrad IL verschied 1039
zu Nymwegen; aber seine Eingeweide wurden nicht hier, sondern in Utrecht
begraben, der einbalsamierte Leib in dem von ihm gegründeten und zu seiner
Grabstätte bestimmten Dome zu Speier. — Im XII. Jahrh. war die Separatbe-
stattung der Intestina an manchen Orten bereits zum stehenden Gebrauche
geworden: so nahm das Cistercienserkloster Ebrach von 1151 —1573 die Her-
zen von 33 Würzburger Bischöfen in bleiernen Behältnissen auf, während die
Eingeweide in die Burgkapelle , die Gebeine in den Dom zu Würzburg kamen.^
Daraus, dafs die Intestina ganz gewöhnlich herausgenommen und die aufge-
schnittene Bauchhöhle dann mit Spezereien oder auch nur mit Werg und dergl.
ausgestopft wurde, erklärt sich, dafs auf spätmittelalterlichen Bildern des
Totentanzes oder auferstehender Toten diese so mit aufgeschnittenem und ein-
gefallenem Bauche erscheinen.
Anmerkung 4. Über Gebräuche bei Bestattung der Toten vergl.
Schulz, Alw., das höfische Leben etc., IL, 403—408. Daselbst S. 408 findet
sich eine Darstellung der Bestattung eines Königs in einem Sarkophage nach
einer Miniatur der Handschr. von Matth. Paris, Vitae duorum offarum (Cotton.
Nero D. 1). Ein einfacheres Begräbnis aus einem Codex des Germanischen Mu-
seums von 1441 im Anz. G. M., 1880, No. 5. Der Sarg bei der Beerdigung,
wie die Tumba oder das Castrum doloris bei den Anniversarien wurden mit
einem Bahrtuche überdeckt, das früher von kostbaren gemusterten Stoffen,
später meistens von schwarzem Samt angefertigt und mit einem grofsen Kreuze
verziert war. Vornehme Personen hinterliefsen diese kostbaren Bahrtücher den
Kirchen; so erhielt zum Beispiel der Aachener Münster jedesmal dasjenige als
Geschenk, welches bei der Beerdigungsfeier eines französischen Königs in St.
Denis gedient hatte. (Vergl. Bock, lit. Gew., lU, 171—176 u. Taf. XXI. XXTT.) —
* Ebenso hiefs die Kapelle des S. Grangolfi-Stifts beim Magdeburger Dome, weil
in ihr die Eingeweide der Domherren beigesetzt wurden.
' Ebrachiana meo creverunt claustra favore,
Hinc cor diffecti continet iUa damus.
Mos manet: haec uno tumulantur corpora templo,
Viscera mons, aedes maxima corpus nahet.
Cf. Ludewig, Script. "Wirceb., 366; Niedermayer. Kunstgesch. der Stadt Wirz-
burg, 127.
352 Glocken.
Bei Beerdigungen von Kirchenpatronen wurden im Innern und am Äufsern
der Earchen schwarze Streifen oder Bänder mit Wappenschilden des Verstor-
benen angemalt (Totenband, Iure patronal, vergl. Otte, Wörterbuch, 382). Solche
sind im Elsafs zu Bergheim, Illkirch, Rappoltsweiler und Regisheim
(vergl. Kraus, I, 115) nachgewiesen.
54. Die Glocken* (signum, iintinnabulumy nola, campana^ cymbalum)y
der geschichtlich nicht zu begründenden Überlieferung zufolge eine Er-
findung des Bischofs Paulinus von Nola in Campanien um das Jahr 400,
werden zuerst im VI. Jahrhundert unter der Bezeichnung mgnum^ in
den Schriften des Gregor von Tours* erwähnt und mögen durch die
irischen und britischen Missionare zuerst in Deutschland bekannt ge-
worden sein, wo sie im VILL. Jahrhundert in Kirchen und Klöstern
vorkommen; aber erst die Mitte des IX. Jahrhunderts kann als die Zeit
der allgemeinen Verbreitimg des kirchlichen Glockengebrauches bezeich-
net werden. — Die ältesten Glocken waren nur klein und aus Blech
geschmiedet; doch kommen schon gegen Ende des VUL Jahrhunderts
gegossene Glocken vor, gröfsere indes erst seit dem XI. und XH., die
gröfsten im XV. Jahrhundert
* Vergl. Otte, H., Glockenkunde. Leipzig 1858, woselbst die frühere Litteratur
S. 2 f. u. S. 102 angeführt ist. Hinzuzufügen ist: Klunzinger, Karl, Zur Glocken-
kunde in Württemberg, in den Württb. Jahrbb. 1857. 2. Heft. Später sind erschienen:
von Ledebur, Leop. .Beiträge zur Glockenkunde der Mittelmark, m den Mark. For-
schungen, Bd. VT. — Die Glockenkunde in Alt-Bayern, in der Augsb. Postzeitung 1858,
No. 65. — Müller, F., zur älteren siebenbürg. Glockenkunde, im Archiv des Vereins
für siebenbür^. Landeskunde. Neue Folge. IV, 2. 1860. — Über Glocken, deren Alter,
Form, Inschriften und Schicksale, bes. in Deutschland, in der Augsb. Postzeitung
1861, Beil. zu No. 40 u. 41. — Vergl. auch Unger, F. "W., in den Bonner Jahrb.
yXTX u. XXX, 32 — 39. — Hitzinger, zur Gesch. alter Glocken in Krain, in
den Mitteil, des histor. Vereines für Krain. Jahrg. 1862. — Straub, A., Nach-
lese zur Glockenkunde aus dem Elsafö, im Org. f. ehr. K. 1863, 64 — 67. — v. Tet-
tau, der Meister u. die Koston des Gusses der gr. Domglocke zu Erfurt. M. 2
TafP., in den Mitt. des Erfurter gesch. Vereins und S. A. 1866 u. Ders. Nachträge
dazu, ebd. 1867, 178 f. — E., Die Glocke eine Erfindung des christl. Nordens,
im Chr. K.-BL 1866, No. 6. 7. — Gleit z, K.. GeschicntUches über die groiise
Glocke etc. zu Erfurt. 1867. — Jakobs, Alte Glocken der Grafsch. "Wernigerode, im
Chr. K.-Bl. 1869, 129 ff., m. Abb. — CO., Gesch. u. artist. Notizen über Glocken,
im Org. f. ehr. K. 1871, No. 11 — 13 (über Glodien im Hannoverschen, Braunschwei-
gischen, Hessischen). — Bautraxler, G., Wert der Glockenkunde, im Kirchen-
schmuck Sekkau. III, No. 8 — 12, IV, No. 1 — 5. — Rau, Ed., Glockengielserkunst,
in d. Allg. Bauz. 1872, 330—353, m. 5 Taff. — Hach, Th., Beitr. zur Lübeckischen
Glockenk^de, in der Zeitschr. des V. f. Lüb. Gesch. III, 593 ff. — Nebe, die Hal-
berstädter Glocken, in der Zeitschr. d. Harzvereins. IX, 286. — "W ernicke, E., Bei-
träge zur Glockenkunde aus Brandenburg a/H., im Bär 1876, No. 20. 21. — Gröfs-
1er, H., Glocken des Mansfelder Seekreises, in d. Zeitschr. d. Harzvereins. XI, 26 — 46,
mit 3 Taff. — Über Mecklenburgische Glocken findet sich Zerstreutes in den Mecklenb.
Jahrbb.; über einige Pommersche in den Baltisch. Studien. XXVH, 239. XXVffl, 319;
die Hannoverschen vollständig in Mit hoff; die Elsäfsischen bei Kraus; die der Pro-
vinz Hessen-Nassau bei Lotz; über die der Provinz Sachsen ist jeder Lieferung des
Denkmälerwerkes eine besondere Glockenschau beigegeben.
» Otte, a. a. 0., 3.
Glocken. Glockengiefeer. 353
Das Wort 'clocai kommt lUeret aU lateinischeB in der BriefBammlnng
des BonifatiDB (ed. Wflrdtweio, ep. 124 p. 311) vor, ala dentBcbea erscheint
es (:*glogga, cloccat) nicht vor dem IX, Jalirli. (vergl. Graff, Sprachschatz,
IV, 292) und kann etymologiscli noch am ersten auf das althochdeutsche
Thema chlachan ^/ratigi, rumpi, ctangere bezogen werden. — Die Sf^e
von der Eriindnug der Glocken zu Nola (nola = Schelle) in Campanien
(campana = Glocke) wird schon im IX, Jahrh. von Walafried Straho mit
dieser doppelten , indes nicht zweifellosen Ethymologie ' begründet, während
der Name des als Erbaner und Beschreiber zweier Kirchen in Nola herllhmt
gewordenen Bischofs Paulinns in keinem älteren Zeugnisse damit in Verbin-
dung gebracht wird. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dafs die bei den alten
Römern als häusliche Weck-, wohl auch als Öffentliche Versammlungs zeichen
üblichen Klingeln sich ohne eigentliche Unterbrechung aus dem Ältertnme
in die mittleren Zeiten fortgepflanzt haben nnd aus Gründen der Zweck-
mäfsigkeit zuerst etwa von einzelnen Klöstern aufgenommen wurden, bis
allmählich der kirchliche Glockeugebrauch zur allgemeinen Sitte wurde, so
dafs wie im Spät mittel alter aus den kleinen nach und nach die Riesenglocken
hervorgingen , so in der Früfazeit aus den häuslichen Klingeln die ersten be-
scheidenen Glocken der Klöster und Kirchen.
Die ältesten Glockengiefser waren Mönche, aber schon im VIII. und
IX. Jahrh. giebt es herumziehende, die also doch wohl Laien waren. Im
XIII. Jahrh. sind solche Überall in den Städten angesiedelt, und Glocben-
giefser- Strafsen und Gassen werden häufig genannt. Seit der Mitte des XV.
Jahrh. sind sie meiatens zugleich Stttckgiefser, und auch die Rotgiefser be-
schäftigten sich vielfach nebenher mit dem Glockengufs; Jedoch wurden noch
immer wenigstens die gröfseren Glocken von ihnen gleich an dem Orte ihrer
Bestimmung gegossen. — Ihr Patron ist der heil. Forkemus.
Die auf den britischen Inseln sehr frühzeitig weit verbreit«ten Glocken
waren ans geschmiedeten Blechen zusammengesetzt, und von dem irischen
Mönche Dagaeus, der 586 gestorben sein soll, heifst es, er sei nicht blofs
ein ausgezeichneter Schreiber, sondern auch der vorzüglichste
Arbeiter (/aber) in Eisen und Erz im Kloster St. Kieran ge-
wesen nnd habe 300 Glockeu verfertigt.* In Deutschland gab
es nach dem Berichte des Reicbenauer Abtes Walafried Strabo
(de exord, et increment. rer. eccl, c. 5) iu der ersten Hälfte
des IX. Jahrh. zwei Arten von Glocken {signa): gegossene
(vasa /usilia) und geschmiedete {vasa productilia), wie eine
solche (Saufang genannt) von jedenfalls sehr hohem Alter,
aus der Cäcilienkirche in Köln beratammeud, im dortigen
Stadt. Museum bewahrt wird. Sie ist von der Form der sogen, f,g_ m, bikh-
Kuhachellen, besteht ans drei mit kupfernen Nägeln zusammen- '^twiH^Kmü
genieteten Eisenplatten und soll in der Zeit des Erzbischofs {"«ch DWnin).
Kunibert um 613 im Peterspfuhle von Schweinen ausgewiiblt
worden sein: ihre Weite beträgt am ovalen Rande 0,36 und U,->2, ihre Höhe
' Vergl. Otte, a. a. 0., 4.
» Kai. Kassel, in AcHs S, S. Aug. III, 656, angeführt von Wsttenbach, in der
Zcilbchr. f. ehr. A. u. K. I, 22.
354 Oröfse und Xamen der Glocken.
0,4] J Nicht gröfser als diese eiserne dttrften auch die damaligeD BroDze-
glocken gewesen sein , und wenn Karl der Grofse zu einem Glockengüsse
statt des Zinns 100 Pfund Silber bewilligte,^ so kann, falls das Zinn damals,
wie jetzt, etwa ein Viertel der Legierung betrug, die Glocke selbst nur auf
400 Pfund berechnet gewesen sein. Eine um die Mitte des XL Jahrhunderts
von Bischof Azelin für den Dom von Hildesheim beschaflfte, im J. 1590 ge-
sprungene Glocke, Cantabona genannt, soll schon 100 Ctr. gewogen haben.'
— Im J. 1206 wurde auf dem Petersberge bei Halle die Glocke Petronella
geweiht, welche 50 Ctr. wog.* Eine Glocke des Münsters zu Freiburg i. B.
von 1258 wiegt 130 Ctr., eine von 1270 im Museum zu Braunschweig
21 Ctr. 88 Pfd.; die nicht mehr vorhandene von 1278 zu Ltthnde wog
88 Ctr. 15 Pfd. — Die grofse Glocke auf dem Dome zu Erfurt, Maria Glo-
riosa, von 1497, wiegt 275 Ctr., die gröfste mittelalterliche Glocke des
Kölner Domes (von 1448) 224 Ctr., der Elisabethkirche in Breslau (von
1507) 220 Ctr., der Petri-Paulikii-che zu Görlitz 217 Ctr., des Domes zu
Halberstadt (Dominica von 1457) 150 Ctr., der Marienkirche zu Danzig
(Sigismundus von 1453) 1217^ Ctr. — Die grofsen Glocken der Dome zu
Wien (von 304 Ctr., mit Helm und Schwengel 402 Ctr.) und zu Magde-
burg (von 266 Ctr.) stammen aus neuerer Zeit; letztere aber war früher
schon in dieser Masse vorhanden. — Zuweilen kommt es vor, dafs man die
Peripherie grofser Glocken als Wahrzeichen an den Kirchengebänden ange-
bracht hat: z. B. war im Dome zu Köln die Weite der zwei gröfsten
Glocken in die (jetzt hinweggenommenen) Steinplatten zwischen dem Pfei-
lerpaare zunächst dem Eingange des Glockenturms eingehauen; an der
Nordseite der Stadtkirche in Weifsenf eis war der Umkreis der Erfurter
Glocke angemalt,^ und im ErfurterDome selbst zeigt man ein Rund fenster,
dessen Peripherie der früher dort vorhandenen Glocke (Susanna) entspro-
chen haben soll.
Anmerkung 1. Die Sitte, den Glocken bestimmte Namen beizulegen,
von welcher sich die frühesten Spuren im X. Jahrhundert vorfinden, ist nur
aus dem Bedürfnisse hervorgegangen, unter mehreren* vorhandenen jede einzelne
mit Bestimmtheit bezeichnen zu können : man wählte die Namen nach den Stif-
tern oderTitelheiligen der Kirche, aber auch nach den Eigenschaften oder nach
der Bestimmung der Glocke. Die Merseburg er Domsturmglocke, die aus dem
Xn. Jahrh. zu stammen scheint, heifst Ciinsa (die Klingerin, im Volksmunde:
die Schnurre); die beiden gröfsten Glocken des Kölner Doms von 1448 und
* v. Lassaulx, in Klein» Rheinreise, 493; vergl. Didron, Annales. TV, 95. —
Eine kleine, aus Bronzeplatten zusammengenietete befindet sich in dem uralten roma-
nischen Kirchlein zu Motting in Bayern; verel. Wartburc. V, 115.
* Monachus Sangallensis, gesta tiaroli M. I, 29 (bei Pertz, M. G. II, 744).
' Hannoversche gelehrte Joizeigen vom J. 1754, Sp. 615.
* Chron. mont. seren. ad a. 1206.
* Auch an der ülrichskapelle zu Goslar, freilich nicht richtig, da der Kreis 2,67
Durchmesser hat, die Glocke aber nur 2,67-
* Karl Borromäus (f 1584) setzte für seinen Mailänder Erzsprengel (de instructione
fabricae. I, 25) für eine Kathedrale sieben oder mindestens fünf Glocken fest, für eine
KoUegiatkirche drei, für eine Pfarrkirche ebenfalls drei oder mindestens zwei Glocken.
— Das Kloster Fulda hatte übrigens schon im J. 779 mehrere Glocken (Pertz, M. G.
II, 377). Die Kirchen der Cistercienser durften nur kleine Glocken, die Bettelklöster
eigentlich nur eine Glocke haben.
Alteste Glocken.
355
1449 heifsen Preciosa und Speciosa, — Der Merseburger Dom hat eine
Quarta und eine Nonay beide von 1458. — Die von dem Abt Thiatmarus
(983 — 1001) für Korvei beschaffte grofse Glocke hiefs wie die Hildesheimer
Caniabona und die 1493 von Gerhard Wou für den Lambertiturm zu Münster
gegossene Trompa dominu — Männliche Glockennamen ^ die im früheren Mittel-
alter die häufigeren gewesen zu sein scheinen, treten später hinter den weib-
lichen mehr zurück, doch findet sich z. B. 1497 St. Mauritius zu Desin ge-
rode bei Duderstadt, 1502 Blasius und Johannes neben Maria im Dome zu
Braunschweig, 1507 Ludgerus in St. Ludgeri zu Münster, 1515 Salvator
und Johannes neben Maria in der Katharinenkirche zu Brandenburg,
1526 Pacuranus (Pancratius ?) zu Meisenheim, 1529 Honorius zu Tarmow
im Reg. -Bez. Potsdam.
Anmerkung 2. Von einer kleinen Glocke zu Gil-
ching in Oberbayem (von 0,458 Höhe und 0,413 Weite)
steht die Entstehungszeit durch den darauf stehenden
Namen des Donators zwischen 1162 und 1194 fest.^ Die
älteste bis jetzt bekannte datierte Glocke in Deutsch-
land ist vom Jahre 1144 und befindet sich zu Iggens-
b ach in Niederbayern, Amtsbezirk Deggendorf. Sie ist
bi^ienkorbförmig und nur sehr klein (Durchmesser 0,35
bei 0,43 Höhe).* Dies ist aber, wie es scheint — denn ein
sicheres Urteil läfst sich darum nicht abgeben, weil noch
viele alte Glocken unentdeckt geblieben sein mögen, viele
andere aber längst umgegossen sind — nur ein vereinzeltes
Beispiel, da die Sitte der inschriftlichen Datierung der Glocken erst im XHI.
Jahrh. allmählich beginnt, um später im XV. und XVI. Jahrh. immer allgemeiner
-üblich zu werden. Aus der ungewöhnlichen Form mancher undatierten Glocken
TT
Fif(. 142. Glocke
zu Iggensbach.
^:^=^
Fig. 143.
Flg. 144.
Flg. 145.
Fig. 146.
kann auf ein zum Teil sehr hohes Alter derselben geschlossen werden. Wir geben
die Abbildung von vier solchen älteren Glocken : die bienenkorbförmige Fig. 143
aus der Kirche zu Diesdorf bei Magdeburg, welche aus der (im J. 1011 mit
* Oberbayiisches Archiv. I, 149 ff.
* Nach ffütiger Mitteilung des Herrn Reichs- Archiv -Assessoi's A. Kai eher zu
Landshut und einer Zeichnung des Herrn J. Stemplinger zu Iggensbach. Zwar be-
stand zu Igff. bereits im X. ^ahrh. eine Kirche, doch soll der Tradition nach die
US dei
Glocke aus dem nicht fernen Kloster Kiederaltaich stammen.
23
•4*
356 Älteste Glocken.
allen Glocken abgebrannten, bald darauf erneuerten) Stiftskirche von Walbeck
stammt; die sehr unschön profilierte Fig. 144 befindet sich zu Wolmirstedt;^
die völlig geradlinige und nicht mehr brauchbare Fig. 145 von 0,29 Höhe
und tiberall 0,007 Dicke der Wandung ist von Herrn Pastor Teile zu Lunow im
Dorfe Nordhausen bei Königsberg i. d. N. entdeckt worden;* Fig. 146 end-
lich, wie die zuletzt angeführte ohne Inschrift, aber mit zwei einander gegen-
tiber aus Draht eingelegten Kreuzen verziert, ist in der Kirche zu Idensen
bei Wunstorf, und hat bis zur Krone 0,70 Höhe bei 0,65 unterem Durchmesser.'
— Auch zu Tuttendorf bei Freiberg war ehemals eine zuckerhutförmige
Glocke. Eine übermäfsig schlanke, birnenförmige in St. Ulrich zu Regens-
burg ist bei Graf V. Walderdorff, Regensburg, S. 110 abgebildet, und eine
kuhschellenartige besitzt die Kirche zu Sternebeck in Ober -Barnim. Vergl.
auch die Abb. der Glocken zu Unter -Rohlingen, Köchstedt, Ober- Rohlingen,
Strenz, Friedeburg, Naundorf und Helfta im Mansfelder Seekreise bei Gröfsler ,
a. a. 0., Taf. 3.
Inschriftlich datierte Glocken aus dem XIII. Jahrh. sind nach-
gewiesen, wenn auch nicht immer noch vorhanden: 1234 zu Helfta bei Eis-
leben, 1249 zu Würzburg in St.Burchardi und zu Iber bei Eimbeck (letztere
schon 1592 umgegossen), 1252 zu Minden im Dome, 1258 zu Freiburg i. B.
im Münster, 1261 zu Aachen in der Peterspfarrkirche, ^ 1263 zu Moringen
im Hannoverschen in der Liebfrauenkirche, 1268 zu Hagenau im Elsafs in
der Georgskirche zwei, 1270 zu Braunschweig im Herzogl. Museum (seit
1876, früher zu Hildesheim in St. Michael, 1812 zuBurgdorO und zu Minden
im Dome, 1272 zu Markgröningen bei Stuttgart in der Stadtkirche zwei,
1274 zu Ochtersum bei Esens (1813 umgegossen), 1275 zu Würzburg in
St. Petri, 1278 zu Grofs-Uhrleben bei Langensalza und zu Ltihnde bei
Hildesheim (letztere 1858 umgegossen — siehe Fig. 147), 1281 zu Freiburg
i. B. im Mtinster (1842 umgegossen), zu Halberstadt in St. Moritz und zu
Mühlhausen i. Th. in St. Blasii, 1282 zu Emden in der grofsen Kirche
(nach einem Berichte von 1663), 1287 zu Brandenburg in St. Katharinen
(1580 zertrümmert), 1290 zu Gonna bei Sangerhausen und zu Wilsdruff
im Königreich Sachsen, 1295 zu Kampen in Ostfriesland, 1297 zu Wer-
nigerode in S. Sylvestri, 1299 zu Sinzig in der Pfarrkirche und zu Pfaf-
fenhofen, O.-A. Brackenheim in Württemberg, 1300 zu Freiburg i. B.
im Mtinster (ebenfalls 1 842 umgegossen). Durch das darauf befindliche Siegel
des Erzbischofs Siegfried von Mainz (t 1225) erweist sich auch die sogenannte
Hasenglocke zu Hain a, ferner durch den darauf befindlichen Namen der Ab-
* Diese beiden Glocken entdeckt, beschrieben und abgebildet von Wiggert, in den
N. Mitt. Th.-S. V. VI, 2, 14 u. 36.
* Nach freundlicher Mitteilung ihres Entdeckers.
3 Abb. in den Mittelalt. Band. Niedere. I. Bl. 32 , Fig. 7.
* Die Datierung dieser Glocke ist verechieden (1250, 1260, 1261, 1262) gedeutet
worden. Hug. Lorsch, welcher in der Zeitschr. des Aachener G.-V. IV, 318 — 333
die Inschrift gründlich behandelt hat, entscheidet sich zwar für das Jahr 1250; es
scheint jedoch wecen des konsequent durchgeführten Interpunktionszeichens (:) gelesen
werden zu soUen M : CC : LXI : I : KL : MAE. Für das sich hiebei ergebende ungewöhn-
liche »1. Kl. Mar.« läfst sich vorläufig allerdingH nur eine Parallele nachweisen in
einer humanistischen Grabschrift aus dem Naumburger Dome, in welcher »i. Kl. Mai
1643«^ vorkommt; vergl. Mitzschke, P., Naumb. Lischriften 1880 zu S. 156.
Musikalische Eigenschaften, Gewicht, Schmuck der Glocken. 357
tissin Hildegard (1245 — 49), die bis 1872 in der Stiftskirche Niedermünster zu
Regensburg befindlich gewesene Glocke und durch das Siegel des Bischofs
Heinrich II. (von Amendorf 1283 — 13()0) die Benedicta des Doms zu Merse-
burg als dem XUI. Jahrh. angehörig.
Anmerkung 3. Die Untersuchung der musikalischen Eigenschaften
der mittelalterlichen Glocken , ein fast noch unbebautes Feld , ist vom gröfs-
ten, auch für unsere Zeit praktischen Interesse. Auf Anregung der zuerst
von Kreuser (Kirchenbau I, 260) herausgehobenen Stelle des Vincentius von
Beauvais:^ t> Campana in tribus lociSy si pulsetur (d. i. wenn man z. B. mit
dem Finger daran klopft), ires habere sonos invenitur, in fundo mediocrem y in
exiremiiate suhtiHorem^ in media graviarem<x^ hat der Verf. dieses Handbuchs
mehrere mittelalterliche Glocken aus dem XUI. bis XV. Jahrh. untersucht und
dabei gefunden, dafs dieselben, nach unserem Tonsysteme zu reden, in Dur-
and in Mollglocken zu teilen sind, d. i. in solche, deren Mittelton zwischen beiden
Oktaven die grofse Terz, und andere, deren Mittelton die kleine Terz ist.
Noch andere Glocken lassen als Beiton die Quarte hören. — Die grofse Er-
furter Glocke, an welcher das Verhältnis des Durchmessers zur Höhe = 5:4
ist, hat demgemäfs die grofse Terz als Beiton, ist also eine Dur-Glocke,' wäh-
rend bei den Moll - Glocken theoretisch das Verhältnis = 6:5 vorauszusetzen
ist. Die Vereinigung mehrerer Durglocken in einem Geläute kann nur ohren-
zerreifsend wirken, mögen auch die verschiedenen Gmndtöne fOr sich allein
in schönster Harmonie getroffen sein. Der schöne Klang alter Glocken rührt
übrigens vielleicht zum Teil von ihrem Alter und den durch die Erschütterung
des Läutens hervorgebrachten Einwirkungen auf die kompakte und doch ela-
stische Lagerung der Atome der Metallmasse gegeneinander her.
Anmerkung 4. Das Gewicht einer Glocke, deren gröfste Weite sich
zu der äufserlich in schräger, gerader Linie gemessenen Höhe bis zur Platte
derselben wie 5 :4 (oder annähernd gewöhnlich wie 14 : 11) verhält, läfst sich
mit einiger Sicherheit ermitteln, wenn man das in Zollen ausgedrückte Mafs
des gröfsten Durchmessers der Glocke in den Kubus erhebt und mit 0,0213
multipliziert; das Produkt drückt das Gewicht der Glocke in Pfunden aus,
deren 1(X) auf einen Centner gehen. (Vergl. Prechtl, Encyklopädie, I, Aufl. 7, 87
u. Hahn, Campanologie, 115.)
Anmerkung 5. Der bildnerische Schmuck der Glocken war im
Mittelalter ein sehr viel bescheidenerer, als gegenwärtig Brauch ist.' Aufser
den Inschriften, die selbst einen ornamentalen Charakter erhielten, beschränkte
er sich zum grofsen Teil auf Leistenprofilierungen über dem Schlage und um
den Hals, die vielfach über wirklichen um das Modell herumgelegten und zu-
sammengeknoteten Schnüren abgeformt sind, in späterer Zeit aber oft durch
schön stilisierte Lilienblumenfriese begleitet werden. — Gern brachte man am
Halse statt der dort meistens stehenden Inschrift, oder zwischen dieselbe ge-
mischt, oder unterhalb derselben symmetrisch verteilt, kleine Reliefmedaillons
an mit den Evangelistenzeichen, den Hauptscenen der evangelischen Geschichte,
* Speculum naturale 1. 4, c. 14 (Specul. quadruplum. Duaci 1624. I, 241).
« Vergl. Gleitz, a. a, 0., 13.
3 » Otte, a. a. 0., S6 f.
358
Bildschmuck der Glocken.
•mmmmmrmm^mm
flrbn
<sr«/(^^-'^
Heiligenfiguren, namentlich der Himmelskönigin, aber auch allerhand mysti-
scheiv Darstellnngen, die mit
dem mannigfachen Glockenaber-
glauben zusammenhängen. Statt
solcher finden sich auch vielfäl-
tig Abdrücke von Münzen, na-
mentlich der Bildseite derselben«
Diese wurden besonders im XVL
Jahrh. und in der Zeit der Mttn-
zenbecher Mode und ganz ge-
wöhnlich in den Inschriften als In-
terpunktionszeichen oder Tren-
nungszeichen der Wörter ver-
wandt.^ Jedoch finden sich auch
schon im früheren Mittelalter
mehrfach Abgüsse von Braktea-
ten, so bereits auf der Glocke zu
H el fta von 1234. übrigens kam
es vor, dafs, sei es aus Nachläs-
sigkeit des Formers oder aus Ab-
sicht des Stifters, auch wirkliche
Münzen mit eingegossen wurdea,
z. B. an einer Glocke der Ste-
phanskirche zu Mainz aus dem XVI. Jahrh. zwei echte Münzen des Nero und
Hadrian. Seit dem XIII. Jahrh. findet man auch Siegelabdrücke und Wappen-
schilde, teils der Stifter der Glocke, teils der weihenden Bischöfe, sowie
Glockenglefserzeichen. Auf einer kleinen inschriftlosen Glocke der Katharinen-
kirche zu Brandenburg sind Abgüsse von zwei Medaillons, einem gröfseren
mit der thronenden heil. Jungfrau und einem kleineren mit der Crucifixusgruppe
unregelmäfsig abwechselnd nicht nur um den Hals und über dem Schlage, son-
dern auch in vier senkrechten Reihen über den ganzen Körper laufend ange-
bracht, und an einer Glocke zu Langein bei Wernigerode bedecken mystische
Darstellungen von verschlungenen Kreisen , Löwen und semihomines die ganze
untere Hälfte der einen Seite; sonst aber ist das Mittelalter mit Bildwerk auf
dem eigentlichen Körper der Glocken am sparsamsten , die Kreuzigungsgruppe,
4\e Himmelskönigin, oder der Titelheilige, oft auch nur ein grofses A. Jl, ge-
nügen. — Was die technische Herstellung betrifft, so wurden in älterer Zeit
sowohl die figürlichen Darstellungen als die Inschriften nur in Umrissen dem
Mantel der Glockenform eingeritzt, daher denn die Inschriften auf den Ab-
güssen oftmals ganz oder wenigstens in einzelnen Buchstaben verkehrt stehen.'
Später wurden Wachs -Modelle auf das Hemd der Glocke aufgelegt und so ab-
Flg. 147. Glocke sn Ltthnde, rom J. 1278 (nach Krate).*
• * Vergl. Luschin, Münzen als Glockonzien'at, in den Mitt. C.-K. N. F. VI,
S. LXXI L; Hach, Th., Münzen u. Denkmünzen als Glockenzierrat, im Chr. K.-Bl.
1SS3, 9 f.
* Die Glocke ist 1S59 umgegossen; vergl. Kratz, .T. M., ein Beitr. zur Gesch. der
Glocken, im Org. f. ehr. K. 1S5S, 64, nebst Abb. auf d. Beilage zu No. 6; eine bessere
Mithoff, m, Taf. S. ^
' Andere Ursachen dieses Verkehrtstehens s. in der Epigraphik.
Agnus dci. 359
geformt. Diese Modelle, sofern sie nicht in Münzen, Siegeln und Buchstaben
bestanden, entlehnten die Glockengiefser ohne Zweifel meistens anderswoher,
z. B. von Goldschmieden; so finden sich, wie schon oben 8. 225 erwähnt, an
einer Glocke von 1345 auf dem Turme der Katharinenkirche zu Branden-
burg Abgüsse von Medaillons an einem Kelche der Marienkirche zu Stendal.
Die Modelle zu den einzelnen Buchstaben der Inschriften wurden mit Stempeln
oder Schablonen hergestellt, so dafs man Glocken desselben Giefsers (z. B.
Gerhard Wou von Kampen) an dem wiederholt von ihm gebrauchten Alphabet
erkennen kann. — Eine Glocke, an der die einzelnen Buchstaben der Inschrift
(Ave Maria etc.) nachträglich auf den schon gegossenen Körper aufgelötet sind,
findet sich zu Kamitz im Kr. Neisse aus dem XIV. Jahrh. — Glocken mit ein-
geschnittenen Inschriften sind sehr selten und gehören zu den ältesten (z. B.
Diesdorf oben Fig. 143 und eine magazinierte beim Dome zu Merseburg).
55. Yerschiedene Gegenstände in alphabetischer Reihenfolge:
1. Agnus Dei. — 2. Betsäulen. — 3. Brunnen. — 4. Calvarienberge. —
5. Christusstatuen mit beweglichen Gliedmafsen. — 6. Goldene Rosen.
— 7. Gotteskasten. — 8. Götzenbilder. — 9. Heilige Gräber. — 10. Hei-
lige Stiegen. — 11. Holzklappem. — 12. Känime. — 13. Kreuze an
den Kirchenwänden. — 14. Krippen. — 15. Lichtputzen. — 16. öl-
berge. — 17. Opferstöcke. — 18. Passionssäulen. — 19. Prozessionsge-
räte. — 20. Raritäten. — 21. Schlosserarbeiten. — 22. Siegelstöcke. —
23. Stationen. — 24. Steinkreuze (Mordkreuze). — 25. Sündenwagen.
— 26. Tafeln. — 27. Teppiche. — 28. Totenleuchten. — 29. Uhren. —
30. Votivgeschenke. — 31. Wahrzeichen. — 32. Wärmäpfel. — 33. Weih-
wasserbecken.
1. Agnus Dei sind vom Papste geweihte und am Sonnabend nach
Ostern in Masse unter das Volk verteilte , insgemein länglich runde Medaillen,
aus Wachs von der vorjährigen Osterkerze unter Beimischung von Chrisma
(auch aus Oblatenteig oder Metall) verfertigt, welche auf dem Avers das
Gotteslamm, auf dem Revers irgend ein Heiligenbild darstellen. Sie wurden
den Neugetauften um den Hals gehängt, um dem Tragen heidnischer Amu-
lete entgegen zu wirken. Vergl. Casalius, J. Bapt., de veterib. sacr. Chri-
stian, ritibus. (Francof. et Hannov. 1681.) p. 265. — Durandus 1. 6 c. 79
n. 3.: ^Hi agni a fulgure et (empesiaie fideles ei credentes defenduni propier
virtutem consecrationis et benediclionis.^ — Papst Urban V. (1362 — 1370)
schickte dem griechischen Kaiser mehrere Agnus Dei mit folgenden, deren
Kräfte preisenden Versen:
Balsamus et munda cum cera chrismatis unda
Conficitmt agnum^ quod munus da tibi magnum.
Fulgura desursum depelUt et omne malignum,
Peccatum frangit, ut Christi sanguiSy et angit.
Praegnans servatur, simtil et pariu liberalur.
Dona parat dignis, virtutem destruit igjiis,
Por latus munde, de fluctibus eripit unde.
160 Agnuü (Ifi, Br-tsfiiitni.
Cf. SirmoD<I in t'nnoitium p. 74, angeführt bei (Buddeus) Allgem. histor.
Leiicon 3. Aufl. I, 70. — In der Katharinenkirche zn Maaseyck befindet
f\g. Ite. Arhh deJ in Mau^ck (nuh xm FlHnni}.
sieh ein kreisrnndes Agnus aus dem XIII. oder XIV. Jahrh. von 0,UT Durch-
messer, welches zwischen zwei durchbrochene Kupferbleche gefarst auf der
Vorderseite das Gotteslamm nnd auf der Rüelweite unter einem ofl'enen ge-
zinnten Thore Johannes d. T. mit einem Agnus dei in der Rechten zeigt. Auf
dem Metallrande des Medaillons steht vorn; Agne. dei. miserere. mei. qid.
crimina toilis, hinten: Thomas Angticus fecil fieri islam enpruntam.* Das
Heiligtum des Domes zu Halle enthielt nach dem Verzeichnis von 1520
(Gang I, 4) »Ay« kelffenbeynen serchlen, darinne werden enlhallen sieben-
halbhundert Agnus dei vnd ein.« (Tprgl. Droyhsupt, J. Cristoph v., Beschr.
des Saal-Creysra. I, 854.)
2. Botaänlan, in Österreich Denksanlcn^ genannt (wahrscheinlich
mit Rücksicht auf deren fromme Stifter), in Bayern Marksteine (weil sie
oft auf Wegsclieiden und Grenzen der Feldmarken und Weichbilder stehen)
oder Feldkrenze, sind auf den kleinsten Raum zurückgeführte Feldka-
pellen, weshalb sie auch in manchen Gegenden vom Volke Kapellen genannt
werden. Sie wurden häufig ex voto errichtet (daher Votivkreuze) und
bestehen insgemein ans einem Steinpfeiler, der ein Tabernakel mit einem
Heiligenbilde oder eine Tafel mit einem biblischen oder legendarischen Re-
lief trägt (daher Rildstöcke) und zuweilen unten mit einem Altärchen
versehen ist. Viele dieser Betsäulcn werden im Volksmnnde mit lokalen
Namen bezeichnet, die gewöhnlich von äufseren Tmatänden hergenommen
sind, und die oft wiederkehrende Dezeichniing Kreuz läfst sich entweder
auf das Kreuz zurüekfllhren, worin die Tabernakelkrönung auszulanfen
pflegt, oder beruht insofern auf Cbertragnng, als die Betstulen hfiufig
' Abb. von Fj'scnne, T^. Kunstdoiiliiii
" Verjtl. K. Lind, über Dcnksätileii, it
Feliikreuz. im Kirchpiisuhmufk Sekkau. I.
Betsiulen.
361
ans einem Cmcifixas beBteheo. Zn den altegten nacligewieseDeo gehOreu
das Marktkreuz zu Trier, laut iDschrift von 958 (Abb. ansm ^'eerth.
Taf. LVI, ß), die romaniBche (reBtaiirirte)PredigerBftule vor dem Petersthor
in Regensburg und das frtthgotiBche
Rastkreuz (bo genannt von den Stein-
bänken, womit diese Betsftule umgeben
war) bei Oedenburg (Abb. in den Mitt
C.-K., n, 321, Rg. 1); ZU den weithin be-
kanntesten und kflnstleriach ausgezeich-
netsten das (reetaurierte) mit dem Stufen-
untersatze gegen 10,oo hohe Hochkrenz
beiOodesberg unweit Bonn vom J. 1333
(Abb. bei Quaglio, Dom., Samml. merkwttrd.
Gobfiude des H.-A., D., 3 81. 2, GBÜhabaud,
Banbinat etc., Bd. TT, mit 2 Taf.) und die
Spinnerint ^m Krenz bei Wiener-
Neustadt, ein stattlicher, 20,50 hoher
Tahernakelpfeiler, 1.S82 von Wolfart von
Schwarzensee durch Meister Michael Mein-
wurm in Wien errichtet, das reichste
aller bekannten Exemplare (Abb. Östr. AtL,
XCVn, 10). — Spätgotische Betsäulen sind
in dem kathoÜBcIien Teile Deutschlands,
namentlicli wo der Steinban lierrrscht,
fast Überall liflufig und von sehr verschie-
denem Werte ; wir nennen in Schlesien die
zu Görlitz von 1489 und die zwischen
Werthau und Mittlau bei Bunzlau; in
Bayern: die Votivsftule vor dem Jakobe-
thor in Regensbnrg (mit vielen Statu-
etten und Reliefs; restauriert); einen
Markstein zu Erlstätt bei Traunstein
(sehr roh, aber originell); Abbildungen
von Betsäulen in den ThUr.-Sächa. Län-
dern bei Puttrich, I. Serie Reufs Bl. 8
u. [I. Serie Pforta Bl. 8, Serie Halle Bl. 5 a,
Serie Erfurt(da8SibyllentUrmc!ien)BI. 12.
— von Osterreichisehen : im Östr. Atl-, Taf.
»7,Fig2 (bei Deutsch-Altenburg), 3
{bei Hainbürg), fi (bei Pitten in Sied.-
Üstr. 1487), 7 (das Bäckerkreuz zu Wien
1508), 8 (zu Gersthof), 9 (die Zderad-
Säule bei BrUnn), II (die Denkaäule,
ebenfaUs Spinnerin am Kreuz genannt,
auf der Höhe dea Wiener Waldea bei Wien
1451 — 52 von Pucbabaum e
richtet, 1542 durch Kölbl erneuert), 12 (zu Leoben 1516); in den Mitt.
provinziell = Spione.
162 Brunnen.
C.-K., XIV, S. XV, Fig. 2 (zu Lorcli bei Erdb), 3 (am Kahlenberger-
dorO.XIX, 3. CXLV,Fig. 8(beiVillach); — vonrheinisclien: das Hoch-
kreuz zu FrauwttlleBlieim bei DOreu (am Saudateiuachaft mit einem
Bchmiedeeigernen Lilieureif zum Aufatecken vou Lichtern umgeben) im Org.
f. ehr. K. 1869, No. 7 und das Bnttkenkreuz zu Moareal im Mayengau
bei aua'm Weerth, Taf. HI, 13,
3. BroniiAn (putei sacri) kommen öfter in Kirchen vor und dienten
zum Schöpren des zu den kirchliehen Handlungen erforderlichen Wassers,
scheinen indes zum Teil früher vorhanden gewesen zu sein, als das gottea-
dienstliclie Gebäude, in welchem sie sich befinden; der Quell des (jetzt
verschütteten) Brunnens im MUnster zu Strafsburg z. B. soll ursprünglich
zu einem römi ach- heidnischen Tempel gehört und zum Waschen der Opfer-
tiere gedient haben, nnd der Bruuneu im Regensbnrger Dom soll schon
das Wasser bei Erbauung des Domes selbst geliefert haben. Gewifs ist, dafs
dem Wasser der Kirchenbrunnen (z. B. dem Bi-unnen des heil. Rilian in der
Krypta des Neumflnstera zu WUrzburg) oft Wunderkrafte zugeschrieben
wurden. — Bei tief stehendem Wasser ist aufser der Einfriedigung des
Brunnens durch einen Steinschrein (margeliä) noch ein tabernakelartiger
Überbau mit einer Rolle er-
richtet, um welche sich das
Seil mit den Schöpfeimern
schlingt, und der Brunnen-
bau des Matth. Roritzer von
15(X) im Dome zu Regens-
burg (Abb. bei Üailhabaudi
(iie Baukunst, 111, Taf. IT), ge-
Bchmltckt mit den Statuen
Christi und der Samariterin,
ist künstlerisch ausgezeich-
net; der Brunnen im Strafs-
burgerMtlnsterwarvon ein-
facherer Konstruktion (Abb.
a. a. 0. , dem Texte eingodructt).
— In Altenberg bei Köln
befand sich bis zum Brande
von 1815 im südl. Teile
des QuerschifTs ein vermit-
telst einer Wasserleitung ans
einem Bergqnell gespeis-
ter Springbrunnen von 2,ou
Durchmesser. Andre Brun-
nen sind vorhanden im Chor-
amgange des Münsters zu
Frg. IM. nmnntn (.btniuli) Im Mllutor n SlnCbors Frciburg 1. B. VOU ThcO-
(n«h ciihM™-). ^^j^^ Kanffmann 1511 und
in der Krypta der Petri-
Paulikirohe zu Görlitz; unter dem Dome zu Paderborn entspringt ein Arm
der Pader etc. — Ob die als Taufstein bezeichnete Margetia in der Krypta
Calvarienbergo. Christusstatuen. Goldene Rosen. 363
des Domes zu Speier etwa von einem Brunnen herrühren möchte, mag dahin
gestellt bleiben : Taufsteine kommen sonst in Krypten nicht vor, dagegen ist
das häufige Vorkommen von Brunnen gerade in den Krypten auffällig. In der
zu Petershausen legte der Stifter Bischof Oebhard sogar einen an, ob-
gleich sie in so sumpfigem Boden lag, dafs die Fundamente auf eingerammte
Pfähle gelegt werden mufsten, das Wasser also schlecht gewesen sein mufs
und an die Absicht einer Ableitung des Grundwassers auch nicht gedacht
werden kann. Vielleicht handelte es sich dabei um eine Nachahmung der
alten Peterskirche zu Rom, in deren unterirdischen Räumen man die soge-
nannte Taufquelle des Petrus entdeckte (vergl. Bunsen u. Platner, Beschr.
Roms, II. 1, 56 n. 82). — Über die Brunnen in den Brunnenhäusern der
Klöster ist schon oben S. 102 gesprochen. Erhalten hat sich der zu Maul -
bronn, aus verschiedenartigen Bestandteilen zusammengesetzt; die beiden
unteren Sandsteinschalen (die unterste von 3,oo Durchmesser) sind sehr alt,
noch romanisch, die oberste von Bronze spätgotisch, die kuppelturmartige
bleierne Bekrönung frUhgotisch (Abb. Paulus, Maulbronn, Fig. 85 u. 88). Der
zu Lttne hat auf achteckigem Steinpfeiler ein bronzenes Becken von 1,61
Durchmesser und darauf ein rundes Türmchen mit Ausgüssen und Zinnen-
kranz, aus dem sich ein gotisches Spitzdach mit Krabben und Kreuzblume
erhebt. — Auf dem Platze vor der Klosterkirche steht zu Sayn ein roma-
nischer Brunnen mit zwei Becken, von denen das untere auf sechs schlanken
Sänlchen ruht (Abb. aus'm Weerth, Taf. L, 6).
4. Calvarienbergo {mons cätvariae «» Schädelstätte) sind statuarische
Darstellungen des zwischen den Schachern gekreuzigten Erlösers, mit Maria
und Johannes unter dem Kreuze, wie dieselben zu den Stationen der Lei-
densgeschichte gehören; z. B. der Jerusalemsberg bei Lübeck mit einer
Passionsgnippevon 1468, der Calvarienbergaufdem Domkirchhofe zu Frank-
furt a. M. von 1509 (Photogr. bei Cornill, Jak. Heller n. Alb. Dürer etc. 1871)
und von demselben Meister zu Wimpfen a. Berg bei der Pfarrkirche
(Photogr. V. Lorent, "Wimpfen, Bl. 9).
ö. Christuntatuen aus Holz mit beweglichen Armen und Beinen (z. B.
in der Marienkirche zu Dan zig), welche am Himmelfahrtsfeste in den Kir-
chen durch eine Öffnung im Deckengewölbe hinaufgezogen wurden ; andere,
hohle, mit fünf offenen Wundenmalen (z. B. in Pforta, abgebildet bei Puttrich,
Benkm., II, Serie Pforta, Bl. 8), aus welchen man Blut fliefsen lassen konnte,
das durch eine Öffnung im Kopfe hineingegossen wurde. Eine derartige
aus Terracotta von ca. 1500 mit Öffnungen an der Stelle der Dornenkrone
und der Brustwunde befindet sich in St. Peter, Kr. Schlettstadt (vergl.
Kraus, I, 245).
6. Goldene Rosen, d. h. aus Gold gearbeitete Nachbildungen eines
Blätter und Blüten tragenden Rosenstockes in Form eines Tafelaufsatzes,
kamen öfter in Kirchenschätzen vor, in die sie von hohen Personen, welche
dieselben vom Papste zum Geschenke erhalten hatten, niedergelegt wurden.
Seit der Mitte des XI. Jahrhunderts nämlich weihte der Papst jährlich am
Sonntage Lätare, dessen Liturgie mitten in der Zeit der Trauer im Hinblick
auf den endlichen Sieg der streitenden Kirche die Gemeinde zur Freude
erweckt, in der Basilika S. Croce in Gerusalemme nach der Messe eine
goldene Rose, die er darauf als ein Zeichen der geistlichen Freude denGläu-
(g4 Goldene Hosen. Gotteskasten. Götzenbilder.
bigea Id FrozesBioa zeigte naä demnächst einem gerade am päpstlichen Hofe
an WGBenden Fürsten znro Ehrengeeclienke übermachte, welcliermit der Rose
Bodann unter grofsem Reitergefolge einen Umzug durch die jubelnde Stadt
hielt. (Ve^l. Durandus, 1. 6 c. 59 n. S; Hospinianus, Hud,, Festa ChriHtia-
norom. Tiguri 1593. Fol. 43; Ughelli, Ital. sacr. I, 1, 297; (Buddeua) AUgom.
histor. I*xikon, I\', 154; Texier, Dictiomiaire d'ortevrerie, I3S5.)' ~ Wenn am
Sonntage Lätare kein dieaer Ehre würdiger
Fflrst in Rom zugegen war, pflegten die Päpste
die goldene Rose nach aufserhalb zu verBchen-
ken: an Fttrsten, Städte oder Kirchen. Alexan-
der II!. (1159 — 81) verehrte goldene Rosen an
König Ludwig VII. von Frankreicli und an den
Dogen von Venedig; Urban V. (1362 — 70) be-
schenkte damit die Königin Jolianna von Sicilie»,
Pins II. (145» — 64) seine Gebui-tsstadt Siena,
Sixtus IV. im J. 1480 den KnrfUrsten Ernst von
Sachsen, Leo X. 1519 den Kurfttrsten Friedrich
den Weisen und den Kardinal Albrecht von
Mainz »icw besunder Erc der löblichen Stifts-
kirche zu Halle, deren HeUigtumebnch (Gang 1, 1)
eine Abbildung der goldenen Rose enthält (ver-
kleinert wiedei^egeben Fig. 151). Auch der
Dom zu Basel besafs nach No. 21 des Schatz-
verzeichnisses von 1511 (Mitteil, der Gesellseh. für
vaterlfind. Altert, in Basel, IX, 21) eine »Rosa awea,
cum triginla octo foHis, quinqae pamis rosts,
duobus nodis el tribus clipeU* ans geschlagenem
Golde. — Davon, ob sich irgendwo eine goldene
Rose aus dem Mittelalter bis auf unsere Zeit er-
halten habe, verlautet nichts; ein Exemplar, an-
geblich aus dem XVII. Jahrb., dem Herzoge von
Lncca gehörig, befand sich im J. 1855 bei einem Goldarbeiter in Dresden
(Deutsches Kunatbl., ISää, 119 u. 166).
7. Gottaikaaton, gewöhnlich mit Eisen beschlagene, ausgehöhlte Eichen-
stämme, hie und da Tczelskasten genannt, z.B. in den Domen vonMagde-
burg, Naumburg und Utra, in den Nikolaikirchen zu Jüterbog and
Beelitz bei Potsdam etc.
8. Oötsanbildflr wurden zuweilen in solchen Kirchen, die an dem Ort
zerstörter heidnischer HeiligtOmer errichtet wurden (s. oben S. 17), entweder
in den Fundamenten, oder über der Erde sichtbar in umgestürzter Stellung
als Siegeszeichen eingemauert: ein Suantevitsbild in der Kirche von Alten -
' Die Übersetzung Luthers von Micha, IV, 8, wo er, abweichend von allen alten
' """ , dos hebr. t'v (ad te) infolge einer unrichtigen Punlttation — omatus tniis
luuiiri uud völlig willkürlich durch 'deine güldene Sose' wiedergegeben hat, kann
nach dem Kontexte wohl nur als beziehunesreiche Anspielung auf die Liturgie des
Boontags Laetare erklärt werden. Vergl. Schmieder, im Voltsbl. für Stadt u. I^ud
ltJ54, Sp. 237 S.
Götzenbilder. Heilige Gräber. 365
k i r c h e n auf Rügen , ^ ein metallener wendischer Götze von dem Abteigebäude
zu Kolbatz in der Sammlung nordischer Altertümer im Museum zu Berlin.' —
Im Museum zu Trier befindet sich der antike Marmortorso einer Diana oder
Venus, welcher ehedem , neben der Klosterk. zu St. Matthias auf einer rohen
Steinbasis aufgepflanzt und später auf dem angrenzenden Kirchhofe in Ketten
aufgehängt, zur Zielscheibe für die Steinwürfe der Wallfahrer diente.' —
Rohe Relief bild werke, die wohl auf germanischen Götterkult zu deuten sein
werden, bei denen aber zweifelhaft bleibt, ob es wirklich ehemalige Götzen-
bilder sind oder nur Erinnerungen an den einstigen durch das Christentum
überwundenen Götzendienst, finden sich sowohl in Württemberg an den
Kirchen zu Belsen,^ Illingen, Lonsee, O.-A. Ulm (Turm) und Kuchen,
O.-A. Geislingen (ebenfalls am Turme), als auch im Mansfeldischen zu Mül-
lerdorf,* Ober-Röblingen und Siersleben. — Dagegen haben die in
Niedersachsen (aber auch in der Marienkirche zu Zwickau und im Dome
zu Freiberg) vorkommenden sog. Götzenkammern mit dem Heidentume
durchaus nichts gemein, und heifsen im Volksmunde nur deshalb so, weil
die in diesen kirchlichen Rumpelkammern zusammengeworfenen Heiligen- etc.
Figuren von zerstörten alten Denkmälern dem evangelischen Volke als Über-
bleibsel der mittelalterlichen Bilderverehrung galten und wegen ihrer zum
Teil monströsen Formen hin und wieder selbst für heidnische Götzenbilder
gehalten wurden, wie dies z.B. zutrifft bei den vielfach, z.B. in der Marien-
kirche zu Berlin ans dem XV. Jahrh. vorkommenden geschnitzten Evan-
gelistenstatuetten, denen statt menschlicher Köpfe die ihrer aus dem Tier-
reiche entnommenen Symbole (Löwe, Stier und Adler) gegeben sind.
9. Heilige Graber, statuarische Gruppen, die Grablegung Christi dar-
stellend, welche in den drei letzten Tagen der Charwoche in Trauer ausge-
stattet wurden und wahrscheinlich die früheren dramatischen Osterspiele er-
setzen sollten, nachdem sich die Geistlichkeit seit dem XIII. u. XIV. Jahrh.
von diesen ausgearteten Aufführungen zurückgezogen hatte." Im früheren
Mittelalter waren dazu in den Kirchen besondere abgeschlossene Räume vor-
handen, wie z. B. die sogenannte Bufskapelle zu Gernrode und die sog.
Ottonenkapelle, eine fast vogelkäfigartige durchbrochene sechzehneckige
frühgotische Steinlaube von 3,45 Durchmesser im Dome zu Magdeburg
(Abb. bei Rosenthal, a. a. 0., lief. IH, Taf. V) ursprünglich höchst wahr-
scheinlich diese Bestimmung hatten. Der Name »heiliges Grab« hat sich er-
halten für den dem Magdeburger Kapellchen in der Anlage sehr ähnlichen
kleinen zwölfeckigen Polygonbau aus der Zeit um 1300 in der runden Moritz-
kapelle am Dome zu Konstanz (Abb. bei Kinkel, a. a. 0., 130), wo auch die
statuarische Ausstattung im Innern (a. a. 0., Taf. 5) dem Namen entspricht.
— Dafs die geschnitzten kirchenähnlichen Kapellen zu Salzburg und in
' Abb. Baltische Studien. XXXI, 220.
* Über heidnische Bildwerke in christl. Kirchen: Piper, Myth. I, 48 ff.
' Florencourt, "W. Ch. v., der gesteinigte Venustorso zu St. Matthias bei Trier
(nebst Abbild.) in den Bonner Jabrbb. XHI, 128—140.
* Verel. Chr. K.-Bl. 1867, 83 ff., m. Abb.u. 1868, 94; Rupp, Theoph., aus d. Vor-
zeit Reutlingens etc. 2. Aufl. 1869, 71—79.
* Vergl. N. Mitt. Th.-S. V. V, 2. 110—132, m. Abb.
« » Kinkel, Gottfr., in Bonner Jahrbb. LX, 121—132.
[66 Heilige Griiher,
der Ambraser Sammlnng za Wieo als heilige Gräber gedieot haben, ist be-
reits S. 192 erwähnt worden.
— Auf der Insel Reichenau
steht in einer separaten Ka-
pelle neben dem Chore von
Mittelzell in der Mitte des
Raumes ein gotiBcliesGeatäDge,
das wie ein durchbrochener
Kasten das quadratische hei-
lige Orab einschlierst, in wel-
ches man auf einigen Stufen
zu einer sargähnlichen Truhe
hinabsteigt, die mit einem höl-
zernen Deckel verschliefsbar,
indessen so klein ist, dafs nur
etwa eine Puppe darin Platz
gefunden haben kann. Das
heil. Grab zuGörlitz von 1489
(Abb. Futtrich, II, 8er. Gör-
litz, Bl. S; fliehe oben B. 23) ist
ein Eenotaphium unter freiem
Uiramelohne statuarische Aus-
stattung, während die Salbung
des Leichnams Christi in einer
besonderen Statuengnippe 36
Schritt von der Krenzkapelle
entfernt in einem niedrigen,
von einem eisernen Gitter um-
gebenen Gehäuse dargestellt
war. Dagegen enthält die h.
Grabeskapelle auf dem Johan-
{ niskirchhofe zu Nürnberg,
i ein äufserlich modernisierter
' spätgotischer Rundbau von
nt. ibt. Bciiipi onb iD Koiutuu (nach Kinkel). 1^307 eine Darstellung der
Grablegung in 15 Qberlebens-
grofsen freien Statuen von A. Krafft 1508 (Abb. Wanderer, Ä. Kr., Taf. 23). —
Spätmittelalterliclie Darstellungen in Stataengrnppen finden sich in den
Kirchen sehr häufig, z. B. zu Köln in St. Maria auf dem Eapitol, zu Sin-
zig (von Holz) und Andernach in den Pfarrkirchen, zu Remagen in der
kathol. Kirche, zu St. Wendel, zu Trier in St. Gangolf und in der Lieb-
frauenkirche (von 1530), zu Mllnstermaifeld In St. Mariin, zn Mainz im
Dome (Photngr. Emden u. TV'etter, Dom z. M., Taf. 25), ZU Freiburg i. Br.
im Mflnster, zu Konstanz im Dome; im Elsafe: zu Altthann Kr. Thann
(ausgezeichnet), Drei-Ähren Kr. Kolmar, Gressweiler bei Mutzig (un-
gewöhnlich klein), Hagenau in St. Nikolai, Kaysersberg(1514 erneuert,
vorzttglich) , Kienaheim Kr. Rappoltsw eiler, Neuweiler, in St. Petri-
Pauli (mittelmäfsig ; der Christus zeigt, wie im Elsafs Öfter, z. B. in der
Heilige Stiegen. Holzklappen. Kämme. 367
Rekollektenkirche zu Zabern, in der Herzgegend eine Öffnung, welche ver-
mutlich zur Aufbewahrung der Hostie in der Charwoche diente ; vergl. Kraus,
I, 178), zu Oberehnheim (sehr schön von 1504), zu Schlettstadt bei
St. Fides, zu Weifsenburg in St. Petri-Pauli; zu Reutlingen in der Ma-
rienkirche (Abb. Jahresh. d. AVürttemb. Altert. -V., IV, Bl. 3); zu Treysa in
der Spital kapelle (sehr einfach), zu Diedorf auf dem Eichsfelde in der
Albanikapelle (von 1501); zu Dresden im Mus. d. 6r. Gartens aus der
Stadtkirche zu Chemnitz (von 1480 aus Holz) und aus der Bartholomäikirche
zu Dresden (Anf. XVI. Jahrh. von Stein) und zu Zwickau in der Frauen-
kirche (von 1507, Holz). — (Vergl. über die heil. Gräber in der Charwoche:
Kirchenschmuck (1862) VI. 5, 1 ff.).
10. Heilige Stiegen , wohl erst seit dem Ausgange des Mittelalters be-
sonders an Wallfahrtsorten vorkommende Nachbildungen der aus 28 Mar-
morstufen bestehenden Scala sanla beim Lateran in Rom, welche aus jener
Treppe erbaut sein soll, die in Jerusalem zu dem Richthause des Pilatus
hinaufführte. Die Stufen sind mit einem Kreuze bezeichnet und werden von
den Gläubigen auf den Knien unter Gebeten erstiegen; oben ist eine Pas-
sionsdarstellung angebracht (in der Kirche zu Graupen m Böhmen z.B. die
Ausstellung Christi, in vielen lebensgrofsen bemalten, in Holz geschnitzten
und auf drei Altanen aufgestellten Figuren), und eine zweite Treppe führt
wieder hinab.
11. Holzklappern, crepitacula ecclesiasdca, crecellae^ provinziell
Cressellen, auch Rädschen, Raspeln genannt, werden in den drei letzten
Tagen der Charwoche, wo die Glocken schweigen, als kirchliche Signa ge-
braucht, in unbewufster Anlehnung an die in den Athosklöstern noch gegen-
wärtig üblichen heiligen Hölzer (Otte, Glockenkunde, 2). Ein solches, mit
einer Drehwalze in Bewegung zu setzendes Instrument, das ähnlich wie der
Kranich (grue) auf dem Dome zu Chartres, einen gewaltigen Lärm verur-
sacht haben mufs, befindet sich auf dem Turme der Kreuzkirche zu Breslau.
Eine hölzerne Charfreitagsglocke im Dome zu Braunschweig ist in Krü-
nitz, Ökonom. Encyklopädie , XIX, 94 erwähnt.
12. Kämme, aus Elfenbein geschnitzt, wurden im früheren Mittelalter
bis ins XIII. Jahrh. in den Kirchen gebraucht, um das Haar des pontificie-
renden Geistlichen vor der Messe zu ordnen, und nach dem Schatzverzeich-
nisse der Ecclesia Sarum in England vom J. 1222, wo es heifst: ^Peciines
ehumeae V. exceptis his qaae sunt ad aliariaj^ gewinnt es den Anschein,
als ob zu jedem Altare ein solcher Kamm als Inventarienstück gehört habe.
Auch bei der Konsekration der Bischöfe kam ein reich verzierter Elfenbein-
kamm in Anwendung, um nach der Salbung des Hauptes mit Chrisam das
Haar wieder zu ordnen. Dieser Konsekrationskamm verblieb den Bischöfen
als Eigentum und wurde ihnen nach ihrem Ableben mit ins Grab gelegt,
wie dergleichen Kämme auch in deutschen Bischofsgräbem gefunden worden
sind: der Kamm Erzbischofs Anno von Köln (t 1075) in der Abteikirche zu
Siegburg (jetzt aufbewahrt in der Stadtpfarrkirche daselbst; Abb. aus'm Weerth
Taf. XLVn, 3 u. 3 a); der Kamm Bischofs Benno von Osnabrück (t 1088) in
der Abteikirche zu I bürg. Anderweitig werden in den Kirchen aufbewahrte
Kämme auch traditionell als solche ausgezeichneter Personen benannt , so die
IQg Kämme. Kreuze. Krippen. Lichtputien.
angeblichen KSmme Karls d. Gr. im Dome zu Osnabrttck {mit dem thro-
Denden Petrus, der 2 Icmeenden Heiligen je ein
Buch darreicht; Abb. Mitt. d. hist. V. Osnabr.,
XI, Taf. e), Ktlnig Heinrichs I. im Zither der
Schloftkirohe zn Quedlinburg (Abb. Kug-
1er, KI. Schriften, I, fi33), des heil. Ulrich
(t 973) in der Kirche St. Ulrich und Afra zu
AHgBburg(Abb, Sighsrt, I, 108), der Kamm
der heil. Knoigonde im Domschatze zn Bam-
berg (Abb. Becker- v. Hefner, I, T«f. 28),
der Kamm der heil. Hildegard (t nso; Abb.
bei v.Hefner,Trachlen.I, Tat. 38). - Abb. von
zwei Elfenbein kämmen im Stadt. Maseum zn
Kdln bei Bock d. heil. Kitln, Taf. XLIII,
121(8uf derVordereeite mit der Kreuzigungs-
grnppe) und Taf. XLIV, 122 (nur mit Ranken
und phantastischen Pferdeleibern) ; andre spä-
tere bei Becker- v. Hefner, IH, Taf. 13
n. 33) (letzterer mit der Verkündigung und
den heil, drei Königen aus dem XIV. Jahrb.,
Fif. IM. Der «•(, Bankumni K Hein- jetzt im Kunstgewerbe - MuBCum zu Ber-
rici.. I. In qiwdiii.tnirg{nmch Kuglet), ün). — . Diese Kämme, stets mehr hoch als
breit, haben entweder nur eine oder zwei
Reihen lange , enger oder weitläufig gestellte Zähne. Bei den Doppelkämmen
ist das Mittelsttick, beiden einfachen der obere, gewöhnlich lyraförmig dop-
peltgehSrnte Griff mit antikisch -agonistischen, biblischen oder erotischen
Flachreliefe, zuweilen auch nur mit Ornamenten geschmückt: der Quedlin-
bnrger Kamm ist am Griff mit ausgeschnitztem naturalisierendem Ranken-
UD<i Blatterwerk und Einfassungen von Gold- und Rdelsteinen reich verziert
und viel jünger als die Zeit Heinrichs I. (Vergl. BocV, Fz., das heilige Eöhi eu
No. 121 u. 122. — Bretagne, Rocherches sur lea peignes liturgiijucs im Bulletin
monumental, 3. Serie. T. VI, Vol. XXVII, No. 4).
13. Kram von vier gleichen Schenkeln, in einen Kreis gezeichnet,
in bunten Farben innerlich an die Wände der Kirchen angemalt und von
dekorativem Charakter, sind die Zeichen der bischöflichen Weihe; vergl.
oben 8. 170. — Eine farbige Abbild, der in der Marienkirche zu Röbel im
Mecklenburgischen befindlichen stilisierten Weihekreuze ans dem XIII. Jahrh.
(hochrot auf weifsen Scheiben mit roten und blauen Blattverzierungen) s.
Zeitschr. f. Bauw., II,'B1. 55, Fig. III.
14. Krippen, in Hochrelief geschnitzte und bemalte Darstellungen der
Geburt Jeau, der Anbetung der Hirten und der Weisen, welche in der Weih-
nachtszeit ansgegtellt wurden; ein Krippchm (1,90 hoch, 1,23 breit) in der
Klosterkirche zu Berlin beschreibt Bellermann, J. Joach., das graue
Kloster in Berlin 1, 43 tl., und in der Klosterkirche zu Marienfeld bei
Gütersloh befindet sich ein solches in Metallgufs.
15. Liehtputtea werden von Durandus I. 1 c. 3 n. 28, 29 unter den
kirchlichen Gerätschaften erwähnt: 'Emuncloria sive forcipes, quorwn ge-
Ölberge. 3ö9
mno dente componitur ignis, ad emungenduni h/chnum,<ii und als dazu ge-
hörig: » Vasüy in quibus emuncti lychrä exünguuntur,<^
16. Ölberge d. h. Christi Leiden, in Gruppen oft lebensgrofser Stein-
bilder, von Oethsemane an bis zur Kreuzigung, Grablegung und Aufer-
stehung; gewöhnlich in Nebenräumen oder aufserhalb der Kirchen und
zwar, soweit bekannt, sämtlich aus dem XV. und XVI. Jahrhundert. Be-
wundert waren die nicht mehr vorhandenen Ölberge auf dem Münsterplatze
zu Ulm (von 1474 nach einem Risse von Matth. Böblinger, ein Teil der Figuren
1516 — 18 von Meister Michael, 1807 in den letzten Resten weggeräumt, nur
einige Figuren davon noch in der Sammlung des Altert.- V. zu Ulm. Er ent-
hielt auf einem erhöhten Platze, zu dem 12 Stufen hinaufführten, die Gethse-
manegruppen; darüber erhob sich eine steinerne Spitzbogenhalle auf 6 mit
Figuren auf Konsolen unter Baldachinen geschmückten Pfeilern. DieAufsen-
seite des Gewölbes war unter dem Dache mit Blei gedeckt ; das Dach war
eine zierlich durchgebrochene gotische Steinpyramide von 17,50 Höhe; vergl.
Presse!, Münster zu Ulni, 105) und in der Mitte des Kreuzgartens am Dome
zu Speier (nach Entwurf des Meister Hans von Heilbronn von 1505, von
Meister Lorenz und Hans Glaser von Mainz und Heinrich von Speier 1509
— 1511 ausgeführt; 7 schöne vor dem Brande von 1689 darnach angefer-
tigte Zeichnungen befinden sich in der Göttinger Bibliothek — vergl. Schwar-
tzenberger, Alb., d. Ölb. z. Sp. 1866 und Chr. K.-B1., 1866, 121 ff.), beide mit
architektonischem Beiwerk. Erhalten haben sich am Rhein die Ölberge zu
Xanten (auf dem Hofraume von St. Viktor, von 1536; Abb. aus'm Weerth,
Taf. XIX, 4—8), Eltville (an der Nordseite der Peter -Paulskirche; Hand-
werksarbeit), Mittelheim bei Rüdesheim (nur die Figuren Christi und der
3 Jünger noch vorhanden), Wiesbaden (im Museum, aus der Kirche zu
Strintz trinitatis bei Wiesbaden, bemalte Holzfiguren), Worms (in der
Sakristei des Doms einzelne Figuren), Strafsburg (im Münster, ehemals
auf dem Kirchhofe von St. Thomas, 1498), 0 her eh nheim (in der Pfarr-
kirche von 1507 schön, hinter der Kirchhofskapelie von 1517 roh), Kay-
sersberg, O.-Elsafs, Freiburg i. B. (im Münster 1558 von Georg Kempf
von Rheineck). In Württemberg ausgezeichnete Reste im Kloster Adel-
berg, zu Stuttgart ein vollständiger aufsen am Chor der Leonhardskirche
(1500 — 1503 von Nicomed Kölle aus Mainz; Abb. Heideloff, Schwaben, 27),
zu Rottenburg a. Neckar (Nordseite des Langhauses der Theodorichska-
pelle, von ca. 1400), zuNeuffen (1504 von Alberlin Schech mit dessen
Bildnis und Wappen), zu B euren, O.-A. Nürtingen (am Chor der Kirche,
von 1519), zu Lauifen a. Neckar bei St. Regiswind, zu Isny bei St. Ni-
kolai und zu Grofssüfsen (neuerdings restaui-iert; vergl. Chr. K.-Bl , 1883, No.3).
In Bayern zu Bamberg bei St. Getreu, zu Dinkelsbühl an St. Georg, zu
Rothenburg o. T. an der heil. Blutskapelle, zu Donauwörth (nördlich
neben dem Turm der Hauptkirche) , Landshut (am Äufsern der Martins-
kirche zwei Reliefs), Wasserburg, Wang bei Moosburg (von 1478), Re-
gensburg (im Dom, St. Emmeram und Obermünster), Nürnberg (neben
der Brautthür der Lorenzerkirche) , Katzwang bei Nürnberg (beide aus der
Krafftschen Schule; Abb. Wanderer, A. Kr., Taf. 30). In Österreich sind sie zu
Hunderten verbreitet, die wenigsten von künstlerischem Werte; bessere
werden angeführt zuBaden bei Wien, Brunn a. G. (1522), Emmersdorf,
Otte, Konft-ArchKoIogie. 5. Aafl. 24
370 Ölbprgo. Opferstijolip. PnssionssSulen.
Gnmpoldakirehen, Hatteldorf, KIcin-PfclilarD (1496), KIOBter-
neubnrg Martinskirche (Holz), Knittelfeld (desgl.), Melk (1503),
Mödliiig Othmarekirche, Perchtolsdorf, äievring, VorderbrOhl,
Wien bei St. Micbael, (1494 von H. Hueber) und bei St. Stephan (1502).
Der auf dem Marienkirchhofe zn Krakan wird mit Unrecht dem Veit Stofa
zngeecb rieben. In Böhmen sind nur an der Nikolaikirche zu Eger, der
Pfarrkirche zn Luditz (1481) und der Dechanteikirche zn Pilsen Olberge
Dachgewiesen. In Norddeutsch t and sind sie seiteuer: zu Warburg (zwischen
zwei Strebepfeilern am Clior der Johanniskirche), Reste vou Holzfiguren in
St. Katharinen zn Brandenburg, in Wittenberg (oben am Östlichen
Giebel der Stadtkirche), Merseburg (Vorhalle des Domes, nur noch der
Berg) etc. — Ölberge gehören wie die Calvarien berge und die heil. Gräber
auch zn den Stationen (s. das.), wie denn auch der Name Ülberg vielfach
tüT Calvarienberg gebraucht wird.
17. Opfsntöoke, eine Art von yer-
Bchloesenen Kästen, oben mit einer Öff-
nung zum Einlegen von Almosen, vor
den TliUren der Kirchen, Hospitäler etc.
Oft ist es nur ein ausgehöhlter, oben mit
Eisen bescldagener, in die Erde gegrabe-
ner Baumstamm oder Pfahl ; zuweilen je-
doch sind die OpferstOcke auch aus Stein
und kllnstleriach ornamentiert, z. B. in
der Sakristei der Frauenkirche zu JQter-
bog, zu Landsberg i. Ober-Bayern,
konsolenßrmige an den Hittelpfosten der
Portale der Bonifatiuskirche zu Langen-
salza. Schöne hölzerne in der KloBter-
kirche zu Eschan bei Strafsburg und zu
Granzin in Mecklenburg (0,fls hoch mit
der Figur des heil. Erasmus). Sehr eigen-
tümlich ist in dem heil. Grabe zu Drei-
Ähren im Elsafs aus dem Ende des XV.
Jahrb. in dem Chnstuaküq>er eine runde
mit Decket verschlossene Öffnung als
Opferstock verwandt. Am nördlichen
Dreiecksportal des Erfurter Doms be-
findet sich im Fufaboden einer vergitter-
ten Nische mit dem Bilde der heil. Anna
eine kleine Erhöhung mit einer Spalte,
durch welche die hineingesteckten Opfer-
^— gaben in ein durch einen Mauergang vom
/ ^ Innern des Portals aus zugängliches Be-
Flg. IH. Fuiioniilule Im Dome lu Brun- ^^- PaMi'"»*»*«'!«'» Sind DarstellUU-
■chiTFig (auh GUrjM), gen der Säule, an welcher Christus ge-
geifselt wurde : der Schaft ist mit den Mar-
terwerkzeugen und sonstigen Emblemen des Leidens Jesu verziei-t, und oben
Pi-ozesslonsgeräto. 371
aaf der Säule sitzt insgemeiu der Hahn Petri. Eine spätgotiBche Passions-
Bäule in bemaltem Schnitz werk im Dome von Braunschweig, abgebild.
bei Görges, Beschreib, vom St. Blasius-Dom in Brannschw., Taf. IV.
19. ProsesBionagerata verschiedener Art: Vortragekrenze (cruces
processionaies oder gesiatoriae)j welche auf einer hohen, oben in einen
Knauf endenden verzierten Stange (hasia, hasüle) befestigt, den Prozessionen
vorangetragen werden. Dnrandus 1. 4 c. 6n. 18: »Cmx ergo quasi regale
vexilhm ei triumphale Signum in processionibus praemiititur,^ Die eigent-
lichen Kreuze sind dabei in älterer Zeit nur sehr klein, die Christuskörper
etwa 0,12 lang, meist jene bereits oben S. 155 erwähnten, wahrscheinlich
fabrikmäfsig angefertigten bronzenen. Später nehmen sie an Gröfse zu, soweit
es die Tragkraft eines Mannes für den Zweck erlaubt. Das sehr prächtige, jetzt
auf einem Renaissancefufse von 1567 befestigte der Ambraser Sammlung zu
Wien vom Ende des XV. Jahrh. (Abb. Mitt. C.-K., XVn, 106) ist 0,95 hoch. —Die
ältesten und kostbarsten Exemplare aus dem X. und XL Jahrh. befinden sich
im Schatze der Mtlnsterkirche zu Essen und sind bei aus'm Weerth, Taf.
XXIV — XXVI in grofsem Mafsstabe in Farbendruck abgebildet (s. oben
S. 154, Fig. 55); andere etwas jüngere in der Reliquienkammer auf dem
Schlofse zu Hannover. Abbildungen von Prozessionskreuzen des XII. — XVI.
Jahrh.aus verschiedenen Kirchen Kölns bei Bock, das heil.Köln, Taf. III, 1 1.
IX, 35. 37. XX, 77. XXVI, 104. XXXIX, 109. XL, 113; andere romanische
im Dome zu Mainz (XII. Jahrh. gestiftet nach einem Abt Theodericus; Abb.
Bonner Jahrbb., XLV, Taf. 7. 8. und Kirchenschmuck, 1869, Bd. XXVI, 44), zu
Plan ig bei Kreuznach (Bonner Jahrbb. das. Taf. 10 u. 11 und Nassauische An-
naien, Vin, Taf. VI, 6, gestiftet von einem custos Ruthardtui), zu Sigmaringen
in der Fürstlichen Kunstkammer (v. Hefner-Alteneck, Taf. 33); gotische im
Dome zu Prag (Östr. Atl., XC, 4), in der Kathedrale zu Görz (Mitt. C.-K.
N. F., Vn, S. CXXXIV) und im Provinzial- Museum zu Berlin (Prüfer, Ar-
chiv, n, 24). — Über Verwendung von Vortragekreuzen als Altarkreuze s.
oben S. 152.
Fahnen (vexiila). — Der Gebrauch von Fahnen bei den Bittgängen
wird von Dnrandus 1. 6 c. 102 n. 8 auf das Labarum Konstantins des
Grofsen zurückgeführt: y^Quod vero cruces et vexiila portantur ^ a Constan-
Uno sumpsii ecclesia, qui cum in somnis crucis Signum vidisset, eique dictum
fuisset: Vinces in hoc signo^ jussit cruces in vexillis bellicis insigniti.^ —
Die Kirchenfahnen entsprechen der Form nach im Wesentlichen der Be-
schreibung, welche Eusebius (de vita Constantini 1. 1 c. 31) von dem La-
barum gegeben hat: an einem langen Stabe ist eine Querstange befestigt,
von welcher das viereckige (unten in drei Spitzen ausgezackte) Fahnentuch
herabhängt; letzteres ist mit einem gestickten oder gemalten Kreuze oder
Heiligenbilde ^ geschmückt. Der Gebrauch dreieckiger oder solcher Fahnen,
die wie die Kriegsfahnen nicht an einem Querstabe , sondern an der Fahnen-
stange selbst befestigt sind, ist im römischen Rituale untersagt (vergl. Jakob,
* So wird schon 1255 zu "Würzburg eine CvTiakusfahiie mit dem Bilde dieses
Heiligen erwiümt. Blutfahnen sind solche mit der Darstellung der Wunden Christi,
die wohl hauptsächlich bei den Frohnleichnamsprozessionen gebraucht wurden. Eine
solche ist die leider nicht gut erhaltene von A. Dürer im Germanischen Museum
(K.-G. 31, Abb. im Katalog, Taf. 1).
24*
372 Prozessionsgeräte.
336; überhaupt Bock, Lit. Gew., III, 209-222). Zwei Wimpelfahnen aus grü-
nem Seidenbrokat mit Stickereien byzantinischer Arbeit, welche Bischof
Konrad 1205 vom Kreuzzuge mitgebracht hat, befinden sich im Zither des
Halberstädter Doms, No. 87 und 88; zwei doppelseitig bemalte Prozes-
sionsfahnen etwa aus der Mitte des XV. Jahrh. in Fröndenberg; zwei auf
Leinewand in Farben und Gold gestickte zu Lttne; drei ebenfalls gestickte
aus der Zeit gegen 1500 im Dome zu Osnabrück und zwei etwa gleich-
zeitige bemalte aus Penig im Museum des Grofsen Gartens zu Dresden,
No. 125. 126.
Stäbe (bacuii) trugen nicht nur die Bischöfe (s. oben S. 278 f.) und Äbte
oder liefsen sie sich vortragen , sondern auch andere höhere Kleriker und Ka-
pitelswürdenträger, namentlich aber der Präcentor oder Episcopus chori, und
ebenso niedere Kirchenbeamte zur Aufrechterhaltung der Ordnung bei den Pro-
zessionen. Solche Stäbe haben sich erhalten im Dome zu Hildesheim; zwei
spätgotische etwa 1,00 lange von Holz mit Silberüberzug, der eine mit den
Statuetten des Petrus und Paulus gekrönt, im Dome zu Osnabrück; einer
von 1178 mit den Statuetten der heil, drei Könige im Dome zu Köln (Abb.
Bock, d. heil. Köhi, Taf. IX, 36) und ein mit einem Adler gekrönter im Dom-
schatze zu Aachen (Abb. Bock, PfWzkap., I, 2. Fig. 62). Im Kunstgewerbe-
Mus, zu Berlin (Schrank 378) befindet sich ein Scepter von Achat aus dem
XIV. Jahrh. , aus der Abtei Verden stammend.
Baldachine, Traghimmel, wenn auch wohl schon viel früher bei feier-
lichen Aufzügen, Leichenbegängnissen etc. vorkommend, scheinen jedoch
erst zugleich mit den Fronleichnamsprozessionen in allgemeine Aufnahme
gekommen zu sein, wobei die leitende Idee von den Ciborienaltären herge-
nommen worden sein könnte. Der Name Baldachin {baudeqmn)^ übertra-
gen vom it. Baldacco == Bagdad, woher ursprünglich der dazu gebrauchte,
aus Goldfäden und Seide gewebte Stoff kam (vergl. Diez, Wörterb. der
roman. Spr., 39). — Die mittelalterlichen Traghimmel, wie Durandus^
dieselben beschreibt, und wie sich aus Malereien (z. B. aus der kolorierten
Federzeichnung eines jüdischen Baldachins in der Chronik des Ulrich von Richen-
thal vom J. 1417 auf dem Rathause zu Konstanz; Abb. bei v. Hefner, Trachten,
n, Taf. 23) ergiebt, bestanden (ohne das erst späterer Zeit angehörende feste
Gestell) nur aus einem viereckigen Tuche, das zuweilen rundherum mit
herabhängenden Zatteln besetzt, mit den vier Zipfeln an leichten Stangen
befestigt war. Die Farbe des Baldachinstoffes scheint meist rot gewesen zu
sein: das Inventarium der Londoner Paulskirche von 1275 führt drei Trag-
himmel an , von denen es zwei als »purpurei^ und den dritten , obwohl von
einem Leichenbegängnisse herrührend, als T>ruheus<f^ bezeichnet. — Kardinal
Albrecht von Mainz schenkte 1540 dem dortigeu Dome drei reich gestickte,
mit Edelsteinen und Perlen geschmückte y>Himmeh aus rotem Goldstoff, von
denen der eine, 10 Schuh lang und 9 Schuh breit, von sechs vergoldeten
Stangen getragen und auf 18000 Gulden geschätzt wurde (vergl. Bock, Fz., der
Baldachin (Prozessionshimmel) in seinem Ursprung, seiner Form und Bedeutung im
* 1. 4 c. 6 n. 11. 12: ^QuatiMr mmistri super pontificem majtpulam ferufU in
summitatibus quatuor baculorum coüigatam, et inde ipai ministri mappularii rntn-
cupantur: mappula iüa diversis figurata est imaginibus. — In summitattbus bcuM-
lorum imagines quatuor evangelistarum collocantur.^
Prozessiönsgeräte. Schlosserarbeiten. 373
Org. f. ehr. K., 1862, No. 19 — 23; und Ders., Lit. Gew., m, 186 — 192). — Im
Germanischen Maseam befinden sich drei solcher Baldachine, einer aus dem
XV. Jahrh. mit Malerei der Krönung Mariae (K.-G. 28; Abb. Mitt. C.-K., Xm, 83),
einer von Leinwand aus dem XVI. Jahrh. mit dem Stammbaume Christi in
rohen Temperafarben (E. - G. 29) und ein nur mit Ornament bemalter von
Leinwand ebenfalls aus dem XVI. Jahrh. (K.-G. 30).
Bahren {fereira) zum Tragen der Reliquiensärge und Gnadenbilder.
Vergl. oben 8. 191.
Tragleuchter, nach Kölner Mundart Tortschen (ital. torcia =
Fackel), Stäbe, oben mit Lichtteller und Kerzenstachel, zuweilen in bemal-
tem Schnitzwerk ausgeführt: ein 1,33 hoher Prozessionsleuchter, an dessen
sechseckigem mit Zinnen und Mauertttrmen (s. oben S. 164) geschmücktem
Oberteil aus Blech zwei Engel schweben mit Kreuz und Dornenkrone, in der
Abteikirche zu Gladbach; ein anderer, gröfserer mit Tabernakelaufsatz,
in welchem ein Marienbild, in der heil. Geistkapelle zu Wismar (beide ab-
gebildet im Org. f. ehr. K., 1856, artist. Beil. zu No. 3); zwei gegen 1,90 hohe,
zierlich geschnitzte, bemalte und vergoldete Kerzenhalter (XV. Jahrh.) aus
Penig im Museum des Grofsen Gartens zu Dresden; ebendaselbst drei an-
dere aus den Stadtkirchen zu Meifsen und Ebersdorf (Abb. Mitt. des Sachs.
Altert. -V., XIX, Taf. 2 nebst einem ebendaselbst No. 1866 befindlichen, eine ge-
wundene Säule bildenden, oben eine Heiligenstatue tragenden Wallfahrtsstabe
aus der Kirche zu Hoda bei Frohburg vom Ende des XV. Jahrhunderts). Ahnliche
zum Teil mit Bildwerk geschmückte Stangenleuchter im Dome zu Lübeck
(Abb. Prüfer, Archiv, 11, Taf. 14) und in der Johanniskirche zu Lüneburg,
vier Prozessionsstangen auch in der Stadtkirche zu Jena, ein Stangen-
leuchter mit zwei Laternen und dazwischen der Figur des heil. Philippus in
der Pfarrkirche zu Deckendorf in Oberbayern (Abb. Becker- v. Hefner,
m, Taf. 48; dieselbe Kirche hat auch eine kürzere sogenannte Zunftstange mit der
Figur des heil. Jakobus) und mehrere von Holz aus dem XV.— XVI. Jahrh. im
Germanischen Museum (K.-G. 240—243; Abb. Katalog, Taf. 24).
Palme sei sind in Holz geschnitzte bemalte Darstellungen des auf dem
Esel in Jerusalem einziehenden Herrn, welche auf Rollen gesetzt bei der
Prozession am Palmsonntage gebraucht wurden. Solche haben sich aus dem
XV. Jahrh. erhalten zu Ulm im Altertums- Verein (nach Mauch ein Werk des
Georg Sürlin; Abb. in den Verhandlungen des Ulmer Vereins, Neue Reihe, EI, 1871),
zu Nürnberg im Germanischen Museum drei (einer davon aus Hersbruck, K.-G. 24),
zu Augsburg im Ulrichskloster (von 1446), zu Ammerschweier und zu
Kaysersberg im Elsafs (letzterer gering und beschädigt) und zwei im Pro-
vinzial-Museum zu Breslau (vergl. Schlesiens Vorzeit in Bild u. Sehr., HI, 437).
20. Baritateiiy besonders naturgeschichtliche, s. oben S. 213.
21. Schlosserarbeiten^ oft gleich ausgezeichnet durch Künstlichkeit der
Arbeit, wie durch geschmackvolle, stilgemäfse Muster und durch Bemalung
und Vergoldung (vergl. Hefner-Alteneck, J. v., Eisenwerke oder Ornamentik
der Schmiedekunst des Mittelalters und der Renaissance, 1870, m. 84 Taf.; auch
Ame, E., Ferronnerie du moyen-Sge, in den Annales archeol., XTV, 304 sqq.;
Riewel, H., Studien über Schmiede- und Schlosser- Arbeiten in Österreich in den
Mitt. C.-K., XV, 39 ff. m. 96 Holzschn. u. 1 Taf.). Aufser Lichtträgem ver-
schiedener Art (s. oben S. 157 — 171), sowie den oben S. 245 f. erwähnten
174 Schlosserarbeiten.
Sakrament bauschen zu Prag und Feldkirch nebet andern L'tenailien kommt
hier namentlich in Betracht das Gitter werk vor Hallen und Kapellen und um
Grabmfiler, Sakramenthänser und Taufateine im Innern der Kirchen, z.B. Im
Dome znMagdebnrgvor der Kapelle unter den Türmen von 1498 (Abb. bei
Statz u. TJngewitter, Inf. 57, bS)\ zu Heidingsfeld bei WOrzbnrg vor der
Halle mit der Grablegung von Til. Riemen schnei der vou 1510 (Abb. das. Taf.
SO); in der ächlorskirche zu Meisenheim vor den Bildlichen Grabkapellen;
in der Marienkirche auf dem Karlstein zwischen Schiff und Chor (Abb,
Grueber, m, ^i, Taf. 1); um ein Grabmal in der Pfarrkirche zu Hall bei
Innsbruck von 1495 (Abb. ßiewel, a. a. 0., Fig. a%)\ um ein anderes im Dome
Breslau (Abb. Luchs, Schlpsische Füret«nbilder, Taf. 1). Femer Gitterthflren
an kirchlichen Nebe&rAnmen nod Schreinen — vergl. die Abb, von solchen
ans Fritzlar, Immenhausen und Andernach (Statz u. Ungewitter,
Flg. US. Thdi «Inu WutKbrinki I:
Taf. SS, Fig 11—18), ans Marburg (ebd. Taf. 12. Fig. 12. 13), an Sakrament-
hluscheo im Dome zu Meifeen (ebd. Taf. 56, Fig. 1—8), im Dome zu Für-
Schlosserarbeiten. 375
Btenwalde (Kallenbach, Chronologie etc. , U, Taf. 21), zu Perchtoldsdorf
(Riewel, a. a. 0., Fig. 16), zu Mödling (ebd. Fig. 18), 8t. Peter in Steier-
mark (ebd. Fig. 19), im Dome zu Königgrätz (Mitt. C.-K. N. F., 1, Taf. zuS.
XXVn), zu Mondsee (ebd. V, 53), in der Spitalkapelle zu Krems (Mitt. C.-K.,
Xm, S. XX, Fig. 4. 5), zu Friedersbach bei Zwettl (Mitt. C.-K., XVU, S.
CXXXIX, Fig. 8), zu Köln von 1450 (v. Hefner, a. a. 0., Taf. 18 D. u. E);
einer Gitterthtlr in St. Ulrich zu Augsburg von 1471 (v. Hefner, a. a. 0.,
Taf. 1); eines Sprachgitters von einer Klosterthttr im Bayr. National-Museum
(ebd. Taf. 16). Femer die zuweilen mit gefärbtem Leder, Tuch, Papier etc.
unterlegten Eisenbeschläge hölzerner Thttren (s. oben S. 87), welche die
letzteren oft ganz überziehen. Man sehe den abwechselnd mit rotem und
blauem Pergament unterlegten Beschlag der Sakristeithür aus dem XV. Jahrh.
in der Pfarrkirche zu Brück a. d. Mur (Abb. Mittelalt. Kunstdenkm. d. öst.
Kaiserst., I, 150, Fig. 4 u. Taf. XXI u. XXÜ) und die Beschläge anThüren der
Kirche zu Kolin, der Pfarrkirche zu Brück, der Friedhofskapelle und eines
Schrankes in der Sakristei daselbst (a. a. 0., 148 ff.), an einer Turmthtlr der
Liebfrauenkirche zu Wiener-Neustadt (a. a. 0., II, 188), mehrere Thür-
beschläge aus Österreich u. d. Enns n. Steiermark (Mitt. C.-K. IV, 104 n. 137)
und aus Krakau (ebd. n,^^d05). DieHauptthür der Pfarrkirche zuBoppard
ist bei der Restauration im J. 1841 vernichtet und durch moderne Tisch-
lerei ersetzt (Abb. des ehemaligen romanischen Beschlages bei Moller, Denkm.,
in, Taf. 21). — Im Dome zu Magdeburg ein Wandschrank, dessen Thtlr
über einem Überzug aus rotem Pergament ganz mit schön gezeichnetem
Laubwerk überkleidet ist (s. den aus der Zeitschr. f. ehr. A. u. K., I, 238 ent-
nommenen Holzschnitt, Fig. 155). — Thürbeschläge von St. Elisabeth zu Mar-
burg (A.bb. Statz u. Ungewitter, Taf. 51 u. 52, Fig. 1—6), von der Schlofs-
kapelle daselbst (Taf. 49, Fig. 1 u. Taf. 53, Fig. 1—3), vom Dome zu Erfurt
(Taf. 11, Fig. 1—3 u. Taf. 52, Fig. 7—9), aus St. Severi daselbst (Taf. 10, Fig.
4. 5. 10), von mehreren Kirchen in Mflhlhausen (Taf. 49, Fig. 6—8 u. Taf.
53, Fig. 7 u. 9), von der Kirche in Schmalkalden (Taf. 10, Fig. 3), von
einem Schrein in Andernach (Taf. 53, Fig. 5 u. 6), von verschiedenen hes-
sichen Werken (Taf. 11, Fig. 8, Taf. 12, Fig. 1—7. 9-11, Taf. 49, Fig. 2—4, Taf. 53,
Fig. 1—4, Taf. 54), aus Fulda (Taf. 55, Fig. 8. 9), aus dem Dome zu Magde-
burg (Taf. 50, Fig. 1 u. Taf. 53, Fig. S), aus dem Dome zu Meifsen (Taf. 49,
Fig. 5, Taf. 50, Fig. 2—5), aus der Wiesenkirche in Soest (Taf. 10, Fig. 6. 7);
Kastenbeschläge aus St. Elisabeth in Marburg (Taf. 59, Fig. 1, kupferne ebd.
Fig. 2 und verechiedene Schlosserarbeiten, Taf. 7—9, Taf. 55, Fig. 1—7 u. 10). —
Beschläge von dem Tabernakelschrein in der Kirche zu Bernau (Kugler,
Kl. Sehr., I, 116). — Thürbeschläge ans Braunschweig romanisch (v. Hef-
ner, a. a. 0., Taf. 54), aus Kaisheim ca. 1350 (ebd. Taf. 48 A), aus der Ma-
rienkirche zu Oberwesel 1460 — 68 (Taf. 33), aus Viersen Anfang des
XV. Jahrh. (Taf. 13 B). — Ein spätromanischer aus Kloster Arnstein a. Lahn
(Bock, Rh. Baudenkm., in, 2, Fig. 8); ein gotischer von der Sakristeithür zu
Zülpich (Org. f. ehr. K. 1869, No. 3), aus Maulbronn (Paulus, Maulbr., 65,
Fig. 179), von derKirchthür zu Mur au i. Steiermark (Kirchenschmuck Sekkau,
IV, No. 10) und aus der Katharinenkapelle auf dem Karlstein (Grueber,
in, Fig. 73). — Aufser ganzen Thtirbeschlägen kommen auch viele einzelne
schöne Schlüsselschilder oder Schlofsbleche (Riewel, a. a. 0., Fig. 21—24,
176 Siegel.
V. Hefner, a. i. 0., Taf. 2. 39 B. 44 A. B; ein »(^höaeti im Besitze den Grafen
Erbuch, rhot. Frankfurter Ausst-, Tat. 34) und ThUrklopfer und Griffe (Riewel,
Fig. 26—34; v. Hefaer, Taf. 72, Bua der SchlofskapeUe zu Blutcaburg, jetzt im
Bayr. Nat-Hus.) id Betracht. — Ein SchlüBsel von Bronze aus dem XII. Jahrb.,
mit drei männlichen Gestalten verziert, hat sich in der Eliaabethkirche zn
Marburg erhalten (Becker- v. Hefner, I, 84). — Endlich sind Kreuze
(Biewel, a. a. 0., Fig. 57—59). HÄhne (aua Kratau, ebd. Fig. 87) und Wetter-
fabneu (aus Krakau, ebd. Fig. 8S) auf Kirch tonnen und Dacbern za erwähnen.
22, Sieg^litöoke geborten zu den notwendigen Requisiten nicht nur
für die kirchlichen Würdenträger und Korporationen sondern auch für die
einzelnen Pfarrgeistlichen, sofern diese nicht nur persönlich siegelf^hig
und bei dem allgemeinen Zustande dea Schreibwesens besonders häufig in
der Lagewaren fremde Urkunden als Zeugen zu beglaubigen, sondern sogar
verpflichtet waren ein Siegel zur notwendigen Beglaubigung kirchlicher Ur-
knnden sowohl in allen VermOgensangelegenheiteu ihrer Kirchen und ihres
Beneficinms, ala auch über manche amtliche Verrichtungen, namentlich über
die Publikation von Mandaten , fiskommunikationssentenzen etc. der kirch-
lichen Vorgesetzten zu besitzen; falls sie kein eigenes besafsen, rnnfsten sie,
da eigentliche Amts- und Kirchensiegel im heutigen Sinne, die von einem
Amtsinhaber auf alle seine Nachfolger forterbten, nur in sehr wenigen Fäl-
len vorkamen, das eines benachbarten Amtsgenossen leihen nnd dies auf
den Urkunden ausdrücklich bescheinigen. Bei der grofsen Bedeutung der
Siegel fQr alle RechtsverhAltnisBe worde mit den Stocken oder Stempeln sehr
vorsichtig nnd argwShnisch umgegangen, nene wurden in ausdrücklichen
notariellen Verhandinngen nach GrOfae, Form, Bild und Schrift beglaubigt
Siegel. 377
(siehe z. B. die Verhandlung vom 15. April 1306 über ein neues Siegel eines Meck-
lenburgischen Pfarrers im Mecklenb. Urk.- Buche, V, 275); die der persönlichen
Siegel wurden nach dem Tode des Siegelftthrers mit ihm ins Grab gelegt
oder anderweitig vergraben, ins Wasser versenkt , durch Zerhauen, Zer-
brechen u. 8. w. unbrauchbar gemacht und nur in seltenen Fällen auf den
Nachfolger vererbt, der sie für seine Person umwandeln liefs; diejenigen
von geistlichen Korporationen, Kapiteln, Konventen etc. wurden besonders
vorsichtig in Verwahrung genommen und einem in besonderem Vertrauen
stehenden Gliede der Körperschaft übergeben, das sie nur auf Beschlufs des
gesamten Konvents einer Urkunde beidrücken durfte ; auch sie wurden im
Falle, dafs eine Abänderung oder Erneuerung nötig wurde, oder gar in dem
einer Auflösung des Konvents mit grofser Feierlichkeit und Förmlichkeit
vernichtet (vergl. z. B. die Urkunde über Aufhebung des Augustinerklosters zu
Zerbst 1525 bei Beckmann, Historie von Anhalt, IH, 237).
Aus der Litteratur über die Siegel ist besonders hervorzuheben : Heinec-
cius, J. Mich., de veteribus Germanorum aiiarumque nationum sigillis. (1709.
1719). — Leyser, Polyc, commentatio de contrasigillis medii aevi. 1726. —
Grotefend, H., Über Sphragistik. 1875. — Au&erdem die Abschnitte über
Sphragistik in den Handbüchern der Diplom atik von Gatterer, Schöne-
mann u. a. — Die neuere Zeit ist reich an einzelnen, zum Teil höchst wert-
vollen Aufsätzen über mittelalterliche Sphragistik, die aber in den verschie-
densten Zeitschriften, besonders der histor. Vereine, auch in der Zeitschrift für
Münz-, Siegel- und Wappenkunde (Neue Folge. 1859 etc.) zerstreut sind. — An
selbständigen ausgezeichneten Schriften sind zu nennen: Vofsberg, F. A., (jesch.
der Preufe. Münzen und Siegel bis zum Endo der Herrsch, des Deut. Ordens. 1842.
— (Derselbe), Siegel des M.-A. von Polen, lithauen, Schlesien, Pommern und
PreuJsen. 1854. — Melly, Ed., Beiträge zur Siegelkunde des M.-A. Tl. 1 (1846).
2. Aufl. — Milde, C. J., u. Masch, G. M. C, Siegel des M.-A. aus den Archi-
ven der Stadt Lübeck. 1856—1879. — Hohenlohe-Waldenburg, F. C. Fürst
zu, Sphragistisches Album. 1858. — von Ledebur, Leop., über die Frauen-
siegel des deutschen M.-A. 1859. — Höchst lehrreich sind die sphragist. Apho-
rismen von C. P. Lepsius, in den N. Mitt. Th.-S. V. VI. 3, 84 — 115 u. VH.
1, 129—175, die Aufsätze von F. Wiggert, ebd. von UI. 3 bis IV. 4 (mit
Unterbrechungen) u. im XH. Jahresbericht des altmärk. Vereins. 1859 und
Höh enlohe- Waidenburg, F. C. Fürst zu, Sphragist. Aphorismen, im Anz.
G. M. 1866 — 1876, auch in S. A. erschienen. — Im besonderen über geistliche
Siegel: von Sava, C, die mittelalt. Sieg, der Abteien u. Eegularstifte im
Erzherz. Österreich, im Jahrb. C.-K. HI, 195—248. — Luschin, A., die Siegel
der steirischen Abteien u. Konvente des M.-A., in den Mitt. C.-K. XVm u.
XIX. — Schultz, Alw., die schlesischen Siegel bis 1250. 1871. — Die Er-
läuterungen von von Mülverstedt zu den Siegeltafeln des ürkundenbuches
des Klosters Drübeck 1874 und der Stadt Quedlmburg 1882 und von Jakobs
zu denen des Boosters Ilsenburg 1877 und der Klöster Himmelpforten undWa-
terler 1882. — TVernicke, E., über Kirchensiegel, im CJhr. K.-B1. 1880, No.
5 u. 6. — Abbildungen von geistlichen Siegeln aufser den schon genannten
Werken besonders in: Mecklenburgische Siegel (S. A. aus dem Meoklenbur-
fischen Urkundenbuche) 2 Hefte 1867. 1877. — Vofsberg, F. A., die Siegel
er Mark Brandenburg, lief. 1. 1868. — Heffner, C, Fränkisch -Würzbur-
gische Siegel. 1872. — Lind, K., Blätter für ältere Sphragistik. 1878. —
Pfotenhauer, die schlesischen Siegel von 1250 — 1327. 1879. — Philippi,
die westfälischen Siegel des M.-A. I, 1. 1881. — Zahlreiche auch in den Siegel-
Beilagen zum Ck>dex diplomaticus Anhaltinus ed. 0. von Heine manu. — Ganze
Sammlungen von mittelalterlichen Originalstempeln zu geistlichen Siegeln finden
sich überall in den Staats- und städtischen Arcniven des deut-schen Reichs; eine
beträchtliche besitzt F. Warne cke in Berlin (vergl. Katalog der Herald. Ausstell.
Material der Siegelslöcke.
Berlin 1SS2, 49 ff. — Eine 1200 Stück (imfassendc (ranzösisuhe Sammlung mit-
teUltarlicher Siegelstempel ist beschrieben von J. Cbarvet, denciiptioD des
coUections de Sceaux-Matrices de M. E. Donge. Paris 1672.
Das Material der mittel-
alterlichen Siegelstöcke, auch
der geietlichen, ist der Überwie-
genden Mehrzahl nach Bronze,
seltener Eisen; hin and wieder
kommen auch silberne vor, diese
natürlich meist nnr in kleinem
Format. Sehr selten sind solche
aus andern Materialien ; aus
Schiefer befinden sich zwei in
der Sammlung Wamecke, ein
dritter, dem XIV, Jahrh. ange-
böriger im Besitze des Fürsten
Hohenlohe, ein vierter (eines
Erzbisch. AdeUd., vielleicht Ad al-
dag von Bremen, 936—988) ist
1877 in Oetfriesland gefunden.
;«n BrindEB- Elfenbeinerne giebt es nach
Charvet ebenfalls nur vier
Exemplare, eine aus dem XIV.
Jahrh. besitzt Herr Warnecke, dem auch ein ganz aufserordentltch seltenes
von Bochabanm ans dem XIV. Jabrh. gehört. Häufiger sind Edelsteine, na-
mentlich wurden antike Gemmen von Kirch enfUraten gern, ohne Rücksicht
auf die wenig passenden bildlichen Darstellnn-
gen, zu ihren Sekret- oder RUcksiegeln ge-
braucht (vergl. Wiggert, Wie man antike Gem-
men im M.-A. zu Siegelst« mpeln benutzte, in den N.
Mitt. Th.-S. V., vn, 4, S. 1 ff.), aber anch das in
Fig. 1&8 abgebildete Siege! des Domkapitels
von 8t. Stephan in Wien (1365) ist ein antiker
Onyi, dessen Bild nur zu dem eines Priesters
nmgeschlifFen ist.
Die Form der Siegel ist in der ältesten
Zeit in der Regel die kreisrunde, und zwar von
mafsigerAusdehnung (siehe Fig. 157, Siegel des
Bischofs Siegfried von Brandenbui^ von 1178),
bald nahmen sie jedoch an GrOfse zu (siehe Fig.
156, Kapitelsaiegel von Gurk ans dem XHI.
lu Wien 138» (nacii Lind). Jahrh.), Und man wetteiferte dann untereinan-
der. iDas gröfgte unter den alteren dQrfte das
Stadtsiegel von Trier von 1337 sein, welches 0,12 im Durchmesser hat;
das des Kardinals Albrecht von 1516 mifst sogar 0,125. Mit dem Durch-
dringen der Gotik wurde eine dem Spitzbogen entsprechende aus zwei Kreis-
segmenten zusammengesetzte Form tlblich, welche man gegenwärtig allge-
mein die spitzovale (wirklich ovale siud ausscblieCslich die aus antiken Gem-
Form der Siegel. 379
men hergeBtellten) nennt, und zwar nicht etw& nur für die perBönlicheo
Siegel der geistlichen Wttrdenträger (b. Fig. 159, Sieg. deB Abtes Andreas
von Admont, 1423 — 14G6), sondern
auch fllrKonventsBiegel, die in dieser
Zeit neu gearbeitet wurden (Fig. 160,
Siegel des NounenkloBterB zu Spandau
von 1374), während man allerdings bei
den letzteren im ganzen sielt mehr an
die einmal überlieferte Form hielt.
Aber auch die Siegel der gewöhnlichen
Pfarrer, die ein kleines Format bei-
behielten, blieben im späteren Mittel-
alter kreisrund, bis die durchdringende
Renaissance allgemein die spitzovale
Form wieder völlig verdrängte. Unge-
wöhnliche Formen kommen meist nnr
bei Ptarrersiegeln vor, z. B. in früherer
Zeit häufig die einfach dreieckige der
Wappenechilde; fUnfeckig mit der
Spitze nach oben ist das Siegel des
Pfarrers Rötger von St. Nikolai zu Wis-
mar von 1326 (s. Fig. 161), sechseckig
mit der Spitze nach oben das des Pfar-
rers Konrad zuKötschvon 1229, acht-
eckig z. B. das des Pfarrers Pmnricus
zu Herzogburg von 1319, im Vierpafs pig. i^, sj,,ti d« am« Andn» AdDom
das des Älbrecht, Domherr und Propst ims-m (n»ch Lind).
von St. Panlizu Halberstadt 1359, herz-
förmig mit der Spitze nach oben das des Pfarrers Nikolaus zn Mistelbach
von 1351j viereckig dagegen sind bin und wieder die päpstlichen Bititen.
In der Regel haben die Siegelstempel des Mittel-
alters oben am Rande oder auf der Rückseite ein
gerade oder verquer stehendes Öhr zum Anhängen
des Stempels, das aber auch zugleich als Griff beim
Abdrücken diente, nicht einen Dorn zum Ein-
stecken in einen Holzgriff, wie heutzutage; früh-
zeitig kommen aber auch schon auf der Rückseite
gröfsere Handhaben aus Metall vor, wie bei den
späteren Metall petsch aften , z. B. Melly, a. a. 0-,
IV, 211 — 216 bildet vier silberne Stempel von
Krems ab, unter denen zwei von 1463 und 1487
kleine Hunde ah Griffe haben.
Zum Inhalt eines Siegels gebärt notwendig
Bild und Umschrift. Über die Umschriften Weite- ^\,^^^, tu ^'.ndlifisM""
res in der Epigraphtk. Über die Bilder gab es (mich Vobberg).
keine allgemeinen Vorschriften. Nur für dieCister-
cienser wurde 1334 allgemein bestimmt, dafs ihre Siegel ein Bild der heil.
Jungfrau enthalten sollten ; und diese sind denn auch durchgehends von der
IgO SiegelbUdcr.
grsrst«» Ähnlichkeit. Die peraönlicheD Siegel enthielten zunftchst das Bild-
nis des Siege I fQ h rers , anfänglich nur firnatbilder (Fig. 157), später die gan-
zen Fignren, nnd zwar die Bischöfe meisten« thronend und
segnend, Äbte,ÄbtisBinnenu. s.w. meistens stehend, doch
giebt es davon auch Auenahmen (Fig. 159), in spätgoti-
scher Zeit gewöhnlich in einer reichen Architektur, ge-
wöhnliche Geietliche zuweilen am Mefaaltare stehend.
Nebenher geht als ebenso häufige Darstellnng, dafs die
Siegelfuhrer In Verehrung eines oder mehrerer Heiligen,
entweder ihrer persönlichen Schutzheiligen oder der Titel-
heiligen ihrer Stifter oder Beneticien erscheinen, denen
wohl auch die hell. Jungfrau als Oberste und KOnigin
Pitzren stitgtr aller ÜelUgen beigesellt ist. Bei gewöhnlichen Qelsttlchen
(nüh d^m'^UlkSb. beschränkt sich das Bild in der Regel auf diese Heili-
Ufk.-Bucb). gen. Hinzn kommen dann Wappen, bei höheren Geist-
lichen ihr persOnllcheH oder das Stiflswappen unter ihren
Färsen, oder auch wohl beide zu ihren beiden Seiten geordnet, oder der
Siegelfnhrer erscheint in halber Figur über dem ans beiden quadrierten
Schilde. Auf den Prachtsiegeln der Kirchen Fürsten von fttrstlicher Geburt
aas späterer Zeit, wie z. B. auf dem kolossalen des Kardinals Albrecht von
Mainz, ist oft die Figur des Slegelfohrerg von einem ganzen Kranze von
Wappenschilden nmgeben. Gewöhnliche Geistliche haben vielfach statt des
Wappens ein freigewähltes Sinnbild, meist von irgend einer kirchlichen Be-
deutang, als Pelikan, Rose und dergl. oder den Kelch oder sonst ein prie-
sterliches Amtsgerät (siehe Fig. 161, Rauchfafs?), es kommen aber auch
anschickliche Scherze vor , wie z. B. der Pfarrer Gottschalk Wulf von CIQtze
1319 einen aufrecht stebendcD Wolf mit Kutte und Krummstab und einer
gestohlenen Gans in der Klaue im Siegel führt {Mccklenb, Siegel, II, 1 1, No. 200).
Die Siegel der Stifter, Kapitel und Klosterkonvente zeigen regelmäfsig den
Titelheiligen, zuweilen von einem oder mehreren Repräsentanten des Kon-
vents verehrt, in anderen Fällen nicht selten (siehe Fig. 1.56} mit einem
Bilde der Stiftskirche vereint. Durch alle diese Darstellungen sind die Siegel
ein außerordentlich reichhaltiges und, weil zum grafsen Teile durch die Ur-
kunden, an denen sie zuerst erscheinen, chronologisch fest datiert, hOchst
wichtiges Qnellenmateriat sowohl (Hr die Ikonographie als für die Geschichte
der geistlichen Tracht und des kirchlichen Gerätes und selbst ftlr die Archi-
tektnrgeschichte. In den Formen ihrer Bilder folgen sie natürlich ganz der
allgemeinen Stilen twlckelnug Oberhaupt und bieten auch in dieser Hinsicht
ein wichtiges Material zur Charakterisierung der verschiedenen Perioden.
Ihre kflnstierische AusfOhrnng ist eine sehr verschiedene und richtet sich
nach den allgemeinen Kunstzuständen in der Zelt und der Gegend ihrer
Entstehung und nach den Geldmitteln, welche ihren BeBteltem zur Ver-
fügung standen; ein nicht geringer Teil der noch vorhandenen Stocke sind
aber wirkliche Kunstwerke nnd manche gehßren zu den vollendetsten Er-
zeugnissen der Kleinkunst. Wir nennen von solchen ans verschiedenen
Gegenden nnd Zeiten nur die Stempel des grofsen Kapitel ssiegels des Stifts
Gandersheim, jetzt im Archiv zn Wolf enhflttel (spätromanisch — Abb. Illu-
strierte Zeitung 1B8S, No. 20S1, 418), des Hartinsstiftes zn Sindelfingen, jetzt im
Siegelabdrücke. Stationen. 381
Altertums- Verein zu Stuttgart, des Abtes Hermann Pistorius von St. Egidien
zu Nürnberg, jetzt im dortigen Staats-Archiv (beide Mitte des XV. Jahrh.)
und des Nikolaus-Stiftes zu Neifse von 1510 im Staats-Archiv zu Breslau.
Die Abdrücke der Siegelstempel wurden durchgehends in Wachs , und
zwar meistens ungebleichtem, für höhere Würdenträger in rotem ausgeführt;
Blei war für die päpstlichen Bullen , Gold, d.h. ein dünnes Goldblech, dessen
Pressung hinten mit Wachs ausgefüllt wurde, für manche kaiserliche Ur-
kunden reserviert (btilla aurea). Die Abdrücke wurden in älterer Zeit auf
die Urkunden selbst aufgedrückt, und dazuan der Regel ein kleiner Kreuz-
schnitt in das Pergament gemacht, damit zu mehrerer Befestigung das
Wachs auch auf die Hinterseite durchdringen sollte. Später wurden sie
mittelst Pergamentstrelfen oder Schnüren an den unteren Rand des Perga-
ments angehängt, und zwar wurden sie zu mehrerem Schutze in eineWachs-
schttssel hineingefügt, die entweder mit der Hand geformt oder mit einer
Form gegossen war und wieder noch zum Schutze in eine Hülle von Werg
und Leder eingenäht wurde, oder das Wachs wurde auch gleich in ver-
schliefsbare Kapseln von Metall oder Holz (Bullen) hineingedrückt. Da
diese Manipulationen namentlich bei gröfseren Siegelstempeln besondere
Geschicklichkeiten erforderten, so geschah die Aufdrückung des Siegels
nicht durch den Siegelführer selbst, sondern durch irgend einen Beauf-
tragten, und zur Beglaubigung und Originalisierung des Siegels pflegten
dann höhere Würdenträger auf der Rückseite ein kleineres von ihnen per-
sönlich, oft im Fingerring geführtes Siegel aufzudrücken (Rücksiegel,
Sekretsiegel, Daumensiegel, Kontrasiegel), und da sie oft auch dies nicht
persönlich thaten, drückten sie einen oder mehrere ihrer Finger in die noch
weiche Wachsmasse hinein, oder machten mit den Fingernägeln allerhand
Zeichen darin. Trotz aller solcher Vorsichtsmafsregeln und trotz des äus-
sersten Argwohns, mit dem die Siegel geprüft wurden, blühte übrigens im
Mittelalter, wie die Fälschung von Urkunden, so auch die von Siegeln mit
den mannigfachsten Manipulationen überall (vergl. Schultz, a. a. 0., 2. 3;
Grotefend, a. a. 0., 32 ff.), und trotz der härtesten Strafen, mit denen das
kanonische Recht solche Fälschungen bedrohte, waren es gerade Klöster
und Stifter, in denen sie im Interesse des Nachweises höheren Alters oder
ausgedehnterer Besitzberechtigungen ganz besonders Brauch waren, und in
manchen, wie z. B. in Kloster Leubus in Schlesien ganz systematisch mit
einer staunenerregenden Gewandtheit und Unverschämtheit geübt wurden.
23. Stationen, d. i. Stillstandsorte der Wallfahrten und Prozessionen in
abgemessenen Entfernungen, bezeichnet durch Kreuze und Bildwerke, welche
einzelne Vorgänge aus dem Leben, namentlich aus der Leidensgeschichte
Jesu zur Anschauung bringen; oft in Verbindung mit den Calvarienbergen
(siehe No. 4). < Die jetzt übliche Zahl von 14 Stationen wurde wahrscheinlich
durch die Franziskaner erst nach 1561 angeordnet, war aber selbst 1699
noch nicht allgemein eingeführt (Vergl. Stockbauer im Org. f. ehr. K., 1870, 199).
— Die berühmtesten Stationen sind die in Nürnberg am Wege vom Tier-
* Diese »Kreuzwege« sind Nachbildungen der via dolorosa in Jerusalera, die zu-
erst von dem Dominikaner Alvarus (f 1420) im Abendlande eingeführt und nachher
von den Franziskanern allgemein verbreitet wurden. Vergl. Jos. Schneider, die Ab-
lässe (7. Aufl.), 255.
382 Steinkreuze.
gärtnerthor bis auf den Johanneskirchkof : sieben Standsäulen mit Reliefs von
Adam Kr äfft um 1490, den Leidensweg Christi bezeichnend (restauriert;
Abb. bei Wolff, Nürnbergs Godenkbuch, Taf. 81—88; Wanderer, A. Kr., Taf. 1-5).
24. Steiiikreiue im freien Felde bezeichnen oft die Stelle, wo ein Mord
verübt worden (oder jemand plötzlich verstorben) ist, und mufsten von den
Totschlägern zur Sühne errichtet werden , z. B. vor dem westlichen Eingange
der Marienkirche zu Berlin, wo 1335 der Probst Nikolaus von Bernau vom
Volke erschlagen worden war. (Viele Beispiele solcher Kreuze bis zum J. 1596 bei
Waldmann, H., über den Thüring. Gott Stuffo (Heiligenstadt 1857), 99 ff.; vergl.
auch Bösigk, Fz. L., über Mordkreuzo, in den Mitt. d. Sachs. Altert.- V., X, 31.
— Walthierer, Stoinkreuze, von Totsclütigem zur Sühne errichtet (Beispiele von
1436 und 1463), im Anz. G. M., 1860, Sp. 207. — flber Feldkreuze, im Kirchen-
schmuck, 1868, Bd. XXIV, 17. — Über die schlesischen vergl. Schlesiens Vorzeit
in B. u. Sehr., IT, 245. m, 115). — Das älteste datierte wird das von 1260
zu Varmissen bei Dransfeld im Hannoverschen (Abb. Mithoff, ü, Taf. 4)
sein. Eine Abbild, des dem Herzog Friedrich von Braunschweig 1400 bei
Klein Engl is bei Fritzlar emchteten über 3,00 hohen Kreuzes bei Stein-
ruck, disqu. bist de Frid. duce Brunsv. et Luneb. anno 1400 haud procul
Fritzlaria caeso. Marb. 1743. Aufser diesem sind im Reg. -Bez. Kassel bei
Lotz (S. 123.359) noch 14 andre solche Kreuze nachgewiesen. Nicht selten
sind Messer, Dolche und Schwerter auf ihnen eingeritzt. Auf dem zur Er-
innerung an den 10. Dezbr. 1313 ermordeten Priester Heinrich von Siebe-
leben errichteten auf der Steigerhöhe bei Erfurt ist der Ermordete selbst
abgebildet (vergl. Mitt. des Erfurter Gesch. -Ver., n, 183. HI, 187). Zuweilen
haben diese Sühndenkmäler auch statt des Kreuzes die Form eines Pfeilers,
so bei Berthke (Kr. Franzburg) mit der Darstellung des 1313 ermordeten
frater reimarus mit vom Schwerte durchbohrter Brust (von Haselberg, Reg.-
Bez. Stralsund, I, 17. 18), bei Hemmend orf im Fürstentume Calenberg mit
einem eingegrabenen Kreuze auf einem Dreiberg von 1391 (Abb. Mit hoff,
I, Taf. 7), namentlich aber das grofse Monument des Herzogs Albrecbt von
Sachsen bei Schlofs Ricklingen im Hannoverschen mit der Darstellung
des Getöteten in Anbetung des Gekreuzigten von 1385 (Abb. das. Taf. 8). —
Auf dem Eichsfelde heifsen diese Kreuze Bonifatiussieine oder Zehntsteine
und werden mit der Sage von der Zehntfreiheit des Eichsfeldes in Verbin-
dung gebracht, in anderen Gegenden (im Hohensteinischen, bei Wetzlar, in
Westfalen, Franken, Oberpfalz, Altbayern, Schwaben) führen dieselben oft
den Namen Schwedenkreuze ^^ nach dem Volksglauben zur Bezeichnung
^ Bei der Schwedeuzeit bleibt überhaupt die volkstümliche Deutung unverstan-
dener Denkmäler der Vorzeit vielfach stehen, so bei den Schwedenschanzen. Ebenso
bei den Schwedenhiehen (vergl. Otte, Wörterbuch, 220), die au den Fenstergewän-
den der Domkrypten zu Mainz, aber auch in den Domkreuzgängen zu Halbei-stadt
und Stendal an den Fenstersäulen, hier sogar mit dii'ekter Übertragung auf Gustav
Adolf, gezeigt werden. Sie werden mit den oben S. 44, Note 1 erwähnten lÄngs-
rillen und Kuudmarken in eine Kategorie zu stellen sein, deren Fundgebiet sich
übrigens fortwährend ausdehnt, auch im Bereiche des Hausteinbaus, die ferner keines-
wegs, wie mehrfach behauptet wird, nur in der Nähe der Portale, sondern ebensogut
an allen freistehenden Wänden der Kirchen vorkommen, und über deren direkten Zu-
sammenhang mit den der prähistorischen Zeit angehörigen Näpfchensteinen die An-
sichten der Foi'scher sich vorläufig noch kontradiktorisch gegenüberetehen.
Sündenwagen. Tafeln. Teppiche. 383
solcher Stellen, wo im 30jährigen Kriege Gefallene ein gemeinsames Grab
gefanden hätten. — In mitten der Vorstadt Nenmarkt bei Jüterbog steht
ein sehr altes (ursprünglich 3 Ellen hohes) Granitkrenz, der Lokalsage znfolge
an einer Stelle, wo ehemals heidnische Sacra gefeiert wurden, und daselbst
zum Andenken an die Einführung des Christentums im XII. Jahrh. errichtet.
25. Sündenwagen werden an verschiedenen Orten, z. B. in Wilsnack
und Netzeband erwähnt, und in der Sakristei zu Wilsnack befinden sich noch
zwei grofse Metallschalen , von denen die eine mit drei Ösen versehen ist und
sehr wohl als Wageschale gedient haben kann , während die andre früher als
Taufbecken benutzt worden ist. Nach der Erzählung des Matth. Ludecus
(Historia etc. des vermeinten heiligen Bluts zur Wilsnagk, 1586) mufste in der
Zeit der Wallfahrten zum heil. Blute in Wilsnack der Sünder auf die eine
Schale treten und auf die andere Naturalien etc. opfern, bevor er die Los-
sprechung erhielt. Der Gebrauch erinnert an die schon in der romanischen
Periode übliche Kunst-Darstellung der Seelenwägung (vergl. Mark. Forschungep,
XVI, 130).
26. Tafoln mancherlei Art zur Aufzeichnung von allerhand Dingen,
die sonst wohl durch Wandinschriften verewigt wurden, z. B. Ablafs-
tafeln, d. h. Tafeln, auf denen sämtliche der Kirche im Laufe der Zeit
verliehenen Ablässe verzeichnet waren (eine solche aus Messing von 0,40
Höhe und 0,24 Breite mit dem Bilde der thronenden heil. Jungfrau, ehemals
an der südöstlichen Thüre der Liebfrauenkirche zu Halberstadt befestigt,
ist jetzt im Zither des Doms daselbst); Turnustafeln, d. h. mit Wachs
überzogene Holztafeln, auf welchen die Namen derjenigen Geistlichen,
welche den Wochendienst hatten, angeschrieben wurden (vergl. Sauer, W.,
eine Wachstafel des Kl. Paradies bei Soest, in Pick's Monatsschr. IV, Kl. Mitt. No. 1)
u. dergl. mehr. Beim Bonifatiusstift zu Halberstadt wird 1495 (Urkunden-
buch ed. Schmidt, 203) eine tabula erwähnt, mit welcher der Diener der
Provisoren an den 4 hohen Festtagen herumgeht, um Beiträge für das Kir-
chengebäude zu sammeln.
27. Teppiche fanden in den mittelalterlichen Kirchen ausgedehnte An-
wendung, nicht blofs als Vorhänge vorThüren (ve/ajanwan/»!) und Fenstern
{panni; s. oben S. 89), als Rücklaken und Sitzkissen (dorsaliay bancalia;
oben S. 284) in den Chorstühlen, oder statt der Scheidewände des Chores
(»velum infer clerum etpopulvm<^ beiDurandus, 1. 1. c. 3n. 35), zu beiden
Seiten der Altäre (»cortinae in utroque laiere alfaris«, welche in manchen
Kirchen während der Secreta in der Messe vorgezogen wurden, ^guae tunc
ex(enduntur<fi und den Priester »quasi« verhüllten; ebd. 1. 4 c. 39 n. 1, vergl.
oben S. 140), sondern auch zum Behängen der Wände und Pfeiler bei fest-
lichen Gelegenheiten {»cortinae in festivitatihus propter omatum«\ ebd. 1. 1
c. 3 n. 39) und in der Fastenzeit vor dem Sanctuarium {^velumj quod sacra-
rium a clero dividet«] ebd. n. 35) als Fastentücher {cortinae quadragesi-
males) zur Erinnerung an den Vorhang im Tempel zu Jerusalem. Aufserdem
erwähnt Durandus (ebd. n. 23) auch der Fufsdecken: y>Sübstratoria, quae
pedihus suhstemuntur^^ und der Fufsteppiche : -»Tapetia sunt panni, quipe-
dibus substemunturj« — Im früheren Mittelalter bezog man die Teppiche
wie alle kostbaren Gewebe aus dem Orient (cortinae Alexandrinae ^ Tyriae;
vela Byzantea, Syrica)^ die dann später auch im Abendlande, in Palermo
184 Teppiche.
unter den Noi-msDneu zaerBt dnrcli e&razeniBche nad byzantia lache Arbeiter,
D«chge&hmt worden: diese kostbaren Seidengewcbe wsren oft mit sym-
metrisch (in kreisriinden Kinf&ssungen , daher pailia scu/ellala, rotata) ge-
ordueten Tierfiguren gemustert (ElephanteD, Löwen, Pfaneu, Papageien,
Adler, KinhOmer, Greife; daher vela teonata, aquilala etc.). Seit dem Ende
des X. Jabi'h. wurden Teppiche in einzelnen (besundera französischen und
niederUnd lachen) Ktflstem durch LaienbrUder, und später durch zUnfitige
Handwerker, stets aber auch In den Nonnenklöstern (aus Seide, Wolle,
Zwirn auf einem Aufzuge von starken Hanffäden) gewebt und zeigen figttr-
liche Daratellungen biblischen, symbolischen und profanen Inhalts. Diesen
Webereien schliefsen sich die (auf grober Leinwand mit gezwirnter Wolle etc.)
von Frauenhand gestickten Arbeiten an. Auf Leinwand mit Leimfarben
gemalte Teppiche kommen frühestens erst seit dem XIV. Jahrh. vor. Statt
der Malerei wandte man bereits Im XIV. Jahrh. auch schon den Zengdrnck
mittelst Holz- oder Metallmodeln an, der auch zur Musterung der Stofi'e ge-
ringerer Mefsgewänder oder der Futterstoffe verwandt wurde (vergl. Bock in
der CoUectio Weigeliana I, 1 ff. und Tat. S u. 9 mit Proben niederrheinischen Ur-
sprungs auH dem 2. Viertel des XV. Jahrh.). Besonders bemerkenswert ist ein
ehemaliges Dorsale in Sitten mit tanzenden Figuren und Scenen ans der
ödipasmythe aus der Mitte des XIV. Jahrh. (ver^l. Keller, Ferd. in den UitL
:a (JaMlllDlHirs (nlch.von LUUsw
der autiqu. Qea. Züricli, XI, Heft 6).' Fast regelmäfslg sind die Teppiche mit
erläuternden oder anderen (die orientalisclien mit arabischen) Inschriften
versehen. (Über Üebrauch, Stoffe, Technik und Bezugsquellen der Teppiche vergl.
' EbenTslls dem XIV. Jahrh. wird eine in Buntdruck verzierte Stola ans Leinwand
im Oeorgshospitale zu Wernigerode zugeschrieben. Vergl. Anz. G. M. tST9, Sp. T
und Abb. in Bau- und Kunstdenkin. der Provinz Sachsen. Heft VH, 121, Kg. BS.
Teppiche. 385
Jubinal, Achille, Becherches sur Fusage et Torigine des tapissehes ä personnages.
Paris 1840. — Book, Lit Gew., m, 111—121. 185—144. 177-185. 192—202; auch.
Dess. Catalogos pannuloram holosericorom textura et antiquitate memorabilimn.
Colon. (1859). — Springer, Ant., Teppiche als Bildmotive, in den Mitt. C.-K., V^
67 ff. — Schnaase, IV, 246).
Wie aus der Vergänglichkeit nnd der oft schonungBlosen Benntznogs-
weise der Teppiche erklärlich ^ ist aus dem früheren Mittelalter wenig er-
halten, das meiste jedoch in niedersächsischen ehemaligen Nonnenklöstern:
die romanischen (bereits oben S. 290 erwähnten) Rücklaken der Chorstflhle
des Domes zuHalberstadt (Christus und die Apostel, die Geschichte Abra-
hams, zwei Enden von etwa 13,50 Länge bei ungefähr 1,10 Breite in Gobelin-
weberei, Abb. bei Bechstein, Eunstdenkmäler, I, Taf. 13. 14; daselbst ein wohl
gleichzeitiger kleiner geschorener mit Karl dem Grofsen und vier antiken
Philosophen und ein sehr langer mit der Marienlegende unter sehr reichem
Rankenomament in Gobelinweberei ans dem Ende des XV. Jahrb.); Teile
eines geschorenen Teppichs aus der Zeit um 1200 mit der Vermählung des
Mercurius und der Philologia nach dem Dichter Marcianus Capella in der
Stiftskirche zu Quedlinburg (Abb. Steuerwaldt und Virgin, Kunstschätze im
Zittergewölbe zuQuedlinb., Taf. 86—40; Bechstein, a. a. 0., Taf. 14; von Lützow,
Zeitschr. XVn, 175; vergl, Kugler, Kl. Sehr., I, 635 ff.); femer im Kloster
Wienhausen ein gestickter Teppich von 4,09 X 2,20 mit der Geschichte von
Tristan und Isolde nebst 37 Wappen, aus der ersten Hälfte des XIV. Jahrh.
(Abb. Mithoff, Archiv, 11, Taf. 6), zwei ebenfalls aus dem XIV. Jahrh. ange-
hörige gestickte Teppiche, der eine mit Jagdscenen , der andere mit Pro-
phetenfiguren (a. a. 0., Taf. 7), das Bruchstück eines aus derselben Zeit
stammenden mit alttestamentlichen Scenen (ebd. Taf. 2) und zwei gestickte
Teppiche aus dem XV. Jahrh., der eine mit der Legende des Ap. Thomas
(ebd. Taf. S), der andere mit der Geschichte der heil. Elisabeth (ebd. Taf. 2).
Mehrere Teppiche aus dem ehemal. Kloster Heiningen (XIU. u. XIV. Jahrh«,
der gröfste in farbigem Plattstich auf grober Wolle von 1516) sind in das
Weifen -Museum gekommen, ebendahin drei aus dem XV. u. XVI. Jahrh.
(darunter zwei schmale Dorsalien mit Streifen von Tiergestalten, der dritte
mit Kurfürsten und ihren Wappen) aus dem Kloster Ebstorf, ein grofser
mit der Einhornsjagd und dem Stammbaum Jesses und mehrere kleinere aus
Kloster Isenhagen. Ferner im Kloster Lüne zwei von löOö nnd 1506;
zu Medingen ein spätgotischer geflickter mit Jagdscenen und ein grofser
gewebter mit der Geschichte Josephs; zu Wernigerode im Georgshospital
ein Marienteppich und ein Magdalenenteppich, beide auf Leinwand in Seiden-
stickerei, und einer mit Pfauen und anderem Gevögel in Seidenstickerei
auf Seidenstoff, vielleicht italienische Arbeit um 1500 (vergl. Bau- u. Eunst-
denkm. der Provinz Sachsen, Heft VII, Grafech. "Wernigerode, 117 ff. m. Abb.);
im Jungfrauenkloster zu Drübeck ein 3,20 X 1^26 grofser Leinenteppich
mit 21 neutestamentlichen Scenen und alttestamentlichen Typen in bunter
Seidenstickerei (vergl. Friedrich, A, der Teppich aus d. Jgfrkloster D. 1877 m.
22 Photogr., und Grafsch. "Wernigerode, 39 f. m. Tafel); zu Goslar in der Dom-
vorhalle zwei Rücklaken mit je 7 Heiligen, schon im Stile der Frtthrenais-
sance; im Kloster Marienberg bei Helmstedt eine ganze Reihe von Tep-
pichen mit den Legenden der heil. Regina, der heil. Margarethe, der heil.
Otte, Kanst- Archäologie. 5. AoA. 25
386 Teppiche.
Elisabeth, einer unbekannten Heiligen , einer mit derPassionsgeBchichte und
einer mit Jagdscenen, zum Teil noch aus dem XIII. Jahrh. (ver^.v. Münch-
hausen, A., Teppiche des Jgfr.- Stifts Marienberg, in. 9 Taf., 1874; Details auch
in den Reiseskizzen der Niedereächs. Bauhütte, Taf. 14 u. 18—23); im Herzogl.
Museum zuBraunschweig die Nummern 33 — 38 aus dem dortigen Kreuz-
kloster vom £nde des XV. Jahrh. (darunter zwei mit der Geschichte des
Moses und der des Salomo, ein dritter mit Scenen aus Parcival); zu
Lüneburg in der Nikolaikirche ein spätgotischer von 6,43 X 0,58 mit dem
Weltgericht und den klugen und thörichten Jungfrauen und einer von 1542
(7,00 X 0,88) mit der Geschichte Abrahams undlsaaks; zu Erfurt im Ursu-
linerinnenkloster ein 5^« Ellen langer und 2^8 Ellen breiter Leinenteppich
mitWeifszeugstickerei in 3 Reihen (Schöpfung, Sintflut, Marienlegende) aus
dem Anfange des XIV. Jahrb., und ein anderer mit der Legende der Magda-
lena aus der Hinterlassenschaft des dortigen Weifsfrauenklosters; zu Naum-
burg a/S. im Dome s. oben S. 302. Die Lorenzkirche in Nürnberg be-
sitzt Teppiche aus dem XIV. — XVI. Jahrh. , die ältesten mit den Aposteln
und der Legende der heil. Katharina ca. 1375; die dortige Sebaldskirche
einen Teppich von 1497 mit der Geburt Christi und vier Heiligen; die Eli-
sabethkirche zu Marburg einen Teppich mit der Geschichte des verlorenen
Sohnes und Bildern der Erziehung eines deutschen Junkers aus der Zeit um
1400. — Der Katalog des Erzbischöfl. Museums in Köln (v. J. 1855) führt
an (No. 102. 105 — 109) gewebte Teppiche aus St. Johann zu Köln (Bruch-
stücke ans. dem Beginn des XVI. Jahrb.), ein Bruchstück mit der Fahrt der
heil. Ursula und einen gröfseren Altarteppich mit Tier- und Pflanzen -Orna-
ment (beide aus dem XV. Jahrh. und Eigentum des Museums), aus Maria-
Lyskirchen inKöln (XVI. Jahrh.), aus den Kirchen zuNiederwerth (XV. Jahrh.)
und Kerpen (Stickerei aus dem XV. Jahrb.). — Im Dome zu Mainz ein
Prachtteppich von 4,60 X lj95 mit der heil. Sippe von 1501 (vergl. Kirchen-
schmuck, 1868, Bd. XXIV, 8 u. 64 m. Abb.); in der Peter-Paulskirche zu Neu -
weil er vier Dorsalien mit der Legende des heil. Adelphus nach 1465; zu
Bern im Münster die Burgundischen Teppiche aus der Beute von Granson
mit den Kopien der untergegangenen Brüsseler Rathausbilder von Roger van
Weyden (? vergl. Kinkel, Gottfr., d. Brüsseler Rathausbilder etc., 1867, m. 8 Lithogr.)
und die Vincenzteppiche mit 18 gestickten Scenen aus der Legende des
Heiligen, 1515 gestiftet von dem Chorherm Heinrich Wölfli, dem Dol-
metscher des Ablafshändiers Bemhardin Samson; zu Lindau a. Bodensee
ein Teppich mit der Geschichte Davids und der Bathseba und ein anderer
mit köstlicher Blumenstickerei aus dem XV. Jahrh.; zu Maihingen einer
mit vier Scenen aus dem Leben Jesu und einer mit der Verwandtschaft des
heil. Wilibald; in der Annakapelle zu Wallerstein einer mit der Legende
der heil. Walpurgis von 1395, ein anderer mit der des heil. Oswald, ein dritter
mit 7 Scenen aus dem Leben Jesu und ein vierter mit der Geschichte Josephs
in Ägypten; zu München im Bayr. Nat.-Mus. ein spätgotischer aus Eich-
stätt mit der Verwandtschaft des heil. Wilibald und einer aus dem XVI. Jahrh.
mit der Anbetung der Könige, interessant durch die kleine Darstellung
• einer Nonne, die einen vor ihr der Höhe nach ausgespannten Teppich webt
(Abb. im Sitzungsber. des Münchener Altert.-Y., 1. Heft, 1868, Taf. 5); zu Nürn-
berg im Germ. Mus. ein aus verschiedenen Bruchstücken eines gelben Sei-
Teppiche. Totenleuchten. 3g7
denbrokats mit Tierfi^ren nnd Palmetten (italienische Nachahmung sara-
zenischer Master aus dem XIY. Jahrh.) zusammengesetzter , aus Wienhausen
stammend (Abb. Mithoff, Archiv, n, Taf. 9. 10) und einer mit dem Tode der
Maria in Seidenstickerei auf Leinwand aus der Zeit 1320 — 1350 (Abb. Essen-
wein, Kunst- und kulturgescLDenkm., Taf. 27); zu Gurk in der bischöflichen Resi-
denz ein Behang der Fensterbrttstung des bischöflichen Oratoriums in der
Schlofskapelle mit symbolischen Darstellungen aus dem XVI. Jahrh. ; zu Wien
im Mus. für Kunst und Industrie ein dem Nürnberger von St. Lorenz ähnlicher
mit dem Eccehomo^ Heiligen und Adoranten aus der Familie von Geuder
(der Stifter f 1407; Abb. Mitt. O.-K., XVm, 120); zu Berlin im Kunstgewerbe-
Museum Raum XVI, Wand 100 ein Wandteppich mit der Geschichte der
Susanna y Wand 103 ein golddurchwirkter Wandteppich mit der Himmelfahrt
Maria aus der Schule der van Eyck, Raum XVU, Wand 108 u. 113 Wand-
teppiche in deutscher Gobelinweberei aus dem XV. Jahrh. mit Einzelfiguren
von Propheten 7 Kirchenlehrern , Philosophen (Seneca, Cato) und Dichtern
(Freydank) in '/i-Lebensgröfse mit vielgewundenen Spruchbändern, Nische
104: ein Wandteppich mit der Grablegung von 1599, noch ganz gotisch
und Nische 107: ein Leinenteppich mit aufschabloniertem Muster aus der
Kirche zu Marienfelde bei Berlin vom Anfange des XVI. Jahrh. — Von
Fastentflchem ist das gröfste bekannte das Hungertuch, welches zum An-
denken an eine überstandene Hungersnot von dem Gewürzkrämer Jakob
Gorteler zu Zittau in die dortige Johanniskirche gestiftet wurde und sich
jetzt im Museum des Grofsen Gartens zu Dresden befindet: eine grobe Lein-
wand mit Darstellungen aus der biblischen Geschichte alten und neuen Testa-
ments in 108 durch deutsche Reime erläuterten Bildern (vergl. Bösigk, L.,
Führer durch das Museum etc., 85 ff.). — Das Palmtuch in GUglingen von
7,20 X 4)30 aus dem XV. Jahrh., bemalt mit 60 biblischen Bildern (vergl.
Kunstblatt zum Morgenblatt, 1847, 200; Schriften d. Altert.-V. i. Zabergäu, IT, 1846)
ist 1849 beim Brande der Kirche untergegangen; und von dem 12 Ellen
langen und breiten mit biblischen Scenen aus dem Alten und Neuen Testa-
mente in 4 Reihen zu 8 Feldern, das noch 1781 in der Kirche zu Gingen,
O.-A. Geislingen, vorhanden war, sieht man nur noch die Rollen zum Auf-
hängen am Triumphbogen. — Viel älter ist die noch in romanischem Stile
mit dem Bilde der Maria und sechs Aposteln bemalte Leinwand in St. Apo-
steln zu Köln, angeblich das von Richmondis von Aducht (t 13fiO) gespon-
nene Bahrtuch derselben, vielleicht aber ein Fragment eines gröfseren Fasten-
tuches (vergl. Bock, das heil. Köhi, St. Apostehi, 8). Auch im Münster zu Frei-
burg i. Br. ein Stück eines späteren Fastentuches.
28. Totenlenohten oder Lichtsäulen * sind hohle runde, vier- oder viel-
eckige Säulen in der Mitte eines Kirchhofes, deren (zuweilen auf einer Treppe
zugänglicher) oberer latemenartiger und mit einem Spitzdach gekrönter
Aufsatz zur Aufnahme eines * Arme- Seelenlichtes € diente, welches zu Ehren
der Entschlafenen die ganze Nacht brennend erhalten wurde und den Fried-
hof erleuchtete. — PetrusVenerabilis, demiraculis 1.2: t^ Obiinet medium
cimeierii locum structura quaedam lapidea, hdbens in summitate sua quan-
* Diejenige zu Ersheim bei Hirschhorn a. Neckar (von 1412 ?; vergl. Ritsert^ F.,
im Korr.-Bl. Ges.-V. 1877, 36 f., m. Abb.) führt den singulären Namen Elendstem.
25*
)gg Totenleucbten.
litatem unius lampadis eapacem, quae ob reverenliam fidelium ibi quiescen-
lium totis nociibus fUlgwe suo loctan iUum sacralum ilhulrat. Stent etgradus,
per quoa iUuc ascenditur; supraqtie" etc. Im J&hre 1368 beBtimmteu die
Visitatoren des Kiostera Pforte, dars der dortige Ku8toB za besorgen hsbe
ibanen de sepo noctumo tempore arsunim in cimeieriot (Corfaen, Altert, u.
Kunstd. zu Pf., 2S9, — Vergl. Lenoir, ArchitecturemoMStique, 11, 441, — Braun,
über Totenleucbten, ia den Annalen des histor. Vereins für den Niederrhein. Hft. S
(1960), — Riggenbach, Ch., über Totenleucbten, Arme Seelen-Lani|>en, in don
Mitt C.-K.. VU, 228, — EBsenwein, A., über einige Totenleucbten in Ost., ebda.
317— S25. — Fronner, K., über mittelalt. SakramontshHuschon, Licht- nnd Mart«r-
säiüen, in Ber, u. MitL des Altert.-V. Wien, XI, 295 ff,), — Diese Kirchliofalatoraen
scheinen früher im Bttdlichen Qod westlichen DentschlsDd allgemein ver-
breitet gewesen ed sein und blieben bis ins XVI, Jahrb. beliebt, sind aber
seitdem anfser Oebraneh gekommen nnd meist zn Gmnde gegangen; die
Ältesten bekannten rühren ans dem XIII, Jahrb. her. Als ältester Überrest
einer Totenlenchte wird angeführt ein in der Mitte des Krenzgartena am
Dome zn Magdeburg befindlicher (vermutlich ans dem 1207 abgebrannten
Ottonischen Dome herrührender) gegen 2,ou hoher Sänlenachaft aus orien-
talischem Granit mit einer gegliederten sechseckigen Deckplatte ans Sand-
stein, welche bedeutend ausladet und ehe-
mals das LiehthAuBchen trag, von dem nnr
noch die fialenartige Bedachung vorhanden
ist. Totenleucbten früh gotischen Stils auf
dem Kirchhofe zu Schulpforta von 1268
(Abb, bei Puttrieb, ü. Lief. Schulpforta, Bl. 8
n. Corfaen, a. a. 0., 265) und neben dem Dome
zuRegensburg (Abb. Mitt C-K., XVI, S.L1X,
Fig. 7); spätere mehrfach in Westfalen (auf
dem Kirchhofe vor Paderborn, zn Saiz-
kotten, Brakel, Delbrück, Schilde-
sche, Ölde, Stromberg, Werl, Apler-
beck, beim Dome za Mflnster, bei der
Bartholomaikirche zn Ahlen); in Trier eine
zierliche von 4,0S Hohe ans Sandstein im
Domkreuzgange (Abb. ans'm Weerth, Taf.
LVl, 5) nnd eine ähnliche auf dem Kirch-
hofe zn Bingen; in Hessen die Älteste zn
Frankenberg; in Österreich nnd wohl
Uberhaapt das ausgezeichnetste Monument
dieser Art zn Klosternenburg (1381 von ,
Michael Tutz, gestiftet von einem Borger nach
der Pest, 9,äO hoch, mit 6 Reliefs ans der
Leidensgeschichte; Abb. östr, AÜ., LXXVn, 1), aufserdem aus dem XIV. Jahrb.
zn Gnrk neben dem Dome (4,75 hoch; Abb, das. XXIX, 1) und zu Keut-
Bchach in KAmthen (mit einem zweiten LichthAuachen in der Mitte des
Schaftes. Abb, das. LXXVH, 8), aus dem XV, Jahrb. und spätgotiach : vier-
eckige zu Hainborg auf dem Dechanthofe (4,75 hoch, Abb. das. XXIX, 3),
zn Tttsser in Steiermark (das. LXXVn, 6), zn Maria-Saal in KAmthen
Totenleuchten. 3g^
(von 1497 auf gewundenem Schafte, ganz wie ein Sakramentshäuschen ;
Abb. das. XXIX, 6) und zu Schwaz bei Innsbruck (von 1518 , auf rundem
Schafte, noch jetzt unterhalten), sechseckige zu Lorchbei Enns (das. LXXYII,
10), zu Freistadt in Ober-Österreich (von 1488, 9,50 hoch, das. XXIX, 5), zu
Wels (von 1511 aufgewundenem Schafte; Abb. Mitt. C.-K., XVin, 277), zu
Mailberg, Nied.-Östr. (Abb. Mitt. C.-K., XVn, S. CX, Fig. 7) und zu
Hof in Steiermark (von 1514, Abb. östr. Atl., LXXTH, 11), achteckige zu
Globanitz in Kämthen (Abb. Mitt. C.-K. N.F., vm, S.LXI, Fig. l),^u Murau
bei der Stadtpfarrkirche St.Matthäi (6,95 hoch, Abb. östr. Atl., XCVn, 6), zu
Penzing bei Wien (8,22 hoch, das. XXIX, 8), zu Voigtsberg (das. XXIX, 4),
zu Völkermarkt bei der Stadtpfarrkirche (von 1477, das. XXIX, 7), zu
Brixen auf dem Domkirchhofe (von 1483, 3,20 hoch, das. XXIX, 2). — Über
die ehemalige im Kloster Klingenthal zu Basel von 1520 s. oben S. 117
(Abb. Riggenbach, a. a. 0.', 229, Fig. 1). — Gewöhnlich haben diese Säulen
unten in Brusthöhe eine zweite verschliefsbare Öffnung, um von hier aus
mittelst einer Zugvorrichtung das Licht durch den hohlen Schaft in die La-
terne emporzubringen. Anderweitig finden sich die Totenleuchten unmittel-
bar mit den Kirchen verbunden; zu Mühlhausen i. Th. erhob sich um 1400
eine solche nur noch fragmentarisch erhaltene ttber dem Ost -Giebel der
Georgskirche; auf dem Kirchhofe der Katharinenkirche zu Oppenheim ist
eine mit dem im XV. Jahrh. erbauten Karner dergestalt erkerartig ver-
bunden, dafs das Tragsäulchen derselben, freistehend auf einer Konsole
ruht und die Krönung der Laterne ebenfalls eine Vorkragung bildet, wäh-
rend eine kleine Steintreppe im Innern der Kapelle zu einer Maueröffnung
führt, durch welche man das Licht an seinen Ort setzen konnte. Ähnliche
Einrichtung haben Lichtgehäuse an der Kirche zu Lichtel, O.-A. Mergent-
heim, an der Südseite der Vorhalle von St. Michael zu Fulda von 1139, am
Treppenturme der Dominikanerkirche zu Treysa ans der zweiten Hälfte
des XIV. Jahrh. (12 eckig), am Dreiecksportal und am Krenzgange des
Erfurter Doms (nur in Fragmenten erhalten) und an der Dekanalkirche
zuPilsen (Abb. Grueber, IV, 135). In Gladbach ist für das ewige Licht im
Chore an der Epistelseite eine kleine Nische angebracht, welche die Mauer
durchbricht und nach aufsen mit Glas verschlossen ist. — Das ähnlich vor-
gekragt e Lichtgehäuse an der Pfarrkirche zu Bozen (Abb. Östr. Atl., LXXVII,8)
war keine öffentliche Kirchhofslateme, sondern eine Privatstiftung zu Ehren
eines bestimmten einzelnen Grabes, wie dergleichen Lichthänschen öfter als
Angebäude an Kirchen vorkommen, z. B. mehrfach an St. Stephan in Wien
(Abb. Östr. Atl., LXXVII, 4. 5), an der Pfarrkirche zu Bingen (Abb. Statz u.
Ungewitter, Taf. 141, 3—6), zu Heimbach (das. Taf. 102, Fig. 1), an der
Pfarrkirche zu Korneuburg (Abb. Ber. u. Mitt. des Altert-V. Wien, XIV, 83)
und besonders schön die eiserne Laterne auf gewundenem Steinarme am
Schreyerschen Grabmal an der Sebalduskirche zu Nürnberg von 1508
(Abb. Wandrer, A. Krafft, Taf. 8). — Auch die Betsäulen (s. oben No. 2) sind
zuweilen mit einer Vorrichtung zur Aufnahme eines Lichtes verbunden.^
^ Den Totenleuchten sehr ähnlich, zum Teil wohl auch als solche dienend sind
die aus Holz, vielfach auch aus Stein zu Tausenden in Böhmen vorkommenden
Glockensäulen, vergl. z. B. die steinerne, auch mit einem Brunnen verbundene zu
Horsitz im Böhmerwalde, bei Grueber. IV, 111, Fig. 155.
390 Uhren.
Ob die beiden 1,25 hohen 8 eckigen eisernen Laternen, welche hoch an der
Westseite der Türme des Domes za Halberstadt am zweiten Stockwerke
angebracht waren (seit der letzten Restauration ist nur noch die nördliche
Yorhanden), ebenfalls für Totenleuchten zu halten sind , mufs dahingestellt
bleiben. Der Sage nach stiftete sie ein Domherr, der sich verirrt hatte,
und durch das Licht des Kflsters, der zum Geläut auf den Turm stieg, sich
wieder zurecht fand.
29. Uhren. Zuweilen sind Sonnenuhren (^o/orta) an den Kirchen an-
gebracht, z. B. an St. Jakobi zu Köthen von 1401, an der Stadtkirche zu
Weifsenfels von 1468, am Dome zu Regensburg aus dem J. 1487, am
Erfurter Dom von 1498, am Münster zu Strafsburg eine ganze Anzahl,
am Chor des Freiburger Münsters von 1502, an der Bonifatiuskirche zu
Sömmerda aus demselben Jahre, u. a. m. — In der Sammlung des histor.
Vereins zu Regensburg befindet sich eine aus dem Konventgarten von St.
Emmeram herstammende Säule von Granit mit einem Astrolabium ans dem
XIIL (nach anderer Meinung aus dem XL) Jahrh. , womit wahrscheinlich eine
Sonnenuhr verbunden war (Abb. Redtenbacher, Beiträge, Taf. 25, Fig. 1—4).
Gleiche Bestimmung mag eine mit den personificierten Monaten des Jahres
(in zweimal 6 Statuetten über einander) verzierte Sandsteinsäule aus dem
XIV. Jahrh. gehabt haben, die bei der jüngsten Restauration der Kloster-
kirche zu Nienburg a. d. S. in der Erde liegend gefunden wurde und jetzt
in der Sakristei aufgestellt ist. — Mechanische Uhren, welche durch ein
Gewicht in Bewegung gesetzt werden, sollen von dem berühmten Gerbert
(t als Papst Sylvester IL 1003) erfunden worden sein. Schlaguhren werden
zuerst erwähnt in den um 1120 zusammengetragenen Usages de t ordre de
CiteaziXy wo dem Sakristan aufgegeben wird, die Uhr so zu regeln, dafs sie
schlägt und ihn vor dem Frühgottesdienste weckt. Aufserdem wird vorge-
schrieben, die Lektionen so lange fortzusetzen, bis die Uhr schlägt (yergl.
Pottier, Monuments £ran9ai8 inedits, 11, 29). Auch bei Job. Beleth, c. 86,
und nach ihm bei Durandus, l. 1 c. 1 n. 35, werden Schlaguhren in den
Kirchen erwähnt: T^fforologia, per quae horae leguntur, id est coüiguntur,^
Das Zifferblatt war bis ins XVI. Jahrh. in 24 Stunden geteilt;^ darum die
ganze, auch die grofse Uhr genannt. (Ein solches, früher im Dome zu
Magdeburg befindliches Zifferblatt ist seit dem Restaurationsbau nicht mehr
vorhanden.) — Ein zierliches hölzernes Uhrgehäuse (Wandschränkchen) aus
dem XV. Jahrb., aus Heisterbach stammend, befindet sich im Kunstgewerbe-
Museum zu Berlin (Wand 110). — Schon der jüngere Titurel beschreibt in
seinem Graltempel ein künstliches Uhrwerk (jorolei^ Zarncke, Str. 47.48),
an welchem Sonne und Mond Morgen und Abend angeben und durch die Zirkel-
zeichen gehen, und goldene zimfra/ die 7 Tageszeiten {horae canonicae) durch
Trompetenstöfse anzeigen. Solche künstlichen astronomischen Uhren
erhielten das Münster zu Strafsburg 1352 — 54 (bei welcher ein noch jetzt
im Frauenhause daselbst aufbewahrter Hahn, der ^Göcker^<^ bei jedem
Stundenschlage — der jetzige thut es nur Mittags — krähte), der Dom zu
Frankfurta. Main 1383 (durch Meister Johann Orglocker vonHagenau),
* Die Halbierung kommt jedoch am Rhein schon 1395 und im ersten Viertel des
XV. Jahrh. vielfach vor, in den östlichen Gegenden aber erst viel später; vergl. Grote-
fend, Chronologie, 45.
Uhren. 39I
die Marienkirche zu Lübeck 1405 (genannt yde schivet (Scheibe), alle
diese im XVI. Jahrh. durch neue Werke ersetzt), die Marienkirche zu
Danzig 1464 (von Haas
Dflrtnger), die Kloster-
kirche zu Ueilsbronn im
XVI. Jahrb. von Thomas
Teichmann (vergl. die Abb.,
nach einer alten Zeichnung, bei
Stillfried, ß. v., Altert, u.
Eonstdenkm. des Hauses Hohen-
lollem. Neue Folge, Lief. 4,
SchluIsTigDette). Letztere, im
Schiff der Kirche aufgestellte
Uhr bildete einen Schrein
mit spätgotisch er Dekoration
und zierlicher BekrOnnng.
Auf einem Sockel vor dem
Schrein stand die Figur eines
Löwen, aufdem dasEnochen-
gerippe des Todes rittlings
Bafsuud stündlich mit einem
Knochen aaf das Haupt des
Löwen schlug, der dann brül-
lend dieZeitaugab. Ein noch
komplicierteres Werk sol-
cher Art ist das weithin be-
rühmte Mftnnleinlaufen FL«. ICI. Z1tr«bl>ii and aonntnnhr um HUiii<«i
amMichelschÖrleinderFran- '" atriabBr«.
enkirchezn Nürnberg, ver
fertigt von dem Schlosser Georg Heufs und bei der jüngsten Restanration
der Kirche restauriert und wieder in Gang gesetzt, mit in Kupfer getriebenen
Figuren von Sebastian Lindenast (1606 — 1509): Kaiser Karl IV, aufdem
Throne und vor ihm stehend ein Herold; mit dem Schlage der Stunde, die
der Tod einläutet, setzen zwei Paar Hornbläser neben dem Throne ihre
Hörner an, ans einer ThQr treten die sieben Kurfürsten hervor, ziehen sich
verneigend vor dem Kaiser vorüber nnd verschwinden durch eine andere
Thür; oben darüber ein Trommler und ein Pfeifer, sodann die Halbfignr des
den Takt schlagenden Kapellmeisters und eines den Mund anfreifsenden
Sängers, der zugleich eine Schelle in Bewegung setzt, zu oberst zwei
stehende Männer, welche Hämmer zum Olockenschlage in Bewegung setzen.*
Öffentliche Turmuhren wurden seit Mitte des XIV. Jahrh. allmählich ein-
geführt. Die Frankenberger Pfarrkirche erhielt 1359 eine, der Dom zu
' Sehr ahnlich ist die erofse 1490 durch Meister Hnousch aus Böhmen und seinen
Schüler Jakob Buft;«^telltc Uhr am liathause zu Prag, deren steinenies Gehäuse 26,m
hoch und 5,10 breit ist; vergl. Kaulioh, die a,stron. Uhr des Bath. zu Pr. 1864. —
Der Dom zu Osnabrück hatte früher eine künsüiclio astronomische Uhr mit beweg-
licher Darstellung der Anbetung der heil, drei Könige. — Eine kleinere astronomische
Uhr befindet sich auch in der Marienkirche zu Stendal über dem Oestülil unter der Orgel.
392 Votivgeschenke. Wahrzeichen.
Magdeburg erst 1396. — Zifferblätter aus dem Mittelalter sind nur selten.
An der Front des südlichen Querschiffs des St rafsburger Münsters befindet
sich das Fig. 164 abgebildete, zugleich mit einer Sonnenuhr verbundene
von 1493, später oftmals umgewandelt. Ein merkwürdiges besitzt die Ma-
rienkirche zu Lippstadt; an demselben ist der Baum der Erkenntnis mit
Adam und Eva dargestellt, Eva hält den Zweig mit dem Apfel in der Hand,
beim Stundenschlage öffnet Adam den Mund, aber Eva schlägt ihm mit dem
Zweige über denselben.
30. Votivgeschenke. ^Vie ehemals in den Tempeln heidnischer Götter,
fand man bereits in den Märtyrerkirchen des christlichen Altertums
(Theodoret. Opp. 4, 922; vcrgl. Neander, Kirchengesch. , 11, 491) Nachbildungen
der Glieder, deren Heilung der Hilfe der Märtyrer verdankt worden, aus
Gold oder Silber als Weihgeschenke aufgehängt, und die Sitte, solche
Votivgeschenke, häufiger aus Wachs als aus edlem Metall, bei Gnaden-
altären aufzuhängen, hat sich bis heute in der katholischen Welt erhalten.
Auf einem Flügelbilde des Sebaldialtars aus dem XVI. Jahrh. in der Kreuz-
kirche zu Schwäbisch-Gmünd sind zwei Altäre dargestellt, über denen
an einer beweglichen Stange mehrere Füfse, ein Kopf und ganze Kinder-
figürchen hängen (Abb. bei Laib und Schwarz, Studien zur Gesch. d. ehr. Al-
tars, Taf. IX, 1. 2). Das Germanische Museum zu Nürnberg bewahrt ver-
schiedene Votivfiguren aus Eisen (K.-G., No. 306—311), sowie Wachsaus-
güBse aus alten Formen im Bayr. Nat.- Museum zu München und zu St.
Wolf gang in Österreich (K.-G., No. 312—345). — In der Kirche zu Maria-
zell befinden sich die Waffen und Gewänder König Ludwigs des Grofseu
von Ungarn und seiner Gemahlin, die er nebst dem Gnadenbilde, dem er
seine Errettung zuschrieb, 1363 nach der Schlacht an derMarizza der Kirche
schenkte (Abb. Mitt. C.-K., XIV, 88-90). Hierher mag auch das kleine Schiff
von Messingblech mit sechsteiligem Fufse unter seinem Kiele gehören , das in
der Stadtkirche zu Uelzen vom Chorgewölbe herabhängt, der Sage nach
von einem Engländer zur Erinnerung an ihre mit Erlaubnis Kaiser Otto^s
d. Gr. nach Uelzen gerichteten mythischen Schiffahrten aufgehängt. In der
Marienkirche zu Stendal hängt an einem Pfeiler ein Fisch zur Erinnerung
an die Höhe der Überflutung durch die Überschwemmung der Elbe im Jahre
1425. — Bekanntlich aber beschränkte und beschränkt sich die fromme
Dankbarkeit nicht auf die Dedikation von Modellen erkrankter und geheilter
Körperteile, sondern errichtet ex voto Kirchen und Kapellen, Altäre etc.
und stattet die Gotteshäuser mit den verschiedensten Denkmälern und
Schmuckgegenständen aus.
31. Wahrseichen sind allerlei Denkmale und Kuriosa etc. in oder an
Kirchen und anderen öffentlichen Orten einer bestimmten Stadt, die jeder
reisende Handwerker gesehen haben mufste, um sich über den Besuch der
betreffenden Stadt gehörig ausweisen zu können, und an die sich allerhand
aus Mifsverstand seltsamer Darstellungen entstandene Sagen anknüpfen,
z. B. die grofse Glocke auf dem Dome zu Erfurt; die sechs Töpfe über dem
Eingange zur Krypta der Petri- Paulikirche zu Görlitz (angeblich als Er-
innerung an den früher an dieser Stelle abgehaltenen Topfmarkt); der auf
Rosen gehende Esel an der Marktkirche zu Halle a. d. S.; der Grabstein
mit dem auf dem Dudelsack spielenden Esel im ehemal. Dom (jetzt im Mu-
"Wärmfipfel. Weihwasserbecken. 393
seam) und der »Bocksbeutel« (eine einen Buchbeutel tragende weibliche
Fignr) ehemals an der 1842 abgebrannten Petrikirche zu Hamburg; die
Riesenrippe in der Nikolaikirche zu Jüterbog; das Kauermännchen am
Domkreuzgange zu Merseburg; die drei Rebhühner an der Marienkirche
zu Mühlhausen i. Th.; der sich von der Galierie herabstürzende Bau-
meister (in Wirklichkeit ein Wasserspeier) und der eine Nonne küssenden
Mönch (in Wirklichkeit eine Heimsuchung) am Westportal des Doms zu
Regensburg; der Frosch am Gewölbe der Kirche zu Römhild; dasBäuer-
lein bei der Uhr im Münster zu Strafsburg, ehemals auch die RohrafTen
und eine ganze Menge anderer daselbst (siehe Kraus, 1,495); der geräderte
Mann an der Stiftskirche zu Tübingen, in Wirklichkeit ein Bild des heil.
Georg (Abb. bei Bunz, Stiftsk. Tüb., 43); der Spatz auf dem Dachfirst des
Ulm er Münsters; die oben (No. 28) erwähnten automatischen Kunstuhren
zu Nürnberg und Heilsbronn u. a. m. — Vergl. Schäfer, W., Deutsche
Städtewahrzeichen, I, 1S5S; auch: über Städtewahrzeichen, in der Illustrierten Zei-
tung, 1857, No. 706 ff.
32. Wärmäpfel (poma calefactoriä)^ zum Erwärmen der Hände beim
Altardienste im Winter , sind hohle durchbrochene aus Metall verfertigte
Äpfel, in welchen sich ein Einsatz mit glühenden Kohlen oder heifsem
Wasser oder einem glühenden Eisen befindet. Ein InVentarium von Laon
aus dem J. 1502 führt an: ^Pomum argenteum^ deanratum, /bratum in
plerisque lociSy Habens receptacuhtm etlam argenleum^ in quo solet poni fer-
rum candens, ad calefaciendas manus sacerdoHs celehrantis tempore hyemali.«
(Vergl. De Laborde, Notice des emaux du museo duLouvre. Paiis 1853, n, 456,
woselbst aus fürstlichen Schatzverzeichnissen des XIV. — XVI. Jahrh. noch mehrere
Exemplare angeführt werden. Bei Bock, Kleinodien, Taf. XX, Fig. 29 ist der
Kaiserliche Wärmapfel in St. Peter zu Rom abgebildet, Text S. 117 ff.). Im Zither
des Doms zu Halberstadt (No. 14) befindet sich ein bronzener aus dem
XIV. Jahrh. mit den Bildern und Symbolen der Evangelisten (Abb. bei Bock,
a. a. 0., 119; vergl. Dess. Lit. Gew., II, 145) und auf der archäolog. Ausstellung
des Vereins Arkadia in Prag im J. 1861 (Kat. No. 94 u. 95) waren zwei
aus der dortigen Valentinskirche stammende, zierlich aus Erz gearbeitete
und teilweise vergoldete Wärmäpfel befindlich. Das calefactorium der Ma-
rienkirche zu Danzig (Hinz, Taf. XV, 4) hat die Form einer kleinen Pfanne
mit durchbrochenem Deckel. Eine andere Gattung von Kalefaktorien führt
Durandus 1. 1 c. 3 n. 30 an: T>Scutra, id est vasa aequalis amplifudinis in
/undo et inore ad calefaciendum facta.^ Vielleicht sind hiermit die in Form
eines vierfttfsigen Tisches oder eines vierräderigen Wagens schon im Hortus
deliciarum vorkommenden und vereinzelt noch in älteren französischen Kir-
chen erhaltenen Gestelle mit einem gröfseren Kohlenbecken gemeint, nach
deren Beschreibung (vergl. Weifs, Kostümkunde, II, 804) auch der Krodo- Altar
zu Goslar möglicherweise ursprünglich diesem Zwecke gedient haben könnte.
33. Weihwasserbecken (piscina, laväbo) aus Stein oder Metall, ent-
weder in der Form der Taufsteine (nur kleiner) oder konsolenartig aus der
Wand hervortretend, an den Kirchthflren befindlich zur symbolischen Rei-
nigung der Eintretenden, erinnern an die vonEusebius, Hist. eccl. 1. 10 c.
4 n. 16 als Sinnbilder der heiligen Reinigung Q^tgiäv nu&aQuiüxv avftßola) im
Vorhofe der alten Kirche erwähnten Becken mit lebendigem Wasser (nqr^vai^
[94 Weih Wasserbecken,
in welchen sich die EiDtreteudeo vor dem Betreten der Kirche die Flirse
waschen rnnfeten (Ovx aisiiq /^^xt» ätäjmoig xai ävurtoic
jioffi luv tfSor /mßalrtir äybar.). — ■ über die verschie-
de nfln BenennnDgen der WeihwasB erbecken vergl.
Krenser, Kirchenbsn, I, 185, — Wir nennen die
romaniachen WeihwaBserBteine anf dem Kirchhofe zu
ChammUneter (ans Granit, mit figürlichen Reliefs),
in der Kirche zu Wechselburg, den wie eine Mn-
FIH65. wtLhwoMnwin Bchcl geformten in der Klosterkirche zu Herrenalb
'tmtäb'Jnich^ion ""•')■'" (flg. 165), die im Würfelknanfe einer kurzen romani-
schen Sänle befindlichen zu Michelbach bei Marburg,
zu Still bei Mutzig und Neugartheim im Kr. Strafsburg, den marmornen
in Form eines Diakonen, der das Waseerbecken hält, aus Seligenstadt, jetzt
in Darmstadt, nach Fr, Schneider (Org. f. ehr. K., 1872, 4S)) vielleicht
noch der karolingischeu Zeit angehörig, und zwei auf Löwen, die je ein
Schaf in deu Vordertatzen halten, ruhende aus Marmor auf dem Kirch-
hofe zn Lienz in Österreich (Abb. Mitt C.-K., XIX, 240); im Cbergangestil :
auf halbachteckigem Pfeiler im Dome zn Limburg a. L.; von gotischen:
zwei kleine konsolen förmige zu Harte und
Immenhansen in HesBcn (Abb. Statz und
Ungewitter, Taf. 109, 4—8) Und einen SBo-
lenförmigeu zu Friesach in £kämthen ans
dem XV. Jahrh. (Abb, Östr. AU., IJOV, 4),
femer die im sadlicheu Kreuzarme des Doms
zn Köln (aus schwarzem Marmor), im Dome
zn Eichstätt (ganz wie aus Banmwnrzeln
geflochten), in der Kirche zn Bebenhau-
sen, zu HaurmünsterCgrofs, von zweiTau-
ben getragen, mit Baldachin darüber, nicht
am Eingänge, fiondern am zweiten Pfeiler
des MittelBchifTs angebracht), den ebenfalls
im Schiff nnd zwar rund um den Fufs eines
Pfeilers zwischen den Seiten schiffen zunächst
7\t. 168. WtihwuierbKken m FriMuh der SakriBtci angebrachten im Münster zu
<iiKii dm ö.tr. All). Ulm (Abb. Ber. d. V. F. K. u. A. in Uhn n.
Oborschwabtm, V, Taf. 2) und den neben dem
oben 3. 362 angeführten Brunnen im Dome zu Kegensbnrg (Abb. beiGail-
babaud, Baukunst, III. Taf. 17). In der Marienkirche zu Krakan befinden
sich drei aus dem XIII. Jahrh. herrührende in der Form zinnerner runder,
auf 3 rohen Löwenfüfaeu ruhender Kessel von 0,63 Durchmesser (Abb.
£sseDweiD, Erakau, 111, Fig. 56).
Sprache der Inschriften. 395
C. Epigraphik.
a. Äofsere Epigraphik.
56. Die mittelalterlichen Inschriften sind gröfstenteils in lateinischer
Sprache abgefafst Deutsche Inschriften finden sich erst vom Ende des
XTT. Jahrhunderts an einzeln, später, besonders im XY. und XVL Jahr-
hundert, häufiger. — Griechische Inschriften deuten auf byzantinischen
Ursprung der betreffenden Kunstwerke; arabische, die besonders auf
Elfenbeinschnitzereien und Kleiderstoffen vorkommen, auf morgenlän-
dischen oder sicilianischen.
Das an der Thttrlünette zu Moosburg als Beischrift neben der Figur
der Maria stehende griechische Wort: »SCA . 9EÜT0KC0C« erscheint
ebenso auffällig als selten; das Wort 08ro6xog^ auf byzantinischen Marienbil-
dern regelmäfsig vorkommend, mufs dem betreffenden bayerischen Bildner aus
irgend einem Grunde annehmlich gewesen sein : er schrieb aber dasselbe un-
richtig.^ — Über arabische Inschriften vergl. Karabacek, J., die liturg.
Gewänder mit arabischen Inschriften aus der Marienkirche zu Danzig. 1870
und dazu Anz. G. M. , 1870, 49 ff. Abendländische Nachahmungen mau-
rischer Gewebe erkennt man besonders an der ungeschickten, verständnis-
losen Wiedergabe dieser Inschriften. — Hebräische Worte kommen aufser
auf dem Titulus von Kruzifixen, z. B. zuLüttjenschneen im Hannover-
schen in dieser Form: Ayssu, anazar, hameUch. yehudi (yergl. Mithoff, n,
Taf. 4), nur vereinzelt und zwar meistens in kabbalistisch -magischer Absicht
vor (so in dem vielfältig verwendeten AGLA — siehe nachher S. 400 —
oder wenn auf einer Glocke zu Hartmanns weiler i. Elsafs die hebräischen
Gottesnamen: Ely, Eloy. Eioyon, Sabaot. EmanueL Adonay. TeiragrammatotL
Loih, Nova. Margaryia. Yassaday zusammengestellt sind, oder auf zwei
Glocken von 1443 zu Balgheim und zweien von 1445 und 1446 zu Kö-
nigsheim in Württemberg Hell Hell lema sahathorä mit beigefügter latei-
nischer Übersetzung steht), sind jedoch nicht mit hebräischen Buchstaben,
sondern mit den gewöhnlichen Majuskeln oder Minuskeln geschrieben. —
Als älteste deutsche Grabschrift galt bisher die des Minnesängers Ulrich
von Lichtenstein (t 1275) in Majuskeln auf seinem Grabsteine auf der
Frauenburg in Steiermark: Hie leit Vlrch dieses houses rehtter erhe^ je-
doch befindet sich inRlosterneuburg ein Grabstein mit der Kollektiv-
inschrif: Da ligent die Herren vonmedlinc, der allen Anzeichen nach bereits
dem Ende des XII. Jahrhunderts angehört.
Ijexica über das mittelalterliche Latein: Du Gange, Glossarium ad scrijtt.
mediae et inf. latinitatis (Ausgabe von Henschel 1840 — 50, 7 Bde., erscheint
jetzt neu) und der Auszug daraus von Adelung, 6 Bde. 1772 — 1784;
über das mittelalterliche Deutsch : die Glossarien von "Wächter und von Halt -
aus; der althochdeutsche Sprachschatz von Graff (6 Bde. 1834 — 42), mit dem
aiphabet. Index von Mafsmann (1846) und das althochd. Wörterbuch von 0.
* ÄhnUch übel behjmdelt ist das Griechische in der Beischrift zum Bilde der
Maria am Tragaltar zu Paderborn (s. oben S. 148) 0 ayia d^soroxmq.
396 Rechtschreibung der Inschriften.
Schade (2. Aufl. 1873); die mittelhochdeutschen Wörterbücher von Benecke,
Müller u. Zarncke (4 Bde. 1851 — 67) und von Lexer (seit 1869); sowie für
den Schlufs des Mittelalters das deutsche Wörterbuch von Jak. u. Wilh. Grimm
(seit 1852, noch immer unvollendet);
die Wörterbücher über die Volksmimdarten, z. B. das plattdeutsche von ü äh-
ner t (1781), das bremisch-niedersächsische (5 Bde. 1767 — 72), das holsteinische
von Schütze (4 Bde. 1800 — 1807), das ostfriesische von Stürenburg (1857),
das altmärkisch-plattdeutsche von Danneil (1859), das kurhessische von Yil-
mar (1868), das westerwäldische von Schmidt, das Aachener von Waitz (1836),
das schweizerische von Stalder (1806 — 1812) das schwäbisch -augsburgische
von Birlinger (1864), das bayerische von Schmeller (neue Auü. von From-
mann 1869 ff.), das schwäbische von Schmidt (2. Aufl. 1S44), das tiroler von
Schöpf und Hofer (1862— 66) das östreichische von Höfer (3Tlo. 1815), das
kämthische von Lexer (1862);
für beide Sprachen, namentlich für das Deutsche des XIV. u. XV. Jahrhunderts,
Dieffenbach, L., Glossarium latino-germanicum. 1 857 ; auch immer noch das
alte deutsch-lateinische Wörterbuch von Frisch (2 Bde. 1741) etc.
57. Die deutsche Rechtschreibung ist höchst schwankend, in Be-
ziehung auf das Lateinische sind einige Eigentümlichkeiten zu bemerken.
Die Diphtongen ae und oe sind meist in e vereinfacht, z. B. equaiis fflr
aequalis] demon für daemon; celum für coelum'j pena (VLt poena etc.; doch
wird dieser Gebrauch erst etwa mit dem XII. Jahrb. herrschend, bis wohin
man die Diphtongen entweder beibehielt oder mindestens das a unter dem
e, wenn letzteres den Diphtong ae bezeichnen sollte, durch ein Subskriptum
andeutete, z.B. memor'ie für memoriae. ImX. und XI. Jahrb. (selten später)
findet sich als vereinzeltes Beispiel statt des einfachen e (e) in dem Worte
ecclesia der Diphtong aecclessia. — Das aspirierte /i, besonders im Anfange
der Wörter, wird häufig weggelassen, z. B. ec für haec, edus für haedus;
ortus für hortus] peribeo (Vlt perhibeo] zuweilen aber auch, wo man es jetzt
nicht schreibt, dem Vokal vorgesetzt, z. B. ho für die Interjektion O] ha-
bundo für abundo] hepiscopm für episcopus] honus fflr oniis] Hecbertus für
Ecbertus] heremum für eremum; perhennis für perennis] prohemium für
prooemium] Hiesus oder Jhesus für Jesus] Hludewicus für Ludovicus; pen-
ihecoste fXir pentecoste] beathus für beatus. Der Kehllaut ch wird vor a in
manchen Wörtern in k gemildert, z. B. karusj karitasy kariüj karena, eu-
karistia fflr chanis, charitas etc. Dagegen wird h in den Wörtern mihi und
72iM bisweilen in ch verstärkt: michij nichil. Das griechische 9 wird oft
durch /* ausgedrückt, z. B. fantasia, faniasma^ flegma^ Frygia etc.; ebenso
lautlich femo fflr venio, angnus für agnus, Cristus für Christus etc. Wo t vor
I wie z gesprochen wird, findet sich dafür meist c gesetzt, z. B. gracia, sa-
piencia etc. v und u (ebenso auch im Deutschen H und u) werden willkürlich
mit einander verwechselt, und ein Unterschied im Gebrauche beider Buch-
staben ist nicht nachzuweisen. Statt 1 ist neben m in manchen Wörtern y
beliebt, z. B. ymo, ymagoy imytacio etc. Dagegen steht statt y wiederum
oft t, z. B. presbiter] und y wird als ii gebraucht, z. B. monastery für mo-
nasteni. Auch wird i mit d zuweilen vertauscht, z. B. pondifex] oder j» mit
by z. B. Egibtus für Aegypius oder apeas für habeas, w findet sich statt vvj
z. B. rvlnus statt vulnus] ebenso in griechischen Wörtern statt des grie-
chischen 1', z.B. ewangeiium, ewkaristia etc. Sehr häufig ist am Anfang von
Eigennamen die Vertauschung von W und Gti,
Ligaturen und Abbreviaturen. 397
58. Ligaturen auf einander folgender Buchstaben und Abkürzungen
sind sehr gewöhnlich; in der Regel werden sie durch Striche über der
Linie oder durch andere Noten angedeutet, und nur ausnahmsweise
darf das Abkürzungszeichen fehlen.
Verbunden werden häufig die Majuskeln A mit B, E, R, T und V; N
mit E; O mit N und R; T mit K und R; auch drei Buchstaben; N mit T
und E, L mit T und E. Die Abkürzungszeichen sind sehr mannigfaltiger
Art, wie schon nachfolgende Beispiele zeigen. — Aus der Majuskelschrift
(die vier ersten Beispiele von Knnstdenkmälern aus dem XI., die übrigen
aus dem XIL Jahrh.) :
P = PRO P£JPT(TS = PEREMPTUS P/^ßJ[ = PATRÜM
1C7. 16P. 169.
= MONIMENTÜM
170. 171.
= GLORIE (d. i. GLORIAE) YT — IN ^^-r oder
1
172. 173. 174.
8IGILLVM, auch SANCTV8 PJJC^ClT^ = FRVCTV8
176.
^ = ET.
= OBIIT
17G. 177.
Aus der Minuskelschrift des XV. und XVL Jahrhunderts :
= Prae ini = per JVJI = pro Jlfl = qui
' %
178. 179. 180. 181. 182.
= obiit \t^^ = All
= qnod JM = obiit fp^' = ejus Uip^LUy = <l"i»>n8
183. 184 185.
398
AbkürznngexL
ag;iiU8
f-." f =
ter
186.
187.
188.
189.
= eoram
= sunt
= patri
190.
191.
191.
= Becnndum
= condidi
= vigilia
193.
194.
= dantor
= mnlti
195.
196.
magnificat
= quam
^=^
199.
59. Da die Abbreviaturen nicht aus einem fertigen System, sondern
aus der sich allmählich bildenden Praxis hervorgingen, so waren die
Schreiber bei Anwendung derselben sich bestimmter Begeln zwar weniger
bewufst, aber es wurden doch für häufiger vorkommende Wörter ge-
wisse stehende Kompendien allgemein üblich, und nach diesen Normen
bildete man alsdann wiederum viele andere Abkürzungen. Es läfst sich
daher nach solchen Analogien zwar eine gewisse Abbreviaturentheorie
aufstellen, indes bleibt praktische Übung im Lesen immer die Haupt-
sache.
Die ttblichen Abbreviaturen lassen sich etwa klassifizieren als : Allge-
meine Abkürzungszeichen (Striche durch einzelne Buchstaben, wie in
den Beispielen 168. 171. 173. 176; Striche über den Buchstaben, wie in
Fig. 170. 172. 191 ; Punkte über den Buchstaben, Fig. 181. 182. 197. 198;
Häkchen oben neben den Buchstaben, Fig. 174. 175. 183 bis 185), kon-
ventionelle Zeichen für einzelne Wörter (167. 173. 174. 176 bis 180.
183. 199; in Fig. 193 die Silbe con), Abkürzungen durch Anfangs-
buchstaben (z.B. 172 bis 174, 178 bis 181, 183 und 184), durch über-
geschriebene Buchstaben (literae columnatae), durch in einander
geschriebene Buchstaben (Fig. 170, vergl. unten S. 404, Fig. 211),
durch Auslassungen in der Mitte (Fig. 171. 190. 191. 194. 197),
Abkürzungen. Siglen. 399
durch Weglassung der Endung (Fig. 169. 176. 189). — Vergl. Watten -
bach, "W., Anleitung zur latein. Paläographie. (1866) 3. Aufl. 1878, 56—61.
Anfserdem können etwa folgende Regeln als geltend bezeichnet wer-
den: Ein einzelner Buchstabe ist regelmäfsig der Anfangsbuchstabe eines
Wortes: s = sigillumj s, = sanctus (sanctä), d = obiitj a' = autem^
prae JKll = per
rt
P =
pro
800. 201. 808.
Eine Ausnahme ist die Setzung eines (verstttmmelten) T (Fig. 177 n.
199) für die Konjunktion eL — Zwei Buchstaben sind oft der erste und der
letzte Buchstabe eines Wortes: pr = patery mr = maier y fr = /rater y
nr = nostery vr = vestery ds = äeusy ms = meusy ps = positus (pps =
praepositus)y as = animusy ht = habet y dt = debety bm = beatumy na
= natura y ee = essey rx = rexy dd = David. — Drei Buchstaben sind
häufig die beiden ersten und der Endbuchstabe des abgekürzten Wortes;
analog vier Buchstaben, die drei ersten und der letzte: gla = gloriay gra
= gratiay mia = misericordiay via = vigiliay fia = ftHa (/eria)y ecca =
ecclesiay spu = spiritUy ope = optimCy bom==bonumy abbs=abbasy abba
= abbatissa. Drei Buchstaben sind aber umgekehrt oft auch der erste und
die beiden letzten des abgekürzten Wortes: dm = dominiy cli = capituH,
hre = habere, hnt = habenty dnt = debenty drt = differi; oder auch der
erste und der letzte Buchstabe des Wortes und einer aus der Mitte: scs =
sanciusy tps = tempus, des = dictus; analog: omps= omnipotenSy ihrlm
= ierusaiemy capa = campana. Solcher Analogien lassen sich zahlreiche
Reihen zusammenstellen; im allgemeinen ist aufserdem zu bemerken, dafs
gewisse Konsonanten vorzugsweise gern ausgelassen wurden : namentlich m
und ny sowohl am Ende als in der Mitte, ja selbst am Anfange der Wörter,
z. B. patrü = patrum, aia = anima, olo = omninoy äria = Maria.^
Nach gy p und i wird r häufig weggelassen, z. B. g^ == grüy p^ = priy
f- = iray ^ = tri und das auf q folgende u fehlt sogar fast regelmäfsig:
q^ = quiy q^ = quae, q^ = qua etc.
60. Siglen, d. h. einzelne Anfangsbuchstaben statt der ganzen Wör-
ter, müssen immer auf bekannte Formeln und Sprüche zurückgeführt
werden.
®
A) auf byzantinischen Denkmälern vor den Namen der Heiligen =
0 ajnog. — A. M. G. P. D. T. = Ave Maria Plena Dominus Tecum (der An-
fang des englischen Grufses, Luc. 1, 28). — B. F. = ßonum Fatum. —
B. M. = Bealae (ßonae) Memoriae, — D. G. = Dei Gratia. — D. I. =
Dominicae Incamationis. — D. M. auf altchristlichen Grabsteinen = Diis
* Die Hinweglassung des M zu Anfang eines Wortes ist höchst selten; doch
findet sich gerade der Namen »Maria« auf diese Art geschrieben, z. B. auf der greisen
Glocke der Kirche zu Treben bei Delitz a. d. S. von 1516.
400 Sigl<?n.
Manibus.^ — H. L. S. E. = ffoc Loco Sepultus Est. — INRI = Jesus
Nazarenus Rex Judaeorum. — P. F. SS. = Pater ^ Filius ^ Spiritus Sanctus.
— R. I. P. = Requiescat in Face. — R. P. = Reverendus Pater ^ Reverenda
Patemitas; Res Publica, — S. D. N. = Sanctissimus Dominus Noster. —
V. D. = Vere Dignum {ei iustum est etc., der Anfang des Gebetes in der
Präfation der Messe). — V. D. M. I. E., die Devise Friedrich des Weisen,
seit Beginn der Reformation namentlich im Sächsischen sehr häufig = Ver-
hum Domini Manet In Etemum (Jes. 40, 8). — V. g. = Verbi gratia. —
Auf deutschen Grabschriften : b. G. v. s. = bitte Gott vor sie, — d. 6. 6.
= dem {der) Gott Gnade, — d. 6. g. s. = dem {der) Gott gnädig sei; in
Titeln hoher Personen : V. G. G. = Von Gottes Gnaden, — In Urkunden
kommt es nicht selten vor, dafs Personennamen nur durch den Anfangs-
buchstaben bezeichnet werden, und auf Münzen Namen und Titel, z. B. auf
Brakteaten aus dem XIII. Jahrb.: H. D. G. M. = Henricm Dei Gratia
Marchio,^ — Die fünf Vokale A. E. I. 0. V., die sich auf Denkmälern Kai-
ser Friedrichs III. (t 1493) als seine Devise häufig vorfinden , bedeuten nach
des Kaisers eigener Erklärung:
En Amor Electis Injustis Ordinat Vltor :
Sic Fridericus ego rex mea jura rego. '
Aach ist der kabbalistische Gottesname AGLA (s. weiter unten Fig. 228)
zu erwähnen, den man als Schutzmittel gegen Gefahr, namentlich gegen
Feuersbrttnste, auf mittelalterlichen Glocken und Ringen (auch noch auf
Zaubertellern des XVIII. Jahrh.) dargestellt findet; es sind die Anfangs-
buchstaben der hebräischen Worte : Atha Gibbor Leolam Adonq; d. i. »Du
bist stark in Ewigkeit, Herr.«^ Ebenfalls als zauberkräftig galt das auf
Amuleten und Ringen vorkommende Notarikon ANANISAPTA, dem wahr-
scheinlich die talmudistische Bezeichnung des Messias durch die hebräischen
Worte Anani scheba (I Chron. 3, 24) zu Grunde liegt, ^ und um so mehr.
* Becker, Fd., die heidn. "Weiheformel D. M. auf ehr. Grabsteinen. 18S1.
" Zu Ende des XVI. und noch mehr im XVII. Jahrh. wird es beliebte Mode, die
Yoliständigen fürstlichen Namen und Titel durch lange Reihen von Siglen auszudrücken,
z. B. steht rings um ein in Glas geschliffenes Brustbild des Kurförsten Johann Si-
gismund von Brandenburg (f 1619) im HohenzoUem-Museum zu Berlin: J. S. V.
G. G. M. Z. B. D. H. R. R. E. V. C. J. P. Z. G. C. B. S. P. D. C. V. W. A. J. S.
Z. C. V. J. H. B. Z. N. F. Z. R. G. Z. D. M. V. R. B. H. Z. R. S. — das heifet:
Johann Sigismund, Von Gottes Gnaden Markgraf Zu Brandenburg, Des Heiligen Rö-
mischen Reichs Erzkämmerer Vnd Giurfürst, In Preufsen, Zu Gülich, Clevo, Berg,
Stettin, Pommern, Der Cassuben Vnd Wenden, Auch In Schlesien, Zu Crossen Vnd
Jägemdorf Herzog, Burggraf Zu Nümberc, Fürst Zu Rügen, Graf Zu Der Mark Vnd
Ravens-Berg^ Herr Zu Raven-Stein. — Vergl. auch Ragotzky, Wahlsprüche und Devisen
Brandenbur^scher Fürsten etc. in der Vierte^jahrsschnft für Heraldik etc. 1881, Heft 3.
'Tschischka, die Metropolitankirche zu St. Stephan in Wien, 103. — VergL
Kaltenbäck, über K. Friedrichs Devise, in der österr. Zeitschr. f. Gesch. u. Staats-
kunde. 1837, 206. Die zahlreichen anderen Erklärungen sind nicht authentisch.
* Wiggert, über Schmucksachen aus dem XTV. Jahrh., in den N. M. Th.-S. V.
VII. 2, 88. — Vergl. Göze, Natur, Menschenleben und Vorsehung. H, 3S7 ff. —
Otte, Archäologische Deutungen, in der Allg. l*reuls. Zeitung. 1847. No. 207. —.
Brinckmeier, Glossarium diplomaticum. H, 49.
* Schöttgen, Chr., Jesus der wahre Messias, 122. — Wenn das Wort Anani-
sapta an der mit Engeln bemalten Sakristeithür (aus dem XV. Jahrh.) der Hofkapelle
im Eelleramtsgebäude zu Meran auf den von Engeln gehaltenen Spruchbändern folgen-
Siglen. Monogramm Christi. 401
als sapia im Sanskrit = scheba (d. i. sepiem) ist. Die gleichfalls zu zaube-
rischen Zwecken gebrauchten, allerdings erst einer späteren Zeit angehörigen
Benediktskreuze haben auf der Rückseite um das Jesuiten -Monogramm die
Legende tVRSNSMVtSMQLIVB = Vade Retro Saiana^ Nunquam
Suade Mihi Vana; Sunt Maia, Quae Libasj Ipse Venena Bibas; auf dem
Längsbalken des Kreuzes der Vorderseite : CSSML = Crux Sacra Sit Mihi
LtiXj auf dem Querbalken desselben : N D 8 M D = Non Draco Sit Mihi Dux
und auTserdem noch in die Winkel des Kreuzes gestellt CSPB = Cmx
Sancii Patris Benedicti, ^ — Als Kuriosum ist zu erwähnen die sogenannte
Maulbronner'Fuge A. V. K. L. W. H. = All voll^ keiner leer^ Wein her^
welche (nach Wagner, Tob., evang. Censur der Besoldschen Motiven, Tübingen
1640, 652) im Paradies zu Maulbronn über einem eine Gans nebst Flasche,
Bratwürsten, Bratspiefs u. s. w. dai'stellenden Gemälde von 1522 zu lesen war.
Fig. 203. Monogramm Christi e wischen A and 0.
61. Monogramme des Namens Jesus Christus kommen im ganzen
Mittelalter häufig vor.
oder T? YL^ fr^ oder <S«!I<V<^ bedeutet Jesus.
204. 206. 206.
Das Monogranmi IHS,^ welches eigentlich nur die ersten Buchstaben des
griechischen 'Iriaovg enthält, wird auch mystisch gedeutet: lems Homnum
Salvator oder In Hoc Signo sc. vincCj letzteres als Übersetzung der grie-
chischen Worte TovTw y/xot, welche Kaiser Konstantin der Grofse im Kriege^
dermalsen erMärt ist: Antidoton Nazareni Auf erat Necem Intoxicatumis SancHficet
Alimenta Poctda Trinitaa Alma, so bezieht sich diese offenbar erst hineingetragene
Deutung ersichtlich auf die in der Sakristei aufzubewahrenden h. Gefäfise und lälst er-
kennen, dais jenem Notaiikon eine gegen Vergiftung schützende Kraft beigemessea
wurde. Vergl. Mitt. C.-K. I, 42.
* Schneider, Jos., die Ablässe. 7. Aufl. 1881, 538 giebt auch noch andere, nicht
erklärte Buchstaben an. die auf diesen Medaillen als Umschriffc rorkommen.
* Dasselbe erhielt oesonders durch den h. Bemhardin von Siena grofse Verbreitung,
namentUch seit 1427, wo er am Schlüsse seiner Predigten eine Tafel mit diesem Mono-
^mme von Sonnenstrahlen umgeben zur Verehrung aufzustellen pflegte. Seit 1541
ist es bekanntlich das Monogramm der Jesuiten geworden, welche auf den Querbalken
des H noch ein Kreuz setzen.
Otte, Kunst- ArcbKoIogie. 5. Aufl. 26
402 Monogramm ChristL Interpunktionen.
mit dem Tyrannen MaxeBtias einst über der Lichterscheinnng eines Kreuzes
am Himmel gelesen haben soll ; nach dem Vorbilde dieser Vision liefs er das
Labarum verfertigen, einen langen, mit Goldblech beschlagenen Spiefs,
welcher mit einer Querstange versehen eine Kreuzfahne darstellte. Auf der
Spitze des Kreuzes war eine Krone von Gold und Edelsteinen befestigt und
an letzterer die Anfangsbuchstaben des Namens XPiarog (Christus), und zwar
so, dafs das P (R) in die Mitte des X (Ch) gesetzt war (Vergl. Euseb. Vita
Constantini I. 28 sqq.)* Dieses Monogramm des Namens Christus liegt der
im Mittelalter gewöhnlichen Abkürzung
u±
|LJ)|r^ oder '^4jlJ]ai = Christus,
207. 208.
ZU Grunde und findet sich in Beziehung auf Apokal. 1 , 8 oft in Verbindung
mit den Buchstaben Alpha und Omega (s. Fig. 203); letztere sind aber für
sich allein schon eine mystische Bezeichnung Jesu Christi. — Bekannt
ist ferner die bereits im christlichen Altertum gebräuchliche mystische Er-
klärung der einzelnen Buchstaben des Wortes IXOYS (Fisch) durch 'lfi<rov<;
XQioTog 090V 'Ytog Sai^Q ; auch machen mittelalterliche Ausleger darauf auf-
merksam, dafs in beiden Zeichen IHS und XPS die ersten Buchstaben nicht
lateinisch, sondern griechisch sind, wodurch die Vereinigung beider Naturen
in Christo bezeichnet sei.
Über Monogramme des Namens Jesus Christus: Munter, F., Sinnbilder
u. Kunstvorstellungen der alten Christen. I, 33 ff. — Fritzsche, d. Monogr.
Chr. in seiner kulturgesch. Bedeutung, Ludwigslust 1877. — Piper, in Her-
zog-Plitt, Beal-Encyklopädie. 2. Aufl. X, 229 ff. — Über das älteste Vor-
kommen des Monogr. Chr. vergl. Mitt. C.-K. VIII, 141. XVm, 72 ff.; Stock-
bauer, d. ehr. Monogr. München 1S69 und Dess. Kunstgeschichte des Kreuzes;
Zöckler, d. Kreuz Christi 1875, 13S ff.
62. Interpunktionen in moderner Weise kommen nicht vor; die
einzelnen Wörter sind oft durch Punkte, Kreuze oder Kosetten, oft
aber auch nicht einmal durch gröfsere Spatien von einander getrennt.
Bei ringsimi laufenden Inschriften ist der Punkt, wo Anfang und Ende
der Schrift zusammentreffen, regelmäfsig durch ein Kreuz in einfacher
oder verzierter Gestalt bezeiclmet.
*
2i)9. 210.
63. Die Künstlerschrift des Mittelalters besteht entweder aus römi-
schen oder aus romanischen oder aus neugotischen Buchstaben.
Entwickelung der Schiiftformen. 4O3
Während die mittelalterliche Handschriftenkunde auf gesicherten Grund-
lagen festgestellt ist (vergl. Wattenbach, W., das Schriftwesen im Mittehilter
(1871) 2. Aufl. 1875; Leist, Fr., ürkundenlehre, Katechismus der Diplomatik etc.,
m. 5 Taff. 1882; Scharff, Fr., die deutsche Schrift im M.-A. etc., m. bes. Rück-
sicht auf Fraokf urt. M. 8 Taff. Frankf. a. M. 1866), fehlt es zu einer gründlichen
Darstellung der Entwickelung des monumentalen Inschriftenwesens des deut-
schen Mittelalters nach den verschiedenen Zeitperioden und geographischen
Gebieten, sowie nach dem Material und der Technik der Herstellung noch
gänzlich an einem ausreichend zahlreichen und geordneten Material zuver-
läfsiger Abbildungen. Für Schlesien ist em Versuch dazu gemacht von H.
Luchs (Schles. Inschr. des XTTI.— XYI. Jahrb., in Schles. Vorzeit in Bild u. Sehr,
m, 329 ff., mit 8 Taff. Einzehies findet sich bei Statz und üngewitter, Taf. 1
und Saut er, F., diplomat. ABC etc. 1874, m. 13 Taff.*) — Nach den vorhan-
denen Materialien kann etwa folgendes hierüber gesagt werden.
Inschriften aus dem X. Jahrhundert sind in (vertieften) römischen
Majuskeln geschrieben (vergl. die mindestens so alte Grabschrift oben
S. 345 in Fig. 138 und die Inschriften auf dem Echternacher Buchdeckel
(Stahlstich zu S. 175) vom Ende des X. Jahrb.); im XL und XII. Jahrb. ist
ein Gemisch aus römischen und romanischen Majuskeln gewöhnlich; bis nach
der Mitte des XIV. Jahrb. (etwa bis 1360) findet sich die romanisch-gotische
Majuskel ebenso ausschliefslich angewandt, als von da an bis zum Anfange des
XVI. Jahrb. die neugotische Minuskel; doch kommt letztere , wie sie bereits in
Handschriften um diese Zeit erscheint, in einzelnen seltenen Fällen auch auf
Denkmälern schon zu Anfang des XIV. Jahrb. vor. Majuskeln finden sich noch
auf dem Grabstein der Gräfin Helene von Beichlingen (t 1393) in der Johannis-
kirche zuCölleda; Minuskeln schon auf dem Grabsteine des Peter von Aspelt
(t 1320) im Dome zu Mainz, wahrscheinlich wegen des beschränkten Raumes
für die aus 10 Hexametern bestehende Inschrift, aber auch ohne diesen Grund
auf dem Grabsteine der Johanna von Losenstain (ca. 1325) zu Morsch wang
im Innviertel. Als Initialen kommen Majuskeln auch im XV. Jahrb. noch
häufig vor (z. B. auf der grofsen Glocke zu Erfurt von 1497;^ vergl. auch
unten Fig. 217), aber auch in ganzen Inschriften auf Gemälden, Siegeln und
manchen sonstigen Denkmälern wurden sie in der 2. Hälfte des Jahrh.
* Eine Zusammenstellung von datierten mittelalterlichen Lapidar -Inschriften m
Trier mid aus denselben gezogenen Alphabeten hat Schmitt gegeben in den Mitteil,
aus der kirchl. Archäologie u. Gesch. der Diöceso Trier. Heft 1. — Vergl. auch das
Sondschreiben des kgl. Sachs. Altert.-Vereins. Taf. 4. — Die von Labarte, Arts ind.
in, 83 gegebene Klassifikation verzierter Alphabete ist mehr für die Bücherschrift in-
teressant, doch mag als Euriosum angeführt werden, dafe auch auf einer Glocke zu Rein -
holdshain bei Glauchau das Avemaria in verkehrt stehenden Majuskeln dargestellt
ist, die in der in der romanischen Schriftmalerei sehr beliebten Weise aus menschlichen
Gestalten komponiert sind (lettres anthropom&rphiques). — Zu beachten ist, dafs wäh-
rend man sich zu den erklärenden Beischriften der Miniaturen in den Handschriften
in der Regel auch der Buchschrift bediente, die spätere Tafelmalerei durchaus die
monumentalen Buchstabenformen anwandte, und bei solchen älteren Glockeninschriften,
die aus freier Hand in den Mantel der Form geritzt wurden, ein Gemisch der Monu-
mentalschrift mit den Formen der Bücherschrift sowohl in Minuskeln als in kalli-
graphischen Verzierungen der Majuskeln nicht selten ist.
* Vergl. die schöne Abbild, bei Tettau, W. J. A. v., der Meister u. die Kosten
des Gusses der gr. Domglocke zu Erfurt. 1866. Taf. 2.
26*
404
Entwickelung der
infolge einer altertttmelnden Neigung für ihre schöneren Formen wieder
Mode. Im XVI. Jahrh. finden sich Beispiele aller dieser Schriftarten in mo-
dificierten Formen bis zum Übergange in die Alphabete der modernen Drnck-
schrifl;. Dadurch, dafs die Buchstaben bei Majuskeln zuweilen in einander
geschrieben, bei Majuskeln und Minuskeln oft an einander gezogen sind,
werden die Inschriften schwer zu lesen; besonders ist dies bei den Minuskeln
(der sogenannten gitterartigen Mönchschrift) der Fall, wo die Buchstaben i
(ohne Punkt), n, It* Itt oft nur dem Sinne nach gesondert werden können;
auch sind oft C, t, f, t, t von einander sehr schwer zu unterscheiden, wes-
halb unbekannte Namen häufig schwankend und einzelne Wörter zuweilen
zweideutig bleiben. Wir lassen zu näherer Erläuterung einige Schriftproben
aus dem X. bis XVI. Jahrh. in chronologischer Ordnung folgen:
BERINGKMOPRIS ARTFEX
VT PE 0DM ROe S FoSfMT
SMFEK
211.
d. i. Beringerus operis artifex ui pro eodem roges posiulat Simplex^ ent-
nommen aus der Inschrift auf den unter Erzbischof Willigis von Mainz um
das Jahr 1000 gefertigten Bronzethüren des Mainzer Domes (Müller, Fz. H.,
Beiträge I, Beilage zu Bl. 14). Es sind dies noch vollkommen römische Buch-
staben, wobei nur das häufige in einander Schreiben derselben bemerkens-
wert ist, welches auch auf der Inschrift der aus dem Jahre 1015 herrühren-
den Hildesheimer Bronzethüren in ähnlicher Weise vorkommt. In der Grab-
schrift Rudolfs von Schwaben im Merseburger Dome (nach 1080) sind
unter die römischen schon einige romanische Buchstaben gemischt; E^ und
M kommen abwechselnd in beiden Schreibweisen vor, auch wechselt will-
kürlich V mit U,
n.
V 1
„o>
[1 ^
X\V\
ir\\ IC
O 'O ^^
(LA
212.
* Das runde unciale 6 kommt in einzelnen Fällen übrigens schon im VI. u. VH.
Jahrh. vor; vergl. Kraus, F. X., in den Jahrb. d. Preuls. Kunstsamml. I, 227.
Schriftformen. 405
f . Anno . M . CXLIIII, ah . incar(natione) . ä{omi)m fusa e(s() . ca(m)-
p{an)a: Inschrift der ältesten datierten deutschen Glocke zulggensbach
(s. oben S. 355). * Die einzelnen Wörter sind hier durch Punkte getrennt,
die in gleicher Höhe stehen. Das \ steht zwischen zwei Punkten, gehört also
weder zum Anfang noch zum Ende der Inschrift, sondern bezeichnet ledig-
lich die Stelle, wo man zu lesen anfangen soll. Zwischen dni und fusa fehlt
der Punkt, auch sind beide Wörter durch kein Spatium getrennt, offenbar
aus Nachlässigkeit des Schreibers, der die Inschrift mit einem spitzen In-
strumente in den Mantel der Olockenform eingegraben hat, woraus sich
auch die Abrundung der kantigen Buchstabenenden erklärt. Der Duktus
der Schrift weicht willkürlich von der römischen Monumentalschrift ab.
Das sechsmal vorkommende A ist jedesmal anders gebildet, in fusa sogar
als Minuskel, am Schlüsse von campana durch das Abkürzungszeichen ent-
stellt, welches hier wie in den drei andern Fällen in einem Querstriche
durch den Buchstaben besteht; das ^hinter fusa bedurfte als gewöhnliches
Kompendium für est eines solchen nicht. Bemerkenswert ist auch die Bil-
dung des h in a&, dessen obere Schweifung als Nachklang der verlorenen
oberen l^undung der Majuskel B anzusehen ist. Vergl. auch unten Fig. 214.
m.
^WI^dlAMM'Bei^
U MV€MBVR@^ €Mi ^Eg€^
213.
fFicmann(us) di gratia Nuenhurgens. ep(iscopü)s: die Umschrift des Siegels,
welches der spätere Magdeburger Erzbischof Wigmann als Bischof von
Naumburg (1150—1152) führte (N. Mitt. Th.-S. V., YU, 1, Taf. 1). ffier er-
scheint ein Gemisch römischer und romanischer Formen. Das E wechselt
in beiden Formen ab, wie denn überhaupt die Darstellung der Buchstaben
in abwechselnden Zügen in der Majnskelzeit beliebt war. Das EPC (d. i.
EPS) ist die gewöhnliche Abkürzung des Wortes episcopus. Die Verkehrt-
stellung des S in Nuenhurgens, kommt gerade bei diesem Buchstaben (auch
beim Z) öfter vor. übrigens sind sonst im XII. Jahrh. (vergl. z. B. den
Leichenstein von 1125, S. 338, Fig. 132) von den römischen stärker abwei-
chende Buchstabenformen gemein, als dies bei der vorstehenden Siegel-
legende der Fall ist, wie denn überhaupt die eine abweichende Technik
voraussetzenden Siegelumschriften mit den Stein- und anderen Denkmäler-
schriften nicht ganz dieselben Entwickelungsstufen darbieten.
IV.
ELISAbETlMTgKAVlM iVRK HESSEH ^(Sil^ ^t)JT
SV EIMEnT£5T?lMEMT blT gST ^VQRf AICHl
214.
Nach gütiger Mitteilung des Herrn Beichsarchiv- Assessors A. Kai eher in Landshut.
406 Entwickelung der
EHsabei lantgravin van hessen gibt äit zv einem iesiament hit gat vor mich:
Schrift nm den oberen Rand eines silbernen Bechers der heil. Elisabeth
(t 1231), welcher sich im Hospitale zu Trier befindet (Annales archeol. V, 280).
Auch hier sind noch die meisten Buchstaben römisch, wobei jedoch manche
einen Übergang zu den romanischen Formen erkennen lassen. Die Form des
B (6) ist für die Zeit um 1200 charakteristisch, Z steht verkehrt.
HUO DOfl) im
ffiaoxaviii
DOffliaeiLVÄ-
LnnTeRn V rus •
ivnioi „.
Anno Domini MCCXCVIII domicellus lantgravius junior y von derümschiirft
auf dem Grabsteine des Landgrafen Heinrich des Jüngeren von Hessen in
der Elisabethkirche zu Marburg (v. Hofner, Trachten, I, Taf. 81> Diese
(vertiefte und mit dunkelbrauner Harzmasse ausgefüllt gewesene) Schrift
zeigt den völlig ausgebildeten (aber einfachen) Typus der romanischen Ma-
juskel, welcher von der Mitte des XUI. bis zur Mitte des XIV. Jahrh. ge-
bräuchlich war. Am Schlüsse des Wortes JUNIOR findet sich ein Beispiel
der sehr gebräuchlichen Sitte, dafs der letzte Grundzug des voranstehenden
Buchstabens zugleich als erster des folgenden Buchstabens benutzt wird.
V wechselt willkürlich mit U, Zu beachten ist besonders das Auftreten des
geschlossenen C( und €( statt des früher offenen C und 6.
816.
Die Namen der vier Evangelisten MATEVS, M^RACS (für MARCUS ver-
schrieben), LVCASy J OH Annes von der neuerdings umgegossenen Missal-
glocke zu St. Maximi in Merseburg in verzerrten Majuskeln des XIV.
Jahrhunderts.
Schriftformen.
407
217.
(Bl|trar)n0 it mon it tavxpi^ mt ftcU: von einer Glocke ans dem Jahre
1490 in dem Dorfe Ernsemark bei Amebnrg, welche von demselben
Meister, wie die grofse Erfurter Domglocke von 1497 (auf welcher er sich
(Btrl|arin0 mon U Cam|lt0 nennt), herrührt. Die (im Holzschnitte Vb ^edu-
eierte) Gröfse und Gestalt der Minuskeln stimmt auf beiden Glocken genau
überein , woraus auf Anwendung derselben Buchstabenmodelle zu schliefsen
ist. Der Name WOU ist, wie leicht erklärlich, gewöhnlich fVon oder gar/t;o
gelesen worden (vergl. von Tettau, a. a. 0., 1—3).
VIII.
218.
Der Name des Verfertigers der Chorsttlhle von 1446 im Dom zuMersebnrg
fd|0kl|0lQ, welcher wegen der selten vorkommenden Buchstaben k und }
bemerkenswert und wegen der Gedrängtheit der gitterartigen Schrift nicht
leicht zu lesen ist. — Als weiteres Beispiel können die im Duktus oben
S. 343, Fig. 137 getreu wiedergegebenen Inschriften auf dem Grabmal des
Stifters derUniversitätGreifswald von 1462 dienen, welche^lauten : Mpft.
wtt* ia it%.jint it. its Itfii. baglies. it^. täte iti^ boi). rpl M. (5. If ti
matt flii 9l|^ l|(t* litntik. rubrnom* iottov. m. bette, regte. ti5: botglimetßer.*
l|l|t* Und auf den Spruchbändern, zur Rechten des Gekreuzigten als Er-
klärung des von dem Künstler gewählten Moments, Job. 19, 26 f.: dttt.
maten tna — iKnlter. ecce |tlitt0. tarn. Zur Linken ein leoninisches Disti-
chon, als Gebet des ermordeten Burgemeisters nach Analogie des Wortes
Christi Luc. 23, 34: (Dcdft. temete. )en0 alme. mei tniferere. tgnofee nHo*
inet0. HtLU (in (ingere* reis* In diesen Inschriften sind die vorkommenden
vier Initialen Majuskeln; der Unterschied zwischen f und 0 ist beobachtet;
408
Entwickolung der Schriftformen.
nur in der deutseben InBchrift kommen leicht aufzulösende Abkürzungen
als Striche und Punkte über der Linie vor; in den lateinischen Worten ist
immer U gesetzt, in den deutschen steht willkürlich einmal U für tl, und
zweimal H für n; ]| ist für das gedehnte i gesetzt; r wechselt nach Gefallen
mit dem, einem gekürzten unpunktierten t ähnlichen (und für den Buchstaben
X in den Greifswalder und anderen Steininschriften XV. — XVI. Jahrh. sehr
üblichen) t, aber nur im Deutschen. In der Jahreszahl ist 1000 durch
die Majuskel wiedergegeben und 400 (statt tut) ungewöhnlicher Weise
durch (5.
IX.
219.
Das Wort diligUe (aus Kopp 's nicht in den Buchhandel gekommenen Schrift-
proben; vergl. in den Beilagen zu den Göttinger gel. Anz. von 1S18. St. 23. 83 und
207 die Erklärungen von Wiggert und Kopp) von einem Steine am Rathause
zu Hersfeld, als Beispiel der sehr schwer zu lesenden, aber im XV. Jahrh.
besonders auf Skulpturen in Holz, Stein und Metall (vielleicht aus tech-
nischen Gründen) häufig vorkommenden, aus an einander gezogenen Buch-
staben bestehenden Minuskelschrift (wo oft nur die Umrisse eingegraben
sind — Ott traif).
X.
IfflJBJTfD^CH
MNEKKXSTt
0 here . goi ich . bit . dich vm . din Barm-
nercikait Oberer Teil der Grabschrift
des Matthaeus Böblinger (t 1505) in
der Frauenkirche zu Efslingen mit
dessen Meisterzeichen, als Beispiel der
in der zweiten Hälfte des XV. Jahrh. (in
Strafsburg schon 1466) wieder in Ge-
brauch gekommenen und bis ca. 1530
gebräuchlichen Majuskelschrift, die man
eigentlich Renaissance-Majuskel nennen
mufs, da sie im Übergang zu der von
Italien aus sich verbreitenden Antiqua
wieder an die ältesten romanischen
Formen anknüpft, namentlich auch in
der altertümelnden Ineinanderschiebnng
der Buchstaben. Inschriften in dieser
Periode (vielleicht unter Anleitung ge-
lehrter Humanisten) erneuerter Denkmä-
lerlängst verstorbener Personen (z. B. der
Fastrada, dritten Gemahlin Karls d. Gr.
(t 794) im Dome zu Mainz. — Abb. bei Stacke, Deutsche Gesch., I, 195 —
und der Edith, ersten Gemahlin Otto's d. Gr. (t947), imDome zu Magde-
Fig. 220.
I
Zahlen. 409
burg) erhalten dadurch zuweilen ein so altertümliches Aussehen, dafs man
leicht über deren Entstehungszeit getäuscht werden kann , wenn man nicht
genau auf die Kennzeichen dieser Periode achtet. Zu diesen gehören die
Form desDundE, die mit einer runden Ausbiegung gebildeten H, J und N,
besonders auch die auf unserm Beispiele freilich nicht vorkommenden For-
men tri. und H für M und N, die früher in der Lesung der Namen dieser
Periode viel Verwirrung angerichtet haben.
64. Die Zahlen sind entweder die sieben Zahlbuchstaben aus dem
Majuskel- oder aus dem Minuskelalphabete, vom XTV. Jahrhundert an
auch sogenannte arabische, eigentlich indische Ziffern, von denen jedoch
manche, namentlich 2 und besonders 5, in sehr verschieden gebildeten
Zügen vorkommen. Die üblichsten Zahlzeichen* sind etwa folgende:
()A.8.9.0'
281.
Ziffern, die auf Siegeln^ in einzelnen Fällen schon im XIII. Jahrh. und
in Italien früher vorkommen, als in Deutschland, sind im allgemeinen auf
kirchlichen Denkmälern seltener als Zahlbuchstaben ; bei den Jahreszahlen
werden die höheren Stellen (Tausende und Hunderte) auf Inschriften, be-
sonders des XV. und XVI. Jahrh. , zuweilen weggelassen oder nur durch das
Zeichen e(c, angedeutet. So bedeuten die Buchstaben
222.
am Fufse des siebenarmigen Leuchters im Dome zu Magdeburg die Jahres-
zahl 1494. — Über den Gebrauch der Zahlbuchstaben im späteren Mittel-
* Andere Beispiele bei Statz u. Ungewitter. Taf. 1.
^ Das älteste bekannte Beispiel ist das Reitersiegel des Gotfried von Hohenlohe
mit der Zahl 1233 (Abb. Württemb. Vierteljahrshefte 18S1, 224 Fig. 3). Ob die Grabsteine
mit der Zahl 1007 zu Katharein bei Troppau (Mitt. C.-K. Xf, 8. XLVII) und 1299
im Schlofsgarten zuBieberich(v. Hefner, Trachten. I. Taf. 27) gleichzeitig sind, ist
fraglich; der älteste sichere ist derjenige der Lutgardis dicta GöldEierin mit der Zahl
1371 in der Schlofskirche zu Pforzheim (Anz. G. M. 1876, Sp. 304). — Vercl. Den-
zinger, J., über die Entstehung u. den Fortbrauch der arab. Ziffern im Würzbur-
ßiscnen, im Arch. d. bist. V. f. Unterfr. u. Aschaffenburg. IX, 2. — Manch, über
den Gebrauch arab. Ziffern u. die Veränderungen derselben, im Anz. G. M. 1861, No.
2—7. — Über arab. Ziffern auf Siegehi verd. Märcker, ebd. 1859, Sp. 250 u. 273-,
Manch, ebd. 1860, Sp. 13; Fürst zu Hohenlohe-TValdenburg, ebd. 1866, Sp.
265 ff. und 1871, Sp. 260 ff. — Eine reiche Übersicht verschiedener mittelalterlichen
Zahlzeichen giebt unter anderen Gatterer im Abrüs der Diplomatik, Taf. DL
[IQ ZahloD. Tochnik der Inschriften. Abdrikko
alter(m der Minoskelzeit) ist noch zn bemerken, dafs einzelne Abweichungen
von der altr6miseheii Schreibweise allgemein tlblich erscheinen; es bedeutet
z. 6. nicht etwa 95, sondern 500, und die Jahreszahl 1500 wird zuweilen
geschrieben, aber auch X<E.V. Nach einer Notiz in Schlesiens Vorzeit in B,
u. Sehr., I. 10, 169 wären anfeiner Glocke zu WUnschendorf bei Lähs
und sonst mehrfach die Hunderter statt C durch laufende Hirsche icervus)
ausgedrückt.
Anmerkung. Auf den ältesten bekannten plastischen Denkmälern sind
die Inschriften vertieft eingeschnitten , sonst pflegen sie erhaben zu sein. Bei Me-
tallgfissen wurden die Buchstaben entweder gleich in die Form geschrieben und
mitgegOBsen, oder nach dem Gusse aufgelötet, oft auch erhöht herausgeschnitten,
zuweilen mit Gold darauf gemalt. Gegossene Glocke nlnschriften stehen häufig,
wenn sie nach älterer Sitte in den Mantel der Form graviert wurden, was ver-
kehrt geschehen mufste, aus nahe liegenden Gründen, vielleicht zuweilen sogar
absichtlich,* auf den Glocken selbst verkehrt, so dafs sie nur im Spicgelbilde
zu lesen sind, wie z. B. das AGLÄ (s. oben S. 400) auf
einer Glocke zu St. Nikolai in Jüterbog — oder es sind
wenigstens einzelne Buchstaben versetzt, was bei der
Formung derselben mit Stempeln oder WachsmodeUen
I leicht geschehen konnte. — Alle auf Metall erhaben
gearbeitete Inschriften und Flachreliefs kann man leicht
abdrucken (eigentlich durchreiben), wenn man einen
. einseitig angcfenchteten Papierstreifen mit der nassen
K7. Seite darauf legt und dann mit einem trocknen Tuche,
das, wenn man dem Abdrucke gröfsere Daner geben
will, mit Graphit- oder Rotel-Pulver sparsam bestreut sein kann, so lange
daranf reibt und drückt, am besten aber mit einer dichten KleiderbQrste 80
lange darauf schlägt, bis die Inschrift erhaben und geftlrbt hervoi^ritt. In-
schriften anf Glocken, die oft in dflsterem Zwielicht oder dem Auge teilweise
ganz unzugänglicli aufgehängt sind, wären ohne dieses Verfahren gar nicht zu
' Otto, über Alter n. Technik der Glocken Inschriften, im Deut. Kunstbl. 1852,
409. — Es iüt auffallend, dats fast nur Inschriften frommen Inhalts ((icbctsrormeln,
Heiligpnnamcn u. dcrgl.) verkehrt stehend vorkommen, buchst selten dngegen gesuhicht-
liche Notizen, mid auf der S. 355 erwähnten Glocke zu Gilchine aus dem XII. Jahrh.
steht die auf den Donator bczuclichc Notiz richtig, die mngisch uäftigen Evangelisten-
Nameu aber stehen im Spiegelbilde.
von Inschriften. Künstierinschriften. 411
lesen. Siegel auf Glocken nnd ähnliche kleine Reliefs kann man entweder,
nachdem man einen Gypsmantel darüber gemacht , in Wachs abgiefsen oder
mit geringerer Mühe in Staniol, falls das Relief nicht sehr erhaben und scharf-
kantig ist, am besten mittelst einer weichen Bürste, abdrücken; wenn Alles
ordentlich ausgedrückt ist, löst man das Staniolblättchen vorsichtig ab und
überstreicht den Abdruck auf der Rückseite mittelst eines Tuschpinsels in
leichten Strichen reichlich mit zerlassenem Wachs oder besser Guttapercha;
bei Papierabdrücken empfiehlt sich am meisten geschmolzener Schwefel. Ver-
tiefte Inschriften lassen sich sehr leicht in genäfstem Papier abdrücken, wenn
sie nicht zu sehr abgescheuert sind: in letzterem Falle kann man dieselben
dadurch leserlicher zu machen versuchen, dafs man Ziegelmehl etc. in die
Vertiefungen streut. * — In Ziegelsteinen finden sich zwar auch eingemeifselte
Inschriften (z. B. im Antiquarium zu München zwei Ziegelplatten von 1309
und 1416 aus Thierhaupten, erstere von 0,79 X 0,47 bei 0,052 Dicke), gewöhn-
lich sind jedoch die Steine schon mit den Teilen der Inschrift en relief geformt,
glasiert und gebrannt, oder aus einzelnen Buchstaben auf quadratischen Zie-
geln zusammengesetzt.
b. Innere Epigraphik.
65. Die Inschriften auf kirchlichen Denkmalem unterscheiden sich
nach Form und Inhalt: der Form nach sind sie entweder in Prosa oder
in Versen abgefafst, ihrem Inhalte nach bestehen sie im allgemeinen
aus historischen Notizen oder aus religiösen Sprüchen und Gebetformehi.
Inschriften von kirchlichen Denkmälern findet man in den meisten Lokal-
Chroniken gelegentlich und in den neueren Inventarien-Werken ausfiihrlieh mit-
geteilt; auch giebt es für mehrere Orte und einzelne Kirchen besondere In-
schriftensammlungen aus älterer und neuerer Zeit. Vergl. die Utteranschen
Nachweisungen in v. Radowitz, Gesammelten Schriften. I, 406, denen als
spätere Publikationen hinzugefügt werden können: Steiner, Samml. u. Erklär,
altchristl. Inschriften in den Ghabieten der Donau u. des Rheins. (Im ganzen
112 Inschriften meist aus dem IV. Jahi-h., darunter 84 aus Trier.) 1859. —
Klein, C, Latein. Inschriften des Kurfürstentums Hessen, in der Zeitschr. für
hess. Gesch. YIII, 1. — Stier, Gli., Corpusculum inscriptionum Vitebergens.
1860. — Mitzschke, R, Naumburgor Lischiiften. 6 lieff. 1877 — 81 u. a. m.
Anmerkung. Denkmäler -Inschriften, welche sich anf die künst-
lerische Technik beziehen , kommen zwar das ganze Mittelalter hindurch
vor, sind jedoch sehr selten. Beispiele: Die Inschrift auf den Metallthür-
flügeln des Domes von Mainz (vergl. oben S. 86): Postquam magnus imp. Ka-
rolus suum esse Juri dedit naturae WiUigisus archiep. ex metalU specie valvas
effecerat primus. Auf den aus einer Legierung von Gold, Silber und etwas
Eisen bestehenden Leuchtern Bischof Bemwards von Hildesheim (tum 1012)
in der Magdalenenkirche daselbst steht: Bemwardus presul candelabrum hoc
puerwn suum primo hi^'us artis flore non aurOj nonargentOj et tarnen utcemiSj
conflare juhebat — Auf einer Glocke zu Helfta von 1234 steht: Ex tot cin-
cinariis sum ÄVIII^ auf einer von 1318 in 8t. Florian bei Linz: De xxvi
* Yergl. Hübner, E., über mechanische Kopien von Inschriften, in Bonner Jahrbb.
XLIX, 57 ff. S. A. 1881.
412 Poetische
cenienariis facta sum^ und auf einer von 1319 daselbst: fit hoc opus ex X c.
— An dem kunstvollen Gewölbe hinter dem Altar der im XVI. Jahrh. erbauten
Marienkirche zu Halle a. d. S. steht: Es. Thvn. Jher. Viel, Fragen — Wie,
Sich Die. 2 Sivck. Tragen, — Gegen Ausgang des Mittelalters finden sich auch
Inschriften, in denen sich das Bewufstsein der Meister von ihrer Kunst-
fertigkeit stark ausspricht y so z. B. auf dem Taufkessel in St. Stephan zu
Tangermünde:*
xve. vn. väi bi, hinric, tnente, maecie, mi,
de mi hegript, ofde mine, degha, ihous, ün. sieopte, sine,
vint, he, dar. neen. ghebrec. so. come. toumi. ün. segge. rvat mi. let.
Auch sonst geben die Künstler ihren Anschauungen und Stimmungen in Bezug
auf Kunst und Kunstzustände durch Inschriften Ausdruck; Jan van Eyck z. B.
bezeichnet seine Bilder gern mit dem Motto : Als ikh kauj Lukas Moser von
Weil sagt auf dem Altare zu Tiefenbronn (1432): Schrie kunst schrie und
klag dich ser, din begert itzt niemand mer^ so o wcj und auf einem Altare zu
Heiligenblut steht: Andre jar andre war. Schpricht Wolffgang Haller der
hat das werk volendt anno domini mcccccxxjar,
66. Die poetischen Inschriften erscheinen als besonders beliebt ; sie
bestehen in der Regel aus gereimten Versen : Hexametern und Distichen.
Andere antike Versmafse sind selten; ebenso deutsche Reime aus dem
früheren Mittelalter.
Die Hexameter reimen sich zuweilen paarweise unter einander; am
häufigsten ist aber derjenige daktylische Vers (Hexameter oder Pentameter),
in dem Mitte und Schluf^, seltener männlich, gewöhnlich weiblich mit
einander reimen» so dafs die Hauptcäsur des Verses nach der Arsis des
dritten Versfufses insgemein mit der Reimsilbe zusammenfällt. Dergleichen
Hexameter und Distichen, welche seit dem VIH. Jahrh. vorkommen, heifsen
leoninische Verse, ^ weil sie von einem mittelalterlichen Dichter, dem
pariser Mönch Leo oder Leoninus, in allgemeine Aufnahme gebracht sein
sollen. In Beziehung auf Prosodie müssen gute leoninische Verse richtig ge-
baut sein; nur dafs die Licenz, wonach eine kurze Silbe am Ende eines
Wortes, wenn sie in der Arsis oder gar in der Hauptcäsur (also in der
Reimstelle) steht, lang gebraucht werden kann, von den mittelalterlichen
Dichtem gern benutzt wird. Es kommen aber auch künstlichere Reimver-
schlingungen vor, z. B. über dem westlichen Hauptportale zu Ellwangen:
Vos igitur^ per quos regitur domus isla, notetis:
nepereat; si non habeat suajura^ luetisl
Sehr künstlich reimt auch, zugleich mit Alliterationen, die am Ende des XV.
Jahrh. gemalte, aber vielleicht auf älterer Quelle beruhende Inschrifttafel
über dem Grabmal des 1245 verstorbenen Dompropstes Joh. Semeka im
Dome zu Halberstadt:
* Nach gütiger Mitteilung des Herrn Sptdt. Lampe in T.
« Vergl. A. Kein, in den Bonner Jahrbb. XLVI, 119 ff.
Inschriften. 413
Est erit aique faxt qui desiit esse Johanis
Dogma viget vigtät florebit omnibus annis
Lux decreiorum dux doctorum via morum
Hicjacet ei placet ui vacet apoeräs miserorum.
Eine noch künstlichere Spielerei ist die in einer Kapelle auf der Nordseite
der Stadt Xanten unter einem Kruzifix auf an einander gefügten Stein-
platten stehende Inschrift:
Qu A TD FU 8TR
OS NGÜIS RISTI IRÜSDE NERE AVIT
H SA CH M VÜL L
welche y wenn man die mittlere Zeile erst mit der oberen und dann mit der
unteren verbindet , die zwei Hexameter giebt:
Quos angtüs tristi dirus de fimere stravit
Hos sanguis Christi mirus de tnUnere lavitj
in denen die einzelnen Wörter sämtlich unter einander reimen. * Im Streben
nach sententiöser Dunkelheit und um seine Gelehrsamkeit zu zeigen ; wohl
auch aus Reimnot, nahm man am Ende, manchmal auch in der Mitte des
Verses griechische Wörter zur Hilfe, welche sonst nicht das lateinische
Bürgerrecht besitzen, z. B. auf dem jetzt in England befindlichen Weih-
wassergefäfse aus der Zeit der Ottonen (s. oben S. 226): Cemuus arte cupit
memorari Cesari aliptes (aUlnrrjg); auf der Baseler Altartafel zu Paris
(s. oben S. 136): Prospice ierrigenas Clemens mediaior usias (oialag)^ und
in den auch wegen der Übersetzung der hebräischen Engelnamen bemerkens-
werten Überschrift der Relieffiguren: Quis si cui hei Foriis. Medicus, Soter
(amtig) Betiedictus; auf einem Leichensteine von 1311 in der Stadtkirche zu
Wolmirstedt: Nunc fruitur patria quam meruit latria (laTQtL/),^ — Die
Inschrift auf der grofsen Erfurter Glocke von 1497 bildet eine sapphische
Strophe :
Laude paironos cano gloriosa
FulgtJir arcens et demonas malignos
Sacra templis apopulo sonanda
Carmina pulso. —
Von deutschen Reimen sind bereits in den Inschriften aus Tangermünde,
Tiefenbronn und Heiligenblut (s. S. 412) Beispiele gegeben.
* Vergl. A. Rein, in den Bonner Jahrbb. XLYI, 176.
* Das Vorkommen des ungewöhnlichen "Wortes Usia auch auf der Dedikations-
Inschrift der Kamzel zu Aachen (s. oben S. 296): Hoc opus ambonis auro gemmis-
que micantis Bex jnus Henricus celestis honoris ar^elus Dapsüis ex proprio tibi
dat sanctissima v%rgo Quo prece summa tua sibi merces fiat usia läJüst an den-
selben kaiserlichen Hofpoeten denken. Es findet sich aber auch auf dem romanischen
Vortragekreuze im Dome zu Mainz: Qui levat Heliam, proprium sublimtxt usiam,
und am dessen Rückseite steht: Qui moysi legem, dat alumnis pneumatis (für Ttvfv-
tiaxoq) ignem.
» Vergl. Wiggert, in N. Mitt. Th.-S. V. VI. 2. 31.
414 Historische Inschriften.
67. Die Inschriften, welche historische Notizen* enthalten, haben
sowohl prosaische als poetische Form: im letzteren Falle sind sie zu-
weilen weitschweifig, dimkel und sententiös; auch mufs das Sprachliche
imi der Prosodie willen Gewalt leiden.
Das Mögliche von Yerdrechselei und Rätselhaftigkeit ist geleistet in
einer Inschrift von 1350 in der Marktkirche zn Hannover:
Tunis I prime \ vum tria \ c nume \ rant l et \ evum *
Gracia rotnana^ fuit etpesüs triduana '
Funer a flens polis^ hec tria milia mensihus in sex
Tunc Stimulus stoycos^ fuit ur^ torquens et ebreosJ
1. Turris primevum steht aus Reimnot für turris principium und evum
für miile annorum spatium. — 2. Bezeichnung des Jubeljahres. — 3. Die da-
mals grassierende Pest, welche die Befallenen in drei Tagen tötete. — 4. Das
griechische Wort noXtg (== Stadt) wegen des Versmafses und mit Darangabe
des Reimes. — 5. Unter stoycos sind die damaligen Geifslergesellschaften
gemeint. — 6. Zu der Silbe ur ist aus dem folgenden Worte torquens wohl
oder übel die Endsylbe ens zu supplieren. — 7. Die Juden wurden als
Brunnenvergifter während der damaligen Pestilenz verbrannt (vergl. Mithoff,
Archiv, 1,2). — In folgender Inschrift im Chor der Wiesenkirche zu Soest
ist die Jahreszahl (ob 1313 oder 14 oder 31 oder 43?) gründlich verdunkelt:
Cter Xmille et tribus Ique dies tenet ille
Hujus quo primum struxit locuU capud ymum
Ne deus condempnes hunc Schendeler arte Johannes,
In diesen beiden Inschriften müssen, wie das sehr häufig der Fall ist, die
Zahlbuchstaben als Silben ausgesprochen, also völlig barbarisch nach ihren
Namen im ABC genannt werden, um die Verse skandieren zu können.^
Aus gleichem Grunde müssen häufig auch abgekürzte Wörter ohne weiteres
als solche gelesen werden. Eine der gräulichsten Mifshandlungen der Sprache
um der Prosodie willen bietet die Grabschrift des Herz. Boleslaus von
Breslau, Liegnitz u. Brieg (f 1352) im Kloster Leubus:
iVo. kale. dans. mq/us.^ dux, vra. leg, hrig, holeclaus,
Zelator, veri. largus. promptus. misereri.
Fit, cum, defunctis ,m. c, tribus, L duo.junctis.
Das berühmteste Beispiel, wie die gesuchte Versdrechselei der Inschriften
die Forscher zu grundlosen Auslegungen geführt hat, sind die auf die Stif-
* Dieselben sind, wenn nicht gleichzeitig, keineswegs immer zuverläfsig. Am
Ratzeburger Dome steht z. B. in Minuskeln: Ana dni McxUiij 3 id^ Aug. fndata t
o/ecra est raceburg. ecca. cathedral. ab illustri/sm, pricipe duce. hinrico bawarie,
t /axonie. qui o. mcxcv. orate pro eo, während das Bistum Eatzeburg erst 1154 ge-
gründet wurde, und Heinrich der Löwe 1144 erst 15 Jahre alt war und als Laie keme
JöLirche weihen konnte.
' Dies ist selbst in deutsche Inschriften übergegangen, z. B. auf dem Epitaphium
dos Grafen Hinrich von "Wernigerode (f 1429) und seiner Gemahlin in der dortigen
Gräflichen Bibliothek: na bort m screue ver cccc twe x dar by negen.
' D. i. s. V. a. a, d. IX Kai, Maj, « 23. April.
Chronologie. 415
terin bezüglichen , ehemals an einer Apostelstatue der südl. Querschiffsfront
des Strafsburger Münsters befindlich gewesenen Verse:
gratia divinae pietatis adesio Savinae
depetra dura per quam sum facta figura^
welche die einzige Quelle zu der selbst jetzt noch nicht allgemein aufge-
gebenen Mythe von der Bildhauerin Sabina, der Tochter Erwins von Stein-
bach waren.
68. Zum richtigen Verständnis der in historischen Inschriften vor-
kommenden Zeitbestimmungen ist Bekanntschaft auf dem schwierigen
Pelde der mittelalterlichen Chronologie erforderlich, worüber hier nur
einige allgemeine Andeutungen gegeben werden können. Die Zeit-
bestimmungen der Inschriften betreffen die Jahreszahl, die Indiktion
nebst Epakte, Konkurrente und Mondcyklus, das Regierungsjahr geist-
licher und weltlicher Fürsten, den Monat, den Monatstag, den "Wochen-
tag und die Tagesstunde.
Die Jahreszahlen sind seitBeda^ der diese Zählweise einführte^ nach
der gemeinen christlichen (dionysischen)^ Aera {ßnni dominicae incama-
tionis oder ah incarnatione domini, zuweilen anni virginei partus, nach
Gottes Geburt, seit dem XII. Jahrb. häufig anni gratiae, später anni domini,
Jahre des Herrn) gezählt; es kommt hierbei jedoch bei allen Daten, die
zwischen dem ersten Advent und dem Osterfeste liegen, auf die Epoche des
Jahresanfangs an, da man zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen
Orten das neue Jahr bald mit dem ersten Advent (dem Anfang des Kirchen-
jahres), bald mit dem Christtage (25. Decbr., so fast überall in Deutschland
nach dem Vorgange von Mainz) , bald mit dem Beschneidungsfeste (I.Januar,
erst seit dem XV. Jahrb., allgemein erst im XVI.), bald mit dem Mariä-
Verkündigungstage (25. März; so in der Diöcese Trier noch bis ins XVI.
Jahrb., bei der Universität Köln bis zu ihrer Aufhebung), bald sogar mit
dem beweglichen, jedoch nie über den 25. April hinaus fallenden Ostertage
(so in Frankreich und den Niederlanden und in der Diöcese Köln) anzufangen
pflegte. — In poetischen Inschriften kommt auch die antike Berechnung der
Zeit nach Lustren (von 5 Jahren) vor.
Seltener, seit dem XIII. Jahrb. wohl überhaupt nicht mehr gebräuchlich
ist in den Inschriften die Jahresbezeichnung neben der christlichen Aera
nach dem Cyklus der Indiktion oder Römerzinszahl. Dieser umfafst einen
Zeitraum von fünfzehn Jahren, deren einzelne mit Ind, I — XV bezeichnet
werden. Das Chronicon paschale beginnt den Indiktionenzirkel mit dem
1. Jahre des Julius Cäsar = 49 a. Chr. und beginnt eine neue Reihe mit
dem Siege des Constantinus 31. Septbr. 312. Daher gilt als Regel, dafs
man, um das Jahr der Indiktion zu finden, zu der Zahl der christlichen Aera
3 addiert und die Summe mit 15 dividiert; der Rest ist dann das Jahr der
Indiktion, bleibt aber nichts übrig, so ist es XV. Hierbei ist jedoch zu be-
achten, dafs sich im Mittelalter die Indiktionsrechnung ihrem jährlichen
* Vergl. Grotefend, Histor. Chronologie, 21.
416 Chronologie.
Anfange nach in drei Arten scheidet: die sogenannte griechische, welche
mit dem 1. September beginnt nnd bis zur Mitte des IX. Jahrh. ausschliefs-
lich in Gebrauch war; die sogen, kaiserliche, richtiger Bedanische, welche
mit dem 24. September beginnt und bis Ende des XI. Jahrh. neben der
ersteren in Gebrauch war; und die sogen, päpstliche, die mit dem 25. De-
cember oder 1. Januar beginnt und Ende des XI. Jahrh. in Aufnahme kam,,
aber erst im XIÜ. Jahrh. die allgemein herrschende wurde. — Bei der Da-
tierung nach der Indiktion wird in den Urkunden in der Regel, auf Denk-
mälern seltener die E p a k t e beigefügt. Die epactae sc. hmares oder minores ^
adjectiones iunae (deutsch : Mondzeiger) bezeichnen das Alter des Mondes am
22. März nach dem 19jährigen Mondcyklus. Im ersten Jahre desselben fällt
der Neumond auf den 23. März, am 22. ist also das Alter des Mondes =
XXX oder 0. Im folgenden Jahre fällt der Neumond auf den 12. März, mit-
hin ist die Epakte XI. Die Regel zur Findung der Epakte lautet daher t
Subtrahiere von der goldenen Zahl (s. Chronol. Zugabe) 1, multipliciere den
Rest mit 11, ziehe davon, so oft du kannst, 30 ab, der Rest ist dann die
Epakte; zu bemerken ist aber, dafs die Epaktenrechnung nicht am I.Januar
des Jahres, sondern am 1 .September des vorhergehenden beginnt, und dafs
am Ende des Cyklus die Epakte von XVIII. auf XXX«» 0 zurückkehrt, also-
einen Sprung isaltus) von 12 statt von 11 Tagen macht. — Ferner wird bei
dieser Datierung auch die Konkurrente zuweilen angegeben. Die con-
currentes dies (auch epactae solis oder majores genannt) geben den Wochen-
tag an, aufweichen der 24. März des betr. Jahres fällt, wobei der Sonntag^
mit I u. s. f. bezeichnet wird. Die Konkurrenten entsprechen gänzlich den
Sonntagsbuchstaben (s. die Chronol. Zugabe) und zwar die Konkurrenten I.
n. m. IV. V. VI. VII. den Sonntagsbuchstaben F. E. D. C. A. B. G. — Ala
seltenes Beispiel dieser vollständigen Datierungsweise führen wir an die In-
schrift am Taufsteine zuFreckonhorst: f Anno, ab incamat, dni M. C.
XX, Villi, epact. XX. VIII. concvrr. I. />». indict. VII II Non. Jon. a
venerab epo. Mimigardevordensi. Egberto, ordinat anno. IL consecrai v,
e. hoc. templum. — Noch seltener wird in Inschriften die Luna, d. h. das
Alter des Mondes an dem betreffenden Monatsdatum hinzugefügt, wie auf
der Bleitafel im Sarge des Erzbischofs Udo von Trier: Hie. reqiUescitbeaiae.
memoriae. Trevirorum. archiepiscopus. Vdo. obiit. aulem III. Idibtis Novembris.
anno, dominicae. incamaiionis. M. L. XX. VIIL Indictione. I. Luna. IL
Das Jahr 1078 hat nämlich die goldene Zahl 15. Daher fängt ein neuer
synodischer Mondmonat in ihm am November an, deshalb hat der 11. No-
vember die Luna II. In anderen Fällen jedoch bezeichnet htna^ der wie-
vielste Tag des laufenden Mondmonats der Ostersonntag des betreffenden
Jahres ist.
Die Datierung nach Regierungsjahren geistlicher und weltlicher
Fürsten (vergl. die Inschrift aus Freckenhorst) ist in vielen Fällen eine un-
sichere Bestimmung, da es darauf ankommt, ob z. B. eine Bischof die Dauer
seines Pontifikats von dem Tage seiner Wahl , seiner Konsekration oder seiner
Konfirmation an berechnete, ob ein Kaiser nnd König von seiner Krönung
oder von seinem Regierungsantritte an seine Herrschaft datierte; ob femer
ein neues Regierungsjahr als mit dem gemeinen Jahresanfänge oder mit dem
Clironologie. 417
Tage des Regierungsantrittes beginnend gedacht wurde. Unentbehrliches
Hilfsmittel sind die Tabellen über Zeitfolge der römischen Päpste, sowie der
deutschen Kaiser und Könige, und über Zeitfolge der deutschen Bischöfe nach
alphabetischer Reihenfolge der Bistümer in Pott hast, Aug., bibl. bist. med.
aevi etc. Supplement, 1868, 259 ff.
Die lateinischen Monatsnamen sind die noch jetzt gebräuchlichen des
julianischen Kalenders ; die sehr schwankenden deutschen kommen in mittel-
alterlichen Inschriften kaum vor. Die Monatstage werden entweder nach
dem römischen Kalender bezeichnet, wie in den Beispielen aus Freckenhorst
und Trier (jedoch schrieb man z. B. nicht KaJendis JuUiSy sondern Julii und
nicht a. d. X Kai Juij sondern decimo Kalendas Julii) j oder seit dem Ende
des XIII. Jahrh. gewöhnlich nach kirchlichen Fest- und Heiligentagen, ^ so
dafs man einen gegebenen Tag, der nicht selbst ein Festtag war, entweder
als vor, oder als nach dem nächsten Kirchenfeste zählte und sich dabei der
römischen Zählweise bediente. Die Sonntage benannte man oft nach den
Anfangsworten des Introitus der Messe. ^ Unsere Art zu datieren fängt erst
am Ende des Mittelalters in einzelnen Fällen an.
Die Wochentage von Montag bis Freitag wurden in lateinischen In-
schriften /eria II — VI genannt, der Sonntag meist dominica^ der Sonnabend
sabbatumJ
Die Tagesstunden wurden verschieden gezählt. Im gemeinen Leben
rechnete man einen Tag von Mitternacht zu Mittemacht; die Kirche dagegen
rechnete ursprünglich ihre Tage von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang,
weshalb unter dem (heiligen) Abende (vigilia) eines Festtages jedesmal der
Abend (oder der ganze Tag) vorher gemeint ist. Dies gilt im gemeinen
Leben jedoch nur von den gebotenen Festtagen (festa /bri)y nicht aber von
solchen, die nur der Klerus feierte (festa chori).^ Die Nacht vom Sonnen-
untergange bis zum Sonnenaufgange wurde in 12 Stunden geteilt und ebenso
der Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang; diese Stunden waren
daher, je nach der gröfseren oder kürzeren Länge des Tages und der Nacht,
das Jahr hindurch einander ungleich. Die sogenannten horae canonicae
(Gebetsstunden) sind folgende: Prima (Sonnenaufgang, im Aequinoctium
6 Uhr); Terda (nach Verflufs des ersten Tagesviertels, also im Aequinoc-
tium 9 Uhr); Sexta (nach Verflufs des halben Tages, also stets 12 Uhr);
lYona (wenn drei Viertel des Tages vorüber sind, also im Aequinoctium
3 Uhr); V esper a (Sonnenuntergang). Um 9 Uhr Abends wurde das Comple-
torium abgehalten, und beim Tagesanbruche, also unmittelbar vor derTVtVwa
die Matutina (Landes).^
* Diese Art zu datieren hat darum grofse Übelstände, weil es viele gleichnamige
Heilige giobt, und weil die Feste vieler Heiligen zu verschiedenen Zeiten und an
verscniedenen Orten an verschiedenen Tagen gefeiert wurden; vergl. das Alphabet.
Verzeichnis der Heiligen am Schlüsse dieses Sandes. — Für die beweglichen Fest-
und die danach benannten Sonntage ist die Kenntnis des Ostertermins jeden Jahres
erforderlich; vergl. die Chronologische Zugabe am Schlüsse dieses Bandes.
'^ Verzeichnis der lateinischen Sonntagsnanien und auch mancher Wochentage
hiemach bei Grotefend, 77 ff. Potthast, Supplement, 449 ff.
^ Die deutschen Namen der Wochentage s. bei Grotefend, 35 ff.
^ Beil. z. Berliner Zeit. 1S43, No. 196.
* Graeser, d. röm.-kath. Liturgie, 277.
Otte, Kunst- Archäologie. 5. Anfl. 27
418 Chronologische Vei*se. Chronosticha.
Schriften über historische Chit)nologie des M.-A.: Haltaus, Ch. G., Calen-
darium praecipue Germanicum medii ae^i 1729; deutsche Ausübe 1794. —
Pilgram, Ant., Calendarium chronologiciun. 1781. — Idoler, L., Handbuch
der math. u. teclm. Chronol. 1S25. — riper, Ford., Kirchenrechnung. 1841. —
Brinckmeier, Ed., Prakt. Handbuch d. hist. Chronol. (1843.) 2. AuS. 1882. —
Matzka, "W., die Chronol. in ihr. ganzen Umfange. 1844. — "Weidenbach,
Jos. Ant., Calendar. hist. - christianum medii et no^^ ae\'i. Chronol. -histor. Ta-
bellen etc. 1855. — Grotefend, H., Handb. d. hist. Chronol. d. deutsch. M.-A.
u. d. Neuzeit. 1872. — Lorsch, B. M., Ewiges Kalendarium etc. Münster
1876. — Zu vergl.: Art de verifier les dates. Paris 1783, 3 Bde. folio; neue
Ausgabe, I. Abt.: A. d. v. 1. d. depuis la naissance de N. S. in 19 Bden. 8^.
Anmerkung. In Versen wurden die Jahreszahlen oft durch Distributiv-
und Adverbialzahlen umschreibend ausgedrückt und wegen der erforderlichen
Multiplikationen, Additionen oder Subtraktionen zuweilen undeutlich; auch
entstehen hier um des rhythmischen Zwanges willen hin und wieder arge Bar-
barismen, z. B. auf einer Glocke im Dom zu Minden: Annis a Christo plenis
creor ere mh isio \ Bis decies denis miilenis septuagenis (1270)] oder in der (ob
gleichzeitigen?) Grabschrift des Bischofs Bernhard V. von Paderborn im
dortigen Dome: Post dupla centena ChrisH bis bina Irigena \ Lustra die Jani ter
dena . . . (30. Jan. 1341); oder auf einem Gemälde von Johann van Eyck:
Anno I miile\ mo c\ quaier x ter et\ octo (1438); oder auf der Glocke Osanna
des Domes zu Halberstadt: ;>/. C. \ quadra\ta L \ quntuor \ t. soci\ata (1454).
Die Inschrift über einer Figur des gegeifselten Christus in der Moritzkirche zu
Halle enthält in den Hexametern:
LX I bis duo \ cc ^ et super j addita \ M (illia)
Quinque. Toi est Christus pro nobis vulnera (verbera ?) jjoä«!^
anscheinend nicht die Jahreszahl (1460), sondern die Anzahl der Schläge (5320?
5470?), die der Herr bei der Geifselung erhalten hatte. ^ Aufser solchen un-
absichtlichen Verdunkelungen der Jahreszahlen bot zur absichtlichen Verhüllung
derselben das sogenannte Chronostichon Gelegenheit dar, worin die Jahreszahl
durch Addition sämtlicher oder einiger darin vorkommenden Zahlbuchstaben,
die dann vor den übrigen Buchstaben durch den Charakter der Schrift aus-
gezeichnet zu sein pflegen, gefunden wird, z. B. die Inschrift auf dem alten
Rahmen des Genter Altarwerkes der Gebr. van Eyck im Museum zu Berlin:
Vers V seXta Mal Vos CoLLoCat aCta t Verl, wo die Addition der Miguskeln
die Jahreszahl 1432 ergiebt, oder die Inschrift auf einem Kelche in der Marien-
kirche zu Danzig: Fi^lgidvs ille calix divine porclo 'inense \ Aurea quo
factus amio per grammata censey wo die Jahreszahl 1426 durch die goldenen,
hier im Drucke unterschiedenen Zalilbuchstaben ausgedrückt ist. '
* Diese wurden sehr verschieden berechnet, von der h. Bri^tta auf 5000, von
Gerson auf 5375, von Landulphus u. A. auf 5475, vom h. Vincentius Ferreri aber nur
auf 8 mal 276 (nach der angeolichen Zahl der Knochen des menschlichen Körpers) —
vergl. H. Müller, Historia passionis etc. Rostock 1661, 79.
* Ob schon im früheren Mittelalter chronogrammatische Inschriften vorkommen,
muls ich unentschieden lassen. Die beliebte Glocken-Inschrift: 0 rex glorie (christe)
veni cum pace findet sich zwar in mehreren Schriften als Chronogramm auf das Jahr
1272 (137^ gedeutet, jedoch wenigstens in den mir näher bekannten Fällen mit Un-
recht. In der Marienkirche zu Danzig trägt die im Jahre 1632 umgegossene Stumi-
f locke Osanna seitdem zwar die erwähnte Gebetsformel als Chronogramm mit den die
ahreszahl 1373 bildenden, ausgezeichnet geschriebenen Zahlbuchstaben, und ebenso
eine kleine im Jahre 1780 umgegossene Glocke am Hathausturme zu Breslau die In-
Keligiöse Sprüche und Gebetsformeln. 419
69. Beligiöse Sprüche und Gebetsfonneln in Prosa sind gewöhnlich
aus der Bibel, und zwar immer nach dem Texte derVulgata, oder aus
den kirchlichen Gebetbüchern entnommen, in der Regel wörtlich, zu-
weilen frei citiert. Auch viele poetische Sentenzen, oft kirchlichen
Hymnen entlehnt, sind so beliebt, dafs sie als stehende Sprüche sehr
häufig wiederkehren.
Über der Schlofsthür des Domes von Merseburg ist der Patriarch
Jakob (um 1500) dargestellt, wie er in Lus vom Schlaf erwacht, mit der
Aufschrift: Vere iste locus sanctus est^ et egonescieham. Dies ist freies Citat
aus Gen. 28, 16 nach der Vulgata: Vere dominus est in ioco istOy et ego nes-
ciebam. — Auf dem oben 8. 224 erwähnten Kelche zu Werben hat ein den
vor dem Yliefse knieenden Gideon (Judicum 6, 36) darstellendes graviertes
Rundbild die Umschrift :
Fusa coeli rore tellus
Fusum Gedeonis veltus
Deitatis phtvia.
Dies ist die 8. Strophe der seit dem XH, Jahrh. vorkommenden Marien-Se-
quenz: Hodiemae lux Diei (bei Mone, F. J., Latein. Hymnen des M.-A., ü, 53).
Auf einem anderen Rundbilde desselben Kelches, Mose und den feurigen
Busch darstellend (Exod. 3) die Legende:
Quod, rubus utflamma^
Tu portastiy virgo mater facta
welche entlehnt ist aus der 6. Strophe des berühmten, dem Hermannus Con-
tractus von Reichenau (t 1054) zugeschriebenen Marien-Tropus: Ave prat-
Clara maris Stella (a. a. 0., 355 ff.).* — Auf Glocken und TaufgefäTsen und
an Schnitzaltären aus der Zeit um 1500 finden sich mehrfach teils vollständig,
teils bruchstückweise die Verse :
Maria mater gratiae
Mater misericordiae
Tu nos ab hoste protege
In hora mortis suscipe
aus dem Hymnus Memento sahitis auctor in dem Officium parvum B. Marid
(Breviar. monast. pro S. Bened. regula militantibus Campedon 1718. Pars vemalis 179).^
— Das Salve regina z. B. auf dem Taufbecken in St. Marien zu Rostock
von 1290.^ — Auf einer Predella im Dome zu Brandenburg knieen zwei
Donatoren mit den Spruchbändern: Tantum ergo sacramentum veneremur
Schrift: hans greVLIg poss MICH pfenige helsCh ICh, worin die Jahreszahl 1360
liegt — aber, obschon diese Inschriften den Worten nach von den alten Olocken bei-
behalten sind, so fragt sich doch, ob man nicht die Chronogramme erst beimümgusse
hineingedeutet hat, da im XVII. imd XVJJLL. Jahrh. diese Spielerei allgemein beliebt wai\
* Vergl. Zacher, Jul., in der Zeitschr f. k. A. u. K. 11, 57.
« Anz. G. M. 1880, No. 4.
3 Vergl. Fr. Schneider, das Salve regina auf Tauf becken , ebd. Sp. 279 ff. — Diese
Taufe, deren konischer, mit drei Reihen von Belief gruppen unter Kleeblattbogennischen
geschmückter Kessel auf vier, durch Inschriften als Darstellungen der 4 Elemente be-
zeichneten knieenden Figuren ruht, und deren spitzkegelförmiger Deckel gleichfalls mit
BelieffflTuppen bedeckt und mit einem Adler bekrönt ist, mu& zu den oben 8. 316 aus dem
Xin. Jahrh. angeführten nachgetragen werden; vergl. Org. f. ehr. E. 1867. No. 23, m. Abb.
27*
420 iDscbrifteo an
cenwi und Genitori genito^e laus etjubilatio ans dem HymnuB des Thomaa
von Aqu. Fange lingua.
7(1. Zur Belegimg und Erläuterung der vorstehend § 65 ff. über
Epigraphit au^estellten Sätze dienen die folgenden systematisch imd
chronologisch geordneten Beispiele von Inschriften, wie sie sich gerade
auf kirchlichen Denkmälern von allerlei Art darbieten.
a. An Eirohflngebäiiden: * GeBchicbtliche Notizen Aber GrQn-
dnng, Weihung, Bauzeit und Meister etc. Die älteste bekannte an der
Kirche zu Gingen in Württemberg (von 984):*
Anno ine — nationis dotmrUcae DCCCCLXXXIIIl \ — Febr \ reg
nante domno Ottone ■ ivniore rege ': Salemannvs abbos spe certae
mercedis tndvelvs ■ hoc oralorivm a /vndamentis i erexil algue
rogaiv ipsivs a venerabili i viro domno i gebeharto —
In der Krypta des Münsters zuEsscn über einem WaDdpfeiler(1051): AntH'
incarnacionis dominicae Mill. L. I. inäict. IUI. V. Id. Sep. Dedicatum ff.v/
hoc Oratorium a venerabili archiepo. Henmanno precatu nobilissimae sororis
suae Theophanu abbae.- — In der got. Taufkapelle am Dome zu Worms auf
einer roten Marmorplatte (1058): Anno dnicae. incamal. M. L. VIII. indict.
Xll.^ II Kl. Ocfob. dedicata e. haec capella ah Amoldo hujus sedts epo.
in konore. dni. nri. Ihu. Ä'pi et victoriusissime sce. civcis. et sce. Mariae Virg.
et scorm. Nicolai epi. Hieronimi pbri. Siephani prolom. Marcrllini m. Comelii
et Cypriani m. ff'allburgis v, de sepulcro dni. — Auf einem Steine aus dem
ehemaligen Schlosse Württemberg in der Gruft der Kapelle auf dem
Rothenberge bei Stuttgart (10^3): Anno dominice incarn. mille. LXXAIII
_ Flf. IM (nncli Aldciikirehen).
' luschriftpn an Kireheugcbäudon in Hessen, Nnsunu. den Rheinlanden etc. a. in
Aufsefs lind Mono. Anz. f. Kmido d. deutseh. M.-A. 1^S4. S].. 54— «4.
* (iütige Mitteilung des H. Uiakomis Klemm in Gcislii)gi>n.
' nie ladiktion »itiinnit nur, wenn sie nach dem piieth. oder kaiserlichen Cirkel
iMi-eehnet ist, da snnst luäb die Indikt. XI hat
Kirchengebäuden. 42 1
indic, V, VIT, idus, feh ded, (icatä) hec. cap. (ellä) ab, Adelh. Wormens.
Ece, Epo, in h. s — Hinter dem Hochaltare in der Apsis der ünterkirche
zu Schwarzrheindorf bei Bonn steht auf einer Grobkalksteinplatte von
1,96 X 1,12 die in Fig. 228 verkleinert faksimilierte Inschrift von 16 Zeilen
(1151),* die wir zugleich als Schriftprobe geben. In der Stiftskirche St. Qui-
rin zu Neufs steht auf einem Steine (1209) : Anno icarna, dni. M,C.C. V.IJJJ.
pmo. iperii, anno, Oiionis. Adolfo. Colon, epo. Sophia. Ahha. Magister. Wolhero.
posvit pmv. lapide. fbndamenü. hvi. iempU. i. die. sei. ßionisii mar. — In
der Schlofskirche zu Quedlinburg (1320) über der in die Krypta führen-
den Thtir (mit Beziehung auf den Chor der Kirche) : Anno domini MCCCXX
opibus Juiie dbetisse de Kranekefeld aediftcatum. — Im Münster zu Ulm in
der südlichen Eingangshalle (1377): Anno domini mccclxxmi am zinsiag
(d. i. Dienstag) der der lest tag was des manatz Jvnii nach der svnnen v/gang
dri stvnd von hai/sen des rates hie ze Vlm lait Ivdwig kraft kraftz am kom-
fnarkt seligen svn den ersten ßmdamentstain an dieser Pfarrkirchen. — An
einem Pfeiler in der Moritzkirche zu Halle a. d. S. (Montags nach Mis. Dom.
13. April 1388):
M tria\ CCC scri\pto post\ octua\gin. dabis\ oclo\
Stante die hcne misericor. dum canis alte
Tunc fait iste chorusprimo saxo renovatiis.
An der Katharinenkirche zu Brandenburg a. d. H. (1401): Anno domini
MCCCCI constructa est hec ecclesia in die assumtionis Marie virginis per
magistrum Hinricum Brunsbergh de Stettin. — An der Sakristei der Petri-
kirche zu Nordhausen (1447): Nach Gotis Geburt MCCCCÄLV II Jahre
es diz Gerwehus gebuwel by den Formunden^ Henr. Hoigu. Henninge Sehe f er
— An der Kornelia- Kirche zuWimpfen i. Th.:^ 1476 hie solt ir schaven \
die gn. zu Cornelia unser lieben fraven. — Am Westportal der katholischen
Kirche zu Hamm:
De hir tho gaben und hebben gedaen
De sollen gut lohn entfahn.
Düt is rvoll bedagt
Im Jahr 1512 sin ick hir gelagt.
Im Dome zu Halle a. d. S. unter dem Wappen des Kardinals Albrecht von
Mainz (1523): Deo opi. max. divoque Mauricio ac Matiae Magdalenae tute-
laribus Albertus, cuius hec signa dignitatem genusque declarant, hanc aedem
ipse dedicavit ann. Christi MDXXIII. IX. Kai. Septemb. — Femer Notizen
über bemerkenswerte Ereignisse: Am südöstl. Strebepfeiler des Chors
» Vergl. Aldenkirchen, in den Bonner Jahrbb. LXVn, 87—99 u. Taf. 7.
* Die hier »Formunde« genannten beiden Vitrici (sonst auch: Prokuratoren, Pro-
visoren, Juraten, Alterleute, Olderlüde, Kirchväter, Gotteshausleute, unter Umstän-
den auch : Mansionarien) denen die Fürsorge für die kirchlichen Bausachen übertragen
war, werden in den Inschriften an Kirchen und auf kirchlichen Denkmälern seit dem
XIV. Jahrh. viel öfter genannt, als die betreffenden Baumeister und Künstler, und sind
gewöhnlich gemeint, wenn zwei Namen ohne nähere Bezeichnung neben einander stehen.
An dem oben S. 320 und 418 erwähnten Taufbecken zu Tanger münde steht z. B.
auTser der Künstlennschrift am FuTso noch oben am Becken selbst: hans bechker
Hans burscedel qui credederit et bavtizatus fureit salvus erit.
' Gütige Mitteilung des Herrn Max Bach in Stuttgai-t.
422 Inschriften an
von St. Blasii zu Münden (1342): Anno domini m c c c lxij\ IX Kai. Juli;
facta est inundatio Wesere et Vuläe tanta quod altitudo aquae tetigit basem
kujus lapidis quadrangularis. — An der westlichen Mauer des Krea^^angs
von St. Katharinen zu Lübeck (1350):
M. cum. L. ter. C. fuerant arm. tibi. Criste.
Dum. plus. quam, mediam. ferit. hanc. epydimia. ^ terram.
Ädde. 1er. I. claustrum. novum. versum fit, ad. austrum etc.
An der Marienkirche zu Mühlhausen i. Th. neben anderen Lokalnach-
richten aus dem XIV. Jahrh. (1349): Anno dni MCCCXLIX dv worden die
yvden erslagen. In deme selben iare dv biggon di geizelere de trvgen rote
crvce an menteln vnde an hvten. — An der 1415 umgebauten Stadtkirche
zu Weifsenfeis: Anno domini m^ccc^l id est iubileo^ flagellatores fUerunt
etiudei cremaü sunt. — In der Michaeliskapelle des Domes von Köln (1434):
Anno\ mille\ mo c quaiu\ or quar\ toque in\ geno\
Nonas octobris ventus de nocte flat ingenSy
Gr andern per tectum lapidem testudine pellens.
Am Turm der Elisabethkirche in Breslau: Anno domini 1529 am abend
Maihie Apostoli umb zwey der ganzen uhr,^ ist das bleiene dach dieses
tkurmbs, welches von dem Crantz an, sambt der spietze y knöpf und dem
creutZy in alem 119 ein hoch gewesen y dvrch vngestumb des weters einge-
fallen y vnd von den heiligen engein getragen worden y das es keinen schaden
gethan hat. Deme ewigen gott sei lob vnd danck. Amen, — Zuweilen auch
allerlei anderweitige Notizen, z. B. neben dem Portale der Kirche in
Schulpforta mit Beziehung auf das im Giebelfelde befindliche steinerne
Kruzifix: In crucifixo^ qui est in superiori triangulOy iste continentur reli-
quiae: Andreae apostoli, Marlyrum Laurentiiy Vitiy Thebeorum Martyrunty
Confessorum Nicolai, Augustini y Cäciliae Virginis. Isti sancti orent pro
nobis. — An der Deutschhauskirche zu Würzburg (in Majuskeln): Ich
Gvnter Scholo Bvrger vo. Wrzebvrg hom kavet ein Pfvnt Gvlte zu Sande
vzvendic der Mvren daz han ich geben Vnser Vrawen Sante Marien zv dem
Tvshe Hvse zv eime ewigen Lichte. — Ungewifs, ob nur ein Scherz oder Be-
ziehung auf besondere Feierlichkeiten bei der (Grundsteinlegung, ist die In-
schrift auf einem Eckstein an der Südostecke des Schiffs der Stadtkirche zu
Mengen i. Württemberg (1479):
In dem Jtain da lug in
So fUnd/tu darin met und win
di/s cappeil hat gemachet Conrad beck im mcccclxxixjar. —
* Der schwarze Tod.
* Papst Bonifacius VIII. erklärte, mit Hinsicht auf die jüdische Einrichtung des
Halljahres, das Jahr 1300 für ein Jubeljahr (güldenes Jahr); Clemens VI. veroranete
schon für das Jahr 1350 die wiederholte Feier des Jubiläums; Bonifacius IX. feierte
ein solches schon im Jahre 1390 wieder imd noch eins im J. 1400; das fünfte wurde
1450 gefeiert, Paul U. aber setzte 1470 das Jubeljahr endgültig auf alle 25 Jahre fest.
— Ver^. Rocca, de jubileo in Ejusdem Thesaurus antiauitatum. Romae 1745. t
197; Grotefend, a. a. 0., 23. — Die Notiz über das Jubeljahr, die Geifsler und die
Juden kommt auch in der oben S. 414 angeführten Inschrift in Hannover vor.
3 d. i. am 24. Februar zwei Stunden nach Sonnenuntergang.
Eirchengebäuden. 423
Häufig sind in Wandinschriften (z. B. in St. Gotthard zu Brandenburg
gemalt, zu Bergholzzell i. Elsafs an den Pfeilern der Orgelbühne einge-
meifselt) oder auch auf besonders aufgehängten Tafeln (z.B. Halberstadt,
8. oben S. 383) Verzeichnisse der der Kirche verliehenen Ablässe angebracht.
Auf den ehernen Thüren des Domes zu Mainz steht der Freibrief von 1135
eingegraben, den Adelbert I. den Bürgern zu Mainz erteilte. — In der
Bischofskapelle des Domes zu Merseburg ein Katalog sämtlicher dortigen
Bischöfe; auf einem Fenster im Kreuzgange des Klosters zu Doberan ehe-
mals ein Nekrolog der Fürsten Mecklenburgs von Niclot bis 1337; an den
Bogenleibungen der Klosterkirche zu Berlin geographische Notizen Über
den Franziskaner -Orden; in der Klosterkirche zu Neu-Ruppin auf der
Wand bei der Orgel (ehemals) ein Nekrolog des gräflichen Hauses von
Lindow* etc — In den Vorhallen der Kirchen finden sich gemäfs deren
Bestimmung für mancherlei weltliche Zwecke (s. oben S. 83) vielfach allerhand
öffentliche Mafse angezeichnet und durch Inschriften erläutert; z. B. sind
an der Vorhalle des Münsters zu Freiburg i. Br. die Brotmafse von 1270,
1317 und 1320, sowie Normalmafse der Elle, der Klafter, der Kohlen, der
Ziegel und ein Jahrmarktsverzeichnis eingegraben und an der Kirche zu
Engen im Badischen ebenfalls verschiedene Normalmafse: ^der stat buty
der stat klafter j<f^ auch an der Ostseite der Pfarrkirche zu Kulm inPreufsen;
zu Hagenau 1. Elsafs an St. Georg ein Dolch alsMafs der zu Ende des XIV,
Jahrh. gestatteten Waffen; zu S c hl ett Stadt an St. Georg Fruchtmafse,
Messer und Hammer; zu Zabern an der Westseite des Turmes der Kol-
legiatkirche das Holzlängemafs ; an der Martinskirche zu Kolmar mehrere
Mafse in Eisen in den Stein eingelegt. Am Münster zu Strafsburg »uff der
Graden« (d. i. am südl. Querschiffe) wurde nach dem Brande von 1298 das
Mafs von 3 Fufs 10 Zoll eingehauen mit der Beischrift: dis, ist. die, maze.
des vherhanges,^ d. h. weiter durften bei Neubauten die oberen Stockwerke
nicht über die unteren hinaus in die Strafse hineinragen. — Vielfach findet
sich auch die longitudo Christi eingehauen, z. B. am Mittelpfeiler des Por-
tals zu Rheinacker (nach Kraus für den Elsafs das einzige Beispiel).
Sentenzen und Bibelstellen kommen im allgemeinen seltener vor,
als die historischen Inschriften: denn obschon nach alter Sitte im Mittelalter
häufig an die Wände der Kirchen fromme Sprüche angemalt wurden, so hat
sich doch davon im Laufe der Zeit wohl nur wenig erhalten. — In den Krö-
nungen der Portale^ finden sich häufig Inschriften frommen Inhalts aus
» Dietrich, Hist. Nachr. v. d. Gi-afen zu Lindow u. Ruppin, 16 ff.
- Schon über den Eingängen der zu Anfange des V. Jahrh. erbauten Basilika zu
Nola befanden sich nach dem Berichte ihres Erbauers, des Bischofs Pauli nus (ep.
ad Severum XII.), Inschriften. Über der einen Thür stand:
Fax tibi sit quicunque deipenetralia Christi
Pectore pacifico candidus ingrederis.
Über der andern war ein gekröntes Kreuz angebracht, darunter folgende Verse:
Cerne coronatum domini super atrta Christi
Stare crucem, duro spondentem celsa Idbori
Praemia: tolle crucem qui vis auferre coronam.
Vergl. Bunsen, die Basiliken des christl. fioms, 38.
424 Inschriften an
älterer Zeit, z. B. über dem Portal der Nonnbergerkirche zu Salzburg:
Porta patet vile Xpc via vere venife^ und um ein Marienbild :
Splendor imago patris fecundans viscera matris
Janua luxportus salvantis creditur ortus.
Zu Kloster Petershausen bei Konstanz rings um ein Salvatorbild :
Praesidet his poriis, qui solvit vincula mortis —
sum quiperduro, non sedeo cum perituro.
Vielfach kommt zum Salvatorbilde hier der Spruch Job. 10, 9: Ego sum
osiium etc. vor, z. B. an der Klosterkirche zu Alpirsbach; zu Enniger
bei Münster, zu Holten sen bei Hameln; am Dome zu Gurk mit der zum
Teil verkehrt stehenden Beifügung:
Intranti rite per me do pascua vite;
Intrat et Mc rite, ciU dextera cor pia mite.
Am Portal zuLachem (Fürstent. Calenberg) steht dagegen auf dem Spruch-
bande des Salvator: Euge serve hone aus Matth. 25, 21. — Andere Sprüche
an Portalen, zu Vornbach in Nied. -Bayern:
Sitpax intrantiy felix successus eunti;
Agne dei, famulis veniam da crimine lapsis;
an der Katharinenkirche zu Oppenheim: Ampla patet digniSj maJis via
clauditur arta\ an der Kirche zu Weinsberg: 0 qui terrenis inhians homo
desipuisti, his quid in obscenis gaudes? cole numina Christi -}~ conradus]
an der ELlosterkirche zuBürgelin: Ilec est ablutis baptismate poria sal{utis);
an der Ulrichskirche zu Sangerhausen (mit Beziehung auf Landgraf Lud-
wig, den Stifter der Kirche): Suscipe, sanctCy domum, quam vinctus compede
vovi, — Über Inschriften an den Thürringen s. oben S. 87. An zwei bron-
zenen, die 1879 zu Münster ausgestellt waren (angeblich ca. 900 ent-
standen?) steht:
Hasjanuas gentem causa precis ingredientem
Jes. Christ, rex regum faciat conscendere coelum
ßemhardus me fecit. —
Zuweilen nehmen die auf den Weltrichter bezüglichen Portalinschriften aus-
drücklich auf den davor liegenden Kirchhof Rücksicht, z. B. zu Wolfsberg
im Lavantthale von 1474 :
0 judex vere hie defunctis miserer e
Da requiem cunctis hie et ubique sepultis.
An der Konstanzer Pfarrkirche zu Ditzingen steht aufsen am Eingange zu
der Gruft unter dem Chore die Minuskelinschrift von 1477:
0 lieber mensch do sott net ane gan
ein pater noster soit du uns hie lan
ach gott ist unsre so gar vergessen
mit almu/en und mit meffen
ach lieben freund kommend uns ze stur
mit gebet und allmu/en in dem feg für.
Kirchengebäuden. 425
Dagegen heifst es am Karner zu Schwaz 1506: Hie ligen hir all geleych
filier edel arm vnd auch reiche undzuKaysersberg i. Elsafs: Soisfsrechl,
da liegt der Meisler bei seinem unecht — Oben am Turme des Strafs-
burger Münsters viele kurze Inschriften zur Verherrlichung Christi und
seiner jungfräulichen Mutter: Maria glorifical, Christus coronat, der Spruch
Joh. 1, 14 etc. Am Turme der Kirche zu Römhild von 1470 sind nach den
vier Himmelsgegenden steinerne Tafeln angebracht mit den Inschriften 0. :
Christus glorificat j Ch, cuncäs donal, N.: Chr.coronat, Chr. etsuperat, W.:
Chr. rex triumphal ^ Chr. semper regnat, 8.: Chr. et imperat, Chr. nos re-
novat. Dagegen im Mafswerk der 8 Fenster des Achteckgeschosses am
Turme zu Mariazeil in Württemberg ist je ein Buchstabe des Ave Maria
angebracht. Über Inschriften auf Kirchdächern vergl. oben S. 123. —
Auf Gewölbeschlufssteinen kommen die Namen tl|0, HJfS undtltfllitt vor.
— Im Fufsboden, besonders von Backsteinkirchen ^ zuweilen Inschriften
frommen oder geschichtlichen Inhalts; z. B. vor den Altarstufen in der
Klosterkirche zu Zinna, aus einzelnen quadratischen Ziegeln, deren
jeder eine Majuskel en relief darstellt, der Engelsgrufs: Ave Maria etc.
(Abb. bei Pütt rieh, Denkm. II, Serie Jüterbog, Bl. 17); im Chor des Domes zu
Frauenburg: Anno dni. MCCCJCLIl dedicalus est chorus; in der Frauen-
kirche zu Ingolstadt die .Jahreszahl 1510 in c. 3,15 langen Minuskeln aus
roten Steinen eingelegt. — Auch an Nebengebäuden, namentlich der Stifter
und Klöster finden sich sowohl über Portalen als auch sonst bezügliche oder
auch anzügliche Inschriften, z. B. wahrscheinlich vom Kloster St. Stephan
zu Weifsenburg i. Elsafs herrührend, jetzt an einer Kirche zu Altenstadt
bei W.: Hoc qui coenohium cupitis transire decorum, poscite supremam
nbhati veniam Liuthardi (t 1032); über dem Eingange zu den Kellerräumen
des Petersklosters zu Merseburg stand noch 1840 in Minuskeln die Stelle
Ps. 41, 2: ßealus qui intelliffil super egenum et pauperem, in die mala
liberahit cum dominus. An einer vermauerten Thür des Kapitelhauses am
Dome zu Mainz (XIII. Jahrb.): Pax huic domui el omni habitnnti in ea. An
einem Pfeiler der Kavate des Domes von Erfurt (XIV. Jahrb.):
In Christi laude felix Thuringia plaude ^
Cujus habes donis tantis gaudere patronis.
An der Martinskirche zu Worms (Südseite des Langhauses) in Majuskeln:
Cum mare siccatur et daemon ad astra levatur^
Tuncprimics laicus fit clero fidus amicus. —
Eine ganz besondere Gattung sind die nur inPreufsen, und zwar an Kirchen
und an Schlössern vorkommenden, einen umlaufenden Fries, auch die Ein-
fassung der Thür- und Fensterbögen bildenden weitläufigen ornamentalen
Inschriften historischen und besonders religiösen Inhalts, die aus ein-
zelnen erhabenen Majuskelbuchstaben auf quadratischen Ziegeln zusammen-
gesetzt sind, z. B. äufserlich am Chore von St. Jakob in Thorn: (^Bene)dic
domine domvm ist{a)m et o(mn)es habitantes in illa. Sit in ea sanitas. Est
co(nse) crand(vs) chorvs hie et perficiendvs \ Ad lavdem sancti Ja(co)bi,
pariterque Philippi\ In quo lavdand{us) Devs est et glorificandvs Ad quem
svbsidivm si qv(is) porrexerit vllvm\ Non mvat triste sei tv bene fac sibi
426 Inschriften an Kirchengebäuden
Crisfe] ffvnc haratri pena non ledat sed ad amena\ Tv venie vena dvcas (e)l
Virgo serena Et honitas CrisH trahat illvm de nece (risti, Amen. Nachge-
wiesen sind dergleichen Inschriften zn Marienburg (Fragmente), an der
Leichnamskirche zu El hing (unter den Fenstern, sich um die Strebepfeiler
verkröpfend, rund um die ganze Kirche laufend), in der Vorhalle des Doms
zu Frauenburg (als Gürtungsfries : ANNO DOMINI MCCCLXXXVUI
CONPLETA EST CUM PORTICÜ ECCLESIA WARMIENSIS AMEN),
an den Schlössern zu Bürgein und Lochstädt (als Bogen Verzierungen; am
letzteren Orte in deutscher Sprache). ^ Ähnlich als ein fortlaufender Fries,
aber doch in etwas anderer Art, nämlich durch in Backsteine gegi'abene Ma-
juskeln hergestellt, ist die in zwei Zeilen über die Westseite der Stifts-
gebäude am Dome zu Ratzeburg hinlaufende lange Inschrift, welche über
die Errichtung der Westmauer und des Refektoriums in den Jahren 1259
und 1261 Auskunft giebt. — Im südlichen Deutschland findet man im Mauer-
werke der Kirchen häufig Steine mit antik-römischen Inschriften und
Reliefs als Baumaterial benutzt und vielleicht mit Absicht nicht selten auf
den Kopf gestellt (z. B. zu Brenz, Heidenheim, Hausen, Böttingen, Rifs-
tissen etc.)*^ In der Marienkirche zu Parehim in Mecklenburg in ähnlicher
Weise jüdische Grabsteine aus dem XIII. und XIV. Jahrhundert, und in
Regensburg dienten bei Errichtung der Kirche zur schönen Maria auf der
Stelle der bei einem Volksauflaufe 1519 zerstörten Synagoge jüdische Grab-
steine von dem gleichfalls verwüsteten Gottesacker der Juden in Masse als
Baumaterial und wurden nicht blofs in der Stadt an vielen Häusern zum
Andenken eingemauert, sondern angeblich auch in die Feme bis nach Oster-
reich verschleppt. 3
b. Auf Altarplatten kommen Inschriften nur selten vor und nennen
dann meist nur den Stifter oder Konsekrator. So steht auf der Platte des
Altars zu Gimte bei Münden in Majuskeln um den Rand:* ffatic arcun fecii
Herman de Neste parari; munus ei petimus christe perenne dari (der Stifter
kommt 1290 — 1301 urkundlich vor) und auf einer früher zu einem Altare
in St. Ursula zu Köln gehörigen Platte der Name des Konsekrators, das
Datum der Weihe (1224 prid. Id. Mai.), die Namen der Titelheiligen und
ein Verzeichnis der in den Altar gelegten Reliquien.-'^ Auf einer jetzt im
Fufsboden der Kirche zu Prödel bei Leitzkau liegenden ehemaligen Altar-
platte steht DNI BALD . . . ., was sich auf den Diöcesanbischof Balderam
von Brandenburg (1180 — 1190) zu beziehen scheint, doch könnte es viel-
leicht auch Rest einer Grabschrift sein. Die oben S. 134 erwähnten, zu
Altarplatten umgewandelten Grabsteine enthalten zum Teil die Grabschriften
noch vollständig. — Dagegen waren Wandinschriften neben und über den
' Die Anwendung von Inschriften als architektonischer Schmuck gehört der ara-
bischen Baukunst an und ist aus dieser in die Bauten des deutschen Ordens überge-
gangen, wobei Palermo sehr wohl als Vermittelungsglied gedient haben kann; vergl.
Ferd. v. Quast, in den N. Preuls. Provinzialbl. XI, 34—38.
• Auch der oben S. 395 erwähnte Grabstein des Ulrich von Lichtenstein ist ein
überarbeiteter antiker Grabstein.
3 Yergl. Grf. v. Walderdorff, Regonsburg, 65.
' Abb. Mithoff. II, Taf. 2.
5 » Org. f. ehr. K. 1858. BeiL zu Xo. 7.
und Altären. 427
Altären, welche über deren Stiftung u. s. w. nähere Anskunft gaben, wohl
häufig und sind nur durch spätere Tünche verdeckt; in Brandenburg sind
in St. Gotthard und im Dome eine ganze Anzahl erhalten, in letzterem von
al fresco gemalten Engeln gehalten, z. B. die ausführliche des Altars der
lOOOO Ritter: Anno domini Mcccxxxiv^ ipso die Dionysii episcopi ei soci-
orum ejus martirum con/ecratum est hoc altare in honore decem milium mi-
litum per reverendum in Christo patrem et dominum Lodowicum episcopum
hvjiLS ecclesie. Fundatum et dotatumper venerabilem dominum Theodoricum
Kothen tunc veteris civitatis plebanum et postea (actus episcopum et per Tylo-
nem et Gerardum patruos suos et magistnim Petrum de Tangermunda ipso-
rum avunculum necnonper dominum Bartholomeum Laurencii hufus ecclesie
canonicum. — Neben den Altären wurden auch gern die für diesen Zweck
mit Schriffcmalerei und Miniaturen kostbar ausgestatteten päpstlichen etc.
Ablafsurkunden für dieselben im Original ausgestellt (Photol. Abb. solcher aus
Unna von 1513 und aus Fröndenberg von 1342 bei Nordhoff, Kreis Hamm,
108. 142).^ — Auf Antependien beziehen sich die Inschriften frommen Inhalts
gewöhnlich auf die zum Schmucke dieser Vorsetztafeln angebrachten figür-
lichen Darstellungen. So steht auf der Tafel aus Queren im Hamburger Mu-
seum (s. S. 136) mit Beziehung auf das die Mitte einnehmende Salvatorbild :
Sum lux etema residens in sede supema
Lux ego sum vite per me super astra venUe
und mit Bezug auf die Bestimmung des Altars : Est deus hie regnans hie sa-
cratur et ebibitur roseus cruor agm per quem sulphurei tepuit violentia stagni;^
auf dem Antependium in Klosterneuburg (S. 142, N. 2) findet sich indes
auch die mit der Jahreszahl und dem Künstlernamen verbundene Widmung:
Anno milleno. centeno, septuageno. nee. non. undeno. Wemherus. corde, sereno.
sextus prepositus tibi virgo. Maria, dicavit. rpiod, Nicolaus opus Virdunensis
fabricuvit, — Ebenso haben die auf Tragaltären vorkommenden Inschriften
gewöhnlich nur Beziehung auf die figürlichen Darstellungen: die Hauptin-
schrift auf dem Portatile des h. Gregorius zu Siegburg (s. S. 148, N. 5)
spricht die Bestimmung desselben zur Feier des Mefsopfers in ganz spiri-
tualistischer Umdeutung aus :
Qvidquid in ältari mactatur materiali
Cordis in altari completur spiritualL
Hostia visibilis mactatur operta figura
Immolat hanc pura devocio mentis in ara.
Ära crucis Christi mensae communicat isti
ffac etenim rite sacratur victima vitae.
In qua structura virtutum non ruitura
Ponitur, haec domino digna domus struitur.
* So ist die jetzt falsch restaurierte Jahreszahl nach den Urkunden in Riedel cod.
dipl. Brand, zu berichtigen.
' Mit diesen Ablafsoriefen wurden in berühmten Wallfahrtskirchen, wie dies von
AVilsnack ausdrücklich berichtet ist (Ludecus, Historie von der Erfindung etc. Sign.
Q. 4 f. V.), auch die Kanzehi behängt als drastisches Anschauungsmittel fi& die Ab-
lafspredigten bei den gröfseren "Wallfahrts-Zügen.
^ Nach gütiger Mitteilung des Herrn Direktor Brinckmann zu Hamburg.
428 Inschriften an Kronleuchtern, in Codices,
Die erste Hälfte dieser Inschrift findet sich auch auf dem Portatile zu Xan-
ten (s. oben S. 149, N. 8). — Von den Inschriften auf Altanchreinen gilt
dasselbe. Notizen über die Stifter u. s. w. finden sich meist unten auf den
Rahmen des Hauptschreins oder der Flügel und zwar sowohl auf den Aufsen-
als auf den Innenseiten, zuweilen auch an der Predella.
c. An Kronlenchtern. Der Inschriften an den roman. Lichterkronen und
ihres wesentlichen Inhalts ist schon S. 159 gedacht: sie erklären die Sym-
bolik des himmlischen Jerusalem und nennen den Donator, welchem Him-
melslohn angewünscht wird. Am ausführlichsten ist die aus 24 Versen be-
stehende Inschrift in Komburg; die Krone zu Hildesheim enthält zwei
Inschriften von 12 Versen, von denen die obere die erhabene Stadt, die un-
tere den Donator preist. Die Aachener Inschrift lautet in 16 Hexametern,
von denen die 6 ersten reimlos sind :
Celica Jherusalem Signatur imagine tali
Visio pacis certa quietis spes ibi nobls
nie Johannes gracia Cristipreco salvtis
Quam patriarcJw quam prophete denique virtvs
Lvcis apostoUce fundavit dogmate vita
Urbem siderea labentem vidit ab a^Uhra
Avro ridentem mundo gemmisque nitentem
Qva nos in patria precibvs pia siste Maria
Cesar catholicus Romanorvm Fridericus
Cum specie numerum cogens attendere clervm
Ad tempU normam sva svmvntmunera formam
Istivs octogone donvm regale corone
Rex pivs ipsepie vovii solvitque Marie
Ergo Stella maris astris prefvlgida claris
Svscipe mvnificum prece devota Fridericum
Conregnatricem sibi ivnge svam Beatricem.
An einem eisernen Standleuchter zu Bayenburg steht einfach: Fiat lux.
d. In Erangelien- nnd Mefsbüohem kommt Inschriftliches vor, inso-
fern zwar durchgehendsein Titel fehlt, aber wenigstens bei kostbareren, von
fürstlichen Personen oder ihnen dedicierten meist in der Nähe des Anfangs
ein die Dedikation darstellendes Miniaturbild mit bezüglichen Beischriften
sich findet, und am Schlüsse Nachrichten über den Schreiber, Besteller, das
Datum der Beendigung unter Selbstlob oder auch Stofsseufzem über die
Arbeit und sehr gewöhnlich in Nachahmung von Apokal. 22, 18. 19 ein
Anathema gegen etwaige Entwender des Buchs in den mannigfachsten For-
men angefügt werden, wovon Wattenbach, Schriftwesen imM.-A. 2. Aufl.
S. 416 — 447 zahlreiche Beispiele angeführt hat. — ImXV. Jahrh. dienen die
Innenseiten der Deckel und die Schmutzblätter der Missalien häufig auch
zur Eintragung des Inventars des betr. Altars an Büchern, Geräten und Ge-
wändern, sowie der zu seiner Dotierung gehörigen Zinsen und Gefälle und
ausgeliehenen Kapitalien etc., die Kaiendarien derselben aber wurden von
jeher als Nekrologien und Obituarien benutzt, d. h. als Verzeichnisse der
Stifter und Geschenkgeber, für die an dem betr. Altar Memorien zu halten
waren.
auf Eeliqaiahen und Kelchen. 429
e. Auf Reliqniarien häufig die Bezeichnung der in denselben enthalte-
nen Heiligtümer, gewöhnlich in der Formel: In hac capsa (thecüj arca, hoc
scrinio etc.) conttnentur (sunt, conservantur) reliquiae etc., und nun folgt,
zuweilen auch ohne diese Einleitung, das Verzeichnis der heil. Überreste.
Die Entfremdung derselben wird mit dem Anathema bedroht, z.B. auf einem
elfenbeinernen Reliquienkästchen aus dem XIII. Jahrh. zu Gladbach: Nos
Theodoricus abbas .... sub insmuatione anathematis inhibemus, ne quis-
quam hos pretiosas sanctorum reliquias distribuere t^el subtrahere audeat
(vergl. aus'm TVeerth, 11, 53. N. 14). — Auf dem Bleikästchen zu Lim-
burg a. L. (s. oben S. 135, Fig. 50) stehen zwei hexametrische Inschriften,
deren eine:
Amplus in angustajacet hac thesaunis in arca
Copia sanctarum quam maxima reliquiarum
Qua comes Heinricus structure conditor hujus
Largus larga sui cumulavit munera templi
den Gründer des Altars und der Kirche nennt, während die andere :
Hac domini testes concordant pace fideles
Per quos virtutis pax et medicina salutis
Exuberatpura lofis babtismatis unda
sich auf die 4 Evangelisten bezieht, deren Namen zu den Seiten der In-
schriften stehen. — Dafs an den Reliquien-Kästen und Hörnern aus Elfen-
bein sich häufig arabische Inschriften finden, ist schon oben S. 197 u. 211
erwähnt.
f. Auf Kelchen findet man , abgesehen von Legenden zur Erläuterung
der auf denselben vorkommenden figürlichen Darstellungen, zuweilen Noti-
zen mit Angabe der Donatoren (oben S. 216): so steht schon am Fufse des
Tassilokelches zu Kremsmünster (8. 220) der Hexameter: TassUo dvx
fortis Liutpirc virgo regalis; am Fufsrande des Henkelkelchs zu Marien-
stern (8. 218) das Distichon:
Jutta deo cara calicem quc ponit in ara
Vt tibi Sit Clara virgo Maria para.
Über die Inschriften auf dem alten Kelche zu Werden vergl. oben 8. 221,
und über die Buchstaben auf den Zapfen am Knaufe gotischer Kelche 8. 227.
— Um den Knauf des 8. 225 erwähnten Kelches in Berlin steht: Agnus
deij qui tollis peccata mündig miserere nobis. Amen, — In späterer Zeit
nimmt, wie in dem Bildwerk der Kelche, so auch in den Inschriften derselben
der Marienkultus überhand, auf den Zapfen des Knaufs oder oberhalb oder
unterhalb desselben um den Ständer steht in der Regel Ave Maria oder Hüf
Maria (neibeji Hilf Got oder hilfGot aus aller Not), am Kelche zu Mutschen
vor 1513 sogar: Selp drit hilf Sant Anna, Auf dem Kelche zu Maria Saal
1466 steht : Maria hilf mir Jörgen Ungnaden und allen mein forfadem und
nachkommen, am Fufsrande eines zu Eichstädt der Dialog: In gremio
matris residet sapientia patris \ Tu mihi nate pater et tu mihi filia mater. —
Auf einem spätmittelalterlichen der Othmarskirche zu Naumburg a. 8.:
Porto portantem omnia. Auf Bruchstücken zweier zu Regensburg gefundenen
Glaskelche im Bayr. Nat.-Mus. zu München : Tu es Chr. Fil Dei. Vivi und :
430 Inschriften auf Patenen, Sakramenthäuschen u. s. w.
Ave gracia plena etc. — Inschriften auf Patenen bezeichnen zuweilen die
Donatoren (z. B. zu Salzburg — s. S. 232 — gaudeat in vita He'mriciis
sirus et ita\ oder beziehen sich auf die zum Schmucke dienenden Gravierun-
gen (z. B. sehr ausführlich auf der Wiltener, S. 232) und auf das Abend-
mahlsbrot, z. B. auf der Bernwardspatene (s. oben S. 233, Fig. 85) das
Distichon :
Est corpus in sepanis qui frangitur in me
Vivet in etemnm qui bene sumit eum ;
auf einer anderen im Germ. Mus. zu Nürnberg:
En panis sacer et fidei laudahile munus
Omnibus omnis adest et sufficit otnnihus unus.
Auf der zu dem S. 224 erwähnten Kelche zu Werben gehörigen Patene
steht rings um ein Christusbild der Hexameter: Editvr hie Jhesvs etperma-
net integer esvs, und auf der zu dem Berliner Kelche gehörigen Patene
unter anderem : Mafia, laus tibi per omnia secuta , quia per incamati verbi
misterium nova mentis nre. oculis lux tue ctaritatis infulsit. — Auf dem Boden
der byzantinischen Weihbrotschttssel im Dome zu Halberstadt (s. S. 234)
stehen in 0,02 hohen griechischen Majuskeln ohne Wortabteilnng rings um
die figürlichen Darstellungen der Mitte die nach I Korinth. 11, 24undMatth.
26, 28 komponierten Worte der Einsetzung: Aaßere (pa^rare tovto iaiiv lo
aafda fiov t6 vnig v/iär xldfievor eig Sffsaiv afinQju'v,
g. An Sakramenthanschen zuweilen Anrufungen an die Hostie, auch
Notizen über die Einrichtung etc. An dem mit Engelgruppen verzierten
Tabernakel von 1505 zu Schwabach, ebenso zu Katzwang, Kalch-
reuth, an dem Wandtabernakel in Maria-Stiegen zu Wien und sonst häufig:
Ecce panis angelorum etc. (Anfang der Schlufsstrophe in der bekannten
Fronleichnams -Sequenz des Thomas Aquinas: Lauda Sion salvatorem). —
An dem ziemlich gleichzeitigen Sakramenthaus in der Nikolaikirche zu
Jüterbog: Satve tux mundi, verbumpatris, hostia vera Dei integra, quia
caro verus hämo; an dem im Dome zu Fürstenwalde von 1514 der Spruch
Ps. 25, 8 : Domine, dilexi etc. — An dem Tabernakel in der Elisabethkirche
zu Breslau: Ad gloriam et taudem di. anno domini M^cccclv hoc sacrarium
constructum est vivifici sacramenti corporis dommi nri Jhesu Christi et sancti
Laurencii et beate Elisabeth patronorum. — An der Bronzethür des Sakra-
mentschreins in St. Blasien zu Münden steht die Mahnung:
Quipreit et nescit, quid in hoc locvlo reqviescit
inclinet isti locvlo pro corpore cristi
und das deutsche Votum :
got mvte de/yle pleghe dy hirtu heft gehvlpe vnde gheiv.
Dieselbe Beziehung auf die Hostie haben Inschriften auf Monstranxen, z.B.
auf einer Monstranz zu Vreden: Si quis manducavit ex hoc pane, vivet in
aetemum. Auf den Zapfen des Nodus, ähnlich wie bei Kelchen die Buch-
staben der Namen Jhesvs oder Maria ; z. B. an einer vergoldeten Monstranz
zu Heiligenwalde (Kr. Königsberg i. Pr.) die Majuskeln: A. V. E. M.
A. R. — Ebenso verhält es sich mit den Ciborien. Vergl. die Inschrift an
dem zu Siegburg oben S. 237, N. 7. — Auf einem zu Brunn steht am
an Gefäfsen für h. öle, Weihwasserbecken u. Bisohofstäben. 43 1
Fufse : ego svm paniSy am Körper : hoc est corpiis Jesu christif am Deckel :
corpus dni nostrijesu.
h. Über die Bezeichnung der Ctofä&e for die h. Öle mit den Initialen
s. oben S. 261. Von den Regensburger Fläschchen (s. ebd.) hat das mit
0. S. bezeichnete für daa Chrisma die InBchrift:
Clauditur hiis trina vasis anime medicma
Sanctum chrisma sacrum decumbentumque lavacrum;
das Fläschchen für das Krankenöl die Bezeichnung 0. 1. und die Inschrift :
Hemrico fundas oleum quo crimina mundas
Et super instüla Petre qui tibi tradidit illüy
das Gefäfs für das Katechumenenöl die Bezeichnung 0. S. und die Inschrift :
Unccio purgandis iterumque deo generandis
De Roteneck nato sedisqtce tuo kathedrato.
i. Auf alten Weihwasserbecken in Frankreich und England (ob auch
irgendwo in Deutschland?) kommt das griechisclie Anagramm vor:
ISfmtONANOMHMAMHMONANO^flN
»Wasche die Sünde ab, nicht blofs das Antlitz«, dessen Ursprung in Byzanz
zu suchen ist, wo diese sinnreiche vor- und rückwärts zu lesende Inschrift
auf dem grofsen Weihwasserbecken im Vorhofe der h. Sophia geschrieben
stand.^ — Auf den Rändern der in Elfenbein geschnitzten vasa lustralia aus
der Ottonenzeit (s. oben S. 262) finden sich Verse, die sich auf die ausge-
zeichnete Bestimmung, den Donator und Verfertiger beziehen. Auf dem
oberen Rande des Mailänder Eimerchens steht das Distichon:
Vates Ambrosü Gotfredus dat tibi sancte
Vas vemente sacram spargendum Caesare h/mpham,
Erzb. Gottfried von Mailand 973—978 brachte also das Geföfs beiGelegen-
lieit eines Besuchs Kaiser Otto II. seiner Ambrosiuskirche als Geschenk dar.
Auf dem unteren Rande des nach England verkauften Gef^fses steht mit
Beziehung auf U Kön. 20, 6 das Distichon:
Auodt Ezechie ter quinos quipater annos
Otoni augusto plurima lustra legat
und der schon S. 413 angeführte Vers mit der griechischen Bezeichnung des
Bildners aliptes. Auf dem Aachener Gefäfse fand man bei Abnahme der
goldenen Schmuckbänder im J. 1863 den Namen Otto eingeritzt.
k. über Inschriften auf Bischofstaben ist schon S. 278 berichtet. An
dem des h. Utto zu Metten steht:
Quod dominus Petro Petrus tibi contulit Utto;
auf dem aus dem Grabe des Erzb. Anno von Köln zu Siegburg:
Tytyre cogepecus cecos ne ducito cecus
Moribus esto gravis rector fore disce suavis
Astu serpentis volucris tege simpla gementis
» Vergl. Zeitschr. f. ck A. u. K. I, 36. 232.
432 Inschriften an Choi*stühlon und Kanzeln,
mit Beziehung auf die in der Krümme befindliche Darstellung einer
Schlange die einen Vogel verschlingt. — Auf der Mitra in St. Peter zu
Salzburg steht:
Praevia Stella maris lapsis quaejure vocaris
Da cordi lumen verum cognoscere Numen
Ä me, Virgo pia^ triplices expelle Maria
Mostes atque veni me sacro flamine leni
Divinas laudes superans super aethera plaudes.
Um den in der Schatzkammer des Domes zu Köln befindlichen Stab für den
Vorsänger (s. S. 372), windet sich (nach De Noel, Dom zu Köln S. 112) in
Spiralen folgende Inschrift:
Sunt praecentorum baculus specialis et horumj
In manibtis quorum ferar in festis baculortim
Laus mea solempnis et erit mea fama perhennis.
In festis magnis renovanda quibuslibet annis,
HugOj decus cleri, virparcere nescius eri,
Me fieri fecit^ mejussit honore teneri.
Annus mülenus centenus septuagenus
Octavus Christi primtis baculo fuit üti,
1. An Chorstühlen oder über denselben in Klosterkirchen zuweilen aus-
führliche statistische Nachrichten über die Verbreitung des betreflTenden
Ordens z. B. in der (Franziskaner-) Klosterkirche in Berlin aus dem XV.
Jahrh. oder in der Nikolaikirche zu Neuröbel in Mecklenburg, wohin die
Stühle aus der ehemaligen Dominikaner- Klosterkirche geborgen sind: hier
auch die einzelnen Sitze mit Bezeichnung der Inhaber, z. B. : Hie est sedes
cantoris etc. ; ferner Sprüche, als : Non clamor sed amor sonat in aure dei;
und die Notiz: anno dni 1519 per me fratrem Urbanum Schuman. — An
den Chorstühlen des Domes in Merseburg: Jnno, dm. m^,cccc^jrlvp. [acte,
sunt, he, sedes, per. manvs. frutris. casperi, schokholcz, ordinis. pdicatorv. —
Die humoristische Inschrift zu Freising ist schon S. 287 mitgeteilt; S. 286,
N. 3 auch die Verse von dem Gestühl zu Landshut. In St. Leonhard zu
Basel steht an der südlichen Reihe : verfluoch ä die k(atzen die vorne lecken
und hinten kratzen) (dies Ende existiert nicht mehr), an der nördlichen:
ernst ob dem altar zucht in dem kor das ist unser labor. An dem Futterbrett
des nördl. Dreisitzes von etwa 1510 im Dome zu Merseburg:
Tet . lige . als . we . als . ste . trage.
So , wehilde , mannige . di Ivgen , in , seinem , krage.
Sage , war . an , alle , spot.
An dem Stuhle der Krämergilde in St. Nikolai zu Stralsund:
Dat ken kramer is de blief da buten
Oder ik schla em up de schnuten.
An Kanzeln sind im Mittelalter Inschriften aufser Stiftungsnotizen selten.
An der zu Rakoni tz in Böhmen von 1504 steht: Exiit qui seminat seminure
semen suum (Luc. 8, 5).
und Tau£steinen. 433
m. AnfTanftteinen, namentlich ans älterer Zeit, Sprüche, die sich auf
die Bedeutung der Taufe beziehen : z. B. auf dem alten Taufsteine im Dome
zu Merseburg:
HoSj deuSf etnunda qtws istic abhcit unda^
Fiat ut mterius^ guod fit et externes.
An dem angeblich aus dem XIII. Jahrb. herrührenden Taufkessel in der
Gotthardskirche zu Brandenburg a. d. H.: Abluo peccata^ do coeli gaudia
grata. — An dem Taufsteine in der Kirche zu Flötz bei Barby: Xpc. wart
gedoufi un, dri stunt he sauft m dem Jordane^ da wart ir sunt.^ An dem
Tanfsteine in der Kirche zuFreudenstadt, mit Beziehung auf das Relief
eines Hirsches, der eine Schlange ausspeit: Evomit infusum homo certms ah
angue venenum. An dem Taufkessel im Dome zu Osnabrück:
Qwmdo sacramentum fit aque simplex elementum
Verho virtutis Operator dona sahUis
Nam redit ad vitam novus et vetus interit Adam.
A. (jJ,
Wübemus Petre confert istut tibi danum
Utper te summumpossit habere honum.
Gerardus me fecit.
An dem Taufkessel im Dome zu Würzburg die Notizen, oben herum: Anno
incamacionis domini MCCLXIX regnante Rudolfo rege Romanorum anno
regni sui sexto et Bertholdo de Sterrenherg epo, ecclesie isthts anno pondift-
cafi sui quinto procurante Walthero plehano capellano ejusdem completum;
auf Spruchbändern : Hoc opus atme dei presul Küiane peregi. Eckardus
nomen michipax sit deprecor. Amen; und unter der Darstellung der Taufe
Christi: Äpi p. mar^ magistri Eckardi de Wormh. — An dem Taufkessel
von 1321 im Dome zu Salzburg: Sum vas ex aere factum peccata delere\
Per me fit sacri purgatio vera lavacri^ Purgatur totum quod sit haptismate
lotum. — Am Taufbecken der Marktkirche zu Hannover (nach 1400):
Asperges me dämme ysopo et emundahor^ lavahis me et super nwem dealha-
hör. Vidi aquam egredientem de templo a latere dextro altaris et omnes ad
quos pervenit aqua ista salvi facti suntj aus Ps. 51, 9 und Ezechiel 47, 1. 9
zusammengesetzt. An den Taufkesseln zu Altenbruch, Estebrügge und
Borstel: Qui baptizatur hoc sacro fönte lavatur. — Über Mariensprüche
auf Taufbecken s. oben S. 419. — Am Taufkessel der Marienkirche zu
Berlin von 1434:
Ik hete ene dope werliken
ik dine den armen also den riken.
Am Taufkessel der Petri- Paulikirche zu Görlitz: fFer nv czv hemyl welle
vaniy der sal sich myt der thvffe hewam. Auf dem Taufsteine von 1481 zu
St. Stephan in Wien steht der Spruch Marci 16, 15. 16: Ite in orbem Uni-
versum etc. — Auf jüngeren Taufsteinen häufig Nachrichten über Zeit der
Verfertigung; hier nur einige Beispiele deutscher Inschriften: an demTauf-
' Vergl. Wiggert, in N. Mitt. Th.-S. V. m. 4, 109.
Otte, Ranst- Archäologie. 5. Aafl. 28
134 Inschriften auf Taufetemen und Taufschüsaeln.
kesBel in der Hsrienkirche zn Parchim: Leven lüde wettet, dat mest. heni.
ffud did vad.^ Anna dm 1365 ; ad dem Tanfkessel in der Ulrichakirche lu
S&ngerhausen: Nach gotes gebort drizenhunderl jar an demnuon vnd
sechzigesten von gnade herczoge magni des jungem v5 brunstv* vn erbeüder
heysen cendner im Heyne becker und darnnter in einer besonderen Zeile die
Worte: alter lute.' Die zn TangermUnde b. S. 412, Anf dem oben ge-
nannten Brandenburger Eeseel steht noch die zweite Zeile Obiit . Eb/za-
beth . XI . Kl . Septebis, wonach derselbe eine Hemorlenstiflnng zn sein
scheint. Ganz ohne Beziehung anf den Tanfstein selbst ist die historische
Inschrift an dem zu Freckenhorst (9.416). — Auf der Patetuchäsael zu
Weimar (s. oben S. 304, N. 2) steht:
Caesar et Augustus hec Ottoni Fridericus
Munera patrmo contulit, ille deo.
Quem lavat unda foris, hominis memor mteriorii
Ut sis, quod non es, ablue terge, guod es.
n. AufTan&ohtueln. Zu unverdienter Berühmtheit gelangt sind wegen
ihrer, wie es scheint, gesuchten Rätselhaftigkeit die Inschriften auf den
S. 321 Anmerk. erwAhnten, dem XV. bis XVII. Jahrh. entstammenden, weit
verbreiteten UessingschOsseln. Gewöhnlich haben dieselben zwei ringsum
laufende Legenden, welche in der Regel fünfmal dieselbe kurze, meist un-
erklärliche, Formel wiederholen; im Aufsern Umkreis Majuskeln, im innem
verschnörkelte Minuskeln, z. B. EH (Variante ICH) BART ALLZEIT GELUK
(diese ohne Zweifel nrsprQnglich Uochzeitsscbtlsseln, s. oben S. 322). — VAN
ALLEN SCHRIFTII\'REN HET SLODT NYT SONDER GODT. — RAHE
WISHNBI. — GHSEAL . REKOR . DE . N (ho ist diese Legende nach genauer
Untersuchung der Stempel zn gruppieren, aber mit mannigfachen Varianten;
vielleicht zn lesen ik scal re/conlen =^ souvenir). Am meisten Kopfzerbrechen
hat die um den innem Rand lanfende Legende aus 7, in der Regel wie in
Fig. 229 gruppierten (aber vielfach variierten) Zeichen gemacht. Sie als
' Auch Glocken heifsen »Fafe (pos)- z. B. auf einer Glocke der ülrichskirohe zu
ingerhausen; Anno domini m.ceee. wart dit vas gemadit.
' Daher zweifelhaft ist, ob diose Namen wirklich die Giofeer oder oicUt vielmehr
e beiden Alterleate (B. oben S. 421) bezeichnen.
Grabsch^iften. 435
MLvtHEr zu deuten, ist vielleicht nicht ganz so willkürlich wie die anderen
bisherigen Dentongsversuche. ^
0. Grabschriften ^ bilden die grofse Mehrzahl der Inschriften in den
Kirchen. Sie haben poetische oder prosaische Form und beziehen sich auf
den Verstorbenen. Gewöhnlich sind sie auf den Leichensteinen ringsum
laufend' angebracht und enthalten eine kurze Angabe über Namen, Stand
und Todestag des Verstorbenen. In den ältesten mittelalterlichen Grab-
schriften fehlt regelmäfsig die Angabe des Todesjahres, da nicht dieses, son-
dern wegen der kirchlichen Anniversarien, nur der Todestag von Wichtig-
keit erschien. Wenn eine Grabschrift das Todesjahr eines Verstorbenen
enthält, ohne Angabe des Todestages (wie dies z. B. der Fall ist auf dem
Hochgrabe des Dompropstes Johann Semeca im Dome zu Halberstadt, wo
es heifst: Anno D, Mülesmo CCXLV ohitt; oder auf der Tumba der Kaise-
rin Editha im Dome zu Magdeburg, wo steht: . . . obüt anno Christi
DCCCCXLVII; oder im Dome zu Mainz auf dem Grabmale der Fastra-
dana, wo es naiver Weise heifst:
Anno sepängentesimo nonagesimo quarto^
Quem numerum metro claudere nmsa negatj
so ist die nicht gleichzeitige Entstehung derselben schon dadurch aufser
Zweifel.^ Das blofse Fehlen der Jahreszahl verbürgt indes für sich allein
noch keineswegs die Ursprünglichkeit einer Grabschrift, da die Erneuerung
in einer frühen Zeit geschehen sein kann, wo man auf Hinzufügung des
Todesjahres entweder noch kein Gewicht legte, oder in einer späteren Zeit,
wo man dasselbe nicht mehr kannte. In manchen alten poetischen Grab-
schriften fehlt jede Zeitbestimmung und bei berühmten Personen selbst der
Name des Verstorbenen. — Grabschriften auf solchen spätmittelalterlichen
Denkmälern, die schon bei Lebzeiten der Verstorbenen verfertigt wurden,
erkennt man oft (z. B. auf mehreren von P. Vischer gegossenen Epitaphien)
an den offenbar später und von ungeschickter Hand hinzugefügten Zeitbe-
stimmungen, für welche ursprünglich ein, gewöhnlich überflüssig grofser
Raum leer gelassen war; häufig vergafs man auch die Nachtragung des
Todestages, und der gelassene Raum blieb unausgefüllt. Letzteres ist z. B.
der Fall auf der Steintumba der Gräfin Elisabeth von Nassau in der Kirche
zu St. Arnual, wo sich findet . ... die gestorben ist in den jaren vnsers
Herren M , cccc^ des dages des mandes . —
» Vergl. Förstemann, E. G., in N. Mitt. Th.-S. V. V. S, 143. VI. 4, 154. Die
ältere litteratur im Anz. G. M. 1853, 16. 1861, 318. — Gautsch, in den Mitt. des
Freiberger Alt.-V. Heft 10 (1873), 896 ff. und Wetzel, in den Halt. Stud. XXVm,
183 ff. nahen durch neue Deutungsversuche die Sache zu keiner Wahrscheinlichkeit ge-
fördert. Gleichwohl ist auch die Annahme von A. Schultz, in Schlesiens Vorzeit in
B. u. Sehr, ni, 179, dafö die Legende nur eine Imitation orientalisoher Inschriften
ohne alle Bedeutung sei, wenig wäirscheinlich.
* Vergl. Engelhard, zur Gesch. d. ehr. Grabschriften; 2. die Zeit von Konstan-
tin bis zur Reformation, im Chr. K.-B1. 1868, No. 4—10; 1869, No. 2.
3 In späterer Zeit auch mehrzeilig unterhalb der bildlichen Darstellungen, oder die
Figuren der Versterbenen halten sie auf grofsen Tafeln vor ihrem Körper, s. oben S. 343.
^ Vergl. S. 408, sub X.
28*
436 Grabschriften.
Beispiele von Grabschriften verschiedener Form:
1) In Prosa. Über dem Grabe Karls des Grofsen in Aachen trug (nach
Einhard; v. C. M. c. 31) ein vergoldeter Bogen die Inschrift: Sub hoc con-
ditorio situm est corptis CaroUmcLgniaiqneorthodoxiimperatoris, quiregnum
Francorum nobiliter ampliavU et per annos XL VII feliciter tenuit^ decessit
septuagenarius anno DnL DCCCXIJII indicUone VIL V Kalendas Fehruarii.
Die Vollständigkeit in den biographischen Angaben dieser Inschrift erscheint
durch die Bedeutung des Verstorbenen begründet. — Auf den S. 345 er-
wähnten sehr alten Gedächtnissteinen in Bonn sind die Inschriften auf das
geringste Mafs beschränkt; vergl. Fig. 138: Ohüt VL Id. Fehr, Godescalc.
d(iaconus?); auf einem anderen derselben steht auf dem Kreuze: Ohüt h'.
t Octbr. Remigh vidua iaica, und aufserdem auf dem Rande die Stelle I Joli.
4, 7: Düigamus nos invicem quia caritas ex deo est et omnis qtii diligit ex
,deo natus est. — Auf dem ebenda erwähnten Steine von 938 in Fulda:
//. Non. Januarü oh. Meginbraht diaconus immo ... — Auf dem Sargdeckel
der Königin Mathilde , Gemahlin K. Heinrichs L, t 958 im Münster zu Qued-
linburg las man: //. Idiis Mar. ohüt regma MathUdis^ quae et hie requies-
dt, cujm anima obtineat aefemam reqtiiem. — Auf dem S. 345 erwähn-
ten Steine in Mainz steht rings um eine aus 10 Versen bestehende Für-
bitte: t Anno incamationis dorn, mül XLVIII. indict. XV V Id. Aug. Wig-
nandus felicis memorie pps. migrav. adXpm. — Die Inschrift auf dem S. 338,
Fig. 132 abgebildeten Leichensteine in Naumburg lautet: t Anno. in. cama-
tionis. dominice. M. C. XX V. indictiöe.III. Id9. Apt.o. pie. memorie. Ritvin'^.
Nvenbgn. ep-c. — Auf der Grabplatte des Bischofs Yso zu Verden: Anno
incama : dm. MCCXXXI nonas Augusti feliciter ohüt Fso Wilpe natus Ver-
densis XXXIus annis XXVI — I prefuit epc, hunc S. Andree conventum
instituit Verdam primtis muniv^U advocatia civitatis et super bona fratrum
iibavit Patrimonium Westene quingentis marcis et amplius emptum. S. Marie
obtulit. — Auf K. Rudolf von Habsburg im Dome zu Spei er: Rvdolfus de
Hahtsburg Romanorum rex anno regni suo XVIII. o' anno dni. MCCXCP
Mense JuUo in die divisianis apostolorum. — VomXIV. Jahrh. an finden sich
Grabschriften fast überall häufig, und fast regelmäfsig ist seit urchristlicher
Zeit der Zusatz: cuius anima requiescat^ inpace: Varianten: anima ejus etc.
oder ejus anima (1412); in pace ihn xpi req. (1379); in sanctissima pace
cum Omnibus ^i^ (1492); m sancta pace (1498); in refrigerio lucis acpacis
r. (1513); cujus anima per piam misericordiam dei r. i. p. (1368) oder i. p.
perpetua (1375); ct^/us anima requiescat feUciter (1480); cujus anima et
corpus req. i. p. (1510); ctg'us memoria ajmd superos sU in henedictione
(1365): ctJ^u^ anima deo vivat(1436); ctgus spiritum in reqtäe foveat domi-
nus (1506). Nicht so häufig ist die Schlufsformel : custodiat nos cristus
(1391); orate deum pro eo (1463); pro anima ejus (1349). Oder: deus
misereatur nostri (1407); miseremini meij miseremini mei sattem vos o amici
(1390); ausführlicher: omnes Christi pro me domini flagitate graciam^ vere
nunc Christe mei miserere (1393) oder auch in Versen: 0 Jesu vere tui nu7ic
* Über die Formel requieseü in pace vergl. Piper. Myth. I, 354, N. 4. Die
Form mit dem Koi^unktiv requieacat ist specifisch mittelalterlich; die altchristlichen
imd auch die merovingischen haben durchgehends den Indikativ; vergl. Kraus, F. X.,
im Jahrb. d. Preufs. Eunstsamml. I, 227.
Grabschriften. 437-
famuli nuserere | Et scUva ab im per tua tmlnera dria (? 1460). Oder: sepul-
tus in reqvie et maneat sine fine (1331). Anfangsformeln, wie hie jacet
(1375), hie in dominoquie/cit (147 4:) kommen selten vor. Eine schöne, aber
schon von ganz anderem Geiste erfüllte Form zu Freising: Anno domini
MDXXXV deswt inter homines esse venerabüis vir N, N.y cuius animam tulit
deus, camem morbus^ ossa hie reeondita. — Die einfachste Form der Grab-
schriften in deutscher Sprache, z.B. im Dome zu Merseburg: Anno domini
mcccclxxxxv. am heiligen ehristtage ist verschieden der gestrenge vnd veste
erhard van stammer; hie begraben; dem got gnade. Andere Schlufsformeln:
dem (der) got gnädig sei; bittet got vor dy sele; der leib hie ruet^ die sei in
got lebet; got geh ihm die ewig ruw (1382); wilch sele sint in dem ewigen
lebene (XIV. Jahrh. von zwei Geschwistern) der sele zine sie gnedig godt ane
pine(H22)] der seien got genedigsy (1469) \ der seien got almechtigbarmhert-
zig sin wolle ({472). Auf einem Grabsteine von 1468 in der Frauenkirche zu
Frankfurt a. M. : Mentsch lacsz von dersunden etc. — Eine niederdeutsche,
undatierte und schwer zu entziffernde Minuskelschrift auf einem aufserdem
nur mit einer fttnf blätterigen Rose bezeichneten Steine zu Stralsund lautet:
got. wes my appenbar. sunder. gnedich u.
barmhartych u-
me dines hitterliken dotes willen, un wes
du allen sundem
gnedich alse my
krisle Jesu amen
hans sten.
Auf österreichischen Grabsteinen des XYI. Jahrh. findet sich häufig das auch
im Wiener Heiligtumsbuche von 1502 und 1514 beim Wappen des Todes
vorkommende, im Sinne der Totentänze gemeinte Motto: All hernach y anch
auf der Grabtafel des Kardinals Albrecht von 1540 im Dome zu Mainz;
auf der des Walther von Kronenberg zu Mergentheim mit der Variante:
Mit der zeit all hernach. Auf dem Grabsteine zu Hamburg (s. oben S. 392,
Nr. 31) ähnlich : Ick för, du na.
2) In Versen. Auf dem Grabe Otto's des Grofsen (t 973) im Dome zu
Magdeburg soll früher gestanden haben:
Tres luctus catisae sunt hoc süb marmore clausae:
ReXj decus ecclesiae, summus honor patriae.
Auf dem älteren Leichensteine B. Bernwards von Hildesheim (f 1022) in
der dortigen Michaeliskirche stehen die von ihm selbst gesetzten Distichen :
Pars hominis Bemwardus eram nunc claudor in isto
Sarcophago diro vilis et ecce cinis
Proh dolor o/ficii culmen qtäa non bene gesst
Sit piapax animae vos et amen canite.
Auf dem Grabsteine Bischofs Günther (t 1066) im Dome zu Bamberg (ob
gleichzeitig?):
Presul Guntherusy ut cum donisprece clerus
A^'uvety hortatur, cui multa dedisse probatur.
438 Grabschriften.
Auf der Grabplatte Rudolfs von Schwaben (t 1080)imDome znMersebnrg:
Rex hoc Rodulfus patrum pro legeperemptus,
Piorandus merito^ conditur in tumulo.
Rex Uli simüis^ si regnet tempore pacis j
ConsiiiOj gladio non fuit a Karolo,
Qua vicere sui ruü hie sacra victima belli; *
Mors sibi vita fuit^ ecclesiae cecidit.
Auf einem Grabsteine in St. Georg zu Köln aus der 1. Hälfte des XII. Jahrb. :
Quisquis es in mta^ gerne; mortis enim via, trita
phrnlmsy acta müUj restat agenda tibi.
Et miserendo meiprece confer opem reqiäei,
Peccator Widecho clandor in hoc tumulo.
Jus in amore sacrum tribuit mihi gratia fratrumj
pauca qtäbiis dederam, plurima debueram
Jam ter qutnque diesjanus numeravit euntes
quod vitale fuitj cum caro deposuit.
Auf dem Sarkophage des Bischofs Adelog (1190) zu Hildesheim:
Gloria forma decus mundana probaöiUs altum
Transit marcet abit, hec modo clamo tacens:
Orate pro me.
Auf dem Grabsteine B. Otto'sII. (t 1196) im Dome zu Bamberg (ob gleich*
zeitig?):
Otto presul eram ; requiem, pacem michi veram
Fratres optate^precor, ore manuque ßwate.
Auf dem Grabsteine der Äbtissin Agnes (t 1203) in der Schlofskirche zu
Quedlinburg:
Spiritus Agnetis teneat loca certa quietis,
Nil perhorrescaty placida sedpace quiescat.
Auf dem Steine einer ungenannten Äbtissin des XIH. Jahrh. ebendaselbst :
Qui transis ceme quid eram quid sim vaga speme
Mundi namque levis sie transit gloria quevis.
Auf der Platte Erzbischofs Eonrad (f 1277) im Dome zu Magdeburg:
Octava decima Febnü redeunte Kalenda
Quem deus ascivit presul venerandus obivit.
Auf dem Grabsteine des Walter von Amstein (t 1279) zu Leitzkau:
Si quis ades, qui morte cades, sta^ respice^plora.
Sumj quod eris; quod es, ante fuu Pro me, precor, ora.
Die Sentenz des zweiten Verses findet sich vielfach , auch mit mancherlei
Varianten: z. B.: quod sumus, hoc eritis; fumus quandoquey quod estis,
' Buchstabenfol^ und Versmals gestatten zwar auch die Lesung Qua vice res
viruü, hie saera victima belli, doch wäre dies gegen den Reim, daher nicht wahr-
scheinlich.
Grabschhften. 439
oder auf einer Messingplatte im Dome zu Naumburg a. S. aus dem XVI.
Jahrh. neben einem halb verwesten Leichname: Id quod suntj tu eris; quod
tu eSj ego fui; auch deutsch, z. B. neben dem Wandbilde eines Skeletts zu
Flierich, Kr. Hamm:
Welk edle figure !
Ik was ok dine nature.
Bedenk 0 mensch op der erden:
Watt ik bin, most du werden.
Auf einem Grabsteine mit dem Wappen des schon im XIV, Jahrh. ausgestor-
benen Geschlechts v. Herbsleben in der Kirche zu Volkenroda im Gotha-
ischen :
Hicjaceo funus victurorum tarnen unus
Quod mihi nunc tibi cras nan te saJvabit Ipocras (Hippocrates = medicus).
Auf dem Grabsteine des Bischofs Dietrich von Schulenburg (f 1393) im Dome
zu Brandenburg aufser den historischen Daten in Prosa:
In celis ocpe tecum sit episcopus iste
qui quando vixit laudum tibi carmina dixiU
Auf dem Hochgrabe des Landgrafen Ludwig des Friedfertigen von Hessen
(t 1458) in St. Elisabeth zu Marburg aus dem J. ^471 :
Inclitus ludewicus pius universis pudicus
Hoc clauditur archa cephas^ hassieque monarcha.
Anthonii festo migraty ejus memor esto.
Celestipalme vacet isper te, dem alme.
Auf der Messingplatte des Pastors Mag. Ulrich Rispach (t 1488) in St. Mar-
tin zu Stolberg wieder in reimlosen Hexametern und mit humanistischen
Anklängen :
Hicjacet Ulricus sub saxo clams, amicus
Cleris etplebis Stolberg totiusj alumnus
Martini, cultor sophie, fidus amellus.
Mater virginea, que raptum scLlvat in arnne.
Festinet misero misereri virgo beata.
In 'deutschen Versen:
Auf dem Grabsteine des 1349 wahrscheinlich an Gift gestorbenen römischen
Königs Günther von Schwarzburg im Dome zu Frankfurt a. M.:
falsch undrawe schände czymt,
des stede drowe schaden nymt.
undrowe nam gewinnes hart,
undrowe falsch mit giftes wort.
Dieser sinnigen Grabschrift mögen zwei andere folgen, welche v. Rado-
witz (Gesammelte Schriften; I, 405) wegen ihres dichterischen Wertes
^ Cephas — xr^ipaq, mit Beziehung auf Joh. 1, 48.
440 Grabschriften.
hervorhebt: auf Adolf L v. d. Mark (t 1448) im Karthäuserkloster zu
Wesel:
Stfn nyn was nyn gerechäg
Synja was ja vollmächtig
Hey was sirisja gedächtig
Sin grondt syn mondt einträchtig etc.
und auf den Magister Martinus von Biberach zu Heilsbronn aus dem Ende
des XV. Jahrhunderts :
Ich lebj weiss nit wie lang^
Ich stirb und weiss nit wann^
Ich fahr, weiss nit wohin ,
Mich wundert j dass ich froelich bin.
3) KoUektiy-Grabsoliriften. Auf ganze Geschlechter, z. B. in der Klo-
sterkirche zu Wil bering in Österreich ob der Enns, vermutlich aus dem
Anfang des XIV. Jahrhunderts :
Hie ligt von Schownberch daz gesiecht,
Dem gib urstend Christ mit reht,
Das si se deiner sezwen hend
Sich ewichleiche vrowen an end.
Auf dem Hochgrabe Herzogs Friedrich I. von Schwaben in der Klosterkirche
zu Lorch:
Anno Dni MCIIjar ward diss closter gestift
Hie lit begraben herzog Friedrich von swabn.
Er und siin Kind diess closters stiffter sind.
Sin nachkümmling ligent och hie by, Gott in allen gnadig sy.
Gemacht im 1475.
Originell ist die Inschrift auf dem Denkmal des Grafen Friedrich 11. von
HohenzoUern (t 1512) zu Hechingen, in welcher dieser sich selbstredend
einführt:
Ich Yttel Friedrich Grave zu Zoller geboren
Des heylige Römischen reichs erbkamer erkom
Ward ich bey kunig Maximilian.
Als sein hoffmoxster im allzeit unterthan
Unnd haubtmä des hohenberger landt.
Het ich im widerkawff zw vnterpfandt
Vnnd dartzw dye herschaft haigerlich erblich
Mit meinem h^der pischoff Friedrich (von Augsburg t 1505)
Macht ich dysen stift vnser seel zw haill.
Ein margrafin euch ward mir zw tayll
Von brandenburg des kurfürstlichen Stammes,
Fünf töchtem vn sez sun hetten wir zusammen
Vnnd ligen hye tod
Gott helff tmns aus aller nott.
Auf den Denksteinen von Erbgrüften bürgerlicher Geschlechter (oben S. 336) :
N. N. s erven gehören mit iho dissen sten, oder kamen mit tho dissen sten.
Grabschrüten. 441
Auf Eheleute: Ih der Nikolaikirche zu Zerbst: Anno dm. mccecxxxü. . .
obytpeter garbrader et uxsor sua katerinaj cmus anitne requiescunt inpace.
amen. — Auf dem oben S. 414, N. 2 erwähnten Epitaphium des Gräflichen
Ehepaars zu Wernigerode von 1429 steht auf dem Spruchband des Gatten:
tves VHS barmherfig here und auf dem der Gattin : des begere rve vö Herten sere.
Auf dem Grabsteine, welchen Hans von Dömberg seiner zweiten Gemahlin
Luckel von Hatzfeld (t 1497) in St. Elisabeth zu Marburg errichten liefs,
steht auf einem Messingmedaillon in der Mitte der Nachruf:
vnd.ich . Hans, folgen . hernach . want.got . tvyl ,
en . syn . gebot .der . sele . der . almecJUig . got . gnedig .syn .wyl .
der sich auch auf dem Steine seiner ersten 1481 gest. Gemahlin angebracht findet.
— Auf eine Mutter mit ihren Kindern : Anno dm mcccciv xiv die mens, Augtisti
obiit nobilis dna lucarf de Eppesten cmtissa reni et godfrid^ comes reni et
lucarf eP Kberi qr aie requescat in pace amen. * — Auf zwei Brüder : zu
Viktring aus dem XIII. Jahrb.: Heidenricus et Albertus de Heilec. Hie ger-
manorum requiescunt ossa duorum Dimodis uxor sua. — Auf Geschwister : in
der Klosterkirche zu Doberan aus dem XV. Jahrhundert: Hicjacet devota
dna helenajuxta fratrem suum sepulta; sicut in vita dilexerunt se^ ita et in
morte non suntseparati, quorum anime r. i. p. amen. — Auf dem gemeinsamen
Denkmale der im XIV. Jahrb. in einem Zeiträume von 12 Tagen einander
im Tode vereinten fürstlichen Geschwister Heinrich und Elisabeth von Hes-
sen in St. Elisabeth zu Marburg hält der Bruder ein Spruchband mit den
Worten: god erbarme dich über michj die Schwester eben ein solches mit
dem dazu passenden Reime : br(uder) des begere auch ich. — An der Kirche
auf dem Petersberge zu Erfurt neben einer in den Stein gehauenen Hand,
welche nach der vermutlichen Begräbnisstätte hinzudeuten scheint: Anno
dni. mccclxxii orta est pesthilencia et facta est hec magna fovea^ in qua
sunt sepulte tres sexagene et quindecim mortui. . . . r. i. p. Amen. — In der
Kirchhofsmauer zuKuenringin Niederösterreich befindet sich eine (jetzt
vermauerte) Flachbogennische zum Begräbnis ungetaufter Kinder, mit der
Inschrift: non baptisati.
Anmerkung. Es giebt eine Anzahl skurriler Grabschriften in nie-
derdeutscher Mundart, über deren Alter zwar nichts verlautet, die aber doch
wohl dem XVU. Jahrh. angehören dürften: für Liebhaber von Kuriositäten
mögen zwei der berüchtigsten hier Platz finden : In der Bülowenkapelle an der
Klosterkirche zu Doberan steht auf einem backofenförmigen Grabgewölbe der
Familie von Müller, früher schon in moderner Schrift und bei der neusten
Restauration der Kapelle nochmals übermalt:
Wieck Düfel wiecky wieck wiet van my^
Ick scheer mie nig een Hdhr um die.
Ick bün ein Meckelbörgsch Edelmann ^
Wat geit die Düfel mien Supen an.
^ Eine Abbildung dieses Denkmals (ohne Angabe des Ortes, wo es sich vorfindet)
in Kopps Schriftproben.
442 Glockeninschriften.
Ick sup mit mienen Herrn Jesu Christ j
Wenn du Düfel ewig dösten müst^
Un drinck mit öm söet Kolleschahlj
Wenn du sitzt in der Hellenquahl.
Drum rahd ick: wieck, loopj rönn un gcLhj
Efft bey dem Düfel ick to schiah. *
Auf dem Grabsteine des Bflrgermeisters Kerkering in der Marienkirche zu
Lübeck kniet der Verstorbene (mit merkwürdig krummen Beinen) vor einem
mit Schafen umgebenen Kruzifix, und darunter steht:
Hier leit der Bargemeister Kerkering y
De so scheef up den Voten ging,
0 Herj mak öm de Schinken liek^
Und help öm in dyn Hemlrik.
Du nimmst dy ja de Schape anj
Lat doch den Bück ok mede gan,^
p. Glookeninschriften' laufen gewöhnlich in einer Zeile rings um den
Kranz oder um die Haube der Glocken : oben auf der Haube (wie auf einer
Glocke von St. Katharinen zu Brandenburg von 1345, auf der gröfsten
Glocke im Kloster Zinna von 1491 und auf einer noch jüngeren zu Lau-
benheim bei Kreuznach) oder innerhalb der Glocken (wie in einer Glocke
der Nikolaikirche zu Jüterbog) findet man selten Schrift. In den Inschrif-
ten werden sehr gewöhnlich die unartikulierten Glockenklänge in Reden
persönlicher Wesen umgedeutet; es sind a) Sprüche, die sich auf die Be-
stimmung der Glocken beziehen, meist in Versen; ß) Bibelstellen und Ge-
betsformeln ; z) Notizen über Entstehungszeit und Giefser, Donatoren etc.
der Glocken. Beispiele beliebter oder sonst bemerkenswerter In-
schriften: a) Sprüche, die sich auf die Bestimmung der Glocken beziehen:
* Diese Inschrift war früher illustriert durch einen über der Eapellenthür auf die
TVand gemalten »Kerl mit der Keule«, der dem Teufel zurief:
Sta un hör
Van aer Döer.
Yorgl. Lisch, G. C. F., Blätter zur Gesch. der Kirchen zu Doberan und Althof. 1854, 69 f.
* Kinde rlin^, Gesch. der Niedersächs. Sprache, 160. — Auf dem S. S92 und 437
erwähnten Grabsteine zu Hamburg steht mit Beziehung auf das Bild des den Dudel-
sack spielenden Esels:
De weit heft sich umekert
Darutne so hel^ üc arme eesel pipen ghelert.
' Yergl. Otte, Glockenkunde, 79 — 85. — E., Glockeninschriften als Zeugen kirch-
lichen Glaubens, im Chr. K.-Bl. 1866, No. 10 — 12. — Lobe, Beitr. zu d. Gl.-Inschrr.
in d. Mitt. der Gesch. etc. Ges. des Osterlandes. YII, 2. Altenburg 1869. — Sulz-
b erger, Samml. aller Thurgauischen Gl.-Inschrr., in Thurg. Beitr. Heft 13. Frauen-
feld 1872. — Voges, M.-A. Gl.-Inschrr. aus d. Herzogt. Braunschweig, im Anz. G.-M.
1876, No. 7. — Nuschele u. Usteri, die Inschrr. u. Gie&er der Gl. im Kant. SchaflP-
hausen, in Beitr. z. Yaterl. Gesch. 4. Heft. Schaifh. 1878. — Dieselb., Gl. -Inschrr.
im reform. Teile des Kant. Bern, im Archiv d. bist. V. d. Kant B. X, 3. 1882. —
Faksimilierte Glockeninschriften aus Merseburg u. TJmge^nd in M^uskeln, in der
Zeitschr. f. eh. A. u. K. I, 82 u. U, 37; aus dem Luxemburgischen in Minuskeln, in
den Publications de la societe pour la recherche etc. des monuments ä Luxembourg
(1858), p. 123 et 4 PL; aus dem Hannoverschen bei Mithoff; aus dem Mansfeldischen
in Majuskeln, in der Zeitschr. des Harzvereins. XI (1878), 26—46, mit 3 Taff.
Glockeninschriften. 443
Defunctos plangoy vivos voco, fvlgwrafrango (Varianten z. B. SahhaJtapango^
funera plango y noocia frango; excito lentosj paco cruentosy dissipo ventos;
oder: Laudo deum verum ^ plehem vocOj congrego clerum; defunctos ploro,
pestem fugo^ festa decoro; oder: Nuncio festa^ metunif nova quaedamy
flebile lethum; oder: Aes haec campana nunquam denuncio vana^ Bellum
vel festum, flammam vel funus honestum; oder: Sum dtäcisona^ fleo mortuüj
pello nocivQj frango tonitruay fugo demoma^ vocor maria; oder: 0 cives
rite, cum pulsor, ad arma venite, Grando nocens absit, ubicunque sonus
meus assit. — Sit tempestatum per me genus omne fugatum; oder : Consona
campana depellat singula vana, — Vox mea, vox vitaej voco vos ad sacra,
venite. — Deutsch zu Gräfin au im Rudolstädtischen 1512 : Gloriosa heis
ich, di hochczeitlichen fest di beleut ich, die schedlichen tveter vortreib ich
und di toten bewein ich, marx rosenberijger) der gos mich, oder auf einer
jetzt umgegossenen Glocke von 1491 im Luxemburgischen: Maria heisen
ich, al busi weiter verdriven ich, clais van celnemach gaus mich; oder zu
Süggerath im Kr. Geilenkirchen: Maria heisse ick, de leude roepe ick, de
doden beschrien ick, de weder verdriven ick 1477; oder in 8t. Gottbard zu
Brandenburg: Mi heft ghegathen meister^ennigk van peine, de doden
bewerte ik grot unde deine, de levendeghen rope ik to gades denste vnde eren,
blixem donre helpe ik afkeren. Anno dni mcccclvi laus tibi christe t. e. —
ff^er got söge, der cume wen ic rophe. Zuweilen beziehen sich die Inschrif-
ten mehrerer ursprünglich zusammen angeschafften Glocken einer Kirche
auf einander ; dies ist der Fall mit den beiden grofsen Glocken des Domes
zu Merseburg, welche ursprünglich ein Geschenk K. Heinrichs II. gewesen
sein sollen, deren gröfsere indes später dem daran befindlichen Bischofs-
siegel zufolge unter Heinrich von Ammendorf (1284 — 1300) wieder umge-
gossen wurde, augenscheinlich jedoch mit Beibehaltung der alten Inschrift:
Dum Benedicta sonat, sit in las benedictio signis; auf der anderen steht :
Sit dum Clinsa sonat turbo procul hostis et ignis. Ähnlich verhält es sich mit
den Inschriften dialogischer Form auf zwei Glocken des Domes von Min-
den, wo auf der einen steht:
Devotis populis resonet pelo vox tua dulcis
0 dilecia soror nee resonere moror
Vere dei munus quod nos ambas creat unus
Annus si legeris notat nunc sculptura sororis
und auf der gleichzeitigen Schwester :
Ora pro populo dum sono virgo pia
Ecce sub hoc fitulo tua dicor sancta Maria
A nato Xpo. felix creor ere sub isto
MUlenis annis trecentis sex numeratis. *
Wohl ohne weiteres Beispiel war die auf einer 1717 durch Feuer zu Grunde
gegangenen Glocke des Domes zu Erfurt befindliche Inschrift, in welcher
des harmonischen Klangverhältnisses specieü gedacht ist, in dem diese
Glocke mit zwei andern desselben Geläutes stand, von denen die eine, die
» Vergl. J. M. Kratz, im Org. f. ehr. K. 1957, 199.
444 Glockeninschriften.
berühmte grofse Glocke auf dem Dome^ die andere (der Schreier genannt)
auf der dicht benachbarten Severikirche noch vorhanden ist:
Arte Campensis canimus Gerhardt
Tres deo trino: en ego soi, Gloriosa ut,
Mt sed Osarma; plenum sie diapente.
Anno dorn. MCCCCXCVIL »
In unbestimmterer Weise nimmt auf Gröfsen- und Ton Verhältnis des daneben
hängenden von denselben Meistern gleichzeitig gegossenen Salvator die Maria
der Katharinenkirche zu Brandenburg Bezug:
Inferior nato veluti sum laude Maria
IlUm et nostrum sie sonus eruperat
Wilhelmus et Ja/par Moer fratres me feceruni aimo domini 1515.
Dieser (mehrfach umgegossene) Salvator bezieht sich in der ersten Zeile
seiner Inschrift auch auf die mit ihm vorgenommene Weihe :
Salvator dicor, cum sacro chrismate inundor.
Auf die verschiedene Weise des Läutens zu verschiedenen Zwecken (zum
Osanna einmaliger, zum Ave dreimaliger Anschlag), bezieht sich die ebeu
erwähnte Osanna zu Erfurt:
In Christi laude supplex Erfordia gaude^
Et fer y^Osanna^ pium, sibi quando perfero pulsum,
Sed cum ter reboOypie christiferam ter aveto,
ß) Bibelstellen : Procul est dominus impiis et preces justortum exaudit (Pro-
verb. 15, 29). — Clamaj ne cesses, exalta vocem tuam sicut tuba (Jes. 58,
1). — Laudate dominum in cymbalis bene sonantibus (Ps. 150, 5). — In
principio erat verbum et verbum erat apud deum (Job. 1,1). — Verbum
coro factum est et habitavit in nobis (Job. 1 , 14). — Gloria in excelsis deo
et in terra pax, hominibus etc. (Luc. 2, 14). — Ave Maria f graciaplena,
dominus tecum (Luc. 1, 28), mit Beziehung auf die Abendbetglocke; Agnus
deij qui tollis peccata mündig miserere nobis , mit Beziehung auf die Mefs-
glpcke etc. Unter den Gebetsformeln ist die beliebteste : 0 rex glorie christe
veni cum pace. Diese Inschrift findet sich zwar schon seit dem XIII. Jahrb.
(z. B. auf datierten Glocken des Münsters zu Freiburg i. B. von 1258 bis
1281, der Pfarrkirche zu Sinzig von 1299); aber erst im Laufe des XV.
Jahrb., als das sogen, »pro pace Schlagen« nach der Betglocke üblich wurde,
kommt sie so sehr in Aufnahme, dafs sie in manchen Gegenden fast auf
sämtlichen im letzten Viertel des XV. Jahrb. gegossenen Glocken steht, mit
folgenden Varianten : 0 rex glorie veni cum pace (noch in Mi^juskeln) ; o rex
eterne glorie etc. (1489).... ymi nobis cum pace (1476) oder cum sancta
fidelissima tua pace (1474); auch deutsch: konig der eren cum uns yn frid
* Das heilst: Durch die Kunst Gerhards von Campen singen wir drei dem drei-
einigen Oott: ich den Ton G, die Gloriosa (die gro&e Glocke) den Ton 0, die Osanna
aber den Ton E, so dafe der Quintenaccord vollständig ist. — Verd. v. Tettau, der
Meister etc. der gr. Domglocke zu Erfurt. 1866, 5; Boxberg er, MscoUe etc., in den
Mitt. d. V. für Gesch. etc. v. Erfurt, Heft 6. 1873.
(Tlockeninsehrifton. 445
und si uns gnedig. Die grofse und allgemeine Beliebtheit dieser auf Glocken
von Spanien bis Ungarn nachgewiesenen Inschrift scheint begrttndet zu sein
in einer für specifisch gehaltenen magischen Wirksamkeit derselben gegen
p]inflttS8e der Dämonen: denn nur so kann man es erklärlich finden, wenn
auf einer Glocke vom Anfange des XV. Jahrh. im Neograder Comitat diese
Gebetsformel so vielmal wiederholt ist, dafs die ganze Oberfläche derselben
damit bedeckt erscheint. ^ — Deutsche Gebetsformeln aus der Majuskelzeit
sind selten, z. B. auf einer (im J. 1845 durch Blitz zu Grunde gegangenen)
Glocke der Sixtikirche zu Merseburg: 0 Maria ^ cum czu trosthe unde czu
f/naden allen den di da hau xpi nam ; in der soweit bekannt ältesten deut-
schen Glockeninschrift (1306) zu Ersingen in Württemberg: 0 maria gotes
Celle hah in huot was ich vber schelle anno domini mcccvi. Zu den ältesten
deutschen Glockeninschriften gehörten die zu Mutzig i. Elsafs (1851 um-
gegossen) : In . sante . Mauricien . Ere • so ,Me . ich . gar . sere . Meister . An-
ff res . von Kolmar . Mathe . mich . Anno . Dni . M . CCC . IL . Amen . Gont . har .
in . ze . Messe . das . Got . iver . niemer . fir gesse . Amen . Ave . Maria. — Oft
findet man auf Glocken nur die Anfangsworte von Gebeten, z. B. in der
Kirche zu Dö bris bei Zeitz: 0 et Alpha Omnes me audientes (Majuskeln);
zuweilen die Anfänge mehrerer Gebete, lateinisch und deutsch durch ein-
einander, z. B. in der Kirche zu Unter-Nessa bei Weifsenfeis: Maria
Gotis. Osanna in eccelsis. ßenedictus. (Majuskeln); frühzeitig auch schon
gewisse zauberkräftige Namen und Formeln, z. B. Jhesus Nazarenus rex
Judaeorum; Jesus j Maria j Johannes (mit Beziehung auf die gewöhnliche
Darstellung der Kreuzigung Jesu, wo Maria und Johannes unter dem Kreuze
stehen) ; besonders auch die Namen der vier Evangelisten oder der h. drei
Könige Kaspar, Melchior und Balthasar;^ Zusammenstellungen hebräischer
Wörter und Gottesnamen (s. oben 8. 395, wol}ei das Tetragrammaton =
Jehovah ist); dieSiglen A. G. L. A. (s. oben S. 410, Fig. 227) und das Con-
summatum est (nämlich vom Feuer zu verstehen) aus Joh. 19, 30. — An-
rufungen, wie: Hilf got ^ maria berath, oder Hilf heilige fraw st. Anna selb-
dritt etc. kommen erst seit dem XIV., besonders aber im XV. und XVI. Jahrh.
auf Glocken vor. — r) Historische Notizen über Verfertiger, Donator und
Entstehungszeit der (blocken kommen vor dem XIV. Jahrh. nur selten vor;
auf datierten Glocken des XIII. und XIV. Jahrh. pflegt aufser der Jahreszahl
auch der Tag des Glockengusses, gewöhnlich nach dem römischen Kalender,
angegeben zu sein. Auf der Glocke zuLühnde (s. oben S. 356 u. 358) stand :
Anno domini MCCLXXVIII me fudit Thidericus VI Kai Novembris et me
pinxit Hermannus plebanuSj es war also neben dem vollständigen Datum
* Vergl. Mitt. C.-K. I, 64. — Vielleicht eben so häufig ist in Italien und in den
Alpenländem die Inschrift: Mentem sanctam apontaneam, honorem deo et patriae
liberationem, nachgewiesenermafsen wegen ihrer erprobten "Wirksamkeit gegen Feuer;
vergl. Otte, a. a. 0., 80 f. — Ebenso traute man sicherlich der Inschrift: »Cirülus
epH. p. in Alexandria positus lugat sagittas tonitrui*, welche in Majuskeln auf einer
Glocke im Kanton Thurgau steht,' die beste Wirkung gegen den Blitz zu; vergl. Anz.
G. M. 1864. Sp. 215.
* Dafs dergleichen Zusammenstellvmgen gewisser Namen etc. als Bannformeln gegen
böse Geister und besonders gegen Donnerwetter gebraucht wurden, bemerkt Lutner:
Eisleber Ausg. 11, 431, b.
446 Glockeninschriften.
nicht nur derGiefser,^ sondern auch, wovon sonst kein Beispiel bekannt ist,
der geistliche Zeichner der Verzierungen und Schreiber der kalligraphischen
Inschrift genannt. Auf der (umgegossenen) Betglocke der Johanniskirche
zu Göttingen stand : t Jch bin Maria ghenant. Mich ghovs ein meisier uz
SascenkaU, Magister Hannes van Halversiai t Anno Dni, MCCCXL VIII
in dieSymonis etJu4e f Der mich vndemanichghviistuccervercesghemachet
hait ghot ghebe siner sele rait Ave Maria, Im XV. und XVI. Jahrh. sind die
meisten Glocken datiert, enthalten aber nur die Jahreszahl, der Giefser ist
oft, der Donator zuweilen genannt. Wenn in lateinischen Glockeninschriften
das Wort fecit neben einem Namen vorkommt (z. B. Amoldus me fecii oder
Tollius me feciOy bleibt es zweifelhaft, ob der Giefser oder der Donator ge-
meint ist. In deutschen Inschriften der späteren Zeit ist für den Giefser die
gewöhnliche Formel: NN. goss mich, oder: aus dem fewr bin ich geflossen
NN. hat mich gegossen. — Auf der ältesten datierten Glocke zu Iggens-
bach von 1144 (s. oben S. 355, Fig. 142 und S. 404, Fig. 212) steht nur
das einfache Datum, dagegen auf der zu Helfta von 1234 (s. S. 356) steht
oben herum : -f A. Jl, Jve Maria . gracia . plena . dominus . tecum . Anno
M^CCXXX^Ilir fundata und unten herum: Tituhis triumfalis Jesus Na-
zarenus rex Judeorum, und dann die Gewichtsangabe s. oben S. 411.
Anmerkung. Es giebt Glockeninschriften, häufiger aus der Majuskel-,
als aus der Minuskelzeit, deren Deutung zweifelhaft bleibt oder überhaupt nicht
gelingen will, woran oft Schreibensunkunde und technische Fehler der Glocken-
giefser die Schuld tragen. Diese ehrenwerten Handwerker, in der lateinischen
Sprache sicherlich höchstens Tironen, verstanden die Gebetsformeln und
Sprüche, die sie wohl nicht immer nach gegebener Vorschrift, sondern aus
ihrem eigenen Vorrate auf die Glocken setzten, wahrscheinlich oft selbst nicht
und hatten dergleichen Sprüche lediglich durch handwerkliche und Familien-
überlieferung überkommen ; die Tradition aber mufste bei mangelndem Ver-
ständnis Korruptionen zur Folge haben, wie namentlich bei Zauberformeln, die
unverstanden weiter verbreitet wurden, leicht zu erweisen ist. Zuweilen waren
es auch Nichttechniker (Geistliche), die sich dem ungewohnten und unbeque-
men Geschäfte des Schreibens in den Mantel der Form unterzogen und dabei
so flüchtig zu Werke gingen, dafs die Enträtselung nur dann glückt, wenn es
sich um irgend eine bekannte Formel handelt, wie dies z. B. auf einer Glocke
zu Sternebeck (im Kr. Oberbarnim) der Fall ist, wo (nach gütiger Mittei-
lung des Herrn Justus Rubehn in Bromberg) das Avemaria folgendermafsen
aussieht :
^CV OfJ\ /Hl h^ A
Fig. 280.
* Dieser Tidericus dürfte als der älteste inschriftlich genamite deutsche Glockon-
giefeer anzusehen sein. Auf einer anscheinend wenig jüngeren Glocke zu Oetzsch
(Kr. Mei-seburg) steht in M^uskeln Henricus ßius Tiderici me fecit, was freilich
ebenso gut den Donator bezeichnen kann. Was das auf einer nach Lotz noch dem
Xm. Jahrh. angehörigen Glocke zu Ottrau (Reebz. Kassel) in Majuskeln stehende
t min magister f besagen will, muTs dahingestellt bleiben.
(jlockeu- und Siegelinschriften. 447
und das Übrige nicht zu enträtseln ist. Schon die vorstehende Schriftprobe er-
giebt, wie der ungeschickte Schreiber Majuskeln und Minuskeln ineinander
mischte y und die Minuskel e steht verkehrt. Auch die auf diesem Gebiete stets
beliebte Geheimnisthuerei kommt hierbei, vielleicht selbst bei der Verkehrt-
schreibung mancher Inschriften mystischen Inhalts (oben S. 410 Anmerkung)
in Betracht. Es genügte ja, wenn nur ein recht kräftiger Wetter- oder Feuer-
segen auf der Glocke stand ; ob man denselben lesen und verstehen konnte,
war von sehr untergeordnetem Belang. -^ Auch blofs dekorative Glocken-
inschriften kommen vor, z. B. die Buchstaben des Abc in alphabetischer Reihen-
folge. Für Liebhaber von Deutungsversuchen ist interessant, was in deutlichen
Buchstaben auf einer Glocke zu Kreblitz bei Luckau steht:
t 000A00<^00n000o)00 0S00h000A0 0l000000S
0 0 hESh a6>xaR
oder auf einer von 1476 datierten zu Girlachsdorf in Schlesien:
i^svfsvxrhi^cnfkxotvsgtfbvxosxtgtstvrozrirohsfrbiiic
q. Inschriften auf den Siegeln stehen fast ausnahmslos als Umschrift
um das Siegelbild auf der Siegelfläche selbst, selten nur in älterer Zeit auf
dem schrägen Rande des Siegelstempels (wie auf dem Beispiel aus Naumburg
oben S. 405, Fig. 213), und zwar beginnen sie in der Regel oben in der Mitte
über dem Siegelbilde, selten unten in der Mitte, mit einem Kreuze, und
sind in der ältesten Zeit ohne alle Einfassung, später von einfachen oder
Perlreifen, die sich mit der Zeit immer reicher gestalten, eingefafst. Im
XV. Jahrh. werden sie auch auf förmliche Schriftbänder gesetzt, die gegen
Ende desselben, der Mode der Zeit folgend, auf das mannigfachste durch-
einandergeschlungen werden, und mit dem Eintreten der Renaissance wieder
einer einfacheren Form, dann oft statt der Perlreifen von zierlichen Lor-
beer- oder sonstigen Blattkränzen eingefafst, Platz machen. — In der Form
der Buchstaben folgen die Siegelinschriften der allgemeinen Entwickelung der
monumentalen Schriftformen, bringen jedoch Neuerungen meistens erst etwas
später als die übrige Denkmälerwelt und im allgemeinen, wie bei der Klein-
heit der Kunstwerke natürlich, in einer strengeren Formengebung und unter
Verzieh tleistung auf alle kalligraphischen Schnörkel, die sich sonst doch
auch in der Monumentalschrift, namentlich auf Gufswerken der romanischen
Zeit so vielfach finden. — Die Sprache der kirchlichen Siegelumschriften ist
ausnahmslos die lateinische. Kirchliche Siegel mit deutschen Inschriften
aus dem eigentlichen Mittelalter sind, soviel bekannt, bis jetzt nicht nach-
gewiesen. Sie nennen regelmäfsig den Siegelführer, und zwar in den älte-
sten einfach den Namen desselben im Nominativ, selbst bei den Siegeln von
Stiftern und Klöstern wird nur der Name des Titelheiligen im Nominativ
genannt, z. B. auf dem ältesten Siegel des Magdeburger Erzstifts: Sanc-
ivs . Mavricivs . martyr . gloriosvs; vom XIII. Jahrh. an mit Hinzufügung des
Ortsnamens. Erst seit dem XUI. Jahrh. wird dann das Sigillumy meist ab-
gekürzt S oder S' davor gesetzt, indessen bleibt auch dabei der Name noch
lange im Nominativ stehen, und erst mit Ende des Jahrh. wird der Genetiv all-
gemein gebräuchlich. Sonstiges Inschriftliche auf den Siegelflächen selbst be-
schränkt sich auf Beischrift der Namen der Heiligen oder einzelner Aussprüche
448 InschrifteQ auf Siegeln, GerätHchaftcn
derselben, z.B. wenn auf dem Kapitelgsiegel von St. Pauli zu Halberstadt
der Apostel ein Spruchband mit Gracia dei sum id guod sum oder auf dem
des Klosters Bergen Johannes d. T. ein solches mit Parate viam dni trägt,
oder auf kurze Gebetsrufe der kniend dargestellten Siegelfahrer, hie und
da auch eine wappenartige Devise, wie z. B. das Wort aliain im Siegel des
Stifts zu Vilshofen a. Main, dessen Stifter Heinrich Tuschl infolge flbler
Erfahrungen im ehelichen Leben dasselbe Wort auch als Devise für die Klei-
dung der Stiftsherren angeordnet hatte. Seltener ist, dafs in den Umschrif-
ten an Stelle der Namen des Siegelftthrers und des Orts Sprtiche und Devisen
treten. So führen sämtliche Siegel des Stifts Göfs in Steiermark die Um-
schrift: Adelüy summe deus, hoc fert tibi fomula muniis, das des Klosters
Steinheim in Württemberg (später in Königsbronn aufgegangen) aus dem
Xni. Jahrh. hat nur die Umschrift: ecce agnus dei^ das des praepositus de
Cella an einer KaisersheimerUrkunde von 1216 im Kön. Reichsarchiv zu
München nur: memento mei dj und das des ehemaligen Klosters Marie n-
ehe bei Rostock: Lex mariae humilitas. Wo nicht anderweitige Quellen
vorhanden sind, ist in solchem Falle die Bestimmung vorhandener Siegel-
stempel unmöglich, so bei dem von Fürst Hohenlohe im Anz. G. M. 1871,
129 publicierten spitzovalen Stempel mit der heil. Margareta und der Majus-
kelumschrift Firtus est in mediOj oder einem anderen mit dem h. Laurentius
und der Minnskelumschrift in craticula ie deum non negavi aus dem Officium
des h. Laurentius.
r. Auf kirchlichen Gerätschaften aller Art finden sich Notizen über
ihre Verfertigung und Erwerbung, aus älterer Zeit nicht so häufig als später
(z. B. auf dem Archivalmer von 1455 im Dome zu Breslau giebt der Stifter
nicht nur seinen Namen an, sondern auch den Preis et constat 35 flor, de
propriis; der Stifter, der zugleich maglster fabricae des Doms war, hat also
diese Erwerbung auf eigene Kosten gemacht); aber auch mystische und
sententiöse Inschriften kommen gelegentlich vor (z. B. an allerlei Kreuzen
sehr häufig: crux est vita mihi, mors inimice tibi), und die romanische Zeit
hat es nicht leicht versäumt, wo Bilder auf ihren Gerätschaften vorkommen,
namentlich wo dieselben Neutestamentliches mit Typen aus dem A. T. oder
der Natur zusammenstellen, dieselben mit ausführlichen deutenden Um-
schriften in leoninischen Versen zu versehen.
8. Die Inschriften bildlicher Larstellnngen stehen in der gotischen Periode
gewöhnlich auf schmalen, anfangs einfachen, später flatternden bandartigen
Streifen (Spruchbändern) und enthalten entweder die Namen der darge-
stellten Personen (bei Heiligenbildern zuweilen mit dem Zusätze : Ora pro
nobis) oder Worte, die ihnen in den Mund gelegt werden, z. B. bei Abbil-
dungen eines Donators oder Verstorbenen oft: Ora (orate) pro me (pecca-
tore)j oder eine andere kurze Gebetsformel, die zuweilen aus irgend einem
kirchlichen Hymnus entnommen ist. Auch in der Glorie, oder zu den
Seiten der Heiligen (in der roman. Periode zuweilen in Kolonnenschrift;
vergl. z. B. die Namen Phison und Tigris auf dem Stahlstiche zu S. 175),
oder auf Gewandsäumen stehen ihre Namen; es finden sich aber auch
auf Kleidersäumen der Heiligenbilder des XV. und XVI. Jahrh. oft ganze
Reihen von Buchstaben, deren Deutung selten gelungen ist. Schon
und bildlichen Darstellnngeu. 449
auf den ältesten christlichen Denkmälern in den römischen und neapolita-
nischen Katakomben kommen als Nachahmung einer heidnischen Sitte in
den Zipfeln der Gewänder einzelne Buchstaben vor, z. B. I. H. L. T. X. V.,
die von einigen für eine Nachbildung der Weberzeichen gehalten werden,
welche bei der Fabrikation der Tücher eingewirkt wurden, von anderen für
symbolische Zeichen irgend eines religiösen Gedankens J Die Inschriften
auf dekorativen Gegenständen im späteren Mittelalter (auf einer Säbelscheide
in den unteren Fenstern de^ Kölner Domes steht z. B. ZAENI CMNGLDIE;
auf der Gewandborte einer Heiligen am Portale der Schlofskirche zu Chem-
nitz: CAGWKS EAAPIWEVSWR) sind nach der Meinung einiger lediglich
dekorativ und ohne alle Bedeutung, nach anderen jedoch eine Geheimschrift
durch Versetzung der Buchstaben oder Veränderung ihrer Bedeutung, wozu
uns der Schlüssel fehlt.^ Beide Ansichten sind zulässig : denn es giebt ge-
wisse Inschriften in fremdartigen Charakteren, die sicherlich keine Bedeu-
tung haben z. B. auf dem Gewände des Eccehomo in der CoUectio Weige-
liana, I, 354, No. 222, aber es kommen auf Gewandsäumen auch wirkliche
Legenden vor; es steht z. B. gleich neben der erwähnten Heiligen am Por-
tale zu Chemnitz auf der Kleiderborte der Maria die ganze erste Zeile
des Salve reghia, und auf dem dem Schäuffelin zugeschriebenen Noli
me tangere in der Kasseler Gallerie (Abb. Dohme, Kunst und Künstler etc.,
I, 1. lief. S, 33) die ganze Rede Christi an die Magdalena auf dem Saume
seines Gewandes um den Hals und unten. Wenn auf dem Schwerte
einer Statue Karls des Grofsen in der Ludgerikirche zu Münster auf der
einen Seite die Buchstaben DPCCADC stehen, und auf der anderen die
Deutung: Id est: Decem Praeceptorum Cusios Carolas A Deo Constitutusy
so ist letztere schwerlich authentisch. — Nicht unwahrscheinlich ist es
übrigens wohl, dafs sich diese rätselhaften Kleid er Inschriften zum Teil
auf OflTenbar. Joh. 19, 12 (vergl. V. 16) beziehen, wo es heifst: Habens
nomen (in vestimento) scriptum^ quod nemo novit nisi ipse. — Andere Bei-
spiele von Inschriften auf Bildern weiter unten in dem Abschnitt Ikono-
^ ^Vestes literata€€ kommen schon auf Denkmälern in den Ruinen von Persepolis
in Keilschrift (Le Bryn, Voyage. IQ, 356), zufolge einer Inschrift auf den Elgin mar-
bles im Brit. Museum griechisch (F. Osann, Sylloge inscr. antiq. 79 u. 82), eben-
so auch auf etruskiBchen Monumenten (Lanzi, Saggio di lineua Eti*usca ü. Tav. 2.
Fiff. 1. 2 u. 4) vor. Vergl. Ci am pini, Opp. I, 96 u. 247. Im Mittelalter haben jeden-
falls die saracenischen Kleiderstoffe mit ihren nach den Regeln muhammedanischer
Ornamentik eingewebten Inschriften die Sitte der Kleiderinscnriften auch im christ-
lichen Abendlande angere^. Auf den kirchlichen Gewändern finden sich vielfach
die Namen Jesus und Marta, oder einzelne Buchstaben wie M, oder Ä und M (= Ave
Maria) eingestickt und eingewebt, und auf weltlichen Gewändern kommen dieselben Buch-
staben vor, wobei man denn freilich unter den A an amo (vergl. die Braunschweiger
Antependien oben S. 150) dachte. Im XV. Jahrh. finden sich nicht selten Mono-
gramme und Devisen fürstlicher Personen als Stof&nuster der Prunkgewänder, mit
welchen dieselben bei festlichen Gelegenheiten ihre gesamte Dienerschaft uniformierten.
Solche Stoife sind zum Teil auch in die kirchlichen Vestiarien als Geschenke gelangt,
z. B. der Dom zu Brandenburg besitzt ein Pluviale von gelbseidenem Süberbrokate,
welcher mit Sechsecken gemustert ißt, in denen ein sübemer Greif mit dem Spruch-
band a man poer erschemt. Das Beispiel von Vilshofen (s. oben S. 448) zeigt aber,
dafs solche Devisen auch direkt und geflissentlich auf kirchliche Gewänder kamen.
2 Vergl. Wiggert, in N. Mitt. Th.-S. V. VI. 1, 104. — Wattenbach, Latein.
Paläograpme, 9 n.
Otte, Kumt -Archäologie. 5. Aufl. 29
450 Wappen am Kirchpügo})äude, Gehiton
graphie. — Die Maler des Spätmittelalters liebten es, auf ihren Gemälden
ein Schrifttäfelchen mit ihrem Monogramm etc. an einem Baumzweige etc.
hängend anzubringen.
D. Heraldik.
71. Vom Xni. Jahrhundert an finden sieh auf kirchlichen Denk-
mälern häufig Wappen, zuerst nur auf Epitaphien von Rittern, wo die
Wappenbilder auf dem eigentlichen Scliilde, welcher von dreieckiger Ge-
stalt ist, angebracht sind, oder auch als Dekoration der Gewänder,
Fahnen etc., bald aber selbständig, und auf Denkmälern jeder Art.
Mancherlei Bilder und zufällige Zierraten wurden zwar schon in den
ältesten Zeiten auf Ritterschilden angebracht; sie sind aber wesentlich ver-
schieden von den späteren, eigentlich heraldischen Wappen, welche in den
Kreuzzügen aufgekommen, in einem bestimmten Typus sich forterbend,
ganzen Geschlechtern eigen waren. — In der Schenkenkapelle zu Kom-
burg befindet sich ein Grabstein mit einem Wappenschilde von sehr alter-
tümlicher Form (Abb. im Aiiz. G. M. 1«G3. Sp. 10) und mit der Inschrift:
t ^" KL Nov. 0. Cvnrad', d, Svlze, siclierlich aus dem XIII. Jahrhundert.
72. Wappen am Kirchengebäude selbst oder einzelnen Teilen des-
selben, oder an den Altarschreinen, den Mefs- und anderen kirchlichen
Gerätschaften bezeichnen durchgehends die Stifter derselben.
Das Anbringen solcher Wappen hängt mit der im Laufe des XV. Jahrh.
besonders unter Einflufs des Kaisers Friedrich III. allgemein sich ausbrei-
tenden Passion für das Wappen wesen zusammen, deren sich auch die Kirche
als eines Sporns für die etwa erlahmende Gebefreudigkeit zu bedienen wufstc.
Beim Baue des Frankfurter Domturmes z. B. wurde es den Stiftern von Bild-
säulen als ein besonderes Vorrecht zugestanden, ihre Wappen daran anzu-
bringen. Nach Martin Pegius (Dienstbarkhaiten etc. Ingolstadt 1566 fol.
68) durfte jeder, der eine Kirche oder Kapelle ganz aus eigenen Mitteln
baute, sein Wappen darin anbringen lassen; wer aber Geld aus einer an-
deren Quelle zuhilfc nahm, liatte dies Recht nicht, und eines flüchtigen
Verräters Wappen durften in der Kirche abgeschabt werden, auch wenn er
dieselbe erbaut hatte. Vergl. über Wappen in den Schlufssteinen, Chr.
K.-B1. 1881, 88 ff.
73. Die Wappen auf Grabdenkmälern beziehen sich auf den Ver-
storbenen, seine Familie, seine Gattin und die beiderseitigen Almen,
sowie auf die von ilmi bekleidete Würde.
Auf älteren Grabsteinen, die noch keine Bildnisflguren enthalten, ist
der Wappenschild häufig der einzige flgürlicke Schmuck , vielfach von einem
Kreuze überragt, und zwar steht der Schild dann meist gelehnt (d. h. ge-
neigt), gewöhnlich nach heraldisch rechts. Später wird der Schild von
den Bildnisfiguren ganz wie von lebenden Personen gehalten, also entweder
am linken Arm getragen, oder über dem linken Oberschenkel am Gürtel auf-
1. 2.
3. 4.
3. 4.
1.2.
und auf Grabdenkmälern. 451
gehängt, oder die linke Hand stützt sich auf den unten vor den Füfsen oder
zur Seite stehenden Schild. Erst in späterer Zeit erscheint der Schild ganz
getrennt von der Figur, namentlich wenn dieselbe kniend dargestellt ist.
»Seit dem XV. Jahrh. finden sich sehr gewöhnlich
in den vier Ecken derLeichensteine vier Wappen, die
vier Ahnen des Verstorbenen bezeichnend und zwar
hauptsächlich in den durch Fig. 231 ausgedrückten
Variationen der Gruppierung, wobei 1. das Wappen
des Vaters, 2. das der Mutter, 3. das der väterlichen
und 4. das der mütterlichen Grofsmutter ist; je- ' Jig. «sT
doch kommen auch andere Anordnungen vor (vergl.
F. K. im Korr.-Bl. Ges.-V. 1859, No. 9 u. 10; 1S72, 43 ff. und Klemm in den
AVürttemb. Vierteljahresheften 1879, 45 ff.). Wenn acht Wappen, die dann auf
beiden Längsseiten des Steins j« vier untereinander, oder an beiden Längs-
seiten der Tumba je vier nebeneinander geordnet werden, vorkommen, so
beziehen sie sich auf die acht Urgrofsältern des Verstorbenen. In einigen
Fällen kommen schon im XVL Jahrh. die sonst erst im XVIL häufigen 16
Ahnenschilde (d. h. die der 16 Altern der 8 Urgrofsältern) vor, so auf den
Vischerschen Denkmälern der Kurfürsten Friedrich der Weise und Johann
der Beständige in der Schlofskirche zu Wittenberg.
Auf den Grabsteinen solcher Adeligen, welche als die Letzten ihres
Stammes mit umgekehrtem Wappenschilde begraben wurden, steht der
Schild gestürzt.
74. Etwa von der 3ßtte des XIV. Jahrhunderts an kommen Wappen
auch auf Denkmälern geistlicher Würdenträger vor; in der Regel sind
zwei Schilde synmietrisch angebracht, der eme mit dem Stifts- oder
Amtswappen, der andere mit dem Familien wappen. Vom Ende des
XV. Jalirhunderts an sind beide Wappen gewöhnlich in einen quadrier-
ten Schild vereinigt, in welchem die in derselben Diagonale liegenden
Felder zweimal die Insignien des Geschlechts resp. des Stifts darstellen.
Diese vier Felder kommen aber auch als besondere Schilde wie die 4
Ahnenwappen in die vier Ecken der Grabsteine geordnet vor.
Auf dem Grabsteine des im J. 1241 gestorbenen Hochmeisters der
Deutschherren Konrad von Thüringen in der Elisabethkirche zu Marburg
sind schon zwei Wappenschilde angebracht: der eine mit dem Kreuze des
deutschen Ordens, der andere mit dem Thüringischen Löwen. — Im Dome
zu Bamberg, wo sich Grabsteine der dortigen Bischöfe und Kapitularen in
seltener Menge erhalten haben, ist das Denkmal des Bischofs Friedrich I.
V. Hohenlohe (t 1352) das älteste, auf welchem Wappen zum Vorschein kom-
men: rechts ein Schild mit den Insignien des Stifts, links ein Schild mit dem
Familienwappen des Bischofs.* — Um die nämliche Zeit erscheinen die
Wappen auch auf den Siegeln der Bischöfe; Clemens VI. (seit 1342) ist
unter den Päpsten, Heinrich Graf von Virneburg 1307 unter den Erz-
bischöfen von Köln, Otto Landgraf von Hessen (1325 — 1361) unter den
* Landgraf, d. Dom zu B., 15.
29*
452 Wajipen-Sohilde
ErzbiBcliÖfeii vud Magdeburg, Hermann Graf von Ulankenburg (1'298 —
1303) uuter den Bischöfen vou Halberstadt, Gerhard 1. Graf zu Scbwarz-
bnrg (13(iü — 1372) unter den Bischöfen von Naumburg, Heinrich I. von
Bülow (133!t— 1347) unter den Bischöfen von Schwerin und Albrecht
von Hohenlohe (1345 — 1372) unter denen von Würzburg der erste, in
dessen Siegeln Wappen vorkommen. Übrigens sprechen mehrere Beispiele
dafür, dafs Wappcnsc bilde früher auf den Siegeln der Kapitularen und auf
den Nebenstegeln der Bischöfe vorkommen, als auf deu Hauptsiegelu der
letzteren. Als .llteste Wappensiegel von Geistlichen gelten die des Dekans
von Krauchenwies Ortolf von Leiterberg (1243) und des Pfarrers von
Herbertsfeldeu Otto von Paenge (1259 — 1270. Abb. Anz. G. M. 1H7(I,
273). — Auf vielen bischöflichen Grabsteinen findet man nur Familienwap-
pen und kein Stiftswappen. — Als frühzeitiges Beispiel einer Vereinigung
mehrerer Wappen in einen Schild könnte der giofse Wappenschild angeftlhrt
werden, welcher sich auf der gravierten Grabplatte des Bischofs Lambert
von Bruun(t 1309) im Dome zu Bamberg befindet, wenn die Gleichzeitig-
keit dieses Denkmals nachgewiesen sein sollte; das Wappen enthalt in vier
Feldern die Insignien der Hochatifter Strafsburg, Spoier, Briien und Bam-
berg, denen der Verstorbene zu verschiedenen Zeiten als Bischof vorstand ;
anfeinem Mittelschilde ist das Brunn'sche Familienwappeu angebracitt.
75. Zu den weseutlidien Stücken eines Wappens frehören der Schild
und der Helm.
Auf vielen Denkmälern erscheinen die Wappen unvollständig ; oft nur
ein Schild ohne den Helm, zuweilen (besonders im
XIV. Jahrh.) der Helm ohne Schild, sogar auf den
Siegeln von Geistlichen, z.B. dem des Priesters Johannes Lieae (1324) vei^L
Mecklenb. Urk.-Bueh, VII, 183.
Die Entwtckelnng der Formen der Wappen-Schilde und Helme folgt
derjenigen der wirklichen Kampf- und Turnier-Schilde undHelme. Je mehr
und Helme. 453
gegen den Ausgang des Mittelalters, desto mehr werden aber auch auf den
Kunstdenkmälern die Wappen in Bezug auf die Formen sowohl von Schild
und Helm als der Wappenbildor nnd Kleinode einer kUnstleriechen Stili-
sierung unter Einflufe der zur Zeit allgemein herrschenden Stilgeaetze unter-
worfen, wofür die tonangebende Liebhaberei Kaiser Friedrichs III. beson-
ders ins Gewicht gefallen ist. ' Hierdurch sind die Wappen fUr die Zeitbe-
stimmung sonst undatierter Denkmäler, au denen sie vorkommen, von nicht
geringer Bedeutung. Wir geben in Fig. 232 bis 236 Beispiele der haupt-
sächlichsten Stadien der EntWickelung der Wappen forme n : Fig. 232. Wappen
des Grafen Günther von Kevernburg nach dessen Siegel um 1300, zeigt die
Alteste Form, Dreieckschild,* ziemlich spitz mit gebogenen Seiten, der Helm
oben flach (Topfhelm) ohne Decken. — Fig. 233, Wappen Johanns U. Burg-
grafen von Hobeuzollem nach dessen Siegel von 1332: Schild noch ebenso;
Helm oben spitz (KObelhelm) mit Helmdecke; diese noch in der ursprüng-
lichen Form des zum Schutz gegen Sonnenschein und Regen um Helm und
Schultern gelegten Tuches. — Fig. 234. Wappen des Gerke Bismarck nach
dessen Siegel von 1409: Schild breiter, mehr gerundet; Helm Stechhelm in
der Übergangs form mit agezaddelten« (nach der Mode der Zeit an den Rän-
dern anegeschnitteneu) Decken; das Helmkleinod (siehe §.79, S. 457) über-
wiegt meistens anGröfse den Schild. — Fig. 23ö. Wappen des Johann Eytl,
Rektors der Universität Erfnrt 1495 nach einer Pergament maierei aus der
Universitätsmatrikel : Schild Tartsche unten rund an den Seiten ausgerundet ;
Helm .Stechlielm mit völlig in Lauhform ornamental stilisierter Decke (es
kommen in dieser Zeit schon Bügelhelme vor). — Fig. 236. Wappen der
Familie Freymann nach einer Zeichnung von Jost Ammann 1574 : Schild
ausgebogt nnd geschlitzt (Kartusche); Helm BUgelheIra mit Spangen, Krone
' Verd. V. Hartmann-Franzenshuld, über den Stil in der TVappenkunst, in
den Mitt. C.-K. XIX, 23 ff. Sammlungen von Beispielen der StLentwiekelung bieten
die Heraldischen Musterbiichor von 0. T. von Hefner (1868, mit 48 Taft.) und Ad.
M. Hildebrandt (1872, mit 40 Taff.).
> Vorel. Fürst Hohenlohe, die herald. Schildformen vor d. Jahre 1450, als 2. An-
hang zu Dosselb., das heraldische and dekorative Pelzwert (1967). 2. Aufl. IS76.
454
Wappcnbilder.
und Halskette ; die Decke in Renaissanceformen überreich und zierlich ge-
kräuselt. — Bürgerliche Wappen, die zu Ende des XIIl. Jahrh. sich zu-
erst zeigen, unterscheiden sich, wie schon diese Beispiele zeigen, ursprüng-
lich in nichts von den adeligen, erst später kam die Sitte auf, für adelige
den Bügelhelm und für bürgerliche den Stechhelm zu wählen. Statt der
Helme werden zuweilen bei fürstlichen Wappen verschieden gebildete Kro-
nen und Hüte, bei geistlichen der runde Quastenhnt oder die Inful mit
Krummstab (wo die Träger zugleich weltliche Fürsten waren , auch mit dem
Schwerte) angebracht. Gegen Ende des Mittelalters, wo die früher einfachen
Wappen immer zusammengesetzter und reicher werden, erscheinen auf den
Denkmälern oft aus vielen Feldern zusammengesetzte, mit mehreren Helmen
oder bei Bischöfen etc. mit der Inful für das geistliehe und mit dem Helme
für das Familienwappen geschmückte Schilde.
76. Auf dem Schilde werden die Wappenbilder dargestellt ; die erste
und einfachste Art der Wappenbilder sind die sogenannten Herolds-
figuren, d. h. die rein geometrischen Schildteilungen.
Die Teilungen sind entweder Schildes -Hälften und Viertel (Fig. 237,
No. 1. 2. 3. 4. 8) oder stellen die sogenannten Ehrenstücke dar (z. B. Bal-
ken, Schrägbalken, Pfähle etc.). Diese Teile und Ehrenstücke werden in
gemalten Wappen durch verschiedene Farben, in plastischen durch Ver-
tiefung und Erhöhung, auch durch Schraffierung oder Damascierung von
einander abgesondert.
5.
(5.
7.
HNT
Flg. 237.
Der Schild No. 1 ist gespalten (längs, abwärts geteilt); No. 2 ist
(quer) geteilt; No. 3 ist von der oberen Rechten zur imteren Linken ab-
wärts (schräg rechts) geteilt; No. 4 ist von der oberen Linken zur unte-
ren Rechten (schräg links) geteilt; No. 5 ist von einem Balken, No. 6 von
einem (rechten) Schrägbalken durchzogen; in No. 7 steht ein Pfahl; No. 8
ist ein quadrierter Schild, der gewöhnlich zwei vereinigte Wappen enthält,
und zwar Feld 1 dieselbe Figur, wie das Feld 4, und ebenso entsprechen
einander die Felder 2 und 3 ; doch können auch alle vier Felder verschieden
sein. — Beispiele solcher Wappen: Einen gespaltenen Schild (No. 1)
führen die Bischöfe von Halberstadt (weifs und rot) ; die Bisehöfe von Augs-
burg (rot und weifs) und die Bischöfe von Hildesheim (schwarz und gelb)
(vergl. auch Fig. 236). — Einen geteilten Schild, rot und weifs, (No. 2)
führen die Erzbischöfe von Magdeburg. — Einen schräg rechts geteilten
Schild, rot und weifs, (No. 3) führen die Dompröpste von Magdebui'g. Einen
Balken (No. 5) führen die Erzherzoge von Österreich (vergl. auch Fig. 234),
einen schräg rechts gezogenen Balken (No. G) die Grafen von Arnshag und
die Bischöfe von Regensburg (vergl. auch Fig. 235), einen Pfahl (No. 7)
die Herren von Kreizen, 2 Pfilhle (so dafs also der Schild in 5 Längsstreifeu
Wappenbilder. 455
geteilt ist) die Markgrafen von Landsberg. Einen (weifs und schwarz)
quadrierten Schild (No. B) führen die Grafen von Hohenzollern (vergl. Fig.
233). Zusammengesetzt geteilte Schilde sind z. B. folgende : ein in Würfeln
geteilter Schild (Schachbrett) : die Grafen von Hohenstein ; ein in ranten-
förmigen Feldern geteilter Schild (Rautenschach) : die Grafen von Mansfeld
etc. Hierher gehören auch die durch Stufen, Spitzen, Zinnen, Gitter/ Spar-
ren etc. geteilten Schilde.
Anmerkung. Die Ausdrücke rechts und links sind in der Heraldik
stets von der rechten und linken Seite des Schildträgers (nicht des Beschauers)
zu verstehen. So heifst in Fig. 237 No. 1 das Feld 2 die linke Seite, das Feld
1 dagegen die rechte Seite des Schildes; und ein rechts schreitender Leopard
z. B. ist ein solcher, der nach seiner rechten Seite schreitet, die auch die
rechte Seite des Schildträgers sein würde. Übrigens ist die Stellung der
Wappentiere und Figuren, d.h. ihre Wendung nach rechts oder links durchaus
kein heraldisches Charakteristikum. Dieselbe richtet sich lediglich nach der
Stellung des Schildes, d. h. wenn dieser nach rechts gelehnt ist, so ist auch
das Tier nach rechts gerichtet, wenn nach links, so ebenfalls das Tier. Wenn
zum Ausdruck irgend einer näheren Beziehung (Symmetrie oder Verwandtschaft)
zwei Schilde gegen einander geneigt sind, so werden bei dem heraldisch rechts
befindlichen (bei Ehepaaren der des Mannes) der Schild samt Helm, Bild und
Kleinod vollständig umgekehrt. Dies findet namentlich auch bei den Reihen
der Ahnenwappen auf beiden Seiten der Grabsteine statt.
77. Die übrigen Wappenbilder sind äufserst mannigfaltiger Art ; aufser
solchen geometrischen Figuren, welche dem Metallbeschlag der Schilde ihren
Ursprung verdanken, kommen besonders Raub-Tiere imd Vögel (Adler,
Löwe, Wolf etc. aber auch zahme), daneben andere Bilder aus der Na-
tur (Blätter, Bäume, Sterne etc.) und allerhand Utensilien (Schwerter,
Ringe, Becher, Kesselhaken, Räder etc.) häufig vor.
Ein Adler (mit zwei Köpfen) ist das Wappen des heiligen römischen
Reichs; dem deutschen König wird ein einköpfiger Adler zugeschrieben;
'diesen führen auch viele kaiserliche Beamte, als: die Markgrafen von
Brandenburg, die Pfalzgrafen von Sachsen etc. und viele andere Geschlech-
ter. Ein Löwe ist z. B. das Wappen der Könige von Böhmen, der Herzoge
von Braunschweig, der Landgrafen von Thüringen (Hessen), der Markgrafen
vonMeifsen, von Jülich, der Pfalzgrafen am Rhein etc. Redende Wappen-
bilder sind solche, die an den Namen des betreffenden Geschlechts erinnern,
z. B. das Wappen der Grafen von Henneberg: eine Henne, die auf einem
Berge steht, oder das der Herren von Münchhausen : ein Mönch; auch Städte
haben oft solche redende Wappen, z. B. Kalbe a. d. S. ein Kalb, Jüterbog
einen Bock,* Kröplin in Mecklenburg einen Krüppel etc. — Die Bilder der
bürgerlichen Wappen gehen häufig von der Hausmarke aus, daneben kommt
allerhand Handwerkszeug vor, von Tieren mehr friedliche, auch sind Teile
des menschlichen Körpers beliebt. — Es giebt hin und wieder Wappenbilder,
* Dies kann zugleich als Beispiel dienen, wie dergleichen redende Bilder zuweilen
nur auf mifsverstandener Namensdeutung beruhen, da Jüterbog nichts mit einem Bocke
zu thun hat, sondern nach dem slavischen Gotte (bog) Jütra genannt ist.
456 Wappen geistlicher Stiftungen.
die mit einem bestimmten Namen bezeichnet werden, ohne dafs die Bedeu-
tung des ihnen beigelegten Namens mit Bestimmtheit aus denselben ersicht-
lich wäre : dahin gehören z. B. die sogen. Lilien, welche aufser den Königen
von Frankreich viele andere Geschlechter im Wappen führen , und der sogen.
Rautenkranz in dem Wappen der Herzoge von Sachsen etc. Von manchen
anderen Wappenbildern ist es streitig, was sie eigentlich vorstellen sollen;
dahin gehören z. B. die drei Seeblätter im Schilde der Grafen von Brena,
die bald Herzen, Schröterhörner, Feuerstahle etc. genannt werden. — Die
Kurfürsten des deutschen Reichs führen z. Tl. die Insignien ihrer Kurwürde
im Wappen, so Brandenburg das Reichsscepter, Sachsen die Kurschwerter.
— Die mittelalterlichen Wappenbilder sind ihrer ursprünglichen Entstehung
nach, dafs sie als Metallbeschläge oder aus Leder und Zeug (Pelz) geschnit-
ten flach auf den wirklichen Schild befestigt werden konnten, durchgehends
im Stile der Flachornamentik stilisiert, die sich namentlich im XV. und der
ersten Hälfte des XVL Jahrh. zu wirklich künstlerischer Wirkung erhebt.
Naturalistische und perspektivische Manier gehört dem Verfalle der Wappen-
kunst an.
78. Den Wappen geistlicher Stiftungen sind solche Insignien be-
sonders eigen, die eine religiöse Beziehung haben; namentlich die Attri-
bute ihrer Schutzpatrone.
Ein Kreuz führen im Wappen: die Erzbischöfe von Trier und von
Köln, die Bischöfe von Paderborn, Speier, Merseburg, der deutsche Ritter-
orden etc. Die Bischöfe vonErmland, Meifsen undBrixen haben das Lamm
Gottes in ihrem Wappen ; Die Bischöfe von Minden zwei über Kreuz (x)
gelegte Schlüssel ; die Bischöfe von Samland Krummstab und Schwert über
Kreuz (X) gelegt ; die Bischöfe von Schwerin zwei über x gelegte Krumm-
stäbe im quer geteilten Schilde ; die Äbte zu Pegau Schlüssel und Kinimm-
stab über X gelegt (ältere Brakteaten dieser Abtei tragen ein Krücken-
kreuz): Symbole der bischöflichen Würde und der geistlichen Macht zu
binden und zu lösen. — Auf die Schutzpatrone beziehen sich die Wappen-
bilder folgender geistlichen Stiftungen : der Schlüssel im Wappen des Erz-
bistums Bremen und des Bistums Worms, deren Patron der heilige Petrus
ist, welcher mit einem Schlüssel abgebildet wird; die über x gelegten
Schlüssel im Wappen der Bistümer Brandenburg und Regensburg mit der-
selben Bedeutung; Schlüssel und Schwert über x gelegt im Wappen des
Hochstifts Naumburg, dessen Patrone Petrus und Paulus sind, welcher letz-
tere mit einem Schwerte abgebildet wird ; nicht unwahrscheinlich auch be-
zieht sich der Bischofstab im Wappen des Bistums Eichstädt auf den Patron
desselben, den heil. Bischof Willibald. — Die Cistercienser führen im
Wappen einen schrägen Querbalken, der in zwei Reihen gleicher Vierecke
(12 nach der Zahl der Apostel) geteilt und von dem Abtstabe durchkreuzt
ist, oder ein Kreuz, in dessen Winkeln die Buchstaben MORS stehen. —
Andere geistliche Wappen beziehen sich nur teilweise auf geistliche Dinge,
z.B. das Wappen des Hochstifts Ratzeburg: ein gespaltener Schild, wo-
rin rechts eine halbe Zinnenburg, links ein Bischofstab. Noch andere geist-
liche Wappen unterscheiden sich durch die Schildesfiguren von den weltlichen
gar nicht, z. B. das Rad des Erzstifts Mainz, der mit einem Schrägbalken
Helmschmuck. Heraldische Farben. 457
belegte Löwe des Bistums Bamberg, der springende Wolf des Hochstifts
Passau, das gekrönte Mohrenbrustbild des Bistums Freising, die aufsteigen-
den Spitzen im Schilde des Bistums Wtlrzburg, das Wappen der Bischöfe
von Lebus: zwei über x gelegte Feuerhaken und darüber ein Stern etc.
(In der neuen Ausgabe der Siebmacher enthält Bd. I, Abt. 5, I. Reihe (heraus-
gegeben V. G. A. Seyler 1875 — SO) die Bistümer, gefürsteten Abteien imd Prop-
steien, IE. Reihe die Klöster.)
79. Der Helmsclimuck, der auf den älteren Ritterdenkmälern auf
dem wirklichen Helme angebracht ist, besteht gewöhnlich aus Federn
(s. Fig. 232, 233), Adlerflügeln (s. Fig. 235) oder Hörnern (s. Fig. 234),
ist aber oft auch aus dem Schilde entnommen (s. Fig. 236) oder enthält
eigentümliche Insignien.
Während das Bild im Schilde die Familie bezeichnet, scheint der
nicht aus dem Schilde genommene Helmschmuck häufig auf ein bestimmtes
Amt zu deuten. So führen z. B. die vier Jägermeister des h. römischen
Reichs: die Grafen Hörn den Zobelhut, die Grafen Urach das Jagdhorn, die
Grafen von Nifen zwei Homer und die Freiherren von Welflfen den weifsen
Bracken (Leithund) auf dem Helme (vergl. v. Stillfried, Altertümer und Kunst-
denkmale des Hauses Hohenzollem. I. Heft 4, 1 f.). — Bei den Wappen geist-
licher Würdenträger werden die Bilder des Schildes allein oder mit dem
Stabe oder den Insignien ihrer weltlichen Würde gekreuzt hinter der Inful
angebracht. — Die Regel »ohne Helm kein Kleinod« erleidet auch Aus-
nahmen. Im Anz. G. M. 1870, Sp. 277 und 278 sind z. B. zwei Hohenlohe-
sche Wappen aus der Herrgottskirche zuKreglingen mitgeteilt, auf denen
das Kleinod (gekrönter Einhornkopf) ohne Helm unmittelbar auf dem Schilde
steht, und zwar sind dies die Schilde zweier Geistlichen Gottfried und
Endres t 1390.
80. Auf die verschiedenen in den Wappen vorkommenden Farben
kommt es bei mittelalterlichen Denkmälern nicht wesentlich an, da einer-
seits die Anwendung derselben im Mittelalter schwankend war, andrer-
seits aber von vielen Wappen, die nur aus plastischen Denkmälern be-
kannt sind, die Farben nicht angegeben werden können; überhaupt
finden auch manche andere Distinktionen der modernen Heraldik auf
mittelalterliche Wappen keine Anwendung.
Auf unkolorierten Wappenabbildungen werden seit dem XVII. Jahrh.
die gebräuchlichsten Wappenfarben durch eine herkömmliche Schraffierung
dargestellt, Rot durch senkrechte, Blau durch wagerechte, Grün durch
Schrägrechts, Violett (Purpur) durch schräglinks gerichtete, Schwarz durch
gekrcazte Striche, Gold durch Punktierung, Silber bleibt weifs.
81. Die Wappenkundigen bedienen sich der Kürze imd gegensei-
tigen Verständigung halber einer eigentümlichen Kunstsprache, die aus
den Handbüchern der tlieoretischen Heraldik zu erlernen, aber noch im-
mer grofsen Schwankungen unterworfen ist.
458 Heraldische Ldtteratur.
Die älteste heraldis(;lie Lehi"schrift ist der Traito de Blasen von Clement
Prinsault 1416. — Trier, J. Wolfg., Einleitung zu der Wappenkunst. 1729.
— Gatterer, J. l'h., AbriTs der Heraldik. 1774. — Bernd, Ch. 8. TL, die
Hauptstücke der 'VVap])enwissenschaft. Abt. 1. Ui-spning der Wappen, (leschichto
des >Vapi)enwesen8 etc. 1841. Abt. 2. Die allgeni. Wappenwissenschaft in liChre
u. Anwendung. 1849. — v. Biedenfeld, Ferd., die Heraldik. 1840. — Hese-
kiel, Geo., Herald. Hilfsbüchlein. 1S54. — Kehrer, Ed., zur Gesch. der Wap-
pen, in der Dlustr. Ztg. 1855. XXV, 851. — Bernd, Ch. 8. Th., Handbuch
der WappenwissenschaJft. (Herausgegcb. von G. M. C. Masch.) 1856. —
V. Mayer-Mayerfels, C, Herald. Abc-Buch. 1857. — v. Hefner, 0. Titan,
Handbuch der theoret. u. prakt. Heraldik. 1863. — v. Sacken, Katechismus
der Heraldik. 1862. — v. Ledebur, H., die kunst- u. sittengeschichtliche £nt-
wickelung der Her. 1861. — Luchs, IL, die Herald, eine Hilfs\N'issensch. d.
Kunstgesch. Schul])rogi*amm. 1864. — Fürst Hohenlohe, zur Blasonniening,
im Anz. G. M. 1877, No. 7. — Alw. Schultz, d. hölische Ijcben etc. H, 75 —
80. — Gritzner, M., Herald. Terminologie. 1878. — Warnecke, F., Herald.
Handbuch. M. 33 Taff. 1880. — L'nter denWai>penabbildungen enthaltenden Wer-
ken ist das umfassendste: Sieb mach er, J., New Wapenbuch, darinnen des
H. R. R. T. Nation, hoher Potentaten, Füi-sten, Herren imd Adelspei*sonen, auch
anderer Stände imd Städte Wai)en etc. 1605; s])äter mit Erweiterungen von Paul
Fürst, J. W. Köhler etc.; dann: Nürnberg. 1772 — 1806 in 18 Bdn.; zuletzt seit
1853 in ganz neuer Bearbeitung von 0. T. v. Hefner und anderen (in Lief. 17 die
»Grundsätze der Heraldik« von v. Hefner mit 14 Taif. Abb.). — Die Wappen-
rolle von Zürich. Ein herald. Denkm. d. XIV. Jahrh. Herausg. von d. antiqu.
Gesellsch. in Züiich. 1860. — Des Konrad (Triinenberg AVaj)j)enbuch (1483).
Herausg. von R. Graf von Stillfried und Ad. M. Hildebrandt. 1875 — 1881.
Mit 400 Tafif. — Femer die oben S. 150, N. 1 u. 8. 453, N. 1 genannten
herald. Musterbücher und Warnecke, F., Heinüd. Kunstblätter nach Schon-
gauer etc. 1876. — Ton Zeitschiiften für die Interessen der Heraldik sind zu
nennen: Der Deutsche Herold etc. Berlin 1870 ff.; Viertel Jahresschrift des Deut-
schen Herold etc. Berlin 1872 ff.; Herald. -genealog. Zeitsclir. Org. des Herald.
Vereins Adler. Wien 1871 — 73, seitdem als Jahrbuch; auch die Zeitschrift des
Deutsch. Graveur -Vereins ((Graveur- Zeitung). Berlin 1875 ff. — L'mfassende
litterarische Nachweisungen über die frühere Zeit giebt: Bernd, Ch. S. Th., All-
gemeine Schriftenkunde der gesamten AVappenwissenschaft. 4 Bde. 1830 — 1841.
E. Ikonographie.
82. Die in den mittelalterlichen Kirchen vorkommenden Bilder sind
entweder Bildnisse oder religiöse Bilder.
Anscheinend rein phantastische oder satirische Bilder unter den Ver-
zierungen der Kirchengebäude dürften sich, wo sie als Originale vorkom-
men, fast überall als religiöse Symbole deuten lassen, was weniger gelingen
kann, wenn ein späterer Künstler unverstandene Muster nachbildete, und
die Reflexion über dergleichen, späteren Geschlechtern nicht mehr verständ-
liche Bilder hat oft zur Bildung von allerlei grundlosen Sagen Veranlassung
gegeben, die mit dem ursprünglichen Sinne des Bildes gar keine Verwandt-
schaft mehr haben. ^ Andrerseits ist jedoch auch vor willkürlicher und blinder
Symbolisiersucht eindringlich zu warnen. — Heidnische Götzenbilder sind
hin und wieder als Kuriosa oder aus anderen Gründen in den Kirchen auf-
bewahrt worden. Vergl. oben S. 364 Nr. 8.
^ Vergl. Kinkel, Gottfi*., Sagen aus Kunstwerken entstanden, in Mosaik zur
Kunstffesch. 1876, 161—243; Ilg, Alb., Volkssage u. Kunstgesch., in Mitt, C.-K. XVI,
S. CXLVIU ff. — Die hier gegeoenen Beispiele lassen sich fast aller Orten vermehren,
Satirische Bilder. Bildnisse. 459
Anmerkung. Die an und in Kirchen nicht selten vorkommenden
Bildwerke, in welchen das Verderben der Geistlichen gezüchtigt erscheint,
haben, als ursprünglich von Geistlichen selbst ausgegangen und stets unter den
Augen der Geistlichkeit ausgeführt, zunächst den Sinn, den Klerus vor fleisch-
licher Sicherheit zu warnen. Allerdings gibt es, wenn auch glücklicherweise
nur selten, Bilder, welche durch Entzündung der mönchischen Phantasie leicht
die entgegengesetzte Wirkung haben konnten, und in Bezug auf solche jede be-
schönigende Deutung ausschliefsenden, schlechthin schamlosen Darstellungen,
wie sichz. B. an den Säulenkapitälen der oberen Burgkapelle zuEger befinden,
klagt der bayersche Abt Rumpier (um 1500) mit vollstem Recht: ^Sed et
turpitudo nonnunquam coeunüum (jmaginibus) inseritur.<ii (Vergl. Pez, Thesau-
rus anecd. I, 487 sq.) — Die Statuten der Karthäuser tadeln »picturas et imagi-
yies curiosas in ecclesüs et domihus ordinis, sive in vitris, sive in tabuliSy lapi-
dibtis et locis aliis.« Cf. Compilatio statutor. Carthusian. c. 3 (angeführt bei
Fiorillo, Gesch. der zeichnenden Künste in Deutschland, I, 191). Vergl. weiter
unten §. SS Anmerk. 1. — Die an Konsolen oder sonst als Träger baulicher
Glieder häufig vorkommenden menschlichen Figuren, welche oft in komischer
Weise zum Ausdruck bringen, entweder wie schwer ihnen die Last wird (»o quam
graride fero pondm sucurre<' steht bei einer solchen Figur am Dome zu Pia-
cenza), oder dafs sie ihnen eigentlich nur Spafs ist, haben oflfenbar nur den
Zweck, den Beschauer darauf aufmerksam zu machen, wie hier der Baumeister
mit wissenschaftlicher Mühe oder mit genialer Leichtigkeit die statischen Ge-
setze behen'schend seine Meisterschaft gezeigt habe.
83. Bildnisse kommen teils als diejenigen Verstorbener auf den
Grabdenkmälern, teils als die der Stifter, Donatoren etc. an Kirchenge-
bäuden lind auf Votivdenkmälern , teils als Künstlerbildnisse an neben-
sächlichen Stellen der Kunstwerke vor.
Der Verstorbene erscheint auf liegenden Denkmälern so, wie man
ihn einsargte, den Kopf meist auf Kissen, Ritter seit dem XIV. Jahrh. ge-
wöhnlich auf ihrem Turnier- oder Streithelm, Geistliche wohl auch auf
Büchern (z. ß. auf dem Grabstein des Kanonikus Joh. Krytwysch 1 1513 aus
St. Gereon zu Köln —Abb. Bock, Lit. Gew., I, 3, Taf. VHI) ruhend, jedoch
in der Regel mit lebender Gebärdung, gewöhnlich die Hände in betender
Haltung vor der Brust, Kirehenstifter jedoch auch das Kirchenmodell,
Priester in der Regel den Kelch vor der Brust haltend (nur ausnahmsweise,
z. B. zwei Pröpste von Reichersberg 1493 und 1527 — Abb. Mitt. C.-K. N.-F.,
V, S. XCVn f. — statt dessen mit einem Altarkreuze), Bischöfe mit Stab und
Buch oder meistens segnend (eigentümlich die beiden Mainzer Erzbischöfe
Sigfrid von Epstein und Peter von Aspelt die von ihnen geweihten deut-
schen Könige, jener Heinrich Raspe und Wilhelm von Holland, dieser Hein-
rich VII., Ludwig den Bayer und Johann von Böhmen krönend — Abb. bei
Stacke, deutsche Gesch., I, 512 und 5S1; Erzbischof Ernst von Magdeburg
von 1495 — Abb. bei Brandt, Dom zu M., 105 — hält in der Rechten das
Vortragekreuz des Primats, in der Linken das Pedum), Ritter häufig auch
und besonders sind es die sogenannten Wahrzeichen (s. oben S. 392), die hier reichen
Stoff liefern.
460 Bildnisse Vei"8torbeuer.
ihre Schilde, Schwerter, Lanzen und Fahnen auf mancherlei Weise haltend,
selten jedoch nur — was auf englischen Grabmälem häufig ist — das
Schwert ziehend z. B. Herzog Boleslaus vonOppeln (t 1370) in der dortigen
Minoritenkirche (Abb. Luchs, Schlesischo Füi-steubilder. Taf. 25). Bei stehenden
Grabmälern tritt im XV., häufiger im XVL Jahrh. auch die kniende Haltung
ein. Ehepaare kommen häufig neben einander vor, jedoch meistens ohne
dafs die eheliche Beziehung in ihrer Haltung zum Ausdrucke kommt, die
Gattin bald zur Rechten bald zur Linken des Mannes. * Auf den Epitaphien
des XVL Jahrh. erscheint dann gern die ganze Familie zu beiden Seiten
eines Kruzifixes kniend geschart, und zwar der Regel nach der Mann mit
den Söhnen und männlichen Verwandten auf der rechten , die Frau oder bei
öfterer Verheiratung die Frauen nebst den Töchtern und weiblichen Anver-
wandten auf der linken Seite des Gekreuzigten , bereits Verstorbene durch
ein Kreuz über ihren Köpfen oder gefalteten Händen, bei Kindern auch oft
in den gefalteten Händen bezeichnet. Einzig in ihrer Art ist die Darstellung
Kaiser Konrads HL (t 1152) an einem Pfeiler im Dome zu Bamberg als
Reiterstatue, wenn diese überhaupt als Grabmal anzusehen ist. — Gegen
Ausgang des Mittelalters kam, wohl unter Einflufs der Totentanzbilder und
als merkwürdiger Rückschlag gegen die üppige Sinnlichkeit des Humanis-
mus die Mode auf, den Verstorbenen nicht als lebendig oder schlafend, son-
dern als ein halbeingetrocknetes oder halbverfaultes, von Kröten, Schlangen,
Eidechsen etc. durchkrochenes Gerippe darzustellen, so schon auf dem
Denkmal des Bischofs Peter von Schaumburg (t 1469) im Dome zu Augs-
burg. Andere Beispiele: Naumburg, Dom: Kanonikus Rudolf von Bünau
(?) t 1505; Hall in Tirol, Pfarrkirche: Münzmeister Bernhard Beham
t 1507; Marburg, St. Elisabeth: Landgraf WilhelmH. von Hessen t 1509;
Lorch bei Enns: Ritter Bernhard von Schärfenberg t 1513; Lübeck, Ma-
rienkirche: Kaufmann Arnt Schinkel 1 1514; Tübingen, Stiftskirche: Wolf-
gang von Schleinitz t 1518; Minning in Österreich: Peter Baumgartuer
t 1527; Baumgarten N.-Österr: Abt Heinrich Khern t 1528; ferner in
Blaubeuern links neben der Altartreppe angeblich ein Ritter von Ger-
hausen. In Marburg liegt das Gerippe unter der Platte, auf derselben der
Verstorbene noch einmal lebendig in voller Rüstung, wie auch zu Lorch noeh
ein daneben an der Wand aufgerichteter Stein den Ritter in der gewöhnlichen
Weise zur Darstellung bringt. Ähnlich liegen auf französischen Grabmälern
dieser Zeit die oben auf der Platte kniend Dargestellten unterhalb derselben
noch einmal als nackte (aber nicht verfaulte) Leichname. — Zu den Füfsen
der Verstorbenen findet man überaus häufig bei Männern einen oder mehrere
Löwen bei Frauen einen Hund dargestellt, die früher gewöhnlich als Sinn-
bilder männlicher Stärke und weiblicher Treue gedeutet wurden, richtiger
' Auf einem Denkmal in der Frauonberger Kircho zu Nordhausen kommt auch
ein Priester Dietrich von Külstedt (f 1420) mit seiner Schwester Margarete zusammen
vor (Abb. Pcrschmann, Mittelalt. Denkm. Nordhausons, Taf. XIT), und das Verhält-
nis von Geschwistern kommt z. B. auf einem Grabsteine von 146S in der Liebfrauen-
kirche zu Frankfurt a. M. (v. Hofner, Trachten II, 63) und einem anderen in der
Pfarrkirche zu Krön b er g dadurch zum Ausdrucke , da£s die Figuren auf zwei Löwen
mit gemeinschaftlichem Kopfe stehen; sonst finden sich auch wohl 2 Personen zusam-
men, die direkt gar nichts miteinander zu thmi haben, so auf den Bischofsplatten in
den Domen zu Lübeck und Schwerin.
Stifterbildnisse. 461
sind sie wohl, zumal sie auch (besonders bei Bischofsbildern) mit Drachen
oder mit dämonischen Gestalten abwechseln, auf die überwundenen Mächte
der Versuchung und des Todes zu deuten. Die Hinweisung Schnaases
(IV, 275) auf den ganz äufserlichen Umstand, dafs man für die durch die
aufrecht stehenden Fttfse des Verstorbenen gebildete Lücke eine Ausfüllung
brauchte, pafst nur auf die liegenden Rundfiguren, aber nicht auf die an
Zahl doch weit überwiegenden gravierten Platten oder stehenden Denkmäler
mit denselben Darstellungen. * Dafs die Hunde zuweilen auch die bei den
vornehmen Damen des Mittelalters überaus beliebten Schofshunde darstellen,
ist in einzelnen Fällen zweifellos; so sieht man einen solchen von kleinster
Gestalt »schön« machend zu den Füfsen der Kurftirstin Anna von Branden-
burg (t 1512) in Heilsbronn zwischen zwei anderen gröfseren mit eigen-
tümlich geschorenen Mähnen, die doch wohl Löwen vorstellen sollen.
BildnissederStifter von Rirchengebäuden sind meist an den Portalen,
und zwar entweder an den Seitenwänden als Statuen (z. B. Kaiser Heinrich II
und seine Gemahlin Kunigunde am Dome zu Bamberg, Friedrich Barbarossa
und seine Gemahlin Beatrix am Dome zu Freising — Abb. bei Stacke,
a. a. 0., I, 436 und 435 — Bisch. Dietrich von Isenburg und ein Fürst am
Dome zu Münster, Herzog Rudolf IV. von Österreich und seine Gemahlin
an St. Stephan zu Wien etc.), oder gewöhnlicher im Relief im Tympanum,
wie sie kniend das Kirchenmodell der h. Jungfrau oder sonstigen Heiligen
überreichen , dargestellt. Sie kommen aber auch im Inneren der Kirchenge-
bäude vor, so die Reihe der Stifterstatuen an den Wandpfeilem des Westchors
im Dome zu Naumburg — s. Fig. 240 und 241. Von besonderer Eigen-
tümlichkeit sind die 21 bemalten Büsten der Stifter, Gönner und Mitarbeiter
des Dombaues, welche Karl IV. auf der Triforien-Gallerie des Chors im
Dome zu Prag aufstellen liefs (Abb. mehrerer bei Grueber, UI, Taf. I und U).
Auch einzelne nicht mit dem Kirchenbau unmittelbar zusammenhängende
Bildnisse kommen vor, so die in der französischen Revolution zerstörten,
später erneuerten Reiterstatuen der Könige Chlodwig, Dagobert und Rudolf
von Habsburg von 1291 an der Westfa^ade des Münsters zu Strafsburg,
oder daselbst am Turme die tieftraurigen Gestalten des Kaisers und des
Mönches, nach der einen Auslegung die Bildnisse Heinrichs VII. und des Do-
minikaners, der ihn vergiftete, nach anderer diejenigen Ludwigs des Baiern und
eines von seinen getreuen Minoriten. Zuweilen sind auch um den Kirchenbau
verdiente Personen niederen Standes ganz genrebildartig verewigt, so in der
Schlofskirche zu Z eitz ein Fuhrmann mit Peitsche und zweispänniger Deichsel-
wage und der Beischrift Mch heyse Keselieh« (Abb. Kreis Zeitz, 48), oder am
Dome zu Magdeburg am nördl. Querschiffflügel der Schäfer mit Hund und
dem hornblasenden Hundeknechte (Abb. Brandt, Dom zu Magd., 42), welcher
der Sage nach einen beim Hüten der Heerde gefundenen Schatz zum Dombau
gewidmet hatte.— Die Bildnisse der Stifter an einzelnen Kunstwerken, nament-
lich Altargemälden erscheinen in der Regel in betender Haltung, häufig von
* Vergl. R. V. Rettberg-Wettborgen, Löwe und Hund auf Grabdenkmälern , in
Wartburg. I, 11 6 ff. 124 ff. — Auf einem Grabsteine mit dem auf einem Dreiberg stehenden
Vortragekreuze zu All and in N.-Östi*. liegt innerhalb des Dreibergs ein hundeähnliches
Tier auf dem Rücken und streckt die Beine nach oben (Abb. Ber. u. Mitt. des Alt.-V.
Wien. XVn, 262, Fig. 4).
462 Künstlerbildnisso.
ihren Schutzpatronen bej^leitet und fürbittend empfohlen. Die römische
Kirche maclit bekanntlich in der Theorie einen Unterschied zwischen der
adoraiio, welche nur der Gottheit gebühre, und der venerado, welche der
Maria und den Heiligen zu erweisen sei ; wie für die Praxis der Andachts-
übung kommt auch für die künstlerische Darstellung diese Unterscheidung
nicht in Betracht. — Unter dem Einflüsse der realistischen Richtung der van
Eyckschen Schule wurde es im XV. Jahrh. aufserordentlich beliebt, den Hei-
ligen beiderlei Geschlechts, namentlich auf den Flügelbildeni der Altar-
schreine direkt die Körperformen und Gesichtszüge der Stifter zu geben,
und namentlich Bilder der heil. Sippe erscheinen manchmal als reine Fami-
lienporträts, die nur durch die Heiligenscheine und sonstigen Attribute den
Stempel eines Andachtsbildes erhalten haben. Diese Unsitte wurde später
von der Kirche ausdrücklich verboten (vorgl. Jakob, 104, Note 2). Etwas
Ähnliches, aber Aufrichtigeres erscheint auf vielen Bildern der Reformations-
zeit, indem namentlich L. Kranach in sehr naiver Weise die Reformatoren
und ihre fürstlichen Beschützer in vollster Porträttreue in die halbsymbo-
lisch-lehrhaften Handlungen seiner Altarbilder hineinsetzte.
Kü n st lerbildnisse wurden schon in der Karolingerzeit von den Minia-
toren der Handschriften gern auf dem Dedikationsblatte angebracht. Später
auch an andern Kunstwerken. Freilich mufs man sich besonders bei den
Kirchengebäuden hüten, wo nicht bestimmte Inschriften oder urkundliche
Nachrichten vorhanden sind , namenlose Bildnisse , die ersichtlich Baumeister
und Handwerker vorstellen, mit anderweitig bekannten Namen von solchen zu
kombinieren, wie z. B. bei den Konsolbüsten am Turme des Freiburger
Münsters mit Erwin von Steinbach und seiner Familie geschehen ist.
Wir nennen als solche Beispiele ferner: im Dome zu Magdeburg an
einem Pfeiler eine kniende Figur, die eine Säule auf der Schulter trägt, wo-
rin die Tradition den Baumeister Bonensack erkennt; am Hauptportale
derselben Kirche aus der ersten Hälfte des XIV. Jahrh. in der Tracht eines
Geistlichen oder Laienbruders eine Figur, welche auf der rechten Schulter
einen Baustein trägt und für den Erbauer des Portales gilt ; in der Moritz-
kirche zu Halle a. d. S. ein Brustbild, angeblich des Baumeisters Konrad von
Eimbeck um 1400 ; die Gruppe eines knienden Meisters mit seinem Gesellen und
Lehrjungen auf der Dachgallerie der Barbarakirche zu Kuttenberg, welche
auf Mathias Raysek gedeutet wird (Abb. Grueber, IV, 143). Dagegen
soll die Inschrift »pnider Diemar^ neben dem sogenannten visierenden Bau-
meister, einen knienden Dominikanermönch mit Zirkel an einem Kapitell der
Dominikanerkirche zu Regensburg stehen, und am Nikolausportal des
Münsters zu Kolmar steht neben einer sitzenden Figur mit Reifsbrett
und Winkelmafs ^maisfres hvmbreH. — Etwas sichrer wie bei den Architekturen
geht die Deutung bei Skulpturwerken, obgleich z. B. die beiden Brustbilder
amFufse der Kanzel und an einer Orgelempore in St. Stephan zu Wien, die
man früher als Bildnisse des Hans Puchsbaum in verschiedenen Lebens-
altern ansah, nach den neueren Untersucliungen völlig zweifelhaft geworden
sind und teils auf Anton Pilgram, teils auf Georg Öxl, teils auf einen
andern nicht näher bekannten Hans bezogen werden. Im Münster zu Frei -
bürg im Breisgau findet sich unter der Kanzel das Bild des Steinmetzen
Georg Kempf, an den Chorstühlen im Münster zu Ulm die Brustbilder
Porträtälmlichkeit. Trachten. 463
Jörg Sürlin8 und seiner Ehefrau (?), an denen der Stiftskirche zu Her-
renberg das des Heinrich Schickardt, an denen der Marienkirche zu
Stendal hat sich der Bildschnitzer Hans Ostwalt vor der h. Anna selbdritt
kniend dargestellt, an demjenigen zu Pohl de der schnitzende Mönch in
seiner Werkstatt (Abb. Mithoff, n, 179). Am unteren Teile des Sakrament-
hauses in St. Lorenz zu Nürnberg brachte Adam Kr äfft sich und seine
Gesellen an, am Sebaldusgrabe stellte Peter Vischer sein eigenes Bild dar
etc. Diese Sitte der Baumeister und plastischen Kflnstler befolgten noch
häufiger die Maler: Albrecht Dürer malte sich und seinen Freund Pirck-
heimer oft, und gerade auf seinen besten Bildern; Barthol. Zeitblom
stellte sich selbst dar am Altare der Kapelle auf dem Heerberge, Hans
S ch äu ffel i n auf einem Wandgemälde im Rathause zu Nord 1 in gen, Lukas
Kranach auf der Altartafel in der Stadtkirche zu Weimar etc.
Anmerkunff. Auf Porträtähnlichkeit ist bei den Bildnissen der älteren
Zeit nicht zu rechnen ; man begnügte sicli mit einer allgemeinen Ähnlichkeit,
schuf auch zum Teil reine Phantasiegestalten. So dürfte es unmöglich sein,
sich die herbe Büfserin, die h. Hedwig (vergl. S. 473, Fig. 248) als die mäch-
tige fleischige Frauengestalt ihres Grabmals zu Trebnitz vorzustellen. Das
Grabbild Heinrichs des Löwen im Dome zu Braunschweig weicht von seiner
überlieferten Personenbeschreibung völlig ab, und auf dem Dedikationsbilde
des Helmwardshausener Evangeliars zu Prag (ca. 1170 — 1180) erscheint der
50jährige Mann als ISjähriger Jüngling. Dagegen wird uns aber auch von einem
Bildhauer zu Speier erzählt (Ottokar von Steior CCCLXXATI bei Mafsmann, Kaiser-
chronik, II, 630), der in dem Bilde des Kaisers Rudolf von Habsburg jede Run-
zel seines Angesichts abgebildet hatte, und als er hörte, dafs der Kaiser eine
neue bekommen habe, eigens nach dem Elsafs reiste um sich den Kaiser anzu-
sehen, und als er die Sache bestätigt fand, die Runzel auf dem Bilde nachtrug.
84. Die Bildiiisfiguren erscheinen in der Regel in der Tracht ihrer
Zeit und ilires Standes, nur in seltenen Fällen wurde ihnen aus künst-
lerischen Rücksichten eine ideale Kleidung gegeben; aber auch auf den
religiösen Bildern aus Bibel und Legende gaben die Künstler den dar-
gestellten Personen fast immer, namentlich aber in der realistischen
Kunst des XY. Jahrh. das Kostüm ihrer eignen Zeit.
Gott Vater, Christus, die Apostel, Propheten und einige andere alt-
testamentliche Personen wurden nach einem aus der alten Kirche überliefer-
ten Typus in idealischcr Tracht abgebildet. Die Personen der Gottheit, die
Engel, Apostel und Propheten erscheinen in der Regel mit unbekleideten
Füfsen, Maria nur ganz ausnahmsweise, wie z. B. in den Deckengemälden
zu Brauweiler, andere Heilige durchaus nur, wenn ihre Legende besondere
Veranlassung dazu giebt, wie die h. Hedwig und Kunigunde.
85. Die Kenntnis der zu verschiedenen Zeiten üblichen Trachten
ist deshalb dem Archäologen wichtig, läfst sich jedoch ohne eigenes
Studium der Denkmäler nicht erwerben; hier können nur einige An-
deutungen gegeben werden.
464 Geistliche Trachten.
Als klassisch ist zu bezeichnen: Weifs, Herrn., Kostümkunde (s. oben S.
264. Von der IL Abt. dieses Werkes [lY.— XIV. Jahrh.] ist inzwischen 18S3
eine 2. Auflage ei*schienen, die hier noch nicht hat verghchen werden können).
— Vergl. V. Falke, Jak., die deutsche Trachten- u. Modonwelt. lb5S. — Ders.,
Kostümgeschichte der Kultur\'ölker. M. Holzschn. ISSü f.
Knpferwerke: von Hefner-Alteneck, Jos., Trachten, Kunstwerke u. Ge-
rätschaften vom frühen Mittelalter bis Ende des XVIII. Jahi'h. nach gleichzei-
tigen Kunstdenkm. III Abt. (1840—1854). 2. Aufl. 1 880 ff. enthält zugleich das
S. 128 angeführte Werk. — Wagner, H., Trachtenbuch des Mittelalters, nach
Denkm. 6. Hefte ä 8 Taf. mit vielen Abbild. 1830. — Eye, A. v., u. v. Falke,
JaJc., Kunst u. Leben der Vorzeit vom Beginn des Mittelalters. 2 Bde. 1855 —
1858. — Racinet, A., le costume lustorique. 500 pl. Paris 1876. — Köhler,
K. , die Entwickelung der Tracht in Deutschi, während des Mittelalters und der
Neuzeit mit bes. Berücksichtigung der . . . Hei*stellungsweise. M. 100 Taff.
1877. — Kretschmer, Alb., u. Kohrbach, C, die Trachten der Völker u. s. w.
2. Aufl. 1880 ff.
Geistliche Trachten: Über die Pontifikaltracht des Klerus und der
Bischöfe ist bereits oben in §. 47 und 48 gehandelt. Hinzuzufügen ist hier
Folgendes. Der Papst trägt ebenfalls bischöfliche Kleidung, statt des
Krummstabes jedoch ein hohes Kreuz mit einem, dann zwei (oder drei)
Querbalken.^ Die Kopfbedeckung besteht im XII. Jahrh. aus einer sehr
hohen, weifs seidenen, kegelförmigen Mütze (phrygiiim), welche mit einem
Goldreifen umschlossen ist ; ^ ein zweiter Reifen kam seit 1227 hinzu, und erst
ürban V. (t 1370), nach andern schon Clemens V. (t 1314), soll zuerst
die dreifache Krone (Tiara) aufgebracht haben : eine kegelförmige mit drei
Goldreifen umgebene Mütze ; doch ist noch Innocenz VI. (f 1362) auf seinem
Grabmale nur mit der Doppelkrone dargestellt. — Die Kardinäle zeichnen
sich durch pui'purrote Kleidung und (seit 1248) durch einen runden flachen
breitkrempigen Hut {pileus, galerus ruber) aus, der statt des ursprünglich
einfachem Kinnbandes später zu den Seiten mit mehreren Schnüren und in
5 Reihen untereinander daran befestigten Quasten geschmückt wurde. Bei
gewissen Gelegenheiten erscheinen sie violett oder rosenrot. — Die die-
nende Geistlichkeit (zuweilen auch die Priester etc.) trägt über dem als
Hauskleid dienenden Talare (talaris, subtana) ein leinenes, bis auf dieKniee
(auch tiefer) herabgehendes Chorhemd {superpelliceum, roche(tum) als Über-
kleid. Als Kopfbedeckung dient das Barett (biretum) ursprtlnglich nur ein
rundes Käppchen zur Bedeckung der Tonsur, im XV. Jahrh. des bequemeren
Ab- und Aufsetzens halber erhöht, gesteift und in vier cornua getheilt, oben
in der Mitte mit einer kleinen Quaste versehen. ^ — Bischöfe, die einem
geistlichen Orden angehören, tragen unter der Messkleidung ihr Ordens-
kleid und über letzterem das Chorhemd. Im XV. und XVI. Jahrh. trugen
Geistliche und Laien häufig einen Buchbeutel, (s. den Bischof Fig. 101,
S. 266).*
* Nach Thomas Aquin. (Summae theol. supplementum ps. 3 quaest. 40 c. 7
n. 8) führt der Papst keinen Bischofstab, weil dessen Krümmung eine coarctata po-
testas bezeichne, was füi* ihn nicht passe.
* Weifs, a. a. 0., 679. — Engelhardt, Herradis von Landsberg, 109.
3 tJber die Interimstracht der Geistlichen und das Barett vergl. Bock, Lit. Gew.
U, 342 ff. u. Taf. IL u. L.
* Der Ledereinband ist nach oben verlängert imd durch einen Riemen zusammen-
geschnürt ; er wurde auch vermittelst emes Messingringes am Gürtel befestigt. Abb.
eines solchen Beutels (Boksbüdel) aus dem Germanischen Museum im Anz. G. M. 1862,
Trachten der Klostergeistlichkeit. 465
Trachten der Klostergeistlichkeit:* Die Mönche tragen eine
Kutte (coiobitifh)^ das engere Hauskleid, welches mit einem Gttrtel umbun-
den wird; die Schultern bedeckt die Mozeiiaj ein Brustkragen , an welchem
hinten die Kapuze als Kopfbedeckung angenäht ist; vorn und hinten hängt
von der Mozetta, fast bis auf die Fttfse, ein breites Stück Zeug hinab, das
Skapulier^ genannt. Die Nonnen tragen statt der Mozetta (regelmäfsig
jedoch erst in späterer Zeit) den Wimpel: ein gewöhnlich weifses Vortuch
um Hals und Brust, stets aber den Weihel {velum)\ einen in der Regel
schwarzen Schleier, welcher den Kopf bedeckt. — Farbe und Schnitt der
Kleidung ist bei verschiedenen Orden verschieden: Antoniter: schwarz,
mit himmelblauer Potentia (T); ledernes Halsband mit einem Glöckchen.
— Augustiner (Eremiten) : schwarze Kleidung, lederner Gürtel. Von diesen
sind verschieden die Chorherren {Canonici reguläres) des Augustiner -Or-
dens, die, je nach Mafsgabe der Sprengel wechselnd, ein schwarzes, weifses,
violettes oder braunes, bis zu den Ftifsen reichendes Oberkleid mit engeren
oder weiteren Ärmeln trugen, darüber das weifse Chorhemd nebst einem
schwarzen Mantel (cappa) mit Pelzpelerine (almutium), Scheitelkäppchen
und Barett. — Benediktiner (Kluniacenser) : schwarz. — Brigittinen:
ganz grau; auf der Brust ein Ring, darin ein Kreuz. — Cistercienser
(vielfach Graumönche genannt, daher leicht mit den Franziskanern ver-
wechselt): ursprünglich schwarz, dann weifse Kutte und schwarzes Skapu-
Her; rote Schuhe. — Coelestiner: Kutte weifs, Skapulier und Kapuze
schwarz; aufserhalb des Klosters eine schwarze Kappe. — Dominikaner:
weifse Kutte und schwarzer Mantel, dessen Kapuze inwendig weifs ist (sie
werden deshalb auch Weifs mönche genannt); das Skapulier bei den Mön-
chen weifs, bei den Laienbrüdern schwarz. — Franziskaner. Sämtliche
zahlreiche Abzweigungen dieses Ordens (als: Minoriten, Rekollekten, Bar-
füfser, Kapuziner etc.) tragen grau-braune Kleidung, einen weifsen Knoten-
strick als Gürtel und kein Skapulier: die Form der Kapuze ist verschieden;
einige tragen Sandalen , andere gehen barfufs. — Die Franziskaner-Nonnen
(als: Klarissinnen, Kapuzinerinnen etc.) sind ebenfalls grau-braun gekleidet,
mit weifsem Wimpel und schwarzem Weihel etc. — Hieronymiten (Ere-
miten): weifser Rock von grobem Stoffe, kleine Kapuze und Skapulier
schwarz, beim Ausgehen schwarzer Mantel. — Die Jesuaten des h. Hie-
ronymus tragen ein Untergewand nebst Schulterrock, kastanienbraun. —
Sp. 324, eines andern bei Becker- von Hefner. IH, 65 A. Vergl. auch oben über
das Wahrzeichen von Hamburg S. 393.
* Helyot, Hippel., Ausführl. Gesch. aller ffeistl. u. weltl. Kloster- u. Ritterorden.
Aus dem Französischen. 1753 — 1756. 8 Bände. (Das Original erschien zu Paris
1714—1719, 2. Aufl. mit 812 Fig. 1792.) Eine neue Bearbeitung dieses Werkes vom
Baron de Roujoux, wovon eine deutsche Übersetzung im Jahre 1830 angekündigt wurde.
— (Schwan, Ch. F.) Abbild, aller geistL u. weltl. Orden. 1779 etc. — Vergl. »das
Papsttum mit seinen Gliedern, abgemalt und beschrieben« in der Eisleb. Ausgabe von
Luthers WW. I, 243 ff. — Weifs, 11, 697 ff.; Die litteratur S. 135, Not. 3. u. S.
484, Not. 1. 2.
^ Das Skapulier ist besonders durch das mit dem Bildnis der h. Jungfrau ge-
schmückte, welches dieselbe angeblich dem sechsten General der Karmeliter Simon Stock
1251 mit den Worten in hoc moriens nonpatietur incendium selbst überreicht hat, in
Aufiiahme gekommen und AnlaTs zur Stiftung der Skapulierbruderschaft und des Skapulier-
festes am 16. Juü geworden. — Vergl. Schneider, Jos., die Ablässe. 7. Aufl., 375.
Otte, Kamt- Archäologie. 5. Aufl. 30
466 Trachten der Klostergeistlichkeit.
Kamaldiilenser: Kutte und Skapalier weifs ; die Nonnen weifs mit schwar-
zem Weihel. — Karmeliter: ursprünglich weifs und schwarz oder braun
gestreifter Mantel , später wie die Dominikaner aber mit schwarzem Rock
und weifsem Mantel und grauem Skapulier. Sie wurden, nachdem sich im
XVI. Jahrh. die Barfüfser (mit braunem Rock, sonst ebenso) von ihnen
abgezweigt hatten, al8»beschuhete {calciatiy bezeichnet. — Karthftu-
8 er: weifs; lederner oder hänfener Gürtel ; der vordere und der hintere Teil
des breiten Skapuliers ist in der Gegend der Kniee mit zwei handbreiten
Streifen verbunden. Die Nonnen kleiden sich weifs mit schwarzem Weihel.
— Prämonstratenser: Kutte schwarz; Mozetta, Skapulier und Mantel
weifs; auf der Brust einen achtspitzigen Stern (vergl. Fz. Hubert Müller,
Beiträge, I. Taf. 2). Die Nonnen weifs, mit ledernem Gürtel (ebd. IL Taf.
19). — Serviten: schwarz; möglichst langer Bart. — Trinitarier: die
Kutte mit der spitzen Kapuze und das Skapulier weifs ; auf letzterem und
auf dem schwarzen Mantel wird ein rot und blaues Kreuz (+) getragen. —
Die Ritter geistlicher Orden tragen kriegerische Rüstung: die Tempel-
herren darüber einen weifsen Mantel mit blutrotem Kreuz; die Johan-
niter einen schwarzen Mantel mit weifsem Kreuz; die Deutschherren
einen weifsen Mantel mit schwarzem Kreuz. — Obgleich nach päpstlichen
Verordnungen den geistlichen Orden die rote Kleidung verboten war, so gab
es doch Ausnahmen, z. B. die Johannesbrüder de civitate (mit einem ge-
stickten Kelch auf dem Skapulier) und der Orden vom Thal Josaphat. —
Über die Kleidung fanden unter den Klöstern oft heftige Zänkereien statt. ^
— Die Äbte und Äbtissinnen tragen entweder den geraden, oben mit
einem Knopfe versehenen Abtsstab in der Hand, oder den Krummstab; wie
die Behauptung, dafs sie denselben mit der Krümme nach innen hätten hal-
ten müssen (s. oben S. 278), ebenso unbegründet ist die andere, dafs sie ihn
nur vermittelst des Sudariums hätten anfassen dürfen, welches ganz andere
Bestimmung hatte (s. oben S. 280).
Alle Geistlichen tragen als Sinnbild der Dornenkrone Christi die Ton-
sur (Corona clericalis)^ d. h. eine kleinere oder gröfsere, kahl geschorene,
kreisförmige Platte auf dem Scheitel. Auf dem Konzile zu Rom 1074 wurde
den Klerikern, die bis dahin nach Belieben den Bart wachsen liefsen oder
abschoren, das Rasieren zur Pflicht gemacht,
wovon sich zuerst Papst Julius II. (t 1513)
eine Abweichung erlaubte; es scheint jedoch,
als wenn im XV'^. Jahrh. manche Bischöfe wie-
der Barte getragen hätten , was von einzelnen
Geistlichen vielleicht immer geschah.*
Geistliche werden oft in der Gebärde des
\ ( / VI Segnens abgebildet, d. h. sie erheben die
rechte Hand , dem Beschauer zugewendet, mit
1 I I ausgestreckten Schwurfingern (Fig. 238). Nach
P, 238 Fig. 239. ^^^ griechischeu Ritus (Fig. 239) kreuzen sich
' beim Segnen die Spitzen des Daumens und des
* Tergl. Lop s ins, Gesch. dos Moritzkl. zu Naumburg, 54 ff. u. 152 ff.
* Hoineccius, de sigillis, 197 sq. — Vergl. Gesch. dos Baites. Lpzg. 1797;
Bunz, zur geistl. Tracht, im Chr. K.-B1. ISSl, 27 ff.
Trachten der Klostergeistlichkeit. 467
vierten Fingers.^ Auffallend ist, dafs die griechische Form des Segnens auf
deutschen Denkmälern aus dem XIIL Jahrh. hin und wieder vorkommt, z.B.
ein segnender Christus auf einem Gewölbeschlufssteine des Magdeburger
Doms (Rosenthal, lief. 3, Taf. 4, Fig. 21) und ein heiliger Nikolaus auf einem
Wandgemälde in der Nikolaikapelle zu Soest (Abbild, zu No. 9 des Org. f.
ehr. K. von 1852). — Das Falten der Hände geschieht mit zusammenge-
legten flachen Händen ; in einzelnen Fällen kommt auch noch die altchrist-
liche Weise des Gebets mit vor der Brust nach aufsen gebreiteten Händen
vor, z.B. auf den Siegeln vonGurk, am Portal von Petershausen u.s.w.;
unsre gegenwärtige Art des Händefaltens mit verschränkten Fingern ist erst
im Spätmittelalter nachzuweisen. Der inbrünstig betende Bürgermeister
Mayer auf der berühmten Holbeinschen Madonna z. B. hält die Hände in
dieser W^ise gefaltet. — Pilger tragen eine Jordan -Muschel auf dem Hute
oder am Kleide und den am obern Ende mit zwei Knöpfen versehenen Pilger-
stab in der Hand ; letzterer hat zuweilen oben auch einen gabelartigen Haken
zum Anhängen des Reisebündels. Im späteren Mittelalter tragen sie meist
auch die aus Blei oder Messing gefertigten Ablafszeichen oder Wallfahrts-
zeichen , welche an den Wallfahrtsstätten als Ausweis der vollendeten Wall-
fahrt verkauft wurden und als Amulette zu mancherlei Zwecken dienten.^ —
Bettelmönche werden mit dem Bettelsack, im späteren Mittelalter auch
wohl mit einer Armenbüchse in der Hand abgebildet; sie tragen ein Glöck-
chen am Stabe. — Auch ist hier des Rosenkranzes (Rosarium) zu ge-
denken, der im XU. Jahrh. (angeblich von Peter von Amiens) als Hilfsmittel
eines zahlrichtigen Beteus aus dem Oriente eingeführt und der Verehrung
* Die drei ausgestreckten Finger bezeichnen bei den Lateinern die Trinität (Jea.
40, 12), die beiden eingeschlagenen Finger die beiden Naturen Christi (Durandusl.
V. c. 2 n. 12). — Nacn der Symbolik der Griechen bilden die Finger der segnenden
Hand die Buchstaben des Namens Jesus Christus: der ausgestreckte Zeigefinger und
der gekrümmte diitte Finger bilden die Zeichen IC (Jesus); der sich mit dem Ring-
finger kreuzende Daumen oildet den Buchstaben X ; der kleine Finger endlich krümmt
sicn zur Gestalt dos C.(XC = Christus). Vergl. Didron, Ikonographie chretienne.
Hist. de Dieu., 415. — Übrigens ist die segnende Gebärde der byzantinischen Christus-
bilder zunächst nichts weiter als ein allerdings konventionelles,' aber aus der antiken
in die fütchristliche Kunst übergegangenes Zeichen der feierlichen Anrede, Veraiche-
iTing imd Beteuerung, und so ist inr\orkommen auch auf den abendländischen Denk-
mälern in der Regel zu erklären. Dies hat zuerst Kort um, C. W., des Silentiarius
Paulus Beschreib, der heil. Sophia, metrisch übersetzt. Anmerk. 55. (Anhang zu Sal-
ze nb er gs Altchristi. Baudenkm. von Konstantinopel) nachgewiesen; vergl. Schnaase,
in, 650 ff. und J. P. Richter, im Chr. K.-Bl. 1876, No. 2.
* Eine Abb. der zu "Wilsnack, wo man zuerst eine förmliche Industrie damit
getrieben zu haben scheint, verkauften "Wundorblutsmedaillen auf dem Titelblatt der
1521 gedruckten Geschichte des Wunderbluts (reproduciert durch Matth. Ludecus
Wittenberg 1586). — Die in Sammlungen (z. B. zu Dresden im Mus. des Gr. Gartens
Saal I una im (>erman. Mus., K.-G. 292 — 297) vorhandenen cehören meist erst dem
XYI. Jahrh. und späterer Zeit an. — Zu dieser Kategorie zäluen auch die Pestkreuze
des P. Zacharias, die oben S. 401 erwähnten Benediktskreuze und die mit ihnen zu-
sammengesetzten, in der Form dem Eisernen Ki'euze sehr ähnlichen St. Ulrichskreuze,
die als Amulette gegen Mäusofrafs in den Feldern vergraben wurden. Jos. Schnei-
der, die Ablässe, 7. Aufl. S. 538 sagt: »Man kann sie auf Thüren und Mauern der
Gebäude nageln, oder in deren Fundamente legen; man kann sie auch in das Wasser
legen, welches man dem Vieh zu trinken giebt {ad eorum incrementum et incolumi-
tatemU Vergl. auch Chr. K.-Bl. 1882, 32 und Prüfer, Archiv. V, 63. 89. VI, 28.
30*
4G8 Rosenkranz. Weltliche Trachten, MHiiner.
Marias geweiht, später von Domiuikus (seit 1270) vollständig organisiert,
aber wieder in Vergessenheit geraten , im XV. Jahrh. durch Alanus de Rupe
und die Rosenkranzbrttderschaften (1475 zu Köln durch den berüchtigten
Hexeninquisitor Jakob Sprenger gestiftet) wieder in Aufnahme gebracht, von
Papst Innocenz VIII. (1484 — 1492) mit bedeutendem Ablafs ausgestattet,
aber erst durch Gregor XIII. nach dem Siege von Lepanto (1571), der seiner
Kraft zugeschrieben wurde, obligatorisch gemacht worden ist. Man unter-
scheidet hauptsächlich drei Arten: der grofse oder Marien -Rosenkranz ist
eine Schnur mit 15 grofsen und 150 kleinen Kügelchen, nach der Anzahl der
Psalmen, daher auch Psalterium Marianum genannt. Der gewöhnliche mitt-
lere oder Brigitten -Rosenkranz hat 63 kleine Knöpfchen, nach der Anzahl
der Lebensjahre der Maria, welche 63 Jahre lebte, bei den Franziskaneni
aber 72 kleinere und 7 gröfsere ; beim Abbeten des Rosenkranzes kommt
auf jedes kleine Kügelchen ein Ave Maria, auf jedes gröfsere ein Vaterunser;
auf 10 Ave folgt immer ein Vaterunser. Der kleine oder Rosenkranz des
Herrn hat nur 33 Perlen, nach der Zahl der Lebensjahre Jesu, und ist eine
Erfindung der Kamaldulenser zur Zeit Leos X. (t 1521); er wird mit 33
Vaterunsern und aufserdem 5 Ave nach der Zahl der Wunden Christi abge-
betet. Der englische Rosenkranz hat nach der Zahl der Engelchöre neun-
mal je 1 Vaterunser und 3 Ave und am Schlüsse noch 4 Vaterunser und eine
Antiphon an den h. Michael ; der von dem h. Peregrinus (Servit t 1345) er-
fundene Rosenkranz von den sieben Schmerzen siebenmal je 1 Vaterunser
und 7 Ave und zum Schlüsse noch 3 Ave. Die Vaterunser sind bei ihm durch
7 Medaillen mit Darstellungen der Schmerzen Maria bezeichnet. Zu jedem
abgebeteten Rosenkranze gehört am Schlüsse oder Anfange ein Credo. *
Weltliche Trachten:^ Männer. Haupthaar und Bart:^ die karo-
lingischen Herrscher trugen verschnittenes Haar und Schnurrbarte ; unter
den Hohenstanfen war langes, fliegendes Haar üblich, zuerst gescheitelt^
später vorn auf der Stirn kurz abgeschnitten ; der Bart blieb immer noch kurz^
wurde aber zuletzt ganz abgeschoren, was nebst dem langen herabfallenden
Haupthaar im XIV. Jahrh. zur allgemeinen Sitte wurde. Um 1380 fing man
an das Haar über den Ohren in Krullen aufzurollen ; dagegen wurde es im
XV. Jahrh. lang bis in den Nacken getragen ; im XVI. Jahrh. kamen lange
Barte und kurz verschnittenes Haupthaar wieder auf. — Die Kleidung war
in der älteren Zeit einfach und weniger dem Wechsel unterworfen, der erst
mit den Kreuzzügeu eintrat, bis die Trachten endlich im XV. Jahrh. in
Üppigkeit ausarteten. Im VIII. und IX. Jahrh. trugen die Männer die
Tunika, um die Hüften gegürtet; lange Beinkleider,* unter dem Knie ge-
bunden. Ein Mantel von mäfsiger Länge wurde auf der rechten Schulter mit
> Mayer, J. F., Diss. de Rosario 1720; Bellermann, J. J., das graue Kloster
in Berlin. H, 10; Jos. Schneider, a. a. 0., 159. ISl. 190. 217. 307. 403 u. öfter. --
In Indien reicht der Gebrauch dieser religiösen Rechenmaschine bis ins höchste Alter-
tum hinauf. Vergl. v. Bohlen, das alte Indien. I, 339; AVeifs, a. a. 0., 701.
* V. Hefner, a. a. 0. Einleitung, 13 ff. Vergl. Heineccius, a. a. 0., 198 ff.
' Falke, Jak., Haar und Bai-t der Deutschen im Mittelalter, im Anz. G. M. 1858.
Sp. 8—12; 52 — 55; 82 — 86. — Derselbe, die männliche Kopftracht, in den Mitt.
C.-K. V, 185—190; 213 — 222; 265 — 272.
* Rettberg, K. v., über das Beinkleid des Mittelalters, im Ana. G. M. 1858. Sp^
217 ff. u. 33Sff.
Kleidung. 469
einer Sp&nge oder mit eioem Knoten befestigt. Die Flirse wareu mit H&lb-
BtiefelD, Siiiiij&len oder kreuzweis umschnürten Strümpfen belcleidet. Unter
den sächsiscben und saiischen Kaisem imX. nnd XI. Jahrb. erbielt sich diese
einfache Tracht, nnr dafs zuweilen dabei, namentlich durch Besetzung des
Mantels mit Edelsteinen, mehr Pracht entwickelt wurde. Es kamen farbige,
schön gewirkte Schuhe (zuweilen schon mit kurzen Schnäbeln) auf und rot
gewürfelte Strumpfe. Unter den Hohcnstaufen kamen die EdeUteine auf den
Mänteln wieder ah, die Schuhe
reichten bis auf die Knöchel
und hatten oft lange Schnäbel.
Im XII. ' und XIII. Jahrh. hatte
die gegürtete Tunika kurze Är-
mel, und der lange Mantel, vorn
offen, wurde durch eine Brust-
epange zusammengehalten. Im
XIV. Jahrh. wurden lange bis
auf die Erde reichende Röcke
getragen, mit engen Ärmeln,
welche vom Ellenbogen an ge-
knüpft sind und oft bis auf die
Mitte der Hand reichen; reiche
Gürtel; der Mantel über der
Brust mit einer Schnur be-
festigt; Kappen auf dem Kopfe.
Das gemeine Volk trug kurze
Köcke (oft mit Kapuze), enge
Hosen und hohe Schuhe. —
Um die Mitte des Jahrh. kom-
men viele neue Moden auf;
namentlich ist das sich schon
seit dem XI. Jahrh. znweilen StlftoHUtDCDEm Dons id NiDmbnrg'fiiacbVelb).
findende, sogen, Miparli ge-
bräuchlich, wo die verschiedenen, einander ent sprechenden Teile der Klei-
dung verachiedene Farben haben (z. B. ein Ärmel rot, der andere blau) etc.
Die luxuriösen Trachten des XV. und XVI. Jahrh. ^ sind zu mannigfaltig,
um hier näher beschrieben zu werden: weite Puffhosen, viel geBchlitzte
Ärmel, spanische Mäntel etc. Bezeichnend für das XVI. Jahrh. ist die
überaus plumpe Form der Fufsbekleidung: die Schuhe sind vom breit ab-
gerundet. — Bewaffnung:' Unter den Karolingern war der Harnisch,
' Für das Xn. Jahrb. vergL: Engelhardt, Chj'. Mor., Herrad v. landspcrg etc.
und ihr Wert: Hortua delitiarum. ISIS. Mit 12 Taf,
* Tcrgl. Eye, A. v., Deutschland vor 300 Jahren in Leben u. Kuost, aus seinen
eigenen BUdem dargestellt, iS53 etc.
= Vergl. die Litterahir bei Weifa. H. BOT, N. 2. m, 152, N. 1. 197, N. 1.
264. N. 2. — Essen wein, A., Beiträge aus d. G. M. zur Gesch. d. Bewathmng im M.-A.
m. Abbild. Änz. 0. M. 1S80, No. 7 u. flgde. Jahrgge. — Schultz, Alw., d. höfische
Leben etc. n, 1—89. 113. 116. 171—187. — Demmin, d. Kriegswaffen in ihrer histor.
Entw. 1869. — Leitner, Qu-, die WaSensamml. d. (ktm. Kaiserhauses. 1869 ff. —
Hiltl, G., die "Waffensamml. d. Prinz. Karl v. PreuTsen. M. 100 Taff. 1879. — Chro-
,70 ■Weltliche Trachten;
wie bei den Römern, echuppenartig, das Schwert kurz und zweischneidig,
(lerWurfspiefs ohne Fahne; der Streitkol-
ben bestand aus einem arm a langen und anns-
dicken Stabe : am Handgriffe ein starker Ring
ZurBefeBtignngeiueBRiemena; am oberen Ende
eine Kette mit Stachelkugel. DerSchild war
rund, in der Mitte mit einem Bui^kel ; der Helm
rundlich mit einem Grat, Schilden hinten und
vom und BackenBchienen. — Unter den Bach -
BiBchen und saliBchen Kaisern trugen die
RitterKetten- und Schuppenhemden, die
biB ans Knie reichten und Arme und Hände be-
I deckten, so auch den Kopf, von dem nur das
Gesicht von den Äugen biB zum Munde frei
blieb; auf gleiche Weise waren auch die Beiue
bekleidet. Der Helm ist kegelförmig, oft mit
vorgebogenerSpitzeundNasen8chirm;zuEnde
des XI. Jahrb. gleicht er einem Topfe, den gan-
zen Kopf nmschliefBend , nur mit zwei Sefaöff-
nnngen. DasSchwert ist lang, mit gerader
Parierstange, und wird an einem um die Hüften
geBchlungenen GUrtel getragen. Der Schild
iBt lang, dreieckig oder vi ereckignnd gebogen,
BO dafs er den Körper umBchliefBt. An der
Lanze ist ein schmales Kreuz&hnchen be-
festigt. Die Sporen haben keine RAder, die
erst im XUl. Jahrh. (nach Anderen jedoch
^''' *w«ffwing*d«'xi""iil«h'^''' "" schon unter den Ottonen) aufkommen. ' — Im
(nun d. Am. d.' a. H). XII. uud XIII. Jahrhundert besteht die
RUstung aus einem Panzerhemd nebst einer
über die Schultern fallenden Panzerkappe ; der Schurz, sowie die Bekleidung
ng. US. VVHcht« sm Grillia Cfarli([| Mlnrntnr ul dem Xin. Jkhrta. (Mofa t. Uolher].
nologische Zusammenstellui^ von verschiedenen Helmen: v. Hefner, Trachten. I.
Taf. 63; v. Eye u. Falte, Kunst n, Leben der Vorzeit. Heft 1, El. 5 f.; Heft 2, Bl.
5 f.; von mancheriei Bewaffnungen etc.; Hefner, Jos. v., u. Wolf, J. W., die Burg
Tannenberg. 18äO. Taf. 11. — Über Schwerter: v. Hefner, Trachten. HI, 43.
' Über das mitteUlterl. Reitzeug (Sattel, Steigbügel etc.) vergl. Gntterer, J. Ch.,
Abrib der Uplomaük, 310; über Sporen, auch Detliier, in den N. Mitt. Tb.-S. V. I.
2, 27 ff. — EBSenwein, a. a. 0. ISSl. 8p. 129 ff., m, 19 Abb.
Bewafhong, E.— XIV. Jahrh.
471
der Arme and Beine bestehen aus kleinen Ringen, über dieeerRtlstung wird
der lederne oder aas kostbaren Stoffen bestehende Wafrenrock getragen;
er reicht bis unter das Knie und wird im XIII. Jahrh. aufge schürzt. Der
Helm bleibt tapfartig; die Knappen tragen nar Sturmhauben ohne Visier
und Panzerkappe. Das lange Schwert ist an der Scheide umwickelt. Der
dreieclüge Schild wird kleiner und flacher, seit der Mitte des XII. Jahrh.
mit den Wappenbildern geschmttckt. Heiden und Barbaren (z. B. der Rieae
Goliath bei Herrad vonLandsperg — Engelhardt, Taf. 8, Fig. 1) werden
zuweilen mit runden Schilden abgebildet. — Im XIV. Jahrhundert wird
das Panzerhemd durch eiserne Arm- und Beinschienen verstärkt, so
auch dieHandschnhe durch etaeme Bescbl&ge ; der eng anliegende, kurz-
ärmelige, lederne Wafifenrock (Lendner) ist an den Rundem ansgezackt
Flg. 1(1. RIUIT I
(languettiert), oft mit dem Wappenbilde gesehmnckt und so kurz, dafs daa
Panzerhemd darunter hervorsieht. An einem reichen breiten Gürtel hängt
rechts ein Dolch und links das lange Schwert; beide sind noch aufaerdem
am Griff mittelst Ketten auf der Brust befestigt. Der Helm erhält den heral-
dischen Schmuck und die Helmdecke ; der Schild ist dreieckig und sehr klein,
t72 'Weltliche Truchteii. Bewaffiimib', XV. u. XVI. Jahrli.
beim Fufsvolke rund. Der HolzBchoilt Fig. 244 zeigt einen Ritter von
den Hochreliefs am ChorgestUhl des Domes zu Bamberg: derselbe trägt
auf der Bruat eiue eiserne Platte, welche aaf dem mit Metallnägeln be-
schlagenen Lenduer festgenietet ist und den Änfaug zu den späteren
Plattenharnischeu bildet; die lederne Beinbekleidnng ist mit metallenen
Kuieschirmen verselieu. Der kleine Schild (Tartscbe) hat, weil er meist zu
Pferde gebraucht wurde, auf der rechten Seite einen Einschnitt zum Einleget]
der Lanze (v. Ilefaer, 1!, Taf. 4T. GS). — Im XV. Jahrhundert kommt das
Panzerhemd aus der Mode, und die ersten Rüstungen aus geschlagenem Eisen
(Harnisch und Krebs) erscheinen; die Arm- und Beinschienen sind
von spitziger Form und werden beweglieh. Der im Holzschnitt Fig. 24&
dargestellte Ritter (Gideon, mtch einer Miniatur au» dem Anfang des XV. Jahrb.
in der IIs. No. 4S der Univers. - Bibl. zu Heidelberg) trägt eine Bcckenhaubc,
deren Olirensehirme beweglich und in ihrem Charnier durch grofse mudc
Buckel gedeckt sind; darunter befindet sich der nicht mehr aus Ringeu,
sondern aus kleinen Platten gebildete Ringkrageu. über dem Waffenrockc
erscheint eine eiserne Brustplatte
nebst dem aus PUttclien gefertig-
ten eisernen Panzerschurz. Arme,
Beine und FUfse sind mit eisernem
Plattenwerk und eisernen Buckeln
bedeckt; die spitzen Schuhe zeigen
bereits den Anfang der in einander
gesteckten beweglichen Schienen
(Krebse). Der Waffenrock ist
kurz und unten gefaltet: seine wei-
ten, oben kurz ausgeschnittenen
Ärmel hängen in langen Zoddeln
hinten am Ellbogen herab. Die
Limbnrger Chronik sagt: »Herrn,
Ritter und Knecht, wann sie hof
farten, so hatten sie lange Lappen
an ihren Armen etc.« (v. Hefner.II.
Taf. 21, S. 26). — Im XVL Jahrb.
sind alle Teile der künstlichen
Rüstung beweglich und die Formen
rundlich. Die beweglichen Visiere
kommen seit dem Ausgange des
XIV. Jahrh. auf; sie sind zuerst
nur einfach, im XVI. Jahrh. künst-
lich zusammengesetzt; die Helm-
decken kommen ab, dagegen
schmückt ein oft Überreicher Fe-
derstraufs im XVI. Jahrb. den rund-
lichen Helm. Gegen Ende des Mit-
«(. BM. Hiiicr iiu dam Kvi. Jniitii. (oiicb Woiü). tclalters finden sich die grofaen
zweihändigen Schwerter. Der
Waffenrock ist im XVI. Jahrh. kurz, weit und faltig. Die der Mode
FrauoTitrachten. 473
folgende, vom abgerundete Fursbekleidung ist oben mit beweglichen Schie-
nen bedeckt; vergl. Fig. 246.
Frauen.' Die Kleidung der deutschen Frauen war bis gegen Ende
dea Mittelalters sehr einfach und zttcbttg: ein enges Unterkleid und ein wei-
teres Oberkleid, darüber ein Mantel und auf dem Haupte ein Schleier. Im
XIll. Jahrh. hat das Oberkleid keine Ärmel, der Mantel ist lang, und das
Haar fällt frei auf die Schultern hinab. Daneben wird eine Tracht mit aus-
schweifend langen und wetten UnterArmeln Mode, in der schon Uerrad von
Landsperg die Superbia abbildet, in der aber auch eine Asketin wie die h.
Hedwig auf ihrem Siegel erscheint. Im XIV. Jahrh. wird das Unterkleid
mit engen Ärmeln getragen, und das Oberkleid, an den Seiten weit ausge-
schnitten, ohne Ärmel, oft mit Schleppe; das Haar wird in einer langen,
herabhängenden Haube (Gugel) geborgen. Im XV. Jahrh. ^ tragen die Frauen
geflochtenes Haar, oben an den Seiten befestigt und mit einer Haube um-
schloBseu, von welcher der Schleier herabfällt ; im XVI. Jahrh. kommen viele
ausländische Moden auf: Rock und Mieder etc. Das Haar wird in Netzen
getragen. Zu bemerken ist Übrigens, dafs man in der Kleidung der Heiligen,
ausgenommen etwa die h. Magdalena in Scenen aus ihrer Legende vor ihrer
Bekehrung, den wechselnden Ausartungen einer zum Teil die weibliche Sitt-
samkeit verleugnenden Mode nicht folgte.
' Weifs. n, 537 ff. 570 ff. HI, 207 ff. 225 ff. 239 ff. — ■Weinhold, C, die deut-
schen Frauen im Mittelalter (1851). 2. AuÜ. 18S2. — Falke, Jak,, die weibl. Kopt-
tracht, in den Mitt. C.-K, Tl. 1— U; 33—44.
' Für das Kostüm des XV, Jahrh. ist intorcssant: Sattler, Kath., das alteSchlob
Maieiiberg u. seine früheren Bewohner. 1S36.
474 Ordensdekorationeti.
Goldene Diademe, OhrrJDge, Halsketten, Spangea, Ringe, Edelsteine etc.
kommen iils Sclimuck' das
ganse Mittelalter hindurcli
vor; im XIV. undXV.Jahrh.
besetzten MSnner und Weiber
Kleider, Gürtel und Schuhe
oft mit Schellen.
Insonderheit ist hier zu
gedenken der Ordensde-
korationen der zahlreichen
ritterlichen GcsellBchaften,*
welche teilweise auch von
Frauen getragen, namentlich
auf den spftt mittelalterlichen
Grabdenkm&lem von Mitglie-
dern solcher selten fehlen.
Folgende sind die am häufig;-
sten vorkommenden: Adler-
orden (gestiftet 1433 von
Herzog AlbreehtV. Vonöster-
reich): an einem von einer
Hand gehaltenen Ringe ein
gekrönter einköpfiger Adler
mit dem Spruchbänder Thiie
recht und scheue Niemimd. —
StChriatophsordenderU
FwJfniHchi Im XV. j.hrh. (n«h w?i&). Nothelfer (gestiftet 1480 vou
Graf Wilhelm von Heniieberg,
auf Denkmälern in der Stiftskirche zu Schleuaiugen — Al>b. Hcideloff,
Ornamentik, Heft 9 ; ein anderer gestiftet 1517 vou einigen österreichischen
Adeligen: Bild des h. Christoph am Halse oder Hnte). — Der cypriache
Orden (gestiftet 1105): an einer aus lauter S gebildeten Kette ein kleines
Schwert, S-fSrmig umschlungen vou einem Bande mit dem Spruche: pour
ioyaute maititenir. — Der Drschenorden (wahrscheinlich von Kaiser
Karl IV. gestiftet; er kommt schon auf dem Denkmal des Herzogs Wenzel
von Liegnitz t 1364 vor — Abb. bei Luchs, Schlesische Fürstenli Lider, Tat. 17):
' Treffliche Abbildungen von Damenschmnck des XT. u. XA^. Jahrb. enthiilt dns
im Besitze König Ludwif^s von Bayern botindlielip Schniuckbuch der Herzogin Anna
von Bayern, gemalt vou Hana MioUcb. 1552, Vergl. Bei;hstein, Kunsidenkm.
Heft 4. Bl 12.
> Tergl. V. Bicdonfeld, F., Gescb. u. Verfas.sung aller gcistl. n. welll. Bitter-0.
2 Bde. 1641. — Schulze, Obrouik samtl. bekannten ßitter-0. etc. M. 122 TafT. 1855.
Supplt. 1S70. — von Sava, C, über Ordons-Insignien auf deutschen Siegeln vor
Kaiser Max 1,, im Am, 0. M. 1857. Sp. 289—292. 329—332. — Fronner. C, üb.
Ordens -Insignien auf miftolalterl. Grabdenkmälern in Mitt. C.-K. XV S. CXIVff. —
Von nntergogangenen Bitterorden, im WochenbL der Johanniter-0. Balley Brandenburg
1S74, No. 15. — Andere Litteratur bei Weifs. H, 4S4, X. 2. 7IG, S, 1. — Die In-
signien solcher Gesellschaften werden in den Urkunden elc. vielfach schlechthin die
»(xtaelUchafU genannt.
Ordensdekorationen. 475
ein geringelter Lindwurm , anf dem ein Kreuz steht, auf dessen Armen die
Devise: o quam misericors esi deus justus et pius, — Der Georgsorden
(gestiftet von Herzog Otto d. Fröhlichen von Österreich 1300 — 1339, ge-
fördert von Kaiser Friedrich III 1468): Schildchen mit einem Kreuze, daran
hängend die Reiterfigur des h. Georg. — Der Orden vom heil. Grabe
(gestiftet von Gottfried von Bouillon 1099 (?) ; gewöhnlich von den Jerusa-
lemspilgern erworben): Jerusalemskreuz. — Orden d. h. Katharina vom
Berge Sinai (gestiftet in der zweiten Hälfte des XI. Jahrb.): ein ganzes
oder halbzerbrochenes Rad mit quer durchgestochenem Schwerte. — Der
Mäfsigkeitsorden (gestiftet von König Alfons von Arragonien t 1458):
Kette aus Kannen, aus deren jeder drei Lilien sprossen, daran hängt eine
h. Jungfrau auf dem Halbmonde, darunter ein geflügelter Greif mit dem
Spruchbande: halt maß. — Der Schwanenorden (U. L. Fr. Kettenträger,
gestiftet von Friedrich IL von Brandenburg 1443): an einer aus Fi*emsen
(Daumschrauben), zwischen die je ein blutendes Herz geklemmt ist, gebil-
deten Kette hängt ein Brustbild der h. Jungfrau in der Glorie, darunter ein
Schwan innerhalb eines gewundenen Tuches, an dessen herabhängenden
Zipfeln je 5 Glöckchen hängen (vergl. S. 275 und von Stillfried und Haenle,
d. Buch vom Schwanenorden 1881; mit 42 TafF.) — Der Orden des Goldenen
Vliefses (gestiftet 1429 von Herzog Philipp dem Guten vonBurgund): ein
goldenes Widderfell an einem blauemaillierten flammenspeienden Feuersteine
hängend, über demselben auf goldenem Bande ein Drachentöter und die
Devise : pretium non vile (Abb. z. B. nach einer in Messingschnitt ausgeführten
Gedächtnistafel im Museum zu Basel bei Förster, Malerei, 11. zu S. 7). — Der
Orden der Zopf gesellschaft (gestiftet 1377 von Herzog Albrecht III. von
Österreich) kommt auf Glasmalereien zu Breitenau und zu Leoben in
Steiermark vor (Abb. Anz. G. M. 1866 zu Sp. 177 und 368; Mitt. C.-K. XI zu
S. LXXKIX).
AlsAbzeicheu einzelnerstände sind zu bemerken : Krone, Scepter
und Reichsapfel, die Insignien des Kaisers;^ Könige tragen in der Regel
nur Krone und Scepter. Im Dom zu Mainz auf dem Grabmal des Erzb. Peter
V. Aichspalt (t 1320) wo dieser Prälat dargestellt ist, wie er die Kaiser
Ludwig den Bayern und Heinrich VII., sowie dessen Sohn, den König Jo-
hann von Böhmen krönt , tragen die beiden Kaiser Scepter und Reichsapfel,
der König nur das Scepter. (Vergl. Moller, Denkm. L Taf. 45). Die Form
dieser Insignien war zu verschiedenen Zeiten verschieden : die Krone der
Ottonen z. B. erscheint als eine spitz vorgebogene Mütze, die nach hinten
* Zahlreiche Abb. von Bildnissen deutscher Kaiser und Könige nach gleichzeitigen
Denkmälern bei Stacke, deutsche Geschichte etc. I. — Über die noch erhaltenen,
teilweise schon im XU. Jahrh. bei Krönungen benutzten Insignien der deutschen
Kaiser: Bock, Fz., die Kleinodien des h. K. Reiches deutscher Nation nebst den
Kroninsignien Böhmens, Ungarns u. der Lombardei u. ihren formverwandten Parallelen.
1864. Der naui)tinhalt dieses grofsartigen Prachtwerkes [Ladenpr. 220 TMrJ ist von
dem Verf. publicieit in den Mitt. C.-K. 11, 52 ff., 86 ff., 124 ff., 146 ff., 171 ff, 201 ff.,
231 ff., 272 ff., (1859) IV, 65. Auch hat Jak. Falke in einem 1864 erschienenen aus-
führlichen *Prospectus« (20 S. mit 17 Holzschn. aus dem Bock'schen Werke) eine
Darstellung des Inhalts gegeben. — Vergl. Weifs. 11 , 591, N. 5.
176 Abzeichen
ilen Nacken bedeckte und vod einem goldenen, mit Lilien verzierten Reifen
umscIiloBsen wurde. Im XI. Jabrh. ist
die Kaiserkrone eine rundliclte Mtttze
mit goldenem Kreuzbaude, auf desBeu
Mitte zuweilen eine goldene Kugel mit
dem Kreuze ruht; der Keif ist mit Stei-
nen besetzt, liat aber keine Überragende
Verzierung.' Der Beicbsapfel trägt oben
Kugel und Kreuz, ist aber nocli ohne
Querkreis etc. — Füritten ersclieineu
gewöhnlich in ritterlicher Rtlatung, auch
im Staats- oder Hauskleide. — Ein Kranz
auf dem Haupte bezeichnet den Sieger
in der Fehde oder im Turnier.* — Rich-
ter (z. B. Pllatua auf einem Email aus
der Zeit um 1300 an einem Ciborium zu
Kloaterneuburg (Abb. m den Mitt. C.-K.
isej., Taf. 2. Fig. 3) Und Kreuzfahrer
(auf Grabsteinen in England und Frank-
reich) werden oft mit übereinander liegen-
den Beinen (letztere auch mit gekreuz-
Fif Ml Kniier Friejrioh 1 noch •einem '*" Armen) abgebildet ; überhaupt ist
sicKci (n«b weifj). im Mittelalter das Sitzen mit überein-
ander gelegten Beinen Sinnbild ruhiger
fnacb dan Adi. t}. H.).
' Über die spätmittelalterlicho Darstellung der Kaiserkrone vcrgl. Easenwein,
über Ki'onon, im Ana. G, M. lbT9, Sp. 166 fF. m. Abb.
' Über das Tragen der Kränze im Mittelalter s. Büschiag im Kunatbl. von 1S23,
einzelner StBnde. 477
Würde." — Gebannte undExkommanizierte ereehcinen mit einer Kette
umschlungen, z. B. auf dem Relief der LoBspreehung der Mainzer Bürger
1332 im Domkreuzgauge zuMainz (Abb. bei Stacte a. a. 0. I, 582). — Das
Abzeichen der .luden ist, mindestens seit dem XII. Jahrb., ein runder
Spitzhut, entweder einfach kegelfürmig oder wie in Fig. 252; seit dem
Xm. Jahrli. aucli ein auf den Mantel genahter gelber Ring.* — Hascher
und Henker sind an einer groFsen Hahnenfeder kenntlich, die sie auf der
Mütze oder auf dem weifsen, mit einer roten Binde versehenen Hufe fragen.
~ Schalksnarren tragen, seit etwa 1400, den Narrenkolben nnd die
Schellenkappe.* Vgl. den Grabstein des Till Eulenapiegel in der Kirche za
Mölln im Lau enbii irischen (Conv.-Lex. für bild. Kunst 111, 576) u. s. w. —
An den Beinen gelilhmte Krfippel gehen an Krücken, oder helfen sich
Flf. i&t. Ktttppol und Aoiatilgc ini dtm EElil>rBiieh<-r ETongellirlnm (nach Liaipreght).
kriechend auf kleinen Handschemeln fort und erscheinen so anf Bildern
vom XI. bis zum XV. Jahrh. — Aussätzige sind spärlich bekleidet nnd
tragen ein Hüftliorn oder eine Holzklapper um sich Vorübergehenden war-
nend bemerklich machen zu können. Berühmt durch ihre Naturtreue sind
die AuBsützigen in dem Bilde der h. Elisabeth auf einem Flügel des Se<
bastiansaltars von H. Holbeiu d. Alt. zn München.
86. Die religiösen Bilder teilen sich in mystische, symbolische,
allegorische, biblische und Heiligenbilder.
Ko. 37. — Das Tragen Ton Kopfreifen (Schaneln) n. Blumenkrämen war seit etwa
1150 im xm. Jahrh. allgemein beliebt; vergl. ■Weifu. H, 568.
' Das Soestcr Recht (Deutsche Denkm. p. XXVn.) schreibt vor: 'Der Hehler
foH sieen auf dem richterttole als ein grinarimineniJer löwe vnd Kolt den rechleren
/um gehiahen über den linkem.* Vergl. Ormm. Jak., Deutsche Rechtsaltert. (Bd. 2).
S. 763. — Auf einer Darstellon^ der Bronzethüren zu Nowgorod aus dem XII.
.I.ihrh. sitzt Christus im Oeffingnisse, von einem Engel getrüstft, (in beschaulicher
Ruhe) mit übereinander gelegten Beinen.
' "Woifs. II, 5S6.
> Ebd., 604. — V. Hefner, Tracht. KI, 64.
478 Eeligiöse Bilder.
Lltteratar: Munter, T., Siuubilder u. Kunstvorstellungen der alten
Christen. 2 Hefte. 1825. — (Ilelmsdörfer) Christi. Kunstsymbolik u. Iko-
nographie. Frankfurt a. M. IS 39. — Zappert, Geo., Vita b. Petri Acotanti
(in den Anmerkungen). 1939. — Didron, M., Iconographie chretienne. Histoire
de dieu (d. i. über die bildl. Darstellungen der drei Personen der Gottheit).
Paris 1843. — Didron, M., Manuel d' iconographie chretienne, grecque et latine
avec une introduction et dos notes, traduit du manuscript byzantin: le ^do
de la peinture, par le Dr. P. Durand. Paris 1845 (in deutscher Bearbeitung
von Godeh. Schäfer. 1855). — Alt, H., die Heiligenbilder oder die bild. Kunst
u. die theolog. Wissenschaft in ihrem gegenseitigen Verhältnisse. 1845. —
Guenebault, L. J., Dictionnaire iconogi'apnique. 2 Voll. Paps 1843 u. 1845.
— Piper, Ferd., Mythologie u. Svmbolik der christl. Kunst von der ältesten
Zeit bis ins XVI. Jjmrh. Bd. I: Mytholo^c der christl. Kunst. 2 Abteilungen.
1847. 1851. — Crosnier, J., Iconogi'aphie chi-etiennc. Paris 1848. — Jame-
son, (Anna), Sacred and legendary art. 2 Vols. London 1848. — Twining,
Louisa, Symools and emblems of early and mediaeval chi'istian art. London
1852. — Piper, Ferd., über den christl. Bilderkreis. 1851. — Menzel, Wolfg.,
Christi. Symbolik. 1854. — Bösigk, Einleit. u. Beiträge zu einer Kunstsym-
bolik des Mittelalters , in den Mitteil, des k. Sachs. Vereins für Erhalt, vaterländ.
Altert. IX, 1856. — Hack, J., der christl. Bilderkreis. 1856. — F , A.,
Beiträge zur christkathol. Ikonologie oder Bilderlehre. 1857. — Springer, Ant..
Ikonographische Studien, in den Mitt. C.-K. V, 29 — 33; 67 — 75; 125 — 134;
309 — 322. — Kreuser, J., Bildnerbuch als Leitfaden für Kunstschulen etc. zui*
Wiederauffrischung der altcnristl. Legende. 1863. — Vergl. auch: Schnaase.
IV, 263 — 301; Augusti^ Denkwürdiffkeiten Bd. 12 u. Beiträge zur christl.
Kunstgesch.; Kreuser, Kirchenbau Bd. 2 (über christl. Bildneroi); Springer,
A., Quellen der Kunstdarstellungen im Mittelalter, in den Berichten der phil.
histor. Klasse der Kön. Sachs. Gesellsch. d. AVissonschaften 1879 u. S. A. daraus.
— Ders., die Psalter -Illustrationen im früheren Mittelalter mit bes. Rücksicht
auf d. Uti'echtpsalter etc. M. 10 Taff. ISSO. (S. A. aus den Abb. der philol.
histor. Klasse etc. ATII, 2).
Die mystischen, symbolischen und allegorischen Bilder, den Zeitge-
nossenverständlich, weilihrem Anscbauungskreise entnommen, bedürfen för
die später Lebenden der gelehrten Deutung, die keine willkfirliche sein darf,
wenn sie mehr als einen unterhaltenden oder erbaulichen Wert haben soll,
sondeni, um der Wissenschaft gerecht zu werden, die schwierige Aufgabe
hat, auf die Quellen zurückzugehen, aus welchen die Bildung der Entstehungs-
zeit vorzugsweise entsprang. Hieraus folgt bei den mannigfachen Wand-
lungen der Gesichtspunkte und Anschauungen in den verschiedenen Perioden
eine in der Motivierung und in den Resultaten verschiedene Deutung ; doch
gibt es einzelne Bilder, welche die ganze mittelalterliche Kunst unbedingt
fest gehalten hat, wodurch die Aufgabe wiederum erleichtert wird. — Aus-
gangspunkte für die Deutung sind : die Bibel nach der jeweiligen Herme-
neutik samt den Apokryphen,^ insonderheit die Psalmen, klassisch und
anderweitig heidnisch antike Momente in christlicher ümdeutung,* volkstüm-
liche mittelalterliche Dichter und theologische Schriftsteller, besonders solche,
welche wie Isidor von Sevilla, Beda, Hrabanus Maurus, Walafried Strabo,
Honorius von Autun, Durandus das ganze Mittelalter hindurch viel gelesen
wurden, namentlich auch für .die zweite Hälfte des Mittelalters das grofse
* Thilo, J. C, Codex apocr. N. Ti. Tom. I. 1832. — Tischendorf, Const.,
evangelia apocrypha 1853. — Hofmann, d. Leben Jesu nach d. Apokrr. 1851.
* Vergl. Springer, A., das Nachleben der Antike im Mittelalter, in: Bilder aus
d. neueren Kunstgesch. 1867, 1 ff.
Mj'stische Darstellungen. 479
encyklopädischeWerk des Vincentius von Beauvais: Speculum majus in seinen
drei Teilen sp. naturale, doctrinale und historiale. — Für die nicht dem
geistlichen Stande angehörigen oder unter ausdrücklicher Anweisung der
Geistlichkeit arbeitenden Künstler, welche weder die Bibel in Händen hatten,
noch mit dieser gelehrten Litteratur bekannt waren, kommen hauptsächlich
diejenigen Anregungen in Betracht, welche durch die Predigt, die kirchliche
Hymnendichtung und durch die Aufführungen der Mysterien gegeben waren
und zugleich die Bilder in den Kirchen zu einem Bilder -Atlas machten,
dessen Sprache nicht nur dem engen Kreise einiger wenigen, in eine Geheim-
symbolik Eingeweihten, sondern Jedermann aus dem Volke verständlich
und vertraut war. '
87. Als mystische Darstellungen sind aufeufasson die maüiemati-
schen Figuren, welche man hin und wieder, im ganzen jedoch selten,
an den Kirchengebäuden ^ im Relief ausgefülirt findet; sie beziehen sich,
so weit ihr Sinn klar ist, auf dogmatische und magische Mysterien und
mögen in den gnostischen Systemen des Orients wurzeln.
Das gleichseitige Dreieck ist die bekannte, auch in die neuere Kunst
übergegangene Bezeichnung der Trinität. — Das Quadrat ist Sinnbild der
Welt (orbis quadratuSy quadrata mundi forma). — Der Kreis: Bild der
Ewigkeit. Drei in einander verschlungene Kreise (die Triquetra Fig.
254 a): ^iQunitas Inder trinitas. — Das Hexagramm, aus zwei ineinander
geschobenen gleichseitigen Dreiecken gebildet, welches in einen Kreis kon-
struiert als Verzierung an Giebeln von Backsteinbauten (z. B. Dome zn Bran-
denburg und Stendal, Marktkirche zu Hannover, zu Lüneburg etc.)
vielfältig vorkommt, ist bei den Juden Zeichen des Stammes David und
deshalb auf den modernen Synagogen aufserordentlich beliebt; in heidnischen
Kreisen bezeichnet es die Welt in Durchdringung des männlichen (das obere)
und weiblichen (das untere Dreieck) Princips. — Der Drudenfufs(Penta-
' Über die dramat. Mysterien vergl. Mono, Altdeutsche Schauspiele 1841. Zuerst
hat Devriont, Ed., Gesch. d. deut. Schauspielk. I, 59, auf die offenbare Ähnlichkeit
z\^ischen der dreistöckigen Mysterienbühne (unten die Hölle, in der Mitte die Erde,
oben der Himmel: jedes mit seinen Bewohnern, und als Hintergrund ein Teppich) und
den gi'ofsen Schnitzaltären des Spätmittelaltere hingewiesen, und nach ihm haben be-
sonders, wie schon W. Wackernagel (in Haupts Zeitschr. IX, 304) in Beziehung
auf die Totentänze, Kurier (Deut. Kunstbl. 1856, 235) und am ausfuhrlichsten
Springer (Ikonogr. Studien a. a. 0., 125 — 134) diesen Zusammenhang auch in der
Eepräsentation und dramatischen Behandlung der zur Anschauung gebrachten Vorgänge
dargethan. Der Ijetztere hat in der Abhandlung über die Quellen der Kunstdarstellungen
etc. auf die Einflüsse der Predigt und Hj-mnendichtung aufmerksam gemacht und diese
im besonderen an dem Beispiel des Honorius von Autmi und der Hymnen und Sequen-
zen zur Feier der dedicatio eccUsiae erläutert, obgleich freilich des Honorius Specu-
lum ecclesiae (eine Mustersammlung für Predi^n, in Migne Patrol. CLXXH,
809 — 1108) in eine Zeit fällt, in der von einer irgendwie selbständigen lAienkunst
noch nicht die Rede sein kann.
* Z. B. über den Portalen zu Pforzheim, Herrenalb, Weiher bei Bruchsal; zu Nossen,
Rochsburff, Wechselburg, Oemrode, Knauthayn; am Dome zu Stendal etc. — Über die
symbolische Bedeutung solcher geometrischen Figuren s. Zestermann, inPuttrichs
Systemat. Darstellung, 31 f. — Vergl. Zock 1er, Religiöse Sinnbilder aus vorchrist-
licher und christlicher Zeit, in: Beweis des Glaubens. 1881.
480
Mystische Darstellungen.
n
Fig. 254.
gramm, Pentalplia, Albenkreuz, salus Pythagorae Fig. 254 b), eine durch
Verbindung von 5 Punkten je nicht mit den bei-
den benachbarten, sondern den beiden gegen-
überliegenden gebildeter, daher mit einem Zuge
darstellbarer fünfeckiger Stern (z. B. am Kapital
einer Portalsäule der Laurenzkirche zuNiedern-
hall im O.-A. Künzelsau), und andere aus künst-
lich verschlungenen Nesteln im Kreise oder Viel-
eck gebildete Figuren galten als Schlofs und
Riegel gegen das Eindringen oder Entweichen
böser Geister. Die crux gammata (Fig. 254 d),
das Glück bringende Svastika indischer Schrift-
steller, aber auch auf slavischen und nordischen
Denkmälern vorchristlicher Zeit vorkommend,
findet sich sowohl auf altchristlichen Denkmälern
(vergl. Zöckler, Kreuz Christi, 16 ff. 141 f.) als auch auf romanischen Taufbecken
in Jütland und an den Pfeilern des Domes zu Viborg (vergl. Chr. K. Bl. 1883, 50).
— Die aus zwei einander entsprechenden Kreisstücken gebildete, oval zu-
gespitzte Figur,* welche an die Schiff- oder Fischgestalt erinnert, dient
häufig als Einfassung von Salvator- Bildern (auch derer der Maria in der
Glorie) und von Siegeln der zweiten Hälfte des Mittelalters. — Einen gleichen
Zweck als Bildereinfassung zu dienen, haben der sogen. Dreipafs und der
Vierpafs etc. — DieKnotenverschlingungen, die an Gebäuden romani-
schen Stils an Säulenschaften hin und wieder vorkommen, z. B. an einem
Portale der Neumarktskirche zu Merseburg, im Dome zu Bamberg, in
einem Turmfenster der Kirche zu II benstadt, an den beiden Säulen Jach im
und Booz (1 Kön. 7, 21) im Dome zu Würzburg* etc., bezeichnen viel-
leicht das 12 Ellen lange Seil, welches nach Jerem. 52, 21 jene Säulen des
salomonischen Tempels umgab. — Auch die Labyrinthe (s. oben S. 94
Anm.) erhielten zuweilen eine mystische Deutung, indem der in ihrer Mitte
abgebildete Onocentaurus als der Satan erklärt wird, der die in den L*r-
garten der Welt Geratenen verschlingt, bis der vom Vater gesandte Christus
ihn mit Hilfe der göttlichen Natur überwindet, wie Theseus den Minotaurus^
mit Hilfe der Ariadne.'
' Dieses oben und unten gespitzte, seltener geiimdete oder oben abgeplattete Oval
wird von englischen Archäologen unpassend Vesica piscis genannt; bei deutschen,
italienischen u. französischen Autoren wird es als mystische Mandel (mandorla) be-
zeichnet (Konrad von Würzburg, Goldene Schmiede 432, bedient sich des Gleich-
nisses: wie der Kern der Mandel sich in der imverletzt bleibenden Schale bilde, so
sei Christus in Maria gebildet); bei deutschen Archäologen ist der Name Osterei
dafür am geläufigsten, und in manchen Beispielen erscheint die Darstellung eines Eies
von den Sildnem auch unzweifelhaft als beabsichtigt; über die mögliche Erklärung
vergl. Otte, Archäol. Wörterbuch, 172. — Als selDständi^e Verzierung kommt die
Figur vor in dem Thürbogenfelde einer roman. Domhermkune zu Naumburg a. d. S.
^ Stieglitz, Beitr. zur Gesch. der Ausbildung der Baukunst, ü, 112 f. u. Taf. 15..
' Ecce Minoiaurus vorat omfieSj quos Labyrinthus
Implicat, infernum hie notat, hie eahtäum
steht bei einem Bilde des Labyrinths in einer aus Freising stammenden Handschrift
Symbole. 4g 1
88. Die Symbole sind gröfstenteils aus der Bibel entnommen, an-
dere aus mittelalterlichen liturgikem tmd Dichtem; einige führen auf
antike Kimstideen zurück; viele imterliegen den mannigftdtigsten, oft
gradezu widersprechendsten Deutungen.
Symbole (in alphabetischer Reihenfolge : * Adler, Mensch, Stier und
Löwe (auch die letzteren geflügelt) : die vier Evangelisten Johannes , Mat-
thäus, Lucas und Marcus. (Ezech. 1, 10; Apokal. 4, 6. 7). An Kanzeln,
Taufsteinen, Grabsteinen, Gewölbeschlufssteinen, Glocken etc. sehr häufig
seit den ältesten Zeiten ; auch als Attribute die Darstellungen der betreffen-
den Evangelisten begleitend;* zuweilen alle vier in eine einzige Gestalt, das
von 1084 in der München er Bibliothek (No. 6394). In einer anderen dortigen Hand-
schrift (No. 14731) steht neben einem Bilde des Labyrinths:
Urbs Jericho lutme fuit assimilata figurae,
weshalb aber die Stadt Jericho unter dem Bilde des Labyrinths dargestellt wii-d (viel-
leicht wegen Luc. 10, 30?) erhellt nicht. — Vergl. Meyer, Wilh., Ein Labyrinth mit
Versen, in den Sitz. Ber, der philos. philol. u. hist. Kl. d. K. Bayer. Akad. derWiss.
zu München 1882. 11, 3, 267 ff., m. Abb.
* Pitra, J. B., Spicilegium Solesmense, tom. Ü et EI, in quo vett. praecipui
autores de re symbolica proferuntur et illustrantur. Paris 1>>55. — Vergl. Munter,
Sinnbilder. I, 27 ff.; Helmsdörfer, Kunstsymbolü ; von Radowitz, Gesammelte
Schriften. I, 274 — 281; Piper, Myth.; Adelung, die korssunschen Thüren ; N. Mitt.
Th.-S. V. 1, 116 ff.; Zur kirchl. Svmbolik in Romberg 's Zeitschr. für prakt. Bau-
kunst. 1846, 433 ff.; Heider, die lurche in Schönrarabem, 111 ff.; Klein, die Kirche
zu Grofsen- Linden; etc. etc. — Grundlegende Quellen der mittelalterlichen Symbolik
sind a) die Claves, geistliche Deutungen der in der h. Schrift vorkommenden Aus-
drücke, unter denen des Eucherius (Bischof von Lyon t 450) Lü}er formularum
ftfnrüitalis intelligentiae (in der Max. Bibl. Patr. Lugd. VI, 822) die einzige mit
Sicherheit der aläurchlichen Periode zuzuweisende und die von Pitra 1. c. herausge-
f ebene des Pseudo-Melito von Saixles aus dem XI. Jahrh. die wichtigste ist; b)die
hysiologi, naturgeschichtliche ^ aber aufserordentlich fabelhafte Beschreibungen
besonders von Tieren mit symbolisch -erbauMcher Deutung — von den zahlreichen
Recensionen, die auf eine gemeinsame altchristliche QueUe zurückweisen, wird die
griechische (bei Pitra 1. c.) teils dem Chrvsostomus teils dem Epiphanius zugeschoben,
und unter den abendländischen ist besonciers die lateinische, welche aus einer Hand-
schrift des XI. Jalu"h. im Stifte Göttweih von G. Hei der (Archiv zur Kunde österr.
Geschichtsquellen. V, 541 — 582, mit 5 Taff.; Sep. A. 1851) und die gereimte althoch-
deutsche, welche nach einer Millstater Handscnrift des XH. Jahrh. von Th. G. von
Karajan (Deutsche Sprachdenkmäler des XH. Jahrh. 1846, 73 — 106, m. 82 Abb.)
herausgegeben ist, bemerkenswert; c) die Moralitäten, erbauhche Betrachtungen
über Nahiniv'esen, namentlich Tiere, mit moralischen Nutzanwendungen, unter denen
Petrus Damiani,</e bono religiosi Status et variarum animantium tropologiis und die
si)ätmittelalterl. dialogische Bearbeitung »Dyalogus der Kreaturen Köln 1498« besonders
zu nennen sind. Vergl. über diese ganze litteratur: Zö ekler, Geschichte der Be-
ziehungen zwischen Theologie u. Naturwissenschaft. I. 1877 die Abschnitte. H. A. 2
und ni. A. 3.
'■* Das AiTangement dieser 4 Symbole ist durch Ezech. 1, 10 bestimmt: wo sie
die Ecken eines viereeitigen Raumes einnehmen (z.*B. auf Bücherdeckeln, Leichen-
steinen etc.) werden (heraldisch) rechts Mensch und Löwe, links Adler und Stier
dargestellt (Durandus 1. I. c. 3. n. 9). Mensch und Adler, als Bewohner der höheren
Regionen, werden oben, Löwe und Stier, weil sie auf der Erde leben, unten ange-
bracht. AVenn diese Symbole an den Endpunkten des Kreuzes, eines übereck gestellten
Tierecks oder rings um einen Ki*eis stehen, so ist der Adler oben, der Mensen unten.
Ausnahmen kommen vor,
Otte, Kunst- Archäologie. 5. Aofl. 31
482 Evangelistensynibole.
Tetramorph,^ zusammengezogen. Die Beziehung dieser Symbole auf die
Evangelisten ist sieher uralt: ethische Anwendungen wurden mindestens
seit dem X. Jahrh. damit verbunden. In dem Echternacher Evangeliencodex
der Bibliothek zu Gotha (S. 181) sind die Abbildungen der 4 Evangelisten
mit folgenden Versen begleitet :
1. Came detim voce Mattheus signat et ore.
Auf der folgenden Seite eine von einem Engel gehaltene Tafel mit der
Mahnung :
Vos hombies hominis Matlfiei credite scriptis
Ut de quo natTat homo Jesus premia narret.
2. Fortior est omni quem signas Marce leone.
Auf der von vier Engeln gehaltenen Tafel :
Portes estote vos atque cavete leone
Ut sacietur ove Christi qui lustrat ovile
Christum contra quem fac surgere Marce leonem,
3. Ob mortem Christi Lucas teilet orajuvenci»
Auf der von den vier Elementen umgebenen Tafel :
Es (actus primis homo quatuor ex elementis
His natus lucis ni sis moriendo peribis
Hinc prece fac Lucae vivas cum perpete luce.
4. Est aquilae similis de verbo sermo Johafinis,
Auf der von den vier VVeltgegenden umgebenen Tafel :
Devota mente transcendant terrea quoque
Ut cum Johanne Christum mereantur adire.
(Tergl. Jakobs und Ukert, Beiträge zur ältei'en Litteratur, II, 30.) — Auf einer
emaillierten Platte aus der Übergangsperiode, mit den Evangelistenzeichen
auf den vier Ecken :
Ht^fus apex forme prefert animal quadriforme,
Quodjusti quique pretendunt came noique.*
Si prudens hominem^ si coiistans sctibe leonem y
Hostia si viva^ vitulusy aquila est theoria,^
Hanc formam morum dat lex evangeliorum
Et referunt isti crucis exejnplaria Christi
(Yergl. Labarte, Jul., Description de la collection Debruge Dumenil. [Paris 1S47],
644.) — Die Beziehung auf Christum selbst geht aus folgenden Versen eines
Pariser Evangelienbuches von 1379 hervor (bei Didron, Iconogr., 278):
Quatuor haec Dnm signant animalia Äpm :
Est homo nascendOj vitulusque sacer moriendo ^
Et leo surgefido, coelos aquüaque petendo;
Nee minus hos scribas animalia et ipsa figurant.
* Ln hortus delicianim der Herrad hat das Tetramorph, auf dem die ecclesia
reitet, den Leib eines Pferdes, die \'ier Köpfe der Symbole und von jedem Wesen je
einen FuJs.
a ^ voiTnie = und geistlich.
' Unter aen Leiden dieser Zeit.
* ߣ<oQl<x =» contemplatio.
Symbole. 483
Der Adler, als Bild der Kirche, hat zwei Junge, die er zur Sonne empor*
trägt: das eine, welches das Licht der Sonne nicht verträgt, läfst er fallen;
eben deshalb wird er aber auch Symbol der Hoffart, wiedemm auf Grund
von Jesaias 40, 31, weil er seine Jungen dadurch, dafs er sie zur Sonne
emporträgt, wieder belebt, Symbol der Auferstehung. Dann nach dem
Physiologus auf Grund von Psalm 103, 6, weil der altgewordene sich
durch Auffliegen zur Sonne und dreimaliges Untertauchen in einen Wasser-
quell verjüngt, Symbol der Wiedergeburt aus dem Wasser und dem Geiste.
Der Adler als Raubvogel gehört zu den Symbolen heidnischer Greuel.^ Der
zweiköpfige Adler des Elisa bedeutet nach I Kön. 2,9 den zwiefachen
Geist des Herrn. — Affe: der Teufel als simia dei. — Anker, Hoffnung (Ebr.
6, 19). — Antilope (antulä), die sich mit ihren beiden sägenartigen Hörnern
im Weinrankengeflecht verwickelt : die der Sinnenlust trotz ihrer Kenntnis
der beiden Testamente unterliegende Seele. — Apfelbaum: Sündenfall
(I Mos. 2, 17). — Bär: der Teufel. — Basilisk, ein fabelhaftes Tier: ein
gekrönter Vogel mit Schlangenschweif der durch seinen Blick tötet und die
Basiliskeneier ausbrütet, der Schlangenkönig.* — Bienenkorb, als Attribut
mehrerer Kirchenlehrer: Beredsamkeit (Sprüche Sal. 16, 24). — Bnndes-
lade: Mutterleib der Maria. — Der feurige Busch: die durch Jesu Geburt
nicht verletzte Jungfräulichkeit der Maria (II Mos. 3, 2). — Centanr: die
wilden Triebe des Herzens; mit Bogen und Pfeil (Eph. 6, 16): der Teufel;
häufig auch mit musikalischen Instrumenten gleich den Sirenen. Die tierische
Hälfte wird vom Esel genommen (daher onocentcttirtis), und nach dem Physio-
logus bezeichnet er die homines bilinguesj von Dante aber wird er auf die
beiden Naturen Christi gedeutet. Als vermeintlich wirkliche Wesen kommen
Centaur und Satyr in der Legende des h. Antonius vor. — Edelsteine: die
verschiedenen Tugenden ; auch die Patriarchen und Apostel : der Jaspis ist
Petrus, der Saphir ^ Andreas, der Chalcedon Jacobus der Gröfsere, der
Smaragd Johannes etc.;^ nach Heinrich von KröHwitz (Auslegung des Vater-
unser): die verschiedenen Chöre der Heiligen. — Eidechse, das sonnenlustige
Tier, bei den Heiden ein Lichtsymbol, ebenso auch im Mittelalter gedeu-
tet.^ — Einhorn: Christus (Luc. 1, 69); ein Einhorn auf dem Schofse
der Maria: Menschwerdung oder Empfkngnis Jesu.* — Elefietnt: Keuschheit.^
^ Z. B. in der Vorhalle des Domes zu Magdeburg. Die entgegengesetzte Be-
hauptone von Schnaase. lY. 268, N. 1 ist also nicht l^gründet.
* Albenis, Erasm., vom Basilisken zu Magdeburg. Item vom Hauen eyhe, daraus
ein Basilisk wirt, mit seiner Bedeutung aus der hl. Schritt. Mit 3 Holzschn. Eiamb.
0. J. (circa 1550).
' Vom Saphir im besonderen heilst es, dafs er die Sünden tilgt. Auf ihn waren
die Gesetzestafeln von Gott geschrieben. Im Graltempel (Zarncke, Str. 19 — 22) sind
daher die Altarplatten von Saphir.
* Felicie d'Ayzac, symbolique des pierres precieuses, in den Annales arch. V,
216—233.
* Gerhard, Ed., Griech. Mythologie. 1854. § 39; vergl. Desselben, über die
liehtgottheiten auf Kunstdenkm. 1840. — Nach dem Physiologus kriecht das im Alter
auf beiden Augen bünd gewordene Tier durch einen engen Spalt einer gegen Sonnen-
aufgang gekeh^n Mauer, häutet sich so und wird dadurch wieder sehend.
* Nach dem Physiologus ein kleines ziegenlammähnliches Tier, nach späterer An-
schauung dem Nashorn ämilich; es läfst sich nur von einer Jungfrau fiongen.
^ Sarasin, in Beitr. zur Gesch. Basels. I, 16. — Nach den Fabeln über die Art
31*
484 Symbole.
— Esel, der nnr brüllt, wenn er nach Futter begehrt (nach falscher Lesnng
von Hiob 6, 5) oder der Wildesel, der angeblich znr Zeit der Tag- und
Nachtgleiche im März brfiUt: der Teufel, der nach Verderbnis der Seelen
oder aus Ärger über die sich von ihm abkehrenden brüllt. - Der Name Era
(umgekehrt Ave; Luc. 1, 28): Maria. ^ — Farben.^ Die mit den kirch-
lichen Jahreszeiten abwechselnden Farben der Mefsgewänder (s. oben S. 272)
bedeuten: weifs: Unschuld und Freude; rot: Liebe und Opfer; grün:
Hoffnung, auch Halbtrauer ; ' blau: Demut und Bufse ; schwarz: Tod und
Trauer. — Auch die Farben der Himmelsrofse (Zach. 6 ; Apokal. 6) werden
nachPs. 85, 11 und Luc. 1, 68 — 79 in gewissen marianischen Darstellungen
entsprechend gedeutet: rot: jtistitia; weifs: ndsericordia; fahl (scheckig):
t;^rt/a^; seh warz:paa:. — Sonst tragen von den Tugenden die Liebe ein rotes,
die Hoffnung ein grünes, der Glaube ein weifses, die vier philosophischen
Tugenden aber ein purpurnes Kleid. — Philo, Josephus und Hieronymus
deuten die vier Farben an der Kleidung des Hohenpriesters auf die 4 Ele-
mente, weifs die Erde, blau die Luft, purpur das Wasser, Scharlach
das Feuer. — Auf dem Bilde des Himmelreichs bei Herrad haben die Mär-
tyrer rote, die Bekenner grüne, die Keuschen silberne, die Asketen gelbe
Nimben , anderwärts sind sie auch mit solchen Gewändern bekleidet. — Auf
einem die sieben Sakramente darstellenden Bilde des Roger v. d. Weyden
(um 1450) im Museum zu Antwerpen schwebt über der Abbildung eines
jeden Sakraments ein Engel, und diese sieben Engel sind verschiedenfarbig
bekleidet, nach der Reihenfolge der Sakramente folgendermafsen : bei der
Taufe weifs (Reinigung); bei der Firmung gelb mit rot (Licht und
Freude); bei der Beichte feuerrot (Läuterung vom Bösen); bei der Messe
grün (Hoffnung); bei der Priesterweihe lackviolet (geistliche Würde);
bei der Trauung blau (Glaube und Treue); bei der letzten Ölung schwarz-
violet (Trauer). Auf einem Gemälde des Hans Burgkmair von 1501 in
der Galerie zu Augsburg sind die Armen (?) blau, dieBüfser braun, die
Bekenner grün und die Jungfrauen weifs. — Fela: Christus (L Kor. 10, 4);
aus demselben fliefsen die Flüsse des Paradieses (s. diese) ; in demselben
bauen die Vögel des Himmels ihre Nester (Ps. 104, 12 etc.). — Fliehe
(Delphine): Christen (Matth. 4, 19; Marc. 1, 17; Luc. 5, 2. 7), nament-
lich auch mit Beziehung auf die Taufe, so dafs z. B. die Fische im
Thürbogenfelde der Kirche zu Pfützthal gewifs nichts anderes sagen
wollen, als was über der Kirchthür zu Bürge 1 in (s. oben S. 424) steht:
seiner Begattung aber auch Sy'inbol der fleischlichen Erkenntnis Adams und Evas nach
dem Sünaenfalle; daneben Bild sowohl der Geduld als der Trägheit, auch der Gott-
losen, weil er seine Knie nicht beugen kann und im Stehen schläft.
' Brüder Grimm, altdeutsche Wälder, ü, 201. — Alter Kirchenhymnus, viel-
leicht schon aus dem VI. Jahrh., bei Daniel, Thesaurus hjuin. I, 104:"
Stimens tUiid Ave
Giibridis ore:
Fnnda nos in pwe
Mutans Evae nomen.
* Portal, F., des couleurs symboliques dans l'antiquite, le moyen-ago et les temps
modernes. Paris 1S37. — Wackernagel, s. ob. S. 272.
^ Ciampini, Vet. monim. I, 120.
Symbole. 4g5
Haec ed ablutis baplismate porta saluth: — Der Fisch vielleiclit mit Br-
ziehang auf den WnnderfiBch des Tobias (Tobi
6), sicherlich aber in Beziehung auf das alte
Buchstabenspiel IXOYC (a. oben S.402): Chri-
stas selbst.' — Der Fisch kommt auch als Attri-
but der personifi eierten Gesundheit vor, andrer-
seits als Symbol des BGaen (Pitra, a. a. 0., III, 313
u. 530). — Ein Fiioher, welcher mit dem Kreuze „,. ^ THHrione«. i« pnii«h^
angelt(altchri8tlich):Chri8tn8. — Die vier FlflMB (""«i. pmtrioii}.
des Paradieses (Phison, Gelion, Tigris und En-
phrat: I Mose 2, 10 — H), oft als Flufsgötter mit Urnen dai^estellt: die
vier Evangelisten (vergl. den Stahlstich zu S. 175). — Fnohi, der pre-
digende : Irrlehrer ; der um Vögel lu fangen sich tot stellende : Teufel.
— Füfu oder FofisohlBn, auf Grabsteinen, oder als Fibeln (Abb. im
Korr.-Bl. Ues.-V. 1875. Taf. zu S. 6S) getragen: Nachfolge Christi, oder
zurlluk gelegte Erden pilgerachaft. — Ein Gafi^a mit Manna : die EmpfAng-
nia vom h. Geiste (II Mose 16, 33; Ebr. 9, 4), auch das heilige Abend-
mahl. — Gigant: unter Darstellungen der Maria als Thron Salomos be-
findet sich die tumba gyganHs, nach Ps. 19, 6 auf das Hervorgehen Christi
aus dem jungfraulichen Mutterschofse zu deuten. — Granatapfel: Christus
im Schofse der Maria; Christi Liebe, die sich selbst geopfert; die christ-
liche Kirche.* — Hahn: Verleugnung Petri, Rnf zur Bufse (Matth. 26, 74.
7.5); Wachsamkeit, Orthodoxie; der Hahnenschrei verscheucht die bösen
(jeister (dämm Wetterhähne). — Eine Hand, die ans den Wolken reicht :
die Allmacht Gottes (Ps. 144, 7). — Die aegnende Hand Gottes nnd
Chris ti wird mit auageatrecktenSchwurfingcrn,ziiweilenaufeinemKrenznimbus
liegend dargestellt. — Hase, auf grichisch jl";-u;, alliterierend auf Logos;
der von den Hunden der Sllnde gehetzte Mensch, der in seiner Not zum Heile
flieht.* — Hans, das gebaut wird (altchristlich): die christliche Kirche
(I Timoth. 3 , 15 ; I Petri 2 , 6 etc.). — Henne : Christus (Matth. 23, 37.) —
Hirsch, nach dem Physiologua Feind der Schlange, die er durch seinen
Atem aus ilirem Schlupf loche vertreibt (Bild Christi, auch der Apostel),
dann verschlingt er sie, mufs aber, um von ihrem Gifte nicht zu sterben,
eilends eine frische Wasserquelle aufsuchen (Psalm 42, 1), durch deren Kraft
er, jedoch nach Verlust seiner Haare und seines Geweihes, zu neuem Leben
geboren wird : die Bufse Über die Sünde und das He ils vertan ge n , besonders
nach dem Taufwaaaer. — Hnnd, achwarz und weifs gefleckter: St. Domini-
kns und die Dominikaner; über seine Bedeutung auf Grabsteinen s. oben S.
460 f. — Eeloh: Priesterstand mitBeziehnngaufdasMefsopfer; Symbol des
Templerordens, dessen Patron der Evangelist Johannes war, welcher mit dem
Attribut des Kelches al^ebitdet wird. — Ein abgehauener Kopf, den meh-
' de RosBi, über den IX»YC, bei Pitra, a. a. 0. m, 5B8. — TertuUianos
de baptis. c. 1. n. 2. adv. Quintil.: No» pitdeuH secnndwn IXßYN nostrum. Jesuin
G/irislum, in aqua naacimur, nee iüiter quam in aqtta manettdo «oft» swmus. —
Im Gewolbe^chliiTHstein des Clioni zuMardorf bei Kirchhain erscheinen drei mit dem
Kopf zosammengewachsene Fische, oSenbar als Symbol der TrioitJit.
' von Blomberg, Hose n. Oranataptel, im Chr. K.-B1. 1869, 117 ff.
' Gieters, d. IWm u, d. Hase, im Org. f. ehr. K. 1872. No. 21.
486 Symbole.
rere Heilige als Attribut tragen, bedeutet, dafs sie ihr Leben als Märtyrer
durch Enthauptung Gott zum Opfer dargebracht haben. — Krens: Tod
Jesu.^ — Krone, Kram: Siegeslohn der Seligen nach vollbrachtem Kampf
(II Timoth. 4, 8; IPetri 5, 4; Jakobi 1, 12; Apok. 2, 10 etc.). — Kugel,
Reichsapfel: die Welt. — Lamm, oft mit dem Kreuze oder der Siegesfahne
und mit einem vor ihm stehenden Kelche, in welchen das Blut aus seiner
Brustwunde springt: der leidende und siegende Christus (Job. 1, 29; Apok.
17, 14 etc.); wird meist rückwärts schauend dargestellt; auf einer gravir*
ten Kupferplatte aus dem XIII. Jahrh. mit der Umschrift Camales actus tulit
agntis hie hostia factus. ^ Das Lamm mit sieben Hörnern und 7 Augen auf
dem Buche mit 7 Siegeln liegend: Christus, begabt mit den 7 Geistern
(Gaben) Gottes (Apok. 5, 6. 12). — Lämmer: Christen (Job. 21, 15). —
Leier: heilige Musik, Hochzeit zu Kana. ~ Lilie: Keuschheit,' und zwar
dreier Art: der Jungfrauen, der Witt wen und der Klosterleute. — Eine
Leiche, von Schlangen und GewOrm bekrochen: das Schreckliche des Todes
der Sflnder (vergl. aber auch oben S. 462). — Löwe^ in sehr verschie-
denem Sinne auf Grund verschiedener Bibelstellen, z. B. nach Ezech.
1, 10: Träger und Wächter des Heiligtums; in diesem Sinne sind die
Löwen an den KirchthOren aufzufassen;^ nach I Mose 49, 9 und Apok.
5, 5: Christus, insonderheit sein Schlafen mit offenen Augen nach Psalm
121, 4 auf die Vorsehung oder nach Hohelied 5, 2 auf das Leben seiner
göttlichen Natur während seines leiblichen Todes gedeutet; nach Marc.
1,2: Einsamkeit. Nach I Pet. 5, 8: der Teufel, daher der Löwe unter
den Füfsen Christi,* der Löwe, Drache, Basilisk, die Natter und andere
Ungeheuer (Sirenen, auch Heiden^ und Ketzer, nackte Weibsbilder etc.)
• Über die verschiedenen Arten vonKi^uzen: Didron, iconographie, 882 bis 413;
H. Merz, in Herzog-Plitt, Real-Encyklopädie. Vm, 274 ff. Ver^ Zock 1er, d. Kreuz
Christi, 1875 und Ders., d. Kr. als Symbol der Erlösung, in: Beweis des Glaubens.
1881, 185 ff. u. 288 ff.
• Twining, Symbols PL X n. 19. — Der jüngere Titurel in der Beschreibung
einer Schmelzmalerei (Zarncke Str. 97):
ein lamf daz Krim in ainer kld, der van gerötet:
daz zeichen hat uns ?^eil ersiriten und Lücifer an sim gewalt ertötet,
3 Zappert, Vita b. Petri Acotant. 14.
•' Vergl. Hei der, G., über Tiersymbolik u. das Symbol des Löwen in der christl.
Kunst. 1849. — Derselbe, die roman. Kirche zu Schöngrabem, 158 — 181. — Nord-
hoff, J. B., üb. d. Gebrauch u. die Bedeutung des Ijöwen in der Kunst, vorzüglich
der christlichen. 1864. — Der Löwe als Symbol in der Kunst, im Kirchenschmuck.
1878. No. 9—12.
• Marggraf, Rud., über die Portal-Löwen von St. Zeno bei Reichenhall, ihre
Bedeutung u. ihr Zeitalter, in der N. Münch. Zte. 1859. No. 52 ff. — Der Phj'sio-
logus aus dem XI. iahih. sagt: Cum dormierit uo, vigilant oeuH ^U8,
^ Am Portal des Domes von Amiens steht die Gestalt Christi auf einem Löwen
und einem Drachen, auf einem Basilisken und einer Natter (oder Otter, aspis, eine
Schlange mit Hundskopf: sie macht sich taub [Ps. 57, 4. 5.1, indem sie ein Ohr auf
die Eroe leet und in das andere den Schwanz steckt). Dieselbe Darstellung aus einem
Gebetbuch aes XY. Jahrh. zu Göttweih abgeb. von Heider, im Archiv f. Kunde österr.
Geschichtsquellen. V, 535.
^ Z. B. unter den Füfsen der Apostel in den Glasgemälden des Westchors des
Domes zu Naumburg die namentlich bezeichneten fabelhaften Könige (Astrages, Hirta-
cus, Mesdeus etc.) die der Legende nach ihnen das Martyrium bereiteten.
Symbole. 487
unter den Ftifsen Heiliger und Verstorbener,' nach Ps. 91, 13: der über-
wundene Fürst dieser Welt, das gebändigte Fleisch. Die zwölf Löwen
am Throne Salomos: die 12 Stämme Israel, die 12 Apostel.^ Der Löwe,
der gejagt mit dem Schwänze seine Spur verwischt: die Selbsternie-
drigung Christi. Der Löwe , der sein totgebomes Junges am dritten Tage
durch sein Anhauchen oder Anbrüllen zum Leben erweckt: die Auferweckung
Christi (nach I Mos. 49 , 9 und IV Mos. 24 , 9) , im Defensorium immaculatae
conceptionis B. M. Virg. (einem bekannten Xylograph) auch auf die unbe-
fleckte Empfängnis gedeutet. Löwin mit Jungen (nachEzech. 19, 2): Maria.
— Eine, gewöhnlich kleine, oft puppenhafte Henschengestalt, nackt oder
bekleidet: die Seele, die dem Sterbenden mit dem letzten Atemzug ent-
schwebt.' — Haohteole (nocticorcuxj Luther: Käuzchen Ps. 102, 7), unreines
Tier (III Mos. 11, 16), das die Finsternis mehr liebt als das Licht: die
Juden. — Öliweig: Friede. — Palme: Sieg der Gläubigen und Märtyrer
über den Tod (Apok. 7,9). — Panther liegt, nach dem Physiologus, wenn
er satt ist, 3 Tage in seiner Höhle, dann steht er auf und brüllt und giebt
zugleich einen so lieblichen Geruch von sich, dafs alle Tiere herbeigelockt
werden, nur der Drache fürchtet sich davor und verkriecht sich in seine
Höhle, wo er wie tot liegen bleibt: Grabesruhe Auferstehung und Sieg
Christi über den Satan. — Papagei (u. zw. der Sittig, z. B. im Wappen von
Sittichenbach), weil er im schönsten Grün glänzt wie eine Wiese und doch
nicht wie gemeines Gras beregnet wird, sondern immer trocken bleibt, wie
das Fell Gideons: Jungfräulichkeit der Maria. — Pelikan (Ps. 102, 7),
dessen ungeratene Jungen die Alten beifsen (Jesaias 1 , 2) und dafür von
den Alten totgebissen werden , nach drei Tagen aber konmit die Mutter und
sprengt ihr eigenes Blut über sie, wodurch sie wieder lebendig werden:
Opfertod Christi, im Denfensor. immac. conc. B. M. V. auch die Jungfräu-
lichkeit der Maria; in der Vorhalle vonLaach, wo ihm der Teufel eine Rolle
mit der Inschrift peccata Romae vorhält: die Kirche. — Pfeile auf den Pest-
bildern: die göttlichen Strafen, Pest, Hungersnot und Krieg. — Pftiu: bei
den alten Christen Unsterblichkeit; bei dem Kirchenlehrer Hieronymus
Bild der Juden; später der Teufel und Eitelkeit und Hoffart.^ — Phönix:
Auferstehung.^ — Ein vergitterter Quell: Maria, der Born des Heils (Hohel.
* Schon Konstantin d. Gr. liefs Wachsgemälde von sich und seinen Söhnen an*
fertigen, zu deren Füfsen der in den Abgrund stürzende Drache dargestellt war. Vergl.
Eusebius (de vita Const. HI, 3), welcner hierauf die Stelle Jes. 27, 1 anwendet.
' So ausdrücklich bezeichnet auf dem Berliner Bilde der Maria als Thron Salomos.
' Über Darstellungen der Seele vergl. Geo. Zappert in den Anmerk. zur Vita b.
Petri Aeotanti, 77—99. — Abbildungen in Twining, Symbols PL T.XY bis LXXIV.
— Die Seele als Kind: Ottokar cp. 444; vergl. Mone, Anzeiger etc. VEH, 621.
^ Vom Pfau heifst es in einer Züricher fls. des XII. Jahrh. (Wasserkirche CA\
8. 302a):
Voce Satan, pluma Seraphim, cervice draconeni,
Gressu furtivo designat pavo latronem.
Ebenso Freidank, CXLU, 13 f.:
Der phäwe diebes sliche hat,
Tiuwels stimme und engeis wät.
Vergl. Waokernagel, "W., die goldene Altartafel von Basel, 15.
* Weingärtner, W., der Phönix u. der Pfau, in den Mitt. C.-K. V, 153. — Die
488 Symbole.
4, 15). — Segenbogen: Gnade (I Mose 9, 13); Herrlichkeit des Herrn
(Ezech. 1, 28). — Bing, aus dem ein Engel schaut: der geöffnete Himmel.
— Fünf blättrige Böse (an Beichtstühlen): Verschwiegenheit.^ — Satyrn
{corrmtae fades): Wollüstige, Teufel. — Schafe: die Jünger Jesu, die ge-
treue Heerde (Luc. 10, 8; Joh. 10 etc.). — Schiff: (Arche Noah's, Schiff-
lein Petri) : die christl. Kirche. — Schlange (Drache) : ' Teufel (I Mose 3 ;
Apok. 12 etc.); sich aus einem Becher windend: Gift. Ein Ungeheuer mit
offnem Rachen: der Höllenschlund. Schlange und Taube: Klugheit mit
Unschuld vereint (Matth. 10, 16). Die erhöhete eherne Schlange : der ge-
kreuzigte Christus (IV Mose 21, 8; Joh. 3, 14). — Sdüüssel: Macht, zu
binden und zu lösen. (Attribut des Apostels Petrus, mit Beziehung auf
Matth. IG, 19.) — Schriftrolle: das alte Testament, während ein Buch
das Neue Testament bezeichnet ; darum werden die Propheten mit Schrift-
rollen, die Apostel mit Büchern dargestellt, jedoch bei der Darstellung des
Credo gleichfalls mit Rollen; Christus hält zuweilen Beides.' — Schwan:
Bild des Todes, weil er seinen bevorstehenden Tod ahnt und besingt, und
zwar weil er dies mit süfsen Tönen thut, Bild des fröhlichen und geduldigen
Todes der Märtyrer. — Schwein: Judenthum; Gefräfsigkeit. In Frank-
reich die Sau, welche ihre Jungen sängt und dabei spinnt {la truie gui
file) beliebtes Sinnbild spiefsbflrgerlicher Mutterliebe. — Sirenen: die Ver-
lockung, Weltlust; der Teufel.^ — Sonne und Hond:^ in Verbindung mit
Christusbildem : Ewigkeit und Gottheit (Ps. 89, 37. 38); Sonne und Mond
= geistliche und weltliche Macht; Papst und Kaiser.^ Sonne, Mond und
Sterne: Reinheit und Schönheit der Maria (^/e//a mam)- — Der sprossende
Stab Arons: Maria, die ohne Mann Fruchtbare (IV Mose 17, 8). — Taube:
der heilige Geist (Matth. 3, 16). — Sieben Tauben: die sieben Gaben des
h. Geistes (Jes. 11, 2; Apok. 5, 12). Die Taube mit dem Ölzweige: Ver-
söhnung (I Mose 8, 10. 11). Tauben an Weintrauben pickend: Seelen die
durch das Blut Christi selig geworden sind, oder: Genufs des h. Abend-
Symbolik des Phönix beruht auf falscher Deutung von Hieb 29, 18 und falscher Über-
setzung der LXX von Ps. 92, 13. Wegen der Namensähnlichkeit {Phönix, Dattel-
palme) ist auch die Palme Bild der Auferstehung geworden. Die Symbolisierung der-
selben durch den Schmetterling gehört erst der Zeit der Renaissance an. Vergl. Zö ek-
ler, d. Schmett. als Auferstehungssymbol, in Beweis des Glaubens. 1881, 1 ff .
* Stieglitz, von altdeut, Baukunst, 184.
• Schlange, Viper und Drache gehen in der Symbolik sehr durcheinander. Das
Geföhiliche des Drachen liegt nicht m seinem Rachen und Oebils, sondern in seinem
tötlichen Atem und in der Gnewalt der Schläge und den ümschlingun^n seines Schwan-
zes. Der Drache ist ein animal compositum, Kopf, Brüste, Homer, Vordertatzen eines
Raubtiers, Flügel wie ein Raub- oder Nachtvogel, der geschuppte Bauch und Schwanz
gewunden an ofer Erde schleppend. Das siebenköpfige Tier der Apokal3rP8e wird bald
mit einem Drachen- bald mit einem Leopardenleibo dargestellt, seine Köpfe oft mit
Kronen oder Nimben als Symbolen seines Sieges über die Menschen.
3 Durandus 1. I. c. 3. n. 11. — Vergl. Didron, Iconographie, 280.
* Piper, Myth. I, 377 — 393. Sie werden gewöhnlich wie die antiken Harpyen
gebildet, mit Flügeln und Vogelkrallen, bei Herradis nur durch diese, die unter den
langen Kleidern hervorsehen, von Engeln zu unterscheiden; andrerseits auch als Meer-
fräulein, gekrönt mit zwei Fischschwänzen, wie die schöne Melusine des Volksbuches.
» Piper, Myth. ü, 116—19».
• V. Räumer, Hohenstaufen. 2. Aufl. VI, 60.
Zahlensymbolik. 489
mahles. — Ein verschloBBenes Thor: Reinheit der Maria (Ezech. 44). —
Tonn: Unantastbarkeit der Maria (Hohelied 4, 4; 7, 4). — Das Yliefs Gi-
deons: himmlische Befruchtung der Maria (Richter 6, 37). — Weinstock,
Weintraube: Christus, Blut Christi, das heil. Abendmahl (Job. 6, 56; 15, 1).
Auf Madonnenbildern hält häufig das Christkind eine Traube, oder die h.
Jungfrau reicht ihm eine , als Vordeutung seines blutigen Todes. Der Wein-
stock auf Grabsteinen (nach Joh. 15, 5 u. 6): bleibende Vereinigung mit
Christo, aber auch als Zeugnis der Keuschheit der Verstorbenen, so in der
Legende der h. Magdalena und auf dem Grabe der Isolde. ^ — Widder, nach
I Mos. 22, 13 und III Mos. 16, 15: der Versöhner, auch weil er dieHeerde
führt: Apostel und Bischof; nach Rhabanus: iracundia, — Zahlen. Die
christliche Zahlensymbolik , später in der jüdischen Kabbala bis ins Unend-
liche ausgesponnen, wurzelt vornehmlich in der Offenbarung Johannis.^ Es
ist dabei von dem Begriffe der runden Zahl auszugehen: Zwei: rechts
und links, ein Paar. — Drei: rechts, links und in der Mitte; A; Drei-
einigkeit; drei Stufen der Bufse (contritiOj cofifessio, satüf actio) \ drei
Domen in der Dornenkrone Christi.' — Vier: rechts, links, hinten und
vorn (oder oben, unten und zu beiden Seiten); Q ; das Weltall (Himmel,
Abgrund, Land und Meer; Hiob 11, 8. 9; Eph. 3, 18); die 4 Weltgegenden ;
die 4 Winde; die 4 Jahres- und die 4 Tageszeiten; die 4 Elemente; 4
Weltalter (von Adam bis zur Sintflut ; von der Sintflut bis auf die Patriarchen ;
von Moses bis Christus ; von Christus bis an das Ende der Tage) ; 4 Kar-
dinaltugenden; 4 Bufsübungen (Fasten, Beten, Almosengeben und Wall-
fahren) ; 4 Flüsse des Paradieses ; die 4 grofsen Propheten ; die 4 Tiere,
die den Thron Jehovahs tragen; die 4 Evangelisten. — Fünf: 5 Finger;
5 Blätter der Rose, 5 Wunden Christi. — Sechs: 6 Menschenalter, 6 Welt-
alter (Adam = infanHüj No6 ==pueriäa, Abraham = adolescenHa, David
=jtwentiis, Jeremias = virilitaSj Christus = senectus)]^ 6 Krüge auf der
Hochzeit zuKana; 6 Namen des h. Sakramentes (eucharistia^ donum^ cihus,
commuräOj sacrificium^ sacramentum^ oder deutsch: gute genade^ gäbe,
speise^ gemeinsam, opffer^ heiligkeit) ]^ 6 Werke der Barmherzigkeit (Matth.
25, 35 f.). — Sieben,* aufzulösen in 4 und 3: Mysterium, Heiligkeit,
Allheit; 7 Engel (Offenb. 8, 6), 7 Planeten (1, 16), 7 Wochentage, 7 fette
und 7 magere Kühe oder Ähren (I Mose 41), 7 Arme des mosaischen Leuch-
ters (II Mose 25, 31), 7 Locken Simson's (Richter 16, 19), 7 Posaunen vor
Jericho (Josua 6, 4), 7 Säulen des Hauses der Weisheit (Sprichw. 9, 1), 7
Diakonen (Apostelgesch. 6, 3), 7 Gemeinden in Asien (Offenb. 1, 4), 7
Leuchter (ebd. 1, 12), 7 Siegel (ebd. 5, 1), 7 Posaunen (8, 2), 7 Köpfe
» Vergl. II g, Alb., der Weinbau u. d. ehr. Kult, in Mitt. C.-K. XVI, 83 ff.
* Züflig, F. J., Offenb. Joh. I, 115 ff. — Vergl. J. H. Kurtz, in den Theol.
Studien u. Kritiken, 1844. ü, 315 ff. — Im Mittelalter haben besonders Beda, Rha-
banus u. Durandus die Zahlensjinbolik ausgebildet. — Kreuser, Kirchenbau. 2. AtiA.
I, 701—718.
» Schnaase. IV, 284.
* » im D. Kunstbl. 1850, 45.
* Jakobs u. Ukert, Beiträge etc. 11. 1, 114.
* Ledebur, Leop. v., über die Siebenzahl, in v. Aufsefs, Anzeiger etc. 1832.
Sp. 293 f.
490 ZahlenHymbolik.
des Tieres (13, 1), 7 Sakramente, 7 Gaben des h. Geistes (5, 6. 12; Jes.
11, 2),* 7 Bitten im Vaterunser, 7 letzte Worte Jesn am Kreuze, 7 (vor dem
XIII. Jahrh. nur 6.) Werke der Barmherzigkeit (Hungrige speisen, Durstige
tränken, Nackte kleiden. Kranke [Wittwen und Waisen] pflegen. Gefangene
besuchen. Fremde beherbergen. Tote begraben), 7 Werke geistlicher Barm-
herzigkeit: Consuie, carpe, doce, solare ^ remittej/er, ora,^ 7 Stücke der
geistlichen Rüstung (Eph. 6, 13—17), 7 Haupttugenden (4 menschliche:
Prudentia, Jtistitiüy Fortitudo, Temperantia: 3 theologische: Fides ^ Spes^
Charitas), 7 Todsünden (fnanis gloria [superbia], Invidia^ Ira^ AccidiOy
Avaritia, Gtda^ Luxuria)^ 7 Schmerzen und 7 Freuden der Maria (s. im
Verzeichnis der Heiligen: Maria), 7 Worte der Maria (Luc. 1, 34. 38. 40.
46; 2, 48; Joh. 2, 3. 5), 7 grofse Zeichen bei der Geburt Christi,» 7 freie
Künste (Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Musik, Arithmetik, (Geometrie
und Astronomie), 7 kanonische Stunden (s. oben S. 417), 7 Bufspsalmen
(Ps.6. 32. 38. 51. 102. 130. 143), 7 Menschenalter (/w/an//a, pttenVia, ado-
lescentiOyjuventus, virilUas^ senectus^ decrepitus). * — Acht:^8 Hollenstrafen :
Vermes et tenebrae, flagellum, ft'igus et ignisj
Daemonis aspectuSy scelerum confusio^ luctus.^
8 Seligkeiten (Matth. 5, 3 — 10), 8 Menschen in der Arche Noah (I Pet. 3,
20). — Neun: 9 Engelchöre, 9 officia ecclesiastica (/a?ci, lectoreSy exor-
cistaey acolythi, stibdiaconi, diaconi, presbyterij episcopi), auch 9 ordines
justorum (apostoH, martyresj confessores, monachi, virgines^ viduae, confu-
gati^ poerutentesj omnes fideles)^ 9 Steine, womit der gefallene Erzengel be-
deckt wurde.^ — Zehn: 10 Finger, 10 Lebensalter, 10 Plagen Ägyptens,
* Auf einer wohl für die heil. Öle bestimmten kupfernen Patene im Dome zu
Xanten sind die sieben Gaben des h. Geistos mit alttestamentlichen Personen, ent-
sprechenden Tieren und Bibelsprüchen folgendermafsen zusammengestellt:
Adam . . . sp. sapientme . . Schlange . I Mose 2, 24
Abraham . » intellectus . . Hahn . . . Psalm 118, 100
. Baruch 3, 9
Moses ...» consilii .... Ameise
Elias. ...» fartitudinis . Löwe .
Salomo . . » scientiae . . . Hund .
Samuel . . » pietatis .... Taube .
. I Kön. 17, 1
. Sap. 6, 16. 7, 7
. I Samuel 12, 23
diese stitüilenförmig im Kreise geoixlnet um eine nach Spr. Salom. 9, 1 an Stelle des
sp. timoris dei getretene abermalige Personifikation der Sapientia (begleitet von den
^guren des Johannes Ev. mit dem Spruche Joh. 1, 16 und des Paulus mit dem
Spruche Römer 11, 33), in welcher nach den (richtig gelesenen) Versen der Umschrift:
edita corde patris sapientia cuncta creavit
nata sinu matris hominis lapsum reparavit
Christus als die Erscheinung der personificierten eöttlichen Weisheit im Fleische zu
verstehen ist. Vergl. Aldenlirchen, drei Hturg. Schüsseln des Mittelalters, in Bon-
ner Jahrbb. LXXV. Taf. IV.
« Annales archeol. XVI, 221 f.
3 Werinher, Gedicht zur Ehre der Jungfrau Maiia HI. (Nürnberg u. Altorf 1802);
vergl. Kugler, Kl. Sehr. I, 28.
* Joh. Beleth, explic. div. officii c. 28.
* Über den mystischen Sinn der Zahl Acht: v. d. Hagen, Briefe in die Heimat,
n, 211.
* Didron, manuel d'iconographie, 273.
^ Kugler, Gesch. der Malerei. 2. Aufl. I, 133.
Tierbilder. 491
10 Gebote, 10 ChriBtenverfolgungen ; geBteigei*t: 100, 1000 etc. (d. i. sehr
viel): das tausendjährige Reich. — Zwölf: 12 Monate, 12 Söhne Jacobs, 12
Stämme Israels, 12 Edelsteine im Amtsschilde Aarons (II Mose 28, 17), 12
Steine des Jordan (Josua 4), 12 Brunnen von Elim (II Mose 15, 27), 12
Löwen Salomos, 12 kleine Propheten, 12 Apostel, 12 Gründe und Pforten
von Jerusalem (Offenb. 21, 12. 14), 12 evangelische Ratschläge etc.
Gesteigert: 24 Älteste (Offenb. 4, 10); 144000 stehen um das Lamm auf
dem Berge Zion (14, 1). — Fünfzehn: 15 Wörter desAvemaria, 15 Freu-
den der Ehe,^ 15 Zeichen des jüngsten Tages (ein bekanntes xylographisches
Werk) : * das Aufwerfen des Meeres , 40 Ellen über alle Berge ; die Trocken-
heit der Erde ; die Meerwunder schreien gen Himmel ; das Wasser brennt ;
die Bäume schwitzen Blut; alle Bauten fallen, Feuer vom Himmel; die
Felsen zerspalten und fliegen in die Luft; die Erde bebt; die Erde wird
ganz flach ; die Menschen kriechen aus Löchern der Erde hervor ; die Ge-
beine der Toten erstehen ; die Sterne fallen vom Himmel ; die Menschen
sterben sämtlich; Himmel und Erde brennen, der jüngste Tag. — Zwan-
zig: 20 Zeichen, die da geschahen, da Gott geboren ward.' — Ziege und
Ziegenbock, wegen ihrer Neigung zum Klettern: Stolz; aufserdem: Wollust.
Haare, Homer, Bart, Schweif und Pfoten dienen zur Bildung der Gestalt
des Teufels.
Anmerkung 1. Tierbilder,* Darstellungen wirklich existierender und
fabelhafter Tiere, '^ kommen im abendländischen und morgenländischen Heiden-
tum auf Kunstdenkmälern häufig in symbolischer Bedeutung vor : in heidnischen
Grabmälern z. B. als Symbole des Todes und als Attribute des Bacchus, der
zugleich Gott des Lebens und Todes ist: das Seepferd, der Panther, der
Löwe, der Steinbock, und ebenso, mit christlichen Sinnbildern vermischt, in
den ältesten christlichen Begräbnisstätten;® Widder, Pfauen, Hirsche, Greife
und Seepferde auch als Stuckreliefs im Baptisterium beim Dome zu Ravenna
^ Jannet, F., las quinze joves de manage; vergl. Annales archeol. XVn, 185.
'^ Collectio Weieeliana. 11, 121 ff.
3 Jakobs u. Ukert, Beiträge etc. II. 1, 252.
* Otte, in den N. Mitt. Th.-S. V. VI. 1, 48—62. — Brandt, C. L., über die
Tiergestalten an Kapitalen der Emestin. Kapelle des Domes zu Magdeburg, ebd. VII.
3, 137 — 143 nebst 1 Taf. (vergl. Desselben Dom zu Magdeburg, 47 — 52). — VII.
Jahresbericht des altmärk. Verems für vaterl. Gesch., 88 ff. — Kreuser, Kirchenbau.
1. Aufl. n, 165—192. — Heider, die Kirche zu Schöngrabem, 111-122. — Über
die Physiologen s. oben S. 481. — Vergl. Kolloff, Ed., die sagenhafte u. symbol. Tier-
gesch. des Mittelalters in v. Haumer, Hist. Taschenb. 1867, 177 — 269. — Eckl, B.,
die symbolische Zoologie in d. ehr. Wissensch. und insbesondere in d. ehr. K., im Org.
f. ehr. K. 1869. No. 12—22. — Cahier, nouveaux mel. 1874 (curiosites mysterieuses)
106 — 261, 811 ff. — Müller, Sophus, die Tieromamentik im Norden etc. Aus dem
Dänischen von J. Mestorf. Hamburg o. J. — Ein sehr reich (mit 106 kolorierten Bil-
dern) illustrierter lateinischer Bestiarius, welcher im Jahre 1187 einem Kanonikus zu
lincoln gehört hat, ist neuerdings mit der Hamütonschen Sammlung in das k. Kupfer-
stichkabinet zu Berlin gekommen. Vergl. von Seidlitz, im ^pertor. f. Kunst-
wissensch. VI, Heft 3 unter Nr. 10.
^ Richter, Gh., über die fabelhaften Tiere 1855; vergl. Annales archeol. (1856.)
XVI, 70. Es werden im ganzen 94 aufgezählt: Sphinx, Chimäre, Drache, Basilisk,
Phönix, Greif etc. — alle aus dem Heidentum entnommen.
« Bellermann, Ch. F., die ältesten christl. Begräbnisstätten, 76 u. Taf. 3 f . —
Kuglers Museum. 1834. No. 13.
492 Tierbilder.
aus dem V. Jahrh. ' Aufser solchen einzelnen, aus dem Heidentum entlehnten
Tiersinnbildern fanden auch zusammenhängende Naturbilder, welche eine sym-
bolische Bedeutung hatten, Eingang in die christliche Kunst, z. B. in der
Calixtusgruft zu Rom die Darstellung der Weinlese durch kleine, ganz antik
gedachte Genien.' Zu Anfang des V. Jahrh. erbaute der reiche Eparch Olym-
piadorus in Konstantinopel eine Kirche zu Ehren der Märtyrer und hatte die
Absicht, die Wände des Saki*ariums mit Vögeln, Vierfüfslern und Kriechtieren
bemalen und auf denselben ganze Jagdscenen (Hasen, Ziegen und andere
Tiere in eiliger Flucht Yor den verfolgenden Jägern und Hunden), sowie den
Fischfang darstellen zu lassen: der wttrdige Mönch Nilus, ein Schüler des
Chrysostomns, widerriet ihm solches, da es kindisch sei, durch dergleichen
Dinge die Augen der Gläubigen zu zerstreuen, und empfahl ihm, statt dessen
die Kirche mit alt- und nentestamentlichen Bildern zur Belehrung und Anfeue-
rung des ungelehrten Volkes zu schmücken.^ Einer symbolischen Beziehung
jener Naturbilder, die doch wohl die Herrlichkeit der Offenbarung Gottes in
der Natur bezeichnen sollten, erwähnt er ebenso wenig wie Bernhard von
Clairvaux (1091 — 1153), der Reformator des Mönchswesens, welcher 700 Jahre
später und in einer Zeit lebte, wo solche Tierdarstellungen in den Kirchen sehr
beliebt waren, in seiner heftigen, gegen allen Luxus der Kunst in den Klöstern
gerichteten Polemik. Nachdem er sich zuerst ausgesprochen hat gegen die
überflüssige Höhe, Länge und Breite der Bethäuser, über den kostspieligen
Quaderbau {sumphiosas depolUiones)^ die zerstreuenden Malereien, die mit
Edelsteinen besetzten grofsen Radleuchter statt der Kronen, die kostbaren
Armleuchter, was alles er sich indes, als den schlichten Frommen unschädlich
und nur wegen der Geldkosten von Nachteil, in den Kirchen noch gefallen
lassen wolle, tadelt er scharf die Tierbilder in den Klöstern, und zwar in sol-
cher Weise, dafs man sieht, er hatte sich mit diesen Darstellungen eingehend
beschäftigt und kannte dieselben genau : sie erschienen ihm aber albern und
abgeschmackt, sowie als Geldverschwendung.^ — Bei der christlichen Umdeu-
tung solcher ursprünglich heidnischen Darstellungen lag es nahe, dafs man auf
die Bibel zurückging und deren reichen Stoff zur gröfsten Erweiterung des
überlieferten Darstellungskreises benutzte. Dafs es sehr schwierig und un-
sicher ist, für einzelne Bilder jedesmal die richtige Deutung zu treffen, kann
» Kiigler, Gesch. d. Malerei. 2. Aufl. I, 30.
" Ebd., 20.
^ NiluB 1. IV. en. 61 (in der Maxima bibiiotheca veter. patrum. XXVII, 323. ej).
656). — Vergl. A. Neander, Kirchengesch. 11, 419 (Ausgabe von 1829); Heider,
Schöngrabem, 113.
^ Ceterum in claustris coram legentibus fratribus quid facit %Ua ridicula mon-
»truositaSy mira quaedam diffbrmis farmositas ac farmosa deformitasY Quid ibi
immundae nmiae/ quid feri leones? quid monstruosi centauriY quid semi-homines?
quid maculosae tigridesY quid milites pugnantes, quid venaiores tübicinantes?
Videas auh uno capite muUa corpwa et super uno corpore multa capita. Cernitur
hinc inde in quadrupede cauda serpentis, itlic in pisce Caput quadrupedis. Ibique
bestia praefert equum, capram trahens retro dtmidiam, hinc corntUum animai
equum gestat posterius. Tarn muHa deniqtie tamque mira diversarum formarum
apparet tUnqt^e varietas, ut magis Itbeat legere in marmoribus quam in codicibus,
totamque diem occupare singula ista mirando, quam in lege de% meditando. Pro
deo si non pudet ineptiarum, cur non piget expensarum? — Bernhardi, Opp. I,
544; die ganze Stelle ausführlich l>ei Kreuser, a. a. 0., 174.
Tierbilder. 493
uicht befremden y wenn man anf die überreiche Fülle und Vieldeutigkeit der
Gestalten Rücksieht nimmt. So werden z. B. allein dem Erlöser 92 Prädikate
beigelegt^ und er kommt bald als Löwe, bald als Bär, Panther, Widder oder
Kalb vor:^ hieraus folgt, dafs man einzelne Tierbilder niemals als fest-
stehende, sondern stets als schwankende Symbole zu fassen hat. Als bedeut-
sam stellt sich der Gegensatz heraus, welchen die Bibel macht zwischen rei-
nen und unreinen Tieren, jene wurden Symbole des Lichtes und diese
Sinnbilder der Finsternis.' Raubtiere erscheinen als Repräsentanten der den
Christen feindlichen Mächte ; wehrlose Tiere dagegen bezeichnen die bedrängte
Christenschar: diesen Sinn haben alle diejenigen Darstellungen, in denen Tiere
mit einander kämpfend oder einander verfolgend abgebildet werden , entspre-
chend den im Oriente alt herkömmlichen Darstellungen von Tierkämpfen, als
Symbol des ewigen Kampfes zwischen dem Reiche des Lichtes und der Finster-
nis, welche sich in den langwierigen Kriegen zwischen dem römischen Kaiser-
reiche und dem Morgenlande weit umher verpflanzten und besonders auf ge-
webten Stoffen dem Abendlande als Bildmotive geläufig wurden.^ Jagdscenen
bedeuten die Bekehrung der Sünder: die gejagten Tiere charakterisieren die
einzelnen Sünden; die Jagdhunde sind die Bufsprediger ; die aufgestellten
Netze der Glaube und die Gottesverehrung. ^ — Besonders bemerkenswert ist
^ Boissonade, Anecd. Gr. IV, 460 ff. — Von der anderen Seite erhält z. B. das
Pferd in der Clavis des Pseudo-Melito neun verschiedene Deutungen: Christi Leib-
lichkeit, die Prediger, die Apostel oder Märtyrer, die Macht des Fleisches, Zügellosig-
kcit, die arge Welt, Stolz, Ehre dieser AVeit, die rechte Bereitschaft für das Heil.
' Die reinen und unreinen Tiere werden schon im ürchristentume (im Briefe des
Bamabas [Patres apostolici, ed. Hefele, 24] und daraus z. B. auch bei Clemens von
Alexandrien, Sti'omata 2, 15 und 5, 8) als Symbole der Tugenden und Laster aitfge-
fafst, und namentlich erscheint jedes einzelne unreine Tier mit Angabe der Gründe
ausführlich als ein bestimmtes Laster charakterisiert: das Schwein als Schwelgerei,
der Hase als unnatürliche Unzucht, die Hyäne als Hurerei, das Wiesel als Unfläterci;
Adler, Habichte, Raben und Geier, in eine Klasse geworfen, als die ungerechtes Gut
verzehren etc. — Dafs diese Sinnbildnerei in der mittelalterhchen Kunst unzweifelhaft
vorkommt, was Schnaase. IV, 268 bestreitet, beweisen die Lischriften aiif einem
(nicht mehr vorhandenen) Teppich aus dem All. Jahrh. in St. Ulrich und Afra zu
Augsburg mit der Darstellung von Lämmern und Wölfen: Agnus ut est animcU
mundum, sie munda figurat etc. Intel' munda lupuH non est nee munda figurat etc.
Vergl. Sighart, Bayer. Kunstgesch., 205. Wenn am Fufee des Taufsteins im Dome
zu Brandenburg Bock, Eber, Bär, Kameel, Fuchs, Hase, Kaninchen erscheinen,
so ist ebenfalls die Deutung dieser um'einon Tiere auf die durch die Taufe ausgetrie-
benen Sünden wohl nicht aozuweisen. Freilich ist diese Symbolik keine durchgehende;
im Physiolo^s werden z. B. der Wiedehopf , der Schwan, der Strauüs, der (3iaradrius
und die Fulica, obgleich sie nach DI Mos. 11 und V Mos. 14 unrein sind, was auch
der Phys. zum Teil ausdrücklich bemerkt, dennoch als Symbole Christi und christ-
licher Tugenden gedeutet.
3 Bock, C. P., in den Bonner Jahrbüchern. V. u. VI, 109 ff. — Springer, Ant.,
in den Mitt. C.-K. V, 67—75.
^ Herrad im Hortus deliciarum Fol. 35 v.: in sermone cujusdam Doctoris:
Venatio christianorum conversio est peceatorum. Hi designantur per lepores, per
capreolos, per aproa, per cervos. Lepores siffnificant incontentos (weil sie sich
monatlich begatten); capreoli figurant elatos (sie tragen die Homer des Stolzes und
des Ehrgeizes); apri signant dtvites (mit ihrem Zahn des Geizes und der Habgier);
cervi desiqnant samentes (die vielen Enden ihres (Geweihes sind die Argumente, mit
denen sict die Sopnisten vei-teidigen). Canibus eos fugamurS, qtuindo vocepre-
494 Tierbilder.
Ruch die von dem CborgeetUhl zu Laodehat S.2d6 N'.3 mitgeteilte loachrift,
in welcher die Tiere etc. nur im allgemeinen als Repräsentanten der Natur
aufgefafst sind ; aU solche
dürfen auch wohl die echon
in den Köpfen der alten
Griechen und KCmer spu-
kenden fabelhaften Men-
Bchenraesen (Antipodes,
Äcephali,Cidipeditesetc.)i
deren ernsthafte BeHcbrei-
bung sich bis in die Kosmo-
graphien des XVI. Jahrh.
fortpflanzte, zu gelten ha-
ben.' — Ferner kommtin
Betracht , dafa die Darstel-
Fi,. w. K.pi,ii Im Dem. » M.sd.bu( (nub Brudi). |„^g heidnischer Greuel
durch unreine Tiere in der
Vorhalle des Domes zu Magdeburg (s. Fig. 2!>6) nach Brandts (a. a. 0.)
zutreffender Annahme durch die Gegen tl berste llnng des Spottbildes auf das
Judentum, der Sau an wel-
cher Juden saugen (Fig.
257), auf .der nördlichen
Seite unzweifelhaft darge-
than ist. Das letztere be-
rüchtigte Bild' verbreitete
sich sehr weit und war ge-
gen das Ende des Mittel-
alters besonders beliebt;
es findet sich (anfser zu
Magdeburg): aneinemChor-
strebepfeiler der Kirche zn
Wimpfen i. Th., an der
Fi,.»7. K.pia.in.D.m.«M.«d.b,.r,(«d,Br.nd.). Stadtkirche ZU Wl^tteu-
berg, an derNikolaikirche
zn Zerbst, an der Ännakapelle zu Heiligenstadt, am Rathause zn Salz-
barg (ehemals), im Münster zu Basel, an einem Konsol im sUdl. Seitenschiffe
der Klosterkirche zu Heilsbronn, im Dome zu Regensburg, in der Apo-
diealorum eog terremu», — ^ ad retia fidei et ad cultutn sacre relürümi» deduci-
mu». Nacli Martin, Melanges d'archeol. I, 122 bei Heider, Schun^bem. 183 f. ~
DaCs die Jagdsceneoreliefs in den KleinbögeD des Frie»es an der Ap^tis der Abteikirche
zn Königslutter aus dem XU. Jahrh. (Abb. Mitt. Baud. Nieders. I. Bl. 12) sym-
bolisch Eemeint seien, wird zwar von Schnaase. IV, 274 bestritten und mag ungewils
sein, scEeint jedoch nicht nnzulälsig.
■ aus'm Wecrth, Mosaikfulsboden. 2U; Esseowein. im Anz. G. M. I!$SO,
Sp. 70 ff. Ein Kephalopodc z. B. unter den Reliefs von MnrJenhnfe (Abb. Mit-
hoff. Vn, 143).
' Eckl. a. a. 0., No. 22 erklärt das Bild genauer: das Schwein Bild des in
Materialiamns Teraunkenen Unglaubens, dessen Mich, die Juden unter Einflub ihrer
Rabbiner einsangen.
Tierbilder. 495
tlieke zu Kehlheim (lait der Inachrift: 'Anno Dom. IblS jar wurdest die
iuden zu Regensbury ausge-
schaffH), im Dome zn Frei-
sing, mit der Anfschrift: "So
wahr die Maus die Kutz nü
frisst, wird der Jud kein wah-
rer Vhrüit.-i — Ein weiterer
Schritt war dann der, AaX»,
wenn mitteUlt«rliche Dichter
die äaopiscIieD Fabeln mit Bi-
belstellen kommentierten, der-
gleiclien Darstellungen eben-
falls in die christUclie Kunet-
symbolik übergingen,' wodurch
das neue Moment des Humors
hinzutrat, der sich zuweilen f^t- »w- ?''«■ ">" d»'" «n Pmitrboni (mch Sshimm»!).
bis zu derben und anstöfsigen
Späfeen vergars.^ Besonders beliebt waren Daratellungen im Sinne der >Ver-
kehrten Welt«, welche die Nachäffung menschlicher Thätigkeiten durcli Tiere
zur Anschauung bringen, und zwar nicht nur die vielfach vorkommende des
Jägers, der von den Jagdtieren erlegt ist, sondern auch die Nachäffung des
gesamten Gottes dien st es durch Tiere unter den Bildern zu Marienhafe und
ehemals im Münster zu Strafsburg,' oder in harmloserer Weise musikalische
Produktionen durch die gerade unmusikalischsten Tiere , z.B.am Koroburger
Leuchter ein Hase, der die Ouitarre, ein Ungetüm mit ächweinskopf, welches
das Organistnim spielt, und ein Hahn, der das Hörn bläst; am Dome zu
Paderborn statt dessen eine Sau, welche das Hörn bläst, und ein Esel, der
die Geige spielt, und sonst Affen, Esel und Katzen mit Harfe, Dudelsack und
anderen Instrumenten (vergl. oben S. 332), Ein schalkhafter Humor spricht
sich auch aus in den Reliefs an den Brflstungen der steinernen Emporen in der
1525 vollendeten Ännakirehe zu Annaherg, wo die zehn Lebensalter beider
' In deutschen KjR'hcn sind die Fabelliilder im allgemeinen selten ; sehr viele
waren an der Kirche zu Marienhafei Abb. in: die alte Kirche zu H. Emden 1S45;
Chr. K.-B1. 1879, 53. Mithoff. Vn, Taf. 3 u. S. 142 f. — Dieselben Daretellungen,
wie Fie. !5S auH dem Dome zu Paderborn mitgeteilt sind, linden sich zum Teil
auch als Fries unter den Mörtelzeichnungcn am Domkreuzgange zu Magdeburg; die
Fabel vom Wolf und Storch auch im Kreuzgange von St. Zeno bei Ricbenball, Abb.
Stacke, deutsch. Gesch. I, 157. — Häufiger sind Darstellungen aus dem mittelalter-
lichen rtereiws, dem ßeincke Fuchs und dem Lupus mouaohus, namentlich das Bild
der kotzerischen Irrlelirer: der Fuchs, der den Gfinsen oder Hühnern predigt, so am
Fortale des Domes zu Brandenburg, an den Chorschranken der Marionkirche zu
Wismar, an einem Kragsteine der Burgkirche, einem SchluTssteine und einer ge-
stickten Altardecke der Katharinenkirche zu Lübeck und einem Konao! im Kreui-
gaoge zu Ebstorf. Statt des Fuchses auch der Wolf in der Mönchskutte, z. B. an
einem Wiener Hause und in einem Fabelbuch zn Fulda, und derselbe in dor Schule
am Münster zu Freibnrg (Abb. Moller. H, 19- Cahier u. Martin, melanges. L
Taf. XXIV) und auf einem Schweizer Backsteinrelief (Abb. Anz. f. Schweizer Alter-
tumskunde ISSI, Taf. X, 6). — Vergl. auch Wigger, Spuren derliereago auf mittel-
alterüchen Siewln, in Mecklenb. Jahrbb. XXXVlfi, 209 ft.
» Vergl. Cnampfleurj-. bist, de la carricature au moi-en-Sge. 2. Anfl. 1676.
* Kraus. I. 474 ff.
496 Tierbilder.
Geschlechter vom 10. bis zum 100. Jahre bei dem Manne durch ein vierfüfsiges
Tier, bei dem Weibe durch einen Vogel charakterisiert werden.*
Der Mann von 10 Jahren durch das Kalb, das Weib durch die Wachtel,
- 20 - - den Bock, ... - Taube,
- 30 - - - Stier, . - - - Elster,
- 40 - - - Löwen, - - - den Pfau,
- 50 - - - Fuchs, - - • die Henne,
- 60 - - - Wolf, - - - - Gans,
- 70 - - - Hund, - - - den Geier,
- 80 - - die Katze, - - - die Eule,
- 90 - - den Esel, - - - - Fledermaus,
- 100 - - - Tod. - - - den Tod.
Der Vorliebe des Spätmittelalters, dergleichen volksmäfsige und ungeist-
liche, ja für unser Gefühl anstöfsige Darstellungen unter den Sitzbrettem der
Chorstühle im Versteck anzubringen , ist schon S. 286 Erwähnung geschehen :
es bleibt dabei vielleicht auch zu beachten, dafs die Miserikordien für die
membra inhonestiora des Körpers bestimmt waren. Wie sich denn auch der-
gleichen hauptsächlich an den zu den unansehnlichsten Diensten bestimmten
Wasserspeiern und an den Konsolen für Gewölbedienste und Statuen findet
Dafs Satire nicht ausgeschlossen war, beweist die S. 287 mitgeteilte Inschrift
aus Fr ei sing. Indessen finden sich hier unglaubliche Unsauberkeiten, beson-
ders auch in den Randzeichnungen und Initialen von Bibelhandschriften und
Gebetbüchern des späteren Mittelalters u. zw. nicht etwa nur in denen fran-
zösischer Grofsen, sondern z. B. auch in der Bibel des Kaisers Wenzel u. s. w.
Endlich ist einer mehrfach vorkommenden Darstellung zu gedenken, wo-
nach die personificierten Tugenden und Laster auf charakteristisch gewählten
Tieren reitend im Kampfe miteinander erscheinen; so schon bei Herradis
(Engelhardt 8. 42 — 44) als gewappnete Frauen, die Tugenden mit Schwer-
tern (das göttliche Wort), die Laster mit Speeren (die Stachel der Anfechtung)
kämpfend, z. B. die superbia auf dem Pferde mit Löwenfell (s. Fig. 259), die
sordilas auf dem Schwein, die violenüa auf dem Bären , die rapacitcts auf dem
Wolfe. Ähnlich werden in Wandmalereien der Jakobskirche zu Leu tschau in
Ungarn aus dem Ende des XIV. Jahrh. die sieben Todsünden — immer ein
' Waagen, Kunstwerke und Künstler. I, 30. Die Symbolisierung der Mensehen- ,
alter durch charakteristische Tierbilder findet sich bereits auf einem im Besitze von '
T. 0. Weigel in Leipzig befindlich gewesenen, in Briefdruckerweise kolorierten Holz-
schnitte von 1482; doch ist hier nur das männliche Geschlecht berücksichtigt:
Zehen (t) ar ein kint ein kyz.
Zwentzig iar ein Jugling ein kalb.
Dreissig iar ein mZi ein styr.
Virtzig iar wolgetan ein lew.
Fünfzig iar stÜlstand ey fudift.
Sechtzig iar abgan ey wolf\
Siebentzig iar aie sele bewar ey hunt.
Achtzigk iar der weit tor ein kaz.
Newnzig iar der kinder spot ein esel.
Hunde . . iar nu . gnad dir got ey gans.
Vergl. V. Aufsefs, Anzeiger für Kunde des deutschen Mittelalters. I, Sp. 253 u. 300. I
II, Sp. 13 f. 79 XL. 183. — Wackernagel, W., die I/)bensalter. 1862.
Mftnn und eine Frau — reitend dargeBtetlt: die Trägheit anfeinem Beel, der
Zorn auf einem BSren , der Neid anf einem Hunde mit einem Knochen im Manie,
die Unkenschheit anf einer Ban, die Völlerei auf einem Fuchs mit einer Oaua
Flg. Ha. SnpirblB tat dem Hortna delletirum dar B«md (nuh Enielhardt).
im Rachen, der Geiz auf einer Kröte, die Hoffart ist zerstört. (Ahb. Mitt C-
K., VII, 304). Ganz heraldisch kommen dergleichen Tierbilder auf Schilden
BOlcher PerBonifikationen vor z, B. am Nordportal des Domes von Chartres:
ein Löwe auf dem Schilde der Fortiludo, drei Fische auf dem Schilde der
Sanilas, zwei nach einander umsohanende Tanbenpaare auf dem Schilde der
Amiciiia^ etc.; ferner sehr ausfahrlich auf einem gewirkten Teppiche vom
Ende des XIV. Jahrh. im FUrBteoBaal zu Regensbnrg, wo die Laster anf ver-
schiedenen Tieren zu einem Tnrniero reitend mit Tiergeatalten auf Schilden,
Fahnen, Helmen etc. dargestellt werden: der Stolz zu Pferde, der Geiz auf
einem Wolfe, die Unkenachheit auf einem Bären mit einem Hahn anf dem
Helme , der Zorn auf einem Eber (Hnnd , Eule nnd Igel * als Attribute), die Ge-
frsrsigkeit anf einem Fuchs (mit Rabe, Adler und gebratenem Hahn), die Un-
t. KimM-Archliologl«. b. t
498 Tierbilder. Pflaazensymbolik.
stätigkeit auf einem Esel (mit StraafSy Affe und Krebs), der Hafs auf einem
Dracben (mit Skorpion , Fledermaus and Schlangen); die von Engeln geleiteten
Tugenden erscheinen mit folgenden Attributen: die Keuschheit mit der Taube
und dem Einhorn, die Geduld mit Lamm und Papagei, die Mäfsigkeit mit einem
Lamm im Feuer auf dem Schilde und einem Fisch in der Fahne, die Stätigkeit mit
dem Hirsch, dem Phönix und der Henne auf dem Neste, die Liebe endlich hat
eine Löwin mit ihren Jungen auf dem Schilde und einen Baum mit sechs Vögeln
auf der Fahne J Die Darstellungen dieses Teppichs finden sich auch mit aller-
lei Variationen in einem spätmittelalterlichen Schriftchen, das sich als eine
Anleitung zur Beichte fttr Vornehme ritterlichen Standes darstellt, und von dem
drei bis auf einige Differenzen in den fabelhaften Tiernamen völlig überein-
stimmende Exemplare im Stifte 6 Ott weih unter den Namen ^Note wider den
Tet^ei<^ aus der Mitte des XV. Jahrh. (herausgegeben von J. V. Häufler im Archiv
f. Kunde österr. Geschichtsquellen, V, 583 — 606), im Stifte Lambach unter dem
Namen: der gehi/sen spiegele zwischen 1355 und 1382 von einem Prediger zu
Amberg für einen Herrn von Scharffeneck geschrieben (vergl. Schmieder, zur
Symbolik im XIV. Jahrh. im Anz. G. M. 1868, Sp. 326 ff.) und ehemals in der
Collectio Weigeliana, ca. 1470 für einen städtischen Patricier geschrieben
(No. 284 der Sammlung, beschr. von Zestermann, ü, 153 mit Abb. einiger der
Bilder, welche diese Handschrift auszeichnen), sich erhalten haben. Hier sind
sämtliche Tierbilder in einer meist dem Physiologus entsprechenden, aber auch
denselben vielfach ergänzenden Weise nach ihrer symbolischen Bedeutung
erläutert.
Hinter allen Tiergestalten, wo sie, wie so oft, in Arabeskenzügen er-
scheinen , eine tiefere Bedeutung suchen zu wollen , hiefse zu weit gegangen.
Anmerkung 2. Weniger ausgebildet als die Tiersymbolik ist im Abend-
lande die der Pflanzen und Blumen, abgesehen von den häufig vorkommen-
den Lilien und Rosen. Nach dem Gerüche deutet Honorius von Autun im Spe-
culum ecclesiae (ed. Migne, Patrol. CLXXII, 1018) in Anlehnung an I Mosis
27, 27 eine Anzahl von Blumen auf die Chöre der Heiligen und ihre Tugenden:
T^Ager plenus est totus mundus odore sanctonun repletus. Diversi flores sunt
diversi justorum mores. Ex qtäbus patriarchae ut flos narcissus fide ver-
nahanty prophetae ut jacincius spe coruscabant, apostoli velut palmites
de Vera vite pullulantes uvae florem caritafe praeferehant, martyres por-
cientia ut rosa candebant, confessores ut crocus sapientia fuigebant, vir-
gines castitate ut lilium nitebant^ monachi purpuream regni kumilitatem ut
Viola praemonstrahani y coiyugaä aliique fideles per alios flores expressi in
virtutibus radiabants
Anmerkung 3. Die in deutschen Kirchen nur selten vorkommenden
aus heidnischen Mythen und Dichtem^ (z. B. Pyramus und Thisbe im Domchore
« Kunstbl. 1846, 166.
> Die Wölfin mit Romulus und Bemus kommt weder im Kreuzgange des Domes
zu Brandenburg, noch am Turme zu Rottweil vor; die Notiz bei Piper, Myth. I, 444
beruht auf irrigen Mitteilungen. — Über bildl. Darstellungen aus der Alexandersage
verd. Meifsner, A. L., im Archiv f. Stud. d. neuer. Sprach. LXVin. 2, 177 — 190.
Dietrich von Bern kommt als Ketzer zum Teufel gejagt an St. Zeno in Verona vor,
vergl. Stacke, deutsche Gesch. I, 125, auch zu Basel im Münsterchore.
Allegoiisclie DarsteHungen. 499
zu Basel) und aus mittelalterlichen Ritterromanen (z. B. Aristoteles, auf dem
Alexanders Geliebte Kampaspe reitet, ans dem sog. Lai d^Aristote; Virgil,
den eine römische Dame in einem Korbe an einem Fenster aufgehängt hat,
nach einer Novelle in Johann vonEybMargaritha philos.; vergl. Schnaase,
IV, 271) entnommenen Bilder gehören mit den alttestamentl. Parallelen (Sim-
sen und Delila, David und Bathseba, Salomon und seine Frauen) einem mora-
lischen Bildercyklus an, der in mönchischer Tendenz den unheilvollen Einfluls
der Frauen, im Sinne des späteren Mittelalters die Allmacht der Liebe zur
Darstellung bringt. Auch sonstige aus diesen Kreisen entnommene Bildmotive
haben moralische Tendenz. So kommt an den Miserikordien der Chorsttlhle
des Domes zu Magdeburg auch die bekannte Geschichte von der Tochter vor,
die ihrem im Gefängnisse schmachtenden Vater durch Darreichung ihrer Brust
das Leben fristet. — Die an den Gestühlen zu Kleve, Emmerich und
Kaikar sich wiederholende Darstellung eines Eier dreschenden Mannes harrt
noch der Erklärung.
89. Die allegorischen Darstellungen zerfallen in zwei Haupt-
klassen; erstlich die biblischen, von denen weiter unten (§ 90 b) die Rede
sein wird, und zweitens die aus dem klassischen Heidentum überkom-
menen oder willkürlich ersonnenen. Allegorien der letzteren Klasse
sind zwar seltener, konunen jedoch schon in den ältesten Zeiten der
mittelalterlichen Kunst vor und bestehen gewöhnlich aus einzelnen
Figuren, welche, mit bezeichnenden Attributen versehen, Personifika-
tionen teüs physisch -mythologischer Vorstellungen, teils ethischer Be-
griffe ohne mythologische Beziehungen darstellen.
Personifikationen physisch-mythologischer Art.^ Die Erde
in weiblicher Gestalt mit verschiedenen Attributen (Kinder, aber auch Tiere,
besonders Schlangen, die an ihren nackten Brüsten saugen; ein Füllhorn in
der Hand). — Das Meer, seltener in weiblicher, meist in männlicher Ge-
stalt, mit der UrnC) aus welcher Wasser strömt, dem Kopfe eines Seetieres,
einem Fische, selten mit dem Dreizack in der Hand. — Sonne und Mond,
besonders bei der Kreuzigung (s. Stahlstich zu S. 175 und Fig. 289)
Igneus sol obscuratur in aethere,
qma soljtisüUae patitur in cruce;
Eclypsin patitur et hma,
quia de morte Christi dolet ecclesia;^
beide als geschlechtslose Kinder auf den Extersteinen, gewöhnlich nach
antiker Darstellung, die Sonne männlich, der Mond weiblich, jedoch auf
einem Elfenbeinrelief in der K. Bibliothek zu Dresden der Mond mit
Bart und die Sonne bartlos. Sie halten entweder ihre Scheiben (die der
Sonne strahlend, die des Mondes einfach rund) in den Händen oder tra-
gen sie nimbenartig um den Kopf, der Mond auch zuweilen ganz nach
Weise der Diana die Sichel über der Stirn. Zuweilen haben sie auch
Fackeln in den Händen, oder die Sonne einen Stab, an dessen Spitze ein
* Ausführlich behandelt yon Piper, Myth. ü.
» Ebd., 155.
32*
500 Physische und ethische Personifikationen.
grofses S befestigt ist, einigemale erscheinen sie in voller mythologischer
Ausstattung auf Wagen , die Sonne mit 4 Rossen {quadriga solis) der Mond
mit 2 oder 4 Rindern {higa lunae). — Die Flüsse als Flufsgötter, eine Urne
ausgiefsend (s. auf dem Stahlstich zu S. 175 die 4 Paradiesesflüsse). —
Während diese Personifikationen hauptsächlich dem früheren Mittelalter bis
ins XIII. Jahrb. angehören , erscheinen die Winde das ganze Mittelalter
hindurch als in der Luft schwebende blasende Köpfe. — Figürliche Dar-
stellungen der 4 Jahreszeiten und der 4 Elemente sind selten. Am
Deckengewölbe des Altarraums der Nikolaikapelle zu Windisch-Matrei er-
scheinen letztere als nackte Gestalten, das Feuer rot mit einer Flamme, das
Wasser grün mit einem Fische, die Erde braunrot mit einem Lämmchen und
die Luft blau mit einer kugelförmigen Wolke je in einer Hand. Sehr be-
merkenswert ist die Darstellung des Annus auf einem gestickten Humerale
des XIII. Jahrh. aus dem Reliquienschreine der Gebrüder Ewald in St. Kuni-
bert zu Köln: in ein Viereck sind drei koncentrische Kreise gespannt; im
innersten sitzt auf einem Regenbogen eine bekleidete bärtige Figur mit der
Beischrift annus j die in der rechten Hand einen weifsen Kopf mit Strahlen-
kranz dies hält, in der linken einen gleichen mit roter Krone nox] der Kreis
dahinter ist durch ein grades und ein schräges goldenes Kreuz in 8 Teile ge-
teilt, am Querbalken des graden zu beiden Seiten je 2 flammende Räder;
in dem äufseren Kreise befinden sich den Enden der 8 Kreuzesarme ent-
sprechend 8 Kreise, mit Brustbildern ohne Symbole aber den beigeschriebe-
nen Namen am graden Kreuze: aer^ ignis^ terra, aqua, am schrägen:
autumnus, estas, ver^ hiemps; in den vier Eckzwickeln unten Neptumis und
TfiHus, oben die mit dem Kreuze gekrönten A und fi. • — Länder und
Städte finden sich in Miniaturen des IX. — XU. Jahrh. als weibliche Figuren
mit bezeichnenden Attributen in der Hand, z. B. einem Füllhorn, Städte
mit der Mauerkrone auf dem Haupte.
Ethische Personifikationen: Die Haupttugenden und die ent-
gegengesetzten Laster^ als weibliche Figuren. Beispiele: Auf dem Titel-
blatt einer dem IX. Jahrh. angehörigen Bibelhandschrift in der Calixtus-
kirche zu Rom sind unter andern vier weibliche Figuren dargestellt, deren
Deutung durch eine Inschrift gegeben wird: die Klugheit mit aufge-
schlagenem Buche; die Gerechtigkeit mit der Waage; die Mäfsigkeit
in bescheidener Gebärde; die Tapferkeit mit Speer und Schild.' —
An dem im italienischen Geschmack ausgeführten (ob gleichzeitigen?) Hoch-
grabe des Papstes Clemens II. (t 1047) im Dome zu Bamberg befinden
sich allegorische Reliefs weiblicher Gestalten, die ebenfalls auf die Kar-
dinaltugenden gedeutet werden: eine sitzende, die einem Löwen den
Rachen aufreifst (Stärke), eine die einem Drachen die Gurgel zudrückt
(Klugheit), eine mit Schwert und Waage (Gerechtigkeit) und eine
* Vergl. Anz. G. M. 1879. Sp. 341. — Von den vier Bronzofigürchen aus dem
Bamberger Domschatze im Bayr. Nat.-Mus. zu München hat die &de eine Schlange
an der Brust mit der Inschrift terra stat, das Wasser einen Krug unda fluit, das
Feuer {ignis adurit) und die Luft (aer fofet) haben wenigstens jetzt keine Attribute
mehr. Abb. Förster, Bildnerei. lA zu S. 29.
* Zur bildl. Darstellung der Tugenden und anderer abstrakten Gegenstünde, im
Kirchenschmuck. 1864. Heft 4.
3 V. Hefner, Trachton. I. Taf. 37 u. S. 54.
Synagoge und fioclesia.
501
die aus einem Kruge Wasser in einen andren (Wein-)Krng giefst (Mäfsig-
keit).^ Auf dem Reliqnienschreine der h. Amalberga aus dem XII. Jahrh.
zu Süsteren in Holl. Limburg ist einer ebensolchen Figur , wie die
letzte, ausdrücklich Temperantia beigeschrieben , während Prudentia in
der einen Hand eine Schlange, in der anderen eine Taube (Matth. 10, 16)
trägt. ^ Zuweilen werden alle vier zusammen, namentlich an Gewölbekreu-
zungen (z. B. im Eingang der Ritterkapelle zu Hafsfurt a. Main)^ durch
einen nur mit einem Schurze bekleideten Riesen dargestellt, der wie der
gekreuzigte h. Andreas, ausgestreckt in Händen und Füfsen Waage, Krug,
Löwen und Schlange trägt. — Die Tugenden treten oft die entgegengesetz-
ten Laster uuter die Füfse : Enthaltsamkeit tritt auf
die Üppigkeit, Freigebigkeit auf den Geiz, Güte auf
den Neid, forütudo auf die paupertas etc.^ Am süd-
westlichen Nebenportal des Münsters von Strafs-
burg treten die sieben Werke der Barmherzigkeit
auf die sieben Todsünden, und die vier Kardinal-
tugenden auf den Gegensatz der letzteren.^ — Sehr
häufig sowohl auf Kreuzigungs- als auf Weltgerichts-
bildern, namentlich neben den klugen und thörich-
ten Jungfrauen an Kirchenportalen ist die Gegen-
überstellung der Synagoge und der Ecclesia,
erstere mit verbundenen Augen, abfallender Krone,
der Rute Aarons oder einem zerbrochenen Speere,
Bock und Messer, halb zusammensinkend, letztere
gekrönt mit Kelch und Kreuzsiegesfahne, in trium-
phierender Haltung, häufig auch die erstere auf einem
Esel, die letztere auf dem Tetramorph reitend. Am
Südportal des Domes zu Worms steht die Synagoge
mit dem Böcklein, über ihr eine Figur, die in der
Linken ein Salbgefäfs trägt und mit der Rechten zwei vor ihr Knienden ein
Gewand reicht (die werkthätige Liebe mit dem rechten Opfer der Barmherzig-
keit) ; ihr gegenüber ein gekröntes Frauenbild mit verzerrten Zügen und auf-
getriebenem Leibe während auf ihrem Rücken Kröten, Frösche etc. herum-
kriechen, die rechte Hand hängt schlaff herunter, zu der eine kniende
weibliche Figur bittend heraufreicht, am Konsol ein Bock, der Trauben ab-
frifst (das Heidentum oder die Häresie) ; über dieser eine gekrönte Figur
mit Buch und Pfeil (des göttlichen Wortes nach Jesaias 49 , 2 = der rechte
Glaube); endlich am Tympanon die Ecclesia auf dem Tetramorph.^ — Die
Gestalt eines jugendlichen Weibes, hinten von Würmern zerfressen (der
Welt Lohn)^ findet sich auch am Dome zu Basel und an St. Sobald zu
Flg. 960. Au einem Stutt-
garter Psalter, um ISOO
(nach Piper).
» Cahier et Martin, Melanges d'arch. lY. Taf. 29.
' von Fisenne, Kunstdenkm. des Mittelalters. I, 4, Bl. 1 u. 4.
' Becker- v. Hefner. I. Taf. 44.
* Adelung, die korssunschen Thüren, 29.
* Waagen, Kunstwerke u. Künstler. 11 , 339.
* Fr. Schneider, d. allegor. Skulpturen am Südportale des Wormser Doms, im
Anz. G. M. 1870. Sp. 152 ff.
' Yergl. das gleichnamige Gedicht Konrads von Würzburg und das Progjramm von
F. Sachse unter diesem fitel (Berlin 1857); auch W. Wackernagel, in Haupts
502 Zeitkreia« und Oluckaiftder.
NflrDber^, wihreDd tm MQneter zn Strarsburg' nnd Freibnrg i. B. zu
den thörichten Jungfrauen (wie za den klugen ChrietuB) der SaUn in Gestalt
eine« eleg&nt gekleideten, aber auf dem Rflcken von Schlangen zernagten
Junkers gesellt ist, der ihnen liebelnd einen Apfel Torhftlt. — Die Eitelkeit
erscheint als eine geputzte jnnge Dame, derTenfelchen die Toilette machen,
z. B. in einer französischen Miniatnr des XIV. Jahrh. bei Champfleary
a. a. 0-, 185. — Zur Zeit der wieder erwachenden Antike erweitert sich in
krausester Hischnng mit biblischen Typen der Kreis der frei eraonnenen
Allegorien bedeutend, und dergleichen Darstellungen (wie z. B. mehrere
Figuren an dem äebaldnsgrabe zn Nflrnberg) zn deuten, ist lediglieh eine
Rataelanfgabe für den Scbarfsinn. *
Anmerkung 1. Darstellungen derZeitkreise' finden sich vomehmlieb
in mittelalterlichen Miniaturen ; an Kirch engebäuden (z. B. am Westturm der
Kirche zn Brauweiter,* am nord-
westl. Nebenportal des Hflnstera zn
Strafsburg und Öfter in Frankreich)
kommen nur die zwOlf Zeichen des
Tierkreises und die den einzelnen
Monaten entsprechenden ländlichen
Beschäftigungen vor ; an einer SSule
zu Nienburg a. d. S. befinden sieb
die zwölf Himmelszeichen zu den
Fafsen der die Monate darstellen-
den, mit Attributen versehenen männ-
lichen Figuren. Häufiger ist in
Deutschland (z. B. anderFa^adedes
Domes zu Basel) die ebenfalls zu-
erst in Miniaturen vorkommende Dar-
stellung eines sich drehenden Rades,
in dessen Speichen Figuren auf- nnd
X— » B«.! (Wh pip..). absteigen, ala Allegorie des Wech-
sels der Zeit und des GlQcks (daher
QlUcksrad genannt. Ingold in seinem >Goldnen Spiel* (Augsburg 1472. Bl.
7 a) beschreibt ein solches Glflckarad : Der /cüng soll gemait han in sein sal ein
ring, zu oberest ist ein küng, der siezt in seiner maiestat vnd spricht ich
reichsten (anderwärts regno). Zu der linken Hand einer velt herab und
spricht ich han gereickssnet (regnavi) vnd zu der rechten hand einer
der fert hin catff vnd spricht ich will reichsen (regnaho). So leut einer
Zeitflchr. für dmit. Altert. IV, 153; femer Fnra Welt bei Wimt von Oravenbeif in
V. d. Hagen, Oesamtabenteuer. I, 64 und Walther v. d. Vogelweide ed. I^chmaim.
m, 100, Btrophe 4.
< Abb. Erans. I, 466.
' Im XVU. Jahib., namentlich in der durch Überfülle erdrückenden Kaust der
Jesuiten, artet anch die Allegorie bis znm ÜbermaTee ans; rerel. z. B. Picinetti,
mnuduB symbobcna; Menestrier, philoeophia imsginum: Maeenius, specaluni
imaginnm; v. d. Eetten, Apellea symbobcus n. dgl. m. Vergl. v. Radovitz, Oe-
sammelte Schriften. 1 , 294 S.
■ Piper, MyÜ). U, 311—409.
• Abb. ans'm Weerth. Taf. U, 7.
Tod und Totentanz. 503
vnden an den rücken vnd spricht ich bin on reich (sum sine regno). In an-
deren Darstellungen erscheint diese Allegorie in christlicher Umdeatnng : im
Mittelpunkte Christus (ßeus in rota)j zwischen den Speichen die Propheten
und Evangelisten etc., als Symbole des Bleibenden mitten im Wechsel der zeit-
lichen Dinge. ^
Anmerkung 2. Der Tod' erscheint vor dem XIV. Jahrh. in allegori-
scher Auffassung (nach Hieb 5, 26; Jerem. 9, 22) als Ackersmann , der den
Garten des Lebens jätet oder im Walde einen Baum nach dem anderen umhaut,
(der »Holzmeier« heifst er bei Geiler von Kaisersberg) , auch als Jäger zu Fufs
oder zu Rofs mit dem Bogen auf den Menschen zielend tritt er auf, als Schach-
spieler ehemals auf einem Gemälde im Ereuzgange des Strafsburg er Münsters
von 1480.' In der ältesten Darstellung in einem Wormser Missale aus dem
IX. oderXI. Jahrh. jetzt in der Bibliothek des Arsenals zu Paris (vergl. Didron,
iconographie, 806) ist er ein schmutziger zottelhaariger Alter im Bettlergewand,
weder ganz Leiche noch ganz Skelett, der von Christo an der Kette gehalten wird
und dem Flammen aus dem Munde fahren, weil ihm Christus die Lanze in den
Schlund stöfst. Diese Gestaltung als ein Leichnam im Zustande der äufsersten
Abmagenmg bleibt im Mittelalter die allgemeine. Das blofse Gerippe mit Sense
und Stundenglas gehört erst dem Eindringen der Renaissance an. Die in Italien
(/a morte) gewöhnliche Darstellung in weiblicher Gestalt (z. B. in dem berühm-
ten Triumph des Todes zu Pisa) ist Deutschland gänzlich fremd. — Vermutlich
damals, als die grofse Pest zu Anfang des XIV. Jahrh. wütete, entstand eine
dramatisierte Dichtung vom Tanze des Todes :^ eine Reihe meist vierzeiliger
Versabsätze, die einen regelmäfsig wechselnden Dialog zwischen dem Tod und
je einer Person von immer anderem Stand oder Alter bilden, und zwar waren
es ursprünglich 24 Personen (Papst, Kaiser, Kaiserin, König, Kardinal, Erz-
bischof, Herzog, Bischof etc), und die Reden und Gegenreden nehmen in bitte-
rer Ironie ihren Inhalt von dem her, was die Grundanschauung des ganzen
Gedichtes ist, von dem Tanz, an den Jeder müsse, und der ihn begleitenden
Musik. Die letzte Person ist das Kind: owe^ liehe muoter min! ein swarzer
man zuchi mich da hin, wie wiltu mich also verlän ? muoz ich tanzen, und kam,
nicht gän! (Quellen u. Forschungen, I, 128 f.). Ob eine Aufführung dieser Dra-
matisierung stattgefunden, ist unbekannt, aber wahrscheinlich wird es der
» Deut. Kunstbl. 1850, 85. — Vergl. Wackernagel, W., Glücksrad und Glücks-
kueel, in Haupts Zeitschrift etc. VI, 134—149. — Heider, Gusi, das Glücksrad
und dessen Anwendung in der christl. Kunst, in den Mitt. C.-K. IV, 113 — 124. —
Den Mittelpunkt des &8eler Glücksrades (Fig. 261) nimmt das Wappenbild der Stadt
(der Baselstab) ein.
« Twining, Svmbols. PL 69. — Wessely, J. E., die Gestalten des Todes und
Teufels in der darstellenden Kunst etc. 1876.
* Abb. Wessely, a. a. 0., SO.
* Mafsmann, H. F., litteratur der Totentänze. 1840. — Naumann, F., der Tod
in allen seinen Be^siehungen , ein Warner, Tröster und Lustigmacher. Mit 3 Taf. 1844.
— Vergl. Bd. V des Schatz^bers. 1847 u. 1848. — Wackernagel, der Totentanz,
in Haupts Zeitschr. etc. Öl, 304 S. — Ders., Gesch. d. Totentanzes, in KL Schrr.
L 1872. — Schnaase, C, zur Gesch. der Totentänze, in den Mitt. C.-K. VI, 221—
223. — II g, Alb., zur Phüos. d. Todesvorstellungen im Mittelalter, in Mitt. C.-K. XV,
S. cm fF. — Ders., Todesdarstellungen vor den Totentänzen, ebd. XVII, S. LXXXIV S.
— Bahn, J. R, zur Gesch. des Totentanzes, im Geschichtsfreund. XXXVI, 211. —
Bäumker, Wilh., d. Totentanz, in Fiunkfurter zeitgemä&e Broschüren. II. Heft 6.
504
Toti'ntänze.
Fall gewesen sein,^ und die Totentanz-Darstellungen in der bildenden Kunst,
welche seit dem XIV. Jahrb., zuerst in Kirchenvorballen und an Kirchhofs-
mauern als Wandmalereien vorkommend, bis ins XVIII. Jahrb. sehr beliebt
waren, können den Zweck gehabt haben, diese Schauspieldichtung bildlich zu
veranschaulichen und festzuhalten. Zuweilen geben sich diese bildlichen Dar-
stellungen ausdrücklich als eine Moral -Predigt, indem am Anfang und am
Ende der Reihe ein Prediger auf der Kanzel (auch als »Erster Prediger« und
»Letzter Prediger« bezeichnet) erscheint. — Als erster Keim zu den Totentanz-
Flg. M8. Anfangigrnppe des Totentansu In St. Marien sa Berlin (nach Prüfer).
bildem mag die zuerst bei ViTalther de Mapes (1197 zu Oxford) in der Lamen-
tatio et deploratio pro morie aufgezeichnete , schon im XIII. Jahrh. in französi-
sche Verse gebrachte, in Miniaturen und Holzschnitten häufig dargestellte, aber
auch in einem ehemals in der Turmhalle der Kirche zu Badenweiler bei
Basel vorhanden gewesenen,^ jetzt nur noch in einer Zeichnung in der
Mittelalt. Samml. zu Basel erhaltenen Wandgemälde aus dem XIV. Jahrb., am
berühmtesten in dem Triumphe des Todes zu Pisa vorkommende Legende von
den drei zur Jagd reitenden Königen , denen drei Totengerippe mit dem Spruche:
»Was ihr seid, das waren wir; was wir sind, das werdet ihr« begegnen,^ anzu-
sehen sein. — Berühmt war besonders der TodvonBaselan der Kirchhofs-
maner des dortigen Dominikanerklosters, 1568 durch Hans Hugo Klauber reno-
viert, 1805 abgebrochen und nur noch in einigen Resten in der Mittelalt. Samml.
zu Basel erhalten, schon im XVI. Jahrh. durch einen Holzschnitt mit dem Mono-
gramm C. S. (zuletzt neu aufgelegt: Leipzig, A. Danz. 1870) dann 1621 und
später öfter 1649 — 1698 von Joh. Jakob und Matth. Merlan d. Ä. in Kupfer-
stich vervielfältigt. Noch berühmter und verbreiteter ist der Totentanz von
' Nachweislich fand das Spiel des Totentanzes 1449 auf dem Schlosse zu Brügge
bei einem Hoffeste statt; vergi. Schnaase, a. a. 0., 221. — Ein wirklicher Toten-
tanz, d. h. lebhaft tanzende Uerippe, deren eins auf der Klarinette aufspielt, finden
sich in Hartmann Schedels Weltenronik. 1493; Holzschn. des Germ. Mus. Taf. 140.
2 Vergl. Lübke, in d. Dl. Zeit 1866. No. 1214, 223.
'von Perger, A. R, über die Legende von d. 3 Toten u. d. 3 Lebenden, in
Bor. u. Mitt des Altert. -V. Wien. XV, 133 ff.
Totentänze. 505
Hans Holbein (s. darüber in Tl. II dieses Handbuchs). — Totentänze als
Wandgemälde sind aufserdem nachgewiesen zu Klein -Basel im Kreozgange
des Klosters Klingenthal (nach 1437, laut Inschrift bereits 1512 restauriert,
nur in Kopie von 1766 im Museum erhalten),^ zu Strafsbnrg in der Domini-
kaner- (Neuen) Kirche (1824 aufgedeckt, 1870 zerstört),^ zu Berlin in der
Turmhalle der Marienkirche aus dem XV. Jahrh. (aufgedeckt 1860, restauriert),'
zu Lübeck in der Totenkapelle der Marienkirche (von 1463, ursprünglich
auf Holz, vielfach erneuert, jetzt auf Leinwand, ursprünglich mit nieder-
deutschen Versen),^ zu Metnitz in Kärnten am Kamer (Ende des XV.
Jahrh), "^ zu Wismar in der Nikolaikirche in der nördl. Turmhalle (Anfang
des XVI. Jahrh.), zu Bern von Nik. Manuel (1514, seit 1560 zerstört, nur
noch in Kopien erhalten);^ zu Konstanz im Predigerkloster (nach den Hol-
beinschen Holzschnitten, Mitte des XVI. Jahrh. — nach diesen sind auch, wie
nunmehr festgestellt ist, die von Vögelin für die Holbeinschen Originalkompo-
sitionen zu seinen Holzschnitten gehaltenen, grau in grau ausgeführten Gemälde
im bischöflichen Palaste zu Chur von 1543*^ kopiert); zu Dresden in Sand-
steinreliefs von dem 1534 begonnenen Schlosse (seit 1721 restauriert und auf
den Nenstädter Kirchhof versetzt),' zu Krakau im Bernhardiner Kloster (Öl-
kopie nach einem älteren Gemälde aus dem Ende des XVI. Jahrh. ; Trachten
und Verse polnisch).* Gedruckte Totentänze kommen zuerst vor: München
1459 (42 Holzschn. auf 22 Bl. kleinfolio), Strafsburg 1485 (desgl.), o. 0. ca.
1480—90 (desgl. vergl. Collectio Weigeliana No. 297) und Lübeck 1489 (m.
30 Holzschn.). *^ Als ein Nachklang der Totentänze kann auch die im XVI.
Jahrh. seit Dürers »Spaziergang« viel behandelte Darstellung des Todes mit
Liebespaaren lustwandelnd, oder in Gesellschaft; wollüstiger nackter Weiber,
zum Teil mit der Beischrift omnem in homifie venustatem mors abolet gelten.^'
* Mafsmann, F. H., die Baseler Totentänze in getreuen Abb. Nebst gesch.
Untersuch, etc. 51 Taf. 1847. — Totent. d. St. Basel. In Holzschn. m. Text. 1868. —
Th. Burckhardt-Biedcrmann, üb. die Baseler Totentänze, in Beitr. d. hist.-antiqu.
Ges. in Bas. N. F. I. 1882.
-^ Abb. bei Edel, die N. Kirche zu Str. 1825.
^ Lübke, W., der Totent. in der Marienk. zu B. Bild u. Text. 1861. — Prüfer,
Th. , d. Totent. in der Mmienk. zu B. u. Gesch. u. Idee der Totentanzbilder überhaupt,
in Berliner Denkmäler desVer. für Gesch. Berlins. Lief. 6, m. 6 photol. Tafeln. 1875;
wiederholt in Prüfer, Archiv. 1882. No. 1 ff. — Dieser Totentanz hat die besondere
Eigentümlichkeit, dafs der Reigen in Geistliche und Laien geteilt erscheint, die durch
eine in der Mitte befindliche Darstellung der Kreuzigung geschieden sind.
* Milde u. Mantels, d. Totent. in d. Marienkap. zu L. 1866. M. 8 Taff. —
Geifsler, R,, d. Totent. in derM.-K. zu L. etc. 8 Bl. 4® in Farbendr. Hamburg. 1872.
— Mantels, der Lübecker Totent vor seiner Erneuerung i. J. 1701, im Anz. G. M.
1878. Sp. 158 ff.
* Vergl. Fr. Lippmann, in Mitt. C.-K. N. F. I, 56 ff.
* N. Manuels Totent., ütn. nach Stettiers Kopien. Bern. R, Haag u. Komp.
' Vögelin, F. SjJ., Wandgem. im bisch. Pal. zu Chur etc. 1878. — "Weltmann,
die Todesbilder in Chur, in Kunstchronik. 1878. No. 18. 19. — Auch der nicht mehr
vorhandene in der Annen -Kapelle der Abteikirche zu Füfsen war vor 1621 von Jak.
Hiebler nach Holbein gemalt.
" Abb. bei Naumann, a. a. 0. zu S. 64 und Schäfer, Städtewahrzeichen. I, 142.
* Mitt. C.-K. XIV, S. xvin ff.
^® Proben daraus in der Collect Weigel. Ü, 166. No. 296 u. Holzschn. d. Germ.
Mus. Taf. 127. 128.
" Vergl. Wessely, a a. 0., 65 ff.
506 Typische Bilder.
Anmerkung 3. Zuweilen kommen die Darstellungen gewisser Figuren
vor, die in ihrer Zusammenstellung weder der Bibel noch der Legende an-
gehören, teilweise sogar berühmte Heiden, z. B. am schönen Brunnen zu Nürn-
berg die neun starken Helden: Hektor, Alexander, Julius Cäsar, Josua,
David, Judas Makkabäus, Ohlodoväus, Karl der Grofse und Gottfried von
Bouillon;^ oder am Sebaldusgrabe daselbst: Perseus, Simson, Herkules und
Nimrod. — An den Chorstühlen im Münster zu Ulm: die heidnischen Wei-
sen und Dichter: Secundus, Qnintilianus , Seneca, Ptolomaeus, Terentins,
Cicero und Pythagoras. — Auch die heidnischen Sibyllen' fanden Aufnahme
in die christliche Kunst, weil sie an Einen Gott geglaubt und von dem Messias
geweissagt haben; Lactantius (de falsa rel. 1. 6) führt deren zehn an: Per-
sica, Libyca, Delphica, Cimmeria, Erythraea, Samia, Cumana, Hellespontica,
Phrygia und Tiburtina; zuweilen kommen zwölf vor, zuweilen auch weniger,
z. B. an den Chorstühlen zu Ulm nur sieben. Die gefeiertste ist in der bilden-
den Kunst die Tiburtina (Cimmeria), welche dem Kaiser Augustus die Maria
mit dem Kinde in der Luft als die wahre (Gottheit zeigt z. B. an den Chorstflhlen
der Dome in Ulm (hier mit der Inschrift: Sibilla cimmeria octaviano deum de
virgine nasciivrum indicans: Jam nova progenies celo dimitiitur aiio) und
Merseburg. Zu bemerken bleibt, dafs die Namen der einzelnen Sibyllen
häufig mit einander verwechselt werden.
90. Die biblischen Bilder zerfallen in typische, allegorische und
historische.
a. Typische Bilder.' Die Darstellungen aus dem alten Bunde, als dessen
Erfüllung der neue Bund eintrat (Koloss. 2, 17; Ebr. 10, 1), sind nach
Anleitung der kirchlichen Typologie^ insgemein als Typen auf das neue
Testament zu deuten, so dafs also die alttestamentlichen Scenen (wie schon
in den Wandmalereien der Katakomben) von dem Künstler nicht um ihrer
selbst willen dargestellt wurden, sondern nur um des entsprechenden neu-
testamentlichen Vorganges willen. Die typologische Einteilung der alttesta-
mentlichen Vorbilder in innati (die in der h. Schrift selbst als solche vor-
kommen, z. B. Joh. 3, 14. 15; I Petri 3, 20. 21) und iliati (die erst von
den Auslegern hineingetragen worden), in personales (z. B. Melchisedek
und Christus) und reales (z. B. das Osterlamm und das h. Abendmahl) leidet
auch Anwendung auf die bildlichen Veranschanlichnngen derselben, in denen
der alttestamentliche Typus mit dem neutestamentlichen Antitypus zusammen-
gestellt erscheint, oder am vollständigsten in dreifacher Reihe, so dafs der
neutestamentliche Vorgang (sub grada) zwischen zwei gleich bedeutenden
alttestamentlichen Typen in die Mitte gestellt wird, von welchen der eine
der Zeit ante legem ^ der andere der Zeit stih lege entnommen ist. Solcher
Art sind die aus 15 Gruppen bestehenden Zusammenstellungen auf dem
^ Ebenso, nur btatt Chlodwig Artus, im Hansesaal des Rathauses zu Köln.
« Piper, Myth. I, 472—507.
' Jakobs, F., n. ükert, F. A., BeitrSge etc. I. 1, 80 ff. — Heider, Gust^ die
typolog. Bilderkreise des Mittelalters, in der Wiener Ztg. 1859. No. 323. — Der-
selbe, Beiträge zur christl. Typologie aas Bilderhandschr. des Mittelalters, im Jahrb.
C.-K. V, 1—128; vergl. Mitt. C.-K. LH, 309—319.
* Vergl. Michaelis, J. D., Entwurf der typischen Gottesgelahiiheit 2. Aufl. 1763.
Typische Bilder. 507
Verduner Altare von 1181 zu Klosterneuburg (oben S. 142 N. 2) nach
ihren erklärenden Inschriften :
I.
Annunciaiio Ysaac. Anmmciaüo Domini. Annunciatio Samson.
Gen. 18, 2—5. Jud. 18, 3—5.
Die göttliche Verheifsung durch der Engel Geschäfte. Isaak und Sim-
son sind auch Personaltypen Christi.
n.
Nativitas Ysaac. Naiivitas Domini. NaUvitas Samson.
Gen. 21, 1—8. Jud. 18, 24.
Die Geburt wider den Lauf der Natur.
m.
Circumcisio Ysaac. Circumcisio Domini. Circumcisio Samson.
Gen. 21, 8. 4. Jud. 18, 24.
Die Beschneidung, resp. Namengebung.
IV.
Abraham Melchisedech. Tres magi cum donis. Regina Saba.
Gen. 14, 17—20. I Reg. 10, 10.
Die drei Opfergaben. Abraham giebt dem Melchisedek den Fruchtzehnt
(Getreide, Most und Öl; Deut. 14, 23) in drei Gefäfsen und weist auf Rin-
der, Schafe etc. als auf den Blutzehnt hin; die drei Magier opfern Gold,
Weihranch und Myrrhen; die Königin von 3aba schenkt (^old, Spezereien
und Edelsteine. Übrigens ist Melchisedek innaius typus personaiis Christi;
Ebr. 7.
V.
Ex Egypto Israelem educit Dominus. Baptismus Christi. Marc super boves XII.
Exod. 13, 22. I Reg. 7, 28.
Das Wasserbad. Die Kinder Israel ziehen durch das rote Meer; im
ehernen Meer waschen sich die Priester die Hände.
VI.
Moyses it in Egyptum. Dies paimarum, Agnus pasccUis,
Exod. 4, 20. Exod. 12, 8.
Der Hingang zur Erlösung. Das Passahlamm ist dargestellt, wie die
Juden es in ihr Haus bringen. Weil es hier an einem Typus aus der Zeit
sub lege fehlte, sind zwei aus der Zeit ante legem gewählt.
VII.
Rex Melchisedech. Cena Domini, Mana in uma aurea.
Gen. 14, 18. Exod. 16, 88. 84. Ebr. 9, 4.
Brot und Wein, Himmelsspeise.
VUI.
Occisio Abel. Judas osculatur, Occisio Ahner.
Gen. 4, 8. H 6am. 3, 27.
Der verräterische Anfall unter dem Scheine der Freundschaft.
508 Typische Bilder.
IX.
Obiatio Fsaac. Passio Domra, Botrus in vecte.
Gen. 22, 12. Num. 18, 24.
Das Opfer des geliebten Sohnes. In dem Vorgange sub lege bezeichnet
die Weintraube Christum, der Stecken das Kreuzholz.
X.
Eva tulii de fructu, Deposicio Christi, Deposicio regis Jericho,
Gen. 3, 6. Jos. 8, 29. 30.
Das Abnehmen von einem Baume. Die Bezeichnung Jericho ist irrig :
es war der König von AI.
XL
Joseph in lacu, Sepulcrum Domini, Jonas in venire ceti.
Gen. 37, 24. Jon. 2, 1.
Das Grab, welches seine Beute nicht behalten darf.
xn.
Percussio Egypii. Descensus Domini ad inferum, Samson cum leone,
Exod. 12, 13 u. 23. Jud. 14, 6.
Der Sieg des Würgengels, Simsons und Christi im Kampf.
xm.
BenedicHones Jacob, Agnus pascalis, Samson feriportas.
Gen. 49, 9. Jud. 16, 3.
Das Aufstehen aus dem Schlaf. Vor dem sitzenden Jakob liegen zwei
schlafende Löwen, er berührt sie mit einem Stabe und spricht: Quis susci-
tabit eum? Warum die Darstellung der Auferstehung Christi als Agnus
paschaiis bezeichnet ist, erhellt nicht.
XIV.
Translacio Enoch, Ascensio Domini. Helias in curru igneo.
Gen. 5, 24. 11 Reg. 2, 9.
Die Himmelfahrt.
XV.
Area Noe, Adventus spiritus sanciu Afons Sinay,
Gen. 8, 10. 11. Num. 19, 16.
Einerseits die Taube, andererseits das Feuer vom Himmel.
Als Abschlufs des Ganzen folgen nun noch 6 Bilder mit der Darstellung
der letzten Dinge ohne alttestamentliche Vorbilder. Jedem einzelnen der
51 Bilder ist zur Erklärung der adumbratio mystica ein leoninischer Hexa-
meter beigegeben, doch ist es dem Dichter, sei es wegen des prosodischen
Zwanges, sei es wegen eigner Unkunde nicht überall gelungen, den vor-
stehend herausgehobenen, eigentlichen Vergleichungspunkt zwischen den
überlieferten Typen und dem Antitypus klar zu machen. Dasselbe Schema
findet sich angewendet in mehreren handschriftlichen Typologien aus dem
XIV. und XV. Jahrh., welche sowohl in der Reihenfolge und Anordnung des
Stoffes als auch in den beigegebenen Erklärungen unter sich übereinstim-
mend, als die Vorgänger der späteren xylograph. Armenbibel (Biblia pan-
Marianische Typen. 509
peram) * eracheinen, die nur durch Hinzufügung einiger Bilderreihen erweitert
ist. — Noch einige andere häufig vorkommende Typen auf Vorgänge in der
Geschichte Jesu sind: Der Ölkrug der Witwe, Elisa speist 100 Mann mit
20 Broten = die wunderbare Speisung der 5000 (4000) Mann; die
Bewirtung der drei £ngel bei Abraham, die Rettung des jüd. Volkes von
der Strafe der Abgötterei (Num. 32) = die Fufswaschung; Elias vor
Ahab, Daniel vor Nebukadnezar = Christus vor Pilatus; Ahitophel
(EL Sam. 17, 23), Absalom (ebd. 18, 9) = der Selbstmord des Judas;
Jakob segnet mit gekreuzten Armen die beiden Söhne Josephs (Gen. 48, 14),
das Signum lau (Exod. 12, 13), die kreuz- oder T förmig gehaltenen duo
ligna in den Händen der Witwe vonSarepta (I Reg. 17, 12) *= dasKrenz
Christi; die erhöhete eherne Schlange = die Kreuzigung des Herrn;
das Wasser aus dem Felsen (Exod. 17, 6) = das Blut Christi; der
Widder des Abraham (Gen. 22 , 13) = der Opfertod Christi; Jakob und
die Himmelsleiter = die Himmelfahrt Christi, u. a. m. — Die vollstän-
digste Reihe der Typen findet sich in dem Zinnaer Marienpsalter von 1489,^
wo jedem der 165 neutestamentlichen Bilder ein alttestamentliches Vorbild
beigefügt ist. — Bei der hohen und immer steigenden Verehrung, welche
man der Maria zollte, fand man auch ihr Leben im A. Test, vorgedeutet,
und so entstanden die m a ri an i sehen Typen. Dieselben beziehen sich
insbesondere auf ihre wunderbare Befruchtung und Entbindung ohne Ver-
letzung ihrer Jungfrauschaft: die Erschafi'ung der Eva, der brennende und
nicht verbrennende Busch Mosis, der grünende Stab Arons und die uma
aurea (Ebr. 9,4), das bethaute Vliefs Gideons, Daniels unverletztes Her-
vorgehen aus der versiegelten Löwengrube (Daniel 6, 23), äieporta clausa
(Ezech. 44, 2), der hortus conclusus und der fons signatus (Hohelied 4, 12),
die turris ebumea (das. 7 , 4) u. s. w. Alle diese Typen finden sich vielfach
vereint dargestellt zusammen mit der Jagd des Einhorns (s. S. 512). Sehr
eigentümlich ist die Darstellung der Maria als Thron Salomos ' d. h. Christus
auf dem Schofse seiner Mutter ist als der wahre Salomo auf seinem Throne
gedacht, wie aus der Beischrift bei dem Bilde zu Gurk erbellt : Ecce thronus
magni fulgescit regis et agni. Sie ist dann mit dem Kinde auf dem Throne
sitzend dargestellt, der nach I Könige 11, 18 — 20 gebildet ist, wobei das
Elfenbein auf ihre Keuschheit, das Gold auf die sie überschattende Gottheit,
' Heider, Gust., die bildl. Darstellung der Bibl. paup. aus einer Hds. des XV.
Jahrh. in St. Florian. 34 Taf. mit Text. 1862. — Laib, Fz., u. Schwarz, F. J.,
Biblia pauperum, nach dem Original in der Lyceums-Bibliothek zu Eonstanz. 17 Taf.
mit Text. 1867; vergl. v. Lützow, Zeitschr. 1868, 185 ff. — Zestermann, Ad., die
Unabhängigkeit der deutschen xylogr. Biblia Pauperum von der lateinischen. 1 866. —
Bodemann, Ed., xylogr. u. tj-pogr. Inkunabeln d. kön. öffenÜ. Bibl. zu Hannover.
1866, 3—15. — Coilectio Weigeliana. II, 128 — 143. — La Roche, E., die älteste
Bilderbibel, die sog. Bibl. paup. 1881.
* Vergl. Otte, H., das neutestamentüche Bilderbuch des Herrn. Nitzschewitz.
1881 (N. Mitt. Th.-S. V. XV, 254).
' Vergl. Piper, F., Maria als Thron Salomos etc., in von Zahn, Jahrbücher f.
Kunstwissensch. V, 97 ff. Den dort behandelten Beispielen sind Wandgemälde in der
Neuwerker Kirche zu Goslar und im H. Geist -Hospitale zu Lübeck, ein Antepen-
dium aus dem Xm. Jahrh. im Museum zu Bern und Portidskulpturen an der Nord-
seite des Domes zu Augsburg xmd an der Dominikanerkirche zu Ret z in Nied.-Öster-
reich hinzuzufügen.
>10 Hamnisohe Typen.
die 12 Löwen auf den 6 Stufen auf die 12 Apostel, die beiden Löwen zur
Seite auf Joliannes den Tftnfer und Evangelisten, die beiden Hände auf Gott
den Vater and den h. Oeist gedeutet werden. Gewöbnlich stehen dann die
FIf. MS. Mull ■!■ Thnn BUmb« ua dtm WudfHiilMa n Onrk <iiHta Woltmun).
Tugenden, welche sie nach St. Bernharil und Albertus Magnus bei der Ver-
kflndigung gezeigt hatte, nimlich solitudo, verecundia, dUcretio, virginitas,
bumilHas uud obedienlia als weibliche Figuren daneben , und das Ganze wird
Ton Propheten, oder von Eircbenvatem die diese Tugenden gepriesen haben,
bekrönt.
Anmerkung. Wie manche Symbole, so sind auch manche Typen sehr
vieldeutig: David z. B. ist, weit er seine Feinde liebte und ihnen Gutes that,
Biblische Allegorien. 511
Typus Christi; als Ehebrecher und Mörder dagegen Typus des Teufels.* —
Auch aus der Profangeschichte werden Typen herbeigeholt: Orpheus, der die
Tiere der Wildnis um sich versammelt, ist schon in der altchristlichen Kunst
Typus Christi;* der goldene Dreifufs (Plutarch, vita Solonis, c.4) ist Vorbild
der heiligen Jungfrau, der König Codrus Typus des Selbstopfers Christi.' —
Ebenso werden aber auch biblische Typen in weltlichen Bildern benutzt, z.B.
auf einem bei der Krönung K. Karls V. gebrauchten Handtuche die Zusammen-
stellung biblischer und klassischer Beispiele über die Gewalt der Frauen und
der Liebe, s. oben S. 497 Anm. 3.^
b. Allegorisohe Bilder. Darstellungen solcher Scenen, welche in der
Bibel nicht als Geschichte, sondern als 1. Visionen, 2. Parabeln, 3. Weissa-
gungen (Dogmen) etc. enthalten sind, und die oft nach Mafsgabe der zur Zeit
des darstellenden Künstlers in der Kirche Geltung habenden dogmatischen
Ansichten gemodelt und weiter ausgebildet wurden, so dafs zuweilen die bib-
lische Grundlage, wie in den Dogmen, so auch in den Kunstwerken, völlig
zurücktritt. Beispiele: 1. der Traum Jakobs von der Himmelsleiter, die
Träume Josefs, der Traum des Nebukadnezar, Daniel 4, 7 (Wandgemälde
im Kapitelsaal zu Brau weil er), die Gesichte des Ezechiel (20 — 32) von
der Zerstörung und Wiederherstellung Jerusalems (Wandgemälde in der
ünterkirche zu Schwarzrheindorf). — 2. Gleichnisse Jesu: der gute
Hirte unter den Schafen, oder das wiedergefundene Schaf auf dem Rücken
tragend (Job. 10, Luc. 15 — sehr beliebt in der altchristlichen Kunst), der
Weinberg des Herrn (Jes. 5, 2; Jerem. 12, 10), die Arbeiter im Weinberge
(Matth. 20, 1 — 17), die bösen Weingärtner (Marc. 12, 1—9), der reiche
Mann und der arme Lazarus (Luc. 16, 19 — 23), das grofse Abendmahl
(Luc. 14, 16 — 24), der barmherzige Samariter (Luc. 10, 30 — 37), die
klugen und die thörichten Jungfrauen (Matth. 25 ; erstere halten ihre Lampen,
welche zuweilen wie Schüsseln aussehen , aufwärts, letztere abwärts gekehrt ;
sehr häufig an Kirchen -Portalen, s. S. 85. 86). — 3. Dogmen: die hei-
lige Dreieinigkeit,* Gott Vater sitzend, zu seiner Rechten Christus (zu-
weilen mit dem Vater gemeinsam ein Scepter haltend) , darüber die Taube ;
oder: Gott Vater hält den gekreuzigten oder toten Christus, über welchem
die Taube schwebt, in seinem Schofse (der sogen. Gnadenstuhl) \ auf Siegeln
in abgekürzter Darstellung: ein Kreuz, auf dem eine Taube sitzt, darüber
das Brustbild des Vaters. Seltener sind solche Darstellungen, wo der h.
Geist in menschlicher Gestalt erscheint, zuweilen jugendlich ohne Bart, zu-
weilen dem Vater und dem Sohne völlig gleich, zur Linken des ersteren
sitzend (z. B. auf dem Grabmal Friedrichs III in St. Stephan zu Wien, auf
einem Freskogemälde am Dome zu Graz und dem sogenannten Töpferaltare
* Jakobs u. Ükertj a. a. C, 155. Jedoch erscheinen auch David und Bathseba
als Typus Christi und semer Braut der Kirche, z. B. bei Honohus von Autun und an
der goldenen Pforte zu Freiberg, vergl. Springer, Quellen etc., 35.
•' Piper, Mji:h. I, 121—127.
3 Jakobs u. ükert, a. a. 0., 156.
^ Becker- V. Hefner. I. Taf. 4; vergl. Annales arch. VI, 145 — 157.
* Didron, Iconographie, 427 — 604; Twining, Symbols. PI. I— XXXIX; von
Perger, A. R, die heö. Dreifaltigkeit, in Mitt. C.-K. XV, S. CLTV f . mit Abb.;
Zöckler, Trinitäts-Syinbole, in Bew. des Gl. 1881, 289 ff.
512 Biblische AUogorion. Dogmen.
zu St. HelenabeiBaden bei Wien aus dem XV. Jahrb., aber auch schon
bei Herrad von Landsperg und auf einem Tafeigemälde in der Leehkirche
zu Graz aus dem XIII. Jahrb.); auch wird der dreieinige Gott als Mensch
mit dreifachem Gesichte abgebildet (durch Papst Urban VIEL 1628 und
Benedikt XIV 1745 verboten), oder als ein Mann mit drei Oberleibern
und Köpfen (so im Zinnaer Marienpsalter von 1489 und auf einem Wand-
gemälde der Spendung des h. Abendmahls an die Apostel von 1512 in der
ehemal. Spitalkirche zu Botzen; Abb. Mitt. C.-K. N. F. II, S. LIV). Aufser-
dem suchte man das Geheimnis durch allerhand mehr mathematische Zeichen
zur Anschauung zu bringen, das gleichseitige Dreieck, drei ineinander-
geschlungene Ringe, drei gleichgebildete Fische oder Adler und allerhand
Linien und Figuren die in dieser Form ^i'^ zusammengestellt waren, ein
Dreieck mit drei laufenden Beinen, drei laufende Männer die einander an
Schopf und Hacken anfassen, drei Hasen, die mit den Ohren zusammen-
gewachsen sind, drei Fische, die nur einen Kopf haben (s. S. 485,
No. 1) etc. Typus der Dreieinigkeit sind nach Augustinus de trini-
täte II, 20 die drei Männer, die Abraham besuchen. — Das Dogma von
der Menschwerdung des Gottessohnes und dem Ratschlüsse der Er-
lösung wird dargestellt, indem die 4 Tugenden Misericordiüj veritasj pax
nndjusiitia (Psalm 85, 11) vor dem Throne Gottes ihren Vertrag schliefsen,
und infolge davon der Engel Gabriel als himmlischer Jäger das Hörn blasend
mit vier Hunden, welche dieselben Namen führen, das Einhorn (Christus)
in den Schofs der im hortus conclusus von den übrigen Typen der Jung-
fräulichkeit (s. oben S. 509) umgeben sitzenden Maria jagt. ^ — Das Dogma
von dem Opfertode Christi: Gott Vater fängt denLeviathan ander Angel
mit dem Köder der Menschheit Jesu (nach Hiob 40, 20; Miniaturendes frühe-
ren Mittelalters) oder nach Jesaias 63, 2 u. 3 : Christus in einer Kelter geprefst,
aus der sein Blut in einen Kelch fliefst (Wandgemälde zu Klein-Komburg
— Abb. Chr. K.-Bl. 1883, 53; Votivtafel des Matth. von Gulpen in der Gumperti-
kirche zu Ansbach; Holzschnitt aus der Coli. Weigeliana im Germanischen
Museum — Abb. Holzschn. d. G. M. Taf. 4). — Hieran schliefst sich die
mehrfach vorkommende Darstellung des Dogmas von der Transsubstan-
tiation beim Mefsopfer: Christus eine Kelter tretend, aus welcher Hostien
fallen oder er träufelt aus der Seitenwunde Blut in einen Kelch ; die Hostien-
mühle (Altäre zuTriebsees^ und Doberan, Chorfenster des Münsters zu
Bern und der Leonhardskirche zuTamswegin Steiermark) : die vier Evange-
listen schütten das durch Spruchbänder bezeichnete Wort in einen Mühlrumpf,
aus welchem der Inhalt in Form eines Spruchbandes in ein trogartiges Geföfs
* Z. B. auf einem CTofgen Gemfilde von 1518 in der Vorhalle des Domes zu Merse-
burg; vergl. Otte, in N. Mitt. Th.-S. V. V. 1, 118 und Piper, im Evanffel. Kalender
von 1859. Seitdem hat sich die Zahl bekannter Beispiele dieser DarsteUung bedeu-
tend vermehrt, namentlich auch in Stickereien aus Frauenklöstera. — Die Ausbildung
zu einem ganz kavaüennäfsig erscheinenden Jagdbilde, wie z. B. auf einem Antepen-
dium in Gobelinweberei in St. Gotthard zu Brandenburg gehört übrigens erst dem
XV. Jahrh. an. — Vergl. auch Schneider, F., zur Einnomlegende, im Anz. 0. M.
1883, Sp. 138 f.
» Abb. Prüfer, Archiv. I. Taf. 29.
Biblische Allegorien. Dogmen. 513
fällt, um ans diesem als kleine, über einem Kelche schwebende Christasfigur
wieder zum Vorschein zu kommen. — Die dogmatische Bedeutung des
Opfertodes Christi wird vielfach auch durch allegorische Zuthaten zu
dem Bilde der Kreuzigung ausgedrückt, namentlich die der zusammen-
brechenden Synagoge und der das Blut Christi auffangenden Ecclesia. Am
Portale der Martinskirche zuLandshut kniet die Ecclesia zu den Füfsen
des Kreuzes; vom rechten Kreuzarme geht eine segnende Hand aus, unter
der ein Bischof die Messe liest, während aus dem Altare eine Hand mit
einem Hammer kommt und den Kerker der in der Vorhölle Gefangenen zer-
schlägt; vom linken Kreuzarme aber geht ein Schwert aus, vor dem eine
weibliche Figur — Venus, das Heidentum — umstürzt und neben ihr die
Synagoge mit einem Eselskopfe. Noch ausführlicher auf einem Fresko-
gemälde zuBrunecken inTyrol von 1526: die von dem rechten Kreuzarme
ausgehende Hand setzt der unten knienden und das Blut Christi auffangenden
Ecclesia eine Krone auf, die vom linken dnrchstöfst die auf einem verwun-
deten bluttriefenden Esel reitende Sjmagoge mit dem Schwerte, hinter dieser
steht Eva und der Tod, während auf der rechten Seite Maria als ma/^r mf>m-
cordiae Hände und Mantel über Klerus und Laien breitet; vom oberen Kreuz-
arme aber geht eine Hand nach oben und schliefst die Pforte des Himmels
auf, über der Gott der Vater mit Engeln schwebt^ Auf einem Wandgemälde
des Crucifixus in der Kirche zu Mollwitz aus dem XV. Jahrh. schlagen
misericordiaj justiiia und /?a^/>n/<i'a die Nägel ein, fidea ^eXzi die Dornenkrone
auf, humilitas bindet die Füfse fest, Caritas thut den Speerstich und spes
fängt das Blut auf.^ — Das Dogma von Sündenfall und Erlösung wird
auch durch die Allegorie des or^or vitae ei mortis dargestellt, z.B. auf einem
Silberrelief aus dem Grabe des Erzb. Heinrich von Vinstingen (t 1286) im
Dome zu Trier trägt der Baum, an dem sich unten die Schlange ringelt, auf
der einen Seite zwischen welken Blättern statt der Früchte Totenschädel, auf
der anderen zwischen frischem Laube Engelsköpfchen (Abb. aus'm Weerth,
Taf. LVn. 6). In demMefsbuche des Berthold Furtmayer (1480. Abb. Förster,
Malerei, UI, 1) trägt der Baum, an dessen Fufse Adam schläft, und um dessen
Stamm sich die Schlange ringelt, als Früchte Äpfel und Hostien, dazwischen
auf der einen Seite einen Totenkopf, auf der anderen ein Kruzifix ; unter
ersterem steht Eva nackt und reicht die von der Schlange ihr gegebenen
Äpfel Knienden dar, hinter denen der Tod lauert, unter dem Kruzifix die
gekrönte Maria, welche Hostien den Knienden reicht, hinter denen ein Engel
mit der Schrifttafel: Ecce panis angelorum etc. steht. Auf einem Glas-
gemälde zu Friedersbach bei Zwetl von 1409 sieht man oben im Baume
Gott den Vater, die Taube schwebt auf das Christkind herab, das auf einer
von der Baumkrone sich herabwindenden Kette steht, welche am linken
Arme der zur Rechten des Baumes stehenden Maria befestigt ist (Abb. Mitt.
C.-K. XVII, S. GXL). — In ganz anderer Weise wird die Lehre von Sünden-
fall und Erlösung, Gesetz und Evangelium in der Reformationszeit, nament-
« Abb. Mitt. C.-K. Xm, S. XXVI.
' Ahnlich , aber mit anderer Verteilung der Handlungen auf die Tugenden , bereits
in einem spätroman. Codex im Kloster zum h. Kreuz in Kegensburg (vergl. Jakob,
110, N. 4) und später auf dem Altarblatt des Fronleichnamsaltars zu I)oberan (vergl.
Lisch, in MecMenb. Jahrbb. IX, 425).
Otte, Kunst -ArchKologie. 6. Anfl. 33
514 Biblische Allegorien. Dogmen.
lieh von Lukas Kranach in zahlreichen Variationen unter dem Gesichtspunkte
des sola fide zur Anschauung gebracht. — Die Androhung des göttlichen
Zornes in Krieg, Pest und Hungersnot wird in Malereien des Spätmittel-
alters dargestellt, indem die drei Personen der Gottheit (oder auch Gott
Vater allein) Pfeile (s. oben S. 416) und Lanzen schleudern, welche
durch die Fürbitte der Maria oder auch Christi resp. der himmlischen
und irdischen Hierarchie aufgefangen und abgewehrt werden.^ — Das Dogma
von der Verherrlichung Christi findet seinen Ausdruck in den Salvator
oder Majestas domini genannten Bildern. Diese sind oft mit der spitz-
ovalen (Mandorla-) Einfassung (s. S. 480), seltener mit einem Dreipasse um-
geben; der Herr steht oder sitzt, seltener auf einem Throne, häufig auf einem
Regenbogen (Apokal. 4,8); die Rechte hat er segnend erhoben oder zeigt
damit auf seine Seiten wunde, in der Linken hält er das Buch des Lebens (Ebd.
20, 12) oder eine Schriftrolle: von seinem Haupte geht rechts ein Lilienstengel
(virgaorissui. Jes. 11,4 — ?), links ein Schwert aus (Apokal. 1, 16; 19, 15);*
seine Fflfse ruhen auf der Weltkugel (Jes. 66, 1), oder auch in einzelnen
Fällen (Oberkirche zu Schwarzrheindorf, Kilianskirche zu Lüg de) auf
einem mit drei Lilien geschmückten Kronreifen (vielleicht nach Eph. 1, 21
oder auch direkt nach Apok. 4 , 10). — Auf dem Elfenbeindeckel des Tutilo
von St. Gall en um das Jahr 900 (s. den nebenstehenden Stahlstich) erscheint
der thronende Christus umgeben von den himmlischen Kräften {i^Hic residet
Chrishis virtutum siemmaie septus<^). Der Salvator sitzt in jugendlicher Ge-
stalt ohne Bart und mit dem Kreuznimbus um das Haupt auf einem mit sack-
förmigem Polster belegten Sessel ; über das lange faltenreiche Untergewand
legt sich das quer über die Brust offene Oberkleid ; die erhobene Rechte hält
ein Buch, die offne Linke ist symmetrisch erhoben. Hinter der Figur er-
scheint in Form eines Medaillons eine eirunde Einfassung, welche oberhalb
von einem Querbande durchzogen ist, auf dem das apokalyptische Alpha
und Omega steht. (S. oben S. 401 f.) Zu beiden Seiten Christi erblickt man
zwischen zwei Türmen zwei sechsgeflügelte Cherubim, zu seinen Hänpten
und Füfsen die Zeichen der vier Evangelisten (s. oben S. 481 f.), und diesen
entsprechend in den vier Ecken des Bildes die vier Evangelisten : Johannes
und Matthäus im Mannesalter und schreibend : Markus und Lukas als Jüng-
linge, jener den Griffel spitzend, dieser nachdenkend mit Buch und Griffel
in den Händen. Die Mitte der Tafel nehmen oben die Flammenhömer
tragenden jugendlichen Gestalten des Sol und der Luna ein, unten der greise
Oceanus mit der Urne und dem Seeungeheuer und die ein Kind säugende
Tellus mit dem Blütenfüllhom.^ — Das Dogma von den letzten Dingen.
^ Besonders ausführlich auf dem Wandgemälde am Dome zu Graz zur Erinne-
rung an die Plagen, welche 1480 Steiermark neimsuchten. Vergl. Schwach, im Kir-
chenschmuck Sekkau. 1871. No. 6 — S, wo auch die von Schnaase ViU, 494 ge-
Tdmschte Abbildung zu finden ist. — Aufscrdem einfacher vielfaltig auf sogenannten
^Pestbildem« in Holzschnitt.
* Das eine zweischneidige Schwert der Apokalypse spaltet sich si)äter (z. B. in
den Deckengemälden zu Ramersdorf ca. 1300 und zu Wienhausen) m zwei, wohl
wegen Luc. 22 , 38. Die Ersetzung des einen durch den lüienstengel scheint erst der
flandrischen Kunst anzugehören.
3 Vergl. E. Förster, Kunstgesch. I, 34.
. #
Biblische Allegohen. Dogmen. 515
Der Autichrist (Eutchrigt. I Joh. 2, 22; 4, 3 und II Joh. V. 7) erscheint
in königlicher Tracht (bo bei Herrad; vergl Engelhardt, Taf. 1, Fig. 2).
Die 15 Zeichen des jüngsten Tages s. oben S. 391. Auferstehung und
Weltgericht,^ kommen immer vereint zur Darstellung, welche in Deutsch-
land vor dem KI. Jahrh. nicht nachzuweisen ist; die ältesten Beispiele in dem
Evangeliarium Kaiser Heinrichs II von ca. 1014 — s. obenS. 176 — und in
einem Wandgemälde von St. Georg zu Oberzell auf Reichenau aus der 2.
Hälfte des XL Jahrh. Diese Bilder haben, abgesehen von den Illustrationen
der Bibelhandschriften, in Skulpturen ihren Platz in der Regel an den Por-
talen, namentlich dem Westportal, als Wandgemälde aber ebenfalls an der
inneren Westwand und über dem Triumphbogen, seltener (wie im Obermünster
zu Regensburg und in St. Kunibert zu Köln) in der Apsis und folgen im all-
gemeinen der evangelischen Schilderung Matth. 25, 31 ff. unter Hinzunahme
ausführender Züge ans der Apokalypse : oben thront der Weltenrichter in
der Majestas in den Wolken, umgeben von posaunenden Engeln, verehrt rechts
von der fürbittenden Maria, links (wohl mit Beziehung auf Matth. 3, 7) von
dem Bufsprediger Johannes ; als Beisitzer sitzen nach Matth. 20, 28 daneben
die Apostel,^ zu sechs auf jeder Seite gruppiert. Darunter findet sich in
älteren byzantinischen Darstellungen, auch bei Herrad, später nicht mehr
oder durch Engel mit den Passionsinstrumenten ersetzt, die Darstellung eines
Thrones mit aufgeschlagenem Buche und den Passionsinstrumenten, zu dessen
Seiten zwei Engel stehen, und vor dem Adam und Eva knien , die sogenannte
iioifiaffia lov &(f6yov nach Psalm 9, 8; 80, 15 und 103, 19. Unten das Thal
Josaphat mit den aus der Erde oder aus Sarkophagen Auferstehenden, in
den byzantinischen Darstellungen und bei Herrad auch das Meer, das die
Toten herausgiebt (nach Apok. 20, 13) und die Raubtiere, welche die von
ihnen Gefressenen wieder von sich geben. Zur Rechten helfen Engel den
Seligen aus ihren Gräbern und geleiten sie manchmal unter musikalischem
Vorspiel zu der Himmelsthür, die Petrus ihnen aufschliefst, oder auch wohl
die Seelen als kleine Kindlein zu den Fenstern eines Hauses (nach Joh. 14, 2)
hineinhebt; hier sitzt auch Abraham, der die Seligen in seinem Schofse hält
nach Luk. 16, 23. ^ Auf der Linken des Richters zerren phantastisch gebil-
dete Teufel direkt oder mit langen eisernen Gabeln die oft von einer Kette
umschlungenen Verdammten, unter denen man schon in Denkmälern aus
dem XII. Jahrb., also nicht erst in späteren antiklerikalen Darstellungen, aller-
lei Kleriker, selbst den Papst erblickt, und denen häufig auch ein diabolisch
grinsendes Teufelchen die Fiedel streichend vorangeht, in die ewige Ver-
dammnis, die als ein feuriger Schlund, in den Skulpturen meist als ein gäh-
nender riesiger Drachenkopf, aus dem Feuei*flammen schlagen, und in dem
etwa Lucifer thront, dargestellt wird. Die Qualen der Verdammten werden
* Vergl. B. Eckl, üb. d. Darst. des jüngsten Ger. in d. bild. Kunst, im Org. f.
ehr. K, 1870. No. 1—7; (F. L. C. von Modem) d. jüngste Ger. in den Bildweäen
Mittelalt. Kunst. 1875, 9 — 18; Pet. Jessen, die Darst. des "Weltgerichts bis auf
Michelangelo. Mit 8 Taflf. lächtdr. 1883.
^ Nur auf diese, nicht wie Springer, Quellen etc., 29, annimmt, auf die Heiligen
des Himmels überhaupt bezieht es sicn, wenn es in dem Hymnus de omnibus sanctis
(Daniel. H. App. no. LXIX) heüJst: principe^ sacri senatus, orhis älmi judices,
' Über diesen allein in der Krönung von Grabsteinen s. oben 8. 842.
88 ♦
516 Biblische Allegorien. Dogmen.
meist nur durch das Bild der in einem feurigen Kessel Gebratenen angedeutet,
bei den Malern des XV. Jahrh. tritt eine, vereinzelt schon bei Herrad vor-
kommende, der Art der Sflnden bedeutungsvoll entsprechende Mannigfaltig-
keit ein , die sich zum Teil in den tollsten Ausschweifungen einer grausigen
Phantasie und eines diabolischen Humors ergeht. — Der abendländischen
Kunst eigentflmlich ist das selten fehlende Moment der Seelenwägung:
in der älteren Zeit eine aus Wolken greifende Hand, später regelmäfsig
der Erzengel Michael (s. S. 519) hält die Wage, in deren Schalen zwei
auferstandene Tote knien, deren einer in der sich hebenden linken Schale
als zu leicht erfunden dem Teufel überantwortet wird ; der Satan oder eine
ganze Horde von Teufeln machen die verzweifeltsten Anstrengungen , um die
Schale mit der geretteten Seele wieder in die Höhe zu schnellen. In einigen
Darstellungen wird auch nur eine Seele gewogen, so in einem Evangeliar
zu Wolfenbüttel von 1194, wo der zu Richtende unterhalb der Wage
steht, und auf der sich hebenden Schale ein unförmlicher Klotz liegt, wäh-
rend auf die sinkende Michael das Blut des Herrn aus einem Kelche giefst,
welches ein winziger Teufel mittelst eines Schlauches wieder herauszuholen
sucht, oder auf einem Wandgemälde in der Kapelle des Sondersiechenhauses
bei Schaffhausen aus dem XV. Jahrb., wo die Seele in der sinkenden
Schale mit einem Kreuze in den Händen kniet und Michael ebenfalls eine
Schale mit Blut über sie ausgiefst, während auf der sich hebenden Schale
ein Kirchengebäude steht, dem ein Bischof einen Stab vorhält.
Zu den Allegorien gehört auch die Darstellung innerer Vorgänge,
besonders des Kampfes zwischen Fleisch und Geist, durch gute und böse Engel,
die sich z. B. in der xylograph. Ars moriendi durchgeführt findet, wie das
aus der Collectio Weigeliana II, 6 No. 233 hier beigegebene Faksimile der
Rettung des Kranken in der Temptacio dyobaii de vana gloria veranschau-
licht.^ — Endlich ist hier der scala caritatis Erwähnung zu thun, einer
mönchischen Darstellung des Weges zur himmlischen Krone unter dem Bilde
einer Leiter mit 15 Sprossen, auf der unter den Pfeilen der Versuchung der
bösen Geister und dem Schutze der Engel emporgestiegen wird, die Laien
und Weltgeistlichen schon auf den untersten Stufen herabfallen, aber auch
von den Mönchen auf den oberen Stufen viele, und nur die Caritas die Krone
ans der Hand Gottes empfängt. Diese in der byzantinischen Kunst stereotype
Darstellung (vergl. das Malerbuch vom Berge Athos bei Didron 402 oder Schäfer,
377) ist z. B. auch in den Hortus deliciarum der Herrad übergegangen (bei
Engelhardt, Taf. 9).
Anmerkung. Eine seit dem XIII. Jahrh. beliebt werdende, namentlich
in Glasmalereien vorkommende Darstellung ist der aus der Wurzel Jesse (Jes.
11, 10) erwachsende Stammbaum Christi: Unten liegt Isai, der Vater
' Drei Engel an den Seiten des Bettes rufen dem Kranken zu Sis humilis; der
vorderste zeigt auf den Hüllenrachen, welcher drei Hoffiirtige, darunter einen Priester,
verschlingt; bei demselben das Schriftband Superbos punio. Ton Wolken getragen
erscheint der heil. Geist in Gestalt der Taube mit ausgebreiteten Flügeln, una hinter
diesem Gott Vater, Jesus und Maria. Links am Endo des Bettes steht St. Antonius
mit Glocke und Kreuzstab, der in der Versuchung siegi-eich gewesen ; im Vordergründe
endlich wjQzt sich ein Teufel auf dem Boden mit den Worten Victus sum.
^ I
% ' »
y
Historische Bilder. 517
Davids, in Patriarchentracht und auf seiner Brust wurzelt ein Weinstock , der
auf seinen Reben, durch Ranken verbunden, den biblischen Geschlechtsregistern
(Matth. 1 oder Luk. 3) folgend, die Bilder der Vorfahren Christi trägt und in
der Darstellung des thronenden Salvators wipfelt. Die ausführlichste, mit Adam
und Eva beginnende Reihenfolge ist in der Deckenmalerei von St. Michael in
Hildesheim* enthalten. Später erscheint Maria, die Himmelskönigin, als Ab-
schlufs und Krone des Ganzen, und eines der vorzüglichsten Beispiele dieser
Art ist der berühmte Schnitzaltar des Veit Stofs in der Marienkirche zu Krakau.
— Analog sind die im Spätmittelalter vorkommenden Stammbäume der
Mönchsorden, z.B. der Stammbaum der Dominikaner mit den vorzüglichsten
Heiligen dieses Ordens, z. B. am Lettner der Dominikanerkirche zu Bern ver-
eint mit dem Christi von 1472 ; allein im Holzschnitt von 1473 (vergL CoUectio
Weigeliana, I, 278 ff. No. 181).
c. HUtorische Bilder ' Nach dem über die alttestamentlichen Typen
Gesagten (vergl. oben a.) können streng genommen nur Darstellungen aus
der neutestamentlichen Geschichte als eigentlich historische Bilder betrachtet
werden: Scenen aus dem Leben und besonders aus dem Leiden Jesu, jedoch
auch diese sind oft nicht in geschichtlicher Bedeutung, sondern als Bezeich-
nung der Seelenznstände der Maria, ihrer Leiden und Freuden, aufzufassen,
oder zuweilen auch als Prototypen der einzelnen Ceremonien bei der Messe.'
Anmerkung 1. Die mittelalterlichen Künstler accommodierten sich im
Allgemeinen bei der Darstellung der biblischen Bilder einem gewissen kirchlich
überlieferten Typus (vergl. oben S. 3, §. 6), so dafs die einzelnen Gestalten
und die ganzen Kompositionen unter sich viel Übereinstimmendes haben. Schon
das Konzil von Nicaea im Jahre 787 setzte fest: y>Non est imaginum structura
piciorum vwentioj sed ecclesiae cathoUcae probata iegislado et traditio.
* Farbendruck bei Storch u. Kramer in Berlin, mit Text von J. M. Kratz. 1856.
^ Über die frühzeitige Einmischung legendenhafter Details in die bibl. Barstellun-
gen vergl. Koloff, E., der evangel. Si^enfreis, in v. Raumers Histor. Taschenbuch.
1860, 279 ff.
' Näheres hierüber findet sich bei Durandus (1. IV. c. 1 n. 40; c. 40 n. 3 etc.),
und die Anwendung dieser zum Teil abenteuerlichen Beutungen in der bildenden Kunst
zeigt sich z. B. auf einem gemalten (teilweise in ursprünglichem Sinn erneuerten)
Fenster aus dem Xm. Jahrh. in der Stiftskirche zu Bücken (Abb. in Mitt. Baud.
Nieders. Heft 11 u. 12. 1866. Taf. 87 Farbendruck). Man sieht hier zusammengestellt
und durch Inschriften erläutert:
Der DiakoniiB ulngt Jesu beruft die Die Taufe Christii Der Dlakoniu stngt Johaooes der
das Eraageliom. Jünger. die Epistel. T&nfer.
Der Prleeter maebt Jadaa ver- Chriitos reicht Der Priester Der Verrath
drei Kreose über kauft oj«. Jndai den Bissen. »^gnei durch den
die Opfergaben and den Herrn. uwm •««»■ «w» ««aw». die Opfergaben. Kufs
zwei über das Brot des Judas,
nnd den Wein t>e*
»onder«.
Die 5 Kreuze bezeichnen die 5 Eigenschaften der venditio des Herrn durch den
Judas als eine mdledicta, proacripta, irrita, iniqua und detestabüia. wogegen die
ablatio des Priesters nach seinem flehen werden soll eine benedida, tiascripta, rata,
rationabüis tmd acceptttbüis. Die traditio des Judas ist dreifach, weil er den Herrn
verriet an die Priester, die Schriftgelehrten und die Pharisäer. Ähnlich sind die
übrigen Bilder zusammengestellt, und den Sinn im ganzen drückt die Inschrift aus:
Qv^ fuü in cena, veraciter est et in ara.
518 Oott Vater.
Atqui consilium et traditio ista tion est pictoris (e/us enim sola an est), rerum
ordinatio et dispodlia palrum noslrorum« (Lsbbe, Conc. t. VU, sjnod. Nicaen»
IL, actio fi. col. 831 sq.). Dieaem Oberlieferten Typus bliebea die Künstler des
Morgenlancles big nuf die Gegenwart sklavisch treu,' während die abendländi-
schen Künstler seit dem XIII. Jahrb. besonders bei gewissen Darstellnngen
sich einer gritrseren Freiheit bedienten ; nach der mit einem Citate aus Moraz
(de arte poet. v. 9. 10) bekräftigten Bemerknag des Durandus I. c. 3 n. 22 :
^Diversae hisloriae tarn novi quam veleris teitamenfi pro vohmtate piciorum
depinguntur ; nam pictoribws alque poeiis quaelibel nudendi semper ßtäl aequa
polfstas.*
Wir beschränken uns auf Anftlhrung einiger charakteHstischeDGrnndzQge
der am häufigsten vorkommenden biblischen Darstellungen nud Personen* und
bemerken, dafs hei den meii^ten der folgenden, meist nach älteren Skulpturen
mitgeteilten Abbildungen von etwaigem Kunstwerte abzusehen und lediglich
der Typus der Darstellung ins Auge zu fassen ist.
Oott Vater' Die alte christliche Kunst trug schriftgcmäfs (II Mose 33,
20; Job. 1, 18; 6, 46; l Tlmoth. fi, 16; IJoh. 4, 12) gerechte Scheu, den
allgegenwärtigen Geist, dessen Antlitz kein Mensch je gesehen hat, noch sehen
kann, gestaltlieh darzustellen, und besehied sich, die Gegenwart des Allmäch-
tigen durch die segnende Hand, durch den aus den Wolken reichenden Ann
zu symbolisieren. Wo der Gegenstand der Darstellung, wie Inder Schöpfungs-
geschichte etc., die Darstellung der leibhaftigen göttlichen Gestalt erheischte,
erseheint statt des gestaltlosen, undarstel baren Vaters der Sohn, als das
Fleisch gewordene Wort, das Ebenbild des unsichtbaren Gottes (Joh. 1, 't. 14;
12, 45; Ko). 1, 15 f.), durch das alle Dinge gemacht sind; seit dem XII. Jahrh.
indes flbertrugeu die Künst-
ler die Gestalt des Sohnes
auch auf den Vater, so dafs
es in manchen Fällen nur
aus dem Zusammenhange
zu deuten möglich ist, wer
unter der dargestellten Per-
son zn verstehen sei , ob der
ODtt ViMr Vater oder der Sohn, der
Flg. KA, TOD den Ex- FIr. WS, Tom AllMhelHien- mit dem VatCT eins ist (Joh.
"S«b «"i.SS,;"' ""(.rb ci^ö."" 10- 30), und erst seit dem
Ende des XIV. Jahrh. bildet
sich für Gott den Vater ein eigener Typus aus: er erscheint als Greis von
60 — 80 Jahren iantiqaus diervm; Dan. 7, 9, 13. 22) mit langem weifsen
' Höchst schätzbare Aufschlüsse über die im allgemeineu mit den abeDitlündischen
^t völUg übereinstiinmenden Bildertypen der moreenländ. Kirche enthält die von
Didron resp. Schäfer (s. oben S. 478) herausgegebene Schritt des neugriechischen
Mönches Dionysius: 'E^uipiela zSq ^luyfatpiit^tf welche zwar erst aus dorn XV. Jahrh.
datiert, aber ältere Quellen benutzt hat
' Viele lehrreiche Bemertungen bei Adelung, die korssunschen Thüren in Now-
gorod, 5—84.
^ DidroD, Iconographie, 171—239. — G. P., die Darstellung Gottes u. d. Drei-
einigkeit in der Kunst, in der Zeitschr. f. kirchUche "Wissensch. u.Kirchl. Leben. 1881.
«51—661.
Engel. 519
UDgeteilten Bart, bekleidet mit den InBignien der Mi^eBtät, im EoatUme des
Papstea, Kaisers, EOnigB etc., de d Reicheapfel znm Zeichen der Weltr^ening
haltend. Die Renaieeance sucht das liinfällige, grämliche Bild mit Allgewi^t
und Würde zu BchmUcken und der erhabenen Idee anzun&hero. — Über Dar-
stellung der Dreieinigkeit s. oben S. öll f.
Sie Engel: geflügelt, in reifer jQnglingsgestalt, traditionell kostümiert in
Diakonentracbt und unbeschuht, erst seit dem XIII. Jahrli. auch als achwebende
Kinder. Der Franziskaner Berthold t i212 sagt
von ihnen (Teutsche Predigten, herausgegeben von
Kling. 1824, 238): Die sinl alter, danne sehzig
hundert jar, und swa man sie tnali, da malt man
sie anders niht, danne als ein /eint, daz da fünf jar
alt ist. Die Kiudengel tragen liäufig, ebenso wie die
erwachsenen, mnsikali sehe Instrumente oder die Pas-
sions werk zeuge und enden nicht selten nnten in flat-
ternden Gewändern. Nackte Engel gehören wesentlich
erst der Renaissance an.' — Die Erzengel,^ stets
in JUnglingsgestalt, nach Beschlufs einer römischen
Synode von 745 (Labbe, Conc. Tom. VI. p. 1561) nnr
drei, dessenungeachtetgewöhnlichnacb orientalischem
Vorgange vier, zuweilen mit ihren ins Lateinische
übersetzten Namen bezeichnet: Michael (Quis ul
dem), Judä V. 9, in ritterlicher Rüstung, ein Kreuz ^^^ ^ Eaiiff «» Aiii.b«
auf dem Stirnreifen, ^ kämpft mit dem Drachen, Tiohieine « Qemroii«.
wägt die Seelen, es werden ihm auch die ilgyptischen
Plagen zugeschrieben. Gihjiel {Fortitudo dei}, Lncä 1, 19, der Verkttndiger
der Gebnrt Simsons (Richter 13, 3), desJohannes und Christi, mit dem Lilien-
stengel ; im XIV. und XV. Jahrh. trägt er zuweilen zu seiner Legitimation als
Himmelsbote eine besiegelte Urkunde in den Händen , * oder erscheint als Jäger
des Einhorns.^ Ra p h ael (J/etfidna dei), als Wanderer, begleitet den Tobias,
erscheint den Hirten bei der Geburt Christi. Uriel(^u;E dei), entnommen ans
dem apokryph. 4. BucheEsdra 4, 1 und ungeachtet der kirchlichen Abweisung
dennoch in die Liturgiker (Durandus 1. 4 c. 33 n. 20} ttb erge gange n , mit
Sehriftrolle oder Buch, erscheint dem Moses im feurigen Busch, sitzt auf dem
Grabe Jesu, geht mit den beiden emahuntischen Jüngern. — Unter den Engeln
kommen folgende mit eigeuen Namen und Attributen vor: Chamael, mit
Becher und Stab, trOstet den blutschwitzenden Heiland am Ölberg; Haniel
' In den Gurker Wandgemülden erscbemen nackte Jündinee mit 6 Flügeb und
einer Tuba in der Hand; oa ist jedoch fraglich, ob dies Engel, o3er wegen der übrigen
' Attribut«, die sie tragen, FerHoniSkationen der Elemente xind.
' Verd. Kratz, Dom zu Hildeshcim. n, 14 f.
^ Die Rüfitong trägt er in der deutlichen Kirnst eist seit Memllnc, in Italien scheint
Cimabue ihn zuerst damit abgebildet zu haben ; früher eriicheint er in der gewohnlichen
Engeltracht.
' Vergl. Hach, Th., die Verkündigung Maria als Rechtsgeschäft, im Chr. K.-Bl.
1S81. Nr. 11 f. und dazu Heydemann, ebd. 1882, 111.
' Vergl. oben S. 512. Die Gabrielshunde gelten unter dem walisischen Volke für
Todesboten. Rodenberg, ein Herbst in TValea. 1857 (e. lUostr. Montagsztg. BerUn
1857. No. 39, t57).
520
Teufel.
trägt Schilfrohr und Domenkrone; Jophiel vertreibt die ersten Eltern mit
dem FlammenBchwerte aus dem Paradiese ; Z a d k i e 1 , einen Widder neben sich,
hindert den Abraham an der Opferung Isaaks; Zaphkiel, mit der Rnte in
der Hand, zieht vor den Israeliten durch die Wüste. — Die ganze himmlische
Hierarchie* wird in neun Chöre geteilt: 1. Seraphim (mit 6 Flflgehi, Jes.
6, 2), Cherubim, Throni. 2. Dominationes, Virtutes (bei HonoriusAugostod. :
Ftincipatus), Potentiae (Potestates). 3. Principatus (bei Honorius: Virtntee)
Archangeli, Angeli, und in der griechischen Kirche haben alle diese Rangstufen
ihre verschiedenen Merkmale.'
Der Teufel' kommt frühzeitig bei der Darstellung des SOndenfalls in der
christlichen Kunst vor unter dem biblischen Bilde einer Schlange mit oder ohne
Menschenhaupt, und später kommen noch andere Sinnbilder hinzu : der Drache,
mit dem Michael (und mehrere Heilige) kämpft, der Löwe, den Heilige unter
die Füsse treten etc. (s. S. 486 f.). Im IX. Jahrh. erscheint der Teufel bei
der Versuchung Christi (in einer Hds. der k. Bibliothek zu Paris — Waagen,
Kunstwerke u. Künstler in England u. Paris III, 209), als vereinzeltes Beispiel in
so früher Zeit, als böser Engel, satyrartig in nackter Menschengestalt, geflü-
gelt und von grüner Farbe, seit dem XI. Jahrh. wird er teils in menschlicher,
teils in tierischer Gestalt, stets aber häfslich dargestellt. Auf dem Sarkophage
des Bischofs Adeloch in Strafsburg sieht man ihn
als nackten Mann mit haarigem Körper, Schwanz,
gespaltenen Hufen und in jeder Hand eine Schlange
haltend; sonst hat er auch Hörner und Fledermaus-
flügel, den Leib voll Brüste, statt des Geschlechts-
teils ein scheufsliches Gesicht. Am Portale des
Strafsburger und Freiburger Münsters er-
scheint er dagegen lediglich als eleganter Junker
(s. oben S. 502). In einem Codex der Moralia
des Gregor zum Hiob aus dem Anfange des XIII.
Jahrh. zu Herzogenburg in Österreich ist er darge-
stellt, wie ihn der neben ihm sitzende Christus vom
Throne stöfst, zottig mit gespaltenen Klauen, löwen-
mähnenartiger Perücke, federartigem Schwänze,
oben schwarz, unten grün, wie er mit der linken
Hand nach der abfallenden schwarzen Krone greift
und in der rechten ein flammendes fackelartiges Scep-
Flg. 267. Die Veraacbang Cbrtoti.
Belief Im Dome
so Paderborn, XIII. Jabrh.
(nach Scbimmel).
* (Pseudo-)DionyBivLB Areopagita, de hierarchia coel. (Opp. T. 1) c. 3.
* Am Triumphla^uz im Borne zu Halberstadt tragen die auf dem Rade (Ezech.
1, 15) stehenden Cherubim deichfalls 6 Müeel, ebenso ist der Cherub auf dem Siegel
des Dekans Konrad von St. JBonifatii zu Haloerstadt (1292—1309, Abb. Urkund.-B. von
St. Bonif. zu H. Taf. n, 10) dargestellt. Die Cherubim erscheinen auch als blofee
Köpfe mit Flü^ln, die mit Augen besetzt sind, die Throne als geflü^lte Feuerräder,
bei denen die m der Mitte mit Augen besetzten Flügel einen Thron bilden. — Schä-
fer, God., Handbuch d. Malerei vom Berge Athos, 99 — 104. — Annales arch. XVin,
38—48.
^ von Blomberg, der Teufel und seine Gesellen in d. bildenden Kunst (Studien
zur Kunstgesch. u. Ästhetik. I. 1867.. Vergl. Deutsch. Kunstblatt 1856, 301 ff.). —
Wessely, s. oben S. 508. N. 2. — Über Darstellungen des Teufels Zapp er t, vita b.
Petri Acotanti, 70—74. — Abbüd. bei Twining, S>Tnbols PI. LXXV— LXXX.
Alttestamentliche Daratelluugon.
521
ter trägt.' Magiern oder solcben PersoneD, die eich dem Feinde Gottes und der
Menschen hingeben, sitzt er in Gestalt eines schwarzen Oalgenvogels anf der
Schulter und inspiriert sie; den Besessenen fahren die Teufel siebtbar aus dem
Munde. In der Hölle thront Satau umgeben von seinen Vasallen in allen mög-
lichen scheurslichen Gestalten. Zuweilen kommen anch possierliche Teufel vor,
z. B. auf einem die Marter des h. Lsurentius darstellenden romanischen Bild-
werke im Dom zu Basel, wo ein Tenfelcben dem assistierenden Richter in
den Haaren kraut, ibnlich hinter dem zu Gericht sitzenden Herodes oder Pi-
latus auf den BronzethOren vonHildeaheim, oder häufiger im späteren Mittel-
alter (z. ß. auf den Zehn Geboten in der Luthereammlnng zu Wittenberg),
wenn der Teufel auf seinen Opfern reitet. Die Maler seit c. 1500 haben sich
Überhaupt bei Darstellungen der Hölle und ihrer Bewohner und besonders
anch bei der Versuchung des h. Antonius den ausschweifendsten Phantasien
überlassen.
Altteatamentliohfl DuiteUungen : Adam,^ron
Gott aus einem Erdenklofs erschaffen, nackt im
Paradiese, mitten unter den Tieren, welche er be-
nennt. Gott Vater hebt die Eva aus seiner Seite
empor. Beide erscheinen vor dem SDndenfalle oft
völlig unbekleidet, oder mit BI&tterbDscheln ihre
BlOfse deckend, auch zuweilen, als nicht geboren,
sondern erschaffen, ohne Nabel und aus Gründen
der Sittlichkeit geschlecht alos. BeimSUndenfalle
sind die ersten Eltern gewöhnlich bereits mit
Blätterecbürzen umgürtet; sie stehen neben dem
Früchte (wie Äpfet, Hohelied Salom. 8, 5 — in
südlichen Ländern auch Felgen) tragenden Baume
der Erkenntnis, um den sich die Schlange, welche
oft einen Meuschenkopf hat, windet und ihnen von ^''buf^' i^^'l^^'l^noT
den Früchten darreicht.* Nach der Vertreibung (n»cii Adeim»).
aus dem Garten Eden erscheinen die ersten Men-
schen sogleich in mittelalterlicher Tracht: Adam baut den Acker, Eva spinnt
oder nährt ein Kind.
Kain und Abel opfern: die-
ser ein Schaf, jener eine Garbe.
Sie halten entweder ihre Opfer vor
sich empor,' oder stehen neben den
lodernden Altären: Abels Opfer-
flamme steigt gen Himmel auf,
Kains Feuer schlägt nieder und
züngelt nach ihm hinüber. — Kain
tötet seinen Bruder mit einer Kenle
' Abb, Arohiv f. Ennde österr. Gesch. -Quellen. V, 147.
' Vcr^l. Friedrich, C, die bildl. DarsteUung des Ad. U. d. E. im ehr. Alter
in: 'Wartbui^. VI, 66 ff.
' Über allesomche Behandlimg des Paradiesbaumes s. oben S. 513.
' Am PoriJUtvmpanon za 'Wennigsen im Fürstentum Kaienberg knien beide »
dem thronenden Salvstor. Abb. Mithotf. I, Taf. 4.
522 Alttestamentliche
oder Hacke. — Er verscharrt ihn. — Er flieht. — Die Hand Gottes in den
Wolken.
Noah erhält von Gott den Befehl , die Arche zu bauen , ist mit seinen
Söhnen am Baue derselben beschäftigt. Die Sintflut. Noah hält den (vier-
eckigen) Kasten ; dieser steht neben ihm oder er in demselben und trägt eine
Taube auf der Hand. Auf dem Verduner Altar in Klosterneuburg gleicht
die Arche einer Basilika mit Seitenschiffen^ aus deren Fenstern allerlei Tiere
schauen, und Noah, in der Thflr stehend, nimmt die Taube in Empfang. Er
verläfst mit Menschen und Tieren die Arche. Das Dankopfer ; am Himmel der
Regenbogen. Die Anpflanzung des Weinstockes. Noah berauscht sich im Wein;
die anstöfsige Scene I Mose 9, 21 ff.
DerTurmvonBabel,ein terrassierter, abgestumpfter Kegel ; viele Bau-
leute sind geschäftig, feurige Zungen fallen vom Himmel auf den unvollendeten Bau.
Abraham, in mittelalterlicher Ritterrüstung, zuweilen von Lot begleitet
und von Kriegern und Herden umgeben , errettet Lot aus der Gefangenschaft
(I Mose 14, 16), empfängt von dem in königliche Priestertracht gekleideten,
ihm entgegentretenden Melchisedek, dem er den Zehnt darbringt, Brot und
Wein (ebd. 18). In allen übrigen aus dem Leben dieses Patriarchen genom-
menen Bildern erscheint derselbe im langen Rock und darüber geworfenen
Mantel, namentlich bei der so häufigen Darstellung der Opferung Isaaks:
dieser liegt gefesselt auf dem Altar; ein Engel hält den das Schwert zückenden
Arm des Vaters zurück und deutet auf den Widder, der sich in einem Gebüsch
verfangen hat.
Rahel und Lea, der Maria und Martha entsprechend, alttestamentliche
Symbole der viia spirituaUs und saecularis.
Die Patriarchen werden im traditionellen Kostüm, mit langen Barten,
Talaren und mit bedecktem Haupte dargestellt — Moses hat Hörner (/acies
comuiay II Mose 34, 29) und hält die Gesetztafel; er wird als der erste Pro-
phet nicht selten mit Johannes dem Täufer, als dem letzten Propheten, zu-
sammengestellt.— Aaron: in derKleidungeinesPriesters. — Josua, Gideon:
in ritterlicher Tracht. — Hiob sitzt auf dem Düngerhaufen (Hieb 2, 8); wird
wegen 19, 25 und besonders auch wegen 40, 20 im Habitus eines Propheten
dargestellt.^ — David: als König, mit der Harfe, thronend oder auch vor der
Bundeslade tanzend in Verbindung mit seinen Musikern Asaph, Heman, Ethan
(lOhron. 15, 19) und Idithun (ebd. 16, 42), welche die verschiedenartigsten
mittelalterlichen Instrumente tragen, auch sie erscheinen teilweise tanzend,
selbst Tänzerinnen unter ihnen (s. oben S. 332); auf der Schulter des thronen-
den sitzt zuweilen ein Vogel ^ als Zeichen seiner Inspiration; in Scenen aus
seinem Leben als Hirtenknabe mit der Schleuder, als gewappneter Krieger
* Die Geschichte Hiobs erschien deutsch 149S*zu Strafsburg mit Holzschnitten;
die von Joseph, Daniel, Judith und Esther mit 61 Holzschn. 1462 zu Bamberg bei
A. Pfister; die der 7 Makiabäerbrüder mit 15 Holzschn. 1517 zu Köln bei Helius Mertz.
Uiobs Tag im Kalender ist der 10. Mai, auch gab es eine ihm geweihte Kapelle, für
die Kurgäste des Hiobsbades (jetzt Wiesenbaues) bei Annaberg 1505 von Herzog
Georg d. Bärtigen gestiftet.
* Auf dem Tittelblatt des Psalteriums des h. Leopold zuKlosternouburg (Abb.
Mitt. C.-K. XI, S. XVn) sind es zwei, doch ist es nicht nötig deswegen an eine
Übertragung aus der Odinssage zu denken. Dergleichen Übertragungen aus der Nor-
dischen Sage sind in der mittelalterlichen Kunst bis jetzt nirgends nachgewiesen.
gegen seine Feinde kämpfend u. s.w. ' — Salomo, jugendlich, in königlicher
Tracht; oft in OeaellBctüift der Königin von Saba {Regina Austriae). — AU-
Flt. HO. DiTld mit lelii«!! SlngdtD u> dem PMitet Karla du Kihlen (auh Bahnuit).
gemeines Emblem der Propheten ist eine Schriftrollc. Abdias (Obadja) mit
Wasserkrug und Broten (1 Kön. 18, 4); Arnos als Schäfer mit Schafen (Arnos
1, 1; verg). T, 14); Daniel, ein Jüngling mit phrygischer Mütze nnd eng
anliegender Kleidung. Er kniet mit aufgehobenen Armen nackt in der Löwen-
grube oder hat einen Widder mit vier Hörnern neben sich (Dan. 6, 16; 8, 8);
Elias mit dem Schwerte (IKön. 19, 1), das erweckte Kind znr Seite (ebd. 17,
17 etc.), fährt im feurigen Wagen gen Himmel (II Kön. 2, 11); Elisa trägt
einen zweiköpfigen Adler (den zwiefachen Geist Gottes, ebd. 2, 9) auf der
Schulter; Ezecbiel hält ein Thor mit Türmen in der Hand (mit Beziehung
. besonders Springer s. oben
t. Gallen 187S.
524 Pi'Opheten. Christus.
auf Ezech. 40) ; Jeremias mit einer Rute in der Hand (Jerm. 1, 11); Jesaias
mit der Baum -Säge (weil er nach einer jüdischen, von den Kirchenvätern mit
Beziehung auf Ehr. 11,37 adoptierten Sage unter Manasse auf der Flucht von
einer Ceder verschlungen und in dieser zersägt worden sein soll); Joel mit
dem Löwen, der ihn zerrissen haben soll; Jonas mit dem Wallfisch, der ihn
verschlang (Jona 1, 15; 2, 1); Malachias mit dem Engel (Mal. 3, 1);
Nahum wandelt über Bergspitzen (Nah. 2, 1); neben Zacharias wird der
Tempelbau dargestellt (Esra 5,1; 6, 14). Wenn einzelne Propheten im Zu-
sammenhange mit neu testamentlichen Bildern vorkommen, so geschieht dies
mit Beziehung auf solche Weissagungen derselben, die auf den betreffenden
neutestamentlichen Vorgang gedeutet wurden; so stehen z. B. Micha wegen
der Weissagung 5, 2 und Zacharias wegen 13, 1 oft in näherem Bezüge zur
Jungfrau Maria, und auf einem den Stammbaum Christi darstellenden Glasge-
mälde aus dem XIII. Jahrh. im Chore von St. Kunibert zu Köln (vergl. Boisseree,
Denkmäler, Taf. 72) werden Je saias wegen 11, 1 und H'abakuk wegen 3, 3 bei
der Verkündigung Maria und wegen 3, 4 bei der Kreuzigung, Ezechiel wegen
17, 24 und Amos wegen 9, 13 bei der Geburt Jesu, Joel wegen 3, 21 und
Haggai wegen 2, 8 bei der Kreuzigung, Micha wegen 1, 3 und Nahum
wegen 1, 5 bei der Auferstehung des Herrn, wie aus den beigefügten Ins<!hrif-
ten ersichtlich, dargestellt. — Die drei Jünglinge im Feuerofen.
Das nene Testament. Christas: * im jugendlichen Mannesalter, mit ge-
teiltem Bart und geteiltem Haupthaar, mit unbedecktem Haupt und unbeklei-
deten Füfsen, trägt ein langes Untergewand und ein kürzeres Oberkleid
(Tunika und Toga).^ In Darstellungen der Dreieinigkeit aus der Spätzeit des
* Grimm, "W., die Sage vom Ursprung der Christusbilder, in den Abhandl. der
k. Akad. der Wissensch. zu Berlin. 1842. Philolog. u. histor. Abhandlungen, 121 — 175,
auch in dessen Kl. Sehr. HI. — Hoffmann, das lieben Jesu, nach den Apokr. im
Zusammenhang der Quellen erzählt. 1851; auch Langen, die letzten liebenstage Jesu
1864 berücksicntigt die Apokrj^phen. — Legis-Glückselig, Christus -Archäologie.
Das Buch von Jesus Christus und seinem wahren Ebenbilde. 1862. — von Blom-
berg, Hugo, über die malerische Darstell, der Person Christi, im Chr. K.-B1. 1866.
N. 1 ff. und 1867, No. 6—10. — Veuillot, L., Jesus-Christ. Paris 1875. — Jame-
son, the history of our Lord. 2 Bde. London 1864. — Heaphy, Thom., the likeness
of Christ. Jjond. 1880. — Hauck, A., die Entstehung des Christustypus in derabendl.
Kunst. 1880. — Vikt. Schultze, Urspi-ung und älteste Gesch. des Christusbildes, in
Zeitschr. f. kirchl. Wissenschaft etc. 1883, 301 ff. — Abb. beiDidron, Iconogr. 246 —
410. — Twining, Symbols, pl. XVII— XXIII. — "Wagen er, Xttmb. Bildhauen^'erke.
Abt. n. Christusbilder. — Vergl. Alt, Heiligenbilder, 101 — 131.
» Die Vorstellung, welche man sich im Mittelalter von der Persönlichkeit Jesu
machte, ist in der so^en. Prosopographie des Lentulus, einem auf einer Beschreibung
bei Nicephorus Callisti (XFV. Jahm.) beruhenden und zuerst in der Einleitung zu einer
Ausgabe der Werke des Anseimus Cantuariensis, die zu Ende des XV. oder Anfang
des aVI. Jahrh. in Paris gedruckt sein mufs, vorkommenden Apokryphen so ausge-
drückt: Homo quidem Statur ae procerae, spectabüis, vultutn habens venerabilem,
quem intuentea po89unt et diligere et formtdare. CapiUos vero circinoa et crispos
aliquantum ccteriUiores et fulgentiores , ab humeris volitantes, discrimen Habens in
meaio capitis juxta morem Isazarenorum: frontem planam et serenissimam , cum
fade sine ruga ac macula aliqu^, quam rubor moaeratus venustat. Nasi et oris
nuüa prorsus est reprehensio, barbam habens copiosam et rubram, capiUorum
colore, non Umgarn sed bifurcatam, oculis variis et claris existentibus. In incre"
patione terrUnlis, in admanitione placidus et amabilis, hilaris servata gravitate,
qui nunquam visus est ridere, flere atUem saepe cet. (Gabler Opp. 11, 636 sqq.
Eine etwas abweichende Recension dieses Briefes in Fabricii Cod. apoer. N. T. I,
Christus. Maria. 525
Mittelaltei-8 auch wohl als König oder als KardinaP neben Gott Vater als
Kaiser oder Papst. Die altchristliche Kunst begnügte sich, den Erlöser durch
Symbole (das Monogramm, den Fisch, das Kreuz, das Lamm etc.) oder durch
Allegorien (Orpheus, den guten Hirten etc.) andeutend darzustellen, und die
ersten kirchlichen Christusbilder kommen schwerlich vor dem III. Jahrh.^ vor :
der Heiland erscheint hier (auf Sarkophagen, in den Katakomben) in holdseliger
Jugend und ohne Bart, in einer idealen Auffassung, die sich, der Anschauungs-
weise der Heidenchristen entsprechend, an den bereits fertigen Typus des
guten Hirten, wie dieser formell aus dem antikheidnischen Bilde des widder-
tragenden Hermes hervorgegangen war, anschlofs.^ Neben diesem Kata-
kombentypus entwickelt sich dann aus dem Streben, der göttlichen Gestalt
eine höhere Würde und gewichtigeren Ausdruck zu verleihen, vielleicht unter-
stützt durch irgend eine Überlieferung von dem wirklichen Aussehen Jesu, jener
andere, zuerst in den Mosaikbildern des Sanktuariums der Kirchen seit dem
VI. Jahrh. aufgenommene sogen. Mosaikentypus (das längliche Gesicht mit
dem gespaltenen Bart), welchen das ganze Mittelalter festhielt, obgleich der
jugendliche Typus des Christusbildes ohne Bart hin und wieder noch bis zum
XIII. Jahrb., namentlich in Darstellungen des verherrlichten Gottessohnes, sich
erhalten hat.^ Die Häfslichkeit und die gealterten Züge vieler Cbristusköpfe
scheinen mehr aus der Unbeholfenheit der alten Künstler im Individualisieren
der Seelenzustände, als etwa aus dogmatischen Gründen erklärt werden zu
müssen; doch wird man, wo beide Typen des Christusbildes neben einander
erscheinen : der verherrlichte Gottessohn ohne Bart, der leidende Menschensohn
mit dem Bart, berechtigt sein, diesen zwiefachen Typus ausPs. 45, 3.4 einer-
seits und aus Jes. 52, 14 andererseits zu erklären.
Maria. In der altchristlichen Kunst finden sich bis zum IV. Jahrh. keine
selbständigen Marienbilder,^ welche erst seit dem Aufkommen der Marienver-
ehrung in der Kirche üblich wurden. Man stellte die Mutter des Heilandes, in
den Gesichtszügen ihrem Sohne ähnlich, als Matrone von 40 — 50 Jahren dar;
im XHI. Jahrh. erscheint sie jünger und ziemlich von gleichem Alter mit Jesus,
gegen Ende des Mittelalters oft als Mädchen von 15 — 20 Jahren, stets aber
301 f.) — Nach einer dem Johann von Damaskus (Opp. I, 630 sq.) fälschlich beige-
logten, aber aus der Zeit der Bilderstreito herrührenden Anpbe hat Konstantin der
(jrofse das Büd Christi nach der Beschreibung alter Geschichtsschreiber folgender-
mal'sen darstellen lassen: Praestanti statura, con fertig supercüiis, venustis oculis,
justo naso, crispa caesarie, suhcuruum, eleganti colore, nigra barba, triticei coloris,
vuüu pro materna simtUtudine, longis digitis cet.
* Mit Tunika und Kasel angethan' erscheint er auf einem angeblich noch vorkaro-
lingischen Steindenkmale aus Sr. Alban zu Mainz, jetzt im dortigen Christi. Museum
— vergl. Fr. Schneider im Korr.-Bl. G.-V. 1875, 45 ff.
* Als der ersten Hälfte des 11. Jahrh. angehörig gelton gegenwärtig ein Bild Christi
mit dem blutflüssigon Weibe in der Katakombe S. Pretestato zu Rom (Schnitze,
Katakomben S. 145, Fig. 38) und ein anderes mit der Samariteiin (Roller, les cata-
combes de Rome Fig. 24).
3 Vergl. Piper Mythol. I, 101 ff.
* Vergl. N. Mitt. T.-S. V. Vül. 2 134 ff.
* Darstellungen der Maria (ohne das Kind) als Kultusgegenstände sind bis zum
Endo des IV. Jahrh. nicht mit Sicherheit nachgewiesen und kommen zuerst auf Gold-
gläsern vor. Über einige ältere Bilder gehen die Ansichten sehr auseinander; vergl.
Kraus, Fz. X., Roma sotteranea, 304; Schnitze, Vikt., Archäologische Studien,
177 — 219; Ilasencleverin den Jahrbb. für protestantische Theologie 1881, Heft 1.
526
ia. A|iostol.
aU irfeal oilelster Weiblichkeit, — Sie ist immer bcBchnlit uud ti-iigt aursei-
dem laogen L'nterge wände einen weilen, oft zagleich als Sclileier dienenden
Mantel; die typischen Farben ihrer Kleidung sind blau und rot.' — Schon
frflhzeitig erscheinen die apokryph! sehen ErzählungeD der Historia de nativitate
Mariae et de infantia Salvatoris, sowie seit den KreuzzUgen viele neu aufkom-
mende Marienlegenden von Einflufit auf die bildlichen Darstellungen aus dem
Lebeu der h. Jungfrau. Der späteren Zeit gehören
auch erst die zahlreichen Mariensymbole und Ty-
pen an. (Vergl. im Verzeichnis der Heiligen:
Maria.)
Die Apostel, in (ler alt christlichen Knust als
Lämmer symbolistert , ersdieinen im Mittelalter in
der Umgebung Christi, ihm ähnlich gekleidet, aber
von ihm Überragt und, wie er, barhaupt und unbe-
schuht, gewöhnlich alle bärtig und im kräftigen
Mannesalter; Johannes Jedoch häufig ohne Bart und
Petrus durch das Attribut des SchlHssela ausgezeich-
net, während die übrigen Jttnger zuweilen Bücher
oder Scliriftrollen in den Händen halten. (Vergl, im
Verzeichnis der Heiligen: Apostel.)
^ui'ti"n TuSoll^oa'lm'im' Boenen aui der nflutaituneatlioheii GMohiahte.
(nacb Adeiuoi). Der englisch B Grufs. Luc. 1, 2G— 38.» Die Jung-
frau betend in dem aU Kirche dargestellten Tem-
pel oder in ihrer Kammer, in der Hand oder nebeu sicli in einer Vase einen
Lilienstengel, an dessen Stelle im letzteren Falle in späterer Zeit ein Straufs
Flg. tri, Kiu«r
HilduholDi, um lOI» (nach FHnt«r).
' Auf den Bildern ihrer Vormfihlung mit Joseph tragt Bie oft der Legende nach
das von ihren Gefährtinnen mit goldenen Ähren bestickte Gewand, daher ^Madonna
im Ahrenkieidei (z. B. im Museum zu Breslatu No. 4431 u. 4420).
' Über die Darstellungen der Verkündigung vergl, die Abhandlang in den An-
merkungen von Geo. Zappert zu der Vila b. Pctn Acotanti, 13—40; auch Hach
s. oben S. 119, N. 4.
Scenen der neutestain entlichen Geschichte. 527
von Haibtumen tritt; nach der apokr. Historia de nativ. Mariae sitzt Haria
und spinnt Wolle , die Spindel (oder Garnknäuel) in einem GefAfse zu ihren
Furaen; der Engel Gabriel, in älteren Darstell imgen etehend, später kniend
oder auch in der Luft schwebend, zuweilen ein Kreuz, zuweilen auch ein
Lilienacepter haltend, ruft ihr das Ave entgegen. Von oben, von Gott Vater
herab, senkt sich ein Lichtstrahl auf die Gebenedeiete nnter den
Weibern, und in demselben schwebt der heilige Geist in Tauben-
gestalt oder der Logos (als kleine Menschenfigur}, zuweilen ein
Kreuz tragend, auf sie herab. Als grob sinnlich mtlssen solche
Bilder bezeichnet werden , wo Gott Vater der Maria den Li^os ins
Ohr spricht (Schnitzwerk an der OrgelbrUatnng inHochelten),'
oder wo der Embryo die Richtung in denSchofs der Maris nimmt
(im Katzenwicker zuWurzburg; früher auch am Domportal da-
selbst, wo man indes das Kind weggemeifselt hat).* — über die
spätmittelalterlicheu Darstellungen der Verkllndigung, wo der
Engel der Maria einen himmÜBchen Brief überbringt oder das
h^inhorn in ihren ßchofa jagt, s. oben S. 519 und 512.
Die Heimsuchung der Maria. Lnk. 1, 39 ff. Der Be- „^ /" b™»-
aueh, welchen Maria bei ihrer bejahrten Verwandten Elisabeth J^^° ^"1°«
abstattete: beide Frauen, gesegneten Leibes, umarmen und kOa- («"i» Adeione).
sen sich , vor dem Hause der Elisabeth. — Abgeschmackt (nach
Kreuaer, Bildnerbuch, 7 : zart!) sind solche späteren Darstellungen der schwan-
geren Maria, wo man die Leibesfrucht von einer
Glorie umflossen, gleichsam im Ei, in ihrem Leibe
aieht (an einer spatmittelalterlichen Elfenbeinsta-
tuette auf Burg Falkenstein im Harz), selbst
durch ein dazu angebrachtes Fensterchen (zu Bog e n
K. d. Donau ^ und ebenso an einer Holzetatuette in
der Krypta von 8t. Petri-Pauli zu Görlitz). In
dem Gemäldecyklus der St. Georgskirche bei Bona-
duz in Qraubündten sind beide Frauen so darge-
stellt, jedoch mit den Kindern in der Bi-uat und
ohne Glorie.*
Der Zug nach Bethlehem wird in der Histo-
ria de Dativ. Mariae a. a. 0. erzählt und wird ähn-
lich wie die Flucht nach Ägypten (s. d.) dargestellt
(Maria selbstverständlich ohne Kind), kommt aber
nur in der Frtlhzeit vor, in der Spätzeit dagegen
die Anknnft in Bethlehem. pi^ „^ ^,,1,, ^^^ j,„ J^^,
Die GebnrtChristi.* Die Krippe, in welcher i*»'" Tmf.wiD m oernrodo.
' Walther von der Vogelweide (Ausgabe von Lachmann 36, 36; vergl. V,
23 — 3S): dvr iV öre empfienc n den vü gütien. — Ebenso sendet in der Transnitz-
kapelle zu Landshut die Taube einen Strahl in ihr Ohr. An dar Marionkapelle xu
w iirzburg und der Berekapelle üu Laudenbach geht der Embryo verniittelat eines
Schlauches (vielleicht doch nur ein mifs verstandener Strahl?) von Gott in ihr Ohr.
> Kunstbl. 1846, 159.
» Litteraturbl. zum MorgenbL 1845, 359.
* Abb. von Zahn, Jahrbücher für Knostwissenach. IV, 120.
= EckI, B., die heil. Nacht. Org. t. ehr. K. 1873. No. 23. — Das Licht vom
528 Scenen aus <lor iieuh.'Ktanieütiioheu Geschichte.
das Windeln gewickelte Kind liegt; Maria im Wochenbett; der greise Joseph
nachdenklich, hftit ein LichtstOmpfchen ; die Hirten, Ochs und Esel (Je«. 1,
3, Hab. 3, 2); der Stern. ~ Frühzeitig erscheiiien nach dem apokryph. Prot-
evangelium Jacobi c. IB nnd Historia de nativ, Mariae c. 13 die von Joseph
herbeigeholte Hebamme Zelanie oder Rahel and ein anderes Weib, Salome,
welche die von ersterer beteuerte Jungfräuliche Oebnrt bezweifelnd, darch
Verdorrung der Hand bestraft, aber von dem Cliristkindlein , dessen Windeln
sie reuevoll berührt, geheilt wird. — Auf späteren Bildern steht oder sitzt auch
wohl die Mutter neben der Krippe ; die Wehemutter ist mit dem Bade oder mit
der Wochenauppe beschäftigt etc.
Die Beschneidung Christi (Lnc. 2, 21) wird z. B. im Antipbonal ans
dem XH. Jahrb. in St Peter zu Salzburg (Mitt. C.-K., XIV, Taf. IX) und auf
dem Verduner Altar zn Klosterneubnrg (Ausgabe vod CameHina etc., Taf. IV,
S) SO dargestellt, dafs Maria sitzend das Kind hAlt und der Möbel als Priester
vor ihr steht.
Flg. ns. BeUir TOD den BronutbHna m HUdathtlra (oMb FVrMu).
Die AubetDug der Weisen.' Matth. 2, I ff. In älteren Darstellnugen
(und in der byzantini sehen Kunst stets) drei Magier in orientalischer Tracht,
d. h. mit phrygiacben Mützen und mit Beinkleidern; seit dem XL Jahrb. drei
Könige, welche, schou frühzeitig von Reiaetieren (Kameelcn, Rossen etc.) be-
gleitet, heranziehen, sich auf den Stern aufmerksam machend, und dem anf
dem Schofse der thronenden Maria sitzenden Christuskinde Gold, Weihrauch
und Myrrhen darbringen, wobei gewöhnlich nur dereine kniet und die anderen
beiden ehrerbietig wartend zurückstehen; auf dem Kölner Dombilde knien
Kinde ausgehend, wie bei Correggio, auch auf dem Freiburger Aitare des Hans Bai-
dung gen. Grien.
' Zappert, Geo., Epiphania. Ein Boitras z
(Bes, Abdruck aus den Sitzungsberichten der kaii
[1866] XXI, 291 — 372.) Mit 1 Taf.
Scenea aus der neatoBtamantlichen Oeechiohte. 529
jedocb zwei. Die Scene ist häafig eiD PrUDkgemacb , aber anch der Stall zu
Bethlehem , der nicht aeltea als eine mit Stroh gedeckte TempelminB erscheint.
Der Stern ist meist achtapitzig als Symbol der acht Seligpreisungen gebildet.
(Vergl. im HeiligeuTerzeichnis die h. drei KOnige.)
yig. 17fl. MlnlitDT iDi dam Cadei Egbertl (nacb LunprKht).
Die Darstellung im Tempel. Luc. 2, 22 ff. Maria, das Kind, Joseph,
SymeoD nnd Hanna, das Tanbenpaar; Scene im Tempel; ein Altar. Gewöhn-
lich liftlt Haria das Kind nnd überreicht es dem Symeon, und Joseph trftgt die
Tauben ; Hanna steht im Hintei^rund.
Der bethlehemische Kindermord. Matth. 2, 16 — 18. Das Ab-
schlachten der Kinder. Die wehklagenden Htltter. S. Fig. 277.
Die Flucht nach Ägypten. Maria sitzt mit dem Kinde auf dem Esel,
den Joseph (auch ein Engel) leitet oder antreibt; auf byzantinischen Bildern
schreitet liänfig Jakobus (der spätere Ap. Jakobus Minor, als Sobn des Joseph
aus einer früheren Ehe) voran. Die bischen Gtfttter stürzen herab (Jes. 19,
1). — Die Darstellung anderer Gefährten (ein von dem Christkinde geheiltes
aussätziges MXdchen, Vieh und Gesinde) nnd gewisser apokryphischer Reise-
abenteuer, z.B. der r&uberiscbe An foll (Evangelium infantiaec. 8) etc., so wie
die Riposobilder (Ruhe der heiligen Familie auf der Flucht in einer frucht-
baren Landschaft) werden erst gegen Ausgang des Mittelalters beliebt, z. B.
von letzteren der Kupferstich von Schongauer (Bartsch No. 7) und der Holz-
schnitt von Dürer (Bartsch No. 90).
Christus als Kind in blühender Jugend auf dem Schofse der Haria
aitxend, imSpfttmittelalterauch allein, nackt mit segnend erhobener Hand und
Ott«, RDiul-AKtaialoilB. i. Aal. 94
SceneD aus der neute&tainentlicben Gcschidtte.
im GeBtna dea Lehrene, saweilen ans eiQemaafgeechlflgenQO Bache leroeod, auch
Dut einem Kreuzstabe in der Hand, meistena aber mit einem Apfel (statt
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dessen auch die Weltkugel) oder mit einer Weintraube (als Sinnbild seiues be-
vorstehenden Leidens) in der Hand, nicht selten auch (namentlich auf Siegeln
ron CistercienaerklöBtern) mit einem Vogel den er
— fliegen Ufst, wohl in Beziehnag auf die apokryphe
Erzählung von den aus Thon gebildeten Vögeln,
die er lebendig machte, wie denn anch sonst apo-
kryphe Erzählungen aus der Jugendgeschichte (Ev.
Thomae cap, 6 — 8. 14. 1&) zuweilen zur Darstel-
lung kommen. Auf einem Holzschnitte des XV.
, Jahrh. aus dem Kloster äöfllogen (A.bb. Holzschnitt
I des Germ. Mus. No. S5) ist das Christkind Rosen
' brechend und mit einem Korb voll Rosen, aus dem eis
I Schnfth&nd paciencia herauskommt, auf dem Rflcken
dargestellt, nach der Unterschrift als Sinnbild seiner
bevorstehenden Leiden — und anf einem anderen
*"■* *^ii^'« Xj^rJ'™*^ eben daher (Abb. Anz. G. M. 1873, Sp. 350) Wäsche
(nach AdtiDag). klopfend und mit einer Nonne anawringend, als
Allegorie auf die Beichte.
Der zwölfjährige Jesus im Tempel* (Luk. 2, 46) ist durchgehends
'"Ve^. Eckt, B., im Org. f. dir. K. 1873. No. 7.
Scenen aus der neutestameDtlichea Geschichte. 531
lehrend (nicht fragend) dai^estellt, mitten unter den Schriftgelehrten, eine
Scbriftrolle in der Hand , auf einem Throne sitzend ; abseits Joseph und H&ria.
Der Knabe Jesus hilft dem Joseph bei seiner Arbeit in der Zimmermiuins-
Werkat&ttj nach Ev, apokr. Matth. cp. 36.
DieTaufe im Jordan.' Matth. 4, 13 —
17. Christus auf SltereaDarstBlInngen jugend-
lich ohne Bart, später bärtig, steht entkleidet
bis an den Gürtel im Wasser, welches sieb,
da Christus mit dem Tänfer nnd dem Engel
anf einer Omndlinie steht, als ein durchsich-
tiger Waaaerberg, in dem oft Fische schwim-
men, um den Leib des Herrn herumwindet,
auf älteren Bildern aber zuweilen gar nichtoder
nur durch den greisen Flnfsgott mit der Urne
(auch durch die beiden jugendlichen Quell-
gStter Jor und Dan) repräsentiert ist; die
Taube (von dem MeduUon-Hanpte oder der
segnenden Hand OottVatera ausgehend) schwebt über dem Haupte des Herrn;
der Täufer Johannes ist gewöhnlich in Tierfelle gekleidet. Zwei £ngcl halten
den Mantel Jesu (eine Decke, ein Handtuch).
Die Versuchung Christi. Hatth. i, 1 ff. Christus sitzt segnend, oder
in einem Buche lesend; der Tenfel, einen Stein in der Hand, steht daneben
(a. S. 5^0, Fig. 267), Die beiden anderen Versuchnngen finden sich seltener
dargestellt.
Christus als Lehrerund Wunderthäter erscheint in altchriaUichen
Darstellungen mit einem gerten artigen Stabe (entsprechend dem Stabe Hosis
' Vergl, Itiggenbach, Ch,. in den Mitt. C.-K. VHI, 121 ff. — Anf dem Bran
Kchweigcr Rotiquienkästchen No. 59 (s. oben S. 194) trägt die Taube im Schnabel e
Stange mit zwei Fläschchen.
532 Scenen aus der neutcstamentlichen Geschichte.
Bxod. 17, I)), dcD das FrOhmittel alter in einen KreuzsUb verwandelte nnd
dem Herrn als bezeichneadeB Attribut wohl auch auf solchen Darstelluigen
beigab, wo er, wie am Jakobebrunnen (Job. 4, G) als Lehrer anftritt. Die
Auferweckung des Lazarus ist dasjenige von den Wundem Jesu, welches in
der altdiristlidien Kunst am häufigsten dargestellt wurde, nnd findet sich
schon in deu Katakomben und an Sarkophagen; die Hochzeit zn Kana, die
wunderbare Speisung, die Heilungen des Gichtbrilchigen, des blutflasaigen Wei-
beB, des AusBätzigen und dee Blindgebornen sind seltener. Im Mittelalter
kommen die Wunder Jesu hanptBächÜch nur als Miniaturen, später als Holz-
schnitte und in gedruckten Bttchern vor.
Die Verklärung Christi (transfiguratio). Matth. 17, 1 ff. Christus,
in alterer Zeit bartlos, zwischen Moses und Eliae auf Wolken stehend ; unter-
wärts die drei Jünger in verschiedenartiger Stellnng auf dem Boden liegend.
DerPalmeneinzug. Christus mit der Hechten segnend, reitet anfeinem
Esel, dem zuweilen dae Füllen folgt
(Matth. 21, Ö) ; Kleider sind ihm unter-
breitet; das Volk bricht von einem Baume
Zweige ab und streut sie auf den Weg.
Ein Mann aus dem Volke oder ein Kind
sitzt auf dem Baume und schaut hinab.
Die Junger folgen dem Herrn, Palmen
in den Händen. Stadttbor und Mauern.
Der Abschied Christi von Maria
und den Frauen in Bethanien am Grün-
donnerstage ist eine erst im XVL Jaltrh.
aufkommende, aber nach Dürers Vor-
F,,.»,. ,.».,,.D.„„,.»..™, g">? *'»'"/*'"?»„]'"\"'V^;. n!"'
XIII, Jnbrh. {ucb scbumnt]}. Marienicben Bartsch 92) sehr beliebte,
aufGrahdenkmälem(z. B. dem der Mar-
garete Tucherin von Peter Vischer im Dome zu Regensburg 1521), nament-
lich schon vor dem Tode gesetzten, häufige Darstellung, weil ein bezügliches
Gedächtnis und Gebet an jedem Donnerstage die Gewifsheit eines seligen Todes
geben sollte. <
Die FnfewaBchung. Joh. 13, 4. Petrus auf einem Stuhle sitzend, deu-
tet mit einer Hand anf seine Fttfse, die andere legt er auf den Kopf (Vers 9);
Christas kniet mit aufgeschUrztem Kleide vor ihm, fafBt mit der einen Hand
nach dem Furso des Jüngers nnd streckt die andere gegen ihn aus. Auf der
Erde ein Waschgefäfs und eine Kanne.
Das heilige Abendmahl.' Der Herr sitzt mit den (12) Jüngern za
' Dies ist aasdrücklich bezeugt in der Inschrift an den identischen DenkmälenL,
welche sich der DeutBchordenskomtur Jobst von "Wetzhausen (+ 1541) 1524 mWien
und ca. 1534 zu Nürnberg hat setzen hissen; vergl. Mitt, C.-K. N. F. III, I ff. m. Abb.
' Vergl. ßiegel, H., üb. d. Darst. des Abendm. bee. in der toskan. Kunst 1869
(dazu Engelhardt in Chr. K.-Bl. 1S71. No. 1—3) undDobbert, Bd., die Daist des
Abendm. durch die byzant. K. 1872 (S. A. aas von Zahn, Jahrbb. etc. I\', 281 ft;
dazu Engelhardt im Chr. K.-Bl. 1873. No. 3 — 5). — Die atesten deutschen Dar-
stellungen auf dem Antependium zu Aachen und der Bemwardssäule zu Hildes-
heira behandeln nicht die Einsetzung des Abendmahls sondern die Beichung des
Bissens an Judaa.
Scenen aus der nentestam entliehen Geschichte. 533
Tische; Johannes, einem Kinde gleich, ruht sn BränerBroBt; Judas iBcbarioth,
der meietens isoliert aaf der Vorderseite Bitztoder kniet, hält einen Bentel. Auf
dem Tische mehrere SchÜBseln und Teller mit dem Osterlamm und einem
Fische (als Fastenspeise) etc. ; ein Weiuknig und Becher; in sehr seltsamer
Weise auf einem Glasgemtlde in der Wiesenkirche zu Soest ein Schweinskopf
und Schinken (Abb. z. B. im Chr. K. Bl. 13S0, 105). In den byzantinischen Dar-
stellungen hat der Tisch oft Halbmondsform , mit der graden Seite nach vorn
gekehrt, nnd Christna sitzt auf der vom Zuschauer aus linken Seite. In ande-
ren ebenfalls byzantinischen Darstellungen, z. B. auf der Kaiserdalma tik zu Rom
(Abb. in Bocks Kleinodien, auch in Dess, Lit.
Gew., m, Taf. TU) steht Christus hinter einem
kleinen viereckigen Altare, und die Jünger
nahen in Prozession zum Empfange; auf dem
oben S. 512 erwähnten Bilde von 1512 zu
Botzen knien sie aber zu beiden Seiten der
die beiden Elemente spendenden Trinität.
Der Ölberg. Jesus kniet betend in dem
umzäunten Garten ; ein Engel mit dem Leidens-
kelche schwebt ober ihm; die drei Jtlnger
schlafen.
Die Qeftngennehmung. Judas kafst
den Herrn, welchen Eriegsknechte fesseln. Die
Jünger, namentlich Petrus, der dem Malchus
das Ohr abhaut. Eriegsknechte mit Schwer-
tern, Stangen, Fackeln, Laternen etc.; vergl.
aufaer Figur 282 auch oben S. 476, Fig. 252. ^'ä,^ .Ä^""» um"
Christus vor Pilatus. Pilatus (oft mit <"•'='' ^^"^'i-
Übergeschlagenen Beinen; vergl. oben S. 476)
auf dem Richtstnhle sitzend; ein monstrases Tier als Bild des Tenfels, unter
dessen Einflufs er stand, hinter ihm. Zwei Eriegsknechte oder Juden fahren
den Herrn vor. In manchen Darstellungen bleibt es (wie Fig. 283) zweifel-
haft, ob nicht nnter der thronenden Figur im ECnigsschmuck vielmehr Hero-
des gemeint sei.
16 (nufa F. H. MUH«).
Die Geifselung und die DornenkrSnung Christi. Christus mit ent-
kleidetem Oberkörper ist mit den Händen an eine Säule (die sogen. Passions-
Bäule ; oben 8. 370 o. Fig. 154) gebunden, auf welcher oben der Hahn Petri
534 Sceneu aus der DeuteHtamcntliclien UeBchicht«.
sitst; Bwei Kriegsknechte mit OeUBeln. Eid Engel als Tröster des unBclinldig
Leidendea. Auf einem HolzscLnitte des XV. Jahrh.
(Holzschn. dos Oenn. Hus. Taf. 130) Bcbant Maria durcb
ein offenes Fenster zn. Bei der Dorne Qkrftnang
wird dem Herrn die Dornenkrone mit KnUtteln auf
das Haupt gedrückt
Der Eccehomo: JesuB nur mit dem Purpar-
mantel bekleidet, blutend, die Dornenkrone auf dem
Hanpte, das Robracepter in der Hand (Joh. 19, 5).
In 8t. Nikolai zu Wismar befindet sich neben einem
riesigen b. Chrietopli. ein eben eolcher Eccebomo
von einer Umrahmung nmgeben, in der beiderseits
7 Öffnungen, aus denen je eine Ualbfigur mit einer
Lanze Christi Leib berührt, anfeerdem tragen sie
Attribute, welche vermuten lassen, dafs es Bilder
der Sünden sind, um derentvillen Christus verwun-
det ist, Jes. 53, 5.
*'t'tiC« Slr-^T™ uTT . Christus im Kerker, eine Darstellung ohne
(niiib A<ie]aa(). biblische Grundlage: der Herr sitzt im Gefängnisse
auf einem Stein ; seine Hände sind an eine Säule ge-
fesselt; ein Engel trOstet ihn. Draufsen römische Kriegswachen. Verwandt
ist die spätere Daratellung Chriati im Elende: er sitzt entkleidet, blutend
und mit Domen gekrönt nachdenklich auf einem Stein; Kriegsknechte ver-
spotten ihn.
DieStationen. Vergl.S.381, Nr. 23. DievonderLegendeausgeschmflck-
ten und erweiterten Vorgänge, die sich aufdem Wege vom Richthause des Pila-
tus nach dem Calvarien berge zutrugen, nnd deren örter in Jemaaleai gezeigt und
verehrt werden. Im späteren Hittelalter brachten zurückkehrende Pilger die
Sitte auf, dafo auch in deutschen Städten ein Catvarienberg (vergl. S. 363,
Nr. 4) angelegt, und der Weg dahin in die einzelnen , genau nach Schritten abge-
messenen Stationen geteilt wurde ; doch zählt man mehr oder weniger Stationen.
In Nürnberg ist der Weg nach dem Johanniakirchhofe in sieben Stationen
geteilt, nnd die auf denselben errichteten Bildwerke (von Ad. Krafft) tragen
folgende Inschriften : I. Hie begegnet Cristus seiner tvirdigen lieben Mutter die
vor grossem herzenleit anmechlig ward. Il'Srytt von
POeüus hams. — U. Hie wardSymon gezwungen Cristo
sein kreutz helfen tragen. II' LXXXX V Snjt von Pila-
tus haus. — III. ffir sprach Christus : Ir DöcMer von
Jherusalem nit meint vber mich, sünder vber euch un
etvre Kinder. IIPLXXX Srytt von Pilatus haws. —
IV. Hier hat Christus sein heiltgs angesicht der heiligen
Frau i'eromca aufiren Slayr gedruckt vor irem Haws.
f'Sn/t von Pilatus Haws. — (Auf diese Legende' be-
"*' min i^"°°'^kh']*'' ziehen sich die seit dem Anfange des XIV. Jahrh.
"° (n»eh cli«). " häufig vorkommenden Abbildungen des blofsen Ange-
eichte des leidenden Christus {,f'era icon: das wahre,
' Vorgl. Grimm, die Sage vom Drepnmg der Christ iisbilder. -
Scenen aus der neuiestamentlichen Geschichte. 535
nicht von MenschenhändcD verfertigte Abbild] auf einem gewöhnlich von Engeln
gehaltenen Tuche). — V. Hier tregt Cristus das Crewizvnd wird von den Juden
ser hart geslagen. VIPLXXX SryU von Pilatus Haws. — VI. Hier feit Cri-
stus vor grosser anmacht auf die Erden. M^Srytt von Pilatus haws. — VII. Hier
2eyi Cristus tot vor seiner gebenedeyten wirdigen MtUer die in mit grostem
Hertzenleyl vnd biäerHchen smertz claget vnd beweint.^
Die Entkleidung Christi vor der Anheftung an das Kreuz kommt in
einzelnen spätmittelalterlichen Holzschnitten vor (z. B. Coli. Weigeliana, I, S7,
No. 48, n, 381, No. 449. 895, No. 474).
Die Anheftnngan das Kreuz geschah der geschichtlichen Wahrschein-
lichkeit zuwider der Tradition nach liegend,' ihre Stelle ist auch in der h.
Grabeskirche zu Jerusalem durch eine Marmorplatte und einen eigenen Altar
im Unterschiede von dem der Kreuzaufrichtung bezeichnet (Holzschnittdarstel-
langen in der Coli. Weigeliana, I, 338, No. 209 und aus den Söflinger Holzstöcken
in den Holzschn. d. Qenn. Mus. Taf. 65, 3).
Die Kreuzigung.' Im Kircherschen Museum zu Rom befindet sich, im
J. 1857 auf dem Palatin ausgegraben und der Zeit etwa um das Jahr 200 zu-
geschrieben, eine rohe Kritzelei auf der Wand: eine bekleidete menschliche
Figur mit einem Tier- (Pferde- oder Esels-) Kopfe* hängt an einem T förmigen,
unten mit einem Fufsbrette, oben anscheinend mit einer Inschrifttafel, die an
einem Stiele über dem Querbalken aufgesteckt ist, versehenen Kreuze ; daneben
in betender Stellung ein Mensch in Sklaventracht mit der griechischen Unter-
schrift: AAEZAMENOS SEBETE 0EON (Alexamenos betet seinen Gott an).*
über einige ältere religiöse Abb. in der K. K. Hofbiblioth. zu Wien, in Mitt. C.-K.
XV, S. CXI ff. m. Abb.
* Zwischen der VI. und VH. Station, 44 Schritt von ersterer, ist der Calvarien-
borg mit den drei Kreuzen; ein Haus am Tiergärtnerthor ist als Pilati Haus ange-
nommen. Ein früherer Besitzer desselben, Mamn Eötzel, war im Jahre 1487 nach
Jerusalem gereist imd hatte die Stationen dort cenau vermessen, um in seiner Heimat
einen Calvarienberg zu errichten, ünglücklicnerweise hatte er die Mause auf der
Rückreise verloren, was er erst in Nürnberg bemerkte; er trat daher zum zweiten
Male die Pilgerfahrt nach Jerusalem an, verlor aber die Matse nicht wieder. (Vergl.
die Nürnberger Künstler. 1, 17 ff.)
* Vergl, Allioli, Altertumskunde. II, 271.
3 Die ältere Litteratur über das Kreuz und die Kreuzigung fast erschöpfend bei
Zöckler, 0., das Kreuz Chiisti 1875, 13 — 24. Hinzuzufügen ist: H. Otte u. E.
aus'm AVeerth, zur Ikonographie des Crucifixus. M. 7 Taff. u. 2 Holzsohn, in Bonner
Jahrb. XIIV.; (Kaiser, J.) Geschichtliches über die Darstellung des Gekreuzigten,
im Org. f. ehr. K. 1868. No. 4. 5.; Beiträge zur Ikonographie des Gekreuzigten, im
Kirchenschmuck 1869. XXVI, 44 ff.; Studien über Kreuz und Kruzifix, das. 1870.
XXVn, Heft 1. 2.; Dobbert, in von Lützow, Zeitschr. 1871, 85 f. u. 118. f.j Engel-
hardt, im Chr. K.-B1. 1872. No. 1 — 4: Stockbauer, zur Kunstgeschichte des
Kreuzes, im Orc. f. eh. K. 1872. No. 19; Fulda, Herm., das Kreuz und die Kreuz-
tragung. M. 7 Taff. 1878; Dobbert, Ed., zur l^tstehungsgesch. des Kruzifixes, in
Jam*b. d. K. PreuJs. Kunstsammlungen. I, 41 ff.; Merz, H., Kruzifix, in Herzog-Plitt,
Real-£ncykloi)ädie. Vm, 800.
* Die Christen wurden von den Heiden beschuldigt, den Kopf eines Esels zu ver-
ehren. Cf. Minucii Felicis Octavius c. 9 n. 4; c. 28 n. 8.
* Becker, Ferd., das Spott-Kruzifix der röm. Kaiserpaläste aus dem Anfange des
m. Jahrh. 1866. — Vergl. A. Essenwein, in den Mitt. C.-K. VHI, 325; Jos.
Haupt ebd. XIH, 150 ff. und Kraus, Fz. X., d. Spottkruzifix u. s. w. Freiburg 1872.
536 Kreuzigung.
Aus dem Umstände, dafs die Figur am Kreuze bekleidet ist, während notorisch
die Verbrecher nackt gekreuzigt wurden, liefse sich folgern, dafs der Zeichner
dieses Spottbildes andere Vorbilder gesehen haben mochte mit bekleidetem
CrucifixuB, und schliefsen, dafs es bei den damaligen Christen bereits bildliche
Darstellungen der Kreuzigung Jesu gegeben haben müsse; doch ist die Existenz
derselben nicht nachgewiesen : die altchristliche Kunst begnttgte sich mit typi-
schen und symbolischen Andeutungen (das Opfer Abels, Melchisedeks , Abra-
hams ; das Kreuz mit dem Gotteslamm am Fufs oder dem Brustbild des Erlösers
an der Spitze),^ und einige Abbildungen der Kreuzigung in den Katakomben
gehören einer späteren Periode an. Eigentliche Kreuzigungsbilder werden zu-
erst in der zweiten Hälfte des VI. Jahrh. u. zw. sowohl im Orient als im Occi-
dent erwähnt, ^ waren also damals nicht mehr ungewöhnlich , man wird deshalb
auf eine erheblich frtthere Entstehung dieser Darstellungsart schliefsen dürfen.'
Seit dem VIII. und IX. Jahrh. wird die Darstellung des gekreuzigten Christus
zunächst in Miniaturen und auf Elfenbeindeckeln gewöhnlich und nach und
nach das verbreitetste Hauptbild der ganzen Christenheit. Es müssen dabei
zwei Hauptauffassungen unterschieden werden: 1) Der ältere, ideale Typus,
* An einem altchristl. Sarkophag im Lateran -Museum zu Rom sieht man ein
Kreuz und über demselben das Monogramm Christi in einem Lorbeerkranze, den ein
fliegender Adler im Schnabel halt, und von dessen Früchten zwei auf den Kreuz-
armen sitzende Tauben geniefsen. Unten sitzen zwei Krieger, von denen der eine
schläft, der andere emporblickt. Sonne und Mond sind in den oberen Ecken darge-
stellt: das Ganze faist Tod, Grab und Auferstehung des Herrn in ^n Bild auf aas
glücklichste zusammen. Vergl. Piper, Evangel. Kalender für 1857, 37 ff. — Chri-
stus in jugendlicher Gestalt neben einem reichdekorierten Kreuze stehend erscheint
auf dem Sarkophage des Probus (f 395) und in der Grabkapelle der Galla Placidia
(t 450). — Das Agnus dei wurde oesonders gern auf dem Kreuzungspunkte der bei-
den Kreuzbalken angebracht.
' Der sinaitische Mönch Anastasius (die Persönlichkeit ist sehr unsicher, nach
Einigen der spätere Patriarch von Antiochien t 599, nach Anderen ein anderer der vor
606 gestorben ist, oder der 678 noch lobte), fügte um die Ungehöriffkeit der Formel
»Gott ist gekreuzigt« zu erweisen, seinem jffegen Ende des VI. Jahm. geschriebenen
oöfiyoQ seu dux viae ad versus Acephalos (Bibl. Patrr. Max. IX, 838) eine Abbildung
des Gekreuzigten bei, welche sich, aber wohl nicht im ursprünglichen Typus in den
Handschriften dieses Buches fortgepflanzt hat (Holzschn. bei Stockbauer, J., Kunst-
fesch. des Kreuzes 1870, 164J. — In der Rede des Khetors Chorikios unter Justinian
ei der Einweihimg der Sergiuskirche in Gaza (Choricii Gazaei Orationes, cur. J. F.
Boissonade. Pans 1846, 98) wird eine Wandmalerei erwähnt, die den Gekreuzigten
zwischen den beiden Schachern darstellte, und Gregor von Tours um 590 spricht (de
gloria mart. 1. 1 c. 23) von einem Gemälde in der Genesiuskirche zu Narbonne,
welches den Herrn -^qucai praecinctum linteo crucifixum* zeigte. — Erhalten hat sich
aus dem VI. Jahrh. eine Miniatur in der syrischen Evangelieimandschrift des Mönches
Rabulas aus dem Kloster Zagba in Mesopotamien vom J. 586, welche als erstes Haupt-
bild des Codex die drei Gekreuzigten auf Golgatha mit Nebenfiguren darstellt (Farben-
druck bei Labarte, Hist. d. arts industr. t3, 79, Holzschn. bei Stockbauer, a. a.
0., 165).
^ In der That scheinen ein Relief auf einem der Felder der hölzernen Thüren von
Sa. Sabina zu Rom mit der Darstellung des gekreuzigten Christus zwischen den bei-
den Schachern und eine Elfenbeinplatte im ßrit. Museum zu London, auf welcher
Christus am Kreuze mit verschiedenen Nebenfiguren dargestellt ist, dem V. Jahrh.
anzugehören (vergl. Dobbert, im Jahrb. der K. Preufs. Kunstsammlungen. I, 41 ff.).
Die Gekreuzigten sind hier nackt, nur mit schmalem gürtelartigem Lendenschurz, bart-
los und ohne jeden Ausdruck des Schmerzes idealisiert dargestellt.
Kreuzigung. 537
nach welchem Christus lebend, znweilen &nch schon sterbend mit geneigtem
Haupte (s. oben 8. 154, Fig. 56 nnd den Stahlstich zu 8.175), gewöhnlich mit
wagerecht ansgebrciteten Armen, mit oder ohne
Nimbus, niemals aber mit der Domenkrone,
häufig Jedoch mit einer EOnigskrone frei am
Kreuz auf einem Fnfsbrette steht oder ohne
dasselbe vor ihm sehwebt, wobei Hände nnd
Furse entweder gar nicht oder mit vier N9geln
angeheftet sind. Der Leidende ist mehr oder
weniger bekleidet' gewöhnlich mit einem kur-
zen vom Gttrtel bis zum Knie reichenden Rocke.
Dieser Auffassnngs weise , deren Typus mit dem
XIII. Jahrh. erlischt, liegt die Idee von der
Unsterblichkeit Gottes nnd der Freiwilligkeit
des Leidens Jesu zu Qrunde ; sehr hftnfig (aach
auf dem alten Tanfsteine zu Qernrode, wie
auf vielen Diptychen und in Miniaturen) korre-
spondiert daher mit der Kreuzigung ein Bild
der Auferstehung und der Herrlichkeit Christi.
— 2) Der in einzelnen Beispielen (Domthttr zu fi». aso. ReüBf vom Aniibor Ttat-
Hildesheim, Elfenbeindeckel von ca. 1014 zu ""'" " O"""^«-
MUnehen s. oben S. 176) schon im XI. Jahrb.
vorkommende, aber haupteächlich durch die EinflDsse der KreuzzOge auch im
Abendlande eingebürgerte und seit dem XIIL Jahrb. hier herrschende Typus
Pl(. IST. Der ackrtailK» Im XVI. Jahrb. (nuh J. 0. Sehidow).
' Der Gekreuzigte in dem Erangelimtcodex des Habulas ist zwar mit blutenden
Wunden in realem IVpi^^i aber mit einem langen jedoch ärmellosen Prachtgewande
538 Kreuzigung.
des Anastasins Sinalfta, den man in gewissem Sinne den realen nennen kann,
obgleich er eigentlich historisch unrichtig und physiologisch unmöglich ist : der
Leidende, ein Marterbild, sterbend oder bereits verschieden, das dornenge-
krönte* Haupt nach der rechten Seite neigend, erscheint gewaltsam an den
Armen aufgehängt und ist mit drei Nägeln^ an das hohe, immer mit demTitu-
lus INRI bezeichnete Kreuz geschlagen, zu welchem Ende die Fttfse über
einander gelegt sind und zwar so, dafs der rechte stets oben liegt.' — Das
Kreuz ist oft grün mit roten Ästen (weil es aus einem Baume gezimmert war,
den Seth aus einem Stecklinge vom Baume des Lebens auf das Grab Adams
gepflanzt hatte), nimmt aber seit dem XIV. Jahrb. auch blutrote Farbe an, nnd
wird ein schlichter Balken ohne Äste. Zuweilen erscheint das Kreuz belaubt
oder ist doch mit einzelnen (Wein-) Blättern besetzt; es besteht einer alten
Sinnbildnerei zufolge in seinen einzelnen Teilen aus vier verschiedenen Holz-
arten, nach dem Verse: Ligna crucis pfiimay cedruSj q/pressusj olnm.^ — Die
Qestalt des Kreuzes^ ist in älterer Zeit gewöhnlich vierarmig ("]*) und an den
dargestellt tmd dies Kostüm wiederholt sich später in der byzantinischen Kunst immer
wieäer tmd wechselt mit dem vom Gürtel bis zu den Knien reichenden Herrgottsrocke,
der schliefslich in der romanischen Kunst des Abendlandes herrschend bleibt. Noch
Gregor von Tours (s. S. 536, No. 2) erzählt, dafe die Darstellung des Gekreuzigten
nur mit dem Lendentuche solchen Anstofe erregte, dafs dies Büd verhüllt wei-den
mufste. — Ein völlig nackter Crucifixus kam in Deutschland nur an dem 1812 abge-
brochenen schwarzen Burgthore zu Reeensburg vor, das danach das »Thor zum
nackten Herrgott« hiefe. — Der Mstoriscne Sitzpflock (sedüe oder ephippium) kommt
einmal bei Münz, Archäol. Bemerk, über das Kreuz etc. in den Nassauer Annalen.
Vin, Taf. IV, 10 vor.
* Die Domenkrone des Gekreuzigten kommt zuerst 1248 in der Kapelle des h.
Sylvester zu Rom, in Deutschland datiert zuerst auf dem Taufbecken zu Würzburg
1279 vor.
2 Die Darstellung mit drei Nägeln kommt vereinzelt schon im XI. Jahrh. vor
(vergl. Bonner Jahrbb. XLVI, 148), sonst erst im XKI. Jahrh., aber noch selten; das
letzte bekannte Beispiel mit 4 Nägeln ist ein böhmisches Gemälde von 1357 im Belve-
dere zu Wien (Abb. d'Agincourt, Peinture, Taf. CLXTV, 3).
3 Ausnahme auf dem Stationskreuze zu Burtsc heid aus dem XIII. Jahrb.;
Abb. aus'm Weerth, Taf. XXXIX, 7. — Auf einem Kelche zu Ostdorf in Würt-
temberg ca. 1300 ist das rechte Knie vor Schmerz ganz heraufgezogen.
* Und zwar datque pedem cedrus, truncus dpressus, oliva
datque partem aumtnam, duo hracchia dant tibi pcdmam,
wie es in einem Homiliarium des XY. Jahrh. in der Bibl. des Domgymnasiums zu
Halberstadt No. 129 helfet. Jordanus deQuedlinb., Op. Postillarum. Argent. 1483.
Abschn, 236. B: die Palme = Sieg, die Ceder ■« Enteühnung (EI Mose 14, 4;
rV Mose 19, 6), die Cypresse«* Trauer, der Ölbaum ^ Friede.
» Über die Gestalt des Strafkreuzes der Römer sind die Archäologen nicht einig.
Zestermann, A. Chr. Ad., d. Kreuz vor Christus (Osterprogramm der Thomasschule
zu Leipzig 1867) hält die fform, Fulda a. a. 0.. 220 die T für die wahrschein-
lichere. Gelegentlich dürfte der grausame Mutwille der hinrichtenden Soldaten (Jose-
phus, de beUo Jud. V. 11, 1) auch abweichende Formen zur Anwendung gebracht
nahen. — Die Yform, das sogenannte Schächerkreuz erscheint in der Mater verborum
zu Prag von 1202, auf dem Taufkessel zu Würz bürg von 1279 und am Hauptportal
des Münsters zu Freiburg i. B. — Die Länge des l^euzes ist in den ältesten Dar-
stellungen sehr niedrig, doch sagt schon CtSysostomus, es sei sehr hoch ^wesen,
wie der Herr es voraus gesa^ habe, Job. 3, 15. Die ^wohnliche Annahme ist, dafe
die Län^e zwei Mannshöhen oetragen habe. Später im XY. Jahrh. wird es unverhält-
nismäüsig lang gebildet. — Schon in sehr alten Malereien erscheint es durch in die
Erde eingescmagene Pflöcke beidei-seits vor dem Umsinken gesichert, was auf Jes. 33,
20 bezogen wurde.
Kreuzigung.
539
Enden mehr oder weniger stilisiert (zuweilen dem heraldischen KrUckenkreoze
ähnlich, auf den Korssunschen Thüren zu Nowgorod als Palmzweige); seit
dem XUI. Jahrh. laufen die Enden häufig kleeblattartig aus und sind zuweilen
mit den Evangelistensymbolen bezeichnet. Die Tform des Kreuzes, die früher
hauptsächlich nur in Miniaturen vorkommt, wenn der Initial T zu einem Eruzi-
fixbilde benutzt ist (wie besonders fast regelmäfsig bei dem Te igilur des Mefs-
kanons in den Missalien), wird im Spätmittelalter ^ fast zur Regel und der
Oberteil besteht nur aus dem Titulus.^ — Nebenfiguren: Maria und Johan-
nes stehen unter dem Kreuze, die
Mutter zur Rechten des Gekreuzig-
ten, Johannes zur Linken, beide
in tiefer Betrttbnis,^ die Hand an
die Wange legend. Johannes hält
in der linken Hand gewöhnlich
ein Buch, seltener sein sonst ge-
wöhnliches Attribut, den Kelch.
Auch Maria Jakobi und Maria
Balome sind zugegen, und Maria
Magdalena kniet am Fufse des
Kreuzes, oft den Stamm dessel-
ben umfassend. Ein Kriegsknecht (zuweilen ein Jude; Stephaton nennt ihn
die Legende) reicht dem Herrn den in Essig getauchten Schwamm; ein an-
derer {Longimis genannt und nach späterer Auffassung erblindet, aber durch
das ausströmende Blut Christi geheilt) durchbohrt ihm die rechte Seite ; ^ eine
Gruppe von Kriegsknechten lost oder würfelt um seinen Rock ; der heidnische
Hauptmann (Longinus), in ritterlicher Rüstung zu Fufs oder zu Pferde, erhebt
beteuernd die Rechte (Luc. 23, 47) etc. Die Schacher zur Seite des Herrn
sind gewöhnlich an das niedriger und TfÖrmig gebildete Kreuz nicht angenagelt
sondern mit Stricken angebunden und in gewaltsam verrenkter Stellung als tot
dargestellt : ein Engel nimmt die Seele des Begnadigten (Desmas oder Dismas)j
ein Teufel die des Verstockten (Cesmas,Jasmtis oder Gestas) in Empfang.^ Am
Flg. 288. Reltef ron den Bronxethttren za Hildea-
helm, 1015 (nach F. H. MttUer).
' Schon auf einer Glocke zuElstertrebnitz bei Pegau von 1409; vergL Anz.
0. M. 1S67, No. 9.
* In den ältesten Darstellungen fehlt der Titulus. Auf den romanischen ist die
Inschrift meist ausgeschrieben, das blofse INRI kommt datiert zuerst 1279 zu Würz -
bürg vor.
^ Vereinzelt kommt Maria zusammenbrechend und von Johannes gehalten schon
in den Gemälden zu Schwarz-Rheindorf vor (aus'm "Weerth, Wanagemälde, Taf.
XXVni) , im allgemeinen erst \4el später. Auf den Korssunschen Thüren hat der Ge-
kreuzigte die rechte Hand vom Kreuze gelöst und reicht sie der Maria, eine Darstel-
limg, die sich in den Logenden mancher Heiligen (Bernhard, Hedwig, liutgard)
wiederfindet.
* Und zwar geht der Stofs regelmäfsig nach der Achselhöhle, s. Fig. 288 und den
Stahlstich zu S. 175. Die rechte Seite ist gewählt wegen Ezechiel 47, 1. 2. (nach
Gottschalk Hollen um 1460, vergl. Cruel, Gesch. der Predigt, 509).
* Im Evangelienbuch dos h. Kilian zu Würzburg, sind es zwei schwarze Käfer.
Auf einer spätroman. Miniatur daselbst (Sighart, 214) sind die Schacher an einem
hinter dem Kreuze angebrachten galgenartigen Gestelle in Ketten aufgehängt. Weite-
res siehe im Verz. der Heiligen unter Dismas.
540 KnvuzigTuig u. s. n,
Himmel stellen Sonne und Mond (suweilen durch Engel oder Genien persoui-
liciert) ' und beklagen das heilige Schlachtopfer, Engel mit Kelchen Eangen das
Blut JeBu auf, das ans den Wundenmalen strömt. — Über dem Kränze oft die
rechte Hand Gottes herabreichend mit Beziehung auf Luk. 23, 46 oder nach
Pb. 118, 16 äexlera domitü exaltavil me, denn zuweilen reicht sie eine Krone
(auf dem Essener Elfenbein, aus'm Weerth, Taf. XXVII) oder den Sieges-
kranz, in dem die Taube sitzt (Rflckseite des Lotharkrenzes, aus'mWeerth,
Taf. XXXVII, 3) herab. — Am Fufse des Kreuzes kommt die Schlange schon
in der byzantinischen Knnst in Form von zwei nnten zu beiden Seiten des
Stammes sich aufwindenden Drachen vor ; in Älterer Zeit häufig eine Peraoni-
fikatioB der das Kreuz tragenden gebtickten Terra (s. oben Stahlstich zu S.
IIb), neben welcher in einzelnen Fällen auch das Meer symbolisiert ist, wo-
durch dann in Verbindung mit Sol und Luna oben, wie in einem Hildesheimer
Evangeliar bezeugt ist, die miseratio Christi als redemptio mundi* dargestellt
wird. Auch das Grab Adams', ans dem sich dieser aufrichtet, findet sich mehr^h
an Krudfisfursen, inschriftlich bezeugt z. B. in St. Ulrich zu Augsburg aod
im Dome zu Chur: Ecce remrgit Adam, cm dat deus in cruee vitam. Spftter
liegt der Schädel Adams samt einigen Totengebeinen auf oder in der Erde, be-
träufelt von dem Blute des Herrn. — Über andere allegorische Znthaten zar
Kreuzignngsdarstellang s. oben S. 513.
Die Vesperbilder, d. h. Darstellungen der am Abend auf den Tod Jesu
folgenden Scenen : die Abnahme vom Kreuze (bei welcher die Frauen, Johannes,
' Vergl oben S. 499.
* Terrapontut rulra mundua quo loeotttr ^umtn« singt auch Yenantius For-
tonatuB im Hymnus Pangue linaua ffloriosi etc.
■ Ädae morte novi redit Adae vita priori steht auch am FuJse eines romanischeD
Kruzifixes in der Bitterakademie zu Lüneburg. — Über Adams Qrab auf Golgatha
B. Piper im Evangel. Kalender 1S61 ; vergl. Dioskuron, 1860, 380. — Wenn unter
dem Triumphireuze zu Wechselburg und dem Station skreuze des Bischofs Erpho
(1085^1097) in S. Mfluritz zn Münster unter dem Kreuze eine Figur liegt, die (wie
sonst die Ecclesia) in der Rechten einen Kelch erhebt, so wird auch hier Adam ge-
meint Bein. — Zuweilen steht unter dem Trittbrett, oder unmittelbar unter den Fül&n
des Gekreuzigten, oder durch ein Colatorium von ihnen getrennt ein Kelch, der
Abendmahlskäch oder der h. Oral der mittelalt. Dichtung; vergl. San Marte, der
Mythus V. h. Gral in N. Mitt. Th.-8. V. lU. 3, 1—38; Didron, histoire de dien.
27T, No. 68. — Wenn in dem HildeBheimer EvanReliar (Abb. Bonner Jahrbb. XLV)
der Gekreuzigte statt dee Trittbrettee auf dem Stiel des Lukas steht, so bezieht sich
das wohl auf Hebr. 9, 12—14.
Kreuzigung u. ß. w. 54}
l^ikodemas und Joseph von Arimathia teils klagend, teils beschäftigt erscheinen
und bei welcher in den älteren Darstellungen die Zange zum Ausziehen der
Nägel kolossal grofs erscheint); die Beweinung Christi (die sogen. Pieta:
Maria hält den Leichnam in ihrem Schofse, oder Christus, im Grabe stehend, wird
von der Mutter und dem Jünger, den er lieb hatte, unterstützt); die Grablegung,
bei welcher aufser den biblischen Figuren vereinzelt auch der aus den drama-
tischen Osterspielen entnommene Krämer erscheint, bei dem die Frauen die
Spezereien kauften (Abb. Bonner Jahrbb. LX, Taf, V, 2.
Das heilige Grab: ein länglich viereckiger, aufgemauerter Rasten;
gewappnete Wächter, zwei bis sieben, gewöhnlich drei an der Zahl, insgemein
schlafend. ( Vergl. den Holzschnitt S. 470 , Fig. 243.)
Eine eigentümlich kompendiöse Darstellung der gesamten Passions- und
Todesgeschichte sind die sogenannten Misericordia- oder Erbärmde-Bilder^
(d. h. nicht die Barmherzigkeit, die der Herr durch sein Leiden erweckt, sondern
die er selbst damit geübt hat, nach Psalm 89, 1 Misericordias domini in aetemum
€antäbö)j die an Kirchengebäuden (z.B. St. Sobald zu Nürnberg 1484), auf
Altarbildern (z. B. 1385 zu Mühlhausen a. Neckar), namentlich aber auf Holz-
schnittbildern des späteren Mittelalters vielfach vorkommen , dem Eccehomo in
mancher Hinsicht ähnlich : Christus mit den Wundenmalen entweder im Mantel
frei, oder am Fufse des Kreuzes, oder in halber Figur im Grabe stehend, die
Hände übereinander gelegt, oder auf seine Seitenwunde zeigend, umgeben von
den Marterwerkzeugen. Sie sind aufs engste verwandt mit der Darstellung der
Waffen Christi' (.arma Christi^ ans heren wapenen)y d. h. der Marterwerk-
zeuge mit den Porträts der bei seiner Marter aktiv beteiligten Personen, oft
auf einem Schilde wappenartig zusammengestellt, häufig in Verbindung mit der
Messe Gregors — ein wegen des damit verbundenen Ablasses aufserordentlich
verbreitetes populäres Andachtsbild (vergl. eine ganze Anzahl von Holzschnitten
in der Coli. Weigeliana und den Holzschn. des Germ. Mus.). Auch die 5 Wunden
Christi, in der Mitte die Herzwunde, von den beiden Händen und Füfsen
je mit ihrer Wunde umgeben, teils vor dem Kreuze mit Speer und Schwamm,
teils ohne dasselbe nur mit einer Dornenkrone, waren ein ebenso beliebtes
Andachtsbild (s. Holzschn. d. Germ. Mus., Taf. 16. 123; auch an dem Margareten-
denkmal von P. Vischer 1536 in der Stiftsk. zu Aschaffenburg).
* Vergl. Mefsmor, üb. Barstellungen der Passion Christi etc., in Mitt. C.-K.
XIV, 133 Sf.
2 Vergl. Wim m er, Flor., die Waffen und Wappen Christi, im Org. f. eh. K.
1868, No. 14. — Über den Chorstühlen in der Klosterkirohe zu Berlin ist das Leiden
Christi durch folgende dreilsig Schnitzbilder versinnbildlicht: das SchweiTstuch mit
dem Antlitze Jesu, ein Zählbrett mit den 30 Silberlingen , eine brennende Fackel (Job.
18, 3), eine Laterne (ebd.), der JudaskuCs (dargestellt durch die beiden Köpfe des Herrn
und des Verräters), zwei Ketten, das Schwert des Petrus und das Ohr des Malchus,
die Brustbilder des Pilatus und seiner Frau (Matth. 27^ 19^, der Hahn Petri auf einer
Säule, eine offene schlagfertige Hand (Joh. 19, 3j, die Brustbilder des Pilatus imd
Herodes (?), ein Rutenbündel, eine Geilsel, eine Hand voll ausgeraufter Haare, die
Domenkrone, zwei Stöcke, das Kreuz (T), ein ausspeiender Kopf, die Hände und das
TVaschbecken (Matth. 27, 24), Leiter und Stange, Hammer imd Bohrer, ein Strick,
drei Nägel, die Aufschrift Inri, drei Spielbecher, drei Würfel (ebd. 27, 31), das Rohr
mit dem Schwamm, die Lanze und das Herz Jesu, eine Zange, das Grab mit dem
Leichentuche (ein offenes Kästchen mit daran hangendem Tuche).
542 Srcn«! aus <lor neutostamentlichen Opschichte.
ChristUB in der Vorhalle, nach dem apokryphiBchen Erangelinm des
Nikodemas: der verherrlicbte ErlSaer mit dem Krenspaniere triumphierend
Flg. t9t. Rtll*r«n Turilelna id Pnckenhont.'
vor dem offenen Hullenachlnnde stellend, um die in demselben befindlichen
alttesUmentlichen Gerechten (zunachat Adam, Eva, Abel, Lot, Jesaiu, den
Greis Symeon, Johannes den Tänfer) zu erlösen.
Der Herr ergreift den Adam bei der Hand; dieser
trägt das Triumphkreuz. — Die Hölle wird, wie in
Fig. '291, auch als eine Burg dargestellt, deren um-
gestürzte Pforten der Heiland unter die Fllfse tritt,
der Teufel liegt gebunden w'mculis aelenust. Ep.
JndÄ V. 6.
Die Auferstehung. Das Grab ist offen ; der
Erlöser mit dem aus dera frühmittelalterlichen than-
maturgischen Ereuzesstabe (s. oben S. 531} her-
vorgegangenen Kreuzpanier und in flatterndem Man-
tel steht auf dem weggeschobenen Steine ^ die Wäch-
ter schlafen ; ein oder zwei Engel sitzen am Grabe ;
die Spezerei oder Rauchbecken tragenden Weiber
(Myrrhophoren). Das vorstehend abgebildete Tanf-
stein-Roiief zeigt den Auferstandenen in dem sogen.
Fif. t». Biiier Tom Aiiiabei Osterei (e. oben S. 480) und begnügt sich mit
TiahMin. « o.mr«iB. j^^ Andeutung des übrigen durch die schlafenden
' Nach einer von Herrn KreiBbauinapektor Ijukas in Delitzsch güägst mitgeteil-
Scenen aus der oeutostainentlichaii Geschichte. 543
Wächter, während das Rmidbild von dem Kelche in MarieDBtern nur das
offene Grab, den Engel, die Frauen
nnd die schlafeuden Wftchter zeigt.
DaeNoIi me tangere nach Joh.
20, 17. Chriatns darchgehendB als
Gärtner mit einem Grabscheit. Mag-
dalena kniet vor ihm und streckt die
Hände nach seinen Ffirsen ans. So in
der Bege) auch die Frauen bei der
Begegnung des Auferstandenen mit
den Übrigen Fraueu nach Matth.
28, 10.
Der Auferstandene aof dem
Wege nach Emmans mit den bei-
den Jüngern (Kleophaa und Lukas).
Er bleibt bei ihnen in dem als Kastell
dargestellten Flecken und bricht ihnen
das Brot.
Die Himmelfahrt' wird in der ^'*' *" "•"'"■*™ ""»"^•■"» " »'«'«»^.
Handschrift des BahuUs (s. oben S.
536, Abb. bei Agincourt, Peinture Taf. XXVH) so dargestellt, dafs Christus
ähnlich wie Elias auf feurigem Cbe-
rubimwagen gen Himmel fährt. Später
gehen zwei Darstellungen nebenein-
ander her. In der einen schreitet Chri-
stas mit dem Kreuzpanier oder einer
Rolle (der Handschrill des neuen Bun-
des, oder der ausgetilgten Sflnden-
handschrift, Koloss. 2, 14 ; oder nach
Psalm 40, 8 und Hebräer 10, 7) in
der Hand in sehr lebhaftem Schritte
nach oben , wo sich ihm die Hand Got-
tes entgegenstreckt (z. B. auf dem El-
fenbeinrelicf zu Mflnchen, s.obenS.
23, No. 4). In der anderen wird Chri-
stas in der Maudorla mit dem Krenz-
panier stehend (so am Tympanon des
PortalsvonPetershausun)oderinihr
sitzend mit Buch (so auf einem Elfen- '''«■ *"■ ^"^" '"■" '="''''= " «""eniiem.
beinrelief zu Stuttgart Abb. Heide-
loff, Schwaben, Taf. X) von Engeln emporgetragen. Beide Darstellungen setzen
teils bildlich, wie das HUnchener Elfenbein, teils inschriftlich , wie die Portal-
skulptur von Petershausen die Himmelfahrt in unmittelbare Verbindung mit
der Auferstehung, so dafs auch fraglich erscheinen kann, ob unsere Fig. 292
nicht die Himmelfahrt, und die oben als schlafende Wächter gedeuteten Köpfe
' VergL Bock, C. P., die bild. DaratoU. der ffimmelfahrt Christi vom VI. bis XIT.
Jahrb. 18ßT (S. A. aus dem Freiburger Dii5cesaD -Archiv. II, 409 tL).
544 ^^^ biblische Bilderkreis.
nicht vielmehr auch dort die Engel, welche das Osterei tragen, zur Darstellung
bringen. — Später wird die Darstellung einfacher dem biblischen Berichte
entsprechend, wobei oft, wie in Fig. 294, nur noch die Füfse des schon von
Wolken bedeckten Heilandes sichtbar sind , der seine Fufstapfen auf dem Berge
zurück gelassen hat (Zach. 14, 4). Die Jünger und Maria stehen und sehen
gen Hinmiel ; die Engel ( Actor. 1 , 10) werden in der Regel als vom Himmel
herabschwebend dargestellt.
Die Ausgiefsung des heiligen Geistes. Der h. Geist schwebt in
Taubengestalt herab auf die Jünger, auf deren Häuptern Flammen zucken.
Die Mitte des Bildes pflegt namentlich in späterer Zeit die Jungfrau Maria
einzunehmen.
Anmerkung 2. Der vorstehend in Anmerkung 1 in kurzen Zügen be-
schriebene biblische Bilderkreis, in welchem sich die mittelalterlichen
Künstler bewegten, hat seine hier nicht weiter zu verfolgende Geschichte, in-
dem in den verschiedenen Perioden unter Einwirkung der mannigfachsten Um-
stände nicht blofs, wie mehrfach angedeutet, der Typus der einzelnen Darstel-
lungen mehr oder minder mit Besonderheiten ausgestattet wurde, sondern auch
der Kreis der Bilder erweitert oder beschränkt erscheint, wobei jede Epoche
ihre am häufigsten vorkommenden Lieblingsdarstellungen hatte. Wir beschrän-
ken uns auf folgende chronologisch geordnete Übersicht von Bildercyklen aus
den verschiedenen Jahrhunderten.
I. Der biblische Bilderlcreis In der attchrlstHcben Kunst ^
1. Aus dem alten Testamente: Die Erschaffung der Eva. Der
Sündenfall und seine Folgen. Kains und Abels Opfer. Hoah in der Arche und
die Taube. Abrahams Opfer. Der Durclizug durch das Schilfmeer. Moses
empfängt die Gesetztafeln. Moses schlagt Wasser ans dem Feiten. Der Manna-
regen. Hiob (selten). David mit der Schleuder (selten). Die Himmelfahrt des
Elias. Die Geschichte des Jonas. Daniel in der Löwengmbe. Die drei Jüng-
linge im Fenerofen.
2. Aus dem neuen Testamente: Die Geburt Christi. Die Anbetung
der Weisen. Der zwölQährige Jesus unter den Lehrern. Jesus als der gnte
Hirte. Das Gespräch mit der Samariterin. Die Übergabe der Schlüssel an
Petrus. Der Palmeneinzug. Die Fufswaschung. Die Gefangennehmung. Petri
Verleugnung. Christus vor Pilatus. — Von den Wundern Christi finden sich:
die Hochzeit zu Kana, die Speisungen des Volks, die Heilungen der Blutflüssigen,
des Gichtbrüchigen, des Blinden, des Aussätzigen (selten), die Anferweckung
des Lazarus. — Das Gleichnis von den zehn Jungfrauen. — Die Brustbilder
der beiden grofsenApostel Petrus und Paulus. — Über die Marienbilder
s. oben S. 525.
* Vergl. Kraus, Fz. X., Roma sotteranea, Buch IVj Kap. 3 — 6; Schnaase. HI,
82 ff.; Roller, Theoph., les catacombes de Rome. Fans 1SS2. Bd. ü; Schultze,
Vikt., die Katakomben etc. 1882. Abschn. IQ. — Die am häufigsten vorkommenden
Darstellimgen sind durch den Druck ausgezeichnet.
Biblische Bilderkreise. 545
II. Neutestamentliche Bilder des Codex Rossanensis VI. Jahrh.^
Die Heilung des Blinden am Becken von Siloah. Der barmherzige Sama-
riter. Die Auferweckung des Lazarus. Der Palmeneinzug. Die Reinigung des
Tempels. Das Gleichnis von den zehn Jungfrauen. Das Passahmahl. Die
Fufswaschung. Die Spendung des Brotes und des Kelches. Das Gebet am Öl-
berg. Christus vor Pilatus. Judas wirft das Geld in den Tempel und erhenkt
sich selbst. Die Juden verklagen Jesum bei Pilatus. Christus und Barrabas.
III. Neutestamentliche Bilder In Evangelienhandschriften des Abend-
landes aus der Zeit um 1000.
Die Zahl der Bilder in den drei am reichsten ausgestatteten zu Trier,
Gotha und Bremen aufbewahrten Evangelienbüchern aus der Zeit von circa
990 — 1040 ist bereits oben S. 181 angegeben; wir lassen hier nach der von
H. A. Müller (s. S. 182 N. 1) entworfenen Zusammenstellung die Gegenstände
derselben folgen:^ 1) Die Verkündigung. 2) Der Engel erscheint dem Joseph
im Traum (in Trier). 3) Die Heimsuchung (in Trier und Gotha). 4) Die Gebort
Christi mit den Hirten. 5) Die drei Magier bei Herodes (in Gotha). 6) Die
Anbetung der Weisen. 7) Der Engel erscheint den Weisen im Traum (in
Gotha). 8) Die Darstellong im Tempel. 9) Der Aufbruch zur Flucht nach
Ägypten (in Gotha). 10) Der bethlehemitische Kindermord. 11) Jeans 12
Jahre alt im Tempel 12) Die Taufe Christi (in Trier und Gotha). 13) Die
drei Versuchungen (in Gotha und Bremen). 14) Die Berufung der Jünger beim
Fischfang (in Gotha). 15) Petri Fischzug (in Bremen). 16) Die Hochzeit zu
Kana. 17) Christus und die Samariterin (in Trier und Gotha). 18) Die Hei-
lung des Aussätzigen. 1 9) Der Hauptmann von Kapemanm (zu Trier in 2
Scenen). 20) Die Auferweckung des Jünglings von Nain (in Gotha und Bremen).
21) Christus heilt die Schwieger Petri (in Gotha). 22) Christus auf dem stär-
mischen Meer. 23) Der Besessene in der Gegend der Gadarener (in Tiier und
Gotha). 24) Die Heilung des Gichtbrüchigen ^in Gotha und Bremen). 25) Die
Berufung des Matthäus (in Trier und Gotha). 26) Christus isset mit den Zöllnern
und Sündern (ebenso). 27) Die Heilung der Blutflüssigen (ebenso). 28) Jairi
Töchterlein (in Trier). 29) Die Heilung der beiden Blinden (in Bremen).
30) Die Heilung des besessenen Taubstummen (in Bremen). 31) Das dafilr
den Herrn preisende Weib (ebenso). 32) Die Heilung der verdorrten Hand
(in Trier). 33) Der 38 jährige Kranke (ebd.). 34) Die Speisung der 6000
* Im J. 1S80 zu Rossano in Kalabrien entdecktes Fragment der ältesten bekannten
illustrierten griechischen Evangelienhandschrift, herausgegeb. von vonGebhardt, 0.,
und Harnack, A., Evangeliorum cod. gr. purp. Bossanensis; mit 17 Umrilszeichnun-
gen 1880. Yergl. Lami)recht, in den Bonner Jahrbb. LXIX, 90 — 98, welcher für
aie karolingischeZeit auf die poetische Beschreibung des Bildercyklus der Schlols-
kapelle zu Ingelheim bei Ermoldus Nigellus. IV, 229—244 u. V, 235—238 (Pertz,
Mon. G. n, 505 f.) verweist.
* Die durch den Brack ausgezeichneten Bilder finden sich in allen drei Handschr.
Die der beiden Codices zu Trier und Gotha sind von Lamp recht in den Bonner
Jahrbb. LXX, 56 — 112 u. TafF. HI— X genau miteinander vergüchen unter Hinweisung
auf die Inschriften des Ekkehard von St. Gallen (f 1036), die für die Wandmalereien
des Mainzer Domes dienen sollten. Yergl. den Anhang zu Schneider, F., der h.
Bardo, Erzb. v. Mainz. 1881.
Otte, Kunst -Archäologie. 5. Anfl. 35
546 Biblische Bilderki'eise.
Mann. 35) Christus geht auf dem Meere (in Trier). 36) Das kananaisohe Weib
(in Trier und Bremen in 2 Scenen). 37) Von den 7 Broten (in Bremen).
38) Maria von Bethanien zu Jesu Füfsen (ebd.). 39) Der Wassersüchtige (in Go-
tha und Bremen). 40) Die 10 Aussätzigen (ebenso). 41) Der blinde Bartimana.
42) Christus und die Ehebrecherin (in Trier und Gotha). 43) Christi Steinigung
(in Trier und Bremen). 44) Die Heilung des Blindgeborenen (in Trier und
Gotha). 45) Die Erweckung des Lazarus (ebenso). 46) Maria salbt Jesu Füfse
(in Trier). 47) Der Herr giebt dem Petrus die Schlüssel (in Bremen). 48) Der
Palmeneinzng. 49) Die Tempelreinigung (in Trier und Gotha). 50) Die Fufs-
Waschung (in Trier). 51) Das Abendmahl (in Bremen). 52) Die Oefangen-
nehmnng. 53) Christus vor dem Hohenpriester. 54) Die Verleugnung Petri.
55) Christus vor Pilatus (in Trier und Bremen). 56) Die Geüselung. 57) Ecee
Homo. 58) Die Krenztragnng. 59) Christus wird zwischen den beiden Scha-
chern gekreuzigt (in Trier). 60) Der Kreuzestod des Herrn. 61) Die Abnahme
vom Kreuz. 62) Die Grablegung. 63) Die Höllenfahrt (in Bremen). 64) Der
Engel erscheint den 3 Marien. 65) Holi me tangere. 66) Die Jünger auf dem
Wege nach Emmaus (in Trier und Gotha). 67) Christus bricht zuEmmaus das
Brot (ebenso). 68) Christus erscheint den Aposteln und isset vor ihnen (in
Trier). 69) Der ungläubige Thomas. 70) Christus erscheint am galiläischen
Meer (in Trier). 71) Das harte Herz der Jünger (in Bremen). 72) Die Sendung
der Apostel (in Trier). 73) Die HimmelfiEthrt. 74) Das Pfingstwunder.
75) Die Bekehrung der Heiden. — Bildliche Darstellungen der Gleichnisse Jesu
finden sich nur in den beiden Evangelienbüchern zu Gotha und Bremen, und
zwar : Die Arbeiter im Weinberge (in Gotha 6, in Bremen 4 Bilder), das grofse
Abendmahl (in Gotha 3, in Bremen 5 Bilder), der barmherzige Samariter (zu
Bremen in 2 Bildern), der reiche Mann und der arme Lazarus (in Gotha 3,
in Bremen 4 Bilder).
IV. Die neutestamentlicben Bilder der Bernwardseäule zu Hiideslieinfi
zwischen 1006— 1022. ^
1) Die Taufe Jesu. 2) Die (erste) Versuchung. 3) Die Berufung dea
Petrus und Andreas. 4) Die Berufung der beiden Söhne Zebedäi. 5) Die
Hochzeit zu Eana. 6) Eine Heilung, wahrscheinlich die des Aussätzigen.
7) Die Berufung oder Sendung der Zwölf. 8) Christus und die Samariterin.
9) Johannes d. T. straft Herodes und Herodias. 10) Er wird aus dem Kerker
gezogen zur Enthauptung. 11) Das Geburtstagsmahl des Herodes. 12) Die
Bitte des Jairus und das blutflüssige Weib. 13) Die Heilung eines Blinden.
14) Die Ehebrecherin. 15) Der Jüngling zuNain. 16) Die Verklärung Christi.
17) Christus im Gespräch mit Schriftgelehrten und Pharisäern.* 18) Der reiche
Mann und Lazarus. 19) Dieser in Abrahams Schofs, jener in der Hölle.
20) Zachäus auf dem Maulbeerbaume. 21) Die Verfluchung des Feigenbaumes.
22) Die Heilung der beiden Blinden. 23) Christus wandelt auf dem Meere.
24) Die Speisung der Fünftausend. 25) Die trauernden Schwestern des Laza-
' Wiecker, E. 0., die Bemwardssäule. 1874.
' Andere haben diese Darstellung offenbar irrig für den Bangstreit der Jünger er-
klärt, und Wiecker sieht sogar unoegreiflicherweise dann die Bitte des Vaters um
Heilung des mondsüchtigen Knaben (Matth. 17, 14), was in keiner Weise pa&t.
Biblische Bilderkreise. 547
rus begegnen dem Herrn. 26) Die Auferweckung des Lazarus. 27) Die Sal-
bung des Herrn. 28) Der Palmeneinzug. Auf dem 1545 eingeschmolzenen
Kapital der Säule stand ein Crucifixus.
V. Die neutestamentllchen Bilder des Evangeliare zu AschalTenburg
gegen 1200.^
An die Darstellung der 4 Evangelisten mit den 4 Paradiesesflüssen und
zweien Cherubim auf Flügelrädern reihen sich 35 evangelische Scenen : 1) Die
Geburt Ciiristi. 2) Die Anbetung der Weisen. 3) Die Magier, in einem Bette
ruhend y erhalten von dem Engel den Befehl, nicht wieder zu Herodes zurück-
zukehren. 4) Die Flucht nach Ägypten. 5) Der Kindermord. 6) Die Rückkehr
aus Ägypten. 7) Die Taufe Christi. 8) Die Bergpredigt. 9) Die Heilung des
Aussätzigen. 10) Die Austreibung der Teufel. 11) Salome tanzt bei dem Gast-
mahl des Herodes auf den Händen. 12) Enthauptung und Bestattung Johannes
des Täufers. 13) Petrus geht auf dem Meere. 14) Der Fisch mit dem Stater.
15) Christus segnet die Kindlein. 16) Die Mutter der Söhne Zebedäi. 17) Der
Palmeneinzug. 18) Die Vertreibung der Verkäufer aus dem Tempel. 19) Die
Kreuzigung. 20) Die Abnahme vom Kreuze. 21) Die Grablegung. 22) Die
Auferstehung. 23) Christus offenbart sich den Elfen. 24) Die Aussendung
der Jünger. 25) Die Himmelfahrt des Herrn. — Die folgenden Bilder zur Illu-
stration des Ev. Johannis: 26) Die Hochzeit zu Kana. 27) Christus und die
Samariterin. 28) Der Königische von Kapemaum. 29) Der 38jährige Kranke.
30) Die Speisung der 5000 Mann. 31) Die Heilung des Blindgeborenen.
32) Die Erweckung des Lazarus. 33) DieFufswaschung. 34) Christi Rede zu
den Jüngern nach dem Abendmahl. 35) Die Ausgiefsung des Geistes.
VI. Die biblischen Geschichten auf dem Zittauer Hungertuche
von 1472 zu Dresden.'
Hier findet sich eine der reichsten überhaupt vorkommenden Bilderfolgen
in zweimal 45 alt- und neutestamentllchen Darstellungen ; letztere sind in der
Geburtsgeschichte der Maria durch 5 Vorgänge nach dem apoki^. Protevange-
lium Jacobi ergänzt. ^ Die ErschafiFung des Himmels und der Erde, der vier
Elemente, von Tag und Nacht, der Sonne und des Mondes, der Vögel und
Fische, des Menschen und der Tiere, der Eva. Die Einsetzung des Feiertages.
Der Betrug der Schlange. Die Vertreibung aus dem Paradiese. Adam gräbt
und Eva spinnt. Eva bekommt zwei Kinder. Die Opfer Kains und Abels. Der
Brudermord. Noah empfängt den Befehl zur Erbauung der Arche; diese
schwimmt auf dem Wasser; Noah opfert die Vögel; Gott giebt den Regenbogen ;
Hams Verspottung seines Vaters. Nimrod baut den Turm zu Babel. Abraham
und Melchisedek. Die drei Engel bei Abraham. Der Untergang von Sodom
und Gomorrha. Das tote Meer. Abrahams Opfer. Isaak freit die Rebekka.
* S. oben S. 181 ; vergl. Waagen, Kunstw. u. Künstler in Deutschi. I, 376 ff. Den
Cyklus des etwa gleichzeitigen Verduner Altars zu Klosterneuburg s. oben S. 607 f.
2 Vergl. S. 387.
^ Die reichste Folge neutestamentlicher und legendarischer Scenen aus dem Leben
der Maria, Jesu und aer Apostel enthält der Zinnaer Marienpsalter s. oben S. 509.
35*
548 Biblische Bilderkreise.
Abraham stirbt Esau verkauft seine Erstgeburt. Isaak segnet Jakob, auch den
Esau. Die Himmelsleiter. Jakob läfst den Engel nicht gern von sich gehen.
Die Brüder werfen Joseph in die Cisterne ; sie bringen dem Vater das blutige
Kleid. Sie verkaufen Joseph ; sie kommen zu ihm nach Ägypten. Die Auf-
lesung des Hinmeisbrotes in der Wüste ; der Fang der Wachteln. Moses em-
pfängt die zehn Gebote. Das goldene Kalb. Dathan und Abiram. Die feurigen
Schlangen. Die eherne Schlange. Das Wasser aus dem Kieselsteine. Josua
und Kaleb mit der Weintraube. — Der Hohepriester weist das Opfer des kinder-
losen Joachim zurück ; dieser geht zu den Hirten, wo ihm ein Engel die Geburt
einer Tochter verkündet; er trifft sein Weib Anna an der goldenen Pforte.
Die Geburt der Maria. Darstellung der Maria im Tempel. Die Verkündigung.
Die Heimsuchung. Die Geburt Christi. Die Anbetung der Könige. Die Dar-
stellung Jesu im Tempel. Der Aufbruch nach Ägypten. Der Kindermord.
Maria vertreibt die Götzen aus Ägypten. Der 12 jährige Jesus im Tempel.
Die Taufe Christi im Jordan. Die Versuchung. Die Hochzeit zu Kana.
Die Verklärung. Die Erweckung des Lazarus. Das Gastmahl bei Simon dem
Aussätzigen. Der Palmeneinzug. Die Tempelreinigung. Die letzte Oster-
lamms-Mahlzeit. Das Gebet am Ölberge. Die Gefangennehmung. Christus vor
Annas, wird in der Nacht jämmerlich geschlagen, vor Pilatus gebracht, von
Herodes verhört, unter Pilatus gegeifselt, verspottet, den Juden gezeigt. Pi-
latus wäscht sich die Hände. Die Kreuztragung. Die Kreuzigung. Die Ab-
nahme vom Kreuze. Die Grablegung. Die Höllenfahrt. Die Auferstehung.
Die drei Marien gehen nach dem Grabe. Das Noli me tangere. Der ungläubige
Thomas. Die Himmelfahrt. Die Ausgiefsung des h. Geistes. Das jüngste
Gericht.
VII. Die biblischen Reliefs an den Emporen der Annakirche
zu Annaberg von 1525. <
Die reichste Folge von Skulpturen aus der heil. Geschichte, die man kennt :
I) Die Erschaffung der Welt. 2) Die Erschaffung der ersten Menschen.
3) Adam und Eva, ins Paradies gesetzt. 4) Der Sündenfall. 5) Die Vertreibung
aus dem Paradiese. 6) Adam und Eva bei der Arbeit. 7) Kains Brudermord.
8) Der Engel verkündigt dem Joachim die Geburt der Maria. 9) Joachim und
Anna an der goldenen Pforte. 10) Die Darstellung der Maria im Tempel.
II) Die Verkündigung Maria. 12) Die Heimsuchung. 13) Die Geburt Jesu.
14) Die Beschneidung. 15) Die Anbetung der Könige. IG) Die Darstellung
im Tempel. 17) Die Flucht nach Ägypten. 18) Der im Tempel lehrende Jesus-
knabe. 19) Die Taufe Christi. 20) Die Versuchung. 21) Die Hochzeit zu
Kana. 22) Die Verklärung Christi. 23) Die Auferweckung des Lazarus.
24) Der Palmeneinzug. 25) Christus verkündigt sein Leiden. 26) Das Abend-
mahl. 27) Die Fufswaschung. 28) Das Gebet am Ölberg. 29) Der Judaskufs.
30) Christus vor Annas. 31) Christus vor Kaiphas. 32) Christus vor Pilatus.
33) Christus vor Herodes. 34) Die Geifselung. 35) Die Domenkrönung.
36) Der Ecce Homo. 37) Die Kreuztragung. 38) Die Kreuzerrichtung.
39) Christus am Kreuze. 40) Die Abnahme vom Kreuze. 41) Die Beweinung
Christi. 42) Die Grablegung. 43) Die Niederfahrt zur Hölle. 44) Die Auf-
' Vergl. Waagen, a. a. 0., 31 ff.
ApostolicuDi und Dekalog. 549
erstehung. 45) Der Auferstandene offenbart sich seiner Mutter. 46) Die drei
Marien auf dem Wege zum Grabe. 47) Der Engel am Grabe. 48) Das Noli
me tangere. 49) Christus eracheint dem Petrus. 50) Die Emahuntischen Jünger.
51) Der Herr offenbart sich den Elfen. 52) Der ungläubige Thomas. 53) Der
Auferstandene am See Genezareth. 54) Die Himmelfahrt. 55) Die Ausgiefsung
des Geistes. 56) Der Ausgang der Apostel. 57) Der Tod Maria. 58) Die Be-
stattung der Maria. 59) Die Salbung ihrer Leiche. 60) Die Steinigung des
Stephanus. 61) Die Bekehrung Pauli. 62) Die Kreuzigung Petri. 63) Die
Enthauptung Pauli. 64) Die Kreuzigung des Andreas. 65) Die Enthauptung
des Jacobus major. 66) Die Vergiftung des Evangelisten Johannes. 68) Die
Schindung des Bartholomäus. 68) Die Steinigung Philippi. 69) Jacobus minor,
mit dem Walkerbaume erschlagen. 70) Simon wird zersägt. 71) Judas Thad-
däus, mit Keulen erschlagen. 72) Thomas wird gespiefst. 73) Matthias wird
mit dem Fallbeil enthauptet. 74) Matthäus wird mit der Axt getötet. 75) Die
Enthauptung Johannes des Täufers. 76) Die Seligen. 77) Christus als Welt-
richter. 78) Die Verdammten.
Anmerkung 3. Die Darstellungen des apostolischen Symbolums und
des mosaischen Dekalogs, welche man, erstere schon aus dem früheren, letztere
besonders aus dem späteren Mittelalter in den Kirchen hin und wieder findet,
haben den didaktischen Zweck, das Volk mit dem Texte dieser katecheti-
schen Hauptstücke bekannt zu machen. Die Bilder, welche das apostolische
Glaubensbekenntnis zur Anschauung bringen (z.B. an einem roman. Tauf-
stein zu Neustadt a. M., an den 12 Pfeilern der Liebfrauenkirche zu Trier
in Wandmalereien des XV. Jahrb., ebenso zu Partenheim in der Pfalz und
zu Doli en st ein bei Eichstädt in Decken- und Wandgemälden, an geschnitzten
Altarflügeln in der Kirche zuWaltersdorf im Kr. Heiligenbeil), beziehen sich
auf die im IV. und V. Jahrb. zuerst erzählte Sage von der Entstehung dieses
Symbols durch die Apostel:^ letztere sind hier versammelt, und die einzelnen
unter ihnen sprechen jeder eine Phrase des Glaubensbekenntnisses aus, den
beigegebenen Spruchbändern zufolge (jedoch mit mancherlei Varianten) in
nachstehender Weise: Petrus: Credo in DeutUy patrem omnipotentem y crea-
torem coeli et terrae; Andreas: Et in Jesum Christum ^ ftlium ejus unicumy
Dominum nostrum; Jacobus Zebedäi: Qui conceptus est de Spiritu sanctOj
natus ex Maria virgine; Johannes: Passus süb Pontio Pilato, crucifixusy
mortuus et sepultus; Thomas: Descendit ad infema, tertia die resurr exit a
mortuis; Jacobus Alphäi: Ascendit ad coelos, sedet ad dexteram Deipatris
omräpotentis ; Philippus: Inde venturus est judicare vivos et mortuos ; Bar-
tholomäus: Credo in Spiritum sanctum; Matthäus: Sanctam ecclesiam
catholicam, sanctorum communionem; Simon: Remissionem peccatorum;
Judas Thaddäus: Camis resurr ectionem] Matthias: Et vitam aetemam,
— Die zehn Gebote werden entweder auf den von Moses gehaltenen Gesetz-
tafeln dargestellt (Dom zu Merseburg) oder in einer Reihenfolge frei erfun-
dener Bilder (Elisabethkirche zu Breslau [ehemals], Luthersammlung zu
Wittenberg, im Museum des Gr. Gartens zu Dresden, in der Georgskirche
' Vergl. Augustini, Serm. 115, in der Benediktiner Ausgabe. V, 280. — Fa-
bricii, Cod. apocr. N. T. m, 339. — Hahn, Bibliothek der Symbole, 26 ff. —
Quenebault, Dictionnaire iconogr., 344. — Schäfer, Malerhandbuch vom Berge
Athos, 299.
550 Heiligenbilder.
za DinkelsbUhl), in denen Beispiele vom Halten und Übertreten der Gebote
znr Ansch&uung gebr&cbt werden ; zuweilen ermsbnt ein Enget zum Gehorsam,
ein Teufel reizt zur Übertretung. Der Test des Dekaloga auf diesen Bildern
ist willkürlich behandelt : das siebente Gebot pflegt vor dem sechsten zu stehen,*
und in den beiden letzten Oebot«n ist die Reibenfolge nach V Mose 5, '21 die
gewöhnliche.
91. Heiligenbilder machen die Mehrzahl der in mittelalterlichen
Xirchen vorkommenden Bilder aus.
In jeder Kirche kehren die Abbildungen der Patrone, denen die Dictcese,
die Kirche etc. gewidmet war, besonders häufig wieder; der Ilauptpatron
der Kirche erscheint sehr oft Über dem westlichen Hauptportale derselben,
auf den Rückseiten vieler Altarfiagel , auf den Turmspitzen unter den Wind-
fahnen (z. B. 9t. Johann zu Köln und auf den Östlichen Türmen des
Domes von Merseburg, ehedem auf dem Strafsburger und projektiert
für den Ulmer HUnster) etc. Auf Votivdenkmaiem werden namentlich
solche Heilige dargestellt, welche die Schutzpatrone des Stifters oder Dona-
tors waren, im XY. und XVI. Jahrh. häufig in den PorträtzUgen der Dona-
toren und ihrer ÄngehSrigen, s. oben S. 462.
92. Die Bilder der Heiligen sind als solche an dem Nimbus kennt-
lich, welchen sie um das Haupt tragen.
Flg. IM. ChHWni, xm. Juhcb. Flg. »I. Chrlnui, ISOa. Flg. 190. Chrliioi, IMT.
Der Nimbus* (Glorie, Heiligenschein) kommt schon bei den alten
Hindus, Ägyptern, Griechen und Römern an Götter- und Heldenbildern in
Gestalt einer runden Scheibe um das Haupt vor. Vergil (Aen. U. 616) schil-
dert die Minerva als trümbo effvigens*, was der Schotiast Servius erklärt
von einem »fulviäum lumen, quod deorum capita tinguits In der christlichen
Kunst fand dieser heidnische Nimbus zuerst im Orient, etwas später auch
im Occident Aufnahme; als Bezeichnung des bimmlischeo Glanzes (npi:,
Sö^a, gloriä) der Gottheit und des Abglanzes derselben, in welchem die
Seligen wandeln. > Seit dem VI. Jahrb. war die Glorie nicht our als Attribut
' Vorgl. Oetfcken, J., der Bilderkatonhismus des XV. Jahrh. L Die 10 Gebote.
(Leipzig 1855). 77. — N. Mitt. Th.-S. V. V, I, 93 ff.; VI. 3, 127 ff.
' Didron. Iconographie, 26—165. — Vergl, Adelung, die korasiinBclien Thüren
zu Nowgorod, 61 ff. — Kunstbl. 1843, 113 t.
^ ^iradis giebt folgende Erld£niiig des Nimbus: Lumina, quae circa eaput
sancloratn in modum ciTCuli depitiguntwr , degignant quod lumine aetemi splen-
dorii eoTonati /ruunfur. Idcirco vero Momdum formam rotundi scuH ptngwUur,
quid divina pTOtectione tU sculo muniuntur. — Vend- Durandus L I. c. 3. n. 20.
— Didron, a. a 0., 280.
Nimbus. 551
der drei Personen der Gottheit, der Eogel and Heiligen allgemein tlblich,
sondern auch nach WOrde and Hoheit der dargestellten Personen durch ver-
schiedene Kennzeichen klassifi eiert. Bei den drei Personen der Gottheit ist
der Nimbus mit einem Kreuze bezeichnet, dessen Mittelpunkt und unterer
Arm von Kopf and Hals bedeckt sind, und die drei sichtbaren KreuzflOgel
werden bei den Griechen oft mit den Buchstaben o-a-r (ö äi-, qui est,
H Mose 3 , 14) bezeichnet. Statt des kreisförmigen Nimbus (oder auf dem-
selben) tragen Gott der Vater und Christus oft auch drei Lilien oder drei
Strahl enbUndel, die wie Radien von dem Kopfe ausgehen. Nach Didron
(a. a. 0-, 101 ff.) ist im allgemeinen' der Nimbus bis zum XH. Jafarh.
eine feine Kreisfläche oder Scheibe j im XH. und XHI. Jahrb. wird er dicker
nnd gröfser, weicht auch zuweilen von der Kreisform ab; im XIV. und XV.
verschwindet die Flache oft ganz, nnd es bleibt nur eine dünne Kreislinie
übrig, andererseits wird es auch Sitte, ihnen die Namen der Heiligen einzu-
schreiben und sie durch Schraffierungen, Facettierungen n. s. w, mannigfach
zn verzieren; am Ende des XV. nnd zu Anfang des XVI. Jahrb. wird die
Darstellung dea Nimbus sehr grob : der Heiligenschein gleicht nun einer
Kokarde oder runden Kappe ; doch bleibt in dieser Spätzeit (noch mehr in
der Renaissance) der Nimbus auch oft ganz weg, oder wird häufig zu einem
formlosen Lichtschein vergeistigt und verfluchtigt, der namentlich auch,
statt der altublichen sog. Mandorla (s. S. 480 N. 1} als ein Strahlenglanz
die ganze Figur der Salvator- und Marienbilder nmgiebt. — Zu bemerken
bleibt, dafs im früheren Mittelalter^ auch solche angesehene Personen, z.B.
Kaiser und Könige, welche nicht zu den kirchlichen Heiligen gehören,
zuweilen mit dem Nimbus dargestellt wurden, und dafs auf italienischen
Denkmillern auch lebende Personen mit einem, dann jedoch viereckigen
' Schon die wenicen obigen Beispiele (Fig. 295 — 299) beweisen, dafs es mit der
Didronschen Chronologie dos Nimbus nicht zu streng genommen werdpn darf: der
Muschelnimbus, wie bei der Plectmdis, IKTst sich das ganze Mittelalter hindurcb in
einzelnen Fällen nachweisen; dio Abweichung von der Eimdform. wie beim Salvator-
kopfe ans dem XIll. Jahrb., scheint allerdings namenlhch dieser Periode eigentümlich.
zu sein; Iwmerlienswert ist die Scheibenfomi hinter dem Kopfe des Paulus (aus dem
Magdeburger Domchor] und zu beachten auch die perspektivische Zeichnung des
Heihgenschems auf den Bronzethürvn von Hildesheim mn 101&. (S. z. B. oben S.
540, Fip. 290. Der liliennimbus Christi (wie Fig. 297) gehört wohl ausBchliefslich
dieser ^tzeit an.
• Doch auch noch z. B. auf seinem Grabsteine der Kanonikus Peter von Thure
(t 1281) im Dome zu Brandenburg.
552 Attribute und Symbole der Heiligen.
Heiligenscheiu um das Haupt vorkommen. Anderseits fehlt aber der Nimbus
zuweilen selbst den Kirchenheiligen, namentlich den alttestamentlichen. —
Da der Nimbus den Abglanz des himmlischen Lichtes bezeichnet, so kommt
ihm auf Gemälden insgemein die Farbe des Lichtes (Gold oder Gelb) zu,
doch findet er sich auch verschieden gefärbt, wobei zuweilen die verschie-
denen Farben eine bestimmte Bedeutung haben, wie wenn z. B. in dem
Hortus deliciarum der Herrad die Rangordnung der Heiligen durch die
Farben der Nimben unterschieden wird, indem bei den h. Jungfrauen, Apo-
steln, Märtyrern und Bekennern, wie bei Christus selbst, der Heiligenschein
golden ist, bei den Propheten und Patriarchen silbern, bei den Enthaltsamen
rot, bei den Ehelichen grün und bei den Büfsern gelblich. (Vergl. Didron,
a. a. 0., 168 f.)
93. Die Heiligen werden stets mit bestimmten Zeichen abgebildet,
die entweder Attribute, d. h. auf historische Momente aus ihrem Leben
bezüglich (Abzeichen ihres Standes, Erinnerungen an von ihnen verrich-
tete Wunder, oder besonders Instrumente ihres Märtyrertodes) oder Sym-
bole sind, d. h. Ausdruck irgend einer 'besonderen Tugend der Heiligen
oder von Lastern, die sie überwunden haben.
Durch die Attribute (resp. Symbole) kann man die einzelnen Heiligen
leicht und sicher erkennen und von einander unterscheiden, wobei jedoch
zu bemerken ist, dafs manchem Heiligen mehrere Attribute zukommen, von
denen indess gewöhnlich eines das üblichste ist; auch sind manche Attribute
mehreren Heiligen eigenttlmlich. Schwieriger ist die Deutung, wenn die
Heiligen in einzelnen Scenen ihres Lebens ohne ihre Attribute dargestellt
werden, wozu die Künstler in den Legendensammlungen des Mittelalters
reichen Stoff fanden ; als Hauptquellen sind neben der Aurea Legenda des
Dominikaners und Erzbischofs von Genua Jacobns de Voragine^ (f 1298)
die zahlreichen Ausgaben des Passionale^ etc. zu betrachten.
Anmerkung. Diejenigen Verstorbenen, welche von der Kirche verehrt
werden, sind (nach Petrus de Natalibus 1. c. 1. 3. c. 228) entweder Hei-
lige (sancti), d. h. solche, die ohne der Läuterung durch das Fegefeuer zu
bedürfen, unmittelbar mit dem Tode in den Himmel kommen; oder Selige
(beati)y d. h. solche, die erst, nachdem sie einige Zeit im Purgatorium zuge-
bracht haben, zur ewigen Herrlichkeit eingehen; doch wird diese Distinktion
nicht überall streng beobachtet. — Märtyrer sind diejenigen, welche um der
* Le^'oda sanctorum per anni circuitum venientium; erste Ausgabe unter dem
Titel: Historia Lombardica, Niimberg 1476 von Joh. Sensenschmidt und Andreas
Friesner de Bunsiedel; dann als Vita Sanctorum Patrum, Nürnberg 147S von Anton
Koberger; reo. Grässe, Dresd. et Lipsiae 1846.
* Falck, Druckkunst im Dienste der Kirche, 83 ff. zählt bis 1521 nicht weniger
als 45 verschiedene deutsche Ausgaben auf; die älteste datierte ist 1471 — 72 zu Augs-
burg von Güntiier Zainer gedruckt, die wichtigste 148S zu Nürnberg durch Anton Ko-
berger mit 262 kolorierten Holzschnitten von Wohlgemuth. — Vergl. auch: Petrus
de Natalibus (Bischof von Equilia um 1372), Catalogus Sanctorum et gestorum
eorum, ex diversis voluminibus collectus. Lugduni 1514. (In der Vorrede eine Über-
sicht der dem Verfasser bekannten Legendenbücher.)
Verzeichnis der Heiligen. 553
göttlichen Wahrheit willen gewaltsamen Tod leiden; Bekennet (Confessores,
im mittelalterlichen Deutsch Beichtiger) die, welche ein Bekenntnis der
Wahrheit ablegen, ohne deshalb den Tod zu leiden. Nicht der gewaltsame
Tod eines Heiligen macht ihn zum Märtyrer , sondern die Ursache des Todes.
(»Märtyrern non facit poena, sed causa.<0 So ist z. B. der gute Schacher Dis-
mas, der zur Rechten Jesu am Kreuze starb, zwar ein heiliger Bekenuer, aber
kein Märtyrer. — Der weitläufige Kanonisationsprozefs der jetzigen Kirche hat
sich erst seit dem XVI. Jahrh. ausgebildet.
Alphabetisches Yerzeichnis
der auf dem deutschen Denknilergebiete haupteichlloh vorkommenden Heiligen
nebst Angabe Ihrer Attribute, Festtage, Patronate und wichtiger auf sie bezüglichen
Denkmäler.
Litteratnr. Der Heiligen Leben. Augsburg 1513; mit 130 flolzschnitten von
Hans Schau f feiein. — Hoi-tulus animae. Nürnberg 1516; m. Holzschn. von
Hans Springinklee. — Die österreichischen Heiligen; 119 Holzschnitte von
Hans Burgkmair 1515 — 1518. — Hortulus animae 1518; m. Holzschn. v.
L. Kran ach. — Sanctorum et martyiiim Icones quaedam artiüciosissimae.
Francof. apud Chr. Egenolphium; m. Holzschn. von H. S. Beham (?). —
Ludw. Raous von Memmingen, Der Heiligen auserwählten Gottoszeugen etc.
Straüjburg 1552; m. Holzschnitten. — Ausführliches Heiligen -Lexikon. Köln
und Frankfurt 1719. — Radowitz, J. v., Ikonographie der Heiligen (1834);
in vermehrter Auflage in des Verf. Gesammelten Schriften, I, 1—281. 1852.
— (Helmsdörfer,) Christi. Kunstsymbolik u. Dfonographie. Frankfurt a. M.
1839. — (vonMünchhauson, A.) Die Attribute der Ileüigen alphabetisch ge-
ordnet. Nebst einem Anhango über die Kleidung der kathoL Welt- und Ordens-
£Distlichen etc. Hannover 1843. — Husonbeth, F. C, Emblems of saints.
ondon 1850. — Beiträge zur Ikonologie. Innsbruck 1855. — Vergl. auch:
Alt, die Heiligenbilder; Kreuser, Bildnerbuch; und über die Darstellung der
Körperbildung der Heiligen, besonders über ihre Gesichtszüge: Zappert, Vita
b. retri Acotanti , 42 — 66. — Eckl, B., die berühmtesten Heiligen aer bilden-
den Kunst, im Org. f. ehr. K. 1868, No. 22 — 24. 1869, No. 1. 2. 4 — 11. 24.
1870, No. 19—24. 1872, No. 10—12, 17—19. — Wessely, J. E, Ikono-
graphie Gottes und der Heiligen 1874. ^- Fahr i eins, Bibliomeca antiquaria,
giebt ein Verzeichnis von Schutzheiligen (Opitulares) der Städte; eine Über-
sicht der Titularheiligen der Kirchen in der Altmark Brandenburg G. A. v.
Mülverstedt im XI V. Jahresbericht des Altmärk. Vereins für vaterländ. Gesch.
1864; dereelbe für das ehemalige Herzogtum Magdeburg in den Magdeburger Ge-
schichtsblättern, I — Vn. 1866 — 72, ferner in der Zeitschrift des Harzvereins,
Jahrgang I die Hierograpnia Mansfeldica, n Hier, (^uedlinburgensis, H — V und
XII Hier. Halberstadensis ; ebendaselbst Jahrg. XII E. Jacobs eine Hierogr.
Wemigerodensis; und von Mülverstedt in den Mitt. d. Ver. f. Gesch. u. Altert,
von Eniu-t, Heft HI, 1867 eine Hier. Erfordensis. — Die Feste sind dem römi-
schen Kalender entsprechend hauptsächlich nach A. Pilgram, Calendarium
chronologicum , 199 sqq. angegeben, und nach den Registern in Pott hast,
Supplement, 187 — 258 und Grotefend, Chronologie, 103 ff. vervollständigt und
berichtigt. Vergl. auch Neues. Nie, Calendarium manuale utriusque ecclesiae
Orient, et occid. Innsbr. 1880 f. U Tle. — Als Legendensammlung: Surius, L.,
Vitae Sanctorum. Col. 1570. 6 Bde.; die umfassendste kirchl. Legendensamm-
lung aber lieferten die sogen. Bollandisten in ihren unter dem Titel »Acta
Sanctorum« zu Venedig 1643 — 1794 (besser Antweri)en 1680 bis 1701) erechie-
neuen 53 Folianten. Dieselben sind neuerdings fortgesetzt und bis Bd. 60 (Ok-
tober XH) 1867 ei-schienen; Bd. 61 (Oktober XHI, Schluls) sollte noch 1882
554 Verzeichnis
erscheinen und November I ist in Arbeit. Ein vollständiges Inhaltsverzeichnis
dazu ist Potthast, Aug., Bibliotheca historia medii aevi. Berlin 1862, mit
Supplement 1868. Vergl. die Artikel »Acta martyrum« in Herzog-Plitt,
Real - Encyklopädie. I, 121 ff. und «Legendec daselbst, VIII, 527.
Aohatins (Acacius)y Feldherr, der mit 10000 christlichen Kriegern unter
Hadrian beim Berge Ararat den Märtyrertod erlitt 22. Juni. Liegt mit seiner
Schar tot auf dem Felde; auch mit einem Dornenast in der Hand; einer der
14 Nothelfer.
Adalbert, Bischof von Prag, Apostel der Ungarn, Polen und Preufsen,
wurde bei Fischhansen von einem heidnischen Priester mit einer Lanze durch-
bohrt und von dem Volke mit Keulen getötet; er wird deshalb mit Lanze und
Keule dargestellt. Patron der Bistümer Lebus, Erm- und Samland und von
Lambach in O.-Östr. t 997. 23. April. Translatio« 25. Aug.; 26. Aug. in
Breslau ; 20. Okt. in Gnesen und Krakau ; in Ungarn fällt das Fest auf den
6. Nov.
Adelheid, zweite Gemahlin Ottos I., als Kaiserin, t 999. 16. (17.)
December.
Adelindis, Äbtissin in Buchau ca. 900. — 28. August.
Adeloch, Bischof von Strafsburg t 822. Sein Sarkophag in St. Thomas
daselbst.
Adelphos, angeblich Bischof von Metz im III. Jahrh. Patron in Neuwei-
ler im Elsafs. Daselbst in St. Petri und Pauli sein Grabdenkmal aus dem XIV.
Jahrh. und seine Legende auf Teppichen. Seine vita (von Wimpheling) ge-
druckt mit Holzschnitten zu Strafsburg 1506. — 29. August.
Acyntor, einer von den 14 Nothelfern; Mönch mit Kette, t um 1130.
— 30. April.
Adolar mit einem Hunde, 743 — 755 erster und einziger Bischof von
Erfurt, Gefährte des Bonifatius, mit ihm zusammen Märtyrer. Hat mit Eoban
zusammen eine Kapelle im Dome zu Erfurt, sein prachtvoller Schrein von
1477 daselbst ist bereits 1521 eingeschmolzen. — 21. April.
Adrian, als Ritter und Märtyrer mit Palme und Schwert, auch mit einem
Ambofs und Hammer ohne Hände und Fttfse. Patron von Lammesspring.
t 290. 8. Sept. (in Brandenburg 18. Sept.).
Aegidia8(5^. Gilles, St. Gilgen)^ einer der 14 Nothelfer, als Einsiedler oder
Abt. Jäger, die eine angeschossene Hirschkuh (Attribut des Heiligen) ver-
' Da.s Fest eines Heiligen fällt in der Regel auf den Todestag (dies natalis;
Geburtstag in der besseren Welt) desselben; oft ist jedoch auch die Erhebung (ele-
ratio) der Gebeine von dem Orte des ursprünglichen Begräbnisses {depositio)^ oder
die Versetzung (translatio) derselben von dem Orte der elevcUio an einen andern,
Gegenstand einer besonderen kirchlichen Jahi*esfeier. Die elevatio in dem angegebenen
Sinne kann nur einmal stattfinden, Translationen eines und desselben Heiligen an ver-
schiedene Orte kommen öfter vor; es wird jedoch unter elevatio auch die bei beson-
deren Gelegenheiten wiederholentlich stattfindende Herausnahme der Reliquien behufs
ihrer Recognition oder Vorzeigung und Verehrung verstanden. Auch der adventus
reliquiarutn wurde gefeiert. In den verschiedenen Gegenden und Orten Deutschlands
welches Grotefend, a. a. 0. gegeben hat, ist bei weitem nicht vollständig.
der Heiligen. 555
folgten, entdeckten ihn in einer Einöde an der Rhone. Patron von Jülich und
Osnabrück — gegen weibliche Unfruchtbarkeit, t 1. Sept. (Gilgentag) 722
oder 725 als Abt des von ihm gegründeten Klosters St. Gilles bei Arles. Die
älteste Aegidienkirche in Deutschland ist die Klosterkirche dieses Namens in
Braunschweig, gegr. 1112 von Gertrud, Schwiegermutter des Kaisers Lothar,
welche nach 1115 die Gebeine des Heiligen aus Frankreich holte. Dadurch,
dafs Heinrich Woltorp, Abt dieses Klosters, 1172 Bischof von Lübeck wurde,
erhielt auch letzteres eine Aegidienkirche.
AemilianoB, 8, Febr. Sein Martyrium (sollte an einen Ölbaum gebunden
enthauptet werden, das Schwert des Henkers bog sich aber um, als wäre es
von Wachs) unter den Deckengemälden zu Brauweiler.
Afra, leidet, an einen Baum gebunden, den Feuertod. Patronin von Augs-
burg und eines Klosters in Meifsen, Fürsprecherin reuiger Dirnen (weil sie
früher von ihrer Mutter zu unzüchtigem Wandel war angehalten worden). 1 304.
5. (7.) Aug.; kanonisiert 1064; ihre conversio 26. Oktob. (Augsburg). —
(Vergl. F. W. Rettberg, Kirchengesch. Deutschlands, I, 144—149; flerzog-Plitt,
Real-Enc, I, 206).
Agapitoa, Diakon mit dem Manipel, Löwe zu seinen Füfsen (M)* Patron
von Kremsmünster. 18. August.
Agatha, mit der Zange (Schere), womit ihr die Brüste abgerissen wur-
den, und dem Kohlenbecken (M); Patronin der Mal theser, der Brüste und
gegen Feuersbrünste. 5. Febr. (Actentag, Aitentag.)
Agilolf, Erzbischof von Köln, mit einem Falken (der zum Zeugnis seiner
Heiligkeit zu singen anhub). t 717. 9. Juli.
Agnes, Jungfrau mit dem Lamme, als dessen Braut sie sich betrachtete
(ursprünglich vielleicht auch wegen der Ähnlichkeit von Agnes und agnus).
t zu Rom 304. 21. Januar (nach der Gelasianischen) oder 28. Januar (nach
der Gregorianischen Liturgie).
Agnes von Böhmen, Tochter des Königs Przemysl Ottokar, Äbtissin des
Agnesklosters zu Prag, t 1282. 6. März.
Agnes von Baiern, Tochter Kaiser Ludwigs des Baiern, umarmt am Altare
eine Monstranz, t 1352. 11. November.
AlbanoB, als Bischof mit einem Seh w ert (M), trägt seinen Kopf, den ihm
die Hunnen zu Mainz abgeschlagen, in der Hand. Patron von Mainz und Win-
terthur, auch in Köln, f 301, nach anderen 406. — 21. Juni.
Albertus Magnus, Bischof von Regensburg, Dominikanermönch, mit einem
Buche, t 1280. 16. Okt.; bei seiner Beatifikation im J. 1622 wurde das
Fest auf 15. Nov. angesetzt. Sein Schrein und seine angebliche Kasel in St.
Andreas zu Köln.
Albinas {Albumus)^ Bischof von Brixen. t 1006. 5. Februar. — Ein
anderer Albinus, Bischof von Angers, t 549. 1. März; ist Patron der Ge-
fangenen, auch der Landlente in Viehangelegenheiten wie St. Leonhard.
Alezander, Märtyrer, römischer Krieger mit Opferaltar zur Seite (den
er in Gegenwart des Kaisers umgestofsen). Patron von Freiburg i. B. 26. Au-
gust. — AI. I. Papst, mit Schwert (M) t 117 (?). 3. Mai. Patron von Mar-
' Der Buchstabe (M) bedeutet, dafs sich das Attribut auf die Marter des Heiliger
bezieht.
556 Verzeichnis
bach in Württemberg. — AI., einer der sieben Brüder (s. das.), ist Patron zu
Eimbeck und Wildeshausen. — Heilige dieses Namens kommen 33 vor.
Alezius, mit dem Pilgerstabe ; als Einsiedler neben einer Kirche, t ca.
400. 17. Februar. Elevatio zu Rom 1216. Nach der Legende lebte er jahre-
lang unter der Stiege seines Vaterhauses ; so ist er dargestellt unter der Stein-
treppe des Sakramenthauses zu Donauwörth. Seine Legende ausführlich in
der Karmeliterkirche zu Boppard.
Aller Heiligen, l.Nov. Auf den allen Heiligen gewidmeten Altartafeln
pflegt die Dreifaltigkeit dargestellt zu sein, umgeben von Engeln und einer
grofsen Schar von Heiligen aller Art, und zwar gewöhnlich nach folgender
Rangordnung: zuerst Maria als die Königin der Heiligen und Johannes der
Täufer als der Vorläufer Christi, dann Patriarchen, Propheten, Apostel, Mär-
tyrer, Bekenner, Mönche, Einsiedler, Jungfrauen, Witwen, Büfser, endlich
allerhand Conjugati, unter denen Könige, gerechte Richter undMilites, welche
für die Kirche gekämpft haben, besonders hervorgehoben werden.
Aller Seelen, 2. November.
Altho, schottischer Prinz, Gründer von Althomünster in Oberbayern, fällt
die Bäume dazu mit einer Holzsäge und Vögel tragen sie fort (Holzschn. von
ca. 1500 in der CoUectio Weigeliana No. 66). t 770. 9. Februar.
Amalberga {Amalia)^ fränkische Prinzessin, Gründerin des Klosters Ta-
misia in Flandern, trägt ein Kirchenmodell im Arme oder hält einen Fisch.
Kompatronin der St. Katharinenkirche in Brandenburg a. H., wo ihre Le-
gende ausführlich am Hochaltare. 10. Juli, in Brandenburg 26. September. —
Eine andere Amalberga, \Vitwe, Mutter der h. Gudula, hat ebenfalls den 10. Juli.
Amandas, Bischof von Maestricht, predigte in der Gascogne. Patron in
Urach, t 25. Januar 675 (die Angaben schwanken zwischen 661 — 684).
6. Februar. — Aufserdem giebt es einen h. Bischof von Strafsburg und einen
von Worms dieses Namens, die beide am 26. Oktober gefeiert werden, aber
historisch nicht nachweisbar sind.
Amarin {Marinus)^ Abt aus der Auvergne, der im VII. Jahrh. im Elsafs
predigte und als Einsiedler lebte und von dem Bischof Praejeetos {St Pnx)
von Clermont krank angetroffen und geheilt wurde. Beide sind Patrone von
St. Amarin im Kreise Thann ; der letztere hat auch eine Kapelle auf dem
Britzgyberge bei lUfurt im Kreise Altkirch. 25. Januar.
Ambrosins, Erzbischof von Mailand, Kirchenlehrer; mit einem Bienen-
korb zur Seite und einer Geifsel in der Hand (weil er dem Kaiser Theodosius
den Eintritt in die Kirche verwehrte). Patron der Gänse, t 397. 4. April.
Ordinatio 7. December.
Amor, erster Abt des nach ihm genannten Amorbach, t um 767. 17. Au-
gust. In der Nähe von Amorbach der Amorsbrunn, Kapelle über einer einst
dem Thor geweihten Quelle.
Anastasia, Jungfrau ; Brüste ihr mit der Zange ausgerissen wie Agatha,
Scheiterhaufen, f 304. 25. December (in Brandenburg 15. Januar, Pader-
born 22. Januar).
Anastasinsl., Papst 398 — 403. Kompatron von Gandersheim. 27. April.
Andreas. S. Apostel.
Anna, die Mutter der heil. Jungfrau, matronenhaft, die Maria auf dem
Arme tragend oder lehrt das Mägdlein lesen oder beten; sie wird häufig selb
der Heiligen.
557
dritt (mefterciä) dargestellt, d. h. mit Maria und Jesus auf den Armen und
zwar entweder mit Maria auf dem einen und Jesus auf dem anderen Arm, oder
die trägt Maria, welche wiederum Jesus auf dem Arme trägt, oder sonst mit
beiden zu einer Gruppe vereinigt. Patronin von Braunschweig — der Stall-
knechte, gegen Armut, zum Wiederfinden verlorener Sachen. 26. Juli. — Der
Kultus der h. Anna, der in England 1378, in Dänemark 1425 eingeführt wurde,
kam in Deutschland erst gegen P^nde des XV. Jahrb. in Mode. Nach seiner
Rückkehr von der Pilgerfahrt nach dem li. Lande liefs Kurfürst Friedrich der
Weise Münzen prägen mit der Legende: Hilf Sancta Anna, und erwirkte von
P. Alexander II. 1494 ein Breve, um in seinem Lande dieser Heiligen einen
Festtag zu feiern, den höchsten Kirchenfesten gleich, wodurch dieselbe sehr
an Beliebtheit zunahm. Ein dem entsprechendes Ablafsbild mit Gebet gegen
die Pest von 1494 findet sich in den Holzschn. des Germ. Mus. Taf. 14G. Ihre
Legende mit Holzschnitten wurde gedruckt 1500 und 1509 zu Strafsburg,
1507 zu Braunschweig, 1510 zu Augsburg, 1519 zu Köln. — Nach der ge-
wöhnlichen Legende heiratete sie nach einander drei Männer, von denen sie
drei Töchter mit Namen Maria hatte, wie dies in der Inschrift des Wohlgemuth-
schen Altars in der Marienkirche zu Zwickau (vergl. Job. Gerson opp.III, 59)
ausgedrückt ist :
Anna solet dici tres concepisse Marias ^
[Juas genuere viri Joachim j Cleophas, Salomoque, •
Has duxere viri Joseph y Alpheus, Zebedaeus.
Prima parit Christum y Jacohvm secunda minorem.
Et Joseph justum peperit cum Symone Judam,
Tertia majorem Jacohum fratremque Johannem.
Dies gab Veranlassung zu den im letzten Viertel des XV. und Anfang des XVI.
Jahrb. (namentlich auch als Gelegenheit zur Porträtierung der ganzen Familien
der Stifter unter dem Vorwande der Heiligen) aufserordeutlich beliebten Dar-
stellungen der heiligen Sippe, die in mehr oder minderer Vollständigkeit die
gesamte Verwandtschaft der Maria zur Anschauung bringen , in der Regel die
übrigen Mütter um Maria und Anna, die mit dem Jesuskinde zu thun haben,
in irgend einer Unterhaltung geschart, die Männer hinter ihnen stehend und
zusehend, die Kinder meist schon mit ihren späteren Heiligenattributen im
Vordergrunde spielend. Die Genealogie ist in den Namen nicht überall völlig
übereinstimmend , gestaltet sich aber nach der Legenda aurea im wesentlichen
folgendermafsen :
Ysaschar
Term. m. Saiuina
Anna
venn&hlt mit
Esmeria (Hismena)
renn. m. Ephraim
Joachim
Maria
Jeiu
Kleophas
Salome
^(
Maria Kleophas Maria Salome Elisabeth Eliud
▼erm. m. Alptaaeas renn. m. Zebedaeus rerm. mit venn. mit
Zacharlaa Emerencia
JM«bifiii«r. Bintkii. SiiH. Jid«. JokiuMlr. Jic«buiaj«r. J«kuiM£apt. uii
(oder Joieph. verm. mit
Jostns) Memelia
558 Verzeichnis
Statt Isaschar und Susanna werden auch Stallanus und Emerencia genannt.
(Vergl. Schultz, Alw., Ikonogr. Studien über die Sippe der h. Jungfrau im Anz.
G. M. 1870, Sp. 813 ff. und Desselb. Legende vom Leben der Jgfr. M. etc. 1878.)
Anno {Hanno) y Erzbischof von Köln, t 1075. 4. December. Translatio
in Köln 29. ApriL Schrein in Siegburg.
Anselm von Canterbnry, Erzbischof. Maria mit Christus erscheint ihm.
Schiffsmoden, t 1109. 21. April.
Ansgarias, Erzbischof von Hamburg, Apostel der Dänen, sein Kleid Ist
mit Pelz verbrämt ; Patron von Hamburg und Bremen, t S65. 3. Febr. , ele-
vatio 9. Septbr. in Bremen.
Antonius der Einsiedler (auch der Aht oder Ant. Magnus genannt, po-
pulär Tones, St Thengen)^ mit dem ägyptischen Kreuz (T) und der Bett-
lerglocke oder Weihwedel, von Teufeln versucht, ein Schwein neben sicli,
häufig in einer Zelle lesend , Totenschädel neben sich auf dem Tische. Patron
der Schweine, gegen Pest, Rose etc. t 361. 17. Jan. (Yergl. Evelt, Julius,
die Verehrung des h. Anton Abbas im Mittelalter, in der Zeitschr. für vaterl. Gesch.
u. Altert. Westfalens, IV, 3. 1875.)
Antonius von Padua, Franziskaner, mit dem Lilienstengel, trägt das
Christuskind , oder dasselbe steht auf seinem Buche ; vor einer von ihm gehal-
tenen Hostie kniet das Maultier eines an das Altarsakrament nicht glaubenden
Häretikers nieder. Patron von Hildesheim, t 1231. 13. Juni. Translatio
(1340) 15. Februar.
Apollinaris, Bischof von Ravenna im I. Jahrb., mit der Keule. Patron zu
Burtscheid, Prag, Remagen und Sadzka, der Genitalien, gegen den Stein.
23. Juli.
Apollonia hält in einer glühenden Zange einen Zahn (M), an einem Al-
tare im Dome zu Brandenburg mit Handorgel. Patronin gegen Zahnweh,
t 250, 9. Febr. Sie ist wohl identisch mit der St. Polona, die bei Bollenberg
im Kr. Gebweiler eine Kirche hatte.
Die Apostel, wenn sie z. B. als Umgebung desSalvators oder anderweitig
nach dem Tode Jesu zusammen dargestellt werden, erscheinen stets zu zwölf
an der Zahl, wobei für den fehlenden Ischarioth regelmäfsig Paulus (oder auch
an Stelle des Judas Thaddaeus, wenn der seltene Matthias die Stelle des
Ischarioth einnimmt) substituiert ist. (Vergl. Eckl, B., die Apostel in der bild.
Kunst, im Org. f. ehr. K. 1871, No. 5 — 1872, No. 2; Lipsius, R. A., die apokr.
Ap.-Geschichten und Ap.-Legenden , I. 1883.) Seit dem Anfange des XIH. Jahrh.
etwa erhalten alle einzelnen Apostel ihre bestimmten Attribute. ^
Petrus, bejahrt mit kurzem, dickem, krausem, weifsem Barte und starker
Tonsur, die manchmal eine dreifache Reihe von Locken bildet, oder ganz
kahlem Scheitel, gewöhnlich mit blauer Tunika und gelbem Mantel, in späterer
Zeit vielfach mit der dreifachen Papstkrone, hält seit altchristlicher Zeit, wäh-
rend alle übrigen Apostel noch keine Attribute haben, einen Schlüssel in der
* Während noch auf dem roman. Taufsteine im Dome zu Merseburg und auf
dem aus dem Xm. Jahrh. stammenden Antependium zu Kombur^ die Apostel, mit
alleiniger Ausnahme des auf dem letztem Denkmale durch den Schlüssel ausgezeich-
neten retrus, nur mit Buch oder Schriftrolle dargestellt sind, erscheinen dieselben auf
den Bildern zu St. Ursula in Köln vom Jahre 1224 bereits mit einzelnen, jedoch nicht
überall dem späteren Typus entsprechenden Attributen.
der Heiligen. 559
Hand (zuweilen zwei nach Matt. 16 , 19, auch drei — weshalb?^ — in der
ältesten Zeit sind die Schlüssel sehr lang mit kleinem Bart ; vielfach — s. z. B.
den Stahlstich zu S. 175 — sind die Härte aus den lateinischen Buchstaben
seines Namens gebildet), zuweilen auch einen Fisch — im Wappen des Dom-
kapitels zu Regensburg z. B. steht er in einem Kahne, rechts den Schlüssel, links
den Fisch haltend. Er ist der Princeps Apostolorum und nach Walafried
Strabo (de S. Peti-o, apud Canis. Ant. lect. ü. 2, 256): Cloviger aeiherius, qui
portam pandit in aethra. Die ihm geweihten Kirchen sind gewöhnlich die älte-
sten des betr. Ortes. Patron von Bayern, Brabant, Bremen, Baden, Köln,
Hamburg, Osnabrück, Regensburg, Worms etc. Petri Kettenfeier (ad vincula)
1. Aug.; Stuhlfeier, ad cathedram Romae 18. Jan., Antiochiae (St. Peterstag
im Lentzen) 22. Febr. Seine Legende z. B. in den Glasgemälden aus der Burg-
kirche in St. Marien zu Lübeck.
Paulus, mit langem Gesicht, hoher Stirn, dunklem Haar und langem Bart,
blauer Tunika und weifsem Mantel, hält ein Schwert (M), zuweilen auch
zwei (als Parallele zu den zwei Schlüsseln Petri, oder das zweite als Schwert
des Geistes nach Eph. 6 , 1 7 zu deuten ; bei Herradis mit einem Wolfe (vor)
und einem Lamme (nach der Bekehrung) , an den ehernen Thüren von St. Peter
in Rom mit dem vas electionis nach Actor. 9, 15 (Abb. Ciampini, vet. mon.,
Taf. 19). Patron von Münster etc., der Theologen, gegen Hagel. Die Darstel-
lung des Paulus mit Schwert und Buch erklärt Durandus, 1. 1 c. 3 n. 16 durch
den Vers: Mucro furor Pauli y Über est conversio SauH. Pauli Bekehrung
(conversio) 25. Jan.; Gedächtnis (commemoratio) 30. Juni. — Die beiden
grofsen Apostel Petrus und Paulus, schon in den Katakomben zu beiden
Seiten Christi dargestellt, haben den 29. Juni als gemeinsames Fest und er-
scheinen oft zusammen als Patrone einer Diöcese, Kirche etc., z.B. von Naum-
burg und Osnabrück etc. — Der Paulinische Trank , auch Trank des h. Paulus
genannt, ein im Mittelalter allgemein bekanntes narkotisches Heilmittel, wird
auf I Timoth. 5, 23 bezogen.
Andreas in älterer Zeit mit dem gewöhnlichen, später mit dem Y förmigen,
zuletzt allgemein mit dem schrägen Balkenkreuze x (M). Von diesem
Apostel giebt Durandus l. 7 c. 38 n. 1 folgende Personbeschreibung : S. An*
dreas niger fuit colore, barba prolixa, statura mediocris; mit dem zu beach-
tenden Bemerken: Hoc ideo dicitur^ ut sciatur, qualiter in ecclesia debet
depingi: quod de unoquoque apostolorum etaliorum multorum sanctorum seien-
dum esset. Er wird auch als Sanctorum mitissimus bezeichnet. Patron von
Rufsland, Schottland, Burgund, Minden, Holstein, gegen alte Weiber etc.
30. November. Ti'anslatio 9. Mai in Mainz, 11. Mai in Magdeburg u. Halber-
stadt. (Vergl. die Acta Andreae bei Lipsius, a. a. 0., I, 543 — 622.)
Simon mit der Säge (M) 19. April und Judas Thaddaeus mit der Keule
(aber auch mit Säge oder Hellebarde) 19. Juni, nach der einen Tradition die
(von Matthaeus als Brüder des Herrn genannten) Söhne des Alphaeus (s. S. 557),
nach anderer zu den Hirten von Bethlehem gehörig, daher als Greise darge-
^ Ciampini (Yet. monim. I, 274) bezieht den dritten Schlüssel auf die zum
geistlichen Amte erforderliche weltliche Autorität oder auf die Macht Dispensationen
zu erteilen; Eckl, die drei auf die Schlüsselgewalt im Himmel, auf Erden und in
der Hölle.
560 Verzeichnis
stellt, haben am 28. Oktober gemeinschaftliches Fest , kommen auch zusammen
als Patrone vor, z. B. in Goslar.
Jacobus der Altere im Pilgerkleide der Wallfahrer nach Santjago de
Oompostella, d. h. Rock mit langem Kragen, Stab mit Reisetasche und Was-
serflasche und Pilgermuschel auf der Brust oder am Hut, oder mit Schwert
(M). 2«5. Juli. In Spanien heifst er Matamoros^ der Mohrentöter, weil er in
der Schlacht bei Clarijo 845 auf weifsem Pferd mit weifser Fahne erscheinend
den Sieg verlieh ; so wird er auch auf spanischen Gemälden und auf den Pil-
germedaillen von Compostella, dem Hauptziele der mittelalterlichen Wallfahr-
ten, dargestellt.
Johannes, nach der Legende der Bräutigam von der Hochzeit zu Kana, der,
als er das Wunder gesehen, sein junges Weib verliefs und dem Herrn nach-
folgte, jung, bartlos mit langem, lichtem, krausem Haar in rotem Mantel mit
blauer oder grüner Tunika, als Evangelist mit dem Adler, sonst mit einem
Kelche in der Hand, aus dem sich oft eine Schlange windet, angeblich weil
er Gift ohne Schaden getrunken, vielleicht aber eher mit Beziehung auf den
Johannissegen oder die Johannisminne, welche am Feste dieses Apostels
27. December getrunken wird (s. oben S. 217; vergl. auch Alt, d. ehr. Kultus, EI,
313 und Stellen mittelalterlicher Dichter in der Europa ISSl, No. 38, Sp. 129, 3 f.).
Nach der Legende bekehrte er den heidnischen Philosophen Kraton von Ephe-
suB und zum Andenken daran, dafs er in Rom ante portam latinam in Öl ge-
sotten worden, wird der 6. Mai gefeiert. Patron von Mecklenburg, Kleve, der
Füfse, für Fruchtbarkeit, gegen Gift. (Vergl. die Acta Johannis bei Lipsius, a.
a. 0., 1, 34S — 542.)
Bartholomäus, mit dem Messer (M) auch mit seiner abgeschundenen H an t
über dem Arme. Durandus 1. 7 c. 25 n. 2 schildert die T>staiura Bartholomaen
folgendermafsen : Capilli ejus nigri et crispi: caro Candida y octiU grandes^
nares coaequales et directaey barba prolixa, hahens paucos canos, statwra
aequalis, coUohio albo elevato et purpura vestitur^ induitur alba palliOj quod
per singulos angulos habet gemmas purpureas. Diesem Typus entsprechend
findet sich Bartholomäus noch auf Gemälden des XVI. Jahrh. , z. B. auf dem
Hortus conclusus im Dome zu Merseburg, auf einem Altare in der Sacristei
der Mönchenkirche zu Jüterbog etc. Patron von Frankfurt a. M. 24.August.
Matthäus, Greis, als Evangelist mit dem geflügelten Menschen, sonst
auch mit Geldbörse, oder einer Weintraube auf der Brust, meist mit Helle-
barde (M), obgleich er auf allen Darstellungen seines Todes durch das Schwert
hingerichtet wird und nach der Tradition der griechischen Kirche überhaupt
nicht als Märtyrer, sondern in Frieden gestorben ist. 21. September. Trans-
latio 6. Mai.
Philippus, jung, bartlos, mit dem oft Tförmigen Kreuzstabe oder Kreuze
in der Hand, durch dessen Vorhalten die Götzen umstürzten, nach der Legende
auch gekreuzigt u. zw. nach einigen mit dem Haupte abwärts wie Petrus. Pa-
tron von Speier, Brabant etc.
Jacobus der Jüngere, wie der Ältere in der Blüte der Jahre mit kurzem
braunem Bart und Haar, nach der Legende von grofser Ähnlichkeit mit Jesu,
mit dem (oft einem grofsen Geigenbogen, oft aber einer blofsen Keule ähnlichen)
Walkerbaum. Philippus und Jacobus minor haben ihr Fest gemeinschaftlich
am 1. Mai.
der Heiligen. 561
Thomas, jnng, bartlos mit Lanze (M) oder Stab, meist mit dem Winkel-
mafs, weil er als Baumeister znm König Gondofoms nach Indien geschickt
diesem einen prächtigen Palast bauen sollte, aber die dafOr bestimmten Gelder
den Armen schenkte. Patron der Architekten und Zimmerleute. 21. December.
Translatio 3. Juli. (Vergl. die Acta Thomae bei lipsius, a. a. 0., I, 225—347.)
Matthias als Greis mit Beil (M); Patron von Trier, Goslar etc. 24. Februar
(im Schaltjahr 25. Februar).
Allen Aposteln zu Ehren wird der 15. Juli gefeiert: Divisio apostolomm
(vergl. lipsius ebd., 11—43); Scheidung, Teilung; Austeilung; 12 Botentag;
auch Tag der 72 Jünger. — Judas Ischarioth kommt bei der Gefangenneh-
mung Christi und auf Bildern des h. Abendmahles vor, mit dem Beutel, von
dem Herrn den Bissen empfangend ; auch seine Reue vor den Hohenpriestern
und sein Selbstmord wurde schon im VI. Jahrh. dargestellt ; oft flüstert ihm
ein schwarzes Teufelchen ins Ohr oder steigt ihm in den Mund ; sein Kleid ist
in der Regel schmutzig gelb , wie die Judenhüte und in Spanien und Italien die
Tracht der Galeerensklaven.
Arbogaat, Bischof von Strafsburg, Patron in Ruffach, Muttenz und
Oberwinterthur, an beiden letzteren Orten Wandmalereien mit seiner
Legende, t 630. 21. Juli.
Arnulf (Arnold) y Bischof von Metz, Stammvater des karolingischen Hau-
ses, mit Fisch, der einen Ring im Maule hält, t 640. 18. Juli. Translatio
16. August.
Arsacios, Nachfolger des Ambrosius in Mailand, t 399- 16. Juli (in
Salzburg 12. Novbr.). Schrein 1495 aus Ilmmünster nach der Frauenkirche
zu München übertragen. — Am ersteren Orte in 4 vortrefflichen Holzreliefs
die Legende eines anderen Arsacius, Perser, Soldat unter Licinius, nachher
Binsiedler bei Nikomedien. t 310. 16. August.
Attala, erste Äbtissin des Klosters St. Stephan zu Strafsburg, angeblich
Nichte der h. Odilia, ca. 700. Ihre elevatio dargestellt auf einem Teppich von
ca. 1400 in der genannten Kirche. — 3. December.
Auguttmus, Bischof von Hippo, Kirchenlehrer, hält ein von einem oder
zwei Pfeilen durchbohrtes Herz (Cor charitate divma sagittcUum. Confess.
IX. 2). Häufig mit dem Engel, der das Meer ausschöpfen will, am gewöhn-
lichsten als einer der 4 doctores. Patron der Theologen, t 430. 28. Aug.
Conversio bei den Augustinern 5. Mai, bei den Dominikanern 15. Mai.
Anrelia, Tochter Hugo Capets, entflieht um nicht heiraten zu müssen und
kommt 975 nach Regensburg, wo sie bis zu ihrem Tode 1027 als reclnsa
lebte. Ihr herrlicher Grabstein aus dem XIV. Jahrh. in St. Emmeram daselbst.
15. Oktober. — Eine andere Aurelia (ebenf. 15. Oktober), Gefährtin der h.
Ursula, in Strafsburg gestorben, Patronin einer dortigen Kirche.
Aorelins, Bischof von Armenien, starb bei Cordova als Märtyrer. Patron
in Hirsau. Transl. de Italia 830. 27. Aug.
Autor (Aucior) , Erzbischof von Trier im IV. Jahrh. t 20. Aug. Gertrud,
die Schwiegermutter des Kaisers Lothar, entführte im J. 1112 die Gebeine des
Heiligen aus Trier nach Braunschweig.
Barbara, eine der 14 Nothelfer, mit dem Schwert (M), den Hostien-
kelch in der Hand (weil ihr ein Engel das Sakrament in den Kerker brachte,
und weil ihre Verehrer nicht ohne Sakrament sterben), einen Gefängnis -Turm
Otte, Kunst -Archäologie. 5. Aufl. 36
562 Verzeichnis
(in der Regel mit 3 Fenstern mit Bezug auf die h. Dreieinigkeit) neben sich,
in den sie von ihrem heidnischen Vater gesperrt wurde. Patronin gegen Blitz,
weil der sie verdammende Richter vom Blitz erschlagen wurde, der Artilleristen
und der Bergleute, in Kuttenberg, in Breslau, wo ihre Legende ausführlich am
Hochaltare. Gedruckt ist dieselbe 1500 zu Magdeburg, 1508 zu Strafsburg,
1513 zu Köln, 1517 zu Leipzig. — In Niederösterreich Barbarazweige als
Glücksorakel (vergl. Europa 1881. No. 49, Sp. 19. 33). 4.December. Transl.
2. Septbr.
Bardo, Abt zu Werden und Hersfeld, nachher Erzbischof von Mainz.
t 15. Juni 1051. 10. Juni.
Bartholomäus. S. Apostel.
Bayo (A/lovin)y Edelmann aus dem Pipinschen Hause, nach dem Tode
seiner Frau Einsiedler, wohnt in einem hohlen Baume, auch als Herzog mit
Falken. Patron von Gent, t 654. 1. Oktober.
BeatUB, als Einsiedler, eine Höhle neben sich; ein Drache bei ihm. Pa-
tron von Thun. 9. Mai. — Ein anderer B. und Bantus, zwei Presbyter von
Trier und Koblenz. 31. Juli.
Benedictus von Nursia, als Bischof (Abt) im Kleide seines Ordens, hält
eineuBecher mit derSchlange in der Hand (weil er der Vergiftung wunder-
bar entgangen; der Becher wird auch als zerbrochen dargestellt, weil er
auf die Segnung des Benedikt dem Mörder aus der Hand iiel), auch einen
Krug (den seine Wärterin zerbrochen, und den er als Knabe durch kräftiges
Gebet wiederhergestellt hatte); Dornen neben ihm (in die er sich legte, um
sein Fleisch zu kreuzigen), auch ein Rabe mit einem Brote im Schnabel (das
er, weil es vergiftet war, auf Befehl des Heiligen an einen abgelegenen Ort
trug), auch mit einem Stabe, mit dem er den Teufel dnrchstöfst, zuweilen in
der Hand ein offenes Buch mit den Anfangs worten seiner regula : Ausculta fiii
verha magistri. Wo er als Stifter der eigentllichen Benediktiner dargestellt
wird, erscheint er in schwarzer, wo als derjenige der Cistercienser und anderer
abgeleiteter Orden, in weifser Kutte; er wird auch als Patriarch dargestellt,
umgeben von Repräsentanten der aus dem seinigen hervorgegangenen Orden.
Patron gegen Gift, Entzündung, Rose, t 543. 21. März. Tranlatio 11. Juli.
Benignua, Ritter, Märtyrer unter Aurelian. 6. Juni. Translatio 17. Fe-
bruar. Schrein in Siegburg.
Benno, Bischof von Meifsen, mit Fisch und Schlüssel. Patron von
Meifsen, jetzt von München, wohin seine Gebeine 1576 gekommen. Seine
Legende gedruckt 1517 zu Leipzig, kanonisiert 1523. t 1106. — 16. Juni.
Bernhard von Clairvaux, als Cistercienser -Abt (BischoO und Kirchen-
lehrer {Doctor meUtfluus)j den Bienenkorb zur Seite, ein Buch mit drei
Bischofsmützen in der Hand, weil er die drei Bistümer Mailand, Chartres
und Speier ausgeschlagen, einen gefesselten Teufel hinter sich, einen
Hund neben sich (weil seine schwangere Mutter geträumt, sie trage einen
weifsen Hund mit rotem Rücken). Maria reicht ihm die Brust etc. t 1153.
20. Aug., kanon. 1174. Translatio 17. Mai, in Brandenburg 12. August, bei
den Prämonstratensern 27. August.
Bemhardin von Siena, Stifter der Observanten, mit Stab, an dessen
oberem Ende eine Strahlensonne mit IHS (s. ob. S. 401 No. 2). Patron in
Breslau, t 1444. 20. Mai.
der Heiligen. 5g3
Bernward, Bischof nnd Patron von Hildesheim, als Goldschmied, das
sogen. Bernwardskreuz (S. 203) haltend, f 1022. 20 Nov., kanon. 1193.
Elevatio 1194. 16. Aug., im römischen Kalender: 26. Oktober.
Bertha, Patronin des Benediktinerklosters Biburg. f 1141. 24. März.
Berthold, erster Abt von Garsten, mit Brot und Fisch. fllSO. 27. Juli.
— B. der Franziskaner von Regensburg, erweckt ein infolge seiner Predigt
aus Reue gestorbenes Weib. Sein Grabstein neuerdings in einem Privathause
aufgefunden, jetzt im Coemeterium der Kanoniker am Dome zu Regens bürg,
t 1272 14. December. — 16. Juni.
Bilhildis, Herzogin von Franken unter Chlodwig I, Stifterin des Alten
Klosters in Mainz, mit Kirchenmodell. 27. November.
Blasins, Bischof von Sebaste, einer der Nothelfer, mit einer (oft einem
Rechen ähnlichen) Hechel (M) oder mit einer Kerze (die ihm eine dankbare
Frau in den finstem Kerker brachte, welcher der Heilige ihr verlornes Schwein
durch sein Gebet verschafft hatte), oder er hält auch zwei brennende Kerzen
gekreuzt über ein krankes Kind, welches er dadurch gesund machte (in dieser
Form wird noch jetzt der Blasiussegen erteilt). Im Dome zu Braunschweig
hält er ein schwarzes Hüfthorn. Patron von St. Blasien im Schwarzwald , Zella
Blasii in Thüringen etc., gegen Halsschmerzen. Er segnet als Einsiedler die
Tiere des Waldes. Sieben Frauen sammeln sein Blut auf, als er (unter Dio-
kletian) den Märtyrertod erleidet. 3. Febr. — Seine Legende ist in den Wand-
malereien des Domes von Braunschweig dargestellt und in 20 Tafelgemälden
in seiner Kapelle zu Kauf heuern.
BonifEttins {Wynfrithy Winfried) y Erzbischof von Mainz, Apostel der
Deutschen, mit einem von einem Schwerte durchstochenen Buche, durch
welches der tödliche Stich gedrungen, als er von den Friesen bei Dockum ge-
mordet wurde ; auf Siegeln des Bonifatiusstiftes in Halberstadt auch mit Stab
in der Linken und zwei mit den Barten nach abwärts gekehrten Schlüsseln in
der Rechten. Titelheiliger vieler Kirchen von thüringischen Orten, die zu
Kloster Fulda, wo er begraben liegt, in Beziehung standen.^ t 755. 5. Juni.
Translatio 1. November.
Die vier Botschafter: Valentin, Ruprecht, Quirinus und Antonius.
S. diese.
Branden (^ram/an2<^, Brendanus)^ irischer Abt des VII. Jahrb., mit einem
Fisch (weil, als er auf einem SchifiPe, mit dem er das Paradies suchte, die
Messe las, die Fische um das Schiff herum andächtig zuhörten), daher ein
Heiliger der Seeleute,. Am Hochaltare des Domes zu Güstrow ist er dagegen
mit einer Kerze abgebildet, die sich nach seiner Legende von selbst entzün-
dete, und als 1495 in Wittstock ein Brand entstand, gelobte die Bürgerschaft,
sonderlicli die mit Feuer arbeitenden Handwerker, alljährlich am 29. December
sein Fest zu begehen (vergl. von Ledebur, Allgemein. Arohiv, XVII, 296). Von
seiner Legende giebt es 12 von ca. 1480 — 1518 in Augsbnrg, Basel, Erfurt,
Strafsburg und Ulm gedruckte illustrierte Ausgaben. 20. Oktober. 16. Mai.
* Ein Verzeichnis von Bonifatiuskirchen des Thüringer Landes bei Gröfsler,
Herrn., d. Einfiihruiig des Christent. in d. nordthüring. Gaue Friesenfeld und Hassen-
fau. 1883, 20 ff. Den hier aufgezählten diesem H!eiligen gewidmeten 47 thüring.
Kirchen können noch AltenbeicUmgen und Gorsieben hinzugefügt werden.
36 ♦
564 Verzeichnis
Brieoins, Bischof von Tours, um 400, trägt (zum Beweise seiner Unschuld
an der Niederkunft seiner Wäscherin) glühende Kohlen im Gewände. Pa-
tron der Genitalien und gegen Leibweh ; beliebt bei den im XII. Jahrh. nach
Sachsen übersiedelten Niederländern : z. B. Patron einer Kirche zu Krakan bei
Magdeburg, in Beizig. 13. Nov. — Ein anderer Br. ep. Martulae ist Patron einer
Kirche in Meifsen. 11. Juli (in Brandenburg, Magdeburg und Merseburg
9. Juli). — Ein dritter Briccius oder Brixius ist Lokalheiliger von Heiligen-
blut in Kämthen, mit drei Roggenähren in der Hand. Er hatte sich nämlich
ein Fläschchen mit heil. Blute, das aus einem von Juden mifshandelten Kreuze
geflossen war, in eine künstliche Wunde in sein Bein einheilen lassen, um es
so von Byzanz nach dem Salzkammergute zu bringen. Auf dem Pasterzenglet-
scher fror er ein, aber mitten im Eise wuchsen aus seiner Hand drei Roggen-
ähren, und das Bein mit dem Heiligtume kam aus dem Grabe, in das man ihn
gelegt hatte , immer wieder hervor , bis man aufmerksam ward und das h. Blut
entdeckte.
Brigitta von Schweden, in der Kleidung des von ihr gestifteten Ordens,
schreibt ihre Weissagungen, hält ein mit einem Kreuze bezeichnetes Herz in
der Hand, auch wohl ein rotes Kreuz etc. Patronin von Schweden, t 23. Juli
1373, kan. 1391. 6. Oktob. in Köln, 7. Oktober in Schwerin und beim Deut-
schen Orden.
Bruno der Karthäuser, ein geborener Kölner, im Ordenskleide, ein an
den Enden sprossendes Kreuz tragend, auch ein Kruzifix; über ihm als
Vision die Jungfrau Maria. Stern auf der Brust, Erdkugel unter dem Fufse.
t 1101. 6. Okt., kanon. 1514. — Br. von Köln, Erzbischof seit 953, jüng-
ster Sohn Heinrichs I., ist niemals wirklich kanonisiert worden, t 965. 11.
Oktober. — Br. von Querfurt, Erzbischof, Apostel der Preufsen, mit 18 Be-
gleitern zu Braunsberg getötet 1009. 14. Februar.
Die sieben Brüder, Söhne der heil. Felicitas, welche zu Rom 160 den
Märtyrertod fanden. 10. Juli. Sieheifsen: Januarius, Felix, Philipp, Sylvan,
Alexander, Vitalis und Martialis.
Burkhard, Bischof von Würzburg, hält eine Hostie in der Hand, Patron
von Würzburg und Worms, gegen Hüftweh und Gliederschmerzen, t 753. 2.
Febr. Translatio 983. 14. Okt. (in Mainz u. Basel 11. Oktob.).
Caeoilia, steht in einem Kessel (M), ihre Leiche hat eine Schnittwunde
im Genick; auf dem berühmten Gemälde Rafaels hält sie eine Orgel in der
Hand , die ihr seitdem als Attribut verblieben ist. Sie ist Titelheilige des Do-
mes zu Güstrow und gilt den Neueren als Patronin der Musik, t um 220. —
22. November. (Vergl. Förster, E., Sancta Caecilia, in "Westermaims Monatsheften
1882 Mai, 192—209.)
Candidas, Erzbischof, Patron des Stifts Innichen in Tyrol. 1. Decbr.
Translatio 23. 24. Mai. — Ein anderer Cand. gehört zur Thebaischen Legion.
Cantias, Canüanus und Cantianilla, Märtyrer zu Aquileja, jene mit
Rutenbündel, letztere mit Stab. 31. Mai. Kommen zusammen am Epipha-
niusschrein zu Hildesheim vor.
Casüanus, Bischof von Imola. Er wurde ca. 360 von Schulkindern mit
SchreibgriflFeln gemartert. Vier Darstellungen aus seiner Legende auf vier
Altarflügeln von 1498 an den Chorwänden der ihm gewidmeten ältesten Pfarr-
kirche in Regensburg. 13. August.
der Heiligen. 565
OasfiiUy Ritter der thebaischen Legion , steht auf einem Ungeheuer. Er
fällt zu Bonn mit dem heil. Florentius, Mallusius und 6 tienossen. Patron von
Bonn. 8. (10.) Okt. Translatio 2. Mai.
Castor, als Priester, rettet ein sinkendes Schiff. Patron von Koblenz etc.,
lebte im IV. Jahrh. 13. Februar.
Castnlus, unter Diokletian Kastellan des kaiserlichen Palastes zu Rom,
wird, als heimlicher Christ entdeckt, lebendig begraben. Scenen aus seiner
Legende am Hochaltare zu Moosburg. 26. März.
Ceslaus (Odrovantius), Dominikaner zu Breslau, mit Lilie und Buch
vor dem Kruzifix anbetend, t 1242 oder 1257. 16. Juli.
Christina, Jungfrau, Märtyrerin 11 Jahr alt, mit Messer, Mühlstein,
Pfeilen, auch Armbrust (M). t 278. 24. Juli.
Christoph, ^iner der 14 Nothelfer, ein Riese, trägt (auf einen Baum ge-
stützt) das Christkind auf der Schulter mit Anstrengung durch das Wasser;
ein Eremit leuchtet dazu. Patron von Braunschweig, in Erfurt, Breslau, Mainz,
der Schiffer und Schatzgräber, gegen schnellen unbufsfertigen Tod. Er wird
vultu terribili (Petrus de Natalibus 1. 6 c. 135) und ca/?i7/« rw/i/aw* dargestellt,
und sein Bild kommt in riesiger Gröfse (bis ll,oo) an die Kirchenwände, be-
sonders in der Nähe der Portale gemalt oder plastisch dargestellt und auch
anderweit sehr häufig vor, z. B. als Träger der Kanzeln und Sakramenthäus-
chen. Wer des Morgens sein Bild sah , hatte einen glücklichen Tag und blieb
von plötzlichem Tode verschont, nach den Versen:
Christophore sanctCj virtutes sunt tibi tantae:
Out te mane videnty noctumo tempore rident,
Christophori sancti speciem quicunque tuetur^
Ista nempe die non morte mala morietur.
Seine Legende deutsch gedruckt zu Landshut 1520 mit 31 Holzschnitten.
25. Juli; in Naumburg, Paderborn und Regensburg 27. Juli, in Brandenburg
19. Oktober. (Vergl. Wolf, Beiträge zur deut. Mythologie, I, 98; Braun, im Org.
f. ehr. K. 1858, 76; 1861, 250; 1862, 220; Eckl das. 1869 No. 24; Anz. G. M.
1858, Sp. 438; Sinemus, d. Legende vom h. Christoph u. d. Plastik u. Malerei 1868;
van Heukolum, van Sante Christoffels beeiden. Utrecht.)
Chrysantbus undBaria, Märtyrer um 283 (ins Feuer geworfen), letztere
eine von ersterem bekehrte meretrix, Patrone in Mflnstereiffel. 25. Oktober.
Clara, Schwester des h. Franziskus, Äbtissin des von ihr gestifteten Or-
dens, mit einer Monstranz, auf dem Siegel des Klarissinnenklosters zu Mün-
chen mit dem Einhorn im Schofse. Patronin der Augen, t 1253. 21. August
(in Brandenburg 4. August ; Translatio 2. Oktober).
Clemens, Bischof von Rom, mit Anker (M). f ca. 100. 23. November.
Patron von Schwarzrheindorf und Unna.
Colnmba, Jungfrau, Märtyrerin, mit Palme und einen Bär an der Kette
führend. Patronin in Köln. Ihre Legende deutsch mit Holzschnitten 1511 zu
Köln gedruckt, t 273. 16. März. 1. Mai. 31. December (Köln).
Colnmban, irischer Mönch und Klostergründer mit Bär. t 615. 21. No-
vember.
Constantins, römischer Ritter, mit der Fahne, Gefährte des heil. Moritz,
mit dem er denselben Festtag hat. Mitpatron des Bistums Havelberg.
566 Verzeichnis
Corbinianns, erster Regionär -Bischof von Freising. Neben ihm ein Bär,
den er gezwungen, ihm sein Reisebündel nach Rom zu tragen. 1 730. 8. Sept.
Translatio 20. Nov.
Cordula, Jungfrau, Gefährtinder heil. Ursula, nach der Legende am Tage
des Martyriums der 11000 Jungfrauen im BchifiPe versteckt, meldete sie sich
am folgenden Tage freiwillig dazu, daher ihr Feiertag der 22. Oktober. Pracht-
schrein im Dome zu Osnabrück.
Cornelia, Jungfrau, Märtyrerin, mit Kreuz und Taube. 31. März.*
Cornelius, Papst, Märtyrer, Patron von Komelimünster. t 252. 14. Sep-
tember.
Cosmas und Bamianus, zwei Brüder, Ärzte, tragen Arzneigläser, chi-
rurgische Instrumente etc. Patrone der Ärzte, des Stifts Essen, von Böhmen.
Sollen im III. Jahrhundert als Märtyrer gestorben sein. Ihre Legende in den
Deckengemälden der Vierungsgewölbe des Münsters zu Essen aus dem Xin.
Jahrh. 27. Sept.
Crispinus und Critpinianos mit Schuhmachergerät (weil sie als Mis-
sionare in Gallien ihren Unterhalt durch Schuhmachen erwerben mufsten).
Patrone von Osnabrück, der Schuster und Weber, t angeblich als Märtyrer
zu Soissons 303. 25. Okt. Translatio 20. Juni.
Cntubilla, eine sonst völlig unbekannte Heilige , kommt mit der Namens-
beischrift in der Klosterkirche St.Ulrici zu Adelberg in Württemberg sowohl
an einem Wandkonsole als in dem Altarschreine, dessen Gemälde von Zeitblom
stammen, vor, beidemale mit zwei Mäusen zu ihren Füfsen. (Yergl. Klemm,
Kloster Adelb., im Württemb. Staatsanz. lit. Beibl. 1877, 220. 1878, 380.)
Cyprian von Karthago, Bischof mit Palme, f 258. 14. September.
Cyprian von Hikomedien und Justina, jener durch diese, deren er sich
mit Hilfe der Dämonen hatte bemächtigen wollen, bekehrt, nachher mit ihr
zusammen in einen Kessel mit siedendem Pech geworfen (so in den Wandge-
mälden zu Brauweiler), nachher mit dem Beile hingerichtet, t 304. 26.
September.
Cyriacus, Diakon, einer der 14 Nothelfer, heilt einen Dämonischen, hat
einen Drachen zu seinen Füfsen (wegen seiner Macht über die bösen Geister).
Schwert (M). Patron von Gernrode etc. Lebte unter Diokletian. Translatio
8. Aug. — Es giebt 7 Heilige dieses Namens, darunter einen Bischof von An-
cona, der der h. Helena das Kreuz Christi entdeckt und nachher unter Julian
hingerichtet wird, 4. Mai; und einen legendarischen Papst, der die h. Ursula
in Rom empfängt, ihrethalben abdiciert, sich dann ihrem Gefolge anschliefst
und mit ihr in Köln den Märtyrertod erleidet.
CyrilluB und Methodins, Bischof und Mönch, mit dem Bilde des jüngsten
Gerichts, die Apostel der Slaven im IX. Jahrh. 9. März.
Dagobert, König von Austrasien, Märtyrer im Walde erstochen (im Elsafs
verehrt). 23. December.
Bemetrins, Ritter mit Schild, auf dem ein Kreuz mit 5 Rosen, eine in
der Mitte und je eine in den vier Winkeln. 8. Oktober.
* Die sogenannte Komeliakirche zu Wimpfen im Thal, auch Tillykirche ge-
nannt, ist nicht dieser Heilig;en , sondern der h. Jungfrau geweiht, und führt ihren Namen
wohl nur aus Misverständnis der oben S. 421 mitgeteilten Inschrift, indem Cornelia
der angeblich altrömische Name für Wimpfen ist.
der Heiligen. 567
DeooamSy Abt in Herrenried im IX. Jahrh. 7. Juni. Altar in St. Lorenz
zn Nürnberg, von wo seine Gebeine, deren silberner Schrein 1811 verkauft
worden war, 1845 nach Eichstädt verschenkt worden sind, dessen Patron er
nunmehr ist.
Deodatas, Bischof von Nevers, Gründer von St. Di6. t 729. 19. Juni.
Missionar und Einsiedler im Elsafs, wo seine Legende unter den Wandgemälden
zu Hunaweier vorkommt; vergl. bei Huna.
Dionysins der Areopagit (Apostelgesch. 17, 34), Bischof von Athen, nach-
her der angeblich erste Bischof von Paris, trägt sein abgeschlagenes Haupt
in der Hand, Märtyrer unter Domitian. 9. Oktober; einer der 14 Nothelfer.
Disibodus, Eremit, früher Bischof in Schottland, Patron von Disiboden-
berg im Nahethale t 674. 8. Juli (in Mainz 8. Septbr.).
Dismas (nach dem Ev. infant. Arab. c 23: Titas), der Räuber, welcher
die h. Familie, die er auf der Flucht nach Ägypten tiberfallen hatte, liebreich
bewirtet, später der reuige Schacher am Kreuze zur Rechten Jesu. Patron
der zum Tode verurteilten Verbrecher. Sein Gedächtnis fslllt mit dem Feste
des Leidens Christi (Passio Domini) auf denselben Tag: 25. März. (Der
unbekehrte Schacher heifst in dem apokryphischen Evangelium des Nikodemus
Gestas, die Namen beider werden aber häufig verwechselt, auch kommen
andere Namen vor z. B. Jasmus, Dumachus etc.)
Dominicas, in der Kleidung des von ihm gestifteten Ordens, in der einen
Hand eine Lilie, in der anderen ein Buch, auf der Stirn oder über dem Haupte
oder auf der Brust ein Stern (den seine Patin bei der Taufe vom Himmel auf
ihn kommen sah); häufig wird neben ihm, wegen eines Traumes seiner Mutter
während ihrer Schwangerschaft, ein weifs und schwarz gefleckter Hund dar-
gestellt, welcher eine Fackel im Maule trägt, womit er die Welt erleuchtet;
überhaupt erscheinen die Dominikaner {Domini canes) als Hunde, welche
die Herde Christi bewachen, t 1221. 4. August, kanonisiert 1233. Trans-
latio 24. Mai.
Domitianns (Tuitianm), mythischer Herzog von Kärnthen, ein vom h.
Rupert getaufter Slave, Gründer der Benediktiner- Abtei Millstatt. 5. Februar.
Donatus, Bischof von Arezzo, um 350, mit dem Schwerte (M), zuweilen
ein mit Lichtern bestecktes Rad in der Hand haltend. Patron des Stifts
Meifsen. 7. Aug.
Dorothea trägt Blumen, Rosen und Früchte, weil ihr der Heide Theo-
philus, als sie zum Richtplatze geführt wurde, zugerufen hatte, sie möchte ihm
doch aus dem Garten ihres himmlischen Bräutigams einige Blumen schicken,
und nun auf ihr Gebet ein Knabe erschien, der ihr in einem Schweifstuche 3
Apfel und 3 Rosen brachte. Ihre Legende deutsch gedruckt 1492 zu Marien-
burg, 1500 zu Magdeburg, 1513 zu Köln. Sie starb unter Diokletian durchs
Schwert. 6. Februar.
Dorotheas, Bischof, gegeifselt, nachher enthauptet (Gemälde zu Brau-
w eil er). 9. Oktober.
Dympna, Jungfrau, Märtyrerin VU. Jahrb., vom eigenen Vater ermordet,
weil sie denselben nicht nach dem Tode ihrer Mutter ehelichen wollte. Relie-
quienkasten im Dome zu Minden. 15. Mai.
Eberhard, Erzbischof von Salzburg 1146 — 1164, bedient Arme bei Tische.
568 Verzeichnis
22. Juni. — Ein anderer, Bischof von Freising, als Hirt, das Lamm Gottes
erscheint ihm in den Wolken. 28. Septbr.
Editha (Eadgitha), eine englische Königstochter, Nonne in Wilton, in
Nonnenkleidung, mit königlichen Abzeichen, t 9B4. 16. Septbr. — Auch
Editha, die erste Gemahlin Otto's des Grofsen, t 9^6 (nicht 947, wie auf ihrem
Grabmale im Dome zu Magdeburg steht) 26. Januar, ist teilweise als
Heilige angesehen worden.
Edmund, König von Ostengland, Märtyrer mit Pfeil en(M), ein Bär oder
Wolf sitzt neben ihm (behütet seine Leiche), f 870. 20. Novemb.
Eleutberius, Kompatron von Leitzkau, Bischof von Rom und Märtyrer
(mit Ruten gegeifselt). f 190? 18. April. — An demselben Tage wurden in
der Brandenburger und Magdeburger Diöcese auch die Märtyrer Eleu th er ins
undAnthia gefeiert, deren Tag im römischen Kalender der 18. März ist.
Elias oder Hellas, Einsiedler. 20 Juli.
Eligius (auch i^/o^^'i^^, französisch: StEloy, englisch: 5^ i?/^) geb. 589 zu
Limoges, Goldschmied und Mttnzmeister, später Bischof von Toumayund Noyon,
mit Hammer, über dem zuweilen eine Krone schwebt, oder mit einem Reliquien-
kästchen, oder beim Huf beschlag (so nach einer Scene aus seiner Legende auf
einem Relief in der Sammlung des Altert. Ver. zu U Im. Abb. Heid eloff , Schwa-
ben, 115, Fig. 61 und bei Bazing). Patron der Goldschmiede, Hufschmiede
und Tierärzte, auch der Gefangenen, t 30. November 659 oder 660 — 1. De-
cember. (Vergl. Herzog-Plitt, Real-Enc, IV, 174 fF. — Ilg, A., die Bedeutung der
St. EI. Legende für die Kunstgesch. in Mitt. C.-K. XIX, 179 ff. — Bazing, H., Üb. cL
Bild des h. El. Mit 1 Taf., in den Verh. des Ulmer Vereins Neue Reihe Heft VII 1875, 7 ff.)
Elisabeth, Tochter des Königs Andreas II. von Ungarn, Gemahlin des
Landgrafen Ludwig des Frommen von Thüringen, des Hessenlandes »Haupt-
frau«, als Franziskanernonne, mit drei Kronen (als Jungfrau, Gemahlin und
Witwe, oder als Königstochter, Fflrstengemahlin und Heilige). Sie trägt
Brote (in einem Korbe), auch eine Schüssel mit Fischen und Wecken und
einen Krug mit Wein, um die Armen zu bewirten; die Brote verwandelten
sich in Rosen, als sie von ihrem Gemahl (oder Vater), der ihr den Verkehr mit
den Armen verboten, überrascht wurde. Patronin von Thüringen, Hessen,
Marburg etc. t 1231. 19. Nov., kanon. 1235. 27. Mai. Translatio 2. Mai.
Ihre Legende ist deutsch 1520 zu Erfurt mit 30 Holzschnitten gedruckt und
an verschiedentlichen Denkmälern ihrer Kirche in Marburg (Sarkophag, Altar,
Glasmalereien etc.) vollständig dargestellt. — Elisabeth, die Mutter Job.
des T., hat ihren Festtag am 5. November. — Elisabeth, Äbtissin von
Schönau, auf Drachen tretend, f 1165. 18. Juni.
Embede, Warbede und Willibede (Einbet^ Borbet und Jiibef), drei Jung-
frauen, angeblich Gefährtinnen der h. Ursula in Strafsburg gestorben. 16.
Septbr. Ihr Steinrelief kommt im Worms er Dome vor, vielleicht sind sie auch
auf dem unförmlichen Relief von der Kirche zu Fölling gemeint, das 1876
zu München als ein Bild der 3 Nomen ausgestellt war, von denen sie möglicher-
weise nur eine Umdichtung sind. Die offiziell den h. h. Cyriacus und Perpe-
tua geweihte Kirche zu Adelhausen im Breisgau heifst im Volksmunde noch
heute Sant Einbeten Lütkilche. (Vergl. Falk, die Bildwerke des Wormser Domes
1871, 12 ff. — Leitner, Deutschland in seinen Heiligen 1878, I, 143. — Freiburger
Diöc. Arch., V, 129.)
der Heiligen. 569
Bmerentia, Jungfrau, Milchschwester der h. Agnes , mit Stein (M). t zu
Rom 304. 23. Januar.
Emmeram (nach ältester Schreibung Emhram), Bischof von Poitiers, Mis-
sionar in Regensburgy wurde von dem Prinzen Landbert im Walde bei Helfen-
dorf im Stift Freising aufgegriffen, von hinten her mit einer Lanze durchbohrt,
darauf an eine Leiter gebunden und ihm die Glieder stückweise abgeschnitten,
t 654 (nach neueren Forschungen 715). 22. Sept., Haimbramstag.
Engelbert, Erzbischof von Köln, Patron des Stifts Essen, t 1225. T.No-
vember. Sein silberner Reliquienkasten im Dome zu Köln, wo er auch eine
Kapelle hat.
Eoban, Begleiter und Mitmärtyrer des Bonifatius. (Bischof von Utrecht?)
5. März (in Mainz 26. Juli) — vergl. Adolar.
Epiphanias, Bischof von Sebaste. t 496. 21. Januar. Sein Schrein im
Domschatze zu Hildesheim.
Era, eine Jungfrau mit langem Barte, weil sie sich als Schutz gegen die
Nachstellungen ihres eigenen Vaters vom Himmel Häfslichkeit erflehte; sie
litt den Tod am Kreuze. Patronin der Krypta des Domes in Braunschweig.
Vergl. Kümmernis.
Erasmns, Bischof unter Diokletian, hält eine Winde in der Hand, womit
ihm die Gedärme aus dem Leibe gewunden wurden. Die Engel besuchten ihn,
ein Rabe ernährte ihn in der Einöde auf dem Berge Libanon. In Norddeutsch-
land wird er auch zuweilen in einem dreibeinigen Grapen stehend abgebildet,
in welchem er in Pech gesotten wurde. Patron des Unterleibes, einer der 14
Nothelfer. (2.) 3. Juni.
Erendrudifl, Nichte des h. Rupertus, erste Äbtissin zu Nonberg-Salzburg,
mit Kruzifix und flammendem Herzen, t 630. 30 Juni.
Erhard, angeblicher Bischof von Regensburg, Märtyrer 742. 8. Januar,
Translatio 8. Oktober. Grab im Niedermünster zu Regensburg.
Erminoldus, Abt von Prüfening 1114 — 1121. 6. Januar.
Erpho (von Mecklenburg), Bischof von Münster, trägt das Bischofskleid
über der Rüstung, t 1097. 9. November.
Enoharius, angeblich Schüler des Petrus und Bischof von Trier, dessen
Mitpatron er ist. 8. December, später wegen der Kollision mit Maria Empfäng-
nis auf den 9. December verlegt. Seine Legende mit der des Valerius und
MaternuB zusammen gedruckt ca. 1500 zu Strafsburg mit Holzschnitten. —
Ein anderer Euch., Bischof von Utrecht, t 450, wird am 27. Februar (in Köln
und Bremen am 20. Febr.) gefeiert.
Engenia, Äbtissin von Hohenburg im VUI. Jahrb., mit Brot und Wasser-
krug. 16. September.
Eulalia, Jungfrau, Märtyrerin in Spanien, gekreuzigt und mit spitzen In-
strumenten der Brüste beraubt, t 303. 12. Februar. — Eine andere Eni. virgo
mart. hat den 10. December als Festtag.
Enphemia, mit einem Rade oder einem Bären (M). Sie lebte um 290.
13. April.
Eustaohias (Placidtis)^ als Ritter, hält ein Hirschgeweih, oder es steht
ein Hirsch neben ihm (weil er durch den Anblick eines weifsen Hirsches, der
ein Kruzifix zwischen den Hörnern trug, auf der Jagd bekehrt wurde); erstarb
570 Verzeichnis
als Märtyrer in einem glühenden Ofen (Stier) um 119. Einer der 14 Nothelfer.
Patron der Jäger. 20. September.
Die vier Eyangelisten schreiben ihre Bücher; sie sind von ihren Sym-
bolen (s. oben S. 481 f.) begleitet, oder erscheinen als Menschenfiguren mit den
Köpfen ihrer Symbole ganz in assyrisch-ägyptischem Typus ^y mindestens schon
seit dem XIII. Jahrh. und bis zum Ausgange des Mittelalters. Lucas malt vor
einer Staffelei. Das Fest des Marcus ^llt auf den 25. April. (Translatio 31.
Jan.); dem Lucas ist der 18. Okt. geweiht (Translatio 9. Mai); die Feste
des Johannes und Matthäus s. unter Apostel. (Vcrgl. Cahier, Nouv. melang.
(Ivoires etc.) 1874, U, 93 — 113.)
Die beiden Brüder Ewald, der schwarze und der weifse (blonde), als
Priester mit Schwertern (M). Ihre Leichen wurden in den Rhein geworfen,
und ein heller Schein am Himmel verhalf zur Auffindung derselben. Sie sind
Patrone von Westfalen, wo sie als Missionare den Märtyrertod fanden, 693.
3. Okt. Translatio 29. Okt. Ihr Schrein in St. Kunibert in Köln.
Exuperantias, Diakon zu Assisi unter Maximian, Geführte der heil. Ge-
schwister Felix und Regula, trägt sein abgeschlagenes Haupt in der Hand.
Patron von Zürich. Seit dem XIII. Jahrh. 30. Decembcr. (11. Sept.)
Fabian, Papst, mit dem Schwert (M). Eine Taube, die sich ihm auf
den Kopf setzte, veranlafste 236 seine Wahl zum römischen Bischof, f 250;
bestattet im Coemet. Calixti , wo sein Grabstein gefunden wurde ; 20 Jan.
(Das Fest des h. Sebastian fällt auf denselben Tag.)
Felicitas, Matrone, mit Palme und Kreuzscepter, stirbt wie i hre Söhne,
die sieben Brüder, den Märtyrertod um 160. 23. Nov.
Felix und Adanctos (Selig und Gemehrer), der erstere als Priester mit
dem Schwert (M). Als ihm das Todesurteil gesprochen war, trat ein unbe-
kannter Mann hinzu, küfste den Verurteilten, gab sich als Christ an und ging
mit ihm in den Tod; daher legte man letzterem den Namen Adauctus bei
(quia 5. Felici auctus est ad corunam vitae aetemae). 30. Aug.
Felix und Fortunatus, römische Ritter, Märtyrer, t 296. 11. Juni.
Felix von Hola, Priester, Märtyrer, in einer Höhle, vor der eine Spinne
einen Schleier gewebt hat. f nach 312. 14. Januar.
Felix von Pisa, Bischof, von Kindern mit ihren eiseiiien Griffeln erschla-
gen, t 542. 1. Septbr.
Felix und Eeg^a, Geschwister; der Bruder als Ritter der thebaischen
Legion; beide tragen ihr abgeschlagenes .Haupt (M). Patrone des grofsen
und des Frauenmünsters zu Zürich. 11. Sept.
Felix, Papst, mit dem Schwert (M). t 274. 30. Mai. Translatio 22. De-
cember. — Aufser den sechs genannten kommen noch einige 50 männliche
Heilige des Namens Felix vor, zwischen denen mit Sicherheit zu unterschei-
den oft höchst schwierig ist.
FermtiuB , Märtyrer. Patron des ehemaligen Klosters Bleidenstatt, wo-
selbst seine Statue am Kirchenportal. 28. Oktober.
Fides, Schwester des h. Moritz, Mohrin. Patronin in Schlettstadt.
Fides, Jungfrau, welche zu Agen den Märtyrertod erlitt; ohne Hände,
die ihr abgeschnitten wurden, im Bette liegend, ca. 286. 6. Oktober.
* So schon am Atrium des Baptisteriums zu Aquileja; Abb. Mitt. Kunstdenkm.
d. östr. Kaiserst. I, 124. Fig. 25. 26.
der Heiligen. 571
Fides, Spes und Charitas, Kinder von 12, 10 und 9 Jahren, Töchter der
h. Sophia, jede mit einem Schwert. 1. August (1. Juli).
Florentins, ein Schotte, Einsiedler, nachher Bischof von Strafsburg im
VII. Jahrh., mit Waldtieren, Bär und Schafen. Seine Legende imTympa-
num des Portals zuNieder-Haslach. 7. November.
Florian, ein Ritter um 300, schüttet aus einem Geföfse Wasser ins
Feuer (weil er sich erboten, freiwillig durchs Feuer zu gehen). Er ward zu
Lorch in derEnns ertränkt, und seine Gebeine wurden um 1183 von dem Stifte
St. Florian dem Könige Kasimir von Polen tibersendet. Patron von Österreich,
Polen , gegen Feuersbrünste und Unfruchtbarkeit. 4. Mai.
FlorinuB, Priester mit Weinkanne, vor ihm kniet ein Krüppel mit Trink-
gefUfs. Patron in Koblenz und Schönau (in Nassau) 17. November.
Foillanns (Pholiauus), ein Schotteumönch und geistlicher Freund der h.
Gertrud. Er stiftete mit seinem Bruder St. Ultanus das Kloster Fosse bei
Nivelles. Patron einer Kirche in Aachen, t 655. 31. Oktober.
Forkemns, Britannier, zuletzt Nachfolger des h. Luman. Bischof, beim
Glockengufs. Patron der Glockengiefser. 17. Februar.
Fortnnata, Jungfrau, Märtyrerin, ihr Kopf zersägt, dann abgeschlagen.
14. Oktober. Ihr Schrein auf Reichenau.
Franoiscns von Assisi (eigentlich Giovanni Bemadoni; Francesco genannt,
weil er als Kaufmann früh französisch lernen mufste), in der Kleidung seines
Ordens, hält einen Lilienstengel in der Hand und ist mit den 5 Wunden-
malen Christi bezeichnet (stigmatisiert); oft trägt er ein Kruzifix in der
Hand, von dem sich in roten Linien die Stigmata auf seinen Körper fortpflanzen ;
behufs der Seitenwunde ist ein Loch in seiner Kutte. Christus erscheint ihm
in Gestalt eines Seraphs {Doctor seraphicus) ; da er bei dieser Gelegenheit die
Stigmatisierung erhält, so wird auch beides derart kombiniert, dafs die Er-
scheinung die Gestalt des Gekreuzigten mit den 6 Seraphsflügeln hat (z. B.
Kupferstich des Meisters E. S. in der Coli. Weigeliana II, 364 No. 428;
Holzschn. d. G.Mus., Taf. 32; Kelch zu Ohrenbach bei Rothenburg o.Taub.
Abb. Chr. K.-Bl. 1874, 88). Er predigt den Vögeln. Mit einem Lamme (das
er wie eine Tochter liebte und oft im Busen trug). Seine Legende 1512 zu
Nürnberg mit 57 Holzschn. gedruckt, t 1226. t4. Oktober, kanon. 1228.
Transl. 25. (24) Mai. Stigmatisation 17. September (seit 1605 fttr die ganze
kathol. Kirche obligatorisch).
Fridolin (Fridold^ auch Trudelin genannt), Abt, mit einem Toten, den
er nach der Legende als Zeugen für eine von demselben gemachte Schenkung
an sein Kloster vom Tode erweckte und vor Gericht führte, daher der Tote
oft eine besiegelte Urkunde in der Hand hält. Patron von Säckingen, Glarus,
Strafsburg. Seine Legende o. 0. u. J. ca. 1470 — 1490 in folio 80 Seiten stark
mit 60 Holzschnitten gedruckt, t 540 (?). 6. März. Transl. 25. Juni.
Friedrich, Bischof von Utrecht, Apostel von Seeland, ermordet auf An-
stiften der Gattin des Kaisers Ludwig, dem er vorgehalten, dafs seine Ver-
bindung mit seiner Halbschwester unerlaubt sei; mit Schwert und Palme.
t838. 18. Juli.
Fronleichnamsfest (F. corporis Christi) : ward zwar schon seit 1264 vor-
geschrieben, in Deutschland aber erst gegen Ende des XIV. Jahrb., zu Ehren
des Leibes Christi in der Hostie, allgemein gefeiert : Donnerstags nach Trini-
572 Verzeichnis
tatis. Auf Bildern ; welche sich auf dieses Fest beziehen, ist eine Prozession
dargestellt y in der ein Priester mit der Monstranz den Glanzpunkt bildet.
Oallns, Gründer und Abt von St. Gallen, als Eremit mit einem Stabe ; ein
Bär, der ihn bediente, steht ihm zur Seite. t640. 16. Okt.; Elevatio 20. Febr.
Oangolf, ein burgundischer Ritter, steht an einer Quelle, die er in der
Champagne gekauft hatte und in seinem Garten zu Varennes in Burgund zum
Vorschein kommen liefs. An dieser Quelle betraf er seine Frau im Ehebruche
mit einem Priester, der ihn mit einem Wurfspiefs hinterrücks tötete. Patron
einer im XL Jahrh. gegründeten Kirche zu Bamberg, auch in Toni und Trier,
besonders beliebt in den Niederlanden (Patron von Haarlem), von wo seine
Verehrung durch Kolonisten im XII. Jahrh. auch nach Sachsen verpflanzt wurde :
er ist z. B. Patron der Kirche des flämischen Kolonistendorfes Bocho bei Jüter-
bog, t um 760. 11. Mai (in Basel), sonst 13. Mai.
Oebhard von Bregenz, Bischof von Konstanz, Stifter von Petershausen,
daher mit Stab und Kirchenmodell, t 996. 27. August.
Die vier Gekrönten, deren Namen (Sev er us, Severianus, Carpopho-
rus und Victorinus) man erst später erfuhr, und sie deshalb zuerst, weil
Kronen über ihrem Flutengrabe erschienen, nur als Coronati bezeichnete,
waren römische Soldaten, welche sich weigerten ein Aeskulapbild anzubeten.
Ihre Legende ist verworren mit derjenigen der 5 pannonischen Steinmetzen
(Claudius, Castorius, Symphorianus, Nikostratus und der von ihnen
bekehrte Simplicius), welche sich unter Diokletian weigerten ein Kultusbild
des Aeskulap zu arbeiten , daher zwischen Bretter geschnürt und bei Sirmium
ins Wasser gestürzt wurden. Mit diesen haben sie denselben Festtag 8. No-
vember und sind sie als Patrone der Steinmetzen oft auch bildlich kombiniert,
so auf dem Grabsteine des Wolfgang Tenck 1 1513 zu Wien (Abb. Mitt C.-K.
XVn, S. LI.) und an den Konsolen der ihnen und Karl d. Gr. geweihten Ka-
pelle am Aachener Münster. (Watt e n b a c h , W., Passio sanctorum 4 coronatorum,
aus einer Gothaer IIs., mit einem Nachworte von Th. Geo. v. Karajan. 1853. Ab-
gedruckt aus den Sitzungsberichten der philos.-histor. Klasse der Akademie der Wis-
sensch. zu Wien, X, 115 ff. — Dieselbe m. archäol. Erläuterungen von 0. Benndorf
u. Max Büdinger 1870 (vergl. A. Ilg in den Mitt. C.-K. XVH, S. XLVII f. m.
Holzschn). — A. von Cohausen u. E. Wörner, Römische Steinbrüche 1876.)
OenoyefiEi, Nonne zu Paris f 512, hält ein Licht in der Hand (weil sie
die vom Teufel mit einem Blasebalg ausgelöschten Kerzen in der Vigilie ohne
Feuer wieder anzündete). Patronin von Paris , gegen Dürre (weil sie die
bei der Dionysiuskirche beschäftigten durstenden Arbeiter tränkte, so dafs sie
bis zur Beendigung des Baues keinen Durst mehr empfanden). 3. Januar (in
Breslau 9. Januar).
Oenovefa von Brabant wurde von ihrem Gemahl, dem Grafen Siegfried
des Maiengaues, unschuldig in die Wildnis verstofsen und daselbst nach 6 Jahren,
mit ihrem Kinde von einer Hirschkuh ernährt, in einer Höhle halbnackt
wiedergefunden. 28. Oktober. (Vergl. den Artikel Genovefa von Jul. Zacher
in der Encycl. von Gruber u. Ersch Sect. I. Bd. 62.
Georg, Ritter zu Pferde oder zu Fufs, tötet den Lindwurm, dem eine
Königstochter (Aja oder ChleduUnde) zur Beute ausgesetzt war ; die königl.
Altern schauen zu. Als Märtyrer gerädert (so an der Georgskirche zu Tü-
bingen) — das mit scharfen Messerklingen besetzte Rad zerbrach ähnlich wie
der Heiligen. 573
in der Legende der Katharina von Alexandrien — von Pferden geschleift wie
St. Hippolyt und nach vielen anderen Martern enthauptet. £in Cyklus von 50
Scenen aus seiner Legende in den Wandgemälden des Herrenhauses von Schlofs
Neu haus in Böhmen aus dem XIV. Jahrh., ein anderer auf dem Altar im Wall-
raf-Museum zu KölnNo. 172—176. Einer der 14 Nothelfer. Er spendet den
Kriegern Sieg und gutes Wetter und ist seit dem XIV. Jahrh. einer der am mei-
sten gefeierten Heiligen. Patron der Ritter, der Reisenden und Spitäler, von
Deutschland, Bayern, Eisenach, Mansfeld, Ulm etc. 23. (24.) April. Translatio
11. December. (Vrgl. v. Gutschmied, über die Sage vom heil. Georg, in den Berich-
ten über die Verhandl. der k. Sachs. Gesellschaft der Wissensch. Philos. - histor. Klasse.
1861. — von Kretzschmar, die Leg. des h. G. u. ihre Darstellung, in Mitt. des
Sachs. Altert. Vereins, Heft XXI; 1871. — Ders., im Jahrb. d. K. Preufs. Kunst-
sammlungen 1883, X, 93 ff., m. Abb. von dem Kölner Altäre. — Riehl, B., St.. Mi-
chael u. St. Georg in der bildenden Kunst. 1883.)
Gereon, Ritter der thebaischen Legion, mit der Fahne, der dem Unter-
gange der Legion entkommen, später bei Köln mit seiner heiligen Schar von
318 (mit griechischen Zahlbuchstaben geschrieben: TIH = Kreuz Jesu. Vergl.
I Mose 14, 14) Gefährten, >quorum nomina Deus scihj den Märtyrertod fand.
Die heil. Helena erbaute die Kirche St. Gereon in Köln zu den goldenen Mär-
tyrern über ihren Gebeinen. Patron von Köln. 10. Okt.
Gerhard, Bischof von Czanad, mit pfeildurchbohrtem Herzen. tl046.
24. Septbr. Es giebt noch 6 andere dieses Namens.
Geroldns, Einsiedler aus sächsischem Herzogsgeschlecht im X. Jahrh.
Mit Lanze (M), neben ihm ein Esel. 19. April.
Gertrud, geb. 626, eine Tochter Pipins von Landen, Äbtissin des von
ihrer Mutter Iduberga (Itta) gestifteten Klosters zu Nivelles in Brabant, hält
eine Lilie in der Hand, steht von Ratten und Mäusen umgeben am Wasser.
Scheidende, oder versöhnte Feinde tranken »St. Gertruden Minne«. Beschütze-
rin der Reisenden, der Armen, der Gräber (weil sie die Verstorbenen in der
ersten Nacht nach deren Tode beherbergt), gegen Ratten und Mäuse. Patronin
zahlloser Spitäler. t659. 17. März. Elevatio 10. Febr. Translatio 4. Sept. etc.
(S. den Artikel Gertrud von Nivelles von Zacher, a. a. 0., 105 — 108.)
Gertrud, Äbtissin des Prämonstratenserklosters Altenberg a. d. Lahn,
Tochter der heil. Elisabeth, t 1297. 13. Aug., elevatio 1334, selig gesprochen
1350. 15. Nov. Ihr Grabstein in Altenberg. (S. den Artikel von Ph.H.Külb ebd.)
Gervasius und Protasins, zwei Brüder zur Zeit Neros, erduldeten in
Mailand den Märtyrertod ; ihre Gebeine wurden von dem heil. Ambrosius er-
hoben und von K. Friedrich Barbarossa in das Münster von Alt-Breisach über-
tragen. Ihr Fest fällt 19. Juni. Gervasius wird mit einer Keule oder einen
Hammer (M) abgebildet oder mit bleierner Geifsel, Protasius mit Schwert.
Gisela, Gemahlin des Königs Stephan von Ungarn, dann Äbtissin, f 1095
— Tag? Ihr Grabstein im Klost. Niederburg zu Passau.
Goar, Priester und Eremit zu Trier um 580. Drei Hindinnen gaben
ihm ihre Milch, womit er die ihn Gefangennehmenden tränkte; ein Teufel
sitzt auf seiner Schulter; er hält einen Topf in seiner Hand ; sein Hut hängt
an einem Sonnenstrahl. Patron der Töpfer. 6. Juli. Translatio 25. Mai. Grab-
stein in der Stiftskirche zu St. Goar.
574 Verzeichnis
Oodeberta, Jungfrau im VII. Jalirh., mit einem Ringe (durch den sie
von dem h. EligiuB mit Christus vermählt wurde). 11. April.
Gottfried von Kappenberg, Ritter, dann Prämonstratensermönch, Gefährte
des h. Norbert, Stifter der Klöster Ilbenstadt (bei Frankfurt a. M.), Kappen-
berg und Varlar (bei Koesfeld). Er trägt eine Schüssel mit Broten oder das
Modell einer Kirche, f 1127. 13. Jan. zu Ilbenstadt. Elevatio 13. Januar
1149. Seine Gebeine wurden zwischen Kappenberg und Ilbenstadt ge-
teilt, daher an beiden Orten seine Grabmäler.
Gotthard (Godehard), ein Bayer, geb. 900, nach einander Vorstand der
Klöster Nieder- Altaich, Tegernsee, Kremsmünster und Hersfeld; seit 1022
Bischof von Hildesheim. Kirchenmodell. Patron von Gotha, von Kirchen
in Hildesheim, Brandenburg etc. t 1038. 5. Mai, kanon. 1131. 29. Oktober.
Traiislatio 1132. 4. Mai. Sein Schrein im Dome zu Hildesheim.
Gottsohalk, Wendenfürst, t 1066 in der Schlacht bei Lenzen. 7. Juni.
Gregor der Grofse, Papst und Kirchenlehrer. Eine Taube sitzt auf sei-
ner Schulter. Im Spätmittelalter ist die Messe Gregors einer der beliebtesten
Vorwürfe für die bildende Kunst, als Veranschaulichung einer Vision, die dem
pontificierenden Papste einst auf dem Jerusalems -Altare der Kirche Porta
Crucis in Rom auf sein Gebet zur Überzeugung einer ungläubigen Frau zu
teil wurde: er kniet, von Geistlichen umgeben, vor dem Altar, auf dem
Christus , vom Kreuze herabgestiegen , Blut aus der Seitenwunde in den Kelch
träufelt; oder Christus steht auf dem Altare im offenen Grabe, und der Kelch,
aus welchem Blut fliefst, liegt auf der Patene. Mit der Verehrung dieser
namentlich auch durch den Holzschnitt (zahlreiche aus dem XV. Jahrh. be-
schrieben in der Coli. Weigeliana) verbreiteten Bilder hatte schon Gregor selbst
einen Ablafs von 14000 Jahren verbunden, nachher noch 40 Päpste je 6 Jahre
und zahlreiche Bischöfe je 40 Tage. — Patron der Schottenabtei in Wien.
t 604. 12. März. — Aufserdem giebt es noch 28 andere heilige Gregore,
unter denen einer ein Gefährte des h. Gereon ehemals Patron in Küdinghoven
war; ein anderer, Bischof von Utrecht, Schüler des h. Bonifatius. t 775.
25. August.
Gndnla, eine Jungfrau ausBrabant, Tochter der h. Amalberga. Sie hält
eine Lampe (welche ihr der Teufel ausgeblasen, die sich aber auf ihr Gebet
wieder entzündete). Patronin von Brüssel. 8. Januar.
Gompertas {Guntbertus), ostfränkischer Graf, dann Benediktiner und
erster Abt des von ihm gegründeten Gumpertiklosters in Ansbach, t vor 800.
— 11. März. Translatio solennis 15. Juli. Sein Grabmal von 1523 in seiner
Kirche zu Ansbach.
Gundekar, Bischof von Eichstädt. t 1075. 2. August.
Gatmann {Homohonus)j Kaufmann (Gewandschneider) in Oremona; ver-
teilt seine Güter unter die Armen, mit Elle und Schere. Patron der Schnei-
der. Legende mit Holzschn. gedruckt Leipzig 1518. f 1197. 13. Nov.
Hartmann, Bischof von Brixen. f 1165. 30. Oktober.
Hedwig, Gemahlin Herzog Heinrichs des Bärtigen von Schlesien, als
Nonne, geht (aus Demut) barfufs und trägt ihre Schuhe in der Hand; auch
hält sie als Stifterin von Trebnitz das Modell einer Kirche oder einer Sta-
tuettederh. Jungfrau mit dem Kinde. Patronin von Schlesien, Lebus, Frank-
furt a. d. 0. t 1243. 15. Okt., kanon. 1267. Translatio 17. (25.) Aug. 1268.
der Heiligen. 575
Ihr Grabstein ioTrebnitz. Ihre Legende unter anderen in den Gemälden ihres
Altars in St. Katharinen zu Brandenburg; gedruckt deutsch mit 69 Holz-
schnitten 1504 zu Breslau ; nach der 1353 von Nikolaus von Preufsen ange-
fertigten Handschrift der Piaristenbibliothek zu Schlakenwerth (vergi. über
dieselbe Schlesiens Vorzeit in B. u Sehr., HI, 99 f.) herausgegeben von von Wolfs-
kron, Ad. L., die Legende der h. H. etc. mit 61 gemalten Lithographien
1846, und nach der deutschen Handschrift von 1451 in der Univers.-Bibl. zu
Breslau von Luchs, Herm., über die Bilder der Hedwigslegende. M. 25
Holzschn. 1861.
Heinrich n., römischer Kaiser, hält das Modell einer Kirche, auch 2
Schwerter, mit Kunigunde zusammen eine Lilie. Patron und Stifter des Bis-
tums Bamberg, Restaurator des Stifts Merseburg, f 13. Juli 1024; kanon.
1146; (12.) 14. Juli. Seine Legende am Grabmal im Dome zu Bamberg, ge-
druckt deutsch 1493 zu Nürnberg, 1511 zu Bamberg, beide mit Holzschnitten.
(Vita bei Pertz. Mon. G. , IV, 792 - 820.)
Heinrich Soso (Amandus), Dominikaner aus Konstanz; kniet vor der
himmlischen Weisheit (Maria?), auf der Brust ti|0, um das Haupt Strahlen-
glorie und Rosenkranz , vor ihm ein Hund mit einem Tüchlein im Maule, hinter
ihm ein Baum, von dem das Christkind Blütenzweige herabwirft (so in den
Holzschn. des Germ. Mus., Taf. 92, von ca. 1470-1490). t 1365. 25. Januar.
Helena, Königin, Mutter Konstantins desGrofsen, trägt das Kreuz Christi
und die Nägel (weil sie dieselben zu Jerusalem auffand). Patronin von Trier«
18. Aug. (oder verschiedene andere Tage, besonders 8. Februar, doch scheint
auch eine Verwechselung mit der h. Jungfrau Helena von Auxerre, deren
Tag auf den 22. Mai fUllt, obzuwalten).
Hemma, Gräfin von Friesach, Witwe. XI. Jahrb. Stifterin von Gurk, wo
ihr Sarkophag und Altar aus der Zopfzeit. 29. Juni.
Heribert, Erzbischof von Köln, t 16. März 1021. Elevatio 1147. Trans-
latio 30. August. Seine Legende in den Medaillons an seinem Schrein zu D e utz.
Daselbst sein Stab und Becher.
Hermagoras, Bischof von Aquileja im I. Jahrh. (Der Name dieses Heili-
gen findet sich in Kärnthen und Krain in Emohar korrumpiert.) 12. Juli.
Hermann (Joseph!) , Prämonstratenser, bietet als Kind dem Christkinde
auf einer Madonnenstatue einen Apfel dar (so in einer Marmorskulptur in St.
Maria im Kapitol zu Köln), t nach 1230. T.April. (Yergl. kurzgefaCste Lebens-
beschreibung des h. Heim. Jos. Köln 1839.)
Hermes» Ritter mit Fahne und Kreuzschild, Patron in Warbeyen
gegenüber Emmerich. 27. April.
HieronymuB von Strido, Presbyter, meist in Kardinalstracbt dargestellt,
weil ihn nach der Legende Papst Damasus zum Kardinal ernannt, ein Löwe
neben ihm dem er einen Dom aus der Tatze gezogen hatte ; er studiert in ein-
samer Wildnis; ein Totenkopf liegt vor ihm, ein Stein, als Zeichen der Ab-
tötung, in seiner Hand. Häufig in seiner Bufse dargestellt (keine Codices
saeculares mehr zu lesen) nach seiner eigenen Erzählung von seinem Traum-
gesicht in der ep. 17 und 22 ad Eustochium, so auf einem Holzschnitt in Coli.
Weigeliana I, 156, No. 93. Seine vita deutsch ohne Titel gedruckt 1484 zu
Lübeck durch Barthol. Oothan. Seine Legende z. B. in den Glasgemälden
aus der Burgkirche in St. Marien daselbst, f 420. 30. September.
576 Verzeichnis
Hilarion, Eremit (Abt) um 370 anfOypern. Cr bannt, in Felle gekleidet,
einen Drachen durch das Kreuzeszeichen und verbrennt ihn auf einem Schei-
terhaufen. 21. Okotber.
Hildegard von Frankreich, Gemahlin Karls des Grofsen, in königl. Schmuck.
Patronin der Kranken, des Stifts Kempten, f 783. 22. Juli. — Eine andere
Hildegard, 1136 Äbtissin auf Disibodenberg, dann 1141 Stifterin undÄbtis-
sin des Robertiklosters (Rupertsberg) bei Bingen, durch ihre Visionen berühmt,
t 1180. 17. Septbr., ist niemals förmlich kanonisiert worden.
Hildegonde, Cistercienserin in Schönau bei Heidelberg ; ein Engel be-
gleitet sie zu Pferde, t 1188. 20. April.
Hippolytuf , nach Eusebius und Hieronymus ein Bischof, sie wissen aber
nicht: wo? nach Prudentius ein Priester, der um 304 zu Portus bei Rom
von Pferden geschleift den Märtyrertod erlitt ; so ist er auch dargestellt in
den Wandgemälden zu Brau w eiler — vielleicht nur Übertragung der antiken
Hippolytus-Mythe. — Berühmte sitzende Statue mit der Ostertafel zu Rom. —
Nach einer anderen Passio ist er römischer Officier und Märtyrer unter Vale-
rianns und erscheint als Krieger mit Fahne oder Lanze und Schild, so auf
dem Siegel des ihm geweihten Stifts Gerresheim, ebenso auf einem Grabmal
aus dem XIV. Jahrh. in dem im VIII. Jahrh. gegründeten und ihm geweihten
Stifte St. Polten in der Diöcese Passau; hier enthält der Schild den Buchsta-
ben Y (sc. Yppolitus). 13. August.
Honoratas, confessor. 28. März. Schrein in Sieg bürg.
Hroznata, böhmischer Edelmann, Gründer des Stifts Tepl. f. 1217.
14. Juli.
Kubertau (Humbertus)j als Jäger, zwei Pfeile haltend. Neben ihm steht
ein Hirsch, welcher zwischen dem Geweih ein Kruzifix trägt, durch dessen
Anblick er auf der Jagd bekehrt wurde. Er starb als Bischof von Lüttich 727.
»Hubertusschlüssel« wurden in den Kirchen aufbewahrt; man brannte damit
Wunden von Hundebifs aus. Patron der Jäger, gegen Hundswut ; von Lüttich,
Jülich, Augsbui'g. Depos. 3. Nov. Verschiedene Translationen: 743. 29. Mai;
825. 30. Sept. ; 20. December etc.
Hülpa, s. Kümmernis.
Hogo, Erzbischof von Ronen, treibt mit Monstranz Teufel aus. t 730.
9. April. — Ein anderer, Bischof von Grenoble, mit Schwan zu seinen Füfsen.
t 1132. 1. April.
Hnna, eine nicht recht anerkannte elsässische Heilige, Verwandte der h.
Odilia, welche Kranke in einem vom h.Deodat wunderbar für sie geschaffenen
Brunnen wusch. Ihre Legende handschriftlich von 1520, in Wandgemälden
der Kirche zu Hunaweier im Ober-Elsafs. f 687. 15. April.
Hyacinthns, als Dominikaner vonKrakau oder als Bischof, trägt heilige
Geräte (Kelch, Heiligenbilder etc.) und geht auf dem Wasser (dem Dniepr
oder der Weichsel). Apostel der Polen und Litthauer, t 1257. 15. August.
Das Fest ist wegen des auf den Todestag dieses Heiligen fallenden Marien-
festes auf den 16. Aug. verlegt. — Auch mehrere andere Heilige gleichen Namens
kommen vor, aber stets in Gemeinschaft mit einigen anderen, z. B. Hyacin-
thus, Alexander und Tiburtins. 9. Sept. etc.
Jacobos, s. Apostel. — Nichtapostolische Heilige dieses Namens giebt
es 18, darunter Jac. von Nisibis, von Geburt ein Britannier 309 — 338
der Heiligen. 577
Bischof von Nis. (Erzb. von Antiochia?), mit den 11000 Jungfrauen getötet.
Sein Caput im Dome zu Hildesheim. 15. Juli.
Ida {Ithd) von Eckelborn ^ eine Hirschkuh zur Seite , welche in der
Wildnis ihre Ernährerin war.
Ida von Toggenburg, Witwe des sächsischen Grafen Egbert von Herzfeld,
hält einen Raben, der einen Ring im Schnabel trägt (den er ihr wiederbrachte,
da sie wegen Verlustes desselben von ihrem Gemahl verstofsen war). Patro-
nin in Herzfeld bei Lippstadt und Hilbeck Kreis Hamm, f nach 811 (825?).
Elevatio 26. Novbr. 980. — 4. Septbr. Beide Heilige dieses Namens sind als
Nonnen gekleidet und werden oft miteinander verwechselt. (Yita S. Idae bei
Pertz, M. G., 11, 570. — Leifert, die h. Ida. 1859. — Vergl. Anz. G. M. 1862,
No. 6—8; 1865, No. 5 ff.)
Ignatins, Bischof von Antiochia, welcher unter Trajan in Fesseln nach
Rom geführt und den Löwen vorgeworfen wurde. Die Legende, nach der er
den Namen Christi mit goldenen Buchstaben ins Herz geschrieben hatte, sieht
in ihm das Kind, welches Jesus (Matth. 18, 2 — 4) mitten unter die streitenden
Jünger stellte, t 107 (oder 115?). 1. Febr., Translatio 17. December.
Ingenniniu, Bischof von Sähen -Brixen, Mitpatron des Domes zu Brixen.
t 610. 5. Februar.
InnocentiuSy Fahnenträger der Thebaischen Legion. Sein Schrein in
Siegburg. Statue im Chore des Domes zu Magdeburg. — Innoc. I Papst,
Mitpatron von Gandersheim. f 12. März 417. 28 Juli.
Joachim, Vater der Jungfrau Maria, trägt in einem Korbe ein Paar Tau-
ben (Luk. 2, 24) oder ein Lamm, einen Rosenkranz, auch die Maria als Kind.
Seinen Todestag kennen die älteren Legenden nicht, und sein Fest wird in
Verbindung mit dem Tage der h. Anna gefeiert (in Mainz und Basel 9. Decbr.,
in Gnesen 22. März).
Jodoona (Jobst), als Eremit, eine Krone (der er, zum Könige von Bre-
tagne bestimmt, entsagte) liegt zu seinen Füfsen ; in Oberwesel im Pilgerkleide.
Patron der SchiflTer (auch der Pilger?), einer Kirche zu Landshut, zu Göschütz
bei Schleiz und zu Santoppen inErmland, woselbst seine Legende auf einem
Flügelaltare. f 668. 13. December. Nach der Annahme einiger nur eine
christliche Umgestaltung des slavischen Jodute -Swantewit.
Johanna, das Weib des Chusa (Luk. 8, 3. 24, 10), mit Salbenbüchse.
24. Mai.
Johannes CapiBtrannSy Franziskaner, predigend mit Kruzifix, über ihm
eine Sonne, t 1456. 23. Oktober.
Johannes ChrysostomüB (Goldmund), Bischof von Konstantinopel; ein
Bienenkorb bezeichnet ihn als Homileten und Kirchenlehrer ; seine Bufse:
er kriecht nackt auf Händen und Füfsen ; Patron gegen fallende Sucht, t 14.
Sept. 407 , sein Fest fällt auf den 27. Januar.
Johannes der Eyangelist, s. Apostel.
Johannes yon Keponink, Kanonikus an der Veitskirche zu Prag, angeb-
lich in der Moldan ertränkt 20. März 1393 ; nach der erst behufs seiner 1729
erfolgten Känonisation festgestellten Legende Beichtvater der Gemahlin des
Kaisers Wenzel, der am 16. Mai 1383 dies Schicksal erlitten hätte (vergl. Joh.
Balbinus, vita Joh. Nep. 1725. — 0. Abel, die Leg. des h. Joh. v. N. 1855); mit
Otte, Knnit-Arclülologie. 6. Aafl. 37
578 Verzeichniß
Kruzifix und 5 Sternen ums Haupt. Patron von Böhmen nnd der im Meer
oder sonst in Lebensgefahr Befindlichen. — 16. Mai.
Johannes der Täufer, im Gewände ausTierfellen, das zuweilen die Form
einer Dalmatik hat, oft mit struppigem Haupthaar (als Zeichen der Bufsübung),
trägt das Lamm Gottes auf einem Buche oder in Gestalt einer grofsen Hostien-
scheibe nnd ein Kreuzpanier. Johannisfeuer. Johanniskronen. Johanniskraut
{Hypericum perforatum), Johannisküchlein (mit neunerlei Kräutern). Patron
von Breslau, Gent, Geldern, Groningen, Ingolstadt, Kleve, Lübeck, Leipzig,
Lüneburg, Merseburg, Nördlingen, Ostfriesland, Oppenheim, Saalfeld, Ut-
recht, Wesel — der Lämmer und Schneider. Conceptio 24. Sept. (Johannes
albus); Nativitas 24. Juni (Mitsommer, Singhiten, Sunnwenden); Decollatio
29. August. (Vergl. Sachse, F., Johannes der Täufer im Mittelalter, im Jahresbe-
richt der höheren Knabenschule in der Potsdamer Str. zu Berlin, 1866.) Oft wird
sein Haupt auf einer Schüssel (Matth. 14, 10) dargestellt, so auf vielen Siegeln
und Schlufssteinen, plastisch in Schnitzwerk im Dome zu Naumburg a. S.
mit der aus der Festliturgie entnommenen Minuskelinschrift auf dem Rande
der Schüssel : Puella saltat, meretrix suadety rex jübet^ sancius decollatur.
Seine legendarisch ausgeschmückte Geschichte ist vollständig auf dem ihm
geweihten Altare in St. Elisabeth zu Marburg dargestellt.
Johannes und Paulus, römische Ritter mit Palmen, starben unter Julian
im IV. Jahrb. zu Rom als Märtyrer: die sogen. Wetterherren; ihr Fest:
26. Juni: Hagelfeier.
Joseph yon Arimathia mit Salbenbüchse. 17. März.
Joseph der Kährvater Jesu, als alter Mann mit langem Bart, trägt einen
Lilienstab zum Zeichen der Reinheit seiner Beziehungen zur Maria, oder weil
er der einzige unter den als Freier um die h. Jungfrau vom Hohenpriester ein-
geladenen Witwern war, dessen Stab Blätter und Blüten bekommen hatte.
19. März. Übrigens ist er erst im XVI. Jahrh. zum Range eines selbständigen
Heiligen emporgestiegen.
Irmgard (Irmengard), Gräfin von Zütphen, Jungfrau, Pilgerin vor einem
Kreuze betend, t um 1050. 4. September. Ihr Leichnam befand sich im
Dome zu Köln, ihre Legende ist zu Köln 1520 gedruckt.
Irmina (FtTnina), Tochter des Königs Dagobert von Franken, Nonne,
Stifterin des Klosters S. Maria ad horreum in Trier. Ihr Grabmal ehedem in
St. Peter und Paul zu Weifsenburg. 24. December.
Judas Thaddaens, s. Apostel.
Julia, Jungfrau aus Alexandrien, VI. Jahrb., gekreuzigt. 22. Mai.
Jnliana, Jungfrau aus Nikomedien, Märtyrerin (zuletzt enthauptet), mit
Teufel an der Kette. Mitpatronin in Dietkirchen. t 304. 16. Februar.
11000 Jun§^au6n, s. Ursula.
Justina, s. Oyprian.
Justinus, ein Märtyrer um 790. 1. August. Patron in Höchst.
Justus und Clemens, Presbyter, Konfessoren, Patrone des Stifts Bibra.
5. Juni (in Magdeburg und Brandenburg 31. August). Heilige des Namens
Justus führt Potthast 23 auf.
Ivo (Vvo), ein Rechtsgelehrter zu Orleans, advocatiis paupenim. Patron
der Juristenfakultäten z. B. zu Wittenberg, t 1303. 27. Oktober.
Kanut {Knut)y König von Dänemark, mit Pfeil und Lanze (zu Odense
der Heiligen. 579
durch einen Wurfspiefs getötet). 1 1086. 10. Juli. — Ein anderer E.^ Herzog von
Schleswig, 1131 im Walde Haralstet getötet, 1169 kanonisiert, Pati'on der St.
Knutsgilde in Schleswig. 7. Januar.
Karl der Orolse, als Kaiser, mit einer Kirche im Arme. Patron von
Aachen, Frankfurt a. M., Hildesheim, t 814« 28. Jan.; kanon. 1164; Trans-
latio 27. Juli, 4. August (Halberstadt). Seine Legende an seinem Reliquien-
schreine zu Aachen.
Karthago, die 7 Märtyrer von, auf Pfähle gespiefst. Ihre Geschichte im
Kreuzgange des Domes zu Brixen. 17. Juli.
Kasimir, polnischer Prinz, mit Krone und Lilie, f 1483. 4. März.
Katharina yon Alezandrien, Prinzessin; mit einem zerbrochenen, mit
Messern besetzten Rade (welches der Blitz zerschmetterte, als sie gerädert
werden sollte), auch mit dem Schwert (M). Sie disputiert mit 50 Philosophen,
verlobt sich mit dem Christkinde, wird enthauptet, ihr Leichnam wird von
Engeln nach dem Sinai getragen. Patronin der Philosophie und der Schulen,
auch von Schiffern im Sturme angerufen, eine der 14 Kothelfer, beliebt im
XIII. Jahrh., nachdem ihre Verehrung durch die Kreuzztlge ans dem Orient
in das Abendland verpflanzt war. Kompatronin des Domes von Magdeburg etc.
Soll unter Maximinus gelebt haben. 25. Nov. (5. März). Ihre Legende z. B.
am Hochaltar der ihr geweihten Kirche zu Brandenburg a. H. und zu St.
Kathareinen bei Völs in Tirol. Falk, a. a. 0., 92 führt davon 9 zwischen
1500 und 1520 gedruckte deutsche Ausgaben mit Holzschnitten an.
Katharina yon Siena, Dominikanerin mit Kreuz und Wundenmalen an
den Händen, f 29. April 1380, kanonisiert 1461. Fest am 30. April. Ihre
Legende in Wandgemälden in der Dominikanerkirche zu Gebweiler, gedruckt
deutsch mit Holzschnitten 1515 zu Augsburg.
Kilian (f^yllenä)y Bischof von Würzburg, Apostel der Franken, mit
Schwert und Dolch (M). Patron von Franken, Würzburg, Korbach. t 689.
8. Juli. — Sein Martyrium auf dem Deckel seines Evangeliars zu Würz-
bürg. (Verzeichnis von Kiliansldrchen bei Gröfsler (s. Bonifatius), 12 — 14.)
Die vier grofsen Kirchenlehrer: Oregorius (der Papst), Hieronymus
(der Kardinal), Ambrosins (der ErzbischoO und Angustinus (der Bischof),
von Bonifaz VIII. 1295 als ^quatuor doctores et columnae ecciesiae laHnae«^ an-
erkannt, werden als Repräsentanten der Kirche oft zusammen dargestellt und
sind an ihren Attributen kenntlich. Sehr häufig werden sie mit den 4 Evan-
gelisten zusammengestellt, in den Gewölbemalereien zu Partenheim auch ein-
zeln mit deren Symbolen : Hieronymus mit dem Menschen , Gregorius mit dem
Löwen, Ambrosius mit dem Stier, Augustinus mit dem Adler.
Koloman, ein Schotte, mit Lanze (M., er wurde auf der Pilgerreise nach
Jerusalem zu Stockerau in Österreich 13. Oktober 1012 ermordet), auch als
Pilger mit Stab und Palmzweig (so auf dem Siegel von Melk). Patron von
Österreich. — Ein anderer Koloman, Presbyter, Gefährte des St. Kilian, auch
Genosse seines Martyriums, bat mit diesem zusammen den 8. Juli und ist Patron
mehrerer Kirchen in Bayern, z. B. bei Schwangau in Oberbayem, Waischen-
feld in Oberfranken.
Die heil, drei Könige heifsen seit Beda Kaspar, Balthasar und Mel-
chior, früher: Appellius, Amerius und Damaskus, oder: Ator, Sator und Para-
toras, hebräisch: Galgalat, Malgalat und Sarithim. Sie bringen dem Christ-
S7*
530 Verzeichnis
kiade ihre Gaben dar: Kaspar als 60 jähriger Greis in violetter Tunika und
gelbem Mantel, Balthasar als 40jähriger Mann in gelber Tunika nnd rotem
Mantel, Melchior als Mohr 20 Jahr alt in roter Tunika, gewöhnlich ohne Hei-
ligenscheine. Es wird aber anch Balthasar als der Mohr bezeichnet. Die Ver*
teilung der Gaben zeigt der Sprach an , der sich z. B. auf einer Glocke in St.
Martin zu Braunschweig und zu Löwenhagen bei Dransfeld findet: Jasper
fert mirhamy ihus Melchior y Baltazar aurum. Ihre Leichname kamen angeb-
lich frflh in die Sophienkirche nach Konstantinopel, von dort durch den h.
Eustorgius nach Mailand und von da 1163 in den Dom zu Köln, wo ihr be-
rühmter Schrein und das Dombild des Meister Stephan. Dort wurde auch ihre
Legende deutsch von Henrich von Nuyfs mit Holzschn. gedruckt. An einem
Portale desUlmer und in einem Glasgemälde des Bern er Münsters findet sich
die seltene Darstellung aus ihrer Legende, wie jedem von ihnen in der Nacht
vor der Geburt Christi ein Wunder widerfährt: dem Kaspar legt ein Straufs
zwei Eier, aus deren einem ein Lamm, dem anderen ein Löwe hervorkommt;
dem Balthasar wächst eine Blume, aus der ein Vogel hervorfliegt, welcher die
Geburt Christi verkündigt; dem Melchior gebiert seine Frau ein Kind, das so-
fort den neugeborenen König der Juden und zugleich seinen eigenen nach 33
Tagen erfolgenden Tod verkündigt. 6. Januar; in Köln wird der obitus des
Balthasar besonders am 11. Januar gefeiert. (Vergl. oben S. 528; Fr. R., d. h.
3 Könige in Legende u. Kunst, im Org. f. ehr. K. 1871. No. 3. 4.)
Konrad, Bischof von Konstanz, mit Kelch und Buch, oft Messe lesend :
eine Spinne hat ihr Gewebe über den Kelch gebreitet. Patron von Schwaben,
des Hochstifts Konstanz, t 976. 26. Nov., kanon. 1123.
Kreuaerfindung: Fest, welches (nach 1376) am 3. Mai zum Andenken
der durch Helena veranlafsten Auffindung des wahren Kreuzes gefeiert wird.
Bildliche Darstellungen, z. B. in den Glasgemälden aus der Burgkirche in St.
Marien zu Lübeck zeigen den Juden Judas, einen Enkel jenes Zachäus Luk.
19, 2, welchem der Ort der Kreuzigung Jesu aus Erzählungen seines Vaters
bekannt war, der aber erst, nachdem man ihn in eine tiefe Grabe geworfen,
durch Hunger und Durst zur Angabe des Orts genötigt werden konnte, in
Gegenwart der Helena und des Konstantin mit dem Aufgraben des Kreuzes
beschäftigt. (Dieser Judas wurde durch das wahre Kreuz bekehrt nnd unter
dem Namen Quiriacus später Bischof von Jerasalem ; auf Verlangen der Helena
fand er späterhin auch noch die drei oder vier Nägel.) Einen Teil des
Kreuzes sandte Helena nach Konstantinopel, der andere wurde in Jerasalem
aufbewahrt, wo er später von dem Perserkönig Cosroes geraubt wurde ; der
Kaiser Heraklius eroberte jedoch das Kreuz wieder und brachte es nach Jera-
salem zurück ; zum Andenken hieran wird das Fest der Kreuierhöhong am 14.
Sept. gefeiert. Die bildlichen Darstellungen desselben beziehen sich auf die Le-
gende, dafs, als Heraklius im königlichen Pompe mit dem Kreuze seinen Einzug
in Jerusalem halten wollte, er das Thor der Stadt wunderbar geschlossen fand
und einen Engel über demselben, welcher ihn an den demütigen Einzug Christi
erinnerte ; der Kaiser kam nun barfufs und im Hemde : da öffnete sich das Thor.
Kümmernis (oder Wilgefortis = virffo fortis, auch Liberata und St.
Hülpe oder Gehülpe), eine mythische, nie kanonisierte Heilige, die am 20.
Juli gefeiert wird. Sie scheint auch mit der h. Era (s. oben) identisch zu sein,
und wird als eine bärtige gekreuzigte Jungfrau dargestellt, die einen Pantoffel
der Heiligen. 581
anhat, während der andere Fufs blofs ist. Zu ihren Füfsen kniet ein Geiger,
der nach der Legende die Gekreuzigte durch das Spiel des »Rrenzliedes« er-
quickte, wofür sie ihm zum Danke einen ihrer goldenen Pantoffel zuwarf. Als
er wegen dieses Besitzes des Diebstahles beschuldigt und zum Tode verurteilt
an ihrem Kreuze vorttbergeführt wurde, erwachte sie aus dem Todesschlummer
und warf ihm auch den anderen Pantoffel zu. Möglicherweise haben Kruzifixe
des älteren bekleideten, der späteren Zeit befremdlich gewordenen Typus zu
dieser Legende Anlafs gegeben; andere Auslegungen denken an eine Chri-
stianisierung der antiken Venus barbata, oder der nordischen jungfräulichen
Göttin Iduna und des Gottes der Musik Bragir. Die Bilder kommen hauptsäch-
lich in Süddeutschland vor (z. B. Fresko von 1492 an der Virgiliuskirche zu
Altenberg bei Kaltem in Tirol, 6 Bilder aus der Legende aus dem Ende des
XV. Jahrh. inNeufahren beiFreising, Stickerei auf einem der Burgundischen
Mefsge wänder von ca. 1430 in der k. k. Schatzkammer zu Wien, Relief am
Turme zu Oberwinterthurin der Schweiz aus dem XV. Jahrh.), aber auch
in Emmerich, an der Wasserkapelle zu Saal fei d (Abb. im Hennebergischeu
Archiv. Lief. 1) und zu Neisse (vergl. Rübezahl 1870, 349). Die Bollandisten
führen Wilgefortiskruzifixe zu Fulda, Brüssel, Mecheln, Prag und Mainz (Dom)
an, ein St. Hülfensberg mit frequenter Wallfahrt seit 1360 befindet sich bei
Geismar auf dem Eichsfelde, St. Hülfenskapellen befanden sich auch zu Kutlo
bei Diepholz* und bei Göttingen und ein St. Hülpen- Altar mit einem sil-
bernen St. Uülpenbilde 1530 in der St. Clemenskirche zu Lübeck. (Vergl. die
Bollandisten Juli, V, 59 c. D. — Bergmann, Jos., St. Kümmemufs, in den Mitt.
C.-K. I, 132 f. — aus'm Weerth, I, 5. — Lütolf, Aloys, Sankt Kümm. und die
Kümmemisse der Schweizer, im Geschichtsfreund, XIX, 183 ff. m. Abb. Einsiedeln
1863. — Das Kreuzbild der h. Kümm. zu Geistthal, im Kirchenschmuck, Seckau 1880,
118 f. m. Abb.)
Kunibert (auch Gumpertus genannt), Bischof, als persönliche Auszeichnung
erster Erzbischof von Köln, f 663. Depositio 12. Nov. Mit Kirchenmodell
oder Taube. Patron in Köln.
Knnigunde, die (nach der Legende jungfräuliche) Gemahlin Kaiser Hein-
richs U., hält eine Pflugschar (weil sie zum Beweise ihrer Keuschheit über
glühende Pflugschare unverletzt ging), auch eine Kirche. Patronin von Bam-
berg, t 1033. 3. März ; kanon. 1200. Translatio 9. Septbr. Ihre Legende
in den Bildern der Handschrift ihrer vita um 1200 in der Bibliothek zu Bam-
berg (Text bei Pertz, M. G. IV, 820—828), und an ihrem Grabmal von Tileman
Riemenschneider im dortigen Dome.
Ladislans, König von Ungarn, wo sein Kultus heimisch ist. Mit Streit-
axt, t 1095. 30. Juli; kanon. 1198; Elevatio 27. Juni; Depositio 28. Juli.
LambertUB, Bischof von Maestricht, fiel als Opfer der Rache seiner Feinde,
von Wurfspiefsen durchbohrt. Patron von Lüttich, Münster, St. Lambrecht
in Steiermark. 1 708. 17. Sept. Verschiedene Translationen: 712. 28. April;
1143. 19. Dec. etc.
Lanrentina, Diakonus der römischen Kirche, mit dem Roste, auf dem er
* Das Siegel dieser Kapelle führt die Umschrift: SigiUvm sacrosancttie crucis
ecclesiue in nutlo, und in Widmungsurkunden für dieselbe helTst es *detne guden
heren zunte hulpe, dat got zuluen is< oder »des hüligen Cruces der hulpe godes, dat
(ßod /uluen ts«; vergl. Mithoff. V, 167 f.
582 Verzeichnis
gebraten ward, oder sein Diakonenrock mit Flammen bedeckt , zuweilen auch
mit einem Teller voll Gold- und Silbermttnzen (als Bewahrer der Kirchenachätze
von Rom). Seine Verehrung wurde besonders durch Otto den Grofsen geför-
derty nachdem er am Laurentiustage 955 den Sieg auf dem Lechfelde davon-
getragen hatte. Patron der Hochstifter Merseburg und Havelberg, von Nürn-
berg, Wismar und vieler Kirchen kleinerer Orte in den sächsischen Gegenden,
Frohse, Loburg, Möckem, Schöningen etc.; gegen Feuersbrttnste. t 258.
10. August. Seine Legende z. B. am Schnitzaltar zu Teichstätt in Tirol.
Lazams, Bruder der Martha und Maria, dann nach der Legende erster
Bischof von Marseille. 17. December (in Meifsen 4. September).
Leboin (Zta/>rtn), englischer Missionar an derYssel, Geführte des h. Willi-
brord, Kompatron der Marienkirche in Deventer. Todesjahr unbekannt, wohl
nach 776. — 12. November.
Leobardua, ein Rekluse, Stifter von Maursmttnster im Elsafs. t 583. 18.
Januar.
Leodegar (St Leger, im Elsafs St. Glückem oder Glückhard genannt),
Bischof von Autun, mit einem Bohrer in der Hand (womit ihm die Augen aus-
gestochen wurden). Patron in Gebweiler, von Luzern. t 678. 2. (3.) Okt.
Leonhard, Eremit bei Limoges, mit einer Kette um den Leib oder in
der Hand (weil er die schuldlos Gefangenen befreite); er half der Gemahlin
Königs Theodebert von Austrasien bei einer schweren Niederkunft durch sein
Gebet und wird, wie von den Gefangenen, so auch von den Kreifsenden als
Patron angerufen. Die diesem Heiligen gewidmete Kirche zu Gellmersbach
(O.-A. Weinsberg) ist seit mehreren Jahrhunderten mit einer Kette umgeben;
an die Art und Weise, wie sie dahin gekommen, knüpfen sich viele Sagen.
Um die St. Leonhardskirche auf dem Berge bei Brixen schlingt sich eine
Kette, deren Glieder je einen Fufs lang sind, und die alle Jahre ein neues Glied
bekommt; sie reicht schon 2 Vi mal um die Kirche, wenn sie dreimal herum-
reicht, geht die Welt unter (vergl. Simrock, der gute Gerhard und die dankbaren
Toten, 1856, 128 f.). In der Kirche zu Aigen in Niederbayern ist er abgebildet
in den Wolken, in jeder Hand das Ende einer Kette haltend, welche sich bis
auf die Erde herabsenkt und zahlreiches betendes Volk auf seinen Knien,
Priester und Vornehme an seiner Spitze umschlingt. — Seine Legende in den
Glasgemälden seiner Kirche zu Tamsweg in Steiermark. Er wird übrigens
auch von den Landleuten in Viehangelegenheiten angerufen und an seinem
Festtage finden in Bayern und Tirol Umritte der Bauern mit den Pferden statt,
in Österreich beschliefst derselbe die Weinlese und wird durch Festzug der
Weinbergshüter gefeiert, t 559 (?). 6. November.
Leopold IV., Markgraf von Österreich, mit dem Modell einer Kirche,
oder in Rüstung mit Rosenkranz. Stifter des Klosters Neuburg, Patron von
Österreich, Kärnthen, Steiermark. tll36. 15. Nov.; kanon. 1485; Translatio
15. Febr. Seine Legende in den Ruelandschen Bildern zu Klosterneuburg.
Levinus CLepinus, Livinus), ein irischer Bisehof, Missionar von Brabant,
mit einer Zange (M), mit der ihm die Zunge ausgerissen wurde. Patron von
Gent, Kompatron mit S. Ulrich in Magdeburg, t 659. 12. Nov.
Liberata, s. Kümmernis.
Liborius, Bischof von Mans um 340, hält ein Buch, worauf einige kleine
Steine liegen; ein Pfau, der den Weg zeigend voranflog, als man die Reli-
der Heiligen. 583
qnieii dieses Heiligen 836 von Mans nach Paderborn brachte , wird neben ihm
dargestellt. Patron von Paderborn — gegen Steinschmerzen. 23. Juli ; Trans-
latio 836. 28. April. Adventns reliqn. zu Paderborn 28. Mai.
Lioba, Verwandte des Bonifatius, Äbtissin des Klosters Bischofsheim (ob
an der Tauber oder an der Rhön, ist streitig; vergl. die Yerhandlungen im Arch.
d. Ver. f. Unterfranken u. Aschaffenburg. XXTTI. 1875) und Gründerin von Lieben-
zell (= Liobenzell) in Württemberg, t 779. 28. September zu Schornsheim.
Ihre Gebeine sind im Dome, ihr Sarg in der Petersberger Kapelle zu Fulda.
Longinns, der Hauptmann unter dem Kreuze Jesu (Matth. 27, 54), in
Ritterrüstung, einen Drachen tötend. (Auch den Kriegsknecht, welcher Jesu
in die Seite stach [Joh. 19, 34], nennt die Legende Longinus.) Er wurde als
Christ unter dem Präses Oktavian enthauptet. — Der Name Longinus er-
scheint in den Kaiendarien an verschiedenen Tagen, zum Andenken verschie-
dener Märtyrer dieses Namens: 15. März, 2. Juli, 21. Juli etc. Vergl. auch
oben 8. 539.
Lubentins, Schüler des h. Martinus, Missionar an der Mosel und am Rhein,
mit Kelch. Patron des ehemaligen Ohorhermstifts zu Dietkirchen in Nassau.
t 6. Febr. 400 zu Kobern ; Festtag 13. Oktober.
Lucia, Jungfrau von Syrakus, trägt in einer Schale oder auf einem Buche
ihre ausgestochenen Augen; am Halse hat sie eine ihr mit einem Schwerte
beigebrachte Schnittwunde. Patronin der Augen, der Bauern. 13. December.
Translatio (nach Venedig) 18. Jan.
Lucius, König von Britannien, der erste christliche König, im IL Jahrb.,
der dem Throne entsagte und in Süddeutschland als Missionar auftrat ; er er-
scheint als Ritter mit königlichen Insignien, ein Schwert (M) haltend. Patron
von Chur. 3. December. (Aufser diesem kommen noch etwa acht andere
Heilige dieses Namens vor.)
Ludanus, schottischer Herzogssohn, als Pilger, imElsafsl202. 12. Febr.
verstorben. Patron einer Kapelle bei Hipsheim in Kanton Erstein, wo sein
Grabmal von 1492 sich befindet.
Lndgardis, Cisterciensernonne in Brabant; der Gekreuzigte umarmt die
vor einem Kruzifix betende Heilige, f 1246. 16. Juni.
Ludger (Lutgery LitUffer), Bischof von Münster, Apostel der Sachsen,
liest in einem Buche (dem Breviarium), oder mit Kirchenmodell, neben ihm
zwei Schwäne. Patron von Ostfriesland , Münster, Billerbeck, in Helmstedt,
Werden a. Ruhr, t 809. 26. März, Translatio 24. April (3. Sept.). (Vergl.
Diekamp, die vitae S. Ludg., in Gesch. Quellen des Bist, Münster, IV. 1881.)
Ludmilla, Herzogin von Böhmen, hält einen Schleier in der Hand, mit
dem sie erdrosselt wurde. Patronin von Böhmen, t 927. 16. Sept.; Trans-
latio 10. Nov. Basrelief an St. Lorenz zu Nürnberg. Ihr Grabmal aus der
Mitte des XV. Jahrh. in St. Georg zu Prag.
Ludwig IX., König von Frankreich, hält Lilienscepter und Dornen-
krone, auch mit Taube, t 1270. 25. Aug.; kanon. 1297.
Ludwig, Bischof von Toulouse, Franziskaner - Ordens , ein Vetter des
Vorstehenden, der aus den königl. Häusern von Neapel, Sicilien und Jerusalem
stammte, was durch drei neben ihm liegende Kronen bezeichnet wird; nach
seinem Tode wuchs eine Blume aus seinem Munde (als Zeichen seiner Keusch-
heit), t 19. Aug. 1297; kanon. 1317.
584 Verzeichnis
Lnitwiniu (Leoduinics), Gründer und Abt von Mettlach, später BiBchof
von Trier, t 713 zu Reims. 29. September.
Lucas, 8. Evangelisten. Die Legende^ dafs er Maler gewesen sei,
stammt aus dem Orient und kommt im Abendlande vor dem X. Jahrh. nicht
vor. Patron der Maler; wird häufig dargestellt die h. Jungfrau malend , seine
Legende z. B. auf dem Altare der Malergilde in St. Katharinen zu Lttbeck.
Lnllus, Schüler des Bonifatius, Erzbischof von Mainz 755 — 786, Gründer
von Hersfeld. 16. Oktober. Elevatio 852.
Magdalena (Luk. 8, 27) erscheint auf dem Siegel des Präpositus der
Magdalenerinnen in Germania (Schultz, Schlesische Siegel bis 1250, Taf. VI,
No. 49) gekrönt, stehend mit über der Brust gekreuzten Händen, in der Rech-
ten ein Lilienscepter, rechts und links von je drei Teufelchen umflogen, unten
ein siebenter kleiner; für gewöhnlich aber mit der Salbbüchse, sie kniet
unter dem Kreuze Jesu oder beim Noli me tangere. Tradition und Legende
identificiert sie durchgehends mit der Schwester des Lazarus und der grofsen
Sünderin, Luk. 8, 37, daher sie häufig auch als Büfsende in der Wüste oder
in der Höhle mit Totenschädel und Kruzifix oder in der Bibel lesend dargestellt
wird, auf altdeutschen Bildern auch vom Hals bis zu den Füfsen in eng an-
schliefsenden Pelz gekleidet. Ihre Legende ausführlich z. B. in den Glasge-
mälden aus der ehemaligen Burgkirche in St. Marien zu Lübeck. Patronin
der Büfserinnen. 22. Juli. Bekehrung: 1. April. — Verschiedene Transla-
tionen 6. Mai, 27. Febr., 19. März.
Magnus (Mang), Benediktinerabt um 666, Schüler des heil. Gallus, Stifter
des Klosters Füssen in den julischen Alpen , eifriger Vertilger des Heidentums
und der reifsenden Tiere; er tötet mit dem Kreuze einen Drachen. Als
Knabe hütete er Schafe, zu deren Erwerbung er von einem Engel Geld em-
pfangen etc. Patron von Augsburg , Kempten — gegen Raupen. 6. September.
— Noch ein anderer Magnus, ein Bischof, wird ebenfalls von wilden Tieren
umgeben dargestellt; er war ihnen vorgeworfen worden, aber sie dienten ihm;
durch dieses Wunder wurden 2597 Heiden bekehrt, mit denen er unter Aure-
lian zu Caesarea in Kappadocien als Märtyrer starb. 19. Aug.
Makkabäer, die sieben Brüder. 1. August. Ihre Geschichte an ihrem
Reliquienkasten in St. Andreas zu Köln. Vergl. oben S. 443 No. 1.
Mallusius, Ritter von der thebaischen Legion, s. Oassius.
Mamertus, Bischof von Vienne, mit brennendem Lichte, t 475.
1 1. Mai.
Marcella, die Magd im Hause des Lazarus und seiner Schwestern.
11. Januar.
Maroeilinus und Petrus, jener Priester, dieser Exorcist unter Diokletian,
mit dem Schwerte hingerichtet durch Dorotheus, der sich infolge davon bekehrt.
2. Juni. Ihr Martyrium unter den Wandgemälden zu Brauweiler. Einhard
brachte ihre Gebeine mit List aus Rom 827 nach Michelstadt, später nach
Seligenstadt.
MaroelluSy Papst; ein Esel an einer Krippe neben ihm (weil er als Stall-
knecht hatte dienen müssen), t 310. 16. Jan.
Marcus, s. Evangelisten; als Bischof von Alexandrien wird er auch
in Bischofstracht dargestellt, gewöhnlich als kräftiger Mann, untersetzt, kahl,
aber mit starkem Barte. — Heilige dieses Namens kommen mindestens 20 vor.
der Heiligen. 585
Margareta, Tochter des Sarazenen Theodocius, fahrt einen gefesselten
Drachen und hält oft einen Stab oder ein Kreuz in der Hand, auch ein
Schwert (M). Patronin der Gebärenden, eine der 14 Nothelfer. Ihr Fest fällt
in den Monat Juli und findet sich in den Kaiendarien an verschiedenen Tagen ver-
zeichnet: 12. (5. 11. 13. 14. 15. 19. 20.) Juli. Ihre Legende deutsch gedruckt
1500 zu Magdeburg, 1513 zuKöln. (Vergl.Holland,W.L., die Leg. d.h. Mar., 1863.)
Margareta yon Ungarn, Tochter des Königs Bela IV, Dominikanemonne,
hält in der Rechten einen Lilienstengel mit drei Blüten, zu ihren Füfsen das
Wappen von Ungarn (Holzschn. in der Coli. Weigeliana I, 234 No. 147).
t 1271. 28. Januar.
Maria, ^ Von den Darstellungen der h. Jungfrau, sofern sie in das Gebiet
der Bibel fallen, ist schon oben S. 525 fifl bei den biblischen Bildern und von den
Marientypen, namentlich denen ihrer Jungfräulichkeit S. 508 f. die Rede gewesen ;
durch die Beimischung des Legendarischen, besonders nach dem Protevangelium
Jacobi (Thilo, Cod. apocr. N. T. I, 161—273), der Geschichte der Kindheit Jesu
(ebd., 339—400) und dem Büchlein vom Hingang Maria, hat sich jedoch ein
eigentümlicher Oyklus marianischer Darstellungen gebildet, bei deren Auf-
zählung wir dem auschlielslich diesem Gegenstande gewidmeten Prachtwerke
der Frau Anna Jameson folgen:^ I. Marienbilder als Gegenstand religiöser
Verehrung : 1. Die Jungfrau ohne das Kind. Nach dem Mosaikentypus (in S.
Maria in Porto zu Ravenna aus dem VU. Jahrh.) als verschleierte Matrone
mit betend ausgebreiteten Armen ; zur rechten Hand ihres verherrlichten Soh-
nes sitzend als Sponsa Bei ; in einem Buche lesend als Virgo sapieiitissima ;
von Gott Vater und Christus gekrönt als Virgo incoronata; ihren Mantel aus-
breitend über die gläubige Gemeine als Mater misericordiae »Maria Schutz«
oder »die Zuflucht der Sünder«; unter dem Kreuze stehend; ein Schwert, auch
fünf oder sieben Schwerter in der Brust (Luk. 2, 35), mit Beziehung auf ihre
sieben Schmerzen (die Beschneidung Christi, die Flucht nach Ägypten, die
Verlierung Jesu im Tempel, die Kreuztragung Jesu, seine Kreuzigung, Ab-
nahme vom Kreuze, Grablegung; im Gegensatze dazu die sieben Freuden:
die Verkündigung, die Heimsuchung, die Geburt Christi, die Anbetung der
' von Lehner, F. A., über die älteste Ent Wickelung des Marienkultus, iq den
Mitt. C,-K. Vn, 119 — 127. — Ulrici, H., über die verschiedene Auffassung des Ma-
donnen-Ideals bei den älteren Malern. 1854. — Gent he, die Jungfrau Maria, ihre
Evangelien u. ihre Wunder. 1852. — Gumppenberg, W., de imaginibus deiparae
miraculosis. 1657. — Öttingor, E. M., Iconographia raariana oder Versuch einer
Litteratur der wunderthäti^en Marienbilder. 1852. — Riggenbach, C, übermittelalt.
Skulptur^'erke in Basel, in Mitt. C.-K. XV, S. XUS ff . — Die hervorragendsten
Scenen aus d. Leben der allersel. Jungfr., im Org. f. ehr. K. 1872. No. 23 bis 1873.
No. 4. — Eckl, B., die h. Familie, daselbst J873, No. 7. — U. Meynard, la Sainte
Vierte. Paris 1877. — Schultz, Alw., die Legende vom Leben der Jungfr. Maria
und ihre Darstellung in d. bild. K. des M.-A. 1878, — von Lehner, F. A., die Ma-
rien verehrunc in den ersten Jahrhunderten. Mit 8 Taff. 1881.
* Legends of the Madonna, as represented in the fine arts. By Mrs. Jameson.
London (1852) 5. Aufl. 1872. — Vergl. Wagner, F., Nürnberger BiTdhauerwerke des
M.-A, Heft 1: Marienbilder (des XIV. bis XVI. Jahrb.). 1847. — Cyklische Darstel-
lungen der ffanzen Marienlegende hat man in Deutschland eigentlich nur in den Kupfer-
sticnserien aes Israel von Meckenen (Bartsch, 30 — 41) und Albrecht Dürer (Bartsch,
76 — 95). — Schwarze Madonnenbilder (z.B. in Deutschland zu Altötting, in Nio-
dermünster zu Regensburg) erinnern an Hohelied 1, 5, sind aber gewöhnlich erst durch
das Alter imd den Rauch der Kerzen und Räücherungen schwarz geworden.
586 Verzeichnis
Weisen, die Auferstehung Christi, die Ausgiefsnng des heil. Geistes, die Krö-
nung durch Gott Vater und Christus) als Mater dolorosa »Schmerzensmutter«;
auf der Mondsichel stehend, mit 12 Sternen gekrönt und von einer Strahlen-
glorie umgeben (nach der Erscheinung Apokal. 12, 1) »Maria in der Sonnen«
später gewöhnlich als Conceptio immaculata gedeutet, Virgo purissima^ »Gottes
Magd« ; Regina sine labe originaU concepta, »Himmelskönigin«. Die seit dem
XV. Jahrh. aufkommenden sogen. Rosenkranzbilder hängen zusammen mit
den Rosenkranz • Brüderschaften :^ rote und weifse Rosen (Freuden und Leiden
der Maria) umgeben die heil. Jungfrau, der alle Stände Rosenkränze über-
reichen ; mit diesen Bildern stehen dann auch jene einfacheren in Verbindung,
auf denen »Maria im Rosenhag« dargestellt ist. — 2. Die Jungfrau mit dem
Kinde. Auf einem Throne sitzend mit dem Kinde auf ihrem Schofs, in feierlich
ernstem Typus als Sancta Dei genitrix, Virgo deipara, »Mutter Gottes«; das
Kind auf dem Arme haltend, in reizend lieblichem Typus als j}fater amabiiiSy
alma mater. — II. Historische Bilder. 1. Das Leben der Jungfrau von ihrer
Geburt bis zu ihrer Verheiratung mit Joseph. (Die Legende von Joachim und
Anna: die Verkündigung der heil. Anna. Joachim ein Lamm tragend, von
dem Hohenpriester aus dem Tempel gewiesen. Er hütet die Schafe im Gebirge.
Die Verkündigung des Engels an ihn. Sein Zusammentreflfen mit Anna an der
goldenen Pforte. Die Geburt der Maria. Ihre Unterrichtung durch Anna. Die
(dreijährige) Maria ersteigt mit einer Kerze die (15) Stufen, die zum Tempel
in Jerusalem hinaufführen. Sie webt und stickt Teppiche und Priestergewänder
für den Tempel. Abjathar wirbt für seinen Sohn um sie , was sie ablehnt. Der
Hohepriester beruft die unverheirateten Männer mit ihren Stäben zur Bewerbung
um die Jungfrau ; der dessen Stab grünt und von dem eine Taube emporsteigt,
soll sie zum Weibe haben. Die Vermählung der 14jährigen Jungfrau mit dem
greisen Witwer Joseph; die übrigen Bewerber zerbrechen ihre Stäbe). —
2. Das Leben der Jungfrau von der Verkündigung bis zur Rückkehr aus
Ägypten. (Die Verkündigung. Die Heimsuchung. Die Reise nach Bethlehem.
Die Geburt Christi. Die Anbetung der Hirten. Die Anbetung der Weisen.
Die Darstellung im Tempel. Die Flucht nach Ägypten. Die Ruhe auf der Flucht.
Die Rückkehr aus Ägypten.) Vergl. oben S. 526 — 530. — 3. Das Leben der
Jungfrau von dem Aufenthalt in Ägypten bis zur Kreuzigung Jesu. (Die heilige
Familie : Maria mit dem Kinde ; in drei Personen : M. mit Jesus und Joseph,
oder und Anna, oder und dem kleinen Johannes d. Täufer ; in vier Personen :
M. mit Jesus, Elisabeth und Johannes; in fünf Personen : M. mit Jesus und Jo-
seph, Elisabeth und Johannes; in sechs Personen: M. mit Jesus und Joseph,
Zacharias, Elisabeth und Johannes — die ganze h. Sippe s. oben S. 557 —
Lukas malt die h. Jungfrau mit dem Kinde. Die Zimmerwerkstatt. Der Knabe
Jesus lernt lesen. Er wird im Tempel lehrend von seinen Eltern gefunden.
Der Tod Josephs. Die Hochzeit zu Kana. Der Abschied Jesu von Maria in
Bethanien. Die Kreuztragnng. Die Kreuzigung. Die Abnahme vom Kreuz.
Die Grablegung und Beweinung.) Vergl. oben S. 539. — 4. Das Leben der
Jungfrau von der Auferstehung Jesu bis zu ihrer Himmelfahrt.^ (Der Aufer-
' Vergl. oben S. 402. Ein Rosenkranzablafs - Holzschnitt von Hanns Schawr von
Ulm (ca. 1471—84) in den Holzschn. des Ocrm, Mus, Taf. 89. 90; ein anderer von 1485,
wahrscheinlich von demselben in der Coli. Weigeliana. I, 108.
■^ Die bildl. Darstellungen vom Tode u. von der Himmelfahrt Maria. Frankfurt
^^{^^:^i_imm-^ I
• ^
der Heiligen. 5g7
standene offenbart sich seiner Mutter. Die Himmelfahrt des Herrn. Die Aus-
giefsung des heil. Geistes. Die Apostel verabschieden sich bei Maria. Gabriel
(mit Palme) verkündigt Maria ihren Tod. Tod der Maria; die Apostel sind
mit den kirchlichen Sterbeceremonien um sie beschäftigt, Petrus schwingt ge-
wöhnlich das Rauchfafs; die Seele nimmt entweder Christus direkt in Em-
pfang, oder ein Engel trägt sie gen Himmel. Ihr Begräbnis ; die Apostel tragen
den Sarg, die Hände der ihn antastenden Juden fallen ab und bleiben daran
hängen ; dem Thomas giebt ein Engel den Gflrtel der Maria. Die Himmelfahrt der
Maria; die Jünger umstehen das Grab, welches mit Rosen geftlllt ist; oft reicht
hier Maria selbst dem Thomas ihren Gürtel. Die Krönung der Maria ist oft gleich
mit der Himmelfahrt verbunden ; sonst kniet sie vor Christus oder sitzt schon ne-
ben ihm auf dem Throne, und zuweilen ein Engel oder häufig Gott Vater teilt
sich mit ihm in das Geschäft des Rroneaufsetzens. — Der Jungfrau Maria sind die
meisten Kirchen in der Christenheit gewidmet: die ersten wurden, nachdem
die Nestorianischen Streitigkeiten mit dem Ephesinischen Konzil (431) abge-
schlossen waren, in Rom und Konstantinopel errichtet. — Marienfeste:
Annunciatio (U. Fr. Bekleibung): 25. März. — Maria ad Martyres: Fest
zum Andenken an die von Bonifaz IV. im Jahre 610 vorgenommene Weihung
des römischen Pantheons zur Kirche der heil. Märtyrer: 13. Mai. — Visi-
tatio (Heimsuchung; Johannis sanctificatio) : 2. Juli. — Maria ad nives
(Maria im Schnee, Schneefeier): zum Andenken an die älteste der Maria zu
Rom um 440 geweihte Kirche , deren Stelle durch einen auf einen heifsen Tag
folgenden nächtlichen Schneefall bezeichnet wurde: 5. August. — Assumptio
(Dormitio; Transitus; Pausatio; Requies; nicht: Ascensio; Himmelfahrt;
Ehrenmefs U. Fr. ; Schiedung ü. Fr. ; grofse Frauentag; fest, herbarum, Wurze-
weihe): 15. Aug. — Nativitas (Jengerung; ü. Fr. Tag der letzte): 8. Sept.
— Präsentatio (Opferung): 21. Novbr. — Conceptio (Empfahung; Ver-
holmen): 8. December. — M. Schmerzen (auch: Marias Ohnmacht, Spasmus
oder Compassio genannt) Freitag vor Palmarum, ist zuerst 1423 zu Köln ge-
feiert; M. Freuden am 24. September ist erst im XVUI. Jahrh. aufgekommen.
Maria Aegyptiaca lebte nach einer ausschweifenden Jugend 47 Jahre lang
unbekleidet in der Wüste am Jordan; sie erscheint nackt, von der Sonne ge-
bräunt, in ihr weifses Haupthaar verhüllt. Zosimus, der ihr die letzte Weg-
zehrung bringt, reicht ihr ein Gewand (so in den Wandgemälden zu Brau-
weiler). Löwen graben ihr Grab. 2. (9.) April, in Brandenburg 27. April,
in Trier und Köln 7. August.
Maria Jacobi, das Weib des Alphaeus, 9. April.
Maria Magdalena, s. Magdalena.
Maria Salome, 22. Oktober.
Mariaans Scotas kommt unter Heinrich IV. mit Johannes und Candidus
zuerst nach Bamberg, später nach Regensburg in die Abtei Obermünster,
deren Äbtissin ihnen die Kirche Weihen-St. Petri überläfst, wo von ihm ein
Schottenkloster (später nach St. Jakob verlegt) gegründet wurde. Todesjahr
(bald nach 1080) und Tag unbekannt, bei den Bollandisten : 9. Februar. —
Ein anderer M. Sc, der Chronist, ist Mönch in Köln, dann in Fulda, dann in
Mainz, t 1082.
a. M. 1854. — Vergl. Augusti, Denkwürdigk. III, 109—115. — Eckl, B., Tod und
Begräbnis der h. Jungfrau, im Org. f. ehr. K. 1873. No. 21. 22.
588 Verzeichnis
Martha, die Schwester des Lazarus, mit Kochlöffel (wegen Luc. 10, 40).
29. Juli (17. December); (vergl. Riehl, B., Martha die Patronin der Hausfrau, im
Repertoiiuin f. Kunstwissenschaft VI, 3.) — Eine andere Martha, Mutter des Simeou
Stylites, mit Weihkessel und Dämon (z. B. auf einem Bilde von H. Burgk-
mair zu München) t ^^l. 21. Mai.
Martialis, der Jüngling von Nain, oder der Knabe, der bei der Speisung
der 5000 Brot und Fisch trug.
Martin,^ Bischof von Tours, häufig als Ritter zu Pf erd e, teilt seinen Man-
tel mit dem Schwerte einem vor ihm liegenden oder knienden Aimen, segnet
drei in Leichentüchern auf Gräbern Sitzende (weil er drei Tote erweckt hatte).
Nachdem er, im Heidentum erzogen, seit seinem löten Jahre hatte Kriegs-
dienste thun müssen, wurde er später zum Bischof von Tours erwählt: die
neben ihm zuweilen dargestellte Gans wird von einigen auf eine Begebenheit
bei seiner Bischofswahl , welche Legende aber jünger ist als die legenda aurea,
von anderen wahrscheinlicher auf die Martinsgänse bezogen , welche das Volk
zu dem durch Schmausereien und Trinkgelage an Stelle des einstigen Herbst-
Opfers für den VVuotan gefeierten Feste dieses Heiligen an den Klerus ablieferte.
Urkundlich ist die Martinsgaus zuerst um 1171 nachgewiesen, wo Otelricus
von Swalenberg der Abtey Korvei ^argenteum anserem in festo s. Martim<
schenkte (Annales Corb. ap. Leibnitz, Script. 2, 308). Verschieden von der
Gans ist der Glück bringende Martinsvogel, der Schwarzspecht. — Die Messe
des h. Mai*tin kommt in zwiefacher Darstellung vor, einmal : während er die
Messe liefst, erscheint auf dem Altare statt des Kruzifixes ein spottender Teufel,
und im Vordergrunde schwatzen Weiber mit einander, deren Geschwätz ein
anderer Teufel auf eine Rolle verzeichnet, die aber nicht ausreicht, so dafs er,
während er sie eifrig länger zerren will, sich den Schädel an einer Säule der
Kirche einrennt ; die andere : der Heilige hat eben seine Tunika einem Aimen
geschenkt und hält nun eilig, nur mit den Episkopalien angethan, die Messe,
wobei er vorschriftswidrig in der Elevation die Hostie mit entblöfsten Armen
halten muis, der Herr aber bezeugt sein Wohlgefallen, indem über dem Altare
eine feurige Kugel erscheint. — In den Glasgemälden seiner Kirche zu Kol-
mar und auf Siegeln der Stadt erscheint er auch wie Fridolin einen der drei
von ihm erweckten Toten an der Hand führend (Abb. Kraus, H, 253). —
Patron der (reuigen?) Prasser und Trinker (weil er bei einem Gastmahle
den ihm vom Kaiser gereichten Ehrenbecher einem hinter ihm stehenden
armen Kleriker gab), gegen die Pocken (weil er einen ekelhaften Aussätzigen
durch einen Kufs heilte) — von Berg, Geldern, Grafschaft Hörn, Heiligen-
stadt, Kleve, Kolmar, Mainz, Schwarzburg, Utrecht. Martinskirchen finden
sich zwar in der ganzen christlichen Welt, doch nirgends so auffallend häufig
wie in Deutschland und Belgien; in Franken weihte der h. Bonifatius die
meisten von ihm errichteten Kirchen diesem Heiligen, t um 400. Dies sepul-
turae: 11. Nov. (Martinus frigidus); Translatio 14. 18. Nov., 13. Dec. Der
4. Juli wird zum Andenken seiner Ordination, Translation und Kirch weihe
gefeiert (Martinus calidus). — Über seine cappüy s. oben S. 265 No. 2.
* Reinkens, Jos. Hub., Martin von Tours etc. 1866. — Eckl, im Org. f. chi*.
K. 1870. No. 21. — Weingarten, in Herzog-Plitt, Real-Encykl. IX, 371 ff. —
Simrock, Martinslieder. 1846. — Wolf, Beiträge zur deutschen Mythologie. I, 38 — 54.
der Heiligen. 589
Martin der Papst, 653 17. Juni abgesetzt, t 655. 16. Septbr. Festtag
12., in Dentschland 10. November.
Märtyrer, die 40, siehe Ritter.
Märtyrerinnen, die vier grofsen: Lncia, Agnes, Agatha, Cäcilia.
Matemianns, Bischof von Reims im IV^. Jahrh., Patron der Stiftskirche
zu Bücken, in welcher seine Legende in Glasmalereien des XIII. Jahrh. (Abh.
in Farbendr. Mitt. Band. Niedere., Heft 11 und 12, Bl. 86) dargestellt ist. 30. April,
in den niedersächs. Bistümern 7. Juli.
Matemns, Bischof von Trier, einer der 72 Jünger oder der von Christo
auferweckte Jüngling zu Nain , Missionar am Rhein. Weil in den Landen seiner
apostolischen Wirksamkeit drei Erzstifter (Köln, Trier und Utrecht) entstanden,
hält er eine Kirche mit drei Türmen oder trägt drei Bischofsmützen: eine
auf dem Haupte, zwei andere vor sich auf dem Buche. Patron des Weinbaues.
14. Sept., in norddeutschen Diöcesen auch 12. 13. 19. September, Translatio
23. Oktober.
Matthäus, s. Apostel und Evangelisten.
Matthias, s. Apostel.
Mauritius, ein Mohr, Ritter, eine Fahne mit 7 Sternen in der Hand,
Anführer der thebaischen Legion, welche aus 6666 Christen bestehend, weil sie
den römischen Göttern nicht opfern wollte, bei Agaunum am Genfer See unter
Maximian den Märtyrertod litt, wobei sich nur wenige retteten. Die hh. Exu-
perius, Candidus, Innocentius, Victor, Vitalis und Constantius werden als
Fahnenträger der Legion bezeichnet ; zu den der Niedermetzelung Entgangenen,
welche ^fa^^ri oder Mauretani genannt werden, gehören: Solutor, Aventor,
Octavius, Alexander, Secundus, Constantinus, Victor, Ursus, Gereon, Gre-
gorius, Cassius, Florentius etc., welche später an anderen Orten als Märtyrer
starben. Der h. Moritz führt den Titel glorioms äux et martyr und ist Patron
des Erzstifts Magdeburg, von Koburg, Lauenburg etc. — gegen Podagra.
Sein Fest, welches auf den 22. Sept. fällt, heifst in Magdeburg Heermesse.
Maurus, Schüler des Benedikt von Nursia, holt den Placidus aus dem
Wasser, daher Patron gegen Schnupfen und Heiserkeit, t 584. 15 Januar im
Kloster Glanfeuil = St. Maur sur Loire. Maursmünster i. Elsafs aber heifst
so nach einem Abte aus dem VIII. Jahrh.
Maximilian, Bischof von Lorch (Laureacum, später Passau) ein Salz-
burgischer Lokalheiliger, schon im VIII. Jahrh. Kirchenpatron, f. ca. 308.
12. Oktober.
Maximin (im Elsafs populär: St. Schmasmann)y Bischof von Trier, ein
Bär trägt ihm sein Gepäck, f 349. 29. Mai. Depositio 12. September.
Maximus. Heilige dieses Namens finden sich über 30, worunter mehrere
Bischöfe ; aufserdem kommen Verwechselungen mit anderen Heiligen des Na-
mens Maxi ml uns vor, so dafs mit Sicherheit die Einzelnen nicht unterschie-
den werden können: M., Bischof von Nola, hat einen Dornenstrauch neben
sich, an dem eine Weintraube hängt, 7. Februar; M., Bischof von Turin, hat
ein Reh zur Seite, t 465. 25. Juni. In Merseburg ist die Stadtkirche dem
Diakonus M. geweiht, der zu Amiens unter Decius als Märtyrer starb, und
dessen Reliquien K. Otto U. derselben schenkte. Sein Fest wird am 19. Okt.
gefeiert.
Medardns, Bischof von Noyon und Toumay, teilt Almosen aus; drückt
590 YerzeichniB
seine FufsBtapfen in einen Stein; ein Adler schützt ihn vor dem Regen, daher
Patron des trockenen Heuwetters ; drei weifse Tauben fliegen aus seinem Grabe.
(t um 545.) 8. Juni.
Meinrad 9 Stifter des Klosters Einsiedeln, mit einem Raben (2 Raben
veiTieten seine Mörder), t 863. 21. Januar. Seine Legende mit Holzschnitten
gedruckt zu Nürnberg o. J. durch H.Mayr und zu Basel 1496. (Yergl. Schmid,
L., der h. Meinrad in der Ahnenreihe des erl. Hauses HohenzoUem 1874.)
MeiiLwerk, Bischof von Paderborn, eifriger Bauherr, t 1036. 5. Juni,
kanonisiert 1376.
Mercherdach {Murcherahisf^ ein Inkluse in Obermünster zu Regens-
burg, wo er eine Kapelle hat und sich sein Grabstein befindet (Abb. von Hef-
ner, Trachten, 2. Aufl. U, 132); im Pilgerkleid, t 7. September 1075 (?). Fest-
tag 9. Februar. (Vergl. Grf. Walderdorf, St. Mercherdach und St. Marian und
die Anfönge der Schottenklöster in Regensburg, in: Verh. des bist. Vereins von Regens-
burg, XXXIV, 187 ff.).
Metronus, Kompatron von Gernrode 8. Mai.
Michael, s. Erzengel, oben S. 519. Er heifst: Coelesiis militiae signifer
(Vita b. Ottonis ap. Canis. ant. lect. HL 2, 43), auch: Praepositus paradisiy qui
praesentat animas ante Dominum (Caesarius Heisterb. Dial. 8, 45), oder: Prhc
ceps angelorum ad mscipiendas animas. Michael und Petrus erscheinen als
Summi intercessores^ (Monumenta Salisb. ap. Canis. 1. c. 283. Vergl. Wolf, Beitr.
zur deut. Mythologie, I, 32 ff., auch oben S. 17, N. 2). — Ursprünglich feierte die
Kirche zwei Michaelistage, 15. März und 8. Mai, denen das Konzil zu Mainz
813 den dritten, am 29. Sept., hinzufügte, welcher das Hauptfest blieb. —
Patron der Fechtergesellschaften, von Salzburg, Frankenberg, Jena und Ohr-
druff. Sein Bild ehemals in der deutschen Reichsfahne (daher der »deutsche
Michel«).
ModestUB. Heilige dieses Namens kommen mehrere vor: ein Märtyrer
zu Alexandria (12. Febr.), ein Bischof von Trier (24. Febr.), der Erzieher des
h. Veit (an dem Feste des Letzteren: 15. Juni), ein gelehrter Laie und Be-
kenner zu Antiochia unter Marcus Antonius etc.
Modoald, Bischof von Trier, Schwager Pipins I. t 640. 12. Mai.
Monica, Mutter des h. Augustinus, t 388. 4. Mai. Translatio 9. April
(in Brandenburg 28. Februar).
Morandns, angeblich aus dem Hause Habsburg stammend. Prior einer
Kluniacenserabtei bei Altkirch i. Elsafs, deren Patron er ist (wie auch einer
Kapelle in St. Stephan zu Wien). Patron gegen Kopfschmerzen. 1 1115. 3. Juni.
Sein Sarkophag in Altkirch.
Nemo, ein von der Kirche nicht anerkannter Heiliger ohne bestimmten
Kalendertag, Produkt eines kirchlichen Witzes. Seine Legende herausgegeben
von Wattenbach, im Anz. G. M. 1866. No. 11.
' Honorius von Autun beantwortet in einer eigenen Schrift : über Xu quaestio-
num (bei Migne, Patrol. CLXXII, 1177 ff.) die Frage, wer von beiden in der himm-
lischen Hierarchie den Vorrang habe ? dahin, dafe dies Petrus sei. da Michael nur zu
den Archangeli, der vorletzten Stufe der 9 Engelklassen gehöre, oie Apostel aber der
ersten, den Seraphim, an Rang gleich ständen.
der Heiligen. 591
Nikolaus, Bischof von Myra, genannt von Bari (weil seine Reliquien 1087,
9. Juli dorthin gebracht wurden), hält ein Buch mit drei Kugeln, eigentlicli
drei Broten (weil er die Stadt Myra vor Hungersnot bewahrte) oder drei Geld-
beuteln (die er über Nacht in das Schlafgemach von drei Jungfrauen warf
und sie dadurch vor dem Verkauf in ein Bordell rettete) ; er stillet zu Schiffe
Wind und Meer; ein Anker liegt neben ihm ; vor ihm steht eine (oft wie ein Tauf-
kessel aussehende) Kufe mit drei nackten Kindern (denen eines Gastwirts,
die der Vater in einer Hungersnot geschlachtet und eingesalzen hatte, und die
der Heilige wieder lebendig machte). Caesarius von Heisterbach (Dial. 8,
75) beschreibt ein traditionell bei Lebzeiten des Heiligen nach dem Leben ver-
fertigtes und angeblich (Org. f. eh. K. 1865, 261) zu Burt scheid noch erhal-
tenes Mosaikbild desselben: Imaginis facies ohlonga et obesa, multae gravita-
tis et reverentiaey et in fronte calvicies, capilli tarn capitis quam barbae can-
didae caniciei. Patron der Schiffer und Kaufleute, vorzüglich beliebt bei d<du
Handel treibenden Niederländern, die im XII. Jahrh. in Sachsen und Branden-
burg angesiedelt wurden. Im Bremischen heifst er »der killige Polemanm,
Bilder aus seiner Legende in St. Nikolai zu Jüterbog. 6. December. — Es
giebt noch 12 andere Heilige des Namens, darunter zu erwähnen: Nikolaus
von Flüe (de Bupe, Bruder Klaus) geb. 1417, Einsiedler in der Schweiz.
t 1487. 21. März; beatificiert 1669. Mit Holzbecher an einem Bache
stehend. Seine Legende deutsch mit Holzschnitten gedruckt Nürnberg 1488.
— Nikolaus von Tolentino, Augustinereremit 1 1306. 10. Septbr., kommt
in deutschen Kirchen seines Ordens vor. Mit Buch und Sonne (oder Stern),
die sich über Tolentino zeigte, als er zum Priester geweiht wurde.
Norbert, Stifter des Prämonstratenser- Ordens, später Erzbischof von
Magdeburg; hält einen Kelch, an dem oft eine Spinne kriecht (welche er im
Abendmahlswein verschluckt und ohne Schaden wieder ausgeniest hatte);
ein Teufel (den er ausgetrieben) liegt zu seinen Füfsen. t 1134. 6. Juni;
seine Gebeine angeblich 1626 aus Magdeburg nach Stift Strahow in Prag
gebracht.
Notbnrga, Magd im Rottenburgischen (Tirol), trägt in Schürze und Krug
Almosen (die sich vor ihrem strengen Herrn in Hobelspäne und Lauge ver-
wandelten), t 1315. 14 September. — Eine ältere Notburga, Tochter des
Frankenkönigs Dagobert (622 — 638) wird im Badischen verehrt, Patronin
der Kirche in Hochhausen, wo sich ihr Grabmal und ein Altargemälde mit
ihrer Legende befindet (vergL Grimm, deutsche Sagen, S. 450; Glook, Not-
burga 1883).
Nothelfer, die vierzehn : Georg, Erasmus, Pantaleon, Dionysius, Achatius,
Ägidius, Katharina, Blasius, Vitus, Christoph, Cyriakus, Eustachius, Marga-
reta und Barbara. Sie erschienen 1446 am Vorabende des Peterpaulstages
dem seine Schafe weidenden Hirten Hermann Leicht an der Stelle, wo später
die berühmte fränkische Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen entstand ; ein an-
derer gleichnamiger Ort zwischen Jena und Apolda in Thüringen. Ihre Namen
sind übrigens nicht immer dieselben, z. B. auf dem Holzschnitte von ca. 1460
in der Coli. Weigeliana I, 182 No. 110 fehlen Cyriakus und Dionysius, wofür
Adjntor und Nikolaus eingestellt sind; auf einem Holzschnitte des XVI. Jahrh.
tritt noch Magnus hinzu.
Notker Balbulus, Mönch von St. Gallen, Dichter und Komponist von
592 Verzeichnis
Sequenzen, t 912. 6. April, kanonisiert 1513. Ein wohl noch dem X. Jahrh.
angehöriges authentisches Miniaturporträt von ihm befindet sich in der Samm-
lung d. Antiqn. Gesellsch. zu Zürich.
OnufriuB, Einsiedler in Ägypten, dessen Legende sehr ähnlich der des Pau-
lus von Theben , lebt 60 Jahr mit Baumblättern gegürtet in der Einöde: 30
Jahre von den Erzeugnissen der Wüste, 30 Jahre von Himmelsbrot; der Abt
Pannutius entdeckte ihn, und seine Seele schwebte in Gestalt einer Taube
in dessen Gegenwart gen Himmel ; zwei Löwen gruben ihm sein Grab. Auf
einem kleinen Holzschnitte von ca. 1450 — 60 (Holzschn. des Germ. Mus., Taf. 40)
steht er im Fellkleide hinter einem Baume, mit goldener Krone auf dem Haupte
und dem Himmelsbrot (Hostie) in der rechten Hand. 10. Juni (in Basel 13.,
in Mainz u. Bamberg 15. Juni).
Oswald,^ König von England; er trägt einen Raben, der einen Ring im
Schnabel hält. (Ein Rabe brachte bei seiner Salbung zum König einen Brief
des Apostels Petrus und das heil. Salböl ; später abermals ein Schreiben und
den Verlobungsring, als der König seine Vermählung beabsichtigte.) Patron
einer Kirche in Regensburg, der Augustiner-Propstei von 1396 in Passau (mit
heilkräftiger Quelle unter dem Hochaltare), von Berg, Düren, Zug, St. Oswald
in Steiermark, t 642. 5. August.
Othmar, Abt von St. Gallen, trägt eine Kürbisflasche oder ein Fäfs-
chen (Leglein) mit Wein, das nie leer wurde, so viele Arme und Kranke er
auch daraus erquickte. Patron in Mödling bei Wien, Naumburg a. Saale, auch
der Burgkapelle zu Nürnberg, t 759. 16. Nov. ; Translatio 25 Okt.
Ottilia^ (Odiliä), Tochter des alemannischen Herzogs Ethico, Äbtissin
von Hohenburg (Niedermünster), blind geboren, wurde bei der Taufe durch
das Gebet ihrer Taufpaten, der Bischöfe Erhard und Hildulf, sehend; sie
trägt ein aufgeschlagenes Buch, auf dessen Blättern zwei Augen zu sehen
sind. Eine diese Heilige betreffende Wandmalerei aus dem XII. Jahrh. befindet
sich in den Ruinen der Hohenburg bei Strafsburg; das Stiftungsbild aus
Herradis bei Engelhardt, Taf. XI. ; ihre Legende an der bemalten cista von 1292
in St. Donatian zu Brügge. Patronin vom Elsafs — gegen Augenkrankheiten,
t 720. 13. Dec, kanonisiert 1050 (in Meifsen 19. Januar, Brandenburg 17.
Februar).
Otto, Bischof von Bamberg, Apostel der Pommern; er trägt Pfeile, die
er zu Nägeln umschmiedete und zum Kirchenbau anwendete. 1 1139. 30. Juni.
1189 kanonisiert. Fest: 2. Juli; Translatio 30. Sept. Sein Sarkophag in St.
Michael zu Bamberg.
Pancratins, starb als Knabe von 13 Jahren zu Rom unter Valerian den
Märtjrertod; dargestellt mit dem Schwert (M), zuweilen mit Lanze und
Schwert. Patron von Bergen, vieler Kirchen im Magdeburgischen, z.B. Nord-
germersleben, Wellen, Welsleben, Wolmirstedt, Hamersleben, Klein-Rodens-
leben, Stift Walbeck etc. 12. Mai.
* Zingerle, J., die Oswaldslegende und ihre Beziehung zur deutschen Ä^ho-
logie. 1836. — von Perger, zur öswaldslegende, in Mitt. C.-K. XVIII, 23 ff. be-
trachtet ihn als Christianisiening des Odhin.
« Gebweiler, S. OttiUen histori (1521) 1608. — Peltre, Hug., la vie
de Ste.-Odile. 1719. — Etwas von der h. Odilia, im Kirchenschmuck. 1869. XXVI,
16 ff. — Kraus. I, 231 f.
der Heiligen. 593
Pantaleon, ein Arzt, welcher um 300 zu Nikomedien als Märtyrer starb;
an einen Baum gebunden , an den die Hände über dem Kopfe des Heiligen
mit einem Nagel geheftet sind; zuweilen nur halb bekleidet oder auf einem
Rade nackt; auch in ritterlicher Rüstung. Patron der Schlosskapelle zu Werni-
gerode. 28. Juli.
Patricius (Pairik), Bischof, Apostel von Irland, mit dreiblättrigem Klee-
blatt (womit er die Trinität vordemonstrierte), tritt auf Schlangen (die er
ins Meer bannte), t 492. 17. März. Ein Relief aus seiner Legende (em Wolf
bringt auf sein Gebet seiner Stiefmutter ein geraubtes Lamm zurück) an St.
Thomas zu Strafsburg.
Fatroclns, in kriegerischer Rüstung, deutet auf einen Fisch, der eine
Perle im Munde trägt. Er starb unter Aurelian 274 als Märtyrer. Seine Reli-
quien kamen 964 durch Erzbischof Bruno von Köln zuerst dorthin, dann nach
Soest, wo sich im Marienchörchen des Domes diesen Heiligen betreffende
Wandmalereien aus demXHL Jahrh. vorfinden (vergl. Org. f. ehr. K. 1861. S. 268).
Patron von Soest. 2 1 . Januar.
Paulus, s. Apostel.
Panlns von Theben, der Einsiedler, mit einem Raben, der ihm wie Elias
täglich ein halbes Brot brachte, mit einem Laubschurz statt des Kleides ; häufig
mit Antonius zusammen, der ihn aufsuchte, im Hintergrunde die zwei Löwen,
die ihm sein Grab scharrten, t 342. 10. Januar. Seine und des Antonius
Legende gedruckt mit Holzschnitten zu Strafsburg 1498 und 1517. — Aufser-
dem giebt es noch beinahe 40 andere heilige Pauli.
Pelagia, der Maria Ägyptiaca ähnlich, leichtfertige Schauspielerin, nach
ihrer Bekehrung Einsiedlerin am Ölberg; vor dem Eingange einer Höhle betend,
t ca. 457. 8. Oktober.
Pelagins, 13 Jahr alt Märtyrer in Akamanien, mit Zange (M). 26. Juni;
28. August. — Ein anderer Pelagius, Patron in Rottweil und Kompatron des
Bistums Konstanz, erscheint in bürgerlicher Laientracht einen Hut auf dem
Kopfe, einen Palmzweig in der Hand.
Petronella, eine römische Jungfrau, angeblich eine Tochter des heil.
Petrus. Mit Palme und Buch. Patronin von Petronell in Österreich und einer
Dorfkirche zu Aulhausen bei Rüdesheim. 31. Mai. t 98.
Petras, s. Apostel.
Petras Martyr, Dominikaner aus Verona, Generalinquisitor, 1252. 29. April
meuchlings getötet, 1253 kanonisiert. Im Ordensgewand mit klaffender Wunde
am Kopfe, schreibt sterbend mit dem Finger auf die Erde credo in unum deum^
z. R. auf einem Altargemälde in der ehemaligen Dominikanerkirche zu Leipzig.
— Es kommen noch einige 80 heilige Petri vor.
Philippus, s. Apostel.
Philipp von Zell, englischer Priester zur Zeit König Pipins, der auf der
Reise nach Welschland sich eine Klause bei Zell in der Rheinpfalz baut und
eine Kongregation um sich sammelt. Stirbt daselbst im Gerüche der Heiligkeit.
Gemälde mit seiner Legende in der dortigen Stiftskirche.
Pinnosa, Äbtissin von Essen. 28. Februar; kommt auf dem Deckel des
Evangeliars der Teophanu zu Essen vor.
Pirmin, um 715 Regionarbischof im Bliesgau (Medelsheim bei Zwei-
brücken), nachher Gründer von Reichenau und Bischof von Meaux; vertreibt
Otte, Kunst- Archäologie. 5. Anfi. 38
594 Yerzeichnis
Schlangen und Ungeziefer, t 753 oder 754 3. November zu Hombach in der
Rheinpfalz. Nach ihm heifst die Stadt Pirmasens.
Pins L, Papst mit Schwert (M). t 157. 11. Juli.
Pleotrudis, Gemahlin des Pipin von Herstal. t 717, mit KirchenmO'
dell; ihr Grabstein in St. Maria im Kapitel zu Köln.
PolykarpnSy Bischof von Smyrna, leidet den Flammentod auf einem Schei-
terhaufen 166. 26. Januar.
Poppe, Abt von Stablo, erweckt einen von einem Wolfe getöteten Men-
schen, t 1048. 25. Januar.
Prokopius, Abt von Sazava in Böhmen, mit einem Hirsch, ein Teufel
mufs ihm statt des Pferdes den Pflug ziehen, t 1053. 4. Juli.
Pusinna, eine Jungfrau, Schwester der hh. Lintrudis, Othildis undMene-
hout. Patronin einer Kirche zu Herford, wohin ihre Gebeine 860 übertragen
wurden. (Vergl. Historia translat. S. Pusinnae, bei Pertz, M. G. ü, 681.) 24. Jan.
(23. April).
Quintiniui, römischer Soldat und Märtyrer. Zerbrochenes Rad; Brat-
spiefs; auf einen Stuhl mit 4 Nägeln festgenagelt, t ca. 287. 31. Oktober.
Quirinus, unter Diokletian Bischof von Siscia in Illyrien; es wurde ihm
ein Mühlstein an den Hals gebunden und er ins Wasser gestürzt, wobei er
nicht untersank ; Pferde schleifen ihn ; einem Habicht wird seine Zunge vor-
geworfen. Patron gegen Gicht. Seine Reliquien sollen bei der Stiftung des
Klosters nach Tegemsee gekommen sein, dessen Patron er ist. 4. Juni. — Ein
anderer Quirinus, Bischof, hat den 30. April. — Ein dritter, römischer Soldat,
Ritter mit Schild. 1 269. 25. März, sein Fest aber wegen Maria Verkündigung
auf den 24. März verlegt. Pati'on von Neufs.
Badeg^indis, Tochter der Thüringerkönigs Irminfried, als Gefangene
nach Fi-ankreich geführt und mit König Chlothar vermählt, entsagt dem Ehe-
bund und wird Nonne zu St. Croix beiPoitiers, wo sie auch die Äbtissinwürde
ausschlägt; als Nonne, zu deren Füfsen die Königskrone liegt, auch als ge-
krönte Nonne mit Scepter und einem mit Lilien gestickten Mantel ; zwei Wölfe
(die ihr gehorchten) folgen ihr. Patronin von Burgos, Salzburg, ehemals auch
einer Kapelle zu Helfta bei Eisleben. t587. 13. August (in Salzburg 11. Aug.).
Ihre Legende in 13 Glasgemälden in St. Radegonde zu Poitiers.
Eadolf (eigentlich RadolOj Bischof von Verona, Gründer von Radolfs-
zell am Bodensee. Daselbst sein Steinsarkophag, 1538 renoviert, t 874.
13. September.
Bamwold (Romuald), Abt von St. Emmeram zu Regensburg, wo in
der Krypta sein Sarkophag, den er sich bei Lebzeiten anfertigen liefs. 1 1001.
17. Juni.
BathOy Graf von Andechs, Ritter mit Fahne, t ca. 953. 19. Juni.
Eegina» eine Jungfrau zu Alisia in Burgund, welche sich ohne Wissen
ihres heidnischen Vaters hatte taufen lassen. Von dem Präfekten Olibryus als
Christin erkannt, wurde sie gemartert und in den Kerker geworfen, daselbst
aber durch ein am Himmel erscheinendes goldenes Kreuz, auf welchem eine
Taube safs, getröstet. Sie starb den Märtyrertod durchs Schwert. 7. Sept.
Schreine im Dome zu Osnabrück und zu Rhynern, wo sie Patronin ist.
Eegiswindy als zartes Kind von ihrer Amme im Neckar ertränkt. Patronin
der Heiligen. 595
zu Lauffen a. Neckar, t 837. 15. Juli, kanonisiert 1227. Ihr Sarkopliag in
Lauffen.
Eegola, B. Felix.
Reinbold, ein Mönch zu Köln, mit einem Hammer in der Hand (womit
ihm die neidischen Bauleute, denen er von dem Abte seines Klosters als Auf-
seher beigeordnet war, den Kopf einschlugen); auch als Ritter mit Hacke und
Schwert ; auf dem Schwerte steckt ein Menschenhaupt (das Haupt des über-
wundenen Königs Karlmann). Patron der Steinmetzen; in Dortmund. 7. Januar.
Eemados, Bischof von Lüttich, nachher Abt von Stablo-Malmedy, wo er
auch Kompatron ist, mit einem beladenen Esel, t 667 oder 671. 3. Sep-
tember.
Eembertus (Rmbert)j Bischof von Bremen, Nachfolger Ansgars. t 888.
11. Juni. Festtag 4. Febr.
Eemigins, Bischof von Reims; eine Taube mit dem Salbölfläschchen
schwebt über ihm. Patron z. B. zu Kusel in der Rheinpfalz, t um 533. Trans-
lationes: 1. Oktober, 15. Januar, 13. Januar.
Richardis, Gemahlin Kaiser Karls des Dicken. t896(?). 18. September,
kanonisiert 1049. Ihr Schrein zu An dl au im Elsafs.
Ritter (milites), die 40 (eigentlich 42) von Sebaste, römische Soldaten
von der XII. Legion, die 320 unter Licinius, weil sie sich geweigert hatten zu
opfern , uacli allerhand Martern über Nacht nackt aufs Eis gelegt wurden und
erfroren, ihre Leichname wurden verbrannt und ihre Asche ins Wasser ge-
worfen. 10. März.
Ritter, die 10000, s. Achat ins.
Rochus von Montpellier, als Pilger, am linken Schenkel einePestbeule,
einen Hund neben sich. Pestkranke heilend. tl327. (kanon. 1414) 16. Aug.
Kapelle bei Bingen.
Romanus, ein römischer Ritter, der unter Decius, weil er sich von dem
h. Laurentius hatte taufen lassen, enthauptet wurde. 9. Aug. — Ein anderer
Romanus, Erzbischof von Reims, 28. Februar, in der Kölner und Trierer Diö-
cese gefeiert.
Rudolf, ein Knabe, in der Schweiz von Juden zu Tode gemartert ca. 1287.
17. April.
RupertoB, Bischof von Salzburg, vorher von Worms, hält einen Salz-
k übel in der Hand. Patron des Stiftes Salzburg und vieler Kirchen im Öster-
reichischen. 27. März ; Translatio 24. Sept. Seine Chronologie ist höchst un-
sicher, das Todesjahr wird zwischen 623, 718 und 723 schwankend angegeben.
(Vergl. von Koch-Stern feld, im Archiv f. Kunde östr. Gesch. -Quellen, V, 385 ff.
und Wattenbach, ebd., 499 ff.) — Ein anderer Rupert, Herzog, stiftet das
ehemalige Kloster St. Rupertsberg bei Bingen. 15. Mai. Seine Legende mit
der der h. Hildegard zusammen deutsch mit Holzschn. gedruckt 1524 zu
Oppenheim.
Die sieben Schläfer: Maximianus (mit Knotenstock), Malchus und Mar*
tinianus (mit Beilen), Dionysius (mit einem Nagel), Johannes (mit Keule),
Serapion (mit Fackel) und Constantinus (mit Keule) wurden auf Befehl des
Decius in einer Höhle bei Ephesus lebendig eingemauert; hier schliefen sie
196 Jahre und erwachten erst unter Theodosius IL, als ein Bürger von Ephe-
sus, der dort einen Stall bauen wollte, die Höhle zufällig öffnete. Sie schliefen
38*
596 Verzeichnis
ein am 27. Jnni oder Juli und erwachten am 11. Anp:.; in Passan, Regensburg
und Krakau am 13. Septbr. gefeiert. (J. Koch, die Siebenschläferlegende, ihr Ur-
sprung und ihre Verbreitung 1883.)
Scholastica, Schwester des h. Benedikt: sie wird Domina tonitruum ge-
nannt (weil anf ihr Gebet ein Unwetter entstand , das ihren Bruder verhinderte,
sie zu verlassen) und im schwarzen Benediktinerkleide dargestellt. Ihre Seele
fliegt als Taube gen Himmel. 10. Febr.
Sobald, ein erst seit 1072 ohne Anspruch auf höheres Alter auftauchen-
der Nürnberger Lokalheiliger. Nach einer dem XII. oder XIII. Jahrh. ange-
hörigen Lebensbeschreibung (Acta Sanctoram. Aug. in, 769) ist er ein dänischer
Königssohn, welcher als Einsiedler in einem Walde bei Nürnberg lebte und in
Franken das Christentum verkündigte. Er wollte dort begraben sein, wohin
zwei (oder vier) Ochsen, sich selbst überlassen, seinen Leichnam auf einem
Wagen bringen würden; sie blieben an dem Berge stehen, wo jetzt die Se-
baldskirche zu Nürnberg steht. An dem berühmten Grabmale dieses Heiligen
finden sich folgende Darstellungen seiner Wunder: er erquickt, von seinem
Schüler Dionysius begleitet, die hh. Willibald und Wunnibald , mit denen er auf
der Pilgerfahrt zusammentraf; ein Frevler, der ihn verspottet hatte, wird von
der Erde verschlungen, jedoch von dem Heiligen, da er Reue zeigt, noch ge-
rettet; er verwandelt bei einem armen Wagner, wo er herbergt, Eiszapfen
in Brennholz; er heilt den Wagner, welcher, weil er gegen ein ergangenes
Verbot Fische eingekauft hatte, geblendet worden war. Die Kanonisation
dieses Heiligen, der Patron von Nürnberg ist, erfolgte endgiltig erst 1425;
sein Fest fällt auf den 19. Aug. — Er wird gewöhnlich als Eremit, die 0 chsen
neben ihm, seltener als Ritter dargestellt.
Sebastian leidet nackt an einen Baum oder Pfahl gebunden, von vielen
Pfeilen durchbohrt den Märtyrertod ; zuweilen in voller Ritterrüstung mit Pfei-
len in der Hand. (8. Fabian.) — Er ist Patron der Schützen, gegen die Pest
— von Öttingen.
Senesins oder Synesius, vor seiner Bekehrung ein ägyptischer Zauberer
Theonas, durch den h. Theopont (Bischof von Nikomedien) bekehrt, mit ihm
Märtyrer unter Diokletian 4. Januar 285, in die Erde gegraben und von Pfer-
den zertreten; 21. Mai. Die Legende an ihrem Schrein zu Radolfszell.
ServatiuSy Bischof von Maestricht (Tongern), welcher 384 gestorben und
nahe verwandt mit Johannes dem Täufer gewesen sein soll (s. oben unter
Anna); ein Adler weht ihm Luft zu, während er in der Sonnenhitze schläft;
er hält einen Schlüssel in der Hand. Patron von Worms, Maestricht, Qued-
linburg — für gutes Gelingen. 13. Mai; Translatio 7. Juni.
Severinns lebte als Eremit in Österreich, wo er das Christentum verkün-
digte; er wird als Abt oder als Bischof, dem Volke predigend, dargestellt,
t um 482, und seine Schüler führten 482 seinen Leichnam nach Italien; sein
Fest wird in der Diöces Passau und Salzburg am 5. Jan., im Wiener Sprengel
am 8. Jan. gefeiert ; Translatio 10, Okt. — Er ist Patron der Leinweber —
von Österreich und Bayern. — Ein anderer Severin ist Erzbischof von Köln
(348 — 403) 23. Oktober. — Auch unter den Bischöfen von Trier giebt es zwei
heilige Severine.
Severus. Dieses Namens kommen gegen 20 Heilige vor, unter anderen
3 Bischöfe: der eine von Ravenna (390. I.Februar), welcher Schuhmacher-
der Heiligen. 597
(oder Weber-) Gerät trägt, oder auch mit einer Taube erscheint, Patron in
Erfurt, wo seine Legende in den Reliefplatten seines ehemaligen Sarkophags
in St. Severi erscheint; der zweite von Avranches (im VI. Jahrh. 1. Februar)
mit Pferd; der dritte Bischof von Trier, Mitte des V. Jahrh. lö. Oktober,
Translatio 18. November.
Sigebertas, König von Austrasien, legt den Grundstein einer Kirche.
1. Februar.
Sigismond, christlicher Herzog des noch heidnischen Landes Burgund,
mit lockigem Haar, ein Schwert (M) in der Hand. Seine Legende ist auf
einem Gemälde von 1497 in der unteren Sakristei des Münsters zu Freising
in 16 Abteilungen dargestellt. Patron der Fieberkranken. 1. Mai. Elevatio
21. Aug.
Simeon, (Sohn des Kleophas?) Bischof von Jerusalem, 120 Jahre alt
unter Trajan als Verwandter Jesu ergriffen und nach vielen Martern gekreu-
zigt. 18. Februar. Sein Martyrium unter den Wandgemälden zu Brau weiler.
Simeon, Einsiedler aus dem Morgenlande von Bischof Poppo nach Trier
gebracht, lebt als Rekluse in der Porta Nigra, t 1035. 1. Juni. Die in eine
Kirche verwandelte Porta Nigra wurde nach ihm Simeonsthor genannt.
Simon, s. Apostel.
Simon von Trient, ein von Juden getöteter Christenknabe, t 1475. 24^.
März, von Sixtus IV. kanonisiert; seine Historie 1475 zu Trient in folio mit
Holzschnitten gedruckt gab das Signal zu den Judenverfolgungen in Bamberg
(1475), Regensburg (1476) und Passau (1478). Holzschnitt in der Coli. Weige-
Hana, I, 295, No. 188.
Simpertus, Bischof von Augsburg; ein Wolf bringt auf sein Gebot ein
Kind unversehrt zurück, t 809. 13. Oktober.
SimpliciuB und FanatinaSy als Ritter, auf deren Schilden drei Lilien-
Stengel (das Simplicius- Wappen) stehen; sie starben unter Diokletian zu
Rom den Märtyrertod und waren die Patrone des Simplicius-Ordens zu Fulda.
29. Juli.
Sixtus n.y Papst, mit dem (Almosen-) Beutel; er starb 258, vier Tage
vor dem h. Laurentius in Rom den Tod eines Blutzeugen durchs Schwert.
Patron eines mit dem Hochstifte St. Laurentii ehemals verbundenen Kollegiat-
stiftes zu Merseburg; Kompatron des Bistums Halberstadt. 6. Aug.
Sola (Soias)] Benediktiner aus England, Abt von Solenhofen; heilt einen
Lahmen, t ca. 790. 3. December.
Sophia (s. Fides, Spes und Charitas), Patronin in Eschau im Elsafs,
wo ihr angeblicher Steinsarkophag. 4. Juni (in Minden 3. September).
Spiridion, Einsiedler, dann Bischof, mit Stacheln in der Hand (mit
denen ihm die Augen ausgestochen wurden), t 348. 12. December.
Stanislaus, Bischof von Krakau, mit dem Schwert (M), öfter dargestellt
von einem durch ihn erweckten Toten (dem Ritter Petrus) begleitet. Seine
Legende ist an den ihm gewidmeten Altären in St. Marien zu Krakau und
von 1508 aus der Goldschlägerkapelle derMagdalenenkirche, jetzt im Museum
vaterl. Altertümer zu Breslau dargestellt, t 1079; kanon. 1253; 8. Mai;
von Clemens III. wegen der apparitio Michaelis auf den 7. Mai verlegt. (Vergl.
Schultz, Alwin, in den Mitt. C.-K. VII, 292 f., nach der: Vita b. Stanislai Cracov.
598 Verzeichnis
episcopi nee non legende Sctonun. Felonie , Bohemie etc. patronorom. In lombard.
historia non contente s. 1. et a.)
StephanoSy Diakon der Kirche zn Jerusalem , als erster Blutzeuge (Pro-
tomartyr) mit der Martyrpalme, Steine (Kugeln) vor sich oder auch auf dem
Kopfe tragend (Apostelgesch. 7, 58). Patron der Pferde; des Bistums Halber-
stadty von Bayern, Nymwegen, Ostfriesland, Regensburg, Speier etc. 26. De-
cember; Inventio 3. August (Stephanstag im Sommer); Translatio 7. Mai.
Adv. reliq. in Halberstadt. 9. Mai.
Stephan I, König von Ungarn, t 1038. 2. Sept.; Translatio 1083; ele-
vatio 20. Aug. ; inventio dexterae 30. Mai.
Sturm, Abt von Fulda, t 779. 17. December; kanon. von Innocenz II.
1149. 11. April.
Smähert (Smberfus) , Apostel der Friesen, angeblich erster Bischof von
Verden; mit Stern in der linken Hand, t ca. 694. 1. März. Schrein (zu-
gleich mit seinem Gehülfen Willeikus) in Kaiserswerth.
SulpitiuB Pius, Bischof von Bourges. t644. 17. Januar. — S. Severus,
ebd., um 400; 29. Januar. — SulpitiusundServilianus, Märtyrer 20. April
(in Augsburg, Bamberg, Breslau und Würzburg 3. Oktober).
Snsanna von Rom, Jungfrau, Märtyrerin, mit Krone (weil sie den Adop-
tivsohn Diokletians nicht heiraten wollte) und Schwert (M). t ca. 295. 11.
August.
Sylvester, Papst, einen Ochsen neben sich (den ein Jude durch Zauberei
getötet hatte, und den er wieder lebendig machte), t 335. 31. December.
Thebaische Legion, s. Mauritius.
Thekla, von wilden Tieren (M) umgeben; die erste Blutzeugin nach der
Ansicht der griechischen Kirche ; nach der abendländischen Legende wurde
sie von den Bestien verschont und starb als Jungfrau im hohen Alter. 23. Sept.
— Eine andere Th., Engländerin, Gefährtin des Bonifatius, Äbtissin von Ochsen-
furt und Kitzingen seit 745. 15. Oktober.
Theobald, (SL Thibautj auch St. Einwald, Enwold, Tebald genannt) trägt
Schuhmachergerät (weil er dieses Handwerk aus Demut betrieb), t 1150.
1. Juni. Patron in Thann im Elsafs, auch einer Kapelle bei Wernigerode.
Theodor. Heilige dieses Namens kommen 30 vor. Bischöfe: der erste
von Sitten (Sedunum) auch Theodul genannt, t ca. 391, mit Steinhammer
und Erzstufe in der Hand (z. B. am Altare zu Bartholomäiberg in Vorarl-
berg von 1525) oder mit glockentragendem Teufel, Patron von Wallis
und der Bergknappen, 16. August; andere: 26. März, 1. April, 1. Juli, 9. Ok-
tober. — Priester: 20. und 23. März. — Märtyrer: ein römischer Feld-
herr von Heraklea, enthauptet, gekreuzigt, mit Pfeilen durchbohrt, t 312.
7. Februar; ein römischer Soldat Th. Tyro mit Krokodil 9. November; an-
dere: 23. Oktob. 17. Novbr. etc.
Theonestus, Bischof, Missionar in Mailand, Gallien, Mainz, Gefährte des
h. Albanus, schwimmt aus Mainz fliehend in einer Weinkufe den Rhein hinab,
welche bei Kaub landet, wo denn der Heilige den Weinbau eingeführt haben
soll. So in der Kufe kommt er auf dem Siegel der Stadt Kaub aus dem XV.
Jahrh. vor, dies ist aber vielleicht nur eine mifsverstandene Nachbildung eines
älteren Siegels mit dem h. Martin in einer Architektur (vergl. Heffner, Frän-
der Heiligen. 599
kische Siegel, 10 ff.) und die ganze Legende nur aus einer Ohristianisiernng der
Dionysosmythe entstanden. 30. Oktober.
Thia^dis, erste Äbtissin von Freckenhorst; daselbst ihr Grab, das
der Legende nach immer weiter von Westen nach Osten rückt, auch eine ihr
geweihte Kapelle und ihr (?) Grabstein (Abb. bei Dorow, Denkmäler alter Sprache
imd Kunst, I. 1823. Taf. ü, 2.). 30. Januar.
Thiemo, Erzbischof von Salzburg; Eingeweide werden ihm mit einer
Winde herausgezogen, f 1101. 28. September.
Thomas, s. Apostel.
Thomas Aqninas, Kirchenlehrer, trägt einen Kelch; auf der Brust eine
Sonne, in deren Mitte ein Auge; der h. Geist (als Taube) schwebt an seinem
Ohre, oder sitzt auf einem von dem Heiligen gehaltenen Lilienstengel. tl274;
kanon. 1323. 7. März. Translatio 28. Januar.
Thomas (Becket) Cantnariensis, Erzbischof von Canterbury; in seinem
Haupte steckt ein Schwert (M). Seine Geschichte ist im Dome zu Braun -
schweig in Wandmalereien des XIH. Jahrh. dargestellt. Er ist Patron der
Neumarktskirche zu Merseburg und gegen Kopfschmerzen. 1 1170. 29. Dec. ;
kanon. 1173; Translatio 1223. 7. Juli.
Tibnrtius, Ritter, Märtyrer zu Rom zugleich mit seinem Bruder Valerianus.
t 229. 14. April. — Ein ander T. ist Genosse des Martyriums der h. Snsanna,
11. August, und wird aufglühenden Kohlen gehend dargestellt.
Timotheus, Schüler des Apostels Paulus, Bischof von Ephesus, mit einer
Keule und Steinen (M). 24. Jan. Die Ankunft seiner Reliquien wird zu
Minden am 5. März gefeiert.
Tmdberthns, Märtyrer in Irland, angeblich Bruder des h. Rupei-t, mit
einer Hacke totgeschlagen 607 oder 643. 26. April. Gründer von St. Trud-
pert im Schwarzwald.
JJlrich (Uda/ricus), Bischof von Augsburg, hält einen Fisch in der Hand
(weil er in den Fasten Fleisch in Fisch verwandelte) ; mit der Martyrpalme ;
ein Engel reicht ihm ein Kreuz, t 973. 4. Juli. (Seine von Johann XV. 993
vorgenommene Kanonisation wird für die erste gesetzliche gehalten.). Patron
vieler Kirchen im Elsafs, auch in Magdeburg und Goslar. Ulrichskreuze s. S.
467, N. 2. — Seine und der h. Afra Legende deutsch mit Holzschnitten 1516
zu Augsburg gedruckt. -
Ulrich, Prior von Zell, Kluniacenser, Genosse des Wilhelm vonHirschau,
Stifter von St. Ulrich oder Zell im Schwarzwald, t 14. Juli 1093. Festtag
10. Juli. (Vergl. Nothelfer, Leben und Wirken des Gründers von St. Ulrich im
Breisgau, im Freiburger Diöc. Archiv X, 125 ff.)
Unschuldige Kindlein. Matth. 2, 16. 28. December.
Urban L, Papst, mit dem Schwert (M). t 230. 25. Mai. Er wird mit
einem anderen Urban, der als Bischof von Langres im V. Jahrh. lebte und Patron
des Weinbaues ist, verwechselt. Letzterer mit Weinstock, weil er sich hinter
einem solchen vor seinen Verfolgern verbarg; auch der Papst kommt mit
Weintraube vor.
Ursula (Kämpferin gegen den Teufel = ursus: I Samuel. 17, 34 ff.), eine
britische Königstochter, mit demPfeile(M), von ihrem himmlischen Bräutigam
Ätherius geleitet. Führerin der 11000 Jungfrauen, mit denen sie zu Schüfe
nach Gallien, sodann den Rhein hinauf über Köln nach Basel und nun zuFufs"
60ü Verzeichnis
nach Italien zieht, von wo sie Papst Cyriakns mit ihren Gefährten nach Deutsch-
land zurückbegleitet; in Köln gerät das Schiff in die Gewalt der Hunnen, und
alle fallen als Märtyrer. — Besonders beliebt bei den Cisterciensernonnen.
Die Legende in vier verschiedenen Ausgaben um 1511 zu Köln gedruckt; be-
rühmte Bilder von Memlinc an ihrem Schrein zu Brügge; die älteste bekannte
Darstellung derselben aus dem XII. Jahrh. auf einer kupfernen liturgischen
Schüssel im Privatbesitze zu Aachen (Abb. Bonner Jahrbb. LXXV, Taf. in. —
Vergl. Schade, Osk.; die Sage von der h. Ursula. Ein Beitrag zur Sagenforschung.
2. Aufl. 1854. — Rettberg, Kirchengescli. Deutschlands, 1, 111 — 123).
Ursns, Ritter der thebaischen Legion mit Banner und Schwert. Märtyrer
303. 30. September.
Utto (ütho)y Benediktinerabt in Metten, t ca. 828. 3. Oktober. Bayri-
scher Specialheiliger.
Valentinns. Dieses Namens giebt es etwa 20 Heilige. Ein römischer
Priester, mit Schwert (M). Patron gegen Pest und Epilepsie. 14. Februar.
— Ein Bischof von Pas sau Ende des VII. Jahrh. 7. Januar, translatio 4. Au-
gust. — Ein Bischof von Interamna ebenf. aus dem VII. Jahrh. und 7. Januar.
— Ein Bischof von Terracina, macht ein blindes Kind sehend, Märtyrer
ca. 312. 16. März u. s. w.
ValerianuB, Bräutigam der h. Cäcilia. t 229. 14. April.
Verena, Jungfrau, Begleiterin der thebaischen Legion, nachher Einsied-
lerin bei Solothurn, später in Zurzach, wo 988 über ihrem Grabe eine Kirche,
jetzt Stiftskirche, errichtet wurde, t 344. 1. September. Mit Kamm und
Kanne. Patronin der Müller und mehrerer Kirchen in Württemberg. (Vergl.
Huber, d. Leben der h. Jungfr. Verena in Wort und Bild. M. 23 Kupferstichen
(Reproduktionen der 1736 herausgogc^benen Stiche von Klauber) 1878.)
Veronika hält das Seh weifstuch mit dem abgedruckten Bilde (vera ikon)
des Antlitzes Christi in der Hand. (Vergl. oben S. 534, Fig. 287.) Dieses
Schweifstuch allein, gewöhnlich von Engeln gehalten, findet sich sehr oft
abgebildet. Von den mancherlei angeblich echten Veronikabildem hat schliefs-
lich nur das im Besitze der Peterskirche zu Rom befindliche, jährlich am Char-
freitage für einen Moment öffentlich gezeigte die Oberhand behalten. — Im
Evang. Nicodemi heifst die geheilte Blutflüssige BeQovixrj, BeQvixti, — Das Fest
dieser Heiligen fällt auf den 4. Febr. (in Mainz: 25. Febr.) (Vergl. Die h. Vero-
nika u. Helena etc. iin Chr. K.-Bl. 1881. No. 5 u. 9.)
Vicelinns, Bischof von Aldenburg (später Lübeck), Apostel der Holsteiner.
t 1154. 12. December.
Victor. Heilige dieses Namens werden etwa 40 verehrt, die sebr schwer
von einander zu unterscheiden sind. Am bekanntesten ist ein Ritter der the-
baischen Legion, der am 10. Okt. mit 330 Mann den Märtyrertod fand; trans-
latio 31. Oktober; er ist Patron von Xanten. — Ein anderer V. von Marseille,
römischer Hauptmann aus dem lU. Jahrh. 21. Juli, kommt unter den Glas-
bildern im Münster zu Strafsburg vor. — V. Maurus von Mailand, römischer
Soldat, Mohr auf einem Schimmel reitend, Märtyrer 303. 8. Mai.
Vincentins. Davon kommen über 20 vor. V. Levita, spanischer Dia-
kon des IV. Jahrb.; ein Rabe neben ihm (der seinen Leichnam bewachte).
Patron des Münsters zu Bern. Seine Legende auf den Teppichen daselbst;
«inch in der Kathedrale zu Bourges und zu Heiligenblut, t 304. 22. Ja-
der Heiligen. 601
nuar. — V. Ferrerius, Dominikaner, hält eine Sonne mit dem Monogramm
ms in der Hand, statt derselben auch ein Medaillon mit der Darstellung des
Weltrichters, f 1419; kanon. 1455. 5. April.
Virgilins, Bischof von Salzburg, hält das Modell einer Kirche, t 780.
27. Nov. ; im XIII. Jahrh. kanon. ; elevatio 26. Septbr. ; Patron und Apostel
von Kärnthen und Steiermark.
Vitalis, Apostel der Pinzgauer, Bischof von Salzburg, f 730 oder 646.
20. Oktober.
Vitalis, ein Ritter, welcher unter Nero lebendig in einer Grube einge-
graben wurde; er hält einen Streitkolben. 28. April. (Es giebt 13 Heilige
dieses Namens.)
Vitas (F(^Y), ein Kind, mit einem Hahne ^ oder einem Raben (vergl.
Korvei) auf einem Buche in der linken Hand ; mit einem Wolfe, oder auf einem
Löwen stehend (dem er vorgeworfen wurde); häufig in einem Kessel (in
welchem er in Öl gesotten wurde); oft auch nur mit Palme und Buch, oder als
Ritter mit Palme, t 303. 15. Juni ; Translatio (nach Korvei) 801. 26. April ;
836. 13. Juni (in Paderborn, Verden und Halberstadt 10. März). Patron gegen
den Veitstanz, einer der 14 Nothelfer. Patron von Sachsen, Böhmen, DrUbeck,
Ellwangen, Eltenberg, Höxter, Korvei, Prag. Seine Legende in den Fresken
seiner Kirche zuMühlhausen a. Neckar von 1428 und an den Altären da-
selbst von 1510.
Walderich, Einsiedler zu MuiThardt in Württemberg im IX. Jahrh. Kirche
und Kapelle daselbst. 1. April.
Walpnrgis (Walburgis, Walpurga), Schwester der h. h. Willibald und
Wunnibald, Äbtissin von Heidenheim, drei Kornähren oder ein Ölfläsch-
chen in der Hand (weil aus ihrem Grabe in St. Walpurgis zu Eichstädt heil-
sames Öl fliefst). Patronin der Fruchtbarkeit und gegen bissige Hunde, f um
780. 25. Febr.; Translatio (nach Eichstädt) 860. 21. Sept. Adv. reliq. (in
Münster) 4. August (auch als Tag ihrer Abreise von England gefeiert). Ihre
Legende auf den Teppichen zu Wallerstein. Ihr Tag 1. Mai, an welchem
ihre Kanonisation erfolgte ; vermischt mit der germanischen Frühlingsgöttin :
Hexenfahrten und Walpertsfeuer. (Vergl. Hauber, J., d. h. Walburga u. ihre
gottselige Verwandtschaft. 1840.)
Wendelin, schottischer Königssohn, lebt als Einsiedler, dann Hirt in der
Diöcese Trier, später Abt von Toley im VII. Jahrh.; mit Schäferhund. 21.
Oktober; Translatio 5. Juli; (in Mainz 24. April, inMeifsen S.Februar). Sein
Schrein in St. Wendel. Seine Legende deutsch 1512 zu Erfurt gedruckt.
Wenzel, Herzog von Böhmen, als Ritter mit königlichen Abzeichen
(Fahne und Schild nicht mit Kreuz sondern mit Adler) und dem Schwert
(M). Patron von Breslau, in Könnern, Naumburg a. S., Olmütz. t 929. 28.
Sept., Translatio 932. 4. März.
Werenfrid, Presbyter, Confessor, Apostel der Friesen, t 760. 27. Au-
gust; hält ein Schiff in der Hand (seine Leiche schiffte ohne Ruder gegen
den Strom); Patron z. B. a« Uelsen in der Grafschaft Bentheim.
' Otto von Bamberg hing bei seinen Missionsreisen in Pommern den dem Swante-
wit geheiligten Hahn an das Reliquiar des Sanctus Vitus, um so den Bekehrten die
Ersetzung des Götzen durch den namensähnlichen Heiligen noch mehr zu erleichtem.
ß02 Verzeichnis
Werner, ein Bauernknabe ^ welcher von den Juden zu Oberwesel 1285
durch Martern getötet wurde. Kapellen in Bacharach und Oberwesel. 19. April.
Wighert (fVicbert, Wipertus, Wiprecht, Gutberi)^ Abt von Fritzlar (wo
in St. Peter sein Sarkophag)^ Kelch mit Weintraube in der Hand, Patron
von Hersfeld (wohin 780 seine Gebeine heimlich gebracht wurden), auch in
Quedlinburg und vielen thüringischen Orten, die mit Hersfeld in Beziehung
standen (vergl. Gröfsler — b. bei Bomfatius — S. 33 ff.), t 747. 13. August.
Translatio 15. Mai. — Nicht zu verwechseln mit dem h. Wicterp, Bischof
von Augsburg 736 - 768. t 18. April.
Wilgefortis, s. Kümmernis.
Wilhelm (Guilelmus). Deren giebt es 24. W.Herzog vonAquitanien,
durch den h. Bernhard bekehrt, Eremit und Stifter der Abtei St. Guilhelm le
D^sert im Val de Gellone bei Toulouse; goldene Lilie mit der Inschrift Ave
Maria y die aus seinem Grabe wuchs, t 1142. 28. Mai. Patron einer Kirche
in Strafsburg, wo seine Legende in Glasgemälden. — W. von Maleval(Ma-
lavalle bei Siena), früher Soldat, dann Einsiedler, im Mönchsgewand über der
Rüstung (die er zur Abtötung weiter getragen haben soll), t 1157. 10. Fe-
bruar. — W. von Hirschau der Selige, Abt 1071 — 1091, Reformator des
Benediktinerordens; die Anhänger seiner strengeren Regel nannten sich Wil-
helmiter oder Brüder des St. Wilhelms- Ordens. 4. Juli (vergl. Kerker, W. der
Selige, Abt zu Hirschau. 1863. Schilling, A. Gesch. des Wühelmiterklosters zu
Mengen, in "Württemb. Vierteljahrshefte 1881, 93 ff.).
Willehad, Bischof von Bremen, Götzenbilder umstürzend; Patron von
Bremen, auch am Niederrhein verehrt, t 789. 8. November.
Wülibald, Bruder der Walpurgis, Bischof von Eichstädt, auf der Brust das
Rationale mit den Worten : i9/?^.?, A'ä?^^, CÄanYew. tum 786. 7. Juli. Verschie-
dene Translationen : 22. April, 10. Juni, 13. Okt. Ordinatio in Eichstädt 22. Juli.
Willibrord, Bischof von Utrecht, Apostel der Friesen, trägt ein Kind, Kir-
chenmodell,Fafs oder 2 K r ü g e. Patron in Echtemach und Wesel . t um 740.
(6.) 7. Nov. Translatio 19. Oktober. Reliquiar im Münster zu Emmerich.
Willigis, Erzbischof von Mainz, mit Rad (früher Rademacher), t 1011.
23. Februar.
Wolfgang, Bischof von Regensburg, eine Kirche zur Seite, auch mit
kurzem Beil. Patron gegen Lähmung und Schlagflufs — von Regensburg.
Seine Legende am Pacherschen Altare in St. Wolfgang; gedruckt deutsch
mit Holzschnitten zu Landshut 1515, 1516, 1520. t 994. Elevatio corporis
1052. — 31. Oktober (Brandenburg 20. Juni). Translatio 7. Oktober.
Wunnibald (Winibald), Bruder des Willibald, Abt von Heidenheim, mit
Pilgerstab und Maurerkelle, t 763. 18. December. — Sein Grabmal
von 1363 oder aus dem XV. Jahrh. inHeidenheira.
Zeno, Bischof von Verona, mit Fischrute und Fisch (der auch statt des
Sudariums am Bischofstabe hängt). Patron in St. Zeno bei Reichenhall, t ca.
380. 12. April (in Salzburg und Aquüeja 8. December, Gnesen 22. Juni).
Zosimns, Bischof von Syrakus, mit einem Pestkranken. 30. März.
der Heiligen. g03
Clavis.
Adler : Johannes der EvangeÜBt. Servatius. — Altargerate : Hyacinthns.
— Ambofs: Adrian. — Armbrust: Christina. — Arzneigläser: Cosmas und
Damianus. — Augen : Lucia.
Bar: Columba. Columban. Corbinianus. Euphemia. Florentius. Gallus.
Maximin. — Bart bei einer Jungfrau : Kümmernis. — An einen Baum gebun-
den: Afra. Pantaleon. Sebastian. — Beil: Mal chus und Martinianus die Sie-
benschläfer. Matthias. Wolfgang. — Bienenkorb: Ambrosius. Bernhard.
Johannes Chrysostomus. — Bischofsmütsen 3 : Bernhard. Maternus. — Blu-
men in einem Korbe : Dorothea. Elisabeth. — Bohrer: Leodegar. — Brot:
Elisabeth. Gottfried. Nikolaus. Brot mit Fisch: Berthold. Br. m. Wasser-
krug. Eugenia. — Bmstschild mit den Worten T>Spes, Fides y Charita.^: Willi-
bald. — Buch: allgemeines Emblem der Kirchenlehrer, Bischöfe etc.; von
einem Schwerte durchstochen: Bonifatius; aufgeschlagen: Ludger;
zwei Augen darauf: Ottilia: Hahn darauf: Veit.
Dolch : Kilian. — Domen : Achatius. Benedictus. Maximus. — Dornen-
krone: Ludwig. — Domstrauch mit Weintraube: Maximinus. — Drache
(Ungeheuer) : Cassius. Cyriakus. Elisabeth von Schönau. Georg. Hilarion.
Magnus. Margareta.
Einhorn: Maria. Clara. — Elle mitScheere: Gutmann. — Engel: Mat-
thäus. — Esel : Antonius v. Padua. Geroldus. Marcellus. Remaclus.
Fackel: Serapion. — Fäfschen: Othmar. Willibrord. — Fahne: Gereon,
Moritz, Ratho, Viktor, Wenzel etc. — Falke : Agilolf. Bavo. — Fisch: Bran-
don. Ulrich. Zeno. Mit einer Perle im Munde: Patroclus. Mit Schlflssel:
Benno. — Fufstapfen : Medardus.
Oans : Martin. — Oeföfs mit Wasser : Florian. — Geldbeutel : Nikolaus.
Sixtus.
Hacke : Trudberthus. — Hahn : Vitus. — Hammer : Eligius. Gervasius.
Reinhold. — Hechel : Blasius. — Hellebarde : Matthäus. — Herz : Augustinus.
Brigitta. — Hirsch (Hirschkuh): Ägidius. Eustachius. Genovefa. Goar.
Hubertus. Ida. Prokopius. — Hirschgeweih : Eustachius. — Hobelspäne in
der Schürze: Notburga. — Holzbecher: Nikolaus von Flüe. — Hostie:
Burkhard. Onufrius. — Hund: Adolar. Bernhard. Dominicus. Rochus.
Wendelin.
Kamm und Kanne : Verena. — Kelch : Barbara. Benedictus. Johannes
der Evangelist. Konrad. Lubentius. Norbert. Thomas Aqninas. Wigbertus.
— Kessel: Veit. Nikolaus. — Ketten: Adjutor. Ignatius. Leonhard. —
Keule: Adalbert. ApoUinaris. Gervasius. Johannes und Constantius die
Siebenschläfer. Judas Thaddaeus. Timotheus. — Kinder: eins: Willibrord;
zwei (oder drei) auf dem Arme : Anna ; drei : Nikolaus. — Das Christkind
auf der Schulter : Christoph. — Slirche : Das Modell einer Kirche ist allge-
meines Attribut derjenigen Heiligen, die Stifter von Kirchen und Klöstern
sind : Amalberga. Gebhard. Godehard. Heinrich IL Karl der Grofse. Kuni-
bert. Leopold. Maternus. Virgilius. Willibrord. Wolfgang etc. — Klee-
blatt : Patricius. — Knotenstock ; Maximianus der Siebenschläfer. — Koch-
löffel : Martha. — Kohlen : Briccius. — Kohlenbecken : Agatha. — Kopf in
der Hand (in dem Sinne, dafs die Märtyrer ihr Haupt Gott zum Opfer dar-
604 Verzeichnis der Heiligen.
bringen): Albanus. Dionysius. Exnperantius. Felix. Regula. — Korb: Doro-
thea, Elisabeth. Joachim. — Kornähren: Walpurgis. — Krens (in verschie-
denen Gestalten): Andreas. Bemward. Brigitta. Bruno. Dismas. Era. He-
lena. Kümmernis. Ludgardis. Philippus. Kreuz, auf dem eine Taube sitzt.
Regina. — Krokodil : Theodor. — Krone : allgemeine Bezeichnung der könig-
lichen Würde oder Abstammung, dann aber auch häufig die von den Heiligen
verschmähte irdische oder erworbene Krone des ewigen Lebens. — Eine Krone
zu den Füfsen : Jodocus. Radegundis. — Drei Kronen : Elisabeth. Ludwig.
— Krag : Elisabeth. Notburga, — Kugeln : Nikolaus, Stephanus. — Korbis-
flasche: Othmar.
Lamm : Agnes. Joachim. Johannes der Täufer. — Lampe : Gudula. —
Lanze : Adalbert. Thomas. Emmeram. Kanut. Koloman. — Leiter : Emme-
ram. — Licht: Blasius. Branden. Genovefa. Mamertus. — Lilie: Gertrud.
Kasimir. Wilhelm. — Lilienstengel: Antonius. Franciscus. Joseph. Simpli-
cius. — Löwe: Marcus. Hieronymus. Veit.
Mauerkelle: Wunnibald. — Messer: Bartholomäus. Christina. — Als
Mohr: Fides. Maria von Ägypten. Mauritius. Victor Maurus. — Mono-
gramm IHS : Bernhardin von Siena. Ignatius. Vincentius Ferrerius. — Mon-
stranz: Agnes von Bayern. Clara. Hugo. — Muschel: Jacobus major. —
Mühlstein: Quirinus.
Nagel : Pantaleon. Dionysius der Siebenschläfer.
Ochsen^ zwei: Sebaldus. — Opferaltar: Alexander. — Orgel: ApoUonia.
Cäcilia. — Olfläschchen : Walpurgis.
Palme: allgemeine Bezeichnung des Märtyrer tums. Adrian. Felicitas.
Stephanus. — Pfau : Liborius. — Pfeile : Christina. Hubertus. Otto. Seba-
stian. Ursula. — Pferd : Severus. — Zu Pferde : Georg. Martin. — Pflugschar:
Kunigunde. — Pilgerstab u. s. w. Jacobus major. Koloman.
Quelle: Gangolf.
Babe: Ida. Oswald. Meinrad. Paulus von Theben. Vincentius. — Kad:
Donatus. Euphemia. Katharina. Willigis. — Batten und Mäuse : Cutubilla.
Gertrud. — Beb: Maximinus. — Ring: Godeberta. — Rosenkranz: Leo-
pold IV. — Rosen: Dorothea. Elisabeth. — Rost: Laurentius.
Salbbüchse : Magdalena. — Salzkübel : Rupertus. — Säge : Simon. —
Scheiterhaufen: Polykarpus. — Schiff: Anseimus Cantuar. Castor. Nikolaus. Ur-
sula. Werenfrid. — Schlangen: Patricius. — Schleier: Ludmilla. — Schlüssel:
l^enno. Petrus. — Schuhe: Hedwig. — Schuhmachergerät : Crispinus. Crispi-
nianus. Severus. Theobald. — Schwan: Hugo. Ludger. — Schwein: Antonius.
— Schweifstuch : Veronika. — Schwert : Allgemeines Attribut aller durch das
Schwert gestorbenen Märtyrer. Adrian. Albanus. Barbara. Donatus. Doro-
thea. Ewald. Fabian. Felix. Friedrich. Katharina. Kilian. Lucia. Lucius.
Maria als Schmerzensmutter. Pankratius. Paulus. Pins I. Sigismund. Six-
tus. Stanislaus. Susanna. Thomas Cantuariensis. Urbanus. Valentinus. Wen-
zel etc. — Sonne: Johannes Capistranus. Martinus Turon. Thomas Aq. —
Stein, Steine: Emerentia. Hieronymus. Liborius. Stephanus. Timotheus. —
Sterne : Dominicus. Johannes Nepomnk. Suidbert. — Stier : Lucas. — Streit-
axt: Ladislaus. — Streitkolben: Vitalis.
T (ägyptisches Kreuz) : Antonius. — Taube : Cornelia. Fabian. Gregor.
Joachim. Kunibert. Medardus. Regina. Remigius. Thomas Aquin. — Teller
Chronologische Zugabe.
605
mit Almosen: Lanrentius. — Teufel: AntODins. Genovefa. Prokopius. Mag-
dalena; an der Kette: Juliana. — Toter: Fridolin, Martin. Stanislaus. —
Turm: Barbara.
Walkerbaum: Jacobus minor. — Weinkanne: Florinus. — Weinkufe:
Theonestus. — Weinstock: Urbanus. — Weintraube: Maximus. Urbanus.
Wigbertus. — Winde: Erasmns. — Winkelmafs: Thomas. — Wölfe: Rade-
^^undis. — Wunde am Halse: Lucia; am Kopfe: Petrus Martyr. Thomas
Cantuar.; am Schenkel: Rochus. — Wundenmale Christi: Franciscus. Ka-
tharina von Siena. — Wurfspiefs : Gangolf. Lambertns.
Zange: Agatha. ApoUonia. Levinus. Pelagius.
Chronologische Zugabe.
Berechnung der Wochentage und des Osterfestes nach dem julianischen
Kalender.
a. Literae dominicae.
Man hat das ganze Jahr in Perioden von je sieben Tagen geteilt und
diese immer wiederkehrend mit den sieben ersten Buchstaben des Alphabets
bezeichnet.
A B
Januar 1 2
I.
C D
3 4
E F G etc.
5 6 7
Denjenigen dieser Buchstaben, welcher auf den ersten Sonntag (also auch auf
sämtliche Sonntage) des Jahres fällt, nennt man den Sonntagsbuchstaben
imd berechnet ihn für ein gegebenes Jahr folgend ermafsen : Man addiere nach
den mittelalterlichen Memorialversen : Annis adde novem Dominik pariire per
ocio et Viffinii: cyclus tibi noitis erit (vergl. Durandus, 1. 8 c. 5 n. 7) zu der
gegebenen Jahreszahl 9 und dividiere die Summe mit 28, so findet man in der
Sonntagsbuchstaben-Tabelle
IL
1G(F)
2E
3D
4C
5B(A)
6G
9D(C)
13 F(E)
17 A(G)
21 C(B)
10 B
IIA
14 D
18 F
22 A
7F
15 C
19 E
23 Q
24 F
8E
12 G
16 B
20 D
25 E(D)
26 C
27 B
28 A
neben der als Rest übrig bleibenden Zahl den Sonntagsbuchstaben des ge-
gebenen Jahres. Stehen bei einer Zahl in der Tabelle zwei Sonntagsbuch-
staben, so ist das gegebene Jahr ein Schaltjahr, in welchem der in Parenthese
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Chronologische Zugabe.
geschlosaene Buchstabe für die Sonntage vom 24. Februar ab gilt, der andere
nur für den Anfang des Jahres bis zum genannten Schalttage. Bleibt bei der
Division nichts flbrig, so ist A (28) der Sonntagsbuchstabe. Beispiel: 1225 +
9 = 1234 : 28, bleibt Rest 2, folglich ist E der Sonntagsbuchstabe des Jahres
1225, das heifst nach Tab. I.: der 5. Januar des Jahres 1225 war ein Sonntag,
woraus folgt, dafs der 1. Januar 1225 ein Mittwoch war. Ist nun bekannt, auf
welchen Wochentag der 1. (mithin auch der 8. 15. 22. 29.) Januar fällt, so
lassen sich alle übrigen Wochentage des Jahres daraus mit Hilfe der folgenden
Tafel leicht finden.
III.
A
B
C
D
E
F
G
Für das
Gomein-
jahr.
1. Jan.
1. Okt.
1. Mai.
1. Aug.
1. Febr. 1. Juni.
1. März.
1. Nov.
1. Sept.
1. Dec.
1. April.
1. Juli.
Für das
Schalt-
jahr.
1. Jan.
1. April.
1. Juli.
1. Okt.
1. Mai.
1. Febr.
1. Aug.
1. März.
1. Nov.
1. Juni.
1. Sept.
1. Dec.
Der 1. (8. 15. 22. 29.) Januar (A) des Gemeinjahres 1225 fiel auf den Mitt-
woch; die Tabelle zeigt, dafs der 1. (8. 15. 22. 29.) Oktober auf denselben
Tag fällt. Der 1. Februar (D) fällt, von A bis D vier Tage weiter gezählt, auf
den Sonnabend , ebenso der 1. März und der 1. Nov. u. s. f. Da der 1. März
auf einen Sonnabend fiel, so war auch der 22. März ein Sonnabend , der 24. März
also ein Montag, mithin hatte das Jahr 1225 die Konkurrente II. Im Mittelalter
bediente man sich für das Gemeinjahr dazu der folgenden Memorial verse:
Alta Domat Dominus^ Gratis Beat Equa GerenteSj
Contemrät Fictos, Augehit Dona Fideli.
Dieselben bestehen aus 12 Wörtern, welche die Monate des Jahres vom Januar
bis December bezeichnen, und die 7 Anfangsbuchstaben der 12 Wörter be-
zeichnen die 7 Wochentage von Sonntag (A) bis Sonnabend (G) für jeden
ersten Tag des betreffenden Monats. In denjenigen Monaten, deren Wörter
mit demselben Anfangsbuchstaben beginnen, fällt also der erste Monatstag auf
denselben Wochentag, z. B. der 1. Januar {AHa) und der 1. Oktober (Augebit);
der 1. Februar (Domat) ^ 1, März (Dominus) und der 1. November (Dona) u. s. f.
(vergl. Durandus, 1. 8 c. 5 n. 4).
b. Terminus paschalis.
Um das Osterfest eines gegebenen Jahres zu berechnen, addiere man zu
der Jahreszahl 1 und dividiere die Summe mit 19: so ist der Rest die goldene
Zahl (aureus numerus). Bleibt bei der Division nichts übrig, so ist 19 die
goldene Zahl. Mit Hilfe derselben und der Sonntagsbuchstaben -Tabelle II.
kann man nach folgender Tafel das Osterfest finden, welches jedesmal auf den
ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling (Ostermond) f^lt.
Chi'onologische Zugabe.
607
IV.
Goldene
Terminus paschalis
Goldene
Terminus paschalis
Zahl.
(Ostermond).
Zahl.
(Ostermond).
1
5. April D,
11
15. April G.
2
25. März G.
12
4. April C.
3
13. April E.
13
24. März F.
4
2. April A.
14
12. April D.
5
22. März D.
15
1. April G.
6
10. April B.
16
21. März C.
7
30. März E.
17
9. April A.
8
18. April C.
18
29. März D.
9
7. April F.
19
17. April B.
10
27. März B.
Beispiel: Man sucht das Osterfest des Jahres 1225.
1225 + 1 = 1226 : 19, bleibt Rest 10. Neben dieser goldenen Zahl 10
steht in Tab. IV. der 27. März B als Ostermond; der nächstfolgende Sonntag
ist der Ostertag. Als Sonntagsbuchstabe des Jahres 1225 war oben (aas Tab. IL)
E gefunden; zählt man nun von B (27. März) nach E weiter, so ergiebt sich
der 30. März als Ostertag des Jahres 1225.
Verlag von T. 0. WEIGEL in Leipzig.
Werke von Dr. Heinrich Otte.
Knrzer AbriJs einer kirchlichen Ennst- Archäologie des
Mittelalters mit besonderer Berücksichtigung auf die königlich
preufsische Provinz Sachsen. Nebst drei Steindrucktafeln. 1842.
8". geheftet 1 Mark.
Enizer Abrifs einer kirchlichen Ennst -Archäologie des
Mittelalters mit ausschliefslicher Berücksichtigung der deutschen
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Steindrucktafeln. 1845. gr. 8<>. geheftet 4 Mark.
(YergriflPen.)
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in ausgewählten Beispielen. Mit einer archäologischen Einleitung.
Zweite berichtigte Ausgabe der Grundzüge der kirchlichen Kunst-
Archäologie. Mit 118 Holzschnitten. 1862. gr. 8®. geheftet 4 Mark.
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Schriften über christliche Kunstaltertümer vorkommenden Kunst-
ausdrücke. Deutsch, Lateinisch, Französisch imd Englisch. Zweite,
erweiterte Auflage, bearbeitet vom Verfasser imter Mithilfe von
Otto Fischer. Mit 285 Holzschnitten. (1877.) Neue wohlfeilere
Ausgabe 1883. 8«. geheftet 8 Mark.
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Druck von C. Grombach in Lelpaig.
Druck von C* aritmhacli in Leipzig.