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LIBRARY OF THE
FOGG ART MUSEUM
THE BEQUEST OF
JOSEPH CLARK HOPPIN
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HANDBUCH
DER
KLASSISCHEN
ALTEETUMS-WISSENSCHAFT
ia systematischer Darstellung
mit besonderer Rücksicht auf Geschichte und Methodik der einzelnen
Disziplinen.
In Verbindung mit Gymn.-Rektor Dr. Autenrieth (Nürnberg), Prof. Dr. Ad.
Bauer (Graz), Prof.Dr.Blass (Halle), Prof. Dr. Brugmann (Leipzig), Prof. Dr.
Busolt (Kiel), Geh.-Rat. Dr. v. Christ (München), Prof. Dr. Gleditsch (Berlin),
Prof. Dr. 0. Gruppe (Berlin), Prof. Dr. Günther (München), Prof. Dr. Heerdegen
(Erlangen), Prof. Dr. Hommel (München), Prof. Dr. Hübner (Berlin), Priv.-Doz.
Dr. Judeich (Marburg), Prof. Dr. Jul. Jung (Prag), Prof. Dr. Krumbacher
(München), Prof. Dr. Larfeld (Remscheid), Dr. Lolling t (Athen), Prof. Dr.
Niese (Marburg), Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Nissen (Bonn), Prof. Dr.
Oberhummer O^Iünchen), Priv.-Doz. Dr. Öhmichen (München), Prof. Dr.
Pöhlmann (Erlangen), Gymn.-Dir. Dr. 0. Richter (Berlm), Prof. Dr. Schanz
(Würzburg), Geh. Oberschulrat Prof. Dr. Schiller (Giessen), Gymn.-Dir.
Schmalz (Rastatt), Prof. Dr. Sittl (Würzburg), Prof. Dr. F. Stengel
(Berlin), Prof. Dr. Stolz (Innsbruck), Priv.-Doz. Dr. Traube (München), Prof.
Dr. ünger (Würzburg), Geh.-Rat Dr. v. ürlichs f (Würzburg), Prof. Dr. Moritz
Voigt (Leipzig), Gymn.-Dir. Dr. Volkmann f (Jauer), Prof. Dr. Windelband
(Strassburg), Prof. Dr. Wissowa (Halle)
herausgegeben von
Dr. Iwan von Müller,
ord. Prof. der klassischen Philologie in München.
Fünfter Band, 3. Abteilung.
Die griechischen Kultasaltertümer.
MÜNCHEN 1898
C. H. BECK'SCHE VERLAGSBÜCHHANDLUNG
OßKAR BECK.
Die
griechischen Kultusaltertümer
Dr. Paul Stengel,
ProfeMor am Kgl. JoAchlmsthalscheD Gymoasiiiiu in BerllxL
Zweite vermehrte und verbesserte Auflage.
Hit 5 Tafeln.
MÜNCHEN 1898
C. H. BECK'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
OSKAR BECK.
FOGG ART MUSEUM
HARVARD UNIVERSITY
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Alle Rechte vorbehalten.
0. H. Beck'aohe Buchdrnckerei in Nördlingen.
Spezielles Inhaltsyerzeichnis
von Band V, 3. Abteilung.
Seite
Einleitung.
Begriff und Quellen der Disziplin (§1) 3
Geschichte der Disziplin (§2) 4
Allgemeine Charakteristik der griechischen Religion (§ 3) . 7
1. Kttltusstfttten.
Älteste Stätten der Götterverehrung (§4) 11
a. AltÄre 13
fi(oii6i (§5) 13
icxaqn (§6) 17
icxla (§7) 18
b. Tempelbezirke und Tempelgüter.
T^fisyog Bedeutung, Heiligkeit, Grösse; Benutzung der Tempelgüter (§ 8) 18
c. Tempel.
Wo man Tempel zu erbauen pflegte (§9) 21
Einrichtung und Grösse der Tempel (§10) 22
Kultbilder (§10) 26
Zweck und Bedeutung der Tempel (§11) 27
Staatsschatz und Weihgeschenke in Tempeln aufbewahrt (§ 12) . 28
Asyle (§13) 29
2. Kultusbeamte.
a. Priester.
Kein eigentlicher Priesterstand (§14) 31
Homerische Zeit. Beaufsichtigung durch den Staat (§15) 31
Obliegenheiten und Pflichten der Priester (§16) 32
Rechte und Bedeutung der Priester (§17) 33
Anzahl der Priester (§18) 34
Alter der Priester (§19) 34
Besondere Anforderungen und Vorschriften (§ 20) .... 35
Ansehn und Auszeichnungen der Priester (§21) 35
Einkünfte der Priester (§22) 37
Besetzung der Priesterstellen.
Erbliche Priestertümer (§23) 40
Wahl durchs Volk (§24) 41
Wahl durchs Los (§ 25) 41
Verkauf der Priesterstellen. Dauer der Amtsführung (§ 26) . 42
Priestertitel (§27) 43
Priestertracht (§28) 43
b. Das Übrige Kultpersonal.
UQonoiol, inifiijyioi, xijgvxsg n. s. w. (§ 29) 44
UgogivXaxss, y$<üx6Q0i (§ 80) 46
IsQoxafdlat (§ 31) 47
VI spezielles InhaltsTerzeichnis Ton Band V, 3. Abteilang.
Seite
Musiker, Tempelsklaven u. s. w. (§ 32) 48
Extraordinär mit gottesdienstlichen Funktionen betraute Personen (§ 33) 49
c. Seher und Weissager.
a) Die Mantik.
Wesen und Bedeutung der Mantik (§34) 50
Zufällige Zeichen. xXfj&oyeSy g>^fiat, xiqaxa u. s. w. (§ 35) 50
Andere Zeichen (§36) 51
Träume (§37) 51
Vogelschau (§38) 53
Nicht zufällige Zeichen (§39) 55
Hieroskopie (§40) 55
atpdyiM. Besondere Arten der Bieroskopie (§ 41) . 57
Warfelorakel und Verwandtes (§42) 59
fiävteis, ;if^t;<r^oAo/o6 und Sibyllen (§ 43) 59
ß) Die Orakel.
Zeichenorakel. Dodona (§ 44) 61
Orakel des Zeus Ammon (§ 45) 62
Zeusorakel in Olympia (§46) 63
Weissageorakel. Bedeutung ApoUons als Orakelgott. Delphoi. Die
Pythia. Einfluss des Orakels (§47) 63
Andere Orakel (§48) 67
IiVagen, die man den Orakeln vorlegte (§49) 68
Traumorakel, des Asklepios, des Amphiaraos in Oropos (S) 50) 69
Totenorakel (§51) 71
3. Eultushandlungen.
a. Das Gebet (§52) 72
Hymnen (§53) 74
b. Der Fluch (§54) 75
Beschwörungen und Zauberei (§55) 77
c. Der Eid (§ 56) 78
d. Die Weihgeschenke.
Geweihte Gegenstände (§57) 81
Heilige Herden und Tiere (§58) 85
Menschen geweiht. Hierodulen (§ 59j 85
e. Die Opfer.
Sinn und Bedeutung der Opfer. Heiligkeit des Feuers (§ 60) 86
Unblutige Opfer: Backwerk, Früchte, Käse, Weihrauch (g 61) . 89
anvQa (§62) 92
Spenden (§63) 93
Blutige Opfer. Zu Hause geschlachtete Tiere und Opfer von Privat-
leuten (§64) 94
öffentliche Fest-, Dank- und Bittopfer (§65) 96
Ausführung eines Speiseopfers (§66) 97
Verwendung des Opferfleisches. Massenopfer (§67) . 103
Beteiligung am Opfer (§68) lOü
Beschaffenheit der Opfertiere (§69) 107
Opferbare Tiere. Von verschiedenen Göttern verschiedene bevorzugt.
Wild und Fische nicht geopfert (§70) 107
eeo^eyia (§71) 110
Opfer für chthonische Gottheiten (§72) 110
Sühn- oder Bussopfer. Ihre Bedeutung (§73) 113
Menschenopfer (§74) 114
Ersatz für frühere Menschenopfer (§75) 117
Andere Sühnopfer und ihre Eigentümlichkeiten (§ 76) . . 118
Opfer für Meeres- und Flussgottheiten (§77) 120
Eidopfer (§78) 121
Heroenkult (§79) 124
Spesidlles Inhalts^erseiolmiB von Band V, 8. Abteünng. yn
Seite
Totenkult (§80) 128
Zu welcher Tageszeit die Opfer dargebracht wurden (§ 81) . 133
Farbe der Opfertiere (§82) 134
Geschlecht der Opfertiere (§83) 135
Alter der Opfertiere (§84) 136
f. Reinigungen und Stlhnungen.
Homerische Zeit Mordreinigungen (§85) 138
Reinigungen eines ganzen Volkes. £pimenides (§ 86) . . 142
Lustrationsgebrftuche und Ceremonien (§87) 144
Wodurch man sich eine Befleckung zuzog (§88) 147
^€01 xtcd-d^io^ und dnorgonaioi (§ 89) 149
Lustrationsgebräuche nicht ursprünglich griechisch (§ 90) . . . 149
Die Orphiker (§91) 150
g. Mysterien und andere geschlossene Vereinigungen.
Eleusinische Mysterien.
Geschlechterkulte. Aufnahme des eleusinischen Demeterkultes in den
athenischen Staatskultus. Anfänge und Entwicklung der eleusini-
schen Mysterien (§92) 152
Art und Bedeutung des Gottesdienstes (§93) 157
Eleusinische Eultusbeamte (§94) 159
Aufnahme in die Mysterien (§95) 160
Die kleinen Mysterien (§96) 161
Die grossen Mysterien und Eleusinien. dQoificya, Xeyofjtsy«, dytayeg (§ 97) 162
Filialen des eleusinischen Mysteriendienstes (§ 98) . . 165
Die samothrakischen Mysterien. Eabiren (§99) 165
Geschlossene Eultgenossenschaften. Orgeonen, ^lanoi, sQayoi (§ 100) . 166
4. Kultuszeiten.
a. Die Nationalfeste.
Einführung der Feste (§ 101) 169
Bedeutung der Wettkämpfe (§ 102) 170
<t) Die olympischen Spiele.
Gottesfriede. Einladung zum Fest. Einführung der verschiedenen
Kämpfe (§ 103) 171
Olympia (§ 104) 173
Die mit der Leitung des Gottesdienstes und der Spiele betrauten Be-
amten (§ 105) 174
Fünftägige Festfeier in Olympia. Wettkämpfe der Knaben. Gym-
nische Agone der Männer. Siege dxoyirl (§ 106) . . 175
Hippische Agone (§ 107) 179
Pentathlon, Ephedrie, Waffenwettlauf (§ 108) 182
Abschluss des Festes. Ehren der Sieger (§ 109) .... 184
Gelehrte und Künstler in Olympia. Keine verheirateten Frauen (§ 110) 187
ß) Die pythischen Spiele (§111) 187
r) Die isthmischen Spiele (§112) 190
(f) Die nemeischen Spiele (§ 113) 191
b. Die Feste der einzelnen Staaten.
Verschiedenheit der Zeitrechnung. Monatsnamen. Wichtigkeit der Feste
(§ 114) 192
a) Athenische Feste.
Hekatombaion: Kronien, Synoikien, kleine und grosse Panathenaien
(§ 115) 195
Metageitnion (§116) 200
Boedromion: Genesia, Boedromia, Charisteria, grosse Eleusinien (§ 117) 200
Pyanopsion: Pyanopsien, Oschophorien, Theseen, Thesmophorien, Apa-
tunen, Ghalkeen (§118) 201
Maimakterion (§ 119) 205
Poseideon: Haloen, ländliche Dionysien (§120) 205
ym Spezielle« Inhaltsverseichnis von Band V, 3. Abteilang.
Seite
Gamelion: Epilenaien, Gamelien (§ 121) 207
Anthesterion: Anthesterien, kleine Mysterien, Diasien (§ 122) . 20«
Elaphebolion: Elaphebolien, grosse Dionysien (§123) . 211
Munichion: Delphinien, Munichien, Olympieeri (§ 124) . . 212
Thargelion: Thargelien, Bendideen, Kallynterien und Plynterien (§ 125) 213
Skiropborion: Skirophorien, Arrhephorien, Dipolien, Diisoteria (§ 126) 215
Andere Feste: Brauronien, Proerosien u. s. w. (§127) . 217
ß) Feste anderer Staaten.
Peloponnesische Feste. Kameen (§ 128) 218
Feste in Theben, Plataiai, Delphoi, Dolos, Rhodos u. s. w. Heroen-
feste. Feste der Demen (§ 129) 220
Dexikm&ler der BankanHt
herauflgeg. von den
Terzeiehnis der Abbildungen zn den Knltnsaltertttmern.
Tafel L
Fig. 1. OpfePBzene und Altar. Bnichstüoke einer rotag. Vaae dee British Miweam. Nach Journal of Helleulc
otudies IX 1.
Hg. 2. Adoranten. ein Opferuchweln führend. Relief im Moseum zu Theben. Nach Mltt. de» D. Arch. Inst,
zu Athen IV 1879 Taf. 16.
VÜ: \' 9^5"""°°® ^°° ^^«' ^- ^^ »^ dem Lourre. Nach Daremberg et Saglio Biet. 8. 1584 n. 2115.
Fig. 4. Opferzug von einer sf. bolotischen Vaae des Brit. Muaeum. Nach Journ. of HoU. Stud. Fol. Taf. YII
V^J «1 ?K f^V,"*" ^^""V ^* ^"®- ^^'•'^ *^ Feldsteinen. Nach Vaeee Lamberg Paris 1818 I 23.
Flg. 6a. Altar f " J>io^ysosherine von der Schale des Hieron Berlin n. 2290. Nach Wiener VorlegPblÄtter
Serie A Tfcf. IV, Benndorf 1879.
^'^' ^^' blitter^rit^^'lS?^6^C^n^lf °^^°* ^""^ *^''' TroiloMchale des Enphronioe. Nach Wiener Vorlege
Tafel IL
Fig. 1. Tempel des Apollon Didymaios bei Milet. Nach den .Anüqulties of Jonia"
w- o Jf^^^^^'Ä^S^^en von der Gesellschaft der Dilettanü) gez. von Kettner.
Fig. 2. Zewtempel in Olympia. Nach Abel Blouet. Bötticher und Ourtius gez. von
Tu, Böhm. \ a w w-
^*' ^* ^L^i!r°' ^*^ ^^°'"**' ^^^^^^> S»«»rt nnd Falkenberg gez. von | TeStn^°en^Ho4^sc?J^
Att ^ ^ , . BerUn, Lief. I.
jn« A /X-. ^-. ^ "^ ^"* *™ Bfaasstabe von 1 : 400. I
Jng. 4. orundriss des Parthenon nach W. Dörpfeld in den Mitt. des D. Arch. Inst, zu Athen VI 1881 Taf. Xn.
Tafel IIL
7^rS^^\ ^? i^®««^~ ^0° ^^^ Akropolls zu Athen. Werk des Antenor. Nach Btudniczka Im
Jahrb. d. D. Arch. Inst. II 1887 8. 141.
Fig. 2. ^J^*P^^«^«^I*»«tnm. Bronzestatuette im Berliner Mus. mit Weihinsohrift an Athena. Nach Arch.
^*^* ^* ^^'Sül^H^^ ^T^^T r° ^^*'*** '° ^"'P^^* »nfgestent. Nach der Bekonstruktion von P. Graef
m A ^ Fabricius Jahrb. des D. Arch. Inst. I 8. 189.
M«5 ^rwi:*" vT**» l" ®'"^ *'""^^- Nach Journ. of Hell. Stud. Fol. T.f. XL
«g. 5. Zwei Augen. Votivrellef an Zeus Hypslstos. BerUn n. 720. Nach dem Original gezeichnet.
Tafel IV.
^' '■ ^imt^f^^ ^^^"^ ^^°** ^^ ®^'"°'' ^•***^^'" gezeichnet (auch im Jahrb. des D. Arch. Inst I
Ka' t MJ!f^«t':,J°°l°^,"l^*"^' Trinkschale im Brit. Museum. Nach Jahrb. des D. Arch. Inst. I 8. 12.
Tafel V.
Kg 2* torinaeTSf Ju ^^^^ ^^"^"^ ^^ Berliner Mus. n. 2307. Nach Jahrb. de« D. Arch. Inst. H 8. 105.
IrcÄ^^f Ä. ""'' '^ ^^itlo-ohale der Sammlung Bourguignon in Neapel. Naci.
Fig. 3.. |P^«^^rf.^rung, Disioswurf. Von einem panathen. Preisgefüs« des Museums Ip Leiden. Nach Arch.
Fi« T^^y^^l' l'''' einem Krater aus Oapu» im Berliner Museum. Nach Arch. Ztg. 1879 Taf. 4.
^* 5 ^l^^vlra "" ^'' ^^^»^1« »«r"«» 2284. Nach Arch. Ztg. 1888 Taf. 2.
iS" t pf« °« 7^®T^°°*- ^°" ^^^ Durisschale Beriin 2288. Nach A«h. Ztg. 1888 Taf. 1
gSI^o ?2^-20 ''"" ""' ^""^ '"• ^^'"'^^^ """^^^ "• ^'^^' Nach Gerhard Trinkschalen und
Sf' ?**• 2lTf" I°° ***' ^»'•*«»°^»»e Berlin 2283. Nach Arch. Ztg. 1883 Taf 2
Fig. 7. FÄckelwettlaut Mosaik in der ViUa Albani. Nach Gerhard Antike Bildwerke Taf 63. 1.
Die
griechischen KultusaltertQmer
von
Dr. Paul Stengel,
ProfeMor am kgl. Joachimithalachen Gynrnaalmn tn Berlin,
Handbuch der klaos. AltertumawiaBenschaft V, 8. 2. Aufl.
Einleitung.
a. Begriff, Quellen und Geschichte der Disziplin.
1. Wenn „die Reproduktion des klassichen Altertums durch Erkenntnis
und Anscliauung seiner wesentlichen Äusserungen" (Ritschl Opusc. V 7)
Aufgabe der Philologie im weitesten Sinne des Wortes ist, so fällt es den
Eultusaltertümern zu, die Äusserungen des religiösen Lebens, die Gottes-
dienste und die sakralen Institutionen darzustellen. Wie jedes Gebiet der
Altertumswissenschaft berührt sich auch dieses vielfach mit verwandten, —
mancher religiöse Brauch wird nur aus den Eigentümlichkeiten des Privat-
lebens, manche heilige Satzung nur aus den Einrichtungen des Staatswesens
verständlich, — ja es ist von der Mythologie, d. h. der Religionskunde,
eigentlich nicht zu trennen. Ist Kultus und Gottesverehrung der Zweig
gewesen, auf dem die schönste Blüte an dem unvergleichlichen Baum
hellenischen Lebens erwachsen ist: Poesie und Kunst, so war die treibende
Kraft doch die Religion selbst. Gottesdienst und alle Formen und Arten
seiner Bethätigung sind ohne Leben und ohne Seele, vergegenwärtigt man
sich nicht jeden Augenblick auch den Glauben und das Empfinden des
Volkes, das sie geschaffen und geübt hat. So wird eine kurze Charakteristik
der griechischen Religion auch die Kultusaltertümer einleiten müssen. Ist
es darnach unumgänglich, teilweise in das nächstliegende Gebiet überzu-
greifen, so ist andrerseits eine Beschränkung auf dem eigensten durch
die Verhältnisse geboten: wir haben nur von Attika und einigen Brenn-
punkten des religiösen Lebens der Hellenen, wie Delphoi oder Olympia,
so ausführliche Nachrichten, dass wir uns ein Bild von den Gottesdiensten
machen können; von den meisten Staaten und Städten wissen wir so wenig,
dass ich, auch abgesehen von der Zersplitterung des Stoffes und von Wieder-
holungen, die dann unvermeidlich geworden wären, auf eine zusammen-
hängende und geschlossene Darstellung ihres Kultus verzichten und mich
damit begnügen musste, besondere Eigentümlichkeiten gelegentlich hervor-
zuheben. Hoffentlich ermöglichen es fortgesetzte Inschriftenfunde künftig
einmal, auch an dieses unternehmen erfolgreich heranzutreten. An Vor-
arbeiten fehlt es schon heute nicht.
Die Quellen, aus denen wir unsere Kenntnis schöpfen, sind die
Litteratur und die Monumente, also: die Werke der Schriftsteller, die In-
1*
4 Die grieohiBchen EultaBaltertftmer.
Schriften, bildliche Darstellungen aus dem Altertum und Überreste von
Bauwerken. Die letztern sind erst in neuester Zeit reichlich erschlossen
worden, und dank dem Wetteifer der civilisierten Nationen, die immer
genauer die alten Stätten durchforschen und den die Schätze bedeckenden
Schutt forträumen, fliessen sie immer ergiebiger. Namentlich die In-
schriften, von denen ein sehr grosser Teil sakrale Bestimmungen ent-
hält, haben unsere Kenntnis erheblich gefördert. — Von den Schriften
der Alten, welche Teile der Kultusaltertümer behandelten, wie Istros,
Polemon u. a., sind uns nur Fragmente geblieben, wie andere antiquarische
Notizen in den Scholien, Lexicis, bei Athenaios und späteren Autoren
erhalten. Besonders wichtig ist Pausanias, der eine dankenswerte Fülle
von Details aus dem ganzen Griechenland zusammenträgt.
Über die Sammlung der Inschriften Labfeld Hdb. I' 407 ff. Die
übrigen monumentalen Quellen sind für die Kultusaltertümer grösstenteils
dieselben wie für die Privataltertümer. Ich füge daher den Hdb. IV* 5 ff.
von Iw. V. Müller genannten Werken, von denen inzwischen Dabembebq's
Lexikon weiter vermehrt worden ist (bis Buchstab G), nur den Hinweis
zu auf die 43 Jahrgänge der Archäologischen Zeitung und das seit 1886
an ihre Stelle getretene Jahrbuch des K. Deutschen Instituts, die Mit-
teilungen der Athenischen Abteilung, die Ephemeris archaiologike^ das Bul-
letin de correapondance hellSnique und die von Wissowa herausgegebene
bis Buchstab G geförderte Paültsche Realencyklopädie.
2. Die neuere Litteratur reicht in ihren Anfängen bis auf die
grossen französischen Gelehrten des 16. Jahrhunderts zurück. «Sie strebten
zu einer allseitigen stofflichen Erkenntnis des Altertums auf der Basis
lebendiger Sprachkenntnis hin. Aber die Bartholomäusnacht brachte wie
der Frost einer Mainacht der zarten Blüte vorzeitiges Welken; und die
Polyhistorie, die aus ihren Anregungen erwuchs, war der Gegensatz zu
der Konzentration, die allein zur Grundlegung einer Wissenschaft führen
konnte* (üseneb Philologie und Geschichtswissenschaft, Bonn 1882 S. 6).
Unter den Gelehrten des 17. Jahrhunderts, die sich durch Sammelfleiss
auszeichneten, dabei aber völlig unkritisch verfuhren, ist vor allem Jon.
Meubsius zu nennen (1579—1639), dessen zahlreiche Monographien am
Ende des Jahrhunderts in den von Jac. Gbonov herausgegebenen Thesaurus
antiquitcUum graecarum aufgenommen wurden, nach ihm J. Ph. Ppeiffeb
und John Potteb (die genaueren Angaben über ihre Werke bei Busolt
Hdb. IV^ 9), und für die Kultusaltertümer besonders wichtig J. G. Lake-
macheb, der Verfasser der Antiquitates Graecae (Helmstedt 1734). Dann
wies Bentley der Philologie neue Bahnen, doch zog die Altertumswissen-
schaft, soweit sie sich die Erkenntnis antiken Lebens zur Aufgabe stellte,
nur indirekten Nutzen aus den lediglich die Kritik fördernden, ja schaffenden
Arbeiten des grossen Mannes und der in seinem Geist Fortwirkenden.
Den realen Gehalt der antiken Litteratur zuerst lebendig erfasst und in
farbigen Bildern zur Anschauung gebracht zu haben, ist das Verdienst
der Gelehrten der Pariser Akademie des Inscriptions et BeUes-Lettres.
Babth^lehys Voyage du jeune Änacharsis (Paris 1788) atmete einen neuen
Geist und erschloss den Gebildeten, was die Gelehrten bis dahin anderen
Einleitimg. (§ 2.) 5
und durch ihre den Blick beengende Einseitigkeit trotz aller Yielwisserei
auch sich selber verschlossen hatten, und Ste-Croix' Histoire de la religion
secrHe des anciens peuples (Paris 1774) und Becherches sur les myathres du
paganisme (1784) erhoben sich ebenfalls über die Leistungen der Vor-
gänger. Im nächsten Jahrhundert übernahm Deutschland die Führung.
Fr. Aug. Wolf's grosser Schüler A. Boeckh verschaffte, nicht ohne heftigen
Widerspruch zu finden, der Altertumswissenschaft in dem vorher bezeich-
neten Sinn die gebührende Stellung. Seine Staatshaushaltung der Athener
(zuerst 1817, 2 Bde., 2. Aufl. 1851, 3. Aufl. bes. von M. Fbankel 1886),
die Sammlung der griechischen Inschriften und zahlreiche andere Arbeiten
auf dem Gebiet der griechischen Antiquitäten machten Epoche. Daneben
behaupten W. Wachsmüth's Hellenische Altertumskunde (Halle 1826—30.
4 Bde., 2. Aufl. 1846. 2 Bde.) und auch des Holländers van Limbouro-
Brouwer Histoire de la civilisation morale et religieuse des Grecs (Groningen
1832 — 42. 8 Bde.) einen ehrenvollen Platz. Weit übertroflFen aber wurde
alles, was bisher auf dem speziellen Gebiet der Sakralaltertümer geleistet
worden war, durch Chr. Aug. Lobeck's Aglaophamus sive de theologiae mysticae
Graecorum causis (Königsberg 1829. 2 Bde.). 'Doch fehlte es noch immer
an einem die „ gottesdienstlichen Altertümer '^ zusammenfassenden, auf der
Höhe der wissenschaftlichen Forschung stehenden Lehrbuch. Ein solches
herzustellen unternahm Karl Friedrich Hermann, der in dem ersten
Bande des die gesamten griechischen Antiquitäten umfassenden Werkes
die Staatsaltertümer bereits (1831) herausgegeben hatte. Sein Buch er-
schien 1846 (2. Aufl., nicht wesentlich verbessert, von B. Stark. Heidel-
berg 1858). Es ist noch heute wegen der zahlreichen Litteraturangaben
unentbehrlich, und bequem zu benutzen, weil die Hauptstellen der Schrift-
steller stets ausgeschrieben sind. Die Kritik lässt zu wünschen übrig,
das homerische Zeitalter ist sehr dürftig behandelt. Nach ihm hat G. F.
ScHOEMANN sciuo »griechischen Altertümer" geschrieben (2 Bde., 1. Aufl.
Berlin 1855. Bd. I 4. Aufl. bes. von Lipsius 1897. Bd. II 3. Aufl. 1873).
Der zweite Band (S. 126—600) enthält «das Religionswesen* mit Aus-
schluss oder doch nur nebensächlicher Berücksichtigung der homerischen
Zeit, die am Anfang des ersten Bandes besonders behandelt ist. Es ist
dies die vorzüglichste systematische Darstellung der Kultusaltertümer, die
wir besitzen, »das Muster einer im besten Sinne populären Darstellung*
(Lipsius in Bürsian's Jahresbericht I 2, 1873 S. 1335). Seit dem Er-
scheinen dieses Buches haben die Inschriften nicht geringes Material zu-
geführt, und manche treffliche Monographie hat es verwertet, die Aus-
grabungen haben vieles in ein anderes Licht gestellt, kurz des Neuen ist
so viel dazugekommen, dass eine Neubearbeitung des Stoffes wenn noch
nicht dringendes Bedürfnis, so doch eine lohnende Aufgabe zu sein scheint.
So weit hatte ich vor acht Jahren geschrieben, als der Abriss der
Kultusaltertümer zum erstenmal in die Öffentlichkeit ging. Mir waren
die Mängel der schnell und nicht unter den günstigsten Umständen voll-
endeten Arbeit nicht verborgen, um so dankbarer bin ich für die freund-
lichen Beurteilungen, die sie gefunden hat. Wenn ich jetzt nicht viel
zuversichtlicher vor die Leser und künftigen Benutzer der neuen Auflage
Q Die grieohisohen Koitusaltertümer.
trete, wiewohl ich hoffe, manches verbessert und die Brauchbarkeit des
Ganzen erhöht zu haben, so ist der Grund vornehmlich die Erkenntnis,
das zerstreute und weitschichtige Material doch nicht in dem umfange
zu beherrschen, wie ich es wünschte, dann aber auch das Bewusstsein,
den Ratschlägen kundiger Recensenten nicht gefolgt zu sein. Eine andere
Einteilung des Stoflfes, wie sie mir von einer Seite vorgeschlagen worden
ist (Lit. Centralbl. 1891 Nr. 51), hätte, wie ich nach reiflicher Über-
legung mir sagte, auch wieder Nachteile mit sich gebracht und die Über-
sichtlichkeit kaum gefördert. Die Wandlungen und Verschiedenheiten
der religiösen Anschauungen und Gebräuche im Laufe der Zeiten habe
ich mich hervorzuheben bemüht, mich aber nicht dazu entschliessen
können, um deswillen sachlich zusammengehörige Abschnitte zu zerlegen,
wodurch allzuleicht entweder die geforderte Knappheit oder der Zusammen-
hang grösserer Partieen beeinträchtigt worden wäre. Gern hätte ich mich
an die reizvolle und nützliche Aufgabe gemacht, auf die der ausgezeich-
nete Gelehrte und Forscher in der Theol. Litztg. 1891 XVI Nr. 21 Sp. 520
hinwies; ^Die Entwicklungen bis dorthin zu führen, wo sie entweder als
völlig ausgelebt erscheinen, oder die neue christlich-byzantinische Kultur
mitbegründen. ** Ich kann nicht sagen, dass die Behandlung dieser Fragen
ausserhalb des Rahmens, den ich der Darstellung geben musste, gefallen
wäre, es wäre gut, ihn so weit zu stecken, aber die Gebiete, auf die sich
die Untersuchungen erstrecken mussten, waren mir doch nicht vertraut
genug, und mehrere Publikationen der letzten Jahre hatten gezeigt, wie
selbst bei Beschränkung auf kleinere Kreise fleissige Arbeiter das Ziel
nicht erreichten und Vermutungen statt Thatsachen brachten. Das aber
hat ein Handbuch vor allem zu vermeiden. So habe ich mich darauf be-
schränkt, gesicherte Resultate, die dank den Bemühungen hervorragender
Fachgenossen auch hier nicht ganz ausgeblieben sind, wenigstens hin-
deutend zu verwerten. — Dass vieles ganz umgearbeitet oder neu ge-
staltet werden musste, an anderen Stellen nur weniges nachgetragen ist,
wird niemanden verwundern; nicht überall fliesst neues Material gleich-
massig zu, und nicht jedes Gebiet rücken im Lauf weniger Jahre die
Arbeiten bedeutender Gelehrten in gleich helleres Licht. Ich denke hier-
bei vor allen eines Mannes, dessen Todesanzeige mir gleichzeitig mit dem
ersten Druckbogen zuging: Erwin Rohde's. Möge seine Psyche der Er-
forschung der Religion und des Kultus der Griechen führend auch weiter
die Wege weisen.
Litteratur: Ausser den bereits genannten Werken: Chr. Pstbbssn Religion der
Griechen in Ersoh und Grübbb's Encyklop., Bd. 82, Leipzig 1864. Rinck Religion der
Hellenen, ZOrich 1854, 2 Bde. von Lasaülx Akademische Abhandlgg., WQrzburg 1844.
Gboro Grotk Griech. Mythologie und Antiquitäten, aus der griech. Geschichte übers, von
Th. Fisohbr, Leipzig 1856, Bd. 1. L. Pbellbb Griech. Mythologie, 3. Aufl. von Plew,
Berlin 1872, 2 Bde. Von der 4. Aufl., besorgt von G. Robbrt, ist der erste Band er-
schienen (fOr die AltertAmer besonders durch grössere Berttcksichtigung der Heortologie
und stärkere Betonung der Verschiedenheit der Lokalkulte wichtig und fördernd). M.
DüNCKBR Geschichte des Altertums, Bd. QL Nabgblsbach Homerische Theologie, 2. Aufl.
bes. von Autbkrieth, Nürnberg 1861. Nachhomer. Theologie, Nürnberg 1857. E. Guhl
und W. Eoheb Das Leben der Griechen und Römer nach antiken Bildwerken, 6. Aufl., bes.
von ExTOBLMAHH. DiBLS Sibyllinischo Blätter, Berlin 1890. E. Rohdb Psyche, Seelenkult
und ünsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg 1894. v. Prott und L. Ziehen Legea
saerae Graecorum, Leipzig 1896 (noch unvollendet). Gruppe Hdb. V 2.
Einleitang. (g 3.)
b. Allgremelne Charakteristik der grriechischen Religrion.
3. Es ist bis jetzt ein ebenso vergebliches Bemühen gewesen, die
Anfange der griechischen Religion bis in eine weit hinter Homer zurück-
liegende Vergangenheit zu verfolgen, wie ihren Ursprung bei entlegenen
Völkern aufzufinden, und die vergleichende Mythologie, die diesen Zielen
vorzugsweise nachgeht, hat gesicherte Resultate, , die das Verständnis der
Religion der Hellenen wesentlich förderten, kaum noch gewonnen, >) ja
sie ist jetzt selbst dabei, die zuversichtlichsten Behauptungen zu wider-
rufen und den vermeintlich so fest gegründeten Bau allmählich wieder
abzutragen.^) Augenscheinlich ist in der stets fluktuierenden, sich stets
mit andern Elementen versetzenden und neu bildenden Sage viel weniger
vom alten gemeinsamen Stammbesitz übrig geblieben, als in der Sprache,
wo die auseinandergehenden Völker doch einen festeren Kern, gleichsam
etwas Substanzielles, mitnahmen, was schon seiner Natur nach wider-
standsfähiger und wohl auch bereits ausgebildeter, Veränderungen und
Neugestaltungen weniger ausgesetzt war. Es war überhaupt ein „Irrtum,
dass man dasselbe, was sich für die Sprachen ergab, ohne weiteres auf
den Glauben übertrug. Denn der religiöse Gedanke bindet sich nicht an
die Sprache und lange nicht immer an die Nation ''.3) Aber auch wirk-
liche Übereinstimmung der Vorstellungen und Sagen verschiedener Völker
beweist nicht, dass eines sie vom andern entlehnt hat: „Der Ursprung
idt derselbe, die Volksphantasie, aber diese hat zu verschiedenen Zeiten
bei verschiedenen Völkern das Gleiche hervorgebracht. Analogie ist es,
was Mythenerklärung lehrt; sobald sie auf die Descendenztheorie dabei
überspringt, gerät sie in ein Labyrinth.**) Und in der That hat sich der
Weg sehr fruchtbar erwiesen, von den religiösen Vorstellungen und Sitten
noch kindlicher Völker auf das ursprüngliche Wesen und auf die Ent-
wicklung auch der griechischen Religion Schlüsse zu ziehen. s) — Nicht
minder missglücken mussten die Versuche, die griechischen Götter mit
Naturkräften oder -erscheinungen zu identifizieren. „Die griechische Re-
ligion ist keine Naturreligion.* ^) „In der Seele des Menschen entstehen
die Götter. Es ist nicht nur falsch, es ist Lästerung, wenn man sie in
der Aussen weit sucht und ApoUon zu einem seelenlosen Feuerball macht. ^^)
Jene Sätze und Lehren streifen der Dichtung den Glanz und Duft ab,
ohne etwas Befriedigendes an die Stelle zu setzen, ja sie sind „durchaus
dazu geeignet, das Verständnis der griechischen Religion zu verbauen.*^)
„Diese Götter lebten einst als wirkliche Wesen im Glauben der Menschen,
und die natürlichen Vorgänge und sittlichen Mächte, die in ihnen ver-
1) Vgl. L. FbibdlIndrb Jahrb. f. Phil.
1873 S. 305 ff. und Dts. Rundschaa XIV
Jahrg. 1. Heft Oktober 1887 S. 97 ff.
') Vgl. Oldsnbbbo Dts. Randschau 1895
S. 195 ff.
■) V. WiLAMowiTz Eur. Her.« Vorw. S. 8.
*) V. WiULMOWiTZ Philol. Unters. VII
225 Anm. 28.
') Vgl. RoHDS Psyche und die Religion
der Griechen, Heidelb. 1895. üsbkbb Götter-
namen 1895.
>) Lkhbs Pop. Anfs.' 118. Vgl. Rohdb
Psyche 268 f.
') V. WiLAMowiTz Isyllos 97 Anm.
®) Lbhbs a. a. 0. Vgl. Gubtiüs Sitz-
nngsber. d. Berl. Akad. 1890 S. 1154 und
Chantepib DB LA Saussatb Religionsgosch.
II 90 ff.
8 Die grieohüohen Knltusaltertümer.
körpert waren, kamen für sich und abgetrennt nicht zum Bewusstsein.'^O
Die Götter sind lebendige Personen. Wer das verkennt, verkennt das
Wesen aller Religion. „Als ob man zu einem Gott beten könnte, der
Abstraktum geworden ist."^) — Ebenso verfehlt ist es, der Urzeit des
Hellenen Volkes den Glauben an nur einen Gott oktroyieren zu woflen.
„Der Monotheismus bedingt einen Grad philosophischer Abstraktion, eine
Ausbildung des Denkens, welche nur sehr vorgeschrittene Zeiten, vielleicht
überhaupt nur Individuen, nicht Völker, erreichen."*) Aber welche Götter,
wie viele und wie entwickelte die Griechen in ihre europäische Heimat
herüberbrachten, wer will es sagen? Dass manche der später verehrten
noch fehlten, andere erst hier ausgestaltet und fortgebildet wurden, lässt
sich beweisen; will man weiter gehen, verliert man den Boden unter den
Füssen. Erst unter dem griechischen Himmel sind die griechischen Götter
geworden, was sie waren, und was sie uns sind. Hier sind sie in scharf
begrenzten Formen und zur vollen Eigentümlichkeit ausgebildet worden,
hier wurden sie täglich aufs neue geboren.^) Die ganze Natur wird von
Göttern belebt und erfüllt, der Trieb und die Fähigkeit zu personifizieren
ist fast unbegreiflich, und jeder Gott bleibt ein Individuum, das sich die
Freiheit seines Willens und die Selbstbestimmung wahrt, wie der einzelne
Mensch, innerhalb des Kreises, den das von Ewigkeit her ordnende Welt-
gesetz auch um den Gott gezogen hat, und dessen Schranken er nicht
ungestraft überschreiten darf. Überall von Göttern umgeben fühlte der
Grieche sich sicherer und wohler. Es waren Wesen nach seinem Bilde
geschaffen, zwar unsterblich und unvergleichlich mächtiger, aber fähig zu
leiden und zu freuen sich wie er, nicht vollkommen, aber eben darum
menschlicher. Sie stiegen vom Olymp und zeugten seine Königs- und
Heldengeschlechter, sie umgaben ihn auf Schritt und Tritt. Nicht bloss
in der mythischen Zeit, im Kindesalter des Volkes: die Athener jauchzen
der Göttin noch zu, als sie auf dem Wagen des Peisistratos in die Stadt
einföhrt,^) und bauen dem Pan einen Altar, als er dem Philippides be-
gegnet und ihm verspricht, er werde den Seinigen helfen, wenn sie ihn
mehr verehrten,") und wieder Jahrhunderte später, als schon eine andere
Religion die Welt zu erobern begann, werden ihre Boten Paulus und
Barnabas für Hermes und Zeus gehalten und können die Ehrenbezeugungen
der Menge nicht hindern.')
Die einzelnen Götter sind an Macht und Weisheit verschieden, wie
die einzelnen Menschen. Zeus hat tiefere Einsicht auch in das Walten
der Moira und lenkt leidenschaftsloser den Gang der Ereignisse. Und
ebenso verschieden ist der Grad der Verehrung, die die einzelnen Gott-
heiten in den verschiedenen Staaten, ja Häusern geniessen. In Orcho-
menos wurden die Chariten, in Thespiai Eros, in Naxos Dionysos, in
Tanagra Hermes, in Theben Ares am meisten verehrt,*) und manche Fa-
Mjthus 1875 S. 6 u. v. Wilamowitz a. a. 0.
») Herod. I 60. Aristot. Ath. Pol. 14.
•) Herod. VI 105.
^) Act. apOSt. XIV 11 flf. Vgl. BöTTICHKR
Tektonik IV 131.
*) Vgl. BuBSiAH Charakter des grieoh. j ») Gbufpb Hdb. V 2 a. d. betr. Orten.
') V. Hehn Qedanken über Goethe^
S. 226.
») V. Wilamowitz Gott. Gel.Anz. 1896
S. 625.
■) V. Wilamowitz IsjUoe 97 Anm.
Einleitang. (§ 8.)
9
milie hat zu einer besonderen Schutzgöttheit am liebsten gebetet. *) Dazu
kam, dass die griechischen Stämme sehr verschieden beanlagt waren, und
der Stimmung und Neigung des Volksstammes entsprach das Bild seiner
Götter. Auch die Verschiedenheit der Schicksale und des Wohnorts musste
auf die Ausgestaltung der Götter von grösstem Einfluss sein. Die Wan-
derungen schoben viel durcheinander, die Kolonisten nahmen altes mit
und vermittelten das Eindringen von neuem,^) die Fremden, welche massen-
haft als Metoiken aufgenommen wurden oder ganze Niederlassungen bil-
deten, verehrten zum Teil ganz andere Gottheiten. Verboten konnte ihnen
dies um so weniger werden, als man ihre Götter ja gar nicht leugnete,
und so finden wir denn auch schon in früher Zeit Privatkulte ausländischer
Gottheiten. Im zweiten Jahrhundert ersuchen in Dolos ansässige Eauf-
leute die Athener um die Erlaubnis, ihrem Gotte Baal Marcod auf der Insel
ein Heiligtum zu errichten,*) und schon viel früher (333) bitten kyprische
Kaufleute, die sich im Peiraieus niedergelassen haben, die Athener möchten
ihnen gestatten, ein Heiligtum ihrer Aphrodite zu gründen, wie sie den
Aigyptiern erlaubt hätten, eines für Isis zu stiften.^) Hier finden wir über-
haupt die buntesten Kulte: Ammon,*) Isis und Serapis, ^) Adonis,') Attis®)
und Kybele,®) und die thrakische Bendis,^^) der man schon zu Piatons
Zeit ein Staatsfest, die Bendideia, feierte. ^>) Pan wird nach der Schlacht
bei Marathon unter die Staatsgötter aufgenommen,*«) der Oi^fit] und EIqtjvt]
werden nach dem Siege am Eurymedon Altäre gestiftet, i*) und die Homer
noch unbekannte Heroenverehrung ist zu Pindars Zeit allgemein. Dionysos
ist ein hoch angesehener Gott geworden und wird in einer Weise ver-
ehrt, die den ausländischen Einfluss unverkennbar zeigt; die vornehmsten
Gottesdienste sind die Mysterien der Demeter und Persephone, Gottheiten,
die bei Homer eine ganz untergeordnete Stellung einnehmen. Neue Bei-
namen haben das Wesen der Götter vielfach erweitert und verändert,
kurz ewiger Fluss und ein ewiges Werden. Etwas wie ein Dogma gab
es nicht, an dem nicht gerüttelt werden durfte, und das eine Generation
der anderen als teures Vermächtnis überliefei'te, auch keinen Religions-
unterricht und keinen eigentlichen Priesterstand, der die Religion hütete.
Und trotz alledem darf man nicht nur von einer griechischen Religion
sprechen, die von Homer an dauert ein Jahrtausend und länger, sondern
auch behaupten, dass diese Religion trotz aller Entwicklung und Ver-
änderung, trotz der Durchsetzung mit so vielen fremden Elementen im
wesentlichen dieselbe geblieben ist. Zwei Gründe sind es hauptsächlich,
die ihr diese Kraft und diese Stabilität verliehen: Was auch im Laufe der
Zeiten herübergenommen wurde, das blieb, auf griechischen Boden ver-
•) CIA III 134 ff., 888. HöPBB Jahrb.
f. Phü. 1892 S. 23. Rohde Psyche 396.
Maass Orpheus 1 ff.
^0) Hesych. u. d. W. CIA. U 741. Xen,
Hell. II 4, 11.
»') Fiat. Rep. Anf.
'«) S. SoflOBMANN Opuso. III 439 f.
>») Schol. Aischin. I 18 p. 128. Flut.
Kim. 13. ScHOBMAim Gr. Altt.» II 175 A. 5.
») Vgl. z. B. Lykurg
. Leokr.
8.
») Vgl. FrIhkbl in
BöCKH'fi
Staatsh.«
Anm. 705.
•) CIG 2271.
*) CIA II 168.
») CIG 157. CIA II
741.
•) CIA ni 923, 140,
204.
') Flut. Nik. 13. Alkib. 18.
'ji^vaioy
VIII 138, 296.
•) CIA II 622.
10 Die grieohischen EaltnBaltertttmer.
pflanzt, nicht mehr das Alte, sondern wurde so völlig umgestaltet, dass
etwas Neues entstand, das von seinem Geist durchdrungen sich organisch
ins Hellenentum einfügte, und das zweite: Der Kultus war ein Heiliges.
Ihn übte der Sohn, wie er ihn vom Vater hatte üben sehen, und über
ihm wachte der Staat. Mochte jeder glauben, was er wollte, beten, wie
und zu wem er wollte, opfern oder nicht, wenn er nur öflfentlich nicht
die Götter leugnete und vor allen Dingen den bestehenden Kultus nicht
angriff. Nach dem Gesetz und Brauch des Staates die Götter verehren,
das ist evaeßtq;^) wer das Herkömmliche zu zerstören droht, der macht
sich der aaäßsia schuldig und wird vom Staat, der die bestehenden Ein-
richtungen zu schützen hat, verfolgt.*) Die Anklage erheben konnte jeder
Bürger, denn eine geistliche Aufsichtsbehörde gab es nicht. ^) Nicht wegen
Unglaubens werden Protagoras, Anaxagoras, Sokrates u. a. vor Gericht
gezogen, sondern weil sie Propaganda für ihre Irrlehren zu machen suchten,
weil sie das Fortbestehen des alten Kultus gefährdeten.^) An ihm etwas
ändern durfte höchstens die Volksversammlung, und diese wird es auch
nie ohne vorherige Genehmigung des Orakels gethan haben.') — Wie die
Gottesdienste und somit in gewissem Sinne die Religion, so hatte der Staat
auch die Heiligtümer und das Eigentum der Götter zu schützen. Entheiligung
oder gar Beraubung der geweihten Bezirke und Tempel wurde streng bestraft.
Verlangte der Staat in Gefahren und Nöten die Hilfe der Götter, so musste
er auch ihnen geben, was das Ihre war. Freilich ist es oft ausgesprochen
worden, dass die reine Gesinnung und Frömmigkeit den Göttern die Haupt-
sache sei,^) aber was eine grosse Menge sich unter Frömmigkeit dachte,
sagt Piaton (Euthyphron 14 E): Man schliesst eine Art Vertrag mit dem
Gott; erhält er, was er zu fordern hat, so ist er auch verpflichtet zu
leisten und zu geben, was der Mensch bedarf. So war man tolerant ohne
Grenze, was das Glaubensbekenntnis des einzelnen anbetraf, denn ein
allgemeines existierte nicht, und deshalb kann von einem Gewissenszwang
nie die Rede sein, aber man wachte über den Institutionen, über jeder
praktischen Bethätigung des religiösen Sinnes. Vergegenwärtigen wir uns
das, so wird es uns nicht mehr so wunderbar erscheinen, dass die Komiker
sich auch über die Götter lustig machen durften. Man hat diese Scherze
wohl nicht für gefährlicher gehalten, als die Verspottung anderer staat-
licher Einrichtungen, die zu beseitigen oder auch nur herabsetzen zu wollen
den Spöttern im Ernst nicht in den Sinn kam. Übrigens wird keinem
Aufmerksamen entgehen, wie Aristophanes keineswegs alle Götter gleich
behandelt; verspottet werden eigentlich nur die aus der Fremde auf-
genommenen oder die nach der Sage den Platz im Olymp erst später
erhielten. Poseidon spielt eine ganz andere Rolle als Herakles, Dio-
nysos oder gar die thrakischen Daimonen, und über die jungfräuliche
») Xen. Mem. IV 3, 16-
') Vgl. Lbop. SoHiUDT Ethik der Griechen
II 24 ff.
') Vgl. OsiAiTDER über d. Religionsver-
gehen im Korrespondenzblatt für die Ge-
lehrten- and Realschulen Württembergs 1887
u. 1888 S. 458 ff.
^) Vgl. MsiBB-SoHOEifANN Att. Prozess'
366 f. ScuoEMANN Gr. Altt.'' Anhang II 584 ff.
») ScHOBMATO Gr. Altt.» II 167.
•) IGIns. I 789. Plat. Leg. 716 E. Bbb-
NAYS Theophrast Üb. d. Frömmigkeit 68.
1. Die KiütuBBtätten. (§ 4.)
11
Schützerin der Stadt oder ApoUon wagt auch der Kühnste keinen frechen
Scherz. Lukian hätte in der Zeit des Aristophanes seine Sachen wohl
noch nicht schreiben dürfen.
Und damit kommen wir auf einen Punkt zurück, den wir schon be-
rührt haben: das Eindringen fremder Kulte und fremder Gottheiten in
Oriechenland, das keineswegs zu allen Zeiten gleich stark gewesen ist.^)
Erst in nachhomerischer Zeit sind Einflüsse des Auslandes nachweisbar,
und noch Jahrhunderte lang bleiben sie gering. Götter werden nicht so
leicht erworben und tauschen sich nicht so leicht aus wie Waren. Semiten
und Aigyptier blieben den Hellenen innerlich immer fremd. Trotz der
Eigenart aber des hellenischen Geistes und trotz der Grundverschiedenheit
seiner Götter von den Gottheiten der Völker, mit denen der Grieche zuerst
in Verkehr trat, strömte, wie wir gesehen haben, allmählich auch auf
diesem Gebiet immer mehr Fremdes in das Land. Vielleicht noch mehr
als alle die vorher angeführten Gründe ermöglichte und erleichterte diese
Aufnahme der heterogensten Elemente der merkwürdige Umstand, dass
die kindliche Vorstellung der homerischen Zeit, die griechischen Götter
herrschten überall,^) sich auch später erhielt. Herodot identifiziert ohne
weiteres die aigyptischen Gottheiten mit den griechischen, deren Namen
und Wesen gleich verschieden von ihnen waren, und so alle Folgenden
bis in die späteste Zeit.^) Dieser uns fast unerklärlichen Leichtigkeit im
Identifizieren des Ungleichartigsten entsprach die Fähigkeit zu assimilieren.
Was einmal als gleich oder verwandt angenommen war, das wurde dann
auch thatsächlich gleich oder verwandt gemacht. Nach Alexander dem
Grossen überfluten freilich die ausländischen Götterdienste Griechenland
in einer Weise, dass ein Verarbeiten des Fremden auch dem so ungemein
elastischen hellenischen Geiste nicht mehr möglich ist, und was bisher in
vereinzelten Fällen vorgekommen war, wird jetzt ganz allgemein: die
neuen Götter erhalten ihre Kulte neben den alten und überflügeln und
verdrängen diese mehrfach. Doch es ist Aufgabe der Mythologie, dies
im einzelnen zu verfolgen und darzustellen: hier mag es genügen, Wesen
und Entwicklung der Religion in so flüchtigen Umrissen gezeichnet zu
haben; auf Einzelheiten einzugehen, soweit es erforderlich scheint, wird
sich im folgenden Gelegenheit bieten.
1. Die Kultusstätten.
4. Ein kindliches, frommes Volk, das sich überall von mächtigen
Göttern abhängig fühlte, die in sein Leben fördernd und hindernd, segnend
und strafend eingriffen, ohne dass man sie jemals sah, musste sich ihren
Wohnort am natürlichsten auf der Höhe der Berge vorstellen, von wo
*) At. 830 ff. macht sich der Dichter
nur Ober die Projektmacher lastig. Man
vergl. Thesm. 1136 ff. Nub. 563 ff. Equ.
551 ff.
') Vgl. hier namentlich £. Plbw Die
Griechen in ihrem Verh. zu den Gottheiten
fremder Volker. Programm von Danzig 1876.
') Plew a. a. 0. 3.
*) Vgl. z. B. Diöd. I 25. Plut Quaest.
symp. IV 6. Nonn. XL 369.
12
Die grieohisohen Knltiisaltertümer.
aus sie weite Fernen überblickend walteten. Hier ballten sich die Wolken,
aus denen der gefürchtete Strahl zuckte, hier schuf man dem Gott einen
Felsen thron. ^) Bald heiligte man ihm auch andere, dem Blick und Fuss
des Sterblichen weniger entrückte Stätten. In dunkelnden Hainen, in
geheimnisvollen Grotten ahnte die Phantasie einen Lieblingsaufenthalt der
Götter, bald ihre Eigenart unterscheidend, und je nach dem Bilde, das
man sich von ihnen machte, weihte man ihnen hier oder dort ein Heiligtum,
ursprünglich gewiss einfach genug: eine Baumgi'uppe, die, im Kreise
gepflanzt, ein schattiges Dach bildete, einen Steinhaufen, der als Altar
dienen konnte. Aber als man sich an gemeinsamen, von einer Mauer
umschlossenen Wohnsitzen vereinigte und Städte baute, genügten solche
Heiligtümer dem Bedürfnis nicht mehr, vor allem deswegen nicht, weil
der schützende Gott innerhalb des Mauerringes wohnen musste. In ältester
Zeit finden sich jedoch auch in den Burgen und Palastanlagen des Herr-
schergeschlechts eigentliche Tempel noch nicht. In Mykenai ist der
Haupttempel der Burg später auf den Fundamenten des Anaktenhauses
erbaut worden, ebenso in Tiryns und in Athen. Nicht in einen Tempel,
sondern »ins Haus des Erechtheus begiebt sich Athena" Od. i; 81.*) Die
homerische Zeit kennt aber auch schon Tempel, und wenn wir auf ^10,
wo von der Gründung der Phaiakenstadt durch Nausithoos die Rede ist,
auch nicht viel geben werden und die Möglichkeit zugeben, dass / 404
und i> 80 »die steinerne Schwelle des Phoibos Apollon* nicht von einem
Tempel verstanden zu werden braucht, so bleibt immer noch A 39 der
Apollontempel in Chryse, B 549 der Athenatempel in Athen, rj 345 flf.
das Gelübde der Gefährten des Odysseus, dem Helios zur Sühne für ihren
Frevel nach glücklicher Heimkehr einen Tempel zu stiften, und in Ilios
die Tempel des ApoUon (H 83, E 446) und der Athena (Z 88, 297)»).
Ob wir uns freilich die Tempel als stattliche Gebäude zu denken haben,
ist zweifelhaft. Z 88 f. müssen wir uns unter vrpg wohl einen geweihten
Platz (vgl. Z 379) mit einem verschlossenen Uqo^ dofiog vorstellen, denn
die zwölf Kühe, die evi vrj^j geopfert werden sollen (Z 93, 308, vgl.
B 550), können im Gotteshause selbst unmöglich geschlachtet worden
sein, wie denn auch A 448 die Hekatombe an einem im Freien stehenden
ß(ofi6g geopfert wird, obwohl gerade Ghryses sich rühmt, dem Gott
Tempel gebaut zu haben. Andrerseits aber ist vom Erbauen der vtjoi
die Rede (E 446. fi 347), sie haben ein Dach (A 39) und ein aSvtov
(E 448), man kann Waflfen daran befestigen {H 83) und Weihgeschenke
hineinlegen (/i 347) ; der dofiog ist also doch wohl die Hauptsache.
Aber ausser auf der Höhe der Burg bringt Hektor dem Zeus auch
auf den Bergen des Ida Opfer {X 171 f.), und die natürlichen Heiligtümer
sind die weitaus häufigsten Eultstätten. In Ithaka ist eine Grotte (v 163 fif.),
*) V. Ain>RiAN Der Höhenkultus etc.,
Wien 1891. Bbbb Heilige Höhen der Grie-
chen und Römer, Wien 1891. W. Rsiohbl
Verheilen. Götterkulte 29 ff.
^) ScHucHHABDT Arch. Auz. 1889 S. 62 f.
DöBPFKLD Athen. Mitt. 1887 S. 207. Vgl.
Waohsmuth Ber. d. sächs. Ges. d. Wies.
1887 S. 403.
•) Vgl. LuDSWiG Progr. des Privat-
Ünter-Gymnas. zu Feldkirch 1895 S. 181
Gaueb Grundfragen der Homerkritik 197 ff.
Reiohel Vorhellen. Götterkulte 55 A.
1. Die KiütnMtfttten. (§ 5.) 13
die einen besonderen Eingang für die unsterblichen hat {v 111 f.), den
Najaden heilig, und Odysseus pflegte ihnen hier Opfer (v 350) und andere
Qaben (y 358) darzubringen. Eine andere den Nymphen geweihte Stätte
ebenfalls in Ithaka ist ein Pappelhain nahe der Stadt, von einer Quelle
durchrieselt. Dort ist ein Altar errichtet (p 210 f.), wo die Wanderer
zu opfern pflegen, und Odysseus ihnen oft fette Schenkelstücke verbrannt
hat (q 240 fif.). Auch Apollon hat, wie in Ismaros (i 200), einen heiligen
Hain, wo ihm Hekatomben dargebracht werden (t^ 276 fif.), Spercheios
besitzt an den Quellen des Flusses ein zä^isvog und einen Brandopferaltar
(^ 148), auf dem ihm Widder geopfert werden, deren Blut man in das
Wasser strömen lässt. Auf dem Gipfel des Ida hat Zeus räiisvog und
Altar (0 48), und in Paphos Aphrodite (i> 363). — Dass der Gott sich
dauernd in seinem Tempel aufhalte,^) hat man ebensowenig geglaubt,
wie dass er immer an den sonst ihm geweihten Stätten weile; aber er
besucht den ihm bereiteten Sitz häufig, um sich an den ihm aufbewahrten
Kleinodien und Kostbarkeiten*) zu erfreuen, wie er sich bei den Opfern
der Menschen zum Mitgenusse einfindet, und der Mensch darf deshalb,
wenn er ihn hier anruft, der Erhörung am sichersten sein.') — Dass
in homerischer Zeit die Zahl der geweihten Plätze, auf denen sich nur
Altäre befanden, ungleich grösser gewesen ist, als die der Tempel,^) lässt
sich schon aus den angeführten Stellen schliessen, noch viel zahlreicher
aber waren Altäre, die einfach an einem geeignet erscheinenden Orte
aufgebaut, von einem grösseren geheiligten Bezirk gar nicht umgeben
waren.
a. Altäre.
Litteratnr: Hermaitm Gott. Altt.*, §§ 77 ff. de Moliit De ara apud Graecos,
Berl. Diss. 1884. Dabbmbbrg-Saglio Dict. I 347 ff. u. ara mit vielen Abbildungen. Bau-
meister Denkm. 55 f. Puchstein Arch. Jahrb. XI 53 ff. Heisch bei Pauly-Wissowa I
unter Altar. Rbichel Vorhellen. GOtterknlte 1 ff. Vgl. die angehängte Taf. I, Fig. 1—6.
5. Unter den drei Bezeichnungen, die wir für die verschiedenen
Arten von Altären angewendet finden: saiia^ iaxaqa^ ßfofxog, ist die
letzte weitaus die häufigste und für die grosse Mehrzahl der Altäre
allein gebräuchlich. Sie ist zugleich auch die früheste. Denn wie sich
aus zahlreichen alten Abbildungen und zum Teil nicht mehr verstan-
denen Überlieferungen und Gebräuchen erschliessen lässt, ist der Altar
ursprünglich als Sitz der unsichtbar thronenden Gottheit gedacht und
demgemäss gestaltet worden. Auf den Stufen des Thrones legte man
die Opfergaben nieder; sie bildeten zugleich den Schemel für die Füsse
des Gottes und den Tisch, von dem er die dargebotenen Speisen ge-
noss;*) ja es findet sich, als die orientalische Sitte bei Tisch zu liegen
sich einbürgerte, statt des Thrones die xXtvr], und die Sitte der Lekti-
sternien bewahrt noch spät eine Form der Gottesverehrung, die eigent-
') Oyebbbck Gesch. der griech. Plastik* | ») Vgl. Cürtius Die Altäre von Olym-
I 42 yetag, vrjog von vaio> wohnen. Anders pia 1882 S. 9 ff.
ScHBADER Sprachvergl. n. Urgesch.^ S. 402. ! ') Vgl. 11. Z 257.
*) r 274, fl 82, fji 347, cf. n 185. ») Rbichel a. a. 0. 39 f. S. Taf. I Fig. 4
14 ^^9 CprieohiBohen EiütiiBaltertftmer.
lieh ein Überlebsel aus einer Zeit ist, über die die religiösen Vorstel-
lungen sonst lange hinaus sind.^) Aber auch die alten Throne bleiben
hie und da in abergläubischer Pietät erhalten, als längst Eultbilder auf-
gekommen waren, deren Vorhandensein mit dem Sinn der leeren, för
einen unsichtbaren Gott bestimmten Throne nicht zu vereinigen ist.')
Das sind jedoch seltene Ausnahmen; denn als man aufhörte sich die
Gottheit so sinnlich gegenwärtig vorzustellen, als man ein Abbild der Un-
sichtbaren schuf, in dem man doch nicht sie selbst zu sehen vermochte,
bekamen auch die Altäre eine andere Form, lediglich zum Darauflegen
und Verbrennen der Opfergaben bestimmt.
Bei Homer sind Altäre etwas ganz Gewöhnliches. Wir finden sie
in den Höfen der Ftirstenwohnungen,^) im griechischen Lager vor Ilios,*)
in Chryse {A 448), auf dem Ida (© 48), am Spercheios (^ 148), und auf
der Überfahrt hat Agamemnon an jedem Altar des Zeus, an dem man
vorüberkam, ein Opfer gebracht (0 238 flf.). In den ältesten Zeiten waren
diese Altäre gewiss von der grössten Einfachheit, aus Steinen oder Rasen-
stücken kunstlos aufgeschichtet, und auch später kommen so primitive Exem-
plare vor.*) Oft waren sie ja auch nur zu einmaligem Gebrauch bestimmt,*)
und in diesem Fall verschwendete man natürlich niemals Mühe und Kosten
daran. Aus Steinen, die am Ufer liegen, lässt Apollonius Rhodius') die
Argonauten bei ihren Landungen sich die Opferaltäre erbauen, und bei
Theokrit (Id. XXVI 3 flf.) stellen Frauen aus Reisig und Blättern Altäre
her. Tansanias (IX 3, 4) berichtet sogar von einem Fest der Boiotier,
an dem sie einen grossen Altar aus Holz erbauen, den sie zugleich mit
den darauf liegenden Opfertieren verbrennen.®) Auch Altäre, die öfter
benutzt wurden, waren bisweilen wenig dauerhaft,*) bei weitem die meisten
aber waren solide und mehr oder weniger kunstvoll und prächtig aus
besserem Material erbaut, nur zum Fundament pflegte man unbehauene
Steine zu verwenden.*®) Die Form der Altäre war sehr verschieden,
namentlich derer, die nicht als Opferstätten dienten. Vor dem Hause
pflegte ein ßiafxog dyvisvg zu stehen, ein Obelisk, der gewöhnlich dem
Apollon geweiht war,^*) im Hofe oder Hause ein Altar des Zeus Herkeios,**)
und vielleicht befanden sich auch in anderen Wohnräumen kleine Altäre, ^^)
auf denen man Weihrauch verbrennen oder Blumen und andern Schmuck
niederlegen mochte. In Magnesia musste am grossen Jahresfest der
Reichel a. a. 0. 33 ff., 44.
») Reichel a. a. 0. 13 ff.
») A 772 ff. des Pelens. x 332 des Odys-
Beus, vgl. 379.
*) A 808. 9 249.
») S. z. B. Paus. Vm 35, 8.
•) DiELS Sibyll. Bl. 129 ZI. 3.
') Arg. I 403. 966. 1123, H 695. Vgl.
Oyebbeck Heroische Bildwerke 324
8) Vgl. Tac. Ann. XV 30. Puchstbin
Arch. Jahrb. XI 57.
•) Paus. VI 24, 2. cf. V 13, 5.
^^) Wekigbb Der Gottesdienst in Olym-
pia, Sammig. v. Vortr. Viechow u. Holtzbn-
DORPF XIX Serie 412.
>M Hesych u. Harpokr. u. dyviBvs. Wbl-
CKER Griech. Götterl. I 494. de Molin 24.
1*) X 334, 379. Kratinos bei Meinbke
Frgm. com. III 377, PoU. VIII 341. Pbtbbsen
Der Hausgottesdienst der Griechen 50. Vgl.
auch Bader De diis nar^tooig Schleusingen
1873 S. 10 ff. u. Kjlstobches im 'A^yaioy
IX 1880 S. 422 ff.
^*) .Gf. Lobeok Agl. 1239. de Mouk
26 f.
1. Die EnltasBiätten. (§ 5.)
15
Artemis Leukophryene jeder Bürger vor seinem Hause einen Altar
errichten und darauf sein Opfer darbringen.^)
Gestalt und Material auch der Brandopferaltare waren völlig ver-
schieden. Die gewöhnliche Form war vierseitig, quadratisch oder länglich,')
doch kommen auch runde vor,^) und jede einzelne Art zeigte wiederum so
viele Abweichungen in Bildung und Stilisierung, dass man auch darnach
wieder verschiedene Gruppen scheiden kann.*) Mitunter waren sie auch
mit Hörnern geziert.*) Völlig ungleich war auch die Grösse und Höhe.«)
Pausanias (H 29, 6) erwähnt einen Altar, der nicht viel über den Erd-
boden emporragte, der Korybantenaltar in Pergamon war nur 16 V« Centi-
meter hoch, 7) der des Zeus Naios auf der athenischen Akropolis 18 Centi-
meter.®) In Syrakus wiederum hatte Hieron H einen Altar gebaut, der
ein Stadion lang und 22 Meter breit war;^) der Altar des Zeus in Olympia
hatte nach Pausanias (V 13, 5) einen Umfang von 132 und eine Höhe
von 22 Fuss,*^) und der berühmte Altar zu Pergamon war über 12 Meter
hoch. So grosse, meist aus Marmor gefertigte Altäre waren an den
Seitenflächen gewöhnlich mit Skulpturen geschmückt.*^) An dem Altar
der ephesidchen Artemis sah man Bildwerke von Praxiteles,*') und die
verstümmelten Reste der Figuren des pergamenischen Zeusaltars zieren
jetzt das Museum unserer Hauptstadt. Auf den Platten anderer waren
Inschriften eingegraben, die eine Widmung,*') oder auch Opferbestim-
mungen enthielten, wie sie uns mehrfach*^) erhalten sind. Andere waren
mit Farben geschmückt'*) oder getüncht und mit dem Namen der Gottheit
beschrieben. ^<>) Einen silbernen Altar der Hera bei Argos erwähnt
Pausanias (H 17, 6); einen noch merkwürdigeren gab es in Delos; er war
ganz aus Ziegenhömern verfertigt und wurde zu den sieben Weltwundem
gerechnet.") Sodann hatte man Altäre, die aus der Asche der verbrannten
Opferstücke bestanden. Pausanias zählt eine ganze Reihe aus verschie-
denen Orten Griechenlands auf,*®) in Olympia hatte der Altar des Zeus
einen solchen Aschenaufsatz, zu dem von dem bedeutend grösseren Unter-
bau Stufen aus Asche hinaufführten. Man schlachtete die Tiere auf dem
untern Teil {ngo&vmg) und trug nur die Schenkel hinauf, um sie dort zu
verbrennen. Ebenso aber war die Anlage des syrakusanischen und gewiss
sehr vieler, wenn nicht aller grossen Brandopferaltäre.**) Bei Milet soll
Eerit Aroh. Anz. 1894 S. 122 ff.
*) Paus. V 14. 5.
») Altt. V. Pergamon VIII 1 S. 68 mit
Abbildg. Rbisoh a. a. 0. 1675 f. de Molin
26 f. Vgl. Enstath. znr Od. q 209.
*) DB Molin 61 ff.
•) Anthol. Pal. VI 10, 3. Arch. Ztg.
1866 tab. 206.
') DB Molin 66 ff.
') Perg. Altt. VIII 1 n. 68.
8) JeXr. agz- 1890 S. 145. Mehr bei
Rbiboh a. a. 0. 1662.
*) Diod. XVI 83. Püobbtbin Arch. Anz.
1898 S. 20.
'«) PuoHBTEiN Arch. Jahrb. XI 74 f.
") Paus. II 17, 6.
»») Stfab. XIV 641 B.
»») Plnt. Arist. 19. Pergam. Inschr. VIII
2 n. 327 ff.
^*) Caübr Del.* n. 435 ans Lesbos, I6A
379 aus Thasos.
»») Bull, de corr. VI 310. Vgl. Curtius
Die Altäre v. Ol. tab. I u. II, Abb. der Berl.
Akad. 1881.
'^) Magnes. Inschr. Ebbn Arch. Anz.
1894 S. 122 f. PucHSTBiN Arch. Jahrb. XI 60.
") Kallim. Hymn. in Apoll. 60.
") V 13,5; 14,6; 15,5; IX 11,5. S.
femer Eoldbwsy 51. Winckelmannsprogr.
Berl. Arch. Ges. 1891 S. 29.
'•) Puchbtbin Arch. Anz. 1893 S. 23 ff.
16
Die griaehisehMi KaltaaaltMrtflmer.
es einen Altar ans dem geronnenen BInt von Opfertieren gegeben haben. ^
Auch Altäre aus natürlichem Fels scheinen vorgekommen zu sein.*)
Wenn schon Privatleute in ihren Häusern und Höfen,') Künstler in
ihrer Werkstatt^) Altäre zu haben pflegten, so durften diese in öffent-
lichen Gebäuden, Palästen^) oder auf den Versammlungsplätzen der Yolks-
gemeinde noch weniger fehlen,®) am wenigsten aber auf der Akropolis,
dem heiligsten und gewöhnlich auch ältesten Teile der Stadt. ^) Aber
nicht bloss die Städte waren voll von Altären,') auch auf dem Lande
waren sie nicht seltener, als heute in katholischen Gegenden Kapellen und
Heiligenbilder. An Kreuzwegen wurde Hekate verehrt {ivodia^ %Qioittiq\^)
auf Bergen ^<^) und an den Grenzen *0 pflegte namentlich Zeus Altäre zu
haben, an den Landstrassen Hermes.^*) Auch auf Gräbern fehlten sie
nicht. 1»)
Altäre, die auf vielbetretenen Plätzen standen, waren in der Regel
durch eine Umfriedigung ^^) oder eine herumgezogene Kette ^^) geschützt.
Für den Kultus sind am wichtigsten die Opferaltäre, deren sich
einer oder mehrere vor jedem Tempel befanden.*«) An ihnen wurden die
Tiere geschlachtet, das Blut ward daraufgegossen *^) und die Opferstücke
verbrannt. Um Beschädigung durch das Feuer zu verhüten, setzte man
oft einen Aufsatz herauf, auf dem das Feuer angezündet wurde, und der
nach Bedürfnis erneuert werden konnte.*') Auch im Innern der Tempel
befanden sich Altäre,*') in der Regel wohl nur zu unblutigen Opfern
dienend,'^) sicher hat man an ihnen niemals Tiere geschlachtet.'*)
Bisweilen war ein Alter mehreren Göttern {&€oi cvfißoifioiy ofio^
ßcifAioi) geweiht.'^) So gab es in Athen auf dem Markt einen Altar der
Zwölf Götter,*') auch einen, der der Aphrodite und den Nymphen ge-
meinsam war,**) und im Amphiareion bei Oropos einen, der für fünf
») Paus. V 13, 6.
«) Vgl. PauB. II 32, 7. CüBTiüs und
Eaufbbt Atlas von Athen tab. VIII.
•) Aristot. Ath. Pol. 25. Plat. Rep. I
328 C.
*) Paus. V 15, 1.
*) Arist. Nub. 178 f.
•) Xen. Hell. II 3, 52. Antiph. VI 45
p. 146. Herod. V 46. Thuk. VI 54. Paus. V
15, 3.
') Paus. I 26, 6. Plut. Per. 13. cf. de
MouN 48 f.
>) Aiscb. Ag. 88 ff.
•) Vgl. Theokr. Id. II 36 mit Schol.
'^) Beispiele bei db iMoiiN -H.
»>j Cf. Plato Leg. VII J 842 E.
") Schol. zur Od. n 471.
*•) Paton u. Micks Inscr. of Cos nr. 281
S. 197. nr. 325 S. 211.
»*) Paus. X 38, 3.
»») Plut. Dec. orat. p. 847 A.
*') ß(ofioi ngoyaoi Aisch. Suppl. 494,
Herod. II 185. de Molin 52 f. Bötticbbb
Tekt. IV 17 f. Rbisch a. a. 0. 1650.
'^) Einige erhaltene AltAre zeigen Ver-
tiefungen, offenbar zur Aufiiahme des Bluts
bestimmt, das dann vielleicht durch einen
Kanal an einer Seitenwand hinunter abfloss
(s. DE Molin 65 f.).
'®) LoLLiNO in d. Ztschr. *A&ijyä Athen
1891 S. 595. Rbisch bei Pault-Wlbsowa
I 1677.
»») Paus. V 14, 5. II 17, 6. Eur. Ion 115.
20) Cf. Paus. V 15, 6. DB MoLiN 54. Doch
kommen Ausnahmen vor. Vgl. Eur. Andr.
1113. Herod. VI 81 und die Inschr. von Kos
V. Prott Fasti graec. S. 25 ZI. 9. Döbp-
FBLD Athen. Mitt. XVI 337.
*■} Auch Paus. II 35, 5 nicht. Mann-
HABDT Mythol. Forschungen 67.
") Paton u. Hicks Inscr. of Cos nr. 64
S. 116. Maubeb De aris Graecorum pluri-
bus deis in commune positis (Darmstadt 1885).
") Plut. Dec. orat. p. 847 A.
*«) KöHLEB Athen. Mitt. II 246. Vgl.
IG Sic. et lt. 1007. Paus. V 14, 5 f. I 24, 6,
BuU. de corr. VI 328.
1. Die EiütnsBtätteii.
7 -8.)
17
Oöttergruppen bestimmt war. Doch waren dann die den Einzelnen ge-
hörigen Teile genau bezeichnet und abgegrenzt. ^
6. Eine andere Art von Altären sind die sogenannten saxuQai,^)
Nach ApoUon. Lex. Hom. 78 stellte man sie aus Rasen und Erde her,
doch würde sie dies von ßcniioC nicht unterscheiden, auch kennen wir
gemauerte icxdqai. Charakteristisch für sie ist die hügelartige Form, die
geringe Höhe^) und ein Loch, das bis in das natürliche Erdreich reicht.
Dies hat dän Zweck, das Blut der Opfertiere hinabzuführen. Denn die
iaxaqai dienen dem Kult der Unterirdischen und der Toten. ^) So erklärt
sich, dass das Wort bei Homer, dem diese Kulte fremd sind, nicht einen Altar,
sondern den Herd bezeichnet und synonym mit latirj gebraucht wird.*) Da
der Herd, auf dem der Mensch sich seine Nahrung bereitet, eine gewisse
Heiligkeit hat,^) und zudem die einzig geeignete Stätte ist, auf der in Er-
mangelung eines Altars in einfachen Fällen bei häuslichen Opfern den
Göttern die Weihestücke verbrannt werden können, ist es nur natürlich,
dass Eumaios hier den Eber schlachtet (^ 420) und dann auch die anaqy^axa
verbrennt (^ 429). Im Kult der chthonischen Gottheiten und Toten wird
das ganze Tier auf der iaxdqa verbrannt. Viel häufiger noch als ßiofxoi
wird man diese leicht und billig herzustellenden Altäre zu einmaliger
Benutzung für ein bestimmtes Opfer errichtet haben. ^) Die ursprüngliche
Bedeutung , Feuerstätte'' hat iaxccqa nie verloren, und insofern diese auch
auf keinem Altar fehlen darf, der zu blutigen Opfern benutzt wird, kann
man auch von einer icxdqci ßiofjiov^) sprechen oder der ganze ßwfxoq wird
metonymisch «(rxapa genannt,^) namentlich wenn er klein und niedrig ist.
Auch transportierbare iax^Q^^i also kleine Opferherde oder vielleicht
Roste, die man auf die ßcofioi legte, werden erwähnt, i®) Wo von Heroen
geweihten ßcofxoi die Rede ist, ohne dass man ihnen dg &€^ opfert, ^ *) hat
man darunter keine Opferaltäre zu verstehen, oder muss sie für jung
halten; denn in später Zeit hat man auch Verstorbenen neben oder auf
ihrem Grabe ßcofioC errichtet.**)
Nahe verwandt mit den iaxdQcti sind die Opfergruben, i*) deren eine
man schon auf einem der uralten mykenischen Schachtgräber gefunden
») Paus. I 34, 2. cf. DQaxrixd t^j iy
j4(^, 'Aqx. 'Ex. 1884, Athen 1885. Engelmbnn
Jahresber. des Philol. Vereins, Ztschr. f. d.
6w. 1887 S 165. Aus Aisch. Hik. 222 ist
nicht das Gegenteil zu schliessen.
«) Schol. Eur. Phoin. 274 u. 284. Poll.
I 8. Ammonios bei Harpokr. u. iaxdga.
Neanthes v. Eyzikos bei Enstath. ad Od.
C 305. CIA HI 199. DB Molin S. 2 f , 66 f.,
Michaelis Aroh. Ztg. 1867 S. 9. Mokmsrn
Heort. 257. Loewy Arch. Jahrb. II 110.
RoHDB Psyche 33.
') S. die Abbildung eines Reliefs der
Villa Albani Arch. Jahrb. II 109. Ferner
Denbkbit Roschers Myth. Lex. 2499.
«) Schol. Eur. Phoin. 274. Zosimos bei
Dibls Sib Bl. 128 ZI. 6. Kaibel Elektra 133.
») Vgl. I 159, 420, Q 93, r 304, x 375,
378.
Handbaota der klua. Altertanuswiasenschaft. V, 8. 2. Ant),
•) Vgl. 17 153.
7) S. Zosimos bei Dibls Sib. Bl. 129 ZI. 3.
?) Eur. Andr. 1138. Schol. Eur. Phoin.
284. inißüijMoi iaxftQai Schol. Hes. Theog.
540. Vgl. PüCHSTEiN Arch. Anz. 1893 S. 23 flF.
•) Aisch. Pers. 205 ioxaga ^oißov.
Eur. Phoin. 291 AoHov i. Eur. Suppl. 33 u.
289. Her. 921. [Demosth.] LfX 116 p. 1385.
Apoll. Rhod. II 1175. Poll. X 65. Schol. B
zu Hom K 418. Reisch bei Pauly-Wissowa
I 1649 und 1664.
»») Aristoph. Ach. 887 f. Vgl. Vesp. 936.
Bekkeb Anecd. I p. 40, 15. Poll. X 104.
»>) Paus. I 1, 4; 35, 2. vgl. II 10, 1 und
die bildliche Darstellung eines Heroenaltars
bei ScHBBiBBR Kulturhist. Atlas Taf. XV
Nr. 17.
'«) TGSic. et It. 1493, 1815, 1987.
**) S. darüber Dbbbkbk a. a. 0. 2497 f.
2
18 Die grieohiBohen Euliasalteriamer.
hat.i) Auch auf dem Hofe des Palastes zu Tiryns glaubt man eine solche
entdeckt zu haben. ^) In Heiligtümern chthonischer Gottheiten oder Heroen
waren sie häufig und die Ausgrabungen haben eine ganze Anzahl an
verschiedenen Orten blossgelegt.») Von andern berichten die Schriftsteller.*)
In Samothrake ist „an der ausgezeichnetsten Stelle '^ des dorischen Marmor^
tempels «eine etwa halbkreisförmige Öffnung gefunden worden, welche
durch eine besonders dicke Marmorplatte ziemlich senkrecht nach unten
ganz hindurchgeht und oben einen Falz zur Aufnahme eines verschlies-
senden Deckels bildet Es ist ursprünglicher Boden, auf welchen das
Loch herabreicht.**) Auch Spuren und Überreste von verbrannten Opfer-
tieren haben sich daselbst gefunden. In dem Eabirenheiligtum bei Theben
wurde „die eine der beiden neben einander liegenden Opfergruben (jede
0,90 m breit, 2,10 — 2,20 m lang und c. 1,50 m tief) bis oben mit Schenkel-
knochen aögefüUt" gefunden.«) Auch sie waren durch einen Deckel ver-
schliessbar.
7. Eine dritte und letzte Bezeichnung für Altäre ist dann noch iütia^
ein Wort, das bei Homer auch nur „Herd* bedeutet. Namentlich die der
Herdgöttin geweihten Altäre, wie man sie vor allem in den Prytaneen
hatte,') pflegen mit diesem Namen bezeichnet zu werden. Die iaiim
waren jedenfalls den iaxdqai ähnlicher als den ßfofxoi^^) doch wird der
Name auch auf diese übertragen.^)
b. Tempelbezirke und Tempelgrttter.
8. Ehe es Tempel gab, gab es geweihte Bezirke (tsfjLävriy^), Haine
oder umfriedigte Stücke Landes, in deren Mitte ein Altar stand. Aber
auch später, als die Tempel häufiger wurden, blieben diese heiligen Be-
zirke, und zwar umgaben sie den Tempel, wo der Raum es gestattete,
oder sie bestanden als selbständiges Heiligtum, ^<) dessen Umfang dann
gewöhnlich durch Steine {oqoi) abgesteckt war.^') Ein mit Bäumen be-
pflanztes T€fX€vog hiess aAero^,'^) und dieser Name wurde für derartige
Heiligtümer so gewöhnlich, dass selbst ein baumloses, einem Gott ge-
heiligtes Stück Land so genannt werden konnte. '*) Der Teil des zäfisvog,
auf dem der Altar oder der Tempel des Gottes stand, war am heiligsten
und durfte oft nur zu gewissen Zeiten von den dazu Berechtigten^^) oder
Pbbllbb-Robrbt Gr. Myth. I 427. db
MOLUT 13.
») Schol. Eur. Phoin. 274.
^) Aisoh. Eum. 282 hrla #ot/9ov. Fans,
r 42, 1 i. ^^$(ov. Soph. 0. E. 1495 Umt«^
daoAip &e<^ ßov&vtoy kaxlav ayiCtay. Eine
ioiitt iy r(p patp Koische Inschr. bei v. Pbott-
*) ScHLiBMANN Mykenae 246 f. mit Ab-
bildung auf Plan F.
') ScHuoHHABDT Schliemanns Ausgrab.
Leipz. 1890 S. 129 f.
*) Im Asklepieion zu Athen (Eöhlbb
Athen. Mitt. 11 1877 S. 233 ff., 254 f.), im
Eabirentempel auf Samothrake (Archäolog.
Untersuchungen auf Samothr. I 20 f., II , Zibhev Leg. sacr. S. 25 ZI. 9.
15 ff., Taf. IV Fig. 1, Taf. V und VI), im »•) Etym. M. u. tBfieyog. PolL I 8.
Heiligtum der Eabiren bei Theben (Döbpfbld
Athen. Mitt. XllI 91 und 95. Philostr. Apoll.
T. VI 11, 13.)
*) Vgl. Paus. X 4, 10. IX 18, 4. IX 39,
4 u. CoNZB Arch. Unt. auf Sam. I 21.
») CoNZB a. a. 0. I 20 f.
«) Döbpfbld Athen. Mitt. XIII 95.
»') Paus. I 18, 7; V 13. 1.
") Z. B. Athen. Mitt. XIV 108 n. 61 n.
S. 115.
1«) Paus I 21, 9; VIII 37, 7; VIII 42,
5; X, 32, 6.
»*) Strab. IX 412.
»*) Z. B. Paus. VI 20, 4; VÜI 31, 5.
1. Die Kultasst&tten. (S 8.) 19
überhaupt nicht betreten werden {aßavov).^) In solch einem Fall waren
die Grenzen deutlich bezeichnet, bisweilen der ganze Raum durch eine
Mauer abgeschlossen.*) Dass ein Verbrecher oder Unreiner das tegov nicht
betreten durfte, war selbstverständlich,^) bisweilen wurde auch Enthaltung
vom Beischlaf oder von gewissen Speisen während mehrerer Tage vorher
von dem Besucher eines Heiligtums verlangt;^) von andern mussten sogar
bestimmte Tiere ferngehalten werden. So durften in lalysos auf Rhodos
den heiligen Bezirk der Alektrona Pferde, Esel, Maultiere, überhaupt
Lasttiere nicht betreten. Ebenso waren Schafe fernzuhalten;^) in andere
wiederum durften Schweine^) oder Hunde ^) nicht hineingelassen werden.
Gewöhnlich wird mit dem Namen tegov der innere Teil des täfievog be-
zeichnet,^) doch wird er auch auf das Ganze ausgedehnt.^) Die TSfiävr}
sind oft sehr gross. Xenophon bestimmte nach glücklicher Beendigung
des Feldzuges den zehnten Teil der Kriegsbeute zum Ankauf eines Gutes
in Elis, auf dem er der ephesischen Artemis einen Tempel erbaute, i®)
Eine Inschrift aus Ithaka^^ ordnet an, dass der Inhaber des heiligen
Grundstücks der Artemis den zehnten Teil des jährlichen Ertrages opfern
und von dem übrigen den Tempel in Stand halten solle. Anderswo hatte
ein dem Dionysos heiliges Grundstück eine Grösse von 3320 Schoinoi,^*)
und die ganze krisäische Ebene bei Delphoi war der Artemis, Leto und
Athena Pronoia geweiht, i*) Überhaupt gehörten die TSfiivrj öfters mehreren
Gottheiten gemeinsam, allerdings nur solchen, die sich nahe standen. >^)
Die Art der Benutzung dieser Tempelgüter war verschieden. Der
engere Bezirk des Icqov durfte niemals angebaut oder sonstwie ausge-
nutzt werden, >^) aber zuweilen wurde diese Bestimmung auf die ganze
dem Gott geweihte Umgebung ausgedehnt. So sollte die erwähnte kri-
säische Ebene unbebaut bleiben,'^) und als die angrenzenden Stämme
sie beackerten, entstanden die heiligen Kriege, welche Griechenlands
Untergang herbeiführten. In Akraiphia soll, wer das Temenos des
ApoUon Ptoios beschädigt, von den Amphiktionen bestraft werden,^') und
zu Eerkyra werden Leute, die Bäume aus dem heiligen Hain des Zeus
und Alkinoos gefällt hatten, zu schweren Strafen verurteilt. ^^) Demeter
und Köre hatten zwischen Eleusis und Megara ein Stück geweihten
Landes, ^^) das den Namen oQydg führte, weil es nur von wildwachsenden
Pflanzen bestanden war,^<>) doch scheint hier nur das Beackern verboten
») Soph. Oid. Kol. 117. Paufl. VIII 31,
2; 38, 5, IX 12, 3.
«) Paus. VI 20, 4.
*) DiTTUiBEBGBB Syll. 379. IGIns. I 677,
II 188. Theophr. bei Porphyr. De abst. II 27,
Bkbnats 86 f.
') Vgl. S. 35. Plut. Qoaest. symp. III
6, 4. Journ. of Hell. Stud. VIII 383 f. nr. 14.
*) DlTTlHBBBQBB Syll. 357.
«) DiTTENBEBGEB Syll. 358. Strab. XII
575.
') Plut. Qu. rem. 111 p. 290 A. Bör-
TiCHBB Tekt. IV 22.
8) Herod. VI 75. Paus. V 6, 4.
•) Paus. VII 30, 2.
»0) Anab. V 3, 9.
CIG 1926.
>«) CIG 5774.
»«) Aischin. TU 69 p. 107.
>*) Vgl. z. B. Paus. VII 23, 5.
'<") Ephem. arch. 1857 n. 3139.
^•) CIA II 545.
>7) CIGSept. 1 add. 4135.
») Thuk. in 70.
") Plut. Per. 30. Harpokr. u. ogydg,
Bbkkeb, Anecd. 287. HeUad. bei Phot. bibl.
p. 535.
*o) Herod. VI 75. Paus. III 4, 2. Gött-
LiNO Ges. Abhandlungen 1 121.
20
Die grieohiBohen EiiltnBaltertttmer.
gewesen zu sein, denn es wird verpachtet.^) Ähnliches wird uns auch
von anderen Heiligtümern berichtet.")
Weitaus häufiger wurde das Temenos benutzt und verwertet, in der
Regel so, dass man es verpachtete.') Der Apollontempel in Dolos besass
zehn Domänen auf der Insel selbst und zehn auf Rheneia. Die wertvollste
brachte eine Pacht von 1800 Drachmen (1413 Mark) jährlich, die kleinste
51 Drachmen (40 Mark)^). Im Jahr 279 ergaben die zehn Domänen auf
Rheneia zusammen 8098 Drachmen (6400 Mark), die delischen 3386
(2675 Mark). Kontraktbedingungen sind uns mehrfach inschriftlich er-
halten. Die Pächter haben Bürgen zu stellen, und der Eontrakt gilt als
aufgehoben, wenn der Zins nicht regelmässig gezahlt wird.^) Insolventen
Schuldnern kann Hab und Gut verkauft werden, ja sie haften mit ihrer
Person.**) Die Art und Weise der Benutzung wird öfters bis ins kleinste
vorgeschrieben und durch die minutiösesten Bestimmungen, deren Nicht-
befolgung oft Geldstrafen nach sich zieht, Vorsorge dafür getroffen, dass
der Wert des Grundstücks sich in keiner Weise vermindere,') oder sich
sogar steigere, indem man die Pächter z. B. zur Anpflanzung von Öl-
bäumen verpflichtet.^) Die Eontrolle war streng; eigens dazu ernannte
Beamte inspizierten das Grundstück bisweilen mehrmals im Jahre. ^) Wir
finden Verpachtungen von Porsten und Weidetriften, i®) Feldern und Gärten,
Häusern'*) und Fabriken, ^8) die dem Tempel gehörten. In Dolos besass
der Gott sechzehn bis achtzehn Häuser in der Stadt, die im Jahre 279
an Miete 882 Drachmen (693 Mark) brachten. Ein andermal wird ein Stück
des Tempelgebietes für die dem Heiligtum gehörenden Herden bestimmt, i*)
oder Strafgelder für jedes Stück Vieh festgesetzt, das auf der heiligen
Trift weidet, ohne dass der Eigentümer zur Benutzung berechtigt ist.**)
Auch Gewässer waren mitunter den Göttern geweiht, *•*) und die Fische
durften dann entweder gar nicht gefangen werden,»') oder gehörten den
Priestern.'®) In Halikarnass war ein bestimmter Meeresstrich mit einer
Thunfisch warte den Göttern zugeeignet,»*) und in Dolos hatte ApoUon
das ausschliessliche Recht der Purpurfischerei und des Fischfangs an den
Eüsten,«®) ausserdem den Zehnten vom Ertrage der sonstigen Fischerei,
DlT-
Vgl.
250
Ephem. arch. III (1888) S. 31 ZI. 15.
Ball, de corr. XLiI 434.
») Paus. II 25, 3. CIG 2561.
') Harpokr. u. dno fxia&iafÄäiiav.
TBNBBBGEB Syll. 258. CIA I '283.
BoBOKH Staatsh." I 372 ff.
^) RechnuDgaurkunde vom Jahr
Bull, de corr. XIV 399 ff.
*) Bull, de corr. VI 1 ff., XIV 399 ff.
Lbbas- Waddington Inscr. de TAsie Min. 111
n. 381 und 416.
') 1 nachr. aus Halikarnass Bull, de
corr. IV 275 ff.
Sog. tab. Heracl. CUJ 5779, 5774.
Inschr. aus Aroorgos Bull, de corr. XVI
278 ff Newton Die griech. Inschr. übers,
y. IxELMANN Hannover 1881 S. 45 ff.
') ClA IV 2 53a.
<») RANGABi Antiqu. hellen. II 174 nr. 476.
'«) Thuk. V 53. Aristot. Pol. VI p. 1321
b 30.
»') Bull, de corr. VI 19, XIV 392.
»•) CIA II 817. I 283.
^») Pergam. Inschr. VIII 1 n. 40.
>«) In Delphoi, Bull, de corr. VII 429.
»*) In Tegea, Bull, de corr. XII 1 281 ff.
Meistbr Ber. d. kgl. Sachs. Ges. d. Wiss.
zu Leipzig 1889 1I~III S. 71 ff.
'•) CIA II 1056. C. CüBTius Herrn.
IV 188.
»») DiTTENBERGEB Svll. 364. PsUS. VU
22, 2. Diod. V 3. Vgl. Böttichbb Tekt.
IV 25.
") Paus. I 38, 1.
»•) DrrTBNBERGBR SvU. 6 ZI. 44.
") Bull, de corr. VI 19 f., XIV 399 ff.
ZI. 36 f.
1. Die Ealtuast&tteii.
9-10.)
21
im Jahre 250 eine Summe von 1850 Drachmen (1454 Mark). Kleinere
Einnahmen flössen aus dem Verkauf der dem Tempel gehörigen Tiere
oder Erzeugnissen der Landwirtschaft. In den Urkunden von Delos finden
wir Beträge für verkaufte Gänse, *) Eier, Mist, Holz*) verzeichnet. Gelder
aus dem Tempelvermögen aber wurden gegen Zinsen ausgeliehen, und der
Volksversammlung verantwortliche Hieropoioi sorgten vorsichtig für sichere
Anlage der Kapitalien.^) Manche Heiligtümer besassen noch besondere
Rechte (reXt]), So das des delischen Apollon ausser den bereits erwähnten
zwei Prozent der Hafenzölle. Im Jahre 279 belief sich die Pacht für
dies „Funfzigstel'' auf 14200 Drachmen (11600 Mark). Auch das Recht,
Steuern zu Kultzwecken zu erheben, stand manchen Heiligtümern zu und
wurde ebenfalls von ihnen verpachtet ;*) anderswo waren bestimmte Klassen
Qewerbtreibender zu Leistungen für das Heiligtum verpflichtet, die ihnen
die Staatskasse nicht immer wiedererstattete oder vergütete.*) — In Attika
gehörten sogar auf Privatgrundstücken die Ölbäume {fioQ(ai) mitunter der
Göttin, und ihr Ertrag wurde verpachtet.«) Auf Ausgraben oder Fällen
aber stand die Todesstrafe. Später gingen sie in Privatbesitz über, aber
die Eigentümer mussten das Öl für die Preise der Panathenäischen Wettkämpfe
liefern.') Erworben und vermehrt werden konnten Tempelgüter entweder
durch Schenkungen und Stiftungen,^) oder es konnten aus den Zins-
erspamissen des vorhandenen Tempelvermögens neue Landankäufe gemacht
werden.*) Eine reiche Quelle von Einkünften bildeten die Strafgelder,
die auf den Bruch von Verträgen, Unterlassen der vorgeschriebenen Opfer, ^^)
oder andere Vergehen gesetzt waren.**) So war dieser Besitz so wohl
fundiert wie kein anderer; selbst im Kriege pflegte man Tempelgüter zu
verschonen,»*) und es kam vor, dass Leute ihre Güter, namentlich wenn
sie sie gefährdet glaubten, an Tempel verkauften, so zwar, dass sie für
eine jährlich zu entrichtende Summe die Nutzniessung weiter behielten, i^)
Auch Heroen hatten bisweilen Tefiävrj,^^) doch waren diese verhältnis-
mässig unbedeutend.
e. Tempel.
9. Die wichtigsten Stätten des Kultus sind die Tempel, i^) Sie wurden
zum Teil auf Kosten des Staates, i^) zum Teil von reichen Privatleuten*')
») Bull, de corr. VI 20 ZI. 158. XIV 892.
») Bull, de corr. XIV 892 f.
•) Bull, de corr. VI 21 f., XIV 899 ff.
ZI. 25—27 und die Bern. Homollbs dazu
8. 450 ff. ; auch v. Sohöffer De Deli ins.
reb. Berl. Stud. TX 118 ff.
*) Bekker Anecd. 1482, Töpffeb Athen.
Mitt. XVI 426 f.
^) Insohr. von Eos Athen. Mitt. XVI 409
ZI. 17 ff. und TöFFFER dazu S. 480 ff.
•) Lys. VII 260 p. 108. Vgl. Paus. VIII
24, 5. ScHOEMAMK Gr. Altt.* II 196. Boeckh
a. a. 0. I 874.
') Arist. Ath. Pol. 60.
8) CIG 3641b, 4474, 8885. Att. Inschr.
i. d. Sitzgsber. d. Berl. Akad. 1897 S. 678.
Thuk. III 50, IV 116. Vgl. Rhein. Mus.
XVIII 262.
») Lebas-Waddikoton m n. 381, 416.
Vgl. SwoBODA Wien. Stud. XI 78 f.
'^) Inschr. aus Telmessos Bull, de corr.
XIV 164.
^•) IGA 110, CIG 158, CIA H 841,
CIA IV 2 n. 85c. Bull, de corr. XIH 281
ZI. 25 f., XIV 21 u. 119.
»») Thuk. IV 97.
«») CIG 2698 f. Athen. Mitt. XIV 867 ff.
Die Inschriften sind aus Asien.
") Herod. IX 25. Plut. Arist. 11.
ifi) Abbildungen auf Tafel II 1-4.
><) Wie genau und ausfOhrlich dann die
Vorschriften, und wie streng die Eontrolle
war, darüber vgl. CIA I 854; Inschr. aus
Lebadeia im 'J9ijvaioy IV 869.
") Xen. Anab. V 3, 9. IGIns. II 880
22
Die grieohlBohen KaltoBaltertllmer.
gestiftet. Die meisten Tempel befanden sich auf den Akropolen der Städte.
In der Regel wird ein Ort schon lange durch Opfer- und Altardienst oder
Orakel berühmt gewesen sein, ehe an ihm Tempel errichtet wurden. Dass
dies in Olympia der Fall war, haben die Ausgrabungen ergeben,') und wo
konnte man überhaupt einen passenderen Ort zur Errichtung eines Tempels
finden, als wo bereits ein geweihter Bezirk mit einem Opferaltar vor-
handen war?*) Sonst waren für die Wahl des Platzes mancherlei Rück-
sichten bestimmend. Im allgemeinen wurden freiliegende, weithin sicht-
bare und der Berührung mit dem täglichen Verkehr möglichst entzogene
Orte bevorzugt,^) doch kam es auch darauf an, welchem Gott das Heilig-
tum geweiht sein sollte. Chthonischen Gottheiten baute man die Tempel
in der Ebene, die andern, vor allem Zeus, zogen die Höhen vor.^) Die
noXtovxoi x^€oi mussten auf der Burg wohnen, andere wurden als ayogatoir
auf dem Markt verehrt, noch andere hatten ihre Tempel vor den Thoren.^)
Auch die Tempel, welche sich inmitten der Stadt befanden und von einem
grösseren tegov nicht umgeben sein konnten, waren durch einen nsQißoXog
von grösserem oder geringerem Umfang von den profanen Wohnstätten
getrennt.®) Dieser schloss dann häufig zugleich andere zum Heiligtum
gehörige Gebäude ein, wie Priesterwohnungen, oder bei den Tempeln der
Heilgötter Krankenhäuser, Ställe für das Opfervieh, 7) ja bisweilen um-
fasste er mehrere, verschiedenen Göttern geweihte Tempel.*) Dass dieser
Bezirk ebenso wenig oder noch weniger als ein TSfuvoq verunreinigt
werden durfte, versteht sich von selbst. Gefässe mit Weihwasser (neQiQ-
QuvTijQuc) standen ringsum, damit der Eintretende sich besprengen konnte,^)
und der Unreine durfte den Raum überhaupt nicht betreten, »o) An Pracht,
Grösse, Aussehen unterschieden sich die einzelnen Tempel nicht weniger
als die Altäre. Hatte man diese errichtet, um den Göttern darauf Opfer
darzubringen, so war der Grund zur Erbauung jener wohl, dass man den
Thron des Gottes schützen und die Weihgeschenke sicher unterbringen wollte.
UK Die Tempel**') erhoben sich auf einem Unterbau, der gewöhnlich
stufenartig anstieg. Doch waren diese Stufen zu hoch, um auf ihnen empor-
steigen zu können, und so musste denn namentlich dem Eingange gegen-
über ein treppenartiger Einsatz zur Benutzung für die Tempelbesucher
angebracht werden. In der Regel war der Unterbau dreistufig, doch sind
Ausnahmen, zum Teil durch das Terrain veranlasst, nicht gerade selten.
Das Heraion in Olympia hatte z. B. nur eine Stufe, **) der Tempel in Se-
gesta und der sog. Gonkordiatempel in Girgenti haben vier.^'^) Auch kam
BUS Thera. Ball, de corr. VI 488 f. aus Syl-
lion in Pamphilien.
*) Wenioeb Der Gottesdienst in Olynipia,
Vortr. V. ViRCHow u. v. Holtzendorfv xTX
413.
•) «P 148, 9 48. & 363.
•) Xen. Mem. lU 8, 10. Paus. IX 22, 2.
*) Vgl. Archftol. Unters, auf Samothrake
n 28.
B) E. Gttbtius Jahrb. f. Phü. 1856 S. 142.
•) Paus. I 20, 2. BömoHBB Tekt. IV
16 £f. £. Hbllbb Fleckeisen Suppl. XVIII
(1891) S. 216 ff.
') Inschr. aus Rhodos IGIns. I 81.
^) Paus. I 18, 7; II 2, 1. Rakgab^ Ant.
hellen, n. 820.
^) Eur. Ion 449. Theophr. bei Porph. De
abst. U 27, Bervats 86 f. Poll. I 8.
'<>) S. z. B. Lyk. Leokr. 2. Böttichbb
Tekt. IV 48 f.
^») SrPTL Hdb. VI 359 ff.
^*) DöBPFBLD Olympia n 28.
>•) BiNDSBiL Aus d. klass. Sttden 1896
S. 14. 45.
1. Die Eidtiuistätteii. (§ lO.j
23
es vor, dass sich an der Eingangsseite mehr Stufen befanden als an den
andern, wie dies an den selinuntischen Tempeln G und D noch deutlich
wahrnehmbar ist.^) Nach Vitruv III 3 soll die ungerade Zahl der Stufen
üblich gewesen sein, weil es als ein gutes Vorzeichen galt, die erste und
letzte mit dem rechten Fuss zu betreten.^) In der Regel bildeten die
Tempel ein längliches Viereck mit einem ziemlich flachen Giebeldache;
Rundtempel mit Kuppeldach finden sich in Griechenland erst in hellenisti-
scher Zeit.*) Das Giebelfeld (aezog, äsTcofia) war oft mit den herrlichsten
Skulpturen geschmückt, welche Scenen aus der Götter- oder Heroensage
darstellten.^) Die erhaltenen Figuren aus den Giebelfeldern des Parthenon
(Brit. Mus.), des Athenatempels in Aigina (München) und des Zeustempels
in Olympia gehören zu den wertvollsten Resten antiker Bildhauerkunst.
Auch an den Metopen befanden sich häufig ähnliche, in Relief gearbeitete
Darstellungen. An dem Artemision in Ephesos war an 36 Säulen der
untere Teil des Schaftes mit mehr als lebensgrossen Figuren in Hoch-
relief geschmückt.*) Häufig wurde der Eindruck und die Wirkung dieser
Bildwerke wie auch der Tempelwände selbst durch Anwendung von
Farbe belebt und erhöht, <^) namentlich pflegten sich die Figuren des Giebel-
feldes von einem blauen oder roten Hintergrund abzuheben. Stieg man
die Treppe hinauf, so gelangte man zuerst in den Pronaos, einen Vorbau,
dessen Seitenwände Verlängerungen der Tempelwand waren, die aber
vorn nur durch eine Säulenreihe abgeschlossen war. Hier pflegten Weih-
geschenke zu stehen, und man konnte auch diesen Raum absperren, indem
man die einzelnen Säulen durch Gitter verband. Dahinter lag der eigent-
liche vaog, auch trtjxog genannt, die ceüa, die den Hauptteil der Tempels
bildete.^) Besonders grosse Tempel hatten noch eine Öffnung im Dach.
Doch waren diese (Hypäthraltempel) sehr selten. Döbpfeld") meint, dass
unter den uns bekannten sicher nur das achtsäulige Olympieion in Athen ^)
und der dsxdtfTvlog des Apollon Didymaios in Milet (Taf. H, Fig. 1)
Oberlicht hatten, wahrscheinlich der grosse Weihtempel in Eleusis und
der Apollontempel in Phigaleia.*^) Hier lag also die Gella unter freiem
Himmel, umgeben von einer Säulenhalle und einer geschlossenen Wand.
Gewöhnlich empfing der Mittelraum das Licht nur durch eine grosse Thür,
^) Bekndobf Die Metopen von Selinunt
Taf. XII. BiNDSBiL a. a. 0. 54 f. nach Dürm.
*) Vgl. BöTTicHBB Tektonik I 125 ff.
») Vgl. Paus, in 12, 11. Pyl Die grieoh.
Rundbanten, Greif swald 1861. Bblgbb Die
griech. Eupnelgrftber , Berl. 1887 S. 12 f.
RiGHTBR De tnesaoris Olympiae effossis Berl.
1885. RuBENSOHiv Die Mysterienheiligtflmer
152 ff. Das Philippeion in Olympia war
wahrscheinlich ein Heroon. Flasoh in Bau-
meisters Denkm. 1104 Anm. Adlbb (vgl.
BiCHTBB a. a. 0. 27) hält es für ein Schatz-
haus. Sonst kommen ausser den Hestia-
beiligtttmem, die eine ^/<r^4x nachbildeten,
namentlich das Arsinoeion in Samothrake
und der Tempel der Athena Pronoia in Del-
pboi in Betracht.
*) Vgl. die Vorderansicht des Athena-
tempels in Aigina bei Baumbistbb Denk-
mäler 261. Mehr bei Sittl Hdb. VI 605 ff.
») Arch. Ztg. 1873 S. 72.
«) Bubsian Jahrb. f. PhU. 1856 S. 432.
A BÖTTICHBB Tekt. IV 247 ff.
«) Athen. Miti XVI 334 ff.
») Vgl. Vitruv m 2 § 8.
»•) A. KöBTB Berl. Phil. Wochenschr.
1892 S. 163 f. fügt auf Grund von Diod. XVI
27 den Apollontempel in Delphoi hinzu. Auch
die grossen selinuntischen Tempel, die zu-
gleich als Schatzhäuser dienten, werden
Oberlicht gehabt haben (Benndobf Die Me-
topen von Selinunt 20 f.). E. Gttbtiüs Wochen-
schrift f. klass. Phil. 1893 S. 901 ff. vermutet,
dass auch andere Tempel Vorrichtungen im
Dach hatten, die Licht einliessen.
24
Die griechUiohen EolinBaltertttmer.
die sich nach aussen öffnete, eine Einrichtung, die an Privathäusern nicht
gestattet war.*) Die Thür des Parthenon war fünf Meter breit und zehn
Meter hoch. Im Hintergrunde der Gelia befand sich das Götterbild,^) das
wohl nur ausnahmsweise in einem Tempel fehlte, davor ein Altar für un-
blutige Opfer und neben diesem Tische zum Niederlegen von Weihge-
schenken. Waren diese wertvoll, so fanden sie in dem (rrjxog meist auch
ihren bleibenden Platz. ^) Grössere Tempel hatten dann in der Regel noch
einen dem Pronaos entsprechenden Hinterbau, den Opisthodomos,^) der
aber nicht immer durch eine Säulenreihe, sondern oft durch eine Wand
abgeschlossen war. Es war dies notwendig, wenn hier Schätze aufbewahrt
wurden. Fast alle Tempel hatten Säulen vor dem Pronaos {vaog TtQotrtvlog)^
sehr viele auch am Opisthodomos {äfiipiTTQOffTvlog)^ und die bedeutenderen
auch auf den Langseiten (jisQimsQog). Besonders prächtige Tempel waren
von doppelten Säulenreihen umgeben (dimsQog)^ und das Olympieion in
Athen hatte an seinen beiden Giebelseiten sogar dreifache Reihen.^)
Ganz verschieden war die Grösse der Tempel. Herodot (HI 60) nennt als
den grössten aller ihm bekannten Tempel den der Hera in Samos, dessen
Länge 346 und Breite 189 Fuss betrug. Doch gab es später noch grössere;
der Tempel der Artemis in Ephesos war ohne Stufenunterbau 104,39 Meter
lang und 49,98 Meter breit, mit dem Stufenunterbau 127'°, 40 lang und
73°*, 15 breit. Nach dem Brande wurde er in derselben Grösse wieder
aufgebaut. Auf einem mächtigen unterbau von zehn Stufen mit rings
umhergeführten Doppelreihen von sechzig Fuss hohen Säulen erhob sich
der Bau in der Grundfläche etwa viermal so gross als der Parthenon und
anderthalbmal so gross als der Kölner Dom.*^) Der erst von Hadrian
vollendete Tempel des Zeus Olympios in Athen hatte eine Länge von c.
107,60 und eine Breite von über 52 Metern. Der Parthenon ist 69,51 Meter
lang, 30,86 Meter breit und c. 14 Meter hoch. Der Mittelraum war ein
Quadrat mit einer Seitenlänge von 30,86 Metern. Der ganze Tempel
zerfiel in den Pronaos, in den grossen Ostsaal oder Parthenon im engern
Sinne mit dem Standbilde der Göttin und in den durch eine thürlose, über
anderthalb Meter dicke Querwand davon getrennten, von der westlichen
Vorhalle her zugänglichen Opisthodomos.^) Dieser diente vornehmlich zur
Aufbewahrung des Schatzes der Göttin, und seit 434 auch der unter ge-
meinsamer Verwaltung besonderer xafjuai vereinigten Schätze der meisten
andern Götter Attikas; ausgenommen war namentlich das eleusinische
Tempelgut. ^) Auch das Grössenverhältnis der einzelnen Teile war in den
verschiedenen Tempeln verschieden. So war der arixog des eleusinischen
Tempels 51,96 Meter lang, während die Länge des ganzen Gebäudes nur
63,52 Meter betrug. Freilich diente der auch im Innern von Stufenreihen
50.
Böckh's
Staatsh.-
») Arist. Athen. Pol.
s) Vgl. FrIvxbl In
n Anm. 266.
") BöTTioHBB Tekt. IV 8.
*) Schol. Luk. Timon. 58.
») 0. Müller Archäologie § 288.
®) E. CuBTius Altert, u. Gegenw. Berl.
1882, n 116.
7) DöBPFBLD Athen. Mitt. XXII 169 f.
White Harvard Stud. in class. philol. VI
1 £f. hält den Opisthodom für ein separates
Gehände, das ursprünglich der hintere Teil
des von den Persem zerstörten Hekatompe-
don gewesen sei.
") LoLLiNG Hekatompedon Athen 1890.
1. Die KiüiMstätten. (§ 10.)
25
umgebene Bau hier ganz besonderen Zwecken, hatte zwei Stockwerke,^)
und ein Opisthodom fehlte. Die Anlage der Tempel war in der Regel so,
dass der Eingang, dem das Gesicht des Götterbildes zugewandt war, nach
Osten lag, doch gab es auch nach Norden orientierte Tempel, wie die
beiden Eabirentempel auf Samothrake,^) das Amphiareion bei Oropös,^)
und den ApoUontempel in Phigaleia; jedoch öffnete sich an diesem die
Thür des kleineren Raumes, der wahrscheinlich die cella war, nach Osten,
so dass dann auch das Bild des Gottes nach dieser Richtung geschaut
hat.^) Die Tempel der chthonischen Gottheiten scheinen nach Westen
orientiert gewesen zu sein. So sicher der des Zeus Sosipolis in Magnesia,'^)
das Pelopion^) und das Metroon in Olympia.') Wo die Sonne zur Rüste
ging, suchte man die Toten;*) in dem mykenischen Gräberrund waren
sämtliche Grabstelen und die Toten selbst nach Westen gerichtet,^) und
auch die Priester, welche Alkibiades verfluchen, wenden sich nach Westen. ^^)
Wenn aber Oidipus den Eumeniden spendend nach Osten blicken soll,^>)
so ist das wohl so zu erklären, dass er im Heiligtum der unterirdischen
Gottheiten das Gesicht nach Osten gerichtet hat, wie der in einem Tempel
vor dem Eultbild Anbetende nach Westen.
Wurde einer Gottheit ein neuer Tempel erbaut, weil der alte den
Ansprüchen nicht mehr genügte, so beseitigte man diesen nicht immer.
So gab es einen alten und einen neuen Athenatempel auf der athenischen
Akropolis,»«) einen alten und neuen Dionysostempel und einen alten und
neuen Asklepiostempel^^) am Nordfusse der Burg, so zwei Eabirentempel
in Samothrake.**) — Zuweilen gehörte ein Tempel mehreren Gottheiten.*^)
Das 'konnten dann sog. vaoi dtnXol, Doppeltempel; sein, die sich nach ent-
gegengesetzten Richtungen hin öffneten, i^) so dass jeder Gott seine beson-
dere Cella hatte, oder derselbe Raum war mehreren Gottheiten geweiht
und nicht immer einer Hauptgottheit vorzugsweise.*') In diesem Fall be-
fanden sich mehrere Altäre und Götterbilder im Tempel;*®) wie denn eine
Inschrift aus Itanos in Ereta ein Heiligtum der Athena Polias erwähnt,
in dem auch bestimmten andern Göttern geopfert wird.*^)
Einige Tempel hatten noch ein Adyton*^) oder Megaron, ein Aller-
*) RuBENSoHir die My8terienheiligiümer24.
*) Arch. Unters, auf Samothr. II 31.
•) S. V. WiLAMOWTTz Herm. XXT 97.
*) DöRPPBLD Athen Mitt. XVI 343.
*) 0. Kbbn Arch. Anz. 1894 8. 81.
•) Paus. V 13, 1.
») PucHSTBiif Arch. Jahrb. XI 69. Vgl.
DöRPFBLD Olympia II 38. Über Tempel-
orientierungen Nibsbn Rhein. Mus. XXVIII
513 ff., XXIX 369 ff., XL 329 ff u. beson-
ders XLII (lö87) 28 ff. BöTTicHBR Tekt. IV
97 ff. NissBN Templnm Berl. 1869 8. 162 ff.
8) Vgl. 11. «P 51. # 56. 191. Athen.
IX p. 409. Soph. Oid. Tyr. 178. Böttiohbb
Tekt. IV 100.
') Bblobb Die myken. Lokalsage Progr.
d. Friedrichsgymnas. Berl. 1893 8. 38.
»•) Lys. VI 51 p. 107.
") Soph. Oid. Kol. 477.
>•) DöRPFBLD Athen. Mitt. XXII 159 ff.
») EöBLBB Athen. Mitt. II 174.
") Arch. Unters, auf Samothr. II 26.
") Vgl. schon II. E 446 ff. Del. Inschr.
Bull, de corr. VI 328 u. 331.
»•) Paus. II 25, 1. VIII 9, 1.
") Thuk. IV 97. Paus. I 14, 1; 18, 7;
41, 4; II 11,2. VIII 82, 1. Vgl. Lobbck
Agl. 150.
»•) Paus. I 32, 2. II 11, 6.
") Mus. Ital. III 564.
'^) Dabbmbbbg und Saglio Dict. I 91 f.
u. adytum. Böttichbb Tekt. IV 301 ff. —
Wo Herodot vom Tempel der Athena auf
der Burg spricht, sind fxiyaQoy und ädvioy
Synonyma (vgl. VII 140 f.). Döbpfbld Athen.
Mitt. 1887 8. 200 A. 2. 8. auch Pbblleb-
Robbrt Griech. Myth. I 197 A. 1 und be-
sonders LoLLiNO Hekatompedon.
26
Die grieohisohen Kiilta«alteri(imer.
heiligstes, das nur die Priester zu gewissen Zeiten betreten durften.^)
Dies ist die eigentliche Bedeutng von aövvov. Es heissen jedoch auch
andere nicht ohne weiteres zugängliche Räume so, ob nun der Priester
allein oder auch andere Personen sie betraten. Im Asklepiosheiligtum zu
Epidauros bringt man die Kranken zur Behandlung ins aövTov oder aßocrov,
und dieselbe Einrichtung hatte das Asklepieion in Eos.^) Schon in der
Ilias heilt Apollon den verwundeten Aineias im Adyton seines Tempels
{E 448), und früh finden wir im Sprachgebrauch für die Cella mit dem
Eultbild diesen Namen. '^) Es hängt dies wahrscheinlich mit einer Ände-
rung der innem Einrichtung der Tempelgebäude zusammen. Die Funda-
mente der ältesten freigelegten Tempel, der selinuntischen aus dem 6.
Jahrhundert, weisen ausser einer Vorhalle einen Tempelsaal mit dem
Opfertisch auf, dahinter einen abgeschlossenen Raum, der das Eultbild
enthielt. Das muss das Adyton gewesen sein.*) Später bildete dieser Raum
mit dem Tempelsaal ein Ganzes, die Cella, und der Name wurde dann
auf sie übertragen. Bisweilen aber war das ccivxov ein unterirdisches
Gemach.^) An dem im 4. Jahrhundert erbauten Kabirentempel in Theben
befand sich ein im Westen angebautes grosses Hintergemach, das mit der
Hauptcella in keiner direkten Verbindung stand. Die darin gefundenen
Opfergruben beweisen, dass dies ein eigenes Opfergemach war,«) wie es
scheint, unbedacht.') Ein solches haben wir uns wohl auch Eur. Iph. T.
1155 vorzustellen, wo Thoas fragt, ob der Leib der fremden Jünglinge
ädvToig €v dyvoTg bereits verbrannt sei. Etwas Ähnliches finden wir in
Idalion auf Eypern, wo ein Tempel, dessen Fundamente Ohnefalsch-Richteb
blossgelegt hat, neben dem Hauptraum einen zweiten enthielt mit einem
Altar, der zur Darbringung blutiger Opfer bestimmt war. 8) Eine Opfer-
grube ist vielleicht auch in der Vertiefung der sog. Felswarte bei Smyrna
zu erkennen.^)
Es ist schon gesagt worden, dass in historischer Zeit das Eultbild
des Gottes {äyalfia) in seinem Tempel nur ausnahmsweise fehlte, ^^) ab-
gesehen von den Heiligtümern der Hestia, wo die auf dem Altar immer
erhaltene Flamme das Bild der Göttin vertrat, und man sie sich selbst
unter diesem Symbol vorstellte.**) Die homerische Zeit scheint Götterbilder
noch nicht zu kennen.*^) Die ersten vorkommenden Exemplare waren
wohl Weihgeschenke, Figuren aus Holz {^oava) oder Thon, die man im
Heiligtum aufstellte, ohne dass sie jedoch eigentliche Eultbilder waren
») Paus. X 32, 9. Caes. Bell. civ. III 105.
•) HoFFMANir Syll. epigr. 420c. Ephem.
arch. III 65 n. 84 ZI. 80. Paton u. Higks
iDBcr. of Cos S. 8 n. 8. Über ein äßaroy
Ji6q xa[t]atßdxo[v\ auf der Akropolis vgl.
Berl. Phil. Wochenschr. XI (1891) 545.
*) DiTTENBEBOEB lud. lect. Halle 1889/90,
S. XI.
*) Benitdobf Die Metopen von Selinunt
20 f.
•) PauB. II 2, 1. VII 27, 1. Vgl. IX
8, 1 und Lobbgk Agl. 830 ff.
•) DöBPPBLD Athen. Mitt. 1888 S. 91 f.
EoHDE Psyche 109, 3.
') Athen. Mitt. 1888 S. 96.
<») Wochenschr. f. klass. Phil. VI 1889
S 532
»)'SzANTO Athen. Mitt. XVI 244 ff.
»«) Paus. IX 25. 4. X 33, 11.
»') Paus. II 25, 1.
") Z 62 cf. 303 beweist nicht ihr Vor-
handensein. Stengel Wochenschr. f. klass.
Phil. 1884 S. 1574 ff. Dazu A 130 und b
449. Jetzt besonders Reichbl Vorhellen.
Götterkulte Wien 1897 S. 54 f. Ed. Metbb
Gesch. des Altt. II 430 Anm. Aber auch
Ovebbbck Gesch. der griech. Plastik^ 41 f.
und Helbiq Das homer. Epos' 422 ff.
1. Die Kaltnsst&Heii. (§ 11.)
27
oder sein wollten. Erst später mag dann eines von ihnen, sei es das
älteste, oder eines von dem die Legende Wunderthaten zu berichten
wusste, zum Kultbild erhoben und Gegenstand der Verehrung geworden
sein, neben dem dann die andern immer noch weiter bestanden.^) Einige
von jenen hatten sich erhalten, das Alter machte sie ehrwürdig, und ob-
wohl gewiss unschön genug, bewahrte man sie wie eine Reliquie auf.^)
Die meisten Götterbilder waren aus Marmor oder Bronze, nur wenige aus
Elfenbein und Gold, das um einen Kern von Holz gelegt wurde. Die be-
rühmtesten unter diesen waren die Kolossalstatuen des Zeus im Tempel
zu Olympia und der Athena Parthenos auf der Burg zu Athen, beide von
Pheidias. Kaum mehr den Namen von Götterbildern verdienen die sog.
Hermen, 5) Säulen mit einem Kopf darauf, vor denen sich oft auch ein
kleiner AJtar, auf dem unblutige Opfer dargebracht werden konnten, be-
fand.^) Zu den Festen reinigte und schmückte man auch die Götterbilder.
Bisweilen waren damit besondere Kultbeamte betraut,^) wie die Nach-
kommen des Pheidias mit der Sorge für das Zeusbild in Olympia.^) Für
die Statue des Amphiaraos in Oropos beschliesst eine athenische Volks-
versammlung einmal einen goldenen Kranz anzuschaffen.'')
Wie manche heiligen Bezirke und tegd, so waren auch viele Tempel
nur bestimmten Personen oder zu bestimmten Zeiten zugänglich, während
zu anderen der Zutritt jedem ohne weiteres frei stand.®) Als Gründe für
die Einschränkung oder das Verbot des Besuchs werden oft Legenden
angeführt,^) die eben auch nur erfunden waren, um den Brauch zu er-
klären. Einige Tempel durften nur von Männern, andere nur von Frauen
betreten werden, i®) für manche bestanden noch andere Vorschriften. ^0 I^
Athen war es Regel, dass die Tempel geöffnet waren; das ergiebt sich
aus der Anordnung, sie zu bestimmten Zeiten zu schliessen. ^^) An andern
Orten scheint man sie nur an Festtagen geöffnet zu haben. So bestimmt
eine pergamenische Inschrift, ^^) dass die Priester am Tage des feierlichen
Einzugs des Königs alle Tempel öffnen sollen.
11. Welchem Zweck dienten nun die Tempel? Wir müssen annehmen,
dass sie mehr des Gottes als der Menschen wegen da waren. Ihm waren
sie erbaut, sein Bild und seine Schätze fanden dort Unterkunft und Sicher-
heit, sie waren seine Wohnung und sein Eigentum. Aber der Gott war
durch das Heim, das ihm der Mensch inmitten der eigenen Wohnstätten
erbaute, näher gerückt, und gern sah er den Menschen als Gast in seinem
Heiligtum, sei es dass er sich bittend oder Dankopfer spendend, sei es
>) So Reichel a. a. 0. 73 f.
•) Paus. X 40, 3.
») Thuk. VI 27.
^) Abbildangen bei Gebhabd Akadem.
Atlas, Berlin 1868 Taf. LXV, vgl. dazu Akad.
Abb. II 569 f. S. die angehängte Taf. I
Fig. 6a.
*) g>aMytm, in Athen. Poll. VII 37.
Paus. V U, 5. Th. Sohbbibbb Arch. Ztg.
XU 292 f.
«) Olympia V nr. 466.
') ClGSept. I 4252. - Mehr bei Sittl
Hdb. VI 808 flf. BöTTioHEB Philol. XVII 18 flf.
Mabtha Les sacerdoces Ath^n. Paris 1882
S. 45 ff.
f>) Ephem. arch. IIT 93. Hermes XXI 91.
») Plut. Quaest. Rom. 16; Quaest. gr. 40.
'ö) Herod. III 37; VI 135. Paus. II 35,
4; m 20, 4; VI 20, 4; VIII 47, 4; H 4, 7.
Athen. VI 262 C.
•n Vgl. Schobmann Gr. A.» H 208 f.
») Eustath. zu U. Ä 526. Phot. u.
»») Vffl 1 nr. 246.
28
Die grieohisohon Knlinsaltertttmer.
dass er sich zur Teilnahme an einer Festfeier nahte. Festfreude und
Gottesdienst waren ja aufö engste verbunden, durchdrangen einander so
ganz, dass die vornehmsten Kultstätten, die Tempel, auch immer der Mittel-
punkt der zahlreichen Feste des lebensfrohen Volkes waren. Theater und
Volksspeisung waren Gottesdienst, und d^vaia heisst oft nur festlicher
Schmaus. >) Fanden diese Feiern nun auch nicht im Innern eines Tempels statt,
so betrat doch wohl jeder Festgenosse bei solchen Gelegenheiten den hei-
ligen Raum, und der Tempel, den man eben besucht hatte, und in dessen
Nähe und Anblick das Fest stattfand, gab dem Ganzen eine höhere und
Tveihevollere Stimmung.
12. Aber noch eine andere Bedeutung hatten die Tempel: schon
früh galten sie als die sichersten Orte zur Aufbewahrung der Staats-
schätze wie des Vermögens einzelner.*) Brauchte der Staat Geld, so
machte man bei den Göttern eine Anleihe, die bei besserem Stand der
Finanzen zurückgezahlt wurde.*) So war der Staatsschatz des Athenischen
Reiches seit 438 im Opisthodom des Parthenon aufbewahrt.^) Ebenda be-
fand sich auch der Schatz der Göttin, in den ausser vielen Weihgeschenken
und Stiftungen von Privatpersonen der Zehnte aller Kriegsbeute, auch
des eroberten Landes, und ein Sechzigstel der Tribute floss.^) Alljährlich
wurde ein Inventar aufgenommen, und der Schatz den Nachfolgern in der
Verwaltung übergeben, alle vier Jahre an den grossen Panathenaien Ver-
zeichnisse des Vorhandenen auf Marmortafeln eingegraben. Diese uns zum
Teil erhaltenen Inschriften«) geben uns einen Begriff von der Menge
und Kostbarkeit der dort aufgehäuften goldenen und silbernen Wertgegen-
stände, Statuen, Kränze, Schalen, Lampen, Hals- und Armbänder, Ringe
u. s. w.') Nicht minder reich waren der ol3rmpische Zeustempel und der
des ApoUon auf Dolos.«) Hier tibergeben im Jahr 279 die Hieropoioi ihren
Nachfolgern ausser dem ganz unvergleichlich wertvollem Inventar 18648
Drachmen (14654 Mark) in barem Silbergeld, und das Gesamtvermögen
der dortigen Tempel hat man auf 5 501948 Drachmen (4346540 Mark)
berechnet.^) Auch der Artemistempel zu Ephesos besass sehr kostbare
Weihgeschenke,*®) und ausinschriftlich erhaltenen Rechenschaftsberichten **)
ersehen wir, dass auch hier grosse Summen von ihren Eigentümern de-
>) Z. B. Herod. VIII 99. Philoch. bei
Athen. VI 245 C. cf. Paus. VII 22, 8.
■) SwoBODA Über griech. Schatzverwal-
tung, Wien. Stud. X (1888) S. 278 ff. u. XI
65 ff.
») CIA I 273. Thuk. II 13. Bötticheb
Phüol. XVIII 50 ff.
«) BoBCKH Staatshansh.'' I 195 ff.; FbIn-
KBL ebenda II Anm. 268; Busolt Hdb. IV
216; SoBOBMANN Gr. A. I 444; Kibohhoff
Zur Geschichte des Athen. Staatsschatzes im
5. Jahrh. Abh. d. Berl. Akad. 1876.
*) CIA I 32, 226—272; Kibchhoff a.
a. 0. 32 ff. ; v. Wilamowitz Kydathen 28 ff. ;
GiLBBBT Gr. Staatsaltt. I '^^36; s. aber auch
DöRFFBLD Athen. Mitt. 18d7 S. 203 ff. und
LoLLmo Hdb. IX 344 ff.
«) Namentlich der Jahre 434—403. 8.
auch H. Lbbneb Athen. Schatzverzeichn. des
4. Jahrh. Strassburger Diss. 1890.
') Newton Gr Inschr. übers, v. Imbl-
MAKNl6f. BoBOKH Staatsh.>II134ff. Thuk.
II 13.
•) V. WiLAMOwiTz Kydathen 29. A.
MoMMSEV Bubsian's Jahresbericht 1886
5. 349 ff.
») Homollb Bull, de corr. XV 122 ff.
'**) Wood Ephesos Inscr.from the Theatre
no. 1.
*^) Lebas- Waddington Inscr. de TAsie
Min. III 56 n. 136a; |Bücbsen8CBütz Besitz
und Erwerb im klass. Altt. 508 ff.
1. Die KidtnsstäitMi. (§ 12-13.) 29
poniert waren und ebenso gewissenhaft wie der dem Tempel selbst ge-
hörende Schatz verwaltet wurden. Wie zahlreich die Kostbarkeiten aber
auch in Heiligtümern nicht allerersten Ranges waren, hat uns kürzlich
u. a. das Verzeichnis der Schätze des Amphiareions in Oropos gelehrt.
Auch die öffentlichen Urkunden und Friedensverträge bewahrte man auf
Marmortafeln gegraben in den Tempeln auf.^) Vielleicht haben einige
Tempel auch Prägstätten besessen und Münzen geschlagen.')
18. Aber nicht bloss Geld und Out gewährten Tempel die grösste
Sicherheit, auch Menschen, die ihre Zuflucht dahin nahmen, fanden hier
Schutz. Eigentlich war jeder Tempel und jedes *«^ov ein acviov, d. h. un-
verletzlich,*) und selbst einen Verbrecher ohne weiteres von einem Altar
oder einem Götterbilde, zu dem er sich vor seinen Verfolgern geflüchtet
hatte, wegzureissen, galt wenigstens unter Umständen für Frevel, ganz
besonders aber forderte es die Bache der Götter heraus, wenn man sich
an den ihnen heiligen Stätten an einem Unschuldigen vergriff;^) hatten
sie ihn an ihrem Altar aufgenommen, so waren sie zur Bache geradezu
verpflichtet.*) Doch boten nicht alle Heiligtümer gleiche Sicherheit,')
unbedingte nur die verhältnismässig nicht zahlreichen Freistätten, welche
vorzugsweise den Namen Asyle führten und die als solche dann allge-
mein anerkannt waren. ^) Arkadien besass deren zwei: das Heiligtum der
Athena Alea zu Tegea und das des Lykaios bei Megalopolis. In jenem
fand König Tansanias, der wegen seines schimpflichen Vertrages nach der
Schlacht bei Haliartos verurteilt worden war, Schutz bis zu seinem Lebens-
ende,^) in diesem lebte König Pleistoanax neunzehn Jahre, bis er endlich
begnadigt wurde. ^®) Auf Kalauria gab es ein Heiligtum des Poseidon,
das das Asylrecht hatte, ^0 bekannt durch die Flucht und den Tod des
Demosthenes, in Phleius eines der Ganymede,*^) in Akraiphia in Boiotien
eines des Apollon Ptoios^*) und in der hellenistischen Zeit war namentlich
auch Samothrake mit seinem Kabirenheiligtum als Asyl berühmt.^*) In
Euripides Ion 1315 wird geklagt, dass diese Asyle Gerechten und Unge-
1) CIGSept. I add. 3498 u. Ebil Herrn, i Prozess* 626, wo auch die Belege. Über
XXY 616 ff. Vgl. IGSept. I 303. andere Sklavenasyle Gilbert Griech. Staats-
s) Isokr. IV 180 p. 78. Arist. Ath. Pol. I altert. Leipzig 1881 u. 1885. II 288
44. IGlns. II 173. Dts Testament einer Frau,
die bei Lebzeiten dem Heiligtum Geld ver-
macht hat, im Tempel deponiert: Att. Inschr.
Sitzgsber. der Berl. Akad. 1897 8. 673.
*) Vgl. £. CuBTius Über den relig. Cha-
rakter der griech. Münzen. Monatsber. d.
Berl. Akad. 1869; Numismatic Chronicle 1870
S. 91; Lbnobmaht La Monnaie dans TAnti-
quiM II 82.
*) Aisch. Hik. 190.
») Xen. Hell. IV 4. 3. Thuk. III 81.
Herod. VI 91. Vgl. L. Schmidt Ethik 11 20.
<) Rbiohbl Vorhellen. Götterkulte 46 ff.
') In Athen flüchteten sich verfolgte
Sklaven in das Theseion; ausserdem scheint
nur das Heiligtum der Eumeniden in dieser
Beziehung Bedeutung gehabt zu haben. EOh-
LBB Herrn. VI 102 f. Schobmann-Mbibb Att.
8) Vgl. SoHOEMANN Gr. A.» II 210 ff.;
Föbstbb De asylis Graecorum, Breslau 1847 ;
Jabnisoh De Graec. asyl., GOttingen 1868
und besonders Babth De asylis Graeoorum,
Strassbnrger Diss. 1888, wo die Asyle am
übersichtlichsten nach Landschaften geordnet
sind. Dabbmbebq-Saglio Dict. u. aovXia I
505 ff.; BörpioHBB Tekt. IV 23. BuU. de
corr. XI 334 f.
•) Xen. HeU. III 5, 25. Plut. Lys. 28.
Paus. III 5, 6 f.
'0) Thuk. V 16.
»1) Strab. VIII 374.
") Paus. II 13, 3.
»») IGSept. I add. 4135.
»*) Plut. Pomp. 24. Livius XLV 5. Vgl.
Arch. Unt. auf Sam. II HO f.
30
Die grieohiflohen KnltaMltertftmer.
rechten in gleicher Weise zu gute kämen, und in Asien gab es zur Zeit
des Tiberius so viele, dass ihre Menge bedenklich wurde, i) Im eigent-
lichen Griechenland hat sich ein wirklicher Übelstand wohl nie geltend
gemacht, konnte doch auch der, dem es gelungen war, ein Asyl zu
erreichen, nur so lange dort verweilen, wie seine Mittel ihm den Aufent-
halt gestatteten. Alle anderen Heiligtümer aber gewährten vollends nur
auf kürzeste Zeit Schutz. Schon ihre Kleinheit machte längeren Aufent-
halt unmöglich. Alexander d. Gr. hatte den Asylraum des neuen Arte-
misions in Ephesos auf ein Stadion im Umkreis erweitert,^) und das war
gewiss schon eine ausnahmsweise Grösse. In vielen Fällen wird nur der
Tempel selbst Zuflucht geboten haben, in andern war ein kleiner Bezirk
darum durch Stelen oder Steine bezeichnet und abgegrenzt.^) Nötigen-
falls konnte man also die Flüchtlinge aushungern, wie dies mit dem des
Landesverrats beschuldigten Pausanias geschah,^) und auch sonst fand man
wohl Mittel, sie zum Verlassen des Altars oder Tempels zu nötigen;^)
unter Umständen konnte man ihnen schon den Zugang unmöglich machen.^)
Verurteilte Verbrecher') aber oder überwundene Feinde anzutasten scheuten
sich wohl nur besonders Gottesfürchtige.^) Dass Agesilaos nach der
Schlacht bei Koroneia eine Anzahl Besiegter, die im Heiligtum der Athena
Itonia Schutz gesucht hatten, unverletzt entliess, fiel offenbar als etwas
Ungewöhnliches auf,^) und die Mysterieninschrift von Andania befiehlt
den Priestern geradezu, Schutz suchende Sklaven, deren Beschwerde sie
nicht begründet fänden, ihren Herren auszuliefern.^^) Wenn ganzen Stadt-
gebieten das Asylrecht verliehen wird, wie es seit der Mitte des 3. Jahr-
hunderts namentlich in Eleinasien üblich ward, so ist dies in erster Linie
eine politische Massregel : man neutralisierte sie dadurch und schützte sie
vor Angriffen und Eroberung. Die Städte selbst bewarben sich daher
aufs eifrigste um dies Recht. ^^)
2. Kultusbeamte,
a. Priester.
BosfiLEs De geDtibas et familiis Atticae sacerdotalibus, Dannstadt 1883. Kbbüsbb
Der Hellenen Priesterstaat, Mainz 1822. Heimbrod De Atheniensium sacerdotibus, Glei-
witz 1854. Adrian Die Priesterinnen der Griechen, Frankfurt 1821. Pauly's Realencyklop.
u. sacerdos VI 639 ff. Martha Les sacerdoces Ath^niens, Paris 1882. £. Cübtiüs Das
Priestertam bei den Hellenen, Altertum und Gegenwart, Berl. 1882 II S. 38 ff. Schobmahh
Gr. Altt.> II 410 ff. Hermann Gottesdienstl. Alt.' §§ 83-36. cf. 10, 11. Lehmann Quae-
stiones sacerdotales. Part, prior, Eönigsberger Dissertation 1888. J. TOpffeb Attische
») Tac. Ann. IV 14; cf. lU 60 f. Plut.
De vit. aere al. III 3. Appian Bell. Mithr.
23; Bell. civ. V 4. Cic. in Verr. H 1, 33.
Vgl. E. CuRTius Ephesos, in Altert, u. Gegenw.
1882 n 121.
») Strab. XIV 641.
») CIGSept. I add. 4135.
*) Thuk. IV 184. Junghahn Agossühne
als polit. Forderung, Progr. Luisenstädt.
Gymn. Berl. 1890 S. 6 ff.
*) Vgl. Thuk. I 126.
«) Athen. Inschr. Bull, de corr. XIV 177
mit FouoARTS Bern.
') Vgl Lyk. Leokr. 93. Eur. Frgm. 1049
Nauck.*
') Die Spartaner sollen sich selbst an
Verbrechern nicht vergriffen haben. Polyb.
IV 35.
•) Xen. Hell. IV 8, 20. Ages. XI 1.
Plut. Ages. 19; aber auch Aisch. Hik. 82 ff.
'^) Dittenbbroer Syll. 388 ZL 80 ff.
FoucART Bull, de corr. XIV 179.
*M üseneb Rhein. Mus. XXIX 38 f.;
Bull, de corr. XI 334 ff.
2. Eallmbeamte. (§ 14—15.)
31
Genealogie, Berlin 1889. E. Hbllbb De Cariae Lydiaeque sacerdotibus, Fleckeisen Suppl.
XVIIl 216 ff.
14. Ein eigentlicher PrieBterstand hat in Griechenland nie existiert.
Viele Gründe machten dies unmöglich. Es gab keinen Religionsunter-
richt, keine Predigt, und man bedurfte nur in seltenen Fällen eines Ver-
mittlers zwischen sich und der Gottheit. Das Haupt der Familie durfte zu
Hause selber die Opfer vollziehen, die S-vaim navQioi brachte der Vor-
stand des Geschlechts, 1) für den Staat thaten es zum Teil die Magistrate, >)
Reinigungen und Sühnungen durften von Laien vorgenommen werden,^) ja
diese konnten selbst die Mantik erlernen.*^) Eine Vorbildung und Erziehung
für das priesterliche Amt gab es nicht. ^) Wer aber Priester geworden
war, war Diener eines bestimmten Heiligtums; es gab nicht Priester
schlechthin, sondern Priester des Poseidon, Erechtheus, Apollon Patroos
u. s. w.^) Ein engeres Aneinanderschliessen der Priester verschiedener
Tempel fand nicht statt, eher war man wohl auf das grössere Ansehn und
die reicheren Einkünfte des andern eifersüchtig, ein Standesgefühl konnte
sich nicht bilden. Dazu kam, dass sehr viele Priester nur kurze Zeit
amtierten, und selbst unter denen, in deren Familie ein Priestertum erb-
lich war, viele neben ihren priesterlichen noch andere Stellungen im Staate
bekleideten, oft so hohe und sie so in Anspruch nehmende, dass das
priesterliche Amt, das ihre voUe Thätigkeit ohnehin nur bei Festen er-
forderte, neben diesen sehr in den Hintergrund getreten sein muss.^) Es
unterschied sich also das politische und private Leben der Kultbeamten
in keiner Weise von dem ihrer Mitbürger.®)
15. In homerischer Zeit spielen die Priester, wenn sie auch hohes
Ansehen gemessen, noch keine bedeutende Rolle. Die Bezeichnungen
t€Q€vg und ciQrjnjg zeigen, dass sie dem Gotte, dessen Heiligtum sie vor-
stehen, •) Opfertiere zu schlachten haben *<>) und Gebete su sprechen, im
Auftrage der Stadt oder einzelner. Aber man bedient sich ihrer selten.
Gewöhnlich werden die Opfer von den Fürsten vollzogen, ohne ihre
Mitwirkung werden Eide geschworen und Verträge geschlossen, manche
Verrichtungen, die ihnen später obliegen, von den Herolden besorgt.
Bedürfte das Heiligtum nicht jemandes, der es hütete und in Ordnung
hielt, so könnte man ihrer entraten. Das wird später freilich anders,
aber die Pflege des Kultus liegt doch niemals ausschliesslich in ihrer
Hand. Wie der ßaadcvg Homers, so sind in Sparta die Könige, ist in
Athen der Archen Basileus in gewissem Sinne der höchste priesterliche
^) £b gab sogar eigene Priester des 6e-
schlecbtsknltus. Vgl. Dittekberoes Herrn.
XX 7 f., *22 A. 2; Töpppbb Att. Geneal. 22.
») Poll. VIII 91. Flut. Arist. 21. Paus.
V 4, 2; 13, 2. Mabtha a. a, 0. 7 f.
•) Herod. 1 35. Vgl. Lobeok Agl. 669.
*) Xen. Kyrup. I 6, 2; Anab. V 6, 29.
') «Zum Priester ist jedermann gut ge-
nug", sagt Isokrates II 6, Worte, in denen
«Geringschätzung des Priesteramts übrigens
nicht Hegt, sondern nur die Überzeugung,
dass seine Funktionen ihrer Natur nach keine
besondere Befähigung verlangen.* Ditten-
BERGBR Herm. XX 1 Anm.
«) Chantepib DB LA Saussayb Relgcsch.
II 125; RoHDB Kelig. der Griechen 16.
») S. DiTTENBBBGEB B. B. 0. 84 U. 39.
•) TöPFFEB Att. Geneal. 160.
») Vgl. II. Z 89. 298.
^«) Vgl. Stehgel Jahrb. f. Phil. 1885
S. 102 f.
32
Die grieohlichen Knltiualtertttmer.
Beamte, der namentlich auch die geistliche Jurisdiktion übte.^) Er hatte
alle Klagen auf Kult- und Religionsfrevel {aasßsia)^ wegen strittiger
Priestertümer und die Streitigkeiten unter den Geschlechtem oder den
Priesterkollegien wegen zuständiger Privilegien zu entscheiden,^) erteilte
auch bei den Verpachtungen der Tempeldomänen den Zuschlag.*) Über-
haupt wird der Kultus von Staatsbeamten beaufsichtigt;*) der Archen
Eponymos hatte Feste zu leiten,^) der Polemarch der Artemis und dem
Enyalios ihre Opfer darzubringen und die Totenfeier ftir Harmodios und
Aristogeiton auszurichten.') Auch die Strategen brachten Opfer,») und vor
allem die Prytanen für das Wohl des Staats,*) ihr ematccTrjg hatte die
Schlüssel der Heiligtümer, in denen die öfFentlichen Gelder und Urkunden
lagen, in Verwahrung, >®) und auch sonst haben sie je nach ihrer Stellung
in den verschiedenen Ländern mehr oder weniger mit dem Staatskultus
zu thun;^^) für ihre Gemeinden opferten auch die Demarchen.**) Ausser-
dem liegt es in der Natur des gegenseitigen Verhältnisses zwischen Staat
und Kirche, wenn man so sagen darf, und es liegen zahlreiche inschrift-
liche Zeugnisse dafür vor, dass auch das Ritual und die Opferordnung für
die Tempel nicht von den Priestern, sondern von den Staaten, d. h. also
von der Volksversammlung festgesetzt und geregelt wurde, *^) und ebenso
andere wichtige Bestimmungen, die den Gottesdienst betrafen, ihrer Ent-
scheidung vorbehalten blieben.**) Gewiss werden die Priester bei der Ab-
fassung dieser Dekrete mitgewirkt haben, werden Vorschläge gemacht
und Ratschläge erteilt haben, aber gesetzliche Bestimmungen konnten sie
nicht erlassen. Ihre Pflicht war es, die Ausführung zu überwachen und
Übertretungen zu strafen, kleinere selbständig und aus eigener Machtvoll-
kommenheit, in schwereren Fällen Anzeige bei den zuständigen Behörden
zu machen.»*) So beschränkte sich der Dienst des Priesters auf die Sorge
für das Heiligtum, dem er unter Aufsicht des Staates vorstand.
16. Ursprünglich war der Priester wohl der einzige Beamte des
Heiligtums. Verrichtungen wie das Reinigen und Schmücken des Tempels, '«)
Holz-, Wasserholen u. a. wird er durch Sklaven, die ihm persönlich ge-
hörten, haben ausführen lassen, das geringe Tempelvermögen selber ver-
waltet haben. ^0 Aber auch später, wo zu manchen Tempeln ein ganzes
Heer von Bediensteten gehörte, stehen an der Spitze stets die Priester
{le^etg) oder die Priesterinnen {tegetai). Allerdings waren sie niemals die
Vorgesetzten aller für den Tempel angestellten Beamten, da die Obliegen-
') Vgl. Aristot. Pol. III 14 p. 1285a.
Ath. Pol. 3 und 57.
«) Vgl. BüsoLT Hdb.« IV 230 f.
») Aristot. Ath. Pol. 57.
*) Aristot. Ath. Pol. 47. CIA IV S. 66.
ßall. de corr. XIII 424. Mehr bei Busolt
Hdb.« IV 1, 230.
^) Vgl. Aristot. Ath. Pol. 30.
•) Aristot. Ath. Pol. 66.
'J Aristot. Ath Pol. 58. Demosth XXI
9 ff. p. 517. Schobmann a. a. 0. II 414;
GiLBEBT Gr. Staatsaltt. I 241 f.
») CIA II 302, 471a. b, gemeinschaft-
lich mit Priestern CIG 3595.
«) CIA 390, 392 u. s. w.
'«) Aristot. Ath. Pol. 44.
^*) ScHOEMANN a. a. 0. 415.
") V Prott Fasti gr. 1895 S. 48 B. 1 f. 23.
») DiTTENBERGER SjU. 373. CIA II 477b.
Thuk. IV 98, Vgl Newton Die griech. In-
schriften, übers, von Imelmann 52 u. 70.
**) Aristot. Ath. Pol. 43. Dittenbergbb
Syll. 388 und die Bemerkungen Saüppes Ind.
lect. Göttingen 1880/81 S. 8 f.
**) Vgl. die Inschr. v. Oropos Herrn.
XXI 91 ZI. 9 ff.
'») DiTTENBERGER Syll. 369.
'») Vgl. SwoBODA Wien. Stud. XI 80.
2. Kidtiubeamie. (§ 16—17.)
33
heiten der einzelnen zu verschieden waren, aber eine besondere Stellung
verlieh ihnen schon das Verhältnis, in dem sie allein zu der Gottheit standen.
Der Priester kannte das Ritual seines Tempels und hatte darüber zu wachen,
er verrichtete oder beaufsichtigte die Opfer, die dort gebracht wurden ;i)
denn dass im Heiligtum ein Besucher auch in Abwesenheit des Priesters
opfern durfte, war gewiss nur unter ganz ausnahmsweisen Verhältnissen
gestattet;') er lieferte die zum Opfer erforderlichen Zuthaten,^) hatte den
ganzen heiligen Bezirk vor Entweihung und Verunreinigung zu wahren,
an vielen Orten die Kostbarkeiten und Weihgeschenke {aqyvQwiiaTa xai
dva&iqixa%a) zu hüten,*) und falls etwas beschädigt war und der Erneue-
rung bedurfte, an zugehöriger Stelle die Anträge zu stellen,») auch die
Verpachtung von Fabriken, die zum Besitz des Tempels gehören, und die
Aufsicht über ihre Benutzung finden wir ihm übertragen.*) Dann hatte
er die Gebete und vorgeschriebenen öffentlichen Fürbitten zu verrichten,
war dafür verantwortlich, dass jedes Opfer rechtzeitig und in gebührender
Weise geschah,^) und erhielt in erster Linie Belohnung und Belobung
dafür, wenn während seiner Amtsführung all dies ordnungsmässig ausge-
führt und geleistet war,') er spricht den Fluch aus gegen Frevler,«) be-
straft jeden, der etwas vom Eigentum des Gottes entwendet,') und schützt
den, der sich zu seinem Tempel geflüchtet.^") Auch die Freilassung von
Sklaven wird oft, wenn nicht in der Regel, durch Priester vermittelt. Aus
Delphoi besitzen wir mehrere hundert solcher Urkunden. Der Sklave
bringt eine Summe, die er sich oft selbst erspart hat, ins Heiligtum und
bittet den Gott, ihn loszukaufen. Dann wird er von dem Besitzer dem
Namen nach an den Tempel verkauft, doch unter der Bedingung, dass
er sofort oder nach Ablauf einer bestimmten Zeit oder nach dem Tode
des Herrn frei werde. Der Vertrag wird durch Zeugen beglaubigt und
die Ausführung durch Bürgen gesichert.*^)
17. Wenn diese Pflichten und Rechte dem Priester durch das Gesetz
übertragen waren, so ergaben sich andere aus der Ausübung seines Amtes.
Die Priester hatten allein Zutritt zu dem Allerheiligsten, sie allein wai*en
im stände, aus den Opfern und aus Zeichen den Willen der Götter zu er-
kennen und in die Zukunft zu schauen, sie waren die natürlichen Inter-
preten der Gottheit. Denn eigentliche iidvzeig wurden nur ausnahmsweise
befragt ^^) und dann gewiss sehr selten ohne Hinzuziehung von Priestern,
') Plat. Leg. 909 D. Bull, de corr. XIII
281 f. Vgl. CIA II 610.
') S. die Inschr. von Oropos Herrn. XXI
92 ZI. 27 f. Vgl. auch Dittenbbbqbb Syll.
876, 8 und 823.
») Patoh u. Hioks loser, of Cos S. 86
nr. 36b.
«) Pergam. Insohr. VIII 1 nr. 40.
>) CIA II 403 f. Martha im BaU. de
corr. 11 419.
«) DiTTBNBBBGBB Syll. 372, 9.
') CIA II 373b, 374, 567b. Foucabt
BoU. de corr. U 96.
^) [Lys.] VI 51 p. 107.
*) CIA II 841. Inschr. aus Mantineia
BuU. de corr. XVI 580 ff.
»») DiTTBNBBBQBB Syll. 388 ZI. 80 ff.
Schobmann Gr. A.MI 211.
' *) Foucabt M^m. sur raffiranchissement
des esclaves, Paris 1866. Arch. di miss.
scientif. Ser. II tom. III 375 ff. £. Cübtius
De manumiss. sacra Graec. in Anecd. Delph.
Berl. 1843. Bull, de corr. XVII 352 ff.
Baünack Griech. Dialektinschr. II 5 (1896)
S. 447 ff. Newton Die griech. Inschr. ttbers.
y. Imblmann 61 ff. und über die Formen der
Freilassung namentlich Wbil Ath. Mitt. IV
25 ff.
") Wie wenig zwischen fAdtneig und
UQctg unterschieden wird, darüber s. U. A
Hvadbnch der klaas. AltertaxoBWlaBenachaft. Y, 3. 2. Aufl.
34
Die griechischen KnltaMdiertttmer.
noch seltener aber wird ein Laie so viel von der Mantik verstanden haben,
dass er sich auch ohne Priester, seiner eigenen Einsicht vertrauend, die
Zeichen und Absichten der Himmlischen zu deuten und zu erkennen ver-
mass. Freilich begegnen wir häufig Misstrauen und Unglauben gegen den
guten Willen und gegen das Können auch der Priester, >) aber all das be-
einträchtigte den Glauben an sie im allgemeinen wohl kaum und hinderte
gewiss nur wenige, sich ihrer zu bedienen.
18. Die Zahl der an den einzelnen Tempeln angestellten Priester war
sehr ungleich ;') an den meisten gab es gewiss nur einen,') und wohl an
keinem wurde die Zeit und Kraft dieses einen so voll in Anspruch ge-
nommen, dass er nicht neben seinem Ehrenamte noch einer bürgerlichen
Beschäftigung hätte nachgehen können.^) Auch hatten bisweilen zwei nahe
bei einander liegende Tempel derselben Gottheit nur einen Priester;^) so
die beiden Tempel des Dionysos in Athen, wie die Theatersitze bezeugen.*)
In der nachrepublikanischen Zeit kam es auch vor, dass dieselbe Person
mehrere Priesterämter auch an Heiligtümern verschiedener Gottheiten zu
gleicher Zeit verwaltete.^) So bestimmt eine karische Inschrift aus dem
2. Jahrhundert n. Chr.,^) dass einem Priester der Hekate ausserdem das
Priestertum des Helios und der Rhodos übertragen werde.*) Dass jemand
nach einander mehreren vorstand, war natürlich immer erlaubt. i<^)
In vielen Heiligtümern bekleidete eine Frau das Priestertum,^') an
andern gab es Priester und Priesterinnen nebeneinander, i^) Nicht selten
wurde das Priestertum eines Gottes von einer Frau'') und umgekehrt
einer Göttin von einem Manne verwaltet.**)
19. Auch das Alter, in dem die Priester standen, war ganz verschieden.
Wir finden Mädchen ^^) und Knaben,'^) die einem Priestertum vorstehen, bis
sie mannbar werden, daneben ganz alte Priester und Priesterinnen. *^) Ein
Dekret aus Kos^^) verlangt, dass die Käuferin des Priestertums nicht jünger
sei als zehn Jahre, ein anderes, dass der Käufer nicht weniger als vier-
zehn Jahre zähle, i*) Ein Priester des Zeus Panamaros war sechzehn Jahre
alt.*^) Piaton*') hält ein Alter von sechzig Jahren für den Priester am ge-
eignetsten ; im allgemeinen wird jedoch das Mannesalter die Regel gewesen
62, Ä 221. Pkt. Polit. 290 C, Symp. 202 K.
Der Priester war gewiss in unzähligen Fällen
zugleich der fiavti^.
M Xen. Kyrup. I 6, 2. £ur. Iph. Aul.
961. Plato Rep. 11 d64b. Plut. Lyk. 9.
*) Aristot. Pol. VI (VII) 8 p. 1322.
•) Vgl. Diod. I 73.
*) S. V. V^iLAMowiTZ Herrn. XXI 93.
«) Vgl. EöBLBR Athen. Mitt. II 255.
«) CIA III 261 ff. Vgl. GoNZE Archäol.
Untersuch, auf Samothrake II 26, Bitten-
BEBOBB Ind. schol. Hai. aest. 1887, De sacris
Rhod. II S. IV. DöBPFBLD Athen. Mitt. 1887
8. 195.
^) CIG 1446, 2720, 2820. Bull, de corr.
XII 84 u. 88 nr. 11 ZI. 6 f. Dittenbebgbb
Syll. 876 ZI. 4. £. Hellsb a. a. 0. 222 f.
•») Bull, de corr. XIV 365 nr. 4.
«) S. femer Ephem. arch. 1892 S. 20
nr. 2 S. 23 ZI. 6 ff.
»») CIG 2270 u, a.
") Z800. Dittenbebgbb Syll. 871. Paus.
VII 25, 13.
") Paus. Vm 13, 1. CIA. n 610.
") Z. B. Paus, n 33, 3. IX 27, 5, Na-
mentlich im Dionysosdienst, y. Wilakowitz
Eur. Her. I 59.
>«) Z. B. Paus, vm 47, 3. Ephem. arch.
N. F. 1, 1862 n. 96.
»») Z. B. Paus. II 33, 2. VII 26, 3.
»•) Z. B. Paus. VIII 47, 2. X 34, 4.
") Paus. VI 20, 2. Plut. Num. 9.
") Patok u. Hicks S. 47.
1^} Paton u. Hicks nr. 80 S. 53.
") Bull, de corr. XV 170.
•») Leg. VI 759 D.
2, Knlinsbeamie. (§ 18 -21.) 35
sein. 9 Standen Kinder^) oder hochbetagte Personen, wie letzteres bei den
lebenslänglich verwalteten Priestertümern sicherlich oft der Fall gewesen
ist, einem Heiligtum vor, so werden ihnen jedenfalls zur Anleitung und
Unterstützung bei ihren amtlichen Verrichtungen, deren selbständiger
Ausführung sie noch nicht oder nicht mehr gewachsen sein konnten, andere
Beamte beigegeben gewesen sein.
20. Manchen Priestern oder Priesterinnen war Keuschheit geboten
entweder lebenslänglich*) oder für die Dauer ihres Amtes*) oder endlich
nur eine gewisse Zeit vor Ausübung priesterlicher Funktionen,*) andere
waren verheiratet.«) Auch Enthaltung von gewissen Speisen wurde bis-
weilen von den Priestern verlangt. So durften die Priester des Poseidon
in Megara^) und die Priesterin der Hera in Argos^) keine Fische, die
Priesterin der Athena Polias in Athen keinen einheimischen frischen Käse
geniessen.') Mitunter erstrecken sich solche Vorschriften auf alle, die
das Heiligtum betreten wollen, und es ist mit Sicherheit anzunehmen,
dass die Priester, die sich ständig darin aufhielten, diesen Bestimmungen
ebenfalls unterworfen waren. Eine Inschrift aus Lindos auf Rhodos'^)
ordnet an, dass jeder Besucher des Heiligtums sich an den drei vorher-
gehenden Tagen des Genusses von Linsen und Ziegenfleisch und einen
Tag frischen Käses zu enthalten habe, eine andere aus Attika^') ver-
bietet Knoblauch und Schweinefleisch. Auch die allgemein geltende Be-
stimmung, dass jeder nur im Zustande vollkommener Reinheit, auch des
Körpers und der Kleidung, der Gottheit nahen dürfe, findet auf die Priester
in erhöhtem Masse Anwendung, i^) Pausanias^') berichtet, dass der Priester
und die Priesterin der Artemis Hymnia in Orchomenos nicht in öffent-
lichen Bädern baden, ja das Haus eines Privatmannes nicht betreten
durften, um sich nicht etwa zu verunreinigen, und dieselbe Bestimmung
habe für die Priester der Artemis in Ephesos bestanden. Auch sonst
mussten sie sich vor Verunreinigung mehr als jeder andere in Acht
nehmen. Piaton") will so weit gehen, den Priestern die Teilnahme an
einem Begräbnis zu untersagen, damit sie auch nicht in entfernte Be-
rührung mit einer Leiche kämen.
21. Selbstverständlich war es, dass der Priester ein unbescholtener
und angesehener Bürger, i*) und ebenso, dass er frei von allen körperlichen
Gebrechen {äg>€kTJg oder oloxXrjQog^^) sein musste.*') Verschnittene Priester
^) Ygl. die Inschr. bei Petebsbk und
V. LuscHAK Reisen im sw. El. As. Wien 1889
II 45 n. 88.
•) DiTTEHBEBOBB Syll. 369.
») Plut. Num. 9. Paus. IX 27, 6.
*) Plut. de Pyth. orac. 20. Journ. of
Hell. Stud. YIII 881 f. nr. 12. 882 f. nr. 13.
*) Vgl. Demosth. XXQ Ende. LIX 77
p. 1871.
»0) CIGIns. I 789.
11) DiTTEBBABOBB Svll. 879.
12) Demosth. XXII Ende. CIA HI 818.
Pergam. Inschr. VIII 2 nr. 840 mit Fbankbls
Bern. BöTTicHBB Tekt. IV 56 f.
»») VIII 13, 1.
'*) Leg. XII 947 C.
»») Aristot. Pol. IV (VH) 9 p. 1329a.
Paus. VII 27, 8.
•) A 20, Z 29S. Paus. IV 12, 4. Bull. ' »•) Etymol. M. 176, 14. vyii^s xai 6X[6]
de corr. XV 172. j xka[Qog] Patob u. Hioks Inscr. of Cos S. 47
7) Plut. Quaesi syinpos. VIII 8, 4.
') Ael. De nat. anim. IX 65.
•) Strab. IX 395. Athen. IX 375 C.
') Vgl. Plat. Leg. p. 759. Dittbbbbbgeb
SyU. 369. Athen. Vü 800 A.
36
Die grieohiflohen Kultosaliertüiiier.
wurden nur in Kulten, die aus dem Orient herübergenommen waren, verlangt,
und diese Stellen haben dann wohl auch nur Ausländer bekleidet.^) Be-
sondere Schönheit war eine Empfehlung, bisweilen wohl Erfordernis.*)
Aber auch die Gnade der Götter musste sichtbar über ihrem Diener
walten. Wie nur die natisg aiapid-alstq^ Kinder, denen noch beide Eltern
lebten^ als Gehilfen bei heiligen Handlungen hinzugezogen wurden, so
mussten in Messene Piiester und Priesterinnen ihr Amt niederlegen, wenn
ihnen ein Kind stai'b.') So strenge Vorschriften bestanden natüi-lich nicht
überall ; aber einen offenbar vom Unglück Verfolgten wird man sicherlich
nicht für geeignet gehalten haben, ein Priestertum zu bekleiden. So sehen
wir also, dass, wenn auch keine besondere Begabung zur Bekleidung des
Priesteramts gehörte, doch mancherlei Anforderungen an die Inhaber ge-
stellt wurden, was dann natürlich nicht wenig dazu beitrug, ihr Ansehen
zu erhöhen. Schon bei Homer heisst es von dem Priester des Idäischen
Zeus, dass er wie ein Gott im Volke geehrt ward,^) und gleicherweise
von dem des Skamandros,^) und Theano, die troische Priesterin der Athena,
ist die Gemahlin eines der Vornehmsten*) und nach späterer^) Sage die
Schwester der Königin.®) Dass Chryses ein Priester ist, macht den Über-
mut und die Beleidigung Agamemnons strafbarer, und als Odysseus die
Stadt der Kikonen verwüstet, verschont er Familie und Eigentum des
Priesters.^) In Halikamass wird von der Bewerberin um das Priestertum
der Artemis verlangt, dass sie eine beiderseitig aristokratische Abkunft
im dritten Gliede nachweise, ^^) und ähnlicher Bestimmungen mag es viele
gegeben haben. ^^ Äussere Auszeichnungen mancherlei Art verliehen der
Stellung der Priester einen besonderen Glanz ^^) und machten das Amt
auch den Höchstgestellten begehrenswert. Nach dem Tode des Polykrates
fordert Maiandrios für den Verzicht auf die Tyrannis einen Teil der Schätze
des Ermordeten und das erbliche Priestertum des Zeus Eleutherios. ^') An
manchen Orten Griechenlands wurden sogar die Jahre nach Priestern be-
zeichnet,^^) in der Volksversammlung und bei allen öffentlichen Festen
hatten sie Ehrenplätze, ^^) in Athen sassen sie bei den Schauspielen neben
den höchsten Beamten, wie die Inschriften auf den Sesseln im Dionysos-
theater beweisen,^*) und in Ephesos hatte der von einem Priesterkollegium
Srab. XIV 641. SoHOEMAinT a. a. 0.
II 427.
«) Vgl. Paus. VII 24, 3. IX 10, 4. «;«>-
xiog ayyös: Inscbr. aus Magnesia am Maian-
dros Kbrn Beitr. zur griech. Philos. u. Relig.
Berl. 1895 S. 81 ZI. 24. Rev. de rinstruct.
publ. en Belgique XXXIV 1891 S. 270,
>) Paus. IV 12, 4. Vgl. aber auch Schor-
MANN Gr. A. II 430.
*) n 604.
6) E 78. Vgl. auch I 575 f.
•) Z 299.
») Vgl. n 718.
•) Eur. Hek. 3. Verg. Aen. VII 820.
Vgl. ApoUod. III 12, 5.
•) t 167 ff.
>0) DlTTBHBBBGBR Syll. 371.
<>) Poseidipp. bei Athen IX 377 B.
") Vgl. E. B. Plut. Quaest. rom. 113.
>») Herod. III 142.
>') Thuk. II 2. CIG 3794, 5475, 5491.
Lbbas- Waddington III 1536, 1541 add. Per-
gam. Inschr. VIII 1 nr. 18 ZI. 3 u. 39. nr. 249.
In Eallatis ist der Priester des ApoUon
Agyieus Jahreseponym (Arch. epigr. Mitt.
aus Oest. XI 83), ebenso in Tomoi der Apol-
lonpriester (ebenda 42). Mehr Beispiele bei
DoBBMBR De Graecorum sacrificulis qni
le^noiol dicuntur, Strassb. Diss. 1883 8. 36
u. 71.
") CIG 101, 23.
>«) CIA III 261 ff. 8. auch CIA II 589
u. 325. II 550.
2. KQltiMbe«mt«. (§ 22.)
37
gewählte Megabyzos die höchste Gewalt.*) Auch Kränze wurden ihnen
nach guter Amtsführung durch besondere Ehrendekrete verliehen,^) oder
sie erhielten die Erlaubnis, bei allen öffentlichen Wettkämpfen bekränzt
zu erscheinen.^) Die Priesterin der Athena Nikephoros in Pergamon wird
nach dem Siege Eumenes' 11 über die Galater für ihre Gottwohlgefälligkeit
und ihre wirksamen Gebete durch einen goldenen Kranz und eine Statue
aus Erz geehrt/) und in Anaphe beschliesst Senat und Volksversammlung
ein gemaltes Porträt des Serapispriesters im Tempel aufzuhängen.^) Für
Versäumnis ihrer Pflicht konnten sie sich natürlich auch Strafen zuziehn.
In Pergamon hat ein Priester die Fabriken des Tempels, falls der Pächter
sie ruinierte, auf seine Kosten in stand zu setzen,^) und eine tegeatische
Inschrift droht ausser der Geldstrafe noch mit Verfluchung.^)
22. Die Einkünfte der Priester^) waren sehr ungleich. Bei grossen
und besuchten Heiligtümern müssen sie recht bedeutend gewesen sein.
Eine erythräische Inschrift*) führt eine ganze Reihe dort käuflicher Priester-
tümer auf. Der höchste Preis für das des Hermes Agoraios beträgt
4610 Drachmen, der niedrigste für das der Ge nur 10. Nehmen wir nun
selbst an, dass diese Priestertümer auf Lebenszeit gekauft wurden, was
sehr unwahrscheinlich ist,*<>) so ist ein Preis von weit mehr als 4000 Drach-
men für ein solches Amt in einem doch ziemlich unbedeutenden Gemein-
wesen immer ein recht erheblicher. Mehrere andere Priestertümer in
demselben Ort werden mit über 1000 Drachmen bezahlt. Denkbar wäre
ja nun allerdings, dass es den Käufern weniger auf den Gewinn als auf
die Ehre ankam, aber Verluste werden sie in der Regel doch auch nicht
haben erleiden wollen, und der geringe Preis vieler Priestertümer i^) zeigt
auch wieder, dass die Ehre, ein solches Amt zu bekleiden, wenigstens
nicht unter allen Umständen eifrig gesucht wurde. Merkwürdig ist
eine Inschrift vom Tempel des Zeus Panamaros in Stratonikeia:^*) »Weil
wegen des unvorhergesehenen Brandes der Ölpflanzungen niemand das
Priestertum hat übernehmen wollen" u. s. w.
Die Einkünfte setzen sich aus mancherlei Dingen zusammen, und die
Bestimmungen darüber sind an den verschiedenen Orten verschieden. Sehr
viele Priester hatten Amtswohnungen in dem heiligen Bezirke, wie schon
bei Homer {t 200) der Priester des ApoUon in dem heiligen Haine des
Gottes wohnt, und Iphigeneia in Tauris bei Euripides (I. T. 65 f.). Pau-
sanias^') berichtet von einem Heiligtum in Elatea, wo alle Bediensteten
des Tempels in dem väiisvoq wohnten. Das ist aber gewiss kein vereinzelt
dastehender FaU gewesen, sondern höchst wahrscheinlich die Regel ;i*)
vermieten einige Tempel doch ihnen gehörige Häuser sogar an Privatleute,
») Strab. XIV 641.
») Z. B. CIA II 477b.
*) Inschr. ans Sinope im Bull, de corr.
XIII 300.
<) Perg. Inscbr. VIII 1 nr. 167 S. 104 f.
») CIGIns. II 247.
•) VIII 1 nr. 40.
Bull, de corr. XIII 281.
>) Vgl. Martha a. a. 0. 115 ff.
*) DiTTBNBBBGKB SyU. 370.
10) DiTTBNBEBGSR Syll. S. 356 Anm. 3.
Bbucbmann Philol. Anz. 1886 S. 439. Siehe
aber auch Lbhhahv a. a. 0. 50 ff. Hblleb
Fleckeis. Snppl. XVIII 228 ff. Gabblbb
Eiythrae Berl. 1892 8. 73.
11) S. die Zusammenstellung bei Hbb-
bbboht Dissertt. philol. Argent. sei. X 23 f.
»«) BuU. de corr. XV 186.
1*) Strab! XII 575.
38 I)i« griechischen KnltiiBalteriaiaer.
um ihre Einkünfte zu mehren.^) Der Priester des Amphiaraos wohnt in
der Stadt Oropos und ist nur verpflichtet, wenigstens jeden dritten Tag in
dem seiner Obhut anvertrauten, von der Stadt entfernten Heiligtum an-
wesend zu sein, während dem vcioxoQog, wie es scheint, der ständige Auf-
enthalt daselbst vorgeschrieben war.*) In besuchten Heiligtümern, die
nicht innerhalb der Stadt lagen, haben die Priester jedenfalls stets eine
Amtswohnung gehabt; in Eleusis, wie es scheint, alle Eultbeamten.') Die
bedeutendsten Einkünfte der Priester bestanden in dem Anteil, den sie
von den Opfertieren erhielten {leQciavva oder y^Qf]).^) Der Scholiast zu
Aristoph. Vesp. 695 u. Plut. 1185*) sagt kurz, den Priestern kämen die
Felle und die Schenkel der Opfertiere zu. Das ist nun zwar nicht ganz
richtig, da in Sparta z. B. die Könige die Häute von allen bei Staatsopfem
geschlachteten Tieren erhielten,*) und in Athen die Felle der an den
grossen Festen geopferten Tiere für Rechnung der Staatskasse verkauft
wurden, 7) und auch sonst bestätigt sich die Angabe des Scholions nicht in
vollem Umfange,®) aber gross genug war der Vorteil, den die Priester
aus den ihnen bestimmten Opferanteilen zogen, bei allen einigermassen
bedeutenden Tempeln ohne Zweifel. So soll nach der halikamassischen
Inschrift^) die Priesterin die Felle aller bei Staatsopfern geschlachteten
Tiere erhalten, ausserdem ein Schinkenstück und mehrere andere Fleiscb-
teile von jedem Tier, von Privatopfem nur Fleisch; eine eben gefundene
attische ^^) ordnet an, dass die Priesterin der Athena Nike die Schenkel und
Felle tov dsfioaiov erhalten solle, eine andere"*) weist einer Priesterin
Fleischstücke und einen Teil der Häute zu; in Eos^^) soll einem Priester
von jedem Opfertier ein Schenkel und die Haut, der Priesterin aber bei
allen Privatopfern von kleineren Tieren ein Schinkenstück und von Rindern
die Haut zufallen;*') ein pergamenisches Dekret ^^) spricht dem Priester
die Felle und je einen Schenkel zu, eines aus Easossos in Earien*^) einen
Rinderschenkel und von einem Widder, den er sich unter den zum Opfer
bestimmten aussuchen dürfe, Schenkel und Fell. Auch Schulter, ^^) Schwanz-
stück (o<ryi;$),i^) Zunge**) und Ohren werden ihnen zugewiesen.**) Doch
beschränkten sich ihre Einkünfte keineswegs auf Teile des Opfertiers selbst.
>) Vgl BöcKH Staateh.» I 375.
*) Inschr. Herrn. XXI 91. Vel. d. Inschr.
V. Chios Athen. Witt. 1888 (XlII) S. 166.
*) Ephem. aroh. 1888 S. 109 A ZI. 17,
24, 65, 72 ff. a a. 90, ß ZI. 80, y ZI. 5.
^) yiQfj bezeichnet nur Fleisohteile, U-
Qiaavra begreift auch andere Emolumente
mit ein, namentlich Geld. Stergbl Herrn.
XXXI 640 f.
^) Dasselbe Soidas n. xiaXetKffhriq.
•) Herod. VI 57.
') BöoKH Staatsh.» IT 108 f.
') Die delische Rechnungsnrknnde v. J.
250 bestimmt z. B., dass die Haut des an
den Posideien geopferten Rindes und Schafes
verkauft werde. Vgl. die pergam. Inschr.
Vm 2, 255 ZI. 23 ff.
•) DiTTJSHBBBOBB Syll. 371.
*<>) Ephem. arch. 1897 S. 176.
") CIA II 631.
") Paton u. Hioks d6b S. 86.
»•) Paton u. Hioks nr. 38 S. 91, bei
V. Prott Leg. sacr. S. 25 ff.
") Altt. V. Perg. vm 1 nr. 40.
1») Abb. der Wien. Akad. d. Wiss. 1894
S. 23.
1^ Bull, de corr. XlII 300 ans Sinope.
IV) DiTTBNBBBQEB SjU. 876. luschr. aus
Sinope a. a. 0. Vgl. Poll. II 95, aber anch
Etym. M. 691, 18.
^B) Inschr. aus Sinope a. a. 0.; ans Chios
Athen. MiH. XIII (1888) 8. 166. DnTBFBBB'
GBB Syll. 873.
'») Paton u. Hioks 38 S. 91 ZI. 62.
Ephem. arch. 1888 S. 5 ZI. 6. Vgl. femer
die delische Rechnnngsurknnde von 193
ZI. 16 f. u. Greek insor. in the Brit Mus.
IV 1 nr. 40 ZI. 7 ff.
2. Knltiiabeainte. (§ 22.)
39
Der Kalender von Kos bestimmt z. B., dass der Priester, der dem Herakles
das Rind opfert, drei Mass Gerste und drei Viertel Weizen, vier Schalen
Honig, zwölf Schafkäse, eine Last düiTOs Reisig erhalten solle, ausserdem
einen invog xaivog^ d. h. wohl einen Backofen zur Bereitung der Opfer-
kuchen, der nachher sein Eigentum wird;^) in Mykonos bekommt ein Priester
Mehl und Wein') und in Athen*) Weizenmehl, Honig, Holz>) In der Regel
haben sie zu liefern, was zur Vollziehung des Opfers nötig ist, wie Wein,
Gerste, Holz (*«pa),*) und werden dafür durch Überweisung der Requisiten
in natura oder durch Geld entschädigt;^) bei grösseren Opfern liefert der
Staat oder die Gemeinde die Zuthaten, und zwar so reichlich, dass die
Priester sicherlich einen Vorteil daraus ziehn,^) oder sie erhalten eine Re-
muneration aus dem Tempelschatz, ^) und die Gebühren verbleiben ihnen,
auch wenn in Stellvertretung ein anderer das Opfer vollzieht.*) Auch Back-
werk, Früchte und andere Gaben, die man auf die Opfertische zu legen
pflegte (TQans^wfjLccta)^^) fielen ihnen zu. Die Priesterin der Pergäischen
Artemis in Halikarnass bekommt für die allmonatliche Fürbitte von der
Bürgerschaft eine Drachme und darf in dem Monat, in dem das öffentliche
Opfer stattfindet, eine Kollekte halten, deren Ertrag ihr zufallen soll, wobei
es ihr jedoch nicht gestattet ist, in die Häuser zu gehen. ^0 -^^s einer atti-
schen Inschrift der Kaiserzeit ^^) erfahren wir, dass ein Teil des Geldes,
das in den Opferstock (d^aavQog) des Parthenon geworfen wird, der Athena-
priesterin zufällt, ^^) und um die Mitte des 5. Jahrh. vor Chr. bezieht die
Priesterin der Athena Nike ausser den anderen Emolumenten ein Gehalt
von fünfzig Drachmen. ^^) Auch von den Einkünften aus den Tempelgütern
haben viele Priester ohne Zweifel einen Anteil erhalten, sei es nun dass
ihnen ein Teil der Pachtsumme zugestanden, sei es dass ihnen die Nutz-
niessung eines unverpachteten Gutes oder eines Anteils daran gewährt
wurde. ^*) Wird doch, wie wir aus einer chalkedonischen Inschrift erfahren, ^ß)
einem Priester sogar ein Stück Land, das gar nicht einmal dem Tempel,
sondern dem Staate gehört, bis auf weiteres zur Nutzniessung überlassen. ^^)
In Pergamon bezieht ein Priester eine bestimmte Summe von dem Gewinn
der dem Tempel gehörigen Fabriken, ^^) und es lässt sich annehmen, dass
auch sonst die Priester von den Zinsen, die die oft sehr grossen Tempel-
vermögen brachten,^*) einen Anteil erhalten haben, und noch manche andere
Vorteile flössen ihnen zu. So gehörten die Fische aus den Rheitoi bei
») V. Pbott Pasti gr. 28 f.
>) DiTTBNBBBGBB Svll. 373.
•) CIA II 631,
^) Mehr solcher Bestimmungen Bull, de
corr. IV 434 f. Athen. Mitt. XVI 130. Sten-
gel Qaaest. sacrific. Progr. des Joachimsth.
Gymnas. Berl. 1879 S. 15 ff. Mastha a. a. 0.
S. 120 ff. Petebsen u. v. Lusohak Reisen
im sfldwestl. Kleinas. Wien 1889 II 35 u. 55.
») V, Pbott a. a. 0. Nr. VII und VIII.
Vgl. Dittehbbbgbb Syll. 373, 18. Bull, de
corr, XIII 300.
•) CIA II 610, 841b.
7) Stehgel Berl. Phil. Wochenschr. 1896
8. 686.
>) DlTTBNBEBGEB Svll. 371 ZI. 33 ff.
*) Athen. Mitt. XIII 16t) aus Chios.
»0) Perg. Ins. VIII 2 nr. 251. CIA II
841b. Artemid. III 3. Vgl. Dion. Hai. II 23.
CIA III 74. Polyb. XXXII 27, 7.
") DiTTBKBEBOEB Syll. 371 ZI. 26 ff.
") Herrn. XXX 629.
*') Vgl. die pergam. Inschr. VIII 2 nr.
255 mit Fbankbls Bem. S. 189 f.
»*) Ephem. arch. 1897 S. 176.
") Hom. hymn. in Apoll. 353.
^«) Dittbnbebgeb Syll. 369.
'') Vgl. Lebab Ins. As. Min. 860.
»«) VIII 1 nr. 40 ZI. 7 ff.
1») BoECKH Staatsh.> I 522 f.
40
Dia grieohisohen Knltiuutltertüiiier.
Eleusis ausschliesslich der Priesterschaft, ^) und in Tegea stand dem Priester
und dem Hierothytes das Recht zu, eine bestimmte Anzahl von Tieren
auf der heiligen Trift zu weiden.^) Vorteil und Ehre zugleich war es,
wenn Priester im Prytaneum gespeist wurden, wie dies namentlich auch
für den Hierophanten und den Daduchen in Athen bezeugt ist,*) oder wenn
ihnen ein Ehrenplatz bei den ieXnva irjfAoaia zuerkannt ward, wie dem
Priester des Asklepios in Chalkedon.^) Einem Poseidonpriester in Per-
gamon wird Atelie und Proedrie bei allen Agonen verliehen,») Atelie auch
einem in Kasossos in Earien.^) Auch Befreiung von Leiturgien^) und vom
Militärdienst®) wurde ihnen zuweilen gewährt. Wohlhabende und frei-
gebige Priester erwarben sich Ehre und öffentliche Anerkennung dadurch,
dass sie nicht nur alle ihre Pflichten voll erfüllten, sondern auch zur Feier
der religiösen Feste aus ihrem Privatvermögen beisteuerten, damit sie
desto glänzender begangen werden könnten, oder auf eigene Kosten Tempel
oder Tempelgeräte wiederherstellen liessen.») Später wurden die Priester-
tümer oft recht kostspielige Ämter, die an die Munificenz ihrer Inhaber
hohe Anforderungen stellten, namentlich in Kleinasien.
23. Die Art der Besetzung der Priestertümer war verschieden.^^)
Einzelne waren in bestimmten Familien erblich.") Solch ein Recht leitete
sich in den meisten Fällen gewiss daher, dass ursprünglich eine Familie
einen Privatkult gepflegt hatte, von dem andere ausgeschlossen waren, ^*)
und dass dieser dann Staatskult wurde, die Verwaltung, d. h. also das
Priestertum, aber den Nachkommen jener alten Familien überlassen wurde, ^*)
oder dass ein Familienglied einen neuen Kult eingeführt hatte. ^») Auch
wenn jemand ein Heiligtum gebaut oder wiederhergestellt hatte, konnte
er in der Weise dafür belohnt werden, dass das Priestertum seiner Familie
zugesprochen wurde. ^^) Die Beispiele von solchem Forterben des Amtes
in bestimmten Familien sind nicht selten.^*) Am bekanntesten ist, dass
der eleusinische Hierophant dem Geschlecht der Eumolpiden in Athen an-
gehören musste, der Daduchos, der Keryx und der Altarpriester (o im
ß(o/,i^}) dem Geschlecht der Keryken.^^^) Die Eteobutaden besassen das
Priestertum der Athena Polias und des Poseidon-Erechtheus,^') die Thau-
M Paus. I 38, 1.
*) Bull, de corr. XIII 281. Meister
Verb, der kgl. Sachs. Ges. d. Wiss. Leipzig
1889 S. 71 ff.
») cm 184, 191.
♦) DiTTBHBBBGKB Syll. 369. Vgl. Luk.
Symp. I 9.
») Perg. Inschr. VIII 2 nr. 251.
«) Abb. der Wien. Akad. 1894 S. 23.
') Pergam. Inscbr. VIII 1 nr. 40.
^) So dem Priester des Poseidon Heli-
konios in Sinope, Bul]. de corr. XIII 300.
•) CIA II 325, 374. GIG 3599. Dittbn-
BBBGER SvlI. 356. Bull, de corr. XI 146 f.,
XII 85, XIII 414 f. Epbem. arcb. 1887
8. 177 ZI. 17 ff.
^^) Martha a. a. 0. 24 ff. Lbhhaitv
Quaest sacerdoi 1 ff.
^') BOSSLBR a. a. 0. W. WACfHSMUTH
Hellen. Altertumskunde^ II 620 ff.
*') Solcbe Familienkulte erwähnt z. B.
Herod. V 66, cf. VI 56. [Lys.] VI 11 p. 104.
Vgl. Petbrsbn Der Hansgottesdienst der
Griecben, und Lobbgk Agl. 271 ff.
^') Herod. VII 153, wo die Nachkommen
des Telines, des Vorfahren Gelons und Hie-
rons, auf diese Weise für ihre Familie die
erbliche Würde der Hierophantie erhalten.
Vgl. Lübbbrt Melet. in Pind., Bonner Lek-
tionskatal. 1886/87 S. V ff.
'*) Lbbas-Foücabt Inscriptions, Pelopour
nöse 243. Vgl. auch GIG 459 u. Herod. HI
142.
») Aristot. Atb. Pol. 42.
^•) Vgl. DiTTBNBBRGBB Horm. XX 1 ff.
und TöPFFBB Att. Gen. unter den betr. Ge-
schlechtem.
^7) Etymol. M.386. Pbbllbb-Robbbt Gr.
Myth. I 207.
2. Knltiuibeamte.
23-25.)
41
loniden das des Zeus Polieus,^) die Hesychiden hatten den Kult der Eume-
niden zu beaufsichtigen,^) und so noch viele Familien.^) In welcher Weise
die Erbfolge innerhalb der Familie geregelt war, wissen wir nicht genau,
und es mag dies auch in den einzelnen Fällen verschieden gewesen sein ;^)
sicher ist, dass Linealsuccession nicht überall stattfand.^) So erbt ein
Priestertum des Poseidon in Halikarnass, das einer Familie gehört, nach
Generationen fort, so dass auf den Vater sämtliche Söhne folgen, dann
sämtliche Enkel, die Söhne des ältesten Bruders zuerst, darnach die des
zweiten und so fort,^) in einer anderen ebenfalls halikamassischen In-
schrift, in der es sich um Geschlechterkultus handelt,^) wird testamen-
tarisch bestimmt, dass von den Descendenten immer der älteste aus dem
Mannesstamm das Priestertum erhalte. Bisweilen wurde das Priestertum
auch unter den Augehörigen des Geschlechtes verlost,^) oder der Älteste
erhielt es.^) Dass wegen eines Vergehens des Priesters der Familie das
Recht der Weitervererbung entzogen werden konnte, geht aus Plut. Quaest.
graec. 38 hervor, doch war solch ein Fall gewiss selten genug.
24. Ein andrer Modus der Besetzung war die Wahl durchs Volk,
die aber nicht sehr häufig gewesen zu sein scheint. Wenn es von Theano
(Z 300) heisst: tr;v yäq Tgweg i&rjxav ^Ä-d^vairfi iäqsiav^ so ist daraus
einerseits nicht ein unbedingt sicherer Schluss auf gleiche Sitte bei
den Griechen zu ziehen, andrerseits erfahren wir nicht (wie Sghoemann
a. a. 0. n 425 hervorhebt), von wem die Einsetzung ausgegangen ist, und
ob dabei ganz freie oder auf ein bestimmtes Geschlecht beschränkte
Wahl stattgefunden hat. Jedenfalls werden später durch Volkswahl her-
vorgegangene Priester mehrfach erwähnt, i®) Auch gleichzeitige Wahl
eines Ersatzmannes, der im Fall des Todes oder der Unfähigkeit des
ersten das Priestertum übernehmen soll, kommt vor."*) In monarchisch
regierten Staaten finden wir auch Priester vom König eingesetzt.*^) End-
lich kann es geschehen, dass jemandem auf Befehl des Orakels*^) oder auch
infolge einer andern göttlichen Weisung^*) ein Priestertum übertragen wird.
25. Am häufigsten erfolgte die Wahl der Priester durchs Los; dann
konnte die Gottheit sich den würdigsten Diener selbst erlesen.*^) Auch
wenn keine Wahl geeigneter Männer, unter denen das Los entscheiden
sollte, voranging, ^^) waren Untaugliche von der Bewerbung natürlich aus-
geschlossen,*^) und die Zahl der Kandidaten war wohl in der Regel von
ed.
») TÖPPFBR Att. Geneal. 149 ff.
>) Schol. Soph. Oid. Eol. 489; Polemon
Pbbllbb 91.
^) Beispiele ansser bei Bosslbb anch
Sghoxmabn a. a. 0. IP 423, 424 Anm. 1 und
am aaeffihrlichsten TOpffrr Att. Gen. unter
d. betr. Geschlechtem. Pergam. Inschr. VIII
2 nr. 248 ZI. 32. nr. 251 ZI. 7 f.
^) Martha a. a. 0. 35 ff. Dittbnbbbgeb
Herrn. XX 22 ff. Boboxh El. Schriften IV 335.
*) Bull, de corr. XI 102 nr. 24.
«) Dittbnbbbobb Syll. 372. Im ganzen
sind 27 Priester in dem Dekret verzeichnet.
^) Grebk inscr. in the Brit. Mus. Part.
IV Sect. 1 S. 69 nr. 896.
«) Plut, Dec. oratt. p. 843 f. Vgl. zu
der Stelle aber anch Töpffbb Att. Gen. 124 ff.
») CIGIna. n 330 ZI. 29. CIA II 410.
»0) Paus. VII 27, 1. GIG 2270 ZI. 18;
vgl. 434. GIG 2347, 3067. Rev. Arch. XV
207. IGSept. I 113.
»») BuU. de corr. IX 6 nr. 2. Ditten-
BBBOBB Ind. lect. Halle Som. 1886 S. V.
«) Pergam. Inschr. VIII nr. 248.
»») DiTTBNBBBGRR Syll. 868.
»*) Artemid. Oneir. V 1.
»*) Plat. Leg. VI 759 C. CIA II 622,
567b. CIGIns. I 833. Athen. Mitt. XVI 53.
>•) Vgl. Cicero in Verr. 11 125.
") Vgl. Aristot. Polit. IV (VII) 9 p. 1329a
42
Die grieohisohen KnltMaltartllmer.
vornherein beschränkt, i) Strittige Fälle entschied in Athen der Archen
Basileus.^)
26. Eine vierte Art der Besetzung der Priestertümer war die, dass
die Stellen verkauft wurden. Dass dies in der Litteratur nur einmal^
erwähnt wird, ist ein Zufall ; die Inschriften*) lehren, dass der Verkauf von
Priestertümem gar nicht selten war.^) Der erythräische Stein*) zählt
allein ungefähr vierzig Priestertümer auf, die dort zu verschiedenen Preisen,
wie es scheint, auf eine bestimmte Anzahl von Jahren verkauft wurden,
der halikamassische^) giebt genau die Bedingungen an, unter denen das
Amt verkauft werden soll, und schreibt der Priesterin Rechte und Pflichten
vor. Dass der Käufer das Priestertum auch selber bekleidet, ist nicht
notwendig, nur darf er es natürlich keiner ungeeigneten Persönlichkeit
übertragen.^) In Erythrai^) war es dem Priester auch gestattet, das
Priestertum, das er vom Staat gekauft hatte (TigMig), weiter zu ver-
kaufen {iniTiQaaig). Erfolgt die Zahlung nicht sogleich oder nicht voll-
ständig, so. sind Bürgen zu stellen. ^<') Sehr zweifelhaft ist es, ob unter
Umständen auch schon die Anwartschaft auf ein noch nicht erledigtes
Priestertum verkauft worden ist;^>) dagegen durfte der Inhaber das Amt
seinem Sohn oder einem anderen Anverwandten schon bei Lebzeiten
codieren (diaavaxaaiq),^^)
Die Dauer der Amtsführung war, wie sich schon aus dem Vor-
angehenden ergeben hat, in den meisten Fällen entweder lebenslänglich
oder auf ein Jahr beschränkt.^') Ausnahmen kamen wohl nur vor, wenn
das Hauptfest der Gottheit in längeren Zwischenräumen gefeiert wurde,
und damit die Amtsperiode ablief. So fungiert die Priesterin der Athena
Nikephoros in Pergamon zwei Jahre, von einem Nikephorienfest bis zum
andern.^*) Eine Wiederwahl derselben Person war aber nicht ausgeschlos-
sen, i^) ja die wiederholte Bekleidung desselben Priestertums durch ein
und denselben scheint an manchen Orten wenigstens ziemlich häufig ge-
wesen zu sein.^<^) — Die Einsetzung eines sein Amt auf Lebenszeit an-
tretenden Priesters wurde festlich begangen,*^) eine eigentliche Weihe
scheint aber nicht stattgefunden zu haben. ^^)
») Vgl. Demoeth. LVII 46 u. 47 p. 1813.
*) Aristot. Ath. Pol. 57.
•) Dion. Hai. II 21.
*) Gesammelt und behandelt von Her-
BBBCHT Dissert. philol. Argent. sei. X 1 ff.
Vgl. DiTTENBERGBB SjU. 371 praof. Lbh-
MANir a. a. 0. äkthes Qaaest. epigraph. 1885
S. 25 ff. £. Hellbb Fleckeis. Suppl. XVlII
225 ff. Ferner Inschrr. aas Kos Paton u.
HioKs S. 47 ff., aus Earien Abb. der Wien.
Akad. 1894 S. 23, aas Gbios Athen. Mitt.
XIII 166.
') Freilich besitzen wir noch kein Bei-
spiel ans Athen.
^) Dittbnbbbgbr Syll. 370. Gaeblbb
Erythrä 78 f.
^) DlTTENBEBGEB SvU. 871.
") DiTTBKBBBGEB Horm. XVI 169 ff.
•) DlTTBWBBBGBB Syll. 159 u. 370.
''') Vgl. Lehhabn a. a. 0. 47 ff.
**) Vgl. Bbüohxank Philol. Anz. XVI
(1886) S. 445 ff. and dagegen Lbhxank a. a. 0.
42 ff. and Hbllbb Fleckeis. Sappl. XVIII 229.
^*) Gaeblbb a. a. 0. 71. Anders Dir-
TBNBBBOBB Svll. S. 536 A. 5 Und Hbllbb
a. a. 0. 231 f.
") S. noch Bull, de corr, XIV 176 nr. 10.
Pergam. Inschr. VIII 1 nr. 40 ZI. 11 n. 21.
Reisen im sw. Eleinas. Wien 1889 II nr. 83 f.
DlTTENBEBGEB Ind. loct. HaUo S. 1887 8. V.
") Pergam. VIII 1 n. 167 S. 105.
») Bull, de corr. XV 169.
1«) Bull, de corr. XI S. 17 n. 18b, 8. 29
n. 42, S. 31 n. 44, XV S. 186.
»') DiTTEFBBBGEB Herm. XVI 175. Vgl.
auch Athen. XII 549 F.
^^) Vgl. die Pergam. Inschr. 248 ZI. 20
und FbInkbls Bemerkungen VIII 1 S. 165.
SoHOBMANN Gr. Altt." 11 432. DirrBirBBBGBR
Syll. 369 S. 534 Anm. 15. Hbllbb a. a. 0.
a. Kiütiube«mte. (§ 27—28.) 43
27. Bisweilen führten die Priester besondere Titel. So werden in
Megara Priester des Poseidon Hieromnemonen^) genannt, in Tarsos der
des Herakles Stephanephoros,*) in Theben der des Apollon Daphnephoros,»)
eine Priesterin der Aphrodite in Sikyon Lutrophoros.*) Auf epidaurischen
Inschriften später Zeit werden häufig nvQ^oQoi genannt, vornehme Jahres-
priester, die nach Ablauf ihres Amtes einer Gottheit einen Altar stiften.^)
Namentlich den aT€g>avr^^6Qo$ begegnen wir häufig. In Magnesia sind sie
die eponymen Beamten,^) in einer kyzikenischen Inschrift^) scheinen damit
alle sakralen Beamten mit Einschluss der Priester bezeichnet zu werden,
eine pergamenische®) erwähnt Stephanephoren der Zwölf Götter und des
verstorbenen Königs Eumenes, in Gambreion ist ein Stephanephoros epo-
nym,») ebenso in Milet^®) und in lasos.^^) Überhaupt sind in Asien die Titel
besonders mannigfach.^') Ein Archiereus findet sich erst in späten Ur-
kunden, namentlich in Eleinasien.*^) Der Titel wird zuweilen dem Präsi-
denten eines Priesterkollegiums beigelegt, zuweilen führt ihn der Vor-
steher eines an den betreffenden Orten bestehenden Kultes, i*) Verhältnis-
mässig selten kommen Archiereiai vor.^^)
28. Auch äusserlich unterschieden sich die Priester durch ihre Tracht
von der Menge. Sie waren mit dem langen, ungegürteten Chiton be-
kleidet,'®) der von Männern im gewöhnlichen Leben seit der Mitte des
fünften Jahrhunderts nicht mehr getragen wurde. In der Regel war
dieser von weisser Farbe, bisweilen von purpurner, ^^) oder er hatte einen
Purpursaum. 1*) Eine pergamenische Inschrift aus der Zeit Attalos' P») be-
stimmt als die Tracht des Priesters eine weisse Chlamys und einen Kranz
vom Ölbaum mit purpurner Schleife. Ein Purpurgewand ist auch die
Amtstracht des Asklepiospriesters in Pergamon.*^) Der Archen von Pla-
taiai, ein Hoherpriester, trägt weisse Kleider, legt aber an dem Tage, wo
er den in den Perserkriegen Gefallenen das grosse Totenopfer bringt,
purpurne an,^') wie denn überhaupt die Purpurfarbe im Kult der Unter-
irdischen bevorzugt wurde,**) während den obem Göttern Weiss genehmer
228 f., 248. Lehmann Berl. Phil. Wochensohr. I 8. 876 f., 887 f. Mab<)üabdt Staatsverw. P
XII 85.
») Plut. Quaeet. symp. VIII 8, 4.
«) Athen. Y 215 B. Vgl. Kbil Schedae
epigraph. 1855 S. 82.
•) Paus. IX 10, 4.
*) Mehr Beispiele bei Hbbkahn G. A.*
§ 35 A. 2. SoHOBMAKN Gr. A.> II 421 ff.
DoBBMBB a. a. 0. 86 u. 71 f. Ghantbpib de
jjL Saüssatb Relgesch. II 126.
») Ephem. arch. 1894 S. 19 ff.
') Ebbn Inschr. y. Magn. 8 ff.
T) DiTTENBBBGBB SjU. 279, 22.
«) Pergam. VIII 1 n. 246 ZI. 27 f.
») GIG 3562.
»0) CIG 2852. Arch. Ztg. 1876 S. 128.
i>) Lebas As. Min. 251 ff.
^*) 8. die Zusammenstellung von Ubllbb
Fleckeis. Suppl. XVIII 263 ff. u. 8. 237.
»•) CTG. 2184, 2421. Bull, de corr. 1887
S. 249, 299 f. u. s. w. Vgl. G. Hibschpbld
Ber. d. Berl. Akad. d. Wiss. XXXV (18^8)
1881 8. 504 ff. Momksbn Rom. Gesch. V 319.
Monobaü de communi Asiae prov. Paris 1885.
Dittbhbbbgbb Ind. lect. Halle 1889/90 8. IV f.
^*) Vgl. Newton D. griech. Inschr. übers.
y. Imblmann 60.
»*) IG Sic. et It. 2454. IGSept. 1 111.
*') Abbildungen bei Michablis Parthe-
non Taf. XIV Fig. 34. y. 8ybbl Katalog der
Skulpturen zu Athen 153, 2130. Miohablis
in d. Festschrift für OysssBOK Leipzig 1893
S. 181 f.
") Strab. XIV 648. Vgl. Athen. V 211 B.
") Athen. V 215 B.
») Pergam. VIII 1 n. 40 8. 36 f.
") Ael. Aristid. X p. 125, 4 f. Dind.
•») Plut. Aristid. 21.
") Aisch. Eum. 1028. Eur. Gr. 1430.
[Lys.] VI 51 p. 107. Strab. XIV 648. ApoU.
Bhod. IV 1662. Vgl. Dibls 8ib. Bl. 70 Anm.
Herrn. XXXI 361. Gbuppi in Bübsians
Jahresber. 1895 8. 277 f.
44
Dia grieehisohen Knltnaftliertttmar.
war.*) Weiss ist die Binde des d-vrjnoXog in Sikyon, aber am Fest des
Aratos trägt er eine weiss und rot gestreifte.^) Auch sonst legten die
Priester bei feierlichen Gelegenheiten einen besondem Ornat an, vor allem
die sie auszeichnende Eopfbinde (argo^tov)^) oder Kränze^) auf dem lang
gehaltenen Haar;^) in den Händen hatten sie Stäbe, wie schon Chryses bei
Homer {A 15) mit einem goldverzierten Scepter erscheint, Priesterinnen
aber den grossen altertümlichen Tempelschlüssel.*) An einigen Orten
scheinen sie den Kranz sogar immer als Zeichen ihrer Würde getragen
zu haben.'') In Eleusis trug der Daduchos bei den Mysterien die Fackel,
angethan mit einem purpurnen Gewände und einen Myrtenkranz auf dem
Haupt, ^) und noch prächtiger war das Kostüm des Hierophanten.') Auch
kam es vor, dass bei gewissen Feiern Priester und Priesterinnen in der
Tracht und mit den Attributen der Gottheit, der sie dienten, erschienen.
In Pellene trat die Priesterin der Athena — rj xaXX(a%r) xai fisyiair] zwv
naqdsvwv — bewaffnet und mit dem Helm auf dem Haupte auf,^®) die
Priesterin der Artemis Laphria zu Patrai fuhr in einem von Hirschen ge-
zogenen Wagen,**) ein Priester der Demeter zu Pheneos legt sogar die
Maske der Göttin an,*') und eine athenische Inschrift aus dem 3. Jahr-
hundert n. Chr.,*>) die sich- auf die Genossenschaft der lobacchen bezieht,
erwähnt Darsteller des Dionysos, Palaimon, der Köre und Aphrodite.*^)
b. Das übrige Kultpersonal.
29. Aristoteles*^) nennt unter den priesterlichen Beamten der grös-
seren, ein zahlreicheres Kultpersonal und einen umfassenderen Yerwal-
tungsapparat erfordernden Heiligtümer die IsQonotot^ vao^vXaxsg und ra-
fiiai zwv teqdv XQW^^^- ^^^ schon die Namen zeigen, sind die Funk-
tionen aller sehr verschieden, und darnach auch ihre Stellung und ihr Ver-
hältnis den eigentlichen Priestern gegenüber. — Am nächsten stehen den
Priestern die leQonoioi',^^) ihre Untergebenen sind auch sie kaum, wenn
sie auch verpflichtet gewesen sein werden, bei der Ausübung ihres Amtes
in diesem oder jenem den Weisungen der Priester Folge zu leisten. In
Athen wählt die Volksversammlung durchs Los zwanzig isqonoioi^ die zehn
sog. inl T« ix&vfiara^ d. h. die die ausserordentlichen von den Sehern
verlangten Opfer darbringen und mit ihnen zusammen die Zeichen be-
obachten, und die zehn sog. xav* cviavtov.^'^) Diesen lag namentlich die
•) Plat. Leg. XII 956 A.
») Plut. Arat. 53.
*) Ephem. arch. 1895 S. 114. Fiat.
Aristid. 5| Arat. 53.
*) Schol. Soph. Oid. Eol. 681.
*) Herod. II 36. Plut. Aristid. 5.
*) xXndovxoi^. DiBLS Parmenides 123 ff.
mit Abbildgg.
^) Vgl. die karische Inschr. Bull, de
conr. XV 169 ff. Pergam. VIII 1 nr. 40
S. 36 f. VIII 2 nr. 251 ZI. 7 ff
•) Schol. Soph. Oid. Kol. 673. Vgl. Ephem.
arch. 1883 S. 82.
») Bull, de corr. XV 173. Arrian. Epikt.
III 21, 16, TöPFPBE Att. Gen. 46 f.
>») Polyaen. VIII 59 p. 331 Wölfl.
») Paus. VII 18, 12.
1*) Paus. VIII 15, 1. Mehr Beispiele
bei Back De Graeoorum caerimoniis, in qui-
bus homines deorum vice fnngebantur. Berl.
Diss. 1883.
'*) Athen. Mitt. XIX 248 ff.
^*) Vgl. die Mysterieninschrift von An-
dania Dittbnbergbr SylL 388 ZI. 24.
'») Polii VII (VI) 8 p. 1322b; vgl. Ath.
Pol. 30.
*') DoBBMBB De Graecomm sacrificnlis
qui Ugonoiol dicuntur, Dissert. Argent. 1883.
BoBCKH Staatsh.' I 273. Homollk Bull, de
corr. VI Iff., XIV 418 ff.
") Aristot. Ath. Pol. 54. Etym. M. 469.
2. Xnltiuibeamie. (§ 29.)
45
Sorge für die penteterkchen Opfer ob, das nach Delos gesandte, die Brau-
ronien, Öerakleen und das zu den grossen Eleusinien nach Eleusis ge-
schickte. Es fehlen also die grossen Panathenaien. Möglich ist aber, dass
sie noch im 5. Jahrhundert auch an diesen die grosse Hekatombe darzu-
bringen hatten.^) Daneben finden wir nicht ständige IsgonoioC, Das sind
Festkommissionen, in der Regel ein vom Rat aus seiner Mitte ernannter
Ausschuss,*) seltener vom Volk erwählt.^) Wir kennen solche Kommis-
sionen für die kleinen Panathenaien,^) Hephaistien, Dionysien, Asklepieen,
Bendideen, Theseen.^) Bisweilen finden wir sie neben den ständigen thätig,
namentlich bei der Feier der Eleusinien.*) Eine auf die kleinen Pana-
thenaien bezügliche Inschrift^) trägt ihnen auf, für einen bestimmten
Preis die Opfertiere anzukaufen, sie in feierlichem Zuge zum Altar der
Athena Polias zu führen und zu opfern, und dann das Fleisch demenweise
an die einzelnen Bürger zu verteilen. In Eleusis nehmen sie das den
Göttinnen von den Hellenen dargebrachte Getreide in Empfang, bewahren
es auf, verkaufen es 7) in Gemeinschaft mit dem Rat und schaffen dafür
vom Volk beschlossene Weihgeschenke an.^) Auch mit der Beaufsichti-
gung und Verwaltung der Heiligtümer und der Tempelschätze haben sie
zu thun,') und bei der Niederlegung ihres Amtes Rechenschaft abzulegen. i<»)
Wie den Priestern kann auch ihnen Strafgewalt übertragen werden, ^^) wie
diese erhalten sie Anteile von den Opfertieren ^^) und nach guter Amts-
führung Belobung und Kranz. >') Auch an andern Orten treten sie meist
als Kollegium auf: zwölf in Kameiros auf Rhodos, ^*) anderswo vier,") oder
zwei,") selten nur wird einer erwähnt;*') überall haben sie vornehnJich
mit den Opfern zu thun und alles Notwendige dazu vorzubereiten und zu
beschaffen.") Die ständigen werden das Amt ein Jahr bekleidet haben.")
Verwandt mit den tsQorroioi sind die (in nichtattischen Inschriften häufig
erwähnten) snifiijvioi,^^) Sie sind ein Jahr im Amte,^^) aber treten nur in
den einzelnen Monaten in Funktion. *2) Fleischverteilung**) und Anordnung
der grossen Opfermahle*^) scheint ihnen vorzugsweise obgelegen zu haben.
Auch sie erhalten Anteile von den geopferten Tieren*^) und die übliche
R. ScHOBLL Sitzgsber. der Münch. Akad. 1887
S. 1 1 ff. L. ZiBHEN Rhein. Mus. 1896 8. 211 ff.
>) CIA I 188 = DiTTBNBEBOBB SjU. 44.
ZiSHBK a. a. 0. 217 f. v. Wilamowitz Aristot.
u. Athen I 228 f.
«) ^A»ijvaioy VI 482.
*) DemoBth. XXI 115 p. 552.
*) DiTTBNBBBOBB Syll. 880.
*) CIA TT 741 = DiTTENBEBOBE Syll.
374 und Schoell a. a. 0. 10.
«) DiTTENBBBGBB Svll. 13 U. 334 CIA
IV 225 K. Ephem. arch. 1883 S. 123.
^) DiTTENBEBOBE SyII. 13. Ephem. arch.
m (1888) 55.
*) FbInkbl in Bobokh's Staatsh.* II 62*
Anm. 398.
•) CIG 2266, 2953b. Vgl. FbInkel a.
a. 0. Anm. 268. Foucabt Des ass. rel. 24.
«•) CIA II 581. Bull, de corr. VI 6 ff.,
57 ff.
>0 CIA II 631. ScHOBLL a. a. 0. 18 ff
1*) DiTTBKBEBGBR Syll. 380. Inschr. y.
Eos bei Paton u. Hioks S. 81 nr. 37.
'») CIA II 581. löSept. I 4254.
'*) CIG Ins. I 705. '
»*) CIG 2953b. Bull, de corr. VI 6 in
Delos, V. SghOffbb Berl. Stud. IX 118 ff. Vgl.
CIA U 581.
>•) CIG 2157.
»») CIG 2056. Vgl. DoEEMBR a. a, 0. 19.
^^) DiTTENBBBGBB Syll. 373. luschr. aus
Keos, Halbhebb Mus. Ital. I 220 ZI. 11 ff.
»•) Vgl. Bull, de corr. VI 6.
»») DoEBMEB a. a. 0. 65 ff.
*») CIG 3641b.
") BoBCKH im CIG. II p. 1133.
") Bull, de corr. VI 256 f. Karische
Inschr. Wien. Akad. 1894 8. 14.
•*) Mova, irjs ivayyeX, (r;|foA. in Smyrna
1880 n. 186 p. 141.
*'') CIGIns. II 330. Gbbbk inscr. Brit.
Mus. IV 1 nr. 896 ZI. 41 ff.
46
Dia grieohisohen Knltiuwltertümer.
Anerkennung nach tadelloser Amtsverwaltung. ') Dass die UqonowC wie
die emfiT^vioi an einigen Orten, wo ihre Funktionen dann freilich auch
noch andere gewesen sein mögen, höchst angesehen waren, geht daraus
hervor, dass sie dort die eponymen Beamten sind.*) Auch die uns öfter
begegnenden t€QoikvTai^) und aQxt^Qo&vvai*) scheinen hauptsächlich mit
den Opfern zu thun gehabt zu haben, und dasselbe lässt sich von den
^jjnoXot vermuten,*) während wir die te^ovofioi^) auch mit der Ver-
waltung heiliger Gelder betraut finden.') Ferner gehören hierher die sog.
Parasiten, die unter anderm die dem Tempel zukommenden Qetreideliefe-
rungen eintrieben und die Festschmäuse ausrichten halfen,^) und die
xi]Qvx€g oder i€Qoxi^Qvx€g,^) Sie verkünden an Festen die Namen und Ver-
dienste der vom Volk durch Ehren ausgezeichneten Männer und rufen
sonst etwa notwendige Bekanntmachungen aus,^^) verrichten Oebete,^^)
sind aber auch, wie schon in homerischer Zeit^*) bei den Opfern behilf-
lich *•) und erhalten gleich den Parasiten**) ihren Anteil vom Opferfleisch
oder Wein.**) Eine bestimmte Art von Herolden sind die anovdoipÖQo^^
die wir namentlich in Eleusis und Olympia finden; noch näher stehen
ihnen die fiayeigoi und olvoxooi^ denen wir gleichfalls in Eleusis, Olympia
und anderswo begegnen. *<^) Zur Anschaffung der Opfertiere werden durch
die Volksversammlung in Athen auch eigene ßo&vai gewählt,*') und in
Delos verkaufen sie die Häute der Opfertiere und stiften dafür Krüge in
den Tempel.*^) In Delphoi finden wir auch von den «mjW^Ai^«/ Opfer dar-
gebracht, '') priesterlichen Beamten, die auch an andern Orten vorkommen. '<')
Die spätere Zeit treibt die Teilung der priesterlichen Funktionen immer
weiter. Eine Inschrift aus Rhegium**) nennt ausser andern Eultbeamten
z. B. einen ^VTrjgy teQoaaXnnTTrjg, tsQOTiaQäxTrjgj xanvavyrjg,
80. Nächst der würdigen Feier der Feste und Opfer, also der Sorge
für die gebührende Verehrung der Gottheit, lag den Priestern die Sorge für
den Tempel und den heiligen Bezirk überhaupt ob. Unterstützten die vorher
genannten Beamten und Gehilfen sie vorzugsweise in jener, so standen
ihnen solche hierbei nicht weniger zur Seite, und eben diese scheint Ari-
stoteles a. a. 0. kurz mit vaotfvXaxsg zu bezeichnen. Dazu gehören z. B.
die häufig erwähnten vswnoioi^^^) deren Aufsicht alles, was den Bau und
») Paton u. Hioks Inscr. of Cos 382.
•) DiTTBNBBBOBK Syll. 159. CIG 3723,
8595 etc.
3) CIG 5491. Bull, de corr. XIH 281.
Paus. VIII 42, 5 u. s. w.
*) Inschr. aus Selge in Pisidieu bei
Lai^ckoronski Pamphil. u. Pisid. II 233 n.
247 f.; aus Lindos CIG Ins. I 768, 788.
*) CIG 956. Aristoph. Pax 1124. Plut.
Arat. 53.
*) DiTTEKBEBGEB SvlI. 156. Pergaui. Ins.
VIII 1 n. 246.
') Pergam. Ins. VI 11 1 n. 161. Vgl.
SwoBODA Rhein. Mns. 1891 S. 507.
«) PoU, VI 35. Athen. VI 234 f. Vgl.
Mbibb Hall. Encykl. d. Wiss. u. E. III 11
S. 418 ff
•) z. B. Pergam. Ins. VIII 1 n. 246.
»0) ClGIns. II 249.
») CIA II add. 57b.
»») r 245. T 251.
»») Athen. XIV 79 p. 660.
^*) Athen. VI 27 p. 235.
") Messen. Inschr. Athen. Mitt. XVI 353.
^«) Kleidemos bei Athen. XIV 660 vgl.
X 425. Herod. VI 60 (Sparta). CIG 1793b,
1849c. Dittbkbbroeb Henn. XX29f. Töpffer
Att. Geneal. 151 f.
"} CIA II 168. BoEOKH Sfaateh.» I 274.
>>) Rechnungsurkunde v. J. 193 ZI. 16.
*•) Bull, de corr. V 164.
«0) in Oropos IGSept. I 453.
«») IG Sic, et Ital. 617.
") Dittbnbbbqbb Syll. 353, 371 u. 8. w.
2. Xultiuibeaaiie. (§ 80-81.)
47
die Erhaltung der Tempel betraf, unterstand. ^ Sie schliessen die Eontrakte
mit den Bauunternehmern ab, denen in einzelnen Raten nach Fertig-
stellung bestimmter Teile die Summe gezahlt wird.^) Neben ihnen stehen
die t€Qog>vXax€g.^) Grössere Heiligtümer hatten eigene Architekten. In
Athen gab es ausser zehn durchs Los gewählten t€QcSv iTtiaxevaarai, die
jährlich dreissig Minen zu den nötigsten Reparaturen erhielten^) einen
ctQxn^TnfAv inl tu icqü,^) in Eleusis einen füi* die Tempelgebäude der De-
meter und Köre,*) in Delphoi für die des Apollon,^) ebenso in Dolos.*)
Am häufigsten aber finden wir die vswxoqoi oder C^xoqoi mit ihren vno-
CaxoQoi erwähnt.^) Der Name bedeutet ursprünglich Tempelfeger. Sie
hatten für Reinigung der Tempel zu sorgen, i<*) die Tempelthüren zu schliessen
und zu öfhen und die Eintretenden mit Weihwasser zu besprengen, ^^ und
Küsterdienste verrichtet auch der vewxoQog, der am Amphiaraosheiligtum
in Oropos angestellt ist.^^) Sie bewahren auch die Tempelurkunden ^*) und
die beschädigten Weihgeschenke auf ^^) und gehn in Epidauros den Ärzten
zur Hand.'*) Gleich den Priestern werden sie für gute Amtsführung durch
Dekrete geehrt.^*) Mitunter war es dem Priester gestattet, sich selber
einen vaxoqog zu wählen. i') Auch weibliche vswxoqoi kommen vor.^®) In
späteren Jahrhunderten hat der vsoaxoQog mit den niedern Tempeldiensten
nichts mehr zu thun, und der Name wird, wenigstens in Asien, ein Titel
von höchster Auszeichnung. >^) Ja seit Claudius wird ganzen Städten der
ehrende Beiname vstaxoQog verliehen, so Tralles,^^) Ephesos,^^) und Smyrna
erhält gar von Hadrian das Prädikat i\g vewxoQog.^^)
81. An dritter Stelle nennt Aristoteles a. a. 0. die Ta(i(m rdv isqwv
XQtjfidvoov, d. h. die Schatzmeister der in den Tempeln aufbewahrten Schätze,
uns gehen hier nur die tsqotafiiai.^^) an, die nicht mit der Verwaltung
der grossen in den Tempeln deponierten Staatsvermögen zu thun haben,
sondern mit den zur Erhaltung des Heiligtums und zu gottesdienstlichen
Zwecken bestimmten Summen. >^) In der Regel führen auch sie nur den
') CIG 2811. DiTTENBBBOEB Syll. 871.
') Inschr. aus Lebadeia Dittbnbbbgbb
SyU. 853 == IGSept. I 3073.
») CIG 5545 u. a.
<) Ariat. Ath. Pol. 50.
*) CTA II 405, 405b.
•) CIA IV 27b. Bull, de corr. VII 391.
') Lebas Voy. arch. n. 840. Bull, de
corr. VI 450.
«) BuU, de corr. XIV 462 ff. ZI. 44 ff.
und mebr Beispiele ebenda S. 477 f. Vgl.
Wbbhiokb Herrn. AXVl 58 f.
*) Z. B. DlTTBNBBBOEB SjU. 858, 467.
Xen. Anab. V, 3, 6. Am ausfübrlichsten Über
sie BüGHBEB De neocoria, Giessen 1888.
^«) Eur. Ion 116 f., 794 f.
'«) Ael. Arist. I 447 f. Bind.
**) Inschr. Herrn. XXI 91 ff. mit den
Bern, von Wilamowitz 94. Vgl. Homollb
im BuU. de corr. XIV 485 f. und 896.
>•) Bull, de corr. V 409. Weschbb-
Fouoabt n, 247 f., 821.
>*) Ephem. arch. 1889 S. 8 ff. Vgl. Bb.
Kbil Herrn. XXV 618 ff. und IGSept. I 308.
'*) Hipp. Rheg. bei Aelian. Var. bist.
IX 33. Vgl. Ael. Arist. I 459 f.
»•) CIA n 624 col. 34. Athen. Mitt. VI
167.
") Patok u. Hicks a. a. 0. nr. 28 S. 51.
>») z. B. Paus. 11 10, 4. Mehr bei Foü-
oabt Des ass. rel. 192.
»•) CIG. 3190, 3201. Pbtebsen und
y. LuBOHAN Reisen im sw. El. As. I n. 53 D b.
«») Athen. Mitt. XIX 114 ff.
»») C. CuBTius flenn. IV 187.
") CIG 3148 ZI. 34 ff. Vgl. Dittbk-
BBBOBB Olymp. V 54. Usbkbb Rhein. Mus.
XXIX 39.
") Vgl. Swoboda Wiener Stud. XI 65 ff.
14) Dittenbebgeb Syll. 357. Bull, de
corr. VII 481. — Denn Staats- und Tempel-
schatz werden natürlich getrennt verwaltet,
und auch die aus letzterem zu bestreitenden
Ausgaben werden staatlicherseits kontrolliert
Vgl. EiBOHHOFF Zur Geschichte des Athen.
Staatsschatzes im 5. Jahrb., AbhdIgg. der
48
Bie griaohisohen XnltaMdiertOiiier.
einfachen Namen zafjUai.^) Es sind angesehene und meist vermögende
Leute. ^) Der Käufer eines Priestertums in Easossos in Earien zahlt an
sie die Kauf summe/) in Pergamon werden sie angewiesen, die Zahlungen
für das Opfer und das Festmahl der Beamten zu leisten/) und ein ander-
mal/) das Schaf zu dem Opfer an Eumenes' Oeburtsfest zu liefern. Der-
gleichen aber liegt ihnen überall ob.^) In Athen haben sie seit dem
Ende des 5. Jahrhunderts auch das nach Eleusis gespendete Getreide
zu verwerten/) was vordem Sache der hqonoMi gewesen war. Daneben
zieht man sie gelegentlich auch zu anderen Dienstleistungen, wie sie der
Kultus mit sich bringt, heran. ^) Nach Ablauf ihrer Amtszeit haben sie
Rechenschaft abzulegen; Weihgeschenke, sonstiger Besitz und Inventar
des Tempels, Einnahmen und Ausgaben werden genau verzeichnet, sehr
oft das Gewicht oder Beschädigungen von Wertgegenständen bemerkt.*)
In Athen finden wir als Rechnungs- oder Kassenbeamte an Heiligtümern
auch die sog. xbuXaxQärai,^^) die den Priestern die für sie bestimmten
Summen ^1) und den Theoren die staatliche Subvention auszahlen. ^^) Die
zafiim gehören zu den unentbehrlichsten Tempelbeamten und sind auch
für kleinere Heiligtümer, die kein zahlreiches Personal haben, voraus-
zusetzen. Da sie die Verantwortung für den Bestand der Kasse und die
Verwendung der Gelder haben, wundern wir uns nicht, dass in Oropos
„offenbar weder Priester noch Küster den Schlüssel zum Opferstock hat"/*)
und dass die Priesterin der Pergäischen Artemis zu Halikamass die Kasse
nicht selber öffnen darf.»*)
32. Grössere Heiligtümer bedurften ferner einer Anzahl von Musikern,
die bei jedem Fest und bei den Opfern unentbehrlich [waren, i^) Eine
delische Rechnung^«) verzeichnet die Summe von 3470 Drachmen, die die
Flötenspieler in einem Jahr erhalten haben. Noch zahlreicher müssen die
Sklaven {t€Q66ovXoiy^) gewesen sein, die die niederen Verrichtungen, wie
Holzhauen, Wassertragen, die Bestellung der dem Tempel gehörigen Län-
Berl. Akad. 1876, und Swoboda Wien. Stad.
X 278 ff. und XI 65 ff. Wie der Staat Za-
Bchüsae zu sakralen Zwecken leistet, so
macht er andrerseits auch wieder Anleihen
bei Tempeln (Thuk. I 121, 143 u. s. w.) und
streicht anter Umständen anch Überschfisse
ein (DiTTBNBEBGBB SvU. d8§. Swoboda Wien.
St. XI 76).
>) Fbankbl in Bobokh's Staath.* II
Anm, 263.
«) Vgl. Aristot. Ath. Pol. 47.
3) Inschr. Wien. Akad. 1894 S. 23.
*) Perg. Ins. VIII 1 n. 246 ZI, 18 ff.
*) n. 18 ZI. 33 ff
«) So z. B. BuU. de corr. XIV 52 f.
^) Ephem. arch. 1883 S. 123 a. Ziehbn
Rhein. Mus. 1896 S. 220 f.
^) DiTTERBBBOBB Svll. 294. Bull. de corr.
V 45.
•) Bull, de corr. VI S. 18 ff., XIV 390 ff.
Ephem. arch. 1895 S. 89 ff. IGSept. I add.
3498. BusoLT Hdb.« IV 1, 235 ff.
»«) CIA IV 2, 35b. 53a. 1169 und r.
^') Ephem, arch. 1897 S. 176.
'^) Androtion im Schol. zu Aristoph. Av.
1541. Vgl. BoBCKH Staatsh.* I 71. Bubolt
Hdb.« IV 1, 234 f.
»») V. WiLAMOwiTZ Herrn. XXI 95. Vgl.
IGSept. I 308 ZI. 34.
'*) DiTTBNBBBGBB SjU. 371, 34 f. SWO-
BODA Wien. Stud. XI 71 u. 76, Vgl. d. de-
lische Inschr. Bull, de corr. VI 6 u. 59. —
Ober Rechenschaftsablegung der Priester
Mabtha a. a. 0. 133 ff. Böokh Staath.« I
238. Frankbl ebenda II Anm. 263. Swoboda
Wien. Stud. X 278 ff. — Besondere xAci-
dovxoi des Asklepios CIA II 958.
») Bull, de corr. II 147 ff.
^^) Arch. Demares ZI. 127 ff. v. SohOffbb
Berl. Stud. IX 120.
^^) Auch UqoI naldeg genannt. Pergam.
Ins. VIII 2 n. 251 mit Fbankbls Bem. S. 180.
Über das niedere Tempelpersonal und die
SkUven am Tempel des ApoUon zu Dolos
u. die Inschr. im Bull, de corr. XIV ZI. 82 ff.
S. HOMOLLB S. 480 ff.
8. KaltnabMimte. (§ 33.)
49
dereien und ähnliche Geschäfte zu besorgen hatten. >) Sie rekrutierten
sich entweder aus Kriegsgefangenen, «) oder wurden sonstwie erworben.
Manche Tempel der Aphrodite besassen eine grosse Anzahl weiblicher
Hierodulen, Hetären, die von ihrem Verdienst an den Tempel entrichteten,
wie wir es namentlich von Korinth wissen.») In Dolos giebt es einen
xQfjvoipvla^ und einen naXai(STQO(fvXcc^^^) und wie gross und bunt ein
ganzes Tempelpersonal bisweilen war, davon geben die Schilderungen des
Artemisdienstes in Ephesos einen Begriff.^)
S3. Ausser diesen ständigen Tempelbeamten und Dienern gab es eine
Reihe solcher, die zu einem bestimmten Zweck gewählt wurden und dann
nur bei Gelegenheit ihre Dienste ausübten, entweder wiederholt und regel-
mässig, oder nur einmal; und zwar nicht bloss Festkommissionen. So
ordnet eine Inschrift aus Stratonikeia in Karien^) an, dass dreissig Knaben
aus guter Familie als Chor gewählt und in das Ratsgebäude, wo sich die
Bildsäulen des Zeus Panamerios und der Hekate befinden, gebracht werden
und hier weiss gekleidet, bekränzt und Lorbeerzweige in der Hand haltend,
einen Hymnos singen sollen. Wird einer von ihnen Ephebe oder stirbt
einer, so soll ein neuer an seine Stelle gewählt werden. Dasselbe Dekret
ermächtigt den Priester der Hekate, alljährlich noch einen andern Knaben-
chor zu wählen, der den üblichen Hymnos der Göttin zu Ehren vortragen
soll. Die Eleusinier belohnen einen thebanischen Musiker, der sich in
Eleusis niedergelassen und ihre Gottheiten durch musikalische Aufführungen
geehrt hat, mit einem goldenen Kranz für 1000 Drachmen, Steuerfreiheit
auch für seine Nachkommen und anderen Auszeichnungen,^) und die Del-
phier verleihen einem Athener die TigofiavTaia, äavXia^ dtbXsia Ttavrtovy
weil er für die Knabenchöre an den Theoxenien Hymnen gedichtet hat.®)
In Elis giebt es ein Kollegium von sechzehn Frauen, die im Dienst des
Dionysos und der olympischen Hera fungieren.^) Dann aber erheischte jede
grössere Festfeier die Mitwirkung vieler nur bei dieser Gelegenheit aktiv
am Gottesdienst Teilnehmenden. So unterstützten vierzehn Matronen, ye-
QaQai genannt, die Basilissa bei der Anthesterienfeier in Athen, leisteten die
xavrjffOQOi und sQQrj^oQoi an den Panathenaien ihre Dienste ;*<^) als dXsTQfg
auf der heiligen Mühle das Korn zur Festfeier der Göttin gemahlen zu
haben, ist einer Athenerin lebenslang eine wertvolle Erinnerung,^*) zum
Dank, dass die Tochter zur sQQr^tfOQog auserlesen, bringen die Eltern der
Göttin Weihgeschenke dar, '2) und den Wein bei den Opfermahlen zu
schenken, rechnen sich die Söhne der Vornehmsten zur Ehre.**) Nament-
') Paus. X 82, 8. V 13, 2. Strab. XII
535 nnd 558.
') Strab. VI 267. Athen. IV 173 E.
Otfb. MfJLLBB Dorer 254 ff.
») Athen. Xni 32 p. 573. Strab. VI 41 8.
Vgl. RoscHBB Myth. Lex. I 392 ff. Becker-
G6ll Gharikles 1 50. Odslberg Sacra Co-
rinthi etc. Upsala 1896 S. 64 f.
*) Bull, de corr. XIV 396.
*) Strab. XIV 950. Vgl. Paus. VIII 13,
1 u. mehr bei Pbellbb-Robebt Qr. Myth. I
S30 A. 1.
•) GIG 2715. 2. Jahrh. p. Chr.
Hftndbiich der klaas. AltertnnwwiBBeDachaft. Y, 8.
') Rev. des ötudes gr. VI 336 ff.
») Bull, de corr. X VIII 71. Coüve S. 72 ff.
meint, es sei das Kleochares, Bions Sohn,
gewesen, der Verfasser der in Delphoi auf-
gefundenen Hymnen.
') Wenigeb D. Kollegium der 16 Frauen,
Progr. des Gymnas. zu Weimar 1883.
'«) CIA III 917, 918, 887. Arist. Ath.
Pol. 18. Thuk. VI 56.
") Aristoph. Lys. 644 u. Schol.
1") CIA n 1883, 1390. HI 887.
") Athen. X 4;?5A.
2. Aufl. 4
50 I^i® grieohisohen KnltuBalteriOmer.
lieh bei grossen Festopfern, wo oft gleichzeitig oder doch in wenigen
Stunden hundert Tiere geschlachtet und zubereitet werden mussten, zieht
man Bürger in grosser Menge zu Dienstleistungen heran, ^) und an den
Eleusinien und Proerosien ^) und bei anderen Gelegenheiten^) hilft die
Blüte der attischen Jugend, die Epheben, beim Schlachten der Rinder
und ist stolz auf die Dekrete, die sie dafür belobend)
e. Seher und Weissager.
a. Die Mantik.
ßoüOHi-LECLERCQ Histoiro de la diviDation, Paris 1879. Hebxaiui G. A.' § 87 — 42.
ScHOEXANN Gr. A.' II 278—310. Völokbr Wesen und Ursprung der griech. Mantik, Allg.
Schulztg. 1881 Nr. 144—146. Wachsxuth Hellen. Altertamskunde II 584 ff. Mbzobr in
Pault*s Realencykl. II 1 113 ff. u. ditdnatio. Naboblsbagh Nachhomer. Theol. 162 ff. Homer.
TheoL* 168 ff. Leop. Schmidt Die Ethik der Griechen, Berl. 1882 II 53 ff. E. Cubtius
in Altertum und Gegenwart' I 170 ff.
34. Der Qlaube, dass die Gottheit dem Menschen durch Zeichen zu
erkennen gebe, was er zu thun oder zu unterlassen habe, ist unter den
Griechen zu jeder Zeit allgemein gewesen.^) Solche Zeichen können erbeten
werden, oder die Götter geben sie aus eigenem Antrieb. Viele kann jeder-
mann deuten, andere vermag nur der Kundige zu erklären. Die Alten
selbst unterscheiden zwei Arten von Mantik: die natürliche oder kunstlose
und die kunstmässige.^) Die erste beruht auf unmittelbar von den Göttern
ausgehender Offenbarung, wie sie namentlich durch Träume und Orakel
gegeben wird. Insofern auch ein Traum der Deutung, ein Orakel der
Auslegung bedürfen kann, erheischen auch diese Zeichen Interpreten und
gehen somit schon in die zweite Art über. Zu dieser werden aber in-
sonderheit alle die Zeichen gerechnet, deren Verständnis allein dem Kun-
digen erschlossen ist. Sie zu deuten, ist eine Kunst, die erlernt werden
kann, doch muss bisweilen eine besondere Begabung dafür mitgebracht
werden, die nur einzelnen durch die Gnade der Götter verliehen wird.
Dies ist nun auch wieder eine göttliche Erleuchtung, eine Offenbarung.
So ist also eine strenge Scheidung zwischen beiden Arten nicht möglich.
35. Betrachten wir zuerst die Zeichen, die entweder zufällig be-
gegnen, oder deren Herbeiführung, wenn sie einmal erbeten und gesucht
werden, keine besonderen Mittel und Vorbereitungen erfordert.
Die einfachsten solcher Zeichen sind die sogenannten xXrjdoveg oder
y^^a*,') Worte oder Laute, die zur guten Stunde gesprochen oder ver-
nommen werden, absichtslos und anscheinend nichtssagend, aber doch
bedeutend durch irgend ein auffälliges Zusammentreffen und eine plötzlich
sich aufdrängende Beziehung. Eine solche <pr}fjirj {v 105) oder eine xXr^ddv
(120) ist es, dass Odysseus die Magd den Freiern das Verderben wünschen
hört gerade in dem Augenblick, als er zu Zeus darum gebetet hat, oder
') CIA IV 2. 35b.
») CIA 11 467 ZI. 10 f. 28, 471 ZI. 9 f.
») CIA II 471 ZI. 10, 78. 467, 11.
*) Vgl. Stengel Herrn. XXX 339 ff.
») Aisch. Prom. 484 ff. Plat Symp.
p. 188C. Cic. De div. I 38, § 82. Vgl. C.
Wachsmüth Die Ansichten der Stoiker fiber
Mantik und Dämonen, Berlin 1860.
^) Psendoplut. De vita Horo. p. 212.
Cic. De diy. I 6 § 11, II 11 § 26.
') Aisch Prom. 486. S. besonders Wtt-
TBNBACB ZU Julian or. ed. Sohabfbb p. 150.
8. Knltüsbeamte. (§ 34—37.) 51
dass Telemachos den Segenswunsch des alten Aigyptios vernimmt (ß 35),
den dieser ausgesprochen, noch ehe er weiss, dass der Jüngling selbst die
Versammlung berufen hat. Eine ähnliche Bedeutung wie das gesprochene
Wort kann das Niesen haben. Penelope freut sich, als Telemachos laut
niest, wie sie eben den Wunsch nach der Heimkehr des Gemahls ausge-
sprochen hat, und auch Eumaios sieht dies als ein gutes Zeichen an {q 541 ff.).
Als Xenophon in der Versammlung die Lage der Zehntausend für gar nicht
so hoffnungslos erklärt, und gerade in diesem Augenblick einer niest, schickt
das ganze Heer fii^ ogfjirj seine Oebete zu den Göttern empor. ^) Hierhin
sind auch die sog. ofjL(fai oder oatrai zu rechnen, Worte oder Verkündi-
gungen, die Zeus (A 93 f., 250) und andere Götter den Betreffenden
zukommen lassen.*) Ferner gehören hierhin die xsqcna oder tnijfJiaTa
[J 381), gleich den (ff^fiai teils erbeten, teils zuföUig begegnend. Dem
Nestor wird auf seine Bitte ein rtgag gezeigt, als er nicht weiss, welchen
Weg er auf der Rückfahrt von Troja einschlagen soll (y 173), durch einen
Blitz bezeugt, die Bitte des Minos erhörend, Zeus, dieser sei wirklich sein
Sohn,») Blitz und Donner zeigen Odysseus an, dass ihm die Bestrafung
der Freier gelingen soll,*) ein Blutregen verkündet das Morden in der
Schlacht {A 53 f.), Blitz») oder Regenbogen«) Krieg oder Sturm; Kometen,')
Meteore (// 75 ff.) und Meteorsteine,®) Sonnen- und Mondfinsternisse,**) Erd-
beben^<>) deuten ebenfalls meist auf kommendes Unheil.*^) — Sodann sind
die evoSioi (fvfißoloi^*) zu erwähnen, Begegnisse, die unterwegs aufstossen
und besonderer Beachtung gewürdigt werden, weil der Reisende meist
einen bestimmten Zweck verfolgt und voll Erwartung ist.**)
86. Wenn diese Zeichen auch auf Verständigere Eindruck machten,
und ihre Bedeutsamkeit ziemlich allgemein Glauben fand,^^) so ist das
Gebiet anderer, die den Abergläubischen bewegten, völlig unbegrenzt,**)
und wenn man auch nicht zu widersprechen wagte, als es vor der Ein-
nahme Athens durch die Perser hiess, dass die Schlange der Athena den
Honigkuchen nicht berührt, die Göttin selbst also die Stadt verlassen
habe,*«) so blieb der Spott der Gebildeten und Vorurteilsfreien bei andern
Gelegenheiten doch nicht aus, und die Art von Sehern, die aus der Deutung
gar zu alltäglicher Vorkommnisse*^) ein Gewerbe machten, stand ver-
dientermassen in schlechtem Ruf.*®)
37. Weit wichtiger als die bisher erwähnten Zeichen sind die
Träume.*») Prometheus nennt sie unter den jQonoi nokXoi fiavtixtjg
>) Xen. Aoab. III 2, 9.
«) y 129, « 282. ß 216, n 96, vgl. ^ 89.
•) Bakchyl. XVllI 53 ff.
*) 9 415, V 101 ff. Cf. TT 320.
») KS. Zur Rechten: Sieg, JB 853.
•) P 548.
») Diod. XV 50.
«) Plut. Lys. 12.
•) Thuk. VII 50. Plut. Nik. 23.
»•) Thuk. II 8. Xen. Hell. III 2, 24.
") Vgl. Bouohä-Leclbroq a. a. 0. 1 196 ff.
»») Äisch. Prom, 487.
") Vgl. Hbrmann G. A. § 38 A. 15. | tum, Berlin 1868,
4*
ScHOEMANN Gr. A. II 294 f. Lobbok Agl. 828
Anm. E. Curtiüs Jahrb f. Phil. 1856 S. 142.
'*) Vgl. Xen. Mem. IV 7, 10. Apol. 12 ff.
'^) Eine kleine treffliche Auswahl bei
ScBOKMANN Gr. Altt.» II 293 ff.
»•) Herod. VIII 41.
") Die oixoaxoiiixi] (cf. Suidas u. o/w-
yiiruxij) ist eine besondere Art der Mantik.
») Vgl. Soph. Ant. 1036. Aisch. Ag. 1195.
Herod. IX 95.
^») Boüchä-Lbclbrcq T 277 ff., Büohsen-
scBf^Tz Traum u. Traumdeutung im Alter-
52 ^^ grieohisohen Kultiisaltertllmer.
(Aisch. P. V. 484), die er die Menschen zu ihrem Heile gelehrt habe, zu-
erst. Der Glaube, dass die Seele, wenn der Körper vom Schlaf gefesselt
ist, freier werde, ist sehr verbreitet gewesen.*) Im Traum vollzieht sich
eine Art ^xcfTatrtg der Seele*) wie thatsächlich und dauernd im Tode.
Wie nun der begeisterte Seher ekstatisch prophezeit, der Sterbende weis-
sagt,') so sieht die Seele auch im Traum, von den Fesseln des Irdischen
befreit und an Raum und Zeit kaum noch gebunden, wie der Gott, mehr
als sonst. Aber den Zustand führen die Götter herbei, und auf keine
andere Weise konnten sie, wenn sie nicht leibhaftig erscheinen wollten,
wie dies im Zeitalter der Sage ja allerdings oft genug geschieht, dem
Menschen leichter, man könnte sagen, Mitteilungen machen, als in Träumen,
wo sogar Rede und Gegenrede gewechselt werden kann,^) was nicht ein-
mal beim Orakel angängig war. "OvaQ ix Jiog eauv heisst es bei Homer
{A 63), und die ganze spätere Zeit bewahrt diesen Glauben an prophe-
tische Träume.^) Dass freilich nicht alle bedeutend waren, musste auch
das kindlichste Volk bereits erkannt haben. ^) Oft schicken die Götter
absichtlich täuschende Träume, um zu verführen und zu verderben, aber
viel häufiger wahrhafte. Ein Traum verkündet Penelope, dass Telemachos
gerettet werden soll,^) dass Odysseus zurückkehren und die Freier töten
wird,*) dem Polykrates*®) und dem Kimon,") dass ihnen der Tod bevor-
steht, und Sokrates schreiben Träume und andere Zeichen seine Lebens-
führung vor.^') Die Art, wie der Gott das Kommende verkündigt, ist
verschieden. Mitunter werden Traumdämonen ^) oder eigene Gebilde, ddwXa
{d 796), geschickt, die dann unzweideutig reden; oft ist die Bedeutung
der vorgeführten Bilder so klar, dass sie der Erklärung kaum bedürfen ^')
und von den Betreffenden selbst mit Sicherheit gedeutet werden, i^) meistens
müssen sie von Kundigen ausgelegt werden, und schon Homer kennt
Traumdeuter, 1^) in manchen Fällen endlich wird ihr Sinn erst nach dem
Eintreffen des Ereignisses bekannt.*^) Wie entwickelt die Kunst der
Traumdeutung war, und welchem Bedürfnis sie entgegenkam, beweist am
besten die Thatsache, dass es viele Bücher und Sammlungen gab, die sich
mit Oneirokritik beschäftigten und ein System hineinzubringen versuchten.'^)
Eine dieser Schriften ist uns ganz erhalten: das Buch des Artemidoros
aus dem 2. Jahrhundert n. Chr.'»)
') Vgl. ausser den von Scbobmann II ' ') F 6 ff.
299 und Büohsbnschütz a. a. 0. 7 ff. beige- «) cf 825 ff.
brachten Zeugnissen Pind. Frgm. 131 und
Aiscb. Eum. 104 f., wo Lehbs fttr ßgortoy:
xoQ(dy (Augen) schreiben wollte.
») Vgl. RoHDB Psyche 6 und 311 f.
») IL n 851 ff. X 358 ff. Plat. Apol. 30.
Xen. Kyrup. VUI 7, 21. Soph. Oid. Kol.
J 370 ff Vgl. Verg. Aen. X 739.
*) Vgl. z. B. rf 795 ff
^) S selbst Aristoteles (IIbqI ti^s xa&'
vnvov fiayjix^g c. 2) und Piaton (Rep. IX
571, Tim p. 71 D).
•) Od. r 561 ff, V 87, wo zwischen vnoQ
und oyag unterschieden wird. Aisch. Prom.
486.
•) r 535 ff.
'^) Herod. III 124.
") Plut. Kim. 18.
»») Plat. Apol. 22 C.
»») T 535 ff., Aisch. Pers. 179 ff
'*) Xen. Anab. III 1, 12 ff Plat Kriton
c. 2 p. 44 A.
»*) E 149, A 63.
»•) Herod. III 124. Cic De div. I 23 §46.
'') Vgl. BOchsbnsohOtz a. a. 0. 45 ff.
Oder Rhein. Mus. 1890 S. 637 ff.
>«) Vgl. £. RiEss Rhein. Mus. 1894
8. 177 ff.
8. EvltiMbeanite. (§ H8.)
53
38. Einer der wichtigsten Zweige der Mantik ist die omvoaxoTiixr
oder oiwvoaxonia.^) Die Vögel sind die freiesten Tiere, ihre Bewegung
ist die willkürlichste und vom Menschen am wenigsten zu bestimmende;
ein anderes Tier kann man dadurch, dass man sich ihm in den Weg
stellt oder es durch einen Zuruf ängstigt, veranlassen, einen bestimmten
Weg einzuschlagen; oft ist dieser schon durch die örtlichen Verhältnisse
vorgeschrieben, oder die Möglichkeit, dass es sich da oder dorthin wende,
beschränkt. Zudem sieht man Vögel weit häufiger als andere in Freiheit
lebende Tiere — und natürlich konnten nur solche als Boten der Qötter
gelten — , sie erscheinen plötzlich in Räumen, die dem Fuss des Menschen
unerreichbar sind, kommen aus luftiger Höhe, in der man sich auch die
Götter thronend denkt, und ihren Flug zu beobachten und zu verfolgen
reizt schon den kindlichen Sinn besonders. Natürlich ist ebensowenig wie
jeder Traum jeder Vogel bedeutend.') Wie alle andern können auch die
Vogelzeichen erbeten sein, oder sie kommen unerwartet, sie können so
einfach sein, dass jeder sie versteht, oder so seltsam, dass nur der Kundige
sie zu deuten vermag; wie alle andern werden sie in späterer Zeit kom-
plizierter, und die Beobachtung erstreckt sich auf immer mehr Eigentüm-
lichkeiten. Schon bei Homer finden wir den Glauben an Weissagevögel
völlig entwickelt, und auf ihren Flug wird sorgsam geachtet; es giebt be-
reits olwviaxai oder omovottoAo*,*) die sich darauf besonders verstehen.*)
Der rechts erscheinende Vogel galt für glückbedeutend, der links für un-
heilverkündend. Wollte man ein Zeichen abwarten, so begab man sich
wohl an einen geeigneten Ort, ein olwvoaxoTCBtov,^) und hier scheint man
sich dann mit dem Gesicht nach Norden gewandt zu haben, so dass
der günstige Vogel dem Beobachtenden von links her®) kommend ini
Se^id, also von Sonnenuntergang nach Osten flog.') Kam der Vogel un-
erwartet, so galt wohl immer, was man rechts von sich sah, für glück-
lich, was dem Schauenden zur Linken erschien, für ungünstig.®) So werden
Diomedes und Odysseus, als sie nachts in das Lager der Troer schleichen,
durch einen rechts von ihnen schreienden Vogel, den sie in der Dunkel-
heit gar nicht sehen können, ermutigt {K 274 ff.), so erscheinen o 160 u.
525 ganz unerwartet Vögel, offenbar nicht von einer bestimmten Himmels-
richtung, sondern nur zur Rechten der betreffenden Personen. — Nicht
alle Vögel galten für gleich bedeutungsvoll, vor allem sah man die grossen
Raubvögel, die olwvoi, dafür an: den Adler, vekeioTatov nerstjvojv, den
Vogel des Zeus,^) den schnellen Habicht, den Boten ApoUons (o 526),
') Aisch. Prom. 458 ff. BoüOBi-LiOLiROQ
l 127 ff. V. WiLAJiowiTZ Eur. Her." 11
134 ff.
*) o 532, ß 181 f.
•) J 69. Z 76.
*) B 858, P 218.
>} Paus IX 26, 1. Vgl. Soph. Ant. 1012.
Dion. Hai. I 86.
•) Vgl. ß 154.
M 239 f. Vgl. Plat. Leg. VI 760 D.
NiTzsoH Anm. zur Odyss. I 91 f. Ernisti
Homer ed. za M 239. Hbem avn Gott. Altt.*
§ 38 A. 10. Umgekehrt Lehbb Arist.* 133,
UsENBB Götternamen 191.
^) Pythagoras nach Aristot. bei Symplic.
in Ar. De oaelo p. 386,11 Heiberg. — Aus
einer alten troizenischen Inschrift im Bull,
de corr. XVII 86 nr. 2 schliesst LBGBAmo,
dass ausnahmsweise auch der links erblickte
Vogel f&r ein gutes Zeichen angesehen wurde.
») a 315. Vgl. Xen. Anab. VI 1, 28.
54
Die grieohiflohen Knltnsaltertllmer.
überhaupt die yafiipüirvxoi otwvoi;^) dann freilich auch andere.*) — Vogel-
zeichen zu beurteilen ist in vielen Fällen auch der Laie im stände, nicht
bloss, wenn er sich selber eines erbittet, wie Priamos i2 310 ff., sondern
überall da, wo es sich nur um die Richtung des Fluges handelt. Auch
wenn der Vogel in besonderer Situation erscheint, oder ein Zusammen-
treffen von umständen die Erscheinung merkwürdig macht, weiss der
Kluge das Zeichen zu deuten. So erkennt Helena, als der Adler mit der
geraubten Gans davonfliegt,') ebensogut wie der Seher Theoklymenos
an dem Habicht, der die Taube zerreisst,*) dass das Zeichen die Ver-
nichtung der Freier durch Odysseus verkünde, und als der Adler das
Hirschkalb auf den Altar des Zeus llavofx^aTog fallen lässt, sind die
Griechen ebensowenig zweifelhaft, was das zu bedeuten habe,') wie die
sieben vornehmen Perser, die den Smerdis ermorden wollen, als ihnen die
von den Habichten verfolgten Geier erscheinen.®) Atossa wagt sich nicht
zu gestehen, was der siegreiche Kampf des Habichts mit dem Adler be-
deute,^) und hört es gern an, dass das Zeichen vielleicht nicht so schlimm
sei;^) aber was die beiden sich über den Köpfen der Ithakesischen Volks-
versammlung zerfleischenden Adler bedeuten,^) das Zerreissen der träch-
tigen Häsin in Aulis durch einen schwarzen und einen weissen Adler, '^)
oder der sitzende Adler, dessen Schrei Xenophon vernimmt, als er von
Ephesos aufbricht, um sich dem Zug des Kyros anzuschliessen,^') das kann
doch nur ein Seher erklären. — Das Erscheinen mancher Vögel bedeutet
schon an und für sich Glück oder Unglück; Prometheus lehrt die Menschen
unterscheiden, welche Vögel ihrer Natur nach günstig, und welche un-
günstig sind,^^) und auch die Lebensweise und Eigentümlichkeit der ein-
zelnen ist nicht gleichgültig und muss beobachtet werden.^') — Dass aus
dem Schrei der Vögel ge weissagt wird, ist nicht nachweisbar; denn dar-
aus, dass die Götter einem Seher verliehen haben, die Sprache der Vögel
zu verstehen, ^^) ist nichts zu schliessen. Ertönt der Schrei seitwärts, so
zeigt das nur die Anwesenheit eines Vogels an, den man sonst vielleicht
gar nicht bemerkt haben würde, ^^) und gilt natürlich als ein ebenso oder
doch fast so gutes ^®) resp. schlimmes Zeichen, als hätte man den Vogel
fliegen sehen. Wie üblich die Vogelschau war, geht schon daraus hervor,
dass olcovog oder oQvig häufig geradezu Weissagevogel ^') oder Prophezeiung
überhaupt ^^) bedeutet, ja es sind uns sogar Bruchstücke einer auf Divination
aus dem Vogelfluge bezüglichen Inschrift erhalten. ^^) Doch gilt dies mehr
für die alte Zeit; man beobachtet zwar auch später noch gläubig Vogel-
Aisch. Prom. 488.
») r 274. Plut. De Pyth. orac. 22. Vgl.
HsBMAnv G. A. § 38 A. 7.
•) o 160 S.
') 525 ff.
») e 247 ff.
•) Herod. III 76.
») Aisch. Pers. 205 ff.
») 525 f.
•) ß 154.
>o) Aisch. Ag. 114 ff.
»») Anah. VI 1, 23.
>«) Aisch. Prom. 489. Vgl. Paroimiogr.
». 228 f. Anton. Lib. p. 207, 219, 221
Westenn.
*•) Aisch. Prom. 490 ff.
>*) ApoU. Rhod. I 1087.
") Vgl. K 275.
»•) Vgl. Xen. Anab. VI 1, 23.
") 522, Ä 219.
") Herod. IX 91. [Fiat.] Alk. Hp. 151C.
Vgl. schon Jlf 243.
'') Ans Ephesos IGA 499. Vgl. die
Inschr. Bull, de corr. XVII 86 nr. 2.
2. KultiMbeuiLte. (§ 39-40.)
55
zeichen, doch nur zuf&IIig sich darbietende; angesehene oiwvocxonoi giebt
es nicht mehr. >) Natürlich kann die Gottheit auch auf jede andere Art
Vorzeichen senden. Vor der Expedition nach Sicilien fielen in Deiphoi
von der erzenen Palme, die die Athener geweiht hatten, die goldenen
Früchte ab, und Krähen hackten das Gold vom Bilde der Athena;*) vor
der Niederlage der Lakedaimonier bei Leuktra fielen die goldenen Sterne,
die sie dem Raster und Polydeukes zu Ehren nach dem Siege bei Aigos-
potamoi nach Deiphoi gestiftet hatten, herunter und waren nicht wieder
aufzufinden;') vor Hierons Tode stürzte sein Bild von der Erzsäule herab.^)
39. Wir kommen jetzt zu den nicht zufälligen Zeichen, d. h.
also denen, die der Mensch selber herbeizuführen sucht, und zwar durch
noch andere Mittel als das blosse Gebet. Sie gehören sämtlich erst der
nachhomerischen Zeit an. Die Beobachtungen werden hier an einem be-
stimmten, ad hoc vorbereiteten Objekt gemacht. Wenn alle bisher be-
handelten aijiÄaza aus der Initiative der Götter hervorgingen oder doch
nur aus Gnade von ihnen geschickt wurden, so können sie sich hier der
Beantwortung der ihnen vom Menschen gleichsam vorgelegten Frage in
den meisten Fällen gar nicht entziehen, insofern gewisse Zeichen, seien
es nun günstige oder ungünstige, an dem der Beobachtung ausgesetzten
Gegenstände hervortreten müssen. Es liegt in der Natur der Sache,
dass die Deutung dieser Zeichen in der Regel schwieriger und gewöhnlich
auch wichtiger ist als die der zufällig begegnenden: schwieriger, weil die
Beobachtung der verschiedenen Merkmale meistens so kompliziert ist, dass
nur der Erfahrene ihren Sinn versteht, wichtiger deshalb, weil solche
Fragen an die Götter gerichtet zu werden pflegen, wenn man vor einer
Entscheidung oder einem bedenklichen Unternehmen steht. Seltener als
jene wagt demgemäss der Laie solche Zeichen selber zu deuten. Sie ge-
hören zu dem genus arUfidosumj^) das den Sachverständigen erfordert.
40. Unter allem, was hier in Betracht kommt, ist weitaus am wich-
tigsten und häufigsten die sogenannte Hieroskopie, d. h. das Wahrsagen
aus den Eingeweiden des geopferten Tieres und gewissen Erscheinungen
bei der Opferhandlung.') Die homerischen Gedichte erwähnen &vocx(ovg
und zwar einmal {ü 221) zugleich mit fidvxuq und Is^eg als Leute, auf
deren Rat man etwas geben müsse, aber auf welche Weise sie aus den
Opfern weissagten, ja ob sie dies überhaupt gethan, wird nicht gesagt.
Alle Vermutungen darüber beruhen lediglich auf dieser Stelle. Denn das
Wort selbst wird verschieden erklärt und bedeutet vielleicht nur Per-
sonen, die mit dem Verbrennen der Opferstücke zu thun haben ;^) % 321 ff.,
wo von Leiodes, dem d-vocxoog der Freier in Ithaka, die Rede ist, ge-
stattet höchstens den Schluss, dass sie beim Opfer Gebete gesprochen
haben, und dass Leiodes selbst ein sehr unglückliches Beispiel für einen
») Vgl. V. WiLAMowiTz Emr. Her.» II 185.
«) Plut Pyth. or. 19.
•J Cio. De div. II 32.
*) Plut. Pyth. or. 8. Andere Beispiele
Plut Süll. 13. Anton. 60. Tib. Graooh. 17.
Yerg. Aen. II 171 ff.
») Cic. De diy. I 18 § 34.
•) Aisch. Prom. 492 ff. Vgl. BoucHi-
LSOLBBOQ I 166 ff.
^) liOBiOK Phrynichns 523. Lsg Mbyui
Beitr. zn d. indogerm. Sprr. VI 1881 8. 127.
56
Die grieohisohexL EnltiiBaltertllmer.
der Zukunft kundigen Weissager ist, darauf hat schon Lobeck (Aglaoph.
263) hingewiesen. Vielleicht glaubte man, dass ihre Beschäftigung sie
gleich den isQrjsg (vgl. A 62) den Göttern besonders lieb und vertraut
machen müsse, und darauf mag denn auch ihr Ansehen beruht haben.')
Bedenkt man, wie oft die Gedichte von Opfern sprechen, und wie gross
das Bedürfnis der Zeit war, aus Zeichen den Willen der Götter zu er-
schliessen, so wird man aus der Thatsache, dass Eingeweideschau trotz-
dem nirgends erwähnt wird, den Schluss ziehn dürfen, dass sie damals
noch nicht aufgekommen war.
Ob die Griechen die Eingeweideschau von einem fremden Volke ge-
lernt und angenommen haben, oder ob sich Glaube und Kunst selbständig
bei ihnen entwickelt hat, ist ungewiss.') Unmöglich ist das letztere
jedenfalls nicht, und Übereinstimmungen sind nicht immer durch Ent-
lehnung zu erklären, am wenigsten dann, wenn der Ursprung einer ge-
meinsamen Sitte sich aus so naheliegenden Gründen erklären lässt wie
hier. Es lag daran, zu erkennen, ob der Gottheit das Opfer genehm sei,
und wenn man in ältester Zeit sich damit begnügte, schöne und, nach
dem äusseren Anschein zu urteilen, gesunde Tiere darzubringen, so wird
man später eben auch die innern Teile auf ihre normale Beschaffenheit
und Gesundheit hin untersucht und aus dem Befunde seine Schlüsse ge-
zogen haben. Dass immer mehr Merkmale beobachtet, und die Deutung
immer künstlicher wurde, ist ganz natürlich und entspricht der Entwick-
lung, die auch die andern Arten der Mantik genommen haben.
Die Eingeweide müssen glatt und von guter Farbe,') vor allen
Dingen aber die Leber gesund sein;^) ist die Bildung der Lappen (loßoi)
nicht normal, oder fehlen sie sogar, so gilt das für ein sehr schlimmes
Zeichen. B) Auch die Galle ist wichtig,^) schon deshalb, weil sie in der
Regel den Göttern verbrannt wird,'') wie ihnen denn auch andere Teile
der (SnXdyxva zukommen.®)
Natürlich wurde nicht aus den Eingeweiden jedes geopferten Tieres
prophezeit, denn in unzähligen Fällen ist Opfertier nichts anderes als
Schlachttier, ^) und nur wenn man ein Zeichen wünschte, fand Eingeweide-
schau statt. Benutzt konnte dazu jedes Tier werden, das man den Göttern
anbieten durfte, also alle essbaren Haustiere, i^) und wenn Pausanias
(VI 2, 2) sagt, Hunde würden zur Hieroskopie nicht benutzt, so ist das
gewiss auf alle nicht essbaren Tiere auszudehnen; Hunde wurden unter
diesen nur am häufigsten geopfert, ^9 ^^^^ prophezeit wurde aus den Ein-
geweiden von Pferden, Eseln u. s. w. sicherlich ebensowenig.
M t)ber die 9voax6oi Nitzsoh Anm. z.
Od. I 220. Nabgblsbaob Hom. Theol.< 205.
*) Vermutangen darüber 8. 0. Müller
Etnisker II 185. Scboemakn a. a. 0. II 287.
*) Aisch. Prom. 493 f.
^) Aisch. Prom. 495. Schol. Aristoph.
Yesp. 831.
») Xen. Hell. III 4, 15. Flut. Ages. 9,
Kim. 18 u. 8. w.
•) Aisch. Prom. 495.
7) Athen. IV 27 p. 146. Porph. De aotr.
Nymph. 18. Vgl. Plut. Praec. conj. 27.
«) Athen, a. a. 0. Plut. Phok. 1. Schol.
Aristoph. Vesp. 1144. Orph. Arg. 314.
») Vgl. Athen. V 179 D, IV 150 P, 166 F.
'®) Ausgenommen natürlich Geflügel, vgl.
Athen. IX 380 A.
^') Stbkobl im Progr. des Joachims-
thal. Gymnas., Berl. 1879 S. 25 a. Jahrb.
f. PhU. 1883 S. 371.
2. Knltiuibeaiiite.
41.)
57
41. Besonders wichtig war die Hieroskopie im Felde. Empfahl diese
Art der Mantik sich hier, wo es am wichtigsten war, die Ratschlüsse der
65tter zu erfahren, schon dadurch am meisten, dass sie die ausgebildetste
war und für die zuverlässigste galt, so kam hinzu, dass diese Zeichen in
jedem Augenblick befragt werden konnten. So nimmt es nicht wunder,
dass uns hier eine ganz besondere Art von Opfern, eigens zum Zwecke
der Weissagung veranstaltet, begegnet: die sog. aifdyia,^) Sie werden
vor wichtigen Entscheidungen, meist in gefährlicher Lage, dargebracht
und sollen die Götter versöhnen; das ist gelungen, wenn sie das Opfer
gnädig annehmen, d. h. also, wenn es günstig ausfällt, und in diesem Fall
hält man sich dann auch ihrer Zustimmung zu dem bevorstehenden
unternehmen und ihrer Hilfe versichert. Diese Opfer werden stets von
fAavTcig vollzogen und sind namentlich vor Schlachten, gefährlichen Märschen
und derg].*) durchaus notwendig. Die Seher beobachteten dabei vor allem
die Intensität des Feuers, das Bersten der hineingeworfenen Gallen und
die Art, wie sich die durch den Feuchtigkeitsgehalt der Opferstücke be-
einträchtigte Flamme entwickelte. Hell und hoch auflodernd kündet sie
Sieg, brennt sie mühsam und qualmend und verzehrt nur einen Teil des
Fleisches, Niederlage.') Geduldig wartet man das gute Zeichen ab,
wiederholt die Opfer in kritischer Lage; selbst wenn der Feind schon an-
greift, lässt man sich beschiessen, erleidet grosse Verluste, aber nicht
eher wird der Kampf aufgenommen, als bis der fidvrig günstige Zeichen
verkündet.*) Die kriegerischen Lakedaimonier nehmen zu diesen aifayia
eigens Tiere aus der Heimat mit,*) um ja nicht einmal in Verlegenheit
zu kommen.®) Ausser diesen nur bei besonderen Anlässen vorgenommenen
Opfern wurden die regelmässigen Isqu dargebracht, die dem Heere den täg-
lichen Fleischbedarf lieferten, und auch aus diesen wurde prophezeit;^)
oft finden wir atfdyta und tfqd nebeneinander. ») Letztere werden auf
Befehl und in der Regel im Beisein des Feldherrn von Priestern vollzogen,
und es findet bei ihnen die gewöhnliche Eingeweideschau statt;') dass
auch dabei fidvieig sich beteiligten, ist natürlich nicht ausgeschlossen,^^)
und wo es sich um eine wichtigere Frage handelte, wird man sie stets
zu Rate gezogen haben, auch in den Fällen, wo ein atpdyiov nicht an-
gebracht war, weil zunächst keine Gefahr drohte, ^i) Sie durften also
bei keinem Heere fehlen, i*) und man gab sich vielleicht ebensoviel Mühe,
einen bewährten Seher für den Feldzug zu gewinnen, wie einen tüchtigen
Führer an die Spitze zu stellen,^') und kargte weder mit Ehrenbezeugungen,
noch Belohnungen.'*) Der Feldherr war allerdings nicht verpflichtet, dem
*) Über die aq)ay{a, insbesondere auch
Ober die Ausdehnung dieser Bezeichnung auf
andere Opfer Stbivgbl Herrn. XXI 307 flf.,
XXV 321 ff
•) Xen.* Anab. IV 3, 18. Herod. VI 76.
Eur. Or. 1602. Plut. Thes. 27. Alex. 31.
») Eur. Phoin. 1255 ff. mit Schol. Sten-
gel Herrn. XXXI 478 ff.
*) Xen. Hell. IV 6, 10. Herod. IX 61,
62, 72. Plut. Arist. 17, 18.
») Xen. Reep. Lac. XIII 3.
•) Paus. IX 13, 2.
') Herod. VH 219. Xen. Anab. I 7, 18.
«) Xen. Anab. VI 5, 21; l 8, 15; IV 3,
9 und 18.
») Xen. Anab. II 2, 3; VI 5, 2.
'«) Xen. Anab. V 6, 29.
»») Xen. Anab. V 5, 3.
'') Vgl. V. WiLAMowiTZ Kydathen 80.
>») Herod. IX 33 ff. Paus III 11, 6.
»*) Paus. IX 10, 3 f. Xen. Anab. I 7, 18.
58
Die grieohisohen Kultnaaltertümer.
(ÄuvTig zu folgen, >) der ja irren und selbst absichtlich täuschen konnte,')
aber sicherlich ist es selten vorgekommen, dass ein Führer sich trotz der
Warnungen des Sehers zum Angriff oder zu einer Belagerung entschloss,')
und that er es einmal durch die umstände gezwungen oder seiner bessern
Einsicht folgend, so teilte er dem Heere den unglücklichen Ausfall der
Opfer nicht mit, um es nicht zu entmutigen.^) Lieber gab man die
Unternehmung auf ^) oder wiederholte die Opfer so lange, bis sie endlich
nach Wunsch ausfielen.^) Wenn vd isqcc inl zov nQiivov iegehv yiyvevat,
so gilt dies für ein besonders gutes Zeichen.'')
Auch im Frieden kann zu jedem Opfer, namentlich wenn der Staat
es darbringt, ein iidvriq hinzugezogen werden,®) für gewöhnlich aber ge-
nügt der Uqevg^ der, fortwährend mit Opfern beschäftigt, sich auch auf
die Eingeweideschau und die Deutung anderer Zeichen, wie sie beim Opfer
vorkommen konnten, besonders verstehen musste.*) — Ein gutes Zeichen
war es, wenn das Opfertier ohne Sträuben zum Altar hinging, '®) oder gar
vor dem Schlachten mit dem Kopfe nickend gleichsam selbst sich mit
seinem Schicksal einverstanden erklärte, ^^) und man verschmähte es auch
nicht, durch besondere Mittel diese Omina künstlich herbeizuführen.^')
Riss das Tier sich los und lief davon, oder stürzte es gar vor dem
Schlachten tot zu Boden, so wurde dies umgekehrt für ein schlimmes
Zeichen angesehen. '3) Auch aus der Art, wie die Opferstücke verbrannten,
wurde ge weissagt. Besonders achtete man auf die Bewegungen des
Schwanzes während des Verbrennens.^*) Ebenso war es wichtig, wie das
Steissbein^*) und die Galle mit ihrem verschiedenen Feuchtigkeitsgehalt
verbrannte ;!*) die lamiden in Olympia benutzten auch die Häute zur
Weissagung.^*) Auch der Flamme selbst entnahm man Zeichen. Neben
anderen Arten der Hieroskopie hat Prometheus die Menschen auch die
^Xoytand (n^fiata zu verstehn gelehrt, ^®) und wie die Kunst den Flug der
Vögel zu deuten, hat Apollon dem Argonauten Idmon es auch verliehen
ifinvga atjixat' idäa&m, i») Nicht bloss bei den (Sipayia war es ein schlimmes
Zeichen, wenn die Flamme nicht brennen und die Opferstücke nicht ver-
zehren wollte.*®) Auch die Art, wie der Rauch oder Weihrauchdampf
aufstieg, war nicht gleichgültig, '0 und so erforderte denn auch das Auf-
schichten des Holzes auf dem Brandopferaltar Sorgfalt.'*)
») Pkt. Lach. p. 199 A.
«) Xen. Anab. V 6, 29, vgl. Kyrup. I
6, 2.
») Vgl. Thuk. VIT 50.
*) Soph. Oid. Kol. 1429 f.
*) Berod. VI 76. Thuk. V 54. Xen. Anab.
VI 1, 24.
•) Xen. Hell. III 1, 17 flF., IV 1, 22;
Anab. VI 4, 17. Plat. Arist. 18 f.
'') Xen. Anab. VI 5, 2 u. 8.
») Xen. Hell UI 8, 4.
•) Plat. Symp. p. 202 E, Polit. p. 290 C.
»«) Plut. Luculi. 24, Fei. 22. Aisch. Ag.
1298.
") Paton u. Hiokb Inscr. of Cos 37 ZI.
21. Bbchtsl-Collitz III 3636 S. 358 und d.
Bern. S. 359.
><) Flui Quaest. symp. VIIl 8, 8. Schol.
Aristoph. Fax 960. Schol. ApoU. Rhod. I 415.
»») Flut. Pyrrh. 6.
>*) Schol. Arist. Fax 1058, 1054.
»») Aisch. From. 497.
>«) Soph. Ant. 1009 f. £ur. Phoin. 1261
mit Valokbnabbs Anm.
") Schol. Find. Ol. VI 111.
>8) Aisch. Prom. 498.
»•) Apoll. Rhod. I 145
'0) Soph. Ant. 1005 ff. Vgl. Eor. Snppl.
155. Phoin. 954.
*>) Uert. Diog. VIII 20. Apoll. Rhod.
I 437 f.
") Aristoph. Fax 1026.
8. KaltnabeMnte. (§ 42—43.) 59
Wohl in aUen Staaten gab es anerkannte und ständige juarr^ig, die,
wenn sie es für nötig hielten, ausserordentliche Opfer, ^avxixd Ieqü, an-
ordneten. In Athen beobachteten sie, wie wir gesehen haben, die Zeichen
mit den zehn sog. Ugonmoi inl vd ixd^vfiata zusammen.^)
42. Neben diesen üblichen und deshalb wichtigen Arten der Mantik
gab es dann, ebenso wie wir es vorher bei den zufälligen Zeichen ge-
funden, noch unzählige andere, deren sich der Abergläubische zu bedienen
pflegte. Hierhin gehören die (in Eleinasien häufiger vorkommenden)
Würfel- und Buchstabenorakel;') ferner wurden Siebe angewandt, um
Zeichen zu erhalten,^) Eier wurden über Feuer gehalten, und das Bersten
und Ausschwitzen der Schale beobachtet,'^) und noch viele solcher Mittel,
aus denen man die Zukunft erkennen wollte, werden erwähnt;^) ihrer
noch mehr aufzuzählen, wäre jedoch zwecklos.
43. Alle diese Zeichen, die zufälligen wie die absichtlich herbei-
geführten, konnte auch der Laie beobachten und zu deuten versuchen,
aber lieber verliess man sich natürlich auf den fidvTig, und war ein solcher
zu haben, so zog man ihn in wichtigeren Fällen gewiss immer zu Rate.
Er deutete die sich darbietenden Erscheinungen nicht nur sicherer, son-
dern sah auch mehr. Silanos, der Seher des jungem Kyros, erkennt aus
den Opfern, dass in den nächsten zehn Tagen eine Schlacht nicht statt-
finden werde,') Teiresias versteht sich trotz seiner Blindheit auf die
Deutung der Vogel-, Flammen- und anderer Zeichen besser als jeder
andere,^) und als die Schlange die Sperlinge verzehrt und dann ver-
steinert wird, vermag Kalchas allein zu sagen, was das Wunder bedeutet,^)
und zwar O^eonQontwr dyoQevsv,^) Schon hieraus sehen wir, dass die
überlegene Kunst des fiavTig nicht bloss auf seiner grösseren Erfahrung
beruht, die Götter haben ihm vor andern die Gabe der Weissagung ver-
liehen. Diesen Glauben finden wir bereits in der homerischen Zeit. Kal-
chas verkündet, was ApoUon ihm eingiebt,^^) und Helenes vernimmt die
Stimme der ewigen Götter, *>) dass dem Hektor der Tod noch nicht be-
stimmt sei. Gleich Ärzten und Baumeistern sind daher die lidvtsiq ge-
suchte Leute, und man lässt sie sich weither kommen {q 382 ff.). Bisweilen
wird die Kunst vererbt und pflanzt sich Generationen hindurch fort. So ist
schon bei Homer der Seher Theoklymenos ein Sohn des untadligen fidvTig
(A 291) Melampus (o 225), einer seiner Vorfahren heisst Mantios (o 242),
einen andern, Polypheides, hat Apollon zum besten Seher unter allen
Sterblichen gemacht (253), und auch Amphiaraos gehört der Familie an
(244, 252).»*) Später finden wir dann auch ganze Sehergeschlechter er-
') Ariflt. AtheD. Pol. 54. und nqo<pfixBia, Paus. Yll 21, 13. Reisen
«) Pana. VII 25, 6. Schol. Pind. Pyth. im sw. Kleinas. 11 82 f.
— - ^ - " ■ - 6) xen. Anab. I 7, 18.
') Soph. Ant. 998 flF.
») B 300 flf.
») B 322. Vgl. Z 438.
»0) A 72, 385, vgl. 86 f.
") H 53. Vgl. auch B 832.
") Vgl. EoKERMANN Melampns und sein
Geschlecht. Dümmlsb Philol. 1897 S. 8.
IV 387. Vgl. Kaibbl Epigr. gr. 1038 ff. und
Herrn. X 198 ff., XXIU 532 ff. Ebil Herrn.
XXV 813. Reisen im sw. Kleinas. li 224a
bis c S. 174 ff.
») Theokrit. III 3. Luk. Alex. 9, Phi-
loetr. ApoU. Tyan. VI 11 p. 114 Kays.
«) Schol. Aisch. Pers. 185. Lobbck Agl.
410.
^) S. Poll. VII 188. Suid. u. oitayiaxixfj
60
Die grieohiflohen KaltasalteriOmer.
wähnt. Besonders berühmt sind die lamiden^ und Elytiaden*) in Olym-
pia') und die Telliaden, denen wir an verschiedenen Orten Griechenlands
begegnen.^) Verschmähten diese Seher es nun auch nicht, allerlei Zeichen
zu beobachten und aus ihnen zu weissagen, ^ so war doch wichtiger,
was sie aus unmittelbarer göttlicher Eingebung, r^coqoQtjToi, wie Aischy-
los*) von Kassandra sagt, oder ^v&eoi^ ivr^ovaid^ovreq^ vom Gott ergriffen,
verkündeten.') Solche Aussprüche konnten sich auf eine nahe bevor-
stehende Zukunft beziehen, wie die Weissagung des Teiresias (A 100 ff.)
über die Schicksale des Odysseus, der Kassandra über Agamemnons und
ihre eigene Ermordung (Aisch. Ag.) oder auf Ereignisse, die erst in femer
Zeit eintreten sollten.«) Dieser Glaube ward dann Veranlassung, solche
Orakel zu sammeln. Wie die Römer die sibyllinischen Bücher, so besassen
auch die Griechen loyia und XQrfiiiovg^ Orakelsprüche, die Sehern der Vor-
zeit zugeschrieben und zu geeigneter Zeit hervorgeholt wurden.^) Unter
den Namen solcher mythischer Seher begegnen uns Bakis und Musaios am
häufigsten, namentlich bei dem gläubigen Herodot;^^) richtiger wäre wohl
von Bakiden die Rede, da der Name wie Sibyllen einen Gattungsbegriff
bezeichnet zu haben scheint. ^^) Die bedeutendsten solcher Sammlungen
werden sich im Besitz der Staaten und Regierungen oder einzelner Priester-
schaften befunden haben. So besassen die Peisistratiden eine, die später
Kleomenes nach Sparta entführte, ^>) und auch die lakedaimonischen Könige
Hessen die pythischen Orakel aufzeichnen ;>^) aber auch viele Private
rühmten sich im Besitz solcher Schätze zu sein. Aus diesen Büchern
weissagten sie dann, behaupteten daneben aber gewöhnlich auch selber
Seher zu sein und galten denn wohl auch meistens dafür. Ein solcher
XQTjafJioXoyog ist Diopeithes, der vor der Wahl des Agesilaos die Spartaner
vor einem lahmen Königtume warnte, ^^) Amphilytos, der dem Peisistratos
weissagte,*^) und viele andere, die sich nicht immer grossen Ansehens
und guten Rufes ei*freuten,^^) namentlich da die Orakel früh gefälscht
wurden. 1')
Endlich sind die Sibyllen zu erwähnen, zum Teil vielleicht auch
historische Persönlichkeiten.'®) In den ältesten Zeugnissen wird nur eine
genannt, später kennt man viele; am berühmtesten bleibt die von Ery-
•) Find. Ol. VI. Herod. V 44, IX S3.
V. WiLAMowiTz Isyllos 179 ff.
*) Paus. VI 17, 6. Arch. Ztg. 1878
S. 160 ff.
') Vgl. Prblleb-Robbbt Griech. Myth.
J 143, auch £. Curtius Altftre von Olympia,
Abh. der Berl. Akad. 1881 S. 16 ff.
^) Mehr Beispiele bei Schoemaivk Gr. A.
II 308 ff.
*) Vgl. Soph. Ant. 998 ff. Pau8. I 34, 3.
•j Ag. 1140, vgl. 1216.
') Vgl. Plat. Phaidr. 244C, Apolog. VII
22C
"«) Z. B. Herod. VIII 96.
•) Isokr. XIX 5.
^") Vgl. Passow Musaeus, Leipzig 1810.
LoBBOK Agl. 299. Richard Hkndbss oracula
Graeca, quae apud soriptores Graecos Lau-
nosque extant, Halle 1877. Gustav Wolpf
Porphyrii de philosophia ex oracalis hauri-
enda librorum reliquiae, Berlin 1856. Kaibbl
Epigr. gr. 1033 ff. Pomtow De oraculia qaae
extant graecis trimetro iambico compositis,
Berl. Dies. 1881. Rohdb Psyche 851.
^') Arist. Probl. 954a 36. Rohdb Psyche
351 A. 2.
") Herod. V 90.
'•) Vgl. Herod. VI 57.
>^) Xen. Hell. IIJ 3, 8. Plut. Ages. 3.
»») Herod. I 62.
»•) Vgl. Aristoph. Equ. 1085, Veep. 380,
Schol. Av. 988.
*') Herod. VII 6. Lobbox AgL 384.
DiBLS Sib. BL 33.
^«) Vgl. Preller-Robbbt Gr. M. I
8. Kultosbeamte. (g 44.)
61
thrai.^) Völlig zurück traten aber alle diese Weissager und alle ihre
Aussprüche vor der Bedeutung der eigentlichen Orakel, zu denen wir uns
jetzt wenden.
ß. Die Orakel.
44. Alle Zeichen kamen von den Göttern, und sie richtig zu ver-
stehen und zu deuten, war auch nur durch ihre Gnade und Erleuchtung
möglich. Sprach sich in diesem Glauben oder Aberglauben schon die
Überzeugung aus, dass die Himmlischen in liebevoller Besorgnis für den
Sterblichen gern bereit seien, ihm durch Rat und Warnung zu nützen,*)
so lag der Gedanke nicht fern, dass gewisse Stätten besonders von ihnen
ausersehen und bestimmt seien, wohin der Zweifelnde sich wenden, und
wo er ihre Stimme stets vernehmen konnte.') Das sind die fiavteia,
Orte, wo geweissagt wird, oder wie sie auch heissen, xQ^^'^W^y Stätten,
wo man roTg O^eoTg xqilcx^ai^ sich XQr^aiiov(; holen kann.*) Wir nennen
sie Orakel.
Kein Gott ist geeigneter und fähiger, Orakel zu geben, als Zeus,
der schon bei Homer Ilavofi^aTog heisst,^) dessen Auge alles sieht ^) und
dessen Gedanken so tief sind, dass kein Seher sie ganz ergründet.'') Ihm
gehört das älteste griechische Orakel, von dem wir Kunde haben. Als
Achilleus den geliebten Freund in den Kampf sendet, ruft er Zeus an,
den ferne wohnenden, der in dem winterlichen Dodona waltet, wo die
Seiler umherwohnen, die Hypopheten des Gottes, welche ihre Füsse
nicht waschen und auf dem Erdboden ruhen, ^) und von Odysseus heisst
es,*) dass er nach Dodona gegangen sei, um dort aus der hochragen-
den Eiche des Zeus den Willen des Gottes zu vernehmen. Dies Dodona
lag in Epeiros»®) am Fusse des Berges Tmaros oder Tomaros.»^ Es
war ein Zeichenorakel; aus dem Rauschen der Zweige entnahm man
den Willen des Gottes, den man sich wohl im Baume selbst gegenwärtig
dachte, >*) und die Priester deuteten die Töne und verkündeten den Fra-
') Prbllbb Robbrt a. a. 0. Bubesch
Athen. Mitt XVII 16 ff. £. Maass De 8i-
byllamm indicibus. Boüch^-Lsclbjioq II 33 ff.
Elausbn Aeneas u. d. Penaten I 203 ff. Ora-
cula Sibyilina ed. Alexandre Paris 1841.
Dibls Sibyllin. Blfttter Berl. 1890.
*) Vgl. Plut. De El ap. Delph. 1.
»j Vgl. Xen. Mem. I 1, 6.
*) Vgl. Ephoros bei Strabo IX 422.
») e 250 Vgl. X 280.
•) Hes. Erg. 267.
^) Hea. Frgm. 196 Marksch.
•) n 23:3 ff. DOmmlbb Philol. 1897 S. 6.
•) I 827. T 296.
'*) Man hat es auch in Thessalien ge-
sucht Vgl. Wblckbr Griecb. Götterlehre I
199. Uhgbb Philol. XX 577 ff. Bergk Fhilol.
XXXri 126. Nibsb Rhein. Mus. XXXII 288.
ScHOBMANN Gr. A. II 327.
>'^ Litteratur: Gabafanos Dodone et
ses nunes, Paris 1878. Roberts Joum. of
Hell. Stad. I 228 ff. Unobr Philol. XXIV
390 f. V. WiLAMowiTZ Antigonos v. Karystos
185 A. Wachnig De oraculo Dodoneo, Bres-
laa 1885. Bouchj^-Lbolebcq a. a. 0. II 277 ff.
0. Hoffmann Die Orakelinschr. von Dodona
in griech. Dialektinschr. von Bathtagk etc.
I 91 ff. H. PoMTOw Jahrb. f. Phü. 1883
S. 345 ff. Wiesbleb Götting. Nachr. 1879
S. 1 ff. Wiedemann Herodot II Leinz. 1890
S. 246 f Von älteren Arbeiten v. Lasaülx
Das pelasgische Orakel des Zeus zu Dodona,
1841. Gbrlach Dodona, Basel 1859. Vgl.
auch Stützle Das griech. Orakelwesen, Progr.
des Gyronas. zu Ellwangen 1887 u. 1891, und
Ober d. Orakel u. d. Mantik überhaupt Deh-
ler in der Sammlung v. Vibchow u. v. Hol-
tzbndorff 1872 Heft 150.
i>) Ues. Frgm. 149 Marksch. B6ttiohbb
Baumkultns 111. Der Baum wird bald ^gvg,
bald fprjyog genannt; es war eine Eiche
(Pbeller u. Dodona in Pault's Realency-
klopädie II 1191).
62
Die griechisohen Knltusaliertllmer.
genden die Antwort. Zu Herodots Zeit gab es dort auch drei weis-
sagende Priesterinnen,*) nQOfxdvneg^) oder TT^oyijnJ«^,^) doch haben
die Priester daneben niemals gefehlt.^) Seit dem vierten Jahrhundert
ist auch von einem dodoneischen Becken, das die Kerkyraier gestiftet
haben, und von xXrjgoi die Rede.^) Eine eherne Geissei, die ein Knabe
hielt, wurde vom Winde in Bewegung gesetzt und schlug dann gegen
das metallene Becken; 7) ob aber auch aus diesen Klängen prophezeit
wurde, ist ungewiss. Ebenso ist unsicher, ob aus dem Murmeln der wun-
derbaren Quelle, die am Fusse der Eiche äoss,^) ge weissagt wurde, ^)
oder ob die Priester sich aus ihr wie an andern Orten Begeisterung
tranken. ^^) Dodona blieb das bedeutendste Zeichenorakel in Griechen-
land. Kroisos hat es beschickt, ^i) Athen und Sparta haben es wiederholt
von Staatswegen befragt,'*) und unter den erhaltenen Fragetäfelchen be-
findet sich auch eines von der Stadt Tarent.*') Viele Jahrhunderte hat
sich das Orakel des grössten Ansehns erfreut. Am Ausgang des dritten
zerstört, ■^) wurde es zwar wieder aufgebaut, bestand aber nicht mehr lange.
45. Fast ebenso berühmt wie Dodona war das Orakel des Zeus
Ammon in Libyen, in der Oase Siwah, unfern von Kyrene gelegen, wo
ebenfalls aus Zeichen geweissagt wurde. ^^) Eigentlich ist es also kein
griechisches Orakel, doch dürfen wir es hier nicht übergehen, denn es
hatte die grösste Bedeutung für Griechenland. Niemals fehlt es, wo die
wichtigsten griechischen Orakel aufgezählt werden; Delphoi, Dodona und
das ammonische Orakel ist die immer wiederkehrende Dreizahl. '^) Ammon
war von den Griechen früh mit ihrem Zeus identifiziert worden, ^^) und
man dachte sich offenbai* in Dodona und in Libyen denselben Gott Orakel
erteilend;'®) durch die Kyrenaier war das Orakel bekannt geworden, und
wenn wir Herodot (I 46) Glauben schenken dürfen, war sein Ruhm schon
im sechsten Jahrhundert so verbreitet, dass der lydische König Kroisos
auch zu ihm sandte. Sparta, Elis, Theben'^) standen früh in Beziehungen
zu ihm, und auch Kimon soll es kurz vor seinem Tode befragt haben,*®)
am berühmtesten aber wurde es durch den Zug Alexanders des Grossen.'')
Die Art der Weissagung wird uns von Diodor (XVII 50) und Curtius
(IV 7, 24) am deutlichsten beschrieben. Priester trugen das Bild des
Gottes auf den Schultern, eine grosse Prozession folgte, Frauen und Jung-
») Vgl. al TfQoa^yoQoi dQveg Aisch. Prom.
832, TToXvyXtijfov dqvog Soph. Trach. 1168.
») Herod. II 54. — Über den Namen Pe-
leiaden pRSLLfiR-RoBBRT Gr. Myth. 1 125 A. 1.
«) Vgl. Paus. X 12, 10.
<) Strab. VII 328.
») Strab. IX 402 und die Inschriften bei
Cabapanos a. a. 0. PI. XXIV— XL p 68 f.
*) Prbllbr-Robebt a. a. 0. 1 124
') Strab. excerpt. VII 329.
•) Plin. Nat. bist. II 2
A. 3.
•) Plin. Nat. bist. II 228.
•) Serv. zu Verg. Aen. III 466.
»0) ScHOBMAiw Gr. A.» II 329.
»») Herod. I 46.
") Xen. De vect. VI 2. Paus. VIII 11
Ende. Plut. Phok. 28. Demosth. XXI 52
p. 581.
») Cabapanos 70, PL XXXIV n. 1.
") Polyb. IV 17.
'') Parthbt Das Orakel und die Oase
des Ammon. Abb. der Berl. Akad. 1862. £
Plew Programm von Danzig 1876 S. 15 if.
Boüch^-Leclercq II 838 ff.
»•) Plat. Leg V 738 C. Aristopb. Av.
716. Cic. De div. I 1, I 48.
") Vgl. Plew a. a. 0. 18 ff.
») Vgl. Herod. II 55 ff
'•) Paus. III 18, 8; V 15, 11 ; IX 16, 1.
S. aucb [Plat.] Alk. II p. 148.
") Plut. Kim. 18.
") Arrian Anab. VI 3,2. Vgl O. Hirsoh-
FELD Abb. der Berl. Akad. XXXV (1888) 834.
d. Kultasbeunte. (§ 46-47.)
63
frauen sangen einheimische Lieder. Aus den Schwankungen und Be-
wegungen des Bildes erkannte der ngognijTrjg den Willen des Gottes und
verkündete ihn den Fragenden.
46. Unter den Zeusorakeln ist dann noch wichtig das olympische,
das freilich an Bedeutung jenen beiden auch nicht annähernd gleichkam
und von Staatswegen nur selten befragt worden zu sein scheint.^) Hier
wurde aus Opferzeichen geweissagt, und das Sehergeschlecht der lamiden,")
das die Mantik ausübte, vermochte aus den Zeichen mehr zu erschli essen,
als dies der gewöhnlichen Hieroskopie möglich war.^) Dass das Orakel
namentlich zu der Zeit der grossen Spiele in Anspruch genommen wurde,
lässt sich denken.^)
47. Alle diese Zeusorakel überstrahlte derOlanz des Apollonorakels
zu Delphoi.^) Bei Homer sendet Zeus die meisten d^fiara und ragata^
ApoUon lehrt den Ealchas^) und Polypheides (o 252) die Kunst, Zeichen
zu erkennen und zu deuten und aus ihnen auf Ursache^) und zu er-
wartende Folgen zu scbliessen, aber bald gilt auch in anderem Sinn /^log
nQo^ijrr]g itfil Ao^iaq narQog:^) ApoUon wird selber zum Orakelgott, und
zwar xat' i^oxriv. Seit dionysisches Wesen in seinen Kult eindringt,^®)
begeistert er die Seher,*') dass sie in Ekstase prophezeien**) und nach
dieser Richtung hin scheidet und entwickelt sich immer mehr der Ein-
fluss und die Bedeutung beider Götter für die Mantik: Zeus gehören die
bedeutendsten Zeichenorakel, Apollon die Spruchorakel, der Wille des
Zeus wird aus Zeichen und Erscheinungen erkannt, Apollon spricht durch
den Mund des von ihm erfüllten Propheten. Kassandra ist von ihm zur
Seherin gemacht, und zur eigenen Qual muss sie sehen und sagen, was
sie doch nicht wenden kann, und in dem Kallimachischen Hymnos (in
Del. 89) wird Apollon angerufen: Zwinge mich nicht, gegen meinen
Willen zu weissagen.
Homer kennt Weissagungen in Ekstase noch nicht,*') wohl aber das
pythische Orakel. Agamemnon ist hingegangen, um es über den Ausgang
des Krieges zu befragen, und Apollon hat ihm geweissagt, die Erfül-
lung sei nahe, wenn die Besten im Heere in Streit gerieten.*^) / 405
werden die wohlgefüllten Schatzkammern der felsigen Pytho *^) erwähnt.
Bou-
Strab. VUI 353. Paus. V 14, 8.
OBi-LsCLBBCQ II 332 ff.
•) Vgl. Plut. Agea. 11. Xen. HeU. IV 7, 2.
') Vgl. die iDSchriften Olymp. V 102 ff.
Neben ihnen fangieren die Klytiaden als
*) Find. Ol. VIfl 3. Vgl. Schol. Find. Ol.
VI 111 and 119. Cübtiub Die Altäre von
Olympia, Abb. der Berl. Akad. 1881 S. 14 ff.
*) Vgl. Paaa. VI 8, 2. Fhilostr. Her. II
6 p. 293.
*) Litteratur: Fbbllbb in Fault's
Realencyklopädie II 900 ff. Schobmann a. a.
O. II 311 ff. Prbllbb-Robbbt Gr. Mvth. I
285 ff. G. WoLFF De novissima oracaloram
aetate, Berlin 1854. GöTTLnrG Ges. Abhandlgg.
n. BouoH^-LsoLBBoq a. a. 0. III 39 ff. A.
MoMMSEN Delphica, Leipzig 1878. H Fomtow
zur Topographie von Delphi, Berlin 1889.
Eblikoeb De Apoll, et orac. eins Delph.,
Emmerich 1870. Gbuppb Hdb. V 2. 1 10 ff.
^) A 72, 86 f., 386.
*) ta nqo r* idytOy das in geringerem
Masse jeder Klage und Weise kennt
») Aisch. Eum. 19. Vgl. 616 ff. Hymn.
in Apoll. Del. 132. Fiat. Rep. 4270. Auch
Serv. zu Verg. Aen. I 20.
»«) RoHDB Fsyche 344 f.
") Vgl. Fiat. Apol. VII C; Fhaidr.
p. 265.
•») Vgl. Faus. I 34, 3.
") Über Od. t; 345 ff. s. Rohdb Fsyche
11 u. 344 A. 3.
^*) & 77 ff.
"^) Vgl. B 519.
64
Die grieohisohen KnltiUMltertttnier.
und man darf daraus wohl den Schluss ziehen, dass das Orakel schon
damals häufig aufgesucht wurde. ^) Dass schon in homerischer Zeit eine
Seherin in Pytho weissagte, ist nicht anzunehmen, auch der homerische
Hymnos auf den pythischen ApoUon erwähnt ihrer noch nicht, viel-
leicht war es ein Losorakel, das unter dem Schutze Apollons stand.*)
Schwerer wird zu entscheiden sein, ob in noch älterer Zeit hier wirklich
ein Erdorakel bestanden hat,^) oder ob die Sagen von der Tötung des
Drachen und der Verdrängung der ersten Besitzerin des Orakels nach-
homerisch sind^) und nur veranlasst durch die Thatsache, dass das Adyton
des Tempels sich über einem Schlund befand, dem kalte, aus dem Erd-
innern aufsteigende Dämpfe entströmten, die den, der sie einatmete, in
ekstatische Erregung versetzten.^) Die Sage von der Gründung des
Heiligtums giebt am ausführlichsten der homerische Hymnos auf ApoUon.
Nach ihm ist ApoUon selbst der Stifter. Lange sucht der Gott nach einer
passenden Stätte, bis er in die krisäische Ebene am Fuss des Parnass
gelangt. Auf einem Felsplateau in der Schlucht von Delphoi lässt er von
Trophonios und Agamedes den Tempel erbauen, nachdem er zuvor die
den Ort hütende Schlange mit seinem PfeUe erlegt. Delphingestalt an-
nehmend schwimmt er zu einem Schiff kretischer Männer, das gerade
vorbeifährt, lenkt es nach Krisa, giebt sich den Schiffern als Gott zu er-
kennen, befiehlt ihnen, ihm einen Altar als Delphinios«) zu errichten, und
heisst sie seines Heiligtums warten. Dass der Gott sich erst durch die
Erlegung einer Schlange'') das Orakel erobert, deutet auch darauf hin,
was die delphische Legende, die von einem Zusammenhange mit Kreta
nichts weiss, mit einfachen Worten überliefert: das Orakel habe erst der
Ge, dann der Themis, darauf der Phoibe gehört, und von dieser habe es
endlich ApoUon erhalten.^) Beide Sagen wollen erklären, wie ein fiartitov
Xx^oviov,^) das ursprünglich nur Eigentum der Erdgöttin gewesen sein
konnte, in den Besitz Apollons gekommen sei^ Aber bewiesen wird auch
dadurch nur, dass man im Altertum an ein ehemaliges Erdorakel glaubte,
nicht seine Existenz.
Der alte Tempel brannte im Jahr 548 ab^^') und wurde im Auftrag der
Amphiktionen von den aus Athen verbannten Alkmeoniden aus Stein
wieder aufgeführt. ^0 I^ ersten Drittel des vierten Jahrhunderts aber
warf ihn ein Erdbeben in Trümmer. Den neu aufgerichteten zerstörten im
Jahre 83 die Barbaren, die nach SuUas Weggang Delphoi überfielen, und
erst Nero liess den Tempel 67 neu aufbauen.") Von dem Reichtum und
der Pracht des Heiligtums können wir uns eine Vorstellung machen, wenn
») Vgl. Hymn. in Merc. 178 flf.
«) RoHDB Psyche 345.
») So RoHDB 124 f. Vgl. A. MOMMSBN
Delphica 1 ff., 78 ff. Stützlb a. a. 0. 1891
S. 7 ff.
*) Eu. Mbtbb Gesch. des Altt. II 432.
«*) Cic. De div. I 36 § 79, Strab. IX 419.
Diod. XVI 26. Justin. XXIV 6. Vgl. Babdb-
keb's Griechenland 134 ff., Mommsen Del-
phica 12 f. LoLLiNo Hdb. III 131.
*) Der Name Delphoi findet sich zuerst
Homer, hymn. XXVII 14 Baum, und bei He-
rakleit Frgm. bei Flut, de Pyth. or. 21.
») Vgl. Robdb Psyche 125.
8) Aisch. Eum. Anf. Vgl. Paus. X 5, B.
•) Eur. Iph. T. 1249. Kallim. Frgm. 864
und mehr bei Th. Schbbibbb Apollo Pytho-
ktonos 3.
»•) Herod. TI 180, V 62.
»»j Arist. Ath. Pol. 19.
»«) PoMTOW Rhein. Mus. 1896 S. 329 ff.,
1897 S. 105 ff.
d. KnltiMbeamte. (§ 47.; 65
wir hören, das8 die Phoker 10,000 Talente blossen Metallwertes dort
fanden, und Plinius doch noch etwa 3000 Statuen in Delphoi zähltet)
Pausanias (X 11, 1) fand zwar die Schatzhäuser leer, aber noch unend-
lich viele Zeugen der alten Pracht, und der herrliche Dreifuss, das Weih-
geschenk der Hellenen nach ihrer grössten That,') stand dort, bis ihn
Konstantin entführte. (Taf. m Fig. 3.)
unter den zahlreichen priesterlichen Beamten sind ausser dem tvqo^
^trfi namentlich die fünf otrioi^) zu nennen, später auch Prytanen und
Archonten, über deren Thätigkeit die jetzt durch die Ausgrabungen der
Franzosen zu Tage geförderten Inschriften allmählich Licht verbreiten.
Im Adyton des Tempels, in das die Eassotis hinunterströmte, stand
über dem Schlünde ein gewaltiger vergoldeter Dreifuss, auf dessenBecken
eine kreisförmige, durchbrochene Scheibe (olfjLog) lag, worüber der Sitz
für die Pythia angebracht war.^) Davor lag der ofiipaXog^ ein kuppel-
förmiges Bauwerk, unter dem der Python begraben liegen sollte,^) später
für den Mittelpunkt der Erde erklärt, wo einst die beiden von Zeus aus
Ost und West ausgesandten Adler zusammengetroffen waren. ^) Zu beiden
Seiten standen goldene Adlerbilder, die bei der Plünderung durch die
Phoker auch geraubt wurden.^)
Die Seherin, welche die Orakel verkündete, soll in älterer Zeit
eine Jungfrau in der Blüte der Jahre gewesen sein, später aber, da einer
einmal Gewalt angethan war, wurden nur ältere Personen zu diesem Amte
gewählt.^) Diese Sitte bestand vielleicht schon zur Zeit des Aischylos.^)
Natürlich musste die Erwählte untadliger Herkunft, Jungfrau und von
gutem Rufe sein, Adel und Vornehmheit waren vielleicht, auch als die
Blüte des Orakels ihren Höhepunkt erreicht hatte, nicht erforderlich; zu
Plutarchs Zeit war die Pythia eine einfache Landmannstochter. ^®) Ur-
sprünglich sollen nur einmal im Jahr Orakel gegeben worden sein, im
Monat Bysios,^>) dann aber wurde das Orakel so sehr in Anspruch ge-
nommen, dass zwei Pythien sich fortwährend ablösten, und noch eine
dritte zur Aushilfe bereit war; zu Plutarchs Zeit genügte es bereits wieder,
dass monatlich einmal Orakel erteilt wurden. ^^) An Unglückstagen,
r^fisQai a7io(pQdiBq, durfte die Pythia niemals den Dreifuss besteigen,*')
aber auch sonst musste durch Opfer und andere Zeichen erforscht werden,
ob der Tag zum Orakelgeben günstig sei.^^) War dies der Fall, so begab
sich die Pythia, nachdem sie zuvor Reinigungen vorgenommen hatte, i^)
in goldenem Haarputz und langem Gewände^") ins Adyton, trank aus der
») Nat. bist. XXXIV 17.
») Herod. IX 80. Paus. X 18, 5.
>) Plut. De def. or. 49.
^) Diod. X7I 26. Strab. IX 419. Bbön-
8TBD Reisen und Unteres, in Griechenland
I 115 ff. MüLLBB de tripode Delpbico, Diss.
Gott 1820. WiBSBLER Abbndlgg. der Gott.
Gesellsob. der Wissenscb. Bd. XV 221 ff.
«) RoBDE Psycbe 123 f.
•j Find. Pytb. IV 4 mit Scbol. Pytb. VH
184, Vni 85. Aisch. Sept. 747. Plat. Rep.
427 C. Paus. X 16, 2. Strab. IX 420. Maass
Aratea (Pbilol. Untersucb. XII) 177 A. 12.
Abbildung bei Roohette Mon. in^d. T. 87.
Vgl. BöTTiCHBR Omphalos, Berlin 1859 S. 8.
n Diod. XVI 30 ff
•) Diod. XVI 26
«) Eum. 38. Vgl. Eur. Ion 1339.
*o) Plut. De def. or. 51. De Pytb. or. 22.
*') Plut. Quaest. graec. 9. A. Mommsen
Delpb. 18 f. RoHDE Psycbe 349 A.
»«) De def. or. 9. Quaest. gr. 9.
»») Plut. Alex. 14.
") Eur. Ion 421. Plut. De def. or. 51.
") Schol. Eur. Pboin. 230.
") Plut. De Pytb. or. 24.
Hftndbiioli der UaaB. AltertaxoBwiaBeiuchaft. Y, 3. 2. Aufl. 5
66
Die grieohisohen Knltasalteriaiiier.
Eassotis,^) nahm Lorbeerblätter in den Mund und kaute sie*) und bestieg
den Dreifuss.^) Neben ihr stand der ngogfrJTtjg^*) dem die Fragen münd-
lich oder schriftlich mitgeteilt wurden.*) Die Fragenden {^soTtgonoiy)
trugen einen Lorbeerkranz;^ ihre Reihenfolge bestimmte das Los,^) so-
fern nicht einem von ihnen das Recht der ngoftaweta, des Vortritts, zu-
stand.^) Durch die gasartigen Ausdünstungen, die aus dem Schlünde
aufstiegen, wurde die Pythia in Ekstase versetzt und sprach nun mehr
oder weniger zusammenhängende Worte, die dann von den Propheten in
oft recht schlechte Hexameter, i®) später auch in andere Versmasse *0 g^
bracht und den Fragenden mitgeteilt wurden. Bisweilen wurden die Ant-
worten auch in prosaischer Form gegeben.^*) Oft muss sich die Pythia
in einem Zustande befunden haben, der sie unzurechnungsfähig machte,^')
und die Priester mussten dann sehen, was sie aus ihren Worten und
Ausrufen machen konnten. Absichtlicher Betrug aber wurde gewiss selten
verübt. Vereinzelte Fälle kamen ja vor,^^) und einmal hören wir sogar,
dass eine Pythia abgesetzt wurde, weil sie bestochen ein falsches Orakel
gegeben haben sollte, i*) aber im allgemeinen haben in der Blütezeit des
Orakels sicherlich die Pythia wie die Priester selber geglaubt, dass der
Gott durch sie spräche, und wenn die klugen Männer, die meistens auch
über die Verhältnisse der Fragenden wohl unterrichtet gewesen sein werden
auch alle Vorsicht anwandten und gern dunkel und zweideutig blieben, ^<^)'
wo sie ihrer Sache nicht sicher waren, so wäre doch das ungemeine An-
sehn, dessen sich das Orakel Jahrhunderte lang erfreute, gar nicht zu
erklären, wenn man häufigen Betrug voraussetzen wollte. Lysandros
machte in Delphoi, Dodona und bei dem ammonischen Orakel Bestechungs-
versuche, aber überall wurde er abgewiesen und schliesslich verraten, ^^
und aus dem Vorwurf des erbitterten Patrioten Demosthenes rj Uv&ia
(piXinmXei^^) dürfen wir auch noch auf keine Unredlichkeit schliessen.*»)
Manche Verdächtigung ist gewiss auf die Sonderinteressen und den Parti-
kularismus der griechischen Stamme zu schieben, denen gegenüber Delphoi
ge Wissermassen international oder neutral war,*») aber freilich änderten
sich ja auch die Zeiten und mit ihnen die Autorität des Orakels.
Der Einfluss von Delphoi ist zwar von neueren zum Teil überschätzt
und auch auf Dinge ausgedehnt worden, mit denen das Orakel nichts zu
») Hermot. 60.
*) Lak. Bis accus. 2.
») Diod. XVI 26.
<) Plut. De def. or. 49. Cf. Herod. VIII 36.
*) GöTTLiNO Ges. Abhndlgg. II 59. Vgl.
Cabapanos a. a. 0. p. 36 flf., Fragetäf eichen
von Dodona.
•) Herod. I 67. Plut. Kim. 18.
') Liv. XXIII 11.
") Aisch. Eum. 32.
•) Herod. I 54. Plut. Perikl. 21. Dit-
TENBEBOER SvlI. 323, 8. Athen. Mitt. VII 72
ZI. 36 flf., XIV 34. Zahlreiche Proxenie-
dekrete, die den Geehrten das Recht der
Promanteia verleihen, z. B. Bull, de corr. V
402 ff., VI 221 ff.
'0) Vgl. Plut. De Pyth. or. 5.
»M Cic. De div. II 56 § 116.
") Plut. IIbqI xov fxrj XQ*^^ IfJtfABXQa yvy
Ttjy nv&iay, Schol. Thuk. II 8.
>") Plut. De def. or. 51.
") Vgl. z. B. Herod. V 68.
") Herod. VI 66.
") Vgl. Cic. De div. II 56. Stützlb
a. a. 0. 1891 S. 87 f.
") Diod. XIV 13. Plut Lys. 25.
'^) Plut. Dem. 20. Aiscfain. III 130. Cic.
De div. II 57 § 118. Ein anderes, aber auch
nicht verbürgtes Beispiel Thuk. V 16.
") Vgl. DöHLER a. a. 0. 15 ff.
") Vgl. ScHOEMAMN Gr. A.» II 46 f.
8. KnltuBbeamte. (§ 48.)
67
thun hatte, doch ist er in der That ausserordentlich gross gewesen.^)
Ohne den Rat des Gottes pflegte man keine Kolonie auszusenden,^) die
berühmtesten Gesetzgebungen wurden auf seine Einwirkungen zurück-
geführt,-*) die wichtigsten politischen Fragen durch die Aussprüche der
Pythia entschieden, b) vor allen Dingen aber holte man seinen Rat und
seine Entscheidungen in religiösen und auf den Kultus bezüglichen Fragen
ein.^) In Athen und in andern Städten hatte das Orakel seine Exegeten,
die die Sprüche auslegten und in Fragen des Familien- und Geschlechter-
rechtes, vor allem aber wenn es sich um Sühnungen handelte, Rat und
Auskunft gaben. Doch auch bei drohenden Himmelserscheinungen oder
in Zweifeln, wie sie die Vorkommnisse des Lebens mit sich brachten,
wandte man sich an sie,'') wenn man es nicht vorzog, das Orakel selber
zu beschicken.^) Auch im Auslande war das Orakel früh berühmt. Schon
König Midas von Phrygien soll es befragt haben, Gyges von Lydien sandte
Geschenke,^) Alyattes schickte hin,^^) und Kroisos wandte sich wieder-
holt mit Anfragen nach Delphoi, stiftete unglaubliche Schätze in das
Heiligtum, steuerte zum Bau des neuen Tempels bei und beschenkte auch
die Priester. 1 9 Aus Magnesia am Maiandros schickte man hin, als ein
Prodigium die Stadt geängstigt, um sich Rats zu erholen. ^^) Aber auch
nach dem Westen hin war sein Ruhm gedrungen. Das etruskische Caere
hatte eine eigene Schatzkammer in Delphoi, ^^) Tarquinius Superbus sandte
seine Söhne hin,^^) Q. Fabius Pictor führte eine ganze Gesandtschaft
hin,**) und noch Cicero befragte es.*«) Unter Nero, der über dem heiligen
Schlund Menschen schlachten liess,*'') stellte das Orakel eine Zeitlang
seine Thätigkeit ein, ganz verstummt scheint es erst unter Konstantins
Regierung zu sein.*®)
48. Neben diesen drei bedeutendsten gab es nun noch zahllose andere
Orakel, deren Ansehn sehr verschieden war, vor allem in Boiotien und
an der kleinasiatischen Küste. Eins der berühmtesten war das Apollon-
orakel zu Didymoi bei Milet, nach der Familie, in deren erblichem Besitz
es sich befand, gewöhnlich das Branchidenorakel genannt. Der Tempel,
dessen gewaltige Ruinen österreichische Ausgrabungen soeben blossgelegt
haben, gehörte zu den grössten und schönsten des Altertums.^o) Auch
') Vgl. Bernhabdt Griech. Litgesch. I
398. E. CüBTiüB Griech. Gesch.« I 543 ff.
<) Vgl. ScHOEMANK Gr. A. TI 43 ff.
Pbkllbb in Pavlt's Realenc. II 907 f.
») Cic. De div. I 1. Herod. V 42. Thuk.
III 92.
*) Plat. Leg. I Anf. Plut. Sol. 14. Schol.
Find. Ol. X 17.
») Herod. VI 52. Thuk. I 25, 28, 118.
Paus. III 1, 5. Plut. Arist. 11.
•) Xen. Mem. I 3, 1. Plat. Leg. VI 759C;
Aristot. Ath. Pol. 21. Paus. VI 9, 3; X 10, 1.
DiTTBNBBRGER Syll. 13, 4. BuU. de corr. XIII
434 ZI. 47 eleus. Inschr. Vgl. Jacobs Verm.
Schrr. III 355 ff.
') Plat. Kuthyphr. 4C. Leg. VI 739C.
B. ScHOELL Herrn. VI 36.
») IDemosth.] XLIII 66 p. 1072.
•) Herod. I 13 f.
»») Herod. I 19.
") Herod. I 46 ff.
*') Eebn Beitr. zur griech. Philos. und
Relig. Berlin 1895 S. 80 ff.
»«) Strab. V 220.
") Liv. I 56.
") Liv. XXU 57, XXIII 11.
*•) Plut. Cic. 5.
•») Cass. Dio LXIII 14.
'8) Vgl. G. WoLFF De nov. or. aet. p. 9.
»«) Herod. VI 19. Paus. VII 2, 4. Vgl.
Gelzeb De Branchidis. Schoenbobn Über d.
Wesen des Apollon und die Verbreitung
seines Dienstes, Berl. 1854. Gruppe Hdb.
V 2, 287 f.
«0) Arch. Anz. 1896 im Jahrb. XIT 64 ff.
Rekonstruktion Taf. 11 Fig. 1.
5*
68
Die grieohisohen Enltnsaltertfimer.
hier weissagte eine Priesterin, nachdem sie sich aus einer Quelle Begeiste-
rung getrunken, und ein Prophet teilte ihre Aussprüche den Fragenden
mit.^) Es wird auch unter den Orakeln genannt, die Eroisos beschickte,^)
und noch Seleukos sandte reiche Gaben hin.')
Auch das klarische Orakel bei Kolophon,^) das Manto, die Tochter
des Teiresias, einst auf ApoUons Befehl gestiftet haben sollte^) und das
zu Patara in Lykien^) zählen zu den bedeutenderen. — Im eigentlichen
Griechenland ist dann besonders noch das Apollonorakel zu Abai in Phokis
zu nennen, an das sich auch bereits Eroisos gewandt hatte, ^) und das
sich durch seine Reichtümer und Weihgeschenke auszeichnete;*) ferner
das des ptoischen Apollon bei Akraiphia in Boiotien,^) eines zu Tegyra
bei Orchomenos,^^) und das des ismenischen Apollon zu Theben. ^^) In
Argos gab es im Heiligtum des Apollon Deiradiotes eine Wahrsagerin,
die sich durch den Genuss von Opferblut in Ekstase versetzte.") — Die
andern apollinischen Orakel, die uns noch genannt werden, haben wohl
nur eine lokale Bedeutung gehabt, und es ist überflüssig, hier Namen zu
häufen, denn viel mehr als die Namen wissen wir von ihnen nicht.'*)
49. Sehen wir zum Schluss noch, welcher Art die Fragen waren,
die man diesen Orakeln vorzulegen pflegte. Es wäre ganz verkehrt, zu
glauben, dass sie nur von Staaten und Eönigen in wichtigen politischen
oder in Angelegenheiten des Eultus zu Rate gezogen wurden. Selbst das
Orakel von Delphoi wird verhältnismässig wenig mit solchen Fragen zu
thun gehabt haben. Dass die Schriftsteller von ihnen häufiger sprechen,
und die hierauf bezüglichen Antworten des Orakels sich im Gedächtnis
erhielten, liegt nur daran, dass dies eben wichtige Sachen von allgemeinem
Interesse waren. **) Gelegentlich aber erfahren wir doch auch, mit wel-
chen Anliegen sich Privatpersonen an die Orakel zu wenden pflegten, und
zwar auch an die bedeutendsten zu einer Zeit, wo sie im höchsten Glanz
standen. Chairephon fragt in Delphoi, ob es einen Weiseren gebe als
Sokrates,**) Xenophon, welchen Göttern er opfern solle, um aus dem Feld-
zug, den er mitzumachen beabsichtige, wohlbehalten und glücklich heim-
zukehren,'^) Glaukos, ob er ihm an vertrautes Geld, dessen Veruntreuung
nicht nachzuweisen wäre, zurückerstatten solle ;^') bei dem Branchiden-
Orakel wird angefragt, ob man einen fremden Flüchtling, der sich im Ver-
trauen übergeben habe, ausliefern dürfe;'*) die merkwürdigsten Fragen
aber haben sich auf den Bleitäfelchen, die man bei den Ausgrabungen in
1) Jamblich. De myst. III 11.
<) Herod. I 46.
") CIG 2852.
*) Strab. XIV 642. Paus. VII 3, 1. Tac.
Ann. II 54. Buresch Elaros untersuch, zum
Orakel wesen des späteren Altt. Leipz. 1889.
^) Bbthb Theban. Heldenlieder 37 ff.
•) Herod. I 182. Paus. IX 41, 1. Hebbb-
DEY Opramoas, Wien 1897, nr. 55 (2. Jahrh.
n. Chr.).
») Herod. I 46. Vgl. Soph. Oid. Tyr. 899.
8) Herod. VIII 33.
•) Herod. VIH 135. Paus. IX 23, 3.
»«) Plut. De def. or. 5, Pelop. 16.
»0 Herod. I 52, V 59 ff. Paus. IX 10.
»«) Paus. II 24, 1.
*') Eine kleine Sammlung s. bei Schob-
mann Gr. A.* II 323 ff. Vgl. auch Lbbbqub
Revue archöol. VII (1886) 245 ff.
^*) Über die grosse Zahl der Kultus-
orakel PoMTow Jahrb. f. Phil. 1883 S. 358 f.
»*) Plat. Apol. V § 21.
>•) Xen. Anab. HI 1, 6.
•') Herod. VI 86. Vgl. v. W^ilamowitz
Isyllos 13 f.
'») Herod. I 157 ff.
2. Knltaabeamie. (§ 49—50.)
69
Dodona gefunden hat, erhalten, i) Da erkundigt sich einer, ob das Eind,
mit dem seine Gattin schwanger gehe, auch wirklich von ihm sei,^) ein
anderer, wer ihm seine Polster gestohlen habe,') ein dritter, ob es ihm
Gewinn bringen würde, wenn er Schafzucht triebe,*) eine Frau, welchen
Göttern sie opfern müsse, um zu genesen,^) Eltern, ob es besser für ihr
Kind wäre, wenn sie es so oder so mit ihm machten^) u. s. w. Wenn
die angesehensten Orakel sich herbeiliessen, auf solche Fragen Antwort
zu geben, so kann man sich denken, dass die kleineren wohl selten in
wichtigeren Angelegenheiten angegangen worden sind. Die Antworten
sind allerdings fast sämtlich verloren, wie natürlich, da die Fragenden
die Täfelchen, auf denen sie verzeichnet waren, mit nach Hause nahmen,
und sie so in alle Welt verschleppt wurden. Einige, die das Trophonios-
orakel in Lebadeia erteilt hat, sind inschriftlich erhalten,^) und da müssen
wir wieder die Fragen erraten; nur sehr selten haben uns die Steine die
Fragen samt dem Bescheide aufbewahrt, in Fällen, wo beides zusammen
eine Urkunde bildete, die man in dem Heiligtum, das sich an den Gott
gewandt hatte, deponierte.') Dass man ein Orakel, das eine ungünstige
Antwort gegeben hatte, sogleich darauf noch einmal dringender und um
besseren Bescheid flehend befragte, kam wohl nur in verzweifelten Fällen
vor.»)
50. Aber auch an den Orakelstätten gaben die Götter nicht bloss
durch Zeichen und Worte ihren Willen zu erkennen, sondern auch durch
Träume. Solche Traumorakel werden hauptsächlich von Kranken auf-
gesucht, die im Schlaf die Weisungen und Verordnungen des Gottes em-
pfangen. ^<^) Das berühmteste dieser Orakel war das des Asklepios zu Epi-
dauros in Argolis, wo sowohl der Reichtum des Tempels wie die zahllosen
Stelen, die den Namen, die Beschreibung des Heilverfahrens und den Dank
der Genesenen enthielten, von dem Glanz und dem Zuspruch des Heilig-
tums zeugten.**) Zwei von den sechs Tafeln, die im Heiligtum aufgestellt
den Pilgern die bedeutendsten Wunderkuren verkündigten, sind vor nicht
langer Zeit aufgefunden worden**) und unterrichten uns genau über das
dort übliche Heilverfahren. Der Tempel hat einen eigenen Schlafraum.
Dort hat nun der Kranke gewöhnlich einen Traum, der ihm irgend ein
Operationsverfahi*en zeigt, das piit ihm vorgenommen wird. Am Morgen
erwacht er und ist gesund. Viele der beschriebenen FäUe lassen keinen
Zweifel darüber, dass während der Nacht an dem Bewusstlosen wirklich eine
Operation vollzogen worden ist. Einige Schilderungen sind übertrieben und
2.
») PoMTow Jahrb. f. Phil. 1883 S. 305 ff.
nnd Gabafanos a. a. 0. Vgl. Robbst Herrn.
XVIII 466 ff.
2) Gabapavos S. 75 PI. 36
») S. 75 PL XXXVI n. 1.
*) S. 80 PI. XXXVIII.
») S. 73 PI. XXXV n. 1.
•) S. 79 PI. XXXVII D. 8.
') Bull, de corr. XIV 80 ff.
^) Aus Magnesia Ksas Beitr. z. griech.
Relig. n. Philos.
Ine. II 248.
S. 80 ff. Aus Anaphe GIG
•) Vgl. Herod. VII 141.
^^) Vbbcoutbb La m^decine sacerdotale
dans Tantiqn. grecque, Rev. archöol. Paris
1885 III 6, 273 und 7, 106 ff. Fbibdlaenpbb
Sittengesch.' III 536.
»0 Paus. II 27, 2 f. Strab. VIII 374.
>«) Ephem. arch. 1883 S. 197 ff., 1885
S. 1 ff., 85 f., V. WiLAMowiTZ Herrn. XIX
448 ff. Zaohbb Herrn. XXI 467 ff. Dibls in
Nord und Süd Bd. 44 S. 29 ff. Jahresber.
der klass. Altertumswiss. 1890 S. 285 ff.
70
Die grieohisohen EnltusaltertfUner.
ausgeschmückt, die meisten erlogen. Die religiösen Zeremonien und die
Vorbereitungen zur Inkubation werden von den Priestern vorgenommen,
die Operationen selbst von den heilkundigen Asklepiaden, also Ärzten,
ausgeführt. Die Träume werden natürlich den Priestern mitgeteilt; in
späterer Zeit erhalten die Kranken daraufhin ärztliche Anweisungen und
Verordnungen, und die Euren sind dann auch nicht mehr so wunderbar;
die völlige Heilung findet nicht mehr in der Inkubationsnacht selbst statt,
sondern die Behandlung dauert längere Zeit, und wiederholt geben neue
Träume die neu anzuwendenden Mittel an. Eine ziemlich umfangreiche
Inschrift aus Hadrianischer Zeit schildert uns eine solche Heilung in ihrem
ganzen Verlauf, und zwar keine ganz unsinnige Wunderkur, wie wir sie
ausser in den erwähnten Inschriften bei Aelius Aristides zur Genüge be-
schrieben finden.^) Der geheilt Entlassene bekennt dankerfüllt, dass alle
ihm im Traum verordneten Mittel trefflich gewirkt und seine Gesundheit
wiederhergestellt haben. Die Honorare waren oft sehr bedeutend, und
der Gott wusste dafür zu sorgen, dass er nicht darum betrogen ward.^)
Ähnlicher Heiligtümer gab es sehr viele in Griechenland. ') Nächst
dem epidaurischen waren die angesehensten das zu Trikka in Thessalien,
das zu Kos und besonders das pergamenische. Auch Traumorakel
anderer Gottheiten^) werden erwähnt, die ebenfalls von Kranken konsul-
tiert wurden, aber sicherlich nur lokale Bedeutung gehabt haben. ^)
Dann gab es aber auch Traumorakel, an die man sich mit andern An-
liegen wandte. Ein solches war das des Amphiaraos zu Theben, wo
einst der Seher von der Erde verschlungen sein sollte;^) später (um 420
etwa) wurde es nach Oropos verlegt.') Kroisos*) und Mardonios®)
Hessen es befragen, und Hypereides ^^) erwähnt einen Fall, wo ein im
Tempel schlafender Bürger Offenbarungen über die Zugehörigkeit eines
strittigen Stück Landes, das neben dem Tempelbezirk lag, abwarten
musste. Philostratos ^^) beschreibt uns die Vorbereitungen und Bräuche,
denen sich die Orakelbesucher zu unterziehen hatten. Vor der Inkubation
mussten sie dem Amphiaraos einen Widder opfern und auf dem Felle
schlafend das Traumgesicht erwarten. ^>) Aus einer in Oropos gefundenen
Inschrift ^^) erfahren wir, dass in dem Schlafraum die Männer und Weiber
gesondert östlich und westlich von dem Altar lagen. >^) In Thalamai in
Lakonien hatte Pasiphae einen Tempel, ^^) in dem auch die spartanischen
Ephoren Traumofifenbarungen empfingen, und noch einige andere werden
») ▼. WiLAMowiTz Isyllos 116 ff. Vgl.
auch das io Ariatophanes Plutoa geschilderte
Verfahren.
>) Paus. X 88, 1 Q. DiBLB a. a. 0. 34 f.
>) Vgl. ScHOBMAim a. a. 0. 832 ff., G.
Ebügbr Theologumena Pansaniae, Leipzig
1860 p. 46, Vebcoutbe Revue archäol. VII
(1886) 22 ff. 106 ff. RoscHEB Myth. Lex.
S. 626 f.
*) Wohl auch nur chthonischer (vgl.
V. WiLAMowiTz Isyllos 96): Dionysos, Hades
und Persephone.
^) Paus. X 88, 5. Strab. XIV 649 f.
'j Pbellbb Oropos und das Amphia-
reion, Ber. d. Kgl. sAchs. Ges. d. Wiss. 1852
8. 168 ff. DüBBBACH De Oropo et Amphia-
rai sacro 1890.
DiTTBNBEBGBB Ind. loct. Hai. 1888/89
IV ff.
8) Herod. I 46.
•) Herod. VIII 184.
>o) Pro Euxenipp. XXVII f.
»') Vite Apoll. T. 11 87.
") Strab. VI 284. Tzetz. Lykophr. 427.
Verg. Aen. III 870. Rohde Psyche 174 ff.
") IGSept I 285; bald nach 887 v. Chr.
") V. WILAMOWITZ Herrn. XXI 91 ff.
'») Plut. Kleom, 7. Vgl. Paus. HI 26, L
d. Enltnabeamte (§ 51.)
71
uns genannt. — Eigentümlich und vielleicht einzig in seiner Art war
das Orakel des Trophonios in Lebadeia in Boiotien, das uns Pausanias,
der es selbst besucht hat, sehr ausführlich beschreibt.^) Schon mehrere
Tage ehe der Fragende zu dem eigentlichen Orakel zugelassen wurde,
musste er Opfertiere darbringen, deren Eingeweide ein fudvTig unter-
suchte; am Abend vorher wurde ein Widder geschlachtet, dessen Blut
man in eine Grube hinabströmen liess. Fiel auch dies Opfer günstig
aus, so trank der Betreffende aus den Quellen des Yergessens und der
Erinnerung und wurde, mit einem linnenen Gewand angethan, nach
der Orakelstatte geführt. Aus einer gemauerten Vertiefung stieg er
durch eine Öffnung auf einer Leiter in einen noch tiefer gelegenen
Raum, legte sich auf den Boden, schob die Füsse durch ein Loch und
wurde darauf schnell und gewaltsam in das innere Adyton hinabgerissen.
Hier sah er allerlei wunderbare Erscheinungen, auch Tiere und Schlangen,
denen er mitgebrachte Honigkuchen vorwarf, mancher vernahm auch eine
Stimme, und mit den Füssen voran wurde er durch dieselbe Öffnung,
durch die er gekommen war, auch wieder nach oben gezogen. Die
Priester fragten dann den halb Bewusstlosen, was er gesehen und gehört
habe. Auch dies Orakel entbehrte nicht des Ansehns ; Eroisos beschickte
es, wie alle andern berühmten griechischen Orakel,^) und im nächsten
Jahrhundert befragte es Mardonios,^) ja es scheint sich ganz besonders
lange erhalten zu haben. ^)
61. Es bleiben uns noch übrig die Totenorakel (vexQü^avtsta,
ipvxofAovtsTa^ tpvxonofiTvsTa.) «) — Eine Andeutung oder Spur davon schon
in der Odyssee zu erblicken sind wir nicht berechtigt. Lobeok^) hat
ganz recht, dass Odysseus nicht selbst hätte in die Unterwelt hinab-
zusteigen brauchen, wenn er ein Totenorakel hätte befragen können.
Ein Totenorakel des Teiresias, von dem wir hören,®) scheint von den
erwähnten Traumorakeln nicht sehr verschieden gewesen zu sein. Be-
kannter ist ein thesprotisches bei Eichyros,^) das Periandros einmal be-
fragt haben soU,^^) und eines zu Herakleia am Pontes, an das sich König
Pausanias wandte, '^) sodann eines am Vorgebirge Tainaron in Lakonien,^^)
wo es auch einen Eingang zur Unterwelt geben sollte. ^') Am bedeutend-
sten von allen war vielleicht das Totenorakel am Avernischen See bei
Kumae, wo Priester nach allerlei Gebeten und Opfern die gewünschte
Seele zitierten, die dann auch Rede stand, i*) — Dass ausserdem Geister-
beschwörer überall den Abergläubischen die Seelen Verstorbener herbei-
zuführen vermochten, bedarf kaum der Erwähnung.
SoBOBMANN a. a. 0. 335 f.
») IX 39. Bull, de corr. XIV 30 ff.
IGSepi I 3055. Rohdb Psyche 112 A. 2.
») Herod. I 46.
*) Herod. Vlfl 134.
*) Flut. De def. or. 5. Vgl. Schoemaitk
Gr. A. II 340.
«) NiTzsoH z. Od. III 152. RoHDS Psyche
198.
') Agl. 316.
») Plut. De def. or. 44.
«) Paus. IX 30, 3; I 17, 5.
>o) Herod. V 92.
»') Plut. Kim. 6.
") Plut. De sera s. num. vind
1«) Paus. HI 25, 4.
") Strab. V 244. Diod. IV 22.
Tyr. 26.
17.
Max.
72
Die griechischen KaltuBaltertAmer.
3. Kultushandlungen,
a. Das Gebet.
Litteratur: £. y. Labaülz Studien des klass. Altt. 137 ff. Hcbiiann G. A. § 21.
ScHOKHANN Gr. Altt." II 257 ff. Naegelsbach Hom. Theol. 185 ff., Nachh. Theol. 212 ff.
L. Schmidt Ethik der Griechen II 30 ff. Dabrmbebo et Saguo Dictionnaire u. adoratio I
80 ff. (mit vielen Abbildungen). VoüiLLiiMS Qnomodo veteres adoraverint, Hall. Dias. 1887
(Über die Geberden der Betenden). E. Sittl Die Geberden der Griechen und Römer, Leipz.
1890 S. 174 ff. 0. Grdppe Die griech. Kulte u. Mythen, Leipzig 1887 1 559 ff.
52. . Das Gebet spricht eine Bitte aus oder einen Dank für irgend
etwas Gutes, das man empfangen hat, oder es ist eine zur Formel ge-
wordene Äusserung, mit der man gottesdienstliehe Handlungen begleitet.
Die Bittgebete sind die häufigsten, und sie werden vorzugsweise, fast
ausschliesslich, durch den allgemeinsten Ausdruck für Gebet: svxrj be-
zeichnet. *) Eine Danksagung oder vielleicht richtiger Lobpreisung heisst
^naivog.^) — In den homerischen Gedichten finden sich Dankgebete
kaum ; ^) beim Opfer wird von den Frauen der herkömmliche Ruf (oXo-
XvYfiog) ausgestossen, oder der Gott wird durch Gesänge gefeiert;*) hat
man zu danken, so knüpft sich wohl auch daran gleich wieder eine Bitte. ^)
Die Bittgebete selbst haben etwas Formelhaftes, was sich nicht nur in
dem so häufig wiederkehrenden«) „Wenn doch Vater Zeus und Athene
und Apollon* zeigt, sondern auch in ernstlich gemeinten Gebeten.')
Innigkeit, das Bestreben, den Gott zu rühren, der Ausdruck des Ver-
trauens und der getrösteten Hoffnung findet sich nirgends; statt dessen
überall der möglichst ausführliche^) Anruf des Gottes, oftmals eine Er-
innerung an die stets reichlich dargebrachten Opfer, ^) die kurze be-
stimmte Bitte und zum Schluss bisweilen ein Gelübde für den Fall der
Erhörung. ^^) Die Götter sind ein Bild des Menschen : herzliche Dankesworte
für geleistete Hilfe hätten damals keinen befriedigt, und die Aussicht nur
darauf schwerlich einen zum Helfen veranlasst; hätte jemand seine Bitte
aber nicht mit einer ehrfurchtsvollen Anrede, die Ahnen und Würden
des Gebotenen gebührend berücksichtigte, beginnen wollen, so wäre ihm
dies sehr verdacht worden. Mit dieser Vorstellung von den Göttern
hängt zusammen, dass man laut betete. ^ Auch später behalten die Ge-
bete etwas wenn nicht Formelhaftes, so doch Offizielles, wie man nament-
lich auch aus Aristophanes ersehen kann.^*) Freilich würde eine andere
Zeit, wenn sie nur Fragmente unserer gedruckten Gebete überkommen
hätte, über diese auch nicht viel anders urteilen, und dass auch die Hel-
lenen anders beten konnten, zeigt das Gebet des Sokrates, >^) das des
Chors in Aischylos Agamemnon (160 ff.) und manches andere.^*)
') Fiat. Leg. Vü 801, vgl. 415 B.
«) Ariatoph. Plut 745. Xen. Symp. IV 49.
') Chavtefib de LA Saussate Relgesch.
II 93.
*) J 472 ff.
*) J 451 ff., y 356 ff.
•) B 371, J 288, H 132, JI 97, 17 811,
ff 235, 0) 376.
') Vgl. das xXv»l (ABv Ä 37, p 262, <f
762.
8) JI 233 ff., A 451 ff., r 275 f., A 37 ff,
Z 305 H 202.
») 372 "ff., <f 763 f., q 240 ff, A 39 f.,
e 338 ff.
»0) z 308 f., V 358 f.
>0 H 195, Z 305 ff.
13) Vgl. Lysistr. 833, wo der Anklang
an Homer jedenfalls absichtlich ist, Nub.
563 ff., Thesm. 1136 ff., Equ. 551 ff.
") Xen. Mem. I 3, 2.
»*) Vgl. [Plat.] Alkib. II 143 A, 148 C
und die Chöre in Aisch. Hik.
8. Knltashandlimgeii. (§ 52.)
73
Ohne Gebet pflegte man keine wichtigere Handlung zu beginnen.*)
Der Redner rief die Götter an,«) die Volksversammlungen und Gerichts-
verhandlungen wurden mit Gebet eröffnet, die Festfeiern damit einge-
leitet,»)
An welche Gottheit man sich in seinem Gebet wandte, hing zumeist
davon ab, worum man bat, denn die Machtsphären und Wirkungskreise
der Götter waren verschieden, und nicht von jedem war die Erfüllung
einer bestimmten Bitte zu erwarten. Sehr oft aber bestimmte auch die
Nähe eines Heiligtums, des Meeres (/ 182 f.) oder irgend ein zufalliges
Begegnis den Betenden, diese oder jene Gottheit anzurufen;^) bisweilen
muss erst ein Orakel^) oder ein Seher ^) Auskunft geben, an welchen
der Himmlischen man sich zu wenden habe. Vor dem Gebet pflegte
man sich die Hände zu waschen^) oder auch reine Kleider anzulegen,^)
häufig bekränzte man sich oder nahm Zweige in die Hand, die man
mit Wolle zu umwinden pflegte. •) Das Gesicht wandte man nach der
Richtung, in der man die Gottheit vermutete, *<^) im Tempel also nach
dem Götterbilde.") Wer zu den obern Gottheiten betete, erhob Blick
(H 178) und Hände zum Himmel,") die innern Handflächen nach aussen,
also von sich selbst abgewendet i*) (Taf. IV Fig. 1), wie überhaupt alle
Flehenden thaten ; >^) einem Altar oder Götterbilde gegenüberstehend
pflegte man jedoch nur die rechte Hand mit gespreizten Fingern i*) zu
erheben (Taf. IV Fig. 2; Taf. I Fig. 2); betete man zu Meeresgottheiten,
so streckte man die Hände der sich vor einem ausbreitenden Fläche ent-
gegen, *^) wenigstens wenn man von da die Hilfe erwartete;*') bei An-
rufung der unterirdischen kniete oder setzte man sich auf den Boden und
stemmte die Hände auf die Erde*®) oder stampfte wohl auch mit dem
Fusse, **) um die Aufmerksamkeit des Gottes zu erregen. Sonst war das
l
») Hes. Erg. 3S9.
«) Demosth. XVIII Anf. Lykurg. Leokr.
Xen. Anab. V 6, 3.
») Xen. Oikon. VI 1. Antiphon VI 45.
Arrian De venat. 34. — L. Schmidt Ethik
II 31 f.
*) Vgl. L. Schmidt Ethik II 34 f.
») Xen. Anab. III 1, 6.
•) Theophr. Char. 16.
') ß 261, n 230.
•) & 750, Q 48.
») Flut. Thes. 18. Schol. Aristoph. Flut.
383. Über d. Bedentang der Wolle im Kul-
tns DiXLS Sib. Bl. 69 A. 2.
»ö) e 364, «P 143. Herod. IX 61. Eur.
Phoin. 1364, 1372.
") Herod. I 81. Vitruv. IV 11.
") X^k^f vnuat Flut. Philop. et Tit. 2.
— E 174, Z 257, H 130, ß 301, t 294, r
355. Bakchjl. JX 100 ff. Aisch. Sept. 156.
Eur. El. 592. Conzb Arch. Jahrb. I 12. Arch.
Anz. 1890 S. 164 f. Femer, auch f. d. Folg.
zu Tgl. SiTTL Verh. der Fbilologenversamml.
in Zflrieh 1888 S. 50 ff., und besonders Voül-
xiEMB a. a. 0. 18 ff., 24 ff.
") Aristoph. Ekkles. 781 ff. Eur. Hei.
1095. Dabbmbero u. Saolio Dict. a. a. 0.
FüBTWABNGLBB Arch. Jahrb. I 218. Zu der
hier abgebildeten Gemme vgl. aber Hbydb-
MANN Arch. Jahrb. lÜ 149. Übrigens ist
wahrscheinlich zu unterscheiden zwischen
den Geberden Betender und Gelobender. Diese
erheben den Oberarm nur ein wenig, der
Unterarm ist halb in die Höbe, halb nach
vom gestreckt, die Hand dem Götterbilde
oder Altare zugewendet. (Nach Voulliemb
18 ff.)
»♦) Aisch. From. 1004. Curt. VI 6, 34.
Heliod. IX 5. Petron. XVII 114.
»*) Fhilostr. Apoll. Tyan. V 28 Kayser.
V. Sohnbidbb die Erzstatue vom Helenen-
berge, Wien 1893 S. 14.
»•) A 351 Find. Ol. I 71, VT 58 f. Verg.
Aen. V 233 und mehr bei Voulliäme 24.
'') Vgl. Od. i 527.
") I 568 ff. Hymn. in Apoll. 333 (155
Baum.). Bakchyl. V 42. Vgl. Aisch. Fers.
674 ff. S 272. Macrob. Sat. III 9.
»•) Cic. Tusc. n 55. Vgl. Faus. VllI
15, 3.
74
Die grieohisohen EiiltitBalterittmer.
Niederwerfen oder Niederknieen selten,*) nur Schutzflehende*) und Ver-
zweifelte^) thun es; in der Regel betete man stehend und mit unbe-
decktem Haupte.*) Auch war es üblich, Götterbildern oder Heiligtümern
im Vorbeigehen durch Zuwerfen einer Kusshand seine Verehrung zu be-
zeugen {TiQOifxvveTv).^)
68. Zu den Gebeten gehören auch die im Kultus eine so grosse
Rolle spielenden Hymnen,«) die je nach den Gelegenheiten, bei denen
sie vorgetragen, oder nach den Göttern, denen sie gesungen wurden,
verschiedene Namen hatten, nqoffodia heissen die Prozessionslieder, die
man auf dem Wege zum Tempel zu singen pflegte, vnoqxqiiata Lieder,
die mit entsprechenden Bewegungen des Körpers, also einer Art Tanz
begleitet wurden. Am häufigsten wird der Paian erwähnt, ein Name,
der ursprünglich ein dem ApoUon und der Artemis heiliges Lied bezeichnet,
dann aber auch auf Lieder, die beim Trinkgelage vorgetragen wurden,')
und vor allem auf Schlachtgesänge ausgedehnt wird.«) Der itd-vqa^ißog^
ursprünglich ein bei Dionysosfesten gesungenes Kultlied, bezeichnete
später auch andere in freieren Rhythmen sich bewegende Gesänge. lovXoq
ist ein Lied für Demeter, die Spenderin voller Garben, ovmyyog für Ar-
temis^) u. s. w. Wahrscheinlich besass jeder Tempel seine besonderen
Hymnen, die nicht bloss altertümliche Texte gehabt haben werden, sondern
auch ihre bestimmten Melodien {v6/xoi),^^) Begleitet wurden die Gesänge
namentlich mit Kitharaspiel, das vor allem im apollinischen Kultus üblich
war, und mit der Flöte, die wiederum im Dionysoskult beliebt war. Die
Ausbildung von Chören zum Hymnengesang war daher eine religiöse Ver-
pflichtung des Staates, und die (S. 49) besprochene Inschrift aus Stra-
tonikeia * ») zeigt uns, welche Sorgfalt darauf verwendet wurde. Erhalten
ist uns von Gesängen dieser Art namentlich das vor nicht langer Zeit
aufgefundene Prozessionslied des Isyllos von Epidauros auf ApoUon und
Asklepios") und mehrere delphische Hymnen mit begleitender Noten-
schrift;") ausserdem nur noch weniges;^*) denn die orphischen und home-
rischen Hymnen sind nicht liturgische Gesänge, ^^) und der Hymnos des
Philosophen Klean thes auf Zeus ^^) ist eine Art Mustergebet, das praktisch
nie zur Verwendung kam.
^) Theophr. Ghar. 16, aber auch die
Reliefs bei v. Stbbl Katalog der Skulpturen
n. 342 u. 1108 und Müllbb-Wiesbleb Taf.
62 n. 794.
«) Thuk. I 24. 136.
«) II. X 221. Aisch. Sept. 185. 95. Soph.
El. 453. Eur. Hei. 64.
<) n 231, ^ 194, y 185. Find. Nem. V
19. Herod. I 31. Plut. Quaest. Rom. 10. Vgl.
Mabquabdt Rom. Alt. IV 468. Voulli^mb
a. a. 0. 7 f. SiTTL a. a. 0. 177.
') Luk. De salUt. 17. Apul. Apol. p. 301.
Vgl. Böttiger Eunstmythol. 1 52. Voulliehe
11. Abbildung bei Sobbbibeb Eulturhist. Atl.
XIV 3.
•) Plat. Leg. III 700. Prokl. bei Phot.
Bibl. 985 Hoesch. Vgl. Hom. hvmn. in Apoll.
149. Paus. X 7, 2.
7) Xen. Symp. II 1.
8) Xen. HeU. 11 4, 17j IV 2, 19. Vgl.
Thuk. VI 32.
») Athen. XFV 619 B.
»0) Vgl. Aristot. Pol. V (VIII) 7 p. 1341b.
Plut. De mus. 6.
»i) CIG 2715.
'") V. WiLAMowiTz Isyllos 13 ff.
»») Bull, de corr. XVII 611 ff., XIX 393 ff.
Dibls Ber. der Berl. Akad. 1896 S. 457 ff.
Gbusius Philol. Suppl. 1894.
*^) Semos aus Dolos bei Athen. XIV 622.
Kaibbl Epigr. gr. 1025—1032. Vgl. Welokbr
Opusc. II 271. Weniobb D. Kolleg, der 16
Frauen Progr. Weimar 1883 S. 8.
^*) Rbisch De music. Graec. certamin.
Wien 1885 S. 3. Baumbistbb Proleg. zu den
hom. Hymn. 102 f.
") Frgm. phil. Gr. ed. Müllach 1 151.
8. KuliiuihMidlimgen. (§ 53—54.)
75
b. Der Flueh.
Litteratur: Hbbmamn G. A.' § 22 Anf., cf. § 9. Schobmann Gr. A.> II 265 ff.
y. Laaaüul Studien des klass. Altt. 159 ff. Nabgblsbach Nachhom. Tbeol. 350 f. L. Schmidt
Ethik I 83 ff. Newton Die griech. Inscbriften, übers. ▼. Imblmann 83 ff., 90 f. R. Wünsch
CIA Tabellae defixiomim att. 1897. Wbssblt Papyri magicae 1893. Zibbarth Herrn. XXX
56 ff. Bbbnh. Schmidt Jahrb. f. Phil. 1891 S. 561 ff., 1893 S. 369 ff. Kühnbrt Rhein.
Mus. 1894 S. 37 ff. Kroll Sammlung v. Virchow n. v. Holtzbndobff 1897 Nr. 278.
54. Ein Gebet ist auch der Fluch (agä, xaxaQa^ inaQci), >) Man fleht
von den Göttern Strafe oder Vernichtung auf das Haupt eines Feindes
oder Übelthäters herab, und zwar unbedingt, wenn die That, derentwegen
der Betreffende verwünscht wird, bereits begangen ist, oder bedingt, d. h.
also für den Fall, dass jemand eine solche That sich zu Schulden kommen
lassen würde; man weiht ihn den Unterirdischen.^) Diese Verwünschungen
können von einzelnen oder von ganzen Gemeinden und Staaten ausge-
sprochen werden. In Athen fluchte ein Priester aus dem Geschlecht der
Buzygen dem, der einem andern die einfachsten Dienste der Nächsten-
liebe versagen oder einen Toten unbeerdigt liegen lassen würde, ^) der
Herold in seinem Gebet vor Eröffnung der Volksversammlung den Vater-
landsverrätern,^) und ähnliche Beispiele finden sich in anderen Staaten.^)
Wie hier die Drohungen gegen etwaige Verletzer der natürlichen Men-
schenrechte oder der bestehenden Gesetze gerichtet werden, so spricht
man Verwünschungen auch gegen Übelthäter aus, deren man nicht hab-
haft werden kann. So wurde Alkibiades feierlich von den Eumolpiden
verflucht,«) und als er wieder ins Vaterland zurückkehrt, wird von Prie-
stern und Priesterinnen ebenso feierlich der Fluch zurückgenommen
{aifoai(ov^fivai)J) Wer die Asylie des Bakchosheiligtums in Tralles nicht
achtet, soll verflucht sein,^) desgleichen wer die heiligen Fische der
Atergatis in Smyrna antastet,^) und andere Inschriften lehren uns, wie
die Androhung des Fluches nicht nur das Heiligtum der Götter schützt,
sondern zum Straf mittel wird.*^) Auch Korporationen binden ihre Mit-
glieder durch die äqd,^^) Ungleich häufiger waren die Verwünschungen,
mit denen beleidigte oder geschädigte Privatpersonen ihre Feinde ver-
folgten. Um den Fluch wirksamer zu machen, grub man ihn in Form
einer Dedikation in ein Täf eichen, meist aus Blei, ^>) das man dann in
der Wohnung des Verfluchten vergrub oder an einer den unterirdischen
Gottheiten geweihten Stätte verbarg, i^) Vor einer Beihe von Jahren hatte
>) Ob man z. B. q 494 ff. als Gebet oder
Fluch bezeichnen sollte, wäre schwer zu ent-
scheiden. Der Ausdruck äqay aQdc&ai kann
eben auch beides bedeuten. Vgl. x ^^2, B
297 ff. Soph. Ai. 392. [Plat.] Alk. II p. 143A.
*) Darum Apoll. Rhod. IV 1662 das
Purpurgewand. Vgl. S. 43.
') Diphil. bei Athen. VI 35 p. 238. Schol.
Soph. Ant. 255. Plat. Leg. 881 D. Bernats
Ber. der Berl. Akad. 1876 S. 604 ff. Töpffbb
Att. Gen. 139.
*) Isokr. IV 42 § 157. Cf. Aristoph.
Thesmoph. 877, 865. Plut. Arist. 10, Demosth.
XVIII 130, XXill 97. ScHOBMANN De comit.
p. 92g. c IX. BusoLT Griech. Staatsaltt. 171.
V. WiLAMOwiTz Arist. u. Athen I 348 ff.
») IGA 381. CIG 3044, 3059, 2691. Dit-
TENBBRGBR Sjll. 364.
«) Diod. XIII 69. Max. Tyr. XII 6. Snid.
u. EvfjtoXni&M.
7) Plut. Alk. 22 u. 33. [Lys.] VI 51 p. 252.
8) CIG 2919.
») DiTTBNBBRGBR Syll. 364.
1«) Inschr. ans Teos IGA 497. Ditten-
berger Syll. 349. Ziebarth a. a. 0. ö8 ff.
<>) CIA II 609. DiTTENBBBOBR Syll. 360
ZI. 31 ff. aas Chios.
»*) Wbssblt Pap. mag. 62. Wünsch
Tab. defix. att. praef. II f.
>') CIG 5773.
76
Die grieohisohen Ealinsaltertttiiier.
Newton eine Anzahl solcher Täfelchen in einem der Demeter, Persephone
und dem Hades heiligen Bezirk in Enidos gefunden und veröffentlicht ^
kürzlich hat R. Wünsch weit über hundert in Athen erworben und
die Inschriften zusammen mit den bereits bekannten herausgegeben, <)
Die gewöhnlichsten Formen der Verfluchung sind xaraSw Ttjv yXwttav
X€i^Q<xg noiaq etc. xov detva oder *^^/i^ xäroxe xatexs ^gävag, yXCkTav etc.
Auch Kinder und Verwandte, Vermögen, Werkstatt, Laden, Werke und
Worte der Feinde werden verwünscht. Ausser Hermes Chthonios, De-
meter und Persephone werden Hades (102 b), Hekate (105 ff.), die Erinyen
(108 b) und andere Götter der Unterwelt, auch X^öviot ndvreg (99) an-
gerufen. Bisweilen ist die Schrift absichtlich entstellt, sei es durch An-
wendung eines ungebräuchlichen Alphabets, sei es auf andere Weise,
offenbar, damit der Verfluchte, falls ihm das Täfelchen in die Hand fiele,
nicht erkenne, worum es sich handelt, und etwa durch Zerstörung der
Tafel den Zauber unwirksam mache. Nur selten wird der Qrund der Ver-
wünschung: Diebstahl, Untreue, Verleumdung, angegeben; aber auch wenn
solche Bemerkungen fehlen (wie namentlich bei den athenischen Stücken)
lässt sich aus dem Umstand, dass besonders häufig xdTvrjXoi, daneben auch
oft avviixoi und av%n]yoQoi verflucht . werden, mutmassen, was den Hass
hervorgerufen hat. Es ist vielleicht nicht selten vorgekommen, dass die
Furcht vor Erfüllung des Fluches die Übelthäter veranlasste, Genugthuung
zu leisten.') Noch häufiger sind Verwünschungen, die zunächst nicht
gegen bestimmte Personen gerichtet sind, sondern gegen solche, die etwa
des Vergehens sich schuldig machen würden. Weitaus die meisten davon
bedrohen die Verletzer von Gräbern. Man pflegte die Täfelchen, darauf
sie eingezeichnet waren, den Verstorbenen mit ins Grab zu legen. Den
Göttern der Unterwelt, heisst es auch hier, soll der Grabschänder ver-
fallen sein, und alles mögliche Unheil ihn treffen.*) Besonders zahlreich
sind die Beispiele von Verwünschungen gegen solche, die es wagen sollten,
in dem Erbbegräbnis einer bestimmten Familie ihre Toten zu bestatten.')
Auch Behörden, denen dann dafür eine Summe Geldes zur Verfügung
gestellt wird, werden angerufen, die Schuldigen zu verfolgen,«) dem An-
geber ein Teil der Strafsumme zugesichert,^) und Erben ihrer Erbschaft
für verlustig erklärt, falls sie nicht für den Frieden des Grabes sorgten.^)
Ein anderer Usus der Verfluchung, der namentlich dann Anwendung
fand, wenn eine ganze Gemeinde gekränkt worden war, ist die Auf-
schichtung von Steinhaufen an Kreuzwegen. Es war dies ein Symbol,
dass der Missethäter eigentlich die Steinigung verdient habe und dem
Hermes Chthonios geweiht werde ; denn der Steinigungstod scheint in
*) History of Discoveries II 2 S. 720 if.
') CIA Defixionuin tabellae Atticae 1897.
«) CIG 3442.
*) CIG 916. IG Sic. et It. 634, 2324,
1901 etc. RoHDE Psyche 630 ff.
^) S. die Inschr. in d. Reisen im sw.
KLAs. V. Bbhndoef etc., Wien 1889, z. B.
Bd. II 27. Hebebdey n. Wilhulx Denkschr.
der Wien. Akad. d Wiss. 1896 S. 54 ff. nr.
123 f 128.
•j CIG 2826. Athen. Mitt. XVI 198 f.
'') Lykische Inschr. Athen. Mitt. XVI
358 f.
^) GIG. 2824. Waohsmüth Rhein. Mus.
N. F. XVIII 560 ff. JoH. Merkel Sepnlkral-
multen. G. Hirsohfblp Eönigsberger Stnd.
I 85 ff.
3. Kiiltiulhanditiiigen. (§ 55.)
77
alter Zeit in der That die Strafe der Verfluchten gewesen zu sein.^)
Jeder Vorübergehende aber warf bei dem Fluchmal einen neuen Stein ab.*)
55. Ich schliesse hier einige kurze Bemerkungen über Beschwörungen
und Zauberei an.
In homerischer Zeit ist von beidem kaum die Rede. Durch Be-
sprechungen {inaoiiai) stillt man das aus der Wimde fliessende Blut
(r 457), und dankbar empföngt man die (fccQfiaxa aus der Hand derer,
welchen die Götter es verliehen haben, die den Kräutern innewohnende
Kraft zu erkennen (<f 220 flf.). Wo die Grenze zwischen natürlicher Heil-
kraft und Wunder oder Zaubermittel ist, weiss das kindliche Zeitalter
noch weniger zu unterscheiden als ein heute noch nicht ausgestorbener
ähnlicher Aberglaube. Wenn Machaon auf Menelaos' (J 218 ff.), oder
Paieon auf Hades' {E 401) und Ares' (E 900) Wunde schmerzstillende
(paQfjiaxa streut, so erscheint der Erfolg kaum weniger wunderbar als die
Wirkung von Helenas aigyptischem Zauberkraut {S 219 ff.), das den davon
Geniessenden augenblicklich allen Kummer vergessen lässt, oder die des
[ÄfoXv (x 305), das den Odysseus fest macht gegen die Zauberkünste der
Kirke. Die Verwandlung aber seiner Gefährten und ihre Rückverwand-
lung ist eben ein Märchen wie viele andere der Odyssee, einem Kinde
glaublich wie die Geschichte vom Schlauch des Aiolos, den Rindern des
Helios, dem Meergreis Proteus oder der Verwandlung des Helden selbst
durch Athena. Auch in späterer Zeit bleibt es ziemlich allgemeine An-
sicht, dass man durch Beschwörungen und Zauberformeln andern Schaden
zufügen könne.*) Es ist dies nur eine Form der Verfluchung; wie bei
dieser ruft man die unterirdischen Gottheiten an, den Feind zu ver-
derben, und Medeia legt bei ihrem unheimlichen Werk ein Purpurgewand
an wie die Eumolpiden, als sie Alkibiades verwünschen.^) Dann finden
wir Beschwörer und Zauberer, die mit dem Anspruch auftreten, eine
Kunst zu besitzen, vermöge deren sie die Götter veranlassen, ja zwingen
könnten, 5) Orakel zu geben, vermöge deren sie Geister zitieren,«)
Steine reden lassen,') den Mond vom Himmel holen,®) Liebe einflössen,')
von Krankheiten befreien oder sie herbeiführen könnten. i<>) Grösseren
Umfang gewann dieser Aberglaube erst, als die Daimonenlehre sich
immer mehr verbreitete, und namentlich auch der Glaube an den bösen
Blick und an Schutzmassregeln dagegen allgemeiner wurde; ^^) immer
*) IL r57. Istros bei Harpokr. 180,21.
Eur. Andr. 1 128. Mehr bei B. Schmidt Jahrb.
f. Phil. 1893 S. 369 ff.
*) Schmidt hat 8. 385 flp. gezeigt, wie
das Abwerfen der Steine an den Hermaia
bald als eine. Ehre, eine Art Opfergabe für
Hermes empfunden wurde. So erkl&rt sich
auch der sonderbare Brauch der Megarer,
beim Opfer des Tereus statt der Gerste Steine
zu werfen (Paus. I 41, 8).
») Vgl. Plat. Leg. XI 933 E.
*) Apoll. Rhod. IV 1662.
») Eur. Ion. 375. Kallim. Hymn. in Del.
89. Plat. Rep. II 364 C.
•) Vgl. C. DiLTHKY Rhein. Mus. N. F.
XXVII 375 ff.
') Orph. Lith. 355 ff.
8) Aristoph. Nub. 748.
») Schol. Demosth. XIX 281 p. 431.
">) Hippokr. De morbo sacr. p. 14 f.
Diez. Plut. Quaest. symp. V 17. Vgl. Lobeok
Agl. 221 ff. Iw. V. Müller Hdb.« IV 203 f.
Haeseb Gesch. der Medizin I 433 ff.
••) Vgl. 0. Jahn Ber. der Sachs. Ges.
der Wisssch. 1855 S. 28 ff. Dabembbbo et
Saolio Dict. Bd. I unter amuletum. Die-
tbbich Abraxas, Leipz. 1891 S, 137 ff.
78
Die grieohisohen KnltaBaltertfliner.
aber gaben sich vorzugsweise Ausländer mit der Ausübung solcher
Künste ab.»)
c. Der Eid.
Litteratur: Hebmann Gottesdienetl. Altt.« § 22. Schoemank Gr. Altt* II 267 ff.
V. Lasaulx Stud. des klass. Alt. 177 ff. Nabgslsbach Hom. Theol. 103 ff. Nachhom. Theol.
241 ff. L. Schmidt Ethik I 88 ff., II 3 ff. F. DOmhlbb Delphica, Baseler Universitftts-
progr. 1894.
56. Auch der Eid ist ein Gebet oder ein Fluch, eine Verwünschung,
in der der Schwörende für den Fall eines Meineids die Strafe oder das
Verderben auf sich selbst herabruft.*) — Der griechische Ausdruck ogxog
bezeichnet nicht nur den Schwur selbst, sondern auch die Sache, bei
der man schwört,^) und drittens den über den Eiden wachenden und
die Meineide rächenden Gott.*) Der Schwörende setzt irgend einen ihm
teuren Gegenstand gleichsam als Pfand dafür ein, dass er die Wahrheit
sage, und ruft die Götter an, ihm diesen zu rauben, falls er lüge. Ge-
wöhnlich ist es das eigene Leben und Glück und die Wohlfahrt der An-
gehörigen, die auf das Spiel gesetzt werden soll,'') oft ein andrer Besitz,*)
bei einem Eid der Könige z. B. das Scepter,^) besonders häufig ein solcher,
an dessen Genuss man sich gerade erfreut.®) Auch der Handschlag be-
deutet nichts anderes; man setzt den wertvollen Körperteil zum Pfände
ein.^) Angerufen werden entweder die Götter i. a. oder eine beschränkte
Anzahl. Besonders häufig ist die Dreizahl, ^®) die sich aus den verschiedensten
Gottheiten zusammensetzt. Wird eine grössere Reihe genannt, so nimmt
Hestia die erste Stelle ein,*^) sehr oft wird nur ein Gott angerufen.* 2)
Natürlich setzte sich im Laufe der Zeit bei regelmässig sich wiederholenden
Vereidigungen bestimmter Beamten auch eine bestimmte Form des Schwures
fest, die man dann in dem gegebenen Fall ausschliesslich anwandte,*^)
und ebenso hatten verschiedene Orte und Staaten Götter, bei denen sie
vorzugsweise schwuren, z. B. Pellene die Artemis Soteira,**) Elis den Heros
Sosipolis.*«) Thukydides (V 18) spricht geradezu von einem imxdQioq oQxog.
Die Pythagoreer, die es mit dem Eide besonders ernst nahmen,
vermieden, den Namen der Götter dabei anzurufen, >^) und andere bedienten
sich bei Beteuerungen im privaten Leben der sonderbaren Form, beim
Hunde, bei der Gans oder ähnlichen Dingen zu schwören, wie dies ja
namentlich von Sokrates bekannt ist, und die Sage nannte Rhadamanthys
') Demosth. XIX 281 p. 431.
2) n. r 264 f. Lys. XII 10 p. 121. Polyb.
IX 40, 6. Meuss Jahrb. f. Pbil. 1889 S. 450.
RoHDE Psyche 60 f., 244 A. 2.
«) Z. B. Archilocbos Frgin. 94.
*) Hes. Theog. 400, 785. Babr. Fab. L
18. Find. Nem. XI 31. Vgl. Pyth. IV 166.
*) Flut. Quaest. rom. 44, Lyk. Leokr.
79. Lys. XII 10 p. 121. Antiph. V 11 p. 130.
Demostb. XXIII 67 f. p. 642. Sopb. Trach.
1189.
«) II. A 233. Aisch. Sept. 510.
') K 321, 328.
») Od. r 304.
») K. SiTTL Wocbenschr. f. klass. Phil.
1888 S. 49 f.
10) Vgl. schon T 258 f. Beisp. s. namentl.
bei V. Lasaulx a. a. 0. 179.
^0 IC} Sic. et It. 7. Inschr. aus Dreros
in Kreta im Mus. Ital. III 657. Vgl. Prbuner
Hestia- Vesta 13.
^*) In den Komödien des Aristophanes,
die das attische Volksleben in so vieler Hin-
sicht am treusten widerspiegeln, am häufig-
sten Poseidon.
»«) Poll. Vin 122. Schol. Aischin. I 19
§ 144, Deinarch. I 47 p. 96.
") Fans. VII 27. 1.
•*) Faus. VI 20, 2. Mehr Beisp. bei Her-
KAKN G. A. 22 A. 9.
") Laert. Diog. VIII 22. Jamblich. V. P.
150 vgl. § 144. RoHDE Rhein. Mus. XXVII 46.
8. Kultnahandlniigen. (§ 56.)
79
alß den Erfinder und Lehrer dieser Sitte. ^ — Wollte man dem Eid eine
besondere Feierlichkeit geben, so legte man ihn an einem geheiligten Orte
ab, wo man der Nähe der Gottheit gewisser war.^) Man begab sich in ein
if^ov') oder zu einem Altar, den man anfasste^) oder auch bestieg, wenn
er gross war,^) und gewiss wusste die. Legende dann von Beispielen zu
berichten, wo die Strafe der Gottheit den Meineidigen ereilt hatte. Bis-
weilen wurden bei den Eidleistungen Opfertiere geschlachtet, die der
Schwörende berührte, und deren Fleisch, weil das Tier verflucht war, ganz
vernichtet wurde; gewöhnlich aber begnügte man sich mit dem Ausgiessen
einer Spende. Das Opfer hat hier eine symbolische Bedeutung: der
Schwörende erklärt, falls er die Unwahrheit sage, selber das Schicksal
des Tieres erleiden zu wollen und die Vernichtung auf sein eigenes Haupt
herabzurufen, •) oder dass sein Blut vergossen werden solle, wie der rote
Wein, den die Erde schlürfte.') Denselben Sinn hatten auch andere sym-
bolische Handlungen, wie d«s Versenken eines schweren Gegenstandes in
das Meer.«) In besonders schwierigen und peinlichen Fällen erbot man
sich wohl auch, sich einem Gottesurteil zu unterziehen, glühendes Metall
in die Hand zunehmen, durch Feuer zugehen,^) Ochsenblut zu trinken ^^)
oder sich andern Gefahren auszusetzen ;^i) wie Theseus der Aufforderung
des Minos folgt und zum Beweise, dass er ein Sohn Poseidons sei, sich
unbedenklich ins Meer stürzt, um den Ring aus der Tiefe zu holen. '^)
Bei dem Flusse der Unterwelt, der Styx, schwören nur Götter, und dieser
Eid, wie der ähnliche bei den Titanen dort unten im Tartaros {S 279),
bedeutet auch nichts anderes, als dass der Gott sich für den Fall, dass
er falsch schwöre, den Tod anwünscht, und die Strafe, die der Sage nach
über einen meineidigen, doch unsterblichen Gott verhängt wird,**) kommt
dem Tode am nächsten.
Die Zahl der geforderten und geleisteten Eide war erstaunlich gross.
Nicht nur dass Archonten, **) Strategen,") Hellanodiken*«) und alle anderen
Beamten") in Athen und anderswo*«) schwören mussten, die Gesetze zu
beobachten, dass die grosse Menge der jährlich erlosten Geschworenen
einen Eid ablegen musste,*^) dass alle Bürger sich eidlich zum Gehorsam
gegen die Gesetze verpflichteten, «<>) auch jeder Kläger und jeder Verklagte
hatte vor Gericht einen oder mehrere Eide zu leisten.«») Es ist unter
>) Schol. Aristopb. Av. 521.
«) Paus. II 2, 1. Vlir 15, 2.
•) Plat. Protag. 328 C.
*) Andok. I p. 126. Lyk. Leokr. 7 § 20.
Thuk. V 50.
») Kret. Inschr. Mus. Ital. III S. 575
ZI. 26.
•) Andok. 1 17 p. 126. Aisch. 1 16 § 114.
[Demosth.] L1X 10 p. 1348.
») Vgl. II. r 300 f.
•) Herod. I 165. Arist. Ath. Pol. 23.
Plut. Arist 25.
') Soph. Ant. 264 ff. und Schol. dazu.
»«) Paus. VII 25, 8. Dümmlbr a. a. 0.
") Prellbr Polemon 126 ff.
") Bakchyl. XVIII 76 ff.
'») Hes. Theog. 792 ff.
") PoU. VIII 86. Plat Phaidr. p, 235.
Plut. Sol. 25.
") Lys. IX 15. Deinarch. III 2 p. 108.
'•) Paus. V 24, 2.
") Lykurg. Leokr. § 79. Arist Ath.
Pol. 31 u. 55.
>*) Xen. Resp. Lac. XV 7. Plut Pyrrh. 5.
'») Plat Apol. 24. Vgl. M. Frankbl
Herrn. Xlll 452 ff.
»«) Xen. Mem. IV 4, 16. Vgl. Lys. XII
47 p. 127.
*') BusoLT Hdb. IV* 224. Schobmann Gr.
Altt.» II 276. Schobmann-Mbier* Att. Pro-
zess 152 ff., 825 ff., 898 ff. Philippi Areop.
u. Ephet 87 ff.
80
Die grieohiBohen KnltnBaltertOmer.
diesen Umständen gar nicht fraglich, dass die Zahl der geschworenen Mein-
eide sehr beträchtlich war. ^) Dazu kam, dass das Gesetz den Meineid nicht
bestrafte; das überliess man den Göttern. Mit Segenswünschen für die,
die den Eid halten würden, und Flüchen gegen die Meineidigen schliesst eine
Inschrift aus Itanos in Kreta, ^) und in andern flehen die Schwörenden
selber um gutes, wenn sie recht schwören, um schlimmes, wenn sie einen
falschen Eid leisten.*) So wirksam die Furcht vor der Gottheit bei den
Frommen und Redlichen gewesen sein mag, und so zahlreich die Äusse-
rungen des Absehens vor dem falschen Schwur und des Glaubens an die
göttliche Gerechtigkeit und Rache auch sind,^) so finden wir doch von
Homer an das ganze Altertum hindurch auch Zeugnisse dafür, dass sehr
viele sich über jene Bedenken hinwegsetzten. Dem Autolykos hat Hermes
selber die Kunst verliehen, so geschickt zu schwören, dass er betrog, ohne
die buchstäbliche Wahrheit zu verletzen,*) und Lysandros scheute sich
nicht, offen auszusprechen, Knaben müsse man mit Würfeln, Männer mit
Eiden betrügen.«) Auch hier wird die Klugheit darin bestanden haben,
sich der Rache der Unterirdischen nur unter Bedingungen zu geloben, die
in Wirklichkeit nicht zutrafen.') Die schlaue Lüge des Odysseus ergötzt
die kluge Göttin höchlich,») und fast rührend ist es, wie der gutmütige
Sauhirt den schweifenden Bettler vom Eidschwur zurückhalten will und
gern geneigt ist, dem Elenden auch den Meineid zu verzeihen.^) Ja «man
darf zweifeln, ob die Griechen eine sittliche Verfehlung in dem Meineid
überhaupt fanden und empfanden ".i®) Wer es wagte, die Mächte der Fin-
sternis herauszufordern, spielte ja mit seinem eigenen Heil. Jedenfalls sind
Vorstellungen und Urteil in homerischer Zeit noch völlig befangen und
ungeklärt. Der Dichter, also die Sprache, nennt die Schwüre des Auto-
lykos nicht Meineide, ebensowenig den Schwur der Hera,^*) der, dem Wort-
laut nach ebenfalls zutreffend und unanfechtbar, doch Zeus in der Haupt-
sache täuscht, wogegen Hektor, als er dem Dolon verspricht, kein anderer
solle mit den Rossen des Peliden prunken, imogxov sTiaifioae {K 332), wäh-
rend doch die selbstverständliche Voraussetzung ist: wenn man das Ge-
spann überhaupt erbeute, und Dolon dann noch am Leben sei. Allerdings
sollen die frommen Athener auch über den Eid strenger gedacht haben. ^^)
d. Die Welhgesehenke.
Hauptquellen: Die Inschriften bei Bobckh Staatsh.' II 134 ff. Anthologie Buch VL
Pausanias. — Litteratur: Sohoehann Gr. A.' II 218 ff. Hermann G. A.' § 20. Cubtius
Nachr. der Egl. Ges. d. Wissensch., Göttingen 1861 n. 21. Newton D. gr. Inschr. übers,
y. Imblmann 79 ff. Guktius Deutsche Rundschau 43 (1885) S. 192 ff. über den Zehnten,
Bottiches Tekt. IV 26 ff. Ziehann De anathem. Graec. Königsberg 1885. Rbisch Griech.
Weihgeschenke Wien 1890.
') Lys. X 11 p. 117. Isai. IX 19. [De-
mosth.] XLIX 66 f. p. 1204, LIX 10 p. 1348.
Aristoph. Ran. 275. Plat. Leg. XII 948 E.
*) Mus. Ital. III 564.
») Bull, de corr. XIX 8 A ZI. 15 ff., IOC
ZI. 3 ff. IGSept. III 1 nr. 98 ZI. 19 f.
*) r 278, J 158 ff Xen. Anab. II 5, 7.
Vgl. Schmidt Ethik H 3 ff.
») Od. T 457.
^) Plut. Lys. 8, Apophthegm. Lac. Lys.
4 p. 229 C. Mehr bei L. Schmidt Ethik II 5 ff.
^) Vgl. Verg. Aen. II 155 ff.
8) Od. y 291 ff
») Od. I 361 ff., 171.
10) RoHDE Psyche 60.
1') 36 ff. ^
") Suid. u. 'jTTiinj nlaris. Vgl. Meuss
Jahrb. f. Phil. 1889 S. 461.
8. Kaltnshandlangeii. (§ 57.)
81
57. Wir haben bereits bei der Behandlung der Eultusstätten gesehen,
wie grosse Reichtümer und wie wertvolle Kunstgegenstände einzelne
Tempel besassen. Waren die herrlichsten Weihgeschenke, die ganz Griechen-
land oder ein einzelnes Volk gestiftet hatte, nationale Denkmäler, Zierde,
Stolz und Ruhm des Vaterlandes, so war es doch auch schon von den
frühesten Zeiten an Sitte, dass der einzelne, um sich die Götter geneigt
zu machen, ihnen Gaben darbrachte. Die Weihgeschenke sind gewiss
ebenso alt wie die Opfer und haben ursprünglich nur den Sinn und Zweck,
die Götter zu erfreuen, ihre Gunst zu sichern oder ihren Zorn zu be-
sänftigen. Man gibt das, woran man sich selbst erfreut und was man für
einen wertvollen Besitz achtet, tt 185 verspricht Telemachos dem Odysseus,
den er für einen Gott hält, Opfer und xqvcea Swga, Z 303 trägt Hekabe
ein kostbares Gewand in den Tempel der Athena, y 274 bringt Klytaimestra
reiche Dankopfer auf den Altären dar und weiht ausserdem noXXd ayaX-
liaza^^) Gewebe und Gold, K 362 (571) eignet Odysseus die Waffen Dolens
der Athena zu, H 82 verspricht Hektor, mit der Rüstung des besiegten Geg-
ners den Tempel Apollons zu schmücken, und die Gefährten des Odysseus
geloben dem Helios zur Sühne für ihren Frevel einen Tempel, in den sie
aydX^axa noXXd xai iad-Xd legen wollen (/i 346 f.). Man sieht, es sind
dieselben Gaben, die man geehrten Fremden als Gastgeschenke mitzugeben
pflegt, der Sitte folgend und mit dem Wunsche, sie sich als Freunde
zu erhalten. Je nach den Gebern waren denn auch die Gegenstände, die
man den Göttern darbrachte, von der verschiedensten Art und dem ver-
schiedensten Wert. Polykrates weihte^) dem ApoUon von Dolos die ganze
Insel Rheneia und verband zum Zeichen der Zusammengehörigkeit beide
Inseln durch eine Kette;') die Athener bauten zum Dank für einen Sieg
eine Halle in Delphoi;-^) nach dem Siege bei Plataiai weihten alle Hellenen
in Delphoi einen riesigen goldenen Dreifuss, der sich auf einer aus bron-
zenen Schlangenleibern gebildeten hohen Säule erhob, die sich noch heute
im Hippodrom zu Konstantinopel befindet'^) (Taf. HI Fig. 3), und in
Olympia eine Kolossalstatue des Zeus.^) Nach der Schlacht bei Salamis
wurde ebenfalls ein Kolossalbild zu Delphoi aufgestellt,^) wie nach dem
Siege von Marathon das Erzbild der Athena Promachos auf der Burg
von Athen,^) und auch die in Olympia wieder aufgefundene Nike des
Paionios ist ein Weihgeschenk der Messenier und Naupaktier, hergestellt
von dem Zehnten der Kriegsbeute.^) Der Säbel des Mardonios und der
silberfüssige Sessel, auf dem Xerxes während der Schlacht bei Salamis
1) Später bedeutet ayaXfAa in der Regel
Götterbild, Weihgeschenke heissen dya9ij-
uara,
«) «Ve^x« Thuk. I 13, 6) III 104, 2.
•) Vgl. Wbibkb Jahrb. f. Phil. 1888
S. 555 f.
«) KoLDBWBT Athen. Mitt. IX 264 fF.
^) Herod. IX 81. Paus. X 13, 3. Vgl.
Fbiok Jahrb. f. Phil. Suppl. III 485 flf. und
Bd. 85 1862 S. 441 ff. IGA 70. Fabricius
Arch. Jahrb. I 176 ff. mit rekonstruierender
AbbUdung.
Handbach der klaas. AltertnmswiBseDachaft. Y, S.
•) Herod. IX 81.
') Herod. VllI 121.
«) Paus. I 28, 2.
•) Olympia V 259. Ober das Gegen-
stück in Delphoi Pomtow Jahrb. f. Phil. 1896
S. 505 ff. Über die Sitte, den Zehnten zu
weihen £. Cdbtiüs Dts. Rundschau Bd. 43
(1885) S. 192 ff. S. Herod. VII 132 und Dit-
tbitbebgbr Observ. de Herod. loco etc. Ind.
lect. Halle 1890. Herod. VIII 122. Xen. Hell.
III 3, 1.
2 Aufl.
6
82
Die grieohisohen Knltnsaltortllmer.
fiass, befanden sich einst unter den Weihgeschenken auf der Akropolis,0
und der Helm, den Hieron nach seinem Siege über die Tyrrhener 474
dem olympischen Zeus weihte, ist noch heute erhalten.*) Nach der
Schlacht errichtete der Bieger regelmässig ein tqonaiov. Ein Baum
wurde seiner Zweige beraubt, und am Stamm und den stärkeren Ästen
erbeutete Waffen aufgehängt. Es sollte das nicht nur Dank und Ehre für
die Gottheit sein, man hoffte durch die fromme Weihegabe eine Befleckung
durch den Besitz, den man den Getöteten vom Leibe gezogen hatte, zu
verhüten und der Rache ihrer Seelen zu entgehen. >) Nebenbei ver-
höhnte man den Feind durch die Herstellung des bewaffneten Popanzes.
Das Denkmal seiner Schmach zu zerstören, wagte der Unterlegene wohl
selten, aus Furcht vor der Gottheit, der es geweiht war.^) Aber auch
sonst ist das Weihen von Waffenstücken, wie Panzern,*) Helmen,^)
Schilden^) und Lanzenspitzen ^) nicht ungewöhnlich. Die Tarentiner
scheinen einmal den zehnten Teil aller Waffen, die sie von den Thuriern
erbeutet hatten, nach Olympia gesandt zu haben. ^) Nach einem Seesieg
weihten die Athener dem Poseidon ein erobertes Schiff, *•) ein andermal
dreihundert vollständige Rüstungen, ^0 der siegreiche Brasidas stiftete Geld
in den Tempel der Athena und vergrösserte den heiligen Bezirk,^*) einen
kolossalen Stier aus Bronze stellten die Eretrier dem Zeus in Olympia
auf.^') Sehr häufig sind die Weihungen von Statuen und zwar nicht nur
zum Dank, sondern als eine Art Sühnopfer, um erzürnte Götter wieder zu
versöhnen. ^^) So stiften die Lakedaimonier auf Anordnung des delphischen
Orakels nach dem Tode und der wenig ehrenvollen Bestattung des Königs
Pausanias,^*) die Athener nach der Ermordung der Kyloniden,i«) die Ar-
geier nach einem Blutbade, das bei einem Bürgerzwist angerichtet worden
war,^^) Statuen, die Messenier, nachdem eine Theorie von 35 Knaben, einem
Pädagogen und einem Flötenbläser im Schiffbruch untergegangen war,
Erzbilder aller Verunglückten nach Olympia, >^) und die athenischen Ar-
chonten schwören, wenn sie ein Gesetz überb*eten sollten, ein goldenes
Bild nach Delphoi zu weihen.^^) In solchen Fällen scheint die Statue ein
Symbol des eigenen Leibes zu sein, der, wie man durch die Weihung be-
kennt, eigentlich den Göttern verfallen ist. (Geweihte Statuen Taf. HI Fig.
1 — 2.) Viel zahlreicher, wenn auch natürlich meist weniger wertvoll, waren
die Weihgeschenke einzelner. Ein mächtiger König wie Kroisos freilich
vermochte auch hierin ganze Staaten zu überbieten, und namentlich Delphoi
') Demostb. XXIV 129 p. 741. Paus. I
27, 1. Schol. Thuk. II 13.
<) Im Brit. Mus. IGA 510.
') BsNifDOBF bei Tocilesco Monument v.
Adamklissi 127 ff.
*) Vitruv. II 8, 15.
6) z. B. CIA II 667.
•) Olympia V 696.
») Olympia V 251. Herod. VIII 27. Paus.
X 19, 3 Aischin. III 70 p. 116.
•) Olympia V 2-47. Cürtius Arch. Ztg.
VIII (1876) 181 f. — Taf. III Fig. 4.
•) Lanzenspitzen Olympia V 254 — 256.
Journ. of Hell. Stud. Taf. 11, vgl. Bd. II 65 f.
>«) Thuk. II 84.
") Thuk. III 114.
») Thuk. IV 116.
'») Olympia V 248. Paus. V 27, 9.
**) Vgl. CuRTiDS Altert, u. Gegenw. II
145.
»*) Thuk. I 184. Paus. III 17, 9.
*•) Paus. I 28, 1.
^') Paus. II 20, 1. Anderes Beisp. Justin.
XX 2.
»«) Paus. V 25, 1.
'») Arist. Ath. Pol. 7 u. 55. Plat. Phaidr.
285 D.
8. KiiltiiBhandlniig«n. (§ 57.)
83
war von ihm mit überreichen Schätzen bedacht Worden, >) Seleukos 11.
und Antiochos Hierax beschenkten den Tempel des didymaiischen Apollon
bei Milet ebenfalls aufs reichste,') und Masinissa schenkte 3000 Scheffel
numidischen Weizen nach Delos.*) Den bei weitem häufigsten Anlass
aber zu Darbringungen gaben die Feste, die bei jedem bedeutenderen
Heiligtum jährlich oder in längeren Zwischenräumen gefeiert wurden. In
Dolos war die Zahl der sonst einkommenden Geschenke, wie die Schatz-
verzeichnisse lehren, verschwindend klein gegenüber der Menge, die bei
Gelegenheit der Feste den Tempeln zugewandt wurde. So war es überall
ganz gewöhnlich, dass Sieger in Wettspielen dem Gott ein Geschenk
weihten,*) oft einen Teil des Wertes*) oder die errungenen Preise selbst.
Da diese sehr oft in .Dreifüssen bestanden, ist unter den Weihgeschenken
auch kaum ein Gegenstand häufiger. In Athen hatte eine Strasse ihren
Namen von den Dreifüssen erhalten, die der Peribolos des nahen Dionysos-
tempels nicht mehr zu fassen vermochte, und die deshalb auf der Strasse
aufgestellt werden mussten.«) Auch die Kränze, welche Sieger als Ehren-
preis erhielten, hing man in den Tempeln der Götter auf.'') Wer in den
grossen Nationalspielen einen Sieg errungen hatte, stiftete zuweilen seine
Statue oder ein Bild der Pferde, deren Schnelligkeit er den Erfolg ver-
dankte.^) Aber auch sonst fehlte es im Leben des einzelnen nicht an
Veranlassungen, sich dem Gott bittend oder dankend mit einem Geschenk
zu nahen. Infolge von Traumerscheinungen,*) von reichlichem Gewinn
oder nach der Errettung aus einer Gefahr ^^) pflegte man eine Gabe dar-
zubringen; so Eaufleute,^^) Bergwerksbesitzer,'') Fischer,'^) Landleute, die
eine gute Ernte gemacht hatten,^*) Schiffer nach gefahrvoller Fahrt, ^*)
und besonders auch Kranke nach ihrer Genesung.'^) Diese weihten in der
Regel dem Asklepios eine Abbildung des geheilten Gliedes.'^) In dem
berühmten Heiligtum des Gottes auf Kos soll Hippokrates seine medizi-
nischen Studien gemacht haben, und in Delphoi zeigte man ein Skelett aus
Erz, das der gefeierte Arzt dorthin gestiftet haben sollte. ^^) Aber auch
der Handwerker durfte seine Werkzeuge, mit denen er sich das tägliche
Brot verdiente, der Musiker sein Instrument, der Maler seinen Pinsel, der
') Herod. I 50 flF., 92; V 36; VIII 35.
Bakchyl. III 61 ff.
>) CIG 2852—2859 Verzeichnisse der
j&hrlich dem Tempel vermachten Weihge-
schenke.
3) y. SoBÖFFEB Berl. Sind. IX 134 f.
*) Ephem. arch. 1894 S. 194.
») Bull, de corr. III 146 f.
' ') WiBSBLBR Abh. der Götting. Ges. d.
Wiss. Xy 303 ff. Reisch Weibgeschenke 63 ff.
») Xen. Hell. III 4, 18. Vgl. Herod. 1 144.
«) Paus. VI 6 etc.
*) Inschr. aus d. tanrischen Cheraones
Lattschew Sitzungsber. der Berl. Akad. d.
Wies. 1885 S. 315. Fbanz Ephem. epigr. gr.
S. 835. 8. Rbinagh Trait^ d'^pigr. gr. 384.
Labfkld Hdb. I' 593.
") CIA III 1427, 1474.
") Herod. IV 152.
") Paus. X 12, 2.
^») Paus. X 9, 2.
**) CIG 139, und über anagxal von allen
Ernten Dittenbebger Syll. 13, Herod. IV 33
und mehr bei Sauppe Att. et Eleus. im Ind.
lect., Göttingen 1880/81 S. 6.
»») Diog. Laert. VI 59. Vgl. Archäol.
Unters, auf Samothr. II 110. Athen. Mitt.
XVI 191 ff. Cic. De nat. deor. Ill 37.
") CIA III 1453 ff. Strab. VIII 374,
XIV 657.
»») CIG 1570b, Köhleb Athen. Mitt. II
(1877) 253 f. Bull, de corr. TI 419 ff. CIA
II 766 f. IGSept. I 303, 3498. Athen. Mitt.
XVin 235 ff. Doch auch andern Göttern:
vgl. die Abbildung Taf. III Fig. 5 und CIA
II 408 f.
»*) Paus. X 2, 4.
6«
84 IHe grieohiaohen Kaltiwaltertfliiier.
Ackersmann seinen Pflug, der Jäger die Haut oder das Geweih des erlegten
Wildes weihen.') Noch m^r: Zum Dank, dass ihm das Kraftfitück ge-
lungen, setzt ein gewisser Bybon aus Euboia auf den gewaltigen Feld-
stein, den er mit einer Hand über Manneshöhe geschleudert hat, eine
Inschrift, die seine That verkündet, und stiftet ihn nach Olympia.') Auch
Kleidungsstücke brachte man den Göttern dar, und namentlich der Tempel
der brauronischen Artemis, in dem man Gewänder von Wöchnerinnen nieder-
legte, die den Geburtswehen erlegen waren, ^) muss voll davon gewesen
sein.*) Jungfrauen weihten ihren Gürtel bei der Vermählung,*) Jüng-
linge beim Eintritt in das Mannesalter ihr Haar,^) ebenso Mädchen vor
der Hochzeit^) und Frauen nach der Genesung.^) Die meisten Weih-
geschenke aber bestanden in Statuen,^) goldenen und silbernen Opfer-
geräten, Kränzen, '<>) Schmucksachen, Lampen, Figuren und anderen Kunst-
werken. Im Jahr 180 v. Chr. befanden sich in Dolos allein im ApoUon-
tempel 1600 silberne und goldene Schalen, teils glatte, teils mit Reliefs
und Steinen geschmückte. Eine von den goldenen Schalen hatte einen
Metallwert von über 2000 Drachmen (1600 M.). Der Artemistempel be-
sass 266 Trinkge^se, darunter einen Mischkrug von vierzig Kilogramm
Silber. Zwei goldene Weinkannen von je vier Kilogramm hatten einen
Metallwert von 10—11,000 Mark. Dazu kamen Becher, Kränze, Ringe,
Halsbänder, Dreifüsse, Lampen u. a.> *) Unter dem Inventar des Amphiaraos-
tempels in Oropos finden wir'*) eine silberne Triere, ein Geschenk des
Königs Seleukos, silberne Heroldstäbe, kretische Bogen und viele andere
zum Teil seltene Kostbarkeiten aufgeführt. ^^) So wird mancher Tempel
einem modernen Museum nicht unähnlich gewesen sein^^) und im Laufe
der Jahrhunderte nicht bloss das Interesse des Neugierigen gereizt, son-
dern auch dem Studium des Künstlers und Altertumsforschers reiches
Material geboten haben.
Dass man wie sein Gebet oder sein Opfer, so auch sein Weih-
geschenk dem Gotte darbrachte, dessen Hilfe man begehrte, oder dem
man seinen Dank zu schulden glaubte, ist selbstverständlich; ebenso,
dass die berühmten und grossen Heiligtümer unendlich viel reichere
Beispiele Anthologie VI. Flut. Quaest. ^) Fans. 1111,6. Die aasftthrlichste
rom. 4. Schol. Aristoph. Flut. 948. Vgl. Ar- , Zusammenstellung von Haarweihen, nament-
rian De venat. 38 u. Darbhbbbo Dict. I 168. lieh für Zeus Panemeros, Bull, de oorr. XII
*) IGA 870. Jahrb. f. Phil. 1891 S. 557. | 481 flF. Über die ursprüngliche Bedeutung
•) Eur. Iph. T. 1464 flF. ■ desHaaropfersF. DOmmleb Philol. 1897 8.6f.
♦) CIA II 751-765. BoECKH Staateh.« ") Pao«. X 16, 7. CIA IH 1422 AT. Kuh-
II 283 f. Michaelis Parthenon 307 S. Si- ' »«»t Jahrb. f. Phil. Suppl. XIV 267. Abbil-
byllenorakel bei Diels Sib. Bl. 113 ZI. 31 f. . düngen Taf. III Fig. 1-2.
Hippokr. De morbo sacr. II 528 Kühn. v. , ") Dittenbergeb Syll. 367.
FELD Dts. Rdsch. Okt. 1884 S. 107 ff.
WiLAMOWiTZ Eur. Hippel. 193. Böttichrb
Philol. XVIII 17 ff. Studniczka Altgriech.
Tracht 136.
*) Paus. II 33, 1.
•) Aisch. Cho. 6 mit der Anm. von Wi-
LAMOWITZ S. 153.
') Wblcker Gr. Götterl. I 576, Wie-
SBLER Philol. 1854 S. 712 ff. v. Wilamowitz
£ur. Hippel. 24 f.
'>) IGSept. I add. 3498 ZI. 82.
»•) Vgl. Keil Herm. XXV 616 ff.
»*) Vgl. Jacobs Verm. Schrr. IH 469 ff.
CuRTius Altert, u. Gegenwart* 1 99. A. Mohm-
8 BN Bürsian's Jahresbericht 1888 S. 851.
Altert, aus Pergamnm VIII 1 S. 41 ff.
8. KnltuBhandlnngen. (§ 58—59.)
85
Schätze besassen als die kleinen und unbedeutenden. Der Tempel des
Zeus zu Olympia oder der des ApoUon zu Delphoi vermochte die Menge
der Weihgeschenke nicht zu fassen, und da man natürlich nicht jeden
Gegenstand in dem Peribolos frei aufstellen konnte, musste man eigene
Schatzhäuser (x^rjaavQoC) in der Nähe der Tempel errichten, wo dann
alles untergebracht wurde. ^) In Olympia z. B. gab es Schatzhäuser von
Syrakus, Epidamnus, Byzanz, Sybaris, Selinus, Kyrene, Metapont u. a.*)
58. Ausser diesen Weihgeschenken besassen manche Tempel heilige
Herden {Isqd ßoaxi^fiaza), in deren Besitz sie auf ähnliche Art gelangt
sein werden. >) Diese wurden auf den zu den Tempeln gehörigen Ländereien
geweidet und an den Festen der Gottheit zu den Opfern verwandt, aber
auch gleich den Tempelgütem verpachtet.*) In den Artemisheiligtümern
wurde namentlich auch Wild gepflegt.^) Dies war natürlich nicht zum
Opfer bestimmt, sondern wurde der Göttin zur Freude unterhalten,«) wie
man der Hera in Argos heilige Pferde hielt. '^) Auch sonst wurden in
den Heiligtümern mancher Götter Tiere gepflegt, die für ihre Lieblinge
galten,») z. B. Hähne,») Pfauen und Perlhühner, lo) Schlangen, »0 Mäuse.»«)
Eine attische Inschrift»') zählt geweihte Gefasse auf, die man aus dem
Erlös für die Wolle heiliger Schafe angeschafft hat. Der Apollontempel
in Delos besass Gänse, Rebhühner, Turteltauben, deren Eier man ver-
kaufte.»*) Die Tauben waren so zahlreich^ dass auch die Einnahmen für
den Mist in den Tempelrechnungen verzeichnet wurden.»^) Auch heilige
Fische werden öfters erwähnt,»«) und sie zu schonen wird aufs nach-
drücklichste eingeschärft;»^) ebenso waren die Schildkröten in der Nähe
eines Heiligtums des Pan in Arkadien dem Gotte heilig und durften nicht
verletzt werden.»«)
59. Schliesslich wurden auch Menschen den Göttern geweiht,»*)
In alter Zeit mag es mitunter vorgekommen sein, dass hier und da einer
der Geweihten der Gottheit als Opfer fiel,*<>) sonst wurden sie Tempel-
sklaven.'») In älterer Zeit sollen ganze Scharen solcher den Göttern Ge-
weihter ausgesandt worden sein, um irgendwo eine Kolonie zu gründen,**)
>) Herod. I 14, 51; ITI57; IV 162. Paus.
VI 19, 1; X 11, 1 flF. BörncHBB Tekt. IV
18flf.
*) D6BPFBLD Olympia II 46 ff.
») Paus. X 85, 4. Babr. Fab. 37. Herod.
IX 98. Diod IV 80. CIA II 816-818. Bull,
de corr. VI! 429, XVHI 264. Vgl. Diod. IV
18, XIV 116, XVI 27. Plut. LucuU. 10. Polyb.
IV 19, 4.
*) Wbschbb Mömoires pr^sentös . . k
racadämie des inscriptions, Sörie I tom. VIII
(1869) 54 f.
») Paus. X 85, 4. Xen. Anab. V 8, 9.
•) Paus. VIII 10, 4.
') Diod. IV 15.
•) BöTTioHBR Tekt. IV 88.
») Aristot. bei Athen. IX 891 D.
'•) Athen. XIV 655A.
>') Ael. De nat. an. XI 2.
>>) Ebenda XII 5.
») CIA II 816.
»*) Bull, de corr. XIV 392 ZI. 36 f. VI
20 ZI. 158.
^») Bull, de corr. XIV 895 ZI. 41.
") Paus. VII 22, 2. Diod. V 8; XXXIV
9. Vgl. Aelian De nat. an. XI I 80. Dibts-
EiOH Aberkios 40 f.
17) DiTTBNBEBOBB Syll. 864.
»8) Paus. VIII 54, 5.
»») Vgl. Eurip. Ion 827. Soph. Trach.
184. Plut. Thes. 16.
") Tzetz. zu Lykophr. 1141. Vgl. Polyb.
XII 5. Strab. XIII 601.
'*) Inschr. aus Epidauros bei Collitz-
Bbohtbl 8345. Mehrere Inschrr. aus Chai-
roneia IGSept. I 8384 ff.
") Herod. VII 182.
86
Die griechischen Knltiuialtertttmer.
wie die Magneten in Asien,') die Dryoper in Asine,^) die Rheginer in
Italien. 3)
Dass Jungfrauen der besseren Stände der Aphrodite ihre Keuschheit
weihten und sich in ihren Heiligtümern preisgaben, kam nur in asiatischen
Tempeln häufiger vor, in Griechenland war es auch an den Orten, wo der
orientalische Kult der Göttin starken Einfluss geübt hatte, eine sehr seltene
Ausnahme. Am berühmtesten wegen seiner (über tausend) Hierodulen
war der TempSl der Aphrodite in Korinth,*) in kappadokischen Heilig-
tümern war ihre Zahl noch bedeutend grösser.-'^)
e. Die Opfer.
Litteratur: Schobhann Gr. Altert.' II 221 ff. HsEXAim Gott. Altert.* § 24—28.
Naeoblsbaoh Hom. Theol. 304 ff. Nachhom. Theol. 194 ff. L. Schmidt Ethik der Griechen
II 40 ff. 0. ScHviDT Die Opfer in der Jahvereligion mnd im Polytheismufl, Hall. Disser-
tation 1877. BöcKH Staatshaushaltang* I 267 ff. Sixt Eorrespondenzblatt f. d. gelehrten
Schulen Würtemb. 40, 289 ff.
60. In Piatons Zeit fasste man die Opfer als eine Art von Weih-
geschenken auf.^) Auch von dem, was der Mensch nur flüchtig genoss,
sollte die Gottheit, der er den Qenuss verdankte, einen Anteil empfangen.
Das ist schwerlich die ursprüngliche Absicht der Opfernden gewesen. Eher
könnte sie die Furcht vor den Übermächtigen getrieben haben, die eifer-
süchtig auf die Sterblichen herabsahen, ihnen den Qenuss missgönnten;
oder das Gefühl, es sei ein Raub, die von der Natur dargebotenen Früchte
zu verzehren, und unerlaubt, einem Tier das Leben zu nehmen, und die
Gewaltigen, die über allem herrschten, müssten.nun durch eine Abgabe
versöhnt werden. Andere wollen in Opfergaben von Anfang an nur ein
Zeichen der Ehrfurcht vor der Gottheit erkennen oder gar das Bedürfnis,
sich der Gemeinschaft mit den Göttern immer wieder bewusst zu werden
und zu versichern.^) Es werden sich diese Fragen, die übrigens mehr
Religion und Kultus der Menschheit angehn als der Griechen, allgemein
überzeugend nie beantworten lassen, ja es ist gar nicht ausgemacht, ob
nicht von Anbeginn sowohl das Bestreben, den strafenden Zorn einer Gott-
heit zu versöhnen, wie ein andermal der Wunsch, sich ihres Beistandes
bei irgend einem Unternehmen zu versichern, die Veranlassung zum Opfern
gewesen ist. Sicher scheint, dass man den Gott durch das Opfer herbei-
rufen oder herbeilocken wollte. Das beweist die älteste Form der Altäre,
deren Hauptbestandteil ein Sitz ist, auf dem der Gott Platz nehmen soll,
um das Opfermahl zu geniessen, wie auch der Umstand, dass kein Opfer
ohne Anrufung erfolgt.*) Man rief den Gott aber an, um etwas von ihm
zu erlangen. Welcher Art diese Anliegen waren, hing von den Umstän-
') Plut. Pyth. orac. 16. Plat. Leg. X 919.
Strab. XIV 957. v. WiLAMOwrrz Herrn. XXX
180 ff.
•») Paus. IV 34, 6; II 85, 2. Diod. IV 37.
ApoUod. II 2, 7.
•) Strab. VI 257.
*) Strab. VIII 378 dvi^Bcav ar&QBt xai
yvyaucesy also unfreie. Athen. XIII 573 C.
*) Strab. XII 535.
•) Plat. Euthyphr. 14c.
^) So E. GuBTius Nachr. d. Ges. d. Wias.
zu GöttingeD 1861 S. 361. S. femer Ttlob
Primitive cult. II Gap. 18. Ghantbpib db
LA Saüssate Reiigionsgesch. I 101 ff., Yrrn-
bürg 1887. Fb. Nitzsch Idee und Stufen des
Opferkultes, Kiel 1889.
«) Rbiohbl Vorhellen. Götterknlta 39.
8. KnltiuhuidlimgeB. (§ 60.)
87
den ab und auch von der Vorstellung, die man sich von dem Wesen und
der Macht des Gottes machte; die Bitten werden mannigfach gewesen
sein, wie die Wünsche des Menschenherzens, verzagt und ängstlich, oder
leidenschaftlich begehrend.
Es ist kein Zweifel, dass auch die Oriechen wirklich geglaubt haben,
sich durch reichliche Opfer Gnade und Vergeltung der Himmlischen zu
erkaufen — die ganze Litteratür ist voll von Zeugnissen — , und dass
nicht bloss in ältester Zeit die Ansicht herrschte: je reicher die Opfer,
desto lieber den Göttern, desto mehr Aussicht auf ihren Dank. Zwar fehlt
es nicht an Äusserungen, die im Gegensatz dazu auf die fromme Gesin-
nung der Darbringenden Gewicht legen, aber sie scheinen doch mehr der
Ausdruck persönlicher Überzeugung, zum Teil sogar gehobener Stimmung
zu sein, als den Glauben der Menge wiederzugeben. Bei Euripides heisst
es einmal, oft seien die Armen, die wenig opferten, gottesfürchtiger als
die Beichen, die grosse Opfer brächten, und der Fromme erlange auch,
durch ein kleines Opfer ihre Gnade;*) Isokrates (U 20) sagt, das schönste
Opfer und der beste Gottesdienst sei ein gutes und gerechtes Leben, und
das würden die Götter mehr lohnen als das Hinschlachten vieler Tiere;
ebenso äussert sich der Verfasser des zweiten Alkibiades (13 p. 150), die
Götter sähen nicht auf die Grösse der Opfer, sondern auf die Gesinnung;
Porphyrios') bringt verschiedene Zeugnisse, wonach dem delphischen
ApoUon die Opfer der Armen am liebsten gewesen seien; Xenophon^)
fragt: Wie können wir den Göttern mit froher Zuversicht unsere Opfer
darbringen, wenn wir verruchte Thaten verüben? und Piaton*) meint,
nicht recht wäre es, wollte ein Gott auch die Gaben des Verworfenen an-
nehmen, aber an anderer Stelle ^) spricht er aus: die verbreitetste Ansicht
sei, der Ungerechte dürfe, wenn er nur reiche Opfer und Weihgeschenke
darbringe, auf den Dank der Götter mehr rechnen, als der gerechte Mann,
der dies nicht thue oder thun könne, und der Rhetor Anaximenes^) em-
pfiehlt dem Redner, wolle er die Bürgerschaft zur Vermehrung oder reichem
Ausstattung der Opfer überreden, geltend zu machen: dann würden auch
die Götter sich noch gnädiger erweisen; trete er für eine Verminderung
und Herabsetzung der Ausgaben ein, zu sagen: die Götter sehen nicht auf
den Wert der Opfertiere, sondern die Gesinnung der Geber. Bei Homer
bringen Elytaimestra und Aigisthos nach der Ermordung Agamemnons ihre
Opfer ebenso zuversichtlich (y 373 flf.) wie nur irgend ein Frommer, und
wer die Gaben nicht spart, darf auf Vergeltung rechnen,®) wie umgekehrt
der Säumige der Strafe gewärtig sein muss.*) Noch sind alle Opfer
heitere Mahlzeiten, und die Götter denkt man sich an dem Genuss teil-
nehmend.*®) Zu den Aithiopen begeben sie sich selbst '*) und erfreuen
>) Frgm. 329 N.
«) Frgm. 946. Vgl. Hör. c. III 23.
*) De abst. II 15 ff.
*) Anab. V 7, 32.
») Leg. IV 716D.
•) Rep. 362 G.
7) Ars rhet II 12 Spbitgel.
•) X 170 f., J 46 ff.; K 46, a 240 f., y
58, (f 763 ff. Vgl. Hes. Erg. 336 ff. Plat
Symp. 202 E. Athen. VI 245.
•) 1 535 ff., A 93. 65, E 178. Vgl. Soph.
Ai. 172 ff.
>•) ^ 206 f., y 336. Vgl. Athen. VIR
363 D. Paus. IV 27, 1; VIII 2, 2.
>») a 22 ff., y 205 ff.
88
Die griechiBohen EnltUBaltertümer.
sich Tage lang mit ihnen gemeinsam an Schmaus und Wein,*) und auch
bei andern besonders begnadeten Sterblichen nehmen sie unter Umständen
in menschlicher Gestalt am Opfermahle teil. Athena speist mit ihrem
Schützling von der heiligen Hekatombe der Pylier,") und tausend Jahre
später werden Paulus und Barnabas für Hermes und Zeus gehalten, und
man bringt bekränzte Rinder, um sie ihnen zu opfern.') So menschlich
gedachten Göttern durfte man auch von der eigenen täglichen Speise an-
bieten. Übermittelt werden konnte den in unerreichbarer Höhe Thronen-
den ihr Anteil nur, indem man ihn verbrannte;^) an dem aufsteigenden
Fettdampf mochten sie sich dann erfreuen.^) Zudem war das Feuer das
reinste Element, das alles Unsaubere am gründlichsten vernichten und
tilgen konnte.^) Ursprünglich hatte es den Göttern allein gehört und
sollte ihnen vorbehalten bleiben,') bis Prometheus gegen den Willen der
neidischen es den Sterblichen mitteilte. Am Feuer allein konnte man
keine Verunreinigung wahrnehmen, auch wenn es mit Unreinem in Be-
rührung gebracht war. Trotz alledem glaubte man, dass auch ihm die
Reinheit seiner Natur abhanden kommen könnte, und zu den Opfern war
daher nicht jedes Feuer zu gebrauchen. Nach der Schlacht von Plataiai
erklärte das delphische Orakel, das Feuer in der Umgegend sei durch
die Barbaren befleckt, zur Siegesfeier sollte man reines aus Delphoi
holen, ^) und in Argos löschte man in einem Hause, in dem ein Todesfall
vorgekommen war, alles Feuer aus und holte zur Zubereitung des Leichen-
mahles neues aus dem Nachbarhause. ^) Dasselbe geschah in Lemnos an
einem jährlich gefeierten Reinigungsfest, zu dem man dann Feuer aus Dolos
kommen Hess.*®) Delphische Inschriften**) zeigen uns, dass die Athener
wiederholt, vielleicht regelmässig, durch eigene Abgesandte vom Altar
ApoUons Feuer holen liessen; die Lakedaimonier nahmen Feuer von den
ersten Opfern vor Beginn des Feldzugs mit ins Feld und sorgten, dass
es nie erlosch;*^) vom Altar des Prometheus in Athen reines, unentweihtes
Feuer auf einen andern zu übertragen, war der eigentliche Zweck des
Fackelwettlaufs;*') in den Heiligtümern der Hestia und anderer Götter**)
brannten ewige Lampen, und eine ähnliche Bedeutung hatten wohl auch
die Fackeln, die die Argeier der Demeter und Köre in Gruben versenkten:**)
*) A 423 ff.
») r 51 ff., 67; vgl. 485 f. und v 201 ff.
') Act. apoat. XIV 11 ff. Vgl. Stbngbl
Jahrb. f. Phil. 1883 S. 361 Anm. 5 u. 6.
*) Bei Homer &vety; legevety heisst
schlachten, atpäjteiy darch einen Schnitt
oder Stich dem ({ 426 bereits durch den
Schlag betäubten, vgl. E 696 f., X 466 ff.,
475) Tiere das Blut entziehen, (^(eiy opfern.
Vgl. Stbhobl Jahrb. f. Phü. 1885 S. 102 f.,
auch Prbünbr Bestia-Vesta 190 ff.
*) ^ 301, « 549.
•) Vgl. Eur. Herakl. 937. Porph. De
antro Nymph. 15 und die Sagen von dem
Feuertod des Herakles oder der beabsich-
tigten Läuterung und Vergöttlichung des
Achilleus durch seine Mutter Thetis, des De-
mophon durch Demeter Pbbllbr-Robebt Gr.
Myth. II 256, 400, 770. Rohdb Psyche 393 A.
DiBTEBicH Nekyia 197 ff. Maass Orpheus
231 A. 44 Kboll De orac. Ghald. 53. Samm-
lung Y. VlBCHOW U. V. HOLTZBNDOBFF 1897
Nr. 278 S. 35 f.
^) SoHOBMANN Opusc. acad. II 279.
«) Plut. Arist. 20.
») Plut. Quaest. graec. 24 p. 296 f. v.
WiLAMowiTZ Eur. Her." II 207.
^») Philostr. Her. XIX 14 p. 740. Mehr
bei ScHOBMAinf a. a. 0. II 223 f. u. Böttichbb
Tekt. IV 177 ff.. 320 ff
») Bull, de corr. XVIH 87 und 92.
>») Xen. Resp. Lac. XIII 3.
") Wecklbin Herrn. VII 446 ff. Köbtb
Arch. Jahrb. VII 150 f.
") Paus. I 26, 7.
») Paus. II 22, 4.
3. Knltnahandliuigeii. (§ 61.)
89
es ist ein Weihen und Darbringen des heiligen Feuers selbst.*) — Bis-
weilen wurden zur Unterhaltung des Opferfeuers besondere Holzarten ver-
wendet, wie bei den Opfern des Zeus in Olympia, wo nur das Holz der
Weisspappel {Xevxrj), die Herakles eingeführt und zuerst benutzt haben
sollte, gebraucht werden durfte,*) oder der Aphrodite in Sikyon, wo
Wachholderholz verlangt wurde.') Zu andern Opfern durften nur die
sog. vrj(paXia ^vXa verwandt werden, Holz von Weinstöcken oder Feigen-
bäumen war verboten.*)
Gehen wir jetzt zu den Opfern selbst über.
61. Es empfiehlt sich der Übersichtlichkeit wegen, die unblutigen
vorweg zu nehmen und gesondert zu behandeln. — Wie zu den blutigen
Opfern alle essbaren Haustiere genommen wurden, so zu diesen alle
Speisen, die man selbst genoss. Telemachos verbrennt bei seiner Abfahrt
aus Pylos einen Teil seiner Reisekost, ^) denn ein grösseres Mahl zuzu-
rüsten, hat er nicht Zeit, und Odysseus in der Höhle des Kyklopen Käse,^)
von dem er und seine Gefährten selber essen, und wenn unfromme Leute,
wie die Freier in Ithaka,^) es auch bisweilen unterlassen haben mögen,
so war es jedenfalls Brauch, wenn eine grössere Gesellschaft ein Mahl
bereitete, zuerst den Göttern einen Anteil zu weihen.^)
a) Der Gewöhnlichkeit der Nahrungsmittel entsprechend ist unter
den unblutigen Opfern keines häufiger, als Backwerk.^) Jlonava^^^)
näfifiara^^^) fxäCca^*) werden allen Göttern geopfert, und zwar bringt man
sie ganz in derselben Weise dar wie Tieropfer; den Himmlischen ver-
brennt man sie auf Altären, i') den unterirdischen und Toten auf der
iaxccQcc oder auf dem Grabe,**) den Meeres-**) oder Flussgottheiten *«) wirft
man sie ins Wasser. Die Opfernden essen von dem Kuchen, den sie den
Göttern weihen, natürlich nicht; er ist ja nur ein Teil alles Gebackenen
und vertritt etwa die Stelle der von einem Tier verbrannten Schenkel-
und sonstigen Stücke. Oft legt man die Kuchen nur auf die Altäre oder
Opfertische, und sie fallen dann den Priestern anheim.*^) Eine eigene
Bedeutung hat der sog. TtsXavog.^^) Es ist dies ein mehr oder weniger
flüssiger Mehlteig, Honig, oft auch Mohn enthaltend,*^) der je nachdem
in die Flammen geworfen oder als eine Art Spende gegossen werden
konnte. In festerem Zustand erscheint er als flaches, rundes Gebäck,
•) Eur. Iph. T. 1331. Paus. VII 27. 2.
CIA III 73 n. 74. Dibls Sib. Bl. 112 Or. I 20 f.
«) Paus. V 14, 3; vgl. V 13, 2.
») Paus. II 10, 4.
*) Philochoros im Scbol. zu Soph. 0. E.
100.
'^) 222. Vgl. Bbbnhabdi D. Trankopfer
bei Homer, Progr. d. Kgl. Gymn. zu Leipzig
1885 S. 4 f.
•) i 232.
') Bbrithbadi a. a. 0. 3 f.
*) Vgl. z. B. Athen. V 192 B.
^) LoBBCK Agl. 1050 ff., BöTTicHBR Tekt.
IV 270. 0. Bahd Das Attische Demeter-
Eore-Fest der Epikleidia, Progr. der Marga-
rethenschule Berlin 1887 S. 4 ff.
") Aristoph. Thesm. 285. CIA III 77.
CIA II 1651. Diog. Laert. VHI 13.
") CIG 8599. Paus. I 26, 6.
»«) Paus. III 23, 5.
^•) Inschr. v. Kos Paton u. Hioks 37
ZI. 31 u. 49; 39 ZI. 7. Paus. VIII 2, 3. Me-
nandros bei Athen. IV 146 F., vgl. 172 D.
Abbildung eines dreispitzigen Opferkuchens
z. B. bei Gbrhabd Akad. Atlas, Berl. 1868
Taf. LXV 2. S. auch FubtwXnolbb Samml.
Sabouroff 7 T. XXX.
'*) Aisch. Pers. 523. Luk. Katapl. 2.
'») Paus. III 23, 5.
^•) Paus. X 8, 5.
'^) Aristoph. Plut. 661 u. Schol.
") Stenobl Herrn. XXIX 281 ff., XXXI
477 ff
>•) Hbbzog Herrn. XXIX 625 f.
90
Die grieohiaohen Knltaflaltertümer.
unsern Eierkuchen oder Flinzen ganz ähnlich. Gegessen wird niemals da-
von. ^ Er ist als Opfergabe namentlich in chthonischen Kulten häufig,*)
begegnet jedoch auch in andern.^) In Eleusis stellt man einen ungeheuren
neXavog aus Weizen- und Gerstenmehl her, von dessen weicher Masse im
Verlauf der Feier verschiedenen Gottheiten geopfert wird.*) Die vor-
zugsweise Verwendung im Kult der unterirdischen und die Schwerflüssig-
keit der Masse erklärt es, dass auch Blut- und Ölspenden als neXavog be-
zeichnet werden können. 3) Bisweilen gab man den Kuchen eine eigen-
tümliche Form, die irgend eine Beziehung auf die Gottheit hatte, der man
sie darbrachte. So erhielt Artemis- Selene in Athen runde Kuchen, die
das Aussehen des Vollmonds haben sollten und mit Lichtern besteckt
waren,«) und Apollon soll solche in Gestalt von Lyren, Bogen oder Pfeilen
empfangen haben;'') der Göttermutter opferte man yaXa^lag, einen Brei
aus Mehl und Milch, wie ihn wohl nährende Frauen oder eben entwöhnte
Kinder essen mochten. b) Besonders häufig aber sind die Nachbildungen
von Tieren.*) Auf solche Weise helfen sich Philosophen, wie Pythagoras
und Empedokles, die gegen die Tötung eines Tieres religiöse Bedenken
haben, 10) Belagerte, denen die Fleischnahrung ausgegangen ist,i^) und
besonders Arme, denen Tiere zu theuer sind. ^^) Wenn nun gar an einem
Fest wie bei den Diasien in Athen eigentlich keine andern Opfer zu-
lässig sind als Tiere, so lässt sich denken, dass die Zahl der näfjLfAota
elq ^(pcov fiOQ^dg Tstvnwfxäva hier sehr beträchtlich war.**) Aber auch
wo solche Gründe wegfielen, Wurden diese keineswegs ungewöhnlichen
und bei einzelnen Gelegenheiten sogar vorgeschriebenen Opfer darge-
bracht.^*) Besondere Erwähnung verdienen die sog. [nshTovvTm, Wie
Honig in den Spenden für Unterirdische (fieiXiyfiara) enthalten war, so
sind auch diese Kuchen bestimmt, die chthonischen Mächte zu versöhnen.
Man gab sie den Toten mit, um den Kerberos zu besänftigen, i^) der ihnen
den Eintritt in die Unterwelt wehrte, i«) warf sie aus demselben Grunde
den Schlangen vor, wenn man in die Höhle des Trophonios hinabstieg, ^^)
und fütterte damit die heilige Schlange der Athena auf der Burg.^^) Einen
ähnlichen Kuchen {aQsazf^Qa xtjqiov) erhalten Gottheiten, denen vrj<pdXuz zu
spenden üblich war.*»)
M Schol. Aristoph. Plut. 661. Aisch.
Pera. 203. Eur. Ion 707, vgl. 226; Hei. 1334.
«) Eur. Frgm. Nauck* 912. Aisch. Fers.
523 f., Apoll. Rhod. IV 712 u. s. w.
») Eur. Hipp. 146. Dion. Hai. II 74 u. s. w.
«) DiTTBNBEROBB Syll. 18 ZI. 36. Bull, de
corr. VIII 197 ZI. 78. Zibben Leg. sacr. Leipz.
1896 S. 22 f.
^) Eur. Alk. 851. Vgl. Aisch. Eum. 265
mit 304 f. Aisch. Ag. 96.
•) Athen, XIV 645A. Vgl. Poll. VI 76.
Prellbb-Robebt Griech. M^tibol. I 312.
') Stephan. Byz. u. nataga.
•) Lobeck Agl. 1069. CIA II 470.
^) Stengel Jahrb. f. Phü. 1881 S. 399.
»0) Porphyr. Pyth. 22. Athen. I 3E.
Stubz zu EmpedokL 15. Müllach Frgm.
phüos. V 405 flf. 417 ff.
") Plut. Luc. 10. Appian Bell. Mithr. 75.
*•) Suid u. nonaya u. ßovs iß^ofios, Pro-
klos zu Plat. Polit. p. 419. Hesych. u. ß. iß^,
CIA III 1666. Müllbb Frgm. bist, graec. I
362, 16.
") Vgl. Thuk. I 126 u. Schol.
") CIA III 77 Zl. 25. Athen. XIV 646 B.
Bbkkbb Anecd. p. 249. Plat. Phaon bei Athen.
X 441 F V. 8. Mbinekb Frgm. com. I 674,
HoMOLLE Bull, de corr. XIV 422 A. 1.
") Schol. Aristoph. Lys. 601 u. Said. u.
d. W.
>•) Vgl. TöPFFEB Att. Gen. 172 f.
") Paus. IX 39, 5. Aristoph. Nub. 507.
Poll. VI 76. IGSept. I 8055.
>•) Herod. VIII 41.
") CIA II 1651. BulL de corr. VII 68.
Vgl. S. 98 f. und A»^yaioy X 556.
8. KultnahandluiigeB. (g 61.)
91
b) Nächst Fleisch und Brot bildeten Früchte den Hauptbestandteil
der Nahrung, und so finden wir denn auch diese sehr oft unter den Opfer-
gaben genannt. Am häufigsten scheint Demeter, wie das ja auch natür-
lich ist, diese Opfer erhalten zu haben. In Arkadien opferte man ihr
alle veredelten Früchte ausser der Granate, und in der Stadt Phigalia
Baumfrüchte, Weintrauben, Honig, wozu man noch ungereinigte Wolle auf
den Altar legte, die man mit Öl begoss.') Auch an andern Orten
brachte man ihr die Erstlinge der Feldfrüchte dar.') Herakles erhält
Trauben*) und andere Fruchtopfer,*) Früchte auch Poseidon.«) Der Artemis
werden an ihrem Altar Ährenkränze niedergelegt^) und andere reife
Feldfrüchte geopfert,®) die Göttermutter empfängt Weizen, Gerste, Wein
und was die Jahreszeit sonst von Früchten bringt,®) ebenso Gaia;^®) der
Leto bringt man in Delphoi Lauch dar,^0 der Iris in Delos Nüsse, ^^) dem
Dionysos und andern Göttern reife Herbstfrüchte.*') Zu diesen Opfern
gehört auch die sog. Eiresione, ein mit allerlei Früchten behangener Öl-
zweig. An den Thargelien und Pyanopsien weiht man diese Gaben dem
Helios und den Hören, ^*) wie denn der Monat Pyanopsion auch seinen
Namen von den gekochten Hülsenfrüchten haben soll, die man dem ApoUon
darbrachte. *') Ja auch Früchte müssen ebenso wie Backwerk entsprechend
zugerichtet die Stelle von Tieropfern vertreten. In dem städtischen Demos
Melite zu Athen wurden dem Unheil abwehrenden Herakles, der dort
einen Tempel hatte,*') statt eines Rindes fjifjXa geopfert, Äpfel, in die man
Hölzchen statt der Beine und der Hörner steckte,*^) und PoUux (I 30)
berichtet, dass die Boioter ihm ein gleiches Opfer brachten.^') Auch die
Lokrer sollen Gurken auf dieselbe Weise zugerichtet und statt eines
Rindes geopfert haben.*®)
c) Aber auch von den andern Nahrungsmitteln des Menschen er-
hielten die Götter ihren Anteil. Ausser den genannten gehörte zu den
gewöhnlichsten noch der Eäse, und so kann es denn nicht fehlen, dass
wir auch ihn unter den Opfergaben häufig genannt finden.*^) Besonders
oft werden Käsekuchen erwähnt.^*)
Auch Honigwaben legte man auf die Altäre. ^^)
DiTTBNBBBGER
Paus. VIII 37, 4.
») Paus. VIII 42, 5.
•) Dion. Hai. II 74.
*) Aelian De nat. auim. VI 40.
») Paus. IX 19, 4.
•) Flut Thes. 6.
') Paus. VII 20, 1.
•) Xen. Anab. V 3, 9.
») Athen. IX 52 p. 476.
SyU. 377.
*•) Hesych. u. rexvaia,
") Athen. IX 372 A.
») Athen. XIV 645 ß.
'») CIA III 77. Vgl. CIA II 631.
") Schol. Aristoph. Equ. 729, Flui 1064.
Suid. u. eiQS(H(aytj. Porphyr. De abst. II 7.
Vgl. EusUth. ad IL p. 1283 u. Fbbllbb-
RoBEBT Gr. Myth. I 262.
»») Poll. VI61. Flut. Thes. 22. Harpokr.
n. HvayoiffUt u. Suid. u. Ilvayeipuoyo^.
*•) Vgl. V. Lbutsch Philol. Suppl. I 130.
*') Zenob. V 22 = Paroimiogr. gr. I
p. 124 nach ApoUodor BsqI &6uy, Suid. u.
MijJieiog 'HQaxXrjg, Hesych. u. MijXtoy ^HqaxXtjq,
Vgl. V. WiLAMOWiTZ Kydathen 150.
»«) Vgl. Stengel Jahrb. f. Phil. 1881
S. 398 ff.
>») Paroimiogr. gr. I p. 116. Zenob. V 5.
Pseudoplut. Frov. Alex. 24 (Didot. II p. 165).
»0) CIGIns. II 330. Menandr. bei Athen.
IV 27 p. 146. Eustath. ad IL I 585 und mehr
Beispiele Jahrb. f. Fhil. 1882 S. 672.
•*) z. B. in den Inschrr. bei v. Pbott
Leg. sacr. S. 20 ZI. 39. Wien. Akad. d. Wiss.
1894 S. 23.
") CIA III 1662, 1667.
92
Die grieohiaohen KnltuBaltertümer.
d) Endlich muss auch der Weihrauch*) hier Erwähnung finden, wenn
er auch nicht mehr ein Speisopfer ist. Er kommt teils als selbständiges
Opfer vor,*) meist von Spenden begleitet,*) teils als Beigabe blutiger*)
und unblutiger^) Opfer. Namentlich auf den Altären, die sich im Innern
der Tempel befanden, pflegte er den Göttern verbrannt zu werden.
Eingeführt ist er in Griechenland im siebenten Jahrhundert und hat
schnell Verbreitung gefunden.^) Die Verzeichnisse der Tempelinventare
führen oft erstaunliche Mengen von Weihrauch, wohlriechenden Kräu-
tern und Spezereien auf;^) denn auch durch Opfer schön duftender
Kräuter und vielleicht noch häufiger Hölzer suchte man die Götter zu
erfreuen.*)
62. Einzelne Kulte Hessen blutige Opfer überhaupt nicht zu. So
gab es auf der Burg zu Athen einen Altar des Zeus Hypatos, auf dem
nichts Lebendes geopfert werden durfte,') und wahrscheinlich bestand
für den Kultus des Sosipolis in Elis dieselbe Vorschrift. *<') Unblutig sind
jedenfalls auch die sog. anvqa oder axanva^ feuerlose Opfer, i^) gewesen,
wie sie Athena in Lindos,") Apollon auf einem Altar in Dolos,") in alter
Zeit Eirene in Athen ^*) und hier und da wohl auch andere Götter em-
pfingen.» 5) Wie die Lindier, die sich überhaupt durch den Besitz sonder-
barer Kulte auszeichnen, ><^) sich offenbar auf die ihnen eigentümlichen
Athenaopfer etwas zu gute thun,^^) so scheint man die ajtvqa tsgä auch
sonst für besonders heilig und den Göttern wohlgefällig gehalten zu
haben.»*) Der nur für unblutige Opfer bestimmte Altar in Dolos hiess
siasßiüv ßcDfiog;^^) aber natürlich kam es auch auf die Gottheit an, der
das Opfer galt.«») Auf welche Weise diese Opfer den Göttern über-
mittelt wurden, oder ob sie die Priester von den Altären wegnahmen, **)
wissen wir nicht.**)
') Y. Fbitzb die Rauchopfer der Grieohen
Berl. 1894. Ephem. arch. 1897 S. 164 ff.
») Hes. Erg. 338. Luk. HeQl dva. 12.
KocK Frgm. com. II 260 S. 100. Pergam.
Inschr. VIII 1 nr. 246 und besonders die
Opferanweisnngen vor den orphischen Hym-
nen. V. Fritze a. a. 0. 37 f.
•) V. Fbitze 36. Vgl. Livius XXXIII 11.
*) Vgl. NiTzscH zur Odyssee II 15.
») Paus. V 15, 6. VI 20, 2.
«) V. Fbitzb 23 ff.
') CIG 2852 B, 5773. v. Fbitzb 43 f.
•) KooK Frgm. com. III 24 S. 404. Ari-
stoph. Plut. 11 14 ff. Plut. Pyth. or. 6 p. 397A
und mehr bei v. Fbitzb 7 f.
») Paus. I 26, 6.
>») Paus. VI 20, 2 f.
>0 LoBBCK Agl. 1083. Hbbmann Gott.
Altt.« § 17 A. 4. V. Fbitzb De libatione vet.
Graec. Berl. Diss. 1893 S. 6 ff.
") Pind. Ol. 7 und Schol. zu VII 86.
Diod. V 56. Phüostr. Imag. II 7 p. 852.
Vgl. Hbffteb Gottesd. auf Rhodos II 11.
DirrBNBEBGBB Ind. lect. Halle 1887 S. VII.
-») Laert. Diog. Vill 13. Cic. De deor.
nat. III § 88. Porphyr. De abst. II 15, II 28.
Jamblich. V. Pythag. p. 25. Vgl. Bbbnats
Theophr. üb. d. Frömmigkeit 119. Val. Rosb
Aristotfrgm. Leipz. 1886 Frgm. 489 p. 311.
>«) Aristoph. Pax 1019 mit Schol. Bobckh
Staatsh.* fl 131.
><^) Eaibbl Epigr. gr. 1047. Eur. Frgm.
912 Nauok«. Vgl. Dion. Hai. II 74. Plut.
Quaest. rom. 15.
»•) Vgl. Philostr. Imag. II 24. Paus. IX
12, 1. Apoll. Bibl. II 5, 11. Konon Narr. 11.
»') Vgl. Pind. Ol. VIL
") Plat. Leg. VI 782 C. Bbbnays Theo-
phrast 119.
>*) Porph. De abst. II 25. Bbbnats a.
a. 0. 89 und 119.
") Anthol. VI 292 Jacobs: Ares ver-
schmäht ein unblutiges Opfer, wie es fttr die
Nymphen angebracht ist.
«») Vgl. Paus. IX 19, 4.
'*) Eine Abbildung eines Tempeltisches
mit Opfergaben Sohbbibbb Eultnrhist. Atlas
Taf. XVII n. 13. Vgl. Böttiohbe Tekt. IV
265 ff.
d. KnltoBhandliuigeii. (§§ 62— 6B.)
93
63. Endlich gehören die Trankopfer oder Spenden in dies
Kapitel. Wenn wir davon hier sogleich diejenigen ausscheiden, die
beim Mahle und Gelage nach jeder neuen Füllung des Mischkruges den
Göttern dargebracht zu werden pflegen,^) und ebenso die, welche bei
Totenbestattungen in den brennenden Scheiterhaufen gegossen oder in
Krügen darauf gesetzt werden, 3) so haben wir noch zu unterscheiden
zwischen Spenden, die als selbständiges Opfer dargebracht werden, und
solchen, die nur ein anderes, gewöhnlich blutiges Opfer begleiten. Wie
man Wein trank, auch ohne dazu etwas zu essen, so spendete man auch
den Göttern häufig, ohne ihnen gleichzeitig noch eine andere Opfergabe
darzubringen.^) Solche Spenden bestanden aus gemischtem Wein^) —
wusste man ja doch, dass die Götter selbst den Nektar sich mischten,^)
— und zwar in demselben Verhältnis gemischt, wie man ihn selber trank.
Von dem Weine, den Hekabe ihm bringt, soll Hektor zuerst dem Zeus
spenden und dann selbst trinken;^) um der Athena zu spenden, mischt
Nestor den Mischkrug,®) ebenso Alkinoos für Zeus^) u. s. w. Aber
nicht alle Götter erhalten Weinspenden, mehrere verlangen einen nüch-
ternen Trank {vtjqxiXia)^ aus Milch, Honig und Wasser gemischt {fieki^
xQazov). Der Mnemosyne, den Musen, der Eos, dem Helios, der Selene,
den Nymphen, der Aphrodite Urania bringen die Athener vr](pdXia Ugd
dar, wie uns Polemon berichtet, und Philochoros fügt noch den Dionysos
und die Töchter des Erechtheus hiuzu.'^^) Es wird diese Sitte also nicht
als eine allen Hellenen gemeinsame überliefert, und ebenso ist zu be-
achten, dass unter den genannten Gottheiten keine ist, der man grössere
Speisopfer darzubringen pflegte. Was den Dionysos anbetrifft, so ist
wohl anzunehmen, dass er vrjtpdXia nur erhielt, wenn der chthonische
Charakter in den Vordergrund trat, wie dies z. B. bei seiner Verehrung
in den Mysterien der Fall war.^0 Denn die Götter der Unterwelt hassen
den Wein,^*) Honig und lindes Öl besänftigt sie wie die Toten, i^) Die
*) S. von neueren Arbeiten E. Bekn-
HABDi D. Trankopfer bei Homer, Progr. des
EgI. Gymnas. zu Leipzig 1885. Stbnorl
Philol. XXXIX 378 ff., Herrn. XVII 329 ff.,
XXII 645 ff., Jahrb. f. Philol. 1887 S. 649 ff
V. Fritzb De libatione vet. Graec. Berl. Diss.
1893, der wie Gürtiüs in d. Sitzungsber. der
Berl. Akad. d. Wiss. 1890 S. 1142 ff. die
weinlosen Spenden für die frühesten Opfer-
gaben hftlt. Hier auch viele bildliche Dar-
stellungen Spendender nachgewiesen.
') Sie werden nur bestimmten Gottheiten
in feststehender Reihenfolge gebracht (vgl.
z. B. Pkbunbr Hestia-Vesta 4 ff.), und das
GefQhl, damit ein Opfer darzubringen, hat
wohl keiner der Libierenden gehabt.
») IL ^ 170 f., 237, i2 781. Eur. Iph.
Taur. 633 ff. VgL Eaibbl Epigr. gr. 1034,
EöHLER Athen. Mitt. I 143. Bergk Jahrb. f.
Phil. 1860 S. 383 A. 68. Rohdb Psyche 15.
Athen. Mitt. XVIIl 158.
*) Apoll. Rhod. I 534. YgL Stbphani
compte rendu 1873 S. 113 ff.
*) Thuk. VI 32.
•) A 528, B 93.
^) Z 258 ff.
•) y 393 f.
») fi 164, y 50.
^0) Im Schol. zu Soph. Oid. Eol. 100,
bei Prbllbr Polemon 74. Die Bestätigung
dieser Angaben durch andere Schriftsteller
s. Jahrb. f. Phil. 1887 S. 650 f. Vgl. auch
CIA II 1651, wo Helios und Mnemosyne
Honigkuchen erhalten, die anderen genannten
Gottheiten gewöhnliche nonava. Bemerkens-
wert sind auch die dort erwähnten yrj<pdXioi
»») Plutarch Praec. sanit. 19 p. 132 F
sagt auch ausdrücklich xal yaQ avtt^ tta
Jioyvato noXXttxig vrjfpäUa ^vofjiey.
'2)* VgL Porphyr. De antro Nymph. 18.
CIA III 77.
^») Eur. Iph. T. 165 f. Hbrzoo Herm.
XXIX 625 f. DiBLS Sib. Bl. S. 115 ZI. 16,
S. 72 ff., 120 f.
94
Die grieohiBohen KultaMltertttmer.
Eumeniden verlangen x^^^ '^' ^otrovg, vrjgxiha fieiXfyjiiaTaj^) und von
vTiifdha für Demeter erfahren wir aus Dionysios von Halikarnass (I 83, 1).
Ebenso verlangen Nephthys und Osiris n€Xtxqa%o%*^^) und auch der Des-
poina wird auf ihrem Altar in Olympia kein Wein gespendet.^) Auch
bei Totenbeschwörungen waren nach Porphyrios^) weinlose Spenden üb-
lich, wenngleich die Praxis hier verschieden gewesen zu sein scheint,^)
und nach Apollonios Rhodios (IV 712) werden dieselben auch bei der
Reinigung von Mördern angewandt. Aber auch der Kult anderer Götter
schloss bisweilen die Weinspenden aus, wie der des Zeus Hypatos in
Athen <^) oder des Sosipolis in Elis.^) Auch auf dem Altar aller Götter
in Olympia spenden die Eleier keinen Wein,^) und ebenso verschmäht ihn
die Hemithea im Chersones.^) Endlich werden Honigspenden für Pan
und Priapos erwähnt, i^) In den meisten Fällen wird es sich hier sicher-
lich nur um einfache Trankopfer handeln, nicht um Spenden neben einem
Tieropfer. Von dem Altar des Zeus Hypatos in Athen wird ausdrücklich
bezeugt, dass auf ihm ovdh* ifAxpvxov geopfert werden durfte, und auch
für Sosipolis werden nur navxoXa ^vfiidfiaza erwähnt. Jene Spenden
aber, die gelegentlich blutiger Opfer dargebracht werden, behandeln wir
besser mit diesen zusammen, nicht bloss weil sie ein Teil von ihnen
sind, sondern auch weil sie oft so charakteristisch für das Ganze sind,
dass die Bedeutung des Opfers gerade durch sie Beleuchtung und Erklä-
rung erhält.
Die blutigen Opfer teilt man am zweckmässigsten ein in Speis-
opfer, d. h. solche, von denen gegessen wird, und in solche, deren
Fleisch nicht zur Speise benutzt, sondern vernichtet wird. Zu
jener Klasse gehört erstens die grosse Menge der zum täglichen Bedarf
geschlachteten Tiere, von denen in der Regel die Götter ihren Anteil
empfingen, sodann alle Fest- und Dank- und die gewöhnlichen Bittopfer,
zu dieser aber die Opfer für chthonische Gottheiten, die Sühn- oder Buss-
opfer, die Eidopfer, die Toteur und Heroenopfer.
64. Man hat im Altertum den Fleischbedarf viel seltener beim
Metzger eingekauft, als es heute — namentlich bei uns — geschieht.
Im Süden wird überhaupt viel weniger Fleisch gegessen, und im Orient
ist es wenigstens auf dem Lande noch heute Brauch, ein Tier in der
Regel nur an Festen oder zur Bewirtung eines Gastes zu schlachten, und
zum Mahle pflegt sich dann alles einzufinden, was zum Haus des Gast-
gebers in Beziehung steht. Ähnlich ist es, wie wir aus mancher Bemer-
kung schliessen können, im Altertum auch gewesen. *0 Doch hat es in
den Städten natürlich auch Metzger gegeben, von denen man die Ware
>) Aisch. Eum. 107. Soph. Oid. Kol. 100
u. 481 mit Schol. Paus. II 11, 4.
«) CIA III 77.
») Paus. V 16, 6. Wein und in der
VoUmondfrühlingsnacfat Milchspende für einen
Heros Philostr. Her. II 4 p. 291.
*) De antro Nymph. 28.
*) Vgl. X 27.
•) Paus. I 26, 6.
') Paus. VI 20, 2. Stbnqkl Herrn. XX IT
645 f.
«) Paus. V 15, 6.
•j Diod. V 62.
>o) Anthol. gr. VI 232.
»>) Vgl. z. B. Plut. mql noXvfpa, VI
p. 95 A.
8. Kvltiiahuidliingen« ($ 64.)
95
beziehen konnte.^) Ob diese nun beim Schlachten der Tiere die bei einer
Opferdarbringung üblichen Gebräuche beobachtet haben, ist uns nicht
sicher überliefert, doch lässt sich annehmen, dass jedes Schlachttier wirk-
lich auch als Opfertier angesehen und behandelt wurde. ^) Sicherlich
fanden hierbei nicht alle die feierlichen und zeitraubenden Geremonien
statt, die wir bei jedem eigentlichen Opfer finden, und ebenso gewiss hat
man sich über die sonstigen, die Beschaffenheit des Opfertiers betreffen-
den Bestimmungen hinweggesetzt, aber die Hauptsache wird nicht unter-
lassen worden sein: man wird den Göttern einige wertlose Stücke des
Tieres verbrannt haben. Es lässt sich vermuten, dass der Fromme, der
seinen Braten beim Metzger kaufte, Gewissensskrupel gehabt haben würde,
wenn er dies nicht voraussetzen durfte,') ebenso wie heute der streng-
gläubige Jude darauf hält, seinen Fleischbedarf von einem Händler zu
beziehn, der das Tier kauscher geschlachtet hat. Wo ein Tier im eigenen
Hause geschlachtet wurde, versäumte man die einfachsten Opferceremonien
wohl nie>) Hier vertrat der Hausherr die Stelle des Priesters,^) aber
verstand er sich nicht auf die Gebräuche, oder hatte er nicht Lust, sie
persönlich zu vollziehn, so zog er einen (jLayfiQog zu, zu dessen Kunst
auch diese Fertigkeit gehörte. <') In wohlhabenden Häusern wird ein
solcher sich in der Regel schon unter dem Dienstpersonal befunden
haben. ^) Aber bei weitem nicht alle von Privaten dargebrachten Opfer-
tiere wurden im Hause geschlachtet. Man führte sie zu einem bestimmten
Heiligtum und übergab sie dem Priester, damit dieser sie opfere. Hatte
er die dem Gotte zukommenden Stücke {&€OfjioQ(ay) verbrannt, so empfing
er selbst für seine Bemühungen einen Anteil {icQioavva oder /£?ry), und
der Eigentümer des Tieres nahm das übrige Fleisch nach Hause, wenn er
nicht etwa vorzog, es mit seinen Gästen an Ort und Stelle zu verzehren.
Zu Hause konnte dann ein Mahl bereitet werden, zu dem die Freunde ein-
geladen wurden,^) oder es ward ihnen ein Stück Opferfleisch zum Ge-
schenke gesandt, ^0) oder endlich man salzte das Fleisch ein und bewahrte
es zu späterem Gebrauche auf. Doch war es« wohl eine Ausnahme und
galt als unschicklich, dass man alles für sich behielt. ^0 Bisweilen brachten
mehrere Familien oder Freunde ein gemeinschaftliches Opfer dar, dessen
Fleisch dann unter alle verteilt wurde, ^^) oder ein ganzes yevog ver-
anstaltete ein Opfer.* 3) Die Veranlassungen zu solchen Opfern waren
*) ScBORMAMK Gr. A. IP 554.
•) Vgl. Artemidor V 253, 2 Hbbohbb
und die Ausdrücke xaza&veiy für schlachten
(Herod. YllI 19), ^vuia fttr Festschmaus
(z. B. Herod. VIll 99).
») Vgl. die Inschr. Joum. of HelJ. Stud.
VIII (1887) 8 888 nr. 17.
*) Vgl. Athen. V 179 D.
») Fiat. Rep. 828 C.
«) Athenion bei Athen. XIV 80 p. 661;
Athen. IV 70 p. 170; IX 29 p. 382.
^) Dass vom Hausherrn oder seinen Söh-
nen selbst dargebrachte Opfer den Göttern
unter allen Umständen Heber waren, als die,
welche man durch Bedienstete vollziehn
liess, ist aus Athen. I 9 B nicht zu schliessen.
*) Inschr. aus Kos bei v. Psott-Ziehek
Leg. sacr. S. 25 VI ZI 20. Stengel Herrn.
XXXI 642 f
>) Xen. Mem. III 11, IX 4. Aristoph.
Flut. 227. Athen. XV 676 B.
>o) Theokr. Id. V 139. Flut. Ages. 17.
Xen. Hell. IX 3, 14.
>») Theophr. Char. 9. Athen. V 177 F.
Flut. De adulat. et amico 28 § 68 B; De fratr.
amore 7 p. 481 D.
>«) Isai. IV 33.
>=>) Inschr. aus Ghios Athen. Mitt. XIII
166.
96
Die grieohiBchen Ealtossltertllmer.
natürlich verschieden. Im Hause werden die Tiere nur geschlachtet
worden sein, wenn man das Fleisch brauchte, sei es zum täglichen Be-
darf oder zur Feier eines Familienfestes, oder weil man Oäste zu be-
wirten wünschte; häufig auch wird man dem Gotte zum Dank für etwas
Gutes, das man empfangen hatte, oder wenn man ihm mit einer Bitte
nahte, ein Opfer dargebracht haben. Die fromme Gesinnung konnte sich
darin zeigen, dass man ein wertvolles Tier opferte, wie auch darin, dass
man bessere und reichlichere Stücke verbrannte.
65. Durch nichts anderes als durch die Menge der Tiere, ein
grösseres Gepränge und die Zahl der Theilnehmer unterscheiden sich von
diesen privaten die grossen Fest-, Dank- und Bittopfer, die der
Staat oder die Gemeinde darbringt, (ir^fioreXsTg d'vafai). In homerischer
Zeit, wo man regelmässig wiederkehrende Feste zu Ehren der Götter
entweder noch gar nicht kennt oder doch nur sehr selten feiert, i) werden
grosse Opfer, an denen die Masse des Volkes teilnimmt, veranstaltet, wenn
man sich einen frohen Tag machen und dabei zugleich einem Gotte Ehre
erweisen will. So opfert Nestor in Pylos dem Poseidon eine Hekatombe
von Stieren (y 7 ff.), lange Reihen von Bänken sind am Gestade des
Meeres aufgeschlagen, und die ganze männliche Einwohnerschaft vergnügt
sich mit dem Hirten seiner Unterthanen; und ähnlich werden uns alle
andern grösseren Opferfeierlichkeiten beschrieben.*) Später finden diese
Massenopfer an den zahlreichen Festen statt. Ferne Kolonien senden
Opfertiere dazu, und der Staat erschöpft seine Kassen,') um würdig die
Bürgerschaft zu speisen und die Götter zu ehren. Es kommt auch vor,
dass für ein regelmässiges Festopfer eine besondere Steuer erhoben wird,
die verpachtet werden kann, so dass dann der Pächter zur Ausrichtung
des Opfers verpflichtet ist.^) Daneben finden zu allen Zeiten grosse
durch besondere Ereignisse veranlasste Dankopfer statt. Aigisthos und
Kljrtaimestra bringen sie dar, als ihnen die Ermordung Agamemnons ge-
lungen (y 273), die homerischen Helden geloben sie, wenn ihnen die Er-
legung eines Feindes glücken {J 120), oder sonst ein grosser Wunsch
erfüllt werden sollte (^ 873). Vor der Schlacht bei Marathon verpflich-
ten sich die Athener, der Artemis so viele Ziegen zu opfern, als sie
Perser erlegen würden, und als sie die versprochene Zahl nicht aufbringen
können, opfern sie wenigstens fünfhundert, und fortan wird am Jahres-
tage der Schlacht dies Opfer wiederholt.^) Nach einem erwünschten
Friedensschluss,^) einem geglückten Überfall, '') glücklicher Errettung aus
einer Gefahr,^) einem wichtigen Beschluss, ^) beim Empfang einer frohen
Nachricht *'^) werden Dankopfer gebracht, und so natürlich noch bei
vielen andern Gelegenheiten.^') Ebenso häufig sind die Bittopfer, um
') Vgl. V 156, (p 258.
«) Vgl. A 315 ff., 458 ff.
>) DiTTENBBBOEB SjU. 12. Diod. XII 30.
Vgl. BoECKH Staatsh.» I 265 ff.
*) Bekkbr An^cd. I 432, 207 und mehr
bei TöPFFER Athen. Mitt. XVI 426 f.
») Xen. Anab. III 2, 12. Plut. De glor.
Ath. 7; De malign. Herod. 26. Poll. UI 21.
•) Xen. Hell. VII 4, 36.
') Ebenda VII 2, 23.
*) atoTiJQia &v6iy, Luk. Jup. trag. 15.
») Xen. Hell. VI 5, 49.
»0) svayyiha &vBiy, Xen. Hell. IV 3, 14.
Schol. zu Aristoph. Equ. 1320.
»1) S. z. ß. Luk. Dial. meretr. VH 1.
Paus. I 27, 9.
8. Kultnshuidliingeii. (§ 65-66.)
97
Apollon zu versöhnen, führt Odysseus eine Hekatombe zum Opfer nach
Chryse/) und die Zurückbleibenden opfern ebenfalls eine,') Agamemnon
schlachtet dem Zeus einen Stier mit der Bitte um Sieg, und von den
Übrigen opfert einer dem, der andere jenem Gotte, auf dass er dem Tode
und der Gefahr in dem bevorstehenden Kampfe entgehe;^) vor der Ab-
fahrt von Troja werden grosse Opfer veranstaltet und die Götter angefleht,
eine günstige Seefahrt zu geben ;^) Hekabe gelobt der Athena zwölf
Kühe, wenn sie dem Wüten des Diomedes Einhalt thun wolle, ^) und
Achill spendet dem Zeus, als er sorgenvoll den Freund in den Kampf
schickt. •) Die spartanischen Könige opferten beim Überschreiten der Grenze
die diaßaziJQia'') und vor der Schlacht den Musen, damit sie die Namen
der Helden berühmt machten,^) Frauen den Nymphen mit der Bitte um
Kindersegen,') und so wird es der Anlässe im Leben des einzelnen und
des Volkes tausende gegeben haben, wo man sich mit Gebet und Opfer
an eine Gottheit wandte, um ihre Hilfe und ihren Segen zu erlangen. An
ein wichtigeres Unternehmen machte sich wohl niemand, ohne vorher ge-
opfert zu haben. ^^) Dazu kam die grosse Masse der von Staatswegen
festgesetzten Opfer, der &vatai ndxqim. Überall gab es Opferkalender,
die auf Stelen, welche man in die Tempelwände einmauerte oder doch an
heiliger Stelle aufstellte, eingegraben waren, und die Monat für Monat
die Opfertage, Art und Zahl, oft auch die Preise der zu opfernden Tiere
angaben. ^0 ^^ Athen hatte man ausserdem die alten Verzeichnisse der
xvgßeig^ die nach wie vor weiter galten, und amtlich festgestellte und
revidierte avyyQaipaiy die die Gesamtheit der vorschriftsmässigen Opfer
mit den dafür ausgeworfenen Geldbeträgen verzeichneten, schafften die
Sicherheit, dass alles in der gehörigen Ordnung geleistet wurde.'') Ausser-
dem konnten die fidweig, so oft es ihnen gut schien, ausserordentliche
Opfer verlangen, und eine eigene Behörde von zehn Männern {uQonoioi
ini %d ixd-tfAata) war beauftragt, ihnen die erforderlichen Tiere zu be-
schaffen.*')
66. Suchen wir uns jetzt ein Bild von der Ausführung eines
Speisopfers in allen seinen Einzelheiten zu machen. ^^)
Zuerst wurde das Opfertier mit Binden, Schleifen und Kränzen ge-
schmückt,*^) den Rindern vergoldete man bisweilen die Hörner,^*<) bei
einigen grossen Festen geschah dies sogar regelmässig, und die Kosten
dafür wurden wie für alle übrigen Vorbereitungen und Veranstaltungen
von vornherein ausgeworfen und festgesetzt.*^) Ebenso festlich geschmückt
») A 147, 431, 458 ff.
«} A 315 ff.
•) B 400 ff.
*) Y 144 ff, 159, 178 f.
») Z 308 ff.
•) n 230 ff.
') Thnk. V 55, 116. Xen. Hell. IV 7, 2;
V 1 33.
'•) Plut. Lyk. 21, Instit. Lacon. 16 p. 238ß,
De cohib. ira 10 p. 458 F.
•) Eur. El. 785, vgl. 625.
»•) 11. H 450. Thuk. IV 92, VIH 70.
Xen. Hell. IH 2, 10.
Bandbuch der klMB. AltertumswlBscnschaft. V, X
^>) Vgl. die Sammlung v. Pbott's Fasti
graeci, Leipz. 1896.
»«) Lys. XXX § 17 ff.
'•) Arist. Ath. Fol. 54.
") Schilderungen bei den Alten II. A
458 ff. Od. f 414 ff. Eur. Herakl. 922 ff Ari-
siopb. Fax 937 ff. Menandr. Frgm. 292 S. 82
KooK. Apoll. Rhod. 1 407 ff. Dion. Hai. VII 72.
»») Eur. Herakl. 529. Plut. Aem. Pauli.
33. Luk. llB^i »m. 12. Act. Apost. XIV
11 ff Vgl. Taf. I Fig. 4-5.
'•) K 294, y 384.
, ") DiTTENBEBGBB Syll. 70. BoJICKH
2. Anfl 7
98
Die grieohisohen KultuBalterifimer.
waren die Opfernden selbst. Sie legten weisse Gewänder an^ und setzten
sich Kränze aufs Haupt. ^) In homerischer Zeit fehlt der Kranz noch,
später ist er so unentbehrlich, dass bei Aristophanes ') eine Frau klagen
kann, sie habe früher mit Kranzwinden viel Geld verdient, aber seitdem
Euripides die Menschen gelehrt habe, es gebe keine Götter, und es sei
thöricht zu opfern, gehe es ihr schlecht. Der Kranz war nicht nur ein
Schmuck, sondern entsprechend der heitern Stimmung, die bei jedem
Speisopfer herrschen sollte und herrschte, auch ein Zeichen der Freude,^)
und man fühlte sich, so lange man ihn trug, unter dem Schutze der
Gottheit;^) denn das Bekränzen war ein Zeichen der Weihung oder
Heiligung.^) Als Xenophon während eines Opfers die Nachricht vom
Tode seines Sohnes empfängt, nimmt er den Kranz ab, aber als er hört,
dass er tapfer kämpfend gefallen sei, setzt er ihn wieder auf und voll-
endet das Opfer. ^) Auch Minos soll, als er auf Faros den Chariten
opfernd den Tod des Androgeos erfuhr, den Kranz abgenommen haben,
woher es dann auf der Insel Sitte geworden sei, bei den Opfern dieser
Göttinnen unbekränzt zu erscheinen.^) Auch nach dem Opfer behielt
man den Kranz auf dem Haupte.^) Die Wahl der Blumen oder Blätter,
aus denen man die Kränze wand, hing davon ab, welchem Gotte das
Opfer dargebracht wurde, denn die meisten hatten ihre Lieblingspflanzen,
die ihnen besonders wohlgefielen, und verschmähten wiederum andere/^)
Doch waren hierin Glaube und Gebräuche an den verschiedenen Orten
nicht übereinstimmend.**) — In einem schönen Korbe, der oft von
Silber,**) bisweilen wohl auch vergoldet war,*') befanden sich die Opfer-
geräte, die heilige Gerste, und was sonst etwa noch erforderlich war;*^)
dieser, wie auch das Becken, das das Wasser (x^'Qvitp) enthielt, wurde vor
dem Beginn der Opferhandlung in der Richtung von links nach rechts
um den Altar herumgetragen.*^) Dann nahm man von dem auf dem
Altar brennenden Feuer ein Scheit {daXiov)^^) und tauchte es in das
Wasser,*^) das dadurch geweiht wurde. Der Altar und die Anwesenden
wurden damit besprengt;*^) auch benetzten sie ihre Hände und be-
sprengten sich selber;**) ebenso ward das Opfertier besprengt.*®) Hierauf
Staatsh.* II 84 ff. Der Preis für die Vergol-
dung betrug pro Rind etwa eine Mark.
') Aischin. lll 77. Plut. Cons. ad Apoll.
34 p. 119 B.
») Xen. Anab. Vll 1, 40. Athen. XV
676 B.
«) Thesm. 447 ff.
*) Soph. Oid. tyr. 82 f. Plut. Lykurg. 26.
Athen. XV 16 p. 674. Der Archen Basileus
legt, wenn er in Mordsachen zu Gericht
sitzt, den Myrtenkranz, sein Amtszeichen,
ab (Arist. Ath Pol. 57).
*) Vgl. Aristoph. Plut. 21.
•) V. WiLAMOwiTZ Eur. Her.* II 156 zu
V. 677. RoHDB Psyche* 1 220 A. 2.
') Diog. Laert. II 54. Plut. Cons. ad
Apoll. 34 p. 119A. Vgl. Anthol. Pal. VII
712
8} Apoll. Bibl. m 15, 7. Vgl. Plut.
Praec. sanit. 19 p. 132 F. Andere Beispiele
Athen. IV 139 und Paus. U 11, 4. Vgl.
Aristot. Frgm. 98.
•) Plat Rep. 328 C.
»•) Athen. XV 678. Paus. II 20, 5. Böt-
TiCHBR Tekt. IV 64.
>>) Plut. Quaest. rom. 112.
»j CIG 1570, 2855.
^«) Schol. Aristoph. Ach. 242.
>*) Eur. El. 791 ff.
'») Eur. Iph. Aul. 1474. Aristoph. Pax
957. Athen. IX 76 p. 409.
'«) S. Hesych. u. d. W.
»') Eur. Her. 928. Athen. IX 409 B.
'«) Athen. 1.K409 B. Aristoph. Lya. 1129.
»») Dion. Hai. VII 72.
«0) Dion. Hai. VH 72. Vgl. Eur. Iph.
T. 609 f. 53 f. Iph. Aul. 954. Phoin. 572 ff.
S. KiiltiMihandlangen. (§ 66.)
99
¥nirde mit Salz gemischte, wahrscheinlich ungeschrotene') Opfergerste
(6lai\ auch ngoxvi^cci ,^) bei Homer ovlaf, ovXoxvtai) herumgereicht,*)
von der ein jeder ein weniges in die auf dem Altar lodernde Flamme^)
und auf den Kopf des Opfertiers^) streute. Der Sinn des Hineinwerfens
in das Feuer auf dem Altar kann wohl nur gewesen sein, den Oöttern,
die an dem Mahle teilnehmen sollten, auch von der Brotfrucht zu bieten,
wie sie ja auch Fleisch und Wein erhielten ganz wie die Menschen, die
sie zu Gaste luden;'') doch scheint man es als eine Art Yoropfer an-
gesehen zu haben, das eine gewisse Selbständigkeit hatte. ^) Das Be-
streuen der Tiere wird kathartische Bedeutung gehabt haben. ^) Das
Opfertier stand der Stricke, an denen man es geführt hatte, '^) entledigt
frei vor dem Altar, ^i) Dass es als ein gutes Zeichen angesehen wurde,
wenn es ruhig zur Opferstätte ging und dort mit dem Kopfe nickte, und
dass man dies Zeichen auch auf künstliche Weise herbeizuführen verstand,
haben wir bereits gesehen (S. 58). Ein Herold fragte rtg ^fjSe; worauf
die Antwort ertönte noXXol xayax^oi.^*) Hierauf wurden dem Tier einige
Stirnhaare abgeschnitten und ins Feuer geworfen,*^) eine Spende ge-
gossen'*) und ein Gebet {xaTsvxr^) gesprochen.'*) Damit waren die vor-
bereitenden Handlungen, die Einleitung des Opfers (xara^x^cT^ori), be-
endigt. >^) Sie zu vollziehen lag bei Staatsopfern dem dazu bestellten
Vertreter der Gemeinde ob, der nicht notwendig ein Priester zu sein
brauchte,") bei Privatopfern dem, der das Opfer brachte. Das Tier hatte
durch das Abschneiden der Haare die Todesweihe empfangen,'^) und der
eigentliche Opferakt nahm seinen Anfang. Alle Anwesenden wurden zu
frommem Schweigen aufgefordert («vyijju««:« oder €vg)rjfi{a iatw).^^) —
') Schol. Aristoph. Equ. 1167. Schol. 11.
A 449, dessen letzter Teil, von f^yrjfitjy ab,
Citat ans Theophrast ist (vgl Bbrkays
Tfaeophr. 55). Od. y 441. Stsnobl Herrn.
XXIX 627 flf.
*) Aristoph. Fax 961 f. wird Opfergerste
UDter das Pnblikum geworfen; Mehl wäre
dazu wenig geeignet gewesen Auch der
folgende obscöne Witz scheint nur klar, wenn
man unter xQi&ai Körner versteht, die man
anei^Biy kann (so gewöhnlich für rixteiv,
dass man es aLs Metapher kaum noch em-
pfand, z. B. Soph. Oid. tyr. 1498. Eur. Or.
552). Vgl. Od. fjL 358. v. Fritze Herrn. XXXII
240 if. Die älteren Abhandlungen darüber
verzeichnet Schobmann Griech. Altt.'* II 239
A. 6. Gf. auch Flut Quaest. gr. 6 p. 292 C •
und Bbbnats Theophr. 41 u. 52.
•) Eur. Iph.Aul.955, 1112. Apoll. Rhod.
I 425. Vgl. Herod. I 160. v. Fbitzb a. a. 0.
246 f.
*) Aristoph. Fax 962 ff.
*) Eur. El 804. Iph. Aul. 1470 f. Schol.
Apoll. Rhod. I 409.
•) Schol. Aristoph. Nub. 260. Equ. 1167.
Schol. n. A 449, welche Stellen v. Fbitzb
a. a. 0. 237 ff. mir nicht glücklich zu inter-
pretieren scheint. Dion. Hai. VIl 72.
Vgl. Stbngbl Herrn.
Vgl. Eur. Iph. Taur.
') Vgl. Julian Reden V 176D. Hbrmahn
Gott. Altt * § 28 A. 2.
») Vgl. CIA in 77. Laert. Diog. VI II 18,
auch Faus. I 24, 4.
») Vgl. Od. cf 761. CIA in 77. L. Ziehen
Leg. sacr. 22 f.
»0) Taf. I Fig. 4.
XXX 844 A.
'») Taf. I Fig. 5.
469.
'<) Bbbgk Foet. lyr.^ HI 658. Aristoph.
Fax 968 mit Schol. = Suid. u. itV rpdf.
'») Od. y446 Eur. El. 811. Vgl. auch
Verg. Aen. VI 248.
>«) Aristoph. Fax 438 f. Bbbok a. a. 0.
'^) Aristoph. Fax 978 f. Berok a. a. 0.
»•) Aristoph Av. 959 Eur. Her. 529.
Iph. T. 244. Frgm. Nauck* 327 S. 458. S.
DiTTENBEROER Ind. Icct Halle 1889 90 S. VI ff.
") B. B. Arr. Anab. II 26.
»8) Vgl. Eur. Alk. 74 ff., auch Verg.
Aen. IV 698.
»») 11. / 171. Aristoph. Ach. 237 mit
Schol. Av. 958. Thesm. 295. Koische Inschr.
V. Frott Leg. sacr. S. 20 ZI. 32 u. s. w.
Vgl. Eaibbl Soph. El. 171 und die Abbildung
Schreiber Kulturhist. Atl. XIV 4.
100
Die grieohlBohen Kaltasaltertttmer.
Nur bei einem Heraklesopfer in Lindos soll es üblich gewesen sein zu
fluchen/) wofür die Legende einen Grund anzugeben wusste,^) und bei
einem ApoUonopfer in Anaphe zankten Männer und Frauen,^) während sonst
gerade jedes Schmähwort streng verpönt war.*) Man rief den Gott an,
das Opfer gnädig anzunehmen,^) und es ertönte Flötenmusik.®) Dann
wurde das Tier geschlachtet. Grössere, namentlich Rinder, pflegten dabei
zuerst durch einen Schlag, der mit einem Beile oder einer Keule auf den
Kopf geführt wurde, betäubt zu werden,^) oder es ward ihnen mit der
Schneide des Beiles der Nacken») oder der Hals durchschlagen.») Doch
richtete man das niedergestürzte noch einmal auf, ^o) beugte ihm den Kopf
zurück {avegvsiv), so dass es den Himmel anzuschauen schien,^') und beim
Offnen der Schlagader i^) das Blut in die Höhe spritzte. Kleineren Tieren,
wie Schafen und Ziegen, schnitt man mit einem Messer^') den Hals durch,
oft so, dass man sie dabei hochhielt.^*) Auf eine eigentümliche Art
wurden der Despoina zu Methydrion in Arkadien die Opfertiere ge-
schlachtet: man hieb sie in Stücke.'^) In Hermione war es an den der
Demeter gefeierten Chthonien Brauch, dass vier alte Frauen vier Kühe
mit Sicheln im Tempel selbst schlachteten.^®) Das Blut Hess man ent-
weder direkt auf den Altar laufen (Taf. I Fig. 3) oder fing es in einer
») Konon Narr. 11. ApoUod. II 118 Wao-
NKB. HiLLEB V. Gabbtbinokn bei Fault-
W188OWA u. Bovxonta Sev&aiaitt,
*) Der wirkliche scheint zu sein, dass
man einen ursprünglich unblutigen Kult in
einen blutigen verwandelt hatte, wie in Athen
durch Einführung der Buphonien beim Fest
des Zeus Folieus, und die daißeia, die darin
lag, durch den sonderbaren Brauch, der bald
zu einer unverstandenen Ceremonie erstarrte,
bekennen wollte (v. Wilamowitz Vorrede zu
£ur. Her.^ S. 8 A. Stengel Rhein. Mus. 1897
S. 399 ff.).
») Apoll. Rhod. IV 1728.
*) Soph. El 630 f.
*) 11. I 171 f. Aristoph. Thesm. 295 ff.
*) Wie der Kranz wurde auch diese erst
in nachhomerischer Zeit üblich, ist dann aber
bei jedem Speisopfer ebenso unentbehrlich
wie jener. Dem Herodot ([ 132) fällt es
als eigentümliche persische Sitte auf, dass
keine Flötenmusik die Opfer begleitete,
und die Stellen, an denen ihrer Erwähnung
geschieht, sind nicht minder zahlreich als
das Vorkommen des Instrumentes selbst auf
bildlichen Darstellungen von Opferscenen.
PoU. 1 38, IV 86 ff. Athen. VIII 349 C.
Paus. Vill 38, 6. Plut. Quaest. symp. II 1, 5
p. 632 D. Dio Chrysost. Or. XXII 57. Ab-
bildungen bei Baumbister Denkmäler des
klass. Altert, u. Opfer II 1107, Arch. Ztg.
1845 Taf. 35 u. 36. — Das Unterbleiben des
Flötenspiels beim Opfer ist ein Zeichen der
Trauer, wie das Fehlen des Kranzes, und
kommt daher ebenso ausnahmsweise oder
noch seltener vor. Ein Beispiel liefert das
bereits erwähnte Opfer der Chariten in Faros
(Apoll. Bibl. in 15, 7. Plut. Praec. sanit. 19
p. 132 F), wo der Mythos den seltsamen
Brauch zu erklären versucht. Vgl. Plut. De
aud. poet. 11 p. 16 D u. or» ov6^ Cv»" ^^^y
^&itag X. 'Emx. 21, 8 p. 1102 A. In Tenedos
gab es ein Heiligtum, das kein Flötenspieler
betreten durfte (Plut. Quaest. graec. 28 p.
297 D), augenscheinlich weil es eine Stätte
der Trauer sein sollte.
') Dion. Hai. VII 72 p. 1459. ApoU.
Rhod. I 426. Od. I 425.
8) Od. y 449. Apoll. Rhod. I 429 f.
») Eur. Hei. 1584. Soph. Ai. 296 ff.
Plut. Quaest. symp. VI 8, 1.
") dyeXoyxeg bcxov Od. y 448, später
at^ea^at rotV ßovg CIA II 467 ff., CIA IV
2, 35b. Theophr. Char. 27 p. 152. Sten-
gel Herm. XXX 339 ff.
"> IL J 459 mit Schol. Orph. Arg. 316.
W. Schulze Quaest. epic. 59. Stengel Herm.
XXV 322. Vgl. die Abbildung des Stier-
opfers für Mithras in Baumeisters Denkm.
925 n. 996.
»«) affdCeiy Od. I 426, y 454.
") Strab. XV 733. Abbildungen von
Opfermessem bei Dabexberg-Saolio 1 1584 f.
'^) Die Beine nach oben auf der Ab-
bildung bei Darbmbebo-Saglio 1 1187 Fig.
2127. Vgl. Eur. El. 813 f. Apoll. Rhod. IV
1595. — Mehr bei Stengel Ztschr. f. d. Gw.
1880 S. 739 ff Vgl. die Abbildung Taf. I
Fig. 3.
^*) Paus. VIII 37, 5.
»•) Paus. II 35, 4.
8. Enliashandlnngen. (§ 66.)
101
Schale {(rg>ay€iovy) auf und goss es darauf.*) Damit glaubte man wohl
das Leben des Tieres selbst der Gottheit darzubringen. In homerischer
Zeit stiessen die beim Opfer etwa anwesenden Frauen, wenn das Tier
den Todesstreich empfing, (y 450) einen Preudenruf ') aus {oXolvpj, olokvy-
fnog, oXoXvCeiv), vielleicht nach einer herkömmlichen Melodie, wodurch
man den Gott herbeirufen wollte,^) und noch eine pergamenische Inschrift
(Vm 2 nr. 255) erwähnt neben einer avXr/TQig eine oXoXvxTQia,^) Hierauf
zog man dem Tier die Haut ab, schnitt ihm die Zunge aus,^) nahm die
inneren Teile (anXdyxva) heraus, zerlegte es und sonderte die Stücke, welche
die Götter empfangen sollten. 7) Zuerst verbrannte man unter Spende-
güssen®) einzelne Teile der anXayx^^^ und zwar ungesalzen,*) wohl die
wertlosesten wie die Galle, ^o) die nur bei Opfern, die der Hera als Ehe-
göttin gebracht wurden, fortgeworfen wurde. '^) Mit völlig ungeniessbaren
Teilen geschah dies überhaupt.^') In die Flamme geworfenes Talg be-
förderte das Verbrennen, und Weihrauch beseitigte die aufsteigenden un-
angenehmen Gerüche. ^^) Darauf kosteten alle ein weniges davon, wonach
man das Übrige wohl den Dienern und Sklaven zu verzehren gab. ^^) Die
Götter empfingen in homerischer Zeit namentlich die Schenkelknochen
(jMij^/a),^*) die in Fett eingehüllt samt einigen Fleischstückchen auf
dem Altar verbrannt wurden.^«) Eumaios schneidet von jedem ein-
zelnen der grossen Stücke, in die der Eber zerlegt ist, etwas ab, um es
den Göttern zu opfern,") verbrennt dann aber noch ein grösseres Stück
Fleisch als hauptsächlichste Opfergabe. ^®) Später verbrannte man nament-
lich den unteren Teil des Rückgrats und den Schwanz, ^*) aber auch
andere Knochen, an denen man mehr oder weniger Fleisch liess.^^) Doch
war in diesem Punkt die Praxis nicht nur der einzelnen, sondern auch
der Völker immer verschieden. Die Frommen Hessen den Göttern mehr
zukommen,*^) andere beschränkten sich auf das Notdürftigste, um nur der
») PoU. X 65. Vgl. 97.
«) Athen. VI 261 E. Dion. Hai. VII 72
p 1459 u. s. w. Vgl. die AbbildaDg bei Da-
bbmbbbo-Saouo I 1587 Fig. 2127.
») Od. / 408, cf 767 flf. Vgl. Aisch. Ag.
1118; Cboeph. 385; Sept. 268, 825.
*) Z 301. 6 lei. Eur. Erecbth. Frgm.
853 Nauok S. 369.
*) Vgl. Herod. IV 189.
•) Od. X 834. Menandr. Eoox Frgm. com.
III 82 Dr. 292.
') die änaQx^'^ (Od. I 446. Schol. Ari-
atoph. Plut. 660. Dion. Hai. VII 71.)
«) Menandr. Frgm. 292 bei Kock 111 S. 82.
*) Athenion bei Eook Frgm. com. III
S. 370. Schol. Aristoph. Plut. 1130.
'«) Menandr. bei Athen. IV 27 p. 146.
") Plut. Coni. praec. 27.
»«) Vgl. Schol. Aristoph. Pax 717. Plut.
Phok. 1; De cnp. div. 5.
*•) Inschr. v. Kos v. Pbott Leg. sacr.
S. 25 VI 19 f.
>«) A 464. Aristoph. Pax 1040. Stbhobl
Arch. Jahrb. IX 114 ff.
*') Vgl. Hbbmann G. A. § 28 A. 21 und
Palet üpon the sacrificial sense of (irjQoi
and fi^^icr in den Transact. of Cambr. Phil.
Soc. 1879 p. 202 f., der iJifjqia als Fleisch-
streifen, Koteletts, erklärt. Dagegen auch
Jbbb Soph. Ant. (Cambridge 1888j zu V.
1011. Ein Beispiel des Verbrennens von
Schweineschenkeln findet sich bei Homer
nicht.
'•) A 460, B 423, y 458, ju 360. Vgl.
Schol. zu ApoU. Rhod. III 1038 u. Nitzsoh
zur Odyssee I 228. Rohdb Psyche« I 324 f.
»») f 428. VieUeicht ist diese Sitt« ab
und zu auch später noch beobachtet worden,
8. Dion. Hai. VII 72 p. 1494 ff
»•) f 435 f. Vgl. Bbrkhardi a. a. 0. S. 4.
»•) Menandr. bei Athen. IV 27 p. 146.
Schol. Aristoph. Pax 1054 u. Ran. 223. Vgl.
WiBSELEB Philol. X 389 f. 0. Jahn Mün-
chener Vasen 1022.
«0) Aristoph. Plut 1128 mit Schol. Av.
900. Soph. Ant. 1010. Vgl. die Abbildung
in Bavmbistbb's Denkm. 1107 n. 1303.
'*) Vgl. G. Hbrhann zu Aisch. Prom.
100 f. SoHOBiiAK« Prometheus 115.
102
Die griechiBchen Knltasaltertflmer.
Form zu genügen.^) Den Lakedaimoniern sagte man nach, dass sie bloss
Knochen verbrannten,^) und die Kärglichkeit der karischen Opfer war
sprichwörtlich.») In dem Opferkalender von Kos*) wird angeordnet,
dass von den Opfertieren für Hera und Zeus Polieus die Ivioga ivihqstcu
und auf dem Altar im Tempel verbrannt werden. Es sind damit wahr-
scheinlich die nicht abgehäuteten Köpfe und Füsse der Rinder gemeint,^)
die dem getöteten Tier gleich zu Anfang abgeschnitten und bei Seite
gelegt werden.«) Der mykonische Kalender') bestimmt, dass dem
Zeus Chthonios und der 6e Chthonia dsqxd fieXava geopfert werden
sollen, Tiere, deren Fell man vorher abgezogen hatte, was sonst bei
Opfern für chthonische Gottheiten nicht geschah. 8) — Bei Homer finden
wir auch ein Zungenopfer erwähnt.^) Abends als die Gesellschaft nach
Hause aufbricht, werden mit der letzten Spende auch die Zungen der ge-
schlachteten Tiere dem Gotte zu Ehren verbrannt. Nur eine Reminiscenz
und bewusste Nachahmung der Homerstelle liegt Apoll. Rhod. I 516 ff.
vor, woraus auf die Thatsache späteren Vorkommens derselben Sitte also
nicht geschlossen werden darf; zwar bleibt es Brauch, dem Opfertier die
Zunge auszuschneiden und sie besonders zu legen, ^<^) aber man verbrennt
sie nicht mehr den Göttern, sondern es empfangen sie entweder die
Priester'^) oder, namentlich bei den Srnionsletq d-vaiai^ die Herolde, die
bei der Opferhandlung Dienste geleistet haben. ^*) Das übrige Fleisch
wurde, wenn es an Ort und Stelle verzehrt worden sollte, gebraten, nur
bei den Opfern der Hören in Athen gekocht.*») Wenn die Opfergaben
auf dem Altar verbrannten, goss man Spenden von gemischtem Wein
darauf, **) und zwar beteiligten sich hieran alle Anwesenden.**) Ebenso
brachte man nachher während des Opfermahles von jedem neugemischten
Mischkrug eine Libation dar,*«) und die ganze Festlichkeit schloss wohl
stets mit einer Spende. Man weihte sie, bisweilen mit noch einer
andern letzten Opfergabe, entweder dem Gotte, dem man die Tiere ge-
*) Aristoph. Av. 900. Menandr. bei Athen.
IV 27 p. 146. Pherekr. bei Clemens Stromat.
p. 716.
«) [Fiat.] Alkib. II p. 149A. Vgl. Plut.
Apophthegm. 1 p. 182 A u. p. 228 D; Lyk. 22.
*) Said u. KaQMov ^vfia,
♦) V. Pbott Leg. sacr. S. 20 ZI. 48.
*) Vgl. Hesych. u. syd^ara.
*) Vgl. die Anm. v. HicKS im Journ. of
Hell. Stud. IX 835 u. Stbngbl Berl. Philol.
Wochenschr. 1895 S. 685 f.
^) DiTTBNBEBOBR Syll. 373, 26.
*j Stbngbl Herrn. XXVII 164 ff.
•) r 341.
***) Aristoph. Av. 1705 und Didymos im
Schol. daza. Menandr. bei Athen. XIV 659 E.
Plut. Phok. 1 ; De cup. div. 5. Apoll. Rhod.
I 518.
") Dittenbbrgeb Syll. 373 u. 376. In-
Bchrr. ans Chics Athen. Mitt. XIII 166, aus
Sinope Bull, de corr. XIII 300.
>') Aristoph. Plut. 1110 u. Kallistratos
im Schol. dazu. Ausführlicher darüber Stbn-
gbl Jahrb. f. Phil. 1879 S. 687 ff. Mit An;
gaben wie Poll. VI 55 *Ef/uor dd xX'^qos rj
itQoStrj tiup xqBiiSv fAoigaj oder Piaton Kratyl.
p. 401 D 71^0 ndyTioy ^eaiy rj 'Eaziif nQ^tf^
ngo&veiy ist bei der Dürftigkeit der Nach-
richten nicht viel anzufangen. Ober das
letzte vgl. Pbbüneb Hestia-Vesta 9 ff., auch
Pbbllbb-Robbbt Gr. M. I 427 f. Bbbnhabdi
Trankopfer bei Homer, Progr. des Kgl. Gym-
nasiums zu Leipzig 1885 S. 22 f. v. Fbitzb
De libatione vet. S. 48 f.
"I Philochoros bei Athen. XIV 656A.
Eine Abbildung mit Opfertieren beschftftigter
fidyeigot, bei Dabbhbbbg u. Saglio I 1501
Fig. 1938.
**) Inschr. v. Kos v. Pbott Leg. sacr.
20 ZI. 49 f. Apoll. Rhod. I 1133, 1185, IV
1128 f., 1187 und mehr Stbngbl Herm. XVII
329 f
") Eur. Kykl. 469 f.
»•) Plut. Quaest. symp. V 4, 1. Bbbn-
habdi a. a. 0. 20 f.
8. Knltiishaiidlimgen. (§ 67.)
103
opfert hatte ^) oder dem Hermes.*) Reinen Wein durfte man bei Speis-
opfem nicht spenden, weil der Wein ja den Göttern als Trank angeboten
wurde, und ungemischter Wein für ungeniessbar galt. Die Gefährten des
Odysseus bringen einmal beim Opfer eine Wasserspende iß 362). Auch
dies ist nicht auffallend: fehlen darf die Spende nicht, und da sie selbst
nur Wasser zu trinken haben, kOnnen sie auch den Göttern nichts anderes
bieten. Wahrscheinlich sind solche Spenden in ähnlicher Lage öfters
vorgekommen.')
Ebenso selbstverständlich wie Flötenmusik war das Absingen von
Paianen beim Opfer. ^) Ausnahmen werden als auffällig erwähnt.^) Eine
sehr alte thasische iischrift«) verbietet den Paian bei Opfern für die
Nymphen und ApoUon vvinfriysurfi. Auch Reigen und Tänze pflegten sich
anzuschliessen,^) wie sie ja nie fehlten, wo Festfreude herrschte.^)
67. An grossen Staatsfesten, wie den Panathenaien, fanden Yolks-
speisungen statt. Ein uns erhaltenes Dekret') ordnet an, dass die tegonoioi
zu dem Feste für 41 Minen, über 3200 Mark,^'') Opfervieh anschaffen
sollten. Das Fleisch sollte dann unter die auf der Akropolis versammelten
Bürger und Metoiken**) verteilt werden, und jedes Mitglied eines Demos
seine Portion^*) erhalten.^*) Ausser dem gebratenen wurde rohes Fleisch
verteilt, >*) das sich jeder zu Hause zubereiten mochte, wann und wie er
wollte {änocfoQTfva isTnva).^^) Auch Leckerbissen zum Nachtisch und vor
allem Wein durften bei der Bewirtung nicht fehlen, i^) Aus dem marmor
Sandtüicense^'') erfahren wir, dass zum Feste des Gottes in Delos 109 Rinder
für den Preis von 8419 Drachmen, ungefähr 6600 Mark, angekauft wur-
den. Der schönste Stier {ßovg i^yefioiv)^^) wurde mit einem ungeheuren
Preise bezahlt, *•) und von dem Tyrannen lason von Pherai wird uns
berichtet,*®) dass er die Stadt, die zu den pythischen Festen das statt-
lichste Rind lieferte, mit einem goldenen Kranze belohnte. Die auserlesene
Färse, welche Hera beim Festopfer in Eos empfing, durfte nicht weniger
als 50 Drachmen kosten.*') Eine andere Inschrift von derselben Insel
») Od. r 332 ff.
') Sie hiess nach ihm i^f^vs (Athen. I
82B. Poll. Vr 16; 100) und war zu gleichen
Teilen gemischt (Strattis bei Athen. IX 473);
mit ihr beschloss man jedes Gelage (vgl.
schon Od. ij 137).
•) Aus Apoll. Rhod. 17 1720 ist zwar
nicht viel zu schliessen, vgl. aber Bsrkays
Theophr. 91. Nicht damit zusammenzuwerfen
ist die Wasserspende fttr die Eumeniden
(Soph. Oid. Eol. 479) oder überhaupt fär
unterirdische Gottheiten (Od. X 28. Athen.
XI 496 B).
*) n. J 473. Athen. XIV 626 ß.
*) Athen. IV 139 D.
•) IGA 379.
^) J 473. Plat. Leg. VIII p. 835. Vgl.
Poll. IV 95. Flut. De aud. poet. II p. 16 D.
») Vgl. Hom. Hymn. in Ap. 149. Paus.
X 1, 2. Etym. m. p. 690 u. n^oc(pdioy,
*)3DlTTEMBBB0BR Syll. 380.
*°) über den Preis der Rinder Böckh
Staatsh.» I 93 ff. und Fbänkbl II 21 * Anm.
127 ff. L. ZisHBN Rhein. Mus. 1896 S. 215 f.
»») V. WiLAMOwiTZ Herm. XXII 220.
»>J Vgl. Plut. Quaest. symp. II 10, 7.
'S) GIG 2906. CIA II 578. Dittenbergbr
SyU. 380.
^*) DiTTBNBBB6BB*Syll. 348 mit Aum. 9.
CIA IV 2, 35b.
»») ßuU. de corr. XV 185, 198 f.
") DiTTBKBBBQBB Syll. 348. CIG 1625.
CIA II 570.
*7) DiTTBNBBBOBB Syll. 70. BöcKH Staats-
h.» I 75 ff.
«) Athen. VI 27 p. 235. Xen. HeU. VI
4, 29. BOOKH zu CIG 1688 21. 32 nimmt
eine zweite Bezeichnung: ßovg rJQiog an; da-
gegen A. MoMMSBH Delphica 190 u. 226 f.
'») CIA II 545.
»•) Xen. HeU. VI 4, 29.
2') V. Pbott Leg. sacr. S. 25 ZI. 6 f.
Patok u. Hicxb Inscr. of Cos nr. 34 S. 59 f.
104
Die grieohisohen Kultnsaltertümer.
setzt den Preis der Opferschafe für Poseidon, Kos und Rhodos auf je 30
und 40 Drachmen fest.O
Die angesehenen und vornehmen Bürger empfingen einen Anteil
vom Opferfieisch, und zwar nahmen sie nicht bloss an dem Opfer-
mahle teil, sondern erhielten auch bei der Fleischverteilung bessere und
reichlichere Portionen. Für die Buleuten wird ein besonderes Mahl zu-
bereitet.*) In einem Vertrage zwischen den Steinern und Medeoniern in
Phokis, die fortan ein Gemeinwesen bilden wollen, wird bestimmt, dass
der teQorafiiag, der die &vatag rtavQiovq der Medeonier auch femer fort-
setzen soll, von den Opfern dieselben Anteile erhalte, wie die Archonten.^)
Das Dekret aus Halikamass^) ordnet an, die Frauen der Prytanen
sollten von den öffentlichen Opfern denselben Anteil erhalten wie die
Priesterin, und eine auf die kleinen Panathenaien bezügliche Inschrift
nennt ausser den Prytanen die neun Archonten, die Strategen, Taxiarchen,
die Kanephoren u. s. w., die vorweg xata %ä elm^ora ihre Portionen em-
pfangen sollen.^) Bei dem Opfer des Zeus Sosipolis in Magnesia erhalten
die Priester die gewöhnlichen Anteile, dann wird das Fleisch des Opfer-
tiers an die Teilnehmer des Festzuges verteilt, das des ausserdem ge-
opferten Widders, der Ziege und des Bockes an den Stephanephoros, die
Priesterin der Artemis Leukophryene, die Polemarchen, Proedren, vBwnoioi^
die Rechnungsbeamten und die an der Leiturgie Beteiligten.^) In Sparta
ist der Erlös aus den Fellen der Opfertiere eine Haupteinnahme der
Könige,^) und auch an andern Orten erhält der König seinen besondem
Anteil von den Opfern.^) Ausserdem pflegten Leuten, die sich um den
betreffenden Kult verdient gemacht hatten, Vergünstigungen und Vor-
teile bewilligt zu werden. So soll Mnasistratos in Andania die Felle der
bei der Mysterienfeier geschlachteten Tiere,') ein gewisser Philokedes
von den Opfern der Lamptrenser,^^) und ein Kallidamas von denen der
Peiraienser^^) Fleischanteile bekommen, die Phyleomachiden von dem Rinde,
das dem Zeus an den Karneen in Kos geopfert wird, die Hufe und After-
klauen [onXtt xal Tagtrog), von den Schafen die Schulter, aus der das
der Gottheit zu verbrennende Fleisch geschnitten wird,»'') die Nestoriden
Fleisch vom Rücken, endlich auch die Ärzte eine Portion.»*) Ganz ge-
wöhnlich aber war es, dass allen denen, die beim Opfer Dienste geleistet
hatten, ein Stück Fleisch überlassen wurde; so dem ^vXevg, der das Holz
zu den Opfern für den olympischen Zeus lieferte,»*) und dem Flötenbläser,
dem Schmied und dem Töpfer, die bei dem Festopfer in Kos beschäftigt
gewesen waren. »^) Fanden Wettkämpfe statt, so erhielten bisweilen auch
die Sieger einen besonderen Anteil.»^) Solche Bewirtungen aber gab es
Athen. Mitt. XVI 406 ff. Vgl. Col-
LiTz Dialektinschr. 3685.
>) SchoL Aristoph. Fax 893.
«) BuU. de corr. heU. V 43 ff.
*) DlTTBHBBRGEB Sjll. 871.
^) DlTTBNBEBOBR Sjll. 880
«) Kbbn Arch. Anz. 1894 S. 78 ff.
») Herod. VI 57.
8) Herod. IV 161.
•) Dittbkbebboeb Syll. 388.
'«) CIA II 582.
") CIA II 589.
") V. Pbott Leg. sacr. 8. 25 VI 19 f.
»») V. Pbott Leg. sacr. 8. 20 ZI. 54. Vgl
8. 27 ZI. 5 ff. Die lesbische Inschr Bull,
de corr. IV 434 f. Athen. Mitt. XVI 180.
") Paus. V 13, 2.
") V. Pbott Leg. sacr. 20 ZI. 55 f.
**J Paus. V 16, 2. Inschr. im Movcbiov
t^S EvayyeX. axoX. in Smyma 1878 S. 21.
8. Knltnshandlangen. (§ 67.)
105
nicht bloss bei den grossen Festopfern, auch ein Privatmann veranstaltete
sie gelegentlich. So opferte Eonon einmal eine wirklich vollzählige He-
katombe und bewirtete alle Athener ^ und ein gewisser Epaminondas die
Akraiphienser.^) Xenophon lud zu dem Fest, das er alljährlich auf seinem
Gut Skillus der Artemis feierte, alle Bürger und Nachbarn mit ihren
Frauen, und jeder erhielt Anteil von den Opfern und der Jagdbeute ; man
kam weit dazu hergefahren, schlug Zelte auf und Hess die Zugtiere auf
der grossen heiligen Trift weiden.») Von den Opfern, die der Hestia
gebracht wurden, durfte nichts nach Hause mitgenommen oder andern
mitgeteilt werden.^) Es findet dieser Brauch seine Erklärung darin, dass
ihr nur im Prytaneion^) oder im Hause geopfert wurde, und dass die
Gäste sich von den Speisen, mit denen sie bewirtet wurden, noch etwas
nach Hause nahmen, schickte sich eben nicht. Vereinzelt finden sich
solche Bestimmungen auch für andere Opfer. <^) Das Fell des Tieres ver-
blieb bei Privatopfern in der Regel dem Eigentümer, doch fiel es, wie wir
gesehn haben, auch nicht selten den Priestern zu. Die Häute der bei
den grossen Staatsopfern geschlachteten Tiere gehörten in Athen dem
Staate,^) in Sparta den Königen,^) öfters wurden sie zu Gunsten des
Tempelschatzes verkauft.^) Die Kosten der Opfer bestritt in der £egel
der Darbringende, also der Staat, Kultgenossenschaften oder einzelne.
Bisweilen verpflichtete man auch bestimmte Personen, z. B. die Pächter
von Steuern, zu Opfern und andern Leistungen bei Festen.*®)
Massenopfer sind schon in den heroischen Zeiten ganz gewöhnlich.
Durch eine Hekatombe glauben sich die homerischen Helden die Gunst
der Götter sicherer zu erwerben, als durch ein kleineres Opfer, Orestes
richtet betend die Frage an Zeus: Wer wird dir gleich reichliche Opfer
bringen, wenn das Atreidenhaus zu Grunde geht?*') die Athener beklagen
sich bei dem Orakel des Ammon und möchten Auskunft darüber haben,
warum die Götter den Lakedaimoniern den Sieg geben wollten, da sie sie
doch mit grösseren Opfern und Festen ehrten, ^^) und es ist schwerlich
jemals verbreitete Ansicht gewesen, dass es auf die Grösse der Opfer
nicht ankomme. Doch ist in erster Linie ohne Zweifel die Veranlassung
zu Opfern von hundert und mehreren hundert Tieren auf einmal der
Wunsch und das Bedürfnis gewesen, die Volksmenge festlich zu bewirten.
Glanz und Freude des Festes wurden so erhöht, und Göttern und Menschen
war in gleicher Weise genuggethan. An den Riesenaltären in Syrakus
») Athen. I 3D. Vgl. XII 532E. Dit-
TBNBBROBR Syll. 246, 63.
«) IGSept. I 2712.
») Anab. V 3, 9 ff.
«) Eustath. zur Od. y 298 p. 1579. He-
sycli. u. 'Eaxia. Paroimiogr. gr. I 97 und
mehr bei Prbüiver Hestia- Veeta 74 ff.
*) CIA II 470, 478, 482.
«) Vgl. DiTTBNBBBOBB Syll. 378 and d.
Inschr. v. Kos bei Patok u. Hicks 89 nr. 38
ZI. 3, 8, 29, 47, 61. S. auch Dittenbbroeb
Syll. 373 Za. 26 u. 28 f.: da^yvcamv avtov,
und 246 ZI. 73, wo als besondere Freigebig-
keit erwähnt wird, dass Opferfleisch nach
Hause mitgenommen werden darf. Aristoph.
Plut. 1139. Inschr. v. Oropos Herrn. XXI 96:
fÄij eiyai ixfpoQtjy Hto tov JSfJiivBog.
'') Dittbnberoeb Syll. 374 und Böckh
Staatsh.» II 108 f.
8) Herod. VI 57.
») Bull, de corr. XIX 12 ZI. 36 ff. Athen.
Mitt. VII 72 Frgm. la,
^^) Vgl. die ausführlichen Beetimmungen
der koischen Inschr. Athen. Mitt. XVI 406 ff.
>») Aisch. Cho. 256 f., 794.
") [Plat.] Alk. II 148 E.
106
Die grieohisohen Kultusaltertttmer.
hat man an einem Festtage 450 Rinder geopfert. Übrigens ist der
Gebrauch des Wortes Hekatombe früh katachrestisch geworden. Schon
bei Homer besteht die Hekatombe, die Nestor dem Poseidon opfert, aus
81 Stieren.^) Auch hat sie nur sehr selten aus lauter Rindern bestanden.
Wenn nicht bloss kleinere Tiere geschlachtet wurden,') so begnügte man
sich mit einem {ixatofAßr] ßovTtQoagog, ß^^QX^^Y) oder wenigen Rindern.*)
Häufiger kommen Zwölfopfer [dfodeTirjig) vor.*) Auch hier wird man nur
ausnahmsweise lauter Rinder geopfert haben ;^) entsprechend der ixarofißrj
ßovTTQWQog finden wir in den Inschriften aus dem Schatzhaus der Athener
in Delphoi wiederholt Ttjv dwdexdda vrjv jrQWToßoiav.^) Ganz gewöhnlich
waren die TQiTToiai, die aus drei verschiedenen Tieren zusammengesetzt
waren.*)
68. Beteiligen durften sich an öffentlichen Opfern alle Bürger und
Metoiken,'«) sofern sie nicht durch eine Verschuldung dies Recht verwirkt
hatten. *i) Hinsichtlich der Fremden war die Praxis verschieden. In den
ältesten Zeiten waren sie wohl meistens von den Opfern ausgeschlossen, und
viele Heiligtümer hielten auch später daran fest, dass nur Bürger sich an
den Opfern beteiligen oder wenigstens nur Bürger sie darbringen durften,*')
andere liessen auch Fremde zu,*') aber mit der Einschränkung, dass
die xavaQYiÄaTa von einem Bürger der Stadt, in der das Opfer stattfand,
vollzogen wurden.**) Gewöhnlich ersuchte der Fremde seinen Proxenos,
ihm diesen Dienst zu leisten.**) Dass eine Kolonie den Bürgern ihrer
Mutterstadt dies Recht versagte, ihnen also überhaupt die Möglichkeit
zu opfern nahm, war gewiss unerhört, und die Verstimmung der Korinthier
gegen die Kerkyraier vor dem Ausbruch des peloponnesischen Krieges auch
aus diesem Grunde ist begreiflich.*«) War kein Proxenos vorhanden, so
trat ein Bürger ein,!^) der kein Priester zu sein brauchte.**) So ist es auch
zu erklären, dass es als ein Zeichen von der Besitznahme einer Stadt gilt,
wenn der siegreiche Feldherr der Hauptgottheit in ihrem Tempel opfert. *•)
Als zwei phokische Städte sich zu einem Gemeinwesen verbinden, wird in
der Vertragsurkunde ausdrücklich festgesetzt, dass fortan die Bewohner der
Diod. XI 72.
3) r 59, vgl. 7 ff.
») J 120, ^ 873.
*) Plut. Quaest. symp. IV 4, 2. Eastath.
zu k 130. D1TTKNBSR6BB Syll. 18, 36 f. Momm-
SBN Heort. 257 A. Kirchboff za CIA I 5.
*) II. A 316. Vgl. Soph. Trach. 760 ff.
*) Hesych. u. diadexijldes ^vaiai. Z 808.
Bull, de corr. VI 215, XIX 12 ZI. 34.
') Soph. Trach. 460. Bakchyl. XVI 17 ff.
») UoMOLLB Bull, de corr. XIX 59 A. 5.
») Stengel Jahrb. f. Phil. 1886 S. 329 ff.
L. Ziehen Leg. sacr. Leipz. 1896 S. 9 f.
>«) Vgl. V. WiLAMowiTZ Herrn. XXII 215,
220 ff. Inschr. v. Telmeasos Bull, de corr.
XIV 164 ZI. 29. CIA IV 2, 35b.
'^) Oft für eine bestimmte Zeit, z. B.
DiTTENBEROBB Syll. 470 Zehn Jahre. Plat.
Leg. IV 716. Vgl. Schol. Aristoph. Pax 968.
>«) Z. B. der Hera in Argos Herod. VI
81 ; in Amorgos Dittbnbbbges Syll. 858. Vgl.
373, 26. Herod. V 72. £ur. EL 798. Isai.
VIII 16.
»») Dittbnbbeger Syll. 246, 67. Paus. I
28, 6. [Demosth.] LIX 85 p. 1374. Vgl. Eur.
El. 795 und die Verbote selbst, die doch
nicht selbstverständlich erscheinen. S. auch
BöcKH Staatsh. I> 273 f. und namentlich Dit-
tenbbroer Ind. lect. Halle 1889/90.
^*) DiTTENBEROBR Syll. 376. aus Milet.
^^) Dittbkbebobb Syll. 823. Eur. Andr.
1073; HeL 146.
'•) Thuk. I 25.
") Dittbnbbrgeb Syll. 323.
»*) Dittbnbbrgeb Syll. 376, 8. Vgl. d.
Inschrr. Athen. Mitt. XlII 166 (aus Chios),
cm 3657. Pergamum VIIT 1 nr. 248 ZI. 14 f.
nnd die Bern. Frakkels S. 167 f. Bull, de
corr. XiX 12 ZI. 40 f.
»•) Arr. Anab. II 16. Xen. HelL III 1,
23 f. Plut. Kleom. 26.
8. Kiiltiuiliandliingeii. (§ 68—70.)
107
einen an allen Opfern der andern teilnehmen sollen,*) und auch sonst
kommen Eultgemeinschaften verschiedener Städte vor, namentlich in Asien. >)
Brachte eine solche*) oder ein bestimmter Demos**) das Opfer dar, so wurde
wohl auch durch ein Dekret einem verdienten und verehrten Manne, der
nicht zum Demos gehörte, das Recht verliehen, an dessen Opfern teilzu-
nehmen;^) seltener geschah es, dass andere ganze Demen sich beteiligten.^)
Eine besondere Gruppenbildung wird übrigens auch bei grösseren pane-
gyrischen Feiern möglich gewesen sein.^) Ausnahmsweise kam es vor,
dass einem Opfer Weiber») oder umgekehrt Männer^) fern bleiben mussten.
Sklaven waren in der Regel ausgeschlossen, ^<>) beim Opfermahl begegnen
sie jedoch öfters;*^) am Uauskult nahmen sie teil.^^)
69. Die Opfertiere mussten von der besten Beschaffenheit sein.
Weder ein krankes noch ein durch irgend einen Fehler verunstaltetes
Tier eignete sich zum Opfer.**) Nur den Lakedaimoniern wurde nach-
gesagt, dass sie auch verstümmelte Tiere opferten.*^) Vereinzelte Fälle
kamen jedoch auch sonst vor. Die Artemis in Amarynthos soll den Bei-
namen KoXatvfg erhalten haben, weil ihr Agamemnon einen tadelhaften
Widder {xoXov xqiov) geopfert habe,^'*) und die Eretrier opferten ihr weiter
xoXoßä (verstümmelte Tiere).**) Auch an andern Orten mag man leicht
ein Auge zugedrückt haben. *^) Wie sorgfältig man jedoch bei der Aus-
wahl der Tiere, die zu den grossen Festopfern bestimmt waren, zu Werke
ging, zeigen die Inschriften, welche die IsQOTiom und emfiijnoi mit der
Beschaffung und Prüfung beauftragen.**) Um vor Verwechslungen oder
Täuschungen sicher zu sein, zeichnete man die Tiere wohl auch durch
ein besonderes Merkmal.*^) In Delphoi wandte man besondere Mittel an,
um die Opfertiere auf ihre Gesundheit hin zu untersuchen. *o) Vor dem
Schlachten wurde das Vieh gemästet.'*)
70. Zu Speisopfern waren natürlich nur essbare Tiere zu brauchen.
Ihre Zahl ist ziemlich beschränkt. Suidas u. x^vaov und ßovg k'ßiofiog
bezeichnet als opferbar Schaf, Schwein, Rind, Ziege, Huhn, Gans und
') BuU. de corr. V 46 ZI. 51 ff.
*) Herod. I 171; V 66. Luk. De dea
Syria und mehr Beisp. bei Maüby Hist. d.
relig. de la Gr^ce ant. II 19.
') La Bas As. Min. 339. Judbioh Athen.
Mitt. XIV 391. In Attika v. Pbott Leg. sacr.
48 ff.
*) DiTTBüBBROBB SjU. 296^ Vgl. auch
Plat. Lach. 187 E und Lobbck AgL 272 u.
praef. XX.
») CIA II 582, 589.
•) Flut. Thes. 14.
') Vgl TÖPPFBB Athen. Mitt. XVI 414 f.
•) DiTTBNBEBGBB SjU. 873, 9. Arist.
Mirab. 106 p. 840a.
^) Wenigstens der Opferhandlung selbst:
Paus. II 35, 7. Athen. IV 139 u. 149. Ari-
stoph. Thesm. 279, 298. Dittbubbrokb Syll.
373, 21 ff. FoüOART Assoc. relig. 112 A. 4.
»») CoLLiTZ Dialektinschr. 3634a. Dit-
tekbebgbb Ind. lect. Hai. 1889/90 S. X. Aus-
nahmen bei Athen. IV 149 G, XIV 639 D mit
der Bemerkung von Gasaubonus bei Schwbio-
HAUSBB Bd. XII S. 495. Vgl VI 262 G.
»0 IGSept. I 190.
") Aisch. Ag. 1036 f.
»») Aristot. bei Athen. XV 16 p. 674;
DiTTBNBEBaBB Sjll. 388, 70 f. Paus. X 35, 4.
PoU. I 29. Plut. De def. or. 49 p. 437 B.
Luk. UbqI &v<r. 12. Lolling Athen. Mitt. VII
72, Thessal Inschr. Frgm. la Auf. — Das
Verschneiden wurde nicht als Verstümme-
lung angesehen.
»*) [Plat.] Alk. n p. 149 A.
»») Schol. Aristoph. Av. 873. Vgl. Kailira.
Frgm. 76.
><^) Ael. De nat. anim. XII 34.
") S. d. Inschrift von Oropos u. v. Wi-
LAMOWiTZ Herrn. XXI 95.
>*) Vgl S. 45. GoLLiTZ Dialektinschr.
3635.
»«) DiTTBNBBBGBB Syll. 388, 71, Porph.
De abst. I 25. Vgl. GIG 3599 ZI. 21 und die
Bemerkung Böckh's dazu.
") Plut. De def. or. 49.
«») Plut. Kleom. 36. Stob. Serm. 53, 8.
108
Die griechiBohen Knltasaltertfliiier.
nennt damit eher zu viel als zu wenig. Denn Oänse hat man wohl nur
der Isis geopfert, und vielleicht auch ihr nicht als Speisopfer, >) Hühner
oder Hähne wurden nur gewissen Gottheiten, wie dem Asklepios^) und
Herakles^) häufiger geopfert, und auch sie wurden meistens ganz ver-
brannte) Da man nun Eselfleisch nur ass, wenn man nichts Besseres
hatte, ^) und diese verschmähte Speise den Oöttem nicht anbieten durfte,*)
bleiben nur die vier erstgenannnten Tiere übrig. Unter ihnen sind nicht
alle jedem Ootte gleich willkommen. Demeter zieht die Schweine vor,^)
Dionysos Schweine und Ziegen,^) angeblich weil diese Tiere Saaten und
Weinpflanzungen am meisten beschädigen,^) dem Poseidon sind Stiere die
liebsten Opfertiere, *<*) der Athena Kühe,") der Artemis opferte man vor-
zugsweise Ziegen»*) u. s. w. — Manche Gottheiten verschmähten, wenn
nicht überall, so doch an einigen oder an den meisten Orten diese oder
jene Opfertiere. **) So Aphrodite die Schweine,") doch opferte man ihr
solche in Argos an einem Fest, das darnach seinen Namen hatte (yarrjoia),^^)
und in Pamphylien.*«) Verboten werden diese Opfer wahrscheinlich auch
überall da gewesen sein, wo Schweine vom Tempelbezirk fernzuhalten
waren, *^) oder selbst der, welcher Schweinefleisch genossen oder schweins-
lederne Schuhe anhatte, diesen nicht betreten durfte.*®) Der Hera opferten
Ziegen nur die Lakedaimonier *•) und vielleicht die Korinthier.«®) In Epi-
dauros und Tithorea durfte man dem Asklepios keine Ziegen opfern,**)
während dies in Kyrene geschah ; **) auf die Burg von Athen durften sie
überhaupt nicht hinauf gebracht werden.*^) In Phokis gab es ein Heiligtum
der Isis, wo weder Schweine noch Ziegen dargebracht werden durften,**)
») Vgl. Bbrnays Theophr. 106 u. 186.
WoLFF die GefiQgelopfer der Griechen Philol.
XXVIII 188 S.
*) Plat. Phaid. 118A. Artemid. Oneir.
y 9. Dem Apollon Anthol. VI 155 Jacobs.
») Plut. Quaest. eymp. VI 10, 1. CIA
III 77.
*) CIA III 77. Plut. Agea. 38. Plat.
Phaid. 118A. Paus. II 11, 7. Luk. lup. trag.
15. Vgl. die hoiotischen Reliefs Athen. Mitt.
li Taf. 20, 22; III 377. Arch. Ztg. 1883 S. 31 1
und namentlich die Darstellungen auf hak-
chischen Sarkophagen. Dagegen Speisopfer
Plut. Quaest. sympos. VI 10, 1. Ael. De
nat. anim. V 28. Herondas IV 89 f.
^) Porphyr. De abst. I 14. Xen. Anab.
11 1, 6. Luk. Asin. 38. Schol. Aristoph. Vesp.
194. PoU. IX 48.
') Ob in Delphoi dem Apollon Esel ge-
opfert worden sind, ist mehr als zweifelhaft;
vgl. BöcKH zu CI6 1688, Ahrbns Dialekte
484, ScHOBMANH Gr. A.» II 232. Nach An-
tonin. Lib. XX 1 opfern die Hyperboreer
Anollon £sel. Aber nur von ihnen will er
solche Opfer, sonst Ziegen, Schafe, Rinder
(2 f.). Vgl. Strab. XV 11 p. 14. Journ. of
Hell. Stud. XIV 88.
') Schol. Aristoph. Ran. 838. Ael. De
nat. anim. X 16. Hygin. Fab. 277.
•) Schol. Aristoph. Plut. 1129. Kornui
IleQi »•»ewr 30 p. 217. Inschr. v. Kos Paton
u. HicKS nr. 38 ZI. 46. Vgl. Stefhaki compte
rendu 1863 S. 245 ff. Löschcke Arch. Ztg.
XXXIX 31 f.
») LoBBCK Agl. 828.
»<>) r 6. Soph. Oid. Kol. 887.
>>) Z 92. CIA II 163. Schol. Aristoph.
Nub. 385.
") Xenonh. Anab. III 2, 12. Ael. Var.
bist II 25. IiERORMAirT Recherches archöol.
k Eleusis n. 25 p. 70 ff.
>•) Vgl. Stengel Quaest. sacrif. Progr.
des Joach. Gymn. Berlin 1879 S. 27 ff.
^*) Caubr Del. inscr.' n. 435. Aristoph.
Acham. 793. Paus. II 10, 4. Pauly-Wissowa
I 2767.
'1^) Athen, in 49 p. 96. Eustath. zur IL
A 417 p. 853.
'•) Der 'J. KttffTyitjxtg Kallim. bei Strab.
IX 483.
»') CIG 5069.
>>) DiTTBHBEROBR Syll. 358. Strab. XII
575. Diod. V 62.
»•) Paus. III 15,J. ^
••) Hesych. u. «t| ttlya u. Zenob. I 27.
*') Paus. X 32, 8. Sext. Empir. Pyrrh.
hypot. III 220.
") Paus. II 26, 7. Vgl. v. Wilamowitz
Isyllos 86.
") Athen. XIII 51 p. 587.
") Paus. X 82, 9.
8. KnltushandliingeA. (§ 70.)
109
und die schon erwähnte Inschrift aus Thasos^) verbietet den Nymphen
und dem Apollon Schafe und Schweine, den Chariten Ziegen und Schweine
zu opfern. Es ist dies das einzige Beispiel, dass auch Schafopfer unter-
sagt werden. Rinder durfte man jedem Gotte opfern, nui* die Ackerstiere
sollten geschont werden,^) doch kommen auch hier Ausnahmen vor: in
Lindos auf Rhodos werden sie dem Herakles,») von den Thebanern
dem Apollon*) geopfert. Auch Ochsen, die als Zugtiere dienten, opferte
man nur, wenn nichts anderes mehr da war.^) Sehr auffallend muss es
auf den ersten Blick erscheinen, dass unter den Speisopfern niemals®)
Wild und sehr selten Fische erwähnt werden, obwohl beides in histo-
rischer Zeit zu den beliebtesten Speisen gehörte. Der Grund ist offen-
bar der, dass man kein totes Tier an den Altar der Götter bringen durfte.
Wild jedoch wurde meistens auf der Jagd erlegt ; wenn es aber gefangen
war, so war der Transport des lebenden Tieres nicht leicht, und hatte
es sich, wie dies gewiss oft genug der Fall war, im Netze oder Fang-
eisen eine Verletzung zugezogen, so war es zum Opfer ohnehin nicht
mehr geeignet. Mit den Fischen verhält es sich nicht viel anders. Ohne
Schwierigkeit kann nur der Aal lebend nach einem entfernteren Orte be-
fördert werden, und so ist es denn auch nicht gar zu auffallend, dass die
Boioter ihre gepriesenen Aale aus dem Kopaissee auch den Göttern dar-
brachten, wenngleich „allen Fremden dies sonderbar schien.'^ ^) Natürlich
wurde den Göttern dann nicht ein bestimmter Teil des Fisches, sondern
ein ganzer,®) oder vielleicht auch mehrere verbrannt. Von Thunfisch-
fangern erhält Poseidon nach einem reichen Fange den ersten Fisch, ^)
und auch der Hekate,*^) Köre**) und dem Priapos**) soll eine bestimmte
Fischart {rgfylrj) geopfert worden sein. Wie es mit den letztgenannten
Opfern gehalten worden ist, wissen wir nicht; Speisopfer pflegen diesen
Gottheiten sonst nicht dargebracht zu werden. Die Thunfische hat man
dem Poseidon sicherlich an dem Orte, wo der Fischzug stattgefunden
hatte, auf einem improvisierten Altar geopfert ; wenn aber berichtet wird,
dass die Phaseliten einem Heros eingesalzene Fische opferten,»*) so ist
») IGA 879. I
*) Ael. Var. bist. V U; De nat. anim
XII 34. Babr. Fab. 37. Scbol. Arat. Pbain. 132.
') Pbilostr. Imag. II 24. Vgl. Partben.
Dieg. 11. Lactant. De falsa rel. I 21.
*) Paus. II 10, 1; IX 12, 1. — In bome
riscber (vgl. Herrn. XXVIU 496) und wieder
um in später Zeit scbeinen Opfer von Pflug
ocbsen gewObnlicber gewesen zu sein. Luk,
negl 9va. 12. Vgl. luvenal X 270.
') Xen. Anab. V 14, 22 u. 25, ein atpayiov,
*) Wenigstens an keiner auf Glaub
wQrdigkeit Ansprucb machenden Stelle. S,
Herm. XXII 95. Auch wenn die betreffen
den Worte des Porphyrios De abst. 11 25,
wie Berkays S. 108 meint, von Theophrast
herrQbren, kOnnen sie nichts beweisen, denn
die ganze Auseinandersetzung ist tendenziös
(a. Bbrnats 103 ff.). Um zu zeigen, dass die
Menschen um des eigenen Genusses willen
nicht von den verwerflichen Tieropfem las-
sen, werden die wohlschmeckendsten Tiere
erwähnt, die nicht leicht zu erlangen sind.
Für wahrscheinlicher aber halte ich es, dass
Porphyrios, der phoinikische Hirschopfer
kannte (vgl. Jahrb. f. Phil. 1883 S. 365 Anm.
20), die Hirschopfer zugesetzt hat. Am aus-
fahrlichsten über die Wild- und Fischopfer
der Griechen Stengel Herm. XXII 94 ff.
') Athen. VIl 297 C u. D. Vgl. Menandr.
bei Athen. VllI 67 p. 865 und IV 27 p. 146.
^) xaf^otyll^Biv bei Menandr. Athen. VIII
67 p. 365.
») Athen. VII 297 £ und 303 B. Polyaen.
VI 24.
•<>) ApoUodor bei Athen. VII 126 p. 325.
Vgl. Kornut. 34 p. 232.
") Athen. VII 325F u. 330C.
••) Anthol. Pal. X 9, 14 u. 16. Vgl.
lulian Orat. V 176 D.
**) Antigenes von Earystos bei Athen.
VII 297 E, vgl. 303 B.
110
Die grieohisohen Snltnaaltertümer.
ein solches Opfer nur zu den unblutigen zu rechnen, nicht anders als
Backwerk oder Käse. Auf den Inseln scheinen Fischopfer auch im Toten-
kult vorgekommen zu sein.O
71. Eine eigentümliche Art von Speisopfern — denn dahin müssen
wir sie wohl rechnen — sind die sog. O-eo^ävia, die lectistemia der
Römer, Göttermahle, die namentlich den Dioskuren,') doch auch andern
Göttern, wie dem Herakles, der Demeter, dem Dionysos*) dargeboten
werden. Das Opferfleisch wird dabei von den Priestern und eingeladenen
Gästen verzehrt.
72. Wir kommen jetzt zu der zweiten Klasse der Opfer.
Dahin gehören erstens alle, die man chthonischen Gottheiten
darbrachte.
Von diesen aber scheiden oder können wenigstens ausscheiden
solche, mit denen man die Xd^ovioi lediglich in ihrer Eigenschaft als Gott-
heiten des Ackerbaus ehrte. '^) In Mykonos hat man von den Opfern des
Zeus Chthonios und der Ge Chthonia gegessen,^) ebenso in Magnesia von
dem des Zeus Sosipolis,^) und in Hermione, wo der Kult der chthonischen
Gottheiten besonders blühte und die XO^ovia das Hauptfest waren, ist es
wahrscheinlich nicht anders gewesen; wenigstens vermischte sich der
Kult der Mächte des Todes mit dem der Segen spendenden Erdgottheiten
auch dort,') wenn auch wohl nicht so innig wie in Eleusis,^) wo neben
den Altären der Göttinnen ein Altar Plutons stand, ^) dem eine eigene
Priesterin diente.*^) Denn der Name Hades, den man ungern nannte,^')
begegnet hier nicht mehr, dem Pluton oder dem Zeus Eubuleus bringt
man die Opfer, wie in Delos,*') Paros,**) Aphrodisias ' *) und an andern
Orten.**) Wohl mag die Heiterkeit und die laute Freude, die bei andern
Opfern herrschte, in diesen ernsteren Gottesdiensten gefehlt haben, aber
mit Scheu und Grauen,*^) wie den wirklich in der Unterwelt hausenden
Göttern, hat man sie nicht dargebracht. Denn das ist der charakteri-
stische Unterschied: die Verehrung der Mächte der Unterwelt soll nur
vor ihrem Zorn, vor Schaden und Verderben schützen und ihre bösen
Wirkungen fernhalten; Segen und gute Gaben erfleht und erhofft man
von den höheren Wesen, denen man selber seine Gabe darbringt. Ein
Speisopfer durfte man den Unterirdischen nicht bieten ; wer davon kostete,
wäre ihnen verfallen, da muss das ganze Tier hingegeben werden. So
GIG Ins. TI 830 ZI. 191 aus Tbera.
CoLLiTZ Dialektinschr. 3634b ans Eos.
*) Dbneken De theoxeniis, Diss. Berlin
1881 S. 4. Köhler Herrn. VI 106 ff. Fubt-
wXnolbb Sitzgsber. d. Manch. Akad. 1897
S. 401 ff
») Denbkbn a. a. 0. 25 ff Vgl. CIA II
305, 453c.
*) S. RoHDB Psyche* I 204. Stengel
Festschrift f. L. FriedlIkdbb Leipz. 1895
S. 419 ff.
») DlTTEHBBROBR SjlL 323, 25 f.
•) Kern Arch. Anz. 1894 S. 78 ff.
') IGA 47, 48. Vgl. V. Wilamowitz Eur.
Her.» II 138 zu V. 615. Rohde Psyche« I 214 f.
8) S. Bull, de corr. IV 227. Mehr bei
PoüCART Bull, de corr. VII 384 ff.
•) CIA II 834b col. 2 ZI. 4 f. Ephem.
arch 1894 S. 198.
^0} Ephem. arch. 1895 S. 99.
J») Plat. Kratyl. 403 A.
") Bull, de corr. XIV 506 A. 4.
") 'J»rjyatoy V 15 nr. 5.
^*) Mova. i^s EvayysX, <rxoX. 1880 S. 180.
»») S. CIA II 948-950. Pbbllbr-Robert
Griech. Myth. I 802 A. 1. Auch Köhlrr Herrn.
VI 108. Wassneb De heroum cultu 8 ff.
'«) fiet tt arvyyotfjT ogSchol. Luk. Ikarom.
24 ; Plut. Thes. 20. f^erd aefiyoTtjroi Zosim.
bei DiELs Sib. Bl. 132 ZI. 7.
d. Knltiwhaiidiiuigeii. ($ 71—72.)
111
sind die Opfer fQr die eigentlichen X&ovioi denn anch sehr selten. Hades
hat in keiner Stadt einen Altar, sagt der Scholiast zu D. / 158, und dass
in der That das Vorhandensein eines solchen etwas Aussergewöhnliches
war, beweist der umstand, dass eine besondere Legende erklären musste,
wie man in Elis dazu gekommen warJ) Von Opfern aber ist hier so
wenig die Rede, wie bei Strabon (VIII 344), der von einem räfievog des
Gottes in derselben Landschaft berichtet.^) Wenn ihm überhaupt Opfer
gebracht wurden, so geschah dies wohl nur von Totenbeschwörern und
Leuten, die Totenorakel befragten. In Athen haben von den Gottheiten
mit ausgeprägt oder ausschliesslich chthonischem Charakter nur die Eume-
niden einen eigentlichen Kultus gehabt, und die Sage erzählt ausführlich,
wie sie dieser Ehre teilhaftig geworden sind.') In ihrem Heiligtum, das
kein Unberufener betreten durfte, und dem niemand ohne einen Schauer
nahen mochte,^) brachte man ihnen nachts^) blutige^) und unblutige^)
Opfer dar, nachdem man vorher dem Hesychos, dem Daimon des Schweigens,
geopfert hatte.®) Der Leib der Tiere wurde verbrannt.^) In Athen
opferte man ihnen vor der Geburt von Kindern und vor Eheschlies-
sungen, ^®) die Sikyonier feierten ihnen alljährlich ein Fest, wobei sie
trächtige Schafe darbrachten, ^i) und in Megalopolis wurde ihnen und den
Chariten zusammen geopfert.**) Die Trankopfer (Aot/?iy*') oder x^^),^^) diö
man ihnen spendete, durften keinen Wein enthalten,'^) sondern bestanden
aus einem Gemisch von Honig und Milch, wohl mit Wasser verdünnt,^**)
dem sogenannten fAsXixQavov, das man den Unterirdischen auszugiessen
pflegte ;^^) denn das heiter und froh stimmende Getränk der Lebenden,
der Wein, ziemte ihnen nicht.'®) Oidipus soll zwei Spenden reinen, flies-
senden Wassers giessen, einen dritten Krug, Wasser und Honig enthaltend,
ganz ausschütten. 1^) Zu den entschieden chthonischen Gottheiten gehört
ferner Hekate. Bei Apoll. Rhod. III 1029 flf. haben wir eine ausführliche
Schilderung eines ihr dargebrachten Opfers. Medeia weist lasen an, er
solle, nachdem er im Fluss gebadet, um Mitternacht allein eine kreis-
förmige Grube graben, über ihr ein Schaf schlachten, einen Scheiterhaufen
schichten und den unzerstückelten Körper des Tieres darauf verbrennen,
dabei Honiggüsse spendend. Dann solle er, ohne umzublicken, sich schnell
') Paus. VI 25, 8.
«) Vgl. RoeoHEB Myth. Lexik. 1887 S.
1787 ff. Zeus-Hades d. i. Zeus Ghthonios er-
hält neXayog und x^V Eur. Frgm. 912 N.«.
') Aisch. Eum. Schluss.
*) Vgl. Soph. Oid. Kol.
<^) Aisch. Eum. 105.
•) Ebenda 1006.
^) Aisch. Ag. 70. Schol. Aischin. 1 188.
*) Polemon im Schol. zu Soph. Oid. Kol.
100. Vgl. TöPFPBR Att. Geneal. 172 A. 1.
*) Aisch. Eum. 1006, wo schon der Aus-
druck aqxiyin dies beweist (Vgl. Hermes
XXI 317 ff.), IstroB im Schol. Soph. Oid. Kol.
42: oXoxavxrjcayTi,
*<») Aisch. Eum. 885.
"» Paus. H 11, 4.
'») Paus. VIII 34, 2.
•») Eur. Iph. T. 169.
»*) Eur. Frgm. 912 N.«.
*») Soph. Oid. Kol. 100 u. 481. Aisch.
Eum. 107. Vgl. Jahrb. f. Phil. 1887 S. 651
Anm. 7 u. 653 Anm. 17.
'•) Eur. Iph. T. 169. Schol. Soph. Oid.
Kol. 155. Eustath. z. Od. x 519. Stbnobl
Philol. 1880 S. 379 und Jahrb. f. Phil. 1887
S. 653.
") Porphyr. De antro Nymph. 18. Vgl.
die Inschrift von Kos v. Pbott Leg. sacr.
S. 20 ZI. 33 ff. (Paton u. Hicks 87), wo neben
dem Speisopfer ein Schwein ganz verbrannt
([x\(tQnäivx^ Toy fiiy /or[90j/]), und demnach
sowohl otyog xexQOfÄiyog wie fisXixQazoy ge-
spendet wird.
'«) Aisch. Eum. 727 ff.
»») Soph. Oid. K. 469 ff.
112 Die grieohwohen Knltusaltortümer.
von der Stätte entfernen. Sehr gewöhnlich opfert man ihr Hunde. *)
Auch war es Brauch, dass Wohlhabende an jedem Neumond abends Töpfe
mit zubereiteten Speisen an die Ereuzungspunkte der Strassen stellten, um
die sie sich dann nicht weiter kümmerten.^) Dass arme Leute sie nach
Hause trugen und davon assen, beweist, dass man diese Gaben mit andern
einer chthonischen Gottheit geweihten Opfern doch nicht ganz gleich-
stellte. In Aigina soll sie vor allen andern Göttern verehrt worden sein. 3)
Dagegen zeigen wieder durchaus chthonischen Charakter die Opfer, welche
die Windgottheiten empfangen.*) Ihr Kult hängt eng mit dem Seelen-
kult zusammen; die Harpyien, identisch mit den x^veXXai,^) sind Seelen
Verstorbener, die TQiroTtäfOQeg sind Windgeister und Seelen der Vor-
fahren.®) Dem Typhon wird ein schwarzes Lamm geopfert,') dem Boreas
schlachtet Xenophon cryayia,») und in Titane bei Sikyon bringt ein Prie-
ster den Winden alljährlich in einer Nacht geheimnisvolle Opfer dar.^)
— Von andern Gottheiten empfängt am häufigsten Persephone-Kore chtho-
nische Opfer, namentlich wo ihr Kult mit dem des Pluton oder (Zeus) Eu-
buleus verbunden ist. Mit Demeter vereinigt wird ihr aber auch vielfach
wieder die Verehrung der Himmlischen zu teil und sie erhält Speisopfer
wie diese. Überhaupt kann fast jeder Gott einen finstern, dem Wesen der
chthonischen Mächte ähnlichen Charakter annehmen, sei es dass die Vor-
stellung des Menschen, der ihm seine Verehrung bezeugen will und ihm
mit Gebet und Opfer naht, diesen auf ihn überträgt, sei es dass ein verein-
zelter althergebrachter Kult ihn bewahrt hat und festhält. Zeus wird sehr
gewöhnlich als Chthonios oder Meiiichios angerufen und verehrt, der Gott
des Weines und der ausgelassenen Festfreude, Dionysos, steht der Unter-
welt so nahe, wie kaum ein anderer, ja selbst ApoUon empfangt Opfer wie
die Unterirdischen;»®) ebenso Hermes, Demeter, Poseidon, Artemis und
andere. Man kann da nicht mehr scheiden zwischen Opfern, die diesen Gott-
heiten zum Zeichen der Verehrung dargebracht werden und die dann eben
nur deswegen nicht Speisopfer sind, weil sie chthonischen Göttern ge-
weiht werden, und zwischen eigentlichen Sühnopfern. Die Veranlassung
beider ist dieselbe: das Gefühl der Angst, die dunkle Empfindung, man
müsse den erzürnten oder seiner Natur nach dem leicht lebenden Men-
schengeschlecht immer abholden Gott versöhnen; und die Ausführung beider
ist dieselbe: das völlige Hingeben des Opfers, an dessen Genuss teil-
zunehmen man ein Grauen empfindet. Mag man ein Opfer, wie es die
lakonische Inschrift CIG 1464 oder die attische CIA HI 77 anordnet,
für ein chthonischen Gottheiten zu Ehren dargebrachtes erklären, und ein
Paus. 111 14, 9. Flut. Quaest. rom.
52. 68. 111. Aristoph. nach dem Schol. zu
Theokr. Id. II 12. Schol. zn Aristoph. Fax
277. Lykophr. Eass. 77 mit Schol. Suid.
u. KaQixov ^vjna, Erasmus Adag. p. 221 u.
Carica victima.
<) Schol. Aristoph. Flut. 594. Demosth.
LIV 39. Prellbe-Robebt Gr. Myth. I 225.
RoHDE Psyche*^ II 79 u. 85.
») Paus. II 30, 2.
*) Stengel Herrn. XVI 346 flF.
*) Od. t; 63, 66, 77.
") Suid. und Hesjch. u. d. W. Rohdb
Psyche^ I 247 flf. Rhein. Mus. 1895 S. 3 ff.
') Aristoph. Ran. 847 f.
*) Anah. IV 5, 4. Der Ausdruck wird
niemals von Speisopfem gehraucht.
•) Paus. II 12, 1.
'0) Paus. VIII 38, 6; II 24, 1. Vgl. Apoll.
Rhod. II 494.
8. Knltashandlnngeii. (§ 73.)
113
anderes (Eaibel Epigr. gr. 1034), welches das Orakel den Bürgern einer
Stadt zur Abwendung der Seuche dem ApoUon und der Artemis zu ver-
anstalten befiehlt, für ein Sühnopfer, ganz sicher wird die Entscheidung
selbst in diesen einfach liegenden Fällen nicht sein, und in vielen andern
muss sie vollends ungewiss bleiben, weil die Opfernden offenbar selbst
eine solche Scheidung nicht vorgenommen und sich nicht darüber klar zu
werden versucht haben. ^) War es doch möglich, dass man bei dem eben
erwähnten Opfer zur Abwendung der Pest die Tiere dem ApoUon und der
Artemis schlachtete, die Spenden aber den unterirdischen Göttern weihte,
und bei der römischen Säkularfeier den Moiren hostias prodigivas dar-
brachte, die sonst doch wohl bestimmt waren prodigia zu sühnen.^) Dazu
kommt, dass häufig die Eigentümlichkeiten der Opferhandlung nicht ge-
schildert oder auch nur angedeutet werden, und dass meist nur die Schrift-
steller der besten. Zeit') die technischen Ausdrücke, die auf den Charakter
des Opfers schliessen lassen, streng richtig anwenden.
73. Die Sühnopfer-^) scheinen ebensowenig wie die Sühn- und
Reinigungsceremonien, die man mit einem Schuldbefleckten vornahm, ur-
sprünglich griechisch. Den homerischen Helden ist der Begriff der Sünd-
haftigkeit noch völlig fremd, und ein Sühnopfer wäre ihnen und ihren
Göttern gleich unverständlich. ») In der Dias {A 444) „versöhnt" man den
erzürnten Apollon durch ein heiteres Speisopfer, Gesang und Tanz {A 472 ff.),
und das einzige Opfer, das unverkennbar die Züge eines Sühnopfers trägt,
ist kein griechisches: die Troer stürzen dem Skamandros lebende Rosse
ins Wasser (<P 182). Allgemeiner üblich geworden sind sie wohl erst in
der Zeit, ia der auch die Mysterien sich entwickelten. Sie sind etwas
ganz anderes als die vordem üblichen Opfer: kein Mahl, sondern eine frei-
willige Entäusserung eines werten Gutes, durch dessen Hingabe und Ver-
nichtung man ein Yergehn gegen einen Gott wieder gut zu machen
meint und ihn zu bewegen sucht, die gefürchtete Strafe nicht zu ver-
hängen oder gnädig damit einzuhalten. Ganz besonders aber werden sie
dargebracht, wenn man sich zu einer gefahrvollen Unternehmung an-
schickt; man hofft so dem drohenden Verderben zu entgehn und den
Erfolg zu erlangen, ohne der Gottheit ihr Recht vorzuenthalten oder ihren
Neid zu wecken. Religiöse Empfindungen lassen sich nicht zerlegen, die
Motive fliessen zusammen: mag man auch geglaubt haben, den Mächten
der Unterwelt durch das Blut des Opfertiers oder des hingeschlachteten
Menschen^) wohlzuthun, im wesentlichen sind diese Opfer doch ebenso-
wenig eine zum Genuss für die Gottheit bestimmte Gabe, wie jener Ring,
den Polykrates — nicht in ein Heiligtum stiftete, sondern ins Meer warf.
*) Vgl. z. B. das sibyllinische Orakel
bei DiELS Sib. Bl. S. 113 V. 37.
') Mon. ant. Accad. dei Lincei 1891
S. 653 ZI 90 = Ephem. epigr. 1891 S. '225 ff.
') Vor allen Xenophon, dann nament-
lich ancb Herodot, Thukydides, die Tragiker
und Pausanias.
*) V Lasaulx Sühnopfer der Griechen
u. Römer Akad Abhandlgg. Würzburg 1844
S. 236 ff. DoNALDSON Transactions of Edin-
EaDdbuoh der klaas. AltertumswlBsenschait. V, 8.
burgh 1876 S. 432 ff. Schmidt Die Opfer
in der Jahvereligion und im Polytheismus
Diss. Halle 1877 S. 40 ff. Stengel Jahrb.
f. Phil. 1883 S. 361 ff.
^) A 314 ist von keinem solchen die
Rede, vgl. Donaldson a. a. 0. 433 und Sten-
gel a. a. 0. 369 Anm. 31.
•) Vgl. Eur. Alk. 851, auch Aisch. Eum.
265 u. 314 f.
2. Aiifl,
8
114
Die grieohisohen Knltusaltertümer.
Sie sind Präventivmittel, und die Bezeichnung Bussopfer wäre vielleicht
richtiger als Sühnopfer.
Ob nun wirklich gleich die ersten Sühnopfer Menschen waren? Ob
man nur durch Vernichtung eines Menschenlebens den erzürnten Gott
beschwichtigen und versöhnen zu können meinte? Doch sicherlich wohl
nur dann, wenn man das eigene Leben verwirkt zu haben glaubte. Und
nicht jede Schuld, nicht jedes Glück braucht so schwer gebüsst zu werden,
nicht alle Gefahren drohen den Tod. In unzähligen Fällen hat man gewiss
von Anfang an geglaubt, mit einem andern Opfer auszukommen; nur wo
man wirklich um sein Leben bangte und im Begriff stand, es um Gewinn
oder für Vaterland und Besitz in die Schanze zu schlagen, wird ein
solches Opfer für notwendig gehalten worden sein. Es wäre überhaupt
ganz falsch, einfach den Satz aufzustellen: in alter Zeit sind die Menschen-
opfer häufiger gewesen, mit der zunehmenden Civilisation verschwanden
sie allmählich. Man hat in vorhomerischer Zeit namentlich bei den Be-
gräbnissen der Fürsten in Menge Menschen geschlachtet, noch am Scheiter-
haufen des Patroklos bluten zwölf gefangene Troer als Totenopfer (*P 175),
aber das ist auch das einzige Beispiel in den homerischen Gedichten, und
erst später begegnen sie wieder häufiger. Die Auffassung der Gottheit,
die Vorstellung von dem Wesen und den Bedürfnissen der Geister der
Abgeschiedenen, Zufriedenheit und Sicherheit des Daseins oder Sorge und
Bedrängnis, das alles sind wichtige Momente, und sie hangen grossenteils
von den Schicksalen des Volkes ab, die, bei sonst fortschreitender Kultur,
Stimmung und Ansichten auf ein Niveau herabdrücken können, das niedri-
ger scheint und thatsächlich ist, als der schon früher erreichte Standpunkt.
74. Da nun die Menschenopfer mit wenigen Ausnahmen, wo an
Gräbern von Heroen, offenbar um ihrer Rache nachträglich genugzuthun,
Menschen — meist gefangene Feinde — geschlachtet werden, deutlicher als
jedes andere sich als Sühnopfer kennzeichnen, wollen wir mit ihnen be-
ginnen. ') Die kyklischen Gedichte kennen sie bereits. Agamemnon muss
sein ältestes Kind opfern, bevor die gefährliche Seefahrt von Aulis ange-
treten wird,*) und Polyxene muss bluten, ehe man sich auf die Heimfahrt
begiebt.') Da sie über dem Grabe Achills geschlachtet wird, kann dem
Opfer in der epischen Zeit kaum ein anderer Sinn und Zweck zu Grunde
gelegen haben, als die Psyche des Helden durch ein auch ihm von der
Beute dargebrachtes y^Q^^ zu befriedigen. Aber die spätere Zeit fasst
es anders auf. Wie Aischylos Iphigeneia ein „windstillendes Opfer ^*)
und ein „Beschwichtigungsmittel thrakischer Stürme^ ^) nennt, so lässt
Euripides den Neoptolemos unzweideutig aussprechen, der Zweck der
Opferung Polyxenes sei, günstige Winde für die Heimfahrt zu erlangen.«)
*) IIbbmank G. A.* § 27. Sohoemann
Griech. Altt.* II 250 ff. Suobibb De victimis
humanis Progr. v. Hanau 1848. Dokaldson
Transactions of Edinburgh 1876 S. 455 ff. (der
Menschenopfer für die Griechen überhaupt
leugnet). Stbnoel Jahrb. f. Phil 1883 S. 362 ff.
^) Stasinos in den Kypria, Wblokbb
Ep. Gycl. 11 101. (Damit zu vergleichen B
t^Od ff., / 145 u. Lbhbs Aristarch» 176.)
*) Iliupersis Wagkbb Mythogr. gr. 1 245
vgl. 212. (Vgl. damit y 730 ff. und Stbnobl
Jahrb. f. Phil. 1883 S. 367 f. Anm. 28.)
*) nai^cdvBfxoi &vola Ag. 214.
*) in(ad6g Sguxmy arj^anav Ag. 1418.
•) Hek. 536 ff. vgl. 900 f., 1289 f., auch
Ovid. Met. XII 439 f. und Verg. Aen. II 116.
Im übrigen s. Stekoel Fefitschr. f. Fbibd-
LAENDEB 1895 S. 416 f.
d. Knltiishaiidliiiigeii. (§ 74.)
115
Ipbigeneia ist auch nach der alten Sage aus keinem andern Grunde ge*
opfert worden, 1) und dass die Griechen in alter Zeit vor Beginn grösserer
Seefahrten Menschenopfer häufiger dargebracht haben, ist nicht zu be-
zweifeln. Eine Andeutung davon dürfte auch in Aisch. Ag. 146 ff. zu
finden sein, Eustathius (Hismen. p. 298) sagt kurz, es sei xarä t6v rrjiTrjv
vofiov gewesen, Menschen zu opfern, Herodot (II 119) erzählt, Menelaos
habe, nach Aigypten verschlagen und durch widrige Winde oder Wind-
stille festgehalten, aigyptische Kinder geopfert, und als Agesilaos sich
in Aulis zum Feldzuge gegen die Perser einschiffen will, verlangt ein
Traumgesicht von ihm, dass er ein Menschenopfer bringe ; doch schlachtet
er in Erinnerung an Iphigeneias Opferung nur eine Hindin.^) Am wich-
tigsten aber sind die zahlreichen Beispiele, wo in historischer Zeit dem
Poseidon^) oder den Winden*) aq>ayia dargebracht werden, die das
eigentlich erforderliche Menschenopfer nur ersetzen sollen. Bei den Phoi-
nikern waren diese Opfer gewöhnlich, pflegten sie doch selbst unter den
vom Stapel laufenden Schiffen, um sie gegen Gefahren zu feien, Menschen
zu zerquetschen,^) und wie man nach den Seeschlachten mit ihnen von
Staatswegen einen Kult der Winde in Griechenland einführte,^) so wird
in älterer Zeit ihr grausamer Opferbrauch nicht ohne Einfluss und ohne
Nachahmung seitens ängstlicher Schiffer geblieben sein.
Sodann hat man Menschen bei dem Beginn eines Feldzugs oder vor
einer Schlacht geopfert. Sage wie Geschichte liefern Beispiele. Als in
den Herakleiden des Euripides (405 ff.) Demophon sich gegen die Argeier
rüstet und vorher die loyia naXaid tiSs yfj awTiJQia erkundet, lauten sie
verschieden, aber in einem stimmen alle ttberein: man müsse eine Jung-
frau schlachten. Als Theben von den Sieben belagert wird, erklärt Tei-
resias, es gebe nur ein Mittel, die Stadt zu retten: Kreon müsse seinen
Sohn opfern ; und der Sturm wird abgeschlagen, als der Knabe sich wirk-
lich das Schwert in den Hals gestossen.O Erechtheus erhält das Orakel,
er werde siegen, wenn er eine seiner Töchter opfere,®) Aristodemos ver-
sucht, ebenfalls durch einen Orakelspruch aufgefordert, dasselbe ver-
zweifelte Mittel,*) Leos opfert alle drei Töchter,»®) im Krieg gegen den
Orchomenierkönig Erginos erhalten die Thebaner vor der Schlacht das
Orakel, sie würden siegen, wenn jemand aus dem vornehmsten Geschlechte
sich selbst opfern wolle, und die Töchter des Antipoinos geben sich den
M Wären uns die kyklischen Gedichte
erhalten, würden wir vielleicht die glück-
liche Fahrt nach Uios und die Schrecken
der Rückfahrt, wo doch nicht allein Aias
umkommt, in Zusammenhang gebracht sehn
mit der Unterlassung eines Sühnopfers, wie
es in Aulis dargebracht worden war; Spuren
davon mögen in der Erzählung Sinons bei
Vergil Aen. II vorhanden sein, mit Sicher-
heit kann man es ebensowenig sagen, wie
ob die Schilderung von dem Tode des Lausus
Züge aus der Aithiopie, wo Antilochos sich
für Nestor opfert, entlehnt hat.
») Flut. Ages. 6. Vgl. Xen. Hell. III 5, 3.
'J Arr. Anab. VI 10, 5. App. Bell. Mithr.
70 p. 480. Athen. VI 261 D.
<) Herod. VII 191.
») Valer. Max. IX 2. Vgl. Gaidoz Rev.
arch^ol. VIII (1886) 192 f.
•) Herod. Vn 178, 189. Vgl. I 1.31. Fiat.
Fhaidr. p. )i29. Faus. I 19, 6; VIII 27, 9.
') Eur. Fhoin. 890 flf. Apoll. Bibl. III 6, 7.
•) Apollod Bibl. III 15, 4. Eur. Frgm.
Erechth. 359. Lykurg. Leokr. 24 § 99.
[Demosth.] LX 27 p. 1397. Suid. u. nagae'yoi
•) Faus. IV 9, 2 u. 5. Vgl. Flut. Farall.'
XX 3I0D.
'<^) Photius u. XeaxoQioy aug Fhanode-
mos. Ael. Var. bist. XII 28. [Demosth 1 LX
29 p. 1398.
8*
116
Die grieohisohen Knltiualtertümer.
Tod,0 und auch der Athener Kodros rettet sein Volk, indem er durch
Hingabe seines Lebens selbst die Bedingung erfüllt, an die der Gott den
Sieg geknüpft hat.^) Als die Schlacht bei Salamis beginnen soll, zwingt
man den Themistokles, drei gefangene Perser zu opfern,') vor der
Schlacht bei Leuktra wird von Pelopidas ein Menschenopfer verlangt, und
nur das zufällige Erscheinen eines blonden Füllens und die Geistesgegen-
wart eines menschlichen Sehers ersparen dem Feldherm die traurige
Pflicht.^) Am häufigsten sind Menschenopfer gebracht worden, wenn eine
Seuche das Land verheerte, oder Hungersnot es heimsuchte, und man
konnte sich in solchen Fällen wenigstens in alten Zeiten auf Befehle von
Delphoi berufen.^) Bei der Reinigung Athens soll Epimenides einen
Jüngling geopfert haben, <<) in Sparta und in Syrakus wird bei ähnlicher
Veranlassung eine Jungfrau gefordert,^) und dass man auch sonst bei
solchen Gelegenheiten, wie bei andern grossen ünglücksföllen, die das
Volk trafen, zu Menschenopfern seine Zuflucht nahm, wird uns mehrfach
überliefert.®) Alle diese Opfer werden also gebracht vor einer wichtigen
Entscheidung^) oder in gefahrvoller Lage, besonders dann, wenn das
Leben vieler aufs Spiel gesetzt werden soll oder bedroht ist, und die
Götter werden angefleht, es sich genügen zu lassen an diesem einen ihnen
freiwillig hingegebenen Leben und die andern zu schonen. *ö) Aber frei-
willig muss nicht nur die Gabe derer sein, die einen aus ihrer Mitte zum
Altar schleppen: auch dieser selbst muss sich zum Tode bereit erklären.
Galt es schon für ein ungünstiges Zeichen, wenn ein Schlachttier wider-
strebend zur Opferstätte gezogen werden musste, so war dies hier in er-
höhtem Masse der Fall.^^) Doch auch abgesehen von solchen ausser-
ordentlichen Gelegenheiten kamen Menschenopfer vor. So wurden an den
Lykaien, einem Fest, das man dem Zeus Lykaios in Arkadien feierte,
noch im zweiten Jahrhundert n. Chr. Menschen geopfert,**) und auch in
Rhodos soll Kronos alljährlich ein solches Opfer empfangen haben. Frei-
lich nahm man hierzu einen todeswürdigen Verbrecher, i') In Leukas
wurde dem Apollon, der ja vor allen andern Ka&dQ<nog, Sühngott, ist, an
dem ihm jährlich gefeierten Feste ein Mensch (neQiiprjfAa, eigentlich
Reinigungsmittel) von den steilen Felsen des Vorgebirges ins Meer gestürzt.
Blieb er am Leben, so nahmen bereitstehende Kähne ihn auf und schafften
Paus. IX 17. 1.
«) Lykurg. Leokr. 20 § 86 f. Vgl. anch
Herod. VII 220 u. Xen. Hell, l 14, 18 f.
») Plut. Them. 13; Aristeid.Q; Pelop.21.
*) Plut. Pel. 20 f.
*) Stützlb Progr. v. EUwangen 1891
S. 25 f.
•) Athen. XIIT 78 p. 602. Diog. Laert.
1 110. Demosth. XXIII p. 644.
») Plut. Parall. XXXV p. 314 C; XIX p.
310ß. Jo. Lydus De mens. p. 113.
») Schol Arist. Equ. 1136, Plut. 454.
Ran. 730. Helladios in Phot. Bibl. 279 p. 534.
Tzetz. Chil. V 726 ff. Anton. Lib. VIII 2 f.;
XXV 2 f. Auch die Sage von Hesione ge-
hört hierher.
*} AthenaioB XI 466 C erzählt, dass auch
bei der Gründung von Methjmna eine Jung-
frau ins Meer versenkt worden sei. Vgl.
Plut. Sept. sap. conv. 20.
10) Dies ist z. B. aus Eur. El. 1024 ff.
zu entnehmen, und Philo bei Euseb. Praep.
ev. IV 16 p. 156 D bezeugt es ausdrücklich.
Vgl. auch Plut. De def. orac. 14 p. 417 C
und Yerg. Aen. V 815: unum pro muüis
dabitur caput.
") Vgl. Eur. Herakl. 550 f. Phoin. 890.
Athen. XIII 78 p. 602. Paus. VII 21, 1. Anton.
Lib. XXV 2 f.
") Paus. VIII 38, 5. Vgl. Immbrwahb
Kulte u. Mythen Arkadiens Leipz. 1891. I
Anf. Bern ATS Theophr. 189 und Wslokbb
Kl. Sehr. III 160 ff.
<•) Porph. De abst. II 54.
8. Kvltnahandlongen. (§ 75.)
117
ihn über die Grenze. Ja in Athen hat man in alter Zeit am Thargelien-
fest alljährlich zwei Menschen {g^agfjiaxoi oder xad^ägfiata) zur Sühne für
die Übrigen und zur Reinigung der Stadt geschlachtet,') und für lonien
sind dieselben Opfer im 6. Jahrhundert bezeugt.')
Auch sonst kamen gewiss ab und zu Menschenopfer vor/) aber ge-
wöhnlich sind sie in Griechenland nie gewesen. Man hat sie leider bisweilen
für notwendig gehalten, doch stets als etwas Grässliches und dem Hellenen-
tum eigentlich Fremdes empfunden. Aischylos^) nennt das Menschenopfer
(ivofAog^ Euripides*) ovx oaiog, dem Pelopidas und seinem Heer erscheint
es naqdvofiog und ßägßaQog^'^) und Tansanias^) nennt es eine ^tvrj x^vaia.
Ziemlich beseitigt scheinen den grausigen Brauch aber erst die strengen
Verfügungen des Kaisers Tiberius zu haben. ^)
75. So wundem wir uns denn auch nicht, dass wir häufig Opfern
und Gebräuchen begegnen, die offenbar — und meist fügen die alten
Schriftsteller dies selbst hinzu — an die Stelle eines früheren Menschen-
opfers getreten sind.*®) Vor allem im Kult der Artemis.**) Schon früh
erzählte die Sage, dass die Göttin in Aulis für Iphigeneia eine Hindin
untergeschoben habe.*') Auch in Achaja, wo ihr in alter Zeit alljährlich
ein Jüngling und eine Jungfrau zum Opfer gefallen sein sollen, hat man,
wie uns überliefert wird, diese Opfer bald eingestellt.*') Eine andere Sage
lässt den Herakles eine Ziege wie eine Jungfrau schmücken und sie statt
der Tochter zum Altar der Artemis Munichia führen;**) in Halai wird
am Fest der taurischen Artemis einem Manne mit einem Schwert ein
Schnitt am Halse beigebracht: sein Blut soll fliessen, „damit die Göttin
die ihr gebührenden Ehren empfange "*,*') und eine Spur von einstmals
ihr dargebrachten Menschenopfern werden wir auch in der Geisselung der
Knaben am Altar der Artemis ^Oqd'ia in Sparta erblicken, die öfters, auch
in historischer Zeit, den Tod eines Knaben zur Folge hatte. *^) Auch
Dionysos *') verzichtete bald auf Menschenopfer. In Potniai in Boiotien
soll er selbst eine Ziege untergeschoben und sich in der Folge mit diesem
Opfer begnügt haben; *^) in Tenedos nährte man ihm eine trächtige Kuh,
und wenn sie geboren hatte, pflegte man sie wie eine Wöchnerin, und
dem Kalbe legte man Schuhe an und führte es gleich einem Menschen-
kinde zum Altar, der Priester aber, der es schlachtete, wurde mit Steinen
>) Strab. X 452.
*) Harpokr. n. (pa^fioxog.
*) Hipponax Frgm. 37 Bbbgk« 3. 475.
<) Vgl. z. B. Herod. VII 197; IX 119
nnd besonders Porph. De abst. II 54 f.
•) Ag. 149.
•) Iph. T. 465. Vgl. 41 u. Andr. 625.
^) Plut. Pelop. 21.
«) VII 19, 3.
>) Porph. De abst. II 54. Vgl. Bbrnats
Theophrast 116 f., 188 ff.
^^) Vgl. Servius zu Verg. Aen. II 116:
aciendum in aacris sitnulata pro veris accipi,
") Der ,8chlächterin', Robebt in Pbbl-
LBB8 Or. Myth.' I 296 f. A. 2.
") Vgl. Stbhobl Jabrb. f. Phü. 1883
8. 366 f. Anm. 24. Enr. Ipb. Taur. 783 ff.
Aischylos sagt von einer Errething Iphige-
neias nichts. Vgl. v. Wilaxowitz Herrn.
XVIII 259.
»«) Paus. VII 19, 2 f.
**) Paroimiogr. gr. I p. 402.
»») Eur. Iph. T. 1461.
'•) Paus. III 16, 7. Plut. Arist. 17. Vgl.
SoHOBXAVK Gr. A.> I 273, II 255; Prellbr-
Robbbt Gr. Myth. I 308. S. auch Eurip. Iph.
T. 1458 ff. Bbrnats Theophr. 117. Dtbls
Herrn. XXXI 361.
*') tafitjarijgy wfJL«6iog. Vgl. PrellBr-
RoBBRT Griech. Mvth. I 693. ScHOBMAim
Griech. Altt.> II 251. Wblokbr Griech.
Götterl. I 444. Rohdb Psyche* II 46. Paus.
Vn 21, 1.
") Paus. IX 8, 1.
120
Die grieohisohen KnltuBaltertÜmer.
ist derartig, dass der Glaube begreiflich ist, nur das Opfer eines Lebenden
sei ein Äquivalent für das zwar nicht verfallene, aber doch gefllhrdete
eigene Leben, und in den andern Fällen werden die Götter so finster oder
geradezu so grausam und an Zerstörung sich erfreuend gedacht, dass man
ihnen auch nur mit Blutopfern zu nahen wagte. Ob diese aber überall
ein Menschenopfer vertreten sollten, ist, wie wir schon bemerkten, eine
andere Frage. Sicher ist, dass nicht der Leib, wie bei den Speisopfern,
sondern das Leben und Blut des Tieres bei allen Sühnopfern die Haupt-
sache ist, und eben deshalb finden wir hier auch so auffallend viele nicht
essbare Tiere verwandt;*) von einem Genuss der Opfergaben — es sei
denn, dass man mit dem Blut die Unterirdischen befriedigen und laben
wollte — ist nicht die Rede weder bei Menschen noch Göttern. Das be-
weist auch der Brauch an dem Sühnfest der Diasien, wo der Arme, der
kein Tier besitzt, dem Backwerk, das er in die Flammen wirft, die Ge-
stalt von Tieren geben muss, und das Fehlen der ovlaf,^) — Was
schliesslich die Opferhandlung selbst angeht, so haben wir schon gesehen,
dass in einzelnen Fällen die Tiere lebendig verbrannt wurden, bei weitem
am häufigsten wurden sie, wie auch die Menschen, geschlachtet und dann
verbrannt 3) oder auf andere Art vernichtet.*) Die Art und Weise des
Schlachtens ist dieselbe wie bei allen Tieren, die nicht den himmlischen
Göttern als Speisopfer dargebracht werden, wie die Anwendung des Aus-
drucks ivTefxvsiv zeigt;*) man drückt den Kopf der Tiere auf den Boden
{xaraaxQhffHv),^) damit das Blut hinunterfliesst,') schneidet ihnen den Hals
durch®) und lässt das Blut von der Erde aufsaugen.^) Bisweilen finden
wir das charakteristische IXdaxead-ai gesagt. •^) Werden mehrere Tiere
geopfert, so sind es ihrer drei, neun oder siebenundzwanzig, i*)
77. Wir schliessen hier die Opfer für Meeres- und Flussgott-
heiten an.*^) Wie das Meer bald finster grollend und drohend erscheint,
bald lächelnd und einladend, so empfängt Poseidon an Altären frohe Speis-
opfer,**) dann wieder stürzt man ihm Pferde und Stiere lebend, oder
nachdem man sie vorher getötet hat, in die Fluten. Alexander schlachtet
ihm, an der Mündung des Indus angelangt, Stiere und wirft sie ins Meer,**)
Mithridates versenkt vor Beginn des Krieges mit den Römern ein Gespann
weisser Rosse,**) dasselbe thut Sextus Pompeius,*^) und ein ähnliches
Opfer bringen ihm die Argeier.*') Schlachtet man die Tiere vorher, so
Vgl. auch Hesych. n. avBfjuoxag und
Lactant. De falsa rel I 21.
«) S. V. Fbitzb Henn. XXXn 248 f.
') Eupolis Dem. Frgm 120 Eook. £ur.
Iph. T. 1154 f. Iph. A. 1601 f. Tzetz. Chü.
V 726 ff. — Bildliche Darstellung eines
Opfers für Artemis Agrotera bei Th. Schrei-
ber Eolturhistor. Atlas Taf. XV n. 16.
*) Paus. VIII 38, 6; X 38, 4.
*) Herod. H 119; VII 191. Arrian. Ind.
20 u. s. w. Latein.: caedere, z. B. Verg.
Aen. V 772. Varro bei Servius zu Aen. III 67,
•) Od. X 528 mit Schol. Plut. Pelop. 22.
Vgl. Verg. Georg. IV 542. Aen. VI 248.
>) Schol. zu Apoll. Rhod. I 587 u. Sten-
gel Ztschr. f. d. Gw. 1880 S. 737 ff.
•) Katbel Epigr. gr. 1034.
»0) Z. B. Paus, in 13, 3. Herod. Vll 179.
Vgl. placare bei Verg. Aen. II 116.
1«) DiELS Sib. Bl. 40 ff. Vgl. Thuk. VII
50, V 26. Soph. Oid. K. 483.
") Vgl. Stbkobl Jahrb. f. Phil. 1882
S. 733 ff. 1891 S. 449 ff. Phil. 1879 8. 182 ff.
»») Od. y 6 ff. « 25. Aristoph. Av. 566.
Xen. Hell. IV 5, 1.
") Arr. Anab. VI 19, 5.
*<") Appian. Bell. Mithr. 70 p. 480.
>«) Cass. Dio XLVIII 48.
") Paus. VIII 7, 2. Vgl. Eustath. zu
n. * 131 p. 1227 und zu ^ 148 p. 1293.
8. Kiütiwhaiidlangeii. (§ 77—78.)
121
I&sst man das Blut ins Meer fliessen oder föngt es in einer Schale auf
und giesst es hinein.^) Dass wir es hier mit Sühnopfern zu thun haben,
beweist ausser dem Umstand, dass man die Tiere ganz hingiebt, auch
die Art des Schlachtens.^) Von Flussgöttern geniesst in Griechenland
nur einer, Acheloos, allgemeine Verehrung,') die andern nur lokale, wie
die Heroen.^) Tiere haben ihnen die Griechen, soviel wir wissen, nie
ins Wasser gestürzt,*) wären die Flüsse doch dadurch verunreinigt
worden. Aber auch unblutige Opfergaben hat man den Flussgöttern ge-
wiss nur sehr selten ins Wasser geworfen.«) Meistens opferte man ihnen
an Altären; so dem Spercheios,^) dem Alpheios,') dem Kladeos;®) die
mykonische Opferordnung bestimmt, dass dem Acheloos die Tiere teils an
seinem Altar geschlachtet werden sollen, teils so, dass das Blut in das
Wasser eines Flüsschens rinnt, ^®) auch ein Beweis, dass Acheloos als
Wassergott im allgemeinen galt.^^)
Als Sühnopfer anzusehn sind auch die Stiere und andern Opfertiere,
die die Syrakusier der Demeter und Persephone alljährlich in das tiefe
Quellbassin der Eyane versenken, das sich gebildet haben sollte, als
Hades hier die Erde spaltete, um mit der geraubten Köre in der Unter-
welt zu verschwinden.**) Vielleicht hat man die Körper der Tiere wieder
herausgeholt und vergraben, wie das mit den Ferkeln geschah, die man
in Athen gleichfalls alljährlich in einen Schlund hinabstürzte, dem die
Sage den gleichen Ursprung zuschrieb.*') Auch in Potniai bei Theben
versenkte man der Demeter und Persephone Ferkel in die sog. fiäyaga,
und wenn es heisst, sie kämen in Dodona wieder zum Vorschein, so be-
deutet das wohl auch nichts anderes, als dass man sie später wieder
entfernte.*^)
Ungriechisch sind die Pferdeopfer für Helios. Wo sie einmal dar-
gebracht werden, 1*) ist die Nachahmung persischen Kultes unverkenn-
bar.*«)
78. Den Sühnopfern nahe verwandt sind die Eidopfer. *^)
Ausführliche Schilderungen davon finden wir schon bei Homer.
T 253 ff. schlachtet Agamemnon einen Eber, den er nachher ins Meer
ApoU. Rhod. IV 1595. Athen. VI 261 D.
Em*. Uel. 1584.
*) xifAvotv Xatuoy Eur. Hei. 1584. Xai-
fdOTOfjiijaag Apoll. Rhod. IV 1595.
») Ephoros Frgm. 27 M. IGA 104. Dit-
TBNBBBOBR Sjll. 373. 38. Athen. Mitt. XXI
88 f. Fiat. Phaidr. 230 B u. 263 D. Paus. I
34, 2. EöHLBB Athen. Mitt. 1885 S. 282.
RosoHEB Myth. Lex 7 f.
«) Stbhgel Jahrb. f. Phil. 1891 S. 449.
^) Dass die Troer dem Skamandros ein
derartiges Opfer bringen, scheint die Ver-
wundemng Achills zu erregen {* 132. Vg].
SoHOBMANK Griech. Altt.' II 232. Stbnobl
Jahrb. f. Phil. 1882 S. 734, 1891 S. 452).
•) Paus. X 8, 5.
n II. «P 146 ff.
•) II. A 728. Paus. V 14. 5.
•) Paus. V 10, 2.
'•) <r[9arr]«r[ae] sig xoy norafiov v.
Pbott Fasti gr. S. 14 ZI. 86 f.
") Vgl. Paus. I 41, 2 und üsbnbb Göt-
temamen 15.
>«) Diod. V 4 und IV 23.
^') Schol. zu Luk. Dial. mer. 2 im Rhein.
Mus. XXV 549. Vgl. dem. Alex. Protr. II
17 p. 14 Pottbb. Robbst Herm. XX 372 f.
RoBDB Herm. XXI 123.
»*) Paus. IX 8. 1.
^<^) Paus. III 20, 5 auf der Höhe des
Taygetos; Festus p. 181 in Rhodos. Vgl.
Philostr. Her. XI 1 p. 309. Tzetz. ad Ly-
kophr. V. 483, freilich nicht die zuverlässig-
sten Zeugen.
»•) Paus. a. a. 0. Xen. Anab. IV 5, 35.
Herod. I 131. Strab. XI 518 und mehr bei
Stbnobl Philol. 1879 S. 183.
") Stbnobl Jahrb. f. Phü. 1883 S. 376 ff.
122
Die grieohiflohen Kaltiuialtertümer.
werfen lässt. Beim Beginn des Opfers hat er dem Tier einige Haare
abgeschnitten^ die er das Gebet sprechend offenbar in der erhobenen Hand
behält, r 103 bringen Griechen und Troer Lämmer zum Opfer; dem
obersten der Götter, Zeus, und dem allsehenden Helios wird je ein männ-
liches geschlachtet, der Gaia ein weibliches. Auch ihnen wird (271 ff.)
Haar oder Wolle abgeschnitten und den vornehmsten Griechen und Troern
in die Hand gegeben, um sie zu verantwortlichen Teilnehmern des Eides
zu machen.^) Die geschlachteten Tiere nimmt Priamos mit zur Stadt,
um sie dort zu vergraben oder sonstwie zu beseitigen.*) Zweck und
Sinn des Opfers sind schon hier völlig klar: der Schwörende verflucht
sich für den Fall des Meineids und ruft die Götter an, ihn das Schicksal
des Tieres erleiden zu lassen, wenn er den Schwur nicht halte.*) In
nachhomerischer Zeit nimmt man nicht mehr das abgeschnittene Haar
des Opfertiers in die Hand, sondern schlachtet das Tier vor dem Schwur,
zerlegt es und fasst die Fleischstücke an^) oder tritt darauf,^) Krieger
tauchen auch wohl Hand oder Waffen in das in einem Schild aufgefangene
Blut.®) Auch wird es Sitte, ausschliesslich ausgewachsene {väXeioi)'')
und männliche Tiere zu opfern, hauptsächlich Eber, Widder und Stiere.®)
Doch finden wir alle zusammen nur bei besonders feierlichen Opfern,^)
häufiger Eber,!«) Stier ^*) oder Widder i*) allein; in den meisten Fällen
ist nur von legd teXeia die Rede, worunter gewiss öfters jene ganze
Trittys zu verstehen sein wird. Zweimal finden wir Pferde erwähnt:
Paus, in 20, 9; Aristoph. Lys. 192. Hier bringen heldenmütige Weiber
das Opfer, und schon der Scholiast bemerkt richtig, dass damit auf die
Amazonen angespielt werden soll,*^) dort Tyndareos, als er die Freier
der Helena schwören lässt. Es ist dies Opfer, wenn es auch der mythi-
schen Zeit angehört, auffallend, aber nur weil es vereinzelt dasteht, denn
da es hier wie bei Sühnopfern nur auf das Leben des Tieres ankommt,
ist ein nicht essbares an und für sich zum Opfer ebenso gut geeignet.
Bei internationalen Eidopfern muss sich, wie das in der Natur der Sache
liegt, ein Volk dem andern in seinen Gebräuchen akkommodieren. Das
Opfer muss stets ein gemeinsames sein, wie die Völker vereint werden
sollen. Deshalb mischen schon Griechen und Troer ihren Wein in einen
Krug.^*) So erzählt Xenophon,»*) dass bei einem Vertrage mit den Per-
sem ausser Stier, Eber und Widder ein Wolf geopfert wurde, was bei
einem Vertragsopfer zwischen Hellenen natürlich nie geschehen sein
*) Vgl. Eustath. zu E 273.
*) Schol. zu r 310.
») Vgl. a 79 u. Livius XXI 45, 8.
*) Herod. VI 68. Lyk. Leokr. § 20.
Isai. Vir 16. Aristoph. Lys. 192 u. 202.
Aischin. II 40 p. 264. Antiph. V 11 p. 130.
Apoll. Rhod. II 717.
») Demosth. XXIII 68 p. 642. Paus. III
20, 9. Dion. Hai. VII 50 p. 1422, V I p. 844.
«) Aisch. Sept. 44. Xen. Anab. II 2, 9.
') Arist. Ath. Pol. 29. Andok. I 13 § 98.
[Demosth.] LIX 16 p. 1365. Thuk. V 47.
Inschr. aus Erythrai Herrn. XVI 197.
8) Sohol. zu T 197.
») Demosth. XX IE 68 p. 642. Flut.
Pyrrh. 6. Vgl. Xen. Anab. 11 2, 9.
»0) Paus. IV 15, 4; V 24, 2.
") Herod. VI 68. Aisch. Sept. 44.
»*) Eur. Hiket. 1201. Vgl. Aristoph. Lys.
189 ui]Xoa<payovaaSt während Aisch. Sept. 44
TavQOff<payovyxei hat.
^^) Dass die Griechen in der That von
Pferdeopfern der kühnen Reiterinnen gefabelt
haben, ersehen wir aus Pseudokallisth. III 25.
«*) r269. Vgl. Stbkgel Herrn. XVU 830.
") Anab. II 2, 9.
8. Knliiuihandliingeii. (§ 78.)
123
würde, ^) und Herodot bemerkt, wo er die Gebräuche anderer Völker bei
Eidopfern erwähnt, mehrfach ausdrücklich, dass man sie auch bei Ver-
trägen mit Fremden beobachte.^) Gegessen wird selbstverständlich von
dem Fleisch der Tiere, die den Mächten des Todes geweiht und mit Fluch
beladen waren, nichts.') Talthybios schleudert den Eber, den Agamemnon
geschlachtet hat, ins Meer, den Fischen zum Frass ( T 267 f.), Tyndareos
vergräbt die Stücke des geopferten Pferdes,^) öfters verbrennt man das
Fleisch auch,^) doch durfte dies auf geheiligten Altären, auf denen man
auch Speisopfer darbrachte, sicher nur dann geschehen, wenn durch das
Opfer einem bereits geleisteten Eide nur noch die Weihe erteilt werden
sollte, und die Eventualität eines Meineides gar nicht in Betracht kam;^)
sonst errichtete man wie bei Sühnopfern und Darbringungen für chthonische
Gottheiten ad hoc Altäre, die die Flamme entweder mitverzehrte oder die
man doch nicht weiter benutzte.') Eur. Hik. 1206 f. wird sogar an-
geordnet, auch das Messer, mit dem die Tiere geschlachtet worden sind,
zu vergraben. Einem bestimmten Gott bringt man das Eidopfer nicht
dar. Wenn es II. F 103 f.®) heisst, dass die Lämmer Zeus, Helios und
der Gaia geschlachtet werden sollen, T 197 der Eber dem Zeus nnd dem
Helios, Herod. VI 68 der Stier dem Zeus, so bedeutet das nichts anderes,
als dass diese Götter besonders angerufen werden, Zeugen des Eides und
Rächer des Meineides zu sein;^) von dem fluchbeladenen Tier zu ge-
messen, wird ihnen so wenig zugemutet, wie den Menschen, ^^j mag der
Sinn der Blutspende auch immer gewesen sein, die rächenden höllischen
Mächte herbeizulocken.^^) Übrigens ist das Tieropfer ziemlich selten, es
dient nur, um dem Ganzen einen feierlicheren Charakter zu geben,i*) ge-
wöhnlich genügt das anovddq uoieta&ai.^^) Dieses aber ist unerlässlich ;
Ivoivov xal ^voQxov ist ein technischer Ausdruck geworden,^*) ja man sagt
sogar anovdäq TSfAveiv.^^) Denn das Ausschütten des Weines**) hat hier
denselben Sinn und erfüllt den gleichen Zweck wie das Schlachten des
Tieres; man betete, das Gehirn des Meineidigen möge auf die Erde ver-
spritzt werden, wie der Wein (II. F 300 f.). Dieser bleibt ungemischt,*^)
da er zum Trinken ebensowenig bestimmt ist, wie das Fleisch der Tiere
zum Essen. — Für die Art des Schlachtens sind wieder die Ausdrücke
») Plutarch De Is. et Osir. 46 berichtet,
dass die Perser bei gewissen Sühnopfem
einen Wolf schlachteten.
«) III 8. IV 70. I 74.
•) Schol. zu n. T 268.
*) Paus. III 20, 9. Vgl. V. Wilamowitz
Aristot. u. Athen 1 46 A. 9.
») Schol. n. T 268. Eur. Iph. A. 62. CIG
add. 2561 b.
«) Pergam. Inschr. VIII 2 nr. 251. Vgl.
DiTTKNBEBOEB SjU. 388, 3 Und Stenobl
Herrn. XXXI 480.
») Vgl. Stbngbl Herrn. XXVII 451. —
Oft wird die Art des Beseitigens nicht näher
bezeichnet, wie Paus. V 24, 2.
») Vgl. Verg. Aen. XII 176.
®) Vgl. T 258 ff., die Inschr. im J&tj-
vttiou V (1876) S. 101.
»•) Schol. zu r 310.
*') Vgl. V. Fritzb De libatione etc.
S. 28; auch Dittbnbebgbb Syll. 388, 3, wo
wir bei der Vereidigung der leQoi in An-
dania ausser Wein- auch Blutspenden finden.
>2) Arist. Ath. Pol. 29.
»») Od. 1 331 - T 288. Diod. III 71 Ende.
") CIG 2554, 2555.
'*) Eur. Hei. 1234. Dibls Sib. Bl. 72 f.
*') 11. r 296 exxsoy, also nicht einen
kleinen Teil wie beim gewöhnlichen atiivSsiv.
»") ß 341, ^ 159. Vgl. Stenobl Herrn.
XVII 330.
124
Die giieohisohen KnltiiBaltertfliiier.
Täfiveiv und ivräiivsiv bezeichnend, *) wie denn auch Topua nur von Eid-
opfern gesagt wird. Daneben kommt a^ayia^ead-ai vor.*)
79. Endlich gehören zu den &vaiai aysvaroi^) die Heroen- und
die Totenopfer.
Litteratur: Hbbmank 6. A.* § 16. Schobmann Gr. Alt.' II 153 ff. Lehrs Pop.
Aufs.' S. 304 ff., 320 ff. Nabgblsbaoh Nachh. Theol. S. 105 ff. Nitzsoh zar Od. Ill 163 ff.
E. Kbil Analecta epigr. et onomat., Leipzig 1842. Ohlbbt Beiträge zur Heroenlehre der
Griechen, Laaban 1875 u. 1876. Wabsnbb De heroum apad Graecos culta, Kiel 1883,
8. 12 ff. Über Vergöttening 0. Hibschfbld Abbandlgg. d. Berl. Akad. d. Wisaensch.
XXXV (1888) S. 833 ff, S. 844 f. Wblokbr Gr. Götterl. III 299 ff. Lbhbs a. a. 0.
S. 304 ff. V. WiLAMowiTz Hom. ünt. S. 204. Stbngel Jahrb. f. Phil. 1888 S. 373 ff. Db-
NBKBN in RobCHEBS Myth. Lex. 2441 ff. über Heroenopfer 2503 ff.. Ober Heroiaierung
Verstorbener 2516 ff. Vgl. auch Dittbnbbrobb Syll. S. .355 n. 12. Besonders aber s.
RoHDE Psyche' I 146 ff., 11 348 ff. Rhein. Mus. 1895 S. 28 ff.
Die Heroen sind Geister Verstorbener, die einst als Menschen gelebt
haben und nach ihrem Tode in ein erhöhtes Dasein eingetreten sind.^)
Bei Homer ist der Name ij^coc nur eine Bezeichnung der Edlen oder
freier Männer überhaupt,^) und von Heroenkultus weiss weder seine
noch die hesiodische Zeit etwas. Aber die Wurzeln, aus denen er er-
wachsen ist, reichen in uralte Zeit zurück. Die Leichenspiele zu Ehren
des Patroklos und anderer Fürsten ^) und der überschwängliche Aufwand
bei der Bestattung sind nur als Reste eines früher üblichen Ahnenkultes
zu verstehen, wie auch die hesiodische Erzählung von den fünf Welt-
altern'') ein Zeugnis für den Glauben an die Erhebung abgeschiedener
Seelen zu höherem Leben aus ferner Vergangenheit erhalten hat.^) In
nachhomerischer Zeit belebt sich der alte Glaube, dessen kümmerliche
Reste lokaler Kultus erhalten hatte, aufs neue. Um 620 schärft Drakon
ein, neben den Göttern die vaterländischen Heroen fromm zu verehren
nach dem Brauch der Väter.®) Die Wettkämpfe, die in den Epen
die Leichenfeier verherrlichen, werden jährlich wiederholt, alljährlich auch
Opfer dargebracht. Und die Zahl der Heroen vermehrt sich zusehends.
Den fürstlichen Familien nachahmend, verehren andere Geschlechter einen
Stammheros, Städte einen Begründer, fast ohne Ausnahme Geschöpfe der
Dichtung und der Phantasie. Unglück und Landplagen werden auf Ver-
nachlässigung eines vergessenen oder noch nicht der gebührenden Ehre
teilhaftig gewordenen Heros zurückgeführt, und das delphische Orakel
bestätigt bereitwillig und in der Regel wohl selber in gutem Glauben die
vermutete Ursache und fördert so die Verbreitung der Heroenkulte am
meisten. ^0) Noch in längst historischen Zeiten holt man die Gebeine in
der Fremde verstorbener Helden der Vorzeit oder jüngster Vergangenheit,
um sie in der Heimat aufs neue zu bestatten,^') und kann man ihrer
') Vgl. Eur. Suppl. 1196. Stbngel
Ztschr. f. d. Gw. 1880 S. 737 ff. u. Jahrb. f.
Phü. 1885 S. 103 f.
*) Kret. Inschr. Athen. Mitt. XXI 88
ZI, 26 f. Vgl. Herrn. XXI 311.
») Plut. Praec. san. 124 B.
*) RoHDB Psyche* I 152 f. Rhein. Mus.
L 1 ff , LI 28 ff.
») c 423, & 483, E 748. Vgl. Denbkbn
a. a. 0. 2442 f. v. Wilamowitz Aristot. u.
Athen I 337 ff. Rohdb Psyche* I 154.
«) ^ 630 ff. w 85 ff. X 164.
M Erg. 109 ff.
•) Rohdb Psyche* I 108 ff.
ö) Porph. De abst. IV 22. Rohdb Psyche*
I 146.
»0) Rohdb Psyche* I 177 ff.
»») Plut. Thes. 36. Kim. 8. Paus. HI 3, 5.
Lobbck Agl. 281. Ohlbbt a. a. 0. II (1876)
S. 20 ff. Rohdb Psyche* I 160 f.
8. KnltoBhandlimgeii. (§ 79.)
125
nicht habhaft werden, so errichtet man wenigstens ein leeres Grabmal
{x€voTd(pior).^) Denn an die Reste des Leibes oder das Grab sind die
Geister gebunden. Zwar können sie es verlassen, aber nur für kurze
Zeit, und spätestens die nahe Landesgrenze setzt ihnen das Ziel. In
Schlacht und Gefahr sieht man sie wohl selber den Ihren vorausstürmen
und unwiderstehlich die Feinde niederwerfen, wie sie's einst im Leben
thaten, gewöhnlich wirken sie unsichtbar und still aus ihrem Grab her-
aus,^) und werden sie gebührend verehrt, so ist eine solche Grabstätte
ein Quell des Segens für das ganze Land,^) wie sie vernachlässigt auch
Schrecken und Not senden. So ist denn auch neben dem Wunsch, die
Wohlthäter des Landes zu verehren und sich ihres Segens für alle Zeit
zu versichern, die Angst vor verderblichen Wirkungen der Geister derer,
die Unrecht erlitten haben, vor allem unschuldig Gemordeter, die Ver-
anlassung zu Heroisierungen gewesen;^) man hoffte so ihren Rachedurst
zu versöhnen. Schon früh finden wir zahlreiche Beispiele einer Erhebung
historischer Personen zu Heroen. Dem Harmodios und Aristogeiton richtet
der Polemarch in Athen jährliche ivayiaiia%a aus;^) zu Ehren des Mil-
tiades, Sohnes des Kypselos, setzen die Ghersonesier gleich nach seinem
Tode Opfer und Eampfspiele ein,^) Lykurgos erhält ein Uqov^'^) Brasidas
tritt nach seinem Siege bei AmphipoKs an die Stelle des alten dort ver-
ehrten Heros,®) die Egestäer in Sicilien weihen dem Olympioniken Phi-
lippos von Kroton seiner Schönheit wegen einen Heroentempel über seinem
Grabe und verehren ihn mit Opfern,*) und Lysandros wird gar zum Gott
erhoben.^®) Die spätere Zeit wird immer freigebiger. Der Phrurarch
Diogenes erhält in Athen nach seinem Tode nicht nur heroische Ehren, ^^)
sondern auch ein rtfisvog, wo ihm die Epheben an dem nach ihm be-
nannten Feste Opfer darbringen, i') die Troizenier heroisieren einen Priester
des Poseidon,**) und bald erhebt man auch Lebende zu Heroen und stiftet
ihnen Kulte; so dem Lysimachos in Samothrake **) und dem Tyrannen
Nikias in Kos.**) König Antiochos von Kommagene stiftet sich selbst
ein Heiligtum, setzt Priester ein, die jährlich an seinem Geburts- und
Krönungstage eine Feier veranstalten sollen, deren Beibehaltung er auch
seinen Nachfolgern zur Pflicht macht,**) und die pergamenischen Könige
begnügen sich nicht damit, nach ihrem Tode als x^€ol gefeiert zu wer-
den,*^) schon zu Lebzeiten werden ihnen und ihren Gemahlinnen göttliche
') Vgl. RoHDB Psyche« 1 66; 87 Anm.
*) Vgl. ausser Rohdb a. a. 0. auch Lbhbs
Pop. Aufs.« 824 f. Dbnekbk a. a. 0. 2477 ff.
») Vgl. z, B. Soph. Oid. Kol. 92 f. 576 ff.
621 ff. Aristid. II p. 230 Dind. und Rohdb
Psyche* II 244.
*) Herod. V 114. Paus. VIII 23, 5; 53,
1. Vgl. VIII 41. II 8, 6 und Rohdb Psyche»
I 176 ff., 190 f.
») Arist. Ath. Pol. 53.
«) Herod. VI 38.
') Herod. I 66.
•) Thuk. V 11.
») Herod. V 47.
") Plut, Lys. 18.
0. Hibschfbld a. a. 0.
838. Andere Beispiele Herod. VI 38. Diod.
XI 66, 4. Denbkbn a. a. 0. 2443 ff. Usenbb
Götternamen 250.
") CIA III 299. KöHLBB Athen. Mitt.
IX 298.
»«) CIA n 469, 470.
») Bull, de corr. XVII 98.
*^) Inschr. in d. Arch. Untersuch, auf
Sam. II 85.
»*) Paton u. Hicks Inscr. of Cos 76—80
S. 124 f. Andere Beispiele Rohdb Psyche^ II
356 f.
i<») PucHSTEiN Sitzgsher. der Berl. Akad.
1883 I 51 ff.
'7) DiTTENBBBQBB Syll. 246, 16. 234.
126
Die grieohiflohen Kaltiuialtertümer.
Ehren erwiesen,*) und nicht bloss von ihren XJnterthanen.*) Dem Eu-
menes und andern feiert man neben dem jährigen Geburtsfeste noch ein
monatliches mit Opfern und Spielen,«) und eine Inschrift*) ordnet sogar
tägliche Opfer für den vergötterten König an. Aber auch Privatleute
werden ähnlicher Ehren gewürdigt. In Teos zündet man einem Flöten-
virtuosen schon zu Lebzeiten vor seiner Statue Weihrauchopfer an,*)
und auch in Nakrasia in Lydien wird ein gewisser Apollonios neben der
Speisung im Prytaneion durch Weihrauchopfer geehrt,«) einen Artemis-
priester aber in Knidos zeichnet man durch Altar, Opfer, Festzug, gym-
nischen Agon, rifiaTg iaoO^äoig aus.') Phrygische Inschriften aus späterer
Zeit melden häufig von der Errichtung eines r^gmov oder auch ßmfiog für
gewöhnliche Tote,») und in manchen Landschaften heisst in der Örab-
schrift bald jeder Tote Heros, in Thessalien selbst Sklaven.»)
Aber kehren wir von diesen Extravaganzen und Auswüchsen der
Heroen Verehrung zu dem Kult der alten fjQioeg zurück, der ernst und
heilig war, wie der der Götter. 'Eyx^^Q^oi oder inix^Qioi ist ihr gewöhn-
liches Epitheton.*®) Denn ähnlich wie die Flussgötter, die auch nur ein
bestimmtes Land befruchten und segnen, geniessen auch sie in der Regel
nur lokalen Kult.") Wie sie selbst eine Mittelstufe zwischen Göttern
und gewöhnlichen Toten bilden,") so gleicht ihr Kult dem der chthonischen
Götter und dem der Toten. An jenen erinnern die Menschenopfer, von
denen wir ab und zu hören, *') die späte Stunde, in der sie die Opfer
empfangen, die iaxaQa^ der hohle, niedrige Altar in Omphalosform (Taf. I
Fig. 2);**) an diese vor allem die ans Grab gebundene Verehrung; die
meisten Eigentümlichkeiten aber sind allen drei Kulten gemeinsam. Nun
kann aber einem Heros auch «g ^^«p geopfert werden, d. h. er empfängt
Speisopfer wie die Himmlischen.* 5) Pindar, bei dem wir zuerst entschiedenen
Glauben an ein Fortleben, an Lohn und Strafe nach dem Tode finden,*«)
kennt bereits beide Arten der Verehrung. Dem Herakles und seinen Söhnen
werden Totenopfer gebracht, eine Saig^ von der nur sie geniessen,*') und
dem Tlepolemos werden Schafe geopfert ^aneq xkerpJ^) Ja es giebt Fälle,
wo demselben Heros zugleich cog d^erp und oog tJqwi geopfert wird, so dass
Pergam. Inschr. VIH 1 nr. 43-45
und Fbäivkbls Bern. S. 38 f. Vgl. nr. 18
ZI 35 f
«) Polyb. XVII 16. Vgl. XVI 25. CIA
II 1670.
») Pergam. Inschr. VIII 1 n. 18 ZI. 33 ff.
Vgl. nr. 43—45 und die Inschrift aus Sestos
DiTTBNBEBOER Syll. 246, 25 ff.
*) Pergam. VIII nr. 246.
^) CIG 3068.
•) CIG 3521. Vgl. Pergam. Inschr. VIII
2 nr. 256 ZI. 14.
') G. Hirschfeld Gr. Inscr. Brit. Mus.
IV 787. Fbäkkbl Pergam. VIII S. 511.
8) Bull, de corr. XVII 244 ff
») Athen. Mitt. XII 349 ff Bull, de
corr. XVII 98. IG Sic. et It. 1327, 1425,
1463 u. s. w. Loch in d. Festschr. für L.
Fbibdlaevdeb Leipz. 1895 S. 283. Rohde
Psyche» II 358 f.
»0) Vgl. Paus. V 4, 1. ScHOEMAKH Gr.
Altt.» II 156 f.
") Vgl. z. B. Plut. Sol. 9. Herod.
VIII 64.
") Vgl. z. B. Plat. Rep. 427 B.
") Plut. Philop. 21; Pelop. 21 f. Por-
phyr. De abst. II 54. Vgl. Eur. Hek 535 u.
Stengel Festschr. für Fbiedlabnder 416 f.
^*) Zugleich die Form der Grabhügel
(XoifjittTtt), der Kuppelgräber, des x^^H^ TV^
über der Höhle des Trophonios Paus. IX
39, 10. RoBDE Psyche« 1 132, 1; 35.
>») Isokr. X 63. Diod. IV 1.
'•) Vgl. Olymp. II. Frgm. 96 u. 97 Böckh.
") Isthm. IV 61 [III 74], vgl. Ol. 1 90 f ,
VIU 77.
'8) Ol. VII 77.
8. Saltashandlangen. (g 79.)
127
demgemäss von dem einen Teil des Opfers gegessen werden darf, der
andere aber verbrannt wird. Solche Opfer werden dem Herakles in Si-
kyon*) und an andern Orten*) dargebracht, dem Achilleus an seinem
Grabe von den Thessalern.^) Die ausführliche Beschreibung des letzt-
genannten ist am lehrreichsten. Alljährlich fährt man nach der Troas
hinüber; zwei Stiere, von denen der eine schwarz ist, werden mitgenommen.
Dann werden Gruben gegraben, und der schwarze Stier geschlachtet (og
rsd-veant. Das Blut lässt man unter Anrufung des Achilleus in die Gruben
laufen, und der Leib des Tieres wird verbrannt. Am Meeresufer wird ihm
dann der andere Stier geopfert und zwar ayg ^€(1^. Von diesem werden
nur die üblichen Stücke verbrannt; das Fleisch nimmt man auf das
Schiff und führt es mit sich, um es nicht in Feindesland zu verzehren.
Das Gewöhnliche ist natürlich, dass einem Heroen nur auf eine Art ge-
opfert wird, entweder wg ^erp, wie z. B. dem Theagenes in Thasos,*)
oder (t)g rJQwi,^) wie dem Aithidas von den Messeniern,^) dem Brasidas
in Amphipolis.^) Auch konnte es vorkommen, dass jemandem zuerst
heroische, später aber göttliche Ehren zuerkannt wurden.®) — Essen
durfte man von Heroenopfern ebensowenig wie von Opfern für chthonische
Gottheiten und für Tote; nur sehr selten wagt man eine Ausnahme zu
machen,^) nicht ohne sich bewusst zu sein, eigentlich etwas Unerlaubtes
zu thun und sich dafür eine Art Busse oder Reinigung aufzuerlegen. ^o)
Die bei Heroenopfern üblichen Opfertiere sind Widder und Stiere, letztere
namentlich da, wo nicht ein einzelner, sondern die Stadt das Opfer bringt.
Dem Amphiaraos,^!) dem Kalchas,^*) dem Pelops^*) u. a. werden Widder
geschlachtet, dem Aristomenes bringen die Messenier alljährlich an seinem
Grabe ein Stieropfer, i*) wie auch die athenischen Epheben dem Diogenes
zwei Stiere opfern. i^) In kleinasiatischen Städten finden wir auch das
Zebu,i<^) und dem skythischen Heros Toxaris opferte man in Athen an
seinem Grabe alljährlich ein Ross.^^ Der technische Ausdruck für opfern
ist ivayfC^iv, selten kvvbfiv€tv. Die Opferzeit ist dieselbe wie im Kult der
chthonischen Gottheiten, der Abend oder die Nacht.*»)
Besonders feierlich sind die Opfer an den noXvdvSqia^ den Massen-
gräbern der in Schlachten Gefallenen. Sie leiten bereits zu den Toten-
opfem über. Wie diese werden sie am Tage dargebracht, wie bei ihnen
finden wir die Weinspende, aber der Umstand, dass der Staat sie dar-
bringt, dass sie jährlich stattfinden, endlich dass ausdrücklich berichtet
») Paus. II 10, 1.
«) Herod. II 44.
») Philostr. Her. XIX p. 741.
<) Paus. VI 9, 2.
») «V iB^vBmxi (z. B. Philostr. Her. XIX
p. 741) ist nur ein anderer Ausdruck f&r
dieselbe Sache. Vgl. auch Paus. X 4, 7.
•) Paus. IV 32, 2.
») Thuk. V 11.
«) Plut. Virt. mul. 18. Paus. VI 11, 2 fF.
RoHDB Psyche" I 183.
•) Paus. V 13, 2; X 4, 7. Vgl. CIG Ins.
11 330, wo ihnen nur x« ix rot' U^eiov vo-
fjLi^ofÄBvn legti verbrannt werden.
"!
S. Stjbngbl Herrn. XXVII 165 f.
Paus. I 34, 4.
»«) Strab. VI 284.
»») Paus. V 13, 2.
»*) Paus. IV 32, 4.
»») CIA II 469, 470.
»•) Kern Athen. Mitt. XVII (1892) S. 277 f.
Vgl. V. Lanckoronski Städte Pamphyl. und
Pisid. II 49.
1^) Luk. Skyth. 2. Pferdeopfer sind bei
den Skythen gewöhnlich: Strab. JX 513.
Herod. I 216, IV 61. Vgl. Paus. I 20, 8 u.
Arr. Anab. VI 20, 7.
») RoHüE Psyche« I 149, 2.
128
Die grieohisehen KnltaBaltertümer.
wird, die bei Marathon Oebliebenen seien als Heroen angerufen worden,^)
weist sie auch wieder an die Seite der Heroenopfer. Namentlich nach
den Perserkriegen ehrte das dankbare Vaterland seine Helden durch gross-
artige Opfer. Die Athener bringen ein solches am Orabe der Marathon-
kämpfer dar,^) die Megarer den in den Seeschlachten bei Artemision und
Salamis Umgekommenen, 3) und die Plataier allen in der Schlacht bei
Plataiai gebliebenen Hellenen.^) Auch die Arkader ehren Gefallene in
Phigalia in gleicher Weise. ^) Die Schilderung des plataiensischen Opfers
ist besonders interessant. Eine lange Prozession, der ein Trompeter vor-
ausgeht, verlässt mit Tagesanbruch die Stadt und geht zu den Gräbern,
Wagen mit Myrten und Kränzen und ein schwarzer Stier folgen, freie
Jünglinge tragen Wein und Milchspenden, Öl und Salben, denn kein
Sklave darf hierbei eine Dienstleistung verrichten, da die Männer für die
Freiheit starben. Den ganzen Zug schliesst der Archen, mit dem roten
Chiton des Feldherrn bekleidet und mit einem Schwert umgürtet, eine
Urne tragend. Er wäscht selbst die Grabsteine und salbt sie mit wohl-
riechendem Öl, schlachtet dann den Stier «^^ nvgdv^^) d. h. so, dass das
Blut in die Feuerstätte fliesst, betet zu Zeus und Hermes Chthonios und
ruft die Tapfern, die für Hellas starben, zum Mahl und Blutgenuss; hierauf
mischt er einen Mischkrug Weins und giesst die Spende aus^) mit den
Worten: ich trinke zu den Männern, die für die Freiheit der Hellenen
starben. Diese Feier findet alljährlich statt, wie überhaupt alle Heroen,
die nicht göttliche Ehren geniessen, jährliche Opfer empfangen. «)
Bisweilen führt ein Heros keinen besondem Namen, er wird dann
einfach als 6 rJQcog angerufen, ob man nun den Namen nicht mehr kannte
oder ihn geheim halten wollte.*)
80. Uralt ist auch der Totenkultus.i<>) Die Befunde der Gräber in
Mykenai, Nauplia und an andern Orten lassen keinen Zweifel darüber,
dass man in vorhomerischer Zeit den Toten auch nach der Bestattung
wiederholt Opfer dargebracht hat, ebenso beweisen es die Aschenschichten
in oder vor den Kuppelgräbern, in denen man zum grössten Teile noch
die Reste von Opfertieren nachweisen konnte. ^^) In der Zeit, die das.
Epos schildert, hat sich die Vorstellung von dem Zustande der Seelen
nach dem Tode geändert. In den Hades aufgenommen sind sie den Le-
benden unerreichbar, wie ihnen selbst die Oberwelt verschlossen ist. Der
Eingang in den Hades aber wird ihnen erst möglich gemacht durch die
Bestattung, d. h. die Vernichtung des Leibes, die am schnellsten und
>) Paus. I 82, 4. Vgl. Apoll. Rhod. I
1046, wo Gefallenen alljährlich heroische
Ehren erwiesen werden.
«) Paus. 1 32, 4. CIA II 471.
») Simon. Frgra. 107 Berok*. IGSept.
1 53. Vgl. V. WiLAMowiTZ Gott. Nachr. 1897
S. 321.
<) Plut. Aristeid. 21. Vgl. Thuk. III 58.
*) Paus. VIII 41, 1.
^) Vgl. die auf Naxos gefundene Inschr.
im 'J&^yaioy X (1881) S. 167.
') jiffrr^fvoc, also den ganzen Inhalt des
Ge Asses, eine x^* nicht anov^rj^ so dass
ngoniveiy nicht so verstanden werden kann,
als tränke er seiher auch von dem Wein.
») Plat. Kritias 116 C. Paus. VII 19, 3;
20, 5; X 34, 5.
») V. Pbott Leg. sacr. 48 f. Usbnbr Göt-
temamen 251. Rohdk Psyche« I 172 ff., II
352.
»•) Vgl. darüber namentl. Rohdb Psyche*
I 14 ff.. 216 ff.
^^) Steengbl Festschrift fQr L. Fbied-
LABNDBB S. 425 ff.
8. KaltaBhaiidliingen. (§ 80.)
129
sichersten durch Feuer geschieht. Das ist für sie selber eine Wohlthat,
und die Hinterbliebenen befreit es von der Furcht, die zwischen Ober-
und Unterwelt irrende Seele des Verstorbenen könnte ihnen zürnend er-
scheinen und sie schädigen. So kennen denn die Epen eine fortgesetzte
Pflege der abgeschiedenen Seelen nicht, ja konsequenterweise müsste es
für unmöglich gehalten werden, ihnen nach dem Verlassen des Leibes
noch irgend etwas Wohlthätiges oder Nützliches zu erweisen, als eben
das Zerstören des Leibes, der sie anzieht und zur Oberwelt zwingt, in
der ihre Stätte doch nicht mehr ist, und wo das Verweilen ihnen nur
Qual sein kann. Aber wir finden bei der Bestattung des Patroklos über-
schwänglich reichliche Opfer {9 166 flf.). Zwölf troische Jünglinge, Pferde,
Hunde, zahlreiche Rinder und Schafe werden geschlachtet, das Blut rinnt
mit Bechern zu schöpfen, Achill setzt Krüge mit Öl und Honig auf den
Scheiterhaufen und giesst die ganze Nacht durch Spenden, die Seele des
Freundes rufend. Odysseus spendet den Toten Milch und Honiggemisch,
Wein, Wasser und lockt sie durch Blutgüsse (A 12 ff.), zu denen sie sich
lechzend drängen, verspricht ihnen nach seiner Heimkehr eine unfrucht-
bare Kuh zu opfern, und ruft die Seelen der im Kikonenlande erschlagenen
Gefährten vor der Abfahrt dreimal an, damit sie ihm nach der Heimat
folgen, wo ihnen ein leeres Grabmal bereitet werden soll.*) Das sind
Reminiscenzen an einen in früherer Zeit lebendigen Seelenkult. Reste
des alten Kultes haben sich länger erhalten als der alte Glaube von einer
fortdauernden Macht der Seelen, von einer Erreichbarkeit der Abgeschie-
denen auch nach dem Tode. Denn alle Gebräuche und Begehungen, die
uns hier begegneten, stimmen mit dem, was uns die Gräber aus vor-
historischer Zeit lehren, überein. Auch bei der Bestattung der mykenischen
Fürsten hat man Menschen geschlachtet, die ihnen als Diener folgen
sollten,^) wie Patroklos, auch ihnen sind Schätze und Waffen mitgegeben
worden wie diesem und Elpenor,*) auch an ihren Gräbern Opfertiere ge-
schlachtet und Blut gespendet. Aber bald belebt sich der fast erloschene
Glaube an ein bewusstes Fortleben der Seelen aufs neue, und mit ihm lebt
der alte Kultus wieder auf. Wiederum wird das Begraben der Toten die
Regel;*) unter neunzehn aufgedeckten Dipylongräbern des 8 — 7. Jahrhun-
derts hat man nur ein jüngeres gefunden, wo die Leiche verbrannt war;^)
und wiederum setzt man die Totenopfer auch nach der Bestattung fort,
wie die Tierknochen beweisen, die die Gräber in Menge enthielten.') Kost-
barkeiten fehlen nicht, sind aber gar nicht zu vergleichen mit dem Reich-
») Vgl. 11. H 410, X 358.
*) Od. * 65. Vgl. cf 584, a 291, auch Eur.
Iph. T. 702 ff. RoHDB Psyche« 1 66. Anders
Herkbnbath Progr. v. Feldkirch 1896 S. 54.
'*) ScHüCHHARDT SchliemanDS Ausgra-
bungen S. 240, 331. Bbloer Die myken. Lo-
kalsage, Progr. des Friedricbsgymn. Berlin
1898 S. 33. Epbem. arch. 1888 S. 130.
*) X 74. Vgl. Z 418.
') Dass diese Sitte sich nicht gleich-
zeitig überall, wo Griechen wohnten, durch-
setzte, ist selbstverständlich. So sind die
archaischen Gräber in Thera sämtlich Brand-
Handbuch der Uaas. AUertumswisienschaft. Y, 3.
gräber, während in der Nekropoli del Fusco
und in Megara Uyblaea sich fast nur Be-
stattung findet. S. HiLLKR v. Gaertrinoen
Arch. Anz. 1897 S. 78 ff. Freilich ist, wenn
beide alt sind, damit noch nicht gesagt, dass
sie derselben Zeit angehören.
^) Brückner und Pernicb Athen. Mitt.
XVIII 104 ff. In den jüngst beim Areopag
aufgefundenen Gräbern, die man ins 9.-8.
Jahrb. setzt, waren die Leichen noch ver-
brannt Berl. Phil. Wochenschr. 1898 S. 317.
') Brückner Arch. Anz. VII 20. Athen.
Mitt. XVIII 151, 155, 415.
2. Aufl. 9
130 I>io grieohiflohen Kaltasaltertamer.
tum der inykenischen Gräber. Dagegen fanden sich massenhaft Geräte,
wie man sie im täglichen Leben braucht, Waffen, Pferdegeschirr, Koch-
töpfe, Hydrien, ja auch Speisen, kurz eine förmliche „Ausstattung, dass
der Tote im Jenseits seinen Haushalt weiter führen könne*. ^) Auch
diese Vorstellung hat nicht lange gedauert. Die Gräber des 6 — 5. Jahr-
hunderts auf dem attischen Friedhof in der Piräusstrasse enthielten fast
nur Lekythoi. Oben standen, halb in die Erde eingelassen, riesige Am-
phoren mit hohlem Fuss, damit die Spenden zum Toten hinabfliessen
konnten ins Erdreich.^)
Die Pflege der Toten war heiligste Pflicht der Hinterbliebenen;
unterblieben Spenden und Opfer, so darbte und litt die Seele.') Der
dreissigste jedes Monats (rQiaxdieg) war den Toten heilig, und an diesen
Tagen, ihren Geburts- und wahrscheinlich auch Todestagen,*) versäumte
wohl niemand, Spenden auf die Gräber seiner Lieben zu tragen.^) Auch
konnte durch besondere Begegnisse ein ausserordentliches Opfer veranlasst
werden, z. B. durch beängstigende Träume.^) Ebenso ist es nur natürlich,
dass in der dem Todesfall unmittelbar folgenden Zeit wiederholte Toten-
feiern stattfanden, daneben gab es Feste, die allen Toten zugleich jähr-
lich gefeiert wurden.*) Es war dies Pietät und Vorsicht zugleich; war
ein Toter vernachlässigt, konnte sein Zorn leicht die ganze Polis schä-
digen.®) Vor allem hatte der Staat für den Kult der im Kriege Ge-
fallenen zu sorgen; in Athen fanden ihnen zu Ehren an den Gedenktagen
sogar Kampfspiele statt, wie sie im Heroenkult üblich waren. '<^) Athen
scheint sich auch sonst durch die Sorge für die Toten fromm hervor-
gethan zu haben, aber auch in andern Staaten vergass man ihrer nicht,
und dass bei den Thessalern viele nicht einmal den Eltern die Totenopfer
darbrachten, erregte unwilliges Staunen.*^) Selbst im frühesten Alter
verstorbenen Kindern versäumte man in der Begel nicht Spenden zu
giessen,^^) obgleich es ihnen nach dem Gesetz nicht zukam. Erwies man
den Toten einen Dienst, so erwies man ihn zugleich sieh selbst; sie
sandten im Leben gutes ^') und begrüssten nach dem Tode die sich zu
ihnen gesellende Seele freundlich.»*) Aber die Vorstellung von einem
gemeinsamen Aufenthalt aller Toten im Hades blieb auf den Kult ohne
Einfluss; Dichter und Theologen hielten sie fest, die Hinterbliebenen ge-
dachten nur des ihnen entrissenen Lieben, die Familie suchte den Toten
da, wo sie seinen Leib gebettet hatte. Deshalb ist ein Kult des Toten
nur an seinem Grabe möglich.
Gehen wir jetzt auf die Art des Kultes ein. Der Seelenkult hatte
^) Bböokner Arch. Anz. VII 20.
») Athen. Mitt. XV III 155.
») Luk. neQl 7i£y&. 9. Aisch. Cho. 483 ff.
RoBDB Psvche* I 243. . wiTZ Aisch. Cho. 205
EöHLEB Athen. Mitt. II 245, 254 f. Curtiüs
Altert, u. Gegenw. II 18 ff. Rohdb I 284 ff.
») Rohdb Payche« I 236 f.. v. Wilamo-
*) Athen. XII 522 F.
") Rohdb Psyche' I 238 ff. II 344. Schob-
MANN Ad. Isae. p. 222 f.
'') Atossa in Aisch. Pers. Elytaimestra
in Aisch. Cho. Soph. El.
') Iw. V. Müller Hdb.- IV 223 f. Rohde
•0) Aristot. Ath. Pol. 58.
»M Philostr. Her. p. 744.
*^) Das ist doch wohl zu schliessen aus
der Aufforderung Plut. Cons. ad uxor. p. 612B.
»») Aisch. Cho. 93 f. Eur. Or. 119. Ari-
stoph. Tagenist. Frgm. Kock I 488 S. 517.
Psyche^ I 234 f. '*) Vgl. Aisch. Ag. 1522 ff. Frgm. 281
**) Vgl. ScHOEMANN Gricch. Altt.» II 477 f. 1 Herrn. Soph. Ant. 71, 888 ff Eur. Or. 674 ff.
8. Kaltiisbandlaiigen.
>.)
131
sich an der Heroenverehrung wieder neu entzündet und an sie angeknüpft;
hier waren und* blieben blutige Opfer Sitte, und so finden wir denn in
alter Zeit auch an den Gräbern gewöhnlicher Toten die Blutopfer durch-
aus vorherrschend. In den grossen Euppelgräbern befanden sich Gruben
zur Aufnahme des Opferbluts, ^) ein hohler, unten offener Altar, der das
Blut unmittelbar dem Toten zuführen sollte, auch über dem vierten
Schachtgrabe in Mykenai,^) und ähnliche Vorrichtungen, wo man das
Blut sogar durch Röhren in die Tiefe leitete, begegnen öfter.*) Auch
arme Leute wollten ihren Toten diese Wohlthat nicht vorenthalten: die
Gräber von Nauplia und Spata enthielten massenhaft Knochen und Über-
reste von Tieropfern. ^) Es bestand offenbar der Glaube, dass die Toten
sich an nichts mehr erquickten als an diesem ihnen selbst durch den Tod
entzogenen Elemente des Lebens. Es war die eigentliche Gabe, der Leib
des Tieres ward verbrannt;^) dass der Tote auch davon einen Genuss
hätte, hat man wohl nie geglaubt, scheinen doch die Tiere nicht einmal
immer auf dem Grabe selbst verbrannt, oder auch nur die Überreste,
Knochen und Asche, immer hineingeschafft worden zu sein. Vor dem
Kuppelgrab in Vafio hat man am Ende des Dromos, der zum Grab führte,
in einer Grube eine zehn Centimeter dicke Aschenschicht gefunden, die
wohl nur von dort verbrannten Opfertieren herrühren kann,«) und auf
dem erwähnten attischen Friedhof wie auch an andern Grabstätten ^)
haben sich Spuren und Reste einer ausgedehnten Ttpga gefunden, wo alle
Tiere, die den dort ruhenden Toten geopfert wurden, verbrannt zu sein
scheinen.**) atfiaxovQia, Blutspende, nennt Pindar (Ol. I 94) ein Heroen-
opfer, eni ro ieinvov xal at^axovqiav lädt der Archen von Plataiai die
Toten (Flut. Arist. 21), und Euripides lässt den Neoptolemos den Schatten
seines Vaters anrufen, heraufzukommen und das Blut des Opfers zu
trinken.*) Aber diese Vorstellung schwindet; die Blutopfer werden sel-
tener, an ihre Stelle treten die xoa(, die Totenspenden. In Athen verbot
Selon, ein Rind als Totenopfer zu schlachten,*®) und ähnliche Bestim-
mungen, die zunächst wohl den Zweck hatten, dem Aufwand zu steuern,
gab es jedenfalls auch an andern Orten, ^i) Zwar hören wir ab und zu
von Tieropfem,*^) aber die Beispiele sind entweder sagenhaft, oder es ist
die Annäherung an Heroenkult unverkennbar. So namentlich, wie wir
sahen, an den noXvdvSQia^ den Massengräbern der in Schlachten Gefallenen,
aber auch wenn Hadrian am Grabe des Alkibiades jährlich ein Rind zu
*) Bklobb Berl. Phil. Wochenschr. 1891
S. 706.
^) ScBLiBKAim MykeDä 246 f. Vgl.
Plan F.
>) Compte rendu 1866 8. 6. Paus. X
4, 7. Vgl. III 19, 3.
*) LoLLiNG Athen. Mitt. V 154 f. Köhler
D. Enppelgrab von Menidi 50. Athen. Mitt.
II 84. 262.
*) Paus. TX 18, 4; 19, 3. Athen. Mitt.
XII 13ri. Luk. negl n^y». 19.
ö) 'EkpT^fi. ttQx, 1889 S. 143. Vgl. Winter
Arch. Anz. V 102.
») Brückner Athen. Mitt. XVIII 90 Anm.
•) Brückner Athen. Mitt. XVII I 79 ff.,
92, 151 ff.
») Hek. 536. Vgl. Alk. 845, auch Soph.
El. 1419 ff.
^0) Plut. Sol. 21.
* >) Vgl. d. Inscbr. v. Keos Dittenberobr
SyU. 468. Köhler Athen. Mitt. I 141. Bull,
de corr. XIX lOB ZI. 19 ff.
") ngoatpayttty nQOOcpiiyfjiartt, ursprüng-
lich wohl Opfer vor der Bestattung, Kobde
Psyche* I 222, 1. Dittenberobr SylL 468,
12. Eur. m. 92. Alk. 845. Hek. 41. Luk.
Nekyiom. 9. Plut. Cat mai. 15. Vgl. Sciiob-
MANN Griech. Altt.« II 572, 3.
9*
132
Die griechiflohen Ealtnsaltertfliiier«
opfern befiehlt, oder die Mylasier einen Gesandten aus Faros, der in
ihrer Stadt gestorben war, bei der Bestattung durch eitl gleiches Opfer
ehren. ^) Am längsten scheinen noch Hahnopfer Sitte geblieben zu sein.')
Auch finden wir in späterer Zeit wiederholt die testamentarische Bestim-
mung, dass das Andenken eines Verstorbenen durch ein Fest mit Opfern
und Spielen geehrt werden solle. Dann essen die Feiernden natürlich
von dem Fleisch, und ein Totenopfer ist solch ein Mahl also nicht mehr
zu nennen.*) Auch Frucht-*) und Kuchenopfer«) werden erwähnt,
scheinen aber seltener gewesen zu sein; nach dem Verschwinden der Tier-
opfer hören wir fast nur von der x^V^ die durch die offene Amphora ins
Grab fliesst, wie vordem durch die hohle iaxdqa das Blut.
Wie von dem Opfertier nichts gegessen ward, so sind auch die
Spenden lediglich zum Genuss für die Toten bestimmt;^) vielleicht hat man
sogar die Schalen nach der Benutzung zerbrochen.^) Man spendet Wein,
Wasser, Milch, Honig und öl,') doch selten alles zugleich, ^o) Das ge-
wöhnliche Trankopfer war Wein und fieXixQazov, d. i. eine Mischung von
Milch und Honig. *0 Der Wein war in der Regel ungemischt,") aber
nicht immer.'') Beides sollte die Toten laben. Denn auch das iu^^/x^aroi'
ist ohne Zweifel im Leben häufig genossen worden,^*) vielleicht besonders
von Kindern >*) und Schwachen, und diesen ähnlich hat man sich ja wohl
die äficvrjvd xÜQrjva auch gedacht. Aus demselben Grunde hat man den
Toten auch nur essbare Tiere geopfert.*«) Die Art der Schlachtung war
die auch bei chthonischen und Sühnopfern übliche: man beugte den Kopf
des Tieres zur Erde und schnitt ihm dann den Hals durch.»') Auch die
für jene Opfer charakteristischen Ausdrücke kehren wieder: ausser dem
gewöhnlichsten «Wy/'f«v 18) und xa&aytXeiVy^^) ivtbfiveiv ^^) und tXdcxea&ai,
namentlich wo es darauf ankommt, den gefürchteten Groll des Toten zu
versöhnen. '1)
M Athen. XIII 574F.
«) Bull, de corr. VI 246. Anthol. Pal.
II 182b 3 ff.
») Vgl. Feetschr. f. Fbibdlaekdeb S. 430.
*) CIG Ins. II 330. IGSept. III 1, nr. 128.
Bull, de corr. X 381 f. n. 18.
*) Thuk. II! 58.
•) Luk. Katapl. 2.
^) Stengel Philol. XXXIX 378 ff. Jahrb.
f. Phil. 1887 S. 653 f. Anthol. Pal. XI 8.
Kaibel Epigr. gr. 646, 12. z^V ▼o'J JT«"'*«*
vgl. Od. A 26, X 518. Plut. Arist. 21. Selten
findet sich das allgemeinere Xoißij: Soph.
£1. 52. CIG 956, 2596. Kaibel Epigr. gr.
131, 153, 815. FQr Eidopfer bleibt zum
Unterschied anoydtj Üblich, obwohl auch hier
die ganze Spende ausgegossen wird. Vgl.
V. Fbitze De libatione Anf.
<>) S. Beloeb Berl. Phil. Wochenschr.
1891 S. 706 f.
•) Wein, öl, Honig auch bei der Be-
stattung: ausser 11. ^ 170, 218 Ditten-
BKBOBB Syll. 468, 8 f. Eur. Iph. T. 633 ff.
'«) Aisch. Pers. 610,
") Eur. Iph. T. 158 ff. Or. 114 f. Luk.
Ghar. 22 u. s. w.uBXlxQaroy ist auch anzu-
nehmen, wo wir Honig (Soph. Frgm. 365 N.)
oder Milch (Soph. El. 894. Plut. De daem.
Socr. 6) allein genannt finden. S. Nitzsoh
zur Od. III 162 und Stekgbl Jahrb. f. Phil.
1887 S. 653.
'') Luk. BeQl niy», 19. Eur. El. 511.
»•) Plut. Arist. 21.
»<) Vgl. Antimachos Frgm. 18 ff. Stoll.
Pind. Nem. III 77. Ael. De nat. anim. XV 7.
*^) Ein Mischtrank von Milch und Honig
ist z. B. auch die erste Nahrung des Zeus-
kindes, vgl. Pbelleb-Robbbt Gr. Myth. 1 133.
S. auch Od. v 69 und Apoll. Rhod. IV 1136.
**) Stengel Festschr. f. Friedlaender
416 ff
'') Schol. zu IL A 459, zu Apoll. Rhod.
I 587. Stengel Zeitschr. f. d. Gw. 1880
S. 737 ff.
»•) Paus. VIII 34, 2; II 10, 1. ApoU.
Bibl. II 5, 2 u. s w.
") Paus. VI 20, 2.
*o) Thuk. V 11. Plut. Sol. 9.
«») Herod. V 47.
8. KvliiiBhaiidliiiigeii. (§ 81.)
133
Paian oder Flötenmusik fehlten beim Totenopfer. ^)
Es erübrigt noch die Betrachtang einiger anderer Eigentümlichkeiten
der verschiedenen Opfer.
81. Nicht alle wurden zu derselben Tageszeit dargebracht. Den
himmlischen Gottheiten opferte man am Morgen oder Vormittag.*) Eine
attische Inschrift (CIA I 2) schreibt vor, das Fleisch der bei einem Speis-
opfer geschlachteten Tiere vor Sonnenuntergang zu verteilen, und noch
genauer bestimmt ein Dekret aus lulis auf Keos die Zeit, wann das Opfer-
mahl zu veranstalten sei.^) Wurde es aber wirklich einmal erst nach
Sonnenuntergang beendigt, so war dies doch Ausnahme,^) wie denn wohl
auch die Sitte der Einwohner von Tithorea, die Opfer am Feste der Isis
erst am Nachmittag zu beginnen, aus dem fremdländischen Charakter des
Gottesdienstes zu erklären ist.^) Häufiger jedoch kam es vor, dass man
Opfer, die hauptsächlich zum Zwecke der Weissagung veranstaltet waren,
längere Zeit fortsetzte, bis man endlich günstige Zeichen erhielt; doch
stellte man auch diese jedenfalls noch vor Sonnenuntergang ein.^) Nur
Cfpäyia^ die man in kritischen Augenblicken schlachtete, wo meist die
Zeit drängte, waren auf keine bestimmte Tageszeit beschränkt und wur-
den mitunter auch nachts dargebracht.^) Aber es wäre ja auch un-
zutreffend, sie als Opfer für himmlische Gottheiten zu bezeichnen. — Um-
gekehrt erhalten chthonische Gottheiten ihre Opfer in der Nacht.*) Der
Schatten Elytaimestras erinnert die Erinyen an die Opfer, die sie ihnen
zu nächtlicher Stunde, wo man keiner andern Gottheit damit nahe, ge-
bracht habe,*) Trophonios empfängt nächtliche Opfer, *<>) ebenso Hekate,!*)
die Moiren, Eileithyien, Gaia,") auch der in den Mysterien eine Rolle
spielende Dionysos oder Sabazios,^') und ein Orakel befiehlt den Messeniem,
nachts eine Jungfrau als Sühnopfer zu schlachten. ^^) Das Fleisch der
den &€ol iietXixioi. geopferten Tiere muss vor Tagesanbruch beseitigt
sein,^^) und bei Athenaios YII 276 E wird die Ansieht ausgesprochen,
dass das Fleisch der nachts geschlachteten Opfertiere leichter verwese. —
Auch den Heroen opfert man nachts oder gegen Abend. ^^) Selon fährt nach
der Weisung des delphischen Orakels nachts nach Salamis hinüber, um dort
den Lokalheroen zu opfern, i') die Pheneaten bringen dem Myrtilos nächt-
liche Opfer,*®) die Thebaner den Söhnen des Herakles,**) die Argonauten
dem Dolops*®) und die Magier des Xerxes den in der Troas begrabenen
griechischen Heroen;'*) in Titane aber, wo von zwei gemeinschaftlich
Aiach. Cho. 151 f. Eur. Iph. T. 145.
*) Od. y 835 f. Säkularorakel bei Dibls
Sib. Bl, 134 V. 12 f.
*) DiTTBNBBBGBR Syll. 348; vgl. S. 462
Anm. 11 u. Iw. v. Müllbb Hdb.« IV 223.
♦) Vgl. Athen. V 591 E.
^) Paiw. X 32. 9.
•) Xen. HeU. IV 1, 22.
') Flut. Alex. 31.
») Etym. M. 468, 34.
•) Aisch. Eum. 108 f.
'0) Paus. IX 39, 4.
'«) ApoU. Rhod. III 1029 ff.
") Sftkularorakel bei Dibls Sib. Bl. 134
V. 6 ff.
«») Diod. IV 15.
'*) Paus. IV 9, 2.
'») Paus. X 38, 4.
'•) Proklos zu Hes. Erg. 763. Schol. zu
Pind. Isthm. III 110 bei Abel II p. 422 F.
Diog. Laert VIII 33. Rohdb Psyche» 1 149,
2. Dbnbken in Rosobbrs Mjtb. Lex. 2512 f.
»») Plut. Sol. 9.
») Paus. VIII 14, 7.
>•) Pind. Isthm: III 105.
«•) ApoU. Rhod. I 587.
«») Herod. VII 43.
134
Die griechischen Kaltasaltertümer.
verehrten Heroen der eine, Alexanor, heroische, der andere, Euamerion,
göttliche Ehren geniesst, empfängt jener seine Opfer erst nach Sonnenunter-
gang. — Auch den Toten hat man in ältester Zeit, wo der Kult durch-
aus apotropäischen Charakter hatte, die Opfer wahrscheinlich nachts dar-
gebracht, wie auch bei Homer (^ 218 £f.) Achill dem Patroklos die ganze
Nacht durch Spenden giesst, seine Seele rufend, und Odysseus in der
Nekyia (A 12 fif.) seine Opfer ebenfalls nach Sonnenuntergang bringt.*)
Dass er sich hierbei umwendet, wie es bei Sühn- und Reinigungsopfern >)
und den damit aufs engste verwandten Opfern für chthonische Gott-
heiten^) stets geschah, zeigt auch, wie damals der Totenkult sich vom
chthonischen noch nicht unterschied. Später opferte man den Toten am
Tage,*) nachts, wie es scheint, nur unter besondem Umständen.«)
82. Auch hinsichtlich der Farbe der Opfertiere galten verschiedene
Bestimmungen und Gebräuche. 7) Die Alten selbst berichten uns nur, dass
es Regel gewesen sei, den oberen Göttern hellfarbige, den unterirdischen
und den Toten schwarze Tiere zu opfern.«) Doch sind sicherlich zu Speis-
opfem auch dunkelfarbige Tiere benutzt worden, wenn man andere auch
vorgezogen haben mag. In der Odyssee y 6 wird dem Poseidon eine ganze
Hekatombe schwarzer Stiere dargebracht,^) demselben Gott werden dann
auch wieder weisse ^o) oder rötliche") Tiere geopfert. Ausnahmslos hell-
farbige Tiere hat wohl nur Helios empfangen, ^*) den anderen Göttern scheint
man sie namentlich als freudiges Dankopfer dargebracht zu haben, '^) doch
galten sie wohl auch sonst als die den Göttern wohlgefälligsten »*) und
werden bisweilen ausdrücklich verlangt.**) — Zu Sühnopfern gebrauchte
man sowohl schwarze wie weisse Tiere. Epimenides soll bei der Reini-
gung Athens schwarze und weisse Schafe geopfert haben,*«) und auch
Hekate empfing schwarze*') und weisse Hunde*®) als Sühnopfer.*») Ver-
derblichen Winden pflegte man, um sie zu besänftigen, schwarze Tiere
darzubringen, *<^) doch wird uns auch von dem Opfer eines weissen Hahnes
M Paus. 11 11, 7.
•) Vgl. SchoL zu II. e 66 und ^ 84,
zu Apoll. Rbod. I 587.
») RoHDB Psyche* II 85, 2; 79, 1.
«) Apoll. Rhod. III 1029 ff. Soph. Oid.
Kol. 30, 490.
») Aisch. Fers. 609 ff. Soph. El. 326 ff.
Eur. Or. 114. Flut. Arist. 21. Vgl. Schol.
Soph. Oid. Kol. 477 u. mehr bei Stemobl
Festscbr. für Fbiedlabndbr 422 f.
•) Eur. El. 90 ff
') Am ausführlichsten darüber Stbnoel
Jahrb. f. Fhil. 1886 S. 321 ff.
^) S. das Apollonorakel bei Euseb. Fraep.
ev. IV 9, 2 (nach Wolfp Forphyr. De philos.
ex orac. haur. lib. rel. 1856 unecht). Aruob.
Adv. gent. VII 19. Schol. zu IL V 30.
^) Vgl. dazu die Bem. von Didymos im
Schol. u. Eomut. ÜBi^l ^etSy 22.
") DiTTBNBEBOBB Syll. 373, 5 u. 10. Find.
Ol. XIII 69 (99). Vgl. Verg. Aen. V 236.
»M Find. Fyth. IV 205 (365).
'«) II. r 103. CIG Ins. I 892. Fhüostr.
Her. XI 1 p. 309.
'3) Hom. Hymn. XXXIII 10 Baum. Luk.
Dial. mer. VII 1. Ariatoph. Av. 971. Dit-
TBNBBBOBB Syll. 388, 67. Vgl. Horat. c. IV
2, 59 f. c. saeo. 49.
»*) Inschr. Athen. Mitt. 1882 S. 72.
Bakchyl. V 101 f., IX 105.
'<") Thessal. Inschr. Athen. Mitt. VI! 72 ff.
Frgm. la. Säkularorakel Diels Sib. Bl. 134
V. 10 ff. Sibyllenorakel 114 v. 47. Dodonaii-
sches Orakel bei Demosth. XXI 53 p. 531.
Auch die sich der Inkubation im Asklepieion
zu Fergamon Unterziehenden sollen vorher
weisse Tiere opfern (Fergam. Inschr. VIII
2, 264.)
»«) Laert. Diog. I 110. Vgl. Livius XXII
10.
«0 Faus. III 14, 9.
>») Aristoph. Dait. Frgm. 23 S. 184 Din-
D0BF.<^ Vgl. Bbrok 12 p. 280c. Eock 204.
»•) Flut. Qoaest. rom. 68.
«<») Aristoph. Ran. 848 f. Vgl. Verg.
Aen. III 120.
8. Knltushandlangen. (§ 82-^88.)
135
zu demselben Zwecke berichtet. Zur Abwendung einer Pest befiehlt
das Orakel schwarze Tiere zu opfern,*) und Widder von derselben Farbe
schlachten neben Menschenopfern die Taulantier, als Alexander gegen
ihre Stadt anrückt. 5) Chthonische Gottheiten, wie Gaia,^) die Erinyen,*)
die Moiren,«) empfangen schwarze Tiere.') Ebenso die Heroen. Dem
Aristomenes wird an seinem Grabe ein schwarzer Stier geschlachtet,^)
dem Pelops in Olympia^) und dem Kalchas in einer griechischen Kolonie
Unteritaliens ein schwarzer Widder, »ö) die Thessaler opfern dem Achilleus
€og T^^m einen schwarzen Stier und einen andern (ag ^t<j),**) und auch
der Archen der Plataier schlachtet an den Gräbern der Gefallenen einen
schwarzen Stier. i*) Auch den Toten. werden schwarze Tiere geopfert.
Die Thessaler schlachten dem Dareios ein schwarzes Lamm,^^) Orestes
auf dem Grabe seines Vaters ein schwarzes Schaf.**) Nur ein Opfertier
war allen diesen sonst geltenden Bestimmungen und streng beobachteten
Gebräuchen nicht unterworfen: das Pferd. Die Griechen haben nur weisse
Pferde geopfert. **) Mithridates versenkt dem Poseidon ein Gespann weisser
Rosse ins Meer,*^) Pelopidas opfert statt der geforderten Jungfrau ein
hellfarbiges Füllen, >') ja die Athener sollen dem skythisshen Heros Toxaris,
der angeblich bei einer Pest als Arzt Dienste geleistet hatte, an seinem
Grabe ein weisses Ross als Totenopfer dargebracht haben. *^)
83. Auch das Geschlecht der Opfertiere ^^) war nicht gleichgiltig. —
Sehr gewöhnlich war es, Göttern männliche, Göttinnen weibliche Tiere
darzubringen. 20) Doch sind die umgekehrten Fälle so zahlreich, dass man
von einer Regel nicht sprechen darf.'*) Das Richtige ist, dass einzelne
Gottheiten Tiere bestimmten Geschlechts verlangten, andere nicht. Dem
Zeus pflegte man männliche Tiere darzubringen, '') ebenso dem Poseidon,
Herakles und Asklepios, der Hera scheinen umgekehrt nur weibliche ge-
opfert zu sein. ApoUon erhielt auch weibliche Tiere; *5) vor allem werden
») Paus. II 84, 2.
*) Kaibbl Epigr. gr. 1034.
') Aman. Anab. I 5.
*) 11. r 108. Opferkalender der attischen
Tetrapolis v. Pbott Fasti gr.48 f.B 17.
>) Istros im Schol. Soph. Oid. Kol. 42.
«) Zosimos bei Diels Sib. Bl. 129, 180
V. 16, 110 V. 37.
7) DiTTBNBBRGBB Svll. 373, 26. Plut.
Luc. 10. Quaest. symp. vi, 8, 1. Appian Bell.
Mithr. 75. Vgl. Od. x 527. Paus. X 29, 1.
Phüostr. Imag. XI 33.
«) Paus. IV 32, 8.
») Paus. V 13, 2.
«0) Strab. VI 284. Vgl. Od. X 32.
") Philostr. Her. XIX p. 741. Vgl. die
delische Rechnungsurkunde v. J. 246 ZI. 22
BuU. de corr. VI 25.
»») Plut. Aristeid. 21.
") Philostr. Her. XIX p. 743.
'') Enr. El. 516. — Bisweilen legte der
Opfernde selbst dunkle Kleidung an (Apoll.
Rhod. III 1204 f. Caas. Dio XLVIII 48).
«») Stbhobl Phüol. XXXIX 184 f.
»•) Appian Bell. Mithr. 70 p. 480.
") Plut. Pel. 22. Hier ^ay&os; dasselbe
Tier wird Xevxog genannt Plut. Amat. narr.
III 774 D. RoHDB Psyche' 11 349, 3.
>») Luk. Skyth. 2. Strab. V 214 f. Arr.
Anab. VI 29, 7. Rohdb Psyche« II 351, 4.
»») Stbngbl Jahrb. f. Phil. 1886 S. 324 ff.
") II. r 103 f., V 147. Paus. IX 3, 4.
Vgl. Amob. Adv. gent. VII 19. Euseb. Praep.
ev. IV 9. Porphyr. De antro nymph. 6.
«») CIA II 610. DiiTBNBBBOBR Syll. 373,
17. Aristoph. Av. 971 mit Schol. Plut. Quaest.
symp. VI 81. Marathon. Opferkai. v. Pbott
48 f., B 17 f., B 27, B 44. Auch aus der Gortv-
nischen Inschr. v. Pbott 42 nr. 20 ersieht
man, so verstümmelt sie ist, dass weibliche
Gottheiten männliche Tiere erhalten. Greek
Inscr. Brit. Mus. IV 1 nr. 896 ZI. 37: üoi-
gaie XQioy.
") Paton u. Hicks Inscr. of Cos S. 286
nr. 401. Doch auch verschnittene kommen
vor. S. V. Pbott a. a. 0. 48 f. A ZI. 11, B
ZI. 47.
") Paus. II 24. 1. IGA n. 379. Vgl. db
Molin De ara ap. Graecos S. 72 u. Stbngbl
Jahrb. f. Phü. 1886 S. 326 A. 4.
136
Die griechisohen Knltnsaltertflmer.
solche sich oftmals Id den grossen Hekatomben befunden haben, 9 die
diesem Gotte vorzugsweise dargebracht warden; ebenso durften dem
Hermes weibliche Tiere geopfert werden.*) Umgekehrt erhalten Artemis,^)
Koro ^) und bisweilen Aphrodite ^) auch männliche zum Opfer. Am häufig*
sten von allen Göttinnen wurden der Demeter männliche Tiere darge-
bracht,^) namentlich bestand das grosse Rinderopfer am Eleusinienfest
vorzugsweise aus Stieren und Ochsen, 7) dagegen durfte man der Athena,
wenigstens im eigentlichen Griechenland,®) nur weibliche Tiere opfern,*)
wie denn auch am Panathenaienfest nur Kühe geschlachtet wurden.*^)
Auch die chthonischen Gottheiten empfingen Tiere beiderlei Geschlechts
zum Opfer ;iO die Heroen meist männliche, a*) seltener verschnittene;'*)
die Toten am liebsten weibliche oder verschnittene.^^) Eigentümlich ist
es, dass zu Eidopfern nur männliche Tiere genommen wurden, >^) haupt-
sächlich Stier, Widder, Eber.^^) Vielleicht hängt damit zusammen, dass
auch zu den sog. tq^toiui^ bei denen dieselben Opfertiere sehr gewöhn-
lich waren, *') ausschliesslich männliche Tiere benutzt wurden.»®) Ver-
schnittene Tiere durfte man ohne Zweifel jedem Gott darbringen, welchem
männliche geopfert zu werden pflegten, nur in vereinzelten Fällen wird
einmal ausdrücklich ein ivoqx^fi verlangt.»*)
84. Für das Alter der Opfertiere wird bei Speisopfem in der Regel
die Rücksicht auf die Brauchbarkeit des Fleisches massgebend gewesen
sein. Folgte einem grossen Festopfer eine Bewirtung des Volkes, so
musste schon wegen des grossen Fleischbedarfs die Hauptmasse der Opfer-
') Vgl. z. B. Xen. Hell. VI 4, 29.
') S. d. lesbische Inschr. bei Caubb
Del.« n. 435.
») Paus. IX 19, 5; vgl. IV 81, 5; VII 18,
7. — Kallim. Frgm. 76 Scbkbi. Euphronios
im Schol. Aristoph. Av. 873. AntoD. Liber.
13. Hesych. u. BgavQtoyia n. xan^ocpäyog.
*) CIA II 834c ZI. 62.
*) Caubr Del.» n. 435. Vgl. Flut. Thea.
18 u. Tac. Bist. II 3.
«) CIG 1464. Enpolis nach dem Schol.
Soph. Oid. Kol. 1600.
») CIA II 467, 468, 470.
8) Eine ilische Inschrift CIG 3599 be-
fiehlt ihr ausser einer Kuh einen Widder
darzubringen, meines Wissens das einzige
Beispiel eines männlichen Opfertiers. Zu
Paus. I 27, 9 vgl. Flut. Thes. 14 u. Stenobl
Jahrb. f. Fhil. 1886 S. 328.
«) Schol. zu n. B 550; zu Soph. Oid.
Kol. 1600. IL Z 93; ^ 728. Inschr. v. Kos
Faton u. HicKs nr. 38; aus Lesbos Bull, de
corr. IV 489.
»<>) CIA II 471. DiTTBNBBBGER Syll. 380,
19 ff.
"») Od. X 30. Flut. Luc. 10. Istros im
Schol. zu Soph. Oid. KoL 42 u. CIG 1464.
DiTTBMBBBOEB Syll 373, 17. Kaibel Epigr.
gr. 1034. Zosim. Sib. Orakel bei Dibls Sib.
Bl. 134 V. 10 ff., V. 7 f. Vgl. die Akten der
Sftkularfeier Epbem. epigr. 1891 S. 225 ff.
") Paus. I 34, 4; IV 32. 3; V 13, 2.
Strab. VI 284. Fhilostr. Her. XIX p. 741.
CIA 11 469 u. 470.
»•) V. Fbott Pasti gr. 48 f. B 14, 23 f.,
25, 30. oli wird hier Hammel bedeuten. S.
Stewobl Berl. Fhil. Wochenschr. 1896 S. 687.
^*) Schol. Od. A 30 und X 522. Stbnobl
Jahrb. f. Fhil. 1881 S. 80 u. 740 und in d.
Festschr. f. Fbibdlaxndbb 424 f. Robdb
Psyche« I 58, 2.
»*) Schol. zu II. r 197. Stengel Jahrb.
f. Fhil. 1883 S. 377. r 103 wird allerdings
ein weibliches Lamm geopfert, doch ist diese
Abweichung durch den Zusatz, dass es der
Ge geweiht sein solle, wie das männliche
dem Helios, wohl hinlänglich erklärt. Zudem
handelt es sich hier nicht um ein griechi-
sches, sondern ein troisches Opfer.*
»•) Demosth. XXHI 68 p. 642. Flut
Fyrrh. 6. Xen. Anab. II 2, 9.
^') S. die Zusammenstellung Jahrb. f.
Fhil. 1886 S. 320 ff.
*") S. Hesych. u. tQixtva u. Istros im
Etymol. M. u. jQiTrvay &vaiav p. 768, 17.
**) Z. B. far Poseidon Dittbnbbbobb
Syll. 373, 6 u. 10. 11. «P 147 f. für Sper-
cheios. Messen. Inschr. Athen. Mitt. XVI 353.
Gortyn. Inschr. bei v. Fbott a. a. 0. S. 42.
Flato Fhaon Frgm. com. Mbinekb II S. 674:
TiQO&vBtai nXaxovs ivoQXV^-
8. KQltaflhandlaiigen. (§ 84.)
137
tiere ausgewachsen sein. Doch auch bei anderen Gelegenheiten werden
häufig ausdrücklich tegeia räXeia verlangt, i) Wahrscheinlich hat man
auch geglaubt, das Opfer eines in der Vollkraft stehenden Tieres sei den
Göttern am liebsten. 2) Die Wahl des fünfjährigen Ebers, den Eumaios
schlachtet (f 419), wird freilich durch die Rücksicht auf den Gast be-
stimmt, und ebenso die des fünfjährigen Stieres, mit dem Agamem-
non die Helden nach dem heissen Schlachttage bewirtet und vor allem
Aias, der den gefährlichsten Kampf bestanden hat, ehren will {H 315),
aber B 403 wird dasselbe stattliche Tier geopfert, um dem Zeus eine
besondere Ehre zu erweisen, und mit einer TsXr^eaaa ixaTOfißrj^) glaubte
man doch auch den Göttern das wohlgefälligste Opfer darzubringen.
Einen dreijährigen Widder verspricht Ganymedes dem Zeus;*) zu den
feierlichen Dreiopfern, den vorher besprochenen TQitroiai, sollen nur di'ei-
jährige Tiere verwandt worden sein,*) und in Athen verbot ein altes
Gesetz, ein Schaf, ehe es geschoren war oder gelammt hatte,*) oder
Lämmer vor der ersten Schur zu opfern.') Eine koische Opferordnung
bestimmt für Asklepios ein ausgewachsenes, ungeschorenes Schaf.®) Die
genauesten Bestimmungen über das Alter, das die Opfertiere haben sollen,
enthält eine Inschrift aus Keos.») Das Rind und das Schaf sollen die
Zähne bereits gewechselt haben, ^0) und das Schwein nicht älter als
19 Monate sein. Eine pergamenische Inschrift*^) bestimmt, dass nach
der Anordnung des Orakels der Pallas eine zweijährige Färse, dem Zeus,
dem Bakchos und dem Asklepios dreijährige Rinder geopfert werden, die
Mysterieninschrift von Andania für die Msyäloi &€ot ein zweijähriges
Schwein,"*) die Opferordnung aus Mykonos für Semele, Dionysos, Zeus
Chthonios und die Ge Chthonia jährige Tiere,"*) eine Inschrift aus Tel-
messos alljährlich an einem bestimmten Tag für Zeus Soter ein drei-
jähriges Rind.**) — Wenn wir sehen, wie unendlich häufig neben den
Opfern ausgewachsener Tiere Kälber, "*) Lämmer,"«) Ferkel"') und Zick-
lein 1®) geopfert wurden, so werden wir uns auch über die Verschiedenheit
dieser Bestimmungen nicht wundern. Man opferte eben alles, was man
selbst zu essen pflegte. Auffallen muss dagegen, dass die Opfer noch
*) S. d. Tnschrr. Ditt£Nbebgeb Syll. 373,
17, 35 f.; 375. Raitgab^ Antiqu. hell. d. 821b.
'J^ijymoy 1879 S. 408. Bull, de corr. II 615.
Athen. Mitt. XVI 353. Vgl. Schol. Soph. Ant.
1012.
*) Vgl. Schol. Aristoph. Ach. 785.
•) Vgl. Stengel Jahrb. f. Phil. 1885 S. 103.
<) Luk. Dial. deor. IV 2.
') Istros im Etym. M. u. rQitTvav ^vaiav.
«) Androtion bei Athen. X 17 p. 375.
7) Philochoros bei Athen. I 16 p. 9. Als
Grund fOr diese Bestimmungen wird aller-
dings die Racksicht auf die Zucht der Tiere
angegeben. Es fällt dies in dasselbe Kapitel
wie das Verbot Solons, ein Rind zum Toten-
opfer zu schlachten, oder die fast allgemein
beobachtete Sitte, Ackerstiere nicht zu opfern.
^) Newton Greek Inscr. in the Brit.
Mus. n 838.
•) DiTTEVBEROEB SjU. 348.
^^) Die ersten beiden Schneidezähne, die
die Tiere nach Vollendung des ersten Lebens-
jahres verlieren. Aristot. Hist. anim. VI 21
p. 145 Aub. u. Wim. Die letzten beiden
wechseln sie erst dreijährig. Spbngbl Blätter
für Bayr. Gw. 1888 S. 262 fF. u. besonders
Nehring Jahrb. f. Phil. 1893 S. 64 ff.
»») Kaibel Epigr. gr. 1035.
»«) DiTTENBBRGEB Syll. 388, 68.
»») DlTTKNBKROEB Syll. 373, 24 ff.
**) Bull, de corr. XIV 164.
»») Luk. Dial. mer. VII 1. Bahr. Fab. 37.
Arrian. De venat. 34.
^•) DiTTENBBRGEB Syll. 888, 67 f. Rah-
gab£ Ant. hell. 11 n. 2336. Paus. II 10, 1.
>') Athen. IV 139 B; IV 172 A; IX 396
C u. D.
'») CIG Ins. I 92. Paus. VI 2. 2.
138 ^^^ grieohischen Knltasaltertamer.
saugender Tiere ganz gewöhnlich sind, und zwar nicht bloss bei Reinigungs-
opfern. ^) Schon bei Homer ^) geloben Pandaros und Meriones dem
Apollon eine Hekatombe neugeborener Lämmer, falls ihr Pfeilschuss er-
folgreich sein würde, ^) und das ganze Altertum hindurch finden wir
yaXad^i^rd iegeia als etwas durchaus Gewöhnliches erwähnt. In zahlreichen
Inschriften werden sie den teXeia in einer Weise gegenübergestellt, dass
wir annehmen müssen, sie seien kaum seltener gewesen als diese. ^)
Auch die Notiz bei Hesychios (u. Täleia), dass die einen jährige Tiere,
die andern schon alle, die über zehn Tage alt seien, für TcXeioi erklärten,
lässt darauf schliessen, dass die Opfer noch saugender Tiere an der Tages-
ordnung waren. ^) Auch scheint es hier keinen Unterschied gemacht zu
haben, welcher Gottheit die Tiere dargebracht wurden; eine Spur davon
könnte man einzig darin finden, dass die jungfräuliche Athena die äl^vya
oder äifATjta isQBia vorzieht,*) während der mütterlichen Demeter um-
gekehrt Muttertiere,^) mit Vorliebe trächtige, geopfert werden. Es ist
dies ein Symbol der Fruchtbarkeit, wie das namentlich aus den Akten
der römischen Säcularfeier hervorgeht.*) Auffallend ist, dass in Kos der
Athena ein trächtiges Schaf dargebracht wird,^) wie denn in Patmos auch
Artemis schwangere Opfertiere nicht verschmäht zu haben scheint. i<*)
f. Reinigrungren und Sühnungren.
Litteratur: Lombier De vet. gent. lustrationibus 1681. Hebmann Gottesdienstl.
Altt.' § 28. ScHOBMANN GHech. Altt. IP 352 ff. v. Lasaulx Die SüliDopfer der Griechen und
Römer (in den Akadem. Abhndlgg. Wfirzbnrg 1844 S. 236 ff.). Nabgblbbach Nachbom.
Theologie S. 356 ff. Jambb Donaldson on the Expiatory and Substitutionary Sacrifices of the
GrecB in den Transactions of the Royal Society of Edinburgh Bd. XXVII (1876) S. 427 -465.
DiELS Sibyll. Blätter, Berl. 1890. Rohdb Psyche^ II 71 ff. 405. Bötticheb Tektonik IV 55 ff.
86. Es ist bereits erwähnt worden, dass kein Unreiner das Heiligtum
eines Gottes betreten oder an einem Opfer teilnehmen durfte.") Wer
war nun unrein? Piaton (Leg. 716 E) sagt: rrjv ipvxrjv 6 xaxog, d. h. der
Böse, und in Epidauros war im Vorhof des Asklepiostempels zu lesen:
*) Vgl. Aisch. Eum. 430. | fordert für Ge eine ßovs xvovaa (B 9), für
>) J 120, ^873. ! DtdrA otg xvovaa {B 12). 'EXevaiylai ig xvovfftty
XX6i]i is xvovaa (B 48, vgl. A 28, A 43).
Delische Rechnnngsurknnde von 250 ZI. 68
Bull, de corr XIV 505 A. 4: is iyxvfjuov
Big &vfjiccy Tiji JijfifjTQi. Urkunde von 246
ZI. 22 Bd. VI S. 25 ZI. 200: vg iyxvfiar
(vgl. Tac. ann. XV 47). Eornut. tlsQi &€my
28 p. 211: &vovai «T vg iyxvfjtovag Jtj/Äfjrgi
ndyv oixBlmg. Dittenbbbgeb Syll. 373 f&r
Demeter vv iyxvfioya. Opferkalender von
Kos Paton u. Hicks 37 ZI. 61: ols iskäa
xvioaa. Dasselbe Opfer empfängt Rhea
(ebenda 38 S. 89) und auch den Eumeniden
(Paus. II 11, 4) und der Pelarge in Boiotieo
(Paus. IX 25, 6) werden trächtige Tiere ge-
opfert.
•) n. 37 ZI. 57 bei v. Pbott 21.
»0) Kaibbl Epigr. gr. 872.
»») Vgl. CIG Ins. 11 183. Luk. Uegi ^w.
13. Schol. Aisch. Eum. 276. Böttiohbr Tekt.
IV 57 f.
') Vgl. hier wie überhaupt fttr das fol-
gende Stengel Jahrb. f. Phil. 1882 S. 246 f.
Auch B 518, » 263, a 431. Hes. Erg. 543
u. 592.
*) DiTTEHBEBQER SvU. 371, 31 f. CIA 11
610, 632. CIA I 4. Herod. I 183. Plat. Leg.
834 C. Ael. Var. bist. VII 13. CIA II 631
und BöCKH Kl. Sehr. IV 408 f.
^) E&lber, Lämmer, Ferkel sangen alle
beträchtlich länger als zehn Tage. Vgl.
Lenz Naturgesch. Gotha 1851 I 654 u. 468.
«) ßovg fjyig ^xicxaq Z 93, K 292, y
382; fjioaxov a^vyog dyyov Kaibbl Epigr.
gr. 1035, 21. a^vyas ßoCg für Artemis Bak-
chyl. IX 105.
CIA II 467 ßovs TQO<plas. Ditten-
BEBOEB Syll. 388, 68 avy inlroxa.
») MoMHSKN Ephem. epigr. 1891 S. 225 ff.
Vgl. Borat, c. saec. 29 f. — Der maratho-
nische Opferkalender v. Pbott a. a. 0. 48 f.
3. Knltashandlangen. (§ 85.)
139
Nur wer rein ist, betrete die Schwelle des duftenden Tempels;
Niemand aber ist rein, ausser wer heiliges denkt.*)
Ganz ähnlich heisst es in einer in Lindos gefundenen rhodischen Inschrift:*)
Nur wer rein ist an Hand und Herz und ein gutes Gewissen hat, darf
sich dem Heiligtum nahen. Aber der älteren Zeit liegt nichts ferner als
solche Vorstellungen. Blieb freilich auch später äusserliche Reinheit er-
forderlich, 3) so hat das homerische Zeitalter überhaupt noch keine
Ahnung, dass es auch eine andere geben könne.^) Telemachos reinigt
in der Meerflut die Hände, ehe er sie betend zu Athena erhebt, 5) Pene-
lope wäscht sich vor dem Gebet und legt reine IQeider an,«) Hektor
scheut sich mit ungewaschenen, von Blut und Staub besudelten Händen
dem Zeus zu spenden,^) Achilleus reinigt Hände und Becher aufs sorg-
fältigste, ehe er dem Gotte das Trankopfer ausgiesst,^) und als die Pest
aufhört, opfert man dem Apollon die Hekatomben erst, nachdem das
ganze Heer sich auf die Aufforderung Agamemnons gereinigt hat, und
alles Unsaubere abgethan und ins Meer geworfen ist.*) Von der Vor-
stellung aber, dass es noch eine andere Unreinheit geben könne als die
des Körpers, findet sich in den Epen nicht die geringste Spur, denn
aus der blossen Erwähnung Ixions an einer zudem noch interpolierten
Stelle *^) lässt sich ganz gewiss nicht schliessen, dass der Dichter die
Sage von der Reinigung des Mannes durch Zeus gekannt habe.*^) Aber
nicht lange dauerte es, da empfand man, dass wenigstens einer, der seine
Hand mit dem Blut eines gemordeten Mannes besudelt hatte, einer um-
ständlicheren Reinigung bedürfe, als einer blossen Abwaschung des Blutes,
dass er, um wieder als Unbefleckter vor Göttern und unter Menschen er-
scheinen zu können, sich einer feierlichen, unter bestimmten Ceremonien
vorgenommenen Lustration unterziehn müsse. Auf diese Weise hoffte
man die zürnende Seele, die Erinys*^) des Erschlagenen zu besänftigen
oder auch es ihr unmöglich zu machen, sich zu rächen. Reinigen heisst
böse Geister bannen, anorqonaia sind die Mittel sie wegzutreiben.*')
Deshalb wird die Kathartik komplizierter, je lebendiger der Glaube an
ein Geisterreich ist, deshalb finden wir bei Homer nichts davon im Gegen-
satz nicht nur zu einer spätem, sondern vielleicht auch einer voran-
gegangenen Zeit. Nie ist die Daseinsfreudigkeit grösser, nie die Kluft
zwischen Leben und Tod, dem Sonnenlicht auf Erden und der Finsternis
im Hades weiter; der Lebende hofft, der Sterbende fürchtet, sie sei un-
überbrückbar. Und wo ritterliche Adelsgeschlechter herrschen, trotzig
ihrer Kraft vertrauend, wie die homerischen ßaailetg, findet der ängst-
liche Glaube der niedrigen Bürger schwer Eingang: erst lange nach ihrem
*) ayy$irj «T Ifft* (pQoyBiv ocia Theophr.
mQi evaeß. (Porph. De abst. II 19). Vgl.
Clemens AI. Stromat. V 1 p. 652 u. IV 22
p. 628. Die Obersetzung des Distichons ist
von Jacob Bbrhats Theophr. üb. d. Fröm-
migkeit 67.
«) CIG Ins. I 789.
*) S. z. B. Hippokr. De morbo sacr. 2.
*) Vgl. NiTzscH zur Odyss. I 310 n. a.
*) ß 261. Vgl. 1 171 flf.
d 750, Q 48.
') Z 266 ff. Vgl. Si 302 ff.
8) n 228 ff
•) J 313 ff Vgl. S 171.
»0) S 317.
*») Vgl. ScHOEiiAKN a. a. 0. II 354.
^2) RoHDE Rhein. Mus. 1895 S. 1 ff.
»«) Aisch. Cho. 967 f. Rohdb Psyche«
II 70 ff.
140
Die grieohiBohen Kvltnsaltertümer.
Frevel, als die Götter die Seuche senden, die man mehr fürchtet als die
stolzen Herren auf der Burg, werden die Alkmeoniden aus Athen ver-
trieben, i) In homerischer Zeit besteht die einzige Mordsühne in einer
Wertentschädigung an die Verwandten des Erschlagenen, >) und als der
Mörder Theoklymenos dem Opfer Telemachs beiwohnt, wird auch dies
nicht durch seine Anwesenheit entweiht (o 222 f.). Das erste Beispiel
der Purifikation eines Mörders, das uns begegnet, die Reinigung des
Achilleus nach der Ermordung des Thersites, zeigt wesentlich andere
Formen, als die später üblichen. Achill begiebt sich nach Lesbos, bringt
dort noch vor der Reinigung ApoUon, Artemis und Leto ein Opfer, darf
sich also an gottesdienstlichen Handlungen beteiligen und den Göttern
nahen wie jeder andere, darnach erst reinigt ihn Odysseus.') Charak-
teristisch ist ferner für die alte Zeit, dass der unfreiwillige Mörder Blut-
schuld ebenso auf sich lädt, wie der absichtliche.^) Die Seele des dem
Leben Entrissenen zürnte ihm für die zufällige, doch in ihren Folgen
gleich schwere That nicht minder. Auch dass die Ceremonie nie von
Sehern oder Priestern vollzogen wird,*) zeigt, dass man noch nicht an
die besondere Vertrautheit dieser Personen mit dem Geisterreich glaubte,
die sie vor andern befähigte, die bösen Einwirkungen fern zu halten.
Die Blutschuld blieb auch später, als noch manches andere für ver-
unreinigend angesehn wurde, die schwerste Befleckung und erheischte,
auch wenn der Forderung des Gesetzes genuggethan war, die ernsteste
Sühnung. Durch das Blut, das an der Hand des Mörders geklebt hatte,
war nicht nur äusserlich sein Leib besudelt : die Befleckung (/etJo'o^, lAiaa^ia)
blieb an ihm haften, auch wenn die wahrnehmbaren Spuren der That ge-
tilgt waren, wie ein Krankheitsstoflf, der auch andere, die mit ihm in Be-
rührung kamen, ergreifen konnte. Der Mörder musste das Land, in dem
die That verübt worden war, verlassen, hier liess die Seele des Toten
die Reinigung und Versöhnung nicht zu. Schon Achill geht mit Odysseus
nach Lesbos, und geschieht es auch nur auf kürzeste Zeit, lediglich zum
Zwecke der Purifikation, so ist doch auch hier schon derselbe Gedanke,
dieselbe Ansicht, die später die Verbannung des Mörders fordert, unver-
kennbar: im Lande des Toten ist seine Erinys mächtig, und das Verweilen
des Mörders würde sie beleidigen und reizen. Weiter verfolgt sie ihn
nicht, wie ähnlich das Wirken des Heros an der Grenze des Landes, wo
er sein Grab gefunden hat, aufhört.^) So ist es besonders schlimm und
verhängnisvoll, einen ififfvXtoq zu töten,') nicht bloss weil den Verwandten
nach alter Satzung die heilige Pflicht der Blutrache oblag. Dem ins Aus-
land Geflohenen aber die Reinigung zu verweigern ist grausam und gottlos.
Zeus selbst hat einst den Ixion gereinigt und der Sage nach damit das
erste Beispiel und Vorbild gegeben,») auch andere Götter versagen den
BiELS Sitzgsber. der Berl. Akad. 1891
S. 389 f.
•) 1 633 ff., B 665, N 574 u. 697, W 89,
o 224, I 380, q> 27 ff
') Proklofl Aithiop. Waokbr Mythogr.
gr. 242.
*) ^ 85 ff. Demosth. XXIII 61 p. 639.
LoBBCK Agl. 968.
») Lobeck Agl. 869. ApoHod. II 3, 1.
«) RoHDE Psyche» I 265, 1.
») Paus. II 20, 7.
«) Pherekyd. Frgm. 103. Aischyl. Eum.
440 f. u, 717 f. Frgm. 197 Herrn.
8. Knltiuliaiidliuigeii. (§ 85.)
141
Sterblichen diese änade nicht, >) da dürfen es die Menschen ebensowenig:^)
Orestes wird in Troizen gereinigt,*) und der Phryger Adrastos vom
lydischen König Eroisos.^)
Die spätere Zeit macht einen Unterschied zwischen absichtlichem und
nicht beabsichtigtem Todschlag, zwischen gerechter und ungerechter
Tötung.*) Wer den Buhlen bei der Qattin, Tochter, Mutter oder Schwester
bei der That ertappte und ihn tötete, wer einen Geächteten oder einen
Tyrannen^) erschlug, brauchte nicht gereinigt zu werden,^) ebensowenig,
wen die Richter von der Schuld freigesprochen hatten. Auch wenn der
Sterbende freiwillig auf die Rache verzichtete und sich mit dem Mörder
versöhnte, blieb dieser unbehelligt.^) Unvorsichtiger Todschlag beim
Waffenspiele machte nur eine Reinigung notwendig ; wer sonst ohne seine
Absicht getötet hatte, musste auf eine bestimmte Zeit in die Fremde
gehn.*) Er verliess das Land mindestens auf ein Jahr^^) auf einem
vorgeschriebenen Wege,^^) nachdem er vorher in der Heimat gereinigt
worden war. War die Strafzeit abgelaufen, so söhnte er sich mit den
Angehörigen des Getöteten aus, was diese ihm nicht verweigern durften,^')
unterzog sich nochmals einer Reinigung und war dann ganz restituiert.^*)
Nicht jeder Mord war sühnungsfähig. Wer Eltern oder die nächsten Ver-
wandten, z. B. einen Bruder,^^) erschlagen,^*) oder den Gastfreund er-
mordet hat,>*) verfällt den Erinyen. Auch für eine Blutthat, die an ge-
heiligter Stätte vollbracht worden ist, giebt es keine Verzeihung.* 7) Eine
Verjährung der Blutschuld tritt nicht ein;**) ja es scheint vorgekommen
zu sein, dass noch die männliche Nachkommenschaft bestimmter Mörder
für die Schuld des Vaters durch Rechtsbeschränkung zu büssen hatte. ^^)
Dem auf Mord Angeklagten ist bis zum Gerichtstage das Betreten einer
geweihten Stätte untersagt, und keiner darf die Hand auf ihn legen; der
Prozess findet unter freiem Himmel statt. •^) Wer wegen eines sühnungs-
fähigen Mordes in der Verbannung lebt und draussen jemanden ermordet
zu haben beschuldigt wird, muss nach athenischem Gesetz zu dem am
Meer gelegenen Gerichtshof Phreato fahren und vom Fahrzeug aus seine
Verteidigung führen.*^)
Doch mehr als diese halb rechtlichen Fragen gehen uns hier die
religiösen Geremonien, d. h. die Art der Reinigung selbst an.
185.
^) ApoUod. II 22 Wagitbb 57 und epit.
>) Aisch. Euro. 233 f.
») Pau8. II 31, 7.
*) Herod. I 35.
B) Vgl. Isokr. Paneg. 10. Aristot. Ath.
Pol. 57.
') Vgl. ZsLLBB Ber. der preuss. Akad.
der Wi88. 1887 S. 1140.
') Aristot. Ath. Pol. 57. Meier-Schob-
mann' Att. Prozess 377 f.
*) Eur. Hipp. 1450. Demosth. XXXVIT 59.
»j Schol. II. Ä 480.
^^) dneyucvuafio^, vgl. Plat. Leg. IX
p. 865.
»0 Demosth. XXIII 72 p. 644.
>') Philippi Areopag und Epheten 115 f.
^') Dass der Reinigung nicht sogleich
oder ganz selbstverständlich die Sühnung
{IXaafAoi) folgt, zeigt am besten das Beispiel
des Orestes (Aisch. Eum. 448 fF.). Vgl Rohde
Psyche« I 271 fr.
»*) Aisch. Sept. 680 flf.
•*) Aisch. Eum. 605, 212.
'«) Aisch. Eum. 546, 355.
''') Arist. Ath. Pol. 1. Eur. Ion 1259
•8) Passow Herm. XXV 466 f.
»») Arkad. Inschr. Bull, de corr. XVI
569 fl. u. Dittbnbbbgeb Herm. XXVIII 472 ff,
»0) Antiph. V 11.
«») Aristot. Ath. Pol. 57. Demosth. XXIII
17 p. 146.
142
Die griechischen dütnealtertttmer.
Am ausführlichsten wird nns die Reinigung lasons und Medeias
nach dem Morde des Apsyrtos geschildert.') Die Mörder stellen sich
Kirke als der Reinigung bedürftig vor, ohne zu sagen, wer sie sind, denn
der Ungereinigte darf zu keinem sprechen,^) und Kirke erfüllt ihre Bitte,
ohne zunächst darnach zu fragen, wie Eroisos den Adrastos reinigt, ehe
er weiss, mit wem er es zu thun hat. Was der Flehende will, erkennt
man aus seiner Haltung; mit verhülltem Haupte setzt er sich auf den
Herd,*) denn das Sitzen ist ein Zeichen der Hilflosigkeit und der
Demut. '^) In dieser Stellung findet die Pythia^) Orest, einen Ölzweig
mit weisser Wolle umwunden in der Hand.«) Der Reinigungsakt zerfallt
in zwei Teile, wie wir es schon in der Schilderung der Aithiopis (freilich
in umgekehrter Reihenfolge, S. 140) fanden: in die eigentliche Reini-
gung und das Yersöhnungsopfer. Kirke schlachtet ein noch saugendes
Ferkel, lässt das Blut des Tieres über die Hände der Mörder fliessen,^)
und wäscht sie, den Zeus Katharsios anrufend, mit Wasser ab, das sie
darnach durch eine Dienerin fortschaffen lässt. Darauf begiebt sie sich
an den Herd des Hauses, verbrennt hier unblutige Opfer und giesst wein-
lose Spenden ins Feuer, wiederum die Gnade des Zeus anrufend, der die
Erinyen besänftigen solle. Das Ferkel darf als fluchbeladen nicht auf dem
Herde verbrannt werden, sondern wird wohl von den Dienerinnen zusammen
mit dem verunreinigten Wasser beseitigt worden sein.*)
In das Gebiet der Kathartik gehört auch der abscheuliche Brauch
des fiaaxaXi^eiv.^) Der Mörder schneidet dem Toten die Extremitäten ab,
reiht die abgeschnittenen Gliedmassen auf eine Schnur, legt sie dem Toten
um den Hals, zieht die beiden Enden, nachdem sie sich über der Brust
gekreuzt haben, unter den Achseln durch und bindet sie dann wohl auf
dem Rücken zusammen. Er behandelt den Leichnam wie den Leib eines
Opfertiers, die abgeschnittenen Stückchen sind die djiagxcci oder ccQyfiata^^^)
die den Göttern geweiht werden, sie sollen wenigstens symbolisch ein
Reinigungsopfer bedeuten. Zugleich aber wirkt ein andrer Aberglaube
oder Glaube mit: die Toten gehn in den Hades so, wie sie aus dem Leben
schieden, oder so, wie man ihren Leib zuletzt auf der Oberwelt sah, der
Verstümmelte lebt auch in der Unterwelt mit denselben Gebrechen weiter,^»)
und ist also der Fähigkeit beraubt, sich an seinem Mörder zu rächen.**)
Denselben Sinn hat das dreimalige Aussaugen und Ausspeien des Blutes;*^)
es soll den Toten schwächen und zugleich eine Art Gegenzauber gegen
die Macht der Rache heischenden Seele ausüben.
86. Viel umständlicher und wichtiger sind die Reinigungen eines
Apoll. Rhod. IV 702 if.
') Aisch. Eum. 277 flf., 448 fF.
») Schol. 11. ß 480. Schol. Demostb.
XVIII 259 p. 313. DiELS Sib. Bl. 123.
*) Thuk. I 24; I 136.
*) Aisch. Eum. Anf.
•) Vgl. Aisch. Suppl. 191.
') Schol. Apoll. Rhod. IV 704. Etym.
M. 313, 41. Schol. Arietoph. Vesp. 288. Rohdb
Psyche'' I 271; II 78, 1. Diels Sib. ßl. 70.
») Vgl. Dorotheos bei Athen. IX 78p. 410,
auch Didymos im Schol zu Aristoph. Fax
956 u. Athen. IX 409 B.
•) Aisch. Cho. 439. Soph. El. 445. Etym.
M. 188, 22 f RoBDE Psyche« I 322 fF.
*o) Od. I 428, 446.
") Od. Ä 40 f. Soph. Oid. T. 1371 ff.
DüMMLBR Philol. 1897 S. 6 ff.
'0 Anders Benndorf Monument v. Adam-
klissi 1 32 A . 1 . V. Wilamowitz Aisch. Cho. 201.
»») Apoll. Rhod. IV 477. Robde Psyche*
1 426.
8. Ealtashaiidliiiigen. (§ ^.)
143
ganzen Volkes. Sie werden teils in regelmässigen Zwischenräumen
vorgenommen, auch ohne dass eine besondere Veranlassung vorliegt,
weil man nicht wissen kann, ob nicht durch irgend eine verborgene
Missethat der Zorn der Gottheit erregt ist, und es vermeiden will, ^rst
durch eine über das Land verhängte Seuche oder andere Heimsuchungen
darauf aufmerksam gemacht zu werden, teils werden sie angestellt, wenn
man die Stadt durch irgend einen Greuel befleckt glaubt. Jenem Zwecke
dienen die grossen Sühn- und Versöhnungsfeste, wie z. B. in Athen die
alljährlich gefeierten Thargelien,') diese finden, wie das in der Natur der
Sache liegt, nur in ausserordentlichen FäUen statt. Keine ist bekannter
und berühmter, als die Reinigung Athens durch Epimenides, den man
dazu aus Kreta holen liess. Die Mehrzahl der Kyloniden war von einer
Schar Athener unter Führung der Alkmeoniden ermordet worden, und
zwar an Altären, zu denen sie Schutz suchend geflohen waren. So war
der Frevel besonders schwer. Eine verheerende Seuche befiel die Stadt,
und in dieser Not schickte man, da nichts helfen wollte, zu dem be-
rühmten Sühnpriester nach Kreta, wie man sich in solchen Fällen über-
haupt gern ans Ausland wandte, selbst wenn es durch uralte Kulte
weniger berühmt war als die Insel des Minos.') Epimenides kommt und
nimmt eine umfassende Reinigung der Stadt vor.') Ehe mit dieser be-
gonnen werden kann, müssen die Alkmeoniden, die Schuld am Morde
trugen, das Land verlassen, und auch die Gebeine der inzwischen ver-
storbenen Mitschuldigen (ivayeTg), die dem Geschlecht angehörten, aus-
gegraben und über die Grenze geschafft werden. So lange sie sich im
Lande befinden, ist eine Reinigung nicht möglich, weil von ihnen das
/i/aa/ia, welches das Land verpestet hat, immer aufs neue ausgehen
würde.*) Nach der Anordnung des Lustrierenden werden schwarze und
weisse Schafe auf den Areopag gebracht, wo an den Altären der Eume-
niden die Blutthat begangen worden war. Man dachte sich wohl, dass das
fiiafXfia an einigen Stellen der befleckten Stadt und des Landes besonders
hafte und von ihnen wie von einem Herd der Ansteckung sich vorzugsweise
verbreite. War ein Schuldbefleckter einen bestimmten Weg gegangen
und hatte sich an bestimmten Stellen aufgehalten, so konnte man diese
lustrieren: hier hatten die Mörder sich noch lange nach der That im
Lande befunden und überall verkehrt, und so liess man denn die Tiere
frei laufen und überliess es den Göttern, sie hinzuführen, wohin sie
wollten. Wo sich ein Schaf niederlegte, wurde ein Altar errichtet, und
an diesem ward es geopfert, und zwar keinem bestimmten Gotte, sondern
%([) nQoarjxowi, dem es zukäme. Deshalb die Wahl der verschieden-
farbigen Tiere, weil die chthonischen Gottheiten dunkle, andere weisse
verlangten. Neanthes von Kyzikos (bei Athen. XHI 78 p. 602) berichtet,
') Vgl. Schäfer Demosth.« II 155.
2) DiBLB Sitzgber. der Berl. Akad. 1891
S. 391.
») Aristot. Ath. Pol. Anf. Suid. u. 'E/r«-
(jLBvliti^. Athen. XIll 78 p. 602. Diog. Laert.
I 110 vgl. 112. DiBLS a. a. 0. 887 ff. v. Wi-
LAKOWiTZ Eur. Hippel. 243 ff. Rohde Psyche'
II 98 f. Von alteren Untersuch, vgl. Rohde
Rhein. Mus. XXXIII 208 ff. Niese Histor.
Unters, f. A. Schäfer 1 ff., Bonn 1882.
Loeschcke De Pausaniae descript. 23 ff. Dor-
pat 1883. TöPFFER Att. Geneal. 140 ff. Schul-
TESS De Epimenide Crete, Bonn 1877.
«) Eur. Her. 1322. Dibls a. a. 0.
144
Die grieohisohen Enltnsaltertlkmer.
Epimenides habe auch ein Menschenopfer für erforderlich gehalten, und
ein schöner athenischer Jüngling habe sich freiwillig zu sterben erboten,
andere Schriftsteller, ^ es seien zwei Menschen geopfert worden.^) Dass
Plutarch davon schweigt, beweist nicht, dass dies Opfer nicht wirklich
vollzogen worden ist.^) Bei solchen Gelegenheiten hat man in der That
auch in späterer Zeit Menschenopfer gebracht.^)
Der Glaube, dass einzelne von den Göttern mit Offenbarungen be-
gnadete Männer sich vorzugsweise auf Reinigungen verstünden, ward bald
allgemeiner, und wie man sich in der Praxis erforderlichen Falls an
solche Sachverständige wandte, so wusste die Sage an berühmte Seher
und Priester der Vorzeit anzuknüpfen, und von Lustrationen, die sie vor-
genommen hätten, zu berichten. So sollte Melampus die Töchter des
Proitos gereinigt haben, ^} und Teiresias gab an, wie das Haus der Am-
phitryon, in dem der kleine Herakles die von Hera gesandten Schlangen
erwürgt hatte, gereinigt werden sollte.^)
87. Gebräuche und Ceremonien^) sind natürlich, wenn ein ein-
zelner Befleckter gereinigt werden soll, ganz andere, als wenn es sich
um ein Land oder eine Stadt oder überhaupt einen grösseren Raum
handelt. Hier fehlt das Blut von Opfertieren niemals, dort ist es nur
dann unentbehrlich, wenn der zur Reinigende selbst Blut vergossen hat;
denn das Tier stirbt statt des menschlichen Thäters; dadurch aber wird
der Groll des Toten versöhnt, und ist er beschwichtigt, so ist der Schul-
dige auch wieder rein.^) Damit ist freilich nicht gesagt, dass nicht auch
in andern Fällen Blutopfer gestattet und in bestimmten sogar Sitte ge-
worden waren. ^) Namentlich in späteren Zeiten konnte man sich hierin
kaum genugthun, wie die, besonders in Italien üblichen, Taurobolien und
Kriobolien beweisen, die man schon zu grösserer Wirkung der TslsraC
anwandte, also einer Reinigung, der überhaupt keine bestimmte Verschul-
dung und Befleckung vorausgegangen war.^^) Im allgemeinen aber gilt,
dass bei der Reinigung von Personen ausser dem xaO'äQCiov nvQ^^) unter
allen Umständen erforderlich nur das Wasser war. Und zwar ist nur
fliessendes oder Meerwasser geeignet, das auf die Dauer nicht befleckt
werden kann,'*) ein See oder Teich würde selbst verunreinigt worden
sein. Auch scheint man das Wasser einiger Quellen für besonders wirk-
sam gehalten zu haben. Orestes soll mit dem Wasser der Hippokrene
gereinigt worden sein, *^) Pausanias (U 17, 1) erzählt von einem Quell in
») Vgl. DiBLS Sib. Bl. 69 ff., 120 ff.
«) Eur. Iph. T. 1223 (poytp <p6yoy ix-
rlnxeiv, Rohdb Psyche* II 77.
») Vgl. z. B. Paus. V 16, 5.
»«) z. B. IG Sic. et Ital. 1018, 1020.
»«) Eur. Her. 937. Vgl. Iph. T. 1224 u.
1216.
'«) Aisch. Eum. 452. Eur. El. 794. Iph.
T. 1039, 1193. DiTTENBEBGRR Syli. 468, 15.
Eoische Inschr. bei v. Prott Leg. sacr. S. 25
ZI. 23 f. (Paton u. Hicks nr. 38) Kaibbl
Epigr. gr. 1034. Paus. IX 30, 4, V 5, 6. Poll.
I 32 f. Vgl. Verg. Aen. II 719. Rohde Psyche«
II 405 f.
»») Paus. II 31, 11.
Vgl. Diog. Laert. I 110 Ende.
^) Der Name des einen, Kratinos, wird
übereinstimmend bei Diogenes und Athenaios
überliefert. Die Quelle, der Diogenes bei der
Schilderung der Reinigung folgt, berichtet
nichts von Menschenopfern, bringt die Sache
aber auch gar nicht in Zusammenhang mit
dem ayog KvXmyeiov.
•) RoHDE Psyche* II 99. Schobmann a.
a, 0. II 362 Anm. 2 legt mit Unrecht darauf
Gewicht, denn Plutarch schildert die Reini-
gungsceremonien überhaupt nicht.
*) Vgl. DiBLS a. a. 0. 391 A. 4.
6) Paus. VIII 18, 8; V 5, 5.
•) Theokr. Id. XXIV 86 ff.
8. Enltiuhandliingen. (§ 87.)
145
der Nähe des Heraions bei Mykenai, dessen Wasser man vorzugsweise zu
Reinigungen gebrauchte,^) und die Argeier benutzten den Quell Lema zu
demselben Zweck. ^) In andere Quellen wiederum durfte man weder
Opferblut giessen noch ihr Wasser zu Reinigungen gebrauchen. 5) — Bis-
weilen wird dem Wasser Salz beigemischt,*) oder der Waschung eine
Salbung mit Myrrhenöl hinzugefügt.^) Auch mit anklebenden, das Un-
reine aufsaugenden Stoffen, wie nasser Erde, Kleien oder Eidottern wird
der zu Reinigende bestrichen (TicQiiprjfia^ nsQiiiatieiv)^^) und dann alles
durch Abwaschungen mit Wasser entfernt.') Sodann wii'd der Lorbeer,
dem man eine reinigende Kraft zuschreibt,^) bei Lustrationen angewandt;
desgleichen die Feige*) und der Nieswurz. *<>) Das wesentliche ist, dass
jede Spur der Unreinheit getilgt wird, auch Gerüche. Zu diesem Zweck
wird ein Feuer angezündet,*») und Schwefel,") Weihrauch und stark duf-
tende Kräuter darin verbrannt.»')
Alles was zur Reinigung angewandt {xad^ÜQfiara^ xad^ägtria) und mit
dem Befleckten in Berührung gekommen ist, wird sorgfaltig beseitigt, und
zwar vergraben**) oder ins Meer**) oder in einen Fluss*«) geworfen. Nie-
mand darf etwas davon berühren,»') auch das gebrauchte Wasser wird
fortgeschafft.*^) Verbrannt scheint niemals etwas zu sein. Beim Ver-
lassen der Stätte, wo man die xa&ccQfiava fortgeworfen hatte, durfte man
sich nicht umschauen.**) Wurde ein Tier geschlachtet, so beseitigte man
den Leib und das zur Reinigung benutzte Blut auf dieselbe Weise. Wie
die andern Reinigungsmittel wurde es den unheimlichen Geistern über-
lassen, war ein Opfer für sie.*^) Für besonders wirksam galt das Blut
noch saugender Ferkel,»**) seltener das von jungen Lämmern,* 2) wahr-
scheinlich erst in späterer Zeit auch das von Hunden.**) Ein vereinzelt
dastehender Fall ist es, dass bei der Reinigung des Heiligtums der Aphro-
dite Pandemos in Athen eine Taube geopfert wird.**) Dieser Vogel war
ihr heilig,*^) Schweine*®) aber verhasst.»*^) Mit Ferkelblut wurde der
•) Vgl. Paus. V 15, 6.
*) HesYch. n. AiQvti,
3) Paus. I 34, 3.
*) Theokr. Id. XXIV 96.
B) Eleidemos bei Athen IX 78 p. 410
^) Demosth. XVIll 2h9 p. 313. Lobeck
Agl. 652 ff. RoHDE Psyche' II 406 f.
') Plut. De superstit. 3. Luk. Dial. mort.
I 1; Katapl. 7. negiggaCysir Poll. VIII 65.
*) Eur. Ion. 114 ff. Dibls Sib. Bl. 120.
>) Athen. 111 74 D. Paus. I 37, 4. Eustath.
zur Od. 9; 116 p. 1572. Vgl. auch Stengel
Jahrb. f. Phil. 1888 S. 370 u. Töpfpbr Att.
Geneal. 249.
»«) Plut. Quaest gr. 46.
»') »adtlQaiov nvg. Eur. Iph. T. 1216.
Her. 937. v. Wilamowitz Her." II 208.
''^) MoHMSBN SäkuläraktenMonum.antich.
1891 S. 639.
") Vgl. ScHOEMANK Gr. A.' II 368.
»«) Z. B. Paus. II 31, 11.
»*) n. j4 314.
'•) Paus. V 5, 6; VIII 41, 2.
Handbuch der klaas. AltertuioBwimeDschaft. Y, 8. 2. Aufl.
•^) Porph. De abst. II 44.
»8) Athen. IX p. 410.
'<>) Schol. Aisch. Cho. 98. Apoll. Rhod.
III 1037 ff. RoHDB Psyche* II 85, 2.
**») RoHDB Psyche» II 79, 1.
«') Aisch. Eum. 430 u. 282. Paus. V 16,
5. Schol. Apoll. Rhod. IV 704. Bildliche Dar-
stellung eines Reinigungsopfers bei Schreiber
Kulturhist. Atlas Taf. XV n. 18.
"*) Eur. Iph. T. 1223.
") Plut. Quaest. rem. 68 vgl. 52. Da-
rbmbbrg-Saglio Dict. I 438 f. Arch. Ztg.
XIV 215 ff.
•-»0 Bull, de corr. XIII 163.
»^) Schol. Apoll. Rhod lll 549.
«6j Vergl. die delische Inschr. Bull, de
corr. VI 22 ZI. 180: x^^Q^^ ^^ legoy xaßd-
gai, die eleusinische Ephem. arch. 1883 S. 1 19
ZI. 49: x^^Q^*' ^^'^ xa^l^gai to leQ]6[y] u d.
koische v. Prott Leg. sacr. S 29 B ZI. 4
(Paton u. Hioks nr. 40): xa^algetai joi^^.
") S. S. 108,
10
146 Die grieohisohen Ealtiisaltertamer.
Platz, auf dem die Volksversammlung abgehalten werden sollte, vor Be-
ginn der Verhandlungen besprengt ;i) und das geschah mit jedem Ort,
wo eine grössere Versammlung stattfinden sollte, weil ein Befleckter da-
runter sein konnte; 2) wie denn z. B. die Mysterieninschrift von Andania
bestimmt, dass der Priester rgetg xoiQttxxovg schlachte und damit das Theater,
das die Festversammlung aufnehmen sollte, reinige.') Namentlich wurden
auch die Tempel von Zeit zu Zeit gereinigt,*) da auch sie trotz des Ver-
botes 0) ein Unreiner betreten haben konnte, und, wenn es erforderlich
schien, die Wohnhäuser.«) Man zündete dann auf dem Altar oder Herd
Feuer an, trug den Opferkorb mit ovXai\ denen reinigende Kraft zuge-
schrieben wurde,'') herum, tauchte ein brennendes Scheit in das geweihte
Wasser und besprengte damit die Anwesenden.^) Polybios^) berichtet uns
von einer Reinigung, die die Mantineier vornahmen, als sie ihr Land
durch die Anwesenheit durchreisender Kynaither, die Bürgerblut ver-
gossen hatten, befleckt wähnten. Nach der Entfernung der Schuldigen
tragen sie Opfertiere in der ganzen Stadt und auf dem Lande umher,
offenbar auch in dem Olauben, dass so am sichersten alle Unreinheit sich
auf diese übertragen und aus dem Lande entfernt werden werde. Tanagra
soll einst durch Hermes von einer Pest befreit worden sein, indem er
einen Widder um die Stadt herumtrug, und alljährlich wird diese Prozedur
von dem schönsten Jünghng wiederholt, i^) Für besonders geeignet zu
solchen Zwecken gilt das Fell eines dem Zeus Meilichios als Sühnopfer
geschlachteten Widders, das sog. Jiog xfi)SiovM) Bei den Sühn- und Rei-
nigungsfesten wurde es in der ganzen Stadt umhergetragen, als sollte es
in seinen Flocken alles Unreine aufsaugen. 1*) Auch bei Reinigungen ein-
zelner wird es angewandt. Der Betreffende tritt während des Reinigungs-
aktes mit dem linken Fuss darauf, i») damit das fiiaa^a, das an ihm haftet,
in das Fell abgeleitet und von ihm aufgesogen werden könne, wie das
Wasser und die andern Substanzen, mit denen sein Leib gereinigt wird.
Berufsmässige Sühnpriester oder Priesterinnen scheinen zu demselben
Zweck auch Rehfelle benutzt zu haben, was mit Dionysischem Wesen
zusammenhängen mag.**) Lag keine bestimmte Befleckung vor, sondern
schloss man nur aus Unsegen, dass der Zorn einer Gottheit auf dem
Lande lastete, so wurde auch durch Prozessionen und eigens gedichtete
*) Istros bei Suid. u. nsQUfrittQxos. Ari- ■ ") S. Lobbok Agl. 183 ff. Polemon ed.
stoph. Ach. 43; Ekkles. 128. Vgl. Gilbert i Pbellbr 139 ff.
Gr. Staatsaltt. I 274. '^ Der An^dmck. dnodionofÄnet&9ai,, der
') Harpokr. u. Suid. u. xada^ioy.
») DlTTBHBBBGBB Syll. 388, 68.
*) Bull, de corr. VI 22 f. Athen. Mitt.
XVI 180 ZI. 21.
*) Antiph. VI 4.
«) lGA395a. Dittbnbbrobb Syll. 468, 15.
') Vgl. Od. rf 761 und die Sitte, beim
Opfer die teilnehmenden Personen und die
Tiere mit Gerstenkörnern zu bewerfen Ari-
stoph. Pax 961 f. Schol. Nub. 260. Equ. 1167.
•) Vgl. Eur. Her. 922 ff.
») IV 21, 8 f.
»«} Paus. IX 22, 2.
für solche Reinigungen stehend ist und viel-
fach synonym mit xa^teiQeif&M gebraucht
wird (z. B. Plat. Leg. IX 877 E) wird ur-
sprünglich auch nichts anderes bedeuten als
die btthnmittel in Stadt oder Haus herum-
tragen und dann wegschaffen. Vgl. negi-
ariaQXos bei den Lexikographen u. xa&aQfjia,
xada^ioy, Istros bei Phot. TTf^i^^/oi^ra»
Xoi-Qog>OQovyt€g.
») Lobbck Agl. 185.
' ») Demosth. XVIll 259 p. 313. Harpokr.
u. vepgl^tav.
8. KnltnBhandluigeii. (§ 88.)
147
Sühnlieder Vergebung und Versöhnung gesucht,^) Ceremonien, bei denen
auch Opfer nicht gefehlt haben werden.') Auch sucht man durch fromme
Werke dem geftirchteten Zorn der öötter vorzubeugen; nach der Zer-
störung der Nachbarstadt Plataiai erbauen die Thebaner der Hera einen
Hekatompedos aus Marmor und benutzen das in der Stadt vorgefundene
Material zur Herstellung von Klinen, die sie der Göttin weihen.^)
88. Verunreinigt werden kann man durch mancherlei, und es be-
darf kaum der Erwähnung, dass der Abergläubische und Ängstliche,
geradeso wie er in den geringfügigsten Begegnissen ein Omen wittert,
auch durch manches befleckt zu sein fürchtet, worüber der Verständige
sich keine Skrupel macht. Aber es gab auch genug Dinge, die allgemein
als verunreinigend angesehn wurden. Vor allem die Berührung mit
Toten. Vor das Haus, in dem sich eine Leiche befand, wurde ein Gefäss
mit Wasser {ä^idviov),*^) das aus einem fremden Hause geholt sein
musste,^) aufgestellt; wer das Haus betreten hatte, musste sich hier erst
reinigen, ehe er mit andern zusammenkommen durfte. Am Tage nach
der Bestattung des Toten mussten nicht nur die Bewohner des Trauer-
hauses, sondern dieses selbst gereinigt werden. Ehe dies geschehen,
durften nur die allernächsten Verwandten, die von der Befleckung so wie
so ergriffen waren {/xiaivofisroi), das Haus betreten, abgesehen vielleicht
von noch einigen Personen, deren Dienstleistungen unentbehrlich waren.
Dann mussten sich alle Befleckten durch Waschungen des ganzen Leibes
reinigen,®) sofern sie nicht noch umständlichere Reinigungen für gut be-
fanden. 7) Aus lulis auf Eeos haben wir ein Gesetz,^) wonach dort
ausser der Mutter, Frau, den Töchtern und Schwestern des Verstorbenen
auch noch einigen wenigen entfernter verwandten Frauen und Mädchen
der Zutritt gestattet war,^) und ähnlich ist es gewiss überall gewesen.^®)
Dass nur von Frauen die Rede ist, erklärt sich wohl daraus, dass es
ihnen oblag, die Leiche zu waschen, kleiden und überhaupt für die Auf-
bahrung vorzubereiten.^^) Beim Begräbnis folgen beide Geschlechter.
Die Zeit^ während der man sich als unrein ansah, wird gewiss nicht
überall von gleicher Dauer gewesen sein. Als das mindeste wird man drei
Tage annehmen müssen, als Regel vielleicht neun.^>) Starb jemand ev
irj/ioaifp, so musste der Srjfiog gereinigt werden. * 3) So ist es denn nur
natürlich, dass in fast allen igriechischen Staaten^^) die Toten ausserhalb
der Stadt bestattet werden mussten, und wir verstehen, was für eine
DiBLS Herrn. XXXI 363 ff.
«) Vgl. schon IL J 472 f. fioXnß tt«-
axoyro.
») Thuk. III 68.
*) Poll. VIII 65. Schol. Aristoph. Ekkl.
1030.
^) Uesych. u. ocTgaxoy.
•) DiTTENBBROEB Syll. 468, 30 f.
') Vgl. [Plat.] Min. 3I5D. Schol. Ari-
stoph. Vesp. 289.
') DiTTENBBBOER Syll. 468.
«) Vgl. DiTTENBBROBB SylJ. S. 655 A. 15.
1») S. Schol. Aristoph. Nuh. 838, das Ge-
setz des Solon [Demosth.] XLIII 62 p. 1071
und die Inschrift aas Gambreion in Mysien
DiTTEKBBBQBB Syll. 470, 13 ff. Letztere be-
stimmt, dass Zuwiderhandelnde zehn Jahre
lang von allen Opfern auszuschliessen seien.
Vgl. RoHDB Psyche* 1 221, 1. Iw. v. Müller
Hdb.» IV 2, 218 ff.
") Isai. VI 41; VIII 22. Fiat. Phai-
don 63.
•=') DlTTBNBBBGBR Syll. 379, 6.
»») [Demosth.] XLIII 57 f. p. 1069.
*^) Ober Ausnahmen s. Iw. v. Müller
a. a. 0.
10*
148
Die grieohisohen Knltasaltertttiner.
Ehre es war, wenn der Gründer einer Stadt oder sonst ein hoch verdienter
Mann auf der Agora begraben wurde. In besonders heiligen und auf
ihre Reinheit mehr als andere haltenden Orten durfte überhaupt keine
Leiche begraben werden. Bekannt ist die wiederholte Säuberung der
Insel Dolos von allen Gräbern und Gebeinen,') von der denn auch ebenso
wie aus dem Asklepiosheiligtum zu Epidauros alle dem Tode nahen Per-
sonen fortgeschafft werden mussten.»} Wie der Tod galt auch. die Ge-
burt für verunreinigend.*) Die Wöchnerin, das neugeborne Kind und
alle Personen, die bei der Geburt irgendwie beschäftigt gewesen waren,
bedurften der Reinigung, die bei den Letztgenannten sogleich, beim Kinde
nicht später als am zehnten Tage nach der Geburt,*) bei der Wöchnerin
am vierzigsten Tage nach der Entbindung vorgenommen wurde. ^) Aus
dem Asklepiosheiligtum in Epidauros und aus Dolos wurden Frauen, die
ihrer Niederkunft in Bälde entgegensahen, geradeso wie die Sterbenden
entfernt.^) — Auch Beischlaf ward als verunreinigend angesehn,^)
wenigstens durfte man sich einem Heiligtum nicht ohne vorhergegangene
Reinigung nahen. Natürlich waren die Vorschriften, die dafür in den
einzelnen Tempeln bestanden, verschieden,^) und ihre Handhabung war
wohl auch öfters in das Ermessen der Priester gestellt.^) So begleiteten
Reinigungen das ganze Leben des Menschen. ^^) Natürlich hing es in
diesen Dingen mehr als irgendwo anders von der Ansicht und dem Gefühl
des einzelnen ab, ob und wodurch er sich eine Verunreinigung zuzuziehen
glaubte ;^i) am bedenklichsten blieb immer die Berührung mit einem Mörder
oder einer Leiche. Auf den Vorschlag Xenophons und den Rat der Seher
wird eine Entsühnung {xa&aQfiog) des Heeres veranstaltet, als eine Ab»
teilung von Soldaten eine Niederlassung Befreundeter überfallen und nach-
her sogar ihre Gesandten getötet hatte. ^') Plutarch^^) erzählt, dass die
Athener in einer Volk Versammlung eine zweite Reinigung vornahmen,
weil während der Sitzung die Nachricht eintraf, dass in Argos in einem
Bürgerzwist 1500 Männer erschlagen worden seien. So glaubte man sich
also schon durch das blosse Anhören der Schreckensthat verunreinigt.
Ein attisches Gesetz^*) aber bestimmte, dass, wer einen Toten berührte,
sich zehn Tage lag als verunreinigt anzusehn habe, ein Zeitraum, der
schon auf kürzere Frist, als sonst Regel war, beschränkt zu sein scheint. **)
Allgemein war die Sitte, sich vor der Hochzeit einer religiösen Reinigung
») Thuk. V 11. Flut. Arat. 53. Rohdb
Psjche' I 159, 1. 229. 11340. Dümmlek Del-
phica, Baseler Universitätsprogr. 1 894 S. *Ab f.
'') Thuk. III 104. Herod. I 64. Diod.
XII 58. Sonstige Reinigungen der heiligen
Insel durch Schweineopfer Reclmungsurkunde
V. J. 250 ZI. 54 f. Bull, de corr. VI 22 f.
») Paus. II 27, 1.
*) Eur. Iph. T. 382 f. Zu heidem vgl.
auch das Märchen des Sophron im Schol. zu
Theokr. II 12. Pbeller-Robebt Gr. M. I 324
A. 4.
*) Suid. u. tt/Ä<pi&g6fjncc.
^) Censorin. De die nat. c. 11, 7 p. 28
Jahn.
') Vgl. schon Hes. Erg. 732 f. Inschr.
y. Eos y. Pbott Leg. sacr. 8. 20 ZI. 43
(Paton u. Hicks nr. 37) Pergam. Inschr.
VIII 2 nr. 255. Diog. Laert. VIII 1, 35.
Hesych. u. dyyeveiy und üher Ehebrecherin-
nen [Demosth.] LIX 87 p. 1374.
») Vgl. DiTTBKBEROEB Syll. 379.
») Vgl. Diog. Laert. VIII 43.
'0) RoHDB Psyche^ II 71 flf.
'») Vgl. Theophr. Char. 16. Arrian. De
yenat. 32. Eur. Her. 1400.
»0 Xen. Anab. V 7, 35.
»») Praec. ger. reip. XVII p. 814B.
»*) DlTTBNBEBGEB Syll. 379.
«) Vgl. Iw. y. Müller Hdb. IV« 218.
8. Ettltushandlangen. (§ 89—90.) 149
zu unterziehn. Durch Bäder*) und Sühnopfer^) bereitete man sich auf
das neue Leben vor.') Ebenso ging der Weihe der Mysten eine Rei-
nigung voran, die mit der vor der Vermählung üblichen in ganz auf-
fallender Weise übereinstimmt.*)
89. Wenn wir nun fragen, an welche Gottheiten sich die Befleckten
vorzugsweise wandten, so ist dabei erstens zu erwägen, dass die meisten
Reinigungen, wie wir gesehn haben, in einfachen, im Hause vorgenom-
menen Waschungen bestanden, bei denen man überhaupt keinen Gott an-
rief, und zweitens, dass es sich in vielen Fällen, wo eine Sühnung für
notwendig gehalten wurde, um ein Vergehn gegen eine bestimmte Gott-
heit handelte, deren Gnade und Verzeihung man dann eben auch erflehen
musste. Es kommen also hier nur die Fälle in Betracht, wo die Gott-
heit überhaupt durch einen Frevel beleidigt ist, wo der Mensch im Ge-
fühl seiner Sündhaftigkeit, die ihn von Opfern, Festen, ja der Gemein-
schaft der Mitmenschen ausschliesst,^) die Erlaubnis der Annäherung, die
Fähigkeit mit Göttern und Menschen zu verkehren, wiederzugewinnen
versucht. Dieser machen ihn nicht etwa böse Gedanken, heimlicher
Zweifel an der Gottheit, innerer Zerfall und Abkehr von dem, was den
andern heilig ist, unwert und verlustig, sondern eine frevelhafte That, wie
der Mord eine ist. Und da wendet er sich dann allerdings an bestimmte
Götter, vor allem an Zeus {ficih'xiog, xa&aQtnog, äXs^ixaxog, anoxQonai^oq
u. s. w.)^) und an ApoUon, dessen Orakel in Delphoi in schwierigen
Fällen wohl stets zu Rate gezogen wurde, 7) Abergläubische, namentlich
Weiber, die auch wegen anderer Verunreinigung die Hilfe von Winkel-
priestern und weisen Frauen {iyxvTQ(axQiaiY) in Anspruch nahmen, auch
an Hekate.^) Man brachte ihr Hundeopfer ^<^) und vergrub auch wohl die
xax^ccQfiaTa an den ihr heiligen Kreuzungspunkten der Wege.**)
90. Dem homerischen Zeitalter ist der Gedanke, dass der Mensch,
der den Gott erzürnt hat, einer Sühne bedürfe, ebenso fremd wie die Sitte,
einen Mörder zu reinigen, oder der Glaube, durch die Berührung einer
Leiche sich zu beflecken. Die Begriffe „sündhaft"", „fluchbeladen'', „Busse'*
sind überhaupt noch unbekannt. Fürchtet man ein göttliches Strafgericht,
so bringt man dem Gott Opfer und Weihgeschenke, mit denen man ihn
erfreuen und günstig stimmen will. Ja auch später, als Reinigungen und
Sühnungen eine so grosse Bedeutung gewonnen haben, ist von der Vor-
aussetzung oder Notwendigkeit einer Reue und sittlichen Umkehr des
') Fiat. Erat. 405 A. Iw. v. Müllbb
Hdb. IV« 148.
*) Aisch. Enm. 835 n. Sohol.
») [Flut.] Prov. Alex. i6. Vgl. De-
125 f.
•) RoHDB Psyche^ I 273, 1.
') Vgl. z. B. Laert. Diog. I 110. Rohdb
Psyche» I 274 f.
rnosth. XVIIl 259 f. p. 313. I <») [Plat.] Min. 315. Schol. Aristoph.
♦) Demosth. XVIil 259 p._313. Zenob. j Vesp. 289. Etym. M. 313. Paus. III 17, 8.
in 98. LoBBCK Aglaoph. 646 ff. Lovatblli
Bull, della com. arcbeol. com. 1879 S. 10 f.
u. besonders Dibls Sib. Bl. 48 f. Auch ein
Schweineopfer Neuvermählter bezeugt für die
nnteritalischen Griechen Varro De re rnst. II
4, 9. Vgl. FbXkkbl Athen. Mitt. 1897 S. 440 ff.
») Eur. Her. 1282 ff, 1219. Antiph.
Tetral. I 1, 10. L. Sobhibt Ethik der 6r. I
') Da dies mehr die Mythologie als den
Kultus angeht, verweise ich hier nur kurz
auf Prblleb-Robbbt Oriech. Myth. I 143 ff.
u. 286 ff. Roschbb Mythol. Lex. S. 1894 f.
Rohdb Psyche* I 274 f.
»0) Stbkgbl Jahrb. f. Phil. 1883 S. 871.
^1) Enstath. zur Od. x ^81. Uarpokr. u.
o^v&vfjiut, Poll. V 163.
150 l>i6 grieohisohen Enltiuiftltertttmer.
Schuldigen nie die Rede, das richtig ausgeführte Ceremoniell der Lustra-
tionsgebräuche genügt, ihm die Reinheit wiederzugeben. Erfunden sind
diese im eigentlichen Griechenland kaum; andere Völker hatten sie früher
ausgebildet und bei ihnen werden die Griechen sie kennen gelernt haben.
Herodot (I 35) bemerkt bei der Schilderung der Reinigung, die Kroisos
mit dem Mörder Adrastos vornimmt, gelegentlich, dass die Lyder dabei
ganz ebenso verführen wie die Hellenen. Man hat daraus den Schluss
gezogen, die Griechen hätten die Mordsühne von den Lydem entlehnt, i)
und unmöglich wäre dies ja nicht. Näher liegt es jedoch, an Kreta zu
denken, wo diese Gebräuche sehr alt waren, und dessen Sühnpriester noch
in viel späterer Zeit besonderes Ansehn genossen. 2)
91. Die grösste Rolle spielen die Reinigungen in der Sekte der
Orphiker.*) Hier erscheinen sie als berufsmässig betriebene Kunst
und ausgebildete Doktrin. Bei Empedokles liegt die neue Lehre in den
Grundzügen fertig vor; über das 6. Jahrhundert hinaus führen keine
Spuren. Ihre Anhänger führten sie auf den thrakischen Orpheus zurück,
und nach diesem ihrem Stifter nannte sich die Gemeinde. Eine Menge
heiliger Bücher, die ausser den Regeln für das rechte orphische Leben
auch Vorschriften über die Behandlung der Leichen und Lehren von dem
Zustand der Seele nach dem Tode und den Strafen im Hades enthielten,
kursierte unter seinem Namen. Daneben existierten andere, deren alte
Verfasser die Legende ebenfaUs zu nennen wusste. So galt die Melam-
podie,^) die ausser dem Leben des Melampus auch die Thaten des Teiresias,
Kalchas, Amphiaraos und anderer mythischer Seher und Sühnpriester^)
schilderte, für hesiodisch. Uns geben die in Gräbern bei Sybaris auf
Goldtäfelchen gefundenen Inschriften aus dem 4. Jahrhundert^) von dem
Glauben und den Jenseitshoffnungen der Sekte ein zwar nicht vollständiges,
doch lebendiges Bild.
Es war alter Glaube, dass Schuld und Fluch der Väter weiter erben,
aber von einer Erbsünde, die alle belastet, weiss man vordem nichts.
Jetzt heisst es, der Mensch sei sündhaft von Anbeginn und von Natur,
eine einmalige Reinigung aber könne nichts helfen, wo keine einmalige
Verschuldung oder Verfehlung vorliege; dauernde Reinigung, Busse, As-
kese, religiöse Weihungen seien notwendig. 7) Nach dem Tode müsse
die unsterbliche Seele sich in einen neuen Leib einschliessen lassen, und
so immer wieder, bis sie endlich dem »Rad der Geburten**) entflohen, in
den wiederholten Leben alles Unreinen ledig geworden, wieder göttlich
>) Z. B. Gbotb Griech. Gesch. übers, v. I Ebbn De Orphei Epimenidis Pherecydis theo-
Meissnbe I 21. I goniis qnaest. crit.. Berlin 1888. Gompbbz
*) Vgl. Bebnays Theophr.igO. Rohdb ; Griech. Denker 1 100 ff.
*) Vgl. EcKBBMANir Melampns nnd sein
Psyche» I 272, 1 n. II 96. Töpffbb Atfc.
Geneal. 167 u. 259.
*) Rohdb Psyche^ II 103 ff. Dibtbbich
Nekyia. Lobeok Agl. 235 ff. Naegblsbacb
Nachhom. Theol. 402 ff. Gibsekb Rhein. Mns.
n. F. VIII 70 ff. 0. Gbuppe Kulte n. Mythen
I 632 ff. u. Flbcxbisbks Jahrb. Suppl. XVK
1890 S. 649 ff. Maabs Orpheus. Rohjde
Orpheus, Heidelb. Jahrb. 1896 S. 1 ff. 0.
Geschlecht 14 ff.
*) Vgl. Herod. II 49. Paus. VÜI 18, 3;
V 5 5
'«) IG Sic. et It. 638, 641 ff.
') Plat. Kratyl. p. 400. Demosth. XVIII
259 f. p. 313. Vgl.LoBBCK Agl. 565 ff., 795 ff.,
808 ff.
8} Rohdb Psyche' II 123.
8. KnltiiBhaiidlangen. (§ 91.)
151
zum Gott wird, wie sie es vor dem ersten Eingehn in einen Menschen-
leib gewesen ist. Die Mittel aber, die Reinheit allmählich, sicherer und
schneller zu erlangen, lehre die orphische Theologie. Nicht der Glaube
allein macht selig, auch Reinigungen und Weihen reichen noch nicht aus,
es wird den Bekennern asketische Lebensführung zur Pflicht gemacht.
Aber wenn auch die Abkehr und Loslösung vom Irdischen als Zweck und
Ziel orphischen Lebens bezeichnet wird, so versteht man darunter doch nicht
ein dem Leben Absterben, eine Ertötung des Leibes: die schwerste Ent-
haltung, die die Askese fordert, ist die der Fleischnahrung, i) Die Lehre
fand namentlich in Unteritalien früh Verbreitung, und die Pythagoreer
sind stark von ihr beeinflusst. Auch sie lehrten Seelenwanderung und
verwarfen die Fleischnahrung;*) konnte die Seele des Hingeschiedenen
doch auch in einen Tierleib fahren.*) Aber auch bei Piaton*) und bei
späteren Moralphilosophen ^) klingt die eine oder andere Seite orphischer
Lehre vernehmlich wider. Trotzdem darf man behaupten, dass die Lehre
in die Volksreligion nie tief eingedi*ungen ist, ihr blieb der Götter und
Menschen Geschlecht geschieden und unvereinbar.*) Erst in den matten
Jahrhunderten des Verfalls, wo mit dem Schwinden des raschen, un-
gestümen Pulsierens der Lebenskraft und heiterer Daseinsfreudigkeit auch
der Mangel an Selbstvertrauen und Selbstsicherheit eintrat, war ihr der
Boden bereitet, und es ist kein Zufall, dass die christliche Kirche, die
namentlich anfangs mehr im Jenseits als im Pilgerthal der Erde lebte,
vieles aus ihr übernahm. — Wie im Sektenwesen immer, fehlte es auch
hier nicht an Fanatikern und Ausartungen,^) so dass sich bisweilen selbst
der Staat veranlasst sah, gegen Missbräuche einzuschreiten.^)
Allerdings muss man einen unterschied machen zwischen jenen Or-
phikem, die eine Gemeinde bildeten und darin aufnahmen, wer eintreten
und sich den Satzungen fügen wollte, und den sog. Orpheotelesten®) und
Metragyrten,*^') die vorgaben, durch allerhand Beschwörungen und Zauber-
werk Krankheiten heilen und die Götter dem Bittenden willfährig machen
zu können, '0 ^^^ Treiben, das nur den rohesten Aberglauben ansprach.
Mit den Mysterien, zu deren Betrachtung wir uns jetzt wenden, hat die
orphische Theologie wenig gemein; nur insofern, darf man vielleicht
sagen, bilden die Mysterien eine Art Mittelglied zwischen dem Glauben,
der Reinigung nur für eine bestimmte Befleckung verlangte, und den Or-
phikern, die sie unausgesetzt verlangten, als sie eine wiederholte Rei-
nigung im Leben, auch ohne dass man eine Schuld auf sich geladen hatte,
forderten.
') Plat. Leg. VI 782 C. Eur. Hipp. 951.
«) lamblich. V. F. 85. Rohdb Psyche'
II 164, 1.
') Rohdb Psyche' II 162, 180.
*) Vgl. namentl. Rep. X 508 ff. 617 ff.
») Vgl. Bbbnays Theophr. üb. d. Fröm-
migkeit 118 ff.
«) RoHDE Berl. Phil. Wochenschr. 1896
8. 1386.
^) Vgl. Demosth. XVIII 259 f. p. 313.
Plat. Rep. 364 D f.
») [DemosthJ XXV 80 p. 794. Schol.
zu Demosth. XIX 280 p. 431. Sohobmanv
Opusc. II 430.
•) Theophr. Char.
'^) LOBBOK Agl.
Saolio Dict. I 169 f.
»•) Plat. Rep. II
Nekyia 81 f.
16.
642 ff.
DABBXBBBe-
364 D f. DiBTBBICB
152
Die grieohisohen KnltiiBaltertlliner.
g. Mysterien und andere geschlossene Vereinigrungen.
Eleusinische Mysterien.
Litteratnr: Ste-Gboix Reoherches sur les m^störes du paganisme, 2 ed. von Sil-
VBSTBE DK Sact Paiis 1^17. Lobeck Aglaophamos aive de theologiae raysticae Graecorum
causis, Königsberg 1829 S. 1 ff. Otfb. Müllbb Allg. Encyklopädie I 33 S. 287 ff. Pbellbb
in Paült's Realencykl. III S. 82 ff. und V S. 312 ff. mit aasführlichen Litteratiirangaben.
Gbbhabd Akad. Abnandlgg. II, Berlin 1868 S. 436 ff. Che. Petebsbn Der geheime Gottes-
dienst bei d. Griechen, Hambarg 1848. A. Mommsen Heortologie 222 ff. Hebmamn Gottesd.
Altt.* § 32. SoHOEMANN Gr. Altt." II 377 ff. Naegelsbaoh Nachhom. Theologie S 387 ff. £.
CuBTiüs Athen und Eleusis in d. Dts. Rundschan 39 (1884) S. 200 ff. Sauppe Attica und
Eleusinia, Progr. v. GOttingen 1880/81. Lbhbs Popul. Aufs.* 315 ff. von Wilamowitz Ey-
dathen 129 ff., Homer. Untersuchungen 207 ff., Dittenbebgeb Ober die Eleusinischen Ke-
ryken, Herrn. XX 1 ff. Auo. Nebe De mysteriorum Eleusiniorum tempore et administra-
tione publica, Dissert. Halle 1886. HOttbmann Jahrb. f. Phil. II Abi 1881 Bd. 134 S. 457 ff.
u. f>64 ff. J. TöPFFBB Atti.sche Genealogie Berlin 1889 S. 24 ff. Aber den Eleusin. Priester-
adel; Beiträge zur griech. Altertumswiss. Berlin 1897 S. 332 ff. C. Stbube Bilderkreis aus
Eleusis. Baumbisteb Denkmäler u. Eleusinia S. 470 ff. Rohdb Psyche* I 279 ff. Chantepie
DE LA Saussate Religionsgosch. II 140 ff. Rübbnsohv Die Mysterienheiligtümer in Eleusis
und Samothrake Berlin 1892 (mit besonderer Berücksichtigung der heiligen Gebäude). Dis-
TBBioH Nekyia 1894 S. 68 ff. Foüoabt Bull, de corr. IV 233 ff. Aiyrich Das antike My-
sterienwesen in seinem Einfluss auf das Christentum 1894. Wobbbbmin Religionsgescb.
Studien (Beeinflussung des Urchristentums durch das antike Mysterienwesen) Berlin 1897.
Foucabt Recherches sur Torigine et la nature des Mystäres, Paris 1895 (die Mysterien
stammten aus Ägypten). L. Bloch Gemeinverstdl. Vortr. ed. Vibcbow-Wattenbaoh N. F.
Ser. 11 Heft 257. Philios Eleusis, ses mystäres, ses ruines et son mus^e Athen 1896.
Mehr bei Gbuppe Hdb. V 2, 48.
92. Es ist schon die Rede davon gewesen (S. 27), dass es Heilig-
tümer gab, zu denen nicht jedermann der Zutritt freistand, und ebenso
ist erwähnt worden, dass es Gentilkulte unter Aufsicht eines Familien-
mitgliedes gab, an denen nur die Angehörigen des Geschlechts teil hatten.
Was jene anbetrifft, so kann da von einem geschlossenen und ausschlies-
senden Gottesdienst gar keine Rede sein, es handelte sich lediglich um
rituelle Bestimmungen, die nur für das eine Heiligtum galten, und die
Männer oder die Frauen, die es allein zu bestimmter Zeit betreten durften,
waren nichts weniger als eine Gemeinde Auserwählter; aber auch die
Glieder eines Geschlechtes, das seinen besondern Kult hatte, machten
hierauf keinen Anspruch. Apollon Patroos und Zeus Herkeios wurden
als Schutzgötter jedes Geschlechtsverbandes verehrt;*) wenn eine Familie
einen besondern Kult vorzugsweise pflegte, so geschah dies aus Pietät
gegen die Überlieferung der Ahnen, und that sie sich auf den ihr allein
gehörenden Gottesdienst vielleicht etwas zu gute und erwartete von seinem
Besitz und seiner Übung einen Segen, dessen die andern unteilhaftig
bleiben mussten, so war doch das Charakteristische für eine religiöse Ge-
meinschaft: der Wunsch, sich Anerkennung, Anhang und Ausbreitung zu
verschaffen, ausgeschlossen; damit wäre ja auch das Wesen eines solchen
Kultes aufgehoben worden. Diese Geschlechterkulte waren sehr verbreitet
und ausgebildet; es fanden Versammlungen der Mitglieder statt, und ihre
Beschlüsse hatten bindende Kraft wie ein Gesetz;^) ja an manchen Orten
hatten Geschlechtsverbände gewissermassen eine staatsrechtliche Stellung;
M Aristot. Athen. Pol. 21. CIA HI 1276.
Greek inscr. in the Brit Mus. 17 1 n. 896.
Lobeck Agl. 271 ff.
«) Aristot Ath. Pol. 55.
8) CIA II 597. Vgl. Andok. I 127.
8. Knltiishaiidlimgen. (§ 92.)
158
sie ernannten nicht nur Beamte, sondern gaben sich eine Art Verfassung
und erliessen Dekrete, wie sie sonst wohl der Staat erlässt. Das merk-
würdigste Beispiel bietet die Organisation der Phratrie der Labyaden in
Delphoi, die eine umfangreiche Inschrift uns erst kürzlich kennen gelehrt
hat.*) Hier finden wir nicht nur Geldstrafen wegen Ungehorsams, Be-
drohung mit Ausschluss aus der Phratrie (S. 9B ZI. 48), Vereidigung der
Beamten (8B ZI. 3 ff.), Opferordnungen, sondern auch Bestimmungen über
Aufwand und das Riagewesen bei Begräbnissen (S. IOC ZI. 19 ff.). Eine
ähnliche Stellung und Verfassung müssen einmal die alten eleusinischen
Priestergeschlechter gehabt haben, nur dass sie noch vornehmer und ein-
flussreicher, dass sie die Herrschenden waren, wie bis zum 7. und 6. Jahr-
hundert die Adelsgeschlechter überall. Denn man darf sagen, Eleusis war
ein Priesterstaat. >) Wie der Name des Ortes selbst ein religiöser zu
sein scheint,^) so haben die Bewohner das religiöse Element und die Zu-
sammengehörigkeit, die auf der Gemeinsamkeit des Kultes und des Glau-
bens beruhte, mehr betont als das politische, und die Religion musste,
wie sie eine andere Stellung im öffentlichen Leben hatte, sich auch inner-
lich anders entwickeln. Hier allein darf man von einem Dogma sprechen,
von dem sonst die Religion der Griechen nichts weiss, allerdings keinem,
dessen vorgeschriebene Bekenntnisform die Kirche forderte, aber doch
einem, dessen Anerkennung bei den Zugehörigen vorausgesetzt wurde.
Aus diesem ursprünglich streng abgeschlossenen Geschlechtskult
haben sich die Eleusinischen Mysterien entwickelt,^) die die bei
weitem bedeutendsten von aUen Mysterien waren^) und noch nach tausend-
jährigem Bestehen den Griechen „das Menschengeschlecht zusammenzu-
halten'* schienen.*)
Demeter, erzählt der aus dem 7. Jahrhundert stammende Hymnos
(473 ff.), habe den Fürsten von Eleusis die Anweisung über die einzu-
richtenden Geremonien (iQTjiX/ÄOtfvvrjv legtov) gegeben und allen die oQyia
gezeigt. »Selig der Mensch', heisst es dann weiter (480 ff.), „der diese
heiligen Handlungen geschaut hat; wer aber uneingeweiht ist und unteil-
haftig der heiligen Begehungen, der wird nicht gleiches Los haben nach
seinem Tode, im dumpfigen Dunkel des Hades', ^) und V. 486 ff.: „Hoch-
beglückt, wen der erdbewohnenden Menschen jene Göttinnen geneigten
Sinnes lieb haben. Alsbald schicken sie ihm zum Herdgenossen {sfpätytiov)
in das grosse Haus den Reichtum, der den sterblichen Menschen Fülle
gewährt.''»)
Aber in derselben Zeit, da ein begeisterter Dichter so sang, unter-
lag nach langen Kämpfen der Staat von Eleusis und wurde vom atheni-
schen' annektiert. Der Staat der Krieger und der Staat der Priester war
nun eins geworden, wie sollten die vielfach ungleichartigen Elemente ver-
Bull, de corr. XIX 1 ff. Ebil Herrn.
XXXI 508 ff. BoHDB Psyche* I 224, 4.
*) V. WiL AHOwrrz Ey dathen 1 81 . TGpffeb
Beiträge 887.
») V. WiLAJiowiTz a. a. 0. 130 A. 50.
Gruppe Hdb. V 2, 48.
840.
*) RoHDE Psyche» 1 281 f. Töpppbb Beitr.
6) Paus. X 31, 8.
•) Zosim. IV 3.
7) Übers, v. Rohm Psyche« I 281.
«) Obers. V. Lbhbb Pop. Aufe.« S. 318 f.
154 I^i® grieohisohen Enltiuftltertlkmer.
schmolzen werden? Athen übernahm, wie es den Boden erobert hatte,
auch den Kultus des unterworfenen Stammes. Der eleusinischen Demeter
wurde ein 'EXtvahicv mit umfassendem Tt^evog gegründet vno ttoA«*,*) ob-
gleich Demeter in der Stadt ihren Kultus schon hatte. Zu eigentümlich
war diese Demeter und ihr Dienst bereits ausgestaltet, nur eine Stiftung,
die recht eigentlich Filiale war,^) konnte den Anforderungen der Göttin
und der Ihrigen genügen, und sollte Eleusis im Staate aufgehn, musste
man ihnen auch in Athen gerecht werden. Peisistratos wird wie andere
so auch den eleusinischen Demeterdienst zum Staatskult gemacht haben, s)
Und wie der Sieger entgegenkam, so verschloss sich auch der alte Kult
Neuerungen und Erweiterungen nicht. Das Wesen blieb: die Verehrung
der chthonischen Gottheit, aber Verkörperungen dieses Wesens, neue gött-
liche Persönlichkeiten, lakchos, Triptolemos, Eubuleus treten zu den alten
Göttinnen, die der Hymnos feiert, hinzu, und namentlich lakchos, der in
Athen blieb und nur zum jährlichen Feste sich für einige Tage nach
Eleusis begab, spielte bald eine hervorragende Rolle.*) Und wie man
den Kultus schonte und ehrte, so auch seine stolzen Träger. Die Priester-
schaft ward die vornehmste des ganzen Staats und die Eumolpiden das
erste Adelsgeschlecht ;^) Eleusis blieb der Schauplatz des heiligen Festes
und behielt seine gesonderte Verwaltung, als im Jahr 434 die Tempel-
schätze aller übrigen Heiligtümer den tafn'ai twv aXX<ov x^ewv auf der
Burg überwiesen wurden.^) Ohne Zweifel ist dadurch, dass der Staat
die Mysterien, man möchte sagen, übernahm, ihr Ansehn und ihre Ver-
breitung wesentlich gefördert worden, aber abhängig wurden sie nun doch
von der Macht, die sie mit ihrer Autorität deckte und durch ihre Sub-
vention erhielt; der Staat hatte die Kirche unterworfen. Und je weiter
sie ihren Einfluss ausdehnte, desto mehr Ehre und dankbare Anerkennung
fand der Staat, der sie pflegte, bei allen, die der Segnungen dieser Reli-
gion teilhaftig wurden. Denn wie die Mysterien einerseits immer einen
ausschliessenden Charakter behielten, indem nur die Bürger Athens, die
sich einweihen Hessen, an ihnen teilhatten, so nahmen sie andrerseits
einen internationalen an, da jeder Hellene sich unter die Mysten auf-
nehmen lassen konnte.
Der Name fivcTtjgia'^) findet sich zuerst bei Herodot (H 51), und
zwar für den samothrakischen Gottesdienst, aber Weihen (tskstat) und
heilige Handlungen {oQyia) kennt bereits der Demeterhyranos, und sie
machen ja das Wesen der Mysterien aus. Reiche Entfaltung und grosse
Bedeutung scheint der Gottesdienst erst im 5. Jahrh. gefunden zu haben.
Die Zeit war günstig dazu;^) Schaffensfreudigkeit und Thatendrang war
*) V. WiLAMowiTz Eydatben 128. l ') /Ävattjgnt bezeichnet die Gegenstände
^) CIA I 1. Kydathen 128. des Geneimdienstes gleich td fÄvaii-xd oder
') V. WiLAHOwiTZ Hom. Unt. 209 f. dnoQQfjra und zweitens die rituellen Hand-
TOpffeb Beitr. 338. lungen des Gottesdienstes (Lobbck Agl. 55 f.).
*) RoHDB Psyche«! 283 f. TöPFPERßeitr. *) Vgl. v. Wilamowitz Hom. Unters.
341. 215 ff.; auch Lübbebt De Pindaro theologiae
^) TöPFFEB Att. Gen. 45. orphicae censore, Lektionsverzeichnis ▼. Bonn
•) CIA I 82. SwoBODA Wien. Stud. 1888 1888/89 Anf.
S. 279.
8. Koltiuhandlimgen. ($ 92.) 155
erstorben, man war über die Vergangenheit hinaus und hatte vielfach
mit ihr gebrochen, war unbefriedigt von der Gegenwart und bangte vor
der Zukunft, da am östlichen Himmel sich immer drohender die Wolken
ballten, und der Sturz auch des alten Hellas durch die unwiderstehliche
Persermacht nur eine Frage der Zeit schien. In dieser dumpfen, drücken-
den Schwüle hörte man gern auf Stimmen, die von Hoffnungen auf ein
besseres Jenseits sprachen, die die Gläubigen der Unsterblichkeit ver-
sicherten und eines schöneren Daseins nach dem Tode. Wohl mochte
sich mancher geistvolle Mann abwenden auch von diesen neuen Lehren,
verachtend und verzweifelnd, wie mancher dem Vaterland, das er aufgab,
den Rücken wandte, aber die Frommen, die geistlich Armen und Bedürf-
tigen lauschten doch den neuen Propheten, welche begeistert verkündeten,
wo und wie man die Erlösung finden könnte. Vorbereitet war die Stim-
mung lange. Die Sonne Homers hatte ihren Glanz verloren, die Welt,
auf die sie strahlte, war überwunden und versunken. Ihr war der Tod
der Übel grösstes; auch dem von den härtesten Schicksalsschlägen ge-
troffenen Greise ist er keine Erlösung, er fürchtet ihn wie nichts andres,
denn nur mit ihm hört die Hoffnung auf. » Lieber ein Knecht sein oben
im Licht, als ein Herrscher über Schatten.** Ob Sein oder Nichtsein das
Bessere sei, wer hätte damals verstanden, wie eine solche Frage aufge-
worfen werden könnte? Jetzt lebt sie bang in manchem Herzen. Er-
greifender fast noch als die Klage des Sophokleischen Chors (Oid. Kol.
1224 ff.) klingt es bei Bakchylides (V 160 f.) aus Herakles Munde: „Nie-
mals geboren zu werden, das Sonnenlicht nie zu schauen, ist der Sterb-
lichen höchstes Glück**; „0 Tod, Erlöser, gehe nicht an mir vorüber, du
bist der einzige Arzt für Übel, die sonst niemand heilt, den Toten trifft
kein Schmerz", wird bei Aischylos gebetet (Frgm. 271 Herm.); die Er-
bauer des delphischen Tempels hören aus dem Munde des Gottes: das
grösste Glück ist ein früher Tod,') und als die Mutter im Tempel zu
Argos für ihre frommen Söhne das Schönste und Beste erbittet, was
Menschen werden könne, sendet die Göttin ihnen einen Schlaf, aus dem
sie nicht mehr erwachen (Herod. I 31). Die Orphiker hatten vergebens
gegen die heraufziehenden Schatten gestritten, ja es war die Atmosphäre, <
die eigentlich die Bedingung ihres Wirkens und Daseins war: brachten
sie Licht und Befreiung, so zerstörten sie sich selbst. Auch für die Zeit
des Werdens der Mysterien waren diese Strömungen günstig und viel-
leicht notwendig, notwendig nicht mehr für ihre Zukunft; sie lebten und
wirkten fort, wie neue Religionen fortleben, auch wenn die Wehen, die
ihre Geburt förderten, längst überwunden und vergessen sind.
Herodot (VIH 65) erzählt, dass sich vor der Schlacht von Salamis
bei Eleusis eine Staubwolke erhoben habe, „wie von 30000 Menschen**,
aus der es geklungen habe, wie der lakchosruf der Mysten. Es ist dar-
nach wahrscheinlich, dass schon zu der Zeit, als diese Geschichte erzählt
wurde, also doch vermutlich bald nach 480, die Zahl der in die eleu-
>) Vgl. V. WiiAMOWiTz Hom. ünt. 217.
*) Plnt. Cons. ad Apoll. 14. Find. Frgm. 3 BueK^
156 I^i^ grieohischon KiiltiiBaltertttmer.
sinischen Mysterien Eingeweihten etwa 80000 betragen habe. Es brau-
chen dies nicht bloss Athener gewesen zu sein, Herodot sagt ausdrück-
lich: jeder Hellene, der es wünscht, lässt sich einweihen,^) und ob in
noch früherer Zeit die Erwerbung des athenischen Bürgerrechts Vor-
bedingung war, ist auch nicht ausgemacht. 2) Freilich wird die Zahl
der fremden Teilnehmer zu jener Zeit noch sehr gering gewesen sein,
denn wenn die Mysterien damals schon die Bedeutung gehabt hätten,
wie etwa zur Zeit des peloponnesischen Krieges, wäre es undenkbar,
dass der Spartaner Demaratos von ihnen so gut wie gar nichts wusste.")
Wir sehen, eine Zeit der Entwicklung liegt bereits dahinter, die Blüte
steht noch bevor. In den fünfzig Jahren zwischen 480 und 430 haben
sie ihren Ruhm gewonnen. Das ist die Zeit, in der das attische Reich
geschaffen wurde, in der Athen in jeder Hinsicht die Führerin des ganzen
Hellas war. Aus dem Jahr 419/18^) ist uns ein Psephisma erhalten,
das die anaq%ai bestimmt, die die attischen Grundbesitzer, die Kleru-
chien und Bundesgenossen nach alter Sitte und dem Spruch des del-
phischen Orakels an den eleusinischen Tempel zu entrichten haben, ^)
und unterblieb die Lieferung einmal, so mahnte ApoUon aufs neue.^)
Aufgefordert zur Beisteuer wurden übrigens auch die andern Hellenen,^)
hatte doch die Göttin durch die Vermittlung der Athener ihnen allen die
Wohlthat erwiesen.^) Deshalb war ihr Fest auch kein ausschliesslich
athenisches, die Verkündung der Ekecheirie kennzeichnete es als panhelle-
nisch. Mit der Machtstellung Athens sank auch die Bedeutung und das
Ansehn der Mysterien wieder, und mit der Blüte Griechenlands welkten
auch sie hin. Einst hatten sie wirklich dem religiösen Bedürfnis frommer
und kluger Männer genügt, jetzt liessen sich mächtige und vornehme
Römer, wie Sulla, Antonius, Cicero, Attikus aufnehmen,*) die die Aus-
sichten, welche die Mysterien den Gläubigen eröffneten, schwerlich in ihre
Gemeinschaft gelockt haben werden; es muss damals Mode gewesen sein,
sich einweihen zu lassen. Wenn Cicero*®) und später noch Pausanias»*)
mit Achtung und Bewunderung von Eleusis sprechen, so ist das bei jenem
wohl mehr Phrase, während in diesem die Erinnerung an den alten Glanz
und die Macht des frommen Herkommens lebendig ist. Auch Augustus
Hess sich im Jahr 21 aufnehmen, und Claudius versuchte vergebens, die
Mysterien nach Rom zu verlegen. Dass man übrigens auch in dieser Zeit
des Verfalls auf Anstand und Ehre, wie man sie der grossen Vergangen-
heit schuldete und verdankte, immer noch hielt, geht daraus hervor, dass
man Nero die Aufnahme zu versagen wagte. Hadrian trat 125 ein.
») Vgl. Isokr. Paneg. 28. Pebllbb-Ro- I VIII 194 ff. Sauppe Attica et Elens. Lip-
BBBT Griech. Myth. I 744 A. 4.
') Vgl. Nbbb a. a. 0. 9, der aus Istros
Fr. 20 MüLLBB Fr. bist. Gr. 421 u. Apollod.
XI 5, 12 diesen Schlnss zieht.
>) Herod. a. a. 0. Lobbck Agl. 282.
ScHOBXANN a. a. 0. II 382 A. 1.
^) KöBTB Athen. Mitt. XXI 320 ff.
^) DiTTBNBBBOBB SjU. 13. Isokr. Psneg.
31. FoüOABT Bull, de corr. IV 225 ff. Vgl.
sius Leipz. Stnd. III 207 ff. CIA IV 3 n. 225k.
•) Kbbn Athen. Mitt. XVIII 195 ff.
Ö Dittbnbbbgbb Syll. 13. Rohdb Psyche*
I 282
8) Isokr. Paneg. 28.
») FoüOABT Rev. de Philol. 1893 S. 193 ff,
»0) De leg. II 14 § 36.
») V 10, 1; X 31, 11.
8. Kidtnahandlungen. (§ 93.)
157
wurde 129Epopt und Hess sich zum a^x^^' des Ev/xoXmJwv ysvoq machen;^)
seine Qemahlin Sabina wurde als via oder vsaytega JrjfATJrrjQ verehrt
und hatte ihre eigene Hierophantin,*) und die ältere Faustina, Ge-
mahlin des Antoninus Pius, machte es ihr nach.') Lucius Yerus wurde
167 eingeweiht, Marcus Aurelius und Commodus 176.*) In den beiden
folgenden Jahrhunderten scheinen wie alle Oeheimkulte auch die eleu-
sinischen Mysterien sich noch einmal mit Leben erfüllt zu haben. Un-
gewiss und unbefriedigt überall, voll Bangen im Leben und vor dem,
was nach dem Tode komme, suchten unendlich viele wieder den alten
Trost,') und auf der Grabschrift eines Hierophanten aus dem 3. Jahrh.
n. Chr. lesen wir, die Eingeweihten wüssten, dass der Tod den Sterb-
lichen kein Übel sei, sondern ein Gewinn.«) Die streitbaren Kirchenväter
eiferten gegen keinen andern heidnischen Kult so sehr, wie gegen die
Mysterien von Eleusis; Julian liess sich schon als Jüngling einweihen,^)
und der christliche Kaiser Valentinian I., der sonst alle nächtlichen Feiern
verbot, gestattete 364 auf die Vorstellungen des Prokonsuls der Provinz
Achaia, diese einzige, ohne die die Griechen nicht leben könnten.^) Erst
Alarich zerstörte, von Mönchen aufgestachelt, das Heiligtum.^)
93. Was war nun aber der Inhalt der Offenbarungen, die die in
die Mysterien Eingeweihten empfingen, und welche Hoffnung ward ihnen
gegeben, welcher Trost, der den üngeweihten vorenthalten blieb? Die
Eingeweihten mussten schweigen über alles, was sie gesehn und gehört
hatten, ^<>) und die Furcht vor der Strafe der erzürnten Gottheit, vielleicht
auch dem Unwillen der Genossen wird in der That dazu beigetragen
haben, das Geheimnis zu wahren, die Hauptsache aber war, dass es eine
zusammenfassende Belehrung, die man selbst aufnehmen und dann andern
mitteilen konnte, gar nicht gab. * *) Man denke an die Celebrierung einer
Messe, Wir sehen die Andacht der Gläubigen, aber wer von ihnen wollte
einem mit all den Ceremonien Unbekannten nun wiedererzählen, was der
eigentliche Inhalt dieses Gottesdienstes sei, was und wie er wirke? Es
ist von fivattxol Xoyoi und /xvtfrixd dQoifieva die Rede,^*) die „dem Gläu-
bigen die Überzeugung gaben, dass der Geweihte im Jenseits den Göttern
selige Reigen tanzt [Aristoph. Ran. 325 ff.], während der nicht Geweihte
sich in Strömen Kotes wälzt [Plat. Phaidon 69. Aristeid. Eleus. 421]
oder in das durchlöcherte Fass schöpft" [Plat. Gorg. 493 B. Paus. X
31, 3].**) Auf welche Weise man diese Hoffnungen erweckte und zur
*) Athen. Mitt. 1894 S. 172. Rohde
Psyche« I 287, 1.
«) CIA III 899, 900, 111 12. CIG 1073.
Bull, de corr. XIX 115 flF.
•) IGSic. et It. 1389.
^) Spartian. Hadr. XIII 1. Ball, de corr.
XIX 113 ff., 128. Lbnobxant Rech. arch. ä
Elens. 175. Rübrusoon a. a. 0. 102 ff. Dit-
TEKBEHOEB Herm. XX 33 and hes. Fouoabt
a. a. 0.
^) RoHDB Psyche' II 898.
•) Ephem. arch. 1888 S. 81.
^) Eunap. Vit. soph. p. 52 f. Boiss.
») Zosim. IV 3 p. 176.
') EuDap. a. a. 0. Lasaulx Unterg. des
HelleDism. 84 A. 242.
") Aristoph. Equ. 282. Soph. Oid. Kol.
1052. Paus. 1 38, 7. Rohde Psyche* I 288.
»») RoBDB Psyche« I 289.
Paus. II 37, 3; III 22, 2; IX 30, 6.
Plut. Sol. 9; Is. 68 u. s. w.
»») V. WiLAMowiTz Hom. ÜDt. 208. Vgl.
ausser Lobbck Agl. 69 ff. Otto Jahn Dar-
stellungen der Unterwelt auf rOm. Sarko-
phagen 276 ff.
158 I^io grieohisohen KvltiiMdtertflmar.
Gewissheit machte, darüber lässt sich Zuverlässiges nicht sagen. Von
Predigten und Unterweisungen kann gar keine Rede sein, auch nicht von
Enthüllungen, die sich von den Voraussetzungen des nationalen Glaubens
lossagten und anderes an seine Stelle setzen wollten. Auf Wunderglauben
beruhte diese Religion nicht, mystisch war sie ganz und gar nicht, pie-
tistisch ebensowenig, dem irdischen Leben entfremdete sie ihre Bekenner
nicht, sie wollte den Göttern wohlgefällige Reinheit nur erleichtern und
die von ihnen selbst gnädig geoflfenbarten Mittel und Wege, ihrer teilhaftig
zu werden, allen lehren, die sie kennen zu lernen wünschten: die Geister-
welt, die drohend jedes Leben umschwebte, wüi-de fern gehalten oder
freundlich gestimmt dem, der durch die Weihen den chthonischen Mächten
vertraut geworden war. Man hat die Weihen treffend mit den „Gnaden-
mitteln" der christlichen Kirche ^ verglichen und sie geradezu ein , Sa-
krament" genannt.^) Für die Gläubigsten haben sie offenbar eine solche
Bedeutung gehabt. Sie fühlten sich durch die Teilnahme an der Feier ge-
reinigt und geheiligt wie durch keine andern leXexai und der Gnade der
Gottheit würdiger und gewisser. 3) „Gesegnet, wer, nachdem er das ge-
schaut, unter die Erde geht, er kennt das Ende des Lebens und den
Zeusgegebenen Anfang" sagt Pindar,^) und ähnlich Sophokles:^) „Drei-
mal glücklich die Sterblichen, die, nachdem sie die Weihen geschaut, in
den Hades gehen, denn ihnen allein wird dort zu teil zu leben, den
übrigen alle Übel dort";*') Aristophanes') lässt den Chor der Eingeweihten
in der Unterwelt singen: „Denn wir allein haben Sonne und heiliges
Licht, die wir eingeweiht waren und ein Leben geführt haben gottes-
fürchtig gegen Fremde und Angehörige,"^) und Herakles vermochte die
Hölle zu überwinden, „weil er die Geheimnisse der Mysten geschaut
hatte ".^) Es bezogen sich also die Verheissungen auf das Leben nach
dem Tode, doch wird der Glaube, durch die Weihen den Göttinnen be-
sonders empfohlen und lieb geworden zu sein, wie schon der Hymnos auf
Demeter (487 f.) dies andeutet, auch die Hoffnung erweckt haben, schon
in diesem Leben grösseren Segens teilhaftig zu werden. ^^) Voraussetzung
war also der Glaube an individuelle Unsterblichkeit der Seele, ^^) und ihm
Nahrung zu geben, wird demnach neben der Beruhigung der Seelen Zweck
des gemeinsamen Gottesdienstes gewesen sein. Wie in unserer Kirche,
namentlich der katholischen, viele schon in dem Bewusstsein, der Kirche
anzugehören, ihren Frieden finden und von dem Gebrauch ihrer Gnaden-
mittel schon das Heil erhoffen, so haben ohne Zweifel auch sehr viele
der Eingeweihten geglaubt, dass die Einweihung selbst sie aller ver-
heissenen Segnungen versichere, und in einfältiger Frömmigkeit, bei den
gottesdienstlichen Feiern in Andacht sich berauschend, voll Dank gegen
SoHOBMANN Gr. A.* IT 397. ^ Lbbrs a. a. 0. 319. .
*) V. WiLAMowiTz üom. Unters. 208. | ") Eur. Her. 618. — Ähnliche lasse-
*) S. RoHDB Psyche^ I 288. rangen Isokr. Paneg. 28 Fiat. Rep. II 866 A
*) Frgm. 187 Bergk*. und mehr bei Lobeck Agl. 69 £f.
^) Bei Plat. De audiend. poet 4 p. 21 D.
Frgm. 719 Ddf.
«) Lbhrs Pop. Anfs.« 320.
^) Ran. 455 ff.
^") Vgl. z. B. Cic. De leg. II 14.
i>) V. WiLAXOwiTZ Hom. Unt. 208. Rohdb
Psyche« I 293 f.
8. Knltnahandlnngen. ($ 94.)
159
die Gottheit die Erlösung, die ihnen hier geboten wurde, freudig zu er-
greifen gesucht. Dass trotzdem viele sich nicht einweihen Hessen,*) darf
uns ebensowenig wundern, wie dass heute nicht alle in den Schoss der
„allein selig machenden' Kirche flüchten, oder viele sich der Sünden-
vergebung und Seligkeit verheissenden kirchlichen Gnadenmittel nicht be-
dienen.
94. Von den Kultbeamten war der vornehmste der Hiero-
phant.*) Sein Name weist schon darauf hin, dass er die geheimnisvollen
Heiligtümer und Gebräuche zu zeigen und zu erklären hatte.') Er ge-
hörte dem Geschlecht der Eumolpiden an, und diesem allein stand das
Recht der Exegese zu.*) Neben ihm gab es noch eine oder zwei Hiero-
phantinnen,^) ebenfalls aus dem Geschlecht der Eumolpiden.^) Beide
waren, wenigstens in späterer Zeit, hieronym,') durften also in ihrem
Amte ihren Namen nicht führen. Wahrscheinlich war es dem Hiero-
phanten auch nicht gestattet, neben seinem priesterlichen noch ein anderes
Amt zu bekleiden,®) was den übrigen eleusinischen Priestern ebensowenig
untersagt war, wie den Dienern irgend einer andern Gottheit. Aber
nachdem es in der Kaiserzeit Sitte geworden war, manche Ämter nur an
Angehörige des Kerykengeschlechtes zu vergeben, ja neue zu schaffen,
um sie auszuzeichnen,^) finden wir auch Hierophanten mit Ämtern und
Titeln geschmückt, i^) — Die drei folgenden Priester, die dem Hierophanten
im Range am nächsten standen, gingen aus dem Geschlecht der Keryken
hervor. Von ihnen ist der bedeutendste der Daduchos.**) Er hatte ge-
meinsam mit dem Hierophanten den Emtezehnten für die eleusinischen
Gottheiten einzutreiben,*«) vielleicht auch öffentliche Gebete zu, ver-
richten,»«) und war bei den Reinigungsopfern beteiligt.^*) Zur Seite
stand ihm eine Jifiovxovtfa.^^) Der zweite ist der xrJQv^^ in der nach-
klassischen Zeit tsQoxr^Qv^ genannt,*^) der dritte der Ältarpriester, o ini
ßtöfiriK^^) Alle diese Ämter waren lebenslänglich und erbten in einer be-
stimmten Familie weiter.^®) Daneben gab es eine Reihe anderer Kult-
beamten, ^^) wie den tsQsvg navay^g, die Itgeiai naraysTg^*^) und die cnov-
13 und Herm. XX 14, wo aach gezeigt wird,
dass die Daduchenwttrde nie auf das Ge-
schlecht der Lykomiden Übergegangen ist.
TöPFFBB Att. Gen. 86 f. Nikitsky Herm.
XXVI H 625 f.
»«) CIA IV 27 b. TöPPFEB Att. Gen. 87.
>») Suid. u. dtfdovxBi.
**) Suid. u. Jiog xtSdtoy,
»*) Bull, de corr. XIX 118.
>•) Ephem. arch. 1895 S. 119. Ditten-
BBROBB Herm. XX 18 f. Töpffbb Att. Gen.
87 f.
") TöPFFBR Att. Gen. 88.
'«) 'Efprjfi. a^X' löö^ S. 119. DlTTBNBBB-
OBB Herm. XX 20 f. Töpffbb Att. Gen. 88.
»•) isQsTg xtti Ugeiai Ephem. arch. 1883
S. 258. Priesterinnen: Schot. Soph. Oid. Kol.
68:^. Porphyr. De antr. Nympb. 18. Schol.
Pind. Pyth. IV 103.
«) DiTTBHBEBOBB Herm. XX 22 ß. Töpffbb
A. G. 90.
») Vgl. Lehbs Pop. Aufs.« 317 ff.
») Töpffbb Att. Geneal. 44 ff., 70 f.
») Vgl. Diog. Laert. II 101, VII 186, die
Lexikographen u. Ugofpäyxrjs und Töpffbb
a. a. 0. 47 f.
*) Andok. I 116. Dittnebbgeb Herm.
XX 12. Töpffbb a. a. 0. 71 f.
>) Kaibel Epigr. gr. 863. Töpffbb Att.
Gen. 61 ff. Philios im Bull, de corr. XIX 1 17.
«) Töpffbb a. a. 0. 63 ff.
CIA 111 900, 901, 914. Kaibbl a. a.
0. Luk. Lexiph. 10. Vgl. Dittbnbbroeb
Herm. XX 13 Anm. 1. Töpffbb a. a. 0. 52 f.
Paton in Transact. of the Internat. Folk-Lore
Congress 1891 S. 202 ff.
") DiTTBNBEBOBB B. B. 0. 35. TöPFFBB
A. G. 53 f.
*) DiTTENBBBOBB Herm. XX 36 ff.
Töpffbb Att. Gen. 92.
>o) Bull, de corr. XIX 113, 116.
>') Andok. I 127. Dittbnbbboeb Syll.
160
Die grieohisohen Knltiuialtertttiiier.
Jo<p6qoi,^) Herolde, die den Gottesfrieden verkündigten und zur Festfeier
einluden.*) Auch sie wurden aus den Eumolpiden oder Keryken ge-
wählt.^) Denn diese beiden Oeschlechter waren die eigentlichen Ver-
walter des Mysterienkultus ; ihnen lag auch die Pflicht der Kechenschafts-
ablegung ob,^) und wiederholt finden wir sie zu gemeisamen. Beratun-
gen versammelt.*) Die Oberaufsicht und die Leitung der Mysterienfeier
stand jedoch, da es ein Staatskult war, dem Basileus zu.*) Zur Seite
standen ihm dabei vier Epimeleten,^) die auch die Aufsicht über die
sonst im Laufe des Jahres vorgeschriebenen Opfer zu führen^) und die
heiligen Ländereien zu verpachten hatten.^) Von ihnen wurden zwei
aus der gesamten Bürgerschaft, je einer aus den Eumolpiden und den
Keryken gewählt. *<>) Die Aufsicht über die Gebäude, Tempelgüter, Ge-
räte und Kostbarkeiten hatte das Kollegium der imtfrarai^^) und die
%a^uai ToTv d'Botv^ die auch früh, vielleicht schon Ende des 5, Jahr-
hunderts, das heilige Getreide zu verwerten hatten, i*) während die Ic^o-
nom\ die früher damit betraut gewesen waren, nur noch die Summe für
die Opfer und etwaige Überschüsse zum Ankauf von Weihgeschenken an-
gewiesen erhielten, ^^) auch die übrig bleibenden Restsummen an die
i7iia%a%ai zurückzuführen hatten, wofern nicht anderweitige Verwendung
beschlossen war.^^) Auch die Verwaltung des gemünzten Goldes lag den
Tafxiai ob.'*) Die iTtiardtai amtierten vier Jahre, die tsgonoioi wechselten
jährlich.^*) In den letzten Jahrzehnten des 4. Jahrhunderts war übrigens
die Selbständigkeit der eleusinischen Beamten bereits erheblich beschränkt.
Das Volk bestimmte den Preis, für den das Getreide zu verkaufen war,
das G^ld für die Opfertiere so wie die Überschüsse wurden einer Kom-
mission des Rats abgeliefert, deren Wirkungskreis nicht auf Eleusis be-
schränkt war.i')
95. Wer in die Mysterien aufgenommen werden wollte, hatte
sich deshalb an einen Eumolpiden oder Keryken zu wenden, und dieser
weihte ihn dann.*«) Er brauchte selbst kein priesterliches Amt zu be-
bekleiden, es genügte, dass er einem der beiden Geschlechter angehörte.*»)
Der Akt selbst hiess fivetv oder fAvtrtaywysTv, der Weihende /xvaTayioySg.^^)
Die ganze Ceremonie zeigt bis in die Einzelheiten die grösste Ähnlichkeit
*) DiTTEHBBRGBR a. 8. 0. 27 f.
') AischiD. 11 133 f.
») CIA II 605. Bull, de corr. XIX 117 f.
DiTTBHBBROBR E. R. 0. 29. TöPFFBR A. G. 80
U. 90.
«) AischiD. III 18.
') CIA II 597, 605. Ephem. arch. 1888
S. 82. DiTTBKBBROBR R. R. 0. 80 f. TöPFFBB
Att. Gen. 66 flF.
') Aristot. Ath. Pol. 57. Dittbnbbroeb
R. R. 0. 30.
') Aristot. R. a. 0. CIA III 1188.
«) Ephem. Rrch. 1887 S. 173 u. 177.
*) Ephem. Rrch. 1883 S. 122 ZI. 30.
»0) Aristot. Ath. Pol. 57. In der DiR-
dochenzeit scheint die ZRhl, vermutlich vor-
übergehend, Ruf zwei reduziert zu sein. Dit-
TBNBBRGBB SjU. 386 uud Herm. XX 30. Vgl.
TöFPPBB Att. Gen. 78 f.
'>) CIA II 682o. Vgl. 834b. Ephem. Rrch.
1883 S. 109 ff., 1888 S. 41 ff.
^^} Ephem. arch. 1883 S. 123.
1*) DiTTBNBBBGBB Syll. 13. ZiBHBN Rhein.
Mus. 1896 S. 219 ff. u. Leg. sacr. 21.
»♦) Bull, de oorr. IV 225.
») CIA II 605. III 5, 731. Swoboda
Wiener Stud. X 729 f.
'•) Eph. arch. 1888 n. 41 u. 47.
") CIA II 834, IV 2. Vgl. Aristot. Ath.
Pol. 54. 7.
»•) CIA IV 1. II Suppl. p. 3 f. ZI. 110 f.
>«)DlTTTBVBBBGBRBenn.XX3l ff. TöPFFBB
Att. Gen. 77. Rohdb Psyche» I 287.
'«) Lobbgk Agl. 29 ff.
8. Knltnahandliingexi. (§ 95—96.)
161
mit der Reinigung eines Sehuldbefleckten.O Das vorzüglich erhaltene
Relief einer schönen Aschenurne aus weissem Marmor im Thermeu-
museum in Rom^) giebt uns ein gutes Bild einer Mystenweihe in den ver-
schiedenen Stadien. Der Einzuweihende steht, ein Löwenfell übergeworfen,
mit nackten Füssen in demütiger Haltung vor einem Priester, die Rechte
hält das Opferferkel,») auf dessen Kopf der Priester eben Wasser giesst,
die Linke Opferkuchen. Die nächste Scene stellt die Weihung selbst dar.
Der Betreflfende sitzt auf einem Sessel, wie ein der Reinigung Bedürftiger,
das Haupt und den ganzen Körper bis auf den rechten Arm und einen
Teil der Brust von einem Gewände verhüllt,^) die Linke scheint eine Fackel
zu halten. Hinter ihm steht eine Frau, wahrscheinlich die Hierophantin,
die ihm eine Getreideschwinge (Xtxvov) über das Haupt hält, das Symbol
der Reinigung und Läuterung. Die dritte Gruppe zeigt Demeter sitzend,
in der Linken eine Fackel haltend, von einer Schlange umwunden, deren
Kopf der nun wahrscheinlich zum Epopten gewordene Myste^) liebkost.
Der Göttin zur Rechten steht Persephone, ebenfalls eine Fackel tragend.^)
Aufgenommen konnte jeder Hellene werden, 7) nur wer durch Blut-
schuld oder ein anderes Vergehn verunreinigt war, war ausgeschlossen
gleich den Barbaren;®) Sklaven durften eingeweiht werden.»)
96. Alljährlich feierte man zwei Feste, die kleinen Mysterien
im Anthesterion (Februar) ^o) 2u Agrai, einer Vorstadt Athens, *i) und
die grossen im Boedromion (September). Über beide sind wir sehr
mangelhaft unterrichtet. Von den kleinen Mysterien wissen wir nur,
dass ihnen eine Reinigung vorausging, und wahrscheinlich dramatische
Darstellungen einen Teil der Feier bildeten.^*) Die Einweihung in
diese Mysterien musste der in die grossen vorangehen, i») Der Hierophant
erhob für die Aufnahme einen Obolos.**) Gewöhnlich fanden die Neu-
aufnahmen bei den Festfeiern statt, doch band man sich nicht daran,
namentlich dann nicht, wenn es sich um vornehme und mächtige Leute
handelte ;i^) dem Kaiser L. Verus zu Liebe feierte man im Jahr 167 sogar
1) Vgl. Hynin. Dem. 194 ff. Dibls Sib.
Bl. 1 28. Adoption des Geweihten durch die
Gottheit RoHDE Psyche» 11 421 ff.; des (xhrjg
Reiohel Vorhellen. Götterkolte 46 ff.
«) Taf. IV Fig. 3. Veröffentlicht und
besprochen von Ebsilia Loyatblli Bull, della
comm. arch. com. 1879 S. 5 ff.
*) Plat. Rep. 11 378 A. Epieharm. im
Etym. M. 255 u. däXtpa^. Schol. Aristoph.
Ach. 747. Fax 375.
^) Das Gewand ist wohl schwarz zu
denken. Hymn. Dem. 41. Diels Sib. Bl. 123,
auch über die Bedeutung des Verhttllens.
*) LovATELLi a. a. 0. 14.
') Über die kathartische Bedeutung der
Fackel S. 88. Vgl. auch Vasen der Peters-
burger Ermitage 1 268 ff. nr. 525, abgebildet
bei Gerhard Eleus. Bilderkreis Taf 3.
') Herod. VIII 65. Isokr. Paneg. 29 f.
•) Isokr. Paneg. 157. Luk. Skyth. 58.
LOBEOK Agl. 15.
•) CIA II 834b col. 2, 71. Kock Frgm.
com. II 473. Lobeck Agl. 19. Schoemaitii
Gr. Alt.' II 384 Anm. 6. Rohde Psyche' I
286. DiTTSNBERGEB Syll. 888, 18, wo der
Maximalpreis der Kleider, die die Sklavinnen
bei der Mysterienfeier in Andania tragen
dttrfen, festgesetzt wird.
*°) Ad. Schmidt Griech. Chronol., Jena
1888 S. 290 setzt das Fest auf den 19—21
Anthesterion an.
'») T« ^i' "AyQaig /4. CIA I 1 B 38. II
315 etc. Plut. Demetr. 26. Gerhard Akad.
Abb. II 174 ff. MoHMSEN Heort. 373 ff. Maass
Orpheus 101. Rohde Psyche' I 284 f.
^*) Steph. Byz. u.^Jyga. Polyain. Stra-
teg. V 17, 1. Mehr bei Maass Orpheus 92 ff.
Vgl. Schol. Aristoph. Plut. 845. Hermann
Gott. AJtt.» § 58 A. 29.
»») Plut. Demetr. 26. Plat. Gorg. 497 C.
Schol. Aristoph. Ran. 501.
'*) CIA IV 1 S. 138. Athen. Mitt. XIV
410 ff [Demosth.] LIX p. 1851 f. *Frgm.
Rhet. gr. Walz IX 492 cf. 497.
^*) Plut. Demetr. 26. Cass. Dio LIV 9.
Handbuch der klaBs. AltertamBWineiiBoliaftw V, 3. S. Aufl.
11
162 I>io grieohkohen Kvltnsaltertfimar.
zum zweitenmal Mysterien xal tovto xard ro d-siaxov^ wie die Urkunde
bemerkt. Auch solche, die voraussichtlich nur noch auf eine kurze
Lebensfrist zu rechnen hatten, scheint man jederzeit aufgenommen zu
haben. ^) Ein halbes Jahr nach der Einweihung in die kleinen konnte
man sich in die grossen Mysterien aufnehmen lassen. Auch hier gab es
noch verschiedene Qrade, und die Aufnahme unter die Epopten, die
Schauenden, wurde in der Regel erst nach einem Jahr gewährt.')
97. Die Feier der grossen Mysterien (t« fieyäka iivarr;Qia) war in
jedem zweiten Jahr mit Agonen verbunden,^) doch so dass alle vier
Jahre eine Hauptfeier stattfand. Das waren die grossen Eleusinien (tcc
fieydXa 'Elsvaina), die also zu den penteterischen Festen gehörten.*) Wahr-
scheinlich fielen sie ins dritte Olympiadenjahr. ^) Mit der Leitung waren
die zehn tsqonoiol xa%* iviavrov betraut,') daneben finden wir noch andere
Kollegien von tsqonoioi, die namentlich die Opfer besorgt haben werden.®)
Das Fest, das wie das kleinere in die Mitte einer sieben- bis achtwöchigen
Ekecherie fiel,*) die sich natürlich auf das athenische Gebiet beschränkte,^^)
begann spätestens am 16. Boedromion. ^ ^) Dieser Tag hiess alade
fivüTaiA^) Es fand also an ihm eine Reinigung der Mysten, die sich
nach der Bekanntmachung {nqoQQrjaiq^ nqoayoqsvcig) des Basileus schon
am Abend vorher in Athen versammelt haben werden, im Meere statt.
Wer zum ayvQiAoq^^) nicht rechtzeitig erschienen war, konnte wohl auch
an einem der nächsten Tage, ehe die Festversammlung die Hauptstadt
verlassen hatte, nachträglich aufgenommen werden. ^^) Bis zum 19. blieb
man in Athen, und diese Zeit mag mit feierlichen Umzügen zu den Hei-
ligtümern und mit Opfern ausgefüllt worden sein. Am 19.^*) begaben
sich alle Festgenossen, in späterer Zeit mit weissen Kleidern angethan,^')
auf der heiligen Strasse {tsqd odog) nach Eleusis.^') lakchoszug hiess die
Prozession nach dem Ootte, dessen Bild von dem lakchagogos vorauf-
getragen wurde, ^*) Unter fortwährendem Rufen seines Namens und hei-
ligen Gesängen bewegten sich die Zehntausende ^*) gewiss langsam genug
fort, an mehr als einer Stelle der an Erinnerungen und .Denkmälern
reichen Strasse*^) ihren Marsch unterbrechend. Wohlhabende Frauen
*) Ephem. arch. 1895 S. 114. i >«) Vgl. Bull, de corr. XIV 52.
*) Aristoph. Pax 371 ff. ") Plut. Phok. 6. Polyain. Strateg. III
») Plut. Demetr. 26. Lobeok Agl. 54 u. ' 11, 2. Vgl. Plut. Alex. 31.
123 ff. MoxMSBN Heortol. 22 f. Schobmann ' ^>) Mommsen Heort. 222 Anm. Vgl. die
Gr. A.' 11 394. Auch in der Inschrift von
Andania ist von nQtaxofivüxai, die Rede Dit-
TBNBBROER Syll. 388 ZI. 14, 50, 68.
*) Ephem arch. 1883 S. 123. R.Schobll
Sitzungsber. der Münchener Akad. 1887 S. 14.
'^) Aristot. Ath. Pol. 54. CIA III 663.
Ephem. arch. 1887 S. 3. Mommsen Heort.
224 ff. ScHOBMAinf Gr. Altt.»11386ff. Prel-
ler-Robert Griech. Myth. I 791 ff.
•) CIA II 315 ZI. 25 f. Bull, de corr.
XII 74. Vgl. V. WiLAMowiTZ Antig. v. Ka-
rystos 246 (CIA II 834b ist von den fieyäXa
/ivaz^Qia^ nicht 'Ekevalvia, die Rede).
7\ Arist a a O
«) Vgl Ziehen Rhein. Mus. 1896 S. 219 ff.
") DiTTBNBBRaBB Syll. 384b.
eleusin. Inschr. Ephem. arch. 1887 S. 177
ZI. 20 u. CIA IV 2, 53a.
*») Hesych. u. d. W.
»*) Paus. II 26, 7. ScHOBMAiTH Gr. A.»
II 387.
*») Schol. Aristoph. Ran. 824. Ditten-
BBRGBB Syll. 387, 16. Mommsen Heort. 229.
>•) CIA III 1132. Philostr. Vit. soph.
p. 58, 15 Kays.
'^) Aristot. Ath. Pol. 39. Foucart Rev.
des ^tudes grecques VI 332 f.
»«) Vgl. Ephem. arch. 1887 S. 177 ZI.
17 ff.
»«») Berod. VIII 65.
*<>) Paus. I 36, 3 ff. Preller Ausgew.
Aufs. 117 ff.
8. Kvltushanaiangen. (§ 97.) 163
fuhren auf Wagen,*) bis ein Gesetz des Lykurgos es untersagte.*) So
mochte der Tag, da die Strecke vier Stunden Weges betrug, wohl hin-
gehn. Am Abend fand der Empfang des lakchos') in Eleusis statt^)
und in den folgenden Tagen die eigentliche Festfeier. Man brachte De-
meter, Eore, lakchos, Triptolemos, Telesidromos, Artemis, den Chariten,
Hermes Opfer dar; ein ungeheurer nsXavog wurde hergestellt, und die
Eumolpiden bestimmten, wie viel und wem davon geopfert werden sollte.*)
Es folgten Fackeltänze^) und vor allem die nächtlichen Feiern in ge-
schlossenen Räumen.'') Nach gewiss wiederholt vorgenommenen Reini-
gungen,^) Fasten, sodann dem Genüsse des xvxeaiv,^) eines Mischtranks,
den auch Demeter, nachdem sie in ihrer Trauer lange jede Speise ver-
schmäht hatte, zuerst zu sich genommen haben sollte,^®) und nach man-
chen andern Vorbereitungen *>) fand sich die Menge im Tempel, den tiefe
Finsternis erfüllte, **) erwartungsvoll zusammen. Es war ein Raum von
sechzig Metern Länge und 2712 Quadratmetern Flächeninhalt, seinem
Zweck entsprechend einem Theater nicht unähnlich. Eine Stellung von
zwanzig Säulen umschloss einen Innenraum, den rings ein Stufenbau um-
gab, auf dem die Zuschauer sassen oder standen. Zwischen den Säulen
befand sich die erhöhte Bühne, das äiäxtoQov^^) Dieser Raum hatte
Oberlicht, der Zuschauerraum war gedeckt. ^^) Hier stellte man wahr-
scheinlich die sog. ävdxTOQct auf, kleine Tempelchen, wie sie auch die
Cistophoren trugen, und hier kamen die dqwiisva^^) zur Darstellung, dra-
matische Aufführungen und lebende Bilder, die den Mittel- und Glanz-
punkt der ganzen Feier bildeten, und wo ohne Zweifel alles, was Kunst
und Technik zu leisten vermochte, aufgeboten wurde, um den sinnlichen
Eindruck möglichst überwältigend zu machen, i^) Vielleicht wurden für
die erst vor einem halben Jahr in die kleinen Mysterien Aufgenommenen
und für die älteren Epopten besondere Feiera veranstaltet.*') Gegen-
stand der Darstellungen waren Scenen aus dem Sagenkreis der gefeierten
Götter: der Demeter und Persephone, des lakchos, des Hades. *^) Bei
>) Aristoph. Plut. 1013 f. '') Vgl. Lobbck Agl. 59.
*) Plut. Dec. orat. Lyk. 7. '^) Plut. Per. 13. Holwbkda Verslage
•) laxxov anodoxij E<p^f^. ftQX- 1887 Acad. v. wetenscb. XI 251 ff.
S. 177 ZI. 21. I ^*) dQay bedeutet in Beziehung auf den
*) Ober die Zeit, wann lakobos in den | Kultus stets das Geheimnisvolle. Paus. II
Mysterien Bedeutung gewann (480), 0. Ebbn
Athen. MiH. XVII 138 ff.
^) L. ZiBHEN Leg. sacr. 22 f. Dittbn-
12, 1. II 37, 5. Eur. Iph. T. 1336. Schol.
Soph. 0. K. 489. Vgl. Fbibdlaendbb Lo-
BBCKS Briefwechsel 176 u. Gbuppb Hdb. V
bbrobb SyU. 13 und 347. CIA I 5. 11 476. ' 2, 53 A. 7.
•) Soph. Oid. Kol. 1045. Aischyl. im ! ") Plut. De an. VI 2. Themist. Or. XX
Schol. dazu. Eur. Ion 1075 ff.
') Strab. IX 375. CIA II 628. 'Eq^tju.
ttQX. 1887 S. 3 ZI. 25 ff.
») [Lys.J Andok. 52. Vgl. Athen. Mitt.
XIV 124.
*) Klem. Alex. Protr. 13 D.
") Plut. Quaest. symp. FV 4, 1. Über
den xvxeair s. besonders Rosohbb Jahrb. f.
Phil. 1888 8. 523 f.
") Hbbmanh G. A.» § 32 A. 18.
»«) Plut. De prof. virt. sent. p. 81 E.
Aristeid. Or. XIX p. 415 Dind. : culte de Pluton dans la relig. äleus.
11*
p. 235 ß. Vgl. Paus. V 10, 1. Lobbck Agl.
44 f.
") Vgl. MoMMSBN Heort. 261 f.
") Euseb. Praep. ev. III 12, 4. Dibtb-
BiCH Nekyia 65. Rübbnsohn a a. 0. 26.
PouoABT Bull, de corr. VII 397 ff. Föbsteb
Raub und Rückkehr der Persephone 19 ff.
TOpffbr Att. Geneal. 34. Ueber den Zusam-
menhang des Dionysos und überhaupt der
chthonischen Gottheiten mit den Mysterien
s. *E<pr]f4. aQx. 1886 S. 25 ff. u. Foucart Le
164 I>ie grieohiaohen KvltiisaltertttiiLer.
einer ähnlichen Feier in Arkadien wird unter anderem die Rückkehr der
Persephone aus dem Hades dramaartig dargestellt/) und auch für den
samothrakischen Kultus ist ein Vorgang bezeugt, der das Umherirren der
ihres Kindes beraubten Demeter veranschaulichen sollte.*) Der Hierophant
in prächtigem Gewände mit der königlichen Kopfbinde,*) zeigte die *«^a,*)
und andächtig vernahmen die staunenden Gläubigen die Xeyofjieva. Wahr-
scheinlich hatten sie den Zweck, das Gesehene zu erklären; aber auch
so weit sie etwa selbständige Bedeutung hatten und in Mitteilungen aus
den tcQol Xoyoi, aufgezeichneten Legenden hieratischen Inhalts, bestanden,^)
kann man sie höchstens, wie dies auch geschehn ist, mit der Liturgie
in unsem Gottesdiensten vergleichen und darf ihnen in dem Ganzen nur
eine untergeordnete Stellung zuweisen. Es war ein Gottesdienst, be-
stimmt, durch die sinnliche Pracht der Ausstattung, die durch die Musik
wirksam unterstützt ward,^) zu berauschen und in verzückte Andacht zu
versenken, Mittel, die ja auch heute noch nicht verschmäht werden und
nicht versagen. Fühlt die Menge sich ergriffen und von dem Gefühl der
frommen Stimmung, die sie gern für Frömmigkeit nimmt, befriedigt und
erbaut, so kann der einzelne immerhin tiefe und nachhaltige Eindrücke
empfangen, die auf seine religiösen Empfindungen, seinen Glauben und
dann vielleicht auch auf seinen Lebenswandel bestimmenden Einfiuss haben
mögen. Das Entführen des Lebendigen in die Unterwelt, das Auferstehn
zu neuem Leben, das Vorführen von Scenen aus dem Leben, das der
Seligen einst wartet, und vielleicht auch von Qualen, die den andern be-
vorstehn,^) zudem die Menge der Gläubigen und ihr frohes Bekenntnis
— das alles muss in der That geeignet gewesen sein, die Hoffnungen zu
bestärken und vielleicht auch Vorsätze zu guten Werken.^) Denn den
Guten und Gottesfürchtigen hatte die Göttin zuerst Gnade erwiesen und
ihnen dauernd verheissen.^) Daran aber, dass „die Entwicklung eines
tieferen in den Mysterien verborgenen Sinnes für eine kleine Zahl von Aus-
erwählten aufgespart* gewesen sei,i<*) ist nicht zu denken. Es blieb einem
jeden überlassen, wie viel er darin finden wollte und konnte; und es kann in
der That kaum anders gewesen sein : den einen wird mit gläubiger, froher
Zuversicht erfüllt haben, was dem andern dunkle Ahnung erweckte und
dem dritten vielleicht abgeschmackt und lächerlich schien. Jedenfalls war
die Sache so ernst und machte solch einen Eindruck, dass auch der Un-
gläubige sich frechen Spottes enthielt, und dass der Staat, wenn er ein-
mal gegen Mysterienfrevler einschreiten musste, sich der Zustimmung der
Menge versichert halten durfte. ^0
^) Lebas-Foucabt Inscr. de la Gr^ce II I ^) Vgl. d. iDSchr. y. Andania Dittkn-
6 n. 352h.
2) Archäol. Unters, auf Samothr. II 26.
Ru BENSOHN a. a. 0. 181 ff., 223. Roschbb
Myth. Lex. II 854 f., 865.
») Plut. Alk. 22; Aristeid. 5. [Lys.] An-
dok. 51. *E(pfjfi. dgx. 1895 S. 114. Töpppbb
Att. GeD. 46 f. Pbellbb-Robbrt Griecb. Myth.
I 787 A. 4.
^) Plut. a. a. 0. Philostr. Apoll. T. IV
bekgeb Syll. 388, 12 f. Paus. VIII 15, 2.
Isokr. Paneg. 28 f. Apul. Metam. XI 16.
«) Aristeid. Eleus. 1 415 Dind. Vgl.
Paus. IX 27, 2. Rohdb Psyche« I 289, 2.
') Luk. KttxdnX, 22. Gbbhabd Akad.
Abh. II 352 A. 98.
«) Andok. I 31 p. 6. Vgl. Diod. V 49, 6.
*) Aristoph. Ran. 455 ff. Lbhbs Pop.
Aufs.« 319.
18. Himer. Or. XXII p. 766. Harpokr. u. , »<>} Schoemann Gr. A.» 11 399.
Suid. u. UQO^dyxtjg. \ ") CIA IV 274. [Lys.] g. Andok. Mbisb-
8. Kvltashandlangen. (§ 97—99.) 165
An den letzten Tagen des Festes fanden im Anschluss an die My-
sterienfeier äycaveg statt, >) und zwar gymnische, hippische und musische.
Diese hat man vielleicht erst später hinzugefügt, wenigstens erwähnt
Pindar*) nur die ersten beiden. Dass die Feier in jedem fünften Jahr
besonders prächtig war, ist selbstverständlich. Scenische Spiele sind
nicht sicher bezeugt. Die Beteiligung von auswärts muss lange Zeit sehr
gross gewesen sein; mächtige Städte, wie Milet^) sandten Theorien und
trugen so auch ihrerseits zur Verherrlichung des Festes bei. Man sieht,
auch diesen ernsten Oottesdiensten fehlte die Freude nicht. ^) — Den
Beschluss soll eine Wasserspende aus thönernen Oefässen {nXrjixoxoat) zu
Ehren der Toten gemacht haben.*)
98. Es gab in Qriechenland an mehreren Orten Filialen des eleu-
sinischen Mysteriendienstes, z. B. in Phleius, in Megalopolis und
in Pheneus in Arkadien,^) und auch in Ephesos feierte man einer Demeter
KaQTtofpoQoq &€(rfAo<p6Qog Mysterien.^) Natürlich bewahrten diese Kulte
im einzelnen ihre Eigenai*t. Am besten unterrichtet sind wir über die
Mysterien von Andania in Messenien. Schon einmal nach der Wieder-
herstellung Messenes durch Epameinondas erneuert, scheint der Kult dann
wieder unterbrochen zu sein. Denn ein umfangreiches Dekret aus dem
Anfang des ersten Jahrhunderts v. Chr. ordnet die Feier aufs neue an
und bestimmt alle Einzelheiten aufs genauste.®) Die vorzugsweise ver-
ehrten Götter sind die /xeyaXoi &€oi^ die Eabiren, daneben Demeter, ApoUon
Karneios, Hermes, die Hagna. Das Fest fand wahrscheinlich im Hoch-
sommer statt.*) Auch hier hat der Staat die Oberaufsicht, und fünf vom
Demos eingesetzte Kommissare haben die finanzielle Verwaltung in Hän-
den, der Reinertrag aber des Festes fliesst in den Staatsschatz.
99. Ausser den eleusinischen waren in Griechenland am berühmtesten
die samothrakischen Mysterien.
Litteratnr: Lobbck Agl. 1109 ff. Sohoemann Gr. A.* II 403 ff. Archäol. untersuch,
auf Samothrake von Gonzb, Benhdobf etc. 107 ff. Darembbbo et Saglio Dict. u. Cabiri I
S. 757 ff. Grusivs Beitr. zur griech. Mythol. Leipz. 1886. Rübbnsohn Die Mysterien-
faeiligtttmer in Eleusis n. Samothr. 125 ff. Robbst in Prbllebs Griech. Mytb.* 1 847 ff.
Tä Kaßei^wv oQyia auf Samothrake werden zuerst von Herodot (ü 51)
erwähnt. Die samischen Kolonisten, heisst es dort, hätten sich die Weihen
von den älteren Bewohnern, die sie auf der Insel vorfanden, angeeignet.^®)
Über das Wesen der Eabiren ^^ haben namentlich neuere Ausgrabungen
in dem Heiligtum bei Theben einiges Licht verbreitet. >^) Das Kind Dio-
Schobmahh Att. Prozess« 368 f. A. 482 S. 158 | •) Paus. Hl 4, 1; VIII 14, 8 und 15, 1 ff
u. 183. i Vgl. Lobbck Agl. 43 ff. Sobobmann a. a. 0.
') CIA II 341, 402, 444 etc. Ephem. ' 401 f. Gbbhabd a. a. 0. 351 ff.
arch. 1883 S. 110 ZI. 45 f., 1890 S. 127. ') Dittbnbbbobb Syll. 390.
Bull, de corr. V 281, VIII 194 f. Mommsbn
Beert. 263 f. Rubbnsohh a. a. 0. 46 f. und
besonders Nbbb a. a. 0. 16 ff.
») Ol. IX 150, Xn 157, Isthm. I 81.
Vgl. Olymp. Inschr. V 188.
») CIA II 442.
*) Vgl. Luk. üegl oqxv^. 15.
») Athen. XI p. 496. Vgl. PoU. X 74
und Bbbnayb Theophraet Üb. d. Frömmig-
keit 95 f.
*) Sauppe Die Mysterieninschr. von An-
dania Gott. Ges. d. Wisssch. VIII 217 ff.
Dittbnbbbbobb Syll. 388.
•) Sauppb a. a. 0. 270.
'0) Vgl. Arch. Unt auf Sam. II 107.
^1) Vgl. ausser Robbst a. a. 0.0. Ebbh
Wochenschr. f. klass. PhiL 1889 S. 698 ff.
Herrn. XXV 1 ff.
") Athen. MiH. XIU 81 ff.
166 Die grieohisohen Knltosaltertfliiier.
nysos und seine Pfleger spielen in dem Kultus, der sich von Athen aus
verbreitet zu haben scheint,^) eine besondere Rolle. In den Inschriften
erscheinen enomai als Eingeweihte zweiten Grades und /xvazcu smeßstg;*)
äQcifAera und Xeyofieva sind wenigstens für die spätere Zeit bezeugt,')
und der chthonische Charakter der Gottheiten tritt wie in allen Myste-
rien^) bedeutsam hervor. Dies wird bestätigt durch die Lage des Tem-
pels am Pusse der Anhöhe*) und durch die oben*) beschriebenen Opfer-
vorrichtungen. „Zu Schutzmächten der Seefahrt sind die samothrakischen
Gottheiten offenbar erst im Lauf der Zeit durch ihren Inselsitz in dem
von Stürmen besonders heimgesuchten thrakischen Meere geworden.''^)
„Zur Zeit Herodots war das Kabirenheiligtum ein kleines, bescheiden aus
einheimischem Stein aufgeführtes Gebäude, wie die Ausgrabungen erwiesen
haben. ''7) Berühmt wurden diese Mysterien erst im vierten Jahrhundert,
und zur Zeit der Diadochen standen sie in solchem Ansehn, dass sie sich
wohl den eleusinischen an die Seite stellen durften. ») Namentlich See-
fahrer Hessen sich einweihen, denn gegen die Gefahren des Meeres sollten
die Eabiren ja besonders schützen,*) und der neue Tempel füllte sich mit
den herrlichsten Weihgeschenken, lo) Philipp von Makedonien und Olym-
pias Hessen sich aufnehmen, Lysimachos schenkte dem Heiligtum sein
besonderes Interesse und seinen mächtigen Schutz, >^) Perses von Make-
donien und Ptolemaios VI Philometor fanden auf der durch ihr Asylrecht
geschützten Insel eine Zuflucht, ^^) und man erzählte, dass schon Aga-
memnon und Odysseus die Weihen empfangen hätten.^')
Die Aufnahme scheint zu jeder Zeit stattgefunden zu haben. ^^) Es
wird dies das Zweckmässigste gewesen sein, da viele vor Antritt ihrer
Seefahrt die Weihen verlangt haben werden. — Das Fest ist wahrschein-
lich im Hochsommer gefeiert worden.")
Auch an andern Orten Griechenlands wurden die Kabiren verehrt,
z. B. in Thessalonike.^^) Dem samothrakischen am verwandtesten war
wahrscheinlich der Kult in dem Heiligtum an der Strasse von Theben
nach Thespiai, dessen Reste vor einigen Jahren blossgelegt worden sind.^<)
In späterer Zeit werden auch Isismysterien erwähnt.*') Nur be-
sonders von der Göttin Berufene wurden hier aufgenommen, und die Zahl
der' Teilnehmer war wohl niemals beträchtlich.
100. Geschlossene Kultgenossenschaften waren auch die sog.
Orgeonen, d-iaaoi und Mqavoi,
0. Kern Herrn. XXV 8 ff. 1 ^^) Inschr. Arch. Unters, a. Sam. II 85.
") TH.RKmACHRev.de8 6tud.gr.V197ff. | ") Arch. Unt. a. Sam. I 20.
*) Galen. De neu pari. YII U [Kühn IV ' ») Schol. zu Apoll. Rhod. I 917; zu IL
576]. LoBEOK Agl. 1285 ff. | A 334, 17 100.
^) FouoABT Bull, de corr. VII 387 ff. ") 0. Hirsohpbld Arch. ünt a. Sam.
xaivLai noQq)vQai der Mysten Schol. Apoll.
Rhod. I 917.
») Arch. Unt. a. Sam. II 28.
•) S. 18. Vgl. auch Schol. Ariatoph.
Pax 277.
») Arch. Unt. a. Sam. II 108.
^) RuBBNSoHN a. a. 0. 143 ff.
") Schol. Ariatoph. Pax 277.
*<>) Diog. Laert. VI 59.
I 39.
^') Ebbn Beitr. zur grieoh. Philoe. u.
Relig., Berlin 1895 S. 103 ff. Sohoexai«n a.
a. 0. 406. Darembebg et Saglio Biet. 1 767 ff.
^•) laSept. I add. 3577 ff. Athen. Mitt.
XIII 81 ff., 412 ff Eebn Arch. Anz. 1893
S. 129 ff.
'') Apul. Metam. IX 16. Vgl. Schob-
MANN a. a. 0. 407 ff. Rohde Psyche' II 400, 1.
8. KnltiiBhandliingexi. (§ 100.)
167
Littaratur: Hauptwerk Foucabt Des associations religieusea chez les Grecs, Paris
1878. Fb. Poland De colleg. artif. Dionys. Dresden 1895. 0. Lüdebs Die dioDys. Künstler,
Berlin 1873 Anf. C. Sohafbb Jahrb. f. Phil. 1880 S. 417 ff. Böckh Staath.» I 312 f.
ZiEBABTH Das griech. Vereinswesen, Leipzig 1 896. Alb. Müllbb Griech. Bühnenaltt. 392 ff.
RoBDB Psyche* H 388. v. Wilamowitz Aristot. und Athen II 266 ff. A. Eöbtb Athen. Mitt.
XXI 299 ff. Die Inschrr. CIA III 1324 ff.
Orgeonen Wessen die Teilnehmer an einem privaten Kult,^) <Jer aber
nichts eigentlich Ausschliessendes hatte, insofern es weder ein Geschlechter-
kult war, noch ausländische, zunächst staatlich nicht anerkannte Gott-
heiten verehrt wurden.*) In alter Zeit waren es jedenfalls die Bewohner
eines Dorfes, die sich zu einer solchen Gemeinschaft zusammenthaten,')
im zweiten Jahrh. v. Chr. aber sind Orgeonen und Thiasioten, bei denen
Zugehörigkeit zu demselben Demos nie erforderlich war, von einander
nicht mehr zu unterscheiden.^) Grössere Bedeutung und eigentümlichere
Färbung erhielten diese Vereine erst, als der Seehandel Athens grosse
Ausdehnung gewann, und aus allen Ländern Kaufleute und Gewerbtreibende
namentlich in der Hafenstadt Peiraieus zusammenströmten und sich dort
zu dauerndem Aufenthalt niederliessen. Diese Fremdenkolonien stifteten
nun religiöse Vereinigungen und kamen bisweilen auch um die Erlaubnis
ein, irgend einer ihrer heimischen Gottheiten ein Heiligtum errichten zu
dürfen, was ihnen dann auch gestattet wurde. '^) Mitunter errangen die
Gottesdienste ein so grosses Ansehn, dass sie unter die Staatskulte auf-
genommen wurden, aber auch wenn dies nicht geschah, suchten die Mit-
glieder der Korporationen ihrer Genossenschaft ganz die Verfassung und
das Aussehn der herrschenden Staatskulte zu geben. Sie stellten Priester,
Schatzmeister und andere Kultbeamte an, erliessen Dekrete*) und ver-
hängten über die Ungehorsamen Geldstrafen oder schlössen sie aus
ihrer Gemeinschaft aus,') belobten verdiente Priester®) und erkannten
ihnen sogar heroische Ehren zu.*) Aufgenommen wurde jedermann, der
eintreten und sich den Bestimmungen fügen wollte, auch Frauen, Frei-
gelassene und Sklaven, und jedes Mitglied hatte dieselben Rechte.^®) Sehr
genau lernen wir eine solche Organisation aus einer kürzlich in Athen
gefundenen Inschrift des 2. oder 3. Jahrh. n. Chr. kennen. **) Die neu
Aufgenommenen zahlen ein Eintrittsgeld, und zwar alle, deren Väter schon
Mitglieder waren, oder die als Knaben bei den gottesdienstlichen Akten
dienend mitgewirkt hatten, nur die Hälfte der sonst üblichen Summe.
An jedem neunten Monatstage findet eine Feier statt, zu deren Besuch
jeder verpflichtet ist. Versäumnis zieht wie andere Unordnungen oder
Ausschreitungen eine Geldstrafe nach sich. Die regelmässigen Beiträge
*) Harpokr. u. Said. u. 6gye<ay$s^
') Lipsius in BuBSiANS Jahresher. II
1876 S. 1389 f. C. Schabfbb a. a. 0. 418.
») CIA II 990.
^) CIA II 1336.
*) Ygl. die Inschr. Revne archöol. 1864
8. 399 und die ohen S. 9 angeführten Bei-
spiele.
•) BoU. de corr. III 513.
') Foucabt a. a, 0. 20 ff., 33 ff. IGSept.
I 2725.
^) Eine Inschrift aus Mantineia erw&hnt
unter andern Verdiensten des Priesters, er
hahe die GOttin (Eore) in sein Haus aufge-
nommen, xa&tSg icny e^og toTg dsl ysyo-
fj^yoig Ugevciy. Lkbas II 352h. Vgl. ZI. 30
u. 34.
•) Athen. Mitt. IX 291.
*o) Foucabt a. a. 0. 5 ff.
>0 Athen. MiH. XIX 248 ff., ausführlich
behandelt von Maass Orpheus 18 ff.
168
Die grieohisohen Kultnsaltertttmer.
werden monatlieh entrichtet. Als Beamte erscheinen ein tfQcvg, ttvd-ieqetg^
aqxißaxxog^ Ta/xiag, YQafifiavevg, Zwei in den Silberbergwerken von Lau-
rion gefundene Inschriften^) aus dem 2. Jahrh. n. Chr. enthalten die
Aufforderung zur Bildung eines Igavog zu Ehren des Mrjr xvqavvog und
Kultvorschriften, die der Stifter selbst entworfen und dekretiert hat.
Der Stifter aber ist ein Sklave, der in den Bergwerken arbeitet, und dem
ein verlassenes Heroen als Tempelgebäude dienen muss. Andere Steine
verzeichnen lobend die Namen der Wohlthäter und frommen Stifter, welche
Tempel gebaut und wiederhergestellt oder die Kosten für die Feste frei-
gebig bestritten haben, 2) und erkennen ihnen zum Dank kostspielige Aus-
zeichnungen und Belohnungen zu.^) Bei der Organisation und Stellung
dieser Vereinigungen war man ja auch naturgemäss auf die Opferwillig-
keit einzelner reicher Mitglieder angewiesen. Solche Vereine waren über
ganz Griechenland verbreitet. Eine rhodische Inschrift*) verzeichnet Dio-
nysiasten, Paniasten, Heliasten und Heliaden, und eine andere ebenfalls
aus Rhodos (n. 162) nennt ihrer noch mehr. Doch scheinen viele dieser
Kulte ein geringes Ansehn genossen zu haben; sie werden häufig ver-
spottet^) und haben dies zum Teil ohne Zweifel verdient.^)
Daneben gab es noch andere Vereine, die eigentlich nichts mehr
mit der Religion zu thun hatten, aber doch den Namen eines Gottes als
Aushängeschild gebrauchten und sich nach ihm bezeichneten. Die wich-
tigsten sind die der Dionysiasten d. i. Schauspielergesellschaften. ^) Ein
anderer Verein hatte den Herakles zum Schutzpatron erkoren; die Zahl
der Mitglieder war auf sechzig festgesetzt. Unterhaltung durch Witze und
Zoten scheint der Hauptzweck ihrer Zusammenkünfte gewesen zu sein,^)
und edlere Tendenzen oder Gepflogenheiten wird man von dem Verein
des Ithyphallos,^) auch nicht vorauszusetzen haben. Dergleichen Klubs
aber gab es viele. ^^) Lässt doch eine vor kurzem in Faros gefundene
Inschrift sogar auf einen dort bestehenden d^iaaog von Hetären schliessen,
der auch einen Priester und einen vsmxoQog hatte.**)
Von den Privatkulten der Geschlechter haben wir schon wiederholt
gesprochen. Neben ihnen gab es dann noch einen weiteren Kultus der
Phratrien und oft auch einen engeren der einzelnen Familien. Auch
kommt es vor, dass Kulte, die patrizische Geschlechter lange in ihren
Privathäusern gepflegt haben, in ein gemeinsames öffentliches Haus verlegt
werden. 1*) Über das Apaturienfest, das die Phratrien in Athen alljährlich
') CIA m 73, 74 (DlTTEHBHBOBE Svll.
379).
«) CIA II 986 flF. Pergam. Ins. VIII 2,
n. 374 handelt ausftthrlioh über die Feste,
die ein ^iaaos namentlich an den Gehalts-
tagen des Aagustus und der Livia feierte.
>) Athen. Mitt. XXI 299 ff. CIGIns. II
104.
«) CIGIns. 1 155. S. auch 116 aus Syme.
*) Vgl. FouoABT a. a. 0. 55 ff.
•) Vgl. FouoAET a. a. 0. 158 ff.
') 0. LüDBBS und PoLAND a. a. 0. Fou-
OART De coUegiis scenicorom artificum apud
Graecos.
•) Vgl. Athen. XIV 3 p. 614 u. VI 76
p. 260.
•) Vgl. Demosth. LIV 17 p. 1262; 34 ff.
p. 1267.
><>) SoHQBXAim a. a. 0. 542 ff. nnd LO-
DEBS a. a. 0. Erster Abschnitt.
») Athen. Mitt. XVIII 16 ff.
IS) DiTTENBEEQER Syll. 360 EOS Chios.
Aristot. Pol. VI 4 p. 1318b, 19 and mehr
bei R. ScHOBLL Sat. philol. Saappio obl. 168 ff.,
der überhaupt über die tditt Uqu der Ge-
schlechter handelt. Vgl. auch Fiat. Leg. X
909 f.; V 729 D.
4. Koltiuseiten. (§ 101.)
169
im Monat Pyanopsion begingen, wird unter den Festen zu handeln sein ; von
dem häuslichen Kult der Familien ist gelegentlich der Hausaltäre (S. 14 f.)
der Opfer (S. 95, 106 f.) und der Reinigungen (S. 147 f.) bereits die
Rede gewesen. Wichtig war er namentlich bei Eheschliessungen und Be-
gräbnissen; doch fällt dies Kapitel mehr in das Gebiet der Privatalter-
tümer, ^) und so mag denn hier nur noch erwähnt werden, dass in ver-
einzelten Fällen eine Familie sich veranlasst sah, eine Gottheit als Schutz-
patron in ihrem Hause besonders zu verehren, sei es infolge alten Her-
kommens,') oder weil die Macht derselben sich an ihr besonders wirksam
erwiesen hatte.') Schliesslich ist noch zu bemerken, dass auch die Staats-
sklaven an einigen Orten ihre eigenen Kulte hatten.^)
4. Kultuszeiten.
a. Die Natlonalfeste.
a. Die olympischen Spiele.
Litteratar: Rathgbbbb in Ebsch u. Gbübbb's Encyklop. III Sect. 3 S. 114 ff. u.
S. 293 ff. — J. H. Kbausb Olympia, Wien 1838 mit einem aiphabet. Verzeichnis der
olymp. Sieger. Kbaüsb Hellenika, die (^[vmnastik und Agonistik der Hellenen, Leipzig
1841. 2 Bde. mit vielen Abbildungen. Ksaubb in Faült's Realencykl. V 899 ff. u. III
990 ff. F. KiNDSCHBB Das Programm der Olympien in Jahn's Jahrbb. Suppl. XI 485 ff.
£. Fb. Hbbxakn Gottesdienst! . AIH.* S. 178 ff., 312 ff. Schobmann Griech. Altt.' 11 50 ff.
E. CuBTiüs in Altertum u. Gegenwart 1882 II 129 ff., 157 ff., 185 ff. Flasoh Olympia in
Baumbistbbs Denkm. Ad. Böttichbb Olympia, Berlin 1883 mit vielen Abbildungen,
Situationsplänen und Rekonstruktionen. Hauptwerk: Cübtius, Adleb, Tbbu, Döbpfbld,
Dittbnbbbgbb-Püboold etc.: die Ausgrabungen von Olympia Berl. 1881—97. E. Gubtivs
Stud. zur Gesch. von Olympia Abh. der Berl. Akad. 1894 S. 1095 ff. Fb. Mib Quaestiones
agonisticae, Diss. Rostock 1888.
101. Die Hellenen hatten keinen Feiertag, der unserem Sonntag oder
dem Sabbath der Juden entsprochen hätte, dafür aber eine grosse Zahl
von Festen, die in regelmässiger Wiederkehr begangen wurden. Schon
Homer scheint alljährlich zu bestimmter Zeit gefeierte Feste zu kennen,^)
bei Hesiod finden wir bereits den Glauben, dass es Glücks- und Unglücks-
tage gebe, dass der siebente dem Apollon heilig sei,^) der fünfte den
chthonischen Gottheiten gehöre,^) und in der folgenden Zeit muss das
ganze System der den verschiedenen Göttern geweihten Monatstage^) ge-
schaffen und ausgebildet worden sein. Man wird für jeden bestimmte Opfer-
tage festgesetzt haben, und daraus haben sich dann allmählich und in immer
grösserer Zahl die periodischen Feste entwickelt. Wie es bei der Eigenart
und dem Partikularismus der Staaten und Städte in Griechenland, der
sich auf religiösem Gebiet nicht am wenigsten geltend machte, nicht an-
») S. Iw. V. MüLLBB Hdb. IV» 148. 223 f.
•) Vgl. Aristoph. Av. 1534 u. 764.
Herod. V 66.
') Plut. Timol. 86. Comel. Nep. Timol.
c. 4. Vgl. auch Badbb De diis naxQt^oigj
Progr. des Gymnas. zu Schleusingen 1873.
*) Vgl. biTnwBEBOEB Ind. lect. Halle
8. 1887 8. VIII f.
fi) V 156 cf. <p 258. B 550 f. Zu dieser
Stelle s. ausser Ed. Mbtbb Hermes XXVII
376 f. und Pbbllwitz Festschr. f. L. Fbibd-
LAENDBB 1895 S. 885 auch Düntzeb Ep. Cy-
clus 12 u. 26 und Köohlt De gen. Catal.
forma 15.
•) Erg. 770 f.
') Erg. 802 ff.
•) Schol. Aristoph. Plut. 1126; Nuh. 616.
Vgl. Lobbok Agl. 430 ff. Schoemann Gr.
Altt» II 441 ff.
170
Die grieohisohen Enltusaltertaiiier.
ders sein kann, finden wir auch in den Festen der einzelnen die mannig-
fachsten Unterschiede. Doch ein Band gab es, das die Hellenen auch
hier vereinte, das sie fester zusammenschloss und sie sich ihrer Zusammen-
gehörigkeit inniger bewusst werden liess,i) als selbst eine dem gemein-
samen Vaterland die Vernichtung drohende fi[riegsgefahr: die grossen
Nationalfeste.
102. Die ersten Wettkämpfe, von denen wir in Griechenland hören,
fanden bei Leichenbegängnissen statt, ^) und die Sage führt die Stiftung
aller grossen Nationalspiele auf BesfaEittungsf eiern zurück.*) AchiUeus
weiss den gefallenen Freund nicht würdiger zu ehren als durch Kampf-
spiele.^) Am Wettrennen der Wagen, Faustkampf, Ringen, Lauf, Wafifen-
wettkampf, Wurf einer schweren Metallkugel, Bogenschiessen, Speerwerfen
erfreuen sich die Helden, und die leidenschaftliche Teilnahme an jedem
einzelnen Wettspiel lässt das ganze Heer alles andere vergessen. Kein
eigentlicher Wettkampf, wo man Preise aussetzt, sondern ein Schauspiel
ist es, wenn Alkinoos, um seinen schwermütigen Gast zu erheitern, die
Jünglinge auffordert, ihm ihre Kraft und Gewandtheit im Lauf, Ring-
kampf, Springen, Diskoswurf und Faustkampf zu zeigen {d- 100 ff.). Etwas
Schöneres vermag auch sein gottgesegnetes Volk nicht zu bieten, und für
nichts anderes darf er gleiches Interesse bei dem Fremden voraussetzen.
Hier schlug das Herz des Griechen höher, der Wettkampf ist sein Stolz,
und das Spiel ist ihm heiliger Ernst in der heroischen Zeit und nach
vielen hundert Jahren, als Grösse und Freiheit zu Grabe getragen waren.
,Die Hellenen gedachten später eine grössere Streitmacht nach den Thermo-
pylen zu senden, denn es war gerade um diese Zeit das Olympische Fest*,
sagt Herodot,^) weit entfernt, das gefahrliche Säumen zu tadeln; Alexander
der Grosse belohnt und erhebt seine Soldaten nach Mühen und Schlachten
durch Wettspiele ;<^) und als die Zehntausend nach den fürchterlichen
Strapazen des Rückzugs zum ersten Mal wieder Boden betreten, wo die
hellenische Sprache an ihr Ohr klingt, und sie ihrer Rettung sicher zu
sein glauben, da wissen sie ihrer Freude keinen bessern Ausdruck zu
geben und den Göttern nicht schöner zu danken, als indem sie Wett-
kämpfe veranstalten.^) »Die Gymnastik trat in den Dienst der Religion*,
und das freudige Zurschaustellen und Aufbieten der Jugendkraft, des herr-
lichsten Geschenkes der Gottheit, war ein Opfer wie die Erstlingsgabe von
den Früchten des Feldes, die Statue des Künstlers, die den Tempel als
Weihgeschenk schmückte, oder der fromme Hymnos des Dichters.**) Nie
wurde man sich der eignen d^cTtj und des göttlichen Segens stolzer be-
wusst. Die Freude der Hellenen an den Kampf spielen ist also uralt, ja
Homer kennt bereits alle später üblichen Arten des Wettkampfs. Be-
schränkten sich die hippischen {dyc^veg InnixoC) auf das Rennen von Zwei-
Vgl. Isokr. Paneg. 43.
'\ R SLWtUkAT T1 W nannATi
w 85 flF. RoHDB Psyche« 1 19 and über A 698 f.
Rhein. Mus. XXXVI 544 f.
») RoHDB Psyche* I 151 f.
*) W 258 flF. Vgl. 680 flF.
») Vll 206. Vgl. VIII 26 und E. Cübtius
Altt. u. Gegenw. II 129 flF.
•) Arr. Anab. II 5, 8. III 6, 1. VT 28, 3.
Vll 14, 10. Plut. Alex. 29.
») Xen. Anab. IV 8, 26 flF.
^) CüBTHTs a. a. 0. 131. Sohobmanh
a. a. 0. II 71.
4. KoltiiMeiteii. (§ 102-103.)
171
gespannen, weil jene Zeit weder Viergespanne noch Reiter kannte, so finden
wir unter den gymnischen Spielen {äym'cg yvfirixoi) sogar eines, das uns
später nicht mehr begegnet: das Bogenschiessen. Doch von einem nationalen
Fest, das aller Griechen Stämme froh vereinte, weiss Homer noch ebenso-
wenig wie von einem Kranz, der alle Preise, die der Reichste dem Sieger
verleihen kann, an Wert unendlich übertrifft. ^ — Die spätere Zeit bemühte
sich, die Stiftung der grossen Nationalspiele bis in die sagenhafte Vorzeit
hinaufzurücken, und früh genug ist sie sicherlich erfolgt. Pelops, Oxylos,
Herakles werden als Stifter oder Erneuerer der olympischen Spiele ge-
nannt, dann seien sie wieder in Vergessenheit geraten, bis endlich auf Ver-
anlassung des delphischen Orakels Iphitos, König von Elis, dem dabei
Lykurgos von Sparta seine Unterstützung lieh, sie wieder eingeführt habe.^)
Beide sollen es durchgesetzt haben, dass während der Festzeit Gottes-
frieden {ix€X€tQia) herrschte, und noch Pausanias (V 20, 1) sah in Olympia
eine uralte eherne Scheibe, den sog. Diskos des Iphitos, auf der das Gebot
des Gottesfriedens eingegraben war. Seitdem sollen die olympischen Spiele
alle vier Jahre regelmässig gefeiert worden sein.^) Doch einigermassen
sicher wird der Boden erst später. Im Jahre 776 soll der Eleier Koroibos
einen Sieg im Wettlauf errungen haben, und von da an beginnt die Rech-
nung nach Olympiaden, wenn sie auch erst Jahrhunderte später durch Timaios
zu allgemeiner Anerkennung gelangte.^) Seit dieser Zeit soll man Sieger-
verzeichnisse angelegt und regelmässig fortgeführt haben. ^) Der Kranz soll
auf Anordnung des delphischen Gottes zum erstenmal in der siebenten Olym-
piade gegeben worden sein, und seitdem blieb der Agon ein aTCKpaviTr^.^)
103. In alter Zeit gehörte die Alpheiosebene, in der Olympia lag, den
Pisaten, doch wurde sie ihnen schon früh von den Eleiern abgenommen; 7)
endgiltig entschieden wurden die Kämpfe erst, als es den Eleiern mit Hilfe
der Spartaner gelang, Pisa zu zerstören.^) Seitdem war Elis, wo der
geweihte Ort lag, ein heiliges Land, oder sollte es wenigstens sein;^) nie-
mand sollte es mit den Waffen in der Hand betreten. i<^) Das war freilich
«) RoHDB Psyche* I 151, 2.
») Paus. V 4. Strab. VIII 344. Vgl.
Kbaübb Olympia 26 ff. BGttichbb Ol. 78 ff.
Flasoh a. a. 0. II 1058 f.
») Paus. V 8, 2 f.
*) Paus. V 8, 3; Vlll 26, 3. Strab. VIII
845.
^) Verzeichnisse sind uns überliefert
von Jul. Africanus bei Euseb. /^oi/. Xoy. I
p. 39 ff. (Die erste Bearbeitung y. J. Soa>
LiGBR De emendatione temporom, Paris 1583,
Genf 1629. Thesaurus tempp. Leyden 1606.
Vgl. ScHBiBBL J. Scaligeri 0Xvf4mddüiP ava-
ygatpijt Berl. 1852.) Doch sind hier fast nur
die Sieger im arddioy aufgefQhrt, nach denen
die Olympiade benannt wurde (Xen. Hell. I
2, 1 ; 11 3, 1. Ebause Olymp. 60 f. Cubtius
Altt. u. Ggw. II 149. BörncHBR Ol. 147, u.
im allg. Idblbb Handb. der Chronologie).
Dass sie für die ersten Jahrhunderte keinen
Anspruch anf historische Glaubwfirdigkeit
machen dürfen, ist selbstverstAndlich (vgl.
Mahafft Joum. of Hell. Stud. II 1882 S.
164 f. Bötticheb a. a. 0. 87), aber auch für
die spätere Zeit sind sie nicht durchaus zu-
verlAssig. (S. Dittbnbebobb in der Arcb.
Ztg. XXXV 37.) Ausserdem hat uns Pau-
sanias in den Eliaka viele Namen von Sie-
gern erhalten; andere lernen wir aus den
in Olympia gefundenen Inschriften kennen
(verönentlicht im 5. Bd. des grossen Olym-
piawerkes). Vollständigstes Verzeichnis der
Sieger jetzt bei Föbstbb Programme von
Zwickau 1891 u. 1892.
^) Phlegon HsqI jtSy *Okvfnn. Fbanz ed.
II p. 140. Vgl. Dion. Hai. I 71. Diod. IV 14.
Ebausb Ol. 158 f.
') Strab. Vni 355. Paus. VI 22, 2. Vgl.
Xen. Hell. III 2, 31 u. Mib a. a. 0. 7 ff.
«) Paus. V 10, 2.
*) Vgl. BdTTIOHBB OL 83. SOHOBXABir
Gr A.» II 51.
«0) Strab. VIII 357. Polyb. FV 73.
172
Die grieohisohen Knlinsalterttliiier.
nicht durchzusetzen, auch diese Eluren wurden wiederholt der Schauplatz
von Kämpfen und wilder Verwüstung; anders aber war es in der Uqü-
firjvia, der Zeit, wo die heiligen Spiele stattfinden sollten.*) Wenn sie
herannahte, zogen die anovioipoQoi^ „die Friedensboten des Zeus",^) zu allen
Hellenen und verkündeten die ixsxeiQia^ wo jeder Waffenlärm schweigen
solle und Frieden herrschen, so weit die griechische Zunge erklinge.
Schwere Geldbussen wurden dem Staate auferlegt, der sich etwa nicht
fügte, ^) zeitweilige Ausschliessung von den Spielen oder andere empfind-
liche Strafen, die zu verhängen die Eleier das unbestrittene Recht hatten,
waren so gefürchtet, dass auch der Widerwillige sich fügte,*) und der
Mächtige zur Busse bereit war, selbst wenn er eine Entschuldigung zu
haben glaubte.^) Die anoviotpoQo^ selbst waren vornehme Leute, sehr
oft die Söhne der obersten Eultusbeamten in Olympia, der ^$0x6X0^,'^)
lauter Eleier,^) die gewiss mit Gefolge reisten und überall würdiger Auf-
nahme sicher waren. Sie überbrachten die Einladungen zum Fest, im
Namen des olympischen Zeus mehr noch, als im Namen ihres Staates.
Immer grösser ward der Ruhm der Spiele, und wenn mit Sicherheit an-
zunehmen ist, dass das Fest zuerst nur ein elisches war, dann allmählich
ein peloponnesisches wurde, ^) so beteiligten sich doch schon im 7. Jahr-
hundert ^0) auch andere hellenische Staaten, und bald gab es keine Kolonie
mehr, die nicht durch Entsendung von Wettkämpfern oder Theorien dazu
beitrug, den Glanz der Feier zu erhöhen. Wie die Beteiligung wuchs,
wurden dann allmählich dem Wettlauf, der ursprünglich das einzige Kampf-
spiel gewesen sein soll,^^) immer neue Agone hinzugefügt, 1*) und so dehnte
sich die Gesamtfeier, die noch bis zur 77. Olympiade (472) an einem Tage
stattgefunden haben soU,^^) in kurzem auf fünf Tage aus.*^) In der
14. Olympiade (724) soll zuerst der Doppellauf {diavloq) eingeführt sein,")
vier Jahre darauf der Dauerlauf (ioXixoq)^^^) in der 18. Ol. (708) kamen
das Pentathlon und der Ringkampf (/raAij) dazu,") Ol. 23 (688) der Faust-
kampf (Trry/ti;), Ol. 25 (680) das Wettrennen der Viergespanne {Vnniav
T€X€(a)v iQOfiog, ^^M^t Tbh-Qinnov)^ Ol. 33 (648) das Wettreiten (xäXrjg) und
das Pankration.") In der 37. Ol. (632) wurden zum erstenmal Knaben
zu den Wettkämpfen zugelassen, und zwar zum Lauf und Ringkampf,
vier Jahre später auch zum Pentathlon; doch blieb es hier bei dem einen
Mal, angeblich weil die lakonischen Knaben in diesem besondere Ausdauer
erfordernden Kampf den andern zu sehr überlegen waren;*') dagegen wurde
in der 41. Ol. (616) dauernd der Faustkampf der Knaben eingeführt.'*)
Erst Ol. 145 (200) wurden Knaben auch zu dem schwierigen Pankration
») Paus. III 8, 2; V 20, 2. Xen. Hell.
VII 4, 28 S.
») Vgl. Kbaüsb Ol. 41 flf.
•) Find. Isthm. II 23.
*) Thuk. V 49.
*) Vgl. Pauß. V 21, 3.
') Vgl. die Hypothesis zu Demoeth. XIX
p. 335.
') Ol. V 431-434.
») Ol. Inschr. 431—432. Ephem. arch.
3486, 3487. Find. Isthm. II 23.
») Vgl. BöTTICHBB Ol. 84.
»0) Vgl. BöTTICHBB Ol. 121.
»>) Paus. V 8, 2.
») Vgl. CIA II 978.
»•) Paus. V 9. 3.
»*) Find. Ol. V 6 mit SchoL
9, 3: seit 468. Kbausb Ol. 69.
») Paus. V, 8, 3.
**) Paus, ebenda.
") Paus. V 9, 1.
Paus. V
Dion. Hai. VII 72.
4. KiiltiMseiten. (§ 104.) 173
zugelassen. ^) In der 65. Ol. (520) sah man zuerst den Wettlauf der Männer
in Waffen (onhvdv igofjiog),^) Später erfuhren namentlich die hippischen
Kämpfe vielfache Bereicherung, die mehr oder weniger Beifall fand. In
der 93. Ol. (408) liefen zum erstenmal Zweigespanne {avvwQig),^) Auch
versuchte man Rennen mit Maultiergespannen {anrjvrj) und Wettreiten auf
Stuten {xdXnr^ einzuführen, doch hatte diese Neuerung keinen langen
Bestand.*) Ol. 99 (384) liefen zum erstenmal Viergespanne noch nicht
ausgewachsener Pferde {nwXmv a^fiata), Ol. 128 (268) auch Zweigespanne
{avvwQfg Trioitov)^ Ol. 131 (256) endlich unausgewachsene Reitpferde {TrwXog
xäXr^g),^) Ol. 96 (396) wurde auch ein Wettkampf der Herolde und
Trompeter eingeführt.*) Wer von den ersteren Sieger blieb, dem ward
ausser dem Kranze die Ehre zu teil, die Namen der Sieger ausrufen zu
dürfen.*) Das Fest war ein pentaeterisches, wurde also alle vier Jahre
gefeiert, und zwar fiel der heilige Monat {leQofirjvia) in die heisse Sommer-
zeit.*) Der frühste Festtermin scheint Ende Juli, der späteste Mitte
September des julianischen Jahres gewesen zu sein.^) Da in alter Zeit
die Spiele, die nur einen Tag dauerten, am Vollmond stattfanden,^) lässt
sich annehmen, dass auch später das Fest in die Zeit des Vollmonds ge-
legt wurde. ^) In mehr als einer Beziehung war der Hochsommer mit
seiner brennenden Hitze gerade für eine solche Feier, wie sie in Olympia
stattfand, ungeeignet, aber sei es nun, dass man ein uraltes heiliges Fest
nicht verlegen wollte, sei es, dass die Länge der Tage für die Unbequem-
lichkeiten entschädigte und sie ausglich, — man wollte es nicht anders
haben und fühlte weder Sonnenglut noch Staub.»)
104. Olympia war ein heiliger Ort. Ständigen Aufenthalt hatten
daselbst nur die wenigen, die mit dem Kultus des Zeus und der andern
dort verehrten Götter dauernd zu thun hatten ;i®) auch einer der fiäweig
und einige Exegeten werden gewiss stets zur Stelle gewesen sein.^') Der
von einer Mauer umgebene, ganz den Göttern geweihte Raum der Altis^«)
war besonders heilig. Hier stand der Tempel des Zeus mit dem Bilde
des Pheidias, das Heraion, das Pelopion, das Metroon, der riesige Zeus-
altar mit seinem Aschenaufbau und eine Reihe anderer Altäre, an denen
die allmonatlichen Opfer stattfanden;^^) der Raum war erfüllt von den
herrlichsten Bildwerken und Weihgeschenken, namentlich auch den Statuen
der Sieger. Doch wie eine seltene Blume sorglich gepflegt wird, bis sie
sich endlich zur kurzen Blüte entfaltet, so war eigentlich alle diese Pracht
») Paus. V 8, 3.
•) Paus. V 9, 1.
•) Paus. V 22, 1. OL V 232.
*) Vgl. Poll. IV 87 flf.. 92. Athen. X 7
p. 415. Ol. Inschr. 242—243. Cic. Ad fam.
V 12, 8.
») Ael. Var. bist. XIV 8. Luk. Herod. 8.
Laert. Diog. I 39.
») Find. Schol. Ambros. Ol. III 33. üh-
OBR Hdb. I« 773. Philol. 1874 S. 227 ff.
Berl. Phil. Wochenschr. XII nr. 30 u. 31.
A. MoMHSEN über die Zeit der Olympien
I^ipzig 1891. Abweichend Nissen Rhein.
Mus. 1885 S. 349 ff.
Pind. Ol. III 20; X 73.
") Nach Ungeb 11 — 16 Metageitnion.
*) Vgl. namentlich Lukians Anach.
*^) Vgl. Weniger Der Gottesdienst in
Olympia bei Virchow u. v. Holtzendobff
XIX Serie, Heft 443. Curtius d. Altäre v.
Olympia, Abb. der Berl. Akad. d. Wiss. 1881
»») CüRTius a. a. 0. 18, 28, 38.
»») Paus. V 13 ff. BöTTioHER Ol. 161 ff.
Vgl. Robert Herm. XXIII 424 ff.
*») Paus. V 13 u. 14. Curtius-Adler
Olympia u. Umgegend 35 ff. Cürtius Abb.
der Berl. Akad. d. Wiss. 1881 S. 3 ff.
174
Die grieohisohen Snltiuialteriamer.
und Herrlichkeit, all dieser Götterdienst und all das zahlreiche Personal
nur da, um an fönf Tagen innerhalb eines vierjährigen Zeitraums Göttern
und Menschen ein Schauspiel zu bieten so grossartig und so edel zugleich,
wie es in dieser Art nie seinesgleichen gehabt hat. »Wie das Quellwasser
die Schätze des Erdbodens und das Gold die Güter des Reichtums" ^) über-
trifft, so überstrahlten die olympischen Festspiele alle andern.')
105. Unter den Beamten und überhaupt dem ganzen Personal,
das mit den Vorbereitungen zu den Spielen und ihrer Leitung zu thun
hatte {u^ävai, diati&ävai %d *Okvfjinia),^) waren die vornehmsten die
^EXXavoStxai,^) Es soll anfangs nur einen gegeben haben,*) dann zwei;
wahrscheinlich Ol. 95 (400 v. Chr.) wurde die Neunzahl eingeführt, 392
der zehnte hinzugefügt. Ol. 103—108 (368—348) fungierten zuerst zwölf,
dann acht, darauf wurde wieder die Zehnzahl hergestellt.«) Es waren
angesehene Bürger aus Elis, die sich auf der tegd ddog die Küste des
Meeres entlang, unterwegs ein Opfer darbringend, von Elis nach Olympia
begaben. Sie hatten die Kämpfer in die Listen (Xsvxmfia) einzutragen,
sie zu prüfen und die Untauglichen zurückzuweisen,^) den Zugelassenen
den Eid abzunehmen, auf strenge Beobachtung aller Kampfgesetze zu
achten, die Preise zuzuerkennen und schliesslich dafür zu sorgen, dass
die Statuen der Sieger mit den Unterschriften in der vorschriftsmässigen
Weise angefertigt und aufgestellt wurden.*) Dem Angesehensten unter
ihnen aber ward die Ehre, den Kranz auf das Haupt des Beglückten zu
legen. ^) Es finden sich sogar Datierungen nach Hellanodiken;^*) denn
für jede Olympiade wurden neue ernannt, die sich zehn Monate in Elis
auf ihr schwieriges Amt vorzubereiten und mit allen Einzelheiten ver-
traut zu machen hatten. Eine Berufung gegen ihre Entscheidung konnte
bei der ßovXr^ erfolgen, die zwar nichts mehr redressieren, wohl aber un-
gerechte Hellanodiken verurteilen konnte, ^0 ^^^ ¥b\\, der gewiss selten
genug vorgekommen sein wird; denn nicht bloss der Eid und der heilige
Charakter der Spiele, die Rücksicht auf ganz Hellas bürgte für einen ge-
rechten Spruch, und der Vorwurf, den Bakchylides in einem Festgedicht
(XI 24 ff.) auszusprechen wagte, mag wohl ohne Beispiel dastehn. Den
Hellanodiken zur Seite standen aXvtat unter einem dXvTaQxrjg,^^) die nach
ihrer Anordnung etwaige Ungehörigkeiten verhindern oder bestrafen mussten,
also eine Art niederer Polizeibeamten waren. Die Fülle des übrigen Kult-
personals haben uns namentlich die Inschriften kennen gelehrt. "») Es bleibt
sich nicht immer gleich; konstant begegnen ausser dem Schreiber (y^a/i-
(Liavevg), der die Listen abfasst, nur sakrale Beamte: die &€ox6i.o$^ meist
*) CüBTius Altt. u. Ggw. II 132.
«) Find. Ol. I Anf. Vgl. Kbausb Ol. 16 f.
•) Olymp. V 59 mit Dittenbergers Be-
merkung. 62, 64 etc. Vor allem 59 S. 138 f.
*) Paus. V 9, 4 f.; VI 3, 3. Krausb Ol.
124 ff. BöTTICHBB Ol. 148 f.
*) Aristot. bei Haq)okr. u. 'EXXayodixM.
MiB a. a. 0. 15 f. meint bis OL 52.
*) DlTTENBRROER Olymp. V ZU u. 44.
Vgl. Förster De Hellanod. Olymp., Leipz.
Diss. 1879. ScHOEXAim a. a. 0. II 60. E. Cur-
Tius Stzgsber. Berl. Akad. XXXVI (1895) 798.
') Plut. Ages. 13. Xen. Hell. IV 1, 10.
Paus. VI 14, 1. Gell. Noct. att. XV 20.
8) Luk. De imag. § 11.
») CuBTius a. a. 0. 800.
»ö) Olymp. V n. 36, 39, 44.
») Paus. VI 3, 3.
") Luk. Hermot. 40.
^*) Vgl. zum Folgenden Dittekberqkr
zu n. 59 S. 138 f.
4. Xnltiuigelten. (§ 1Ö5-106.)
175
sehr alte Leute/) deren drei alle vier Jahre fUr die Dauer der Zeit von
einem Pest bis zum andern (ficTexexrjQov)^) erwählt wurden, und deren
einer monatlich die Opfer zu besorgen hatte,') die drei anovSo^ogo^, zwei
oder vier itiävTsig aus den Geschlechtern der lamiden und Klytiaden,
Flötenbläser {anovSavlaiY) und Exegeten. Daneben finden wir, und zwar
bis zum Jahr 50 n. Chr. häufiger, einen inifieXrftriq^ xa^rnisQOx^vtrfi, otvo-
Xoog, ^vXsvg erwähnt, einen oder mehrere fAäyeiQoi, eine Inschrift (n. 62)
nennt auch einen aQxiräxtwv und einen latQog, Viele dieser Beamten sind
niedrige Leute, der Schreiber, der ^vXevg, der das Holz zu den Opfern
zu besorgen hat,*) sehr oft Hierodulen.«)
106. Versuchen wir uns nun das Bild einer olympischen Fest-
feier vor Augen zu führen, vergessen dabei aber nicht, dass auch als
der Kreis der Spiele geschlossen war, die Reihenfolge der einzelnen nicht
immer dieselbe geblieben ist.'')
Gewiss schon geraume Zeit vor dem Beginn des Festes mussten
alle, die mit den Vorbereitungen zu den Spielen zu schaffen hatten, an
Ort und Stelle sein. Noch unbekannte Bewerber hatten dreissig Tage
lang unter den Augen der Hellanodiken Übungen vorzunehmen, die Renn-
pferde bedurften der Pflege nach der oft weiten Reise, die sie zurück-
gelegt hatten, vielleicht auch der Vorübungen auf dem noch unbekannten
Terrain, die Kämpfer selbst durften nicht erst im letzten Augenblick ein-
treffen,*) die grosse Menge der Verkäufer musste rechtzeitig ihre Buden
aufschlagen und alles in Stand setzen. Die Festgesandtschaften (xß^ecoQiai)
aus fernen Kolonien und allen Städten Griechenlands kamen an und über-
boten sich im Entfalten von Pracht und Pomp,') und so wuchs die Menge
täglich, bis endlich der von allen ersehnte Augenblick herangekommen
war. Am ersten Tage des Festes fanden noch keine Spiele statt. Man
brachte dem olympischen Zeus ein grosses Opfer {ßord^vaia), daneben
wurde auch der andern Götter und Altäre nicht vergessen, man begrüsste
alte Freunde, >^) bewunderte den aufs herrlichste geschmückten festlichen
Ort, unterrichtete sich über die Agonisten und ihre mutmasslichen Leistun-
gen. Hellanodiken und Kämpfer schwuren vor der Bildsäule des Zeus
Horkios im Rathause, jene, dass sie recht richten, diese, dass sie sich
jeder Unredlichkeit und jeder absichtlichen Verletzung des Gegners ent-
halten wollten, und dass sie während der letzten zehn Monate sich in
der für Olympiakämpfer vorgeschriebenen Weise der Übungen beflissen
hätten.»») Für Knaben leisteten ihre erwachsenen Angehörigen den Eid.**)
Die Hellanodiken hatten sich zu überzeugen, dass nur freigeborene Hel-
lenen,»*) die nicht wegen daeßeia oder aus sonst einem Grunde»*) aus-
») DiTTBKBBBOBR Ol. V S. 146.
') DimNBBBOBB Ol. V S. 150.
•) Paus. V 15, 5.
*) Ol. y 102 mit DiTTENBEBGBBS Bem.
») Paus. V 13, 2.
*) DiTTBMBEBGBB ZU D. 102 U. 121.
7) S. Unobb Hdb. P 772 ff. Ich schliesse
mich hier im ganzen Holwbbda Arch. Ztg.
1880 S. 169 ff. an. Vgl. auch Mib a. 0. 32 ff.
») DiTTBNBBBOBB Ol. V S. 528 f. Be-
strafung Verspäteter Paus. V 21, 12. Plut.
Symp. VII 5, 1.
») Thuk. V 16. Vgl. Cic. Tusc. V 3 § 9.
>») Isokr. Paneg. 43.
Über die Vorbereitungen Plat. Leg.
Vni 840 A. Kriton 7. I Cor. IX 25.
»«) Paus. V 24, 2.
") Dion. Hai. VII 6. Herod. V 22.
»0 Thuk. V 49 f. Xen. Hell. III 2, 21.
Paus. VI 2, 1.
176
Die griechischen Knltiisaltertllmer.
geschlossen waren, sich um die Ehre des Wettkampfs bewarben, und ihre
Namen in die Listen einzutragend) Dann fand die Prüfung der Knaben
und jungen Pferde statt.*) Unter den täXewi innoi durfte man so junge
Pferde laufen lassen, wie man wollte,^) ebenso, wie es Knaben und Jüng-
lingen nicht verwehrt wurde, sich mit Männern zu messen, wenn sie und
die Richter überzeugt waren, dass sie stark genug dazu seien. ^) Die
Altersgrenze der Knaben umfasste die Zeit vom siebzehnten bis zum
zwanzigsten Lebensjahr;^) dass der Messenier Damiskos sich als zwölf-
jähriger beteiligen durfte, war wohl eine einzig dastehende Ausnahme.^)
Am nächsten Tage begannen die Wettkämpfe, und zwar die der
Knaben.'') Wie wir gesehn haben, beschränkten sie sich bis zum Jahre
200 auf Wettlauf, Ringen und Faustkampf und füllten damals schwerlich
allein einen Tag aus.^) — Ein noch gesteigertes Interesse nahmen die
Kämpfe des dritten Tages in Anspruch, wo die Erwachsenen ihre Kräfte
massen. Mit dem ersten Sonnenstrahl begaben sich die Hellanodiken,
mit Purpurgewändern bekleidet, die Herolde und die Kämpfer, diese bis
um die Mitte des 5. Jahrhunderts mit einem Schurz bekleidet,^) dann
völlig nackt und mit Öl gesalbt, durch den verdeckten Eingang, der die
Altis mit dem Stadion verband, *•*) in die Rennbahn, wo der Wett-
lauf *i) stattfinden sollte. Auf breiten, durch Pfosten von einander ge-
trennten Steinplatten, deren sich zwanzig an jedem Ende der Bahn be-
fanden, nahmen die Läufer den Platz ein, den ihnen das Los angewiesen
hatte. 1^) Man begann in älterer Zeit wahrscheinlich mit dem einfachen
Wettlauf ((rrcfrf*or),i8) der für den ältesten und ursprünglich einzigen
Kampf galt. Der Name des Siegers wurde zuerst in die Liste getragen
und später zuerst vom Herold ausgerufen. Darum wurde nach ihm auch
die Olympiade benannt. ^*) Die 192 Meter lange Bahn**) wurde nur einmal
durchmessen, aber man lief in tiefem Sande, wo der flüchtige Fuss nicht
Halt und Widerstand fand."«) Die Läufer wurden durchs Los in Gruppen
zu vier geteilt,'^) die jedesmaligen Sieger stritten dann wieder unter ein-
ander. Heftiges Schwingen der Arme begleitete die windschnellen Be-
wegungen der Beine.*®) Der Argeier Dan des war einer der gefeiertsten
ataSioiQOfioiy^^) sonst zeichneten sich namentlich die Krotoniaten in dieser
») Cass. Dio LXXIX 10. Suet. Nero 21.
•) Vielleicht wurden an diesem Tage
auch die Lose gezogen, welche die Kämpfer-
paare oder -gruppen und die Schranken fftr
die Gespanne oder den Platz der Rennpferde
bestimmten (Böttiobbb Ol. 128 f.).
8) Vgl. Paus. VI 2, 1.
*) Paus. VI 14, 1.
^) DiTTBNBEBGBB Ol. V 56 ZI. 10 f. Dazu
S. 237 u, 124.
•) Paus. VI 2, 5.
') Plut. Quaest. symp. 11 5, 1.
8) Vgl. Schol. Pind. Ol. V 14.
•) Thuk. 16. Vgl. Paus. 1 14, 1. Kbausb
Ol. 339 ff.
»<>) Cübtius-Adleb Ol. u. ümg. 31. G.
HiBSOHFELD Ztschr. f. d. österr. Gymnas.
1882 S. 499 ff.
»•) Kbaüsh Hellenika I 337 ff.
") BöTTICHEB Ol. 223 ff. Vgl. Haüsbb
Arch. Jahrb. II 103 f. Ausgrab. v. Olympia
II S. 37 Taf. 35. JOthnbb Eranos Vindobon.
1893 S. 310 ff.
»») Vgl. Plat. Leg. 833 A.
^*) Gezählte Olympiaden finden wir erat
spät. Das erste Beispiel begegnet in der
Inschr. 530 aus d. J. 64 v. Chr.
*^) genau 192,27 = 600 olympische Fuss.
Der Fuss = 0,3205 Meter nach DGbppbldb
Berechnung.
'•) Luk. Anach. 27 p. 909.
") Paus. VI 13, 2.
»«) Kbausb Hell. I 367 ff. S. die Abbil-
dung bei BöTTioHEB Ol. 90. Vgl. S. 225.
»») Diod. XI 53 p. 443.
4.1Kiatiuaeit6B. (§ 106.)
177
Eampfart aus.O Damach kam der Dauerlauf {i6l$xoQ) an die Reihe, 2)
der zu Pausanias' Zeit und gewiss schon viel früher die erste Stelle ein-
nahm.') Wahrscheinlich legten die Läufer die Bahn 24mal zurück, eine
Strecke von mehr als 4^» Kilometern.*) Die Angaben, die von siebenmal
20 oder 24 Stadien sprechen,^) sind aus verschiedenen Gründen unglaublich.
Einer der berühmtesten dohxoiqoiiot war der Lakedaimonier Ladas.')
Darauf schritt man zu dem Doppellauf (diavXog),'^) Hier war die Bahn
zweimal, hin und zurück, zu durchmessen. Waren diese Kämpfe be-
endigt, begann der Ringkampf [ndXrj),^) Zwei Arten waren üblich: ent-
weder musste der Gegner dreimal zu Boden geworfen werden {xQi^d^eiv),
oder man setzte auf der Erde liegend den Kampf so lange fort, bis
einer der beiden Ringer sich durch Ausstrecken der Hand für besiegt
erklärte {anayoQ€V€iv). Die zweite Art wurde in Olympia beim Pankration
angewendet. Bei der ersten kam es auf Körperkraft vielleicht weniger
an als auf Gewandtheit. Gelang es dem einen, seinen Gegner zu um-
fassen, so war der entschieden Stärkere ja im Vorteil, und von dem be-
rühmtesten Ringer des Altertums, dem Krotoniaten Milon, der sechsmal
zu Olympia siegte,^) wird berichtet, dass er den Gegner durch sein
Körpergewicht zu Boden zu drücken pflegte; aber um den siebenten Kranz
brachte ihn sein Mitbürger Timasitheos, der dem Gefürchteten so ge-
schickt auszuweichen verstand, dass er ihn überhaupt nicht umschlingen
konnte. Plötzliches Wegziehn des Beines oder ein schneller Sprung in
den Rücken waren besonders geübte Kunstgriffe, um den Gegner zu Fall
zu bringen. *ö) Natürlich währte solch ein Kampf oft sehr lange.**) Nach
den Ringern traten die Faustkämpfer auf (^f/M'?)-**) Es war der grau-
samste und gefährlichste Kampf, verschönt und veredelt aber auch durch
die Art, wie ihn der vollendete Meister betrieb. Hände und Unterarm
wurden mit Riemen umwunden, die bisweilen noch mit Buckeln aus Blei
besetzt waren.* 3) Beide Arme gebrauchte man gleichmässig zum Schlagen
und zum Parieren. Verstümmlungen gehörten nicht zu den Seltenheiten,
und auch Todschläge kamen vor.**) Doch war es der höchste Ruhm,
weder einen Schlag empfangen noch ausgeteilt zu haben und durch be-
ständiges geschicktes Parieren den Gegner so zu ermüden, dass er sich
für besiegt erklären musste.*^) Zu den berühmtesten Faustkämpfern ge-
hörte der Rhodier Diagoras.*^) Den Schluss der Kämpfe bildete das nay»
') Strab. VI 262.
') Abbfldimg von dohxo&QOfJLoi bei Da-
bbkbrbg-Saglio 1 1644 Fig. 2220.
•) Paus. VI 13, 2.
*) J. Chrysostomos Praef. in epist. ad
Phil. p. 4. Krause Hell. I 350 f.
*) Schol. Soph. El. 686. Suid. u. ^ohxog,
•) Paus. II 19, 6; III 21, 1.
») Paus. VI 13, 2, vgl. V 17, 3. Schol.
Aristoph. Av. 292. Vgl. auch Hausbr Arch.
Jahrb. II 106, X 196.
^) Ebaube Hell. I 423 ff. Jüthmkr a. a. 0.
320 ff. Abbildung Taf. V Fig. 6a u 6b; auch
bei Bauhsistsb Denkm. S. 1435 Fig. 1589.
•) Paus. VI 14, 2.
Buidbnch der klMs. AltertumewlneoschAft. Y, 8.
^0) Luk. De gymn. 31. Sohbeibbb Bil-
deratlas xxni 10.
") Schol. Find. Nem. VII 106 B.
>>) Ebausb HeU. 1 497 ff. Abbildung
Taf. V Fig. 4 ; auch bei Baüvsistbr Denkm.
524 n. 565, 566.
*') Abbildungen dieser eaestus bei Bot-
TicBBR Ol. 99. ä. auch Hülsen ROm. Mitt.
IV 175 f. Vgl. Schol. Fiat. Rep. I 897.
»<) Aelian. Var. bist. X 19. Fiat. öorg. 71
P.515E. Frotag.28p.342B. Fans. VI 9, 6 f.
VIU40,3.Schol.Find 01.V34B. ClGIns II390.
»*) Dio Chrysost. Orai XXIX 12 p. 541.
Faus. VI 12, 3.
»•) Find. Ol. Vn 15 ff.
2. Aufl. 12
178
Die grieohisohen Knltosaltartttmer.
xQcitiovy das für die schwierigste Leistung galt.O Es war eine Ver-
einigung von Ring- und Faustkampf,') und nur die stärksten Männer
durften es wagen, darin aufzutreten.') Gewandtheit, Schnelligkeit und
List konnten aber wohl auch dem Schwächeren einmal zum Siege ver-
helfend) Da hier auch das Würgen des zu Boden geworfenen Gegners
gestattet war, war selbst ein tödlicher Ausgang nicht ausgeschlossen.')
Zu diesen gefährlichen Kämpfen werden sich niemals viele Bewerber ge-
meldet haben,') und nur bei ihnen wird es häufiger vorgekommen sein,
dass ein bekannter und gefürchteter Kämpe den Sieg äxovm (ohne sich
staubig zu machen) errang. In der 218. Olympiade hatten sich zwei zum
Faustkampf gemeldet, von denen der eine aber zu spät eintraf, so dass
sein Antagonist den Sieg ohne Kampf erwarb.^) In diesem Fall mochte
der Sieger den Zufall preisen, sonst aber galt es für die höchste Ehre,
so anerkanntermassen der erste zu sein, dass niemand den Kampf auch
nur versuchen wollte,') und die Inschriften heben die dxoviTC errungenen
Siege denn auch jedesmal hervor.') Es konnte auch vorkommen, dass
ein Gegner von einem vorher bestandenen andern Kampf so ermüdet war,
dass er den zweiten nicht mehr wagen konnte. Den traf dann eine strenge
Strafe.^') Denn es war seine Schuld, dass er seine Kräfte überschätzt
und die Zuschauer um den Genuss gebracht hatte. Möglich, dass sich
nur noch ein anderer gemeldet hatte, und das Pankration dann überhaupt
unterbleiben musste; aber auch wenn die Nummer des Programms nicht
auszufallen brauchte, so war es doch dem Publikum ebensowenig gleich-
gültig, welchen Athleten es zu sehn bekam, wie heute dem Spanier,
welcher Torero, oder uns, welcher Sänger in der Oper auftritt. Die be-
rühmtesten Pankratiasten waren Theagenes aus Thasos und der Thes-
saler Pulydamas. Jener soll an verschiedenen Orten im ganzen vierzehn-
hundert Kränze errungen haben, i^) in Olympia siegte er im Faustkampf
und vier Jahre darauf im Pankration. ^^ Von seiner Stärke erzählte man
Wunderdinge, und in seiner Heimat wurden ihm nach seinem Tode
heroische Ehren erwiesen, i') Noch mehr Kraftstücke wurden von Puly-
damas berichtet. ^^) Ausgezeichnete Pankratiasten waren auch die Söhne
des Rhodiers Diagoras, von denen der jüngste, Dorieus, in drei auf ein-
ander folgenden Olympiaden den Kranz erwarb.^') — So war der ganze
Tag mit Kämpfen ausgefüllt, denn das Pankration dauerte, auch als die
') Paus. VI 15, 3. Krause Hell. I 534 ff.
') Doch blieben die Hinde hier unbe-
wehrt. Abbildung bei Dabbmbbrg u. Saolio
Dict. I 520.
») Paus. VI 6, 2; 11, 2. Vgl. Demosth.
XXI 71 p. 537.
*) Find. Isthm. III 63 ff. Philostr. Imag.
II 6. Plat. Leg. VII p. 705.
») Paus. VIII 40, 2.
•) Anders Fabsr PhUoL 1891 S. 493 f.
^) Paus. V 21, 5.
») Hör. Epist. 1 1, 49 ff. Hopfmakw Syll.
epigr. 383.
•) Olymp. V nr. 153 und Paus. VI 7, 2
Faustkämpfer in Pvtho. Plin. Nat. hist
XXXV 183 ein Pankratiast. Bull, de corr.
XVIII 85 rühmt sich ein Flötenvirtuos aus
Samos in Delphoi ävev äktayupictaiy av-
XijaM Tov aytjya, was noch keinem vor ihm
beschieden gewesen sei.
'<>) Paus. VI 6, 2 den Pankratiasten
Theagenes in Olympia.
") Paus. VI 11, 2.
»*) Paus. VI 6, 2.
»•) Paus. VI 11, 3.
'*) Paus. VI 5, 3 ff.
'») Thuk. ni 8. Paus. VI 7, 1. Olymp.
V 151 ff. BuU. de corr. XI 287 ff.
G
nor^
]
4. KoltüBEeiten. (§ 107.)
179
Wettspiele auf mehrere Tage verteilt waren/) zuweilen bis in die Nacht
hinein. 2) Der Mond mag dann noch lange den xcofzog der glücklichen
Sieger beleuchtet haben.
107. Am vierten Tag erreichte das Fest seinen Höhepunkt. Er
brachte die glänzenden hippischen Agone') und den zweiten Teil der
Männerkämpfe. — An Pracht und Herrlichkeit übertraf alle andern Arten
der InnoÖQoixicc das Rennen der Viergespanne. Man fuhr auf niedrigen,
mit zwei, meist nur vierspeichigen, Rädern versehenen Wagen, die hinten
offen waren, den homerischen Streitwagen ganz ähnlich. Die vier Pferde
waren neben einander gespannt, die beiden äusseren zogen an Strängen,
die an den vorderen Wagenbügeln befestigt waren, zwischen den beiden
innen laufenden befand sich die Deichsel.*) Der Wagenlenker hielt die
Zügel mit beiden Händen, in der einen ausserdem das xevtqov oder die
fidan^y eine Rute mit vielen kurzen Peitschenschnüren. Nach den An-
gaben einer jetzt zum erstenmal benutzten Handschrift aus dem alten
Serail in Konstantinopel hat man die Länge des Umlaufs der Rennbahn
{tnnodQOfiogY) auf acht Stadien = 1538,16 Meter berechnet.*) Die linke
Langseite des Hippodroms vom Ablauf aus gerechnet, also die nördliche,
wurde durch einen niedrigen, sich lang hinstreckenden Hügel begrenzt;
diesem parallel laufend war in einer Entfernung von 320 Metern ein
Erdwall aufgeschüttet, länger als der Hügelrücken. In Halbkreisform
schlössen sich beide am östlichen Ende der Bahn zusammen. Hier befand
sich in der Mitte ein Durchgang, dem Ablauf also gerade gegenüber.
Nahebei erhob sich der sog. Taraxippos, einem runden Altar ähnlich,
vielleicht ein altes Grabmal.'') Ganz in seiner Nähe muss die eine Ziel-
säule {yvaaa) gestanden haben, wo die W^agen umbogen. Dieser gegen-
über in der Längsaxe der Bahn befand sich die zweite vvaacc^ geschmückt
mit der Statue der Hippodameia, wie sie im Begriff ist, den siegreichen
Pelops zu bekränzen. Wer nach dem letzten Durchmessen®) der Bahn hier
zuerst anlangte, oder genauer die Linie vom Auge der Hellanodiken bis
zu dieser vvaaa zuerst passierte, war Sieger. Gegenüber dem die Bahn
schliessenden Halbkreis befand sich die Ablaufstelle {a<p€ai>g). Damit kein
Gespann von vornherein vor dem andern einen Yorsprung habe, hatte
man eine kunstvolle Einrichtung getroffen, deren Erfinder . Eleoitas war.
Pausanias (VI, 20, 7) vergleicht die Vorrichtung mit dem Bug eines Schiffes.
Vor der Stoa des Agnaptos, die den Eingang des Hippodroms architek-
tonisch abschloss, befanden sich die Stände für die Wagen, und zwar
rechts (südlich) von der verlängerten Verbindungslinie zwischen den beiden
vvaaai^ ein ungeföhr gleichschenkliges Dreieck bildend, dessen Grundlinie
Vgl. Paus, y 9, 3.
. Olymp. V 54.
') Antike SchilderuDgen eines Wagen-
rennens hauptsächlich 11. ^ 862 ff. Soph.
El. 700 ff. Von Neueren Kkaüsk Hell. 1 557 ff.
Pollack Hippodromica, Leipz. Diss. 1890.
Gr. V. Lehndorff Uippodromos, Berl. 1876.
*) Abbildung bei Böttiohkb Ol. 116.
*) Über den Hippodrom Paus. VI 20;
von Neueren zuletzt Wbbniokb Arch. Jahrb.
IX 199 ff. H ScHOENE Arch. Jahrb. XU 150 ff.
') ScHOENB a. a. 0. 159.
') RoHDE Psyche« 173, 1. Pollaok a.
a. 0. 94 ff.
«) Pind. Ol. III 33 (35) mit Schol. Vgl.
Ol. VI 75. Schol. zu Ol. II 93 und Pyth.
V 27.
12*
180 Die grieohisohen Knltüsaltertümer.
der Stoa parallel lief. Die Seiten waren über vierhundert Fuss lang, die
linke etwas kürzer als die rechte, wahrscheinlich ein^ breiten Eingang
offen lassend. In einem Winkel von etwa sechzig Grad mögen die beiden
Schenkel vom, unweit der links von ihnen liegenden vvaaa mit der Statue
der Hippodameia, zusammengelaufen sein. In der Mitte des so gebil-
deten Dreiecks befand sich ein Altar, der zu jedem Fest neu übertüncht
wurde. Auf ihm lag ein eherner Adler, an der Spitze des Dreiecks
schwebte ein Delphin. Beide waren durch eine Maschinerie in Verbindung
gesetzt. Das Zeichen zum Beginn des Rennens wurde dadurch gegeben,
dass der Delphin sich senkte, und der Adler auf dem Altar sich in die
Luft erhob. Die Wagenstande befanden sich an beiden Schenkeln des
Dreiecks, einer schräg hinter dem andern. Die rechte Seite der prora
war ein wenig vorgeschoben, so dass die etwas schräge Linie vom letzten
Auslaufsstande der rechten Seite der a^psaiq (immer von der Stoa aus ge-
sehn) genau so lang war wie die gerade Linie vom letzten Stand der
linken Seite bis zur Zielsäule, an der man umbog, i) Alle Pferde galop-
pierten also links. Die Seite links (nördlich) von der ersten Zielsäule
war offen, damit die Pferde, die so schnell zu parieren nicht möglich war,
nach Vollendung des letzten Laufes hineinstürmen konnten. Von den
Oespannen wurden immer je zwei, eines am rechten und eines am linken
Schenkel der a(p€<ng gleichziöitig herausgelassen, und zwar die hintersten
Wagen zuerst. Befanden sich diese neben den vor ihnen stehenden, so
fiel da das Seil, und so fort, bis im Verlauf weniger Sekunden alle Wagen
in Bewegung waren. *) Da nun die Viergespanne ausgewachsener Pferde
zwölf Umläufe zu vollenden hatten, 8) mussten sie einen Weg von 18,458
Metern, also fast 18 V« Kilometern, zurücklegen. Sind diese Masse richtig,
so müssen wir unsere bisherigen Vorstellungen von den Wagenkämpfen
korrigieren: es war dann mehr ein Dauerlauf als ein Wettrennen, und
nur zuletzt können die Pferde, deren Kraft noch unverbraucht war, ge-
streckten Laufes dem Ziel zugestürmt sein.*) Es ist das, wenn wir an
die Gewohnheiten und Erfahrungen bei unsern heutigen Rennen denken,
befremdend und auch nicht leicht mit der Schilderung in Soph. EL 715 ff.
zu vereinigen, wo beim sechsten bis siebenten Umlauf die ganze Kraft ein-
gesetzt scheint, aber es ist ja möglich, dass die Bahn in Delphoi kürzer war,
möglich auch, dass der Dichter die aufregenden Schlussphasen des Kampfes
um der Lebendigkeit der Schilderung willen schon in ein früheres Stadium
verlegt hat. Ausser der weisen Schonung der Kraft der Tiere kam es vor
allem darauf an, möglichst kurz um die vvtraai umzubiegen. Das linke
Pferd musste zurückgehalten und nahe herangedrängt werden, dem rechten
liess man die Zügel schiessen. Die richtige Leitung von vier neben ein-
ander gehenden Rossen erforderte ganz besondere Geschicklichkeit. Ein
Wagenlenker suchte dem andern natürlich den bei weitem günstigsten Platz
unmittelbar an der Zielsäule abzugewinnen, und so ist es denn kein Wunder,
Pollack b. a. 0. 58 f.
*) Bildl. Darstellung rennender Vierge-
spanne Taf. y Fig. 5; auch bei Schreiber
») Find. Ol. III 33; II 50. Pyth. V 30
mit Schol. Schol. zu Ol. VI 75. Hdschr. ans
Eonstantinopel ZI. 22 Aj*ch. Jahrb. XU 158.
Kultnrhist. Atl. Taf. XX n. 10. j *) Schoenb a. a. 0. 159 f.
4. Knlinsseiten. (§ 107.)
181
dass an diesen geföhrlichen dreiundzwanzigmal zu überwindenden Stellen,
wo die Leidenschaft manchen Lenker blind und alle rücksichtslos gegen
die andern gemacht haben wird, bisweilen Unglücksfälle vorkamen. —
Die Zahl der konkurrierenden Gespanne war sehr gross, da nicht ver-
schiedene Rennen stattfanden, wie im Stadion, sondern alle auf einmal
liefen. Pindar (Pyth. V 46) preist einen Sieger, der in einem Rennen von
41 Wagen allein den seinigen glücklich durch alle Fährlichkeiten ge-
steuert habe. Wenn in Pytho so viele liefen, haben wir in Olympia
nicht weniger vorauszusetzen.*) Alkibiades schickte einmal sieben Vier-
gespanne zugleich nach Olympia. Er erhielt nicht nur den Preis, sondern
seine Wagen behaupteten auch den zweiten und dritten,*) oder zweiten
und vierten^) Platz.*^) Neben diesem aufregendsten und prächtigsten
aller Kämpfe gab es dann eine Reihe anderer hippischer Agone. Wie
sie aufeinander folgten, wissen wir im einzelnen nicht genau, doch scheint
so viel sicher zu sein, dass die Rennen der n(oXoi denen der xäXsio^ Innoi
vorangingen, wie die Kämpfe der Knaben denen der Männer, s) Dass
das Rennen mit Maultiergespannen wie das Reiten auf Stuten nur einige-
male stattfand, haben wir schon gesehn. Dauernd erhielt sich das Rennen
mit dem Zweigespann ausgewachsener Pferde {avvtoglg tbXsiwv litTttov),
das 404 aufkam,«) ebenso das mit vier jungen Pferden (ncSXoov äQfia)^
welches 380 eingeführt wurde. Beide hatten die Bahn achtmal zu durch-
messen, 7) die Fohlenzweigespanne (seit 264) dagegen nur dreimal (4614
Meter). Übrigens scheint man hier noch einen Unterschied zwischen
ntoXoi aßoXoi (unter 2V« Jahren) und näXoi, fiäaoi^) (2*/« — 4 V« jährig) ge-
macht zu haben, so zwar, dass man beide dieselbe Strecke laufen liess,
aber die gleichaltrigen (i^hxKaTai) in besondem Rennen.^) Früh schon war
das Wettreiten {xäXrjri reXst^) eingeführt worden (648), seit 256 auch auf
noch nicht ausgewachsenen Pferden.^®) Die ausgewachsenen hatten, wie
es scheint, sechs Umläufe (über neun Kilometer) zu vollenden. ^^) Einmal sah
man auch Zehngespanne junger Pferde in Olympia laufen; der Kaiser Nero
wollte auch hierin der Welt ein noch nicht gesehenes Schauspiel bieten, i«)
— Den Sieg in den hippischen Spielen errang nicht der Wagenlenker oder
der Reiter, sondern der Besitzer der Pferde. Lenkte oder ritt er sie
selbst, so erhöhte das seinen Ruhm.^^) Der Kranz war also eine Prämie
für das Züchten edler Rosse, nicht für die Kunst der Führer. Als einst
ein Reiter bald nach Beginn des Rennens abgeworfen wurde, das Pferd
^) Lbhndorff a. a. 0. 30 ff. hftlt so viele
Qespanne für uomOglich. Zehn [Soph. £1.]
scheinen ihm schon zu viel. Doch ist hier
an dichterische Übertreihang nicht zu den-
ken. Da die zweirädrigen Wagen sehr kurz
waren, kOnnen zwanzig und mehr auf jeder
der über 400 Fuss langen Seite gut Flatz
gehabt haben. Vgl. übrigens auch die per-
gamenische Inschr. YIII 1 nr. 10.
«) Eurip. beiPlut.Alk.ll. l8okr.XVI84.
•) Thuk. VI 16.
*) Plut. Alk. 11. — Preise haben diese
sicherlich nicht erhalten, aber dass auch
sonst des zweiten ehrenvoll erwähnt wurde,
ersehen wir auch aus andern Stellen (z. B.
Herod. VI 122. Vgl. Böttiohbb Ol. 126).
^) So war es auch bei den Panathenaien.
CIA II 966.
•) Paus. V 8, 3.
») Schol. Pind. Ol. III 33 u. Pyth. V
30 f.
•) Plat. Leg. Vm 834 C.
^) ScHOBNB a. a. 0. 157 f.
>ö) Vgl. Olymp. V 182.
1^) ScHOBNB a. a. 0. 159.
") Sueton. Nero 22 f.
'«) Ol. Inschr. V 239. Vgl. Pind. Ol. I
34. Isthm. I 15 ff.
182
Die grieoluBoheii KnltusaltertUmer.
aber trotzdem das Rennen regelrecht fortsetzte und zuerst am Start er-
schien, erhielt der Besitzer den PreisJ) So beteiligten sich denn auch
reiche Damen an diesem vornehmsten Sport. Die erste, die mit einem
Viergespann in Olympia siegte, war Eyniska, die Schwester des Agesi-
laos,^) und es scheint, dass es nicht bei diesem einen Siege geblieben
ist.^) Die Makedonerin Belestiche siegte mit einem Zweigespann junger
Pferde,^) und von einem Denkmal, das sieben Mitglieder einer elischen
Familie darstellte, die in Olympia Siege gewonnen hatten, gehören zwei
der vier erhaltenen Namen Frauen an, welche avvwqidi zeXstq, und a^fiari
7t(ohx(p gesiegt hatten.^)
108. Auf die hippischen Spiele folgte der Fünfkampf {nevr-
ad^Xov).^) Die Reihenfolge der fünf Einzelkämpfe war Sprung, Lauf,
Diskos, Speerwurf, Ringen.') Beim Sprung (aXfia)^) hatte man steinerne
oder metallene Schwungkolben {älTrJQsg) in der Hand, unsern Hanteln
ähnlich, die, während des Anlaufs an die Brust gehalten, im Moment des
Abspringens heftig nach vorn geschwungen dem Sprunge grössere Kraft
und Sicherheit verliehen.^) Der Erotoniate Phayllos, der berühmteste
Springer des Altertums, durchmass in Pytho in drei gewaltigen Sätzen
einen Raum von 55 Fuss.*<>) Dann folgte der Wettlauf durch das Stadion,
darnach der Diskos wurf.^^) Der Diskos war eine etwa zwei Kilogramm
schwere metallene Scheibe von Linsenform. Es kam lediglich auf die Weite
des Wurfs an, und geübte Kämpfer vermochten ihn wohl hundert Fuss
weit zu schleudern.^*) Nun schritt man zum Speerkampf (ccxovtmv).^^)
Die dazu benutzte Waffe war kurz, dünn und leicht, mit einer langen
Spitze versehn; auch hier kam es auf die Weite des Wurfs an.**) Ob jeder
nur einmal^^) oder dreimal ^^) warf, ist nicht ausgemacht. — Zu den dem
Pentathlon eigentümlichen Kämpfen, dem Sprung, Speer- und Diskoswerfen
wurde gewiss von jedem der Teilnehmer eine Normalleistung gefordert,
>) Paus. VI 13, 5 f.
«) Paus. III 8. 1. Olymp. V 634.
») Ol. Inschr. V 160 = Hopfmakn Syll.
epigr. 381.
*) Paus. V 8, 3.
») Ol. iDSchr. V 198-204.
S. auch 233.
•') PiHDÄR Über den Fünfkampf der Hel-
lenen Berl. 1867. Holwbrda Arch. Ztg. 1881
S. 205 ff. Fbddb Der F. der Hell. Progr. des
Gymnas. St. Elisabet Breslau 1888, weiter-
geführt in der Schrift: Über den F. der Hell,
u. s. w. Leipz. 1889 S. 71 ff. Gabdneb Joum.
of Hell. Stud. S. 210 ff. Mabquardt Progr.
V. Güstrow 1886. Fabbb PhiloL 1891 8.
469 ff. Hbnbich Über d. Pentathlon der Gr.
Erlanger Diss. 1892. Haogenmüllbb Über d.
Ftlnfkampf d. Hell. Progr. d. Wilhelmsgym-
nas. in München 1892. Mib Jahrb. f. Phil.
1893 S. 785 ff. Die ältere Litteratur (s.
Ebausb Hell. 1 746 ff.) findet man bei Pjvdbb,
Fbddb, Haggbnmüllbb (S. 6 u. 60) erwähnt
und kurz besprochen.
^) Bakchyl. IX 30 ff., 36. Fabbb a. a. 0.
479 ff.
B) Ebausb Hell. I 383 ff. Böttioheb
Olymn. 104 ff. Fbddb Über d. F. S. 8 ff. Mib
a. a. 0. 794. Dagegen Hbnbioh Blätter f. d.
Gymnasialschulwesen 1894 S. 366 ff.
*) Mabquabdt Monatsschrift f. d. Tum-
wesen Berl. II 3 S. 129 ff. Abbildung von
Springern Taf. V Fig. 2 und 3a.
*^) Anthol. graec. app. epigr. n. 297 U
S. 851 Jacobs.
'0 Ebaüsb Hell. I 442 ff. B5ttiohbr
Olymp. 107 ff. Mib a. a. 0. 794 f. Kibtz
Agonist Studien I, Münchener Diss. 1892:
d. Darstellungen der Diskoswerfer durch
Künstler. Abbildungen Taf. V Fig. 3a u. 3b.
S. auch Schbbibbb Kulturhist. Atl. Taf. 20
n. 5 u. Baumbistbb Denkm. S. 1008 u. 1251.
") Schol. Aristoph. Ach. 215.
^') Kbausb Hell. I 465 ff. Böttighbb Ol.
111 ff. Fbddb a. a. 0. 56 ff. Abbüdung Taf. V
Fig. 3a.
»*) Bakchyl. IX 33 f. Pind. Pyth. I 42.
Ol. X 71, XIII 93. Vgl. II. H 589 f. Horat.
c. I 8, 12. Fabbb a. a. 0. 470 ff.
»■) So u. a. Mib a. a. 0.
1*) Dafür Fbddb und Fabbb.
4. Kiütnsseiten. (§ 108.) 183
und wer dieser nicht entsprach, schied aus der Zahl der Bewerber aus;^)
zweifelhafter ist es, ob eine solche auch im Lauf verlangt wurde.*) Wäh-
rend sich bis jetzt alle Kämpfer zusammen gemessen hatten/) musste
für den letzten und schwierigsten Kampf eine Teilung eintreten. Das
Los bestimmte die Ringerpaare. War die Zahl ungerade, so blieb, wie
dies auch beim Pankration oder Faustkampf vorkommen konnte, ein sog.
ifpsdQog.^) So ausgelost zu werden war ein grosser Vorteil, denn der
Ephedros hatte in jedem Fall einen Kampf weniger zu bestehn als der
um den Kranz ringende Gegner. Wie aber nun, wenn viele Paare mit-
einander stritten, und viele Sieger aus diesen Kämpfen hervorgingen, wie
es im Ringen beim Pentathlon stets der Fall sein musste? Und wenn
wirklich zum Pankration oder zum Faustkampf sich eine grössere Zahl
gemeldet hatte? Sollten die aus den Paarkämpfen hervorgegangenen
Sieger nun wieder miteinander kämpfen, und der Todmüde, der schliess-
lich alle anderen Gegner geworfen hatte, es dann noch mit dem ganz
frischen Ephedros aufnehmen? Das wäre unbillig gewesen, und mit der
Lösung, die Holwebda gefunden, ist die Frage jetzt wohl entschieden:
der Ephedros blieb nicht bis zuletzt unbeteiligt, es wurde vielmehr nach
dem ersten Gange eine neue Losung zwischen den Siegern und dem
Ephedros vorgenommen. Ein seltsamer Zufall hätte es sein müssen,
wenn dann das Los denselben Mann zum zweitenmal ausschied; aber man
konnte auch die Möglichkeit ausschliessen, indem man ihm von vornherein
ein Los gab, das mit einem Buchstaben bezeichnet war, der sich noch-
mals in der Urne fand.^) Waren die Paare ungerade, brauchte überhaupt
keiner mehr ausgeschieden zu werden. Nach der Inschrift Olymp. V 225
treten sieben Knaben im Pankration auf, einer wird Ephedros, drei Paare
kämpfen. Dann kämpfen die drei Sieger und der Ephedros in zwei Paaren,
darnach die beiden Sieger den Entscheidungskampf {tisqI tov (S%€(fdvov
n. 54, 20). So bestand der Ephedros zwar immer einen Kampf weniger,
als der niemals Ausgeloste, aber doch nicht mehrere. Wurde es einer-
seits mit Recht als eine Gunst des Schicksals betrachtet, Ephedros zu
werden, so war andrerseits die Ehre grösser, den Sieg zu erringen, ohne
jemals ausgeschieden zu sein. Das heben die Inschriften der Sieger denn
auch besonders hervor.^) Ein Sieg im Rii\gkampf war also für den, der
aus dem Pentathlon als der schliessliche Sieger hervorgehn sollte, unbe-
dingt erforderlich. 7) Dafür aber, dass diese eine Leistung nicht ein un-
gebührliches Gewicht vor den übrigen vier erhielt, und etwa ein Spezialist
im Ringkampf auch die meiste Aussicht hatte, im Pentathlon zu siegen,
war dadurch gesorgt, dass bis zum Ringen überhaupt nur der kam, der
in den vorhergehenden Kämpfen trefiFliches geleistet und so eine gleich-
massige Ausbildung aller körperlichen Fähigkeiten bewiesen hatte. ^) Es
*) nach HAOGBincÜLLKB 51 ff. | ^) nach Holwbbda,
*) Vgl. Haggbnmüllkb 51 mit A. 1.
*) Haggbnicüllib 52 ff. Fabbb 494.
^) Luk. Hermot. 40 f. Über die sog.
Ephedria namentlich Holwbbda Arch. «Ztg.
1881 S. 171 f., auch Fbddb der F. d. Hell.
Breslau 1888 S. 25 Anm.
•) Olymp. V 36, 38, 90, 146, 171, 227.
^) Anders Mib a. a. 0. 797 ff.: wer in drei
Kämpfen gesiegt hatte, war eo ipso Sieger,
und das Pentatjilon wurde dann abgebrochen.
*) S. HAoeBNicOLLBB a. a. 0. 58 f.
184
Die griechiBOhen Kultiuialtertftmer.
konnte vorkommen, dass der Sieger nur in einem Kampf, beim Ringen,
die beste Leistung aufzuweisen hatte, dann nämlich, wenn jeder der Mit-
bewerber auch nur in einer Eampfesart gesiegt hatte, er selbst 'aber in
den vier voraufgehenden etwa den zweiten Platz behauptet hatte.
Der letzte Kampf^ war der oTtXivwv iQofiog, ein Wettlauf voll-
ständig gerüsteter Krieger, schon seit 520 geübt.*) Es wurden hier keine
Abteilungen gebildet, sondern alle Bewerber liefen auf einmal, wie beim
Dauerlauf, wahrscheinlich aus demselben Grunde, aus dem es dort und
bei den hippischen Kämpfen geschah: weil die Erschöpfung eine Wieder-
holung des Kampfes zur Unmöglichkeit machte. Später trugen die Läufer
nur noch den Schild. Die Bahn wurde wie beim Diaulos zweimal durch-
messen.*) — Am Abend dieses Tages wird dann wie am vorhergehenden
ein Festmahl der Sieger stattgefunden haben. Denn wenn auch die Namen
noch nicht durch den Herold ausgerufen waren, so hatte doch schon jeder
von ihnen aus der Hand eines Hellanodiken den Palmzweig empfangen,*)
und nicht bloss ihre Freunde und Mitbürger mochten es sich zur Ehre
anrechnen, sie zu bewirten.
und. Der fünfte und letzte Tag, der 16. des Olympienmonats,*) brachte
den glänzenden Abschluss des ganzen Festes. Schon lange hatten die
Zweige des wilden Ölbaums {xozivog), zum Kranze gebogen,®) auf dem ehernen
Dreifuss, später auf dem kostbaren Tische dagelegen, den Kelotes, ein Schüler
des Pheidias, aus Gold und Elfenbein gefertigt hatte;') ein Knabe, dem
noch beide Eltern lebten {afig>i&aXrjg naig), hatte sie mit goldenem Messer
von dem heiligen Baume geschnitten, den das Orakel einst selbst bezeichnet
hatte ;^) jetzt traten die Sieger davor, der würdigste der Hellanodiken nahm
den Kranz^) und drückte ihn auf die Stirn des Beneideten, ^<') und die weithin
schallende Stimme des Herolds verkündete dem jauchzenden Griechenland
den Namen seines stolzen Sohnes, des beglückten Vaters und des Staates,
dem er angehörte. ^0 Blumen regneten,^') und jauchzender Gesang begrüsste
ihn.i^) Das Leben konnte nichts Köstlicheres bieten als diese Ehre und
diesen Augenblick,^*) und als einst Diagoras an einem Tage zwei seiner
Söhne im Schmuck des Ölkranzes sah, ward ihm begeistert zugerufen:
„Stirb Diagoras, denn in den Himmel wirst du nicht steigen.** ^^) — Es war
^) Artemid. I 63. Mie Qnaest agon. 86
bezweifelt diese Anordnung auf Grund von
Paus. V 9, 3.
«) BöTTiOHEB Ol. 91 f. mit Abbildg. Vgl.
auch Hausbb Arcb. Jahrb. II 102 ff., XI
182 ff. RiDDKB BuU. de corr. XXI 211 ff.
Abbildung Taf. V Fig. 1.
«) Aristoph. Av. 291 f.
*) Plut. Quaest. symp. VIII 4, 1. Paus.
VIII 48, 2. Liv. X 47. Kbaubb Olymp. 168 f.
Allerdings ist der Palmzweig vor Alexander
nicht nachweisbar (Kibsslihg zu Hör. c. I
1,6).
») Pind. Schol. Ol. III 35; rec. zu Ol.
V 8. Bakchyl. VII 3.
•) xXddos Paus. V 7, 4 ; üqvos Ol. Inschr.
184. Rathoebbb a. a. 0. 182.
') Paus. V 12, 3; 20. 1 f.
») Paus. V 13, 3.
^) Die Krftnze waren wohl nicht alle
gleich: Plut. Us^i ev^vfi, 13. Kbaüsb Ol.
161 f. Hbbmanit G. A. § 50 Anm. 23. —
Mib a. a. 0. 30 f. will aus Paus. V 21, 12
folgern, dass der Kranz sofort nach Beendi-
gung der betr. Kämpfe den daraus hervor-
gegangenen Siegern gereicht worden sei.
Schol. Pind. Ol. III 33 p. 97 B sagt, dass alle
Kränze an einem Tage ausgeteilt wurden.
") Bakchyl. VI 8 f.
»>) Vgl. Xen. Hell. III 2, 21.
^') Paus. VI 7, 1 und mehr bei Ebbest
Zu Thukydides, Leipz. 1892 S. 114 f.
»») Schol. zu Pind. Ol. IX 8 p. 209 B.
K. Fb. HEBMAim Philol. X 243.
'«) Luk. Anach. 15. Plat. Rep. 465 D.
") Plut. Pelop. 34. Cic. Tusc. I 46.
4. KnltiUEeiten. (§ 109.)
185
dem Sieger gestattet, sieb als den Bürger eines fremden Staates ausrufen zu
lassen. Welche Stadt hätte es sich nicht zur Ehre angerechnet, ihm das
Bürgerrecht zu schenken, welche nicht alles aufgewandt, ihn zu belohnen ! ^)
Die verleugnete Vaterstadt aber entehrte und bestrafte den Abtrünnigen
wohl in der Regel.*) Nach der Preisverteilung brachten die Sieger dem
Olympischen Zeus ein Opfer dar, und auch von den zahlreichen andern
Altären wird der himmelan steigende Rauch den Göttern das Dankesopfer
der Sterblichen emporgetragen haben. Prozessionen, eine prächtiger als
die andre, durchzogen den heiligen Ort; die aus den vornehmsten^) und
wohlhabendsten^) Geschlechtem gewählten, übrigens auch staatlich sub-
ventionierten*) Theoren suchten den Reichtum und die Macht ihres Staates
durch glänzendes Auftreten nach Möglichkeit zur Schau zu stellen, und
der reiche Alkibiades, der mit 28 Rennpferden erschienen war, wie selbst
kein König vor oder nach ihm,®) lieh sich die kostbaren Gefässe und
Schaustücke der athenischen Gesandtschaft, um bei seinem Aufzug damit
zu prunken.') Dann folgte das Festmahl im Prytaneion, das die Eleier
den Siegern gaben. ^) Aber auch die übrigen gingen nicht leer aus. Alki-
biades bewirtete, als er mit seinen Viergespannen gesiegt hatte, die ganze
anwesende Menge,®) wie schon früher ein gewisser Leophron,*®) und wenn
so grossartige Freigebigkeit auch zu den Seltenheiten gehören musste, so
blieb sicherlich auch der Ärmste nicht ohne eine Einladung zu einem Mahl,
das die Gesandtschaft oder ein reicher Bürger seiner Stadt ausrichtete. ^Ö
Hymnen erklangen zu Ehren der Götter**) und Siegeslieder zu Ehren der
Helden des Festes. Pindar, Bakchylides, Simonides, Euripides besangen
ihren Ruhm, und vor Jahrtausenden stand in goldenen Lettern geschrieben
im Tempel der Athena zu Lindos das Lied, das uns heute noch entzückt,
wie einst des Diagoras Mitbürger,**) und als die grossen Dichter verstummt
waren, feierten Hofpoeten die Siege ihrer Herren.**) — Dann trennte man
sich, um in die Heimat zurückzukehren, oft genug, um wieder die Waffen
zu ergreifen gegen einander, oder wie einst in dem denkwürdigen Jahre
480 gemeinsam gegen einen fremden Feind. Doch waren die folgenden
Ereignisse auch noch so gewaltig, gingen die Wogen einer stürmischen Zeit
auch hoch, den Ruhm des Siegers von Olympia spülte keine flüchtig hinweg.
Im Triumph geleiteten ihn die Seinen nach Hause, auf einem von vier
weissen Rossen gezogenen Wagen fuhr er ein in die Vaterstadt {slas-
Xavve^v),^^) die ihre Mauern niederriss, einem solchen Sieger gern diesen
Weg eröffnend,*®) und Rom vermochte seine Triumphatoren, die ihm die
») Paus. V/ 18, 4. Flut. De sera num.
vind. 7.
«) Paus. VI 13, 1 ; 18, 4.
») Herod. VI 87.
*) CIA II 841.
B) Androtion im Schol. zu Aristoph. Av.
1541. Vgl. BöCKH Staatsh.» I 71.
•) Plut. Alk. 11. Isokr. XVI 34.
') Pseudo-Andok. IV 29.
») Paus. V 15, 8.
») Plut. Alk. 12.
>«) Athen. I 4 p. 3E.
») Herod. VI 122, Diod. XIV 109.
'«) Vgl. Pind. OL IX 1 und Schol. p.
209 B.
»») Pind. Ol. VII. Vgl. das Schol. bei
BöOKH p. 157 f.
»*) Pergam. Inschr. VIII 1 nr. 10-12
ggf
'») Diod. XIII 82. Vgl. Cass. Dio LXIII
20. aytay siffeXaatixog GIG 2932, 3426. Le
Bas-Waddikgton 624. Reisch bei Paült-
WissowA I 847.
»•) Plut. Quaest. symp. U 5 p. 639 E.
186
Die grieohischen KnltnsaltertAmar.
Welt bezwangen, nicht mehr zu ehren. ^) Die Kränze nahm man mit in
die Heimat, >) wo sie wohl im Tempel der Hauptgottheit aufgehängt
wurden, das kostbarste Weihgeschenk.') Von hier wird sie Milon entliehen
haben, als er, den Krotoniaten in den Kampf voranschreitend, sich damit
schmückte.^) War ein Kampf unentschieden geblieben, erhielt keiner der
Streitenden den Kranz, sondern er wurde sogleich der Qottheit geweiht
(tcQov noisTv).^) Dann ging es zum Siegesmahle, das die Stadt dem Ge-
feierten gab.^) Wieder erklangen die Siegeslieder, ^) und im engeren,
aber desto herzlicher teilnehmenden Kreise wiederholten sich die Ehren-
bezeugungen von Olympia. Lebenslang aber wurden die Sieger im Pry-
taneion gespeist,^) erhielten die Proedrie bei Festspielen^) und andere
Vergünstigungen. 1^) In Olympia selbst aber an heiliger Stätte durfte der
Sieger mit Erlaubnis der Eleier zum Gedächtnis eine bronzene ^^) Statue
errichten lassen, deren von den Hellanodiken kontrollierte Unterschrift
seinen Ruhm den nachfolgenden Geschlechtern meldete; doch erst dem,
der dreimal gesiegt hatte, war es gestattet, sein Porträtstandbild auf-
stellen zu lassen.^') Auch wer durch Zufall des Sieges verlustig gegangen
war, durfte eine Statue weihen, wenn er auch den Kranz nicht erhielt ;>')
denn der wurde der Gottheit geweiht, ^^) wie bei unentschiedenem Kampf
(leQcc) oder wenn sich überhaupt keine Kämpfer gemeldet hatten [iQTjfia).^^)
Konnte ein Sieger die Statue nicht aus eigenen Mitteln bezahlen, so trat
in der Regel seine Familie für ihn ein, in andern Fällen wird gewiss die
Vaterstadt sich die Ehre ausgebeten haben, das Bild stiften zu dürfen. ^^)
Reiche Leute, die mit dem Viergespann gesiegt hatten, erhielten auch die
Erlaubnis, ein Bild des mit Rossen bespannten Wagens in den Zeustempel
oder ein anderes Heiligtum in Olympia als Weihgeschenk zu stiften, ^7)
ebenso siegreiche Reiter ein Pferd. Gewöhnlich war der Eigentümer auf
dem Wagen oder Pferde mit dargestellt;^^) das öftere Fehlen aber seines
Bildes^*) beweist auch wieder, dass eigentlich nicht er geehrt werden soll,
sondern das Werkzeug, womit der Sieg errungen ist, oder sein Abbild
den Göttern zu Ehren geweiht wird.'^) Übrigens waren dies in der Regel
') Cic. Pro Flacco 13.
«) Diod. XII 9.
«) S. Arifitoph. Plut. 1088. Aus Find.
Ol. VIII 10, Ol. IX Auf. u. Schol. p. 207 f.
B., BöcKH expl. ad Ol. IV introd. folgt nicht,
wie MiE will, dass die Kränze in Olympia
selbst geweiht wurden. Vgl. Reibch Weih-
geschenke 60. Andere Wettkämpfe betref-
fend Xen. HeU. III 4, 18. IGSept. fll nr. 128.
*) Diod. a. a. O.
B) DiTTBNBEBGBBlnd. lect. Halle 1894/95.
•) Kbausb Ol. 197.
') Schol. Find. Ol. IX 3.
») Plat. Apol. 86E. Plut. Arist. 27. CIA
I 8. R. ScHOELL Herm. VI 37 f.
') Xenophanes bei Athen. X 6 p. 614.
^^) Tn Athen z. B. verordnete ein Gesetz
des Selon, dass jeder Olympionike 500 Drach-
men erhalte, und damit scheint eine früher
übliche grössere Summe nur herabgesetzt
worden zu sein (Plut. Sol. 28. Laert. Diog.
I 55). Über andere Staaten Dittknbbrobb
Syll. 150, 18. 215.
* ^) Chr. Scherbe De Olympionic. statais
Götting. Diss. 1885 S. 16 ff.
»») Plin. Nat. bist. XXXIV 4 p. 16. Vgl.
aber auch Dittenbbrokb Olymp. V n. 170, 8
und die Anm. dazu S. 295.
*») Dittbnbbbobb Olymp. V 54 u. 235 f.
und i. A. ScHEBEB a. a. 0.
1«) Olymp. V 54 mit Dittbnbbbgebs Anm.
S. 115.
>») Olymp. V 56 ZI. 17 f.
»•) Vgl. Paus. VI 17, 2.
") Paus. VI 1, 2. Dittbvbbbgbb Syll.
287
'») DiTTENBEBGEB Olymp. V S. 239 f.
Paus. VI 18, 1.
»•) Paus. VI 16, 7; 13, 5.
*^) DlTTENBERGBB B. B. 0. S. 240.
4. Kaltnssaiten. (§ 110-111.)
187
nur Miniaturbildnisse. 1) Eine seltene Auszeichnung war es, dass jeman-
dem, der nicht in Olympia gesiegt hatte, hier eine Statue errichtet wui*de.')
110. Aber nicht bloss um in den Kampfspielen aufzutreten oder ihnen
zuzuschauen, zog man nach Olympia: das Zusammenströmen aller Hellenen
zu dem Fest bot auch Gelehrten und Künstlern eine erwünschte Ge-
legenheit, sich bekannt zu machen und Ruhm zu erwerben.^) Hier soll
Herodot den begeisterten Zuhörern einen Teil seines Geschichtswerkes
vorgetragen haben, ^) Gorgias erwarb durch seine oratorischen Leistungen
solchen Ruhm, dass später ein Angehöriger auch ihm eine Statue setzen
durfte,^) Hippias, Prodikos, Lysias und viele andere suchten und fanden
hier Beifall, und Isokrates schafift seinem Panegyrikos den glänzenden
Hintergrund durch die Fiktion, die Rede sei in Olympia gehalten worden ;
der ältere Dionysios schickte die besten Rhapsoden, um seine Gedichte
vorzutragen; 7) der Maler Aetion stellte ein Gemälde aus, und Oinopides
eine eherne Tafel mit astronomischen Berechnungen.^) Auch politische
Beratungen und Verhandlungen wurden in Olympia gepflogen,^) und
wichtige staatliche Verträge wurden hier am besten zu allgemeiner Kennt-
nis gebracht und am sichersten aufbewahrt.^®)
Verheirateten Frauen war der Besuch der olympischen Spiele bei
Todesstrafe untersagt, >*) mit einziger Ausnahme der Priesterin der De-
meter Ghamyne, die sogar einen besondern Ehrenplatz hatte. ^') Jung-
frauen war die Teilnahme gestattet, doch werden ihrer niemals viele an-
wesend gewesen sein.^^)
Länger als ein Jahrtausend ist das Fest in Olympia gefeiert worden,
393 verbot es der Kaiser Theodosius,**) dreissig Jahre später Hess Theodo-
sius n. Feuer an den heidnischen Tempel legen, ^^) Erdbeben verwandelten
den Ort, wo hellenisches Leben so voll und reich pulsiert hatte, wie nirgends
sonst, in ein Trümmerfeld, *«) Schweigen und Vergessenheit breiteten sich
darüber, und Jahrhunderte lang wälzten die Wogen des Alpheios Schlamm
und Sand über die heilige Stätte, das schützende Leichentuch, das uns
die Reste der einstigen Herrlichkeit erhalten hat.
ß. Die pythischen Spiele.
Litteratar: Ebattsb Die Pythien, Nemeen udcI Isthmien, Leipzig 1841 (Hellenika
II 2). Wbkigbb: Über die religi(toe Seite der grossen Pythien, Breslau 1870, Ober das
Kollegium der Thyaden, Eisenach 1876. A. Mommsbn Delphica 1878 S. 149 ff. H. Pomtow
Beiträge zur Topographie von Delphi. HsiufAinr Gott. Altt.' § 49. Schoemann 6r. Altt.*
II 65 ff.
^) Paus. VI 14, 1. DiTTSNBEBGER Olymp.
V n. 160, 178 u. S. 649. Wagenlenker in
LebensgrOsse in Delphoi gefunden Axch. Anz.
1896 im Jahrb. XI S. 174.
') DiTTBNBBBGBB a. a. 0. u. 293 ff. u.
8. 241 f. Paus. VI 18. 2.
>) Vgl. Krausb Ol. 183 ff.
') Luk. Herod. I p. 833.
») Olymp. V 293. Vgl. Paus. VI 17, 7.
•) Plut. Dec. orat. 3. Luk. Herod. 3
p. 884 f.
') Diod. XIV 109.
•) Aelian. Var. bist X 7.
•) Thuk. ni 8 f.
»«) Thuk. V 18. Paus. V 23, 3. OL In-
schr. V 52.
») Paus. V 6, 5.
'») Paus. VI 20, 6. Vgl. OL Inschr. V
456, 473, 485.
^^) VgL ScHOBM ANN a. 0. II 59. Krausb
OL 56 f.
1^) Gedren. Hist. comp. 326 D.
^>) Schol. Luk. p. 221 Jaoobitz.
'•) Ausgrabungen v. Olymp., mit Ab-
bildungen der Trümmerstätte; Exp4d. scien-
tif. en Moröe. Auch Böttiohbb OL 33 u. 400
u. BOckino Monatsber. der BerL Akad. d.
Wiss. 1881 S. 315 ff.
188
Die grieehischen Knltosalieitümer.
111. Das zweite Nationalfest, das dem olympischen an Ruhm und
Ansehn zunächst stand, war das pythische. Es wurde in der krisäischen
Ebene am Fuss des Parnass gefeiert. Apollon selbst sollte es gestiftet
haben, nachdem er, von dem Morde des Drachen gereinigt, lorbeerumkränzt
wieder eingezogen war. Andere nannten Amphiktion oder Diomedes, den
Tydiden, als Begründer.^) Sicher ist, dass das Fest ein altes ApoUonfest
war, welches die Priesterschaft von Delphoi leitete, und dass an ihm ein
musischer Agon stattfand, wo Kitharoden Paiane auf den Gott sangen.*)
Die Feier war ursprünglich ennaeterisch, aber nach der Zerstörung Erisas
Ol. 49, 3 (582 V. Chr.)*) wurde auch dies Fest alle vier Jahre begangen,
und zwar in jedem dritten Olympiadenjahr*) im Monat Bukatios^) (d. h.
der Stieropfer), der dem attischen Metageitnion entsprach,^) also etwa
Mitte August. Jetzt übernahmen die Amphiktionen die Leitung,^) und
der Agon, der bisher ein XQW^^^'^V^ gewesen war, bei dem also die Preise
in Wertgegenständen bestanden hatten, wurde ein CTs^aviTTjg, Dadurch
ward sein Ansehn und seine Wertschätzung sehr erhöht, denn immer
galten die äywvsg CTe^avnai als die weit vornehmeren, und noch in viel
späterer Zeit änderte man, um die Gottheit zu ehren, Wettkämpfe um
Wertpreise um und verlieh den Siegern nur den Kranz. ^) Von 582 an
zählte man auch die Pythiaden. Die musikalischen Wettkämpfe wurden
durch Flötenspiel und Aulodie bereichert, gleichzeitig auch gymnische
Spiele hinzugefügt.^) Schon die nächste Feier brachte auch Rennen von
Viergespannen, während man die klagenden, zur Flöte gesungenen Lieder
wieder abschaffte, i®) Nach und nach fügte man wie in Olympia immer
neue Wettspiele hinzu, und zwar sowohl musische'*) als gymnische und
hippische. Kitharspiel ohne Gesang, der Waffenwettlauf, das Rennen mit
dem Zweigespann ausgewachsener Rosse und andere Spiele wurden all-
mählich noch in das Programm aufgenommen, und höchst wahrscheinlich
auch schon früh die ursprünglich auf einen Tag beschränkte Feier auf
mehrere Tag ausgedehnt. Zur Zeit des Sophokles findet das Rennen be-
reits an einem den gymnischen Spielen folgenden Tage statt, *>) und diese
selbst scheinen wieder am Tage nach den musischen vorgenommen worden
zu sein,'') jedenfalls folgten sie ihnen.'*) Was die Feier von der olym-
pischen wesentlich unterscheidet, ist die Übung der musischen Kämpfe.
Dazu kam der am ersten Tage des Festes vorgetragene voiiog nvd'ixog^^^)
') Vgl. Erausb a. a. 0. 6 ff. Mommsen
Delph. 168 ff.
«) Strab. IX 421. Vgl. Paus. VIII 50, 3.
») Behgk Poet, lyr.-» I 12 ff v. Wila-
MOWiTZ Aristot. u. Athen I 10 ff., II 325.
0. SoHBOBDBB Phüol. 1894 S. 717 ff., 762. —
Für Ol. 48, 3 Böckh Pind. Explic. 207. L.
Schmidt Gbronol. der Pind. Ged. comm.
MoMMSKN 1878. Ind. lect. Marburg 1880/81
u. 1887. Christ Pindar 1896 p. LXXXVI.
*) Diod. XV 60. Paus. X 7, 3.
*) CIG 1688. KöHLBR CIA II S. 319.
*) KiBCHHOFF Monatsber. der Berl. Akad.
d. Wiss. 1864 S. 129 f. u. 135. Vgl. Krausb
a. a. 0. 30 ff.
') Strab. a. a. 0. Mommsbn Delph. 166 ff.
S. auch CIA II 545.
«) Perg. Inschr. VIII 1 nr. 167 mit der
Bern. Fbankbls S. 104.
«) Paus. X 7, 3. Annal. Par. Hypothes.
Pind. Pyth. 298 Böokh.
»oj Paus. X 7, 3.
'') Diese fanden wie in Nemea in einem
Theater statt (Luk. Hgog toV dnai^, § 9 p.
108), das Olympia nicht besass.
>») El. 698 f.
") Pl^t. Quaest. symp. II 4. Philosix.
ApoU. Tyan. VI 10 p. 238.
>*) Bull, de corr. XVIII 85.
»») Strab. IX 421 f. Sohol. zu Pind. Pyth.
Arg. p. 297 ß. PoU. IV 78. 81.
4. Kaltasseiten. (g lll.j
189
und wenn das Interesse für diesen Teil der gebotenen Schauspiele viel-
leidht schon früh hinter anderen zurücktrat, so blieb er doch, fasst man
die religiöse Bedeutung des Festes ins Auge, nicht bloss ein wichtiges
Stück, sondern vielleicht der Mittelpunkt des Qanzen. Es war eine musi-
kalische Aufführung, vielleicht von dem mimischen Spiel eines Künstlers
begleitet, die durch kunstvollen Vortrag und wechselnde Rhythmen den
Kampf Apollons mit dem Drachen in allen seinen Stadien zur Vorstellung
bringen sollte. Di© gymnischen Kämpfe unterscheiden sich von den
olympischen namentlich dadurch, dass die Beteiligung der Knaben in Pytho
eine grössere war. Sie traten auch im ioXixog und SiavXog auf, und das
Pankration der Knaben wurde schon 144 Jahre früher als in Olympia
eingeführt.') Auch dadurch, dass ihre Kämpfe nicht an einem besondem
Tage abgehalten wurden, sondern der betreffende Kampf der Männer
immer dem der Knaben sogleich folgte,*) scheint diesen eine grössere
Bedeutung zugestanden worden zu sein. Auch die Prunkreden der Rhetoren
[imdei^eig) haben an den Pythien eine verhältnismässig grössere Rolle
gespielt als in Olympia, und in späterer Zeit stritten sogar Dichter und
Logographen um den Kranz.*) Grossartiger noch als in Olympia ist wohl
das Hauptopfer gewesen, das man dem Apollon darbrachte.^) Auch
dabei mag edlere Musik zur Verschönerung und Erhöhung des Genusses
beigetragen haben, wenigstens berichtet uns eine Inschrift, dass einmal
ein Flötenspieler, der unter besonders ehrenden Umständen gesiegt hatte,
beim Opfer ein Chorlied aus den Bakchen des Euripides mit Kitharbeglei-
tung vorgetragen habe.«) — Die Aufsicht hatten, wie gesagt, die Am-
phiktionen, denen dabei ein iTtifisXrjrrjg'') und iiaa%iyo(p6qoi^) zur Seite
standen. Das Richteramt übten nicht nur Delphier aus. Eine Inschrift^)
berichtet, dass ein Athener, als Hieromnemon nach Delphoi deputiert, dort
die Opfer vn^Q zov Süfiov twv 'Ad-rjvaicov xazd xä naiqia, dargebracht und
sich als gerechter Richter im pythischen Agon bewährt habe. Die Er-
teilung des Preises erfolgte in derselben Weise wie in Olympia: der Sieger
erhielt einen Palmzweig *<>) und darnach den Lorbeerkranz.^*) Ein Knabe,
dessen Eltern noch lebten, schnitt die Zweige von einem Baum im Thal
Tempe.") Der Sieger erhielt das Recht, eine Statue aufzustellen.*'*) Aber
wie in Olympia**) durften auch hier reiche und angesehene Leute ihr
eigenes Bild als Weihgeschenk aufstellen. Am berühmtesten war die gol-
dene oder vergoldete Statue des Redners Gorgias.*^) Dass auch zu diesem
Fest ganz Griechenland Theorien sandte, an denen sich wie bei andern
*) GuHHAUEB Der pythische Nomos,
Jahrb. f. Phil. Suppl. VIII 311 flF. K. v. Jak
Yerhandlgg. der 39. Philol. Versammig. za
Zürich 1888 S. 76 ff. Mommsbn Delph. 191 ff.
Vgl. auch V. Jan Philol. XXXVIII 378 ff.
GüHBAUBK Jahrb. f. Phil. 1880 S. 703 ff.
*) Paus. X 7, 3.
') Plut. Quaest. symp. II 5, 1.
*) Plut. Quaest. symp. V 2. Ebausb a.
a. 0. 46, 27 f.
*) Vgl. Xen. Hell. VI 4, 29 f.
•) Bull, de corr. XVIII 85.
') Plut. Quaest. symp. II 4, 2. Momm-
SEK Delph. 167 nimmt mehrere an.
*') Luk. n^og änaid. § 9 ff.
») Bull, de corr. XVI II 93.
>«) Plut. Quaest. symp. VIII 4, 1.
») Paus. X 7, 4.
»«) Schol. Pind. Pyth. Arg. p. 298 B.
»») Paus. X 9, 7. Arch. Ztg. 1873 S. 57.
»*) DiTTBNBEBOBB Olymp. V zu nr. 278.
'*) Paus. X 18, 7. Hermipp. bei Athen.
IX 505 D f. Olymp. Inschr. 293 mit Dittbh-
BEBOBBS Bem. S. 417.
190 ^^ griechisohen Kultasaltertllmer.
auch vornehme Frauen beteiligten,^) Prozessionen, Epinikien, Festmahle
die Feier verherrlichten, bedarf kaum der Erwähnung.*) Wie angesehn
Delphoi auch noch in späterer Zeit war, mögen wir daraus ersehen, dass
der Kaiser Titus das delphische Archontat bekleidete.*)
/. Die isthmischen Spiele.
Litteratur: Krause Hellenika II 2 S. 165 ff. Hermann G. A.« § 49. Sohobmanh
Gr. Alt.« II S. 68 ff. ünobr Die lathmien und Hyak., Philol. XXXVII (1877) 8. 1 ff.
112. Das dritte*) grosse Nationalspiel waren die Isthmien, die bei
Schoinos in der Nähe des Diolkos auf dem Isthmos von Eorinth gefeiert
wurden.*) Auch ihre Stiftung suchte man in die mythische Zeit hinauf-
zurücken. Poseidon soll selbst die Feier zu Ehren des im Meere umge-
kommenen Melikertes angeordnet, <^) nach einer andern Sage Theseus sie
nach dem Morde des Sinis oder des Skiron eingesetzt haben.'') Das Fest
wurde trieterisch gefeiert,®) wahrscheinlich im Frühling*) jedes zweiten
und vierten Olympiadenjahres. Poseidon empfing das Hauptopfer, wie es
scheint, vor der Abhaltung der Kampfspiele.*®) Die Korinthier hatten
die Leitung der Spiele; doch wurden sie auch nach der Zerstörung der
Stadt nicht ausgesetzt, sondern von den Sikyoniern besorgt, bis das von
Caesar neu erbaute Korinth sie wieder übernehmen konnte.") Den Athenern
war die Proedrie bei der Festfeier zugestanden, wohl deshalb weil Theseus
im allgemeinen für den Begründer galt,**) während die Eleier überhaupt
ausgeschlossen waren.") Wie bei allen Nationalspielen ward auch vor
den Isthmien Gottesfriede angekündigt.*^) Die Eampfspiele waren zuerst
die üblichen gymnischen und hippischen,**) im dritten Jahrb. v. Chr.
wurden musische Wettkämpfe hinzugefügt,*«) in denen Kitharoden,*')
Dichter*«) und Sänger*») auftraten. Wahrscheinlich haben die Spiele also
auch mehrere Tage gedauert. Der Sieger erhielt wie überall Palmzweig*®)
und Kranz.**) In alter Zeit soll es ein Fichtenkranz {nkvg) gewesen
sein,**) Pindar kennt nur Eppichkränze (aäktvov),^^) und zwar soll man
vertrockneten Eppich genommen haben, *^) zur Erinnerung daran, dass die
') Le Bas Attique 361. CIA II 550.
*) Vgl. Krausb a. a. 0. 36 ff., 51 ff.
») Bull, de corr. XVIII 97.
*) Bebok P. I.* S. 18 n. 1 S. 20. K. Keil
Schedae epigraph., Progr. y. Schulpforte 1855
S. 4 f. IGA 419. Ol. Inschr. V 153. 0.
ScHROBDER Ztschr. f. d. Gw. 1882 Jahresber.
Vlll 45.
*) Strab. VIII 369.
•) Schol. Pind. Isthm. Arg. p. 514 f. B.
^) Schol. Pind. a. a. 0. Plut. Thes. 25.
GIG 2374. Die Inschrift setzt die Gründung
der Spiele 995 Jahre vor ihrer Abfassung
an. Jedenfalls bestanden sie schon zu Solons
Zeit: Plut. Sol. 23. Vgl. Laert. Diog. I 55.
*) Pind. Nem. VI 40.
•) ÜNGEB Philol. XXXVII 3 ff., 524 ff.
Christ Sitznngsber. der bayr. Akad. d. Wiss.
1889 S. 1 ff.
»«) Vgl. Xen. HeU. IV 5, 1.
»>) Paus. II 2, 2.
'«) Plut. Thes. 25. Thuk. VIII 10.
»») Paus. V 2. 3; VI 3, 4; 16, 2.
") Paus. V 2, 1. Vgl. II 15. 1.
»») Pind. Isthmische; Paus. VI 15, 3.
»•) CIA il 1867. A. Körte Rhein. Mus.
1897 S. 176. Reisgh De mus. Graec. cert.
77 setzt sie früher an.
") Nero: Sueton. Ner. 22 ff. Cass. Dio
LXIII 21. Vgl. Luk. Ner. 3.
»») Plut. Quaest. symp. V 2, 10.
»•) CIG 1212. Vgl. 1719, 1720.
»«) Plut. Quaest. symp. VIlI 4, 1.
*•) Bull, de corr. XIV 277. Krause a.
a. 0. 197 ff.
") Plut. Quaest. symp. V 3, 1. Schol.
zu Apoll. Rhod. III 1240. Uhger Philol.
XXXVII 9 f
") Nem. IV 88. Ol. XIII 31. Schol.
Pind. Isthm. Arg. p. 514 B. Vgl. Schol. Ol.
XIII 45.
") Schol. Pind. Ol. XIII 45. Hypoth.
4. KoltiUBeiteii. (§ 113.)
191
Spiele einst zu Ehren eines Verstorbenen gestiftet seien. ^) Auch lange
nach Pindar finden wir den Eppich,*) doch wurde später die Fichte ein-
geführt, vielleicht erst in der Eaiserzeit.^)
i. Die nemeischen Spiele.
Litteratur: Ebause Hell. II 2 S. 107 ff. Hebmann Q. A.< § 49. Sghobmann Gr.
Altt.s II 8. 67 f. J. G. Dbotsbn im Hermes XIY 1 ff. = Kleine Schriften II 258 ff. Ungbb
Siizungsber. der Mttnchen. AkOd. 1879 S. 164 ff.
111. Das vierte und letzte der grossen Nationalfeste waren die
Nemeen. Sie wurden zuerst in dem Thal Nemea zwischen Kleonai und
Phleius gefeiert/) später aber, jedenfalls schon vor 237 v. Chr., nach Argos
verlegt.^) Eingesetzt sollen sie sein von den Sieben, die gegen Theben
zogen, zu Ehren des Archemoros, des kleinen Sohnes des Königs Lykurgos,
der von einer Schlange getötet wurde, während seine Wärterin den dür-
stenden Helden den Weg zu einer Quelle wies.^) Nach andern Sagen
soll Herakles die Spiele nach der Erlegung des nemeischen Löwen ge-
stiftet oder sie erneuert und dem Zeus geweiht haben.') Zur Zeit Pin-
dars wurden sie zu Ehren des Zeus gefeiert.®) Die Leitung hatten an-
fangs die Rleonaier, doch bald riss sie das mächtigere Argos an sich.
Vorübergehend besassen sie dann wiederum die Eleonaier, die auch Pindar
(Nem. X 42) als aywvox^ärat nennt, und noch Jahrhunderte später rivali-
sierten beide Staaten,^) bis die Argeier endgültig das Vorrecht behaup-
teten, i^) Auch dies Fest war ein trieterisches.^^) Es fand im Monat
Panemos statt,^*) der dem attischen Hekatombaion entsprach, i^) also im
Hochsommer, und zwar auf der Qrenze des ersten und zweiten und des
dritten und vierten Olympiadenjahres. >^) Daneben gab es pentaeterisch
gefeierte Winternemeen (x«jU€^*va), >») deren Stiftung auf den Kaiser Hadrian
zurückzuführen ist. Doch war dies kein panhellenisches, sondern ein argi-
visches Lokalfest. *^) Die Nemeen wurde in derselben Weise gefeiert wie
die übrigen grossen Nationalfeste. Vor dem Beginn wurde der Qottes-
Nem. p. 13, 5 Abbl. Schol. Apoll. Khod. III
1240. Vgl. aber Find. Nem. IV 88 und Dbot-
sbn Herm. XIV 8.
') Vgl. Plin. Nat. bist. XX 113. Rohdb
Psyche* I 152, 1 u. 220, 2.
«) Diod. XVI 79. Vgl. Flut. Quaest. symp.
V 3 2
'•)'piut. Quaest. symp. V 3, 1 ff. Luk.
Anach. § 9 u. 16. Vgl. Plin. Nat. bist. XV
10 p. 86 u. CI6 234.
*) Strab. VIII 377. Paus. II 15.
») Flut. Kleom. 17. üngbb a. a. 0.
•) Bakchyl. IX 12 f. ApoUod. lU 6, 4.
Scbol. Find. Nem. Arg. p. 424 f. B. Frbllbb
Gr. Mytb.« H 356 f. Rohdb Fsycbe« I 152, 1.
') Scbol. Find. Nem. Arg. p. 424 f. B.
Das Marmor Far. setzt die EinfÜbrung 987
Jabre vor seiner Abfassung an, also zwei
Olympiaden später als die Istbmien (CIG
2374).
•) Find. Nem. II 4 f.
») Vgl. Flut. Arat. 28.
»<>) Vgl. DissBB zu Find. Nem. p. 381 f.
bei BöoKH. Unobb a. a. 0. 165 ff.
'») ßakcbyl. 1X23. Scbol. Find. Nem.
Arg. p. 425 B.
»*) Find. Hypoth. Nem. § 4.
") CIA II 181.
") SoHOBMANV Froleg. zu Flut. Ag. u.
Kleom. p. XXXVIII ff. Heinrichs Ztscbr. f.
d. Gw. IX 1855 S. 208 ff. Dboysbn a. a. 0.
ÜNGBB a. a. 0. Christ Sitzgsber. d. Müncb.
Akad. 1888 S. 890 ff.
»») Faus. n 15, 2; VI 16,4. CIG 4472.
»•) ÜNOBB a. a. 0. 188 ff. Fbilol. XXXIV
1875 S. 50 ff., XXXVII 524 ff. Anders Dbot-
sbn a. a. 0. und A. Mommsbn in Bubsians
Jabresber. XX (1892) Bd. 73 S, 1 ff., der
zwar von der späteren Einfabrung der Winter-
nemeen überzeugt ist, aber die Stiftung durcb
Hadrian für zweifelbaft, die Feier in Argos
(gleicb Dboysbn) für unmOglicb bftlt.
192
Die grieohisohen Knltiualtertflmer.
friede geboten,*) die fremden Staaten schickten ihre Theorien,*) und ferne
Länder Agonisten,*) Männer und Knaben traten in den üblichen gym-
nischen Kämpfen auf,*) Alkibiades sandte auch hierhin seine Vierge-
spanne, s) und besondern Ruhm erntete, wer einen nemeischen Sieg zu
Siegen fügte, die er in den andern drei Spielen errungen hatte, so dass
er sich als neqioäovixYfi bezeichnen durfte.«) Auch dass Kassandros es
nicht verschmähte, als Agonothet zu fungieren, beweist das Ansehn des
Festes.') Interessant ist, dass schon zu Philopoimens Zeit ein Agon von
Kitharoden stattfindet.») Der Sieger erhielt Palmzweig*) und Eppichkranz
Zum Schluss mag noch erwähnt werden, dass alle vier grossen Fest-
spiele in vielen Städten Griechenlands Nachahmung fanden und mit Agonen
gefeiert wurden, vor allen die Olympien.**) Eine einzige Inschrift**) er-
wähnt Olympien in Epidauros, Ephesos, Smyrna, Kyzikos; Pythien in
Philippopolis und Hierapolis u. s. w. ; als Eumenes II die Nikephorien neu
ordnete und zum glänzendsten Fest gestaltete, richtete er die musikali-
schen Agone nach dem Muster der pythischen ein, die gymnischen und
hippischen nach dem der olympischen,**) und einen stolzeren Titel als
laoXvfATtia konnten die römischen Kaiser den pentaeterisch in Neapel ge-
feierten 'iTaXixa ^cofiata Seßactd nicht geben.**)
b. Die Feste der einzelnen Staaten.
Litteratur: Hbbmann Gott. Alt.^ S. 281 ff. Sghobxann Griech. Altt.> II S. 4B9 ff.
Adolf Schmidt Handbuch der griech. Chronologie ed. Fr. Rühl, Jena 1888 S. 264 ff. Für
Athen A. Momhsen Heortologie, Leipzig 1864. Ungbr Philol. XXII 385 ff. Über die Be-
deutung der Feste L. Schmidt Ethik II 16 f., ihre Kostspieligkeit Böckh Staatshaush.*
I 265 ff.
114. Fanden wir an den grossen Nationalfesten ganz Griechenland
vereint und für den Augenblick sich in ein Ganzes fügend und darin auf-
gehend, so zeigt sich wiederum die Zersplitterung und Sonderung der
Staaten nirgends auffallender als in der Feier der Feste, die jeder für sich
beging. Jede Stadt verehrte eine Gottheit vorzugsweise und vernachlässigte
andere. In Athen z. B. trat Hera im Kultus völlig zurück, während sie
in andern Städten wie in Argos die erste Stelle einnahm, ja Nebengott-
Find. Nem. III 2. Vgl. Xen. Hell. IV
7, 2 f.
2) Demosth. XXI 115 p. 552.
^) Kilik. Tnschr. Heberdby u. Wilhelm
Denkschr. der Wien. Akad. d. Wiss. 1896
S. 7.
^) Kbause a. a. 0. 134 ff.
») Paus. I 22, 6. Vgl. Athen. XII 534 D.
^) Doch kommt dieser Titel erst später
vor: Athen. X 415A. Cass. Dio LXTII, 8.
CIA IV 6829. Eine Sammlung von Perio-
doniken bei Krause Ol. 402 ff. S. auch die
delphische Inschr. Bull, de corr. VI 447 u.
IG Sic. et It. 1102 ff.
Diod. XIX 64.
8) Plut. Philop. 11. Paus. VIII 50, 3.
«) Ebause a. a. 0. 143.
>o) Pind. Nem. VI 43 f. u. Schol. dazu.
Schol. Pind. Ol. XIII 45 p. 274 B. Plin. Nat.
hist. XIX 46 p. 158. Vielleicht sind eine
Zeitlang Eichenkränze gegeben worden GIG
234. Vgl. Drotsbn a. a. 0. 2.
») GIG Sept. I 49. IG Sic. et It. 739.
Zusammenstellung der kleineren Olympien
bei Krause Olympia 202 ff.; der Pythien
Hell. II 2 S. 53 ff., s. auch Prellbr- Robert
Gr. Myth. I 267 f.; der Isthmien Krause
Hell. II 2 207 ff.; der Nemeen ebenda 146 f.
»«) GIA III 129.
^') Dittbnberger Syll. 215. Pergam.
Inschr. VIII 1 nr. 167. Gabbel Erythrae 50.
»*) IG Sic. et lt. 748, Olympia V 56.
Wissov^TA Wochenschr. f. klass. Phil. 1897
Sp. 763 ff. Vgl. GIG 4472. «yw^ef iaonvattn
DiTTENBEBGBR Syll. 149 f. Bull. de corr. V
384. Athen. Mitt. IX 72 etc.
4. KoltiuiBeiteii. (§ 114.)
193
beiten wie die Chariten, Asklepios, Eros wurden an bestimmten Orten
am meisten verebrt. Scbon dieser Umstand bedingte, dass auch jeder
Staat seine eigenen Feste hatte. Es kam hinzu die Verschiedenheit der
Zeitrechnung. Nicht alle Griechen rechneten den Jahresanfang von dem-
selben Zeitpunkt an,^) die meisten hatten ihre besondern Monatsnamen,
und Neuerungen und Verbesserungen in der Chronologie fanden durchaus
nicht allgemeine Annahme.
Genauer unterrichtet sind wir nur über Athen, und auch hier weist
die Überlieferung zahlreiche Lücken auf; für die andern Staaten haben
namentlich die Inschriften Material geliefert, doch ist es so fragmen-
tarisch und so zufällig, dass eine systematische Behandlung ihrer Fest-
kalender vorerst auf grosse Schwierigkeiten stösst.
Allgemein nahm man ein Mondjahr von 354 Tagen an und brachte
es mit dem Sonnenjahr dadurch in Übereinstimmung, dass man in be-
stimmten Zeiträumen einen dreizehnten Monat einschaltete,*) noch ehe die
Abweichung gar zu gross und fühlbar geworden war. Die Athener scheinen
in jedem dritten, fünften und achten Jahre einen SevreQog JloaeiSsüiv hin-
zugefügt zu haben, so dass in einer Periode von acht Jahren der Ausgleich
stattfand,') weshalb man dann diese Oktaeteris auch als ein grosses Jahr
(liisyag ivtavtog) zu bezeichnen pflegte. Nach demselben Prinzip verfuhren
auch die übrigen Griechen, wie die verbreitete und später allgemein übliche
Rechnung nach Olympiaden und Pythiaden beweist, die beide eine halbe
Oktaeteris ausmachten.^) Der Schaltmonat zählte 30, die übrigen 29 {xoTXog fi,)
oder 30 Tage. Sie begannen mit dem Neumond, und der ganze Monat wurde
in drei Dekaden geteilt:^) firjvvg tatafiävov^ fieaovvrog oder im iäxa^ y^«-
vovTog. Die 9 oder 10 Tage des letzten Drittels wurden rückwärts ge-
zählt, der SevTSQa (p^ivovrog folgte die ivt] xal väa^ der letzte Monatstag.
Den Jahresanfang rechneten die Athener vom ersten Neumond nach der
Sommersonnenwende. Der erste Monat, der also ungefähr unserem Juli
entsprach, hiess Hekatombaion, der 2. Metageitnion (August), 3. Boedro-
mion (September), 4. Pyanopsion (Oktober), 5. Maimakterion (November),
6. Poseideon (Dezember), 7. Gamelion (Januar), 8. Anthesterion (Februar),
9. Elaphebolion (März), 10. Munichion (April), 11. Thargelion (Mai), 12. Ski-
rophorion (Juni). In anderen Staaten führten die entsprechenden Monate
andere Namen, in Delphoi z. B. Apellaios, Bukatios, Boathoos, Heraios,
Daidophorios, Poitropios, Amalios, Bysios, Theoxenios, Endyspoitropios,
Herakleios, Uiaios.^) Häufig finden wir dieselben Namen an andern Orten
') BöoKH MondcykleD 29 ff. Sohobxann
a. 8. 0. 448 f. Ad. Schmidt a. a. 0. 123 f.
*) Es kam aber auch vor, dass in dem-
selben Jahr mehrere Monate eingeschaltet
wurden. Vgl. Eircbhoff Monatsber. der
Berl. Akad. 1859 S. 739 ff.
*) ÜSENER Rhein. Mus. XXXIY 889. Vgl.
auch Br. Kbil Herrn. XXIX 821 ff.
*) 482 stellte Meton in Athen einen
neuen 19jähngen Cyklus auf, der aber erst
über ein Jahrhundert später eingeführt wurde.
Ad. Schmidt a. a. 0. 434 ff., 620 ff. Usbnrr
H«adbuoli der klan. AltertumswiMeiucluft. Y, 8.
a. a. 0. 408 ff.
^) Ad. Schmidt a. a. 0. 148 ff.
^) KiECUHOFF Monatsber. der Berl. Akad.
1864 S. 134. Vgl. Hermes XXI 176 ff. von
Kos. Bull, de corr. V 25; XIV 492 ff. von
Delos. Athen. Mitt. XI II 807 f. von Eyzikos,
und im allg. Biscboff De fastis Graecorum
antiquioribus, Leipzig 1884. Jahrb. f. Phil.
1892 S. 479 ff. K. Fr. Hermann Monats-
kunde Göttingen 1844. Über äolische und
dorische Kalender Lattschew St. Petersburg
1888 (russisch). S. auch A. Mommsbn in Bur-
BiANS Jahresber. 1885, 3 S. 407 ff., Darbm-
2. Aufl. 13
194
Die grieohischen Sultnsaltertflnier.
wieder, wie einen Thargelion in Delos, Faros, Ephesos und anderswo,^)
doch bezeichnete der übereinstimmende Name dui*chaus nicht immer den
gleichen Monat. ^) Noch grösser werden die Abweichungen in den den
einzelnen Gottheiten geweihten Tagen gewesen sein. In Athen z. B. soll
der 3. 13. 15. und 28. jedes Monats der Athena gehört haben,*) was an
andern Orten, wo sie weniger verehrt wurde, nicht anging, der siebente
wiederum war nicht bloss in Athen dem ApoUon geweiht.^) Andrerseits
werden auch dieselben Tage am nämlichen Orte als verschiedenen Gott-
heiten heilig bezeichnet.^) — Sehr üblich war es, die Namen der Monate
von den Hauptfesten, die in ihnen gefeiert wurden, zu entlehnen, wie in
Athen den Skirophorion, Pyanopsion u. a.
Wie wichtig den Griechen ihre Feste waren, und wie sie alles andere
darüber vergassen und versäumten, könnte uns in Erstaunen setzen. Die
Spartaner schicken der Earneen wegen keine Hilfstruppe nach Marathon,^)
eine durchaus ungenügende Streitmacht nach Thermopylai,^) und erscheinen
im peloponnesischen Krieg aus demselben Grunde wiederholt nicht recht-
zeitig auf dem Platze,^) Agesilaos entlässt die Amyklaier aus dem Lager,
damit sie zu Hause die Hyakinthien feiern können,^) und Demosthenes
macht den Athenern die schwersten Vorwürfe, dass ihre Feldherren über
Festen und Prozessionen das Lager und das Schlagen vergassen, und dass
für die Panathenaien und grossen Dionysien mehr Geld aufgewandt würde,
als für die Ausrüstung der Flotten, i®) Mag zunehmende Vergnügungssucht
namentlich in Athen ihr Teil hierzu beigetragen haben, ^^) der alleinige Grund
war sie nicht: wie die Götter auf Opfer und Erhaltung ihrer Tempelschätze
Anspruch hatten, so verlangten sie auch eine würdige Begehung ihrer
Feste. Die Athener thun sich etwas zu gute darauf, dass sie die meisten
Feste feierten und die frömmsten von allen Hellenen seien. ^') Nur an einem
Tage des Jahres soll die Stadt keine Opfer dargebracht haben, ^*) und
jeder sechste Tag soll ein Festtag gewesen sein.'*) — Nicht jeder Fest-
tag war gleich heilig und vornehm; niir an den hohen waren Gerichts-
sitzungen, Volksversammlungen und überhaupt öffentliche Arbeiten und
Geschäfte untersagt. ^^)
bbrg-Saolio Dict. I 825 ff. und besonders
ÜM6BB Hdb. P S. 729 ff.
Pbkllbk-Robbrt Griech. Myth. I 261
Anm. 2. Vgl. 263 Anm. 2.
«) Vgl. SCHOBMANN B. 8. 0. II 448 f.
Einige Übereinstimmangen finden sich ; so
scheint z. B. der der Artemis heilige Monat
überall in den Frühling zu fallen.
") Tzetz. zu Lykophr. 519. Prokl. zu
Hes. Erg. 778. Schol. zu II. S 38.
*) Prokl. zu Hes. Erg. 798. Flut. Quaest.
symp. VIII 1, 2. Laert. Diog. II 44. Vgl.
Herod. VI 57.
*) Schol. Aristoph. Plut. 1127: Xägnny
fQlirjy Nub. 616: iv 6h devrigif xov Uoffei-
6(6va rifidy. Vgl. Plut. Quaest. rom. 25 und
mehr bei Soboexann a. a. 0. II 441 f. Lo-
BBCK Agl. 430 ff. Prelleb-Robbbt Gr. M. I
391. Vgl. ausser den angef. Stellen auch
Theopomp. Frgm. 283. GIG 1034.
•) Herod. VI 106.
') Berod. VII 206.
8) Thuk. V 54 u. 75.
•) Xen. Hell. IV 5, 41.
'0) Demosth. I 20 p. 14 f.; III 31 ; IV 35
p. 50. Plut. De glor. Athen. 6.
>') Vgl. Isokr. VII 29 f. p. 145.
»*) Perikles bei Thuk. II 38. Isokr. IV
33. Vgl. Xen. Staat der Ath. III 8, III 2.
[Plat.] Alk. II p, 148A. Lyk. Leokr. 15.
Paus. I 24, 3. Act. apost. XVII 22. Meuss
Jahrb. f. Phil. 1889 S. 461.
>») Schol. Thuk. II 38.
»*) Schol. Aristoph. Vesp. 663. Beides
ist glaublich. Die Zahl der Festtage würde
den unsrigen etwa gleichkommen.
") Ad. Schmidt a. a. 0. 263 f., 371 flf.
MoxHSEN Heort. 93 ff.
4. SnlioMeiteii. (S 115.)
195
a. Athenische Feste.
115. Das erste am Anfang des Jahres auf den ersten oder siebenten
Hekatombaion fallende Fest galt dem Apollon.^) Man hatte die längsten
Tage, die Sonne beschrieb die grössten Kreise, und so wird man des Sonnen-
gottes zuerst gedacht haben.*)
Das nächste Fest, auf den 12. fallend,') wiEU*en die Kronien(ir^Vm).^)
Eekrops soll es gestiftet haben. ^) Man scheint nur unblutige Opfer dar-
gebracht zu haben, denn ein isQ^avixov wird nicht erwähnt,«) und an
Holokausta zu denken liegt kein Grund vor, wogegen die Analogie mit
dem Kult des Zeus Hypatos, den auch Eekrops gestiftet haben soll,^) und
der blutige Opfer ausschloss,^) nahe genug liegt. ^)
Es folgten am 16. Hekatombaion^^) die ^vvoixia.^^) Es war ein
altes Fest, das eigentlich wohl der Athena galt, aber früh mit dem Synoi-
kismos des Theseus in Verbindung gebracht wurde.**) Wahrscheinlich erst
um 445 ward das gi*osse Eireneopfer hinzugefügt,**) von dem die Haut-
gelder im Jahr 834 allein 874 Drachmen betrugen.*^)
In demselben Monat wurden dann noch zu Ehren der HauptgOttin,
der ^A&r^vä noXiäg^ die Panathenaien (//ara^iy'vaia) gefeiert.**) Die Stif-
tung des Festes schrieb man Erich thonios zu,*«) Theseus soll es erneuert
und nach der Einigung der Gemeinden den bisher üblichen Namen
'Ad'fjvaia in nava&T^vaia geändert haben.*') Auf Peisistratos wird die Ein-
richtung der grossen {fieyala) Panathenaien zurückgeführt,*^) die pentae-
terisch in jedem dritten Olympiadenjahr*») am drittletzten Hekatombaion,*^)
der für den Geburtstag der Athena galt,**) gefeiert wurden.«*) Es unter-
liegt keinem Zweifel, dass auch die kleinen Panathenaien auf den 28. des
Monats fielen.*') Auch sie waren ein hohes und glänzendes Fest, wenn
Etymol. M. u. 'ExatofipauSy, E. Fb.
Hbrmann Monatskunde 56 f., 79 f. Mommsbn
Heort. 104 ff. Ad. Schmidt Gr. Chron. 265 ff.
<) Etym. M. a. a. 0. Bbkker Anecd. 1
p. 247 u. 'ExarofißMwy,
») Demosth. XXIV 26 p. 708.
*) MoxxsBN Heort. 108 ff. Prbllbb-
RoBBRT Griech. Myth. I 52.
^) Philochoros nach Macrob. Sat. 1 10, 22.
«) Vgl. DlTTEHBEBGRB Syll. 374.
') Paus. VIII 2, 3.
8) Paus. I 26, 5.
^) Vgl. MoxxsBN Heort. 110.
i«)} Plut. Thes. 24. Schol. Aristoph. Pax
1019.
>0 MoxHSEN Heort. 111 ff. BOckb
Staatsh.» II 119. v. Wilamowitz Kydathen
120 f.
»«) Thuk. II 15. Vgl. C. V7ACHSMUTH
Rhein. Mus. XXIII 178 ff.
**) V. Wilamowitz a. a. 0.
»*) DiTTBHBBRGBR Syll. 874. Vgl. COL-
LiGNON Annuaire des ^tudes grecques XVI
Paris 1882 S. 111. — Vordem und bei an-
dern Gelegenheiten mag auf dem Altar der
Eirene niemals Blut vergossen worden sein
(Aristoph. Pax 1019 mit Schol. Vgl. Mohx-
SBN Heort. 115). Robbrt in Prkllbrs Griech.
Myth. I 479 A. 3 will das Verbot nur auf
das Bestreichen des Altars mit Blut beziehen.
>») Hbbhaitn Gottesd. Altt.» § 54. Schoe-
MANN Griech. Altt." II 467 ff. A. Moxxsen
Heort. 116 ff. Mbier Panathenäen in der
AUg. Encykl. der Wiss. u. K. III 277 ff.
Michaelis Parthenon 211 ff., 818 ff., wo auch
(S. 818) noch ausführlichere Litteraturan-
gaben. Ebausb in Pauly's Realenc. V 1105 ff.
Ed. Mbybb Gesch. d. Altt. II S. 665 f.
^') Harpokr. u. Suid. u. Uava^vaia
ApoUod. III 14, 6.
»') Paus. Vlll 2, 1. Plut. Thes. 24.
^^) Schol. Aristeid. Panath. UI 323 Dind.
(p. 189, 4).
'<») CIG 251. Lys. XXI 1. Moxxben
Heort. 119 f.
••) Schol. Plat. Rep. 327 A. Vgl. Eur.
Herakl. 777.
»») Schol. II. S 39. Vgl. Athen. HI 98B.
*') In der spätem Kaiserzeit wurde das
Fest im Frühling begangen Himer. Orat. III
426 f. Vgl. Giris 21. Moxxsbn Heort 134 f.
Mbibb a. a. 0. 281.
") Moxxsbn Heort. 129 ff.
13 <
196
Die grieohiflohen Kultnsaltertamer.
auch von den grossen so in den Schatten gestellt, dass wir nur selten von
ihnen hören. Mit der Leitung war eine eigens dazu gebildete Kommission
von tsQOTtotoi hetrsLiit^) Eine nächtliche Feier*) mit Fackellauf ging dem
eigentlichen Festtage voran; mit Sonnenaufgang begann die grosse Pro-
zession durch die Stadt nach der Burg, um der Göttin den Peplos zu
bringen. 5) Dort fand ein grossartiges Opfer und eine Volksspeisung
statt; auch gymnische und hippische Agone, unter diesen eine besondere
Art, die wir ausser in Athen nur noch in Boiotien finden,^) eine Ver-
einigung von Wettlauf zu Wagen und zu Fuss.^) Auf dem niedrigen,
vom Viergespann gezogenen Wagen {&Qficc) stand ausser dem r^vfoxog der
sog. anoßdxTiq, So schnell wie möglich durcheilten die Gespanne das
Stadion. Sobald die Bahn zurückgelegt, noch ehe die Pferde zum Stehn
gebracht waren, ja vielleicht ehe sie den Lauf gemässigt hatten, sprangen
die Apobaten vom Wagen und durchmassen nun im Lauf das Stadion in
umgekehrter Richtung. <^) Auch der Wagenlenker, der zuerst seinen Mann
ans Ziel gebracht hatte, erhielt einen Preis; kam es doch für den Apo-
baten sehr darauf an, früher als die andern abspringen und den Lauf
beginnen zu können. Ausserdem ist die Pyrrhiche, ein Wa£fentanz, der
einen Kampf nachahmte, auch für die kleinen Panathenaien bezeugt, und
zwar wurde sie von drei Altersklassen besonders ausgeführt.^) Da zu
alledem noch kyklische Chöre kamen,®) müssen wir die Dauer des Festes
mindestens auf zwei Tage (27.-28.) ansetzen.^)
Ungleich glänzender gestaltete sich das Fest in jedem vierten Jahre. *<>)
Der Hauptfesttag blieb der 28. Hekatombaion; wie lange es im ganzen
dauerte, wissen wir nicht, doch werden nicht weniger als sechs Tage aa-
zunehmen sein.^^ Wie andere grosse, durch Agone gefeierte Feste hat
auch dies allmählich immer mehr Erweiterungen erfahren. In der Zeit
der Peisistratiden wurde es namentlich durch die Zuziehung von Rhapsoden
bereichert, ^8) die aus den homerischen Gesängen vortrugen. *») Weitere
musische Wettkämpfe wurden unter Perikles hinzugefügt,^^) und eine In-
') DiTTANBBBOER SjU. 380. L. ZiBHEM
Rhein. Mos. 1896 S. 212 ff.
') DiTTBNBBRGEB Syll. 380.
») Aristot. Atb. Pol. 49. Schol. Plat. Rep.
327A. Schol. zu Aristoph. Equ. 569. (Nach
dem Schol. zu Eur. Uek. 468 u. Harpokr.
u. ninXoq fand die DarbriDgung nur an den
grossen Panathenaien statt.)
•*) Theophr. bei Harpokr. u. anoßäzijg.
Vielleicht haben die Athener sie i. J. 829/28,
als sie zum erstenmal die grossen Amphia-
raen in Oropos feierten (IGSept. I 4254), hier
erst eingeführt. Dann mag man sie beibe-
halten haben, auch als Oropos lange nicht
mehr den Athenern gehörte (IGSept I 417
aus der Zeit Sullas), und sie auch an andern
Orten nachgeahmt haben (IGSic. et It. 754).
Daför dass sie eigentlich Athen eigentümlich
waren, spricht auch, dass man die Erfindung
und Einführung Erichthonios (Eratosth. Ea-
tast. 18) zuschrieb.
') Etym. M, u. anoßarrjg.
<^) Dion. Hai. VII 73. Robbbt XIX Hall.
Winckelmannsprogr. 1895 S. 11 ff. mit Ab-
bildungen.
7) Lys. XXI 4. Vgl. Ebaubb Hell. I
883 ff.
8) Lys. XXI 2.
«) MoHXSBN Heort. 205.
*®) rd fieydXa Uavad^ijyaiaDiTrKSBEBQKR
Syll. 2, 263 und öfter, gewöhnlich auch nur
üayadijyat'tt genannt.
**) Saufpb Commentat. de inscr. Pana-
then. Ind. Schol., Göttingen Som. 1858 p. 7.
(Ausgewählte Schriften 215 ff.) Mohxbbn
Heort. 204.
»«) Plat. Hipparch. 228 B.
'*) Lykurg. Leokr. 102. Ed. Mbybb Gesch.
d. Altt. II 390.
'*) Plut. Per. 13. Vgl. Brbubb De mu-
sicis Panathenaeorum certaminibus , Bonn
1868 u. Rbisch De musicis Graecomm cer-
taminibus, Wien 1885 S. 18 ff.
4. Knltiuseiten. (§ 115.)
197
schritt aus dem 4. Jahrb. v. Chr.O nennt Kitharoden, Auloden, Kithar-
spieler und Flötenbläser. Von den Kitharoden erhalten die fünf besten
Geldpreise von verschiedener Höhe, der erste ausserdem einen goldenen
oder silbernen*) Kranz, und auch für die anderen sind mehrere Preise aus-
gesetzt; den KrsLUz erhält immer nur der vorzüglichste. Auch die gym-
nischen und vor allem die hippischen Agone*) wurden vermehrt. In den
ersteren wurden die Kämpfer nach ihrem Alter in drei Klassen geteilt:
Ttatiegy^) ay^Vao**) und äviQcg. In dieser Reihenfolge treten sie auch
auf, und zwar die Knaben in fünf Kämpfen: dem Wettlauf,«) Pentathlon,
Ringkampf, Faustkampf, Pankration. In denselben Wettkämpfen produ-
zieren sich darnach die dyävsioi. Die Preise bestehn in Krügen mit Öl
von den heiligen Bäumen (fioQiai) der Athena,^) von deren Besitzern es der
Archen schon lange vorher eintrieb. «) Für die Beschaffung der Preise
hatte der Rat zu sorgen, dem dabei jedenfalls die Athlotheten zur Hand
gingen.») Jedesmal werden zwei Preise erteilt, und zwar erhält der erste
Sieger immer fünfmal so viel als der zweite, die Knaben 30 — 50 bez. 6 — 10,
die dyävsioi, 40 — 60 bez. 8—12 Krüge, ^®) so dass auch der Geldwert ganz
erheblich war. Dass im Laufe der Zeit auch kleine Änderungen eintraten,
ist selbstverständlich. So wird in einer Inschrift aus der letzten Zeit der
Republik **) ein SoXixog naiSiov erwähnt. — Über die Wettkämpfe der
Männer sind wir weniger unterrichtet, da sie auf der ältesten und wich-
tigsten Urkunde ^^) fehlen. Doch lässt sich aus andern Inschriften i***) und
den erhaltenen Yasenbildern^^) schliessen, dass sie noch umfangreicher
als die der Erwachsenen,**) und die Preise, die auch hier in Krügen mit
Öl bestanden,») entsprechend grösser waren. Besonders reichhaltig war
das Programm der hippischen Kämpfe.**) Ausser den gewöhnlichen
Rennen mit Vier- und Zweigespannen*') ausgewachsener (aJijyayoe) und
junger Pferde traten auch Paradewagen (^svyrj Tvofimxd) und Kriegswagen
(aqiiaxa noXemaxriQia^ (fvvwQiieg noXepuatrjQiai) auf, ferner Reiter in
voller Rüstung (xährfci, 7roX€fii<XTr]Qi(p) und Speerkämpfer zu Pferde {catov-
Ti^ovreg ay iTtnov).^^) Auch in diesen Kämpfen erhielten der erste und
') DiTTBNBERGBR Syll. 395. Sauppb h. a.
0. S. auch Syll. 420.
*) Aristot. Ath. Pol. 60.
») Vgl. CIA n 966, 968. 969.
*) In späterer Zeit wird auch eine
ngtSjijy &svriQa und rgirrj ijXixla unterschie-
den GIG 232.
^) Wahrscheinlich vom 16.— 20. Jahre.
MomisEif Heort. 141 f.
•) Das ard&ioy Ilava^fjyaixoy z. B. DiT-
TBNBBBGBB SjU. lll> 124. Bildl. DarstcUung
des Grundrisses hei Sohbeibbb Eultnrhist.
Atlas Taf. XXVI n. 3.
Aristot. Ath. Pol. 60. Luk. Anaroh. 9.
Michaelis Parth. 322. Vgl. Herod. V 82.
») Aristot. Ath. Pol. 60.
•) Aristot. Ath. Pol. 49.
'^) Viele solcher Amphoren sind uns
erhalten (s. Michablis Parth. 323 ff.) Sie
tragen ausser der Aufschrift rtoy 'A&ijyrj&sy
ä&XtDy di&s Bild der Göttin (Michaelis Parth.
212 Anm. Mateb Gig. u. Tit. 271) und ge-
wöhnlich auf der Rückseite Darstellungen
von Wettkämpfern. Auch der Name des
Archen ist in der Regel angegehen.
") Dittbnbbbger Syll. 398.
>«) Dittbnbbboeb Syll. 395.
») Vgl. z. B. Dittbnbebgeb Syll. 403.
CIA II 966, 968.
^*) Eine Reihe von Abbildungen in den
Monum. dell' Instit. vol. X tav. XLVII bis
XLVIIg, XLVIII-XLVIIIn. (1877).
«J Vgl. MomisEW Heort. 143 ff.
^^) S. ausser den Inschrr. Dittbrbebgeb
SyU. 395 u. CIA II 967 Krause in Pauly's
Realencykl. V 1106 f. u. Moxmsbn Heort.
153 ff.
>^) Eleusin. Inschr. Ephem. arch. 1894
S. 194.
") CIA II 968, 969.
198
Die grieohiflohen Knltiualtertlkmer.
der zweite Sieger Krüge mit ÖL Dann folgte die Pyrrhiche. Die sieg-
reiche Partei erhielt ein Rind im Werte von hundert Drachmen*) als
Preis (vixrjtrjQ^a), das dann zum Opferschmaus verwandt wurde. — Dies
Spiel bildete den Übergang zu dem ayoiv svavS^aq.^) Jede Phyle stellte
eine Anzahl ausgewählter Männer, die sich durch Grösse, Kraft und Schön-
heit auszeichneten.^) Die stattlichste Schar erhielt wieder ein Rind als
Ehrenpreis.^) Wer die beste Ausrüstung und männlichste Haltung ge-
zeigt hatte, empfing einen Schild.») Diese Unterhaltungen füllten ver-
mutlich die Festtage bis zum 27. abends aus. Dann begann die Pannychis,
wie an den kleinen Panathenaien,*) mit ihrem Fackel wettlauf {lafiTtaSo-
gfOQia),'') Man lief von dem Altar des Prometheus in der Akademie aus
durch den Kerameikos^) in verschiedenen Abteilungen, die von einzelnen
Phylen gestellt waren. Die vordersten trugen brennende Fackeln, die sie
den ihnen Nacheilenden (ßi,aio%oi) übergaben. So ging die Fackel von
Hand zu Hand ; jeder einzelne aus den gleich zahlreichen Gruppen musste
sie weiter tragen; wer (als letzter seiner Abteilung) das Ziel mit bren-
nender Fackel zuerst erreichte und die auf dem Altar liegenden Scheite
entzündete,^) war Sieger, doch fielen Ehre und Ehrenpreis i^) wohl der
ganzen ta^tg oder Phyle zu, aus welcher der Sieger hervorgegangen war.^^
— Die Regatta (vsäv aiiiXXa)^ die in unserer Inschrift als der letzte Agon
aufgeführt wird, fand vermutlich erst am 29. statt, ^*) mag jedoch hier
gleich mit erwähnt werden. Die Phyle, deren Schiff gesiegt hatte, erhielt
800 Drachmen; ausserdem wurde noch Geld zu einem Opferschmaus und
vielleicht auch noch ein Siegespreis für das zweite Schiff gezahlt.
Der 28. war der höchste Festtag. Wie an den kleinen Panathenaien')
begann am frühesten Morgen die Prozession, die sich durch die Haupt-
strassen bewegend"*) der Göttin den Peplos darbrachte. Es war dies ein
höchst kostbares Gewebe, von kunstfertigen Frauen und Jungfrauen («^/a-
(fTivcu) angefertigt, die, wenigstens seit dem 2. Jahrh. v. Chr. freier und
edler Abstammung sein mussten.^^) Neun Monate vorher war die Arbeit
von vier jungen Mädchen, den sog. oqqtj^o^i,^^) bereits begonnen worden,
nachdem der Rat, später eine bestimmte Abteilung des Volksgerichts,
über die Musterzeichnungen (naqaösCyiiata) und die Herstellung entschieden
BöOKH Staatsh.' I 95 Anm. a. FbIn-
KBL ebenda II Anm. 130 S. 21*.
*) Harpokr. u. evay&Qla. Xen. Mem. III
8, 12. Sauffb a. a. 0. 8 ff. Dittbkbbbgbb
SyU. S. 385 not. 11.
•) Vgl. Athen. Xm 565F.
*) DiTTBNBEBQBB Syll. 395, 75.
») Aristot. Ath. Pol. 60.
*) DiTTENBBBGBB Sjll. 880.
') KöBTB Arch. Jahrb. VII 149 ff. Cüb-
nuB Stadtgesch. v. Athen. 119. Abbildungen
von Wettläufern mit Fackel Taf. V Fig. 7.
Tibohbbin Vas. Etr. Ham. II 11, III 48. Ant.
du Bosph. Cim. PL 68. Vases de Lamberg
I PI. 78.
*) Wboklbib Herm. VII 448 ff. auch fär
das Folgende zu vergleichen.
*) KöBTB Arch. Jahrb. VII 151.
*^) Bei den Panathenaien ddgia. VgL-
Wboklbtn a. a. 0. 441 Anm. 8, aber auch
FbXnokbl in Böckhs Staatsh." II 81 * Anm.
191.
») CIA II 1229-1232.
*<) MoxMSBN Heort. 198.
*") Über den Weg, den sie nahm, Thuk.
VI 56. Plut. Demetr. 12 und mehr bei Mi-
OHABUS Parth. 218, 827 ff. Waohsxuth Stadt
Athen 285. Löbchokb Enneakrunosepis. 13.
V. WiLAXOWiTz Kydathen 208, auch E. Cur-
Tius Sitzungsber. der Berl. Akad. 1884 S. 504.
") ü. KöHLBB Athen. Mitt. VIII 57.
Bull, de corr. XIII 170. v. Wilaxowitz Eur.
Her.« I 140 f. A. 43.
'^) Etym. M. u. XalMsta u. dQ^<poQ€i3^y
Harpokr. u. aQQtjfpoQHy^ Michablis ParÜi. 329.
4. KultiiBBeiien. (§ 115.)
199
hatte. Auf 8affi*anf arbigem Grund') waren die Gigantenkämpfe gestickt,')
an denen Athena ja hervorragenden Anteil genommen hatte. Erst in spä-
terer Zeit,^) wo man unterwürfiger war, hat man auch mächtigen Ge-
walthabern einen Platz neben den Göttern eingeräumt, nicht ohne sich
des Unrechts bewusst zu werden.^) Dies Gewebe wurde — wenigstens an
den grossen Panathenaien®) — als Segel an Raaen und Mast eines Schiffes
befestigt^) und so durch die Strassen geführt. Herodes Attikus vervoll-
kommnete die Maschinerie so, dass es sich wie schwimmend selbst zu be-
wegen schien.^) Das Gewebe wurde dann in den Tempel getragen und
der Göttin als Geschenk geweiht.*) Der Festzug selbst ist von der Hand
des Pheidias dargestellt worden und schmückte als Relieffries den Par-
thenon. Die ganze freie Bürgerschaft Athens beteiligte sich. Die Arch-
onten, die Schatzmeister der Göttin, Hieropoioi, Strategen, Taxiarchen,
Phylarchen, Hipparchen, die Geleiter {7T0fin€Tg) und die Kanephoren,*®)
welche die heiligen Opfergeräte trugen, ^^) schritten festlich geschmückt
in dem Zuge, Abgesandte aus fernen Kolonien, die mit Opfervieh zum
Feste eingetroffen waren, i*) die sog. &aXi,og>6Qor^^) besonders ausgewählte
schöne Greise, Ölzweige in den Händen tragend, die Metoiken mit Opfer-
gerät, >^) Kuchen und Gefässen,^^) die Sieger aus den Wettkämpfen der
vorhergehenden Tage, Krieger im Waffenschmuck verliehen dem Bilde
Glanz und Mannigfaltigkeit,^^) Priester und Diener führten die Hekatombe,
Herolde hielten die Ordnung aufrecht, ^^) bis endlich alles auf der Burg
angelangt war, wo an dem grossen Altar, der vor dem Tempel der Polias
stand, ^^) das ungeheure Opfer dargebracht wurde, von dem dann das
ganze Volk festlich gespeist ward.**)
Die Leitung der Spiele lag zehn alle vier Jahre durchs Los aus den
einzelnen Phylen gewählten Athlotheten^®) ob,**) die schon vom vierten
Hekatombaion an im Prytaneion beköstigt wurden**) und die Anordnungen
für die ganze Feier zu treffen hatten. In früherer Zeit (5. Jahrh.) wird
Aristot. Ath. Pol. 49. Dielb Arcb.
Jahrb. VI 39.
s) Eur. Hek. 466.
>) Schol. Eur. Hek. 469. Prokl. zu Fiat.
Tim. p. 26. Vgl. Euthvphr. 6.
*) Aristoph. Equ. 565 beweist nicht das
Gegenteil. Vgl. Michaelis Parih. 212. Stüd-
KiGZKA Altgrieoh. Tracht, Wien 1886 S. 187
A. 17.
») Vgl. Plut. Demetr. 12. Diod. XX 46.
«) Pbelleb-Robbbt Griech. Myth. I 212
A. 5. DiTTEVBEBGEB Syll. S. 226 Anm. 6.
ScHUBEBT Herrn. X 448. Ober den ninXoq
Oberhaupt Studviczka a. a. 0. 186 ff.
') CIA III 70a. Paus. I 29, 1. Harpokr.
n. xoitBiov, Michaelis Parth. 329.
») Philostr. Vit. Soph. II 1, 5.
*) S. Rbichbl Vorhellen. GOtterkulte
20 f., aber auch Döbpfeld Athen. Miti 1887
S. 199 f.
»») Aristot. Ath. Pol. 18. Vgl. Dittbh-
bbbgee Syll. 380.
^') Harpokr. u. xayrjq>6Qoi und mehr bei
Michaelis Parth. 329 f.
>>) ^Dittenbebgbb Syll. 12 A. Schol.
Aristoph. Nub. 886. Vgl. Thuk. I 25. Diod.
XII 3Ö.
") Xen. Symp, IV 17. Aristoph. Nub.
540 und Schol.
1«) PoU. m 55. Harpokr. u. Suid. u.
axatprjtpoQoi,
>») S. Michaelis Parth. 330. Gilbbbt
Gr. Staatealtt. I 173.
'•) Demosth. IV 26, XXI 171. Michaeus
Parth. 331.
") Poll. VIU 103.
") Thuk. I 126.
1*) Dittekbeboeb Syll. 380. Aristoph.
Nub. 386 mit Schol.
'®) Luk. Nigr. 14 fälschlich ayiavo&itah,
*0 Aristot. Ath. Pol. 60. Dittenbbbgeb
SyD. 44, 6.
") Aristot. Ath. Pol. 62.
200
Die griechischen KnltiiBaltertllmer.
wenigstens die Besorgung des Opfers Sache der tsqonoioi xat iviavrov ge-
wesen sein.^)
Die Kosten des Festes waren natürlich sehr beträchtlich. Manches
wurde von den Wohlhabenden bestritten. So war die Ausrüstung und Ein-
richtung derPyrrhiche,*) die Euandrieund Lampadarchie') eine Leiturgie.*)
Die Hauptkosten trug der Schatz der Athena, also der Staat. ^)
Auch an andern Orten feierte man Panathenaien ; z. B. in Neu Dion^)
und in Pergamon zur Zeit Eumenes I.^)
116. In dem folgenden Monat, Metageitnion, wird nur ein kleineres
Fest erwähnt, das dem Apollon gefeiert wurde.®)
117. Reicher an Festen war wieder der Boedromion.
Am fünften feierte man ein allgemeines Totenfest, die reveaia.^)
Man opferte der 6e*®) und wird im übrigen die Toten auf dieselbe Weise
wie bei den privaten öedächtnisfeiern geehrt haben.
Eine Fortsetzung der Totenfeier, die sich aber zu einem Siegesfest
gestaltete, brachte der nächste Tag. Er war dem Gedächtnis der bei
Marathon Gefallenen geweiht. ^0 ^^^ Schlacht hatte zwar nicht an diesem
Tage stattgefunden, ^>) aber einerseits lag es nahe, das Fest der allgemeinen
Totenfeier anzuschliessen, andrerseits den nächsten der Artemis heiligen
Tagi^) zu wählen, denn ihr galt die Feier. Artemis Agrotera hatte von
jeher einen kriegerischen Charakter, i*) und so hatte der Polemarch, wie
man erzählt, ihr vor der Schlacht so viele Ziegen zu opfern gelobt,
als man Feinde erschlagen würde. ^^) Als die Menge zu gross war, setzte
man die Zahl der Ziegen auf fünfhundert fest, und der Polemarch musste
fortan alljährlich am 6. Boedromion dies Opfer darbringen.^*) Auch fand
an diesem Tage die Pompe der Epheben iv oTvkoig zu Ehren der Göttin
statt. 1') Vielleicht folgten dem Marathonfeste unmittelbar (am 7.) die
*) DiTTBNBEROEB Syll. 44. Aristot. Ath.
Pol. 54. Zibben Rheio. Mus. 1896 8. 217 f.
•) Lys. XXI 4. BöoKH Staatsh.« I 547.
Vgl. S. 543.
») [Andok.] IV 42.
*) BöCKH a. a. 0. I 536 f. Bodbnbteineb
Gomment. philol. zur Philologenversammlg.
München 1891 S. 42.
») BöoKH a. a. 0. II 5 f. u. I 521 f.
•) GIG 3620.
•') Altert. V. Pergam. VIII 1 nr. 18 ZI. 17.
") Lysünachides bei Harpokr. u. Meta-
yeiTytoSy — Suid. u. d. W. Vgl. Demosth.
XLI 11. Plnt. De ezil. 6 p. 601 D. Momksbn
Heort. 205 ff. Pbblleb-Robbrt Griech. Myth.
I 263. SoHOBXANN Gr. Altt.* II Anhang 593 f.
*) Bekkbr Anecd. 231 und Hesych. u.
Tevicw, TBpifua hiessen auch die Toten-
feiern, welche einzelnen Verstorbenen von
ihren Verwandten veranstaltet wurden (Pb-
TBBSXN Geburtstagsfeier 302, Lobbok Phryn.
p. 104, Babhb zu Herod. IV 26. Posnanskt
Breslauer Phüol. Abh. V 2 S. 27 f.) Die
Nemeseia (Harpokr. Suid. Phot. u. d. W.
Bbkkeb Anecd. 282) haben mit den Genesia
wohl nur gemein, dass auch sie dem Kult
der Seelen galten (Rohdb Psyche' I 235 f.
Anders Sohobxann Griech. Altt.* II 477 f.
und MoxKSEE Heort. 209 ff., der Genesia und
Nemeseia fOr identisch erklärt. Vgl. auch
Iw. V. MüLLEB Hdb. IV« 224).
*^) Hesych. u. Fsviata, vgl. u. "Sl^aut
pBxvaia,
") Plut. De Herod. mal. 26. PoU. III 21.
Schol. Aristoph. Equ. 657. Aelian Var. bist.
II 25 sagt, das Fest habe am 6. Thargelion
stattgefunden.
»«) BöOKH Mondcykl. 64 ff. Töpfpbb
Quaest. Pisistrateae 137.
") Den 6ten des Monats. Vgl. Prokl.
zu Hes. Erg. 783. Laert. Diog. II 44.
»*) Xen. HeU. IV 2, 20. Resp. Lac. XIII
7. PoU. VIII 91. Vgl. Plut. Lyk. 22.
") Xen. Anab. III 2, 12. Flui De glor.
Athen. 7 p. 343F. Schol. Aristoph. Equ. 660.
Aelian. Var. bist. II 25.
»•) Plut. De mal. Herod. 26. Poll.VIU91.
'') CIA n 467—499. Dittbnbbbgbb SylL
347, 7.
4. Klütiuseitea. (§ 117— 118. j
201
Barj^QOfAiaj die dem Monat den Namen gegeben haben sollen, ein Fest,
wo ApoUon als Helfer in Kampfesnot verehrt wurde. ^)
Am 12. desselben Monats feierte man noch ein anderes Dankfest {x^Qi-
(TTTJQia), der Athena zu Ehren, wie es heisst zur Erinnerung an den Sturz
der dreissig Tyrannen')
Das Hauptfest des Monats und eines der grössten überhaupt waren
die grossen Eleusinien, die vermutlich vom 16. bis zum 25. dauerten.
Sie sind bereits früher in dem Abschnitt über die Mysterien (S. 162 £f.) be-
handelt, und es soll hier nur noch darauf hingewiesen werden, wie schon
die Thatsache, dass um die Mitte des Metageitnion eine Ekecheirie ange-
sagt ward,^) die Annahme ausschliesst, es habe das Fest, zu dem man
alle Hellenen einlud, einen exklusiven Charakter gehabt. Vieles war ja
nm* für die Eingeweihten bestimmt, deren Zahl auch gross genug war,
aber der 20., der lakchostag, war einer der höchsten Feiertage überhaupt;
es wurden an ihm weder Gerichtssitzungen abgehalten, nodh sonstige
öffentliche Geschäfte vorgenommen,^) und an den grossen gymnischen,
hippischen und musischen Agonen (S. 165) durfte sich jedermann be-
teiligen.
118. Mit dem nächsten Monat, dem Pyanopsion, begann der Herbst,
und Beziehungen auf diese Jahreszeit sind in dem Feste, nach dem der
Monat heisst, unverkennbar. Die Ilvavoipia^) wurden dem ApoUon an dem
ihm heiligen Tage, dem 7., gefeiert®) und hatten ihren Namen von den
gekochten Bohnen,^) den Herbstfrüchten, die man dem Gott als anaqxai
darbrachte, ausserdem wurde ihm eine elQcaicivTj, ein Olivenzweig, der
mit Feigen, Kuchen, Schälchen voll Honig, Öl und Wein behangen war,®)
von einem Knaben, dem noch beide Eltern lebten, an der Tempelpforte
aufgehängt.^) Ihn begleiteten andere, ebenfalls Eiresionen tragend, die
sie dann an den Thüren ihrer Häuser befestigten, ^o) ähnlich, wie es bei
uns auf dem Lande mit den Erntekränzen geschieht. Später wurde das
Fest mit der Theseuslegende in Verbindung gebracht. Von Kreta heim-
kehrend sollen die Geretteten alles, was sie noch von Essbarem hatten,
zusammengeschüttet und verzehrt haben, und damit wollte man die eigen-
tümliche Art des Opfers erklären.®) Dass es ursprünglich ein Ernte-
dankfest war, dafür zeugt ausser den Gebräuchen selbst die Notiz im
Scholion zu Aristoph. Plut. 1054: man habe das Fest dem Helios und den
Hören gefeiert.
Ganz ähnlich ist es einem zweiten Erntefest ergangen, dessen Datum
wir nicht kennen, das aber auch in diese Zeit gefallen sein muss: den
Oschophorien. Sie wurden dem Dionysos und der Athena Skiras zum
Dank für die Wein- und Olivenernte gefeiert**) und waren genannt nach
>) Plut. Thes. 27. Phüoch. bei Harp. u.
ßotjdQo/Äia. £fym.M.202,45. Demosth. III 31.
«) Plut. De glor. Athen. 7. Vgl. Lys.
XIII 81. Xeu. HeU. II 4, 39.
») DiTTBNBBBGBR SjU. 384b.
*) Ad. Sobhidt a. a. 0. 272 u. 705.
*) Plut. Thes. 22. CIA III 77. Harpokr.
u. Jlvayotlfia, Pbot. u. Ilvayeiffiuiy,
«) Plut. Thes. 22.
») PoU. VI 61. Athen. IX 408 A, XIV
648 B.
•) Plut. Thes. 22. Suid. u. eigeauoyfj.
•) Eustath. zu IL X 495 p. 1283.
»0) SchoL Aristoph. Equ. 729, Plut. 1054.
Vgl. Porph. De abst. II 7.
11) Plut. Thes. 23. Moxksbn Heort.
202
Die grieohlBohen Kultusaltertflnier.
zwei Knaben, die mit traubentragenden Weinreben (oaxot) in den
Händen der festlichen Schar, die vom Dionysosheiligtum in der Stadt zum
Tempel der Athena Skiras im Phaleron zog, voraufgingen. Sie trugen
Frauengewänder, was die Legende darauf zurückführte, dass sich unter
den sieben Mädchen, die Theseus nach Kreta mitführen sollte, zwei ver-
kleidete Knaben befunden hätten; zur Erinnerung daran habe Theseus,
als er nach glücklicher Heimkehr das Fest stiftete, angeordnet, dass die
Oschophoren Mädchenkleider trügen.^) In dem Zuge befanden sich auch
die sog. iemvotpoQoi, Frauen, welche Speisen mitnahmen, die sie, am Ziele
angelangt, wohl unter die Jugend verteilten. Einst sollten die Mütter der
vierzehn Schlachtopfer ihre Kinder bis zu dem SchilBFe geleitet haben,
ihnen Reisekost mitgenommen und sie unterwegs durch Erzählen von
Märchen zerstreut haben. Das alles wurde jetzt nachgeahmt, und die
Stelle jener Mütter vertraten wahrscheinlich die i€mvog>6Qoi. Im sog.
Oschophoribn, einem Platz beim Tempel der Athena Skiras, wurde dann
ein Opfer dargebracht, wie einst Theseus nach seiner Errettung dort auch
gethan haben sollte. Auch von einem Wettlauf wird berichtet, den zehn
Knaben, aus jeder Phyle einer, auf derselben Wegstrecke zwischen Dio-
nysos- und Athenatempel ausführten.*) Wer zuerst ankam, erhielt
einen aus Öl, Wein, Honig, Käse und Mehl gemischten Trank, die sog.
nevxanXia.^) Die Erwähnung der zehn Phylen beweist, dass der Wettlauf
erst nach 509 eingeführt wurde.
Das eigentliche Theseusfest, die @i;(r«ia, fand am 8. Pyanopsion
statt. ^) Nach den Perserkriegen hatte das Orakel befohlen, die Gebeine
des Heros von Skyros zu holen und in der Heimat zu bestatten. •) Kimon
hatte dies ausgeführt und dann das Fest, wenn nicht gestiftet, so doch
zu seiner Bedeutung erhoben. Es fanden Kampfspiele und Wettrennen
statt, ^) eine Parade der Epheben^) und ein grösseres vom Staat be-
strittenes Opfer, ^) das vielleicht vorzugsweise den Armen und Bedürf-
tigen zu gute kam. 10) Mit dem Hauptfest verbanden sich kleinere Feiern,
die mit dem Kult des Helden in loserer Beziehung standen. So wurde am Tage
zuvor dem Konnidas, der in Troizen des Theseus Erzieher gewesen sein
sollte, ein Widder als Totenopfer geschlachtet i^) und den Amazonen ge-
opfert,*«) und vielleicht schlössen sich die Leichenspiele, die zu Ehren des
Androgeos gefeiert wurden,") auch zeitlich an die Theseen.**)
271 ff. Prellbb-Robbbt Griech. Mythol. I
207 f. ScHOEMANN Gr. Altt.» 11 487 f.
Prokl. bei Phot. Bibl. 322. Harpokr.
u. oaxoipoQfH u. demyofpoQOi. Bbkkbb Anecd.
239
* *) Plut. Thes. 23. Häuser Phüol. 1895
S. 389 ff.
«) Robert Herrn. XX 356 Anm. 2 and
in Pbbllebs Gr. Myth.'* I 208 Anm. 3 ver-
mutet, dass die beiden Sieger die Anffthrer
der Festprozession wurden, eine Annahme,
die in der That die Schwierigkeiten glück-
lich zu lösen scheint.
«) Athen. XI 495F. Schol. Nikand. Ale-
xiph. 109.
») Plut. Thes. 36.
•) Plut. Thes. 36, Kim. 8.
7) CIA II 422, 444 f. GeUius Noct Att.
XV 20. Hesych. u. InnodQofÄog.
8) Dittenbebgeb Syll. 347, 20.
>) Dittbkbebobb Syll. 374, 70 u. 78.
>o) Aristoph. Plut. 628 u. Schol. dazu.
") Plut. Thes. 4.
»«) Ebenda 27.
^•) Hesych. u. in* EvQvyvn ayoiy I 1332.
^*) Über die Epitaphien, die in mehre-
ren attischen Inschriften neben den Theseen
erwähnt werden (Dittenbbbgkb Syll. 347,
MomsEK Heort. 282), s. namentlich Sauppb
Nachrichten der Göttinger Ges. der Wiss.
4. KoltiUBeiton. (§ 118.)
203
In demselben Monat wurden der Demeter und Persephone die Thes-
mophorien^ gefeiert, und zwar in den Tagen vom 9. bis zum 13. Pya-
nopsion.*) Das Fest unterschied sich insofern wesentlich von andern, als
es nicht ein allgemeines war. Nur unbescholtene Bürgerfrauen ^) durften
dai*an teilnehmen,^) nachdem sie sich durch neuntägige Enthaltung vom
ehelichen Umgang vorbereitet hatten.^) Der erste Tag des Festes hiess
2%7]via.^) An ihm begaben sich die Frauen nach dem etwa eine Meile
von der Stadt gelegenen Demos Halimus.^) Dort fand am 10. eine Feier
statt unter allerlei ausgelassenen Scherzen und Neckereien. b) Da diese
der Demeter und Köre galt, einen immerhin ausschliessenden Charakter
hatte und in mancher Beziehung der eigentlichen Mysterienfeier ähnelte,*)
wird sie auch geradezu fivariJQia genannt. ^^) Am 11. fand die avoSog
statt, ^) d. h. also die Rückkehr der Frauen nach Athen, oder der Zug
von der Stadt zum Thesmophorion.**) Der nächste Tag war ein Fasttag.**)
Wahrscheinlich wurde an ihm das eigentliche Sühnopfer **) dargebracht,
das das Scholion zu Lukian Dial. mer. 11 1*^) ausführlich schildert: die
Frauen versenken lebende Ferkel**) in einen Schlund {xäiTfiaTa, fityaga,
a6vTa\^^) zu Ehren des Eubuleus, dessen Schweine, als die Erde sich beim
Raub der Persephone spaltete, verschlungen sein sollten, ausserdem hldtf-
fiara^ Backwerk von symbolischer Gestalt.*') Später werden die ver-
westen Überreste von den sog. ävrlijTQiai (Schöpfweibern), die sich drei
Tage des Umgangs mit Männem enthalten haben müssen, wieder herauf-
geholt, i^) und abergläubische Leute mischen sie unter die Saat, sich davon
1864 S. 199 ff. Es war dies die Bestattongs-
und in späterer Zeit Gedenkfeier der in den
Schlachten für das Vaterland Gefallenen,
die mit Reden, Paraden und Fackellauf be-
gangen wurde (Thuk. I 34; Demosth. XVIII
288 p. 321).
') Prbllbb Demeter u. Persephone
339 ff. Derselbe in der Ztsohr. f. d. Alter-
tumswiss. 1835 S. 785 ff. Hebhann Gottesd.
Altt.^ § 56. RivoK Relig. der Hellenen 11
123 ff. ScHOBMAKN Gr. Altt.* II 482 ff. A.
MoMüSEK Heort. 287 ff. Psblleb-Robbbt Gr.
Myth. I 778 ff.
•) Schol. Aristoph. Thesm. 80. — Ad.
Schmidt a. a. 0. 275 f. setzt die Festtage
auf den 10— 14ten an. Vgl. Schobhann Gr.
Altt.> H Anhang 596 f.
*) Aristoph. Thesm. 330.
*) Wenigstens an den Hauptakten ; von
einzelnen Teilen der mehrtägigen Feier waren
vielleicht auch Jungfrauen nicht ausgeschlos-
sen (Schol. Theokr. Id. lY 25. Prbllbb Dem.
u. Pers. 343 Anm. 30. Lbhbs Popnl. Auf-
sätze' 290 Anm.).
*) Ovid. Met. X 434. Plin. Nat. hist.
XXIV 9.
«) Schol. Aristoph. Thesm. 834. Dass
die iHLQa (Schol. Thesm. 834, vgl. Stephan.
Byz. u. JSxiQog) kein Teil der Thesmophorien
waren, hat Robbbt Herm. XX 394 ff. be-
wiesen. Vgl. RoHDB Herm. XXI 116.
^ Schol. Aristoph. Thesm. 80.
«) Plut. Sol. 8. Hbbmawn G. A. § 56
Anm. 25.
•) Vgl. Robbbt Herm. XX 870.
") Clemens Alex. Protr. 29 P. Vgl.
Amob. V 2.
**) Hesych. u. ävo6og, Robbbt a. a. 0.
374.
**) Schol. Arist. Thesm. 80 u. 376. Ari-
stoph. Av. 1518. Plut. Is. u. Osir. 69, De-
mosth'. 30, wo fälschlich der 16te Pyanop-
sion angegeben wird.
'*) Robbbt Herm. XX 374 weist mit
Recht darauf hin, dass diese Annahme mit
der Angabe des Scholiasten zu Aristoph.
Thesm. 376: es fände an diesem Tage keine
^vaia statt, durchaus nicht im Widerspruch
stehen würde, ^vata heisst Speisopfer, Opfer-
schmaus.
>^) Mitgeteilt von Rohdb Rhein. Mus.
XXV 549. Vgl. Clemens Alex. Portr. II 17
p. 14 P.
1^) Lobbok Agl. 832. Rohdb a. a. 0.
552 f.
^^) Wahrscheinlich bei dem Thesmopho-
rien auf der Pnyx. Robbbt a. a. 0. 374.
^') Schlangen und Phallen. Vgl. Rohdb
Herm. XXI 124.
i«)Pbbllbb Robbbt Griech. Myth. I 780
A. 3. A. MoMKSBN Philol. L 127 A. 39,
204
Die giiechisohen Kaltnsaltertflmer.
besondere Fruchtbarkeit versprechend. Der letzte Tag des Festes (der 13.)
hiess KaXhyävsia.^) Er wurde im Gegensatz zu dem voraufgegangenen
ernsten mit lasciven Tänzen') und Spielen^) und mit einem Schmaus
begangen, den reiche, aus den einzelnen Demen gewählte Frauen den üb-
rigen gaben.^) Zum Beschluss des Festes scheint den Göttinnen abermals
ein Opfer dargebracht worden zu sein.*)
Das wichtigste Fest des Monats waren die Apaturien.^) Sie waren
insofern kein eigentliches Staatsfest, als sie von den Phratrien begangen
wurden, die seit Kleisthenes ihre politische Bedeutung verloren hatten,
doch gab der Staat seinen Zuschuss zu der Feier, ^) die für das ö£fentliche
Leben wenigstens in älterer Zeit von Wichtigkeit war. — Das Datum des
Festes ist uns nicht überliefert, nur dass es in den Pyanopsion fiel, er-
fahren wir.®) Der erste Tag, an dem sich die Phratoren zu einem ge-
meinsamen Festmahl versammelten, ^o) hiess SoQma oder ioQneia^ der
zweite avuQQvaiq^ der dritte xovQsdtig^^) Der höchste Festtag war wahr-
scheinlich der zweite, ^^) der seinen Namen angeblich vom Schlachten der
Opfertiere ^3) hatte, die dem Zeus Phratrios und der Athena dargebracht
wurden, der dritte aber war insofern der wichtigste, als an ihm der Akt
stattfand, der die Veranlassung des ganzen Festes war : die Väter brachten
ihre in der letzten Zeit geborenen Kinder, um sie den versammelten Phra-
teres vorzustellen und von dem Phratriarchos ihre Namen in die Listen
der Phratrie eintragen zu lassen. ^*) Der Vorstellende schwur, dass er das
Kind mit einer ihm rechtmässig vermählten Bürgerin erzeugt habe, ^*) und
darauf erfolgte die Abstimmung der Mitglieder der Phratrie.^*) Jeder,
der ein Kind anmeldete, hatte ein Opfertier zu liefern (jumi'),*') mit
1) Aloiphr. III 39. Schol. Arist. Thesm.
80. Vgl. Pbellbb-Robert Griech. Myth. I
780 A. 1. HBRXAim G. A.> § 56 Anm. 19.
Ü8ENER Götternamen 123.
«) xvva^og oder oxXacfjitty Poll. IV 100.
*J Suid. u. x^Xxi&ixoy dlutyfia,
*) Isai. Vm 19 u. III 80 mit Sohob-
MABNS Anm. p. 265.
'^) Hesych. u. Cvf*^^ ^- (^tA'>'/ua.
^) Hermann G. A* § 65 S. 389 f. Scboe-
HANN Gr. Altt." II 546 ff. Momhsen Heort.
302 ff. Darembero et Saglio Dict. I 300 f.
Ad. Schmidt a. a. 0. 276 ff. Bubolt Hdb.
IV« 209 f. V. WiLAMOwrra Aristot. u. Athen
II 259 ff. Über die Bedeutung des Namens
8. Meier De gent. Att. p. 11 ff. Vgl. auch
V. W^iLAMowiTz Herrn. XXI 112 Anm. 2 u.
Töppper Att. Gen. 106 ff. und bei Pauly-
WissowA I 2672 ff.
') Schobmann Gr. Alt.» I 385, II 546.
BusoLT a. a. 0.
8} koQtrJQ &rjf40TeXovg Schol. zu Aristoph.
Ach. 146. Vgl. Meier a. a. 0. p. 12.
*) Theophr. Char. 3. Schol. Aristoph.
Ach. 146. Ad. Schmidt a. a. O. 278 ff. setzt
die dreitägige Hauptfeier auf den 19~21ten
an, MoMMSEN a. a. 0. auf den 27— 29ten.
Vgl. S. 304 Anm.
»0) Athen. IV 171 D. Bbkkbr Anecd. I
417.
") Schol. Arist. Ach. 146, Fax 890.
Suid. u. 'AnaiovQitt. Poll. VI 102, III 5.
>') Schol. Arist. Fax 890. Mommbbh
Heort. 307 Anm. 2.
'») Schol. Arist Ach. 146 (vgl. Fax 890):
dyuQ^eiy = homer. «veQvsiy A 459.
i*) CIA II 841b S. 535 u. 'Jgza^oXoy.
^eXtloy 1888 S. 161 ff. Büsolt Hdb. IV«
209 f. XOVQStO TIS XOVQOS.
") Isai. Vn 16, VIII 19. Andok. I 17
§ 127. Ephem. arch. III 6 ZI. 107 ff.
»•) [Demosth.] XLHI 14 p. 1054; 82 p.
1078; LIX 59 p. 1365.
") Schol. Arist. Ran. 798. Harpokr. u.
fisioy u. fiecttytoyog, CIA II 841b. Foll. VIII
107: vn^Q f*ky rciy aQQ^ymy ro xovQeiow^
B^voy, vn^Q &i tuSy &rjX6Hoy trjy yafJtrjXiatr
bezieht sich nicht auf die neugebomen Kin-
der, sondern auf eine zweite Aufnahme der
Jünglinge resp. den Übertritt der Neuver-
mählten in die Fhratrie ihres Gatten (R.
ScHOELL Sitzgsber. der Münch. Akad. 1889
S. 7. V. WiLAMOWiTZ Aristot. u^ Ath. II 271),
Schol. Aristoph. Ran. 798: fJLBioy vnkj^ xtat^
vUSy ist unrichtig oder ungenau; wie CIA
II 841b zeigt, wurde auch für die Mädchen
ein fietoy dargebracht. Vgl. Ephem. arch.
m 11 ff.
4. KiüiiiMeiten. (§119-120.)
205
dessen Fleisch dann die der Phratrie Angehörenden bewirtet wurden.
Auch war es üblich, dass Väter an diesem Tage ihre Söhne eine Probe
von ihren Fortschiitten im Unterricht ablegen und sie namentlich Stücke
aus den in der Schule gelesenen Dichtern vortragen Hessen, i) An diese
drei Hauptfesttage scheinen sich noch zwei andere angeschlossen zu haben,
die entweder vorangehen oder ihnen folgen konnten.*) Vielleicht brachte
man an diesen seine Verehrung und Opfer auch andern Göttern dar, deren
Berücksichtigung an diesen Festen teils vorausgesetzt werden muss, wie
die der Athena Phratria und des Zeus Phratrios,') vielleicht auch des
ApoUon Trar^oc, teils bezeugt ist, wie die des Dionysos MeXavaiyig^) und
des Hephaistos, der mit am Herde angezündeten Fackeln und Hymnen
gefeiert wurde.*) Übrigens beging man das Fest nicht allein in Athen,
sondern in allen attischen Phratriencentren.*)
Am letzten Tage des Monats wurden den beiden kunstfertigsten
Göttern, dem Hephaistos und der Athena, die XaXxeta'') gefeiert, die
auch 'Ad-TJvaia geheissen haben sollen.*) Wahrscheinlich war es in erster
Linie ein Fest der Handwerker und Metallarbeiter. Dass an diesem Tage
auch die Ergastinen mit dem Weben des Peplos für Athena begannen,
haben wir schon (S. 198) erwähnt.
119. Im folgenden Monat, dem Maimakterion, gab es kein grösseres
Fest. Die stürmische Winterzeit hatte begonnen, die Tage waren dunkel
und unfreundlich: man wandte sich mit Opfer und Gebet an den zürnen-
den Zeus (jLaifAdxTr]g^) und suchte ihn zu versöhnen.*®) — Eine ähnliche
Bedeutung muss das Opfer gehabt haben, das am 20. des Monats dem
Zeus rewqyog dargebracht wurde.**)
120. Der Poseideon brachte zwei Feste, in denen Freude und Dank
für die wichtigsten Nahrungsmittel, die das Jahr gespendet hatte, zum
Ausdruck kamen. Das Getreide war gedroschen, und der neue Wein be-
Fiat. Tim. 21 B. Damit wird das
Kureionopfer zusammenhängen.
«) Athen. IV 171 K Ad. Schmidt a. a.
0. 278 ff.
*) Vgl. Ephem. arch. III 15. Maabs
Götting. Gel. Anz. 1889 S. 803.
*) Schol. Arist. Ach. 146. Vgl. Paus. II
34, 1.
*) Istros bei Harpokr. u. Xaf4ndg, Pbel-
LEB-RoBERT Gr. Myth. 1 180. Momksbn Heort.
311 f., der die Ghalkeen den Apaturien un-
mittelbar folgen lässt, setzt auf den Abend
vorher das von Polemon bei Harpokr. a. a. 0.
bezeugte apaturische Fackelfest an und meint,
dass eben dies die Hephaisteia gewesen
seien. Ad. Schmidt Gr. Chron. 283 identifi-
ziert es mit den Prometheia. Beides ist
unwahrscheinlich, da von einem Fackel wett-
lauf bei Istros nicht die Rede ist (Valesius
allerdings &4ovteq statt ^ovxBg), zu dem
auch die Prachtgewänder, die erwähnt wer-
den, nicht passen würden. Die drei Fackel-
wettläufe aber an den Panathenaien, He-
phaisteen und Prometheen, die unter Auf-
sicht des Basileus standen (Aristot. Ath.
Pol. 57), waren so grossartig, dass andere
ähnliche Veranstaltungen daneben gar nicht
in Betracht kamen. Vgl. Wbkolbiit Herm.
VII 437 ff. Ad. Schmidt a. a. 0. 281 f. Lip-
sius Jahrb. f. Phil. 1878 S. 301. R. Schobll
a. a. 0. 2. — Ober Apaturien in anderen
Staaten s. Töppfeb bei Pauly-V7issowa I
2679 f.
•) CIA II 841 b.
») CIA II 114. Eustath. zu IL B 552,
Harpokr. u. Xalitua, PoU. YIII 105. Momm-
BEN Heort. 311 ff. Hebmakn G. A.* § 56 Anm.
82 u. 33. ScHOEMAim a. a. 0. II 472. Pbellbb-
RoBEBT Gr. M. 1 181.
^) Schol. Aristoph. Ran. 131. Ad. Schmidt
a. a. O. 280 f. Vgl. Mommsbn Heort. 311 f.
*) Harpokr. u. Suid. u. VLaifiaxxriQiMv.
»•) Plut. De coh. ira 9 p. 758 C. Eustath.
zur Od. q> 481 p. 1935, 10. — Ob das in
diesem Monat gefeierte Fest den Namen
Maimakteria führte, ist ungewiss. Mommsbn
Heort. 317 ff. Hkbmann G. A. § 57 Anm.
1—4. SOHOBMAKN B. B. 0. II 504. PbELLEB-
Robbbt Gr. M. I 131.
") CIA III 77.
206
Die grieohiflohen KultaBalterttUner.
gann trinkbar zu werden:^) der Demeter, Köre und dem Dionysos feierte
man die l^A^m,^) ein Erntedankfest,^) dem letzteren allein die ländlichen
Dionysien. Schauplatz der Haloenfeier war zum Teil Athen, zum Teil
Eleusis, wie bei den grossen Mysterien.*) Durch eine Prozession wurde
Poseidon gefeiert,*) der auch den Beinamen g^vtalfiiog führte, und von
dessen Beziehungen zu Demeter die Sage viel berichtete.«) Das Fest
hatte einen mysterienartigen Charakter, in Eleusis fand sogar eine vekeri^
der Frauen statt, deren hergebrachte obscöne Scherze auch hier wieder
ihre Rolle spielten.') Von Staatswegen brachte man der Demeter und
Köre ein grösseres Opfer dar, wenn auch wohl nicht alljährlich;*) ein
äycov nävQiog wird in einer eleusinischen Inschrift*) erwähnt.
Das bedeutendere Fest waren die Jiovvtna, zum Unterschied von
den städtischen rä xa% äyQovg genannt.^®) Dass sie in den Poseideon
fielen, ist mehrfach überliefert.^') das genaue Datum ist unbekannt. ><)
Es war ein fröhliches Fest, das unter allerlei Belustigungen und Possen
in den einzelnen Ortschaften gefeiert wurde. Auch die Sklaven, die ja
in den Weinbergen gearbeitet und bei der Bereitung des Weines geholfen
hatten, waren nicht ausgeschlossen.**) Aristophanes**) schildert uns in
komischer Weise, wie ein Bauer mit seiner Familie das Fest feiert. Die
Tochter trägt den Opferkorb auf dem Haupte, ein Knecht den Phallos,**)
das Gesinde schliesst sich der Prozession {riofjiTiij) an, die Hausfrau schaut
vom Dache zu. Natürlich hat sich sonst nicht das einzelne Haus, sondern
der Demos zur Feier vereinigt.»«) Mädchen trugen Opferkörbe und Krüge,
andere den Phallos,*') einer führte den zum Opfer bestimmten Bock, und
unter Absingen von Liedern auf Dionysos und 0aXrfi, den personifizierten
Phallos, bewegte sich der Zug zu einem Altar des Dionysos, wo dann das
Opfertier geschlachtet wurde.*®) Man nannte dies Opfer &€o{vta.^^)
unter den mannigfachen Scherzen und Neckereien, durch die sich das
») Vgl. MoxMSKN Heort. 324 f.
') Schol. zu Luk. Dial. mer. VII 4. Rhein.
Mus. XXV 557. Hermann G. A. § 57 A.
5—6. MoxMSEN Heort. 320 ff., der Haloen
und das Zeusfest im Maimakterion fftr iden-
tisch hält. RoHDB Rhein. Mus. XXV 557 ff.
RuBENSOHN Die Mysterienheiligtamer 115 ff.
FoüCART Rev. des ^tud. grecques VI 322 ff.
A. MoxxsBN in Bubsians Jahresher. 1890 3,
S. 250 ff. Prbllbb-Robebt Qriech. Myth. I
768.
*) Harpokr. u. UXtoa, Mülleb Frgm.
hist. gr. I 411 (Frgm. 161).
*) CIA II 834b. Ephem. arch. 1883 S.
114B 4. 119,47. 121 B 20. 1884 S. 125 ff..
1890 S. 129. Bbkkeb Anecd. 384, 5 [De-
mosth.] LIX 116 p. 1385. Töpffeb Att.
Qen. 94.
^) Bbkkeb Anecd. p. 385.
•) Pbbllbb Griech. Myth.« I 479 ff.
Töpffeb Att. Geneal. 32 u. 252 ff.
^) RoHDE a. a. 0. Töpffeb Att. Geneal.
93 f. u. 32. FoüCABT a. a. 0. 328,
•) DiTTENBEBGEB Syll. 374b mit Anm. 20.
BöcKH Staatsh."II 125. S. aber auch Töpffeb
Att. Gen. 95 f.
») Ephem. arch. 1887 S. 5 ZI. 46. Vgl.
1883 S. 189.
'0) Aischin. I § 157. Aristopb. Ach.
250. ~ Hbbmann G. A. § 57 A. 8 ff. Momm-
SEN Heort. 323 ff. Sobobmann Gr. A.> II
489 ff.
^0 Theophr. Char. 3. Bbkkeb Anecd.
p. 235, 6.
") Ad. SoHxn>T a. a. 0. 285 meint, dass
die verschiedenen Gemeinden es an ver-
schiedenen Tagen feierten. In Myrrhinas
nach CIA II 578 am 19. Poseideon.
»») Plut. g. Epikur. 16.
") Ach. 241 ff,
'^) Vgl. Schol. Ach. 243. Herod. II 48 f.
*•) Harpokr. u. ^eoiytor,
^^) Auch bei den grossen Dionysien spielt
dieser eine Rolle. Vgl. Dittenbbrobb SylL
12, 12. CIA U 321.
»«) Plut. De cupid. div. 8.
>•) Harpokr. u. d. W.
4. SnltasMit«!!. ($ 121.)
207
Fest auszeichnete,, war namentlich beliebt der sog. äaxdohacfiog oder die
daxüiXia. Ein Schlauch wurde aufgeblasen, mit Öl eingerieben, und nun
galt es hinaufzuspringen und balancierend sich möglichst lange stehend
darauf zu halten. Bereits im fünften Jahrhundert führten bemittelte
Gemeinden zuerst auf dazu hergerichteten Tanzplätzen, dann in den immer
zahlreicher entstehenden Theatern Dramen auf, wie sie an den grossen
Dionysien in der Stadt seit mindestens 534 üblich waren, und bald bildete
dieser Teil des Festes gewiss in allen grösseren Orten den Glanzpunkt.^)
Natürlich sind die Dionysien nicht überall gleich lebhaft und prächtig ge-
feiert worden. Ein Ort, der sich durch Weinbau auszeichnete und grös-
seren Gewinn daraus erzielte, musste es den andern auch bei dieser Ge-
legenheit zuvorthun. Im Demos Ikaria wurde Dionysos besonders verehrt,')
man feierte ihm dort die Aldqa^) zum Andenken an den Tod der Erigone,
der Tochter des Ikarios oder Ikaros, die ihm den Staphylos geboren hatte,
und hier sollen denn auch zuerst die dramatischen Darstellungen regel-
mässig geworden sein.^) Am grossartigsten feierte man die Dionysien
im Peiraieus,*) wobei sich auch Athen von Staats wegen beteiligte.^) In
Athen, wo Festzug und Kampfspiele stattfanden, hatte die Leitung der
Basileus,^) im Peiraieus der Demarch.^) Einen andern Charakter, viel-
leicht mehr den grossen Dionysien entsprechend, scheinen die in Eleusis
gefeierten Jiovvaia gehabt zu haben. ^^)
121. Der nächste Monat, Gamelion, brachte ein dem vorigen ver-
wandtes Fest, die 'EniXtjvaia^^^) oder wie der offizielle Name im fünften
und vierten Jahrhundert lautet, J$ovvata xd inl ^r]va{<p^*) Die Haupt-
feier fand wahrscheinlich wie an andern Dionysosfesten am 12. statt.*«)
Es wurde in dem grossen, dem Dionysos geweihten Lenalon,*^) unter Mit-
wirkung des eleusinischen Daduchen*^) gefeiert. Den Festzug ordnete der
Basileus zusammen mit Epimeleten, die Festspiele leitete er allein,^^) und
die dramatischen Vorstellungen,^^) die der Staat mit grosser Pracht und
') PoU. IX 121. Scbol. Aristoph. Plut.
1129. Verg. Georg. II 384. Vgl. Rühnkkh
Ad Tim. lex. p. 51. Dabbmbebo et Saglio
Dict. u. Askolia S. 473 mit Abbildungen.
«) Vgl. V. V7ILAM0WITZ Herm. XXI 615
u. Eur. Her. I 56 ff.
*) Hermann G. A. S 13 A. 4. Schob-
MANN Gr. A.- II 490 f. Prällbr Gr. Myth.«
I 551. Vgl. d. Inschr. im Americ. joum. of
archaeol. IV 421 ff.
*) Etym. M. 42, 3. Vgl. Darbmbbbq et
Saguo Dict. I 171 f. a. Aiora.
*) Athen. II 40 B. Schobmann a. a. 0.
II 490 f. Christ Hdb. VII 154.
*) DiTTENBEROBR Syll. 296, 20. Auch
besass die Hafenstadt früher ein steinernes
Theater als Athen (vgl. v. Wilamowitz Herm.
XXI 597 ff., 602).
DiTTBNBBRGBR SjU. 374, 6, 72, 79.
BöcKH Staatsb.» TL 107 f. Vgl. v. Wilamo-
witz Eur. Her. I 23.
») Aristot. Ath. Pol. 57.
•) Aristot. Ath. Pol. 54.
*°) FoDCART Rev. des dtud. grecqu. VI
836 ff. Epbem. arch. 1884 S. 71 f.
^n Bbkkbb Anecd. p. 235, 6. Schol.
Hes. Erg. 506 (502). Hbrmann G. A. § 57
A. 22 ff. MoMMSBN Heort 332 ff. Schobmann
Gr. A.« II 493 ff. und Anhang S. 596 ff.
Prbllbb Gr. Myth.' I 553 f. Fritzsche De
Lenaeis. BOckh El. Sehr. V 65 ff. Letzterer
auch fftr die flbrigen Dionysosfeste zu ver-
gleichen. Gruppe Bdb. V 2, 33. V^achs-
MUTH Abb. d. Sachs. Ges. d. Wias. XVIII 39.
'«) Aristot. Ath. Pol. 57. Körte Rhein.
Mos. 1897 S. 169.
") V. Prott Leg. sacr. 17. Ad. Schmidt
a. a. 0. 287 vermutet, das Fest habe vom
19— 22ten gedauert.
'*) Hesych. u. Äi/yatoiV, Etym. M. 361,
39. Vgl. Aristoph. Av. 504. Paus. I 20, 3.
>^) Schol. Aristoph. Ran. 479.
'•) Aristot. Ath. Pol. 57. Demosth. XXI
10 p. 517.
") V. Wilamowitz Herm. XXI 614 ff.
Köhler zu CIA II 972. Bbthe Proleg. zur
Gesch. des Theaters 18 ff.
208
Die griaohMohan Knltasalteriftmar.
grossem Kostenaufwand vorbereitete, >) werden den Höhepunkt des Ganzen
gebildet haben. Wahrscheinlich erst im dritten Jahrhundert kam der
Dithyrambos hinzu.«) Da auch grössere Opfer nicht fehlten,») hat das
Fest sicher mehrere Tage gedauert.
Ein mehr privates Fest und in dieser Hinsicht den Apaturien ähnlieh
waren die Gamelien.*) Gewiss gedachte man bei dieser Gelegenheit
auch der Ehegöttin Hera, aber ob eine Feier „der heiligen Hochzeit*
{teQog Y^M'^^)i^) ^^^ ihnen in Zusammenhang stand und zusammenfiel, ist
sehr zweifelhaft.
122. In den folgenden Monat, Anthesterion, fiel das dritte gi*osse
und wohl älteste Dionysosfest,*) die ^Avx^etrrrJQia,'') welche vom 11.
bis 13. gefeiert wurden.») Der erste Tag hiess nid^ofyia,^) der zweite
Xoeg,^^) der dritte XirtQoiM) Ui^oiyta heisst Fassöflfnung. Der Gärungs-
prozess des Weines war beendigt, man füllte ihn aus den Fässern in
Kannen, der Hausherr brachte ein Opfer und vergnügte sich mit den
Seinen, denen sich an diesen festlichen Tagen auch die Sklaven gesellten,
an Schmaus und Trinkgelage.**) Alles schmückte sich mit jungen Früh-
lingsblumen und schritt in fröhlichem Zuge einher; auch die Kinder, die
über drei Jahre alt waren,*») beteiligten sich, das Erscheinen der Gottheit,
wenn nicht im neuen Weine^ so in der wiederauflebenden Natur feiernd .
Die Choes, d. h. der Kannentag, waren der höchste Festtag.») Eine Pro-
zession geleitete die Basilissa oder Basilinna, die Gemahlin des Basi-
leus, nach dem älteren Dionysostempel, iv Aiiivaig,^*) der wahrscheinlich
durch ein in weitem Umkreis herumgelegtes Seil**) vor der Zudring-
lichkeit Profaner geschützt war. Vierzehn vornehme Frauen, die der Ba-
sileus gewählt hatte, die sog. r€QaQai\ geleiteten sie in den Tempel, der
bis dahin wie alle andern Gotteshäuser in der Stadt in diesen Tagen ver-
schlossen gewesen war;*») unter Beihilfe eines Hierokeryx*') nahm die
Basilissa, die ihrem Manne als Jungfrau vermählt und von echt attischer
Etym. M. 361, 89. Demosth. XXI 10
p. 517. Plat. Protag. p. 327 E. Schol. Arist.
Equ. 547. Vgl. [Demosth.l LIX 76 p. 1870
u. Thuk. II 15.
*) CIA II 1367. A. Körte Rhein. Mus.
1897 S. 174 flP.
*) DlTTSNB£BGRB SjU. 374 U. BöCKB
Staateh.» II 107 flP., 114.
♦) Etym. M. 221, 1. Mommsbk Heort.
348 f. Ad. Schmidt a. a. 0. 288 f. setzt den
Hauptfesttag auf den 24. an.
*) Phot. u. Hesych. u. leQog ydfAog, Etym.
M. 468, 52. Vgl. aber auch Robbrt in Pbel-
LERS Gr. M.' I 165 A. 3.
•) Vgl. Thuk. II 15.
^) Gbhbhabd Akad. Abh., Berl. 1868 II
150 fP. Hbbhann G. A. § 58 A. 6 fp. Momh-
SBN Heort. 345 ff. Sohoehann a. a. 0. II 495 fP.
Pbblleb-Bobebt Griech. Myth. 1 671 flP. Voigt
in RoscHRBs Myth. Lex. 1 1071 flP. 0. Gil-
BEBT Die Festzeit der att. Dionysien, Göttin-
gen 1872 will Lenaien u. Anthesterion iden-
tifizieren. Dagegen namentlich A. Köbtb
Rhein. Mus. 1897 S. 168 ff.
*) Harpokr. u. /ocf nach ApoUodor.
•) Plut. Quaest. symp. VIII 10, 3; III
7, 1.
") Harpokr. u. d. W. LObbbbt Prodr.
in Pind. loc. de Pelop. pueritia, Bonn Ind.
lect. 1889 S. XV ff.
") Harpokr. u. d. W. nach Philochoros
(Frgm. Bist. Gr. I 411). Vgl. Schol. Aristoph.
Ach. 1076 u. über die Bemerkung des Di-
dymos ebenda Momhsen Heort. 346.
") Plut. Quaest. symp. III 7, 1. Schol.
Hes. Erg. 370 (366). Vgl. Zenob. Prov. IV
38 und Athen. X 50 p. 437 u. 438.
*») Philostr. Her. XIII 4 (p. 725 Kays.).
Etym. M. 109, 12.
'*) [Demosth.] LIX 76—78 p. 1371.
^^) Phot. u. fAiaQd ijf4^Qtt zu vergl. mit
Poll. VIII 141. S. Mommsbk Heort. 354.
") Athen. X 427 C.
") Vgl. TöPPPEB Att. Gen. 184.
4. KaltaaEeiten. (§ 122.)
209
Abkunft sein musste,^) Urnen einen Eid ab, in dem sie Keuschheit und
Frömmigkeit gegen den Gott versicherten, wie auch, dass sie die Feier
der Qeoivia ordnungsmässig begehn würden.') Nach mancherlei heiligen
Ceremonien an den vierzehn Altären des Gottes und im Tempel^) begab
sich die Basilissa allein in das Bukoleion nahe dem Prytaneion ;^) denn
der Sinn all dieser Gebräuche war, dass sie sieb dem Dionysos vermählen
sollte.^) Draussen aber steigerte sich der Festjubel. Als Bakchanten
kostümiert und in anderen Masken durchzogen ausgelassene Leute die
Strassen,^) und Yorüberfahrende neckten die Begegnenden von ihren
Wagen herab.') Dann begann ein grosses Trinkgelage. Jeder der Zechen-
den erhielt eine eigne Kanne (xovg), die nicht, wie dies sonst üblich war,
aus einem gemeinsamen Mischkrug gefüllt wurde, angeblich weil einst
Orestes während des Choenfestes nach Athen gekommen sei, und als Un-
reiner und Fluchbeladener einen besondern Krug erhalten hatte. ^) Ein
Trompetensignal wurde gegeben, die Zecher setzten die Kanne an, und
wer zuerst ausgetrunken hatte, erhielt als Preis einen Schlauch Wein.»)
Speise und Trank musste der einzelne sich selbst beschaffen, ^<^) doch
scheint der Staat die Mittel dazu gewährt zu haben '^) und vielleicht
mehr als das; denn dieser Tag brachte auch andere Ausgaben, da die
Eltern den Sophisten und wohl auch andern Lehrern an ihm das Honorar
für den Unterricht ihrer Kinder zu zahlen pflegten.»*) Sich von dem
Treiben zurückzuziehn und das Fest lieber im privaten Kreise zu feiern
scheint für prüde gegolten zu haben, ^^j — Der dritte Tag des Festes, die
XvTQoi^ hatte einen ganz anderen Charakter. Die Kränze, mit denen am
Tage vorher ein jeder geschmückt gewesen war, hatte man abends abge-
legt, um den Krug gewunden und sie der Priesterin des Dionysos über-
geben:**) der letzte Tag war den chthonischen Gottheiten geweiht, zu
denen im Kult ja auch Dionysos gehörte. Man kochte dem Geleiter der
Toten, dem chthonischen Hermes, Früchte aller Art,**) that sie in Töpfe
») [DemosthJ LIX 75 p. 1370 u. 78 p.
1371. Poll. VIII 90.
«) Vgl. TöPPPBB Att. Gen. 12.
») Etym. M. 227, 36. Poll. VIII 108.
Harpokr. n. Hesych. u. reQUQui
*) Aristot. Pol. Athen. 3.
«) Aristot. Ath. Pol. 3. [Demosth.] LIX
73 p. 1370. Hesjch. u. Jioyvcov yafAog,
•) Dion. Hai. VII 72 p. U91. Philostr.
Apoll. Tyan. IV 21 (p. 73 Kays.). Vgl. Imag.
p. 381, 1. V. WiLAMOwiTz Eur. Her. I 59.
Abbildung Arcb. Ztg. XXXVII 2, bei Da-
BSMBEBG et Saolio Dict. I 1128.
^) Snid. u. Phot. u. xd ix rwy dfAa^fäv
cnißfAfAoxa. Plat. Leg. I 637 B.
«) Phanodemos bei Athen. X 49 p. 437.
Eur. Inh. T. 922 flp. Schol. Arist. Ach. 961.
Plut. Qnaest. symp. II 10.
») Aristoph. Ach. 1000 f. Aelian. Var.
hist. II 41. Vgl. Athen. X 437 C, wo als nr-
sprflnglicher Preis ein Kuchen genannt wird,
u. Schol. Aristoph. Ach. 1002. Auch Kränze
sind den Siegern wohl verabreicht worden
(s. ausser Schol. Arist. Ach. 1002 Athen, a.
a. 0.). Zu den noQvcu,, die Aristophanes Ach.
1091 erwähnt, vgl. Antigonos v. Karystos
bei Athen. X 487 £.
'«) Aristoph. Ach. 1067 u. 1085. Athen.
VII 276 C. MojCMSES Heort 363.
**) Plut. Reip. ger. praec. 25.
><) Eubulides bei Athen. X 437 D. Vgl.
übrigens auch Böckh Staatsh.* II 16.
»») Plut. Anton. 70. Dass Knaben nicht
daran teilnahmen, sondern lieber einer Ein-
ladung ihrer Lehrer folgten, denen sie eben
Geld und Geschenke gebracht hatten, ist
nur natürlich. Anders Mommsen Heort. 360.
»*) Phanodem. bei Athen X 437 C.
'') Dass man sie am Tage und nicht
in der Nacht bereitete, wie sonst Opfer an
die Unterirdischen, erwähnt der Scholiast zu
Arist. Ran. 218 ausdrücklich. Mehr als die
Bemerkung, dass hier von dem gewöhn-
lichen Usus abgewichen werde, ist aus dem
Scholion nicht herauszulesen. Vgl. aber
MoMMSEN Heort. 346.
Handbuch der klaas. AltertamswteeiMchaft. Y, 8. 2. Aufl.
14
210
Dia griaohiaohen Knltosalteriümer.
(xvTQcu) und brachte sie zum Opfer dar, natürlich ohne selbst etwas davon
zu geniessen.^ Doch entbehrte auch dieser Tag der heitern Festlichkeiten
nicht. Es wird von Wettkämpfen berichtet,') und auch die chorischen
Aufführungen, von denen wir durch Phanodemos') und das Scholion
Aristoph. Ran. 216 erfahren, werden hierher gehören. Eine andere Nach-
richt^) lässt darauf schliessen, dass wenigstens in späterer Zeit im Theater
auch ein Eomödienagon stattfand, dessen Sieger unter die an den grossen
Dionysien konkurrierenden Dichter aufzunehmen war. — Die Anthesterien
scheinen ursprünglich eine andere Bedeutung gehabt zu haben als die
später zu Tage oder wenigstens in den Vordergrund tretende. Wie wir
gesehn haben, waren auch die beiden ersten Tage als rjfieQai ^aqal be-
zeichnet,^) die Tempel der Himmlischen waren geschlossen, man sagte,
dass die Toten umgingen, und traf allerlei abergläubische Vorkehrungen
gegen die unheimlichen Besuche.^) Spuren davon, dass das Fest einmal
ausschliesslich den Unterirdischen gegolten hat, sind in dem Opfer am
Chytrentage deutlich erhalten, vielleicht auch in dem Namen Xosg^ dem
Haupt- und möglicherweise einmal einzigen Festtage, an welchem auch
später die Toten ihre %or] erhielten. 7) So ist es denn auch nicht unwahr-
scheinlich, dass die vdqoq^oQia^^) eine Wasserspende für die bei der Sint-
flut Umgekommenen, auf den 13. Anthesterion fielen,') und mit ihnen
das Fest abschloss, wie die Feier der eleusinischen Mysterien mit den
nXrj/jLoxoai beschlossen worden sein soll (S. 165).
In demselben Monat wurden die kleinen Mysterien bei Agrai ge-
feiert, über die wir bereits gesprochen haben (S. 161), und am 23.^®) ein
Fest für Zeus Meilichios, die Jiatna.^^) Man feierte es ausserhalb der
Stadt, ^^) vielleicht am Ilissos.^') Wie wir schon aus dem Beinamen des
Gottes schliessen können, war es ein Sühnfest, ^^) und etwaige Fest-
schmäuse^') haben auf keinen Fall etwas mit den Opfern zu thun, die
man an diesem Tage dem Zeus darbrachte; dem Charakter des Festes
entsprechend müssen die Tiere ganz hingegeben werden. i«) Von ähn-
lichen Festen aber unterschieden sich die Diasien dadurch, dass an ihnen
nicht der Staat für alle das Sühnopfer darbrachte, sondern die Bürger
für sich den Gott durch eine Gabe zu versöhnen suchten. Der Arme,
der Schaf oder Schwein nicht aufzuwenden hatte, formte sich Tiere aus
Kuchenteig und opferte diese statt des Lebendigen.^')
') Schol. Aristoph. Ach. 1076 u. Ran.
218.
•) Philochoros im Schol. zu Arist. Ran.
218. CIA III 98.
*) Athen. XI 465 A.
«) Plut. Dec. orat. Lyk. VII 10 p. 841.
V. HiLLBB hei Pauly-Wissowa I 2875. Her-
mann 6. A. 58 A. 6. MoMMSEN Heort. 868.
») Eustath. ad 11. Sl 526. Phot. a. fÄiaga
•) Hesjch. Phot. Suid. u. fnaQai iqfAiqai,
^) Schol. Arist. Ach. 961.
*) Hesych. u. d. W. Etym. M. 774, 55.
») Theop. im Schol. Anst. Ach. 1076.
MoMMSEN Heori;. 865. Hebxann 6. A. § 58
A. 22. RoHDB Psyche' I 288, 8.
'^) Schol. Arist Nub. 408.
*>) Hbbmann G. A.« § 58 A. 23—24.
SoHOBMANN 6r. A.' II 504 f. Mohhsbh Heort.
879 ff. 0. Band Die att. Diasien, Progr. der
Viktoriaschule Berl. 1883. Prblleb-Robbbt
Gr. M. I 130 f.
") Thuk. I 126.
i>) MoMMSBN Heori;. 380 f. Band a. a.
0. 11.
^*) Schol. Luk. Ikarom. 24: ^era nvoq
CTvyvoTfjTog,
iB) Vgl. Band a. a. 0. 15 f. und Über
Arist. Nub. 407 Mohmsen Heori;. 383.
") Xen. Anab. VII 8, 4. Vgl. Luk.
Tim. 7.
17) Thuk. I 126 und Schol. dazu: nifi^
4. KnltiuiEeiteii. (§ 123.)
211
123. Das erste Fest des folgenden Monats, des Elaphebolion,
waren vermutlich die Elapliebolien, die man der Artemis feierte.
Man brachte ihr Kuchen in Gestalt von Hirschen zum Opfer, ^) doch
wird das Fest kein staatliches, und die Beteiligung keine allgemeine ge-
wesen sein.
Das Hauptfest, zugleich das glänzendste nächst den Panathenaien,
galt wieder dem Dionysos, wenngleich das religiöse, auf den Kult des
Qottes unmittelbar zu beziehende Element durch die grossen Schauspiele,
die bald den Mittelpunkt der Feier und des Interesses bildeten, in den
Hintergrund gedrängt wurde. Es waren die grossen Jiovvaia,^) zum
Unterschied von den im Poseideon in den Demen gefeierten rd iv oaxei^)
oder ra iieyaXa*) genannt. Eingeleitet wurden sie durch die Asklepieia,
die auf den 8. des Monats fallend als KQoayoiv bezeichnet werden,^) und
an denen Asklepios grössere, vom Staat bestrittene Tieropfer empfing. **)
Die Dichter stellten sich an diesem Tage mit den Schauspielern dem Volk
im O'deion vor.«) Vom 9. — 13. wurden die Dionysien selbst begangen.
Die Anordnung des Festzugs war Sache des Archen, den zehn aus den
Phylen gewählte Festordner dabei unterstützten, welche hundert Minen
für die Ausstattung des Zuges empfingen. 7) Es beteiligten sich hierbei
namentlich die Epheben,^) die auch die Statue des Gottes aus dem Tempel
ins Theater schafften.^) Das geschah wahrscheinlich am Vorabend des
Festes. Männer- und Knabenchöre, lyrische Agone,^®) der Dithyrambos,^^)
und grosse Opfer'*) füllten den ersten eigentlichen Festtag aus, der
wiederum mit einer Prozession in Masken {xwiioq) geschlossen zu haben
scheint. Dann folgten wohl drei Schauspieltage, an denen in der Blüte-
zeit Athens die grössten Dichter um den Preis rangen.^*) Einen eigenen
Glanz verlieh dem Feste die Anwesenheit der Bündner, die zu diesem
Termin ihre Tribute brachten.**) Vor ihren erstaunten Blicken ent-
faltete Athen dann all seinen Reichtum und seine Herrlichkeit.^^) Die
Tribute wurden talentweise aufgeführt, *«) den Bürgern der Stadt grosse
fMaxa Big (ipmy fAOQtpas xexvnüifAiva. Vgl.
übrigeos auch Hebmavn Philol. U 1 fP.
ßsKKSR Aoecd. 249 u. Athen. XIY
6-16 E.
^) Hbrhann G. A. § 59. MomiSBK Heort.
387 flF. ScHOEMANN Gr. A.» II 498 f. Pbbllek-
RoBBBT Gr. Myth.» I 673 flf. Sauppb Ber. der
sftchs. GeB. d. Wiss. 1855 Anf. Christ Hdb.
VII 147. Vgl. auch A. MOlleb Griech. Büh-
nenaltt., Freiburg 1886. Öhmichbn Hdb. V 8,
192 f. und Köhler Athen. Mitt. IIl 104 ff.,
229 ff. Über die Zeit der Einführung (peisi-
strateisch) auch v. Wilamowitz Eydathen
133, Homer. Unters. 209, Eur. Her. 186, II 48.
») Dittehbebqeb Syll. 347 u. 374.
«) DiTTENBEBGEB Svll. 140, 37; 141, 32;
162, 75.
^) Aischin. III 64 p. 456. Pbbller-Ro-
BEBT Griech. Myth. I 674.
«) Schol. Aristoph. Vesp. 1109. Hillbr
Herrn. VII 402 ff. Rohde Rhein. Mus. 1883
S. 251 ff
^) Aristot. Ath. Pol. 56. Mohhsen Heort.
393. Vielleicht gehört hierher auch Poll.
VI 75.
*) DllTENBBBOBB Syll. 347.
CIA II 470.
") DiTTENBEBGEB Syll. 420. Aristot.
Ath. Pol. 56.
>0 V. Wilamowitz Eur. Her. I 63 ff.,
78 ff
12) DiTTENBEBGEB Syll. 374.
") MoMMSEN Heort. 396. Sauppb a. a. 0.
Frankel in BöcKHS Staatsh.^ II 63* Anm.
407. Chbist Hdb. VII 147. Vgl. die In-
schriften CIA II 394 ff. und Ober die An-
fänge des Schauspiels v. Wilamowitz Herrn.
XXI 615 ff.
>^) Eupolis im Schol. Arist. Ach. 503
vgl. 377.
»*) V. Wilamowitz Kydathen 31 f. Eur.
Her. II 49.
»•) Isokr. VIII (<rvfjL^ax,) 82. Vgl. Fbah-
kel in Sallets numismat. Ztsohr. III 392 f.
14*
212
Dia griaohUohan Knltiuialtertftmer.
Summen als Theorika ausgezahlt, *) zahlreiche Opfertiere geschlachtet,
und das ganze Volk festlich bewirtet.^) Auch zu Hause pflegte man ein
Lamm zum Festbraten zu schlachten.^) Einen eindrucksvollen Teil der
Feier bildete es, dass die herangewachsenen Söhne der im Kriege ge-
fallenen Bürger auf die Orchestra geführt und vor der versammelten
Menge vom Staate mit Waffen beschenkt wurden.^) Den Abschluss des
Ganzen bildete am 14.^) wieder ein einer andern Gottheit gefeiertes Fest:
die Pandia. Ursprünglich wohl ein grosses Zeusfest von politischer Be-
deutung,^) wurde es durch die Panathenaien in Schatten gestellt und zu
einer Appendix der Dionysien, wenn auch wohl niemals ganz unbedeutend.'')
124. Im zehnten Monat, dem Munichion, wurden am 6. oder 7.^)
dem ApoUon dieDelphinien®) gefeiert. Es scheint ein Sühnfest gewesen
zu sein, das man bei der Eröffnung der Schiffahrt veranstaltete. Im Del-
phinion soll Theseus vor seiner Ausfahrt nach Kreta gebetet und dem
ApoUon den mit weisser Wolle umwundenen Ölzweig der Schutzflehenden
niedergelegt haben ;io) so wurde auch dies Fest ähnlich wie die Pyanopsien
und Oschophorien mit dem Nationalheros in Verbindung gebracht. Von
der Feier selbst erfahren wir nur, dass am 6. Jungfrauen (xogai IXatrxo^
fievai) sich nach dem Delphinion begaben, um dort Apollon und wohl
auch Artemis anzuflehn.^<>)
Am 16. wurden der Artemis Movvixia^^) auf der gleichnamigen
Halbinsel die Munichien gefeiert. ^^) Es wurden ihr die sogenannten
äfA(pi(pwvr€g^^) geopfert, runde Kuchen, die, mit Lichtern besteckt, ein
Bild des «Vollmonds darstellen sollten. Mit diesem Fest vereinigte man
die Salaminische Siegesfeier,**) wie man die marathonische auf das Ar-
temisfest am 6. Boedromion gelegt hatte, obgleich weder die eine noch
die andere Schlacht an dem betreffenden Tage geliefert worden war.**) In
späterer Zeit fand zur Feier des Festes eine Regatta der Epheben statt. >•)
Wahrscheinlich auf den 19. fielen die Olymp ieen,*^) die Peisistratos
bei der Gründung des neuen Olympieions gestiftet zu haben scheint. *«)
Demosth. IV (1 Phil.) 35. Böokh
Staatsh.» I 283 f.
*) DiTTENBEROBB SjU. 374. BöoKH Staats-
h.» II 107 f. Vgl. Fränkbl Anm. 779 II 113*.
») Lys. XXXII 21.
«) Aischin. III 154. Plat. Menex. 248 E.
Vgl. Isokr. Vin 82.
*) Demosth. XXI 8, 9 p. 517.
•) S. V. WiLAMOwiTz Kydathen 133 u.
Über andere Auffassungen Momhsen Heort.
60 A. 1.
') Vgl. CIA II 570.
«) S. Pbbllbb-Robeet Gr. M. I 260 A. 3.
*) MoioiSBN Heort. 398 ff. SoHOEHAinr
Gr. A.» II 454 f.
>•) Plut. Thes. 18.
") Vgl. Preller-Robebt Gr. M. I 312
A. 2.
>2) MoMMSEn Heort 403 ff.
»«) Athen. XIV 645 A. Poll. VI 75.
Etym. M. 94, 56. Suid. u. d. W. Vgl. Bahd
Die Epikleidia, Progr. d. Margaretenschule
Berl. 1887 S. 4.
»*) Plut. De glor. Athen. 7 p. 350 A.
*^) Über das Datum der Sdilacht bei
Salamis Böckh Mondcykl. 69 f. Büsolt
Jahrb. f. Phil. 1887 S. 33 ff. Ad. Schmidt
Perikl. II 106 f. und Griech. Chron. 295
meint, dass die Schlacht bei Salamis auf
Eypros gefeiert worden sei, die thats&chlich
auf den 16. Munichion gefallen sei (nach
Plut. De glor. Athen. 7, vgl. Lvsand. 15).
") CIA II 471 u. Plut. De glor. Athen.
7 p. 349 P.
'') MoMMSEN Heort. 412 f. Stabk in
Hebmanvs G. A. § 60 A. 5. Köhleb Monats-
ber. Berl. Akad. d. Wiss. 1866 S. 348.
18) MoicMSEN Heort. 413. Pbsllbr-Ro-
bebt Gr. M. I 132. Vgl. v. Wilamowitz
Hom. ünt. 209 Anm.
4. Kaltaasaiten. (§ 124-125.)
213
Zeus wurde an ihnen durch ein grosses Opfer ^) und eine Pompe bekränzter
Reiter*) gefeiert.
126. In der heissen Sommerzeit des nächsten Monats, des Thar-
gelion, wurde das grosse Sühnfest der OaQyyjXia begangen.«) Der Name
bezeichnet eigentlich die von der heissen Sonne gereiften^) Erstlinge der
Feldfrüchte, ^) und diese opferte man auch an dem Feste den Gottheiten,
die sie gezeitigt hatten, dem Helios und den Hören,*) und wie an dem
Erntefest der Pyanopsien wurden Eiresionen dargebracht.^) Doch war die
eigentliche Bedeutung des Festes noch eine andre. Wie beim Beginn des
Frühlings an den Diasien Zeus versöhnt werden musste, so jetzt beim Ein-
tritt der gefährlichen, oft Seuchen mit sich bringenden Sommerzeit ApoUon,
der schon den loifiog der Ilias veranlasst hatte, der Sühngott xcer s^ox^v.
Am 7. war sein Geburtstag, da musste die Stadt rein sein; so wurde am
Artemistage, dem 6.,^) eine grosse Lustration vorgenommen. Demeter
Ghloe anf der Burg empfing einen Widder und ein Schaf,*) die Moiren
wahrscheinlich ein Schweineopfer,*®) und noch in historischer Zeit führte
man zwei Männer {(puQfjtaxoiy^) oder nach einer andern Überlieferung *»)
einen Mann und eine Frau aus der Stadt und schlachtete sie als Sühnopfer.
Wie lange dieser Brauch bestand, ist schwer festzustellen, in lonien hat
er im 6. Jahrhundert sicher noch bestanden,*«) vielleicht aber viel länger;
jedenfalls hat man bei Misswachs und Seuchen auch in Athen noch spät
ffccQiiuxoi geopfert;*^) doch als der Redner gegen Andokides ([Lys.] VI 58)
schrieb, scheint die regelmässige Tötung von Menschen abgeschafft ge-
wesen und das Opfer »nur über die Grenze gestossen'* worden zu sein.")
Wie grosse Bedeutung der Staat dem Feste beimass, geht wohl auch
daraus hervor, dass der Archen selbst mit der Sorge dafür betraut
war.^*) Der nächste Festtag hatte einen heitern Charakter, wie wir
dieser Vereinigung von Trauer und Freude, von Gedenken und zagem Ver-
ehren der chthonischen Mächte und von frohem Dank gegen die Himm-
lischen in den griechischen Festen ja schon häufiger begegnet sind.^^)
M DiTTBKBXBOXB Sjll. 374.
«) Flut. Phok. 37.
•) Hermann G. A.* § 60 A. 6 ff. Momm-
8BN Heort. 414 ff. Manne abi>t MythoL For-
sohongen 1884 S. 124 ff. Pbblleb-Robbbt
Gr. M. I 261 f. Schobmann Grieoh. Altt.* II
455. Stbngel Herrn. XXII 86 ff. Töpffeb
Rhein. Mus. 1888 S. 142 ff. Ubbnbb Sitzgs-
her. d. Wien. Akad. d. Wias. 1897 HI 47
und 59 ff.
«) Etym. M. 448, 19. Hesych. u. Baq-
yfjUa.
6) Erates bei Athen. UI 11 4 A.
•) Schol. Arist. Eqn. 729, Plut. 1054.
Vgl. Porphyr. De abst. II 7. Bekxeb Anecd.
268 u. ^aQyijXia.
7) Schol. Arist. Eqn. 729. Hausbb Philol.
1895 S. 392 f.
«) Diog. Laert. II 44.
•) Schol. Aristoph. Lys. 835. Schol.
Soph. 0. E. 1600. Marathon. Opferkai. v.
Pbott Leg. sacr. S. 48 B 27 und d. Bern.
S. 58.
>«) Leg. sacr. 48 B 28 u. S. 53.
^Ö Istros bei Harpokr. u. tpaQfAaxog,
Hellad. bei Phot. Bibl. 534. Rohde Psyche'
II 78.
'*) Hesych. u. g>a^f4axoi. Vgl. XQiog xai
&iiXeia bei v. Pbott a. a. 0. auch Paus. VII
19, 2.
>>) Hipponaz Frgm. 37 Bbbgk« S. 475.
— Thargelien in Milet Parthen. Narr. 9 ; in
der milesischen Eolonie ApoUonia am Pontes
Arch. Epigr. Mitt. aus Oest. XI 33 nr. 32
ZI. 29 f. (vgl. Eeil Herrn. XXXI 474); in
Paros und Thasos Archil. Frgm. 113.
*«) Die Zeugnisse im Herm. XXII 92.
>«) UsENBB a. a. 0. 60. Vgl. auch Plat.
Leg. VI 782 C.
") PolL Vni 89.
*^) Verglichen werden kann damit unser
Osterfest mit dem voraufgehenden Earfreitag.
Vgl. BemoasR Tekt IV 173 A. 123.
214
Die grieobisohen Knltasaltertttmar.
ApoUon empfing die ersten vom heissen Sonnenstrahl gereiften Früchte,
Männer- und Enabenchöre traten in musikalischen Agonen auf, ^) zu deren
Ausrüstung die Phylen fünf Choregen bestellten, je zwei, die darin ab-
wechselten, einen. Auch fand eine Prozession und Kampfspiele statt.*)
Am 19. — 20. beging man seit der Zeit des Perikles') der thrakischen
Göttin Bendis zu Ehren die BsvdCdsia.^) Es war eine der Artemis ver-
wandte und früh mit ihr identifizierte^) Gottheit, deren Kult sich zuerst
im Peiraieus festsetzte, wo sie nahe der Artemis Munichia einen Tempel
besass.^) Schon im 5. Jahrhundert unter die Staatsgötter recipiert,^)
empfing sie an ihrem Fest auch ein von Staats wegen veranstaltetes Opfer. ^)
Eine besondere Merkwürdigkeit verlieh dem Feste ein Fackelwettrennen
zu Pferde,^) offenbar thrakischen Ursprungs. i<^) Auch Prozessionen fanden
statt, und zwar die der Athener und der thrakischen Ansiedler gesondert.*)
Auf denselben Tag fielen nach Photius^^) die KaXXvvtTiQia^ die
in engem Zusammenhange mit den nkvvrrJQia stehn.^') Das Datum
der letzteren ist nach Photius a. a. 0. der 29., nach Plutarch Alkib. 34i*)
der 25. Wahrscheinlich sind sie also nicht immer zu derselben Zeit
gefeiert worden, und die Verlegung mag mit der Fixierung der Bendideen
auf den 19. — 20. zusammenhängen.^^) Es waren Sühn- oder Reinigungs-
feste, die man der Athena feierte, von andern vor allem dadurch unter-
schieden, dass die Reinigung zunächst nicht den Feiernden selbst, sondern
dem Tempel und dem Bilde der Göttin galt.**) KaklvvriJQia bedeutet
wohl das Ausfege-,**) nlvvziJQia das Waschfest. Während der Säuberung
war der Tempel durch Seile abgesperrt;*^) am 25., jedenfalls dem Uaupt-
festtage, wurden dem Götterbilde Kleider und Schmuck von den sogen.
Praxiergiden abgenommen,*^) und nachdem die nkvvTQiieg oder XovTQiieg^^)
>) Demosth. XXI 10 p. 517. Lys. XXI 1.
Antiph. VI 11. DiiTENBKBOKB Syll. 420 cf.
112, 34.
«) Aristot. Ath. Pol. 56. CIA U 553.
Lys. XXI 1. Reibch De mus. certam. 25 f.
«) Fiat. Rep. I p. 327 flF. mit Schol. Prokl.
zu Tim. 9 B, 27 A. Bebgk Rel. com. AU. 76 ff.
*) Strab. X 470 f. Hebmann G. A.* § 60
A. 22. MoxMBEN Heort. 425 f. Pbelleb-Ro-
BEBT Gr. M. I 327 f.
*) Herod. IV 33, V 7. Tbekdblbnbübq
Bendis, Progr. des Ajskan. Gymnas. Berlin
1898
•) Xen. Hell. II 4, 11.
') CIA I 210 Frgm. K.
") Dittenbbbobb Syll. 874.
•) Plat. Rep. Anf.
") RosoHEB Mythol. Lex. 8. 780. Weck-
lein Herm. VII 438. Rohde Psyche > II 105, 1.
**) u. KaXXvyr^Qia.
'") Schoemahn Gr. A.« II 472 und Pbteb-
SBN Feste der Pallas, Hamburg 1855, S. 11
stellen die Plrnteria voran. Dagegen Mokm-
SEK Heort. 429, Pbeünbb Hestia-Vesta 483.
Momiibbn 439 ist geneigt, Eallynterien wie
Bendideen fOr eine Vorbereitung oder Vor-
feier der Plynterien anzusehen. Ad. Sghiodt
a. a. 0. 299 nimmt zweitägige Bendideen
an; der erste Tag, .die sogenannten Eallyn-
terien **, sei auf den 19ten gefallen, ,die
eigentlichen Bendideen' auf den 20ten. Über
das Fest selbst vgl. auch Töpffeb AtL Ge-
neal. 133 ff. Böttichbb Tekt. IV 164 ff.
«•) Vgl. Diog. Laert. II 44.
>*) CIA IV 3 ZI. 8 f. und v. Pbott Fasti
gr. 8 f. ScHOEMANN u. B. sucheu beide An-
gaben in der Weise zu vereinigen, dass sie
das Doppelfest vom 19— 20ten dauern lassen.
Vgl. ausser Mommsen Heort. 427 ff. Pbellkr-
RoBEBT Gr. M. I 209 A. 3 u. Ad. Schjuivt
a. a. 0. 299 f. Letzterer hält eintägige
Plynterien ffir sicher und den Tag der Feier
für wandelbar.
*^) Vgl. die Bestimmungen Aber die Rei-
nigung des Heiligtums der Aphrodite Pan-
demos, die am Tage, wo die no^n^ zu Ehren
der Göttin stattfindet, vorgenommen werden
soll: Athen. Inschr. Bull, de corr. XIII 163.
CIA I 93.
>•) BöTTicHEB a. a. 0. 169. Monnscir
Heort. 428.
") Poll. VIII 141.
") Plut. Alkib. 34.
'') Phot. a. a. 0. Hesych. u. Xovr^des.
4. KnltiuiEeiten. (§ 126.)
215
und der xcnavintrjg alles gereinigt hatten, die Statue selbst verhüllt und
in Prozession zum Bade ans Meer geführt,^) am Abend aber unter Fackel-
schein >) in die Stadt zurückgebracht. Dieser Tag galt für unglücklich,
weil die Göttin nicht in der Stadt anwesend war, und kein öffentliches
Geschäft durfte dann vorgenommen werden.') In der Prozession wurden
Feigen umhergetragen, ^) angeblich weil sie die erste Nahrung des zur
Kultur übergehenden Volkes gewesen waren, ^) in Wirklichkeit, weil sie
bei Lustrationen sehr häufig angewandt wurden;^) Athena aber em-
pfing ein Scbaf als Sühnopfer. 7) Die Sage brachte die ganze Feier mit
Aglauros in Verbindung, die als erste Dienerin oder Priesterin der Göttin
für ihr Haus und ihren Schmuck zu sorgen gehabt habe, nach deren Tode
aber alles ein Jahr lang ungereinigt geblieben sei,^) und sicherlich wurde
bei der Feier auch ihrer gedacht.^)
126. Der letzte Monat, Skirophorion, hatte seinen Namen von dem
Fest der 2xiQog>6Qia^^^) das am 12. »i) der Athena gefeiert wurde.") Ein
anderer Name desselben Festes war Sxiga,^^) Beide sind abzuleiten von
axiQog, der weisse Kalksteinboden. ^^) Es war ein Weiberfest wie die Thes-
mophorien,^^) und wie an diesen, so war auch hier den Teilnehmern Keusch-
heit geboten. ^^) Eine Prozession begab sich unter Führung des Erechtheus-
priesters, der einen grossen Sonnenschirm {ax(Qöv) trug, nach Skiros, einem
zwischen Athen und Mensis gelegenen Ort, wo das erste Ackerfeld gewesen
sein sollte, ^^) und wahrscheinlich ein Tempel der Athena Skiras stand. ^^)
Man meint, dass der Sonnenschirm andeuten sollte, die Vegetation bedüife
in der heissen Jahreszeit des Schutzes gegen den Sonnenbrand.^^) Gewiss
ist, dass auch Sühnceremonien stattfanden. *o)
Eng zusammengehörig mit diesem Feste scheinen die ^EQQtj^oQia oder
UQQrjgfOQia^^) gewesen zu sein. Dass sie in den Skirophorion fielen, ist über-
liefert, ebenso dass sie der Athena galten,'^) über alles Übrige sind wir fast
nur auf Vermutung angewiesen; auch der Name ist unerklärt.*') Zwei
>) MoMHBBii Heort 430 ff.
«) f4era fptoxög CIA II 469 ZI. 10; 470,
11; 471, 11. 8. aber auch Dittsnbbbgsb
De epheb. Att. 63, der dies auf die Osoho-
pborien bezogen wissen will.
>) Plut. Alk. 34. Xen. Hell. I 4, 12.
Vgl. PoU. VIII 141.
*) Hesyoh. u. Phot. u. tjyijtfjgia. Etym.
M. 418, 49. Eustath. zur Od. ai 341 p. 1399,
30.
*) Athen. III 74 C.
•) RoHDB Psyche« II 406 f.
n CIA l 3.
') Phot. u. KaXXvyjTJQW,
•) Hesycfa. u. IJXvrtiJQia.
^0) HsBMAIVlf G. A.> § 61. SCHOBMAKK
Gr. A.B II 474 f. Mommsbn Heort. 440 ff.
Philol. L 108 ff. RoBBBT Herrn. XX 349 ff.
Vgl. RoHDB Herrn. XXI 116 ff.
'<) Schol. Arist. Ekkles. 18.
") RoBBBT a. a. 0. 876 erklärt es für
ein Demeterfest, an welchem auch dem von
den Athenern ermordeten elensinischen Heros
SkircJB ein Sflhnopfer gebracht worden sei
(S. 377 f.). Dagegen Rohdb a. a. 0. 117 ff.
Dass neben der Athena auch der Demeter ge-
dacht wurde, scheint sicher. Vgl. Schol. Arist.
Ekkles. 18. Töpffbb Att. Gen. 119 f.
*>) Robebt a. a. 0. 362 f.
^*) Robebt a. a. 0. 349 ff.
1') Schol. Arist. Thesm. 834. Steph.
Byz. u. axt^os. Robbbt 364. Vgl. Rohdb 116.
»•) Philochoros Frgm. 204. Phot. u.
rQonrjXLs,
^^) Plut. Goni. praec. 42. Lysimachides
bei Harpokr. u. cxiqov. Paus. I 36, 3. Ro-
bbbt a. a. 0. 361 f.
^•) Rohdb Herm. XXI 120 f.
^^) S. SCHOBHAKN B. B. 0. II 474, TöPFTBB
Att. Geneal. 120 u. a., aber auch Robebt 361.
'^) Snid. u. Jids xfpd'ioy.
") Lys. XXI 5. SoHOBMAÄwGr. A.« II 474.
MoHMSEN Heort. 443 ff. Pbelleb-Robebt Gr.
Myth. I 210 f. Töpffbb a. a. 0. 121.
>') Etym. M. 149, 13.
») PbellbbRobxbt Gr. M. I 211 A. 1.
216
Die grieobisohen ElütaBaltertamer.
Mädchen im Alter von 7 — 11 Jahren &us vornehmen Familien, die im
Dienst der Athena Polias auch bei andern Eultakten verwandt wurden,
spielten bei diesem Feste, von dem sie auch ihren Namen {dQQr)g>6Q0i) er-
halten hatten, die wichtigste Rolle. Die Priesterin der Athena übergab ihnen
Eisten mit geheimnisvollen Heiligtümern, die sie nachts in eine Grotte bei
dem Heiligtum der Aphrodite sv xr^noig trugen, von wo sie wieder andere
dnoQQYjra nach der Burg zurückbrachten.') Vielleicht hatte das Fest,
das in die heisseste Jahreszeit fiel, den Zweck, reichlichen Tau zur Er-
frischung der Pflanzen herabzuflehn.')
Am 14.*) wurden dem Zeus die Jmokia mit merkwürdigen Cere-
monien, die den Namen Buphonia führten, gefeiert.^) Auf einen Altar
des Zeus Polieus auf der Burg, dessen Priester dem Geschlecht der Thau-
loniden entnommen sein musste, legte man Opferkuchen, Weizen und Gerste.
Dann wurde der in die Nähe geführte Opferstier sich selbst überlassen,
und sobald er von den Eörnern frass, trat der sog. ßov^ovog^) heran und
erschlug ihn mit dem Beil, ergriff aber selbst sogleich die Flucht, das
Beil zurücklassend. Man verfolgte ihn zum Schein, holte ihn aber nicht
ein und begab sich in das Prytaneion, um dem Basileus die That zu
klagen. Dieser verurteilte, da der Thäter entkommen war, das Beil,
mit dem das Tier getötet worden war, und liess es über die Grenze
schaffen.') Damach fand das eigentliche Dipolienopfer statt, wo man, wie
bei andern Festopfern, viele Rinder schlachtete.*) Der Sinn der eigen-
tümlichen, schon im 5. Jahrhundert als sonderbar empfundenen Cere-
monie,*) ist wohl, dass es einer besondem Entschuldigung, einer fort-
gesetzten wenigstens scheinbaren Bestrafung dafür bedürfe, dass man in
einem Eult, der nach alter Überlieferung unblutige Opfer verlangte^®)
und einstmals sich auch wirklich darauf beschränkt hatte, nun doch Tiere
schlachtete. Der Priester, der es zuerst gethan hatte, war nach der Sage
dafür in die Verbannung gegangen, und die alljährlich wiederholte g>vYij
des Stiertöters bewahrte das Gedächtnis daran. ^0
Wahrscheinlich schlössen sich an dies Fest die auf den Steinen^*)
Aristoph. Lys. 641. Bbkkeb Anecd.
202 u. Harpokr. u. dQ^tpogsTy. Etym. M. 149,
20. Pbkller-Robebt Gr. M. I 210 A. 8.
«) Paus. I 27, 4. Vgl. Schol. Aristoph.
Ljsistr. 642.
') Istros im Schol. zu Aristoph. Lysistr.
642 iQffrjtpoQia' xß ydq "Eqcih nofAtiBvovin rp
KäxQonog &vyatQL Vgl. Lobeck Agl. 873
und CIA IIl 887.
^) Schol. Arist. Fax 419. Etym. M.
210, 30.
') Hebmabv 6. A.* § 62 A. 15 ff. Schob-
XAHir Gr. A.* II 505 f. Momusen Heort 449 ff.
Band De Diipoliis, Leipz. Diss., Halle 1873.
G. F. üngbb Philol. XXV 6. 0. Jahn Giove
Folieo, Leipz. 1865. Bbbnats Theophrast
121 ff. Töpffbb Att. Gen. 149 ff. Dabem-
bbbg-Saglio Dict. II 269 ff. MAinrHABDT
Myihol. Forschgg. 1 ff. Stengel Herm. XXVIII
489 ff. y. Pbott Rhein. Mus. 1897 S. 187 ff.
Stxnobl ebenda 391 ff.
•) Paus. 1 24, 4. Schol. Arist Nub. 984.
Suid. u. SavXfoy. Porphyr. De abstin. II 29,
Bbbnats Theophr. 88 f. Hesych. u. ßovtvnog,
ßovfpoyla, Bwxfjq, S. auch Maass Grött. Gel.
Anz. 1889 S. 828 f.
') Paus. I 24, 4; 28, 10.
B) Etym. M. 210, 31. Bbkkeb Anecd.
221 u. Bovfpovla. Vgl. Tbeu Progr. v. Ohlau
1880 S. 56.
«) Aristoph. Nah. 984.
^0) Stengel Herm. XXVIII 497. Rhein.
Mus. 1897 S. 408 ff.
'^) Ähnlichkeit mit der athenischen Ce-
remonie zeigt der in Lindos begegnende
Brauch (Conen narr. 11. ApoUod. II 118
Wagneb), dem Herakles unter Verwftnsch-
ungen Pflugstiere zu opfern. Möglich dass
hier auch ein blutiges Opfer alte anvQa er-
setzt hat.
") CIA II 162c, 466, 469, 741.
4. EnltiuiEeiteii. (§ 127.)
217
öfters erwähnten Opfer für Zeus Soter oder die Diisoterien an,0 von
denen im Jahre 334 das Hautgeld 1050 Drachmen betrug,«) wobei aber
der Erlös aus den Fellen der am Dipolienfeste geopferten Tiere mit ein-
gerechnet sein, ja wohl den grössten Teil geliefert haben wird. Hauptort
der Feier war der Peiraieus,*) wo Zeus Soter und Athena Soteii*a einen
Tempel hatten*) und mit Lectistemien geehrt wurden.*) In der Stadt
selbst aber brachten am letzten Tage des Jahres die Archonten demselben
Qotte ein anderes feierliches Opfer,«) dessen Ausführung in späterer Zeit
dem Priester übertragen worden zu sein scheint.^)
127. Ausser den genannten gab es in Athen noch mehrere andere
Feste, deren Datum sich nicht ermitteln lässt. Dazu gehören die Brau-
ron ien, die man alle vier Jahre der Artemis in Brauron feierte.®) Die
Mütter stellten der Göttin ihre jungen fünf- bis zehnjähi-igen Töchter vor,»)
die unter dem Namen aQxroi^^) wahrscheinlich fünf Jahre lang im Heilig-
tum der Göttin bestimmte Dienste zu verrichten hatten. Es war also ein
Frauenfest. 1*) Die Art der Feier, über die wir nur sehr unvollkommen
unterrichtet sind, zeigt in mehr als einer Beziehung Spuren von früher
einmal der Göttin dargebrachten Menschenopfern. Es werden ihr Ziegen
geschlachtet,^«) und einem Manne wird mit mit einem Schwert am Nacken
eine Wunde beigebracht, damit zur Versöhnung der Göttin Menschenblut
fliesse.^') Ebenfalls penteterisch feierte man, wenigstens seit dem Jahr
329/28, die Hephaistien.**) Im 5. Jahrhundert gestiftet,i^) muss die
grössere und kostspielige penteterische Feier entweder später, etwa aus
Mangel an Mitteln, eingestellt worden sein, bis man sie unter dem Ar-
chontat des Eephisophon erneuerte, oder die Hephaistien gehörten bis
329/28 überhaupt noch nicht zu den Penteterides.^«) Fackel wettlauf »0
') MoimsEN Heort. 452 f. FbIitkbl in
BöoKBS Staatsh.* II S. 110 Anm. Ad. Schmidt
a. a. 0. 300. Eöm^xB not. zu CIA 11 741
8. 103. Vgl. DiTTBHBBBGEB Sjll. S. 549
Anm. 15. Robbst in Pbbllbbs Gr. Myth.^
I 151 f. Anm. 3.
*) DiTTBNBBBOBB Svll. 374. BöoxH Staata-
h.» 11 108.
•) Vgl. 'J»ijyaioy IX 234.
*) Strab. IX 395. Pana. I 1, 3.
>) RAFGABi Ant. heU. 794.
•) Lys. XXVI 6 p. 790.
') CIA II 325 u. 326. Vgl. Robbet a. a.
0. y. Wilakowitz Antigonos y. Ka^stos
249 u. 345. EöHLBB Rhein. Mos. XXXIX
296 Anm. 1.
•) Aristot. Ath. Pol. 54. CIA II 729,
751 flF. Panß. 1 23, 9. He mann O. A.» § 62
A. 15, 18 fp. MoMMSEN Heort. 409 ff. Schob-
MANN Gr. A.* II 480 f. Pbbllbb-Robbbt Gr.
M. I 312 ff.
») Schol Ariatoph. Ljs. 645. Harpokr.
u. Said. u. aQxtsvaai,
^®) Lobbok Agl. 74 y. aQxsc^i. Lbbbs
Rhein. Mna. XXVI 638 yon aegmoi. Ge-
wöhnlich mit Bärinnen erklärt. Vgl. y. Wi-
lakowitz Herrn. XVIII 259 A. 1. Sam Widb
Athen. Mitt. XIX 281 f.
»») Vgl. Herod. VI 138 u. IV 145.
^') Hesjch. u. BQqvQtavLois, Varro De
re ruat. 1 2, 19. Vgl. PoU. VUl 107.
««) Eur. Iph. Taur. 1458 ff. Zar Loka-
lität ygl. y. WiLAMOwiTz Herm. XVIII 254.
— Back De Graeconim caerimoniis, in qui-
hus homines deorum yice fdngebantur, Berl.
Dias. 1883 S. 28 yermutet, dass die aQxtoi
als Bären ausstaffiert worden seien, and die
Priesterin im Kostüm der Jägerin Artemis
sie yerfolgt habe.
»*) Arist Ath. Pol. 54. Keil Herm. XXX
473 ff.
»*) CIA IV 2, 35b mit Kibohhopfs Bem.
R. ScHOBLL Ber. d. Münch. Akad. d. Wiss.
1887 S. 1 ff. Ad. Wilhelm Anz. d. Wien.
Akad. 1897 Nr. XXVI 2 f. hat das Datum
421/20 nachgewiesen. Reisoh Wien. Arch.
Jahrb. I 64 ff. Vgl. Beiblatt S. 43.
10) Dann wäre also das CIA II 35b ZI.
23 erhaltene hfey]TetijQidt mit Kirchhoff auf
die grossen Panathenaien zu beziehn. Da-
gegen y. WiLAMOwiTz Arist. n. Athen. I 229.
") Harpokr. u. Xa/Anäg, Herod. VIII 98.
218
Die grieohisohen Knltusaltertttmer.
und musische Aufführungen^) zeichneten das Fest aus. Nicht minder
grossartig muss der Fackelwettlauf an den Prometheia gewesen sein.')
Von Demeterfesten sind noch die Proerosien*) und Epikleidien^)
zu erwähnen. Die ersteren bestanden in einem Opfer, das einst auf An-
ordnung des Orakels gestiftet sein sollte, als ganz Griechenland von Miss-
wachs heimgesucht worden war.^) Thatsache ist, dass man es alljähr-
lich im Namen aller Hellenen in Eleusis darbrachte, nachdem die Pythia
sie alle die Erstlinge des Getreides dorthin hatte senden heissen.^) In
späterer Zeit beteiligten sich namentlich die Epheben an der Feier. ^) Die
Epikleidia können wohl als Speicherfest, bezeichnet werden, gefeiert zum
Dank für die Bergung der Getreidevorräte. 8) Erwähnt werden mögen
ferner die Adonia,^) die im Hochsommer*®) vorzüglich von Frauen, auch
Hetären, gefeiert wurden, die sich dabei unter anderm durch Aufgeben
obscöner Rätsel belustigten; die Hermaia,**) welche dem Hermes galten,
die Herakleia, die dem Herakles zu Ehren in Marathon penteterisch
mit Agonen gefeiert wurden,*') und das Fest der Eumeniden oder
Semnen, bei dem das Geschlecht der Hesychiden eine hervorragende Rolle
spielte.*^)
Auf eine eingehendere Behandlung der Festcyklen der andern grie-
chischen Staaten müssen wir verzichten, schon weil unsere Quellen dafür
zu spärlich und dürftig sind, und von der blossen Nennung von Namen,
wie sie die Steine immer reichlicher liefern, absehend uns damit be-
gnügen, die wichtigsten und bekanntesten Feste zu erwähnen und kurz
zu besprechen.
ß. Feste anderer Staaten.
128. Zu den ältesten und angesehensten Festen der Peloponnes-
gehörten die in Amyklai gefeierten Hyakinthien.") Das Fest galt dem
Apollon und hatte seinen Namen von Hyakinthos, der, nach der gewöhn-
lichen Version 1^) ein Sohn des Amyklas und Liebling ApoUons, von diesem
durch einen unglücklichen Diskoswurf getötet worden war. Es fiel in
>) CIA II 553.
«) Arist. Ath. Pol. 57. Lys. XXI 3.
Harpokr. u. Xa/Andg.
') MoMiiBEN Heort. 75 ff., 218 ff. Sohoe-
M AKN a. a. 0. II 486. Hbbm ann a. a. 0. § 56
A. 28. Ober das Datum Ephem. arch. 1895
S. 99.
«) Hekm ANN a. a. 0. § 62 A. 5. Schoe-
XANN a. a. 0. II 486. Band Programm der
Margaretenschule, Berlin 1887 I. Teil, der sie
Dach CIA III 77 auf den 15. Metageitnion an-
setzen zu wollen scheint. Rubensohn Die
Mysterienheiligtümer 119 f.
^) Schol. Aristopfa. Equ. 729. Suid. u.
nQOfjQoaia. Vgl. Isokr. Panath. [VII] 31.
•) DiTTBNBBBGBB Syll. 13. Isokr. IV 31.
Pbelleb-Robebt Griech. Myth. I 773 A. 3.
') CIA II 467 ZI. 28, 471 ZI. 9 f. etc.
') Hesych. u. 'En^Xeldia, Pbellbb De-
meter u. Pers. 325 f.
•) Aristoph. Pax420; Lys. 390. Diphilos
Frgm. 39, 48 Kock II 554, 557. Plut. Alk.
18; Nik. 13. Dittbnbbbobb Syll. 427, 9. Hbb-
MANN a. a. 0. § 62 A. 34. E. Cubtius Griech.
Gesch.«^ II 872. Pbblleb-Robbbt Gr. M. I
362 u. 379. Dabbmbbbo et Saolio Dict u.
Adonis I 72 f.
»«) Thuk. VI 30. Plat. Leg. V 738 C,
Phaidr. 276 B.
>0 Aischin. I § 10. Schol. Plat. Lysia
206 D. Vgl. DiTTBNBEBeBB SylL 121. Sohob-
MANN Gr. A.' II 527. Pbblleb-Robbbt Gr. M.
I 416 f.
") Aristot. Ath. Pol 54. Pind. Ol. IX
134. Schol. Pind. Ol. IX 89 u. 134. Schol.
rec. Ol. XIII 148. Harpokr. u. yQdxXBUji.
PoU. VIII 107.
") Vgl. TöPFFBB Att. Gen. 170 ff.
'*) Thuk. V 23. Hebmann G. A.« § 53
A. 36 f. SoHOEMANN Gr. A.« II 457 f. Pbbl-
leb-Robbbt Gr. M. I 248 f. ünobb Philol.
XXXVII 13 ff. RoHDB Psyche« I 137 ff.
»*) Vgl. Pbbllbb-Robbrt Gr. M. I 248
A. 2.
4. KnltoBBaiten. (§ 128.)
219
den Monat Hekatombeus,*) der dem attischen Skirophorion,*) oder Thar-
gelion') entsprach. Die drei Tage des Festes, dem sich vielleicht die
Hekatombaien^) anschlössen,^) von denen der Monat wohl seinen Namen
erhalten, hatten wie andere Apollonfeste traurigen und heitern Charakter
zugleich. Man beklagte den Tod und feierte die Auferstehung des gott-
geliebten Knaben. <) Weder das Singen des Paians, noch der Schmuck
der E[ränze, noch irgend welche Ausgelassenheit war am ersten Festtage
gestattet;^) der zweite war gerade durch musische Chöre ausgezeichnet,
denen sich Spiele und reiche Opfer anschlössen. Sparta war an diesem
Tage verödet, weil' alles nach Amyklai strömte, auch die Sklaven nahmen
teil,®) und von den Amyklaiern selbst durfte keiner fehlen.») Wahr-
scheinlich wurde an diesem Tage auch das uralte Bild des Gottes ^^) mit
einem neuen Chiton bekleidet, den spartanische Frauen alljährlich webten ;^i)
auch eine nächtliche Feier scheint stattgefunden zu haben.**) — Wohl
noch wichtiger und bedeutender war das Fest der Earneien,*^) das eben-
falls dem ApoUon {Kagveiog) zu Ehren im Hochsommer begangen wurde.
Es war wohl ein Sühnfest,") das aber während der vieltägigen Dauer
allerlei sonst nicht gerade bei Sühnfesten übliche Ceremonien und Fest-
gebräuche mit sich brachte und jedenfalls nur noch zum Teil in seiner
eigentlichen Bedeutung empfunden wurde. Über die Feier in Sparta sind
wir etwas genauer untemchtet;^^) mehr oder weniger ähnlich ist das Fest
aber auch in der übrigen Peloponnes und an andern Orten gefeiert wor-
den. *<) Es begann höchst wahrscheinlich an dem dem Apollon heiligen
siebenten Tage des Monats Kameios*^) und dauerte bis zum 15.*®) Vor
diesem Tage, also dem Vollmond, pflegten die Spartaner selbst in drin-
genden Fällen nicht ins Feld zu ziehn.*») Der ursprüngliche Charakter
des alten Festes ist, in Sparta wenigstens, früh verändert worden. Wie
aus dem Beinamen des Gottes zu schliessen ist,**^) galt ihm die Feier ur-
sprünglich als dem Beschützer der Herden, bald aber trat die kriegerische
Seite des Gottes, der einst dem einwandernden Stamm der Derer voran-
gezogen sein sollte,**) in den Vordergrund. Doch scheint die Art der
Hesych. u. d. W.
") Lattscbew Dor. u. äol. Kai. 133.
BisGHOFF Leipz. Stud. VII 369 ff. Büsolt
Jahrb. f. Phil. 1887 S. 36 u. 50. Nibsbn
Rhein. Mus. XLIl 46 ff.: Hekatombaion.
•) ÜHoisB a. a. 0. u. Jahrb. f. Phü. 1888
S. 529 ff. MoHKSEN in Bursianb Jahresber.
1892 Bd. 73 S. 17 f.
*) Strab. VIII 362.
») ÜNOERPhilol. XXXVII 32. Vgl.Herod.
IX 3; 11.
') Vgl. ScHOBMAMN n. Prellbb-Robebt
a. a. 0.
') Didymos nach Folykrates bei Athen.
IV 139 D. Vgl. Paus. III 19,3.
>) Athen, a. a. 0.
•) Xen. Hell. IV 5, 11; Ages. II 17.
>•) Paus. III 19, 1 f. Vgl. Thuk. V 23 f.
Polyb. V 19.
»») Paus, m 16, 2.
") Eur. Hei. 1470.
^s) Hermann G. A.* § 53 A. 30 ff. Schob-
MANN Gr. A.' II 458 ff. Pbblleb-Robbbt Gr.
M. I 250 f. Weiskb Jahrb. f. Phil. 1892
S. 593 f. Sah Wide Lakon. Kulte 85 ff. Ed.
Mbteb Gesch. d. Altt. II 267 f.
") Vgl. Paus. lU 13, 3. DiELS Sib. Bl.
41 A. 3.
'^) Demetr. v. Skepsis bei Athen. IV
141 E f. Beubb Anecd. I 303.
'^) Vgl. Pbbllbr-Robbrt a. a. 0.
^') Fflr Eyrene bezeugt durch Plut.
Quaest. symp. VIII I, 2.
>•) Vgl. Eur. Alk. 445.
") Herod. VI 106, Vü 206.
") Prbller-Robbbt Gr. M. I 251 A. 2.
>0 Theopomp, im Schol. Theokr. V 83
und mehr bei Pbeller-Robert a. a. 0. I 251
A. 1 u. 2. S. auch Lübbebt Diatriba in Pind.
loc. de Aegidis et sacris Gameis, Bonn 1888
u. Ind. lect. aest. Bonn 1888.
220
Die grieohisohen Ealtusaltertttmar.
Feier viele Eigentümlichkeiten des alten ländlichen Festes bewahrt zu
haben, wenn ihnen auch eine andere Bedeutung untergelegt wurde. Man
errichtete im Freien Lauben {(fxiäSeg), in denen eine bestimmte Anzahl
der Festteilnehmer wie im Feld biwakierte und alles auf das Kommando
eines Herolds verrichtete, i) Vielleicht hat auch bei den musischen Agonen,
die bei dem ApoUonfest nicht fehlten,*) kriegerische Musik die Flöte der
Hirten abgelöst. Auch von einem Wettlauf wird berichtet, bei dem es
für ein gutes Zeichen galt, wenn der Vorläufer von einem der ihm Fol-
genden {(rTa(pvkoiQ6fioiy) eingeholt wurde. Mehrfach erwähnt wird ferner
das Fest der öymnopaidien,^) an dem besonders die Jugend, die dereinst
die Kriege führen sollte, ihre Kraft und Gewandtheit zu zeigen hatte,
und ruhmvoll bestandene Kämpfe in Liedern gepriesen wurden. Neben
Apollon scheint in Sparta namentlich die kriegerische Artemis Verehrung
genossen zu haben, ^) doch feierte man auch U&dvaia.^)
129. In Argos, wo Hera als Hauptgöttin verehrt wurde,^) waren
das wichtigste Fest die Heraia oder Hekatombaia,^) die mit grossen Opfern
und Agonen begangen wurden.^) Wie angesehn sie waren, mag man
daraus schliessen, dass Demetrios Poliorketes die Leitung persönlich über-
nahm*®) und Philipp von Makedonien als Agonothet fungierte, i*) Der
Aphrodite feierten die Argeier die Hysteria,**) an denen man ihr Schweine
zum Opfer brachte, die sie sonst verschmähte. *b) — In Hermione gab
es ein Demeterfest, Ghthoneia genannt, an welchem die ööttin reiche
Opfer empfing.^^) — In Thespiai feierte man dem Eros die Erotideia mit
gymnischen und allen Arten hippischer Spiele*^) und den Musen ein Fest
mit mannigfaltigen musischen Agonen.*®) — In Theben blühte der Kultus
des Herakles, und man feierte ihm dort die Herakleia oder lolaeia,^')
deren Ruhm Agonisten aus fernen Ländern herbeizog. ^^) Dem Apollon
{'Icfiijviog) zu Ehren beging man alle acht Jahre das Fest der Daphne-
phorien,**) wobei der Prozession ein mit Lorbeer und Blumen umwundener
und mit Bändern verzierter Olivenstab {xwnci) vorangetragen wurde. —
Alle sechzig Jahre feierte man in ganz Boiotien die grossen Daidala,*^)
') Athen. IV 141 E f.
>) Hellanikos bei Athen. XIV 635 E.
•) Hesych. u. ayfjtijg und Kagyedrai.
*) Hebxanv G. A.< 53 A. 39 ff. Schob-
mann Gr. A.» II 460.
*) Über das Fest der Artemis ^Q^ia
und die Geisselungen der Knaben an ihrem
Altar vgl. S. 117. Pbbller-Robebt Gr. M.
I 308 A. 3. Prbgbb Athen. Mitt. XXII 338 flf.;
über die Opfer für die 'JyqoxiQa S. 118.
•) IGA'79. Paus. III 17, 2.
') Vgl. Pbbllbb-Robbrt Gr. M. 1 160 f.
•) Schol. Pind. Ol. VII 88. Palaiphat.
51. Hbbhann G. A.^ § 52 A. 1 f. Schoe-
MANN Gr. A.* II 515. Pbellvb-Robbrt Gr. M.
I 168. ÜNOEB Sitzgsber. der Münch. Akad.
1879 S. 192.
») Pind. Nem. X 22. Dittbnbbbgbb Syll.
898, 6.
»«) Plat. Demetr. 25.
'0 Liv. XXVII 30.
>*) Ubbiiakn G. A.* § 52 A. 7. Pbbllbb-
Robebt Gr. M. I 381 A. 2.
») Eallimachos bei Athen. III 96 A.
Eustath. zu IL ^ 417 p. 853.
*^) Aelian. Hist. anim. XI 4. Dittbnbeb-
GEB Syll. 389.
»») Bull, de corr. XIX 370.
>«) Ebenda S. 315 ff.
") CIA III 129. IGSept I 1857. SchoL
Pind. Ol. VII 153. Hebmann G. A.« § 63
A. 12.
18) Inschr. aus Kilikien Denkschr. der
Wien. Akad. d. Wiss. 1896 nr. 17 S. 8:
ytTtrjüavta td 'HQtixXsia rd iv S^ßMg jtiXrjn
«») Prokl. in Phot. Bibl. p. 321 Bekk.
Schobmann Gr. A.* II 463 f. Hbbmann Gr.
A.> § 63 A. 28. Pbelleb-Robbrt Gr. M. I
288 A. 1.
") Paus. IX 8, 4.
4. KultiuiEaiteii. (§ 129.)
221
alle sieben in Plataiai die kleinen zur Erinnerung an die Wiederver-
söhnung und Vereinigung des Zeus und der Hera.^) Das Fest hatte
seinen Namen von dem Schnitzbild der Göttin, das man in bräutlichem
Schmuck auf dem Hochzeitswagen einherfuhr. In derselben Stadt, bei
der die letzte glorreiche Schlacht gegen die Perser auf altgriechischem
Boden geschlagen war, feierte man zur Erinnerung daran dem Zeus alle
vier Jahre die Eleutheria*) mit Agonen.') — In Orchomenos genossen
die Chariten besondere Verehrung,^) und man feierte ihnen die Charitesien
mit musischen Agonen.^) — In Akraiphia in Boiotien gab es ein pent-
eterisches Fest mit Agonen zu Ehren des ApoUon Ptoios,^) zu dem die
Nachbarstädte Theorien sandten.^) Ein Agonothet leitete auch die Opfer
und die Bewirtung des Volkes. — Ein bedeutendes Fest müssen die fie-
yaXa UfA(pidQata in Oropos gewesen sein.®) Im Jahr 332/31 beschlossen
die Athener, denen Philipp 338 Oropos zurückerstattet hatte, die Ujwyta-
Qaia penteterisch zu feiern.^) Die erste Feier, deren Leitung einer be-
sonders gewählten Kommission von zehn der angesehensten Athener über-
tragen wurde, fand 329/28 statt. ^<>) In der Folgezeit in seiner Bedeutung
gesunken, erhielt das Fest neuen Aufschwung durch Sulla, der dem Heilig-
tum alle Einkünfte von Oropos zuwies, i^) Die vorherige Verkttndung einer
Ekecheirie zeigt, dass es panhellenisch sein sollte. Es fanden Wettkämpfe
von Männern und Knaben, hippische und musische Agone statt. ^^) — In
Tanagra hatte Hermes ein Fest, au dem der schönste Jüngling ein
Lamm auf seinen Schultern um die Stadtmauer tragen musste zur Er-
innerung daran, dass einst der Gott selbst auf diese Weise die Stadt
gereinigt und von einer Seuche befreit habe.*') — Die Aigineten feierten
der Hera gleich den Argeiem die Heraia,**) und- dem ApoUon die Del-
phinien.15) — Korinth zeichnete sich durch seine Aphroditefeste aus,*«)
Epidauros durch seinen Asklepioskultus, und die zu Ehren des Gottes
gefeierten Asklepieia waren namentlich durch die damit verbundenen, alle
vier Jahre veranstalteten gymnischen und hippischen Spiele berühmt,*')
die Kämpfer aus weiter Ferne herbeilockten.*^) Die Kampfrichter nannten
sich gleich den olympischen mit dem stolzen Namen Hellanodiken.*») —
») Plut. bei Euseb. Praep. ev. III p.
83 ff. = Plut. VII 46 f. Bbbhad. Paus. IX 2, 7 ;
3, 1 ff. fiBBKANN G. A.« § 63 A. 22 ff. Schob-
MANN Gr. A.» II 516 f.
•) IGSept. I 4», 1711. Paus. IX 2, 4.
Strab. IX 632. Plut. Arist. 19, 21. Hbbmann
G. A.« § 63 A. 9. Vgl. Pbbller-Robbbt Gr.
M. I 151.
») DiTTBNBBBOBB SjU. 398, 11. IGSept.
I 1856.
*) Find. Ol. XIV, Paus. IX 35.
*) CIG 1583, 1584.
«) IGSept. I 4135 ff. Vgl. 2712.
') IGSept I 4149 add. 4139.
•) IGSept. I 1414.
») IGSept. I 4253. Ad. Wilhblm Ber.
der Wien. Akad. d. Wiss. 1895 IX 39 ff.
'0) IGSept. I 4254.
") IGSept I 413, 419, 420.
'») IGSept I 412 f., 414, 417.
") Paus. IX 22, 2.
>*) Scbol. Find. Pyth. VIII 113.
") Scbol. Find. Fyth, VIII 88 und mebr
bei Fbbllbb-Robbbt Gr. M. I 258 A. 2.
'•) Alexis bei Athen. XIII 33 p. 574.
Eine Zusammenstellung von Apbroditefesten
anderer Staaten bei Hunzikbb in Dabbhbbrg
et Saglio Dict. u. Apbrodisia S. 307 f. Faüly-
WissowA I 2725 f. Vgl. Flut Thes. 21. Bull,
de corr. 1890 S. 494. Fbbllbb-Robbbt Gr.
Myth. I 348 A. 3. Robbbt Arch. Jahrb. V
225 Anm. Mommsbn Heort. 343.
*') Kavy ADIAS Fouilles d'Epidaure, Athen
1893, nr. 240. Find. Nem. III 84; V 82;
Isthm. VIII (VII) 18. Scbol. Find. Nem. III
145. Dittbnbebgbb Syll. 398, 4. Vgl. Athen.
Mitt. II 244 f.
») IGSic. et It 1102 Rom; CIG 3208
Smyma.
'•) Kavvadias a. a. 0. 273.
222
Dia grieohisohen Knltiisaltertamer.
Einen reichen Pestcyklus besass Delphoi, die Stadt des Apollon.*) Die
Theophanien feierten die Wiederkehr des Gottes, der den Winter bei den
Hyperboreern zugebracht hatte;*) die Theoxenien») waren gleichsam das
Festmahl, bei dem alle Götter und auch bevorzugte Sterbliche den Gott
begrüssten; die Soterien,*) nach 279 zum Andenken an die Vernichtung
der Gallier gestiftet, priesen ApoUon als Retter aus Gefahren und wurden
später alljährlich mit Agonen gefeiert;^) das enneaterisch begangene
Septerion«) galt der Erinnerung an die Erlegung des Drachen und die
Reinigung des Gottes, und das glänzendste Fest, die Pythien, vereinigte
alle vier Jahre ganz Hellas an der geweihten Stätte. — Fast ebenso be-
rühmt war Dolos, die Geburtsstätte des Gottes, durch seine ApoUonfeste.
Alljährlich feierte man im Monat Hieros,') der dem attischen Anthesterion
entsprach, die Apollonia^) mit hippischen und gymnischen Spielen der
Männer, Jünglinge und Knaben, und Chören, die im Theater auftraten,^)
alle vier Jahre aber statt ihrer eines der glänzendsten Feste von ganz
Griechenland, die Delien,io) wozu namentlich die Athener eine Theorie,
grosse Opfer und einen Chor stodten;^0 ^^^^ ^^^ musikalischen AufEfih-
rungen stellten hier die anderen Spiele**) in Schatten.*«) Wie sehr die
Athener das so glänzend erst von ihnen im Jahr 426/25 eingerichtete Fest^^)
als ein nationales ansahen, mögen wir daraus entnehmen, dass Aristoteles'^)
es zu den athenischen Penteterides rechnet. In Dolos bestand daneben die
wohl sehr alte heptaerische Feier weiter. ^^) Am 6. Thargelion feierte man
auch den Geburtstag der Artemis. ^^) — In Arkadien, wo namentlich der
Zeuskult blühte, ^^) ist besonders merkwürdig das Lykaienfest. ^^) Es scheint
an ihm der grausame Brauch der Menschenopfer sich am längsten erhalten
zu haben, 1*) doch wird auch von Wettspielen berichtet, deren Preise in
Wertgegenständen bestanden.*®) — Patrai beging ein grosses Artemis-
') Hbbxann G. A.* § 64 A. 1 ff. Schoe-
XANN Gr. A.< II 460 ff. Pbblleb- Robert Gr.
M. I 265 ff. und am ausführlichsten A. Moxm-
SBN Delphi ca, Leipzig 1878.
a) Herod. I 51.
•) Flut. De ser. num. vind. 13 p. 557 P.
MoMHBEN Delph. 300 ff. Demeken De theo-
zeniis 8. Preller-Robbrt Gr. M. I 265 A. 4.
*) MoMXSEN Delph. 215 ff.
») DiTTBNBEBGEB Syll. 404, 149, 150.
.Vgl. die karische Inschr. Bull, de corr. V
193. Reisch De mus. certam. 88 f. Lüdebs
Die dioDVS. Künstler 187 f.
•) Plut. Quaest. gr. 12 p. 293 ß. De def.
or. 14 p. 418A f. Schobmamn Gr. A.' II 461 f.
Pbelleb-Robbbt Gr. M. I 287 f.
') Bull, de corr. XIV 493 f.
») Bull, de corr. VI 146 ff., VII 105 ff.
Robebt Herrn. XXI 161 ff. und in Pbellebs
Gr. M.* I 246.
>) Ephem. arch. 1894 S. 144.
") Thuk. III 104. V. ScHÖFPEB De Deli
ins. reh. 37 ff. Robebt Arch. Jahrb. V 225.
Pbblleb-Robebt Griech. Myth. I 246. A.
MoKxsEN Burs. Jahresber. 1886, 3 S. 338
will beide Feste in der Art zusammenwerfen.
dass der erste Tag der zweitägigen Feier
Delia, der andere Anollonia geheissen habe.
— Robebts Abhandlung Herrn, a. a. O. er-
ledigt auch die für andere Fragen der Heor-
tologie wichtigen Bedenken (vgl. 8. 212 o.),
die man hinsichtlich des Datums der Hin-
richtung Phokions hatte (vgl. Moxmsbe Heort.
402 A. 3. Ad. Schkidt Gr. Ghronol. 292 f.).
Am 19ten Munichion war die Theorie be-
reits zurückgekehrt.
»») Aristot. Ath. Pol. 54, 57.
") Thuk. III 104. Dittehbeboeb Syll.
121, 16. Bull, de corr. VI 146 f., XV 250:
»») Bull, de corr. VII 102. Plut. Nik. 3.
Luk. De Salt. 16. Athen. X 424 F.
»*) Thuk. a. a. 0.
«) Aristot. Athen. Pol. 54.
") Diog. Laert. II 44.
") Pbbllbb-Robebt Gr. M. I 126 ff.
") Hebmahn G. A.* § 15 A. 18. Schob-
HANN Gr. A.' II 507. Mehr bei Gbuppe Hdb.
V 2 194.
'«•) Theophr. bei Porph. De abst. II 27.
Vgl. S. 116.
•«) Schol. Pind. Ol. VII 153. Vgl. Xen.
Anab. I 2, 10.
4. KiütuBEeiten. (§ 129.)
223
fest, wobei alle möglichen Opfertiere lebendig in die Flammen geworfen
wurden,*) und ein anderes, an welchem ein altes Holzbild der Göttin
aus einem andern Tempel nach dem Heiligtum in der Stadt getragen
wurde.*) — In Tegea wurden der Athena Alea die Aleaia mit Kampf-
spielen gefeiert,«) in Pellene der Demeter Mysia ein siebentägiges Fest,
zum Teil mit Ausschluss der Männer,^) und ein anderes dem Dionysos
Lampter.*) — Von den Inseln zeichnete sich Samos durch seinen Hera-
dienst aus. Man feierte ihr hier wie in Ai'gos und an andern Orten®)
Heraia;^) femer die Toneia, wobei man ein Bild der Göttin im Gebüsch
versteckte, an ihr zürnendes Entweichen vor Zeus erinnernd.®) — Rhodos
war namentlich der Kult des Helios eigentümlich.^) Alle vier Jahre *^)
feierte man ihm hier die ^AXisia mit Prozession, Opfer**) und musischen,
gymnischen**) und hippischen**) Agonen. Dem Dionysos zu Ehren wurde
von Staatswegen in Rhodos das Fest der Jiovvtfia veranstaltet, an wel-
chem Wettkämpfe von Chören und Schauspielen stattfanden,**) und die
Lindier feierten demselben Gotte die 2ixiv&ia,^^) — In Knidos wurde
Aphrodite am meisten verehrt,*«) in Kos Asklepios,*^) doch hatte hier
auch Demeter ein grösseres Fest {&aXvata\^^) und in jedem zweiten Jahr
feierte man Kameen.*») — Kreta war durch seinen Zeusdienst be-
rühmt.*<>) In der idäischen Höhle sollte der Gott geboren sein,**) dort
sollten die Kureten seine Jugend beschützt haben,**) dort seine Hochzeit
stattgefunden haben, zu deren Gedächtnis in Knossos alljährlich ein Fest
gefeiert wurde,**) dort endlich zeigte man auch sein Grab.**) Die Gottes-
dienste werden auch als Mysterien bezeichnet**) und erinnern durch die
Auffassung des Gottes als Verstorbenen und Wiedererstandenen**) an den
auch in andern Mysterien verehrten Zagreus,*^ doch wurde von der Feier
niemand ausgeschlossen.**) — In Sicilien wiedemm, wo sich die Sage
vom Raube der Persephone durch Hades lokalisiert hatte, finden wir dem
entsprechend den Demeter- und Koredienst besonders verbreitet.**) Dieser
>) Paus. VII 18, 7.
») Paus. VII 20, 4.
») Paus. VIII 47, 3. BuD. de corr. XIII
281 ff. Athen. Mitt. VIII 274 ff. Lebas-Foü-
CART II 341b. CIG 1515. Altert, v. Pergam.
VIII 1 nr. 156.
*) Paus. VII 27, 4.
*) Paus. VII 27, 2.
•) Bull, de corr. XV 186 ff.
') Athen. XII 525 E.
•») Athen. XV 672 A.
*) DiTTBNBERQBR De sacHs Rhod. Ind.
lect. Halle, Sommer 1886 S. V ff.
>«) CIGIns. I 58, 72. 75.
") Xen. Ephes. V 11, 2.
^«) Istros im Schol. Pind. Ol. VII 146.
Arch. epigr. Mitt. aus Österreich VU 1883
S 110 n. 2. Rev. arch^ol. n. s. XIII 1866
S. 163 n. 12 u. 13. Athen. Mitt. XVI 172.
>») Rev. archöol. n. s. XIII S. 185 n. 10.
CIGIns. I 58. Bull, de corr. XIV 277 B ZI. 2.
») Diod. XIX 45. CIGIns. I 57, 71.
^^) DiTTBNBSROER R. a. 0. X ff. Vgl.
ScHUM ACHBR Rhein. Mus. XLI 233 ff.
>•) Paus. I 1, 3.
*') Preller-Robbrt Griech. Myth. I 522.
Hermann G. A.« § 67 A. 20.
"J Theokr. Id. VII 135 ff. Prbllbr-Ro-
BERT Griech. Myth. I 768. Hermann G. A.>
§ 67 A. 21.
»•) Joum. of Hell. Stud. IX 328 ZI. 10 ff.
") Prellbr-Robert Gr. Myth. I 132 ff.
ScHOKMANN Gr. A.> II 508 f. Hermann G. A.*
§ 67 A. 24 ff.
") Kallim. in lov. 4. Apollodor I 1, 6.
Diod. V 70.
") Strab. X 472. Eur. Bakch. 120.
") Diod. V 72.
") Luk. De sacrif. 10.
") Eur. Frgm. 475. Schol. Plat. Leg.
p. 446. LoBBCK Agl. 1121 ff.
«•) Vgl. Eur. Frgm. 904. Preller-Ro-
bbrt Gr. M. I 135.
*») PrbllerRobbrt Gr. Myth. I 686.
") Diod. V 77.
»•) Preller-Robbrt Gr. Myth. I 785.
Ubrmann G. A.> § 68 A. 17 ff.
224
Die griechiBohen Kiiltiulaltertllmer.
galten vorzugsweise die Theogamia^) und Anakalypteria,^) jener die
Thesmophoria.') Daneben scheint auf der Insel der Herakleskultus be-
sonders entwickelt gewesen zu sein>) — Schliesslich mag noch erwähnt
werden, dass unter den zahlreichen der Artemis gefeierten Festen^) die
ephesischen besonders glänzend waren.*)
Neben den Göttern hatten tiberall die Heroen ihre Feste.') So
feierten die Athener den Helden von Salamis durch die Aianteia,^) bei
denen ausser Opfer, Festzug und den üblichen Agonen auch ein Fackel-
wettlauf und eine Ruderregatta stattfand. Neben ihnen kamen später zu
Ehren eines heroisierten Phrurarchen die Diogeneia auf.») Bei beiden
Festen beteiligten sich vorzüglich die Epheben. Die Aigineten feierten
die Aiakeia,^®) die Megarenser die Diokleia^O ^^^ ^^^ Einwohner von
Lebadeia die Trophoneia. ^') Namentlich ausgebildet war der Kult des Pe-
lops und der Hippodameia in Elis,^^) ausser denen auch noch Sosipolis
besonderer Ehren genoss.**)
Dazu kam, dass innerhalb der einzelnen Staaten sich oft Demen zu
einer Kultgenossenschaft zusammenthaten oder die aus alter Zeit her-
rührende zäh bewahrten und ihre eigenen Feste feierten. Das auf-
fallendste Beispiel davon giebt uns die kürzlich aufgefundene Fest- und
Opferordnung der attischen Tetrapolis,**) die in dieser Beziehung eine
Selbständigkeit und Unabhängigkeit von der Hauptstadt zeigt, wie sie in
der That wunder nehmen muss; scheint sie doch selbst ihre eigene Theorie
zur Feier der Delien nach Dolos gesandt zu haben.**)
Dass diese Zusammenstellung nur eine kleine Auslese ist, braucht
nicht erst gesagt zu werden; die Steine liefern fortwährend Namen neuer
Feste aus allen Orten Griechenlands, bisweilen ganze Reihen,*^ und immer
dringender wird das Bedürfnis nach einer das zerstreute Material zusam-
menfassenden Heortologie.
') PoU. I 37.
«) Schol. Find. Ol. VI 160.
») Athen. XIV 647 A. Hbbmanm G. A.«
§ 68 A. 24.
*) Thuk. VII 73. Diod. IV 24.
*) Vgl. Dabembebq et Saglio Dict. u.
Artemisia I 441. Fault- Wisbowa II 1442.
•) Dion. Hai. IV 25. Xen. Ephes. I 2.
') Vgl. RoHDE Psyche« II 352 ff.
«) CIA II 467-471. Hesych. u. d. W.
Hebmann 6. A.* § 62 A. 46.
») Dittenbebgeb Syll. 347. Vgl. S. 125.
»«) Find. Ol. VII 156. Nem. V 78 mit
Schol.
'') Theokr. Id. XII 27 ff. mit Schol. zu
29. Schol. Aristoph. Ach. 774. Schol. Find.
Ol. Xin 155. BoECKH Explic. Ol. VII 86
S. 176.
»«) CIA III 129.
") FauB. V 22, 2; VI 20, 4; V 18, 2.
'^) Faus. VI 20, 2; 25,4.
**) V. Fbott Leg. sacr. 46 ff.
") V. ScHÖFFBB De Doli ins. reb. S. 11 f.
A. 32.
>') S. z. B. Bull, de corr. V 281 f. IG
Sept. I 49. IG Sic. et It. 789.
Alphabetisches Register.
i^
Abai, Orakel zu 68.
äßaroy 19. 26.
Ackerstier 109.
ä&fitjxa legsut 138.
Adonia 218.
ädvtoy 12. 26 f. 64 f. 71.
äyaXfia 26. 81.
ayiyeioi 197.
aysvatot d-v<riat 124.
Aiakeia 224.
Aianteia 224.
Aiora 207.
atgsir&M tovs ßovs 100, lo.
äxanva 92.
dxoyiti 178.
Aleaia 223.
Allerheiligstea 25. 83.
äXffog 18.
Altäre 13 ff. 123.
Altarpriester 40. 159.
Alter der Opfertiere 136 ff.
Altis 173. 176.
aXvtai 174.
dfABxaaxQBntl 134. 145.
Ammonorakel 62.
Amphiaraia 221.
Ampbiareion 16. 25. 29. 70. 84.
dfKpiqxoyteg 212.
dfA(ping6ctvXog 24.
äfjLffb&aXBig nai&eg 36. 184.
189. 201.
Anakalypteria 228.
dyaxxoQoy 163.
dyägQva^g 204.
dya&ij/iaTa 33. 81, i.
Anthesteria 208 ff.
dyrXijtgMi 203.
dndQyfAaxa 17.
dnaQXf^'f- 83, 14. 142. 156.
Apatm-ien 204 f.
dnsyittvxiafjLOQ 141, 10.
dtpsXi^g 85.
äffscig 179 f.
d<p<HH<o9^yai 75.
Apobaten 196.
dno6i,ono(jLnBla9^M 146, is.
Apollonia 222.
a7ioq>6Qtjxa 103.
dnotpgddes i^fiiqai 65.
dno^Qtjxa 216.
anoxQonaLa 119, 7. 139.
«Tiv^a 92. 216, 18.
dQd 75.
tt^X^iQBva 43.
ttQx^BQSvg 43.
uQX^Qo^^ttjg 46.
aq&dyioy 147.
dQsaxiJQta 119.
dqtjxrfq 31.
dgxxot 217.
Arrhepboria 215.
dQQrj(p(Qoi 198, 216.
«a£/9€ta 10. 32. 100, 2.
Askese 150 f.
Asklepiaden 70.
Asklepieia 211. 221.^
Asklepieion 18, s. 45.
Asklepiosorakel 69 f.
d<rx(oXiacfi6g 207.
Asyle 29 f.
davXia 49.
Atelie 40. 49.
Vl^a»"«»« in Sparta 220.
Atblotheten 199.
avsQVBiy 100.
B.
Bakiden 60.
Basilissa 49. 208 f.
Bendideia 9. 45. 214.
Beschwörungen 77.
Bleitäfelchen 68. 75 f.
Blitz 51.
Blutrache 140.
Blutschuld 140 f. 161.
Blutspende 123. 129. 131.
Boedromia 201.
ßtofMg 18 f. 17.
ßotayac 46.
Handbuch der klaas. Altertanuwinenschaft V, 3. 2. Anfl.
Branchidenorakel 67.
Brandopferaltar 13. 15 f. 58.
Brauronien 45. 217.
Buchstabenorakel 59.
Buphonien 100,2. 216.
ßovfpoyog 216.
ßovg ^yBfJuay 103.
ßov&vcia 175.
C.
Chalkeia 205.
Charisteria 201.
Gharitesia 221.
X^Qyi^ 98.
X(^ 94. 111. 128, u 131. 182.
210.
XoBg 208. 210.
X^tjc/ioi 60 f.
XQtjfffioXoyog 60.
X&oyBia 100. 220.
Chthonischer Kult 110 ff.
XvxQot 208 ff.
Daduchos 40. 44. 159. 207.
diföovxovca 159.
Daidala 220.
&aXioy 98.
Daphnephoria 220.
Daphnephoros 43.
dBinyoffOQot 202.
dBxdaxvXog 23.
Delia 222.
Delphinia 212. 221.
Delphisches Orakel 63 ff.
drjfJLOXBXBig d-voiai 96. 102.
diaßaxiJQM 97.
Diasia 90. 120. 210.
Si€utvaxaci,g 42.
dUtvXog 177.
Diisoteria 217.
Diogeneia 125. 224.
Diokleia 224.
Dionysia in Rhodos 223.
Dionysiasten 168.
15
226
AlphabetiBoheB Register.
JioyviTM rd ini Aijyelt^ 207.
Dionysien, grosse 211 f.
Dionysien, ländliche 206.
Jiog x<adiop 146.
Dipolia 216.
dinxe^og 24.
Dipylongräber 129.
Diskoswurf 182.
Diihyrambos 74. 208. 211.
da&sxtjlg 106.
Dodona 61 f.
Dogma 9. 153.
doXtxog 177.
Doppeltempel 25.
dognla 204.
^Qäy 163) 16.
&Qwf4€va uvatix« 157. 168.
166.
E.
Ehrendekrete 87.
Ehrenplätze 86. 40.
Eid 78 f.
Bt^oiXa 52.
Eidopfer 79. 121 ff. 186.
Eingeweideschan 56 ff.
Eireneopfer 195.
Eiresione 91. 201. 213.
BioBXttvyBiy 185.
Ekecheirie 156. 162. 171 f.
192. 201. 221.
Ekstase 52. 63. %^, 68.
Elaphebolia 211.
Eleusinia 162. 201.
Elentheria 221.
Bfinvqa {aijf^ccta) 58.
iyayijg 143.
iyaylcfiata 125.
ivayl^Bty 127. 132.
iyyvt^itnQiai 149.
Moga 102.
ivo&toi cvfißoXoi 51.
ivoQXVS 186.
iyji/Aysiy 120. 124. 127. 132.
sy&Bog, iy&ovaucCtoy 60.
hiMyog 72.
inaoidal 11,
Epheben 50. 119. 125. 127.
200. 202. 211 f. 218. 224.
Bq>Bigog 188.
änidBi^B^g 189.
Epikleidia 218.
Epileneia 207.
iniuBXtjrai 46. 160. 189. 207.
Epimenides 116. 143.
inifAijyioi 45 f. 107.
hilnqaaig 42.
htiaxBvaaxal Ugtoy 4el,
inundtai 160.
Eponyme Priester 43. 46.
Epopten 161 ff. 166.
yayoi 166 ff.
Erbliche Priestertümer 40.
Erdorakel 64.
iQyacuyaL 198. 205.
Erlösung der Priesterämter 41.
Erotideia 220.
Errhephoria 215.
iQQtJfpOQOV 49.
iaxdQa 13. 17 f. 89. 126. 132.
BvayyiXia &vBiy 96, lo.
Bvaydgiag dytay 198.
BvdQTtog 86, 2.
Bvxv 72.
Bv(pfjfjiLa 99.
BvoBß^g 10.
Exegeten 67. 175.
F.
Fackel 44. 88. 161.
Fackeltänze 163.
Fackelwettlauf 88. 196. 198.
205,6. 224.
— zu Pferde 214.
Familienkulte 40, is. 152.
Farbe der Opfertiere 184 f.
143.
Faustkampf 177.
Festkommissionen 45. 49.
Fettdampf 88.
Feuer, reines 88 f. 144 f.
Fische 20. 85. 89. 75. 85.
Fischopfer 109 f.
Fleischverteilung 45. 108 ff.
Fluch 83. 76 f.
Fluchmale 77.
Flussgottheiten, Opfer für
120 f.
Freilassungsurkunden 88.
Frömmigkeit der Athener 80.
130. 194.
Fruchtopfer 91. 182.
Fürbitte 83. 89.
O.
yaXa&fjyd iBQBia 188.
Galle 56 ff. 101.
Gamelia 208.
Gebet 72 f.
Geburt, verunreinigend 148.
Geisterbeschwörer 71.
Gelübde 72.
Genesia 200.
yBQtt^al 49. 208.
y^Qtj 88. 95.
Geschlecht der Opfertiere
185 f.
Geschlechterknlt 81. 41. 95.
152 f.
Götterbilder 26 f.
Gottesurteil 79.
Grabsohänder 76.
Gymnopaidien 220.
H.
Haarweihen 84.
Häute der Opfertiere 38. 46.
58. 104 f.
Hahnopfer 108. 132. 184.
alfjiaxovQia 181.
Halieia 223.
Haloen 206.
Hekatombaia 195. 219 f.
Hekatombe 95 ff. 105 f.
Hellanodiken 174 ff. 221.
Hephaistia 205, 5. 217.
Heraia 220 f. 228.
Herakleia 45. 218. 220.
Herden, heilige 20. 85.
Hermaia 218.
Hermen 27.
i^firjg 103, 2.
Heroenaltar 17.
Heroenkult 124 ff.
Herolde 81. 46. 102. 160. 173.
176. 220.
Heroen 23, s. 126.
iaüa 13. 18.
UQd 89. 57 f. 186.
IsQBVBiy 88, 4.
Hierodulen 48 f. 86. 175.
iBQoxrjqv^ 46. 159. 208.
IsQOfjitjyla 172 f.
Hieromnemonen 48. 189.
iBQOy 6/101 46.
iBQonaQBxrtjg 46.
Hierophant 40. 44. 157. 169.
161. 164.
Hierophantin 157. 159.
IsQoqwXttXBg 47.
Hieropoioi 44 ff. 97. 160.
iBQoaaXmatijg 46.
IsQog yd/iog 208.
Hieroskopie 55 ff.
fsQiaüvya 88. 95.
iBQOtauiM 47. 104.
Ugo^Ttjg 40. 46.
lXd<fxBC&M 120. 182.
IXaafAog 141, is.
Hippodrom in Olympia 179 f.
lax tri 17.
Hochzeit 148.
oXoxXfjQog 35.
ouoßojuioi 16.
Honig 89. 89ff. 93 f. 111. 129.
182.
Honigkuchen 51. 71. 93, 10.
0010t 65.
Hundeopfer 112. 119. 129.
184. 145. 149.
Hyakinthia 194. 218.
Hymnen 74.
VOQOffOQM 210.
Hypaithraltempel 23.
Hypopheten 61.
vnoQxVf*^^^ '^^'
vTioidxoQOi 47.
Hysteria 108. 220.
lakchagogos 162.
lakchos 154. 163.
lakchostag 201.
lamiden 58. 60. 63. 175.
Inkubation 70,
Alphabetisohe« Register.
227
lobakchen 44. 167, n.
lolaeia 220.
Isismysterien 166.
Isthmisclie Spiele 190 f.
K.
Eabiren 165 ff.
Eabirentempel 18, s. 25 f. 29.
Käse 35. 39.
Eäseopfer 89. 91.
Ealligeneia 204.
Kallynteria 214.
xayfjq^oQOi 49. 199.
xanyavyijs 46.
Earneia 219. 223.
xaxdqyfxaxa 106.
xaxaaxqiffBiy 120.
xa^ayileiy 132.
xa&dQfAaxa 117. 145. 149.
xadägaios 116. 119. 149.
xaxsvxt} 99.
xBvoxttffiov 125. 129.
Eeryx 40. 46. 159.
Eiaros, Orakel zu 68.
xXfjdaiy 50.
•xÄflcfow/o* 44, 4.
xX^Qoi 62.
xXiyr^ 13. 147.
Elytiaden 60. 175.
Enabenchöre 49. 211. 214.
xüjXaxQäxrjg 38, 5. 48.
Eollekte 39.
Eomödienagon 210.
xdSfiof 179. 211.
araiTToi 220.
xoxirog 184.
Eranz beim Opfer 98.
xQtjyotpvXa^ 49.
Eriegswagen 197.
Eronien 195.
Eucbenopfer 39. 89 f. 132.
210 ff.
Eultbild 26 f.
Eultgemeinscbaften 106.
Euppelgr&ber 126,i4. 128. 131.
xovQstüxig 204.
xvxetjy 163.
L.
Labyaden 153.
Leber 56.
Xey6f4€ya 164. 166.
Leichen, befleckend 35. 147 f.
Lektisternia 13. 110. 217.
Xevxüi/Äa 174.
Xlxyoy 161.
Xoßoi 56.
Xoyia 66. 115.
Xoißi] für x^ 132, 7.
Lntrophoros 43.
Lykaia 116. 222.
H.
fidyeiQot 46. 95. 175.
/layxeloy 61.
Mantik 31. 34. 60 ff.
fAayxixd legd 59.
f^dyxis 33 f. 55. 57 f. 72. 97.
Marathonfeier 200.
fiacxaXil^sty 142.
Massenopfer 96. 105.
(jLdl^M 89.
Meeresgottheiten, Opfer für
120 f.
Megabyzos 37.
(jLByaqa 121. 203.
IJiiyaQoy 25.
(jLBiMyuaxa 90.
Meineid 78 ff.
fjLsloy 204.
fißXixQaxoy 93 f. 111. 132.
/ÄsXixovxxa 90.
Menschen geweiht 85.
Menschenopfer 114 ff. 126.
129. 135. 144. 217. 222.
firjQia 101.
fiBXBxix^Qoy 175.
Metragyrten 151.
fuaQai iqfXBQM 210.
fjLiaöfjLa 140. 143. 146.
Milohspende 94,8. 129. 132.
Monatsnamen 193 f.
fjiOQim 21. 197.
Münzrecht von Tempeln 29.
Munichia 212.
Museum 84.
Musische Agone 188 ff. 196.
214. 220 f.
fjivBiv 160.
uvaxaytüyos 160.
Mysterien, eleusinische 152 ff.
Mysterien, kleine 161. 210.
Mysterien, grosse 162.
yaog>vXaxBS 44. 46.
Naturreligiou 7.
yBXQ0f4ayxBia 71.
Nemeische Spiele 191 f.
yB<ox6Qog 38. 47. 168.
yBwnoioi 46.
yfjq>dXia 90. 98 f.
yfj(pdXia ^vXa 89.
yTj(pdXioi ßtofxol 93, 10.
Niederknieen 74.
Niesen, vorbedeutend 51.
Nikephoria 192.
yofjLog Hv&ixog 188.
0.
Ölzweig 142.
oixoaxonixfj 51, 17.
oi(oyunaL 53.
oiwyonoXoi 53.
otayds 53.
oitoyoaxoTtoi 55.
oXai 99.
oXoXvyfiog 72. 101.
Olympieia 212.
Olympisches Orakel 63.
Olympische Spiele 169 ff.
6f4(fai 51.
Omphalos 65.
Opferanteile 38. 45. 104 f.
Opfergemach 26.
Opfergruben 17 f. 26. 131.
Opferkalender 32. 97. 102.
Opferkorb 98.
Opfertische 24. 26. 39. 89.
92, S2.
Opferzeit 126 f. 133 f.
Opisthodomos 24 f. 28.
Orakel 61 ff.
Orakelsammlungen 60.
oQydg 19.
Orgeonen 166 f.
oQyia 153 f. 165.
Oropos, Orakel in 70.
Orphiker 150 f.
Oschophorien 201 f.
6<F(pvg 38.
oaaai 51.
Paian 74. 108. 133. 188. 219.
naXaiaxQOifvXa^ 49.
Panathenaia 21. 28. 45. 105 ff.
Pandia 212.
Pankration 178.
flnyofAffoiog 54. 61.
Parasiten 46.
Patara, Orakel zu 68.
ndxqioi ^vaim 31. 97. 104.
TiBXayog 89 f. 163.
nifi/nara 89.
nsyxanXoa 202.
Pentathlon 182 f.
Peplos 198 f.
iiBqißoXog 22. 83. 85.
TiBQi&ioyixijg 192.
neQltfnjfia 116. 145.
nsQinxsQog 24.
TtBQiQQalyBiy 145, 4.
TtBQiQQayxiJQioy 22.
Pferdeopfer 113. 120 f. 127.
129. 135.
(paidvyxai 21, s.
(fttQfjiaxol 117. 213.
^fAM 50 f.
(pXoyiänd aijfiaxa 58.
Jli&olyitt 208.
Plynteria 214.
noXvdydQia 127. 131.
nonayoy 89.
nqdaig 42.
Preise von Opfertieren 103 f.
Preise von Pnestertümern 37.
Priester 31 ff.
— Alter der 34 f.
— Einkünfte der 37 ff.
Priesteramts, Dauer des 42.
Priesterinnen 34 ff.
Priesterstand 9. 81.
Priestertitel 43.
Priestertracht 43.
15«
228
Priesterweihe 42.
Priesterwohnungen 22. 37.
Privatkulte 9. 40-
PrivÄtopfer 38.
nQo/viai 99.
Prodigium 67. 113.
prodigivae hostiae 113.
Proerosien 50. 218.
ngo/iayrsla 49. 6ß.
nQOfidyxieg 62.
Prometheia 205, 5. 218.
TtQoyaov ßiofjioi 16, le.
Pronaos 23 f.
nQ0(pijr7jg 63. 65 f. 68.
nQo<piJT(>&€g 62.
TiQoaxvyuy 74.
nQOffodia 74.
n^oarpdytu 131, 12.
TtQoS^vais 15.
^pvxouaytua, ^pv^onounBia
71.
Purpurfarbe 43 f. 77.
Pyanopsia 201.
jiv^a 128. 131.
nvQfpoQoi, 43.
Pyrrhiche 196. 198.
Pythia 65 ff.
Pythische Spiele 187 ff. 222.
B.
Regatta 198. 212. 224.
RehfeUe 146.
Reinheit 35. 139.
Reinigung 31. 118. 188 ff.
Reinigungsopfer 119.
Ä^C«i/ 88, 4.
Kingkampf 177.
Rundtempel 23.
8.
Samothrakische Mysterien
165 ff.
Schachtgrftber 17.
Schatzhäuser 23, 9 u. 10. 85.
Schwanz der Opfertiere 58.
101.
Sechzehn Frauen, Kollegium
der 49.
Seher- 44. 50 ff .
Sehergeschlechter 59.
<r»7xdff 23 f.
aijfiata 51. 55. 63.
Septerion 222.
Sibyllen 60.
axiä&ss 219.
Skirophoria 215.
Sminthia 223.
Soteria 222.
catfJQw 9vsiv 96, 8.
Speerwerfen 182.
Spenden 93 f. 118. 123. 128.
iKpayeiop 101.
«rqpayta 57 f. 112. 115. 118 f.
133.
AlphabetiBolietf Register/
1
i
»
<rq>ayuiCe<r»m 118. 124. u
atpäxteiy 88, 4. 100,1». IJB, 12.
Totenfeste 130. 200.
i
Totenkult 128 ff. '
anXäyxya 56. 101.
Totenorakel 71.
ixnoySo(p6Qoi 46. 159. 172. 175.
Trächtige Opfertiere 138.
1
Stadion in Olympia 176.
Trankopfer 93 f.
(naqtvXoÖQOfiot 220.
TQaneCtofjiava 39.
*
Statuen geweiht 82. 186.
Traum 51 f.
\
Stellvertretung der Priester39.
Traumdeuter 52.
Sxrjyia 203.
Traumorakel 69 f.
Stephanephoros 43.
tQiaxädeg 130.
Strafgelder 21. 76.
TQitonätoQsg 112.
axQ6<ptoy 44.
TQlttoiai 106. 136 f.
•
atvyyottjg HO, le. 210, 14.
Trompeter 173.
Stihnlieder 147.
tQonaioy 82.
Sahnopfer 112 ff.
Trophoneia 224.
ixvfiß(ofiot 16.
Trophoniosorakel 69. 71.
<rvyyQa<pal 97.
Synoikia 195.
U.
ovXaly ovXoxvrai 99. 120. 146.
T.
Unblutige Opfer 16. 24. 27.
tafjilat 47 f. 160.
92. 94. 195.
Taraxippos 179.
Unfruchtbares Opfertier 129.
Taubenopfer 145.
Unrein 19. 22. 85. 138 ff.
reXiJBaca ixato/ißij 137.
teXsia lBQ€ta 122. 137 f.
V.
•
teXeral 144. 154. 158. 206.
Verfluchung 37.
Telliaden 60.
Verkauf von PriestertSmern
tifjieyog 18 ff.
42.
Tempel 12. 21 ff.
Verwfinschungen 75 f.
Tempelbezirke 18 ff.
Vogelzeichen 53 f.
Volksspeisung 28. 103. 196.
Tempelgüter 18 ff. 21. 32. 39.
Tempelorientierung 25.
Tempelschätze 28. 39. 45.
W.
47, 28. 84.
Waffenwettlauf 184. 188.
Tempelstufen 22 f.
Waffen, geweihte 82.
Tempelvermögen21. 24. 32.39.
Wagenrennen 179 ff. 188. 197.
rigag 51. 63.
Wahl der Priester 41.
»aXXoq>6Qoi 199.
Wasser bei Reinigungen 144.
Thalysia 223.
Wasserspende 103. 129. 132.
Thargelia 117. 213.
165. 210.
Theatersitze 34. 36.
Weihgeschenke 80 ff.
Theogamia 223.
Weihrauch 14. 92. 101. 126.
öcotVt« 206. 209.
145.
»eoxoXot 172. 174.
Weissagung 50.
&eofio^ia 95.
Weisspappel 89.
Wettlauf 176. 182.
Theophanien 222.
&60<p6Q7JZOl QO.
Wettreiten 181.
^Bonqonoi 66.
Wettsprung 182.
Theoren 185.
Wildopfer 109. 119.
Theorika 212.
Windgottheiten 112. 115. 134.
Theoxenia 110. 222.
Wolfsopfer 119. 122.
^aavQog 39. 85.
Wolle 73. 91. 142. 212.
Theseia 45. 202.
WQrfelorakel 59.
Thesmophoria 203. 224.
&iacoi 166 ff.
X.
Thron 13 f. 22.
^oayoy 26.
&vB^y 88, 4.
z.
»vijnoXoi 44. 46.
Cdxo^oi 47.
dvoaxoog 55.
Zauberei 77.
&vaia 28. 95, 2. 203, u.
Zehnte 28. 81.
»vrtjg 46.
Zeichen 83 f. 44. 50 ff.
Tiere aus Backwerk 90 f. 120.
Zeichenorakel 61 ff.
210 f.
Zunge der Opfertiere 38. 102.
Toneia 223.
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