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Full text of "Handbuch der klassischen Altertums-Wissenschaft in systematischer Darstellung, mit besonderer Rüksicht auf Geschichte und Methodik der einzelnen Disziplinen"

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HARVARD UMVERSITY 

LIBRARY OF THE 

FOGG ART MUSEUM 





THE BEQUEST OF 

JOSEPH CLARK HOPPIN 

CLASS OF 189) 



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HANDBUCH 

DER 

KLASSISCHEN 



ALTEETUMS-WISSENSCHAFT 

ia systematischer Darstellung 

mit besonderer Rücksicht auf Geschichte und Methodik der einzelnen 

Disziplinen. 



In Verbindung mit Gymn.-Rektor Dr. Autenrieth (Nürnberg), Prof. Dr. Ad. 
Bauer (Graz), Prof.Dr.Blass (Halle), Prof. Dr. Brugmann (Leipzig), Prof. Dr. 
Busolt (Kiel), Geh.-Rat. Dr. v. Christ (München), Prof. Dr. Gleditsch (Berlin), 
Prof. Dr. 0. Gruppe (Berlin), Prof. Dr. Günther (München), Prof. Dr. Heerdegen 
(Erlangen), Prof. Dr. Hommel (München), Prof. Dr. Hübner (Berlin), Priv.-Doz. 
Dr. Judeich (Marburg), Prof. Dr. Jul. Jung (Prag), Prof. Dr. Krumbacher 
(München), Prof. Dr. Larfeld (Remscheid), Dr. Lolling t (Athen), Prof. Dr. 
Niese (Marburg), Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Nissen (Bonn), Prof. Dr. 
Oberhummer O^Iünchen), Priv.-Doz. Dr. Öhmichen (München), Prof. Dr. 
Pöhlmann (Erlangen), Gymn.-Dir. Dr. 0. Richter (Berlm), Prof. Dr. Schanz 
(Würzburg), Geh. Oberschulrat Prof. Dr. Schiller (Giessen), Gymn.-Dir. 
Schmalz (Rastatt), Prof. Dr. Sittl (Würzburg), Prof. Dr. F. Stengel 
(Berlin), Prof. Dr. Stolz (Innsbruck), Priv.-Doz. Dr. Traube (München), Prof. 
Dr. ünger (Würzburg), Geh.-Rat Dr. v. ürlichs f (Würzburg), Prof. Dr. Moritz 
Voigt (Leipzig), Gymn.-Dir. Dr. Volkmann f (Jauer), Prof. Dr. Windelband 
(Strassburg), Prof. Dr. Wissowa (Halle) 

herausgegeben von 

Dr. Iwan von Müller, 

ord. Prof. der klassischen Philologie in München. 



Fünfter Band, 3. Abteilung. 

Die griechischen Kultasaltertümer. 



MÜNCHEN 1898 

C. H. BECK'SCHE VERLAGSBÜCHHANDLUNG 

OßKAR BECK. 



Die 



griechischen Kultusaltertümer 



Dr. Paul Stengel, 

ProfeMor am Kgl. JoAchlmsthalscheD Gymoasiiiiu in BerllxL 



Zweite vermehrte und verbesserte Auflage. 



Hit 5 Tafeln. 




MÜNCHEN 1898 

C. H. BECK'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG 

OSKAR BECK. 



FOGG ART MUSEUM 

HARVARD UNIVERSITY 







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Alle Rechte vorbehalten. 



0. H. Beck'aohe Buchdrnckerei in Nördlingen. 



Spezielles Inhaltsyerzeichnis 

von Band V, 3. Abteilung. 



Seite 

Einleitung. 

Begriff und Quellen der Disziplin (§1) 3 

Geschichte der Disziplin (§2) 4 

Allgemeine Charakteristik der griechischen Religion (§ 3) . 7 

1. Kttltusstfttten. 

Älteste Stätten der Götterverehrung (§4) 11 

a. AltÄre 13 

fi(oii6i (§5) 13 

icxaqn (§6) 17 

icxla (§7) 18 

b. Tempelbezirke und Tempelgüter. 

T^fisyog Bedeutung, Heiligkeit, Grösse; Benutzung der Tempelgüter (§ 8) 18 

c. Tempel. 

Wo man Tempel zu erbauen pflegte (§9) 21 

Einrichtung und Grösse der Tempel (§10) 22 

Kultbilder (§10) 26 

Zweck und Bedeutung der Tempel (§11) 27 

Staatsschatz und Weihgeschenke in Tempeln aufbewahrt (§ 12) . 28 

Asyle (§13) 29 

2. Kultusbeamte. 

a. Priester. 

Kein eigentlicher Priesterstand (§14) 31 

Homerische Zeit. Beaufsichtigung durch den Staat (§15) 31 

Obliegenheiten und Pflichten der Priester (§16) 32 

Rechte und Bedeutung der Priester (§17) 33 

Anzahl der Priester (§18) 34 

Alter der Priester (§19) 34 

Besondere Anforderungen und Vorschriften (§ 20) .... 35 

Ansehn und Auszeichnungen der Priester (§21) 35 

Einkünfte der Priester (§22) 37 

Besetzung der Priesterstellen. 

Erbliche Priestertümer (§23) 40 

Wahl durchs Volk (§24) 41 

Wahl durchs Los (§ 25) 41 

Verkauf der Priesterstellen. Dauer der Amtsführung (§ 26) . 42 

Priestertitel (§27) 43 

Priestertracht (§28) 43 

b. Das Übrige Kultpersonal. 

UQonoiol, inifiijyioi, xijgvxsg n. s. w. (§ 29) 44 

UgogivXaxss, y$<üx6Q0i (§ 80) 46 

IsQoxafdlat (§ 31) 47 



VI spezielles InhaltsTerzeichnis Ton Band V, 3. Abteilang. 

Seite 

Musiker, Tempelsklaven u. s. w. (§ 32) 48 

Extraordinär mit gottesdienstlichen Funktionen betraute Personen (§ 33) 49 
c. Seher und Weissager. 
a) Die Mantik. 

Wesen und Bedeutung der Mantik (§34) 50 

Zufällige Zeichen. xXfj&oyeSy g>^fiat, xiqaxa u. s. w. (§ 35) 50 

Andere Zeichen (§36) 51 

Träume (§37) 51 

Vogelschau (§38) 53 

Nicht zufällige Zeichen (§39) 55 

Hieroskopie (§40) 55 

atpdyiM. Besondere Arten der Bieroskopie (§ 41) . 57 

Warfelorakel und Verwandtes (§42) 59 

fiävteis, ;if^t;<r^oAo/o6 und Sibyllen (§ 43) 59 

ß) Die Orakel. 

Zeichenorakel. Dodona (§ 44) 61 

Orakel des Zeus Ammon (§ 45) 62 

Zeusorakel in Olympia (§46) 63 

Weissageorakel. Bedeutung ApoUons als Orakelgott. Delphoi. Die 

Pythia. Einfluss des Orakels (§47) 63 

Andere Orakel (§48) 67 

IiVagen, die man den Orakeln vorlegte (§49) 68 

Traumorakel, des Asklepios, des Amphiaraos in Oropos (S) 50) 69 

Totenorakel (§51) 71 

3. Eultushandlungen. 

a. Das Gebet (§52) 72 

Hymnen (§53) 74 

b. Der Fluch (§54) 75 

Beschwörungen und Zauberei (§55) 77 

c. Der Eid (§ 56) 78 

d. Die Weihgeschenke. 

Geweihte Gegenstände (§57) 81 

Heilige Herden und Tiere (§58) 85 

Menschen geweiht. Hierodulen (§ 59j 85 

e. Die Opfer. 

Sinn und Bedeutung der Opfer. Heiligkeit des Feuers (§ 60) 86 

Unblutige Opfer: Backwerk, Früchte, Käse, Weihrauch (g 61) . 89 

anvQa (§62) 92 

Spenden (§63) 93 

Blutige Opfer. Zu Hause geschlachtete Tiere und Opfer von Privat- 
leuten (§64) 94 

öffentliche Fest-, Dank- und Bittopfer (§65) 96 

Ausführung eines Speiseopfers (§66) 97 

Verwendung des Opferfleisches. Massenopfer (§67) . 103 

Beteiligung am Opfer (§68) lOü 

Beschaffenheit der Opfertiere (§69) 107 

Opferbare Tiere. Von verschiedenen Göttern verschiedene bevorzugt. 

Wild und Fische nicht geopfert (§70) 107 

eeo^eyia (§71) 110 

Opfer für chthonische Gottheiten (§72) 110 

Sühn- oder Bussopfer. Ihre Bedeutung (§73) 113 

Menschenopfer (§74) 114 

Ersatz für frühere Menschenopfer (§75) 117 

Andere Sühnopfer und ihre Eigentümlichkeiten (§ 76) . . 118 

Opfer für Meeres- und Flussgottheiten (§77) 120 

Eidopfer (§78) 121 

Heroenkult (§79) 124 



Spesidlles Inhalts^erseiolmiB von Band V, 8. Abteünng. yn 

Seite 

Totenkult (§80) 128 

Zu welcher Tageszeit die Opfer dargebracht wurden (§ 81) . 133 

Farbe der Opfertiere (§82) 134 

Geschlecht der Opfertiere (§83) 135 

Alter der Opfertiere (§84) 136 

f. Reinigungen und Stlhnungen. 

Homerische Zeit Mordreinigungen (§85) 138 

Reinigungen eines ganzen Volkes. £pimenides (§ 86) . . 142 

Lustrationsgebrftuche und Ceremonien (§87) 144 

Wodurch man sich eine Befleckung zuzog (§88) 147 

^€01 xtcd-d^io^ und dnorgonaioi (§ 89) 149 

Lustrationsgebräuche nicht ursprünglich griechisch (§ 90) . . . 149 

Die Orphiker (§91) 150 

g. Mysterien und andere geschlossene Vereinigungen. 

Eleusinische Mysterien. 
Geschlechterkulte. Aufnahme des eleusinischen Demeterkultes in den 
athenischen Staatskultus. Anfänge und Entwicklung der eleusini- 
schen Mysterien (§92) 152 

Art und Bedeutung des Gottesdienstes (§93) 157 

Eleusinische Eultusbeamte (§94) 159 

Aufnahme in die Mysterien (§95) 160 

Die kleinen Mysterien (§96) 161 

Die grossen Mysterien und Eleusinien. dQoificya, Xeyofjtsy«, dytayeg (§ 97) 162 

Filialen des eleusinischen Mysteriendienstes (§ 98) . . 165 

Die samothrakischen Mysterien. Eabiren (§99) 165 

Geschlossene Eultgenossenschaften. Orgeonen, ^lanoi, sQayoi (§ 100) . 166 
4. Kultuszeiten. 

a. Die Nationalfeste. 

Einführung der Feste (§ 101) 169 

Bedeutung der Wettkämpfe (§ 102) 170 

<t) Die olympischen Spiele. 

Gottesfriede. Einladung zum Fest. Einführung der verschiedenen 

Kämpfe (§ 103) 171 

Olympia (§ 104) 173 

Die mit der Leitung des Gottesdienstes und der Spiele betrauten Be- 
amten (§ 105) 174 

Fünftägige Festfeier in Olympia. Wettkämpfe der Knaben. Gym- 

nische Agone der Männer. Siege dxoyirl (§ 106) . . 175 

Hippische Agone (§ 107) 179 

Pentathlon, Ephedrie, Waffenwettlauf (§ 108) 182 

Abschluss des Festes. Ehren der Sieger (§ 109) .... 184 

Gelehrte und Künstler in Olympia. Keine verheirateten Frauen (§ 110) 187 

ß) Die pythischen Spiele (§111) 187 

r) Die isthmischen Spiele (§112) 190 

(f) Die nemeischen Spiele (§ 113) 191 

b. Die Feste der einzelnen Staaten. 

Verschiedenheit der Zeitrechnung. Monatsnamen. Wichtigkeit der Feste 

(§ 114) 192 

a) Athenische Feste. 

Hekatombaion: Kronien, Synoikien, kleine und grosse Panathenaien 

(§ 115) 195 

Metageitnion (§116) 200 

Boedromion: Genesia, Boedromia, Charisteria, grosse Eleusinien (§ 117) 200 
Pyanopsion: Pyanopsien, Oschophorien, Theseen, Thesmophorien, Apa- 

tunen, Ghalkeen (§118) 201 

Maimakterion (§ 119) 205 

Poseideon: Haloen, ländliche Dionysien (§120) 205 



ym Spezielle« Inhaltsverseichnis von Band V, 3. Abteilang. 



Seite 



Gamelion: Epilenaien, Gamelien (§ 121) 207 

Anthesterion: Anthesterien, kleine Mysterien, Diasien (§ 122) . 20« 

Elaphebolion: Elaphebolien, grosse Dionysien (§123) . 211 

Munichion: Delphinien, Munichien, Olympieeri (§ 124) . . 212 

Thargelion: Thargelien, Bendideen, Kallynterien und Plynterien (§ 125) 213 

Skiropborion: Skirophorien, Arrhephorien, Dipolien, Diisoteria (§ 126) 215 

Andere Feste: Brauronien, Proerosien u. s. w. (§127) . 217 

ß) Feste anderer Staaten. 

Peloponnesische Feste. Kameen (§ 128) 218 

Feste in Theben, Plataiai, Delphoi, Dolos, Rhodos u. s. w. Heroen- 
feste. Feste der Demen (§ 129) 220 



Dexikm&ler der BankanHt 
herauflgeg. von den 



Terzeiehnis der Abbildungen zn den Knltnsaltertttmern. 

Tafel L 
Fig. 1. OpfePBzene und Altar. Bnichstüoke einer rotag. Vaae dee British Miweam. Nach Journal of Helleulc 
otudies IX 1. 

Hg. 2. Adoranten. ein Opferuchweln führend. Relief im Moseum zu Theben. Nach Mltt. de» D. Arch. Inst, 
zu Athen IV 1879 Taf. 16. 

VÜ: \' 9^5"""°°® ^°° ^^«' ^- ^^ »^ dem Lourre. Nach Daremberg et Saglio Biet. 8. 1584 n. 2115. 
Fig. 4. Opferzug von einer sf. bolotischen Vaae des Brit. Muaeum. Nach Journ. of HoU. Stud. Fol. Taf. YII 
V^J «1 ?K f^V,"*" ^^""V ^* ^"®- ^^'•'^ *^ Feldsteinen. Nach Vaeee Lamberg Paris 1818 I 23. 
Flg. 6a. Altar f " J>io^ysosherine von der Schale des Hieron Berlin n. 2290. Nach Wiener VorlegPblÄtter 
Serie A Tfcf. IV, Benndorf 1879. 

^'^' ^^' blitter^rit^^'lS?^6^C^n^lf °^^°* ^""^ *^''' TroiloMchale des Enphronioe. Nach Wiener Vorlege 

Tafel IL 
Fig. 1. Tempel des Apollon Didymaios bei Milet. Nach den .Anüqulties of Jonia" 
w- o Jf^^^^^'Ä^S^^en von der Gesellschaft der Dilettanü) gez. von Kettner. 
Fig. 2. Zewtempel in Olympia. Nach Abel Blouet. Bötticher und Ourtius gez. von 

Tu, Böhm. \ a w w- 

^*' ^* ^L^i!r°' ^*^ ^^°'"**' ^^^^^^> S»«»rt nnd Falkenberg gez. von | TeStn^°en^Ho4^sc?J^ 

Att ^ ^ , . BerUn, Lief. I. 

jn« A /X-. ^-. ^ "^ ^"* *™ Bfaasstabe von 1 : 400. I 

Jng. 4. orundriss des Parthenon nach W. Dörpfeld in den Mitt. des D. Arch. Inst, zu Athen VI 1881 Taf. Xn. 

Tafel IIL 

7^rS^^\ ^? i^®««^~ ^0° ^^^ Akropolls zu Athen. Werk des Antenor. Nach Btudniczka Im 
Jahrb. d. D. Arch. Inst. II 1887 8. 141. 

Fig. 2. ^J^*P^^«^«^I*»«tnm. Bronzestatuette im Berliner Mus. mit Weihinsohrift an Athena. Nach Arch. 

^*^* ^* ^^'Sül^H^^ ^T^^T r° ^^*'*** '° ^"'P^^* »nfgestent. Nach der Bekonstruktion von P. Graef 
m A ^ Fabricius Jahrb. des D. Arch. Inst. I 8. 189. 

M«5 ^rwi:*" vT**» l" ®'"^ *'""^^- Nach Journ. of Hell. Stud. Fol. T.f. XL 
«g. 5. Zwei Augen. Votivrellef an Zeus Hypslstos. BerUn n. 720. Nach dem Original gezeichnet. 

Tafel IV. 

^' '■ ^imt^f^^ ^^^"^ ^^°** ^^ ®^'"°'' ^•***^^'" gezeichnet (auch im Jahrb. des D. Arch. Inst I 

Ka' t MJ!f^«t':,J°°l°^,"l^*"^' Trinkschale im Brit. Museum. Nach Jahrb. des D. Arch. Inst. I 8. 12. 

Tafel V. 
Kg 2* torinaeTSf Ju ^^^^ ^^"^"^ ^^ Berliner Mus. n. 2307. Nach Jahrb. de« D. Arch. Inst. H 8. 105. 
IrcÄ^^f Ä. ""'' '^ ^^itlo-ohale der Sammlung Bourguignon in Neapel. Naci. 

Fig. 3.. |P^«^^rf.^rung, Disioswurf. Von einem panathen. Preisgefüs« des Museums Ip Leiden. Nach Arch. 

Fi« T^^y^^l' l'''' einem Krater aus Oapu» im Berliner Museum. Nach Arch. Ztg. 1879 Taf. 4. 

^* 5 ^l^^vlra "" ^'' ^^^»^1« »«r"«» 2284. Nach Arch. Ztg. 1888 Taf. 2. 

iS" t pf« °« 7^®T^°°*- ^°" ^^^ Durisschale Beriin 2288. Nach A«h. Ztg. 1888 Taf. 1 

gSI^o ?2^-20 ''"" ""' ^""^ '"• ^^'"'^^^ """^^^ "• ^'^^' Nach Gerhard Trinkschalen und 
Sf' ?**• 2lTf" I°° ***' ^»'•*«»°^»»e Berlin 2283. Nach Arch. Ztg. 1883 Taf 2 
Fig. 7. FÄckelwettlaut Mosaik in der ViUa Albani. Nach Gerhard Antike Bildwerke Taf 63. 1. 



Die 



griechischen KultusaltertQmer 



von 



Dr. Paul Stengel, 

ProfeMor am kgl. Joachimithalachen Gynrnaalmn tn Berlin, 



Handbuch der klaos. AltertumawiaBenschaft V, 8. 2. Aufl. 



Einleitung. 

a. Begriff, Quellen und Geschichte der Disziplin. 

1. Wenn „die Reproduktion des klassichen Altertums durch Erkenntnis 
und Anscliauung seiner wesentlichen Äusserungen" (Ritschl Opusc. V 7) 
Aufgabe der Philologie im weitesten Sinne des Wortes ist, so fällt es den 
Eultusaltertümern zu, die Äusserungen des religiösen Lebens, die Gottes- 
dienste und die sakralen Institutionen darzustellen. Wie jedes Gebiet der 
Altertumswissenschaft berührt sich auch dieses vielfach mit verwandten, — 
mancher religiöse Brauch wird nur aus den Eigentümlichkeiten des Privat- 
lebens, manche heilige Satzung nur aus den Einrichtungen des Staatswesens 
verständlich, — ja es ist von der Mythologie, d. h. der Religionskunde, 
eigentlich nicht zu trennen. Ist Kultus und Gottesverehrung der Zweig 
gewesen, auf dem die schönste Blüte an dem unvergleichlichen Baum 
hellenischen Lebens erwachsen ist: Poesie und Kunst, so war die treibende 
Kraft doch die Religion selbst. Gottesdienst und alle Formen und Arten 
seiner Bethätigung sind ohne Leben und ohne Seele, vergegenwärtigt man 
sich nicht jeden Augenblick auch den Glauben und das Empfinden des 
Volkes, das sie geschaffen und geübt hat. So wird eine kurze Charakteristik 
der griechischen Religion auch die Kultusaltertümer einleiten müssen. Ist 
es darnach unumgänglich, teilweise in das nächstliegende Gebiet überzu- 
greifen, so ist andrerseits eine Beschränkung auf dem eigensten durch 
die Verhältnisse geboten: wir haben nur von Attika und einigen Brenn- 
punkten des religiösen Lebens der Hellenen, wie Delphoi oder Olympia, 
so ausführliche Nachrichten, dass wir uns ein Bild von den Gottesdiensten 
machen können; von den meisten Staaten und Städten wissen wir so wenig, 
dass ich, auch abgesehen von der Zersplitterung des Stoffes und von Wieder- 
holungen, die dann unvermeidlich geworden wären, auf eine zusammen- 
hängende und geschlossene Darstellung ihres Kultus verzichten und mich 
damit begnügen musste, besondere Eigentümlichkeiten gelegentlich hervor- 
zuheben. Hoffentlich ermöglichen es fortgesetzte Inschriftenfunde künftig 
einmal, auch an dieses unternehmen erfolgreich heranzutreten. An Vor- 
arbeiten fehlt es schon heute nicht. 

Die Quellen, aus denen wir unsere Kenntnis schöpfen, sind die 
Litteratur und die Monumente, also: die Werke der Schriftsteller, die In- 

1* 



4 Die grieohiBchen EultaBaltertftmer. 

Schriften, bildliche Darstellungen aus dem Altertum und Überreste von 
Bauwerken. Die letztern sind erst in neuester Zeit reichlich erschlossen 
worden, und dank dem Wetteifer der civilisierten Nationen, die immer 
genauer die alten Stätten durchforschen und den die Schätze bedeckenden 
Schutt forträumen, fliessen sie immer ergiebiger. Namentlich die In- 
schriften, von denen ein sehr grosser Teil sakrale Bestimmungen ent- 
hält, haben unsere Kenntnis erheblich gefördert. — Von den Schriften 
der Alten, welche Teile der Kultusaltertümer behandelten, wie Istros, 
Polemon u. a., sind uns nur Fragmente geblieben, wie andere antiquarische 
Notizen in den Scholien, Lexicis, bei Athenaios und späteren Autoren 
erhalten. Besonders wichtig ist Pausanias, der eine dankenswerte Fülle 
von Details aus dem ganzen Griechenland zusammenträgt. 

Über die Sammlung der Inschriften Labfeld Hdb. I' 407 ff. Die 
übrigen monumentalen Quellen sind für die Kultusaltertümer grösstenteils 
dieselben wie für die Privataltertümer. Ich füge daher den Hdb. IV* 5 ff. 
von Iw. V. Müller genannten Werken, von denen inzwischen Dabembebq's 
Lexikon weiter vermehrt worden ist (bis Buchstab G), nur den Hinweis 
zu auf die 43 Jahrgänge der Archäologischen Zeitung und das seit 1886 
an ihre Stelle getretene Jahrbuch des K. Deutschen Instituts, die Mit- 
teilungen der Athenischen Abteilung, die Ephemeris archaiologike^ das Bul- 
letin de correapondance hellSnique und die von Wissowa herausgegebene 
bis Buchstab G geförderte Paültsche Realencyklopädie. 

2. Die neuere Litteratur reicht in ihren Anfängen bis auf die 
grossen französischen Gelehrten des 16. Jahrhunderts zurück. «Sie strebten 
zu einer allseitigen stofflichen Erkenntnis des Altertums auf der Basis 
lebendiger Sprachkenntnis hin. Aber die Bartholomäusnacht brachte wie 
der Frost einer Mainacht der zarten Blüte vorzeitiges Welken; und die 
Polyhistorie, die aus ihren Anregungen erwuchs, war der Gegensatz zu 
der Konzentration, die allein zur Grundlegung einer Wissenschaft führen 
konnte* (üseneb Philologie und Geschichtswissenschaft, Bonn 1882 S. 6). 
Unter den Gelehrten des 17. Jahrhunderts, die sich durch Sammelfleiss 
auszeichneten, dabei aber völlig unkritisch verfuhren, ist vor allem Jon. 
Meubsius zu nennen (1579—1639), dessen zahlreiche Monographien am 
Ende des Jahrhunderts in den von Jac. Gbonov herausgegebenen Thesaurus 
antiquitcUum graecarum aufgenommen wurden, nach ihm J. Ph. Ppeiffeb 
und John Potteb (die genaueren Angaben über ihre Werke bei Busolt 
Hdb. IV^ 9), und für die Kultusaltertümer besonders wichtig J. G. Lake- 
macheb, der Verfasser der Antiquitates Graecae (Helmstedt 1734). Dann 
wies Bentley der Philologie neue Bahnen, doch zog die Altertumswissen- 
schaft, soweit sie sich die Erkenntnis antiken Lebens zur Aufgabe stellte, 
nur indirekten Nutzen aus den lediglich die Kritik fördernden, ja schaffenden 
Arbeiten des grossen Mannes und der in seinem Geist Fortwirkenden. 
Den realen Gehalt der antiken Litteratur zuerst lebendig erfasst und in 
farbigen Bildern zur Anschauung gebracht zu haben, ist das Verdienst 
der Gelehrten der Pariser Akademie des Inscriptions et BeUes-Lettres. 
Babth^lehys Voyage du jeune Änacharsis (Paris 1788) atmete einen neuen 
Geist und erschloss den Gebildeten, was die Gelehrten bis dahin anderen 



Einleitimg. (§ 2.) 5 

und durch ihre den Blick beengende Einseitigkeit trotz aller Yielwisserei 
auch sich selber verschlossen hatten, und Ste-Croix' Histoire de la religion 
secrHe des anciens peuples (Paris 1774) und Becherches sur les myathres du 
paganisme (1784) erhoben sich ebenfalls über die Leistungen der Vor- 
gänger. Im nächsten Jahrhundert übernahm Deutschland die Führung. 
Fr. Aug. Wolf's grosser Schüler A. Boeckh verschaffte, nicht ohne heftigen 
Widerspruch zu finden, der Altertumswissenschaft in dem vorher bezeich- 
neten Sinn die gebührende Stellung. Seine Staatshaushaltung der Athener 
(zuerst 1817, 2 Bde., 2. Aufl. 1851, 3. Aufl. bes. von M. Fbankel 1886), 
die Sammlung der griechischen Inschriften und zahlreiche andere Arbeiten 
auf dem Gebiet der griechischen Antiquitäten machten Epoche. Daneben 
behaupten W. Wachsmüth's Hellenische Altertumskunde (Halle 1826—30. 
4 Bde., 2. Aufl. 1846. 2 Bde.) und auch des Holländers van Limbouro- 
Brouwer Histoire de la civilisation morale et religieuse des Grecs (Groningen 
1832 — 42. 8 Bde.) einen ehrenvollen Platz. Weit übertroflFen aber wurde 
alles, was bisher auf dem speziellen Gebiet der Sakralaltertümer geleistet 
worden war, durch Chr. Aug. Lobeck's Aglaophamus sive de theologiae mysticae 
Graecorum causis (Königsberg 1829. 2 Bde.). 'Doch fehlte es noch immer 
an einem die „ gottesdienstlichen Altertümer '^ zusammenfassenden, auf der 
Höhe der wissenschaftlichen Forschung stehenden Lehrbuch. Ein solches 
herzustellen unternahm Karl Friedrich Hermann, der in dem ersten 
Bande des die gesamten griechischen Antiquitäten umfassenden Werkes 
die Staatsaltertümer bereits (1831) herausgegeben hatte. Sein Buch er- 
schien 1846 (2. Aufl., nicht wesentlich verbessert, von B. Stark. Heidel- 
berg 1858). Es ist noch heute wegen der zahlreichen Litteraturangaben 
unentbehrlich, und bequem zu benutzen, weil die Hauptstellen der Schrift- 
steller stets ausgeschrieben sind. Die Kritik lässt zu wünschen übrig, 
das homerische Zeitalter ist sehr dürftig behandelt. Nach ihm hat G. F. 
ScHOEMANN sciuo »griechischen Altertümer" geschrieben (2 Bde., 1. Aufl. 
Berlin 1855. Bd. I 4. Aufl. bes. von Lipsius 1897. Bd. II 3. Aufl. 1873). 
Der zweite Band (S. 126—600) enthält «das Religionswesen* mit Aus- 
schluss oder doch nur nebensächlicher Berücksichtigung der homerischen 
Zeit, die am Anfang des ersten Bandes besonders behandelt ist. Es ist 
dies die vorzüglichste systematische Darstellung der Kultusaltertümer, die 
wir besitzen, »das Muster einer im besten Sinne populären Darstellung* 
(Lipsius in Bürsian's Jahresbericht I 2, 1873 S. 1335). Seit dem Er- 
scheinen dieses Buches haben die Inschriften nicht geringes Material zu- 
geführt, und manche treffliche Monographie hat es verwertet, die Aus- 
grabungen haben vieles in ein anderes Licht gestellt, kurz des Neuen ist 
so viel dazugekommen, dass eine Neubearbeitung des Stoffes wenn noch 
nicht dringendes Bedürfnis, so doch eine lohnende Aufgabe zu sein scheint. 
So weit hatte ich vor acht Jahren geschrieben, als der Abriss der 
Kultusaltertümer zum erstenmal in die Öffentlichkeit ging. Mir waren 
die Mängel der schnell und nicht unter den günstigsten Umständen voll- 
endeten Arbeit nicht verborgen, um so dankbarer bin ich für die freund- 
lichen Beurteilungen, die sie gefunden hat. Wenn ich jetzt nicht viel 
zuversichtlicher vor die Leser und künftigen Benutzer der neuen Auflage 



Q Die grieohisohen Koitusaltertümer. 

trete, wiewohl ich hoffe, manches verbessert und die Brauchbarkeit des 
Ganzen erhöht zu haben, so ist der Grund vornehmlich die Erkenntnis, 
das zerstreute und weitschichtige Material doch nicht in dem umfange 
zu beherrschen, wie ich es wünschte, dann aber auch das Bewusstsein, 
den Ratschlägen kundiger Recensenten nicht gefolgt zu sein. Eine andere 
Einteilung des Stoflfes, wie sie mir von einer Seite vorgeschlagen worden 
ist (Lit. Centralbl. 1891 Nr. 51), hätte, wie ich nach reiflicher Über- 
legung mir sagte, auch wieder Nachteile mit sich gebracht und die Über- 
sichtlichkeit kaum gefördert. Die Wandlungen und Verschiedenheiten 
der religiösen Anschauungen und Gebräuche im Laufe der Zeiten habe 
ich mich hervorzuheben bemüht, mich aber nicht dazu entschliessen 
können, um deswillen sachlich zusammengehörige Abschnitte zu zerlegen, 
wodurch allzuleicht entweder die geforderte Knappheit oder der Zusammen- 
hang grösserer Partieen beeinträchtigt worden wäre. Gern hätte ich mich 
an die reizvolle und nützliche Aufgabe gemacht, auf die der ausgezeich- 
nete Gelehrte und Forscher in der Theol. Litztg. 1891 XVI Nr. 21 Sp. 520 
hinwies; ^Die Entwicklungen bis dorthin zu führen, wo sie entweder als 
völlig ausgelebt erscheinen, oder die neue christlich-byzantinische Kultur 
mitbegründen. ** Ich kann nicht sagen, dass die Behandlung dieser Fragen 
ausserhalb des Rahmens, den ich der Darstellung geben musste, gefallen 
wäre, es wäre gut, ihn so weit zu stecken, aber die Gebiete, auf die sich 
die Untersuchungen erstrecken mussten, waren mir doch nicht vertraut 
genug, und mehrere Publikationen der letzten Jahre hatten gezeigt, wie 
selbst bei Beschränkung auf kleinere Kreise fleissige Arbeiter das Ziel 
nicht erreichten und Vermutungen statt Thatsachen brachten. Das aber 
hat ein Handbuch vor allem zu vermeiden. So habe ich mich darauf be- 
schränkt, gesicherte Resultate, die dank den Bemühungen hervorragender 
Fachgenossen auch hier nicht ganz ausgeblieben sind, wenigstens hin- 
deutend zu verwerten. — Dass vieles ganz umgearbeitet oder neu ge- 
staltet werden musste, an anderen Stellen nur weniges nachgetragen ist, 
wird niemanden verwundern; nicht überall fliesst neues Material gleich- 
massig zu, und nicht jedes Gebiet rücken im Lauf weniger Jahre die 
Arbeiten bedeutender Gelehrten in gleich helleres Licht. Ich denke hier- 
bei vor allen eines Mannes, dessen Todesanzeige mir gleichzeitig mit dem 
ersten Druckbogen zuging: Erwin Rohde's. Möge seine Psyche der Er- 
forschung der Religion und des Kultus der Griechen führend auch weiter 
die Wege weisen. 

Litteratur: Ausser den bereits genannten Werken: Chr. Pstbbssn Religion der 
Griechen in Ersoh und Grübbb's Encyklop., Bd. 82, Leipzig 1864. Rinck Religion der 
Hellenen, ZOrich 1854, 2 Bde. von Lasaülx Akademische Abhandlgg., WQrzburg 1844. 
Gboro Grotk Griech. Mythologie und Antiquitäten, aus der griech. Geschichte übers, von 
Th. Fisohbr, Leipzig 1856, Bd. 1. L. Pbellbb Griech. Mythologie, 3. Aufl. von Plew, 
Berlin 1872, 2 Bde. Von der 4. Aufl., besorgt von G. Robbrt, ist der erste Band er- 
schienen (fOr die AltertAmer besonders durch grössere Berttcksichtigung der Heortologie 
und stärkere Betonung der Verschiedenheit der Lokalkulte wichtig und fördernd). M. 
DüNCKBR Geschichte des Altertums, Bd. QL Nabgblsbach Homerische Theologie, 2. Aufl. 
bes. von Autbkrieth, Nürnberg 1861. Nachhomer. Theologie, Nürnberg 1857. E. Guhl 
und W. Eoheb Das Leben der Griechen und Römer nach antiken Bildwerken, 6. Aufl., bes. 
von ExTOBLMAHH. DiBLS Sibyllinischo Blätter, Berlin 1890. E. Rohdb Psyche, Seelenkult 
und ünsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg 1894. v. Prott und L. Ziehen Legea 
saerae Graecorum, Leipzig 1896 (noch unvollendet). Gruppe Hdb. V 2. 



Einleitang. (g 3.) 



b. Allgremelne Charakteristik der grriechischen Religrion. 

3. Es ist bis jetzt ein ebenso vergebliches Bemühen gewesen, die 
Anfange der griechischen Religion bis in eine weit hinter Homer zurück- 
liegende Vergangenheit zu verfolgen, wie ihren Ursprung bei entlegenen 
Völkern aufzufinden, und die vergleichende Mythologie, die diesen Zielen 
vorzugsweise nachgeht, hat gesicherte Resultate, , die das Verständnis der 
Religion der Hellenen wesentlich förderten, kaum noch gewonnen, >) ja 
sie ist jetzt selbst dabei, die zuversichtlichsten Behauptungen zu wider- 
rufen und den vermeintlich so fest gegründeten Bau allmählich wieder 
abzutragen.^) Augenscheinlich ist in der stets fluktuierenden, sich stets 
mit andern Elementen versetzenden und neu bildenden Sage viel weniger 
vom alten gemeinsamen Stammbesitz übrig geblieben, als in der Sprache, 
wo die auseinandergehenden Völker doch einen festeren Kern, gleichsam 
etwas Substanzielles, mitnahmen, was schon seiner Natur nach wider- 
standsfähiger und wohl auch bereits ausgebildeter, Veränderungen und 
Neugestaltungen weniger ausgesetzt war. Es war überhaupt ein „Irrtum, 
dass man dasselbe, was sich für die Sprachen ergab, ohne weiteres auf 
den Glauben übertrug. Denn der religiöse Gedanke bindet sich nicht an 
die Sprache und lange nicht immer an die Nation ''.3) Aber auch wirk- 
liche Übereinstimmung der Vorstellungen und Sagen verschiedener Völker 
beweist nicht, dass eines sie vom andern entlehnt hat: „Der Ursprung 
idt derselbe, die Volksphantasie, aber diese hat zu verschiedenen Zeiten 
bei verschiedenen Völkern das Gleiche hervorgebracht. Analogie ist es, 
was Mythenerklärung lehrt; sobald sie auf die Descendenztheorie dabei 
überspringt, gerät sie in ein Labyrinth.**) Und in der That hat sich der 
Weg sehr fruchtbar erwiesen, von den religiösen Vorstellungen und Sitten 
noch kindlicher Völker auf das ursprüngliche Wesen und auf die Ent- 
wicklung auch der griechischen Religion Schlüsse zu ziehen. s) — Nicht 
minder missglücken mussten die Versuche, die griechischen Götter mit 
Naturkräften oder -erscheinungen zu identifizieren. „Die griechische Re- 
ligion ist keine Naturreligion.* ^) „In der Seele des Menschen entstehen 
die Götter. Es ist nicht nur falsch, es ist Lästerung, wenn man sie in 
der Aussen weit sucht und ApoUon zu einem seelenlosen Feuerball macht. ^^) 
Jene Sätze und Lehren streifen der Dichtung den Glanz und Duft ab, 
ohne etwas Befriedigendes an die Stelle zu setzen, ja sie sind „durchaus 
dazu geeignet, das Verständnis der griechischen Religion zu verbauen.*^) 
„Diese Götter lebten einst als wirkliche Wesen im Glauben der Menschen, 
und die natürlichen Vorgänge und sittlichen Mächte, die in ihnen ver- 



1) Vgl. L. FbibdlIndrb Jahrb. f. Phil. 
1873 S. 305 ff. und Dts. Rundschaa XIV 
Jahrg. 1. Heft Oktober 1887 S. 97 ff. 

') Vgl. Oldsnbbbo Dts. Randschau 1895 
S. 195 ff. 

■) V. WiLAMowiTz Eur. Her.« Vorw. S. 8. 

*) V. WiULMOWiTZ Philol. Unters. VII 
225 Anm. 28. 

') Vgl. RoHDS Psyche und die Religion 



der Griechen, Heidelb. 1895. üsbkbb Götter- 
namen 1895. 

>) Lkhbs Pop. Anfs.' 118. Vgl. Rohdb 
Psyche 268 f. 

') V. WiLAMowiTz Isyllos 97 Anm. 

®) Lbhbs a. a. 0. Vgl. Gubtiüs Sitz- 
nngsber. d. Berl. Akad. 1890 S. 1154 und 
Chantepib DB LA Saussatb Religionsgosch. 
II 90 ff. 



8 Die grieohüohen Knltusaltertümer. 

körpert waren, kamen für sich und abgetrennt nicht zum Bewusstsein.'^O 
Die Götter sind lebendige Personen. Wer das verkennt, verkennt das 
Wesen aller Religion. „Als ob man zu einem Gott beten könnte, der 
Abstraktum geworden ist."^) — Ebenso verfehlt ist es, der Urzeit des 
Hellenen Volkes den Glauben an nur einen Gott oktroyieren zu woflen. 
„Der Monotheismus bedingt einen Grad philosophischer Abstraktion, eine 
Ausbildung des Denkens, welche nur sehr vorgeschrittene Zeiten, vielleicht 
überhaupt nur Individuen, nicht Völker, erreichen."*) Aber welche Götter, 
wie viele und wie entwickelte die Griechen in ihre europäische Heimat 
herüberbrachten, wer will es sagen? Dass manche der später verehrten 
noch fehlten, andere erst hier ausgestaltet und fortgebildet wurden, lässt 
sich beweisen; will man weiter gehen, verliert man den Boden unter den 
Füssen. Erst unter dem griechischen Himmel sind die griechischen Götter 
geworden, was sie waren, und was sie uns sind. Hier sind sie in scharf 
begrenzten Formen und zur vollen Eigentümlichkeit ausgebildet worden, 
hier wurden sie täglich aufs neue geboren.^) Die ganze Natur wird von 
Göttern belebt und erfüllt, der Trieb und die Fähigkeit zu personifizieren 
ist fast unbegreiflich, und jeder Gott bleibt ein Individuum, das sich die 
Freiheit seines Willens und die Selbstbestimmung wahrt, wie der einzelne 
Mensch, innerhalb des Kreises, den das von Ewigkeit her ordnende Welt- 
gesetz auch um den Gott gezogen hat, und dessen Schranken er nicht 
ungestraft überschreiten darf. Überall von Göttern umgeben fühlte der 
Grieche sich sicherer und wohler. Es waren Wesen nach seinem Bilde 
geschaffen, zwar unsterblich und unvergleichlich mächtiger, aber fähig zu 
leiden und zu freuen sich wie er, nicht vollkommen, aber eben darum 
menschlicher. Sie stiegen vom Olymp und zeugten seine Königs- und 
Heldengeschlechter, sie umgaben ihn auf Schritt und Tritt. Nicht bloss 
in der mythischen Zeit, im Kindesalter des Volkes: die Athener jauchzen 
der Göttin noch zu, als sie auf dem Wagen des Peisistratos in die Stadt 
einföhrt,^) und bauen dem Pan einen Altar, als er dem Philippides be- 
gegnet und ihm verspricht, er werde den Seinigen helfen, wenn sie ihn 
mehr verehrten,") und wieder Jahrhunderte später, als schon eine andere 
Religion die Welt zu erobern begann, werden ihre Boten Paulus und 
Barnabas für Hermes und Zeus gehalten und können die Ehrenbezeugungen 
der Menge nicht hindern.') 

Die einzelnen Götter sind an Macht und Weisheit verschieden, wie 
die einzelnen Menschen. Zeus hat tiefere Einsicht auch in das Walten 
der Moira und lenkt leidenschaftsloser den Gang der Ereignisse. Und 
ebenso verschieden ist der Grad der Verehrung, die die einzelnen Gott- 
heiten in den verschiedenen Staaten, ja Häusern geniessen. In Orcho- 
menos wurden die Chariten, in Thespiai Eros, in Naxos Dionysos, in 
Tanagra Hermes, in Theben Ares am meisten verehrt,*) und manche Fa- 

Mjthus 1875 S. 6 u. v. Wilamowitz a. a. 0. 
») Herod. I 60. Aristot. Ath. Pol. 14. 
•) Herod. VI 105. 

^) Act. apOSt. XIV 11 flf. Vgl. BöTTICHKR 

Tektonik IV 131. 
*) Vgl. BuBSiAH Charakter des grieoh. j ») Gbufpb Hdb. V 2 a. d. betr. Orten. 



') V. Hehn Qedanken über Goethe^ 
S. 226. 

») V. Wilamowitz Gott. Gel.Anz. 1896 
S. 625. 

■) V. Wilamowitz IsjUoe 97 Anm. 



Einleitang. (§ 8.) 



9 



milie hat zu einer besonderen Schutzgöttheit am liebsten gebetet. *) Dazu 
kam, dass die griechischen Stämme sehr verschieden beanlagt waren, und 
der Stimmung und Neigung des Volksstammes entsprach das Bild seiner 
Götter. Auch die Verschiedenheit der Schicksale und des Wohnorts musste 
auf die Ausgestaltung der Götter von grösstem Einfluss sein. Die Wan- 
derungen schoben viel durcheinander, die Kolonisten nahmen altes mit 
und vermittelten das Eindringen von neuem,^) die Fremden, welche massen- 
haft als Metoiken aufgenommen wurden oder ganze Niederlassungen bil- 
deten, verehrten zum Teil ganz andere Gottheiten. Verboten konnte ihnen 
dies um so weniger werden, als man ihre Götter ja gar nicht leugnete, 
und so finden wir denn auch schon in früher Zeit Privatkulte ausländischer 
Gottheiten. Im zweiten Jahrhundert ersuchen in Dolos ansässige Eauf- 
leute die Athener um die Erlaubnis, ihrem Gotte Baal Marcod auf der Insel 
ein Heiligtum zu errichten,*) und schon viel früher (333) bitten kyprische 
Kaufleute, die sich im Peiraieus niedergelassen haben, die Athener möchten 
ihnen gestatten, ein Heiligtum ihrer Aphrodite zu gründen, wie sie den 
Aigyptiern erlaubt hätten, eines für Isis zu stiften.^) Hier finden wir über- 
haupt die buntesten Kulte: Ammon,*) Isis und Serapis, ^) Adonis,') Attis®) 
und Kybele,®) und die thrakische Bendis,^^) der man schon zu Piatons 
Zeit ein Staatsfest, die Bendideia, feierte. ^>) Pan wird nach der Schlacht 
bei Marathon unter die Staatsgötter aufgenommen,*«) der Oi^fit] und EIqtjvt] 
werden nach dem Siege am Eurymedon Altäre gestiftet, i*) und die Homer 
noch unbekannte Heroenverehrung ist zu Pindars Zeit allgemein. Dionysos 
ist ein hoch angesehener Gott geworden und wird in einer Weise ver- 
ehrt, die den ausländischen Einfluss unverkennbar zeigt; die vornehmsten 
Gottesdienste sind die Mysterien der Demeter und Persephone, Gottheiten, 
die bei Homer eine ganz untergeordnete Stellung einnehmen. Neue Bei- 
namen haben das Wesen der Götter vielfach erweitert und verändert, 
kurz ewiger Fluss und ein ewiges Werden. Etwas wie ein Dogma gab 
es nicht, an dem nicht gerüttelt werden durfte, und das eine Generation 
der anderen als teures Vermächtnis überliefei'te, auch keinen Religions- 
unterricht und keinen eigentlichen Priesterstand, der die Religion hütete. 
Und trotz alledem darf man nicht nur von einer griechischen Religion 
sprechen, die von Homer an dauert ein Jahrtausend und länger, sondern 
auch behaupten, dass diese Religion trotz aller Entwicklung und Ver- 
änderung, trotz der Durchsetzung mit so vielen fremden Elementen im 
wesentlichen dieselbe geblieben ist. Zwei Gründe sind es hauptsächlich, 
die ihr diese Kraft und diese Stabilität verliehen: Was auch im Laufe der 
Zeiten herübergenommen wurde, das blieb, auf griechischen Boden ver- 

•) CIA III 134 ff., 888. HöPBB Jahrb. 
f. Phü. 1892 S. 23. Rohde Psyche 396. 
Maass Orpheus 1 ff. 

^0) Hesych. u. d. W. CIA. U 741. Xen, 
Hell. II 4, 11. 

»') Fiat. Rep. Anf. 

'«) S. SoflOBMANN Opuso. III 439 f. 

>») Schol. Aischin. I 18 p. 128. Flut. 
Kim. 13. ScHOBMAim Gr. Altt.» II 175 A. 5. 



») Vgl. z. B. Lykurg 


. Leokr. 


8. 


») Vgl. FrIhkbl in 


BöCKH'fi 


Staatsh.« 


Anm. 705. 






•) CIG 2271. 






*) CIA II 168. 






») CIG 157. CIA II 


741. 




•) CIA ni 923, 140, 


204. 




') Flut. Nik. 13. Alkib. 18. 


'ji^vaioy 


VIII 138, 296. 






•) CIA II 622. 







10 Die grieohischen EaltnBaltertttmer. 

pflanzt, nicht mehr das Alte, sondern wurde so völlig umgestaltet, dass 
etwas Neues entstand, das von seinem Geist durchdrungen sich organisch 
ins Hellenentum einfügte, und das zweite: Der Kultus war ein Heiliges. 
Ihn übte der Sohn, wie er ihn vom Vater hatte üben sehen, und über 
ihm wachte der Staat. Mochte jeder glauben, was er wollte, beten, wie 
und zu wem er wollte, opfern oder nicht, wenn er nur öflfentlich nicht 
die Götter leugnete und vor allen Dingen den bestehenden Kultus nicht 
angriff. Nach dem Gesetz und Brauch des Staates die Götter verehren, 
das ist evaeßtq;^) wer das Herkömmliche zu zerstören droht, der macht 
sich der aaäßsia schuldig und wird vom Staat, der die bestehenden Ein- 
richtungen zu schützen hat, verfolgt.*) Die Anklage erheben konnte jeder 
Bürger, denn eine geistliche Aufsichtsbehörde gab es nicht. ^) Nicht wegen 
Unglaubens werden Protagoras, Anaxagoras, Sokrates u. a. vor Gericht 
gezogen, sondern weil sie Propaganda für ihre Irrlehren zu machen suchten, 
weil sie das Fortbestehen des alten Kultus gefährdeten.^) An ihm etwas 
ändern durfte höchstens die Volksversammlung, und diese wird es auch 
nie ohne vorherige Genehmigung des Orakels gethan haben.') — Wie die 
Gottesdienste und somit in gewissem Sinne die Religion, so hatte der Staat 
auch die Heiligtümer und das Eigentum der Götter zu schützen. Entheiligung 
oder gar Beraubung der geweihten Bezirke und Tempel wurde streng bestraft. 
Verlangte der Staat in Gefahren und Nöten die Hilfe der Götter, so musste 
er auch ihnen geben, was das Ihre war. Freilich ist es oft ausgesprochen 
worden, dass die reine Gesinnung und Frömmigkeit den Göttern die Haupt- 
sache sei,^) aber was eine grosse Menge sich unter Frömmigkeit dachte, 
sagt Piaton (Euthyphron 14 E): Man schliesst eine Art Vertrag mit dem 
Gott; erhält er, was er zu fordern hat, so ist er auch verpflichtet zu 
leisten und zu geben, was der Mensch bedarf. So war man tolerant ohne 
Grenze, was das Glaubensbekenntnis des einzelnen anbetraf, denn ein 
allgemeines existierte nicht, und deshalb kann von einem Gewissenszwang 
nie die Rede sein, aber man wachte über den Institutionen, über jeder 
praktischen Bethätigung des religiösen Sinnes. Vergegenwärtigen wir uns 
das, so wird es uns nicht mehr so wunderbar erscheinen, dass die Komiker 
sich auch über die Götter lustig machen durften. Man hat diese Scherze 
wohl nicht für gefährlicher gehalten, als die Verspottung anderer staat- 
licher Einrichtungen, die zu beseitigen oder auch nur herabsetzen zu wollen 
den Spöttern im Ernst nicht in den Sinn kam. Übrigens wird keinem 
Aufmerksamen entgehen, wie Aristophanes keineswegs alle Götter gleich 
behandelt; verspottet werden eigentlich nur die aus der Fremde auf- 
genommenen oder die nach der Sage den Platz im Olymp erst später 
erhielten. Poseidon spielt eine ganz andere Rolle als Herakles, Dio- 
nysos oder gar die thrakischen Daimonen, und über die jungfräuliche 



») Xen. Mem. IV 3, 16- 

') Vgl. Lbop. SoHiUDT Ethik der Griechen 
II 24 ff. 

') Vgl. OsiAiTDER über d. Religionsver- 
gehen im Korrespondenzblatt für die Ge- 
lehrten- and Realschulen Württembergs 1887 



u. 1888 S. 458 ff. 

^) Vgl. MsiBB-SoHOEifANN Att. Prozess' 
366 f. ScuoEMANN Gr. Altt.'' Anhang II 584 ff. 

») ScHOBMATO Gr. Altt.» II 167. 

•) IGIns. I 789. Plat. Leg. 716 E. Bbb- 
NAYS Theophrast Üb. d. Frömmigkeit 68. 



1. Die KiütuBBtätten. (§ 4.) 



11 



Schützerin der Stadt oder ApoUon wagt auch der Kühnste keinen frechen 
Scherz. Lukian hätte in der Zeit des Aristophanes seine Sachen wohl 
noch nicht schreiben dürfen. 

Und damit kommen wir auf einen Punkt zurück, den wir schon be- 
rührt haben: das Eindringen fremder Kulte und fremder Gottheiten in 
Oriechenland, das keineswegs zu allen Zeiten gleich stark gewesen ist.^) 
Erst in nachhomerischer Zeit sind Einflüsse des Auslandes nachweisbar, 
und noch Jahrhunderte lang bleiben sie gering. Götter werden nicht so 
leicht erworben und tauschen sich nicht so leicht aus wie Waren. Semiten 
und Aigyptier blieben den Hellenen innerlich immer fremd. Trotz der 
Eigenart aber des hellenischen Geistes und trotz der Grundverschiedenheit 
seiner Götter von den Gottheiten der Völker, mit denen der Grieche zuerst 
in Verkehr trat, strömte, wie wir gesehen haben, allmählich auch auf 
diesem Gebiet immer mehr Fremdes in das Land. Vielleicht noch mehr 
als alle die vorher angeführten Gründe ermöglichte und erleichterte diese 
Aufnahme der heterogensten Elemente der merkwürdige Umstand, dass 
die kindliche Vorstellung der homerischen Zeit, die griechischen Götter 
herrschten überall,^) sich auch später erhielt. Herodot identifiziert ohne 
weiteres die aigyptischen Gottheiten mit den griechischen, deren Namen 
und Wesen gleich verschieden von ihnen waren, und so alle Folgenden 
bis in die späteste Zeit.^) Dieser uns fast unerklärlichen Leichtigkeit im 
Identifizieren des Ungleichartigsten entsprach die Fähigkeit zu assimilieren. 
Was einmal als gleich oder verwandt angenommen war, das wurde dann 
auch thatsächlich gleich oder verwandt gemacht. Nach Alexander dem 
Grossen überfluten freilich die ausländischen Götterdienste Griechenland 
in einer Weise, dass ein Verarbeiten des Fremden auch dem so ungemein 
elastischen hellenischen Geiste nicht mehr möglich ist, und was bisher in 
vereinzelten Fällen vorgekommen war, wird jetzt ganz allgemein: die 
neuen Götter erhalten ihre Kulte neben den alten und überflügeln und 
verdrängen diese mehrfach. Doch es ist Aufgabe der Mythologie, dies 
im einzelnen zu verfolgen und darzustellen: hier mag es genügen, Wesen 
und Entwicklung der Religion in so flüchtigen Umrissen gezeichnet zu 
haben; auf Einzelheiten einzugehen, soweit es erforderlich scheint, wird 
sich im folgenden Gelegenheit bieten. 



1. Die Kultusstätten. 

4. Ein kindliches, frommes Volk, das sich überall von mächtigen 
Göttern abhängig fühlte, die in sein Leben fördernd und hindernd, segnend 
und strafend eingriffen, ohne dass man sie jemals sah, musste sich ihren 
Wohnort am natürlichsten auf der Höhe der Berge vorstellen, von wo 



*) At. 830 ff. macht sich der Dichter 
nur Ober die Projektmacher lastig. Man 
vergl. Thesm. 1136 ff. Nub. 563 ff. Equ. 
551 ff. 

') Vgl. hier namentlich £. Plbw Die 



Griechen in ihrem Verh. zu den Gottheiten 
fremder Volker. Programm von Danzig 1876. 

') Plew a. a. 0. 3. 

*) Vgl. z. B. Diöd. I 25. Plut Quaest. 
symp. IV 6. Nonn. XL 369. 



12 



Die grieohisohen Knltiisaltertümer. 



aus sie weite Fernen überblickend walteten. Hier ballten sich die Wolken, 
aus denen der gefürchtete Strahl zuckte, hier schuf man dem Gott einen 
Felsen thron. ^) Bald heiligte man ihm auch andere, dem Blick und Fuss 
des Sterblichen weniger entrückte Stätten. In dunkelnden Hainen, in 
geheimnisvollen Grotten ahnte die Phantasie einen Lieblingsaufenthalt der 
Götter, bald ihre Eigenart unterscheidend, und je nach dem Bilde, das 
man sich von ihnen machte, weihte man ihnen hier oder dort ein Heiligtum, 
ursprünglich gewiss einfach genug: eine Baumgi'uppe, die, im Kreise 
gepflanzt, ein schattiges Dach bildete, einen Steinhaufen, der als Altar 
dienen konnte. Aber als man sich an gemeinsamen, von einer Mauer 
umschlossenen Wohnsitzen vereinigte und Städte baute, genügten solche 
Heiligtümer dem Bedürfnis nicht mehr, vor allem deswegen nicht, weil 
der schützende Gott innerhalb des Mauerringes wohnen musste. In ältester 
Zeit finden sich jedoch auch in den Burgen und Palastanlagen des Herr- 
schergeschlechts eigentliche Tempel noch nicht. In Mykenai ist der 
Haupttempel der Burg später auf den Fundamenten des Anaktenhauses 
erbaut worden, ebenso in Tiryns und in Athen. Nicht in einen Tempel, 
sondern »ins Haus des Erechtheus begiebt sich Athena" Od. i; 81.*) Die 
homerische Zeit kennt aber auch schon Tempel, und wenn wir auf ^10, 
wo von der Gründung der Phaiakenstadt durch Nausithoos die Rede ist, 
auch nicht viel geben werden und die Möglichkeit zugeben, dass / 404 
und i> 80 »die steinerne Schwelle des Phoibos Apollon* nicht von einem 
Tempel verstanden zu werden braucht, so bleibt immer noch A 39 der 
Apollontempel in Chryse, B 549 der Athenatempel in Athen, rj 345 flf. 
das Gelübde der Gefährten des Odysseus, dem Helios zur Sühne für ihren 
Frevel nach glücklicher Heimkehr einen Tempel zu stiften, und in Ilios 
die Tempel des ApoUon (H 83, E 446) und der Athena (Z 88, 297)»). 
Ob wir uns freilich die Tempel als stattliche Gebäude zu denken haben, 
ist zweifelhaft. Z 88 f. müssen wir uns unter vrpg wohl einen geweihten 
Platz (vgl. Z 379) mit einem verschlossenen Uqo^ dofiog vorstellen, denn 
die zwölf Kühe, die evi vrj^j geopfert werden sollen (Z 93, 308, vgl. 
B 550), können im Gotteshause selbst unmöglich geschlachtet worden 
sein, wie denn auch A 448 die Hekatombe an einem im Freien stehenden 
ß(ofi6g geopfert wird, obwohl gerade Ghryses sich rühmt, dem Gott 
Tempel gebaut zu haben. Andrerseits aber ist vom Erbauen der vtjoi 
die Rede (E 446. fi 347), sie haben ein Dach (A 39) und ein aSvtov 
(E 448), man kann Waflfen daran befestigen {H 83) und Weihgeschenke 
hineinlegen (/i 347) ; der dofiog ist also doch wohl die Hauptsache. 

Aber ausser auf der Höhe der Burg bringt Hektor dem Zeus auch 
auf den Bergen des Ida Opfer {X 171 f.), und die natürlichen Heiligtümer 
sind die weitaus häufigsten Eultstätten. In Ithaka ist eine Grotte (v 163 fif.), 



*) V. Ain>RiAN Der Höhenkultus etc., 
Wien 1891. Bbbb Heilige Höhen der Grie- 
chen und Römer, Wien 1891. W. Rsiohbl 
Verheilen. Götterkulte 29 ff. 

^) ScHucHHABDT Arch. Auz. 1889 S. 62 f. 
DöBPFKLD Athen. Mitt. 1887 S. 207. Vgl. 



Waohsmuth Ber. d. sächs. Ges. d. Wies. 
1887 S. 403. 

•) Vgl. LuDSWiG Progr. des Privat- 
Ünter-Gymnas. zu Feldkirch 1895 S. 181 
Gaueb Grundfragen der Homerkritik 197 ff. 
Reiohel Vorhellen. Götterkulte 55 A. 



1. Die KiütnMtfttten. (§ 5.) 13 

die einen besonderen Eingang für die unsterblichen hat {v 111 f.), den 
Najaden heilig, und Odysseus pflegte ihnen hier Opfer (v 350) und andere 
Qaben (y 358) darzubringen. Eine andere den Nymphen geweihte Stätte 
ebenfalls in Ithaka ist ein Pappelhain nahe der Stadt, von einer Quelle 
durchrieselt. Dort ist ein Altar errichtet (p 210 f.), wo die Wanderer 
zu opfern pflegen, und Odysseus ihnen oft fette Schenkelstücke verbrannt 
hat (q 240 fif.). Auch Apollon hat, wie in Ismaros (i 200), einen heiligen 
Hain, wo ihm Hekatomben dargebracht werden (t^ 276 fif.), Spercheios 
besitzt an den Quellen des Flusses ein zä^isvog und einen Brandopferaltar 
(^ 148), auf dem ihm Widder geopfert werden, deren Blut man in das 
Wasser strömen lässt. Auf dem Gipfel des Ida hat Zeus räiisvog und 
Altar (0 48), und in Paphos Aphrodite (i> 363). — Dass der Gott sich 
dauernd in seinem Tempel aufhalte,^) hat man ebensowenig geglaubt, 
wie dass er immer an den sonst ihm geweihten Stätten weile; aber er 
besucht den ihm bereiteten Sitz häufig, um sich an den ihm aufbewahrten 
Kleinodien und Kostbarkeiten*) zu erfreuen, wie er sich bei den Opfern 
der Menschen zum Mitgenusse einfindet, und der Mensch darf deshalb, 
wenn er ihn hier anruft, der Erhörung am sichersten sein.') — Dass 
in homerischer Zeit die Zahl der geweihten Plätze, auf denen sich nur 
Altäre befanden, ungleich grösser gewesen ist, als die der Tempel,^) lässt 
sich schon aus den angeführten Stellen schliessen, noch viel zahlreicher 
aber waren Altäre, die einfach an einem geeignet erscheinenden Orte 
aufgebaut, von einem grösseren geheiligten Bezirk gar nicht umgeben 
waren. 

a. Altäre. 

Litteratnr: Hermaitm Gott. Altt.*, §§ 77 ff. de Moliit De ara apud Graecos, 
Berl. Diss. 1884. Dabbmbbrg-Saglio Dict. I 347 ff. u. ara mit vielen Abbildungen. Bau- 
meister Denkm. 55 f. Puchstein Arch. Jahrb. XI 53 ff. Heisch bei Pauly-Wissowa I 
unter Altar. Rbichel Vorhellen. GOtterknlte 1 ff. Vgl. die angehängte Taf. I, Fig. 1—6. 

5. Unter den drei Bezeichnungen, die wir für die verschiedenen 
Arten von Altären angewendet finden: saiia^ iaxaqa^ ßfofxog, ist die 
letzte weitaus die häufigste und für die grosse Mehrzahl der Altäre 
allein gebräuchlich. Sie ist zugleich auch die früheste. Denn wie sich 
aus zahlreichen alten Abbildungen und zum Teil nicht mehr verstan- 
denen Überlieferungen und Gebräuchen erschliessen lässt, ist der Altar 
ursprünglich als Sitz der unsichtbar thronenden Gottheit gedacht und 
demgemäss gestaltet worden. Auf den Stufen des Thrones legte man 
die Opfergaben nieder; sie bildeten zugleich den Schemel für die Füsse 
des Gottes und den Tisch, von dem er die dargebotenen Speisen ge- 
noss;*) ja es findet sich, als die orientalische Sitte bei Tisch zu liegen 
sich einbürgerte, statt des Thrones die xXtvr], und die Sitte der Lekti- 
sternien bewahrt noch spät eine Form der Gottesverehrung, die eigent- 



') Oyebbbck Gesch. der griech. Plastik* | ») Vgl. Cürtius Die Altäre von Olym- 

I 42 yetag, vrjog von vaio> wohnen. Anders pia 1882 S. 9 ff. 

ScHBADER Sprachvergl. n. Urgesch.^ S. 402. ! ') Vgl. 11. Z 257. 

*) r 274, fl 82, fji 347, cf. n 185. ») Rbichel a. a. 0. 39 f. S. Taf. I Fig. 4 



14 ^^9 CprieohiBohen EiütiiBaltertftmer. 

lieh ein Überlebsel aus einer Zeit ist, über die die religiösen Vorstel- 
lungen sonst lange hinaus sind.^) Aber auch die alten Throne bleiben 
hie und da in abergläubischer Pietät erhalten, als längst Eultbilder auf- 
gekommen waren, deren Vorhandensein mit dem Sinn der leeren, för 
einen unsichtbaren Gott bestimmten Throne nicht zu vereinigen ist.') 
Das sind jedoch seltene Ausnahmen; denn als man aufhörte sich die 
Gottheit so sinnlich gegenwärtig vorzustellen, als man ein Abbild der Un- 
sichtbaren schuf, in dem man doch nicht sie selbst zu sehen vermochte, 
bekamen auch die Altäre eine andere Form, lediglich zum Darauflegen 
und Verbrennen der Opfergaben bestimmt. 

Bei Homer sind Altäre etwas ganz Gewöhnliches. Wir finden sie 
in den Höfen der Ftirstenwohnungen,^) im griechischen Lager vor Ilios,*) 
in Chryse {A 448), auf dem Ida (© 48), am Spercheios (^ 148), und auf 
der Überfahrt hat Agamemnon an jedem Altar des Zeus, an dem man 
vorüberkam, ein Opfer gebracht (0 238 flf.). In den ältesten Zeiten waren 
diese Altäre gewiss von der grössten Einfachheit, aus Steinen oder Rasen- 
stücken kunstlos aufgeschichtet, und auch später kommen so primitive Exem- 
plare vor.*) Oft waren sie ja auch nur zu einmaligem Gebrauch bestimmt,*) 
und in diesem Fall verschwendete man natürlich niemals Mühe und Kosten 
daran. Aus Steinen, die am Ufer liegen, lässt Apollonius Rhodius') die 
Argonauten bei ihren Landungen sich die Opferaltäre erbauen, und bei 
Theokrit (Id. XXVI 3 flf.) stellen Frauen aus Reisig und Blättern Altäre 
her. Tansanias (IX 3, 4) berichtet sogar von einem Fest der Boiotier, 
an dem sie einen grossen Altar aus Holz erbauen, den sie zugleich mit 
den darauf liegenden Opfertieren verbrennen.®) Auch Altäre, die öfter 
benutzt wurden, waren bisweilen wenig dauerhaft,*) bei weitem die meisten 
aber waren solide und mehr oder weniger kunstvoll und prächtig aus 
besserem Material erbaut, nur zum Fundament pflegte man unbehauene 
Steine zu verwenden.*®) Die Form der Altäre war sehr verschieden, 
namentlich derer, die nicht als Opferstätten dienten. Vor dem Hause 
pflegte ein ßiafxog dyvisvg zu stehen, ein Obelisk, der gewöhnlich dem 
Apollon geweiht war,^*) im Hofe oder Hause ein Altar des Zeus Herkeios,**) 
und vielleicht befanden sich auch in anderen Wohnräumen kleine Altäre, ^^) 
auf denen man Weihrauch verbrennen oder Blumen und andern Schmuck 
niederlegen mochte. In Magnesia musste am grossen Jahresfest der 



Reichel a. a. 0. 33 ff., 44. 

») Reichel a. a. 0. 13 ff. 

») A 772 ff. des Pelens. x 332 des Odys- 
Beus, vgl. 379. 

*) A 808. 9 249. 

») S. z. B. Paus. Vm 35, 8. 

•) DiELS Sibyll. Bl. 129 ZI. 3. 

') Arg. I 403. 966. 1123, H 695. Vgl. 
Oyebbeck Heroische Bildwerke 324 

8) Vgl. Tac. Ann. XV 30. Puchstbin 
Arch. Jahrb. XI 57. 

•) Paus. VI 24, 2. cf. V 13, 5. 



^^) Wekigbb Der Gottesdienst in Olym- 
pia, Sammig. v. Vortr. Viechow u. Holtzbn- 
DORPF XIX Serie 412. 

>M Hesych u. Harpokr. u. dyviBvs. Wbl- 
CKER Griech. Götterl. I 494. de Molin 24. 

1*) X 334, 379. Kratinos bei Meinbke 
Frgm. com. III 377, PoU. VIII 341. Pbtbbsen 
Der Hausgottesdienst der Griechen 50. Vgl. 
auch Bader De diis nar^tooig Schleusingen 
1873 S. 10 ff. u. Kjlstobches im 'A^yaioy 
IX 1880 S. 422 ff. 

^*) .Gf. Lobeok Agl. 1239. de Mouk 
26 f. 



1. Die EnltasBiätten. (§ 5.) 



15 



Artemis Leukophryene jeder Bürger vor seinem Hause einen Altar 
errichten und darauf sein Opfer darbringen.^) 

Gestalt und Material auch der Brandopferaltare waren völlig ver- 
schieden. Die gewöhnliche Form war vierseitig, quadratisch oder länglich,') 
doch kommen auch runde vor,^) und jede einzelne Art zeigte wiederum so 
viele Abweichungen in Bildung und Stilisierung, dass man auch darnach 
wieder verschiedene Gruppen scheiden kann.*) Mitunter waren sie auch 
mit Hörnern geziert.*) Völlig ungleich war auch die Grösse und Höhe.«) 
Pausanias (H 29, 6) erwähnt einen Altar, der nicht viel über den Erd- 
boden emporragte, der Korybantenaltar in Pergamon war nur 16 V« Centi- 
meter hoch, 7) der des Zeus Naios auf der athenischen Akropolis 18 Centi- 
meter.®) In Syrakus wiederum hatte Hieron H einen Altar gebaut, der 
ein Stadion lang und 22 Meter breit war;^) der Altar des Zeus in Olympia 
hatte nach Pausanias (V 13, 5) einen Umfang von 132 und eine Höhe 
von 22 Fuss,*^) und der berühmte Altar zu Pergamon war über 12 Meter 
hoch. So grosse, meist aus Marmor gefertigte Altäre waren an den 
Seitenflächen gewöhnlich mit Skulpturen geschmückt.*^) An dem Altar 
der ephesidchen Artemis sah man Bildwerke von Praxiteles,*') und die 
verstümmelten Reste der Figuren des pergamenischen Zeusaltars zieren 
jetzt das Museum unserer Hauptstadt. Auf den Platten anderer waren 
Inschriften eingegraben, die eine Widmung,*') oder auch Opferbestim- 
mungen enthielten, wie sie uns mehrfach*^) erhalten sind. Andere waren 
mit Farben geschmückt'*) oder getüncht und mit dem Namen der Gottheit 
beschrieben. ^<>) Einen silbernen Altar der Hera bei Argos erwähnt 
Pausanias (H 17, 6); einen noch merkwürdigeren gab es in Delos; er war 
ganz aus Ziegenhömern verfertigt und wurde zu den sieben Weltwundem 
gerechnet.") Sodann hatte man Altäre, die aus der Asche der verbrannten 
Opferstücke bestanden. Pausanias zählt eine ganze Reihe aus verschie- 
denen Orten Griechenlands auf,*®) in Olympia hatte der Altar des Zeus 
einen solchen Aschenaufsatz, zu dem von dem bedeutend grösseren Unter- 
bau Stufen aus Asche hinaufführten. Man schlachtete die Tiere auf dem 
untern Teil {ngo&vmg) und trug nur die Schenkel hinauf, um sie dort zu 
verbrennen. Ebenso aber war die Anlage des syrakusanischen und gewiss 
sehr vieler, wenn nicht aller grossen Brandopferaltäre.**) Bei Milet soll 



Eerit Aroh. Anz. 1894 S. 122 ff. 

*) Paus. V 14. 5. 

») Altt. V. Pergamon VIII 1 S. 68 mit 
Abbildg. Rbisoh a. a. 0. 1675 f. de Molin 
26 f. Vgl. Enstath. znr Od. q 209. 

*) DB Molin 61 ff. 

•) Anthol. Pal. VI 10, 3. Arch. Ztg. 
1866 tab. 206. 

') DB Molin 66 ff. 

') Perg. Altt. VIII 1 n. 68. 

8) JeXr. agz- 1890 S. 145. Mehr bei 
Rbiboh a. a. 0. 1662. 

*) Diod. XVI 83. Püobbtbin Arch. Anz. 
1898 S. 20. 

'«) PuoHBTEiN Arch. Jahrb. XI 74 f. 

") Paus. II 17, 6. 



»») Stfab. XIV 641 B. 

»») Plnt. Arist. 19. Pergam. Inschr. VIII 
2 n. 327 ff. 

^*) Caübr Del.* n. 435 ans Lesbos, I6A 
379 aus Thasos. 

»») Bull, de corr. VI 310. Vgl. Curtius 
Die Altäre v. Ol. tab. I u. II, Abb. der Berl. 
Akad. 1881. 

'^) Magnes. Inschr. Ebbn Arch. Anz. 
1894 S. 122 f. PucHSTBiN Arch. Jahrb. XI 60. 

") Kallim. Hymn. in Apoll. 60. 

") V 13,5; 14,6; 15,5; IX 11,5. S. 
femer Eoldbwsy 51. Winckelmannsprogr. 
Berl. Arch. Ges. 1891 S. 29. 

'•) Puchbtbin Arch. Anz. 1893 S. 23 ff. 



16 



Die griaehisehMi KaltaaaltMrtflmer. 



es einen Altar ans dem geronnenen BInt von Opfertieren gegeben haben. ^ 
Auch Altäre aus natürlichem Fels scheinen vorgekommen zu sein.*) 

Wenn schon Privatleute in ihren Häusern und Höfen,') Künstler in 
ihrer Werkstatt^) Altäre zu haben pflegten, so durften diese in öffent- 
lichen Gebäuden, Palästen^) oder auf den Versammlungsplätzen der Yolks- 
gemeinde noch weniger fehlen,®) am wenigsten aber auf der Akropolis, 
dem heiligsten und gewöhnlich auch ältesten Teile der Stadt. ^) Aber 
nicht bloss die Städte waren voll von Altären,') auch auf dem Lande 
waren sie nicht seltener, als heute in katholischen Gegenden Kapellen und 
Heiligenbilder. An Kreuzwegen wurde Hekate verehrt {ivodia^ %Qioittiq\^) 
auf Bergen ^<^) und an den Grenzen *0 pflegte namentlich Zeus Altäre zu 
haben, an den Landstrassen Hermes.^*) Auch auf Gräbern fehlten sie 
nicht. 1») 

Altäre, die auf vielbetretenen Plätzen standen, waren in der Regel 
durch eine Umfriedigung ^^) oder eine herumgezogene Kette ^^) geschützt. 

Für den Kultus sind am wichtigsten die Opferaltäre, deren sich 
einer oder mehrere vor jedem Tempel befanden.*«) An ihnen wurden die 
Tiere geschlachtet, das Blut ward daraufgegossen *^) und die Opferstücke 
verbrannt. Um Beschädigung durch das Feuer zu verhüten, setzte man 
oft einen Aufsatz herauf, auf dem das Feuer angezündet wurde, und der 
nach Bedürfnis erneuert werden konnte.*') Auch im Innern der Tempel 
befanden sich Altäre,*') in der Regel wohl nur zu unblutigen Opfern 
dienend,'^) sicher hat man an ihnen niemals Tiere geschlachtet.'*) 

Bisweilen war ein Alter mehreren Göttern {&€oi cvfißoifioiy ofio^ 
ßcifAioi) geweiht.'^) So gab es in Athen auf dem Markt einen Altar der 
Zwölf Götter,*') auch einen, der der Aphrodite und den Nymphen ge- 
meinsam war,**) und im Amphiareion bei Oropos einen, der für fünf 



») Paus. V 13, 6. 

«) Vgl. PauB. II 32, 7. CüBTiüs und 
Eaufbbt Atlas von Athen tab. VIII. 

•) Aristot. Ath. Pol. 25. Plat. Rep. I 
328 C. 

*) Paus. V 15, 1. 

*) Arist. Nub. 178 f. 

•) Xen. Hell. II 3, 52. Antiph. VI 45 
p. 146. Herod. V 46. Thuk. VI 54. Paus. V 
15, 3. 

') Paus. I 26, 6. Plut. Per. 13. cf. de 
MouN 48 f. 

>) Aiscb. Ag. 88 ff. 

•) Vgl. Theokr. Id. II 36 mit Schol. 

'^) Beispiele bei db iMoiiN -H. 

»>j Cf. Plato Leg. VII J 842 E. 

") Schol. zur Od. n 471. 

*•) Paton u. Micks Inscr. of Cos nr. 281 
S. 197. nr. 325 S. 211. 

»*) Paus. X 38, 3. 

»») Plut. Dec. orat. p. 847 A. 

*') ß(ofioi ngoyaoi Aisch. Suppl. 494, 
Herod. II 185. de Molin 52 f. Bötticbbb 
Tekt. IV 17 f. Rbisch a. a. 0. 1650. 



'^) Einige erhaltene AltAre zeigen Ver- 
tiefungen, offenbar zur Aufiiahme des Bluts 
bestimmt, das dann vielleicht durch einen 
Kanal an einer Seitenwand hinunter abfloss 
(s. DE Molin 65 f.). 

'®) LoLLiNO in d. Ztschr. *A&ijyä Athen 
1891 S. 595. Rbisch bei Pault-Wlbsowa 
I 1677. 

»») Paus. V 14, 5. II 17, 6. Eur. Ion 115. 

20) Cf. Paus. V 15, 6. DB MoLiN 54. Doch 
kommen Ausnahmen vor. Vgl. Eur. Andr. 
1113. Herod. VI 81 und die Inschr. von Kos 
V. Prott Fasti graec. S. 25 ZI. 9. Döbp- 
FBLD Athen. Mitt. XVI 337. 

*■} Auch Paus. II 35, 5 nicht. Mann- 
HABDT Mythol. Forschungen 67. 

") Paton u. Hicks Inscr. of Cos nr. 64 
S. 116. Maubeb De aris Graecorum pluri- 
bus deis in commune positis (Darmstadt 1885). 

") Plut. Dec. orat. p. 847 A. 

*«) KöHLEB Athen. Mitt. II 246. Vgl. 
IG Sic. et lt. 1007. Paus. V 14, 5 f. I 24, 6, 
BuU. de corr. VI 328. 



1. Die EiütnsBtätteii. 



7 -8.) 



17 



Oöttergruppen bestimmt war. Doch waren dann die den Einzelnen ge- 
hörigen Teile genau bezeichnet und abgegrenzt. ^ 

6. Eine andere Art von Altären sind die sogenannten saxuQai,^) 
Nach ApoUon. Lex. Hom. 78 stellte man sie aus Rasen und Erde her, 
doch würde sie dies von ßcniioC nicht unterscheiden, auch kennen wir 
gemauerte icxdqai. Charakteristisch für sie ist die hügelartige Form, die 
geringe Höhe^) und ein Loch, das bis in das natürliche Erdreich reicht. 
Dies hat dän Zweck, das Blut der Opfertiere hinabzuführen. Denn die 
iaxaqai dienen dem Kult der Unterirdischen und der Toten. ^) So erklärt 
sich, dass das Wort bei Homer, dem diese Kulte fremd sind, nicht einen Altar, 
sondern den Herd bezeichnet und synonym mit latirj gebraucht wird.*) Da 
der Herd, auf dem der Mensch sich seine Nahrung bereitet, eine gewisse 
Heiligkeit hat,^) und zudem die einzig geeignete Stätte ist, auf der in Er- 
mangelung eines Altars in einfachen Fällen bei häuslichen Opfern den 
Göttern die Weihestücke verbrannt werden können, ist es nur natürlich, 
dass Eumaios hier den Eber schlachtet (^ 420) und dann auch die anaqy^axa 
verbrennt (^ 429). Im Kult der chthonischen Gottheiten und Toten wird 
das ganze Tier auf der iaxdqa verbrannt. Viel häufiger noch als ßiofxoi 
wird man diese leicht und billig herzustellenden Altäre zu einmaliger 
Benutzung für ein bestimmtes Opfer errichtet haben. ^) Die ursprüngliche 
Bedeutung , Feuerstätte'' hat iaxccqa nie verloren, und insofern diese auch 
auf keinem Altar fehlen darf, der zu blutigen Opfern benutzt wird, kann 
man auch von einer icxdqci ßiofjiov^) sprechen oder der ganze ßwfxoq wird 
metonymisch «(rxapa genannt,^) namentlich wenn er klein und niedrig ist. 
Auch transportierbare iax^Q^^i also kleine Opferherde oder vielleicht 
Roste, die man auf die ßcofioi legte, werden erwähnt, i®) Wo von Heroen 
geweihten ßcofxoi die Rede ist, ohne dass man ihnen dg &€^ opfert, ^ *) hat 
man darunter keine Opferaltäre zu verstehen, oder muss sie für jung 
halten; denn in später Zeit hat man auch Verstorbenen neben oder auf 
ihrem Grabe ßcofioC errichtet.**) 

Nahe verwandt mit den iaxdQcti sind die Opfergruben, i*) deren eine 
man schon auf einem der uralten mykenischen Schachtgräber gefunden 



») Paus. I 34, 2. cf. DQaxrixd t^j iy 
j4(^, 'Aqx. 'Ex. 1884, Athen 1885. Engelmbnn 
Jahresber. des Philol. Vereins, Ztschr. f. d. 
6w. 1887 S 165. Aus Aisch. Hik. 222 ist 
nicht das Gegenteil zu schliessen. 

«) Schol. Eur. Phoin. 274 u. 284. Poll. 
I 8. Ammonios bei Harpokr. u. iaxdga. 
Neanthes v. Eyzikos bei Enstath. ad Od. 
C 305. CIA HI 199. DB Molin S. 2 f , 66 f., 
Michaelis Aroh. Ztg. 1867 S. 9. Mokmsrn 
Heort. 257. Loewy Arch. Jahrb. II 110. 
RoHDB Psyche 33. 

') S. die Abbildung eines Reliefs der 
Villa Albani Arch. Jahrb. II 109. Ferner 
Denbkbit Roschers Myth. Lex. 2499. 

«) Schol. Eur. Phoin. 274. Zosimos bei 
Dibls Sib Bl. 128 ZI. 6. Kaibel Elektra 133. 

») Vgl. I 159, 420, Q 93, r 304, x 375, 
378. 



Handbaota der klua. Altertanuswiasenschaft. V, 8. 2. Ant), 



•) Vgl. 17 153. 

7) S. Zosimos bei Dibls Sib. Bl. 129 ZI. 3. 

?) Eur. Andr. 1138. Schol. Eur. Phoin. 
284. inißüijMoi iaxftQai Schol. Hes. Theog. 
540. Vgl. PüCHSTEiN Arch. Anz. 1893 S. 23 flF. 

•) Aisch. Pers. 205 ioxaga ^oißov. 
Eur. Phoin. 291 AoHov i. Eur. Suppl. 33 u. 
289. Her. 921. [Demosth.] LfX 116 p. 1385. 
Apoll. Rhod. II 1175. Poll. X 65. Schol. B 
zu Hom K 418. Reisch bei Pauly-Wissowa 
I 1649 und 1664. 

»») Aristoph. Ach. 887 f. Vgl. Vesp. 936. 
Bekkeb Anecd. I p. 40, 15. Poll. X 104. 

»>) Paus. I 1, 4; 35, 2. vgl. II 10, 1 und 
die bildliche Darstellung eines Heroenaltars 
bei ScHBBiBBR Kulturhist. Atlas Taf. XV 
Nr. 17. 

'«) TGSic. et It. 1493, 1815, 1987. 

**) S. darüber Dbbbkbk a. a. 0. 2497 f. 
2 



18 Die grieohiBohen Euliasalteriamer. 

hat.i) Auch auf dem Hofe des Palastes zu Tiryns glaubt man eine solche 
entdeckt zu haben. ^) In Heiligtümern chthonischer Gottheiten oder Heroen 
waren sie häufig und die Ausgrabungen haben eine ganze Anzahl an 
verschiedenen Orten blossgelegt.») Von andern berichten die Schriftsteller.*) 
In Samothrake ist „an der ausgezeichnetsten Stelle '^ des dorischen Marmor^ 
tempels «eine etwa halbkreisförmige Öffnung gefunden worden, welche 
durch eine besonders dicke Marmorplatte ziemlich senkrecht nach unten 
ganz hindurchgeht und oben einen Falz zur Aufnahme eines verschlies- 
senden Deckels bildet Es ist ursprünglicher Boden, auf welchen das 
Loch herabreicht.**) Auch Spuren und Überreste von verbrannten Opfer- 
tieren haben sich daselbst gefunden. In dem Eabirenheiligtum bei Theben 
wurde „die eine der beiden neben einander liegenden Opfergruben (jede 
0,90 m breit, 2,10 — 2,20 m lang und c. 1,50 m tief) bis oben mit Schenkel- 
knochen aögefüUt" gefunden.«) Auch sie waren durch einen Deckel ver- 
schliessbar. 

7. Eine dritte und letzte Bezeichnung für Altäre ist dann noch iütia^ 
ein Wort, das bei Homer auch nur „Herd* bedeutet. Namentlich die der 
Herdgöttin geweihten Altäre, wie man sie vor allem in den Prytaneen 
hatte,') pflegen mit diesem Namen bezeichnet zu werden. Die iaiim 
waren jedenfalls den iaxdqai ähnlicher als den ßfofxoi^^) doch wird der 
Name auch auf diese übertragen.^) 

b. Tempelbezirke und Tempelgrttter. 

8. Ehe es Tempel gab, gab es geweihte Bezirke (tsfjLävriy^), Haine 
oder umfriedigte Stücke Landes, in deren Mitte ein Altar stand. Aber 
auch später, als die Tempel häufiger wurden, blieben diese heiligen Be- 
zirke, und zwar umgaben sie den Tempel, wo der Raum es gestattete, 
oder sie bestanden als selbständiges Heiligtum, ^<) dessen Umfang dann 
gewöhnlich durch Steine {oqoi) abgesteckt war.^') Ein mit Bäumen be- 
pflanztes T€fX€vog hiess aAero^,'^) und dieser Name wurde für derartige 
Heiligtümer so gewöhnlich, dass selbst ein baumloses, einem Gott ge- 
heiligtes Stück Land so genannt werden konnte. '*) Der Teil des zäfisvog, 
auf dem der Altar oder der Tempel des Gottes stand, war am heiligsten 
und durfte oft nur zu gewissen Zeiten von den dazu Berechtigten^^) oder 



Pbbllbb-Robrbt Gr. Myth. I 427. db 
MOLUT 13. 

») Schol. Eur. Phoin. 274. 

^) Aisoh. Eum. 282 hrla #ot/9ov. Fans, 
r 42, 1 i. ^^$(ov. Soph. 0. E. 1495 Umt«^ 
daoAip &e<^ ßov&vtoy kaxlav ayiCtay. Eine 
ioiitt iy r(p patp Koische Inschr. bei v. Pbott- 



*) ScHLiBMANN Mykenae 246 f. mit Ab- 
bildung auf Plan F. 

') ScHuoHHABDT Schliemanns Ausgrab. 
Leipz. 1890 S. 129 f. 

*) Im Asklepieion zu Athen (Eöhlbb 
Athen. Mitt. 11 1877 S. 233 ff., 254 f.), im 
Eabirentempel auf Samothrake (Archäolog. 

Untersuchungen auf Samothr. I 20 f., II , Zibhev Leg. sacr. S. 25 ZI. 9. 
15 ff., Taf. IV Fig. 1, Taf. V und VI), im »•) Etym. M. u. tBfieyog. PolL I 8. 

Heiligtum der Eabiren bei Theben (Döbpfbld 
Athen. Mitt. XllI 91 und 95. Philostr. Apoll. 
T. VI 11, 13.) 

*) Vgl. Paus. X 4, 10. IX 18, 4. IX 39, 
4 u. CoNZB Arch. Unt. auf Sam. I 21. 

») CoNZB a. a. 0. I 20 f. 

«) Döbpfbld Athen. Mitt. XIII 95. 



»') Paus. I 18, 7; V 13. 1. 

") Z. B. Athen. Mitt. XIV 108 n. 61 n. 
S. 115. 

1«) Paus I 21, 9; VIII 37, 7; VIII 42, 
5; X, 32, 6. 

»*) Strab. IX 412. 

»*) Z. B. Paus. VI 20, 4; VÜI 31, 5. 



1. Die Kultasst&tten. (S 8.) 19 

überhaupt nicht betreten werden {aßavov).^) In solch einem Fall waren 
die Grenzen deutlich bezeichnet, bisweilen der ganze Raum durch eine 
Mauer abgeschlossen.*) Dass ein Verbrecher oder Unreiner das tegov nicht 
betreten durfte, war selbstverständlich,^) bisweilen wurde auch Enthaltung 
vom Beischlaf oder von gewissen Speisen während mehrerer Tage vorher 
von dem Besucher eines Heiligtums verlangt;^) von andern mussten sogar 
bestimmte Tiere ferngehalten werden. So durften in lalysos auf Rhodos 
den heiligen Bezirk der Alektrona Pferde, Esel, Maultiere, überhaupt 
Lasttiere nicht betreten. Ebenso waren Schafe fernzuhalten;^) in andere 
wiederum durften Schweine^) oder Hunde ^) nicht hineingelassen werden. 
Gewöhnlich wird mit dem Namen tegov der innere Teil des täfievog be- 
zeichnet,^) doch wird er auch auf das Ganze ausgedehnt.^) Die TSfiävr} 
sind oft sehr gross. Xenophon bestimmte nach glücklicher Beendigung 
des Feldzuges den zehnten Teil der Kriegsbeute zum Ankauf eines Gutes 
in Elis, auf dem er der ephesischen Artemis einen Tempel erbaute, i®) 
Eine Inschrift aus Ithaka^^ ordnet an, dass der Inhaber des heiligen 
Grundstücks der Artemis den zehnten Teil des jährlichen Ertrages opfern 
und von dem übrigen den Tempel in Stand halten solle. Anderswo hatte 
ein dem Dionysos heiliges Grundstück eine Grösse von 3320 Schoinoi,^*) 
und die ganze krisäische Ebene bei Delphoi war der Artemis, Leto und 
Athena Pronoia geweiht, i*) Überhaupt gehörten die TSfiivrj öfters mehreren 
Gottheiten gemeinsam, allerdings nur solchen, die sich nahe standen. >^) 

Die Art der Benutzung dieser Tempelgüter war verschieden. Der 
engere Bezirk des Icqov durfte niemals angebaut oder sonstwie ausge- 
nutzt werden, >^) aber zuweilen wurde diese Bestimmung auf die ganze 
dem Gott geweihte Umgebung ausgedehnt. So sollte die erwähnte kri- 
säische Ebene unbebaut bleiben,'^) und als die angrenzenden Stämme 
sie beackerten, entstanden die heiligen Kriege, welche Griechenlands 
Untergang herbeiführten. In Akraiphia soll, wer das Temenos des 
ApoUon Ptoios beschädigt, von den Amphiktionen bestraft werden,^') und 
zu Eerkyra werden Leute, die Bäume aus dem heiligen Hain des Zeus 
und Alkinoos gefällt hatten, zu schweren Strafen verurteilt. ^^) Demeter 
und Köre hatten zwischen Eleusis und Megara ein Stück geweihten 
Landes, ^^) das den Namen oQydg führte, weil es nur von wildwachsenden 
Pflanzen bestanden war,^<>) doch scheint hier nur das Beackern verboten 



») Soph. Oid. Kol. 117. Paufl. VIII 31, 
2; 38, 5, IX 12, 3. 

«) Paus. VI 20, 4. 

*) DiTTUiBEBGBB Syll. 379. IGIns. I 677, 
II 188. Theophr. bei Porphyr. De abst. II 27, 
Bkbnats 86 f. 

') Vgl. S. 35. Plut. Qoaest. symp. III 
6, 4. Journ. of Hell. Stud. VIII 383 f. nr. 14. 

*) DlTTlHBBBQBB Syll. 357. 

«) DiTTENBEBGEB Syll. 358. Strab. XII 
575. 

') Plut. Qu. rem. 111 p. 290 A. Bör- 
TiCHBB Tekt. IV 22. 

8) Herod. VI 75. Paus. V 6, 4. 

•) Paus. VII 30, 2. 



»0) Anab. V 3, 9. 



CIG 1926. 

>«) CIG 5774. 

»«) Aischin. TU 69 p. 107. 

>*) Vgl. z. B. Paus. VII 23, 5. 

'<") Ephem. arch. 1857 n. 3139. 

^•) CIA II 545. 

>7) CIGSept. 1 add. 4135. 

») Thuk. in 70. 

") Plut. Per. 30. Harpokr. u. ogydg, 
Bbkkeb, Anecd. 287. HeUad. bei Phot. bibl. 
p. 535. 

*o) Herod. VI 75. Paus. III 4, 2. Gött- 
LiNO Ges. Abhandlungen 1 121. 



20 



Die grieohiBohen EiiltnBaltertttmer. 



gewesen zu sein, denn es wird verpachtet.^) Ähnliches wird uns auch 
von anderen Heiligtümern berichtet.") 

Weitaus häufiger wurde das Temenos benutzt und verwertet, in der 
Regel so, dass man es verpachtete.') Der Apollontempel in Dolos besass 
zehn Domänen auf der Insel selbst und zehn auf Rheneia. Die wertvollste 
brachte eine Pacht von 1800 Drachmen (1413 Mark) jährlich, die kleinste 
51 Drachmen (40 Mark)^). Im Jahr 279 ergaben die zehn Domänen auf 
Rheneia zusammen 8098 Drachmen (6400 Mark), die delischen 3386 
(2675 Mark). Kontraktbedingungen sind uns mehrfach inschriftlich er- 
halten. Die Pächter haben Bürgen zu stellen, und der Eontrakt gilt als 
aufgehoben, wenn der Zins nicht regelmässig gezahlt wird.^) Insolventen 
Schuldnern kann Hab und Gut verkauft werden, ja sie haften mit ihrer 
Person.**) Die Art und Weise der Benutzung wird öfters bis ins kleinste 
vorgeschrieben und durch die minutiösesten Bestimmungen, deren Nicht- 
befolgung oft Geldstrafen nach sich zieht, Vorsorge dafür getroffen, dass 
der Wert des Grundstücks sich in keiner Weise vermindere,') oder sich 
sogar steigere, indem man die Pächter z. B. zur Anpflanzung von Öl- 
bäumen verpflichtet.^) Die Eontrolle war streng; eigens dazu ernannte 
Beamte inspizierten das Grundstück bisweilen mehrmals im Jahre. ^) Wir 
finden Verpachtungen von Porsten und Weidetriften, i®) Feldern und Gärten, 
Häusern'*) und Fabriken, ^8) die dem Tempel gehörten. In Dolos besass 
der Gott sechzehn bis achtzehn Häuser in der Stadt, die im Jahre 279 
an Miete 882 Drachmen (693 Mark) brachten. Ein andermal wird ein Stück 
des Tempelgebietes für die dem Heiligtum gehörenden Herden bestimmt, i*) 
oder Strafgelder für jedes Stück Vieh festgesetzt, das auf der heiligen 
Trift weidet, ohne dass der Eigentümer zur Benutzung berechtigt ist.**) 
Auch Gewässer waren mitunter den Göttern geweiht, *•*) und die Fische 
durften dann entweder gar nicht gefangen werden,»') oder gehörten den 
Priestern.'®) In Halikarnass war ein bestimmter Meeresstrich mit einer 
Thunfisch warte den Göttern zugeeignet,»*) und in Dolos hatte ApoUon 
das ausschliessliche Recht der Purpurfischerei und des Fischfangs an den 
Eüsten,«®) ausserdem den Zehnten vom Ertrage der sonstigen Fischerei, 



DlT- 

Vgl. 
250 



Ephem. arch. III (1888) S. 31 ZI. 15. 
Ball, de corr. XLiI 434. 

») Paus. II 25, 3. CIG 2561. 

') Harpokr. u. dno fxia&iafÄäiiav. 
TBNBBBGEB Syll. 258. CIA I '283. 
BoBOKH Staatsh." I 372 ff. 

^) RechnuDgaurkunde vom Jahr 
Bull, de corr. XIV 399 ff. 

*) Bull, de corr. VI 1 ff., XIV 399 ff. 
Lbbas- Waddington Inscr. de TAsie Min. 111 
n. 381 und 416. 

') 1 nachr. aus Halikarnass Bull, de 
corr. IV 275 ff. 

Sog. tab. Heracl. CUJ 5779, 5774. 
Inschr. aus Aroorgos Bull, de corr. XVI 
278 ff Newton Die griech. Inschr. übers, 
y. IxELMANN Hannover 1881 S. 45 ff. 

') ClA IV 2 53a. 

<») RANGABi Antiqu. hellen. II 174 nr. 476. 



'«) Thuk. V 53. Aristot. Pol. VI p. 1321 
b 30. 

»') Bull, de corr. VI 19, XIV 392. 

»•) CIA II 817. I 283. 

^») Pergam. Inschr. VIII 1 n. 40. 

>«) In Delphoi, Bull, de corr. VII 429. 

»*) In Tegea, Bull, de corr. XII 1 281 ff. 
Meistbr Ber. d. kgl. Sachs. Ges. d. Wiss. 
zu Leipzig 1889 1I~III S. 71 ff. 

'•) CIA II 1056. C. CüBTius Herrn. 
IV 188. 

»») DiTTENBERGEB Svll. 364. PsUS. VU 

22, 2. Diod. V 3. Vgl. Böttichbb Tekt. 
IV 25. 

") Paus. I 38, 1. 

»•) DrrTBNBERGBR SvU. 6 ZI. 44. 

") Bull, de corr. VI 19 f., XIV 399 ff. 
ZI. 36 f. 



1. Die Ealtuast&tteii. 



9-10.) 



21 



im Jahre 250 eine Summe von 1850 Drachmen (1454 Mark). Kleinere 
Einnahmen flössen aus dem Verkauf der dem Tempel gehörigen Tiere 
oder Erzeugnissen der Landwirtschaft. In den Urkunden von Delos finden 
wir Beträge für verkaufte Gänse, *) Eier, Mist, Holz*) verzeichnet. Gelder 
aus dem Tempelvermögen aber wurden gegen Zinsen ausgeliehen, und der 
Volksversammlung verantwortliche Hieropoioi sorgten vorsichtig für sichere 
Anlage der Kapitalien.^) Manche Heiligtümer besassen noch besondere 
Rechte (reXt]), So das des delischen Apollon ausser den bereits erwähnten 
zwei Prozent der Hafenzölle. Im Jahre 279 belief sich die Pacht für 
dies „Funfzigstel'' auf 14200 Drachmen (11600 Mark). Auch das Recht, 
Steuern zu Kultzwecken zu erheben, stand manchen Heiligtümern zu und 
wurde ebenfalls von ihnen verpachtet ;*) anderswo waren bestimmte Klassen 
Qewerbtreibender zu Leistungen für das Heiligtum verpflichtet, die ihnen 
die Staatskasse nicht immer wiedererstattete oder vergütete.*) — In Attika 
gehörten sogar auf Privatgrundstücken die Ölbäume {fioQ(ai) mitunter der 
Göttin, und ihr Ertrag wurde verpachtet.«) Auf Ausgraben oder Fällen 
aber stand die Todesstrafe. Später gingen sie in Privatbesitz über, aber 
die Eigentümer mussten das Öl für die Preise der Panathenäischen Wettkämpfe 
liefern.') Erworben und vermehrt werden konnten Tempelgüter entweder 
durch Schenkungen und Stiftungen,^) oder es konnten aus den Zins- 
erspamissen des vorhandenen Tempelvermögens neue Landankäufe gemacht 
werden.*) Eine reiche Quelle von Einkünften bildeten die Strafgelder, 
die auf den Bruch von Verträgen, Unterlassen der vorgeschriebenen Opfer, ^^) 
oder andere Vergehen gesetzt waren.**) So war dieser Besitz so wohl 
fundiert wie kein anderer; selbst im Kriege pflegte man Tempelgüter zu 
verschonen,»*) und es kam vor, dass Leute ihre Güter, namentlich wenn 
sie sie gefährdet glaubten, an Tempel verkauften, so zwar, dass sie für 
eine jährlich zu entrichtende Summe die Nutzniessung weiter behielten, i^) 

Auch Heroen hatten bisweilen Tefiävrj,^^) doch waren diese verhältnis- 
mässig unbedeutend. 

e. Tempel. 

9. Die wichtigsten Stätten des Kultus sind die Tempel, i^) Sie wurden 
zum Teil auf Kosten des Staates, i^) zum Teil von reichen Privatleuten*') 



») Bull, de corr. VI 20 ZI. 158. XIV 892. 

») Bull, de corr. XIV 892 f. 

•) Bull, de corr. VI 21 f., XIV 899 ff. 
ZI. 25—27 und die Bern. Homollbs dazu 
8. 450 ff. ; auch v. Sohöffer De Deli ins. 
reb. Berl. Stud. TX 118 ff. 

*) Bekker Anecd. 1482, Töpffeb Athen. 
Mitt. XVI 426 f. 

^) Insohr. von Eos Athen. Mitt. XVI 409 
ZI. 17 ff. und TöFFFER dazu S. 480 ff. 

•) Lys. VII 260 p. 108. Vgl. Paus. VIII 
24, 5. ScHOEMAMK Gr. Altt.* II 196. Boeckh 
a. a. 0. I 874. 

') Arist. Ath. Pol. 60. 

8) CIG 3641b, 4474, 8885. Att. Inschr. 
i. d. Sitzgsber. d. Berl. Akad. 1897 S. 678. 
Thuk. III 50, IV 116. Vgl. Rhein. Mus. 
XVIII 262. 



») Lebas-Waddikoton m n. 381, 416. 
Vgl. SwoBODA Wien. Stud. XI 78 f. 

'^) Inschr. aus Telmessos Bull, de corr. 
XIV 164. 

^•) IGA 110, CIG 158, CIA H 841, 
CIA IV 2 n. 85c. Bull, de corr. XIH 281 
ZI. 25 f., XIV 21 u. 119. 

»») Thuk. IV 97. 

«») CIG 2698 f. Athen. Mitt. XIV 867 ff. 
Die Inschriften sind aus Asien. 

") Herod. IX 25. Plut. Arist. 11. 

ifi) Abbildungen auf Tafel II 1-4. 

><) Wie genau und ausfOhrlich dann die 
Vorschriften, und wie streng die Eontrolle 
war, darüber vgl. CIA I 854; Inschr. aus 
Lebadeia im 'J9ijvaioy IV 869. 

") Xen. Anab. V 3, 9. IGIns. II 880 



22 



Die grieohlBohen KaltoBaltertllmer. 



gestiftet. Die meisten Tempel befanden sich auf den Akropolen der Städte. 
In der Regel wird ein Ort schon lange durch Opfer- und Altardienst oder 
Orakel berühmt gewesen sein, ehe an ihm Tempel errichtet wurden. Dass 
dies in Olympia der Fall war, haben die Ausgrabungen ergeben,') und wo 
konnte man überhaupt einen passenderen Ort zur Errichtung eines Tempels 
finden, als wo bereits ein geweihter Bezirk mit einem Opferaltar vor- 
handen war?*) Sonst waren für die Wahl des Platzes mancherlei Rück- 
sichten bestimmend. Im allgemeinen wurden freiliegende, weithin sicht- 
bare und der Berührung mit dem täglichen Verkehr möglichst entzogene 
Orte bevorzugt,^) doch kam es auch darauf an, welchem Gott das Heilig- 
tum geweiht sein sollte. Chthonischen Gottheiten baute man die Tempel 
in der Ebene, die andern, vor allem Zeus, zogen die Höhen vor.^) Die 
noXtovxoi x^€oi mussten auf der Burg wohnen, andere wurden als ayogatoir 
auf dem Markt verehrt, noch andere hatten ihre Tempel vor den Thoren.^) 
Auch die Tempel, welche sich inmitten der Stadt befanden und von einem 
grösseren tegov nicht umgeben sein konnten, waren durch einen nsQißoXog 
von grösserem oder geringerem Umfang von den profanen Wohnstätten 
getrennt.®) Dieser schloss dann häufig zugleich andere zum Heiligtum 
gehörige Gebäude ein, wie Priesterwohnungen, oder bei den Tempeln der 
Heilgötter Krankenhäuser, Ställe für das Opfervieh, 7) ja bisweilen um- 
fasste er mehrere, verschiedenen Göttern geweihte Tempel.*) Dass dieser 
Bezirk ebenso wenig oder noch weniger als ein TSfuvoq verunreinigt 
werden durfte, versteht sich von selbst. Gefässe mit Weihwasser (neQiQ- 
QuvTijQuc) standen ringsum, damit der Eintretende sich besprengen konnte,^) 
und der Unreine durfte den Raum überhaupt nicht betreten, »o) An Pracht, 
Grösse, Aussehen unterschieden sich die einzelnen Tempel nicht weniger 
als die Altäre. Hatte man diese errichtet, um den Göttern darauf Opfer 
darzubringen, so war der Grund zur Erbauung jener wohl, dass man den 
Thron des Gottes schützen und die Weihgeschenke sicher unterbringen wollte. 
UK Die Tempel**') erhoben sich auf einem Unterbau, der gewöhnlich 
stufenartig anstieg. Doch waren diese Stufen zu hoch, um auf ihnen empor- 
steigen zu können, und so musste denn namentlich dem Eingange gegen- 
über ein treppenartiger Einsatz zur Benutzung für die Tempelbesucher 
angebracht werden. In der Regel war der Unterbau dreistufig, doch sind 
Ausnahmen, zum Teil durch das Terrain veranlasst, nicht gerade selten. 
Das Heraion in Olympia hatte z. B. nur eine Stufe, **) der Tempel in Se- 
gesta und der sog. Gonkordiatempel in Girgenti haben vier.^'^) Auch kam 



BUS Thera. Ball, de corr. VI 488 f. aus Syl- 
lion in Pamphilien. 

*) Wenioeb Der Gottesdienst in Olynipia, 
Vortr. V. ViRCHow u. v. Holtzendorfv xTX 
413. 

•) «P 148, 9 48. & 363. 

•) Xen. Mem. lU 8, 10. Paus. IX 22, 2. 

*) Vgl. Archftol. Unters, auf Samothrake 
n 28. 

B) E. Gttbtius Jahrb. f. Phü. 1856 S. 142. 

•) Paus. I 20, 2. BömoHBB Tekt. IV 
16 £f. £. Hbllbb Fleckeisen Suppl. XVIII 



(1891) S. 216 ff. 

') Inschr. aus Rhodos IGIns. I 81. 

^) Paus. I 18, 7; II 2, 1. Rakgab^ Ant. 
hellen, n. 820. 

^) Eur. Ion 449. Theophr. bei Porph. De 
abst. U 27, Bervats 86 f. Poll. I 8. 

'<>) S. z. B. Lyk. Leokr. 2. Böttichbb 
Tekt. IV 48 f. 

^») SrPTL Hdb. VI 359 ff. 

^*) DöBPFBLD Olympia n 28. 

>•) BiNDSBiL Aus d. klass. Sttden 1896 
S. 14. 45. 



1. Die Eidtiuistätteii. (§ lO.j 



23 



es vor, dass sich an der Eingangsseite mehr Stufen befanden als an den 
andern, wie dies an den selinuntischen Tempeln G und D noch deutlich 
wahrnehmbar ist.^) Nach Vitruv III 3 soll die ungerade Zahl der Stufen 
üblich gewesen sein, weil es als ein gutes Vorzeichen galt, die erste und 
letzte mit dem rechten Fuss zu betreten.^) In der Regel bildeten die 
Tempel ein längliches Viereck mit einem ziemlich flachen Giebeldache; 
Rundtempel mit Kuppeldach finden sich in Griechenland erst in hellenisti- 
scher Zeit.*) Das Giebelfeld (aezog, äsTcofia) war oft mit den herrlichsten 
Skulpturen geschmückt, welche Scenen aus der Götter- oder Heroensage 
darstellten.^) Die erhaltenen Figuren aus den Giebelfeldern des Parthenon 
(Brit. Mus.), des Athenatempels in Aigina (München) und des Zeustempels 
in Olympia gehören zu den wertvollsten Resten antiker Bildhauerkunst. 
Auch an den Metopen befanden sich häufig ähnliche, in Relief gearbeitete 
Darstellungen. An dem Artemision in Ephesos war an 36 Säulen der 
untere Teil des Schaftes mit mehr als lebensgrossen Figuren in Hoch- 
relief geschmückt.*) Häufig wurde der Eindruck und die Wirkung dieser 
Bildwerke wie auch der Tempelwände selbst durch Anwendung von 
Farbe belebt und erhöht, <^) namentlich pflegten sich die Figuren des Giebel- 
feldes von einem blauen oder roten Hintergrund abzuheben. Stieg man 
die Treppe hinauf, so gelangte man zuerst in den Pronaos, einen Vorbau, 
dessen Seitenwände Verlängerungen der Tempelwand waren, die aber 
vorn nur durch eine Säulenreihe abgeschlossen war. Hier pflegten Weih- 
geschenke zu stehen, und man konnte auch diesen Raum absperren, indem 
man die einzelnen Säulen durch Gitter verband. Dahinter lag der eigent- 
liche vaog, auch trtjxog genannt, die ceüa, die den Hauptteil der Tempels 
bildete.^) Besonders grosse Tempel hatten noch eine Öffnung im Dach. 
Doch waren diese (Hypäthraltempel) sehr selten. Döbpfeld") meint, dass 
unter den uns bekannten sicher nur das achtsäulige Olympieion in Athen ^) 
und der dsxdtfTvlog des Apollon Didymaios in Milet (Taf. H, Fig. 1) 
Oberlicht hatten, wahrscheinlich der grosse Weihtempel in Eleusis und 
der Apollontempel in Phigaleia.*^) Hier lag also die Gella unter freiem 
Himmel, umgeben von einer Säulenhalle und einer geschlossenen Wand. 
Gewöhnlich empfing der Mittelraum das Licht nur durch eine grosse Thür, 



^) Bekndobf Die Metopen von Selinunt 
Taf. XII. BiNDSBiL a. a. 0. 54 f. nach Dürm. 

*) Vgl. BöTTicHBB Tektonik I 125 ff. 

») Vgl. Paus, in 12, 11. Pyl Die grieoh. 
Rundbanten, Greif swald 1861. Bblgbb Die 
griech. Eupnelgrftber , Berl. 1887 S. 12 f. 
RiGHTBR De tnesaoris Olympiae effossis Berl. 
1885. RuBENSOHiv Die Mysterienheiligtflmer 
152 ff. Das Philippeion in Olympia war 
wahrscheinlich ein Heroon. Flasoh in Bau- 
meisters Denkm. 1104 Anm. Adlbb (vgl. 
BiCHTBB a. a. 0. 27) hält es für ein Schatz- 
haus. Sonst kommen ausser den Hestia- 
beiligtttmem, die eine ^/<r^4x nachbildeten, 
namentlich das Arsinoeion in Samothrake 
und der Tempel der Athena Pronoia in Del- 
pboi in Betracht. 

*) Vgl. die Vorderansicht des Athena- 



tempels in Aigina bei Baumbistbb Denk- 
mäler 261. Mehr bei Sittl Hdb. VI 605 ff. 

») Arch. Ztg. 1873 S. 72. 

«) Bubsian Jahrb. f. PhU. 1856 S. 432. 

A BÖTTICHBB Tekt. IV 247 ff. 

«) Athen. Miti XVI 334 ff. 

») Vgl. Vitruv m 2 § 8. 

»•) A. KöBTB Berl. Phil. Wochenschr. 
1892 S. 163 f. fügt auf Grund von Diod. XVI 
27 den Apollontempel in Delphoi hinzu. Auch 
die grossen selinuntischen Tempel, die zu- 
gleich als Schatzhäuser dienten, werden 
Oberlicht gehabt haben (Benndobf Die Me- 
topen von Selinunt 20 f.). E. Gttbtiüs Wochen- 
schrift f. klass. Phil. 1893 S. 901 ff. vermutet, 
dass auch andere Tempel Vorrichtungen im 
Dach hatten, die Licht einliessen. 



24 



Die griechUiohen EolinBaltertttmer. 



die sich nach aussen öffnete, eine Einrichtung, die an Privathäusern nicht 
gestattet war.*) Die Thür des Parthenon war fünf Meter breit und zehn 
Meter hoch. Im Hintergrunde der Gelia befand sich das Götterbild,^) das 
wohl nur ausnahmsweise in einem Tempel fehlte, davor ein Altar für un- 
blutige Opfer und neben diesem Tische zum Niederlegen von Weihge- 
schenken. Waren diese wertvoll, so fanden sie in dem (rrjxog meist auch 
ihren bleibenden Platz. ^) Grössere Tempel hatten dann in der Regel noch 
einen dem Pronaos entsprechenden Hinterbau, den Opisthodomos,^) der 
aber nicht immer durch eine Säulenreihe, sondern oft durch eine Wand 
abgeschlossen war. Es war dies notwendig, wenn hier Schätze aufbewahrt 
wurden. Fast alle Tempel hatten Säulen vor dem Pronaos {vaog TtQotrtvlog)^ 
sehr viele auch am Opisthodomos {äfiipiTTQOffTvlog)^ und die bedeutenderen 
auch auf den Langseiten (jisQimsQog). Besonders prächtige Tempel waren 
von doppelten Säulenreihen umgeben (dimsQog)^ und das Olympieion in 
Athen hatte an seinen beiden Giebelseiten sogar dreifache Reihen.^) 
Ganz verschieden war die Grösse der Tempel. Herodot (HI 60) nennt als 
den grössten aller ihm bekannten Tempel den der Hera in Samos, dessen 
Länge 346 und Breite 189 Fuss betrug. Doch gab es später noch grössere; 
der Tempel der Artemis in Ephesos war ohne Stufenunterbau 104,39 Meter 
lang und 49,98 Meter breit, mit dem Stufenunterbau 127'°, 40 lang und 
73°*, 15 breit. Nach dem Brande wurde er in derselben Grösse wieder 
aufgebaut. Auf einem mächtigen unterbau von zehn Stufen mit rings 
umhergeführten Doppelreihen von sechzig Fuss hohen Säulen erhob sich 
der Bau in der Grundfläche etwa viermal so gross als der Parthenon und 
anderthalbmal so gross als der Kölner Dom.*^) Der erst von Hadrian 
vollendete Tempel des Zeus Olympios in Athen hatte eine Länge von c. 
107,60 und eine Breite von über 52 Metern. Der Parthenon ist 69,51 Meter 
lang, 30,86 Meter breit und c. 14 Meter hoch. Der Mittelraum war ein 
Quadrat mit einer Seitenlänge von 30,86 Metern. Der ganze Tempel 
zerfiel in den Pronaos, in den grossen Ostsaal oder Parthenon im engern 
Sinne mit dem Standbilde der Göttin und in den durch eine thürlose, über 
anderthalb Meter dicke Querwand davon getrennten, von der westlichen 
Vorhalle her zugänglichen Opisthodomos.^) Dieser diente vornehmlich zur 
Aufbewahrung des Schatzes der Göttin, und seit 434 auch der unter ge- 
meinsamer Verwaltung besonderer xafjuai vereinigten Schätze der meisten 
andern Götter Attikas; ausgenommen war namentlich das eleusinische 
Tempelgut. ^) Auch das Grössenverhältnis der einzelnen Teile war in den 
verschiedenen Tempeln verschieden. So war der arixog des eleusinischen 
Tempels 51,96 Meter lang, während die Länge des ganzen Gebäudes nur 
63,52 Meter betrug. Freilich diente der auch im Innern von Stufenreihen 



50. 
Böckh's 



Staatsh.- 



») Arist. Athen. Pol. 

s) Vgl. FrIvxbl In 
n Anm. 266. 

") BöTTioHBB Tekt. IV 8. 

*) Schol. Luk. Timon. 58. 

») 0. Müller Archäologie § 288. 

®) E. CuBTius Altert, u. Gegenw. Berl. 
1882, n 116. 



7) DöBPFBLD Athen. Mitt. XXII 169 f. 
White Harvard Stud. in class. philol. VI 
1 £f. hält den Opisthodom für ein separates 
Gehände, das ursprünglich der hintere Teil 
des von den Persem zerstörten Hekatompe- 
don gewesen sei. 

") LoLLiNG Hekatompedon Athen 1890. 



1. Die KiüiMstätten. (§ 10.) 



25 



umgebene Bau hier ganz besonderen Zwecken, hatte zwei Stockwerke,^) 
und ein Opisthodom fehlte. Die Anlage der Tempel war in der Regel so, 
dass der Eingang, dem das Gesicht des Götterbildes zugewandt war, nach 
Osten lag, doch gab es auch nach Norden orientierte Tempel, wie die 
beiden Eabirentempel auf Samothrake,^) das Amphiareion bei Oropös,^) 
und den ApoUontempel in Phigaleia; jedoch öffnete sich an diesem die 
Thür des kleineren Raumes, der wahrscheinlich die cella war, nach Osten, 
so dass dann auch das Bild des Gottes nach dieser Richtung geschaut 
hat.^) Die Tempel der chthonischen Gottheiten scheinen nach Westen 
orientiert gewesen zu sein. So sicher der des Zeus Sosipolis in Magnesia,'^) 
das Pelopion^) und das Metroon in Olympia.') Wo die Sonne zur Rüste 
ging, suchte man die Toten;*) in dem mykenischen Gräberrund waren 
sämtliche Grabstelen und die Toten selbst nach Westen gerichtet,^) und 
auch die Priester, welche Alkibiades verfluchen, wenden sich nach Westen. ^^) 
Wenn aber Oidipus den Eumeniden spendend nach Osten blicken soll,^>) 
so ist das wohl so zu erklären, dass er im Heiligtum der unterirdischen 
Gottheiten das Gesicht nach Osten gerichtet hat, wie der in einem Tempel 
vor dem Eultbild Anbetende nach Westen. 

Wurde einer Gottheit ein neuer Tempel erbaut, weil der alte den 
Ansprüchen nicht mehr genügte, so beseitigte man diesen nicht immer. 
So gab es einen alten und einen neuen Athenatempel auf der athenischen 
Akropolis,»«) einen alten und neuen Dionysostempel und einen alten und 
neuen Asklepiostempel^^) am Nordfusse der Burg, so zwei Eabirentempel 
in Samothrake.**) — Zuweilen gehörte ein Tempel mehreren Gottheiten.*^) 
Das 'konnten dann sog. vaoi dtnXol, Doppeltempel; sein, die sich nach ent- 
gegengesetzten Richtungen hin öffneten, i^) so dass jeder Gott seine beson- 
dere Cella hatte, oder derselbe Raum war mehreren Gottheiten geweiht 
und nicht immer einer Hauptgottheit vorzugsweise.*') In diesem Fall be- 
fanden sich mehrere Altäre und Götterbilder im Tempel;*®) wie denn eine 
Inschrift aus Itanos in Ereta ein Heiligtum der Athena Polias erwähnt, 
in dem auch bestimmten andern Göttern geopfert wird.*^) 

Einige Tempel hatten noch ein Adyton*^) oder Megaron, ein Aller- 



*) RuBENSoHir die My8terienheiligiümer24. 

*) Arch. Unters, auf Samothr. II 31. 

•) S. V. WiLAMOWTTz Herm. XXT 97. 

*) DöRPPBLD Athen Mitt. XVI 343. 

*) 0. Kbbn Arch. Anz. 1894 8. 81. 

•) Paus. V 13, 1. 

») PucHSTBiif Arch. Jahrb. XI 69. Vgl. 
DöRPFBLD Olympia II 38. Über Tempel- 
orientierungen Nibsbn Rhein. Mus. XXVIII 
513 ff., XXIX 369 ff., XL 329 ff u. beson- 
ders XLII (lö87) 28 ff. BöTTicHBR Tekt. IV 
97 ff. NissBN Templnm Berl. 1869 8. 162 ff. 

8) Vgl. 11. «P 51. # 56. 191. Athen. 
IX p. 409. Soph. Oid. Tyr. 178. Böttiohbb 
Tekt. IV 100. 

') Bblobb Die myken. Lokalsage Progr. 
d. Friedrichsgymnas. Berl. 1893 8. 38. 

»•) Lys. VI 51 p. 107. 

") Soph. Oid. Kol. 477. 



>•) DöRPFBLD Athen. Mitt. XXII 159 ff. 

») EöBLBB Athen. Mitt. II 174. 

") Arch. Unters, auf Samothr. II 26. 

") Vgl. schon II. E 446 ff. Del. Inschr. 
Bull, de corr. VI 328 u. 331. 

»•) Paus. II 25, 1. VIII 9, 1. 

") Thuk. IV 97. Paus. I 14, 1; 18, 7; 
41, 4; II 11,2. VIII 82, 1. Vgl. Lobbck 
Agl. 150. 

»•) Paus. I 32, 2. II 11, 6. 

") Mus. Ital. III 564. 

'^) Dabbmbbbg und Saglio Dict. I 91 f. 
u. adytum. Böttichbb Tekt. IV 301 ff. — 
Wo Herodot vom Tempel der Athena auf 
der Burg spricht, sind fxiyaQoy und ädvioy 
Synonyma (vgl. VII 140 f.). Döbpfbld Athen. 
Mitt. 1887 8. 200 A. 2. 8. auch Pbblleb- 
Robbrt Griech. Myth. I 197 A. 1 und be- 
sonders LoLLiNO Hekatompedon. 



26 



Die grieohisohen Kiilta«alteri(imer. 



heiligstes, das nur die Priester zu gewissen Zeiten betreten durften.^) 
Dies ist die eigentliche Bedeutng von aövvov. Es heissen jedoch auch 
andere nicht ohne weiteres zugängliche Räume so, ob nun der Priester 
allein oder auch andere Personen sie betraten. Im Asklepiosheiligtum zu 
Epidauros bringt man die Kranken zur Behandlung ins aövTov oder aßocrov, 
und dieselbe Einrichtung hatte das Asklepieion in Eos.^) Schon in der 
Ilias heilt Apollon den verwundeten Aineias im Adyton seines Tempels 
{E 448), und früh finden wir im Sprachgebrauch für die Cella mit dem 
Eultbild diesen Namen. '^) Es hängt dies wahrscheinlich mit einer Ände- 
rung der innem Einrichtung der Tempelgebäude zusammen. Die Funda- 
mente der ältesten freigelegten Tempel, der selinuntischen aus dem 6. 
Jahrhundert, weisen ausser einer Vorhalle einen Tempelsaal mit dem 
Opfertisch auf, dahinter einen abgeschlossenen Raum, der das Eultbild 
enthielt. Das muss das Adyton gewesen sein.*) Später bildete dieser Raum 
mit dem Tempelsaal ein Ganzes, die Cella, und der Name wurde dann 
auf sie übertragen. Bisweilen aber war das ccivxov ein unterirdisches 
Gemach.^) An dem im 4. Jahrhundert erbauten Kabirentempel in Theben 
befand sich ein im Westen angebautes grosses Hintergemach, das mit der 
Hauptcella in keiner direkten Verbindung stand. Die darin gefundenen 
Opfergruben beweisen, dass dies ein eigenes Opfergemach war,«) wie es 
scheint, unbedacht.') Ein solches haben wir uns wohl auch Eur. Iph. T. 
1155 vorzustellen, wo Thoas fragt, ob der Leib der fremden Jünglinge 
ädvToig €v dyvoTg bereits verbrannt sei. Etwas Ähnliches finden wir in 
Idalion auf Eypern, wo ein Tempel, dessen Fundamente Ohnefalsch-Richteb 
blossgelegt hat, neben dem Hauptraum einen zweiten enthielt mit einem 
Altar, der zur Darbringung blutiger Opfer bestimmt war. 8) Eine Opfer- 
grube ist vielleicht auch in der Vertiefung der sog. Felswarte bei Smyrna 
zu erkennen.^) 

Es ist schon gesagt worden, dass in historischer Zeit das Eultbild 
des Gottes {äyalfia) in seinem Tempel nur ausnahmsweise fehlte, ^^) ab- 
gesehen von den Heiligtümern der Hestia, wo die auf dem Altar immer 
erhaltene Flamme das Bild der Göttin vertrat, und man sie sich selbst 
unter diesem Symbol vorstellte.**) Die homerische Zeit scheint Götterbilder 
noch nicht zu kennen.*^) Die ersten vorkommenden Exemplare waren 
wohl Weihgeschenke, Figuren aus Holz {^oava) oder Thon, die man im 
Heiligtum aufstellte, ohne dass sie jedoch eigentliche Eultbilder waren 



») Paus. X 32, 9. Caes. Bell. civ. III 105. 

•) HoFFMANir Syll. epigr. 420c. Ephem. 
arch. III 65 n. 84 ZI. 80. Paton u. Higks 
iDBcr. of Cos S. 8 n. 8. Über ein äßaroy 
Ji6q xa[t]atßdxo[v\ auf der Akropolis vgl. 
Berl. Phil. Wochenschr. XI (1891) 545. 

*) DiTTENBEBOEB lud. lect. Halle 1889/90, 
S. XI. 

*) Benitdobf Die Metopen von Selinunt 
20 f. 

•) PauB. II 2, 1. VII 27, 1. Vgl. IX 
8, 1 und Lobbgk Agl. 830 ff. 

•) DöBPPBLD Athen. Mitt. 1888 S. 91 f. 
EoHDE Psyche 109, 3. 



') Athen. Mitt. 1888 S. 96. 

<») Wochenschr. f. klass. Phil. VI 1889 
S 532 

»)'SzANTO Athen. Mitt. XVI 244 ff. 

»«) Paus. IX 25. 4. X 33, 11. 

»') Paus. II 25, 1. 

") Z 62 cf. 303 beweist nicht ihr Vor- 
handensein. Stengel Wochenschr. f. klass. 
Phil. 1884 S. 1574 ff. Dazu A 130 und b 
449. Jetzt besonders Reichbl Vorhellen. 
Götterkulte Wien 1897 S. 54 f. Ed. Metbb 
Gesch. des Altt. II 430 Anm. Aber auch 
Ovebbbck Gesch. der griech. Plastik^ 41 f. 
und Helbiq Das homer. Epos' 422 ff. 



1. Die Kaltnsst&Heii. (§ 11.) 



27 



oder sein wollten. Erst später mag dann eines von ihnen, sei es das 
älteste, oder eines von dem die Legende Wunderthaten zu berichten 
wusste, zum Kultbild erhoben und Gegenstand der Verehrung geworden 
sein, neben dem dann die andern immer noch weiter bestanden.^) Einige 
von jenen hatten sich erhalten, das Alter machte sie ehrwürdig, und ob- 
wohl gewiss unschön genug, bewahrte man sie wie eine Reliquie auf.^) 
Die meisten Götterbilder waren aus Marmor oder Bronze, nur wenige aus 
Elfenbein und Gold, das um einen Kern von Holz gelegt wurde. Die be- 
rühmtesten unter diesen waren die Kolossalstatuen des Zeus im Tempel 
zu Olympia und der Athena Parthenos auf der Burg zu Athen, beide von 
Pheidias. Kaum mehr den Namen von Götterbildern verdienen die sog. 
Hermen, 5) Säulen mit einem Kopf darauf, vor denen sich oft auch ein 
kleiner AJtar, auf dem unblutige Opfer dargebracht werden konnten, be- 
fand.^) Zu den Festen reinigte und schmückte man auch die Götterbilder. 
Bisweilen waren damit besondere Kultbeamte betraut,^) wie die Nach- 
kommen des Pheidias mit der Sorge für das Zeusbild in Olympia.^) Für 
die Statue des Amphiaraos in Oropos beschliesst eine athenische Volks- 
versammlung einmal einen goldenen Kranz anzuschaffen.'') 

Wie manche heiligen Bezirke und tegd, so waren auch viele Tempel 
nur bestimmten Personen oder zu bestimmten Zeiten zugänglich, während 
zu anderen der Zutritt jedem ohne weiteres frei stand.®) Als Gründe für 
die Einschränkung oder das Verbot des Besuchs werden oft Legenden 
angeführt,^) die eben auch nur erfunden waren, um den Brauch zu er- 
klären. Einige Tempel durften nur von Männern, andere nur von Frauen 
betreten werden, i®) für manche bestanden noch andere Vorschriften. ^0 I^ 
Athen war es Regel, dass die Tempel geöffnet waren; das ergiebt sich 
aus der Anordnung, sie zu bestimmten Zeiten zu schliessen. ^^) An andern 
Orten scheint man sie nur an Festtagen geöffnet zu haben. So bestimmt 
eine pergamenische Inschrift, ^^) dass die Priester am Tage des feierlichen 
Einzugs des Königs alle Tempel öffnen sollen. 

11. Welchem Zweck dienten nun die Tempel? Wir müssen annehmen, 
dass sie mehr des Gottes als der Menschen wegen da waren. Ihm waren 
sie erbaut, sein Bild und seine Schätze fanden dort Unterkunft und Sicher- 
heit, sie waren seine Wohnung und sein Eigentum. Aber der Gott war 
durch das Heim, das ihm der Mensch inmitten der eigenen Wohnstätten 
erbaute, näher gerückt, und gern sah er den Menschen als Gast in seinem 
Heiligtum, sei es dass er sich bittend oder Dankopfer spendend, sei es 



>) So Reichel a. a. 0. 73 f. 

•) Paus. X 40, 3. 

») Thuk. VI 27. 

^) Abbildangen bei Gebhabd Akadem. 
Atlas, Berlin 1868 Taf. LXV, vgl. dazu Akad. 
Abb. II 569 f. S. die angehängte Taf. I 
Fig. 6a. 

*) g>aMytm, in Athen. Poll. VII 37. 
Paus. V U, 5. Th. Sohbbibbb Arch. Ztg. 
XU 292 f. 

«) Olympia V nr. 466. 

') ClGSept. I 4252. - Mehr bei Sittl 



Hdb. VI 808 flf. BöTTioHEB Philol. XVII 18 flf. 
Mabtha Les sacerdoces Ath^n. Paris 1882 
S. 45 ff. 

f>) Ephem. arch. IIT 93. Hermes XXI 91. 

») Plut. Quaest. Rom. 16; Quaest. gr. 40. 

'ö) Herod. III 37; VI 135. Paus. II 35, 
4; m 20, 4; VI 20, 4; VIII 47, 4; H 4, 7. 
Athen. VI 262 C. 

•n Vgl. Schobmann Gr. A.» H 208 f. 

») Eustath. zu U. Ä 526. Phot. u. 

»») Vffl 1 nr. 246. 



28 



Die grieohisohon Knlinsaltertttmer. 



dass er sich zur Teilnahme an einer Festfeier nahte. Festfreude und 
Gottesdienst waren ja aufö engste verbunden, durchdrangen einander so 
ganz, dass die vornehmsten Kultstätten, die Tempel, auch immer der Mittel- 
punkt der zahlreichen Feste des lebensfrohen Volkes waren. Theater und 
Volksspeisung waren Gottesdienst, und d^vaia heisst oft nur festlicher 
Schmaus. >) Fanden diese Feiern nun auch nicht im Innern eines Tempels statt, 
so betrat doch wohl jeder Festgenosse bei solchen Gelegenheiten den hei- 
ligen Raum, und der Tempel, den man eben besucht hatte, und in dessen 
Nähe und Anblick das Fest stattfand, gab dem Ganzen eine höhere und 
Tveihevollere Stimmung. 

12. Aber noch eine andere Bedeutung hatten die Tempel: schon 
früh galten sie als die sichersten Orte zur Aufbewahrung der Staats- 
schätze wie des Vermögens einzelner.*) Brauchte der Staat Geld, so 
machte man bei den Göttern eine Anleihe, die bei besserem Stand der 
Finanzen zurückgezahlt wurde.*) So war der Staatsschatz des Athenischen 
Reiches seit 438 im Opisthodom des Parthenon aufbewahrt.^) Ebenda be- 
fand sich auch der Schatz der Göttin, in den ausser vielen Weihgeschenken 
und Stiftungen von Privatpersonen der Zehnte aller Kriegsbeute, auch 
des eroberten Landes, und ein Sechzigstel der Tribute floss.^) Alljährlich 
wurde ein Inventar aufgenommen, und der Schatz den Nachfolgern in der 
Verwaltung übergeben, alle vier Jahre an den grossen Panathenaien Ver- 
zeichnisse des Vorhandenen auf Marmortafeln eingegraben. Diese uns zum 
Teil erhaltenen Inschriften«) geben uns einen Begriff von der Menge 
und Kostbarkeit der dort aufgehäuften goldenen und silbernen Wertgegen- 
stände, Statuen, Kränze, Schalen, Lampen, Hals- und Armbänder, Ringe 
u. s. w.') Nicht minder reich waren der ol3rmpische Zeustempel und der 
des ApoUon auf Dolos.«) Hier tibergeben im Jahr 279 die Hieropoioi ihren 
Nachfolgern ausser dem ganz unvergleichlich wertvollem Inventar 18648 
Drachmen (14654 Mark) in barem Silbergeld, und das Gesamtvermögen 
der dortigen Tempel hat man auf 5 501948 Drachmen (4346540 Mark) 
berechnet.^) Auch der Artemistempel zu Ephesos besass sehr kostbare 
Weihgeschenke,*®) und ausinschriftlich erhaltenen Rechenschaftsberichten **) 
ersehen wir, dass auch hier grosse Summen von ihren Eigentümern de- 



>) Z. B. Herod. VIII 99. Philoch. bei 
Athen. VI 245 C. cf. Paus. VII 22, 8. 

■) SwoBODA Über griech. Schatzverwal- 
tung, Wien. Stud. X (1888) S. 278 ff. u. XI 
65 ff. 

») CIA I 273. Thuk. II 13. Bötticheb 
Phüol. XVIII 50 ff. 

«) BoBCKH Staatshansh.'' I 195 ff.; FbIn- 
KBL ebenda II Anm. 268; Busolt Hdb. IV 
216; SoBOBMANN Gr. A. I 444; Kibohhoff 
Zur Geschichte des Athen. Staatsschatzes im 
5. Jahrh. Abh. d. Berl. Akad. 1876. 

*) CIA I 32, 226—272; Kibchhoff a. 
a. 0. 32 ff. ; v. Wilamowitz Kydathen 28 ff. ; 
GiLBBBT Gr. Staatsaltt. I '^^36; s. aber auch 
DöRFFBLD Athen. Mitt. 18d7 S. 203 ff. und 



LoLLmo Hdb. IX 344 ff. 

«) Namentlich der Jahre 434—403. 8. 
auch H. Lbbneb Athen. Schatzverzeichn. des 

4. Jahrh. Strassburger Diss. 1890. 

') Newton Gr Inschr. übers, v. Imbl- 
MAKNl6f. BoBOKH Staatsh.>II134ff. Thuk. 
II 13. 

•) V. WiLAMOwiTz Kydathen 29. A. 
MoMMSEV Bubsian's Jahresbericht 1886 

5. 349 ff. 

») Homollb Bull, de corr. XV 122 ff. 

'**) Wood Ephesos Inscr.from the Theatre 
no. 1. 

*^) Lebas- Waddington Inscr. de TAsie 
Min. III 56 n. 136a; |Bücbsen8CBütz Besitz 
und Erwerb im klass. Altt. 508 ff. 



1. Die KidtnsstäitMi. (§ 12-13.) 29 

poniert waren und ebenso gewissenhaft wie der dem Tempel selbst ge- 
hörende Schatz verwaltet wurden. Wie zahlreich die Kostbarkeiten aber 
auch in Heiligtümern nicht allerersten Ranges waren, hat uns kürzlich 
u. a. das Verzeichnis der Schätze des Amphiareions in Oropos gelehrt. 
Auch die öffentlichen Urkunden und Friedensverträge bewahrte man auf 
Marmortafeln gegraben in den Tempeln auf.^) Vielleicht haben einige 
Tempel auch Prägstätten besessen und Münzen geschlagen.') 

18. Aber nicht bloss Geld und Out gewährten Tempel die grösste 
Sicherheit, auch Menschen, die ihre Zuflucht dahin nahmen, fanden hier 
Schutz. Eigentlich war jeder Tempel und jedes *«^ov ein acviov, d. h. un- 
verletzlich,*) und selbst einen Verbrecher ohne weiteres von einem Altar 
oder einem Götterbilde, zu dem er sich vor seinen Verfolgern geflüchtet 
hatte, wegzureissen, galt wenigstens unter Umständen für Frevel, ganz 
besonders aber forderte es die Bache der Götter heraus, wenn man sich 
an den ihnen heiligen Stätten an einem Unschuldigen vergriff;^) hatten 
sie ihn an ihrem Altar aufgenommen, so waren sie zur Bache geradezu 
verpflichtet.*) Doch boten nicht alle Heiligtümer gleiche Sicherheit,') 
unbedingte nur die verhältnismässig nicht zahlreichen Freistätten, welche 
vorzugsweise den Namen Asyle führten und die als solche dann allge- 
mein anerkannt waren. ^) Arkadien besass deren zwei: das Heiligtum der 
Athena Alea zu Tegea und das des Lykaios bei Megalopolis. In jenem 
fand König Tansanias, der wegen seines schimpflichen Vertrages nach der 
Schlacht bei Haliartos verurteilt worden war, Schutz bis zu seinem Lebens- 
ende,^) in diesem lebte König Pleistoanax neunzehn Jahre, bis er endlich 
begnadigt wurde. ^®) Auf Kalauria gab es ein Heiligtum des Poseidon, 
das das Asylrecht hatte, ^0 bekannt durch die Flucht und den Tod des 
Demosthenes, in Phleius eines der Ganymede,*^) in Akraiphia in Boiotien 
eines des Apollon Ptoios^*) und in der hellenistischen Zeit war namentlich 
auch Samothrake mit seinem Kabirenheiligtum als Asyl berühmt.^*) In 
Euripides Ion 1315 wird geklagt, dass diese Asyle Gerechten und Unge- 



1) CIGSept. I add. 3498 u. Ebil Herrn, i Prozess* 626, wo auch die Belege. Über 
XXY 616 ff. Vgl. IGSept. I 303. andere Sklavenasyle Gilbert Griech. Staats- 

s) Isokr. IV 180 p. 78. Arist. Ath. Pol. I altert. Leipzig 1881 u. 1885. II 288 



44. IGlns. II 173. Dts Testament einer Frau, 
die bei Lebzeiten dem Heiligtum Geld ver- 
macht hat, im Tempel deponiert: Att. Inschr. 
Sitzgsber. der Berl. Akad. 1897 8. 673. 

*) Vgl. £. CuBTius Über den relig. Cha- 
rakter der griech. Münzen. Monatsber. d. 
Berl. Akad. 1869; Numismatic Chronicle 1870 
S. 91; Lbnobmaht La Monnaie dans TAnti- 
quiM II 82. 

*) Aisch. Hik. 190. 

») Xen. Hell. IV 4. 3. Thuk. III 81. 
Herod. VI 91. Vgl. L. Schmidt Ethik 11 20. 

<) Rbiohbl Vorhellen. Götterkulte 46 ff. 

') In Athen flüchteten sich verfolgte 
Sklaven in das Theseion; ausserdem scheint 
nur das Heiligtum der Eumeniden in dieser 
Beziehung Bedeutung gehabt zu haben. EOh- 
LBB Herrn. VI 102 f. Schobmann-Mbibb Att. 



8) Vgl. SoHOEMANN Gr. A.» II 210 ff.; 
Föbstbb De asylis Graecorum, Breslau 1847 ; 
Jabnisoh De Graec. asyl., GOttingen 1868 
und besonders Babth De asylis Graeoorum, 
Strassbnrger Diss. 1888, wo die Asyle am 
übersichtlichsten nach Landschaften geordnet 
sind. Dabbmbebq-Saglio Dict. u. aovXia I 
505 ff.; BörpioHBB Tekt. IV 23. BuU. de 
corr. XI 334 f. 

•) Xen. HeU. III 5, 25. Plut. Lys. 28. 
Paus. III 5, 6 f. 

'0) Thuk. V 16. 

»1) Strab. VIII 374. 

") Paus. II 13, 3. 

»») IGSept. I add. 4135. 

»*) Plut. Pomp. 24. Livius XLV 5. Vgl. 
Arch. Unt. auf Sam. II HO f. 



30 



Die grieohiflohen KnltaMltertftmer. 



rechten in gleicher Weise zu gute kämen, und in Asien gab es zur Zeit 
des Tiberius so viele, dass ihre Menge bedenklich wurde, i) Im eigent- 
lichen Griechenland hat sich ein wirklicher Übelstand wohl nie geltend 
gemacht, konnte doch auch der, dem es gelungen war, ein Asyl zu 
erreichen, nur so lange dort verweilen, wie seine Mittel ihm den Aufent- 
halt gestatteten. Alle anderen Heiligtümer aber gewährten vollends nur 
auf kürzeste Zeit Schutz. Schon ihre Kleinheit machte längeren Aufent- 
halt unmöglich. Alexander d. Gr. hatte den Asylraum des neuen Arte- 
misions in Ephesos auf ein Stadion im Umkreis erweitert,^) und das war 
gewiss schon eine ausnahmsweise Grösse. In vielen Fällen wird nur der 
Tempel selbst Zuflucht geboten haben, in andern war ein kleiner Bezirk 
darum durch Stelen oder Steine bezeichnet und abgegrenzt.^) Nötigen- 
falls konnte man also die Flüchtlinge aushungern, wie dies mit dem des 
Landesverrats beschuldigten Pausanias geschah,^) und auch sonst fand man 
wohl Mittel, sie zum Verlassen des Altars oder Tempels zu nötigen;^) 
unter Umständen konnte man ihnen schon den Zugang unmöglich machen.^) 
Verurteilte Verbrecher') aber oder überwundene Feinde anzutasten scheuten 
sich wohl nur besonders Gottesfürchtige.^) Dass Agesilaos nach der 
Schlacht bei Koroneia eine Anzahl Besiegter, die im Heiligtum der Athena 
Itonia Schutz gesucht hatten, unverletzt entliess, fiel offenbar als etwas 
Ungewöhnliches auf,^) und die Mysterieninschrift von Andania befiehlt 
den Priestern geradezu, Schutz suchende Sklaven, deren Beschwerde sie 
nicht begründet fänden, ihren Herren auszuliefern.^^) Wenn ganzen Stadt- 
gebieten das Asylrecht verliehen wird, wie es seit der Mitte des 3. Jahr- 
hunderts namentlich in Eleinasien üblich ward, so ist dies in erster Linie 
eine politische Massregel : man neutralisierte sie dadurch und schützte sie 
vor Angriffen und Eroberung. Die Städte selbst bewarben sich daher 
aufs eifrigste um dies Recht. ^^) 



2. Kultusbeamte, 
a. Priester. 

BosfiLEs De geDtibas et familiis Atticae sacerdotalibus, Dannstadt 1883. Kbbüsbb 
Der Hellenen Priesterstaat, Mainz 1822. Heimbrod De Atheniensium sacerdotibus, Glei- 
witz 1854. Adrian Die Priesterinnen der Griechen, Frankfurt 1821. Pauly's Realencyklop. 
u. sacerdos VI 639 ff. Martha Les sacerdoces Ath^niens, Paris 1882. £. Cübtiüs Das 
Priestertam bei den Hellenen, Altertum und Gegenwart, Berl. 1882 II S. 38 ff. Schobmahh 
Gr. Altt.> II 410 ff. Hermann Gottesdienstl. Alt.' §§ 83-36. cf. 10, 11. Lehmann Quae- 
stiones sacerdotales. Part, prior, Eönigsberger Dissertation 1888. J. TOpffeb Attische 



») Tac. Ann. IV 14; cf. lU 60 f. Plut. 
De vit. aere al. III 3. Appian Bell. Mithr. 
23; Bell. civ. V 4. Cic. in Verr. H 1, 33. 
Vgl. E. CuRTius Ephesos, in Altert, u. Gegenw. 
1882 n 121. 

») Strab. XIV 641. 

») CIGSept. I add. 4135. 

*) Thuk. IV 184. Junghahn Agossühne 
als polit. Forderung, Progr. Luisenstädt. 
Gymn. Berl. 1890 S. 6 ff. 

*) Vgl. Thuk. I 126. 

«) Athen. Inschr. Bull, de corr. XIV 177 



mit FouoARTS Bern. 

') Vgl Lyk. Leokr. 93. Eur. Frgm. 1049 
Nauck.* 

') Die Spartaner sollen sich selbst an 
Verbrechern nicht vergriffen haben. Polyb. 
IV 35. 

•) Xen. Hell. IV 8, 20. Ages. XI 1. 
Plut. Ages. 19; aber auch Aisch. Hik. 82 ff. 

'^) Dittenbbroer Syll. 388 ZL 80 ff. 
FoucART Bull, de corr. XIV 179. 

*M üseneb Rhein. Mus. XXIX 38 f.; 
Bull, de corr. XI 334 ff. 



2. Eallmbeamte. (§ 14—15.) 



31 



Genealogie, Berlin 1889. E. Hbllbb De Cariae Lydiaeque sacerdotibus, Fleckeisen Suppl. 
XVIIl 216 ff. 

14. Ein eigentlicher PrieBterstand hat in Griechenland nie existiert. 
Viele Gründe machten dies unmöglich. Es gab keinen Religionsunter- 
richt, keine Predigt, und man bedurfte nur in seltenen Fällen eines Ver- 
mittlers zwischen sich und der Gottheit. Das Haupt der Familie durfte zu 
Hause selber die Opfer vollziehen, die S-vaim navQioi brachte der Vor- 
stand des Geschlechts, 1) für den Staat thaten es zum Teil die Magistrate, >) 
Reinigungen und Sühnungen durften von Laien vorgenommen werden,^) ja 
diese konnten selbst die Mantik erlernen.*^) Eine Vorbildung und Erziehung 
für das priesterliche Amt gab es nicht. ^) Wer aber Priester geworden 
war, war Diener eines bestimmten Heiligtums; es gab nicht Priester 
schlechthin, sondern Priester des Poseidon, Erechtheus, Apollon Patroos 
u. s. w.^) Ein engeres Aneinanderschliessen der Priester verschiedener 
Tempel fand nicht statt, eher war man wohl auf das grössere Ansehn und 
die reicheren Einkünfte des andern eifersüchtig, ein Standesgefühl konnte 
sich nicht bilden. Dazu kam, dass sehr viele Priester nur kurze Zeit 
amtierten, und selbst unter denen, in deren Familie ein Priestertum erb- 
lich war, viele neben ihren priesterlichen noch andere Stellungen im Staate 
bekleideten, oft so hohe und sie so in Anspruch nehmende, dass das 
priesterliche Amt, das ihre voUe Thätigkeit ohnehin nur bei Festen er- 
forderte, neben diesen sehr in den Hintergrund getreten sein muss.^) Es 
unterschied sich also das politische und private Leben der Kultbeamten 
in keiner Weise von dem ihrer Mitbürger.®) 

15. In homerischer Zeit spielen die Priester, wenn sie auch hohes 
Ansehen gemessen, noch keine bedeutende Rolle. Die Bezeichnungen 
t€Q€vg und ciQrjnjg zeigen, dass sie dem Gotte, dessen Heiligtum sie vor- 
stehen, •) Opfertiere zu schlachten haben *<>) und Gebete su sprechen, im 
Auftrage der Stadt oder einzelner. Aber man bedient sich ihrer selten. 
Gewöhnlich werden die Opfer von den Fürsten vollzogen, ohne ihre 
Mitwirkung werden Eide geschworen und Verträge geschlossen, manche 
Verrichtungen, die ihnen später obliegen, von den Herolden besorgt. 
Bedürfte das Heiligtum nicht jemandes, der es hütete und in Ordnung 
hielt, so könnte man ihrer entraten. Das wird später freilich anders, 
aber die Pflege des Kultus liegt doch niemals ausschliesslich in ihrer 
Hand. Wie der ßaadcvg Homers, so sind in Sparta die Könige, ist in 
Athen der Archen Basileus in gewissem Sinne der höchste priesterliche 



^) £b gab sogar eigene Priester des 6e- 
schlecbtsknltus. Vgl. Dittekberoes Herrn. 
XX 7 f., *22 A. 2; Töpppbb Att. Geneal. 22. 

») Poll. VIII 91. Flut. Arist. 21. Paus. 
V 4, 2; 13, 2. Mabtha a. a, 0. 7 f. 

•) Herod. 1 35. Vgl. Lobeok Agl. 669. 

*) Xen. Kyrup. I 6, 2; Anab. V 6, 29. 

') «Zum Priester ist jedermann gut ge- 
nug", sagt Isokrates II 6, Worte, in denen 
«Geringschätzung des Priesteramts übrigens 
nicht Hegt, sondern nur die Überzeugung, 



dass seine Funktionen ihrer Natur nach keine 
besondere Befähigung verlangen.* Ditten- 
BERGBR Herm. XX 1 Anm. 

«) Chantepib DB LA Saussayb Relgcsch. 
II 125; RoHDB Kelig. der Griechen 16. 

») S. DiTTENBBBGEB B. B. 0. 84 U. 39. 

•) TöPFFEB Att. Geneal. 160. 
») Vgl. II. Z 89. 298. 
^«) Vgl. Stehgel Jahrb. f. Phil. 1885 
S. 102 f. 



32 



Die grieohlichen Knltiualtertttmer. 



Beamte, der namentlich auch die geistliche Jurisdiktion übte.^) Er hatte 
alle Klagen auf Kult- und Religionsfrevel {aasßsia)^ wegen strittiger 
Priestertümer und die Streitigkeiten unter den Geschlechtem oder den 
Priesterkollegien wegen zuständiger Privilegien zu entscheiden,^) erteilte 
auch bei den Verpachtungen der Tempeldomänen den Zuschlag.*) Über- 
haupt wird der Kultus von Staatsbeamten beaufsichtigt;*) der Archen 
Eponymos hatte Feste zu leiten,^) der Polemarch der Artemis und dem 
Enyalios ihre Opfer darzubringen und die Totenfeier ftir Harmodios und 
Aristogeiton auszurichten.') Auch die Strategen brachten Opfer,») und vor 
allem die Prytanen für das Wohl des Staats,*) ihr ematccTrjg hatte die 
Schlüssel der Heiligtümer, in denen die öfFentlichen Gelder und Urkunden 
lagen, in Verwahrung, >®) und auch sonst haben sie je nach ihrer Stellung 
in den verschiedenen Ländern mehr oder weniger mit dem Staatskultus 
zu thun;^^) für ihre Gemeinden opferten auch die Demarchen.**) Ausser- 
dem liegt es in der Natur des gegenseitigen Verhältnisses zwischen Staat 
und Kirche, wenn man so sagen darf, und es liegen zahlreiche inschrift- 
liche Zeugnisse dafür vor, dass auch das Ritual und die Opferordnung für 
die Tempel nicht von den Priestern, sondern von den Staaten, d. h. also 
von der Volksversammlung festgesetzt und geregelt wurde, *^) und ebenso 
andere wichtige Bestimmungen, die den Gottesdienst betrafen, ihrer Ent- 
scheidung vorbehalten blieben.**) Gewiss werden die Priester bei der Ab- 
fassung dieser Dekrete mitgewirkt haben, werden Vorschläge gemacht 
und Ratschläge erteilt haben, aber gesetzliche Bestimmungen konnten sie 
nicht erlassen. Ihre Pflicht war es, die Ausführung zu überwachen und 
Übertretungen zu strafen, kleinere selbständig und aus eigener Machtvoll- 
kommenheit, in schwereren Fällen Anzeige bei den zuständigen Behörden 
zu machen.»*) So beschränkte sich der Dienst des Priesters auf die Sorge 
für das Heiligtum, dem er unter Aufsicht des Staates vorstand. 

16. Ursprünglich war der Priester wohl der einzige Beamte des 
Heiligtums. Verrichtungen wie das Reinigen und Schmücken des Tempels, '«) 
Holz-, Wasserholen u. a. wird er durch Sklaven, die ihm persönlich ge- 
hörten, haben ausführen lassen, das geringe Tempelvermögen selber ver- 
waltet haben. ^0 Aber auch später, wo zu manchen Tempeln ein ganzes 
Heer von Bediensteten gehörte, stehen an der Spitze stets die Priester 
{le^etg) oder die Priesterinnen {tegetai). Allerdings waren sie niemals die 
Vorgesetzten aller für den Tempel angestellten Beamten, da die Obliegen- 



') Vgl. Aristot. Pol. III 14 p. 1285a. 
Ath. Pol. 3 und 57. 

«) Vgl. BüsoLT Hdb.« IV 230 f. 

») Aristot. Ath. Pol. 57. 

*) Aristot. Ath. Pol. 47. CIA IV S. 66. 
ßall. de corr. XIII 424. Mehr bei Busolt 
Hdb.« IV 1, 230. 

^) Vgl. Aristot. Ath. Pol. 30. 

•) Aristot. Ath. Pol. 66. 

'J Aristot. Ath Pol. 58. Demosth XXI 
9 ff. p. 517. Schobmann a. a. 0. II 414; 
GiLBEBT Gr. Staatsaltt. I 241 f. 

») CIA II 302, 471a. b, gemeinschaft- 
lich mit Priestern CIG 3595. 



«) CIA 390, 392 u. s. w. 

'«) Aristot. Ath. Pol. 44. 

^*) ScHOEMANN a. a. 0. 415. 

") V Prott Fasti gr. 1895 S. 48 B. 1 f. 23. 

») DiTTENBERGER SjU. 373. CIA II 477b. 
Thuk. IV 98, Vgl Newton Die griech. In- 
schriften, übers, von Imelmann 52 u. 70. 

**) Aristot. Ath. Pol. 43. Dittenbergbb 
Syll. 388 und die Bemerkungen Saüppes Ind. 
lect. Göttingen 1880/81 S. 8 f. 

**) Vgl. die Inschr. v. Oropos Herrn. 
XXI 91 ZI. 9 ff. 

'») DiTTENBERGER Syll. 369. 

'») Vgl. SwoBODA Wien. Stud. XI 80. 



2. Kidtiubeamie. (§ 16—17.) 



33 



heiten der einzelnen zu verschieden waren, aber eine besondere Stellung 
verlieh ihnen schon das Verhältnis, in dem sie allein zu der Gottheit standen. 
Der Priester kannte das Ritual seines Tempels und hatte darüber zu wachen, 
er verrichtete oder beaufsichtigte die Opfer, die dort gebracht wurden ;i) 
denn dass im Heiligtum ein Besucher auch in Abwesenheit des Priesters 
opfern durfte, war gewiss nur unter ganz ausnahmsweisen Verhältnissen 
gestattet;') er lieferte die zum Opfer erforderlichen Zuthaten,^) hatte den 
ganzen heiligen Bezirk vor Entweihung und Verunreinigung zu wahren, 
an vielen Orten die Kostbarkeiten und Weihgeschenke {aqyvQwiiaTa xai 
dva&iqixa%a) zu hüten,*) und falls etwas beschädigt war und der Erneue- 
rung bedurfte, an zugehöriger Stelle die Anträge zu stellen,») auch die 
Verpachtung von Fabriken, die zum Besitz des Tempels gehören, und die 
Aufsicht über ihre Benutzung finden wir ihm übertragen.*) Dann hatte 
er die Gebete und vorgeschriebenen öffentlichen Fürbitten zu verrichten, 
war dafür verantwortlich, dass jedes Opfer rechtzeitig und in gebührender 
Weise geschah,^) und erhielt in erster Linie Belohnung und Belobung 
dafür, wenn während seiner Amtsführung all dies ordnungsmässig ausge- 
führt und geleistet war,') er spricht den Fluch aus gegen Frevler,«) be- 
straft jeden, der etwas vom Eigentum des Gottes entwendet,') und schützt 
den, der sich zu seinem Tempel geflüchtet.^") Auch die Freilassung von 
Sklaven wird oft, wenn nicht in der Regel, durch Priester vermittelt. Aus 
Delphoi besitzen wir mehrere hundert solcher Urkunden. Der Sklave 
bringt eine Summe, die er sich oft selbst erspart hat, ins Heiligtum und 
bittet den Gott, ihn loszukaufen. Dann wird er von dem Besitzer dem 
Namen nach an den Tempel verkauft, doch unter der Bedingung, dass 
er sofort oder nach Ablauf einer bestimmten Zeit oder nach dem Tode 
des Herrn frei werde. Der Vertrag wird durch Zeugen beglaubigt und 
die Ausführung durch Bürgen gesichert.*^) 

17. Wenn diese Pflichten und Rechte dem Priester durch das Gesetz 
übertragen waren, so ergaben sich andere aus der Ausübung seines Amtes. 
Die Priester hatten allein Zutritt zu dem Allerheiligsten, sie allein wai*en 
im stände, aus den Opfern und aus Zeichen den Willen der Götter zu er- 
kennen und in die Zukunft zu schauen, sie waren die natürlichen Inter- 
preten der Gottheit. Denn eigentliche iidvzeig wurden nur ausnahmsweise 
befragt ^^) und dann gewiss sehr selten ohne Hinzuziehung von Priestern, 



') Plat. Leg. 909 D. Bull, de corr. XIII 
281 f. Vgl. CIA II 610. 

') S. die Inschr. von Oropos Herrn. XXI 
92 ZI. 27 f. Vgl. auch Dittenbbbqbb Syll. 
876, 8 und 823. 

») Patoh u. Hioks loser, of Cos S. 86 
nr. 36b. 

«) Pergam. Insohr. VIII 1 nr. 40. 

>) CIA II 403 f. Martha im BaU. de 
corr. 11 419. 

«) DiTTBNBBBGBB Syll. 372, 9. 

') CIA II 373b, 374, 567b. Foucabt 
BoU. de corr. U 96. 

^) [Lys.] VI 51 p. 107. 

*) CIA II 841. Inschr. aus Mantineia 



BuU. de corr. XVI 580 ff. 

»») DiTTBNBBBQBB Syll. 388 ZI. 80 ff. 
Schobmann Gr. A.MI 211. 

' *) Foucabt M^m. sur raffiranchissement 
des esclaves, Paris 1866. Arch. di miss. 
scientif. Ser. II tom. III 375 ff. £. Cübtius 
De manumiss. sacra Graec. in Anecd. Delph. 
Berl. 1843. Bull, de corr. XVII 352 ff. 
Baünack Griech. Dialektinschr. II 5 (1896) 
S. 447 ff. Newton Die griech. Inschr. ttbers. 
y. Imblmann 61 ff. und über die Formen der 
Freilassung namentlich Wbil Ath. Mitt. IV 
25 ff. 

") Wie wenig zwischen fAdtneig und 
UQctg unterschieden wird, darüber s. U. A 



Hvadbnch der klaas. AltertaxoBWlaBenachaft. Y, 3. 2. Aufl. 



34 



Die griechischen KnltaMdiertttmer. 



noch seltener aber wird ein Laie so viel von der Mantik verstanden haben, 
dass er sich auch ohne Priester, seiner eigenen Einsicht vertrauend, die 
Zeichen und Absichten der Himmlischen zu deuten und zu erkennen ver- 
mass. Freilich begegnen wir häufig Misstrauen und Unglauben gegen den 
guten Willen und gegen das Können auch der Priester, >) aber all das be- 
einträchtigte den Glauben an sie im allgemeinen wohl kaum und hinderte 
gewiss nur wenige, sich ihrer zu bedienen. 

18. Die Zahl der an den einzelnen Tempeln angestellten Priester war 
sehr ungleich ;') an den meisten gab es gewiss nur einen,') und wohl an 
keinem wurde die Zeit und Kraft dieses einen so voll in Anspruch ge- 
nommen, dass er nicht neben seinem Ehrenamte noch einer bürgerlichen 
Beschäftigung hätte nachgehen können.^) Auch hatten bisweilen zwei nahe 
bei einander liegende Tempel derselben Gottheit nur einen Priester;^) so 
die beiden Tempel des Dionysos in Athen, wie die Theatersitze bezeugen.*) 
In der nachrepublikanischen Zeit kam es auch vor, dass dieselbe Person 
mehrere Priesterämter auch an Heiligtümern verschiedener Gottheiten zu 
gleicher Zeit verwaltete.^) So bestimmt eine karische Inschrift aus dem 
2. Jahrhundert n. Chr.,^) dass einem Priester der Hekate ausserdem das 
Priestertum des Helios und der Rhodos übertragen werde.*) Dass jemand 
nach einander mehreren vorstand, war natürlich immer erlaubt. i<^) 

In vielen Heiligtümern bekleidete eine Frau das Priestertum,^') an 
andern gab es Priester und Priesterinnen nebeneinander, i^) Nicht selten 
wurde das Priestertum eines Gottes von einer Frau'') und umgekehrt 
einer Göttin von einem Manne verwaltet.**) 

19. Auch das Alter, in dem die Priester standen, war ganz verschieden. 
Wir finden Mädchen ^^) und Knaben,'^) die einem Priestertum vorstehen, bis 
sie mannbar werden, daneben ganz alte Priester und Priesterinnen. *^) Ein 
Dekret aus Kos^^) verlangt, dass die Käuferin des Priestertums nicht jünger 
sei als zehn Jahre, ein anderes, dass der Käufer nicht weniger als vier- 
zehn Jahre zähle, i*) Ein Priester des Zeus Panamaros war sechzehn Jahre 
alt.*^) Piaton*') hält ein Alter von sechzig Jahren für den Priester am ge- 
eignetsten ; im allgemeinen wird jedoch das Mannesalter die Regel gewesen 



62, Ä 221. Pkt. Polit. 290 C, Symp. 202 K. 
Der Priester war gewiss in unzähligen Fällen 
zugleich der fiavti^. 

M Xen. Kyrup. I 6, 2. £ur. Iph. Aul. 
961. Plato Rep. 11 d64b. Plut. Lyk. 9. 

*) Aristot. Pol. VI (VII) 8 p. 1322. 

•) Vgl. Diod. I 73. 

*) S. V. V^iLAMowiTZ Herrn. XXI 93. 

«) Vgl. EöBLBR Athen. Mitt. II 255. 

«) CIA III 261 ff. Vgl. GoNZE Archäol. 
Untersuch, auf Samothrake II 26, Bitten- 
BEBOBB Ind. schol. Hai. aest. 1887, De sacris 
Rhod. II S. IV. DöBPFBLD Athen. Mitt. 1887 
8. 195. 

^) CIG 1446, 2720, 2820. Bull, de corr. 
XII 84 u. 88 nr. 11 ZI. 6 f. Dittenbebgbb 
Syll. 876 ZI. 4. £. Hellsb a. a. 0. 222 f. 

•») Bull, de corr. XIV 365 nr. 4. 



«) S. femer Ephem. arch. 1892 S. 20 
nr. 2 S. 23 ZI. 6 ff. 

»») CIG 2270 u, a. 

") Z800. Dittenbebgbb Syll. 871. Paus. 
VII 25, 13. 

") Paus. Vm 13, 1. CIA. n 610. 

") Z. B. Paus, n 33, 3. IX 27, 5, Na- 
mentlich im Dionysosdienst, y. Wilakowitz 
Eur. Her. I 59. 

>«) Z. B. Paus, vm 47, 3. Ephem. arch. 
N. F. 1, 1862 n. 96. 

»») Z. B. Paus. II 33, 2. VII 26, 3. 

»•) Z. B. Paus. VIII 47, 2. X 34, 4. 

") Paus. VI 20, 2. Plut. Num. 9. 

") Patok u. Hicks S. 47. 

1^} Paton u. Hicks nr. 80 S. 53. 

") Bull, de corr. XV 170. 

•») Leg. VI 759 D. 



2, Knlinsbeamie. (§ 18 -21.) 35 

sein. 9 Standen Kinder^) oder hochbetagte Personen, wie letzteres bei den 
lebenslänglich verwalteten Priestertümern sicherlich oft der Fall gewesen 
ist, einem Heiligtum vor, so werden ihnen jedenfalls zur Anleitung und 
Unterstützung bei ihren amtlichen Verrichtungen, deren selbständiger 
Ausführung sie noch nicht oder nicht mehr gewachsen sein konnten, andere 
Beamte beigegeben gewesen sein. 

20. Manchen Priestern oder Priesterinnen war Keuschheit geboten 
entweder lebenslänglich*) oder für die Dauer ihres Amtes*) oder endlich 
nur eine gewisse Zeit vor Ausübung priesterlicher Funktionen,*) andere 
waren verheiratet.«) Auch Enthaltung von gewissen Speisen wurde bis- 
weilen von den Priestern verlangt. So durften die Priester des Poseidon 
in Megara^) und die Priesterin der Hera in Argos^) keine Fische, die 
Priesterin der Athena Polias in Athen keinen einheimischen frischen Käse 
geniessen.') Mitunter erstrecken sich solche Vorschriften auf alle, die 
das Heiligtum betreten wollen, und es ist mit Sicherheit anzunehmen, 
dass die Priester, die sich ständig darin aufhielten, diesen Bestimmungen 
ebenfalls unterworfen waren. Eine Inschrift aus Lindos auf Rhodos'^) 
ordnet an, dass jeder Besucher des Heiligtums sich an den drei vorher- 
gehenden Tagen des Genusses von Linsen und Ziegenfleisch und einen 
Tag frischen Käses zu enthalten habe, eine andere aus Attika^') ver- 
bietet Knoblauch und Schweinefleisch. Auch die allgemein geltende Be- 
stimmung, dass jeder nur im Zustande vollkommener Reinheit, auch des 
Körpers und der Kleidung, der Gottheit nahen dürfe, findet auf die Priester 
in erhöhtem Masse Anwendung, i^) Pausanias^') berichtet, dass der Priester 
und die Priesterin der Artemis Hymnia in Orchomenos nicht in öffent- 
lichen Bädern baden, ja das Haus eines Privatmannes nicht betreten 
durften, um sich nicht etwa zu verunreinigen, und dieselbe Bestimmung 
habe für die Priester der Artemis in Ephesos bestanden. Auch sonst 
mussten sie sich vor Verunreinigung mehr als jeder andere in Acht 
nehmen. Piaton") will so weit gehen, den Priestern die Teilnahme an 
einem Begräbnis zu untersagen, damit sie auch nicht in entfernte Be- 
rührung mit einer Leiche kämen. 

21. Selbstverständlich war es, dass der Priester ein unbescholtener 
und angesehener Bürger, i*) und ebenso, dass er frei von allen körperlichen 
Gebrechen {äg>€kTJg oder oloxXrjQog^^) sein musste.*') Verschnittene Priester 



^) Ygl. die Inschr. bei Petebsbk und 
V. LuscHAK Reisen im sw. El. As. Wien 1889 
II 45 n. 88. 

•) DiTTEHBEBOBB Syll. 369. 

») Plut. Num. 9. Paus. IX 27, 6. 

*) Plut. de Pyth. orac. 20. Journ. of 
Hell. Stud. YIII 881 f. nr. 12. 882 f. nr. 13. 

*) Vgl. Demosth. XXQ Ende. LIX 77 
p. 1871. 



»0) CIGIns. I 789. 

11) DiTTEBBABOBB Svll. 879. 

12) Demosth. XXII Ende. CIA HI 818. 
Pergam. Inschr. VIII 2 nr. 840 mit Fbankbls 
Bern. BöTTicHBB Tekt. IV 56 f. 

»») VIII 13, 1. 
'*) Leg. XII 947 C. 

»») Aristot. Pol. IV (VH) 9 p. 1329a. 
Paus. VII 27, 8. 



•) A 20, Z 29S. Paus. IV 12, 4. Bull. ' »•) Etymol. M. 176, 14. vyii^s xai 6X[6] 

de corr. XV 172. j xka[Qog] Patob u. Hioks Inscr. of Cos S. 47 



7) Plut. Quaesi syinpos. VIII 8, 4. 

') Ael. De nat. anim. IX 65. 

•) Strab. IX 395. Athen. IX 375 C. 



') Vgl. Plat. Leg. p. 759. Dittbbbbbgeb 
SyU. 369. Athen. Vü 800 A. 



36 



Die grieohiflohen Kultosaliertüiiier. 



wurden nur in Kulten, die aus dem Orient herübergenommen waren, verlangt, 
und diese Stellen haben dann wohl auch nur Ausländer bekleidet.^) Be- 
sondere Schönheit war eine Empfehlung, bisweilen wohl Erfordernis.*) 
Aber auch die Gnade der Götter musste sichtbar über ihrem Diener 
walten. Wie nur die natisg aiapid-alstq^ Kinder, denen noch beide Eltern 
lebten^ als Gehilfen bei heiligen Handlungen hinzugezogen wurden, so 
mussten in Messene Piiester und Priesterinnen ihr Amt niederlegen, wenn 
ihnen ein Kind stai'b.') So strenge Vorschriften bestanden natüi-lich nicht 
überall ; aber einen offenbar vom Unglück Verfolgten wird man sicherlich 
nicht für geeignet gehalten haben, ein Priestertum zu bekleiden. So sehen 
wir also, dass, wenn auch keine besondere Begabung zur Bekleidung des 
Priesteramts gehörte, doch mancherlei Anforderungen an die Inhaber ge- 
stellt wurden, was dann natürlich nicht wenig dazu beitrug, ihr Ansehen 
zu erhöhen. Schon bei Homer heisst es von dem Priester des Idäischen 
Zeus, dass er wie ein Gott im Volke geehrt ward,^) und gleicherweise 
von dem des Skamandros,^) und Theano, die troische Priesterin der Athena, 
ist die Gemahlin eines der Vornehmsten*) und nach späterer^) Sage die 
Schwester der Königin.®) Dass Chryses ein Priester ist, macht den Über- 
mut und die Beleidigung Agamemnons strafbarer, und als Odysseus die 
Stadt der Kikonen verwüstet, verschont er Familie und Eigentum des 
Priesters.^) In Halikamass wird von der Bewerberin um das Priestertum 
der Artemis verlangt, dass sie eine beiderseitig aristokratische Abkunft 
im dritten Gliede nachweise, ^^) und ähnlicher Bestimmungen mag es viele 
gegeben haben. ^^ Äussere Auszeichnungen mancherlei Art verliehen der 
Stellung der Priester einen besonderen Glanz ^^) und machten das Amt 
auch den Höchstgestellten begehrenswert. Nach dem Tode des Polykrates 
fordert Maiandrios für den Verzicht auf die Tyrannis einen Teil der Schätze 
des Ermordeten und das erbliche Priestertum des Zeus Eleutherios. ^') An 
manchen Orten Griechenlands wurden sogar die Jahre nach Priestern be- 
zeichnet,^^) in der Volksversammlung und bei allen öffentlichen Festen 
hatten sie Ehrenplätze, ^^) in Athen sassen sie bei den Schauspielen neben 
den höchsten Beamten, wie die Inschriften auf den Sesseln im Dionysos- 
theater beweisen,^*) und in Ephesos hatte der von einem Priesterkollegium 



Srab. XIV 641. SoHOEMAinT a. a. 0. 
II 427. 

«) Vgl. Paus. VII 24, 3. IX 10, 4. «;«>- 
xiog ayyös: Inscbr. aus Magnesia am Maian- 
dros Kbrn Beitr. zur griech. Philos. u. Relig. 
Berl. 1895 S. 81 ZI. 24. Rev. de rinstruct. 
publ. en Belgique XXXIV 1891 S. 270, 

>) Paus. IV 12, 4. Vgl. aber auch Schor- 
MANN Gr. A. II 430. 

*) n 604. 

6) E 78. Vgl. auch I 575 f. 

•) Z 299. 

») Vgl. n 718. 

•) Eur. Hek. 3. Verg. Aen. VII 820. 
Vgl. ApoUod. III 12, 5. 

•) t 167 ff. 

>0) DlTTBHBBBGBR Syll. 371. 



<>) Poseidipp. bei Athen IX 377 B. 

") Vgl. E. B. Plut. Quaest. rom. 113. 

>») Herod. III 142. 

>') Thuk. II 2. CIG 3794, 5475, 5491. 
Lbbas- Waddington III 1536, 1541 add. Per- 
gam. Inschr. VIII 1 nr. 18 ZI. 3 u. 39. nr. 249. 
In Eallatis ist der Priester des ApoUon 
Agyieus Jahreseponym (Arch. epigr. Mitt. 
aus Oest. XI 83), ebenso in Tomoi der Apol- 
lonpriester (ebenda 42). Mehr Beispiele bei 
DoBBMBR De Graecorum sacrificulis qni 
le^noiol dicuntur, Strassb. Diss. 1883 8. 36 
u. 71. 

") CIG 101, 23. 

>«) CIA III 261 ff. 8. auch CIA II 589 
u. 325. II 550. 



2. KQltiMbe«mt«. (§ 22.) 



37 



gewählte Megabyzos die höchste Gewalt.*) Auch Kränze wurden ihnen 
nach guter Amtsführung durch besondere Ehrendekrete verliehen,^) oder 
sie erhielten die Erlaubnis, bei allen öffentlichen Wettkämpfen bekränzt 
zu erscheinen.^) Die Priesterin der Athena Nikephoros in Pergamon wird 
nach dem Siege Eumenes' 11 über die Galater für ihre Gottwohlgefälligkeit 
und ihre wirksamen Gebete durch einen goldenen Kranz und eine Statue 
aus Erz geehrt/) und in Anaphe beschliesst Senat und Volksversammlung 
ein gemaltes Porträt des Serapispriesters im Tempel aufzuhängen.^) Für 
Versäumnis ihrer Pflicht konnten sie sich natürlich auch Strafen zuziehn. 
In Pergamon hat ein Priester die Fabriken des Tempels, falls der Pächter 
sie ruinierte, auf seine Kosten in stand zu setzen,^) und eine tegeatische 
Inschrift droht ausser der Geldstrafe noch mit Verfluchung.^) 

22. Die Einkünfte der Priester^) waren sehr ungleich. Bei grossen 
und besuchten Heiligtümern müssen sie recht bedeutend gewesen sein. 
Eine erythräische Inschrift*) führt eine ganze Reihe dort käuflicher Priester- 
tümer auf. Der höchste Preis für das des Hermes Agoraios beträgt 
4610 Drachmen, der niedrigste für das der Ge nur 10. Nehmen wir nun 
selbst an, dass diese Priestertümer auf Lebenszeit gekauft wurden, was 
sehr unwahrscheinlich ist,*<>) so ist ein Preis von weit mehr als 4000 Drach- 
men für ein solches Amt in einem doch ziemlich unbedeutenden Gemein- 
wesen immer ein recht erheblicher. Mehrere andere Priestertümer in 
demselben Ort werden mit über 1000 Drachmen bezahlt. Denkbar wäre 
ja nun allerdings, dass es den Käufern weniger auf den Gewinn als auf 
die Ehre ankam, aber Verluste werden sie in der Regel doch auch nicht 
haben erleiden wollen, und der geringe Preis vieler Priestertümer i^) zeigt 
auch wieder, dass die Ehre, ein solches Amt zu bekleiden, wenigstens 
nicht unter allen Umständen eifrig gesucht wurde. Merkwürdig ist 
eine Inschrift vom Tempel des Zeus Panamaros in Stratonikeia:^*) »Weil 
wegen des unvorhergesehenen Brandes der Ölpflanzungen niemand das 
Priestertum hat übernehmen wollen" u. s. w. 

Die Einkünfte setzen sich aus mancherlei Dingen zusammen, und die 
Bestimmungen darüber sind an den verschiedenen Orten verschieden. Sehr 
viele Priester hatten Amtswohnungen in dem heiligen Bezirke, wie schon 
bei Homer {t 200) der Priester des ApoUon in dem heiligen Haine des 
Gottes wohnt, und Iphigeneia in Tauris bei Euripides (I. T. 65 f.). Pau- 
sanias^') berichtet von einem Heiligtum in Elatea, wo alle Bediensteten 
des Tempels in dem väiisvoq wohnten. Das ist aber gewiss kein vereinzelt 
dastehender FaU gewesen, sondern höchst wahrscheinlich die Regel ;i*) 
vermieten einige Tempel doch ihnen gehörige Häuser sogar an Privatleute, 



») Strab. XIV 641. 
») Z. B. CIA II 477b. 
*) Inschr. ans Sinope im Bull, de corr. 
XIII 300. 

<) Perg. Inscbr. VIII 1 nr. 167 S. 104 f. 

») CIGIns. II 247. 

•) VIII 1 nr. 40. 

Bull, de corr. XIII 281. 

>) Vgl. Martha a. a. 0. 115 ff. 

*) DiTTBNBBBGKB SyU. 370. 



10) DiTTBNBEBGSR Syll. S. 356 Anm. 3. 
Bbucbmann Philol. Anz. 1886 S. 439. Siehe 
aber auch Lbhhahv a. a. 0. 50 ff. Hblleb 
Fleckeis. Snppl. XVIII 228 ff. Gabblbb 
Eiythrae Berl. 1892 8. 73. 

11) S. die Zusammenstellung bei Hbb- 
bbboht Dissertt. philol. Argent. sei. X 23 f. 

»«) BuU. de corr. XV 186. 

1*) Strab! XII 575. 



38 I)i« griechischen KnltiiBalteriaiaer. 

um ihre Einkünfte zu mehren.^) Der Priester des Amphiaraos wohnt in 
der Stadt Oropos und ist nur verpflichtet, wenigstens jeden dritten Tag in 
dem seiner Obhut anvertrauten, von der Stadt entfernten Heiligtum an- 
wesend zu sein, während dem vcioxoQog, wie es scheint, der ständige Auf- 
enthalt daselbst vorgeschrieben war.*) In besuchten Heiligtümern, die 
nicht innerhalb der Stadt lagen, haben die Priester jedenfalls stets eine 
Amtswohnung gehabt; in Eleusis, wie es scheint, alle Eultbeamten.') Die 
bedeutendsten Einkünfte der Priester bestanden in dem Anteil, den sie 
von den Opfertieren erhielten {leQciavva oder y^Qf]).^) Der Scholiast zu 
Aristoph. Vesp. 695 u. Plut. 1185*) sagt kurz, den Priestern kämen die 
Felle und die Schenkel der Opfertiere zu. Das ist nun zwar nicht ganz 
richtig, da in Sparta z. B. die Könige die Häute von allen bei Staatsopfem 
geschlachteten Tieren erhielten,*) und in Athen die Felle der an den 
grossen Festen geopferten Tiere für Rechnung der Staatskasse verkauft 
wurden, 7) und auch sonst bestätigt sich die Angabe des Scholions nicht in 
vollem Umfange,®) aber gross genug war der Vorteil, den die Priester 
aus den ihnen bestimmten Opferanteilen zogen, bei allen einigermassen 
bedeutenden Tempeln ohne Zweifel. So soll nach der halikamassischen 
Inschrift^) die Priesterin die Felle aller bei Staatsopfern geschlachteten 
Tiere erhalten, ausserdem ein Schinkenstück und mehrere andere Fleiscb- 
teile von jedem Tier, von Privatopfem nur Fleisch; eine eben gefundene 
attische ^^) ordnet an, dass die Priesterin der Athena Nike die Schenkel und 
Felle tov dsfioaiov erhalten solle, eine andere"*) weist einer Priesterin 
Fleischstücke und einen Teil der Häute zu; in Eos^^) soll einem Priester 
von jedem Opfertier ein Schenkel und die Haut, der Priesterin aber bei 
allen Privatopfern von kleineren Tieren ein Schinkenstück und von Rindern 
die Haut zufallen;*') ein pergamenisches Dekret ^^) spricht dem Priester 
die Felle und je einen Schenkel zu, eines aus Easossos in Earien*^) einen 
Rinderschenkel und von einem Widder, den er sich unter den zum Opfer 
bestimmten aussuchen dürfe, Schenkel und Fell. Auch Schulter, ^^) Schwanz- 
stück (o<ryi;$),i^) Zunge**) und Ohren werden ihnen zugewiesen.**) Doch 
beschränkten sich ihre Einkünfte keineswegs auf Teile des Opfertiers selbst. 



>) Vgl BöcKH Staateh.» I 375. 

*) Inschr. Herrn. XXI 91. Vel. d. Inschr. 
V. Chios Athen. Witt. 1888 (XlII) S. 166. 

*) Ephem. aroh. 1888 S. 109 A ZI. 17, 
24, 65, 72 ff. a a. 90, ß ZI. 80, y ZI. 5. 

^) yiQfj bezeichnet nur Fleisohteile, U- 
Qiaavra begreift auch andere Emolumente 
mit ein, namentlich Geld. Stergbl Herrn. 
XXXI 640 f. 

^) Dasselbe Soidas n. xiaXetKffhriq. 

•) Herod. VI 57. 

') BöoKH Staatsh.» IT 108 f. 

') Die delische Rechnungsnrknnde v. J. 
250 bestimmt z. B., dass die Haut des an 
den Posideien geopferten Rindes und Schafes 
verkauft werde. Vgl. die pergam. Inschr. 
Vm 2, 255 ZI. 23 ff. 

•) DiTTJSHBBBOBB Syll. 371. 

*<>) Ephem. arch. 1897 S. 176. 



") CIA II 631. 

") Paton u. Hioks d6b S. 86. 

»•) Paton u. Hioks nr. 38 S. 91, bei 
V. Prott Leg. sacr. S. 25 ff. 

") Altt. V. Perg. vm 1 nr. 40. 

1») Abb. der Wien. Akad. d. Wiss. 1894 
S. 23. 

1^ Bull, de corr. XlII 300 ans Sinope. 

IV) DiTTBNBBBQEB SjU. 876. luschr. aus 
Sinope a. a. 0. Vgl. Poll. II 95, aber anch 
Etym. M. 691, 18. 

^B) Inschr. aus Sinope a. a. 0.; ans Chios 
Athen. MiH. XIII (1888) 8. 166. DnTBFBBB' 
GBB Syll. 873. 

'») Paton u. Hioks 38 S. 91 ZI. 62. 
Ephem. arch. 1888 S. 5 ZI. 6. Vgl. femer 
die delische Rechnnngsurknnde von 193 
ZI. 16 f. u. Greek insor. in the Brit Mus. 
IV 1 nr. 40 ZI. 7 ff. 



2. Knltiiabeainte. (§ 22.) 



39 



Der Kalender von Kos bestimmt z. B., dass der Priester, der dem Herakles 
das Rind opfert, drei Mass Gerste und drei Viertel Weizen, vier Schalen 
Honig, zwölf Schafkäse, eine Last düiTOs Reisig erhalten solle, ausserdem 
einen invog xaivog^ d. h. wohl einen Backofen zur Bereitung der Opfer- 
kuchen, der nachher sein Eigentum wird;^) in Mykonos bekommt ein Priester 
Mehl und Wein') und in Athen*) Weizenmehl, Honig, Holz>) In der Regel 
haben sie zu liefern, was zur Vollziehung des Opfers nötig ist, wie Wein, 
Gerste, Holz (*«pa),*) und werden dafür durch Überweisung der Requisiten 
in natura oder durch Geld entschädigt;^) bei grösseren Opfern liefert der 
Staat oder die Gemeinde die Zuthaten, und zwar so reichlich, dass die 
Priester sicherlich einen Vorteil daraus ziehn,^) oder sie erhalten eine Re- 
muneration aus dem Tempelschatz, ^) und die Gebühren verbleiben ihnen, 
auch wenn in Stellvertretung ein anderer das Opfer vollzieht.*) Auch Back- 
werk, Früchte und andere Gaben, die man auf die Opfertische zu legen 
pflegte (TQans^wfjLccta)^^) fielen ihnen zu. Die Priesterin der Pergäischen 
Artemis in Halikarnass bekommt für die allmonatliche Fürbitte von der 
Bürgerschaft eine Drachme und darf in dem Monat, in dem das öffentliche 
Opfer stattfindet, eine Kollekte halten, deren Ertrag ihr zufallen soll, wobei 
es ihr jedoch nicht gestattet ist, in die Häuser zu gehen. ^0 -^^s einer atti- 
schen Inschrift der Kaiserzeit ^^) erfahren wir, dass ein Teil des Geldes, 
das in den Opferstock (d^aavQog) des Parthenon geworfen wird, der Athena- 
priesterin zufällt, ^^) und um die Mitte des 5. Jahrh. vor Chr. bezieht die 
Priesterin der Athena Nike ausser den anderen Emolumenten ein Gehalt 
von fünfzig Drachmen. ^^) Auch von den Einkünften aus den Tempelgütern 
haben viele Priester ohne Zweifel einen Anteil erhalten, sei es nun dass 
ihnen ein Teil der Pachtsumme zugestanden, sei es dass ihnen die Nutz- 
niessung eines unverpachteten Gutes oder eines Anteils daran gewährt 
wurde. ^*) Wird doch, wie wir aus einer chalkedonischen Inschrift erfahren, ^ß) 
einem Priester sogar ein Stück Land, das gar nicht einmal dem Tempel, 
sondern dem Staate gehört, bis auf weiteres zur Nutzniessung überlassen. ^^) 
In Pergamon bezieht ein Priester eine bestimmte Summe von dem Gewinn 
der dem Tempel gehörigen Fabriken, ^^) und es lässt sich annehmen, dass 
auch sonst die Priester von den Zinsen, die die oft sehr grossen Tempel- 
vermögen brachten,^*) einen Anteil erhalten haben, und noch manche andere 
Vorteile flössen ihnen zu. So gehörten die Fische aus den Rheitoi bei 



») V. Pbott Pasti gr. 28 f. 

>) DiTTBNBBBGBB Svll. 373. 

•) CIA II 631, 

^) Mehr solcher Bestimmungen Bull, de 
corr. IV 434 f. Athen. Mitt. XVI 130. Sten- 
gel Qaaest. sacrific. Progr. des Joachimsth. 
Gymnas. Berl. 1879 S. 15 ff. Mastha a. a. 0. 
S. 120 ff. Petebsen u. v. Lusohak Reisen 
im sfldwestl. Kleinas. Wien 1889 II 35 u. 55. 

») V, Pbott a. a. 0. Nr. VII und VIII. 
Vgl. Dittehbbbgbb Syll. 373, 18. Bull, de 
corr, XIII 300. 

•) CIA II 610, 841b. 

7) Stehgel Berl. Phil. Wochenschr. 1896 
8. 686. 



>) DlTTBNBEBGEB Svll. 371 ZI. 33 ff. 

*) Athen. Mitt. XIII 16t) aus Chios. 

»0) Perg. Ins. VIII 2 nr. 251. CIA II 
841b. Artemid. III 3. Vgl. Dion. Hai. II 23. 
CIA III 74. Polyb. XXXII 27, 7. 

") DiTTBKBEBOEB Syll. 371 ZI. 26 ff. 

") Herrn. XXX 629. 

*') Vgl. die pergam. Inschr. VIII 2 nr. 
255 mit Fbankbls Bem. S. 189 f. 

»*) Ephem. arch. 1897 S. 176. 

") Hom. hymn. in Apoll. 353. 

^«) Dittbnbebgeb Syll. 369. 

'') Vgl. Lebab Ins. As. Min. 860. 

»«) VIII 1 nr. 40 ZI. 7 ff. 

1») BoECKH Staatsh.> I 522 f. 



40 



Dia grieohisohen Knltiuutltertüiiier. 



Eleusis ausschliesslich der Priesterschaft, ^) und in Tegea stand dem Priester 
und dem Hierothytes das Recht zu, eine bestimmte Anzahl von Tieren 
auf der heiligen Trift zu weiden.^) Vorteil und Ehre zugleich war es, 
wenn Priester im Prytaneum gespeist wurden, wie dies namentlich auch 
für den Hierophanten und den Daduchen in Athen bezeugt ist,*) oder wenn 
ihnen ein Ehrenplatz bei den ieXnva irjfAoaia zuerkannt ward, wie dem 
Priester des Asklepios in Chalkedon.^) Einem Poseidonpriester in Per- 
gamon wird Atelie und Proedrie bei allen Agonen verliehen,») Atelie auch 
einem in Kasossos in Earien.^) Auch Befreiung von Leiturgien^) und vom 
Militärdienst®) wurde ihnen zuweilen gewährt. Wohlhabende und frei- 
gebige Priester erwarben sich Ehre und öffentliche Anerkennung dadurch, 
dass sie nicht nur alle ihre Pflichten voll erfüllten, sondern auch zur Feier 
der religiösen Feste aus ihrem Privatvermögen beisteuerten, damit sie 
desto glänzender begangen werden könnten, oder auf eigene Kosten Tempel 
oder Tempelgeräte wiederherstellen liessen.») Später wurden die Priester- 
tümer oft recht kostspielige Ämter, die an die Munificenz ihrer Inhaber 
hohe Anforderungen stellten, namentlich in Kleinasien. 

23. Die Art der Besetzung der Priestertümer war verschieden.^^) 
Einzelne waren in bestimmten Familien erblich.") Solch ein Recht leitete 
sich in den meisten Fällen gewiss daher, dass ursprünglich eine Familie 
einen Privatkult gepflegt hatte, von dem andere ausgeschlossen waren, ^*) 
und dass dieser dann Staatskult wurde, die Verwaltung, d. h. also das 
Priestertum, aber den Nachkommen jener alten Familien überlassen wurde, ^*) 
oder dass ein Familienglied einen neuen Kult eingeführt hatte. ^») Auch 
wenn jemand ein Heiligtum gebaut oder wiederhergestellt hatte, konnte 
er in der Weise dafür belohnt werden, dass das Priestertum seiner Familie 
zugesprochen wurde. ^^) Die Beispiele von solchem Forterben des Amtes 
in bestimmten Familien sind nicht selten.^*) Am bekanntesten ist, dass 
der eleusinische Hierophant dem Geschlecht der Eumolpiden in Athen an- 
gehören musste, der Daduchos, der Keryx und der Altarpriester (o im 
ß(o/,i^}) dem Geschlecht der Keryken.^^^) Die Eteobutaden besassen das 
Priestertum der Athena Polias und des Poseidon-Erechtheus,^') die Thau- 

M Paus. I 38, 1. 

*) Bull, de corr. XIII 281. Meister 
Verb, der kgl. Sachs. Ges. d. Wiss. Leipzig 
1889 S. 71 ff. 

») cm 184, 191. 

♦) DiTTBHBBBGKB Syll. 369. Vgl. Luk. 
Symp. I 9. 

») Perg. Inschr. VIII 2 nr. 251. 

«) Abb. der Wien. Akad. 1894 S. 23. 

') Pergam. Inscbr. VIII 1 nr. 40. 

^) So dem Priester des Poseidon Heli- 
konios in Sinope, Bul]. de corr. XIII 300. 

•) CIA II 325, 374. GIG 3599. Dittbn- 
BBBGER SvlI. 356. Bull, de corr. XI 146 f., 
XII 85, XIII 414 f. Epbem. arcb. 1887 
8. 177 ZI. 17 ff. 

^^) Martha a. a. 0. 24 ff. Lbhhaitv 
Quaest sacerdoi 1 ff. 

^') BOSSLBR a. a. 0. W. WACfHSMUTH 

Hellen. Altertumskunde^ II 620 ff. 



*') Solcbe Familienkulte erwähnt z. B. 
Herod. V 66, cf. VI 56. [Lys.] VI 11 p. 104. 
Vgl. Petbrsbn Der Hansgottesdienst der 
Griecben, und Lobbgk Agl. 271 ff. 

^') Herod. VII 153, wo die Nachkommen 
des Telines, des Vorfahren Gelons und Hie- 
rons, auf diese Weise für ihre Familie die 
erbliche Würde der Hierophantie erhalten. 
Vgl. Lübbbrt Melet. in Pind., Bonner Lek- 
tionskatal. 1886/87 S. V ff. 

'*) Lbbas-Foücabt Inscriptions, Pelopour 
nöse 243. Vgl. auch GIG 459 u. Herod. HI 
142. 

») Aristot. Atb. Pol. 42. 

^•) Vgl. DiTTBNBBRGBB Horm. XX 1 ff. 
und TöPFFBB Att. Gen. unter den betr. Ge- 
schlechtem. 

^7) Etymol. M.386. Pbbllbb-Robbbt Gr. 
Myth. I 207. 



2. Knltiuibeamte. 



23-25.) 



41 



loniden das des Zeus Polieus,^) die Hesychiden hatten den Kult der Eume- 
niden zu beaufsichtigen,^) und so noch viele Familien.^) In welcher Weise 
die Erbfolge innerhalb der Familie geregelt war, wissen wir nicht genau, 
und es mag dies auch in den einzelnen Fällen verschieden gewesen sein ;^) 
sicher ist, dass Linealsuccession nicht überall stattfand.^) So erbt ein 
Priestertum des Poseidon in Halikarnass, das einer Familie gehört, nach 
Generationen fort, so dass auf den Vater sämtliche Söhne folgen, dann 
sämtliche Enkel, die Söhne des ältesten Bruders zuerst, darnach die des 
zweiten und so fort,^) in einer anderen ebenfalls halikamassischen In- 
schrift, in der es sich um Geschlechterkultus handelt,^) wird testamen- 
tarisch bestimmt, dass von den Descendenten immer der älteste aus dem 
Mannesstamm das Priestertum erhalte. Bisweilen wurde das Priestertum 
auch unter den Augehörigen des Geschlechtes verlost,^) oder der Älteste 
erhielt es.^) Dass wegen eines Vergehens des Priesters der Familie das 
Recht der Weitervererbung entzogen werden konnte, geht aus Plut. Quaest. 
graec. 38 hervor, doch war solch ein Fall gewiss selten genug. 

24. Ein andrer Modus der Besetzung war die Wahl durchs Volk, 
die aber nicht sehr häufig gewesen zu sein scheint. Wenn es von Theano 
(Z 300) heisst: tr;v yäq Tgweg i&rjxav ^Ä-d^vairfi iäqsiav^ so ist daraus 
einerseits nicht ein unbedingt sicherer Schluss auf gleiche Sitte bei 
den Griechen zu ziehen, andrerseits erfahren wir nicht (wie Sghoemann 
a. a. 0. n 425 hervorhebt), von wem die Einsetzung ausgegangen ist, und 
ob dabei ganz freie oder auf ein bestimmtes Geschlecht beschränkte 
Wahl stattgefunden hat. Jedenfalls werden später durch Volkswahl her- 
vorgegangene Priester mehrfach erwähnt, i®) Auch gleichzeitige Wahl 
eines Ersatzmannes, der im Fall des Todes oder der Unfähigkeit des 
ersten das Priestertum übernehmen soll, kommt vor."*) In monarchisch 
regierten Staaten finden wir auch Priester vom König eingesetzt.*^) End- 
lich kann es geschehen, dass jemandem auf Befehl des Orakels*^) oder auch 
infolge einer andern göttlichen Weisung^*) ein Priestertum übertragen wird. 

25. Am häufigsten erfolgte die Wahl der Priester durchs Los; dann 
konnte die Gottheit sich den würdigsten Diener selbst erlesen.*^) Auch 
wenn keine Wahl geeigneter Männer, unter denen das Los entscheiden 
sollte, voranging, ^^) waren Untaugliche von der Bewerbung natürlich aus- 
geschlossen,*^) und die Zahl der Kandidaten war wohl in der Regel von 



ed. 



») TÖPPFBR Att. Geneal. 149 ff. 

>) Schol. Soph. Oid. Eol. 489; Polemon 



Pbbllbb 91. 

^) Beispiele ansser bei Bosslbb anch 
Sghoxmabn a. a. 0. IP 423, 424 Anm. 1 und 
am aaeffihrlichsten TOpffrr Att. Gen. unter 
d. betr. Geschlechtem. Pergam. Inschr. VIII 
2 nr. 248 ZI. 32. nr. 251 ZI. 7 f. 

^) Martha a. a. 0. 35 ff. Dittbnbbbgeb 
Herrn. XX 22 ff. Boboxh El. Schriften IV 335. 

*) Bull, de corr. XI 102 nr. 24. 

«) Dittbnbbbobb Syll. 372. Im ganzen 
sind 27 Priester in dem Dekret verzeichnet. 

^) Grebk inscr. in the Brit. Mus. Part. 
IV Sect. 1 S. 69 nr. 896. 



«) Plut, Dec. oratt. p. 843 f. Vgl. zu 
der Stelle aber anch Töpffbb Att. Gen. 124 ff. 

») CIGIna. n 330 ZI. 29. CIA II 410. 

»0) Paus. VII 27, 1. GIG 2270 ZI. 18; 
vgl. 434. GIG 2347, 3067. Rev. Arch. XV 
207. IGSept. I 113. 

»») BuU. de corr. IX 6 nr. 2. Ditten- 
BBBOBB Ind. lect. Halle Som. 1886 S. V. 

«) Pergam. Inschr. VIII nr. 248. 

»») DiTTBNBBBGRR Syll. 868. 

»*) Artemid. Oneir. V 1. 
»*) Plat. Leg. VI 759 C. CIA II 622, 
567b. CIGIns. I 833. Athen. Mitt. XVI 53. 
>•) Vgl. Cicero in Verr. 11 125. 
") Vgl. Aristot. Polit. IV (VII) 9 p. 1329a 



42 



Die grieohisohen KnltMaltartllmer. 



vornherein beschränkt, i) Strittige Fälle entschied in Athen der Archen 
Basileus.^) 

26. Eine vierte Art der Besetzung der Priestertümer war die, dass 
die Stellen verkauft wurden. Dass dies in der Litteratur nur einmal^ 
erwähnt wird, ist ein Zufall ; die Inschriften*) lehren, dass der Verkauf von 
Priestertümem gar nicht selten war.^) Der erythräische Stein*) zählt 
allein ungefähr vierzig Priestertümer auf, die dort zu verschiedenen Preisen, 
wie es scheint, auf eine bestimmte Anzahl von Jahren verkauft wurden, 
der halikamassische^) giebt genau die Bedingungen an, unter denen das 
Amt verkauft werden soll, und schreibt der Priesterin Rechte und Pflichten 
vor. Dass der Käufer das Priestertum auch selber bekleidet, ist nicht 
notwendig, nur darf er es natürlich keiner ungeeigneten Persönlichkeit 
übertragen.^) In Erythrai^) war es dem Priester auch gestattet, das 
Priestertum, das er vom Staat gekauft hatte (TigMig), weiter zu ver- 
kaufen {iniTiQaaig). Erfolgt die Zahlung nicht sogleich oder nicht voll- 
ständig, so. sind Bürgen zu stellen. ^<') Sehr zweifelhaft ist es, ob unter 
Umständen auch schon die Anwartschaft auf ein noch nicht erledigtes 
Priestertum verkauft worden ist;^>) dagegen durfte der Inhaber das Amt 
seinem Sohn oder einem anderen Anverwandten schon bei Lebzeiten 
codieren (diaavaxaaiq),^^) 

Die Dauer der Amtsführung war, wie sich schon aus dem Vor- 
angehenden ergeben hat, in den meisten Fällen entweder lebenslänglich 
oder auf ein Jahr beschränkt.^') Ausnahmen kamen wohl nur vor, wenn 
das Hauptfest der Gottheit in längeren Zwischenräumen gefeiert wurde, 
und damit die Amtsperiode ablief. So fungiert die Priesterin der Athena 
Nikephoros in Pergamon zwei Jahre, von einem Nikephorienfest bis zum 
andern.^*) Eine Wiederwahl derselben Person war aber nicht ausgeschlos- 
sen, i^) ja die wiederholte Bekleidung desselben Priestertums durch ein 
und denselben scheint an manchen Orten wenigstens ziemlich häufig ge- 
wesen zu sein.^<^) — Die Einsetzung eines sein Amt auf Lebenszeit an- 
tretenden Priesters wurde festlich begangen,*^) eine eigentliche Weihe 
scheint aber nicht stattgefunden zu haben. ^^) 



») Vgl. Demoeth. LVII 46 u. 47 p. 1813. 

*) Aristot. Ath. Pol. 57. 

•) Dion. Hai. II 21. 

*) Gesammelt und behandelt von Her- 
BBBCHT Dissert. philol. Argent. sei. X 1 ff. 
Vgl. DiTTENBERGBB SjU. 371 praof. Lbh- 
MANir a. a. 0. äkthes Qaaest. epigraph. 1885 
S. 25 ff. £. Hellbb Fleckeis. Suppl. XVlII 
225 ff. Ferner Inschrr. aas Kos Paton u. 
HioKs S. 47 ff., aus Earien Abb. der Wien. 
Akad. 1894 S. 23, aas Gbios Athen. Mitt. 
XIII 166. 

') Freilich besitzen wir noch kein Bei- 
spiel ans Athen. 

^) Dittbnbbbgbr Syll. 370. Gaeblbb 
Erythrä 78 f. 

^) DlTTENBEBGEB SvU. 871. 

") DiTTBKBBBGEB Horm. XVI 169 ff. 

•) DlTTBWBBBGBB Syll. 159 u. 370. 
''') Vgl. Lehhabn a. a. 0. 47 ff. 



**) Vgl. Bbüohxank Philol. Anz. XVI 
(1886) S. 445 ff. and dagegen Lbhxank a. a. 0. 
42 ff. and Hbllbb Fleckeis. Sappl. XVIII 229. 

^*) Gaeblbb a. a. 0. 71. Anders Dir- 
TBNBBBOBB Svll. S. 536 A. 5 Und Hbllbb 
a. a. 0. 231 f. 

") S. noch Bull, de corr, XIV 176 nr. 10. 
Pergam. Inschr. VIII 1 nr. 40 ZI. 11 n. 21. 
Reisen im sw. Eleinas. Wien 1889 II nr. 83 f. 
DlTTENBEBGEB Ind. loct. HaUo S. 1887 8. V. 

") Pergam. VIII 1 n. 167 S. 105. 

») Bull, de corr. XV 169. 

1«) Bull, de corr. XI S. 17 n. 18b, 8. 29 
n. 42, S. 31 n. 44, XV S. 186. 

»') DiTTEFBBBGEB Herm. XVI 175. Vgl. 
auch Athen. XII 549 F. 

^^) Vgl. die Pergam. Inschr. 248 ZI. 20 
und FbInkbls Bemerkungen VIII 1 S. 165. 
SoHOBMANN Gr. Altt." 11 432. DirrBirBBBGBR 
Syll. 369 S. 534 Anm. 15. Hbllbb a. a. 0. 



a. Kiütiube«mte. (§ 27—28.) 43 

27. Bisweilen führten die Priester besondere Titel. So werden in 
Megara Priester des Poseidon Hieromnemonen^) genannt, in Tarsos der 
des Herakles Stephanephoros,*) in Theben der des Apollon Daphnephoros,») 
eine Priesterin der Aphrodite in Sikyon Lutrophoros.*) Auf epidaurischen 
Inschriften später Zeit werden häufig nvQ^oQoi genannt, vornehme Jahres- 
priester, die nach Ablauf ihres Amtes einer Gottheit einen Altar stiften.^) 
Namentlich den aT€g>avr^^6Qo$ begegnen wir häufig. In Magnesia sind sie 
die eponymen Beamten,^) in einer kyzikenischen Inschrift^) scheinen damit 
alle sakralen Beamten mit Einschluss der Priester bezeichnet zu werden, 
eine pergamenische®) erwähnt Stephanephoren der Zwölf Götter und des 
verstorbenen Königs Eumenes, in Gambreion ist ein Stephanephoros epo- 
nym,») ebenso in Milet^®) und in lasos.^^) Überhaupt sind in Asien die Titel 
besonders mannigfach.^') Ein Archiereus findet sich erst in späten Ur- 
kunden, namentlich in Eleinasien.*^) Der Titel wird zuweilen dem Präsi- 
denten eines Priesterkollegiums beigelegt, zuweilen führt ihn der Vor- 
steher eines an den betreffenden Orten bestehenden Kultes, i*) Verhältnis- 
mässig selten kommen Archiereiai vor.^^) 

28. Auch äusserlich unterschieden sich die Priester durch ihre Tracht 
von der Menge. Sie waren mit dem langen, ungegürteten Chiton be- 
kleidet,'®) der von Männern im gewöhnlichen Leben seit der Mitte des 
fünften Jahrhunderts nicht mehr getragen wurde. In der Regel war 
dieser von weisser Farbe, bisweilen von purpurner, ^^) oder er hatte einen 
Purpursaum. 1*) Eine pergamenische Inschrift aus der Zeit Attalos' P») be- 
stimmt als die Tracht des Priesters eine weisse Chlamys und einen Kranz 
vom Ölbaum mit purpurner Schleife. Ein Purpurgewand ist auch die 
Amtstracht des Asklepiospriesters in Pergamon.*^) Der Archen von Pla- 
taiai, ein Hoherpriester, trägt weisse Kleider, legt aber an dem Tage, wo 
er den in den Perserkriegen Gefallenen das grosse Totenopfer bringt, 
purpurne an,^') wie denn überhaupt die Purpurfarbe im Kult der Unter- 
irdischen bevorzugt wurde,**) während den obem Göttern Weiss genehmer 



228 f., 248. Lehmann Berl. Phil. Wochensohr. I 8. 876 f., 887 f. Mab<)üabdt Staatsverw. P 



XII 85. 

») Plut. Quaeet. symp. VIII 8, 4. 

«) Athen. Y 215 B. Vgl. Kbil Schedae 
epigraph. 1855 S. 82. 

•) Paus. IX 10, 4. 

*) Mehr Beispiele bei Hbbkahn G. A.* 
§ 35 A. 2. SoHOBMAKN Gr. A.> II 421 ff. 
DoBBMBB a. a. 0. 86 u. 71 f. Ghantbpib de 
jjL Saüssatb Relgesch. II 126. 

») Ephem. arch. 1894 S. 19 ff. 

') Ebbn Inschr. y. Magn. 8 ff. 

T) DiTTENBBBGBB SjU. 279, 22. 

«) Pergam. VIII 1 n. 246 ZI. 27 f. 

») GIG 3562. 

»0) CIG 2852. Arch. Ztg. 1876 S. 128. 

i>) Lebas As. Min. 251 ff. 

^*) 8. die Zusammenstellung von Ubllbb 
Fleckeis. Suppl. XVIII 263 ff. u. 8. 237. 

»•) CTG. 2184, 2421. Bull, de corr. 1887 
S. 249, 299 f. u. s. w. Vgl. G. Hibschpbld 
Ber. d. Berl. Akad. d. Wiss. XXXV (18^8) 



1881 8. 504 ff. Momksbn Rom. Gesch. V 319. 
Monobaü de communi Asiae prov. Paris 1885. 
Dittbhbbbgbb Ind. lect. Halle 1889/90 8. IV f. 

^*) Vgl. Newton D. griech. Inschr. übers. 
y. Imblmann 60. 

»*) IG Sic. et It. 2454. IGSept. 1 111. 

*') Abbildungen bei Michablis Parthe- 
non Taf. XIV Fig. 34. y. 8ybbl Katalog der 
Skulpturen zu Athen 153, 2130. Miohablis 
in d. Festschrift für OysssBOK Leipzig 1893 
S. 181 f. 

") Strab. XIV 648. Vgl. Athen. V 211 B. 

") Athen. V 215 B. 

») Pergam. VIII 1 n. 40 8. 36 f. 

") Ael. Aristid. X p. 125, 4 f. Dind. 

•») Plut. Aristid. 21. 

") Aisch. Eum. 1028. Eur. Gr. 1430. 
[Lys.] VI 51 p. 107. Strab. XIV 648. ApoU. 
Bhod. IV 1662. Vgl. Dibls 8ib. Bl. 70 Anm. 
Herrn. XXXI 361. Gbuppi in Bübsians 
Jahresber. 1895 8. 277 f. 



44 



Dia grieehisohen Knltnaftliertttmar. 



war.*) Weiss ist die Binde des d-vrjnoXog in Sikyon, aber am Fest des 
Aratos trägt er eine weiss und rot gestreifte.^) Auch sonst legten die 
Priester bei feierlichen Gelegenheiten einen besondem Ornat an, vor allem 
die sie auszeichnende Eopfbinde (argo^tov)^) oder Kränze^) auf dem lang 
gehaltenen Haar;^) in den Händen hatten sie Stäbe, wie schon Chryses bei 
Homer {A 15) mit einem goldverzierten Scepter erscheint, Priesterinnen 
aber den grossen altertümlichen Tempelschlüssel.*) An einigen Orten 
scheinen sie den Kranz sogar immer als Zeichen ihrer Würde getragen 
zu haben.'') In Eleusis trug der Daduchos bei den Mysterien die Fackel, 
angethan mit einem purpurnen Gewände und einen Myrtenkranz auf dem 
Haupt, ^) und noch prächtiger war das Kostüm des Hierophanten.') Auch 
kam es vor, dass bei gewissen Feiern Priester und Priesterinnen in der 
Tracht und mit den Attributen der Gottheit, der sie dienten, erschienen. 
In Pellene trat die Priesterin der Athena — rj xaXX(a%r) xai fisyiair] zwv 
naqdsvwv — bewaffnet und mit dem Helm auf dem Haupte auf,^®) die 
Priesterin der Artemis Laphria zu Patrai fuhr in einem von Hirschen ge- 
zogenen Wagen,**) ein Priester der Demeter zu Pheneos legt sogar die 
Maske der Göttin an,*') und eine athenische Inschrift aus dem 3. Jahr- 
hundert n. Chr.,*>) die sich- auf die Genossenschaft der lobacchen bezieht, 
erwähnt Darsteller des Dionysos, Palaimon, der Köre und Aphrodite.*^) 

b. Das übrige Kultpersonal. 

29. Aristoteles*^) nennt unter den priesterlichen Beamten der grös- 
seren, ein zahlreicheres Kultpersonal und einen umfassenderen Yerwal- 
tungsapparat erfordernden Heiligtümer die IsQonotot^ vao^vXaxsg und ra- 
fiiai zwv teqdv XQW^^^- ^^^ schon die Namen zeigen, sind die Funk- 
tionen aller sehr verschieden, und darnach auch ihre Stellung und ihr Ver- 
hältnis den eigentlichen Priestern gegenüber. — Am nächsten stehen den 
Priestern die leQonoioi',^^) ihre Untergebenen sind auch sie kaum, wenn 
sie auch verpflichtet gewesen sein werden, bei der Ausübung ihres Amtes 
in diesem oder jenem den Weisungen der Priester Folge zu leisten. In 
Athen wählt die Volksversammlung durchs Los zwanzig isqonoioi^ die zehn 
sog. inl T« ix&vfiara^ d. h. die die ausserordentlichen von den Sehern 
verlangten Opfer darbringen und mit ihnen zusammen die Zeichen be- 
obachten, und die zehn sog. xav* cviavtov.^'^) Diesen lag namentlich die 



•) Plat. Leg. XII 956 A. 

») Plut. Arat. 53. 

*) Ephem. arch. 1895 S. 114. Fiat. 
Aristid. 5| Arat. 53. 

*) Schol. Soph. Oid. Eol. 681. 

*) Herod. II 36. Plut. Aristid. 5. 

*) xXndovxoi^. DiBLS Parmenides 123 ff. 
mit Abbildgg. 

^) Vgl. die karische Inschr. Bull, de 
conr. XV 169 ff. Pergam. VIII 1 nr. 40 
S. 36 f. VIII 2 nr. 251 ZI. 7 ff 

•) Schol. Soph. Oid. Kol. 673. Vgl. Ephem. 
arch. 1883 S. 82. 

») Bull, de corr. XV 173. Arrian. Epikt. 
III 21, 16, TöPFPBE Att. Gen. 46 f. 

>») Polyaen. VIII 59 p. 331 Wölfl. 



») Paus. VII 18, 12. 

1*) Paus. VIII 15, 1. Mehr Beispiele 
bei Back De Graeoorum caerimoniis, in qui- 
bus homines deorum vice fnngebantur. Berl. 
Diss. 1883. 

'*) Athen. Mitt. XIX 248 ff. 

^*) Vgl. die Mysterieninschrift von An- 
dania Dittbnbergbr SylL 388 ZI. 24. 

'») Polii VII (VI) 8 p. 1322b; vgl. Ath. 
Pol. 30. 

*') DoBBMBB De Graecomm sacrificnlis 
qui Ugonoiol dicuntur, Dissert. Argent. 1883. 
BoBCKH Staatsh.' I 273. Homollk Bull, de 
corr. VI Iff., XIV 418 ff. 

") Aristot. Ath. Pol. 54. Etym. M. 469. 



2. Xnltiuibeamie. (§ 29.) 



45 



Sorge für die penteterkchen Opfer ob, das nach Delos gesandte, die Brau- 
ronien, Öerakleen und das zu den grossen Eleusinien nach Eleusis ge- 
schickte. Es fehlen also die grossen Panathenaien. Möglich ist aber, dass 
sie noch im 5. Jahrhundert auch an diesen die grosse Hekatombe darzu- 
bringen hatten.^) Daneben finden wir nicht ständige IsgonoioC, Das sind 
Festkommissionen, in der Regel ein vom Rat aus seiner Mitte ernannter 
Ausschuss,*) seltener vom Volk erwählt.^) Wir kennen solche Kommis- 
sionen für die kleinen Panathenaien,^) Hephaistien, Dionysien, Asklepieen, 
Bendideen, Theseen.^) Bisweilen finden wir sie neben den ständigen thätig, 
namentlich bei der Feier der Eleusinien.*) Eine auf die kleinen Pana- 
thenaien bezügliche Inschrift^) trägt ihnen auf, für einen bestimmten 
Preis die Opfertiere anzukaufen, sie in feierlichem Zuge zum Altar der 
Athena Polias zu führen und zu opfern, und dann das Fleisch demenweise 
an die einzelnen Bürger zu verteilen. In Eleusis nehmen sie das den 
Göttinnen von den Hellenen dargebrachte Getreide in Empfang, bewahren 
es auf, verkaufen es 7) in Gemeinschaft mit dem Rat und schaffen dafür 
vom Volk beschlossene Weihgeschenke an.^) Auch mit der Beaufsichti- 
gung und Verwaltung der Heiligtümer und der Tempelschätze haben sie 
zu thun,') und bei der Niederlegung ihres Amtes Rechenschaft abzulegen. i<») 
Wie den Priestern kann auch ihnen Strafgewalt übertragen werden, ^^) wie 
diese erhalten sie Anteile von den Opfertieren ^^) und nach guter Amts- 
führung Belobung und Kranz. >') Auch an andern Orten treten sie meist 
als Kollegium auf: zwölf in Kameiros auf Rhodos, ^*) anderswo vier,") oder 
zwei,") selten nur wird einer erwähnt;*') überall haben sie vornehnJich 
mit den Opfern zu thun und alles Notwendige dazu vorzubereiten und zu 
beschaffen.") Die ständigen werden das Amt ein Jahr bekleidet haben.") 
Verwandt mit den tsQorroioi sind die (in nichtattischen Inschriften häufig 
erwähnten) snifiijvioi,^^) Sie sind ein Jahr im Amte,^^) aber treten nur in 
den einzelnen Monaten in Funktion. *2) Fleischverteilung**) und Anordnung 
der grossen Opfermahle*^) scheint ihnen vorzugsweise obgelegen zu haben. 
Auch sie erhalten Anteile von den geopferten Tieren*^) und die übliche 



R. ScHOBLL Sitzgsber. der Münch. Akad. 1887 
S. 1 1 ff. L. ZiBHEN Rhein. Mus. 1896 8. 211 ff. 

>) CIA I 188 = DiTTBNBEBOBB SjU. 44. 

ZiSHBK a. a. 0. 217 f. v. Wilamowitz Aristot. 
u. Athen I 228 f. 

«) ^A»ijvaioy VI 482. 

*) DemoBth. XXI 115 p. 552. 

*) DiTTBNBBBOBB Syll. 880. 

*) CIA TT 741 = DiTTENBEBOBE Syll. 

374 und Schoell a. a. 0. 10. 

«) DiTTENBBBGBB Svll. 13 U. 334 CIA 

IV 225 K. Ephem. arch. 1883 S. 123. 

^) DiTTENBEBOBE SyII. 13. Ephem. arch. 
m (1888) 55. 

*) FbInkbl in Bobokh's Staatsh.* II 62* 
Anm. 398. 

•) CIG 2266, 2953b. Vgl. FbInkel a. 
a. 0. Anm. 268. Foucabt Des ass. rel. 24. 

«•) CIA II 581. Bull, de corr. VI 6 ff., 
57 ff. 

>0 CIA II 631. ScHOBLL a. a. 0. 18 ff 



1*) DiTTBKBEBGBR Syll. 380. Inschr. y. 
Eos bei Paton u. Hioks S. 81 nr. 37. 

'») CIA II 581. löSept. I 4254. 

'*) CIG Ins. I 705. ' 

»*) CIG 2953b. Bull, de corr. VI 6 in 
Delos, V. SghOffbb Berl. Stud. IX 118 ff. Vgl. 
CIA U 581. 

>•) CIG 2157. 

»») CIG 2056. Vgl. DoEEMBR a. a, 0. 19. 

^^) DiTTENBBBGBB Syll. 373. luschr. aus 
Keos, Halbhebb Mus. Ital. I 220 ZI. 11 ff. 

»•) Vgl. Bull, de corr. VI 6. 

»») DoEBMEB a. a. 0. 65 ff. 

*») CIG 3641b. 

") BoBCKH im CIG. II p. 1133. 

") Bull, de corr. VI 256 f. Karische 
Inschr. Wien. Akad. 1894 8. 14. 

•*) Mova, irjs ivayyeX, (r;|foA. in Smyrna 
1880 n. 186 p. 141. 

*'') CIGIns. II 330. Gbbbk inscr. Brit. 
Mus. IV 1 nr. 896 ZI. 41 ff. 



46 



Dia grieohisohen Knltiuwltertümer. 



Anerkennung nach tadelloser Amtsverwaltung. ') Dass die UqonowC wie 
die emfiT^vioi an einigen Orten, wo ihre Funktionen dann freilich auch 
noch andere gewesen sein mögen, höchst angesehen waren, geht daraus 
hervor, dass sie dort die eponymen Beamten sind.*) Auch die uns öfter 
begegnenden t€QoikvTai^) und aQxt^Qo&vvai*) scheinen hauptsächlich mit 
den Opfern zu thun gehabt zu haben, und dasselbe lässt sich von den 
^jjnoXot vermuten,*) während wir die te^ovofioi^) auch mit der Ver- 
waltung heiliger Gelder betraut finden.') Ferner gehören hierher die sog. 
Parasiten, die unter anderm die dem Tempel zukommenden Qetreideliefe- 
rungen eintrieben und die Festschmäuse ausrichten halfen,^) und die 
xi]Qvx€g oder i€Qoxi^Qvx€g,^) Sie verkünden an Festen die Namen und Ver- 
dienste der vom Volk durch Ehren ausgezeichneten Männer und rufen 
sonst etwa notwendige Bekanntmachungen aus,^^) verrichten Oebete,^^) 
sind aber auch, wie schon in homerischer Zeit^*) bei den Opfern behilf- 
lich *•) und erhalten gleich den Parasiten**) ihren Anteil vom Opferfleisch 
oder Wein.**) Eine bestimmte Art von Herolden sind die anovdoipÖQo^^ 
die wir namentlich in Eleusis und Olympia finden; noch näher stehen 
ihnen die fiayeigoi und olvoxooi^ denen wir gleichfalls in Eleusis, Olympia 
und anderswo begegnen. *<^) Zur Anschaffung der Opfertiere werden durch 
die Volksversammlung in Athen auch eigene ßo&vai gewählt,*') und in 
Delos verkaufen sie die Häute der Opfertiere und stiften dafür Krüge in 
den Tempel.*^) In Delphoi finden wir auch von den «mjW^Ai^«/ Opfer dar- 
gebracht, '') priesterlichen Beamten, die auch an andern Orten vorkommen. '<') 
Die spätere Zeit treibt die Teilung der priesterlichen Funktionen immer 
weiter. Eine Inschrift aus Rhegium**) nennt ausser andern Eultbeamten 
z. B. einen ^VTrjgy teQoaaXnnTTrjg, tsQOTiaQäxTrjgj xanvavyrjg, 

80. Nächst der würdigen Feier der Feste und Opfer, also der Sorge 
für die gebührende Verehrung der Gottheit, lag den Priestern die Sorge für 
den Tempel und den heiligen Bezirk überhaupt ob. Unterstützten die vorher 
genannten Beamten und Gehilfen sie vorzugsweise in jener, so standen 
ihnen solche hierbei nicht weniger zur Seite, und eben diese scheint Ari- 
stoteles a. a. 0. kurz mit vaotfvXaxsg zu bezeichnen. Dazu gehören z. B. 
die häufig erwähnten vswnoioi^^^) deren Aufsicht alles, was den Bau und 



») Paton u. Hioks Inscr. of Cos 382. 

•) DiTTBNBBBOBK Syll. 159. CIG 3723, 
8595 etc. 

3) CIG 5491. Bull, de corr. XIH 281. 
Paus. VIII 42, 5 u. s. w. 

*) Inschr. aus Selge in Pisidieu bei 
Lai^ckoronski Pamphil. u. Pisid. II 233 n. 
247 f.; aus Lindos CIG Ins. I 768, 788. 

*) CIG 956. Aristoph. Pax 1124. Plut. 
Arat. 53. 

*) DiTTEKBEBGEB SvlI. 156. Pergaui. Ins. 
VIII 1 n. 246. 

') Pergam. Ins. VI 11 1 n. 161. Vgl. 
SwoBODA Rhein. Mns. 1891 S. 507. 

«) PoU, VI 35. Athen. VI 234 f. Vgl. 
Mbibb Hall. Encykl. d. Wiss. u. E. III 11 
S. 418 ff 



•) z. B. Pergam. Ins. VIII 1 n. 246. 

»0) ClGIns. II 249. 

») CIA II add. 57b. 

»») r 245. T 251. 

»») Athen. XIV 79 p. 660. 

^*) Athen. VI 27 p. 235. 

") Messen. Inschr. Athen. Mitt. XVI 353. 

^«) Kleidemos bei Athen. XIV 660 vgl. 
X 425. Herod. VI 60 (Sparta). CIG 1793b, 
1849c. Dittbkbbroeb Henn. XX29f. Töpffer 
Att. Geneal. 151 f. 

"} CIA II 168. BoEOKH Sfaateh.» I 274. 

>>) Rechnungsurkunde v. J. 193 ZI. 16. 

*•) Bull, de corr. V 164. 

«0) in Oropos IGSept. I 453. 

«») IG Sic, et Ital. 617. 

") Dittbnbbbqbb Syll. 353, 371 u. 8. w. 



2. Xultiuibeaaiie. (§ 80-81.) 



47 



die Erhaltung der Tempel betraf, unterstand. ^ Sie schliessen die Eontrakte 
mit den Bauunternehmern ab, denen in einzelnen Raten nach Fertig- 
stellung bestimmter Teile die Summe gezahlt wird.^) Neben ihnen stehen 
die t€Qog>vXax€g.^) Grössere Heiligtümer hatten eigene Architekten. In 
Athen gab es ausser zehn durchs Los gewählten t€QcSv iTtiaxevaarai, die 
jährlich dreissig Minen zu den nötigsten Reparaturen erhielten^) einen 
ctQxn^TnfAv inl tu icqü,^) in Eleusis einen füi* die Tempelgebäude der De- 
meter und Köre,*) in Delphoi für die des Apollon,^) ebenso in Dolos.*) 
Am häufigsten aber finden wir die vswxoqoi oder C^xoqoi mit ihren vno- 
CaxoQoi erwähnt.^) Der Name bedeutet ursprünglich Tempelfeger. Sie 
hatten für Reinigung der Tempel zu sorgen, i<*) die Tempelthüren zu schliessen 
und zu öfhen und die Eintretenden mit Weihwasser zu besprengen, ^^ und 
Küsterdienste verrichtet auch der vewxoQog, der am Amphiaraosheiligtum 
in Oropos angestellt ist.^^) Sie bewahren auch die Tempelurkunden ^*) und 
die beschädigten Weihgeschenke auf ^^) und gehn in Epidauros den Ärzten 
zur Hand.'*) Gleich den Priestern werden sie für gute Amtsführung durch 
Dekrete geehrt.^*) Mitunter war es dem Priester gestattet, sich selber 
einen vaxoqog zu wählen. i') Auch weibliche vswxoqoi kommen vor.^®) In 
späteren Jahrhunderten hat der vsoaxoQog mit den niedern Tempeldiensten 
nichts mehr zu thun, und der Name wird, wenigstens in Asien, ein Titel 
von höchster Auszeichnung. >^) Ja seit Claudius wird ganzen Städten der 
ehrende Beiname vstaxoQog verliehen, so Tralles,^^) Ephesos,^^) und Smyrna 
erhält gar von Hadrian das Prädikat i\g vewxoQog.^^) 

81. An dritter Stelle nennt Aristoteles a. a. 0. die Ta(i(m rdv isqwv 
XQtjfidvoov, d. h. die Schatzmeister der in den Tempeln aufbewahrten Schätze, 
uns gehen hier nur die tsqotafiiai.^^) an, die nicht mit der Verwaltung 
der grossen in den Tempeln deponierten Staatsvermögen zu thun haben, 
sondern mit den zur Erhaltung des Heiligtums und zu gottesdienstlichen 
Zwecken bestimmten Summen. >^) In der Regel führen auch sie nur den 



') CIG 2811. DiTTENBBBOEB Syll. 871. 

') Inschr. aus Lebadeia Dittbnbbbgbb 
SyU. 853 == IGSept. I 3073. 

») CIG 5545 u. a. 

<) Ariat. Ath. Pol. 50. 

*) CTA II 405, 405b. 

•) CIA IV 27b. Bull, de corr. VII 391. 

') Lebas Voy. arch. n. 840. Bull, de 
corr. VI 450. 

«) BuU, de corr. XIV 462 ff. ZI. 44 ff. 
und mebr Beispiele ebenda S. 477 f. Vgl. 
Wbbhiokb Herrn. AXVl 58 f. 

*) Z. B. DlTTBNBBBOEB SjU. 858, 467. 
Xen. Anab. V, 3, 6. Am ausfübrlichsten Über 
sie BüGHBEB De neocoria, Giessen 1888. 

^«) Eur. Ion 116 f., 794 f. 

'«) Ael. Arist. I 447 f. Bind. 

**) Inschr. Herrn. XXI 91 ff. mit den 
Bern, von Wilamowitz 94. Vgl. Homollb 
im BuU. de corr. XIV 485 f. und 896. 

>•) Bull, de corr. V 409. Weschbb- 
Fouoabt n, 247 f., 821. 

>*) Ephem. arch. 1889 S. 8 ff. Vgl. Bb. 



Kbil Herrn. XXV 618 ff. und IGSept. I 308. 

'*) Hipp. Rheg. bei Aelian. Var. bist. 
IX 33. Vgl. Ael. Arist. I 459 f. 

»•) CIA n 624 col. 34. Athen. Mitt. VI 
167. 

") Patok u. Hicks a. a. 0. nr. 28 S. 51. 

>») z. B. Paus. 11 10, 4. Mehr bei Foü- 
oabt Des ass. rel. 192. 

»•) CIG. 3190, 3201. Pbtebsen und 
y. LuBOHAN Reisen im sw. El. As. I n. 53 D b. 

«») Athen. Mitt. XIX 114 ff. 

»») C. CuBTius flenn. IV 187. 

") CIG 3148 ZI. 34 ff. Vgl. Dittbk- 
BBBOBB Olymp. V 54. Usbkbb Rhein. Mus. 
XXIX 39. 

") Vgl. Swoboda Wiener Stud. XI 65 ff. 

14) Dittenbebgeb Syll. 357. Bull, de 
corr. VII 481. — Denn Staats- und Tempel- 
schatz werden natürlich getrennt verwaltet, 
und auch die aus letzterem zu bestreitenden 
Ausgaben werden staatlicherseits kontrolliert 
Vgl. EiBOHHOFF Zur Geschichte des Athen. 
Staatsschatzes im 5. Jahrb., AbhdIgg. der 



48 



Bie griaohisohen XnltaMdiertOiiier. 



einfachen Namen zafjUai.^) Es sind angesehene und meist vermögende 
Leute. ^) Der Käufer eines Priestertums in Easossos in Earien zahlt an 
sie die Kauf summe/) in Pergamon werden sie angewiesen, die Zahlungen 
für das Opfer und das Festmahl der Beamten zu leisten/) und ein ander- 
mal/) das Schaf zu dem Opfer an Eumenes' Oeburtsfest zu liefern. Der- 
gleichen aber liegt ihnen überall ob.^) In Athen haben sie seit dem 
Ende des 5. Jahrhunderts auch das nach Eleusis gespendete Getreide 
zu verwerten/) was vordem Sache der hqonoMi gewesen war. Daneben 
zieht man sie gelegentlich auch zu anderen Dienstleistungen, wie sie der 
Kultus mit sich bringt, heran. ^) Nach Ablauf ihrer Amtszeit haben sie 
Rechenschaft abzulegen; Weihgeschenke, sonstiger Besitz und Inventar 
des Tempels, Einnahmen und Ausgaben werden genau verzeichnet, sehr 
oft das Gewicht oder Beschädigungen von Wertgegenständen bemerkt.*) 
In Athen finden wir als Rechnungs- oder Kassenbeamte an Heiligtümern 
auch die sog. xbuXaxQärai,^^) die den Priestern die für sie bestimmten 
Summen ^1) und den Theoren die staatliche Subvention auszahlen. ^^) Die 
zafiim gehören zu den unentbehrlichsten Tempelbeamten und sind auch 
für kleinere Heiligtümer, die kein zahlreiches Personal haben, voraus- 
zusetzen. Da sie die Verantwortung für den Bestand der Kasse und die 
Verwendung der Gelder haben, wundern wir uns nicht, dass in Oropos 
„offenbar weder Priester noch Küster den Schlüssel zum Opferstock hat"/*) 
und dass die Priesterin der Pergäischen Artemis zu Halikamass die Kasse 
nicht selber öffnen darf.»*) 

32. Grössere Heiligtümer bedurften ferner einer Anzahl von Musikern, 
die bei jedem Fest und bei den Opfern unentbehrlich [waren, i^) Eine 
delische Rechnung^«) verzeichnet die Summe von 3470 Drachmen, die die 
Flötenspieler in einem Jahr erhalten haben. Noch zahlreicher müssen die 
Sklaven {t€Q66ovXoiy^) gewesen sein, die die niederen Verrichtungen, wie 
Holzhauen, Wassertragen, die Bestellung der dem Tempel gehörigen Län- 



Berl. Akad. 1876, und Swoboda Wien. Stad. 
X 278 ff. und XI 65 ff. Wie der Staat Za- 
Bchüsae zu sakralen Zwecken leistet, so 
macht er andrerseits auch wieder Anleihen 
bei Tempeln (Thuk. I 121, 143 u. s. w.) und 
streicht anter Umständen anch Überschfisse 
ein (DiTTBNBEBGBB SvU. d8§. Swoboda Wien. 
St. XI 76). 

>) Fbankbl in Bobokh's Staath.* II 
Anm, 263. 

«) Vgl. Aristot. Ath. Pol. 47. 

3) Inschr. Wien. Akad. 1894 S. 23. 

*) Perg. Ins. VIII 1 n. 246 ZI, 18 ff. 

*) n. 18 ZI. 33 ff 

«) So z. B. BuU. de corr. XIV 52 f. 

^) Ephem. arch. 1883 S. 123 a. Ziehbn 
Rhein. Mus. 1896 S. 220 f. 

^) DiTTERBBBOBB Svll. 294. Bull. de corr. 
V 45. 

•) Bull, de corr. VI S. 18 ff., XIV 390 ff. 
Ephem. arch. 1895 S. 89 ff. IGSept. I add. 
3498. BusoLT Hdb.« IV 1, 235 ff. 

»«) CIA IV 2, 35b. 53a. 1169 und r. 



^') Ephem, arch. 1897 S. 176. 

'^) Androtion im Schol. zu Aristoph. Av. 
1541. Vgl. BoBCKH Staatsh.* I 71. Bubolt 
Hdb.« IV 1, 234 f. 

»») V. WiLAMOwiTZ Herrn. XXI 95. Vgl. 
IGSept. I 308 ZI. 34. 

'*) DiTTBNBBBGBB SjU. 371, 34 f. SWO- 

BODA Wien. Stud. XI 71 u. 76, Vgl. d. de- 
lische Inschr. Bull, de corr. VI 6 u. 59. — 
Ober Rechenschaftsablegung der Priester 
Mabtha a. a. 0. 133 ff. Böokh Staath.« I 
238. Frankbl ebenda II Anm. 263. Swoboda 
Wien. Stud. X 278 ff. — Besondere xAci- 
dovxoi des Asklepios CIA II 958. 

») Bull, de corr. II 147 ff. 

^^) Arch. Demares ZI. 127 ff. v. SohOffbb 
Berl. Stud. IX 120. 

^^) Auch UqoI naldeg genannt. Pergam. 
Ins. VIII 2 n. 251 mit Fbankbls Bem. S. 180. 
Über das niedere Tempelpersonal und die 
SkUven am Tempel des ApoUon zu Dolos 
u. die Inschr. im Bull, de corr. XIV ZI. 82 ff. 
S. HOMOLLB S. 480 ff. 



8. KaltnabMimte. (§ 33.) 



49 



dereien und ähnliche Geschäfte zu besorgen hatten. >) Sie rekrutierten 
sich entweder aus Kriegsgefangenen, «) oder wurden sonstwie erworben. 
Manche Tempel der Aphrodite besassen eine grosse Anzahl weiblicher 
Hierodulen, Hetären, die von ihrem Verdienst an den Tempel entrichteten, 
wie wir es namentlich von Korinth wissen.») In Dolos giebt es einen 
xQfjvoipvla^ und einen naXai(STQO(fvXcc^^^) und wie gross und bunt ein 
ganzes Tempelpersonal bisweilen war, davon geben die Schilderungen des 
Artemisdienstes in Ephesos einen Begriff.^) 

S3. Ausser diesen ständigen Tempelbeamten und Dienern gab es eine 
Reihe solcher, die zu einem bestimmten Zweck gewählt wurden und dann 
nur bei Gelegenheit ihre Dienste ausübten, entweder wiederholt und regel- 
mässig, oder nur einmal; und zwar nicht bloss Festkommissionen. So 
ordnet eine Inschrift aus Stratonikeia in Karien^) an, dass dreissig Knaben 
aus guter Familie als Chor gewählt und in das Ratsgebäude, wo sich die 
Bildsäulen des Zeus Panamerios und der Hekate befinden, gebracht werden 
und hier weiss gekleidet, bekränzt und Lorbeerzweige in der Hand haltend, 
einen Hymnos singen sollen. Wird einer von ihnen Ephebe oder stirbt 
einer, so soll ein neuer an seine Stelle gewählt werden. Dasselbe Dekret 
ermächtigt den Priester der Hekate, alljährlich noch einen andern Knaben- 
chor zu wählen, der den üblichen Hymnos der Göttin zu Ehren vortragen 
soll. Die Eleusinier belohnen einen thebanischen Musiker, der sich in 
Eleusis niedergelassen und ihre Gottheiten durch musikalische Aufführungen 
geehrt hat, mit einem goldenen Kranz für 1000 Drachmen, Steuerfreiheit 
auch für seine Nachkommen und anderen Auszeichnungen,^) und die Del- 
phier verleihen einem Athener die TigofiavTaia, äavXia^ dtbXsia Ttavrtovy 
weil er für die Knabenchöre an den Theoxenien Hymnen gedichtet hat.®) 
In Elis giebt es ein Kollegium von sechzehn Frauen, die im Dienst des 
Dionysos und der olympischen Hera fungieren.^) Dann aber erheischte jede 
grössere Festfeier die Mitwirkung vieler nur bei dieser Gelegenheit aktiv 
am Gottesdienst Teilnehmenden. So unterstützten vierzehn Matronen, ye- 
QaQai genannt, die Basilissa bei der Anthesterienfeier in Athen, leisteten die 
xavrjffOQOi und sQQrj^oQoi an den Panathenaien ihre Dienste ;*<^) als dXsTQfg 
auf der heiligen Mühle das Korn zur Festfeier der Göttin gemahlen zu 
haben, ist einer Athenerin lebenslang eine wertvolle Erinnerung,^*) zum 
Dank, dass die Tochter zur sQQr^tfOQog auserlesen, bringen die Eltern der 
Göttin Weihgeschenke dar, '2) und den Wein bei den Opfermahlen zu 
schenken, rechnen sich die Söhne der Vornehmsten zur Ehre.**) Nament- 

') Paus. X 82, 8. V 13, 2. Strab. XII 
535 nnd 558. 

') Strab. VI 267. Athen. IV 173 E. 
Otfb. MfJLLBB Dorer 254 ff. 

») Athen. Xni 32 p. 573. Strab. VI 41 8. 
Vgl. RoscHBB Myth. Lex. I 392 ff. Becker- 
G6ll Gharikles 1 50. Odslberg Sacra Co- 
rinthi etc. Upsala 1896 S. 64 f. 

*) Bull, de corr. XIV 396. 

*) Strab. XIV 950. Vgl. Paus. VIII 13, 
1 u. mehr bei Pbellbb-Robebt Qr. Myth. I 
S30 A. 1. 

•) GIG 2715. 2. Jahrh. p. Chr. 

Hftndbiich der klaas. AltertnnwwiBBeDachaft. Y, 8. 



') Rev. des ötudes gr. VI 336 ff. 

») Bull, de corr. X VIII 71. Coüve S. 72 ff. 
meint, es sei das Kleochares, Bions Sohn, 
gewesen, der Verfasser der in Delphoi auf- 
gefundenen Hymnen. 

') Wenigeb D. Kollegium der 16 Frauen, 
Progr. des Gymnas. zu Weimar 1883. 

'«) CIA III 917, 918, 887. Arist. Ath. 
Pol. 18. Thuk. VI 56. 

") Aristoph. Lys. 644 u. Schol. 

1") CIA n 1883, 1390. HI 887. 

") Athen. X 4;?5A. 

2. Aufl. 4 



50 I^i® grieohisohen KnltuBalteriOmer. 

lieh bei grossen Festopfern, wo oft gleichzeitig oder doch in wenigen 
Stunden hundert Tiere geschlachtet und zubereitet werden mussten, zieht 
man Bürger in grosser Menge zu Dienstleistungen heran, ^) und an den 
Eleusinien und Proerosien ^) und bei anderen Gelegenheiten^) hilft die 
Blüte der attischen Jugend, die Epheben, beim Schlachten der Rinder 
und ist stolz auf die Dekrete, die sie dafür belobend) 

e. Seher und Weissager. 

a. Die Mantik. 

ßoüOHi-LECLERCQ Histoiro de la diviDation, Paris 1879. Hebxaiui G. A.' § 87 — 42. 
ScHOEXANN Gr. A.' II 278—310. Völokbr Wesen und Ursprung der griech. Mantik, Allg. 
Schulztg. 1881 Nr. 144—146. Wachsxuth Hellen. Altertamskunde II 584 ff. Mbzobr in 
Pault*s Realencykl. II 1 113 ff. u. ditdnatio. Naboblsbagh Nachhomer. Theol. 162 ff. Homer. 
TheoL* 168 ff. Leop. Schmidt Die Ethik der Griechen, Berl. 1882 II 53 ff. E. Cubtius 
in Altertum und Gegenwart' I 170 ff. 

34. Der Qlaube, dass die Gottheit dem Menschen durch Zeichen zu 
erkennen gebe, was er zu thun oder zu unterlassen habe, ist unter den 
Griechen zu jeder Zeit allgemein gewesen.^) Solche Zeichen können erbeten 
werden, oder die Götter geben sie aus eigenem Antrieb. Viele kann jeder- 
mann deuten, andere vermag nur der Kundige zu erklären. Die Alten 
selbst unterscheiden zwei Arten von Mantik: die natürliche oder kunstlose 
und die kunstmässige.^) Die erste beruht auf unmittelbar von den Göttern 
ausgehender Offenbarung, wie sie namentlich durch Träume und Orakel 
gegeben wird. Insofern auch ein Traum der Deutung, ein Orakel der 
Auslegung bedürfen kann, erheischen auch diese Zeichen Interpreten und 
gehen somit schon in die zweite Art über. Zu dieser werden aber in- 
sonderheit alle die Zeichen gerechnet, deren Verständnis allein dem Kun- 
digen erschlossen ist. Sie zu deuten, ist eine Kunst, die erlernt werden 
kann, doch muss bisweilen eine besondere Begabung dafür mitgebracht 
werden, die nur einzelnen durch die Gnade der Götter verliehen wird. 
Dies ist nun auch wieder eine göttliche Erleuchtung, eine Offenbarung. 
So ist also eine strenge Scheidung zwischen beiden Arten nicht möglich. 

35. Betrachten wir zuerst die Zeichen, die entweder zufällig be- 
gegnen, oder deren Herbeiführung, wenn sie einmal erbeten und gesucht 
werden, keine besonderen Mittel und Vorbereitungen erfordert. 

Die einfachsten solcher Zeichen sind die sogenannten xXrjdoveg oder 
y^^a*,') Worte oder Laute, die zur guten Stunde gesprochen oder ver- 
nommen werden, absichtslos und anscheinend nichtssagend, aber doch 
bedeutend durch irgend ein auffälliges Zusammentreffen und eine plötzlich 
sich aufdrängende Beziehung. Eine solche <pr}fjirj {v 105) oder eine xXr^ddv 
(120) ist es, dass Odysseus die Magd den Freiern das Verderben wünschen 
hört gerade in dem Augenblick, als er zu Zeus darum gebetet hat, oder 



') CIA IV 2. 35b. 

») CIA 11 467 ZI. 10 f. 28, 471 ZI. 9 f. 
») CIA II 471 ZI. 10, 78. 467, 11. 
*) Vgl. Stengel Herrn. XXX 339 ff. 
») Aisch. Prom. 484 ff. Plat Symp. 
p. 188C. Cic. De div. I 38, § 82. Vgl. C. 



Wachsmüth Die Ansichten der Stoiker fiber 
Mantik und Dämonen, Berlin 1860. 

^) Psendoplut. De vita Horo. p. 212. 
Cic. De diy. I 6 § 11, II 11 § 26. 

') Aisch Prom. 486. S. besonders Wtt- 
TBNBACB ZU Julian or. ed. Sohabfbb p. 150. 



8. Knltüsbeamte. (§ 34—37.) 51 

dass Telemachos den Segenswunsch des alten Aigyptios vernimmt (ß 35), 
den dieser ausgesprochen, noch ehe er weiss, dass der Jüngling selbst die 
Versammlung berufen hat. Eine ähnliche Bedeutung wie das gesprochene 
Wort kann das Niesen haben. Penelope freut sich, als Telemachos laut 
niest, wie sie eben den Wunsch nach der Heimkehr des Gemahls ausge- 
sprochen hat, und auch Eumaios sieht dies als ein gutes Zeichen an {q 541 ff.). 
Als Xenophon in der Versammlung die Lage der Zehntausend für gar nicht 
so hoffnungslos erklärt, und gerade in diesem Augenblick einer niest, schickt 
das ganze Heer fii^ ogfjirj seine Oebete zu den Göttern empor. ^) Hierhin 
sind auch die sog. ofjL(fai oder oatrai zu rechnen, Worte oder Verkündi- 
gungen, die Zeus (A 93 f., 250) und andere Götter den Betreffenden 
zukommen lassen.*) Ferner gehören hierhin die xsqcna oder tnijfJiaTa 
[J 381), gleich den (ff^fiai teils erbeten, teils zuföUig begegnend. Dem 
Nestor wird auf seine Bitte ein rtgag gezeigt, als er nicht weiss, welchen 
Weg er auf der Rückfahrt von Troja einschlagen soll (y 173), durch einen 
Blitz bezeugt, die Bitte des Minos erhörend, Zeus, dieser sei wirklich sein 
Sohn,») Blitz und Donner zeigen Odysseus an, dass ihm die Bestrafung 
der Freier gelingen soll,*) ein Blutregen verkündet das Morden in der 
Schlacht {A 53 f.), Blitz») oder Regenbogen«) Krieg oder Sturm; Kometen,') 
Meteore (// 75 ff.) und Meteorsteine,®) Sonnen- und Mondfinsternisse,**) Erd- 
beben^<>) deuten ebenfalls meist auf kommendes Unheil.*^) — Sodann sind 
die evoSioi (fvfißoloi^*) zu erwähnen, Begegnisse, die unterwegs aufstossen 
und besonderer Beachtung gewürdigt werden, weil der Reisende meist 
einen bestimmten Zweck verfolgt und voll Erwartung ist.**) 

86. Wenn diese Zeichen auch auf Verständigere Eindruck machten, 
und ihre Bedeutsamkeit ziemlich allgemein Glauben fand,^^) so ist das 
Gebiet anderer, die den Abergläubischen bewegten, völlig unbegrenzt,**) 
und wenn man auch nicht zu widersprechen wagte, als es vor der Ein- 
nahme Athens durch die Perser hiess, dass die Schlange der Athena den 
Honigkuchen nicht berührt, die Göttin selbst also die Stadt verlassen 
habe,*«) so blieb der Spott der Gebildeten und Vorurteilsfreien bei andern 
Gelegenheiten doch nicht aus, und die Art von Sehern, die aus der Deutung 
gar zu alltäglicher Vorkommnisse*^) ein Gewerbe machten, stand ver- 
dientermassen in schlechtem Ruf.*®) 

37. Weit wichtiger als die bisher erwähnten Zeichen sind die 
Träume.*») Prometheus nennt sie unter den jQonoi nokXoi fiavtixtjg 



>) Xen. Aoab. III 2, 9. 

«) y 129, « 282. ß 216, n 96, vgl. ^ 89. 

•) Bakchyl. XVllI 53 ff. 

*) 9 415, V 101 ff. Cf. TT 320. 

») KS. Zur Rechten: Sieg, JB 853. 

•) P 548. 

») Diod. XV 50. 

«) Plut. Lys. 12. 

•) Thuk. VII 50. Plut. Nik. 23. 

»•) Thuk. II 8. Xen. Hell. III 2, 24. 

") Vgl. Bouohä-Leclbroq a. a. 0. 1 196 ff. 

»») Äisch. Prom, 487. 

") Vgl. Hbrmann G. A. § 38 A. 15. | tum, Berlin 1868, 

4* 



ScHOEMANN Gr. A. II 294 f. Lobbok Agl. 828 
Anm. E. Curtiüs Jahrb f. Phil. 1856 S. 142. 

'*) Vgl. Xen. Mem. IV 7, 10. Apol. 12 ff. 

'^) Eine kleine treffliche Auswahl bei 
ScBOKMANN Gr. Altt.» II 293 ff. 

»•) Herod. VIII 41. 

") Die oixoaxoiiixi] (cf. Suidas u. o/w- 
yiiruxij) ist eine besondere Art der Mantik. 

») Vgl. Soph. Ant. 1036. Aisch. Ag. 1195. 
Herod. IX 95. 

^») Boüchä-Lbclbrcq T 277 ff., Büohsen- 
scBf^Tz Traum u. Traumdeutung im Alter- 



52 ^^ grieohisohen Kultiisaltertllmer. 

(Aisch. P. V. 484), die er die Menschen zu ihrem Heile gelehrt habe, zu- 
erst. Der Glaube, dass die Seele, wenn der Körper vom Schlaf gefesselt 
ist, freier werde, ist sehr verbreitet gewesen.*) Im Traum vollzieht sich 
eine Art ^xcfTatrtg der Seele*) wie thatsächlich und dauernd im Tode. 
Wie nun der begeisterte Seher ekstatisch prophezeit, der Sterbende weis- 
sagt,') so sieht die Seele auch im Traum, von den Fesseln des Irdischen 
befreit und an Raum und Zeit kaum noch gebunden, wie der Gott, mehr 
als sonst. Aber den Zustand führen die Götter herbei, und auf keine 
andere Weise konnten sie, wenn sie nicht leibhaftig erscheinen wollten, 
wie dies im Zeitalter der Sage ja allerdings oft genug geschieht, dem 
Menschen leichter, man könnte sagen, Mitteilungen machen, als in Träumen, 
wo sogar Rede und Gegenrede gewechselt werden kann,^) was nicht ein- 
mal beim Orakel angängig war. "OvaQ ix Jiog eauv heisst es bei Homer 
{A 63), und die ganze spätere Zeit bewahrt diesen Glauben an prophe- 
tische Träume.^) Dass freilich nicht alle bedeutend waren, musste auch 
das kindlichste Volk bereits erkannt haben. ^) Oft schicken die Götter 
absichtlich täuschende Träume, um zu verführen und zu verderben, aber 
viel häufiger wahrhafte. Ein Traum verkündet Penelope, dass Telemachos 
gerettet werden soll,^) dass Odysseus zurückkehren und die Freier töten 
wird,*) dem Polykrates*®) und dem Kimon,") dass ihnen der Tod bevor- 
steht, und Sokrates schreiben Träume und andere Zeichen seine Lebens- 
führung vor.^') Die Art, wie der Gott das Kommende verkündigt, ist 
verschieden. Mitunter werden Traumdämonen ^) oder eigene Gebilde, ddwXa 
{d 796), geschickt, die dann unzweideutig reden; oft ist die Bedeutung 
der vorgeführten Bilder so klar, dass sie der Erklärung kaum bedürfen ^') 
und von den Betreffenden selbst mit Sicherheit gedeutet werden, i^) meistens 
müssen sie von Kundigen ausgelegt werden, und schon Homer kennt 
Traumdeuter, 1^) in manchen Fällen endlich wird ihr Sinn erst nach dem 
Eintreffen des Ereignisses bekannt.*^) Wie entwickelt die Kunst der 
Traumdeutung war, und welchem Bedürfnis sie entgegenkam, beweist am 
besten die Thatsache, dass es viele Bücher und Sammlungen gab, die sich 
mit Oneirokritik beschäftigten und ein System hineinzubringen versuchten.'^) 
Eine dieser Schriften ist uns ganz erhalten: das Buch des Artemidoros 
aus dem 2. Jahrhundert n. Chr.'») 



') Vgl. ausser den von Scbobmann II ' ') F 6 ff. 

299 und Büohsbnschütz a. a. 0. 7 ff. beige- «) cf 825 ff. 

brachten Zeugnissen Pind. Frgm. 131 und 
Aiscb. Eum. 104 f., wo Lehbs fttr ßgortoy: 
xoQ(dy (Augen) schreiben wollte. 

») Vgl. RoHDB Psyche 6 und 311 f. 

») IL n 851 ff. X 358 ff. Plat. Apol. 30. 
Xen. Kyrup. VUI 7, 21. Soph. Oid. Kol. 
J 370 ff Vgl. Verg. Aen. X 739. 

*) Vgl. z. B. rf 795 ff 

^) S selbst Aristoteles (IIbqI ti^s xa&' 
vnvov fiayjix^g c. 2) und Piaton (Rep. IX 
571, Tim p. 71 D). 

•) Od. r 561 ff, V 87, wo zwischen vnoQ 
und oyag unterschieden wird. Aisch. Prom. 
486. 



•) r 535 ff. 

'^) Herod. III 124. 

") Plut. Kim. 18. 

»») Plat. Apol. 22 C. 

»») T 535 ff., Aisch. Pers. 179 ff 

'*) Xen. Anab. III 1, 12 ff Plat Kriton 
c. 2 p. 44 A. 

»*) E 149, A 63. 

»•) Herod. III 124. Cic De div. I 23 §46. 

'') Vgl. BOchsbnsohOtz a. a. 0. 45 ff. 
Oder Rhein. Mus. 1890 S. 637 ff. 

>«) Vgl. £. RiEss Rhein. Mus. 1894 
8. 177 ff. 



8. EvltiMbeanite. (§ H8.) 



53 



38. Einer der wichtigsten Zweige der Mantik ist die omvoaxoTiixr 
oder oiwvoaxonia.^) Die Vögel sind die freiesten Tiere, ihre Bewegung 
ist die willkürlichste und vom Menschen am wenigsten zu bestimmende; 
ein anderes Tier kann man dadurch, dass man sich ihm in den Weg 
stellt oder es durch einen Zuruf ängstigt, veranlassen, einen bestimmten 
Weg einzuschlagen; oft ist dieser schon durch die örtlichen Verhältnisse 
vorgeschrieben, oder die Möglichkeit, dass es sich da oder dorthin wende, 
beschränkt. Zudem sieht man Vögel weit häufiger als andere in Freiheit 
lebende Tiere — und natürlich konnten nur solche als Boten der Qötter 
gelten — , sie erscheinen plötzlich in Räumen, die dem Fuss des Menschen 
unerreichbar sind, kommen aus luftiger Höhe, in der man sich auch die 
Götter thronend denkt, und ihren Flug zu beobachten und zu verfolgen 
reizt schon den kindlichen Sinn besonders. Natürlich ist ebensowenig wie 
jeder Traum jeder Vogel bedeutend.') Wie alle andern können auch die 
Vogelzeichen erbeten sein, oder sie kommen unerwartet, sie können so 
einfach sein, dass jeder sie versteht, oder so seltsam, dass nur der Kundige 
sie zu deuten vermag; wie alle andern werden sie in späterer Zeit kom- 
plizierter, und die Beobachtung erstreckt sich auf immer mehr Eigentüm- 
lichkeiten. Schon bei Homer finden wir den Glauben an Weissagevögel 
völlig entwickelt, und auf ihren Flug wird sorgsam geachtet; es giebt be- 
reits olwviaxai oder omovottoAo*,*) die sich darauf besonders verstehen.*) 
Der rechts erscheinende Vogel galt für glückbedeutend, der links für un- 
heilverkündend. Wollte man ein Zeichen abwarten, so begab man sich 
wohl an einen geeigneten Ort, ein olwvoaxoTCBtov,^) und hier scheint man 
sich dann mit dem Gesicht nach Norden gewandt zu haben, so dass 
der günstige Vogel dem Beobachtenden von links her®) kommend ini 
Se^id, also von Sonnenuntergang nach Osten flog.') Kam der Vogel un- 
erwartet, so galt wohl immer, was man rechts von sich sah, für glück- 
lich, was dem Schauenden zur Linken erschien, für ungünstig.®) So werden 
Diomedes und Odysseus, als sie nachts in das Lager der Troer schleichen, 
durch einen rechts von ihnen schreienden Vogel, den sie in der Dunkel- 
heit gar nicht sehen können, ermutigt {K 274 ff.), so erscheinen o 160 u. 
525 ganz unerwartet Vögel, offenbar nicht von einer bestimmten Himmels- 
richtung, sondern nur zur Rechten der betreffenden Personen. — Nicht 
alle Vögel galten für gleich bedeutungsvoll, vor allem sah man die grossen 
Raubvögel, die olwvoi, dafür an: den Adler, vekeioTatov nerstjvojv, den 
Vogel des Zeus,^) den schnellen Habicht, den Boten ApoUons (o 526), 



') Aisch. Prom. 458 ff. BoüOBi-LiOLiROQ 
l 127 ff. V. WiLAJiowiTZ Eur. Her." 11 
134 ff. 

*) o 532, ß 181 f. 

•) J 69. Z 76. 

*) B 858, P 218. 

>} Paus IX 26, 1. Vgl. Soph. Ant. 1012. 
Dion. Hai. I 86. 

•) Vgl. ß 154. 

M 239 f. Vgl. Plat. Leg. VI 760 D. 
NiTzsoH Anm. zur Odyss. I 91 f. Ernisti 



Homer ed. za M 239. Hbem avn Gott. Altt.* 
§ 38 A. 10. Umgekehrt Lehbb Arist.* 133, 
UsENBB Götternamen 191. 

^) Pythagoras nach Aristot. bei Symplic. 
in Ar. De oaelo p. 386,11 Heiberg. — Aus 
einer alten troizenischen Inschrift im Bull, 
de corr. XVII 86 nr. 2 schliesst LBGBAmo, 
dass ausnahmsweise auch der links erblickte 
Vogel f&r ein gutes Zeichen angesehen wurde. 

») a 315. Vgl. Xen. Anab. VI 1, 28. 



54 



Die grieohiflohen Knltnsaltertllmer. 



überhaupt die yafiipüirvxoi otwvoi;^) dann freilich auch andere.*) — Vogel- 
zeichen zu beurteilen ist in vielen Fällen auch der Laie im stände, nicht 
bloss, wenn er sich selber eines erbittet, wie Priamos i2 310 ff., sondern 
überall da, wo es sich nur um die Richtung des Fluges handelt. Auch 
wenn der Vogel in besonderer Situation erscheint, oder ein Zusammen- 
treffen von umständen die Erscheinung merkwürdig macht, weiss der 
Kluge das Zeichen zu deuten. So erkennt Helena, als der Adler mit der 
geraubten Gans davonfliegt,') ebensogut wie der Seher Theoklymenos 
an dem Habicht, der die Taube zerreisst,*) dass das Zeichen die Ver- 
nichtung der Freier durch Odysseus verkünde, und als der Adler das 
Hirschkalb auf den Altar des Zeus llavofx^aTog fallen lässt, sind die 
Griechen ebensowenig zweifelhaft, was das zu bedeuten habe,') wie die 
sieben vornehmen Perser, die den Smerdis ermorden wollen, als ihnen die 
von den Habichten verfolgten Geier erscheinen.®) Atossa wagt sich nicht 
zu gestehen, was der siegreiche Kampf des Habichts mit dem Adler be- 
deute,^) und hört es gern an, dass das Zeichen vielleicht nicht so schlimm 
sei;^) aber was die beiden sich über den Köpfen der Ithakesischen Volks- 
versammlung zerfleischenden Adler bedeuten,^) das Zerreissen der träch- 
tigen Häsin in Aulis durch einen schwarzen und einen weissen Adler, '^) 
oder der sitzende Adler, dessen Schrei Xenophon vernimmt, als er von 
Ephesos aufbricht, um sich dem Zug des Kyros anzuschliessen,^') das kann 
doch nur ein Seher erklären. — Das Erscheinen mancher Vögel bedeutet 
schon an und für sich Glück oder Unglück; Prometheus lehrt die Menschen 
unterscheiden, welche Vögel ihrer Natur nach günstig, und welche un- 
günstig sind,^^) und auch die Lebensweise und Eigentümlichkeit der ein- 
zelnen ist nicht gleichgültig und muss beobachtet werden.^') — Dass aus 
dem Schrei der Vögel ge weissagt wird, ist nicht nachweisbar; denn dar- 
aus, dass die Götter einem Seher verliehen haben, die Sprache der Vögel 
zu verstehen, ^^) ist nichts zu schliessen. Ertönt der Schrei seitwärts, so 
zeigt das nur die Anwesenheit eines Vogels an, den man sonst vielleicht 
gar nicht bemerkt haben würde, ^^) und gilt natürlich als ein ebenso oder 
doch fast so gutes ^®) resp. schlimmes Zeichen, als hätte man den Vogel 
fliegen sehen. Wie üblich die Vogelschau war, geht schon daraus hervor, 
dass olcovog oder oQvig häufig geradezu Weissagevogel ^') oder Prophezeiung 
überhaupt ^^) bedeutet, ja es sind uns sogar Bruchstücke einer auf Divination 
aus dem Vogelfluge bezüglichen Inschrift erhalten. ^^) Doch gilt dies mehr 
für die alte Zeit; man beobachtet zwar auch später noch gläubig Vogel- 



Aisch. Prom. 488. 
») r 274. Plut. De Pyth. orac. 22. Vgl. 
HsBMAnv G. A. § 38 A. 7. 
•) o 160 S. 
') 525 ff. 
») e 247 ff. 
•) Herod. III 76. 
») Aisch. Pers. 205 ff. 
») 525 f. 
•) ß 154. 

>o) Aisch. Ag. 114 ff. 
»») Anah. VI 1, 23. 



>«) Aisch. Prom. 489. Vgl. Paroimiogr. 
». 228 f. Anton. Lib. p. 207, 219, 221 
Westenn. 

*•) Aisch. Prom. 490 ff. 

>*) ApoU. Rhod. I 1087. 

") Vgl. K 275. 

»•) Vgl. Xen. Anab. VI 1, 23. 

") 522, Ä 219. 

") Herod. IX 91. [Fiat.] Alk. Hp. 151C. 
Vgl. schon Jlf 243. 

'') Ans Ephesos IGA 499. Vgl. die 
Inschr. Bull, de corr. XVII 86 nr. 2. 



2. KultiMbeuiLte. (§ 39-40.) 



55 



zeichen, doch nur zuf&IIig sich darbietende; angesehene oiwvocxonoi giebt 
es nicht mehr. >) Natürlich kann die Gottheit auch auf jede andere Art 
Vorzeichen senden. Vor der Expedition nach Sicilien fielen in Deiphoi 
von der erzenen Palme, die die Athener geweiht hatten, die goldenen 
Früchte ab, und Krähen hackten das Gold vom Bilde der Athena;*) vor 
der Niederlage der Lakedaimonier bei Leuktra fielen die goldenen Sterne, 
die sie dem Raster und Polydeukes zu Ehren nach dem Siege bei Aigos- 
potamoi nach Deiphoi gestiftet hatten, herunter und waren nicht wieder 
aufzufinden;') vor Hierons Tode stürzte sein Bild von der Erzsäule herab.^) 

39. Wir kommen jetzt zu den nicht zufälligen Zeichen, d. h. 
also denen, die der Mensch selber herbeizuführen sucht, und zwar durch 
noch andere Mittel als das blosse Gebet. Sie gehören sämtlich erst der 
nachhomerischen Zeit an. Die Beobachtungen werden hier an einem be- 
stimmten, ad hoc vorbereiteten Objekt gemacht. Wenn alle bisher be- 
handelten aijiÄaza aus der Initiative der Götter hervorgingen oder doch 
nur aus Gnade von ihnen geschickt wurden, so können sie sich hier der 
Beantwortung der ihnen vom Menschen gleichsam vorgelegten Frage in 
den meisten Fällen gar nicht entziehen, insofern gewisse Zeichen, seien 
es nun günstige oder ungünstige, an dem der Beobachtung ausgesetzten 
Gegenstände hervortreten müssen. Es liegt in der Natur der Sache, 
dass die Deutung dieser Zeichen in der Regel schwieriger und gewöhnlich 
auch wichtiger ist als die der zufällig begegnenden: schwieriger, weil die 
Beobachtung der verschiedenen Merkmale meistens so kompliziert ist, dass 
nur der Erfahrene ihren Sinn versteht, wichtiger deshalb, weil solche 
Fragen an die Götter gerichtet zu werden pflegen, wenn man vor einer 
Entscheidung oder einem bedenklichen Unternehmen steht. Seltener als 
jene wagt demgemäss der Laie solche Zeichen selber zu deuten. Sie ge- 
hören zu dem genus arUfidosumj^) das den Sachverständigen erfordert. 

40. Unter allem, was hier in Betracht kommt, ist weitaus am wich- 
tigsten und häufigsten die sogenannte Hieroskopie, d. h. das Wahrsagen 
aus den Eingeweiden des geopferten Tieres und gewissen Erscheinungen 
bei der Opferhandlung.') Die homerischen Gedichte erwähnen &vocx(ovg 
und zwar einmal {ü 221) zugleich mit fidvxuq und Is^eg als Leute, auf 
deren Rat man etwas geben müsse, aber auf welche Weise sie aus den 
Opfern weissagten, ja ob sie dies überhaupt gethan, wird nicht gesagt. 
Alle Vermutungen darüber beruhen lediglich auf dieser Stelle. Denn das 
Wort selbst wird verschieden erklärt und bedeutet vielleicht nur Per- 
sonen, die mit dem Verbrennen der Opferstücke zu thun haben ;^) % 321 ff., 
wo von Leiodes, dem d-vocxoog der Freier in Ithaka, die Rede ist, ge- 
stattet höchstens den Schluss, dass sie beim Opfer Gebete gesprochen 
haben, und dass Leiodes selbst ein sehr unglückliches Beispiel für einen 



») Vgl. V. WiLAMowiTz Emr. Her.» II 185. 

«) Plut Pyth. or. 19. 

•J Cio. De div. II 32. 

*) Plut. Pyth. or. 8. Andere Beispiele 
Plut Süll. 13. Anton. 60. Tib. Graooh. 17. 
Yerg. Aen. II 171 ff. 



») Cic. De diy. I 18 § 34. 

•) Aisch. Prom. 492 ff. Vgl. BoucHi- 
LSOLBBOQ I 166 ff. 

^) liOBiOK Phrynichns 523. Lsg Mbyui 
Beitr. zn d. indogerm. Sprr. VI 1881 8. 127. 



56 



Die grieohisohexL EnltiiBaltertllmer. 



der Zukunft kundigen Weissager ist, darauf hat schon Lobeck (Aglaoph. 
263) hingewiesen. Vielleicht glaubte man, dass ihre Beschäftigung sie 
gleich den isQrjsg (vgl. A 62) den Göttern besonders lieb und vertraut 
machen müsse, und darauf mag denn auch ihr Ansehen beruht haben.') 
Bedenkt man, wie oft die Gedichte von Opfern sprechen, und wie gross 
das Bedürfnis der Zeit war, aus Zeichen den Willen der Götter zu er- 
schliessen, so wird man aus der Thatsache, dass Eingeweideschau trotz- 
dem nirgends erwähnt wird, den Schluss ziehn dürfen, dass sie damals 
noch nicht aufgekommen war. 

Ob die Griechen die Eingeweideschau von einem fremden Volke ge- 
lernt und angenommen haben, oder ob sich Glaube und Kunst selbständig 
bei ihnen entwickelt hat, ist ungewiss.') Unmöglich ist das letztere 
jedenfalls nicht, und Übereinstimmungen sind nicht immer durch Ent- 
lehnung zu erklären, am wenigsten dann, wenn der Ursprung einer ge- 
meinsamen Sitte sich aus so naheliegenden Gründen erklären lässt wie 
hier. Es lag daran, zu erkennen, ob der Gottheit das Opfer genehm sei, 
und wenn man in ältester Zeit sich damit begnügte, schöne und, nach 
dem äusseren Anschein zu urteilen, gesunde Tiere darzubringen, so wird 
man später eben auch die innern Teile auf ihre normale Beschaffenheit 
und Gesundheit hin untersucht und aus dem Befunde seine Schlüsse ge- 
zogen haben. Dass immer mehr Merkmale beobachtet, und die Deutung 
immer künstlicher wurde, ist ganz natürlich und entspricht der Entwick- 
lung, die auch die andern Arten der Mantik genommen haben. 

Die Eingeweide müssen glatt und von guter Farbe,') vor allen 
Dingen aber die Leber gesund sein;^) ist die Bildung der Lappen (loßoi) 
nicht normal, oder fehlen sie sogar, so gilt das für ein sehr schlimmes 
Zeichen. B) Auch die Galle ist wichtig,^) schon deshalb, weil sie in der 
Regel den Göttern verbrannt wird,'') wie ihnen denn auch andere Teile 
der (SnXdyxva zukommen.®) 

Natürlich wurde nicht aus den Eingeweiden jedes geopferten Tieres 
prophezeit, denn in unzähligen Fällen ist Opfertier nichts anderes als 
Schlachttier, ^) und nur wenn man ein Zeichen wünschte, fand Eingeweide- 
schau statt. Benutzt konnte dazu jedes Tier werden, das man den Göttern 
anbieten durfte, also alle essbaren Haustiere, i^) und wenn Pausanias 
(VI 2, 2) sagt, Hunde würden zur Hieroskopie nicht benutzt, so ist das 
gewiss auf alle nicht essbaren Tiere auszudehnen; Hunde wurden unter 
diesen nur am häufigsten geopfert, ^9 ^^^^ prophezeit wurde aus den Ein- 
geweiden von Pferden, Eseln u. s. w. sicherlich ebensowenig. 



M t)ber die 9voax6oi Nitzsoh Anm. z. 
Od. I 220. Nabgblsbaob Hom. Theol.< 205. 

*) Vermutangen darüber 8. 0. Müller 
Etnisker II 185. Scboemakn a. a. 0. II 287. 

*) Aisch. Prom. 493 f. 

^) Aisch. Prom. 495. Schol. Aristoph. 
Yesp. 831. 

») Xen. Hell. III 4, 15. Flut. Ages. 9, 
Kim. 18 u. 8. w. 

•) Aisch. Prom. 495. 



7) Athen. IV 27 p. 146. Porph. De aotr. 
Nymph. 18. Vgl. Plut. Praec. conj. 27. 

«) Athen, a. a. 0. Plut. Phok. 1. Schol. 
Aristoph. Vesp. 1144. Orph. Arg. 314. 

») Vgl. Athen. V 179 D, IV 150 P, 166 F. 

'®) Ausgenommen natürlich Geflügel, vgl. 
Athen. IX 380 A. 

^') Stbkobl im Progr. des Joachims- 
thal. Gymnas., Berl. 1879 S. 25 a. Jahrb. 
f. PhU. 1883 S. 371. 



2. Knltiuibeaiiite. 



41.) 



57 



41. Besonders wichtig war die Hieroskopie im Felde. Empfahl diese 
Art der Mantik sich hier, wo es am wichtigsten war, die Ratschlüsse der 
65tter zu erfahren, schon dadurch am meisten, dass sie die ausgebildetste 
war und für die zuverlässigste galt, so kam hinzu, dass diese Zeichen in 
jedem Augenblick befragt werden konnten. So nimmt es nicht wunder, 
dass uns hier eine ganz besondere Art von Opfern, eigens zum Zwecke 
der Weissagung veranstaltet, begegnet: die sog. aifdyia,^) Sie werden 
vor wichtigen Entscheidungen, meist in gefährlicher Lage, dargebracht 
und sollen die Götter versöhnen; das ist gelungen, wenn sie das Opfer 
gnädig annehmen, d. h. also, wenn es günstig ausfällt, und in diesem Fall 
hält man sich dann auch ihrer Zustimmung zu dem bevorstehenden 
unternehmen und ihrer Hilfe versichert. Diese Opfer werden stets von 
fAavTcig vollzogen und sind namentlich vor Schlachten, gefährlichen Märschen 
und derg].*) durchaus notwendig. Die Seher beobachteten dabei vor allem 
die Intensität des Feuers, das Bersten der hineingeworfenen Gallen und 
die Art, wie sich die durch den Feuchtigkeitsgehalt der Opferstücke be- 
einträchtigte Flamme entwickelte. Hell und hoch auflodernd kündet sie 
Sieg, brennt sie mühsam und qualmend und verzehrt nur einen Teil des 
Fleisches, Niederlage.') Geduldig wartet man das gute Zeichen ab, 
wiederholt die Opfer in kritischer Lage; selbst wenn der Feind schon an- 
greift, lässt man sich beschiessen, erleidet grosse Verluste, aber nicht 
eher wird der Kampf aufgenommen, als bis der fidvrig günstige Zeichen 
verkündet.*) Die kriegerischen Lakedaimonier nehmen zu diesen aifayia 
eigens Tiere aus der Heimat mit,*) um ja nicht einmal in Verlegenheit 
zu kommen.®) Ausser diesen nur bei besonderen Anlässen vorgenommenen 
Opfern wurden die regelmässigen Isqu dargebracht, die dem Heere den täg- 
lichen Fleischbedarf lieferten, und auch aus diesen wurde prophezeit;^) 
oft finden wir atfdyta und tfqd nebeneinander. ») Letztere werden auf 
Befehl und in der Regel im Beisein des Feldherrn von Priestern vollzogen, 
und es findet bei ihnen die gewöhnliche Eingeweideschau statt;') dass 
auch dabei fidvieig sich beteiligten, ist natürlich nicht ausgeschlossen,^^) 
und wo es sich um eine wichtigere Frage handelte, wird man sie stets 
zu Rate gezogen haben, auch in den Fällen, wo ein atpdyiov nicht an- 
gebracht war, weil zunächst keine Gefahr drohte, ^i) Sie durften also 
bei keinem Heere fehlen, i*) und man gab sich vielleicht ebensoviel Mühe, 
einen bewährten Seher für den Feldzug zu gewinnen, wie einen tüchtigen 
Führer an die Spitze zu stellen,^') und kargte weder mit Ehrenbezeugungen, 
noch Belohnungen.'*) Der Feldherr war allerdings nicht verpflichtet, dem 



*) Über die aq)ay{a, insbesondere auch 
Ober die Ausdehnung dieser Bezeichnung auf 
andere Opfer Stbivgbl Herrn. XXI 307 flf., 
XXV 321 ff 

•) Xen.* Anab. IV 3, 18. Herod. VI 76. 
Eur. Or. 1602. Plut. Thes. 27. Alex. 31. 

») Eur. Phoin. 1255 ff. mit Schol. Sten- 
gel Herrn. XXXI 478 ff. 

*) Xen. Hell. IV 6, 10. Herod. IX 61, 
62, 72. Plut. Arist. 17, 18. 

») Xen. Reep. Lac. XIII 3. 



•) Paus. IX 13, 2. 

') Herod. VH 219. Xen. Anab. I 7, 18. 
«) Xen. Anab. VI 5, 21; l 8, 15; IV 3, 
9 und 18. 

») Xen. Anab. II 2, 3; VI 5, 2. 

'«) Xen. Anab. V 6, 29. 

»») Xen. Anab. V 5, 3. 

'') Vgl. V. WiLAMowiTZ Kydathen 80. 

>») Herod. IX 33 ff. Paus III 11, 6. 

»*) Paus. IX 10, 3 f. Xen. Anab. I 7, 18. 



58 



Die grieohisohen Kultnaaltertümer. 



(ÄuvTig zu folgen, >) der ja irren und selbst absichtlich täuschen konnte,') 
aber sicherlich ist es selten vorgekommen, dass ein Führer sich trotz der 
Warnungen des Sehers zum Angriff oder zu einer Belagerung entschloss,') 
und that er es einmal durch die umstände gezwungen oder seiner bessern 
Einsicht folgend, so teilte er dem Heere den unglücklichen Ausfall der 
Opfer nicht mit, um es nicht zu entmutigen.^) Lieber gab man die 
Unternehmung auf ^) oder wiederholte die Opfer so lange, bis sie endlich 
nach Wunsch ausfielen.^) Wenn vd isqcc inl zov nQiivov iegehv yiyvevat, 
so gilt dies für ein besonders gutes Zeichen.'') 

Auch im Frieden kann zu jedem Opfer, namentlich wenn der Staat 
es darbringt, ein iidvriq hinzugezogen werden,®) für gewöhnlich aber ge- 
nügt der Uqevg^ der, fortwährend mit Opfern beschäftigt, sich auch auf 
die Eingeweideschau und die Deutung anderer Zeichen, wie sie beim Opfer 
vorkommen konnten, besonders verstehen musste.*) — Ein gutes Zeichen 
war es, wenn das Opfertier ohne Sträuben zum Altar hinging, '®) oder gar 
vor dem Schlachten mit dem Kopfe nickend gleichsam selbst sich mit 
seinem Schicksal einverstanden erklärte, ^^) und man verschmähte es auch 
nicht, durch besondere Mittel diese Omina künstlich herbeizuführen.^') 
Riss das Tier sich los und lief davon, oder stürzte es gar vor dem 
Schlachten tot zu Boden, so wurde dies umgekehrt für ein schlimmes 
Zeichen angesehen. '3) Auch aus der Art, wie die Opferstücke verbrannten, 
wurde ge weissagt. Besonders achtete man auf die Bewegungen des 
Schwanzes während des Verbrennens.^*) Ebenso war es wichtig, wie das 
Steissbein^*) und die Galle mit ihrem verschiedenen Feuchtigkeitsgehalt 
verbrannte ;!*) die lamiden in Olympia benutzten auch die Häute zur 
Weissagung.^*) Auch der Flamme selbst entnahm man Zeichen. Neben 
anderen Arten der Hieroskopie hat Prometheus die Menschen auch die 
^Xoytand (n^fiata zu verstehn gelehrt, ^®) und wie die Kunst den Flug der 
Vögel zu deuten, hat Apollon dem Argonauten Idmon es auch verliehen 
ifinvga atjixat' idäa&m, i») Nicht bloss bei den (Sipayia war es ein schlimmes 
Zeichen, wenn die Flamme nicht brennen und die Opferstücke nicht ver- 
zehren wollte.*®) Auch die Art, wie der Rauch oder Weihrauchdampf 
aufstieg, war nicht gleichgültig, '0 und so erforderte denn auch das Auf- 
schichten des Holzes auf dem Brandopferaltar Sorgfalt.'*) 



») Pkt. Lach. p. 199 A. 

«) Xen. Anab. V 6, 29, vgl. Kyrup. I 
6, 2. 

») Vgl. Thuk. VIT 50. 

*) Soph. Oid. Kol. 1429 f. 

*) Berod. VI 76. Thuk. V 54. Xen. Anab. 
VI 1, 24. 

•) Xen. Hell. III 1, 17 flF., IV 1, 22; 
Anab. VI 4, 17. Plat. Arist. 18 f. 

'') Xen. Anab. VI 5, 2 u. 8. 

») Xen. Hell UI 8, 4. 

•) Plat. Symp. p. 202 E, Polit. p. 290 C. 

»«) Plut. Luculi. 24, Fei. 22. Aisch. Ag. 
1298. 

") Paton u. Hiokb Inscr. of Cos 37 ZI. 
21. Bbchtsl-Collitz III 3636 S. 358 und d. 



Bern. S. 359. 

><) Flui Quaest. symp. VIIl 8, 8. Schol. 
Aristoph. Fax 960. Schol. ApoU. Rhod. I 415. 

»») Flut. Pyrrh. 6. 

>*) Schol. Arist. Fax 1058, 1054. 

»») Aisch. From. 497. 

>«) Soph. Ant. 1009 f. £ur. Phoin. 1261 
mit Valokbnabbs Anm. 

") Schol. Find. Ol. VI 111. 

>8) Aisch. Prom. 498. 

»•) Apoll. Rhod. I 145 

'0) Soph. Ant. 1005 ff. Vgl. Eor. Snppl. 
155. Phoin. 954. 

*>) Uert. Diog. VIII 20. Apoll. Rhod. 
I 437 f. 

") Aristoph. Fax 1026. 



8. KaltnabeMnte. (§ 42—43.) 59 

Wohl in aUen Staaten gab es anerkannte und ständige juarr^ig, die, 
wenn sie es für nötig hielten, ausserordentliche Opfer, ^avxixd Ieqü, an- 
ordneten. In Athen beobachteten sie, wie wir gesehen haben, die Zeichen 
mit den zehn sog. Ugonmoi inl vd ixd^vfiata zusammen.^) 

42. Neben diesen üblichen und deshalb wichtigen Arten der Mantik 
gab es dann, ebenso wie wir es vorher bei den zufälligen Zeichen ge- 
funden, noch unzählige andere, deren sich der Abergläubische zu bedienen 
pflegte. Hierhin gehören die (in Eleinasien häufiger vorkommenden) 
Würfel- und Buchstabenorakel;') ferner wurden Siebe angewandt, um 
Zeichen zu erhalten,^) Eier wurden über Feuer gehalten, und das Bersten 
und Ausschwitzen der Schale beobachtet,'^) und noch viele solcher Mittel, 
aus denen man die Zukunft erkennen wollte, werden erwähnt;^) ihrer 
noch mehr aufzuzählen, wäre jedoch zwecklos. 

43. Alle diese Zeichen, die zufälligen wie die absichtlich herbei- 
geführten, konnte auch der Laie beobachten und zu deuten versuchen, 
aber lieber verliess man sich natürlich auf den fidvTig, und war ein solcher 
zu haben, so zog man ihn in wichtigeren Fällen gewiss immer zu Rate. 
Er deutete die sich darbietenden Erscheinungen nicht nur sicherer, son- 
dern sah auch mehr. Silanos, der Seher des jungem Kyros, erkennt aus 
den Opfern, dass in den nächsten zehn Tagen eine Schlacht nicht statt- 
finden werde,') Teiresias versteht sich trotz seiner Blindheit auf die 
Deutung der Vogel-, Flammen- und anderer Zeichen besser als jeder 
andere,^) und als die Schlange die Sperlinge verzehrt und dann ver- 
steinert wird, vermag Kalchas allein zu sagen, was das Wunder bedeutet,^) 
und zwar O^eonQontwr dyoQevsv,^) Schon hieraus sehen wir, dass die 
überlegene Kunst des fiavTig nicht bloss auf seiner grösseren Erfahrung 
beruht, die Götter haben ihm vor andern die Gabe der Weissagung ver- 
liehen. Diesen Glauben finden wir bereits in der homerischen Zeit. Kal- 
chas verkündet, was ApoUon ihm eingiebt,^^) und Helenes vernimmt die 
Stimme der ewigen Götter, *>) dass dem Hektor der Tod noch nicht be- 
stimmt sei. Gleich Ärzten und Baumeistern sind daher die lidvtsiq ge- 
suchte Leute, und man lässt sie sich weither kommen {q 382 ff.). Bisweilen 
wird die Kunst vererbt und pflanzt sich Generationen hindurch fort. So ist 
schon bei Homer der Seher Theoklymenos ein Sohn des untadligen fidvTig 
(A 291) Melampus (o 225), einer seiner Vorfahren heisst Mantios (o 242), 
einen andern, Polypheides, hat Apollon zum besten Seher unter allen 
Sterblichen gemacht (253), und auch Amphiaraos gehört der Familie an 
(244, 252).»*) Später finden wir dann auch ganze Sehergeschlechter er- 

') Ariflt. AtheD. Pol. 54. und nqo<pfixBia, Paus. Yll 21, 13. Reisen 

«) Pana. VII 25, 6. Schol. Pind. Pyth. im sw. Kleinas. 11 82 f. 
— - ^ - " ■ - 6) xen. Anab. I 7, 18. 

') Soph. Ant. 998 flF. 

») B 300 flf. 

») B 322. Vgl. Z 438. 

»0) A 72, 385, vgl. 86 f. 

") H 53. Vgl. auch B 832. 

") Vgl. EoKERMANN Melampns und sein 
Geschlecht. Dümmlsb Philol. 1897 S. 8. 



IV 387. Vgl. Kaibbl Epigr. gr. 1038 ff. und 
Herrn. X 198 ff., XXIU 532 ff. Ebil Herrn. 
XXV 813. Reisen im sw. Kleinas. li 224a 
bis c S. 174 ff. 

») Theokrit. III 3. Luk. Alex. 9, Phi- 
loetr. ApoU. Tyan. VI 11 p. 114 Kays. 

«) Schol. Aisch. Pers. 185. Lobbck Agl. 
410. 

^) S. Poll. VII 188. Suid. u. oitayiaxixfj 



60 



Die grieohiflohen KaltasalteriOmer. 



wähnt. Besonders berühmt sind die lamiden^ und Elytiaden*) in Olym- 
pia') und die Telliaden, denen wir an verschiedenen Orten Griechenlands 
begegnen.^) Verschmähten diese Seher es nun auch nicht, allerlei Zeichen 
zu beobachten und aus ihnen zu weissagen, ^ so war doch wichtiger, 
was sie aus unmittelbarer göttlicher Eingebung, r^coqoQtjToi, wie Aischy- 
los*) von Kassandra sagt, oder ^v&eoi^ ivr^ovaid^ovreq^ vom Gott ergriffen, 
verkündeten.') Solche Aussprüche konnten sich auf eine nahe bevor- 
stehende Zukunft beziehen, wie die Weissagung des Teiresias (A 100 ff.) 
über die Schicksale des Odysseus, der Kassandra über Agamemnons und 
ihre eigene Ermordung (Aisch. Ag.) oder auf Ereignisse, die erst in femer 
Zeit eintreten sollten.«) Dieser Glaube ward dann Veranlassung, solche 
Orakel zu sammeln. Wie die Römer die sibyllinischen Bücher, so besassen 
auch die Griechen loyia und XQrfiiiovg^ Orakelsprüche, die Sehern der Vor- 
zeit zugeschrieben und zu geeigneter Zeit hervorgeholt wurden.^) Unter 
den Namen solcher mythischer Seher begegnen uns Bakis und Musaios am 
häufigsten, namentlich bei dem gläubigen Herodot;^^) richtiger wäre wohl 
von Bakiden die Rede, da der Name wie Sibyllen einen Gattungsbegriff 
bezeichnet zu haben scheint. ^^) Die bedeutendsten solcher Sammlungen 
werden sich im Besitz der Staaten und Regierungen oder einzelner Priester- 
schaften befunden haben. So besassen die Peisistratiden eine, die später 
Kleomenes nach Sparta entführte, ^>) und auch die lakedaimonischen Könige 
Hessen die pythischen Orakel aufzeichnen ;>^) aber auch viele Private 
rühmten sich im Besitz solcher Schätze zu sein. Aus diesen Büchern 
weissagten sie dann, behaupteten daneben aber gewöhnlich auch selber 
Seher zu sein und galten denn wohl auch meistens dafür. Ein solcher 
XQTjafJioXoyog ist Diopeithes, der vor der Wahl des Agesilaos die Spartaner 
vor einem lahmen Königtume warnte, ^^) Amphilytos, der dem Peisistratos 
weissagte,*^) und viele andere, die sich nicht immer grossen Ansehens 
und guten Rufes ei*freuten,^^) namentlich da die Orakel früh gefälscht 
wurden. 1') 

Endlich sind die Sibyllen zu erwähnen, zum Teil vielleicht auch 
historische Persönlichkeiten.'®) In den ältesten Zeugnissen wird nur eine 
genannt, später kennt man viele; am berühmtesten bleibt die von Ery- 



•) Find. Ol. VI. Herod. V 44, IX S3. 
V. WiLAMowiTz Isyllos 179 ff. 

*) Paus. VI 17, 6. Arch. Ztg. 1878 
S. 160 ff. 

') Vgl. Prblleb-Robbbt Griech. Myth. 
J 143, auch £. Curtius Altftre von Olympia, 
Abh. der Berl. Akad. 1881 S. 16 ff. 

^) Mehr Beispiele bei Schoemaivk Gr. A. 
II 308 ff. 

*) Vgl. Soph. Ant. 998 ff. Pau8. I 34, 3. 

•j Ag. 1140, vgl. 1216. 

') Vgl. Plat. Phaidr. 244C, Apolog. VII 
22C 

"«) Z. B. Herod. VIII 96. 

•) Isokr. XIX 5. 

^") Vgl. Passow Musaeus, Leipzig 1810. 
LoBBOK Agl. 299. Richard Hkndbss oracula 
Graeca, quae apud soriptores Graecos Lau- 



nosque extant, Halle 1877. Gustav Wolpf 
Porphyrii de philosophia ex oracalis hauri- 
enda librorum reliquiae, Berlin 1856. Kaibbl 
Epigr. gr. 1033 ff. Pomtow De oraculia qaae 
extant graecis trimetro iambico compositis, 
Berl. Dies. 1881. Rohdb Psyche 851. 

^') Arist. Probl. 954a 36. Rohdb Psyche 
351 A. 2. 

") Herod. V 90. 

'•) Vgl. Herod. VI 57. 

>^) Xen. Hell. IIJ 3, 8. Plut. Ages. 3. 

»») Herod. I 62. 

»•) Vgl. Aristoph. Equ. 1085, Veep. 380, 
Schol. Av. 988. 

*') Herod. VII 6. Lobbox AgL 384. 
DiBLS Sib. BL 33. 

^«) Vgl. Preller-Robbbt Gr. M. I 



8. Kultosbeamte. (g 44.) 



61 



thrai.^) Völlig zurück traten aber alle diese Weissager und alle ihre 
Aussprüche vor der Bedeutung der eigentlichen Orakel, zu denen wir uns 
jetzt wenden. 

ß. Die Orakel. 

44. Alle Zeichen kamen von den Göttern, und sie richtig zu ver- 
stehen und zu deuten, war auch nur durch ihre Gnade und Erleuchtung 
möglich. Sprach sich in diesem Glauben oder Aberglauben schon die 
Überzeugung aus, dass die Himmlischen in liebevoller Besorgnis für den 
Sterblichen gern bereit seien, ihm durch Rat und Warnung zu nützen,*) 
so lag der Gedanke nicht fern, dass gewisse Stätten besonders von ihnen 
ausersehen und bestimmt seien, wohin der Zweifelnde sich wenden, und 
wo er ihre Stimme stets vernehmen konnte.') Das sind die fiavteia, 
Orte, wo geweissagt wird, oder wie sie auch heissen, xQ^^'^W^y Stätten, 
wo man roTg O^eoTg xqilcx^ai^ sich XQr^aiiov(; holen kann.*) Wir nennen 
sie Orakel. 

Kein Gott ist geeigneter und fähiger, Orakel zu geben, als Zeus, 
der schon bei Homer Ilavofi^aTog heisst,^) dessen Auge alles sieht ^) und 
dessen Gedanken so tief sind, dass kein Seher sie ganz ergründet.'') Ihm 
gehört das älteste griechische Orakel, von dem wir Kunde haben. Als 
Achilleus den geliebten Freund in den Kampf sendet, ruft er Zeus an, 
den ferne wohnenden, der in dem winterlichen Dodona waltet, wo die 
Seiler umherwohnen, die Hypopheten des Gottes, welche ihre Füsse 
nicht waschen und auf dem Erdboden ruhen, ^) und von Odysseus heisst 
es,*) dass er nach Dodona gegangen sei, um dort aus der hochragen- 
den Eiche des Zeus den Willen des Gottes zu vernehmen. Dies Dodona 
lag in Epeiros»®) am Fusse des Berges Tmaros oder Tomaros.»^ Es 
war ein Zeichenorakel; aus dem Rauschen der Zweige entnahm man 
den Willen des Gottes, den man sich wohl im Baume selbst gegenwärtig 
dachte, >*) und die Priester deuteten die Töne und verkündeten den Fra- 



') Prbllbb Robbrt a. a. 0. Bubesch 
Athen. Mitt XVII 16 ff. £. Maass De 8i- 
byllamm indicibus. Boüch^-Lsclbjioq II 33 ff. 
Elausbn Aeneas u. d. Penaten I 203 ff. Ora- 
cula Sibyilina ed. Alexandre Paris 1841. 
Dibls Sibyllin. Blfttter Berl. 1890. 

*) Vgl. Plut. De El ap. Delph. 1. 

»j Vgl. Xen. Mem. I 1, 6. 

*) Vgl. Ephoros bei Strabo IX 422. 

») e 250 Vgl. X 280. 

•) Hes. Erg. 267. 

^) Hea. Frgm. 196 Marksch. 

•) n 23:3 ff. DOmmlbb Philol. 1897 S. 6. 

•) I 827. T 296. 

'*) Man hat es auch in Thessalien ge- 
sucht Vgl. Wblckbr Griecb. Götterlehre I 
199. Uhgbb Philol. XX 577 ff. Bergk Fhilol. 
XXXri 126. Nibsb Rhein. Mus. XXXII 288. 
ScHOBMANN Gr. A. II 327. 

>'^ Litteratur: Gabafanos Dodone et 
ses nunes, Paris 1878. Roberts Joum. of 
Hell. Stad. I 228 ff. Unobr Philol. XXIV 



390 f. V. WiLAMowiTZ Antigonos v. Karystos 
185 A. Wachnig De oraculo Dodoneo, Bres- 
laa 1885. Bouchj^-Lbolebcq a. a. 0. II 277 ff. 
0. Hoffmann Die Orakelinschr. von Dodona 
in griech. Dialektinschr. von Bathtagk etc. 
I 91 ff. H. PoMTOw Jahrb. f. Phü. 1883 
S. 345 ff. Wiesbleb Götting. Nachr. 1879 
S. 1 ff. Wiedemann Herodot II Leinz. 1890 
S. 246 f Von älteren Arbeiten v. Lasaülx 
Das pelasgische Orakel des Zeus zu Dodona, 
1841. Gbrlach Dodona, Basel 1859. Vgl. 
auch Stützle Das griech. Orakelwesen, Progr. 
des Gyronas. zu Ellwangen 1887 u. 1891, und 
Ober d. Orakel u. d. Mantik überhaupt Deh- 
ler in der Sammlung v. Vibchow u. v. Hol- 
tzbndorff 1872 Heft 150. 

i>) Ues. Frgm. 149 Marksch. B6ttiohbb 
Baumkultns 111. Der Baum wird bald ^gvg, 
bald fprjyog genannt; es war eine Eiche 
(Pbeller u. Dodona in Pault's Realency- 
klopädie II 1191). 



62 



Die griechisohen Knltusaliertllmer. 



genden die Antwort. Zu Herodots Zeit gab es dort auch drei weis- 
sagende Priesterinnen,*) nQOfxdvneg^) oder TT^oyijnJ«^,^) doch haben 
die Priester daneben niemals gefehlt.^) Seit dem vierten Jahrhundert 
ist auch von einem dodoneischen Becken, das die Kerkyraier gestiftet 
haben, und von xXrjgoi die Rede.^) Eine eherne Geissei, die ein Knabe 
hielt, wurde vom Winde in Bewegung gesetzt und schlug dann gegen 
das metallene Becken; 7) ob aber auch aus diesen Klängen prophezeit 
wurde, ist ungewiss. Ebenso ist unsicher, ob aus dem Murmeln der wun- 
derbaren Quelle, die am Fusse der Eiche äoss,^) ge weissagt wurde, ^) 
oder ob die Priester sich aus ihr wie an andern Orten Begeisterung 
tranken. ^^) Dodona blieb das bedeutendste Zeichenorakel in Griechen- 
land. Kroisos hat es beschickt, ^i) Athen und Sparta haben es wiederholt 
von Staatswegen befragt,'*) und unter den erhaltenen Fragetäfelchen be- 
findet sich auch eines von der Stadt Tarent.*') Viele Jahrhunderte hat 
sich das Orakel des grössten Ansehns erfreut. Am Ausgang des dritten 
zerstört, ■^) wurde es zwar wieder aufgebaut, bestand aber nicht mehr lange. 
45. Fast ebenso berühmt wie Dodona war das Orakel des Zeus 
Ammon in Libyen, in der Oase Siwah, unfern von Kyrene gelegen, wo 
ebenfalls aus Zeichen geweissagt wurde. ^^) Eigentlich ist es also kein 
griechisches Orakel, doch dürfen wir es hier nicht übergehen, denn es 
hatte die grösste Bedeutung für Griechenland. Niemals fehlt es, wo die 
wichtigsten griechischen Orakel aufgezählt werden; Delphoi, Dodona und 
das ammonische Orakel ist die immer wiederkehrende Dreizahl. '^) Ammon 
war von den Griechen früh mit ihrem Zeus identifiziert worden, ^^) und 
man dachte sich offenbai* in Dodona und in Libyen denselben Gott Orakel 
erteilend;'®) durch die Kyrenaier war das Orakel bekannt geworden, und 
wenn wir Herodot (I 46) Glauben schenken dürfen, war sein Ruhm schon 
im sechsten Jahrhundert so verbreitet, dass der lydische König Kroisos 
auch zu ihm sandte. Sparta, Elis, Theben'^) standen früh in Beziehungen 
zu ihm, und auch Kimon soll es kurz vor seinem Tode befragt haben,*®) 
am berühmtesten aber wurde es durch den Zug Alexanders des Grossen.'') 
Die Art der Weissagung wird uns von Diodor (XVII 50) und Curtius 
(IV 7, 24) am deutlichsten beschrieben. Priester trugen das Bild des 
Gottes auf den Schultern, eine grosse Prozession folgte, Frauen und Jung- 



») Vgl. al TfQoa^yoQoi dQveg Aisch. Prom. 
832, TToXvyXtijfov dqvog Soph. Trach. 1168. 

») Herod. II 54. — Über den Namen Pe- 
leiaden pRSLLfiR-RoBBRT Gr. Myth. 1 125 A. 1. 

«) Vgl. Paus. X 12, 10. 

<) Strab. VII 328. 

») Strab. IX 402 und die Inschriften bei 
Cabapanos a. a. 0. PI. XXIV— XL p 68 f. 

*) Prbllbr-Robebt a. a. 0. 1 124 



') Strab. excerpt. VII 329. 
•) Plin. Nat. bist. II 2 



A. 3. 



•) Plin. Nat. bist. II 228. 
•) Serv. zu Verg. Aen. III 466. 
»0) ScHOBMAiw Gr. A.» II 329. 
»») Herod. I 46. 

") Xen. De vect. VI 2. Paus. VIII 11 
Ende. Plut. Phok. 28. Demosth. XXI 52 



p. 581. 

») Cabapanos 70, PL XXXIV n. 1. 

") Polyb. IV 17. 

'') Parthbt Das Orakel und die Oase 
des Ammon. Abb. der Berl. Akad. 1862. £ 
Plew Programm von Danzig 1876 S. 15 if. 
Boüch^-Leclercq II 838 ff. 

»•) Plat. Leg V 738 C. Aristopb. Av. 
716. Cic. De div. I 1, I 48. 

") Vgl. Plew a. a. 0. 18 ff. 

») Vgl. Herod. II 55 ff 

'•) Paus. III 18, 8; V 15, 11 ; IX 16, 1. 
S. aucb [Plat.] Alk. II p. 148. 

") Plut. Kim. 18. 

") Arrian Anab. VI 3,2. Vgl O. Hirsoh- 
FELD Abb. der Berl. Akad. XXXV (1888) 834. 



d. Kultasbeunte. (§ 46-47.) 



63 



frauen sangen einheimische Lieder. Aus den Schwankungen und Be- 
wegungen des Bildes erkannte der ngognijTrjg den Willen des Gottes und 
verkündete ihn den Fragenden. 

46. Unter den Zeusorakeln ist dann noch wichtig das olympische, 
das freilich an Bedeutung jenen beiden auch nicht annähernd gleichkam 
und von Staatswegen nur selten befragt worden zu sein scheint.^) Hier 
wurde aus Opferzeichen geweissagt, und das Sehergeschlecht der lamiden,") 
das die Mantik ausübte, vermochte aus den Zeichen mehr zu erschli essen, 
als dies der gewöhnlichen Hieroskopie möglich war.^) Dass das Orakel 
namentlich zu der Zeit der grossen Spiele in Anspruch genommen wurde, 
lässt sich denken.^) 

47. Alle diese Zeusorakel überstrahlte derOlanz des Apollonorakels 
zu Delphoi.^) Bei Homer sendet Zeus die meisten d^fiara und ragata^ 
ApoUon lehrt den Ealchas^) und Polypheides (o 252) die Kunst, Zeichen 
zu erkennen und zu deuten und aus ihnen auf Ursache^) und zu er- 
wartende Folgen zu scbliessen, aber bald gilt auch in anderem Sinn /^log 
nQo^ijrr]g itfil Ao^iaq narQog:^) ApoUon wird selber zum Orakelgott, und 
zwar xat' i^oxriv. Seit dionysisches Wesen in seinen Kult eindringt,^®) 
begeistert er die Seher,*') dass sie in Ekstase prophezeien**) und nach 
dieser Richtung hin scheidet und entwickelt sich immer mehr der Ein- 
fluss und die Bedeutung beider Götter für die Mantik: Zeus gehören die 
bedeutendsten Zeichenorakel, Apollon die Spruchorakel, der Wille des 
Zeus wird aus Zeichen und Erscheinungen erkannt, Apollon spricht durch 
den Mund des von ihm erfüllten Propheten. Kassandra ist von ihm zur 
Seherin gemacht, und zur eigenen Qual muss sie sehen und sagen, was 
sie doch nicht wenden kann, und in dem Kallimachischen Hymnos (in 
Del. 89) wird Apollon angerufen: Zwinge mich nicht, gegen meinen 
Willen zu weissagen. 

Homer kennt Weissagungen in Ekstase noch nicht,*') wohl aber das 
pythische Orakel. Agamemnon ist hingegangen, um es über den Ausgang 
des Krieges zu befragen, und Apollon hat ihm geweissagt, die Erfül- 
lung sei nahe, wenn die Besten im Heere in Streit gerieten.*^) / 405 
werden die wohlgefüllten Schatzkammern der felsigen Pytho *^) erwähnt. 



Bou- 



Strab. VUI 353. Paus. V 14, 8. 
OBi-LsCLBBCQ II 332 ff. 

•) Vgl. Plut. Agea. 11. Xen. HeU. IV 7, 2. 

') Vgl. die iDSchriften Olymp. V 102 ff. 
Neben ihnen fangieren die Klytiaden als 

*) Find. Ol. VIfl 3. Vgl. Schol. Find. Ol. 
VI 111 and 119. Cübtiub Die Altäre von 
Olympia, Abb. der Berl. Akad. 1881 S. 14 ff. 

*) Vgl. Paaa. VI 8, 2. Fhilostr. Her. II 
6 p. 293. 

*) Litteratur: Fbbllbb in Fault's 
Realencyklopädie II 900 ff. Schobmann a. a. 
O. II 311 ff. Prbllbb-Robbbt Gr. Mvth. I 
285 ff. G. WoLFF De novissima oracaloram 
aetate, Berlin 1854. GöTTLnrG Ges. Abhandlgg. 
n. BouoH^-LsoLBBoq a. a. 0. III 39 ff. A. 
MoMMSEN Delphica, Leipzig 1878. H Fomtow 



zur Topographie von Delphi, Berlin 1889. 
Eblikoeb De Apoll, et orac. eins Delph., 
Emmerich 1870. Gbuppb Hdb. V 2. 1 10 ff. 

^) A 72, 86 f., 386. 

*) ta nqo r* idytOy das in geringerem 
Masse jeder Klage und Weise kennt 

») Aisch. Eum. 19. Vgl. 616 ff. Hymn. 
in Apoll. Del. 132. Fiat. Rep. 4270. Auch 
Serv. zu Verg. Aen. I 20. 

»«) RoHDB Fsyche 344 f. 

") Vgl. Fiat. Apol. VII C; Fhaidr. 
p. 265. 

•») Vgl. Faus. I 34, 3. 

") Über Od. t; 345 ff. s. Rohdb Fsyche 
11 u. 344 A. 3. 

^*) & 77 ff. 

"^) Vgl. B 519. 



64 



Die grieohisohen KnltiUMltertttnier. 



und man darf daraus wohl den Schluss ziehen, dass das Orakel schon 
damals häufig aufgesucht wurde. ^) Dass schon in homerischer Zeit eine 
Seherin in Pytho weissagte, ist nicht anzunehmen, auch der homerische 
Hymnos auf den pythischen ApoUon erwähnt ihrer noch nicht, viel- 
leicht war es ein Losorakel, das unter dem Schutze Apollons stand.*) 
Schwerer wird zu entscheiden sein, ob in noch älterer Zeit hier wirklich 
ein Erdorakel bestanden hat,^) oder ob die Sagen von der Tötung des 
Drachen und der Verdrängung der ersten Besitzerin des Orakels nach- 
homerisch sind^) und nur veranlasst durch die Thatsache, dass das Adyton 
des Tempels sich über einem Schlund befand, dem kalte, aus dem Erd- 
innern aufsteigende Dämpfe entströmten, die den, der sie einatmete, in 
ekstatische Erregung versetzten.^) Die Sage von der Gründung des 
Heiligtums giebt am ausführlichsten der homerische Hymnos auf ApoUon. 
Nach ihm ist ApoUon selbst der Stifter. Lange sucht der Gott nach einer 
passenden Stätte, bis er in die krisäische Ebene am Fuss des Parnass 
gelangt. Auf einem Felsplateau in der Schlucht von Delphoi lässt er von 
Trophonios und Agamedes den Tempel erbauen, nachdem er zuvor die 
den Ort hütende Schlange mit seinem PfeUe erlegt. Delphingestalt an- 
nehmend schwimmt er zu einem Schiff kretischer Männer, das gerade 
vorbeifährt, lenkt es nach Krisa, giebt sich den Schiffern als Gott zu er- 
kennen, befiehlt ihnen, ihm einen Altar als Delphinios«) zu errichten, und 
heisst sie seines Heiligtums warten. Dass der Gott sich erst durch die 
Erlegung einer Schlange'') das Orakel erobert, deutet auch darauf hin, 
was die delphische Legende, die von einem Zusammenhange mit Kreta 
nichts weiss, mit einfachen Worten überliefert: das Orakel habe erst der 
Ge, dann der Themis, darauf der Phoibe gehört, und von dieser habe es 
endlich ApoUon erhalten.^) Beide Sagen wollen erklären, wie ein fiartitov 
Xx^oviov,^) das ursprünglich nur Eigentum der Erdgöttin gewesen sein 
konnte, in den Besitz Apollons gekommen sei^ Aber bewiesen wird auch 
dadurch nur, dass man im Altertum an ein ehemaliges Erdorakel glaubte, 
nicht seine Existenz. 

Der alte Tempel brannte im Jahr 548 ab^^') und wurde im Auftrag der 
Amphiktionen von den aus Athen verbannten Alkmeoniden aus Stein 
wieder aufgeführt. ^0 I^ ersten Drittel des vierten Jahrhunderts aber 
warf ihn ein Erdbeben in Trümmer. Den neu aufgerichteten zerstörten im 
Jahre 83 die Barbaren, die nach SuUas Weggang Delphoi überfielen, und 
erst Nero liess den Tempel 67 neu aufbauen.") Von dem Reichtum und 
der Pracht des Heiligtums können wir uns eine Vorstellung machen, wenn 



») Vgl. Hymn. in Merc. 178 flf. 
«) RoHDB Psyche 345. 

») So RoHDB 124 f. Vgl. A. MOMMSBN 

Delphica 1 ff., 78 ff. Stützlb a. a. 0. 1891 
S. 7 ff. 

*) Eu. Mbtbb Gesch. des Altt. II 432. 

«*) Cic. De div. I 36 § 79, Strab. IX 419. 
Diod. XVI 26. Justin. XXIV 6. Vgl. Babdb- 
keb's Griechenland 134 ff., Mommsen Del- 
phica 12 f. LoLLiNo Hdb. III 131. 

*) Der Name Delphoi findet sich zuerst 



Homer, hymn. XXVII 14 Baum, und bei He- 
rakleit Frgm. bei Flut, de Pyth. or. 21. 

») Vgl. Robdb Psyche 125. 

8) Aisch. Eum. Anf. Vgl. Paus. X 5, B. 

•) Eur. Iph. T. 1249. Kallim. Frgm. 864 
und mehr bei Th. Schbbibbb Apollo Pytho- 
ktonos 3. 

»•) Herod. TI 180, V 62. 

»»j Arist. Ath. Pol. 19. 

»«) PoMTOW Rhein. Mus. 1896 S. 329 ff., 
1897 S. 105 ff. 



d. KnltiMbeamte. (§ 47.; 65 

wir hören, das8 die Phoker 10,000 Talente blossen Metallwertes dort 
fanden, und Plinius doch noch etwa 3000 Statuen in Delphoi zähltet) 
Pausanias (X 11, 1) fand zwar die Schatzhäuser leer, aber noch unend- 
lich viele Zeugen der alten Pracht, und der herrliche Dreifuss, das Weih- 
geschenk der Hellenen nach ihrer grössten That,') stand dort, bis ihn 
Konstantin entführte. (Taf. m Fig. 3.) 

unter den zahlreichen priesterlichen Beamten sind ausser dem tvqo^ 
^trfi namentlich die fünf otrioi^) zu nennen, später auch Prytanen und 
Archonten, über deren Thätigkeit die jetzt durch die Ausgrabungen der 
Franzosen zu Tage geförderten Inschriften allmählich Licht verbreiten. 

Im Adyton des Tempels, in das die Eassotis hinunterströmte, stand 
über dem Schlünde ein gewaltiger vergoldeter Dreifuss, auf dessenBecken 
eine kreisförmige, durchbrochene Scheibe (olfjLog) lag, worüber der Sitz 
für die Pythia angebracht war.^) Davor lag der ofiipaXog^ ein kuppel- 
förmiges Bauwerk, unter dem der Python begraben liegen sollte,^) später 
für den Mittelpunkt der Erde erklärt, wo einst die beiden von Zeus aus 
Ost und West ausgesandten Adler zusammengetroffen waren. ^) Zu beiden 
Seiten standen goldene Adlerbilder, die bei der Plünderung durch die 
Phoker auch geraubt wurden.^) 

Die Seherin, welche die Orakel verkündete, soll in älterer Zeit 
eine Jungfrau in der Blüte der Jahre gewesen sein, später aber, da einer 
einmal Gewalt angethan war, wurden nur ältere Personen zu diesem Amte 
gewählt.^) Diese Sitte bestand vielleicht schon zur Zeit des Aischylos.^) 
Natürlich musste die Erwählte untadliger Herkunft, Jungfrau und von 
gutem Rufe sein, Adel und Vornehmheit waren vielleicht, auch als die 
Blüte des Orakels ihren Höhepunkt erreicht hatte, nicht erforderlich; zu 
Plutarchs Zeit war die Pythia eine einfache Landmannstochter. ^®) Ur- 
sprünglich sollen nur einmal im Jahr Orakel gegeben worden sein, im 
Monat Bysios,^>) dann aber wurde das Orakel so sehr in Anspruch ge- 
nommen, dass zwei Pythien sich fortwährend ablösten, und noch eine 
dritte zur Aushilfe bereit war; zu Plutarchs Zeit genügte es bereits wieder, 
dass monatlich einmal Orakel erteilt wurden. ^^) An Unglückstagen, 
r^fisQai a7io(pQdiBq, durfte die Pythia niemals den Dreifuss besteigen,*') 
aber auch sonst musste durch Opfer und andere Zeichen erforscht werden, 
ob der Tag zum Orakelgeben günstig sei.^^) War dies der Fall, so begab 
sich die Pythia, nachdem sie zuvor Reinigungen vorgenommen hatte, i^) 
in goldenem Haarputz und langem Gewände^") ins Adyton, trank aus der 



») Nat. bist. XXXIV 17. 

») Herod. IX 80. Paus. X 18, 5. 

>) Plut. De def. or. 49. 

^) Diod. X7I 26. Strab. IX 419. Bbön- 
8TBD Reisen und Unteres, in Griechenland 
I 115 ff. MüLLBB de tripode Delpbico, Diss. 
Gott 1820. WiBSBLER Abbndlgg. der Gott. 
Gesellsob. der Wissenscb. Bd. XV 221 ff. 

«) RoBDE Psycbe 123 f. 

•j Find. Pytb. IV 4 mit Scbol. Pytb. VH 
184, Vni 85. Aisch. Sept. 747. Plat. Rep. 
427 C. Paus. X 16, 2. Strab. IX 420. Maass 
Aratea (Pbilol. Untersucb. XII) 177 A. 12. 



Abbildung bei Roohette Mon. in^d. T. 87. 
Vgl. BöTTiCHBR Omphalos, Berlin 1859 S. 8. 

n Diod. XVI 30 ff 

•) Diod. XVI 26 

«) Eum. 38. Vgl. Eur. Ion 1339. 

*o) Plut. De def. or. 51. De Pytb. or. 22. 

*') Plut. Quaest. graec. 9. A. Mommsen 
Delpb. 18 f. RoHDE Psycbe 349 A. 

»«) De def. or. 9. Quaest. gr. 9. 

»») Plut. Alex. 14. 

") Eur. Ion 421. Plut. De def. or. 51. 

") Schol. Eur. Pboin. 230. 

") Plut. De Pytb. or. 24. 



Hftndbiioli der UaaB. AltertaxoBwiaBeiuchaft. Y, 3. 2. Aufl. 5 



66 



Die grieohisohen Knltasalteriaiiier. 



Eassotis,^) nahm Lorbeerblätter in den Mund und kaute sie*) und bestieg 
den Dreifuss.^) Neben ihr stand der ngogfrJTtjg^*) dem die Fragen münd- 
lich oder schriftlich mitgeteilt wurden.*) Die Fragenden {^soTtgonoiy) 
trugen einen Lorbeerkranz;^ ihre Reihenfolge bestimmte das Los,^) so- 
fern nicht einem von ihnen das Recht der ngoftaweta, des Vortritts, zu- 
stand.^) Durch die gasartigen Ausdünstungen, die aus dem Schlünde 
aufstiegen, wurde die Pythia in Ekstase versetzt und sprach nun mehr 
oder weniger zusammenhängende Worte, die dann von den Propheten in 
oft recht schlechte Hexameter, i®) später auch in andere Versmasse *0 g^ 
bracht und den Fragenden mitgeteilt wurden. Bisweilen wurden die Ant- 
worten auch in prosaischer Form gegeben.^*) Oft muss sich die Pythia 
in einem Zustande befunden haben, der sie unzurechnungsfähig machte,^') 
und die Priester mussten dann sehen, was sie aus ihren Worten und 
Ausrufen machen konnten. Absichtlicher Betrug aber wurde gewiss selten 
verübt. Vereinzelte Fälle kamen ja vor,^^) und einmal hören wir sogar, 
dass eine Pythia abgesetzt wurde, weil sie bestochen ein falsches Orakel 
gegeben haben sollte, i*) aber im allgemeinen haben in der Blütezeit des 
Orakels sicherlich die Pythia wie die Priester selber geglaubt, dass der 
Gott durch sie spräche, und wenn die klugen Männer, die meistens auch 
über die Verhältnisse der Fragenden wohl unterrichtet gewesen sein werden 
auch alle Vorsicht anwandten und gern dunkel und zweideutig blieben, ^<^)' 
wo sie ihrer Sache nicht sicher waren, so wäre doch das ungemeine An- 
sehn, dessen sich das Orakel Jahrhunderte lang erfreute, gar nicht zu 
erklären, wenn man häufigen Betrug voraussetzen wollte. Lysandros 
machte in Delphoi, Dodona und bei dem ammonischen Orakel Bestechungs- 
versuche, aber überall wurde er abgewiesen und schliesslich verraten, ^^ 
und aus dem Vorwurf des erbitterten Patrioten Demosthenes rj Uv&ia 
(piXinmXei^^) dürfen wir auch noch auf keine Unredlichkeit schliessen.*») 
Manche Verdächtigung ist gewiss auf die Sonderinteressen und den Parti- 
kularismus der griechischen Stamme zu schieben, denen gegenüber Delphoi 
ge Wissermassen international oder neutral war,*») aber freilich änderten 
sich ja auch die Zeiten und mit ihnen die Autorität des Orakels. 

Der Einfluss von Delphoi ist zwar von neueren zum Teil überschätzt 
und auch auf Dinge ausgedehnt worden, mit denen das Orakel nichts zu 



») Hermot. 60. 

*) Lak. Bis accus. 2. 

») Diod. XVI 26. 

<) Plut. De def. or. 49. Cf. Herod. VIII 36. 

*) GöTTLiNO Ges. Abhndlgg. II 59. Vgl. 
Cabapanos a. a. 0. p. 36 flf., Fragetäf eichen 
von Dodona. 

•) Herod. I 67. Plut. Kim. 18. 

') Liv. XXIII 11. 

") Aisch. Eum. 32. 

•) Herod. I 54. Plut. Perikl. 21. Dit- 
TENBEBOER SvlI. 323, 8. Athen. Mitt. VII 72 
ZI. 36 flf., XIV 34. Zahlreiche Proxenie- 
dekrete, die den Geehrten das Recht der 
Promanteia verleihen, z. B. Bull, de corr. V 
402 ff., VI 221 ff. 



'0) Vgl. Plut. De Pyth. or. 5. 

»M Cic. De div. II 56 § 116. 

") Plut. IIbqI xov fxrj XQ*^^ IfJtfABXQa yvy 
Ttjy nv&iay, Schol. Thuk. II 8. 

>") Plut. De def. or. 51. 

") Vgl. z. B. Herod. V 68. 

") Herod. VI 66. 

") Vgl. Cic. De div. II 56. Stützlb 
a. a. 0. 1891 S. 87 f. 

") Diod. XIV 13. Plut Lys. 25. 

'^) Plut. Dem. 20. Aiscfain. III 130. Cic. 
De div. II 57 § 118. Ein anderes, aber auch 
nicht verbürgtes Beispiel Thuk. V 16. 

") Vgl. DöHLER a. a. 0. 15 ff. 

") Vgl. ScHOEMAMN Gr. A.» II 46 f. 



8. KnltuBbeamte. (§ 48.) 



67 



thun hatte, doch ist er in der That ausserordentlich gross gewesen.^) 
Ohne den Rat des Gottes pflegte man keine Kolonie auszusenden,^) die 
berühmtesten Gesetzgebungen wurden auf seine Einwirkungen zurück- 
geführt,-*) die wichtigsten politischen Fragen durch die Aussprüche der 
Pythia entschieden, b) vor allen Dingen aber holte man seinen Rat und 
seine Entscheidungen in religiösen und auf den Kultus bezüglichen Fragen 
ein.^) In Athen und in andern Städten hatte das Orakel seine Exegeten, 
die die Sprüche auslegten und in Fragen des Familien- und Geschlechter- 
rechtes, vor allem aber wenn es sich um Sühnungen handelte, Rat und 
Auskunft gaben. Doch auch bei drohenden Himmelserscheinungen oder 
in Zweifeln, wie sie die Vorkommnisse des Lebens mit sich brachten, 
wandte man sich an sie,'') wenn man es nicht vorzog, das Orakel selber 
zu beschicken.^) Auch im Auslande war das Orakel früh berühmt. Schon 
König Midas von Phrygien soll es befragt haben, Gyges von Lydien sandte 
Geschenke,^) Alyattes schickte hin,^^) und Kroisos wandte sich wieder- 
holt mit Anfragen nach Delphoi, stiftete unglaubliche Schätze in das 
Heiligtum, steuerte zum Bau des neuen Tempels bei und beschenkte auch 
die Priester. 1 9 Aus Magnesia am Maiandros schickte man hin, als ein 
Prodigium die Stadt geängstigt, um sich Rats zu erholen. ^^) Aber auch 
nach dem Westen hin war sein Ruhm gedrungen. Das etruskische Caere 
hatte eine eigene Schatzkammer in Delphoi, ^^) Tarquinius Superbus sandte 
seine Söhne hin,^^) Q. Fabius Pictor führte eine ganze Gesandtschaft 
hin,**) und noch Cicero befragte es.*«) Unter Nero, der über dem heiligen 
Schlund Menschen schlachten liess,*'') stellte das Orakel eine Zeitlang 
seine Thätigkeit ein, ganz verstummt scheint es erst unter Konstantins 
Regierung zu sein.*®) 

48. Neben diesen drei bedeutendsten gab es nun noch zahllose andere 
Orakel, deren Ansehn sehr verschieden war, vor allem in Boiotien und 
an der kleinasiatischen Küste. Eins der berühmtesten war das Apollon- 
orakel zu Didymoi bei Milet, nach der Familie, in deren erblichem Besitz 
es sich befand, gewöhnlich das Branchidenorakel genannt. Der Tempel, 
dessen gewaltige Ruinen österreichische Ausgrabungen soeben blossgelegt 
haben, gehörte zu den grössten und schönsten des Altertums.^o) Auch 



') Vgl. Bernhabdt Griech. Litgesch. I 
398. E. CüBTiüB Griech. Gesch.« I 543 ff. 

<) Vgl. ScHOEMANK Gr. A. TI 43 ff. 
Pbkllbb in Pavlt's Realenc. II 907 f. 

») Cic. De div. I 1. Herod. V 42. Thuk. 
III 92. 

*) Plat. Leg. I Anf. Plut. Sol. 14. Schol. 
Find. Ol. X 17. 

») Herod. VI 52. Thuk. I 25, 28, 118. 
Paus. III 1, 5. Plut. Arist. 11. 

•) Xen. Mem. I 3, 1. Plat. Leg. VI 759C; 
Aristot. Ath. Pol. 21. Paus. VI 9, 3; X 10, 1. 
DiTTBNBBRGER Syll. 13, 4. BuU. de corr. XIII 
434 ZI. 47 eleus. Inschr. Vgl. Jacobs Verm. 
Schrr. III 355 ff. 

') Plat. Kuthyphr. 4C. Leg. VI 739C. 
B. ScHOELL Herrn. VI 36. 

») IDemosth.] XLIII 66 p. 1072. 



•) Herod. I 13 f. 

»») Herod. I 19. 

") Herod. I 46 ff. 

*') Eebn Beitr. zur griech. Philos. und 
Relig. Berlin 1895 S. 80 ff. 

»«) Strab. V 220. 

") Liv. I 56. 

") Liv. XXU 57, XXIII 11. 

*•) Plut. Cic. 5. 

•») Cass. Dio LXIII 14. 

'8) Vgl. G. WoLFF De nov. or. aet. p. 9. 

»«) Herod. VI 19. Paus. VII 2, 4. Vgl. 
Gelzeb De Branchidis. Schoenbobn Über d. 
Wesen des Apollon und die Verbreitung 
seines Dienstes, Berl. 1854. Gruppe Hdb. 
V 2, 287 f. 

«0) Arch. Anz. 1896 im Jahrb. XIT 64 ff. 
Rekonstruktion Taf. 11 Fig. 1. 

5* 



68 



Die grieohisohen Enltnsaltertfimer. 



hier weissagte eine Priesterin, nachdem sie sich aus einer Quelle Begeiste- 
rung getrunken, und ein Prophet teilte ihre Aussprüche den Fragenden 
mit.^) Es wird auch unter den Orakeln genannt, die Eroisos beschickte,^) 
und noch Seleukos sandte reiche Gaben hin.') 

Auch das klarische Orakel bei Kolophon,^) das Manto, die Tochter 
des Teiresias, einst auf ApoUons Befehl gestiftet haben sollte^) und das 
zu Patara in Lykien^) zählen zu den bedeutenderen. — Im eigentlichen 
Griechenland ist dann besonders noch das Apollonorakel zu Abai in Phokis 
zu nennen, an das sich auch bereits Eroisos gewandt hatte, ^) und das 
sich durch seine Reichtümer und Weihgeschenke auszeichnete;*) ferner 
das des ptoischen Apollon bei Akraiphia in Boiotien,^) eines zu Tegyra 
bei Orchomenos,^^) und das des ismenischen Apollon zu Theben. ^^) In 
Argos gab es im Heiligtum des Apollon Deiradiotes eine Wahrsagerin, 
die sich durch den Genuss von Opferblut in Ekstase versetzte.") — Die 
andern apollinischen Orakel, die uns noch genannt werden, haben wohl 
nur eine lokale Bedeutung gehabt, und es ist überflüssig, hier Namen zu 
häufen, denn viel mehr als die Namen wissen wir von ihnen nicht.'*) 

49. Sehen wir zum Schluss noch, welcher Art die Fragen waren, 
die man diesen Orakeln vorzulegen pflegte. Es wäre ganz verkehrt, zu 
glauben, dass sie nur von Staaten und Eönigen in wichtigen politischen 
oder in Angelegenheiten des Eultus zu Rate gezogen wurden. Selbst das 
Orakel von Delphoi wird verhältnismässig wenig mit solchen Fragen zu 
thun gehabt haben. Dass die Schriftsteller von ihnen häufiger sprechen, 
und die hierauf bezüglichen Antworten des Orakels sich im Gedächtnis 
erhielten, liegt nur daran, dass dies eben wichtige Sachen von allgemeinem 
Interesse waren. **) Gelegentlich aber erfahren wir doch auch, mit wel- 
chen Anliegen sich Privatpersonen an die Orakel zu wenden pflegten, und 
zwar auch an die bedeutendsten zu einer Zeit, wo sie im höchsten Glanz 
standen. Chairephon fragt in Delphoi, ob es einen Weiseren gebe als 
Sokrates,**) Xenophon, welchen Göttern er opfern solle, um aus dem Feld- 
zug, den er mitzumachen beabsichtige, wohlbehalten und glücklich heim- 
zukehren,'^) Glaukos, ob er ihm an vertrautes Geld, dessen Veruntreuung 
nicht nachzuweisen wäre, zurückerstatten solle ;^') bei dem Branchiden- 
Orakel wird angefragt, ob man einen fremden Flüchtling, der sich im Ver- 
trauen übergeben habe, ausliefern dürfe;'*) die merkwürdigsten Fragen 
aber haben sich auf den Bleitäfelchen, die man bei den Ausgrabungen in 



1) Jamblich. De myst. III 11. 

<) Herod. I 46. 

") CIG 2852. 

*) Strab. XIV 642. Paus. VII 3, 1. Tac. 
Ann. II 54. Buresch Elaros untersuch, zum 
Orakel wesen des späteren Altt. Leipz. 1889. 

^) Bbthb Theban. Heldenlieder 37 ff. 

•) Herod. I 182. Paus. IX 41, 1. Hebbb- 
DEY Opramoas, Wien 1897, nr. 55 (2. Jahrh. 
n. Chr.). 

») Herod. I 46. Vgl. Soph. Oid. Tyr. 899. 

8) Herod. VIII 33. 

•) Herod. VIH 135. Paus. IX 23, 3. 



»«) Plut. De def. or. 5, Pelop. 16. 

»0 Herod. I 52, V 59 ff. Paus. IX 10. 

»«) Paus. II 24, 1. 

*') Eine kleine Sammlung s. bei Schob- 
mann Gr. A.* II 323 ff. Vgl. auch Lbbbqub 
Revue archöol. VII (1886) 245 ff. 

^*) Über die grosse Zahl der Kultus- 
orakel PoMTow Jahrb. f. Phil. 1883 S. 358 f. 

»*) Plat. Apol. V § 21. 

>•) Xen. Anab. HI 1, 6. 

•') Herod. VI 86. Vgl. v. W^ilamowitz 
Isyllos 13 f. 

'») Herod. I 157 ff. 



2. Knltaabeamie. (§ 49—50.) 



69 



Dodona gefunden hat, erhalten, i) Da erkundigt sich einer, ob das Eind, 
mit dem seine Gattin schwanger gehe, auch wirklich von ihm sei,^) ein 
anderer, wer ihm seine Polster gestohlen habe,') ein dritter, ob es ihm 
Gewinn bringen würde, wenn er Schafzucht triebe,*) eine Frau, welchen 
Göttern sie opfern müsse, um zu genesen,^) Eltern, ob es besser für ihr 
Kind wäre, wenn sie es so oder so mit ihm machten^) u. s. w. Wenn 
die angesehensten Orakel sich herbeiliessen, auf solche Fragen Antwort 
zu geben, so kann man sich denken, dass die kleineren wohl selten in 
wichtigeren Angelegenheiten angegangen worden sind. Die Antworten 
sind allerdings fast sämtlich verloren, wie natürlich, da die Fragenden 
die Täfelchen, auf denen sie verzeichnet waren, mit nach Hause nahmen, 
und sie so in alle Welt verschleppt wurden. Einige, die das Trophonios- 
orakel in Lebadeia erteilt hat, sind inschriftlich erhalten,^) und da müssen 
wir wieder die Fragen erraten; nur sehr selten haben uns die Steine die 
Fragen samt dem Bescheide aufbewahrt, in Fällen, wo beides zusammen 
eine Urkunde bildete, die man in dem Heiligtum, das sich an den Gott 
gewandt hatte, deponierte.') Dass man ein Orakel, das eine ungünstige 
Antwort gegeben hatte, sogleich darauf noch einmal dringender und um 
besseren Bescheid flehend befragte, kam wohl nur in verzweifelten Fällen 
vor.») 

50. Aber auch an den Orakelstätten gaben die Götter nicht bloss 
durch Zeichen und Worte ihren Willen zu erkennen, sondern auch durch 
Träume. Solche Traumorakel werden hauptsächlich von Kranken auf- 
gesucht, die im Schlaf die Weisungen und Verordnungen des Gottes em- 
pfangen. ^<^) Das berühmteste dieser Orakel war das des Asklepios zu Epi- 
dauros in Argolis, wo sowohl der Reichtum des Tempels wie die zahllosen 
Stelen, die den Namen, die Beschreibung des Heilverfahrens und den Dank 
der Genesenen enthielten, von dem Glanz und dem Zuspruch des Heilig- 
tums zeugten.**) Zwei von den sechs Tafeln, die im Heiligtum aufgestellt 
den Pilgern die bedeutendsten Wunderkuren verkündigten, sind vor nicht 
langer Zeit aufgefunden worden**) und unterrichten uns genau über das 
dort übliche Heilverfahren. Der Tempel hat einen eigenen Schlafraum. 
Dort hat nun der Kranke gewöhnlich einen Traum, der ihm irgend ein 
Operationsverfahi*en zeigt, das piit ihm vorgenommen wird. Am Morgen 
erwacht er und ist gesund. Viele der beschriebenen FäUe lassen keinen 
Zweifel darüber, dass während der Nacht an dem Bewusstlosen wirklich eine 
Operation vollzogen worden ist. Einige Schilderungen sind übertrieben und 



2. 



») PoMTow Jahrb. f. Phil. 1883 S. 305 ff. 
nnd Gabafanos a. a. 0. Vgl. Robbst Herrn. 
XVIII 466 ff. 

2) Gabapavos S. 75 PI. 36 

») S. 75 PL XXXVI n. 1. 

*) S. 80 PI. XXXVIII. 

») S. 73 PI. XXXV n. 1. 

•) S. 79 PI. XXXVII D. 8. 

') Bull, de corr. XIV 80 ff. 

^) Aus Magnesia Ksas Beitr. z. griech. 



Relig. n. Philos. 
Ine. II 248. 



S. 80 ff. Aus Anaphe GIG 



•) Vgl. Herod. VII 141. 

^^) Vbbcoutbb La m^decine sacerdotale 
dans Tantiqn. grecque, Rev. archöol. Paris 
1885 III 6, 273 und 7, 106 ff. Fbibdlaenpbb 
Sittengesch.' III 536. 

»0 Paus. II 27, 2 f. Strab. VIII 374. 

>«) Ephem. arch. 1883 S. 197 ff., 1885 
S. 1 ff., 85 f., V. WiLAMowiTZ Herrn. XIX 
448 ff. Zaohbb Herrn. XXI 467 ff. Dibls in 
Nord und Süd Bd. 44 S. 29 ff. Jahresber. 
der klass. Altertumswiss. 1890 S. 285 ff. 



70 



Die grieohisohen EnltusaltertfUner. 



ausgeschmückt, die meisten erlogen. Die religiösen Zeremonien und die 
Vorbereitungen zur Inkubation werden von den Priestern vorgenommen, 
die Operationen selbst von den heilkundigen Asklepiaden, also Ärzten, 
ausgeführt. Die Träume werden natürlich den Priestern mitgeteilt; in 
späterer Zeit erhalten die Kranken daraufhin ärztliche Anweisungen und 
Verordnungen, und die Euren sind dann auch nicht mehr so wunderbar; 
die völlige Heilung findet nicht mehr in der Inkubationsnacht selbst statt, 
sondern die Behandlung dauert längere Zeit, und wiederholt geben neue 
Träume die neu anzuwendenden Mittel an. Eine ziemlich umfangreiche 
Inschrift aus Hadrianischer Zeit schildert uns eine solche Heilung in ihrem 
ganzen Verlauf, und zwar keine ganz unsinnige Wunderkur, wie wir sie 
ausser in den erwähnten Inschriften bei Aelius Aristides zur Genüge be- 
schrieben finden.^) Der geheilt Entlassene bekennt dankerfüllt, dass alle 
ihm im Traum verordneten Mittel trefflich gewirkt und seine Gesundheit 
wiederhergestellt haben. Die Honorare waren oft sehr bedeutend, und 
der Gott wusste dafür zu sorgen, dass er nicht darum betrogen ward.^) 
Ähnlicher Heiligtümer gab es sehr viele in Griechenland. ') Nächst 
dem epidaurischen waren die angesehensten das zu Trikka in Thessalien, 
das zu Kos und besonders das pergamenische. Auch Traumorakel 
anderer Gottheiten^) werden erwähnt, die ebenfalls von Kranken konsul- 
tiert wurden, aber sicherlich nur lokale Bedeutung gehabt haben. ^) 
Dann gab es aber auch Traumorakel, an die man sich mit andern An- 
liegen wandte. Ein solches war das des Amphiaraos zu Theben, wo 
einst der Seher von der Erde verschlungen sein sollte;^) später (um 420 
etwa) wurde es nach Oropos verlegt.') Kroisos*) und Mardonios®) 
Hessen es befragen, und Hypereides ^^) erwähnt einen Fall, wo ein im 
Tempel schlafender Bürger Offenbarungen über die Zugehörigkeit eines 
strittigen Stück Landes, das neben dem Tempelbezirk lag, abwarten 
musste. Philostratos ^^) beschreibt uns die Vorbereitungen und Bräuche, 
denen sich die Orakelbesucher zu unterziehen hatten. Vor der Inkubation 
mussten sie dem Amphiaraos einen Widder opfern und auf dem Felle 
schlafend das Traumgesicht erwarten. ^>) Aus einer in Oropos gefundenen 
Inschrift ^^) erfahren wir, dass in dem Schlafraum die Männer und Weiber 
gesondert östlich und westlich von dem Altar lagen. >^) In Thalamai in 
Lakonien hatte Pasiphae einen Tempel, ^^) in dem auch die spartanischen 
Ephoren Traumofifenbarungen empfingen, und noch einige andere werden 



») ▼. WiLAMowiTz Isyllos 116 ff. Vgl. 
auch das io Ariatophanes Plutoa geschilderte 
Verfahren. 

>) Paus. X 88, 1 Q. DiBLB a. a. 0. 34 f. 

>) Vgl. ScHOBMAim a. a. 0. 832 ff., G. 
Ebügbr Theologumena Pansaniae, Leipzig 
1860 p. 46, Vebcoutbe Revue archäol. VII 
(1886) 22 ff. 106 ff. RoscHEB Myth. Lex. 
S. 626 f. 

*) Wohl auch nur chthonischer (vgl. 
V. WiLAMowiTz Isyllos 96): Dionysos, Hades 
und Persephone. 

^) Paus. X 88, 5. Strab. XIV 649 f. 

'j Pbellbb Oropos und das Amphia- 



reion, Ber. d. Kgl. sAchs. Ges. d. Wiss. 1852 
8. 168 ff. DüBBBACH De Oropo et Amphia- 
rai sacro 1890. 

DiTTBNBEBGBB Ind. loct. Hai. 1888/89 
IV ff. 

8) Herod. I 46. 

•) Herod. VIII 184. 

>o) Pro Euxenipp. XXVII f. 

»') Vite Apoll. T. 11 87. 

") Strab. VI 284. Tzetz. Lykophr. 427. 
Verg. Aen. III 870. Rohde Psyche 174 ff. 

") IGSept I 285; bald nach 887 v. Chr. 

") V. WILAMOWITZ Herrn. XXI 91 ff. 

'») Plut. Kleom, 7. Vgl. Paus. HI 26, L 



d. Enltnabeamte (§ 51.) 



71 



uns genannt. — Eigentümlich und vielleicht einzig in seiner Art war 
das Orakel des Trophonios in Lebadeia in Boiotien, das uns Pausanias, 
der es selbst besucht hat, sehr ausführlich beschreibt.^) Schon mehrere 
Tage ehe der Fragende zu dem eigentlichen Orakel zugelassen wurde, 
musste er Opfertiere darbringen, deren Eingeweide ein fudvTig unter- 
suchte; am Abend vorher wurde ein Widder geschlachtet, dessen Blut 
man in eine Grube hinabströmen liess. Fiel auch dies Opfer günstig 
aus, so trank der Betreffende aus den Quellen des Yergessens und der 
Erinnerung und wurde, mit einem linnenen Gewand angethan, nach 
der Orakelstatte geführt. Aus einer gemauerten Vertiefung stieg er 
durch eine Öffnung auf einer Leiter in einen noch tiefer gelegenen 
Raum, legte sich auf den Boden, schob die Füsse durch ein Loch und 
wurde darauf schnell und gewaltsam in das innere Adyton hinabgerissen. 
Hier sah er allerlei wunderbare Erscheinungen, auch Tiere und Schlangen, 
denen er mitgebrachte Honigkuchen vorwarf, mancher vernahm auch eine 
Stimme, und mit den Füssen voran wurde er durch dieselbe Öffnung, 
durch die er gekommen war, auch wieder nach oben gezogen. Die 
Priester fragten dann den halb Bewusstlosen, was er gesehen und gehört 
habe. Auch dies Orakel entbehrte nicht des Ansehns ; Eroisos beschickte 
es, wie alle andern berühmten griechischen Orakel,^) und im nächsten 
Jahrhundert befragte es Mardonios,^) ja es scheint sich ganz besonders 
lange erhalten zu haben. ^) 

61. Es bleiben uns noch übrig die Totenorakel (vexQü^avtsta, 
ipvxofAovtsTa^ tpvxonofiTvsTa.) «) — Eine Andeutung oder Spur davon schon 
in der Odyssee zu erblicken sind wir nicht berechtigt. Lobeok^) hat 
ganz recht, dass Odysseus nicht selbst hätte in die Unterwelt hinab- 
zusteigen brauchen, wenn er ein Totenorakel hätte befragen können. 
Ein Totenorakel des Teiresias, von dem wir hören,®) scheint von den 
erwähnten Traumorakeln nicht sehr verschieden gewesen zu sein. Be- 
kannter ist ein thesprotisches bei Eichyros,^) das Periandros einmal be- 
fragt haben soU,^^) und eines zu Herakleia am Pontes, an das sich König 
Pausanias wandte, '^) sodann eines am Vorgebirge Tainaron in Lakonien,^^) 
wo es auch einen Eingang zur Unterwelt geben sollte. ^') Am bedeutend- 
sten von allen war vielleicht das Totenorakel am Avernischen See bei 
Kumae, wo Priester nach allerlei Gebeten und Opfern die gewünschte 
Seele zitierten, die dann auch Rede stand, i*) — Dass ausserdem Geister- 
beschwörer überall den Abergläubischen die Seelen Verstorbener herbei- 
zuführen vermochten, bedarf kaum der Erwähnung. 



SoBOBMANN a. a. 0. 335 f. 

») IX 39. Bull, de corr. XIV 30 ff. 
IGSepi I 3055. Rohdb Psyche 112 A. 2. 

») Herod. I 46. 

*) Herod. Vlfl 134. 

*) Flut. De def. or. 5. Vgl. Schoemaitk 
Gr. A. II 340. 

«) NiTzsoH z. Od. III 152. RoHDS Psyche 
198. 



') Agl. 316. 
») Plut. De def. or. 44. 
«) Paus. IX 30, 3; I 17, 5. 
>o) Herod. V 92. 
»') Plut. Kim. 6. 
") Plut. De sera s. num. vind 
1«) Paus. HI 25, 4. 
") Strab. V 244. Diod. IV 22. 
Tyr. 26. 



17. 



Max. 



72 



Die griechischen KaltuBaltertAmer. 



3. Kultushandlungen, 
a. Das Gebet. 

Litteratur: £. y. Labaülz Studien des klass. Altt. 137 ff. Hcbiiann G. A. § 21. 
ScHOKHANN Gr. Altt." II 257 ff. Naegelsbach Hom. Theol. 185 ff., Nachh. Theol. 212 ff. 
L. Schmidt Ethik der Griechen II 30 ff. Dabrmbebo et Saguo Dictionnaire u. adoratio I 
80 ff. (mit vielen Abbildungen). VoüiLLiiMS Qnomodo veteres adoraverint, Hall. Dias. 1887 
(Über die Geberden der Betenden). E. Sittl Die Geberden der Griechen und Römer, Leipz. 
1890 S. 174 ff. 0. Grdppe Die griech. Kulte u. Mythen, Leipzig 1887 1 559 ff. 

52. . Das Gebet spricht eine Bitte aus oder einen Dank für irgend 
etwas Gutes, das man empfangen hat, oder es ist eine zur Formel ge- 
wordene Äusserung, mit der man gottesdienstliehe Handlungen begleitet. 
Die Bittgebete sind die häufigsten, und sie werden vorzugsweise, fast 
ausschliesslich, durch den allgemeinsten Ausdruck für Gebet: svxrj be- 
zeichnet. *) Eine Danksagung oder vielleicht richtiger Lobpreisung heisst 
^naivog.^) — In den homerischen Gedichten finden sich Dankgebete 
kaum ; ^) beim Opfer wird von den Frauen der herkömmliche Ruf (oXo- 
XvYfiog) ausgestossen, oder der Gott wird durch Gesänge gefeiert;*) hat 
man zu danken, so knüpft sich wohl auch daran gleich wieder eine Bitte. ^) 
Die Bittgebete selbst haben etwas Formelhaftes, was sich nicht nur in 
dem so häufig wiederkehrenden«) „Wenn doch Vater Zeus und Athene 
und Apollon* zeigt, sondern auch in ernstlich gemeinten Gebeten.') 
Innigkeit, das Bestreben, den Gott zu rühren, der Ausdruck des Ver- 
trauens und der getrösteten Hoffnung findet sich nirgends; statt dessen 
überall der möglichst ausführliche^) Anruf des Gottes, oftmals eine Er- 
innerung an die stets reichlich dargebrachten Opfer, ^) die kurze be- 
stimmte Bitte und zum Schluss bisweilen ein Gelübde für den Fall der 
Erhörung. ^^) Die Götter sind ein Bild des Menschen : herzliche Dankesworte 
für geleistete Hilfe hätten damals keinen befriedigt, und die Aussicht nur 
darauf schwerlich einen zum Helfen veranlasst; hätte jemand seine Bitte 
aber nicht mit einer ehrfurchtsvollen Anrede, die Ahnen und Würden 
des Gebotenen gebührend berücksichtigte, beginnen wollen, so wäre ihm 
dies sehr verdacht worden. Mit dieser Vorstellung von den Göttern 
hängt zusammen, dass man laut betete. ^ Auch später behalten die Ge- 
bete etwas wenn nicht Formelhaftes, so doch Offizielles, wie man nament- 
lich auch aus Aristophanes ersehen kann.^*) Freilich würde eine andere 
Zeit, wenn sie nur Fragmente unserer gedruckten Gebete überkommen 
hätte, über diese auch nicht viel anders urteilen, und dass auch die Hel- 
lenen anders beten konnten, zeigt das Gebet des Sokrates, >^) das des 
Chors in Aischylos Agamemnon (160 ff.) und manches andere.^*) 



') Fiat. Leg. Vü 801, vgl. 415 B. 

«) Ariatoph. Plut 745. Xen. Symp. IV 49. 

') Chavtefib de LA Saussate Relgesch. 
II 93. 

*) J 472 ff. 

*) J 451 ff., y 356 ff. 

•) B 371, J 288, H 132, JI 97, 17 811, 
ff 235, 0) 376. 

') Vgl. das xXv»l (ABv Ä 37, p 262, <f 
762. 

8) JI 233 ff., A 451 ff., r 275 f., A 37 ff, 



Z 305 H 202. 

») 372 "ff., <f 763 f., q 240 ff, A 39 f., 
e 338 ff. 

»0) z 308 f., V 358 f. 

>0 H 195, Z 305 ff. 

13) Vgl. Lysistr. 833, wo der Anklang 
an Homer jedenfalls absichtlich ist, Nub. 
563 ff., Thesm. 1136 ff., Equ. 551 ff. 

") Xen. Mem. I 3, 2. 

»*) Vgl. [Plat.] Alkib. II 143 A, 148 C 
und die Chöre in Aisch. Hik. 



8. Knltashandlimgeii. (§ 52.) 



73 



Ohne Gebet pflegte man keine wichtigere Handlung zu beginnen.*) 
Der Redner rief die Götter an,«) die Volksversammlungen und Gerichts- 
verhandlungen wurden mit Gebet eröffnet, die Festfeiern damit einge- 
leitet,») 

An welche Gottheit man sich in seinem Gebet wandte, hing zumeist 
davon ab, worum man bat, denn die Machtsphären und Wirkungskreise 
der Götter waren verschieden, und nicht von jedem war die Erfüllung 
einer bestimmten Bitte zu erwarten. Sehr oft aber bestimmte auch die 
Nähe eines Heiligtums, des Meeres (/ 182 f.) oder irgend ein zufalliges 
Begegnis den Betenden, diese oder jene Gottheit anzurufen;^) bisweilen 
muss erst ein Orakel^) oder ein Seher ^) Auskunft geben, an welchen 
der Himmlischen man sich zu wenden habe. Vor dem Gebet pflegte 
man sich die Hände zu waschen^) oder auch reine Kleider anzulegen,^) 
häufig bekränzte man sich oder nahm Zweige in die Hand, die man 
mit Wolle zu umwinden pflegte. •) Das Gesicht wandte man nach der 
Richtung, in der man die Gottheit vermutete, *<^) im Tempel also nach 
dem Götterbilde.") Wer zu den obern Gottheiten betete, erhob Blick 
(H 178) und Hände zum Himmel,") die innern Handflächen nach aussen, 
also von sich selbst abgewendet i*) (Taf. IV Fig. 1), wie überhaupt alle 
Flehenden thaten ; >^) einem Altar oder Götterbilde gegenüberstehend 
pflegte man jedoch nur die rechte Hand mit gespreizten Fingern i*) zu 
erheben (Taf. IV Fig. 2; Taf. I Fig. 2); betete man zu Meeresgottheiten, 
so streckte man die Hände der sich vor einem ausbreitenden Fläche ent- 
gegen, *^) wenigstens wenn man von da die Hilfe erwartete;*') bei An- 
rufung der unterirdischen kniete oder setzte man sich auf den Boden und 
stemmte die Hände auf die Erde*®) oder stampfte wohl auch mit dem 
Fusse, **) um die Aufmerksamkeit des Gottes zu erregen. Sonst war das 



l 



») Hes. Erg. 3S9. 

«) Demosth. XVIII Anf. Lykurg. Leokr. 



Xen. Anab. V 6, 3. 

») Xen. Oikon. VI 1. Antiphon VI 45. 
Arrian De venat. 34. — L. Schmidt Ethik 
II 31 f. 

*) Vgl. L. Schmidt Ethik II 34 f. 

») Xen. Anab. III 1, 6. 

•) Theophr. Char. 16. 

') ß 261, n 230. 

•) & 750, Q 48. 

») Flut. Thes. 18. Schol. Aristoph. Flut. 
383. Über d. Bedentang der Wolle im Kul- 
tns DiXLS Sib. Bl. 69 A. 2. 

»ö) e 364, «P 143. Herod. IX 61. Eur. 
Phoin. 1364, 1372. 

") Herod. I 81. Vitruv. IV 11. 

") X^k^f vnuat Flut. Philop. et Tit. 2. 
— E 174, Z 257, H 130, ß 301, t 294, r 
355. Bakchjl. JX 100 ff. Aisch. Sept. 156. 
Eur. El. 592. Conzb Arch. Jahrb. I 12. Arch. 
Anz. 1890 S. 164 f. Femer, auch f. d. Folg. 
zu Tgl. SiTTL Verh. der Fbilologenversamml. 
in Zflrieh 1888 S. 50 ff., und besonders Voül- 
xiEMB a. a. 0. 18 ff., 24 ff. 



") Aristoph. Ekkles. 781 ff. Eur. Hei. 
1095. Dabbmbero u. Saolio Dict. a. a. 0. 
FüBTWABNGLBB Arch. Jahrb. I 218. Zu der 
hier abgebildeten Gemme vgl. aber Hbydb- 
MANN Arch. Jahrb. lÜ 149. Übrigens ist 
wahrscheinlich zu unterscheiden zwischen 
den Geberden Betender und Gelobender. Diese 
erheben den Oberarm nur ein wenig, der 
Unterarm ist halb in die Höbe, halb nach 
vom gestreckt, die Hand dem Götterbilde 
oder Altare zugewendet. (Nach Voulliemb 
18 ff.) 

»♦) Aisch. From. 1004. Curt. VI 6, 34. 
Heliod. IX 5. Petron. XVII 114. 

»*) Fhilostr. Apoll. Tyan. V 28 Kayser. 
V. Sohnbidbb die Erzstatue vom Helenen- 
berge, Wien 1893 S. 14. 

»•) A 351 Find. Ol. I 71, VT 58 f. Verg. 
Aen. V 233 und mehr bei Voulliäme 24. 

'') Vgl. Od. i 527. 

") I 568 ff. Hymn. in Apoll. 333 (155 
Baum.). Bakchyl. V 42. Vgl. Aisch. Fers. 
674 ff. S 272. Macrob. Sat. III 9. 

»•) Cic. Tusc. n 55. Vgl. Faus. VllI 
15, 3. 



74 



Die grieohisohen EiiltitBalterittmer. 



Niederwerfen oder Niederknieen selten,*) nur Schutzflehende*) und Ver- 
zweifelte^) thun es; in der Regel betete man stehend und mit unbe- 
decktem Haupte.*) Auch war es üblich, Götterbildern oder Heiligtümern 
im Vorbeigehen durch Zuwerfen einer Kusshand seine Verehrung zu be- 
zeugen {TiQOifxvveTv).^) 

68. Zu den Gebeten gehören auch die im Kultus eine so grosse 
Rolle spielenden Hymnen,«) die je nach den Gelegenheiten, bei denen 
sie vorgetragen, oder nach den Göttern, denen sie gesungen wurden, 
verschiedene Namen hatten, nqoffodia heissen die Prozessionslieder, die 
man auf dem Wege zum Tempel zu singen pflegte, vnoqxqiiata Lieder, 
die mit entsprechenden Bewegungen des Körpers, also einer Art Tanz 
begleitet wurden. Am häufigsten wird der Paian erwähnt, ein Name, 
der ursprünglich ein dem ApoUon und der Artemis heiliges Lied bezeichnet, 
dann aber auch auf Lieder, die beim Trinkgelage vorgetragen wurden,') 
und vor allem auf Schlachtgesänge ausgedehnt wird.«) Der itd-vqa^ißog^ 
ursprünglich ein bei Dionysosfesten gesungenes Kultlied, bezeichnete 
später auch andere in freieren Rhythmen sich bewegende Gesänge. lovXoq 
ist ein Lied für Demeter, die Spenderin voller Garben, ovmyyog für Ar- 
temis^) u. s. w. Wahrscheinlich besass jeder Tempel seine besonderen 
Hymnen, die nicht bloss altertümliche Texte gehabt haben werden, sondern 
auch ihre bestimmten Melodien {v6/xoi),^^) Begleitet wurden die Gesänge 
namentlich mit Kitharaspiel, das vor allem im apollinischen Kultus üblich 
war, und mit der Flöte, die wiederum im Dionysoskult beliebt war. Die 
Ausbildung von Chören zum Hymnengesang war daher eine religiöse Ver- 
pflichtung des Staates, und die (S. 49) besprochene Inschrift aus Stra- 
tonikeia * ») zeigt uns, welche Sorgfalt darauf verwendet wurde. Erhalten 
ist uns von Gesängen dieser Art namentlich das vor nicht langer Zeit 
aufgefundene Prozessionslied des Isyllos von Epidauros auf ApoUon und 
Asklepios") und mehrere delphische Hymnen mit begleitender Noten- 
schrift;") ausserdem nur noch weniges;^*) denn die orphischen und home- 
rischen Hymnen sind nicht liturgische Gesänge, ^^) und der Hymnos des 
Philosophen Klean thes auf Zeus ^^) ist eine Art Mustergebet, das praktisch 
nie zur Verwendung kam. 



^) Theophr. Ghar. 16, aber auch die 
Reliefs bei v. Stbbl Katalog der Skulpturen 
n. 342 u. 1108 und Müllbb-Wiesbleb Taf. 
62 n. 794. 

«) Thuk. I 24. 136. 

«) II. X 221. Aisch. Sept. 185. 95. Soph. 
El. 453. Eur. Hei. 64. 

<) n 231, ^ 194, y 185. Find. Nem. V 
19. Herod. I 31. Plut. Quaest. Rom. 10. Vgl. 
Mabquabdt Rom. Alt. IV 468. Voulli^mb 
a. a. 0. 7 f. SiTTL a. a. 0. 177. 

') Luk. De salUt. 17. Apul. Apol. p. 301. 
Vgl. Böttiger Eunstmythol. 1 52. Voulliehe 
11. Abbildung bei Sobbbibeb Eulturhist. Atl. 
XIV 3. 

•) Plat. Leg. III 700. Prokl. bei Phot. 
Bibl. 985 Hoesch. Vgl. Hom. hvmn. in Apoll. 
149. Paus. X 7, 2. 

7) Xen. Symp. II 1. 



8) Xen. HeU. 11 4, 17j IV 2, 19. Vgl. 
Thuk. VI 32. 

») Athen. XFV 619 B. 

»0) Vgl. Aristot. Pol. V (VIII) 7 p. 1341b. 
Plut. De mus. 6. 

»i) CIG 2715. 

'") V. WiLAMowiTz Isyllos 13 ff. 

»») Bull, de corr. XVII 611 ff., XIX 393 ff. 
Dibls Ber. der Berl. Akad. 1896 S. 457 ff. 
Gbusius Philol. Suppl. 1894. 

*^) Semos aus Dolos bei Athen. XIV 622. 
Kaibbl Epigr. gr. 1025—1032. Vgl. Welokbr 
Opusc. II 271. Weniobb D. Kolleg, der 16 
Frauen Progr. Weimar 1883 S. 8. 

^*) Rbisch De music. Graec. certamin. 
Wien 1885 S. 3. Baumbistbb Proleg. zu den 
hom. Hymn. 102 f. 

") Frgm. phil. Gr. ed. Müllach 1 151. 



8. KuliiuihMidlimgen. (§ 53—54.) 



75 



b. Der Flueh. 

Litteratur: Hbbmamn G. A.' § 22 Anf., cf. § 9. Schobmann Gr. A.> II 265 ff. 
y. Laaaüul Studien des klass. Altt. 159 ff. Nabgblsbach Nachhom. Tbeol. 350 f. L. Schmidt 
Ethik I 83 ff. Newton Die griech. Inscbriften, übers. ▼. Imblmann 83 ff., 90 f. R. Wünsch 
CIA Tabellae defixiomim att. 1897. Wbssblt Papyri magicae 1893. Zibbarth Herrn. XXX 
56 ff. Bbbnh. Schmidt Jahrb. f. Phil. 1891 S. 561 ff., 1893 S. 369 ff. Kühnbrt Rhein. 
Mus. 1894 S. 37 ff. Kroll Sammlung v. Virchow n. v. Holtzbndobff 1897 Nr. 278. 

54. Ein Gebet ist auch der Fluch (agä, xaxaQa^ inaQci), >) Man fleht 
von den Göttern Strafe oder Vernichtung auf das Haupt eines Feindes 
oder Übelthäters herab, und zwar unbedingt, wenn die That, derentwegen 
der Betreffende verwünscht wird, bereits begangen ist, oder bedingt, d. h. 
also für den Fall, dass jemand eine solche That sich zu Schulden kommen 
lassen würde; man weiht ihn den Unterirdischen.^) Diese Verwünschungen 
können von einzelnen oder von ganzen Gemeinden und Staaten ausge- 
sprochen werden. In Athen fluchte ein Priester aus dem Geschlecht der 
Buzygen dem, der einem andern die einfachsten Dienste der Nächsten- 
liebe versagen oder einen Toten unbeerdigt liegen lassen würde, ^) der 
Herold in seinem Gebet vor Eröffnung der Volksversammlung den Vater- 
landsverrätern,^) und ähnliche Beispiele finden sich in anderen Staaten.^) 
Wie hier die Drohungen gegen etwaige Verletzer der natürlichen Men- 
schenrechte oder der bestehenden Gesetze gerichtet werden, so spricht 
man Verwünschungen auch gegen Übelthäter aus, deren man nicht hab- 
haft werden kann. So wurde Alkibiades feierlich von den Eumolpiden 
verflucht,«) und als er wieder ins Vaterland zurückkehrt, wird von Prie- 
stern und Priesterinnen ebenso feierlich der Fluch zurückgenommen 
{aifoai(ov^fivai)J) Wer die Asylie des Bakchosheiligtums in Tralles nicht 
achtet, soll verflucht sein,^) desgleichen wer die heiligen Fische der 
Atergatis in Smyrna antastet,^) und andere Inschriften lehren uns, wie 
die Androhung des Fluches nicht nur das Heiligtum der Götter schützt, 
sondern zum Straf mittel wird.*^) Auch Korporationen binden ihre Mit- 
glieder durch die äqd,^^) Ungleich häufiger waren die Verwünschungen, 
mit denen beleidigte oder geschädigte Privatpersonen ihre Feinde ver- 
folgten. Um den Fluch wirksamer zu machen, grub man ihn in Form 
einer Dedikation in ein Täf eichen, meist aus Blei, ^>) das man dann in 
der Wohnung des Verfluchten vergrub oder an einer den unterirdischen 
Gottheiten geweihten Stätte verbarg, i^) Vor einer Beihe von Jahren hatte 



>) Ob man z. B. q 494 ff. als Gebet oder 
Fluch bezeichnen sollte, wäre schwer zu ent- 
scheiden. Der Ausdruck äqay aQdc&ai kann 
eben auch beides bedeuten. Vgl. x ^^2, B 
297 ff. Soph. Ai. 392. [Plat.] Alk. II p. 143A. 

*) Darum Apoll. Rhod. IV 1662 das 
Purpurgewand. Vgl. S. 43. 

') Diphil. bei Athen. VI 35 p. 238. Schol. 
Soph. Ant. 255. Plat. Leg. 881 D. Bernats 
Ber. der Berl. Akad. 1876 S. 604 ff. Töpffbb 
Att. Gen. 139. 

*) Isokr. IV 42 § 157. Cf. Aristoph. 
Thesmoph. 877, 865. Plut. Arist. 10, Demosth. 
XVIII 130, XXill 97. ScHOBMANN De comit. 
p. 92g. c IX. BusoLT Griech. Staatsaltt. 171. 



V. WiLAMOwiTz Arist. u. Athen I 348 ff. 
») IGA 381. CIG 3044, 3059, 2691. Dit- 

TENBBRGBR Sjll. 364. 

«) Diod. XIII 69. Max. Tyr. XII 6. Snid. 
u. EvfjtoXni&M. 

7) Plut. Alk. 22 u. 33. [Lys.] VI 51 p. 252. 

8) CIG 2919. 

») DiTTBNBBRGBR Syll. 364. 

1«) Inschr. ans Teos IGA 497. Ditten- 
berger Syll. 349. Ziebarth a. a. 0. ö8 ff. 

<>) CIA II 609. DiTTENBBBOBR Syll. 360 
ZI. 31 ff. aas Chios. 

»*) Wbssblt Pap. mag. 62. Wünsch 
Tab. defix. att. praef. II f. 

>') CIG 5773. 



76 



Die grieohisohen Ealinsaltertttiiier. 



Newton eine Anzahl solcher Täfelchen in einem der Demeter, Persephone 
und dem Hades heiligen Bezirk in Enidos gefunden und veröffentlicht ^ 
kürzlich hat R. Wünsch weit über hundert in Athen erworben und 
die Inschriften zusammen mit den bereits bekannten herausgegeben, <) 
Die gewöhnlichsten Formen der Verfluchung sind xaraSw Ttjv yXwttav 
X€i^Q<xg noiaq etc. xov detva oder *^^/i^ xäroxe xatexs ^gävag, yXCkTav etc. 
Auch Kinder und Verwandte, Vermögen, Werkstatt, Laden, Werke und 
Worte der Feinde werden verwünscht. Ausser Hermes Chthonios, De- 
meter und Persephone werden Hades (102 b), Hekate (105 ff.), die Erinyen 
(108 b) und andere Götter der Unterwelt, auch X^öviot ndvreg (99) an- 
gerufen. Bisweilen ist die Schrift absichtlich entstellt, sei es durch An- 
wendung eines ungebräuchlichen Alphabets, sei es auf andere Weise, 
offenbar, damit der Verfluchte, falls ihm das Täfelchen in die Hand fiele, 
nicht erkenne, worum es sich handelt, und etwa durch Zerstörung der 
Tafel den Zauber unwirksam mache. Nur selten wird der Qrund der Ver- 
wünschung: Diebstahl, Untreue, Verleumdung, angegeben; aber auch wenn 
solche Bemerkungen fehlen (wie namentlich bei den athenischen Stücken) 
lässt sich aus dem Umstand, dass besonders häufig xdTvrjXoi, daneben auch 
oft avviixoi und av%n]yoQoi verflucht . werden, mutmassen, was den Hass 
hervorgerufen hat. Es ist vielleicht nicht selten vorgekommen, dass die 
Furcht vor Erfüllung des Fluches die Übelthäter veranlasste, Genugthuung 
zu leisten.') Noch häufiger sind Verwünschungen, die zunächst nicht 
gegen bestimmte Personen gerichtet sind, sondern gegen solche, die etwa 
des Vergehens sich schuldig machen würden. Weitaus die meisten davon 
bedrohen die Verletzer von Gräbern. Man pflegte die Täfelchen, darauf 
sie eingezeichnet waren, den Verstorbenen mit ins Grab zu legen. Den 
Göttern der Unterwelt, heisst es auch hier, soll der Grabschänder ver- 
fallen sein, und alles mögliche Unheil ihn treffen.*) Besonders zahlreich 
sind die Beispiele von Verwünschungen gegen solche, die es wagen sollten, 
in dem Erbbegräbnis einer bestimmten Familie ihre Toten zu bestatten.') 
Auch Behörden, denen dann dafür eine Summe Geldes zur Verfügung 
gestellt wird, werden angerufen, die Schuldigen zu verfolgen,«) dem An- 
geber ein Teil der Strafsumme zugesichert,^) und Erben ihrer Erbschaft 
für verlustig erklärt, falls sie nicht für den Frieden des Grabes sorgten.^) 
Ein anderer Usus der Verfluchung, der namentlich dann Anwendung 
fand, wenn eine ganze Gemeinde gekränkt worden war, ist die Auf- 
schichtung von Steinhaufen an Kreuzwegen. Es war dies ein Symbol, 
dass der Missethäter eigentlich die Steinigung verdient habe und dem 
Hermes Chthonios geweiht werde ; denn der Steinigungstod scheint in 



*) History of Discoveries II 2 S. 720 if. 

') CIA Defixionuin tabellae Atticae 1897. 

«) CIG 3442. 

*) CIG 916. IG Sic. et It. 634, 2324, 
1901 etc. RoHDE Psyche 630 ff. 

^) S. die Inschr. in d. Reisen im sw. 
KLAs. V. Bbhndoef etc., Wien 1889, z. B. 
Bd. II 27. Hebebdey n. Wilhulx Denkschr. 
der Wien. Akad. d Wiss. 1896 S. 54 ff. nr. 



123 f 128. 

•j CIG 2826. Athen. Mitt. XVI 198 f. 

'') Lykische Inschr. Athen. Mitt. XVI 
358 f. 

^) GIG. 2824. Waohsmüth Rhein. Mus. 
N. F. XVIII 560 ff. JoH. Merkel Sepnlkral- 
multen. G. Hirsohfblp Eönigsberger Stnd. 
I 85 ff. 



3. Kiiltiulhanditiiigen. (§ 55.) 



77 



alter Zeit in der That die Strafe der Verfluchten gewesen zu sein.^) 
Jeder Vorübergehende aber warf bei dem Fluchmal einen neuen Stein ab.*) 

55. Ich schliesse hier einige kurze Bemerkungen über Beschwörungen 
und Zauberei an. 

In homerischer Zeit ist von beidem kaum die Rede. Durch Be- 
sprechungen {inaoiiai) stillt man das aus der Wimde fliessende Blut 
(r 457), und dankbar empföngt man die (fccQfiaxa aus der Hand derer, 
welchen die Götter es verliehen haben, die den Kräutern innewohnende 
Kraft zu erkennen (<f 220 flf.). Wo die Grenze zwischen natürlicher Heil- 
kraft und Wunder oder Zaubermittel ist, weiss das kindliche Zeitalter 
noch weniger zu unterscheiden als ein heute noch nicht ausgestorbener 
ähnlicher Aberglaube. Wenn Machaon auf Menelaos' (J 218 ff.), oder 
Paieon auf Hades' {E 401) und Ares' (E 900) Wunde schmerzstillende 
(paQfjiaxa streut, so erscheint der Erfolg kaum weniger wunderbar als die 
Wirkung von Helenas aigyptischem Zauberkraut {S 219 ff.), das den davon 
Geniessenden augenblicklich allen Kummer vergessen lässt, oder die des 
[ÄfoXv (x 305), das den Odysseus fest macht gegen die Zauberkünste der 
Kirke. Die Verwandlung aber seiner Gefährten und ihre Rückverwand- 
lung ist eben ein Märchen wie viele andere der Odyssee, einem Kinde 
glaublich wie die Geschichte vom Schlauch des Aiolos, den Rindern des 
Helios, dem Meergreis Proteus oder der Verwandlung des Helden selbst 
durch Athena. Auch in späterer Zeit bleibt es ziemlich allgemeine An- 
sicht, dass man durch Beschwörungen und Zauberformeln andern Schaden 
zufügen könne.*) Es ist dies nur eine Form der Verfluchung; wie bei 
dieser ruft man die unterirdischen Gottheiten an, den Feind zu ver- 
derben, und Medeia legt bei ihrem unheimlichen Werk ein Purpurgewand 
an wie die Eumolpiden, als sie Alkibiades verwünschen.^) Dann finden 
wir Beschwörer und Zauberer, die mit dem Anspruch auftreten, eine 
Kunst zu besitzen, vermöge deren sie die Götter veranlassen, ja zwingen 
könnten, 5) Orakel zu geben, vermöge deren sie Geister zitieren,«) 
Steine reden lassen,') den Mond vom Himmel holen,®) Liebe einflössen,') 
von Krankheiten befreien oder sie herbeiführen könnten. i<>) Grösseren 
Umfang gewann dieser Aberglaube erst, als die Daimonenlehre sich 
immer mehr verbreitete, und namentlich auch der Glaube an den bösen 
Blick und an Schutzmassregeln dagegen allgemeiner wurde; ^^) immer 



*) IL r57. Istros bei Harpokr. 180,21. 
Eur. Andr. 1 128. Mehr bei B. Schmidt Jahrb. 
f. Phil. 1893 S. 369 ff. 

*) Schmidt hat 8. 385 flp. gezeigt, wie 
das Abwerfen der Steine an den Hermaia 
bald als eine. Ehre, eine Art Opfergabe für 
Hermes empfunden wurde. So erkl&rt sich 
auch der sonderbare Brauch der Megarer, 
beim Opfer des Tereus statt der Gerste Steine 
zu werfen (Paus. I 41, 8). 

») Vgl. Plat. Leg. XI 933 E. 

*) Apoll. Rhod. IV 1662. 

») Eur. Ion. 375. Kallim. Hymn. in Del. 
89. Plat. Rep. II 364 C. 



•) Vgl. C. DiLTHKY Rhein. Mus. N. F. 
XXVII 375 ff. 

') Orph. Lith. 355 ff. 

8) Aristoph. Nub. 748. 

») Schol. Demosth. XIX 281 p. 431. 

">) Hippokr. De morbo sacr. p. 14 f. 
Diez. Plut. Quaest. symp. V 17. Vgl. Lobeok 
Agl. 221 ff. Iw. V. Müller Hdb.« IV 203 f. 
Haeseb Gesch. der Medizin I 433 ff. 

••) Vgl. 0. Jahn Ber. der Sachs. Ges. 
der Wisssch. 1855 S. 28 ff. Dabembbbo et 
Saolio Dict. Bd. I unter amuletum. Die- 
tbbich Abraxas, Leipz. 1891 S, 137 ff. 



78 



Die grieohisohen KnltaBaltertfliner. 



aber gaben sich vorzugsweise Ausländer mit der Ausübung solcher 
Künste ab.») 

c. Der Eid. 

Litteratur: Hebmann Gottesdienetl. Altt.« § 22. Schoemank Gr. Altt* II 267 ff. 
V. Lasaulx Stud. des klass. Alt. 177 ff. Nabgslsbach Hom. Theol. 103 ff. Nachhom. Theol. 
241 ff. L. Schmidt Ethik I 88 ff., II 3 ff. F. DOmhlbb Delphica, Baseler Universitftts- 
progr. 1894. 

56. Auch der Eid ist ein Gebet oder ein Fluch, eine Verwünschung, 
in der der Schwörende für den Fall eines Meineids die Strafe oder das 
Verderben auf sich selbst herabruft.*) — Der griechische Ausdruck ogxog 
bezeichnet nicht nur den Schwur selbst, sondern auch die Sache, bei 
der man schwört,^) und drittens den über den Eiden wachenden und 
die Meineide rächenden Gott.*) Der Schwörende setzt irgend einen ihm 
teuren Gegenstand gleichsam als Pfand dafür ein, dass er die Wahrheit 
sage, und ruft die Götter an, ihm diesen zu rauben, falls er lüge. Ge- 
wöhnlich ist es das eigene Leben und Glück und die Wohlfahrt der An- 
gehörigen, die auf das Spiel gesetzt werden soll,'') oft ein andrer Besitz,*) 
bei einem Eid der Könige z. B. das Scepter,^) besonders häufig ein solcher, 
an dessen Genuss man sich gerade erfreut.®) Auch der Handschlag be- 
deutet nichts anderes; man setzt den wertvollen Körperteil zum Pfände 
ein.^) Angerufen werden entweder die Götter i. a. oder eine beschränkte 
Anzahl. Besonders häufig ist die Dreizahl, ^®) die sich aus den verschiedensten 
Gottheiten zusammensetzt. Wird eine grössere Reihe genannt, so nimmt 
Hestia die erste Stelle ein,*^) sehr oft wird nur ein Gott angerufen.* 2) 
Natürlich setzte sich im Laufe der Zeit bei regelmässig sich wiederholenden 
Vereidigungen bestimmter Beamten auch eine bestimmte Form des Schwures 
fest, die man dann in dem gegebenen Fall ausschliesslich anwandte,*^) 
und ebenso hatten verschiedene Orte und Staaten Götter, bei denen sie 
vorzugsweise schwuren, z. B. Pellene die Artemis Soteira,**) Elis den Heros 
Sosipolis.*«) Thukydides (V 18) spricht geradezu von einem imxdQioq oQxog. 

Die Pythagoreer, die es mit dem Eide besonders ernst nahmen, 
vermieden, den Namen der Götter dabei anzurufen, >^) und andere bedienten 
sich bei Beteuerungen im privaten Leben der sonderbaren Form, beim 
Hunde, bei der Gans oder ähnlichen Dingen zu schwören, wie dies ja 
namentlich von Sokrates bekannt ist, und die Sage nannte Rhadamanthys 



') Demosth. XIX 281 p. 431. 

2) n. r 264 f. Lys. XII 10 p. 121. Polyb. 
IX 40, 6. Meuss Jahrb. f. Pbil. 1889 S. 450. 
RoHDE Psyche 60 f., 244 A. 2. 

«) Z. B. Archilocbos Frgin. 94. 

*) Hes. Theog. 400, 785. Babr. Fab. L 
18. Find. Nem. XI 31. Vgl. Pyth. IV 166. 

*) Flut. Quaest. rom. 44, Lyk. Leokr. 
79. Lys. XII 10 p. 121. Antiph. V 11 p. 130. 
Demostb. XXIII 67 f. p. 642. Sopb. Trach. 
1189. 

«) II. A 233. Aisch. Sept. 510. 

') K 321, 328. 

») Od. r 304. 

») K. SiTTL Wocbenschr. f. klass. Phil. 
1888 S. 49 f. 



10) Vgl. schon T 258 f. Beisp. s. namentl. 
bei V. Lasaulx a. a. 0. 179. 

^0 IC} Sic. et It. 7. Inschr. aus Dreros 
in Kreta im Mus. Ital. III 657. Vgl. Prbuner 
Hestia- Vesta 13. 

^*) In den Komödien des Aristophanes, 
die das attische Volksleben in so vieler Hin- 
sicht am treusten widerspiegeln, am häufig- 
sten Poseidon. 

»«) Poll. Vin 122. Schol. Aischin. I 19 
§ 144, Deinarch. I 47 p. 96. 

") Fans. VII 27. 1. 

•*) Faus. VI 20, 2. Mehr Beisp. bei Her- 
KAKN G. A. 22 A. 9. 

") Laert. Diog. VIII 22. Jamblich. V. P. 
150 vgl. § 144. RoHDE Rhein. Mus. XXVII 46. 



8. Kultnahandlniigen. (§ 56.) 



79 



alß den Erfinder und Lehrer dieser Sitte. ^ — Wollte man dem Eid eine 
besondere Feierlichkeit geben, so legte man ihn an einem geheiligten Orte 
ab, wo man der Nähe der Gottheit gewisser war.^) Man begab sich in ein 
if^ov') oder zu einem Altar, den man anfasste^) oder auch bestieg, wenn 
er gross war,^) und gewiss wusste die. Legende dann von Beispielen zu 
berichten, wo die Strafe der Gottheit den Meineidigen ereilt hatte. Bis- 
weilen wurden bei den Eidleistungen Opfertiere geschlachtet, die der 
Schwörende berührte, und deren Fleisch, weil das Tier verflucht war, ganz 
vernichtet wurde; gewöhnlich aber begnügte man sich mit dem Ausgiessen 
einer Spende. Das Opfer hat hier eine symbolische Bedeutung: der 
Schwörende erklärt, falls er die Unwahrheit sage, selber das Schicksal 
des Tieres erleiden zu wollen und die Vernichtung auf sein eigenes Haupt 
herabzurufen, •) oder dass sein Blut vergossen werden solle, wie der rote 
Wein, den die Erde schlürfte.') Denselben Sinn hatten auch andere sym- 
bolische Handlungen, wie d«s Versenken eines schweren Gegenstandes in 
das Meer.«) In besonders schwierigen und peinlichen Fällen erbot man 
sich wohl auch, sich einem Gottesurteil zu unterziehen, glühendes Metall 
in die Hand zunehmen, durch Feuer zugehen,^) Ochsenblut zu trinken ^^) 
oder sich andern Gefahren auszusetzen ;^i) wie Theseus der Aufforderung 
des Minos folgt und zum Beweise, dass er ein Sohn Poseidons sei, sich 
unbedenklich ins Meer stürzt, um den Ring aus der Tiefe zu holen. '^) 
Bei dem Flusse der Unterwelt, der Styx, schwören nur Götter, und dieser 
Eid, wie der ähnliche bei den Titanen dort unten im Tartaros {S 279), 
bedeutet auch nichts anderes, als dass der Gott sich für den Fall, dass 
er falsch schwöre, den Tod anwünscht, und die Strafe, die der Sage nach 
über einen meineidigen, doch unsterblichen Gott verhängt wird,**) kommt 
dem Tode am nächsten. 

Die Zahl der geforderten und geleisteten Eide war erstaunlich gross. 
Nicht nur dass Archonten, **) Strategen,") Hellanodiken*«) und alle anderen 
Beamten") in Athen und anderswo*«) schwören mussten, die Gesetze zu 
beobachten, dass die grosse Menge der jährlich erlosten Geschworenen 
einen Eid ablegen musste,*^) dass alle Bürger sich eidlich zum Gehorsam 
gegen die Gesetze verpflichteten, «<>) auch jeder Kläger und jeder Verklagte 
hatte vor Gericht einen oder mehrere Eide zu leisten.«») Es ist unter 



>) Schol. Aristopb. Av. 521. 

«) Paus. II 2, 1. Vlir 15, 2. 

•) Plat. Protag. 328 C. 

*) Andok. I p. 126. Lyk. Leokr. 7 § 20. 
Thuk. V 50. 

») Kret. Inschr. Mus. Ital. III S. 575 
ZI. 26. 

•) Andok. 1 17 p. 126. Aisch. 1 16 § 114. 
[Demosth.] L1X 10 p. 1348. 

») Vgl. II. r 300 f. 

•) Herod. I 165. Arist. Ath. Pol. 23. 
Plut. Arist 25. 

') Soph. Ant. 264 ff. und Schol. dazu. 

»«) Paus. VII 25, 8. Dümmlbr a. a. 0. 

") Prellbr Polemon 126 ff. 

") Bakchyl. XVIII 76 ff. 



'») Hes. Theog. 792 ff. 

") PoU. VIII 86. Plat Phaidr. p, 235. 
Plut. Sol. 25. 

") Lys. IX 15. Deinarch. III 2 p. 108. 

'•) Paus. V 24, 2. 

") Lykurg. Leokr. § 79. Arist Ath. 
Pol. 31 u. 55. 

>*) Xen. Resp. Lac. XV 7. Plut Pyrrh. 5. 

'») Plat Apol. 24. Vgl. M. Frankbl 
Herrn. Xlll 452 ff. 

»«) Xen. Mem. IV 4, 16. Vgl. Lys. XII 
47 p. 127. 

*') BusoLT Hdb. IV* 224. Schobmann Gr. 
Altt.» II 276. Schobmann-Mbier* Att. Pro- 
zess 152 ff., 825 ff., 898 ff. Philippi Areop. 
u. Ephet 87 ff. 



80 



Die grieohiBohen KnltnBaltertOmer. 



diesen Umständen gar nicht fraglich, dass die Zahl der geschworenen Mein- 
eide sehr beträchtlich war. ^) Dazu kam, dass das Gesetz den Meineid nicht 
bestrafte; das überliess man den Göttern. Mit Segenswünschen für die, 
die den Eid halten würden, und Flüchen gegen die Meineidigen schliesst eine 
Inschrift aus Itanos in Kreta, ^) und in andern flehen die Schwörenden 
selber um gutes, wenn sie recht schwören, um schlimmes, wenn sie einen 
falschen Eid leisten.*) So wirksam die Furcht vor der Gottheit bei den 
Frommen und Redlichen gewesen sein mag, und so zahlreich die Äusse- 
rungen des Absehens vor dem falschen Schwur und des Glaubens an die 
göttliche Gerechtigkeit und Rache auch sind,^) so finden wir doch von 
Homer an das ganze Altertum hindurch auch Zeugnisse dafür, dass sehr 
viele sich über jene Bedenken hinwegsetzten. Dem Autolykos hat Hermes 
selber die Kunst verliehen, so geschickt zu schwören, dass er betrog, ohne 
die buchstäbliche Wahrheit zu verletzen,*) und Lysandros scheute sich 
nicht, offen auszusprechen, Knaben müsse man mit Würfeln, Männer mit 
Eiden betrügen.«) Auch hier wird die Klugheit darin bestanden haben, 
sich der Rache der Unterirdischen nur unter Bedingungen zu geloben, die 
in Wirklichkeit nicht zutrafen.') Die schlaue Lüge des Odysseus ergötzt 
die kluge Göttin höchlich,») und fast rührend ist es, wie der gutmütige 
Sauhirt den schweifenden Bettler vom Eidschwur zurückhalten will und 
gern geneigt ist, dem Elenden auch den Meineid zu verzeihen.^) Ja «man 
darf zweifeln, ob die Griechen eine sittliche Verfehlung in dem Meineid 
überhaupt fanden und empfanden ".i®) Wer es wagte, die Mächte der Fin- 
sternis herauszufordern, spielte ja mit seinem eigenen Heil. Jedenfalls sind 
Vorstellungen und Urteil in homerischer Zeit noch völlig befangen und 
ungeklärt. Der Dichter, also die Sprache, nennt die Schwüre des Auto- 
lykos nicht Meineide, ebensowenig den Schwur der Hera,^*) der, dem Wort- 
laut nach ebenfalls zutreffend und unanfechtbar, doch Zeus in der Haupt- 
sache täuscht, wogegen Hektor, als er dem Dolon verspricht, kein anderer 
solle mit den Rossen des Peliden prunken, imogxov sTiaifioae {K 332), wäh- 
rend doch die selbstverständliche Voraussetzung ist: wenn man das Ge- 
spann überhaupt erbeute, und Dolon dann noch am Leben sei. Allerdings 
sollen die frommen Athener auch über den Eid strenger gedacht haben. ^^) 

d. Die Welhgesehenke. 

Hauptquellen: Die Inschriften bei Bobckh Staatsh.' II 134 ff. Anthologie Buch VL 
Pausanias. — Litteratur: Sohoehann Gr. A.' II 218 ff. Hermann G. A.' § 20. Cubtius 
Nachr. der Egl. Ges. d. Wissensch., Göttingen 1861 n. 21. Newton D. gr. Inschr. übers, 
y. Imblmann 79 ff. Guktius Deutsche Rundschau 43 (1885) S. 192 ff. über den Zehnten, 
Bottiches Tekt. IV 26 ff. Ziehann De anathem. Graec. Königsberg 1885. Rbisch Griech. 
Weihgeschenke Wien 1890. 



') Lys. X 11 p. 117. Isai. IX 19. [De- 
mosth.] XLIX 66 f. p. 1204, LIX 10 p. 1348. 
Aristoph. Ran. 275. Plat. Leg. XII 948 E. 

*) Mus. Ital. III 564. 

») Bull, de corr. XIX 8 A ZI. 15 ff., IOC 
ZI. 3 ff. IGSept. III 1 nr. 98 ZI. 19 f. 

*) r 278, J 158 ff Xen. Anab. II 5, 7. 
Vgl. Schmidt Ethik H 3 ff. 

») Od. T 457. 



^) Plut. Lys. 8, Apophthegm. Lac. Lys. 
4 p. 229 C. Mehr bei L. Schmidt Ethik II 5 ff. 

^) Vgl. Verg. Aen. II 155 ff. 

8) Od. y 291 ff 

») Od. I 361 ff., 171. 

10) RoHDE Psyche 60. 

1') 36 ff. ^ 

") Suid. u. 'jTTiinj nlaris. Vgl. Meuss 
Jahrb. f. Phil. 1889 S. 461. 



8. Kaltnshandlangeii. (§ 57.) 



81 



57. Wir haben bereits bei der Behandlung der Eultusstätten gesehen, 
wie grosse Reichtümer und wie wertvolle Kunstgegenstände einzelne 
Tempel besassen. Waren die herrlichsten Weihgeschenke, die ganz Griechen- 
land oder ein einzelnes Volk gestiftet hatte, nationale Denkmäler, Zierde, 
Stolz und Ruhm des Vaterlandes, so war es doch auch schon von den 
frühesten Zeiten an Sitte, dass der einzelne, um sich die Götter geneigt 
zu machen, ihnen Gaben darbrachte. Die Weihgeschenke sind gewiss 
ebenso alt wie die Opfer und haben ursprünglich nur den Sinn und Zweck, 
die Götter zu erfreuen, ihre Gunst zu sichern oder ihren Zorn zu be- 
sänftigen. Man gibt das, woran man sich selbst erfreut und was man für 
einen wertvollen Besitz achtet, tt 185 verspricht Telemachos dem Odysseus, 
den er für einen Gott hält, Opfer und xqvcea Swga, Z 303 trägt Hekabe 
ein kostbares Gewand in den Tempel der Athena, y 274 bringt Klytaimestra 
reiche Dankopfer auf den Altären dar und weiht ausserdem noXXd ayaX- 
liaza^^) Gewebe und Gold, K 362 (571) eignet Odysseus die Waffen Dolens 
der Athena zu, H 82 verspricht Hektor, mit der Rüstung des besiegten Geg- 
ners den Tempel Apollons zu schmücken, und die Gefährten des Odysseus 
geloben dem Helios zur Sühne für ihren Frevel einen Tempel, in den sie 
aydX^axa noXXd xai iad-Xd legen wollen (/i 346 f.). Man sieht, es sind 
dieselben Gaben, die man geehrten Fremden als Gastgeschenke mitzugeben 
pflegt, der Sitte folgend und mit dem Wunsche, sie sich als Freunde 
zu erhalten. Je nach den Gebern waren denn auch die Gegenstände, die 
man den Göttern darbrachte, von der verschiedensten Art und dem ver- 
schiedensten Wert. Polykrates weihte^) dem ApoUon von Dolos die ganze 
Insel Rheneia und verband zum Zeichen der Zusammengehörigkeit beide 
Inseln durch eine Kette;') die Athener bauten zum Dank für einen Sieg 
eine Halle in Delphoi;-^) nach dem Siege bei Plataiai weihten alle Hellenen 
in Delphoi einen riesigen goldenen Dreifuss, der sich auf einer aus bron- 
zenen Schlangenleibern gebildeten hohen Säule erhob, die sich noch heute 
im Hippodrom zu Konstantinopel befindet'^) (Taf. HI Fig. 3), und in 
Olympia eine Kolossalstatue des Zeus.^) Nach der Schlacht bei Salamis 
wurde ebenfalls ein Kolossalbild zu Delphoi aufgestellt,^) wie nach dem 
Siege von Marathon das Erzbild der Athena Promachos auf der Burg 
von Athen,^) und auch die in Olympia wieder aufgefundene Nike des 
Paionios ist ein Weihgeschenk der Messenier und Naupaktier, hergestellt 
von dem Zehnten der Kriegsbeute.^) Der Säbel des Mardonios und der 
silberfüssige Sessel, auf dem Xerxes während der Schlacht bei Salamis 



1) Später bedeutet ayaXfAa in der Regel 
Götterbild, Weihgeschenke heissen dya9ij- 
uara, 

«) «Ve^x« Thuk. I 13, 6) III 104, 2. 

•) Vgl. Wbibkb Jahrb. f. Phil. 1888 
S. 555 f. 

«) KoLDBWBT Athen. Mitt. IX 264 fF. 

^) Herod. IX 81. Paus. X 13, 3. Vgl. 
Fbiok Jahrb. f. Phil. Suppl. III 485 flf. und 
Bd. 85 1862 S. 441 ff. IGA 70. Fabricius 
Arch. Jahrb. I 176 ff. mit rekonstruierender 
AbbUdung. 

Handbach der klaas. AltertnmswiBseDachaft. Y, S. 



•) Herod. IX 81. 

') Herod. VllI 121. 

«) Paus. I 28, 2. 

•) Olympia V 259. Ober das Gegen- 
stück in Delphoi Pomtow Jahrb. f. Phil. 1896 
S. 505 ff. Über die Sitte, den Zehnten zu 
weihen £. Cdbtiüs Dts. Rundschau Bd. 43 
(1885) S. 192 ff. S. Herod. VII 132 und Dit- 
tbitbebgbr Observ. de Herod. loco etc. Ind. 
lect. Halle 1890. Herod. VIII 122. Xen. Hell. 
III 3, 1. 



2 Aufl. 



6 



82 



Die grieohisohen Knltnsaltortllmer. 



fiass, befanden sich einst unter den Weihgeschenken auf der Akropolis,0 
und der Helm, den Hieron nach seinem Siege über die Tyrrhener 474 
dem olympischen Zeus weihte, ist noch heute erhalten.*) Nach der 
Schlacht errichtete der Bieger regelmässig ein tqonaiov. Ein Baum 
wurde seiner Zweige beraubt, und am Stamm und den stärkeren Ästen 
erbeutete Waffen aufgehängt. Es sollte das nicht nur Dank und Ehre für 
die Gottheit sein, man hoffte durch die fromme Weihegabe eine Befleckung 
durch den Besitz, den man den Getöteten vom Leibe gezogen hatte, zu 
verhüten und der Rache ihrer Seelen zu entgehen. >) Nebenbei ver- 
höhnte man den Feind durch die Herstellung des bewaffneten Popanzes. 
Das Denkmal seiner Schmach zu zerstören, wagte der Unterlegene wohl 
selten, aus Furcht vor der Gottheit, der es geweiht war.^) Aber auch 
sonst ist das Weihen von Waffenstücken, wie Panzern,*) Helmen,^) 
Schilden^) und Lanzenspitzen ^) nicht ungewöhnlich. Die Tarentiner 
scheinen einmal den zehnten Teil aller Waffen, die sie von den Thuriern 
erbeutet hatten, nach Olympia gesandt zu haben. ^) Nach einem Seesieg 
weihten die Athener dem Poseidon ein erobertes Schiff, *•) ein andermal 
dreihundert vollständige Rüstungen, ^0 der siegreiche Brasidas stiftete Geld 
in den Tempel der Athena und vergrösserte den heiligen Bezirk,^*) einen 
kolossalen Stier aus Bronze stellten die Eretrier dem Zeus in Olympia 
auf.^') Sehr häufig sind die Weihungen von Statuen und zwar nicht nur 
zum Dank, sondern als eine Art Sühnopfer, um erzürnte Götter wieder zu 
versöhnen. ^^) So stiften die Lakedaimonier auf Anordnung des delphischen 
Orakels nach dem Tode und der wenig ehrenvollen Bestattung des Königs 
Pausanias,^*) die Athener nach der Ermordung der Kyloniden,i«) die Ar- 
geier nach einem Blutbade, das bei einem Bürgerzwist angerichtet worden 
war,^^) Statuen, die Messenier, nachdem eine Theorie von 35 Knaben, einem 
Pädagogen und einem Flötenbläser im Schiffbruch untergegangen war, 
Erzbilder aller Verunglückten nach Olympia, >^) und die athenischen Ar- 
chonten schwören, wenn sie ein Gesetz überb*eten sollten, ein goldenes 
Bild nach Delphoi zu weihen.^^) In solchen Fällen scheint die Statue ein 
Symbol des eigenen Leibes zu sein, der, wie man durch die Weihung be- 
kennt, eigentlich den Göttern verfallen ist. (Geweihte Statuen Taf. HI Fig. 
1 — 2.) Viel zahlreicher, wenn auch natürlich meist weniger wertvoll, waren 
die Weihgeschenke einzelner. Ein mächtiger König wie Kroisos freilich 
vermochte auch hierin ganze Staaten zu überbieten, und namentlich Delphoi 



') Demostb. XXIV 129 p. 741. Paus. I 
27, 1. Schol. Thuk. II 13. 

<) Im Brit. Mus. IGA 510. 

') BsNifDOBF bei Tocilesco Monument v. 
Adamklissi 127 ff. 

*) Vitruv. II 8, 15. 

6) z. B. CIA II 667. 

•) Olympia V 696. 

») Olympia V 251. Herod. VIII 27. Paus. 
X 19, 3 Aischin. III 70 p. 116. 

•) Olympia V 2-47. Cürtius Arch. Ztg. 
VIII (1876) 181 f. — Taf. III Fig. 4. 

•) Lanzenspitzen Olympia V 254 — 256. 
Journ. of Hell. Stud. Taf. 11, vgl. Bd. II 65 f. 



>«) Thuk. II 84. 

") Thuk. III 114. 

») Thuk. IV 116. 

'») Olympia V 248. Paus. V 27, 9. 

**) Vgl. CuRTiDS Altert, u. Gegenw. II 
145. 

»*) Thuk. I 184. Paus. III 17, 9. 

*•) Paus. I 28, 1. 

^') Paus. II 20, 1. Anderes Beisp. Justin. 
XX 2. 

»«) Paus. V 25, 1. 

'») Arist. Ath. Pol. 7 u. 55. Plat. Phaidr. 
285 D. 



8. KiiltiiBhandlniig«n. (§ 57.) 



83 



war von ihm mit überreichen Schätzen bedacht Worden, >) Seleukos 11. 
und Antiochos Hierax beschenkten den Tempel des didymaiischen Apollon 
bei Milet ebenfalls aufs reichste,') und Masinissa schenkte 3000 Scheffel 
numidischen Weizen nach Delos.*) Den bei weitem häufigsten Anlass 
aber zu Darbringungen gaben die Feste, die bei jedem bedeutenderen 
Heiligtum jährlich oder in längeren Zwischenräumen gefeiert wurden. In 
Dolos war die Zahl der sonst einkommenden Geschenke, wie die Schatz- 
verzeichnisse lehren, verschwindend klein gegenüber der Menge, die bei 
Gelegenheit der Feste den Tempeln zugewandt wurde. So war es überall 
ganz gewöhnlich, dass Sieger in Wettspielen dem Gott ein Geschenk 
weihten,*) oft einen Teil des Wertes*) oder die errungenen Preise selbst. 
Da diese sehr oft in .Dreifüssen bestanden, ist unter den Weihgeschenken 
auch kaum ein Gegenstand häufiger. In Athen hatte eine Strasse ihren 
Namen von den Dreifüssen erhalten, die der Peribolos des nahen Dionysos- 
tempels nicht mehr zu fassen vermochte, und die deshalb auf der Strasse 
aufgestellt werden mussten.«) Auch die Kränze, welche Sieger als Ehren- 
preis erhielten, hing man in den Tempeln der Götter auf.'') Wer in den 
grossen Nationalspielen einen Sieg errungen hatte, stiftete zuweilen seine 
Statue oder ein Bild der Pferde, deren Schnelligkeit er den Erfolg ver- 
dankte.^) Aber auch sonst fehlte es im Leben des einzelnen nicht an 
Veranlassungen, sich dem Gott bittend oder dankend mit einem Geschenk 
zu nahen. Infolge von Traumerscheinungen,*) von reichlichem Gewinn 
oder nach der Errettung aus einer Gefahr ^^) pflegte man eine Gabe dar- 
zubringen; so Eaufleute,^^) Bergwerksbesitzer,'') Fischer,'^) Landleute, die 
eine gute Ernte gemacht hatten,^*) Schiffer nach gefahrvoller Fahrt, ^*) 
und besonders auch Kranke nach ihrer Genesung.'^) Diese weihten in der 
Regel dem Asklepios eine Abbildung des geheilten Gliedes.'^) In dem 
berühmten Heiligtum des Gottes auf Kos soll Hippokrates seine medizi- 
nischen Studien gemacht haben, und in Delphoi zeigte man ein Skelett aus 
Erz, das der gefeierte Arzt dorthin gestiftet haben sollte. ^^) Aber auch 
der Handwerker durfte seine Werkzeuge, mit denen er sich das tägliche 
Brot verdiente, der Musiker sein Instrument, der Maler seinen Pinsel, der 



') Herod. I 50 flF., 92; V 36; VIII 35. 
Bakchyl. III 61 ff. 

>) CIG 2852—2859 Verzeichnisse der 
j&hrlich dem Tempel vermachten Weihge- 
schenke. 

3) y. SoBÖFFEB Berl. Sind. IX 134 f. 

*) Ephem. arch. 1894 S. 194. 

») Bull, de corr. III 146 f. 
' ') WiBSBLBR Abh. der Götting. Ges. d. 
Wiss. Xy 303 ff. Reisch Weibgeschenke 63 ff. 

») Xen. Hell. III 4, 18. Vgl. Herod. 1 144. 

«) Paus. VI 6 etc. 

*) Inschr. aus d. tanrischen Cheraones 
Lattschew Sitzungsber. der Berl. Akad. d. 
Wies. 1885 S. 315. Fbanz Ephem. epigr. gr. 
S. 835. 8. Rbinagh Trait^ d'^pigr. gr. 384. 
Labfkld Hdb. I' 593. 

") CIA III 1427, 1474. 

") Herod. IV 152. 



") Paus. X 12, 2. 

^») Paus. X 9, 2. 

**) CIG 139, und über anagxal von allen 
Ernten Dittenbebger Syll. 13, Herod. IV 33 
und mehr bei Sauppe Att. et Eleus. im Ind. 
lect., Göttingen 1880/81 S. 6. 

»») Diog. Laert. VI 59. Vgl. Archäol. 
Unters, auf Samothr. II 110. Athen. Mitt. 
XVI 191 ff. Cic. De nat. deor. Ill 37. 

") CIA III 1453 ff. Strab. VIII 374, 
XIV 657. 

»») CIG 1570b, Köhleb Athen. Mitt. II 
(1877) 253 f. Bull, de corr. TI 419 ff. CIA 
II 766 f. IGSept. I 303, 3498. Athen. Mitt. 
XVin 235 ff. Doch auch andern Göttern: 
vgl. die Abbildung Taf. III Fig. 5 und CIA 
II 408 f. 

»*) Paus. X 2, 4. 



6« 



84 IHe grieohiaohen Kaltiwaltertfliiier. 

Ackersmann seinen Pflug, der Jäger die Haut oder das Geweih des erlegten 
Wildes weihen.') Noch m^r: Zum Dank, dass ihm das Kraftfitück ge- 
lungen, setzt ein gewisser Bybon aus Euboia auf den gewaltigen Feld- 
stein, den er mit einer Hand über Manneshöhe geschleudert hat, eine 
Inschrift, die seine That verkündet, und stiftet ihn nach Olympia.') Auch 
Kleidungsstücke brachte man den Göttern dar, und namentlich der Tempel 
der brauronischen Artemis, in dem man Gewänder von Wöchnerinnen nieder- 
legte, die den Geburtswehen erlegen waren, ^) muss voll davon gewesen 
sein.*) Jungfrauen weihten ihren Gürtel bei der Vermählung,*) Jüng- 
linge beim Eintritt in das Mannesalter ihr Haar,^) ebenso Mädchen vor 
der Hochzeit^) und Frauen nach der Genesung.^) Die meisten Weih- 
geschenke aber bestanden in Statuen,^) goldenen und silbernen Opfer- 
geräten, Kränzen, '<>) Schmucksachen, Lampen, Figuren und anderen Kunst- 
werken. Im Jahr 180 v. Chr. befanden sich in Dolos allein im ApoUon- 
tempel 1600 silberne und goldene Schalen, teils glatte, teils mit Reliefs 
und Steinen geschmückte. Eine von den goldenen Schalen hatte einen 
Metallwert von über 2000 Drachmen (1600 M.). Der Artemistempel be- 
sass 266 Trinkge^se, darunter einen Mischkrug von vierzig Kilogramm 
Silber. Zwei goldene Weinkannen von je vier Kilogramm hatten einen 
Metallwert von 10—11,000 Mark. Dazu kamen Becher, Kränze, Ringe, 
Halsbänder, Dreifüsse, Lampen u. a.> *) Unter dem Inventar des Amphiaraos- 
tempels in Oropos finden wir'*) eine silberne Triere, ein Geschenk des 
Königs Seleukos, silberne Heroldstäbe, kretische Bogen und viele andere 
zum Teil seltene Kostbarkeiten aufgeführt. ^^) So wird mancher Tempel 
einem modernen Museum nicht unähnlich gewesen sein^^) und im Laufe 
der Jahrhunderte nicht bloss das Interesse des Neugierigen gereizt, son- 
dern auch dem Studium des Künstlers und Altertumsforschers reiches 
Material geboten haben. 

Dass man wie sein Gebet oder sein Opfer, so auch sein Weih- 
geschenk dem Gotte darbrachte, dessen Hilfe man begehrte, oder dem 
man seinen Dank zu schulden glaubte, ist selbstverständlich; ebenso, 
dass die berühmten und grossen Heiligtümer unendlich viel reichere 



Beispiele Anthologie VI. Flut. Quaest. ^) Fans. 1111,6. Die aasftthrlichste 

rom. 4. Schol. Aristoph. Flut. 948. Vgl. Ar- , Zusammenstellung von Haarweihen, nament- 

rian De venat. 38 u. Darbhbbbo Dict. I 168. lieh für Zeus Panemeros, Bull, de oorr. XII 

*) IGA 870. Jahrb. f. Phil. 1891 S. 557. | 481 flF. Über die ursprüngliche Bedeutung 

•) Eur. Iph. T. 1464 flF. ■ desHaaropfersF. DOmmleb Philol. 1897 8.6f. 

♦) CIA II 751-765. BoECKH Staateh.« ") Pao«. X 16, 7. CIA IH 1422 AT. Kuh- 

II 283 f. Michaelis Parthenon 307 S. Si- ' »«»t Jahrb. f. Phil. Suppl. XIV 267. Abbil- 

byllenorakel bei Diels Sib. Bl. 113 ZI. 31 f. . düngen Taf. III Fig. 1-2. 

Hippokr. De morbo sacr. II 528 Kühn. v. , ") Dittenbergeb Syll. 367. 

FELD Dts. Rdsch. Okt. 1884 S. 107 ff. 



WiLAMOWiTZ Eur. Hippel. 193. Böttichrb 
Philol. XVIII 17 ff. Studniczka Altgriech. 
Tracht 136. 

*) Paus. II 33, 1. 

•) Aisch. Cho. 6 mit der Anm. von Wi- 
LAMOWITZ S. 153. 

') Wblcker Gr. Götterl. I 576, Wie- 
SBLER Philol. 1854 S. 712 ff. v. Wilamowitz 
£ur. Hippel. 24 f. 



'>) IGSept. I add. 3498 ZI. 82. 

»•) Vgl. Keil Herm. XXV 616 ff. 

»*) Vgl. Jacobs Verm. Schrr. IH 469 ff. 
CuRTius Altert, u. Gegenwart* 1 99. A. Mohm- 
8 BN Bürsian's Jahresbericht 1888 S. 851. 
Altert, aus Pergamnm VIII 1 S. 41 ff. 



8. KnltuBhandlnngen. (§ 58—59.) 



85 



Schätze besassen als die kleinen und unbedeutenden. Der Tempel des 
Zeus zu Olympia oder der des ApoUon zu Delphoi vermochte die Menge 
der Weihgeschenke nicht zu fassen, und da man natürlich nicht jeden 
Gegenstand in dem Peribolos frei aufstellen konnte, musste man eigene 
Schatzhäuser (x^rjaavQoC) in der Nähe der Tempel errichten, wo dann 
alles untergebracht wurde. ^) In Olympia z. B. gab es Schatzhäuser von 
Syrakus, Epidamnus, Byzanz, Sybaris, Selinus, Kyrene, Metapont u. a.*) 

58. Ausser diesen Weihgeschenken besassen manche Tempel heilige 
Herden {Isqd ßoaxi^fiaza), in deren Besitz sie auf ähnliche Art gelangt 
sein werden. >) Diese wurden auf den zu den Tempeln gehörigen Ländereien 
geweidet und an den Festen der Gottheit zu den Opfern verwandt, aber 
auch gleich den Tempelgütem verpachtet.*) In den Artemisheiligtümern 
wurde namentlich auch Wild gepflegt.^) Dies war natürlich nicht zum 
Opfer bestimmt, sondern wurde der Göttin zur Freude unterhalten,«) wie 
man der Hera in Argos heilige Pferde hielt. '^) Auch sonst wurden in 
den Heiligtümern mancher Götter Tiere gepflegt, die für ihre Lieblinge 
galten,») z. B. Hähne,») Pfauen und Perlhühner, lo) Schlangen, »0 Mäuse.»«) 
Eine attische Inschrift»') zählt geweihte Gefasse auf, die man aus dem 
Erlös für die Wolle heiliger Schafe angeschafft hat. Der Apollontempel 
in Delos besass Gänse, Rebhühner, Turteltauben, deren Eier man ver- 
kaufte.»*) Die Tauben waren so zahlreich^ dass auch die Einnahmen für 
den Mist in den Tempelrechnungen verzeichnet wurden.»^) Auch heilige 
Fische werden öfters erwähnt,»«) und sie zu schonen wird aufs nach- 
drücklichste eingeschärft;»^) ebenso waren die Schildkröten in der Nähe 
eines Heiligtums des Pan in Arkadien dem Gotte heilig und durften nicht 
verletzt werden.»«) 

59. Schliesslich wurden auch Menschen den Göttern geweiht,»*) 
In alter Zeit mag es mitunter vorgekommen sein, dass hier und da einer 
der Geweihten der Gottheit als Opfer fiel,*<>) sonst wurden sie Tempel- 
sklaven.'») In älterer Zeit sollen ganze Scharen solcher den Göttern Ge- 
weihter ausgesandt worden sein, um irgendwo eine Kolonie zu gründen,**) 



>) Herod. I 14, 51; ITI57; IV 162. Paus. 
VI 19, 1; X 11, 1 flF. BörncHBB Tekt. IV 
18flf. 

*) D6BPFBLD Olympia II 46 ff. 

») Paus. X 85, 4. Babr. Fab. 37. Herod. 
IX 98. Diod IV 80. CIA II 816-818. Bull, 
de corr. VI! 429, XVHI 264. Vgl. Diod. IV 
18, XIV 116, XVI 27. Plut. LucuU. 10. Polyb. 
IV 19, 4. 

*) Wbschbb Mömoires pr^sentös . . k 
racadämie des inscriptions, Sörie I tom. VIII 
(1869) 54 f. 

») Paus. X 85, 4. Xen. Anab. V 8, 9. 

•) Paus. VIII 10, 4. 

') Diod. IV 15. 

•) BöTTioHBR Tekt. IV 88. 

») Aristot. bei Athen. IX 891 D. 

'•) Athen. XIV 655A. 

>') Ael. De nat. an. XI 2. 



>>) Ebenda XII 5. 

») CIA II 816. 

»*) Bull, de corr. XIV 392 ZI. 36 f. VI 
20 ZI. 158. 

^») Bull, de corr. XIV 895 ZI. 41. 

") Paus. VII 22, 2. Diod. V 8; XXXIV 
9. Vgl. Aelian De nat. an. XI I 80. Dibts- 
EiOH Aberkios 40 f. 

17) DiTTBNBEBOBB Syll. 864. 

»8) Paus. VIII 54, 5. 

»») Vgl. Eurip. Ion 827. Soph. Trach. 
184. Plut. Thes. 16. 

") Tzetz. zu Lykophr. 1141. Vgl. Polyb. 
XII 5. Strab. XIII 601. 

'*) Inschr. aus Epidauros bei Collitz- 
Bbohtbl 8345. Mehrere Inschrr. aus Chai- 
roneia IGSept. I 8384 ff. 

") Herod. VII 182. 



86 



Die griechischen Knltiuialtertttmer. 



wie die Magneten in Asien,') die Dryoper in Asine,^) die Rheginer in 
Italien. 3) 

Dass Jungfrauen der besseren Stände der Aphrodite ihre Keuschheit 
weihten und sich in ihren Heiligtümern preisgaben, kam nur in asiatischen 
Tempeln häufiger vor, in Griechenland war es auch an den Orten, wo der 
orientalische Kult der Göttin starken Einfluss geübt hatte, eine sehr seltene 
Ausnahme. Am berühmtesten wegen seiner (über tausend) Hierodulen 
war der TempSl der Aphrodite in Korinth,*) in kappadokischen Heilig- 
tümern war ihre Zahl noch bedeutend grösser.-'^) 

e. Die Opfer. 

Litteratur: Schobhann Gr. Altert.' II 221 ff. HsEXAim Gott. Altert.* § 24—28. 
Naeoblsbaoh Hom. Theol. 304 ff. Nachhom. Theol. 194 ff. L. Schmidt Ethik der Griechen 
II 40 ff. 0. ScHviDT Die Opfer in der Jahvereligion mnd im Polytheismufl, Hall. Disser- 
tation 1877. BöcKH Staatshaushaltang* I 267 ff. Sixt Eorrespondenzblatt f. d. gelehrten 
Schulen Würtemb. 40, 289 ff. 

60. In Piatons Zeit fasste man die Opfer als eine Art von Weih- 
geschenken auf.^) Auch von dem, was der Mensch nur flüchtig genoss, 
sollte die Gottheit, der er den Qenuss verdankte, einen Anteil empfangen. 
Das ist schwerlich die ursprüngliche Absicht der Opfernden gewesen. Eher 
könnte sie die Furcht vor den Übermächtigen getrieben haben, die eifer- 
süchtig auf die Sterblichen herabsahen, ihnen den Qenuss missgönnten; 
oder das Gefühl, es sei ein Raub, die von der Natur dargebotenen Früchte 
zu verzehren, und unerlaubt, einem Tier das Leben zu nehmen, und die 
Gewaltigen, die über allem herrschten, müssten.nun durch eine Abgabe 
versöhnt werden. Andere wollen in Opfergaben von Anfang an nur ein 
Zeichen der Ehrfurcht vor der Gottheit erkennen oder gar das Bedürfnis, 
sich der Gemeinschaft mit den Göttern immer wieder bewusst zu werden 
und zu versichern.^) Es werden sich diese Fragen, die übrigens mehr 
Religion und Kultus der Menschheit angehn als der Griechen, allgemein 
überzeugend nie beantworten lassen, ja es ist gar nicht ausgemacht, ob 
nicht von Anbeginn sowohl das Bestreben, den strafenden Zorn einer Gott- 
heit zu versöhnen, wie ein andermal der Wunsch, sich ihres Beistandes 
bei irgend einem Unternehmen zu versichern, die Veranlassung zum Opfern 
gewesen ist. Sicher scheint, dass man den Gott durch das Opfer herbei- 
rufen oder herbeilocken wollte. Das beweist die älteste Form der Altäre, 
deren Hauptbestandteil ein Sitz ist, auf dem der Gott Platz nehmen soll, 
um das Opfermahl zu geniessen, wie auch der Umstand, dass kein Opfer 
ohne Anrufung erfolgt.*) Man rief den Gott aber an, um etwas von ihm 
zu erlangen. Welcher Art diese Anliegen waren, hing von den Umstän- 



') Plut. Pyth. orac. 16. Plat. Leg. X 919. 
Strab. XIV 957. v. WiLAMOwrrz Herrn. XXX 
180 ff. 

•») Paus. IV 34, 6; II 85, 2. Diod. IV 37. 
ApoUod. II 2, 7. 

•) Strab. VI 257. 

*) Strab. VIII 378 dvi^Bcav ar&QBt xai 
yvyaucesy also unfreie. Athen. XIII 573 C. 

*) Strab. XII 535. 



•) Plat. Euthyphr. 14c. 

^) So E. GuBTius Nachr. d. Ges. d. Wias. 
zu GöttingeD 1861 S. 361. S. femer Ttlob 
Primitive cult. II Gap. 18. Ghantbpib db 
LA Saüssate Reiigionsgesch. I 101 ff., Yrrn- 
bürg 1887. Fb. Nitzsch Idee und Stufen des 
Opferkultes, Kiel 1889. 

«) Rbiohbl Vorhellen. Götterknlta 39. 



8. KnltiuhuidlimgeB. (§ 60.) 



87 



den ab und auch von der Vorstellung, die man sich von dem Wesen und 
der Macht des Gottes machte; die Bitten werden mannigfach gewesen 
sein, wie die Wünsche des Menschenherzens, verzagt und ängstlich, oder 
leidenschaftlich begehrend. 

Es ist kein Zweifel, dass auch die Oriechen wirklich geglaubt haben, 
sich durch reichliche Opfer Gnade und Vergeltung der Himmlischen zu 
erkaufen — die ganze Litteratür ist voll von Zeugnissen — , und dass 
nicht bloss in ältester Zeit die Ansicht herrschte: je reicher die Opfer, 
desto lieber den Göttern, desto mehr Aussicht auf ihren Dank. Zwar fehlt 
es nicht an Äusserungen, die im Gegensatz dazu auf die fromme Gesin- 
nung der Darbringenden Gewicht legen, aber sie scheinen doch mehr der 
Ausdruck persönlicher Überzeugung, zum Teil sogar gehobener Stimmung 
zu sein, als den Glauben der Menge wiederzugeben. Bei Euripides heisst 
es einmal, oft seien die Armen, die wenig opferten, gottesfürchtiger als 
die Beichen, die grosse Opfer brächten, und der Fromme erlange auch, 
durch ein kleines Opfer ihre Gnade;*) Isokrates (U 20) sagt, das schönste 
Opfer und der beste Gottesdienst sei ein gutes und gerechtes Leben, und 
das würden die Götter mehr lohnen als das Hinschlachten vieler Tiere; 
ebenso äussert sich der Verfasser des zweiten Alkibiades (13 p. 150), die 
Götter sähen nicht auf die Grösse der Opfer, sondern auf die Gesinnung; 
Porphyrios') bringt verschiedene Zeugnisse, wonach dem delphischen 
ApoUon die Opfer der Armen am liebsten gewesen seien; Xenophon^) 
fragt: Wie können wir den Göttern mit froher Zuversicht unsere Opfer 
darbringen, wenn wir verruchte Thaten verüben? und Piaton*) meint, 
nicht recht wäre es, wollte ein Gott auch die Gaben des Verworfenen an- 
nehmen, aber an anderer Stelle ^) spricht er aus: die verbreitetste Ansicht 
sei, der Ungerechte dürfe, wenn er nur reiche Opfer und Weihgeschenke 
darbringe, auf den Dank der Götter mehr rechnen, als der gerechte Mann, 
der dies nicht thue oder thun könne, und der Rhetor Anaximenes^) em- 
pfiehlt dem Redner, wolle er die Bürgerschaft zur Vermehrung oder reichem 
Ausstattung der Opfer überreden, geltend zu machen: dann würden auch 
die Götter sich noch gnädiger erweisen; trete er für eine Verminderung 
und Herabsetzung der Ausgaben ein, zu sagen: die Götter sehen nicht auf 
den Wert der Opfertiere, sondern die Gesinnung der Geber. Bei Homer 
bringen Elytaimestra und Aigisthos nach der Ermordung Agamemnons ihre 
Opfer ebenso zuversichtlich (y 373 flf.) wie nur irgend ein Frommer, und 
wer die Gaben nicht spart, darf auf Vergeltung rechnen,®) wie umgekehrt 
der Säumige der Strafe gewärtig sein muss.*) Noch sind alle Opfer 
heitere Mahlzeiten, und die Götter denkt man sich an dem Genuss teil- 
nehmend.*®) Zu den Aithiopen begeben sie sich selbst '*) und erfreuen 



>) Frgm. 329 N. 

«) Frgm. 946. Vgl. Hör. c. III 23. 

*) De abst. II 15 ff. 

*) Anab. V 7, 32. 

») Leg. IV 716D. 

•) Rep. 362 G. 

7) Ars rhet II 12 Spbitgel. 

•) X 170 f., J 46 ff.; K 46, a 240 f., y 



58, (f 763 ff. Vgl. Hes. Erg. 336 ff. Plat 
Symp. 202 E. Athen. VI 245. 

•) 1 535 ff., A 93. 65, E 178. Vgl. Soph. 
Ai. 172 ff. 

>•) ^ 206 f., y 336. Vgl. Athen. VIR 
363 D. Paus. IV 27, 1; VIII 2, 2. 

>») a 22 ff., y 205 ff. 



88 



Die griechiBohen EnltUBaltertümer. 



sich Tage lang mit ihnen gemeinsam an Schmaus und Wein,*) und auch 
bei andern besonders begnadeten Sterblichen nehmen sie unter Umständen 
in menschlicher Gestalt am Opfermahle teil. Athena speist mit ihrem 
Schützling von der heiligen Hekatombe der Pylier,") und tausend Jahre 
später werden Paulus und Barnabas für Hermes und Zeus gehalten, und 
man bringt bekränzte Rinder, um sie ihnen zu opfern.') So menschlich 
gedachten Göttern durfte man auch von der eigenen täglichen Speise an- 
bieten. Übermittelt werden konnte den in unerreichbarer Höhe Thronen- 
den ihr Anteil nur, indem man ihn verbrannte;^) an dem aufsteigenden 
Fettdampf mochten sie sich dann erfreuen.^) Zudem war das Feuer das 
reinste Element, das alles Unsaubere am gründlichsten vernichten und 
tilgen konnte.^) Ursprünglich hatte es den Göttern allein gehört und 
sollte ihnen vorbehalten bleiben,') bis Prometheus gegen den Willen der 
neidischen es den Sterblichen mitteilte. Am Feuer allein konnte man 
keine Verunreinigung wahrnehmen, auch wenn es mit Unreinem in Be- 
rührung gebracht war. Trotz alledem glaubte man, dass auch ihm die 
Reinheit seiner Natur abhanden kommen könnte, und zu den Opfern war 
daher nicht jedes Feuer zu gebrauchen. Nach der Schlacht von Plataiai 
erklärte das delphische Orakel, das Feuer in der Umgegend sei durch 
die Barbaren befleckt, zur Siegesfeier sollte man reines aus Delphoi 
holen, ^) und in Argos löschte man in einem Hause, in dem ein Todesfall 
vorgekommen war, alles Feuer aus und holte zur Zubereitung des Leichen- 
mahles neues aus dem Nachbarhause. ^) Dasselbe geschah in Lemnos an 
einem jährlich gefeierten Reinigungsfest, zu dem man dann Feuer aus Dolos 
kommen Hess.*®) Delphische Inschriften**) zeigen uns, dass die Athener 
wiederholt, vielleicht regelmässig, durch eigene Abgesandte vom Altar 
ApoUons Feuer holen liessen; die Lakedaimonier nahmen Feuer von den 
ersten Opfern vor Beginn des Feldzugs mit ins Feld und sorgten, dass 
es nie erlosch;*^) vom Altar des Prometheus in Athen reines, unentweihtes 
Feuer auf einen andern zu übertragen, war der eigentliche Zweck des 
Fackelwettlaufs;*') in den Heiligtümern der Hestia und anderer Götter**) 
brannten ewige Lampen, und eine ähnliche Bedeutung hatten wohl auch 
die Fackeln, die die Argeier der Demeter und Köre in Gruben versenkten:**) 



*) A 423 ff. 

») r 51 ff., 67; vgl. 485 f. und v 201 ff. 

') Act. apoat. XIV 11 ff. Vgl. Stbngbl 
Jahrb. f. Phil. 1883 S. 361 Anm. 5 u. 6. 

*) Bei Homer &vety; legevety heisst 
schlachten, atpäjteiy darch einen Schnitt 
oder Stich dem ({ 426 bereits durch den 
Schlag betäubten, vgl. E 696 f., X 466 ff., 
475) Tiere das Blut entziehen, (^(eiy opfern. 
Vgl. Stbhobl Jahrb. f. Phü. 1885 S. 102 f., 
auch Prbünbr Bestia-Vesta 190 ff. 

*) ^ 301, « 549. 

•) Vgl. Eur. Herakl. 937. Porph. De 
antro Nymph. 15 und die Sagen von dem 
Feuertod des Herakles oder der beabsich- 
tigten Läuterung und Vergöttlichung des 
Achilleus durch seine Mutter Thetis, des De- 
mophon durch Demeter Pbbllbr-Robebt Gr. 



Myth. II 256, 400, 770. Rohdb Psyche 393 A. 
DiBTEBicH Nekyia 197 ff. Maass Orpheus 
231 A. 44 Kboll De orac. Ghald. 53. Samm- 
lung Y. VlBCHOW U. V. HOLTZBNDOBFF 1897 

Nr. 278 S. 35 f. 

^) SoHOBMANN Opusc. acad. II 279. 

«) Plut. Arist. 20. 

») Plut. Quaest. graec. 24 p. 296 f. v. 
WiLAMowiTZ Eur. Her." II 207. 

^») Philostr. Her. XIX 14 p. 740. Mehr 
bei ScHOBMAinf a. a. 0. II 223 f. u. Böttichbb 
Tekt. IV 177 ff.. 320 ff 

») Bull, de corr. XVIH 87 und 92. 

>») Xen. Resp. Lac. XIII 3. 

") Wecklbin Herrn. VII 446 ff. Köbtb 
Arch. Jahrb. VII 150 f. 

") Paus. I 26, 7. 

») Paus. II 22, 4. 



3. Knltnahandliuigeii. (§ 61.) 



89 



es ist ein Weihen und Darbringen des heiligen Feuers selbst.*) — Bis- 
weilen wurden zur Unterhaltung des Opferfeuers besondere Holzarten ver- 
wendet, wie bei den Opfern des Zeus in Olympia, wo nur das Holz der 
Weisspappel {Xevxrj), die Herakles eingeführt und zuerst benutzt haben 
sollte, gebraucht werden durfte,*) oder der Aphrodite in Sikyon, wo 
Wachholderholz verlangt wurde.') Zu andern Opfern durften nur die 
sog. vrj(paXia ^vXa verwandt werden, Holz von Weinstöcken oder Feigen- 
bäumen war verboten.*) 

Gehen wir jetzt zu den Opfern selbst über. 

61. Es empfiehlt sich der Übersichtlichkeit wegen, die unblutigen 
vorweg zu nehmen und gesondert zu behandeln. — Wie zu den blutigen 
Opfern alle essbaren Haustiere genommen wurden, so zu diesen alle 
Speisen, die man selbst genoss. Telemachos verbrennt bei seiner Abfahrt 
aus Pylos einen Teil seiner Reisekost, ^) denn ein grösseres Mahl zuzu- 
rüsten, hat er nicht Zeit, und Odysseus in der Höhle des Kyklopen Käse,^) 
von dem er und seine Gefährten selber essen, und wenn unfromme Leute, 
wie die Freier in Ithaka,^) es auch bisweilen unterlassen haben mögen, 
so war es jedenfalls Brauch, wenn eine grössere Gesellschaft ein Mahl 
bereitete, zuerst den Göttern einen Anteil zu weihen.^) 

a) Der Gewöhnlichkeit der Nahrungsmittel entsprechend ist unter 
den unblutigen Opfern keines häufiger, als Backwerk.^) Jlonava^^^) 
näfifiara^^^) fxäCca^*) werden allen Göttern geopfert, und zwar bringt man 
sie ganz in derselben Weise dar wie Tieropfer; den Himmlischen ver- 
brennt man sie auf Altären, i') den unterirdischen und Toten auf der 
iaxccQcc oder auf dem Grabe,**) den Meeres-**) oder Flussgottheiten *«) wirft 
man sie ins Wasser. Die Opfernden essen von dem Kuchen, den sie den 
Göttern weihen, natürlich nicht; er ist ja nur ein Teil alles Gebackenen 
und vertritt etwa die Stelle der von einem Tier verbrannten Schenkel- 
und sonstigen Stücke. Oft legt man die Kuchen nur auf die Altäre oder 
Opfertische, und sie fallen dann den Priestern anheim.*^) Eine eigene 
Bedeutung hat der sog. TtsXavog.^^) Es ist dies ein mehr oder weniger 
flüssiger Mehlteig, Honig, oft auch Mohn enthaltend,*^) der je nachdem 
in die Flammen geworfen oder als eine Art Spende gegossen werden 
konnte. In festerem Zustand erscheint er als flaches, rundes Gebäck, 



•) Eur. Iph. T. 1331. Paus. VII 27. 2. 
CIA III 73 n. 74. Dibls Sib. Bl. 112 Or. I 20 f. 

«) Paus. V 14, 3; vgl. V 13, 2. 

») Paus. II 10, 4. 

*) Philochoros im Scbol. zu Soph. 0. E. 
100. 

'^) 222. Vgl. Bbbnhabdi D. Trankopfer 
bei Homer, Progr. d. Kgl. Gymn. zu Leipzig 
1885 S. 4 f. 

•) i 232. 

') Bbrithbadi a. a. 0. 3 f. 

*) Vgl. z. B. Athen. V 192 B. 

^) LoBBCK Agl. 1050 ff., BöTTicHBR Tekt. 
IV 270. 0. Bahd Das Attische Demeter- 
Eore-Fest der Epikleidia, Progr. der Marga- 
rethenschule Berlin 1887 S. 4 ff. 

") Aristoph. Thesm. 285. CIA III 77. 



CIA II 1651. Diog. Laert. VHI 13. 

") CIG 8599. Paus. I 26, 6. 

»«) Paus. III 23, 5. 

^•) Inschr. v. Kos Paton u. Hioks 37 
ZI. 31 u. 49; 39 ZI. 7. Paus. VIII 2, 3. Me- 
nandros bei Athen. IV 146 F., vgl. 172 D. 
Abbildung eines dreispitzigen Opferkuchens 
z. B. bei Gbrhabd Akad. Atlas, Berl. 1868 
Taf. LXV 2. S. auch FubtwXnolbb Samml. 
Sabouroff 7 T. XXX. 

'*) Aisch. Pers. 523. Luk. Katapl. 2. 

'») Paus. III 23, 5. 

^•) Paus. X 8, 5. 

'^) Aristoph. Plut. 661 u. Schol. 

") Stenobl Herrn. XXIX 281 ff., XXXI 
477 ff 

>•) Hbbzog Herrn. XXIX 625 f. 



90 



Die grieohiaohen Knltaflaltertümer. 



unsern Eierkuchen oder Flinzen ganz ähnlich. Gegessen wird niemals da- 
von. ^ Er ist als Opfergabe namentlich in chthonischen Kulten häufig,*) 
begegnet jedoch auch in andern.^) In Eleusis stellt man einen ungeheuren 
neXavog aus Weizen- und Gerstenmehl her, von dessen weicher Masse im 
Verlauf der Feier verschiedenen Gottheiten geopfert wird.*) Die vor- 
zugsweise Verwendung im Kult der unterirdischen und die Schwerflüssig- 
keit der Masse erklärt es, dass auch Blut- und Ölspenden als neXavog be- 
zeichnet werden können. 3) Bisweilen gab man den Kuchen eine eigen- 
tümliche Form, die irgend eine Beziehung auf die Gottheit hatte, der man 
sie darbrachte. So erhielt Artemis- Selene in Athen runde Kuchen, die 
das Aussehen des Vollmonds haben sollten und mit Lichtern besteckt 
waren,«) und Apollon soll solche in Gestalt von Lyren, Bogen oder Pfeilen 
empfangen haben;'') der Göttermutter opferte man yaXa^lag, einen Brei 
aus Mehl und Milch, wie ihn wohl nährende Frauen oder eben entwöhnte 
Kinder essen mochten. b) Besonders häufig aber sind die Nachbildungen 
von Tieren.*) Auf solche Weise helfen sich Philosophen, wie Pythagoras 
und Empedokles, die gegen die Tötung eines Tieres religiöse Bedenken 
haben, 10) Belagerte, denen die Fleischnahrung ausgegangen ist,i^) und 
besonders Arme, denen Tiere zu theuer sind. ^^) Wenn nun gar an einem 
Fest wie bei den Diasien in Athen eigentlich keine andern Opfer zu- 
lässig sind als Tiere, so lässt sich denken, dass die Zahl der näfjLfAota 
elq ^(pcov fiOQ^dg Tstvnwfxäva hier sehr beträchtlich war.**) Aber auch 
wo solche Gründe wegfielen, Wurden diese keineswegs ungewöhnlichen 
und bei einzelnen Gelegenheiten sogar vorgeschriebenen Opfer darge- 
bracht.^*) Besondere Erwähnung verdienen die sog. [nshTovvTm, Wie 
Honig in den Spenden für Unterirdische (fieiXiyfiara) enthalten war, so 
sind auch diese Kuchen bestimmt, die chthonischen Mächte zu versöhnen. 
Man gab sie den Toten mit, um den Kerberos zu besänftigen, i^) der ihnen 
den Eintritt in die Unterwelt wehrte, i«) warf sie aus demselben Grunde 
den Schlangen vor, wenn man in die Höhle des Trophonios hinabstieg, ^^) 
und fütterte damit die heilige Schlange der Athena auf der Burg.^^) Einen 
ähnlichen Kuchen {aQsazf^Qa xtjqiov) erhalten Gottheiten, denen vrj<pdXuz zu 
spenden üblich war.*») 



M Schol. Aristoph. Plut. 661. Aisch. 
Pera. 203. Eur. Ion 707, vgl. 226; Hei. 1334. 

«) Eur. Frgm. Nauck* 912. Aisch. Fers. 
523 f., Apoll. Rhod. IV 712 u. s. w. 

») Eur. Hipp. 146. Dion. Hai. II 74 u. s. w. 

«) DiTTBNBEROBB Syll. 18 ZI. 36. Bull, de 
corr. VIII 197 ZI. 78. Zibben Leg. sacr. Leipz. 
1896 S. 22 f. 

^) Eur. Alk. 851. Vgl. Aisch. Eum. 265 
mit 304 f. Aisch. Ag. 96. 

•) Athen, XIV 645A. Vgl. Poll. VI 76. 
Prellbb-Robebt Griech. M^tibol. I 312. 

') Stephan. Byz. u. nataga. 

•) Lobeck Agl. 1069. CIA II 470. 

^) Stengel Jahrb. f. Phü. 1881 S. 399. 

»0) Porphyr. Pyth. 22. Athen. I 3E. 
Stubz zu EmpedokL 15. Müllach Frgm. 
phüos. V 405 flf. 417 ff. 



") Plut. Luc. 10. Appian Bell. Mithr. 75. 

*•) Suid u. nonaya u. ßovs iß^ofios, Pro- 
klos zu Plat. Polit. p. 419. Hesych. u. ß. iß^, 
CIA III 1666. Müllbb Frgm. bist, graec. I 
362, 16. 

") Vgl. Thuk. I 126 u. Schol. 

") CIA III 77 Zl. 25. Athen. XIV 646 B. 
Bbkkbb Anecd. p. 249. Plat. Phaon bei Athen. 
X 441 F V. 8. Mbinekb Frgm. com. I 674, 
HoMOLLE Bull, de corr. XIV 422 A. 1. 

") Schol. Aristoph. Lys. 601 u. Said. u. 
d. W. 

>•) Vgl. TöPFFEB Att. Gen. 172 f. 

") Paus. IX 39, 5. Aristoph. Nub. 507. 
Poll. VI 76. IGSept. I 8055. 

>•) Herod. VIII 41. 

") CIA II 1651. BulL de corr. VII 68. 
Vgl. S. 98 f. und A»^yaioy X 556. 



8. KultnahandluiigeB. (g 61.) 



91 



b) Nächst Fleisch und Brot bildeten Früchte den Hauptbestandteil 
der Nahrung, und so finden wir denn auch diese sehr oft unter den Opfer- 
gaben genannt. Am häufigsten scheint Demeter, wie das ja auch natür- 
lich ist, diese Opfer erhalten zu haben. In Arkadien opferte man ihr 
alle veredelten Früchte ausser der Granate, und in der Stadt Phigalia 
Baumfrüchte, Weintrauben, Honig, wozu man noch ungereinigte Wolle auf 
den Altar legte, die man mit Öl begoss.') Auch an andern Orten 
brachte man ihr die Erstlinge der Feldfrüchte dar.') Herakles erhält 
Trauben*) und andere Fruchtopfer,*) Früchte auch Poseidon.«) Der Artemis 
werden an ihrem Altar Ährenkränze niedergelegt^) und andere reife 
Feldfrüchte geopfert,®) die Göttermutter empfängt Weizen, Gerste, Wein 
und was die Jahreszeit sonst von Früchten bringt,®) ebenso Gaia;^®) der 
Leto bringt man in Delphoi Lauch dar,^0 der Iris in Delos Nüsse, ^^) dem 
Dionysos und andern Göttern reife Herbstfrüchte.*') Zu diesen Opfern 
gehört auch die sog. Eiresione, ein mit allerlei Früchten behangener Öl- 
zweig. An den Thargelien und Pyanopsien weiht man diese Gaben dem 
Helios und den Hören, ^*) wie denn der Monat Pyanopsion auch seinen 
Namen von den gekochten Hülsenfrüchten haben soll, die man dem ApoUon 
darbrachte. *') Ja auch Früchte müssen ebenso wie Backwerk entsprechend 
zugerichtet die Stelle von Tieropfern vertreten. In dem städtischen Demos 
Melite zu Athen wurden dem Unheil abwehrenden Herakles, der dort 
einen Tempel hatte,*') statt eines Rindes fjifjXa geopfert, Äpfel, in die man 
Hölzchen statt der Beine und der Hörner steckte,*^) und PoUux (I 30) 
berichtet, dass die Boioter ihm ein gleiches Opfer brachten.^') Auch die 
Lokrer sollen Gurken auf dieselbe Weise zugerichtet und statt eines 
Rindes geopfert haben.*®) 

c) Aber auch von den andern Nahrungsmitteln des Menschen er- 
hielten die Götter ihren Anteil. Ausser den genannten gehörte zu den 
gewöhnlichsten noch der Eäse, und so kann es denn nicht fehlen, dass 
wir auch ihn unter den Opfergaben häufig genannt finden.*^) Besonders 
oft werden Käsekuchen erwähnt.^*) 

Auch Honigwaben legte man auf die Altäre. ^^) 



DiTTBNBBBGER 



Paus. VIII 37, 4. 

») Paus. VIII 42, 5. 

•) Dion. Hai. II 74. 

*) Aelian De nat. auim. VI 40. 

») Paus. IX 19, 4. 

•) Flut Thes. 6. 

') Paus. VII 20, 1. 

•) Xen. Anab. V 3, 9. 

») Athen. IX 52 p. 476. 
SyU. 377. 

*•) Hesych. u. rexvaia, 

") Athen. IX 372 A. 

») Athen. XIV 645 ß. 

'») CIA III 77. Vgl. CIA II 631. 

") Schol. Aristoph. Equ. 729, Flui 1064. 
Suid. u. eiQS(H(aytj. Porphyr. De abst. II 7. 
Vgl. EusUth. ad IL p. 1283 u. Fbbllbb- 
RoBEBT Gr. Myth. I 262. 



»») Poll. VI61. Flut. Thes. 22. Harpokr. 
n. HvayoiffUt u. Suid. u. Ilvayeipuoyo^. 

*•) Vgl. V. Lbutsch Philol. Suppl. I 130. 

*') Zenob. V 22 = Paroimiogr. gr. I 
p. 124 nach ApoUodor BsqI &6uy, Suid. u. 
MijJieiog 'HQaxXrjg, Hesych. u. MijXtoy ^HqaxXtjq, 
Vgl. V. WiLAMOWiTZ Kydathen 150. 

»«) Vgl. Stengel Jahrb. f. Phil. 1881 
S. 398 ff. 

>») Paroimiogr. gr. I p. 116. Zenob. V 5. 
Pseudoplut. Frov. Alex. 24 (Didot. II p. 165). 

»0) CIGIns. II 330. Menandr. bei Athen. 
IV 27 p. 146. Eustath. ad IL I 585 und mehr 
Beispiele Jahrb. f. Fhil. 1882 S. 672. 

•*) z. B. in den Inschrr. bei v. Pbott 
Leg. sacr. S. 20 ZI. 39. Wien. Akad. d. Wiss. 
1894 S. 23. 

") CIA III 1662, 1667. 



92 



Die grieohiaohen KnltuBaltertümer. 



d) Endlich muss auch der Weihrauch*) hier Erwähnung finden, wenn 
er auch nicht mehr ein Speisopfer ist. Er kommt teils als selbständiges 
Opfer vor,*) meist von Spenden begleitet,*) teils als Beigabe blutiger*) 
und unblutiger^) Opfer. Namentlich auf den Altären, die sich im Innern 
der Tempel befanden, pflegte er den Göttern verbrannt zu werden. 
Eingeführt ist er in Griechenland im siebenten Jahrhundert und hat 
schnell Verbreitung gefunden.^) Die Verzeichnisse der Tempelinventare 
führen oft erstaunliche Mengen von Weihrauch, wohlriechenden Kräu- 
tern und Spezereien auf;^) denn auch durch Opfer schön duftender 
Kräuter und vielleicht noch häufiger Hölzer suchte man die Götter zu 
erfreuen.*) 

62. Einzelne Kulte Hessen blutige Opfer überhaupt nicht zu. So 
gab es auf der Burg zu Athen einen Altar des Zeus Hypatos, auf dem 
nichts Lebendes geopfert werden durfte,') und wahrscheinlich bestand 
für den Kultus des Sosipolis in Elis dieselbe Vorschrift. *<') Unblutig sind 
jedenfalls auch die sog. anvqa oder axanva^ feuerlose Opfer, i^) gewesen, 
wie sie Athena in Lindos,") Apollon auf einem Altar in Dolos,") in alter 
Zeit Eirene in Athen ^*) und hier und da wohl auch andere Götter em- 
pfingen.» 5) Wie die Lindier, die sich überhaupt durch den Besitz sonder- 
barer Kulte auszeichnen, ><^) sich offenbar auf die ihnen eigentümlichen 
Athenaopfer etwas zu gute thun,^^) so scheint man die ajtvqa tsgä auch 
sonst für besonders heilig und den Göttern wohlgefällig gehalten zu 
haben.»*) Der nur für unblutige Opfer bestimmte Altar in Dolos hiess 
siasßiüv ßcDfiog;^^) aber natürlich kam es auch auf die Gottheit an, der 
das Opfer galt.«») Auf welche Weise diese Opfer den Göttern über- 
mittelt wurden, oder ob sie die Priester von den Altären wegnahmen, **) 
wissen wir nicht.**) 



') Y. Fbitzb die Rauchopfer der Grieohen 
Berl. 1894. Ephem. arch. 1897 S. 164 ff. 

») Hes. Erg. 338. Luk. HeQl dva. 12. 
KocK Frgm. com. II 260 S. 100. Pergam. 
Inschr. VIII 1 nr. 246 und besonders die 
Opferanweisnngen vor den orphischen Hym- 
nen. V. Fritze a. a. 0. 37 f. 

•) V. Fbitze 36. Vgl. Livius XXXIII 11. 

*) Vgl. NiTzscH zur Odyssee II 15. 

») Paus. V 15, 6. VI 20, 2. 

«) V. Fbitzb 23 ff. 

') CIG 2852 B, 5773. v. Fbitzb 43 f. 

•) KooK Frgm. com. III 24 S. 404. Ari- 
stoph. Plut. 11 14 ff. Plut. Pyth. or. 6 p. 397A 
und mehr bei v. Fbitzb 7 f. 

») Paus. I 26, 6. 

>») Paus. VI 20, 2 f. 

>0 LoBBCK Agl. 1083. Hbbmann Gott. 
Altt.« § 17 A. 4. V. Fbitzb De libatione vet. 
Graec. Berl. Diss. 1893 S. 6 ff. 

") Pind. Ol. 7 und Schol. zu VII 86. 
Diod. V 56. Phüostr. Imag. II 7 p. 852. 
Vgl. Hbffteb Gottesd. auf Rhodos II 11. 
DirrBNBEBGBB Ind. lect. Halle 1887 S. VII. 

-») Laert. Diog. Vill 13. Cic. De deor. 



nat. III § 88. Porphyr. De abst. II 15, II 28. 
Jamblich. V. Pythag. p. 25. Vgl. Bbbnats 
Theophr. üb. d. Frömmigkeit 119. Val. Rosb 
Aristotfrgm. Leipz. 1886 Frgm. 489 p. 311. 

>«) Aristoph. Pax 1019 mit Schol. Bobckh 
Staatsh.* fl 131. 

><^) Eaibbl Epigr. gr. 1047. Eur. Frgm. 
912 Nauok«. Vgl. Dion. Hai. II 74. Plut. 
Quaest. rom. 15. 

»•) Vgl. Philostr. Imag. II 24. Paus. IX 
12, 1. Apoll. Bibl. II 5, 11. Konon Narr. 11. 

»') Vgl. Pind. Ol. VIL 

") Plat. Leg. VI 782 C. Bbbnays Theo- 
phrast 119. 

>*) Porph. De abst. II 25. Bbbnats a. 
a. 0. 89 und 119. 

") Anthol. VI 292 Jacobs: Ares ver- 
schmäht ein unblutiges Opfer, wie es fttr die 
Nymphen angebracht ist. 

«») Vgl. Paus. IX 19, 4. 

'*) Eine Abbildung eines Tempeltisches 
mit Opfergaben Sohbbibbb Eultnrhist. Atlas 
Taf. XVII n. 13. Vgl. Böttiohbe Tekt. IV 
265 ff. 



d. KnltoBhandliuigeii. (§§ 62— 6B.) 



93 



63. Endlich gehören die Trankopfer oder Spenden in dies 
Kapitel. Wenn wir davon hier sogleich diejenigen ausscheiden, die 
beim Mahle und Gelage nach jeder neuen Füllung des Mischkruges den 
Göttern dargebracht zu werden pflegen,^) und ebenso die, welche bei 
Totenbestattungen in den brennenden Scheiterhaufen gegossen oder in 
Krügen darauf gesetzt werden, 3) so haben wir noch zu unterscheiden 
zwischen Spenden, die als selbständiges Opfer dargebracht werden, und 
solchen, die nur ein anderes, gewöhnlich blutiges Opfer begleiten. Wie 
man Wein trank, auch ohne dazu etwas zu essen, so spendete man auch 
den Göttern häufig, ohne ihnen gleichzeitig noch eine andere Opfergabe 
darzubringen.^) Solche Spenden bestanden aus gemischtem Wein^) — 
wusste man ja doch, dass die Götter selbst den Nektar sich mischten,^) 
— und zwar in demselben Verhältnis gemischt, wie man ihn selber trank. 
Von dem Weine, den Hekabe ihm bringt, soll Hektor zuerst dem Zeus 
spenden und dann selbst trinken;^) um der Athena zu spenden, mischt 
Nestor den Mischkrug,®) ebenso Alkinoos für Zeus^) u. s. w. Aber 
nicht alle Götter erhalten Weinspenden, mehrere verlangen einen nüch- 
ternen Trank {vtjqxiXia)^ aus Milch, Honig und Wasser gemischt {fieki^ 
xQazov). Der Mnemosyne, den Musen, der Eos, dem Helios, der Selene, 
den Nymphen, der Aphrodite Urania bringen die Athener vr](pdXia Ugd 
dar, wie uns Polemon berichtet, und Philochoros fügt noch den Dionysos 
und die Töchter des Erechtheus hiuzu.'^^) Es wird diese Sitte also nicht 
als eine allen Hellenen gemeinsame überliefert, und ebenso ist zu be- 
achten, dass unter den genannten Gottheiten keine ist, der man grössere 
Speisopfer darzubringen pflegte. Was den Dionysos anbetrifft, so ist 
wohl anzunehmen, dass er vrjtpdXia nur erhielt, wenn der chthonische 
Charakter in den Vordergrund trat, wie dies z. B. bei seiner Verehrung 
in den Mysterien der Fall war.^0 Denn die Götter der Unterwelt hassen 
den Wein,^*) Honig und lindes Öl besänftigt sie wie die Toten, i^) Die 



*) S. von neueren Arbeiten E. Bekn- 
HABDi D. Trankopfer bei Homer, Progr. des 
EgI. Gymnas. zu Leipzig 1885. Stbnorl 
Philol. XXXIX 378 ff., Herrn. XVII 329 ff., 
XXII 645 ff., Jahrb. f. Philol. 1887 S. 649 ff 
V. Fritzb De libatione vet. Graec. Berl. Diss. 
1893, der wie Gürtiüs in d. Sitzungsber. der 
Berl. Akad. d. Wiss. 1890 S. 1142 ff. die 
weinlosen Spenden für die frühesten Opfer- 
gaben hftlt. Hier auch viele bildliche Dar- 
stellungen Spendender nachgewiesen. 

') Sie werden nur bestimmten Gottheiten 
in feststehender Reihenfolge gebracht (vgl. 
z. B. Pkbunbr Hestia-Vesta 4 ff.), und das 
GefQhl, damit ein Opfer darzubringen, hat 
wohl keiner der Libierenden gehabt. 

») IL ^ 170 f., 237, i2 781. Eur. Iph. 
Taur. 633 ff. VgL Eaibbl Epigr. gr. 1034, 
EöHLER Athen. Mitt. I 143. Bergk Jahrb. f. 
Phil. 1860 S. 383 A. 68. Rohdb Psyche 15. 
Athen. Mitt. XVIIl 158. 

*) Apoll. Rhod. I 534. YgL Stbphani 
compte rendu 1873 S. 113 ff. 



*) Thuk. VI 32. 

•) A 528, B 93. 

^) Z 258 ff. 

•) y 393 f. 

») fi 164, y 50. 

^0) Im Schol. zu Soph. Oid. Eol. 100, 
bei Prbllbr Polemon 74. Die Bestätigung 
dieser Angaben durch andere Schriftsteller 
s. Jahrb. f. Phil. 1887 S. 650 f. Vgl. auch 
CIA II 1651, wo Helios und Mnemosyne 
Honigkuchen erhalten, die anderen genannten 
Gottheiten gewöhnliche nonava. Bemerkens- 
wert sind auch die dort erwähnten yrj<pdXioi 

»») Plutarch Praec. sanit. 19 p. 132 F 
sagt auch ausdrücklich xal yaQ avtt^ tta 
Jioyvato noXXttxig vrjfpäUa ^vofjiey. 

'2)* VgL Porphyr. De antro Nymph. 18. 
CIA III 77. 

^») Eur. Iph. T. 165 f. Hbrzoo Herm. 
XXIX 625 f. DiBLS Sib. Bl. S. 115 ZI. 16, 
S. 72 ff., 120 f. 



94 



Die grieohiBohen KultaMltertttmer. 



Eumeniden verlangen x^^^ '^' ^otrovg, vrjgxiha fieiXfyjiiaTaj^) und von 
vTiifdha für Demeter erfahren wir aus Dionysios von Halikarnass (I 83, 1). 
Ebenso verlangen Nephthys und Osiris n€Xtxqa%o%*^^) und auch der Des- 
poina wird auf ihrem Altar in Olympia kein Wein gespendet.^) Auch 
bei Totenbeschwörungen waren nach Porphyrios^) weinlose Spenden üb- 
lich, wenngleich die Praxis hier verschieden gewesen zu sein scheint,^) 
und nach Apollonios Rhodios (IV 712) werden dieselben auch bei der 
Reinigung von Mördern angewandt. Aber auch der Kult anderer Götter 
schloss bisweilen die Weinspenden aus, wie der des Zeus Hypatos in 
Athen <^) oder des Sosipolis in Elis.^) Auch auf dem Altar aller Götter 
in Olympia spenden die Eleier keinen Wein,^) und ebenso verschmäht ihn 
die Hemithea im Chersones.^) Endlich werden Honigspenden für Pan 
und Priapos erwähnt, i^) In den meisten Fällen wird es sich hier sicher- 
lich nur um einfache Trankopfer handeln, nicht um Spenden neben einem 
Tieropfer. Von dem Altar des Zeus Hypatos in Athen wird ausdrücklich 
bezeugt, dass auf ihm ovdh* ifAxpvxov geopfert werden durfte, und auch 
für Sosipolis werden nur navxoXa ^vfiidfiaza erwähnt. Jene Spenden 
aber, die gelegentlich blutiger Opfer dargebracht werden, behandeln wir 
besser mit diesen zusammen, nicht bloss weil sie ein Teil von ihnen 
sind, sondern auch weil sie oft so charakteristisch für das Ganze sind, 
dass die Bedeutung des Opfers gerade durch sie Beleuchtung und Erklä- 
rung erhält. 

Die blutigen Opfer teilt man am zweckmässigsten ein in Speis- 
opfer, d. h. solche, von denen gegessen wird, und in solche, deren 
Fleisch nicht zur Speise benutzt, sondern vernichtet wird. Zu 
jener Klasse gehört erstens die grosse Menge der zum täglichen Bedarf 
geschlachteten Tiere, von denen in der Regel die Götter ihren Anteil 
empfingen, sodann alle Fest- und Dank- und die gewöhnlichen Bittopfer, 
zu dieser aber die Opfer für chthonische Gottheiten, die Sühn- oder Buss- 
opfer, die Eidopfer, die Toteur und Heroenopfer. 

64. Man hat im Altertum den Fleischbedarf viel seltener beim 
Metzger eingekauft, als es heute — namentlich bei uns — geschieht. 
Im Süden wird überhaupt viel weniger Fleisch gegessen, und im Orient 
ist es wenigstens auf dem Lande noch heute Brauch, ein Tier in der 
Regel nur an Festen oder zur Bewirtung eines Gastes zu schlachten, und 
zum Mahle pflegt sich dann alles einzufinden, was zum Haus des Gast- 
gebers in Beziehung steht. Ähnlich ist es, wie wir aus mancher Bemer- 
kung schliessen können, im Altertum auch gewesen. *0 Doch hat es in 
den Städten natürlich auch Metzger gegeben, von denen man die Ware 



>) Aisch. Eum. 107. Soph. Oid. Kol. 100 
u. 481 mit Schol. Paus. II 11, 4. 

«) CIA III 77. 

») Paus. V 16, 6. Wein und in der 
VoUmondfrühlingsnacfat Milchspende für einen 
Heros Philostr. Her. II 4 p. 291. 

*) De antro Nymph. 28. 

*) Vgl. X 27. 



•) Paus. I 26, 6. 

') Paus. VI 20, 2. Stbnqkl Herrn. XX IT 
645 f. 

«) Paus. V 15, 6. 

•j Diod. V 62. 

>o) Anthol. gr. VI 232. 

»>) Vgl. z. B. Plut. mql noXvfpa, VI 
p. 95 A. 



8. Kvltiiahuidliingen« ($ 64.) 



95 



beziehen konnte.^) Ob diese nun beim Schlachten der Tiere die bei einer 
Opferdarbringung üblichen Gebräuche beobachtet haben, ist uns nicht 
sicher überliefert, doch lässt sich annehmen, dass jedes Schlachttier wirk- 
lich auch als Opfertier angesehen und behandelt wurde. ^) Sicherlich 
fanden hierbei nicht alle die feierlichen und zeitraubenden Geremonien 
statt, die wir bei jedem eigentlichen Opfer finden, und ebenso gewiss hat 
man sich über die sonstigen, die Beschaffenheit des Opfertiers betreffen- 
den Bestimmungen hinweggesetzt, aber die Hauptsache wird nicht unter- 
lassen worden sein: man wird den Göttern einige wertlose Stücke des 
Tieres verbrannt haben. Es lässt sich vermuten, dass der Fromme, der 
seinen Braten beim Metzger kaufte, Gewissensskrupel gehabt haben würde, 
wenn er dies nicht voraussetzen durfte,') ebenso wie heute der streng- 
gläubige Jude darauf hält, seinen Fleischbedarf von einem Händler zu 
beziehn, der das Tier kauscher geschlachtet hat. Wo ein Tier im eigenen 
Hause geschlachtet wurde, versäumte man die einfachsten Opferceremonien 
wohl nie>) Hier vertrat der Hausherr die Stelle des Priesters,^) aber 
verstand er sich nicht auf die Gebräuche, oder hatte er nicht Lust, sie 
persönlich zu vollziehn, so zog er einen (jLayfiQog zu, zu dessen Kunst 
auch diese Fertigkeit gehörte. <') In wohlhabenden Häusern wird ein 
solcher sich in der Regel schon unter dem Dienstpersonal befunden 
haben. ^) Aber bei weitem nicht alle von Privaten dargebrachten Opfer- 
tiere wurden im Hause geschlachtet. Man führte sie zu einem bestimmten 
Heiligtum und übergab sie dem Priester, damit dieser sie opfere. Hatte 
er die dem Gotte zukommenden Stücke {&€OfjioQ(ay) verbrannt, so empfing 
er selbst für seine Bemühungen einen Anteil {icQioavva oder /£?ry), und 
der Eigentümer des Tieres nahm das übrige Fleisch nach Hause, wenn er 
nicht etwa vorzog, es mit seinen Gästen an Ort und Stelle zu verzehren. 
Zu Hause konnte dann ein Mahl bereitet werden, zu dem die Freunde ein- 
geladen wurden,^) oder es ward ihnen ein Stück Opferfleisch zum Ge- 
schenke gesandt, ^0) oder endlich man salzte das Fleisch ein und bewahrte 
es zu späterem Gebrauche auf. Doch war es« wohl eine Ausnahme und 
galt als unschicklich, dass man alles für sich behielt. ^0 Bisweilen brachten 
mehrere Familien oder Freunde ein gemeinschaftliches Opfer dar, dessen 
Fleisch dann unter alle verteilt wurde, ^^) oder ein ganzes yevog ver- 
anstaltete ein Opfer.* 3) Die Veranlassungen zu solchen Opfern waren 



*) ScBORMAMK Gr. A. IP 554. 

•) Vgl. Artemidor V 253, 2 Hbbohbb 
und die Ausdrücke xaza&veiy für schlachten 
(Herod. YllI 19), ^vuia fttr Festschmaus 
(z. B. Herod. VIll 99). 

») Vgl. die Inschr. Joum. of HelJ. Stud. 
VIII (1887) 8 888 nr. 17. 

*) Vgl. Athen. V 179 D. 

») Fiat. Rep. 828 C. 

«) Athenion bei Athen. XIV 80 p. 661; 
Athen. IV 70 p. 170; IX 29 p. 382. 

^) Dass vom Hausherrn oder seinen Söh- 
nen selbst dargebrachte Opfer den Göttern 
unter allen Umständen Heber waren, als die, 
welche man durch Bedienstete vollziehn 



liess, ist aus Athen. I 9 B nicht zu schliessen. 

*) Inschr. aus Kos bei v. Psott-Ziehek 
Leg. sacr. S. 25 VI ZI 20. Stengel Herrn. 
XXXI 642 f 

>) Xen. Mem. III 11, IX 4. Aristoph. 
Flut. 227. Athen. XV 676 B. 

>o) Theokr. Id. V 139. Flut. Ages. 17. 
Xen. Hell. IX 3, 14. 

>») Theophr. Char. 9. Athen. V 177 F. 
Flut. De adulat. et amico 28 § 68 B; De fratr. 
amore 7 p. 481 D. 

>«) Isai. IV 33. 

>=>) Inschr. aus Ghios Athen. Mitt. XIII 
166. 



96 



Die grieohiBchen Ealtossltertllmer. 



natürlich verschieden. Im Hause werden die Tiere nur geschlachtet 
worden sein, wenn man das Fleisch brauchte, sei es zum täglichen Be- 
darf oder zur Feier eines Familienfestes, oder weil man Oäste zu be- 
wirten wünschte; häufig auch wird man dem Gotte zum Dank für etwas 
Gutes, das man empfangen hatte, oder wenn man ihm mit einer Bitte 
nahte, ein Opfer dargebracht haben. Die fromme Gesinnung konnte sich 
darin zeigen, dass man ein wertvolles Tier opferte, wie auch darin, dass 
man bessere und reichlichere Stücke verbrannte. 

65. Durch nichts anderes als durch die Menge der Tiere, ein 
grösseres Gepränge und die Zahl der Theilnehmer unterscheiden sich von 
diesen privaten die grossen Fest-, Dank- und Bittopfer, die der 
Staat oder die Gemeinde darbringt, (ir^fioreXsTg d'vafai). In homerischer 
Zeit, wo man regelmässig wiederkehrende Feste zu Ehren der Götter 
entweder noch gar nicht kennt oder doch nur sehr selten feiert, i) werden 
grosse Opfer, an denen die Masse des Volkes teilnimmt, veranstaltet, wenn 
man sich einen frohen Tag machen und dabei zugleich einem Gotte Ehre 
erweisen will. So opfert Nestor in Pylos dem Poseidon eine Hekatombe 
von Stieren (y 7 ff.), lange Reihen von Bänken sind am Gestade des 
Meeres aufgeschlagen, und die ganze männliche Einwohnerschaft vergnügt 
sich mit dem Hirten seiner Unterthanen; und ähnlich werden uns alle 
andern grösseren Opferfeierlichkeiten beschrieben.*) Später finden diese 
Massenopfer an den zahlreichen Festen statt. Ferne Kolonien senden 
Opfertiere dazu, und der Staat erschöpft seine Kassen,') um würdig die 
Bürgerschaft zu speisen und die Götter zu ehren. Es kommt auch vor, 
dass für ein regelmässiges Festopfer eine besondere Steuer erhoben wird, 
die verpachtet werden kann, so dass dann der Pächter zur Ausrichtung 
des Opfers verpflichtet ist.^) Daneben finden zu allen Zeiten grosse 
durch besondere Ereignisse veranlasste Dankopfer statt. Aigisthos und 
Kljrtaimestra bringen sie dar, als ihnen die Ermordung Agamemnons ge- 
lungen (y 273), die homerischen Helden geloben sie, wenn ihnen die Er- 
legung eines Feindes glücken {J 120), oder sonst ein grosser Wunsch 
erfüllt werden sollte (^ 873). Vor der Schlacht bei Marathon verpflich- 
ten sich die Athener, der Artemis so viele Ziegen zu opfern, als sie 
Perser erlegen würden, und als sie die versprochene Zahl nicht aufbringen 
können, opfern sie wenigstens fünfhundert, und fortan wird am Jahres- 
tage der Schlacht dies Opfer wiederholt.^) Nach einem erwünschten 
Friedensschluss,^) einem geglückten Überfall, '') glücklicher Errettung aus 
einer Gefahr,^) einem wichtigen Beschluss, ^) beim Empfang einer frohen 
Nachricht *'^) werden Dankopfer gebracht, und so natürlich noch bei 
vielen andern Gelegenheiten.^') Ebenso häufig sind die Bittopfer, um 



') Vgl. V 156, (p 258. 
«) Vgl. A 315 ff., 458 ff. 

>) DiTTENBBBOEB SjU. 12. Diod. XII 30. 

Vgl. BoECKH Staatsh.» I 265 ff. 

*) Bekkbr An^cd. I 432, 207 und mehr 
bei TöPFFER Athen. Mitt. XVI 426 f. 

») Xen. Anab. III 2, 12. Plut. De glor. 
Ath. 7; De malign. Herod. 26. Poll. UI 21. 



•) Xen. Hell. VII 4, 36. 

') Ebenda VII 2, 23. 

*) atoTiJQia &v6iy, Luk. Jup. trag. 15. 

») Xen. Hell. VI 5, 49. 

»0) svayyiha &vBiy, Xen. Hell. IV 3, 14. 
Schol. zu Aristoph. Equ. 1320. 

»1) S. z. ß. Luk. Dial. meretr. VH 1. 
Paus. I 27, 9. 



8. Kultnshuidliingeii. (§ 65-66.) 



97 



Apollon zu versöhnen, führt Odysseus eine Hekatombe zum Opfer nach 
Chryse/) und die Zurückbleibenden opfern ebenfalls eine,') Agamemnon 
schlachtet dem Zeus einen Stier mit der Bitte um Sieg, und von den 
Übrigen opfert einer dem, der andere jenem Gotte, auf dass er dem Tode 
und der Gefahr in dem bevorstehenden Kampfe entgehe;^) vor der Ab- 
fahrt von Troja werden grosse Opfer veranstaltet und die Götter angefleht, 
eine günstige Seefahrt zu geben ;^) Hekabe gelobt der Athena zwölf 
Kühe, wenn sie dem Wüten des Diomedes Einhalt thun wolle, ^) und 
Achill spendet dem Zeus, als er sorgenvoll den Freund in den Kampf 
schickt. •) Die spartanischen Könige opferten beim Überschreiten der Grenze 
die diaßaziJQia'') und vor der Schlacht den Musen, damit sie die Namen 
der Helden berühmt machten,^) Frauen den Nymphen mit der Bitte um 
Kindersegen,') und so wird es der Anlässe im Leben des einzelnen und 
des Volkes tausende gegeben haben, wo man sich mit Gebet und Opfer 
an eine Gottheit wandte, um ihre Hilfe und ihren Segen zu erlangen. An 
ein wichtigeres Unternehmen machte sich wohl niemand, ohne vorher ge- 
opfert zu haben. ^^) Dazu kam die grosse Masse der von Staatswegen 
festgesetzten Opfer, der &vatai ndxqim. Überall gab es Opferkalender, 
die auf Stelen, welche man in die Tempelwände einmauerte oder doch an 
heiliger Stelle aufstellte, eingegraben waren, und die Monat für Monat 
die Opfertage, Art und Zahl, oft auch die Preise der zu opfernden Tiere 
angaben. ^0 ^^ Athen hatte man ausserdem die alten Verzeichnisse der 
xvgßeig^ die nach wie vor weiter galten, und amtlich festgestellte und 
revidierte avyyQaipaiy die die Gesamtheit der vorschriftsmässigen Opfer 
mit den dafür ausgeworfenen Geldbeträgen verzeichneten, schafften die 
Sicherheit, dass alles in der gehörigen Ordnung geleistet wurde.'') Ausser- 
dem konnten die fidweig, so oft es ihnen gut schien, ausserordentliche 
Opfer verlangen, und eine eigene Behörde von zehn Männern {uQonoioi 
ini %d ixd-tfAata) war beauftragt, ihnen die erforderlichen Tiere zu be- 
schaffen.*') 

66. Suchen wir uns jetzt ein Bild von der Ausführung eines 
Speisopfers in allen seinen Einzelheiten zu machen. ^^) 

Zuerst wurde das Opfertier mit Binden, Schleifen und Kränzen ge- 
schmückt,*^) den Rindern vergoldete man bisweilen die Hörner,^*<) bei 
einigen grossen Festen geschah dies sogar regelmässig, und die Kosten 
dafür wurden wie für alle übrigen Vorbereitungen und Veranstaltungen 
von vornherein ausgeworfen und festgesetzt.*^) Ebenso festlich geschmückt 



») A 147, 431, 458 ff. 
«} A 315 ff. 
•) B 400 ff. 



*) Y 144 ff, 159, 178 f. 

») Z 308 ff. 

•) n 230 ff. 

') Thnk. V 55, 116. Xen. Hell. IV 7, 2; 
V 1 33. 

'•) Plut. Lyk. 21, Instit. Lacon. 16 p. 238ß, 
De cohib. ira 10 p. 458 F. 

•) Eur. El. 785, vgl. 625. 

»•) 11. H 450. Thuk. IV 92, VIH 70. 
Xen. Hell. IH 2, 10. 

Bandbuch der klMB. AltertumswlBscnschaft. V, X 



^>) Vgl. die Sammlung v. Pbott's Fasti 
graeci, Leipz. 1896. 

»«) Lys. XXX § 17 ff. 

'•) Arist. Ath. Fol. 54. 

") Schilderungen bei den Alten II. A 
458 ff. Od. f 414 ff. Eur. Herakl. 922 ff Ari- 
siopb. Fax 937 ff. Menandr. Frgm. 292 S. 82 
KooK. Apoll. Rhod. 1 407 ff. Dion. Hai. VII 72. 

»») Eur. Herakl. 529. Plut. Aem. Pauli. 
33. Luk. llB^i »m. 12. Act. Apost. XIV 
11 ff Vgl. Taf. I Fig. 4-5. 

'•) K 294, y 384. 

, ") DiTTENBEBGBB Syll. 70. BoJICKH 

2. Anfl 7 



98 



Die grieohisohen KultuBalterifimer. 



waren die Opfernden selbst. Sie legten weisse Gewänder an^ und setzten 
sich Kränze aufs Haupt. ^) In homerischer Zeit fehlt der Kranz noch, 
später ist er so unentbehrlich, dass bei Aristophanes ') eine Frau klagen 
kann, sie habe früher mit Kranzwinden viel Geld verdient, aber seitdem 
Euripides die Menschen gelehrt habe, es gebe keine Götter, und es sei 
thöricht zu opfern, gehe es ihr schlecht. Der Kranz war nicht nur ein 
Schmuck, sondern entsprechend der heitern Stimmung, die bei jedem 
Speisopfer herrschen sollte und herrschte, auch ein Zeichen der Freude,^) 
und man fühlte sich, so lange man ihn trug, unter dem Schutze der 
Gottheit;^) denn das Bekränzen war ein Zeichen der Weihung oder 
Heiligung.^) Als Xenophon während eines Opfers die Nachricht vom 
Tode seines Sohnes empfängt, nimmt er den Kranz ab, aber als er hört, 
dass er tapfer kämpfend gefallen sei, setzt er ihn wieder auf und voll- 
endet das Opfer. ^) Auch Minos soll, als er auf Faros den Chariten 
opfernd den Tod des Androgeos erfuhr, den Kranz abgenommen haben, 
woher es dann auf der Insel Sitte geworden sei, bei den Opfern dieser 
Göttinnen unbekränzt zu erscheinen.^) Auch nach dem Opfer behielt 
man den Kranz auf dem Haupte.^) Die Wahl der Blumen oder Blätter, 
aus denen man die Kränze wand, hing davon ab, welchem Gotte das 
Opfer dargebracht wurde, denn die meisten hatten ihre Lieblingspflanzen, 
die ihnen besonders wohlgefielen, und verschmähten wiederum andere/^) 
Doch waren hierin Glaube und Gebräuche an den verschiedenen Orten 
nicht übereinstimmend.**) — In einem schönen Korbe, der oft von 
Silber,**) bisweilen wohl auch vergoldet war,*') befanden sich die Opfer- 
geräte, die heilige Gerste, und was sonst etwa noch erforderlich war;*^) 
dieser, wie auch das Becken, das das Wasser (x^'Qvitp) enthielt, wurde vor 
dem Beginn der Opferhandlung in der Richtung von links nach rechts 
um den Altar herumgetragen.*^) Dann nahm man von dem auf dem 
Altar brennenden Feuer ein Scheit {daXiov)^^) und tauchte es in das 
Wasser,*^) das dadurch geweiht wurde. Der Altar und die Anwesenden 
wurden damit besprengt;*^) auch benetzten sie ihre Hände und be- 
sprengten sich selber;**) ebenso ward das Opfertier besprengt.*®) Hierauf 



Staatsh.* II 84 ff. Der Preis für die Vergol- 
dung betrug pro Rind etwa eine Mark. 

') Aischin. lll 77. Plut. Cons. ad Apoll. 
34 p. 119 B. 

») Xen. Anab. Vll 1, 40. Athen. XV 
676 B. 

«) Thesm. 447 ff. 

*) Soph. Oid. tyr. 82 f. Plut. Lykurg. 26. 
Athen. XV 16 p. 674. Der Archen Basileus 
legt, wenn er in Mordsachen zu Gericht 
sitzt, den Myrtenkranz, sein Amtszeichen, 
ab (Arist. Ath Pol. 57). 

*) Vgl. Aristoph. Plut. 21. 

•) V. WiLAMOwiTZ Eur. Her.* II 156 zu 
V. 677. RoHDB Psyche* 1 220 A. 2. 

') Diog. Laert. II 54. Plut. Cons. ad 
Apoll. 34 p. 119A. Vgl. Anthol. Pal. VII 
712 

8} Apoll. Bibl. m 15, 7. Vgl. Plut. 



Praec. sanit. 19 p. 132 F. Andere Beispiele 
Athen. IV 139 und Paus. U 11, 4. Vgl. 
Aristot. Frgm. 98. 

•) Plat Rep. 328 C. 

»•) Athen. XV 678. Paus. II 20, 5. Böt- 
TiCHBR Tekt. IV 64. 

>>) Plut. Quaest. rom. 112. 

»j CIG 1570, 2855. 

^«) Schol. Aristoph. Ach. 242. 

>*) Eur. El. 791 ff. 

'») Eur. Iph. Aul. 1474. Aristoph. Pax 
957. Athen. IX 76 p. 409. 

'«) S. Hesych. u. d. W. 

»') Eur. Her. 928. Athen. IX 409 B. 

'«) Athen. 1.K409 B. Aristoph. Lya. 1129. 

»») Dion. Hai. VII 72. 

«0) Dion. Hai. VH 72. Vgl. Eur. Iph. 
T. 609 f. 53 f. Iph. Aul. 954. Phoin. 572 ff. 



S. KiiltiMihandlangen. (§ 66.) 



99 



¥nirde mit Salz gemischte, wahrscheinlich ungeschrotene') Opfergerste 
(6lai\ auch ngoxvi^cci ,^) bei Homer ovlaf, ovXoxvtai) herumgereicht,*) 
von der ein jeder ein weniges in die auf dem Altar lodernde Flamme^) 
und auf den Kopf des Opfertiers^) streute. Der Sinn des Hineinwerfens 
in das Feuer auf dem Altar kann wohl nur gewesen sein, den Oöttern, 
die an dem Mahle teilnehmen sollten, auch von der Brotfrucht zu bieten, 
wie sie ja auch Fleisch und Wein erhielten ganz wie die Menschen, die 
sie zu Gaste luden;'') doch scheint man es als eine Art Yoropfer an- 
gesehen zu haben, das eine gewisse Selbständigkeit hatte. ^) Das Be- 
streuen der Tiere wird kathartische Bedeutung gehabt haben. ^) Das 
Opfertier stand der Stricke, an denen man es geführt hatte, '^) entledigt 
frei vor dem Altar, ^i) Dass es als ein gutes Zeichen angesehen wurde, 
wenn es ruhig zur Opferstätte ging und dort mit dem Kopfe nickte, und 
dass man dies Zeichen auch auf künstliche Weise herbeizuführen verstand, 
haben wir bereits gesehen (S. 58). Ein Herold fragte rtg ^fjSe; worauf 
die Antwort ertönte noXXol xayax^oi.^*) Hierauf wurden dem Tier einige 
Stirnhaare abgeschnitten und ins Feuer geworfen,*^) eine Spende ge- 
gossen'*) und ein Gebet {xaTsvxr^) gesprochen.'*) Damit waren die vor- 
bereitenden Handlungen, die Einleitung des Opfers (xara^x^cT^ori), be- 
endigt. >^) Sie zu vollziehen lag bei Staatsopfern dem dazu bestellten 
Vertreter der Gemeinde ob, der nicht notwendig ein Priester zu sein 
brauchte,") bei Privatopfern dem, der das Opfer brachte. Das Tier hatte 
durch das Abschneiden der Haare die Todesweihe empfangen,'^) und der 
eigentliche Opferakt nahm seinen Anfang. Alle Anwesenden wurden zu 
frommem Schweigen aufgefordert («vyijju««:« oder €vg)rjfi{a iatw).^^) — 



') Schol. Aristoph. Equ. 1167. Schol. 11. 
A 449, dessen letzter Teil, von f^yrjfitjy ab, 
Citat ans Theophrast ist (vgl Bbrkays 
Tfaeophr. 55). Od. y 441. Stsnobl Herrn. 
XXIX 627 flf. 

*) Aristoph. Fax 961 f. wird Opfergerste 
UDter das Pnblikum geworfen; Mehl wäre 
dazu wenig geeignet gewesen Auch der 
folgende obscöne Witz scheint nur klar, wenn 
man unter xQi&ai Körner versteht, die man 
anei^Biy kann (so gewöhnlich für rixteiv, 
dass man es aLs Metapher kaum noch em- 
pfand, z. B. Soph. Oid. tyr. 1498. Eur. Or. 
552). Vgl. Od. fjL 358. v. Fritze Herrn. XXXII 
240 if. Die älteren Abhandlungen darüber 
verzeichnet Schobmann Griech. Altt.'* II 239 
A. 6. Gf. auch Flut Quaest. gr. 6 p. 292 C • 
und Bbbnats Theophr. 41 u. 52. 

•) Eur. Iph.Aul.955, 1112. Apoll. Rhod. 
I 425. Vgl. Herod. I 160. v. Fbitzb a. a. 0. 
246 f. 

*) Aristoph. Fax 962 ff. 

*) Eur. El 804. Iph. Aul. 1470 f. Schol. 
Apoll. Rhod. I 409. 

•) Schol. Aristoph. Nub. 260. Equ. 1167. 
Schol. n. A 449, welche Stellen v. Fbitzb 
a. a. 0. 237 ff. mir nicht glücklich zu inter- 
pretieren scheint. Dion. Hai. VIl 72. 



Vgl. Stbngbl Herrn. 
Vgl. Eur. Iph. Taur. 



') Vgl. Julian Reden V 176D. Hbrmahn 
Gott. Altt * § 28 A. 2. 

») Vgl. CIA in 77. Laert. Diog. VI II 18, 
auch Faus. I 24, 4. 

») Vgl. Od. cf 761. CIA in 77. L. Ziehen 
Leg. sacr. 22 f. 

»0) Taf. I Fig. 4. 
XXX 844 A. 

'») Taf. I Fig. 5. 
469. 

'<) Bbbgk Foet. lyr.^ HI 658. Aristoph. 
Fax 968 mit Schol. = Suid. u. itV rpdf. 

'») Od. y446 Eur. El. 811. Vgl. auch 
Verg. Aen. VI 248. 

>«) Aristoph. Fax 438 f. Bbbok a. a. 0. 

'^) Aristoph. Fax 978 f. Berok a. a. 0. 

»•) Aristoph Av. 959 Eur. Her. 529. 
Iph. T. 244. Frgm. Nauck* 327 S. 458. S. 
DiTTENBEROER Ind. Icct Halle 1889 90 S. VI ff. 

") B. B. Arr. Anab. II 26. 

»8) Vgl. Eur. Alk. 74 ff., auch Verg. 
Aen. IV 698. 

»») 11. / 171. Aristoph. Ach. 237 mit 
Schol. Av. 958. Thesm. 295. Koische Inschr. 
V. Frott Leg. sacr. S. 20 ZI. 32 u. s. w. 
Vgl. Eaibbl Soph. El. 171 und die Abbildung 
Schreiber Kulturhist. Atl. XIV 4. 



100 



Die grieohlBohen Kaltasaltertttmer. 



Nur bei einem Heraklesopfer in Lindos soll es üblich gewesen sein zu 
fluchen/) wofür die Legende einen Grund anzugeben wusste,^) und bei 
einem ApoUonopfer in Anaphe zankten Männer und Frauen,^) während sonst 
gerade jedes Schmähwort streng verpönt war.*) Man rief den Gott an, 
das Opfer gnädig anzunehmen,^) und es ertönte Flötenmusik.®) Dann 
wurde das Tier geschlachtet. Grössere, namentlich Rinder, pflegten dabei 
zuerst durch einen Schlag, der mit einem Beile oder einer Keule auf den 
Kopf geführt wurde, betäubt zu werden,^) oder es ward ihnen mit der 
Schneide des Beiles der Nacken») oder der Hals durchschlagen.») Doch 
richtete man das niedergestürzte noch einmal auf, ^o) beugte ihm den Kopf 
zurück {avegvsiv), so dass es den Himmel anzuschauen schien,^') und beim 
Offnen der Schlagader i^) das Blut in die Höhe spritzte. Kleineren Tieren, 
wie Schafen und Ziegen, schnitt man mit einem Messer^') den Hals durch, 
oft so, dass man sie dabei hochhielt.^*) Auf eine eigentümliche Art 
wurden der Despoina zu Methydrion in Arkadien die Opfertiere ge- 
schlachtet: man hieb sie in Stücke.'^) In Hermione war es an den der 
Demeter gefeierten Chthonien Brauch, dass vier alte Frauen vier Kühe 
mit Sicheln im Tempel selbst schlachteten.^®) Das Blut Hess man ent- 
weder direkt auf den Altar laufen (Taf. I Fig. 3) oder fing es in einer 



») Konon Narr. 11. ApoUod. II 118 Wao- 
NKB. HiLLEB V. Gabbtbinokn bei Fault- 
W188OWA u. Bovxonta Sev&aiaitt, 

*) Der wirkliche scheint zu sein, dass 
man einen ursprünglich unblutigen Kult in 
einen blutigen verwandelt hatte, wie in Athen 
durch Einführung der Buphonien beim Fest 
des Zeus Folieus, und die daißeia, die darin 
lag, durch den sonderbaren Brauch, der bald 
zu einer unverstandenen Ceremonie erstarrte, 
bekennen wollte (v. Wilamowitz Vorrede zu 
£ur. Her.^ S. 8 A. Stengel Rhein. Mus. 1897 
S. 399 ff.). 

») Apoll. Rhod. IV 1728. 

*) Soph. El 630 f. 

*) 11. I 171 f. Aristoph. Thesm. 295 ff. 

*) Wie der Kranz wurde auch diese erst 
in nachhomerischer Zeit üblich, ist dann aber 
bei jedem Speisopfer ebenso unentbehrlich 
wie jener. Dem Herodot ([ 132) fällt es 
als eigentümliche persische Sitte auf, dass 
keine Flötenmusik die Opfer begleitete, 
und die Stellen, an denen ihrer Erwähnung 
geschieht, sind nicht minder zahlreich als 
das Vorkommen des Instrumentes selbst auf 
bildlichen Darstellungen von Opferscenen. 
PoU. 1 38, IV 86 ff. Athen. VIII 349 C. 
Paus. Vill 38, 6. Plut. Quaest. symp. II 1, 5 
p. 632 D. Dio Chrysost. Or. XXII 57. Ab- 
bildungen bei Baumbister Denkmäler des 
klass. Altert, u. Opfer II 1107, Arch. Ztg. 
1845 Taf. 35 u. 36. — Das Unterbleiben des 
Flötenspiels beim Opfer ist ein Zeichen der 
Trauer, wie das Fehlen des Kranzes, und 
kommt daher ebenso ausnahmsweise oder 
noch seltener vor. Ein Beispiel liefert das 



bereits erwähnte Opfer der Chariten in Faros 
(Apoll. Bibl. in 15, 7. Plut. Praec. sanit. 19 
p. 132 F), wo der Mythos den seltsamen 
Brauch zu erklären versucht. Vgl. Plut. De 
aud. poet. 11 p. 16 D u. or» ov6^ Cv»" ^^^y 
^&itag X. 'Emx. 21, 8 p. 1102 A. In Tenedos 
gab es ein Heiligtum, das kein Flötenspieler 
betreten durfte (Plut. Quaest. graec. 28 p. 
297 D), augenscheinlich weil es eine Stätte 
der Trauer sein sollte. 

') Dion. Hai. VII 72 p. 1459. ApoU. 
Rhod. I 426. Od. I 425. 

8) Od. y 449. Apoll. Rhod. I 429 f. 

») Eur. Hei. 1584. Soph. Ai. 296 ff. 
Plut. Quaest. symp. VI 8, 1. 

") dyeXoyxeg bcxov Od. y 448, später 
at^ea^at rotV ßovg CIA II 467 ff., CIA IV 
2, 35b. Theophr. Char. 27 p. 152. Sten- 
gel Herm. XXX 339 ff. 

"> IL J 459 mit Schol. Orph. Arg. 316. 
W. Schulze Quaest. epic. 59. Stengel Herm. 
XXV 322. Vgl. die Abbildung des Stier- 
opfers für Mithras in Baumeisters Denkm. 
925 n. 996. 

»«) affdCeiy Od. I 426, y 454. 

") Strab. XV 733. Abbildungen von 
Opfermessem bei Dabexberg-Saolio 1 1584 f. 

'^) Die Beine nach oben auf der Ab- 
bildung bei Darbmbebo-Saglio 1 1187 Fig. 
2127. Vgl. Eur. El. 813 f. Apoll. Rhod. IV 
1595. — Mehr bei Stengel Ztschr. f. d. Gw. 
1880 S. 739 ff Vgl. die Abbildung Taf. I 
Fig. 3. 

^*) Paus. VIII 37, 5. 

»•) Paus. II 35, 4. 



8. Enliashandlnngen. (§ 66.) 



101 



Schale {(rg>ay€iovy) auf und goss es darauf.*) Damit glaubte man wohl 
das Leben des Tieres selbst der Gottheit darzubringen. In homerischer 
Zeit stiessen die beim Opfer etwa anwesenden Frauen, wenn das Tier 
den Todesstreich empfing, (y 450) einen Preudenruf ') aus {oXolvpj, olokvy- 
fnog, oXoXvCeiv), vielleicht nach einer herkömmlichen Melodie, wodurch 
man den Gott herbeirufen wollte,^) und noch eine pergamenische Inschrift 
(Vm 2 nr. 255) erwähnt neben einer avXr/TQig eine oXoXvxTQia,^) Hierauf 
zog man dem Tier die Haut ab, schnitt ihm die Zunge aus,^) nahm die 
inneren Teile (anXdyxva) heraus, zerlegte es und sonderte die Stücke, welche 
die Götter empfangen sollten. 7) Zuerst verbrannte man unter Spende- 
güssen®) einzelne Teile der anXayx^^^ und zwar ungesalzen,*) wohl die 
wertlosesten wie die Galle, ^o) die nur bei Opfern, die der Hera als Ehe- 
göttin gebracht wurden, fortgeworfen wurde. '^) Mit völlig ungeniessbaren 
Teilen geschah dies überhaupt.^') In die Flamme geworfenes Talg be- 
förderte das Verbrennen, und Weihrauch beseitigte die aufsteigenden un- 
angenehmen Gerüche. ^^) Darauf kosteten alle ein weniges davon, wonach 
man das Übrige wohl den Dienern und Sklaven zu verzehren gab. ^^) Die 
Götter empfingen in homerischer Zeit namentlich die Schenkelknochen 
(jMij^/a),^*) die in Fett eingehüllt samt einigen Fleischstückchen auf 
dem Altar verbrannt wurden.^«) Eumaios schneidet von jedem ein- 
zelnen der grossen Stücke, in die der Eber zerlegt ist, etwas ab, um es 
den Göttern zu opfern,") verbrennt dann aber noch ein grösseres Stück 
Fleisch als hauptsächlichste Opfergabe. ^®) Später verbrannte man nament- 
lich den unteren Teil des Rückgrats und den Schwanz, ^*) aber auch 
andere Knochen, an denen man mehr oder weniger Fleisch liess.^^) Doch 
war in diesem Punkt die Praxis nicht nur der einzelnen, sondern auch 
der Völker immer verschieden. Die Frommen Hessen den Göttern mehr 
zukommen,*^) andere beschränkten sich auf das Notdürftigste, um nur der 



») PoU. X 65. Vgl. 97. 

«) Athen. VI 261 E. Dion. Hai. VII 72 
p 1459 u. s. w. Vgl. die AbbildaDg bei Da- 
bbmbbbo-Saouo I 1587 Fig. 2127. 

») Od. / 408, cf 767 flf. Vgl. Aisch. Ag. 
1118; Cboeph. 385; Sept. 268, 825. 

*) Z 301. 6 lei. Eur. Erecbth. Frgm. 
853 Nauok S. 369. 

*) Vgl. Herod. IV 189. 

•) Od. X 834. Menandr. Eoox Frgm. com. 
III 82 Dr. 292. 

') die änaQx^'^ (Od. I 446. Schol. Ari- 
atoph. Plut. 660. Dion. Hai. VII 71.) 

«) Menandr. Frgm. 292 bei Kock 111 S. 82. 

*) Athenion bei Eook Frgm. com. III 
S. 370. Schol. Aristoph. Plut. 1130. 

'«) Menandr. bei Athen. IV 27 p. 146. 

") Plut. Coni. praec. 27. 

»«) Vgl. Schol. Aristoph. Pax 717. Plut. 
Phok. 1; De cnp. div. 5. 

*•) Inschr. v. Kos v. Pbott Leg. sacr. 
S. 25 VI 19 f. 

>«) A 464. Aristoph. Pax 1040. Stbhobl 
Arch. Jahrb. IX 114 ff. 

*') Vgl. Hbbmann G. A. § 28 A. 21 und 



Palet üpon the sacrificial sense of (irjQoi 
and fi^^icr in den Transact. of Cambr. Phil. 
Soc. 1879 p. 202 f., der iJifjqia als Fleisch- 
streifen, Koteletts, erklärt. Dagegen auch 
Jbbb Soph. Ant. (Cambridge 1888j zu V. 
1011. Ein Beispiel des Verbrennens von 
Schweineschenkeln findet sich bei Homer 
nicht. 

'•) A 460, B 423, y 458, ju 360. Vgl. 
Schol. zu ApoU. Rhod. III 1038 u. Nitzsoh 
zur Odyssee I 228. Rohdb Psyche« I 324 f. 

»») f 428. VieUeicht ist diese Sitt« ab 
und zu auch später noch beobachtet worden, 
8. Dion. Hai. VII 72 p. 1494 ff 

»•) f 435 f. Vgl. Bbrkhardi a. a. 0. S. 4. 

»•) Menandr. bei Athen. IV 27 p. 146. 
Schol. Aristoph. Pax 1054 u. Ran. 223. Vgl. 
WiBSELEB Philol. X 389 f. 0. Jahn Mün- 
chener Vasen 1022. 

«0) Aristoph. Plut 1128 mit Schol. Av. 
900. Soph. Ant. 1010. Vgl. die Abbildung 
in Bavmbistbb's Denkm. 1107 n. 1303. 

'*) Vgl. G. Hbrhann zu Aisch. Prom. 
100 f. SoHOBiiAK« Prometheus 115. 



102 



Die griechiBchen Knltasaltertflmer. 



Form zu genügen.^) Den Lakedaimoniern sagte man nach, dass sie bloss 
Knochen verbrannten,^) und die Kärglichkeit der karischen Opfer war 
sprichwörtlich.») In dem Opferkalender von Kos*) wird angeordnet, 
dass von den Opfertieren für Hera und Zeus Polieus die Ivioga ivihqstcu 
und auf dem Altar im Tempel verbrannt werden. Es sind damit wahr- 
scheinlich die nicht abgehäuteten Köpfe und Füsse der Rinder gemeint,^) 
die dem getöteten Tier gleich zu Anfang abgeschnitten und bei Seite 
gelegt werden.«) Der mykonische Kalender') bestimmt, dass dem 
Zeus Chthonios und der 6e Chthonia dsqxd fieXava geopfert werden 
sollen, Tiere, deren Fell man vorher abgezogen hatte, was sonst bei 
Opfern für chthonische Gottheiten nicht geschah. 8) — Bei Homer finden 
wir auch ein Zungenopfer erwähnt.^) Abends als die Gesellschaft nach 
Hause aufbricht, werden mit der letzten Spende auch die Zungen der ge- 
schlachteten Tiere dem Gotte zu Ehren verbrannt. Nur eine Reminiscenz 
und bewusste Nachahmung der Homerstelle liegt Apoll. Rhod. I 516 ff. 
vor, woraus auf die Thatsache späteren Vorkommens derselben Sitte also 
nicht geschlossen werden darf; zwar bleibt es Brauch, dem Opfertier die 
Zunge auszuschneiden und sie besonders zu legen, ^<^) aber man verbrennt 
sie nicht mehr den Göttern, sondern es empfangen sie entweder die 
Priester'^) oder, namentlich bei den Srnionsletq d-vaiai^ die Herolde, die 
bei der Opferhandlung Dienste geleistet haben. ^*) Das übrige Fleisch 
wurde, wenn es an Ort und Stelle verzehrt worden sollte, gebraten, nur 
bei den Opfern der Hören in Athen gekocht.*») Wenn die Opfergaben 
auf dem Altar verbrannten, goss man Spenden von gemischtem Wein 
darauf, **) und zwar beteiligten sich hieran alle Anwesenden.**) Ebenso 
brachte man nachher während des Opfermahles von jedem neugemischten 
Mischkrug eine Libation dar,*«) und die ganze Festlichkeit schloss wohl 
stets mit einer Spende. Man weihte sie, bisweilen mit noch einer 
andern letzten Opfergabe, entweder dem Gotte, dem man die Tiere ge- 



*) Aristoph. Av. 900. Menandr. bei Athen. 
IV 27 p. 146. Pherekr. bei Clemens Stromat. 
p. 716. 

«) [Fiat.] Alkib. II p. 149A. Vgl. Plut. 
Apophthegm. 1 p. 182 A u. p. 228 D; Lyk. 22. 

*) Said u. KaQMov ^vfia, 

♦) V. Pbott Leg. sacr. S. 20 ZI. 48. 

*) Vgl. Hesych. u. syd^ara. 

*) Vgl. die Anm. v. HicKS im Journ. of 
Hell. Stud. IX 835 u. Stbngbl Berl. Philol. 
Wochenschr. 1895 S. 685 f. 

^) DiTTBNBEBOBR Syll. 373, 26. 

*j Stbngbl Herrn. XXVII 164 ff. 

•) r 341. 

***) Aristoph. Av. 1705 und Didymos im 
Schol. daza. Menandr. bei Athen. XIV 659 E. 
Plut. Phok. 1 ; De cup. div. 5. Apoll. Rhod. 
I 518. 

") Dittenbbrgeb Syll. 373 u. 376. In- 
Bchrr. ans Chics Athen. Mitt. XIII 166, aus 
Sinope Bull, de corr. XIII 300. 

>') Aristoph. Plut. 1110 u. Kallistratos 
im Schol. dazu. Ausführlicher darüber Stbn- 



gbl Jahrb. f. Phil. 1879 S. 687 ff. Mit An; 
gaben wie Poll. VI 55 *Ef/uor dd xX'^qos rj 
itQoStrj tiup xqBiiSv fAoigaj oder Piaton Kratyl. 
p. 401 D 71^0 ndyTioy ^eaiy rj 'Eaziif nQ^tf^ 
ngo&veiy ist bei der Dürftigkeit der Nach- 
richten nicht viel anzufangen. Ober das 
letzte vgl. Pbbüneb Hestia-Vesta 9 ff., auch 
Pbbllbb-Robbbt Gr. M. I 427 f. Bbbnhabdi 
Trankopfer bei Homer, Progr. des Kgl. Gym- 
nasiums zu Leipzig 1885 S. 22 f. v. Fbitzb 
De libatione vet. S. 48 f. 

"I Philochoros bei Athen. XIV 656A. 
Eine Abbildung mit Opfertieren beschftftigter 
fidyeigot, bei Dabbhbbbg u. Saglio I 1501 
Fig. 1938. 

**) Inschr. v. Kos v. Pbott Leg. sacr. 
20 ZI. 49 f. Apoll. Rhod. I 1133, 1185, IV 
1128 f., 1187 und mehr Stbngbl Herm. XVII 
329 f 

") Eur. Kykl. 469 f. 

»•) Plut. Quaest. symp. V 4, 1. Bbbn- 
habdi a. a. 0. 20 f. 



8. Knltiishaiidlimgen. (§ 67.) 



103 



opfert hatte ^) oder dem Hermes.*) Reinen Wein durfte man bei Speis- 
opfem nicht spenden, weil der Wein ja den Göttern als Trank angeboten 
wurde, und ungemischter Wein für ungeniessbar galt. Die Gefährten des 
Odysseus bringen einmal beim Opfer eine Wasserspende iß 362). Auch 
dies ist nicht auffallend: fehlen darf die Spende nicht, und da sie selbst 
nur Wasser zu trinken haben, kOnnen sie auch den Göttern nichts anderes 
bieten. Wahrscheinlich sind solche Spenden in ähnlicher Lage öfters 
vorgekommen.') 

Ebenso selbstverständlich wie Flötenmusik war das Absingen von 
Paianen beim Opfer. ^) Ausnahmen werden als auffällig erwähnt.^) Eine 
sehr alte thasische iischrift«) verbietet den Paian bei Opfern für die 
Nymphen und ApoUon vvinfriysurfi. Auch Reigen und Tänze pflegten sich 
anzuschliessen,^) wie sie ja nie fehlten, wo Festfreude herrschte.^) 

67. An grossen Staatsfesten, wie den Panathenaien, fanden Yolks- 
speisungen statt. Ein uns erhaltenes Dekret') ordnet an, dass die tegonoioi 
zu dem Feste für 41 Minen, über 3200 Mark,^'') Opfervieh anschaffen 
sollten. Das Fleisch sollte dann unter die auf der Akropolis versammelten 
Bürger und Metoiken**) verteilt werden, und jedes Mitglied eines Demos 
seine Portion^*) erhalten.^*) Ausser dem gebratenen wurde rohes Fleisch 
verteilt, >*) das sich jeder zu Hause zubereiten mochte, wann und wie er 
wollte {änocfoQTfva isTnva).^^) Auch Leckerbissen zum Nachtisch und vor 
allem Wein durften bei der Bewirtung nicht fehlen, i^) Aus dem marmor 
Sandtüicense^'') erfahren wir, dass zum Feste des Gottes in Delos 109 Rinder 
für den Preis von 8419 Drachmen, ungefähr 6600 Mark, angekauft wur- 
den. Der schönste Stier {ßovg i^yefioiv)^^) wurde mit einem ungeheuren 
Preise bezahlt, *•) und von dem Tyrannen lason von Pherai wird uns 
berichtet,*®) dass er die Stadt, die zu den pythischen Festen das statt- 
lichste Rind lieferte, mit einem goldenen Kranze belohnte. Die auserlesene 
Färse, welche Hera beim Festopfer in Eos empfing, durfte nicht weniger 
als 50 Drachmen kosten.*') Eine andere Inschrift von derselben Insel 



») Od. r 332 ff. 

') Sie hiess nach ihm i^f^vs (Athen. I 
82B. Poll. Vr 16; 100) und war zu gleichen 
Teilen gemischt (Strattis bei Athen. IX 473); 
mit ihr beschloss man jedes Gelage (vgl. 
schon Od. ij 137). 

•) Aus Apoll. Rhod. 17 1720 ist zwar 
nicht viel zu schliessen, vgl. aber Bsrkays 
Theophr. 91. Nicht damit zusammenzuwerfen 
ist die Wasserspende fttr die Eumeniden 
(Soph. Oid. Eol. 479) oder überhaupt fär 
unterirdische Gottheiten (Od. X 28. Athen. 
XI 496 B). 

*) n. J 473. Athen. XIV 626 ß. 

*) Athen. IV 139 D. 

•) IGA 379. 

^) J 473. Plat. Leg. VIII p. 835. Vgl. 
Poll. IV 95. Flut. De aud. poet. II p. 16 D. 

») Vgl. Hom. Hymn. in Ap. 149. Paus. 
X 1, 2. Etym. m. p. 690 u. n^oc(pdioy, 

*)3DlTTEMBBB0BR Syll. 380. 

*°) über den Preis der Rinder Böckh 



Staatsh.» I 93 ff. und Fbänkbl II 21 * Anm. 
127 ff. L. ZisHBN Rhein. Mus. 1896 S. 215 f. 

»») V. WiLAMOwiTZ Herm. XXII 220. 

»>J Vgl. Plut. Quaest. symp. II 10, 7. 

'S) GIG 2906. CIA II 578. Dittenbergbr 
SyU. 380. 

^*) DiTTBNBBB6BB*Syll. 348 mit Aum. 9. 
CIA IV 2, 35b. 

»») ßuU. de corr. XV 185, 198 f. 

") DiTTBKBBBQBB Syll. 348. CIG 1625. 
CIA II 570. 

*7) DiTTBNBBBOBB Syll. 70. BöcKH Staats- 
h.» I 75 ff. 

«) Athen. VI 27 p. 235. Xen. HeU. VI 
4, 29. BOOKH zu CIG 1688 21. 32 nimmt 
eine zweite Bezeichnung: ßovg rJQiog an; da- 
gegen A. MoMMSBH Delphica 190 u. 226 f. 

'») CIA II 545. 

»•) Xen. HeU. VI 4, 29. 

2') V. Pbott Leg. sacr. S. 25 ZI. 6 f. 
Patok u. Hicxb Inscr. of Cos nr. 34 S. 59 f. 



104 



Die grieohisohen Kultnsaltertümer. 



setzt den Preis der Opferschafe für Poseidon, Kos und Rhodos auf je 30 
und 40 Drachmen fest.O 

Die angesehenen und vornehmen Bürger empfingen einen Anteil 
vom Opferfieisch, und zwar nahmen sie nicht bloss an dem Opfer- 
mahle teil, sondern erhielten auch bei der Fleischverteilung bessere und 
reichlichere Portionen. Für die Buleuten wird ein besonderes Mahl zu- 
bereitet.*) In einem Vertrage zwischen den Steinern und Medeoniern in 
Phokis, die fortan ein Gemeinwesen bilden wollen, wird bestimmt, dass 
der teQorafiiag, der die &vatag rtavQiovq der Medeonier auch femer fort- 
setzen soll, von den Opfern dieselben Anteile erhalte, wie die Archonten.^) 
Das Dekret aus Halikamass^) ordnet an, die Frauen der Prytanen 
sollten von den öffentlichen Opfern denselben Anteil erhalten wie die 
Priesterin, und eine auf die kleinen Panathenaien bezügliche Inschrift 
nennt ausser den Prytanen die neun Archonten, die Strategen, Taxiarchen, 
die Kanephoren u. s. w., die vorweg xata %ä elm^ora ihre Portionen em- 
pfangen sollen.^) Bei dem Opfer des Zeus Sosipolis in Magnesia erhalten 
die Priester die gewöhnlichen Anteile, dann wird das Fleisch des Opfer- 
tiers an die Teilnehmer des Festzuges verteilt, das des ausserdem ge- 
opferten Widders, der Ziege und des Bockes an den Stephanephoros, die 
Priesterin der Artemis Leukophryene, die Polemarchen, Proedren, vBwnoioi^ 
die Rechnungsbeamten und die an der Leiturgie Beteiligten.^) In Sparta 
ist der Erlös aus den Fellen der Opfertiere eine Haupteinnahme der 
Könige,^) und auch an andern Orten erhält der König seinen besondem 
Anteil von den Opfern.^) Ausserdem pflegten Leuten, die sich um den 
betreffenden Kult verdient gemacht hatten, Vergünstigungen und Vor- 
teile bewilligt zu werden. So soll Mnasistratos in Andania die Felle der 
bei der Mysterienfeier geschlachteten Tiere,') ein gewisser Philokedes 
von den Opfern der Lamptrenser,^^) und ein Kallidamas von denen der 
Peiraienser^^) Fleischanteile bekommen, die Phyleomachiden von dem Rinde, 
das dem Zeus an den Karneen in Kos geopfert wird, die Hufe und After- 
klauen [onXtt xal Tagtrog), von den Schafen die Schulter, aus der das 
der Gottheit zu verbrennende Fleisch geschnitten wird,»'') die Nestoriden 
Fleisch vom Rücken, endlich auch die Ärzte eine Portion.»*) Ganz ge- 
wöhnlich aber war es, dass allen denen, die beim Opfer Dienste geleistet 
hatten, ein Stück Fleisch überlassen wurde; so dem ^vXevg, der das Holz 
zu den Opfern für den olympischen Zeus lieferte,»*) und dem Flötenbläser, 
dem Schmied und dem Töpfer, die bei dem Festopfer in Kos beschäftigt 
gewesen waren. »^) Fanden Wettkämpfe statt, so erhielten bisweilen auch 
die Sieger einen besonderen Anteil.»^) Solche Bewirtungen aber gab es 



Athen. Mitt. XVI 406 ff. Vgl. Col- 
LiTz Dialektinschr. 3685. 

>) SchoL Aristoph. Fax 893. 
«) BuU. de corr. heU. V 43 ff. 

*) DlTTBHBBRGEB Sjll. 871. 
^) DlTTBNBEBOBR Sjll. 880 

«) Kbbn Arch. Anz. 1894 S. 78 ff. 

») Herod. VI 57. 

8) Herod. IV 161. 

•) Dittbkbebboeb Syll. 388. 



'«) CIA II 582. 

") CIA II 589. 

") V. Pbott Leg. sacr. 8. 25 VI 19 f. 

»») V. Pbott Leg. sacr. 8. 20 ZI. 54. Vgl 
8. 27 ZI. 5 ff. Die lesbische Inschr Bull, 
de corr. IV 434 f. Athen. Mitt. XVI 180. 

") Paus. V 13, 2. 

") V. Pbott Leg. sacr. 20 ZI. 55 f. 

**J Paus. V 16, 2. Inschr. im Movcbiov 
t^S EvayyeX. axoX. in Smyma 1878 S. 21. 



8. Knltnshandlangen. (§ 67.) 



105 



nicht bloss bei den grossen Festopfern, auch ein Privatmann veranstaltete 
sie gelegentlich. So opferte Eonon einmal eine wirklich vollzählige He- 
katombe und bewirtete alle Athener ^ und ein gewisser Epaminondas die 
Akraiphienser.^) Xenophon lud zu dem Fest, das er alljährlich auf seinem 
Gut Skillus der Artemis feierte, alle Bürger und Nachbarn mit ihren 
Frauen, und jeder erhielt Anteil von den Opfern und der Jagdbeute ; man 
kam weit dazu hergefahren, schlug Zelte auf und Hess die Zugtiere auf 
der grossen heiligen Trift weiden.») Von den Opfern, die der Hestia 
gebracht wurden, durfte nichts nach Hause mitgenommen oder andern 
mitgeteilt werden.^) Es findet dieser Brauch seine Erklärung darin, dass 
ihr nur im Prytaneion^) oder im Hause geopfert wurde, und dass die 
Gäste sich von den Speisen, mit denen sie bewirtet wurden, noch etwas 
nach Hause nahmen, schickte sich eben nicht. Vereinzelt finden sich 
solche Bestimmungen auch für andere Opfer. <^) Das Fell des Tieres ver- 
blieb bei Privatopfern in der Regel dem Eigentümer, doch fiel es, wie wir 
gesehn haben, auch nicht selten den Priestern zu. Die Häute der bei 
den grossen Staatsopfern geschlachteten Tiere gehörten in Athen dem 
Staate,^) in Sparta den Königen,^) öfters wurden sie zu Gunsten des 
Tempelschatzes verkauft.^) Die Kosten der Opfer bestritt in der £egel 
der Darbringende, also der Staat, Kultgenossenschaften oder einzelne. 
Bisweilen verpflichtete man auch bestimmte Personen, z. B. die Pächter 
von Steuern, zu Opfern und andern Leistungen bei Festen.*®) 

Massenopfer sind schon in den heroischen Zeiten ganz gewöhnlich. 
Durch eine Hekatombe glauben sich die homerischen Helden die Gunst 
der Götter sicherer zu erwerben, als durch ein kleineres Opfer, Orestes 
richtet betend die Frage an Zeus: Wer wird dir gleich reichliche Opfer 
bringen, wenn das Atreidenhaus zu Grunde geht?*') die Athener beklagen 
sich bei dem Orakel des Ammon und möchten Auskunft darüber haben, 
warum die Götter den Lakedaimoniern den Sieg geben wollten, da sie sie 
doch mit grösseren Opfern und Festen ehrten, ^^) und es ist schwerlich 
jemals verbreitete Ansicht gewesen, dass es auf die Grösse der Opfer 
nicht ankomme. Doch ist in erster Linie ohne Zweifel die Veranlassung 
zu Opfern von hundert und mehreren hundert Tieren auf einmal der 
Wunsch und das Bedürfnis gewesen, die Volksmenge festlich zu bewirten. 
Glanz und Freude des Festes wurden so erhöht, und Göttern und Menschen 
war in gleicher Weise genuggethan. An den Riesenaltären in Syrakus 



») Athen. I 3D. Vgl. XII 532E. Dit- 
TBNBBROBR Syll. 246, 63. 

«) IGSept. I 2712. 

») Anab. V 3, 9 ff. 

«) Eustath. zur Od. y 298 p. 1579. He- 
sycli. u. 'Eaxia. Paroimiogr. gr. I 97 und 
mehr bei Prbüiver Hestia- Veeta 74 ff. 

*) CIA II 470, 478, 482. 

«) Vgl. DiTTBNBBBOBB Syll. 378 and d. 
Inschr. v. Kos bei Patok u. Hicks 89 nr. 38 
ZI. 3, 8, 29, 47, 61. S. auch Dittenbbroeb 
Syll. 373 Za. 26 u. 28 f.: da^yvcamv avtov, 
und 246 ZI. 73, wo als besondere Freigebig- 



keit erwähnt wird, dass Opferfleisch nach 
Hause mitgenommen werden darf. Aristoph. 
Plut. 1139. Inschr. v. Oropos Herrn. XXI 96: 
fÄij eiyai ixfpoQtjy Hto tov JSfJiivBog. 

'') Dittbnberoeb Syll. 374 und Böckh 
Staatsh.» II 108 f. 

8) Herod. VI 57. 

») Bull, de corr. XIX 12 ZI. 36 ff. Athen. 
Mitt. VII 72 Frgm. la, 

^^) Vgl. die ausführlichen Beetimmungen 
der koischen Inschr. Athen. Mitt. XVI 406 ff. 

>») Aisch. Cho. 256 f., 794. 

") [Plat.] Alk. II 148 E. 



106 



Die grieohisohen Kultusaltertttmer. 



hat man an einem Festtage 450 Rinder geopfert. Übrigens ist der 
Gebrauch des Wortes Hekatombe früh katachrestisch geworden. Schon 
bei Homer besteht die Hekatombe, die Nestor dem Poseidon opfert, aus 
81 Stieren.^) Auch hat sie nur sehr selten aus lauter Rindern bestanden. 
Wenn nicht bloss kleinere Tiere geschlachtet wurden,') so begnügte man 
sich mit einem {ixatofAßr] ßovTtQoagog, ß^^QX^^Y) oder wenigen Rindern.*) 
Häufiger kommen Zwölfopfer [dfodeTirjig) vor.*) Auch hier wird man nur 
ausnahmsweise lauter Rinder geopfert haben ;^) entsprechend der ixarofißrj 
ßovTTQWQog finden wir in den Inschriften aus dem Schatzhaus der Athener 
in Delphoi wiederholt Ttjv dwdexdda vrjv jrQWToßoiav.^) Ganz gewöhnlich 
waren die TQiTToiai, die aus drei verschiedenen Tieren zusammengesetzt 
waren.*) 

68. Beteiligen durften sich an öffentlichen Opfern alle Bürger und 
Metoiken,'«) sofern sie nicht durch eine Verschuldung dies Recht verwirkt 
hatten. *i) Hinsichtlich der Fremden war die Praxis verschieden. In den 
ältesten Zeiten waren sie wohl meistens von den Opfern ausgeschlossen, und 
viele Heiligtümer hielten auch später daran fest, dass nur Bürger sich an 
den Opfern beteiligen oder wenigstens nur Bürger sie darbringen durften,*') 
andere liessen auch Fremde zu,*') aber mit der Einschränkung, dass 
die xavaQYiÄaTa von einem Bürger der Stadt, in der das Opfer stattfand, 
vollzogen wurden.**) Gewöhnlich ersuchte der Fremde seinen Proxenos, 
ihm diesen Dienst zu leisten.**) Dass eine Kolonie den Bürgern ihrer 
Mutterstadt dies Recht versagte, ihnen also überhaupt die Möglichkeit 
zu opfern nahm, war gewiss unerhört, und die Verstimmung der Korinthier 
gegen die Kerkyraier vor dem Ausbruch des peloponnesischen Krieges auch 
aus diesem Grunde ist begreiflich.*«) War kein Proxenos vorhanden, so 
trat ein Bürger ein,!^) der kein Priester zu sein brauchte.**) So ist es auch 
zu erklären, dass es als ein Zeichen von der Besitznahme einer Stadt gilt, 
wenn der siegreiche Feldherr der Hauptgottheit in ihrem Tempel opfert. *•) 
Als zwei phokische Städte sich zu einem Gemeinwesen verbinden, wird in 
der Vertragsurkunde ausdrücklich festgesetzt, dass fortan die Bewohner der 



Diod. XI 72. 

3) r 59, vgl. 7 ff. 

») J 120, ^ 873. 

*) Plut. Quaest. symp. IV 4, 2. Eastath. 
zu k 130. D1TTKNBSR6BB Syll. 18, 36 f. Momm- 
SBN Heort. 257 A. Kirchboff za CIA I 5. 

*) II. A 316. Vgl. Soph. Trach. 760 ff. 

*) Hesych. u. diadexijldes ^vaiai. Z 808. 
Bull, de corr. VI 215, XIX 12 ZI. 34. 

') Soph. Trach. 460. Bakchyl. XVI 17 ff. 

») UoMOLLB Bull, de corr. XIX 59 A. 5. 

») Stengel Jahrb. f. Phil. 1886 S. 329 ff. 
L. Ziehen Leg. sacr. Leipz. 1896 S. 9 f. 

>«) Vgl. V. WiLAMowiTZ Herrn. XXII 215, 
220 ff. Inschr. v. Telmeasos Bull, de corr. 
XIV 164 ZI. 29. CIA IV 2, 35b. 

'^) Oft für eine bestimmte Zeit, z. B. 
DiTTENBEROBB Syll. 470 Zehn Jahre. Plat. 
Leg. IV 716. Vgl. Schol. Aristoph. Pax 968. 

>«) Z. B. der Hera in Argos Herod. VI 
81 ; in Amorgos Dittbnbbbges Syll. 858. Vgl. 



373, 26. Herod. V 72. £ur. EL 798. Isai. 
VIII 16. 

»») Dittbnbbeger Syll. 246, 67. Paus. I 
28, 6. [Demosth.] LIX 85 p. 1374. Vgl. Eur. 
El. 795 und die Verbote selbst, die doch 
nicht selbstverständlich erscheinen. S. auch 
BöcKH Staatsh. I> 273 f. und namentlich Dit- 
tenbbroer Ind. lect. Halle 1889/90. 

^*) DiTTENBEROBR Syll. 376. aus Milet. 

^^) Dittbkbebobb Syll. 823. Eur. Andr. 
1073; HeL 146. 

'•) Thuk. I 25. 

") Dittbnbbrgeb Syll. 323. 

»*) Dittbnbbrgeb Syll. 376, 8. Vgl. d. 
Inschrr. Athen. Mitt. XlII 166 (aus Chios), 
cm 3657. Pergamum VIIT 1 nr. 248 ZI. 14 f. 
nnd die Bern. Frakkels S. 167 f. Bull, de 
corr. XiX 12 ZI. 40 f. 

»•) Arr. Anab. II 16. Xen. HelL III 1, 
23 f. Plut. Kleom. 26. 



8. Kiiltiuiliandliingeii. (§ 68—70.) 



107 



einen an allen Opfern der andern teilnehmen sollen,*) und auch sonst 
kommen Eultgemeinschaften verschiedener Städte vor, namentlich in Asien. >) 
Brachte eine solche*) oder ein bestimmter Demos**) das Opfer dar, so wurde 
wohl auch durch ein Dekret einem verdienten und verehrten Manne, der 
nicht zum Demos gehörte, das Recht verliehen, an dessen Opfern teilzu- 
nehmen;^) seltener geschah es, dass andere ganze Demen sich beteiligten.^) 
Eine besondere Gruppenbildung wird übrigens auch bei grösseren pane- 
gyrischen Feiern möglich gewesen sein.^) Ausnahmsweise kam es vor, 
dass einem Opfer Weiber») oder umgekehrt Männer^) fern bleiben mussten. 
Sklaven waren in der Regel ausgeschlossen, ^<>) beim Opfermahl begegnen 
sie jedoch öfters;*^) am Uauskult nahmen sie teil.^^) 

69. Die Opfertiere mussten von der besten Beschaffenheit sein. 
Weder ein krankes noch ein durch irgend einen Fehler verunstaltetes 
Tier eignete sich zum Opfer.**) Nur den Lakedaimoniern wurde nach- 
gesagt, dass sie auch verstümmelte Tiere opferten.*^) Vereinzelte Fälle 
kamen jedoch auch sonst vor. Die Artemis in Amarynthos soll den Bei- 
namen KoXatvfg erhalten haben, weil ihr Agamemnon einen tadelhaften 
Widder {xoXov xqiov) geopfert habe,^'*) und die Eretrier opferten ihr weiter 
xoXoßä (verstümmelte Tiere).**) Auch an andern Orten mag man leicht 
ein Auge zugedrückt haben. *^) Wie sorgfältig man jedoch bei der Aus- 
wahl der Tiere, die zu den grossen Festopfern bestimmt waren, zu Werke 
ging, zeigen die Inschriften, welche die IsQOTiom und emfiijnoi mit der 
Beschaffung und Prüfung beauftragen.**) Um vor Verwechslungen oder 
Täuschungen sicher zu sein, zeichnete man die Tiere wohl auch durch 
ein besonderes Merkmal.*^) In Delphoi wandte man besondere Mittel an, 
um die Opfertiere auf ihre Gesundheit hin zu untersuchen. *o) Vor dem 
Schlachten wurde das Vieh gemästet.'*) 

70. Zu Speisopfern waren natürlich nur essbare Tiere zu brauchen. 
Ihre Zahl ist ziemlich beschränkt. Suidas u. x^vaov und ßovg k'ßiofiog 
bezeichnet als opferbar Schaf, Schwein, Rind, Ziege, Huhn, Gans und 



') BuU. de corr. V 46 ZI. 51 ff. 

*) Herod. I 171; V 66. Luk. De dea 
Syria und mehr Beisp. bei Maüby Hist. d. 
relig. de la Gr^ce ant. II 19. 

') La Bas As. Min. 339. Judbioh Athen. 
Mitt. XIV 391. In Attika v. Pbott Leg. sacr. 
48 ff. 

*) DiTTBüBBROBB SjU. 296^ Vgl. auch 
Plat. Lach. 187 E und Lobbck AgL 272 u. 
praef. XX. 

») CIA II 582, 589. 

•) Flut. Thes. 14. 

') Vgl TÖPPFBB Athen. Mitt. XVI 414 f. 

•) DiTTBNBEBGBB SjU. 873, 9. Arist. 
Mirab. 106 p. 840a. 

^) Wenigstens der Opferhandlung selbst: 
Paus. II 35, 7. Athen. IV 139 u. 149. Ari- 
stoph. Thesm. 279, 298. Dittbubbrokb Syll. 
373, 21 ff. FoüOART Assoc. relig. 112 A. 4. 

»») CoLLiTZ Dialektinschr. 3634a. Dit- 
tekbebgbb Ind. lect. Hai. 1889/90 S. X. Aus- 
nahmen bei Athen. IV 149 G, XIV 639 D mit 
der Bemerkung von Gasaubonus bei Schwbio- 



HAUSBB Bd. XII S. 495. Vgl VI 262 G. 

»0 IGSept. I 190. 

") Aisch. Ag. 1036 f. 

»») Aristot. bei Athen. XV 16 p. 674; 
DiTTBNBEBaBB Sjll. 388, 70 f. Paus. X 35, 4. 
PoU. I 29. Plut. De def. or. 49 p. 437 B. 
Luk. UbqI &v<r. 12. Lolling Athen. Mitt. VII 
72, Thessal Inschr. Frgm. la Auf. — Das 
Verschneiden wurde nicht als Verstümme- 
lung angesehen. 

»*) [Plat.] Alk. n p. 149 A. 

»») Schol. Aristoph. Av. 873. Vgl. Kailira. 
Frgm. 76. 

><^) Ael. De nat. anim. XII 34. 

") S. d. Inschrift von Oropos u. v. Wi- 
LAMOWiTZ Herrn. XXI 95. 

>*) Vgl S. 45. GoLLiTZ Dialektinschr. 
3635. 

»«) DiTTBNBBBGBB Syll. 388, 71, Porph. 
De abst. I 25. Vgl. GIG 3599 ZI. 21 und die 
Bemerkung Böckh's dazu. 

") Plut. De def. or. 49. 

«») Plut. Kleom. 36. Stob. Serm. 53, 8. 



108 



Die griechiBohen Knltasaltertfliiier. 



nennt damit eher zu viel als zu wenig. Denn Oänse hat man wohl nur 
der Isis geopfert, und vielleicht auch ihr nicht als Speisopfer, >) Hühner 
oder Hähne wurden nur gewissen Gottheiten, wie dem Asklepios^) und 
Herakles^) häufiger geopfert, und auch sie wurden meistens ganz ver- 
brannte) Da man nun Eselfleisch nur ass, wenn man nichts Besseres 
hatte, ^) und diese verschmähte Speise den Oöttem nicht anbieten durfte,*) 
bleiben nur die vier erstgenannnten Tiere übrig. Unter ihnen sind nicht 
alle jedem Ootte gleich willkommen. Demeter zieht die Schweine vor,^) 
Dionysos Schweine und Ziegen,^) angeblich weil diese Tiere Saaten und 
Weinpflanzungen am meisten beschädigen,^) dem Poseidon sind Stiere die 
liebsten Opfertiere, *<*) der Athena Kühe,") der Artemis opferte man vor- 
zugsweise Ziegen»*) u. s. w. — Manche Gottheiten verschmähten, wenn 
nicht überall, so doch an einigen oder an den meisten Orten diese oder 
jene Opfertiere. **) So Aphrodite die Schweine,") doch opferte man ihr 
solche in Argos an einem Fest, das darnach seinen Namen hatte (yarrjoia),^^) 
und in Pamphylien.*«) Verboten werden diese Opfer wahrscheinlich auch 
überall da gewesen sein, wo Schweine vom Tempelbezirk fernzuhalten 
waren, *^) oder selbst der, welcher Schweinefleisch genossen oder schweins- 
lederne Schuhe anhatte, diesen nicht betreten durfte.*®) Der Hera opferten 
Ziegen nur die Lakedaimonier *•) und vielleicht die Korinthier.«®) In Epi- 
dauros und Tithorea durfte man dem Asklepios keine Ziegen opfern,**) 
während dies in Kyrene geschah ; **) auf die Burg von Athen durften sie 
überhaupt nicht hinauf gebracht werden.*^) In Phokis gab es ein Heiligtum 
der Isis, wo weder Schweine noch Ziegen dargebracht werden durften,**) 



») Vgl. Bbrnays Theophr. 106 u. 186. 
WoLFF die GefiQgelopfer der Griechen Philol. 
XXVIII 188 S. 

*) Plat. Phaid. 118A. Artemid. Oneir. 
y 9. Dem Apollon Anthol. VI 155 Jacobs. 

») Plut. Quaest. eymp. VI 10, 1. CIA 
III 77. 

*) CIA III 77. Plut. Agea. 38. Plat. 
Phaid. 118A. Paus. II 11, 7. Luk. lup. trag. 
15. Vgl. die hoiotischen Reliefs Athen. Mitt. 
li Taf. 20, 22; III 377. Arch. Ztg. 1883 S. 31 1 
und namentlich die Darstellungen auf hak- 
chischen Sarkophagen. Dagegen Speisopfer 
Plut. Quaest. sympos. VI 10, 1. Ael. De 
nat. anim. V 28. Herondas IV 89 f. 

^) Porphyr. De abst. I 14. Xen. Anab. 
11 1, 6. Luk. Asin. 38. Schol. Aristoph. Vesp. 
194. PoU. IX 48. 

') Ob in Delphoi dem Apollon Esel ge- 
opfert worden sind, ist mehr als zweifelhaft; 
vgl. BöcKH zu CI6 1688, Ahrbns Dialekte 
484, ScHOBMANH Gr. A.» II 232. Nach An- 
tonin. Lib. XX 1 opfern die Hyperboreer 
Anollon £sel. Aber nur von ihnen will er 
solche Opfer, sonst Ziegen, Schafe, Rinder 
(2 f.). Vgl. Strab. XV 11 p. 14. Journ. of 
Hell. Stud. XIV 88. 

') Schol. Aristoph. Ran. 838. Ael. De 
nat. anim. X 16. Hygin. Fab. 277. 

•) Schol. Aristoph. Plut. 1129. Kornui 
IleQi »•»ewr 30 p. 217. Inschr. v. Kos Paton 



u. HicKS nr. 38 ZI. 46. Vgl. Stefhaki compte 
rendu 1863 S. 245 ff. Löschcke Arch. Ztg. 
XXXIX 31 f. 

») LoBBCK Agl. 828. 

»<>) r 6. Soph. Oid. Kol. 887. 

>>) Z 92. CIA II 163. Schol. Aristoph. 
Nub. 385. 

") Xenonh. Anab. III 2, 12. Ael. Var. 
bist II 25. IiERORMAirT Recherches archöol. 
k Eleusis n. 25 p. 70 ff. 

>•) Vgl. Stengel Quaest. sacrif. Progr. 
des Joach. Gymn. Berlin 1879 S. 27 ff. 

^*) Caubr Del. inscr.' n. 435. Aristoph. 
Acham. 793. Paus. II 10, 4. Pauly-Wissowa 
I 2767. 

'1^) Athen, in 49 p. 96. Eustath. zur IL 
A 417 p. 853. 

'•) Der 'J. KttffTyitjxtg Kallim. bei Strab. 
IX 483. 

»') CIG 5069. 

>>) DiTTBHBEROBR Syll. 358. Strab. XII 
575. Diod. V 62. 

»•) Paus. III 15,J. ^ 

••) Hesych. u. «t| ttlya u. Zenob. I 27. 

*') Paus. X 32, 8. Sext. Empir. Pyrrh. 
hypot. III 220. 

") Paus. II 26, 7. Vgl. v. Wilamowitz 
Isyllos 86. 

") Athen. XIII 51 p. 587. 

") Paus. X 82, 9. 



8. KnltushandliingeA. (§ 70.) 



109 



und die schon erwähnte Inschrift aus Thasos^) verbietet den Nymphen 
und dem Apollon Schafe und Schweine, den Chariten Ziegen und Schweine 
zu opfern. Es ist dies das einzige Beispiel, dass auch Schafopfer unter- 
sagt werden. Rinder durfte man jedem Gotte opfern, nui* die Ackerstiere 
sollten geschont werden,^) doch kommen auch hier Ausnahmen vor: in 
Lindos auf Rhodos werden sie dem Herakles,») von den Thebanern 
dem Apollon*) geopfert. Auch Ochsen, die als Zugtiere dienten, opferte 
man nur, wenn nichts anderes mehr da war.^) Sehr auffallend muss es 
auf den ersten Blick erscheinen, dass unter den Speisopfern niemals®) 
Wild und sehr selten Fische erwähnt werden, obwohl beides in histo- 
rischer Zeit zu den beliebtesten Speisen gehörte. Der Grund ist offen- 
bar der, dass man kein totes Tier an den Altar der Götter bringen durfte. 
Wild jedoch wurde meistens auf der Jagd erlegt ; wenn es aber gefangen 
war, so war der Transport des lebenden Tieres nicht leicht, und hatte 
es sich, wie dies gewiss oft genug der Fall war, im Netze oder Fang- 
eisen eine Verletzung zugezogen, so war es zum Opfer ohnehin nicht 
mehr geeignet. Mit den Fischen verhält es sich nicht viel anders. Ohne 
Schwierigkeit kann nur der Aal lebend nach einem entfernteren Orte be- 
fördert werden, und so ist es denn auch nicht gar zu auffallend, dass die 
Boioter ihre gepriesenen Aale aus dem Kopaissee auch den Göttern dar- 
brachten, wenngleich „allen Fremden dies sonderbar schien.'^ ^) Natürlich 
wurde den Göttern dann nicht ein bestimmter Teil des Fisches, sondern 
ein ganzer,®) oder vielleicht auch mehrere verbrannt. Von Thunfisch- 
fangern erhält Poseidon nach einem reichen Fange den ersten Fisch, ^) 
und auch der Hekate,*^) Köre**) und dem Priapos**) soll eine bestimmte 
Fischart {rgfylrj) geopfert worden sein. Wie es mit den letztgenannten 
Opfern gehalten worden ist, wissen wir nicht; Speisopfer pflegen diesen 
Gottheiten sonst nicht dargebracht zu werden. Die Thunfische hat man 
dem Poseidon sicherlich an dem Orte, wo der Fischzug stattgefunden 
hatte, auf einem improvisierten Altar geopfert ; wenn aber berichtet wird, 
dass die Phaseliten einem Heros eingesalzene Fische opferten,»*) so ist 



») IGA 879. I 

*) Ael. Var. bist. V U; De nat. anim 
XII 34. Babr. Fab. 37. Scbol. Arat. Pbain. 132. 
') Pbilostr. Imag. II 24. Vgl. Partben. 
Dieg. 11. Lactant. De falsa rel. I 21. 

*) Paus. II 10, 1; IX 12, 1. — In bome 
riscber (vgl. Herrn. XXVIU 496) und wieder 
um in später Zeit scbeinen Opfer von Pflug 
ocbsen gewObnlicber gewesen zu sein. Luk, 
negl 9va. 12. Vgl. luvenal X 270. 

') Xen. Anab. V 14, 22 u. 25, ein atpayiov, 
*) Wenigstens an keiner auf Glaub 
wQrdigkeit Ansprucb machenden Stelle. S, 
Herm. XXII 95. Auch wenn die betreffen 
den Worte des Porphyrios De abst. 11 25, 
wie Berkays S. 108 meint, von Theophrast 
herrQbren, kOnnen sie nichts beweisen, denn 
die ganze Auseinandersetzung ist tendenziös 
(a. Bbrnats 103 ff.). Um zu zeigen, dass die 
Menschen um des eigenen Genusses willen 
nicht von den verwerflichen Tieropfem las- 



sen, werden die wohlschmeckendsten Tiere 
erwähnt, die nicht leicht zu erlangen sind. 
Für wahrscheinlicher aber halte ich es, dass 
Porphyrios, der phoinikische Hirschopfer 
kannte (vgl. Jahrb. f. Phil. 1883 S. 365 Anm. 
20), die Hirschopfer zugesetzt hat. Am aus- 
fahrlichsten über die Wild- und Fischopfer 
der Griechen Stengel Herm. XXII 94 ff. 

') Athen. VIl 297 C u. D. Vgl. Menandr. 
bei Athen. VllI 67 p. 865 und IV 27 p. 146. 

^) xaf^otyll^Biv bei Menandr. Athen. VIII 
67 p. 365. 

») Athen. VII 297 £ und 303 B. Polyaen. 

VI 24. 

•<>) ApoUodor bei Athen. VII 126 p. 325. 
Vgl. Kornut. 34 p. 232. 

") Athen. VII 325F u. 330C. 

••) Anthol. Pal. X 9, 14 u. 16. Vgl. 
lulian Orat. V 176 D. 

**) Antigenes von Earystos bei Athen. 

VII 297 E, vgl. 303 B. 



110 



Die grieohisohen Snltnaaltertümer. 



ein solches Opfer nur zu den unblutigen zu rechnen, nicht anders als 
Backwerk oder Käse. Auf den Inseln scheinen Fischopfer auch im Toten- 
kult vorgekommen zu sein.O 

71. Eine eigentümliche Art von Speisopfern — denn dahin müssen 
wir sie wohl rechnen — sind die sog. O-eo^ävia, die lectistemia der 
Römer, Göttermahle, die namentlich den Dioskuren,') doch auch andern 
Göttern, wie dem Herakles, der Demeter, dem Dionysos*) dargeboten 
werden. Das Opferfleisch wird dabei von den Priestern und eingeladenen 
Gästen verzehrt. 

72. Wir kommen jetzt zu der zweiten Klasse der Opfer. 

Dahin gehören erstens alle, die man chthonischen Gottheiten 
darbrachte. 

Von diesen aber scheiden oder können wenigstens ausscheiden 
solche, mit denen man die Xd^ovioi lediglich in ihrer Eigenschaft als Gott- 
heiten des Ackerbaus ehrte. '^) In Mykonos hat man von den Opfern des 
Zeus Chthonios und der Ge Chthonia gegessen,^) ebenso in Magnesia von 
dem des Zeus Sosipolis,^) und in Hermione, wo der Kult der chthonischen 
Gottheiten besonders blühte und die XO^ovia das Hauptfest waren, ist es 
wahrscheinlich nicht anders gewesen; wenigstens vermischte sich der 
Kult der Mächte des Todes mit dem der Segen spendenden Erdgottheiten 
auch dort,') wenn auch wohl nicht so innig wie in Eleusis,^) wo neben 
den Altären der Göttinnen ein Altar Plutons stand, ^) dem eine eigene 
Priesterin diente.*^) Denn der Name Hades, den man ungern nannte,^') 
begegnet hier nicht mehr, dem Pluton oder dem Zeus Eubuleus bringt 
man die Opfer, wie in Delos,*') Paros,**) Aphrodisias ' *) und an andern 
Orten.**) Wohl mag die Heiterkeit und die laute Freude, die bei andern 
Opfern herrschte, in diesen ernsteren Gottesdiensten gefehlt haben, aber 
mit Scheu und Grauen,*^) wie den wirklich in der Unterwelt hausenden 
Göttern, hat man sie nicht dargebracht. Denn das ist der charakteri- 
stische Unterschied: die Verehrung der Mächte der Unterwelt soll nur 
vor ihrem Zorn, vor Schaden und Verderben schützen und ihre bösen 
Wirkungen fernhalten; Segen und gute Gaben erfleht und erhofft man 
von den höheren Wesen, denen man selber seine Gabe darbringt. Ein 
Speisopfer durfte man den Unterirdischen nicht bieten ; wer davon kostete, 
wäre ihnen verfallen, da muss das ganze Tier hingegeben werden. So 



GIG Ins. TI 830 ZI. 191 aus Tbera. 
CoLLiTZ Dialektinschr. 3634b ans Eos. 

*) Dbneken De theoxeniis, Diss. Berlin 
1881 S. 4. Köhler Herrn. VI 106 ff. Fubt- 
wXnolbb Sitzgsber. d. Manch. Akad. 1897 
S. 401 ff 

») Denbkbn a. a. 0. 25 ff Vgl. CIA II 
305, 453c. 

*) S. RoHDB Psyche* I 204. Stengel 
Festschrift f. L. FriedlIkdbb Leipz. 1895 
S. 419 ff. 

») DlTTEHBBROBR SjlL 323, 25 f. 

•) Kern Arch. Anz. 1894 S. 78 ff. 

') IGA 47, 48. Vgl. V. Wilamowitz Eur. 
Her.» II 138 zu V. 615. Rohde Psyche« I 214 f. 



8) S. Bull, de corr. IV 227. Mehr bei 
PoüCART Bull, de corr. VII 384 ff. 

•) CIA II 834b col. 2 ZI. 4 f. Ephem. 
arch 1894 S. 198. 

^0} Ephem. arch. 1895 S. 99. 

J») Plat. Kratyl. 403 A. 

") Bull, de corr. XIV 506 A. 4. 

") 'J»rjyatoy V 15 nr. 5. 

^*) Mova. i^s EvayysX, <rxoX. 1880 S. 180. 

»») S. CIA II 948-950. Pbbllbr-Robert 
Griech. Myth. I 802 A. 1. Auch Köhlrr Herrn. 
VI 108. Wassneb De heroum cultu 8 ff. 

'«) fiet tt arvyyotfjT ogSchol. Luk. Ikarom. 
24 ; Plut. Thes. 20. f^erd aefiyoTtjroi Zosim. 
bei DiELs Sib. Bl. 132 ZI. 7. 



d. Knltiwhaiidiiuigeii. ($ 71—72.) 



111 



sind die Opfer fQr die eigentlichen X&ovioi denn anch sehr selten. Hades 
hat in keiner Stadt einen Altar, sagt der Scholiast zu D. / 158, und dass 
in der That das Vorhandensein eines solchen etwas Aussergewöhnliches 
war, beweist der umstand, dass eine besondere Legende erklären musste, 
wie man in Elis dazu gekommen warJ) Von Opfern aber ist hier so 
wenig die Rede, wie bei Strabon (VIII 344), der von einem räfievog des 
Gottes in derselben Landschaft berichtet.^) Wenn ihm überhaupt Opfer 
gebracht wurden, so geschah dies wohl nur von Totenbeschwörern und 
Leuten, die Totenorakel befragten. In Athen haben von den Gottheiten 
mit ausgeprägt oder ausschliesslich chthonischem Charakter nur die Eume- 
niden einen eigentlichen Kultus gehabt, und die Sage erzählt ausführlich, 
wie sie dieser Ehre teilhaftig geworden sind.') In ihrem Heiligtum, das 
kein Unberufener betreten durfte, und dem niemand ohne einen Schauer 
nahen mochte,^) brachte man ihnen nachts^) blutige^) und unblutige^) 
Opfer dar, nachdem man vorher dem Hesychos, dem Daimon des Schweigens, 
geopfert hatte.®) Der Leib der Tiere wurde verbrannt.^) In Athen 
opferte man ihnen vor der Geburt von Kindern und vor Eheschlies- 
sungen, ^®) die Sikyonier feierten ihnen alljährlich ein Fest, wobei sie 
trächtige Schafe darbrachten, ^i) und in Megalopolis wurde ihnen und den 
Chariten zusammen geopfert.**) Die Trankopfer (Aot/?iy*') oder x^^),^^) diö 
man ihnen spendete, durften keinen Wein enthalten,'^) sondern bestanden 
aus einem Gemisch von Honig und Milch, wohl mit Wasser verdünnt,^**) 
dem sogenannten fAsXixQavov, das man den Unterirdischen auszugiessen 
pflegte ;^^) denn das heiter und froh stimmende Getränk der Lebenden, 
der Wein, ziemte ihnen nicht.'®) Oidipus soll zwei Spenden reinen, flies- 
senden Wassers giessen, einen dritten Krug, Wasser und Honig enthaltend, 
ganz ausschütten. 1^) Zu den entschieden chthonischen Gottheiten gehört 
ferner Hekate. Bei Apoll. Rhod. III 1029 flf. haben wir eine ausführliche 
Schilderung eines ihr dargebrachten Opfers. Medeia weist lasen an, er 
solle, nachdem er im Fluss gebadet, um Mitternacht allein eine kreis- 
förmige Grube graben, über ihr ein Schaf schlachten, einen Scheiterhaufen 
schichten und den unzerstückelten Körper des Tieres darauf verbrennen, 
dabei Honiggüsse spendend. Dann solle er, ohne umzublicken, sich schnell 



') Paus. VI 25, 8. 

«) Vgl. RoeoHEB Myth. Lexik. 1887 S. 
1787 ff. Zeus-Hades d. i. Zeus Ghthonios er- 
hält neXayog und x^V Eur. Frgm. 912 N.«. 

') Aisch. Eum. Schluss. 

*) Vgl. Soph. Oid. Kol. 

<^) Aisch. Eum. 105. 

•) Ebenda 1006. 

^) Aisch. Ag. 70. Schol. Aischin. 1 188. 

*) Polemon im Schol. zu Soph. Oid. Kol. 
100. Vgl. TöPFPBR Att. Geneal. 172 A. 1. 

*) Aisch. Eum. 1006, wo schon der Aus- 
druck aqxiyin dies beweist (Vgl. Hermes 
XXI 317 ff.), IstroB im Schol. Soph. Oid. Kol. 
42: oXoxavxrjcayTi, 

*<») Aisch. Eum. 885. 

"» Paus. H 11, 4. 

'») Paus. VIII 34, 2. 



•») Eur. Iph. T. 169. 

»*) Eur. Frgm. 912 N.«. 

*») Soph. Oid. Kol. 100 u. 481. Aisch. 
Eum. 107. Vgl. Jahrb. f. Phil. 1887 S. 651 
Anm. 7 u. 653 Anm. 17. 

'•) Eur. Iph. T. 169. Schol. Soph. Oid. 
Kol. 155. Eustath. z. Od. x 519. Stbnobl 
Philol. 1880 S. 379 und Jahrb. f. Phil. 1887 
S. 653. 

") Porphyr. De antro Nymph. 18. Vgl. 
die Inschrift von Kos v. Pbott Leg. sacr. 
S. 20 ZI. 33 ff. (Paton u. Hicks 87), wo neben 
dem Speisopfer ein Schwein ganz verbrannt 
([x\(tQnäivx^ Toy fiiy /or[90j/]), und demnach 
sowohl otyog xexQOfÄiyog wie fisXixQazoy ge- 
spendet wird. 

'«) Aisch. Eum. 727 ff. 

»») Soph. Oid. K. 469 ff. 



112 Die grieohwohen Knltusaltortümer. 

von der Stätte entfernen. Sehr gewöhnlich opfert man ihr Hunde. *) 
Auch war es Brauch, dass Wohlhabende an jedem Neumond abends Töpfe 
mit zubereiteten Speisen an die Ereuzungspunkte der Strassen stellten, um 
die sie sich dann nicht weiter kümmerten.^) Dass arme Leute sie nach 
Hause trugen und davon assen, beweist, dass man diese Gaben mit andern 
einer chthonischen Gottheit geweihten Opfern doch nicht ganz gleich- 
stellte. In Aigina soll sie vor allen andern Göttern verehrt worden sein. 3) 
Dagegen zeigen wieder durchaus chthonischen Charakter die Opfer, welche 
die Windgottheiten empfangen.*) Ihr Kult hängt eng mit dem Seelen- 
kult zusammen; die Harpyien, identisch mit den x^veXXai,^) sind Seelen 
Verstorbener, die TQiroTtäfOQeg sind Windgeister und Seelen der Vor- 
fahren.®) Dem Typhon wird ein schwarzes Lamm geopfert,') dem Boreas 
schlachtet Xenophon cryayia,») und in Titane bei Sikyon bringt ein Prie- 
ster den Winden alljährlich in einer Nacht geheimnisvolle Opfer dar.^) 
— Von andern Gottheiten empfängt am häufigsten Persephone-Kore chtho- 
nische Opfer, namentlich wo ihr Kult mit dem des Pluton oder (Zeus) Eu- 
buleus verbunden ist. Mit Demeter vereinigt wird ihr aber auch vielfach 
wieder die Verehrung der Himmlischen zu teil und sie erhält Speisopfer 
wie diese. Überhaupt kann fast jeder Gott einen finstern, dem Wesen der 
chthonischen Mächte ähnlichen Charakter annehmen, sei es dass die Vor- 
stellung des Menschen, der ihm seine Verehrung bezeugen will und ihm 
mit Gebet und Opfer naht, diesen auf ihn überträgt, sei es dass ein verein- 
zelter althergebrachter Kult ihn bewahrt hat und festhält. Zeus wird sehr 
gewöhnlich als Chthonios oder Meiiichios angerufen und verehrt, der Gott 
des Weines und der ausgelassenen Festfreude, Dionysos, steht der Unter- 
welt so nahe, wie kaum ein anderer, ja selbst ApoUon empfangt Opfer wie 
die Unterirdischen;»®) ebenso Hermes, Demeter, Poseidon, Artemis und 
andere. Man kann da nicht mehr scheiden zwischen Opfern, die diesen Gott- 
heiten zum Zeichen der Verehrung dargebracht werden und die dann eben 
nur deswegen nicht Speisopfer sind, weil sie chthonischen Göttern ge- 
weiht werden, und zwischen eigentlichen Sühnopfern. Die Veranlassung 
beider ist dieselbe: das Gefühl der Angst, die dunkle Empfindung, man 
müsse den erzürnten oder seiner Natur nach dem leicht lebenden Men- 
schengeschlecht immer abholden Gott versöhnen; und die Ausführung beider 
ist dieselbe: das völlige Hingeben des Opfers, an dessen Genuss teil- 
zunehmen man ein Grauen empfindet. Mag man ein Opfer, wie es die 
lakonische Inschrift CIG 1464 oder die attische CIA HI 77 anordnet, 
für ein chthonischen Gottheiten zu Ehren dargebrachtes erklären, und ein 



Paus. 111 14, 9. Flut. Quaest. rom. 
52. 68. 111. Aristoph. nach dem Schol. zu 
Theokr. Id. II 12. Schol. zn Aristoph. Fax 
277. Lykophr. Eass. 77 mit Schol. Suid. 
u. KaQixov ^vjna, Erasmus Adag. p. 221 u. 
Carica victima. 

<) Schol. Aristoph. Flut. 594. Demosth. 
LIV 39. Prellbe-Robebt Gr. Myth. I 225. 
RoHDE Psyche*^ II 79 u. 85. 

») Paus. II 30, 2. 



*) Stengel Herrn. XVI 346 flF. 

*) Od. t; 63, 66, 77. 

") Suid. und Hesjch. u. d. W. Rohdb 
Psyche^ I 247 flf. Rhein. Mus. 1895 S. 3 ff. 

') Aristoph. Ran. 847 f. 

*) Anah. IV 5, 4. Der Ausdruck wird 
niemals von Speisopfem gehraucht. 

•) Paus. II 12, 1. 

'0) Paus. VIII 38, 6; II 24, 1. Vgl. Apoll. 
Rhod. II 494. 



8. Knltashandlnngeii. (§ 73.) 



113 



anderes (Eaibel Epigr. gr. 1034), welches das Orakel den Bürgern einer 
Stadt zur Abwendung der Seuche dem ApoUon und der Artemis zu ver- 
anstalten befiehlt, für ein Sühnopfer, ganz sicher wird die Entscheidung 
selbst in diesen einfach liegenden Fällen nicht sein, und in vielen andern 
muss sie vollends ungewiss bleiben, weil die Opfernden offenbar selbst 
eine solche Scheidung nicht vorgenommen und sich nicht darüber klar zu 
werden versucht haben. ^) War es doch möglich, dass man bei dem eben 
erwähnten Opfer zur Abwendung der Pest die Tiere dem ApoUon und der 
Artemis schlachtete, die Spenden aber den unterirdischen Göttern weihte, 
und bei der römischen Säkularfeier den Moiren hostias prodigivas dar- 
brachte, die sonst doch wohl bestimmt waren prodigia zu sühnen.^) Dazu 
kommt, dass häufig die Eigentümlichkeiten der Opferhandlung nicht ge- 
schildert oder auch nur angedeutet werden, und dass meist nur die Schrift- 
steller der besten. Zeit') die technischen Ausdrücke, die auf den Charakter 
des Opfers schliessen lassen, streng richtig anwenden. 

73. Die Sühnopfer-^) scheinen ebensowenig wie die Sühn- und 
Reinigungsceremonien, die man mit einem Schuldbefleckten vornahm, ur- 
sprünglich griechisch. Den homerischen Helden ist der Begriff der Sünd- 
haftigkeit noch völlig fremd, und ein Sühnopfer wäre ihnen und ihren 
Göttern gleich unverständlich. ») In der Dias {A 444) „versöhnt" man den 
erzürnten Apollon durch ein heiteres Speisopfer, Gesang und Tanz {A 472 ff.), 
und das einzige Opfer, das unverkennbar die Züge eines Sühnopfers trägt, 
ist kein griechisches: die Troer stürzen dem Skamandros lebende Rosse 
ins Wasser (<P 182). Allgemeiner üblich geworden sind sie wohl erst in 
der Zeit, ia der auch die Mysterien sich entwickelten. Sie sind etwas 
ganz anderes als die vordem üblichen Opfer: kein Mahl, sondern eine frei- 
willige Entäusserung eines werten Gutes, durch dessen Hingabe und Ver- 
nichtung man ein Yergehn gegen einen Gott wieder gut zu machen 
meint und ihn zu bewegen sucht, die gefürchtete Strafe nicht zu ver- 
hängen oder gnädig damit einzuhalten. Ganz besonders aber werden sie 
dargebracht, wenn man sich zu einer gefahrvollen Unternehmung an- 
schickt; man hofft so dem drohenden Verderben zu entgehn und den 
Erfolg zu erlangen, ohne der Gottheit ihr Recht vorzuenthalten oder ihren 
Neid zu wecken. Religiöse Empfindungen lassen sich nicht zerlegen, die 
Motive fliessen zusammen: mag man auch geglaubt haben, den Mächten 
der Unterwelt durch das Blut des Opfertiers oder des hingeschlachteten 
Menschen^) wohlzuthun, im wesentlichen sind diese Opfer doch ebenso- 
wenig eine zum Genuss für die Gottheit bestimmte Gabe, wie jener Ring, 
den Polykrates — nicht in ein Heiligtum stiftete, sondern ins Meer warf. 



*) Vgl. z. B. das sibyllinische Orakel 
bei DiELS Sib. Bl. S. 113 V. 37. 

') Mon. ant. Accad. dei Lincei 1891 
S. 653 ZI 90 = Ephem. epigr. 1891 S. '225 ff. 

') Vor allen Xenophon, dann nament- 
lich ancb Herodot, Thukydides, die Tragiker 
und Pausanias. 

*) V Lasaulx Sühnopfer der Griechen 

u. Römer Akad Abhandlgg. Würzburg 1844 

S. 236 ff. DoNALDSON Transactions of Edin- 

EaDdbuoh der klaas. AltertumswlBsenschait. V, 8. 



burgh 1876 S. 432 ff. Schmidt Die Opfer 
in der Jahvereligion und im Polytheismus 
Diss. Halle 1877 S. 40 ff. Stengel Jahrb. 
f. Phil. 1883 S. 361 ff. 

^) A 314 ist von keinem solchen die 
Rede, vgl. Donaldson a. a. 0. 433 und Sten- 
gel a. a. 0. 369 Anm. 31. 

•) Vgl. Eur. Alk. 851, auch Aisch. Eum. 
265 u. 314 f. 



2. Aiifl, 



8 



114 



Die grieohisohen Knltusaltertümer. 



Sie sind Präventivmittel, und die Bezeichnung Bussopfer wäre vielleicht 
richtiger als Sühnopfer. 

Ob nun wirklich gleich die ersten Sühnopfer Menschen waren? Ob 
man nur durch Vernichtung eines Menschenlebens den erzürnten Gott 
beschwichtigen und versöhnen zu können meinte? Doch sicherlich wohl 
nur dann, wenn man das eigene Leben verwirkt zu haben glaubte. Und 
nicht jede Schuld, nicht jedes Glück braucht so schwer gebüsst zu werden, 
nicht alle Gefahren drohen den Tod. In unzähligen Fällen hat man gewiss 
von Anfang an geglaubt, mit einem andern Opfer auszukommen; nur wo 
man wirklich um sein Leben bangte und im Begriff stand, es um Gewinn 
oder für Vaterland und Besitz in die Schanze zu schlagen, wird ein 
solches Opfer für notwendig gehalten worden sein. Es wäre überhaupt 
ganz falsch, einfach den Satz aufzustellen: in alter Zeit sind die Menschen- 
opfer häufiger gewesen, mit der zunehmenden Civilisation verschwanden 
sie allmählich. Man hat in vorhomerischer Zeit namentlich bei den Be- 
gräbnissen der Fürsten in Menge Menschen geschlachtet, noch am Scheiter- 
haufen des Patroklos bluten zwölf gefangene Troer als Totenopfer (*P 175), 
aber das ist auch das einzige Beispiel in den homerischen Gedichten, und 
erst später begegnen sie wieder häufiger. Die Auffassung der Gottheit, 
die Vorstellung von dem Wesen und den Bedürfnissen der Geister der 
Abgeschiedenen, Zufriedenheit und Sicherheit des Daseins oder Sorge und 
Bedrängnis, das alles sind wichtige Momente, und sie hangen grossenteils 
von den Schicksalen des Volkes ab, die, bei sonst fortschreitender Kultur, 
Stimmung und Ansichten auf ein Niveau herabdrücken können, das niedri- 
ger scheint und thatsächlich ist, als der schon früher erreichte Standpunkt. 

74. Da nun die Menschenopfer mit wenigen Ausnahmen, wo an 
Gräbern von Heroen, offenbar um ihrer Rache nachträglich genugzuthun, 
Menschen — meist gefangene Feinde — geschlachtet werden, deutlicher als 
jedes andere sich als Sühnopfer kennzeichnen, wollen wir mit ihnen be- 
ginnen. ') Die kyklischen Gedichte kennen sie bereits. Agamemnon muss 
sein ältestes Kind opfern, bevor die gefährliche Seefahrt von Aulis ange- 
treten wird,*) und Polyxene muss bluten, ehe man sich auf die Heimfahrt 
begiebt.') Da sie über dem Grabe Achills geschlachtet wird, kann dem 
Opfer in der epischen Zeit kaum ein anderer Sinn und Zweck zu Grunde 
gelegen haben, als die Psyche des Helden durch ein auch ihm von der 
Beute dargebrachtes y^Q^^ zu befriedigen. Aber die spätere Zeit fasst 
es anders auf. Wie Aischylos Iphigeneia ein „windstillendes Opfer ^*) 
und ein „Beschwichtigungsmittel thrakischer Stürme^ ^) nennt, so lässt 
Euripides den Neoptolemos unzweideutig aussprechen, der Zweck der 
Opferung Polyxenes sei, günstige Winde für die Heimfahrt zu erlangen.«) 



*) IIbbmank G. A.* § 27. Sohoemann 
Griech. Altt.* II 250 ff. Suobibb De victimis 
humanis Progr. v. Hanau 1848. Dokaldson 
Transactions of Edinburgh 1876 S. 455 ff. (der 
Menschenopfer für die Griechen überhaupt 
leugnet). Stbnoel Jahrb. f. Phil 1883 S. 362 ff. 

^) Stasinos in den Kypria, Wblokbb 
Ep. Gycl. 11 101. (Damit zu vergleichen B 
t^Od ff., / 145 u. Lbhbs Aristarch» 176.) 



*) Iliupersis Wagkbb Mythogr. gr. 1 245 
vgl. 212. (Vgl. damit y 730 ff. und Stbnobl 
Jahrb. f. Phil. 1883 S. 367 f. Anm. 28.) 

*) nai^cdvBfxoi &vola Ag. 214. 

*) in(ad6g Sguxmy arj^anav Ag. 1418. 

•) Hek. 536 ff. vgl. 900 f., 1289 f., auch 
Ovid. Met. XII 439 f. und Verg. Aen. II 116. 
Im übrigen s. Stekoel Fefitschr. f. Fbibd- 

LAENDEB 1895 S. 416 f. 



d. Knltiishaiidliiiigeii. (§ 74.) 



115 



Ipbigeneia ist auch nach der alten Sage aus keinem andern Grunde ge* 
opfert worden, 1) und dass die Griechen in alter Zeit vor Beginn grösserer 
Seefahrten Menschenopfer häufiger dargebracht haben, ist nicht zu be- 
zweifeln. Eine Andeutung davon dürfte auch in Aisch. Ag. 146 ff. zu 
finden sein, Eustathius (Hismen. p. 298) sagt kurz, es sei xarä t6v rrjiTrjv 
vofiov gewesen, Menschen zu opfern, Herodot (II 119) erzählt, Menelaos 
habe, nach Aigypten verschlagen und durch widrige Winde oder Wind- 
stille festgehalten, aigyptische Kinder geopfert, und als Agesilaos sich 
in Aulis zum Feldzuge gegen die Perser einschiffen will, verlangt ein 
Traumgesicht von ihm, dass er ein Menschenopfer bringe ; doch schlachtet 
er in Erinnerung an Iphigeneias Opferung nur eine Hindin.^) Am wich- 
tigsten aber sind die zahlreichen Beispiele, wo in historischer Zeit dem 
Poseidon^) oder den Winden*) aq>ayia dargebracht werden, die das 
eigentlich erforderliche Menschenopfer nur ersetzen sollen. Bei den Phoi- 
nikern waren diese Opfer gewöhnlich, pflegten sie doch selbst unter den 
vom Stapel laufenden Schiffen, um sie gegen Gefahren zu feien, Menschen 
zu zerquetschen,^) und wie man nach den Seeschlachten mit ihnen von 
Staatswegen einen Kult der Winde in Griechenland einführte,^) so wird 
in älterer Zeit ihr grausamer Opferbrauch nicht ohne Einfluss und ohne 
Nachahmung seitens ängstlicher Schiffer geblieben sein. 

Sodann hat man Menschen bei dem Beginn eines Feldzugs oder vor 
einer Schlacht geopfert. Sage wie Geschichte liefern Beispiele. Als in 
den Herakleiden des Euripides (405 ff.) Demophon sich gegen die Argeier 
rüstet und vorher die loyia naXaid tiSs yfj awTiJQia erkundet, lauten sie 
verschieden, aber in einem stimmen alle ttberein: man müsse eine Jung- 
frau schlachten. Als Theben von den Sieben belagert wird, erklärt Tei- 
resias, es gebe nur ein Mittel, die Stadt zu retten: Kreon müsse seinen 
Sohn opfern ; und der Sturm wird abgeschlagen, als der Knabe sich wirk- 
lich das Schwert in den Hals gestossen.O Erechtheus erhält das Orakel, 
er werde siegen, wenn er eine seiner Töchter opfere,®) Aristodemos ver- 
sucht, ebenfalls durch einen Orakelspruch aufgefordert, dasselbe ver- 
zweifelte Mittel,*) Leos opfert alle drei Töchter,»®) im Krieg gegen den 
Orchomenierkönig Erginos erhalten die Thebaner vor der Schlacht das 
Orakel, sie würden siegen, wenn jemand aus dem vornehmsten Geschlechte 
sich selbst opfern wolle, und die Töchter des Antipoinos geben sich den 



M Wären uns die kyklischen Gedichte 
erhalten, würden wir vielleicht die glück- 
liche Fahrt nach Uios und die Schrecken 
der Rückfahrt, wo doch nicht allein Aias 
umkommt, in Zusammenhang gebracht sehn 
mit der Unterlassung eines Sühnopfers, wie 
es in Aulis dargebracht worden war; Spuren 
davon mögen in der Erzählung Sinons bei 
Vergil Aen. II vorhanden sein, mit Sicher- 
heit kann man es ebensowenig sagen, wie 
ob die Schilderung von dem Tode des Lausus 
Züge aus der Aithiopie, wo Antilochos sich 
für Nestor opfert, entlehnt hat. 

») Flut. Ages. 6. Vgl. Xen. Hell. III 5, 3. 

'J Arr. Anab. VI 10, 5. App. Bell. Mithr. 



70 p. 480. Athen. VI 261 D. 

<) Herod. VII 191. 

») Valer. Max. IX 2. Vgl. Gaidoz Rev. 
arch^ol. VIII (1886) 192 f. 

•) Herod. Vn 178, 189. Vgl. I 1.31. Fiat. 
Fhaidr. p. )i29. Faus. I 19, 6; VIII 27, 9. 

') Eur. Fhoin. 890 flf. Apoll. Bibl. III 6, 7. 

•) Apollod Bibl. III 15, 4. Eur. Frgm. 
Erechth. 359. Lykurg. Leokr. 24 § 99. 
[Demosth.] LX 27 p. 1397. Suid. u. nagae'yoi 

•) Faus. IV 9, 2 u. 5. Vgl. Flut. Farall.' 
XX 3I0D. 

'<^) Photius u. XeaxoQioy aug Fhanode- 
mos. Ael. Var. bist. XII 28. [Demosth 1 LX 
29 p. 1398. 

8* 



116 



Die grieohisohen Knltiualtertümer. 



Tod,0 und auch der Athener Kodros rettet sein Volk, indem er durch 
Hingabe seines Lebens selbst die Bedingung erfüllt, an die der Gott den 
Sieg geknüpft hat.^) Als die Schlacht bei Salamis beginnen soll, zwingt 
man den Themistokles, drei gefangene Perser zu opfern,') vor der 
Schlacht bei Leuktra wird von Pelopidas ein Menschenopfer verlangt, und 
nur das zufällige Erscheinen eines blonden Füllens und die Geistesgegen- 
wart eines menschlichen Sehers ersparen dem Feldherm die traurige 
Pflicht.^) Am häufigsten sind Menschenopfer gebracht worden, wenn eine 
Seuche das Land verheerte, oder Hungersnot es heimsuchte, und man 
konnte sich in solchen Fällen wenigstens in alten Zeiten auf Befehle von 
Delphoi berufen.^) Bei der Reinigung Athens soll Epimenides einen 
Jüngling geopfert haben, <<) in Sparta und in Syrakus wird bei ähnlicher 
Veranlassung eine Jungfrau gefordert,^) und dass man auch sonst bei 
solchen Gelegenheiten, wie bei andern grossen ünglücksföllen, die das 
Volk trafen, zu Menschenopfern seine Zuflucht nahm, wird uns mehrfach 
überliefert.®) Alle diese Opfer werden also gebracht vor einer wichtigen 
Entscheidung^) oder in gefahrvoller Lage, besonders dann, wenn das 
Leben vieler aufs Spiel gesetzt werden soll oder bedroht ist, und die 
Götter werden angefleht, es sich genügen zu lassen an diesem einen ihnen 
freiwillig hingegebenen Leben und die andern zu schonen. *ö) Aber frei- 
willig muss nicht nur die Gabe derer sein, die einen aus ihrer Mitte zum 
Altar schleppen: auch dieser selbst muss sich zum Tode bereit erklären. 
Galt es schon für ein ungünstiges Zeichen, wenn ein Schlachttier wider- 
strebend zur Opferstätte gezogen werden musste, so war dies hier in er- 
höhtem Masse der Fall.^^) Doch auch abgesehen von solchen ausser- 
ordentlichen Gelegenheiten kamen Menschenopfer vor. So wurden an den 
Lykaien, einem Fest, das man dem Zeus Lykaios in Arkadien feierte, 
noch im zweiten Jahrhundert n. Chr. Menschen geopfert,**) und auch in 
Rhodos soll Kronos alljährlich ein solches Opfer empfangen haben. Frei- 
lich nahm man hierzu einen todeswürdigen Verbrecher, i') In Leukas 
wurde dem Apollon, der ja vor allen andern Ka&dQ<nog, Sühngott, ist, an 
dem ihm jährlich gefeierten Feste ein Mensch (neQiiprjfAa, eigentlich 
Reinigungsmittel) von den steilen Felsen des Vorgebirges ins Meer gestürzt. 
Blieb er am Leben, so nahmen bereitstehende Kähne ihn auf und schafften 



Paus. IX 17. 1. 

«) Lykurg. Leokr. 20 § 86 f. Vgl. anch 
Herod. VII 220 u. Xen. Hell, l 14, 18 f. 

») Plut. Them. 13; Aristeid.Q; Pelop.21. 

*) Plut. Pel. 20 f. 

*) Stützlb Progr. v. EUwangen 1891 
S. 25 f. 

•) Athen. XIIT 78 p. 602. Diog. Laert. 
1 110. Demosth. XXIII p. 644. 

») Plut. Parall. XXXV p. 314 C; XIX p. 
310ß. Jo. Lydus De mens. p. 113. 

») Schol Arist. Equ. 1136, Plut. 454. 
Ran. 730. Helladios in Phot. Bibl. 279 p. 534. 
Tzetz. Chil. V 726 ff. Anton. Lib. VIII 2 f.; 
XXV 2 f. Auch die Sage von Hesione ge- 
hört hierher. 

*} AthenaioB XI 466 C erzählt, dass auch 



bei der Gründung von Methjmna eine Jung- 
frau ins Meer versenkt worden sei. Vgl. 
Plut. Sept. sap. conv. 20. 

10) Dies ist z. B. aus Eur. El. 1024 ff. 
zu entnehmen, und Philo bei Euseb. Praep. 
ev. IV 16 p. 156 D bezeugt es ausdrücklich. 
Vgl. auch Plut. De def. orac. 14 p. 417 C 
und Yerg. Aen. V 815: unum pro muüis 
dabitur caput. 

") Vgl. Eur. Herakl. 550 f. Phoin. 890. 
Athen. XIII 78 p. 602. Paus. VII 21, 1. Anton. 
Lib. XXV 2 f. 

") Paus. VIII 38, 5. Vgl. Immbrwahb 
Kulte u. Mythen Arkadiens Leipz. 1891. I 
Anf. Bern ATS Theophr. 189 und Wslokbb 
Kl. Sehr. III 160 ff. 

<•) Porph. De abst. II 54. 



8. Kvltnahandlongen. (§ 75.) 



117 



ihn über die Grenze. Ja in Athen hat man in alter Zeit am Thargelien- 
fest alljährlich zwei Menschen {g^agfjiaxoi oder xad^ägfiata) zur Sühne für 
die Übrigen und zur Reinigung der Stadt geschlachtet,') und für lonien 
sind dieselben Opfer im 6. Jahrhundert bezeugt.') 

Auch sonst kamen gewiss ab und zu Menschenopfer vor/) aber ge- 
wöhnlich sind sie in Griechenland nie gewesen. Man hat sie leider bisweilen 
für notwendig gehalten, doch stets als etwas Grässliches und dem Hellenen- 
tum eigentlich Fremdes empfunden. Aischylos^) nennt das Menschenopfer 
(ivofAog^ Euripides*) ovx oaiog, dem Pelopidas und seinem Heer erscheint 
es naqdvofiog und ßägßaQog^'^) und Tansanias^) nennt es eine ^tvrj x^vaia. 
Ziemlich beseitigt scheinen den grausigen Brauch aber erst die strengen 
Verfügungen des Kaisers Tiberius zu haben. ^) 

75. So wundem wir uns denn auch nicht, dass wir häufig Opfern 
und Gebräuchen begegnen, die offenbar — und meist fügen die alten 
Schriftsteller dies selbst hinzu — an die Stelle eines früheren Menschen- 
opfers getreten sind.*®) Vor allem im Kult der Artemis.**) Schon früh 
erzählte die Sage, dass die Göttin in Aulis für Iphigeneia eine Hindin 
untergeschoben habe.*') Auch in Achaja, wo ihr in alter Zeit alljährlich 
ein Jüngling und eine Jungfrau zum Opfer gefallen sein sollen, hat man, 
wie uns überliefert wird, diese Opfer bald eingestellt.*') Eine andere Sage 
lässt den Herakles eine Ziege wie eine Jungfrau schmücken und sie statt 
der Tochter zum Altar der Artemis Munichia führen;**) in Halai wird 
am Fest der taurischen Artemis einem Manne mit einem Schwert ein 
Schnitt am Halse beigebracht: sein Blut soll fliessen, „damit die Göttin 
die ihr gebührenden Ehren empfange "*,*') und eine Spur von einstmals 
ihr dargebrachten Menschenopfern werden wir auch in der Geisselung der 
Knaben am Altar der Artemis ^Oqd'ia in Sparta erblicken, die öfters, auch 
in historischer Zeit, den Tod eines Knaben zur Folge hatte. *^) Auch 
Dionysos *') verzichtete bald auf Menschenopfer. In Potniai in Boiotien 
soll er selbst eine Ziege untergeschoben und sich in der Folge mit diesem 
Opfer begnügt haben; *^) in Tenedos nährte man ihm eine trächtige Kuh, 
und wenn sie geboren hatte, pflegte man sie wie eine Wöchnerin, und 
dem Kalbe legte man Schuhe an und führte es gleich einem Menschen- 
kinde zum Altar, der Priester aber, der es schlachtete, wurde mit Steinen 



>) Strab. X 452. 

*) Harpokr. n. (pa^fioxog. 

*) Hipponax Frgm. 37 Bbbgk« 3. 475. 

<) Vgl. z. B. Herod. VII 197; IX 119 
nnd besonders Porph. De abst. II 54 f. 

•) Ag. 149. 

•) Iph. T. 465. Vgl. 41 u. Andr. 625. 

^) Plut. Pelop. 21. 

«) VII 19, 3. 

>) Porph. De abst. II 54. Vgl. Bbrnats 
Theophrast 116 f., 188 ff. 

^^) Vgl. Servius zu Verg. Aen. II 116: 
aciendum in aacris sitnulata pro veris accipi, 

") Der ,8chlächterin', Robebt in Pbbl- 
LBB8 Or. Myth.' I 296 f. A. 2. 

") Vgl. Stbhobl Jabrb. f. Phü. 1883 
8. 366 f. Anm. 24. Enr. Ipb. Taur. 783 ff. 



Aischylos sagt von einer Errething Iphige- 
neias nichts. Vgl. v. Wilaxowitz Herrn. 
XVIII 259. 

»«) Paus. VII 19, 2 f. 

**) Paroimiogr. gr. I p. 402. 

»») Eur. Iph. T. 1461. 

'•) Paus. III 16, 7. Plut. Arist. 17. Vgl. 
SoHOBXAVK Gr. A.> I 273, II 255; Prellbr- 
Robbbt Gr. Myth. I 308. S. auch Eurip. Iph. 
T. 1458 ff. Bbrnats Theophr. 117. Dtbls 
Herrn. XXXI 361. 

*') tafitjarijgy wfJL«6iog. Vgl. PrellBr- 
RoBBRT Griech. Mvth. I 693. ScHOBMAim 
Griech. Altt.> II 251. Wblokbr Griech. 
Götterl. I 444. Rohdb Psyche* II 46. Paus. 
Vn 21, 1. 

") Paus. IX 8, 1. 



120 



Die grieohisohen KnltuBaltertÜmer. 



ist derartig, dass der Glaube begreiflich ist, nur das Opfer eines Lebenden 
sei ein Äquivalent für das zwar nicht verfallene, aber doch gefllhrdete 
eigene Leben, und in den andern Fällen werden die Götter so finster oder 
geradezu so grausam und an Zerstörung sich erfreuend gedacht, dass man 
ihnen auch nur mit Blutopfern zu nahen wagte. Ob diese aber überall 
ein Menschenopfer vertreten sollten, ist, wie wir schon bemerkten, eine 
andere Frage. Sicher ist, dass nicht der Leib, wie bei den Speisopfern, 
sondern das Leben und Blut des Tieres bei allen Sühnopfern die Haupt- 
sache ist, und eben deshalb finden wir hier auch so auffallend viele nicht 
essbare Tiere verwandt;*) von einem Genuss der Opfergaben — es sei 
denn, dass man mit dem Blut die Unterirdischen befriedigen und laben 
wollte — ist nicht die Rede weder bei Menschen noch Göttern. Das be- 
weist auch der Brauch an dem Sühnfest der Diasien, wo der Arme, der 
kein Tier besitzt, dem Backwerk, das er in die Flammen wirft, die Ge- 
stalt von Tieren geben muss, und das Fehlen der ovlaf,^) — Was 
schliesslich die Opferhandlung selbst angeht, so haben wir schon gesehen, 
dass in einzelnen Fällen die Tiere lebendig verbrannt wurden, bei weitem 
am häufigsten wurden sie, wie auch die Menschen, geschlachtet und dann 
verbrannt 3) oder auf andere Art vernichtet.*) Die Art und Weise des 
Schlachtens ist dieselbe wie bei allen Tieren, die nicht den himmlischen 
Göttern als Speisopfer dargebracht werden, wie die Anwendung des Aus- 
drucks ivTefxvsiv zeigt;*) man drückt den Kopf der Tiere auf den Boden 
{xaraaxQhffHv),^) damit das Blut hinunterfliesst,') schneidet ihnen den Hals 
durch®) und lässt das Blut von der Erde aufsaugen.^) Bisweilen finden 
wir das charakteristische IXdaxead-ai gesagt. •^) Werden mehrere Tiere 
geopfert, so sind es ihrer drei, neun oder siebenundzwanzig, i*) 

77. Wir schliessen hier die Opfer für Meeres- und Flussgott- 
heiten an.*^) Wie das Meer bald finster grollend und drohend erscheint, 
bald lächelnd und einladend, so empfängt Poseidon an Altären frohe Speis- 
opfer,**) dann wieder stürzt man ihm Pferde und Stiere lebend, oder 
nachdem man sie vorher getötet hat, in die Fluten. Alexander schlachtet 
ihm, an der Mündung des Indus angelangt, Stiere und wirft sie ins Meer,**) 
Mithridates versenkt vor Beginn des Krieges mit den Römern ein Gespann 
weisser Rosse,**) dasselbe thut Sextus Pompeius,*^) und ein ähnliches 
Opfer bringen ihm die Argeier.*') Schlachtet man die Tiere vorher, so 



Vgl. auch Hesych. n. avBfjuoxag und 
Lactant. De falsa rel I 21. 

«) S. V. Fbitzb Henn. XXXn 248 f. 

') Eupolis Dem. Frgm 120 Eook. £ur. 
Iph. T. 1154 f. Iph. A. 1601 f. Tzetz. Chü. 
V 726 ff. — Bildliche Darstellung eines 
Opfers für Artemis Agrotera bei Th. Schrei- 
ber Eolturhistor. Atlas Taf. XV n. 16. 

*) Paus. VIII 38, 6; X 38, 4. 

*) Herod. H 119; VII 191. Arrian. Ind. 
20 u. s. w. Latein.: caedere, z. B. Verg. 
Aen. V 772. Varro bei Servius zu Aen. III 67, 

•) Od. X 528 mit Schol. Plut. Pelop. 22. 

Vgl. Verg. Georg. IV 542. Aen. VI 248. 

>) Schol. zu Apoll. Rhod. I 587 u. Sten- 



gel Ztschr. f. d. Gw. 1880 S. 737 ff. 

•) Katbel Epigr. gr. 1034. 

»0) Z. B. Paus, in 13, 3. Herod. Vll 179. 
Vgl. placare bei Verg. Aen. II 116. 

1«) DiELS Sib. Bl. 40 ff. Vgl. Thuk. VII 
50, V 26. Soph. Oid. K. 483. 

") Vgl. Stbkobl Jahrb. f. Phil. 1882 
S. 733 ff. 1891 S. 449 ff. Phil. 1879 8. 182 ff. 

»») Od. y 6 ff. « 25. Aristoph. Av. 566. 
Xen. Hell. IV 5, 1. 

") Arr. Anab. VI 19, 5. 

*<") Appian. Bell. Mithr. 70 p. 480. 

>«) Cass. Dio XLVIII 48. 

") Paus. VIII 7, 2. Vgl. Eustath. zu 
n. * 131 p. 1227 und zu ^ 148 p. 1293. 



8. Kiütiwhaiidlangeii. (§ 77—78.) 



121 



I&sst man das Blut ins Meer fliessen oder föngt es in einer Schale auf 
und giesst es hinein.^) Dass wir es hier mit Sühnopfern zu thun haben, 
beweist ausser dem Umstand, dass man die Tiere ganz hingiebt, auch 
die Art des Schlachtens.^) Von Flussgöttern geniesst in Griechenland 
nur einer, Acheloos, allgemeine Verehrung,') die andern nur lokale, wie 
die Heroen.^) Tiere haben ihnen die Griechen, soviel wir wissen, nie 
ins Wasser gestürzt,*) wären die Flüsse doch dadurch verunreinigt 
worden. Aber auch unblutige Opfergaben hat man den Flussgöttern ge- 
wiss nur sehr selten ins Wasser geworfen.«) Meistens opferte man ihnen 
an Altären; so dem Spercheios,^) dem Alpheios,') dem Kladeos;®) die 
mykonische Opferordnung bestimmt, dass dem Acheloos die Tiere teils an 
seinem Altar geschlachtet werden sollen, teils so, dass das Blut in das 
Wasser eines Flüsschens rinnt, ^®) auch ein Beweis, dass Acheloos als 
Wassergott im allgemeinen galt.^^) 

Als Sühnopfer anzusehn sind auch die Stiere und andern Opfertiere, 
die die Syrakusier der Demeter und Persephone alljährlich in das tiefe 
Quellbassin der Eyane versenken, das sich gebildet haben sollte, als 
Hades hier die Erde spaltete, um mit der geraubten Köre in der Unter- 
welt zu verschwinden.**) Vielleicht hat man die Körper der Tiere wieder 
herausgeholt und vergraben, wie das mit den Ferkeln geschah, die man 
in Athen gleichfalls alljährlich in einen Schlund hinabstürzte, dem die 
Sage den gleichen Ursprung zuschrieb.*') Auch in Potniai bei Theben 
versenkte man der Demeter und Persephone Ferkel in die sog. fiäyaga, 
und wenn es heisst, sie kämen in Dodona wieder zum Vorschein, so be- 
deutet das wohl auch nichts anderes, als dass man sie später wieder 
entfernte.*^) 

Ungriechisch sind die Pferdeopfer für Helios. Wo sie einmal dar- 
gebracht werden, 1*) ist die Nachahmung persischen Kultes unverkenn- 
bar.*«) 

78. Den Sühnopfern nahe verwandt sind die Eidopfer. *^) 

Ausführliche Schilderungen davon finden wir schon bei Homer. 
T 253 ff. schlachtet Agamemnon einen Eber, den er nachher ins Meer 



ApoU. Rhod. IV 1595. Athen. VI 261 D. 
Em*. Uel. 1584. 

*) xifAvotv Xatuoy Eur. Hei. 1584. Xai- 
fdOTOfjiijaag Apoll. Rhod. IV 1595. 

») Ephoros Frgm. 27 M. IGA 104. Dit- 
TBNBBBOBR Sjll. 373. 38. Athen. Mitt. XXI 
88 f. Fiat. Phaidr. 230 B u. 263 D. Paus. I 
34, 2. EöHLBB Athen. Mitt. 1885 S. 282. 
RosoHEB Myth. Lex 7 f. 

«) Stbhgel Jahrb. f. Phil. 1891 S. 449. 

^) Dass die Troer dem Skamandros ein 
derartiges Opfer bringen, scheint die Ver- 
wundemng Achills zu erregen {* 132. Vg]. 
SoHOBMANK Griech. Altt.' II 232. Stbnobl 
Jahrb. f. Phil. 1882 S. 734, 1891 S. 452). 

•) Paus. X 8, 5. 

n II. «P 146 ff. 

•) II. A 728. Paus. V 14. 5. 

•) Paus. V 10, 2. 



'•) <r[9arr]«r[ae] sig xoy norafiov v. 
Pbott Fasti gr. S. 14 ZI. 86 f. 

") Vgl. Paus. I 41, 2 und üsbnbb Göt- 
temamen 15. 

>«) Diod. V 4 und IV 23. 

^') Schol. zu Luk. Dial. mer. 2 im Rhein. 
Mus. XXV 549. Vgl. dem. Alex. Protr. II 
17 p. 14 Pottbb. Robbst Herm. XX 372 f. 
RoBDB Herm. XXI 123. 

»*) Paus. IX 8. 1. 

^<^) Paus. III 20, 5 auf der Höhe des 
Taygetos; Festus p. 181 in Rhodos. Vgl. 
Philostr. Her. XI 1 p. 309. Tzetz. ad Ly- 
kophr. V. 483, freilich nicht die zuverlässig- 
sten Zeugen. 

»•) Paus. a. a. 0. Xen. Anab. IV 5, 35. 
Herod. I 131. Strab. XI 518 und mehr bei 
Stbnobl Philol. 1879 S. 183. 

") Stbnobl Jahrb. f. Phü. 1883 S. 376 ff. 



122 



Die grieohiflohen Kaltiuialtertümer. 



werfen lässt. Beim Beginn des Opfers hat er dem Tier einige Haare 
abgeschnitten^ die er das Gebet sprechend offenbar in der erhobenen Hand 
behält, r 103 bringen Griechen und Troer Lämmer zum Opfer; dem 
obersten der Götter, Zeus, und dem allsehenden Helios wird je ein männ- 
liches geschlachtet, der Gaia ein weibliches. Auch ihnen wird (271 ff.) 
Haar oder Wolle abgeschnitten und den vornehmsten Griechen und Troern 
in die Hand gegeben, um sie zu verantwortlichen Teilnehmern des Eides 
zu machen.^) Die geschlachteten Tiere nimmt Priamos mit zur Stadt, 
um sie dort zu vergraben oder sonstwie zu beseitigen.*) Zweck und 
Sinn des Opfers sind schon hier völlig klar: der Schwörende verflucht 
sich für den Fall des Meineids und ruft die Götter an, ihn das Schicksal 
des Tieres erleiden zu lassen, wenn er den Schwur nicht halte.*) In 
nachhomerischer Zeit nimmt man nicht mehr das abgeschnittene Haar 
des Opfertiers in die Hand, sondern schlachtet das Tier vor dem Schwur, 
zerlegt es und fasst die Fleischstücke an^) oder tritt darauf,^) Krieger 
tauchen auch wohl Hand oder Waffen in das in einem Schild aufgefangene 
Blut.®) Auch wird es Sitte, ausschliesslich ausgewachsene {väXeioi)'') 
und männliche Tiere zu opfern, hauptsächlich Eber, Widder und Stiere.®) 
Doch finden wir alle zusammen nur bei besonders feierlichen Opfern,^) 
häufiger Eber,!«) Stier ^*) oder Widder i*) allein; in den meisten Fällen 
ist nur von legd teXeia die Rede, worunter gewiss öfters jene ganze 
Trittys zu verstehen sein wird. Zweimal finden wir Pferde erwähnt: 
Paus, in 20, 9; Aristoph. Lys. 192. Hier bringen heldenmütige Weiber 
das Opfer, und schon der Scholiast bemerkt richtig, dass damit auf die 
Amazonen angespielt werden soll,*^) dort Tyndareos, als er die Freier 
der Helena schwören lässt. Es ist dies Opfer, wenn es auch der mythi- 
schen Zeit angehört, auffallend, aber nur weil es vereinzelt dasteht, denn 
da es hier wie bei Sühnopfern nur auf das Leben des Tieres ankommt, 
ist ein nicht essbares an und für sich zum Opfer ebenso gut geeignet. 
Bei internationalen Eidopfern muss sich, wie das in der Natur der Sache 
liegt, ein Volk dem andern in seinen Gebräuchen akkommodieren. Das 
Opfer muss stets ein gemeinsames sein, wie die Völker vereint werden 
sollen. Deshalb mischen schon Griechen und Troer ihren Wein in einen 
Krug.^*) So erzählt Xenophon,»*) dass bei einem Vertrage mit den Per- 
sem ausser Stier, Eber und Widder ein Wolf geopfert wurde, was bei 
einem Vertragsopfer zwischen Hellenen natürlich nie geschehen sein 



*) Vgl. Eustath. zu E 273. 

*) Schol. zu r 310. 

») Vgl. a 79 u. Livius XXI 45, 8. 

*) Herod. VI 68. Lyk. Leokr. § 20. 
Isai. Vir 16. Aristoph. Lys. 192 u. 202. 
Aischin. II 40 p. 264. Antiph. V 11 p. 130. 
Apoll. Rhod. II 717. 

») Demosth. XXIII 68 p. 642. Paus. III 
20, 9. Dion. Hai. VII 50 p. 1422, V I p. 844. 

«) Aisch. Sept. 44. Xen. Anab. II 2, 9. 

') Arist. Ath. Pol. 29. Andok. I 13 § 98. 
[Demosth.] LIX 16 p. 1365. Thuk. V 47. 
Inschr. aus Erythrai Herrn. XVI 197. 



8) Sohol. zu T 197. 

») Demosth. XX IE 68 p. 642. Flut. 
Pyrrh. 6. Vgl. Xen. Anab. 11 2, 9. 

»0) Paus. IV 15, 4; V 24, 2. 

") Herod. VI 68. Aisch. Sept. 44. 

»*) Eur. Hiket. 1201. Vgl. Aristoph. Lys. 
189 ui]Xoa<payovaaSt während Aisch. Sept. 44 
TavQOff<payovyxei hat. 

^^) Dass die Griechen in der That von 
Pferdeopfern der kühnen Reiterinnen gefabelt 
haben, ersehen wir aus Pseudokallisth. III 25. 

«*) r269. Vgl. Stbkgel Herrn. XVU 830. 

") Anab. II 2, 9. 



8. Knliiuihandliingeii. (§ 78.) 



123 



würde, ^) und Herodot bemerkt, wo er die Gebräuche anderer Völker bei 
Eidopfern erwähnt, mehrfach ausdrücklich, dass man sie auch bei Ver- 
trägen mit Fremden beobachte.^) Gegessen wird selbstverständlich von 
dem Fleisch der Tiere, die den Mächten des Todes geweiht und mit Fluch 
beladen waren, nichts.') Talthybios schleudert den Eber, den Agamemnon 
geschlachtet hat, ins Meer, den Fischen zum Frass ( T 267 f.), Tyndareos 
vergräbt die Stücke des geopferten Pferdes,^) öfters verbrennt man das 
Fleisch auch,^) doch durfte dies auf geheiligten Altären, auf denen man 
auch Speisopfer darbrachte, sicher nur dann geschehen, wenn durch das 
Opfer einem bereits geleisteten Eide nur noch die Weihe erteilt werden 
sollte, und die Eventualität eines Meineides gar nicht in Betracht kam;^) 
sonst errichtete man wie bei Sühnopfern und Darbringungen für chthonische 
Gottheiten ad hoc Altäre, die die Flamme entweder mitverzehrte oder die 
man doch nicht weiter benutzte.') Eur. Hik. 1206 f. wird sogar an- 
geordnet, auch das Messer, mit dem die Tiere geschlachtet worden sind, 
zu vergraben. Einem bestimmten Gott bringt man das Eidopfer nicht 
dar. Wenn es II. F 103 f.®) heisst, dass die Lämmer Zeus, Helios und 
der Gaia geschlachtet werden sollen, T 197 der Eber dem Zeus nnd dem 
Helios, Herod. VI 68 der Stier dem Zeus, so bedeutet das nichts anderes, 
als dass diese Götter besonders angerufen werden, Zeugen des Eides und 
Rächer des Meineides zu sein;^) von dem fluchbeladenen Tier zu ge- 
messen, wird ihnen so wenig zugemutet, wie den Menschen, ^^j mag der 
Sinn der Blutspende auch immer gewesen sein, die rächenden höllischen 
Mächte herbeizulocken.^^) Übrigens ist das Tieropfer ziemlich selten, es 
dient nur, um dem Ganzen einen feierlicheren Charakter zu geben,i*) ge- 
wöhnlich genügt das anovddq uoieta&ai.^^) Dieses aber ist unerlässlich ; 
Ivoivov xal ^voQxov ist ein technischer Ausdruck geworden,^*) ja man sagt 
sogar anovdäq TSfAveiv.^^) Denn das Ausschütten des Weines**) hat hier 
denselben Sinn und erfüllt den gleichen Zweck wie das Schlachten des 
Tieres; man betete, das Gehirn des Meineidigen möge auf die Erde ver- 
spritzt werden, wie der Wein (II. F 300 f.). Dieser bleibt ungemischt,*^) 
da er zum Trinken ebensowenig bestimmt ist, wie das Fleisch der Tiere 
zum Essen. — Für die Art des Schlachtens sind wieder die Ausdrücke 



») Plutarch De Is. et Osir. 46 berichtet, 
dass die Perser bei gewissen Sühnopfem 
einen Wolf schlachteten. 

«) III 8. IV 70. I 74. 

•) Schol. zu n. T 268. 

*) Paus. III 20, 9. Vgl. V. Wilamowitz 
Aristot. u. Athen 1 46 A. 9. 

») Schol. n. T 268. Eur. Iph. A. 62. CIG 
add. 2561 b. 

«) Pergam. Inschr. VIII 2 nr. 251. Vgl. 
DiTTKNBEBOEB SjU. 388, 3 Und Stenobl 
Herrn. XXXI 480. 

») Vgl. Stbngbl Herrn. XXVII 451. — 
Oft wird die Art des Beseitigens nicht näher 
bezeichnet, wie Paus. V 24, 2. 

») Vgl. Verg. Aen. XII 176. 



®) Vgl. T 258 ff., die Inschr. im J&tj- 
vttiou V (1876) S. 101. 

»•) Schol. zu r 310. 

*') Vgl. V. Fritzb De libatione etc. 
S. 28; auch Dittbnbebgbb Syll. 388, 3, wo 
wir bei der Vereidigung der leQoi in An- 
dania ausser Wein- auch Blutspenden finden. 

>2) Arist. Ath. Pol. 29. 

»») Od. 1 331 - T 288. Diod. III 71 Ende. 

") CIG 2554, 2555. 

'*) Eur. Hei. 1234. Dibls Sib. Bl. 72 f. 

*') 11. r 296 exxsoy, also nicht einen 
kleinen Teil wie beim gewöhnlichen atiivSsiv. 

»") ß 341, ^ 159. Vgl. Stenobl Herrn. 
XVII 330. 



124 



Die giieohisohen KnltiiBaltertfliiier. 



Täfiveiv und ivräiivsiv bezeichnend, *) wie denn auch Topua nur von Eid- 
opfern gesagt wird. Daneben kommt a^ayia^ead-ai vor.*) 

79. Endlich gehören zu den &vaiai aysvaroi^) die Heroen- und 
die Totenopfer. 

Litteratur: Hbbmank 6. A.* § 16. Schobmann Gr. Alt.' II 153 ff. Lehrs Pop. 
Aufs.' S. 304 ff., 320 ff. Nabgblsbaoh Nachh. Theol. S. 105 ff. Nitzsoh zar Od. Ill 163 ff. 
E. Kbil Analecta epigr. et onomat., Leipzig 1842. Ohlbbt Beiträge zur Heroenlehre der 
Griechen, Laaban 1875 u. 1876. Wabsnbb De heroum apad Graecos culta, Kiel 1883, 
8. 12 ff. Über Vergöttening 0. Hibschfbld Abbandlgg. d. Berl. Akad. d. Wisaensch. 
XXXV (1888) S. 833 ff, S. 844 f. Wblokbr Gr. Götterl. III 299 ff. Lbhbs a. a. 0. 
S. 304 ff. V. WiLAMowiTz Hom. ünt. S. 204. Stbngel Jahrb. f. Phil. 1888 S. 373 ff. Db- 
NBKBN in RobCHEBS Myth. Lex. 2441 ff. über Heroenopfer 2503 ff.. Ober Heroiaierung 
Verstorbener 2516 ff. Vgl. auch Dittbnbbrobb Syll. S. .355 n. 12. Besonders aber s. 
RoHDE Psyche' I 146 ff., 11 348 ff. Rhein. Mus. 1895 S. 28 ff. 

Die Heroen sind Geister Verstorbener, die einst als Menschen gelebt 
haben und nach ihrem Tode in ein erhöhtes Dasein eingetreten sind.^) 
Bei Homer ist der Name ij^coc nur eine Bezeichnung der Edlen oder 
freier Männer überhaupt,^) und von Heroenkultus weiss weder seine 
noch die hesiodische Zeit etwas. Aber die Wurzeln, aus denen er er- 
wachsen ist, reichen in uralte Zeit zurück. Die Leichenspiele zu Ehren 
des Patroklos und anderer Fürsten ^) und der überschwängliche Aufwand 
bei der Bestattung sind nur als Reste eines früher üblichen Ahnenkultes 
zu verstehen, wie auch die hesiodische Erzählung von den fünf Welt- 
altern'') ein Zeugnis für den Glauben an die Erhebung abgeschiedener 
Seelen zu höherem Leben aus ferner Vergangenheit erhalten hat.^) In 
nachhomerischer Zeit belebt sich der alte Glaube, dessen kümmerliche 
Reste lokaler Kultus erhalten hatte, aufs neue. Um 620 schärft Drakon 
ein, neben den Göttern die vaterländischen Heroen fromm zu verehren 
nach dem Brauch der Väter.®) Die Wettkämpfe, die in den Epen 
die Leichenfeier verherrlichen, werden jährlich wiederholt, alljährlich auch 
Opfer dargebracht. Und die Zahl der Heroen vermehrt sich zusehends. 
Den fürstlichen Familien nachahmend, verehren andere Geschlechter einen 
Stammheros, Städte einen Begründer, fast ohne Ausnahme Geschöpfe der 
Dichtung und der Phantasie. Unglück und Landplagen werden auf Ver- 
nachlässigung eines vergessenen oder noch nicht der gebührenden Ehre 
teilhaftig gewordenen Heros zurückgeführt, und das delphische Orakel 
bestätigt bereitwillig und in der Regel wohl selber in gutem Glauben die 
vermutete Ursache und fördert so die Verbreitung der Heroenkulte am 
meisten. ^0) Noch in längst historischen Zeiten holt man die Gebeine in 
der Fremde verstorbener Helden der Vorzeit oder jüngster Vergangenheit, 
um sie in der Heimat aufs neue zu bestatten,^') und kann man ihrer 



') Vgl. Eur. Suppl. 1196. Stbngel 
Ztschr. f. d. Gw. 1880 S. 737 ff. u. Jahrb. f. 
Phü. 1885 S. 103 f. 

*) Kret. Inschr. Athen. Mitt. XXI 88 
ZI, 26 f. Vgl. Herrn. XXI 311. 

») Plut. Praec. san. 124 B. 

*) RoHDB Psyche* I 152 f. Rhein. Mus. 
L 1 ff , LI 28 ff. 

») c 423, & 483, E 748. Vgl. Denbkbn 
a. a. 0. 2442 f. v. Wilamowitz Aristot. u. 



Athen I 337 ff. Rohdb Psyche* I 154. 

«) ^ 630 ff. w 85 ff. X 164. 

M Erg. 109 ff. 

•) Rohdb Psyche* I 108 ff. 

ö) Porph. De abst. IV 22. Rohdb Psyche* 
I 146. 

»0) Rohdb Psyche* I 177 ff. 

»») Plut. Thes. 36. Kim. 8. Paus. HI 3, 5. 
Lobbck Agl. 281. Ohlbbt a. a. 0. II (1876) 
S. 20 ff. Rohdb Psyche* I 160 f. 



8. KnltoBhandlimgeii. (§ 79.) 



125 



nicht habhaft werden, so errichtet man wenigstens ein leeres Grabmal 
{x€voTd(pior).^) Denn an die Reste des Leibes oder das Grab sind die 
Geister gebunden. Zwar können sie es verlassen, aber nur für kurze 
Zeit, und spätestens die nahe Landesgrenze setzt ihnen das Ziel. In 
Schlacht und Gefahr sieht man sie wohl selber den Ihren vorausstürmen 
und unwiderstehlich die Feinde niederwerfen, wie sie's einst im Leben 
thaten, gewöhnlich wirken sie unsichtbar und still aus ihrem Grab her- 
aus,^) und werden sie gebührend verehrt, so ist eine solche Grabstätte 
ein Quell des Segens für das ganze Land,^) wie sie vernachlässigt auch 
Schrecken und Not senden. So ist denn auch neben dem Wunsch, die 
Wohlthäter des Landes zu verehren und sich ihres Segens für alle Zeit 
zu versichern, die Angst vor verderblichen Wirkungen der Geister derer, 
die Unrecht erlitten haben, vor allem unschuldig Gemordeter, die Ver- 
anlassung zu Heroisierungen gewesen;^) man hoffte so ihren Rachedurst 
zu versöhnen. Schon früh finden wir zahlreiche Beispiele einer Erhebung 
historischer Personen zu Heroen. Dem Harmodios und Aristogeiton richtet 
der Polemarch in Athen jährliche ivayiaiia%a aus;^) zu Ehren des Mil- 
tiades, Sohnes des Kypselos, setzen die Ghersonesier gleich nach seinem 
Tode Opfer und Eampfspiele ein,^) Lykurgos erhält ein Uqov^'^) Brasidas 
tritt nach seinem Siege bei AmphipoKs an die Stelle des alten dort ver- 
ehrten Heros,®) die Egestäer in Sicilien weihen dem Olympioniken Phi- 
lippos von Kroton seiner Schönheit wegen einen Heroentempel über seinem 
Grabe und verehren ihn mit Opfern,*) und Lysandros wird gar zum Gott 
erhoben.^®) Die spätere Zeit wird immer freigebiger. Der Phrurarch 
Diogenes erhält in Athen nach seinem Tode nicht nur heroische Ehren, ^^) 
sondern auch ein rtfisvog, wo ihm die Epheben an dem nach ihm be- 
nannten Feste Opfer darbringen, i') die Troizenier heroisieren einen Priester 
des Poseidon,**) und bald erhebt man auch Lebende zu Heroen und stiftet 
ihnen Kulte; so dem Lysimachos in Samothrake **) und dem Tyrannen 
Nikias in Kos.**) König Antiochos von Kommagene stiftet sich selbst 
ein Heiligtum, setzt Priester ein, die jährlich an seinem Geburts- und 
Krönungstage eine Feier veranstalten sollen, deren Beibehaltung er auch 
seinen Nachfolgern zur Pflicht macht,**) und die pergamenischen Könige 
begnügen sich nicht damit, nach ihrem Tode als x^€ol gefeiert zu wer- 
den,*^) schon zu Lebzeiten werden ihnen und ihren Gemahlinnen göttliche 



') Vgl. RoHDB Psyche« 1 66; 87 Anm. 

*) Vgl. ausser Rohdb a. a. 0. auch Lbhbs 
Pop. Aufs.« 824 f. Dbnekbk a. a. 0. 2477 ff. 

») Vgl. z, B. Soph. Oid. Kol. 92 f. 576 ff. 
621 ff. Aristid. II p. 230 Dind. und Rohdb 
Psyche* II 244. 

*) Herod. V 114. Paus. VIII 23, 5; 53, 
1. Vgl. VIII 41. II 8, 6 und Rohdb Psyche» 
I 176 ff., 190 f. 

») Arist. Ath. Pol. 53. 

«) Herod. VI 38. 



') Herod. I 66. 
•) Thuk. V 11. 
») Herod. V 47. 
") Plut, Lys. 18. 



0. Hibschfbld a. a. 0. 



838. Andere Beispiele Herod. VI 38. Diod. 
XI 66, 4. Denbkbn a. a. 0. 2443 ff. Usenbb 
Götternamen 250. 

") CIA III 299. KöHLBB Athen. Mitt. 
IX 298. 

»«) CIA n 469, 470. 

») Bull, de corr. XVII 98. 

*^) Inschr. in d. Arch. Untersuch, auf 
Sam. II 85. 

»*) Paton u. Hicks Inscr. of Cos 76—80 
S. 124 f. Andere Beispiele Rohdb Psyche^ II 
356 f. 

i<») PucHSTEiN Sitzgsher. der Berl. Akad. 
1883 I 51 ff. 

'7) DiTTENBBBQBB Syll. 246, 16. 234. 



126 



Die grieohiflohen Kaltiuialtertümer. 



Ehren erwiesen,*) und nicht bloss von ihren XJnterthanen.*) Dem Eu- 
menes und andern feiert man neben dem jährigen Geburtsfeste noch ein 
monatliches mit Opfern und Spielen,«) und eine Inschrift*) ordnet sogar 
tägliche Opfer für den vergötterten König an. Aber auch Privatleute 
werden ähnlicher Ehren gewürdigt. In Teos zündet man einem Flöten- 
virtuosen schon zu Lebzeiten vor seiner Statue Weihrauchopfer an,*) 
und auch in Nakrasia in Lydien wird ein gewisser Apollonios neben der 
Speisung im Prytaneion durch Weihrauchopfer geehrt,«) einen Artemis- 
priester aber in Knidos zeichnet man durch Altar, Opfer, Festzug, gym- 
nischen Agon, rifiaTg iaoO^äoig aus.') Phrygische Inschriften aus späterer 
Zeit melden häufig von der Errichtung eines r^gmov oder auch ßmfiog für 
gewöhnliche Tote,») und in manchen Landschaften heisst in der Örab- 
schrift bald jeder Tote Heros, in Thessalien selbst Sklaven.») 

Aber kehren wir von diesen Extravaganzen und Auswüchsen der 
Heroen Verehrung zu dem Kult der alten fjQioeg zurück, der ernst und 
heilig war, wie der der Götter. 'Eyx^^Q^oi oder inix^Qioi ist ihr gewöhn- 
liches Epitheton.*®) Denn ähnlich wie die Flussgötter, die auch nur ein 
bestimmtes Land befruchten und segnen, geniessen auch sie in der Regel 
nur lokalen Kult.") Wie sie selbst eine Mittelstufe zwischen Göttern 
und gewöhnlichen Toten bilden,") so gleicht ihr Kult dem der chthonischen 
Götter und dem der Toten. An jenen erinnern die Menschenopfer, von 
denen wir ab und zu hören, *') die späte Stunde, in der sie die Opfer 
empfangen, die iaxaQa^ der hohle, niedrige Altar in Omphalosform (Taf. I 
Fig. 2);**) an diese vor allem die ans Grab gebundene Verehrung; die 
meisten Eigentümlichkeiten aber sind allen drei Kulten gemeinsam. Nun 
kann aber einem Heros auch «g ^^«p geopfert werden, d. h. er empfängt 
Speisopfer wie die Himmlischen.* 5) Pindar, bei dem wir zuerst entschiedenen 
Glauben an ein Fortleben, an Lohn und Strafe nach dem Tode finden,*«) 
kennt bereits beide Arten der Verehrung. Dem Herakles und seinen Söhnen 
werden Totenopfer gebracht, eine Saig^ von der nur sie geniessen,*') und 
dem Tlepolemos werden Schafe geopfert ^aneq xkerpJ^) Ja es giebt Fälle, 
wo demselben Heros zugleich cog d^erp und oog tJqwi geopfert wird, so dass 



Pergam. Inschr. VIH 1 nr. 43-45 
und Fbäivkbls Bern. S. 38 f. Vgl. nr. 18 
ZI 35 f 

«) Polyb. XVII 16. Vgl. XVI 25. CIA 
II 1670. 

») Pergam. Inschr. VIII 1 n. 18 ZI. 33 ff. 
Vgl. nr. 43—45 und die Inschrift aus Sestos 
DiTTBNBEBOER Syll. 246, 25 ff. 

*) Pergam. VIII nr. 246. 

^) CIG 3068. 

•) CIG 3521. Vgl. Pergam. Inschr. VIII 
2 nr. 256 ZI. 14. 

') G. Hirschfeld Gr. Inscr. Brit. Mus. 
IV 787. Fbäkkbl Pergam. VIII S. 511. 

8) Bull, de corr. XVII 244 ff 

») Athen. Mitt. XII 349 ff Bull, de 
corr. XVII 98. IG Sic. et It. 1327, 1425, 
1463 u. s. w. Loch in d. Festschr. für L. 
Fbibdlaevdeb Leipz. 1895 S. 283. Rohde 



Psyche» II 358 f. 

»0) Vgl. Paus. V 4, 1. ScHOEMAKH Gr. 
Altt.» II 156 f. 

") Vgl. z. B. Plut. Sol. 9. Herod. 
VIII 64. 

") Vgl. z. B. Plat. Rep. 427 B. 

") Plut. Philop. 21; Pelop. 21 f. Por- 
phyr. De abst. II 54. Vgl. Eur. Hek 535 u. 
Stengel Festschr. für Fbiedlabnder 416 f. 

^*) Zugleich die Form der Grabhügel 
(XoifjittTtt), der Kuppelgräber, des x^^H^ TV^ 
über der Höhle des Trophonios Paus. IX 
39, 10. RoBDE Psyche« 1 132, 1; 35. 

>») Isokr. X 63. Diod. IV 1. 

'•) Vgl. Olymp. II. Frgm. 96 u. 97 Böckh. 

") Isthm. IV 61 [III 74], vgl. Ol. 1 90 f , 
VIU 77. 

'8) Ol. VII 77. 



8. Saltashandlangen. (g 79.) 



127 



demgemäss von dem einen Teil des Opfers gegessen werden darf, der 
andere aber verbrannt wird. Solche Opfer werden dem Herakles in Si- 
kyon*) und an andern Orten*) dargebracht, dem Achilleus an seinem 
Grabe von den Thessalern.^) Die ausführliche Beschreibung des letzt- 
genannten ist am lehrreichsten. Alljährlich fährt man nach der Troas 
hinüber; zwei Stiere, von denen der eine schwarz ist, werden mitgenommen. 
Dann werden Gruben gegraben, und der schwarze Stier geschlachtet (og 
rsd-veant. Das Blut lässt man unter Anrufung des Achilleus in die Gruben 
laufen, und der Leib des Tieres wird verbrannt. Am Meeresufer wird ihm 
dann der andere Stier geopfert und zwar ayg ^€(1^. Von diesem werden 
nur die üblichen Stücke verbrannt; das Fleisch nimmt man auf das 
Schiff und führt es mit sich, um es nicht in Feindesland zu verzehren. 
Das Gewöhnliche ist natürlich, dass einem Heroen nur auf eine Art ge- 
opfert wird, entweder wg ^erp, wie z. B. dem Theagenes in Thasos,*) 
oder (t)g rJQwi,^) wie dem Aithidas von den Messeniern,^) dem Brasidas 
in Amphipolis.^) Auch konnte es vorkommen, dass jemandem zuerst 
heroische, später aber göttliche Ehren zuerkannt wurden.®) — Essen 
durfte man von Heroenopfern ebensowenig wie von Opfern für chthonische 
Gottheiten und für Tote; nur sehr selten wagt man eine Ausnahme zu 
machen,^) nicht ohne sich bewusst zu sein, eigentlich etwas Unerlaubtes 
zu thun und sich dafür eine Art Busse oder Reinigung aufzuerlegen. ^o) 
Die bei Heroenopfern üblichen Opfertiere sind Widder und Stiere, letztere 
namentlich da, wo nicht ein einzelner, sondern die Stadt das Opfer bringt. 
Dem Amphiaraos,^!) dem Kalchas,^*) dem Pelops^*) u. a. werden Widder 
geschlachtet, dem Aristomenes bringen die Messenier alljährlich an seinem 
Grabe ein Stieropfer, i*) wie auch die athenischen Epheben dem Diogenes 
zwei Stiere opfern. i^) In kleinasiatischen Städten finden wir auch das 
Zebu,i<^) und dem skythischen Heros Toxaris opferte man in Athen an 
seinem Grabe alljährlich ein Ross.^^ Der technische Ausdruck für opfern 
ist ivayfC^iv, selten kvvbfiv€tv. Die Opferzeit ist dieselbe wie im Kult der 
chthonischen Gottheiten, der Abend oder die Nacht.*») 

Besonders feierlich sind die Opfer an den noXvdvSqia^ den Massen- 
gräbern der in Schlachten Gefallenen. Sie leiten bereits zu den Toten- 
opfem über. Wie diese werden sie am Tage dargebracht, wie bei ihnen 
finden wir die Weinspende, aber der Umstand, dass der Staat sie dar- 
bringt, dass sie jährlich stattfinden, endlich dass ausdrücklich berichtet 



») Paus. II 10, 1. 

«) Herod. II 44. 

») Philostr. Her. XIX p. 741. 

<) Paus. VI 9, 2. 

») «V iB^vBmxi (z. B. Philostr. Her. XIX 
p. 741) ist nur ein anderer Ausdruck f&r 
dieselbe Sache. Vgl. auch Paus. X 4, 7. 

•) Paus. IV 32, 2. 

») Thuk. V 11. 

«) Plut. Virt. mul. 18. Paus. VI 11, 2 fF. 
RoHDB Psyche" I 183. 

•) Paus. V 13, 2; X 4, 7. Vgl. CIG Ins. 
11 330, wo ihnen nur x« ix rot' U^eiov vo- 
fjLi^ofÄBvn legti verbrannt werden. 



"! 



S. Stjbngbl Herrn. XXVII 165 f. 
Paus. I 34, 4. 

»«) Strab. VI 284. 

»») Paus. V 13, 2. 

»*) Paus. IV 32, 4. 

»») CIA II 469, 470. 

»•) Kern Athen. Mitt. XVII (1892) S. 277 f. 
Vgl. V. Lanckoronski Städte Pamphyl. und 
Pisid. II 49. 

1^) Luk. Skyth. 2. Pferdeopfer sind bei 
den Skythen gewöhnlich: Strab. JX 513. 
Herod. I 216, IV 61. Vgl. Paus. I 20, 8 u. 
Arr. Anab. VI 20, 7. 

») RoHüE Psyche« I 149, 2. 



128 



Die grieohisehen KnltaBaltertümer. 



wird, die bei Marathon Oebliebenen seien als Heroen angerufen worden,^) 
weist sie auch wieder an die Seite der Heroenopfer. Namentlich nach 
den Perserkriegen ehrte das dankbare Vaterland seine Helden durch gross- 
artige Opfer. Die Athener bringen ein solches am Orabe der Marathon- 
kämpfer dar,^) die Megarer den in den Seeschlachten bei Artemision und 
Salamis Umgekommenen, 3) und die Plataier allen in der Schlacht bei 
Plataiai gebliebenen Hellenen.^) Auch die Arkader ehren Gefallene in 
Phigalia in gleicher Weise. ^) Die Schilderung des plataiensischen Opfers 
ist besonders interessant. Eine lange Prozession, der ein Trompeter vor- 
ausgeht, verlässt mit Tagesanbruch die Stadt und geht zu den Gräbern, 
Wagen mit Myrten und Kränzen und ein schwarzer Stier folgen, freie 
Jünglinge tragen Wein und Milchspenden, Öl und Salben, denn kein 
Sklave darf hierbei eine Dienstleistung verrichten, da die Männer für die 
Freiheit starben. Den ganzen Zug schliesst der Archen, mit dem roten 
Chiton des Feldherrn bekleidet und mit einem Schwert umgürtet, eine 
Urne tragend. Er wäscht selbst die Grabsteine und salbt sie mit wohl- 
riechendem Öl, schlachtet dann den Stier «^^ nvgdv^^) d. h. so, dass das 
Blut in die Feuerstätte fliesst, betet zu Zeus und Hermes Chthonios und 
ruft die Tapfern, die für Hellas starben, zum Mahl und Blutgenuss; hierauf 
mischt er einen Mischkrug Weins und giesst die Spende aus^) mit den 
Worten: ich trinke zu den Männern, die für die Freiheit der Hellenen 
starben. Diese Feier findet alljährlich statt, wie überhaupt alle Heroen, 
die nicht göttliche Ehren geniessen, jährliche Opfer empfangen. «) 

Bisweilen führt ein Heros keinen besondem Namen, er wird dann 
einfach als 6 rJQcog angerufen, ob man nun den Namen nicht mehr kannte 
oder ihn geheim halten wollte.*) 

80. Uralt ist auch der Totenkultus.i<>) Die Befunde der Gräber in 
Mykenai, Nauplia und an andern Orten lassen keinen Zweifel darüber, 
dass man in vorhomerischer Zeit den Toten auch nach der Bestattung 
wiederholt Opfer dargebracht hat, ebenso beweisen es die Aschenschichten 
in oder vor den Kuppelgräbern, in denen man zum grössten Teile noch 
die Reste von Opfertieren nachweisen konnte. ^^) In der Zeit, die das. 
Epos schildert, hat sich die Vorstellung von dem Zustande der Seelen 
nach dem Tode geändert. In den Hades aufgenommen sind sie den Le- 
benden unerreichbar, wie ihnen selbst die Oberwelt verschlossen ist. Der 
Eingang in den Hades aber wird ihnen erst möglich gemacht durch die 
Bestattung, d. h. die Vernichtung des Leibes, die am schnellsten und 



>) Paus. I 82, 4. Vgl. Apoll. Rhod. I 
1046, wo Gefallenen alljährlich heroische 
Ehren erwiesen werden. 

«) Paus. 1 32, 4. CIA II 471. 

») Simon. Frgra. 107 Berok*. IGSept. 
1 53. Vgl. V. WiLAMowiTZ Gott. Nachr. 1897 
S. 321. 

<) Plut. Aristeid. 21. Vgl. Thuk. III 58. 

*) Paus. VIII 41, 1. 

^) Vgl. die auf Naxos gefundene Inschr. 
im 'J&^yaioy X (1881) S. 167. 

') jiffrr^fvoc, also den ganzen Inhalt des 



Ge Asses, eine x^* nicht anov^rj^ so dass 
ngoniveiy nicht so verstanden werden kann, 
als tränke er seiher auch von dem Wein. 

») Plat. Kritias 116 C. Paus. VII 19, 3; 
20, 5; X 34, 5. 

») V. Pbott Leg. sacr. 48 f. Usbnbr Göt- 
temamen 251. Rohdk Psyche« I 172 ff., II 
352. 

»•) Vgl. darüber namentl. Rohdb Psyche* 
I 14 ff.. 216 ff. 

^^) Steengbl Festschrift fQr L. Fbied- 

LABNDBB S. 425 ff. 



8. KaltaBhaiidliingen. (§ 80.) 



129 



sichersten durch Feuer geschieht. Das ist für sie selber eine Wohlthat, 
und die Hinterbliebenen befreit es von der Furcht, die zwischen Ober- 
und Unterwelt irrende Seele des Verstorbenen könnte ihnen zürnend er- 
scheinen und sie schädigen. So kennen denn die Epen eine fortgesetzte 
Pflege der abgeschiedenen Seelen nicht, ja konsequenterweise müsste es 
für unmöglich gehalten werden, ihnen nach dem Verlassen des Leibes 
noch irgend etwas Wohlthätiges oder Nützliches zu erweisen, als eben 
das Zerstören des Leibes, der sie anzieht und zur Oberwelt zwingt, in 
der ihre Stätte doch nicht mehr ist, und wo das Verweilen ihnen nur 
Qual sein kann. Aber wir finden bei der Bestattung des Patroklos über- 
schwänglich reichliche Opfer {9 166 flf.). Zwölf troische Jünglinge, Pferde, 
Hunde, zahlreiche Rinder und Schafe werden geschlachtet, das Blut rinnt 
mit Bechern zu schöpfen, Achill setzt Krüge mit Öl und Honig auf den 
Scheiterhaufen und giesst die ganze Nacht durch Spenden, die Seele des 
Freundes rufend. Odysseus spendet den Toten Milch und Honiggemisch, 
Wein, Wasser und lockt sie durch Blutgüsse (A 12 ff.), zu denen sie sich 
lechzend drängen, verspricht ihnen nach seiner Heimkehr eine unfrucht- 
bare Kuh zu opfern, und ruft die Seelen der im Kikonenlande erschlagenen 
Gefährten vor der Abfahrt dreimal an, damit sie ihm nach der Heimat 
folgen, wo ihnen ein leeres Grabmal bereitet werden soll.*) Das sind 
Reminiscenzen an einen in früherer Zeit lebendigen Seelenkult. Reste 
des alten Kultes haben sich länger erhalten als der alte Glaube von einer 
fortdauernden Macht der Seelen, von einer Erreichbarkeit der Abgeschie- 
denen auch nach dem Tode. Denn alle Gebräuche und Begehungen, die 
uns hier begegneten, stimmen mit dem, was uns die Gräber aus vor- 
historischer Zeit lehren, überein. Auch bei der Bestattung der mykenischen 
Fürsten hat man Menschen geschlachtet, die ihnen als Diener folgen 
sollten,^) wie Patroklos, auch ihnen sind Schätze und Waffen mitgegeben 
worden wie diesem und Elpenor,*) auch an ihren Gräbern Opfertiere ge- 
schlachtet und Blut gespendet. Aber bald belebt sich der fast erloschene 
Glaube an ein bewusstes Fortleben der Seelen aufs neue, und mit ihm lebt 
der alte Kultus wieder auf. Wiederum wird das Begraben der Toten die 
Regel;*) unter neunzehn aufgedeckten Dipylongräbern des 8 — 7. Jahrhun- 
derts hat man nur ein jüngeres gefunden, wo die Leiche verbrannt war;^) 
und wiederum setzt man die Totenopfer auch nach der Bestattung fort, 
wie die Tierknochen beweisen, die die Gräber in Menge enthielten.') Kost- 
barkeiten fehlen nicht, sind aber gar nicht zu vergleichen mit dem Reich- 



») Vgl. 11. H 410, X 358. 

*) Od. * 65. Vgl. cf 584, a 291, auch Eur. 
Iph. T. 702 ff. RoHDB Psyche« 1 66. Anders 
Herkbnbath Progr. v. Feldkirch 1896 S. 54. 

'*) ScHüCHHARDT SchliemanDS Ausgra- 
bungen S. 240, 331. Bbloer Die myken. Lo- 
kalsage, Progr. des Friedricbsgymn. Berlin 
1898 S. 33. Epbem. arch. 1888 S. 130. 

*) X 74. Vgl. Z 418. 

') Dass diese Sitte sich nicht gleich- 
zeitig überall, wo Griechen wohnten, durch- 
setzte, ist selbstverständlich. So sind die 
archaischen Gräber in Thera sämtlich Brand- 
Handbuch der Uaas. AUertumswisienschaft. Y, 3. 



gräber, während in der Nekropoli del Fusco 
und in Megara Uyblaea sich fast nur Be- 
stattung findet. S. HiLLKR v. Gaertrinoen 
Arch. Anz. 1897 S. 78 ff. Freilich ist, wenn 
beide alt sind, damit noch nicht gesagt, dass 
sie derselben Zeit angehören. 

^) Brückner und Pernicb Athen. Mitt. 
XVIII 104 ff. In den jüngst beim Areopag 
aufgefundenen Gräbern, die man ins 9.-8. 
Jahrb. setzt, waren die Leichen noch ver- 
brannt Berl. Phil. Wochenschr. 1898 S. 317. 

') Brückner Arch. Anz. VII 20. Athen. 
Mitt. XVIII 151, 155, 415. 

2. Aufl. 9 



130 I>io grieohiflohen Kaltasaltertamer. 

tum der inykenischen Gräber. Dagegen fanden sich massenhaft Geräte, 
wie man sie im täglichen Leben braucht, Waffen, Pferdegeschirr, Koch- 
töpfe, Hydrien, ja auch Speisen, kurz eine förmliche „Ausstattung, dass 
der Tote im Jenseits seinen Haushalt weiter führen könne*. ^) Auch 
diese Vorstellung hat nicht lange gedauert. Die Gräber des 6 — 5. Jahr- 
hunderts auf dem attischen Friedhof in der Piräusstrasse enthielten fast 
nur Lekythoi. Oben standen, halb in die Erde eingelassen, riesige Am- 
phoren mit hohlem Fuss, damit die Spenden zum Toten hinabfliessen 
konnten ins Erdreich.^) 

Die Pflege der Toten war heiligste Pflicht der Hinterbliebenen; 
unterblieben Spenden und Opfer, so darbte und litt die Seele.') Der 
dreissigste jedes Monats (rQiaxdieg) war den Toten heilig, und an diesen 
Tagen, ihren Geburts- und wahrscheinlich auch Todestagen,*) versäumte 
wohl niemand, Spenden auf die Gräber seiner Lieben zu tragen.^) Auch 
konnte durch besondere Begegnisse ein ausserordentliches Opfer veranlasst 
werden, z. B. durch beängstigende Träume.^) Ebenso ist es nur natürlich, 
dass in der dem Todesfall unmittelbar folgenden Zeit wiederholte Toten- 
feiern stattfanden, daneben gab es Feste, die allen Toten zugleich jähr- 
lich gefeiert wurden.*) Es war dies Pietät und Vorsicht zugleich; war 
ein Toter vernachlässigt, konnte sein Zorn leicht die ganze Polis schä- 
digen.®) Vor allem hatte der Staat für den Kult der im Kriege Ge- 
fallenen zu sorgen; in Athen fanden ihnen zu Ehren an den Gedenktagen 
sogar Kampfspiele statt, wie sie im Heroenkult üblich waren. '<^) Athen 
scheint sich auch sonst durch die Sorge für die Toten fromm hervor- 
gethan zu haben, aber auch in andern Staaten vergass man ihrer nicht, 
und dass bei den Thessalern viele nicht einmal den Eltern die Totenopfer 
darbrachten, erregte unwilliges Staunen.*^) Selbst im frühesten Alter 
verstorbenen Kindern versäumte man in der Begel nicht Spenden zu 
giessen,^^) obgleich es ihnen nach dem Gesetz nicht zukam. Erwies man 
den Toten einen Dienst, so erwies man ihn zugleich sieh selbst; sie 
sandten im Leben gutes ^') und begrüssten nach dem Tode die sich zu 
ihnen gesellende Seele freundlich.»*) Aber die Vorstellung von einem 
gemeinsamen Aufenthalt aller Toten im Hades blieb auf den Kult ohne 
Einfluss; Dichter und Theologen hielten sie fest, die Hinterbliebenen ge- 
dachten nur des ihnen entrissenen Lieben, die Familie suchte den Toten 
da, wo sie seinen Leib gebettet hatte. Deshalb ist ein Kult des Toten 
nur an seinem Grabe möglich. 

Gehen wir jetzt auf die Art des Kultes ein. Der Seelenkult hatte 



^) Bböokner Arch. Anz. VII 20. 

») Athen. Mitt. XV III 155. 

») Luk. neQl 7i£y&. 9. Aisch. Cho. 483 ff. 



RoBDB Psvche* I 243. . wiTZ Aisch. Cho. 205 



EöHLEB Athen. Mitt. II 245, 254 f. Curtiüs 
Altert, u. Gegenw. II 18 ff. Rohdb I 284 ff. 
») Rohdb Payche« I 236 f.. v. Wilamo- 



*) Athen. XII 522 F. 

") Rohdb Psyche' I 238 ff. II 344. Schob- 
MANN Ad. Isae. p. 222 f. 

'') Atossa in Aisch. Pers. Elytaimestra 
in Aisch. Cho. Soph. El. 

') Iw. V. Müller Hdb.- IV 223 f. Rohde 



•0) Aristot. Ath. Pol. 58. 

»M Philostr. Her. p. 744. 

*^) Das ist doch wohl zu schliessen aus 
der Aufforderung Plut. Cons. ad uxor. p. 612B. 

»») Aisch. Cho. 93 f. Eur. Or. 119. Ari- 
stoph. Tagenist. Frgm. Kock I 488 S. 517. 



Psyche^ I 234 f. '*) Vgl. Aisch. Ag. 1522 ff. Frgm. 281 

**) Vgl. ScHOEMANN Gricch. Altt.» II 477 f. 1 Herrn. Soph. Ant. 71, 888 ff Eur. Or. 674 ff. 



8. Kaltiisbandlaiigen. 



>.) 



131 



sich an der Heroenverehrung wieder neu entzündet und an sie angeknüpft; 
hier waren und* blieben blutige Opfer Sitte, und so finden wir denn in 
alter Zeit auch an den Gräbern gewöhnlicher Toten die Blutopfer durch- 
aus vorherrschend. In den grossen Euppelgräbern befanden sich Gruben 
zur Aufnahme des Opferbluts, ^) ein hohler, unten offener Altar, der das 
Blut unmittelbar dem Toten zuführen sollte, auch über dem vierten 
Schachtgrabe in Mykenai,^) und ähnliche Vorrichtungen, wo man das 
Blut sogar durch Röhren in die Tiefe leitete, begegnen öfter.*) Auch 
arme Leute wollten ihren Toten diese Wohlthat nicht vorenthalten: die 
Gräber von Nauplia und Spata enthielten massenhaft Knochen und Über- 
reste von Tieropfern. ^) Es bestand offenbar der Glaube, dass die Toten 
sich an nichts mehr erquickten als an diesem ihnen selbst durch den Tod 
entzogenen Elemente des Lebens. Es war die eigentliche Gabe, der Leib 
des Tieres ward verbrannt;^) dass der Tote auch davon einen Genuss 
hätte, hat man wohl nie geglaubt, scheinen doch die Tiere nicht einmal 
immer auf dem Grabe selbst verbrannt, oder auch nur die Überreste, 
Knochen und Asche, immer hineingeschafft worden zu sein. Vor dem 
Kuppelgrab in Vafio hat man am Ende des Dromos, der zum Grab führte, 
in einer Grube eine zehn Centimeter dicke Aschenschicht gefunden, die 
wohl nur von dort verbrannten Opfertieren herrühren kann,«) und auf 
dem erwähnten attischen Friedhof wie auch an andern Grabstätten ^) 
haben sich Spuren und Reste einer ausgedehnten Ttpga gefunden, wo alle 
Tiere, die den dort ruhenden Toten geopfert wurden, verbrannt zu sein 
scheinen.**) atfiaxovQia, Blutspende, nennt Pindar (Ol. I 94) ein Heroen- 
opfer, eni ro ieinvov xal at^axovqiav lädt der Archen von Plataiai die 
Toten (Flut. Arist. 21), und Euripides lässt den Neoptolemos den Schatten 
seines Vaters anrufen, heraufzukommen und das Blut des Opfers zu 
trinken.*) Aber diese Vorstellung schwindet; die Blutopfer werden sel- 
tener, an ihre Stelle treten die xoa(, die Totenspenden. In Athen verbot 
Selon, ein Rind als Totenopfer zu schlachten,*®) und ähnliche Bestim- 
mungen, die zunächst wohl den Zweck hatten, dem Aufwand zu steuern, 
gab es jedenfalls auch an andern Orten, ^i) Zwar hören wir ab und zu 
von Tieropfem,*^) aber die Beispiele sind entweder sagenhaft, oder es ist 
die Annäherung an Heroenkult unverkennbar. So namentlich, wie wir 
sahen, an den noXvdvSQia^ den Massengräbern der in Schlachten Gefallenen, 
aber auch wenn Hadrian am Grabe des Alkibiades jährlich ein Rind zu 



*) Bklobb Berl. Phil. Wochenschr. 1891 
S. 706. 

^) ScBLiBKAim MykeDä 246 f. Vgl. 
Plan F. 

>) Compte rendu 1866 8. 6. Paus. X 
4, 7. Vgl. III 19, 3. 

*) LoLLiNG Athen. Mitt. V 154 f. Köhler 
D. Enppelgrab von Menidi 50. Athen. Mitt. 
II 84. 262. 

*) Paus. TX 18, 4; 19, 3. Athen. Mitt. 
XII 13ri. Luk. negl n^y». 19. 

ö) 'EkpT^fi. ttQx, 1889 S. 143. Vgl. Winter 
Arch. Anz. V 102. 

») Brückner Athen. Mitt. XVIII 90 Anm. 



•) Brückner Athen. Mitt. XVII I 79 ff., 
92, 151 ff. 

») Hek. 536. Vgl. Alk. 845, auch Soph. 
El. 1419 ff. 

^0) Plut. Sol. 21. 

* >) Vgl. d. Inscbr. v. Keos Dittenberobr 
SyU. 468. Köhler Athen. Mitt. I 141. Bull, 
de corr. XIX lOB ZI. 19 ff. 

") ngoatpayttty nQOOcpiiyfjiartt, ursprüng- 
lich wohl Opfer vor der Bestattung, Kobde 
Psyche* I 222, 1. Dittenberobr SylL 468, 
12. Eur. m. 92. Alk. 845. Hek. 41. Luk. 
Nekyiom. 9. Plut. Cat mai. 15. Vgl. Sciiob- 
MANN Griech. Altt.« II 572, 3. 

9* 



132 



Die griechiflohen Ealtnsaltertfliiier« 



opfern befiehlt, oder die Mylasier einen Gesandten aus Faros, der in 
ihrer Stadt gestorben war, bei der Bestattung durch eitl gleiches Opfer 
ehren. ^) Am längsten scheinen noch Hahnopfer Sitte geblieben zu sein.') 
Auch finden wir in späterer Zeit wiederholt die testamentarische Bestim- 
mung, dass das Andenken eines Verstorbenen durch ein Fest mit Opfern 
und Spielen geehrt werden solle. Dann essen die Feiernden natürlich 
von dem Fleisch, und ein Totenopfer ist solch ein Mahl also nicht mehr 
zu nennen.*) Auch Frucht-*) und Kuchenopfer«) werden erwähnt, 
scheinen aber seltener gewesen zu sein; nach dem Verschwinden der Tier- 
opfer hören wir fast nur von der x^V^ die durch die offene Amphora ins 
Grab fliesst, wie vordem durch die hohle iaxdqa das Blut. 

Wie von dem Opfertier nichts gegessen ward, so sind auch die 
Spenden lediglich zum Genuss für die Toten bestimmt;^) vielleicht hat man 
sogar die Schalen nach der Benutzung zerbrochen.^) Man spendet Wein, 
Wasser, Milch, Honig und öl,') doch selten alles zugleich, ^o) Das ge- 
wöhnliche Trankopfer war Wein und fieXixQazov, d. i. eine Mischung von 
Milch und Honig. *0 Der Wein war in der Regel ungemischt,") aber 
nicht immer.'') Beides sollte die Toten laben. Denn auch das iu^^/x^aroi' 
ist ohne Zweifel im Leben häufig genossen worden,^*) vielleicht besonders 
von Kindern >*) und Schwachen, und diesen ähnlich hat man sich ja wohl 
die äficvrjvd xÜQrjva auch gedacht. Aus demselben Grunde hat man den 
Toten auch nur essbare Tiere geopfert.*«) Die Art der Schlachtung war 
die auch bei chthonischen und Sühnopfern übliche: man beugte den Kopf 
des Tieres zur Erde und schnitt ihm dann den Hals durch.»') Auch die 
für jene Opfer charakteristischen Ausdrücke kehren wieder: ausser dem 
gewöhnlichsten «Wy/'f«v 18) und xa&aytXeiVy^^) ivtbfiveiv ^^) und tXdcxea&ai, 
namentlich wo es darauf ankommt, den gefürchteten Groll des Toten zu 
versöhnen. '1) 



M Athen. XIII 574F. 

«) Bull, de corr. VI 246. Anthol. Pal. 
II 182b 3 ff. 

») Vgl. Feetschr. f. Fbibdlaekdeb S. 430. 

*) CIG Ins. II 330. IGSept. III 1, nr. 128. 
Bull, de corr. X 381 f. n. 18. 

*) Thuk. II! 58. 

•) Luk. Katapl. 2. 

^) Stengel Philol. XXXIX 378 ff. Jahrb. 
f. Phil. 1887 S. 653 f. Anthol. Pal. XI 8. 
Kaibel Epigr. gr. 646, 12. z^V ▼o'J JT«"'*«* 
vgl. Od. A 26, X 518. Plut. Arist. 21. Selten 
findet sich das allgemeinere Xoißij: Soph. 
£1. 52. CIG 956, 2596. Kaibel Epigr. gr. 
131, 153, 815. FQr Eidopfer bleibt zum 
Unterschied anoydtj Üblich, obwohl auch hier 
die ganze Spende ausgegossen wird. Vgl. 
V. Fbitze De libatione Anf. 

<>) S. Beloeb Berl. Phil. Wochenschr. 
1891 S. 706 f. 

•) Wein, öl, Honig auch bei der Be- 
stattung: ausser 11. ^ 170, 218 Ditten- 
BKBOBB Syll. 468, 8 f. Eur. Iph. T. 633 ff. 

'«) Aisch. Pers. 610, 

") Eur. Iph. T. 158 ff. Or. 114 f. Luk. 



Ghar. 22 u. s. w.uBXlxQaroy ist auch anzu- 
nehmen, wo wir Honig (Soph. Frgm. 365 N.) 
oder Milch (Soph. El. 894. Plut. De daem. 
Socr. 6) allein genannt finden. S. Nitzsoh 
zur Od. III 162 und Stekgbl Jahrb. f. Phil. 
1887 S. 653. 

'') Luk. BeQl niy», 19. Eur. El. 511. 

»•) Plut. Arist. 21. 

»<) Vgl. Antimachos Frgm. 18 ff. Stoll. 
Pind. Nem. III 77. Ael. De nat. anim. XV 7. 

*^) Ein Mischtrank von Milch und Honig 
ist z. B. auch die erste Nahrung des Zeus- 
kindes, vgl. Pbelleb-Robbbt Gr. Myth. 1 133. 
S. auch Od. v 69 und Apoll. Rhod. IV 1136. 

**) Stengel Festschr. f. Friedlaender 
416 ff 

'') Schol. zu IL A 459, zu Apoll. Rhod. 
I 587. Stengel Zeitschr. f. d. Gw. 1880 
S. 737 ff. 

»•) Paus. VIII 34, 2; II 10, 1. ApoU. 
Bibl. II 5, 2 u. s w. 

") Paus. VI 20, 2. 

*o) Thuk. V 11. Plut. Sol. 9. 

«») Herod. V 47. 



8. KvliiiBhaiidliiiigeii. (§ 81.) 



133 



Paian oder Flötenmusik fehlten beim Totenopfer. ^) 
Es erübrigt noch die Betrachtang einiger anderer Eigentümlichkeiten 
der verschiedenen Opfer. 

81. Nicht alle wurden zu derselben Tageszeit dargebracht. Den 
himmlischen Gottheiten opferte man am Morgen oder Vormittag.*) Eine 
attische Inschrift (CIA I 2) schreibt vor, das Fleisch der bei einem Speis- 
opfer geschlachteten Tiere vor Sonnenuntergang zu verteilen, und noch 
genauer bestimmt ein Dekret aus lulis auf Keos die Zeit, wann das Opfer- 
mahl zu veranstalten sei.^) Wurde es aber wirklich einmal erst nach 
Sonnenuntergang beendigt, so war dies doch Ausnahme,^) wie denn wohl 
auch die Sitte der Einwohner von Tithorea, die Opfer am Feste der Isis 
erst am Nachmittag zu beginnen, aus dem fremdländischen Charakter des 
Gottesdienstes zu erklären ist.^) Häufiger jedoch kam es vor, dass man 
Opfer, die hauptsächlich zum Zwecke der Weissagung veranstaltet waren, 
längere Zeit fortsetzte, bis man endlich günstige Zeichen erhielt; doch 
stellte man auch diese jedenfalls noch vor Sonnenuntergang ein.^) Nur 
Cfpäyia^ die man in kritischen Augenblicken schlachtete, wo meist die 
Zeit drängte, waren auf keine bestimmte Tageszeit beschränkt und wur- 
den mitunter auch nachts dargebracht.^) Aber es wäre ja auch un- 
zutreffend, sie als Opfer für himmlische Gottheiten zu bezeichnen. — Um- 
gekehrt erhalten chthonische Gottheiten ihre Opfer in der Nacht.*) Der 
Schatten Elytaimestras erinnert die Erinyen an die Opfer, die sie ihnen 
zu nächtlicher Stunde, wo man keiner andern Gottheit damit nahe, ge- 
bracht habe,*) Trophonios empfängt nächtliche Opfer, *<>) ebenso Hekate,!*) 
die Moiren, Eileithyien, Gaia,") auch der in den Mysterien eine Rolle 
spielende Dionysos oder Sabazios,^') und ein Orakel befiehlt den Messeniem, 
nachts eine Jungfrau als Sühnopfer zu schlachten. ^^) Das Fleisch der 
den &€ol iietXixioi. geopferten Tiere muss vor Tagesanbruch beseitigt 
sein,^^) und bei Athenaios YII 276 E wird die Ansieht ausgesprochen, 
dass das Fleisch der nachts geschlachteten Opfertiere leichter verwese. — 
Auch den Heroen opfert man nachts oder gegen Abend. ^^) Selon fährt nach 
der Weisung des delphischen Orakels nachts nach Salamis hinüber, um dort 
den Lokalheroen zu opfern, i') die Pheneaten bringen dem Myrtilos nächt- 
liche Opfer,*®) die Thebaner den Söhnen des Herakles,**) die Argonauten 
dem Dolops*®) und die Magier des Xerxes den in der Troas begrabenen 
griechischen Heroen;'*) in Titane aber, wo von zwei gemeinschaftlich 



Aiach. Cho. 151 f. Eur. Iph. T. 145. 

*) Od. y 835 f. Säkularorakel bei Dibls 
Sib. Bl, 134 V. 12 f. 

*) DiTTBNBBBGBR Syll. 348; vgl. S. 462 
Anm. 11 u. Iw. v. Müllbb Hdb.« IV 223. 

♦) Vgl. Athen. V 591 E. 

^) Paiw. X 32. 9. 

•) Xen. HeU. IV 1, 22. 

') Flut. Alex. 31. 

») Etym. M. 468, 34. 

•) Aisch. Eum. 108 f. 

'0) Paus. IX 39, 4. 

'«) ApoU. Rhod. III 1029 ff. 

") Sftkularorakel bei Dibls Sib. Bl. 134 



V. 6 ff. 

«») Diod. IV 15. 

'*) Paus. IV 9, 2. 

'») Paus. X 38, 4. 

'•) Proklos zu Hes. Erg. 763. Schol. zu 
Pind. Isthm. III 110 bei Abel II p. 422 F. 
Diog. Laert VIII 33. Rohdb Psyche» 1 149, 
2. Dbnbken in Rosobbrs Mjtb. Lex. 2512 f. 

»») Plut. Sol. 9. 

») Paus. VIII 14, 7. 

>•) Pind. Isthm: III 105. 

«•) ApoU. Rhod. I 587. 

«») Herod. VII 43. 



134 



Die griechischen Kaltasaltertümer. 



verehrten Heroen der eine, Alexanor, heroische, der andere, Euamerion, 
göttliche Ehren geniesst, empfängt jener seine Opfer erst nach Sonnenunter- 
gang. — Auch den Toten hat man in ältester Zeit, wo der Kult durch- 
aus apotropäischen Charakter hatte, die Opfer wahrscheinlich nachts dar- 
gebracht, wie auch bei Homer (^ 218 £f.) Achill dem Patroklos die ganze 
Nacht durch Spenden giesst, seine Seele rufend, und Odysseus in der 
Nekyia (A 12 fif.) seine Opfer ebenfalls nach Sonnenuntergang bringt.*) 
Dass er sich hierbei umwendet, wie es bei Sühn- und Reinigungsopfern >) 
und den damit aufs engste verwandten Opfern für chthonische Gott- 
heiten^) stets geschah, zeigt auch, wie damals der Totenkult sich vom 
chthonischen noch nicht unterschied. Später opferte man den Toten am 
Tage,*) nachts, wie es scheint, nur unter besondem Umständen.«) 

82. Auch hinsichtlich der Farbe der Opfertiere galten verschiedene 
Bestimmungen und Gebräuche. 7) Die Alten selbst berichten uns nur, dass 
es Regel gewesen sei, den oberen Göttern hellfarbige, den unterirdischen 
und den Toten schwarze Tiere zu opfern.«) Doch sind sicherlich zu Speis- 
opfem auch dunkelfarbige Tiere benutzt worden, wenn man andere auch 
vorgezogen haben mag. In der Odyssee y 6 wird dem Poseidon eine ganze 
Hekatombe schwarzer Stiere dargebracht,^) demselben Gott werden dann 
auch wieder weisse ^o) oder rötliche") Tiere geopfert. Ausnahmslos hell- 
farbige Tiere hat wohl nur Helios empfangen, ^*) den anderen Göttern scheint 
man sie namentlich als freudiges Dankopfer dargebracht zu haben, '^) doch 
galten sie wohl auch sonst als die den Göttern wohlgefälligsten »*) und 
werden bisweilen ausdrücklich verlangt.**) — Zu Sühnopfern gebrauchte 
man sowohl schwarze wie weisse Tiere. Epimenides soll bei der Reini- 
gung Athens schwarze und weisse Schafe geopfert haben,*«) und auch 
Hekate empfing schwarze*') und weisse Hunde*®) als Sühnopfer.*») Ver- 
derblichen Winden pflegte man, um sie zu besänftigen, schwarze Tiere 
darzubringen, *<^) doch wird uns auch von dem Opfer eines weissen Hahnes 



M Paus. 11 11, 7. 

•) Vgl. SchoL zu II. e 66 und ^ 84, 
zu Apoll. Rbod. I 587. 

») RoHDB Psyche* II 85, 2; 79, 1. 

«) Apoll. Rhod. III 1029 ff. Soph. Oid. 
Kol. 30, 490. 

») Aisch. Fers. 609 ff. Soph. El. 326 ff. 
Eur. Or. 114. Flut. Arist. 21. Vgl. Schol. 
Soph. Oid. Kol. 477 u. mehr bei Stemobl 
Festscbr. für Fbiedlabndbr 422 f. 

•) Eur. El. 90 ff 

') Am ausführlichsten darüber Stbnoel 
Jahrb. f. Fhil. 1886 S. 321 ff. 

^) S. das Apollonorakel bei Euseb. Fraep. 
ev. IV 9, 2 (nach Wolfp Forphyr. De philos. 
ex orac. haur. lib. rel. 1856 unecht). Aruob. 
Adv. gent. VII 19. Schol. zu IL V 30. 

^) Vgl. dazu die Bem. von Didymos im 
Schol. u. Eomut. ÜBi^l ^etSy 22. 

") DiTTBNBEBOBB Syll. 373, 5 u. 10. Find. 
Ol. XIII 69 (99). Vgl. Verg. Aen. V 236. 

»M Find. Fyth. IV 205 (365). 

'«) II. r 103. CIG Ins. I 892. Fhüostr. 



Her. XI 1 p. 309. 

'3) Hom. Hymn. XXXIII 10 Baum. Luk. 
Dial. mer. VII 1. Ariatoph. Av. 971. Dit- 
TBNBBBOBB Syll. 388, 67. Vgl. Horat. c. IV 
2, 59 f. c. saeo. 49. 

»*) Inschr. Athen. Mitt. 1882 S. 72. 
Bakchyl. V 101 f., IX 105. 

'<") Thessal. Inschr. Athen. Mitt. VI! 72 ff. 
Frgm. la. Säkularorakel Diels Sib. Bl. 134 
V. 10 ff. Sibyllenorakel 114 v. 47. Dodonaii- 
sches Orakel bei Demosth. XXI 53 p. 531. 
Auch die sich der Inkubation im Asklepieion 
zu Fergamon Unterziehenden sollen vorher 
weisse Tiere opfern (Fergam. Inschr. VIII 
2, 264.) 

»«) Laert. Diog. I 110. Vgl. Livius XXII 
10. 

«0 Faus. III 14, 9. 

>») Aristoph. Dait. Frgm. 23 S. 184 Din- 
D0BF.<^ Vgl. Bbrok 12 p. 280c. Eock 204. 

»•) Flut. Qoaest. rom. 68. 

«<») Aristoph. Ran. 848 f. Vgl. Verg. 
Aen. III 120. 



8. Knltushandlangen. (§ 82-^88.) 



135 



zu demselben Zwecke berichtet. Zur Abwendung einer Pest befiehlt 
das Orakel schwarze Tiere zu opfern,*) und Widder von derselben Farbe 
schlachten neben Menschenopfern die Taulantier, als Alexander gegen 
ihre Stadt anrückt. 5) Chthonische Gottheiten, wie Gaia,^) die Erinyen,*) 
die Moiren,«) empfangen schwarze Tiere.') Ebenso die Heroen. Dem 
Aristomenes wird an seinem Grabe ein schwarzer Stier geschlachtet,^) 
dem Pelops in Olympia^) und dem Kalchas in einer griechischen Kolonie 
Unteritaliens ein schwarzer Widder, »ö) die Thessaler opfern dem Achilleus 
€og T^^m einen schwarzen Stier und einen andern (ag ^t<j),**) und auch 
der Archen der Plataier schlachtet an den Gräbern der Gefallenen einen 
schwarzen Stier. i*) Auch den Toten. werden schwarze Tiere geopfert. 
Die Thessaler schlachten dem Dareios ein schwarzes Lamm,^^) Orestes 
auf dem Grabe seines Vaters ein schwarzes Schaf.**) Nur ein Opfertier 
war allen diesen sonst geltenden Bestimmungen und streng beobachteten 
Gebräuchen nicht unterworfen: das Pferd. Die Griechen haben nur weisse 
Pferde geopfert. **) Mithridates versenkt dem Poseidon ein Gespann weisser 
Rosse ins Meer,*^) Pelopidas opfert statt der geforderten Jungfrau ein 
hellfarbiges Füllen, >') ja die Athener sollen dem skythisshen Heros Toxaris, 
der angeblich bei einer Pest als Arzt Dienste geleistet hatte, an seinem 
Grabe ein weisses Ross als Totenopfer dargebracht haben. *^) 

83. Auch das Geschlecht der Opfertiere ^^) war nicht gleichgiltig. — 
Sehr gewöhnlich war es, Göttern männliche, Göttinnen weibliche Tiere 
darzubringen. 20) Doch sind die umgekehrten Fälle so zahlreich, dass man 
von einer Regel nicht sprechen darf.'*) Das Richtige ist, dass einzelne 
Gottheiten Tiere bestimmten Geschlechts verlangten, andere nicht. Dem 
Zeus pflegte man männliche Tiere darzubringen, '') ebenso dem Poseidon, 
Herakles und Asklepios, der Hera scheinen umgekehrt nur weibliche ge- 
opfert zu sein. ApoUon erhielt auch weibliche Tiere; *5) vor allem werden 



») Paus. II 84, 2. 

*) Kaibbl Epigr. gr. 1034. 

') Aman. Anab. I 5. 

*) 11. r 108. Opferkalender der attischen 
Tetrapolis v. Pbott Fasti gr.48 f.B 17. 

>) Istros im Schol. Soph. Oid. Kol. 42. 

«) Zosimos bei Diels Sib. Bl. 129, 180 
V. 16, 110 V. 37. 

7) DiTTBNBBRGBB Svll. 373, 26. Plut. 

Luc. 10. Quaest. symp. vi, 8, 1. Appian Bell. 
Mithr. 75. Vgl. Od. x 527. Paus. X 29, 1. 
Phüostr. Imag. XI 33. 

«) Paus. IV 32, 8. 

») Paus. V 13, 2. 

«0) Strab. VI 284. Vgl. Od. X 32. 

") Philostr. Her. XIX p. 741. Vgl. die 
delische Rechnungsurkunde v. J. 246 ZI. 22 
BuU. de corr. VI 25. 

»») Plut. Aristeid. 21. 

") Philostr. Her. XIX p. 743. 

'') Enr. El. 516. — Bisweilen legte der 
Opfernde selbst dunkle Kleidung an (Apoll. 
Rhod. III 1204 f. Caas. Dio XLVIII 48). 

«») Stbhobl Phüol. XXXIX 184 f. 

»•) Appian Bell. Mithr. 70 p. 480. 



") Plut. Pel. 22. Hier ^ay&os; dasselbe 
Tier wird Xevxog genannt Plut. Amat. narr. 
III 774 D. RoHDB Psyche' 11 349, 3. 

>») Luk. Skyth. 2. Strab. V 214 f. Arr. 
Anab. VI 29, 7. Rohdb Psyche« II 351, 4. 

»») Stbngbl Jahrb. f. Phil. 1886 S. 324 ff. 

") II. r 103 f., V 147. Paus. IX 3, 4. 
Vgl. Amob. Adv. gent. VII 19. Euseb. Praep. 
ev. IV 9. Porphyr. De antro nymph. 6. 

«») CIA II 610. DiiTBNBBBOBR Syll. 373, 
17. Aristoph. Av. 971 mit Schol. Plut. Quaest. 
symp. VI 81. Marathon. Opferkai. v. Pbott 
48 f., B 17 f., B 27, B 44. Auch aus der Gortv- 
nischen Inschr. v. Pbott 42 nr. 20 ersieht 
man, so verstümmelt sie ist, dass weibliche 
Gottheiten männliche Tiere erhalten. Greek 
Inscr. Brit. Mus. IV 1 nr. 896 ZI. 37: üoi- 
gaie XQioy. 

") Paton u. Hicks Inscr. of Cos S. 286 
nr. 401. Doch auch verschnittene kommen 
vor. S. V. Pbott a. a. 0. 48 f. A ZI. 11, B 
ZI. 47. 

") Paus. II 24. 1. IGA n. 379. Vgl. db 
Molin De ara ap. Graecos S. 72 u. Stbngbl 
Jahrb. f. Phü. 1886 S. 326 A. 4. 



136 



Die griechisohen Knltnsaltertflmer. 



solche sich oftmals Id den grossen Hekatomben befunden haben, 9 die 
diesem Gotte vorzugsweise dargebracht warden; ebenso durften dem 
Hermes weibliche Tiere geopfert werden.*) Umgekehrt erhalten Artemis,^) 
Koro ^) und bisweilen Aphrodite ^) auch männliche zum Opfer. Am häufig* 
sten von allen Göttinnen wurden der Demeter männliche Tiere darge- 
bracht,^) namentlich bestand das grosse Rinderopfer am Eleusinienfest 
vorzugsweise aus Stieren und Ochsen, 7) dagegen durfte man der Athena, 
wenigstens im eigentlichen Griechenland,®) nur weibliche Tiere opfern,*) 
wie denn auch am Panathenaienfest nur Kühe geschlachtet wurden.*^) 
Auch die chthonischen Gottheiten empfingen Tiere beiderlei Geschlechts 
zum Opfer ;iO die Heroen meist männliche, a*) seltener verschnittene;'*) 
die Toten am liebsten weibliche oder verschnittene.^^) Eigentümlich ist 
es, dass zu Eidopfern nur männliche Tiere genommen wurden, >^) haupt- 
sächlich Stier, Widder, Eber.^^) Vielleicht hängt damit zusammen, dass 
auch zu den sog. tq^toiui^ bei denen dieselben Opfertiere sehr gewöhn- 
lich waren, *') ausschliesslich männliche Tiere benutzt wurden.»®) Ver- 
schnittene Tiere durfte man ohne Zweifel jedem Gott darbringen, welchem 
männliche geopfert zu werden pflegten, nur in vereinzelten Fällen wird 
einmal ausdrücklich ein ivoqx^fi verlangt.»*) 

84. Für das Alter der Opfertiere wird bei Speisopfem in der Regel 
die Rücksicht auf die Brauchbarkeit des Fleisches massgebend gewesen 
sein. Folgte einem grossen Festopfer eine Bewirtung des Volkes, so 
musste schon wegen des grossen Fleischbedarfs die Hauptmasse der Opfer- 



') Vgl. z. B. Xen. Hell. VI 4, 29. 

') S. d. lesbische Inschr. bei Caubb 
Del.« n. 435. 

») Paus. IX 19, 5; vgl. IV 81, 5; VII 18, 
7. — Kallim. Frgm. 76 Scbkbi. Euphronios 
im Schol. Aristoph. Av. 873. AntoD. Liber. 
13. Hesych. u. BgavQtoyia n. xan^ocpäyog. 

*) CIA II 834c ZI. 62. 

*) Caubr Del.» n. 435. Vgl. Flut. Thea. 

18 u. Tac. Bist. II 3. 

«) CIG 1464. Enpolis nach dem Schol. 
Soph. Oid. Kol. 1600. 

») CIA II 467, 468, 470. 

8) Eine ilische Inschrift CIG 3599 be- 
fiehlt ihr ausser einer Kuh einen Widder 
darzubringen, meines Wissens das einzige 
Beispiel eines männlichen Opfertiers. Zu 
Paus. I 27, 9 vgl. Flut. Thes. 14 u. Stenobl 
Jahrb. f. Fhil. 1886 S. 328. 

«) Schol. zu n. B 550; zu Soph. Oid. 
Kol. 1600. IL Z 93; ^ 728. Inschr. v. Kos 
Faton u. HicKs nr. 38; aus Lesbos Bull, de 
corr. IV 489. 

»<>) CIA II 471. DiTTBNBBBGER Syll. 380, 

19 ff. 

"») Od. X 30. Flut. Luc. 10. Istros im 
Schol. zu Soph. Oid. KoL 42 u. CIG 1464. 
DiTTBMBBBOEB Syll 373, 17. Kaibel Epigr. 
gr. 1034. Zosim. Sib. Orakel bei Dibls Sib. 
Bl. 134 V. 10 ff., V. 7 f. Vgl. die Akten der 
Sftkularfeier Epbem. epigr. 1891 S. 225 ff. 



") Paus. I 34, 4; IV 32. 3; V 13, 2. 
Strab. VI 284. Fhilostr. Her. XIX p. 741. 
CIA 11 469 u. 470. 

»•) V. Fbott Pasti gr. 48 f. B 14, 23 f., 
25, 30. oli wird hier Hammel bedeuten. S. 
Stewobl Berl. Fhil. Wochenschr. 1896 S. 687. 

^*) Schol. Od. A 30 und X 522. Stbnobl 
Jahrb. f. Fhil. 1881 S. 80 u. 740 und in d. 
Festschr. f. Fbibdlaxndbb 424 f. Robdb 
Psyche« I 58, 2. 

»*) Schol. zu II. r 197. Stengel Jahrb. 
f. Fhil. 1883 S. 377. r 103 wird allerdings 
ein weibliches Lamm geopfert, doch ist diese 
Abweichung durch den Zusatz, dass es der 
Ge geweiht sein solle, wie das männliche 
dem Helios, wohl hinlänglich erklärt. Zudem 
handelt es sich hier nicht um ein griechi- 
sches, sondern ein troisches Opfer.* 

»•) Demosth. XXHI 68 p. 642. Flut 
Fyrrh. 6. Xen. Anab. II 2, 9. 

^') S. die Zusammenstellung Jahrb. f. 
Fhil. 1886 S. 320 ff. 

*") S. Hesych. u. tQixtva u. Istros im 
Etymol. M. u. jQiTrvay &vaiav p. 768, 17. 

**) Z. B. far Poseidon Dittbnbbbobb 
Syll. 373, 6 u. 10. 11. «P 147 f. für Sper- 
cheios. Messen. Inschr. Athen. Mitt. XVI 353. 
Gortyn. Inschr. bei v. Fbott a. a. 0. S. 42. 
Flato Fhaon Frgm. com. Mbinekb II S. 674: 
TiQO&vBtai nXaxovs ivoQXV^- 



8. KQltaflhandlaiigen. (§ 84.) 



137 



tiere ausgewachsen sein. Doch auch bei anderen Gelegenheiten werden 
häufig ausdrücklich tegeia räXeia verlangt, i) Wahrscheinlich hat man 
auch geglaubt, das Opfer eines in der Vollkraft stehenden Tieres sei den 
Göttern am liebsten. 2) Die Wahl des fünfjährigen Ebers, den Eumaios 
schlachtet (f 419), wird freilich durch die Rücksicht auf den Gast be- 
stimmt, und ebenso die des fünfjährigen Stieres, mit dem Agamem- 
non die Helden nach dem heissen Schlachttage bewirtet und vor allem 
Aias, der den gefährlichsten Kampf bestanden hat, ehren will {H 315), 
aber B 403 wird dasselbe stattliche Tier geopfert, um dem Zeus eine 
besondere Ehre zu erweisen, und mit einer TsXr^eaaa ixaTOfißrj^) glaubte 
man doch auch den Göttern das wohlgefälligste Opfer darzubringen. 
Einen dreijährigen Widder verspricht Ganymedes dem Zeus;*) zu den 
feierlichen Dreiopfern, den vorher besprochenen TQitroiai, sollen nur di'ei- 
jährige Tiere verwandt worden sein,*) und in Athen verbot ein altes 
Gesetz, ein Schaf, ehe es geschoren war oder gelammt hatte,*) oder 
Lämmer vor der ersten Schur zu opfern.') Eine koische Opferordnung 
bestimmt für Asklepios ein ausgewachsenes, ungeschorenes Schaf.®) Die 
genauesten Bestimmungen über das Alter, das die Opfertiere haben sollen, 
enthält eine Inschrift aus Keos.») Das Rind und das Schaf sollen die 
Zähne bereits gewechselt haben, ^0) und das Schwein nicht älter als 
19 Monate sein. Eine pergamenische Inschrift*^) bestimmt, dass nach 
der Anordnung des Orakels der Pallas eine zweijährige Färse, dem Zeus, 
dem Bakchos und dem Asklepios dreijährige Rinder geopfert werden, die 
Mysterieninschrift von Andania für die Msyäloi &€ot ein zweijähriges 
Schwein,"*) die Opferordnung aus Mykonos für Semele, Dionysos, Zeus 
Chthonios und die Ge Chthonia jährige Tiere,"*) eine Inschrift aus Tel- 
messos alljährlich an einem bestimmten Tag für Zeus Soter ein drei- 
jähriges Rind.**) — Wenn wir sehen, wie unendlich häufig neben den 
Opfern ausgewachsener Tiere Kälber, "*) Lämmer,"«) Ferkel"') und Zick- 
lein 1®) geopfert wurden, so werden wir uns auch über die Verschiedenheit 
dieser Bestimmungen nicht wundern. Man opferte eben alles, was man 
selbst zu essen pflegte. Auffallen muss dagegen, dass die Opfer noch 



*) S. d. Tnschrr. Ditt£Nbebgeb Syll. 373, 
17, 35 f.; 375. Raitgab^ Antiqu. hell. d. 821b. 
'J^ijymoy 1879 S. 408. Bull, de corr. II 615. 
Athen. Mitt. XVI 353. Vgl. Schol. Soph. Ant. 
1012. 

*) Vgl. Schol. Aristoph. Ach. 785. 

•) Vgl. Stengel Jahrb. f. Phil. 1885 S. 103. 

<) Luk. Dial. deor. IV 2. 

') Istros im Etym. M. u. rQitTvav ^vaiav. 

«) Androtion bei Athen. X 17 p. 375. 

7) Philochoros bei Athen. I 16 p. 9. Als 
Grund fOr diese Bestimmungen wird aller- 
dings die Racksicht auf die Zucht der Tiere 
angegeben. Es fällt dies in dasselbe Kapitel 
wie das Verbot Solons, ein Rind zum Toten- 
opfer zu schlachten, oder die fast allgemein 
beobachtete Sitte, Ackerstiere nicht zu opfern. 

^) Newton Greek Inscr. in the Brit. 
Mus. n 838. 



•) DiTTEVBEROEB SjU. 348. 

^^) Die ersten beiden Schneidezähne, die 
die Tiere nach Vollendung des ersten Lebens- 
jahres verlieren. Aristot. Hist. anim. VI 21 
p. 145 Aub. u. Wim. Die letzten beiden 
wechseln sie erst dreijährig. Spbngbl Blätter 
für Bayr. Gw. 1888 S. 262 fF. u. besonders 
Nehring Jahrb. f. Phil. 1893 S. 64 ff. 

»») Kaibel Epigr. gr. 1035. 

»«) DiTTENBBRGEB Syll. 388, 68. 

»») DlTTKNBKROEB Syll. 373, 24 ff. 

**) Bull, de corr. XIV 164. 

»») Luk. Dial. mer. VII 1. Bahr. Fab. 37. 
Arrian. De venat. 34. 

^•) DiTTENBBRGEB Syll. 888, 67 f. Rah- 
gab£ Ant. hell. 11 n. 2336. Paus. II 10, 1. 

>') Athen. IV 139 B; IV 172 A; IX 396 
C u. D. 

'») CIG Ins. I 92. Paus. VI 2. 2. 



138 ^^^ grieohischen Knltasaltertamer. 

saugender Tiere ganz gewöhnlich sind, und zwar nicht bloss bei Reinigungs- 
opfern. ^) Schon bei Homer ^) geloben Pandaros und Meriones dem 
Apollon eine Hekatombe neugeborener Lämmer, falls ihr Pfeilschuss er- 
folgreich sein würde, ^) und das ganze Altertum hindurch finden wir 
yaXad^i^rd iegeia als etwas durchaus Gewöhnliches erwähnt. In zahlreichen 
Inschriften werden sie den teXeia in einer Weise gegenübergestellt, dass 
wir annehmen müssen, sie seien kaum seltener gewesen als diese. ^) 
Auch die Notiz bei Hesychios (u. Täleia), dass die einen jährige Tiere, 
die andern schon alle, die über zehn Tage alt seien, für TcXeioi erklärten, 
lässt darauf schliessen, dass die Opfer noch saugender Tiere an der Tages- 
ordnung waren. ^) Auch scheint es hier keinen Unterschied gemacht zu 
haben, welcher Gottheit die Tiere dargebracht wurden; eine Spur davon 
könnte man einzig darin finden, dass die jungfräuliche Athena die äl^vya 
oder äifATjta isQBia vorzieht,*) während der mütterlichen Demeter um- 
gekehrt Muttertiere,^) mit Vorliebe trächtige, geopfert werden. Es ist 
dies ein Symbol der Fruchtbarkeit, wie das namentlich aus den Akten 
der römischen Säcularfeier hervorgeht.*) Auffallend ist, dass in Kos der 
Athena ein trächtiges Schaf dargebracht wird,^) wie denn in Patmos auch 
Artemis schwangere Opfertiere nicht verschmäht zu haben scheint. i<*) 

f. Reinigrungren und Sühnungren. 

Litteratur: Lombier De vet. gent. lustrationibus 1681. Hebmann Gottesdienstl. 
Altt.' § 28. ScHOBMANN GHech. Altt. IP 352 ff. v. Lasaulx Die SüliDopfer der Griechen und 
Römer (in den Akadem. Abhndlgg. Wfirzbnrg 1844 S. 236 ff.). Nabgblbbach Nachbom. 
Theologie S. 356 ff. Jambb Donaldson on the Expiatory and Substitutionary Sacrifices of the 
GrecB in den Transactions of the Royal Society of Edinburgh Bd. XXVII (1876) S. 427 -465. 
DiELS Sibyll. Blätter, Berl. 1890. Rohdb Psyche^ II 71 ff. 405. Bötticheb Tektonik IV 55 ff. 

86. Es ist bereits erwähnt worden, dass kein Unreiner das Heiligtum 

eines Gottes betreten oder an einem Opfer teilnehmen durfte.") Wer 

war nun unrein? Piaton (Leg. 716 E) sagt: rrjv ipvxrjv 6 xaxog, d. h. der 

Böse, und in Epidauros war im Vorhof des Asklepiostempels zu lesen: 



*) Vgl. Aisch. Eum. 430. | fordert für Ge eine ßovs xvovaa (B 9), für 

>) J 120, ^873. ! DtdrA otg xvovaa {B 12). 'EXevaiylai ig xvovfftty 

XX6i]i is xvovaa (B 48, vgl. A 28, A 43). 
Delische Rechnnngsurknnde von 250 ZI. 68 
Bull, de corr XIV 505 A. 4: is iyxvfjuov 
Big &vfjiccy Tiji JijfifjTQi. Urkunde von 246 
ZI. 22 Bd. VI S. 25 ZI. 200: vg iyxvfiar 
(vgl. Tac. ann. XV 47). Eornut. tlsQi &€my 
28 p. 211: &vovai «T vg iyxvfjtovag Jtj/Äfjrgi 
ndyv oixBlmg. Dittenbbbgeb Syll. 373 f&r 
Demeter vv iyxvfioya. Opferkalender von 
Kos Paton u. Hicks 37 ZI. 61: ols iskäa 
xvioaa. Dasselbe Opfer empfängt Rhea 
(ebenda 38 S. 89) und auch den Eumeniden 
(Paus. II 11, 4) und der Pelarge in Boiotieo 
(Paus. IX 25, 6) werden trächtige Tiere ge- 
opfert. 

•) n. 37 ZI. 57 bei v. Pbott 21. 

»0) Kaibbl Epigr. gr. 872. 

»») Vgl. CIG Ins. 11 183. Luk. Uegi ^w. 
13. Schol. Aisch. Eum. 276. Böttiohbr Tekt. 
IV 57 f. 



') Vgl. hier wie überhaupt fttr das fol- 
gende Stengel Jahrb. f. Phil. 1882 S. 246 f. 
Auch B 518, » 263, a 431. Hes. Erg. 543 
u. 592. 

*) DiTTEHBEBQER SvU. 371, 31 f. CIA 11 

610, 632. CIA I 4. Herod. I 183. Plat. Leg. 
834 C. Ael. Var. bist. VII 13. CIA II 631 
und BöCKH Kl. Sehr. IV 408 f. 

^) E&lber, Lämmer, Ferkel sangen alle 
beträchtlich länger als zehn Tage. Vgl. 
Lenz Naturgesch. Gotha 1851 I 654 u. 468. 

«) ßovg fjyig ^xicxaq Z 93, K 292, y 
382; fjioaxov a^vyog dyyov Kaibbl Epigr. 
gr. 1035, 21. a^vyas ßoCg für Artemis Bak- 
chyl. IX 105. 

CIA II 467 ßovs TQO<plas. Ditten- 
BEBOEB Syll. 388, 68 avy inlroxa. 

») MoMHSKN Ephem. epigr. 1891 S. 225 ff. 
Vgl. Borat, c. saec. 29 f. — Der maratho- 
nische Opferkalender v. Pbott a. a. 0. 48 f. 



3. Knltashandlangen. (§ 85.) 



139 



Nur wer rein ist, betrete die Schwelle des duftenden Tempels; 

Niemand aber ist rein, ausser wer heiliges denkt.*) 
Ganz ähnlich heisst es in einer in Lindos gefundenen rhodischen Inschrift:*) 
Nur wer rein ist an Hand und Herz und ein gutes Gewissen hat, darf 
sich dem Heiligtum nahen. Aber der älteren Zeit liegt nichts ferner als 
solche Vorstellungen. Blieb freilich auch später äusserliche Reinheit er- 
forderlich, 3) so hat das homerische Zeitalter überhaupt noch keine 
Ahnung, dass es auch eine andere geben könne.^) Telemachos reinigt 
in der Meerflut die Hände, ehe er sie betend zu Athena erhebt, 5) Pene- 
lope wäscht sich vor dem Gebet und legt reine IQeider an,«) Hektor 
scheut sich mit ungewaschenen, von Blut und Staub besudelten Händen 
dem Zeus zu spenden,^) Achilleus reinigt Hände und Becher aufs sorg- 
fältigste, ehe er dem Gotte das Trankopfer ausgiesst,^) und als die Pest 
aufhört, opfert man dem Apollon die Hekatomben erst, nachdem das 
ganze Heer sich auf die Aufforderung Agamemnons gereinigt hat, und 
alles Unsaubere abgethan und ins Meer geworfen ist.*) Von der Vor- 
stellung aber, dass es noch eine andere Unreinheit geben könne als die 
des Körpers, findet sich in den Epen nicht die geringste Spur, denn 
aus der blossen Erwähnung Ixions an einer zudem noch interpolierten 
Stelle *^) lässt sich ganz gewiss nicht schliessen, dass der Dichter die 
Sage von der Reinigung des Mannes durch Zeus gekannt habe.*^) Aber 
nicht lange dauerte es, da empfand man, dass wenigstens einer, der seine 
Hand mit dem Blut eines gemordeten Mannes besudelt hatte, einer um- 
ständlicheren Reinigung bedürfe, als einer blossen Abwaschung des Blutes, 
dass er, um wieder als Unbefleckter vor Göttern und unter Menschen er- 
scheinen zu können, sich einer feierlichen, unter bestimmten Ceremonien 
vorgenommenen Lustration unterziehn müsse. Auf diese Weise hoffte 
man die zürnende Seele, die Erinys*^) des Erschlagenen zu besänftigen 
oder auch es ihr unmöglich zu machen, sich zu rächen. Reinigen heisst 
böse Geister bannen, anorqonaia sind die Mittel sie wegzutreiben.*') 
Deshalb wird die Kathartik komplizierter, je lebendiger der Glaube an 
ein Geisterreich ist, deshalb finden wir bei Homer nichts davon im Gegen- 
satz nicht nur zu einer spätem, sondern vielleicht auch einer voran- 
gegangenen Zeit. Nie ist die Daseinsfreudigkeit grösser, nie die Kluft 
zwischen Leben und Tod, dem Sonnenlicht auf Erden und der Finsternis 
im Hades weiter; der Lebende hofft, der Sterbende fürchtet, sie sei un- 
überbrückbar. Und wo ritterliche Adelsgeschlechter herrschen, trotzig 
ihrer Kraft vertrauend, wie die homerischen ßaailetg, findet der ängst- 
liche Glaube der niedrigen Bürger schwer Eingang: erst lange nach ihrem 



*) ayy$irj «T Ifft* (pQoyBiv ocia Theophr. 
mQi evaeß. (Porph. De abst. II 19). Vgl. 
Clemens AI. Stromat. V 1 p. 652 u. IV 22 
p. 628. Die Obersetzung des Distichons ist 
von Jacob Bbrhats Theophr. üb. d. Fröm- 
migkeit 67. 

«) CIG Ins. I 789. 

*) S. z. B. Hippokr. De morbo sacr. 2. 

*) Vgl. NiTzscH zur Odyss. I 310 n. a. 

*) ß 261. Vgl. 1 171 flf. 






d 750, Q 48. 
') Z 266 ff. Vgl. Si 302 ff. 
8) n 228 ff 
•) J 313 ff Vgl. S 171. 
»0) S 317. 

*») Vgl. ScHOEiiAKN a. a. 0. II 354. 
^2) RoHDE Rhein. Mus. 1895 S. 1 ff. 
»«) Aisch. Cho. 967 f. Rohdb Psyche« 
II 70 ff. 



140 



Die grieohiBohen Kvltnsaltertümer. 



Frevel, als die Götter die Seuche senden, die man mehr fürchtet als die 
stolzen Herren auf der Burg, werden die Alkmeoniden aus Athen ver- 
trieben, i) In homerischer Zeit besteht die einzige Mordsühne in einer 
Wertentschädigung an die Verwandten des Erschlagenen, >) und als der 
Mörder Theoklymenos dem Opfer Telemachs beiwohnt, wird auch dies 
nicht durch seine Anwesenheit entweiht (o 222 f.). Das erste Beispiel 
der Purifikation eines Mörders, das uns begegnet, die Reinigung des 
Achilleus nach der Ermordung des Thersites, zeigt wesentlich andere 
Formen, als die später üblichen. Achill begiebt sich nach Lesbos, bringt 
dort noch vor der Reinigung ApoUon, Artemis und Leto ein Opfer, darf 
sich also an gottesdienstlichen Handlungen beteiligen und den Göttern 
nahen wie jeder andere, darnach erst reinigt ihn Odysseus.') Charak- 
teristisch ist ferner für die alte Zeit, dass der unfreiwillige Mörder Blut- 
schuld ebenso auf sich lädt, wie der absichtliche.^) Die Seele des dem 
Leben Entrissenen zürnte ihm für die zufällige, doch in ihren Folgen 
gleich schwere That nicht minder. Auch dass die Ceremonie nie von 
Sehern oder Priestern vollzogen wird,*) zeigt, dass man noch nicht an 
die besondere Vertrautheit dieser Personen mit dem Geisterreich glaubte, 
die sie vor andern befähigte, die bösen Einwirkungen fern zu halten. 
Die Blutschuld blieb auch später, als noch manches andere für ver- 
unreinigend angesehn wurde, die schwerste Befleckung und erheischte, 
auch wenn der Forderung des Gesetzes genuggethan war, die ernsteste 
Sühnung. Durch das Blut, das an der Hand des Mörders geklebt hatte, 
war nicht nur äusserlich sein Leib besudelt : die Befleckung (/etJo'o^, lAiaa^ia) 
blieb an ihm haften, auch wenn die wahrnehmbaren Spuren der That ge- 
tilgt waren, wie ein Krankheitsstoflf, der auch andere, die mit ihm in Be- 
rührung kamen, ergreifen konnte. Der Mörder musste das Land, in dem 
die That verübt worden war, verlassen, hier liess die Seele des Toten 
die Reinigung und Versöhnung nicht zu. Schon Achill geht mit Odysseus 
nach Lesbos, und geschieht es auch nur auf kürzeste Zeit, lediglich zum 
Zwecke der Purifikation, so ist doch auch hier schon derselbe Gedanke, 
dieselbe Ansicht, die später die Verbannung des Mörders fordert, unver- 
kennbar: im Lande des Toten ist seine Erinys mächtig, und das Verweilen 
des Mörders würde sie beleidigen und reizen. Weiter verfolgt sie ihn 
nicht, wie ähnlich das Wirken des Heros an der Grenze des Landes, wo 
er sein Grab gefunden hat, aufhört.^) So ist es besonders schlimm und 
verhängnisvoll, einen ififfvXtoq zu töten,') nicht bloss weil den Verwandten 
nach alter Satzung die heilige Pflicht der Blutrache oblag. Dem ins Aus- 
land Geflohenen aber die Reinigung zu verweigern ist grausam und gottlos. 
Zeus selbst hat einst den Ixion gereinigt und der Sage nach damit das 
erste Beispiel und Vorbild gegeben,») auch andere Götter versagen den 



BiELS Sitzgsber. der Berl. Akad. 1891 
S. 389 f. 

•) 1 633 ff., B 665, N 574 u. 697, W 89, 
o 224, I 380, q> 27 ff 

') Proklofl Aithiop. Waokbr Mythogr. 
gr. 242. 

*) ^ 85 ff. Demosth. XXIII 61 p. 639. 



LoBBCK Agl. 968. 

») Lobeck Agl. 869. ApoHod. II 3, 1. 

«) RoHDE Psyche» I 265, 1. 

») Paus. II 20, 7. 

«) Pherekyd. Frgm. 103. Aischyl. Eum. 
440 f. u, 717 f. Frgm. 197 Herrn. 



8. Knltiuliaiidliuigeii. (§ 85.) 



141 



Sterblichen diese änade nicht, >) da dürfen es die Menschen ebensowenig:^) 
Orestes wird in Troizen gereinigt,*) und der Phryger Adrastos vom 
lydischen König Eroisos.^) 

Die spätere Zeit macht einen Unterschied zwischen absichtlichem und 
nicht beabsichtigtem Todschlag, zwischen gerechter und ungerechter 
Tötung.*) Wer den Buhlen bei der Qattin, Tochter, Mutter oder Schwester 
bei der That ertappte und ihn tötete, wer einen Geächteten oder einen 
Tyrannen^) erschlug, brauchte nicht gereinigt zu werden,^) ebensowenig, 
wen die Richter von der Schuld freigesprochen hatten. Auch wenn der 
Sterbende freiwillig auf die Rache verzichtete und sich mit dem Mörder 
versöhnte, blieb dieser unbehelligt.^) Unvorsichtiger Todschlag beim 
Waffenspiele machte nur eine Reinigung notwendig ; wer sonst ohne seine 
Absicht getötet hatte, musste auf eine bestimmte Zeit in die Fremde 
gehn.*) Er verliess das Land mindestens auf ein Jahr^^) auf einem 
vorgeschriebenen Wege,^^) nachdem er vorher in der Heimat gereinigt 
worden war. War die Strafzeit abgelaufen, so söhnte er sich mit den 
Angehörigen des Getöteten aus, was diese ihm nicht verweigern durften,^') 
unterzog sich nochmals einer Reinigung und war dann ganz restituiert.^*) 
Nicht jeder Mord war sühnungsfähig. Wer Eltern oder die nächsten Ver- 
wandten, z. B. einen Bruder,^^) erschlagen,^*) oder den Gastfreund er- 
mordet hat,>*) verfällt den Erinyen. Auch für eine Blutthat, die an ge- 
heiligter Stätte vollbracht worden ist, giebt es keine Verzeihung.* 7) Eine 
Verjährung der Blutschuld tritt nicht ein;**) ja es scheint vorgekommen 
zu sein, dass noch die männliche Nachkommenschaft bestimmter Mörder 
für die Schuld des Vaters durch Rechtsbeschränkung zu büssen hatte. ^^) 
Dem auf Mord Angeklagten ist bis zum Gerichtstage das Betreten einer 
geweihten Stätte untersagt, und keiner darf die Hand auf ihn legen; der 
Prozess findet unter freiem Himmel statt. •^) Wer wegen eines sühnungs- 
fähigen Mordes in der Verbannung lebt und draussen jemanden ermordet 
zu haben beschuldigt wird, muss nach athenischem Gesetz zu dem am 
Meer gelegenen Gerichtshof Phreato fahren und vom Fahrzeug aus seine 
Verteidigung führen.*^) 

Doch mehr als diese halb rechtlichen Fragen gehen uns hier die 
religiösen Geremonien, d. h. die Art der Reinigung selbst an. 



185. 



^) ApoUod. II 22 Wagitbb 57 und epit. 



>) Aisch. Euro. 233 f. 

») Pau8. II 31, 7. 

*) Herod. I 35. 

B) Vgl. Isokr. Paneg. 10. Aristot. Ath. 
Pol. 57. 

') Vgl. ZsLLBB Ber. der preuss. Akad. 
der Wi88. 1887 S. 1140. 

') Aristot. Ath. Pol. 57. Meier-Schob- 
mann' Att. Prozess 377 f. 

*) Eur. Hipp. 1450. Demosth. XXXVIT 59. 

»j Schol. II. Ä 480. 

^^) dneyucvuafio^, vgl. Plat. Leg. IX 
p. 865. 

»0 Demosth. XXIII 72 p. 644. 



>') Philippi Areopag und Epheten 115 f. 

^') Dass der Reinigung nicht sogleich 
oder ganz selbstverständlich die Sühnung 
{IXaafAoi) folgt, zeigt am besten das Beispiel 
des Orestes (Aisch. Eum. 448 fF.). Vgl Rohde 
Psyche« I 271 fr. 

»*) Aisch. Sept. 680 flf. 

•*) Aisch. Eum. 605, 212. 

'«) Aisch. Eum. 546, 355. 

''') Arist. Ath. Pol. 1. Eur. Ion 1259 

•8) Passow Herm. XXV 466 f. 

»») Arkad. Inschr. Bull, de corr. XVI 
569 fl. u. Dittbnbbbgeb Herm. XXVIII 472 ff, 

»0) Antiph. V 11. 

«») Aristot. Ath. Pol. 57. Demosth. XXIII 
17 p. 146. 



142 



Die griechischen dütnealtertttmer. 



Am ausführlichsten wird nns die Reinigung lasons und Medeias 
nach dem Morde des Apsyrtos geschildert.') Die Mörder stellen sich 
Kirke als der Reinigung bedürftig vor, ohne zu sagen, wer sie sind, denn 
der Ungereinigte darf zu keinem sprechen,^) und Kirke erfüllt ihre Bitte, 
ohne zunächst darnach zu fragen, wie Eroisos den Adrastos reinigt, ehe 
er weiss, mit wem er es zu thun hat. Was der Flehende will, erkennt 
man aus seiner Haltung; mit verhülltem Haupte setzt er sich auf den 
Herd,*) denn das Sitzen ist ein Zeichen der Hilflosigkeit und der 
Demut. '^) In dieser Stellung findet die Pythia^) Orest, einen Ölzweig 
mit weisser Wolle umwunden in der Hand.«) Der Reinigungsakt zerfallt 
in zwei Teile, wie wir es schon in der Schilderung der Aithiopis (freilich 
in umgekehrter Reihenfolge, S. 140) fanden: in die eigentliche Reini- 
gung und das Yersöhnungsopfer. Kirke schlachtet ein noch saugendes 
Ferkel, lässt das Blut des Tieres über die Hände der Mörder fliessen,^) 
und wäscht sie, den Zeus Katharsios anrufend, mit Wasser ab, das sie 
darnach durch eine Dienerin fortschaffen lässt. Darauf begiebt sie sich 
an den Herd des Hauses, verbrennt hier unblutige Opfer und giesst wein- 
lose Spenden ins Feuer, wiederum die Gnade des Zeus anrufend, der die 
Erinyen besänftigen solle. Das Ferkel darf als fluchbeladen nicht auf dem 
Herde verbrannt werden, sondern wird wohl von den Dienerinnen zusammen 
mit dem verunreinigten Wasser beseitigt worden sein.*) 

In das Gebiet der Kathartik gehört auch der abscheuliche Brauch 
des fiaaxaXi^eiv.^) Der Mörder schneidet dem Toten die Extremitäten ab, 
reiht die abgeschnittenen Gliedmassen auf eine Schnur, legt sie dem Toten 
um den Hals, zieht die beiden Enden, nachdem sie sich über der Brust 
gekreuzt haben, unter den Achseln durch und bindet sie dann wohl auf 
dem Rücken zusammen. Er behandelt den Leichnam wie den Leib eines 
Opfertiers, die abgeschnittenen Stückchen sind die djiagxcci oder ccQyfiata^^^) 
die den Göttern geweiht werden, sie sollen wenigstens symbolisch ein 
Reinigungsopfer bedeuten. Zugleich aber wirkt ein andrer Aberglaube 
oder Glaube mit: die Toten gehn in den Hades so, wie sie aus dem Leben 
schieden, oder so, wie man ihren Leib zuletzt auf der Oberwelt sah, der 
Verstümmelte lebt auch in der Unterwelt mit denselben Gebrechen weiter,^») 
und ist also der Fähigkeit beraubt, sich an seinem Mörder zu rächen.**) 
Denselben Sinn hat das dreimalige Aussaugen und Ausspeien des Blutes;*^) 
es soll den Toten schwächen und zugleich eine Art Gegenzauber gegen 
die Macht der Rache heischenden Seele ausüben. 

86. Viel umständlicher und wichtiger sind die Reinigungen eines 



Apoll. Rhod. IV 702 if. 

') Aisch. Eum. 277 flf., 448 fF. 

») Schol. 11. ß 480. Schol. Demostb. 
XVIII 259 p. 313. DiELS Sib. Bl. 123. 

*) Thuk. I 24; I 136. 

*) Aisch. Eum. Anf. 

•) Vgl. Aisch. Suppl. 191. 

') Schol. Apoll. Rhod. IV 704. Etym. 
M. 313, 41. Schol. Arietoph. Vesp. 288. Rohdb 
Psyche'' I 271; II 78, 1. Diels Sib. ßl. 70. 

») Vgl. Dorotheos bei Athen. IX 78p. 410, 



auch Didymos im Schol zu Aristoph. Fax 
956 u. Athen. IX 409 B. 

•) Aisch. Cho. 439. Soph. El. 445. Etym. 
M. 188, 22 f RoBDE Psyche« I 322 fF. 

*o) Od. I 428, 446. 

") Od. Ä 40 f. Soph. Oid. T. 1371 ff. 
DüMMLBR Philol. 1897 S. 6 ff. 

'0 Anders Benndorf Monument v. Adam- 
klissi 1 32 A . 1 . V. Wilamowitz Aisch. Cho. 201. 

»») Apoll. Rhod. IV 477. Robde Psyche* 
1 426. 



8. Ealtashaiidliiiigen. (§ ^.) 



143 



ganzen Volkes. Sie werden teils in regelmässigen Zwischenräumen 
vorgenommen, auch ohne dass eine besondere Veranlassung vorliegt, 
weil man nicht wissen kann, ob nicht durch irgend eine verborgene 
Missethat der Zorn der Gottheit erregt ist, und es vermeiden will, ^rst 
durch eine über das Land verhängte Seuche oder andere Heimsuchungen 
darauf aufmerksam gemacht zu werden, teils werden sie angestellt, wenn 
man die Stadt durch irgend einen Greuel befleckt glaubt. Jenem Zwecke 
dienen die grossen Sühn- und Versöhnungsfeste, wie z. B. in Athen die 
alljährlich gefeierten Thargelien,') diese finden, wie das in der Natur der 
Sache liegt, nur in ausserordentlichen FäUen statt. Keine ist bekannter 
und berühmter, als die Reinigung Athens durch Epimenides, den man 
dazu aus Kreta holen liess. Die Mehrzahl der Kyloniden war von einer 
Schar Athener unter Führung der Alkmeoniden ermordet worden, und 
zwar an Altären, zu denen sie Schutz suchend geflohen waren. So war 
der Frevel besonders schwer. Eine verheerende Seuche befiel die Stadt, 
und in dieser Not schickte man, da nichts helfen wollte, zu dem be- 
rühmten Sühnpriester nach Kreta, wie man sich in solchen Fällen über- 
haupt gern ans Ausland wandte, selbst wenn es durch uralte Kulte 
weniger berühmt war als die Insel des Minos.') Epimenides kommt und 
nimmt eine umfassende Reinigung der Stadt vor.') Ehe mit dieser be- 
gonnen werden kann, müssen die Alkmeoniden, die Schuld am Morde 
trugen, das Land verlassen, und auch die Gebeine der inzwischen ver- 
storbenen Mitschuldigen (ivayeTg), die dem Geschlecht angehörten, aus- 
gegraben und über die Grenze geschafft werden. So lange sie sich im 
Lande befinden, ist eine Reinigung nicht möglich, weil von ihnen das 
/i/aa/ia, welches das Land verpestet hat, immer aufs neue ausgehen 
würde.*) Nach der Anordnung des Lustrierenden werden schwarze und 
weisse Schafe auf den Areopag gebracht, wo an den Altären der Eume- 
niden die Blutthat begangen worden war. Man dachte sich wohl, dass das 
fiiafXfia an einigen Stellen der befleckten Stadt und des Landes besonders 
hafte und von ihnen wie von einem Herd der Ansteckung sich vorzugsweise 
verbreite. War ein Schuldbefleckter einen bestimmten Weg gegangen 
und hatte sich an bestimmten Stellen aufgehalten, so konnte man diese 
lustrieren: hier hatten die Mörder sich noch lange nach der That im 
Lande befunden und überall verkehrt, und so liess man denn die Tiere 
frei laufen und überliess es den Göttern, sie hinzuführen, wohin sie 
wollten. Wo sich ein Schaf niederlegte, wurde ein Altar errichtet, und 
an diesem ward es geopfert, und zwar keinem bestimmten Gotte, sondern 
%([) nQoarjxowi, dem es zukäme. Deshalb die Wahl der verschieden- 
farbigen Tiere, weil die chthonischen Gottheiten dunkle, andere weisse 
verlangten. Neanthes von Kyzikos (bei Athen. XHI 78 p. 602) berichtet, 



') Vgl. Schäfer Demosth.« II 155. 

2) DiBLB Sitzgber. der Berl. Akad. 1891 
S. 391. 

») Aristot. Ath. Pol. Anf. Suid. u. 'E/r«- 
(jLBvliti^. Athen. XIll 78 p. 602. Diog. Laert. 
I 110 vgl. 112. DiBLS a. a. 0. 887 ff. v. Wi- 
LAKOWiTZ Eur. Hippel. 243 ff. Rohde Psyche' 



II 98 f. Von alteren Untersuch, vgl. Rohde 
Rhein. Mus. XXXIII 208 ff. Niese Histor. 
Unters, f. A. Schäfer 1 ff., Bonn 1882. 
Loeschcke De Pausaniae descript. 23 ff. Dor- 
pat 1883. TöPFFER Att. Geneal. 140 ff. Schul- 
TESS De Epimenide Crete, Bonn 1877. 
«) Eur. Her. 1322. Dibls a. a. 0. 



144 



Die grieohisohen Enltnsaltertlkmer. 



Epimenides habe auch ein Menschenopfer für erforderlich gehalten, und 
ein schöner athenischer Jüngling habe sich freiwillig zu sterben erboten, 
andere Schriftsteller, ^ es seien zwei Menschen geopfert worden.^) Dass 
Plutarch davon schweigt, beweist nicht, dass dies Opfer nicht wirklich 
vollzogen worden ist.^) Bei solchen Gelegenheiten hat man in der That 
auch in späterer Zeit Menschenopfer gebracht.^) 

Der Glaube, dass einzelne von den Göttern mit Offenbarungen be- 
gnadete Männer sich vorzugsweise auf Reinigungen verstünden, ward bald 
allgemeiner, und wie man sich in der Praxis erforderlichen Falls an 
solche Sachverständige wandte, so wusste die Sage an berühmte Seher 
und Priester der Vorzeit anzuknüpfen, und von Lustrationen, die sie vor- 
genommen hätten, zu berichten. So sollte Melampus die Töchter des 
Proitos gereinigt haben, ^} und Teiresias gab an, wie das Haus der Am- 
phitryon, in dem der kleine Herakles die von Hera gesandten Schlangen 
erwürgt hatte, gereinigt werden sollte.^) 

87. Gebräuche und Ceremonien^) sind natürlich, wenn ein ein- 
zelner Befleckter gereinigt werden soll, ganz andere, als wenn es sich 
um ein Land oder eine Stadt oder überhaupt einen grösseren Raum 
handelt. Hier fehlt das Blut von Opfertieren niemals, dort ist es nur 
dann unentbehrlich, wenn der zur Reinigende selbst Blut vergossen hat; 
denn das Tier stirbt statt des menschlichen Thäters; dadurch aber wird 
der Groll des Toten versöhnt, und ist er beschwichtigt, so ist der Schul- 
dige auch wieder rein.^) Damit ist freilich nicht gesagt, dass nicht auch 
in andern Fällen Blutopfer gestattet und in bestimmten sogar Sitte ge- 
worden waren. ^) Namentlich in späteren Zeiten konnte man sich hierin 
kaum genugthun, wie die, besonders in Italien üblichen, Taurobolien und 
Kriobolien beweisen, die man schon zu grösserer Wirkung der TslsraC 
anwandte, also einer Reinigung, der überhaupt keine bestimmte Verschul- 
dung und Befleckung vorausgegangen war.^^) Im allgemeinen aber gilt, 
dass bei der Reinigung von Personen ausser dem xaO'äQCiov nvQ^^) unter 
allen Umständen erforderlich nur das Wasser war. Und zwar ist nur 
fliessendes oder Meerwasser geeignet, das auf die Dauer nicht befleckt 
werden kann,'*) ein See oder Teich würde selbst verunreinigt worden 
sein. Auch scheint man das Wasser einiger Quellen für besonders wirk- 
sam gehalten zu haben. Orestes soll mit dem Wasser der Hippokrene 
gereinigt worden sein, *^) Pausanias (U 17, 1) erzählt von einem Quell in 

») Vgl. DiBLS Sib. Bl. 69 ff., 120 ff. 

«) Eur. Iph. T. 1223 (poytp <p6yoy ix- 
rlnxeiv, Rohdb Psyche* II 77. 

») Vgl. z. B. Paus. V 16, 5. 

»«) z. B. IG Sic. et Ital. 1018, 1020. 

»«) Eur. Her. 937. Vgl. Iph. T. 1224 u. 
1216. 

'«) Aisch. Eum. 452. Eur. El. 794. Iph. 
T. 1039, 1193. DiTTENBEBGRR Syli. 468, 15. 
Eoische Inschr. bei v. Prott Leg. sacr. S. 25 
ZI. 23 f. (Paton u. Hicks nr. 38) Kaibbl 
Epigr. gr. 1034. Paus. IX 30, 4, V 5, 6. Poll. 

I 32 f. Vgl. Verg. Aen. II 719. Rohde Psyche« 

II 405 f. 
»») Paus. II 31, 11. 



Vgl. Diog. Laert. I 110 Ende. 

^) Der Name des einen, Kratinos, wird 
übereinstimmend bei Diogenes und Athenaios 
überliefert. Die Quelle, der Diogenes bei der 
Schilderung der Reinigung folgt, berichtet 
nichts von Menschenopfern, bringt die Sache 
aber auch gar nicht in Zusammenhang mit 
dem ayog KvXmyeiov. 

•) RoHDE Psyche* II 99. Schobmann a. 
a, 0. II 362 Anm. 2 legt mit Unrecht darauf 
Gewicht, denn Plutarch schildert die Reini- 
gungsceremonien überhaupt nicht. 

*) Vgl. DiBLS a. a. 0. 391 A. 4. 

6) Paus. VIII 18, 8; V 5, 5. 

•) Theokr. Id. XXIV 86 ff. 



8. Enltiuhandliingen. (§ 87.) 



145 



der Nähe des Heraions bei Mykenai, dessen Wasser man vorzugsweise zu 
Reinigungen gebrauchte,^) und die Argeier benutzten den Quell Lema zu 
demselben Zweck. ^) In andere Quellen wiederum durfte man weder 
Opferblut giessen noch ihr Wasser zu Reinigungen gebrauchen. 5) — Bis- 
weilen wird dem Wasser Salz beigemischt,*) oder der Waschung eine 
Salbung mit Myrrhenöl hinzugefügt.^) Auch mit anklebenden, das Un- 
reine aufsaugenden Stoffen, wie nasser Erde, Kleien oder Eidottern wird 
der zu Reinigende bestrichen (TicQiiprjfia^ nsQiiiatieiv)^^) und dann alles 
durch Abwaschungen mit Wasser entfernt.') Sodann wii'd der Lorbeer, 
dem man eine reinigende Kraft zuschreibt,^) bei Lustrationen angewandt; 
desgleichen die Feige*) und der Nieswurz. *<>) Das wesentliche ist, dass 
jede Spur der Unreinheit getilgt wird, auch Gerüche. Zu diesem Zweck 
wird ein Feuer angezündet,*») und Schwefel,") Weihrauch und stark duf- 
tende Kräuter darin verbrannt.»') 

Alles was zur Reinigung angewandt {xad^ÜQfiara^ xad^ägtria) und mit 
dem Befleckten in Berührung gekommen ist, wird sorgfaltig beseitigt, und 
zwar vergraben**) oder ins Meer**) oder in einen Fluss*«) geworfen. Nie- 
mand darf etwas davon berühren,»') auch das gebrauchte Wasser wird 
fortgeschafft.*^) Verbrannt scheint niemals etwas zu sein. Beim Ver- 
lassen der Stätte, wo man die xa&ccQfiava fortgeworfen hatte, durfte man 
sich nicht umschauen.**) Wurde ein Tier geschlachtet, so beseitigte man 
den Leib und das zur Reinigung benutzte Blut auf dieselbe Weise. Wie 
die andern Reinigungsmittel wurde es den unheimlichen Geistern über- 
lassen, war ein Opfer für sie.*^) Für besonders wirksam galt das Blut 
noch saugender Ferkel,»**) seltener das von jungen Lämmern,* 2) wahr- 
scheinlich erst in späterer Zeit auch das von Hunden.**) Ein vereinzelt 
dastehender Fall ist es, dass bei der Reinigung des Heiligtums der Aphro- 
dite Pandemos in Athen eine Taube geopfert wird.**) Dieser Vogel war 
ihr heilig,*^) Schweine*®) aber verhasst.»*^) Mit Ferkelblut wurde der 



•) Vgl. Paus. V 15, 6. 

*) HesYch. n. AiQvti, 

3) Paus. I 34, 3. 

*) Theokr. Id. XXIV 96. 

B) Eleidemos bei Athen IX 78 p. 410 

^) Demosth. XVIll 2h9 p. 313. Lobeck 
Agl. 652 ff. RoHDE Psyche' II 406 f. 

') Plut. De superstit. 3. Luk. Dial. mort. 
I 1; Katapl. 7. negiggaCysir Poll. VIII 65. 

*) Eur. Ion. 114 ff. Dibls Sib. Bl. 120. 

>) Athen. 111 74 D. Paus. I 37, 4. Eustath. 
zur Od. 9; 116 p. 1572. Vgl. auch Stengel 
Jahrb. f. Phil. 1888 S. 370 u. Töpfpbr Att. 
Geneal. 249. 

»«) Plut. Quaest gr. 46. 

»') »adtlQaiov nvg. Eur. Iph. T. 1216. 
Her. 937. v. Wilamowitz Her." II 208. 

''^) MoHMSBN SäkuläraktenMonum.antich. 
1891 S. 639. 

") Vgl. ScHOEMANK Gr. A.' II 368. 

»«) Z. B. Paus. II 31, 11. 

»*) n. j4 314. 

'•) Paus. V 5, 6; VIII 41, 2. 
Handbuch der klaas. AltertuioBwimeDschaft. Y, 8. 2. Aufl. 



•^) Porph. De abst. II 44. 

»8) Athen. IX p. 410. 

'<>) Schol. Aisch. Cho. 98. Apoll. Rhod. 
III 1037 ff. RoHDB Psyche* II 85, 2. 

**») RoHDB Psyche» II 79, 1. 

«') Aisch. Eum. 430 u. 282. Paus. V 16, 
5. Schol. Apoll. Rhod. IV 704. Bildliche Dar- 
stellung eines Reinigungsopfers bei Schreiber 
Kulturhist. Atlas Taf. XV n. 18. 

"*) Eur. Iph. T. 1223. 

") Plut. Quaest. rem. 68 vgl. 52. Da- 
rbmbbrg-Saglio Dict. I 438 f. Arch. Ztg. 
XIV 215 ff. 

•-»0 Bull, de corr. XIII 163. 

»^) Schol. Apoll. Rhod lll 549. 

«6j Vergl. die delische Inschr. Bull, de 
corr. VI 22 ZI. 180: x^^Q^^ ^^ legoy xaßd- 
gai, die eleusinische Ephem. arch. 1883 S. 1 19 
ZI. 49: x^^Q^*' ^^'^ xa^l^gai to leQ]6[y] u d. 
koische v. Prott Leg. sacr. S 29 B ZI. 4 
(Paton u. Hioks nr. 40): xa^algetai joi^^. 

") S. S. 108, 



10 



146 Die grieohisohen Ealtiisaltertamer. 

Platz, auf dem die Volksversammlung abgehalten werden sollte, vor Be- 
ginn der Verhandlungen besprengt ;i) und das geschah mit jedem Ort, 
wo eine grössere Versammlung stattfinden sollte, weil ein Befleckter da- 
runter sein konnte; 2) wie denn z. B. die Mysterieninschrift von Andania 
bestimmt, dass der Priester rgetg xoiQttxxovg schlachte und damit das Theater, 
das die Festversammlung aufnehmen sollte, reinige.') Namentlich wurden 
auch die Tempel von Zeit zu Zeit gereinigt,*) da auch sie trotz des Ver- 
botes 0) ein Unreiner betreten haben konnte, und, wenn es erforderlich 
schien, die Wohnhäuser.«) Man zündete dann auf dem Altar oder Herd 
Feuer an, trug den Opferkorb mit ovXai\ denen reinigende Kraft zuge- 
schrieben wurde,'') herum, tauchte ein brennendes Scheit in das geweihte 
Wasser und besprengte damit die Anwesenden.^) Polybios^) berichtet uns 
von einer Reinigung, die die Mantineier vornahmen, als sie ihr Land 
durch die Anwesenheit durchreisender Kynaither, die Bürgerblut ver- 
gossen hatten, befleckt wähnten. Nach der Entfernung der Schuldigen 
tragen sie Opfertiere in der ganzen Stadt und auf dem Lande umher, 
offenbar auch in dem Olauben, dass so am sichersten alle Unreinheit sich 
auf diese übertragen und aus dem Lande entfernt werden werde. Tanagra 
soll einst durch Hermes von einer Pest befreit worden sein, indem er 
einen Widder um die Stadt herumtrug, und alljährlich wird diese Prozedur 
von dem schönsten Jünghng wiederholt, i^) Für besonders geeignet zu 
solchen Zwecken gilt das Fell eines dem Zeus Meilichios als Sühnopfer 
geschlachteten Widders, das sog. Jiog xfi)SiovM) Bei den Sühn- und Rei- 
nigungsfesten wurde es in der ganzen Stadt umhergetragen, als sollte es 
in seinen Flocken alles Unreine aufsaugen. 1*) Auch bei Reinigungen ein- 
zelner wird es angewandt. Der Betreffende tritt während des Reinigungs- 
aktes mit dem linken Fuss darauf, i») damit das fiiaa^a, das an ihm haftet, 
in das Fell abgeleitet und von ihm aufgesogen werden könne, wie das 
Wasser und die andern Substanzen, mit denen sein Leib gereinigt wird. 
Berufsmässige Sühnpriester oder Priesterinnen scheinen zu demselben 
Zweck auch Rehfelle benutzt zu haben, was mit Dionysischem Wesen 
zusammenhängen mag.**) Lag keine bestimmte Befleckung vor, sondern 
schloss man nur aus Unsegen, dass der Zorn einer Gottheit auf dem 
Lande lastete, so wurde auch durch Prozessionen und eigens gedichtete 



*) Istros bei Suid. u. nsQUfrittQxos. Ari- ■ ") S. Lobbok Agl. 183 ff. Polemon ed. 

stoph. Ach. 43; Ekkles. 128. Vgl. Gilbert i Pbellbr 139 ff. 
Gr. Staatsaltt. I 274. '^ Der An^dmck. dnodionofÄnet&9ai,, der 



') Harpokr. u. Suid. u. xada^ioy. 

») DlTTBHBBBGBB Syll. 388, 68. 

*) Bull, de corr. VI 22 f. Athen. Mitt. 
XVI 180 ZI. 21. 

*) Antiph. VI 4. 

«) lGA395a. Dittbnbbrobb Syll. 468, 15. 

') Vgl. Od. rf 761 und die Sitte, beim 
Opfer die teilnehmenden Personen und die 
Tiere mit Gerstenkörnern zu bewerfen Ari- 
stoph. Pax 961 f. Schol. Nub. 260. Equ. 1167. 

•) Vgl. Eur. Her. 922 ff. 

») IV 21, 8 f. 

»«} Paus. IX 22, 2. 



für solche Reinigungen stehend ist und viel- 
fach synonym mit xa^teiQeif&M gebraucht 
wird (z. B. Plat. Leg. IX 877 E) wird ur- 
sprünglich auch nichts anderes bedeuten als 
die btthnmittel in Stadt oder Haus herum- 
tragen und dann wegschaffen. Vgl. negi- 
ariaQXos bei den Lexikographen u. xa&aQfjia, 
xada^ioy, Istros bei Phot. TTf^i^^/oi^ra» 
Xoi-Qog>OQovyt€g. 

») Lobbck Agl. 185. 

' ») Demosth. XVIll 259 p. 313. Harpokr. 
u. vepgl^tav. 



8. KnltnBhandluigeii. (§ 88.) 



147 



Sühnlieder Vergebung und Versöhnung gesucht,^) Ceremonien, bei denen 
auch Opfer nicht gefehlt haben werden.') Auch sucht man durch fromme 
Werke dem geftirchteten Zorn der öötter vorzubeugen; nach der Zer- 
störung der Nachbarstadt Plataiai erbauen die Thebaner der Hera einen 
Hekatompedos aus Marmor und benutzen das in der Stadt vorgefundene 
Material zur Herstellung von Klinen, die sie der Göttin weihen.^) 

88. Verunreinigt werden kann man durch mancherlei, und es be- 
darf kaum der Erwähnung, dass der Abergläubische und Ängstliche, 
geradeso wie er in den geringfügigsten Begegnissen ein Omen wittert, 
auch durch manches befleckt zu sein fürchtet, worüber der Verständige 
sich keine Skrupel macht. Aber es gab auch genug Dinge, die allgemein 
als verunreinigend angesehn wurden. Vor allem die Berührung mit 
Toten. Vor das Haus, in dem sich eine Leiche befand, wurde ein Gefäss 
mit Wasser {ä^idviov),*^) das aus einem fremden Hause geholt sein 
musste,^) aufgestellt; wer das Haus betreten hatte, musste sich hier erst 
reinigen, ehe er mit andern zusammenkommen durfte. Am Tage nach 
der Bestattung des Toten mussten nicht nur die Bewohner des Trauer- 
hauses, sondern dieses selbst gereinigt werden. Ehe dies geschehen, 
durften nur die allernächsten Verwandten, die von der Befleckung so wie 
so ergriffen waren {/xiaivofisroi), das Haus betreten, abgesehen vielleicht 
von noch einigen Personen, deren Dienstleistungen unentbehrlich waren. 
Dann mussten sich alle Befleckten durch Waschungen des ganzen Leibes 
reinigen,®) sofern sie nicht noch umständlichere Reinigungen für gut be- 
fanden. 7) Aus lulis auf Eeos haben wir ein Gesetz,^) wonach dort 
ausser der Mutter, Frau, den Töchtern und Schwestern des Verstorbenen 
auch noch einigen wenigen entfernter verwandten Frauen und Mädchen 
der Zutritt gestattet war,^) und ähnlich ist es gewiss überall gewesen.^®) 
Dass nur von Frauen die Rede ist, erklärt sich wohl daraus, dass es 
ihnen oblag, die Leiche zu waschen, kleiden und überhaupt für die Auf- 
bahrung vorzubereiten.^^) Beim Begräbnis folgen beide Geschlechter. 
Die Zeit^ während der man sich als unrein ansah, wird gewiss nicht 
überall von gleicher Dauer gewesen sein. Als das mindeste wird man drei 
Tage annehmen müssen, als Regel vielleicht neun.^>) Starb jemand ev 
irj/ioaifp, so musste der Srjfiog gereinigt werden. * 3) So ist es denn nur 
natürlich, dass in fast allen igriechischen Staaten^^) die Toten ausserhalb 
der Stadt bestattet werden mussten, und wir verstehen, was für eine 



DiBLS Herrn. XXXI 363 ff. 

«) Vgl. schon IL J 472 f. fioXnß tt«- 
axoyro. 

») Thuk. III 68. 

*) Poll. VIII 65. Schol. Aristoph. Ekkl. 
1030. 

^) Uesych. u. ocTgaxoy. 

•) DiTTENBBROEB Syll. 468, 30 f. 

') Vgl. [Plat.] Min. 3I5D. Schol. Ari- 
stoph. Vesp. 289. 

') DiTTENBBBOER Syll. 468. 

«) Vgl. DiTTENBBROBB SylJ. S. 655 A. 15. 

1») S. Schol. Aristoph. Nuh. 838, das Ge- 



setz des Solon [Demosth.] XLIII 62 p. 1071 
und die Inschrift aas Gambreion in Mysien 
DiTTEKBBBQBB Syll. 470, 13 ff. Letztere be- 
stimmt, dass Zuwiderhandelnde zehn Jahre 
lang von allen Opfern auszuschliessen seien. 
Vgl. RoHDB Psyche* 1 221, 1. Iw. v. Müller 
Hdb.» IV 2, 218 ff. 

") Isai. VI 41; VIII 22. Fiat. Phai- 
don 63. 

•=') DlTTBNBBBGBR Syll. 379, 6. 

»») [Demosth.] XLIII 57 f. p. 1069. 

*^) Ober Ausnahmen s. Iw. v. Müller 
a. a. 0. 

10* 



148 



Die grieohisohen Knltasaltertttiner. 



Ehre es war, wenn der Gründer einer Stadt oder sonst ein hoch verdienter 
Mann auf der Agora begraben wurde. In besonders heiligen und auf 
ihre Reinheit mehr als andere haltenden Orten durfte überhaupt keine 
Leiche begraben werden. Bekannt ist die wiederholte Säuberung der 
Insel Dolos von allen Gräbern und Gebeinen,') von der denn auch ebenso 
wie aus dem Asklepiosheiligtum zu Epidauros alle dem Tode nahen Per- 
sonen fortgeschafft werden mussten.»} Wie der Tod galt auch. die Ge- 
burt für verunreinigend.*) Die Wöchnerin, das neugeborne Kind und 
alle Personen, die bei der Geburt irgendwie beschäftigt gewesen waren, 
bedurften der Reinigung, die bei den Letztgenannten sogleich, beim Kinde 
nicht später als am zehnten Tage nach der Geburt,*) bei der Wöchnerin 
am vierzigsten Tage nach der Entbindung vorgenommen wurde. ^) Aus 
dem Asklepiosheiligtum in Epidauros und aus Dolos wurden Frauen, die 
ihrer Niederkunft in Bälde entgegensahen, geradeso wie die Sterbenden 
entfernt.^) — Auch Beischlaf ward als verunreinigend angesehn,^) 
wenigstens durfte man sich einem Heiligtum nicht ohne vorhergegangene 
Reinigung nahen. Natürlich waren die Vorschriften, die dafür in den 
einzelnen Tempeln bestanden, verschieden,^) und ihre Handhabung war 
wohl auch öfters in das Ermessen der Priester gestellt.^) So begleiteten 
Reinigungen das ganze Leben des Menschen. ^^) Natürlich hing es in 
diesen Dingen mehr als irgendwo anders von der Ansicht und dem Gefühl 
des einzelnen ab, ob und wodurch er sich eine Verunreinigung zuzuziehen 
glaubte ;^i) am bedenklichsten blieb immer die Berührung mit einem Mörder 
oder einer Leiche. Auf den Vorschlag Xenophons und den Rat der Seher 
wird eine Entsühnung {xa&aQfiog) des Heeres veranstaltet, als eine Ab» 
teilung von Soldaten eine Niederlassung Befreundeter überfallen und nach- 
her sogar ihre Gesandten getötet hatte. ^') Plutarch^^) erzählt, dass die 
Athener in einer Volk Versammlung eine zweite Reinigung vornahmen, 
weil während der Sitzung die Nachricht eintraf, dass in Argos in einem 
Bürgerzwist 1500 Männer erschlagen worden seien. So glaubte man sich 
also schon durch das blosse Anhören der Schreckensthat verunreinigt. 
Ein attisches Gesetz^*) aber bestimmte, dass, wer einen Toten berührte, 
sich zehn Tage lag als verunreinigt anzusehn habe, ein Zeitraum, der 
schon auf kürzere Frist, als sonst Regel war, beschränkt zu sein scheint. **) 
Allgemein war die Sitte, sich vor der Hochzeit einer religiösen Reinigung 



») Thuk. V 11. Flut. Arat. 53. Rohdb 
Psjche' I 159, 1. 229. 11340. Dümmlek Del- 
phica, Baseler Universitätsprogr. 1 894 S. *Ab f. 

'') Thuk. III 104. Herod. I 64. Diod. 
XII 58. Sonstige Reinigungen der heiligen 
Insel durch Schweineopfer Reclmungsurkunde 
V. J. 250 ZI. 54 f. Bull, de corr. VI 22 f. 

») Paus. II 27, 1. 

*) Eur. Iph. T. 382 f. Zu heidem vgl. 
auch das Märchen des Sophron im Schol. zu 
Theokr. II 12. Pbeller-Robebt Gr. M. I 324 
A. 4. 

*) Suid. u. tt/Ä<pi&g6fjncc. 

^) Censorin. De die nat. c. 11, 7 p. 28 
Jahn. 



') Vgl. schon Hes. Erg. 732 f. Inschr. 
y. Eos y. Pbott Leg. sacr. 8. 20 ZI. 43 
(Paton u. Hicks nr. 37) Pergam. Inschr. 
VIII 2 nr. 255. Diog. Laert. VIII 1, 35. 
Hesych. u. dyyeveiy und üher Ehebrecherin- 
nen [Demosth.] LIX 87 p. 1374. 

») Vgl. DiTTBKBEROEB Syll. 379. 
») Vgl. Diog. Laert. VIII 43. 
'0) RoHDB Psyche^ II 71 flf. 
'») Vgl. Theophr. Char. 16. Arrian. De 
yenat. 32. Eur. Her. 1400. 
»0 Xen. Anab. V 7, 35. 
»») Praec. ger. reip. XVII p. 814B. 

»*) DlTTBNBEBGEB Syll. 379. 

«) Vgl. Iw. y. Müller Hdb. IV« 218. 



8. Ettltushandlangen. (§ 89—90.) 149 

zu unterziehn. Durch Bäder*) und Sühnopfer^) bereitete man sich auf 
das neue Leben vor.') Ebenso ging der Weihe der Mysten eine Rei- 
nigung voran, die mit der vor der Vermählung üblichen in ganz auf- 
fallender Weise übereinstimmt.*) 

89. Wenn wir nun fragen, an welche Gottheiten sich die Befleckten 
vorzugsweise wandten, so ist dabei erstens zu erwägen, dass die meisten 
Reinigungen, wie wir gesehn haben, in einfachen, im Hause vorgenom- 
menen Waschungen bestanden, bei denen man überhaupt keinen Gott an- 
rief, und zweitens, dass es sich in vielen Fällen, wo eine Sühnung für 
notwendig gehalten wurde, um ein Vergehn gegen eine bestimmte Gott- 
heit handelte, deren Gnade und Verzeihung man dann eben auch erflehen 
musste. Es kommen also hier nur die Fälle in Betracht, wo die Gott- 
heit überhaupt durch einen Frevel beleidigt ist, wo der Mensch im Ge- 
fühl seiner Sündhaftigkeit, die ihn von Opfern, Festen, ja der Gemein- 
schaft der Mitmenschen ausschliesst,^) die Erlaubnis der Annäherung, die 
Fähigkeit mit Göttern und Menschen zu verkehren, wiederzugewinnen 
versucht. Dieser machen ihn nicht etwa böse Gedanken, heimlicher 
Zweifel an der Gottheit, innerer Zerfall und Abkehr von dem, was den 
andern heilig ist, unwert und verlustig, sondern eine frevelhafte That, wie 
der Mord eine ist. Und da wendet er sich dann allerdings an bestimmte 
Götter, vor allem an Zeus {ficih'xiog, xa&aQtnog, äXs^ixaxog, anoxQonai^oq 
u. s. w.)^) und an ApoUon, dessen Orakel in Delphoi in schwierigen 
Fällen wohl stets zu Rate gezogen wurde, 7) Abergläubische, namentlich 
Weiber, die auch wegen anderer Verunreinigung die Hilfe von Winkel- 
priestern und weisen Frauen {iyxvTQ(axQiaiY) in Anspruch nahmen, auch 
an Hekate.^) Man brachte ihr Hundeopfer ^<^) und vergrub auch wohl die 
xax^ccQfiaTa an den ihr heiligen Kreuzungspunkten der Wege.**) 

90. Dem homerischen Zeitalter ist der Gedanke, dass der Mensch, 
der den Gott erzürnt hat, einer Sühne bedürfe, ebenso fremd wie die Sitte, 
einen Mörder zu reinigen, oder der Glaube, durch die Berührung einer 
Leiche sich zu beflecken. Die Begriffe „sündhaft"", „fluchbeladen'', „Busse'* 
sind überhaupt noch unbekannt. Fürchtet man ein göttliches Strafgericht, 
so bringt man dem Gott Opfer und Weihgeschenke, mit denen man ihn 
erfreuen und günstig stimmen will. Ja auch später, als Reinigungen und 
Sühnungen eine so grosse Bedeutung gewonnen haben, ist von der Vor- 
aussetzung oder Notwendigkeit einer Reue und sittlichen Umkehr des 



') Fiat. Erat. 405 A. Iw. v. Müllbb 
Hdb. IV« 148. 

*) Aisch. Enm. 835 n. Sohol. 

») [Flut.] Prov. Alex. i6. Vgl. De- 



125 f. 

•) RoHDB Psyche^ I 273, 1. 

') Vgl. z. B. Laert. Diog. I 110. Rohdb 
Psyche» I 274 f. 



rnosth. XVIIl 259 f. p. 313. I <») [Plat.] Min. 315. Schol. Aristoph. 

♦) Demosth. XVIil 259 p._313. Zenob. j Vesp. 289. Etym. M. 313. Paus. III 17, 8. 



in 98. LoBBCK Aglaoph. 646 ff. Lovatblli 
Bull, della com. arcbeol. com. 1879 S. 10 f. 
u. besonders Dibls Sib. Bl. 48 f. Auch ein 
Schweineopfer Neuvermählter bezeugt für die 
nnteritalischen Griechen Varro De re rnst. II 
4, 9. Vgl. FbXkkbl Athen. Mitt. 1897 S. 440 ff. 
») Eur. Her. 1282 ff, 1219. Antiph. 
Tetral. I 1, 10. L. Sobhibt Ethik der 6r. I 



') Da dies mehr die Mythologie als den 
Kultus angeht, verweise ich hier nur kurz 
auf Prblleb-Robbbt Oriech. Myth. I 143 ff. 
u. 286 ff. Roschbb Mythol. Lex. S. 1894 f. 
Rohdb Psyche* I 274 f. 

»0) Stbkgbl Jahrb. f. Phil. 1883 S. 871. 

^1) Enstath. zur Od. x ^81. Uarpokr. u. 
o^v&vfjiut, Poll. V 163. 



150 l>i6 grieohisohen Enltiuiftltertttmer. 

Schuldigen nie die Rede, das richtig ausgeführte Ceremoniell der Lustra- 
tionsgebräuche genügt, ihm die Reinheit wiederzugeben. Erfunden sind 
diese im eigentlichen Griechenland kaum; andere Völker hatten sie früher 
ausgebildet und bei ihnen werden die Griechen sie kennen gelernt haben. 
Herodot (I 35) bemerkt bei der Schilderung der Reinigung, die Kroisos 
mit dem Mörder Adrastos vornimmt, gelegentlich, dass die Lyder dabei 
ganz ebenso verführen wie die Hellenen. Man hat daraus den Schluss 
gezogen, die Griechen hätten die Mordsühne von den Lydem entlehnt, i) 
und unmöglich wäre dies ja nicht. Näher liegt es jedoch, an Kreta zu 
denken, wo diese Gebräuche sehr alt waren, und dessen Sühnpriester noch 
in viel späterer Zeit besonderes Ansehn genossen. 2) 

91. Die grösste Rolle spielen die Reinigungen in der Sekte der 
Orphiker.*) Hier erscheinen sie als berufsmässig betriebene Kunst 
und ausgebildete Doktrin. Bei Empedokles liegt die neue Lehre in den 
Grundzügen fertig vor; über das 6. Jahrhundert hinaus führen keine 
Spuren. Ihre Anhänger führten sie auf den thrakischen Orpheus zurück, 
und nach diesem ihrem Stifter nannte sich die Gemeinde. Eine Menge 
heiliger Bücher, die ausser den Regeln für das rechte orphische Leben 
auch Vorschriften über die Behandlung der Leichen und Lehren von dem 
Zustand der Seele nach dem Tode und den Strafen im Hades enthielten, 
kursierte unter seinem Namen. Daneben existierten andere, deren alte 
Verfasser die Legende ebenfaUs zu nennen wusste. So galt die Melam- 
podie,^) die ausser dem Leben des Melampus auch die Thaten des Teiresias, 
Kalchas, Amphiaraos und anderer mythischer Seher und Sühnpriester^) 
schilderte, für hesiodisch. Uns geben die in Gräbern bei Sybaris auf 
Goldtäfelchen gefundenen Inschriften aus dem 4. Jahrhundert^) von dem 
Glauben und den Jenseitshoffnungen der Sekte ein zwar nicht vollständiges, 
doch lebendiges Bild. 

Es war alter Glaube, dass Schuld und Fluch der Väter weiter erben, 
aber von einer Erbsünde, die alle belastet, weiss man vordem nichts. 
Jetzt heisst es, der Mensch sei sündhaft von Anbeginn und von Natur, 
eine einmalige Reinigung aber könne nichts helfen, wo keine einmalige 
Verschuldung oder Verfehlung vorliege; dauernde Reinigung, Busse, As- 
kese, religiöse Weihungen seien notwendig. 7) Nach dem Tode müsse 
die unsterbliche Seele sich in einen neuen Leib einschliessen lassen, und 
so immer wieder, bis sie endlich dem »Rad der Geburten**) entflohen, in 
den wiederholten Leben alles Unreinen ledig geworden, wieder göttlich 



>) Z. B. Gbotb Griech. Gesch. übers, v. I Ebbn De Orphei Epimenidis Pherecydis theo- 
Meissnbe I 21. I goniis qnaest. crit.. Berlin 1888. Gompbbz 

*) Vgl. Bebnays Theophr.igO. Rohdb ; Griech. Denker 1 100 ff. 

*) Vgl. EcKBBMANir Melampns nnd sein 



Psyche» I 272, 1 n. II 96. Töpffbb Atfc. 
Geneal. 167 u. 259. 

*) Rohdb Psyche^ II 103 ff. Dibtbbich 
Nekyia. Lobeok Agl. 235 ff. Naegblsbacb 
Nachhom. Theol. 402 ff. Gibsekb Rhein. Mns. 
n. F. VIII 70 ff. 0. Gbuppe Kulte n. Mythen 
I 632 ff. u. Flbcxbisbks Jahrb. Suppl. XVK 
1890 S. 649 ff. Maabs Orpheus. Rohjde 
Orpheus, Heidelb. Jahrb. 1896 S. 1 ff. 0. 



Geschlecht 14 ff. 

*) Vgl. Herod. II 49. Paus. VÜI 18, 3; 
V 5 5 

'«) IG Sic. et It. 638, 641 ff. 

') Plat. Kratyl. p. 400. Demosth. XVIII 
259 f. p. 313. Vgl.LoBBCK Agl. 565 ff., 795 ff., 
808 ff. 

8} Rohdb Psyche' II 123. 



8. KnltiiBhaiidlangen. (§ 91.) 



151 



zum Gott wird, wie sie es vor dem ersten Eingehn in einen Menschen- 
leib gewesen ist. Die Mittel aber, die Reinheit allmählich, sicherer und 
schneller zu erlangen, lehre die orphische Theologie. Nicht der Glaube 
allein macht selig, auch Reinigungen und Weihen reichen noch nicht aus, 
es wird den Bekennern asketische Lebensführung zur Pflicht gemacht. 
Aber wenn auch die Abkehr und Loslösung vom Irdischen als Zweck und 
Ziel orphischen Lebens bezeichnet wird, so versteht man darunter doch nicht 
ein dem Leben Absterben, eine Ertötung des Leibes: die schwerste Ent- 
haltung, die die Askese fordert, ist die der Fleischnahrung, i) Die Lehre 
fand namentlich in Unteritalien früh Verbreitung, und die Pythagoreer 
sind stark von ihr beeinflusst. Auch sie lehrten Seelenwanderung und 
verwarfen die Fleischnahrung;*) konnte die Seele des Hingeschiedenen 
doch auch in einen Tierleib fahren.*) Aber auch bei Piaton*) und bei 
späteren Moralphilosophen ^) klingt die eine oder andere Seite orphischer 
Lehre vernehmlich wider. Trotzdem darf man behaupten, dass die Lehre 
in die Volksreligion nie tief eingedi*ungen ist, ihr blieb der Götter und 
Menschen Geschlecht geschieden und unvereinbar.*) Erst in den matten 
Jahrhunderten des Verfalls, wo mit dem Schwinden des raschen, un- 
gestümen Pulsierens der Lebenskraft und heiterer Daseinsfreudigkeit auch 
der Mangel an Selbstvertrauen und Selbstsicherheit eintrat, war ihr der 
Boden bereitet, und es ist kein Zufall, dass die christliche Kirche, die 
namentlich anfangs mehr im Jenseits als im Pilgerthal der Erde lebte, 
vieles aus ihr übernahm. — Wie im Sektenwesen immer, fehlte es auch 
hier nicht an Fanatikern und Ausartungen,^) so dass sich bisweilen selbst 
der Staat veranlasst sah, gegen Missbräuche einzuschreiten.^) 

Allerdings muss man einen unterschied machen zwischen jenen Or- 
phikem, die eine Gemeinde bildeten und darin aufnahmen, wer eintreten 
und sich den Satzungen fügen wollte, und den sog. Orpheotelesten®) und 
Metragyrten,*^') die vorgaben, durch allerhand Beschwörungen und Zauber- 
werk Krankheiten heilen und die Götter dem Bittenden willfährig machen 
zu können, '0 ^^^ Treiben, das nur den rohesten Aberglauben ansprach. 
Mit den Mysterien, zu deren Betrachtung wir uns jetzt wenden, hat die 
orphische Theologie wenig gemein; nur insofern, darf man vielleicht 
sagen, bilden die Mysterien eine Art Mittelglied zwischen dem Glauben, 
der Reinigung nur für eine bestimmte Befleckung verlangte, und den Or- 
phikern, die sie unausgesetzt verlangten, als sie eine wiederholte Rei- 
nigung im Leben, auch ohne dass man eine Schuld auf sich geladen hatte, 
forderten. 



') Plat. Leg. VI 782 C. Eur. Hipp. 951. 

«) lamblich. V. F. 85. Rohdb Psyche' 
II 164, 1. 

') Rohdb Psyche' II 162, 180. 

*) Vgl. namentl. Rep. X 508 ff. 617 ff. 

») Vgl. Bbbnays Theophr. üb. d. Fröm- 
migkeit 118 ff. 

«) RoHDE Berl. Phil. Wochenschr. 1896 
8. 1386. 

^) Vgl. Demosth. XVIII 259 f. p. 313. 



Plat. Rep. 364 D f. 

») [DemosthJ XXV 80 p. 794. Schol. 
zu Demosth. XIX 280 p. 431. Sohobmanv 



Opusc. II 430. 

•) Theophr. Char. 
'^) LOBBOK Agl. 

Saolio Dict. I 169 f. 
»•) Plat. Rep. II 
Nekyia 81 f. 



16. 
642 ff. 



DABBXBBBe- 



364 D f. DiBTBBICB 



152 



Die grieohisohen KnltiiBaltertlliner. 



g. Mysterien und andere geschlossene Vereinigrungen. 

Eleusinische Mysterien. 

Litteratnr: Ste-Gboix Reoherches sur les m^störes du paganisme, 2 ed. von Sil- 
VBSTBE DK Sact Paiis 1^17. Lobeck Aglaophamos aive de theologiae raysticae Graecorum 
causis, Königsberg 1829 S. 1 ff. Otfb. Müllbb Allg. Encyklopädie I 33 S. 287 ff. Pbellbb 
in Paült's Realencykl. III S. 82 ff. und V S. 312 ff. mit aasführlichen Litteratiirangaben. 
Gbbhabd Akad. Abnandlgg. II, Berlin 1868 S. 436 ff. Che. Petebsbn Der geheime Gottes- 
dienst bei d. Griechen, Hambarg 1848. A. Mommsen Heortologie 222 ff. Hebmamn Gottesd. 
Altt.* § 32. SoHOEMANN Gr. Altt." II 377 ff. Naegelsbaoh Nachhom. Theologie S 387 ff. £. 
CuBTiüs Athen und Eleusis in d. Dts. Rundschan 39 (1884) S. 200 ff. Sauppe Attica und 
Eleusinia, Progr. v. GOttingen 1880/81. Lbhbs Popul. Aufs.* 315 ff. von Wilamowitz Ey- 
dathen 129 ff., Homer. Untersuchungen 207 ff., Dittenbebgeb Ober die Eleusinischen Ke- 
ryken, Herrn. XX 1 ff. Auo. Nebe De mysteriorum Eleusiniorum tempore et administra- 
tione publica, Dissert. Halle 1886. HOttbmann Jahrb. f. Phil. II Abi 1881 Bd. 134 S. 457 ff. 
u. f>64 ff. J. TöPFFBB Atti.sche Genealogie Berlin 1889 S. 24 ff. Aber den Eleusin. Priester- 
adel; Beiträge zur griech. Altertumswiss. Berlin 1897 S. 332 ff. C. Stbube Bilderkreis aus 
Eleusis. Baumbisteb Denkmäler u. Eleusinia S. 470 ff. Rohdb Psyche* I 279 ff. Chantepie 
DE LA Saussate Religionsgosch. II 140 ff. Rübbnsohv Die Mysterienheiligtümer in Eleusis 
und Samothrake Berlin 1892 (mit besonderer Berücksichtigung der heiligen Gebäude). Dis- 
TBBioH Nekyia 1894 S. 68 ff. Foüoabt Bull, de corr. IV 233 ff. Aiyrich Das antike My- 
sterienwesen in seinem Einfluss auf das Christentum 1894. Wobbbbmin Religionsgescb. 
Studien (Beeinflussung des Urchristentums durch das antike Mysterienwesen) Berlin 1897. 
Foucabt Recherches sur Torigine et la nature des Mystäres, Paris 1895 (die Mysterien 
stammten aus Ägypten). L. Bloch Gemeinverstdl. Vortr. ed. Vibcbow-Wattenbaoh N. F. 
Ser. 11 Heft 257. Philios Eleusis, ses mystäres, ses ruines et son mus^e Athen 1896. 
Mehr bei Gbuppe Hdb. V 2, 48. 

92. Es ist schon die Rede davon gewesen (S. 27), dass es Heilig- 
tümer gab, zu denen nicht jedermann der Zutritt freistand, und ebenso 
ist erwähnt worden, dass es Gentilkulte unter Aufsicht eines Familien- 
mitgliedes gab, an denen nur die Angehörigen des Geschlechts teil hatten. 
Was jene anbetrifft, so kann da von einem geschlossenen und ausschlies- 
senden Gottesdienst gar keine Rede sein, es handelte sich lediglich um 
rituelle Bestimmungen, die nur für das eine Heiligtum galten, und die 
Männer oder die Frauen, die es allein zu bestimmter Zeit betreten durften, 
waren nichts weniger als eine Gemeinde Auserwählter; aber auch die 
Glieder eines Geschlechtes, das seinen besondern Kult hatte, machten 
hierauf keinen Anspruch. Apollon Patroos und Zeus Herkeios wurden 
als Schutzgötter jedes Geschlechtsverbandes verehrt;*) wenn eine Familie 
einen besondern Kult vorzugsweise pflegte, so geschah dies aus Pietät 
gegen die Überlieferung der Ahnen, und that sie sich auf den ihr allein 
gehörenden Gottesdienst vielleicht etwas zu gute und erwartete von seinem 
Besitz und seiner Übung einen Segen, dessen die andern unteilhaftig 
bleiben mussten, so war doch das Charakteristische für eine religiöse Ge- 
meinschaft: der Wunsch, sich Anerkennung, Anhang und Ausbreitung zu 
verschaffen, ausgeschlossen; damit wäre ja auch das Wesen eines solchen 
Kultes aufgehoben worden. Diese Geschlechterkulte waren sehr verbreitet 
und ausgebildet; es fanden Versammlungen der Mitglieder statt, und ihre 
Beschlüsse hatten bindende Kraft wie ein Gesetz;^) ja an manchen Orten 
hatten Geschlechtsverbände gewissermassen eine staatsrechtliche Stellung; 



M Aristot. Athen. Pol. 21. CIA HI 1276. 
Greek inscr. in the Brit Mus. 17 1 n. 896. 
Lobeck Agl. 271 ff. 



«) Aristot Ath. Pol. 55. 

8) CIA II 597. Vgl. Andok. I 127. 



8. Knltiishaiidlimgen. (§ 92.) 



158 



sie ernannten nicht nur Beamte, sondern gaben sich eine Art Verfassung 
und erliessen Dekrete, wie sie sonst wohl der Staat erlässt. Das merk- 
würdigste Beispiel bietet die Organisation der Phratrie der Labyaden in 
Delphoi, die eine umfangreiche Inschrift uns erst kürzlich kennen gelehrt 
hat.*) Hier finden wir nicht nur Geldstrafen wegen Ungehorsams, Be- 
drohung mit Ausschluss aus der Phratrie (S. 9B ZI. 48), Vereidigung der 
Beamten (8B ZI. 3 ff.), Opferordnungen, sondern auch Bestimmungen über 
Aufwand und das Riagewesen bei Begräbnissen (S. IOC ZI. 19 ff.). Eine 
ähnliche Stellung und Verfassung müssen einmal die alten eleusinischen 
Priestergeschlechter gehabt haben, nur dass sie noch vornehmer und ein- 
flussreicher, dass sie die Herrschenden waren, wie bis zum 7. und 6. Jahr- 
hundert die Adelsgeschlechter überall. Denn man darf sagen, Eleusis war 
ein Priesterstaat. >) Wie der Name des Ortes selbst ein religiöser zu 
sein scheint,^) so haben die Bewohner das religiöse Element und die Zu- 
sammengehörigkeit, die auf der Gemeinsamkeit des Kultes und des Glau- 
bens beruhte, mehr betont als das politische, und die Religion musste, 
wie sie eine andere Stellung im öffentlichen Leben hatte, sich auch inner- 
lich anders entwickeln. Hier allein darf man von einem Dogma sprechen, 
von dem sonst die Religion der Griechen nichts weiss, allerdings keinem, 
dessen vorgeschriebene Bekenntnisform die Kirche forderte, aber doch 
einem, dessen Anerkennung bei den Zugehörigen vorausgesetzt wurde. 

Aus diesem ursprünglich streng abgeschlossenen Geschlechtskult 
haben sich die Eleusinischen Mysterien entwickelt,^) die die bei 
weitem bedeutendsten von aUen Mysterien waren^) und noch nach tausend- 
jährigem Bestehen den Griechen „das Menschengeschlecht zusammenzu- 
halten'* schienen.*) 

Demeter, erzählt der aus dem 7. Jahrhundert stammende Hymnos 
(473 ff.), habe den Fürsten von Eleusis die Anweisung über die einzu- 
richtenden Geremonien (iQTjiX/ÄOtfvvrjv legtov) gegeben und allen die oQyia 
gezeigt. »Selig der Mensch', heisst es dann weiter (480 ff.), „der diese 
heiligen Handlungen geschaut hat; wer aber uneingeweiht ist und unteil- 
haftig der heiligen Begehungen, der wird nicht gleiches Los haben nach 
seinem Tode, im dumpfigen Dunkel des Hades', ^) und V. 486 ff.: „Hoch- 
beglückt, wen der erdbewohnenden Menschen jene Göttinnen geneigten 
Sinnes lieb haben. Alsbald schicken sie ihm zum Herdgenossen {sfpätytiov) 
in das grosse Haus den Reichtum, der den sterblichen Menschen Fülle 
gewährt.''») 

Aber in derselben Zeit, da ein begeisterter Dichter so sang, unter- 
lag nach langen Kämpfen der Staat von Eleusis und wurde vom atheni- 
schen' annektiert. Der Staat der Krieger und der Staat der Priester war 
nun eins geworden, wie sollten die vielfach ungleichartigen Elemente ver- 



Bull, de corr. XIX 1 ff. Ebil Herrn. 
XXXI 508 ff. BoHDB Psyche* I 224, 4. 

*) V. WiL AHOwrrz Ey dathen 1 81 . TGpffeb 
Beiträge 887. 

») V. WiLAJiowiTz a. a. 0. 130 A. 50. 
Gruppe Hdb. V 2, 48. 



840. 



*) RoHDE Psyche» 1 281 f. Töpppbb Beitr. 

6) Paus. X 31, 8. 
•) Zosim. IV 3. 

7) Übers, v. Rohm Psyche« I 281. 

«) Obers. V. Lbhbb Pop. Aufe.« S. 318 f. 



154 I^i® grieohisohen Enltiuftltertlkmer. 

schmolzen werden? Athen übernahm, wie es den Boden erobert hatte, 
auch den Kultus des unterworfenen Stammes. Der eleusinischen Demeter 
wurde ein 'EXtvahicv mit umfassendem Tt^evog gegründet vno ttoA«*,*) ob- 
gleich Demeter in der Stadt ihren Kultus schon hatte. Zu eigentümlich 
war diese Demeter und ihr Dienst bereits ausgestaltet, nur eine Stiftung, 
die recht eigentlich Filiale war,^) konnte den Anforderungen der Göttin 
und der Ihrigen genügen, und sollte Eleusis im Staate aufgehn, musste 
man ihnen auch in Athen gerecht werden. Peisistratos wird wie andere 
so auch den eleusinischen Demeterdienst zum Staatskult gemacht haben, s) 
Und wie der Sieger entgegenkam, so verschloss sich auch der alte Kult 
Neuerungen und Erweiterungen nicht. Das Wesen blieb: die Verehrung 
der chthonischen Gottheit, aber Verkörperungen dieses Wesens, neue gött- 
liche Persönlichkeiten, lakchos, Triptolemos, Eubuleus treten zu den alten 
Göttinnen, die der Hymnos feiert, hinzu, und namentlich lakchos, der in 
Athen blieb und nur zum jährlichen Feste sich für einige Tage nach 
Eleusis begab, spielte bald eine hervorragende Rolle.*) Und wie man 
den Kultus schonte und ehrte, so auch seine stolzen Träger. Die Priester- 
schaft ward die vornehmste des ganzen Staats und die Eumolpiden das 
erste Adelsgeschlecht ;^) Eleusis blieb der Schauplatz des heiligen Festes 
und behielt seine gesonderte Verwaltung, als im Jahr 434 die Tempel- 
schätze aller übrigen Heiligtümer den tafn'ai twv aXX<ov x^ewv auf der 
Burg überwiesen wurden.^) Ohne Zweifel ist dadurch, dass der Staat 
die Mysterien, man möchte sagen, übernahm, ihr Ansehn und ihre Ver- 
breitung wesentlich gefördert worden, aber abhängig wurden sie nun doch 
von der Macht, die sie mit ihrer Autorität deckte und durch ihre Sub- 
vention erhielt; der Staat hatte die Kirche unterworfen. Und je weiter 
sie ihren Einfluss ausdehnte, desto mehr Ehre und dankbare Anerkennung 
fand der Staat, der sie pflegte, bei allen, die der Segnungen dieser Reli- 
gion teilhaftig wurden. Denn wie die Mysterien einerseits immer einen 
ausschliessenden Charakter behielten, indem nur die Bürger Athens, die 
sich einweihen Hessen, an ihnen teilhatten, so nahmen sie andrerseits 
einen internationalen an, da jeder Hellene sich unter die Mysten auf- 
nehmen lassen konnte. 

Der Name fivcTtjgia'^) findet sich zuerst bei Herodot (H 51), und 
zwar für den samothrakischen Gottesdienst, aber Weihen (tskstat) und 
heilige Handlungen {oQyia) kennt bereits der Demeterhyranos, und sie 
machen ja das Wesen der Mysterien aus. Reiche Entfaltung und grosse 
Bedeutung scheint der Gottesdienst erst im 5. Jahrh. gefunden zu haben. 
Die Zeit war günstig dazu;^) Schaffensfreudigkeit und Thatendrang war 



*) V. WiLAMowiTz Eydatben 128. l ') /Ävattjgnt bezeichnet die Gegenstände 

^) CIA I 1. Kydathen 128. des Geneimdienstes gleich td fÄvaii-xd oder 

') V. WiLAHOwiTZ Hom. Unt. 209 f. dnoQQfjra und zweitens die rituellen Hand- 

TOpffeb Beitr. 338. lungen des Gottesdienstes (Lobbck Agl. 55 f.). 

*) RoHDB Psyche«! 283 f. TöPFPERßeitr. *) Vgl. v. Wilamowitz Hom. Unters. 

341. 215 ff.; auch Lübbebt De Pindaro theologiae 

^) TöPFFEB Att. Gen. 45. orphicae censore, Lektionsverzeichnis ▼. Bonn 

•) CIA I 82. SwoBODA Wien. Stud. 1888 1888/89 Anf. 

S. 279. 



8. Koltiuhandlimgen. ($ 92.) 155 

erstorben, man war über die Vergangenheit hinaus und hatte vielfach 
mit ihr gebrochen, war unbefriedigt von der Gegenwart und bangte vor 
der Zukunft, da am östlichen Himmel sich immer drohender die Wolken 
ballten, und der Sturz auch des alten Hellas durch die unwiderstehliche 
Persermacht nur eine Frage der Zeit schien. In dieser dumpfen, drücken- 
den Schwüle hörte man gern auf Stimmen, die von Hoffnungen auf ein 
besseres Jenseits sprachen, die die Gläubigen der Unsterblichkeit ver- 
sicherten und eines schöneren Daseins nach dem Tode. Wohl mochte 
sich mancher geistvolle Mann abwenden auch von diesen neuen Lehren, 
verachtend und verzweifelnd, wie mancher dem Vaterland, das er aufgab, 
den Rücken wandte, aber die Frommen, die geistlich Armen und Bedürf- 
tigen lauschten doch den neuen Propheten, welche begeistert verkündeten, 
wo und wie man die Erlösung finden könnte. Vorbereitet war die Stim- 
mung lange. Die Sonne Homers hatte ihren Glanz verloren, die Welt, 
auf die sie strahlte, war überwunden und versunken. Ihr war der Tod 
der Übel grösstes; auch dem von den härtesten Schicksalsschlägen ge- 
troffenen Greise ist er keine Erlösung, er fürchtet ihn wie nichts andres, 
denn nur mit ihm hört die Hoffnung auf. » Lieber ein Knecht sein oben 
im Licht, als ein Herrscher über Schatten.** Ob Sein oder Nichtsein das 
Bessere sei, wer hätte damals verstanden, wie eine solche Frage aufge- 
worfen werden könnte? Jetzt lebt sie bang in manchem Herzen. Er- 
greifender fast noch als die Klage des Sophokleischen Chors (Oid. Kol. 
1224 ff.) klingt es bei Bakchylides (V 160 f.) aus Herakles Munde: „Nie- 
mals geboren zu werden, das Sonnenlicht nie zu schauen, ist der Sterb- 
lichen höchstes Glück**; „0 Tod, Erlöser, gehe nicht an mir vorüber, du 
bist der einzige Arzt für Übel, die sonst niemand heilt, den Toten trifft 
kein Schmerz", wird bei Aischylos gebetet (Frgm. 271 Herm.); die Er- 
bauer des delphischen Tempels hören aus dem Munde des Gottes: das 
grösste Glück ist ein früher Tod,') und als die Mutter im Tempel zu 
Argos für ihre frommen Söhne das Schönste und Beste erbittet, was 
Menschen werden könne, sendet die Göttin ihnen einen Schlaf, aus dem 
sie nicht mehr erwachen (Herod. I 31). Die Orphiker hatten vergebens 
gegen die heraufziehenden Schatten gestritten, ja es war die Atmosphäre, < 
die eigentlich die Bedingung ihres Wirkens und Daseins war: brachten 
sie Licht und Befreiung, so zerstörten sie sich selbst. Auch für die Zeit 
des Werdens der Mysterien waren diese Strömungen günstig und viel- 
leicht notwendig, notwendig nicht mehr für ihre Zukunft; sie lebten und 
wirkten fort, wie neue Religionen fortleben, auch wenn die Wehen, die 
ihre Geburt förderten, längst überwunden und vergessen sind. 

Herodot (VIH 65) erzählt, dass sich vor der Schlacht von Salamis 
bei Eleusis eine Staubwolke erhoben habe, „wie von 30000 Menschen**, 
aus der es geklungen habe, wie der lakchosruf der Mysten. Es ist dar- 
nach wahrscheinlich, dass schon zu der Zeit, als diese Geschichte erzählt 
wurde, also doch vermutlich bald nach 480, die Zahl der in die eleu- 



>) Vgl. V. WiiAMOWiTz Hom. ünt. 217. 

*) Plnt. Cons. ad Apoll. 14. Find. Frgm. 3 BueK^ 



156 I^i^ grieohischon KiiltiiBaltertttmer. 

sinischen Mysterien Eingeweihten etwa 80000 betragen habe. Es brau- 
chen dies nicht bloss Athener gewesen zu sein, Herodot sagt ausdrück- 
lich: jeder Hellene, der es wünscht, lässt sich einweihen,^) und ob in 
noch früherer Zeit die Erwerbung des athenischen Bürgerrechts Vor- 
bedingung war, ist auch nicht ausgemacht. 2) Freilich wird die Zahl 
der fremden Teilnehmer zu jener Zeit noch sehr gering gewesen sein, 
denn wenn die Mysterien damals schon die Bedeutung gehabt hätten, 
wie etwa zur Zeit des peloponnesischen Krieges, wäre es undenkbar, 
dass der Spartaner Demaratos von ihnen so gut wie gar nichts wusste.") 
Wir sehen, eine Zeit der Entwicklung liegt bereits dahinter, die Blüte 
steht noch bevor. In den fünfzig Jahren zwischen 480 und 430 haben 
sie ihren Ruhm gewonnen. Das ist die Zeit, in der das attische Reich 
geschaffen wurde, in der Athen in jeder Hinsicht die Führerin des ganzen 
Hellas war. Aus dem Jahr 419/18^) ist uns ein Psephisma erhalten, 
das die anaq%ai bestimmt, die die attischen Grundbesitzer, die Kleru- 
chien und Bundesgenossen nach alter Sitte und dem Spruch des del- 
phischen Orakels an den eleusinischen Tempel zu entrichten haben, ^) 
und unterblieb die Lieferung einmal, so mahnte ApoUon aufs neue.^) 
Aufgefordert zur Beisteuer wurden übrigens auch die andern Hellenen,^) 
hatte doch die Göttin durch die Vermittlung der Athener ihnen allen die 
Wohlthat erwiesen.^) Deshalb war ihr Fest auch kein ausschliesslich 
athenisches, die Verkündung der Ekecheirie kennzeichnete es als panhelle- 
nisch. Mit der Machtstellung Athens sank auch die Bedeutung und das 
Ansehn der Mysterien wieder, und mit der Blüte Griechenlands welkten 
auch sie hin. Einst hatten sie wirklich dem religiösen Bedürfnis frommer 
und kluger Männer genügt, jetzt liessen sich mächtige und vornehme 
Römer, wie Sulla, Antonius, Cicero, Attikus aufnehmen,*) die die Aus- 
sichten, welche die Mysterien den Gläubigen eröffneten, schwerlich in ihre 
Gemeinschaft gelockt haben werden; es muss damals Mode gewesen sein, 
sich einweihen zu lassen. Wenn Cicero*®) und später noch Pausanias»*) 
mit Achtung und Bewunderung von Eleusis sprechen, so ist das bei jenem 
wohl mehr Phrase, während in diesem die Erinnerung an den alten Glanz 
und die Macht des frommen Herkommens lebendig ist. Auch Augustus 
Hess sich im Jahr 21 aufnehmen, und Claudius versuchte vergebens, die 
Mysterien nach Rom zu verlegen. Dass man übrigens auch in dieser Zeit 
des Verfalls auf Anstand und Ehre, wie man sie der grossen Vergangen- 
heit schuldete und verdankte, immer noch hielt, geht daraus hervor, dass 
man Nero die Aufnahme zu versagen wagte. Hadrian trat 125 ein. 



») Vgl. Isokr. Paneg. 28. Pebllbb-Ro- I VIII 194 ff. Sauppe Attica et Elens. Lip- 



BBBT Griech. Myth. I 744 A. 4. 

') Vgl. Nbbb a. a. 0. 9, der aus Istros 
Fr. 20 MüLLBB Fr. bist. Gr. 421 u. Apollod. 
XI 5, 12 diesen Schlnss zieht. 

>) Herod. a. a. 0. Lobbck Agl. 282. 
ScHOBXANN a. a. 0. II 382 A. 1. 

^) KöBTB Athen. Mitt. XXI 320 ff. 

^) DiTTBNBBBOBB SjU. 13. Isokr. Psneg. 
31. FoüOABT Bull, de corr. IV 225 ff. Vgl. 



sius Leipz. Stnd. III 207 ff. CIA IV 3 n. 225k. 

•) Kbbn Athen. Mitt. XVIII 195 ff. 

Ö Dittbnbbbgbb Syll. 13. Rohdb Psyche* 
I 282 

8) Isokr. Paneg. 28. 

») FoüOABT Rev. de Philol. 1893 S. 193 ff, 

»0) De leg. II 14 § 36. 

») V 10, 1; X 31, 11. 



8. Kidtnahandlungen. (§ 93.) 



157 



wurde 129Epopt und Hess sich zum a^x^^' des Ev/xoXmJwv ysvoq machen;^) 
seine Qemahlin Sabina wurde als via oder vsaytega JrjfATJrrjQ verehrt 
und hatte ihre eigene Hierophantin,*) und die ältere Faustina, Ge- 
mahlin des Antoninus Pius, machte es ihr nach.') Lucius Yerus wurde 
167 eingeweiht, Marcus Aurelius und Commodus 176.*) In den beiden 
folgenden Jahrhunderten scheinen wie alle Oeheimkulte auch die eleu- 
sinischen Mysterien sich noch einmal mit Leben erfüllt zu haben. Un- 
gewiss und unbefriedigt überall, voll Bangen im Leben und vor dem, 
was nach dem Tode komme, suchten unendlich viele wieder den alten 
Trost,') und auf der Grabschrift eines Hierophanten aus dem 3. Jahrh. 
n. Chr. lesen wir, die Eingeweihten wüssten, dass der Tod den Sterb- 
lichen kein Übel sei, sondern ein Gewinn.«) Die streitbaren Kirchenväter 
eiferten gegen keinen andern heidnischen Kult so sehr, wie gegen die 
Mysterien von Eleusis; Julian liess sich schon als Jüngling einweihen,^) 
und der christliche Kaiser Valentinian I., der sonst alle nächtlichen Feiern 
verbot, gestattete 364 auf die Vorstellungen des Prokonsuls der Provinz 
Achaia, diese einzige, ohne die die Griechen nicht leben könnten.^) Erst 
Alarich zerstörte, von Mönchen aufgestachelt, das Heiligtum.^) 

93. Was war nun aber der Inhalt der Offenbarungen, die die in 
die Mysterien Eingeweihten empfingen, und welche Hoffnung ward ihnen 
gegeben, welcher Trost, der den üngeweihten vorenthalten blieb? Die 
Eingeweihten mussten schweigen über alles, was sie gesehn und gehört 
hatten, ^<>) und die Furcht vor der Strafe der erzürnten Gottheit, vielleicht 
auch dem Unwillen der Genossen wird in der That dazu beigetragen 
haben, das Geheimnis zu wahren, die Hauptsache aber war, dass es eine 
zusammenfassende Belehrung, die man selbst aufnehmen und dann andern 
mitteilen konnte, gar nicht gab. * *) Man denke an die Celebrierung einer 
Messe, Wir sehen die Andacht der Gläubigen, aber wer von ihnen wollte 
einem mit all den Ceremonien Unbekannten nun wiedererzählen, was der 
eigentliche Inhalt dieses Gottesdienstes sei, was und wie er wirke? Es 
ist von fivattxol Xoyoi und /xvtfrixd dQoifieva die Rede,^*) die „dem Gläu- 
bigen die Überzeugung gaben, dass der Geweihte im Jenseits den Göttern 
selige Reigen tanzt [Aristoph. Ran. 325 ff.], während der nicht Geweihte 
sich in Strömen Kotes wälzt [Plat. Phaidon 69. Aristeid. Eleus. 421] 
oder in das durchlöcherte Fass schöpft" [Plat. Gorg. 493 B. Paus. X 
31, 3].**) Auf welche Weise man diese Hoffnungen erweckte und zur 



*) Athen. Mitt. 1894 S. 172. Rohde 
Psyche« I 287, 1. 

«) CIA III 899, 900, 111 12. CIG 1073. 
Bull, de corr. XIX 115 flF. 

•) IGSic. et It. 1389. 

^) Spartian. Hadr. XIII 1. Ball, de corr. 
XIX 113 ff., 128. Lbnobxant Rech. arch. ä 
Elens. 175. Rübrusoon a. a. 0. 102 ff. Dit- 
TEKBEHOEB Herm. XX 33 and hes. Fouoabt 
a. a. 0. 

^) RoHDB Psyche' II 898. 

•) Ephem. arch. 1888 S. 81. 

^) Eunap. Vit. soph. p. 52 f. Boiss. 



») Zosim. IV 3 p. 176. 

') EuDap. a. a. 0. Lasaulx Unterg. des 
HelleDism. 84 A. 242. 

") Aristoph. Equ. 282. Soph. Oid. Kol. 
1052. Paus. 1 38, 7. Rohde Psyche* I 288. 



»») RoBDB Psyche« I 289. 



Paus. II 37, 3; III 22, 2; IX 30, 6. 
Plut. Sol. 9; Is. 68 u. s. w. 

»») V. WiLAMowiTz Hom. ÜDt. 208. Vgl. 
ausser Lobbck Agl. 69 ff. Otto Jahn Dar- 
stellungen der Unterwelt auf rOm. Sarko- 
phagen 276 ff. 



158 I^io grieohisohen KvltiiMdtertflmar. 

Gewissheit machte, darüber lässt sich Zuverlässiges nicht sagen. Von 
Predigten und Unterweisungen kann gar keine Rede sein, auch nicht von 
Enthüllungen, die sich von den Voraussetzungen des nationalen Glaubens 
lossagten und anderes an seine Stelle setzen wollten. Auf Wunderglauben 
beruhte diese Religion nicht, mystisch war sie ganz und gar nicht, pie- 
tistisch ebensowenig, dem irdischen Leben entfremdete sie ihre Bekenner 
nicht, sie wollte den Göttern wohlgefällige Reinheit nur erleichtern und 
die von ihnen selbst gnädig geoflfenbarten Mittel und Wege, ihrer teilhaftig 
zu werden, allen lehren, die sie kennen zu lernen wünschten: die Geister- 
welt, die drohend jedes Leben umschwebte, wüi-de fern gehalten oder 
freundlich gestimmt dem, der durch die Weihen den chthonischen Mächten 
vertraut geworden war. Man hat die Weihen treffend mit den „Gnaden- 
mitteln" der christlichen Kirche ^ verglichen und sie geradezu ein , Sa- 
krament" genannt.^) Für die Gläubigsten haben sie offenbar eine solche 
Bedeutung gehabt. Sie fühlten sich durch die Teilnahme an der Feier ge- 
reinigt und geheiligt wie durch keine andern leXexai und der Gnade der 
Gottheit würdiger und gewisser. 3) „Gesegnet, wer, nachdem er das ge- 
schaut, unter die Erde geht, er kennt das Ende des Lebens und den 
Zeusgegebenen Anfang" sagt Pindar,^) und ähnlich Sophokles:^) „Drei- 
mal glücklich die Sterblichen, die, nachdem sie die Weihen geschaut, in 
den Hades gehen, denn ihnen allein wird dort zu teil zu leben, den 
übrigen alle Übel dort";*') Aristophanes') lässt den Chor der Eingeweihten 
in der Unterwelt singen: „Denn wir allein haben Sonne und heiliges 
Licht, die wir eingeweiht waren und ein Leben geführt haben gottes- 
fürchtig gegen Fremde und Angehörige,"^) und Herakles vermochte die 
Hölle zu überwinden, „weil er die Geheimnisse der Mysten geschaut 
hatte ".^) Es bezogen sich also die Verheissungen auf das Leben nach 
dem Tode, doch wird der Glaube, durch die Weihen den Göttinnen be- 
sonders empfohlen und lieb geworden zu sein, wie schon der Hymnos auf 
Demeter (487 f.) dies andeutet, auch die Hoffnung erweckt haben, schon 
in diesem Leben grösseren Segens teilhaftig zu werden. ^^) Voraussetzung 
war also der Glaube an individuelle Unsterblichkeit der Seele, ^^) und ihm 
Nahrung zu geben, wird demnach neben der Beruhigung der Seelen Zweck 
des gemeinsamen Gottesdienstes gewesen sein. Wie in unserer Kirche, 
namentlich der katholischen, viele schon in dem Bewusstsein, der Kirche 
anzugehören, ihren Frieden finden und von dem Gebrauch ihrer Gnaden- 
mittel schon das Heil erhoffen, so haben ohne Zweifel auch sehr viele 
der Eingeweihten geglaubt, dass die Einweihung selbst sie aller ver- 
heissenen Segnungen versichere, und in einfältiger Frömmigkeit, bei den 
gottesdienstlichen Feiern in Andacht sich berauschend, voll Dank gegen 



SoHOBMANN Gr. A.* IT 397. ^ Lbbrs a. a. 0. 319. . 

*) V. WiLAMowiTz üom. Unters. 208. | ") Eur. Her. 618. — Ähnliche lasse- 

*) S. RoHDB Psyche^ I 288. rangen Isokr. Paneg. 28 Fiat. Rep. II 866 A 

*) Frgm. 187 Bergk*. und mehr bei Lobeck Agl. 69 £f. 



^) Bei Plat. De audiend. poet 4 p. 21 D. 
Frgm. 719 Ddf. 

«) Lbhrs Pop. Anfs.« 320. 
^) Ran. 455 ff. 



^") Vgl. z. B. Cic. De leg. II 14. 
i>) V. WiLAXOwiTZ Hom. Unt. 208. Rohdb 
Psyche« I 293 f. 



8. Knltnahandlnngen. ($ 94.) 



159 



die Gottheit die Erlösung, die ihnen hier geboten wurde, freudig zu er- 
greifen gesucht. Dass trotzdem viele sich nicht einweihen Hessen,*) darf 
uns ebensowenig wundern, wie dass heute nicht alle in den Schoss der 
„allein selig machenden' Kirche flüchten, oder viele sich der Sünden- 
vergebung und Seligkeit verheissenden kirchlichen Gnadenmittel nicht be- 
dienen. 

94. Von den Kultbeamten war der vornehmste der Hiero- 
phant.*) Sein Name weist schon darauf hin, dass er die geheimnisvollen 
Heiligtümer und Gebräuche zu zeigen und zu erklären hatte.') Er ge- 
hörte dem Geschlecht der Eumolpiden an, und diesem allein stand das 
Recht der Exegese zu.*) Neben ihm gab es noch eine oder zwei Hiero- 
phantinnen,^) ebenfalls aus dem Geschlecht der Eumolpiden.^) Beide 
waren, wenigstens in späterer Zeit, hieronym,') durften also in ihrem 
Amte ihren Namen nicht führen. Wahrscheinlich war es dem Hiero- 
phanten auch nicht gestattet, neben seinem priesterlichen noch ein anderes 
Amt zu bekleiden,®) was den übrigen eleusinischen Priestern ebensowenig 
untersagt war, wie den Dienern irgend einer andern Gottheit. Aber 
nachdem es in der Kaiserzeit Sitte geworden war, manche Ämter nur an 
Angehörige des Kerykengeschlechtes zu vergeben, ja neue zu schaffen, 
um sie auszuzeichnen,^) finden wir auch Hierophanten mit Ämtern und 
Titeln geschmückt, i^) — Die drei folgenden Priester, die dem Hierophanten 
im Range am nächsten standen, gingen aus dem Geschlecht der Keryken 
hervor. Von ihnen ist der bedeutendste der Daduchos.**) Er hatte ge- 
meinsam mit dem Hierophanten den Emtezehnten für die eleusinischen 
Gottheiten einzutreiben,*«) vielleicht auch öffentliche Gebete zu, ver- 
richten,»«) und war bei den Reinigungsopfern beteiligt.^*) Zur Seite 
stand ihm eine Jifiovxovtfa.^^) Der zweite ist der xrJQv^^ in der nach- 
klassischen Zeit tsQoxr^Qv^ genannt,*^) der dritte der Ältarpriester, o ini 
ßtöfiriK^^) Alle diese Ämter waren lebenslänglich und erbten in einer be- 
stimmten Familie weiter.^®) Daneben gab es eine Reihe anderer Kult- 
beamten, ^^) wie den tsQsvg navay^g, die Itgeiai naraysTg^*^) und die cnov- 

13 und Herm. XX 14, wo aach gezeigt wird, 
dass die Daduchenwttrde nie auf das Ge- 
schlecht der Lykomiden Übergegangen ist. 
TöPFFBB Att. Gen. 86 f. Nikitsky Herm. 
XXVI H 625 f. 

»«) CIA IV 27 b. TöPPFEB Att. Gen. 87. 

>») Suid. u. dtfdovxBi. 

**) Suid. u. Jiog xtSdtoy, 

»*) Bull, de corr. XIX 118. 

>•) Ephem. arch. 1895 S. 119. Ditten- 
BBROBB Herm. XX 18 f. Töpffbb Att. Gen. 
87 f. 

") TöPFFBR Att. Gen. 88. 

'«) 'Efprjfi. a^X' löö^ S. 119. DlTTBNBBB- 
OBB Herm. XX 20 f. Töpffbb Att. Gen. 88. 

»•) isQsTg xtti Ugeiai Ephem. arch. 1883 
S. 258. Priesterinnen: Schot. Soph. Oid. Kol. 
68:^. Porphyr. De antr. Nympb. 18. Schol. 
Pind. Pyth. IV 103. 

«) DiTTBHBEBOBB Herm. XX 22 ß. Töpffbb 
A. G. 90. 



») Vgl. Lehbs Pop. Aufs.« 317 ff. 

») Töpffbb Att. Geneal. 44 ff., 70 f. 

») Vgl. Diog. Laert. II 101, VII 186, die 
Lexikographen u. Ugofpäyxrjs und Töpffbb 
a. a. 0. 47 f. 

*) Andok. I 116. Dittnebbgeb Herm. 
XX 12. Töpffbb a. a. 0. 71 f. 

>) Kaibel Epigr. gr. 863. Töpffbb Att. 
Gen. 61 ff. Philios im Bull, de corr. XIX 1 17. 

«) Töpffbb a. a. 0. 63 ff. 

CIA 111 900, 901, 914. Kaibbl a. a. 
0. Luk. Lexiph. 10. Vgl. Dittbnbbroeb 
Herm. XX 13 Anm. 1. Töpffbb a. a. 0. 52 f. 
Paton in Transact. of the Internat. Folk-Lore 
Congress 1891 S. 202 ff. 

") DiTTBNBEBOBB B. B. 0. 35. TöPFFBB 

A. G. 53 f. 

*) DiTTENBBBOBB Herm. XX 36 ff. 
Töpffbb Att. Gen. 92. 

>o) Bull, de corr. XIX 113, 116. 

>') Andok. I 127. Dittbnbbboeb Syll. 



160 



Die grieohisohen Knltiuialtertttiiier. 



Jo<p6qoi,^) Herolde, die den Gottesfrieden verkündigten und zur Festfeier 
einluden.*) Auch sie wurden aus den Eumolpiden oder Keryken ge- 
wählt.^) Denn diese beiden Oeschlechter waren die eigentlichen Ver- 
walter des Mysterienkultus ; ihnen lag auch die Pflicht der Kechenschafts- 
ablegung ob,^) und wiederholt finden wir sie zu gemeisamen. Beratun- 
gen versammelt.*) Die Oberaufsicht und die Leitung der Mysterienfeier 
stand jedoch, da es ein Staatskult war, dem Basileus zu.*) Zur Seite 
standen ihm dabei vier Epimeleten,^) die auch die Aufsicht über die 
sonst im Laufe des Jahres vorgeschriebenen Opfer zu führen^) und die 
heiligen Ländereien zu verpachten hatten.^) Von ihnen wurden zwei 
aus der gesamten Bürgerschaft, je einer aus den Eumolpiden und den 
Keryken gewählt. *<>) Die Aufsicht über die Gebäude, Tempelgüter, Ge- 
räte und Kostbarkeiten hatte das Kollegium der imtfrarai^^) und die 
%a^uai ToTv d'Botv^ die auch früh, vielleicht schon Ende des 5, Jahr- 
hunderts, das heilige Getreide zu verwerten hatten, i*) während die Ic^o- 
nom\ die früher damit betraut gewesen waren, nur noch die Summe für 
die Opfer und etwaige Überschüsse zum Ankauf von Weihgeschenken an- 
gewiesen erhielten, ^^) auch die übrig bleibenden Restsummen an die 
i7iia%a%ai zurückzuführen hatten, wofern nicht anderweitige Verwendung 
beschlossen war.^^) Auch die Verwaltung des gemünzten Goldes lag den 
Tafxiai ob.'*) Die iTtiardtai amtierten vier Jahre, die tsgonoioi wechselten 
jährlich.^*) In den letzten Jahrzehnten des 4. Jahrhunderts war übrigens 
die Selbständigkeit der eleusinischen Beamten bereits erheblich beschränkt. 
Das Volk bestimmte den Preis, für den das Getreide zu verkaufen war, 
das G^ld für die Opfertiere so wie die Überschüsse wurden einer Kom- 
mission des Rats abgeliefert, deren Wirkungskreis nicht auf Eleusis be- 
schränkt war.i') 

95. Wer in die Mysterien aufgenommen werden wollte, hatte 
sich deshalb an einen Eumolpiden oder Keryken zu wenden, und dieser 
weihte ihn dann.*«) Er brauchte selbst kein priesterliches Amt zu be- 
bekleiden, es genügte, dass er einem der beiden Geschlechter angehörte.*») 
Der Akt selbst hiess fivetv oder fAvtrtaywysTv, der Weihende /xvaTayioySg.^^) 
Die ganze Ceremonie zeigt bis in die Einzelheiten die grösste Ähnlichkeit 



*) DiTTEHBBRGBR a. 8. 0. 27 f. 

') AischiD. 11 133 f. 

») CIA II 605. Bull, de corr. XIX 117 f. 

DiTTBHBBROBR E. R. 0. 29. TöPFFBR A. G. 80 
U. 90. 

«) AischiD. III 18. 

') CIA II 597, 605. Ephem. arch. 1888 

S. 82. DiTTBKBBROBR R. R. 0. 80 f. TöPFFBB 

Att. Gen. 66 flF. 

') Aristot. Ath. Pol. 57. Dittbnbbroeb 
R. R. 0. 30. 

') Aristot. R. a. 0. CIA III 1188. 

«) Ephem. Rrch. 1887 S. 173 u. 177. 

*) Ephem. Rrch. 1883 S. 122 ZI. 30. 

»0) Aristot. Ath. Pol. 57. In der DiR- 
dochenzeit scheint die ZRhl, vermutlich vor- 
übergehend, Ruf zwei reduziert zu sein. Dit- 



TBNBBRGBB SjU. 386 uud Herm. XX 30. Vgl. 
TöFPPBB Att. Gen. 78 f. 

'>) CIA II 682o. Vgl. 834b. Ephem. Rrch. 
1883 S. 109 ff., 1888 S. 41 ff. 

^^} Ephem. arch. 1883 S. 123. 

1*) DiTTBNBBBGBB Syll. 13. ZiBHBN Rhein. 
Mus. 1896 S. 219 ff. u. Leg. sacr. 21. 

»♦) Bull, de oorr. IV 225. 

») CIA II 605. III 5, 731. Swoboda 
Wiener Stud. X 729 f. 

'•) Eph. arch. 1888 n. 41 u. 47. 

") CIA II 834, IV 2. Vgl. Aristot. Ath. 
Pol. 54. 7. 

»•) CIA IV 1. II Suppl. p. 3 f. ZI. 110 f. 

>«)DlTTTBVBBBGBRBenn.XX3l ff. TöPFFBB 

Att. Gen. 77. Rohdb Psyche» I 287. 
'«) Lobbgk Agl. 29 ff. 



8. Knltnahandliingexi. (§ 95—96.) 



161 



mit der Reinigung eines Sehuldbefleckten.O Das vorzüglich erhaltene 
Relief einer schönen Aschenurne aus weissem Marmor im Thermeu- 
museum in Rom^) giebt uns ein gutes Bild einer Mystenweihe in den ver- 
schiedenen Stadien. Der Einzuweihende steht, ein Löwenfell übergeworfen, 
mit nackten Füssen in demütiger Haltung vor einem Priester, die Rechte 
hält das Opferferkel,») auf dessen Kopf der Priester eben Wasser giesst, 
die Linke Opferkuchen. Die nächste Scene stellt die Weihung selbst dar. 
Der Betreflfende sitzt auf einem Sessel, wie ein der Reinigung Bedürftiger, 
das Haupt und den ganzen Körper bis auf den rechten Arm und einen 
Teil der Brust von einem Gewände verhüllt,^) die Linke scheint eine Fackel 
zu halten. Hinter ihm steht eine Frau, wahrscheinlich die Hierophantin, 
die ihm eine Getreideschwinge (Xtxvov) über das Haupt hält, das Symbol 
der Reinigung und Läuterung. Die dritte Gruppe zeigt Demeter sitzend, 
in der Linken eine Fackel haltend, von einer Schlange umwunden, deren 
Kopf der nun wahrscheinlich zum Epopten gewordene Myste^) liebkost. 
Der Göttin zur Rechten steht Persephone, ebenfalls eine Fackel tragend.^) 

Aufgenommen konnte jeder Hellene werden, 7) nur wer durch Blut- 
schuld oder ein anderes Vergehn verunreinigt war, war ausgeschlossen 
gleich den Barbaren;®) Sklaven durften eingeweiht werden.») 

96. Alljährlich feierte man zwei Feste, die kleinen Mysterien 
im Anthesterion (Februar) ^o) 2u Agrai, einer Vorstadt Athens, *i) und 
die grossen im Boedromion (September). Über beide sind wir sehr 
mangelhaft unterrichtet. Von den kleinen Mysterien wissen wir nur, 
dass ihnen eine Reinigung vorausging, und wahrscheinlich dramatische 
Darstellungen einen Teil der Feier bildeten.^*) Die Einweihung in 
diese Mysterien musste der in die grossen vorangehen, i») Der Hierophant 
erhob für die Aufnahme einen Obolos.**) Gewöhnlich fanden die Neu- 
aufnahmen bei den Festfeiern statt, doch band man sich nicht daran, 
namentlich dann nicht, wenn es sich um vornehme und mächtige Leute 
handelte ;i^) dem Kaiser L. Verus zu Liebe feierte man im Jahr 167 sogar 



1) Vgl. Hynin. Dem. 194 ff. Dibls Sib. 
Bl. 1 28. Adoption des Geweihten durch die 
Gottheit RoHDE Psyche» 11 421 ff.; des (xhrjg 
Reiohel Vorhellen. Götterkolte 46 ff. 

«) Taf. IV Fig. 3. Veröffentlicht und 
besprochen von Ebsilia Loyatblli Bull, della 
comm. arch. com. 1879 S. 5 ff. 

*) Plat. Rep. 11 378 A. Epieharm. im 
Etym. M. 255 u. däXtpa^. Schol. Aristoph. 
Ach. 747. Fax 375. 

^) Das Gewand ist wohl schwarz zu 
denken. Hymn. Dem. 41. Diels Sib. Bl. 123, 
auch über die Bedeutung des Verhttllens. 

*) LovATELLi a. a. 0. 14. 

') Über die kathartische Bedeutung der 
Fackel S. 88. Vgl. auch Vasen der Peters- 
burger Ermitage 1 268 ff. nr. 525, abgebildet 
bei Gerhard Eleus. Bilderkreis Taf 3. 

') Herod. VIII 65. Isokr. Paneg. 29 f. 

•) Isokr. Paneg. 157. Luk. Skyth. 58. 
LOBEOK Agl. 15. 

•) CIA II 834b col. 2, 71. Kock Frgm. 
com. II 473. Lobeck Agl. 19. Schoemaitii 



Gr. Alt.' II 384 Anm. 6. Rohde Psyche' I 
286. DiTTSNBERGEB Syll. 888, 18, wo der 
Maximalpreis der Kleider, die die Sklavinnen 
bei der Mysterienfeier in Andania tragen 
dttrfen, festgesetzt wird. 

*°) Ad. Schmidt Griech. Chronol., Jena 
1888 S. 290 setzt das Fest auf den 19—21 
Anthesterion an. 

'») T« ^i' "AyQaig /4. CIA I 1 B 38. II 
315 etc. Plut. Demetr. 26. Gerhard Akad. 
Abb. II 174 ff. MoHMSEN Heort. 373 ff. Maass 
Orpheus 101. Rohde Psyche' I 284 f. 

^*) Steph. Byz. u.^Jyga. Polyain. Stra- 
teg. V 17, 1. Mehr bei Maass Orpheus 92 ff. 
Vgl. Schol. Aristoph. Plut. 845. Hermann 
Gott. AJtt.» § 58 A. 29. 

»») Plut. Demetr. 26. Plat. Gorg. 497 C. 
Schol. Aristoph. Ran. 501. 

'*) CIA IV 1 S. 138. Athen. Mitt. XIV 
410 ff [Demosth.] LIX p. 1851 f. *Frgm. 
Rhet. gr. Walz IX 492 cf. 497. 

^*) Plut. Demetr. 26. Cass. Dio LIV 9. 



Handbuch der klaBs. AltertamBWineiiBoliaftw V, 3. S. Aufl. 



11 



162 I>io grieohkohen Kvltnsaltertfimar. 

zum zweitenmal Mysterien xal tovto xard ro d-siaxov^ wie die Urkunde 
bemerkt. Auch solche, die voraussichtlich nur noch auf eine kurze 
Lebensfrist zu rechnen hatten, scheint man jederzeit aufgenommen zu 
haben. ^) Ein halbes Jahr nach der Einweihung in die kleinen konnte 
man sich in die grossen Mysterien aufnehmen lassen. Auch hier gab es 
noch verschiedene Qrade, und die Aufnahme unter die Epopten, die 
Schauenden, wurde in der Regel erst nach einem Jahr gewährt.') 

97. Die Feier der grossen Mysterien (t« fieyäka iivarr;Qia) war in 
jedem zweiten Jahr mit Agonen verbunden,^) doch so dass alle vier 
Jahre eine Hauptfeier stattfand. Das waren die grossen Eleusinien (tcc 
fieydXa 'Elsvaina), die also zu den penteterischen Festen gehörten.*) Wahr- 
scheinlich fielen sie ins dritte Olympiadenjahr. ^) Mit der Leitung waren 
die zehn tsqonoiol xa%* iviavrov betraut,') daneben finden wir noch andere 
Kollegien von tsqonoioi, die namentlich die Opfer besorgt haben werden.®) 
Das Fest, das wie das kleinere in die Mitte einer sieben- bis achtwöchigen 
Ekecherie fiel,*) die sich natürlich auf das athenische Gebiet beschränkte,^^) 
begann spätestens am 16. Boedromion. ^ ^) Dieser Tag hiess alade 
fivüTaiA^) Es fand also an ihm eine Reinigung der Mysten, die sich 
nach der Bekanntmachung {nqoQQrjaiq^ nqoayoqsvcig) des Basileus schon 
am Abend vorher in Athen versammelt haben werden, im Meere statt. 
Wer zum ayvQiAoq^^) nicht rechtzeitig erschienen war, konnte wohl auch 
an einem der nächsten Tage, ehe die Festversammlung die Hauptstadt 
verlassen hatte, nachträglich aufgenommen werden. ^^) Bis zum 19. blieb 
man in Athen, und diese Zeit mag mit feierlichen Umzügen zu den Hei- 
ligtümern und mit Opfern ausgefüllt worden sein. Am 19.^*) begaben 
sich alle Festgenossen, in späterer Zeit mit weissen Kleidern angethan,^') 
auf der heiligen Strasse {tsqd odog) nach Eleusis.^') lakchoszug hiess die 
Prozession nach dem Ootte, dessen Bild von dem lakchagogos vorauf- 
getragen wurde, ^*) Unter fortwährendem Rufen seines Namens und hei- 
ligen Gesängen bewegten sich die Zehntausende ^*) gewiss langsam genug 
fort, an mehr als einer Stelle der an Erinnerungen und .Denkmälern 
reichen Strasse*^) ihren Marsch unterbrechend. Wohlhabende Frauen 

*) Ephem. arch. 1895 S. 114. i >«) Vgl. Bull, de corr. XIV 52. 

*) Aristoph. Pax 371 ff. ") Plut. Phok. 6. Polyain. Strateg. III 

») Plut. Demetr. 26. Lobeok Agl. 54 u. ' 11, 2. Vgl. Plut. Alex. 31. 

123 ff. MoxMSBN Heortol. 22 f. Schobmann ' ^>) Mommsen Heort. 222 Anm. Vgl. die 



Gr. A.' 11 394. Auch in der Inschrift von 
Andania ist von nQtaxofivüxai, die Rede Dit- 
TBNBBROER Syll. 388 ZI. 14, 50, 68. 

*) Ephem arch. 1883 S. 123. R.Schobll 
Sitzungsber. der Münchener Akad. 1887 S. 14. 

'^) Aristot. Ath. Pol. 54. CIA III 663. 
Ephem. arch. 1887 S. 3. Mommsen Heort. 
224 ff. ScHOBMAinf Gr. Altt.»11386ff. Prel- 
ler-Robert Griech. Myth. I 791 ff. 

•) CIA II 315 ZI. 25 f. Bull, de corr. 
XII 74. Vgl. V. WiLAMowiTZ Antig. v. Ka- 
rystos 246 (CIA II 834b ist von den fieyäXa 
/ivaz^Qia^ nicht 'Ekevalvia, die Rede). 

7\ Arist a a O 

«) Vgl Ziehen Rhein. Mus. 1896 S. 219 ff. 

") DiTTBNBBRaBB Syll. 384b. 



eleusin. Inschr. Ephem. arch. 1887 S. 177 
ZI. 20 u. CIA IV 2, 53a. 

*») Hesych. u. d. W. 

»*) Paus. II 26, 7. ScHOBMAiTH Gr. A.» 
II 387. 

*») Schol. Aristoph. Ran. 824. Ditten- 
BBRGBB Syll. 387, 16. Mommsen Heort. 229. 

>•) CIA III 1132. Philostr. Vit. soph. 
p. 58, 15 Kays. 

'^) Aristot. Ath. Pol. 39. Foucart Rev. 
des ^tudes grecques VI 332 f. 

»«) Vgl. Ephem. arch. 1887 S. 177 ZI. 
17 ff. 

»«») Berod. VIII 65. 

*<>) Paus. I 36, 3 ff. Preller Ausgew. 
Aufs. 117 ff. 



8. Kvltushanaiangen. (§ 97.) 163 

fuhren auf Wagen,*) bis ein Gesetz des Lykurgos es untersagte.*) So 
mochte der Tag, da die Strecke vier Stunden Weges betrug, wohl hin- 
gehn. Am Abend fand der Empfang des lakchos') in Eleusis statt^) 
und in den folgenden Tagen die eigentliche Festfeier. Man brachte De- 
meter, Eore, lakchos, Triptolemos, Telesidromos, Artemis, den Chariten, 
Hermes Opfer dar; ein ungeheurer nsXavog wurde hergestellt, und die 
Eumolpiden bestimmten, wie viel und wem davon geopfert werden sollte.*) 
Es folgten Fackeltänze^) und vor allem die nächtlichen Feiern in ge- 
schlossenen Räumen.'') Nach gewiss wiederholt vorgenommenen Reini- 
gungen,^) Fasten, sodann dem Genüsse des xvxeaiv,^) eines Mischtranks, 
den auch Demeter, nachdem sie in ihrer Trauer lange jede Speise ver- 
schmäht hatte, zuerst zu sich genommen haben sollte,^®) und nach man- 
chen andern Vorbereitungen *>) fand sich die Menge im Tempel, den tiefe 
Finsternis erfüllte, **) erwartungsvoll zusammen. Es war ein Raum von 
sechzig Metern Länge und 2712 Quadratmetern Flächeninhalt, seinem 
Zweck entsprechend einem Theater nicht unähnlich. Eine Stellung von 
zwanzig Säulen umschloss einen Innenraum, den rings ein Stufenbau um- 
gab, auf dem die Zuschauer sassen oder standen. Zwischen den Säulen 
befand sich die erhöhte Bühne, das äiäxtoQov^^) Dieser Raum hatte 
Oberlicht, der Zuschauerraum war gedeckt. ^^) Hier stellte man wahr- 
scheinlich die sog. ävdxTOQct auf, kleine Tempelchen, wie sie auch die 
Cistophoren trugen, und hier kamen die dqwiisva^^) zur Darstellung, dra- 
matische Aufführungen und lebende Bilder, die den Mittel- und Glanz- 
punkt der ganzen Feier bildeten, und wo ohne Zweifel alles, was Kunst 
und Technik zu leisten vermochte, aufgeboten wurde, um den sinnlichen 
Eindruck möglichst überwältigend zu machen, i^) Vielleicht wurden für 
die erst vor einem halben Jahr in die kleinen Mysterien Aufgenommenen 
und für die älteren Epopten besondere Feiera veranstaltet.*') Gegen- 
stand der Darstellungen waren Scenen aus dem Sagenkreis der gefeierten 
Götter: der Demeter und Persephone, des lakchos, des Hades. *^) Bei 



>) Aristoph. Plut. 1013 f. '') Vgl. Lobbck Agl. 59. 

*) Plut. Dec. orat. Lyk. 7. '^) Plut. Per. 13. Holwbkda Verslage 

•) laxxov anodoxij E<p^f^. ftQX- 1887 Acad. v. wetenscb. XI 251 ff. 

S. 177 ZI. 21. I ^*) dQay bedeutet in Beziehung auf den 

*) Ober die Zeit, wann lakobos in den | Kultus stets das Geheimnisvolle. Paus. II 



Mysterien Bedeutung gewann (480), 0. Ebbn 
Athen. MiH. XVII 138 ff. 

^) L. ZiBHEN Leg. sacr. 22 f. Dittbn- 



12, 1. II 37, 5. Eur. Iph. T. 1336. Schol. 
Soph. 0. K. 489. Vgl. Fbibdlaendbb Lo- 
BBCKS Briefwechsel 176 u. Gbuppb Hdb. V 



bbrobb SyU. 13 und 347. CIA I 5. 11 476. ' 2, 53 A. 7. 

•) Soph. Oid. Kol. 1045. Aischyl. im ! ") Plut. De an. VI 2. Themist. Or. XX 



Schol. dazu. Eur. Ion 1075 ff. 

') Strab. IX 375. CIA II 628. 'Eq^tju. 
ttQX. 1887 S. 3 ZI. 25 ff. 

») [Lys.J Andok. 52. Vgl. Athen. Mitt. 
XIV 124. 

*) Klem. Alex. Protr. 13 D. 

") Plut. Quaest. symp. FV 4, 1. Über 
den xvxeair s. besonders Rosohbb Jahrb. f. 
Phil. 1888 8. 523 f. 

") Hbbmanh G. A.» § 32 A. 18. 

»«) Plut. De prof. virt. sent. p. 81 E. 
Aristeid. Or. XIX p. 415 Dind. : culte de Pluton dans la relig. äleus. 

11* 



p. 235 ß. Vgl. Paus. V 10, 1. Lobbck Agl. 
44 f. 

") Vgl. MoMMSBN Heort. 261 f. 

") Euseb. Praep. ev. III 12, 4. Dibtb- 
BiCH Nekyia 65. Rübbnsohn a a. 0. 26. 
PouoABT Bull, de corr. VII 397 ff. Föbsteb 
Raub und Rückkehr der Persephone 19 ff. 
TOpffbr Att. Geneal. 34. Ueber den Zusam- 
menhang des Dionysos und überhaupt der 
chthonischen Gottheiten mit den Mysterien 
s. *E<pr]f4. aQx. 1886 S. 25 ff. u. Foucart Le 



164 I>ie grieohiaohen KvltiisaltertttiiLer. 

einer ähnlichen Feier in Arkadien wird unter anderem die Rückkehr der 
Persephone aus dem Hades dramaartig dargestellt/) und auch für den 
samothrakischen Kultus ist ein Vorgang bezeugt, der das Umherirren der 
ihres Kindes beraubten Demeter veranschaulichen sollte.*) Der Hierophant 
in prächtigem Gewände mit der königlichen Kopfbinde,*) zeigte die *«^a,*) 
und andächtig vernahmen die staunenden Gläubigen die Xeyofjieva. Wahr- 
scheinlich hatten sie den Zweck, das Gesehene zu erklären; aber auch 
so weit sie etwa selbständige Bedeutung hatten und in Mitteilungen aus 
den tcQol Xoyoi, aufgezeichneten Legenden hieratischen Inhalts, bestanden,^) 
kann man sie höchstens, wie dies auch geschehn ist, mit der Liturgie 
in unsem Gottesdiensten vergleichen und darf ihnen in dem Ganzen nur 
eine untergeordnete Stellung zuweisen. Es war ein Gottesdienst, be- 
stimmt, durch die sinnliche Pracht der Ausstattung, die durch die Musik 
wirksam unterstützt ward,^) zu berauschen und in verzückte Andacht zu 
versenken, Mittel, die ja auch heute noch nicht verschmäht werden und 
nicht versagen. Fühlt die Menge sich ergriffen und von dem Gefühl der 
frommen Stimmung, die sie gern für Frömmigkeit nimmt, befriedigt und 
erbaut, so kann der einzelne immerhin tiefe und nachhaltige Eindrücke 
empfangen, die auf seine religiösen Empfindungen, seinen Glauben und 
dann vielleicht auch auf seinen Lebenswandel bestimmenden Einfiuss haben 
mögen. Das Entführen des Lebendigen in die Unterwelt, das Auferstehn 
zu neuem Leben, das Vorführen von Scenen aus dem Leben, das der 
Seligen einst wartet, und vielleicht auch von Qualen, die den andern be- 
vorstehn,^) zudem die Menge der Gläubigen und ihr frohes Bekenntnis 
— das alles muss in der That geeignet gewesen sein, die Hoffnungen zu 
bestärken und vielleicht auch Vorsätze zu guten Werken.^) Denn den 
Guten und Gottesfürchtigen hatte die Göttin zuerst Gnade erwiesen und 
ihnen dauernd verheissen.^) Daran aber, dass „die Entwicklung eines 
tieferen in den Mysterien verborgenen Sinnes für eine kleine Zahl von Aus- 
erwählten aufgespart* gewesen sei,i<*) ist nicht zu denken. Es blieb einem 
jeden überlassen, wie viel er darin finden wollte und konnte; und es kann in 
der That kaum anders gewesen sein : den einen wird mit gläubiger, froher 
Zuversicht erfüllt haben, was dem andern dunkle Ahnung erweckte und 
dem dritten vielleicht abgeschmackt und lächerlich schien. Jedenfalls war 
die Sache so ernst und machte solch einen Eindruck, dass auch der Un- 
gläubige sich frechen Spottes enthielt, und dass der Staat, wenn er ein- 
mal gegen Mysterienfrevler einschreiten musste, sich der Zustimmung der 
Menge versichert halten durfte. ^0 

^) Lebas-Foucabt Inscr. de la Gr^ce II I ^) Vgl. d. iDSchr. y. Andania Dittkn- 



6 n. 352h. 

2) Archäol. Unters, auf Samothr. II 26. 
Ru BENSOHN a. a. 0. 181 ff., 223. Roschbb 
Myth. Lex. II 854 f., 865. 

») Plut. Alk. 22; Aristeid. 5. [Lys.] An- 
dok. 51. *E(pfjfi. dgx. 1895 S. 114. Töpppbb 
Att. GeD. 46 f. Pbellbb-Robbrt Griecb. Myth. 
I 787 A. 4. 

^) Plut. a. a. 0. Philostr. Apoll. T. IV 



bekgeb Syll. 388, 12 f. Paus. VIII 15, 2. 
Isokr. Paneg. 28 f. Apul. Metam. XI 16. 

«) Aristeid. Eleus. 1 415 Dind. Vgl. 
Paus. IX 27, 2. Rohdb Psyche« I 289, 2. 

') Luk. KttxdnX, 22. Gbbhabd Akad. 
Abh. II 352 A. 98. 

«) Andok. I 31 p. 6. Vgl. Diod. V 49, 6. 

*) Aristoph. Ran. 455 ff. Lbhbs Pop. 
Aufs.« 319. 



18. Himer. Or. XXII p. 766. Harpokr. u. , »<>} Schoemann Gr. A.» 11 399. 

Suid. u. UQO^dyxtjg. \ ") CIA IV 274. [Lys.] g. Andok. Mbisb- 



8. Kvltashandlangen. (§ 97—99.) 165 

An den letzten Tagen des Festes fanden im Anschluss an die My- 
sterienfeier äycaveg statt, >) und zwar gymnische, hippische und musische. 
Diese hat man vielleicht erst später hinzugefügt, wenigstens erwähnt 
Pindar*) nur die ersten beiden. Dass die Feier in jedem fünften Jahr 
besonders prächtig war, ist selbstverständlich. Scenische Spiele sind 
nicht sicher bezeugt. Die Beteiligung von auswärts muss lange Zeit sehr 
gross gewesen sein; mächtige Städte, wie Milet^) sandten Theorien und 
trugen so auch ihrerseits zur Verherrlichung des Festes bei. Man sieht, 
auch diesen ernsten Oottesdiensten fehlte die Freude nicht. ^) — Den 
Beschluss soll eine Wasserspende aus thönernen Oefässen {nXrjixoxoat) zu 
Ehren der Toten gemacht haben.*) 

98. Es gab in Qriechenland an mehreren Orten Filialen des eleu- 
sinischen Mysteriendienstes, z. B. in Phleius, in Megalopolis und 
in Pheneus in Arkadien,^) und auch in Ephesos feierte man einer Demeter 
KaQTtofpoQoq &€(rfAo<p6Qog Mysterien.^) Natürlich bewahrten diese Kulte 
im einzelnen ihre Eigenai*t. Am besten unterrichtet sind wir über die 
Mysterien von Andania in Messenien. Schon einmal nach der Wieder- 
herstellung Messenes durch Epameinondas erneuert, scheint der Kult dann 
wieder unterbrochen zu sein. Denn ein umfangreiches Dekret aus dem 
Anfang des ersten Jahrhunderts v. Chr. ordnet die Feier aufs neue an 
und bestimmt alle Einzelheiten aufs genauste.®) Die vorzugsweise ver- 
ehrten Götter sind die /xeyaXoi &€oi^ die Eabiren, daneben Demeter, ApoUon 
Karneios, Hermes, die Hagna. Das Fest fand wahrscheinlich im Hoch- 
sommer statt.*) Auch hier hat der Staat die Oberaufsicht, und fünf vom 
Demos eingesetzte Kommissare haben die finanzielle Verwaltung in Hän- 
den, der Reinertrag aber des Festes fliesst in den Staatsschatz. 

99. Ausser den eleusinischen waren in Griechenland am berühmtesten 
die samothrakischen Mysterien. 

Litteratnr: Lobbck Agl. 1109 ff. Sohoemann Gr. A.* II 403 ff. Archäol. untersuch, 
auf Samothrake von Gonzb, Benhdobf etc. 107 ff. Darembbbo et Saglio Dict. u. Cabiri I 
S. 757 ff. Grusivs Beitr. zur griech. Mythol. Leipz. 1886. Rübbnsohn Die Mysterien- 
faeiligtttmer in Eleusis n. Samothr. 125 ff. Robbst in Prbllebs Griech. Mytb.* 1 847 ff. 

Tä Kaßei^wv oQyia auf Samothrake werden zuerst von Herodot (ü 51) 
erwähnt. Die samischen Kolonisten, heisst es dort, hätten sich die Weihen 
von den älteren Bewohnern, die sie auf der Insel vorfanden, angeeignet.^®) 
Über das Wesen der Eabiren ^^ haben namentlich neuere Ausgrabungen 
in dem Heiligtum bei Theben einiges Licht verbreitet. >^) Das Kind Dio- 

Schobmahh Att. Prozess« 368 f. A. 482 S. 158 | •) Paus. Hl 4, 1; VIII 14, 8 und 15, 1 ff 

u. 183. i Vgl. Lobbck Agl. 43 ff. Sobobmann a. a. 0. 

') CIA II 341, 402, 444 etc. Ephem. ' 401 f. Gbbhabd a. a. 0. 351 ff. 

arch. 1883 S. 110 ZI. 45 f., 1890 S. 127. ') Dittbnbbbobb Syll. 390. 



Bull, de corr. V 281, VIII 194 f. Mommsbn 
Beert. 263 f. Rubbnsohh a. a. 0. 46 f. und 
besonders Nbbb a. a. 0. 16 ff. 

») Ol. IX 150, Xn 157, Isthm. I 81. 
Vgl. Olymp. Inschr. V 188. 

») CIA II 442. 

*) Vgl. Luk. üegl oqxv^. 15. 

») Athen. XI p. 496. Vgl. PoU. X 74 
und Bbbnayb Theophraet Üb. d. Frömmig- 
keit 95 f. 



*) Sauppe Die Mysterieninschr. von An- 
dania Gott. Ges. d. Wisssch. VIII 217 ff. 
Dittbnbbbbobb Syll. 388. 

•) Sauppb a. a. 0. 270. 

'0) Vgl. Arch. Unt auf Sam. II 107. 

^1) Vgl. ausser Robbst a. a. 0.0. Ebbh 
Wochenschr. f. klass. PhiL 1889 S. 698 ff. 
Herrn. XXV 1 ff. 

") Athen. MiH. XIU 81 ff. 



166 Die grieohisohen Knltosaltertfliiier. 

nysos und seine Pfleger spielen in dem Kultus, der sich von Athen aus 
verbreitet zu haben scheint,^) eine besondere Rolle. In den Inschriften 
erscheinen enomai als Eingeweihte zweiten Grades und /xvazcu smeßstg;*) 
äQcifAera und Xeyofieva sind wenigstens für die spätere Zeit bezeugt,') 
und der chthonische Charakter der Gottheiten tritt wie in allen Myste- 
rien^) bedeutsam hervor. Dies wird bestätigt durch die Lage des Tem- 
pels am Pusse der Anhöhe*) und durch die oben*) beschriebenen Opfer- 
vorrichtungen. „Zu Schutzmächten der Seefahrt sind die samothrakischen 
Gottheiten offenbar erst im Lauf der Zeit durch ihren Inselsitz in dem 
von Stürmen besonders heimgesuchten thrakischen Meere geworden.''^) 
„Zur Zeit Herodots war das Kabirenheiligtum ein kleines, bescheiden aus 
einheimischem Stein aufgeführtes Gebäude, wie die Ausgrabungen erwiesen 
haben. ''7) Berühmt wurden diese Mysterien erst im vierten Jahrhundert, 
und zur Zeit der Diadochen standen sie in solchem Ansehn, dass sie sich 
wohl den eleusinischen an die Seite stellen durften. ») Namentlich See- 
fahrer Hessen sich einweihen, denn gegen die Gefahren des Meeres sollten 
die Eabiren ja besonders schützen,*) und der neue Tempel füllte sich mit 
den herrlichsten Weihgeschenken, lo) Philipp von Makedonien und Olym- 
pias Hessen sich aufnehmen, Lysimachos schenkte dem Heiligtum sein 
besonderes Interesse und seinen mächtigen Schutz, >^) Perses von Make- 
donien und Ptolemaios VI Philometor fanden auf der durch ihr Asylrecht 
geschützten Insel eine Zuflucht, ^^) und man erzählte, dass schon Aga- 
memnon und Odysseus die Weihen empfangen hätten.^') 

Die Aufnahme scheint zu jeder Zeit stattgefunden zu haben. ^^) Es 
wird dies das Zweckmässigste gewesen sein, da viele vor Antritt ihrer 
Seefahrt die Weihen verlangt haben werden. — Das Fest ist wahrschein- 
lich im Hochsommer gefeiert worden.") 

Auch an andern Orten Griechenlands wurden die Kabiren verehrt, 
z. B. in Thessalonike.^^) Dem samothrakischen am verwandtesten war 
wahrscheinlich der Kult in dem Heiligtum an der Strasse von Theben 
nach Thespiai, dessen Reste vor einigen Jahren blossgelegt worden sind.^<) 

In späterer Zeit werden auch Isismysterien erwähnt.*') Nur be- 
sonders von der Göttin Berufene wurden hier aufgenommen, und die Zahl 
der' Teilnehmer war wohl niemals beträchtlich. 

100. Geschlossene Kultgenossenschaften waren auch die sog. 
Orgeonen, d-iaaoi und Mqavoi, 

0. Kern Herrn. XXV 8 ff. 1 ^^) Inschr. Arch. Unters, a. Sam. II 85. 

") TH.RKmACHRev.de8 6tud.gr.V197ff. | ") Arch. Unt. a. Sam. I 20. 

*) Galen. De neu pari. YII U [Kühn IV ' ») Schol. zu Apoll. Rhod. I 917; zu IL 

576]. LoBEOK Agl. 1285 ff. | A 334, 17 100. 

^) FouoABT Bull, de corr. VII 387 ff. ") 0. Hirsohpbld Arch. ünt a. Sam. 



xaivLai noQq)vQai der Mysten Schol. Apoll. 
Rhod. I 917. 

») Arch. Unt. a. Sam. II 28. 

•) S. 18. Vgl. auch Schol. Ariatoph. 
Pax 277. 

») Arch. Unt. a. Sam. II 108. 

^) RuBBNSoHN a. a. 0. 143 ff. 

") Schol. Ariatoph. Pax 277. 

*<>) Diog. Laert. VI 59. 



I 39. 

^') Ebbn Beitr. zur grieoh. Philoe. u. 
Relig., Berlin 1895 S. 103 ff. Sohoexai«n a. 
a. 0. 406. Darembebg et Saglio Biet. 1 767 ff. 

^•) laSept. I add. 3577 ff. Athen. Mitt. 
XIII 81 ff., 412 ff Eebn Arch. Anz. 1893 
S. 129 ff. 

'') Apul. Metam. IX 16. Vgl. Schob- 
MANN a. a. 0. 407 ff. Rohde Psyche' II 400, 1. 



8. KnltiiBhandliingexi. (§ 100.) 



167 



Littaratur: Hauptwerk Foucabt Des associations religieusea chez les Grecs, Paris 
1878. Fb. Poland De colleg. artif. Dionys. Dresden 1895. 0. Lüdebs Die dioDys. Künstler, 
Berlin 1873 Anf. C. Sohafbb Jahrb. f. Phil. 1880 S. 417 ff. Böckh Staath.» I 312 f. 
ZiEBABTH Das griech. Vereinswesen, Leipzig 1 896. Alb. Müllbb Griech. Bühnenaltt. 392 ff. 
RoBDB Psyche* H 388. v. Wilamowitz Aristot. und Athen II 266 ff. A. Eöbtb Athen. Mitt. 
XXI 299 ff. Die Inschrr. CIA III 1324 ff. 

Orgeonen Wessen die Teilnehmer an einem privaten Kult,^) <Jer aber 
nichts eigentlich Ausschliessendes hatte, insofern es weder ein Geschlechter- 
kult war, noch ausländische, zunächst staatlich nicht anerkannte Gott- 
heiten verehrt wurden.*) In alter Zeit waren es jedenfalls die Bewohner 
eines Dorfes, die sich zu einer solchen Gemeinschaft zusammenthaten,') 
im zweiten Jahrh. v. Chr. aber sind Orgeonen und Thiasioten, bei denen 
Zugehörigkeit zu demselben Demos nie erforderlich war, von einander 
nicht mehr zu unterscheiden.^) Grössere Bedeutung und eigentümlichere 
Färbung erhielten diese Vereine erst, als der Seehandel Athens grosse 
Ausdehnung gewann, und aus allen Ländern Kaufleute und Gewerbtreibende 
namentlich in der Hafenstadt Peiraieus zusammenströmten und sich dort 
zu dauerndem Aufenthalt niederliessen. Diese Fremdenkolonien stifteten 
nun religiöse Vereinigungen und kamen bisweilen auch um die Erlaubnis 
ein, irgend einer ihrer heimischen Gottheiten ein Heiligtum errichten zu 
dürfen, was ihnen dann auch gestattet wurde. '^) Mitunter errangen die 
Gottesdienste ein so grosses Ansehn, dass sie unter die Staatskulte auf- 
genommen wurden, aber auch wenn dies nicht geschah, suchten die Mit- 
glieder der Korporationen ihrer Genossenschaft ganz die Verfassung und 
das Aussehn der herrschenden Staatskulte zu geben. Sie stellten Priester, 
Schatzmeister und andere Kultbeamte an, erliessen Dekrete*) und ver- 
hängten über die Ungehorsamen Geldstrafen oder schlössen sie aus 
ihrer Gemeinschaft aus,') belobten verdiente Priester®) und erkannten 
ihnen sogar heroische Ehren zu.*) Aufgenommen wurde jedermann, der 
eintreten und sich den Bestimmungen fügen wollte, auch Frauen, Frei- 
gelassene und Sklaven, und jedes Mitglied hatte dieselben Rechte.^®) Sehr 
genau lernen wir eine solche Organisation aus einer kürzlich in Athen 
gefundenen Inschrift des 2. oder 3. Jahrh. n. Chr. kennen. **) Die neu 
Aufgenommenen zahlen ein Eintrittsgeld, und zwar alle, deren Väter schon 
Mitglieder waren, oder die als Knaben bei den gottesdienstlichen Akten 
dienend mitgewirkt hatten, nur die Hälfte der sonst üblichen Summe. 
An jedem neunten Monatstage findet eine Feier statt, zu deren Besuch 
jeder verpflichtet ist. Versäumnis zieht wie andere Unordnungen oder 
Ausschreitungen eine Geldstrafe nach sich. Die regelmässigen Beiträge 



*) Harpokr. u. Said. u. 6gye<ay$s^ 

') Lipsius in BuBSiANS Jahresher. II 
1876 S. 1389 f. C. Schabfbb a. a. 0. 418. 

») CIA II 990. 

^) CIA II 1336. 

*) Ygl. die Inschr. Revne archöol. 1864 
8. 399 und die ohen S. 9 angeführten Bei- 
spiele. 

•) BoU. de corr. III 513. 

') Foucabt a. a, 0. 20 ff., 33 ff. IGSept. 
I 2725. 



^) Eine Inschrift aus Mantineia erw&hnt 
unter andern Verdiensten des Priesters, er 
hahe die GOttin (Eore) in sein Haus aufge- 
nommen, xa&tSg icny e^og toTg dsl ysyo- 
fj^yoig Ugevciy. Lkbas II 352h. Vgl. ZI. 30 
u. 34. 

•) Athen. Mitt. IX 291. 

*o) Foucabt a. a. 0. 5 ff. 

>0 Athen. MiH. XIX 248 ff., ausführlich 
behandelt von Maass Orpheus 18 ff. 



168 



Die grieohisohen Kultnsaltertttmer. 



werden monatlieh entrichtet. Als Beamte erscheinen ein tfQcvg, ttvd-ieqetg^ 
aqxißaxxog^ Ta/xiag, YQafifiavevg, Zwei in den Silberbergwerken von Lau- 
rion gefundene Inschriften^) aus dem 2. Jahrh. n. Chr. enthalten die 
Aufforderung zur Bildung eines Igavog zu Ehren des Mrjr xvqavvog und 
Kultvorschriften, die der Stifter selbst entworfen und dekretiert hat. 
Der Stifter aber ist ein Sklave, der in den Bergwerken arbeitet, und dem 
ein verlassenes Heroen als Tempelgebäude dienen muss. Andere Steine 
verzeichnen lobend die Namen der Wohlthäter und frommen Stifter, welche 
Tempel gebaut und wiederhergestellt oder die Kosten für die Feste frei- 
gebig bestritten haben, 2) und erkennen ihnen zum Dank kostspielige Aus- 
zeichnungen und Belohnungen zu.^) Bei der Organisation und Stellung 
dieser Vereinigungen war man ja auch naturgemäss auf die Opferwillig- 
keit einzelner reicher Mitglieder angewiesen. Solche Vereine waren über 
ganz Griechenland verbreitet. Eine rhodische Inschrift*) verzeichnet Dio- 
nysiasten, Paniasten, Heliasten und Heliaden, und eine andere ebenfalls 
aus Rhodos (n. 162) nennt ihrer noch mehr. Doch scheinen viele dieser 
Kulte ein geringes Ansehn genossen zu haben; sie werden häufig ver- 
spottet^) und haben dies zum Teil ohne Zweifel verdient.^) 

Daneben gab es noch andere Vereine, die eigentlich nichts mehr 
mit der Religion zu thun hatten, aber doch den Namen eines Gottes als 
Aushängeschild gebrauchten und sich nach ihm bezeichneten. Die wich- 
tigsten sind die der Dionysiasten d. i. Schauspielergesellschaften. ^) Ein 
anderer Verein hatte den Herakles zum Schutzpatron erkoren; die Zahl 
der Mitglieder war auf sechzig festgesetzt. Unterhaltung durch Witze und 
Zoten scheint der Hauptzweck ihrer Zusammenkünfte gewesen zu sein,^) 
und edlere Tendenzen oder Gepflogenheiten wird man von dem Verein 
des Ithyphallos,^) auch nicht vorauszusetzen haben. Dergleichen Klubs 
aber gab es viele. ^^) Lässt doch eine vor kurzem in Faros gefundene 
Inschrift sogar auf einen dort bestehenden d^iaaog von Hetären schliessen, 
der auch einen Priester und einen vsmxoQog hatte.**) 

Von den Privatkulten der Geschlechter haben wir schon wiederholt 
gesprochen. Neben ihnen gab es dann noch einen weiteren Kultus der 
Phratrien und oft auch einen engeren der einzelnen Familien. Auch 
kommt es vor, dass Kulte, die patrizische Geschlechter lange in ihren 
Privathäusern gepflegt haben, in ein gemeinsames öffentliches Haus verlegt 
werden. 1*) Über das Apaturienfest, das die Phratrien in Athen alljährlich 



') CIA m 73, 74 (DlTTEHBHBOBE Svll. 

379). 

«) CIA II 986 flF. Pergam. Ins. VIII 2, 
n. 374 handelt ausftthrlioh über die Feste, 
die ein ^iaaos namentlich an den Gehalts- 
tagen des Aagustus und der Livia feierte. 

>) Athen. Mitt. XXI 299 ff. CIGIns. II 
104. 

«) CIGIns. 1 155. S. auch 116 aus Syme. 

*) Vgl. FouoABT a. a. 0. 55 ff. 

•) Vgl. FouoAET a. a. 0. 158 ff. 

') 0. LüDBBS und PoLAND a. a. 0. Fou- 
OART De coUegiis scenicorom artificum apud 
Graecos. 



•) Vgl. Athen. XIV 3 p. 614 u. VI 76 
p. 260. 

•) Vgl. Demosth. LIV 17 p. 1262; 34 ff. 
p. 1267. 

><>) SoHQBXAim a. a. 0. 542 ff. nnd LO- 
DEBS a. a. 0. Erster Abschnitt. 

») Athen. Mitt. XVIII 16 ff. 

IS) DiTTENBEEQER Syll. 360 EOS Chios. 
Aristot. Pol. VI 4 p. 1318b, 19 and mehr 
bei R. ScHOBLL Sat. philol. Saappio obl. 168 ff., 
der überhaupt über die tditt Uqu der Ge- 
schlechter handelt. Vgl. auch Fiat. Leg. X 
909 f.; V 729 D. 



4. Koltiuseiten. (§ 101.) 



169 



im Monat Pyanopsion begingen, wird unter den Festen zu handeln sein ; von 
dem häuslichen Kult der Familien ist gelegentlich der Hausaltäre (S. 14 f.) 
der Opfer (S. 95, 106 f.) und der Reinigungen (S. 147 f.) bereits die 
Rede gewesen. Wichtig war er namentlich bei Eheschliessungen und Be- 
gräbnissen; doch fällt dies Kapitel mehr in das Gebiet der Privatalter- 
tümer, ^) und so mag denn hier nur noch erwähnt werden, dass in ver- 
einzelten Fällen eine Familie sich veranlasst sah, eine Gottheit als Schutz- 
patron in ihrem Hause besonders zu verehren, sei es infolge alten Her- 
kommens,') oder weil die Macht derselben sich an ihr besonders wirksam 
erwiesen hatte.') Schliesslich ist noch zu bemerken, dass auch die Staats- 
sklaven an einigen Orten ihre eigenen Kulte hatten.^) 



4. Kultuszeiten. 
a. Die Natlonalfeste. 

a. Die olympischen Spiele. 

Litteratar: Rathgbbbb in Ebsch u. Gbübbb's Encyklop. III Sect. 3 S. 114 ff. u. 
S. 293 ff. — J. H. Kbausb Olympia, Wien 1838 mit einem aiphabet. Verzeichnis der 
olymp. Sieger. Kbaüsb Hellenika, die (^[vmnastik und Agonistik der Hellenen, Leipzig 
1841. 2 Bde. mit vielen Abbildungen. Ksaubb in Faült's Realencykl. V 899 ff. u. III 
990 ff. F. KiNDSCHBB Das Programm der Olympien in Jahn's Jahrbb. Suppl. XI 485 ff. 
£. Fb. Hbbxakn Gottesdienst! . AIH.* S. 178 ff., 312 ff. Schobmann Griech. Altt.' 11 50 ff. 
E. CuBTiüs in Altertum u. Gegenwart 1882 II 129 ff., 157 ff., 185 ff. Flasoh Olympia in 
Baumbistbbs Denkm. Ad. Böttichbb Olympia, Berlin 1883 mit vielen Abbildungen, 
Situationsplänen und Rekonstruktionen. Hauptwerk: Cübtius, Adleb, Tbbu, Döbpfbld, 
Dittbnbbbgbb-Püboold etc.: die Ausgrabungen von Olympia Berl. 1881—97. E. Gubtivs 
Stud. zur Gesch. von Olympia Abh. der Berl. Akad. 1894 S. 1095 ff. Fb. Mib Quaestiones 
agonisticae, Diss. Rostock 1888. 

101. Die Hellenen hatten keinen Feiertag, der unserem Sonntag oder 
dem Sabbath der Juden entsprochen hätte, dafür aber eine grosse Zahl 
von Festen, die in regelmässiger Wiederkehr begangen wurden. Schon 
Homer scheint alljährlich zu bestimmter Zeit gefeierte Feste zu kennen,^) 
bei Hesiod finden wir bereits den Glauben, dass es Glücks- und Unglücks- 
tage gebe, dass der siebente dem Apollon heilig sei,^) der fünfte den 
chthonischen Gottheiten gehöre,^) und in der folgenden Zeit muss das 
ganze System der den verschiedenen Göttern geweihten Monatstage^) ge- 
schaffen und ausgebildet worden sein. Man wird für jeden bestimmte Opfer- 
tage festgesetzt haben, und daraus haben sich dann allmählich und in immer 
grösserer Zahl die periodischen Feste entwickelt. Wie es bei der Eigenart 
und dem Partikularismus der Staaten und Städte in Griechenland, der 
sich auf religiösem Gebiet nicht am wenigsten geltend machte, nicht an- 



») S. Iw. V. MüLLBB Hdb. IV» 148. 223 f. 

•) Vgl. Aristoph. Av. 1534 u. 764. 
Herod. V 66. 

') Plut. Timol. 86. Comel. Nep. Timol. 
c. 4. Vgl. auch Badbb De diis naxQt^oigj 
Progr. des Gymnas. zu Schleusingen 1873. 

*) Vgl. biTnwBEBOEB Ind. lect. Halle 
8. 1887 8. VIII f. 

fi) V 156 cf. <p 258. B 550 f. Zu dieser 
Stelle s. ausser Ed. Mbtbb Hermes XXVII 



376 f. und Pbbllwitz Festschr. f. L. Fbibd- 
LAENDBB 1895 S. 885 auch Düntzeb Ep. Cy- 
clus 12 u. 26 und Köohlt De gen. Catal. 
forma 15. 

•) Erg. 770 f. 

') Erg. 802 ff. 

•) Schol. Aristoph. Plut. 1126; Nuh. 616. 
Vgl. Lobbok Agl. 430 ff. Schoemann Gr. 
Altt» II 441 ff. 



170 



Die grieohisohen Enltusaltertaiiier. 



ders sein kann, finden wir auch in den Festen der einzelnen die mannig- 
fachsten Unterschiede. Doch ein Band gab es, das die Hellenen auch 
hier vereinte, das sie fester zusammenschloss und sie sich ihrer Zusammen- 
gehörigkeit inniger bewusst werden liess,i) als selbst eine dem gemein- 
samen Vaterland die Vernichtung drohende fi[riegsgefahr: die grossen 
Nationalfeste. 

102. Die ersten Wettkämpfe, von denen wir in Griechenland hören, 
fanden bei Leichenbegängnissen statt, ^) und die Sage führt die Stiftung 
aller grossen Nationalspiele auf BesfaEittungsf eiern zurück.*) AchiUeus 
weiss den gefallenen Freund nicht würdiger zu ehren als durch Kampf- 
spiele.^) Am Wettrennen der Wagen, Faustkampf, Ringen, Lauf, Wafifen- 
wettkampf, Wurf einer schweren Metallkugel, Bogenschiessen, Speerwerfen 
erfreuen sich die Helden, und die leidenschaftliche Teilnahme an jedem 
einzelnen Wettspiel lässt das ganze Heer alles andere vergessen. Kein 
eigentlicher Wettkampf, wo man Preise aussetzt, sondern ein Schauspiel 
ist es, wenn Alkinoos, um seinen schwermütigen Gast zu erheitern, die 
Jünglinge auffordert, ihm ihre Kraft und Gewandtheit im Lauf, Ring- 
kampf, Springen, Diskoswurf und Faustkampf zu zeigen {d- 100 ff.). Etwas 
Schöneres vermag auch sein gottgesegnetes Volk nicht zu bieten, und für 
nichts anderes darf er gleiches Interesse bei dem Fremden voraussetzen. 
Hier schlug das Herz des Griechen höher, der Wettkampf ist sein Stolz, 
und das Spiel ist ihm heiliger Ernst in der heroischen Zeit und nach 
vielen hundert Jahren, als Grösse und Freiheit zu Grabe getragen waren. 
,Die Hellenen gedachten später eine grössere Streitmacht nach den Thermo- 
pylen zu senden, denn es war gerade um diese Zeit das Olympische Fest*, 
sagt Herodot,^) weit entfernt, das gefahrliche Säumen zu tadeln; Alexander 
der Grosse belohnt und erhebt seine Soldaten nach Mühen und Schlachten 
durch Wettspiele ;<^) und als die Zehntausend nach den fürchterlichen 
Strapazen des Rückzugs zum ersten Mal wieder Boden betreten, wo die 
hellenische Sprache an ihr Ohr klingt, und sie ihrer Rettung sicher zu 
sein glauben, da wissen sie ihrer Freude keinen bessern Ausdruck zu 
geben und den Göttern nicht schöner zu danken, als indem sie Wett- 
kämpfe veranstalten.^) »Die Gymnastik trat in den Dienst der Religion*, 
und das freudige Zurschaustellen und Aufbieten der Jugendkraft, des herr- 
lichsten Geschenkes der Gottheit, war ein Opfer wie die Erstlingsgabe von 
den Früchten des Feldes, die Statue des Künstlers, die den Tempel als 
Weihgeschenk schmückte, oder der fromme Hymnos des Dichters.**) Nie 
wurde man sich der eignen d^cTtj und des göttlichen Segens stolzer be- 
wusst. Die Freude der Hellenen an den Kampf spielen ist also uralt, ja 
Homer kennt bereits alle später üblichen Arten des Wettkampfs. Be- 
schränkten sich die hippischen {dyc^veg InnixoC) auf das Rennen von Zwei- 



Vgl. Isokr. Paneg. 43. 

'\ R SLWtUkAT T1 W nannATi 



w 85 flF. RoHDB Psyche« 1 19 and über A 698 f. 
Rhein. Mus. XXXVI 544 f. 

») RoHDB Psyche* I 151 f. 

*) W 258 flF. Vgl. 680 flF. 

») Vll 206. Vgl. VIII 26 und E. Cübtius 



Altt. u. Gegenw. II 129 flF. 

•) Arr. Anab. II 5, 8. III 6, 1. VT 28, 3. 
Vll 14, 10. Plut. Alex. 29. 

») Xen. Anab. IV 8, 26 flF. 

^) CüBTHTs a. a. 0. 131. Sohobmanh 
a. a. 0. II 71. 



4. KoltiiMeiteii. (§ 102-103.) 



171 



gespannen, weil jene Zeit weder Viergespanne noch Reiter kannte, so finden 
wir unter den gymnischen Spielen {äym'cg yvfirixoi) sogar eines, das uns 
später nicht mehr begegnet: das Bogenschiessen. Doch von einem nationalen 
Fest, das aller Griechen Stämme froh vereinte, weiss Homer noch ebenso- 
wenig wie von einem Kranz, der alle Preise, die der Reichste dem Sieger 
verleihen kann, an Wert unendlich übertrifft. ^ — Die spätere Zeit bemühte 
sich, die Stiftung der grossen Nationalspiele bis in die sagenhafte Vorzeit 
hinaufzurücken, und früh genug ist sie sicherlich erfolgt. Pelops, Oxylos, 
Herakles werden als Stifter oder Erneuerer der olympischen Spiele ge- 
nannt, dann seien sie wieder in Vergessenheit geraten, bis endlich auf Ver- 
anlassung des delphischen Orakels Iphitos, König von Elis, dem dabei 
Lykurgos von Sparta seine Unterstützung lieh, sie wieder eingeführt habe.^) 
Beide sollen es durchgesetzt haben, dass während der Festzeit Gottes- 
frieden {ix€X€tQia) herrschte, und noch Pausanias (V 20, 1) sah in Olympia 
eine uralte eherne Scheibe, den sog. Diskos des Iphitos, auf der das Gebot 
des Gottesfriedens eingegraben war. Seitdem sollen die olympischen Spiele 
alle vier Jahre regelmässig gefeiert worden sein.^) Doch einigermassen 
sicher wird der Boden erst später. Im Jahre 776 soll der Eleier Koroibos 
einen Sieg im Wettlauf errungen haben, und von da an beginnt die Rech- 
nung nach Olympiaden, wenn sie auch erst Jahrhunderte später durch Timaios 
zu allgemeiner Anerkennung gelangte.^) Seit dieser Zeit soll man Sieger- 
verzeichnisse angelegt und regelmässig fortgeführt haben. ^) Der Kranz soll 
auf Anordnung des delphischen Gottes zum erstenmal in der siebenten Olym- 
piade gegeben worden sein, und seitdem blieb der Agon ein aTCKpaviTr^.^) 
103. In alter Zeit gehörte die Alpheiosebene, in der Olympia lag, den 
Pisaten, doch wurde sie ihnen schon früh von den Eleiern abgenommen; 7) 
endgiltig entschieden wurden die Kämpfe erst, als es den Eleiern mit Hilfe 
der Spartaner gelang, Pisa zu zerstören.^) Seitdem war Elis, wo der 
geweihte Ort lag, ein heiliges Land, oder sollte es wenigstens sein;^) nie- 
mand sollte es mit den Waffen in der Hand betreten. i<^) Das war freilich 



«) RoHDB Psyche* I 151, 2. 

») Paus. V 4. Strab. VIII 344. Vgl. 
Kbaübb Olympia 26 ff. BGttichbb Ol. 78 ff. 
Flasoh a. a. 0. II 1058 f. 

») Paus. V 8, 2 f. 

*) Paus. V 8, 3; Vlll 26, 3. Strab. VIII 
845. 

^) Verzeichnisse sind uns überliefert 
von Jul. Africanus bei Euseb. /^oi/. Xoy. I 
p. 39 ff. (Die erste Bearbeitung y. J. Soa> 
LiGBR De emendatione temporom, Paris 1583, 
Genf 1629. Thesaurus tempp. Leyden 1606. 
Vgl. ScHBiBBL J. Scaligeri 0Xvf4mddüiP ava- 
ygatpijt Berl. 1852.) Doch sind hier fast nur 
die Sieger im arddioy aufgefQhrt, nach denen 
die Olympiade benannt wurde (Xen. Hell. I 
2, 1 ; 11 3, 1. Ebause Olymp. 60 f. Cubtius 
Altt. u. Ggw. II 149. BörncHBR Ol. 147, u. 
im allg. Idblbb Handb. der Chronologie). 
Dass sie für die ersten Jahrhunderte keinen 
Anspruch anf historische Glaubwfirdigkeit 
machen dürfen, ist selbstverstAndlich (vgl. 



Mahafft Joum. of Hell. Stud. II 1882 S. 
164 f. Bötticheb a. a. 0. 87), aber auch für 
die spätere Zeit sind sie nicht durchaus zu- 
verlAssig. (S. Dittbnbebobb in der Arcb. 
Ztg. XXXV 37.) Ausserdem hat uns Pau- 
sanias in den Eliaka viele Namen von Sie- 
gern erhalten; andere lernen wir aus den 
in Olympia gefundenen Inschriften kennen 
(verönentlicht im 5. Bd. des grossen Olym- 
piawerkes). Vollständigstes Verzeichnis der 
Sieger jetzt bei Föbstbb Programme von 
Zwickau 1891 u. 1892. 

^) Phlegon HsqI jtSy *Okvfnn. Fbanz ed. 
II p. 140. Vgl. Dion. Hai. I 71. Diod. IV 14. 
Ebausb Ol. 158 f. 

') Strab. Vni 355. Paus. VI 22, 2. Vgl. 
Xen. Hell. III 2, 31 u. Mib a. a. 0. 7 ff. 

«) Paus. V 10, 2. 

*) Vgl. BdTTIOHBB OL 83. SOHOBXABir 

Gr A.» II 51. 

«0) Strab. VIII 357. Polyb. FV 73. 



172 



Die grieohisohen Knlinsalterttliiier. 



nicht durchzusetzen, auch diese Eluren wurden wiederholt der Schauplatz 
von Kämpfen und wilder Verwüstung; anders aber war es in der Uqü- 
firjvia, der Zeit, wo die heiligen Spiele stattfinden sollten.*) Wenn sie 
herannahte, zogen die anovioipoQoi^ „die Friedensboten des Zeus",^) zu allen 
Hellenen und verkündeten die ixsxeiQia^ wo jeder Waffenlärm schweigen 
solle und Frieden herrschen, so weit die griechische Zunge erklinge. 
Schwere Geldbussen wurden dem Staate auferlegt, der sich etwa nicht 
fügte, ^) zeitweilige Ausschliessung von den Spielen oder andere empfind- 
liche Strafen, die zu verhängen die Eleier das unbestrittene Recht hatten, 
waren so gefürchtet, dass auch der Widerwillige sich fügte,*) und der 
Mächtige zur Busse bereit war, selbst wenn er eine Entschuldigung zu 
haben glaubte.^) Die anoviotpoQo^ selbst waren vornehme Leute, sehr 
oft die Söhne der obersten Eultusbeamten in Olympia, der ^$0x6X0^,'^) 
lauter Eleier,^) die gewiss mit Gefolge reisten und überall würdiger Auf- 
nahme sicher waren. Sie überbrachten die Einladungen zum Fest, im 
Namen des olympischen Zeus mehr noch, als im Namen ihres Staates. 
Immer grösser ward der Ruhm der Spiele, und wenn mit Sicherheit an- 
zunehmen ist, dass das Fest zuerst nur ein elisches war, dann allmählich 
ein peloponnesisches wurde, ^) so beteiligten sich doch schon im 7. Jahr- 
hundert ^0) auch andere hellenische Staaten, und bald gab es keine Kolonie 
mehr, die nicht durch Entsendung von Wettkämpfern oder Theorien dazu 
beitrug, den Glanz der Feier zu erhöhen. Wie die Beteiligung wuchs, 
wurden dann allmählich dem Wettlauf, der ursprünglich das einzige Kampf- 
spiel gewesen sein soll,^^) immer neue Agone hinzugefügt, 1*) und so dehnte 
sich die Gesamtfeier, die noch bis zur 77. Olympiade (472) an einem Tage 
stattgefunden haben soU,^^) in kurzem auf fünf Tage aus.*^) In der 
14. Olympiade (724) soll zuerst der Doppellauf {diavloq) eingeführt sein,") 
vier Jahre darauf der Dauerlauf (ioXixoq)^^^) in der 18. Ol. (708) kamen 
das Pentathlon und der Ringkampf (/raAij) dazu,") Ol. 23 (688) der Faust- 
kampf (Trry/ti;), Ol. 25 (680) das Wettrennen der Viergespanne {Vnniav 
T€X€(a)v iQOfiog, ^^M^t Tbh-Qinnov)^ Ol. 33 (648) das Wettreiten (xäXrjg) und 
das Pankration.") In der 37. Ol. (632) wurden zum erstenmal Knaben 
zu den Wettkämpfen zugelassen, und zwar zum Lauf und Ringkampf, 
vier Jahre später auch zum Pentathlon; doch blieb es hier bei dem einen 
Mal, angeblich weil die lakonischen Knaben in diesem besondere Ausdauer 
erfordernden Kampf den andern zu sehr überlegen waren;*') dagegen wurde 
in der 41. Ol. (616) dauernd der Faustkampf der Knaben eingeführt.'*) 
Erst Ol. 145 (200) wurden Knaben auch zu dem schwierigen Pankration 



») Paus. III 8, 2; V 20, 2. Xen. Hell. 
VII 4, 28 S. 

») Vgl. Kbaüsb Ol. 41 flf. 

•) Find. Isthm. II 23. 

*) Thuk. V 49. 

*) Vgl. Pauß. V 21, 3. 

') Vgl. die Hypothesis zu Demoeth. XIX 
p. 335. 

') Ol. V 431-434. 

») Ol. Inschr. 431—432. Ephem. arch. 
3486, 3487. Find. Isthm. II 23. 



») Vgl. BöTTICHBB Ol. 84. 
»0) Vgl. BöTTICHBB Ol. 121. 

»>) Paus. V 8, 2. 
») Vgl. CIA II 978. 
»•) Paus. V 9. 3. 
»*) Find. Ol. V 6 mit SchoL 
9, 3: seit 468. Kbausb Ol. 69. 



») Paus. V, 8, 3. 
**) Paus, ebenda. 
") Paus. V 9, 1. 



Paus. V 



Dion. Hai. VII 72. 



4. KiiltiMseiten. (§ 104.) 173 

zugelassen. ^) In der 65. Ol. (520) sah man zuerst den Wettlauf der Männer 
in Waffen (onhvdv igofjiog),^) Später erfuhren namentlich die hippischen 
Kämpfe vielfache Bereicherung, die mehr oder weniger Beifall fand. In 
der 93. Ol. (408) liefen zum erstenmal Zweigespanne {avvwQig),^) Auch 
versuchte man Rennen mit Maultiergespannen {anrjvrj) und Wettreiten auf 
Stuten {xdXnr^ einzuführen, doch hatte diese Neuerung keinen langen 
Bestand.*) Ol. 99 (384) liefen zum erstenmal Viergespanne noch nicht 
ausgewachsener Pferde {nwXmv a^fiata), Ol. 128 (268) auch Zweigespanne 
{avvwQfg Trioitov)^ Ol. 131 (256) endlich unausgewachsene Reitpferde {TrwXog 
xäXr^g),^) Ol. 96 (396) wurde auch ein Wettkampf der Herolde und 
Trompeter eingeführt.*) Wer von den ersteren Sieger blieb, dem ward 
ausser dem Kranze die Ehre zu teil, die Namen der Sieger ausrufen zu 
dürfen.*) Das Fest war ein pentaeterisches, wurde also alle vier Jahre 
gefeiert, und zwar fiel der heilige Monat {leQofirjvia) in die heisse Sommer- 
zeit.*) Der frühste Festtermin scheint Ende Juli, der späteste Mitte 
September des julianischen Jahres gewesen zu sein.^) Da in alter Zeit 
die Spiele, die nur einen Tag dauerten, am Vollmond stattfanden,^) lässt 
sich annehmen, dass auch später das Fest in die Zeit des Vollmonds ge- 
legt wurde. ^) In mehr als einer Beziehung war der Hochsommer mit 
seiner brennenden Hitze gerade für eine solche Feier, wie sie in Olympia 
stattfand, ungeeignet, aber sei es nun, dass man ein uraltes heiliges Fest 
nicht verlegen wollte, sei es, dass die Länge der Tage für die Unbequem- 
lichkeiten entschädigte und sie ausglich, — man wollte es nicht anders 
haben und fühlte weder Sonnenglut noch Staub.») 

104. Olympia war ein heiliger Ort. Ständigen Aufenthalt hatten 
daselbst nur die wenigen, die mit dem Kultus des Zeus und der andern 
dort verehrten Götter dauernd zu thun hatten ;i®) auch einer der fiäweig 
und einige Exegeten werden gewiss stets zur Stelle gewesen sein.^') Der 
von einer Mauer umgebene, ganz den Göttern geweihte Raum der Altis^«) 
war besonders heilig. Hier stand der Tempel des Zeus mit dem Bilde 
des Pheidias, das Heraion, das Pelopion, das Metroon, der riesige Zeus- 
altar mit seinem Aschenaufbau und eine Reihe anderer Altäre, an denen 
die allmonatlichen Opfer stattfanden;^^) der Raum war erfüllt von den 
herrlichsten Bildwerken und Weihgeschenken, namentlich auch den Statuen 
der Sieger. Doch wie eine seltene Blume sorglich gepflegt wird, bis sie 
sich endlich zur kurzen Blüte entfaltet, so war eigentlich alle diese Pracht 



») Paus. V 8, 3. 

•) Paus. V 9, 1. 

•) Paus. V 22, 1. OL V 232. 

*) Vgl. Poll. IV 87 flf.. 92. Athen. X 7 
p. 415. Ol. Inschr. 242—243. Cic. Ad fam. 
V 12, 8. 

») Ael. Var. bist. XIV 8. Luk. Herod. 8. 
Laert. Diog. I 39. 

») Find. Schol. Ambros. Ol. III 33. üh- 
OBR Hdb. I« 773. Philol. 1874 S. 227 ff. 
Berl. Phil. Wochenschr. XII nr. 30 u. 31. 
A. MoMHSEN über die Zeit der Olympien 
I^ipzig 1891. Abweichend Nissen Rhein. 
Mus. 1885 S. 349 ff. 



Pind. Ol. III 20; X 73. 

") Nach Ungeb 11 — 16 Metageitnion. 

*) Vgl. namentlich Lukians Anach. 

*^) Vgl. Weniger Der Gottesdienst in 
Olympia bei Virchow u. v. Holtzendobff 
XIX Serie, Heft 443. Curtius d. Altäre v. 
Olympia, Abb. der Berl. Akad. d. Wiss. 1881 

»») CüRTius a. a. 0. 18, 28, 38. 

»») Paus. V 13 ff. BöTTioHER Ol. 161 ff. 
Vgl. Robert Herm. XXIII 424 ff. 

*») Paus. V 13 u. 14. Curtius-Adler 
Olympia u. Umgegend 35 ff. Cürtius Abb. 
der Berl. Akad. d. Wiss. 1881 S. 3 ff. 



174 



Die grieohisohen Snltiuialteriamer. 



und Herrlichkeit, all dieser Götterdienst und all das zahlreiche Personal 
nur da, um an fönf Tagen innerhalb eines vierjährigen Zeitraums Göttern 
und Menschen ein Schauspiel zu bieten so grossartig und so edel zugleich, 
wie es in dieser Art nie seinesgleichen gehabt hat. »Wie das Quellwasser 
die Schätze des Erdbodens und das Gold die Güter des Reichtums" ^) über- 
trifft, so überstrahlten die olympischen Festspiele alle andern.') 

105. Unter den Beamten und überhaupt dem ganzen Personal, 
das mit den Vorbereitungen zu den Spielen und ihrer Leitung zu thun 
hatte {u^ävai, diati&ävai %d *Okvfjinia),^) waren die vornehmsten die 
^EXXavoStxai,^) Es soll anfangs nur einen gegeben haben,*) dann zwei; 
wahrscheinlich Ol. 95 (400 v. Chr.) wurde die Neunzahl eingeführt, 392 
der zehnte hinzugefügt. Ol. 103—108 (368—348) fungierten zuerst zwölf, 
dann acht, darauf wurde wieder die Zehnzahl hergestellt.«) Es waren 
angesehene Bürger aus Elis, die sich auf der tegd ddog die Küste des 
Meeres entlang, unterwegs ein Opfer darbringend, von Elis nach Olympia 
begaben. Sie hatten die Kämpfer in die Listen (Xsvxmfia) einzutragen, 
sie zu prüfen und die Untauglichen zurückzuweisen,^) den Zugelassenen 
den Eid abzunehmen, auf strenge Beobachtung aller Kampfgesetze zu 
achten, die Preise zuzuerkennen und schliesslich dafür zu sorgen, dass 
die Statuen der Sieger mit den Unterschriften in der vorschriftsmässigen 
Weise angefertigt und aufgestellt wurden.*) Dem Angesehensten unter 
ihnen aber ward die Ehre, den Kranz auf das Haupt des Beglückten zu 
legen. ^) Es finden sich sogar Datierungen nach Hellanodiken;^*) denn 
für jede Olympiade wurden neue ernannt, die sich zehn Monate in Elis 
auf ihr schwieriges Amt vorzubereiten und mit allen Einzelheiten ver- 
traut zu machen hatten. Eine Berufung gegen ihre Entscheidung konnte 
bei der ßovXr^ erfolgen, die zwar nichts mehr redressieren, wohl aber un- 
gerechte Hellanodiken verurteilen konnte, ^0 ^^^ ¥b\\, der gewiss selten 
genug vorgekommen sein wird; denn nicht bloss der Eid und der heilige 
Charakter der Spiele, die Rücksicht auf ganz Hellas bürgte für einen ge- 
rechten Spruch, und der Vorwurf, den Bakchylides in einem Festgedicht 
(XI 24 ff.) auszusprechen wagte, mag wohl ohne Beispiel dastehn. Den 
Hellanodiken zur Seite standen aXvtat unter einem dXvTaQxrjg,^^) die nach 
ihrer Anordnung etwaige Ungehörigkeiten verhindern oder bestrafen mussten, 
also eine Art niederer Polizeibeamten waren. Die Fülle des übrigen Kult- 
personals haben uns namentlich die Inschriften kennen gelehrt. "») Es bleibt 
sich nicht immer gleich; konstant begegnen ausser dem Schreiber (y^a/i- 
(Liavevg), der die Listen abfasst, nur sakrale Beamte: die &€ox6i.o$^ meist 



*) CüBTius Altt. u. Ggw. II 132. 

«) Find. Ol. I Anf. Vgl. Kbausb Ol. 16 f. 

•) Olymp. V 59 mit Dittenbergers Be- 
merkung. 62, 64 etc. Vor allem 59 S. 138 f. 

*) Paus. V 9, 4 f.; VI 3, 3. Krausb Ol. 
124 ff. BöTTICHBB Ol. 148 f. 

*) Aristot. bei Haq)okr. u. 'EXXayodixM. 
MiB a. a. 0. 15 f. meint bis OL 52. 

*) DlTTENBRROER Olymp. V ZU u. 44. 

Vgl. Förster De Hellanod. Olymp., Leipz. 
Diss. 1879. ScHOEXAim a. a. 0. II 60. E. Cur- 



Tius Stzgsber. Berl. Akad. XXXVI (1895) 798. 

') Plut. Ages. 13. Xen. Hell. IV 1, 10. 
Paus. VI 14, 1. Gell. Noct. att. XV 20. 

8) Luk. De imag. § 11. 

») CuBTius a. a. 0. 800. 

»ö) Olymp. V n. 36, 39, 44. 

») Paus. VI 3, 3. 

") Luk. Hermot. 40. 

^*) Vgl. zum Folgenden Dittekberqkr 
zu n. 59 S. 138 f. 



4. Xnltiuigelten. (§ 1Ö5-106.) 



175 



sehr alte Leute/) deren drei alle vier Jahre fUr die Dauer der Zeit von 
einem Pest bis zum andern (ficTexexrjQov)^) erwählt wurden, und deren 
einer monatlich die Opfer zu besorgen hatte,') die drei anovSo^ogo^, zwei 
oder vier itiävTsig aus den Geschlechtern der lamiden und Klytiaden, 
Flötenbläser {anovSavlaiY) und Exegeten. Daneben finden wir, und zwar 
bis zum Jahr 50 n. Chr. häufiger, einen inifieXrftriq^ xa^rnisQOx^vtrfi, otvo- 
Xoog, ^vXsvg erwähnt, einen oder mehrere fAäyeiQoi, eine Inschrift (n. 62) 
nennt auch einen aQxiräxtwv und einen latQog, Viele dieser Beamten sind 
niedrige Leute, der Schreiber, der ^vXevg, der das Holz zu den Opfern 
zu besorgen hat,*) sehr oft Hierodulen.«) 

106. Versuchen wir uns nun das Bild einer olympischen Fest- 
feier vor Augen zu führen, vergessen dabei aber nicht, dass auch als 
der Kreis der Spiele geschlossen war, die Reihenfolge der einzelnen nicht 
immer dieselbe geblieben ist.'') 

Gewiss schon geraume Zeit vor dem Beginn des Festes mussten 
alle, die mit den Vorbereitungen zu den Spielen zu schaffen hatten, an 
Ort und Stelle sein. Noch unbekannte Bewerber hatten dreissig Tage 
lang unter den Augen der Hellanodiken Übungen vorzunehmen, die Renn- 
pferde bedurften der Pflege nach der oft weiten Reise, die sie zurück- 
gelegt hatten, vielleicht auch der Vorübungen auf dem noch unbekannten 
Terrain, die Kämpfer selbst durften nicht erst im letzten Augenblick ein- 
treffen,*) die grosse Menge der Verkäufer musste rechtzeitig ihre Buden 
aufschlagen und alles in Stand setzen. Die Festgesandtschaften (xß^ecoQiai) 
aus fernen Kolonien und allen Städten Griechenlands kamen an und über- 
boten sich im Entfalten von Pracht und Pomp,') und so wuchs die Menge 
täglich, bis endlich der von allen ersehnte Augenblick herangekommen 
war. Am ersten Tage des Festes fanden noch keine Spiele statt. Man 
brachte dem olympischen Zeus ein grosses Opfer {ßord^vaia), daneben 
wurde auch der andern Götter und Altäre nicht vergessen, man begrüsste 
alte Freunde, >^) bewunderte den aufs herrlichste geschmückten festlichen 
Ort, unterrichtete sich über die Agonisten und ihre mutmasslichen Leistun- 
gen. Hellanodiken und Kämpfer schwuren vor der Bildsäule des Zeus 
Horkios im Rathause, jene, dass sie recht richten, diese, dass sie sich 
jeder Unredlichkeit und jeder absichtlichen Verletzung des Gegners ent- 
halten wollten, und dass sie während der letzten zehn Monate sich in 
der für Olympiakämpfer vorgeschriebenen Weise der Übungen beflissen 
hätten.»») Für Knaben leisteten ihre erwachsenen Angehörigen den Eid.**) 
Die Hellanodiken hatten sich zu überzeugen, dass nur freigeborene Hel- 
lenen,»*) die nicht wegen daeßeia oder aus sonst einem Grunde»*) aus- 



») DiTTBKBBBOBR Ol. V S. 146. 

') DimNBBBOBB Ol. V S. 150. 

•) Paus. V 15, 5. 

*) Ol. y 102 mit DiTTENBEBGBBS Bem. 

») Paus. V 13, 2. 

*) DiTTBMBEBGBB ZU D. 102 U. 121. 

7) S. Unobb Hdb. P 772 ff. Ich schliesse 
mich hier im ganzen Holwbbda Arch. Ztg. 
1880 S. 169 ff. an. Vgl. auch Mib a. 0. 32 ff. 

») DiTTBNBBBOBB Ol. V S. 528 f. Be- 



strafung Verspäteter Paus. V 21, 12. Plut. 
Symp. VII 5, 1. 

») Thuk. V 16. Vgl. Cic. Tusc. V 3 § 9. 



>») Isokr. Paneg. 43. 



Über die Vorbereitungen Plat. Leg. 
Vni 840 A. Kriton 7. I Cor. IX 25. 

»«) Paus. V 24, 2. 

") Dion. Hai. VII 6. Herod. V 22. 

»0 Thuk. V 49 f. Xen. Hell. III 2, 21. 
Paus. VI 2, 1. 



176 



Die griechischen Knltiisaltertllmer. 



geschlossen waren, sich um die Ehre des Wettkampfs bewarben, und ihre 
Namen in die Listen einzutragend) Dann fand die Prüfung der Knaben 
und jungen Pferde statt.*) Unter den täXewi innoi durfte man so junge 
Pferde laufen lassen, wie man wollte,^) ebenso, wie es Knaben und Jüng- 
lingen nicht verwehrt wurde, sich mit Männern zu messen, wenn sie und 
die Richter überzeugt waren, dass sie stark genug dazu seien. ^) Die 
Altersgrenze der Knaben umfasste die Zeit vom siebzehnten bis zum 
zwanzigsten Lebensjahr;^) dass der Messenier Damiskos sich als zwölf- 
jähriger beteiligen durfte, war wohl eine einzig dastehende Ausnahme.^) 

Am nächsten Tage begannen die Wettkämpfe, und zwar die der 
Knaben.'') Wie wir gesehn haben, beschränkten sie sich bis zum Jahre 
200 auf Wettlauf, Ringen und Faustkampf und füllten damals schwerlich 
allein einen Tag aus.^) — Ein noch gesteigertes Interesse nahmen die 
Kämpfe des dritten Tages in Anspruch, wo die Erwachsenen ihre Kräfte 
massen. Mit dem ersten Sonnenstrahl begaben sich die Hellanodiken, 
mit Purpurgewändern bekleidet, die Herolde und die Kämpfer, diese bis 
um die Mitte des 5. Jahrhunderts mit einem Schurz bekleidet,^) dann 
völlig nackt und mit Öl gesalbt, durch den verdeckten Eingang, der die 
Altis mit dem Stadion verband, *•*) in die Rennbahn, wo der Wett- 
lauf *i) stattfinden sollte. Auf breiten, durch Pfosten von einander ge- 
trennten Steinplatten, deren sich zwanzig an jedem Ende der Bahn be- 
fanden, nahmen die Läufer den Platz ein, den ihnen das Los angewiesen 
hatte. 1^) Man begann in älterer Zeit wahrscheinlich mit dem einfachen 
Wettlauf ((rrcfrf*or),i8) der für den ältesten und ursprünglich einzigen 
Kampf galt. Der Name des Siegers wurde zuerst in die Liste getragen 
und später zuerst vom Herold ausgerufen. Darum wurde nach ihm auch 
die Olympiade benannt. ^*) Die 192 Meter lange Bahn**) wurde nur einmal 
durchmessen, aber man lief in tiefem Sande, wo der flüchtige Fuss nicht 
Halt und Widerstand fand."«) Die Läufer wurden durchs Los in Gruppen 
zu vier geteilt,'^) die jedesmaligen Sieger stritten dann wieder unter ein- 
ander. Heftiges Schwingen der Arme begleitete die windschnellen Be- 
wegungen der Beine.*®) Der Argeier Dan des war einer der gefeiertsten 
ataSioiQOfioiy^^) sonst zeichneten sich namentlich die Krotoniaten in dieser 



») Cass. Dio LXXIX 10. Suet. Nero 21. 

•) Vielleicht wurden an diesem Tage 
auch die Lose gezogen, welche die Kämpfer- 
paare oder -gruppen und die Schranken fftr 
die Gespanne oder den Platz der Rennpferde 
bestimmten (Böttiobbb Ol. 128 f.). 

8) Vgl. Paus. VI 2, 1. 

*) Paus. VI 14, 1. 

^) DiTTBNBEBGBB Ol. V 56 ZI. 10 f. Dazu 
S. 237 u, 124. 

•) Paus. VI 2, 5. 

') Plut. Quaest. symp. 11 5, 1. 

8) Vgl. Schol. Pind. Ol. V 14. 

•) Thuk. 16. Vgl. Paus. 1 14, 1. Kbausb 
Ol. 339 ff. 

»<>) Cübtius-Adleb Ol. u. ümg. 31. G. 
HiBSOHFELD Ztschr. f. d. österr. Gymnas. 
1882 S. 499 ff. 



»•) Kbaüsh Hellenika I 337 ff. 

") BöTTICHEB Ol. 223 ff. Vgl. Haüsbb 
Arch. Jahrb. II 103 f. Ausgrab. v. Olympia 
II S. 37 Taf. 35. JOthnbb Eranos Vindobon. 
1893 S. 310 ff. 

»») Vgl. Plat. Leg. 833 A. 

^*) Gezählte Olympiaden finden wir erat 
spät. Das erste Beispiel begegnet in der 
Inschr. 530 aus d. J. 64 v. Chr. 

*^) genau 192,27 = 600 olympische Fuss. 
Der Fuss = 0,3205 Meter nach DGbppbldb 
Berechnung. 

'•) Luk. Anach. 27 p. 909. 

") Paus. VI 13, 2. 

»«) Kbausb Hell. I 367 ff. S. die Abbil- 
dung bei BöTTioHEB Ol. 90. Vgl. S. 225. 

»») Diod. XI 53 p. 443. 



4.1Kiatiuaeit6B. (§ 106.) 



177 



Eampfart aus.O Damach kam der Dauerlauf {i6l$xoQ) an die Reihe, 2) 
der zu Pausanias' Zeit und gewiss schon viel früher die erste Stelle ein- 
nahm.') Wahrscheinlich legten die Läufer die Bahn 24mal zurück, eine 
Strecke von mehr als 4^» Kilometern.*) Die Angaben, die von siebenmal 
20 oder 24 Stadien sprechen,^) sind aus verschiedenen Gründen unglaublich. 
Einer der berühmtesten dohxoiqoiiot war der Lakedaimonier Ladas.') 
Darauf schritt man zu dem Doppellauf (diavXog),'^) Hier war die Bahn 
zweimal, hin und zurück, zu durchmessen. Waren diese Kämpfe be- 
endigt, begann der Ringkampf [ndXrj),^) Zwei Arten waren üblich: ent- 
weder musste der Gegner dreimal zu Boden geworfen werden {xQi^d^eiv), 
oder man setzte auf der Erde liegend den Kampf so lange fort, bis 
einer der beiden Ringer sich durch Ausstrecken der Hand für besiegt 
erklärte {anayoQ€V€iv). Die zweite Art wurde in Olympia beim Pankration 
angewendet. Bei der ersten kam es auf Körperkraft vielleicht weniger 
an als auf Gewandtheit. Gelang es dem einen, seinen Gegner zu um- 
fassen, so war der entschieden Stärkere ja im Vorteil, und von dem be- 
rühmtesten Ringer des Altertums, dem Krotoniaten Milon, der sechsmal 
zu Olympia siegte,^) wird berichtet, dass er den Gegner durch sein 
Körpergewicht zu Boden zu drücken pflegte; aber um den siebenten Kranz 
brachte ihn sein Mitbürger Timasitheos, der dem Gefürchteten so ge- 
schickt auszuweichen verstand, dass er ihn überhaupt nicht umschlingen 
konnte. Plötzliches Wegziehn des Beines oder ein schneller Sprung in 
den Rücken waren besonders geübte Kunstgriffe, um den Gegner zu Fall 
zu bringen. *ö) Natürlich währte solch ein Kampf oft sehr lange.**) Nach 
den Ringern traten die Faustkämpfer auf (^f/M'?)-**) Es war der grau- 
samste und gefährlichste Kampf, verschönt und veredelt aber auch durch 
die Art, wie ihn der vollendete Meister betrieb. Hände und Unterarm 
wurden mit Riemen umwunden, die bisweilen noch mit Buckeln aus Blei 
besetzt waren.* 3) Beide Arme gebrauchte man gleichmässig zum Schlagen 
und zum Parieren. Verstümmlungen gehörten nicht zu den Seltenheiten, 
und auch Todschläge kamen vor.**) Doch war es der höchste Ruhm, 
weder einen Schlag empfangen noch ausgeteilt zu haben und durch be- 
ständiges geschicktes Parieren den Gegner so zu ermüden, dass er sich 
für besiegt erklären musste.*^) Zu den berühmtesten Faustkämpfern ge- 
hörte der Rhodier Diagoras.*^) Den Schluss der Kämpfe bildete das nay» 



') Strab. VI 262. 

') Abbfldimg von dohxo&QOfJLoi bei Da- 
bbkbrbg-Saglio 1 1644 Fig. 2220. 

•) Paus. VI 13, 2. 

*) J. Chrysostomos Praef. in epist. ad 
Phil. p. 4. Krause Hell. I 350 f. 

*) Schol. Soph. El. 686. Suid. u. ^ohxog, 

•) Paus. II 19, 6; III 21, 1. 

») Paus. VI 13, 2, vgl. V 17, 3. Schol. 
Aristoph. Av. 292. Vgl. auch Hausbr Arch. 
Jahrb. II 106, X 196. 

^) Ebaube Hell. I 423 ff. Jüthmkr a. a. 0. 
320 ff. Abbildung Taf. V Fig. 6a u 6b; auch 
bei Bauhsistsb Denkm. S. 1435 Fig. 1589. 

•) Paus. VI 14, 2. 
Buidbnch der klMs. AltertumewlneoschAft. Y, 8. 



^0) Luk. De gymn. 31. Sohbeibbb Bil- 
deratlas xxni 10. 

") Schol. Find. Nem. VII 106 B. 

>>) Ebausb HeU. 1 497 ff. Abbildung 
Taf. V Fig. 4 ; auch bei Baüvsistbr Denkm. 
524 n. 565, 566. 

*') Abbildungen dieser eaestus bei Bot- 
TicBBR Ol. 99. ä. auch Hülsen ROm. Mitt. 
IV 175 f. Vgl. Schol. Fiat. Rep. I 897. 

»<) Aelian. Var. bist. X 19. Fiat. öorg. 71 
P.515E. Frotag.28p.342B. Fans. VI 9, 6 f. 
VIU40,3.Schol.Find 01.V34B. ClGIns II390. 

»*) Dio Chrysost. Orai XXIX 12 p. 541. 
Faus. VI 12, 3. 

»•) Find. Ol. Vn 15 ff. 

2. Aufl. 12 



178 



Die grieohisohen Knltosaltartttmer. 



xQcitiovy das für die schwierigste Leistung galt.O Es war eine Ver- 
einigung von Ring- und Faustkampf,') und nur die stärksten Männer 
durften es wagen, darin aufzutreten.') Gewandtheit, Schnelligkeit und 
List konnten aber wohl auch dem Schwächeren einmal zum Siege ver- 
helfend) Da hier auch das Würgen des zu Boden geworfenen Gegners 
gestattet war, war selbst ein tödlicher Ausgang nicht ausgeschlossen.') 
Zu diesen gefährlichen Kämpfen werden sich niemals viele Bewerber ge- 
meldet haben,') und nur bei ihnen wird es häufiger vorgekommen sein, 
dass ein bekannter und gefürchteter Kämpe den Sieg äxovm (ohne sich 
staubig zu machen) errang. In der 218. Olympiade hatten sich zwei zum 
Faustkampf gemeldet, von denen der eine aber zu spät eintraf, so dass 
sein Antagonist den Sieg ohne Kampf erwarb.^) In diesem Fall mochte 
der Sieger den Zufall preisen, sonst aber galt es für die höchste Ehre, 
so anerkanntermassen der erste zu sein, dass niemand den Kampf auch 
nur versuchen wollte,') und die Inschriften heben die dxoviTC errungenen 
Siege denn auch jedesmal hervor.') Es konnte auch vorkommen, dass 
ein Gegner von einem vorher bestandenen andern Kampf so ermüdet war, 
dass er den zweiten nicht mehr wagen konnte. Den traf dann eine strenge 
Strafe.^') Denn es war seine Schuld, dass er seine Kräfte überschätzt 
und die Zuschauer um den Genuss gebracht hatte. Möglich, dass sich 
nur noch ein anderer gemeldet hatte, und das Pankration dann überhaupt 
unterbleiben musste; aber auch wenn die Nummer des Programms nicht 
auszufallen brauchte, so war es doch dem Publikum ebensowenig gleich- 
gültig, welchen Athleten es zu sehn bekam, wie heute dem Spanier, 
welcher Torero, oder uns, welcher Sänger in der Oper auftritt. Die be- 
rühmtesten Pankratiasten waren Theagenes aus Thasos und der Thes- 
saler Pulydamas. Jener soll an verschiedenen Orten im ganzen vierzehn- 
hundert Kränze errungen haben, i^) in Olympia siegte er im Faustkampf 
und vier Jahre darauf im Pankration. ^^ Von seiner Stärke erzählte man 
Wunderdinge, und in seiner Heimat wurden ihm nach seinem Tode 
heroische Ehren erwiesen, i') Noch mehr Kraftstücke wurden von Puly- 
damas berichtet. ^^) Ausgezeichnete Pankratiasten waren auch die Söhne 
des Rhodiers Diagoras, von denen der jüngste, Dorieus, in drei auf ein- 
ander folgenden Olympiaden den Kranz erwarb.^') — So war der ganze 
Tag mit Kämpfen ausgefüllt, denn das Pankration dauerte, auch als die 



') Paus. VI 15, 3. Krause Hell. I 534 ff. 

') Doch blieben die Hinde hier unbe- 
wehrt. Abbildung bei Dabbmbbrg u. Saolio 
Dict. I 520. 

») Paus. VI 6, 2; 11, 2. Vgl. Demosth. 
XXI 71 p. 537. 

*) Find. Isthm. III 63 ff. Philostr. Imag. 
II 6. Plat. Leg. VII p. 705. 

») Paus. VIII 40, 2. 

•) Anders Fabsr PhUoL 1891 S. 493 f. 

^) Paus. V 21, 5. 

») Hör. Epist. 1 1, 49 ff. Hopfmakw Syll. 
epigr. 383. 

•) Olymp. V nr. 153 und Paus. VI 7, 2 



Faustkämpfer in Pvtho. Plin. Nat. hist 
XXXV 183 ein Pankratiast. Bull, de corr. 
XVIII 85 rühmt sich ein Flötenvirtuos aus 
Samos in Delphoi ävev äktayupictaiy av- 
XijaM Tov aytjya, was noch keinem vor ihm 
beschieden gewesen sei. 

'<>) Paus. VI 6, 2 den Pankratiasten 
Theagenes in Olympia. 

") Paus. VI 11, 2. 

»*) Paus. VI 6, 2. 

»•) Paus. VI 11, 3. 

'*) Paus. VI 5, 3 ff. 

'») Thuk. ni 8. Paus. VI 7, 1. Olymp. 
V 151 ff. BuU. de corr. XI 287 ff. 



G 



nor^ 

] 



4. KoltüBEeiten. (§ 107.) 



179 



Wettspiele auf mehrere Tage verteilt waren/) zuweilen bis in die Nacht 
hinein. 2) Der Mond mag dann noch lange den xcofzog der glücklichen 
Sieger beleuchtet haben. 

107. Am vierten Tag erreichte das Fest seinen Höhepunkt. Er 
brachte die glänzenden hippischen Agone') und den zweiten Teil der 
Männerkämpfe. — An Pracht und Herrlichkeit übertraf alle andern Arten 
der InnoÖQoixicc das Rennen der Viergespanne. Man fuhr auf niedrigen, 
mit zwei, meist nur vierspeichigen, Rädern versehenen Wagen, die hinten 
offen waren, den homerischen Streitwagen ganz ähnlich. Die vier Pferde 
waren neben einander gespannt, die beiden äusseren zogen an Strängen, 
die an den vorderen Wagenbügeln befestigt waren, zwischen den beiden 
innen laufenden befand sich die Deichsel.*) Der Wagenlenker hielt die 
Zügel mit beiden Händen, in der einen ausserdem das xevtqov oder die 
fidan^y eine Rute mit vielen kurzen Peitschenschnüren. Nach den An- 
gaben einer jetzt zum erstenmal benutzten Handschrift aus dem alten 
Serail in Konstantinopel hat man die Länge des Umlaufs der Rennbahn 
{tnnodQOfiogY) auf acht Stadien = 1538,16 Meter berechnet.*) Die linke 
Langseite des Hippodroms vom Ablauf aus gerechnet, also die nördliche, 
wurde durch einen niedrigen, sich lang hinstreckenden Hügel begrenzt; 
diesem parallel laufend war in einer Entfernung von 320 Metern ein 
Erdwall aufgeschüttet, länger als der Hügelrücken. In Halbkreisform 
schlössen sich beide am östlichen Ende der Bahn zusammen. Hier befand 
sich in der Mitte ein Durchgang, dem Ablauf also gerade gegenüber. 
Nahebei erhob sich der sog. Taraxippos, einem runden Altar ähnlich, 
vielleicht ein altes Grabmal.'') Ganz in seiner Nähe muss die eine Ziel- 
säule {yvaaa) gestanden haben, wo die W^agen umbogen. Dieser gegen- 
über in der Längsaxe der Bahn befand sich die zweite vvaacc^ geschmückt 
mit der Statue der Hippodameia, wie sie im Begriff ist, den siegreichen 
Pelops zu bekränzen. Wer nach dem letzten Durchmessen®) der Bahn hier 
zuerst anlangte, oder genauer die Linie vom Auge der Hellanodiken bis 
zu dieser vvaaa zuerst passierte, war Sieger. Gegenüber dem die Bahn 
schliessenden Halbkreis befand sich die Ablaufstelle {a<p€ai>g). Damit kein 
Gespann von vornherein vor dem andern einen Yorsprung habe, hatte 
man eine kunstvolle Einrichtung getroffen, deren Erfinder . Eleoitas war. 
Pausanias (VI, 20, 7) vergleicht die Vorrichtung mit dem Bug eines Schiffes. 
Vor der Stoa des Agnaptos, die den Eingang des Hippodroms architek- 
tonisch abschloss, befanden sich die Stände für die Wagen, und zwar 
rechts (südlich) von der verlängerten Verbindungslinie zwischen den beiden 
vvaaai^ ein ungeföhr gleichschenkliges Dreieck bildend, dessen Grundlinie 



Vgl. Paus, y 9, 3. 



. Olymp. V 54. 

') Antike SchilderuDgen eines Wagen- 
rennens hauptsächlich 11. ^ 862 ff. Soph. 
El. 700 ff. Von Neueren Kkaüsk Hell. 1 557 ff. 
Pollack Hippodromica, Leipz. Diss. 1890. 
Gr. V. Lehndorff Uippodromos, Berl. 1876. 

*) Abbildung bei Böttiohkb Ol. 116. 

*) Über den Hippodrom Paus. VI 20; 



von Neueren zuletzt Wbbniokb Arch. Jahrb. 
IX 199 ff. H ScHOENE Arch. Jahrb. XU 150 ff. 

') ScHOENB a. a. 0. 159. 

') RoHDE Psyche« 173, 1. Pollaok a. 
a. 0. 94 ff. 

«) Pind. Ol. III 33 (35) mit Schol. Vgl. 
Ol. VI 75. Schol. zu Ol. II 93 und Pyth. 
V 27. 

12* 



180 Die grieohisohen Knltüsaltertümer. 

der Stoa parallel lief. Die Seiten waren über vierhundert Fuss lang, die 
linke etwas kürzer als die rechte, wahrscheinlich ein^ breiten Eingang 
offen lassend. In einem Winkel von etwa sechzig Grad mögen die beiden 
Schenkel vom, unweit der links von ihnen liegenden vvaaa mit der Statue 
der Hippodameia, zusammengelaufen sein. In der Mitte des so gebil- 
deten Dreiecks befand sich ein Altar, der zu jedem Fest neu übertüncht 
wurde. Auf ihm lag ein eherner Adler, an der Spitze des Dreiecks 
schwebte ein Delphin. Beide waren durch eine Maschinerie in Verbindung 
gesetzt. Das Zeichen zum Beginn des Rennens wurde dadurch gegeben, 
dass der Delphin sich senkte, und der Adler auf dem Altar sich in die 
Luft erhob. Die Wagenstande befanden sich an beiden Schenkeln des 
Dreiecks, einer schräg hinter dem andern. Die rechte Seite der prora 
war ein wenig vorgeschoben, so dass die etwas schräge Linie vom letzten 
Auslaufsstande der rechten Seite der a^psaiq (immer von der Stoa aus ge- 
sehn) genau so lang war wie die gerade Linie vom letzten Stand der 
linken Seite bis zur Zielsäule, an der man umbog, i) Alle Pferde galop- 
pierten also links. Die Seite links (nördlich) von der ersten Zielsäule 
war offen, damit die Pferde, die so schnell zu parieren nicht möglich war, 
nach Vollendung des letzten Laufes hineinstürmen konnten. Von den 
Oespannen wurden immer je zwei, eines am rechten und eines am linken 
Schenkel der a(p€<ng gleichziöitig herausgelassen, und zwar die hintersten 
Wagen zuerst. Befanden sich diese neben den vor ihnen stehenden, so 
fiel da das Seil, und so fort, bis im Verlauf weniger Sekunden alle Wagen 
in Bewegung waren. *) Da nun die Viergespanne ausgewachsener Pferde 
zwölf Umläufe zu vollenden hatten, 8) mussten sie einen Weg von 18,458 
Metern, also fast 18 V« Kilometern, zurücklegen. Sind diese Masse richtig, 
so müssen wir unsere bisherigen Vorstellungen von den Wagenkämpfen 
korrigieren: es war dann mehr ein Dauerlauf als ein Wettrennen, und 
nur zuletzt können die Pferde, deren Kraft noch unverbraucht war, ge- 
streckten Laufes dem Ziel zugestürmt sein.*) Es ist das, wenn wir an 
die Gewohnheiten und Erfahrungen bei unsern heutigen Rennen denken, 
befremdend und auch nicht leicht mit der Schilderung in Soph. EL 715 ff. 
zu vereinigen, wo beim sechsten bis siebenten Umlauf die ganze Kraft ein- 
gesetzt scheint, aber es ist ja möglich, dass die Bahn in Delphoi kürzer war, 
möglich auch, dass der Dichter die aufregenden Schlussphasen des Kampfes 
um der Lebendigkeit der Schilderung willen schon in ein früheres Stadium 
verlegt hat. Ausser der weisen Schonung der Kraft der Tiere kam es vor 
allem darauf an, möglichst kurz um die vvtraai umzubiegen. Das linke 
Pferd musste zurückgehalten und nahe herangedrängt werden, dem rechten 
liess man die Zügel schiessen. Die richtige Leitung von vier neben ein- 
ander gehenden Rossen erforderte ganz besondere Geschicklichkeit. Ein 
Wagenlenker suchte dem andern natürlich den bei weitem günstigsten Platz 
unmittelbar an der Zielsäule abzugewinnen, und so ist es denn kein Wunder, 



Pollack b. a. 0. 58 f. 
*) Bildl. Darstellung rennender Vierge- 
spanne Taf. y Fig. 5; auch bei Schreiber 



») Find. Ol. III 33; II 50. Pyth. V 30 
mit Schol. Schol. zu Ol. VI 75. Hdschr. ans 
Eonstantinopel ZI. 22 Aj*ch. Jahrb. XU 158. 



Kultnrhist. Atl. Taf. XX n. 10. j *) Schoenb a. a. 0. 159 f. 



4. Knlinsseiten. (§ 107.) 



181 



dass an diesen geföhrlichen dreiundzwanzigmal zu überwindenden Stellen, 
wo die Leidenschaft manchen Lenker blind und alle rücksichtslos gegen 
die andern gemacht haben wird, bisweilen Unglücksfälle vorkamen. — 
Die Zahl der konkurrierenden Gespanne war sehr gross, da nicht ver- 
schiedene Rennen stattfanden, wie im Stadion, sondern alle auf einmal 
liefen. Pindar (Pyth. V 46) preist einen Sieger, der in einem Rennen von 
41 Wagen allein den seinigen glücklich durch alle Fährlichkeiten ge- 
steuert habe. Wenn in Pytho so viele liefen, haben wir in Olympia 
nicht weniger vorauszusetzen.*) Alkibiades schickte einmal sieben Vier- 
gespanne zugleich nach Olympia. Er erhielt nicht nur den Preis, sondern 
seine Wagen behaupteten auch den zweiten und dritten,*) oder zweiten 
und vierten^) Platz.*^) Neben diesem aufregendsten und prächtigsten 
aller Kämpfe gab es dann eine Reihe anderer hippischer Agone. Wie 
sie aufeinander folgten, wissen wir im einzelnen nicht genau, doch scheint 
so viel sicher zu sein, dass die Rennen der n(oXoi denen der xäXsio^ Innoi 
vorangingen, wie die Kämpfe der Knaben denen der Männer, s) Dass 
das Rennen mit Maultiergespannen wie das Reiten auf Stuten nur einige- 
male stattfand, haben wir schon gesehn. Dauernd erhielt sich das Rennen 
mit dem Zweigespann ausgewachsener Pferde {avvtoglg tbXsiwv litTttov), 
das 404 aufkam,«) ebenso das mit vier jungen Pferden (ncSXoov äQfia)^ 
welches 380 eingeführt wurde. Beide hatten die Bahn achtmal zu durch- 
messen, 7) die Fohlenzweigespanne (seit 264) dagegen nur dreimal (4614 
Meter). Übrigens scheint man hier noch einen Unterschied zwischen 
ntoXoi aßoXoi (unter 2V« Jahren) und näXoi, fiäaoi^) (2*/« — 4 V« jährig) ge- 
macht zu haben, so zwar, dass man beide dieselbe Strecke laufen liess, 
aber die gleichaltrigen (i^hxKaTai) in besondem Rennen.^) Früh schon war 
das Wettreiten {xäXrjri reXst^) eingeführt worden (648), seit 256 auch auf 
noch nicht ausgewachsenen Pferden.^®) Die ausgewachsenen hatten, wie 
es scheint, sechs Umläufe (über neun Kilometer) zu vollenden. ^^) Einmal sah 
man auch Zehngespanne junger Pferde in Olympia laufen; der Kaiser Nero 
wollte auch hierin der Welt ein noch nicht gesehenes Schauspiel bieten, i«) 
— Den Sieg in den hippischen Spielen errang nicht der Wagenlenker oder 
der Reiter, sondern der Besitzer der Pferde. Lenkte oder ritt er sie 
selbst, so erhöhte das seinen Ruhm.^^) Der Kranz war also eine Prämie 
für das Züchten edler Rosse, nicht für die Kunst der Führer. Als einst 
ein Reiter bald nach Beginn des Rennens abgeworfen wurde, das Pferd 



^) Lbhndorff a. a. 0. 30 ff. hftlt so viele 
Qespanne für uomOglich. Zehn [Soph. £1.] 
scheinen ihm schon zu viel. Doch ist hier 
an dichterische Übertreihang nicht zu den- 
ken. Da die zweirädrigen Wagen sehr kurz 
waren, kOnnen zwanzig und mehr auf jeder 
der über 400 Fuss langen Seite gut Flatz 
gehabt haben. Vgl. übrigens auch die per- 
gamenische Inschr. YIII 1 nr. 10. 

«) Eurip. beiPlut.Alk.ll. l8okr.XVI84. 

•) Thuk. VI 16. 

*) Plut. Alk. 11. — Preise haben diese 
sicherlich nicht erhalten, aber dass auch 
sonst des zweiten ehrenvoll erwähnt wurde, 



ersehen wir auch aus andern Stellen (z. B. 
Herod. VI 122. Vgl. Böttiohbb Ol. 126). 

^) So war es auch bei den Panathenaien. 
CIA II 966. 

•) Paus. V 8, 3. 

») Schol. Pind. Ol. III 33 u. Pyth. V 
30 f. 

•) Plat. Leg. Vm 834 C. 

^) ScHOBNB a. a. 0. 157 f. 



>ö) Vgl. Olymp. V 182. 
1^) ScHOBNB a. a. 0. 159. 



") Sueton. Nero 22 f. 
'«) Ol. Inschr. V 239. Vgl. Pind. Ol. I 
34. Isthm. I 15 ff. 



182 



Die grieoluBoheii KnltusaltertUmer. 



aber trotzdem das Rennen regelrecht fortsetzte und zuerst am Start er- 
schien, erhielt der Besitzer den PreisJ) So beteiligten sich denn auch 
reiche Damen an diesem vornehmsten Sport. Die erste, die mit einem 
Viergespann in Olympia siegte, war Eyniska, die Schwester des Agesi- 
laos,^) und es scheint, dass es nicht bei diesem einen Siege geblieben 
ist.^) Die Makedonerin Belestiche siegte mit einem Zweigespann junger 
Pferde,^) und von einem Denkmal, das sieben Mitglieder einer elischen 
Familie darstellte, die in Olympia Siege gewonnen hatten, gehören zwei 
der vier erhaltenen Namen Frauen an, welche avvwqidi zeXstq, und a^fiari 
7t(ohx(p gesiegt hatten.^) 

108. Auf die hippischen Spiele folgte der Fünfkampf {nevr- 
ad^Xov).^) Die Reihenfolge der fünf Einzelkämpfe war Sprung, Lauf, 
Diskos, Speerwurf, Ringen.') Beim Sprung (aXfia)^) hatte man steinerne 
oder metallene Schwungkolben {älTrJQsg) in der Hand, unsern Hanteln 
ähnlich, die, während des Anlaufs an die Brust gehalten, im Moment des 
Abspringens heftig nach vorn geschwungen dem Sprunge grössere Kraft 
und Sicherheit verliehen.^) Der Erotoniate Phayllos, der berühmteste 
Springer des Altertums, durchmass in Pytho in drei gewaltigen Sätzen 
einen Raum von 55 Fuss.*<>) Dann folgte der Wettlauf durch das Stadion, 
darnach der Diskos wurf.^^) Der Diskos war eine etwa zwei Kilogramm 
schwere metallene Scheibe von Linsenform. Es kam lediglich auf die Weite 
des Wurfs an, und geübte Kämpfer vermochten ihn wohl hundert Fuss 
weit zu schleudern.^*) Nun schritt man zum Speerkampf (ccxovtmv).^^) 
Die dazu benutzte Waffe war kurz, dünn und leicht, mit einer langen 
Spitze versehn; auch hier kam es auf die Weite des Wurfs an.**) Ob jeder 
nur einmal^^) oder dreimal ^^) warf, ist nicht ausgemacht. — Zu den dem 
Pentathlon eigentümlichen Kämpfen, dem Sprung, Speer- und Diskoswerfen 
wurde gewiss von jedem der Teilnehmer eine Normalleistung gefordert, 



>) Paus. VI 13, 5 f. 
«) Paus. III 8. 1. Olymp. V 634. 
») Ol. Inschr. V 160 = Hopfmakn Syll. 
epigr. 381. 



*) Paus. V 8, 3. 

») Ol. iDSchr. V 198-204. 



S. auch 233. 

•') PiHDÄR Über den Fünfkampf der Hel- 
lenen Berl. 1867. Holwbrda Arch. Ztg. 1881 
S. 205 ff. Fbddb Der F. der Hell. Progr. des 
Gymnas. St. Elisabet Breslau 1888, weiter- 
geführt in der Schrift: Über den F. der Hell, 
u. s. w. Leipz. 1889 S. 71 ff. Gabdneb Joum. 
of Hell. Stud. S. 210 ff. Mabquardt Progr. 
V. Güstrow 1886. Fabbb PhiloL 1891 8. 
469 ff. Hbnbich Über d. Pentathlon der Gr. 
Erlanger Diss. 1892. Haogenmüllbb Über d. 
Ftlnfkampf d. Hell. Progr. d. Wilhelmsgym- 
nas. in München 1892. Mib Jahrb. f. Phil. 
1893 S. 785 ff. Die ältere Litteratur (s. 
Ebausb Hell. 1 746 ff.) findet man bei Pjvdbb, 
Fbddb, Haggbnmüllbb (S. 6 u. 60) erwähnt 
und kurz besprochen. 

^) Bakchyl. IX 30 ff., 36. Fabbb a. a. 0. 
479 ff. 

B) Ebausb Hell. I 383 ff. Böttioheb 



Olymn. 104 ff. Fbddb Über d. F. S. 8 ff. Mib 
a. a. 0. 794. Dagegen Hbnbioh Blätter f. d. 
Gymnasialschulwesen 1894 S. 366 ff. 

*) Mabquabdt Monatsschrift f. d. Tum- 
wesen Berl. II 3 S. 129 ff. Abbildung von 
Springern Taf. V Fig. 2 und 3a. 

*^) Anthol. graec. app. epigr. n. 297 U 
S. 851 Jacobs. 

'0 Ebaüsb Hell. I 442 ff. B5ttiohbr 
Olymp. 107 ff. Mib a. a. 0. 794 f. Kibtz 
Agonist Studien I, Münchener Diss. 1892: 
d. Darstellungen der Diskoswerfer durch 
Künstler. Abbildungen Taf. V Fig. 3a u. 3b. 
S. auch Schbbibbb Kulturhist. Atl. Taf. 20 
n. 5 u. Baumbistbb Denkm. S. 1008 u. 1251. 

") Schol. Aristoph. Ach. 215. 

^') Kbausb Hell. I 465 ff. Böttighbb Ol. 
111 ff. Fbddb a. a. 0. 56 ff. Abbüdung Taf. V 
Fig. 3a. 

»*) Bakchyl. IX 33 f. Pind. Pyth. I 42. 
Ol. X 71, XIII 93. Vgl. II. H 589 f. Horat. 
c. I 8, 12. Fabbb a. a. 0. 470 ff. 

»■) So u. a. Mib a. a. 0. 

1*) Dafür Fbddb und Fabbb. 



4. Kiütnsseiten. (§ 108.) 183 

und wer dieser nicht entsprach, schied aus der Zahl der Bewerber aus;^) 
zweifelhafter ist es, ob eine solche auch im Lauf verlangt wurde.*) Wäh- 
rend sich bis jetzt alle Kämpfer zusammen gemessen hatten/) musste 
für den letzten und schwierigsten Kampf eine Teilung eintreten. Das 
Los bestimmte die Ringerpaare. War die Zahl ungerade, so blieb, wie 
dies auch beim Pankration oder Faustkampf vorkommen konnte, ein sog. 
ifpsdQog.^) So ausgelost zu werden war ein grosser Vorteil, denn der 
Ephedros hatte in jedem Fall einen Kampf weniger zu bestehn als der 
um den Kranz ringende Gegner. Wie aber nun, wenn viele Paare mit- 
einander stritten, und viele Sieger aus diesen Kämpfen hervorgingen, wie 
es im Ringen beim Pentathlon stets der Fall sein musste? Und wenn 
wirklich zum Pankration oder zum Faustkampf sich eine grössere Zahl 
gemeldet hatte? Sollten die aus den Paarkämpfen hervorgegangenen 
Sieger nun wieder miteinander kämpfen, und der Todmüde, der schliess- 
lich alle anderen Gegner geworfen hatte, es dann noch mit dem ganz 
frischen Ephedros aufnehmen? Das wäre unbillig gewesen, und mit der 
Lösung, die Holwebda gefunden, ist die Frage jetzt wohl entschieden: 
der Ephedros blieb nicht bis zuletzt unbeteiligt, es wurde vielmehr nach 
dem ersten Gange eine neue Losung zwischen den Siegern und dem 
Ephedros vorgenommen. Ein seltsamer Zufall hätte es sein müssen, 
wenn dann das Los denselben Mann zum zweitenmal ausschied; aber man 
konnte auch die Möglichkeit ausschliessen, indem man ihm von vornherein 
ein Los gab, das mit einem Buchstaben bezeichnet war, der sich noch- 
mals in der Urne fand.^) Waren die Paare ungerade, brauchte überhaupt 
keiner mehr ausgeschieden zu werden. Nach der Inschrift Olymp. V 225 
treten sieben Knaben im Pankration auf, einer wird Ephedros, drei Paare 
kämpfen. Dann kämpfen die drei Sieger und der Ephedros in zwei Paaren, 
darnach die beiden Sieger den Entscheidungskampf {tisqI tov (S%€(fdvov 
n. 54, 20). So bestand der Ephedros zwar immer einen Kampf weniger, 
als der niemals Ausgeloste, aber doch nicht mehrere. Wurde es einer- 
seits mit Recht als eine Gunst des Schicksals betrachtet, Ephedros zu 
werden, so war andrerseits die Ehre grösser, den Sieg zu erringen, ohne 
jemals ausgeschieden zu sein. Das heben die Inschriften der Sieger denn 
auch besonders hervor.^) Ein Sieg im Rii\gkampf war also für den, der 
aus dem Pentathlon als der schliessliche Sieger hervorgehn sollte, unbe- 
dingt erforderlich. 7) Dafür aber, dass diese eine Leistung nicht ein un- 
gebührliches Gewicht vor den übrigen vier erhielt, und etwa ein Spezialist 
im Ringkampf auch die meiste Aussicht hatte, im Pentathlon zu siegen, 
war dadurch gesorgt, dass bis zum Ringen überhaupt nur der kam, der 
in den vorhergehenden Kämpfen trefiFliches geleistet und so eine gleich- 
massige Ausbildung aller körperlichen Fähigkeiten bewiesen hatte. ^) Es 



*) nach HAOGBincÜLLKB 51 ff. | ^) nach Holwbbda, 



*) Vgl. Haggbnmüllkb 51 mit A. 1. 

*) Haggbnicüllib 52 ff. Fabbb 494. 

^) Luk. Hermot. 40 f. Über die sog. 
Ephedria namentlich Holwbbda Arch. «Ztg. 
1881 S. 171 f., auch Fbddb der F. d. Hell. 
Breslau 1888 S. 25 Anm. 



•) Olymp. V 36, 38, 90, 146, 171, 227. 

^) Anders Mib a. a. 0. 797 ff.: wer in drei 
Kämpfen gesiegt hatte, war eo ipso Sieger, 
und das Pentatjilon wurde dann abgebrochen. 

*) S. HAoeBNicOLLBB a. a. 0. 58 f. 



184 



Die griechiBOhen Kultiuialtertftmer. 



konnte vorkommen, dass der Sieger nur in einem Kampf, beim Ringen, 
die beste Leistung aufzuweisen hatte, dann nämlich, wenn jeder der Mit- 
bewerber auch nur in einer Eampfesart gesiegt hatte, er selbst 'aber in 
den vier voraufgehenden etwa den zweiten Platz behauptet hatte. 

Der letzte Kampf^ war der oTtXivwv iQofiog, ein Wettlauf voll- 
ständig gerüsteter Krieger, schon seit 520 geübt.*) Es wurden hier keine 
Abteilungen gebildet, sondern alle Bewerber liefen auf einmal, wie beim 
Dauerlauf, wahrscheinlich aus demselben Grunde, aus dem es dort und 
bei den hippischen Kämpfen geschah: weil die Erschöpfung eine Wieder- 
holung des Kampfes zur Unmöglichkeit machte. Später trugen die Läufer 
nur noch den Schild. Die Bahn wurde wie beim Diaulos zweimal durch- 
messen.*) — Am Abend dieses Tages wird dann wie am vorhergehenden 
ein Festmahl der Sieger stattgefunden haben. Denn wenn auch die Namen 
noch nicht durch den Herold ausgerufen waren, so hatte doch schon jeder 
von ihnen aus der Hand eines Hellanodiken den Palmzweig empfangen,*) 
und nicht bloss ihre Freunde und Mitbürger mochten es sich zur Ehre 
anrechnen, sie zu bewirten. 

und. Der fünfte und letzte Tag, der 16. des Olympienmonats,*) brachte 
den glänzenden Abschluss des ganzen Festes. Schon lange hatten die 
Zweige des wilden Ölbaums {xozivog), zum Kranze gebogen,®) auf dem ehernen 
Dreifuss, später auf dem kostbaren Tische dagelegen, den Kelotes, ein Schüler 
des Pheidias, aus Gold und Elfenbein gefertigt hatte;') ein Knabe, dem 
noch beide Eltern lebten {afig>i&aXrjg naig), hatte sie mit goldenem Messer 
von dem heiligen Baume geschnitten, den das Orakel einst selbst bezeichnet 
hatte ;^) jetzt traten die Sieger davor, der würdigste der Hellanodiken nahm 
den Kranz^) und drückte ihn auf die Stirn des Beneideten, ^<') und die weithin 
schallende Stimme des Herolds verkündete dem jauchzenden Griechenland 
den Namen seines stolzen Sohnes, des beglückten Vaters und des Staates, 
dem er angehörte. ^0 Blumen regneten,^') und jauchzender Gesang begrüsste 
ihn.i^) Das Leben konnte nichts Köstlicheres bieten als diese Ehre und 
diesen Augenblick,^*) und als einst Diagoras an einem Tage zwei seiner 
Söhne im Schmuck des Ölkranzes sah, ward ihm begeistert zugerufen: 
„Stirb Diagoras, denn in den Himmel wirst du nicht steigen.** ^^) — Es war 



^) Artemid. I 63. Mie Qnaest agon. 86 
bezweifelt diese Anordnung auf Grund von 
Paus. V 9, 3. 

«) BöTTiOHEB Ol. 91 f. mit Abbildg. Vgl. 
auch Hausbb Arcb. Jahrb. II 102 ff., XI 
182 ff. RiDDKB BuU. de corr. XXI 211 ff. 
Abbildung Taf. V Fig. 1. 

«) Aristoph. Av. 291 f. 

*) Plut. Quaest. symp. VIII 4, 1. Paus. 
VIII 48, 2. Liv. X 47. Kbaubb Olymp. 168 f. 
Allerdings ist der Palmzweig vor Alexander 
nicht nachweisbar (Kibsslihg zu Hör. c. I 
1,6). 

») Pind. Schol. Ol. III 35; rec. zu Ol. 
V 8. Bakchyl. VII 3. 

•) xXddos Paus. V 7, 4 ; üqvos Ol. Inschr. 
184. Rathoebbb a. a. 0. 182. 

') Paus. V 12, 3; 20. 1 f. 



») Paus. V 13, 3. 

^) Die Krftnze waren wohl nicht alle 
gleich: Plut. Us^i ev^vfi, 13. Kbaüsb Ol. 
161 f. Hbbmanit G. A. § 50 Anm. 23. — 
Mib a. a. 0. 30 f. will aus Paus. V 21, 12 
folgern, dass der Kranz sofort nach Beendi- 
gung der betr. Kämpfe den daraus hervor- 
gegangenen Siegern gereicht worden sei. 
Schol. Pind. Ol. III 33 p. 97 B sagt, dass alle 
Kränze an einem Tage ausgeteilt wurden. 

") Bakchyl. VI 8 f. 

»>) Vgl. Xen. Hell. III 2, 21. 

^') Paus. VI 7, 1 und mehr bei Ebbest 
Zu Thukydides, Leipz. 1892 S. 114 f. 

»») Schol. zu Pind. Ol. IX 8 p. 209 B. 
K. Fb. HEBMAim Philol. X 243. 

'«) Luk. Anach. 15. Plat. Rep. 465 D. 

") Plut. Pelop. 34. Cic. Tusc. I 46. 



4. KnltiUEeiten. (§ 109.) 



185 



dem Sieger gestattet, sieb als den Bürger eines fremden Staates ausrufen zu 
lassen. Welche Stadt hätte es sich nicht zur Ehre angerechnet, ihm das 
Bürgerrecht zu schenken, welche nicht alles aufgewandt, ihn zu belohnen ! ^) 
Die verleugnete Vaterstadt aber entehrte und bestrafte den Abtrünnigen 
wohl in der Regel.*) Nach der Preisverteilung brachten die Sieger dem 
Olympischen Zeus ein Opfer dar, und auch von den zahlreichen andern 
Altären wird der himmelan steigende Rauch den Göttern das Dankesopfer 
der Sterblichen emporgetragen haben. Prozessionen, eine prächtiger als 
die andre, durchzogen den heiligen Ort; die aus den vornehmsten^) und 
wohlhabendsten^) Geschlechtem gewählten, übrigens auch staatlich sub- 
ventionierten*) Theoren suchten den Reichtum und die Macht ihres Staates 
durch glänzendes Auftreten nach Möglichkeit zur Schau zu stellen, und 
der reiche Alkibiades, der mit 28 Rennpferden erschienen war, wie selbst 
kein König vor oder nach ihm,®) lieh sich die kostbaren Gefässe und 
Schaustücke der athenischen Gesandtschaft, um bei seinem Aufzug damit 
zu prunken.') Dann folgte das Festmahl im Prytaneion, das die Eleier 
den Siegern gaben. ^) Aber auch die übrigen gingen nicht leer aus. Alki- 
biades bewirtete, als er mit seinen Viergespannen gesiegt hatte, die ganze 
anwesende Menge,®) wie schon früher ein gewisser Leophron,*®) und wenn 
so grossartige Freigebigkeit auch zu den Seltenheiten gehören musste, so 
blieb sicherlich auch der Ärmste nicht ohne eine Einladung zu einem Mahl, 
das die Gesandtschaft oder ein reicher Bürger seiner Stadt ausrichtete. ^Ö 
Hymnen erklangen zu Ehren der Götter**) und Siegeslieder zu Ehren der 
Helden des Festes. Pindar, Bakchylides, Simonides, Euripides besangen 
ihren Ruhm, und vor Jahrtausenden stand in goldenen Lettern geschrieben 
im Tempel der Athena zu Lindos das Lied, das uns heute noch entzückt, 
wie einst des Diagoras Mitbürger,**) und als die grossen Dichter verstummt 
waren, feierten Hofpoeten die Siege ihrer Herren.**) — Dann trennte man 
sich, um in die Heimat zurückzukehren, oft genug, um wieder die Waffen 
zu ergreifen gegen einander, oder wie einst in dem denkwürdigen Jahre 
480 gemeinsam gegen einen fremden Feind. Doch waren die folgenden 
Ereignisse auch noch so gewaltig, gingen die Wogen einer stürmischen Zeit 
auch hoch, den Ruhm des Siegers von Olympia spülte keine flüchtig hinweg. 
Im Triumph geleiteten ihn die Seinen nach Hause, auf einem von vier 
weissen Rossen gezogenen Wagen fuhr er ein in die Vaterstadt {slas- 
Xavve^v),^^) die ihre Mauern niederriss, einem solchen Sieger gern diesen 
Weg eröffnend,*®) und Rom vermochte seine Triumphatoren, die ihm die 



») Paus. V/ 18, 4. Flut. De sera num. 
vind. 7. 

«) Paus. VI 13, 1 ; 18, 4. 

») Herod. VI 87. 

*) CIA II 841. 

B) Androtion im Schol. zu Aristoph. Av. 
1541. Vgl. BöCKH Staatsh.» I 71. 

•) Plut. Alk. 11. Isokr. XVI 34. 

') Pseudo-Andok. IV 29. 

») Paus. V 15, 8. 

») Plut. Alk. 12. 

>«) Athen. I 4 p. 3E. 



») Herod. VI 122, Diod. XIV 109. 

'«) Vgl. Pind. OL IX 1 und Schol. p. 
209 B. 

»») Pind. Ol. VII. Vgl. das Schol. bei 
BöOKH p. 157 f. 

»*) Pergam. Inschr. VIII 1 nr. 10-12 

ggf 

'») Diod. XIII 82. Vgl. Cass. Dio LXIII 
20. aytay siffeXaatixog GIG 2932, 3426. Le 
Bas-Waddikgton 624. Reisch bei Paült- 
WissowA I 847. 

»•) Plut. Quaest. symp. U 5 p. 639 E. 



186 



Die grieohischen KnltnsaltertAmar. 



Welt bezwangen, nicht mehr zu ehren. ^) Die Kränze nahm man mit in 
die Heimat, >) wo sie wohl im Tempel der Hauptgottheit aufgehängt 
wurden, das kostbarste Weihgeschenk.') Von hier wird sie Milon entliehen 
haben, als er, den Krotoniaten in den Kampf voranschreitend, sich damit 
schmückte.^) War ein Kampf unentschieden geblieben, erhielt keiner der 
Streitenden den Kranz, sondern er wurde sogleich der Qottheit geweiht 
(tcQov noisTv).^) Dann ging es zum Siegesmahle, das die Stadt dem Ge- 
feierten gab.^) Wieder erklangen die Siegeslieder, ^) und im engeren, 
aber desto herzlicher teilnehmenden Kreise wiederholten sich die Ehren- 
bezeugungen von Olympia. Lebenslang aber wurden die Sieger im Pry- 
taneion gespeist,^) erhielten die Proedrie bei Festspielen^) und andere 
Vergünstigungen. 1^) In Olympia selbst aber an heiliger Stätte durfte der 
Sieger mit Erlaubnis der Eleier zum Gedächtnis eine bronzene ^^) Statue 
errichten lassen, deren von den Hellanodiken kontrollierte Unterschrift 
seinen Ruhm den nachfolgenden Geschlechtern meldete; doch erst dem, 
der dreimal gesiegt hatte, war es gestattet, sein Porträtstandbild auf- 
stellen zu lassen.^') Auch wer durch Zufall des Sieges verlustig gegangen 
war, durfte eine Statue weihen, wenn er auch den Kranz nicht erhielt ;>') 
denn der wurde der Gottheit geweiht, ^^) wie bei unentschiedenem Kampf 
(leQcc) oder wenn sich überhaupt keine Kämpfer gemeldet hatten [iQTjfia).^^) 
Konnte ein Sieger die Statue nicht aus eigenen Mitteln bezahlen, so trat 
in der Regel seine Familie für ihn ein, in andern Fällen wird gewiss die 
Vaterstadt sich die Ehre ausgebeten haben, das Bild stiften zu dürfen. ^^) 
Reiche Leute, die mit dem Viergespann gesiegt hatten, erhielten auch die 
Erlaubnis, ein Bild des mit Rossen bespannten Wagens in den Zeustempel 
oder ein anderes Heiligtum in Olympia als Weihgeschenk zu stiften, ^7) 
ebenso siegreiche Reiter ein Pferd. Gewöhnlich war der Eigentümer auf 
dem Wagen oder Pferde mit dargestellt;^^) das öftere Fehlen aber seines 
Bildes^*) beweist auch wieder, dass eigentlich nicht er geehrt werden soll, 
sondern das Werkzeug, womit der Sieg errungen ist, oder sein Abbild 
den Göttern zu Ehren geweiht wird.'^) Übrigens waren dies in der Regel 



') Cic. Pro Flacco 13. 

«) Diod. XII 9. 

«) S. Arifitoph. Plut. 1088. Aus Find. 
Ol. VIII 10, Ol. IX Auf. u. Schol. p. 207 f. 
B., BöcKH expl. ad Ol. IV introd. folgt nicht, 
wie MiE will, dass die Kränze in Olympia 
selbst geweiht wurden. Vgl. Reibch Weih- 
geschenke 60. Andere Wettkämpfe betref- 
fend Xen. HeU. III 4, 18. IGSept. fll nr. 128. 

*) Diod. a. a. O. 

B) DiTTBNBEBGBBlnd. lect. Halle 1894/95. 

•) Kbausb Ol. 197. 

') Schol. Find. Ol. IX 3. 

») Plat. Apol. 86E. Plut. Arist. 27. CIA 
I 8. R. ScHOELL Herm. VI 37 f. 

') Xenophanes bei Athen. X 6 p. 614. 

^^) Tn Athen z. B. verordnete ein Gesetz 
des Selon, dass jeder Olympionike 500 Drach- 
men erhalte, und damit scheint eine früher 
übliche grössere Summe nur herabgesetzt 



worden zu sein (Plut. Sol. 28. Laert. Diog. 
I 55). Über andere Staaten Dittknbbrobb 
Syll. 150, 18. 215. 

* ^) Chr. Scherbe De Olympionic. statais 
Götting. Diss. 1885 S. 16 ff. 

»») Plin. Nat. bist. XXXIV 4 p. 16. Vgl. 
aber auch Dittenbbrokb Olymp. V n. 170, 8 
und die Anm. dazu S. 295. 

*») Dittbnbbbobb Olymp. V 54 u. 235 f. 
und i. A. ScHEBEB a. a. 0. 

1«) Olymp. V 54 mit Dittbnbbbgebs Anm. 
S. 115. 

>») Olymp. V 56 ZI. 17 f. 

»•) Vgl. Paus. VI 17, 2. 

") Paus. VI 1, 2. Dittbvbbbgbb Syll. 
287 

'») DiTTENBEBGEB Olymp. V S. 239 f. 
Paus. VI 18, 1. 

»•) Paus. VI 16, 7; 13, 5. 

*^) DlTTENBERGBB B. B. 0. S. 240. 



4. Kaltnssaiten. (§ 110-111.) 



187 



nur Miniaturbildnisse. 1) Eine seltene Auszeichnung war es, dass jeman- 
dem, der nicht in Olympia gesiegt hatte, hier eine Statue errichtet wui*de.') 

110. Aber nicht bloss um in den Kampfspielen aufzutreten oder ihnen 
zuzuschauen, zog man nach Olympia: das Zusammenströmen aller Hellenen 
zu dem Fest bot auch Gelehrten und Künstlern eine erwünschte Ge- 
legenheit, sich bekannt zu machen und Ruhm zu erwerben.^) Hier soll 
Herodot den begeisterten Zuhörern einen Teil seines Geschichtswerkes 
vorgetragen haben, ^) Gorgias erwarb durch seine oratorischen Leistungen 
solchen Ruhm, dass später ein Angehöriger auch ihm eine Statue setzen 
durfte,^) Hippias, Prodikos, Lysias und viele andere suchten und fanden 
hier Beifall, und Isokrates schafift seinem Panegyrikos den glänzenden 
Hintergrund durch die Fiktion, die Rede sei in Olympia gehalten worden ; 
der ältere Dionysios schickte die besten Rhapsoden, um seine Gedichte 
vorzutragen; 7) der Maler Aetion stellte ein Gemälde aus, und Oinopides 
eine eherne Tafel mit astronomischen Berechnungen.^) Auch politische 
Beratungen und Verhandlungen wurden in Olympia gepflogen,^) und 
wichtige staatliche Verträge wurden hier am besten zu allgemeiner Kennt- 
nis gebracht und am sichersten aufbewahrt.^®) 

Verheirateten Frauen war der Besuch der olympischen Spiele bei 
Todesstrafe untersagt, >*) mit einziger Ausnahme der Priesterin der De- 
meter Ghamyne, die sogar einen besondern Ehrenplatz hatte. ^') Jung- 
frauen war die Teilnahme gestattet, doch werden ihrer niemals viele an- 
wesend gewesen sein.^^) 

Länger als ein Jahrtausend ist das Fest in Olympia gefeiert worden, 
393 verbot es der Kaiser Theodosius,**) dreissig Jahre später Hess Theodo- 
sius n. Feuer an den heidnischen Tempel legen, ^^) Erdbeben verwandelten 
den Ort, wo hellenisches Leben so voll und reich pulsiert hatte, wie nirgends 
sonst, in ein Trümmerfeld, *«) Schweigen und Vergessenheit breiteten sich 
darüber, und Jahrhunderte lang wälzten die Wogen des Alpheios Schlamm 
und Sand über die heilige Stätte, das schützende Leichentuch, das uns 
die Reste der einstigen Herrlichkeit erhalten hat. 

ß. Die pythischen Spiele. 

Litteratar: Ebattsb Die Pythien, Nemeen udcI Isthmien, Leipzig 1841 (Hellenika 
II 2). Wbkigbb: Über die religi(toe Seite der grossen Pythien, Breslau 1870, Ober das 
Kollegium der Thyaden, Eisenach 1876. A. Mommsbn Delphica 1878 S. 149 ff. H. Pomtow 
Beiträge zur Topographie von Delphi. HsiufAinr Gott. Altt.' § 49. Schoemann 6r. Altt.* 
II 65 ff. 



^) Paus. VI 14, 1. DiTTSNBEBGER Olymp. 
V n. 160, 178 u. S. 649. Wagenlenker in 
LebensgrOsse in Delphoi gefunden Axch. Anz. 
1896 im Jahrb. XI S. 174. 

') DiTTBNBBBGBB a. a. 0. u. 293 ff. u. 
8. 241 f. Paus. VI 18. 2. 

>) Vgl. Krausb Ol. 183 ff. 

') Luk. Herod. I p. 833. 

») Olymp. V 293. Vgl. Paus. VI 17, 7. 

•) Plut. Dec. orat. 3. Luk. Herod. 3 
p. 884 f. 

') Diod. XIV 109. 

•) Aelian. Var. bist X 7. 

•) Thuk. ni 8 f. 



»«) Thuk. V 18. Paus. V 23, 3. OL In- 
schr. V 52. 

») Paus. V 6, 5. 

'») Paus. VI 20, 6. Vgl. OL Inschr. V 
456, 473, 485. 

^^) VgL ScHOBM ANN a. 0. II 59. Krausb 
OL 56 f. 

1^) Gedren. Hist. comp. 326 D. 

^>) Schol. Luk. p. 221 Jaoobitz. 

'•) Ausgrabungen v. Olymp., mit Ab- 
bildungen der Trümmerstätte; Exp4d. scien- 
tif. en Moröe. Auch Böttiohbb OL 33 u. 400 
u. BOckino Monatsber. der BerL Akad. d. 
Wiss. 1881 S. 315 ff. 



188 



Die grieehischen Knltosalieitümer. 



111. Das zweite Nationalfest, das dem olympischen an Ruhm und 
Ansehn zunächst stand, war das pythische. Es wurde in der krisäischen 
Ebene am Fuss des Parnass gefeiert. Apollon selbst sollte es gestiftet 
haben, nachdem er, von dem Morde des Drachen gereinigt, lorbeerumkränzt 
wieder eingezogen war. Andere nannten Amphiktion oder Diomedes, den 
Tydiden, als Begründer.^) Sicher ist, dass das Fest ein altes ApoUonfest 
war, welches die Priesterschaft von Delphoi leitete, und dass an ihm ein 
musischer Agon stattfand, wo Kitharoden Paiane auf den Gott sangen.*) 
Die Feier war ursprünglich ennaeterisch, aber nach der Zerstörung Erisas 
Ol. 49, 3 (582 V. Chr.)*) wurde auch dies Fest alle vier Jahre begangen, 
und zwar in jedem dritten Olympiadenjahr*) im Monat Bukatios^) (d. h. 
der Stieropfer), der dem attischen Metageitnion entsprach,^) also etwa 
Mitte August. Jetzt übernahmen die Amphiktionen die Leitung,^) und 
der Agon, der bisher ein XQW^^^'^V^ gewesen war, bei dem also die Preise 
in Wertgegenständen bestanden hatten, wurde ein CTs^aviTTjg, Dadurch 
ward sein Ansehn und seine Wertschätzung sehr erhöht, denn immer 
galten die äywvsg CTe^avnai als die weit vornehmeren, und noch in viel 
späterer Zeit änderte man, um die Gottheit zu ehren, Wettkämpfe um 
Wertpreise um und verlieh den Siegern nur den Kranz. ^) Von 582 an 
zählte man auch die Pythiaden. Die musikalischen Wettkämpfe wurden 
durch Flötenspiel und Aulodie bereichert, gleichzeitig auch gymnische 
Spiele hinzugefügt.^) Schon die nächste Feier brachte auch Rennen von 
Viergespannen, während man die klagenden, zur Flöte gesungenen Lieder 
wieder abschaffte, i®) Nach und nach fügte man wie in Olympia immer 
neue Wettspiele hinzu, und zwar sowohl musische'*) als gymnische und 
hippische. Kitharspiel ohne Gesang, der Waffenwettlauf, das Rennen mit 
dem Zweigespann ausgewachsener Rosse und andere Spiele wurden all- 
mählich noch in das Programm aufgenommen, und höchst wahrscheinlich 
auch schon früh die ursprünglich auf einen Tag beschränkte Feier auf 
mehrere Tag ausgedehnt. Zur Zeit des Sophokles findet das Rennen be- 
reits an einem den gymnischen Spielen folgenden Tage statt, *>) und diese 
selbst scheinen wieder am Tage nach den musischen vorgenommen worden 
zu sein,'') jedenfalls folgten sie ihnen.'*) Was die Feier von der olym- 
pischen wesentlich unterscheidet, ist die Übung der musischen Kämpfe. 
Dazu kam der am ersten Tage des Festes vorgetragene voiiog nvd'ixog^^^) 



') Vgl. Erausb a. a. 0. 6 ff. Mommsen 
Delph. 168 ff. 

«) Strab. IX 421. Vgl. Paus. VIII 50, 3. 

») Behgk Poet, lyr.-» I 12 ff v. Wila- 
MOWiTZ Aristot. u. Athen I 10 ff., II 325. 
0. SoHBOBDBB Phüol. 1894 S. 717 ff., 762. — 
Für Ol. 48, 3 Böckh Pind. Explic. 207. L. 
Schmidt Gbronol. der Pind. Ged. comm. 
MoMMSKN 1878. Ind. lect. Marburg 1880/81 
u. 1887. Christ Pindar 1896 p. LXXXVI. 

*) Diod. XV 60. Paus. X 7, 3. 

*) CIG 1688. KöHLBR CIA II S. 319. 

*) KiBCHHOFF Monatsber. der Berl. Akad. 
d. Wiss. 1864 S. 129 f. u. 135. Vgl. Krausb 
a. a. 0. 30 ff. 

') Strab. a. a. 0. Mommsbn Delph. 166 ff. 



S. auch CIA II 545. 

«) Perg. Inschr. VIII 1 nr. 167 mit der 
Bern. Fbankbls S. 104. 

«) Paus. X 7, 3. Annal. Par. Hypothes. 
Pind. Pyth. 298 Böokh. 

»oj Paus. X 7, 3. 

'') Diese fanden wie in Nemea in einem 
Theater statt (Luk. Hgog toV dnai^, § 9 p. 
108), das Olympia nicht besass. 

>») El. 698 f. 

") Pl^t. Quaest. symp. II 4. Philosix. 
ApoU. Tyan. VI 10 p. 238. 

>*) Bull, de corr. XVIII 85. 

»») Strab. IX 421 f. Sohol. zu Pind. Pyth. 
Arg. p. 297 ß. PoU. IV 78. 81. 



4. Kaltasseiten. (g lll.j 



189 



und wenn das Interesse für diesen Teil der gebotenen Schauspiele viel- 
leidht schon früh hinter anderen zurücktrat, so blieb er doch, fasst man 
die religiöse Bedeutung des Festes ins Auge, nicht bloss ein wichtiges 
Stück, sondern vielleicht der Mittelpunkt des Qanzen. Es war eine musi- 
kalische Aufführung, vielleicht von dem mimischen Spiel eines Künstlers 
begleitet, die durch kunstvollen Vortrag und wechselnde Rhythmen den 
Kampf Apollons mit dem Drachen in allen seinen Stadien zur Vorstellung 
bringen sollte. Di© gymnischen Kämpfe unterscheiden sich von den 
olympischen namentlich dadurch, dass die Beteiligung der Knaben in Pytho 
eine grössere war. Sie traten auch im ioXixog und SiavXog auf, und das 
Pankration der Knaben wurde schon 144 Jahre früher als in Olympia 
eingeführt.') Auch dadurch, dass ihre Kämpfe nicht an einem besondem 
Tage abgehalten wurden, sondern der betreffende Kampf der Männer 
immer dem der Knaben sogleich folgte,*) scheint diesen eine grössere 
Bedeutung zugestanden worden zu sein. Auch die Prunkreden der Rhetoren 
[imdei^eig) haben an den Pythien eine verhältnismässig grössere Rolle 
gespielt als in Olympia, und in späterer Zeit stritten sogar Dichter und 
Logographen um den Kranz.*) Grossartiger noch als in Olympia ist wohl 
das Hauptopfer gewesen, das man dem Apollon darbrachte.^) Auch 
dabei mag edlere Musik zur Verschönerung und Erhöhung des Genusses 
beigetragen haben, wenigstens berichtet uns eine Inschrift, dass einmal 
ein Flötenspieler, der unter besonders ehrenden Umständen gesiegt hatte, 
beim Opfer ein Chorlied aus den Bakchen des Euripides mit Kitharbeglei- 
tung vorgetragen habe.«) — Die Aufsicht hatten, wie gesagt, die Am- 
phiktionen, denen dabei ein iTtifisXrjrrjg'') und iiaa%iyo(p6qoi^) zur Seite 
standen. Das Richteramt übten nicht nur Delphier aus. Eine Inschrift^) 
berichtet, dass ein Athener, als Hieromnemon nach Delphoi deputiert, dort 
die Opfer vn^Q zov Süfiov twv 'Ad-rjvaicov xazd xä naiqia, dargebracht und 
sich als gerechter Richter im pythischen Agon bewährt habe. Die Er- 
teilung des Preises erfolgte in derselben Weise wie in Olympia: der Sieger 
erhielt einen Palmzweig *<>) und darnach den Lorbeerkranz.^*) Ein Knabe, 
dessen Eltern noch lebten, schnitt die Zweige von einem Baum im Thal 
Tempe.") Der Sieger erhielt das Recht, eine Statue aufzustellen.*'*) Aber 
wie in Olympia**) durften auch hier reiche und angesehene Leute ihr 
eigenes Bild als Weihgeschenk aufstellen. Am berühmtesten war die gol- 
dene oder vergoldete Statue des Redners Gorgias.*^) Dass auch zu diesem 
Fest ganz Griechenland Theorien sandte, an denen sich wie bei andern 



*) GuHHAUEB Der pythische Nomos, 
Jahrb. f. Phil. Suppl. VIII 311 flF. K. v. Jak 
Yerhandlgg. der 39. Philol. Versammig. za 
Zürich 1888 S. 76 ff. Mommsbn Delph. 191 ff. 
Vgl. auch V. Jan Philol. XXXVIII 378 ff. 
GüHBAUBK Jahrb. f. Phil. 1880 S. 703 ff. 

*) Paus. X 7, 3. 

') Plut. Quaest. symp. II 5, 1. 

*) Plut. Quaest. symp. V 2. Ebausb a. 
a. 0. 46, 27 f. 

*) Vgl. Xen. Hell. VI 4, 29 f. 

•) Bull, de corr. XVIII 85. 



') Plut. Quaest. symp. II 4, 2. Momm- 
SEK Delph. 167 nimmt mehrere an. 

*') Luk. n^og änaid. § 9 ff. 

») Bull, de corr. XVI II 93. 

>«) Plut. Quaest. symp. VIII 4, 1. 

») Paus. X 7, 4. 

»«) Schol. Pind. Pyth. Arg. p. 298 B. 

»») Paus. X 9, 7. Arch. Ztg. 1873 S. 57. 

»*) DiTTBNBEBOBB Olymp. V zu nr. 278. 

'*) Paus. X 18, 7. Hermipp. bei Athen. 
IX 505 D f. Olymp. Inschr. 293 mit Dittbh- 
BEBOBBS Bem. S. 417. 



190 ^^ griechisohen Kultasaltertllmer. 

auch vornehme Frauen beteiligten,^) Prozessionen, Epinikien, Festmahle 
die Feier verherrlichten, bedarf kaum der Erwähnung.*) Wie angesehn 
Delphoi auch noch in späterer Zeit war, mögen wir daraus ersehen, dass 
der Kaiser Titus das delphische Archontat bekleidete.*) 

/. Die isthmischen Spiele. 

Litteratur: Krause Hellenika II 2 S. 165 ff. Hermann G. A.« § 49. Sohobmanh 
Gr. Alt.« II S. 68 ff. ünobr Die lathmien und Hyak., Philol. XXXVII (1877) 8. 1 ff. 

112. Das dritte*) grosse Nationalspiel waren die Isthmien, die bei 
Schoinos in der Nähe des Diolkos auf dem Isthmos von Eorinth gefeiert 
wurden.*) Auch ihre Stiftung suchte man in die mythische Zeit hinauf- 
zurücken. Poseidon soll selbst die Feier zu Ehren des im Meere umge- 
kommenen Melikertes angeordnet, <^) nach einer andern Sage Theseus sie 
nach dem Morde des Sinis oder des Skiron eingesetzt haben.'') Das Fest 
wurde trieterisch gefeiert,®) wahrscheinlich im Frühling*) jedes zweiten 
und vierten Olympiadenjahres. Poseidon empfing das Hauptopfer, wie es 
scheint, vor der Abhaltung der Kampfspiele.*®) Die Korinthier hatten 
die Leitung der Spiele; doch wurden sie auch nach der Zerstörung der 
Stadt nicht ausgesetzt, sondern von den Sikyoniern besorgt, bis das von 
Caesar neu erbaute Korinth sie wieder übernehmen konnte.") Den Athenern 
war die Proedrie bei der Festfeier zugestanden, wohl deshalb weil Theseus 
im allgemeinen für den Begründer galt,**) während die Eleier überhaupt 
ausgeschlossen waren.") Wie bei allen Nationalspielen ward auch vor 
den Isthmien Gottesfriede angekündigt.*^) Die Eampfspiele waren zuerst 
die üblichen gymnischen und hippischen,**) im dritten Jahrb. v. Chr. 
wurden musische Wettkämpfe hinzugefügt,*«) in denen Kitharoden,*') 
Dichter*«) und Sänger*») auftraten. Wahrscheinlich haben die Spiele also 
auch mehrere Tage gedauert. Der Sieger erhielt wie überall Palmzweig*®) 
und Kranz.**) In alter Zeit soll es ein Fichtenkranz {nkvg) gewesen 
sein,**) Pindar kennt nur Eppichkränze (aäktvov),^^) und zwar soll man 
vertrockneten Eppich genommen haben, *^) zur Erinnerung daran, dass die 



') Le Bas Attique 361. CIA II 550. 

*) Vgl. Krausb a. a. 0. 36 ff., 51 ff. 

») Bull, de corr. XVIII 97. 

*) Bebok P. I.* S. 18 n. 1 S. 20. K. Keil 
Schedae epigraph., Progr. y. Schulpforte 1855 
S. 4 f. IGA 419. Ol. Inschr. V 153. 0. 
ScHROBDER Ztschr. f. d. Gw. 1882 Jahresber. 
Vlll 45. 

*) Strab. VIII 369. 

•) Schol. Pind. Isthm. Arg. p. 514 f. B. 

^) Schol. Pind. a. a. 0. Plut. Thes. 25. 
GIG 2374. Die Inschrift setzt die Gründung 
der Spiele 995 Jahre vor ihrer Abfassung 
an. Jedenfalls bestanden sie schon zu Solons 
Zeit: Plut. Sol. 23. Vgl. Laert. Diog. I 55. 

*) Pind. Nem. VI 40. 

•) ÜNGEB Philol. XXXVII 3 ff., 524 ff. 
Christ Sitznngsber. der bayr. Akad. d. Wiss. 
1889 S. 1 ff. 

»«) Vgl. Xen. HeU. IV 5, 1. 

»>) Paus. II 2, 2. 



'«) Plut. Thes. 25. Thuk. VIII 10. 

»») Paus. V 2. 3; VI 3, 4; 16, 2. 

") Paus. V 2, 1. Vgl. II 15. 1. 

»») Pind. Isthmische; Paus. VI 15, 3. 

»•) CIA il 1867. A. Körte Rhein. Mus. 
1897 S. 176. Reisgh De mus. Graec. cert. 
77 setzt sie früher an. 

") Nero: Sueton. Ner. 22 ff. Cass. Dio 
LXIII 21. Vgl. Luk. Ner. 3. 

»») Plut. Quaest. symp. V 2, 10. 

»•) CIG 1212. Vgl. 1719, 1720. 

»«) Plut. Quaest. symp. VIlI 4, 1. 

*•) Bull, de corr. XIV 277. Krause a. 
a. 0. 197 ff. 

") Plut. Quaest. symp. V 3, 1. Schol. 
zu Apoll. Rhod. III 1240. Uhger Philol. 
XXXVII 9 f 

") Nem. IV 88. Ol. XIII 31. Schol. 
Pind. Isthm. Arg. p. 514 B. Vgl. Schol. Ol. 
XIII 45. 

") Schol. Pind. Ol. XIII 45. Hypoth. 



4. KoltiUBeiteii. (§ 113.) 



191 



Spiele einst zu Ehren eines Verstorbenen gestiftet seien. ^) Auch lange 
nach Pindar finden wir den Eppich,*) doch wurde später die Fichte ein- 
geführt, vielleicht erst in der Eaiserzeit.^) 

i. Die nemeischen Spiele. 

Litteratur: Ebause Hell. II 2 S. 107 ff. Hebmann Q. A.< § 49. Sghobmann Gr. 
Altt.s II 8. 67 f. J. G. Dbotsbn im Hermes XIY 1 ff. = Kleine Schriften II 258 ff. Ungbb 
Siizungsber. der Mttnchen. AkOd. 1879 S. 164 ff. 

111. Das vierte und letzte der grossen Nationalfeste waren die 
Nemeen. Sie wurden zuerst in dem Thal Nemea zwischen Kleonai und 
Phleius gefeiert/) später aber, jedenfalls schon vor 237 v. Chr., nach Argos 
verlegt.^) Eingesetzt sollen sie sein von den Sieben, die gegen Theben 
zogen, zu Ehren des Archemoros, des kleinen Sohnes des Königs Lykurgos, 
der von einer Schlange getötet wurde, während seine Wärterin den dür- 
stenden Helden den Weg zu einer Quelle wies.^) Nach andern Sagen 
soll Herakles die Spiele nach der Erlegung des nemeischen Löwen ge- 
stiftet oder sie erneuert und dem Zeus geweiht haben.') Zur Zeit Pin- 
dars wurden sie zu Ehren des Zeus gefeiert.®) Die Leitung hatten an- 
fangs die Rleonaier, doch bald riss sie das mächtigere Argos an sich. 
Vorübergehend besassen sie dann wiederum die Eleonaier, die auch Pindar 
(Nem. X 42) als aywvox^ärat nennt, und noch Jahrhunderte später rivali- 
sierten beide Staaten,^) bis die Argeier endgültig das Vorrecht behaup- 
teten, i^) Auch dies Fest war ein trieterisches.^^) Es fand im Monat 
Panemos statt,^*) der dem attischen Hekatombaion entsprach, i^) also im 
Hochsommer, und zwar auf der Qrenze des ersten und zweiten und des 
dritten und vierten Olympiadenjahres. >^) Daneben gab es pentaeterisch 
gefeierte Winternemeen (x«jU€^*va), >») deren Stiftung auf den Kaiser Hadrian 
zurückzuführen ist. Doch war dies kein panhellenisches, sondern ein argi- 
visches Lokalfest. *^) Die Nemeen wurde in derselben Weise gefeiert wie 
die übrigen grossen Nationalfeste. Vor dem Beginn wurde der Qottes- 



Nem. p. 13, 5 Abbl. Schol. Apoll. Khod. III 
1240. Vgl. aber Find. Nem. IV 88 und Dbot- 
sbn Herm. XIV 8. 

') Vgl. Plin. Nat. bist. XX 113. Rohdb 
Psyche* I 152, 1 u. 220, 2. 

«) Diod. XVI 79. Vgl. Flut. Quaest. symp. 
V 3 2 

'•)'piut. Quaest. symp. V 3, 1 ff. Luk. 
Anach. § 9 u. 16. Vgl. Plin. Nat. bist. XV 
10 p. 86 u. CI6 234. 

*) Strab. VIII 377. Paus. II 15. 

») Flut. Kleom. 17. üngbb a. a. 0. 

•) Bakchyl. IX 12 f. ApoUod. lU 6, 4. 
Scbol. Find. Nem. Arg. p. 424 f. B. Frbllbb 
Gr. Mytb.« H 356 f. Rohdb Fsycbe« I 152, 1. 

') Scbol. Find. Nem. Arg. p. 424 f. B. 
Das Marmor Far. setzt die EinfÜbrung 987 
Jabre vor seiner Abfassung an, also zwei 
Olympiaden später als die Istbmien (CIG 
2374). 

•) Find. Nem. II 4 f. 



») Vgl. Flut. Arat. 28. 

»<>) Vgl. DissBB zu Find. Nem. p. 381 f. 
bei BöoKH. Unobb a. a. 0. 165 ff. 

'») ßakcbyl. 1X23. Scbol. Find. Nem. 
Arg. p. 425 B. 

»*) Find. Hypoth. Nem. § 4. 

") CIA II 181. 

") SoHOBMANV Froleg. zu Flut. Ag. u. 
Kleom. p. XXXVIII ff. Heinrichs Ztscbr. f. 
d. Gw. IX 1855 S. 208 ff. Dboysbn a. a. 0. 
ÜNGBB a. a. 0. Christ Sitzgsber. d. Müncb. 
Akad. 1888 S. 890 ff. 

»») Faus. n 15, 2; VI 16,4. CIG 4472. 

»•) ÜNOBB a. a. 0. 188 ff. Fbilol. XXXIV 
1875 S. 50 ff., XXXVII 524 ff. Anders Dbot- 
sbn a. a. 0. und A. Mommsbn in Bubsians 
Jabresber. XX (1892) Bd. 73 S, 1 ff., der 
zwar von der späteren Einfabrung der Winter- 
nemeen überzeugt ist, aber die Stiftung durcb 
Hadrian für zweifelbaft, die Feier in Argos 
(gleicb Dboysbn) für unmOglicb bftlt. 



192 



Die grieohisohen Knltiualtertflmer. 



friede geboten,*) die fremden Staaten schickten ihre Theorien,*) und ferne 
Länder Agonisten,*) Männer und Knaben traten in den üblichen gym- 
nischen Kämpfen auf,*) Alkibiades sandte auch hierhin seine Vierge- 
spanne, s) und besondern Ruhm erntete, wer einen nemeischen Sieg zu 
Siegen fügte, die er in den andern drei Spielen errungen hatte, so dass 
er sich als neqioäovixYfi bezeichnen durfte.«) Auch dass Kassandros es 
nicht verschmähte, als Agonothet zu fungieren, beweist das Ansehn des 
Festes.') Interessant ist, dass schon zu Philopoimens Zeit ein Agon von 
Kitharoden stattfindet.») Der Sieger erhielt Palmzweig*) und Eppichkranz 

Zum Schluss mag noch erwähnt werden, dass alle vier grossen Fest- 
spiele in vielen Städten Griechenlands Nachahmung fanden und mit Agonen 
gefeiert wurden, vor allen die Olympien.**) Eine einzige Inschrift**) er- 
wähnt Olympien in Epidauros, Ephesos, Smyrna, Kyzikos; Pythien in 
Philippopolis und Hierapolis u. s. w. ; als Eumenes II die Nikephorien neu 
ordnete und zum glänzendsten Fest gestaltete, richtete er die musikali- 
schen Agone nach dem Muster der pythischen ein, die gymnischen und 
hippischen nach dem der olympischen,**) und einen stolzeren Titel als 
laoXvfATtia konnten die römischen Kaiser den pentaeterisch in Neapel ge- 
feierten 'iTaXixa ^cofiata Seßactd nicht geben.**) 

b. Die Feste der einzelnen Staaten. 

Litteratur: Hbbmann Gott. Alt.^ S. 281 ff. Sghobxann Griech. Altt.> II S. 4B9 ff. 
Adolf Schmidt Handbuch der griech. Chronologie ed. Fr. Rühl, Jena 1888 S. 264 ff. Für 
Athen A. Momhsen Heortologie, Leipzig 1864. Ungbr Philol. XXII 385 ff. Über die Be- 
deutung der Feste L. Schmidt Ethik II 16 f., ihre Kostspieligkeit Böckh Staatshaush.* 
I 265 ff. 

114. Fanden wir an den grossen Nationalfesten ganz Griechenland 
vereint und für den Augenblick sich in ein Ganzes fügend und darin auf- 
gehend, so zeigt sich wiederum die Zersplitterung und Sonderung der 
Staaten nirgends auffallender als in der Feier der Feste, die jeder für sich 
beging. Jede Stadt verehrte eine Gottheit vorzugsweise und vernachlässigte 
andere. In Athen z. B. trat Hera im Kultus völlig zurück, während sie 
in andern Städten wie in Argos die erste Stelle einnahm, ja Nebengott- 



Find. Nem. III 2. Vgl. Xen. Hell. IV 
7, 2 f. 

2) Demosth. XXI 115 p. 552. 

^) Kilik. Tnschr. Heberdby u. Wilhelm 
Denkschr. der Wien. Akad. d. Wiss. 1896 
S. 7. 

^) Kbause a. a. 0. 134 ff. 

») Paus. I 22, 6. Vgl. Athen. XII 534 D. 

^) Doch kommt dieser Titel erst später 
vor: Athen. X 415A. Cass. Dio LXTII, 8. 
CIA IV 6829. Eine Sammlung von Perio- 
doniken bei Krause Ol. 402 ff. S. auch die 
delphische Inschr. Bull, de corr. VI 447 u. 
IG Sic. et It. 1102 ff. 

Diod. XIX 64. 

8) Plut. Philop. 11. Paus. VIII 50, 3. 

«) Ebause a. a. 0. 143. 

>o) Pind. Nem. VI 43 f. u. Schol. dazu. 



Schol. Pind. Ol. XIII 45 p. 274 B. Plin. Nat. 
hist. XIX 46 p. 158. Vielleicht sind eine 
Zeitlang Eichenkränze gegeben worden GIG 
234. Vgl. Drotsbn a. a. 0. 2. 

») GIG Sept. I 49. IG Sic. et It. 739. 
Zusammenstellung der kleineren Olympien 
bei Krause Olympia 202 ff.; der Pythien 
Hell. II 2 S. 53 ff., s. auch Prellbr- Robert 
Gr. Myth. I 267 f.; der Isthmien Krause 
Hell. II 2 207 ff.; der Nemeen ebenda 146 f. 

»«) GIA III 129. 

^') Dittbnberger Syll. 215. Pergam. 
Inschr. VIII 1 nr. 167. Gabbel Erythrae 50. 

»*) IG Sic. et lt. 748, Olympia V 56. 
Wissov^TA Wochenschr. f. klass. Phil. 1897 
Sp. 763 ff. Vgl. GIG 4472. «yw^ef iaonvattn 
DiTTENBEBGBR Syll. 149 f. Bull. de corr. V 
384. Athen. Mitt. IX 72 etc. 



4. KoltiuiBeiteii. (§ 114.) 



193 



beiten wie die Chariten, Asklepios, Eros wurden an bestimmten Orten 
am meisten verebrt. Scbon dieser Umstand bedingte, dass auch jeder 
Staat seine eigenen Feste hatte. Es kam hinzu die Verschiedenheit der 
Zeitrechnung. Nicht alle Griechen rechneten den Jahresanfang von dem- 
selben Zeitpunkt an,^) die meisten hatten ihre besondern Monatsnamen, 
und Neuerungen und Verbesserungen in der Chronologie fanden durchaus 
nicht allgemeine Annahme. 

Genauer unterrichtet sind wir nur über Athen, und auch hier weist 
die Überlieferung zahlreiche Lücken auf; für die andern Staaten haben 
namentlich die Inschriften Material geliefert, doch ist es so fragmen- 
tarisch und so zufällig, dass eine systematische Behandlung ihrer Fest- 
kalender vorerst auf grosse Schwierigkeiten stösst. 

Allgemein nahm man ein Mondjahr von 354 Tagen an und brachte 
es mit dem Sonnenjahr dadurch in Übereinstimmung, dass man in be- 
stimmten Zeiträumen einen dreizehnten Monat einschaltete,*) noch ehe die 
Abweichung gar zu gross und fühlbar geworden war. Die Athener scheinen 
in jedem dritten, fünften und achten Jahre einen SevreQog JloaeiSsüiv hin- 
zugefügt zu haben, so dass in einer Periode von acht Jahren der Ausgleich 
stattfand,') weshalb man dann diese Oktaeteris auch als ein grosses Jahr 
(liisyag ivtavtog) zu bezeichnen pflegte. Nach demselben Prinzip verfuhren 
auch die übrigen Griechen, wie die verbreitete und später allgemein übliche 
Rechnung nach Olympiaden und Pythiaden beweist, die beide eine halbe 
Oktaeteris ausmachten.^) Der Schaltmonat zählte 30, die übrigen 29 {xoTXog fi,) 
oder 30 Tage. Sie begannen mit dem Neumond, und der ganze Monat wurde 
in drei Dekaden geteilt:^) firjvvg tatafiävov^ fieaovvrog oder im iäxa^ y^«- 
vovTog. Die 9 oder 10 Tage des letzten Drittels wurden rückwärts ge- 
zählt, der SevTSQa (p^ivovrog folgte die ivt] xal väa^ der letzte Monatstag. 
Den Jahresanfang rechneten die Athener vom ersten Neumond nach der 
Sommersonnenwende. Der erste Monat, der also ungefähr unserem Juli 
entsprach, hiess Hekatombaion, der 2. Metageitnion (August), 3. Boedro- 
mion (September), 4. Pyanopsion (Oktober), 5. Maimakterion (November), 
6. Poseideon (Dezember), 7. Gamelion (Januar), 8. Anthesterion (Februar), 
9. Elaphebolion (März), 10. Munichion (April), 11. Thargelion (Mai), 12. Ski- 
rophorion (Juni). In anderen Staaten führten die entsprechenden Monate 
andere Namen, in Delphoi z. B. Apellaios, Bukatios, Boathoos, Heraios, 
Daidophorios, Poitropios, Amalios, Bysios, Theoxenios, Endyspoitropios, 
Herakleios, Uiaios.^) Häufig finden wir dieselben Namen an andern Orten 



') BöoKH MondcykleD 29 ff. Sohobxann 
a. 8. 0. 448 f. Ad. Schmidt a. a. 0. 123 f. 

*) Es kam aber auch vor, dass in dem- 
selben Jahr mehrere Monate eingeschaltet 
wurden. Vgl. Eircbhoff Monatsber. der 
Berl. Akad. 1859 S. 739 ff. 

*) ÜSENER Rhein. Mus. XXXIY 889. Vgl. 
auch Br. Kbil Herrn. XXIX 821 ff. 

*) 482 stellte Meton in Athen einen 

neuen 19jähngen Cyklus auf, der aber erst 

über ein Jahrhundert später eingeführt wurde. 

Ad. Schmidt a. a. 0. 434 ff., 620 ff. Usbnrr 

H«adbuoli der klan. AltertumswiMeiucluft. Y, 8. 



a. a. 0. 408 ff. 

^) Ad. Schmidt a. a. 0. 148 ff. 

^) KiECUHOFF Monatsber. der Berl. Akad. 
1864 S. 134. Vgl. Hermes XXI 176 ff. von 
Kos. Bull, de corr. V 25; XIV 492 ff. von 
Delos. Athen. Mitt. XI II 807 f. von Eyzikos, 
und im allg. Biscboff De fastis Graecorum 
antiquioribus, Leipzig 1884. Jahrb. f. Phil. 
1892 S. 479 ff. K. Fr. Hermann Monats- 
kunde Göttingen 1844. Über äolische und 
dorische Kalender Lattschew St. Petersburg 
1888 (russisch). S. auch A. Mommsbn in Bur- 
BiANS Jahresber. 1885, 3 S. 407 ff., Darbm- 
2. Aufl. 13 



194 



Die grieohischen Sultnsaltertflnier. 



wieder, wie einen Thargelion in Delos, Faros, Ephesos und anderswo,^) 
doch bezeichnete der übereinstimmende Name dui*chaus nicht immer den 
gleichen Monat. ^) Noch grösser werden die Abweichungen in den den 
einzelnen Gottheiten geweihten Tagen gewesen sein. In Athen z. B. soll 
der 3. 13. 15. und 28. jedes Monats der Athena gehört haben,*) was an 
andern Orten, wo sie weniger verehrt wurde, nicht anging, der siebente 
wiederum war nicht bloss in Athen dem ApoUon geweiht.^) Andrerseits 
werden auch dieselben Tage am nämlichen Orte als verschiedenen Gott- 
heiten heilig bezeichnet.^) — Sehr üblich war es, die Namen der Monate 
von den Hauptfesten, die in ihnen gefeiert wurden, zu entlehnen, wie in 
Athen den Skirophorion, Pyanopsion u. a. 

Wie wichtig den Griechen ihre Feste waren, und wie sie alles andere 
darüber vergassen und versäumten, könnte uns in Erstaunen setzen. Die 
Spartaner schicken der Earneen wegen keine Hilfstruppe nach Marathon,^) 
eine durchaus ungenügende Streitmacht nach Thermopylai,^) und erscheinen 
im peloponnesischen Krieg aus demselben Grunde wiederholt nicht recht- 
zeitig auf dem Platze,^) Agesilaos entlässt die Amyklaier aus dem Lager, 
damit sie zu Hause die Hyakinthien feiern können,^) und Demosthenes 
macht den Athenern die schwersten Vorwürfe, dass ihre Feldherren über 
Festen und Prozessionen das Lager und das Schlagen vergassen, und dass 
für die Panathenaien und grossen Dionysien mehr Geld aufgewandt würde, 
als für die Ausrüstung der Flotten, i®) Mag zunehmende Vergnügungssucht 
namentlich in Athen ihr Teil hierzu beigetragen haben, ^^) der alleinige Grund 
war sie nicht: wie die Götter auf Opfer und Erhaltung ihrer Tempelschätze 
Anspruch hatten, so verlangten sie auch eine würdige Begehung ihrer 
Feste. Die Athener thun sich etwas zu gute darauf, dass sie die meisten 
Feste feierten und die frömmsten von allen Hellenen seien. ^') Nur an einem 
Tage des Jahres soll die Stadt keine Opfer dargebracht haben, ^*) und 
jeder sechste Tag soll ein Festtag gewesen sein.'*) — Nicht jeder Fest- 
tag war gleich heilig und vornehm; niir an den hohen waren Gerichts- 
sitzungen, Volksversammlungen und überhaupt öffentliche Arbeiten und 
Geschäfte untersagt. ^^) 



bbrg-Saolio Dict. I 825 ff. und besonders 
ÜM6BB Hdb. P S. 729 ff. 

Pbkllbk-Robbrt Griech. Myth. I 261 
Anm. 2. Vgl. 263 Anm. 2. 

«) Vgl. SCHOBMANN B. 8. 0. II 448 f. 

Einige Übereinstimmangen finden sich ; so 
scheint z. B. der der Artemis heilige Monat 
überall in den Frühling zu fallen. 

") Tzetz. zu Lykophr. 519. Prokl. zu 
Hes. Erg. 778. Schol. zu II. S 38. 

*) Prokl. zu Hes. Erg. 798. Flut. Quaest. 
symp. VIII 1, 2. Laert. Diog. II 44. Vgl. 
Herod. VI 57. 

*) Schol. Aristoph. Plut. 1127: Xägnny 
fQlirjy Nub. 616: iv 6h devrigif xov Uoffei- 
6(6va rifidy. Vgl. Plut. Quaest. rom. 25 und 
mehr bei Soboexann a. a. 0. II 441 f. Lo- 
BBCK Agl. 430 ff. Prelleb-Robbbt Gr. M. I 
391. Vgl. ausser den angef. Stellen auch 



Theopomp. Frgm. 283. GIG 1034. 

•) Herod. VI 106. 

') Berod. VII 206. 

8) Thuk. V 54 u. 75. 

•) Xen. Hell. IV 5, 41. 

'0) Demosth. I 20 p. 14 f.; III 31 ; IV 35 
p. 50. Plut. De glor. Athen. 6. 

>') Vgl. Isokr. VII 29 f. p. 145. 

»*) Perikles bei Thuk. II 38. Isokr. IV 
33. Vgl. Xen. Staat der Ath. III 8, III 2. 
[Plat.] Alk. II p, 148A. Lyk. Leokr. 15. 
Paus. I 24, 3. Act. apost. XVII 22. Meuss 
Jahrb. f. Phil. 1889 S. 461. 

>») Schol. Thuk. II 38. 

»*) Schol. Aristoph. Vesp. 663. Beides 
ist glaublich. Die Zahl der Festtage würde 
den unsrigen etwa gleichkommen. 

") Ad. Schmidt a. a. 0. 263 f., 371 flf. 
MoxHSEN Heort. 93 ff. 



4. SnlioMeiteii. (S 115.) 



195 



a. Athenische Feste. 

115. Das erste am Anfang des Jahres auf den ersten oder siebenten 
Hekatombaion fallende Fest galt dem Apollon.^) Man hatte die längsten 
Tage, die Sonne beschrieb die grössten Kreise, und so wird man des Sonnen- 
gottes zuerst gedacht haben.*) 

Das nächste Fest, auf den 12. fallend,') wiEU*en die Kronien(ir^Vm).^) 
Eekrops soll es gestiftet haben. ^) Man scheint nur unblutige Opfer dar- 
gebracht zu haben, denn ein isQ^avixov wird nicht erwähnt,«) und an 
Holokausta zu denken liegt kein Grund vor, wogegen die Analogie mit 
dem Kult des Zeus Hypatos, den auch Eekrops gestiftet haben soll,^) und 
der blutige Opfer ausschloss,^) nahe genug liegt. ^) 

Es folgten am 16. Hekatombaion^^) die ^vvoixia.^^) Es war ein 
altes Fest, das eigentlich wohl der Athena galt, aber früh mit dem Synoi- 
kismos des Theseus in Verbindung gebracht wurde.**) Wahrscheinlich erst 
um 445 ward das gi*osse Eireneopfer hinzugefügt,**) von dem die Haut- 
gelder im Jahr 834 allein 874 Drachmen betrugen.*^) 

In demselben Monat wurden dann noch zu Ehren der HauptgOttin, 
der ^A&r^vä noXiäg^ die Panathenaien (//ara^iy'vaia) gefeiert.**) Die Stif- 
tung des Festes schrieb man Erich thonios zu,*«) Theseus soll es erneuert 
und nach der Einigung der Gemeinden den bisher üblichen Namen 
'Ad'fjvaia in nava&T^vaia geändert haben.*') Auf Peisistratos wird die Ein- 
richtung der grossen {fieyala) Panathenaien zurückgeführt,*^) die pentae- 
terisch in jedem dritten Olympiadenjahr*») am drittletzten Hekatombaion,*^) 
der für den Geburtstag der Athena galt,**) gefeiert wurden.«*) Es unter- 
liegt keinem Zweifel, dass auch die kleinen Panathenaien auf den 28. des 
Monats fielen.*') Auch sie waren ein hohes und glänzendes Fest, wenn 



Etymol. M. u. 'ExatofipauSy, E. Fb. 
Hbrmann Monatskunde 56 f., 79 f. Mommsbn 
Heort. 104 ff. Ad. Schmidt Gr. Chron. 265 ff. 

<) Etym. M. a. a. 0. Bbkker Anecd. 1 
p. 247 u. 'ExarofißMwy, 

») Demosth. XXIV 26 p. 708. 

*) MoxxsBN Heort. 108 ff. Prbllbb- 
RoBBRT Griech. Myth. I 52. 

^) Philochoros nach Macrob. Sat. 1 10, 22. 

«) Vgl. DlTTEHBEBGRB Syll. 374. 

') Paus. VIII 2, 3. 

8) Paus. I 26, 5. 

^) Vgl. MoxxsBN Heort. 110. 

i«)} Plut. Thes. 24. Schol. Aristoph. Pax 
1019. 

>0 MoxHSEN Heort. 111 ff. BOckb 
Staatsh.» II 119. v. Wilamowitz Kydathen 
120 f. 

»«) Thuk. II 15. Vgl. C. V7ACHSMUTH 

Rhein. Mus. XXIII 178 ff. 

**) V. Wilamowitz a. a. 0. 

»*) DiTTBHBBRGBR Syll. 874. Vgl. COL- 

LiGNON Annuaire des ^tudes grecques XVI 
Paris 1882 S. 111. — Vordem und bei an- 
dern Gelegenheiten mag auf dem Altar der 
Eirene niemals Blut vergossen worden sein 
(Aristoph. Pax 1019 mit Schol. Vgl. Mohx- 



SBN Heort. 115). Robbrt in Prkllbrs Griech. 
Myth. I 479 A. 3 will das Verbot nur auf 
das Bestreichen des Altars mit Blut beziehen. 

>») Hbbhaitn Gottesd. Altt.» § 54. Schoe- 
MANN Griech. Altt." II 467 ff. A. Moxxsen 
Heort. 116 ff. Mbier Panathenäen in der 
AUg. Encykl. der Wiss. u. K. III 277 ff. 
Michaelis Parthenon 211 ff., 818 ff., wo auch 
(S. 818) noch ausführlichere Litteraturan- 
gaben. Ebausb in Pauly's Realenc. V 1105 ff. 
Ed. Mbybb Gesch. d. Altt. II S. 665 f. 

^') Harpokr. u. Suid. u. Uava^vaia 
ApoUod. III 14, 6. 

»') Paus. Vlll 2, 1. Plut. Thes. 24. 

^^) Schol. Aristeid. Panath. UI 323 Dind. 
(p. 189, 4). 

'<») CIG 251. Lys. XXI 1. Moxxben 
Heort. 119 f. 

••) Schol. Plat. Rep. 327 A. Vgl. Eur. 
Herakl. 777. 

»») Schol. II. S 39. Vgl. Athen. HI 98B. 

*') In der spätem Kaiserzeit wurde das 
Fest im Frühling begangen Himer. Orat. III 
426 f. Vgl. Giris 21. Moxxsbn Heort 134 f. 
Mbibb a. a. 0. 281. 

") Moxxsbn Heort. 129 ff. 



13 < 



196 



Die grieohiflohen Kultnsaltertamer. 



auch von den grossen so in den Schatten gestellt, dass wir nur selten von 
ihnen hören. Mit der Leitung war eine eigens dazu gebildete Kommission 
von tsQOTtotoi hetrsLiit^) Eine nächtliche Feier*) mit Fackellauf ging dem 
eigentlichen Festtage voran; mit Sonnenaufgang begann die grosse Pro- 
zession durch die Stadt nach der Burg, um der Göttin den Peplos zu 
bringen. 5) Dort fand ein grossartiges Opfer und eine Volksspeisung 
statt; auch gymnische und hippische Agone, unter diesen eine besondere 
Art, die wir ausser in Athen nur noch in Boiotien finden,^) eine Ver- 
einigung von Wettlauf zu Wagen und zu Fuss.^) Auf dem niedrigen, 
vom Viergespann gezogenen Wagen {&Qficc) stand ausser dem r^vfoxog der 
sog. anoßdxTiq, So schnell wie möglich durcheilten die Gespanne das 
Stadion. Sobald die Bahn zurückgelegt, noch ehe die Pferde zum Stehn 
gebracht waren, ja vielleicht ehe sie den Lauf gemässigt hatten, sprangen 
die Apobaten vom Wagen und durchmassen nun im Lauf das Stadion in 
umgekehrter Richtung. <^) Auch der Wagenlenker, der zuerst seinen Mann 
ans Ziel gebracht hatte, erhielt einen Preis; kam es doch für den Apo- 
baten sehr darauf an, früher als die andern abspringen und den Lauf 
beginnen zu können. Ausserdem ist die Pyrrhiche, ein Wa£fentanz, der 
einen Kampf nachahmte, auch für die kleinen Panathenaien bezeugt, und 
zwar wurde sie von drei Altersklassen besonders ausgeführt.^) Da zu 
alledem noch kyklische Chöre kamen,®) müssen wir die Dauer des Festes 
mindestens auf zwei Tage (27.-28.) ansetzen.^) 

Ungleich glänzender gestaltete sich das Fest in jedem vierten Jahre. *<>) 
Der Hauptfesttag blieb der 28. Hekatombaion; wie lange es im ganzen 
dauerte, wissen wir nicht, doch werden nicht weniger als sechs Tage aa- 
zunehmen sein.^^ Wie andere grosse, durch Agone gefeierte Feste hat 
auch dies allmählich immer mehr Erweiterungen erfahren. In der Zeit 
der Peisistratiden wurde es namentlich durch die Zuziehung von Rhapsoden 
bereichert, ^8) die aus den homerischen Gesängen vortrugen. *») Weitere 
musische Wettkämpfe wurden unter Perikles hinzugefügt,^^) und eine In- 



') DiTTANBBBOER SjU. 380. L. ZiBHEM 

Rhein. Mos. 1896 S. 212 ff. 

') DiTTBNBBRGEB Syll. 380. 

») Aristot. Atb. Pol. 49. Schol. Plat. Rep. 
327A. Schol. zu Aristoph. Equ. 569. (Nach 
dem Schol. zu Eur. Uek. 468 u. Harpokr. 
u. ninXoq fand die DarbriDgung nur an den 
grossen Panathenaien statt.) 

•*) Theophr. bei Harpokr. u. anoßäzijg. 
Vielleicht haben die Athener sie i. J. 829/28, 
als sie zum erstenmal die grossen Amphia- 
raen in Oropos feierten (IGSept. I 4254), hier 
erst eingeführt. Dann mag man sie beibe- 
halten haben, auch als Oropos lange nicht 
mehr den Athenern gehörte (IGSept I 417 
aus der Zeit Sullas), und sie auch an andern 
Orten nachgeahmt haben (IGSic. et It. 754). 
Daför dass sie eigentlich Athen eigentümlich 
waren, spricht auch, dass man die Erfindung 
und Einführung Erichthonios (Eratosth. Ea- 
tast. 18) zuschrieb. 

') Etym. M, u. anoßarrjg. 



<^) Dion. Hai. VII 73. Robbbt XIX Hall. 
Winckelmannsprogr. 1895 S. 11 ff. mit Ab- 
bildungen. 

7) Lys. XXI 4. Vgl. Ebaubb Hell. I 
883 ff. 

8) Lys. XXI 2. 

«) MoHXSBN Heort. 205. 

*®) rd fieydXa Uavad^ijyaiaDiTrKSBEBQKR 
Syll. 2, 263 und öfter, gewöhnlich auch nur 
üayadijyat'tt genannt. 

**) Saufpb Commentat. de inscr. Pana- 
then. Ind. Schol., Göttingen Som. 1858 p. 7. 
(Ausgewählte Schriften 215 ff.) Mohxbbn 
Heort. 204. 

»«) Plat. Hipparch. 228 B. 

'*) Lykurg. Leokr. 102. Ed. Mbybb Gesch. 
d. Altt. II 390. 

'*) Plut. Per. 13. Vgl. Brbubb De mu- 
sicis Panathenaeorum certaminibus , Bonn 
1868 u. Rbisch De musicis Graecomm cer- 
taminibus, Wien 1885 S. 18 ff. 



4. Knltiuseiten. (§ 115.) 



197 



schritt aus dem 4. Jahrb. v. Chr.O nennt Kitharoden, Auloden, Kithar- 
spieler und Flötenbläser. Von den Kitharoden erhalten die fünf besten 
Geldpreise von verschiedener Höhe, der erste ausserdem einen goldenen 
oder silbernen*) Kranz, und auch für die anderen sind mehrere Preise aus- 
gesetzt; den KrsLUz erhält immer nur der vorzüglichste. Auch die gym- 
nischen und vor allem die hippischen Agone*) wurden vermehrt. In den 
ersteren wurden die Kämpfer nach ihrem Alter in drei Klassen geteilt: 
Ttatiegy^) ay^Vao**) und äviQcg. In dieser Reihenfolge treten sie auch 
auf, und zwar die Knaben in fünf Kämpfen: dem Wettlauf,«) Pentathlon, 
Ringkampf, Faustkampf, Pankration. In denselben Wettkämpfen produ- 
zieren sich darnach die dyävsioi. Die Preise bestehn in Krügen mit Öl 
von den heiligen Bäumen (fioQiai) der Athena,^) von deren Besitzern es der 
Archen schon lange vorher eintrieb. «) Für die Beschaffung der Preise 
hatte der Rat zu sorgen, dem dabei jedenfalls die Athlotheten zur Hand 
gingen.») Jedesmal werden zwei Preise erteilt, und zwar erhält der erste 
Sieger immer fünfmal so viel als der zweite, die Knaben 30 — 50 bez. 6 — 10, 
die dyävsioi, 40 — 60 bez. 8—12 Krüge, ^®) so dass auch der Geldwert ganz 
erheblich war. Dass im Laufe der Zeit auch kleine Änderungen eintraten, 
ist selbstverständlich. So wird in einer Inschrift aus der letzten Zeit der 
Republik **) ein SoXixog naiSiov erwähnt. — Über die Wettkämpfe der 
Männer sind wir weniger unterrichtet, da sie auf der ältesten und wich- 
tigsten Urkunde ^^) fehlen. Doch lässt sich aus andern Inschriften i***) und 
den erhaltenen Yasenbildern^^) schliessen, dass sie noch umfangreicher 
als die der Erwachsenen,**) und die Preise, die auch hier in Krügen mit 
Öl bestanden,») entsprechend grösser waren. Besonders reichhaltig war 
das Programm der hippischen Kämpfe.**) Ausser den gewöhnlichen 
Rennen mit Vier- und Zweigespannen*') ausgewachsener (aJijyayoe) und 
junger Pferde traten auch Paradewagen (^svyrj Tvofimxd) und Kriegswagen 
(aqiiaxa noXemaxriQia^ (fvvwQiieg noXepuatrjQiai) auf, ferner Reiter in 
voller Rüstung (xährfci, 7roX€fii<XTr]Qi(p) und Speerkämpfer zu Pferde {catov- 
Ti^ovreg ay iTtnov).^^) Auch in diesen Kämpfen erhielten der erste und 



') DiTTBNBERGBR Syll. 395. Sauppb h. a. 
0. S. auch Syll. 420. 

*) Aristot. Ath. Pol. 60. 

») Vgl. CIA n 966, 968. 969. 

*) In späterer Zeit wird auch eine 
ngtSjijy &svriQa und rgirrj ijXixla unterschie- 
den GIG 232. 

^) Wahrscheinlich vom 16.— 20. Jahre. 
MomisEif Heort. 141 f. 

•) Das ard&ioy Ilava^fjyaixoy z. B. DiT- 
TBNBBBGBB SjU. lll> 124. Bildl. DarstcUung 
des Grundrisses hei Sohbeibbb Eultnrhist. 
Atlas Taf. XXVI n. 3. 

Aristot. Ath. Pol. 60. Luk. Anaroh. 9. 
Michaelis Parth. 322. Vgl. Herod. V 82. 

») Aristot. Ath. Pol. 60. 

•) Aristot. Ath. Pol. 49. 

'^) Viele solcher Amphoren sind uns 
erhalten (s. Michablis Parth. 323 ff.) Sie 
tragen ausser der Aufschrift rtoy 'A&ijyrj&sy 



ä&XtDy di&s Bild der Göttin (Michaelis Parth. 
212 Anm. Mateb Gig. u. Tit. 271) und ge- 
wöhnlich auf der Rückseite Darstellungen 
von Wettkämpfern. Auch der Name des 
Archen ist in der Regel angegehen. 

") Dittbnbbbger Syll. 398. 

>«) Dittbnbbboeb Syll. 395. 

») Vgl. z. B. Dittbnbebgeb Syll. 403. 
CIA II 966, 968. 

^*) Eine Reihe von Abbildungen in den 
Monum. dell' Instit. vol. X tav. XLVII bis 
XLVIIg, XLVIII-XLVIIIn. (1877). 

«J Vgl. MomisEW Heort. 143 ff. 

^^) S. ausser den Inschrr. Dittbrbebgeb 
SyU. 395 u. CIA II 967 Krause in Pauly's 
Realencykl. V 1106 f. u. Moxmsbn Heort. 
153 ff. 

>^) Eleusin. Inschr. Ephem. arch. 1894 
S. 194. 

") CIA II 968, 969. 



198 



Die grieohiflohen Knltiualtertlkmer. 



der zweite Sieger Krüge mit ÖL Dann folgte die Pyrrhiche. Die sieg- 
reiche Partei erhielt ein Rind im Werte von hundert Drachmen*) als 
Preis (vixrjtrjQ^a), das dann zum Opferschmaus verwandt wurde. — Dies 
Spiel bildete den Übergang zu dem ayoiv svavS^aq.^) Jede Phyle stellte 
eine Anzahl ausgewählter Männer, die sich durch Grösse, Kraft und Schön- 
heit auszeichneten.^) Die stattlichste Schar erhielt wieder ein Rind als 
Ehrenpreis.^) Wer die beste Ausrüstung und männlichste Haltung ge- 
zeigt hatte, empfing einen Schild.») Diese Unterhaltungen füllten ver- 
mutlich die Festtage bis zum 27. abends aus. Dann begann die Pannychis, 
wie an den kleinen Panathenaien,*) mit ihrem Fackel wettlauf {lafiTtaSo- 
gfOQia),'') Man lief von dem Altar des Prometheus in der Akademie aus 
durch den Kerameikos^) in verschiedenen Abteilungen, die von einzelnen 
Phylen gestellt waren. Die vordersten trugen brennende Fackeln, die sie 
den ihnen Nacheilenden (ßi,aio%oi) übergaben. So ging die Fackel von 
Hand zu Hand ; jeder einzelne aus den gleich zahlreichen Gruppen musste 
sie weiter tragen; wer (als letzter seiner Abteilung) das Ziel mit bren- 
nender Fackel zuerst erreichte und die auf dem Altar liegenden Scheite 
entzündete,^) war Sieger, doch fielen Ehre und Ehrenpreis i^) wohl der 
ganzen ta^tg oder Phyle zu, aus welcher der Sieger hervorgegangen war.^^ 
— Die Regatta (vsäv aiiiXXa)^ die in unserer Inschrift als der letzte Agon 
aufgeführt wird, fand vermutlich erst am 29. statt, ^*) mag jedoch hier 
gleich mit erwähnt werden. Die Phyle, deren Schiff gesiegt hatte, erhielt 
800 Drachmen; ausserdem wurde noch Geld zu einem Opferschmaus und 
vielleicht auch noch ein Siegespreis für das zweite Schiff gezahlt. 

Der 28. war der höchste Festtag. Wie an den kleinen Panathenaien') 
begann am frühesten Morgen die Prozession, die sich durch die Haupt- 
strassen bewegend"*) der Göttin den Peplos darbrachte. Es war dies ein 
höchst kostbares Gewebe, von kunstfertigen Frauen und Jungfrauen («^/a- 
(fTivcu) angefertigt, die, wenigstens seit dem 2. Jahrh. v. Chr. freier und 
edler Abstammung sein mussten.^^) Neun Monate vorher war die Arbeit 
von vier jungen Mädchen, den sog. oqqtj^o^i,^^) bereits begonnen worden, 
nachdem der Rat, später eine bestimmte Abteilung des Volksgerichts, 
über die Musterzeichnungen (naqaösCyiiata) und die Herstellung entschieden 



BöOKH Staatsh.' I 95 Anm. a. FbIn- 
KBL ebenda II Anm. 130 S. 21*. 

*) Harpokr. u. evay&Qla. Xen. Mem. III 
8, 12. Sauffb a. a. 0. 8 ff. Dittbkbbbgbb 
SyU. S. 385 not. 11. 

•) Vgl. Athen. Xm 565F. 

*) DiTTBNBEBQBB Syll. 395, 75. 

») Aristot. Ath. Pol. 60. 

*) DiTTENBBBGBB Sjll. 880. 

') KöBTB Arch. Jahrb. VII 149 ff. Cüb- 
nuB Stadtgesch. v. Athen. 119. Abbildungen 
von Wettläufern mit Fackel Taf. V Fig. 7. 
Tibohbbin Vas. Etr. Ham. II 11, III 48. Ant. 
du Bosph. Cim. PL 68. Vases de Lamberg 
I PI. 78. 

*) Wboklbib Herm. VII 448 ff. auch fär 
das Folgende zu vergleichen. 

*) KöBTB Arch. Jahrb. VII 151. 



*^) Bei den Panathenaien ddgia. VgL- 
Wboklbtn a. a. 0. 441 Anm. 8, aber auch 
FbXnokbl in Böckhs Staatsh." II 81 * Anm. 
191. 

») CIA II 1229-1232. 

*<) MoxMSBN Heort. 198. 

*") Über den Weg, den sie nahm, Thuk. 
VI 56. Plut. Demetr. 12 und mehr bei Mi- 
OHABUS Parth. 218, 827 ff. Waohsxuth Stadt 
Athen 285. Löbchokb Enneakrunosepis. 13. 
V. WiLAXOWiTz Kydathen 208, auch E. Cur- 
Tius Sitzungsber. der Berl. Akad. 1884 S. 504. 

") ü. KöHLBB Athen. Mitt. VIII 57. 
Bull, de corr. XIII 170. v. Wilaxowitz Eur. 
Her.« I 140 f. A. 43. 

'^) Etym. M. u. XalMsta u. dQ^<poQ€i3^y 
Harpokr. u. aQQtjfpoQHy^ Michablis ParÜi. 329. 



4. KultiiBBeiien. (§ 115.) 



199 



hatte. Auf 8affi*anf arbigem Grund') waren die Gigantenkämpfe gestickt,') 
an denen Athena ja hervorragenden Anteil genommen hatte. Erst in spä- 
terer Zeit,^) wo man unterwürfiger war, hat man auch mächtigen Ge- 
walthabern einen Platz neben den Göttern eingeräumt, nicht ohne sich 
des Unrechts bewusst zu werden.^) Dies Gewebe wurde — wenigstens an 
den grossen Panathenaien®) — als Segel an Raaen und Mast eines Schiffes 
befestigt^) und so durch die Strassen geführt. Herodes Attikus vervoll- 
kommnete die Maschinerie so, dass es sich wie schwimmend selbst zu be- 
wegen schien.^) Das Gewebe wurde dann in den Tempel getragen und 
der Göttin als Geschenk geweiht.*) Der Festzug selbst ist von der Hand 
des Pheidias dargestellt worden und schmückte als Relieffries den Par- 
thenon. Die ganze freie Bürgerschaft Athens beteiligte sich. Die Arch- 
onten, die Schatzmeister der Göttin, Hieropoioi, Strategen, Taxiarchen, 
Phylarchen, Hipparchen, die Geleiter {7T0fin€Tg) und die Kanephoren,*®) 
welche die heiligen Opfergeräte trugen, ^^) schritten festlich geschmückt 
in dem Zuge, Abgesandte aus fernen Kolonien, die mit Opfervieh zum 
Feste eingetroffen waren, i*) die sog. &aXi,og>6Qor^^) besonders ausgewählte 
schöne Greise, Ölzweige in den Händen tragend, die Metoiken mit Opfer- 
gerät, >^) Kuchen und Gefässen,^^) die Sieger aus den Wettkämpfen der 
vorhergehenden Tage, Krieger im Waffenschmuck verliehen dem Bilde 
Glanz und Mannigfaltigkeit,^^) Priester und Diener führten die Hekatombe, 
Herolde hielten die Ordnung aufrecht, ^^) bis endlich alles auf der Burg 
angelangt war, wo an dem grossen Altar, der vor dem Tempel der Polias 
stand, ^^) das ungeheure Opfer dargebracht wurde, von dem dann das 
ganze Volk festlich gespeist ward.**) 

Die Leitung der Spiele lag zehn alle vier Jahre durchs Los aus den 
einzelnen Phylen gewählten Athlotheten^®) ob,**) die schon vom vierten 
Hekatombaion an im Prytaneion beköstigt wurden**) und die Anordnungen 
für die ganze Feier zu treffen hatten. In früherer Zeit (5. Jahrh.) wird 



Aristot. Ath. Pol. 49. Dielb Arcb. 
Jahrb. VI 39. 

s) Eur. Hek. 466. 

>) Schol. Eur. Hek. 469. Prokl. zu Fiat. 
Tim. p. 26. Vgl. Euthvphr. 6. 

*) Aristoph. Equ. 565 beweist nicht das 
Gegenteil. Vgl. Michaelis Parih. 212. Stüd- 
KiGZKA Altgrieoh. Tracht, Wien 1886 S. 187 
A. 17. 

») Vgl. Plut. Demetr. 12. Diod. XX 46. 

«) Pbelleb-Robbbt Griech. Myth. I 212 
A. 5. DiTTEVBEBGEB Syll. S. 226 Anm. 6. 
ScHUBEBT Herrn. X 448. Ober den ninXoq 
Oberhaupt Studviczka a. a. 0. 186 ff. 

') CIA III 70a. Paus. I 29, 1. Harpokr. 
n. xoitBiov, Michaelis Parth. 329. 

») Philostr. Vit. Soph. II 1, 5. 

*) S. Rbichbl Vorhellen. GOtterkulte 
20 f., aber auch Döbpfeld Athen. Miti 1887 
S. 199 f. 

»») Aristot. Ath. Pol. 18. Vgl. Dittbh- 
bbbgee Syll. 380. 



^') Harpokr. u. xayrjq>6Qoi und mehr bei 
Michaelis Parth. 329 f. 

>>) ^Dittenbebgbb Syll. 12 A. Schol. 
Aristoph. Nub. 886. Vgl. Thuk. I 25. Diod. 
XII 3Ö. 

") Xen. Symp, IV 17. Aristoph. Nub. 
540 und Schol. 

1«) PoU. m 55. Harpokr. u. Suid. u. 
axatprjtpoQoi, 

>») S. Michaelis Parth. 330. Gilbbbt 
Gr. Staatealtt. I 173. 

'•) Demosth. IV 26, XXI 171. Michaeus 
Parth. 331. 

") Poll. VIU 103. 

") Thuk. I 126. 

1*) Dittekbeboeb Syll. 380. Aristoph. 
Nub. 386 mit Schol. 

'®) Luk. Nigr. 14 fälschlich ayiavo&itah, 

*0 Aristot. Ath. Pol. 60. Dittenbbbgeb 
SyD. 44, 6. 

") Aristot. Ath. Pol. 62. 



200 



Die griechischen KnltiiBaltertllmer. 



wenigstens die Besorgung des Opfers Sache der tsqonoioi xat iviavrov ge- 
wesen sein.^) 

Die Kosten des Festes waren natürlich sehr beträchtlich. Manches 
wurde von den Wohlhabenden bestritten. So war die Ausrüstung und Ein- 
richtung derPyrrhiche,*) die Euandrieund Lampadarchie') eine Leiturgie.*) 
Die Hauptkosten trug der Schatz der Athena, also der Staat. ^) 

Auch an andern Orten feierte man Panathenaien ; z. B. in Neu Dion^) 
und in Pergamon zur Zeit Eumenes I.^) 

116. In dem folgenden Monat, Metageitnion, wird nur ein kleineres 
Fest erwähnt, das dem Apollon gefeiert wurde.®) 

117. Reicher an Festen war wieder der Boedromion. 

Am fünften feierte man ein allgemeines Totenfest, die reveaia.^) 
Man opferte der 6e*®) und wird im übrigen die Toten auf dieselbe Weise 
wie bei den privaten öedächtnisfeiern geehrt haben. 

Eine Fortsetzung der Totenfeier, die sich aber zu einem Siegesfest 
gestaltete, brachte der nächste Tag. Er war dem Gedächtnis der bei 
Marathon Gefallenen geweiht. ^0 ^^^ Schlacht hatte zwar nicht an diesem 
Tage stattgefunden, ^>) aber einerseits lag es nahe, das Fest der allgemeinen 
Totenfeier anzuschliessen, andrerseits den nächsten der Artemis heiligen 
Tagi^) zu wählen, denn ihr galt die Feier. Artemis Agrotera hatte von 
jeher einen kriegerischen Charakter, i*) und so hatte der Polemarch, wie 
man erzählt, ihr vor der Schlacht so viele Ziegen zu opfern gelobt, 
als man Feinde erschlagen würde. ^^) Als die Menge zu gross war, setzte 
man die Zahl der Ziegen auf fünfhundert fest, und der Polemarch musste 
fortan alljährlich am 6. Boedromion dies Opfer darbringen.^*) Auch fand 
an diesem Tage die Pompe der Epheben iv oTvkoig zu Ehren der Göttin 
statt. 1') Vielleicht folgten dem Marathonfeste unmittelbar (am 7.) die 



*) DiTTBNBEROEB Syll. 44. Aristot. Ath. 
Pol. 54. Zibben Rheio. Mus. 1896 8. 217 f. 

•) Lys. XXI 4. BöoKH Staatsh.« I 547. 
Vgl. S. 543. 

») [Andok.] IV 42. 

*) BöCKH a. a. 0. I 536 f. Bodbnbteineb 
Gomment. philol. zur Philologenversammlg. 
München 1891 S. 42. 

») BöoKH a. a. 0. II 5 f. u. I 521 f. 

•) GIG 3620. 

•') Altert. V. Pergam. VIII 1 nr. 18 ZI. 17. 

") Lysünachides bei Harpokr. u. Meta- 
yeiTytoSy — Suid. u. d. W. Vgl. Demosth. 
XLI 11. Plnt. De ezil. 6 p. 601 D. Momksbn 
Heort. 205 ff. Pbblleb-Robbrt Griech. Myth. 
I 263. SoHOBXANN Gr. Altt.* II Anhang 593 f. 

*) Bekkbr Anecd. 231 und Hesych. u. 
Tevicw, TBpifua hiessen auch die Toten- 
feiern, welche einzelnen Verstorbenen von 
ihren Verwandten veranstaltet wurden (Pb- 
TBBSXN Geburtstagsfeier 302, Lobbok Phryn. 
p. 104, Babhb zu Herod. IV 26. Posnanskt 
Breslauer Phüol. Abh. V 2 S. 27 f.) Die 
Nemeseia (Harpokr. Suid. Phot. u. d. W. 
Bbkkeb Anecd. 282) haben mit den Genesia 



wohl nur gemein, dass auch sie dem Kult 
der Seelen galten (Rohdb Psyche' I 235 f. 
Anders Sohobxann Griech. Altt.* II 477 f. 
und MoxKSEE Heort. 209 ff., der Genesia und 
Nemeseia fOr identisch erklärt. Vgl. auch 
Iw. V. MüLLEB Hdb. IV« 224). 

*^) Hesych. u. Fsviata, vgl. u. "Sl^aut 
pBxvaia, 

") Plut. De Herod. mal. 26. PoU. III 21. 
Schol. Aristoph. Equ. 657. Aelian Var. bist. 
II 25 sagt, das Fest habe am 6. Thargelion 
stattgefunden. 

»«) BöOKH Mondcykl. 64 ff. Töpfpbb 
Quaest. Pisistrateae 137. 

") Den 6ten des Monats. Vgl. Prokl. 
zu Hes. Erg. 783. Laert. Diog. II 44. 

»*) Xen. HeU. IV 2, 20. Resp. Lac. XIII 
7. PoU. VIII 91. Vgl. Plut. Lyk. 22. 

") Xen. Anab. III 2, 12. Flui De glor. 
Athen. 7 p. 343F. Schol. Aristoph. Equ. 660. 
Aelian. Var. bist. II 25. 

»•) Plut. De mal. Herod. 26. Poll.VIU91. 

'') CIA n 467—499. Dittbnbbbgbb SylL 
347, 7. 



4. Klütiuseitea. (§ 117— 118. j 



201 



Barj^QOfAiaj die dem Monat den Namen gegeben haben sollen, ein Fest, 
wo ApoUon als Helfer in Kampfesnot verehrt wurde. ^) 

Am 12. desselben Monats feierte man noch ein anderes Dankfest {x^Qi- 
(TTTJQia), der Athena zu Ehren, wie es heisst zur Erinnerung an den Sturz 
der dreissig Tyrannen') 

Das Hauptfest des Monats und eines der grössten überhaupt waren 
die grossen Eleusinien, die vermutlich vom 16. bis zum 25. dauerten. 
Sie sind bereits früher in dem Abschnitt über die Mysterien (S. 162 £f.) be- 
handelt, und es soll hier nur noch darauf hingewiesen werden, wie schon 
die Thatsache, dass um die Mitte des Metageitnion eine Ekecheirie ange- 
sagt ward,^) die Annahme ausschliesst, es habe das Fest, zu dem man 
alle Hellenen einlud, einen exklusiven Charakter gehabt. Vieles war ja 
nm* für die Eingeweihten bestimmt, deren Zahl auch gross genug war, 
aber der 20., der lakchostag, war einer der höchsten Feiertage überhaupt; 
es wurden an ihm weder Gerichtssitzungen abgehalten, nodh sonstige 
öffentliche Geschäfte vorgenommen,^) und an den grossen gymnischen, 
hippischen und musischen Agonen (S. 165) durfte sich jedermann be- 
teiligen. 

118. Mit dem nächsten Monat, dem Pyanopsion, begann der Herbst, 
und Beziehungen auf diese Jahreszeit sind in dem Feste, nach dem der 
Monat heisst, unverkennbar. Die Ilvavoipia^) wurden dem ApoUon an dem 
ihm heiligen Tage, dem 7., gefeiert®) und hatten ihren Namen von den 
gekochten Bohnen,^) den Herbstfrüchten, die man dem Gott als anaqxai 
darbrachte, ausserdem wurde ihm eine elQcaicivTj, ein Olivenzweig, der 
mit Feigen, Kuchen, Schälchen voll Honig, Öl und Wein behangen war,®) 
von einem Knaben, dem noch beide Eltern lebten, an der Tempelpforte 
aufgehängt.^) Ihn begleiteten andere, ebenfalls Eiresionen tragend, die 
sie dann an den Thüren ihrer Häuser befestigten, ^o) ähnlich, wie es bei 
uns auf dem Lande mit den Erntekränzen geschieht. Später wurde das 
Fest mit der Theseuslegende in Verbindung gebracht. Von Kreta heim- 
kehrend sollen die Geretteten alles, was sie noch von Essbarem hatten, 
zusammengeschüttet und verzehrt haben, und damit wollte man die eigen- 
tümliche Art des Opfers erklären.®) Dass es ursprünglich ein Ernte- 
dankfest war, dafür zeugt ausser den Gebräuchen selbst die Notiz im 
Scholion zu Aristoph. Plut. 1054: man habe das Fest dem Helios und den 
Hören gefeiert. 

Ganz ähnlich ist es einem zweiten Erntefest ergangen, dessen Datum 
wir nicht kennen, das aber auch in diese Zeit gefallen sein muss: den 
Oschophorien. Sie wurden dem Dionysos und der Athena Skiras zum 
Dank für die Wein- und Olivenernte gefeiert**) und waren genannt nach 



>) Plut. Thes. 27. Phüoch. bei Harp. u. 
ßotjdQo/Äia. £fym.M.202,45. Demosth. III 31. 

«) Plut. De glor. Athen. 7. Vgl. Lys. 
XIII 81. Xeu. HeU. II 4, 39. 

») DiTTBNBBBGBR SjU. 384b. 

*) Ad. Sobhidt a. a. 0. 272 u. 705. 
*) Plut. Thes. 22. CIA III 77. Harpokr. 
u. Jlvayotlfia, Pbot. u. Ilvayeiffiuiy, 



«) Plut. Thes. 22. 

») PoU. VI 61. Athen. IX 408 A, XIV 
648 B. 

•) Plut. Thes. 22. Suid. u. eigeauoyfj. 

•) Eustath. zu IL X 495 p. 1283. 

»0) SchoL Aristoph. Equ. 729, Plut. 1054. 
Vgl. Porph. De abst. II 7. 

11) Plut. Thes. 23. Moxksbn Heort. 



202 



Die grieohlBohen Kultusaltertflnier. 



zwei Knaben, die mit traubentragenden Weinreben (oaxot) in den 
Händen der festlichen Schar, die vom Dionysosheiligtum in der Stadt zum 
Tempel der Athena Skiras im Phaleron zog, voraufgingen. Sie trugen 
Frauengewänder, was die Legende darauf zurückführte, dass sich unter 
den sieben Mädchen, die Theseus nach Kreta mitführen sollte, zwei ver- 
kleidete Knaben befunden hätten; zur Erinnerung daran habe Theseus, 
als er nach glücklicher Heimkehr das Fest stiftete, angeordnet, dass die 
Oschophoren Mädchenkleider trügen.^) In dem Zuge befanden sich auch 
die sog. iemvotpoQoi, Frauen, welche Speisen mitnahmen, die sie, am Ziele 
angelangt, wohl unter die Jugend verteilten. Einst sollten die Mütter der 
vierzehn Schlachtopfer ihre Kinder bis zu dem SchilBFe geleitet haben, 
ihnen Reisekost mitgenommen und sie unterwegs durch Erzählen von 
Märchen zerstreut haben. Das alles wurde jetzt nachgeahmt, und die 
Stelle jener Mütter vertraten wahrscheinlich die i€mvog>6Qoi. Im sog. 
Oschophoribn, einem Platz beim Tempel der Athena Skiras, wurde dann 
ein Opfer dargebracht, wie einst Theseus nach seiner Errettung dort auch 
gethan haben sollte. Auch von einem Wettlauf wird berichtet, den zehn 
Knaben, aus jeder Phyle einer, auf derselben Wegstrecke zwischen Dio- 
nysos- und Athenatempel ausführten.*) Wer zuerst ankam, erhielt 
einen aus Öl, Wein, Honig, Käse und Mehl gemischten Trank, die sog. 
nevxanXia.^) Die Erwähnung der zehn Phylen beweist, dass der Wettlauf 
erst nach 509 eingeführt wurde. 

Das eigentliche Theseusfest, die @i;(r«ia, fand am 8. Pyanopsion 
statt. ^) Nach den Perserkriegen hatte das Orakel befohlen, die Gebeine 
des Heros von Skyros zu holen und in der Heimat zu bestatten. •) Kimon 
hatte dies ausgeführt und dann das Fest, wenn nicht gestiftet, so doch 
zu seiner Bedeutung erhoben. Es fanden Kampfspiele und Wettrennen 
statt, ^) eine Parade der Epheben^) und ein grösseres vom Staat be- 
strittenes Opfer, ^) das vielleicht vorzugsweise den Armen und Bedürf- 
tigen zu gute kam. 10) Mit dem Hauptfest verbanden sich kleinere Feiern, 
die mit dem Kult des Helden in loserer Beziehung standen. So wurde am Tage 
zuvor dem Konnidas, der in Troizen des Theseus Erzieher gewesen sein 
sollte, ein Widder als Totenopfer geschlachtet i^) und den Amazonen ge- 
opfert,*«) und vielleicht schlössen sich die Leichenspiele, die zu Ehren des 
Androgeos gefeiert wurden,") auch zeitlich an die Theseen.**) 



271 ff. Prellbb-Robbbt Griech. Mythol. I 
207 f. ScHOEMANN Gr. Altt.» 11 487 f. 

Prokl. bei Phot. Bibl. 322. Harpokr. 
u. oaxoipoQfH u. demyofpoQOi. Bbkkbb Anecd. 
239 

* *) Plut. Thes. 23. Häuser Phüol. 1895 
S. 389 ff. 

«) Robert Herrn. XX 356 Anm. 2 and 
in Pbbllebs Gr. Myth.'* I 208 Anm. 3 ver- 
mutet, dass die beiden Sieger die Anffthrer 
der Festprozession wurden, eine Annahme, 
die in der That die Schwierigkeiten glück- 
lich zu lösen scheint. 

«) Athen. XI 495F. Schol. Nikand. Ale- 
xiph. 109. 



») Plut. Thes. 36. 

•) Plut. Thes. 36, Kim. 8. 

7) CIA II 422, 444 f. GeUius Noct Att. 
XV 20. Hesych. u. InnodQofÄog. 

8) Dittenbebgeb Syll. 347, 20. 

>) Dittbkbebobb Syll. 374, 70 u. 78. 

>o) Aristoph. Plut. 628 u. Schol. dazu. 

") Plut. Thes. 4. 

»«) Ebenda 27. 

^•) Hesych. u. in* EvQvyvn ayoiy I 1332. 

^*) Über die Epitaphien, die in mehre- 
ren attischen Inschriften neben den Theseen 
erwähnt werden (Dittenbbbgkb Syll. 347, 
MomsEK Heort. 282), s. namentlich Sauppb 
Nachrichten der Göttinger Ges. der Wiss. 



4. KoltiUBeiton. (§ 118.) 



203 



In demselben Monat wurden der Demeter und Persephone die Thes- 
mophorien^ gefeiert, und zwar in den Tagen vom 9. bis zum 13. Pya- 
nopsion.*) Das Fest unterschied sich insofern wesentlich von andern, als 
es nicht ein allgemeines war. Nur unbescholtene Bürgerfrauen ^) durften 
dai*an teilnehmen,^) nachdem sie sich durch neuntägige Enthaltung vom 
ehelichen Umgang vorbereitet hatten.^) Der erste Tag des Festes hiess 
2%7]via.^) An ihm begaben sich die Frauen nach dem etwa eine Meile 
von der Stadt gelegenen Demos Halimus.^) Dort fand am 10. eine Feier 
statt unter allerlei ausgelassenen Scherzen und Neckereien. b) Da diese 
der Demeter und Köre galt, einen immerhin ausschliessenden Charakter 
hatte und in mancher Beziehung der eigentlichen Mysterienfeier ähnelte,*) 
wird sie auch geradezu fivariJQia genannt. ^^) Am 11. fand die avoSog 
statt, ^) d. h. also die Rückkehr der Frauen nach Athen, oder der Zug 
von der Stadt zum Thesmophorion.**) Der nächste Tag war ein Fasttag.**) 
Wahrscheinlich wurde an ihm das eigentliche Sühnopfer **) dargebracht, 
das das Scholion zu Lukian Dial. mer. 11 1*^) ausführlich schildert: die 
Frauen versenken lebende Ferkel**) in einen Schlund {xäiTfiaTa, fityaga, 
a6vTa\^^) zu Ehren des Eubuleus, dessen Schweine, als die Erde sich beim 
Raub der Persephone spaltete, verschlungen sein sollten, ausserdem hldtf- 
fiara^ Backwerk von symbolischer Gestalt.*') Später werden die ver- 
westen Überreste von den sog. ävrlijTQiai (Schöpfweibern), die sich drei 
Tage des Umgangs mit Männem enthalten haben müssen, wieder herauf- 
geholt, i^) und abergläubische Leute mischen sie unter die Saat, sich davon 



1864 S. 199 ff. Es war dies die Bestattongs- 
und in späterer Zeit Gedenkfeier der in den 
Schlachten für das Vaterland Gefallenen, 
die mit Reden, Paraden und Fackellauf be- 
gangen wurde (Thuk. I 34; Demosth. XVIII 
288 p. 321). 

') Prbllbb Demeter u. Persephone 
339 ff. Derselbe in der Ztsohr. f. d. Alter- 
tumswiss. 1835 S. 785 ff. Hebhann Gottesd. 
Altt.^ § 56. RivoK Relig. der Hellenen 11 
123 ff. ScHOBMAKN Gr. Altt.* II 482 ff. A. 
MoMüSEK Heort. 287 ff. Psblleb-Robbbt Gr. 
Myth. I 778 ff. 

•) Schol. Aristoph. Thesm. 80. — Ad. 
Schmidt a. a. 0. 275 f. setzt die Festtage 
auf den 10— 14ten an. Vgl. Schobhann Gr. 
Altt.> H Anhang 596 f. 

*) Aristoph. Thesm. 330. 

*) Wenigstens an den Hauptakten ; von 
einzelnen Teilen der mehrtägigen Feier waren 
vielleicht auch Jungfrauen nicht ausgeschlos- 
sen (Schol. Theokr. Id. lY 25. Prbllbb Dem. 
u. Pers. 343 Anm. 30. Lbhbs Popnl. Auf- 
sätze' 290 Anm.). 

*) Ovid. Met. X 434. Plin. Nat. hist. 
XXIV 9. 

«) Schol. Aristoph. Thesm. 834. Dass 
die iHLQa (Schol. Thesm. 834, vgl. Stephan. 
Byz. u. JSxiQog) kein Teil der Thesmophorien 
waren, hat Robbbt Herm. XX 394 ff. be- 
wiesen. Vgl. RoHDB Herm. XXI 116. 



^ Schol. Aristoph. Thesm. 80. 

«) Plut. Sol. 8. Hbbmawn G. A. § 56 
Anm. 25. 

•) Vgl. Robbbt Herm. XX 870. 

") Clemens Alex. Protr. 29 P. Vgl. 
Amob. V 2. 

**) Hesych. u. ävo6og, Robbbt a. a. 0. 
374. 

**) Schol. Arist. Thesm. 80 u. 376. Ari- 
stoph. Av. 1518. Plut. Is. u. Osir. 69, De- 
mosth'. 30, wo fälschlich der 16te Pyanop- 
sion angegeben wird. 

'*) Robbbt Herm. XX 374 weist mit 
Recht darauf hin, dass diese Annahme mit 
der Angabe des Scholiasten zu Aristoph. 
Thesm. 376: es fände an diesem Tage keine 
^vaia statt, durchaus nicht im Widerspruch 
stehen würde, ^vata heisst Speisopfer, Opfer- 
schmaus. 

>^) Mitgeteilt von Rohdb Rhein. Mus. 
XXV 549. Vgl. Clemens Alex. Portr. II 17 
p. 14 P. 

1^) Lobbok Agl. 832. Rohdb a. a. 0. 
552 f. 

^^) Wahrscheinlich bei dem Thesmopho- 
rien auf der Pnyx. Robbbt a. a. 0. 374. 

^') Schlangen und Phallen. Vgl. Rohdb 
Herm. XXI 124. 

i«)Pbbllbb Robbbt Griech. Myth. I 780 
A. 3. A. MoMKSBN Philol. L 127 A. 39, 



204 



Die giiechisohen Kaltnsaltertflmer. 



besondere Fruchtbarkeit versprechend. Der letzte Tag des Festes (der 13.) 
hiess KaXhyävsia.^) Er wurde im Gegensatz zu dem voraufgegangenen 
ernsten mit lasciven Tänzen') und Spielen^) und mit einem Schmaus 
begangen, den reiche, aus den einzelnen Demen gewählte Frauen den üb- 
rigen gaben.^) Zum Beschluss des Festes scheint den Göttinnen abermals 
ein Opfer dargebracht worden zu sein.*) 

Das wichtigste Fest des Monats waren die Apaturien.^) Sie waren 
insofern kein eigentliches Staatsfest, als sie von den Phratrien begangen 
wurden, die seit Kleisthenes ihre politische Bedeutung verloren hatten, 
doch gab der Staat seinen Zuschuss zu der Feier, ^) die für das ö£fentliche 
Leben wenigstens in älterer Zeit von Wichtigkeit war. — Das Datum des 
Festes ist uns nicht überliefert, nur dass es in den Pyanopsion fiel, er- 
fahren wir.®) Der erste Tag, an dem sich die Phratoren zu einem ge- 
meinsamen Festmahl versammelten, ^o) hiess SoQma oder ioQneia^ der 
zweite avuQQvaiq^ der dritte xovQsdtig^^) Der höchste Festtag war wahr- 
scheinlich der zweite, ^^) der seinen Namen angeblich vom Schlachten der 
Opfertiere ^3) hatte, die dem Zeus Phratrios und der Athena dargebracht 
wurden, der dritte aber war insofern der wichtigste, als an ihm der Akt 
stattfand, der die Veranlassung des ganzen Festes war : die Väter brachten 
ihre in der letzten Zeit geborenen Kinder, um sie den versammelten Phra- 
teres vorzustellen und von dem Phratriarchos ihre Namen in die Listen 
der Phratrie eintragen zu lassen. ^*) Der Vorstellende schwur, dass er das 
Kind mit einer ihm rechtmässig vermählten Bürgerin erzeugt habe, ^*) und 
darauf erfolgte die Abstimmung der Mitglieder der Phratrie.^*) Jeder, 
der ein Kind anmeldete, hatte ein Opfertier zu liefern (jumi'),*') mit 



1) Aloiphr. III 39. Schol. Arist. Thesm. 
80. Vgl. Pbellbb-Robert Griech. Myth. I 
780 A. 1. HBRXAim G. A.> § 56 Anm. 19. 
Ü8ENER Götternamen 123. 

«) xvva^og oder oxXacfjitty Poll. IV 100. 

*J Suid. u. x^Xxi&ixoy dlutyfia, 

*) Isai. Vm 19 u. III 80 mit Sohob- 
MABNS Anm. p. 265. 

'^) Hesych. u. Cvf*^^ ^- (^tA'>'/ua. 

^) Hermann G. A* § 65 S. 389 f. Scboe- 
HANN Gr. Altt." II 546 ff. Momhsen Heort. 
302 ff. Darembero et Saglio Dict. I 300 f. 
Ad. Schmidt a. a. 0. 276 ff. Bubolt Hdb. 
IV« 209 f. V. WiLAMOwrra Aristot. u. Athen 
II 259 ff. Über die Bedeutung des Namens 
8. Meier De gent. Att. p. 11 ff. Vgl. auch 
V. W^iLAMowiTz Herrn. XXI 112 Anm. 2 u. 
Töppper Att. Gen. 106 ff. und bei Pauly- 
WissowA I 2672 ff. 

') Schobmann Gr. Alt.» I 385, II 546. 
BusoLT a. a. 0. 

8} koQtrJQ &rjf40TeXovg Schol. zu Aristoph. 
Ach. 146. Vgl. Meier a. a. 0. p. 12. 

*) Theophr. Char. 3. Schol. Aristoph. 
Ach. 146. Ad. Schmidt a. a. O. 278 ff. setzt 
die dreitägige Hauptfeier auf den 19~21ten 
an, MoMMSEN a. a. 0. auf den 27— 29ten. 
Vgl. S. 304 Anm. 

»0) Athen. IV 171 D. Bbkkbr Anecd. I 



417. 

") Schol. Arist. Ach. 146, Fax 890. 
Suid. u. 'AnaiovQitt. Poll. VI 102, III 5. 

>') Schol. Arist. Fax 890. Mommbbh 
Heort. 307 Anm. 2. 

'») Schol. Arist Ach. 146 (vgl. Fax 890): 
dyuQ^eiy = homer. «veQvsiy A 459. 

i*) CIA II 841b S. 535 u. 'Jgza^oXoy. 
^eXtloy 1888 S. 161 ff. Büsolt Hdb. IV« 

209 f. XOVQStO TIS XOVQOS. 

") Isai. Vn 16, VIII 19. Andok. I 17 
§ 127. Ephem. arch. III 6 ZI. 107 ff. 

»•) [Demosth.] XLHI 14 p. 1054; 82 p. 
1078; LIX 59 p. 1365. 

") Schol. Arist. Ran. 798. Harpokr. u. 
fisioy u. fiecttytoyog, CIA II 841b. Foll. VIII 
107: vn^Q f*ky rciy aQQ^ymy ro xovQeiow^ 
B^voy, vn^Q &i tuSy &rjX6Hoy trjy yafJtrjXiatr 
bezieht sich nicht auf die neugebomen Kin- 
der, sondern auf eine zweite Aufnahme der 
Jünglinge resp. den Übertritt der Neuver- 
mählten in die Fhratrie ihres Gatten (R. 
ScHOELL Sitzgsber. der Münch. Akad. 1889 
S. 7. V. WiLAMOWiTZ Aristot. u^ Ath. II 271), 
Schol. Aristoph. Ran. 798: fJLBioy vnkj^ xtat^ 
vUSy ist unrichtig oder ungenau; wie CIA 
II 841b zeigt, wurde auch für die Mädchen 
ein fietoy dargebracht. Vgl. Ephem. arch. 
m 11 ff. 



4. KiüiiiMeiten. (§119-120.) 



205 



dessen Fleisch dann die der Phratrie Angehörenden bewirtet wurden. 
Auch war es üblich, dass Väter an diesem Tage ihre Söhne eine Probe 
von ihren Fortschiitten im Unterricht ablegen und sie namentlich Stücke 
aus den in der Schule gelesenen Dichtern vortragen Hessen, i) An diese 
drei Hauptfesttage scheinen sich noch zwei andere angeschlossen zu haben, 
die entweder vorangehen oder ihnen folgen konnten.*) Vielleicht brachte 
man an diesen seine Verehrung und Opfer auch andern Göttern dar, deren 
Berücksichtigung an diesen Festen teils vorausgesetzt werden muss, wie 
die der Athena Phratria und des Zeus Phratrios,') vielleicht auch des 
ApoUon Trar^oc, teils bezeugt ist, wie die des Dionysos MeXavaiyig^) und 
des Hephaistos, der mit am Herde angezündeten Fackeln und Hymnen 
gefeiert wurde.*) Übrigens beging man das Fest nicht allein in Athen, 
sondern in allen attischen Phratriencentren.*) 

Am letzten Tage des Monats wurden den beiden kunstfertigsten 
Göttern, dem Hephaistos und der Athena, die XaXxeta'') gefeiert, die 
auch 'Ad-TJvaia geheissen haben sollen.*) Wahrscheinlich war es in erster 
Linie ein Fest der Handwerker und Metallarbeiter. Dass an diesem Tage 
auch die Ergastinen mit dem Weben des Peplos für Athena begannen, 
haben wir schon (S. 198) erwähnt. 

119. Im folgenden Monat, dem Maimakterion, gab es kein grösseres 
Fest. Die stürmische Winterzeit hatte begonnen, die Tage waren dunkel 
und unfreundlich: man wandte sich mit Opfer und Gebet an den zürnen- 
den Zeus (jLaifAdxTr]g^) und suchte ihn zu versöhnen.*®) — Eine ähnliche 
Bedeutung muss das Opfer gehabt haben, das am 20. des Monats dem 
Zeus rewqyog dargebracht wurde.**) 

120. Der Poseideon brachte zwei Feste, in denen Freude und Dank 
für die wichtigsten Nahrungsmittel, die das Jahr gespendet hatte, zum 
Ausdruck kamen. Das Getreide war gedroschen, und der neue Wein be- 



Fiat. Tim. 21 B. Damit wird das 
Kureionopfer zusammenhängen. 

«) Athen. IV 171 K Ad. Schmidt a. a. 
0. 278 ff. 

*) Vgl. Ephem. arch. III 15. Maabs 
Götting. Gel. Anz. 1889 S. 803. 

*) Schol. Arist. Ach. 146. Vgl. Paus. II 
34, 1. 

*) Istros bei Harpokr. u. Xaf4ndg, Pbel- 
LEB-RoBERT Gr. Myth. 1 180. Momksbn Heort. 
311 f., der die Ghalkeen den Apaturien un- 
mittelbar folgen lässt, setzt auf den Abend 
vorher das von Polemon bei Harpokr. a. a. 0. 
bezeugte apaturische Fackelfest an und meint, 
dass eben dies die Hephaisteia gewesen 
seien. Ad. Schmidt Gr. Chron. 283 identifi- 
ziert es mit den Prometheia. Beides ist 
unwahrscheinlich, da von einem Fackel wett- 
lauf bei Istros nicht die Rede ist (Valesius 
allerdings &4ovteq statt ^ovxBg), zu dem 
auch die Prachtgewänder, die erwähnt wer- 
den, nicht passen würden. Die drei Fackel- 
wettläufe aber an den Panathenaien, He- 
phaisteen und Prometheen, die unter Auf- 
sicht des Basileus standen (Aristot. Ath. 



Pol. 57), waren so grossartig, dass andere 
ähnliche Veranstaltungen daneben gar nicht 
in Betracht kamen. Vgl. Wbkolbiit Herm. 
VII 437 ff. Ad. Schmidt a. a. 0. 281 f. Lip- 
sius Jahrb. f. Phil. 1878 S. 301. R. Schobll 
a. a. 0. 2. — Ober Apaturien in anderen 
Staaten s. Töppfeb bei Pauly-V7issowa I 
2679 f. 

•) CIA II 841 b. 

») CIA II 114. Eustath. zu IL B 552, 
Harpokr. u. Xalitua, PoU. YIII 105. Momm- 
BEN Heort. 311 ff. Hebmakn G. A.* § 56 Anm. 
82 u. 33. ScHOEMAim a. a. 0. II 472. Pbellbb- 
RoBEBT Gr. M. 1 181. 

^) Schol. Aristoph. Ran. 131. Ad. Schmidt 
a. a. O. 280 f. Vgl. Mommsbn Heort. 311 f. 

*) Harpokr. u. Suid. u. VLaifiaxxriQiMv. 

»•) Plut. De coh. ira 9 p. 758 C. Eustath. 
zur Od. q> 481 p. 1935, 10. — Ob das in 
diesem Monat gefeierte Fest den Namen 
Maimakteria führte, ist ungewiss. Mommsbn 
Heort. 317 ff. Hkbmann G. A. § 57 Anm. 

1—4. SOHOBMAKN B. B. 0. II 504. PbELLEB- 

Robbbt Gr. M. I 131. 
") CIA III 77. 



206 



Die grieohiflohen KultaBalterttUner. 



gann trinkbar zu werden:^) der Demeter, Köre und dem Dionysos feierte 
man die l^A^m,^) ein Erntedankfest,^) dem letzteren allein die ländlichen 
Dionysien. Schauplatz der Haloenfeier war zum Teil Athen, zum Teil 
Eleusis, wie bei den grossen Mysterien.*) Durch eine Prozession wurde 
Poseidon gefeiert,*) der auch den Beinamen g^vtalfiiog führte, und von 
dessen Beziehungen zu Demeter die Sage viel berichtete.«) Das Fest 
hatte einen mysterienartigen Charakter, in Eleusis fand sogar eine vekeri^ 
der Frauen statt, deren hergebrachte obscöne Scherze auch hier wieder 
ihre Rolle spielten.') Von Staatswegen brachte man der Demeter und 
Köre ein grösseres Opfer dar, wenn auch wohl nicht alljährlich;*) ein 
äycov nävQiog wird in einer eleusinischen Inschrift*) erwähnt. 

Das bedeutendere Fest waren die Jiovvtna, zum Unterschied von 
den städtischen rä xa% äyQovg genannt.^®) Dass sie in den Poseideon 
fielen, ist mehrfach überliefert.^') das genaue Datum ist unbekannt. ><) 
Es war ein fröhliches Fest, das unter allerlei Belustigungen und Possen 
in den einzelnen Ortschaften gefeiert wurde. Auch die Sklaven, die ja 
in den Weinbergen gearbeitet und bei der Bereitung des Weines geholfen 
hatten, waren nicht ausgeschlossen.**) Aristophanes**) schildert uns in 
komischer Weise, wie ein Bauer mit seiner Familie das Fest feiert. Die 
Tochter trägt den Opferkorb auf dem Haupte, ein Knecht den Phallos,**) 
das Gesinde schliesst sich der Prozession {riofjiTiij) an, die Hausfrau schaut 
vom Dache zu. Natürlich hat sich sonst nicht das einzelne Haus, sondern 
der Demos zur Feier vereinigt.»«) Mädchen trugen Opferkörbe und Krüge, 
andere den Phallos,*') einer führte den zum Opfer bestimmten Bock, und 
unter Absingen von Liedern auf Dionysos und 0aXrfi, den personifizierten 
Phallos, bewegte sich der Zug zu einem Altar des Dionysos, wo dann das 
Opfertier geschlachtet wurde.*®) Man nannte dies Opfer &€o{vta.^^) 
unter den mannigfachen Scherzen und Neckereien, durch die sich das 



») Vgl. MoxMSKN Heort. 324 f. 

') Schol. zu Luk. Dial. mer. VII 4. Rhein. 
Mus. XXV 557. Hermann G. A. § 57 A. 
5—6. MoxMSEN Heort. 320 ff., der Haloen 
und das Zeusfest im Maimakterion fftr iden- 
tisch hält. RoHDB Rhein. Mus. XXV 557 ff. 
RuBENSOHN Die Mysterienheiligtamer 115 ff. 
FoüCART Rev. des ^tud. grecques VI 322 ff. 
A. MoxxsBN in Bubsians Jahresher. 1890 3, 
S. 250 ff. Prbllbb-Robebt Qriech. Myth. I 
768. 

*) Harpokr. u. UXtoa, Mülleb Frgm. 
hist. gr. I 411 (Frgm. 161). 

*) CIA II 834b. Ephem. arch. 1883 S. 
114B 4. 119,47. 121 B 20. 1884 S. 125 ff.. 
1890 S. 129. Bbkkeb Anecd. 384, 5 [De- 
mosth.] LIX 116 p. 1385. Töpffeb Att. 
Qen. 94. 

^) Bbkkeb Anecd. p. 385. 

•) Pbbllbb Griech. Myth.« I 479 ff. 
Töpffeb Att. Geneal. 32 u. 252 ff. 

^) RoHDE a. a. 0. Töpffeb Att. Geneal. 
93 f. u. 32. FoüCABT a. a. 0. 328, 

•) DiTTENBEBGEB Syll. 374b mit Anm. 20. 



BöcKH Staatsh."II 125. S. aber auch Töpffeb 
Att. Gen. 95 f. 

») Ephem. arch. 1887 S. 5 ZI. 46. Vgl. 
1883 S. 189. 

'0) Aischin. I § 157. Aristopb. Ach. 
250. ~ Hbbmann G. A. § 57 A. 8 ff. Momm- 
SEN Heort. 323 ff. Sobobmann Gr. A.> II 
489 ff. 

^0 Theophr. Char. 3. Bbkkeb Anecd. 
p. 235, 6. 

") Ad. SoHxn>T a. a. 0. 285 meint, dass 
die verschiedenen Gemeinden es an ver- 
schiedenen Tagen feierten. In Myrrhinas 
nach CIA II 578 am 19. Poseideon. 

»») Plut. g. Epikur. 16. 

") Ach. 241 ff, 

'^) Vgl. Schol. Ach. 243. Herod. II 48 f. 

*•) Harpokr. u. ^eoiytor, 

^^) Auch bei den grossen Dionysien spielt 
dieser eine Rolle. Vgl. Dittenbbrobb SylL 
12, 12. CIA U 321. 

»«) Plut. De cupid. div. 8. 

>•) Harpokr. u. d. W. 



4. SnltasMit«!!. ($ 121.) 



207 



Fest auszeichnete,, war namentlich beliebt der sog. äaxdohacfiog oder die 
daxüiXia. Ein Schlauch wurde aufgeblasen, mit Öl eingerieben, und nun 
galt es hinaufzuspringen und balancierend sich möglichst lange stehend 
darauf zu halten. Bereits im fünften Jahrhundert führten bemittelte 
Gemeinden zuerst auf dazu hergerichteten Tanzplätzen, dann in den immer 
zahlreicher entstehenden Theatern Dramen auf, wie sie an den grossen 
Dionysien in der Stadt seit mindestens 534 üblich waren, und bald bildete 
dieser Teil des Festes gewiss in allen grösseren Orten den Glanzpunkt.^) 
Natürlich sind die Dionysien nicht überall gleich lebhaft und prächtig ge- 
feiert worden. Ein Ort, der sich durch Weinbau auszeichnete und grös- 
seren Gewinn daraus erzielte, musste es den andern auch bei dieser Ge- 
legenheit zuvorthun. Im Demos Ikaria wurde Dionysos besonders verehrt,') 
man feierte ihm dort die Aldqa^) zum Andenken an den Tod der Erigone, 
der Tochter des Ikarios oder Ikaros, die ihm den Staphylos geboren hatte, 
und hier sollen denn auch zuerst die dramatischen Darstellungen regel- 
mässig geworden sein.^) Am grossartigsten feierte man die Dionysien 
im Peiraieus,*) wobei sich auch Athen von Staats wegen beteiligte.^) In 
Athen, wo Festzug und Kampfspiele stattfanden, hatte die Leitung der 
Basileus,^) im Peiraieus der Demarch.^) Einen andern Charakter, viel- 
leicht mehr den grossen Dionysien entsprechend, scheinen die in Eleusis 
gefeierten Jiovvaia gehabt zu haben. ^^) 

121. Der nächste Monat, Gamelion, brachte ein dem vorigen ver- 
wandtes Fest, die 'EniXtjvaia^^^) oder wie der offizielle Name im fünften 
und vierten Jahrhundert lautet, J$ovvata xd inl ^r]va{<p^*) Die Haupt- 
feier fand wahrscheinlich wie an andern Dionysosfesten am 12. statt.*«) 
Es wurde in dem grossen, dem Dionysos geweihten Lenalon,*^) unter Mit- 
wirkung des eleusinischen Daduchen*^) gefeiert. Den Festzug ordnete der 
Basileus zusammen mit Epimeleten, die Festspiele leitete er allein,^^) und 
die dramatischen Vorstellungen,^^) die der Staat mit grosser Pracht und 



') PoU. IX 121. Scbol. Aristoph. Plut. 
1129. Verg. Georg. II 384. Vgl. Rühnkkh 
Ad Tim. lex. p. 51. Dabbmbebo et Saglio 
Dict. u. Askolia S. 473 mit Abbildungen. 

«) Vgl. V. V7ILAM0WITZ Herm. XXI 615 
u. Eur. Her. I 56 ff. 

*) Hermann G. A. S 13 A. 4. Schob- 
MANN Gr. A.- II 490 f. Prällbr Gr. Myth.« 

I 551. Vgl. d. Inschr. im Americ. joum. of 
archaeol. IV 421 ff. 

*) Etym. M. 42, 3. Vgl. Darbmbbbq et 
Saguo Dict. I 171 f. a. Aiora. 

*) Athen. II 40 B. Schobmann a. a. 0. 

II 490 f. Christ Hdb. VII 154. 

*) DiTTENBEROBR Syll. 296, 20. Auch 
besass die Hafenstadt früher ein steinernes 
Theater als Athen (vgl. v. Wilamowitz Herm. 
XXI 597 ff., 602). 

DiTTBNBBRGBR SjU. 374, 6, 72, 79. 
BöcKH Staatsb.» TL 107 f. Vgl. v. Wilamo- 
witz Eur. Her. I 23. 

») Aristot. Ath. Pol. 57. 

•) Aristot. Ath. Pol. 54. 

*°) FoDCART Rev. des dtud. grecqu. VI 



836 ff. Epbem. arch. 1884 S. 71 f. 

^n Bbkkbb Anecd. p. 235, 6. Schol. 
Hes. Erg. 506 (502). Hbrmann G. A. § 57 
A. 22 ff. MoMMSBN Heort 332 ff. Schobmann 
Gr. A.« II 493 ff. und Anhang S. 596 ff. 
Prbllbb Gr. Myth.' I 553 f. Fritzsche De 
Lenaeis. BOckh El. Sehr. V 65 ff. Letzterer 
auch fftr die flbrigen Dionysosfeste zu ver- 
gleichen. Gruppe Bdb. V 2, 33. V^achs- 
MUTH Abb. d. Sachs. Ges. d. Wias. XVIII 39. 

'«) Aristot. Ath. Pol. 57. Körte Rhein. 
Mos. 1897 S. 169. 

") V. Prott Leg. sacr. 17. Ad. Schmidt 
a. a. 0. 287 vermutet, das Fest habe vom 
19— 22ten gedauert. 

'*) Hesych. u. Äi/yatoiV, Etym. M. 361, 
39. Vgl. Aristoph. Av. 504. Paus. I 20, 3. 

>^) Schol. Aristoph. Ran. 479. 

'•) Aristot. Ath. Pol. 57. Demosth. XXI 
10 p. 517. 

") V. Wilamowitz Herm. XXI 614 ff. 
Köhler zu CIA II 972. Bbthe Proleg. zur 
Gesch. des Theaters 18 ff. 



208 



Die griaohMohan Knltasalteriftmar. 



grossem Kostenaufwand vorbereitete, >) werden den Höhepunkt des Ganzen 
gebildet haben. Wahrscheinlich erst im dritten Jahrhundert kam der 
Dithyrambos hinzu.«) Da auch grössere Opfer nicht fehlten,») hat das 
Fest sicher mehrere Tage gedauert. 

Ein mehr privates Fest und in dieser Hinsicht den Apaturien ähnlieh 
waren die Gamelien.*) Gewiss gedachte man bei dieser Gelegenheit 
auch der Ehegöttin Hera, aber ob eine Feier „der heiligen Hochzeit* 
{teQog Y^M'^^)i^) ^^^ ihnen in Zusammenhang stand und zusammenfiel, ist 
sehr zweifelhaft. 

122. In den folgenden Monat, Anthesterion, fiel das dritte gi*osse 
und wohl älteste Dionysosfest,*) die ^Avx^etrrrJQia,'') welche vom 11. 
bis 13. gefeiert wurden.») Der erste Tag hiess nid^ofyia,^) der zweite 
Xoeg,^^) der dritte XirtQoiM) Ui^oiyta heisst Fassöflfnung. Der Gärungs- 
prozess des Weines war beendigt, man füllte ihn aus den Fässern in 
Kannen, der Hausherr brachte ein Opfer und vergnügte sich mit den 
Seinen, denen sich an diesen festlichen Tagen auch die Sklaven gesellten, 
an Schmaus und Trinkgelage.**) Alles schmückte sich mit jungen Früh- 
lingsblumen und schritt in fröhlichem Zuge einher; auch die Kinder, die 
über drei Jahre alt waren,*») beteiligten sich, das Erscheinen der Gottheit, 
wenn nicht im neuen Weine^ so in der wiederauflebenden Natur feiernd . 
Die Choes, d. h. der Kannentag, waren der höchste Festtag.») Eine Pro- 
zession geleitete die Basilissa oder Basilinna, die Gemahlin des Basi- 
leus, nach dem älteren Dionysostempel, iv Aiiivaig,^*) der wahrscheinlich 
durch ein in weitem Umkreis herumgelegtes Seil**) vor der Zudring- 
lichkeit Profaner geschützt war. Vierzehn vornehme Frauen, die der Ba- 
sileus gewählt hatte, die sog. r€QaQai\ geleiteten sie in den Tempel, der 
bis dahin wie alle andern Gotteshäuser in der Stadt in diesen Tagen ver- 
schlossen gewesen war;*») unter Beihilfe eines Hierokeryx*') nahm die 
Basilissa, die ihrem Manne als Jungfrau vermählt und von echt attischer 



Etym. M. 361, 89. Demosth. XXI 10 
p. 517. Plat. Protag. p. 327 E. Schol. Arist. 
Equ. 547. Vgl. [Demosth.l LIX 76 p. 1870 
u. Thuk. II 15. 

*) CIA II 1367. A. Körte Rhein. Mus. 
1897 S. 174 flP. 

*) DlTTSNB£BGRB SjU. 374 U. BöCKB 

Staateh.» II 107 flP., 114. 

♦) Etym. M. 221, 1. Mommsbk Heort. 
348 f. Ad. Schmidt a. a. 0. 288 f. setzt den 
Hauptfesttag auf den 24. an. 

*) Phot. u. Hesych. u. leQog ydfAog, Etym. 
M. 468, 52. Vgl. aber auch Robbrt in Pbel- 
LERS Gr. M.' I 165 A. 3. 

•) Vgl. Thuk. II 15. 

^) Gbhbhabd Akad. Abh., Berl. 1868 II 
150 fP. Hbbhann G. A. § 58 A. 6 fp. Momh- 
SBN Heort. 345 ff. Sohoehann a. a. 0. II 495 fP. 
Pbblleb-Bobebt Griech. Myth. 1 671 flP. Voigt 
in RoscHRBs Myth. Lex. 1 1071 flP. 0. Gil- 
BEBT Die Festzeit der att. Dionysien, Göttin- 
gen 1872 will Lenaien u. Anthesterion iden- 



tifizieren. Dagegen namentlich A. Köbtb 
Rhein. Mus. 1897 S. 168 ff. 

*) Harpokr. u. /ocf nach ApoUodor. 

•) Plut. Quaest. symp. VIII 10, 3; III 
7, 1. 

") Harpokr. u. d. W. LObbbbt Prodr. 
in Pind. loc. de Pelop. pueritia, Bonn Ind. 
lect. 1889 S. XV ff. 

") Harpokr. u. d. W. nach Philochoros 
(Frgm. Bist. Gr. I 411). Vgl. Schol. Aristoph. 
Ach. 1076 u. über die Bemerkung des Di- 
dymos ebenda Momhsen Heort. 346. 

") Plut. Quaest. symp. III 7, 1. Schol. 
Hes. Erg. 370 (366). Vgl. Zenob. Prov. IV 
38 und Athen. X 50 p. 437 u. 438. 

*») Philostr. Her. XIII 4 (p. 725 Kays.). 
Etym. M. 109, 12. 

'*) [Demosth.] LIX 76—78 p. 1371. 

^^) Phot. u. fAiaQd ijf4^Qtt zu vergl. mit 
Poll. VIII 141. S. Mommsbk Heort. 354. 

") Athen. X 427 C. 

") Vgl. TöPPPEB Att. Gen. 184. 



4. KaltaaEeiten. (§ 122.) 



209 



Abkunft sein musste,^) Urnen einen Eid ab, in dem sie Keuschheit und 
Frömmigkeit gegen den Gott versicherten, wie auch, dass sie die Feier 
der Qeoivia ordnungsmässig begehn würden.') Nach mancherlei heiligen 
Ceremonien an den vierzehn Altären des Gottes und im Tempel^) begab 
sich die Basilissa allein in das Bukoleion nahe dem Prytaneion ;^) denn 
der Sinn all dieser Gebräuche war, dass sie sieb dem Dionysos vermählen 
sollte.^) Draussen aber steigerte sich der Festjubel. Als Bakchanten 
kostümiert und in anderen Masken durchzogen ausgelassene Leute die 
Strassen,^) und Yorüberfahrende neckten die Begegnenden von ihren 
Wagen herab.') Dann begann ein grosses Trinkgelage. Jeder der Zechen- 
den erhielt eine eigne Kanne (xovg), die nicht, wie dies sonst üblich war, 
aus einem gemeinsamen Mischkrug gefüllt wurde, angeblich weil einst 
Orestes während des Choenfestes nach Athen gekommen sei, und als Un- 
reiner und Fluchbeladener einen besondern Krug erhalten hatte. ^) Ein 
Trompetensignal wurde gegeben, die Zecher setzten die Kanne an, und 
wer zuerst ausgetrunken hatte, erhielt als Preis einen Schlauch Wein.») 
Speise und Trank musste der einzelne sich selbst beschaffen, ^<^) doch 
scheint der Staat die Mittel dazu gewährt zu haben '^) und vielleicht 
mehr als das; denn dieser Tag brachte auch andere Ausgaben, da die 
Eltern den Sophisten und wohl auch andern Lehrern an ihm das Honorar 
für den Unterricht ihrer Kinder zu zahlen pflegten.»*) Sich von dem 
Treiben zurückzuziehn und das Fest lieber im privaten Kreise zu feiern 
scheint für prüde gegolten zu haben, ^^j — Der dritte Tag des Festes, die 
XvTQoi^ hatte einen ganz anderen Charakter. Die Kränze, mit denen am 
Tage vorher ein jeder geschmückt gewesen war, hatte man abends abge- 
legt, um den Krug gewunden und sie der Priesterin des Dionysos über- 
geben:**) der letzte Tag war den chthonischen Gottheiten geweiht, zu 
denen im Kult ja auch Dionysos gehörte. Man kochte dem Geleiter der 
Toten, dem chthonischen Hermes, Früchte aller Art,**) that sie in Töpfe 



») [DemosthJ LIX 75 p. 1370 u. 78 p. 
1371. Poll. VIII 90. 

«) Vgl. TöPPPBB Att. Gen. 12. 

») Etym. M. 227, 36. Poll. VIII 108. 
Harpokr. n. Hesych. u. reQUQui 

*) Aristot. Pol. Athen. 3. 

«) Aristot. Ath. Pol. 3. [Demosth.] LIX 
73 p. 1370. Hesjch. u. Jioyvcov yafAog, 

•) Dion. Hai. VII 72 p. U91. Philostr. 
Apoll. Tyan. IV 21 (p. 73 Kays.). Vgl. Imag. 
p. 381, 1. V. WiLAMOwiTz Eur. Her. I 59. 
Abbildung Arcb. Ztg. XXXVII 2, bei Da- 
BSMBEBG et Saolio Dict. I 1128. 

^) Snid. u. Phot. u. xd ix rwy dfAa^fäv 
cnißfAfAoxa. Plat. Leg. I 637 B. 

«) Phanodemos bei Athen. X 49 p. 437. 
Eur. Inh. T. 922 flp. Schol. Arist. Ach. 961. 
Plut. Qnaest. symp. II 10. 

») Aristoph. Ach. 1000 f. Aelian. Var. 
hist. II 41. Vgl. Athen. X 437 C, wo als nr- 
sprflnglicher Preis ein Kuchen genannt wird, 
u. Schol. Aristoph. Ach. 1002. Auch Kränze 
sind den Siegern wohl verabreicht worden 



(s. ausser Schol. Arist. Ach. 1002 Athen, a. 
a. 0.). Zu den noQvcu,, die Aristophanes Ach. 
1091 erwähnt, vgl. Antigonos v. Karystos 
bei Athen. X 487 £. 

'«) Aristoph. Ach. 1067 u. 1085. Athen. 
VII 276 C. MojCMSES Heort 363. 

**) Plut. Reip. ger. praec. 25. 

><) Eubulides bei Athen. X 437 D. Vgl. 
übrigens auch Böckh Staatsh.* II 16. 

»») Plut. Anton. 70. Dass Knaben nicht 
daran teilnahmen, sondern lieber einer Ein- 
ladung ihrer Lehrer folgten, denen sie eben 
Geld und Geschenke gebracht hatten, ist 
nur natürlich. Anders Mommsen Heort. 360. 

»*) Phanodem. bei Athen X 437 C. 

'') Dass man sie am Tage und nicht 
in der Nacht bereitete, wie sonst Opfer an 
die Unterirdischen, erwähnt der Scholiast zu 
Arist. Ran. 218 ausdrücklich. Mehr als die 
Bemerkung, dass hier von dem gewöhn- 
lichen Usus abgewichen werde, ist aus dem 
Scholion nicht herauszulesen. Vgl. aber 
MoMMSEN Heort. 346. 



Handbuch der klaas. AltertamswteeiMchaft. Y, 8. 2. Aufl. 



14 



210 



Dia griaohiaohen Knltosalteriümer. 



(xvTQcu) und brachte sie zum Opfer dar, natürlich ohne selbst etwas davon 
zu geniessen.^ Doch entbehrte auch dieser Tag der heitern Festlichkeiten 
nicht. Es wird von Wettkämpfen berichtet,') und auch die chorischen 
Aufführungen, von denen wir durch Phanodemos') und das Scholion 
Aristoph. Ran. 216 erfahren, werden hierher gehören. Eine andere Nach- 
richt^) lässt darauf schliessen, dass wenigstens in späterer Zeit im Theater 
auch ein Eomödienagon stattfand, dessen Sieger unter die an den grossen 
Dionysien konkurrierenden Dichter aufzunehmen war. — Die Anthesterien 
scheinen ursprünglich eine andere Bedeutung gehabt zu haben als die 
später zu Tage oder wenigstens in den Vordergrund tretende. Wie wir 
gesehn haben, waren auch die beiden ersten Tage als rjfieQai ^aqal be- 
zeichnet,^) die Tempel der Himmlischen waren geschlossen, man sagte, 
dass die Toten umgingen, und traf allerlei abergläubische Vorkehrungen 
gegen die unheimlichen Besuche.^) Spuren davon, dass das Fest einmal 
ausschliesslich den Unterirdischen gegolten hat, sind in dem Opfer am 
Chytrentage deutlich erhalten, vielleicht auch in dem Namen Xosg^ dem 
Haupt- und möglicherweise einmal einzigen Festtage, an welchem auch 
später die Toten ihre %or] erhielten. 7) So ist es denn auch nicht unwahr- 
scheinlich, dass die vdqoq^oQia^^) eine Wasserspende für die bei der Sint- 
flut Umgekommenen, auf den 13. Anthesterion fielen,') und mit ihnen 
das Fest abschloss, wie die Feier der eleusinischen Mysterien mit den 
nXrj/jLoxoai beschlossen worden sein soll (S. 165). 

In demselben Monat wurden die kleinen Mysterien bei Agrai ge- 
feiert, über die wir bereits gesprochen haben (S. 161), und am 23.^®) ein 
Fest für Zeus Meilichios, die Jiatna.^^) Man feierte es ausserhalb der 
Stadt, ^^) vielleicht am Ilissos.^') Wie wir schon aus dem Beinamen des 
Gottes schliessen können, war es ein Sühnfest, ^^) und etwaige Fest- 
schmäuse^') haben auf keinen Fall etwas mit den Opfern zu thun, die 
man an diesem Tage dem Zeus darbrachte; dem Charakter des Festes 
entsprechend müssen die Tiere ganz hingegeben werden. i«) Von ähn- 
lichen Festen aber unterschieden sich die Diasien dadurch, dass an ihnen 
nicht der Staat für alle das Sühnopfer darbrachte, sondern die Bürger 
für sich den Gott durch eine Gabe zu versöhnen suchten. Der Arme, 
der Schaf oder Schwein nicht aufzuwenden hatte, formte sich Tiere aus 
Kuchenteig und opferte diese statt des Lebendigen.^') 



') Schol. Aristoph. Ach. 1076 u. Ran. 
218. 

•) Philochoros im Schol. zu Arist. Ran. 
218. CIA III 98. 

*) Athen. XI 465 A. 

«) Plut. Dec. orat. Lyk. VII 10 p. 841. 
V. HiLLBB hei Pauly-Wissowa I 2875. Her- 
mann 6. A. 58 A. 6. MoMMSEN Heort. 868. 

») Eustath. ad 11. Sl 526. Phot. a. fÄiaga 

•) Hesjch. Phot. Suid. u. fnaQai iqfAiqai, 

^) Schol. Arist. Ach. 961. 

*) Hesych. u. d. W. Etym. M. 774, 55. 

») Theop. im Schol. Anst. Ach. 1076. 
MoMMSEN Heori;. 865. Hebxann 6. A. § 58 
A. 22. RoHDB Psyche' I 288, 8. 



'^) Schol. Arist Nub. 408. 

*>) Hbbmann G. A.« § 58 A. 23—24. 
SoHOBMANN 6r. A.' II 504 f. Mohhsbh Heort. 
879 ff. 0. Band Die att. Diasien, Progr. der 
Viktoriaschule Berl. 1883. Prblleb-Robbbt 
Gr. M. I 130 f. 

") Thuk. I 126. 

i>) MoMMSBN Heori;. 380 f. Band a. a. 
0. 11. 

^*) Schol. Luk. Ikarom. 24: ^era nvoq 
CTvyvoTfjTog, 

iB) Vgl. Band a. a. 0. 15 f. und Über 
Arist. Nub. 407 Mohmsen Heori;. 383. 

") Xen. Anab. VII 8, 4. Vgl. Luk. 
Tim. 7. 

17) Thuk. I 126 und Schol. dazu: nifi^ 



4. KnltiuiEeiteii. (§ 123.) 



211 



123. Das erste Fest des folgenden Monats, des Elaphebolion, 
waren vermutlich die Elapliebolien, die man der Artemis feierte. 
Man brachte ihr Kuchen in Gestalt von Hirschen zum Opfer, ^) doch 
wird das Fest kein staatliches, und die Beteiligung keine allgemeine ge- 
wesen sein. 

Das Hauptfest, zugleich das glänzendste nächst den Panathenaien, 
galt wieder dem Dionysos, wenngleich das religiöse, auf den Kult des 
Qottes unmittelbar zu beziehende Element durch die grossen Schauspiele, 
die bald den Mittelpunkt der Feier und des Interesses bildeten, in den 
Hintergrund gedrängt wurde. Es waren die grossen Jiovvaia,^) zum 
Unterschied von den im Poseideon in den Demen gefeierten rd iv oaxei^) 
oder ra iieyaXa*) genannt. Eingeleitet wurden sie durch die Asklepieia, 
die auf den 8. des Monats fallend als KQoayoiv bezeichnet werden,^) und 
an denen Asklepios grössere, vom Staat bestrittene Tieropfer empfing. **) 
Die Dichter stellten sich an diesem Tage mit den Schauspielern dem Volk 
im O'deion vor.«) Vom 9. — 13. wurden die Dionysien selbst begangen. 
Die Anordnung des Festzugs war Sache des Archen, den zehn aus den 
Phylen gewählte Festordner dabei unterstützten, welche hundert Minen 
für die Ausstattung des Zuges empfingen. 7) Es beteiligten sich hierbei 
namentlich die Epheben,^) die auch die Statue des Gottes aus dem Tempel 
ins Theater schafften.^) Das geschah wahrscheinlich am Vorabend des 
Festes. Männer- und Knabenchöre, lyrische Agone,^®) der Dithyrambos,^^) 
und grosse Opfer'*) füllten den ersten eigentlichen Festtag aus, der 
wiederum mit einer Prozession in Masken {xwiioq) geschlossen zu haben 
scheint. Dann folgten wohl drei Schauspieltage, an denen in der Blüte- 
zeit Athens die grössten Dichter um den Preis rangen.^*) Einen eigenen 
Glanz verlieh dem Feste die Anwesenheit der Bündner, die zu diesem 
Termin ihre Tribute brachten.**) Vor ihren erstaunten Blicken ent- 
faltete Athen dann all seinen Reichtum und seine Herrlichkeit.^^) Die 
Tribute wurden talentweise aufgeführt, *«) den Bürgern der Stadt grosse 



fMaxa Big (ipmy fAOQtpas xexvnüifAiva. Vgl. 
übrigeos auch Hebmavn Philol. U 1 fP. 

ßsKKSR Aoecd. 249 u. Athen. XIY 
6-16 E. 

^) Hbrhann G. A. § 59. MomiSBK Heort. 
387 flF. ScHOEMANN Gr. A.» II 498 f. Pbbllek- 
RoBBBT Gr. Myth.» I 673 flf. Sauppb Ber. der 
sftchs. GeB. d. Wiss. 1855 Anf. Christ Hdb. 
VII 147. Vgl. auch A. MOlleb Griech. Büh- 
nenaltt., Freiburg 1886. Öhmichbn Hdb. V 8, 
192 f. und Köhler Athen. Mitt. IIl 104 ff., 
229 ff. Über die Zeit der Einführung (peisi- 
strateisch) auch v. Wilamowitz Eydathen 
133, Homer. Unters. 209, Eur. Her. 186, II 48. 

») Dittehbebqeb Syll. 347 u. 374. 

«) DiTTENBEBGEB Svll. 140, 37; 141, 32; 
162, 75. 

^) Aischin. III 64 p. 456. Pbbller-Ro- 
BEBT Griech. Myth. I 674. 

«) Schol. Aristoph. Vesp. 1109. Hillbr 
Herrn. VII 402 ff. Rohde Rhein. Mus. 1883 
S. 251 ff 



^) Aristot. Ath. Pol. 56. Mohhsen Heort. 
393. Vielleicht gehört hierher auch Poll. 
VI 75. 



*) DllTENBBBOBB Syll. 347. 



CIA II 470. 
") DiTTENBEBGEB Syll. 420. Aristot. 
Ath. Pol. 56. 

>0 V. Wilamowitz Eur. Her. I 63 ff., 
78 ff 

12) DiTTENBEBGEB Syll. 374. 

") MoMMSEN Heort. 396. Sauppb a. a. 0. 
Frankel in BöcKHS Staatsh.^ II 63* Anm. 
407. Chbist Hdb. VII 147. Vgl. die In- 
schriften CIA II 394 ff. und Ober die An- 
fänge des Schauspiels v. Wilamowitz Herrn. 
XXI 615 ff. 

>^) Eupolis im Schol. Arist. Ach. 503 
vgl. 377. 

»*) V. Wilamowitz Kydathen 31 f. Eur. 
Her. II 49. 

»•) Isokr. VIII (<rvfjL^ax,) 82. Vgl. Fbah- 
kel in Sallets numismat. Ztsohr. III 392 f. 

14* 



212 



Dia griaohUohan Knltiuialtertftmer. 



Summen als Theorika ausgezahlt, *) zahlreiche Opfertiere geschlachtet, 
und das ganze Volk festlich bewirtet.^) Auch zu Hause pflegte man ein 
Lamm zum Festbraten zu schlachten.^) Einen eindrucksvollen Teil der 
Feier bildete es, dass die herangewachsenen Söhne der im Kriege ge- 
fallenen Bürger auf die Orchestra geführt und vor der versammelten 
Menge vom Staate mit Waffen beschenkt wurden.^) Den Abschluss des 
Ganzen bildete am 14.^) wieder ein einer andern Gottheit gefeiertes Fest: 
die Pandia. Ursprünglich wohl ein grosses Zeusfest von politischer Be- 
deutung,^) wurde es durch die Panathenaien in Schatten gestellt und zu 
einer Appendix der Dionysien, wenn auch wohl niemals ganz unbedeutend.'') 

124. Im zehnten Monat, dem Munichion, wurden am 6. oder 7.^) 
dem ApoUon dieDelphinien®) gefeiert. Es scheint ein Sühnfest gewesen 
zu sein, das man bei der Eröffnung der Schiffahrt veranstaltete. Im Del- 
phinion soll Theseus vor seiner Ausfahrt nach Kreta gebetet und dem 
ApoUon den mit weisser Wolle umwundenen Ölzweig der Schutzflehenden 
niedergelegt haben ;io) so wurde auch dies Fest ähnlich wie die Pyanopsien 
und Oschophorien mit dem Nationalheros in Verbindung gebracht. Von 
der Feier selbst erfahren wir nur, dass am 6. Jungfrauen (xogai IXatrxo^ 
fievai) sich nach dem Delphinion begaben, um dort Apollon und wohl 
auch Artemis anzuflehn.^<>) 

Am 16. wurden der Artemis Movvixia^^) auf der gleichnamigen 
Halbinsel die Munichien gefeiert. ^^) Es wurden ihr die sogenannten 
äfA(pi(pwvr€g^^) geopfert, runde Kuchen, die, mit Lichtern besteckt, ein 
Bild des «Vollmonds darstellen sollten. Mit diesem Fest vereinigte man 
die Salaminische Siegesfeier,**) wie man die marathonische auf das Ar- 
temisfest am 6. Boedromion gelegt hatte, obgleich weder die eine noch 
die andere Schlacht an dem betreffenden Tage geliefert worden war.**) In 
späterer Zeit fand zur Feier des Festes eine Regatta der Epheben statt. >•) 

Wahrscheinlich auf den 19. fielen die Olymp ieen,*^) die Peisistratos 
bei der Gründung des neuen Olympieions gestiftet zu haben scheint. *«) 



Demosth. IV (1 Phil.) 35. Böokh 
Staatsh.» I 283 f. 

*) DiTTENBEROBB SjU. 374. BöoKH Staats- 
h.» II 107 f. Vgl. Fränkbl Anm. 779 II 113*. 

») Lys. XXXII 21. 

«) Aischin. III 154. Plat. Menex. 248 E. 
Vgl. Isokr. Vin 82. 

*) Demosth. XXI 8, 9 p. 517. 

•) S. V. WiLAMOwiTz Kydathen 133 u. 
Über andere Auffassungen Momhsen Heort. 
60 A. 1. 

') Vgl. CIA II 570. 

«) S. Pbbllbb-Robeet Gr. M. I 260 A. 3. 

*) MoioiSBN Heort. 398 ff. SoHOEHAinr 
Gr. A.» II 454 f. 

>•) Plut. Thes. 18. 

") Vgl. Preller-Robebt Gr. M. I 312 
A. 2. 

>2) MoMMSEn Heort 403 ff. 

»«) Athen. XIV 645 A. Poll. VI 75. 



Etym. M. 94, 56. Suid. u. d. W. Vgl. Bahd 
Die Epikleidia, Progr. d. Margaretenschule 
Berl. 1887 S. 4. 

»*) Plut. De glor. Athen. 7 p. 350 A. 

*^) Über das Datum der Sdilacht bei 
Salamis Böckh Mondcykl. 69 f. Büsolt 
Jahrb. f. Phil. 1887 S. 33 ff. Ad. Schmidt 
Perikl. II 106 f. und Griech. Chron. 295 
meint, dass die Schlacht bei Salamis auf 
Eypros gefeiert worden sei, die thats&chlich 
auf den 16. Munichion gefallen sei (nach 
Plut. De glor. Athen. 7, vgl. Lvsand. 15). 

") CIA II 471 u. Plut. De glor. Athen. 
7 p. 349 P. 

'') MoMMSEN Heort. 412 f. Stabk in 
Hebmanvs G. A. § 60 A. 5. Köhleb Monats- 
ber. Berl. Akad. d. Wiss. 1866 S. 348. 

18) MoicMSEN Heort. 413. Pbsllbr-Ro- 
bebt Gr. M. I 132. Vgl. v. Wilamowitz 
Hom. ünt. 209 Anm. 



4. Kaltaasaiten. (§ 124-125.) 



213 



Zeus wurde an ihnen durch ein grosses Opfer ^) und eine Pompe bekränzter 
Reiter*) gefeiert. 

126. In der heissen Sommerzeit des nächsten Monats, des Thar- 
gelion, wurde das grosse Sühnfest der OaQyyjXia begangen.«) Der Name 
bezeichnet eigentlich die von der heissen Sonne gereiften^) Erstlinge der 
Feldfrüchte, ^) und diese opferte man auch an dem Feste den Gottheiten, 
die sie gezeitigt hatten, dem Helios und den Hören,*) und wie an dem 
Erntefest der Pyanopsien wurden Eiresionen dargebracht.^) Doch war die 
eigentliche Bedeutung des Festes noch eine andre. Wie beim Beginn des 
Frühlings an den Diasien Zeus versöhnt werden musste, so jetzt beim Ein- 
tritt der gefährlichen, oft Seuchen mit sich bringenden Sommerzeit ApoUon, 
der schon den loifiog der Ilias veranlasst hatte, der Sühngott xcer s^ox^v. 
Am 7. war sein Geburtstag, da musste die Stadt rein sein; so wurde am 
Artemistage, dem 6.,^) eine grosse Lustration vorgenommen. Demeter 
Ghloe anf der Burg empfing einen Widder und ein Schaf,*) die Moiren 
wahrscheinlich ein Schweineopfer,*®) und noch in historischer Zeit führte 
man zwei Männer {(puQfjtaxoiy^) oder nach einer andern Überlieferung *») 
einen Mann und eine Frau aus der Stadt und schlachtete sie als Sühnopfer. 
Wie lange dieser Brauch bestand, ist schwer festzustellen, in lonien hat 
er im 6. Jahrhundert sicher noch bestanden,*«) vielleicht aber viel länger; 
jedenfalls hat man bei Misswachs und Seuchen auch in Athen noch spät 
ffccQiiuxoi geopfert;*^) doch als der Redner gegen Andokides ([Lys.] VI 58) 
schrieb, scheint die regelmässige Tötung von Menschen abgeschafft ge- 
wesen und das Opfer »nur über die Grenze gestossen'* worden zu sein.") 

Wie grosse Bedeutung der Staat dem Feste beimass, geht wohl auch 
daraus hervor, dass der Archen selbst mit der Sorge dafür betraut 
war.^*) Der nächste Festtag hatte einen heitern Charakter, wie wir 
dieser Vereinigung von Trauer und Freude, von Gedenken und zagem Ver- 
ehren der chthonischen Mächte und von frohem Dank gegen die Himm- 
lischen in den griechischen Festen ja schon häufiger begegnet sind.^^) 



M DiTTBKBXBOXB Sjll. 374. 

«) Flut. Phok. 37. 



•) Hermann G. A.* § 60 A. 6 ff. Momm- 
8BN Heort. 414 ff. Manne abi>t MythoL For- 
sohongen 1884 S. 124 ff. Pbblleb-Robbbt 
Gr. M. I 261 f. Schobmann Grieoh. Altt.* II 
455. Stbngel Herrn. XXII 86 ff. Töpffeb 
Rhein. Mus. 1888 S. 142 ff. Ubbnbb Sitzgs- 
her. d. Wien. Akad. d. Wias. 1897 HI 47 
und 59 ff. 

«) Etym. M. 448, 19. Hesych. u. Baq- 
yfjUa. 

6) Erates bei Athen. UI 11 4 A. 

•) Schol. Arist. Eqn. 729, Plut. 1054. 
Vgl. Porphyr. De abst. II 7. Bekxeb Anecd. 
268 u. ^aQyijXia. 

7) Schol. Arist. Eqn. 729. Hausbb Philol. 
1895 S. 392 f. 

«) Diog. Laert. II 44. 

•) Schol. Aristoph. Lys. 835. Schol. 
Soph. 0. E. 1600. Marathon. Opferkai. v. 
Pbott Leg. sacr. S. 48 B 27 und d. Bern. 



S. 58. 

>«) Leg. sacr. 48 B 28 u. S. 53. 

^Ö Istros bei Harpokr. u. tpaQfAaxog, 
Hellad. bei Phot. Bibl. 534. Rohde Psyche' 
II 78. 

'*) Hesych. u. g>a^f4axoi. Vgl. XQiog xai 
&iiXeia bei v. Pbott a. a. 0. auch Paus. VII 
19, 2. 

>>) Hipponaz Frgm. 37 Bbbgk« S. 475. 
— Thargelien in Milet Parthen. Narr. 9 ; in 
der milesischen Eolonie ApoUonia am Pontes 
Arch. Epigr. Mitt. aus Oest. XI 33 nr. 32 
ZI. 29 f. (vgl. Eeil Herrn. XXXI 474); in 
Paros und Thasos Archil. Frgm. 113. 

*«) Die Zeugnisse im Herm. XXII 92. 

>«) UsENBB a. a. 0. 60. Vgl. auch Plat. 
Leg. VI 782 C. 

") PolL Vni 89. 

*^) Verglichen werden kann damit unser 
Osterfest mit dem voraufgehenden Earfreitag. 
Vgl. BemoasR Tekt IV 173 A. 123. 



214 



Die grieobisohen Knltasaltertttmar. 



ApoUon empfing die ersten vom heissen Sonnenstrahl gereiften Früchte, 
Männer- und Enabenchöre traten in musikalischen Agonen auf, ^) zu deren 
Ausrüstung die Phylen fünf Choregen bestellten, je zwei, die darin ab- 
wechselten, einen. Auch fand eine Prozession und Kampfspiele statt.*) 

Am 19. — 20. beging man seit der Zeit des Perikles') der thrakischen 
Göttin Bendis zu Ehren die BsvdCdsia.^) Es war eine der Artemis ver- 
wandte und früh mit ihr identifizierte^) Gottheit, deren Kult sich zuerst 
im Peiraieus festsetzte, wo sie nahe der Artemis Munichia einen Tempel 
besass.^) Schon im 5. Jahrhundert unter die Staatsgötter recipiert,^) 
empfing sie an ihrem Fest auch ein von Staats wegen veranstaltetes Opfer. ^) 
Eine besondere Merkwürdigkeit verlieh dem Feste ein Fackelwettrennen 
zu Pferde,^) offenbar thrakischen Ursprungs. i<^) Auch Prozessionen fanden 
statt, und zwar die der Athener und der thrakischen Ansiedler gesondert.*) 

Auf denselben Tag fielen nach Photius^^) die KaXXvvtTiQia^ die 
in engem Zusammenhange mit den nkvvrrJQia stehn.^') Das Datum 
der letzteren ist nach Photius a. a. 0. der 29., nach Plutarch Alkib. 34i*) 
der 25. Wahrscheinlich sind sie also nicht immer zu derselben Zeit 
gefeiert worden, und die Verlegung mag mit der Fixierung der Bendideen 
auf den 19. — 20. zusammenhängen.^^) Es waren Sühn- oder Reinigungs- 
feste, die man der Athena feierte, von andern vor allem dadurch unter- 
schieden, dass die Reinigung zunächst nicht den Feiernden selbst, sondern 
dem Tempel und dem Bilde der Göttin galt.**) KaklvvriJQia bedeutet 
wohl das Ausfege-,**) nlvvziJQia das Waschfest. Während der Säuberung 
war der Tempel durch Seile abgesperrt;*^) am 25., jedenfalls dem Uaupt- 
festtage, wurden dem Götterbilde Kleider und Schmuck von den sogen. 
Praxiergiden abgenommen,*^) und nachdem die nkvvTQiieg oder XovTQiieg^^) 



>) Demosth. XXI 10 p. 517. Lys. XXI 1. 
Antiph. VI 11. DiiTENBKBOKB Syll. 420 cf. 
112, 34. 

«) Aristot. Ath. Pol. 56. CIA U 553. 
Lys. XXI 1. Reibch De mus. certam. 25 f. 

«) Fiat. Rep. I p. 327 flF. mit Schol. Prokl. 
zu Tim. 9 B, 27 A. Bebgk Rel. com. AU. 76 ff. 

*) Strab. X 470 f. Hebmann G. A.* § 60 
A. 22. MoxMBEN Heort. 425 f. Pbelleb-Ro- 
BEBT Gr. M. I 327 f. 

*) Herod. IV 33, V 7. Tbekdblbnbübq 
Bendis, Progr. des Ajskan. Gymnas. Berlin 
1898 

•) Xen. Hell. II 4, 11. 

') CIA I 210 Frgm. K. 

") Dittenbbbobb Syll. 874. 

•) Plat. Rep. Anf. 

") RosoHEB Mythol. Lex. 8. 780. Weck- 
lein Herm. VII 438. Rohde Psyche > II 105, 1. 

**) u. KaXXvyr^Qia. 

'") Schoemahn Gr. A.« II 472 und Pbteb- 
SBN Feste der Pallas, Hamburg 1855, S. 11 
stellen die Plrnteria voran. Dagegen Mokm- 
SEK Heort. 429, Pbeünbb Hestia-Vesta 483. 
Momiibbn 439 ist geneigt, Eallynterien wie 
Bendideen fOr eine Vorbereitung oder Vor- 
feier der Plynterien anzusehen. Ad. Sghiodt 



a. a. 0. 299 nimmt zweitägige Bendideen 
an; der erste Tag, .die sogenannten Eallyn- 
terien **, sei auf den 19ten gefallen, ,die 
eigentlichen Bendideen' auf den 20ten. Über 
das Fest selbst vgl. auch Töpffeb AtL Ge- 
neal. 133 ff. Böttichbb Tekt. IV 164 ff. 

«•) Vgl. Diog. Laert. II 44. 

>*) CIA IV 3 ZI. 8 f. und v. Pbott Fasti 
gr. 8 f. ScHOEMANN u. B. sucheu beide An- 
gaben in der Weise zu vereinigen, dass sie 
das Doppelfest vom 19— 20ten dauern lassen. 
Vgl. ausser Mommsen Heort. 427 ff. Pbellkr- 
RoBEBT Gr. M. I 209 A. 3 u. Ad. Schjuivt 
a. a. 0. 299 f. Letzterer hält eintägige 
Plynterien ffir sicher und den Tag der Feier 
für wandelbar. 

*^) Vgl. die Bestimmungen Aber die Rei- 
nigung des Heiligtums der Aphrodite Pan- 
demos, die am Tage, wo die no^n^ zu Ehren 
der Göttin stattfindet, vorgenommen werden 
soll: Athen. Inschr. Bull, de corr. XIII 163. 
CIA I 93. 

>•) BöTTicHEB a. a. 0. 169. Monnscir 
Heort. 428. 

") Poll. VIII 141. 

") Plut. Alkib. 34. 

'') Phot. a. a. 0. Hesych. u. Xovr^des. 



4. KnltiuiEeiten. (§ 126.) 



215 



und der xcnavintrjg alles gereinigt hatten, die Statue selbst verhüllt und 
in Prozession zum Bade ans Meer geführt,^) am Abend aber unter Fackel- 
schein >) in die Stadt zurückgebracht. Dieser Tag galt für unglücklich, 
weil die Göttin nicht in der Stadt anwesend war, und kein öffentliches 
Geschäft durfte dann vorgenommen werden.') In der Prozession wurden 
Feigen umhergetragen, ^) angeblich weil sie die erste Nahrung des zur 
Kultur übergehenden Volkes gewesen waren, ^) in Wirklichkeit, weil sie 
bei Lustrationen sehr häufig angewandt wurden;^) Athena aber em- 
pfing ein Scbaf als Sühnopfer. 7) Die Sage brachte die ganze Feier mit 
Aglauros in Verbindung, die als erste Dienerin oder Priesterin der Göttin 
für ihr Haus und ihren Schmuck zu sorgen gehabt habe, nach deren Tode 
aber alles ein Jahr lang ungereinigt geblieben sei,^) und sicherlich wurde 
bei der Feier auch ihrer gedacht.^) 

126. Der letzte Monat, Skirophorion, hatte seinen Namen von dem 
Fest der 2xiQog>6Qia^^^) das am 12. »i) der Athena gefeiert wurde.") Ein 
anderer Name desselben Festes war Sxiga,^^) Beide sind abzuleiten von 
axiQog, der weisse Kalksteinboden. ^^) Es war ein Weiberfest wie die Thes- 
mophorien,^^) und wie an diesen, so war auch hier den Teilnehmern Keusch- 
heit geboten. ^^) Eine Prozession begab sich unter Führung des Erechtheus- 
priesters, der einen grossen Sonnenschirm {ax(Qöv) trug, nach Skiros, einem 
zwischen Athen und Mensis gelegenen Ort, wo das erste Ackerfeld gewesen 
sein sollte, ^^) und wahrscheinlich ein Tempel der Athena Skiras stand. ^^) 
Man meint, dass der Sonnenschirm andeuten sollte, die Vegetation bedüife 
in der heissen Jahreszeit des Schutzes gegen den Sonnenbrand.^^) Gewiss 
ist, dass auch Sühnceremonien stattfanden. *o) 

Eng zusammengehörig mit diesem Feste scheinen die ^EQQtj^oQia oder 
UQQrjgfOQia^^) gewesen zu sein. Dass sie in den Skirophorion fielen, ist über- 
liefert, ebenso dass sie der Athena galten,'^) über alles Übrige sind wir fast 
nur auf Vermutung angewiesen; auch der Name ist unerklärt.*') Zwei 



>) MoMHBBii Heort 430 ff. 

«) f4era fptoxög CIA II 469 ZI. 10; 470, 
11; 471, 11. 8. aber auch Dittsnbbbgsb 
De epheb. Att. 63, der dies auf die Osoho- 
pborien bezogen wissen will. 

>) Plut. Alk. 34. Xen. Hell. I 4, 12. 
Vgl. PoU. VIII 141. 

*) Hesyoh. u. Phot. u. tjyijtfjgia. Etym. 
M. 418, 49. Eustath. zur Od. ai 341 p. 1399, 
30. 

*) Athen. III 74 C. 

•) RoHDB Psyche« II 406 f. 

n CIA l 3. 

') Phot. u. KaXXvyjTJQW, 

•) Hesycfa. u. IJXvrtiJQia. 

^0) HsBMAIVlf G. A.> § 61. SCHOBMAKK 

Gr. A.B II 474 f. Mommsbn Heort. 440 ff. 
Philol. L 108 ff. RoBBBT Herrn. XX 349 ff. 
Vgl. RoHDB Herrn. XXI 116 ff. 

'<) Schol. Arist. Ekkles. 18. 

") RoBBBT a. a. 0. 876 erklärt es für 
ein Demeterfest, an welchem auch dem von 
den Athenern ermordeten elensinischen Heros 



SkircJB ein Sflhnopfer gebracht worden sei 
(S. 377 f.). Dagegen Rohdb a. a. 0. 117 ff. 
Dass neben der Athena auch der Demeter ge- 
dacht wurde, scheint sicher. Vgl. Schol. Arist. 
Ekkles. 18. Töpffbb Att. Gen. 119 f. 

*>) Robebt a. a. 0. 362 f. 

^*) Robebt a. a. 0. 349 ff. 

1') Schol. Arist. Thesm. 834. Steph. 
Byz. u. axt^os. Robbbt 364. Vgl. Rohdb 116. 

»•) Philochoros Frgm. 204. Phot. u. 
rQonrjXLs, 

^^) Plut. Goni. praec. 42. Lysimachides 
bei Harpokr. u. cxiqov. Paus. I 36, 3. Ro- 
bbbt a. a. 0. 361 f. 

^•) Rohdb Herm. XXI 120 f. 

^^) S. SCHOBHAKN B. B. 0. II 474, TöPFTBB 

Att. Geneal. 120 u. a., aber auch Robebt 361. 

'^) Snid. u. Jids xfpd'ioy. 

") Lys. XXI 5. SoHOBMAÄwGr. A.« II 474. 
MoHMSEN Heort. 443 ff. Pbelleb-Robebt Gr. 
Myth. I 210 f. Töpffbb a. a. 0. 121. 

>') Etym. M. 149, 13. 

») PbellbbRobxbt Gr. M. I 211 A. 1. 



216 



Die grieobisohen ElütaBaltertamer. 



Mädchen im Alter von 7 — 11 Jahren &us vornehmen Familien, die im 
Dienst der Athena Polias auch bei andern Eultakten verwandt wurden, 
spielten bei diesem Feste, von dem sie auch ihren Namen {dQQr)g>6Q0i) er- 
halten hatten, die wichtigste Rolle. Die Priesterin der Athena übergab ihnen 
Eisten mit geheimnisvollen Heiligtümern, die sie nachts in eine Grotte bei 
dem Heiligtum der Aphrodite sv xr^noig trugen, von wo sie wieder andere 
dnoQQYjra nach der Burg zurückbrachten.') Vielleicht hatte das Fest, 
das in die heisseste Jahreszeit fiel, den Zweck, reichlichen Tau zur Er- 
frischung der Pflanzen herabzuflehn.') 

Am 14.*) wurden dem Zeus die Jmokia mit merkwürdigen Cere- 
monien, die den Namen Buphonia führten, gefeiert.^) Auf einen Altar 
des Zeus Polieus auf der Burg, dessen Priester dem Geschlecht der Thau- 
loniden entnommen sein musste, legte man Opferkuchen, Weizen und Gerste. 
Dann wurde der in die Nähe geführte Opferstier sich selbst überlassen, 
und sobald er von den Eörnern frass, trat der sog. ßov^ovog^) heran und 
erschlug ihn mit dem Beil, ergriff aber selbst sogleich die Flucht, das 
Beil zurücklassend. Man verfolgte ihn zum Schein, holte ihn aber nicht 
ein und begab sich in das Prytaneion, um dem Basileus die That zu 
klagen. Dieser verurteilte, da der Thäter entkommen war, das Beil, 
mit dem das Tier getötet worden war, und liess es über die Grenze 
schaffen.') Damach fand das eigentliche Dipolienopfer statt, wo man, wie 
bei andern Festopfern, viele Rinder schlachtete.*) Der Sinn der eigen- 
tümlichen, schon im 5. Jahrhundert als sonderbar empfundenen Cere- 
monie,*) ist wohl, dass es einer besondem Entschuldigung, einer fort- 
gesetzten wenigstens scheinbaren Bestrafung dafür bedürfe, dass man in 
einem Eult, der nach alter Überlieferung unblutige Opfer verlangte^®) 
und einstmals sich auch wirklich darauf beschränkt hatte, nun doch Tiere 
schlachtete. Der Priester, der es zuerst gethan hatte, war nach der Sage 
dafür in die Verbannung gegangen, und die alljährlich wiederholte g>vYij 
des Stiertöters bewahrte das Gedächtnis daran. ^0 

Wahrscheinlich schlössen sich an dies Fest die auf den Steinen^*) 



Aristoph. Lys. 641. Bbkkeb Anecd. 
202 u. Harpokr. u. dQ^tpogsTy. Etym. M. 149, 
20. Pbkller-Robebt Gr. M. I 210 A. 8. 

«) Paus. I 27, 4. Vgl. Schol. Aristoph. 
Ljsistr. 642. 

') Istros im Schol. zu Aristoph. Lysistr. 
642 iQffrjtpoQia' xß ydq "Eqcih nofAtiBvovin rp 
KäxQonog &vyatQL Vgl. Lobeck Agl. 873 
und CIA IIl 887. 

^) Schol. Arist. Fax 419. Etym. M. 
210, 30. 

') Hebmabv 6. A.* § 62 A. 15 ff. Schob- 
XAHir Gr. A.* II 505 f. Momusen Heort 449 ff. 
Band De Diipoliis, Leipz. Diss., Halle 1873. 
G. F. üngbb Philol. XXV 6. 0. Jahn Giove 
Folieo, Leipz. 1865. Bbbnats Theophrast 
121 ff. Töpffbb Att. Gen. 149 ff. Dabem- 
bbbg-Saglio Dict. II 269 ff. MAinrHABDT 
Myihol. Forschgg. 1 ff. Stengel Herm. XXVIII 
489 ff. y. Pbott Rhein. Mus. 1897 S. 187 ff. 
Stxnobl ebenda 391 ff. 



•) Paus. 1 24, 4. Schol. Arist Nub. 984. 
Suid. u. SavXfoy. Porphyr. De abstin. II 29, 
Bbbnats Theophr. 88 f. Hesych. u. ßovtvnog, 
ßovfpoyla, Bwxfjq, S. auch Maass Grött. Gel. 
Anz. 1889 S. 828 f. 

') Paus. I 24, 4; 28, 10. 

B) Etym. M. 210, 31. Bbkkeb Anecd. 
221 u. Bovfpovla. Vgl. Tbeu Progr. v. Ohlau 
1880 S. 56. 

«) Aristoph. Nah. 984. 

^0) Stengel Herm. XXVIII 497. Rhein. 
Mus. 1897 S. 408 ff. 

'^) Ähnlichkeit mit der athenischen Ce- 
remonie zeigt der in Lindos begegnende 
Brauch (Conen narr. 11. ApoUod. II 118 
Wagneb), dem Herakles unter Verwftnsch- 
ungen Pflugstiere zu opfern. Möglich dass 
hier auch ein blutiges Opfer alte anvQa er- 
setzt hat. 

") CIA II 162c, 466, 469, 741. 



4. EnltiuiEeiteii. (§ 127.) 



217 



öfters erwähnten Opfer für Zeus Soter oder die Diisoterien an,0 von 
denen im Jahre 334 das Hautgeld 1050 Drachmen betrug,«) wobei aber 
der Erlös aus den Fellen der am Dipolienfeste geopferten Tiere mit ein- 
gerechnet sein, ja wohl den grössten Teil geliefert haben wird. Hauptort 
der Feier war der Peiraieus,*) wo Zeus Soter und Athena Soteii*a einen 
Tempel hatten*) und mit Lectistemien geehrt wurden.*) In der Stadt 
selbst aber brachten am letzten Tage des Jahres die Archonten demselben 
Qotte ein anderes feierliches Opfer,«) dessen Ausführung in späterer Zeit 
dem Priester übertragen worden zu sein scheint.^) 

127. Ausser den genannten gab es in Athen noch mehrere andere 
Feste, deren Datum sich nicht ermitteln lässt. Dazu gehören die Brau- 
ron ien, die man alle vier Jahre der Artemis in Brauron feierte.®) Die 
Mütter stellten der Göttin ihre jungen fünf- bis zehnjähi-igen Töchter vor,») 
die unter dem Namen aQxroi^^) wahrscheinlich fünf Jahre lang im Heilig- 
tum der Göttin bestimmte Dienste zu verrichten hatten. Es war also ein 
Frauenfest. 1*) Die Art der Feier, über die wir nur sehr unvollkommen 
unterrichtet sind, zeigt in mehr als einer Beziehung Spuren von früher 
einmal der Göttin dargebrachten Menschenopfern. Es werden ihr Ziegen 
geschlachtet,^«) und einem Manne wird mit mit einem Schwert am Nacken 
eine Wunde beigebracht, damit zur Versöhnung der Göttin Menschenblut 
fliesse.^') Ebenfalls penteterisch feierte man, wenigstens seit dem Jahr 
329/28, die Hephaistien.**) Im 5. Jahrhundert gestiftet,i^) muss die 
grössere und kostspielige penteterische Feier entweder später, etwa aus 
Mangel an Mitteln, eingestellt worden sein, bis man sie unter dem Ar- 
chontat des Eephisophon erneuerte, oder die Hephaistien gehörten bis 
329/28 überhaupt noch nicht zu den Penteterides.^«) Fackel wettlauf »0 



') MoimsEN Heort. 452 f. FbIitkbl in 
BöoKBS Staatsh.* II S. 110 Anm. Ad. Schmidt 
a. a. 0. 300. Eöm^xB not. zu CIA 11 741 

8. 103. Vgl. DiTTBHBBBGEB Sjll. S. 549 

Anm. 15. Robbst in Pbbllbbs Gr. Myth.^ 
I 151 f. Anm. 3. 

*) DiTTBNBBBOBB Svll. 374. BöoxH Staata- 
h.» 11 108. 

•) Vgl. 'J»ijyaioy IX 234. 

*) Strab. IX 395. Pana. I 1, 3. 

>) RAFGABi Ant. heU. 794. 

•) Lys. XXVI 6 p. 790. 

') CIA II 325 u. 326. Vgl. Robbet a. a. 
0. y. Wilakowitz Antigonos y. Ka^stos 
249 u. 345. EöHLBB Rhein. Mos. XXXIX 
296 Anm. 1. 

•) Aristot. Ath. Pol. 54. CIA II 729, 
751 flF. Panß. 1 23, 9. He mann O. A.» § 62 
A. 15, 18 fp. MoMMSEN Heort. 409 ff. Schob- 
MANN Gr. A.* II 480 f. Pbbllbb-Robbbt Gr. 
M. I 312 ff. 

») Schol Ariatoph. Ljs. 645. Harpokr. 
u. Said. u. aQxtsvaai, 

^®) Lobbok Agl. 74 y. aQxsc^i. Lbbbs 
Rhein. Mna. XXVI 638 yon aegmoi. Ge- 
wöhnlich mit Bärinnen erklärt. Vgl. y. Wi- 



lakowitz Herrn. XVIII 259 A. 1. Sam Widb 
Athen. Mitt. XIX 281 f. 

»») Vgl. Herod. VI 138 u. IV 145. 

^') Hesjch. u. BQqvQtavLois, Varro De 
re ruat. 1 2, 19. Vgl. PoU. VUl 107. 

««) Eur. Iph. Taur. 1458 ff. Zar Loka- 
lität ygl. y. WiLAMOwiTz Herm. XVIII 254. 
— Back De Graeconim caerimoniis, in qui- 
hus homines deorum yice fdngebantur, Berl. 
Dias. 1883 S. 28 yermutet, dass die aQxtoi 
als Bären ausstaffiert worden seien, and die 
Priesterin im Kostüm der Jägerin Artemis 
sie yerfolgt habe. 

»*) Arist Ath. Pol. 54. Keil Herm. XXX 
473 ff. 

»*) CIA IV 2, 35b mit Kibohhopfs Bem. 
R. ScHOBLL Ber. d. Münch. Akad. d. Wiss. 
1887 S. 1 ff. Ad. Wilhelm Anz. d. Wien. 
Akad. 1897 Nr. XXVI 2 f. hat das Datum 
421/20 nachgewiesen. Reisoh Wien. Arch. 
Jahrb. I 64 ff. Vgl. Beiblatt S. 43. 

10) Dann wäre also das CIA II 35b ZI. 
23 erhaltene hfey]TetijQidt mit Kirchhoff auf 
die grossen Panathenaien zu beziehn. Da- 
gegen y. WiLAMOwiTz Arist. n. Athen. I 229. 

") Harpokr. u. Xa/Anäg, Herod. VIII 98. 



218 



Die grieohisohen Knltusaltertttmer. 



und musische Aufführungen^) zeichneten das Fest aus. Nicht minder 
grossartig muss der Fackelwettlauf an den Prometheia gewesen sein.') 

Von Demeterfesten sind noch die Proerosien*) und Epikleidien^) 
zu erwähnen. Die ersteren bestanden in einem Opfer, das einst auf An- 
ordnung des Orakels gestiftet sein sollte, als ganz Griechenland von Miss- 
wachs heimgesucht worden war.^) Thatsache ist, dass man es alljähr- 
lich im Namen aller Hellenen in Eleusis darbrachte, nachdem die Pythia 
sie alle die Erstlinge des Getreides dorthin hatte senden heissen.^) In 
späterer Zeit beteiligten sich namentlich die Epheben an der Feier. ^) Die 
Epikleidia können wohl als Speicherfest, bezeichnet werden, gefeiert zum 
Dank für die Bergung der Getreidevorräte. 8) Erwähnt werden mögen 
ferner die Adonia,^) die im Hochsommer*®) vorzüglich von Frauen, auch 
Hetären, gefeiert wurden, die sich dabei unter anderm durch Aufgeben 
obscöner Rätsel belustigten; die Hermaia,**) welche dem Hermes galten, 
die Herakleia, die dem Herakles zu Ehren in Marathon penteterisch 
mit Agonen gefeiert wurden,*') und das Fest der Eumeniden oder 
Semnen, bei dem das Geschlecht der Hesychiden eine hervorragende Rolle 
spielte.*^) 

Auf eine eingehendere Behandlung der Festcyklen der andern grie- 
chischen Staaten müssen wir verzichten, schon weil unsere Quellen dafür 
zu spärlich und dürftig sind, und von der blossen Nennung von Namen, 
wie sie die Steine immer reichlicher liefern, absehend uns damit be- 
gnügen, die wichtigsten und bekanntesten Feste zu erwähnen und kurz 
zu besprechen. 

ß. Feste anderer Staaten. 

128. Zu den ältesten und angesehensten Festen der Peloponnes- 
gehörten die in Amyklai gefeierten Hyakinthien.") Das Fest galt dem 
Apollon und hatte seinen Namen von Hyakinthos, der, nach der gewöhn- 
lichen Version 1^) ein Sohn des Amyklas und Liebling ApoUons, von diesem 
durch einen unglücklichen Diskoswurf getötet worden war. Es fiel in 



>) CIA II 553. 

«) Arist. Ath. Pol. 57. Lys. XXI 3. 
Harpokr. u. Xa/Andg. 

') MoMiiBEN Heort. 75 ff., 218 ff. Sohoe- 
M AKN a. a. 0. II 486. Hbbm ann a. a. 0. § 56 
A. 28. Ober das Datum Ephem. arch. 1895 
S. 99. 

«) Hekm ANN a. a. 0. § 62 A. 5. Schoe- 
XANN a. a. 0. II 486. Band Programm der 
Margaretenschule, Berlin 1887 I. Teil, der sie 
Dach CIA III 77 auf den 15. Metageitnion an- 
setzen zu wollen scheint. Rubensohn Die 
Mysterienheiligtümer 119 f. 

^) Schol. Aristopfa. Equ. 729. Suid. u. 
nQOfjQoaia. Vgl. Isokr. Panath. [VII] 31. 

•) DiTTBNBBBGBB Syll. 13. Isokr. IV 31. 
Pbelleb-Robebt Griech. Myth. I 773 A. 3. 

') CIA II 467 ZI. 28, 471 ZI. 9 f. etc. 

') Hesych. u. 'En^Xeldia, Pbellbb De- 
meter u. Pers. 325 f. 

•) Aristoph. Pax420; Lys. 390. Diphilos 
Frgm. 39, 48 Kock II 554, 557. Plut. Alk. 



18; Nik. 13. Dittbnbbbobb Syll. 427, 9. Hbb- 
MANN a. a. 0. § 62 A. 34. E. Cubtius Griech. 
Gesch.«^ II 872. Pbblleb-Robbbt Gr. M. I 
362 u. 379. Dabbmbbbo et Saolio Dict u. 
Adonis I 72 f. 

»«) Thuk. VI 30. Plat. Leg. V 738 C, 
Phaidr. 276 B. 

>0 Aischin. I § 10. Schol. Plat. Lysia 
206 D. Vgl. DiTTBNBEBeBB SylL 121. Sohob- 
MANN Gr. A.' II 527. Pbblleb-Robbbt Gr. M. 
I 416 f. 

") Aristot. Ath. Pol 54. Pind. Ol. IX 
134. Schol. Pind. Ol. IX 89 u. 134. Schol. 
rec. Ol. XIII 148. Harpokr. u. yQdxXBUji. 
PoU. VIII 107. 

") Vgl. TöPFFBB Att. Gen. 170 ff. 

'*) Thuk. V 23. Hebmann G. A.« § 53 
A. 36 f. SoHOEMANN Gr. A.« II 457 f. Pbbl- 
leb-Robbbt Gr. M. I 248 f. ünobb Philol. 
XXXVII 13 ff. RoHDB Psyche« I 137 ff. 

»*) Vgl. Pbbllbb-Robbrt Gr. M. I 248 
A. 2. 



4. KnltoBBaiten. (§ 128.) 



219 



den Monat Hekatombeus,*) der dem attischen Skirophorion,*) oder Thar- 
gelion') entsprach. Die drei Tage des Festes, dem sich vielleicht die 
Hekatombaien^) anschlössen,^) von denen der Monat wohl seinen Namen 
erhalten, hatten wie andere Apollonfeste traurigen und heitern Charakter 
zugleich. Man beklagte den Tod und feierte die Auferstehung des gott- 
geliebten Knaben. <) Weder das Singen des Paians, noch der Schmuck 
der E[ränze, noch irgend welche Ausgelassenheit war am ersten Festtage 
gestattet;^) der zweite war gerade durch musische Chöre ausgezeichnet, 
denen sich Spiele und reiche Opfer anschlössen. Sparta war an diesem 
Tage verödet, weil' alles nach Amyklai strömte, auch die Sklaven nahmen 
teil,®) und von den Amyklaiern selbst durfte keiner fehlen.») Wahr- 
scheinlich wurde an diesem Tage auch das uralte Bild des Gottes ^^) mit 
einem neuen Chiton bekleidet, den spartanische Frauen alljährlich webten ;^i) 
auch eine nächtliche Feier scheint stattgefunden zu haben.**) — Wohl 
noch wichtiger und bedeutender war das Fest der Earneien,*^) das eben- 
falls dem ApoUon {Kagveiog) zu Ehren im Hochsommer begangen wurde. 
Es war wohl ein Sühnfest,") das aber während der vieltägigen Dauer 
allerlei sonst nicht gerade bei Sühnfesten übliche Ceremonien und Fest- 
gebräuche mit sich brachte und jedenfalls nur noch zum Teil in seiner 
eigentlichen Bedeutung empfunden wurde. Über die Feier in Sparta sind 
wir etwas genauer untemchtet;^^) mehr oder weniger ähnlich ist das Fest 
aber auch in der übrigen Peloponnes und an andern Orten gefeiert wor- 
den. *<) Es begann höchst wahrscheinlich an dem dem Apollon heiligen 
siebenten Tage des Monats Kameios*^) und dauerte bis zum 15.*®) Vor 
diesem Tage, also dem Vollmond, pflegten die Spartaner selbst in drin- 
genden Fällen nicht ins Feld zu ziehn.*») Der ursprüngliche Charakter 
des alten Festes ist, in Sparta wenigstens, früh verändert worden. Wie 
aus dem Beinamen des Gottes zu schliessen ist,**^) galt ihm die Feier ur- 
sprünglich als dem Beschützer der Herden, bald aber trat die kriegerische 
Seite des Gottes, der einst dem einwandernden Stamm der Derer voran- 
gezogen sein sollte,**) in den Vordergrund. Doch scheint die Art der 



Hesych. u. d. W. 

") Lattscbew Dor. u. äol. Kai. 133. 
BisGHOFF Leipz. Stud. VII 369 ff. Büsolt 
Jahrb. f. Phil. 1887 S. 36 u. 50. Nibsbn 
Rhein. Mus. XLIl 46 ff.: Hekatombaion. 

•) ÜHoisB a. a. 0. u. Jahrb. f. Phü. 1888 
S. 529 ff. MoHKSEN in Bursianb Jahresber. 
1892 Bd. 73 S. 17 f. 

*) Strab. VIII 362. 

») ÜNOERPhilol. XXXVII 32. Vgl.Herod. 
IX 3; 11. 

') Vgl. ScHOBMAMN n. Prellbb-Robebt 
a. a. 0. 

') Didymos nach Folykrates bei Athen. 
IV 139 D. Vgl. Paus. III 19,3. 

>) Athen, a. a. 0. 

•) Xen. Hell. IV 5, 11; Ages. II 17. 

>•) Paus. III 19, 1 f. Vgl. Thuk. V 23 f. 
Polyb. V 19. 

»») Paus, m 16, 2. 

") Eur. Hei. 1470. 



^s) Hermann G. A.* § 53 A. 30 ff. Schob- 
MANN Gr. A.' II 458 ff. Pbblleb-Robbbt Gr. 
M. I 250 f. Weiskb Jahrb. f. Phil. 1892 
S. 593 f. Sah Wide Lakon. Kulte 85 ff. Ed. 
Mbteb Gesch. d. Altt. II 267 f. 

") Vgl. Paus. lU 13, 3. DiELS Sib. Bl. 
41 A. 3. 

'^) Demetr. v. Skepsis bei Athen. IV 
141 E f. Beubb Anecd. I 303. 

'^) Vgl. Pbbllbr-Robbrt a. a. 0. 

^') Fflr Eyrene bezeugt durch Plut. 
Quaest. symp. VIII I, 2. 

>•) Vgl. Eur. Alk. 445. 

") Herod. VI 106, Vü 206. 

") Prbller-Robbbt Gr. M. I 251 A. 2. 

>0 Theopomp, im Schol. Theokr. V 83 
und mehr bei Pbeller-Robert a. a. 0. I 251 
A. 1 u. 2. S. auch Lübbebt Diatriba in Pind. 
loc. de Aegidis et sacris Gameis, Bonn 1888 
u. Ind. lect. aest. Bonn 1888. 



220 



Die grieohisohen Ealtusaltertttmar. 



Feier viele Eigentümlichkeiten des alten ländlichen Festes bewahrt zu 
haben, wenn ihnen auch eine andere Bedeutung untergelegt wurde. Man 
errichtete im Freien Lauben {(fxiäSeg), in denen eine bestimmte Anzahl 
der Festteilnehmer wie im Feld biwakierte und alles auf das Kommando 
eines Herolds verrichtete, i) Vielleicht hat auch bei den musischen Agonen, 
die bei dem ApoUonfest nicht fehlten,*) kriegerische Musik die Flöte der 
Hirten abgelöst. Auch von einem Wettlauf wird berichtet, bei dem es 
für ein gutes Zeichen galt, wenn der Vorläufer von einem der ihm Fol- 
genden {(rTa(pvkoiQ6fioiy) eingeholt wurde. Mehrfach erwähnt wird ferner 
das Fest der öymnopaidien,^) an dem besonders die Jugend, die dereinst 
die Kriege führen sollte, ihre Kraft und Gewandtheit zu zeigen hatte, 
und ruhmvoll bestandene Kämpfe in Liedern gepriesen wurden. Neben 
Apollon scheint in Sparta namentlich die kriegerische Artemis Verehrung 
genossen zu haben, ^) doch feierte man auch U&dvaia.^) 

129. In Argos, wo Hera als Hauptgöttin verehrt wurde,^) waren 
das wichtigste Fest die Heraia oder Hekatombaia,^) die mit grossen Opfern 
und Agonen begangen wurden.^) Wie angesehn sie waren, mag man 
daraus schliessen, dass Demetrios Poliorketes die Leitung persönlich über- 
nahm*®) und Philipp von Makedonien als Agonothet fungierte, i*) Der 
Aphrodite feierten die Argeier die Hysteria,**) an denen man ihr Schweine 
zum Opfer brachte, die sie sonst verschmähte. *b) — In Hermione gab 
es ein Demeterfest, Ghthoneia genannt, an welchem die ööttin reiche 
Opfer empfing.^^) — In Thespiai feierte man dem Eros die Erotideia mit 
gymnischen und allen Arten hippischer Spiele*^) und den Musen ein Fest 
mit mannigfaltigen musischen Agonen.*®) — In Theben blühte der Kultus 
des Herakles, und man feierte ihm dort die Herakleia oder lolaeia,^') 
deren Ruhm Agonisten aus fernen Ländern herbeizog. ^^) Dem Apollon 
{'Icfiijviog) zu Ehren beging man alle acht Jahre das Fest der Daphne- 
phorien,**) wobei der Prozession ein mit Lorbeer und Blumen umwundener 
und mit Bändern verzierter Olivenstab {xwnci) vorangetragen wurde. — 
Alle sechzig Jahre feierte man in ganz Boiotien die grossen Daidala,*^) 



') Athen. IV 141 E f. 

>) Hellanikos bei Athen. XIV 635 E. 

•) Hesych. u. ayfjtijg und Kagyedrai. 

*) Hebxanv G. A.< 53 A. 39 ff. Schob- 
mann Gr. A.» II 460. 

*) Über das Fest der Artemis ^Q^ia 
und die Geisselungen der Knaben an ihrem 
Altar vgl. S. 117. Pbbller-Robebt Gr. M. 
I 308 A. 3. Prbgbb Athen. Mitt. XXII 338 flf.; 
über die Opfer für die 'JyqoxiQa S. 118. 

•) IGA'79. Paus. III 17, 2. 

') Vgl. Pbbllbb-Robbrt Gr. M. 1 160 f. 

•) Schol. Pind. Ol. VII 88. Palaiphat. 
51. Hbbhann G. A.^ § 52 A. 1 f. Schoe- 
MANN Gr. A.* II 515. Pbellvb-Robbrt Gr. M. 
I 168. ÜNOEB Sitzgsber. der Münch. Akad. 
1879 S. 192. 

») Pind. Nem. X 22. Dittbnbbbgbb Syll. 
898, 6. 

»«) Plat. Demetr. 25. 

'0 Liv. XXVII 30. 



>*) Ubbiiakn G. A.* § 52 A. 7. Pbbllbb- 
Robebt Gr. M. I 381 A. 2. 

») Eallimachos bei Athen. III 96 A. 
Eustath. zu IL ^ 417 p. 853. 

*^) Aelian. Hist. anim. XI 4. Dittbnbeb- 
GEB Syll. 389. 

»») Bull, de corr. XIX 370. 

>«) Ebenda S. 315 ff. 

") CIA III 129. IGSept I 1857. SchoL 
Pind. Ol. VII 153. Hebmann G. A.« § 63 
A. 12. 

18) Inschr. aus Kilikien Denkschr. der 
Wien. Akad. d. Wiss. 1896 nr. 17 S. 8: 
ytTtrjüavta td 'HQtixXsia rd iv S^ßMg jtiXrjn 

«») Prokl. in Phot. Bibl. p. 321 Bekk. 
Schobmann Gr. A.* II 463 f. Hbbmann Gr. 
A.> § 63 A. 28. Pbelleb-Robbrt Gr. M. I 
288 A. 1. 

") Paus. IX 8, 4. 



4. KultiuiEaiteii. (§ 129.) 



221 



alle sieben in Plataiai die kleinen zur Erinnerung an die Wiederver- 
söhnung und Vereinigung des Zeus und der Hera.^) Das Fest hatte 
seinen Namen von dem Schnitzbild der Göttin, das man in bräutlichem 
Schmuck auf dem Hochzeitswagen einherfuhr. In derselben Stadt, bei 
der die letzte glorreiche Schlacht gegen die Perser auf altgriechischem 
Boden geschlagen war, feierte man zur Erinnerung daran dem Zeus alle 
vier Jahre die Eleutheria*) mit Agonen.') — In Orchomenos genossen 
die Chariten besondere Verehrung,^) und man feierte ihnen die Charitesien 
mit musischen Agonen.^) — In Akraiphia in Boiotien gab es ein pent- 
eterisches Fest mit Agonen zu Ehren des ApoUon Ptoios,^) zu dem die 
Nachbarstädte Theorien sandten.^) Ein Agonothet leitete auch die Opfer 
und die Bewirtung des Volkes. — Ein bedeutendes Fest müssen die fie- 
yaXa UfA(pidQata in Oropos gewesen sein.®) Im Jahr 332/31 beschlossen 
die Athener, denen Philipp 338 Oropos zurückerstattet hatte, die Ujwyta- 
Qaia penteterisch zu feiern.^) Die erste Feier, deren Leitung einer be- 
sonders gewählten Kommission von zehn der angesehensten Athener über- 
tragen wurde, fand 329/28 statt. ^<>) In der Folgezeit in seiner Bedeutung 
gesunken, erhielt das Fest neuen Aufschwung durch Sulla, der dem Heilig- 
tum alle Einkünfte von Oropos zuwies, i^) Die vorherige Verkttndung einer 
Ekecheirie zeigt, dass es panhellenisch sein sollte. Es fanden Wettkämpfe 
von Männern und Knaben, hippische und musische Agone statt. ^^) — In 
Tanagra hatte Hermes ein Fest, au dem der schönste Jüngling ein 
Lamm auf seinen Schultern um die Stadtmauer tragen musste zur Er- 
innerung daran, dass einst der Gott selbst auf diese Weise die Stadt 
gereinigt und von einer Seuche befreit habe.*') — Die Aigineten feierten 
der Hera gleich den Argeiem die Heraia,**) und- dem ApoUon die Del- 
phinien.15) — Korinth zeichnete sich durch seine Aphroditefeste aus,*«) 
Epidauros durch seinen Asklepioskultus, und die zu Ehren des Gottes 
gefeierten Asklepieia waren namentlich durch die damit verbundenen, alle 
vier Jahre veranstalteten gymnischen und hippischen Spiele berühmt,*') 
die Kämpfer aus weiter Ferne herbeilockten.*^) Die Kampfrichter nannten 
sich gleich den olympischen mit dem stolzen Namen Hellanodiken.*») — 



») Plut. bei Euseb. Praep. ev. III p. 
83 ff. = Plut. VII 46 f. Bbbhad. Paus. IX 2, 7 ; 
3, 1 ff. fiBBKANN G. A.« § 63 A. 22 ff. Schob- 
MANN Gr. A.» II 516 f. 

•) IGSept. I 4», 1711. Paus. IX 2, 4. 
Strab. IX 632. Plut. Arist. 19, 21. Hbbmann 
G. A.« § 63 A. 9. Vgl. Pbbller-Robbbt Gr. 
M. I 151. 

») DiTTBNBBBOBB SjU. 398, 11. IGSept. 
I 1856. 

*) Find. Ol. XIV, Paus. IX 35. 

*) CIG 1583, 1584. 

«) IGSept. I 4135 ff. Vgl. 2712. 

') IGSept I 4149 add. 4139. 

•) IGSept. I 1414. 

») IGSept. I 4253. Ad. Wilhblm Ber. 
der Wien. Akad. d. Wiss. 1895 IX 39 ff. 

'0) IGSept. I 4254. 

") IGSept I 413, 419, 420. 

'») IGSept I 412 f., 414, 417. 



") Paus. IX 22, 2. 

>*) Scbol. Find. Pyth. VIII 113. 

") Scbol. Find. Fyth, VIII 88 und mebr 
bei Fbbllbb-Robbbt Gr. M. I 258 A. 2. 

'•) Alexis bei Athen. XIII 33 p. 574. 
Eine Zusammenstellung von Apbroditefesten 
anderer Staaten bei Hunzikbb in Dabbhbbrg 
et Saglio Dict. u. Apbrodisia S. 307 f. Faüly- 
WissowA I 2725 f. Vgl. Flut Thes. 21. Bull, 
de corr. 1890 S. 494. Fbbllbb-Robbbt Gr. 
Myth. I 348 A. 3. Robbbt Arch. Jahrb. V 
225 Anm. Mommsbn Heort. 343. 

*') Kavy ADIAS Fouilles d'Epidaure, Athen 
1893, nr. 240. Find. Nem. III 84; V 82; 
Isthm. VIII (VII) 18. Scbol. Find. Nem. III 
145. Dittbnbebgbb Syll. 398, 4. Vgl. Athen. 
Mitt. II 244 f. 

») IGSic. et It 1102 Rom; CIG 3208 
Smyma. 

'•) Kavvadias a. a. 0. 273. 



222 



Dia grieohisohen Knltiisaltertamer. 



Einen reichen Pestcyklus besass Delphoi, die Stadt des Apollon.*) Die 
Theophanien feierten die Wiederkehr des Gottes, der den Winter bei den 
Hyperboreern zugebracht hatte;*) die Theoxenien») waren gleichsam das 
Festmahl, bei dem alle Götter und auch bevorzugte Sterbliche den Gott 
begrüssten; die Soterien,*) nach 279 zum Andenken an die Vernichtung 
der Gallier gestiftet, priesen ApoUon als Retter aus Gefahren und wurden 
später alljährlich mit Agonen gefeiert;^) das enneaterisch begangene 
Septerion«) galt der Erinnerung an die Erlegung des Drachen und die 
Reinigung des Gottes, und das glänzendste Fest, die Pythien, vereinigte 
alle vier Jahre ganz Hellas an der geweihten Stätte. — Fast ebenso be- 
rühmt war Dolos, die Geburtsstätte des Gottes, durch seine ApoUonfeste. 
Alljährlich feierte man im Monat Hieros,') der dem attischen Anthesterion 
entsprach, die Apollonia^) mit hippischen und gymnischen Spielen der 
Männer, Jünglinge und Knaben, und Chören, die im Theater auftraten,^) 
alle vier Jahre aber statt ihrer eines der glänzendsten Feste von ganz 
Griechenland, die Delien,io) wozu namentlich die Athener eine Theorie, 
grosse Opfer und einen Chor stodten;^0 ^^^^ ^^^ musikalischen AufEfih- 
rungen stellten hier die anderen Spiele**) in Schatten.*«) Wie sehr die 
Athener das so glänzend erst von ihnen im Jahr 426/25 eingerichtete Fest^^) 
als ein nationales ansahen, mögen wir daraus entnehmen, dass Aristoteles'^) 
es zu den athenischen Penteterides rechnet. In Dolos bestand daneben die 
wohl sehr alte heptaerische Feier weiter. ^^) Am 6. Thargelion feierte man 
auch den Geburtstag der Artemis. ^^) — In Arkadien, wo namentlich der 
Zeuskult blühte, ^^) ist besonders merkwürdig das Lykaienfest. ^^) Es scheint 
an ihm der grausame Brauch der Menschenopfer sich am längsten erhalten 
zu haben, 1*) doch wird auch von Wettspielen berichtet, deren Preise in 
Wertgegenständen bestanden.*®) — Patrai beging ein grosses Artemis- 



') Hbbxann G. A.* § 64 A. 1 ff. Schoe- 
XANN Gr. A.< II 460 ff. Pbblleb- Robert Gr. 
M. I 265 ff. und am ausführlichsten A. Moxm- 
SBN Delphi ca, Leipzig 1878. 

a) Herod. I 51. 

•) Flut. De ser. num. vind. 13 p. 557 P. 
MoMHBEN Delph. 300 ff. Demeken De theo- 
zeniis 8. Preller-Robbrt Gr. M. I 265 A. 4. 

*) MoMXSEN Delph. 215 ff. 

») DiTTBNBEBGEB Syll. 404, 149, 150. 
.Vgl. die karische Inschr. Bull, de corr. V 
193. Reisch De mus. certam. 88 f. Lüdebs 
Die dioDVS. Künstler 187 f. 

•) Plut. Quaest. gr. 12 p. 293 ß. De def. 
or. 14 p. 418A f. Schobmamn Gr. A.' II 461 f. 
Pbelleb-Robbbt Gr. M. I 287 f. 

') Bull, de corr. XIV 493 f. 

») Bull, de corr. VI 146 ff., VII 105 ff. 
Robebt Herrn. XXI 161 ff. und in Pbellebs 
Gr. M.* I 246. 

>) Ephem. arch. 1894 S. 144. 

") Thuk. III 104. V. ScHÖFPEB De Deli 
ins. reh. 37 ff. Robebt Arch. Jahrb. V 225. 
Pbblleb-Robebt Griech. Myth. I 246. A. 
MoKxsEN Burs. Jahresber. 1886, 3 S. 338 
will beide Feste in der Art zusammenwerfen. 



dass der erste Tag der zweitägigen Feier 
Delia, der andere Anollonia geheissen habe. 
— Robebts Abhandlung Herrn, a. a. O. er- 
ledigt auch die für andere Fragen der Heor- 
tologie wichtigen Bedenken (vgl. 8. 212 o.), 
die man hinsichtlich des Datums der Hin- 
richtung Phokions hatte (vgl. Moxmsbe Heort. 
402 A. 3. Ad. Schkidt Gr. Ghronol. 292 f.). 
Am 19ten Munichion war die Theorie be- 
reits zurückgekehrt. 

»») Aristot. Ath. Pol. 54, 57. 

") Thuk. III 104. Dittehbeboeb Syll. 
121, 16. Bull, de corr. VI 146 f., XV 250: 

»») Bull, de corr. VII 102. Plut. Nik. 3. 
Luk. De Salt. 16. Athen. X 424 F. 

»*) Thuk. a. a. 0. 

«) Aristot. Athen. Pol. 54. 

") Diog. Laert. II 44. 

") Pbbllbb-Robebt Gr. M. I 126 ff. 

") Hebmahn G. A.* § 15 A. 18. Schob- 
HANN Gr. A.' II 507. Mehr bei Gbuppe Hdb. 
V 2 194. 

'«•) Theophr. bei Porph. De abst. II 27. 
Vgl. S. 116. 

•«) Schol. Pind. Ol. VII 153. Vgl. Xen. 
Anab. I 2, 10. 



4. KiütuBEeiten. (§ 129.) 



223 



fest, wobei alle möglichen Opfertiere lebendig in die Flammen geworfen 
wurden,*) und ein anderes, an welchem ein altes Holzbild der Göttin 
aus einem andern Tempel nach dem Heiligtum in der Stadt getragen 
wurde.*) — In Tegea wurden der Athena Alea die Aleaia mit Kampf- 
spielen gefeiert,«) in Pellene der Demeter Mysia ein siebentägiges Fest, 
zum Teil mit Ausschluss der Männer,^) und ein anderes dem Dionysos 
Lampter.*) — Von den Inseln zeichnete sich Samos durch seinen Hera- 
dienst aus. Man feierte ihr hier wie in Ai'gos und an andern Orten®) 
Heraia;^) femer die Toneia, wobei man ein Bild der Göttin im Gebüsch 
versteckte, an ihr zürnendes Entweichen vor Zeus erinnernd.®) — Rhodos 
war namentlich der Kult des Helios eigentümlich.^) Alle vier Jahre *^) 
feierte man ihm hier die ^AXisia mit Prozession, Opfer**) und musischen, 
gymnischen**) und hippischen**) Agonen. Dem Dionysos zu Ehren wurde 
von Staatswegen in Rhodos das Fest der Jiovvtfia veranstaltet, an wel- 
chem Wettkämpfe von Chören und Schauspielen stattfanden,**) und die 
Lindier feierten demselben Gotte die 2ixiv&ia,^^) — In Knidos wurde 
Aphrodite am meisten verehrt,*«) in Kos Asklepios,*^) doch hatte hier 
auch Demeter ein grösseres Fest {&aXvata\^^) und in jedem zweiten Jahr 
feierte man Kameen.*») — Kreta war durch seinen Zeusdienst be- 
rühmt.*<>) In der idäischen Höhle sollte der Gott geboren sein,**) dort 
sollten die Kureten seine Jugend beschützt haben,**) dort seine Hochzeit 
stattgefunden haben, zu deren Gedächtnis in Knossos alljährlich ein Fest 
gefeiert wurde,**) dort endlich zeigte man auch sein Grab.**) Die Gottes- 
dienste werden auch als Mysterien bezeichnet**) und erinnern durch die 
Auffassung des Gottes als Verstorbenen und Wiedererstandenen**) an den 
auch in andern Mysterien verehrten Zagreus,*^ doch wurde von der Feier 
niemand ausgeschlossen.**) — In Sicilien wiedemm, wo sich die Sage 
vom Raube der Persephone durch Hades lokalisiert hatte, finden wir dem 
entsprechend den Demeter- und Koredienst besonders verbreitet.**) Dieser 



>) Paus. VII 18, 7. 

») Paus. VII 20, 4. 

») Paus. VIII 47, 3. BuD. de corr. XIII 
281 ff. Athen. Mitt. VIII 274 ff. Lebas-Foü- 
CART II 341b. CIG 1515. Altert, v. Pergam. 
VIII 1 nr. 156. 

*) Paus. VII 27, 4. 

*) Paus. VII 27, 2. 

•) Bull, de corr. XV 186 ff. 

') Athen. XII 525 E. 

•») Athen. XV 672 A. 

*) DiTTBNBERQBR De sacHs Rhod. Ind. 
lect. Halle, Sommer 1886 S. V ff. 



>«) CIGIns. I 58, 72. 75. 
") Xen. Ephes. V 11, 2. 



^«) Istros im Schol. Pind. Ol. VII 146. 
Arch. epigr. Mitt. aus Österreich VU 1883 
S 110 n. 2. Rev. arch^ol. n. s. XIII 1866 
S. 163 n. 12 u. 13. Athen. Mitt. XVI 172. 

>») Rev. archöol. n. s. XIII S. 185 n. 10. 
CIGIns. I 58. Bull, de corr. XIV 277 B ZI. 2. 

») Diod. XIX 45. CIGIns. I 57, 71. 

^^) DiTTBNBSROER R. a. 0. X ff. Vgl. 

ScHUM ACHBR Rhein. Mus. XLI 233 ff. 



>•) Paus. I 1, 3. 

*') Preller-Robbrt Griech. Myth. I 522. 
Hermann G. A.« § 67 A. 20. 

"J Theokr. Id. VII 135 ff. Prbllbr-Ro- 
BERT Griech. Myth. I 768. Hermann G. A.> 
§ 67 A. 21. 

»•) Joum. of Hell. Stud. IX 328 ZI. 10 ff. 

") Prellbr-Robert Gr. Myth. I 132 ff. 
ScHOKMANN Gr. A.> II 508 f. Hermann G. A.* 
§ 67 A. 24 ff. 

") Kallim. in lov. 4. Apollodor I 1, 6. 
Diod. V 70. 

") Strab. X 472. Eur. Bakch. 120. 

") Diod. V 72. 

") Luk. De sacrif. 10. 

") Eur. Frgm. 475. Schol. Plat. Leg. 
p. 446. LoBBCK Agl. 1121 ff. 

«•) Vgl. Eur. Frgm. 904. Preller-Ro- 
bbrt Gr. M. I 135. 

*») PrbllerRobbrt Gr. Myth. I 686. 

") Diod. V 77. 

»•) Preller-Robbrt Gr. Myth. I 785. 
Ubrmann G. A.> § 68 A. 17 ff. 



224 



Die griechiBohen Kiiltiulaltertllmer. 



galten vorzugsweise die Theogamia^) und Anakalypteria,^) jener die 
Thesmophoria.') Daneben scheint auf der Insel der Herakleskultus be- 
sonders entwickelt gewesen zu sein>) — Schliesslich mag noch erwähnt 
werden, dass unter den zahlreichen der Artemis gefeierten Festen^) die 
ephesischen besonders glänzend waren.*) 

Neben den Göttern hatten tiberall die Heroen ihre Feste.') So 
feierten die Athener den Helden von Salamis durch die Aianteia,^) bei 
denen ausser Opfer, Festzug und den üblichen Agonen auch ein Fackel- 
wettlauf und eine Ruderregatta stattfand. Neben ihnen kamen später zu 
Ehren eines heroisierten Phrurarchen die Diogeneia auf.») Bei beiden 
Festen beteiligten sich vorzüglich die Epheben. Die Aigineten feierten 
die Aiakeia,^®) die Megarenser die Diokleia^O ^^^ ^^^ Einwohner von 
Lebadeia die Trophoneia. ^') Namentlich ausgebildet war der Kult des Pe- 
lops und der Hippodameia in Elis,^^) ausser denen auch noch Sosipolis 
besonderer Ehren genoss.**) 

Dazu kam, dass innerhalb der einzelnen Staaten sich oft Demen zu 
einer Kultgenossenschaft zusammenthaten oder die aus alter Zeit her- 
rührende zäh bewahrten und ihre eigenen Feste feierten. Das auf- 
fallendste Beispiel davon giebt uns die kürzlich aufgefundene Fest- und 
Opferordnung der attischen Tetrapolis,**) die in dieser Beziehung eine 
Selbständigkeit und Unabhängigkeit von der Hauptstadt zeigt, wie sie in 
der That wunder nehmen muss; scheint sie doch selbst ihre eigene Theorie 
zur Feier der Delien nach Dolos gesandt zu haben.**) 

Dass diese Zusammenstellung nur eine kleine Auslese ist, braucht 
nicht erst gesagt zu werden; die Steine liefern fortwährend Namen neuer 
Feste aus allen Orten Griechenlands, bisweilen ganze Reihen,*^ und immer 
dringender wird das Bedürfnis nach einer das zerstreute Material zusam- 
menfassenden Heortologie. 



') PoU. I 37. 

«) Schol. Find. Ol. VI 160. 

») Athen. XIV 647 A. Hbbmanm G. A.« 
§ 68 A. 24. 

*) Thuk. VII 73. Diod. IV 24. 

*) Vgl. Dabembebq et Saglio Dict. u. 
Artemisia I 441. Fault- Wisbowa II 1442. 

•) Dion. Hai. IV 25. Xen. Ephes. I 2. 

') Vgl. RoHDE Psyche« II 352 ff. 

«) CIA II 467-471. Hesych. u. d. W. 
Hebmann 6. A.* § 62 A. 46. 

») Dittenbebgeb Syll. 347. Vgl. S. 125. 

»«) Find. Ol. VII 156. Nem. V 78 mit 



Schol. 

'') Theokr. Id. XII 27 ff. mit Schol. zu 
29. Schol. Aristoph. Ach. 774. Schol. Find. 
Ol. Xin 155. BoECKH Explic. Ol. VII 86 
S. 176. 

»«) CIA III 129. 

") FauB. V 22, 2; VI 20, 4; V 18, 2. 

'^) Faus. VI 20, 2; 25,4. 

**) V. Fbott Leg. sacr. 46 ff. 

") V. ScHÖFFBB De Doli ins. reb. S. 11 f. 
A. 32. 

>') S. z. B. Bull, de corr. V 281 f. IG 
Sept. I 49. IG Sic. et It. 789. 



Alphabetisches Register. 



i^ 



Abai, Orakel zu 68. 
äßaroy 19. 26. 
Ackerstier 109. 
ä&fitjxa legsut 138. 
Adonia 218. 

ädvtoy 12. 26 f. 64 f. 71. 
äyaXfia 26. 81. 
ayiyeioi 197. 
aysvatot d-v<riat 124. 
Aiakeia 224. 
Aianteia 224. 
Aiora 207. 

atgsir&M tovs ßovs 100, lo. 
äxanva 92. 
dxoyiti 178. 
Aleaia 223. 
Allerheiligstea 25. 83. 
äXffog 18. 
Altäre 13 ff. 123. 
Altarpriester 40. 159. 
Alter der Opfertiere 136 ff. 
Altis 173. 176. 
aXvtai 174. 

dfABxaaxQBntl 134. 145. 
Ammonorakel 62. 
Amphiaraia 221. 
Ampbiareion 16. 25. 29. 70. 84. 
dfKpiqxoyteg 212. 
dfA(ping6ctvXog 24. 
äfjLffb&aXBig nai&eg 36. 184. 

189. 201. 
Anakalypteria 228. 
dyaxxoQoy 163. 
dyägQva^g 204. 
dya&ij/iaTa 33. 81, i. 
Anthesteria 208 ff. 
dyrXijtgMi 203. 
dndQyfAaxa 17. 
dnaQXf^'f- 83, 14. 142. 156. 
Apatm-ien 204 f. 
dnsyittvxiafjLOQ 141, 10. 
dtpsXi^g 85. 
äffscig 179 f. 
d<p<HH<o9^yai 75. 



Apobaten 196. 
dno6i,ono(jLnBla9^M 146, is. 
Apollonia 222. 
a7ioq>6Qtjxa 103. 
dnotpgddes i^fiiqai 65. 
dno^Qtjxa 216. 
anoxQonaLa 119, 7. 139. 
«Tiv^a 92. 216, 18. 
dQd 75. 
tt^X^iQBva 43. 
ttQx^BQSvg 43. 
uQX^Qo^^ttjg 46. 
aq&dyioy 147. 
dQsaxiJQta 119. 
dqtjxrfq 31. 
dgxxot 217. 
Arrhepboria 215. 
dQQrj(p(Qoi 198, 216. 
«a£/9€ta 10. 32. 100, 2. 
Askese 150 f. 
Asklepiaden 70. 
Asklepieia 211. 221.^ 
Asklepieion 18, s. 45. 
Asklepiosorakel 69 f. 
d<rx(oXiacfi6g 207. 
Asyle 29 f. 
davXia 49. 
Atelie 40. 49. 
Vl^a»"«»« in Sparta 220. 
Atblotheten 199. 
avsQVBiy 100. 

B. 

Bakiden 60. 
Basilissa 49. 208 f. 
Bendideia 9. 45. 214. 
Beschwörungen 77. 
Bleitäfelchen 68. 75 f. 
Blitz 51. 
Blutrache 140. 
Blutschuld 140 f. 161. 
Blutspende 123. 129. 131. 
Boedromia 201. 
ßtofMg 18 f. 17. 
ßotayac 46. 



Handbuch der klaas. Altertanuwinenschaft V, 3. 2. Anfl. 



Branchidenorakel 67. 
Brandopferaltar 13. 15 f. 58. 
Brauronien 45. 217. 
Buchstabenorakel 59. 
Buphonien 100,2. 216. 
ßovfpoyog 216. 
ßovg ^yBfJuay 103. 
ßov&vcia 175. 

C. 

Chalkeia 205. 

Charisteria 201. 

Gharitesia 221. 

X^Qyi^ 98. 

X(^ 94. 111. 128, u 131. 182. 

210. 
XoBg 208. 210. 
X^tjc/ioi 60 f. 
XQtjfffioXoyog 60. 
X&oyBia 100. 220. 
Chthonischer Kult 110 ff. 
XvxQot 208 ff. 



Daduchos 40. 44. 159. 207. 
diföovxovca 159. 
Daidala 220. 
&aXioy 98. 
Daphnephoria 220. 
Daphnephoros 43. 
dBinyoffOQot 202. 
dBxdaxvXog 23. 
Delia 222. 
Delphinia 212. 221. 
Delphisches Orakel 63 ff. 
drjfJLOXBXBig d-voiai 96. 102. 
diaßaxiJQM 97. 
Diasia 90. 120. 210. 
Si€utvaxaci,g 42. 
dUtvXog 177. 
Diisoteria 217. 
Diogeneia 125. 224. 
Diokleia 224. 
Dionysia in Rhodos 223. 
Dionysiasten 168. 
15 



226 



AlphabetiBoheB Register. 



JioyviTM rd ini Aijyelt^ 207. 
Dionysien, grosse 211 f. 
Dionysien, ländliche 206. 
Jiog x<adiop 146. 
Dipolia 216. 
dinxe^og 24. 
Dipylongräber 129. 
Diskoswurf 182. 
Diihyrambos 74. 208. 211. 
da&sxtjlg 106. 
Dodona 61 f. 
Dogma 9. 153. 
doXtxog 177. 
Doppeltempel 25. 
dognla 204. 
^Qäy 163) 16. 

&Qwf4€va uvatix« 157. 168. 
166. 

E. 

Ehrendekrete 87. 

Ehrenplätze 86. 40. 

Eid 78 f. 

Bt^oiXa 52. 

Eidopfer 79. 121 ff. 186. 

Eingeweideschan 56 ff. 

Eireneopfer 195. 

Eiresione 91. 201. 213. 

BioBXttvyBiy 185. 

Ekecheirie 156. 162. 171 f. 

192. 201. 221. 
Ekstase 52. 63. %^, 68. 
Elaphebolia 211. 
Eleusinia 162. 201. 
Elentheria 221. 
Bfinvqa {aijf^ccta) 58. 
iyayijg 143. 
iyaylcfiata 125. 
ivayl^Bty 127. 132. 
iyyvt^itnQiai 149. 
Moga 102. 
ivo&toi cvfißoXoi 51. 
ivoQXVS 186. 

iyji/Aysiy 120. 124. 127. 132. 
sy&Bog, iy&ovaucCtoy 60. 
hiMyog 72. 
inaoidal 11, 
Epheben 50. 119. 125. 127. 

200. 202. 211 f. 218. 224. 
Bq>Bigog 188. 
änidBi^B^g 189. 
Epikleidia 218. 
Epileneia 207. 

iniuBXtjrai 46. 160. 189. 207. 
Epimenides 116. 143. 
inifAijyioi 45 f. 107. 
hilnqaaig 42. 
htiaxBvaaxal Ugtoy 4el, 
inundtai 160. 
Eponyme Priester 43. 46. 
Epopten 161 ff. 166. 
yayoi 166 ff. 

Erbliche Priestertümer 40. 
Erdorakel 64. 
iQyacuyaL 198. 205. 



Erlösung der Priesterämter 41. 
Erotideia 220. 
Errhephoria 215. 

iQQtJfpOQOV 49. 

iaxdQa 13. 17 f. 89. 126. 132. 
BvayyiXia &vBiy 96, lo. 
Bvaydgiag dytay 198. 
BvdQTtog 86, 2. 
Bvxv 72. 
Bv(pfjfjiLa 99. 
BvoBß^g 10. 
Exegeten 67. 175. 

F. 

Fackel 44. 88. 161. 
Fackeltänze 163. 
Fackelwettlauf 88. 196. 198. 

205,6. 224. 
— zu Pferde 214. 
Familienkulte 40, is. 152. 
Farbe der Opfertiere 184 f. 

143. 
Faustkampf 177. 
Festkommissionen 45. 49. 
Fettdampf 88. 
Feuer, reines 88 f. 144 f. 
Fische 20. 85. 89. 75. 85. 
Fischopfer 109 f. 
Fleischverteilung 45. 108 ff. 
Fluch 83. 76 f. 
Fluchmale 77. 
Flussgottheiten, Opfer für 

120 f. 
Freilassungsurkunden 88. 
Frömmigkeit der Athener 80. 

130. 194. 
Fruchtopfer 91. 182. 
Fürbitte 83. 89. 

O. 

yaXa&fjyd iBQBia 188. 

Galle 56 ff. 101. 

Gamelia 208. 

Gebet 72 f. 

Geburt, verunreinigend 148. 

Geisterbeschwörer 71. 

Gelübde 72. 

Genesia 200. 

yBQtt^al 49. 208. 

y^Qtj 88. 95. 

Geschlecht der Opfertiere 

185 f. 
Geschlechterknlt 81. 41. 95. 

152 f. 
Götterbilder 26 f. 
Gottesurteil 79. 
Grabsohänder 76. 
Gymnopaidien 220. 

H. 

Haarweihen 84. 

Häute der Opfertiere 38. 46. 

58. 104 f. 
Hahnopfer 108. 132. 184. 
alfjiaxovQia 181. 



Halieia 223. 
Haloen 206. 

Hekatombaia 195. 219 f. 
Hekatombe 95 ff. 105 f. 
Hellanodiken 174 ff. 221. 
Hephaistia 205, 5. 217. 
Heraia 220 f. 228. 
Herakleia 45. 218. 220. 
Herden, heilige 20. 85. 
Hermaia 218. 
Hermen 27. 
i^firjg 103, 2. 
Heroenaltar 17. 
Heroenkult 124 ff. 
Herolde 81. 46. 102. 160. 173. 

176. 220. 
Heroen 23, s. 126. 
iaüa 13. 18. 
UQd 89. 57 f. 186. 
IsQBVBiy 88, 4. 
Hierodulen 48 f. 86. 175. 
iBQoxrjqv^ 46. 159. 208. 
IsQOfjitjyla 172 f. 
Hieromnemonen 48. 189. 

iBQOy 6/101 46. 

iBQonaQBxrtjg 46. 
Hierophant 40. 44. 157. 169. 

161. 164. 
Hierophantin 157. 159. 
IsQoqwXttXBg 47. 
Hieropoioi 44 ff. 97. 160. 
iBQoaaXmatijg 46. 
IsQog yd/iog 208. 
Hieroskopie 55 ff. 
fsQiaüvya 88. 95. 
iBQOtauiM 47. 104. 
Ugo^Ttjg 40. 46. 
lXd<fxBC&M 120. 182. 
IXaafAog 141, is. 
Hippodrom in Olympia 179 f. 
lax tri 17. 
Hochzeit 148. 
oXoxXfjQog 35. 
ouoßojuioi 16. 
Honig 89. 89ff. 93 f. 111. 129. 

182. 
Honigkuchen 51. 71. 93, 10. 
0010t 65. 
Hundeopfer 112. 119. 129. 

184. 145. 149. 
Hyakinthia 194. 218. 
Hymnen 74. 

VOQOffOQM 210. 

Hypaithraltempel 23. 
Hypopheten 61. 

vnoQxVf*^^^ '^^' 
vTioidxoQOi 47. 
Hysteria 108. 220. 



lakchagogos 162. 
lakchos 154. 163. 
lakchostag 201. 
lamiden 58. 60. 63. 175. 
Inkubation 70, 



Alphabetisohe« Register. 



227 



lobakchen 44. 167, n. 
lolaeia 220. 
Isismysterien 166. 
Isthmisclie Spiele 190 f. 

K. 

Eabiren 165 ff. 
Eabirentempel 18, s. 25 f. 29. 
Käse 35. 39. 
Eäseopfer 89. 91. 
Ealligeneia 204. 
Kallynteria 214. 
xayfjq^oQOi 49. 199. 
xanyavyijs 46. 
Earneia 219. 223. 

xaxdqyfxaxa 106. 
xaxaaxqiffBiy 120. 
xa^ayileiy 132. 
xa&dQfAaxa 117. 145. 149. 
xadägaios 116. 119. 149. 
xaxsvxt} 99. 
xBvoxttffiov 125. 129. 
Eeryx 40. 46. 159. 
Eiaros, Orakel zu 68. 
xXfjdaiy 50. 
•xÄflcfow/o* 44, 4. 
xX^Qoi 62. 
xXiyr^ 13. 147. 
Elytiaden 60. 175. 
Enabenchöre 49. 211. 214. 
xüjXaxQäxrjg 38, 5. 48. 
Eollekte 39. 
Eomödienagon 210. 
xdSfiof 179. 211. 
araiTToi 220. 
xoxirog 184. 
Eranz beim Opfer 98. 
xQtjyotpvXa^ 49. 
Eriegswagen 197. 
Eronien 195. 
Eucbenopfer 39. 89 f. 132. 

210 ff. 
Eultbild 26 f. 
Eultgemeinscbaften 106. 
Euppelgr&ber 126,i4. 128. 131. 
xovQstüxig 204. 
xvxetjy 163. 

L. 
Labyaden 153. 
Leber 56. 

Xey6f4€ya 164. 166. 
Leichen, befleckend 35. 147 f. 
Lektisternia 13. 110. 217. 
Xevxüi/Äa 174. 
Xlxyoy 161. 
Xoßoi 56. 
Xoyia 66. 115. 
Xoißi] für x^ 132, 7. 
Lntrophoros 43. 
Lykaia 116. 222. 

H. 

fidyeiQot 46. 95. 175. 
/layxeloy 61. 



Mantik 31. 34. 60 ff. 
fAayxixd legd 59. 
f^dyxis 33 f. 55. 57 f. 72. 97. 
Marathonfeier 200. 
fiacxaXil^sty 142. 
Massenopfer 96. 105. 
(jLdl^M 89. 
Meeresgottheiten, Opfer für 

120 f. 
Megabyzos 37. 
(jLByaqa 121. 203. 
IJiiyaQoy 25. 
(jLBiMyuaxa 90. 
Meineid 78 ff. 
fjLsloy 204. 

fißXixQaxoy 93 f. 111. 132. 
/ÄsXixovxxa 90. 
Menschen geweiht 85. 
Menschenopfer 114 ff. 126. 

129. 135. 144. 217. 222. 
firjQia 101. 
fiBXBxix^Qoy 175. 
Metragyrten 151. 
fuaQai iqfXBQM 210. 
fjLiaöfjLa 140. 143. 146. 
Milohspende 94,8. 129. 132. 
Monatsnamen 193 f. 
fjiOQim 21. 197. 
Münzrecht von Tempeln 29. 
Munichia 212. 
Museum 84. 
Musische Agone 188 ff. 196. 

214. 220 f. 
fjivBiv 160. 
uvaxaytüyos 160. 
Mysterien, eleusinische 152 ff. 
Mysterien, kleine 161. 210. 
Mysterien, grosse 162. 



yaog>vXaxBS 44. 46. 
Naturreligiou 7. 
yBXQ0f4ayxBia 71. 
Nemeische Spiele 191 f. 
yB<ox6Qog 38. 47. 168. 
yBwnoioi 46. 
yfjq>dXia 90. 98 f. 
yfj(pdXia ^vXa 89. 
yTj(pdXioi ßtofxol 93, 10. 
Niederknieen 74. 
Niesen, vorbedeutend 51. 
Nikephoria 192. 
yofjLog Hv&ixog 188. 

0. 

Ölzweig 142. 
oixoaxonixfj 51, 17. 
oi(oyunaL 53. 
oiwyonoXoi 53. 
otayds 53. 
oitoyoaxoTtoi 55. 
oXai 99. 

oXoXvyfiog 72. 101. 
Olympieia 212. 
Olympisches Orakel 63. 



Olympische Spiele 169 ff. 
6f4(fai 51. 
Omphalos 65. 
Opferanteile 38. 45. 104 f. 
Opfergemach 26. 
Opfergruben 17 f. 26. 131. 
Opferkalender 32. 97. 102. 
Opferkorb 98. 
Opfertische 24. 26. 39. 89. 

92, S2. 
Opferzeit 126 f. 133 f. 
Opisthodomos 24 f. 28. 
Orakel 61 ff. 
Orakelsammlungen 60. 
oQydg 19. 
Orgeonen 166 f. 
oQyia 153 f. 165. 
Oropos, Orakel in 70. 
Orphiker 150 f. 
Oschophorien 201 f. 
6<F(pvg 38. 
oaaai 51. 



Paian 74. 108. 133. 188. 219. 
naXaiaxQOifvXa^ 49. 
Panathenaia 21. 28. 45. 105 ff. 
Pandia 212. 
Pankration 178. 
flnyofAffoiog 54. 61. 
Parasiten 46. 
Patara, Orakel zu 68. 
ndxqioi ^vaim 31. 97. 104. 
TiBXayog 89 f. 163. 
nifi/nara 89. 
nsyxanXoa 202. 
Pentathlon 182 f. 
Peplos 198 f. 
iiBqißoXog 22. 83. 85. 
TiBQi&ioyixijg 192. 
neQltfnjfia 116. 145. 
nsQinxsQog 24. 
TtBQiQQalyBiy 145, 4. 
TtBQiQQayxiJQioy 22. 
Pferdeopfer 113. 120 f. 127. 

129. 135. 
(paidvyxai 21, s. 
(fttQfjiaxol 117. 213. 
^fAM 50 f. 
(pXoyiänd aijfiaxa 58. 
Jli&olyitt 208. 
Plynteria 214. 
noXvdydQia 127. 131. 
nonayoy 89. 
nqdaig 42. 

Preise von Opfertieren 103 f. 
Preise von Pnestertümern 37. 
Priester 31 ff. 

— Alter der 34 f. 

— Einkünfte der 37 ff. 
Priesteramts, Dauer des 42. 
Priesterinnen 34 ff. 
Priesterstand 9. 81. 
Priestertitel 43. 
Priestertracht 43. 

15« 



228 



Priesterweihe 42. 
Priesterwohnungen 22. 37. 
Privatkulte 9. 40- 
PrivÄtopfer 38. 
nQo/viai 99. 
Prodigium 67. 113. 
prodigivae hostiae 113. 
Proerosien 50. 218. 
ngo/iayrsla 49. 6ß. 
nQOfidyxieg 62. 
Prometheia 205, 5. 218. 
TtQoyaov ßiofjioi 16, le. 
Pronaos 23 f. 
nQ0(pijr7jg 63. 65 f. 68. 
nQo<piJT(>&€g 62. 
TiQoaxvyuy 74. 
nQOffodia 74. 
n^oarpdytu 131, 12. 
TtQoS^vais 15. 
^pvxouaytua, ^pv^onounBia 

71. 
Purpurfarbe 43 f. 77. 
Pyanopsia 201. 
jiv^a 128. 131. 
nvQfpoQoi, 43. 
Pyrrhiche 196. 198. 
Pythia 65 ff. 
Pythische Spiele 187 ff. 222. 

B. 

Regatta 198. 212. 224. 
RehfeUe 146. 
Reinheit 35. 139. 
Reinigung 31. 118. 188 ff. 
Reinigungsopfer 119. 
Ä^C«i/ 88, 4. 
Kingkampf 177. 
Rundtempel 23. 

8. 

Samothrakische Mysterien 

165 ff. 
Schachtgrftber 17. 
Schatzhäuser 23, 9 u. 10. 85. 
Schwanz der Opfertiere 58. 

101. 
Sechzehn Frauen, Kollegium 

der 49. 
Seher- 44. 50 ff . 
Sehergeschlechter 59. 
<r»7xdff 23 f. 
aijfiata 51. 55. 63. 
Septerion 222. 
Sibyllen 60. 
axiä&ss 219. 
Skirophoria 215. 
Sminthia 223. 
Soteria 222. 
catfJQw 9vsiv 96, 8. 
Speerwerfen 182. 
Spenden 93 f. 118. 123. 128. 
iKpayeiop 101. 
«rqpayta 57 f. 112. 115. 118 f. 

133. 



AlphabetiBolietf Register/ 




1 

i 

» 


<rq>ayuiCe<r»m 118. 124. u 
atpäxteiy 88, 4. 100,1». IJB, 12. 


Totenfeste 130. 200. 


i 


Totenkult 128 ff. ' 


anXäyxya 56. 101. 


Totenorakel 71. 




ixnoySo(p6Qoi 46. 159. 172. 175. 


Trächtige Opfertiere 138. 


1 


Stadion in Olympia 176. 


Trankopfer 93 f. 




(naqtvXoÖQOfiot 220. 


TQaneCtofjiava 39. 


* 


Statuen geweiht 82. 186. 


Traum 51 f. 


\ 


Stellvertretung der Priester39. 


Traumdeuter 52. 




Sxrjyia 203. 


Traumorakel 69 f. 




Stephanephoros 43. 


tQiaxädeg 130. 




Strafgelder 21. 76. 


TQitonätoQsg 112. 




axQ6<ptoy 44. 


TQlttoiai 106. 136 f. 


• 


atvyyottjg HO, le. 210, 14. 


Trompeter 173. 




Stihnlieder 147. 


tQonaioy 82. 




Sahnopfer 112 ff. 


Trophoneia 224. 




ixvfiß(ofiot 16. 


Trophoniosorakel 69. 71. 




<rvyyQa<pal 97. 






Synoikia 195. 


U. 

ovXaly ovXoxvrai 99. 120. 146. 




T. 


Unblutige Opfer 16. 24. 27. 




tafjilat 47 f. 160. 


92. 94. 195. 




Taraxippos 179. 


Unfruchtbares Opfertier 129. 




Taubenopfer 145. 


Unrein 19. 22. 85. 138 ff. 




reXiJBaca ixato/ißij 137. 






teXsia lBQ€ta 122. 137 f. 


V. 


• 


teXeral 144. 154. 158. 206. 


Verfluchung 37. 




Telliaden 60. 


Verkauf von PriestertSmern 




tifjieyog 18 ff. 


42. 




Tempel 12. 21 ff. 


Verwfinschungen 75 f. 




Tempelbezirke 18 ff. 


Vogelzeichen 53 f. 
Volksspeisung 28. 103. 196. 




Tempelgüter 18 ff. 21. 32. 39. 




Tempelorientierung 25. 






Tempelschätze 28. 39. 45. 


W. 




47, 28. 84. 


Waffenwettlauf 184. 188. 




Tempelstufen 22 f. 


Waffen, geweihte 82. 




Tempelvermögen21. 24. 32.39. 


Wagenrennen 179 ff. 188. 197. 




rigag 51. 63. 


Wahl der Priester 41. 




»aXXoq>6Qoi 199. 


Wasser bei Reinigungen 144. 




Thalysia 223. 


Wasserspende 103. 129. 132. 




Thargelia 117. 213. 


165. 210. 




Theatersitze 34. 36. 


Weihgeschenke 80 ff. 




Theogamia 223. 


Weihrauch 14. 92. 101. 126. 




öcotVt« 206. 209. 


145. 




»eoxoXot 172. 174. 


Weissagung 50. 




&eofio^ia 95. 


Weisspappel 89. 
Wettlauf 176. 182. 




Theophanien 222. 




&60<p6Q7JZOl QO. 


Wettreiten 181. 




^Bonqonoi 66. 


Wettsprung 182. 




Theoren 185. 


Wildopfer 109. 119. 




Theorika 212. 


Windgottheiten 112. 115. 134. 




Theoxenia 110. 222. 


Wolfsopfer 119. 122. 




^aavQog 39. 85. 


Wolle 73. 91. 142. 212. 




Theseia 45. 202. 


WQrfelorakel 59. 




Thesmophoria 203. 224. 






&iacoi 166 ff. 


X. 




Thron 13 f. 22. 


^oayoy 26. 




&vB^y 88, 4. 


z. 




»vijnoXoi 44. 46. 


Cdxo^oi 47. 




dvoaxoog 55. 


Zauberei 77. 




&vaia 28. 95, 2. 203, u. 


Zehnte 28. 81. 




»vrtjg 46. 


Zeichen 83 f. 44. 50 ff. 




Tiere aus Backwerk 90 f. 120. 


Zeichenorakel 61 ff. 




210 f. 


Zunge der Opfertiere 38. 102. 




Toneia 223. 







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